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DIE
GESCHICHTE DES EISENS
IN TECHNISCHER UND
KULTURGESCHICHTLICHER BEZIEHUNG
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DRITTE ABTEILUNG.
DAS XVIII. JAHRHUNDERT.
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DIE
GESCHICHTE DES EISENS
IN TECHNISCHER UND
KULTURGESCHICHTLICHER BEZIEHUNG

DRITTE ABTEILUNG.
DAS XVIII. JAHRHUNDERT.
MIT 232 IN DEN TEXT EINGEDRUCKTEN ABBILDUNGEN.
BRAUNSCHWEIG,
DRUCK UND VERLAG VON FRIEDRICH VIEWEG UND SOHN.
1897
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INHALTSVERZEICHNIS.


Die Geschichte des Eisens im 18. Jahrhundert.
Allgemeiner Teil.

  • Seite
  • Einleitung1—11
  • Litteratur im 18. Jahrhundert 11—57
  • Wissenschaftliche Lehranstalten 57—63
  • Die Chemie des Eisens in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts 63—74
  • Physik 74—91
  • Dampfmaschine vor Watt 91—112
  • Die Eisenindustrie bis gegen 1740.
    Die direkte Schmiedeeisengewinnung — Luppenfeuer — Stucköfen 113—131
  • Hochöfen bis 1734 131—163
  • Die Eisengieſserei bis 1750 163—175
  • Eisen- und Stahlfrischen 175—201
  • Die Cementstahlfabrikation (nach Reaumur 1721) 201—227
  • Schmiedbarer Guſs (nach Reaumur 1721) 227—242
  • Die mechanische Bearbeitung des Eisens (Polhem 1720 bis 1746) 242—255
  • Die Ankerschmieden 255—261
  • Die Weiſsblechfabrikation (1725) 261—265
  • Die Nadelfabrikation 265—270
  • Die Eisenindustrie um die Mitte des 18. Jahrhunderts (1740—1770).
    Die Erfindung des Guſsstahls271—281
  • Die Cementstahlfabrikation besonders in England 281—292
  • Der Eisenhüttenbetrieb um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
    Das Brennmaterial 292—315
  • Die Eisenerze 315—321
  • Die Hochöfen in Frankreich um 1750 322—334
  • Seite
  • Die Floſsöfen in Steiermark und Kärnten (334—347) 334—366
  • in Schmalkaden 347—349. Die Hochöfen in Deutschland 349—355,
    in Schweden 355—358, in Norwegen 358—362, in England
    362—365, in Saarbrücken 365—366.
    Die Eisenverarbeitung.
    Die Eisengieſserei um die Mitte des 18. Jahrhunderts 367—386
  • Das Eisenfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts 386—409
  • Stahlfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts 409—431
  • Eisen- und Stahlveredelung 432—453
  • Drahtzieherei, Nähnadelfabrikation 453—472
  • Amboſsschmieden, Rohrhämmer, Messer- und Waffenfabriken 473—483
  • Die Chemie des Eisens von der Mitte des 18. Jahr-
    hunderts bis zum Sturz der Phlogistontheorie
    483—502
  • Die Eisenindustrie in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.
    Die Maschinen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.
    James Watt und die Dampfmaschine 503—543
  • Wasserräder. Gebläsemaschinen. Hämmer 543—578
  • Walzwerke. Scheren 578—601
  • Werkzeugmaschinen. Öfen 601—625
  • Lavoisier und die antiphlogistische Chemie626—647
  • Die Eisenbereitung im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts.
    Luppenfeuer 1775—1800 648—664
  • Frischfeuer 1775—1800 664—681
  • Frischen am Harz und in Österreich zu Ende des Jahr-
    hunderts 673—681
    Puddelproceſs. Feineisenfeuer 682—710
  • Hochöfen Ende des 18. Jahrhunderts 710—747
  • Eisengieſserei Ende des 18. Jahrhunderts748—768
  • Stahl Ende des 18. Jahrhunderts768—776
  • Verarbeitung von Eisen und Stahl777
  • Die gewerblichen Verhältnisse778—787
  • Besonderer Teil.
    Die Geschichte der Eisenindustrie in den einzelnen Ländern.

    Deutschland778—990
  • Österreich 789—826
  • Bayern, Württemberg, Baden 826—832
  • Nassau und das Siegerland 832—849
  • Hessen und Thüringen 849—861
  • Der Harz 861—896
  • Sachsen 896—905
  • Preuſsen 905—936
  • Westfalen und die Rheinlande 936—990
  • Seite
  • Belgien990—993
  • Lothringen (bis 1756) 993—997
  • Frankreich997—1052
  • Italien1053—1056
  • Spanien1056—1063
  • England1063—1101
  • Schweden1101—1122
  • Ruſsland1122—1151
  • Amerika1152—1181
  • Register1183—1205

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DIE
GESCHICHTE DES EISENS
IM
ACHTZEHNTEN JAHRHUNDERT.


Beck
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DIE GESCHICHTE DES EISENS
IM
ACHTZEHNTEN JAHRHUNDERT.


ALLGEMEINER TEIL.


Einleitung.


Im 18. Jahrhundert waren die Fortschritte im Eisenhüttenwesen
sehr bedeutende, durch sie wurde die Grundlage des Riesenbaues der
modernen Eisenindustrie geschaffen.


Die politischen Verhältnisse trugen zur gewerblichen Entwicke-
lung insofern bei, als die Länder Europas sich wenigstens zeitweilig
ungestörter Friedensperioden erfreuten. War die Zahl der Kriege
auch groſs, so hatten dieselben doch nicht den verheerenden Charakter,
wie der 30jährige Krieg in Deutschland, der Revolutionskrieg in
England, der Befreiungskrieg der Niederlande, welche alle bürger-
lichen und staatlichen Verhältnisse bis in den Grund aufgewühlt
hatten. Aus den Kämpfen des 17. Jahrhunderts war eine gewisse
Gruppierung der europäischen Groſsmächte hervorgegangen, welche
sich während des 18. Jahrhunderts mehr und mehr befestigte. Die
leitende Stellung des römisch-deutschen Kaisers hatte schon längst
aufgehört. Deutschlands innere Kraft war durch den 30jährigen
Krieg gebrochen und der westfälische Friede hatte ein Konglomerat
einer Unzahl kleiner und groſser Einzelstaaten hinterlassen, welche
nur dem Namen nach durch das deutsche Kaisertum zusammen-
gehalten wurden. Begann doch das Jahrhundert damit, daſs sich der
Kurfürst von Brandenburg selbst die preuſsische Königskrone auf-
setzte. Wenn auch an Umfang den übrigen Staaten überlegen, stand
Deutschland an Macht den geschlossenen Einheitsstaaten Frankreich
und England nach. Diese beiden kämpften um die Hegemonie in
1*
[4]Einleitung.
Europa, wobei Deutschland oder einzelne deutsche Staaten nur Hand-
langerdienste verrichteten, der deutsche Grund und Boden bei allen
gröſseren Verwickelungen aber wieder das Schlachtfeld abgeben muſste.
So war es gleich zu Anfang des Jahrhunderts im spanischen Erb-
folgekrieg, an dem sämtliche westeuropäische Staaten beteiligt waren.


Italien litt an der gleichen Zerrissenheit wie Deutschland und
auſserdem noch unter der antinationalen Politik des Papsttums.


Spanien war zu Grunde gerichtet durch seine selbstmörderische
Finanz- und Volkswirtschaft und durch eine unduldsame Priester-
herrschaft.


Entsprechend den politischen Verhältnissen, entwickelte sich die
Eisenindustrie: In Italien und Spanien Stillstand, in Deutschland
anfangs Stagnation, in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts lang-
samer Fortschritt, mehr erzwungen durch die Konkurrenz des Aus-
landes, als aus eigener Initiative. Infolgedessen bethätigte sich auch
der Fortschritt in Deutschland mehr in Nachahmung als in Erfindung.
Die Länder des Fortschrittes auf dem Gebiete der Eisenindustrie
waren Frankreich, England, Schweden und Ruſsland.


Frankreichs Ehrgeiz ging dahin, der erste Staat in Europa, vor
allem auf dem Kontinent, zu sein; es erstrebte politische Macht
nach auſsen, die Wohlfahrt im Inneren fand erst in zweiter Linie
Berücksichtigung, ja sie wurde im Laufe des Jahrhunderts jenem
ehrgeizigen Phantome nicht nur untergeordnet, sondern sogar zum
Opfer gebracht. Aber Frankreich hatte seinen Zweck erreicht, der
angesehenste und einfluſsreichste Staat des europäischen Kontinents
zu sein. Sein Einfluſs auf die Entwickelung der Eisenindustrie war
ein groſser, aber mehr auf theoretischem als auf praktischem Gebiete.
Die industriellen Fortschritte im eigenen Lande können nicht als
mustergültig bezeichnet werden und haben die Eisenindustrie nicht
wesentlich gefördert, aber die theoretische Behandlung des Gegen-
standes, welche in einer reichen, vortrefflichen Litteratur ihren Aus-
druck fand, wurde von groſser Bedeutung für dieselbe. Frankreich
gebührt mit Schweden der Ruhm, der Begründer der Eisenhüttenkunde
als Wissenschaft zu sein.


Ganz anders gestaltete sich die Entwickelung in England. Dieses
erstrebte die Weltherrschaft zur See nicht aus Ruhmsucht, sondern
zur Sicherstellung seines groſsartigen Handels und seiner Industrie.
Deren Schutz und deren Entwickelung waren die ersten Interessen
des Staates; diese waren es, welche sein politisches Handeln leiteten.
Das Streben der Engländer war ein durchaus praktisches sowohl in
[5]Einleitung.
der Politik, wie in der Industrie. Deshalb trat die theoretische Dis-
kussion in den Hintergrund, das praktische Experiment aber in den
Vordergrund, und während die schriftstellerische Thätigkeit in Eng-
land auf dem Gebiete der Eisenindustrie im 18. Jahrhundert fast
gleich Null ist, sind alle wichtigen Fortschritte und Entdeckungen
hierin in England gemacht worden, und am Schlusse des Jahrhunderts
steht England als die erste Eisenmacht der Welt da.


Schweden setzte seine Bestrebungen auf Hebung der nationalen
Eisenindustrie, welche die wichtigste Grundlage seines Wohlstandes
bildete, mit Eifer und Erfolg fort und trug auf theoretischem, wie
auf praktischem Gebiete zum Fortschritt des Eisenhüttenwesens bei.


In Ruſsland schuf der starke Wille eines genialen Herrschers eine
mächtige Eisenindustrie, die bald im stande war, mit der der übrigen
Staaten Europas in Wettbewerb zu treten. Die Groſsartigkeit der
Unternehmungen zeitigte manche Fortschritte, welche der ganzen
Eisenindustrie zu gute gekommen sind.


Mit kleinen Anfängen begann die Eisenindustrie Nordamerikas.
Zunächst zog sie die Blicke der Politiker auf sich, denn der Druck,
welchen sie durch die unvernünftige und ungerechte Industriepolitik
Englands seinen Kolonien gegenüber gerade auf dem Gebiete der
Eisenindustrie ausübte, gab den Hauptanstoſs zu dem denkwürdigsten
Ereignis des vorigen Jahrhunderts, der Unabhängigkeitserklärung der
nordamerikanischen Freistaaten. Wir werden diesen wichtigen Vor-
gang an späterer Stelle beleuchten.


Der Verbrauch von Eisen wuchs, wenn auch lange nicht mit
der Geschwindigkeit, wie in diesem Jahrhundert, von Jahr zu Jahr.
Es war dies die natürliche Folge der zunehmenden Civilisation. So
gingen Massen von Eisenfabrikaten von Europa nach Amerika für die
immer mehr sich ausbreitenden Ansiedelungen. Immer gröſsere
Mengen von Eisen verbrauchte die wachsende Seeschiffahrt. Der
Fortschritt des Maschinenwesens, die Feuermaschinen, Dampfmaschinen,
Walzwerke, Cylindergebläse u. s. w. erhöhten den Verbrauch von
Eisen. Man begann eiserne Schienenwege anzulegen und eiserne
Brücken zu bauen. Alles dieses trug zum Wachstum der Eisenindustrie
bei. Der Verbrauch an Eisen wurde mehr und mehr der Kultur-
messer der Nationen.


Dieser wachsende Verbrauch ging Hand in Hand mit den Fort-
schritten der Technik. Es wäre aber verkehrt, zu sagen, der zuneh-
mende Bedarf allein habe diese Fortschritte veranlaſst. Der Bedarf an
Eisen ist infolge der mannigfaltigen vortrefflichen Eigenschaften dieses
[6]Einleitung.
Metalles ein unbegrenzter. Jede technische Verbesserung in der Her-
stellung desselben, die eine Steigerung der Produktion und eine Ver-
billigung des Eisens zur Folge hat, bewirkt auch eine Steigerung des
Verbrauchs. Die technischen Fortschritte steigern also ebenso den
Verbrauch wie der vermehrte Verbrauch die Fortschritte steigert.
Daher kommt es, dass wir in den einfachen Verhältnissen früherer
Jahrhunderte und wie sie noch in der ersten Hälfte des 18. Jahr-
hunderts vorliegen, das Wachstum der Industrie kaum wahrnehmen,
während dieses Wachstum um so rascher zunimmt, je komplizierter
unsere Industrie wird, je mehr wir uns der Gegenwart nähern.
Dasselbe stellt sich fast wie eine geometrische Progression dar;
jedenfalls erscheint sie uns im letzten Viertel des vorigen Jahr-
hunderts bereits riesengroſs im Vergleich mit der ersten Hälfte des-
selben.


Die Fortschritte vollzogen sich auf theoretischem und auf prak-
tischem Gebiete. Auf ersterem übernahm zuerst Frankreich die Füh-
rung, und zwar durch den genialen Reaumur, den philosophischen
Metallurgen. Ihm verdankt die Eisenhüttenkunde ihre eigentliche
Begründung, durch ihn erlangte sie erst die Gleichberechtigung, ja
die bevorzugte Stelle in der Metallurgie.


Durch sorgfältige Versuche, in wissenschaftlichem Geiste erdacht,
ausgeführt und erklärt, versuchte Reaumur zuerst Klarheit über die
verschiedenen Zustände des Eisens und deren chemische und physi-
kalische Unterschiede zu verbreiten. Auf derselben Grundlage baute
er seine Erfindungen der Cementstahlbereitung und des schmiedbaren
Gusses auf. Denn als seine Erfindungen dürfen wir diese Prozesse wohl
bezeichnen, wenn auch schon früher daraufbezügliche Versuche gemacht
worden waren, welche aber einen durchaus empirischen Charakter an
sich trugen und in den Schleier des Geheimnisses gehüllt wurden.
Diesen hob Reaumur und beleuchtete in seiner lichtvollen Weise das
Wesen dieser Prozesse, die er dadurch jedem verständlich und zu
einem Gemeingut machte. Daſs der praktische Erfolg nicht der er-
hoffte war, daſs gerade in Frankreich diese beiden Fabrikationen
nicht den erwarteten Fortgang nahmen, daſs Reaumurs eigene Unter-
nehmungen im Groſsen verunglückten, beweist nichts gegen den
groſsen Werth der theoretischen Grundlage, welche Reaumur ge-
schaffen hat. Aber auch die praktischen Erfolge blieben im Laufe
der Zeit nicht aus, nur zog nicht Frankreich, sondern England den
Nutzen davon. Die Cementstahlfabrikation erlangte schon in der
ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine groſse Bedeutung in England
[7]Einleitung.
und bildete zunächst die Grundlage für die englische Gärbstahl-
bereitung; später wurde sie auch die Grundlage der Guſsstahlfabri-
kation, die aus ihr entstanden ist. Die Fabrikation des schmiedbaren
Gusses verschwand, nachdem die Versuche in Frankreich ungünstig
verlaufen waren, lange Zeit ganz, um erst gegen Ende des Jahr-
hunderts in England von neuem und mit besserem Erfolg wieder
aufgenommen zu werden.


Hatte Reaumur der Eisenhüttenkunde durch das wissenschaft-
liche Experiment
ihre Grundlage gegeben, so führte ein anderer
hervorragender Gelehrter des vorigen Jahrhunderts, der Schwede
Emanuel Swedenborg, eine andere Methode, die der Ver-
gleichung
ein, welche die Grenzen der Hüttenkunde erweiterte und
Übersichtlichkeit über die mannigfachen einzelnen Prozesse bewirkte.
Ihm verdanken wir in seinem vortrefflichen Buche „De Ferro“ die erste
Eisenhüttenkunde. Dieselbe ist wesentlich historisch und beschreibend,
indem darin die schwedischen Hüttenprozesse möglichst objektiv, so
wie sie damals ausgeführt wurden, geschildert werden und hieran
kürzere Darstellungen der gleichartigen Prozesse, wie sie der Ver-
fasser auf seinen Reisen im Auslande kennen gelernt hat, zur Ver-
gleichung angereiht werden. Auch diese Methode ist in hohem Grade
fruchtbringend geworden und hat bereits im vorigen Jahrhundert
eine reichhaltige Litteratur erzeugt.


Die Verbindung dieser praktischen Kenntnis der Hüttenprozesse
mit der Theorie, wie sie das Experiment und die chemische und
physikalische Wissenschaft geschaffen hatte, führte dann in der
zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts zur systematischen Eisen-
hüttenkunde, welche ihre vortrefflichste Behandlung in Swen Rin-
mans
„Geschichte des Eisens“ gefunden hat.


Unabhängig von diesen theoretischen und litterarischen Arbeiten
entwickelte sich die Eisenindustrie in England auf empirischem Boden
Schritt für Schritt und zeitigte die wichtigsten Erfindungen. Die Not
war hier Lehrmeisterin; denn während der Bedarf an Eisen in Eng-
land namentlich durch den Aufschwung der Schiffahrt von Jahr zu
Jahr wuchs, nahm der Holzreichtum, welcher bis dahin das Brenn-
material für die Eisenindustrie geliefert hatte von Jahr zu Jahr
ab. Steinkohle als Ersatz für Holz und Holzkohle mit Erfolg
zu verwenden, war aber trotz vieler Versuche bis zum Anfang
des 18. Jahrhunderts nicht gelungen. Erst diesem war es vor-
behalten, die Lösung dieser wichtigen Frage zu finden. Nach
langen Anstrengungen vermochte endlich Abraham Darby, das
[8]Einleitung.
Schmelzen der Eisenerze im Hochofen mit Koks mit Nutzen durch-
zuführen.


Die zweite grundlegende Entdeckung, welche in England gemacht
wurde, war die Erfindung des Guſsstahls von Benjamin
Huntsman
1740. Die Fabrikation desselben blieb während des
ganzen Jahrhunderts Geheimnis und ausschlieſslicher Besitz der Eng-
länder, zu deren Überlegenheit auf industriellem Gebiete sie wesent-
lich beitrug.


Ein anderer groſser Fortschritt für die Eisengieſserei war die
Einführung von Flammöfen zum Umschmelzen des Roheisens. Da-
durch wurden die Gieſsereien erst unabhängig von den Hochöfen.
Bei diesem Betriebe, wie bei der Stahlbereitung wurden Steinkohlen,
beziehungsweise Koks als Brennmaterial verwendet.


Noch aber war es nicht gelungen, Stabeisen aus Roheisen mit
fossilem Brennstoff herzustellen; noch kannte man nur den Frisch-
prozeſs, der nur mit Holzkohlen erfolgreich ausgeführt werden konnte.
Da erfand Henry Cort 1785 das Flammofenfrischen, den
sogenannten Puddelprozeſs, welcher das wichtige Endglied der
Kette der Eisendarstellungsprozesse mit Steinkohlen bildete.


Dadurch war Englands Ueberlegenheit auf dem Gebiete des
Eisenhüttenwesens gesichert, denn seine Steinkohlenschätze waren
gröſser als die der Kontinentalstaaten; an Eisenerzen hatte es gleich-
falls keinen Mangel und kein Land hatte so günstige Transport-
und Abfuhrverhältnisse, als das gesegnete Inselland. Seit der
Erfindung des Puddelprozesses war die Führerschaft Englands in
der Eisenindustrie eine unbedingte und ist es geblieben bis in un-
sere Zeit.


Diese metallurgischen Fortschritte waren es aber nicht allein,
welche den auſserordentlichen Aufschwung der Eisenindustrie ver-
anlaſsten; Hand in Hand damit gingen die Erfindungen auf mecha-
nischem Gebiete. Von diesen waren es zwei, welche unmittelbar von
gröſstem Einflusse auf die Eisenbereitung geworden sind, die der Walz-
werke
und der Cylindergebläse. Durch erstere wurde die Form-
gebung des Schmiedeisens erleichtert und beschleunigt, durch letztere
wurde die groſse Produktion der Kokshochöfen, wodurch erst deren
unbedingte Überlegenheit begründet wurde, ermöglicht. Alle diese
Neuerungen und noch viele andere Verbesserungen der Hilfs- und
Werkzeugmaschinen hätten aber ihre volle Bedeutung nicht erlangen
können ohne die wichtigste Erfindung des vorigen Jahrhunderts, die
der Dampfmaschine. Diese ist der Triumph des 18. Jahr-
[9]Einleitung.
hunderts und giebt ihm seine Signatur. Die Anfänge derselben
fallen zwar, wie wir gesehen haben, schon in das vorhergehende Jahr-
hundert. Savarys sogenannte Dampfmaschine war aber kein Motor
im modernen Sinne, es war ein Apparat, der nur zum Wasserheben
eine beschränkte Anwendung finden konnte.


Viel näher dem Ziele kam schon die atmosphärische Maschine
von Newkomen, die gewöhnlich als Feuermaschine bezeichnet wurde.
Hier übten wirklich ein Kolben und eine Kolbenstange, welche durch
den Luftdruck in einem luftverdünnten Raume niedergedrückt wurden,
eine motorische Kraft aus. Bei der Unregelmäſsigkeit dieser Be-
wegung war aber eine andere Verwendung als zur Bewegung von
Pumpen, namentlich die Umsetzung in eine Kreisbewegung fast un-
möglich und alle in dieser Richtung gemachten Versuche blieben er-
folglos. Einen vollkommenen Motor schuf erst das Genie von James
Watt
in seiner Dampfmaschine. Durch diese wurde der groſse
Schatz von Kraft, welcher in dem Schoſse der Erde in den Kohlen-
flötzen abgelagert ist, erst verwertbar gemacht und erschlossen.
Mühevoll und lang war der Weg, den Watt wandern muſste, bis er
zu seinem Ziele kam; die eigene groſse Kraft des genialen Mannes
hätte dazu fast nicht ausgereicht. Aber ein gütiges Geschick, dem
wir heute noch danken, hat ihn geleitet und die gröſsten Schwierig-
keiten hinweggeräumt.


Nicht gleich war die Dampfmaschine Watts, so geistvoll sie er-
dacht, so sinnreich alle Teile erwogen, so sorgfältig sie ausgeführt
war, das siegreiche Werkzeug, wie es in seiner Vollendung vor uns
steht. Allmählich nur entwickelte sie sich zu dieser Vollkommenheit
und die Umsetzung der Kraft in die mannigfaltigen Bewegungen, die
Anpassung an alle Arten von Arbeiten, welche wir sie heute leisten
sehen, hat noch viele Mühe, Nachdenken, Versuche und Zeit gekostet.
Aber schon bald nach ihrer Geburt wurde sie begrüſst als das, was
sie geworden ist, das hoffnungsvolle Kraftwerkzeug einer besseren
Zukunft, um den trägen Schritt und die mühselige Arbeit des
Menschen zu beschleunigen und zu erleichtern. Diese Hoffnung fand
den treffendsten Ausdruck in einem Gedicht, welches Erasmus
Darwin
, der Groſsvater des berühmten Charles Darwin, selbst
ein vortrefflicher Naturforscher und ein Freund von James Watt
im Jahre 1788 verfaſst hat. Es lautet 1):


[10]Einleitung.
Bald wird des Dampfes Kraft den flüchtigen Wagen

Die Straſse entlang,

Die träge Barke durch die Wellen tragen

In sicherem Gang.

Ja, durch des Windes leichtbewegte Schwingen,

Durchs luftige Reich

Ein neu Gefährt zum fernsten Ziele bringen,

Dem Adler gleich!

Der Dichter ist hier Prophet, dem die Zukunft enthüllt ist. Bis
zur Eröffnung der ersten Eisenbahn bedurfte es aber noch einer ge-
raumen Zeit, und das lenkbare Luftschiff gehört noch heute zu den
unerfüllten Wünschen.


Tiefeingreifend waren die Wirkungen der Erfindung der Dampf-
maschine auf die Eisenindustrie; denn einerseits war damit eine Kraft
quelle von unbegrenzter Stärke geboten, anderseits war sie nicht an
örtliche Bedingungen gebunden. Überall, auf Höhen und Tiefen, in
Stadt und Land, lieſsen sich Dampfmaschinen aufstellen. Die Eisen-
industrie war nicht mehr gefesselt an das Gefälle des Wasserlaufes,
sie war erlöst aus dem „Waldthal“; die Kraft, die sie nötig hatte,
band sie nicht mehr an eine bestimmte Örtlichkeit; sie konnte frei
da ihr Arbeitsfeld aufschlagen, wo sich ihr die günstigsten Bedingungen
darboten. Dies war aber besonders in den Steinkohlenrevieren, wo
der Bezug des Brennmaterials leicht und billig war, der Fall. Die
Eisenhütten verlieſsen ihre alten Sitze in oft abgelegenen unzugäng-
lichen Waldthälern und wanderten in das Steinkohlengebiet aus.
Hier entstanden weit gröſsere Werke, als man sie früher jemals ge-
kannt hatte; denn man war ja nicht mehr beschränkt durch die zu-
gemessene Kraft des Wassergefälles, sondern konnte mit Steinkohlen
und Dampfmaschinen beliebige Kraftmengen auf beschränktem Raume
erzeugen. Auf diese Weise entstanden neue, groſsartige Eisenindustrie-
gebiete, wie namentlich in Schottland, Süd-Wales, Staffordshire, Ober-
schlesien u. s. w.


Auch die Chemie arbeitete eifrig an den Fortschritten im Eisen-
hüttenwesen mit. War sie darin auch lange Zeit gehemmt durch die
falsche Lehre vom Phlogiston, so konnte sie nach dem Sturze dieser
durch die Entdeckung des Sauerstoffs und Lavoisiers Lehre von
der Verbrennung sich frei entfalten und durch die richtige Erklärung
der Konstitution der verschiedenen Eisensorten und der Vorgänge
bei den hüttenmännischen Prozessen der Industrie den richtigen
Weg und die richtigen Grenzen zeigen.


[11]Litteratur im 18. Jahrhundert.

Nur in groſsen Zügen haben wir die Entwickelung des Eisen-
hüttenwesens im vorigen Jahrhundert angedeutet, die nähere Aus-
führung sollen die nachfolgenden Blätter bringen.


Litteratur im 18. Jahrhundert.


Ein groſser Fortschritt für die Eisenindustrie war die Entstehung
einer selbständigen Fachlitteratur im 18. Jahrhundert. Diese
entwickelte sich zuerst in Frankreich. Der Führer und Meister der-
selben war Reaumur, welcher durch seine zwei vortrefflichen Ab-
handlungen über Cementstahlfabrikation und über schmiedbaren Guſs
(l’art de convertir le fer forgé en acier et l’art d’adoucir le fer fondu),
welche er im Jahre 1722 zu Paris veröffentlichte, die Eisenindustrie
nicht nur mit neuen Erfindungen und Ideen bereichert, sondern
damit die gediegene Grundlage für die Litteratur des Eisenhütten-
wesens gelegt hat.


Seit Agricola hatte kein Schriftsteller es verstanden, hütten-
männische Vorgänge mit solcher Sachlichkeit und Klarheit zu be-
schreiben, wie Reaumur. Dadurch, daſs er immer nur einen
bestimmten Gegenstand zum Vorwurf seiner Arbeiten nahm, übertraf
er sogar Agricola noch an Gründlichkeit, während er in Bezug auf
Schönheit und Bestimmtheit des Ausdrucks, Wärme und Vornehm-
heit der Sprache diesem an die Seite zu stellen ist. Die erwähnten
Schriften Reaumurs sind Muster von Darstellungen technischer
Vorgänge und Einrichtungen, welche den Praktiker ebenso ansprechen,
wie den Gelehrten. Ehe wir auf diese und andere Arbeiten Reau-
murs
näher eingehen, wollen wir einige kurze Nachrichten über seine
Person mitteilen.


René-Antoine Ferchault de Reaumur wurde am 26. Februar
1683 als Sohn des Präsidialrats Reaumur zu La Rochelle geboren.
Ebenfalls zur juristischen Carriere bestimmt, vertauschte er, einem
inneren Drange folgend, das Studium der Jurisprudenz mit dem der
Mathematik und der Naturwissenschaften. 1703 kam er nach Paris,
wo er in den folgenden Jahren drei mathematisch-geometrische Ab-
handlungen veröffentlichte, welche solchen Beifall fanden, daſs er
bereits 1708, erst 25 Jahre alt, zum Mitglied der Akademie der
Wissenschaften ernannt wurde. Er ist deren eifrigstes und thätigstes
Mitglied geworden. Man übertrug ihm die Leitung eines groſsen, von
der Regierung unterstützten Unternehmens einer Beschreibung der
[12]Litteratur im 18. Jahrhundert.
Künste und Handwerke (Description de divers arts et métiers). Dieses
Werk wurde zwar niemals vollendet, es gab aber Reaumur, der
sein ganzes Leben daran arbeitete, Veranlassung zu eingehenden
Studien auf den verschiedenartigsten Gebieten der Technik, und seine
Arbeiten wurden die Grundlage der groſsen technischen Encyklopädie,
welche erst nach seinem Tode unter dem Titel: Description des arts
et métiers faites et approuvées par Messrs. de l’Académie royale des
sciences de Paris erschien.


Da er am Meere geboren war, so wurde sein Interesse schon früh
auf das noch wenig bekannte Leben und die Entwickelung der See-
tiere hingelenkt. In den Jahren 1708 bis 1715 machte er eingehende
Studien hierüber und veröffentlichte eine Menge neuer Beobachtungen
und Entdeckungen. Er fand die Purpurschnecke wieder auf und
stellte den Farbstoff aus derselben dar 1). Er machte höchst inter-
essante Beobachtungen über Regeneration bei den Krustaceen, besonders
das Nachwachsen verlorener Glieder von Krabben und Seekrebsen;
über die Fortbewegung der Seesterne, über die Zoophyten, welche
die Korallen bilden, über den elektrischen Apparat der Zitterrochen;
über eine Perlmuttersubstanz in den Weiſsfischen, mit der man künst-
liche Perlen färben könnte; über die Phosphoreszenz der Bohr-
muschel und anderer Seetiere u. s. w. Daneben beschäftigte er sich
mit technischen Untersuchungen, deren Ergebnisse er veröffentlichte,
wie 1711 über die Seilerei, 1712 über Golddrahtfabrikation, 1714
über Türkise und Türkisgruben in Frankreich, sowie über deren Zu-
sammensetzung und Färbung, 1715 Versuche über luft- und wasser-
dichtes Papier, 1718 über Goldstaub führende Flüsse in Frankreich. Am
wichtigsten aber waren seine Versuche über das Eisen, welche er 1715
begann und welche namentlich die Erzeugung guter Stahlsorten in
Frankreich zum Zweck hatten. Dieselben führten ihn zur Entdeckung
der bis dahin als Geheimnis behandelten und in Frankreich noch
nicht eingeführten Cementstahlfabrikation und weiter zur Erfindung
des schmiedbaren Gusses. Er veröffentlichte die Ergebnisse seiner
Arbeiten in den oben schon erwähnten beiden Abhandlungen, welche
1722 zu Paris gedruckt wurden. Der Prinzregent von Orleans hatte
in Anbetracht der nationalen Bedeutung dieser Entdeckungen Reau-
mur
mit einem Gnadengehalt von 12000 Livres, welchen dieser aber
nur unter der Bedingung annahm, daſs derselbe nach seinem Tode
auf die Akademie übergehen sollte, belohnt. Reaumur, der sich in
[13]Litteratur im 18. Jahrhundert.
günstigen Vermögensverhältnissen befand, verwendete dieses Geld
ausschlieſslich zur Förderung der Industrie und der Gewerbe. Wie
die Cementstahlfabrikation, so war die Weiſsblechfabrikation ein
Zweig der Eisenindustrie, welcher in Frankreich noch unbekannt war.
Cementstahl und Weiſsblech muſste aus dem Auslande bezogen werden.
Reaumur beschäftigte sich eingehend mit demselben und veröffent-
lichte die Ergebnisse seiner Untersuchung 1725 in den Memoiren der
Akademie unter dem Titel: Principes de l’art de faire le fer blanc.
Es war dies ebenfalls die erste wissenschaftliche Arbeit über die
Weiſsblechfabrikation. Nachdem er bereits 1718 die Beschreibung
eines Eisenbergwerks der Grafschaft Foix herausgegeben hatte, ver-
öffentlichte er 1722 und 1723 zwei Memoiren über die Magnetisierung
des Eisens, 1724 eine über die Krystallisation der geschmolzenen
Metalle beim Erstarren (De l’arrangement qui prennent les parties
des Matières Métalliques et Minerales lorsqu’après avoir été mises en
fusion, elles viennent a se figer). 1726 veröffentlichte er eine inter-
essante Arbeit speciell über das Verhalten des Guſseisens beim Er-
starren (Que le fer est de tous les métaux celui, qui se moule le plus
parfaitement et quelle en est la cause 1).


Sehr eingehend beschäftigte sich Reaumur mit der Unter-
suchung feuerfester Thone, worüber er 1730 eine gründliche Ab-
handlung veröffentlichte (De la nature de la terre en général et du
caractère des différentes espèces de terres). Hiermit standen seine
Versuche über die Porzellanbereitung in engster Beziehung, welche
ihn 1739 zur Entdeckung des opaken Glases, nach ihm Reaumur-
sches
Porzellan genannt, führten.


Die Erfindung, welche Reaumurs Namen am bekanntesten ge-
macht hat, ist die seines Thermometers, eines Weingeistthermo-
meters, bei dem der Temperaturunterschied zwischen dem Gefrier-
und dem Siedepunkte des Wassers in 80 gleiche Teile geteilt ist.
Diese praktische Grundlage hat ihm die allgemeinste Einführung ver-
schafft, denn das bald danach angegebene Thermometer von Celsius
unterscheidet sich nur durch die Einteilung der gleichen Temperatur-
skala in 100 statt in 80 Teile 2).


[14]Litteratur im 18. Jahrhundert.

Von den technischen Arbeiten und Versuchen Reaumurs auf ganz
andern Gebieten erwähnen wir noch seine Untersuchung der Spinn-
fäden, welche 1710 als selbständiges Werk erschien (Examen de la
soie des araignées 1710 in 4°) und in welchem er nachwies, daſs
Seide aus Spinnfäden die Seide aus Kokons der hohen Herstellungs-
kosten wegen nicht ersetzen könnte. Dies Werk wurde auf aus-
drücklichen Befehl des Kaisers von China durch den Jesuitenpater
Perennin in die Mandschusprache übersetzt. Er schrieb ferner Auf-
sätze über Wagenbau und Feuerlöschwesen. — 1735 veröffentlichte
Reaumur eine Methode zur Konservierung der Eier. Überhaupt be-
schäftigte er sich in groſsem Maſsstabe mit Vögelzucht und künst-
licher Brütung, worüber er 1749 eine berühmte Arbeit veröffentlichte 1),
welche ins Deutsche und Englische übersetzt wurde.


Ebenso Groſses wie auf dem Gebiete der praktischen Natur-
wissenschaft leistete Reaumur auf dem der theoretischen. Als Beleg
hierfür dient seine ausgezeichnete Geschichte der Insekten in 12
Bänden (Mémoires pour servir à l’histoire des insectes, Amsterdam
1737—1748, avec 276 planches). Reaumur wies auch zuerst nach,
daſs die Korallen und Madreporen keine pflanzlichen Gebilde seien,
wie man bis dahin allgemein annahm, sondern von Korallentierchen,
gebildet werden.


Reaumur starb nach einem ruhigen, den Wissenschaften ge-
widmeten Leben, welches er meist auf seinem Gute zu Saintonge, teils
auch auf seinem Landgute zu Bercy bei Paris verbracht hatte, am
17. Oktober 1757 plötzlich in Folge eines Sturzes vom Pferde auf
seinem Landgute de la Bermondière in Maine. Die französische Aka-
demie widmete ihm einen warmen Nachruf (s. Mém. de l’Acad. 1757),
in dem ihm als Gelehrter, Akademiker und Bürger das höchste Lob
gespendet wird; mit besonderer Wärme aber wird sein edler Charakter,
sein vortreffliches Herz, seine Bescheidenheit und Liebenswürdigkeit
wie seine groſse Sittenreinheit gepriesen. Seine dankbaren Lands-
leute legten ihm den Namen Plinius des 18. Jahrhunderts bei. Der
Akademie der Wissenschaften hatte er erstens sein groſses Naturalien-
kabinett, aus dem Brisson das Material für seine Werke über die
2)
[15]Litteratur im 18. Jahrhundert.
Säugetiere und Vögel schöpfte, zweitens seine Sammlungen von Mine-
ralien und von Pflanzen, drittens 138 Mappen mit teils vollendeten,
teils angefangenen Memoiren und viertens das Manuskript einer
Geschichte der Künste vermacht. Die Handschriften wurden von
den Encyklopädisten, namentlich aber von den Verfassern der De-
scription des arts et métiers benutzt.


Reaumurs wissenschaftliche und praktische Thätigkeit war von
nachhaltigem Einfluſs, und zwar nicht nur durch seine zahlreichen
Erfindungen, sondern auch durch seine Methode der Untersuchung
und Behandlung. Er war ein Meister des Experimentes und seine
analytischen und synthetischen Versuche waren geistreich und prak-
tisch. Seine Darstellungen zeichnen sich durch Klarheit, Einfachheit,
Gründlichkeit und Anmut aus. Er ist ein klassisches Vorbild für
die Behandlung technischer Fragen für alle Zeiten und sein Beispiel
ist insbesondere für die französische technische Litteratur von nach-
haltigem Einfluſs gewesen, so daſs diese durch sein Vorgehen und
Wirken die gediegenste des 18. Jahrhunderts geworden ist, aus
welcher alle andern Nationen schöpften. Reaumurs Einfluſs war
aber viel weitgehender. Er hat die technische Litteratur und die
technische Wissenschaft erst geschaffen, durch seine Persönlichkeit
wurde sie geadelt und sein Beispiel bewirkte, daſs Gebildete und
Vornehme sich mit Vorliebe mit ihr beschäftigten.


Das groſse Werk „Description des arts et métiers“ hat Reaumur,
wie erwähnt, nicht vollendet. Daran war seine Gründlichkeit und
die Art, wie er die Fragen behandelte, schuld; denn er begnügte
sich nicht damit, die Dinge und Zustände zu beschreiben, wie er sie
fand, sondern er untersuchte die Grundlagen und ihre Verbesserungs-
fähigkeit. Ausgerüstet mit dem ganzen mathematischen und natur-
wissenschaftlichen Wissen seiner Zeit, that er dies mit dem gröſsten
Erfolg und förderte dadurch die französische Industrie ungemein, zu-
gleich erweiterte er den Kreis der Wissenschaften durch die Ein-
führung, Erklärung und Begründung der Vorgänge im Gebiete der
Technik. Sein Einfluſs beschränkte sich schon zu seinen Lebzeiten
nicht auf Frankreich, er machte sich in ganz Europa fühlbar, ganz
besonders in Schweden, wo damals in der Akademie der Wissen-
schaften ein reges Leben herrschte.


Der zweite groſse Schriftsteller auf dem Gebiete der Eisen-
industrie, welchen das 18. Jahrhundert hervorgebracht hat, der be-
rühmte Emanuel Swedenborg, war ein Schwede. Der Einfluſs,
welchen sein französischer Zeitgenosse Reaumur auf ihn ausgeübt
[16]Litteratur im 18. Jahrhundert.
hat, läſst sich aus seinen Schriften erweisen. Im Jahre 1734 ver-
öffentlichte Swedenborg sein wichtiges Werk „De ferro“, dessen
vollständiger Titel folgendermaſsen lautet: Emanuel Swedenborgii
Sacrae Regiae Majestatis Regnique Sveciae Collegii Metallici Asses-
soris Regnum Subterraneum sive Minerale De Ferro deque
modis liquationum ferri per Europam passim in usum receptis: deque
conversione ferri crudi in chalybem: de vena ferri et probatione ejus:
pariter et chymicis praeparatis et eum ferro et victriolo ejus factis
experimentis etc. etc. cum figuris aeneis. — Dresdae et Lipsiae sump-
tibus Friederici Hekelii, Bibliopolae regii MDCCXXXIV. — Sweden-
borg
war auch eines jener universellen Genies, von allumfassendem
Wissen (Polyhistor), wie sie gerade jene Zeit hervorbrachte und als
deren gröſstes Beispiel Leibniz an der Schwelle des Jahrhunderts
steht.


Emanuel Svedberg wurde am 29. Januar 1688 als der zweite
Sohn des damaligen Hofpredigers Jesper Svedberg1) zu Stock-
holm geboren. Sein Vater war ein angesehener Geistlicher und her-
vorragender Theologe, welcher 1692 zum Professor der Theologie
nach Upsala berufen und 1702 von König Karl XII. zum Bischof von
Skara ernannt wurde. Auſser einer Autobiographie hinterlieſs er
eine groſse Zahl Schriften verschiedenen Inhalts. Als Geistlicher
neigte er weder zur streng orthodoxen noch zur mystischen Richtung,
und war besonders geschätzt wegen seiner Beredsamkeit, Vaterlands-
liebe und Mäſsigung. Daſs der talentvolle Sohn eines solchen Vaters
eine vortreffliche Erziehung erhielt, ist fast selbstverständlich. Im
vierten Jahre zeigte Emanuel bereits einen ungewöhnlichen Ernst.
Schon als Knabe unterhielt er sich am liebsten mit Geistlichen über
Glaubensfragen, ohne indes irgend welchen Hang zum Mysticismus
oder zur Schwärmerei zu zeigen. Sein Vater vermied es, ihn irgend-
wie zu beeinflussen, suchte vielmehr die möglichst freie Entfaltung
aller seiner Anlagen zu befördern. Neben klassischen Studien be-
schäftigte er sich mit Vorliebe mit Mathematik und Naturwissenschaft.
Nachdem er 1709 zu Upsala die Doktorwürde mit einer philo-
logischen Dissertation erlangt hatte, ging er auf Reisen und besuchte
in den nächsten vier Jahren England, Holland und Frankreich.
Während dieser Zeit veröffentlichte er zwei Bände Gedichte. Nach
Hause zurückgekehrt, gründete er ein wissenschaftliches Archiv unter
dem Titel Daedalus hyperboreus, von dem in den Jahren 1716 bis
[17]Litteratur im 18. Jahrhundert.
1718 sechs Bände erschienen. Wegen seiner vorzüglichen Kenntnisse
in der Mechanik ernannte ihn Karl XII., der sein Genie erkannte,
1716 zum Assessor des Bergkollegiums. Er half damals nicht nur
dem Ingenieur Polhem bei der Ausführung verschiedener Konstruk-
tionen, sondern er leistete dem König einen auſserordentlichen Dienst,
indem er den Transport der zur Belagerung von Friedrichshall er-
forderlichen schweren Geschütze und des ganzen Belagerungsmate-
rials über das Gebirge bewerkstelligte. Nach Karls XII. Tode in den
Laufgräben dieser Festung erhob ihn die Königin Ulrike Eleonore
zum Dank für seine Verdienste am 3. Mai 1719 in den Adelstand
unter dem Namen von Svedenborg. Er hat von seinem Adel nie
Gebrauch gemacht, sondern nannte sich einfach immer nur Assessor
Svedenborg. Obgleich ein eifriges Mitglied der Landesvertretung,
der gewissenhafteste Beamte und sowohl bei Hof als bei seinen
Kollegen in hohem Ansehen, strebte er nie nach Beförderung. Er
hatte und bekannte die freiesten Ansichten über Regierung und
Staatswesen, hielt sich aber von Politik fern, indem er alles, selbst
die Religion, nur von dem Gesichtspunkte der Moral aus betrachtete.
Er lebte zumeist dem Studium und den Wissenschaften und hatte
die umfassendsten Kenntnisse in Mathematik, Astronomie, Physik,
Chemie, Mineralogie, Krystallographie, Metallurgie, Mechanik, Nautik
und Nationalökonomie, welche er unablässig zu erweitern bemüht
war. Unabhängig durch Vermögen und Charakter, ein Freund der
Thätigkeit, lieferte er, wie richtig von ihm gesagt wurde, die Arbeiten
einer ganzen Akademie und teilte sich selbst wissenschaftliche Preis-
aufgaben zu, wie es sonst Fürsten und Universitäten zu thun pflegten.
Nachdem er längere Zeit die Bergwerke Schwedens bereist und
studiert hatte, besuchte er die Bergwerke und Brüche der Nieder-
lande, Hannovers, Sachsens und des übrigen Deutschland während
15 Monaten in den Jahren 1721 bis 1722. Hierbei fand er an dem
Herzog Ludwig Rudolf von Braunschweig einen groſsmütigen Gönner,
der ihm die sämtlichen Kosten seiner Reise bezahlte. Während dieser
Reise veröffentlichte er fünf Abhandlungen und vier Bände, darunter
das berühmte Buch „Prodromus principiorum rerum naturalium“, in
welchem er die Erscheinungen der Chemie und Physik aus geometri-
schen Grundsätzen zu erklären suchte; ferner ein Buch über Schiffs-
bau, eins über eine neue Art der Meridianbestimmung und ein an-
deres „Miscellanea observata circa res naturales, praesertim mineralia,
ignem et montium strata“; alle reich an trefflichen Gedanken und
Beobachtungen. Erst nach seiner Rückkehr nahm er seinen Sitz im
Beck, Geschichte des Eisens. 2
[18]Litteratur im 18. Jahrhundert.
Bergwerkskollegium, für den er sich zuvor nicht würdig genug ge-
halten hatte, ein. 1724 bot ihm die Universität Upsala den Lehr-
stuhl für Mathematik an, aber trotz dringender Bitten lehnte er die
Ehre ab. Die Theorie allein befriedigte ihn nicht. 1729 wurde er
zum Mitglied der schwedischen Akademie der Wissenschaften er-
nannt. — Seine Wiſsbegierde trieb ihn bald wieder in das Ausland.
„Sein geistiger Horizont kannte keine Grenzen, wie bald danach auch
sein religiöser.“ 1733 trat er seine Reise an, besuchte Preuſsen,
Sachsen und die Berg- und Hüttenwerke in Böhmen, darauf die in
Österreich, Steiermark und Ungarn. Den Winter brachte er in
Leipzig zu, mit der Abfassung eines groſsen Werkes beschäftigt,
welches 1734 unter dem allgemeinen Titel „Opera philosophica et
mineralia“ erschien und von dem das eingangs erwähnte Buch De
ferro einen Teil bildete. In dem ersten allgemeinen Teil des Werkes
stellte er sein System der Natur auf, eine Naturphilosophie. Der
zweite und dritte Band sind durchaus praktisch und beschäftigen
sich mit dem Eisen und dem Kupfer. Er wollte in gleicher Weise
auch die übrigen Metalle behandeln, dieser Plan kam aber nicht
zur Ausführung. Die Arbeiten für den ersten Band des Werkes
führten ihn auf den Weg, den verborgenen Geheimnissen der
Natur nachzuforschen. Er dehnte seine Theorie auf die Physio-
logie aus und schrieb über das Unendliche, über die letzten
Gründe und über den Zusammenhang zwischen Körper und Seele.
Der Ruhm Swedenborgs breitete sich in Europa aus, Wolff
und andere Gelehrten suchten seine Freundschaft und traten in
nähere Verbindung mit ihm. Den 17. Dezember 1734 ernannte ihn
die Akademie zu Petersburg zum korrespondierenden Mitgliede.
1736 unternahm er eine neue Studienreise. Von Holland ging er
nach Frankreich und verweilte 19 Monate in Paris. Von da ging
er nach Italien, wo er abwechselnd in Florenz, Venedig und Rom
verweilte. Hier gestattete er sich zum ersten und einzigen Male
einen freieren Lebensgenuſs. Vier Jahre hatte diesmal sein Aufent-
halt im Auslande gedauert. Nach seiner Rückkehr beschäftigte
er sich hauptsächlich mit Physiologie und Anatomie und ver-
öffentlichte in dem groſsen Werke „Oeconomia regni animalis“ seine
Ansichten über das Tierreich, speciell über den homo sapiens.
Ganz besonders studierte er den Bau des Körpers und begründete
eine Geometrie und Mechanik desselben. 1745 begab er sich
nach London und veröffentlichte das merkwürdige Buch „De cultu
et amore Dei“, das sich mit der Seele, der Erkenntnis und dem
[19]Litteratur im 18. Jahrhundert.
Bilde Gottes beschäftigt. Damit schlieſst die erste Periode seines
Lebens.


Im April des Jahres 1745 hatte er in London zum ersten Male
eine Vision. Gott selbst war ihm, wie er glaubte, in menschlicher
Gestalt, von einem Lichtglanz umflossen, erschienen und hatte ihm
mitgeteilt, er habe ihn auserwählt, um den Menschen den geistigen
Inhalt der heiligen Schriften zu erklären. „Schreibe nieder, was ich
Dir sagen werde“, lautete sein Ruf.


Seitdem hatte Swedenborg häufig Visionen und führte Zwie-
gespräche mit Engeln, die ihm erschienen, welche er niederschrieb.
Seine wissenschaftlichen Arbeiten hatten damit ihr Ende erreicht,
mit um so gröſserem Eifer warf er sich auf die Erklärung Gottes
und der Menschennatur. Er schrieb darüber eine erstaunliche
Zahl von Schriften. Es ist nicht unsere Aufgabe, ihm auf diesem
Gebiete zu folgen oder Kritik zu üben. Bekanntlich besteht die
Kirche der Swedenborgianer oder, wie sie sich nennt, „die Kirche
des neuen Jerusalem“. Anerkennen muſs ein jeder die hohe sitt-
liche Auffassung des Gottesbegriffes, der Menschennatur und des
Christentums, sowie den Ernst und Eifer, mit dem Swedenborg
seine Lehre erfaſste, begründete und erklärte. Hierin erweist sich
auch die Einheitlichkeit zwischen Swedenborg dem Gelehrten
und Swedenborg dem Propheten: das Suchen nach Wahrheit,
das Bekennen der Wahrheit, wie er sie sieht, das ist das Streben,
welches den Einen wie den Anderen erfüllte und so betrachtet,
erscheint der Übergang von dem Einen zum Anderen nicht so un-
begreiflich.


Uns aber berührt hier nur Swedenborg der Gelehrte; ins-
besondere der praktische Naturforscher und Metallurge. In ersterer
Beziehung erwähnen wir, daſs er sich eifrig für die Einführung des
Dezimalsystems bemühte und darüber bereits 1719 eine Schrift ver-
öffentlichte 1). Von praktischen Gesichtspunkten gingen auch die
interessanten geognostischen Untersuchungen aus, worüber er die
„Miscellanea observata circa res naturales, praesertim mineralia, ignem
et montium strata“ 1722 in vier Bänden veröffentlichte. Aus dieser
Arbeit erfahren wir auch, daſs Swedenborg den Auftrag hatte, die
schwedische Küste im Hinblick auf Salzgewinnung zu untersuchen. —
Technisch-praktischem Zwecke sollte die kleine Schrift „Nova obser-
2*
[20]Litteratur im 18. Jahrhundert.
vata et inventa circa ferrum et ignem, una cum novi camini inven-
tione“ Amst. 1721 dienen. Alle diese Schriften stehen aber an Be-
deutung zurück gegen das oben erwähnte Buch „De ferro“.


Swedenborgs Werk „De ferro“ von 1734 ist das erste und
älteste Handbuch der Eisenhüttenkunde. Behandelt es auch den
Gegenstand nicht in der theoretischen Weise unserer heutigen Lehr-
bücher, so giebt es uns doch eine systematische Darstellung des
Eisenhüttenwesens Europas im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts.
Die Grundlage bildet das schwedische Eisenhüttenwesen und sind die
damals in Schweden gebräuchlichen Verfahrungsweisen für die Aus-
schmelzung der Eisenerze zu Guſseisen und zu schmiedbarem Eisen,
die Umwandlung von Roheisen in Schmiedeisen ausführlich auf den
ersten 141 Folioseiten und 10 Figurentafeln beschrieben. Hieran
knüpft sich eine vergleichende Schilderung der Eisenbereitung in
Frankreich, Lüttich, Italien, Spanien, England, Nordamerika, Ruſsland
und Sibirien, Norwegen, Schlesien, Sachsen, am Harz, in Steiermark
und Kärnten, eines älteren Verfahrens in Salzburg, der von Agricola
beschriebenen Luppenfeuer und verschiedener Schmelzversuche mit
rohem Holz und Steinkohle; sodann die Beschreibung der Stahlberei-
tung aus Roheisen in Schweden, Frankreich, Salzburg, Tirol, Steier-
mark und Kärnten und des Verfahrens nach Agricola. Hierauf folgt
ein Auszug aus Reaumurs Schrift über die Erweichung der Guſs-
waren (schmiedbaren Guſs), sodann eine Zusammenstellung ver-
schiedener Angaben über Weich- und Hartmachen von Eisen, über
Versuche, Schmiedeisen mit Flüssen zu schmelzen, Stahl eine silber-
weiſse Farbe zu geben, Schweiſsen und Löthen, Eisen vor Rost zu
schützen und zuletzt die Darstellung der Schmiedeisenfabrikation in
Lüttich, England und Schweden. Damit schlieſst der erste Teil
(Classis prima).


Der zweite Teil handelt über die Eisenerze und die Kunst, die-
selben zu probieren 1). An die Prüfung der Erze schlieſst sich die
Prüfung und Unterscheidung der Eisensorten, der Eigenschaften
des Stahls, das Vorkommen des Eisens in der Erde und in Pflanzen
und Tieren.


Der dritte Teil 2) handelt von den chemischen Verbindungen des
Eisens; der Darstellung von Eisenfarben und Heilmitteln — tinctura,
[21]Litteratur im 18. Jahrhundert.
flores, oleum Martis — dem spezifischen Gewicht des Eisens und dem
Vorkommen von Eisen in den Stahlquellen.


Aus diesem Inhaltsverzeichnisse ist zu ersehen, daſs das Buch
wesentlich eine praktische Tendenz verfolgt. Es schildert besonders
die damals gebräuchlichen Hüttenprozesse und gerade darin liegt
der groſse historische Wert des Buches.


Swedenborgs Werk fand in Frankreich die verdiente An-
erkennung; es wurde sogar ein Teil davon in französischer Über-
setzung den Descriptions des arts et métiers der Akademie der
Wissenschaften einverleibt 1), „weil es anerkannt das Beste wäre, was
bis jetzt über diesen Gegenstand geschrieben worden sei“.


In Deutschland fand dagegen das in lateinischer Sprache ab-
gefaſste Buch nur in Gelehrtenkreisen Beachtung. Es ist dies zu
bedauern und ein Zeichen, daſs die deutsche Eisenindustrie damals
nicht auf der Höhe der Zeit und der Wissenschaft stand, daſs dieses
vortreffliche Buch, obgleich es in Leipzig gedruckt und einem deut-
schen Fürsten, dem Landgrafen Wilhelm von Hessen-Kassel, Regenten
von Schweden, gewidmet war, in technischen Kreisen fast unbekannt
blieb und später erst durch die französische Bearbeitung bekannt
wurde. Der Hauptgrund dafür lag darin, daſs das Werk lateinisch
geschrieben war, eine Sprache, die den humanistisch Gebildeten zwar
geläufig, dem Techniker jener Zeit aber noch fremder war wie
heutzutage.


Swedenborg war der Vorgänger und Anführer einer Reihe
trefflicher schwedischer Metallurgen, welche besonders über das Eisen-
hüttenwesen geschrieben haben. So sind über das schwedische Os-
mundeisen folgende Specialschriften aus jener Zeit zu erwähnen:
Petr. Saxholm, Dissert. de ferro Suecano Osmund 1725 und West-
mann
, De ferro Suecico Osmund 1725.


Swedenborgs vortrefflicher Zeitgenosse und Kollege im Amt
war Christoph Polhem, der viele hervorragende Ingenieur- und
Maschinenbauten ausführte und der Vater des schwedischen Maschinen-
wesens genannt wird. Christoph Polhem (Polheim, Polhelm,
eigentlich Polhammer) 2) wurde am 18. Dezember 1661, also 17 Jahre
[22]Litteratur im 18. Jahrhundert.
vor Swedenborg, in Wisby geboren. Er war der Enkel eines
deutsch-ungarischen Edelmannes, der wegen seiner Religion sein
Vaterland hatte verlassen müssen. Von seinem 12. Jahre an war er
gezwungen, für seinen Unterhalt zu sorgen und that dies durch Ab-
schreiben. Später wurde er Rechner bei verschiedenen Groſsgrund-
besitzern. Neben seinem Broterwerb beschäftigte er sich von Jugend
an damit, Maschinen zu entwerfen und auszuführen, wofür er ein an-
geborenes Genie besaſs, denn er brachte mehrere Maschinen eigener
Erfindung zu Stande, ohne noch irgend welche Kenntnis der Mathe-
matik und Mechanik zu besitzen. Der Wunsch, sich mit diesen ver-
traut zu machen, führte ihn dazu ohne fremde Hülfe Lateinisch zu
lernen und seiner Energie, die vor keiner Schwierigkeit zurück-
schreckte, gelang dies auch. 1686 begann er auf der Universität
Upsala Mathematik zu studieren, ohne seine mechanischen Arbeiten
liegen zu lassen. 1686 zog er zuerst die allgemeine Aufmerksamkeit
dadurch auf sich, daſs er die groſse Uhr der Domkirche von Upsala
wieder in Stand setzte, nachdem alle Uhrmacher Schwedens dies
für unmöglich erklärt hatten. Zwei Jahre später erfand er eine sehr
bequeme Erzfördermaschine, wofür ihm von der Regierung ein Jahres-
gehalt von 500 Thalern ausgesetzt wurde. 1693 wurde er Berg-
mechanikus in Fahlun. Danach begab er sich auf Reisen und kam
1695 nach Paris, wo er zwei Jahre blieb. Dort fertigte er unter
anderem den Entwurf zu einer höchst komplizierten Uhr, welche die
französische Regierung ausführen lieſs und dem Sultan der Türkei
zum Geschenk machte. 1697 nach Schweden zurückgekehrt, erhielt
er eine Anstellung im Bergkollegium und führte nun viele mecha-
nische Verbesserungen beim Bergbau und in anderen Industrieen ein.
Zu Anfang des 18. Jahrhunderts gründete er eine Fabrik in Stiern-
sund zur Herstellung von Metallwaren. Er schrieb darüber in seinem
patriotischen Testament (1746): „Da ich vor einigen und 40 Jahren
mit den Stiernsundschen Manufakturen den Anfang machte, bestand
dieser Ort nur aus Felsen, auf welchen kaum eine Ziege ihre Nahrung
haben konnte, gegenwärtig finden nicht nur einige hundert Menschen
ihren Unterhalt von allerlei Eisen und Stahlmanufakturwaren, sondern
man kann sogar alles, was in Eisen, Stahl, Kupfer, Messing, Zinn
und Blei verlangt wird, machen“.


Auſserdem führte er im Auftrage der Regierung groſse Ingenieur-
arbeiten, als Anlagen von Dämmen, Kanälen, Docks- und Hafenbauten
aus. 1714 wurde er Bergassessor und 1716 als „Kommersrat“ nach
Stockholm berufen, durch Titel und Orden geehrt und auch in den
[23]Litteratur im 18. Jahrhundert.
Adelstand erhoben, wobei er, wie erwähnt, seinen Namen Polhammer
in Polhem umwandelte. Er war Mitglied der Akademie der Wissen-
schaften seit deren Stiftung im Jahre 1739. 1744 wurde er zum
Präsidenten derselben gewählt.


Polhem erfreute sich im hohen Alter wunderbarer geistiger
Frische. Er war 83 Jahre, als er die Präsidentschaft übernahm und
zwei Jahre später schrieb er seine unter dem Titel „patriotisches
Testament“
bekannten Beiträge zur Eisenhüttenkunde, welche
erst längere Zeit nach seinem Tode herausgegeben wurden. Er
starb am 31. August 1751. Polhem war vor Allem Praktiker
„und als solcher nicht nur in Schweden, sondern in ganz Europa
berühmt“. Die Zahl der von ihm „erfundenen“, d. h. nach eigenen
Ideen selbständig entworfenen Maschinen und Apparate war eine
sehr groſse. Er veröffentlichte eine Anzahl derselben durch Druck,
eine weitere Liste veröffentlichte sein Sohn 1). Ein groſser Teil
davon war im Modell in der Modellkammer des königlichen Berg-
kollegiums aufgestellt. Es waren Maschinen für Bergbau, Schleusen-
bau, Mühlenbau und Landwirtschaft, für die Landesverteidigung,
für Metallindustrie, Wollenmanufaktur, Uhrmacherkunst u. s. w.
Wir wollen davon nur einige, die auf das Eisengewerbe Bezug haben,
erwähnen.


Für die Stiernsundschen Manufakturen erfand er Maschinen, um
aus verzinntem Eisenblech Schüsseln und Teller zu hämmern und
fertig zu machen, um Becher zu schlagen und um tiefe Becher zu
walzen; eine Schneidemühle mit Hobel-, Spunt- und Reifelwerk; eine
groſse Plattpresse zum Pressen des Dachblechs; eine Klippschere für
Nägel und Kneipeisen; ein groſses Walzwerk für Platten und
Bandeisen
; eine Wassermaschine, Roheisenwalzen zu schleifen;
eine Handmaschine, Teller rund zu schneiden, eine Klippschere, durch
Wasserbetrieb Dachbleche vierkantig zu schneiden. Ferner für die
Landesverteidigung erfand er eine Methode, durch Wasserbetrieb
Bomben und Kugeln zu schleifen und ein Ziehwerk für Flinten-
rohre für Gewehrfabriken. Wichtig war noch die Erfindung einer
mechanischen Nagelschmiede und des Blasebalges dazu, sowie die
von Glühöfen zum Heiſsmachen von Platten ohne Ge-
bläse
.


Als bemerkenswerte Erfindungen erwähnen wir noch ein Pump-
[24]Litteratur im 18. Jahrhundert.
und Druckwerk bei den Hellestadischen Eisengruben, welches durch
einen Pferdegöpel getrieben wurde; eine Windmühle, welche im
Sturme nicht geschwinder, als bei gewöhnlichem Winde geht, aber
doch stärkeren Effekt zeigte, je stärker der Wind blies. Hiervon war
ein Modell nach Leipzig und ein anderes auf den hannöverschen
Harz gekommen. Ebendahin kam ein Hebewerk mit Selbststeuerung.
Für die Harzer Bergwerke erfand er auch einen Pumpenkolben von
Holz ohne Leder. Eine von ihm angegebene vollständige Münz-
maschine wurde 1737 in Kassel gebaut. — Aus diesen letzten An-
gaben ersieht man, daſs Polhems Thätigkeit über die Grenzen seines
Vaterlandes hinausging und er auch in Deutschland als Mechaniker
im hohen Ansehen stand.


Seine schriftstellerische Thätigkeit war nicht so umfassend, wie
seine praktische. Auf diesem Gebiete hat er sich nie stark gefühlt
und nur der Wunsch, seinem Vaterlande zu nützen, pflegte ihm die
Feder in die Hand zu drücken. Charakteristisch hierfür ist folgende
Stelle aus seinem patriotischen Testament: Obgleich ich als Besitzer
solcher Metallwerke Bedenken tragen sollte, diesen Unterricht zu er-
teilen und öffentlich bekannt zu machen, weil es in der Folge meinen
Anstalten zum Nachteil gereichen könnte, so liegt mir doch das
dauernde Wohlergehen des geliebten Vaterlandes viel näher am
Herzen als mein und der Meinigen besonderer Nutzen; daher ich
alles, was ich weiſs und verstehe, des gemeinen Besten wegen offen-
herzig bekannt mache. Ich mache daher meine geringen Kenntnisse
nicht nur allgemein, sondern erteile auch allen denen, die zu mecha-
nischen Wissenschaften wenig Lust haben, den Rat, daſs sie mit
solchen Dingen den Anfang machen mögen, deren Theorie den Kopf
am wenigsten beschäftigt, und am geschwindesten beständige Ein-
künfte verschafft. — Die Kunst aber besteht darin, daſs man mit
eigenen Händen machen lernt, was man sich vorzunehmen ge-
denket. — 1714 gab er ein mathematisches Werk unter dem Titel
„Cogitationes mathematicae“ heraus. 1716 veranlaſste der junge
Swedenborg, als er den Plan zu seinem Daedalus hyperboreus
faſste, Polhem zur Mitarbeiterschaft. Beide arbeiteten mehrere
Jahre (1716 bis 1718) gemeinschaftlich an diesem wissenschaftlichen
Archiv.


Darauf wurde lange nichts von ihm dem Druck übergeben. 1729
erschien zu Stockholm „Berättelsne om eina förnämsta mechaniska
inventioner“. Als im Jahre 1739 die Abhandlungen der königlich
schwedischen Akademie der Wissenschaften zu erscheinen begannen,
[25]Litteratur im 18. Jahrhundert.
an deren Gründung er thätigen Anteil genommen hatte, veröffent-
lichte er zahlreiche Aufsätze, die in den ersten sieben Bänden von
1739 bis 1746 zerstreut sind. Viele davon beziehen sich auf das
Eisenhüttenwesen, dessen Hebung ihm immer warm am Herzen lag.
Gleich im ersten Band 1739 erschien von ihm eine Abhandlung über
die Zubereitung des Stahls, in deren Einleitung er mit Nachdruck
darauf hinweist, wie unrecht und verkehrt es von seinen Landsleuten
sei, daſs sie ihr gutes Eisen in rohem Zustande verkauften, statt es zu
feineren Sorten und zu Waren zu verarbeiten und dadurch den Ge-
winn für sich zu ziehen, der jetzt allein dem Auslande, namentlich
England, zu Gute komme. Seit 60 Jahren bedrücke ihn dieser patrio-
tische Schmerz und seit 40 Jahren kämpfe er dagegen; 1720 habe
er seine Gedanken hierüber in einer schlichten Denkschrift, so gut
er es verstanden habe, dem Reichstag unterbreitet. Diese Schrift
habe die Aufmerksamkeit erregt und Beifall gefunden und andere
hätten daraufhin begonnen, in demselben Sinne zu schreiben. Er sei
ein Buſsprediger, der immer auf die Mängel hinweise, aber seine Er-
fahrung und sein Patriotismus zwängen ihn dazu. Dieser praktische
und für Schweden so wichtige Grundgedanke geht durch alle seine
Schriften durch. — Auſser dem erwähnten Aufsatze über die Stahl-
bereitung von 1739 veröffentlichte er 1741 einen weiteren über die
Schmiedeisenbereitung in Schweden. In demselben Bande befinden
sich auch noch Bemerkungen über die Verbindung der Theorie und
Praxis in der Mechanik von seiner Hand. Seine Gedanken über das
Eisenhüttenwesen in Schweden schrieb er dann noch einmal während
des schlesischen Krieges 1746 in seinem 85. Lebensjahre im Zu-
sammenhange nieder und dieses geschichtlich bedeutsame Manuskript,
welches er bei seinem Ableben am 31. August 1751 im 90. Lebens-
jahre hinterlassen hatte, veröffentlichte sein Sohn, der Kammerherr
Gabriel Polhem, unter dem Titel „Christoph Polhems patriotisches
Testament“ 1) im Jahre 1761. Die ausführliche Abhandlung ist be-
sonders für die Geschichte des Eisenhüttenwesens in Schweden von
Wichtigkeit. Aber auch für den Stand des Eisenhüttenwesens im
Allgemeinen ist sie von Bedeutung; ganz besonders in Bezug auf
die mechanischen Hülfsmittel. Polhem verdanken wir die ersten
genaueren Angaben über die Anwendung von Walzwerken.


Die Abhandlungen der königlich schwedischen Akademie der
[26]Litteratur im 18. Jahrhundert.
Wissenschaften, welche seit 1739 erschienen, enthalten überhaupt
zahlreiche und wichtige Beiträge zur Eisenhüttenkunde. Wie erwähnt,
hatte Polhem einen Teil seiner Arbeiten dort erscheinen lassen.
Weitere bemerkenswerte Aufsätze in denselben sind von August
Ehrenswerd
, Über das Büchsenschmieden 1739; von Daniel Tile-
sius
, Über Hammerschmiedeherde, und von Sven Rinman, Anleitung
zur Verbesserung des Schmelzwesens in Schweden 1745. Es war dies
die erste litterarische Arbeit des später so berühmten Verfassers der
Geschichte des Eisens. Zahlreiche Beiträge lieferte Waller, der in
Mineralogie und Metallurgie Hervorragendes leistete und sich be-
sonderes Verdienst um die Kenntnis der Eisenerze erworben hat.


Joh. Gottschalk Wallerius wurde am 11. Juli 1709 zu
Nerike geboren, studierte Medizin und wurde 1733 Adjunkt und
1735 Doktor der Medizin in Lund. Er kam dann als Adjunkt der
Medizin an die Universität Upsala, und wurde dann Professor der
Chemie, Mineralogie und Pharmazie daselbst, in welcher Stellung er
von 1750 bis 1767 thätig war. In diesem Jahre legte er wegen
Kränklichkeit seine Stelle nieder, in welcher Bergman sein
Nachfolger wurde. Seit 1748 war er Mitglied der Akademie der
Wissenschaften in Stockholm und 1763 der wissenschaftlichen Ge-
sellschaft zu Upsala.


Als Mineraloge nimmt er eine hervorragende Stellung ein,
namentlich durch seine verständige Einteilung der Mineralien. 1747
erschien seine „Mineralogie eller Mineral-Riket“, welche später 1772
erweitert unter dem Titel Systema mineralogicum in zwei Bänden ge-
druckt wurde. Dieses Werk fand groſse Verbreitung und wurde in das
Deutsche, Französische und Englische übersetzt. Als Chemiker machte
er sich bekannt durch seine „Chemia physica“ 1759 bis 1768, deutsch
von Weigel 1772, und als Metallurg durch seine „Elementa metal-
lurgiae speciatim chemicae“, 1768, welche unter dem Titel „Anfangs-
gründe der Metallurgie besonders der chemischen“ von Joh. Gottsch.
Waller 1770 in das Deutsche übersetzt wurde. Viele Arbeiten
jüngerer Gelehrter wurden durch ihn in den Abhandlungen der Aka-
demie zum Abdruck gebracht; so z. B. in dem Jahrgange 1756
„Von der gebührenden Aufsicht eines Eigentümers von Bergwerken.
Hütten und Hämmern“, „Von den Eigenschaften eines Hammerherrn
(von Uhr)“ u. s. w. In seiner Mineralogie teilte er die Eisenerze
nach ihrer Farbe ein, in seiner Metallurgie nach ihrer Schmelzbar-
keit. Über die Schmelzung und Zubereitung handelt der III. Ab-
schnitt, III. Teil, Kapitel I seiner Metallurgie.


[27]Litteratur im 18. Jahrhundert.

In Deutschland ist in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts
über das Eisenhüttenwesen fast gar nichts geschrieben worden. Dieser
Zweig der Metallurgie wurde am wenigsten beachtet. Dies zeigt sich
um so deutlicher, als die übrigen Zweige der Metallurgie in jenem
Zeitabschnitte mit Eifer betrieben wurden. Die Metallhüttenkunde
fand sogar eine ganz vortreffliche Bearbeitung in dem groſsen Werke
von Ch. A. Schlüter „Gründlicher Unterricht von den Hütten-
werken“, Braunschweig 1738. Das Eisen ist dabei gar nicht berück-
sichtigt und hat das Werk für den Eisenhüttenmann höchstens da-
durch ein Interesse, daſs manche Schmelzöfen mit den beim Eisen-
schmelzen gebräuchlichen Ähnlichkeit haben. In dieser Beziehung
dürfte namentlich auf die Flammöfen hinzuweisen sein.


Noch früher (1727 bis 1730) erschien Franz Ernst Brück-
manns
Werk „Magnalia Dei in Subterraneis oder Unterirdische Schatz-
kammer aller Königreiche und Länder“, Helmstädt, 2 Bände, welches
eine Geographie des Bergbaues genannt werden kann. Das originelle
und sehr beachtenswerte Werk enthält aber ebenfalls nur wenig, was
sich auf das Eisen bezieht. — Ein mineralogisches Werk, aber von
hüttenmännischem Interesse, ist Joh. Friedr. Henckels Pyritologie,
welche 1725 herauskam.


Der nächsten Periode gehört der als Metallurge hervorragende
Joh. Andreas Cramer an, welcher von 1743 bis 1773 braun-
schweigischer Kammerrat für Berg- und Hüttenwesen in Blankenburg
war. Er war viel gereist und hatte sich namentlich in Holland und
England aufgehalten. 1739 erschienen zu Leyden seine „Elementa artis
docimasticae“, von denen 1744 eine zweite Auflage gedruckt wurde.
Die Bedeutung der Schrift wird am besten dadurch illustriert, daſs die-
selbe 50 Jahre später 1794 in einer Bearbeitung von Göttling unter
dem Titel „Anfangsgründe der Probierkunst“ noch einmal veröffent-
licht wurde. Cramers „Anfangsgründe der Metallurgie“ erschienen
zuerst 1744 bis 1747, wurden später ebenfalls in verbesserter Auflage
in drei Bänden 1774 neu gedruckt. Auch in diesem Werke findet
der Eisenhüttenmann nichts Neues.


Eine für seine Zeit vortreffliche Schrift waren C. E. Gellerts
„Anfangsgründe zur metallurgischen Chemie“, zwei Bände 1750.


Gellert, der Bruder des bekannten Dichters, war geboren am
11. August 1713 zu Hainichen bei Freiberg. Er wirkte von 1736/37
als Professor am Gymnasium in St. Petersburg und war dann bis
1746 oder 1747 Adjunkt der Akademie der Wissenschaften daselbst.
Nach seiner Rückkehr nach Deutschland hielt er die ersten metal-
[28]Litteratur im 18. Jahrhundert.
lurgischen Vorlesungen in Freiberg, wurde darauf Kommissionsrat,
Inspektor der Bergmaschinen und Schmelzprozesse in Freiberg u. s. w.,
1762 Oberhüttenverwalter. Er hatte groſsen Anteil an der Gründung
der Bergakademie in Freiberg, 1765, und wurde der erste Professor
der metallurgischen Chemie an dieser Anstalt, welche Stellung er bis
zu seinem Tode am 18. Mai 1795 bekleidete.


Seine metallurgische Chemie zeichnet sich durch Klarheit und
gefällige Darstellung aus. Das Kapitel über die Auflösung der Steine
durch Zusammenschmelzung in dem II. praktischen Teil ist von
geschichtlicher Bedeutung für die Metallurgie. Das Eisen ist aber auch
in diesem Buche vernachlässigt.


Von gröſserer praktischer Bedeutung für das Eisenhüttenwesen
sind die gründlichen Werke eines Mannes, der seinem Beruf nach
mit dem Eisen nur wenig zu thun hatte, diejenigen Henning
Calvörs
, des Predigers in der freien Bergstadt Altenau im Harz.
1760 erschienen seine „Acta historic. chronol. mechanica circa metal-
lurgiam in Hercynia Superiori etc.“ oder „Historisch-chronologische
Nachrichten und theoretische und praktische Beschreibung des Ma-
schinenhüttenwesens und der Hülfsmittel bei dem Bergbau auf dem
Oberharze u. s. w.“ in drei Teilen. Das Werk ist König Georg III. von
England gewidmet. Wie Calvör in der Einleitung erzählt, hatte er
schon 1726, als er Lehrer in Clausthal war und in höherem Auftrage
die Jugend in den zum Bergwerke gehörigen Wissenschaften unter-
richtete, eine kleine Schrift geschrieben „Programma de historia
recentiori Hercyniae superioris mechanica“. Anfangs der vierziger
Jahre wurde er veranlaſst, diese Schrift fortzusetzen, wozu er auch
durch das 1738 erschienene, oben erwähnte Werk von Schlüter
von neuem sich angeregt fühlte. Die Bedeutung des Buches von
Calvör geht weit über die besondere lokale Bedeutung hinaus und
ist für die Geschichte des Berg- und Hüttenmaschinenwesens vom
allergröſsten Interesse. Da die Eisenindustrie am Harze von groſser
Wichtigkeit war und eine alte Geschichte hat, so finden wir dieselbe
in diesem und in den damit verbundenen Werken über die Geschichte
des Berg- und Hüttenwesens am Unterharze viel mehr berücksichtigt,
als in einem der zuvor genannten Werke. Wir werden deshalb öfter
Veranlassung haben, auf Calvörs Schriften zu verweisen, obgleich
auch diese keine Fachschriften für unsere Industrie sind.


Die Akademie der Wissenschaften zu Paris hatte sich die
dankenswerte Aufgabe gestellt, die Anwendung der Wissenschaft auf
das gewerbliche Leben besonders zu befördern. In ihren Veröffent-
[29]Litteratur im 18. Jahrhundert.
lichungen gestattete sie den Abhandlungen über praktische Gegen-
stände besonders auch auf dem Gebiete der Hüttenkunde einen weiten
Spielraum und wirkte dadurch höchst anregend auf die Industrie.
Neben diesen Memoiren sollte aber, nach einem schon früh auf-
getauchten Plan, durch die Akademie ein Werk geschaffen werden,
in welchem alle einzelnen Zweige des gewerblichen Lebens eine ein-
gehende Beschreibung und Erklärung finden sollten. Diese Absicht
bestand, wenn auch in unbestimmter Form, schon vor Reaumurs
Eintritt in die Akademie. In Reaumur glaubte man den Mann ge-
funden zu haben, der dieser groſsartigen Aufgabe gewachsen sei und
so beauftragte ihn die Akademie mit der Herausgabe des Werkes.
Reaumur ergriff die Sache mit Eifer und Begeisterung, und gewiſs
war kein Mensch dazu so befähigt wie er. Aber die Aufgabe, wie sie
der Akademie vorschwebte, und wie sie auch Reaumur auffaſste,
war viel zu groſs für die Kraft eines Menschen, und so kam es, daſs
es zu keinem Ende kam und daſs er, als er am 17. Oktober 1757
die Augen schloſs, nur eine groſse Sammlung von Bruchstücken von
fertigen, halbfertigen und erst begonnenen Abhandlungen, die alle
Teile des groſsen Werkes bilden sollten, hinterlieſs. So lange Reau-
mur
lebte, hatte die Akademie nicht daran gedacht, andere neben
Reaumur mit dieser Arbeit zu betrauen. Seine Überlegenheit und
sein Ansehen schlossen dies vollständig aus. Nachdem er aber ge-
storben war, sah sich die Akademie dazu gezwungen, sowohl um end-
lich dem Publikum etwas von dem solange in Aussicht gestellten
Werk zu bieten, als auch um die reiche Hinterlassenschaft Reau-
murs
zu verwerten. Sie beauftragte also eine Anzahl Gelehrte mit
der Herausgabe der „Beschreibung der Künste und Handwerke“,
Description des arts et métiers, in der Weise, daſs jeder einen Teil,
mit dem er mehr oder weniger vertraut war, bearbeiten sollte. Von
einem einheitlichen Plan sah man, um nur einen Anfang zu be-
kommen, ab und so erschienen dann einzelne Hefte (Cahiers) in Folio,
von denen jedes ein Gewerbe schilderte, in bunter Aufeinanderfolge.
Die Akademie veröffentlichte dieselbe mit einem Vorberichte, aus
dem am besten ihre Auffassung des Unternehmens und ihre Stellung
zu demselben zu ersehen ist. Er lautet: „Das Werk, welches wir
hier dem Publikum vorlegen, ist die Frucht einer seit langer Zeit
von der königlichen Akademie der Wissenschaften angefangenen
Arbeit. Diese Gesellschaft hatte kaum ihren Anfang genommen, als
sie das Vorhaben faſste, nach und nach alle mechanischen Künste
zu beschreiben, indem sie überzeugt war, daſs dieses Unternehmen
[30]Litteratur im 18. Jahrhundert.
Gedeihen und Wachstum sowohl dieser mechanischen Künste als der
Wissenschaften gleichmäſsig befördern würde. Wenn die Künste, die
in dunklen Zeiten geboren sind und denen der Fleiſs, der im
Finsteren tappte, nur langsamen Fortschritt verschaffen konnte, lange
Zeit vor Errichtung der gelehrten Gesellschaften bestanden, so kann
man doch deutlich erkennen, daſs sie in den Zeiten und den Ländern,
in denen die Wissenschaften mit Fleiſs gepflegt wurden, einen über-
aus raschen Fortgang genommen haben . . . . Man wird, wenn man
einzelne derselben, wie die Uhrmacherkunst, die Schiffahrt und andere
betrachtet, einen unermeſslichen Unterschied gewahr werden, welcher
durchaus nicht dem blinden Zufall, sondern den Bemühungen zuzu-
schreiben ist, welche man seit diesem Zeitraum angewendet hat, die
Geometrie, die Mechanik, die Optik, die Chemie, die Anatomie u. s. w.
zu vervollkommnen“.


„Welche neue Vervollkommnung der Künste wird man nicht er-
warten können, wenn die Gelehrten, die in verschiedenen Teilen der
Naturkunde Kenntnis und Erfahrung erlangt haben, sich die Mühe
geben werden, die oft sinnreichen Arbeiten, welche der Künstler in
seiner Werkstatt unternimmt, zu untersuchen und zu erklären; wenn
sie dadurch die Bedürfnisse einer Kunst, die Grenzen, die dem
Künstler gezogen sind, die Schwierigkeiten, die ihn hindern, weiter
zu schreiten, die Beihülfe, die man aus einer Kunst zur Unter-
stützung einer anderen nehmen kann, und welche der Arbeiter selten
im Stande ist, zu erkennen, klar stellen werden! Der Meſskünstler,
der Mechaniker, der Chemiker, werden einem verständigen Künstler
Hülfsmittel an die Hand geben, um die Hindernisse zu übersteigen,
welche wegzuräumen er sich nicht getraut hat. Sie werden ihn auf
Wege führen, nur nützliche Dinge zu erfinden. Zu gleicher Zeit
aber werden sie von ihm lernen, welches die Teile der Theorie sind,
deren man sich hauptsächlich befleiſsigen muſs, um das praktische
Verfahren desto mehr aufzuklären und empirische Handgriffe auf
bestimmte Regeln zurückzuführen“.


„Dieses war die Absicht der Akademie der Wissenschaften, die
stets ihre Arbeiten auf das Nützliche richtet, als sie ihre Mitglieder
anregte, an einer Beschreibung der Künste zu arbeiten. Seit dem
Anfange dieses Jahrhunderts hat sie nie aufgehört, Materialien zu
sammeln, um diesen Zweck zu erreichen. Allein der Gegenstand ist
unermeſslich und kann nur durch eine lange Zeitfolge zu Stande ge-
bracht werden. Man hatte dem verstorbenen Herrn von Reaumur
aufgetragen, eine groſse Zahl Abhandlungen, die teils von vielen Mit-
[31]Litteratur im 18. Jahrhundert.
gliedern der Akademie verfaſst, teils aus verschiedenen Provinzen
Frankreichs oder aus dem Auslande eingesendet waren, zu ordnen.
Es ist bereits eine groſse Zahl von Abhandlungen über die Künste
vorhanden. Eine groſse Menge von Werkstätten, Arbeiten, Maschinen,
Werkzeugen und Handwerksgerätschaften sind in einerlei Format
gezeichnet und in Kupfer gestochen, und die Akademie besitzt schon
gegenwärtig mehr als 200 Kupferplatten, die zu ihren Beschreibungen
dienen. Das Werk würde schon weiter gekommen sein, wenn nicht
verschiedene Stücke verloren gegangen wären. — Glücklicherweise
ist aber genug Material vorhanden, um ohne Anstand die vollständige
Beschreibung einer groſsen Anzahl von Künsten zu liefern. Diese
Materialien sind im Jahre 1759 denjenigen Mitgliedern der Akademie,
deren gelehrte Bemühungen hauptsächlich auf die Mechanik und die
Naturkunde gerichtet sind, ausgeteilt worden. Indem sich dieselben
der Mühe unterzogen haben, die schon angefangenen Beschreibungen
zu vollenden und bei denen, die zu Anfang des Jahrhunderts ab-
gefaſst worden sind, die neuen Einrichtungen und Verfahrungsarten,
die seit der Zeit erfunden wurden und gegenwärtig im Gebrauch
sind, hinzuzufügen: werden sie es als ihre Schuldigkeit ansehen, all
denen, welche ihnen in dieser Arbeit vorangegangen sind oder etwas
dazu beigetragen haben, die gebührende Gerechtigkeit widerfahren
zu lassen.“


Auf diese Weise entstanden zunächst die Cahiers. Sehr bald
nach ihrem Erscheinen unternahm es in Deutschland der berühmte
Nationalökonom Johann Heinrich Gottlob von Justi, eine
deutsche Übersetzung davon herzustellen, aber nicht wie das Origi-
nal in Folioheften, sondern in Quartbänden, indem er, soviel wie
möglich, die zusammengehörigen Abhandlungen in Bänden zusammen-
faſste.


Der erste erschien bereits 1762 bei Rüdiger in Berlin, Stettin
und Leipzig unter dem Titel „Schauplatz der Künste und Hand-
werke
oder vollständige Beschreibung derselben, verfertigt oder ge-
billigt von den Herren der Akademie der Wissenschaften zu Paris“.
Mit vielen Kupfertafeln. In demselben Format, ebenfalls in Quart-
bänden, erschien 1774 eine „verbesserte“ französische Ausgabe von
Bertrand in Neuchatel — eigentlich nur ein Nachdruck des Werkes
der Akademie, welcher seiner Billigkeit wegen groſse Verbreitung fand.


In diesem groſsen Werke der französischen Akademie sind die
Eisenindustrie und einzelne Eisengewerbe recht ausführlich behandelt.
Die wichtigsten Abhandlungen sind in den drei ersten Bänden des
[32]Litteratur im 18. Jahrhundert.
Schauplatzes enthalten (Band I, Kohlenbrennen, Ankerschmiede,
Nadelfabrikation, Band II und III, von den Eisenhämmern und hohen
Öfen) und sind teils unter Reaumurs Namen erschienen, teils sind
hinterlassene Aufsätze von ihm zu Grunde gelegt; die umfassendste
ist die von dem Marquis de Courtivron und Bouchu verfaſste
weitläufige Arbeit „Art de Forges et Fourneaux à fer“.


Der Text ist von Bouchu unter ausgedehnter Benutzung der
von Reaumur hinterlassenen Handschriften und Zeichnungen, sowie
verschiedener Beiträge anderer Schriftsteller und einer Übersetzung des
gröſsten Teiles von Swedenborgs Werk „De ferro“ abgefaſst. Der
Marquis von Courtivron scheint hauptsächlich nur einige Tafeln
Zeichnungen geliefert zu haben. Der Abschnitt über Eisengieſserei
rührt gröſstenteils von Duhamel her, dem noch ein besonderer
Aufsatz von Deparcieux über Röhrenguſs hinzugefügt ist. Das ganze
Werk ist wenig einheitlich und in vieler Beziehung recht mangelhaft.
Man versteht erst dieser Arbeit gegenüber Reaumurs Scheu, seine
unvollendeten Schriften der Öffentlichkeit zu übergeben. Bouchu
hat es gewagt, allerdings mit mehr Kühnheit als Verständnis. Seine
weitläufigen theoretischen Erörterungen sind oft geradezu schwach,
z. B. seine Betrachtungen über die Entstehung der Erzgänge, über
das Feuer, über Zuschläge und Schlackenbildung. Das beste ist das,
was nicht von Bouchu herrührt, besonders die Bruchstücke von
Reaumur; aber auch Duhamels und Deparcieux’ Aufsätze über
die Gieſserei sind sehr sachlich und gut. Die Beschreibung der Fabri-
kation von Schmiedeisen und Stahl ist aus Swedenborg, „De ferro“,
übersetzt. Trotz aller Mängel verdienen die Verfasser unsere volle
Anerkennung dafür, daſs sie das Werk verfaſst und herausgegeben
haben. Trotz seiner Schwächen ist es die vollständigste Eisenhütten-
kunde, welche bis dahin erschienen war und ist es bis auf Rinmans
Geschichte des Eisens im vorigen Jahrhundert geblieben. Auch
müssen wir den Verfassern dafür danken, daſs sie viele Aufzeichnun-
gen Reaumurs veröffentlicht und dadurch gerettet haben. Wäre es
auch vielleicht wünschenswerter gewesen, wenn alle hinterlassenen
Schriften Reaumurs über die Eisenindustrie unverkürzt heraus-
gegeben worden wären, so war dies doch in jener Zeit kaum aus-
führbar und wir müssen froh sein, daſs auf diese Art wenigstens
ein Teil der für die Geschichte des Eisenhüttenwesens so wichtigen
Schriften erhalten worden sind. Was von Justis Übersetzung be-
trifft, so beruht ihr Verdienst fast nur darin, daſs sie so rasch er-
schienen ist. Die ersten Hefte waren kaum im Druck veröffentlicht,
[33]Litteratur im 18. Jahrhundert.
so faſste auch schon Justi, in voller Würdigung der hohen Bedeutung
derselben, den Plan, eine deutsche Übersetzung davon herauszugeben.
Leider ist dieselbe aber so schlecht ausgefallen wie nur möglich. Die
ersten Abschnitte der Abhandlung von Courtivron und Bouchu,
die er im zweiten Bande des Schauplatzes in eigener Übersetzung
veröffentlichte, sind recht mangelhaft, der Hauptteil des Werkes
aber, den er in der Übersetzung eines Gehülfen im dritten Bande
erscheinen lieſs, ist geradezu abscheulich, vieles ganz unverständlich,
vieles falsch und dabei ein Deutsch, daſs man glauben muſs, der Über-
setzer habe weder die französische noch die deutsche Sprache gekannt.
Daſs Justi uns die Übersetzung des Werkes von Swedenborg,
welches den gröſsten Teil der französischen Abhandlung ausmacht,
erlassen hat, weil sie, wie er in charakteristischem Dünkel schreibt,
„für Teutschland, wo man in den metallurgischen Wissenschaften viel
weiter gekommen ist, als in Frankreich, nicht wichtig sei“, müssen
wir unter diesen Umständen ihm fast dankbar anerkennen, um so
mehr, da er an deren Stelle einen recht verdienstlichen Aufsatz des
Grafen Johann Christian zu Solms-Baruth über das Eisen-
hüttenwerk in Baruth veröffentlicht hat.


Die Abhandlung von v. Courtivron und Bouchu erlangte
groſse Anerkennung und Bedeutung namentlich in Frankreich, wo
sie das Fundamentalwerk der Eisenhüttenkunde blieb bis zum Er-
scheinen der „Siderstechnie“ von Hassenfratz im Jahre 1810. Auch
die mit vielen Abbildungen ausgestattete Abhandlung „Forges ou art
du fer“ von Grignon in der „Encyclopédie Méthodique“ ist im
Wesentlichen nur eine Bearbeitung der Schrift von v. Courtivron
und Bouchu.


Einige biographische Notizen über die erwähnten Schriftsteller
dürften deshalb von Interesse sein. Gaspard le Compasseur de
Créqui-Montfort, Marquis de Courtivron
, war ebenso berühmt
als Feldherr, wie als Gelehrter. Er wurde geboren im Jahre 1715.
Von seiner Jugend und seinem Studiengang wissen wir nur wenig.
Wegen seiner groſsen mathematischen und technischen Kenntnisse
wurde er 1744 zum Adjoint-mécanicien der Akademie der Wissen-
schaften ernannt.


Die Verwaltung seiner Güter hielt ihn später viel von Paris
entfernt, die Akademie ehrte ihn aber, indem sie ihm den Titel
Pensionaire vétéran erteilte. Da er auf seinen Gütern Eisenbergwerke
und Hütten besaſs, so beschäftigte er sich mit Vorliebe mit dem
Eisenhüttenwesen und veröffentlichte 1747 eine Abhandlung über die
Beck, Geschichte des Eisens. 3
[34]Litteratur im 18. Jahrhundert.
Notwendigkeit der Verbesserung der Eisenhütten zum Zweck der
Verminderung des Holzverbrauches 1).


Er wies darin namentlich nach, daſs Holzersparung und besseres
Ausbringen erreicht werden könne, wenn man die Bergerze in Burgund,
die damals, wie sie aus der Grube kamen, gepocht und verschmolzen
wurden, in groſsen Haufen ein Jahr oder länger an der Luft ab-
lagern lieſse, und sie dann verwasche; ferner, daſs man durch eine
richtige Gattierung der Bergerze mit den thonigen Erzen die Zu-
schläge ganz sparen und einen reicheren Möller herstellen könne,
wodurch das Ausbringen erhöht und der Kostenverbrauch vermindert
werde. Diese auf Erfahrung und Versuchen beruhenden Vorschläge
kennzeichnen Courtivron als praktischen Hüttenmann. — In Ver-
bindung mit Bouchu veröffentlichte er 1762 die groſse Abhand-
lung „L’art des forges et fourneaux de fer“, wozu er namentlich einen
Teil der Tafeln bearbeitete. Er starb am 4. Oktober 1785.


Etienne Jean Bouchu, der eigentliche Verfasser des Textes
dieser Abhandlung, war praktischer Hüttenmann von Beruf. Er war
geboren am 28. Mai 1714 zu Langres, studierte in Paris Chemie,
Physik und Naturgeschichte, die er alsdann in den Eisenwerken von
Arc en Barrois, welche dem Herzog von Penthièvre gehörten, prak-
tisch verwerthen konnte. Er veröffentlichte viele Vorschläge zur
Verbesserung des Eisenhüttenwesens, welche von der Akademie von
Dijon gesammelt und herausgegeben wurden. Von der Akademie
der Wissenschaften zu Paris erhielt er dann den Auftrag, in Gemein-
schaft mit Courtivron die Eisenhüttenkunde für die Descriptions
des Arts et Métiers zu bearbeiten. Auſserdem schrieb er 1767 „Obser-
vations sur l’art du charbonnier“. Ferner rühren alle Artikel über
Eisen in der ersten Encyclopädie von ihm her. Bouchu war Mitglied
der Akademie der Wissenschaften von Dijon und starb am 16. Sep-
tember 1773 zu Arc en Barrois.


Einer der eifrigsten und bedeutendsten Mitarbeiter an den De-
scriptions war Duhamel du Monceau, welcher auch wichtige Bei-
träge zu der Arbeit von Bouchu und Courtivron über das Eisen
geliefert hat.


Henri Louis Duhamel du Monceau wurde 1700 zu Paris ge-
boren und starb ebendaselbst am 23. August 1782. Er war ein sehr
[35]Litteratur im 18. Jahrhundert.
vielseitiger Gelehrter, am berühmtesten wohl als Botaniker und
Agronom, aber auch seine Arbeiten auf dem Gebiete des Eisenhütten-
wesens sind von hervorragendem Werte. Er bekleidete die Stellung
eines Generalinspektors der Marine, war Mitglied der Akademie der
Wissenschaften in Paris, der Royal Society von London und vieler
anderer auswärtiger gelehrten Gesellschaften. Nach Reaumurs
Tode wurde er die Seele des groſsen Unternehmens der „Descriptions
des arts et métiers“ und schrieb mehrere der ersterschienenen Ab-
handlungen; so namentlich im Jahre 1760 den schönen Aufsatz über
die Holzverkohlung, „L’art du charbonnier“, diesem folgte „Fabrique
des ancres“, die Fabrikation der Anker von Reaumur mit Zusätzen
und Anmerkungen von Duhamel, und L’art de l’epinglier“, die Nadel-
fabrikation, ebenfalls von Reaumur mit Zusätzen von ihm, beide zu
Paris im Jahre 1761. Hierauf erschien 1763 „L’art de faire les en-
clumes“, die Amboſsfabrikation, 1767 die umfangreiche Abhandlung
über die Schlosserkunst, „L’art du serrurier“, und 1769 über die
Drahtfabrikation, „L’art de reduir le fer en fil“. Auſser diesen ver-
fasste er noch viele andere Artikel für die Descriptions.


Duhamel du Monceau ist nicht zu verwechseln mit dem
jüngeren Jean Pierre François Guillot Duhamel, welcher sich
ebenfalls im vorigen Jahrhundert grosse Verdienste um das Eisen-
hüttenwesen in Frankreich erworben hat und der erste Professor der
Metallurgie an der Ecole des Mines wurde.


Um die Zeit, als Reaumur starb, und die Akademie die Heraus-
gabe der „Descriptions des arts et métiers“ mit Nachdruck in die Hand
nahm, suchte auch die königliche Regierung das Berg- und Hütten-
wesen in Frankreich nach Kräften zu fördern. Um das Jahr 1750
hatte der vortreffliche Minister Trudaine die erste technische Hoch-
schule für Ingenieurwesen, L’école des Ponts et Chaussées, gegründet
und trug sich mit dem weiteren Plan, eine besondere Hochschule für
Berg- und Hüttenwesen ins Leben zu rufen. Da aber hierzu in
Frankreich geeignete Lehrkräfte gänzlich fehlten, so suchte er die
talentvollsten Schüler der École des Ponts et Chaussées hierfür heran-
zubilden, indem er dieselben auf Staatskosten das Ausland bereisen
lieſs. Zwei der so Bevorzugten waren der oben genannte jüngere
Duhamel und Gabriel Jars. Beide haben ihrem Vaterlande durch
ihre Leistungen den Betrag, welchen die Regierung ihnen als Reise-
unterstützung zur Ausbildung gewährte, tausendfältig zurückbezahlt.


Die Reiseberichte von Gabriel Jars, die sein Bruder nach
seinem allzufrühen Tode veröffentlicht hat, gehören zu den grund-
3*
[36]Litteratur im 18. Jahrhundert.
legenden Werken der Eisenhüttenkunde und zu dem Besten, was im
vorigen Jahrhundert auf diesem Gebiete geschrieben worden ist.


Gabriel Jars war am 26. Januar 1732 zu Clermont in der
Auvergne geboren. Sein Vater war an Bergwerken im Lyonnais be-
teiligt. Der Jüngling zeigte eine besondere Neigung zur Metallurgie.
Trudaine veranlasste ihn zum Eintritt in die École des Ponts et
Chaussées, wo er sich die nötigen theoretischen Kenntnisse für das
Bergfach erwarb. 1757 trat er dann mit Duhamel, der nur wenig
älter war, seine Informationsreise nach Deutschland an. Sie be-
suchten Sachsen, Böhmen, Österreich und Ungarn, Steiermark,
Kärnten und Tirol und kehrten 1759 wieder nach Frankreich zu-
rück. 1765 besuchte er im Auftrage der Staatsregierung allein Eng-
land und Schottland. 1766 reiste er in Begleitung seines Bruders
M. G. Jars nach dem Harz und Norddeutschland, um dann Nor-
wegen und Schweden zu besuchen. Nach seiner Rückkehr wurde er
1768 als Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Paris auf-
genommen. Aber nur kurze Zeit konnte er sich dieser wohlver-
dienten Auszeichnung erfreuen, denn im folgenden Jahre raffte den
37 jährigen der Tod hinweg. Die Berichte über seine Reisen, welche
er dem Ministerium einzureichen beabsichtigte, waren noch im Manu-
skript, als ihn der Tod ereilte. Zum Glück war sein Bruder, der die
Neigungen des Verstorbenen teilte und sich ebenfalls dem Studium
der Metallurgie gewidmet hatte, der Aufgabe gewachsen, die Hand-
schriften im Druck herauszugeben. Er war der Vertraute seines
Bruders gewesen und hatte ihn auf seiner letzten Reise begleitet.
Das Werk erschien unter dem Titel „Voyages Metallurgiques, ou
recherches et observations sur les mines et forges de fer, la fabri-
cation de l’acier, celle du fer-blanc, et plusieurs mines de charbon
de terre, faites depuis l’année 1757 jusques et y compris 1769, en
Allemagne, Suède, Norvège, Angleterre et Ecosse“. Lyon et Paris 1774.
Jars hatte schon zu Lebzeiten seine gesammelten Aufsätze in zwei
Abteilungen geteilt, von denen die ersten, welche auch die
wichtigsten sind, Alles enthielten, was sich auf Eisen und Steinkohlen
bezog, während in der zweiten Abteilung Alles enthalten sein sollte
was sich auf die übrigen Metalle bezog. In dieser Ordnung erfolgte
auch die Herausgabe, so dass die erste Abteilung 1774 erschien
während die zweite erst 1781 gedruckt wurde. Die treffliche Arbeit
wurde in richtiger Würdigung ihres Wertes alsbald ins Deutsche
übersetzt und zwar von dem preussischen Oberbergrat Gerhard. Die
recht gute Übersetzung der ersten Abteilung erschien in zwei Bänden
[37]Litteratur im 18. Jahrhundert.
mit Anmerkungen vom Übersetzer 1777, die beiden anderen Teile
ohne Zusätze im Jahre 1785. Gerhards Anmerkungen erhöhen noch
den Wert des ersten Teiles des Werkes, so dass es, obgleich der Form
nach nur Reisebericht, ein vollständiges Lehrbuch der Eisenhütten-
kunde und des Steinkohlenbergbaues bildet. Die erste Abhandlung
handelt von Eisen und Stahl überhaupt und ist eine allgemeine Ein-
leitung zu den Reiseberichten, die aber bereits manche praktische
Winke enthält; die zweite handelt von dem Eisenhüttenwesen in
Steiermark, und werden darin besonders neben den alten Stücköfen
die damals neu eingeführten Floſsöfen beschrieben; die dritte schildert
die Betriebe in Kärnten, namentlich auch die Stahlbereitung. Diesen
drei ersten Abhandlungen sind ergänzende Zusätze von Dangenoust
und Wendel, zwei Artillerieoffizieren, welche 1769 ebenfalls im Auf-
trage der französischen Regierung Steiermark und Kärnten bereist
hatten, beigefügt. Der vierte Aufsatz schildert die Eisenhütten und
Stahlhämmer zu Kleinboden in Tirol; der fünfte und sechste die Eisen-
werke in Sachsen und Böhmen, darunter die Weiſsblechfabrik zu Hein-
richsgrün, in der siebenten Abhandlung sind die Harzer Hütten leider
nur kurz behandelt; in der achten das Eisenhüttenwesen in Schweden,
mit wichtigen Mitteilungen über die Bergwerksverwaltung, Polizei und
Abgaben. Der neunte Aufsatz bezieht sich auf Norwegen, und sind
darin namentlich die neuen Hochöfen zu Laurwig und Moſs beschrieben.
In der zehnten und elften Abhandlung berichtet Jars über die Stein-
kohlengruben bei Newcastle, die Cementstahlfabrikation u. s. w. In
der zwölften sind Eisen- und Steinkohlenwerke in Kumberland, Lan-
cashire und Staffordshire beschrieben, zugleich auch die neuerfundene
Guſsstahlfabrikation, sowie die Feilenfabrikation in Sheffield; die
13. Abhandlung handelt von den Kohlen- und Eisenwerken in Schott-
land, die 14. von den Kohlenwerken in Deutschland und den Nieder-
landen, die 15. von der Verkokung, und die 16. von der Wetter-
führung. Diese kurze Inhaltsangabe ist noch nicht erschöpfend und
werden wir noch bei vielen Gelegenheiten im weiteren Verfolg Ver-
anlassung haben, auf Jars metallurgische Reisen zu verweisen.


Wohl gebührt Swedenborg das Verdienst, die hohe Bedeutung
von Reisen und vergleichenden Studien im Auslande für die Metal-
lurgen zuerst durch sein eigenes Beispiel bewiesen zu haben, denn sein
Werk „De ferro“ ist in der Hauptsache ebenfalls eine Zusammenstellung
von Reiseberichten; Jars’ vortreffliches Buch gab aber noch unmittel-
barer die Anregung zu technischen Reisen, deren Nutzen aus seinen
Berichten hervorleuchtet, und so ist denn in der zweiten Hälfte
[38]Litteratur im 18. Jahrhundert.
des 18. Jahrhunderts eine ganz umfangreiche Litteratur von tech-
nischen Reiseberichten entstanden, deren Bedeutung der Heraus-
geber Jars in die Worte fasst: „Die wechselseitige Mitteilung der
Kenntnisse und Einsichten muſs ja Wissenschaften verbreiten und
die Gesellschaft beglücken, so wie sie dem Gelehrten Ehre macht.“


M. de Genssane, Concessionaire des Mines d’Alsace et Comté
de Bourgogne und korrespondierendes Mitglied der Akademie, war
ein Zeitgenosse von Jars. Er beschäftigte sich mit Versuchen über
die Verwendung der Steinkohle in der Metallurgie und schrieb da-
rüber ein weitläufiges Buch „Traité de la fonte des mines par le feu
du charbon de terre etc.“, welches 1767 und 1768 abgefaſst und der
Akademie eingereicht war. Es ist für uns von Interesse, weil darin
ein ausführlicher Bericht über die Koksfabrikation zu Sulzbach bei
Saarbrücken (Tome I, Chap. XII) und die Versuche, Koks im Hoch-
ofen zu verwenden, enthalten ist.


Von weiteren französischen Werken zu der Eisenhüttenkunde im
vorigen Jahrhundert sind noch zu nennen: Grignon, Mémoires de
physique sur l’art de fabriquer le fer, d’en fondre et forger des
canons d’artillerie etc. Paris 1775. Grignon nennt sich auf dem
Titel selbst Maître de forge, und Korrespondent der Akademie der
Wissenschaften, sowie der Inschriften und schönen Künste in Paris.
Er war ein hochgebildeter Praktiker. Sein Werk war das Ergebnis
26 jähriger Beobachtungen, Beobachtungen und Erfahrungen besonders
über die Eisenhüttenkunde (l’art du maître de forge), welche er seit
der Zeit praktisch betrieben hatte, nach chemischen Prinzipien und
mit dem Sinne des Naturforschers. Es ist eine Sammlung von
Memoiren, von denen sich die meisten und umfangreichsten auf das
Eisengewerbe („La Siderotechnie“) beziehen. Die wichtigsten sind
die über Bau und Betrieb der Hochöfen, über die Gebläse und über
die Fabrikation der Kanonen. Trotz mancher paradoxer Ansichten
ist das Werk reich an vortrefflichen Beobachtungen und Gedanken.
Grignon hat ferner das Verdienst, daſs er zuerst die groſse Be-
deutung von Bergmans Schrift „De analysi ferri“ erkannte und die-
selbe ins Französische übersetzte. Einen weiteren wichtigen Beitrag
zur Litteratur des Eisens hat er in der Bearbeitung des Artikels „Fer
et forges“ in der „Encyclopédie Methodique“ geliefert.


Von Wichtigkeit waren für ihre Zeit die Monographieen von
Tronson de Courdray, Über die Eisenbereitung auf Korsika 1)
[39]Litteratur im 18. Jahrhundert.
M. le baron de Diedrich, Description des gîtes de minerai des
forges, et des salines des Pyrénées, Paris 1786, und von La Peyrouse,
Über die Eisengruben und Eisenhütten der Grafschaft Foix 1).


Als französische Schriftsteller des 18. Jahrhunderts über Eisen-
hüttenkunde erwähnen wir noch Perret, der eine weitläufige Ab-
handlung über Stahl geschrieben hat, sodann den berühmten Buffon2),
welcher Besitzer von Eisenwerken war, und endlich Monge, der zur
Zeit der französischen Republik eine hervorragende Rolle spielte.


Monge gehörte zu denjenigen französischen technischen Schrift-
stellern, deren Werke einen patriotischen Zweck verfolgten, indem sie
der Verteidigung des Vaterlandes dienen sollten. Als zur Zeit der
Republik Frankreich von allen Seiten angegriffen wurde und das
Vaterland in Gefahr war, wurden von dem Wohlfahrtsausschusse eine
Anzahl hervorragender Gelehrter und Techniker zu einer Kommission
der nationalen Verteidigung berufen. Diese Männer leisteten Groſses
auch für die Eisenindustrie, um mit deren Hülfe die Armee aus
eigenen Mitteln auszurüsten. Sie beschränkten ihre Thätigkeit nicht
auf die Praxis, sondern suchten auch durch Abhandlungen das Ver-
ständnis der einschlägigen Fabrikationsweise zu verbreiten. Auf diese
Weise entstanden mit Unterstützung der republikanischen Regierung
eine Anzahl bedeutsamer Schriften, unter denen das groſse Werk
von Monge „L’art de fondre les canons“ in erster Reihe zu nennen
ist; ferner „L’art de fabriquer des armes blanches“, „L’art de con-
vertir le fer en acier“ und das nachgelassene Werk von Clouet,
„L’art de faire les lames figurées“.


Epochemachend für die Kenntnis der Konstitution des Eisens war
der berühmte Aufsatz von Vandermonde, Berthollet und Monge
„Mémoire sur le Fer, consideré dans ses différents états metallurgiques“
in den Memoiren der Akademie der Wissenschaften von Paris von 1786.


Die antiphlogistische Chemie Lavoisiers wurde ferner von
Guyton de Morveau in Bezug auf das Eisen weiter entwickelt.
Gazeran machte um 1790 wichtige Versuche über die Festigkeit des
Guſseisens.



[40]Litteratur im 18. Jahrhundert.

Schweden lieferte das beste Schmiedeisen und jeder Eisen-
producent hegte den Wunsch, ein Eisen von gleicher Güte erzeugen
zu können und war begierig, die Verfahrungsarten kennen zu lernen,
welche so vortreffliche Produkte lieferten. Schweden war wie kein
Land durch seinen Reichtum an Holz und Eisenerzen und seine
Armut an anderen Bodenprodukten auf Entwickelung und Verbesse-
rung seiner Eisenindustrie angewiesen. Diese Erkenntnis erfüllte
die schwedischen Könige und die Regierung ebenso, wie alle ein-
sichtsvollen Patrioten seit der Zeit Gustav Wasas. Dieses Streben
hatte Männer wie Swedenborg und Polhem bewegt, ihre reichen
Erfahrungen in trefflichen Schriften niederzulegen. Swedenborg
hatte aber die Eisenindustrie wie einen Zweig der Naturbeschreibung
behandelt und ganz objektiv die Verfahrungsweisen bei der Eisen-
bereitung, wie er sie in seinem Vaterlande und im Auslande kennen
gelernt hatte, dargestellt. Polhem war der Hauptsache nach Mecha-
niker und mit der eigentlichen Metallurgie nicht so vertraut, daſs er
im Stande gewesen wäre, ein umfassendes Lehrbuch der Metallurgie
zu schreiben, obgleich er ein sehr gereiftes und richtiges Urteil
besaſs und in seinem patriotischen Testament die Grundzüge für
ein solches Werk angedeutet hat. Auch die französische Litteratur
hat ein solches Werk nicht hervorgebracht. Courtivron und
Bouchu waren der Aufgabe nicht gewachsen gewesen, Jars war
zu früh gestorben und Reaumur, der dafür wie geschaffen schien,
hatte in Folge der Vielseitigkeit seiner Interessen zu viel unter-
nommen für ein Menschenleben und war vor Ausführung seines
groſsen Unternehmens, das ihm als Lebensaufgabe vorgeschwebt
hatte, gestorben. Die Forderung war gestellt, das Verlangen da-
nach ein allgemeines, aber noch fehlte der richtige Mann dafür.
Es muſste einer sein, der sein Leben der Eisenindustrie ganz ge-
widmet hatte, ihre Praxis auf das Genaueste kannte und theore-
tische Kenntnisse und Klarheit des Urteils genug besass, um das
Wesentliche und das Gemeinsame bei den einzelnen metallurgi-
schen Methoden zu begreifen, zu erfassen und von allgemeinen
wissenschaftlichen Gesichtspunkten aus darzustellen. Schweden war
das Land, welches am ersten einen solchen Mann in jener Zeit
hervorbringen konnte und es hat ihn hervorgebracht in Sven
Rinman
.


Die ganze Lebensentwickelung des Mannes war dazu angelegt,
ihn zu befähigen, die Eisenhüttenkunde praktisch zu fördern und
ihren theoretischen Grundbau festzulegen.


[41]Litteratur im 18. Jahrhundert.

Sven Rinman1) war am 12. Juni 1720 in Upsala geboren und
wendete sich früh der praktischen Hüttenkunde zu. Obgleich von
seinem früheren Leben wenig bekannt ist, können wir doch mit Be-
stimmtheit annehmen, daſs ihm Polhem, von dem er in seinen
Schriften immer mit gröſster Hochachtung spricht, Lehrer und Vor-
bild war. Sein Blick ging schon früh über die zunftmäſsigen Ueber-
lieferungen des schwedischen Hüttenwesens hinaus, was er zuerst 1745
in einer Abhandlung über die beste Form der Schachtöfen, besonders
der Eisen- Röst- und Schmelzöfen bewies. Er machte darin den be-
merkenswerten Vorschlag, Hochofen und Frischherd so anzulegen,
daſs man das geschmolzene Eisen direkt in den Frischherd laufen
lasse. Damals war Rinman Auskultant beim Bergkollegium. 1746
bis 1747 bereiste er auf Kosten einiger Hüttenbesitzer das Ausland.
1748 finden wir ihn bei Iggesunds Bruck in der Provinz Helsinge-
land thätig, wo er das erste „doppelte“ Walz- und Schneidewerk in
Schweden aufstellte. 1749 wurde er von der Bruck-Societät (Hütten-
gesellschaft), beziehungsweise von dem 1745 gegründeten Eisen-
comptoir nach Roslagen geschickt, um die dortigen Hochofenhütten
und die Eisenerzeugung zu beaufsichtigen. 1750 war er Direktor des
Silberbergwerkes zu Hellefors und 1751 wurde er zum ersten Ober-
hochofenmeister in Schweden, welche Stelle damals vom Jernkontor
neugeschaffen worden war, ernannt. 1753 wählte ihn die königliche
Akademie der Wissenschaften zum Mitgliede. 1760 wurde er Direktor
der Schwarzschmiede, d. h. der Eisenhammerhütten oder der Stab-
eisenbereitung. Er wurde (vor 1772) Ritter des Wasaordens, und 1782
königlicher Bergrat, 1779 wurde ihm vom Eisencomptoir auch die
Aufsicht über die Stahl- und Eisenfabriken in Eskilstuna übertragen.
Auſser einer groſsen Anzahl Abhandlungen, welche meistens in den
Schriften der königlich schwedischen Akademie der Wissenschaften
abgedruckt sind, schrieb er folgende Hauptwerke:


1. Anledning till Stål-och Jernsförädlingen och des förbättring
8°. Stockholm 1772, deutsch 1790 unter dem Titel: Anleitung zur
Kenntnis der gröberen Eisen- und Stahlveredlung und deren Ver-
besserung. Wien 1790.


2. Försök till Jernets historia. 2 Vol. 4°. 1782; deutsch: Versuch
einer Geschichte des Eisens, von welcher wir nachher eingehender
sprechen werden.


[42]Litteratur im 18. Jahrhundert.

Bergverks Lexicon 1788/1789, 4 Bände und 1 Band Kupfer.
(Von der deutschen Übersetzung sind nur 2 Bände, A bis F, Leipzig
1808 erschienen.)


4. Afhandl. rörande mechaniken, med tillämpning i synnerhet
till bruck och bergwerk. Der erste Teil ist von Nordwall, der
zweite mit 53 Kupfertafeln von Rinman 1792 bis 1794; deutsch:
E. Nordwall und Sven Rinman, Maschinenlehre oder theoretisch-
praktische Darstellung des Maschinenwesens bei Eisen-, Berg- und
Hütten-, auch Hammerwerken. Aus dem Schwedischen übersetzt von
J. S. L. Blumhof, 2 Teile in 3 Bänden. Berlin 1804 bis 1806, 4°.


Rinman starb am 20. Dezember 1792 in der freien Bergstadt
Eskilstuna. Seine „Anleitung zur Kenntnis der gröberen Eisen- und
Stahlveredlung und deren Verbesserung“ war ein vorzügliches, prak-
tisches Buch. Es wurde der Hüttensocietät gewidmet, durch deren
Freigebigkeit auch Rinman in den Stand gesetzt wurde, seine vielen
Versuche zur Verbesserung des Eisenhüttenwesens zu machen. In
dem Werke wird die Arbeit der Hammerschmiede in ihren ver-
schiedenen Zweigen beschrieben und bei jedem Kapitel Versuche und
Vorschläge zur Verbesserung beigefügt. Es handelt 1. Von der Eisen-
und Stahlveredlung im Allgemeinen. 2. Von dem Schmiedeeisen im
Allgemeinen. 3. Von den Brennmaterialien. 4. Von dem Haushalt.
5. Von den Materialhämmern. 6. Von der Bereitung der Dachplatten.
7. Vom verzinnten Blech. 8. Von Zainhämmern (Gebundhämmern).
9. Von den Nagelschmieden. 10. Vom Walz- und Schmiedewerke.
11. Von Drahtziehereien. 12. Vom Stahl im Allgemeinen. 13. Vom
Schmelz- und Gärbstahle. 14. Vom Brennstahl. 15. Von Hand- und
Schmiedearbeiten. Das Werk enthält eine groſse Summe eigener
Erfahrung und Beobachtung und zeichnet sich durch Klarheit und
Bestimmtheit aus.


Sven Rinmans „Geschichte des Eisens“ erschien im Jahre 1782
unter dem bescheidenen Titel „Försöck till Jårnets Historia ned
Tillampning för Slögder och Handtwerk“ in 2 Bänden. Bereits im
Jahre 1785 erschien davon eine deutsche Übersetzung von J. G. Ge-
orgi
, Versuch einer Geschichte des Eisens mit Anwendung für Ge-
werbe und Handwerke, die trotz ihrer Mangelhaftigkeit groſses Auf-
sehen in Deutschland erregte und raschen Absatz fand. Die Mängel
der Übersetzung waren nicht bloſs sprachliche, sondern bestanden
namentlich in den willkürlichen Kürzungen und Auslassungen. Dies
veranlasste denn im Jahre 1814 keinen Geringeren als C. J. B. Karsten,
eine neue vollständige Uebersetzung, mit vielen Anmerkungen, heraus-
[43]Litteratur im 18. Jahrhundert.
zugeben. Karsten hat sich dadurch ein Verdienst um die Eisen-
hüttenkunde in Deutschland erworben, denn Rinmans Geschichte
des Eisens ist eins der grundlegenden Werke für die Metallurgie dieses
Metalles. Karsten, der so viel für diese Wissenschaft geleistet hat,
steht ganz auf den Schultern Rinmans. Rinmans Buch ist wesent-
lich praktisch, der reiche Schatz seiner Erfahrungen ist unter ge-
wissen einfachen allgemeinen Gesichtspunkten zusammengefaſst. „Die
vielen unendlich mühsamen Versuche, die sorgsamen Beobachtungen
und die gründlichen ohne alle Vorurteile gesammelten Erfahrungen,
die Anwendung derselben auf das praktische Leben, verbunden mit
dem natürlichen, unbefangenen Blick und mit der einfachen Dar-
stellungsart des bescheidenen Verfassers, geben seinem Werke einen
ewig dauernden Wert“ (Karsten).


Rinman führt in der Vorrede zu seiner Geschichte des Eisens
folgenden Gedanken aus: Die Eigenschaften der Stoffe bedingen ihre
Verwendung und die dafür nötigen Arbeiten. Man sollte glauben,
daſs die Eigenschaften des Eisens, des unentbehrlichsten Metalls, des
Mittels zur Darstellung aller übrigen, völlig aufgeklärt und seit Jahr-
tausenden bekannt sein müsse, dies sei aber keineswegs der Fall, die
Erkenntnis des Eisens sei noch eine äuſserst beschränkte. Der Grund
dafür liege groſsenteils an der groſsen Verbreitung des Eisens, seiner
Gemeinheit, wegen der man die Untersuchung der Eigenschaften des
Eisens bis dahin den Handwerkern überlassen habe. Die Gelehrten
begnügten sich damit, das nachzuschreiben, was ihre Vorgänger
darüber gesagt haben. Nur wenige hätten es der Mühe wert ge-
funden, einige Anwendungen von ihren Untersuchungen und Ent-
deckungen auf Künste und Handwerke zu zeigen. Diejenigen, die
darüber geschrieben, hätten sich damit begnügt, Schmelzverfahren,
welche sie kennen gelernt hätten, zu beschreiben. Nur Reaumur
habe in seiner Abhandlung, die Kunst, weiches Eisen in Stahl zu
verwandeln, eingehend die Eigenschaften und das Verhalten des
Eisens geprüft. Seit der Zeit habe aber keiner mehr sich auf den
Boden eigener Versuche gestellt. Dies habe ihn veranlaſst, einige
Materialien zur Geschichte des Eisens zusammen zu tragen, um
so mehr, als er durch die königliche Bergwerksbehörde und die
Hütten-Societät darin unterstützt und dazu aufgemuntert worden sei.
Damit ist die Bedeutung „Geschichte“ des Eisens erklärt, es ist die
„Naturgeschichte“ des Eisens darunter gemeint, eine Untersuchung
der Eigenschaften des Eisens und der aus denselben folgenden Arten
der Verwendung und der Darstellung. Der erste Zweck beim Ent-
[44]Litteratur im 18. Jahrhundert.
wurfe des Werkes war die Erfüllung des Wunsches der Hüttensocietät,
seine Erfahrungen über das Eisen mitzuteilen. Wenn er die Geheim-
nisse des Gewerbes enthülle, so sei dies nur zum Nutzen der Ge-
werbetreibenden und verletze dabei keine Pflicht, weil er von Niemand
Anleitung erhalten, sondern sich durch eine Menge von Versuchen
nach den Grundsätzen der Chemie und Physik selbst die Bahn ge-
brochen habe. Er beklagt es, den richtigen Aufschluſs über die Be-
standteile des Eisens nicht gefunden zu haben, woran der Umstand
schuld war, daſs er noch gänzlich in der Phlogistontheorie befangen
war. Er war sogar der Ansicht, daſs das Eisen an wesentlichen
Bestandteilen auſser Eisenerde und Phlogiston auch noch ein Salz
enthielte, neben den wesentlichen enthalte es aber noch mancherlei
zufällige.


Die chemischen und physikalischen Eigenschaften des Eisens
bilden den Einteilungsgrund für die zehn Abschnitte, die wir kurz
betrachten wollen.


Der erste, von der Farbe des Eisens, behandelt auſser der
äuſseren Farbe und dem Bruchansehen, auch das Schleifen, Polieren,
Beizen, Brunieren, Damaszieren, sowie die Schutzmittel gegen den
Rost.


Das zweite Kapitel handelt von der Schwere des Eisens, und
hierin teilt Rinman das Ergebnis einer Reihe trefflicher Versuche
über das spezifische Gewicht der Eisensorten mit. Im Anschluſs
daran bespricht er die Dichtigkeit und die Elastizität des Eisens,
wobei er näher auf die Bereitung der Uhrfedern und der Klingen
eingeht.


Die dritte Abteilung erörtert die Wirkung des Magnets auf das
Eisen und gehört nach unserer heutigen Auffassung in das Gebiet
der praktischen Physik; nur was Rinman über das Probieren der
Eisenerze durch den Magnet mitteilt, betrifft die Eisenhüttenkunde.


Das vierte Kapitel handelt von dem Verhalten des Eisens in der
Wärme und im Feuer. Eingehend wird darin die Ausdehnung des
Eisens durch die Wärme besprochen; sodann die äuſserliche Wirkung
der Wärme, das Anlaufen besonders des Stahls; die Wirkungen der
Glühhitze und der Schmelzhitze, die sich äuſsern in der Glühspahn-
bildung, im Verbrennen und Verschlacken des Eisens; im Anschluss
daran werden Verkalkung (Oxydation) und Reduktion besprochen.
Über die Kalzination des Eisens und die Reduktion seiner Kalke
teilt der Verfasser zahlreiche Versuche mit und beschreibt im An-
schluſs daran das Verschmelzen der Frischschlacken im Zerennfeuer.
[45]Litteratur im 18. Jahrhundert.
Weiter werden die Wirkung der Kälte und Hitze auf Härte und Weich-
heit des Eisens, die Mittel zur Beförderung der Weichheit, die Wir-
kung auf die Zähigkeit, das Verhalten des Eisens in der Schmelz-
hitze in offenen und geschlossenen Gefäſsen untersucht, woran sich
die Beschreibung verschiedener Arten des Tiegelschmelzens, des
Schmelzens des Stabeisens im offenen Feuer und des Schweiſsens des
Eisens anreihen.


Die Überschrift der fünften Abteilung lautet: Von der Ge-
schmeidigkeit des Eisens. Darin werden die Erscheinungen der Ge-
schmeidigkeit der verschiedenen Eisensorten erst im Allgemeinen er-
örtert, dann zu der Darstellung des geschmeidigen Eisens überge-
gangen und unter diesem Gesichtspunkte die wichtigsten Verfahren
der Schmiedeisenbereitung beschrieben. Es sind dies die Luppen-
feuer im Allgemeinen, insbesondere das Luppenschmelzen in Schweden,
die deutsche Rennschmiede, die korsikanische und die französische
Rennschmiede, die Bauern- und Blasöfen in den schwedischen Dal-
orten, hierauf folgen die verschiedenen Frischmethoden, insbesondere
die schwedische Osmundschmiede, die deutsche oder märkische Os-
mundschmiede, die Wallonenschmiede, die deutsche oder Koch-
schmiede, die Butschmiede, Frischschmiede, Suluschmiede, Halb-
wallonenschmiede, Brechschmiede, Anlaufschmiede, Löschfeuerschmiede
und die englische Stabeisenschmiede. Hieran schlieſsen sich die Be-
reitung des englischen Stangeneisens in Tiegeln, sowie allgemeine
Bemerkungen über die Bereitung des Stabeisens im Herde, über die
Kunst des Feuerbaues, den besten Schmiedeprozeſs u. s. w. Es folgen
hierauf Versuche und Erklärungen über hartes und weiches Eisen,
über Zähigkeit, Stärke und Spannkraft des Eisens; über das Sortieren
von Eisen und Draht, über Rotbruch und Kaltbruch, deren Ursachen
und Verbesserungen.


Mit diesem wichtigen Kapitel schlieſst der erste Band ab.
Während dieser mehr die Physik des Eisens behandelt, beschäftigt
sich der zweite mehr mit der Chemie des Eisens. Er beginnt mit
der sechsten Abteilung des Werkes.


„Vom Verhalten des Eisens gegen andere Metalle. Bei dem Ver-
halten gegen Gold werden auch die verschiedenen Arten der Vergoldung
beschrieben, ausführlich wird über das Verhalten zum Platin, nament-
lich über Versuche über das Zusammenschmelzen desselben mit Eisen
und des Scheidens berichtet. Bei dem Verhalten zu Silber und Kupfer
wird das Versilbern und Verkupfern beschrieben, die Legierung und
Scheidung dieser Metalle, ferner die Lötung; bei dem Verhalten zum
[46]Litteratur im 18. Jahrhundert.
Zinn, die Verzinnung beim Verhalten zum Blei, der Nutzen und die
Verwendung des Eisens beim Bleierzschmelzen. Es folgt das Ver-
halten des Eisens zu Quecksilber, zu Mangan, Nickel, Kobalt, Arsenik
Wismut und Zink, wobei von dem Überziehen des Eisens mit Wismut
und Zink gesprochen wird.


Die siebente Abteilung handelt von den Pigmenten aus Eisen,
wobei die aus Eisen bereiteten Erdfarben, Emaillen, Schlacken, Tinten
und Farben beschrieben werden. Sie sind den Farben nach geordnet
in schwarze, rote, gelbe, blaue, grüne und weiſse, wobei auch von
dem roten, gelben und grünen Glas gehandelt wird. Unter den blauen
Farben wird das Berlinerblau, das Erlangerblau und das Ultramarin
aufgeführt.


Die achte Abteilung beschäftigt sich mit der Auflösung des Eisens,
und zwar zuerst mit dem Verhalten des Eisens gegen die Luft und
das Wasser, sodann gegen die Säuren. Bei der Vitriolsäure wird das
Ätzen des Eisens, die Bereitung des Eisenvitriols und das Probieren
der Eisenerze auf nassem Wege durch Niederschlag beschrieben;
ebenso wird bei der Salpetersäure das Beizen und Ätzen von Eisen
und Stahl erläutert. Es wird dann noch das Verhalten des Eisens
zu folgenden Stoffen angeführt: zu Salzsäure, Königswasser, Fluſs-
spatsäure, Arseniksäure, Weinsteinsäure, Zuckersäure, Essig, Citronen-
säure, Holzessig, Ameisensäure, Phosphorsäure, Boraxsäure, Sauerklee-
säure, Molybdänsäure, Schwersteinsäure, ferner zu Alkali, Weingeist,
Ölen, Schwefel, Salpeter, Salmiak, Kochsalz und fixem Salmiak
(2 Teile Kalk und 1 Teil Salmiak).


Hierauf folgen die zwei wichtigen Schluſskapitel vom Stahl und
vom Roheisen. Es werden im neunten Kapitel die Eigenschaften des
Stahls und die Stahlbereitung beschrieben, und zwar insbesondere die
Schmelzung des Stahls unmittelbar aus den Erzen im Stückofen, die
Bereitung des Stahls aus Flosseneisen in Steiermark und Kärnten,
weiter wird gehandelt von der in Schweden üblichen Methode, aus
Roheisen Stahl zu machen, vom Luppstahl, vom Gärben des Rohstahls
und des Messerstahls, von der Verwandlung des Roheisens in Stahl
durch Brennen oder Cementieren, von der Verwandlung des Stab-
eisens in Stahl durch Schmelzen und durch Cementieren, von dem
Stahlbrennen und dem Brennstahl, von der Stahlhärtung und der
Oberfläche und Einsatzhärtung.


Im zehnten Kapitel werden erst die verschiedenen Arten des
Roheisens beschrieben, deren äuſsere und innere Eigenschaften, so-
dann ist die Rede von den zu Guſswaren erforderlichen Eigenschaften,
[47]Litteratur im 18. Jahrhundert.
von dem Gewicht des Roheisens und den Ursachen des verschiedenen
specifischen Gewichtes des Eisens, vom Verhalten des Roheisens gegen
den Magnet und gegen die Wärme, Verhalten im Feuer, in Glühhitze,
beim Schmelzen, von der Auflösung, vom Klang und von der Ver-
zinnung des Roheisens.


Wie aus diesem Inhaltsverzeichnis ersichtlich ist, umfaſst Rin-
mans
Geschichte des Eisens den gröſsten Teil der Metallurgie des
Eisens. Es fehlt hauptsächlich der Hochofenbetrieb, der nur kurz
erwähnt wird; ein Eingehen auf die Lehre von den Betriebsmitteln
und der Eisenveredlung durch die Formgebung war nach der ganzen
Anlage des Buches nicht zu erwarten.


Über die Hochofenkunst, d. h. über Hochofenbau und Hochofen-
betrieb, erschien 1791 ebenfalls in Schweden eine der gründlichsten
Schriften, welche über diesen Gegenstand erschienen sind, Joh. Carl
Garnejs
Handledning uti Svenska Masmästeriet auf 504 Seiten in
Groſsquart und 16 Kupfertafeln. Das Werk wurde 1800 von Joh.
Georg Ludw. Blumhof
in das Deutsche übersetzt und erschien
unter dem Titel: „Abhandlung von Bau und Betrieb der Hochöfen
in Schweden.“


In diesem Werke, dessen Herausgabe ebenfalls auf Veranlassung
und Kosten der schwedischen Hüttensocietät geschah, sind die lang-
jährigen Erfahrungen Garnejs, der als Oberhochofenmeister mitten
im praktischen Leben stand, und seiner Vorgänger niedergelegt und
bildet das Werk die wichtige Ergänzung zu Rinmans Geschichte des
Eisens und der gröberen Eisen- und Stahlveredlung. Garnejs schreibt
darüber: „Was der selige Rinman aller seiner Unverdrossenheit un-
geachtet, solange er den Posten eines Oberhochofenmeisters bekleidete,
nicht vollenden konnte, weil hierzu viele und mannigfache Versuche
u. s. w. erst erforderlich, auch die vorkommenden Erz- und Stein-
arten von so ungleicher Beschaffenheit und Art waren, daſs der eine
Versuch für den andern den Weg bahnen muſste, damit durch vor-
eilige Schlüsse keine Irrtümer und kein schwerer und kostspieliger
Verlust entstehen möchte — dies haben seine Nachfolger in diesem
Amte, die Assessoren im Bergkollegium, und zwar der Direktor über
die Feinschmiede, Bengt Quist Anderson, der jetzt verstorbene
Direktor über das Hochofenwesen Magnus Allgulin und der Direktor
über die Stabeisenschmiede Salomon von Stockenström, mit aus-
gezeichnetem Eifer, und nützlicher Aufklärung, wodurch sie sich einen
bleibenden Namen in der Geschichte des schwedischen Hüttenwesens
erworben haben, fortgesetzt und zum Teil ergänzt. — Auf die Ent-
[48]Litteratur im 18. Jahrhundert.
deckungen dieser Männer, welche mir zu den Versuchen, die ich selbst
während meiner Dienstzeit anzustellen Gelegenheit gehabt, zu Weg-
weisern gedient haben, gründet sich das Wesentliche dieser Abhand-
lung.“


In Schweden war damals die Kunst des Ofenbaues (Stegresare-
Konst) ganz getrennt von der Schmelzkunst (Masmästare-Konst);
dem entsprechend zerfällt auch Garnejs Werk in zwei Teile. Der erste
Teil, die Ofenbaukunst, zerfällt in folgende Kapitel: 1. Von den Arten
der Hochöfen, 2. von dem Fundament, 3. von dem doppelten Rauh-
mauerwerk, 4. vom Gestell, 5. vom Schacht, 6. von der Gicht, und
7. von der Instandhaltung des Hochofens. Der zweite Teil des Werkes,
der „von dem Betrieb der Hochöfen“ handelt, zerfällt 1. in die Ein-
leitung, 2. die Unterscheidung der Eisensteine, 3. die Beschickung,
4. das Rösten, 5. das Pochen, 6. die Kohlen, 7. die Blasebälge, 8. vom
Gestell, 9. von der Wartung des Hochofens, 10. von der Unterscheidung
des Roheisens, 11. von den Betriebsstörungen.


Das Werk beruht zwar ganz auf der schwedischen Praxis, aber
durch seine Gründlichkeit und vortreffliche, faſsliche Darstellung ist
es auch für die auſserschwedischen Länder, für die Hüttenkunde im
Allgemeinen und für die Art der Behandlung des Gegenstandes von
allergröſster Bedeutung geworden und gehört ebenfalls zu den grund-
legenden Werken der Eisenhüttenkunde. Am bezeichnendsten ist wohl,
was Meyer darüber schreibt 1): „Noch wichtiger aber wurde für die
praktische Richtung Garnejs Handbuch des schwedischen Hochofen-
betriebes. Dieses Buch, welches wirklich auf jedem Ofenkranze und bei
jeder Tümpelflamme gelesen wurde und noch jetzt des Hüttenmannes
Ratgeber bei allen schwierigen Vorfällen ist, hat die bis zu seinem Er-
scheinen (1791) immer noch bestehenden, durch die mehrfachen Ein-
wanderungen mitgebrachten Prinzipien des Hochofenbaues und die
vielen Vorurteile allmählich fast ganz verdrängt, und die beigegebenen
Kupferstiche mit allen ihren Buchstaben sind so ins Hüttenleben
übergegangen, daſs man bei der neuen Umarbeitung 1814 durch
Lidbek es vorzog, die alten, obwohl schlechten Platten unverändert
wieder abzuziehen, als neue stechen zu lassen, um nicht den Hütten-
mann durch einen ihm weniger vertrauten Anblick zu stören oder zu
entfremden. Über dieses Werk ist im Inlande nur eine Stimme, und
das Ausland selbst, für das es nur einen mittelbaren Wert haben
[49]Litteratur im 18. Jahrhundert.
kann, hat durch Übersetzen in mehrere Sprachen gezeigt, wie hoch
es ihm stehe.“ Die auſserordentliche Verbreitung und damit sein un-
mittelbarer Nutzen wurde dadurch sehr gesteigert, daſs die schwedi-
sche Gesellschaft der Eisenhüttenleute eine groſse Anzahl Exemplare
auf ihre Kosten verteilte und Sorge trug, daſs jede Hütte und jeder
Hochofenmeister ein Exemplar erhielt.


Bei Rinmans Lebensbeschreibung haben wir bereits seiner beiden
letzten groſsen Werke gedacht. Das Bergwerkslexikon wurde von
ihm ebenfalls im Auftrage und auf Kosten der schwedischen Ge-
sellschaft der Eisenhüttenleute bearbeitet und gedruckt. Die Grund-
lage bildete eine Sammlung bergmännischer Kunstwörter von einem
verstorbenen Bergmeister Bellander zu Sala, welche das Eisenkomptoir
angekauft hatte. Aus dieser Sammlung entstand das umfangreiche
mit vielen Tafeln ausgestattete Werk, welches leider nur bis zum
Buchstaben F in deutscher Übersetzung erschienen ist. Rinman
bewältigte diese umfangreiche, mühevolle Arbeit in wenig mehr als
zwei Jahren. Ebenso entstand das letzte wichtige Werk Rinmans,
die groſse Maschinenlehre, von welcher er den praktischen Teil be-
arbeitete und mit 53 Kupfertafeln bereicherte, auf Veranlassung der
Bruckssocietät. Auch von diesem ist die deutsche Übersetzung leider
unvollendet geblieben.


Die deutsche Litteratur des 18. Jahrhunderts über das Eisen-
hüttenwesen entstand in Anlehnung an die ausländische. Wir haben
oben schon erwähnt, daſs der fleiſsige Johann Heinrich Gottlob
von Justi
alsbald nach dem Erscheinen der ersten Hefte der „De-
scriptions des arts et métiers“ dieselben in das Deutsche übersetzte.
Wenn diese Übersetzungen auch sehr mangelhaft sind, so haben doch
die Abhandlungen über das Eisenhüttenwesen höchst anregend ge-
wirkt. Von Justi war aber schon vor dieser Arbeit als selbständiger
Schriftsteller auf dem Gebiete der Eisenhüttenkunde aufgetreten. Er
schrieb 1757 seine „Vollständige Abhandlung von den Manufakturen
und Fabriken“, welche, ein „Lehrbuch von der Kommerzienwissen-
schaft“ und den praktischen Teil zu seiner „Staatswirtschaft“ bilden
sollte. Der erste Teil, „welcher die allgemeinen Grundsätze und Be-
trachtungen in sich enthält“, erschien 1757 in Kopenhagen, der zweite
Teil, „worinnen die besonderen Arten aller und jeder Fabriken ab-
gehandelt werden“, folgte 1761. Das Buch fand groſsen Anklang und
wurde 1767 unverändert in einer zweiten Auflage herausgegeben.
1780 war es wieder vergriffen und wurde in verbesserter Auflage, von
dem berühmten Johann Beckmann in Göttingen mit Anmerkungen
Beck, Geschichte des Eisens. 4
[50]Litteratur im 18. Jahrhundert.
versehen, bei Pauli in Berlin neu aufgelegt. Der dritte Abschnitt
des zweiten Teils handelt von den Eisen- und Stahlfabriken. Nach
einer allgemeinen Einleitung über die volkswirtschaftliche Bedeutung
folgen nachstehende Hauptstücke: 1. Von den Eisenhütten und Gieſse-
reien, 2. von Stab- und Blechhämmern, 3. von den Stahlhütten, 4. von
den Gewehrfabriken, und 5. von den Fabriken allerlei stählerner Gerät-
schaften. In gefälliger, verständlicher Darstellung enthält das Buch,
das mehr für den gebildeten Laien, als für den Fachmann bestimmt
ist, eine Schilderung des Eisengewerbes. Das Buch war lange Zeit
das einzige seiner Art. Dies war noch 1780 so, weshalb Beckmann
es neu bearbeitete. von Justi hat noch vielerlei über einzelne Gegen-
stände der Eisenhüttenkunde geschrieben und ist selbst aus einem
Professor ein praktischer Eisenhüttenmann geworden, wobei er aller-
dings nicht glücklich war. Johann Heinrich Gottlob Justi wurde
am 25. Dezember 1720 zu Brücken im Amt Sangerhausen, kur-
sächsischer Kreis Thüringen, geboren. Er studierte Jurisprudenz, trat
bei Ausbruch des schlesischen Krieges in preuſsischen Kriegsdienst,
machte den Feldzug mit und avancierte zum Regimentsquartier-
meister. 1747 nahm Justi seinen Abschied, studierte weiter und
machte sich als Schriftsteller bemerklich. 1750 erhielt er einen Ruf
an die theresianische Ritterakademie zu Wien, wo er Kameral-
wissenschaften vortrug. Er wurde der erste Schematiker der Staats-
und besonders der Polizei- und Kameralwissenschaft. Dabei suchte
Justi seine Theorieen immer praktisch anzuwenden; in diesem Sinne
beförderte er die Seidenzucht in Österreich und bereiste die Berg-
werke und Hütten. Er erhielt den Titel eines Finanz- und Bergrats
und den Adel. Durch ein verfehltes Unternehmen, aus Kalklagern bei
Annaberg in Nieder-Österreich Silber zu gewinnen, verlor er das Ver-
trauen, weshalb er 1754 seinen Abschied nahm und Österreich ver-
lieſs. Ohne festen Wohnsitz, führte er einige Zeit ein unstetes Leben,
bis er 1755 die Bekanntschaft des hannöverischen Ministers von
Münchhausen
machte, der ihm die Stelle eines Bergrats und Ober-
polizeikommissärs übertrug und ihn veranlaſste, nach Göttingen zu
ziehen, wo er Vorlesungen über Staatsökonomie und Naturwissen-
schaften hielt. 1757 verlieſs er Göttingen, indem er einer Einladung
nach Kopenhagen folgte. Von da aus bereiste er im Auftrage des
Grafen Bernstorff Jütland, um Vorschläge über die Nutzbarmachung
der groſsen Haiden zu machen. 1759 ging er nach Berlin in der
Hoffnung auf eine Staatsanstellung in Preuſsen. Hier widmete er
sich mit erstaunlichem Fleiſse litterarischen Arbeiten. 1763 legte er
[51]Litteratur im 18. Jahrhundert.
zu Harburg eine Silberraffinerie an. 1766 wurde er endlich nach
langem Warten zum königlich preuſsischen Berghauptmann ernannt
und ihm die Oberaufsicht über die Glas- und Stahlfabriken in den
östlichen Provinzen übertragen. Aber seine Gesundheit war bereits
erschüttert. Er nahm seinen Wohnsitz zu Vietz in der Neumark,
wo königliche Eisenhütten waren. Von jeher ein schlechter Haus-
halter, war auch seine Verwaltung dort eine sehr unordentliche. Bei
einer Revision ergaben sich Kassendefekte in Höhe von 46000 Thaler.


Auf seinen eigenen Antrag wurde er nach Küstrin als Staats-
gefangener gebracht, wo er 1771 an einem Schlaganfall verstarb.
Justi war ein Mann von groſsen Anlagen, erstaunlichem Fleiſs und
Gedächtnis und von weitem Blick. Er schrieb auſserordentlich leicht
und meist auch gefällig. Auf der anderen Seite war er leichtsinnig,
zerfahren, zum Groſsthun geneigt, deshalb verschwenderisch und un-
ordentlich; doch war sein trauriges Lebensende mehr durch seine
Schwächen, als durch wirkliche Unredlichkeit herbeigeführt.


Der zweite bedeutende deutsche Schriftsteller des vorigen Jahr-
hunderts, der über Eisen schrieb, war der verdienstvolle königlich
preuſsische Oberberg-Oberrechnungs- und Oberbaurat Dr. Karl
Abraham Gerhard
. Auch er machte sich zuerst durch die Über-
setzung eines französischen Werkes, der metallurgischen Reisen von
Gabriel Jars, welches 1777 in Hamburg erschien, bekannt. Er be-
reicherte die darin enthaltenen Kapitel über das Eisen durch vor-
treffliche Anmerkungen, welche als ein Anhang im zweiten Bande
erschienen und die eine gedrängte Übersicht des ganzen Eisenhütten-
wesens nach dem damaligen Stande der Kenntnis enthalten.


Die hüttenmännische Reiselitteratur, wie sie Jars begründet
hatte, fand in Deutschland groſsen Anklang und viel Nachfolge. Unter
diesen Schriftstellern ragte besonders Johann Jacob Ferber, von
Geburt Schwede, durch Erziehung und Lebensgang ein Deutscher,
hervor. Er war am 9. September 1743 zu Karlskrona geboren; zur
Medizin bestimmt, studierte er mit Vorliebe Mineralogie unter
Wallerius, später unter Cronstedt und Linne in Upsala. Mit
Bergman war er befreundet. Seine erste mineralogische Reise
machte er durch Schweden. Hierauf bereiste er von 1765 an Deutsch-
land, England und Italien, längere Zeit dann Böhmen, Südösterreich
und Ungarn. Seine Schrift über das Quecksilberbergwerk zu Idria
war Veranlassung, daſs er eine Professur in Mietau erhielt. 1774
und 1776 bereiste er die Pfalz und das Saargebiet. 1781 wurde er
Professor in Petersburg und 1786 erhielt er eine Berufung nach
4*
[52]Litteratur im 18. Jahrhundert.
Preuſsen als Oberbergrat. Er starb auf einer Reise in Bern im Jahre
1790. Seine zahlreichen Reisen hat er in vortrefflichen Einzel-
beschreibungen in deutscher Sprache veröffentlicht. Er war gleich
ausgezeichnet als Mineraloge, Geognost und Hüttenmann. Seine
geognostischen Ansichten und seine Einteilung der Gesteine in
a) Granit als Grundlage, b) älteres Schiefergebirge, c) Flötzgebirge,
und d) Tertiärgebirge, wurde für lange Zeit maſsgebend. Seine in-
haltsreichen Schriften gehören zu den besten Quellen für Mineralogie
und Metallurgie. Zu der Kenntnis des Eisenhüttenwesens lieferte
Ferber viele, zum Teil wertvolle Beiträge. Von seinen zahl-
reichen Schriften führen wir in dieser Beziehung nur die folgenden
an: Bergmännische Nachrichten von den Zweibrückischen, Pfälzischen
und Nassauischen Ländern 1776, Neue Beiträge zur Mineralgeschichte
1778 und Abhandlung über die Gebirge und Bergwerke in Ungarn
nebst einer Beschreibung des steyerischen Eisenschmelzens und Stahl-
machens von einem Ungenannten.


Von späteren Reiseschriftstellern nennen wir Haquet, welcher
besonders die österreichischen Alpenländer bereiste; Pallas1), der in
seinem berühmten Reisewerk über Ruſsland zahlreiche Mitteilungen
über die Eisenhütten Ruſslands gemacht hat; B. F. J. Hermann,
Reisen durch Österreich, Steyermark, Kärnten und Krain 1781, sowie
verschiedene Schriften über Ruſsland; Blumhof und Stünkel, Be-
obachtungen auf einer Fuſsreise von der Roten Hütte nach Mägde-
sprung und den Blankenburgischen Eisenhütten 1800.


Zahlreicher und wichtiger sind die vielen Monographieen,
welche in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts erschienen
sind; unter diesen nennen wir: E. Herwig, Über das Eisen-
schmelzen und Schmieden in der Herrschaft Schmalkalden 1777;
J. D. G. Schreber, Beschreibung der Eisen-, Berg- und Hütten-
werke zu Eisenerz in Steyermark, Leipzig 1792, und im Schauplatz
der Künste und Handwerke von 1772 (Bd. XI.); B. F. J. Hermann,
Über die Verfertigung des Brescianer Stahls in Steyermark etc. 1781,
Beschreibung der Eisenberg- und Hüttenwerke zu Eisenerz in Steyer-
mark, Wien 1788. E. A. Jägerschmid, Beiträge über einige
metallische Fabriken der Grafschaft Mark 1788. Johann Philipp
Becher
, Mineralogische Beschreibung der Oranien-Nassauischen
Lande nebst einer Geschichte des Siegenschen Hütten- und Hammer-
[53]Litteratur im 18. Jahrhundert.
wesens, 1789. B. Fr. Joh. Hermann, Versuch einer mineralogischen
Beschreibung des Uralischen Erzgebirges, 1789. J. Ch. Quantz,
Über die Eisen- und Stahlmanipulation in der Herrschaft Schmalkal-
den, 1799.


Die vorgenannten Einzeldarstellungen beziehen sich auf die Eisen-
industrie bestimmter Länder oder Landschaften. Die Monographieen
über einzelne Betriebe oder technische Fragen waren noch selten.
Die meisten finden sich in den technischen Sammelwerken, wie
namentlich im Schauplatze der Künste und Handwerke, welcher von
Justi begonnen und von Schreber fortgesetzt wurde und in P. N.
Sprengels Handwerke und Künste in Tabellen. Diese Sammelwerke
waren alle durch die Descriptions des arts et métiers veranlaſst.
Das Werk von Sprengel begann 1767 zu erscheinen und umfaſst
in der zweiten Sammlung im dritten Abschnitt das Handwerk des
Nadlers, im sechsten und siebenten sind die Stahl- und Eisenarbeiter
abgehandelt, und zwar in der sechsten Sammlung von 1770 1. der
Nagelschmied, 2. der Schlosser, 3. der Sporer, 4. der Windenmacher,
5. der Zeugschmied, 6. der Feilenhauer, 7. der Messerschmied. Die
siebente Sammlung von 1771 umfaſst 1. die chirurgischen Instru-
mentenmacher, 2. die Stahlarbeiter, 3. die Gewehrfabrik, 4. Schwert-
feger und Langenmesserschmiede, 5. die Büchsenmacher, 6. die
Büchsenschäfter und 7. die Groſsuhrmacher.


Der Zweck der Sammlung ist die Belehrung der Jugend, wie in
der Vorrede gesagt ist, und ist die Darstellung dem Zwecke ent-
sprechend populär gehalten. Ein ähnliches Werk ist Halles Werk-
stätte der heutigen Künste. Diese technischen Sammlungen führen
uns zu den eigentlichen Encyklopädien, von denen Deutschland in
der ökonomischen Encyklopädie von Dr. J. G. Krünitz eine der
umfassendsten besitzt, die erschienen sind. Der Artikel Eisen, sowie
viele Einzelartikel über Eisengewerbe, sind gut und lesenswert. Das
Werk ist ähnlich wie der Schauplatz der Handwerke und Künste so
weitläufig angelegt, daſs es eigentlich niemals zum Abschluſs kam.
Mit seiner Fortsetzung von Flörke und Kort umfaſste es bis 1858
242 Bände. Bis zu Krünitz Tode 1796 waren 74 Bände erschienen.
Das Werk fand trotz seines Umfanges namentlich im vorigen Jahr-
hundert solche Verbreitung, daſs 1782 bis 1814 eine zweite unver-
änderte Auflage der ersten 97 Bände erschien. Neben dieser weit-
läufigen Encyklopädie erschien eine gedrängtere, in welcher aber das
Eisen entsprechend berücksichtigt wird von J. K. G. Jacobson als
Technologisches Wörterbuch 1781, mit vier Supplementbänden von
[54]Litteratur im 18. Jahrhundert.
Rosenthal 1793. — Ein wichtiges Sammelwerk, in welchem sich
viele gute Aufsätze über Eisen finden, sind Schrebers Sammlungen
von Kameralschriften.


Von gröſstem Einfluſs auf die metallurgische Wissenschaft war
das Erscheinen von Zeitschriften, welche sich mit Bergbau und
Hüttenkunde beschäftigten. Als ein Vorläufer dieser in Deutschland
müssen die Übersetzungen der Abhandlungen der königlich schwedi-
schen Akademie der Wissenschaften von Kästner gelten.


Ebenso müssen Crells chemisches Archiv und die chemischen
Annalen (1783 bis 1803) genannt werden, sowohl, weil sie Auszüge
aus den periodischen Schriften der wichtigsten Akademieen, in welchen
die Metallurgie besonders berücksichtigt ist, enthalten, als auch wegen
wichtiger metallurgischer Aufsätze. Die erste deutsche Fachschrift
für Berg- und Hüttenwesen ist J. F. Lempe, Magazin für Bergbau-
kunde 1785 bis 1799; die Eisenindustrie ist etwas mehr berücksichtigt
in Köhler und Hoffmanns bergmännischem Journal 1788 bis 1794,
an welches sich das neue bergmännische Journal 1795 bis 1816 an-
schloſs, und in C. E. von Molls Jahrbücher der Berg- und Hütten-
kunde von 1797 an.


Am interessantesten für uns ist unter den deutschen Zeitschriften
das nur für die Eisenhüttenkunde bestimmte Eisenhütten-Magazin
von Tölle und Gärtner, dessen erstes Monatsheft im August 1791
erschien. Trotz des reichen Inhaltes brachte es das Magazin leider
nur auf zwei Jahrgänge, indem es aus Mangel an Unterstützung ein-
ging. Von groſser Bedeutung war das von der republikanischen Re-
gierung in Frankreich 1795 ins Leben gerufene Journal des
mines
.


Von Fachschriften über Eisenhüttenkunde im allgemeinen nennen
wir, auſser den früher erwähnten von Justi und Gerhard, des
Freiherrn von Hoffmann Abhandlung über die Eisenhütten,
welche mehr praktisch als theoretisch gehalten ist und besonders
seine Erfahrungen, die er in Böhmen und Sachsen gemacht hat,
enthält. Es finden sich darin ferner Angaben über die Betriebe in
Blankenburg, Suhl, Bayreuth. Der technische Inhalt ist unbedeutend,
wichtiger ist der ökonomische, in dem viele Preisangaben und Be-
rechnungen mitgeteilt sind.


Cancrinus, Abhandlung von der Zubereitung des Roheisens in
Schmiedeeisen, auch des Stahls u. s. w., 1788; J. von Sternberg,
Versuch über das vorteilhafteste Ausschmelzen des Roheisens, 1795;
A. Tiemann, Bemerkungen und Versuche über das Eisen, ent-
[55]Litteratur im 18. Jahrhundert.
halten hauptsächlich eine gute Darstellung des Eisenfrischens am
Harz, 1797.


Als die wichtigsten theoretischen Schriften über das Eisen und
die Eisengewinnung, welche im vorigen Jahrhundert in Deutschland
erschienen sind, dürfen wir die drei Abhandlungen über die Preis-
frage: Worin besteht der Unterschied zwischen Roheisen
aus Hohenöfen und geschmeidigem Eisen aus Frischherden
?
von Lampadius, Hermann und Schindler bezeichnen. Sie stehen
auf dem Boden der modernen Chemie und führen in die neue Zeit
über.


Am Schlusse des Jahrhunderts erschien dann die erste „Systema-
tische Eisenhüttenkunde
mit Anwendung der neueren chemischen
Theorie“ von Wilhelm Albrecht Tiemann. Die Vorrede ist im Jahre
1800 geschrieben, weshalb wir das Buch, das 1801 erschien, noch dem
vorigen Jahrhundert zurechnen. „Bis jetzt existiert noch kein Buch“,
schreibt der Verfasser in seiner Vorerinnerung, „worin die mit dem
Hüttenwesen in enger Verbindung stehenden Wissenschaften im Zu-
sammenhange vorgetragen würden und welches einen Überblick des
Ganzen liefert. Ich unternahm es daher, einen solchen Versuch
wenigstens mit dem Eisenhüttenwesen (da dies in jeder Hinsicht die
Seele alles übrigen ist) zu machen, und diesen Versuch Eisen-
hüttenkunde
zu nennen.“


Deutschland hat also das erste systematische Lehrbuch dieses
Teils der technischen Wissenschaft geliefert und Tiemann gebührt
das Verdienst der Autorschaft sowohl dieses Buches, als des Namens
der Wissenschaft, welcher seit der Zeit allgemein angenommen wurde.


Das Buch ist mit Fleiſs und Verständnis geschrieben und erfüllt
durchaus seinen Zweck. Es ist jedenfalls nur dadurch so bald in
Vergessenheit geraten, weil das vortreffliche Handbuch der Eisen-
hüttenkunde von Karsten, dessen erste Auflage 1816 erschien, es
gänzlich in den Schatten stellte. Auch muſs zugestanden werden,
daſs es, obgleich es die neue chemische Theorie im Auszuge vor-
trägt, doch keinen Fortschritt darstellt, sondern ganz auf dem
alten Standpunkte des Betriebes, wie er damals am Harz in Übung
war, steht. Die neuen Fortschritte, die doch schon in Deutschland
damals wenigstens versuchsweise Eingang gefunden hatten, die Kokes-
hochöfen, der Puddelbetrieb, die Dampfmaschine, das Walzwerk,
werden nicht einmal erwähnt. Den Hülfswissenschaften, Chemie und
Mineralogie, welche die beiden ersten Abschnitte des Werkes bilden,
ist ein viel zu breiter Raum gewährt. Die drei anderen Abschnitte
[56]Litteratur im 18. Jahrhundert.
sind die Hüttentopographie, die Hüttenarchitektur und die Hütten-
ökonomie, worunter die eigentliche Eisenhüttenkunde begriffen ist.
Die Hüttenchemie ist ein weitläufiger Auszug aus dem Lehrbuche
der Chemie von Fourcroy und geht weit über die Grenzen einer
Hüttenchemie hinaus. Der Verfasser setzt bei dem Leser gar keine
chemischen Kenntnisse voraus und will ihn in die Wissenschaft über-
haupt einführen und beschränkt sich dabei nicht auf die Chemie der
Metalle, sondern zieht sogar die organischen Säuren in seine Be-
trachtungen mit ein. Die Docimasie bildet eine Unterabteilung des
ersten Abschnittes und umfaſst das Probieren der Eisenmineralien auf
trockenem und nassem Wege, soweit letzterer damals bekannt war.
Wie der erste Abschnitt ein Auszug aus Fourcroy ist, so ist der
zweite ein Auszug aus der Mineralogie Werners, wobei der spezielle
Teil sich allerdings auf die „Eisenminer“ beschränkt. Die Topographie
behandelt die örtliche Beschaffenheit des Eisenhüttenwerkes, Wahl
des Platzes, Anlage der Hüttengräben u. s. w., und folgt hierin der
Verfasser den Werken von Schlüter und Kramer. Die Hüttenarchi-
tektur beschäftigt sich fast ausschlieſslich mit dem Hochofenbau, wo-
bei er sich auf Garney stützt. Diesem Abschnitt ist die Beschreibung
und Berechnung der Gebläse hinzugefügt, wofür ihm Baader Ge-
währsmann ist. Die Hüttenökonomie umfaſst 1. die Betriebslehre, und
zwar den Betrieb der Hochöfen, Frischfeuer, Blechhütten und Draht-
hütten, 2. die Lehre von den Eigenschaften des Roheisens, Schmied-
eisens und Stahls, 3. die Vorbereitung der Erze, Rösten und Ver-
wittern, 4. die Lehre von den Brennmaterialien, die merkwürdiger
Weise den Schluſs bildet. Dem „Werke ist ein Entwurf einer hütten-
männischen Litteratur“, d. h. eine Übersicht der einschlägigen Druck-
werke beigefügt.


Zum Schlusse erwähnen wir noch einige geschichtliche Werke,
aus welchen manches für die Geschichte des Eisens zu entnehmen
ist. Es sind dies J. von Sperges, Tyrolische Bergwerksgeschichte,
1765, J. F. Gmelin, Beiträge zur Geschichte des deutschen Berg-
baues, 1783, und das bekannte Werk von J. Beckmann, Beiträge
zur Geschichte der Erfindungen, 1797.


Der gröſsere Verkehr der Länder Europas untereinander, die
Informationsreisen zu wissenschaftlichen und technischen Zwecken,
die Zeitungs- und periodische Fachlitteratur trugen viel dazu bei,
hüttenmännische Kenntnisse und Erfindungen zu verbreiten, dennoch
müssen wir erstaunen, wie langsam die nützlichsten Erfindungen und
selbst die Kenntnis derselben sich verbreiteten. Ein Beispiel dafür
[57]Wissenschaftliche Anstalten.
bietet Tiemanns Eisenhüttenkunde von 1801, in welcher der Puddel-
prozeſs, der doch seit 15 Jahren in England betrieben wurde und
eine Umwandlung der ganzen Stabeisenindustrie herbeigeführt hatte,
nicht einmal genannt wird.


England, das Land der wichtigsten Erfindungen auf dem Ge-
biete des Eisenhüttenwesens im vorigen Jahrhundert, besitzt nur eine
äuſserst spärliche Litteratur aus dieser thatenreichen Zeit. Die
Patentbeschreibungen (Specifications) sind fast die einzigen
Quellen, aus denen wir Belehrung schöpfen können.


Wissenschaftliche Lehranstalten.


Von den Akademieen der Wissenschaften waren es besonders
die englische, die französische und die schwedische in London, Paris und
Stockholm, in welchen metallurgische Fragen behandelt wurden und
welche dadurch einen bedeutsamen Einfluſs auf die Entwickelung
des Eisenhüttenwesens und der Eisenhüttenkunde ausgeübt haben.
Über die Gründung und die Thätigkeit der Royal Society in London
haben wir bereits früher berichtet.


Die französische Akademie der Wissenschaften zu Paris war wie
die meisten Anstalten dieser Art aus einer privaten Vereinigung von
Gelehrten hervorgegangen; dieselbe hatte sich hauptsächlich mit Natur-
wissenschaften beschäftigt. Seit 1692 veröffentlichte sie Memoiren,
welche anfangs unregelmäſsig, seit 1699 regelmäſsig erschienen. In
diesen fanden die praktischen Naturwissenschaften im 18. Jahrhundert
weitgehende Berücksichtigung, und sind die Histoires et Mémoires de
l’Academie de sciences à Paris reich an vortrefflichen Aufsätzen, die
sich auf die Eisenhüttenkunde beziehen.


Die schwedische Akademie der Wissenschaften entstand
erst im 18. Jahrhundert. Im Jahre 1710 wurde die Universität Upsala
in Folge der Pest geschlossen. Dies gab Veranlassung, daſs die Pro-
fessoren in Verbindung mit anderen Freunden der Wissenschaft eine
gelehrte Gesellschaft, das Collegium Curiosorum, gründeten. Sweden-
borg
war ein thätiges Mitglied derselben und gab mit Polhem eine
wissenschaftliche Zeitschrift, den Dädalus Hyperboreus, heraus.


Das Collegium Curiosorum ging schon im Jahre 1718 wieder ein,
aber bereits im folgenden Jahre gelang es dem eifrigen Berzelius,
[58]Wissenschaftliche Anstalten.
eine neue litterarische Gesellschaft (Bokveltsgilde?) zu gründen, welche
1720 ihr gelehrtes Journal „Acta litteraria Sueciae“, welches von 1720
bis 1729 zu Upsala erschien, herausgab. Nachdem sie den Grafen
Arved Horn zu ihrem Präsidenten erwählt hatte, bekam sie 1728 die
königliche Bestätigung als Societas regia litteraria scientiarum Upsa-
lensis. Diese gab von 1730 bis 1750 die Acta Soc. Reg. Scientiarum
Ups. heraus, denen 1773 die Nova Acta folgten, welche bis in die
Neuzeit fortgesetzt wurden.


Die Petersburger Akademie wurde 1724 von Peter dem
Groſsen
gegründet und mit reichen Mitteln ausgestattet. Seit 1728
giebt sie ihre Schriften heraus.


Neben den fürstlichen Akademieen bildeten sich reiche wissen-
schaftliche Privatgesellschaften
, welche auf die praktische
Naturwissenschaft und die Industrie von Einfluſs waren. In Eng-
land
trat 1754 eine Gesellschaft zur Beförderung der
Künste, Fabriken und des Handels
(the voluntary Society for
the Encouragement of Arts, Manufactures and Commerce) zusammen.
Ihr Ziel war die Verbesserung geistiger und materieller Künste zum
Nutzen der Industrie; sie suchte es zu erreichen, indem sie Ehren-
diplome und Geldprämien für gewisse Zwecke bestimmte. Sie begann
ihre Thätigkeit damit, daſs sie Prämien aussetzte für die Beförderung
des Zeichnens und Entwerfens, und zwar für beide Geschlechter. Sie
erteilte Prämien an thätige Kolonisten in Amerika, Asien und Afrika
und wirkte dadurch sehr anregend. Ihre Nützlichkeit erwies sich
bald und dadurch nahm ihre Mitgliederzahl sehr zu. In Nachahmung
dieser Vereinigung entstand in Hamburg 1765 die Hamburgische
Gesellschaft zur Beförderung der Künste und nützlichen Gewerbe.


Es würde zu weit führen, alle wissenschaftlichen und praktischen
Gesellschaften, die auſserdem noch im Laufe des Jahrhunderts ent-
standen, aufzuführen.


Sehr anregend wirkten die Preisaufgaben, welche von den
Regierungen, Akademieen und Privatgesellschaften gestellt wurden.
Ein wichtiges Förderungsmittel für wissenschaftliche und technische
Zwecke waren öffentliche Sammlungen zur Förderung der
Technik. Eine der ältesten und verdienstvollsten war die Sammlung
von Modellen
, welche sich auf Bergbau und Hüttenkunde, Strom-
bau u. s. w. bezog, welche die oberste Bergbehörde in Schweden
angelegt hatte und in welcher namentlich die vielen Erfindungen des
berühmten Polhem in von ihm selbst gefertigten Modellen aus-
gestellt waren. Eine berühmte Sammlung wurde das Conservatoire
[59]Wissenschaftliche Anstalten.
des Arts et Métiers in Paris, welches 1794 gegründet wurde,
und besonders Maschinen, Werkzeuge und Industrieprodukte umfaſste.
Das wichtigste Förderungsmittel waren aber die technischen Lehr-
anstalten
.


Realschulen für eine wissenschaftliche aber nicht gelehrte
Bildung entstanden in Deutschland gegen die Mitte des Jahrhunderts.
Eine Anstalt der Art war das 1745 von Abt Jerusalem in Braun-
schweig
gestiftete Collegium Carolinum, noch mehr aber die
1745 durch Hecker in Berlin gegründete Realschule an der Drei-
faltigkeitskirche. Österreich gründete unter Maria Theresia seine
Normalhauptschulen, welche unseren höheren Bürgerschulen ent-
sprechen. Die erste entstand 1771 in Wien, dieser folgten 1774 andere
in Innsbruck, 1775 in Prag, in Gratz, 1776 in Linz u. s. w. Spinn-
schulen, also Industrieschulen, hatte Österreich schon früher 1755 und
1764 gegründet. 1765 erlieſs es eine Spinnschulenordnung für seine
deutschen Provinzen. 1787 zählte Böhmen allein über hundert In-
dustrieschulen, als Spinn-, Näh-, Strick- u. s. w. Schulen. Auſserdem
hatte Österreich bereits 1770 die Realakademie als höhere technische
Lehranstalt gegründet.


Für das Berg- und Hüttenwesen hatte Österreich besondere
Fachschulen gegründet, und zwar zunächst drei Bergschulen
für Ungarn
in Nieder-Ungarn, Schmöllnitz und dem Temesvarer
Banat. Die Idee zur Gründung einer höheren Lehranstalt wurde
1761 angeregt. Peithner hatte damals ein Promemoria über die
Errichtung einer besonderen Professur der Bergwissenschaft an der
Universität Prag bei dem Kaiser eingereicht und erhielt ein Jahr
später den Auftrag, einen Entwurf auszuarbeiten. Damals kam zum
erstenmale die Frage der Gründung einer Bergakademie zur Sprache.
Aber erst 1763 wurde ein Plan zur Gründung einer „ordentlichen
höheren Bergwesens Anstalt“ zu Schemnitz
gefaſst und teil-
weise zur Ausführung gebracht (1. September 1763). Am 1. Sep-
tember begann der öffentliche Unterricht, und zwar mit Vorträgen
über Chemie, wozu als Lehrer Nicolaus von Jacquin mit dem
Charakter eines wirklichen k. k. Bergrates angestellt worden war.
Er sollte zugleich geeignete Personen heranziehen und sie für
das chemisch-mineralogische Lehrfach heranbilden. Der Unterricht
wurde in einem gemieteten Hause erteilt. Jacquin wirkte bis 1769
an der neuen Schemnitzer Berganstalt, von wo er als Professor nach
Wien berufen wurde. Sein Nachfolger war Dr. Johann Scopoli,
früher Professor der Chemie, Physikus und Bergamtsbeisitzer in Idria.
[60]Wissenschaftliche Anstalten.
Scopoli wirkte bis 1779 und wurde dann Professor in Pavia. Durch
Statut vom 2. April 1770 wurde der Anstalt in Schemnitz der Rang
einer Akademie erteilt mit drei Lehrkanzeln und drei Jahrgängen.
Bergbaukunde trug Christoph Traugott Delius vor, welchem
1772 Peithner folgte, Chemie las Scopoli und für Mathematik
war ein Jesuit Pater Boda von Gratz berufen, welchem aber bald
Pater Carl Tierenberger folgte.


Die Anstalt war nur für Österreicher bestimmt. Sie nahm in den
ersten Jahrzehnten keinen rechten Fortgang, war auch in ihren
Mitteln beschränkt. Erst 1800 wurde beantragt, ein besonderes
Gebäude für dieselbe zu bauen. 1795 war sie zu einer öffent-
lichen Lehranstalt, zu welcher auch Ausländer Zutritt hatten, erklärt
worden.


Am Harze bestanden 1763 noch keine Bergschulen. Calvör
hatte zwar schon 1726, als er Rektor der Schule zu Clausthal war,
in höherem Auftrage die Jugend in den zum Bergwerk gehörigen
Wissenschaften unterrichtet, aber er beklagt es gerade in seinem
Werke über das Maschinenwesen am Oberharz 1763, daſs keine der-
artigen Schulen beständen und spricht sich warm für die Errichtung
einer mathematischen Schule aus, in der die fähigsten Berg- und
Hüttenleute einige Stunden in der Woche in Mathematik, Mechanik und
Physik unterrichtet werden sollten. Er ist dabei für ein Zusammen-
wirken von Theorie und Praxis im Sinne unserer Fachschulen, „wie
in England, Holland und Ruſsland dergleichen Schulen für die In-
genieurs, Architekten und Schiffer, in groſsen Städten auch wohl für
die Tischler zur Erlernung der Säulenordnung und in Irland Werk-
schulen, darin man sich übt in allerlei, was zur Ökonomie und Hand-
lung gehört, sind“.


In Deutschland war das wichtigste Ereignis auf diesem Gebiete
die Gründung der Bergakademie in Freiberg im Jahre 1765.
Schon vor dieser Zeit war hier in beschränktem Umfange Unterricht
für Bergleute erteilt worden. Seit 1702 bestand die sogenannte
Stipendienkasse zur Unterstützung solcher, die sich zu Bergbeamten
ausbilden wollten. Der Unterricht beschränkte sich auf Mark-
scheidekunst und Probierkunst, welche mehr zünftig betrieben
wurden. Aber schon Henkel hatte angefangen, in der Metallurgie
zu unterrichten. Ihm folgte Gellert mit seinen bedeutenden Vor-
lesungen über Hüttenkunde und metallurgische Chemie. Im Ganzen
aber blieb die Ausbildung Stückwerk. Das empfand besonders tief
Friedrich August, Freiherr von Heinitz (geboren am 24. Mai
[61]Wissenschaftliche Anstalten.
1725), der sich dem Bergbau gewidmet und in Freiberg seine Studien
gemacht hatte. Nachdem er Vizeberghauptmann zu Dresden ge-
worden war, entwarf er mit dem Oberberghauptmann von Oppel
den Plan zur Gründung einer Bergakademie zu Freiberg. Sie ar-
beiteten einen Entwurf aus, welchen Kurfürst Friedrich August ge-
nehmigte. Am 13. November 1765 wurde die Gründung der Akademie
ausgesprochen und durch Reskript vom 4. Dezember 1765 näher be-
gründet. — Der Anfang war recht bescheiden, die Staatsbewilligung
betrug 1200 Thaler, wurde aber schon 1766 auf 1562⅔ Thaler er-
höht. Die Vorlesungen muſsten in einigen gemieteten Zimmern im
Hause des Oberberghauptmanns von Oppel gehalten werden. Als
Lehrer wurden angestellt Gellert, Charpentier, Lommer, Richter
und Klotz, und zwar für metallurgische Chemie, Mathematik und
Mechanik, Mineralogie, Markscheidekunst und Probierkunst. Die im
ersten Jahre aufgenommenen Stipendiaten waren von Trebra, Beyer
und Freiesleben. 1775 wurde A. G. Werner, der ein Zögling
der jungen Bergakademie gewesen war, als Lehrer berufen. Erst las
er über Mineralogie und seit 1776 auch über Bergbaukunde. Es ist
bekannt, welche Verdienste dieser berühmte Mineraloge, dem die
deutsche mineralogische und geologische Wissenschaft ihre syste-
matische Begründung verdankt, sich um das Blühen und Gedeihen
und die Anerkennung der Bergakademie in Freiberg im In- und
Auslande erworben hat. Hauptsächlich durch ihn wurde Freiberg die
berühmteste Lehranstalt für Bergbau- und Hüttenkunde, die sich ihren
Ruhm namentlich im Auslande bis heute bewahrt hat. 1789 las
Werner zum erstenmale ein besonderes Collegium über Eisen-
hüttenkunde
, welches er bis zum Ende seines Lebens (1817)
wiederholte. 1793 wurde Lampadius als Dozent der Chemie be-
rufen, der 1794 seine Vorlesungen im Sinne der neuen von Lavoisier
begründeten Anschauung hielt. Auf seine Vorstellungen hin wurde
1795 ein neues chemisches Laboratorium im Hofe des Akademie-
gebäudes erbaut. 1795 begann Lampadius seine Vorlesungen über
allgemeine Hüttenkunde und analytische Chemie und 1796 über
technische Chemie. Die Vorlesungen über Eisenhüttenkunde lagen
zwar in Werners Hand, aber Lampadius hat sich auf diesem Ge-
biete ebenfalls groſse Verdienste erworben; wir erwähnen aus dem
vorigen Jahrhundert nur seine Versuche über Puddeln mit Holz
auf dem Eisenwerke des Grafen von Einsiedel zu Lauchhammer bei
Mückenberg im Jahre 1795 und seine preisgekrönte Arbeit über den
Unterschied zwischen Roheisen und Stabeisen von 1796.


[62]Wissenschaftliche Anstalten.

Von den auſserdeutschen Staaten hat sich besonders Frank-
reich
um das technische Lehrwesen im vorigen Jahrhundert ver-
dient gemacht. Dem Minister Trudaine gebührt darum groſses Ver-
dienst, welcher um 1750 eine höhere technische Lehranstalt, die
École des ponts et chausseés, ins Leben gerufen hatte und sich
mit der Absicht trug, eine Bergakademie in Frankreich zu gründen. Zu
diesem Zwecke suchte er die befähigtsten Schüler der obengenannten
Anstalt, namentlich Jars und Duhamel, zu Lehrern heranzu-
bilden und lieſs sie auf Staatskosten im Auslande reisen. Die trau-
rigen Finanzzustände Frankreichs verhinderten aber die Ausführung
dieses schönen Planes. Erst der Republik war es vorbehalten, darin
Groſses zu leisten. Sie gründete 1794 die École polytechnique,
an der Männer wie Monge, Berthollet und Guyton de Mor-
veau
wirkten. Um dieselbe Zeit entstand die École des Mines.
Schon am 18. Messidor des Jahres II (1793) wurden durch Beschluſs
des Wohlfahrtsausschusses Vorlesungen über Mineralogie, Bergbau,
Probierkunde und Hüttenkunde gehalten und durch Gesetz vom
30. Vendémiaire des Jahres IV bestätigt. Die Berginspektoren muſsten
dieselben halten, und zwar öffentlich und kostenfrei. Lehrer waren
Duhamel (Jars Reisegefährte), Hassenfratz, Miché, Tonnellier,
Boillet, Vauquelin, Brogniart, Hauy, Clouet
etc. 1).


Frankreich, in dem namentlich das Kunstgewerbe blühte, unter-
stützte schon früh den Zeichenunterricht. Schon unter Ludwig XIV.
bestand eine gewerbliche Zeichenschule zu Besançon; 1766 wurde
eine solche zu Paris gegründet, welcher ähnliche Schulen 1773 zu
Troyes, 1782 zu St. Quentin und 1794 zu Versailles folgten.


In England, wo der Staat sich um das Schulwesen nicht be-
kümmerte, blieb auch das technische Unterrichtswesen sehr ver-
nachlässigt. Gegen Ende des Jahrhunderts entstanden die Mechanics
institutions
, welche Fortbildungsunterricht erteilten, ähnlich den
Abendschulen unserer gewerblichen Fortbildungsschulen oder Ar-
beiterbildungsvereine. Solche Anstalten gab es 1789 zu Birming-
ham und 1799 zu Glasgow. Nach Calvörs Angaben müssen aber
schon früher (vor 1763) in England und Irland Werkschulen bestanden
haben.


Die erste Gewerbeausstellung fand 1791 zu Prag statt; die
erste Industrieausstellung 1798 zu Paris; dieselbe dauerte vom
19. September bis 2. Oktober und war von 110 Ausstellern beschickt.
[63]Chemie.
Die Prager Ausstellung war eine Provinzialausstellung für Böhmen,
die Pariser Ausstellung war eine nationale für ganz Frankreich.


1791 wurde auch in Frankreich das Patentwesen in ähnlichem
Sinne wie in England durch Gesetz geregelt. In demselben Jahre
erhielt auch Baiern und 1793 die Vereinigten Staaten von Amerika
ein Patentgesetz.


Die Chemie des Eisens in der ersten Hälfte des
18. Jahrhunderts.


Die Entwickelung der Chemie in der ersten Hälfte des 18. Jahr-
hunderts war für die Eisenindustrie wenig förderlich. Die Phlogiston-
theorie
, welche das 18. Jahrhundert beherrschte, erklärte die chemi-
schen Vorgänge, auf welchen die Eisenschmelzprozesse beruhten,
die Reduktion und Oxydation, falsch und wirkte dadurch nur ver-
wirrend. Die chemische Analyse war aber noch nicht soweit ge-
diehen, um den wichtigsten Gemengteil des Eisens, den Kohlenstoff,
nachweisen zu können.


In das erste Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts fällt zunächst ein
lebhafter Streit über die Frage, ob durch die Verbrennung gewisser
Körper Eisen gebildet werde oder nicht. Da man das Eisen nicht
als ein Element ansah, so war eine solche Kontroverse möglich.
Becher hatte die Generation des Eisens auf diesem Wege bestimmt
behauptet (s. Bd. II, S. 962). Die Frage war 1702 in Paris von neuem
angeregt worden, durch den Nachweis des älteren N. Lemery, daſs
manche Pflanzenaschen Eisen enthielten, welches sich mit dem Mag-
neten ausziehen lieſse.


St. G. Geoffroy, der bei Verbrennung gewisser Pflanzen eben-
falls eisenhaltige Asche erhielt, behauptete 1705, daſs dieses Eisen
erst durch die Verbrennung entstehe. L. Lemery widersprach ihm
1706, indem er nachwies, daſs dieses Eisen nur aus der Pflanze bei
der Verbrennung ausgeschieden sei. Geoffroy verteidigte aber seine
Ansicht, indem er auf Bechers Versuch zurückgriff, wonach in dem
mit Leinöl getränkten Thon nach dem Glühen mehr Eisen nachweis-
bar sei als vor dem Glühen. Obgleich auch dieses 1708 von dem
jüngeren Lemery richtig gestellt wurde, verschwand diese An-
sicht nicht ganz und wurde viel später von Justi von neuem vor-
gebracht.


[64]Chemie.

Ebenso übten Bechers Ansichten über die Verbrennung und
die Entstehung der Metalle auf die Chemiker zu Anfang des 18. Jahr-
hunderts, insbesondere auf Stahl, den eigentlichen Begründer der
Phlogistontheorie, groſsen Einfluſs aus. Nach Becher war die Ursache
der Verbrennlichkeit jedweder Substanz im Gehalte eines gewissen
Prinzipes, das er als terra pinguis bezeichnete, begründet. Diese fette
Erde sei nicht identisch mit dem gemeinen Schwefel, wie die früheren
Chemiker mehr oder weniger angenommen hatten, sondern auch der
Schwefel enthalte nur einen gröſseren Anteil dieser terra pinguis.
Diese sei auch in allen mineralischen Substanzen enthalten, welche
verbrennlich seien und die Verkalkung der Metalle beruhe auf der
Vertreibung dieser terra pinguis durch Feuer. Überhaupt sei jede
Verbrennung eine Auflösung. Eine einfache Substanz könne nicht
brennen. Die Feuererscheinung beruhe auf der bei dieser Auflösung
eintretenden Zerteilung und Verdünnung des verbrennlichen Körpers.


Neben dieser terra pinguis gäbe es noch eine terra lapidea und
eine terra mercurialis, welche drei ungefähr den früheren Elementen
Schwefel, Salz und Quecksilber entsprachen. In allen Metallen seien
diese drei Erden enthalten, so bestehe z. B. Eisen aus viel Salz,
wenig Schwefel und noch weniger Merkur. Deshalb bildeten sich
auch die Metalle in der Erde immer neu, wie schon Plinius sagte,
auf Elba wachse das Eisen (gigni ferri metallum).


Becher, der bekanntlich ein sehr unruhiges, aufregendes Leben
führte, fand nicht die Muſse, seine Theorie so durchzuarbeiten, daſs
er sie auf jeden einzelnen Fall hätte anwenden können. Er beklagte
dies und wünschte sich einen Nachfolger, der seine Theorie, die er
nur in Umrissen mitgeteilt hatte, vervollkommnen möge. Dieser
Wunsch ging in Erfüllung, indem der berühmte Mediziner Georg
Ernst Stahl Bechers
Ideen zu einem vollständigen System ent-
wickelte. Gleich bei seinem ersten Auftreten stimmt Stahl1) in
seiner 1697 erschienenen Cymotechnia fundamentalis Bechers An-
sicht bei, daſs der Schwefel denselben verbrennlichen Stoff enthalte,
wie die Metalle und daſs der Schwefel aus diesem Stoffe in Ver-
bindung mit Schwefelsäure bestehe, gerade so wie der Metallkalk der
andere Bestandteil des Metalls sei. 1702 gab er Bechers Physica
subterranea neu heraus, wobei er klagt, daſs das Werk so wenig An-
erkennung gefunden habe. Er fügte deshalb demselben sein Specimen
[65]Chemie.
Becherianum bei. In diesem wiederholte er bestimmt, daſs alle ver-
kalkbaren Metalle aus einer brennbaren Substanz und Metallkalk be-
stehen, daſs das, was wir die Reduktion der Metallkalke nennen, ihre
Vereinigung mit dieser brennbaren Substanz ist. Diese brennbare
Substanz, die nicht Schwefel, noch Oel, noch Fett an und für sich,
auch nicht Feuer schlechthin, sondern nur das Prinzip oder das Ur-
sächliche desselben ist, nannte er Phlogiston. Er definiert dieses
Phlogiston als materiale et corporeum principium, quod solum cita-
tissimo motu ignis fiat. Es ist die Substanz, durch deren Abscheidung
die Metalle zu Kalken werden.


Diese Theorie erscheint uns nach unserer jetzigen Kenntnis der
chemischen Vorgänge durchaus verkehrt und fast widersinnig und
doch war dieselbe ein wesentlicher Fortschritt in der Chemie, weil sie
die wichtigsten chemischen Erscheinungen von einem bestimmten und
einheitlichen Gesichtspunkte aus betrachtete, prüfte und zusammen-
faſste. Das Phlogiston, dieses Grundwesen, die Bedingung der Ver-
brennlichkeit, ist in allen brennbaren Substanzen dasselbe: „es ist
vor die Augen zu legen“, sagt er, „daſs sowohl in dem Fett, da man
die Schuhe mit schmiert, als in dem Schwefel aus den Bergwerken
und allen verbrennlichen halben und ganzen Metallen in der That
einerlei und eben dasselbige Wesen sei, was die Verbrennlichkeit
eigentlich giebt und machet“; … und „es ist meines Erachtens das
vernunftgemäſseste, wenn man es von seiner allgemeinen Wirkung
benennt. Und dieserwegen habe ich es mit dem griechischen Namen
Phlogiston, zu deutsch brennlich, beleget.“ — Bechers Lehre von
der fortdauernden Neubildung und dem Wachsen der Metalle in der
Erde verwarf Stahl dagegen; nach ihm waren alle „ganghaftig be-
findlichen Erze, stracks von Anfang, in die allerweiteste Einteilung,
Befestigung und Auszierung der Erde mit eingelegt und eingeschaffen
worden“.


Stahls Phlogistontheorie fand allgemeine Anerkennung und An-
wendung in Europa, wenn auch die französischen Chemiker den Aus-
druck Phlogiston nicht annahmen, sondern nach wie vor statt dessen
„Schwefel“ sagten, obgleich sie dabei nicht wirklichen Schwefel,
sondern ebenfalls nur das verbrennliche Prinzip meinten. Zwar er-
hoben einzelne bedeutende Chemiker, wie namentlich Fr. Hoffmann
und Boerhave, gegen Stahls Erklärung wichtiger Erscheinungen
Widerspruch, dies konnte aber die Verbreitung und die Macht der
Phlogistontheorie nicht einschränken. Sie war, was in mechanischen
Betrieben ein besseres Werkzeug ist, und darin liegt auch ihre histo-
Beck, Geschichte des Eisens. 5
[66]Chemie.
rische Bedeutung. Sie schloſs, wie Fr. Kopp treffend sagt, einen
groſsen Fortschritt in der Fähigkeit, chemische Erscheinungen unter
allgemeineren Gesichtspunkten zu betrachten, in sich. — Mit der
Phlogistontheorie trat zugleich die Chemie als ein selbständiger Teil
der Naturwissenschaft auf; sie suchte die chemischen Erscheinungen,
d. h. die Zusammensetzung der Körper und die chemischen Prozesse,
durch welche Zusammensetzung und Zerlegung vor sich gehen und
deren Gesetzmäſsigkeit an und für sich zu erforschen und nicht wie
seither im Dienste einer anderen Wissenschaft wie die Jatrochemie
oder eines unwissenschaftlichen Zweckes, wie die Alchimie.


Stahls Ansicht über das Eisen und die unedlen Metalle über-
haupt geht dahin 1), daſs das brennliche Wesen (Phlogiston) der-
gestalt „den vier unedlen Metallen beigemischt sei, daſs sie eben da-
durch ihre ganze metallische, letztsichtbare Gestalt, Glanz, Klang,
vornehmlich aber die Geschmeidigkeit durch solches erlangen. —
Welches sich handgreiflich, durch deren Zerstörung aus solcher ihrer
metallischen Gestalt und Wiederbringung zu derselben durch die
Kunst (insgemein Reduktion genannt) bescheiniget.


a) Da nämlich die Zerstörung aus solcher ihrer metallischen
Verfassung, darinnen sie im gemeinen Leben brauchbar sind, bloſs
durch Verglühen sich zuträgt; als wodurch dieses verbrennliche
Wesen nicht anders als aus einer Kohle nach und nach ausgebrannt
wird, daſs das übrige einer Asche gleich zerfällt: ja auch noch darin
der Kohlenasche ähnlich bleibt, daſs es wie jene durch genugsamen
Feuers Zwang zu einem Glas zusammenflieſset. …


b) Die Wiederbringung aber zu dieser recht metallischen Gestalt,
geschieht bloſs durch wiederbeigebrachte Ersetzung solcherlei brenn-
lichen Wesens; welches auch diese metallischen Aschen ganz gern
und behende wieder annehmen und dadurch, so oft man nur beiderlei
wiederholt, wieder zerstört und wieder ergänzt werden können.


c) Welches dann das einzige wahre Fundament des Hütten-
schmelzens
bei dieser Art Metallen ist; da solche nämlich durch
das Rösten oder Brennen, des dabei verhafteten, schwefligen, spieſs-
glasigten oder arsenikalischen Wesens zugleich an diesem ihren
eigenen brennlichen Wesen verlustig werden und zu Asche gedeihen.
Dannhero, wann sie auſser körperlicher Berührung der Kohlen ge-
schmolzen werden, nichts anderes, als ein Glas geben; welches mit
[67]Chemie.
dem übrigen tauben Schlackenglas vermengt und darinnen zerstreut,
haften bleibt. Wann aber das Schmelzen nach wohlhergebrachtem
Brauch durch die Kohlen hindurch dergestalt verrichtet wird,
daſs auch das Schlackenglas selbst möglichst dünn flieſst, so gewinnt
das rechte Metallglas durch Berührung der Kohlen seine vorhin aus-
und abgebrannte metallmäſsige Gestalt wieder, läuft zusammen,
scheidet sich von der Glasschlacke und setzt sich unter dieselbige
wieder zusammen“.


Stahls Ansicht über den Unterschied zwischen Eisen und Stahl
ging dahin, daſs das Eisen noch erdige Teile enthalte, während Stahl
mit Phlogiston gesättigt sei.


Eingehender und sachlicher beschäftigte sich Reaumur mit den
Unterschieden zwischen den verschiedenen Arten des Eisens. Er er-
kannte deutlich, daſs Stahl in Bezug auf seinen Phlogistongehalt oder,
wie er sich als Franzose ausdrückt, in Bezug auf seinen Schwefel
zwischen Guſseisen und Schmiedeisen stehe. Guſseisen enthielte am
meisten Schwefel, Schmiedeisen keinen oder am wenigsten, Stahl
stehe in Bezug auf den Schwefelgehalt mitten inne. Das Wort Schwefel
darf uns nicht beirren, gemeint ist das brennliche Prinzip, und wenn
wir statt Schwefel Kohlenstoff setzen, so haben wir die richtige
Lösung. Reaumur war in seiner Theorie, die übrigens auch nur
eine Erklärung beobachteter Thatsachen war, der Wahrheit bereits
sehr nahe gekommen, und deswegen sind auch seine theoretischen
Erklärungen meistens richtig, wenn wir uns nur durch die Ausdrucks-
weise nicht beirren lassen.


In Bezug auf die Reinheit des Eisens klassifizierte er die Eisen-
sorten in anderer Reihenfolge, indem er Roheisen als das unreinste,
Stahl als das reinste Eisen erklärte. Er nahm an, daſs Guſseisen
noch durch viele erdige Bestandteile aus den Erzen verunreinigt sei,
im Schmiedeisen seien diese zwar abgeschieden, dieses enthalte da-
gegen Eisenkalke, Stahl dagegen sei Eisen im reinsten Zustande der
Metallizität.


Die Eisenerze sind nach Reaumurs Ansicht zusammengesetzt
aus Eisen-, Erde-, Schwefel- und Salzteilen. Durch den Schmelzprozeſs
werden die erdigen Teile von den Eisenteilen getrennt, erstere ver-
einigen sich mit den übrigen Verunreinigungen des Eisens zu der
leichteren Schlacke, welche auf dem abgeschiedenen schweren Eisen
obenaufschwimmt. Reaumur nimmt also die metallische Substanz
in den Erzen als bestehend an und ist weit davon entfernt, wie
Becher, zu glauben, daſs dieselbe erst durch den Schmelzprozeſs aus
5*
[68]Chemie.
der erdigen Grundmasse sich bilde. Das Roheisen ist eine noch un-
reine Form des Eisens, welches noch nicht vollständig von den in
den Erzen enthaltenen erdigen Beimengungen getrennt ist. Als
wesentlichen Bestandteil enthält es eine beträchtliche Beimengung
schweflig-salziger Materie. Nach Reaumurs Auffassung bilden Guſs-
eisen, Stahl und Schmiedeisen eine Reihe von reiner Eisensubstanz
als Grundmasse, verbunden mit mehr oder weniger schweflig-salziger
Materie, und zwar in der Weise, daſs Guſseisen davon am meisten,
Schmiedeisen davon am wenigsten enthält und der Stahl in der
Mitte zwischen beiden steht. Guſseisen läſst sich durch Abscheiden
der schweflig-salzigen Materie erst in Stahl und dann in Eisen über-
führen, während weiches Eisen durch Hinzufügung von schweflig-
salziger Materie Stahl wird und durch Überschuſs dieser Beimengung
in Guſseisen übergeht. Reaumurs Auffassung stimmt also ganz mit
unserer heutigen Theorie überein, wenn wir nur statt schweflig-
salziger Materie Kohlenstoff setzen. Die Übereinstimmung tritt noch
deutlicher hervor, wenn wir ins Auge fassen, daſs Reaumur unter
Schwefel nicht das Element in unserem Sinne, sondern den brenn-
baren Teil der Holzkohle, des Ruſses u. s. w. verstand.


Die Rolle, die er dem Salz zuschreibt, ist weniger verständlich.
Auch die salzige Beimengung denkt er sich flüchtig. Sie dringt mit
dem Schwefel in die Poren des Eisens ein. An einer Stelle sagt er,
das Salz vermittle die Verflüchtigung und die Aufnahme der schwef-
ligen Substanz. Er teilt ihm also nur eine vermittelnde Rolle zu;
dennoch hält er es für einen wesentlichen Bestandteil, weshalb er
seinem Cementirpulver, dessen wichtigster Bestandteil Kohle ist, Salz
beimischt, obgleich er zugiebt, daſs Holzkohlenpulver allein die Um-
wandlung von Schmiedeisen in Stahl durch Cementation bewirken
kann. Aus theoretischen Gründen, die den irrigen chemischen An-
sichten der damaligen Zeit entspringen, kann Reaumur der salzigen
Beimengung bei den verschiedenen Eisenarten nicht entbehren, und
sie spielt eine wichtige Rolle bei seiner Erklärung der Härtung des
Stahles. Eisen hat, nach seiner Ansicht, eine gewisse Verwandtschaft
zu der schwefligen und salzigen Materie. Glüht man deshalb Eisen
in Substanzen, welche einen Überschuſs dieser Materien enthalten
und sie deshalb leicht abgeben (den Cementirpulvern), so nimmt das
Eisen dieselben in sich auf. Umgekehrt giebt es Substanzen, welche
eine stärkere Verwandtschaft zu der schwefligen und salzigen Materie
haben, welche deshalb, wenn man Stahl oder Guſseisen in diesen
glüht, diese weich machen (adoucieren), indem sie denselben die be-
[69]Chemie.
treffenden Materien entziehen. Auf diesen Thatsachen beruht die
Cementstahlfabrikation und die Darstellung des schmiedbaren Gusses,
welche wir später näher betrachten werden.


Die Aufnahme der schweflig-salzigen Materie erhöht die Härte
des Eisens. Nun tritt aber beim Stahl die eigentümliche Erscheinung
ein, daſs derselbe, wenn langsam erkaltet, weich, wenn rasch erkaltet,
hart wird, worauf die wichtige Eigenschaft der Stahlhärtung beruht.
Dies erklärt Reaumur, von seiner Theorie ausgehend, in geistreicher
Weise so: Stahl enthält schweflig-salzige Materie an Eisen gebunden;
durch öfteres Erhitzen verliert der Stahl seine Stahlnatur, die schweflig-
salzige Substanz läſst sich also durch Glühen verflüchtigen. Ehe dies
aber geschieht, tritt ein Zwischenzustand ein. Bei der Erhitzung
wird die innige Verbindung des Eisens mit der schweflig-salzigen
Materie aufgehoben, dieselbe scheidet sich sozusagen in flüssigem Zu-
stande aus und füllt die leeren Räume, die zwischen den Eisenmole-
külen vorhanden sind, aus. Tritt plötzliche Abkühlung ein, so wird
die Substanz in diesem Zustande fixiert und bewirkt die Stahlhärte,
tritt die Abkühlung langsam ein, so kehrt die schweflig-salzige Materie,
wenn die Grenztemperatur wiederum erreicht ist, in ihre frühere
Lagerung, beziehungsweise ihre intime Verbindung mit dem Eisen
zurück. Die fixierte schweflig-salzige Verbindung denkt sich Reau-
mur
sehr hart, er vergleicht sie treffend mit Eisenpyrit, Schwefelkies,
welcher nach den Anschauungen jener Zeit auch in der Hauptsache
eine schweflig-salzige Verbindung war; der Schwefel lieſs sich daraus
durch Erhitzen in Substanz austreiben, während durch Verwitterung
Salz (Eisenvitriol) entstand. Eine ähnliche, wenn nicht dieselbe Ver-
bindung wäre die die Eisenmoleküle umgebende, durch rasche Ab-
kühlung fixierte Materie. Können wir diese Theorie Reaumurs auch
nach dem heutigen Stande der chemischen Wissenschaft nicht als
richtig anerkennen, so müssen wir doch zugestehen, daſs sie geistreich
ist und sehr nahe mit modernen Theorien übereinstimmt, nach denen
der Kohlenstoff dieselbe Rolle spielen soll, wobei auf den allotropischen
Zustand desselben als Diamant hingewiesen wird.


Reaumur hielt auch später an der Idee fest, daſs der Grund-
stoff des metallischen Eisens ein besonderes Element sei. In der be-
rühmten Abhandlung von de Courtivron und Bouchu: Art des
Forges et fourneaux à fer
in den Descriptions des Arts et
Métiers, welche nach Reaumurs hinterlassenen Handschriften ver-
faſst ist, wird dieser Gedanke noch schärfer ausgedrückt. Diese Stelle
mit der Kritik des deutschen Übersetzers von Justi giebt eine
[70]Chemie.
interessante Illustration zu der chemischen Auffassung der Metalle in
jener Zeit. Nachdem der Verfasser auf die Widersprüche der herr-
schenden Theorie hingewiesen hat, sagt er (Reaumur): „Wäre
es nicht denkbar, daſs es ebenso viele Elemente als verschiedene
Metalle selbst gäbe, wovon ein jedes sein ihm eigentümliches Wesen
hätte? Die metallischen Substanzen, sagt man, sind schwere, glänzende,
undurchsichtige und schmelzbare Körper, die hauptsächlich aus der
Verbindung einer glasartigen Erde mit dem brennbaren Wesen ent-
standen sind. Wir aber kommen zu dem Schluſs, ein Metall ist ein
schwerer, glänzender und undurchsichtiger Körper, der im Feuer
schmilzt, unter dem Hammer sich treiben läſst und der aus einer
glasartigen Erde, dem brennbaren Wesen und einem noch un-
bekannten, verborgenen und jedem Metall besonders eigenen
Element besteht
. Nach dieser allgemeinen Erklärung muſs man
insbesondere von dem Eisen sagen, es sei ein Metall, welches aus
seinem eigenen Element, aus Salz und brennbarem Wesen zusammen-
gesetzt ist, welche drei Dinge sich im gehörigen Verhältnis in einer
glasartigen Grunderde verbinden und darin festgehalten werden“.
Justi verwirft diese Annahme besonderer metallischer Elemente, da
sie die Wahrheit nur verdunkle. „Henkel und andere vortreff-
liche Mineralogen haben uns gelehrt, daſs ein jedes Metall seine ihm
besonders eigene metallische Grunderde hat, wodurch es deter-
miniert wird, dieses und kein anderes Metall zu werden.“


In der Röstung erblickte Reaumur eine Ausscheidung von
überschüssigem Schwefel und Salz, welche sehr notwendig sei, weil
sonst bei heftigem Feuer gar kein Eisen sich abscheide, sondern
verbrenne.


Justi hatte von der Röstung eine viel unrichtigere Vorstellung.
Nach seiner Meinung 1) „enthalten die Eisenerze weiter nichts, als
die metallische Erde des Eisens in sich und keineswegs wirkliches
Eisen. Das Eisen wird erst erzeugt, wenn sich das brenn-
liche Wesen der Kohlen mit der metallischen Eisenerde
verbindet
. Allein in dem hohen Ofen selbst kann sich wegen der
Menge des Eisensteins und wegen der Gewalt der Blasebälge, welche
eine Menge brennliches Wesen forttreiben, nicht soviel brennliches
Wesen mit der Eisenerde vereinigen, als deren Menge erfordert. Es
geht also ein sehr groſser Teil annoch rohe und noch nicht metalli-
fizierte Eisenerde in das Guſseisen mit hinein. Daher entsteht also
[71]Chemie.
die groſse Sprödigkeit und daſs sehr viele nachfolgende Bearbeitung
im Feuer erfordert wird, um mit der annoch in dem Guſseisen
steckenden groſsen Menge roher Eisenerde brennliches Wesen zu ver-
binden. Allein, da in diesen nachfolgenden Arbeiten diese Verbindung
des brennlichen Wesens wegen des groſsen Klumpens von Metall nur
auf der Oberfläche geschehen kann, daher soviel Hämmerens und Durch-
schweiſsens erfordert wird, um ein geschmeidiges Eisen zu machen, so
sondert sich eben bei diesem Durchschweiſsen und Bearbeiten eine groſse
Menge annoch unmetallifizierter Eisenerde in Schlacken davon ab.
Diese geht also verloren. Man sieht aber leicht, daſs nicht soviel Eisen-
erde unnützer Weise verloren gehen würde, wenn man schon vor dem
Schmelzen in den Eisenstein brennliches Wesen zu bringen be-
müht gewesen wäre. Dieses geschieht nun durch das Rösten, und zwar
am besten, wenn das Rösten vermittelst schichtenweiser Versetzung
mit Kohlen geschieht. Je langsamer das Feuer bei dem Rösten angeht,
und je weniger heftig der Grad des Feuers ist, je mehr brennliches
Wesen muſs sich mit den Eisensteinen verbinden. Ich glaube sogar,
wenn man die Haufen von Kohlen- und Erzschichten, wie die Meiler
mit Rasen bedeckte
(!) und nur vermöge anfangs schwacher Öff-
nungen das Feuer sehr langsam angehen lieſse, daſs dies die nütz-
lichste Art des Röstens sein würde“.


Ebenso verkehrt waren Justis Ansichten über den Schmelz-
prozeſs
. Herr v. Justi hat im Anhange zu seiner Übersetzung der
Abhandlung von v. Courtivron und Bouchu an Stelle der Über-
setzung des Swedenborg, welche er weggelassen, einen mageren
Ersatz geboten in der Beschreibung des Baruther Hochofens durch
den Grafen von Solms-Baruth und einem sehr mittelmäſsigen Aufsatz
über das Eisenhüttenwesen im Allgemeinen von ihm selbst. Er be-
weist darin nicht nur sehr oberflächliche praktische Kenntnisse,
sondern entwickelt auch ganz verkehrte theoretische Ansichten. Die-
selben würden keine Beachtung verdienen, wenn v. Justi nicht doch
eine gewisse Autorität im vorigen Jahrhundert genossen hätte, aller-
dings weniger in Fachkreisen als bei dem sogenannten gebildeten
Publikum.


Seine Grundanschauung von der Natur des Eisens und der Erze
war eine durchaus falsche. Nach seiner Ansicht kann „eine jede ge-
meine Erde eine metallische Eisenerde werden“, durch die Einwirkung
mineralischer sowohl als vegetabilischer Säuren. Die Erze im Boden
sind in dieser Weise entstanden. Die Raseneisensteine dienen ihm
als Beispiel, denn diese sind nach seiner Behauptung entstanden und
[72]Chemie.
entstehen noch fortwährend durch die Einwirkung vegetabilischer
Säure auf gemeine Erde oder Schlamm!


Das Ausschmelzen der Erze zu Eisen ist nach seiner Annahme
Austreibung der Säure und Aufnahme von brennlichem Wesen, welches
sich mit der Eisenerde verbindet und dadurch zu Metall wird. Nach
seiner Ansicht ist es „eine sehr lächerliche Einbildung, wenn man
glaubt, daſs Zuschläge den Fluſs der Eisenerze in der That befördern
können“. „Der eigentliche Endzweck und Nutzen der sogenannten
Fluſssteine ist, daſs sie das überflüssige Saure der Eisenerze in sich
schlucken. Sie bewirken also, daſs die metallische Eisenerde desto
leichter von dem Sauren befreit wird, sich mit dem brennlichen Wesen
vereinigt und in einen metallischen König gehen kann; dahingegen,
wenn man diesen Zusatz nicht brauchet, viele Eisenerde, die noch mit
dem Sauren verbunden ist, in den Schlacken bleibt. Sie sind also
mehr ein Niederschlagungsmittel, als eine Sache, welche den Fluſs
und das leichtere Schmelzen befördert.“


Der Grund, warum so viele Erze ein sprödes, weiſses Eisen, welches
er für verunreinigt hält, geben, ist der, daſs „die Eisenerze von Natur
Dinge in ihrer Grundmischung haben, welche, wenn sie nicht davon
geschieden werden, allemal ein sprödes Eisen verursachen. — Diese
natürlichen Fehler der Eisenerze sind hauptsächlich dreierlei. Sie
führen entweder eine Säure und zuweilen einen wirklichen Schwefel
bei sich, oder sie sind arsenikalisch, oder sie sind mit anderen Halb-
metallen verunreinigt“.


Nun wird in der weiteren Ausführung dem Arsenik eine Ver-
breitung und eine Rolle zugeschrieben, die nur in der Phantasie
des Verfassers existiert. Es war die bequeme Argumentation jener
Zeit, wenn etwas nichts taugte, wenn es nicht nach Wunsch
geriet, so war das abscheuliche Arsenik daran Schuld, welches ähn-
lich wie der Schwefel überall dabei sein muſste. Natürlich fiel es
keinem dieser groſsen Chimisten ein, jemals die Anwesenheit des
Arseniks in Substanz nachzuweisen, oder nur danach zu suchen.
Seine Anwesenheit war genügend dadurch erwiesen, daſs die Sache
nichts taugte. Dass solche verschrobene Theorieen die Praxis nicht
fördern konnten, bedarf keiner Versicherung. Theoretiker wie Justi
haben mehr geschadet als genützt.


Auf sichererer Grundlage arbeiteten dagegen die schwedischen
Chemiker, welche namentlich die Mineralchemie förderten. Brandt,
der verdienstvolle Untersuchungen über die Verbindung des Eisens
mit anderen metallischen Substanzen angestellt hat, kam mit seinen
[73]Chemie.
Ansichten über die Natur des Stahls der Wahrheit schon ziem-
lich nahe.


Brandt sagt 1751 über die Umwandlung von weichem Eisen
in Stahl: „wenn das eigentümliche brennbare Wesen des Eisens durch
den Zusatz solcher Materie vermehrt wird, die eine ziemlich feuer-
beständige Fettigkeit enthalten, als Hörner, Klauen und dergleichen,
welche in verschlossenen Gefäſsen ihre fette Kohlenschwärze bei
sich behalten und damit verschlossen geglüht wird, so wird Stahl
daraus“.


Die phlogistische Schule nahm bereits an, daſs sich das Eisen
in verschiedenen Verhältnissen mit dem Phlogiston vermischen könne,
da sie aber die Wage und damit die quantitative Bestimmung nicht
kannte, war das Alles, was sie über die verschiedenen Oxydations-
und Kohlungsstufen des Eisens zu sagen wuſste.


Erwähnenswert ist noch die Entdeckung des Berliner Blaus durch
Dippel im Anfange des 18. Jahrhunderts. Nach Stahls Mitteilung
von 1731 soll dieselbe dem Zufalle zu verdanken gewesen sein. Erst
1725 wiesen der englische Chemiker John Brown und der Franzose
St. F. Geoffroy nach, daſs das Eisen die färbende Substanz im
Berliner Blau sei. — Groſses Aufsehen erregte der Nachweis des
Eisengehaltes im roten Blute, welchen der Italiener Menghini in den
Denkschriften der Akademie zu Bologna 1747 veröffentlicht hatte.
Nach seinen Ermittelungen berechnet sich der Eisengehalt eines
Menschen mit 25 Pfd. Blut auf 6 Loth = 100 g.


Die Probierkunst hatte in Bezug auf die Bestimmung des
Eisens besondere Verbesserungen nicht erfahren, man bediente sich
nach wie vor der trockenen Probe.


Christian Carl Schindler unterscheidet in seiner metallischen
Probierkunst (Dresden 1697) folgende Eisenerze:


Brauneisenstein, Roteisenstein, Glaskopf (Blutstein), „weiſser Eisen-
stein, sieht weiſs wie ein Spat und giebt gut Eisen und gelber
Eisenstein, sieht wie eine gelbe Erde aus“.


Eisen- und Stahlstein zu probieren, giebt er folgende Vor-
schriften: Nimm den Eisen- oder Stahlstein, reibe ihn klein, wiege
dessen 2 Centner (Probiercentner) und röste ihn wohl und gut. So
er erkaltet, so teile ihn. Zu solchem einem Teil nimm 2 Centner
schwarzen Fluſs, 1 Centner Salarmoniak, einen halben Centner Glas-
galle und einen halben Centner klein geriebene Kohlen, solches wohl
untereinander vermenget, mit Salz bedeckt und eine starke Viertel-
stunde wohl zugeblasen.


[74]Physik.

Oder: 1 Centner gerösteten Eisenstein, 1 Centner Bleiglas,
2 Centner schwarzen Fluſs von 2 Teilen Salpeter und einem Teil
Weinstein und einen halben Centner kleingeriebene Kohlen.


Oder: Nimm alten stinkenden Urin zwei Maſs, thue darin eine
Hand voll pulverisierten Weinstein und auch soviel Glasgalle oder
Pottasche, solches wohl eingesotten, bis es hart wird, dann klein ge-
rieben und auf einen Centner gerösteten Eisenstein 6 Centner dieses
Flusses genommen, mit Salz bedeckt und bei einer starken Viertel-
stunde wohl angesotten, so bekommst Du seinen Gehalt.


Im Jahre 1739 gab Johann Andreas Cramer seine Docimasia
zu Leyden in Holland heraus, welche 1743 verbessert als Elementa
Artis Docimasticae, die auch in die englische und französische
Sprache übersetzt wurden, erschien. Er verwirft die Probe mit dem
Magneten und bemerkt zur Tiegelprobe, daſs dieselbe nicht so zu-
treffend sei wie bei den anderen Metallen. „Es gehört ein sehr hef-
tiges und langandauerndes Feuer dazu, wenn das sämtliche redu-
zierte Eisen in ein dichtes Korn gehen soll. Da man nun kein
sicheres Kennzeichen hat, wann solches geschehen ist und vom Eisen
gar bald ein Merkliches wieder in die Schlacken gehet, wenn mit
dem Feuer länger als nötig fortgefahren wird, so bleibt diese Probe
allemal ungewiſs.“ Das Korn untersucht man mit einem Hammer
auf einem kleinen Amboſs und erkennt dann leicht, ob das Eisen gar
oder grell ist.


Die trockene Probe gab nie den wirklichen Eisengehalt, sondern
den Gehalt von Roheisen, der sich aus dem betreffenden Erz aus-
schmelzen lieſs.


Physik.


Im Jahre 1704 schmolz Homberg kleine Stücke Schmied-
eisen
mit einem Brennspiegel. Es bildete sich eine pechartige
Schlacke und ein weiſses löcheriges „Guſseisen“ 1). Das Eisen verhielt
sich dabei verschieden von den übrigen Metallen, welche allmählich
in ihrer ganzen Masse schmolzen, während sich bei dem Eisen zuerst
eine schwarze pechartige Masse auf der Oberfläche bildete. Brachte
man diese mit Kohle in Berührung, so fand Funkensprühen und
Aufschäumen statt.


[75]Physik.

Einen ähnlichen Versuch machte der ältere Geoffroy mit Eisen-
oxyden, und Reaumur benutzt denselben zu seiner Theorie des Vor-
ganges im Hochofen, dessen wichtigster Teil darin bestehe, daſs das
„trockene“, denaturierte Eisen, fer dépouillé, durch die Berührung mit
der Kohle die öligen Teile aus dieser aufnehme und dadurch in
metallisches Guſseisen verwandelt werde. Er berichtet 1), Geoffroy
habe seine Versuche mit dem groſsen Brennspiegel des Herzogs von
Orleans gemacht. Er habe verschiedene Eisenrostarten genommen,
teils den, welcher durch die Feuchtigkeit an der Luft erzeugt war,
teils das im Feuer entstandene und gut ausgeglühte caput mortuum.
Diese Materien habe er in den Brennpunkt des Spiegels gebracht,
wobei er ihnen zuerst einen Sandstein zur Unterlage gegeben habe.
Sie seien geschmolzen wie Öl und hätten nach dem Erkalten eine
metallische zerreibliche Masse gebildet. Dann habe er dieselben
Stoffe, sowie auch das erhaltene Schmelzprodukt, auf einer Kohlen-
unterlage dem Fokus des Brennspiegels ausgesetzt. Sie seien ebenso
geschmolzen, wie im ersten Falle. Nachdem man sie aber heraus-
genommen und untersucht habe, hätte man wirkliches Metall, ge-
schmolzenes Eisen, gefunden. Auch Geoffroy erklärt dies daher,
daſs die Eisenerde sich mit der fetten Materie der Kohlen verbunden
habe und dadurch das Metall entstanden sei. Ebenso zeigte es sich,
daſs, wenn man Eisen oder Stahl auf einer Unterlage von Sandstein
vor dem Brennspiegel schmolz, das flüssige Produkt nach dem Er-
kalten nur noch eine metallische Masse war. Schmolz man es aber
auf einer Unterlage von Kohlen, so warf das geschmolzene Eisen
lebhaft Funken und diese Funken sind nichts anderes als kleine
Kügelchen von Guſseisen. Indem das Eisen das Öl aus der Kohle
aufnimmt, dehnt es sich aus und stöſst die kleinen Kügelchen fort.
Ähnliches geschieht im Hochofen, wo das Erz in dem oberen Teile
des Gestelles in Berührung mit der Kohle die öligen Teile desselben
einsaugt und mit fetter Materie durchdrungen vor die Form gelangt.


Reaumur ist in seinen verschiedenen Abhandlungen sehr ein-
gehend auf die physikalischen Eigenschaften des Eisens
eingegangen. Er hat dieselben zuerst in wissenschaftlicher Weise be-
handelt. Über das Gefüge (Textur, Struktur) und die Härte
namentlich des Stahles, hat er sehr genaue Beschreibungen in seinen
klassischen Abhandlungen „Die Kunst, Schmiedeeisen in Stahl zu ver-
wandeln“ und „Die Kunst, gegossenes Eisen zu erweichen“ gegeben. Bei
[76]Physik.
dem Roheisen unterscheidet er weiſses, graues und halbiertes (fonte
truitée Forelleneisen, welcher Name aus der Champagne stammt). Das
weiſse Eisen galt ihm als das reinere Eisen, was ihm dadurch erwiesen
schien, daſs es beim Verfrischen weniger Abbrand gab. Das graue war
ihm ein unvollkommen ausgeschmolzenes Roheisen. Er unterscheidet
strahliges und dichtes weiſses Eisen, welches letztere unter dem
Mikroskop
ein feinkörniges Gefüge zeige. Graues Eisen ist unter
dem Mikroskop schwammig und erscheint wie ein Flechtwerk. Nach
der Farbe unterscheidet er grau, braun und schwarz; je dunkler, je
weicher ist das Roheisen. Bei dem Schmiedeisen unterscheidet er
hauptsächlich sehnigen, körnigen und blätterigen Bruch. Diese Ein-
teilung genügt ihm aber nicht, er stellt vielmehr sieben Gruppen
auf. Wir werden bei der Cementstahlfabrikation auf diese Ein-
teilung näher zu sprechen kommen. Wir erwähnen hier nur noch,
daſs Reaumur, welcher zuerst das Mikroskop zur Untersuchung
des Gefüges anwendete, auch der erste war, welcher genaue Zeich-
nungen der Bruchflächen gemacht und dieselben in Kupferstichen
dargestellt hat 1).


Er schildert genau die physikalischen Unterschiede zwischen
Eisen und Stahl, als deren wichtigsten er die Härtbarkeit des
Stahls hervorhebt. Er berichtet ferner, daſs Stahl leichter Hitze an-
nehme, sich rascher erhitze, als Schmiedeisen, und daſs er die An-
lauffarben deutlicher und in rascher Aufeinanderfolge zeige. Über
die Eigenschaften des Stahls und dessen Härtung läſst er sich aus-
führlich aus 2).


Er erwähnt als äuſsere Fehler die Kantenrisse; als Fehler,
die man im Bruche erkennt, Eisenadern, ungleiches Korn, glänzende
Blättchen mit dunklem Korn vermischt u. s. w. Die beste Probe ge-
währt aber das Schweiſsen. Eine gute Schweiſsnaht muſs beim Durch-
hauen kaum erkennbar sein. Brummt der schweiſswarme Stahl im
Feuer, so läſst er sich schlecht schmieden; ebenso, wenn er beim Um-
biegen Risse bekommt. Auf die Rosen auf der Bruchfläche, worauf
die Händler soviel Wert legten, giebt er wenig. Ist ein Stahl frei
von Flecken, Rissen, und zeigt er keine Adern oder Schuppen von
Eisen im Bruch und ist er gut zu bearbeiten, so sind es drei Dinge,
nach denen man ihn schätzt, sein Korn, seine Härte und sein Körper.
[77]Physik.
Unter „Körper“ versteht man den Widerstand, welchen der ge-
härtete Stahl gegen Schlag und Stoſs bekundet.


Will man das Korn verschiedener Stahlsorten vergleichen, so
muſs der Bruch unter den gleichen Umständen hervorgebracht,
namentlich muſs die Härtung bei gleicher Hitze erfolgt sein. Das
Korn des Stahles wird bei der Härtung gröber, und zwar um so mehr,
je heiſser er abgelöscht wird. Erhitzt man einen Stahlstab an einem
Ende und bricht ihn dann in kurzen gleichen Abständen, so kann
man deutlich die Verschiedenheit des Korns und die Zunahme der
Feinheit desselben mit dem Abstande von dem erhitzten Ende wahr-
nehmen. Da es aber auſserordentlich schwer ist, bei der Vergleichung
von zwei Stahlstücken die Bruchflächen von gleich erhitzten Stellen
zu erhalten, so ist es besser, die Stahlstücke ihrer ganzen Länge nach
zu brechen. Dies geschieht nach Reaumur am besten dadurch,
daſs man die betreffenden Stahlstücke mit einem entsprechenden
Stück weichem Eisen zusammenschweiſst. Nachdem man es gehärtet
hat, spaltet man das weiche Eisen der Länge nach durch, haut den
Stahl ein wenig ein und bricht ihn dann leicht in seiner ganzen
Länge. Der Bruch läſst die am stärksten erhitzte Stelle durch das
gröbere Korn erkennen und die Vergleichung ist weit sicherer. Auſser-
dem kann man das Korn mit dem Korn von Stahlstücken verschiedener
Härte, aus denen man sich eine Skala bildet, vergleichen. Man kann
nach der erhaltenen Hitze folgende Gruppen unterscheiden: 1. grobes
Korn, weiſs und glänzend auf der ganzen Fläche; 2. gemischtes
Korn aus weiſsen glänzenden und aus dunklen Körnern, wobei die
glänzenden Körner nicht so groſs sind wie bei 1.; 3. feines, dunkles,
nicht graues Korn; 4. groberes, dunkles Korn, dasselbe ist nicht so
dunkel wie bei 3. und mehr verschwommen. Dieser Bruch zeigt sich
besonders, wenn der Stahl bei der Härtung nicht genügend erhitzt
war; er kommt also eigentlich nicht in Betracht. Die Grenzen
zwischen diesen Gruppen sind nicht scharf. Zur Beobachtung bedient
man sich am besten einer Lupe.


Bei der Vergleichung in Bezug auf die Härte ist zu berücksichti-
gen, daſs in der Regel der Stahl um so härter wird, je heiſser er abge-
löscht wird. Auch hier müssen die gleichen Bedingungen, wie gleicher
Querschnitt und gleiche Hitze bei der Härtung vorausgesetzt werden.
Zur Ermittelung der Härte bedienen sich die Arbeiter der Feile und
unterscheiden einfach Stahl, der von der Feile angegriffen wird, und
solchen, der nicht angegriffen wird. Reaumur hebt mit Recht hervor,
daſs dieses Mittel ganz ungenügend sei, weil die Feilen selbst von
[78]Physik.
sehr verschiedener Härte seien, es auſserdem aber noch eine Reihe
von unterscheidbaren Härtegraden, und zwar gerade bei den feinsten
Stahlsorten gäbe, welche von der Feile nicht angegriffen würden.
Deshalb schlägt er eine Härteskala vor, ähnlich derjenigen, welche
man später bei der Mineralogie in Anwendung gebracht hat, nur
daſs seine Skala aus lauter harten Körpern besteht. Sie beginnt
1. mit Glas, das noch von der Feile angegriffen wird, 2. weichster
Bergkrystall (? vielleicht Chalcedon), 3. durchscheinender, harter

Figure 1. Fig. 1.


Kiesel (von Medoc),
4. Agat (von Perpig-
nan), 5. orientalischer
Jaspis, 6. orientali-
scher Topas, oder statt
dessen Korund, und
7. Diamant.


Mit diesen Härte-
mitteln ritzt man die
Fläche des Stahls nahe
der Bruchstelle und
bestimmt die Grenzen.
Für feine Werkzeuge
wird die Agathärte
entsprechen, ausneh-
mend harte Geräte
bedürfen Stahl von
Topashärte.


Am umständlichsten
ist es, die dritte Eigen-
schaft, den „Körper
des Stahls, d. h. seine
Festigkeit bei glei-
cher Härte, zu bestimmen. Auch hier beweist Reaumur wieder
seine Gründlichkeit und seine Erfindungsgabe, indem er Mittel zur
Bestimmung der Festigkeit in Vorschlag bringt, die erst viel später
Anerkennung und Anwendung gefunden haben. Festigkeitsvergleiche
lassen sich, wie er angiebt, nur bei absolut gleichen Querschnitten
erreichen und diese sind nur zu erhalten, wenn man den zu prüfen-
den Draht durch dasselbe Zieheisen zu Draht auszieht. Statt die
zu prüfenden Drahtstücke im offenen Feuer zu erhitzen, was unsicher
ist und eine Änderung des Stahles bewirken kann, bedient sich
[79]Physik.
Reaumur flüssiger Metallbäder von geschmolzenem Blei, Zinn oder
Guſseisen, in welche die Probestäbchen gleichzeitig und gleichlang
eingetaucht werden.


Ist dies geschehen, so bestimmt er den Zerreiſsungspunkt. Statt
der Gewichte bedient er sich hierfür des Apparates Fig. 1 1). Der
Draht, dessen eines Ende in einen kleinen Schraubstock eingespannt
ist, wird von einer Gabel gefaſst, deren Stiel ein Schraubengewinde
besitzt. Durch die Drehung der Gabel wird der Stahl bis zur
Elastizitätsgrenze und bis zum Zerreiſsen gespannt. Das Maſs
dieser Spannung wird an einem Maſsstabe, über den sich die Gabel
hinbewegt, abgelesen. Mit diesem Apparat hätte Reaumur ganz
wohl Werte für die absolute Festigkeit ermitteln können, während er
sich nur auf vergleichende Zerreiſsversuche beschränkte. Eine andere
Probe zu demselben Zwecke besteht darin, daſs man den Stahl als
Meiſsel ausschmiedet, ihm eine bestimmte Härtung giebt und dann
an einem Stahlstab, den man nur am Ende erhitzt und dann ge-
härtet hat, in bestimmten abgemessenen Abständen von diesem Ende
die Tiefe und Schärfe der Einschnitte bei gleich starkem Hieb,
welcher durch ein herabfallendes Gewicht bewirkt werden kann, be-
obachtet. „Dies ist ein einfaches, zweckmäſsiges Verfahren, um zu
sehen, ob der Stahl „gut steht“.“


Die Härtefähigkeit ist die Eigenschaft, welche dem Stahl
seinen Hauptwert giebt. Reaumur hat zahlreiche Versuche darüber
angestellt. Erhitzt man den Stahl, so wird er ausgedehnt, löscht man
ihn plötzlich in kaltem Wasser ab, so behält er diese Ausdehnung.
Sein Korn erscheint gröſser, weil die Zwischenräume zwischen den
Molekülen sich erweitert haben. Man sollte nun glauben, daſs der
Stahl dadurch weicher geworden sei, daſs eine Feile leichter ein-
dringen könnte, aber das Gegenteil ist der Fall, er ist viel härter
geworden, die Feile greift ihn nicht mehr an. Reaumurs geistreiche
Erklärung dieser Erscheinung beruht auf seiner Theorie der chemi-
schen Zusammensetzung von Eisen und Stahl, die wir bei der Chemie
des Eisens bereits auseinandergesetzt haben. Daſs der gehärtete Stahl
ein gröſseres Volumen einnimmt als der weiche, läſst sich leicht be-
weisen. Ein gehärtetes Stück Stahldraht geht nicht mehr durch das
Ziehloch, welches er zuvor im ungehärteten Zustande passiert hat 2).
Reaumur hat diese Volumvermehrung durch genaue Versuche ge-
[80]Physik.
messen und die lineare Ausdehnung zu 1/145, die körperliche Aus-
dehnung zu 1/48 ermittelt. Er hat durch interessante Versuche
festgestellt, daſs eine Gewichtsänderung hierbei nicht eintrat, daſs
also weder ein Stoff hinzugetreten noch ausgetreten ist: also kann
die wunderbare Erscheinung, daſs der durch die Hitze ausgedehnte
Stahl durch das Ablöschen hart wird, nur auf einer inneren Ver-
änderung, einer anderen Lagerung der kleinsten Teile der Mole-
küle, beruhen. Um dies zu ermitteln, hat Reaumur mikro-
skopische
Untersuchungen angestellt 1), und hat dadurch zuerst das
Mikroskop zur Untersuchung des Eisens in Anwendung gebracht.
Diese Untersuchungen bestärkten ihn in seiner Hypothese, daſs ge-
wisse Verbindungen flüchtiger Stoffe sich in die Hohlräume zwischen
den Molekülen des Eisens einlagerten. Die Einsatzhärtung, welche
nur eine Oberflächenhärtung, durch Zufuhr flüchtiger (schweflig-sal-
ziger) Stoffe bezwecke, bestätigt nach seiner Meinung seine Theorie.
Während aber durch das Ablöschen des erhitzten Stahles die Härte
sich sehr gesteigert hat, sei seine Festigkeit, entsprechend seinem
lockeren Zustande, geringer geworden: gehärteter Stahl zerreiſse bei
geringerer Kraft als ungehärteter 2). Die Härte stehe also in keinem
unmittelbaren Zusammenhange mit der Festigkeit. Durch die Aus-
dehnung beim Erhitzen und die darauf folgende Härtung ist die Be-
rührung der Moleküle eine geringere, beziehungsweise der Abstand
derselben ein gröſserer geworden, und daraus erklärt Reaumur die
Abnahme der Festigkeit; die Thatsache selbst stellte er durch Ver-
suche fest, welche einen beträchtlichen Unterschied der Festigkeit
bei dem gehärteten und bei dem ungehärteten Stahl ergaben.


Die Härte wächst mit dem Grade der Hitze bei der Härtung, dies
hat aber seine Grenze, überhitzter Stahl wird wieder weicher. Dies
erklärt sich leicht aus der angegebenen Theorie, denn die Über-
hitzung tritt ein, wenn die schweflig-salzige Materie, welche die
Zwischenräume der Moleküle ausgefüllt hatte, anfängt, sich zu
verflüchtigen. Daſs der gehärtete Stahl durch Erhitzen und lang-
sames Abkühlen wieder weich wird, erklärt sich nach Reaumurs
Hypothese einfach daraus, daſs hierbei die schweflig-salzige Materie
wieder in ihre ursprüngliche Verbindung mit dem Eisen zurückkehrt.
Auch das erhitzte Eisen wird durch das Ablöschen in kaltem Wasser
[81]Physik.
härter, wenn auch nur in geringem Grade. Stahl erhitzt sich leichter
als Eisen; und derselbe Hitzegrad dehnt den Stahl mehr aus als das
Eisen; und das durch die Hitze ausgedehnte Eisen kehrt im Gegensatz
zum Stahl nahezu vollständig wieder in sein ursprüngliches Volum zurück.


Die Härtung des Stahls beruht stets auf der raschen Abkühlung
desselben. Dies kann aber unter sehr verschiedenen Umständen ge-
schehen. Der Stahl kann mehr oder weniger heiſs sein, aber auch
die Flüssigkeit, in der er abgelöscht wird, kann wärmer oder kälter
sein. Die Wirkung hängt hauptsächlich von der Temperaturdifferenz
ab. Heiſser Stahl in heiſsem Wasser gelöscht, verhält sich wie ein
weniger heiſser Stahl in kaltem Wasser gelöscht.


Die Hitzegrade beginnen für das Auge mit dunkelrot, gehen
durch rotbraun, rot, kirschrot, gelb bis zu weiſs. Die erste allgemeine
Regel ist, das Korn des Stahles wird um so gröſser, je heiſser er ab-
gelöscht wird; die zweite, der Stahl wird um so härter, je heiſser er
abgelöscht wird, natürlich beides nur bis zur Grenze der Überhitzung.
Eine dritte Regel ist, je feinkörniger der Stahl ist, je härter wird er
bei gleicher Temperatur. Man härtet also feinere Stahlsorten bei
niedrigerer Temperatur, als groben, wenn man ihn nicht härter haben
will. Im allgemeinen muſs man groben Stahl bei höherer Hitze,
über Kirschrotglut, härten. Man soll aber nie den Stahl heiſser
machen, als für den Zweck erforderlich ist, denn man beeinträchtigt
dadurch seine Güte; daraus folgt die praktische Regel, daſs der Stahl-
schmied den Löschtrog gleich bei dem Feuer zur Hand haben muſs.


Das Wasser ist aber nicht das einzige Löschmittel bei der Stahl-
härtung, man kann jeden Stoff dazu verwenden, der den Stahl ab-
kühlt. Man härtet feine Spitzen, indem man sie in ein Stück festes
Blei einsticht. Andere Metalle, wie Zinn, Wismut und Antimon,
können demselben Zwecke dienen. Als ein besonders wirksames Härte-
mittel fand Reaumur das Quecksilber. Trotz seines viel gröſseren
spezifischen Gewichtes erhitzte sich ein gleiches Volum Quecksilber
beim Löschen eines gleichen Stückes Stahl viel mehr als Wasser.
(Infolge der verschiedenen spezifischen Wärme.)


Der in Quecksilber gehärtete Stahl zeigt gröſseres Korn als der
in Wasser gelöschte. Nicht alle Wasser verhalten sich gleich. Manche
genieſsen besonderen Ruf dafür, den Stahl besser zu härten, wie dies
schon im Altertume der Fall war. Es sind dies wohl sehr reine
Wasser, denn aufgelöste Salze beeinträchtigen die Härtung. Dies ist
auch gewiſs der Grund, warum man dem Tau von jeher eine be-
sondere Kraft der Stahlhärtung zugeschrieben hat. Ferner ist der
Beck, Geschichte des Eisens. 6
[82]Physik.
Essig ein gutes Härtemittel. Mit Rübensaft, der in den alten Ge-
heimmitteln eine groſse Rolle spielt, erzielte Reaumur keinen Er-
folg, wohl aber mit Scheidewasser. Alle fettigen Stoffe, wie Talg, Öl,
Terpentin, alle Harze, Weingeist, kurz, alle Substanzen, welche sich
entzünden oder zersetzen, löschen den Stahl langsamer als Wasser.
Man benutzt dies bei Gegenständen, die man nicht zu rasch abkühlen
darf, damit sie nicht springen oder sich werfen. Um einen bestimmten
Härtegrad zu erreichen, bedient man sich der Anlauffarben, die bei
ganz bestimmten Temperaturen entstehen. Alle diese Punkte be-
handelt Reaumur mit groſser Gründlichkeit und können wir hier
nur darauf verweisen 1).


Reaumur stellte in seiner Abhandlung über schmiedbaren Guſs
die Behauptung auf, weiſses Roheisen sei ein reinerer Stoff als graues
Roheisen; die graue Farbe rühre daher, daſs dem Eisen noch erdige
Substanz beigemengt sei. Die Schweden — zunächst Swedenborg
waren umgekehrt geneigt, das graue Eisen für reiner zu halten, weil
es ihnen das beste Schmiedeisen gab. Jars führt in seiner metal-
lurgischen Reise 2) aus, daſs die Farbe und Textur nicht immer über
die gröſsere oder geringere Reinheit des Roheisens entscheide. Er
schmolz dasselbe graue Roheisen unter denselben Bedingungen ein
und lieſs dann das eine rasch, das andere langsam erkalten. Das
Eisen in dem einen zeigte sich weiſs, in dem anderen grau, obgleich
es derselbe Stoff war. Jars geht aber zu weit, wenn er daraus den
Schluſs zieht, weiſses Eisen entstehe immer durch rasche Abkühlung
von grauem Eisen. Rinman hat vielmehr nachgewiesen und durch Ver-
suche festgestellt, daſs weiſses Eisen, welches aus schlecht gerösteten
rohen, oder rotbrüchigen Erzen erblasen ist, sich nie durch langsames
Abkühlen in graues, gares oder weiches Eisen umwandeln lasse 3).


Auffallend wenig hat Reaumur das verschiedene specifische
Gewicht
der Eisensorten beachtet und untersucht. Dagegen giebt
Swedenborg das normale Gewicht von Eisen zu Regenwasser auf
7,817 an, verzeichnet aber zugleich folgende von ihm ermittelte ab-
weichende Zahlen: 7,645, 7,914, 8,000, 8,166.


Die ersten Ermittelungen über das spezifische Gewicht der Me-
talle hatte Robert Boyle im Jahre 1675 angestellt.


Eingehend hatte alsdann Musschenbroek diese Frage studiert.
Er machte eine erstaunliche Zahl von Gewichtsbestimmungen.


[83]Physik.

Für Stahl und Eisen fand er folgende Zahlen:


Gerhard ermittelte folgende Zahlen für Schmiedeisen, die
aber durchgehends zu niedrig sind:


  • Eisen von Sorge (Zorge)   7,246
  • do. „ Mägdesprung   7,243
  • do. „ Schwedisches   7,247
  • do. Osmund aus der Grafschaft Mark   7,250
  • do. von Krossen   7,208
  • do. „ Kutzdort   7,201

Vom praktischen Standpunkte aus prüfte der Marquis von Mon-
talembert
die Frage, indem er die Qualität der Guſseisensorten für
Geschützguſs nach dem spezifischen Gewicht zu ermitteln suchte. Er
bestimmte die spezifischen Gewichte


  • von groſsblättrigem, lockerem Gieſsereieisen zu 7,098
  • „ mittlerem   „ „ 7,237
  • „ dichtem, hartem   „ „ 7,473,

so daſs ein Pariser Kubikfuſs 496 Pfd. 14 Unzen 2 Gran (gros), 507 Pfd.
3 Unzen 5 Gran, und 524 Pfd. 7 Unzen 2 Gran wiegen würden. De-
parcieux
sagt, die französischen Architekten rechneten den Kubikfuſs
Eisen durchgehends zu 580 Pfd. Dies sei aber für Guſseisen ganz
unrichtig, da dasselbe nach seinen Ermittelungen an Guſseisen von
Dampierre nur 496 bis 498 Pfd. wiege. Bergman bestimmte das
spezifische Gewicht zu 7,751 bis 7,825, im Mittel zu 7,770. Buffon
ermittelte das Gewicht von einem Kubikfuſs von weiſsem Roheisen zu
457 Pfd., von flüssigem Roheisen zu 462 Pfd., und von grauem zu
485 Pfd.


6*
[84]Physik.

Die umfassendste Untersuchung über das spezifische Gewicht der
verschiedenen Eisensorten stellte aber Sven Rinman an. Aus seiner
Tabelle wollen wir nur einige besonders interessante Zahlen anführen.


  • 1. Schmiedeisen, weiches, von Grangerde   7,698
  • 2. do. kaltbrüchiges, ebendaher   7,742
  • 3. Schweiſsstahl, ungehärtet   7,751
  • 4. do. gehärtet   7,553
  • 5. Steyrischer Schmelzstahl, ungehärtet   7,782
  • 6. do. do. gehärtet   7,822
  • 7. Englischer Guſsstahl, geschmiedet und geglüht   7,919
  • 8. do. do. kalt gehämmert   7,830
  • 9. do. do. gehärtet bei gelinder Hitze   7,708
  • 10. do. do. gehärtet bei weiſs warmer
    Hitze   7,831
  • 11. Schwedischer Brennstahl, blasig, ungereckt   7,255
  • 12. do. do. ausgeschmiedet, aber unge-
    härtet   7,767
  • (Das Eisen, woraus dieser Stahl angefertigt   7,698)
  • 13. Roheisen, grau, vom besten Gang   7,052
  • 14. do. schwarzgrau, grobkörnig, vom ersten Ab-
    stich   7,000
  • 15. do. schwarzgrau, feinkörnig   7,090
  • 16. do. lichtgrau, weniger gar   7,329
  • 17. do. lichtgrau, feinkörnig, etwas rotbrüchig   7,572
  • 18. do. weiſs-grell, aus rotbrüchigen Erzen   7,676
  • 19. do. weiſs, feinkörnig, sehr zähe   7,840
  • 20. do. weiſs, im Reverberierofen umgeschmolzen   7,080

Rinman zieht aus seinen Versuchen folgende allgemeine
Schlüsse: Stahl ist in der Regel schwerer als Eisen, das mittlere Ge-
wicht berechnet sich zu 7,795, während das des Eisens noch unter
7,700 bleibt.


Von den Stahlsorten ist der englische Guſsstahl der schwerste
und Rinman findet, daſs der dichteste Stahl auch der spezifisch
schwerste ist. Durch die Härtung nimmt der Stahl an Volum zu,
wird in Folge dessen spezifisch leichter. Von den Roheisensorten
sind die weiſsen, grellen die härtesten und schwersten, die schwarz-
grauen, garen die leichtesten. Das mittlere spezifische Gewicht be-
rechnet sich zu 7,251. Die abgerundeten spezifischen Gewichte be-
tragen für Stahl 7,80, für Stabeisen 7,70, für Roheisen 7,25. Die ver-
schiedenen spezifischen Gewichte sind nicht nur für den Naturforscher,
[85]Physik.
sondern auch für den Mechaniker und Architekten von Wichtigkeit.
Rinman hat ferner Versuche darüber angestellt, ob sich aus dem
spezifischen Gewicht der Eisenerze der Erzgehalt berechnen lieſse,
hat aber gefunden, daſs dieses Verfahren keine zuverlässigen Resul-
tate giebt. Bei den besten schwedischen Eisenerzen fand er, daſs
sich das spezifische Gewicht zu den Prozenten ihres Eisengehaltes
wie 85 zu 1 verhielt; oder daſs der Quotient des spezifischen Ge-
wichtes in tausend Teilen, dividiert durch 85, den Gehalt der Erze in
Prozenten angiebt. Eine sehr fleiſsige Arbeit über das spezifische
Gewicht vieler Eisen- und Stahlsorten veröffentlichte George Pear-
son
1795 in seiner Arbeit über den indischen Wootzstahl 1).


Die Federkraft des Eisens steht in einem gewissen Verhält-
nisse zur Dichtigkeit und zu dem damit verbundenen spezifischen
Gewicht. Sie wird durch kaltes Hämmern, Walzen, Ziehen u. s. w.
sehr verstärkt, wozu aber kaltbrüchiges Eisen überhaupt nicht und
rotbrüchiges, weil es zu weich ist, wenig zu brauchen ist. Dieses
kalte Hämmern wird für alle Gegenstände, die federn sollen, nament-
lich bei den Sägeblättern angewendet, das kalte Walzen durch glatte
Stahlwalzen bei den Uhrfedern. Durch das Feuer wird die Feder-
kraft zerstört, so daſs eine elastische Feder nach dem Glühen ebenso
weich wie gewöhnliches Eisen wird.


Über die Festigkeit des Eisens stellte ebenfalls Musschen-
broek
2) zuerst genaue Ermittelungen an. Im Vergleiche mit einigen
anderen fand er bei quadratischen Stäbchen von 289/10000 Zoll Quer-
schnitt:


  • das Zerreiſsungsgewicht das spec. Gew.
  • Bei Japanischem Kupfer   573 Pfd.   8,7267
  • „ deutschem Eisen   1930 „   7,8076
  • „ englischem Zinn   150 „   7,295

Bei einer Reihe anderer Versuche, welche den Zweck hatten,
verschiedene Eisen- und Stahlsorten unter sich zu vergleichen, gab
er seinen quadratischen Stäbchen eine Dicke von 1/10 rhein. Zoll.
Er fand:


  • das Zerreiſsungsgewicht
  • Bei spanischem Eisen von Ronda in Andalusien   800 Pfd.
  • „ vier Sorten schwedischem Eisen (670 bis 870 Pfd.)   im Mittel 726 „
  • „ drei „ schwedischem Osmund (670 bis 750 Pfd.) „ „ 700 „
  • „ zwei „ deutschem Eisen (600 und 910 Pfd.)   „ „ 755 „
  • „ drei „ „ „ (680 bis 840 „)   „ „ 740 „

[86]Physik.
  • das Zerreiſsungsgewicht
  • Bei drei Sorten geringem Eisen (670 bis 690 Pfd.)   im Mittel 676 Pfd.
  • „ drei „ Eisen von Lüttich (610 bis 810 Pfd.)   „ „ 723 „
  • Sehr guter weicher Stahl   1190 „
  • Mittelguter „ „   1240 „
  • Geringer „ „   1080 „
  • Sehr guter gehärteter Stahl   1120 „
  • Stahl von der Härte eines Rasiermessers   1500 „
  • do. „ „ „ „ gewöhnlichen Messers   1350 „

Gerhard1) ermittelte folgende Belastungsgewichte bis zur Zer-
reiſsung eines Stabes von 1/12 Zoll im Quadrat:


  • Sorger Eisen   1624 Pfd.
  • Mägdesprunger „   1626 „
  • Schwedisches „   1620 „
  • Osemund „   1702 „
  • Krossener „   1599 „
  • Kutzdorfer „   1606 „

Buffon machte ebenfalls zahlreiche Versuche über die Zähig-
keit des Eisens 2). Draht von einer Linie Dicke trug 482 bis 495 Pfd.
Dickes Eisen zeigte im Verhältnis eine viel geringere Tragkraft als
dünnes; die Tragkraft des dicken Eisens erhöhte sich durch Über-
schmieden. Er will gefunden haben, daſs Schmiedeisen mit Sehne
über fünfmal soviel Widerstand leistet, als Eisen ohne Sehne, und daſs
die Festigkeit des Eisens lange nicht so sehr von dem Erz als von
der Bearbeitung unter dem Hammer abhängt. Dabei ist das Kalt-
hämmern viel wirkungsvoller, als das Hämmern in der Hitze, indem
das Glühen an und für sich die Zähigkeit des Eisens immer ver-
mindert. Die Sehne entwickle sich erst durch das Hämmern. Das
Ablöschen im Wasser zerstöre die Sehne und vermindere die Festigkeit.


Gazeran veröffentlichte die von Ramus zu Creuzot um 1790
angestellten vergleichenden Versuche über die Festigkeit ver-
schiedener Sorten von Guſseisen, namentlich solcher, die mit Holz-
kohlen und solcher, die mit Koks erzeugt waren 3). Die Festigkeit
des letzteren war nicht geringer als die des ersteren; durch das Um-
schmelzen (im Flammofen) erhöhte sich die Festigkeit. Die Probe-
stäbe waren 18 Zoll lang und 3 Linien im Quadrat; sie wurden in der
Mitte auf eine scharfe Schneide aufgelegt, das eine Ende war an der
[87]Physik.
Wand befestigt, während an das andere Ende eine Wagschale ge-
hängt wurde, welche man mit Gewichten beschwerte bis zum Zer-
reiſsen.


Bezüglich der ermittelten Zerreiſsungsgewichte verweisen wir auf
die Abhandlung und wollen nur erwähnen, daſs dasselbe bei weiſsem
Eisen an 1100 Pfd., bei gutem, grauem Guſseisen 1800 Pfd. betrug.


s’Gravesande († 1742) und Coulomb beschäftigten sich auch
bereits mit der Untersuchung der Elastizität der Metalle, wobei
sie fanden, daſs die Spannkraft oder Elastizität, d. h. die Kraft, mit
welcher die Teilchen eines Körpers, welche durch Druck oder Zug
aus ihrer Lage gebracht worden sind, innerhalb der Elastizitätsgrenze
wieder in ihre ursprüngliche Lage zurückzukehren streben, dem
Drucke proportional ist.


Musschenbroek1) verdankt man ferner die ersten genauen
Untersuchungen über die Ausdehnung der Metalle, namentlich von
Eisen und Stahl in der Wärme.


Er bediente sich zum Messen der Ausdehnungen eines von ihm
erfundenen Mikrometers, eines kleinen Instrumentes, welches ver-
mittelst eines Zeigers, wie bei einer Uhr, die kleinsten Ausdehnungen
der Metalle bis auf den 12500. Teil eines Zolls angab, wenn man die
kleinen Zaine der verschiedenen Metalle über einer Weingeistlampe
erhitzte.


Musschenbroek fand, daſs sich das Eisen vom Gefrierpunkte
bis zum Siedepunkte des Wassers um 0,00073 ausdehnt. Er fand
ferner, daſs sich das Eisen weniger ausdehnt als Kupfer, Messing,
Zinn und Blei.


Vergleichende Versuche ergaben:


  • Ausdehnung von Eisen   18
  • do. „ Silber   24
  • do. „ Gold   31
  • do. „ Blei   36

(1 Toise = 33000).


Weiches Eisen dehnt sich weniger aus als Stahl. Die Ausdehnung
steht in keinem nachweisbaren Zusammenhange mit dem spezifischen
Gewicht oder der Zähigkeit; eher scheint sie in einer gewissen Be-
ziehung zu der Schmelzbarkeit der Metalle zu stehen. Rinman fand
die Ausdehnung bis zur Weiſsglut bei Stabeisen zu 7/560 Stahl, 10/560
[88]Physik.
und Roheisen 12/560 seiner Länge. Das Eisen braucht auch längere
Zeit zur Ausdehnung als die übrigen Metalle. Auf die Ausdehnung
des Eisens muſs vielfach im Bauwesen und in den Gewerben Rück-
sicht genommen werden.


Der Stahl erfährt beim Härten eine Ausdehnung, und
es stellt sich nach Reaumurs Versuchen das Verhältnis des ge-
härteten Stahles zu dem ungehärteten wie 49 zu 48. Rinmans
Versuche bestätigten dies im Allgemeinen, doch fand er die Aus-
dehnung bei verschiedenen Stahlsorten verschieden, und erleidet der
festeste, dichteste Stahl die geringste Ausdehnung. Bei der Cemen-
tation erfährt das Stabeisen eine Volumvergröſserung, welche nach
Reaumurs Messungen bei einem Stück Eisen von 5 Zoll 1½ Linien
= 2½ Proz. betrug. Reaumur hatte gefunden, daſs flüssiges
Eisen spezifisch schwerer sei als festes
, daſs deshalb ein
Stück festes Roheisen in einem Bade von flüssigem Roheisen oben-
auf schwimme; daſs sich also flüssiges Roheisen beim Erkalten aus-
dehne. Rinman bezweifelt dies. Nach seiner Erfahrung zieht sich
Guſseisen, welches, in ein offenes Gefäſs gegossen, sich frei aus-
dehnen kann, beim Erstarren zusammen. Anders, wenn es in einem
geschlossenen Raume erkaltet, wo die Oberfläche rascher erstarrt, als
das Innere. Solcher Guſs könne leichter sein, aber nur wegen seiner
Undichtigkeit und Porosität.


Über das farbige Anlaufen der Eisensorten, insbesondere des
Stahls, hat Rinman zahlreiche Versuche angestellt und ausser dem
Anlaufenlassen in geschmolzenen Metallen, als Zinn, Wismut, Blei
und Zink und deren Legierungen, eine Reihe von Mitteln zur Hervor-
bringung schöner Anlauffarben, namentlich der beliebtesten blauen
Farbe angegeben, worauf wir verweisen (§§. 48 bis 52). Über die
Zeit, welche zur Erwärmung einer Anzahl Eisenkugeln und zur
Abkühlung derselben nötig ist, hat Buffon vergleichende Ver-
suche angestellt und gefunden, daſs die Zeiten, welche zum Erwärmen
und noch mehr zum Abkühlen nötig sind, nicht im Verhältnis zu
den Durchmessern der Kugeln standen, sondern länger waren. Wie
zur Ausdehnung, so braucht auch zur Erwärmung das Eisen längere
Zeit, als die übrigen Metalle. Ebenso verhält es sich mit der Ab-
kühlung. Die Zeit der Erhitzung und Abkühlung ist nicht von dem
spezifischen Gewicht, sondern von der Schmelzbarkeit der Metalle ab-
hängig.


Von der Wärme hatte man im vorigen Jahrhundert noch die
sonderbarsten Vorstellungen. Die mechanische Auffassung erblickte
[89]Physik.
darin eine Bewegung, die chemische einen Stoff. — In einem guten
Schriftchen von Chapuit (Holz-Menage 1757) heiſst es: „Das Feuer
(die Wärme) ist ein in schnelle Bewegung gesetzter subtiler Schwefel
(Phlogiston), der aus einer entzündeten Materie von allen Seiten mit
gröſster Geschwindigkeit herausfährt und helle leuchtet“. — „Die Er-
fahrung lehrt, daſs dieser in Bewegung gesetzte Schwefel nicht nur
die anliegende Luft, sondern auch die in der Nähe befindlichen
Körper in Bewegung setzt, selbige heiſs und je nach ihrer Beschaffen-
heit sogar flüssig macht.“


Der berühmte schwedische Chemiker Scheele faſst dagegen die
Wärme durchaus als eine Materie auf. In seiner Abhandlung von
der Luft und vom Feuer, 1777, sagt er (§. 96): „Das Eisen besteht
aus einer eigentümlichen mit einer gewissen Menge Phlogiston und
einem gewissen Teile Wärme verbundenen Erde. Die Wärme
aber ist eine feine Säure, die sich mit mehr oder weniger Phlogiston
vereinigen kann, und obgleich nicht alle Säuren die Eigenschaft
haben, das Phlogiston im Übermaſse an sich zu ziehen, so besitzen
doch wenigstens sehr viele Säuren diese Eigentümlichkeit und zu
diesen gehört die Wärme ebenfalls“. Rinman sagt: „Je genauer man
die Bestandteile des Eisens kennen lernt, desto mehr bestätigt sich
Herrn Scheeles Behauptung, daſs die Feuermaterie oder die Wärme
ein wirklicher Bestandteil des Eisens ist, und daſs sie durch ihre
feine Säure die mannigfaltigen Veränderungen und Abweichungen in
der Geschmeidigkeit des Eisens hervorbringe. Deshalb muſs man
aber auch die Hitze mit zu den wirklichen Substanzen zählen, durch
welche das Eisen in den geschmeidigen Zustand gebracht wird“.


Er geht in Verfolgung dieser falschen Theorie soweit, zu be-
haupten: „Die Wärme oder das Feuer für sich allein ist das wirk-
samste Mittel, Roheisen in geschmeidiges Eisen zu verwandeln, so daſs
es weder der Luft noch des Wassers bedarf, wie die englische Frisch-
methode und andere Versuche beweisen“.


Die Vorstellung, daſs die Wärme ein chemischer Stoff sei, erhielt
sich auch noch nach dem Sturze der Phlogistontheorie. Lavoisier
und Fourcroy betrachteten die Wärme als besonderen Stoff. Die
Wärme mache sich nur bemerkbar durch den vorhandenen Wärme-
stoff. Als ein Beweis für die Körperlichkeit der Wärme wurde die
Ausdehnung der Körper bei der Erwärmung, oder wie man es auf-
faſste, durch Zufuhr von Wärmestoff angesehen. Die verschiedenen
Aggregatzustände wurden als Wirkungen der Verbindungen mit
Wärmestoff angesehen. Bei Zutritt von einem gewissen Maſs von
[90]Physik.
Wärmestoff geht die Expansion so weit, daſs der Körper flüssig wird,
oder schmilzt. Bei noch gröſserer Aufnahme desselben tritt die Ver-
flüchtigung ein. Die Flüssigkeiten sind also Verbindungen fester
Materien mit dem Wärmestoff und die Gasarten sind Auflösungen
verschiedener Verbindungen im Wärmestoff 1). Die Auflösungsfähig-
keit verschiedener Stoffe im Wärmestoff ist verschieden, und die
Wärmemenge, welche eine Substanz aufnimmt, um seine Temperatur
um einen Grad zu erhöhen, nennt man die spezifische Wärme.
Um diese zu bestimmen, erwärmt man den Körper auf eine bestimmte
Temperatur und kühlt ihn dann in einem Apparate in Eis ab. Die
Menge des geschmolzenen Eises giebt das Maſs für die spezifische
Wärme. Einen solchen Apparat nannte man Calorimeter 2). Wich-
tiger noch für die metallurgische Praxis war die Bestimmung sehr
hoher Temperaturen, bekanntlich eine sehr schwierige Aufgabe. Hier-
für erfand Josiah Wedgewood (1730 bis 1795) sein berühmtes
Pyrometer. Es bestand aus Thoncylindern, von sehr feuerfestem
Thon hergestellt, mit einer flachen Seite, die erhitzt in eine metallene
Skala geschoben wurden; da sich der Thon bei hohen Temperaturen
zusammenzog, so schob sich der Cylinder um so weiter ein, je heiſser
er war. Die Skala begann bei beginnender Rotglut, wofür eine Tem-
peratur von 1077° Fahrenheit angenommen wurde, und ging bis zu
170° W. Jeder Grad von Wedgewood begriff 130° Fahrenheit über
den 1077. Grad. Die ermittelten Schmelztemperaturen betrugen: von
Silber 23° W., von Kupfer 27° W., Gold 32°, Guſseisen 130° W. Die
Schweiſshitze des Eisens wurde zwischen 90 und 95° W. angegeben, die
Hitze in den Schmelzöfen der Eisengieſsereien zu 150 bis 160°. Die
höheren Zahlen sind aber alle viel zu hoch. Die Schmelztemperatur
von Guſseisen würde nach obiger Angabe bei 17977° Fahrenheit
oder beinahe 10000° Celsius liegen, eine Temperatur, die auf unserem
Planeten wohl nicht existiert. Mackenzie gelang es, Stabeisen in
sorgfältig verschlossenen Thontiegeln zur Schmelzung zu bringen und
er bestimmte die Temperatur auf 155° W.


Von der elektrischen Leitungsfähigkeit des Eisens fing
man im vorigen Jahrhundert ebenfalls an, praktischen Gebrauch zu
machen. Bekanntlich hatte Benjamin Franklin in Nordamerika,
nachdem er bereits 1749 Versuche über die Entladung von Gewitter-
wolken durch aufgestellte Metallstangen gemacht hatte, 1753 den
Blitzableiter erfunden, welcher bald allgemeine Anwendung fand.


[91]Die Dampfmaschine vor Watt.

Galvanis Entdeckung des Galvanismus erfolgte 1790 und
Voltas scharfsinnige Untersuchungen und richtige Erklärung 1792.
1800 entdeckte Volta seine galvanische Säule, mit welcher der
Engländer Nicholson in demselben Jahre Wasser in seine Ele-
mentarbestandteile zerlegte.


Die Dampfmaschine vor Watt.


Thomas Savery gebührt der Ruhm, die erste Dampfmaschine
erfunden zu haben, die betriebsfähig war und sich in der Praxis be-
währt hat. Sie litt an groſsen Unvollkommenheiten und erfüllte die
auf sie gesetzten Erwartungen nur zum kleinen Teile, dennoch erhielt
sie sich noch längere Zeit, als auch schon die viel vollkommenere
Newcomen-Maschine erfunden war.


Gleich der erste Versuch mit einer gröſseren Maschine, von dem
wir Kenntnis haben, war ein Miſserfolg für Savery. Im Jahre 1706
errichtete er eine solche für ein Kohlenbergwerk bei Broadwaters in
der Nähe von Wednesbury, in Folge einer Einladung der Gruben-
besitzer. Der Wasserzufluſs war aber so stark, daſs die Maschine
denselben nicht bewältigen konnte, und als Savery dies durch
stärkeren Dampfdruck erzwingen wollte, explodierte sein Kessel und
zertrümmerte die Maschine.


Ähnliche Unglücksfälle traten öfter ein, und dies war nicht zu
verwundern, denn Savery katte keinerlei Manometer an seinem
Dampfkessel, der Heizer konnte also nie wissen, welcher Dampfdruck
in seinem Kessel war, da aber die Maschine viel besser und vorteil-
hafter arbeitete, je höher der Dampfdruck war, so lag die Gefahr,
den Kessel zu überheizen, sehr nahe. Dies war auch der Grund,
daſs sich die Maschine für groſse Leistungen nicht bewährte, während
sie für geringe, gleichmäſsige Leistungen ganz gut arbeitete. Letz-
terer Art waren die Maschinen in Herrschaftshäusern und Gärten,
um das für Wasch- und Badeeinrichtungen und für Springbrunnen
erforderliche Wasser in ein mäſsig hohes Reservoir zu drücken.
Solcher Maschinen wurden im Jahre 1712 zwei in der Nähe von
London rühmend erwähnt: Die eine zu Sion Hill, Isleworth, für den
Herzog von Chandos, die andere für Mr. Balle zu Campden-house
[92]Die Dampfmaschine vor Watt.
in Kensington erbaut. Diese beiden Maschinen hatten nur je einen
Druckkessel. Wo es nicht auf ununterbrochenen Betrieb ankam, wo
also nichts daran lag, nach jeder Entleerung des Druckkessels den
Dampf so lange abzustellen, bis sich derselbe wieder gefüllt hatte,
war diese einfache Konstruktion vorteilhafter, denn während dieser
Unterbrechung stieg die Spannung im Dampfkessel, und der Dampf
wirkte dadurch bei seinem Eintritt um so energischer. Die gröſsere
Wirkung des höher gespannten, heiſseren Dampfes lag nicht im Druck
allein, sondern auch darin, daſs ein geringeres Quantum des heiſseren
Dampfes bei der Berührung mit dem kalten Wasser im Druck-
kessel kondensiert wurde. Die Aktion des Dampfes als Druckkraft
trat erst ein, wenn die oberste Schicht des Wassers bis zu einem ge-
wissen Punkte erhitzt war; da dies bei dem heiſseren Dampf rascher
geschah, war der Dampfverlust durch Kondensation geringer. Von der
Maschine zu Campden-house, die für musterhaft im Verhältnisse ihrer
Teile galt, erfahren wir, daſs der Dampfkessel 39, der Druckkessel
13 Gallonen faſste. Das Saug- und Druckrohr hatten 3 Zoll und der
Dampfhahn 1 Zoll Bohrung. Das Feuer unter dem Kessel bestand aus
einer offenen Kohlenpfanne, und die Maschine wurde einfach dadurch
still gestellt, daſs man diese darunter wegzog. Ein Knabe öffnete und
schloſs die Hähne mit der Hand und besorgte gleichzeitig die Feuerung.
Die Maschine förderte 52 Gallonen Wasser in der Minute 16 Fuſs durch
das Saugrohr und 42 Fuſs durch das Druckrohr. Ihre Stärke wurde
zu einer Pferdekraft oder fünf bis sechs Menschenkräften geschätzt.


Sie hatte 50 £ gekostet und als sie der Berichterstatter sah, war
sie sechs Jahre in Betrieb gewesen 1).


Eine solche Maschine, nur von etwas gröſseren Dimensionen, war
es, welche 1716 an Zar Peter den Groſsen nach Petersburg geschickt
wurde, um dort die Wasserkünste in den neuen Gartenanlagen zu
betreiben. Der kugelförmige Dampfkessel faſste 6 bis 7 Oxhoft, der
Druckkessel 1 Oxhoft, derselbe füllte sich viermal in der Minute. An
diesem brachte Desaguiliers die Verbesserung an, welche bereits
1713 für die Newcomen-Maschine erfunden war, nämlich das Wasser
zur Kondensation in den Druckkessel einzuspritzen, statt es von
auſsen nur anzuspritzen. Es wird rühmend hervorgehoben, daſs dies
die einzige Verbesserung gewesen sei, die man nachträglich an
Saverys Maschine vorgenommen habe. Doch brachte man bei den
[93]Die Dampfmaschine vor Watt.
späteren Maschinen auch noch ein Sicherheitsventil am Dampf-
kessel an.


Das wichtigste Bedürfnis der damaligen Zeit waren kräftige
Pumpen, um das Wasser der Bergwerke, namentlich der Kohlenberg-
werke, aufzuwältigen. Davon hing die Existenz vieler Bergwerke ab.
Nur wenige waren so gelegen, daſs man natürliche Wassergefälle
dazu hätte verwenden können; Tiefbau war aber nur möglich bei
entsprechender Wasserhaltung. Für diesen Zweck bewährten sich
aber, wie schon erwähnt, Saverys Maschinen nicht. Mit die ersten
derselben wurden, wie er selbst berichtet, in Cornwall aufgestellt; die
erste, die dort in Betrieb gesetzt wurde, war für eins der reichsten
Zinnbergwerke, „das groſse Werk in Bearge“ bei Huel Vor, wenige
Meilen von Helstone bestimmt. Der erste Versuch fiel auch gut aus,
aber auch hier hielten die Kessel nicht stand und die vielen Kessel-
explosionen wurden die Ursache, daſs man sie verwarf und sie durch
eine Newcomen-Maschine ersetzte. Ein gleiches Schicksal, wenn auch
ein längeres Leben, hatte die Maschine, welche Savery für das
Wasserwerk von York-buildings in West-London 1710 aufstellte. Es
war dies seine älteste „groſse Maschine“ (great work). Er machte
alle Teile davon doppelt so stark als zuvor. Diese Maschine hatte
zwei Dampf- und zwei Druckkessel.


Er machte darin den Dampf acht- bis zehnmal so stark, wie die
gewöhnliche Luft. Dadurch wurde die Hitze im Kessel so groſs, daſs
das übliche Lot schmolz und der Druck alle Fugen auseinandertrieb,
so daſs er gezwungen wurde, alle Verbindungen mit Zink (spelter) zu
löten. Diese Maschine wurde später durch eine Newcomensche er-
setzt, die neben der alten errichtet wurde. Sie stand noch im Jahre
1732, wo sie der französische Reisende Montraye sah, doch scheint
sie kurze Zeit danach abgerissen worden zu sein. Daſs Savery
schon eine Ahnung von der Wirkung der Expansion hatte, geht
daraus hervor, daſs er anordnete, den Dampfhahn schon abzustellen,
ehe der Druckkessel ganz geleert sei, indem man dadurch an Dampf
spare. In der Regel waren Dampfkessel und Leitungsrohre aus
Kupfer, Druckkessel und Hähne aus Messing hergestellt, die Fugen
wurden alle durch Lötung verschlossen. Später (1730) waren alle
Gefäſse aus getriebenem Kupfer, alle Ventile, Hähne, Rohre u. s. w.
aus Bronze.


Im Jahre 1711 traten Newcomen und Cradley zuerst mit
ihrer neuen Dampfmaschine hervor, welche Saverys Maschine bald
in den Hintergrund drängen sollte.


[94]Die Dampfmaschine vor Watt.

Thomas Newcomen war Schmied und Eisenhändler in Dart-
mouth. Er beschäftigte sich schon früh mit Versuchen zur Her-
stellung einer Dampfmaschine. Wie er dazu kam, wissen wir nicht.
Während Savery der Überlieferung nach dadurch zur Erfindung
seiner Dampfmaschine geführt worden sein soll, daſs er eine leere
Weinflasche, in der ein Rest Wein sich dadurch, daſs sie zu nahe
dem Kaminfeuer lag, in Dampf verwandelt hatte, mit dem Halse in
kaltes Wasser steckte, wodurch sie sich sofort füllte, so soll New-
comen
durch die Beobachtung eines stark erhitzten Theekessels,
dessen Deckel vom Dampf abwechselnd gehoben wurde und wieder
zuklappte, auf den Weg der Erfindung geführt worden sein. Die
Idee der Dampfmaschine lag gegen Ende des 17. Jahrhunderts in
England in der Luft und viele mögen sich damit beschäftigt haben.
Man hat oft Newcomens Maschine eine Verbesserung von der
Saverys genannt. Dies ist nicht richtig. Newcomen ging seinen
eigenen Weg und seine Maschine ist in ihrer Grundlage durchaus
verschieden. Höchstens können die Mängel von Saverys Maschine
Newcomen in seiner Konstruktion bestärkt haben. Dagegen ist Papins
Einfluſs auf Newcomen erwiesen und in der That ist Newcomens
Maschine die vollendete Lösung des Problems, welches Papin
vorschwebte und das er in seiner Schrift „Nova methodus etc.“ 1690
veröffentlicht hatte (s. Bd. II, S. 936). Newcomen, der neben
seinem Geschäft sich mit Studien beschäftigte, ein ruhiger forschender
Geist, und ein Quäker seiner Konfession nach, hatte von Papins
Vorschlag, Bewegung auf Entfernungen dadurch zu übertragen, daſs
man mittelst Luftpumpen unter einen Kolben in einem Cylinder, den
man nahe dem Schacht aufstellen könne, ein Vakuum erzeuge, ge-
hört. Er verfolgte diese Idee und dies führte ihn dazu, mit dem be-
rühmten Physiker Dr. Hooke in Korrespondenz zu treten. Dieser
verwarf Papins Maschine und riet Newcomen ab, diesen Weg zu
verfolgen, wobei ihm aber ganz nebenbei die Bemerkung entschlüpfte:
„ja, könnte er rasch ein Vakuum unter seinem Kolben erzeugen,
dann wäre die Sache gemacht“. Diese Bemerkung wurde ausschlag-
gebend; sie war der bestimmte Ausdruck dessen, was Newcomen
unklar vorschwebte; sie blieb allein von dem ganzen Inhalte des
Schreibens in seiner Seele haften. Daſs auch Savery Einfluſs auf
Newcomen ausgeübt hat, ist zweifellos. Savery lebte in Modbury
nur 15 englische Meilen von Dartmouth; da er zur Ausführung seiner
Apparate alle geschickten Metallarbeiter der Umgegend in Anspruch
nahm, ist es nicht unmöglich, daſs er sich auch an den ideenreichen
[95]Die Dampfmaschine vor Watt.
Schmied von Dartmouth direkt gewendet hat. Nach einer Nachricht 1)
gelangte Newcomen in Besitz einer Zeichnung von Saverys Ma-
schine, und fertigte sich danach ein Modell an, mit welchem er in
seinem Garten Versuche machte.


Savery hatte den hohlen Raum durch Kondensation des Dampfes
in einem geschlossenen Gefäſs erzeugt, Papin durch eine Luftpumpe
unter dem beweglichen Kolben in einem Cylinder, Newcomen kom-
binierte beide Methoden, indem er sein Vakuum unter einem beweg-
lichen Kolben in einem Cylinder durch die Kondensation des Dampfes
erzeugte. Dies ist der Grundgedanke unserer Dampfmaschine. Nach
langem Planen und Tüfteln brachte Newcomen im Jahre 1705 ein
Modell zu stande, welches so ziemlich seiner Idee entsprach. Von
nun an war sein Streben darauf gerichtet, dasselbe im Groſsen zur
Ausführung zu bringen. Bei allen seinen Versuchen hatte ihm
treulich sein Freund und Glaubensgenosse, der Glaser John Calley
ebenfalls von Dartmouth, beigestanden.


Newcomens Maschine bestand aus folgenden Teilen:


1. aus einem Dampfkessel, aus welchem der Dampf am oberen Ende
durch ein Rohr, welches durch einen Hahn dicht verschlossen werden
konnte, austrat. 2. aus einem unmittelbar über dem Kessel stehen-
den, senkrechten Cylinder, in dem der Dampf unter einen darin be-
weglichen Kolben gelangte. 3. aus dem Kolben, welcher dicht an
die Cylinderwandung anschloſs und sich in dem Cylinder seiner ganzen
Länge nach auf und nieder bewegen konnte. Er war oben mit einer
festen Kolbenstange versehen, welche durch eine Kette mit dem einen
Arm eines Balanziers verbunden war, an dessen entgegengesetztem
das Pumpengestänge ebenfalls an einer Kette hing. Der Dampf-
cylinder war oben offen.


Wurde der Dampf, der nur wenig Spannung hatte, unter dem
Kolben eingelassen, so hob er diesen in die Höhe, indem er den
Cylinder anfüllte. War der Kolben an seinem höchsten Punkte an-
gelangt, so wurde der Dampfhahn geschlossen und gleichzeitig kaltes
Wasser gegen die Cylinderwand gespritzt. In dem Maſse, in dem
sich nun der Dampf in dem Cylinder kondensierte, wurde der Kolben
durch den Atmosphärendruck niedergedrückt, bis er den Boden er-
reicht hatte, worauf der Dampfhahn von neuem geöffnet wurde. Das
kondensierte Wasser floſs durch ein Röhrchen am Boden beim Nieder-
gang des Kolbens ab. Der Druck der Atmosphäre war ausreichend
[96]Die Dampfmaschine vor Watt.
stark genug, die Pumpe zu ziehen. Bei dieser Maschine kam der
Dampfdruck nur wenig zur Geltung, er hatte nur den Kolben, der
schon durch das Pumpengestänge oder ein Gegengewicht abbalanziert
war, zu heben, während die Kraft durch den Atmosphärendruck beim
Niedergang ausgeübt wurde. Der Dampf diente also eigentlich nur
dazu, das Vakuum herzustellen. — Die Kondensation des Dampfes
ging aber durch das Anspritzen von auſsen nur sehr langsam von
statten. Etwas besser wurde dies, als man den ganzen unteren Teil
des Dampfcylinders in ein Wassergefäſs stellte, das, sobald der Kolben
den höchsten Stand erreicht hatte, mit kaltem Wasser gefüllt wurde.
Das Wasser, welches um die Cylinderwand zirkulierte, erhitzte sich
und wurde teils zur Speisung des Kessels benutzt, teils fortlaufen
gelassen. Durch die starke Abkühlung der Cylinderwand wurde aber
viel Dampf unnütz verbraucht, indem ein Teil desselben bei jedem
Wechsel erst kondensiert wurde, bis die Wand wieder erhitzt war.


Trotz dieser Mängel traten Newcomen und Calley mit ihrer
Dampfmaschine 1711 an die Öffentlichkeit. Savery erblickte darin
eine Verletzung (infringement) seines Patentes. Es wird nun meist
erzählt, Newcomen und Calley, welche als Quäker einen Rechts-
streit nicht führen wollten, hätten sich mit Savery verständigt und
alle drei hätten gemeinsam ein Patent genommen. Dies ist nicht
richtig. Newcomen und Calley haben überhaupt nie ein Patent
genommen. Dieses hat wahrscheinlich Savery, der damals sich be-
reits viele Gönner erworben hatte und einfluſsreich war, verhindert
und ihnen wegen Verletzung seines Patentes mit Prozessen gedroht.
Newcomen und Calley scheinen sich dann mit Savery in der
Weise verständigt zu haben, daſs sie ihm für die Dauer seines Pa-
tentes, welches zum Lohne für die nationale Bedeutung seiner Er-
findung vom Parlamente bis zum Jahre 1733 verlängert worden war,
für jede von ihnen ausgeführte Maschine einen gewissen Betrag
zahlten. Newcomens Maschine beruhte auf wesentlich anderer
Grundlage als die Saverys. Ein Patent hätte ihm kaum verweigert
werden können, wenn er darum nachgesucht hätte, aber wahrschein-
lich wuſsten Savery oder dessen Anhänger den bescheidenen, ängst-
lichen und friedliebenden Newcomen einzuschüchtern, ehe er diesen
Schritt nur wagte, und letzterer ging dann willig darauf ein, sich mit
Savery abzufinden. Switzer, ein Zeitgenosse der beiden Erfinder,
sagt hierauf bezüglich 1): „Newcomens Erfindung war so früh, wie
[97]Die Dampfmaschine vor Watt.
die Saverys, letzterer aber stand dem Hofe näher und hatte schon
ein Patent erworben, ehe der andere es wuſste; aus diesem Grunde
war Newcomen froh, Teilhaber von ihm zu werden.“ Daſs für
Newcomen der Gelderwerb nicht die Hauptsache bei seiner Erfindung
war, geht daraus hervor, daſs er sich nie vordrängte, und trotz des
Ruhmes seiner Erfindung selbst so zurückgezogen lebte, daſs man
nicht einmal weiſs, wo und wann er gestorben ist. Er war zufrieden
mit dem Erfolg seiner Maschine und mit dem Nutzen den er seinen
Mitbürgern dadurch bereitet hatte. Es scheint aber, daſs sowohl
Saverys als Newcomens Ansprüche als Erfinder später an eine
Londoner Gesellschaft übergingen. Es war dies dieselbe Gesellschaft,
welche die Maschinen oder wenigstens die feineren Teile derselben,
als die Metallcylinder, Pumpen, Hähne und andere Teile, fabrikmäſsig
darstellte und den Grubenbesitzern oder sonstigen Interessenten,
welche eine Maschine bezogen, zugleich mit geschickten Monteuren
zur Aufstellung der Maschine, zuschickte.


Diese „Gesellschaft der Besitzer der Erfindung, Wasser durch
Feuer zu heben“ (the proprietors of the invention for raising water
by fire) war durch ein Komitee von fünf Londoner Kaufleuten ver-
treten 1). An diese wendeten sich die Interessenten mit dem Gesuch
um Erlaubnis, eine Feuermaschine aufstellen und betreiben zu dürfen
(petition for a licence to erect and use a fire engine). Für die Ge-
währung derselben hatten die Unternehmer eine jährliche Abgabe zu
zahlen und auſserdem lieferte die Gesellschaft direkt oder durch
andere verbündete Fabrikanten die Maschine. Lord Andrew Wau-
chope
muſste im Jahre 1725 für die Erlaubnis der Errichtung einer
Feuermaschine mit einem 28 zölligen Cylinder sich verbindlich machen,
jährlich 80 £, zahlbar in vierteljährigen Raten, bis zum Ablaufe
des Patentes (8 Jahre) zu bezahlen, „wird diese Zahlung 40 Tage
nach Verfall nicht bezahlt, ob angefordert oder nicht, so hat das
Komitee das Recht, durch seine Bediensteten, Pferde, Karren und Wagen,
die Maschine, Cylinder, Kessel, Röhren, Materialien und alles Zubehör
wegzunehmen und zum bestmöglichen Preise zu verkaufen, um sich
aus dem Erlös zu befriedigen. Den Überschuſs erhält Herr Wau-
chope
“. Diese Maschine, welche von John Potter von Chester-le-
Street, aus den von London geschickten Teilen, montiert wurde,
kostete, nach der noch vorhandenen detaillierten Rechnung, 1007 £
11 sh 4 p. 2).


Beck, Geschichte des Eisens. 7
[98]Die Dampfmaschine vor Watt.

Kehren wir aber zu dem Anfange der Geschichte von Newcomens
Feuermaschine zurück.


Newcomen und Crawley traten 1711 zuerst an die Öffent-
lichkeit. Sie erboten sich, die Wasser einer bedeutenden Steinkohlen-
grube zu Griff in Warwickshire auszupumpen, was bis dahin durch
eine groſse Zahl von Pferden geschehen war. Die Grubenbesitzer
lehnten das Anerbieten ab, da sie nicht an die Leistungsfähigkeit
der Maschine glaubten. Dagegen kam im März des folgenden Jahres,
durch die Vermittelung eines Herrn Potter von Bromsgrove, ein
Vertrag zu stande zwischen einem Herrn Black und den Erfindern,
welche sich verpflichteten, die Wasserhaltung einer ihm gehörigen
Steinkohlengrube bei Wolverhampton zu übernehmen.


Da die Grube nicht weit von Birmingham lag, wo es viele ge-
schickte Metallarbeiter gab, so lieſsen sie die feineren Teile, nament-
lich die der Pumpen, worin sie bis dahin keine Erfahrung hatten,
dort anfertigen, und es gelang ihnen denn auch nach Überwindung
verschiedener Schwierigkeiten, die Maschine in Gang zu setzen. Bei
der unvollkommenen Kondensation durch die Wasserkühlung von
auſsen war der Gang ein auſserordentlich langsamer und unvoll-
kommener. Die Hähne wurden mit der Hand gedreht. Da ereignete
sich ein Zufall, welcher zu einer wesentlichen Verbesserung führte.
Um einen vollständig dichten Schluſs des Kolbens zu bewirken, lieſs
man über dem geliderten Kolben noch eine Schicht Wasser stehen.
Eines Tages wurde nun der träge Gang der Maschine plötzlich in
der Weise unterbrochen, daſs dieselbe ziemlich rasch hintereinander
mehrere kräftige Hübe machte. Als man nach der Ursache forschte,
fand es sich, daſs der Kolben ein Loch bekommen hatte, durch
welches das über dem Kolben befindliche Wasser in den Dampfraum
eingedrungen war. Dies hatte eine raschere Kondensation zur Folge,
welche einen entsprechend rascheren Wechsel der Maschine ver-
anlaſste. Sofort wurde es Newcomen klar, daſs die Kondensation
durch Einspritzen von kaltem Wasser in den Dampfraum viel wirk-
samer sein müsse, und nachdem man diese Einrichtung getroffen hatte,
erfüllte die Maschine reichlich die Erwartungen. Sie erhielt dadurch
ungefähr das Aussehen, wie es ideal in Fig. 2 dargestellt ist. a ist
der Dampfhahn; wenn dieser geöffnet wird, bleibt der Hahn b, welcher
das Einspritzwasser aus dem Kasten c zuläſst, geschlossen. Hat der
Kolben seinen höchsten Stand, wie in der Zeichnung, erreicht, so
wird a geschlossen und b geöffnet. Das Kondensationswasser läuft
durch das Rohr f ab.


[99]Die Dampfmaschine vor Watt.

Das Drehen der Hähne erforderte fortwährende Aufmerksamkeit
und war ein langweiliges Geschäft. So erschien es auch dem Knaben
Humphrey Potter, welcher dies zu besorgen hatte. Er kam durch
Beobachtung auf die kluge Idee, die Maschine diese Arbeit selbst be-
sorgen zu lassen, indem er die Hähne mit dem Balanzier durch
Schnüre so verband, daſs sie bei einem gewissen höchsten Punkte
diese Arbeit verrichteten. Dadurch wurde die Maschine automatisch.
Dieses Schnürenhebelwerk nannte er „scoggan“, eine Dialektbezeich-
nung, die zugleich mit der Sache allgemeine Anwendung fand. In

Figure 2. Fig. 2.


demselben Jahre
1713 wurde auch
die Liederung des
Dampfkolbens mit
Leder erfunden. Ein
Zufall soll auch
dazu die erste Ver-
anlassung gegeben
haben. Man hatte
zur Verdichtung eine
groſse Scheibe von
Leder auf dem Kol-
ben befestigt, welche
mehrere Zoll über
denselben hinaus-
ragte, so daſs sie
sich an der Cy-
linderwand umbog
und aufstellte. Nach
einiger Zeit war sie
durchgerieben, so
daſs sich jetzt nur
der schmale Rand des Leders, entsprechend seiner Dicke, wider die
Cylinderwand anlegte. Der Verschluſs war aber besser wie zuvor und
auf diese Weise kam man dazu, mit Vorteil einen schmalen Leder-
streifen oder eine einfache Schnur zur Dichtung zu verwenden.


Das undauerhafte Schnürenwerk (scoggan) Potters wurde bald
bei neuerbauten Maschinen durch ein Hebelwerk ersetzt, und zwar
wurde dieses anfangs (1714) durch einen Schwimmer bewegt, welcher
sich in einem mit dem Kessel in Verbindung stehenden Rohr auf und
ab bewegte. Entwickelte der Dampf seinen höchsten Druck, so stieg
7*
[100]Die Dampfmaschine vor Watt.
der Schwimmer und öffnete durch ein Hebelsystem den Injektions-
hahn. Später (1718) ersetzte Henry Beighton an einer von ihm
zu Newcastle gebauten Maschine diese Vorrichtung durch die zu-
verlässigere eines Hebelwerkes, das durch eine mit dem Balanzier
verbundene Führungsstange bewegt wurde (by spanners and plug
frame). Das erste Sicherheitsventil, das man schon 1715 anwendete,
bestand einfach in einem Stück durchbohrtem Blei. Es wurde be-
reits oben erwähnt, daſs sich über dem Kolben eine Schicht Wasser
befand, diese diente teils selbst mit als Dichtung, teils hielt sie die
Dichtung des Kolbens feucht und kühl. Dieses Wasser erneuerte sich
fortwährend durch einen dünnen Wasserstrahl aus dem über der
Maschine befindlichen Reservoir, während der Überfluſs von dem
Kolben beim Aufgange in eine obenangesetzte Ausbauchung gedrückt
wurde, woraus es durch ein Rohr ablief. Früher hatte man dieses
vorgewärmte Wasser zur Speisung des Dampfkessels benutzt, später
verwendete man hierfür das viel heiſsere Kondensationswasser, welches
unten aus dem Cylinder abfloſs.


1717 brachte Beighton auf Desaguiliers’ Veranlassung 1) ein
Sicherheitsventil mit Laufgewicht (Papins Erfindung) an dem Dampf-
kessel an. Inzwischen hatten Newcomen und Cawley verschiedene
neue Maschinen aufgestellt. 1713 waren bereits zwei bei Newcastle
in Betrieb und man begann eine dritte auf dem Gute Moorhall bei
Austhorpe unter der persönlichen Leitung Cawleys aufzustellen.
Diese Maschine hatte einen 25 Zoll weiten Cylinder und 6 Fuſs Hub.
Wurden die Hähne mit der Hand gedreht, so konnte sie 15 Touren
in der Minute machen, automatisch (mit dem scoggan) machte sie
12 Touren. Die Pumpen hoben das Wasser in zwei Sätzen 57 Ellen
bis zum Stollen. In vier Jahren brannten vier Kessel durch. Von
dieser Maschine erhielten die Erfinder jährlich 250 £ für Betrieb und
Unterhaltung. Cawley blieb in Austhorpe und starb daselbst im
Jahre 1717. In diesem Jahre hören wir von einer weiteren Maschine
bei Whitehaven in Cumberland, einem Herrn Louder (wahrscheinlich
Sir J. Lowther) gehörig.


Als Verbesserungen werden ferner erwähnt federnde Balanziers,
um den Stoſs bei einem plötzlichen Ruck des Pumpengestänges zu
brechen und die „Schnaufklappe“ (snifting clack) am Cylinder.


1718 wird eine Newcomenmaschine als eine kostspielige Anlage
bei Saltoun in Cumberland erwähnt. Allerdings hatte ihr Cylinder
[101]Die Dampfmaschine vor Watt.
auch schon 40 Zoll Durchmesser und sie hob das Wasser aus einer
Tiefe von 150 Ellen. Sie muſs sich aber gut bewährt haben, denn
schon wenige Jahre danach wurde eine zweite Maschine von gleicher
Gröſse auf demselben Bergwerke aufgestellt.


Zu den ersten in Nordengland errichteten Maschinen gehören
die von Oxclose bei Washington und zu Norwood bei Ravensbury,
welche 1719 betrieben wurden. In diesem Jahre wurde eine weitere
Newcomenmaschine auf der Byker-Kohlengrube montiert „von dem
berühmten Sohne eines schwedischen Edelmannes, der Lehrer der
Mathematik in Newcastle war“. Es war dies Martin Triewald, der
dorthin gekommen war, um den englischen Kohlenbergbau kennen
zu lernen. Er war der erste Ausländer, welcher die Dampfmaschine
studierte. Nach seiner Rückkehr nach Schweden wurde er geadelt.


1720 wird zum ersten Male eine Newcomenmaschine in Schottland
genannt, und zwar auf dem Elphinstone-Kohlenwerke bei Falkirk. Sie
wird aber als die zweite in Schottland bezeichnet, aller Wahrschein-
lichkeit nach war die erste die alte Maschine von Whitehill, Mid-
lothian, welche 1727 abgelegt wurde.


1720 war das groſse Schwindeljahr (bubble-year) in England.
Damals bildete sich unter anderen auch eine Gesellschaft für Dampf-
maschinenbau. In diesem Jahre wurde die groſse Maschine in
dem Londoner Wasserwerke von York Buildings neben der Savery-
maschine aufgestellt. Switzer erwähnt diese „erhabene Maschine“
(„noble engine“) des Thomas Newcomen, von der wir auch die
Beschreibung und Zeichnung von einem Deutschen Friedrich
Weidler
besitzen 1). Ihr Dampfkessel faſste 453 Kubikfuſs; die dem
Feuer ausgesetzte Fläche des Bodens und der Seiten betrug 95 Qua-
dratfuſs; die Verdampfungsfläche von 56,7 Quadratfuſs verdampfte
eine Schicht von 1,5 Zoll oder 52 Gallonen = 7 Kubikfuſs in der
Stunde. Der Brennmaterialverbrauch betrug 1000 £ im Jahre.


Aus Weidlers Schilderung entnehmen wir, daſs die Maschine im
Jahre 1728 seit acht Jahren in ununterbrochenem Betriebe gestanden
hatte. Sie hob das Wasser aus der Themse 124 Fuſs hoch in ein
Reservoir, von wo es nach den gröſsten Gebäuden Londons geleitet
wurde. Der Cylinder war von Bronze (braſs). Er hatte 2½ Fuſs
(30 engl. Zoll) Durchmesser und 9 Fuſs Höhe. Der kupferne Kessel
war zwischen 8 und 9 Fuſs weit, er hatte ⅙ Zoll Wandstärke,
[102]Die Dampfmaschine vor Watt.
während die Cylinderwand ½ Zoll dick war. Die Pumpen hatten 8- bis
12zöllige Stiefel und 7 Fuſs Hub. Auſser dem Hauptgestänge befand
sich an dem der Maschine entgegengesetzten Arm des Balanziers noch
ein zweites leichteres Gestänge mit kürzerem Hub, welches die Speise-
pumpe für das Wasserreservoir der Maschine bewegte. Die Maschine
machte zwischen 12 und 20 Touren in der Minute. Das Gewicht des
Kolbens, der Kolbenstange und Lenkstange muſs durch entsprechende
Belastung der anderen Seite des Balanziers abbalanziert sein.


Fig. 3 giebt eine verkleinerte Abbildung der Maschine genau nach
Maſs und mit eingezeichnetem Maſsstabe 1). Der Kessel B ist mit dem Cy-

Figure 3. Fig. 3.


linder C durch das Dampfrohr D
verbunden, dieses wird von seiner
unteren Mündung durch ein Ven-
til verschlossen, welches mit dem
Knopfe E fest verbunden ist. Die
zwei Hähne G G bilden den
Wasserstandsmesser des Kessels;
sie sind mit zwei Röhren verbun-
den, von denen die eine 2 bis 3 Zoll
unter, die andere 2 bis 3 Zoll
über den normalen Wasserstand
münden. F ist ein belastetes
Sicherheitsventil, S das Speise-
rohr, in welches durch den Hahn
K das heiſse Kondensationswasser
eintreten kann. Alle Teile der
Maschine sind leicht aus der
Zeichnung verständlich, nur die
komplizierte automatische Regu-
lierung, welche besonders inter-
essant ist, bedarf der Erklärung.


E schlieſst den Dampfhahn,
N ist der Einspritzhahn. Es ist
die Aufgabe, daſs diese beim
höchsten und tiefsten Stande geschlossen oder geöffnet werden. Dies
geschieht durch zwei verschiedene Hebelsysteme; das eine, welches den
Dampfhahn öffnet, ist in dem Punkte p drehbar, das andere O O,
[103]Die Dampfmaschine vor Watt.
welches sich über dem Hahn N um eine feste Achse bewegt, dreht
mittelst eines Zahngetriebes den Einspritzhahn N auf und zu. Das
Zahngetriebe besteht aus einem kleinen Zahnrad am Kopfe des Kegels
des Hahnes, und einem gezahnten Viertelkreis, welcher mit dem Hebel
O O denselben Drehpunkt hat. Die Drehung wird bewirkt durch den
hölzernen Schwimmer, welcher sich in dem Rohre H auf und nieder
bewegt. Das Rohr, welches mit dem Kessel verbunden ist, ragt etwa
1 Fuſs in das Wasser des Kessels hinein. Hat der Dampf seine höchste
Spannung erreicht, was eintritt, wenn der Kolben im Cylinder den
höchsten Stand hat und der Kessel abgesperrt ist, so hebt der
Schwimmer durch das mit demselben verbundene Rahmenwerk R den
Hebel O O an seinem Ende 3 so hoch, bis er an einem Stift (notch) 2
ausläſst, wodurch das Gewicht 13 den Hebel niederreiſst, in Folge dessen
der Hahn bei N geöffnet wird. In Folge dessen strömt kaltes Wasser
aus dem Kasten g durch das Rohr M in den Cylinder ein und
bewirkt die Kondensation des Dampfes. Hierdurch sinkt der Kolben L
und der durch die Kolbenstange C C und eine Kette damit verbundene
Arm h des Balanziers. An dem Balanzier ist aber die Lenkstange Q Q
befestigt, welche einen Schlitz hat, durch den drei Zapfen gesteckt
sind. Von diesen faſst der unterste das andere Ende des Hebels O O
und bringt ihn wieder in seine ursprüngliche Stellung zurück.


Die Stange Q Q bewegt auch das Hebelsystem, welches den
Dampfhahn öffnet und schlieſst. Bewegt sich die Stange nach oben,
so faſst ein durchgesteckter Zapfen den Hebel 8, dadurch wird auch
der mit diesem zu einem festen System verbundene Hebel 9, an dessen
Ende sich das Gewicht 14 befindet, gehoben, und zwar am Ende des
Hubs soweit, daſs die senkrechte Stellung überschritten wird und das
Gewicht nach der anderen Seite überhängt. Das Gewicht fällt nun
dem Cylinder zu, aber nur soweit, als dies die Lederschnur 15, 16, an
der seine Spitze befestigt ist, gestattet. Hierdurch entsteht ein Ruck,
mit welchem der Hebel 4 auf der anderen Seite den Griff des Hebels
des Dampfhahnes bei E an sich reiſst, wodurch der Dampfhahn ge-
schlossen wird. In demselben Augenblick wird, wie oben geschildert,
der Kaltwasserhahn N geöffnet, die Kondensation des Dampfes im
Cylinder erfolgt, der Kolben sinkt.


In diesem Moment hat der Hebel 6, welcher in der Zeichnung
nach unter gerichtet ist, die Stellung, daſs er etwas über der Hori-
zontalen, d. h. mit seinem vorderen Ende etwas höher als der Dreh-
punkt p steht. Derselbe wird nun beim Niedergange der Lenkstange
Q von einem Zapfen von oben gefaſst und indem er abwärts gedrückt
[104]Die Dampfmaschine vor Watt.
wird, bewegt sich auch das Gewicht 14 wieder rückwärts. Sobald
dieses die Vertikale überschritten hat, fällt es nach der entgegen-
gesetzten Seite wie zuvor, soweit dies die Lederschnur gestattet, da-
durch drückt jetzt der Hebel 5 gegen den Schieber 10, wodurch der
Dampfhahn geöffnet wird. In demselben Moment fällt der Schwimmer
in dem Rohre H, weil die Dampfspannung nachläſst, der Rahmen R
sinkt und der Stift bei 2 schlieſst den Einspritzhahn so lange, bis der
Schwimmer wieder zum Steigen kommt. Der Mechanismus war recht
kompliziert und äusserst primitiv, ist aber doch leicht verständlich.


Weidler berechnet die Leistung der Londoner Maschine, indem
er den Druck der Luftsäule für einen Quadratfuſs rheinisch auf
1958 Pfund annimmt, auf 600 Eimer (zu 288 Kubikzoll) stündlich
oder 14400 Eimer in 24 Stunden, während die ganze Riesenanlage
von Marly mit den 13 bezw. 14 groſsen Wasserrädern nur 18100
Eimer hob, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, daſs die Hubhöhe
der Londoner Maschine nur 124 Fuſs, die der von Marly über
500 Fuſs beträgt. Immerhin hebt Weidler mit Recht die erstaun-
liche Leistung dieser einen, einfachen Maschine, im Vergleiche mit
dem kostspieligen Werke von Marly hervor. Die wirkliche Leistung
der Maschine von York Buildings soll aber sogar 50 Tons Wasser in
der Stunde betragen haben.


Weidler erwähnt noch, daſs die Maschinen in England be-
sonders vorteilhaft arbeiteten, weil man die billigste Steinkohle, das
Kohlenklein, als Brennmaterial verwende.


Eine vorzügliche Dampfmaschine, wahrscheinlich von Newcomen
selbst errichtet, arbeitete 1722 auf dem groſsen Kohlenbergwerke bei
Griff in der Nähe von Coventry. Sie kostete nur 150 £ im Jahre
für Kohlen, Bedienung und Reparatur und leistete dasselbe, wie vor-
her 50 Pferde, welche 900 £ im Jahre an Unterhaltung gekostet
hatten. Diese Maschine war vorzüglich in Konstruktion und Gang
und galt als die beste bis dahin gebaute.


Im Jahre 1723 wurde die erste Newcomen-Maschine auf dem
Kontinent aufgestellt, welche wirklich Arbeit leistete. Es war dies
die groſse Maschine, welche Potter zu Königsberg in Ungarn er-
richtete. Leupold hat eine Beschreibung und Abbildung davon
mitgeteilt 1). Zuvor haben wir aber noch einiges Wenige über die
Geschichte der Dampfmaschine in Deutschland nachzutragen. Land-
graf Karl von Hessen-Kassel, Papins Beschützer, gebührt der Ruhm,
[105]Die Dampfmaschine vor Watt.
die ersten Dampfmaschinen in Deutschland eingeführt zu haben. Von
Papins Maschine haben wir bereits berichtet. Als diese den Er-
wartungen des Landgrafen nicht entsprach, wandte er sich nach Eng-
land wegen einer Savery-Maschine. Schon 1705 soll jener Prinz von
Hessen, welcher im folgenden Jahre in der Schlacht bei Ramilly fiel,
Saverys Maschine in London angesehen und von dem Erfinder
selbst erklärt bekommen haben. Nach einer englischen Erzählung 1)
hatte dann bereits im Jahre 1706 der Fürst durch einen Vertrauten
ein Modell — wahrscheinlich von Papin — an Savery selbst ge-
schickt. Das Modell hätte teilweise Saverys Erfindung entsprochen,
sei aber so unvollkommen gewesen, daſs es nicht ging. Er habe nun
gebeten, dasselbe in Stand zu setzen. Savery teilte der Royal
Society mit, er habe dies gethan und das Modell wieder nach Kassel
geschickt. Dadurch erweckte er den Glauben, er habe die Maschine,
welche Papin als die seinige ausgab, gemacht. Was an der ganzen
Sache Wahres ist, bleibt unaufgeklärt. Daſs Papin eine Arbeit
Saverys oder irgend eines Anderen als seine eigene ausgegeben
hätte, ist gar nicht denkbar. Daſs aber der Landgraf hinter Papins
Rücken sich mit Savery in Verbindung gesetzt hatte, ist nicht un-
wahrscheinlich und mag dies viel zu dem bald darauf erfolgten Bruch
zwischen beiden beigetragen haben. So lange der spanische Erb-
folgekrieg dauerte, an dem Landgraf Karl persönlich teilnahm, ruhte
die Angelegenheit. Nach Beendigung desselben griff er die Sache
wieder auf. 1715 soll eine englische Dampfmaschine zum Betriebe
eines Springbrunnens aufgestellt worden sein. Ein Kapitän Weber
hätte dieselbe von England mitgebracht. Wenn die Jahreszahl richtig
ist, so war dies jedenfalls eine Savery-Maschine. Nach Calvör2) hätte
der hessische Artilleriemajor Weber in London die Maschine des
Wasserwerkes bei York Buildings gesehen und nach einem Hand-
schreiben desselben an den hannöverischen Minister „anno 1715 in
Kassel auf Befehl des Herrn Landgrafen im kleinen verfertigen
lassen, wo sie zu jedermanns Verwunderung ausgefallen“. — Es ist
dies jedenfalls dieselbe Maschine, von der Kapitän Weber in einem
Briefe an Leibnitz berichtete, sie habe bei ½ Klafter Holzverbrauch
64 Ohm Wasser 150 Fuſs hoch gehoben. Bei der Annahme, daſs dies
eine Savery-Maschine war, löst sich auch der Widerspruch, daſs
Fischer von Erlach der Erste gewesen sein soll, der eine Dampf-
[106]Die Dampfmaschine vor Watt.
maschine in Kassel aufgestellt habe, denn letztere war eine New-
comen
-Feuermaschine.


Dieser Major Joh. Heinr. Weber und ein Major Joh. Jac.
Brückmann
erboten sich bei der hannöverischen Regierung, eine
Maschine ihrer Erfindung zur Wasserhaltung der Bergwerke im Harze
aufzustellen. Sie gaben an 1): „Eine Maschine, die so stark gebauet,
daſs selbige eines Feuers bedürftig ist, welches in Zeit von 24 Stunden
½ Klafter oder 171 Kubikfuſs Holzes verzehret, kann binnen solcher
Zeit 6480 Ohm oder 1080 Fuder Wasser 150 Fuſs hoch heben
in einer Röhre, die 7 Zoll in ihrem Diameter weit ist. Nach dieser
Proportion können nun leicht alle Tiefen nach der Quantität des
Wassers, das herauszuheben ist, kalkulieret und also auch die Ma-
schine, per consequens auch das Feuer, nach Erforderung eines jeden
Ortes Notwendigkeit, gröſser oder kleiner gemacht werden“. Sie ver-
langten für ihre erste Probemaschine 100000 Thaler Belohnung und
ein Privilegium auf 20 Jahre. Es wurde auch ein Vertrag entworfen,
aber nicht ratifiziert, jedenfalls der unerhörten Forderung wegen.
Die beiden Erfinder veröffentlichten darauf 1720 eine Schrift: „Neu
erfundene Elementarmaschine“, in welcher sie ihre Erfindungen in
marktschreierischer Weise anpreisen zu demselben hohen Preise —
natürlich ohne Erfolg. Keinenfalls kann aber der kolossale guſseiserne
Cylinder, der noch im königl. Museum zu Kassel vorhanden ist, von
Webers obenerwähnter Versuchsmaschine herrühren. Dagegen wurde
später auch eine Newcomen-Maschine in Kassel aufgestellt. Dies
geschah durch Fischer von Erlach, welchen Landgraf Karl von
Wien berufen hatte. Unter dessen Leitung wurde 1722 die erste
englische Feuermaschine in der Residenz Kassel zu einer Probe auf-
gestellt 2). Die Maschine war aus England bezogen und es ist kaum
denkbar, daſs der obenerwähnte groſse Cylinder, der 1,27 m Höhe
und 1,25 m lichte Weite hat, zu dieser Maschine gehört habe. Die
Engländer verwarfen damals noch die eisernen Cylinder gänzlich, auch
ist das Verhältnis zwischen Höhe und Durchmesser ganz abweichend
von den Maschinen jener Zeit. Wahrscheinlich gehörte der fragliche
Cylinder, der irrig als Papins Cylinder bezeichnet wird und in
[107]Die Dampfmaschine vor Watt.
Veckerhagen gegossen sein soll, zu einer projektierten Feuermaschine
aus späterer Zeit, welche nie ausgeführt wurde.


Groſses Verdienst um die Einführung der ersten Dampfmaschine
auf dem Kontinent hat der obengenannte Joseph Emanuel
Fischer von Erlach
, der als Sohn des berühmten Hofbaumeisters
in Wien 1680 geboren, in die Fuſsstapfen seines Vaters trat, sich
aber mit Vorliebe dem Maschinenwesen und namentlich der damals
neu aufgetauchten Dampfmaschine zuwendete, sich erworben. Seine
Kenntnisse darin, wegen deren er 1721/22 nach Kassel berufen wurde,
hatte er sich in England selbst angeeignet 1). Er bestellte um dieselbe
Zeit eine Newcomen-Maschine in England für ein Bergwerk bei
Königsberg in Ungarn, bei dem er beteiligt war. Isaac Potter,
aus dem Bistum Durham stammend 2), führte diese Maschine aus. Sie
wäre anfänglich für die Bergwerke in Schemnitz bestimmt gewesen,
aber ihre Aufstellung daselbst wäre an dem Widerstande der Leute,
welche 500 Pferde für die Gruben hielten und brotlos zu werden fürch-
teten, gescheitert (Calvör). Nach einer englischen Notiz 3) wäre
Potter schon im Jahre 1721 mit dieser Maschine nach Ungarn ge-
reist. In regelmäſsigen Betrieb kam dieselbe aber erst im März 1724.
Obiger erster Miſserfolg würde diese Verzögerung zum Teil erklären.
Allerdings ging er bei der Aufstellung so gründlich zu Werke und
brauchte soviel Zeit dazu, daſs die Gewerke ungeduldig wurden,
murrten und schon anfingen, ihn für einen Charlatan zu halten.


Leupold sagt, es habe eben damals schon gar viele gegeben,
die sich rühmten, solche Maschinen aufrichten zu können, ohne irgend
etwas davon zu verstehen. Potters Sorgfalt kam seinem Werke zu
gute, welches, nachdem es in Betrieb gesetzt war, allgemein ange-
staunt wurde. Viele schrieben Potter, andere Fischer von
Erlach
den Ruhm der Erfindung zu; mit Unrecht, denn es war eine
echte Newcomen-Maschine. Der berühmte Leupold hat sie in
seinem Theatrum Machinarum Hydraulicarum 1724 abgebildet und
sehr lobend besprochen. §. 202 handelt „Von der Feuermaschine
des Herrn Potters, welche er zu Königsberg in Ungarn gebaut und
allda mit gutem Succeſs und Vergnügen der Kompagnie das ihrige
prästieren soll“. Viele hätten Versuche gemacht, groſse Maschinen
[108]Die Dampfmaschine vor Watt.
zu bauen, keiner aber mit solchem Erfolge wie Potter, „welcher
durch seine Geschicklichkeit und Fleiſs, zu Königsberg in Ungarn,
dem Berichte nach, eine solche Maschine aufgesetzet, die billig von
allen zu admirieren und ihm das Zeugnis eines hochverständigen
und klugen Mannes erworben hat“. Leupold wollte aus Rücksicht
für Potters Erfinderrecht anfangs nichts darüber veröffentlichen,
nachdem aber die Sache jetzt bereits bekannt geworden und nicht
nur Zeichnungen, sondern sogar Modelle nach der Maschine ange-
fertigt worden seien, so könne von einer Verletzung eines Geheim-
nisses und einer Schädigung nicht mehr die Rede sein. Danach habe
er aus ihm zugesendeten Rissen und wo diese mangelhaft waren,
nach seinem Verständnisse die Figur der Maschine gezeichnet, die
im ganzen ziemlich genau dem Original entsprechen dürfte.


Diese erste wirkliche Arbeit leistende Dampfmaschine auf dem
Kontinent, welche in Fig. 4 nach Leupolds Zeichnung abgebildet
ist, bedarf einer besonderen Erklärung nicht mehr. Der Dampf-
kessel A hatte 7 Fuſs Durchmesser und hielt 200 Eimer Wasser;
er war zu ¾ gefüllt. Oben war eine Metallplatte mit dem Dampf-
rohre aufgeschraubt. Der Cylinder hatte 32 bis 36 Zoll Durch-
messer, war 8 Fuſs hoch und wog in die 30 Centner. Der metallene
Kolben R war seitlich mit Schrauben versehen, um die Liderung von
Holz oder Leder festzuschrauben. Der Kolbenhub betrug 7 Fuſs. Die
Kraft wurde auf einen sehr starken Wagbalken von 21 Fuſs Länge
und 18 Zoll Dicke übertragen, an dessen anderem Ende das schwere
dreiteilige Pumpengestänge für die drei Pumpensätze an einer Kette
hing, deren Glieder jedes einzelne 10 Pfd. wog. Das sehr schwere
Pumpengestänge war durch ein besonderes Gegengewicht abbalanziert.
Die Regulierung der Dampf- und Wasserhähne geschah wie in Fig. 3
durch eine Lenkstange. Das Hebelwerk war einfacher als bei der
Londoner Maschine, diese Vereinfachung rührt aber von Leupold
her, welcher sich aus der erhaltenen Zeichnung „kein rechtes Konzept
formieren konnte“. Die Maschine hob 24000 Eimer in 24 Stunden.
Aus einem Briefe, den Leupold anfügt, geht hervor, daſs die Ma-
schine seit neun Monaten in ununterbrochenem Betriebe stand und
sich vorzüglich bewährte. Herr Potter sei selbst noch in Königs-
berg und habe die Aufsicht gegen ein Salarium übernommen.


Ein zweiter Brief von Fischer von Erlach aus Wien am
23. Januar 1725 lautet:


Was unsere Feuermaschine anbelangt, so brennet solche drei
Klafter Holz des Tages und hat eine Kraft wie 25 Sätze Röhren, jede
[109]Die Dampfmaschine vor Watt.
von 6 Zoll im Diameter und vier Klafter lang zu heben oder zu
regieren, mit einer Geschwindigkeit, so daſs 14 Hub, jeder von
6 Schuh, in der Minute geschehen. Zum Exempel: wenn das Wasser
nicht höher als 4 Klafter hochzuheben, so kann die Maschine alle

Figure 4. Fig. 4.


25 Satz Röhren, so nebeneinander stehen, auf einmal heben und also
25 Ausguſs Wasser in dem Hub produzieren, ist aber das Wasser auf
100 Klafter zu heben, so müssen die 25 Satz Röhren untereinander
statt nebeneinander gesetzt werden, also nur einen Ausguſs bei jedem
Hub giebt, als den obersten, weil die untersten nicht gezählt werden.


[110]Die Dampfmaschine vor Watt.

Die Pressung auf den Kolben betrug 12288 Pfd. Die Leistung
1000 Eimer = 1168 Ctr. in der Stunde bei 30 Klafter (triginta
orgyarum) Hub.


Leupold hebt hervor, daſs bei dieser Maschine nicht die Ex-
pansion des Dampfes, sondern der Druck der Atmosphäre die Arbeit
leiste.


Dagegen teilt er selbst einen Entwurf einer Dampfmaschine mit,
wobei die Arbeit durch die Expansion des Dampfes geleistet werden
soll. Fig. 5 stellt Leupolds „Feuermaschine mit zwei Stiefeln und

Figure 5. Fig. 5.


Kolben, durch die Expansion die Kraft auszuüben 1)“, dar. Es ist dies
der erste klare Entwurf einer Hochdruck-Dampfmaschine. Er wollte
damit „einen Versuch thun: ob man eine Schneidmühle in einem
Walde, da genug Holtz und stehende Pfützen sind, auf solche Weise
könnte kompendieus anlegen? Weil mir aber Zeit und Gelegenheit
zu dieser Maschine, oder auch andere kurieuse Proben und Versuche
zu machen, itzo sogleich nicht vergönnt, so habe Hoffnung, es werde
vielleicht ein anderer Kuriosus daher Gelegenheit nehmen, ein und
die andere Probe deswegen anzustellen“. Leupold fügt eben so
wahr als bescheiden hinzu: Ist nur zu wagen, wo es nicht allzu hoch
und zu viel Wasser giebt (wegen der Spannung im Kessel), aber für
[111]Die Dampfmaschine vor Watt.
20 bis 30 Ellen sei es wohl gut. Leider fand sich ein solcher „Kurio-
sus“ aber nicht und so blieb die schöne Idee auf dem Papiere.


Fischer von Erlach dagegen hatte sich mit der Dampfmaschine
so vertraut gemacht, daſs er 1724 selbst eine in Wien erbaute, und
zwar für den Fürsten Franz Adam von Schwarzenberg, um in
dessen Schloſsgarten Wasserkünste zu treiben. Ihr Dampfkessel hatte
6 Schuh Durchmesser, der Cylinder war von Metall „aus einem Stück
gegossen 9 Schuh hoch, eines Fingers dick, 1200 Pfd. schwer, im
Diametro 2 Schuh, inwendig wohl ausgebohret und polieret“. Die
Maschine kostete 12000 Gulden. Diese Maschine, die sehr gut arbeitete
und damals zu den Merkwürdigkeiten Wiens gezählt wurde 1), war die
erste leistungsfähige deutsche, d. h. von einem Deutschen mit deutschem
Material erbaute Dampfmaschine.


1735 wurde Fischer von Erlach in den Freiherrnstand er-
hoben.


Im Jahre 1726 war auch zu Passy bei Paris eine Newcomen-
Maschine von Mey und Meyer aufgestellt und in Betrieb gesetzt
worden. Dieselbe war nach dem Modell der Maschine von Griff in
England angefertigt. Sie hatte, nach Weidler2), einen ovalen
Kessel und einen eisernen Cylinder von 6 Fuſs Höhe. Dies ist der
erste eiserne Cylinder einer Newcomen-Maschine, von dem wir be-
stimmte Nachricht haben. In England selbst wurden solche nicht
angewendet. 1740 schreibt noch der berühmte Desaguiliers, der
um die Entwickelung der Dampfmaschine sich so groſse Verdienste
erworben hat: „Einige Leute bedienen sich eiserner Cylinder für
ihre Dampfmaschinen, doch möchte ich niemandem dazu raten, denn,
wenn man auch Arbeiter hätte, welche sie glatt genug ausbohren
könnten, so kann man sie doch nicht dünner als einen Zoll dick
gieſsen; deshalb können sie weder so rasch erhitzt noch abgekühlt
werden, als andere und das macht ein bis zwei Touren Unter-
schied in der Minute, wodurch ⅛ bis 1/10 weniger Wasser gehoben
wird. Ein Bronzecylinder von den gröſsten Maſsen kann leicht
⅓ Zoll dick gegossen werden, und bei dauerndem Betriebe wird sich
rasch die Differenz der Anlagekosten ausgleichen, um so mehr, wenn man
den bleibenden Materialwert des Bronzecylinders in Betracht zieht“.


[112]Die Dampfmaschine vor Watt.

Der Regulator der Maschine von Passy wurde nicht von einem
Schwimmer, sondern allein durch die Lenkstange bewegt; diese Ver-
besserung hatte ebenfalls Desaguiliers angegeben. Weidler sah
1726 in dessen Hof in London das Modell einer solchen Maschine,
welches für Toledo bestimmt war, wonach eine groſse Maschine
gebaut werden sollte. Ein anderes Modell von Holz sah Weidler
bei Bosfrand in Paris und er betont, wie ratsam es sei, erst ein
solches Modell fertigen zu lassen, ehe man eine Maschine im groſsen
ausführe 1). Auch wurde in demselben Jahre, wie er angiebt, eine
zweite Maschine als Reserve in dem Wasserwerke von York Buildings
aufgestellt.


1727 kehrte Martin Triewald von England nach Schweden
zurück, wohin er eine von ihm selbst gefertigte Newcomen-Ma-
schine mitnahm, welche auf einem Bergwerke in Schweden aufgestellt
wurde.


1733 lief Saverys Patent ab. Seine Maschine hatte sich für
groſse Leistung nicht bewährt. Hierfür, insbesondere für die Wasser-
haltung bei Bergwerken, wurde überall die Newcomen-Maschine,
welche Schritt für Schritt Verbesserungen erfahren hatte, angewendet
und Swizer preist sie als „die schönste und nützlichste Maschine,
welche irgend eine Zeit oder irgend ein Land jemals hervorgebracht
hat 2)“.


Es läſst sich nicht leugnen, daſs sie einen groſsen Fortschritt
darstellte und daſs sie dem Zwecke ihrer Verwendung entsprach.
Aber welch ein roher Apparat war es im Vergleiche mit unserer
Dampfmaschine. Ihr gröſster Fehler war ihr groſser Kohlenverbrauch.
In jener Zeit sah man jedoch in ihr den Gipfel der Vollkommenheit
und so wurde denn viele Jahrzehnte, bis der groſse Reformator
James Watt auftrat, nichts Wesentliches an ihrer Konstruktion
mehr geändert. Die Verbesserungen, die man erstrebte und auch er-
reichte, bestanden in sorgfältigerer Herstellung und in dieser Be-
ziehung hat Smeaton das höchste geleistet.


[113]Direkte Schmiedeeisengewinnung.

Die direkte Schmiedeeisengewinnung — Luppen-
feuer — Stücköfen.


Der Zustand der Eisenindustrie zu Anfang des 18. Jahrhunderts
war ein sehr ungleichmäſsiger. Während in vielen Gegenden die
Eisenbereitung noch auf recht niedriger Stufe stand, während Luppen-
feuer und Stücköfen in weiten Gebieten noch die einzigen oder doch
die verbreitetsten Schmelzvorrichtungen waren, blühten in anderen
Gegenden Hochofen- und Frischfeuerbetrieb und war man bemüht,
durch Verbesserung der Öfen, stärkere Betriebsmaschinen und gröſsere
Blasebälge die Produktion zu steigern.


Die unmittelbare Verschmelzung der Erze auf schmiedbares
Eisen, die direkte Methode, war zu Anfang des 18. Jahrhunderts
noch sehr verbreitet.


Luppenfeuer waren fast in ausschlieſslicher Anwendung im Ge-
biete der Pyrenäen, sowohl im südlichen Frankreich, wie im nördlichen
Spanien, ferner in Italien in den Gegenden, in welchen die Erze von
Elba verschmolzen wurden, was besonders an der ganzen italienischen
Westküste und auf der Insel Korsika geschah. In Deutschland war der
Luppenfeuer- oder Rennwerksbetrieb vorherrschend im Osten und Norden,
in Schlesien und der norddeutschen Tiefebene, sowie in der Oberpfalz,
dem Gebiete von Sulzbach und Amberg. Neben dem Hochofenbetrieb
wurden noch Luppenfeuer in vielen Gegenden Deutschlands betrieben,
wie in Böhmen, Sachsen und am Harze, wo sie vielfach als Neben-
betriebe der Landwirtschaft auf groſsen Herrschaftsgütern sich erhalten
hatten. In Ungarn und den unteren Donauländern, sowie in Ruſsland
wurden primitive Luppenfeuer zum Teil als Hausierbetrieb neben Stück-
öfen betrieben. In sehr ausgedehnter Anwendung stand der Betrieb der
Luppenfeuer (bloomaries, bloomeries) in den Kolonieen Nordamerikas.


Der Stückofenbetrieb hatte seinen klassischen Mittelpunkt in
Steiermark. In Kärnten, Krain, Tirol und Norditalien bestand er
neben dem Hochofenbetriebe fort, ähnlich verhielt es sich in Schmal-
kalden. In Schweden, Finnland und Ruſsland wurden die Bauern-
öfen, welche nichts anderes als niedrige Stücköfen waren, neben den
Hochöfen fortbetrieben.


Swedenborg1), indem er eine Luppenschmiede bei Sanger-
hausen in Sachsen beschreibt, sagt, es gäbe dieser Rennwerke sehr
Beck, Geschichte des Eisens. 8
[114]Direkte Schmiedeeisengewinnung.
viele in Deutschland (qualia plurima Germaniae quae vocantur
„Rennwerk“). Sie hatten zwei Feuer. Der eine Herd diente zum
Einschmelzen der Erze zu einer Luppe, der andere zum Ausschweiſsen
der beiden Luppenhälften, die dann weiter zerteilt und in Stäbe ge-
schmiedet wurden. Ein Rennherd lieferte bei normalem Betrieb in
24 Stunden 5 Luppen oder ca. 2000 kg Stabeisen in einer Woche 1).
Die Einrichtung und den Betrieb der sächsischen Rennherde nach
Swedenborgs Beschreibung haben wir bereits Bd. I, S. 783 mit-
geteilt. Hiervon abweichend waren die Rennwerke in Schlesien (Fig. 6)
bei Malwitz, Ober-Eylau, Altenhammer, sowie an vielen anderen be-
nachbarten, aber auſserhalb Schlesiens gelegenen Orten. Diese hatten

Figure 6. Fig. 6.


nur ein Feuer, in welchem sowohl das Einschmelzen der Erze zur
Luppe, als das Ausheizen der Teile statt hatte.


Swedenborg berichtet, daſs die hellbraunen, leicht zerreiblichen
Erze (Raseneisensteine) erst gesiebt wurden, wobei die ärmeren feinen
Teile abgeschieden und aus dem Gröberen die Bergmittel ausgelesen
wurden. Die Erze wurden dann mit Kalk oder einem Fluſssteine ge-
mengt und lagenweise abwechselnd mit Kohlen aufgegeben. Der Herd,
der in eine Esse eingebaut war, muſste geräumig sein. In der Mitte
des Herdes wurde die Herdgrube aus Lösche hergestellt; in diese ragten
die Winddüsen hinein. War das Feuer angelegt, so steigerte man
[115]Direkte Schmiedeeisengewinnung.
es allmählich durch stärkeres Blasen. Eine Schmelzung dauerte fünf
bis sechs Stunden, wobei fortwährend Kohle und Erz nachgegeben
wurden, bis der Herd mit Eisen gefüllt war. Man zog nun die Kohlen
von dem Schmelzgute ab, lieſs die Schlacke durch das Schlackenloch
abflieſsen, bis die noch sehr rohe Luppe freilag. Diese wurde von
zwei Arbeitern unter den Wasserhammer gebracht, wo sie in die Form
eines runden Brotlaibes „von der Gröſse eines Hutes und der Dicke
einer Hand (palma)“ ausgebreitet wurde. Durch die vielen Hammer-
schläge wurden die Eisenteile zusammengeschweiſst und die ein-
geschlossenen Schlacken ausgepreſst und entfernt. Dieser Kuchen
wurde dann mit dem Setzeisen unter dem Hammer in längliche
Stücke, „Daulinge“ genannt, zerteilt, die wieder in denselben Herd
eingesetzt, bis zur Schweiſshitze erhitzt und unter dem Hammer zu
Stäben ausgereckt wurden. Wenn das Erz gut war, brauchte man zu
einer Luppe 18 Breslauer Maſs Erz und erhielt daraus 2 Ctr. Stab-
eisen.


Die amerikanischen Luppenfeuer in Maryland und Pennsyl-
vanien, über welche Swedenborg gleichfalls einige Mitteilungen macht,
waren nach deutscher Art zugerichtet. Sie hieſsen bloomeries 1). Eine
Charge bestand aus drei Pecks oder ein Bushel geröstetem und zu
Nuſsgröſse zerkleinertem Eisenerz (Raseneisenstein). Die Luppe, die
60 bis 70 Pfd. (Wights) wog, wurde in Stäbe ausgeschmiedet, und
dauerte eine volle Charge mit dem Schmieden vier Stunden. Der
Hammer wog 300 Pfd. (Wights). Swedenborg hebt hervor, daſs
alle Arbeiter, sowohl die Schmelzer als die Erzgräber und die Tage-
löhner, in Amerika sehr hohe Löhne verdienten.


Reaumur erwähnt (1722) in seiner Abhandlung über die Cement-
stahlbereitung, daſs man in Roussillon und in Pays de Foix in Frank-
reich Rohstahl im Rennherd direkt aus den Erzen schmelze. Die
Erze wurden mit Holzkohlen eingeschmolzen und die erhaltene Luppe
(massel), welche die Gestalt eines Kuchens oder einer abgeplatteten
Kugel habe, aus dem Herde geschafft und unter dem Hammer in
fünf bis sechs Teile (massoques) parallel dem gröſsten Durchmesser
geteilt. Diese würden in Stangen ausgeschmiedet, welche teils aus
Eisen, teils aus Stahl beständen.


Swedenborg beschreibt (S. 146) ein Luppenfeuer, das 1723
eine Meile von Dax in der Provinz Bayonne in Frankreich errichtet
8*
[116]Direkte Schmiedeeisengewinnung.
worden war. Der Rennherd unterschied sich nach seiner Angabe von
einem gewöhnlichen Frischherde nur dadurch, daſs man den Boden
des Schmelzraumes unten rund machte, und daſs er etwas gröſser war,
wodurch er 1¼ bis 1½ Ctr. Eisen fassen konnte. Hatte sich die Luppe
(renard, hier aber hournade genannt) am Boden gesetzt, so erfolgte
das Ausbrechen und Zerschroten der Luppe wie oben. Das Erz war
ein Raseneisenstein, von dem 15 bis 18 Ctr. zu einer hournade von
1½ Ctr. Gewicht nötig waren. In der Grafschaft Foix und in den
Nachbargebieten wurden brauner Glaskopf und Brauneisenerz von
Vic-Dessos in Luppenfeuern verschmolzen. Hierbei fiel neben dem
weichen Eisen auch hartes stahlartiges Eisen und Stahl. Doch ge-
schah dies mehr zufällig und waren die Luppenschmiede nicht im

Figure 7. Fig. 7.


stande, nach Willkür Stahl zu er-
zeugen. Bei den südfranzösischen
Luppenschmieden wendete man be-
reits Wassertrommelgebläse an, die
von Italien eingeführt worden waren.


Über die italienischen Renn-
werksschmieden an der italienischen
Küste, besonders im Gebiete von
Genua, macht Swedenborg nur
kurze Mitteilungen, dagegen giebt er
die nebenstehende Abbildung Fi-
gur 7 eines italienischen Luppen-
feuers mit Wassertrommelgebläse. Das
Wassertrommelgebläse bestand 1. aus
einer oder mehreren Einfallröhren,
die nach älterer Konstruktion, wie
hier, meist viereckigen Querschnitt
haben; 2. aus einem Kasten, oder einem Faſs, der eigentlichen Trommel,
in welche die Einfallröhren ca. 7 Zoll tief einmündeten. Der Wasser-
strahl strömte mit Heftigkeit auf einen oder mehrere Steine. Am
Boden der Trommel befand sich der Ablauf für das Wasser, oben im
Deckel die Ausströmungsöffnung für den Wind. Den dritten Teil des
Gebläses bildete die Windleitung mit der Düse.


Die reichen elbanischen Erze wurden nicht geröstet, sondern nur
unter dem Hammer klein geschlagen (pulverisata) und so im Herde
eingeschmolzen. Alle vier Stunden erhielt man eine Luppe von etwa
1½ Ctr. Gewicht. In einer Woche wurden 36 bis 40 Ctr. fertiges
Stangeneisen unter dem Wasserhammer ausgeschmiedet. Zu einem
[117]Direkte Schmiedeeisengewinnung.
Centner Eisen waren nur 2 bis 3 Ctr. Erz erforderlich. Mit dem Erze
setzte man öfter altes Guſseisen ein. Zur Bedienung der Luppen-
schmiede gehörten vier Mann.


Von den spanischen Rennwerken erwähnt Swedenborg derer
bei Lesso und Pellagium, zwei bis drei Meilen von St. Sebastian, am
Flusse gelegenen. Diese hatten zwei Herde. Die Erze aus den 1 bis
1½ Meilen entfernten Gruben wurden zwei bis drei Tage lang geröstet.
In dem einen Herde wurde das unter dem Hammer zerkleinerte Erz
mit Kohlen gemischt aufgegeben und vor dem Winde niederge-
schmolzen. Das erhaltene Eisen wurde dann in dem zweiten Herde
ausgeschweiſst (ut scilicet denuo liquesceret) und unter dem Hammer
ausgereckt. In einer Woche wurden in einem solchen Rennwerke
40 bis 50 Ctr. (quintals) Eisen geschmolzen und verschmiedet. Das

Figure 8. Fig. 8.


Ausbringen aus den Erzen betrug ¼ bis ⅓. Der Ambos stand dicht
bei dem Feuer und war so niedrig, daſs der Renner ohne besondere
Mühe die schwere Luppe unter den Hammer bringen konnte. Man
wendete groſse Wasserräder an. Die Blasebälge waren von Leder,
die Kohlen aus Kastanien- und Buchenholz.


Zu den Eisenhütten, die nahe dem Meeresstrande lagen, wurden
die Erze aus Biscaya gebracht, wo sie nahe bei Bilbao gewonnen und
zur See nach St. Sebastian befördert wurden. Diese Erze waren
reicher als die, welche in Guipuzcoa gegraben wurden. Auch hier
wie in Navarra und Biscaya gab es Luppenfeuer.


Über die Luppenschmieden (Catalanschmieden) im spanischen
Navarra
besitzen wir aber eine noch ältere und gründlichere Be-
schreibung, die wir Reaumur verdanken. Sie stammt aus dem Jahre
[118]Direkte Schmiedeeisengewinnung.
1716, wurde aber erst nach Reaumurs Tode im Jahre 1762 in der
Abhandlung von Courtivron und Bouchu über die Eisenhämmer
und hohen Öfen abgedruckt. Reaumur hatte sich die Angaben
dazu durch einen Herrn Gendre verschafft. Er schreibt darüber:
„Weil das spanische Eisen in groſsem Rufe und Werte ist und die
Art, die Erze zu schmelzen, zur Güte desselben vielleicht etwas bei-
trägt, so haben wir uns eine wahrheitsgetreue Beschreibung des Ver-
fahrens und genaue Risse der Öfen zu verschaffen gewünscht und ist
es uns nicht ohne Mühe gelungen, daſs Herr Gendre, in Befolgung
des Befehls seiner königlichen Hoheit (des Prinzregenten von Orleans)
von einem Spanier, dem Besitzer des Eisenrennwerks Denderlats an

Figure 9. Fig. 9.


dem Flusse Bidassoa, am Eingange von dem spanischen Navarra ge-
legen, die Erlaubnis erhalten hat, die Grundrisse, Fig. 8 (a. v. S.)
und Fig. 9, die wir nötig hatten, zu nehmen.


Die Erze, welche denen von Allevard in der Dauphiné glichen,
gewann man durch Steinbruchsarbeit. Sie wurden 24 Stunden lang
geröstet, dann in grobe Stücke von Eigröſse zerklopft. Der Luppen-
herd hatte die Eigentümlichkeit der biscayischen Schmieden, daſs sie
zur Abhaltung der Bodenfeuchtigkeit in einen groſsen kupfernen
Kessel eingemauert waren. Dieser Kessel (C C, Fig. 8, 9), der ca.
6 Fuſs im Durchmesser, und 2½ Fuſs Höhe hatte, war innen mit
einem 1 Fuſs starken Mauerwerk E E ausgekleidet. In dieses Mauer-
werk war erst der Herd, dessen Wände aus Eisenzacken bestanden,
eingemauert. Er hatte eine längliche Gestalt und verengte sich nach
[119]Direkte Schmiedeeisengewinnung.
unten. Der gröſste und der kleinste Durchmesser oben betrugen
4½ und 3 Fuſs, der gröſste Durchmesser am Boden 3 Fuſs 4 bis
5 Zoll. Die Mündung der Düsen lag 18 Zoll über dem Boden und
befand sich in der Mitte der einen Langseite. Man bediente sich
lederner Blasebälge und lagen die Düsen in einem Winkel von 40°
geneigt. Nahe am Boden an der einen Schmalseite befand sich eine
Öffnung für den Schlackenabstich. Ein drittes Loch befand sich weiter
oben, nur einige Zoll vom oberen Rande entfernt. Es diente zur
Einführung des eisernen Rengels, um im Ofen zu arbeiten und die
Luppe zu bewegen. Da, wo der Schlackenabstich sich befindet, hat
der kupferne Kessel einen Ansatz (D D, Fig. 9) und das innere Mauer-
werk eine Unterbrechung.


Man bedeckt den Boden des Herdes mit Buchenkohlen, ent-
zündet sie und läſst die Bälge angehen. Sind sie gut durchgebrannt,

Figure 10. Fig. 10.


so schiebt man alle Kohlen nach der Seite der Form, wo man sie
möglichst fest zusammendrückt. Auf der entgegengesetzten Windseite
wirft man das geröstete grobstückige Erz ein und bedeckt dann das
Ganze mit Kohlen. Die verbrannten Kohlen ersetzt man durch neue,
indem man zu gleicher Zeit auch etwas Erz, aber mehr zerkleinertes
als zuvor, einsetzt.


In Bearn bediente man sich noch der ledernen Blasebälge (Fig. 8),
während man in der Grafschaft Foix Wassertrommelgebläse oder
Tromben (Fig. 10) eingeführt hatte. Man schmolz hier in fünf Stunden
etwa 5 Ctr. geröstetes Erz ein, woraus man je nach dem Reichtum
der Erze eine Eisenluppe (chasset) von 2 bis 3 Ctr. erhielt.


Die Abbildung (Fig. 10) giebt uns ein recht anschauliches Bild
[120]Direkte Schmiedeeisengewinnung.
einer Luppenschmiede der Grafschaft Foix. Der kleine Schmelz-
herd S in der Mitte war gemauert und viereckig. Er war nicht in
einen kupfernen Kessel eingebaut und glich einem gewöhnlichen
Frischherd. Er wurde mit Kohlenstübbe ausgeschlagen, wobei man
dem Schmelzraum eine elliptische Form gab. Der Wind wurde durch
das Wassertrommelgebläse erzeugt, dessen Anordnung aus der Zeich-
nung gut zu ersehen ist. Zum besseren Verständnis der Konstruktion
ist in Fig. 11 ein Durchschnitt durch die Einfallröhren und die Trom-
mel beigefügt. Die Tromben der Grafschaft Foix hatten zwei ziemlich
weite Einfallröhren (arbres). Diese hatten viereckigen Querschnitt

Figure 11. Fig. 11.


und saugten den Wind
von oben durch die Öffnun-
gen H H an, auſserdem be-
fanden sich aber auch noch
engere Sauglöcher in den
Wänden der Einfallröhre.
Die Höhe der Einfallröhren
betrug etwa 15 Fuſs, die
Weite 8 Zoll. Nach oben
teilte sich ein jedes in Ge-
stalt eines Y, das dadurch
gebildete dritte Mittelrohr
I diente zum Einfall des
Wassers. Dasselbe befand
sich oben 4½ Fuſs unter
dem Wasserspiegel und
war durch einen Holzspund
verschlieſsbar. Die Seiten-
und Saugröhren (trompils)
ragten über den höchsten Stand des Wassers hinaus. Die Einfall-
röhren gingen 7 Zoll tief in die Trommel (tambour) oder den Wind-
kasten (caisse de vent). In dem hinteren Teile dieses Kastens be-
fanden sich unter den zwei Einfallröhren zwei steinerne Platten
(M M, Fig. 11), auf welche das Wasser mit groſser Kraft aufschlug.
Das Erz gerät in Fluss, das Eisen sinkt zu Boden, die Schlacke schwimmt
oben auf und wird von Zeit zu Zeit abgestochen. Durch Arbeiten mit
der Brechstange, welche durch die oben erwähnte Öffnung eingeführt
wird, im Herde und Umrühren der Masse wird die Abscheidung des
Eisens befördert. In vier bis fünf Stunden wird der Erzsatz für eine
Luppe von 6 bis 7 Ctr. eingeschmolzen. Der erste Einsatz beträgt
[121]Direkte Schmiedeeisengewinnung.
2 bis 3 Ctr., das übrige wird nachgesetzt. Beim Herausnehmen der
Luppe heben einige Arbeiter dieselbe mit Brechstangen, während
andere sie mit Zangen fassen und herausziehen. 675 Pfd. Erz sollen
225 Pfd. ausgeschmiedetes Stabeisen liefern.


Das andere Verfahren der direkten Eisengewinnung vollzog sich
in Schachtöfen. In Schweden schmolz man die Sumpf- und Seeerze
zu Anfang des 18. Jahrhunderts noch ausschlieſslich in dieser Weise,
wie wir es Bd. I, S. 803 und Bd. II, S. 161 bereits beschrieben haben.
Die Öfen hieſsen Blaseöfen oder Bauernöfen (schw. Myrjärns-
oder Blästerverk, Blästerugn). Die Sumpferze (Örke oder Yrke)
wurden hauptsächlich in Jemptland, Dalekarlien und dem westlichen
Bothnien gewonnen und in Angermanland und Dalekarlien ver-
schmolzen. Vor dem Schmelzen wurden sie geröstet. Das Rösten
geschah in Haufen, welche in Dalekarlien in der Weise zugerichtet
wurden, daſs man über den trockenen Boden einen Holzrost aus drei
Lagen rechtwinklig übereinander geschichteter Balken aufschichtete
und darauf eine Lage Erz etwa 0,2 m dick ausbreitete. Der quadra-
tische Haufen von 3,6 m Seitenlänge wurde entzündet, und wenn die
Balken längere Zeit gebrannt hatten und das Erz durchgeröstet war,
schüttelte man dieselben, so daſs das Röstgut zwischen den Ritzen
durch auf den Boden fiel. Alsdann legte man nach Bedarf neues
Holz und eine frische Erzlage auf. Versuche in Angermanland, die
Sumpferze ungeröstet aufzugeben und durch langsame Steigerung der
Hitze die Röstung im Ofen selbst vorzunehmen, hatten schlechten
Erfolg; ⅔ des Eisens war unbrauchbar, so daſs man davon abstehen
muſste. Die Öfen waren kleiner oder gröſser, je nachdem die Blase-
bälge getreten oder durch Wasserräder bewegt wurden. Die älteren
Öfen mit Tretbälgen waren kaum gröſser und höher als ein Luppen-
feuer, 0,75 m hoch, unten 0,225 im Quadrat, oben 0,75 m Durch-
messer, indem der nur 0,12 m hohe Raum bis zur Form quadratisch
war, während der Raum von der Form bis zur Gicht die Gestalt eines
umgekehrten Kegels hatte. In Dalekarlien wurde für diese Öfen nur
eine Grube von 0,9 m Tiefe, 1,5 m Länge und 1,2 m Breite aus-
gegraben und darin der Ofen aus gewöhnlichen Steinen, ohne be-
sonderen Bodenstein, gemauert. In Angermanland hatte man da-
gegen einen Bodenstein. Diese alten niedrigen Öfchen hatten nicht
einmal ein Schlackenloch, sondern man lieſs die Schlacke, wenn sie
zu hoch stieg, aus dem Formloch abflieſsen; übrigens waren die
Schlacken meistens gar nicht flüssig genug, um abzuflieſsen. Die
Luppe, die nach beendeter Schmelzung in Schlacke eingebettet im
[122]Direkte Schmiedeeisengewinnung.
Ofen lag, wurde mit einer Zange durch die obere Öffnung heraus-
gehoben. Man konnte angeblich in den einfachen Öfen (Enkielling)
in 24 Stunden sechs bis acht Luppen von je 15 bis 20 kg Gewicht
machen. Doch giebt Swedenborg die Wochenproduktion eines Doppel-
ofens (Twekielling) nur zu 1024 Pfund (ca. 450 kg) an, weil die Öfen
nur einige Tage in der Woche betrieben wurden. Manchmal wurde die
erhaltene Luppe direkt verschmiedet, meistens aber wurde sie in einem
Löschherd durch Ausheizen gereinigt und dann erst ausgeschmiedet.


Alles, was Swedenborg sonst noch über die Bauernöfen und
über das Verschmelzen der Sumpferze Bemerkenswertes vorbringt,
haben wir bereits früher (Bd. I, S. 806; Bd. II, S. 161) mitgeteilt und
verweisen wir darauf.


Die Seeerze, deren Gewinnung wir Bd. I, S. 808 beschrieben haben,
wurden nicht nur in Angermanland und Dalekarlien, sondern auch
in Småland und Ostgotland gewonnen und verhüttet. In Dalekarlien
und Angermanland geschah das Schmelzen in derselben Weise wie
bei den Sumpferzen, anderswo wurden sie zu Osmund verschmolzen
und in Småland wurden sie in Hochöfen zugute gemacht.


Die alten Osmundöfen, die wir schon früher wiederholt erwähnt
haben, waren zu Anfang des vorigen Jahrhunderts schon selten ge-
worden, weil der alte Osmundhandel aufgehört und der Drahtosmund
auch in Schweden nicht mehr unmittelbar aus den Erzen geschmolzen,
sondern aus Roheisen gefrischt wurde. Diese alten Osmundöfen
stimmten übrigens fast vollständig mit den oben beschriebenen Bauern-
öfen überein und auch der Betrieb war ähnlich. Saxholm erwähnt
noch, daſs die Osmundöfen mit Vorliebe an den Abhang eines Berges
angebaut wurden und daſs sie, wie die Stücköfen, vorn eine groſse
Öffnung hatten, welche während des Schmelzens mit gut passenden
Steinen zugesetzt, nach dem Schmelzen aber aufgebrochen und dann
die Luppe herausgezogen wurde. Diese Luppen erster Schmelzung
waren aber meistens noch sehr unrein, weshalb man sie zur weiteren
Reinigung nochmals in demselben Ofen niederschmolz, wodurch
man ein sehr viel reineres Eisen erhielt, das sich direkt zu Geräten
und Werkzeugen verschmieden lieſs. Dieses Verfahren war zu Anfang
des vorigen Jahrhunderts schon auſser Gebrauch gekommen und teils
durch die oben beschriebenen Bauernöfen, teils durch ein besonderes
Frischverfahren, bei dem granuliertes Roheisen oder Wascheisen ein-
geschmolzen wurde, ersetzt. Das bei diesem Frischverfahren erhaltene
Produkt nannte man ebenfalls Osmund. Dasselbe wurde in einem
zweiten Herd ausgeheizt.


[123]Direkte Schmiedeeisengewinnung.

Weit vollkommener als die schwedischen Osmund- und Bauernöfen
waren die Stücköfen der österreichischen Alpenländer.


Zu Vordernberg in Steiermark schmolz man in den ersten Jahr-
zehnten des 18. Jahrhunderts die vortrefflichen Erze des Eisenerzer
Erzberges noch ausschlieſslich in Stücköfen1); die Öfen und das
Schmelzverfahren haben wir früher (Bd. II, S. 169) bereits ausführlich
beschrieben.


Zu Vordernberg waren, zu Swedenborgs Zeit, 16 dieser Öfen im
Betrieb. Ebenso bediente man sich in Eisenärz, sowie in dem übrigen
Steiermark der Stücköfen, welche von verschiedener Gröſse waren
(Bd. II, S. 171).


Die gröſsten waren 18 Fuſs hoch; die Form lag 1½ Fuſs über
dem Bodenstein; die lichte Weite vor den Formen betrug bei den
groſsen Öfen 3 Fuſs, bei den mittleren Öfen (von 14 Fuſs Höhe)
2 Fuſs im Quadrat. Von da erweiterte sich der Ofen und ging in
der Höhe von 3 Ellen (ca. 1,80 m) über der Form in einen runden
Querschnitt von 3 Ellen Durchmesser über. Dies war der Kohlensack.
Von da verengerte sich der Ofen bis zur Gicht, welche 1 Elle (circa
0,60 m) Durchmesser hatte. 1 Fuſs über dem Boden war in der Brust-
seite ein starker Eisenstab eingemauert, über welchem die Brustwand
von Lehm 1 Fuſs dick hergestellt wurde. In dieser war das Form-
loch konisch ausgespart. Die Bälge waren klein, nicht gröſser als
Schmiedebälge. Auch waren sie nicht auf einem festen Balggerüst
gelagert, sondern beweglich, um sie bei jedem Aufbrechen leicht weg-
nehmen zu können. Dies geschah bei den groſsen Öfen jede 12 Stunden
einmal. Die zwölfstündige Produktion betrug etwa 6 Ctr. Ein solcher
Ofen hielt mehrere Jahre, sein Tiegel muſste aber mindestens alle
Vierteljahr erneuert werden. Wegen des Betriebes der Öfen verweisen
wir auf das früher Gesagte.


Wir besitzen eine noch ältere Beschreibung der Stücköfen von
Vordernberg als die von Swedenborg im Jahre 1734 veröffentlichte.
Sie rührt von einem Ofenmeister Anthes her, welcher im Auftrage
und auf Kosten des Prinzen von Orleans eine Informationsreise nach
Steiermark unternahm. Der Bericht befand sich in den hinterlassenen
Papieren Reaumurs2) und ist datirt vom 10. April 1719.


Die Maſse der Öfen waren danach die folgenden: Die recht-
[124]Direkte Schmiedeeisengewinnung.
winklige Basis hatte an der Arbeits- und Hinterseite 13 Fuſs, an den
beiden anderen Seiten 11½ Fuſs Länge. Die Höhe des inneren Ofens
vom Boden bis zur Gicht betrug 14 Fuſs und 4 Zoll. Der Ofen
erschien aber viel höher, weil er mit einem Schornstein (Fig. 12, F G),

Figure 12. Fig. 12.


Figure 13. Fig. 12a.


der bisweilen über 18 Fuſs Höhe hatte, überbaut war, so daſs die
gesamte Höhe 32 Fuſs und mehr erreichte. Der Ofen verjüngte sich
von der Basis bis zur Gicht I, wo sein äuſserer Umfang 11 Fuſs und
9 Fuſs oder 9 Fuſs 7 Zoll betrug. Die Esse F G hatte auf den drei
Ofenseiten offene Thore H, welche nach der Gicht führten, auf der
[125]Direkte Schmiedeeisengewinnung.
vierten befand sich eine eingebogene, schiefe Ebene K, auf welche der
Aufgeber seine Körbe entleerte und welche die Beschickung gleich
wie ein Trichter (Fig. 13, Fig. 13a) dem Ofen zuführte. Ofenbrust
und Blasebälge befanden sich auf derselben Seite in dem einzigen

Figure 14. Fig. 13.


Figure 15. Fig. 13a.


Gewölbe des Rauhmauerwerks.
Die Brust, welche 5′ 2″ breit
war und beim Ausziehen der
Massel aufgebrochen wurde,
war nicht fester zugemacht,
als der Vorherd bei dem Hoch-
ofen. Der obere zusammen-
gezogene Teil des Ofens bildete
bis auf etwa 4½ Fuſs vom Bo-
den einen umgekehrten Trich-
ter von ovalem Querschnitt.
Die Gichtöffnung I hatte
2 Fuſs und 1½ Fuſs Durch-
messer, im Kohlensack N 5 Fuſs
1 Zoll auf 4 Fuſs 1⅔ Zoll.
Doch war der Querschnitt an
der Vorderseite breiter als an
der Rückseite, wo die Wände
weniger geneigt waren, derart,
daſs die Abweichung nach
vorn 2 Fuſs, während sie nach
der Rückseite nur 7 Zoll be-
trug. Die zwei anderen Seiten
hatten die gleiche Neigung.
Von dem Kohlensack an gingen
die Wände senkrecht abwärts.
Der Querschnitt ging in ein
halbes Oval über, dessen Basis
auf der Formseite lag (siehe
Fig. 12a). Das Innere des
Ofens wurde aus feuerfester
Erde gestampft, hatte also eine sogenannte Massenzustellung, und zwar
war die Massenschicht am Boden über dem Bodenstein 7 bis 8 Zoll
dick. Die Seitenwände waren unten 1 Fuſs, an der Gicht ½ Fuſs
stark. Den Bodenstein legte man ganz horizontal und 14 Zoll tiefer
als den Hüttenboden. 8 Zoll über dem Boden lag ein starker eiserner
[126]Direkte Schmiedeeisengewinnung.
Balken (Fig. 13a). Die Öffnung bis zur Sohle bildete das Ausziehloch,
das nach jeder Schmelzung aufgebrochen wurde. Es wurde mit Lehm
zugestopft. Die Form lag genau 7 Zoll über dem Boden. Sie hatte nur
2 Zoll Öffnung an der Mündung. Die Balgdüsen lagen 3 bis 4 Zoll
zurück. Die Erze wurden geröstet; man gab keinen Zuschlag beim
Schmelzen. Es wurden acht groſse Gichten gesetzt, welche in 18 Stunden
niederschmolzen. Alsdann wurden die Bälge ausgehängt, die Zieh-
öffnung aufgebrochen und der Eisenklumpen ausgezogen. Es war
nicht leicht, diese Masse von 1800 Pfund herauszuschaffen. Es geschah
dies, nachdem sie mit Brecheisen gelüftet war, mit starken Rollen, welche

Figure 16. Fig. 14.


sich um die Blasewelle aufwickelten und dadurch die Massel heraus-
zogen (Bd. II, Fig. 55). Fig. 14 zeigt das Innere der Hütte. Die
Beschreibung stimmt bis auf die Form des Schmelzofens ganz mit
der Swedenborgs überein. Sowohl in den Luppenfeuern der
Grafschaft Foix, als in den Stücköfen zu Vordernberg erhielt man
gleichzeitig mit dem Eisen auch Stahl, und Reaumur hebt besonders
hervor, daſs merkwürdigerweise in den groſsen kuchenförmigen Luppen
der Stücköfen die mittleren Partieen Eisen, die Ränder Stahl seien.
Es erkläre sich dieses daraus, daſs der Stahl flüssiger sei als das Eisen
und deshalb nach auſsen hin abgeflossen sei. Diesen direkt aus den
Erzen erhaltenen Stahl bezeichnete man nach Reaumur als „natür-
lichen Stahl“.


[127]Direkte Schmiedeeisengewinnung.

Blauöfen, welche den Übergang von den Stücköfen zu den
Hochöfen bildeten, verwendete man in Südfrankreich, Norditalien und
in Mitteldeutschland.


Swedenborg beschreibt eine Blauofenhütte, welche zu Alvar in
französisch Savoyen (Allevard, Dep. Isère) betrieben wurde. Das
Erz, ein guter Spateisenstein, kam aus den reichen Gruben im
Berge Vanche. Von der Anlage, die er hauptsächlich des Gebläses
wegen, welches eine Trombe oder Wassertrommelgebläse war, schil-
dert, giebt er nebenstehende Abbildung (Fig. 15). Indem ein dichter
geschlossener Wasserstrahl durch den konischen Auslauf C C in

Figure 17. Fig. 15.


das Rohr E E, welches an
der Auslaufstelle die Schlitze
D D hat, einströmt, saugt
es Luft ein, die mit dem
herabstürzenden Wasser in
die geschlossene Tonne G G
gelangt. Diese Tonne hat
zwei Öffnungen, eine unten,
durch welche der Überschuſs
des Wassers abläuft und
eine oben im Deckel, aus
welcher die gepreſste Luft
ausströmt und durch einen
Schlauch dem Schmelzofen
zugeführt wird. Obgleich die
Zeichnung sehr mangelhaft
ist, so geben wir sie doch
genau nach dem Original
wieder, da der Leser die
Fehler selbst leicht verbessern
kann.


Swedenborg erwähnt dazu, daſs diese Art von Gebläsen vor
mehr als 90 Jahren (um 1640) in Italien zuerst aufgekommen seien,
wo sie noch in Anwendung stünden. Er bemerkt, daſs, wenn man das
Einfallrohr, beziehungsweise die Fallhöhe des Wasserstrahls 30 bis
36 Fuſs hoch machen könne, man mit einem Rohre auskomme, wäh-
rend man bei 20 bis 24 Fuſs Gefällhöhe drei Rohre brauche. Je
höher das Gefälle, je mehr leiste das Gebläse. Auch sei es für den
Zweck genügend stark, dabei sei der Wind gleichmäſsig und andauernd,
aber kalt und feucht.


[128]Direkte Schmiedeeisengewinnung.

Reaumur beschreibt 1) Blauöfen in der Dauphiné, welche petits
fourneaux hieſsen und welche mit den Öfen von Alvar übereinstimmen
dürften. Fig. 16 zeigt die eigentümliche Gestalt derselben in ver-
schiedenen Schnitten. Sie waren 21 Fuſs hoch und ihr Querschnitt ent-
sprach einem ungleichen Viereck (Fig. 17). Die längste Seite, vorn auf
der Arbeitsseite, war 1 Fuſs 9 Zoll, die ihr gegenüberliegende, parallele
Hinterseite war 1 Fuſs 6 Zoll, die beiden gleichen Seitenwände waren
1 Fuſs 3 Zoll lang. Der Ofen erweiterte sich gleichmäſsig von Grund

Figure 18. Fig. 16.


aus, bis etwa zur halben Ofenhöhe; hier im Kohlensack waren die
Maſse der Vorderseite 4 Fuſs 6 Zoll, der Hinterseite 3 Fuſs 6 Zoll,
die beiden anderen Seiten hatten 4 Fuſs Länge.


Vom Kohlensack bis zur Gicht wurde der Ofen in demselben
Verhältnis enger, wie nach dem Boden (Fig. 17, Y Z).


Bei diesen Öfen war nur ein Gewölbe in der Ofenbrust; Abstich-
und Formseite waren identisch. Der Wind, der mittels eines Wasser-

Figure 19. Fig. 17.


trommelgebläses erzeugt wurde, strömte durch ein Rohr
und eine Düse dem Ofen zu. Die Form lag 15 bis
16 Zoll über dem Boden.


Ähnliche Schmelzöfen, die aber schon den Hoch-
öfen sehr nahe kommen, beschreibt Swedenborg noch
an einer anderen Stelle, wo er von den Eisenhütten
Italiens berichtet. Man bediente sich dieser Öfen, die
cannechio hieſsen, bei Brescia im Gebiet der Republik
Venedig. Sie werden dort, wie er angiebt, etwa 24 Fuſs hoch aus
Bruchsteinen erbaut, und zwar aus Talksteinen, welche durch ein
[129]Direkte Schmiedeeisengewinnung.
Gemenge von Thon, Sand und Kohlenpulver verbunden werden. Die
Gichtöffnung ist 3 Fuſs (0,90 m) im Quadrat, der Ofen verengert sich
nach unten bis zu ¾ Ellen (0,45 m) im Quadrat. Unter dem Ofen
ist ein Abzugskanal, welcher aus seiner Mündung auf der einen Seite
Dämpfe ausströmt. Der Bodenstein wird eine Hand hoch mit dem
erwähnten Gemenge bedeckt. Ebenso wird die Ofenbrust aus guten,
feuerbeständigen Steinen hergestellt und mit demselben Mörtel ver-
bunden. Vor dem Ofen wird aus Kohlenlösche eine Fläche hergestellt,
über welche das abgestochene Eisen sich ergieſst. Seitlich war die Wind-
öffnung. Man bediente sich lederner Blasebälge, an manchen Orten
auch der Wassertrommelgebläse, indem man das Wasser durch ein
Rohr oder durch einen in den Felsen eingehauenen Kanal herab-
stürzen lieſs.


Das geröstete Erz wird über einen mit Kieselsteinen gepflasterten
Boden ausgebreitet und mittels eines darauf geleiteten Wasserstrahls
gewaschen und gereinigt. Das Erz wird dabei durchgearbeitet und
giebt man so lange Wasser auf, bis es klar abflieſst. Danach läſst
man den Erzhaufen trocknen.


Der Ofen wird mit Holzkohlen gefüllt, welche mittels glühender,
durch die Form eingetragener Kohlen entzündet werden, wobei man
ganz schwach bläst, bis alles in Brand ist. Sind die Kohlen bis fast
zu Boden gesunken, so füllt man den Ofen von neuem mit Kohlen,
läſst den Wind an und giebt alsdann den ersten Kübel Erz —
zerletto genannt —, welcher ungefähr ½ Centner schwer ist, auf.
Dazu setzt man als Fluſsmittel ¼ des Gewichtes von einem gelben
Sand, den man dort auch zum Schweiſsen benutzt. Dann giebt man
wieder Kohlen auf und fährt so fort, bis zum Schluſs der Woche.
Sobald der Schmelzer durch die Form bemerkt, daſs das Erz gut
geschmolzen und ganz von Schlacken bedeckt sei, öffnet er mit einem
Spieſs die Stichöffnung oder das Auge und läſst Eisen und Schlacke
zugleich herausflieſsen. Der Gehülfe schlieſst alsdann das Stichloch
wieder mit einem Gemenge von Thon und Sand. Wenn das Eisen
flüssig und gut abgeschäumt ist, vergieſst man es zu Geschützkugeln,
welche Bomben und Granaten genannt werden, das andere giebt
Rauh- oder Luppeneisen zum Schmieden unter dem Hammer (massae
ferri crudis sub malleo dilatandi). Soll dies geschehen, so wird es
zuvor etwas abgekühlt und dann unter dem Hammer in Schirbel zer-
hauen. Ist genug Erz und Kohle da, so setzt man das Schmelzen
die ganze Woche durch fort; fällt aber ein Festtag dazwischen, so
hört man auf zu schmelzen. Auf einigen Werken dauert die Schmelzung
Beck, Geschichte des Eisens. 9
[130]Direkte Schmiedeeisengewinnung.
überhaupt nur jedesmal zwei bis drei Tage. In einer Woche erzeugt
man 60 bis 70 Ctr. Eisen. Aus dieser Beschreibung scheint hervor-
zugehen, daſs man in diesen Öfen abwechselnd Guſseisen und Schmiede-
eisen erzeugte, ähnlich wie bei den Blauöfen im Schmalkaldischen.


Eine andere eigentümliche Schmelzmethode, welche in der Gegend
von Rom betrieben wurde, beschreibt Boccone1):


Das Erz bestand aus einer roten Erde. Alle sechs Stunden stach
man ab. Bei der ersten Schmelzung erhielt man Klumpen von 200
bis 300 Pfund. Das geschmolzene Metall sah dem weiſsen Markasit
(Wasserkies) ähnlich, war spröde und nicht zu verwenden. Es wurde
in kleine Stücke zerschlagen, und nachdem alles Eisen erster Schmelzung
aus dem Ofen gelaufen war, von neuem in demselben Ofen nieder-
geschmolzen. Nach acht Stunden öffnet man den Ofen zum Abstich.
Das umgeschmolzene Eisen hat die Markasitfarbe nicht mehr, sondern
bildet Stücke von rohem, höckerigem, ungleichförmigem Eisen, welches
altem Eisen ähnlich sah. — Dies war wohl kein Guſseisen, sondern
eine Rohluppe, wie das Stück in Stücköfen, welche hier also erst bei
einer zweiten Schmelzung entstand.


Auſser diesen direkten Gewinnungsmethoden, welche sich aus den
ersten und ältesten Versuchen der Eisenbereitung historisch entwickelt
haben, beschreibt Swedenborg ein ganz neues Verfahren dieser Art 2),
welches in England versuchsweise unternommen worden war, nämlich
das Ausschmelzen von Eisenerzen im Flammofen mit Koks3).
Im Jahre 1729 wurden drei engl. Meilen von Whitehaven diese Ver-
suche begonnen. Man mischte gepochtes Erz von Cumberland mit
gemahlener Steinkohle. Zunächst wurden 8 Maſs oder 172 Pfund
gepochtes Erz auf dem Herd eines Flamm- oder Reverberierofens
(in furnum anemium, seu quem reverberii vocant) aufgetragen und
acht bis zehn Minuten lang gebrannt und geröstet, wobei 8 Maſs
rohes Erz 6½ Maſs oder 143 Pfund Röstgut gaben. Diesem gerösteten
Erz wurde dann ½ Maſs ungeröstetes zugemischt, so daſs die Masse
154 Pfund wog, welche in einer Mühle feingemahlen wurde. Dieses
Erzpulver vermischte man alsdann mit 5 Maſs oder 35 Pfund Stein-
kohle, setzte dann 1 Maſs Töpferthon zu, feuchtete die Masse mit
2 Maſs (2 cyathorum vel sitularum aquae) Wasser an und mischte
[131]Hochöfen bis 1734.
alles gut durcheinander. Alsdann wurde dieses Gemisch von neuem
in den Flammofen eingetragen und gut auf dem Herd ausgebreitet,
worauf man es 1 Stunde und 40 Minuten der Flamme bei vollem
Luftzug aussetzte: während dieser Zeit schmolz das Erz bei dem
heftigen Feuer zu Klumpen von unregelmäſsiger Gestalt zusammen.
Diese wurden herausgenommen und mit Holzhämmern die Schlacken
und Unreinigkeiten abgeklopft. Alsdann wurden sie in denselben
Ofen und dasselbe Feuer ½ Stunde lang zurückgebracht, um hier
weiter gereinigt und ohne starken Luftzug (sine flabris vivis) durch
das Feuer geläutert und die Verunreinigungen durch weiteres Erhitzen
ausgeschmolzen zu werden, worauf sie unter einem 7 Centner-Hammer
geschmiedet und ausgereckt wurden. Das glühende Eisen soll weich
gewesen sein und hinreichend den Schlägen des Hammers nachgegeben
haben, und wurden dabei 286 Pfund oder 6½ Maſs Kohlen ver-
braucht. Aber obgleich man es fertig brachte, die Eisenerze in dem
trockenen Feuer des Flammofens zu schmelzen und in Fluſs zu bringen,
so gelang es doch nicht, sie von ihren Fehlern und verborgenen
Giften und Verunreinigungen durch die mit viel Wind angefachte
übelriechende und rauchende Flamme zu reinigen, vielmehr schmolzen
die schädlichen Teile nicht heraus, sondern hinein: wozu noch kam,
daſs der Schwefel der Steinkohlen, wenn dieselben auch in der
üblichen Art gebrannt waren, das Eisen verdarb, so daſs die weichen
und dehnbaren Teile in ihm hart und spröde wurden, oder daſs sich
die besseren Teile aus dem Erz in Schlacke verwandelten. Denn der
Schwefel und das Feuer der Kiese macht das Eisen nicht weich und
dehnbar, sondern vielmehr rauh. „Die Cyklopen, welche die von
Schwefel dampfenden Blitze des Zeus herstellen, bereiten sich das
Eisen, da ihnen das Holz mangelt, mit dieser Kohle (!).“ Diese Ver-
suche hatten zwar den erhofften Erfolg nicht, waren aber von groſser
Wichtigkeit für die Verwendung der Flammöfen in der Eisenindustrie.


Hochöfen bis 1734.


Obgleich wir über den Bau der Hochöfen vor der Schilderung
Swedenborgs in seinem Werke „De ferro“ vom Jahre 1734 nur spär-
liche Nachrichten haben, so läſst sich doch deutlich erkennen, daſs
9*
[132]Hochöfen bis 1734.
die Zustellung bereits zu Anfang des 18. Jahrhunderts eine sehr ver-
schiedenartige war und daſs sich in bestimmten Gegenden und Ländern
auch bereits bestimmte Ofenformen, Profile oder Typen, ausgebildet
hatten.


Vorherrschend war in Mittel- und Südeuropa der viereckige
Querschnitt, wobei Schacht und Rast zwei umgekehrt aufeinander-
gesetzte, abgestutzte Pyramiden mit gemeinschaftlicher Basis im Kohlen-
sack bildeten. In Nordeuropa, d. h. in Schweden und England, herrschte
dagegen bereits die Zustellung mit kreisförmigem Querschnitt vor,
wobei Schacht und Rast nicht abgesetzt waren, sondern allmählich
ineinander übergingen, so daſs eine eiförmige Gestalt des Ofeninneren
entstand. Wir haben dieses Profil bereits bei einem englischen Ofen

Figure 20. Fig. 17 a.


aus dem Jahre 1678 kennen gelernt. Es ist dies die älteste Zeich-
nung eines Hochofens. Die zweitälteste dürfte die Zeichnung eines
steierischen Flossenofens sein, welche sich in Reaumurs hinterlassenen
Schriften befand und die in den Descriptions des arts et metiers ver-
öffentlicht wurde. Nach Reaumurs eigener Angabe stammt dieselbe
aus Aufsätzen über den Bau von Hochöfen, welche ein Herr Anger-
villiers im Auftrag des Herzogs von Orleans gesammelt und am
10. April 1719 von Straſsburg aus an Reaumur geschickt hat 1).
Fig. 17 a, b, c stellen die Horizontal- und Vertikalschnitte durch die
Windform der Floſsöfen von Turrach („Durach“) in Steiermark und
Gmind in Kärnten dar. Der Ofen von Turrach, nach kärntnerischer
Art gebaut (s. Bd. II, S. 184), war damals noch der einzige Floſsofen
in Steiermark. Er war, wie die steierischen Blauöfen, mit einer Esse
[133]Hochöfen bis 1734.
(H) überbaut, hatte viereckigen Querschnitt; der Kohlensack lag in
der halben Ofenhöhe. Die Grundfläche des massiven Mauerwerks
bildete ein Quadrat von 14 Fuſs und 3 Zoll (4,629 m) Seite am Boden,
die Höhe bis zum Anfang der Esse betrug 17 Fuſs (5,522 m), nach
oben wurde das Mauerwerk schwächer, bis zu 12 Fuſs an der Gicht,
bildete also eine abgestumpfte Pyramide. Gicht und Bodenquerschnitt

Figure 21. Fig. 17 b.


Figure 22. Fig. 17 c.


des Gestells waren 18½ Zoll (0,500 m) im Quadrat, der Kohlensack,
der in der Mitte lag, hatte 4 Fuſs (1,299 m) im Quadrat. Ein Gestell
hatten diese Floſsöfen nicht, auch keinen Wallstein und Vorherd,
sondern die Brust war in derselben Weise geschlossen, wie bei den
Stücköfen. Abweichend vom Stückofen war dagegen, daſs die Floſs-
öfen zwei Gewölbe, ein Abstich- oder Arbeitsgewölbe, und rechtwinklig
darauf ein Blase- oder Formgewölbe hatten, in dem die Bälge lagen.
[134]Hochöfen bis 1734.
Die Windform lag nur 8 Zoll über dem Boden, da man keinen
gröſseren Raum, um das flüssige Eisen zu fassen, nötig hatte, weil
man alle drei Stunden die 3 bis 4 Centner, die inzwischen geschmolzen
waren, abstach. Die Form hatte eine sehr starke Neigung, derart,
daſs die Windlinie den Bodenstein, 3 Zoll von der Windseite entfernt,
traf. Dadurch glichen diese Öfen mehr den Blauöfen als den Hoch-
öfen. Reaumur hebt auch hervor, daſs diese Öfen den italienischen
(Blauöfen) im Gebiete von Venedig glichen, auſser daſs diese nur ein
Ofengewölbe hatten.


Die Erze in Turrach und Gmind wurden in groſsen Stücken,
wie in Vordernberg, geröstet und ohne Zuschläge mit Fichtenkohlen
geschmolzen. Das Eisen war schon zum Teil entkohltes (gefeintes),
weiſses Eisen, das von farbig angelaufenen Blasen durchsetzt war,
sogenannter luckiger Floſs.


Die dritte Abbildung eines Hochofens verdanken wir Sweden-
borg
, welcher die Eisenbereitung in seiner Heimat in seinem Buche
„De ferro“ 1734 ausführlich beschrieben hat.


Da diese Beschreibung genaue Nachrichten über das Schmelzen
der Eisenerze giebt, zugleich den ersten gründlichen Bericht über
Bau und Betrieb von Hochöfen enthält, so müssen wir dieselbe für
die Vergleichung späterer Betriebe einer eingehenden Betrachtung
unterziehen. Zwar bezieht sich Swedenborgs Bericht hauptsächlich
auf schwedische Verhältnisse, aber Schwedens Eisenhüttenwesen stand
zu jener Zeit schon in hoher Blüte und in keinem Lande wirkten
Regierung und Gewerke so einmütig zusammen, um diese Industrie
zu fördern und zu vervollkommnen.


Die nationalen Eisenschmelzöfen Schwedens waren, wie wir wieder-
holt gezeigt haben, die Bauernöfen, welche auch zu Swedenborgs
Zeit noch zahlreich betrieben und in denen namentlich die Sumpf-
und Seeerze des südlichen Schweden verschmolzen wurden. Die
Hochöfen waren erst im 16. Jahrhundert von deutschen Arbeitern
auf Veranlassung des Königs Gustav Wasa gegründet worden zur
Verschmelzung der Bergerze, an welchen Schweden sehr reich war,
welche aber bis dahin, infolge der armseligen Einrichtungen, unbenutzt
geblieben waren. Dadurch erlangte erst die schwedische Eisenindustrie
ihre Bedeutung. Mit den deutschen Hochöfen wurde auch der deutsche
Frischprozeſs eingeführt. Dieser wurde teilweise, und zwar in dem
eisenreichen Dalekarlien, im 17. Jahrhundert durch die Wallonschmiede
verdrängt, welche der reiche niederländische Groſsindustrielle Louis
van Geer
einführte. Seine Hochöfen wichen in ihrem Bau von
[135]Hochöfen bis 1734.
den deutschen etwas ab. Zu Swedenborgs Zeit gab es also
dreierlei Erzschmelzöfen in Schweden, die gewöhnlichen Hochöfen, die
dalekarlischen und die Bauernöfen. Von diesen waren die ersteren
die verbreitetsten und auf sie bezieht sich die nachfolgende Schilderung
Swedenborgs.


Das erste, was zum Bau eines Hochofens gehörte, war die Wahl
des Platzes
. Dieser muſste trocken sein, aber einen festen Unter-
grund für die Fundamentierung bieten. Er musste möglichste Sicherheit
gewähren, daſs die Ofensohle nicht von der Grundfeuchtigkeit erreicht
wurde. Um den Ofen hiervor noch weiter zu schützen, legte man
unter jedem Ofen einen Kanal an, in welchem die Feuchtigkeit
gesammelt und abgeführt werden konnte. War der Boden besonders
feucht, entsprangen Quellen in der Nähe, so legte man mehrere
Abzugskanäle an und leitete das Wasser durch eiserne Rohre ab, auch
umgab man die ganzen Fundamente mit einem Graben. Zum Fundament-
boden wählte man Kies oder noch besser Schlacke. Doch waren
manche der Ansicht, der Boden dürfe nicht zu trocken sein, weil
dann die Hitze den Bodenstein zu sehr angreife. Keinenfalls aber
setzte man das Fundament direkt auf den Fels, ohne in diesem eine
Abzucht auszusparen. Dagegen suchte man immer die Fundamente
bis auf den festen Grund zu führen; war dies nicht möglich, so
muſste man einen starken Holzrost unter das Fundament legen.
Natürlich war man bei der Wahl des Ortes von dem Vorhandensein
eines Wassergefälles abhängig.


Bezüglich der Feuchtigkeit des Bodens konnte man nicht vorsichtig
genug sein. Das Grundwasser, oder wohl meist das überschieſsende
Aufschlagwasser kühlte so stark, daſs, wenn man auch eine kräftige
Eisenplatte unterlegte, diese mit trockenem Sand überfüllte und darauf
einen Bodenstein, so dick wie ein starker Mühlstein legte, die Schmelz-
hitze im Gestell doch nicht erreicht wurde, wenn kein Abzugskanal
im Fundament angebracht war. Auch wirkte die Feuchtigkeit des
Bodens dadurch schädlich, daſs das Holzwerk und das Leder der
Bälge litten und Wasserdunst mit der Luft in den Ofen geblasen
wurde, was den Ofengang nachteilig beeinfluſste.


Das Mauerwerk des Ofens setzte man entweder auf Fels oder
auf starke Balken. Die äuſseren, dicken Mauern des Ofens, das
Rauhgemäuer, machte man entweder ganz aus zugerichteten Natur-
steinen, sogenanntem „Graustein“, oder teils aus Bruchsteinen, teils
aus schweren Balken, welche ringsum das Mauerwerk zusammen-
hielten. Letztere, dem holzreichen Schweden eigentümliche Bauweise
[136]Hochöfen bis 1734.
war besonders bei den Öfen der Bauerngewerke gebräuchlich, weil
sie billiger war.


Das gesamte Mauerwerk des Hochofens war ein vierfaches. Zu
dem innersten, welches der Einwirkung der Hitze unmittelbar aus-
gesetzt war, wählte man die besten, feuerfesten Steine. Das zweite,
welches fast ebenso dick war, wurde aus gewöhnlichen Grausteinen
hergestellt. Das dritte war lose aus kleinen Steinen, gepulverten
Schlacken und ähnlichen Materialien aufgeführt, die keine feste
Mauerung, sondern eine Füllung bildeten, um die ganze Wand zu
verstärken und die Hitze zusammenzuhalten. Dieser folgte viertens
die Umfangsmauer. Der innere Ofenraum war, wie die ihn um-
schlieſsenden Mauern, von kreisförmigem Querschnitt, während die
äuſsere Gestalt des Ofens viereckig war. Der Hohlraum zwischen dem
viereckigen Rauhmauerwerk und dem runden Ofenmauerwerk war
mit Steinbrocken und Schlacken ausgefüllt.


Die innerste Mauer (Kernmur) muſste am genauesten konstruiert
und aus dem besten Material aufgeführt sein. Die feuerfesten Stein-
arten (Pipsten) waren in verschiedenen Gegenden verschieden: Talk-
steine, Sandsteine u. s. w. Man hatte auch versucht, schwerschmelzige
Schlacke, wie sie zuletzt aus dem Ofen gezogen wurde, hierfür zu ver-
wenden, was aber mehr für die Schacht- als für die Gestellwände
geeignet war. Die Kernmauer machte man 2 bis 2½ Fuſs 1) (0,594
bis 0,742 m) dick und 12 bis 14 Ellen (7,128 bis 8,316 m) hoch. Die
Steine wurden so zugehauen, daſs möglichst enge Fugen blieben,
welche sorgfältig mit Thon und Sand verstrichen wurden. Die innerste
Mauer hatte keinen Verband mit der zweiten, konnte also, wenn sie
vom Feuer angegriffen war, für sich neu aufgeführt werden.


Die zweite Mauer aus Graustein war ebenfalls 2 bis 2½ Fuſs dick.
Die Steine wurden mit Thon und Sand verbunden, und zwar muſste
dies ebenfalls mit Sorgfalt geschehen, damit das Mauerwerk keine
Risse bekam und wenn die innere Ofenwand teilweise weggeschmolzen
war, keine Steine in das Innere des Ofens fielen, was sonst meist dem
Schmelzen ein unerwünschtes Ende bereitete. Die Ausfüllung aus losem
Material zwischen dem inneren und dem äuſseren Ofen, welche billiger
war als Mauerung, wurde mit Holzstampfern zusammengestoſsen. Für
das äuſsere Mauerwerk nahm man möglichst groſse Steine, welche
durch Holzbalken (Schlingen) zusammengehalten wurden. Gewöhnlich
befanden sich an jeder Wand 10 bis 12 solcher Balken (G G, Fig. 18),
[137]Hochöfen bis 1734.
welche an den Enden durch eingeschnittene Klammern verbunden
waren. Die Holzumkleidung hielt nicht lange und war nur in einem
Lande möglich, wo das Holz fast keinen Wert hatte. Die Balken
verzogen sich, rissen oder verbrannten. Massives Mauerwerk ohne
Holzverankerung war deshalb vorzuziehen. Früher hatte man sogar

Figure 23. Fig. 18.


den unteren Teil des
Hochofens mit Holz
konstruiert, doch war
man zu Swedenborgs
Zeit hiervon abgegan-
gen und baute den un-
teren Ofen massiv, wäh-
rend man die Schacht-
mauerung noch mei-
stens in Holz stellte.


War der Ofen bis
zur Gichthöhe vollen-
det, so führte man die
äuſsere Holzwand noch
6 Fuſs höher auf, oder
brachte aus Balken
und Latten oder Stei-
nen die Gichtumzäu-
nung (Fig. 18, H H),
welche der „Massungs-
kranz“ hieſs, an. Diese
umschloſs die Platt-
form der Gicht, auf
welcher Erze lagerten
und der Aufgeber den
Ofen beschickte. Öfter
wurde auch noch ein
Schutzdach darüber
gebaut.


Die Gesamtstärke des Ofenmauerwerks bis zum Hohlraum betrug
7 bis 10 Fuſs (ca. 3 m) und da der Hohlraum im Mittel etwa 6 Fuſs
(1,782 m) weit war, so betrug die äuſsere Seitenlänge des quadratischen
Ofens 20 bis 26 Fuſs (5,940 bis 7,722 m). In dem Mauerwerk waren
zwei Zugänge zu dem inneren Ofen ausgespart, der eine für die Wind-
zufuhr, der andere für das Abstechen des Ofens und das Arbeiten in
[138]Hochöfen bis 1734.
demselben. Diese Öffnungen waren keine Gewölbe, sondern die Mauern
traten von einer gewissen Höhe, etwa von der halben Ofenhöhe an,
zurück, so daſs die Decke der Öffnung einen Neigungswinkel von
50 bis 60 Grad bildete. Um das Mauerwerk über derselben zu tragen,
wurden starke guſseiserne Tragbalken von dreieckigem Querschnitt,
12 bis 17 Fuſs (3½ bis 5 m) lang und 1 Fuſs (0,297 m) dick unter-
zogen und auf beiden Seiten eingemauert. Bei den Öfen der Armen
muſste Holzgebälk dafür dienen, was aber leicht in Brand geriet,
wodurch oft der ganze Ofen einstürzte.


In früherer Zeit, wo die Bauern nur für sich geschmolzen hatten,
waren die Öfen ganz planlos und willkürlich, ohne bestimmte Maſse
gebaut worden, und man hatte bei geringerem Ausbringen gröſseren
Kohlenverbrauch. Eine Besserung war erst eingetreten, seitdem der
König für die höhere Tageserzeugung eine Belohnung ausgesetzt hatte.
Da erst hatte man angefangen, die Öfen höher, weiter, sorgfältiger
und aus besserem Material zu bauen.


Besondere Sorgfalt erforderte die Konstruktion des Schmelz-
raumes. Swedenborg
empfiehlt grosse, geräumige Öfen, indem er
den Satz aufstellt, die Wirkung der Hitze sei proportional ihrer Menge,
d. h. dem Raum, welchen das Feuer einnehme. In der Flamme eines
Lichtes sei keine solche Hitze als in einem brennenden Holzhaufen.
Was die Gestalt des Ofeninneren anlangt, so waren einige der Meinung,
daſs der Ofen an der Gicht (D D) am engsten, in der Mitte am
weitesten sein müsse, andere waren der Ansicht, daſs die Weite im
Ofengestell, zwischen den Formen C, geringer sein müsse, als in der
Gicht. Allgemein nahm man an, daſs der Ofen in der Mitte am
weitesten sein müsse, dagegen wollten manche diesen Kohlensack genau
in der Mitte, andere mehr nach oben, andere mehr nach unten haben,
„dies hänge aber allein von der Beschaffenheit der Erze ab, weshalb
sklavisches Festhalten an einer Regel zu Irrtümern führe“. Am
wichtigsten seien die Dimensionen des Gestelles, in welchem die
Hitze erzeugt werde und aus dem sie, wie aus einer Quelle, nach
aufwärts ströme. Vor 50 und 100 Jahren seien die Öfen niedriger und
viereckig gewesen, wie noch heute an einigen Plätzen, jetzt aber seien
die meisten kreisförmig von oben bis unten. Die Rundung des Ofens
werde mit Hilfe einer an einem senkrechten, in der Mitte errichteten,
drehbaren Baum befestigten Schablone, wie es in Fig. 19 abge-
bildet ist, hergestellt. Die Verhältnisse der Durchmesser von Gicht,
Kohlensack und Gestell verhielten sich im allgemeinen wie 3 : 4 : 2,
die Umfänge betrugen meistens 8 bis 9 : 10 bis 12 : 6½ bis 7 Ellen
[139]Hochöfen bis 1734.
(2,5 : 3,5 : 2 m). Aber es sei besser, die Dimensionen der Erfahrung als
der Geometrie zu entnehmen. Wäre der Kohlensack zu weit, so ge-
schähe die Schmelzung des Erzes zu plötzlich, ehe noch die gehörige
Scheidung des Metalls (d. h. Reduktion) eingetreten sei, weshalb ein
groſser Teil des Eisens in die Schlacken gehe. Das Eisen selbst sei roh
und unrein und flieſse schlecht. Erfahrene Schmelzer liebten deshalb
keinen weiten Bauch, weil derselbe die verschlungene Nahrung, wie
sie sagten, nicht verdauen könne. Die Lage des Kohlensacks sei am
besten etwas unterhalb der Mitte, wegen der besseren Vorbereitung
der Erze, dadurch werde die Rast (O O) flacher und infolge dessen

Figure 24. Fig. 19.


rutschten die Erze langsamer
vor die Form. Wenn aber der
Kohlensack zu weit und die
Rast zu flach wäre, so hinge
sich die geschmolzene Masse
wie Leim an der geneigten
Rastfläche fest und fiele von
da erst, wenn sich eine gewisse
Menge festgesetzt hätte, die
sich durch ihr Gewicht plötz-
lich loslöse, herab. Dadurch
gelangten kältere Massen auf
einmal in das heiſse Eisenbad
im Herd, welches dann auf-
schäume wie Wasser im heiſsen
Kessel und in kochende Be-
wegung geriete, wobei die
Formen sich zusetzten, die
Schlacken sich schwarz färb-
ten und vieles Eisen in sich
aufnehmen. Wie bei einem kalten Fieber sänke die Temperatur, und
Mattigkeit trete ein. Schlacken und kaltes Eisen setzten sich im
Herde fest, die der Arbeiter losbrechen und mit schweren Eisen-
stangen und Haken herausschaffen müsse. Auch würde bei zu weitem
Kohlensack das Mauerwerk über der Form zu rasch von der Glut
zerstört.


Das aufgegichtete Erz müsse auf seinem Wege von der Gicht bis
vor die Formen alle Grade der Erhitzung durchmachen, dabei müsse
es zur Rast so vorbereitet gelangen, daſs es die ganze Schmelzhitze
aufnehmen könne. Dies sei nicht der Fall, wenn die Rast zu hoch
[140]Hochöfen bis 1734.
liege; auch aus diesem Grunde empfehle sich die Lage des Kohlen-
sacks etwas unter der mittleren Ofenhöhe.


Der Schacht müsse sich der richtigen Vorbereitung der Erze
wegen langsam bis zum Kohlensack erweitern, der diese dann wie
ein feuriger Schlund aufnehme. Seien die Erze aber schwefelhaltig,
so mache man den Schacht höher, damit durch das längere Verweilen
dann die schwefligen Substanzen und das „fette Phlogiston“ um so
vollständiger ausgetrieben werden.


An manchen Orten machte man die Gichtöffnung nur 3 Fuſs
(0,891 m), an anderen bis zu 6 Fuſs (1,782 m) weit. War sie zu eng,
so konnte die Luft nur langsam ausströmen und die Schmelzung
wurde dadurch verzögert, war sie zu weit, so verbrannten die Kohlen
zu rasch, ohne entsprechende Wirkung. Die Schmelzung ging schnell,
aber unvollständig von statten: „frustra excoquitur vitium et inutilis
humor“.


An die RastO O, die man auch Obergestell (oefwerstelle)
nannte, schloſs sich unmittelbar das Gestell C, d. h. die geneigten
Wände der Rast gingen bis zur Formhöhe, so daſs ein eigentliches
Obergestell, eine Fortsetzung des Gestells über Formhöhe, fehlte.


Den unteren Teil des Gestells bildete der Herd. In dem
Fundament unter demselben befand sich der Abzugskanal (K).
Derselbe pflegte die Länge des Herdes, die Höhe einer Hand und die
Breite eines Fuſses zu haben. Er war mit einer Eisenplatte von
2½ Fuſs (0,742 m) Seitenlänge und 4 bis 5 Zoll (0,100 bis 0,125 m)
Dicke, welche etwa 400 kg wog, bedeckt. Diese war sorgfältig mit
Thon verschmiert, daſs kein Wasserdampf in die Höhe steigen konnte.
Manche nahmen auch eine Steinplatte. Auf die Platte wurde ½ bis
¾ Fuſs (15 bis 22 cm) Sand aufgestampft und hierüber ein groſser
Stein, der Bodenstein, ¾ bis 1 Fuſs (23 bis 30 cm) dick und unge-
fähr 5 Fuſs (1,50 m) lang und entsprechend breit gelegt, so daſs er
den ganzen Herdboden bildete. Man wählte dazu einen möglichst
feuerbeständigen Stein. Derselbe muſste trocken sein. Frisch ge-
brochene Steine waren ungeeignet. Um den Stein herum wurden
Lehm, Sand und Stein trocken festgestampft zum Abschluſs der
Feuchtigkeit, weshalb auch nur trockene Materialien verwendet werden
durften. Über dem Bodenstein wurden drei Steine so aufgestellt,
daſs sie einen länglich viereckigen Raum, welcher nach einer Seite
offen blieb, umschlossen, es war dies der Herdraum oder das Unter-
gestell
(Stelle). Der Zwischenraum bis zur Auſsenmauer wurde
sorgfältig mit Sand zugestampft. Die Seitensteine pflegten ½ Fuſs
[141]Hochöfen bis 1734.
(15 cm) breit und dick zu sein. Der Herd selbst war länglich 3 bis
3½ Fuſs (0,891 bis 1,039 m) lang, 1½ bis 1¾ Fuſs (0,443 bis 0,517 m)
breit, ¾ Fuſs (0,222 m) hoch und konnte 6 bis 7 Schiffspfund (1200
bis 1400 kg) 1) fassen. In dem richtigen Aufbau des Gestells lag
die gröſste Kunst des Meisters und er pflegte sich dafür genaue
Maſse von Holz zu machen. Das Gestell war der Sitz der Lebens-
wärme, das Herz des Ofens, dessen Lungen die Blasebälge waren.
Ein weiteres Gestell kann mehr Hitze fassen und bleibt das Eisen
darin flüssiger. Die alten Öfen konnten nur 2 Schiffspfund (400 kg)
fassen und war deren Erzeugung kaum ⅓ der jetzigen (zu Sweden-
borgs
Zeit). In diesen kleinen Öfen war die Abkühlung von auſsen,
besonders im Gestell, Schlacken setzten sich leicht fest und verengerten
den Schmelzraum. Die neueren Öfen, namentlich die, aus welchen
man die schweren Geschütze goſs, konnten 10 bis 12 Schiffspfund
(2000 bis 2400 kg) fassen. Doch benutzte man dazu meistens Doppel-
öfen
, welche zwei getrennte Herde hatten.


Die erfahrenen Schmelzer machten das Gestell immer oblong, und
zwar so, daſs die Länge gleich der doppelten Breite und die Breite
ungefähr gleich der doppelten Höhe war. Die Gründe, die sie gegen
die kreisförmige oder quadratische Gestalt des Gestelles anführten,
waren folgende: 1) könne der Wind, der in etwas schiefer Richtung
die gegenüberliegende Längsseite treffen und dadurch im Abprall
einen Wirbel bilden müsse, ehe er die Richtung nach aufwärts an
nehme, nicht genügend durchdringen; 2) ginge das Arbeiten im Herd
und die Reinigung desselben bei der länglichen Form leichter von
statten; 3) käme das Eisen bei der breiteren Oberfläche leichter
ins Kochen, wodurch viel Eisen verbrennen und in die Schlacke gehen
würde.


Die Mittellinie des Gestells fiel aber bei den schwedischen Öfen
nicht mit der Mittellinie des Ofens zusammen, sondern war nach der
Windseite zu eingerückt, derart, daſs die senkrechte Mittellinie des
[142]Hochöfen bis 1734.
Ofens nahezu das Formmaul traf (s. Fig. 18). Wir begegnen hier
einer eigentümlichen Ähnlichkeit dieser alten schwedischen Hoch-
ofenform mit der des Siegerlandes, die wir früher (S. 197, Fig. 65)
beschrieben haben. Bei beiden ist die Formseite in den Ofen hinein-
gezogen. Der Unterschied liegt nur darin, daſs die schwedischen
Öfen runden Querschnitt von der Formhöhe an erhielten, dadurch
wurde das Obergestell mit der Rast verbunden. Der Siegerländer
Ofen hatte durchgehends viereckigen Querschnitt und ein von der
Rast getrenntes Obergestell. Ebenso hatten aber auch die älteren
schwedischen Öfen viereckigen Querschnitt, und daſs sie ein besonderes
Obergestell hatten, geht daraus hervor, daſs sich die Bezeichnung
auch bei den runden Öfen erhalten hatte, obgleich die Sache ver-
schwunden war. Die nahe Verwandtschaft dieser Ofenformen ist also
klar. Da wir wissen, daſs deutsche Hüttenleute die Hochöfen zuerst
in Schweden einführten, so läſst sich annehmen, daſs diese aus dem
Siegerland stammten; oder daſs diese eigentümliche Zustellung der
Hochöfen überhaupt die in Deutschland in der ersten Hälfte des
16. Jahrhunderts gebräuchliche war. Ihren Grund hatte dieses einseitige
Einrücken der Formwand, welches den Aufbau des Ofens wesentlich
erschwerte, darin, daſs man nur mit einer Form blies und daſs bei
den schwachen Blasebälgen der Fokus fast unmittelbar vor der Form
lag. Man muſste also die Form in den Ofen hineinrücken, um die
Hitze in der Mitte des Ofens zu halten. Bei sehr gutschmelzigen
Erzen konnte man die Formwand etwas aus der Mitte herausrücken,
wie dies in diesem Falle in Schweden geschah.


Der Herd wurde nach der Abstichseite durch den „Damm
geschlossen, einen groſsen Stein oder ein untermauertes schweres
Eisen, ½ Fuſs (0,148 m) hoch und 1½ Fuſs (0,443 m) lang, 200 kg
schwer, etwas niedriger als die Seitensteine des Herdes oder Eisen-
kastens, damit man die Schlacken darüber ziehen oder freiwillig ab-
flieſsen lassen konnte. Auf der rechten Seite des Dammes befand sich
die Öffnung zum Abstechen des Eisens, das Stichloch (Stickhohl),
das mit Lehm geschlossen wurde und mit dem Abstichspieſs geöffnet
wurde, gerade wie heutzutage.


Hatte sich die flüssige Schlacke in genügender Menge angesammelt,
so lieſs man sie über den Damm abflieſsen; hörte sie auf zu flieſsen,
so wurde der Vorherd aufgebrochen, Kohlen und Schlacken, die sich
angesetzt hatten, mit Brechstangen ausgeräumt und der gereinigte
Vorherd wieder mit Stübbe, einem Gemenge von Kohlenstaub und
Sand, geschlossen. In manchen Hütten lieſs man die Schlacke nicht
[143]Hochöfen bis 1734.
von selbst laufen, sondern lieſs sie, indem man den Vorherd von
vornherein fest verschloſs, steigen und stach sie nach Bedürfnis ab.


Der Damm wurde erst am vierten oder fünften Tage nach
Beginn der Schmelzung eingesetzt, nachdem zuvor die Gestübbe-
wand weggebrochen und der Herd sorgfältig gereinigt war. Der
Damm schlieſst aber den Herd des Ofens nur zum Teil ab, denn der
Herd ist nach vorn verlängert und bildet dadurch mit dem Damm
den schon erwähnten Vorherd. Der obere Teil des Gestells springt
dagegen zurück und findet über dem Herd seinen Abschluſs durch
einen keilförmigen Stein, der auf beiden Seiten Widerlager hat und
ein starkes, gegossenes Eisenstück, den Tümpel (timp) und das
Tümpeleisen. Der ganze Tümpel pflegte 3 bis 3½ Fuſs (0,891 bis
1,039 m) hoch zu sein. Zwischen dem unteren Rande des Tümpels
und dem inneren Rande des Dammes blieb ein Abstand von ½ Fuſs
(0,148 m) und dadurch entstand eine Öffnung, durch welche man in
das Gestell gelangen und im Herd arbeiten konnte. Der Tümpel
litt am meisten durch Hitze und Abkühlung, durch die Einwirkung
der Schlacken, und das Arbeiten muſste in einer Kampagne öfter (vier-
bis zehnmal) erneuert werden.


Über den Formen begann die Rast oder das Obergestell, welches
sich bis zum Kohlensack oder Bauch des Ofens erweiterte. Dieses
wurde in das äuſsere, zuerst errichtete Mauerwerk, mit dem es keine
Verbindung hatte, hineingebaut, so daſs es eine innere Bekleidung,
eine Art Hemd (tunica) bildete, und zwar so hoch, als ein Mann, der
auf dem Bodenstein stand, mit aufgehobenen Händen reichen konnte,
etwa vier Ellen über die Form. Seine Wände machte man aus guten
feuerfesten Steinen, zuweilen auch aus ausgesuchten Schlacken, die
mit Sand und Thon eingebunden waren (künstlichen Steinen). Man
führte sie möglichst hoch auf, damit die Neigung nicht zu flach wurde.
Diesen inneren Einbau erneuerte man mit dem Gestell nach jeder
Kampagne. Die Maſse des von Swedenborg abgebildeten Ofens sind
in der Beschreibung nicht angegeben. Nach dem beigefügten Maſs-
stab betrug


  • die ganze Höhe   5,346 m
  • Höhe des Kohlensacks   1,500 „
  • Höhe der Form   0,222 „
  • Weite vor der Form   0,300 „
  • Weite im Kohlensack   1,040 „
  • Weite der Gicht   0,740 „

Die Blasebälge waren aus trockenem Fichtenholz hergestellt
und wurden durch zwei Daumen bewegt. Je gröſser die Öfen, je
[144]Hochöfen bis 1734.
gröſser muſsten die Bälge sein. Früher hatte man Lederbälge. Die
Holzbälge machte man länger wie diese, weil man dadurch stärkere
Pressung erzielte, der bewegliche Oberdeckel war 12½ Fuſs (3,712 m)
lang und bis zum Anfang der Düse betrug die Balglänge 14 Fuſs
(4,158 m), bei einer Hubhöhe von 3½ Fuſs (1,039 m); die hintere
Breite des Balgdeckels betrug 4½ Fuſs (1,336 m), die vordere 3⅙ Fuſs
(0,941 m).


Die Düse, welche eine 3½ Finger (0,087 m) breite Öffnung hatte,
war von Eisenblech. Das Anblasen geschah langsam und steigerte
man die Hitze allmählich. Dies wurde durch den Wasserzufluſs reguliert.
Bei regelmäſsigem Gange machte jeder Balg 10 Hübe in der Minute.
Die Düse war 1⅔ Fuſs (0,495 m) lang und ragte ½ Fuſs (0,148 m)
in die Form, welche 2 Fuſs (0,594 m) lang war.


Das Formloch war viereckig, die untere Fläche horizontal, die
Seitenflächen schief in den Stein gehauen und mit Lehm so zubereitet,
daſs es halbkreisförmig wurde. Wenn diese Auskleidung wegschmolz,
wurde sie erneuert, die Unterlage bildete eine eiserne Formplatte,
welche ungefähr 12 Grad in den Ofen geneigt war und auf der die
Düse ruhte. Daſs bei solchem Stechen der Form fast immer Rohgang
herrschte, wie aus Swedenborgs Schilderung hervorgeht, ist nicht
zu verwundern. Trotzdem führt er viele Gründe für diese verkehrte
Formlage an. Der Wind, der der Pulsschlag und die Seele des
Ofens sei, wie die Hitze das Leben, müsse in dieser Richtung ein-
strömen, um über die geschmolzene Masse hinzugleiten und bis zur
andern Seite durchzudringen. Dies geschähe nicht, wenn die Form
horizontal liege, indem dann der Wind gleich nach oben steige und
zu viele Kohlen verbrenne. Daſs eine solche Formlage möglich war,
ohne alles Eisen im Herd zu verkochen, läſst sich nur aus der sehr
schwachen Pressung des Windes erklären. Allerdings meint auch
Swedenborg, die Form dürfe nicht zu viel Neigung haben, weil
sonst der Wind nicht bis zur andern Seite durchdringe. Hohe Flamme
mit viel Funken an der Gicht sei das Zeichen zu geneigter Formlage.
Ebenso könne der Wind nicht durchdringen, wenn die Form zu weit
sei, sei sie aber zu eng, so komme nicht genug Wind in den Ofen.
Auch bei kreisrunder Formöffnung dringe der Wind nicht zur andern
Seite, die Halbkreisform sei die beste. Auch die Entfernung der
Düse vom Formmaul, das Zurückliegen derselben sei von Wichtigkeit.
Im Winter gehe die Schmelzung besser von statten als im Sommer,
was er der geringeren Feuchtigkeit zuschreibt, während der Haupt-
grund die dichtere Luft ist. Es sei eine allgemeine Regel, daſs der
[145]Hochöfen bis 1734.
Wind in die Mitte des Ofens blase, weiche er davon ab, so gehe die
Schmelzung mehr auf einer Seite vor sich, die Wände würden dort
sehr angegriffen, während andere Teile des Gestells sich erkälteten.
Bei kalkigen, leichtflüssigen Erzen blase man zuweilen auſser der
Mittellinie, aber die Nachteile seien immer gröſser als die Vorteile.
Die Form solle nicht höher liegen als der Mittelstein des Herdes an
der Formseite, auch nicht näher der Hinterseite als höchstens ¾ Fuſs.


Von der Hitze oder zu heftigem Blasen platzten die Bälge zu-
weilen, was Stillstände von sechs bis acht Stunden veranlaſste.
Man muſste dann die Form zustopfen. Der Stillstand bewirkte
meist ein Stürzen der Gichten. Bei längeren Stillständen habe
man auch die Gicht geschlossen und in einzelnen Fällen den Ofen
dadurch lange Zeit, sieben und acht Tage, gehalten. War der Hoch-
ofen fertig zugestellt, so begann man mit dem Wärmen und Füllen.
Zu diesem Zwecke unterhielt man erst mehrere Tage ein Holzfeuer
in dem Herd. War das Innere trocken, so füllte man mit Kohlen.
Ein Ofen faſste 12 bis 18 Lasten zu 12 Tonnen. Früher lieſs man
diese mehrere Tage bei offener Gicht brennen. Jetzt aber schlieſst
man nach dem Anzünden alle Öffnungen und bedeckt die Gicht mit
einem Deckel. So läſst man die Kohlen 8 bis 14 Tage glimmen.
Hierbei kann man auch Holz statt Holzkohlen aufgeben. Nach unge-
fähr zwölf Tagen ist die Kohle im Schacht 6 bis 7 Fuſs gesunken.
Durch dieses langsame Anwärmen dringt die Hitze mehr in die Wände
ein und man hat den Vorteil, daſs man gleich von vornherein gröſsere
Gichten setzen kann, denn während man früher anfangs nur zwei
Tröge Erz auf einmal aufgab, kann man jetzt fünf bis sieben Tröge
aufgeben. Öffnet man die Gicht nach dem Anwärmen, so sind die
Kohlen dunkel und es tritt keine Flamme aus der Gicht, aber schon
nach kurzer Zeit werden die Kohlen hell und nach ¼ Stunde ent-
strömt der Gicht eine helle Flamme. Swedenborg erkennt wohl,
daſs die Berührung mit der Luft die Ursache davon ist (alimenta
praebet calori), aber eine Erklärung dafür findet er nicht.


Mit dem Aufgeben (schwedisch: oppsettning) der Erzgichten
nimmt der Schmelzbetrieb seinen Anfang. Man läſst das Wasserrad
langsam umlaufen und steigert den Wind in den ersten 10 bis 14 Tagen
nur ganz allmählich. Die Kohlen wurden in Körben zu vier Tonnen
aufgegeben, und zwar drei bis vier Körbe auf die Gicht. 12 Tonnen
waren gleich 1 Last. Das Erz wurde in Trögen (Fourg oder Fat),
welche 40 bis 50 Pfund Erz faſsten, aufgeschüttet. Am ersten Tage
setzte man nur 4 bis 5 Tröge, am zweiten schon 7 bis 8, am dritten
Beck, Geschichte des Eisens. 10
[146]Hochöfen bis 1734.
9 bis 10, am vierten 11 bis 12, am fünften 14, am sechsten 15 und
nach 12 bis 14 Tagen 16 bis 19, welches der volle Satz war. Erstrebt
man eine lange Hüttenreise, so muſs man um so vorsichtiger mit
dem Anwärmen und dem Steigern der Hitze sein. Rasches Anwärmen
und Forcieren des Betriebes wirken sehr nachteilig auf die Ofenwände
und den Ofengang. Swedenborg behauptet, die Kraft des Feuers
wachse im quadratischen Verhältnis der Zeit. Durch zu rasch ge-
steigerten oder überhaupt zu hohen Erzsatz wurden die Wände abge-
kühlt, die Schmelzung verzögert, so daſs man nur halb so viel durch-
setzen könne. Je gröſser die Öfen, je gröſser konnte der Erzsatz sein.
Er betrug bei den groſsen Öfen 20 bis 28 Tröge, ja es soll Öfen
geben, sagt Swedenborg, in welchen man 30 Tröge auf die Gicht
setzen könne. Bei kleinen Öfen betrug der Erzsatz 12 bis 15 Tröge.
Ein Ofen setzte manchmal nur halb so viel durch als ein anderer
von gleichen Dimensionen: 1. wenn durch zu rasche Steigerung des
Satzes das Gestell versaut war, 2. wenn der Boden feucht war, 3. wenn
der Bodenstein Schaden gelitten hatte und Eisen durchlieſs, 4. wenn
die Ofenwände Risse bekommen hatten, 5. wenn Kohlen und Erz
feucht waren, 6. wenn der nötige Zuschlag fehlte, und 7. wenn un-
richtig beschickt wurde.


Alle Erze wurden in Schweden erst geröstet, was in Haufen,
Gruben oder Stadlen geschah, sodann wurden sie unter einem Wasser-
hammer zu kleinen Stücken zerklopft. Diese Form war besser als
Pulverform, weil durch letztere der Ofen leicht verstopft wurde. In
den ersten Tagen wurde das Erz in der Mitte aufgegeben, weil die
Ofenwände noch kalt waren und die gröſste Hitze sich in der Mitte
befand. Nach Ablauf einiger Zeit, wenn die Wände gehörig durch-
gewärmt waren, breitete man die Erze gleichmäſsig aus, nach sieben
bis acht Tagen gab man schon mehr Erz an der Wand herum auf,
weil die heiſse Wand stärker heizte. Ebenso hing sich anfangs Eisen
an den Wänden des Gestells an, während später umgekehrt die
Wände, namentlich die Form und deren Umgebung, wegschmolzen.


Man lieſs die Gichten immer 5 Fuſs im Schacht sinken, ehe man von
neuem aufgab. Wo die Hitze am stärksten war, setzte man das meiste
Erz hin. Hatte man verschiedene Erzsorten zu schmelzen, so wurden
dieselben vorher gemischt. An manchen Orten schmolz man zehn bis
zwölf Sorten. Schwefelreichere Erze setzte man entfernt der Form, auf
der Windseite, weil dieselben die Formwand zu sehr angreifen würden;
kalkhaltige Erze setzte man über der Form. Das richtige Gewichts-
verhältnis der Erzsorten bei der Mischung war sehr wichtig. Waren
[147]Hochöfen bis 1734.
die Erze schwer schmelzbar, so muſste man Kalk zuschlagen, und
zwar gab man den Kalk in Schweden gebrannt auf. Zu diesem
Zwecke pflegte man Kalkstein über die Rösthaufen auszubreiten und
ihn beim Rösten mit zu brennen. Man gab den Kalk in der Mitte
unmittelbar über den Kohlen auf. Das Quantum war verschieden
nach den Erzen und betrug einen, zwei oder drei Kübel auf die
Erzgicht. Kieselige Erze brauchten mehr Kalk als andere. Der Kalk
wirkte als Fluſs. Ohne denselben war die Schlacke schwerflüssig, es
gab viel Wascheisen und das Eisen war matt. Der Schmelzer hatte
seine Zeichen, aus denen er erkannte, ob er den Erzsatz erhöhen oder
erniedrigen muſste. Im allgemeinen galt es als Regel, daſs man beim
Erzsatz nicht bis zur Grenze ging, daſs man also weniger Erz setzte,
als der Ofen zu schmelzen imstande war, und zwar geschah dies der
Güte des Eisens und der Sicherheit wegen. War die Schlacke
schwarz und führte sie Graphit (micae, Glimmer), besonders die,
welche zuletzt mit dem Eisen ausfloſs, so muſste man den Erz-
satz erhöhen. Die Schlacken hingen sich dann an den Spieſs, mit
dem man im Gestell arbeitete. Ebenso setzte man mehr Erz, wenn
die Schlacken weiſs waren, wie dies in den ersten Tagen nach dem
Anblasen der Fall zu sein pflegte. Wenn die Schlacke leicht floſs
wie Wasser und langsam erstarrte, so war dies ein Zeichen von zu
groſser Hitze und man gab dann ebenfalls mehr Erz auf. Der Schmelzer
beobachtete ferner sorgfältig den Ofengang durch die Form. Fiel
das geschmolzene Erz in weiſsen, glänzenden Tropfen vor der Form
nieder, so gab man mehr Erz, waren die Tropfen schwarz und dunkel,
so war der Erzsatz zu hoch, bei dem richtigen Gang fielen helle und
dunkle Tropfen in ziemlich gleichem Verhältnis. War die Schlacke
vor der Form gelb und dunkel, so war der Ofen zu kalt, war sie
lebhaft weiſs, so war er zu heiſs; reine gleichmäſsige bläuliche Farbe
zeigte den richtigen Ofengang an.


War die Farbe des Eisens matt-weiſs im Bruch, so deutete
dies auf zu viel Erz, war der Bruch „wie Eis“, auf zu wenig Erz
zu den Kohlen; bei richtigem Verhältnis war das Eisen feinkörnig
weiſs oder grau mit dunklen Körnern. Doch hatte hierauf die Art
der Erze groſsen Einfluſs. Waren die Schlacken, die mit dem Eisen
abgelassen wurden, blasig und von dunkler Eisenfarbe, so war das
Verhältnis richtig, waren sie aber fest und schwer von zu vielem
Eisen, so war es unrichtig.


Ein anderes Erkennungsmittel war die Gichtflamme, besonders
am Abend, wenn sie weithin leuchtete. Wenn sie leicht, scharf, hell
10*
[148]Hochöfen bis 1734.
und breit, ohne Funken emporwallte, so war dies ein Zeichen
richtiger Schmelzung; war sie sehr hoch und rauchend, so deutete
dies auf Kochen im Herd, unvollkommene Reduktion und Ver-
schlackung von Eisen. War die Tümpelflamme stark, hell und
rauchend, so war mehr Erz nötig, war sie dunkel, mehr Kohle.
Warf das flüssige Eisen Funken, so gab man mehr Kohlen, war
die Oberfläche beim Laufenlassen glatt und wie poliert, mehr Erz.
Zuweilen kochte das Eisen heftig im Herd und begann zu speien,
dann verdunkelte sich die Form mit schwarzer Schlacke, die aus-
gezogenen Schlacken waren schwammig und eisenreich, die Hitze
im Gestell nahm ab und es füllte sich rasch mit schmieriger Masse,
wobei viel Eisen verschlackte und verloren ging. Der Arbeiter muſste
suchen, die kochenden Schlacken einzudämmen, die Formen oft und
sorgfältig zu reinigen, sonst drohte Gefahr, daſs sich das Gestell
ganz zusetzte. Swedenborg vergleicht diesen Rohgang mit dem
Gähren des Weinmostes, wobei das unreduziert in das Gestell ge-
langende Erz wie Hefe wirke. Ähnliche Wirkung erzeugten nasse, alte
Kohlen, zu wenig und schlechter Kalk, wenn halbgare Massen, welche
noch schweflige Bestandteile eingemengt enthielten, sich von der Rast
loslösten und in das geschmolzene Eisen im Gestell stürzten, sodann,
wenn das Mauerwerk über der Form zu weit zerstört war, endlich
Feuchtigkeit im Ofen, sowie ungeröstetes, besonders pulveriges Erz.
Die Zeichen für den beginnenden Rohgang seien: wenn die Schlacken
dicht aus dem Vorherd brächen, sich blasig aufblähten und in langem
Laufe langsam wälzten, denn dann sei ihnen bereits Eisen oder Erz-
pulver beigemengt, welches sie in Gährung versetze; ebenso, wenn
die schaumigen Schlacken beim Austreten in Blasen zerplatzten und
zusammenfielen und nach dem Erstarren eine löcherige, von Kanälen
und Blasen erfüllte Masse bildeten; ebenso, wenn die bläuliche Farbe
der Schlacken in die schwarze übergehe, was die Aufnahme von
Eisen andeute, allmählich werde sie dann schwarz und zähe wie Pech;
ferner, wenn die Gichtflamme mit Unterbrechungen dicht in die Höhe
walle, manchmal zu verlöschen scheine und dann wieder eine hohe,
unruhige Fackel bilde. Dies deute auf Unruhe im Herd. Werde
sie rot und rauchig, so verkünde dies herannahenden Sturm. Ebenso
leuchte dann die Tümpelflamme ungleich und heftig und werde dann
gelb, rauchig und dunkel. Am deutlichsten sähe man das Kochen
durch die Form. Durch folgende Mittel suchte man dem Rohgang
entgegenzuwirken: 1. arbeitet man mit der Eisenstange in dem
flüssigen Brei, wodurch sich das Leichte von dem Schweren scheidet;
[149]Hochöfen bis 1734.
2. zieht man die kalten, schaumigen Schlacken aus dem Ofen; 3. reinigt
man die Form mit dem Spieſs; 4. wendet man die gröſste Aufmerk-
samkeit auf die Gichten, giebt nur gleichmäſsige, gutgeröstete Erz-
stückchen und kein Pulver und nur gute, trockene Holzkohlen auf.
Der Rohgang kam aber so oft vor, daſs Swedenborg sagt, einmal
den Tag schade dieses Fieber nicht, es mache vielmehr den Herd
weit. Wiederhole es sich aber oft, so daſs es mehrmals an einem
Tage einträte, so erleide man Abkühlung, Verlust, und das Eisen
werde blasig.


Die angeführten Zeichen des Ofenganges lassen aber nicht den
Rohgang allein, sondern auch andere Unregelmäſsigkeiten erkennen,
und Swedenborg giebt hierfür gründliche Anleitung, auf die wir
aber hier nur verweisen können 1). Hierbei erwähnt er bezüglich des
Gieſsens von Guſswaren aus dem Hochofen, daſs dies am besten gegen
Schluſs der Kampagne geschehe. Wolle man Amboſse und ähnliche
schwere Stücke gieſsen, so erhöhe man den Erzsatz, wodurch leicht
Versetzungen eintreten könnten; wolle man feine Guſswaren gieſsen,
so breche man im Gegenteil am Erzsatz ab, wodurch aber der Ofen
angegriffen würde. Beides könne gegen Schluſs der Kampagne weniger
schaden.


Über die Schlacken und ihre Bedeutung beim Schmelzprozeſs
macht Swedenborg sehr treffende Bemerkungen. Die Schlacke
schwimme auf dem Eisen, wie Öl auf Wasser. Die Schlackendecke
sei nötig, um das Eisen vor dem Verbrennen zu schützen. Fehle es
an Schlacke, so trete das Kochen des Eisens ein. Die Schlacke sei
auch nötig, um die Abscheidung und Sammlung des Eisens zu er-
möglichen. Sie schütze das Eisen vor dem Hineinfallen halbreduzierter
Erzbrocken. Fange das Eisen im Gestell an, unruhig zu werden, so
müsse man die Schlacke länger im Ofen halten. Ebenso halte man
nach dem Anblasen den Herd immer möglichst voll Schlacken, um
die Wände gehörig durchzuwärmen und das Eisen warm zu halten.
Da, wo man reiche Erze verschmelze, könne man die Schlacke länger
halten, so daſs man sie in sieben bis zehn Stunden nur vier- bis
fünfmal abzulassen brauche, bei steinigen und kalkigen Erzen müsse
man öfter abstechen, an manchen Orten liefen sie fortwährend und
so lange dies andauere, habe der Schmelzer wenig Mühe. Sie liefen
die geneigte von Sand und Gestübbe hergestellte Schlackentrift herab,
wo sie von Zeit zu Zeit mit Wasser übergossen und mit der Schaufel
[150]Hochöfen bis 1734.
aus der Hütte getragen würden. War die genügende Menge Schlacken
so abgeflossen, so zog man einige glühende Kohlen nach vorn, warf
darauf einige Schaufeln des angefeuchteten Gemenges von gleichen
Teilen Sand und Kohlenstaub (Stübbe) und schloſs damit den Vor-
herd. Ist das flüssige Eisen im Herd bis nahe vor die Form gestiegen,
so daſs es die Schlacke nicht mehr genügend schützen kann, so muſs
man es abstechen. Ehe man aber dazu schreitet, und zwar einige
Stunden zuvor, bricht man den Vorherd mit dem Schlackenspieſs
auf, fährt mit dem Spieſs im ganzen Herd am Boden und Wänden
herum, um diese zu reinigen und anhängende Massen loszustoſsen,
zieht diese aus dem Vorherd heraus und schlieſst denselben mit
Stübbe. In gleicher Weise reinigt man den Herd unmittelbar nach
dem Abstich, so daſs also der Vorherd zwischen jedem Abstich
zweimal aufgebrochen wird. Zum Laufenlassen des Eisens wurde
Fluſssand vor den Ofen gefahren und darin das Bett für das Eisen
gemacht. Gewöhnlich formte man darin mehrere lange, flache
Kanäle oder Rinnen, die miteinander verbunden waren, weshalb der
Fluſssand den richtigen Feuchtigkeitsgrad haben muſste. Die Form
wurde mit gebranntem Sand und Asche bestreut. Nun stellte man
den Wind ab, zog die Bälge zurück, schloſs die Form mit einem
Formlöffel, damit die Flamme dem Arbeiter nicht ins Gesicht
schlagen konnte und öffnete das Stichloch mit einer langen Eisen-
stange, meist mit Hilfe des Vorschlaghammers. Das dünnflüssige,
hellrote Eisen floſs heraus, gelbliche Schlacke schwamm oben auf.
Man warf Asche darauf, damit es langsam erstarrte. Manches Eisen
zeigte eine wallende Bewegung und schlangenförmige Zeichnungen.
An den Brücken oder Überläufen, welche die Abteilungen verbanden,
warf man feuchten Sand auf, um die Stücke leichter trennen zu
können. Zuweilen geriet das Eisen beim Abstechen, durch Wasser
oder zu feuchte Stellen im Laufe ins Kochen. War dies gering, so
warf man feuchten Sand auf, war es heftig, so muſsten die Anwesenden
bei Seite springen und sich an einem sichern Platz vor dem herum-
fliegenden, flüssigen Eisen schützen. Dies sei für Laien ein schreck-
licher Anblick, aber die Hüttenleute seien so gewöhnt, mit dem flüssigen
Eisen umzugehen, und so unempfindlich, daſs sie Fremden für ein
Trinkgeld oft Kunststücke vormachten, indem sie den Finger oder die
ganze Hand in das flüssige Eisen steckten und sie unverletzt heraus-
zögen, oder sie nähmen eine kleine Menge flüssiges Metall in die
hohle Hand. Aber ehe sie dies thäten, steckten sie die Hand erst
unter die Achselhöhle, damit sie von Schweiſs feucht werde, auch
[151]Hochöfen bis 1734.
müſsten sie die Hand fest zusammenpressen, damit das Metall nicht
zwischen die Finger käme.


Die Eisenmasseln waren je nach den Formen ¼ bis ¾ Schiffs-
pfund (1 bis 3 Ctr.) schwer. Nach zwölf Stunden konnte man sie
schon mit der bloſsen Hand angreifen. Aus dem Bruch lieſs sich
leicht die Güte des Eisens erkennen. Glänzte er von ziemlich groſsen,
fast rötlichen Schuppen, so war dies ein Zeichen, daſs es sehr roh
war, so daſs es kaum durch wiederholtes Frischen gereinigt werden
konnte. Dieser Fehler rührte von dem Erz oder von zu geringem
Kohlensatz her. Floſs das geschmolzene Eisen dick und unrein, so
enthielt es noch schlackige Teile beigemengt; funkelte es wie Sterne
und sprühte Flammen, so war dies ein Zeichen von Härte. Durch
rasches Abkühlen, wie durch Aufgieſsen von Wasser, wird das Eisen
hart. Das Eisen ist gut, wenn die Graphitblättchen klein sind und
wie eine Anhäufung glänzender Körner erscheinen; es ist schlecht,
wenn die Graphitschuppen (micae) sehr groſs, sehr glänzend und flach
sind wie Wismut oder Eis. Das beste Eisen ist von grauer Farbe,
ähnlich einem rauhen, grauen Tuche oder einem Gewebe von weiſsen
und schwarzen Fäden, auch ist es schwerer, zäh und schwer zu zer-
schlagen und steht auch im Feuer besser als das, welches wie Wismut
glänzt. Eine glatte Oberfläche ist ein gutes Zeichen, während eine
runzliche Oberfläche auf Schwefelgehalt deuten soll.


Die Menge des Eisens war verschieden je nach der Gröſse des
Ofens, der Art der Erze u. s. w. Bei sehr gutem Ofengang erzielte
man nach den ersten zwölf Tagen zuweilen 4000 kg, meistens aber
schwankte die Produktion zwischen 3000, 2400, 1600 und 1400 kg,
bei alten Öfen, ungünstigen Verhältnissen und schlechtem Betriebe
betrug sie sogar nur 600 und 800 kg in 24 Stunden, wobei oft ebenso
viel Kohlen verbrannt wurden, als bei den 3000 bis 4000 kg. Man
stach alle acht bis zwölf Stunden ab, gewöhnlich fünfmal in 48 Stunden,
und zwar meist nach der sechsten und vor der siebenten Gicht. Unter
günstigen Verhältnissen brauchte man zu einem Schiffspfund Eisen
12 bis 14 Tonnen Kohlen (zu 100 kg 6 bis 7 Tonnen), bei ungünstigen
Verhältnissen 24 bis 40 Tonnen (zu 100 kg 12 bis 20 Tonnen).


Swedenborg führt dann (fol. 58) die Unglücksfälle auf, welche
beim Hochofenbetriebe zuweilen vorkamen. Sodann beschreibt er das
Ausblasen des Hochofens am Schluſs der Kampagne. Dieses war zu
jener Zeit meistens nicht dadurch bedingt, daſs der Ofen ausgebrannt
war und keinen regelmäſsigen Schmelzbetrieb mehr gestattete, sondern
dadurch, daſs der vorhandene Erz- oder Kohlenvorrat aufgehüttet
[152]Hochöfen bis 1734.
war. Beim Ausblasen verfuhr man auf verschiedenen Hütten ver-
schieden. Manche bliesen mit dem vollen Erzsatz ab, andere ver-
minderten die Erzgichten genau in demselben Verhältnis, wie man
sie beim Anblasen vermehrt hatte. War die letzte Erzgicht gesetzt
und niedergegangen, so setzte man darüber eine Gicht feuchten
Kohlenstaubes (Stübbe), um die ohnedies groſse Gichtflamme, die hoch
emporwallte, zu verringern. Das Ausblasen dauerte 18 bis 20 Stunden
und stach man währenddem noch zwei- bis dreimal ab. Sobald das
letzte Eisen aus dem Ofen abgelassen war, verstopfte man die Form-
öffnung mit Thon, so daſs keine Luft mehr in den Ofen dringen
konnte, fuhr aber noch während acht bis zehn Tagen fort, gegen die
heiſse Wand des Ofens zu blasen, um ihn abzukühlen und das Holz
der Ofenbekleidung und der Bälge vor dem Verbrennen durch das
heiſse Mauerwerk zu schützen. Denn nun suchte sich die einge-
schlossene Hitze Ausgänge durch das Mauerwerk und muſsten diese
ebenfalls durch Anblasen mit kaltem Wind gekühlt werden, um eine
Feuersbrunst zu vermeiden. An der Ofenbrust riſs man den Wall-
stein (Damm) und das Tümpeleisen weg, so daſs ein weites Loch
entstand, durch welches die Luft einströmte. Im Herd und Gestell
fand sich ein zusammengebackener Rest von Eisen und Schlacken,
der ausgebrochen wurde. Oft befand sich aber am Boden noch eine
groſse halbgefrischte Eisenmasse, die Sau — schwedisch Klot —
genannt, welche 5 bis 12 Schiffspfund (800 bis 2000 kg) wog.


So war der Bau und Betrieb der Hochöfen in den meisten Eisen-
erzgebieten Schwedens. Etwas abweichend davon war derselbe in dem
Gebiete von Dannemora, wo Louis de Geer die ersten Hochöfen
erbaut hatte. Sie bestanden ganz aus Mauerwerk und hatten keine
Holzumkleidung, wie die übrigen schwedischen Öfen. Das Rauh-
gemäuer wurde aus Graustein, das innere Mauerwerk aus Sandstein
hergestellt. Der innere Ofen war 12 bis 13½ Ellen (7,128 bis 7,425 m)
hoch, in der Gicht 6 bis 6¼ Fuſs (1,628 bis 1,756 m), im Kohlensack
7½ bis 8 Fuſs (2,227 bis 2,376 m) weit. Die Rast war 3 Ellen
(1,782 m) hoch.


Bei Loefstad hatte man einen Doppelofen, d. h. es waren zwei
Öfen in ein gemeinschaftliches Mauerwerk eingebaut. Der Abstand
zwischen beiden betrug 6 bis 7 Ellen (3,564 bis 4,158 m). Die Arbeits-
seiten beider lagen auf derselben Seite nebeneinander. Die Schmelzung
ging in denselben gut von statten und hatte der abweichende Ofen-
gang des einen Ofens keinen Einfluſs auf den andern. Der Herd
war 1½ Fuſs breit, 3 Fuſs lang (0,445 auf 0,891 m) und faſste bis zu
[153]Hochöfen bis 1734.
vier Handbreite Höhe 8 bis 9 Schiffspfund (1600 bis 1800 kg). Der
Damm und der Tümpel bestanden nur aus starken Steinen, ohne
Eisenbekleidung. Der Tümpel hielt 20 Wochen. Die Form lag bei
diesen Öfen nicht geneigt, sondern horizontal und dieses war die
wichtigste Abweichung. Sie war durch die Leichtschmelzbarkeit der
Erze ermöglicht. Die Bälge gingen etwas rascher; das Anwärmen
dauerte kürzere Zeit als bei den gewöhnlichen Öfen. Der normale
Erzsatz betrug 18 Kübel (zu 25 kg) geröstetes Erz auf 12 Tonnen
Kohle. Man stach dreimal in 24 Stunden ab, jeder Abstich gab
8 bis 10 leichte Schiffspfund (1280 bis 1600 kg), in der Woche etwa
30000 kg mit 125 Last oder 1300 Tonnen Kohlen. Die Erze waren sehr
reichhaltig. Nach Swedenborgs Angaben hätten sie 66 Proz. Eisen
gehabt.


Im Vorstehenden haben wir eine Zusammenstellung der wichtig-
sten Nachrichten Swedenborgs über Bau und Betrieb der Hochöfen
in Schweden mitgeteilt. Swedenborg hat aber auf seinen Reisen
durch Europa mit groſsem Eifer Angaben über den Eisenhüttenbetrieb
anderer Länder gesammelt und lassen wir das, was er über die Hoch-
öfen erfahren konnte, im Auszug folgen.


Die Hochöfen in Frankreich waren zu jener Zeit meist viereckig.
Swedenborg teilt folgende Dimensionen eines neuerbauten Hoch-
ofens zu Grossouvre, nicht weit von Allier, mit. Er war 25 Pariser
Fuſs (8,121 m) hoch, die quadratische Gichtöffnung hatte 2½ Fuſs
(0,812 cm) Seitenlänge, die Rast 7 Fuſs (2,274 m), der Herd war 19 bis
20 Zoll (digitos) (0,514 bis 0,541 m) hoch, 3 Fuſs (0,975 m) lang und
18 Zoll breit (0,487 m).


Dagegen waren die Hochöfen, welche der Herzog von Nevers in
dem Gebiet von Perigord von schwedischen Arbeitern für den Guſs
von Kanonen hatte erbauen lassen, wie die schwedischen Öfen rund
zugestellt. Sie waren 24 bis 26 Fuſs (7,128 bis 7,722 m) 1) hoch, in
der Gicht 2 Ellen (1,188 m) weit, der Herd war länglich, 1 Elle
(0,594 m) breit und 1½ bis 2 Ellen (0,891 bis 1,188 m) lang.


Die Hochöfen von Lüttich waren rechtwinklig zugestellt und
nur 20 Fuſs (6,497 m) hoch. Die Gichtöffnung 2 auf 3 Fuſs (0,541
auf 0,812 m), die Rast 6 auf 7 Fuſs (1,949 auf 2,274 m), die Produktion
1700 kg in 24 Stunden.


Auch die englischen Hochöfen wichen von den schwedischen
ab. Swedenborg beschreibt die bei Stourbridge in Staffordshire
[154]Hochöfen bis 1734.
näher. Dieselben waren 26 Fuſs (7,93 m) hoch. Das Rauhmauerwerk,
welches unten 12 Ellen (7,32 m) Seitenlänge hatte, war bis ein Drittel der
Höhe senkrecht aufgeführt, von da lief es nach der Spitze zusammen.
Die Gicht war 20 bis 22 Zoll (0,510 bis 0,561 m) quadratisch, vor der
Form war das Gestell 18 Zoll (0,458 m) breit und 2 Fuſs 4 Zoll (0,712 m)
lang, am Bodenstein nur 17 Zoll (0,435 m) breit und 2 Fuſs (0,610 m)
lang. Das Gestell war 5 Fuſs (1,525 m) hoch. Es war aus vier groſsen
Gestellsteinen zusammengesetzt, von denen jeder 1 bis 1½ Tonnen
wog; der gröſste bildete den Bodenstein, die drei anderen je eine
Seite. Die Form war in Stein ausgehauen und hatte nur eine eiserne
Sohlplatte.


Swedenborg beschreibt ferner einen Ofen zu „Glocester in
Sussex“ 1), von dem er eine recht unvollkommene Zeichnung (Fig. 20 2)
mitteilt; Fig. 21 zeigt das nach dem Texte verbesserte Profil. Er
nennt ihn den höchsten und berühmtesten jener Gegend. Seine
Höhe betrug 28 Fuſs (8,540 m), während die übrigen nur 24 Fuſs
(7,320 m) hoch waren. Die Gicht war 22 Zoll (0,561 m) im Quadrat,
der Umfang des Rauhgemäuers an der Gicht A 4 bis 5 Fuſs (1,220
bis 1,525 m) im Quadrat. Das Mauerwerk ging 8 Fuſs (2,440 m) senk-
recht in die Höhe, der pyramidale Teil war 20 Fuſs (6,109 m) hoch.
Im Kohlensack waren die Maſse 7½ Fuſs auf 8 Fuſs (2,288 bis 2,440 m).
Der Querschnitt war rechtwinkelig; bei anderen Öfen waren die Maſse
8 Fuſs (2,440 m) im Quadrat. Die Höhen sind in der Beschreibung
sehr unklar angegeben. Es scheint, daſs bei 24 Fuſs hohen Öfen
(Fig. 20) der Herd G 18 Zoll (0,408 m), das Obergestell G Z ebenfalls
18 Zoll (0,408 m) und die Rast E E (boshes) 4 Fuſs (1,220 m) hoch
waren. Zwischen Rast und Schacht befand sich ein richtiger Kohlen-
sack C C D D (Fig. 21) von 1½ Fuſs (0,408 m) Höhe, für den Ofenschacht
verblieb eine Höhe von 15½ Fuſs (4,728 m). Die Rast setzte sich an
das Gestell und den Schacht im scharfen Winkel an; der Rastwinkel
betrug 50 Grad. Der Herd war 5 Fuſs (1,525 m) lang, 2 Fuſs 2 Zoll
(0,661 m) breit und 1 Fuſs 6 Zoll (0,408 m) hoch. Bei den kleineren
Hochöfen, in denen Poterie und dergleichen gegossen wurde, war der
[155]Hochöfen bis 1734.
Herd nur 4 Fuſs (1,220 m) lang, 18 Zoll (0,408 m) breit und 10 bis
12 Zoll (0,254 bis 0,305 m) tief. — Bei den groſsen Öfen lieſs man
das Eisen direkt in die Guſsformen laufen, bei den kleinen wurde es
in einem Vorherd gesammelt und von da vergossen. Die gröſste
Produktion, von der Swedenborg berichtet, berechnet sich auf etwa
1600 kg in 24 Stunden. Bei den Hochöfen, welche für den Guſs von
Kanonen dienten, deren es viele in den Provinzen Kent und Sussex
gab, hatte man in früherer Zeit auch zuweilen Doppelöfen, wie in
Schweden, angewendet, doch war man davon abgekommen und wendete

Figure 25. Fig. 20.


Figure 26. Fig. 21.


statt der Doppelöfen einfache Öfen von gröſseren Dimensionen an.
Man pflegte nur im Winter Kanonen zu gieſsen, im Sommer aber
Roheisen zu machen. Die Öfen in Sussex waren etwas gröſser als
die in Kent. Zu Turnbridge in Kent konnten jede 16. Stunde
zwei Geschütze gegossen werden, deren jedes an 750 kg wog. Die
Formen wurden aus Lehm gemacht und in einer tiefen Dammgrube in
aufrechter Stellung eingestampft. Prinz Ruppert hatte zahlreiche
Versuche gemacht, die Schmelzung mit Steinkohlen vorzunehmen, es
gelang aber nicht, weil sich das Gestell des Ofens verschlackte und
das Eisen zu schwefelhaltig wurde. Auch pflegte Prinz Ruppert,
[156]Hochöfen bis 1734.
der in Metallurgie und Chemie sehr erfahren war, dem flüssigen
Eisen verschiedene Stoffe zuzusetzen, um das rasche Rosten der
Kanonen, namentlich der Seele und des Zündloches, zu verhindern.
Dies soll ihm auch bis zu einem gewissen Grade gelungen sein, so
daſs solche Geschütze sieben bis neun Jahre rostfrei blieben. Des-
gleichen versuchte er leichtere Geschütze von gleicher Widerstands-
fähigkeit zu gieſsen.


Der Hochofen zu Edswald in Norwegen war 7,128 m hoch,
Durchmesser der Gicht 1,485 m, des Kohlensacks 2,079 m, das Gestell
war nach wallonischer Art (wie in Dannemora) zugestellt. Die täg-
liche Produktion betrug nur 800 kg.


Der Ofen zu Rotenthal in Sachsen war, wie die böhmischen
Hochöfen, viereckig zugestellt und 7,20 m hoch 1). Der Herd war
55 cm lang, 30 cm breit und 30 cm hoch. Das Gestell war 1,05 m
hoch; der Kohlensack 1,80 m im Quadrat, die Gicht 0,75 m im Quadrat.


Das Ofengestell war aus sorgfältig zugehauenen Sandsteinen auf-
geführt. Man verschmolz ungeröstete böhmische Eisenerze mit ¼ Kalk-
stein. Die Tagesproduktion betrug meist etwa 1500 kg, stieg aber
ausnahmsweise bis auf 3000 kg. Die Form war von Kupfer und
konisch.


Ein anderer Ofen war 5,40 m hoch, im Gestell 45 cm breit, 75 cm
lang und 75 cm hoch, und produzierte 1200 kg.


Die Harzer Hochöfen waren nach Swedenborg 6,60 bis
7,20 m hoch, teils mit rundem, teils mit viereckigem Schacht. Der
dritte Teil des oberen Ofens war aus Ziegel-, das Übrige aus feuer-
festen Bruchsteinen erbaut. Die Form lag 0,90 m über dem Boden-
stein. Der Herd war 1,05 m lang. Aus 480 Gewichtsteilen Erz erhielt
man 100 Teile Eisen oder an 21 Proz.; die Produktion betrug bei
manchen Öfen 1400, bei manchen 1700 kg im Tage.


Auch über die Floſsöfen in den österreichischen Alpenländern
macht Swedenborg einige Mitteilungen, die wir hier nachtragen
wollen.


Die Hochöfen mit geschlossener Brust, welche in Kärnten und
Krain betrieben wurden, waren einschlieſslich der aufgebauten Esse
7,20 m hoch. Der Tiegel war am Boden 0,66 m lang und 0,60 m
breit. Die Form lag 0,36 m über der Sohle. Das Gestell erweiterte
sich nach oben, so daſs es etwa 1 m von der Sohle 0,90 m im Quadrat
[157]Hochöfen bis 1734.
hatte. Indem der Ofen fortfuhr, sich nach oben zu erweitern, ging
er allmählich in die runde Form über, in halber Höhe 2,70 m vom
Boden hatte er 1,80 m Durchmesser, von da verengerte er sich bis zur
Gicht, welche nur 0,30 m im Quadrat hatte. Diese Öfen waren mit
einem Dache überbaut. Es wurde alle 3 bis 3½ Stunden abgestochen,
die Tagesproduktion betrug etwa 1800 kg. Die Kampagne dauerte
28 bis 33 Wochen.


Ein Floſsofen im Salzburgischen hatte nach Swedenborg
folgende Maſse: Äuſsere Höhe 7,20 m 1), Bodenstein 0,90 m im Quadrat,
von da erweitert sich der Ofen etwa bis zur halben Höhe, wo er
1,80 m im Quadrat hat, wird von da bis zur Gicht, die 0,60 m im
Quadrat hat, enger. Die Gicht war überbaut; der Bodenstein nach
vorn etwas geneigt. Die Formöffnung lag 33 cm über dem Boden.
Der Ofen, der aus den besten Steinen erbaut war, hielt Hüttenreisen
von 20 bis 30 Wochen aus. Man stieg mit der Hitze und dem Erz-
satz während der ersten drei bis vier Wochen allmählich. In den
ersten Wochen schmolz man nur 80 bis 90 Centner die Woche, später
mehr, und konnte man dann 28 bis 40 Gichten, je nach der Schmelz-
barkeit des Erzes, in 24 Stunden setzen, zu entsprechend 36 bis
50 Centner geröstetem Erz und 1½ bis 2 Fuder Holzkohlen. Alle
¾ bis 1 Stunde wurde eine Gicht gesetzt, nach vier bis sechs Gichten
wurde ein „Floſs“ von 2½ bis 3 Centner Gewicht laufen gelassen. In
24 Stunden stach man sechs- bis siebenmal ab und erhielt 18 bis
20 Wiener Centner Eisen. Die Wochenproduktion betrug 126 bis
140 Centner, bei Stahlerz bis zu 200 Centner, hierzu wurde 245 bis
350 Ctr. Erz und 180 Sack (= 18 Fuder) Holzkohlen verbraucht.
Abweichend von den kärntnischen Öfen war auch die Zustellung der
Ofenbrust. Während dort das Untergestell mit einem Stein, in wel-
chem sich Eisen- und Schlackenabstich befanden, geschlossen war,
hatte man hier zwei Steine, von denen der eine rechts, in welchem
das Stichloch sich befand, höher war, nämlich 45 cm hoch, während
der Stein links nur 30 cm hoch war. Der Zwischenraum zwischen
diesem und dem oberen Stein, welcher beide bedeckte, wurde mit
Thon geschlossen. Durch diese gröſsere, nur leicht verschlossene
Öffnung lieſs man die Schlacken ablaufen und konnte durch sie
auch im Herd arbeiten. Man stach die Schlacken, welche hell-
[158]Hochöfen bis 1734.
grün, schaumig und leicht waren, vor dem Abstich des Eisens ab.
Für das Eisen bereitete man zu jedem Abstich, wie in Kärnten, ein
Bett von Sand, in das man es laufen lieſs.


Dies ist in Kürze eine Zusammenstellung der wichtigsten Angaben,
welche Swedenborg über die Hochöfen gemacht hat. Bemerkenswert
sind aber noch seine Mitteilungen über die Anwendung minerali-
scher Brennstoffe in Hochöfen
. Versuche, mit Steinkohle zu
schmelzen, waren bis dahin nur in England gemacht worden. Da-
gegen hatte man in verschiedenen Ländern versucht, Torf im Hoch-
ofen zu verwenden. Von England schreibt er: in Lancashire mischt
man Torf und Holzkohle, aber das Eisen, welches fällt, wird durch
Schwefel rotbrüchig. Auch in Schweden hatte man Proben angestellt,
und es soll gelungen sein, Eisen mit einem Zusatz von der Hälfte,
ja von zwei Drittel Torf zu schmelzen. Dieser Torf wurde aber erst
gebrannt und dadurch die schädlichen und fettigen Beimengungen
ausgetrieben. Dies geschah in einer Grube unter einer dichten Decke
von pulverförmiger Masse (tegumento denso pulvereo) und je länger
man ihn darin erhitzte (per ignem lentum et bene clausum), je besser
war es, so daſs die Torfverkohlung 32 bis 72 Tage dauerte. Aus
4000 Torfstücken erhielt man zwei Fuder gebrannten Torf. „Aber
wenn man auch Torf zum Abdampfen oder in der Küche brauchen
kann, so ist er doch wenig tauglich, sobald er mit der zu schmelzen-
den Substanz in unmittelbare Berührung kommt, und wenn man auch
zuvor durch Glühen bei langsamem Feuer und gutem Verschluſs die
schwefligen und fettigen Beimengungen ausgetrieben hat, so behält
er doch so viel Unreinigkeit zurück, daſs man nicht ohne Schaden
das Eisen damit in Berührung bringen kann, abgesehen von dem
Miſsstande des hohen Aschengehaltes.“


Swedenborg berichtet ferner in ausführlicher Weise über Ver-
suche, welche im Jahre 1726 in Schweden angestellt worden waren,
um beim Schmelzen im Hochofen die Holzkohlen teilweise durch klein-
geschnittenes gedarrtes Holz (ligna scissa semiusta seu torris) zu ersetzen.
Ähnliche Versuche waren einige Jahre zuvor angeblich mit einigem
Erfolg in Ruſsland angestellt worden. — Die schwedischen Versuche
hatten folgendes Ergebnis: der Gichtenwechsel ging bei dem Zusatz
von geschnittenem Holz rascher von statten, dagegen war der Ver-
brauch auf 100 Teile Eisen berechnet etwas gröſser und es ging mehr
Eisen in die Schlacken. Zu 100 Schiffspfund (16 Tonnen) Roheisen
wurden bei der Mischung von Kohle und kleingeschnittenem Holz,
wobei letzteres in Holzkohle umgerechnet ist, 150⅓ Last Holzkohlen
[159]Hochöfen bis 1734.
gebraucht, bei Kohlen allein dagegen nur 147 Last; an Erz muſsten
zu derselben Menge Eisen 2661 Tröge (vascula) Erz bei Anwendung
des Gemisches, dagegen nur 2591 Tröge bei dem gewöhnlichen Ver-
fahren 1) gesetzt werden. Nach diesem Ergebnis gewährt also der
Zusatz von rohem Holz keine wesentlichen Vorteile. Swedenborg
betont noch, daſs dies Holz in so kleine Stücke geschnitten werden
muſs, daſs es sich gut mit den Holzkohlen mischen läſst.


Von gröſserer Wichtigkeit ist das, was Swedenborg über die
Verwendung der Steinkohle beim Hochofenbetrieb mitteilt.


Bei seinem Bericht über den englischen Hochofenbetrieb
bemerkt er: Zeitweilig und an verschiedenen Plätzen hat man Stein-
kohle, die man zuvor zu Schlacken oder Cinders (Koks) gebrannt
oder kalciniert hatte, angewendet, aber man soll dabei stets eine
geringere Produktion gehabt haben, als mit Holzkohlen, denn
während man mit diesen 15 bis 16 Tons Eisen in der Woche schmolz,
erhielt man bei Zusatz von Koks nur 5 bis 6 Tons, abgesehen davon,
daſs das Eisen rotbrüchig und so schlecht wurde, daſs es kaum zu
irgend welchem Gebrauch geeignet war. Über die Art, wie damals die
Steinkohlen verkokt wurden, macht Swedenborg (S. 161) nähere
Angaben.


Die Verkokung sei des groſsen Schwefelgehaltes der Stein-
kohlen wegen nötig. Sie geschah in Meilern, ähnlich den Kohlen-
meilern. Auſsen herum setzte man groſse Stücke, in der Mitte machte
man einen senkrechten Kanal oder Schacht, der Gröſse des Meilers
entsprechend, und füllte denselben mit Stroh, dürrem Astholz und
anderen leicht entzündlichen Stoffen aus. Diese wurden von oben
angezündet, und verbreitete sich von da die Glut nach unten und
nach den Seiten und schreitet von innen nach auſsen vor. Wird
die Hitze an einer Stelle stärker, so daſs die Kohlen zu Asche zu
verbrennen drohen, so bedeckt man diese mit Erde oder einer staub-
förmigen Masse, wodurch das Feuer gedämpft und zurückgehalten
wird. Sind die Flammen erloschen und hat das Feuer nachgelassen,
so erscheinen die Kohlen ringsum gleichmäſsig durchgebrannt; um es
besser zu löschen, wirft man Staub darüber und verstopft den Kanal.
Auf diese Weise treibt man in England den Schwefel aus den Stein-
kohlen aus und verwandelt sie in eine Art von Asche (in cineritiam), die
aber noch Brennstoff enthält und die man „Cinder“ nennt. Sind die
[160]Hochöfen bis 1734.
Haufen ganz kalt geworden, so nimmt man die Decke ab. Die Stücke,
welche man als „charcoal“ (richtiger charred coal) bezeichnet, sollen
zur Schmelzung von Kupfer und Eisen brauchbar sein. „Daſs sie
aber für das Eisen nichts taugen, haben wir oben mitgeteilt“, nämlich
bei dem S. 130 beschriebenen Versuch im Flammofen. In diesem lieſs
sich allerdings kein Erfolg erwarten, daſs man aber damals schon
mit Nutzen Koks beim Hochofenbetrieb verwendet hatte, wissen wir
aus andern Nachrichten.


Abraham Darby, der Stammvater einer Familie von Eisenindu-
striellen, von der viele Glieder Groſses für die Eisenindustrie Englands
geleistet haben, scheint der erste gewesen zu sein, der im 18. Jahr-
hundert mit Erfolg Eisenerze mit Koks verhüttete. Er war 1677 zu
Wrens’ Nest bei Dudley in Worcestershire, dem Pachtgut seines Vaters
John Darby, geboren und kam, nachdem er herangewachsen war, bei
einem Malzdarrenmacher in die Lehre. Nachdem er, erst 21 Jahre alt,
geheiratet hatte, lieſs er sich in Bristol nieder. Er war Quäker und in
Verbindung mit drei Glaubensgenossen errichtete er ein Werk, Baptist
mills, für Mühlenbau. Einige Jahre nach Ausbruch des spanischen
Erbfolgekrieges, wahrscheinlich 1704, reiste er nach Holland, wo er
niederländische Metallgieſser anwarb, mit sich nach England brachte
und mit deren Hilfe eine Metallgieſserei zu Baptist mills errichtete.
Hier erfand er die Sandformerei, worauf wir später bei der Geschichte
der Eisengieſserei näher zurückkommen werden. Nachdem er auf dieses
Verfahren 1708 ein Patent genommen hatte, wollte er, um dasselbe aus-
zubeuten, seine Gieſserei bedeutend vergröſsern. Hiervon wollten aber
seine ängstlichen Teilhaber nichts wissen und verweigerten ihm die dafür
geforderten Mittel. Infolge dessen löste Darby, der fest entschlossen
war, sein Verfahren im Groſsen auszuführen, das Geschäftsverhältnis,
verlieſs Bristol und siedelte im Jahre 1709 nach Coalbrookdale in
Shropshire über, um mit eigenen Mitteln die Sache zu betreiben.
Coalbrookdale, welches seit dieser Zeit über hundert Jahre lang die
historisch wichtigste Eisenhütte Englands wurde, von welcher viele
bedeutsamen Verbesserungen ausgingen, war ein altes Eisenwerk.
Schon in den Zeiten der Tudors stand dort eine Eisenschmiede
(a smethe or smeth-house). Damals lag es noch mitten in einem
holzreichen Waldrevier. Wie so viele englische Eisenhütten hatte es
im Revolutionskriege schwer gelitten. 1651 gehörte es einem Wolffe
von Madeley, einem Royalisten, der nach der Schlacht von Worcester
den unglücklichen König Karl I. in einer Scheuer verbarg. Danach
kam das Werk in den Besitz eines Mr. Fox, der daselbst Kanonen-
[161]Hochöfen bis 1734.
kugeln und Handgranaten für die Regierung goſs. Durch eine Explosion
ging der Hochofen zu Grunde. Fox ging später mit Peter dem Groſsen
nach Ruſsland. Dieses verlassene Werk pachtete Abraham Darby
und zog mit seiner Familie und seinem treuen Gehilfen John Thomas
dahin über. Die Hütte lag auſserordentlich günstig, an Holz war noch
Überfluſs, Erz und Kalkstein fanden sich in der Nähe und der Bach
„Coldbrook“ hatte ein schönes Gefälle. Abraham baute einen neuen
Hochofen und richtete eine Gieſserei ein, deren Guſswaren sich bald
einen Namen machten. In den ersten Jahren war an Holzkohle kein
Mangel, aber mit dem rasch wachsenden Betriebe begann Holzmangel
einzutreten. Vielleicht waren es zunächst auch nur teure Holzpreise,
die Abraham Darby veranlaſsten, mit Steinkohlen, die ebenfalls in
nächster Nähe vorkamen, Versuche zu machen. Im Jahre 1713 begann
er mit Erfolg 1) Steinkohle im Hochofen zu verwenden; anfangs nur
als Zusatz. Er verkokte, wie es scheint, die Steinkohlen 2) und ver-
wendete anfangs den Koks gemischt mit guten Holzkohlen, später
setzte er nur Braschen (brays) und Torf zu. Aus dem Hochofen-
journal (Blast Furnace Memorandum Book), welches Darby hinter-
lassen hat, geht hervor, daſs der gebräuchliche Satz war: 5 Körbe
Koks, mit 2 Körben Braschen und einem Korb Torf, hierauf gab man
den Eisenstein und dann den Kalk auf. Aus diesem Journal geht
ferner hervor, daſs 1713 auf der Hütte zu Coalbrookdale wöchentlich
in dieser Weise 5 bis 10 Tonnen Guſswaren, Töpfe, Kessel und son-
stiger Potterieguſs (hollow ware), welche man direkt aus dem Hoch-
ofen goss, gemacht wurden; der Rest des Roheisens wurde in
Massel (pigs) gegossen. Später kamen noch andere Artikel hinzu, als
Roste, Plätteisen, Thürrahmen, Gewichte, Bankplatten, Wagenbüchsen,
Stössel und Mörser und gelegentlich auch Schneiderbügeleisen. Das
Geschäft nahm immer mehr zu, so daſs in einer Woche 150 Stück Töpfe
und Kessel gegossen wurden. 1715 verkaufte er 1/16 Anteil für 330 £,
welches 1758 allerdings für 1150 £ zurückgekauft wurde. So stand das
Werk in schönster Blüte, als beklagenswerterweise Abraham Darby
am 8. März 1717 starb. Er war erst 40 Jahre alt und hinterlieſs
eine Witwe und zwei noch unerwachsene Söhne, von denen der älteste,
mit Namen Abraham, wie sein Vater, am 12. März 1711 geboren,
Beck, Geschichte des Eisens. 11
[162]Die Eisengieſserei bis 1750.
kaum sechs Jahre alt war. Ein Schwager führte das Geschäft weiter,
aber er handelte unredlich gegen die Witwe und die Kinder und betrog
sogar verschiedene Arbeiter. In dieser traurigen Zeit muſsten mehrere
Geschäftsanteile verkauft werden. Um das Jahr 1730 übernahm der
junge Abraham, erst 19 Jahre alt, das väterliche Geschäft. Seiner
Energie gelang es, dasselbe rasch wieder zu heben. Auch nahm er
die Versuche mit Steinkohle wieder auf. Er probierte erst ein Ge-
menge von Holzkohle und roher Steinkohle, aber ohne Erfolg; als-
dann ging er dazu über, Steinkohle zu verkoken, und zwar in Haufen
oder Meilern, ganz ähnlich wie das Holz. Zu diesem Zwecke machte
er im Freien einen kreisförmigen feuerfesten Boden oder Herd als
Untergrund und baute hierauf seinen Meiler in der Weise auf, wie
Swedenborg es beschrieben hat. Die Decke machte er aus einer
Mischung von Thon und Koksstaub (cinders). Nachdem er sich einen
gehörigen Vorrath Koks auf diese Weise hergestellt hatte, begann er
seine Schmelzversuche. Sechs Tage und Nächte überwachte er selbst
das Aufgeben, wobei er kaum schlief und seine Mahlzeiten auf der
Ofengicht einnahm. Nach manchen Schwierigkeiten und Enttäuschungen
floſs am Abend des sechsten Tages das Eisen gut aus dem Ofen.
Erschöpft verfiel er in einen so tiefen Schlaf, daſs die Arbeiter ihn
nicht zu erwecken vermochten und ihn schlafend nach seiner ent-
fernten Wohnung trugen 1). 1735 wird als das Jahr bezeichnet, in
welchem es dem jüngeren Abraham Darby gelungen sei, Eisenerze
allein mit Koks im Hochofen zu schmelzen. Es scheint indes, daſs
er doch häufiger eine Mischung von Koks mit Holzkohle verwendete.


Früher schon war es gelungen, Bleierze mit Koks zu schmelzen;
1692 hatte sich eine Gesellschaft hierfür gebildet. Auch scheint das
Schmelzen der Eisenerze mit Koks, abgesehen von Dud Dudleys be-
kanntem Erfolge, schon früher in einzelnen Fällen gelungen zu sein.
Wenigstens berichtet Leigh in seiner Naturgeschichte von Lancashire,
daſs man dort kurz vor 1700 Eisen mit Steinkohle gemacht habe.
Auch schmolz man um diese Zeit bereits Zinn- und Kupfererze mit
Steinkohlen. Nach Blewstones Patent von 1677 war erst 1692 wieder
ein Patent an einen Thomas Addison für die Herstellung von Eisen mit
Steinkohlen ertheilt worden 2). Von einem Erfolge verlautet aber nichts.


[163]Die Eisengieſserei bis 1750.

Alle englischen Schriftsteller sind darüber einig, daſs das wichtige
Problem der Verhüttung der Eisenerze im Hochofen mit Koks in er-
folgreicher Weise zuerst zu Coalbrookdale gelöst worden ist. Daſs dies
aber nur langsam und ganz allmählich geschah, geht aus den wider-
sprechenden Angaben, wem das Verdienst dafür zuzuschreiben sei,
hervor. Es scheint auch dem jüngeren Abraham Darby 1735 noch
nicht gelungen zu sein, Koks allein dauernd mit Vorteil im Hochofen
zu verwenden; vielmehr scheint dies erst sein Schwiegersohn Richard
Ford in den 40 er Jahren erreicht zu haben. Von ihm schreibt
Professor Mason in einem Briefe, welcher in den Philosophical
Transactions von 1747 (S. 370) abgedruckt ist: Man hat verschiedene
Versuche gemacht, Eisenerz mit Steinkohlen zu schmelzen. Ich war
der Meinung, es sei dies nirgends geraten, aber ich finde, daſs Mr. Ford
von Coalbrookdale in Shropshire aus Eisenstein und Kohle, welche
beide in demselben Thal gewonnen werden können, hartes und weiches
Eisen macht, wie er es haben will. Man hat Kanonen daraus ge-
gossen, die so weich waren, daſs sie sich bohren lieſsen wie Schmiede-
eisen.


Also auch von der Wissenschaft war die vollkommene Lösung dieser
für die englische Eisenindustrie und für den englischen National-
wohlstand so überaus wichtigen Frage im Jahre 1747 anerkannt. Aber
die Einführung in die Praxis erfolgte nur sehr langsam. Nutzen
wurde dabei erst nach der Anwendung stärkerer Gebläse erzielt.
Hierauf werden wir später zurückkommen.


Die Eisengieſserei bis 1750.


Die Erfindung des Kastengusses im nassen Sand zu Anfang des
18. Jahrhunderts war ein wichtiger Fortschritt in dem Eisengieſserei-
gewerbe. Die Kunst der Herstellung der Guſsformen war von dem
älteren Bronzeguſs auf den Eisenguſs übertragen worden. War dies
anfänglich ein groſser Vorteil, indem dadurch die Eisengieſserei gleich
mit einer gewissen Vollkommenheit in die Praxis eintrat, so lag doch
auch ein Nachteil darin, insofern als die überlieferte Formkunst der
Entfaltung der Eisengieſserei Beschränkungen auferlegte, die ihre
natürliche Entwickelung hemmten. Bei dem Bronzeguſs, bei dem der
11*
[164]Die Eisengieſserei bis 1750.
Wert des Stoffes und des Erzeugnisses ein höherer war, kamen die
Kosten der Herstellung der Formen nicht so sehr in Betracht, und
zwar um so weniger, als die Gegenstände mehr in das Gebiet des
Kunstgusses fielen. Deshalb lag kein Grund vor, beim Bronzeguſs
die Lehmformerei, welche das überlieferte Verfahren für die Her-
stellung geschlossener Formen war, zu verlassen. Anders verhielt es
sich beim Eisenguſs, bei dem die Billigkeit des Produktes haupt-
sächlich maſsgebend war; denn nur durch ihre Billigkeit konnten die
Eisenguſswaren die Bronzeguſswaren verdrängen und sich gröſseren
Absatz verschaffen. Dem stand das kostspielige Verfahren, welches
auch beim Eisenguſs das überlieferte und einzig bekannte Verfahren
der Herstellung geschlossener Formen war, die Form aus Lehm her-
zustellen, im Wege. Es war deshalb ein wichtiger Fortschritt, als
Abraham Darby 1708 in England die Kastenformerei im nassen Sand
erfand. Durchaus neu war dieses Formverfahren nicht. Man kannte
nicht nur bereits das Formen nach Modellen in fetter Erde in Form-
kasten, die sogenannte Massenformerei, welche man, wie Reaumur
mitteilt, für kleinere verzierte Gegenstände aus Guſseisen anwendete,
sondern Biringuccio hatte auch bereits das Formen in nassem Sand
beschrieben (s. Bd. II, S. 292) und für ordinäre kleine Bronzeguſswaren
empfohlen. Diese Mitteilung war aber, wie es scheint, unbeachtet
geblieben und scheint dieses Verfahren vor Darbys Erfindung beim
Eisenguſs nicht zur Anwendung gekommen zu sein. Für die Eisen-
gieſserei war Darbys Verfahren deshalb ein wichtiger Fortschritt.


Wir haben oben berichtet, daſs Abraham Darby sich mit Hilfe
einiger Geschäftsleute bei Bristol in einer Mühle, Baptist mills, eine
Werkstätte zunächst für Mühlenbau eingerichtet hatte. Nun war
damals in England das guſseiserne Kochgeschirr, welches von den
Niederlanden und Deutschland eingeführt wurde, in Gebrauch ge-
kommen. Durch den Ausbruch des spanischen Erbfolgekrieges, wo-
durch die Eisengieſsereien in den Niederlanden eingestellt werden
muſsten, erfuhren die eisernen Kochtöpfe eine bedeutende Preis-
erhöhung. In England konnte man diese Art von Guſswaren damals
noch nicht gieſsen. Abraham Darby erkannte die Bedeutung dieses
Artikels, der damals als „Hiltonware“ in England bekannt war, reiste
nach den Niederlanden, warb Metallgieſser an und gründete in Baptist
mills eine Eisengieſserei, um eisernes Geschirr (Poterie) zu gieſsen. Er
und seine niederländischen Gieſser verfuhren dabei wie beim Erz-
guſs, drehten die Formen in Lehm, wahrscheinlich sehr dünn, und
gossen infolge dessen alles fehl. Ein Schäferjunge, John Thomas,
[165]Die Eisengieſserei bis 1750.
welcher als Gehilfe angenommen war und einen offenen Kopf hatte,
soll Darby zuerst veranlaſst haben, die Formen statt in Lehm in
Formsand nach Modellen herzustellen. Darby versuchte es, hatte
Erfolg damit und verlegte sich nun auf den Sandguſs, was er, um
sein Geheimnis zu bewahren, bei verschlossenen Thüren und Fenstern
und verstopften Schlüssellöchern that. Den früheren Schäferjungen
nahm er in sein Geschäft, und John Thomas und dessen Nachkommen
waren von 1709 bis 1828 die vertrauten und treuen Beamten der
Familie Darby. 1708 hatte Abraham ein Patent auf sein Verfahren
genommen, dessen Wortlaut einen klaren Einblick in den damaligen
Stand der Eisengieſserei in England gewährt. Es heiſst darin: „In
Anbetracht, daſs unser getreuer und sehr geliebter Abraham Darby,
von unserer Stadt Bristol, Schmied, durch sein Gesuch ehrfurchtsvoll
vorgestellt hat, daſs er durch sein Studium, seinen Fleiſs und seine
Auslagen eine neue Art ausfindig gemacht und vervollkommnet hat,
bauchige Töpfe und andere bauchige Waren nur in Sand zu gieſsen,
ohne Lehm oder Thon, wodurch solche eiserne Töpfe oder Waren
schöner, leichter und geschwinder gegossen und billiger geliefert werden
können, als auf dem gewöhnlichen Wege; in Anbetracht, daſs die
Billigkeit des Gusses aber von groſsem Vorteil für die Armen in
unserem Königreich, welche dieselben am meisten benutzen, sein wird
und dies aller Wahrscheinlichkeit nach die englischen Kaufleute davon
abhalten wird, fremde Märkte wegen solcher Waren, wovon jetzt
groſse Massen eingeführt werden, aufzusuchen, vielmehr gleicherweise
im Laufe der Zeit andere Märkte mit den Produkten unseres Reiches
versehen werden können etc. etc., gewähren wir dem genannten Abraham
Darby die volle Gewalt und das alleinige Privileg, solche Töpfe und
Waren zu machen und zu verkaufen für den Zeitraum von 14 Jahren
von jetzt an“.


Darby, überzeugt von der Bedeutung seiner Erfindung, beab-
sichtigte die Baptist mills bedeutend zu vergröſsern, stieſs aber, wie
oben schon mitgeteilt, auf den Widerstand seiner ängstlichen Ge-
schäftsteilhaber, die sich weigerten, die Mittel dafür herzugeben.
Entschlossen, sein Projekt auszubeuten, verlieſs er Bristol und
gründete die berühmte Eisengieſserei zu Coalbrookdale, deren Erzeug-
nisse sich bald in ganz England hohen Ruf erwarben.


Das Gieſsen selbst geschah im Anfang des 18. Jahrhunderts
fast ausschlieſslich direkt aus den Hochöfen. Man betrieb solche zu-
weilen nur auf Guſswaren. Häufiger aber dienten die Öfen zur Er-
zeugung von Frischereieisen und wurden nur ab und zu, je nach
[166]Die Eisengieſserei bis 1750.
Bedarf, auf Gieſsereieisen zur Herstellung von Guſswaren umgestellt.
Swedenborg empfiehlt, wie schon erwähnt, dies am Schlusse der
Kampagne zu thun, um den Schmelzofen zu schonen und den Betrieb
nicht zu stören. Denn man ändere zu diesem Zwecke den Erzsatz,
indem man für schwere Guſsstücke gröſsere Gichten setze, wodurch
leicht Versetzungen entstünden oder für leichte Guſswaren kleinere
Erzgichten setze, wodurch das Eisen hitziger werde und die Ofen-
wände mehr angreife.


Bei den Hochöfen, die hauptsächlich auf Guſswaren betrieben
wurden, unterscheidet er diejenigen, bei welchen das Eisen abgestochen
und durch Rinnen in die Formen geleitet wurde und solche, bei
denen das Eisen mit Kellen aus dem Vorherd geschöpft wurde.
Erstere dienten für groſse Guſsstücke, namentlich für Geschütze,
letztere für kleinere Guſswaren. Die Öfen für Geschützguſs waren
gröſser, ja man baute in Schweden und in England für diesen
Zweck Doppelöfen. In Kent und Sussex in England waren diese
aber bereits wieder verlassen und durch gröſsere Einzelöfen ersetzt
worden. In Frankreich und besonders in Deutschland und den Nieder-
landen stand die Hochofengieſserei für kleinere Guſswaren in hoher
Blüte.


Die Herstellung von Guſswaren durch Umschmelzen von Roh-
eisen, die Fabrikation von Guſswaren zweiter Schmelzung war
dagegen noch sehr wenig bekannt und auf den Eisenhütten selbst
nicht in Anwendung. Swedenborg erwähnt diese Art der Eisen-
gieſserei, die damals, wie es scheint, nur in Frankreich und Italien in
groſsen Städten oder als Hausierbetrieb für Herstellung kleiner Gegen-
stände bekannt war, gar nicht.


Reaumur dagegen hatte eine genaue Kenntnis der Eisengieſserei
zweiter Schmelzung und hat dieselbe durch eigene Erfindungen ver-
bessert. Er hatte so groſse Liebhaberei an dieser Kunst, daſs er sich in
seinem Hof eine kleine Gieſserei mit von ihm erfundenen Sturzöfchen
einrichtete. Er betrieb dieselbe hauptsächlich wegen seiner Unter-
suchungen und Versuche über schmiedbaren Guſs und hat seine
Erfahrungen auch meistens in seiner Arbeit über diesen Gegenstand
mitgeteilt.


Reaumur hat auch zuerst die Eisengieſserei vom wissenschaft-
lichen Standpunkte aus behandelt und zunächst eine Kritik des Roh-
materials und eine genaue Beschreibung der verschiedenen Roheisen-
sorten und ihre Verwendbarkeit für den Guſs geliefert. Er unter-
schied nicht nur die Hauptgruppen: weiſses, graues und halbiertes
[167]Die Eisengieſserei bis 1750.
Roheisen, sondern bei diesen wieder zahlreiche Untergruppen, wie
weiſsstrahlig, dichtweiſs, luckigweiſs, feinkörnig grau, grobkörnig grau,
blätterig grau, blätterig schwarz. Er untersuchte den Bruch mit der
Lupe und dem Mikroskop und stellte die charakteristischen Bruch-
flächen in Zeichnung und Kupferstich dar.


Ihm gebührt das Verdienst, zuerst auf die hervorragende Be-
deutung des grauen Roheisens für Herstellung von Guſswaren hin-
gewiesen und die Gründe dafür entwickelt zu haben. In einem be-
sonderen Mémoire 1) verfocht er die These, daſs das Eisen unter allen
Metallen sich am vollkommensten in Formen gieſsen lasse, und zwar
deshalb, weil es nach angestellten Versuchen das einzige Metall sei,
welches die Formen vollständig ausfülle, indem graues Roheisen beim
Erstarren nicht schwinde, sondern sich sogar etwas ausdehne, wäh-
rend alle übrigen Metalle sich hierbei zusammenziehen. Dies sähe
man schon daran, daſs die Guſstrichter von grauem Guſseisen konvexe
Oberfläche haben, während die aller anderen Metalle konkav sind.
Dies gehe auch daraus hervor, daſs festes Eisen auf flüssigem von
gleicher Zusammensetzung schwimme, während sich die anderen Me-
talle, Wismut ausgenommen, umgekehrt verhalten. Diese interessante
Erscheinung hat er durch eine Reihe von Versuchen bestätigt. Graues
Eisen schwimmt nach Reaumur leichter als weiſses; taucht man
das schwimmende Stück von festem, grauem Eisen in dem flüssigen
Eisen unter, so kommt es wieder an die Oberfläche.


Das Roheisen wird durch Umschmelzen härter. Will man ihm
seine Weichheit erhalten, so muſs man die Tiegel, in denen man es
schmilzt, gut mit Holzkohlen oder mit einem Gemenge von Holz-
kohlen und Knochenkohlen zu gleichen Teilen ausfüllen. Auch erwies
sich ein Zusatz von 1/20 bis 1/40 Sublimat (sublimé corrosive) als
günstig. Andere Stoffe dagegen bewirkten das Gegenteil und machten
das graue Eisen weiſs. Überhaupt geht graues Eisen leicht in weiſses
über, wie z. B. schon durch rasches Abkühlen. Reaumurs Ver-
suche, Eisen dadurch weicher zu machen, daſs man ihm im flüssigen
Zustande verschiedene Stoffe einrührte, waren ohne Erfolg, in den
meisten Fällen wurde das Eisen dadurch hart. Ebenso wird das
Eisen weiſs, wenn man Schmiedeeisen oder aduzierten Guſs mit grauem
Guſseisen zusammenschmilzt. Dem allzu grauen Eisen kann man
eine schöne Farbe geben, ohne ihm seine Weichheit zu nehmen, wenn
man es mit etwas Alaun schmilzt. Im allgemeinen hält Reaumur
[168]Die Eisengieſserei bis 1750.
den Übergang von grauem Roheisen in weiſses für analog der Ver-
wandlung des weichen Stahls in harten durch die Stahlhärtung (trempe).
Doch hält er weiſses Eisen für eine reinere Form des Roheisens, was
ihm durch das Weiſswerden des Eisens beim Schmelzen an der Luft
unter Abscheidung von Schlacke bewiesen erscheint.


Reaumur unterscheidet zwei Arten des Einschmelzens des
Eisens: 1. das Einschmelzen in Gefäſsen, deren Wände von dem
Feuer umgeben sind — das Tiegelschmelzen — und 2. das Ein-
schmelzen in unmittelbarer Berührung mit dem Brennmaterial.


Das Einschmelzen in Tiegeln geschieht in kleinen Gebläseöfen,
wie beim Kupferschmelzen, man braucht dazu nur längere Zeit. Die
Schmelzung geht schneller von statten, wenn das Roh- oder Bruch-
eisen in kleine Stückchen zerschlagen ist. Man kann 15 bis 20 kg

Figure 27. Fig. 22.


in einem Tiegel
schmelzen. Die Öfen
macht man klein
oder groſs, festste-
hend oder tragbar.


Einen Ofen letz-
terer Art, der ein-
fach aus mehreren
Lagen gebrannter,
feuerfester Form-
steine bestand, hatte
Reaumur für seine
Schmelzversuche in
seinem Garten aufgestellt. Fig. 22 zeigt die ganze Einrichtung;
f ist der Schmelzofen, h der Blasebalg, welcher auf dem fahrbaren
Gestell i befestigt ist; k ist eine Feldschmiede und rechts ist ein
Arbeiter dargestellt, der einen Tiegel mit flüssigem Eisen, den er
mit einer Zange gefaſst hat, in einen mit Holzrahmen zusammen-
geschraubten Formkasten n ausgieſst. Es empfehle sich, das Guſs-
eisen, welches man einschmelzen will, heiſs in den Tiegel einzutragen,
namentlich soll man dasjenige, welches man nachsetzte, vorwärmen.
Flammöfen, wie man solche beim Guſs von Glocken oder Bronze-
kanonen anwendet, benutzte man bei der Eisengieſserei damals noch
nicht und waren diejenigen, die darin Erfahrung hatten, der Ansicht,
daſs die Hitze zum Eisenschmelzen nicht ausreiche. Reaumur zweifelt
aber nicht, daſs man durch Verbesserungen dies erreichen könne,
wenn es erforderlich würde, was aber vorläufig nicht der Fall sei,
[169]Die Eisengieſserei bis 1750.
weil man das Eisen in jeder Art von Gebläseöfen einschmelzen könne.
Dagegen weist Reaumur bereits ganz bestimmt auf unsere Kupol-
öfen hin, indem er sagt 1): Öfen, welche nach demselben Prinzip kon-
struiert wären, wie unsere Erzschmelzöfen, nur kleiner, und deren
Hitze noch gröſser wäre, würden sich sehr gut eignen, um groſse
Massen von Eisen auf einmal zur Schmelzung zu bringen. Um ihre
Wirkung noch gröſser zu machen als die der Erzschmelzöfen, käme
es nur darauf an, eine noch gröſsere Menge von Wind ununterbrochen
einzublasen. Obgleich nun, fährt er fort, alle Kupferschmelzer heut-
zutage wohl imstande wären, in ihren Schmelzöfen auch Eisen zu
schmelzen, so geschieht dies doch nicht, weil Rohguſsstücke dieser
Art nur wenig verlangt werden. Dagegen giebt es eine Sorte von
Schmelzern, welche täglich Eisen und kaum je ein anderes Metall
gieſsen. Ihre Zahl ist nicht groſs und ich weiſs nicht, ob mehr als
zwei bis drei gleichzeitig in Paris waren; gegenwärtig giebt es, so
viel ich weiſs, nur einen. Diese Art von Gieſser ziehen im Lande
umher, von einer Provinz zur anderen, sie machen Gewichte, allerhand
Plättchen, manchmal gieſsen sie Kochtöpfe mit Füſsen (marmites),
manchmal flicken sie sie nur: hat ein Topf einen Fuſs verloren, so
gieſsen sie einen neuen daran. Weil nun diese Art des Eisengusses
weniger verbreitet und weniger bekannt ist, und sie doch für die
Folge von groſsem Nutzen sein kann, so habe ich mir vorgenommen,
sie in dieser Denkschrift genau zu beschreiben, wie sie heute betrieben
wird, damit man sie anwenden kann, wie sie jetzt ist oder sich bemüht,
sie zu vervollkommnen.


Das alte Guſseisen ist nicht teuer; um es aber noch billiger zu
haben, ziehen Leute auf den Dörfern herum, um die Bruchstücke zu
kaufen und sie dann den Schmelzern zu verkaufen. Auf dem Lande
wird dieser Handel kaum mit barem Gelde betrieben; so kauft man
in der Umgegend von Paris das alte Eisen gegen Äpfel ein: ein
Mann mit einer Wage in der Hand führt ein Pferd, welches mit
recht geringem Obst beladen ist, und wiegt für das Eisen Äpfel hin.
In Paris haben die Lumpensammler, welche hier dieses Geschäft be-
treiben, auch ihr besonderes Zahlmittel, sie geben nämlich den Parisern
Nadeln dafür. In Paris giebt es Vorrat genug davon, als alte Koch-
töpfe, Kaminplatten und besonders Wasserleitungsröhren. Ich habe
nie gesehen, daſs man mehr als einen Sou für das Pfund bezahlt
hätte und oft bekommt man es für weniger als zwei Heller (liards).
[170]Die Eisengieſserei bis 1750.
Jedenfalls wird auch in der Folge daran kein Mangel sein. Am
besten gieſst man es erst zu dünnen Plättchen aus, die man besser
in gleiche Stückchen zerschlagen kann.


Was nun den Schmelzofen betrifft, so erinnert derselbe in der
Gestalt an einen kleinen Hochofen; aber er ist noch kleiner, als der,
den wir empfehlen wollen, und hat den Nachteil, daſs er bei jedem
Guſs umgestürzt und bei dem folgenden Guſs neu aufgebaut werden
muſs. Er besteht (Fig. 23) nämlich aus zwei Teilen, aus einer Art
von Tiegel [poche 1) genannt] und aus einem konischen Schacht (la

Figure 28. Fig. 23.


manche), welchen man darauf setzt. Für den
Tiegel nimmt man oft einen alten eisernen
Topf, den man etwa 1½ Zoll mit sandigem
Lehm auskleidet. Will man ihn aber öfter be-
nutzen, so muſs man ihn mit gutem, feuerfestem
Thon auskleiden. Der Tiegel hat ebenso wie
der Schacht einen aufeinander passenden, halb-
kreisförmigen Ausschnitt, welcher die Form-
öffnung bildet. Den Schacht oder Sturz um-
kleidet man auch mit Eisen, wozu sich die
Gieſser zuweilen mehrerer alter Töpfe ohne
Böden bedienen, besser ist aber, ihn von Blech
zu machen. Man macht ihn ungefähr 15 bis
16 Zoll (40 bis 44 cm) hoch. Im Inneren wird
er ebenso wie der Untersatz ausgekleidet. Der
Wind wird durch zwei Blasebälge, und zwar in
der unvollkommenen Weise, wie es in Fig. 24
dargestellt ist, erzeugt. Die Blasebälge be-
kommen eine geneigte Stellung, so daſs der
Wind etwa die gegenüberliegende Kante des
Bodens trifft. Den Boden unter dem Ofen und den Bälgen macht
man aus Kohlenstübbe mit Schlacke vermischt und gräbt den
Tiegel (la poche) darin ein, doch setzt man ihn nicht direkt in das
Loch, sondern, um das spätere Aufheben und Ausgieſsen zu erleichtern,
in einen eisernen Löffel, der aus einem Ring mit einem Stiel und
mehreren Bändern gebildet ist und einen Henkel hat (Fig. 25).
Die Form ist von Eisen, in diese münden die beiden Düsen der Blase-
bälge. Man macht rings um den Ofen einen erhöhten Kranz von
Stübbe, welcher die aus der Fuge zwischen Tiegel und Sturz aus-
[171]Die Eisengieſserei bis 1750.
schlagende Flamme zurückhält. Ist der Ofen fertig aufgestellt, so
wirft man glühende Kohlen ein, darüber schwarze und beginnt zu
blasen. Man giebt Kohlen nach, bis der Ofen heiſs genug ist und wirft

Figure 29. Fig. 24.


alsdann oben eine Lage Brucheisen auf. Die Eisenstückchen haben
die Gröſse eines Thalers. Man füllt dann wieder Kohlen nach; sind
diese 2 bis 3 Zoll heruntergebrannt, so rührt man sie mit einer eiser-
nen Stange zusammen, füllt bis oben hin Kohlen nach und giebt eine

Figure 30. Fig. 25.


neue Charge Eisen auf. Während des Schmelzens beobachtet man
die Form und reinigt dieselbe, so oft sich Ansätze bilden. Die Form
„soll klar sein wie der Mond“, wie die Gieſser sagen. Man fährt mit
Aufgeben fort, bis das gewünschte Quantum eingesetzt ist und bläst
[172]Die Eisengieſserei bis 1750.
dann nieder, wobei man öfter von oben in den Kohlen rührt, daſs
kein Stückchen Eisen im Schacht hängen bleibt. Ist alles richtig
niedergeschmolzen, so entfernt man ringsum die Kohlenstübbe und
stürzt den Schacht (Turm oder Sturz) um. Der Tiegel mit dem
geschmolzenen Eisen liegt nun frei. Man hebt ihn, um ihn auszu-
gieſsen, mit dem eisernen Löffelgestell auf, und zwar, indem man
eine Eisenstange durch den Henkel steckt, mit den Händen, oder
besser mit Hilfe eines Hebels und einer Kette mit einem Haken, wie
es Fig. 25 zeigt, wobei das Gewicht des Tiegels mit Inhalt durch ein
Laufgewicht auf der andern Seite balanziert wird. Die Formen,
welche zum Gieſsen fertig, mit Gewichten beschwert sind oder mit
einem Holzrahmen mit Schrauben zusammengepreſst werden, hat man

Figure 31. Fig. 26.


Figure 32. Fig. 27.


inzwischen an ihren
richtigen Platz unter
dem Tiegel gebracht.
Ehe man ausgieſst,
wird das flüssige Eisen
im Tiegel gereinigt,
dadurch, daſs man es
von der Schlacken-
kruste befreit. Die Rei-
nigung beschleunigt
man, indem man
mit einem um einen
Stock gewickelten nas-
sen Lappen Wasser
aufspritzt und die entstandene Schlackenhaut abzieht. Dies wieder-
holt man sieben- bis achtmal. Dann ist die metallische Oberfläche
ganz rein und man gieſst aus.


Dieser Ofen war, wie die Beschreibung zeigt, recht unvollkommen
und Reaumur schlägt eine Reihe von Verbesserungen vor. Der
Mantel soll von Blech gemacht werden, durch das man überall Nägel
schlägt, damit deren Spitzen dem Thonfutter einen besseren Halt
geben. Statt dessen macht man noch besser Gerippe von dünnen
Eisenstäben. Bei dem des Schachtes sind die Stäbchen unten und
oben winkelig umgebogen und werden durch Ringe zusammen-
gehalten (Fig. 26). Bei dem Tiegel hat das Gerippe die Gestalt
eines konischen Korbes, dessen Stäbe unten in einer Spitze zusammen-
laufen, oben durch einen Ring gehalten sind. Diese Rippenwerke
sind ganz von dem Thon, der das Schachtfutter bildet, umgeben und
[173]Die Eisengieſserei bis 1750.
davon wenigstens einen Zoll dick bedeckt (Fig. 27). Die beiden
Teile sind durch eiserne Stäbe zusammen verankert. Statt den Ofen
in den Boden einzugraben, macht Reaumur seinen Ofen so, daſs
er frei in der Luft an zwei Zapfen, welche in einem festen oder fahr-
baren Gestell lagern (Fig. 28), hängt. Das Öfchen sieht aus wie ein
aufgerichtetes Kanonenrohr. Durch diese Art der Aufhängung wird
es möglich, durch Neigen des Ofens das flüssige Eisen durch das
Abstichloch, welches sich der Formöffnung gegenüber befindet, abzu-
lassen (Fig. 29), nachdem man zuvor, ehe man den Ofen neigt,
Schlacke und Kohlen durch das geöffnete Stichloch herausgezogen hat.
Es ist nicht nötig, den Schacht jedesmal abzuwerfen, und man kann
ohne groſsen Wärmeverlust das Einschmelzen sofort von neuem be-
ginnen; man kann also, so zu sagen, einen kontinuierlichen Schmelz-

Figure 33. Fig. 28.


betrieb führen. Dieser Ofen hat
einerseits groſse Verwandtschaft
mit unseren Kupolöfen, anderer-
seits erinnert er auch an unsere
Bessemerbirne. Beide Ofenarten
finden sich in Reaumurs Gieſs-
ofen kombiniert. Die beträchtliche
Kohlenersparnis bei diesen Öfen
gegenüber den vorher beschriebenen
ist einleuchtend.


Während man bei der vorbe-
schriebenen Konstruktion das Eisen
zu den Formen tragen muſs, trägt
man hier die Formen zu dem Ofen.
Um das Eingieſsen zu erleichtern,
bedient man sich kleiner Einlauftrichter von gebranntem Thon. Fig. 28
zeigt das Öfchen während des Schmelzens, Fig. 29 (a. f. S.) während
des Ausgieſsens. Man kann diese Art Öfen auch gröſser machen und
sie dann mit zwei Blasebälgen betreiben. Doch eignen sich solche
Öfen nur für gröſsere Guſsstücke; für kleinere Ware wird das Aus-
gieſsen zu beschwerlich, diese gieſst man daher besser aus Tiegeln.
Bei ganz groſsen Stücken läſst man am besten das Metall durch
Rinnen in die Formen laufen oder man bedient sich eiserner Gieſs-
pfannen oder Löffel.


Die Gieſser jener Zeit wendeten meist nur hölzerne Formkasten,
Rahmen oder Laden an, die auſsen durch einen Holzrahmen zusammen-
geschraubt wurden. Reaumur empfiehlt sehr eiserne Formkasten,
[174]Eisen- und Stahlfrischen.
welche neben der gröſseren Dauerhaftigkeit und der Unverbrennlich-
keit noch viele andere Vorteile haben; besonders wenn man, was er
für sehr wichtig hält, die Formen scharf trocknet. Er beschreibt die
Einrichtung der eisernen Formkasten genau, ihre Führung in Zapfen
und Löcher und ihre Verbindung mit Klammern und Schrauben 1).
Er erwähnt, daſs manche ihre groſsen Kasten, um Geld und Gewicht
zu sparen, aus Rahmen von Holz herstellten und nur die Traversen
aus Eisen machten. Diese Formkasten dienten für Sand- und Massen-
formerei, sowie für Lehmguſs. Letzterer war zu Reaumurs Zeit
für Poterieguſs in Frankreich noch ausschlieſslich im Gebrauch. Aber
Reaumur war durchaus vertraut mit der Herstellung der Formen in

Figure 34. Fig. 29.


feuchtem Sand 2). Er erwähnt, daſs manche Hütten dieselben Gegenstände
in Lehm oder in Sand formten, je nachdem ihnen das eine oder andere
Material mehr zur Verfügung stände. In Paris beziehe man den Form-
sand von Fontenoy-aux-Roses, und es stelle sich die einspännige Fuhre
auf 40 bis 60 Sous. Habe man keinen guten Formsand, so könne man
sich denselben künstlich bereiten. Am besten poche man den Sand naſs,
und setze ihm, wenn er zu mager sei, geschlämmten Thon zu 3). Man
prüfe die Bindekraft des Formsandes, indem man einen gegebenen,
damit ausgeschlagenen Kasten mit Gewichten belaste. Der Guſs
werde weicher, wenn man die Form aus trockenem Kalk, Kreide oder
[175]Eisen- und Stahlfrischen.
Knochenkohle herstelle. Auf das Trocknen der Formen legt Reaumur
den gröſsten Wert und schlägt vor, besondere Trockenöfen dafür zu
bauen. Diese sollten die Gestalt von Kammern haben und stelle
man die Formen darin hochkant auf- und übereinander, ähnlich wie
die Backsteine in einem Ziegelofen, und sollte auch die Feuerung
ähnlich wie bei diesem sein. Auch fetten Sand (Masse) und Lehm
könne man sich künstlich bereiten aus entsprechenden Mischungen
von Thon und Sand. Sehr gut sei eine Beimengung von Graphit.
Den Lehm vermische man mit Pferdemist, um das Zusammenziehen
und Reiſsen desselben zu verhindern. Besonders weichen Guſs erziele
man, wenn man die aus fettem Sand in eisernen Kasten hergestellten
Formen in dem Trockenofen bis zur Rotglut erhitze, in die heiſsen
Formen, womöglich im Trockenofen selbst, eingieſse, und dann noch
etwas nachglühe und die Formen dann langsam erkalten lasse. Dies sei
besonders für Feinguſs zu empfehlen. Metallformen (Coquillen)
machten den Guſs immer hart, wenn man dieselben auch vorher
stark erhitzt habe, seien also auch nur für harten Guſs anwendbar.


So giebt Reaumur eine Reihe praktischer Vorschriften für die
Eisengieſserei, die zum Teil heute noch beachtenswert sind und groſses
historisches Interesse haben, um so mehr, da wir sonst nur sehr
spärliche Nachrichten über die Eisengieſserei aus der ersten Hälfte
des 18. Jahrhunderts haben.


Wir fügen hier noch eine Notiz über verbesserte eiserne Stuben-
öfen und Zimmerheizung in Frankreich aus jener Zeit an.


Der Kardinal von Polignac beschrieb 1713 in der von ihm unter
dem angenommenen Namen Gauge herausgegebenen Mechanique du
feu seine Erfahrungen über die Cirkulation der Wärme, über die
Mittel, mit einem Feuer mehrere Zimmer zu erwärmen und die Wärme
durch elliptische Krümmung zurückzuwerfen, ferner einen Kamin, bei
dem die Rückenwand, der Feuerherd und die beiden Seitenwände
von hohlen Eisenplatten umgeben waren, um die Luft zu erwärmen,
welche ins Zimmer eindringen soll.


Eisen- und Stahlfrischen.


Das in den Hochöfen geschmolzene Roheisen wurde in Herdöfen
verfrischt und dadurch in Schmiedeeisen oder Stahl ver-
wandelt.


[176]Eisen- und Stahlfrischen.

Zwei Hauptverfahren hatten in Europa Verbreitung gefunden,
die deutsche Frischmethode, welche in Deutschland und dem
östlichen Europa, und die französische oder Wallonschmiede,
welche in Frankreich, Belgien und England im Gebrauch war. In
Schweden war der Hochofenbetrieb und der Frischprozeſs von
Deutschen eingeführt worden, deshalb hatte die deutsche Frisch-
methode (Tyska Smidet) dort zuerst Eingang und Anwendung gefunden.
Später war in der Provinz Roslagen zu Dannemora von Louis van
Geer
die Wallonschmiede (Fransyska Smidet) eingeführt worden.


Figure 35. Fig. 30.

Swedenborg beschreibt beide ausführlich und sind diese ersten
gründlichen, fachmännischen Darstellungen der beiden Frischmethoden
von besonderem geschichtlichen Interesse. In Fig. 30 hat er einen
deutschen Frischfeuerbau abgebildet. Die besseren deutschen Frisch-
herde bestanden zu Swedenborgs Zeit aus einem gemauerten Unterbau,
der etwa 2,40 m lang und 2,10 m breit war. In diesem war das
eigentliche Feuer mit eiserner Bodenplatte und drei eisernen Seiten-
zacken, während die gemauerte Rückwand die vierte Seite abschloſs,
eingebaut. Der ganze Herd war überbaut mit einer Esse, und zwar
[177]Eisen- und Stahlfrischen.
so, daſs die Rückwand und die Formwand als geschlossene Mauern
aufgeführt waren, während die beiden anderen Seiten offen blieben
und die Esse an der einen Ecke durch einen freistehenden Pfeiler
getragen wurde. Dieser Pfeiler war zuweilen aus Holz, zuweilen aus
Eisen oder Mauerwerk, in den meisten Fällen aber war er aus abgängigen
alten eisernen Amboſsen und Hämmern zusammengesetzt, wie auch
auf der andern Seite, da wo das Frischfeuer eingebaut war, meistens
ein altes Hammereisen so eingebaut war, daſs sein Auge zugleich das
Schlackenloch bildete. Diese in Schweden damals allgemein übliche
Verwendung alter Amboſse und Hämmer beim Feuerbau erinnert an
eine ähnliche Verwendung in dem römischen Kastell Salburg im Taunus
(vgl. Bd. I, S. 518).


Die Esse war durch einen Holzrahmen B B zusammengehalten.
Auch der Löschtrog G für die Werkzeuge war meist noch von Holz.


Die älteren Frischherde waren noch einfacher. Sie waren nach
drei Seiten offen und lehnten sich nur mit der vierten Seite an eine
1,80 m breite Mauer, welche die Blasebälge vom Feuer trennten und
schützten (vergl. Fig. 45, Bd. II). Ein Überbau oder eine Esse war
nicht vorhanden, Rauch und Gase zogen durch ein Loch im Dach ab.
Diese Feuer fanden sich um 1730 noch bei den ärmeren Gewerken.


Bei den zuvor beschriebenen überbauten Frischherden befand sich
häufig ein Loch von 0,30 m Quadrat in der Rückwand, um lange
Stangen, die man zusammenschweiſsen wollte, durchzustecken. Auch
war die Öffnung nach der Arbeitsseite durch ein aufgehängtes Blech
teilweise geschlossen, um die Arbeiter vor der Glut des Feuers zu
schützen.


Bei der Konstruktion des Frischherdes suchte man, wie bei der
des Hochofens, einen festen, trockenen Untergrund und wie dort
brachte man einen Abzugskanal unter dem Herdboden an. Feuchter
Untergrund erschwerte und verzögerte das Frischen. Der Abzug war
mit einem groſsen Stein bedeckt. Nach der Balgseite zu wurde der
eigentliche Feuerraum hergerichtet. Derselbe war fast quadratisch.
Die Bodenplatte war 10 cm dick, 65 cm lang, 60 cm breit und wog
etwa 450 kg; die Seitenplatten 65 cm lang, 35 cm breit und 7½ bis
10 cm dick. Über der Steinplatte im Boden wurde erst eine Lage
von Schlacken- und Kohlenpulver aufgestampft und darüber die
eiserne Bodenplatte gelegt. Die zwei Seitenzacken standen senk-
recht. Die Vorderwand war, wie erwähnt, durch einen alten Ham-
mer gebildet, die Formwand war gemauert, doch befand sich auch
hier unterhalb der Form eine eiserne Platte. Von der Vorderwand
Beck, Geschichte des Eisens. 12
[178]Eisen- und Stahlfrischen.
bis zur Hinterwand betrug die Entfernung 90 bis 105 cm, bis zur
Form 65 cm. Die Maſse des Herdes waren wie die der Bodenplatte
65 × 60 cm und 30 bis 35 cm hoch. Die Blaseform war halbkreis-
förmig aus Kupferblech hergestellt. War die Form 8 Zoll lang, so
war sie hinten 6⅓, vorn 3¼ Zoll breit. Die Gröſse des Formmauls
war abhängig von der Art des Eisens. Die beiden Düsen lagen
15 cm vom Formmaul zurück. Die Form ragte etwa 15 cm in den
Herd hinein und war so geneigt, daſs der Wind die Fuge zwischen
Boden und Windzacken traf. Sie lag näher der Hinterwand, ge-
wöhnlich ⅓ davon entfernt. Die Form war in einer viereckigen
Öffnung im Mauerwerk mit Thon befestigt und mit einer eisernen
Stange gehalten. Die richtige Lage und Neigung der Form gehörte
zu der besonderen Wissenschaft des Frischers, die er geheim hielt.
Sie änderte sich mit der Eisensorte. Lag die Form zu weit vor, so
war der Abstand bis zur Windseite zu kurz, infolge dessen der Herd
kalt, lag sie zu weit zurück, so wurde die Mauer angegriffen. Lag
sie horizontal, so ging das Einschmelzen zwar rasch von statten, aber
es wurden zu viel Kohlen verbrannt; lag sie sehr geneigt, so ging
das Einschmelzen langsam von statten, das Eisen wurde gleich zäh,
die Kohlen verbrannten meist unnütz. Auch die Höhenlage der Form
war wichtig; meist legte man sie etwa 30 cm über den Boden. Eine
Abweichung der Windrichtung von der Mittellinie nach der entfernten
Ecke zu war von Nachteil, weil dadurch das Frischen verlangsamt
und mehr Eisen verschlackt wurde; eher war eine Abweichung nach
der Vorderwand zu gestattet. Man gab der Form stärkere Neigung
bei Eisen, das wenig Schwefel enthielt und zum Kaltbruch neigte,
dagegen geringere Neigung bei rotbrüchigem Eisen. Alle diese Regeln
beruhten auf den Erfahrungen der Frischer.


Die Kupferform wurde durch den kalten Windstrom vor dem
Abschmelzen geschützt; man muſste sie aber deshalb gut offen
halten, damit sie nicht trotzdem schmolz, was auch durch sehr rohes
Eisen, das leicht sich anhing, befördert wurde. Trotz der hohen
Hitze vor der Form blieben die guſseisernen Zacken ungeschmolzen.
Nur an der Bodenplatte hing sich das Eisen zuweilen fest; durch
Kühlen des Bodens wurde dem entgegengewirkt. Die Pressung des
Windes während des Prozesses war verschieden und wurde reguliert
durch das Aufschlagwasser des Wasserrades, beziehungsweise durch die
Schütze. Die Bälge wechselten langsamer als bei den Hochöfen, etwa
400 mal in der Stunde.


Die eigentliche Frischarbeit begann mit der Herrichtung des
[179]Eisen- und Stahlfrischen.
Herdes; war dieser gereinigt, so wurde er erst etwa zu einem Drittel
mit Schlacken von der vorigen Schmelzung gefüllt, darüber wurde
frische Kohlenstübbe mit etwas Schlacke vermischt aufgestampft, etwa
bis zu ⅔ des Herdes. Ohne diese Auskleidung würde das Eisen
durchschmelzen und sich an den Wänden festhängen, während die
Schlacken, wie das Fett in einer Pfanne, die Wände ausschmieren
und das Eisen von dem Boden trennen. Indem das Eisen in dem
flüssigen Schlackenbad schwamm, konnten sich die Unreinigkeiten
besser abscheiden, dieselben verschlackten, und die Metallteile schieden
sich ab.


Die Roheisengans wurde dem Formzacken gegenüber so eingelegt,
daſs sie teils in die Kohlen hinein-, teils daraus hervorragte. Nach
und nach wurde sie der Form zugeschoben, so daſs ihr Ende nur
10 bis 12 cm von der Mündung abstand; dabei lag der unterste
Teil in der oberen Höhe des Formmauls, so daſs der Wind die
Massel von unten traf. Gab man dem Roheisenstück dieselbe
Neigung wie der Form, so konnte man es in derselben Richtung
voranschieben. Bei schwefelarmem, sehr kaltbrüchigem Eisen lieſs
man den Wind das Eisen direkt treffen. Der Einsatz betrug ½ bis
1 Schiffspfund (etwa 80 bis 160 kg), je nachdem man feineres oder
gröberes Eisen erstrebte. Hatte man verschiedene Eisensorten, so
muſste man sehen, daſs sie sich beim Einschmelzen gut vermischten;
man legte dann das zum Kaltbruch neigende unter das zum Rot-
bruch neigende. Das Roheisen wurde mit Kohlen bedeckt gehalten
und langsam geblasen. Es schmolz in Tropfen ein, wobei es allmählich
nachgeschoben wurde. Von Zeit zu Zeit wurden Kohlen aufgegeben,
so daſs der Herd immer damit angefüllt blieb. Der Frischer unter-
suchte öfter die Ecken des Herdes, um ein Anhängen des Eisens zu
verhindern. Angehängte Eisenteile brachte er mit dem Spieſs näher
der Form. Durch letztere beobachtete er von Zeit zu Zeit das Schmelzen.
Das Eisen floſs ruhig, wenn es mit Kohlen bedeckt war, davon ent-
blöſst, funkelte es stark. Der Frischer arbeitete öfter im Herd, indem
er die am Boden schwimmende Eisenmasse umrührte. Wurde die
Flamme stark, so schloſs man die Zwischenräume durch Aufwerfen
frischer Kohlen, oder man goſs Wasser auf.


War nun das Eisen eingeschmolzen und waren die Ecken gereinigt,
so lieſs man die Kohlen etwas niederbrennen, so daſs das Eisen halb
entblöſst wurde. Alsbald begann dasselbe zu kochen und zu schäumen,
nicht anders, als wie siedendes Wasser im Kessel (coquitur et fervet ferrum
non aliter ut aqua in tripode). Es blähte sich dabei mehr und mehr
12*
[180]Eisen- und Stahlfrischen.
auf und stieg in die Höhe, als wollte es überlaufen. Nach einiger
Zeit lieſs das Kochen nach und in etwa einer halben Stunde war es
beendet. Zur richtigen Trennung der Schlacken muſste das Eisen
anfangs völlig flüssig sein und einige Zeit so in Bewegung erhalten
bleiben. Um es während des Kochens flüssig zu erhalten, gab man
die besten, gröſsten Kohlen auf, doch nicht viel, damit das Bad nicht
zu sehr bedeckt wurde. Es gab Eisen, welches nur sehr schwer und
langsam schmolz; solches muſste man in einem Bad von anderem
Eisen einschmelzen und verkochen lassen, sonst blieb es hart und
unschmiedbar.


In solch flüssigem Eisenbad machte man auch zuweilen Stahl,
indem man einfach stahlartige Eisenstücke in das Roheisenbad im
Frischherd, wenn es am heiſsesten war, eintauchte. Doch muſste
dabei gehörig geblasen werden; ohne dies ging die Umwandlung in
Stahl nicht vor sich; dabei gab man der Form eine stärkere Neigung 1).


Während des Kochens ging die Form leicht zu. Sobald das
Kochen bei dem Frischprozeſs nachlieſs und das Eisen sich zu einer
Luppe vereinigte, wurde die Schlacke abgestochen, das Loch aber
bald wieder geschlossen, damit nicht zu viel Schlacke entzogen würde.
Ein Roheiseneinsatz von etwa 160 kg schmolz und verkochte in zwei
Stunden.


War dieser erste Teil des Frischprozesses beendet, so wurden
manchmal die Kohlen weggezogen, der Herd von Staub und Asche
gereinigt, der Wind abgestellt und die Luppe eine Stunde lang ab-
kühlen gelassen. Dies war das But- oder Klumpffrischen, eine
schlechte Frischmethode, die nur bei sehr guten Eisensorten zulässig
war. Bei dem eigentlichen deutschen Frischen wurde zwar der Wind
ebenfalls abgestellt, aber man entblöſste das Eisen nicht, sondern
begann sogleich mit dem zweiten Teil des Frischprozesses, dem
Aufbrechen. Zu diesem Zwecke fuhr man mit der Brechstange
durch das Loch (Auge) des Hammers am Boden, wendete die Luppe
um und hob sie bis über die Form, so daſs der Wind jetzt besonders
die Seite, welche vorher unten war, treffen muſste. Man warf um
die Luppe herum Kohlen- und Schlackenpulver auf, und Schlacken
auf die Kohlen, zog dann die Kohlen nach vorn und begann wieder
zu blasen, indem man zugleich frische Kohlen aufwarf, und dies
wiederholte, wenn es nach dem Aussehen der Flamme angezeigt
erschien. Währenddem die Luppe niederschmolz, gab man schon
[181]Eisen- und Stahlfrischen.
das Eisen für das nächste Frischen zum Vorwärmen auf. Die Luppe
schob man nach und nach der Form zu. Die richtige Verteilung der
Hitze im Frischherd war wichtig. Der Windstrom sollte den hinteren
Teil der Masse treffen; traf er den vorderen, so zog sich die Hitze
zu sehr nach vorn, wodurch die Form abschmelzen konnte. Der
Frischer vereinigte mit der Stange alle Eisenbrocken zu einem
Klumpen. Dabei fand ein starkes Auswerfen von Schlackenfunken
statt. Dieses zweite Einschmelzen (recoctio) dauerte im Ganzen nur
sieben bis acht Minuten, so daſs der ganze Frischprozeſs kaum mehr
als zwei Stunden in Anspruch nahm. Es wurde dabei dreimal Schlacke
laufen gelassen; das erste Mal etwa 20 Minuten nach dem Anblasen.
Diese war roh und eisenreich; man lieſs sie in Wasser flieſsen und
benutzte das Pulver wieder. Das zweimal nach ½ bis ⅔ Stunden;
diese wurde fortgeworfen; das dritte Mal vor dem Aufbrechen. Zuletzt
war nur wenig Schlacke im Herd, indem viel als Funken fort-
gegangen war.


Nach diesem doppelten Frischen wurde das Eisen unter den
Hammer gebracht und zu Stäben ausgeschmiedet. In manchen Häm-
mern, wo man schlechtes Eisen hatte, brach man noch ein zweites
Mal auf und schmolz zum dritten Mal in derselben Weise, wie zuvor,
ein, indem man langsam anblies, den Wind dann steigerte und gegen
Ende wieder schwächer blies.


Die Beschaffenheit der Holzkohlen war für den Prozeſs von
Wichtigkeit. Schwere, feste Kohlen waren nicht gut, Fichtenkohlen
am geeignetsten. Swedenborg giebt (fol. 88) genaue Vorschriften
über die Holzarten, die beste Zeit des Schlagens u. s. w. Dem Schmied
wurden in Schweden 24 Tonnen Holzkohlen für ein Schiffspfund
Eisen bewilligt; was er weniger verbrauchte, und es kam vor, daſs er
mit 14 bis 18 Tonnen auskam, war sein Gewinn. In der Kohlen-
ersparnis bewährte der Frischer am meisten seine Kunst.


Die Beschaffenheit und Menge der Schlacke war für den Verlauf
des Frischens von groſser Bedeutung: sie diente als Fluſs, Reinigungs-
mittel und als Schutzdecke. Bei schwerschmelzigem Eisen schlug man
mehr Schlacke zu. Auch zum Ausheizen war das Schlackenbad nötig.
Wenn das Eisen zu heiſs wurde, begann es zu funkeln und wurde
dann in das Schlackenbad getaucht. Aus der Schlacke lieſs sich
der Prozeſs erkennen. Hing sie sich nur spärlich an die Rute an,
und lieſs sie sich durch einen Schlag nur schwer ablösen, so war dies
ein Zeichen von hartem, verbranntem Eisen. Man muſste dann gute
Schlacke zuschlagen. Schlechte Schlacken stach man ab. Auch war
[182]Eisen- und Stahlfrischen.
deren bläulich schwarze Farbe ein schlechtes Zeichen. Gegen Ende
des Prozesses muſste noch eine genügende Menge Schlacken im Herd
sein. Zu kaltbrüchigem Eisen setzte man Schlacken von rotbrüchigem
Eisen und umgekehrt.


Ebenso war die Flamme ein Erkennungszeichen für den Frischer.
Ihre Farbe war durch die Schlacke bedingt. War sie rot, so deutete
dies auf hartes Eisen und daſs Schlackenzusatz nötig war. Pulverige
Kohle färbte aber auch die Flamme rot. Anfangs war die Flamme
braun oder gelb, sie veränderte sich allmählich durch rosenrot und
himmelblau bis zuletzt zu hellweiſs; je weiſser, je besser war die
Schmelzung. Eine grüne Färbung deutete auf Schwefel; sehr weiſs
und weiſse Funken auf starke Hitze, wobei Gefahr war, daſs das aus-
zuheizende Eisen verbrannte.


War das Frischen beendet, so schritt man zu dem Ausbrechen
der Luppe. Die Luppe, welche auf der einen Seite flach, auf der
andern rund war, wurde auf dem Boden gewälzt, die anhängenden
Kohlen und Schlacken mit eisernen Hämmern abgeklopft und mög-
lichst rund gemacht. Vier Männer hoben dann die Luppe auf den
Amboſs, wo sie mit hohen Schlägen des Wasserhammers zu einem
Kuchen ausgebreitet wurde. Dieser wurde mit einem Setzeisen in
5 bis 7 Teile (Schirbel) zerhauen. Jeder derselben wurde mit einer
Rollenzange gefaſst und diese in die Kohlen im Frischherd geschoben.
Die, welche nahe der Form lag, wurde, indem sie öfter gewendet wurde,
am ersten heiſs. Hatte sie genügende Hitze, so legte man sie höher
und schob die folgende vor die Form und die andern nach, so daſs
die folgende immer den Platz der vorhergehenden einnahm. Auch
konnte man die erhitzten Schirbel in das Schlackenbad tauchen, um
sie vor dem Verbrennen zu schützen, doch durfte die Schlacke nicht
zu roh sein. Die Schirbel wurden einer nach dem andern heraus-
genommen und ausgeschmiedet. Diese Arbeit dauerte 1½ bis 2 Stunden,
während der Zeit blieb das Schlackenbad im Herd und wurde nicht
abgestochen. Man blies stark, verbrauchte aber nicht viel Kohlen.
Die Flamme war grünlichgelb, bei schwächerem Winde bläulich. Der
Frischer muſste hauptsächlich darauf achten, daſs kein Eisen ver-
brannte. Sprühte das Eisen beim Herausnehmen sehr, so muſste er
es erst in die Schlacken tauchen. Der Eisenklumpen wurde zuerst
nur in der Mitte gestreckt, quer zur Hammerfinne und dabei immer
gedreht. Dann schmiedete man die beiden kolbenförmigen Enden zu
Stäben aus, wobei man sie senkrecht zum Hammer streckte, parallel
damit aber breitete und glättete. Zuletzt gab man, um die Flächen des
[183]Eisen- und Stahlfrischen.
Stabes gewissermaſsen zu polieren, langsame Hammerschläge, während
ein Junge Wasser darauf schüttete, wodurch jeder Schlag von einem
lauten Knall begleitet war. Man schmiedete die groben Stäbe etwa
1 m lang, dabei kamen sie meist viermal in das Feuer zurück und
erhielten das erste Mal 450 Schläge, das zweite Mal 380 bis 400, das
dritte Mal 500 und das vierte Mal 400 Schläge, im Ganzen etwa
1700 Schläge mit dem rasch gehenden Schwanzhammer. Eine Haupt-
regel beim Schmieden war, daſs jeder Schlag eine neue Stelle traf
und jede Stelle ihre Schläge erhielt.


Die Arbeit ging ununterbrochen von Montag früh bis Samstag
Abend, so daſs die Woche 128 Arbeitsstunden hatte, in diesen wurden
etwa 17 Frischen fertig gemacht, von denen jede etwa sechs Stunden
dauerte, Frischen und Schmieden zusammengerechnet. Hatte man
zwei Herde in einer Hütte, so daſs das Frischen und Schmieden
gleichzeitig und ohne Unterbrechung fortging, so rechnete man
4⅖ Stunden für ein Frischen. Teilte man jede Masse in fünf Schirbel,
so erhielt man 90 geschmiedete Stäbe, welche 9 bis 10 Schiffspfund
(etwa 1500 kg) wogen. Das Ausbringen wechselte auch, je nachdem
man dickere oder dünnere Stangen schmiedete. Eine Wochenproduktion
von 12 bis 14 Schiffspfund (etwa 2000 kg) war sehr hoch für einen
Herd. Als sehr seltenen Fall erwähnt Swedenborg ein Ausbringen
von 35 bis 40 Schiffspfund (etwa 6000 kg) die Woche in zwei Herden.


Zu der Beschreibung des Prozesses fügt Swedenborg noch inter-
essante Mitteilungen über die Werkzeuge hinzu. Der Amboſsstock
war mit einer schweren Eisenplatte unterlegt, damit er nicht in den
Grund geschlagen wurde. Der Amboſs selbst war aus Luppeneisen
(ferrum crudum) geschmiedet und 3 bis 3½ Schiffspfund (etwa 500 kg)
schwer. Seine Bahn war verstählt und Swedenborg beschreibt
genau die schwierige Arbeit des Aufschweiſsens der Stahlplatte, welche
die Bahn bildete. Die groſsen Amboſse goſs man auch öfter, und
zwar geschah dies in den letzten Tagen der Hüttenreise. Kleinere
Amboſse wurden aus reinem Eisen geschmiedet. Die Hämmer waren
verschieden schwer von 45 bis 60 Liespfund (etwa 360 bis 480 kg)
Gewicht, und man lieſs sie sehr rasch gehen.


Dieses ist ein gedrängter Auszug aus Swedenborgs wichtigem
und ausführlichem Bericht über die deutsche Frischschmiede in
Schweden um das Jahr 1730.


In Roslagen (Dannemora) bediente man sich dagegen der
französischen Schmiede, wie sie Louis van Geer dort einge-
führt hatte. Auch von dieser giebt Swedenborg eine ausführliche
[184]Eisen- und Stahlfrischen.
Schilderung, die wir ganz kurz wiedergeben wollen, da wir über die
Wallonschmiede und deren wesentliche Abweichungen von der
deutschen Frischschmiede schon früher gehandelt haben.


Für das vorzügliche Roheisen, welches die Hütten von Dannemora
lieferten, war die Wallonschmiede, welche bei genügender Reinigung
den Vorteil einer gröſseren Produktion hatte, durchaus am Platz.
Man konnte in einer Wallonschmiede 50 bis 60 Schiffspfund (8800 bis
9600 kg) Frischeisen machen, während man in einer deutschen Frisch-
schmiede nur 16 bis 20 Schiffspfund (2560 bis 3200 kg) erhielt. Zu
einer Wallonschmiede gehörten immer zwei verschiedene Herde, der
Frisch- oder Einschmelzherd (Smeltarehaerd) und der Reck-
herd
(Reckarehaerd). Der Aufbau der Herde war ähnlich wie bei
den deutschen. Der Schmelzherd war 0,750 m lang, 0,675 m breit und
0,375 m hoch. Die Bodenplatte und zwei Seitenzacken waren von
Eisen. Die Form lag hier auf einer Mauer. Auf der Arbeitsseite
war unten ebenfalls ein alter Hammer, dessen Auge als Schlackenloch
diente. Die Frischer hielten ihre Zustellung des Herdes und dessen
Maſse so geheim, daſs sie ihn am Ende jeder Woche absichtlich zer-
störten, damit niemand ihnen etwas absehen konnte und machten
denselben jeden Montag ganz neu. Die Form war ebenfalls von
Kupfer, etwas stärker und weiter, wie bei dem deutschen Herd. Sie
lag etwas tiefer und so, daſs ihr Rücken mit der gegenüberliegenden
Wand in einer Horizontalen lag. Ihre untere Fläche war 0,225 m
vom Boden entfernt. Die Form lag im Verhältnis von 7 : 5 der
Hinterwand näher. Die Neigung war so, daſs die Achse die Kante
der Bodenplatte und des Windzackens traf.


Der Herd wurde mit guten, groſsen Kohlen gefüllt. Die lange
Roheisengans wurde durch ein Loch in der Wand von einem auſser-
halb des Schmelzhauses an dasselbe angebauten Hüttchen aus (ex
aedicula vel casa extra officinam exstructa) auf Holzrollen in den
Herd geschoben, wobei sie etwa 20 Grad nach vorn geneigt lag. Sie
wurde so gerichtet, daſs ihr vorderer Teil, von Kohlen eingehüllt,
vom Wind getroffen wurde und abschmolz. Man schmolz jedesmal
nur soviel ein, als für eine Stange hinreichte. Während des Ein-
schmelzens arbeitete der Frischer mit seiner Eisenstange fortwährend
im Herd, rührte das geschmolzene Eisen um, brach das Eisen, welches
sich angesetzt hatte, los und sammelte alles zu einem Klumpen oder
Kuchen (massa sive panis) zusammen. Diesen hob er dann über die
Kohlen und wendete dessen Unterseite dem Wind zu, den er 1 bis
1½ Minuten voll darauf blasen lieſs. Die Hauptaufgabe des Frischers
[185]Eisen- und Stahlfrischen.
war, das Eisen gehörig durchzuarbeiten. Auch die Blasebälge, die
einmal rascher, einmal langsamer gehen muſsten, bedurften fort-
währender Regulierung, welche durch die Wasserschütze erreicht
wurde, deren Hebel der Arbeiter mit der linken Hand auf- und nieder-
zog. Im Ganzen wechselten die Bälge rascher als bei andern Frisch-
verfahren. Jede Schmelzung dauerte eine halbe Stunde, bei sehr
geschickten und fleiſsigen Arbeitern sogar nur ¼ Stunde. Sollte die
Luppe aber gröſser werden, so schmolz man natürlich länger; doch
machte man stets aus jeder Luppe nur eine Stange, die je nachdem
1, 1½, 2½ Zoll dick war. Das zeitraubende Zerteilen der Luppen
fiel hierbei ganz fort. Zu jeder der gewöhnlichen kleinen Luppen
brauchte man 1 Tonne Kohle; an einigen Plätzen in Roslagen aber
auch 1½ bis 2. Aus einer Roheisengans, die 9 bis 11 Ellen lang
war, machte man 35 solcher Luppen. Es gab Hämmer, welche nur
28 Tonnen Kohlen dazu verbrauchten.


Die Luppe wurde unter einem kleinen Wasserhammer mit 15 bis
16 Schlägen gedichtet, das Schlechte abgehauen und zu einem flachen
Kuchen ausgebreitet. Dieser wurde unter einem schweren Hammer
zu einem parallelepipedischen Kolben ausgeschmiedet. Diesen brachte
man in denselben Herd zurück, schob ihn in die Kohlen und lieſs
den Wind an. War die eine Seite glühend, so wendete man ihn um.
Dieses Ausheizen dauerte etwa gerade so lange, wie das Einschmelzen,
welches währenddem vor sich ging. Der weiſsglühende Kolben,
welcher von der Hitze zusammengeschrumpft erschien, ging nun in
die Hände des Reckschmiedes, welcher dem Reckherd vorstand, über,
der ihn erst auf der einen, dann auf der andern Hälfte zu einem
dicken Stab von 0,90 m Länge ausschmiedete. Aus dem Schmelzherd
wurde nur selten Schlacke abgestochen, man hielt vielmehr immer
ein Schlackenbad im Herd, in das man das Eisen von Zeit zu Zeit
eintauchte. Bei unreinem Eisen stach man öfter Schlacken ab, doch
gewöhnlich nur zweimal in 24 Stunden.


Die Unterschiede von dem französischen und dem deutschen Herd
lagen 1. darin, daſs bei der deutschen Frischschmiede nur ein Herd
war; 2. daſs der Wallonherd zwei Eisenzacken hatte; 3. daſs die Form
bei diesem niedriger lag und die Bälge rascher wechselten; 4. in der
Art der Arbeit zunächst darin, daſs in den deutschen Herden eine
groſse Menge Roheisen auf einmal, hier kleine Mengen hinter-
einander eingeschmolzen wurden; 5. in dem wiederholten Aufbrechen
der Luppe im deutschen Herd, wozu vier Stunden Zeit bis zum Aus-
schmieden erforderlich waren, während eine Luppe im Wallonherd
[186]Eisen- und Stahlfrischen.
in ½ Stunde fertig war; 6. verweilte das Eisen länger im deutschen
Herd, im Wallonherd wurde es fortwährend durchgearbeitet; 7. in
ersterem kochte das Eisen auf, in letzterem nicht; 8. bei dem deut-
schen Frischen wurde Schlacke abgestochen, bei dem französischen
nicht; 9. bei jenem verwendete man gemischte Kohlen, hier nur grobe;
10. bei dem deutschen Frischen verarbeitete man meist graues, bei
dem französischen weiſses, rasch gehendes Roheisen.


Der Reckherd wich in seinen Maſsen von dem Schmelzherd ab.
Von der Form bis zur Windseite war er 0,60 m breit, dagegen 0,90
bis 1,20 m lang. Er war deshalb so in die Länge gezogen, weil die
Stäbe zum Heizen in dieser Richtung eingelegt wurden. Die lange
Wand war etwas nach innen geneigt. Als Brennmaterial diente beim
Reckherd Kohlenklein, von dem 8 bis 9 Tonnen in einem Haufen
aufgehäuft wurden. War der Herd so mit dem Kohlenklein gefüllt,
so wurde ein Korb besserer Kohle aufgeworfen; diese wurde entzündet
und der halb ausgeschmiedete Kolben mit dem dicken Ende näher
oder weiter von der Form eingesteckt. An verschiedenen Merkmalen
konnte man erkennen, ob der glühende Kolben eine trockene oder
eine saftige Hitze hatte. Rotglühendes Eisen und rote Flamme
zeigten trockene Hitze an. Die Schlacke war dann zäh und hing
sich an die Form an. Weiſsglühendes Eisen bei mäſsigem Auswerfen
von weiſsen Funken war ein gutes Zeichen, am besten war es, wenn
Flamme und Funken bläulich aussahen. Zu groſse Hitze wurde durch
Auswerfen von Sand und Schlacke auf das Eisen gemäſsigt. Aus dem
Reckherd wurde die Schlacke öfter abgelassen, und zwar zwei- bis
fünfmal bei jeder Schmelzung, d. h. beim Durchsetzen von je sieben
Luppen. Viel Schlacken im Herd war gut, weil sonst die Hitze leicht
trocken wurde. Während man im Schmelzherd für die 35 Luppen
einer Gans 28 Tonnen Kohle verbrauchte, verbrannten im Reckherd
für dasselbe Eisen 20 Tonnen. An einigen Orten verbrauchte man
aber im Reckherd für jede Luppe eine, in andern sogar 1½ bis
2½ Tonnen Kohlen. Der Hammer war in fast ununterbrochener
Thätigkeit, weshalb der Amboſs durch einen Wasserstrahl fortwährend
gekühlt wurde.


In einem „einfachen“ Frischhammer wurden in einer Woche
40 Schiffspfund 1) (6400 kg) Eisen geschmiedet, in andern, wo mehr
Arbeiter beschäftigt waren, sogar 60. — Eingesetzt wurden wöchent-
lich in einen Schmelzherd 11½ Roheisengänse zu je 9 Schiffspfund
[187]Eisen- und Stahlfrischen.
(1440 kg) Gewicht, woraus 60 Schiffspfund (9600 kg) Stäbe geschmiedet
wurden, so daſs also 104 Roheisen 66 (= 63,96 Proz.) reines Eisen
gaben. ⅓ ging also bei der französischen Schmiede verloren, bei der
deutschen dagegen nur 3/13 (36 : 23 Proz.). In einer Hütte waren
8 Arbeiter: 2 Schmelzmeister und 2 Schmiede, mit je einem Gehilfen.
Jeder Meister erhielt für 3½ Schiffspfund (560 kg = „1 Mihl“)
1½ Thaler in Kupfer, der erste Gehilfe 1¼ Thlr., vier andere Ge-
hilfen je 1 Thlr., ein Knabe die Hälfte. Dazu erhielt jeder jährlich
ein Trinkgeld (Winpenninger — Weinpfennige, ein Wort, das wohl
auch noch auf die südliche Heimat hinweist). Der Knabe (gujar)
spritzte das Wasser beim Schmieden und schlug die Marke auf die
Stäbe. Der Kohlenverbrauch war bei der Wallonschmiede günstiger,
ebenso die Produktion, dies lag aber nur an dem vorzüglichen Roh-
eisen. Bei geringerem Roheisen war die französische Methode nicht
anwendbar, weil die Reinigung hierfür ungenügend war und das Eisen
schlecht wurde.


Neben diesen beiden hauptsächlichen Frischmethoden wurde noch
eine andere, sehr mangelhafte betrieben, welche als die schwedische
Osmundschmiede
bezeichnet wurde. Sie war wohl aus den Lösch-
feuern der Bauernhütten entstanden, und da sie ein Halbfabrikat
machte, welches den Osmund ersetzen sollte und als solcher verkauft
wurde, so erhielt sie den alten Namen Osmundschmiede, obgleich sie
mit der ursprünglichen, uralten Osmundschmelzerei aus Sumpf- und
Seeerzen in niedrigen Schachtöfen nichts gemein hatte.


Bei dieser Osmundschmiede 1) war das Rohmaterial Wascheisen
oder granuliertes Roheisen. Die Schmiede selbst war den übrigen
Frischhütten ähnlich. Fig. 31 (a. f. S.) stellt eine schwedische Osmund-
Frischhütte nach Swedenborgs Zeichnung dar. Der Feuerbau selbst
war sehr einfach. Das Fundament wurde aus groſsen zusammen-
gelesenen Steinen, deren Zwischenräume mit Sand ausgefüllt wurden,
vorgerichtet. Der Oberbau wurde roh aus Bruchsteinen aufgeführt
und bestand eigentlich nur aus einer mit Steinen umsetzten Grube,
bei der man eine Öffnung für den Wind und vorn einen weiteren
Zugang auf der Arbeitsseite lieſs. Der Boden des Herdes ruhte auf
einer Stein- oder einer Eisenplatte, welche letztere 2 Zoll dick war
und 18 Zoll (45 cm) im Quadrat hatte. Waren die Bälge sehr schwach,
so machte man den Herd noch kleiner. Die älteren Herde hatten
nur einen Zacken, 2 Zoll dick und 10 Zoll hoch.


[188]Eisen- und Stahlfrischen.

Der Herd bestand aus einer Grube, die mit Kohlenstübbe so
ausgeschlagen war, daſs der Schmelzraum die Form eines Hutkopfs
hatte. Die Form war von Eisen gegossen. Man bediente sich kleiner
Bälge, die an manchen Plätzen gezogen wurden. Nachdem Kohlen
auf den Herd gehäuft, das Feuer entzündet und die Bälge angelassen
waren, setzte man das Wascheisen oben auf, wobei man acht geben
muſste, daſs die kleinen Körner nicht durchrollten. Sie schmolzen
und kamen schon als zähes Eisen in den Herd. Durch Umrühren
unterstützte der Frischer den Frischprozeſs, wobei er alles zu einem

Figure 36. Fig. 31.


Klumpen zu vereinigen strebte. Ein groſser Teil des Eisens ver-
schlackte und die so gebildete Schlacke beförderte das Frischen und
die Vereinigung des Eisens. Waren etwa 15 kg Wascheisen nieder-
geschmolzen und ein Klumpen gebildet, so lieſs man die Schlacke
ab, unterbrach das Blasen, brach den Klumpen auf und zog ihn aus
dem Herd. Der Klumpen wurde abgeklopft, gezängt und mit dem
Setzeisen in vier bis fünf Stücke geteilt, die aber nicht getrennt
wurden, sondern mit den Enden aneinander hingen.


Die Stücke von gutem Eisen hieſsen ausgewählter Osmund (Wald
[189]Eisen- und Stahlfrischen.
Osmund), die kleineren, schlechten unausgewählter Osmund (Owald
Osmund). Von letzterem machte ein Frischer in der Woche 9 Faſs
oder 180 Liespfund (1440 kg), von dem ausgewählten aber weniger.
Auf jedes Faſs (160 kg) rechnete man 32 Liespfund (256 kg) Wasch-
eisen und 10 bis 11 Tonnen Holzkohlen. Der Abbrand betrug also
etwa 37 Proz.


An manchen Orten hatte man dies Verfahren verbessert. Der
Herd war auf drei Seiten mit gegossenen Eisenzacken umschlossen;
60 cm lang und 45 cm breit. Die Form ragte etwa 10 cm in den
Herd, so daſs an der Formmündung bis zum Windzacken 35 cm
Abstand blieben. Auſser Wascheisen schmolz man auch Roheisen-
stücke ein, welche man auf der Windseite aufgab. Diese Schmieden
gehörten meistens mehreren Bauern oder kleinen Gewerken und wurden
nicht das ganze Jahr, sondern nur zeitweilig betrieben. Deshalb
gehörten die Frischer und Hammerschmiede meistens keinem be-
stimmten Werk an, sondern zogen herum und nahmen die Arbeit
auf, wo Gelegenheit war und der Lohn ihnen zusagte. Auch wurde die
Arbeit meistens abends eingestellt und morgens wieder aufgenommen.
Dieses Eisen wurde im ganzen Lande an die Schmiede verkauft,
welche daraus Nägel, Hufeisen, Ketten, Schlösser, Schlüssel und andere
Kleineisenwaren verfertigten; auch wurde es zu Blech verarbeitet.


Dieses waren die Frischmethoden, welche um jene Zeit in Schweden
üblich waren. In Frankreich bediente man sich hauptsächlich in der
Franche-Comté der Wallonschmiede, von der Reaumur in seiner
Abhandlung über die Cementstahlfabrikation eine kurze Beschreibung
mitgeteilt hat 1). Das Wichtigste bei diesem Verfahren war das
Durcharbeiten (praitrir) des in Tropfen eingeschmolzenen Eisens im
Herd, indem dasselbe hauptsächlich hierdurch seine Güte und Weich-
heit erhielt. Freilich war damit auch ein gröſserer Abbrand verknüpft.
Die Luppenhämmer hatten ein Gewicht von 1000 bis 1500 Pfund.


Zu Brescia in Italien wurde das in den Blauöfen gewonnene
Roheisen in folgender Weise behandelt: Man hatte einen höchst ein-
fachen Herd von 60 cm Höhe, dessen Boden eine Kalksteinplatte
bildete. Die Wände waren gemauert, nur in der Vorderwand war
ein mit Löchern versehenes Schlackenblech eingelassen. Die Form
lag in der Mitte der Formwand und ragte 4 Zoll in den Herd. Auf
dem Boden wurde nur eine etwa handdicke Lage von angefeuchtetem
Kohlenpulver aufgestampft, dann wurde der Herd mit Kohlen gefüllt
[190]Eisen- und Stahlfrischen.
und der Wind angelassen. Waren die Kohlen verzehrt, so wurde von
neuem gefüllt und hierauf die Eisenbrocken (frusta ferrea) einer
nach dem andern aufgegeben, so viel als man für eine Luppe nötig
hatte. Die Schlacken, die abschmolzen, wurden wiederholt abgestochen,
bis das Eisen genügend gereinigt war. Alsdann erhitzte der Schmied
eine Stange an einem Ende bis zur Schweiſshitze und bohrte sie
dann in die glühenden Eisenklumpen am Boden ein. Auf diese
Weise faſste er ihn, hob ihn aus dem Herd und trug ihn unter den
Hammer, wo er ihn zu Stäben ausschmiedete.


Bei der Porta St. Giovanni zu Rom befand sich ein Eisenhammer.
Das Eisen wurde daselbst in zwei kleinen Herden gefrischt und aus-
geheizt. Man schmolz altes Eisen mit Roheisen von Piombino in dem
einen Herd ein, während man den andern als Reckherd benutzte.
Das Einschmelzen in dem ersten Herd dauerte zwei Stunden. Man
schweiſste einen Stab an die Luppe, wie zuvor beschrieben. Man
schmiedete Stäbe von 2,40 m Länge und 5 cm Dicke. Das Schmieden
geschah erst unter einem Wasserhammer, dann aber mit Hand-
hämmern. Den Wind lieferte ein Wassertrommelgebläse.


Man erzeugte täglich etwa 5 Ctr. Eisen oder in der Woche
3000 Pfund (3 milliers), wozu 20 Säcke Kohlen verbraucht wurden.


An der Straſse von Rom nach Florenz befanden sich viele Eisen-
hämmer, welche ihr Roheisen ebenfalls meist von Piombino bezogen.
Die Luppenherde hatten öfter einen gemischten Betrieb, indem mit
den Erzen Brucheisen, besonders alte Munition eingeschmolzen wurde.


Die in England gebräuchliche Frischmethode war eine Art
Wallonschmiede. Es gab einfache Hütten mit einem Schmelzherd
(finery) und einem Ausheiz- oder Reckherd (chafery), die meisten
aber waren doppelte, d. h. sie hatten zwei Schmelzherde zu einem
Ausheizherd und einem Hammer. Die Schmelzherde waren 0,675 m
lang und 0,450 m breit, aus drei eisernen Zacken und einer gemauerten
Wand gebildet. Die Bodenplatte, welche auf einer Unterlage von
Kohlenlösche frei auflag, war 2 Zoll dick. Vorn lag vor der Arbeits-
seite ein schweres Stück Eisen von quadratischem Querschnitt mit
einem Loch zum Abstechen der Schlacken. Die Tiefe des Herdes
war verschieden und betrug etwa 0,225 m. Auch die gemauerte Rück-
wand war mit einer eisernen Platte bekleidet, auf welcher die ein-
zuschmelzenden Roheisenmasseln (pigs) ruhten. Von diesen wurde
ein Einsatz (weight) in einer Stunde zu einer Luppe (loop) einge-
schmolzen. Die weiſsglühende Masse wurde mit Handhämmern abge-
klopft, weil sie unter dem Wasserhammer auseinander fliegen würde.
[191]Eisen- und Stahlfrischen.
Dann wurde sie unter dem Wasserhammer in Blöcke von 0,30 m
Länge zerteilt und geschmiedet. Der Block wurde in demselben
Herd nochmals geheizt und dann unter dem Hammer zuerst in der
Mitte zu einem 3 Fuſs langen Stab ausgeschmiedet, während auf jeder
Seite ein Kolben stehen blieb. Diese Kolben (anconies) wurden dann
in dem Reckherd erhitzt und zu Stäben geschmiedet.


Der Reckherd war ebenso konstruiert, wie der Schmelzherd, nur
etwas gröſser und tiefer. Er war 0,9 m lang, 0,6 m breit und 0,4 m
tief. Die Bälge waren länger, gingen aber nicht so rasch, wie bei
dem Schmelzherd. Hammer und Amboſs bestanden aus Guſseisen.
Der Hammer war 300 bis 330 kg schwer. Aus 4000 kg Roheisen erhielt
man 3000 kg Schmiedeeisen. Zu einer Tonne Eisen wurden in dem
Frisch- oder Schmelzherd 3 Last (load), im Reckherd 1 Last Holz-
kohlen verbraucht. In einem Frischherd konnte man in der Woche
2 Tonnen Luppeneisen machen, in einem Reckherd dagegen 5 bis
6 Tonnen ausschmieden.


Am Harz und in Sachsen war die deutsche Aufbrechschmiede
im Gebrauch. In den Frischhütten am Harz befand sich nur ein
Herd, welcher aus guſseisernen Zacken und Bodenplatte konstruiert
war. Der Hammer wog 275 kg. Bei gutem Roheisen lieferte ein
Herd wöchentlich 2750 bis 3300 kg Schmiedeeisen, bei schlechtem nur
1320 kg. Der Kohlenaufwand betrug 4½ Maſs = ½ Karre auf den
Centner (55 kg).


Von besonderer Art war der Frischprozeſs im Salzburgischen
in Verbindung mit dem früher beschriebenen Hochofen. Da das
sehr hitzige Eisen „noch viel Schwefel enthielt“, konnte man es
nicht unmittelbar verfrischen. Es wurde zuvor in einem Herd, ähn-
lich einem Kupfergarherd, von runder Form, 60 cm im Durchmesser
und 45 cm Tiefe, welcher aus guten Steinen gemauert und mit Thon
gut ausgekleidet wurde, umgeschmolzen (Hartzerrennen). Die Form,
welche von Eisen war, ragte 0,125 m in den Herd und war nach der
Mitte des Herdes zu gerichtet. Das Roheisen wurde in derselben
Weise eingeschmolzen, wie sonst und dauerte das Einschmelzen
drei Stunden. Um zu prüfen, ob das Eisen die richtige Gare erlangt
habe, nahm der Schmelzer, gerade wie beim Kupfergaren, mit einem
kalten Eisenspieſs von Zeit zu Zeit einen Span. Das Eisen war gut,
wenn es sich rings um den Spieſs anlegte und daran haften blieb.
That es dies, so räumte man die Kohlen weg, lieſs die Schlacke ab
und lieſs die flüssige Eisenmasse stehen, zur Abscheidung der Un-
reinigkeiten und zum Abkühlen. Alsdann schüttelte man auf die reine
[192]Eisen- und Stahlfrischen.
Oberfläche Wasser und hob die erstarrten, kuchenförmigen Krusten
— „Blattel“ genannt — ab. Diese ganze Arbeit des Einschmelzens
und „Blattelnreiſsens“ dauerte vier Stunden und wurde in zwölf Stunden
dreimal wiederholt.


Diese Blatteln, welche weiſs und hart waren, wurden in einer
Art Röstofen mit Holzfeuer erhitzt (gebraten) und sodann in dem
Frischherd, der dem sächsischen und böhmischen ähnlich war, ein-
geschmolzen. Der Einsatz betrug 60 kg, woraus man 50 kg Schmiede-
eisen erhielt. Das Schmiedeeisen wurde in Gebunden von 125 kg —
Sohm (Saum) genannt — zusammengebunden.


Die Stahlfabrikation stand in den ersten Jahrzehnten des
18. Jahrhunderts noch auf sehr niedriger Stufe. Der meiste Stahl
wurde noch direkt aus den Erzen ausgeschmolzen. In den öster-
reichischen Alpenländern, welche den meisten Stahl für den Handel
erzeugten, geschah dies in Stücköfen, in den Pyrenäen, in Nordspanien
und Südfrankreich in Herdöfen. Seit der Einführung des Hochofen-
betriebes verfrischte man auch Roheisen zu Stahl. Dieser Frisch-
stahl war aber in den meisten Fällen von geringer Güte. Nur wo
man ein so vorzügliches Rohmaterial hatte, wie im Siegerland und
in den österreichischen Alpenländern, erzielte man guten Stahl.


Wir erwähnen hier nur diejenigen Stahlfrischmethoden, welche
Swedenborg in seinem Buche „De ferro“ beschrieben hat 1).


In Schweden war ein schönes (admodum elegans) Stahlwerk
zu Wick oder Trollbo, nicht weit von der Stadt Hedemohra in der
Provinz Dalekarlien, errichtet worden. Das Roheisen, welches man
dort verschmolz, kam von dem Hochofen von Wikmanshyttan, welcher
seine vorzüglichen Erze aus dem Bergwerke Bisberget bezog. Die
Stahlfrischhütte war gerade wie eine gewöhnliche Frischhütte ein-
gerichtet. Auch der Frischherd war gerade so konstruiert, nur etwas
kleiner. Boden- und Seitenplatten waren von Guſseisen, die Form
aus Kupfer. Der Herd war 350 mm breit und von etwas gröſserer
Länge, auf letztere kam es aber weniger an. Vom Boden bis zur
Form war ein Abstand von 162 mm. Die Gröſse der Formöffnung
und die Weite des Herdes waren von besonderer Bedeutung. Der
Boden der Form lag nur ganz wenig in den Herd geneigt, die Mittel-
linie der Form traf nicht wie sonst den Bodenstein, sondern den
unteren Teil des Gichtzackens. Das Formmaul war etwas niedriger
wie ein Halbkreis und flacher als bei den Eisenherden. Die Düsen
[193]Eisen- und Stahlfrischen.
der Bälge lagen etwas weiter zurück. Das Verhältnis und die Maſse
der Form, Düsen und Bälge war sehr wichtig. Man wendete nur
oberschlächtige Wasserräder an, weil diese mehr Gewalt hatten. Da
der Herdboden nur wenig durch Schlacken geschützt wurde, brannte
er rasch durch. Selten hielten die Bodenplatten länger als zwei bis
drei Wochen. Auch die Gichtzacken litten und muſsten öfter aus-
gebessert oder erneuert werden.


Sollte die Arbeit beginnen, so wurden Schlacken aufgegeben, dann
Kohlen, mit etwas Kohlenpulver vermengt, und hierauf das Roheisen.
Dieses gab man am besten in kleinen Masseln oder in Stücken auf.
Über das Eisen wurden wieder Kohlen geworfen. Das Roheisen wurde
einer Vorbereitungsarbeit unterworfen, indem es in den Kohlen bis zur
hellen Glut (candescens), aber nicht bis zum Schmelzen erhitzt wurde
(Glühfrischen). Ehe dieses eintrat, stellte man den Wind ab und brachte
die glühenden Roheisenstücke unter einen Hammer von etwa 170 kg
Gewicht, der sie in kleinere Stücke von 3 bis 4 Pfund zerschlug.
Diese Eisenbrocken wurden nun nach und nach zum Einschmelzen
über die aufgehäuften Kohlen aufgegeben. Hierbei wurde langsamer
geblasen. Der Frischer arbeitete mit seiner Stange im Herd, damit
sich nichts ansetzte. War das Eisen eingeschmolzen, so daſs es als
flüssige Masse den Boden des Herdes bedeckte, so wurde der Wind
verstärkt. Das Roheisen verwandelte sich nun in Stahl und der
Frischer muſste genau auf alle Zeichen achten. Er untersuchte die
Masse mit der Stange, beobachtete die Schlacken- und Eisenfunken,
die ausgeworfen wurden, und die Flamme, welche anfangs dunkel,
immer heller und weiſser wurde, besonders nach dem Ablassen der
Schlacke. Anfangs fühlte sich die Masse mit dem Spieſse weich an,
nach und nach erhärtete sie. Ein Durcharbeiten der Masse fand
nicht statt. Dann gab man wieder neue Eisenbrocken auf und wieder-
holte dies in vier Stunden etwa viermal. Dadurch wuchs die Luppe
im Herd, bis sie etwa 42 kg schwer war. Man brach sie nun mit der
durch das Schlackenloch eingeführten Brechstange aus. Sie bildete
eine unten runde, oben flache Masse. Man hob sie unter den Hammer,
breitete sie etwas aus und zerteilte sie dann mit der Schrothacke in
vier gleiche Teile. Die Stahlluppe hatte in der Glut eine rötere
Farbe als die entsprechende Eisenluppe. Wenn das Gebläse nicht
in Ordnung war, so bildete sich oft gar keine Schlacke. Die Schmelzung
ging dann nur langsam vor sich und der Stahl verbrannte leicht und
wurde schlecht. Um dies zu verhüten, warf man dann von Zeit zu
Zeit Fluſssand auf. Die Bodenplatte hielt dies aber nicht lange aus,
Beck, Geschichte des Eisens. 13
[194]Eisen- und Stahlfrischen.
indem sich die Schlacken daran festhingen, was dem Stahl wieder
zum Schaden gereichte.


Die vier Stahlstücke wurden im Herd vor der Form erhitzt und
dann unter dem Hammer zu Stäben ausgeschmiedet. Gleichzeitig
wurde von neuem Roheisen eingeschmolzen. Das Ausheizen geschah
in der Weise, daſs zwei Schirbel nebeneinander eingelegt wurden. Der
vor der Form wurde zuerst heiſs, alsdann wurde er herausgenommen
und zur Hälfte ausgeschmiedet; der zweite war währenddem an die Stelle
des ersten gerückt und die dritte Schirbel eingelegt worden. Wurde
die dritte herausgenommen und die vierte vorgeschoben, so wurde der
erste halb ausgeschmiedete Kolben eingelegt u. s. w., bis alles zu Stäben
von 3 cm im Quadrat und 1,20 bis 1,50 m Länge verschmiedet war
Dieser Stahl hieſs Schmelzstahl (Smeltarestaul, chalybs fabrilis vel
liquatorius). Die Stangen glühten nicht weiſs, sondern rot beim Ver-
schmieden. Der Hammer ging rascher als beim Eisen. Sobald die
Stangen geschmiedet waren, wurden sie noch glühend in flieſsendes
Wasser geworfen und so gehärtet.


Dieser Rohstahl, welcher körnig war und noch hier und da
Eisenfunken im Bruch zeigte, wurde in eine andere Schmiede ge-
bracht, wo er durch wiederholtes Umschmieden in besseren Stahl
von feinerem Korn umgewandelt wurde. Dies geschah unter kleinen
Hämmern von 25 kg Gewicht, wobei der Schmied auf einem drei-
füſsigen Schemel saſs und die Stäbe rasch fortwährend hin- und her-
drehte. An der Radachse waren zwölf Hebedaumen und die Schläge
des Hammers gingen so rasch, wie das Ticken einer Taschenuhr.


Die Windform war wie bei dem Frischherd, nur etwas höher, so
daſs ihr Maul einen wirklichen Halbkreis bildete. Ihr Abstand vom
Boden betrug 50 bis 75 mm. Der Herd war 250 bis 275 mm breit
und 350 bis 400 mm lang.


Die Arbeit geschah folgendermaſsen: Die gehärteten Rohstahl-
stangen wurden entweder durch Aufwerfen auf einen scharfen Stein
oder durch Hammerschläge in Stücke zerbrochen. Diese Stücke wurden
dann nach ihrer Länge ausgesucht, nach einer gewissen erfahrungs-
mäſsigen Ordnung oder Zeichnung (s. Fig. 32) in den Herd auf eine
Lage Kohlen eingelegt und mit Kohlen bedeckt ausgeheizt. Indem
der Wind durch die Öffnungen der durch die Stahlstangen gebildeten
Stabgitter durchblies, machte er ein starkes eigentümliches Geräusch.
Waren die Stäbe noch ½ bis ¾ Stunden glühend, so wurden sie in
einer bestimmten Reihenfolge aus dem Herd genommen und unter
dem Hammer mit raschen Schlägen zu Stäben von ½, ¾, 1, 1½ und
[195]Eisen- und Stahlfrischen.
2 Fuſs Länge ausgeschmiedet, und zwar schmiedete der Meister auf
seinem Schemel sitzend immer die eine Hälfte, der Geselle alsdann
die andere Hälfte. Die ausgeschmiedeten Stäbe wurden in kaltem
Wasser in einem hölzernen Löschtroge abgelöscht. Nur zwei groſse
Stäbe wurden nicht gehärtet. Hierauf wurden die sämmtlichen Stäbe,
die kleinen und die groſsen, wie zu einer Rute (Garbe) zusammen-
gebunden, und zwar so, daſs einer der nicht gelöschten Stäbe zu
unterst, der andere zu oberst lag. 16 bis 20 Stäbe waren so zu einer
Garbe verbunden. Der Zweck war, durch die Vereinigung derselben
zu einer Masse die Fehler, die der eine oder andere Stab hatte, aus-
zugleichen. Diese Garbe wurde nun unter Aufwerfen von trockenem,
gepulvertem Thon geschweiſst, und zwar schlug man erst die eine
Hälfte mit Handhämmern zusammen, dann die andere. Alsdann
schweiſste man unter Aufwerfen von Thon die eine Hälfte und
schmiedete sie unter dem Wasserhammer zu einem 10 cm dicken Stab

Figure 37. Fig. 32.


zusammen, dann ebenso
die andere Hälfte. Dann
schmiedete man die beiden
Enden noch weiter aus, so
daſs die ganze Stange etwa
3 m lang wurde. Die Stan-
gen wurden in Gebunde
von etwa 450 kg Gewicht
zusammengepackt. Dieser
schwedische Gärbstahl war
nach Swedenborgs Angabe ebenso gut, wenn nicht noch besser,
als der von Kärnten und Steiermark eingeführte.


Der unmittelbar aus dem Roheisen erzeugte Stahl hatte den
Vorzug, daſs er mehr Hitze aushielt, ohne seine Stahlnatur zu verlieren,
als der aus Cementstahl bereitete. Auch gingen die Eigenschaften
des Roheisens, Härte, Zähigkeit und Festigkeit, mehr oder weniger
auf den Stahl über und muſste man danach und nach dem Zweck der
Verwendung die Auswahl des Roheisens treffen. Solches, welches rot-
brüchiges oder kaltbrüchiges Eisen gab, war auch für Stahl nicht
zu gebrauchen. Nicht jedes Eisen gab Stahl 1). Der Abbrand war groſs.
Auf 64 Pfund Einsatz im Schmelzherd hatte man 24 Pfund Abbrand,
und weiter im Reckherd 8 Pfund, so daſs der Verlust im Ganzen sich
auf 50 Proz. belief.


13*
[196]Eisen- und Stahlfrischen.

Eine andere Stahlfrischhütte in Schweden, welche schon zur Zeit
Gustav Adolfs angelegt worden war, befand sich zu Qwarnbacka.
Auch hier geschah die Arbeit in zwei Herden. Diese lagen so hoch,
daſs der Arbeiter in aufrechtstehender und nicht in gebückter Stellung
daran arbeiten muſste. Der Boden und die Seiten bestanden nicht
aus Eisen-, sondern aus Steinplatten von einem kalkigen Gestein,
„Stellsteen“ genannt. Man hatte Holzblasebälge. Zwei Hämmer,
jeder etwa 160 kg schwer, waren in der Hütte. In jedem Herd wurden
abwechselnd 80 kg Roheisen auf das sorgfältigste eingeschmolzen, ganz
wie im Eisenfrischherd, nur daſs man sehr oft die Schlacken abstach,
so daſs das Eisen nicht im Schlackenbad, sondern trocken einschmolz
(gan tort uti Haerden). Dagegen warf man während des Frischens
öfter ein Pulver, aus Asche, Vitriol und Alaun gemischt, auf, von dem
man glaubte, daſs dadurch der Stahl sich besser bearbeiten lieſse. Die
Luppe wurde ausgebrochen, in Stücke zerhauen, diese ausgeheizt, in
Stäbe geschmiedet, gehärtet und in Stücke zerbrochen. Diese Stücke
wurden dann kreuzweise zu Packeten geformt, welche wieder in dem
Herd geschweiſst und zu Stäben wiederholt ausgeschmiedet wurden.


Man erhielt dabei dreierlei Sorten: 1. Faſsstahl oder Rohstahl,
welcher aus dem Frischherd zuerst ausgeschmiedet war; 2. Klingen-
stahl, welcher viermal gegärbt, d. h. viermal packetiert und aus-
geschmiedet worden war, und 3. Federstahl, die beste Sorte, welche
achtmal gegärbt war. Nach jedem Gärben muſsten den Stäben Zeichen
und Nummern aufgeschlagen werden, um zu wissen, wie oft sie ge-
reinigt waren. Auſserdem lieſs sich die Güte des Stahls aus dem
Aussehen der Bruchflächen erkennen. Der beste Stahl war ganz
gleichförmig und weiſs wie Silber.


In einer Woche konnte man 14 Ctr. Faſsstahl, 12 Ctr. Klingen-
stahl oder 8 Ctr. 1) Federstahl machen. Zu einem Centner oder
8 Lispfund Federstahl wurden 13½ Lispfund Roheisen und 26 Tonnen
Holzkohlen gebraucht; zu 1 Ctr. Klingenstahl 12 Lispfund Roheisen
und 24 Tonnen Kohlen, zu 1 Ctr. Faſsstahl 12 Lispfund Roheisen und
9 Tonnen Kohlen.


Zu Swedenborgs Zeit wurde aber in den Stahlhütten von
Wedewang und Qwarnbacka der Gärbstahl bereits meist aus Cement-
stahl (ferrum in furnis chalybeis concrematum) bereitet.


Bei der Eisengewinnung aus den Sumpferzen in Dalekarlien fiel
auch oft nebenher stahlartiges Eisen, aus dem die Eingeborenen Beile,
[197]Eisen- und Stahlfrischen.
Sicheln u. s. w. machten, mit welchen sie durch ganz Schweden
hausierten. Man beförderte die Stahlbildung dadurch, daſs man das
Eisen über dem Fokus rasch einschmolz und es längere Zeit in Glut
erhielt, dann die Kohlen wegzog und es erkalten lieſs.


In Südfrankreich wurde bei Alwar (Allevard) in der Dauphiné
Stahl aus dem Roheisen, dessen Darstellung wir oben beschrieben
haben, gefrischt. Der Stahlfrischherd (l’affinerie) war tiefer als die
gewöhnlichen Frischfeuer. Er war von Eisenzacken zusammengesetzt.
Das eingeschmolzene Roheisen wurde nicht umgerührt, sondern in
Ruhe gelassen, bis der Herd voll war. Sobald dies geschehen, wurde
der Wind abgestellt und die Masse kalt werden gelassen 1). Die
obere Kruste, hauptsächlich aus Schlacken bestehend, wurde entfernt
und die Luppe unter dem Hammer in Stangen geschmiedet. Diese
wurden in einem zweiten Ausheizherd (Chaufferie) erhitzt, doch nicht
so sehr, wie zuvor. Man warf auch Sand auf, um die Hitze zu mäſsigen.
Man schmiedete die Stangen zu dünneren Stäben aus, die noch glühend
in kaltes Wasser geworfen wurden.


Eine genauere Beschreibung der französischen Stahlfrischfeuer
hat Reaumur in seiner berühmten Abhandlung über die Cement-
stahlfabrikation (S. 245) mitgeteilt.


„Zum Stahlfrischen kann man weiſses Roheisen nehmen, doch zieht
man gewöhnlich hellgraues (mediocrement grise) vor, d. h. ein weniger
reines. Nicht als ob man mehr von den erdigen und Schlackenstoffen
im Stahl als im Eisen haben wollte, sondern weil man kein so
starkes Feuer beim Stahlfrischen anwenden darf, und weil sich bei
schwachem Feuer die Unreinigkeiten leichter von dem grauen Roh-
eisen abscheiden lassen.


Die Methoden, die man beim Stahlfrischen anwendet, sind nicht
so gleichmäſsig, wie die beim Eisenfrischen; im allgemeinen läſst sich
sagen, daſs man die Gans oder das Roheisen in einem tieferen Herd
einschmilzt. Es giebt Gegenden, wo man die Herde 2 Fuſs, ja bis
2½ Fuſs tief macht. Man läſst den eingeschmolzenen Guſs, der von
glühenden Kohlen bedeckt ist, in Ruhe; der Wind trifft nur das ein-
schmelzende Roheisen und man stellt denselben ab, sobald genug
niedergeschmolzen, beziehungsweise der Herd gefüllt ist. In einigen
Gegenden sticht man am unteren Teil des Tiegels oder Zerrennherdes
(affinerie) ab und läſst die Masse in dünnen Platten auslaufen, in
[198]Eisen- und Stahlfrischen.
anderen läſst man die Masse im Herd erstarren, bis die obere Schicht
eine gewisse Dicke von etwa einem Zoll erlangt hat. Nachdem man
erst die darüber erstarrte Schlackenschicht abgehoben hat, hebt man
das erstarrte Eisen als eine feste Scheibe ab (Scheibenreiſsen). Man
reinigt auf diese Weise den Guſs von seinen erdigen Beimengungen,
ohne ihm zugleich viel von seinen schwefligen und salzigen Teilen
zu entziehen. Ja, man schmilzt da, wo man den besten Stahl macht,
den Guſs in Gefäſsen, die nur dazu dienen, zu verhindern, daſs von
diesen Substanzen etwas verloren gehe.


Deshalb sind die Wände der Frischherde, die manchmal aus
Eisenplatten, manchmal aus Mauerwerk bestehen, mit einer Lage
Holzkohlen ausgestampft, so daſs die Schmelzung gewissermaſsen in
einem Kohlentiegel vor sich geht.


Es giebt Arbeiter, welche dabei Hornspäne, Ruſs und ähnliche
Stoffe in den Herd werfen.


Das auf diese Weise durch eine zweite Schmelzung (Hartzer-
rennen) gereinigte Eisen wird dann in einem Schweiſsherd (chaufferie)
aufgegeben, in dem es nur soweit erhitzt zu werden braucht, um die
genügende Menge der schwefligen und salzigen Bestandteile zu ver-
flüchtigen, ohne daſs die Eisenteilchen sich so sehr verteilen, daſs sie
ihren Zusammenhang verlieren. Da dies die einzige Aufgabe ist, so
ist es nicht erforderlich, die Schlackenbestandteile in Fluſs zu bringen,
wie beim Eisenfrischen. Deshalb bedarf es keiner so hohen Hitze
und man erhitzt nur so weit, als man es für notwendig hält, damit
der Stahl den Hammer aushalte, wobei man die Luppe nicht durch-
arbeitet, wie beim Eisenmachen.


Der wichtigste Punkt ist, das Feuer nach der Menge des Metalles
zu bemessen, da man bei zu starker Hitze Eisen bekommt. Bei aller
Vorsicht erhält man in der Regel doch ¼ bis ⅓ der Masse als
Eisen, indem es unmöglich ist, die Hitze so gleichmäſsig zu verteilen.
So kommt es, daſs ein Teil der ausgereckten Stange Eisen, ein anderer
Stahl ist. Wären Stahl und Eisen immer getrennt, so hätte dies nicht
viel auf sich, das Üble ist aber, daſs man kaum jemals sicher ist, daſs
der Stahl nicht von Eisenadern durchzogen ist. — In den meisten Stahl-
hütten werfen die Schmiede beim Ausheizen des gefrischten Stahles Sand
oder gepulverte Schlacke auf, welche die metallischen Teilchen überzieht
und sie vor dem Verbrennen oder der Überführung in Eisen schützt.“


Infolge des erwähnten Fehlers, daſs der französische Frischstahl
nicht rein, sondern von Eisenfäden durchzogen war, stand er an Güte
dem deutschen Stahl sehr nach.


[199]Eisen- und Stahlfrischen.

Das Stahlfrischen im Salzburgischen beschreibt Swedenborg
folgendermaſsen. Man liest das beste Brauneisenerz aus, röstet es
und schmilzt es dann im Hochofen zu Stahleisen, welches man in
Gänse von etwa 4 Ctr. absticht. Der Herd, der dem sächsischen Frisch-
herd gleicht, ist nur darin abweichend, daſs die Windform schiefer
liegt. Jede Gans wird für sich eingeschmolzen, wobei das Stahleisen
nicht dünnflüssig, sondern breiartig flieſst. Das erste Mal läſst man
die so eingeschmolzene Masse zwölf Stunden im Herd, sticht die
flüssige Schlacke ab und rührt und wendet das Eisen mit der Brech-
stange. Alsdann nimmt man die Masse aus dem Herd, zerteilt sie
unter dem Hammer in Stücke, und löscht jedes Stück in Wasser.
Diese Stücke werden dann von neuem in denselben Herd eingesetzt
und sechs Stunden lang beständiger Hitze ausgesetzt, wobei wieder
die überschüssigen Schlacken abgestochen werden. Alsdann wird die
Masse von neuem aus dem Herd genommen, unter dem Amboſs in
Stücke zerhauen, die in Wasser gelöscht werden. Die Masse ist
zwar jetzt schon stahlartig und hart, aber um richtigen Stahl zu
geben, müssen die Stücke noch ein drittesmal in denselben Herd
eingesetzt und sechs Stunden lang in der Glut gehalten werden. Die
Masse wird zerteilt, in dicke Klumpen geschmiedet, die in Wasser
abgelöscht werden. Diese dicken Stangen werden zerbrochen und
die Teile in dünne Stäbe von etwa ½ Zoll (½ digiti) Seite aus-
geschmiedet, die noch glühend abgelöscht werden. Um das Wasser
noch kälter zu machen, setzt man ihm Kochsalz zu. Die Stäbe werden
zu „Buschen“ von ¼ Centner Gewicht zusammengebunden. Aus
4 Ctr. Roheisen erhält man 2½ Ctr. Stahl, der sehr geschätzt wird.
1½ Ctr. gehen in die Schlacken. Die Holzkohlen mischt man aus
½ weichen und ½ harten. Es werden davon jedesmal sechs Säcke
verbraucht. In einer Woche machen drei Arbeiter auf diese Weise
15 bis 16 Ctr. guten Stahl; nach diesem Verfahren macht man in
Kärnten den meisten Stahl, der als steierischer verkauft wird.


Über das Stahlfrischen in Kärnten, Tirol, Steiermark macht
Swedenborg ebenfalls Mitteilungen, die aber nicht sehr eingehend
sind. Danach betrug der Einsatz in den Stahlzerrennherd 4½ Ctr.
Floſs. Die Form saſs tief mit etwas Neigung in dem Herd. Nachdem
das Eisen eingeschmolzen war, lieſs man es drei bis vier Stunden
ruhig stehen und in sich verkochen, ehe man darin rührte. Man
warf Quarzsand auf, zur Abscheidung der Unreinigkeiten und weil
man nicht viel Schlacken am Herd haben wollte. Nach dieser Zeit
stach man Schlacke ab. Über dem Stahlkuchen blieb eine Masse
[200]Eisen- und Stahlfrischen.
von weichem Eisen, welche man abhob und für sich verschmiedete.
Alsdann nahm man die Stahlluppe heraus und teilte sie in vier Stücke,
die man ablöschte und dann wieder in den Herd einsetzte und von
neuem niederschmolz. Dies wiederholte man drei- bis viermal. War
dann alles Eisen in Stahl verwandelt, so schmiedete man diesen in
Stäbe von 3 Fuſs Länge aus, die man in Lehmwasser ablöschte und
sodann in Fässer packte. Aus dem Einsatz eines „Flosses“ von
4½ Ctr. erhielt man ½ Ctr. Schmiedeeisen, das übrige war Stahl.
Aus 10 Ctr. erhielt man 7 Ctr. Stahl. Ein Meister machte in einer
Woche mit einem Gesellen und einem Jungen 10 Ctr. Stahl. Der
Hammer hatte ein Gewicht von 10 Ctr.


Der Schwede Polhem hat in seinem patriotischen Testament
(1746) noch einige allgemeine Regeln für das Stahlfrischen mitgeteilt 1),
welche wir hier ebenfalls anführen wollen. Man wähle bestes, reinstes
Roheisen. Solches, das zu Rotbruch und Kaltbruch neige, sei am
besten zu verwerfen, doch lieſse sich für manche Zwecke noch Stahl
daraus machen. Aus rotbrüchigem Eisen erhalte man einen Stahl,
der gut zu feilen wäre, so lange er nicht gehärtet sei: gehärtet eigene
er sich für polierte Arbeiten, als Knöpfe, Schnallen, Degengefäſse u. s. w.
Der kaltbrüchige Stahl habe eine noch weiſsere Farbe, sei aber un-
tauglich zu Draht, Saiten, Nadeln und Scheideeisen, da er keine
Zähigkeit besitze.


Beim Abstechen des Roheisens aus dem Hochofen solle man es
für Eisen in tiefe Sandformen, zum Stahlfrischen in flache Formen
laufen lassen. Ersteres bliebe, wie es wäre, in Klumpen in der Schlacke,
letzteres aber müsse zart flieſsen, was bei dünneren Stücken leichter
geschähe. Auch erfordere dies stärkere Hitze, welche man entweder
durch stärker angelassenes Gebläse oder durch kleineren Herd bei
auf 30 Grad geneigter Form erhielte.


Beim Stahlschmelzen müsse man die Schlacke fleiſsig ablassen
und die Luppe im Herd drei- bis viermal wenden. Hierauf folge
das Durchschmieden und Gärben, welches den Stahl zäh und geschmeidig
mache. Je öfter man ihn schweiſse, zusammenlege und ausschmiede,
je zäher und je geeigneter für Federn, Degenklingen und dergleichen
werde er. — Für Schneidzeuge brauche der Stahl nicht so oft gegärbt
zu werden. Gute Kohlen von Laubholz und alten Fichten seien am besten,
Kohlen von Tannen- oder jungem Holze machten den Stahl weicher,
als er war; Kohlen von hartem und altem Holze machten ihn härter.


[201]Die Cementstahlfabrikation.

Brennstahl sei gut in Ermangelung von anderem, aber für
Schweden, das so guten Frischstahl habe, sei er unnötig. Form,
Figur und Gröſse der Herde sei verschieden. Jeder Meister halte
seinen für den besten und halte daran fest. Etwas Vollkommenes sei
hierin noch nicht gefunden, das bleibe der Zukunft vorbehalten. Ohne
Zweifel habe der bloſse Zufall bei der Bereitung des Eisens das Stahl-
machen an die Hand gegeben, denn so lange die geschmolzene Schlacke
im Herde stehe und das Eisen in demselben schwimme, behielte es
seinen Schwefel, der ihm zur Weiche, wie Fett dem Leder, behülflich
sei. Sobald man aber die Schlacke ablieſse und das Eisen entblöſst
werde, verdufte der Schwefel, wodurch Stahl entstünde. Dies ginge
zunächst von der Oberfläche aus. Wollte man Luppen haben, die
durch und durch Stahl wären, so dürfte man sie nicht groſs machen.


Neben der Stahlbereitung in Frischherden spielte die Stahlbereitung
durch Rückkohlung von Schmiedeeisen im Anfang des 18. Jahrhunderts
bereits eine Rolle. Um diese Fabrikation hat sich Reaumur das
gröſste Verdienst erworben.


Die Cementstahlfabrikation (nach Reaumur 1721).


Reaumur hatte in den Jahren 1720, 1721 und 1722 vor der
Akademie der Wissenschaften in Paris eine Anzahl Abhandlungen
(mémoires) über das Eisen, insbesondere die Verwandlung von Schmiede-
eisen in Stahl und die Erweichung des Gusses bis zur Schmiedbarkeit
vorgetragen, welche so groſsen Beifall fanden, daſs beschlossen wurde,
dieselben drucken zu lassen. Dies geschah durch Michel Brunet
im Jahre 1722 1). Reaumur widmete das Werk dem damaligen
Regenten von Frankreich, Herzog Philipp von Orleans, welcher an
seinen Arbeiten von Anfang an ein lebhaftes Interesse genommen
hatte und ihm zur Belohnung einen bedeutenden lebenslänglichen
Staatsgehalt bewilligt hatte.


[202]Die Cementstahlfabrikation.

In der That verdiente das Werk diese groſse Anerkennung im
vollsten Maſse. Die Cementstahlfabrikation und die Darstellungen
des schmiedbaren Gusses waren zwar keine neuen Erfindungen
Reaumurs, aber sie waren bis dahin von denen, die sie betrieben
hatten, so geheim gehalten worden, daſs sie für die Technik so gut
wie unbekannt waren. Reaumur suchte und fand die richtigen
Darstellungsmethoden und machte sie aller Welt bekannt.


„Da die Regeln, welche wir mitteilen, ganz neu sind“, schreibt
er, „oder was dasselbe sagt, seither geheim gehalten waren, so hatten
wir dieselben nicht nur vorzutragen, sondern auch auf ihren Wert zu
prüfen.“ Dies that er in der gründlichsten und klarsten Weise. Diese
rücksichtslose Veröffentlichung wichtiger technischer Prozesse war
neu und wurde ihm von vielen sogar verübelt, die meinten, solche
Dinge gehörten nicht vor das groſse Publikum, man hätte sie Gesell-
schaften anvertrauen sollen, welche dieselben hätten ausbeuten können,
oder wenigstens dem Staate, damit der Nutzen Frankreich allein zu
gute gekommen wäre. Reaumurs erhabene Denkweise spricht sich
deutlich in seiner Antwort darauf aus.


„Die Gefühle, welche dem ersten Gedanken zu Grunde liegen,
sind nicht edel genug, daſs man sie noch dadurch verherrlichen sollte,
daſs man sie widerlegt; sind sie nicht selbst gegen die natürliche
Gleichheit? Ist es denn sicher, daſs unsere Entdeckungen so sehr
unser sind, daſs das Publikum kein Recht daran hätte, daſs sie nicht
in gewissem Sinne ihm gehörten? Wir müssen Alle und das ist
unsere erste Pflicht, zu dem allgemeinen Wohle der Gesellschaft bei-
tragen; wer das unterläſst, wenn er es thun kann, wer das unterläſst,
wenn es ihn nur Worte der Rede kostet, versäumt eine wichtige
Pflicht unter den verabscheuungswürdigsten Umständen. Wenn dieser
Grundsatz feststeht, sind wir dann noch die absoluten Herren unserer
Entdeckungen?“ Allerdings zeige das Publikum solcher Gesinnung
gegenüber wenig Dankbarkeit, denn das Geheimgehaltene schätze es
über alles Maſs, dem aber, der das Geheimnis enthülle, zeige es sich
undankbar, ja ablehnend, indem es finde, daſs dies ja nichts wunder-
bares sei, dieser oder jener Teil der Entdeckung längst bekannt ge-
wesen sei u. s. w. Dieses Verhalten des Publikums habe viele Gelehrte
veranlaſst, Erfindungen geheim zu halten oder sie so dunkel zu be-
schreiben, daſs der Leser nichts damit anfangen könne. Dies sei aber
unrecht. Dürfe der Arzt sich weigern, in der Gefahr einem körperlich
Leidenden Hilfe zu leisten? und verhalte es sich mit geistigen Mängeln
anders? Er behaupte, die, welche ihre Untersuchungen unklar dar-
[203]Die Cementstahlfabrikation.
stellten, sie zum Teil verbergen und sie nur erraten lieſsen, stehlen
dem Leser seine gute Zeit. Die Menschheit solle die gar nicht zu-
lassen, die nur danach strebten, bewundert zu sein, statt sich nützlich
zu machen.


„Was den zweiten Teil des Vorwurfs betrifft, daſs ich meine Er-
findungen Frankreich allein hätte erhalten sollen, so verlangen sie,
daſs ich darin das unrühmliche Beispiel einiger unserer Nachbarn
nachahme. Wohl sind wir zunächst unserem Vaterlande verpflichtet,
aber wir sind auch der übrigen Welt verpflichtet: diejenigen, welche
an der Vervollkommnung der Wissenschaften und Künste arbeiten,
müssen sich als Bürger der ganzen Welt betrachten.


Wollte man die Ausbeutung der Erfindungen so einschränken,
so müsse dies durch Privilegien geschehen. Privilegien haben
aber stets den Nachteil, daſs sie den Fortschritt verlang-
samen und den Preis des Produktes verteuern
. Das Beste für
die Menschheit ist Öffentlichkeit und freie Konkurrenz.“


Trotzdem ist der Verfasser bei seiner Arbeit und der Fürst bei
der Erteilung der Belohnung dafür wesentlich von dem Gedanken
geleitet worden, daſs dadurch ihrem Vaterlande, Frankreich, ein be-
sonderer Nutzen geboten werde. In Frankreich war man bis dahin
nicht imstande gewesen, bessere Stahlsorten zu erzeugen, fast aller
Stahl muſste aus dem Auslande bezogen werden. Der Verfasser hoffte,
daſs seine Vorschläge die Mittel an die Hand geben würden, in Frank-
reich selbst eine umfangreiche Industrie für bessere Stahlsorten zu
begründen; nicht weniger erhoffte er von der Ausbeutung der Idee des
hämmerbaren Gusses, welcher nach seiner Idee hauptsächlich für
dekorative Zwecke geeignet sei. Da aber Frankreich auf diesem Ge-
biete, in Bezug auf alles, was Geschmack und schöne Formen anlange,
schon jetzt das anerkannt erste Volk der Welt sei, so werde ihm
auch der gröſste Teil des Nutzens aus dieser Erfindung zuflieſsen.
Von so hohen wissenschaftlichen und patriotischen Gedanken war
Reaumur bei Abfassung seiner Memoiren erfüllt. Seine beiden
Abhandlungen bauen sich auf einer groſsen Reihe praktischer Versuche,
welche er mit Fleiſs, Umsicht, Geduld und groſsen Opfern an Zeit
und Geld angestellt hatte, auf.


Die Wichtigkeit des Inhalts und der Methode lassen es zweck-
mäſsig erscheinen, dem Gedankengang des Verfassers möglichst zu
folgen und einen gedrängten Auszug der umfangreichen Schriften zu
geben.


Alle Eisenerze sind aus Eisen-, Erd-, Schwefel- und Salzteilen
[204]Die Cementstahlfabrikation.
zusammengesetzt. Die Kunst des Hüttenmannes besteht darin, die
Eisenteile von den übrigen zu trennen, wodurch sie erst für den
Gebrauch verwendbar werden. Die Schmelzung ist das erste Mittel,
welches man hierfür anwendet. Bei der Schmelzung trennt sich die
leichtere Schlacke von dem schwereren Eisen. Dieses ausgeschmolzene
Eisen, das man Guſseisen (fonte) nennt, ist noch unrein, weshalb es
unter dem Hammer zerbricht. Um es in schmiedbares Eisen zu ver-
wandeln, wird es gefrischt, das heiſst ein zweites Mal eingeschmolzen
und unter einem schweren Hammer behandelt; dies wiederholt man
und erhält dadurch schmiedbares Eisen oder Stahl, je nach der
Behandlung.


Es giebt drei Arten, Stahl zu machen: 1. aus Roheisen im Frisch-
herd, wobei man meistens nur ein sehr geringes Produkt, manchmal
aber je nach dem Roheisen und der Gegend auch ein besseres erhält;
2. direkt aus dem Erz im Schmelzofen, wie es in Steiermark und in
unserem Lande in Roussillon, insbesondere in der Grafschaft Foix,
geschieht, und 3. durch Cementation von Schmiedeeisen, wodurch man
feinen Stahl, den man härter oder weicher machen kann, erhält.
Dieser letztere ist allein frei von Adern und Körnern von weichem
Eisen. Deshalb macht man in vielen Ländern, namentlich in Eng-
land, obgleich man das Schmiedeeisen dafür aus Schweden beziehen
muſs, den feinen Stahl ausschlieſslich aus diesem künstlichen Stahl.
Auch in Italien und in verschiedenen Provinzen Deutschlands macht
man Stahl aus Schmiedeeisen. Und wo man dies nicht thut, da hat
man es gewiſs doch schon versucht, weil man immer die aus Schmiede-
eisen erzeugten Stahlsorten für die besten hält. Nur Frankreich, ob-
gleich es Naturstahl (d. h. Rennstahl) sogar ausführen kann, entbehrt
diesen und muſs jährlich Unsummen dafür an das Ausland, wo man
das Verfahren selbst ängstlich geheim hält, bezahlen. Allerdings wurde
deshalb der Hof überlaufen, und besonders seit drei oder vier Jahren
behaupteten Franzosen und Fremde aus allen Ländern, um sich zu
bereichern, sie besäſsen das wahre Geheimnis, Eisen in Stahl zu ver-
wandeln. Aber da trotz aller Gnadengeschenke niemals etwas dabei
heraus kam, hat sich ein Vorurteil gegen alle diejenigen, welche dies
unternehmen wollen, die man mit denen, die nach dem Stein der
Weisen suchen, auf eine Stufe stellt, ausgebildet; und man hielt es
für ein unausführbares Unternehmen.


Trotz dieses Vorurteils erschien Reaumur das Problem aus
nationalökonomischen Gründen für zu wichtig, um es fallen zu lassen.
„Die Möglichkeit der Umwandlung von Schmiedeeisen brauchte nicht
[205]Die Cementstahlfabrikation.
mehr bewiesen zu werden, sie war hinreichend bezeugt durch den
Erfolg, den man in England, Deutschland und Italien damit erzielte,
die Frage war nur die, ob man nach demselben Verfahren mit unserem
Eisen ebenso gut Stahl machen konnte, wie jene mit dem ihrigen,
oder ob man im schlimmsten Falle fremde Eisensorten in Frankreich
in Stahl verwandeln sollte, wie man in England so vortrefflichen
Stahl aus Eisen von Schweden machte, welches sich zeitweilig in Paris
nicht höher stellte, als das einheimische Eisen und in den Häfen ebenso
billig war, wie dieses. Da ich aber bei meinen Untersuchungen, die
ich über die einheimischen Eisensorten bei der Beschreibung der
Schmelzöfen und Hämmer und der verschiedenen Verfahren in den-
selben angestellt hatte, erfahren hatte, wie mannigfaltig unsere ein-
heimischen Eisensorten seien, zweifelte ich nicht, daſs sich darunter
solche befänden, welche sich in Stahl verwandeln lieſsen und mit
denen man jede Stahlsorte herstellen könnte. Ich wuſste sogar, daſs
in Bearn eine oder zwei Fabriken bestehen, in denen eine Person
von Stellung schon Eisen aus jener Provinz in Stahl verwandelt hatte,
welchen ich untersucht und dem deutschen Stahl nur wenig nach-
stehend gefunden habe.


Da ich diese Eisensorte für eine zur Umwandlung geeignete
halten konnte, so kam es nur darauf an, das richtige Verfahren zu
finden und dieses dann an allen Eisensorten des Königreichs zu
probieren.“ Das Verfahren war ein Geheimnis, aber die Einsatz-
härtung (trempe en paquet) war Reaumur bekannt und mit dieser
muſste es zusammenhängen.


Die Stoffe, welche man bei dieser anwendete, waren zerstoſsene
Holzkohle, Asche, Ruſs, denen man Salze zusetzte, nebst verschiedenen
anderen Stoffen pflanzlicher, tierischer oder mineralischer Natur.
Auch diese Mischungen bildeten Geheimnisse der Schmiede und jeder
hatte sein eigenes Rezept. Es kam nun darauf an, durch Versuche
festzustellen, wie diese Stoffe für sich auf das Eisen wirkten und
welche Mischung die beste sei; ob man einzelne Bestandteile weg-
lassen oder durch andere ersetzen könnte; welche Mengen anzu-
wenden seien; wie der Prozeſs in einfacher, jedem Arbeiter verständ-
licher Weise geführt werden müsse.


Über alle diese und noch viele andere Fragen stellte Reaumur
eine groſse Reihe von Versuchen an, die ihn zum Ziel führten und
ihn in den Stand setzten, die beste Methode der Cementstahlfabrikation
genau zu beschreiben.


Die erste Versuchsreihe bezog sich auf die Zusammensetzung des
[206]Die Cementstahlfabrikation.
Cements (Cementierpulvers), was am meisten als das Geheimnis der
Kunst angesehen wurde. Es ist dabei einerlei, ob diese Versuche in
Blech- oder in guſseisernen Kästen, in Thontiegeln oder sonstigen
verschlossenen Gefäſsen vorgenommen wurden, und ob diese Gefäſse
in einer Schmiedeesse, einem Wind-, Muffel- oder Brennofen erhitzt
wurden. Um aber unter gleichen Bedingungen zu arbeiten, wurden
die Glühversuche in ganz gleichen Thontiegeln vorgenommen. Jeder
erhielt eine andere Mischung. Die Eisenstückchen wurden lagenweise
mit dem Cementierpulver geschichtet und alle möglichst dem gleichen
Feuer ausgesetzt. Um zunächst festzustellen, ob nicht das Schmiede-
eisen durch andauerndes Erhitzen schon an und für sich eine Ver-
änderung erleide, wurde dasselbe zunächst nur mit indifferenten Sub-
stanzen, als Thon, Kalk, Gips, verschiedenen Sandarten, Asche, gepulver-
tem Glas, geglüht. Es zeigte sich keine Veränderung des Eisens,
wenigstens keine Stahlbildung. Der Zusatz von Pflanzensäften, welche
bei verschiedenen Geheimmitteln als wirkungsvoll hingestellt werden, zu
diesen indifferenten Stoffen, übte ebenfalls keine besonderen Wirkungen.
Ebenso wurden Versuche mit Fetten und öligen Substanzen für sich
allein angestellt, so mit gewöhnlichem Talg, Leinöl u. s. w., mit
welchen Thon und Kalk, die sich vorher als wirkungslos erwiesen
hatten, vermischt wurden. Auch hierbei zeigte sich keine Stahl-
bildung. In gleicher Weise wurden verschiedene Salze probiert, teils
für sich, teils gemischt mit neutralen Stoffen und der Erfolg war
derselbe. Gröſser waren die Einwirkungen von gewissen Mischungen
dieser Stoffe; so verwandelte ein Gemenge von Seife und Erde das
Eisen zum Teil wenigstens in schlechten Stahl. Viel energischer war
aber die Einwirkung derjenigen Stoffe, welche nach der Auffassung
jener Zeit fettige und salzige Substanz gebunden enthielten, als
Kohlenpulver, Steinkohle, frische unausgelaugte Holzasche, Ruſs, be-
sonders der aus den Kaminen, gesiebte Hornkohle, gesiebte Leder-
kohle, Kot verschiedener Tiere, wie der von Pferden, Hühnern und
Tauben, entweder getrocknet oder verkohlt. Alle diese Substanzen
verwandelten das Eisen in Stahl, „wie man dies bei ihrer fettigen und
salzigen Natur erwarten konnte“. Der erhaltene Stahl war von ver-
schiedener Güte; der mit Kohlenpulver, Ruſs und verkohltem Leder
erhaltene war hart und fein, aber schwer zu bearbeiten und zeigte
nach dem Ausschmieden viele Risse und Schrunden. Verkohlte Horn-
späne zeigten sich weniger wirkungsvoll als die vorgenannten Stoffe;
noch geringer war die Wirkung der frischen Holzasche. Taubenkot
erzeugte feinkörnigen Stahl, der aber unter dem Hammer in Stücke
[207]Die Cementstahlfabrikation.
flog, Pferdemist und Hühnerkot gaben nur ordinären Stahl. Ge-
pulverte Steinkohle wirkte sehr heftig, verminderte das Volum des
Eisens und fraſs es an, gab harten, spröden Stahl.


Aus diesen Ergebnissen schloſs Reaumur, daſs die geeigneten
Mischungen verschieden wirkender Substanzen das beste Resultat
geben müſsten. Indem er nun die gepulverte Holzkohle als den
Grundstoff nahm, begann er eine neue Reihe von Versuchen durch
Zusatz von allen Arten von Salzen. Die alkalischen Salze, wie Potasche
und Soda, schienen die Stahlerzeugung zu beschleunigen, gaben aber
ein schwer schmiedbares Produkt, das sich weder schweiſsen noch
gärben lieſs. Andere, wie z. B. Borax, verminderten die Einwirkung
der Kohle. Mit anderen Salzen erhielt er einen Stahl, der aber
seine Stahlnatur beim Ausheizen sehr rasch wieder verlor. Diesen
Fehler warf man dem Cementstahl im allgemeinen öfter vor, aber mit
Unrecht, da nur gewisse Sorten denselben zeigen. Als besten Zusatz
zur Holzkohle erwies sich Seesalz. Arsenik, Antimon, Schwefel und
Grünspan, die Reaumur als Fluſsmittel des Eisens bezeichnet,
gaben natürlicherweise gar kein Resultat.


Nachdem Reaumur durch diese Versuche die brauchbarsten
Stoffe für die Cementation kennen gelernt hatte, untersuchte er in
einer neuen Reihe von Versuchen die geeignetsten Mischungsverhält-
nisse derselben. Als solche ergab sich ein Gemenge aus 2 Tln. Ruſs,
1 Tl. Holzkohlenpulver, 1 Tl. Asche und ¾ Tln. Seesalz. Aber die
Verschiedenheit der Eisensorten erforderte verschiedene Mischungen.
Auf manche wirkte diese Mischung zu energisch, dem konnte man
abhelfen durch einen gröſseren Zusatz von Asche in folgendem Ver-
hältnis: 2 Tle. Asche, 1 Tl. Holzkohle, 1 Tl. Ruſs, ¾ Tle. Seesalz.
Diese Mischung erforderte eine längere Brennzeit. Diese Mischungs-
verhältnisse sind nicht als die absolut besten anzusehen, sie sollen
dem Arbeiter nur als Anhalt dienen. Durch die relative Vermehrung
der fettigen Stoffe: Ruſs und Holzkohle, wird die Einwirkung des
Cementierpulvers stärker, durch die Vermehrung der Asche wird sie
schwächer. Läſst man das Salz fort, so ist eine viel gröſsere Menge
Pulver nötig, um dieselbe Wirkung zu erreichen; umgekehrt wirkt
die Erhöhung des Salzzusatzes ungünstig auf die Qualität des Stahls
ein. Bei Anwendung von Holzkohlenpulver ohne allen Zusatz war
die Stahlbildung eine vollkommene, nur war eine viel gröſsere Menge
Pulver und eine längere Brennzeit erforderlich, als bei der Mischung.
Man verzögerte die Wirkung noch mehr durch Zusatz eines in-
differenten Stoffes, wofür Kalk sich am geeignetsten erwies. Nach
[208]Die Cementstahlfabrikation.
der Natur des Eisens wählt man die geeignete Zusammensetzung.
Manche Eisensorten verlangen eine langsame Einwirkung. Die ange-
gebenen Stoffe sind gleichzeitig die, welche am leichtesten überall zu
beschaffen sind und welche sich deshalb für den Betrieb im groſsen
am besten eignen.


Das Seesalz (Kochsalz), welches auch als Pulver angewendet werden
muſs, läſst man am besten dekrepitieren. Die Holzkohle wird man
beim Groſsbetrieb unter dem Pochwerke zerkleinern; die Siebe werden
am besten durch ein Wasserrad bewegt, und das Mischen, worauf
viel ankommt, wird man am besten durch Maschinen bewerk-
stelligen. Versuche, das Salz als Lösung aufzugieſsen und dann die
Mischung zu trocknen, haben sich nicht als vorteilhaft erwiesen.
Überhaupt eignen sich die eingerührten und in Form von Kuchen
getrockneten Gemenge, wie sie bei der Einsatzhärtung öfter ange-
wendet werden, für diese Fabrikation nicht. Wie es ein Verhältnis
der Bestandteile in der Mischung geben muſs, so muſs ein Verhältnis
sein zwischen der Menge des Cementierpulvers und dem Eiseneinsatz.
2 Unzen 3 Quentchen auf ein Pfund Eisen, also ⅙ bis 1/7, ist der
beste Satz, oder im Groſsen 7 Pfund Ruſs, 3½ Pfd. Kohle, 3½ Pfd.
Asche und 2½ bis 3 Pfd. Salz auf einen Centner Eisen. Hat man
ein Eisen, was leicht einen guten Stahl giebt, so kann man mehr
Pulver geben —, bei Eisen, das nicht leicht und keinen guten Stahl
giebt, vermindert man dasselbe. Jedenfalls soll man an dem Cementier-
pulver, weder an der Mischung, noch an der Menge zu sparen suchen,
da durch besseren Stahl die Mehrkosten reichlich gedeckt werden.


Ebenso wichtig wie die Mischung ist der Grad und die Dauer
der Hitze beim Brennen
. Mit dieser Frage beschäftigt sich die
zweite Abhandlung. Das Feuer darf nie unmittelbar auf das Eisen
oder die Mischung wirken, sondern diese müssen durch die Wände
eines ringsum geschlossenen Gefäſses geschützt sein. Wo ein Riſs
oder eine Öffnung der Flamme oder der äuſseren Luft Zutritt ge-
stattet, findet keine Stahlbildung statt. Wo man einen Deckel an-
wendet, muſs derselbe deshalb auf das sorgfältigste mit feuerfestem
Material verdichtet werden. Wegen der Ausdehnung der Masse beim
Erhitzen empfiehlt es sich, zwischen Deckel und Füllung einen kleinen
Zwischenraum zu lassen.


Auſser der richtigen Mischung des Cements ist für die Stahl-
bildung nichts so wichtig, als das Brennen. Man muſs das Fortschreiten
der Verstählung durch Proben feststellen, wobei man sich nicht bei
der Umwandlung des sehnigen Gefüges in ein körniges begnügen
[209]Die Cementstahlfabrikation.
darf, sondern den Stahl auf seine Härtungsfähigkeit prüfen muſs, da
ersteres früher eintritt als letzteres. Ungenügend gestähltes Eisen
muſs man von neuem brennen. Brennt man aber zu lange, so wird
der Stahl schwer zu bearbeiten und zerfährt unter dem Hammer, im
besten Falle bleibt er voller Risse und Scharten. Indessen ist es
nicht so schwer, die richtige Brennzeit zu ermitteln. Aber auch in
Fabriken sollte man sich nicht nach einer bestimmten Zeitdauer,
sondern nach der Probe richten. Die Brennzeit ist abhängig von
dem Bau und der Gröſse des Ofens, von der Gröſse des Einsatzes,
der Menge des Eisens, der Mischung u. s. w. Man kann in einem
kleinen Tiegel die Umwandlung in einer Stunde bewirken, wozu man
in einem groſsen Ofen 12 bis 15 Tage braucht. Der Grad der Hitze
ist dabei gleich wichtig. Die Einwirkung bis zur Mitte des Eisen-
stabes geht um so besser und um so rascher von statten, je gröſser
die Glut ist. Sie beginnt erst bei einer bestimmten Temperatur und
steigert sich mit derselben. Deshalb ist die Wirkung anfangs viel
langsamer als nachher, wenn die ganze Masse gleichmäſsig durch-
geheizt ist. Dies fand Reaumur durch den Versuch bestätigt, indem
er einen Tiegel, der nur Cementierpulver enthielt und ein Stück
Eisen jedes für sich erhitzte und erst als beides eine gewisse Hitze
erlangt hatte, das Eisen in das Pulver steckte. Die Stahlbildung ging
alsdann sehr rasch von statten. Natürlich darf die Hitze nie so hoch
steigen, daſs das Eisen (welches sich durch weitere Aufnahme von
Kohlenstoff in Guſseisen verwandelt) schmilzt. Ist ein Teil der Stange
geschmolzen, so ist der Rest sehr harter Stahl. Reaumur beob-
achtete, daſs zuweilen nebeneinander liegende Stangen in einen halb-
flüssigen Zustand gerieten, so daſs sie an einer Stelle zusammenflossen
und durch einen Zapfen verbunden waren. Dieser Zapfen erwies
sich als der gleiche Stahl wie die Stangen selbst. Diese Beobachtung,
wenn weiter verfolgt, hätte Reaumur auf die Erfindung des Guſsstahls,
welche Huntsmann erst 20 Jahre später machte, führen können.
Die Verlangsamung der Brennzeit erhöht nicht die Güte des Stahls,
dies stellte Reaumur durch Versuche in Muffelöfen fest. Allerdings
zeigte der Stahl bei rascher Umwandlung Blasen auf seiner Ober-
fläche, die bei langsamer Umwandlung sich nicht bildeten, aber diese
Blasen sind ohne jeden Nachteil. Andere Versuche lehrten, daſs die
Güte des Stahls leidet, wenn man ihn wiederholt in frische Mischungen
derselben Zusammensetzung einsetzt, es ist besser, ihn wieder in die
schon gebrauchte Mischung zurückzubringen oder eine schwächere
Mischung zu nehmen.


Beck, Geschichte des Eisens. 14
[210]Die Cementstahlfabrikation.

Eine wichtige, wenn auch nie vollkommen zu erfüllende Forderung
ist die vollständige Gleichmäſsigkeit der Temperatur in dem
ganzen Ofen. Um eine möglichst gleiche Wirkung zu erzielen, wählt
man auch nur Stäbe von demselben Querschnitt, und zwar sind Flach-
stäbe am besten. Dickere Stangen brauchen viel mehr Zeit, um
durchaus in Stahl umgewandelt zu werden, und zwar wächst die
Brennzeit in einem gröſseren Verhältnis als die Dicke. Das Ver-
hältnis der Oberfläche zum Inhalt oder des Umfangs zum Querschnitt
ist dabei von wesentlichem Einfluss.


Die Wirkung steht nicht in direktem Verhältnis zur Brennzeit,
indem die frische Mischung stärker wirkt, als die, welche schon einige
Zeit im Feuer war. Im Anfang geht die Verstählung rascher vor
sich als gegen das Ende. Vorversuche im kleinen sind für den Groſs-
betrieb unerläſslich und wie diese Versuche zu machen sind, lehrt
die dritte Abhandlung. Als beste Form der Versuchsgefäſse fand
Reaumur die kleiner, länglicher Kistchen; diese entspricht am meisten
der Form der Flachstäbe, welche sich darin am bequemsten schichten-
weise einsetzen lassen. Auch kann man eine Anzahl dieser Kistchen
über- und nebeneinander in einen Glühofen einsetzen. Ein gut passender
Deckel ist sehr wichtig. Derselbe kann aber durch eine aufgestampfte
Decke von fettem Sand, ähnlich dem Formsand, ersetzt werden.
Wie schon erwähnt, kann man beinahe jede Art von Feuerung be-
nutzen. Reaumur beschreibt eine ganze Reihe von Feuerungsanlagen
für die Versuche im kleinen. Benutzt man die Schmiedeesse, so
kann man mit Vorteil Steinkohlen statt Holzkohlen verwenden. Für
gröſsere Versuche eignet sich besser ein gemauerter Windofen von
rechtwinkligem Querschnitt, in den die viereckige Versuchskiste so
hineinpaſst, daſs sie von allen Seiten vom Feuer umgeben ist (Fig. 33).
Der Wind wird am besten durch einen Doppelbalg erzeugt.


Diese Versuche im kleinen zeigten den Weg für das Verfahren
im groſsen und für die Konstruktion eines Brennofens für den
fabrikmäſsigen Betrieb. Mit dieser wichtigen Frage beschäftigt sich
die vierte Abhandlung. Reaumur konstruierte einen Ofen, welcher
denen, welche noch heute bei dieser Industrie in Anwendung sind,
sehr ähnlich ist. Die Öfen, die man bis dahin bei den Versuchen
mit der Cementstahlfabrikation in Frankreich angewendet hatte,
glichen mehr den Töpfer- oder Glasöfen. Solcher waren, wie Reaumur
berichtet, zwei in den letzten Jahren von Engländern angeblich nach
dem Muster der in England gebräuchlichen gebaut worden: der eine
von dem berüchtigten Spekulanten Law zu Harfleur, der andere zu
[211]Die Cementstahlfabrikation.
St. Germain en Laye, wobei der Herzog von Noailles beteiligt war.
Letzteren hatte Reaumur gesehen; die Tiegel standen in dem Ofen-
gewölbe auf Untersätzen ganz wie bei den Glasöfen. Diese groſsen

Figure 38. Fig. 33.


Öfen bedurften im Verhältnis
zum Einsatz viel zu viel Brenn-
material. Reaumur suchte einen
Ofen zu konstruieren, welcher bei
möglichst groſsem Einsatz nicht
zu viel Umfang erforderte, sowie
einfach und billig sich herstellen
lieſs. Er ging dabei von seinem
rechteckigen Versuchswindofen
aus. Die Luftzuführung sollte
durch Blasebälge geschehen, weil
dies vorteilhaft schien und man
die Hitze damit leicht steigern
oder mäſsigen konnte. Nach
mancherlei Versuchen kam Reaumur zu der Fig. 34 dargestellten
Konstruktion.


Die Basis des Ofens ist rechtwinklig, fast quadratisch. Das
starke Rauhgemäuer wird noch durch eiserne Bänder, welche in

Figure 39. Fig. 34.


Schrauben endigen und durch Muttern angezogen werden können,
verstärkt. Das Rauhmauerwerk ist im Inneren mit einem Futter oder
„Hemd“ ausgekleidet, welches den inneren Ofenraum umschlieſst.
14*
[212]Die Cementstahlfabrikation.
Unten ist ein Boden eingebaut, welcher das Ofeninnere von dem
Windgewölbe oder Aschenfall A trennt. Die Seitenwände der Brenn-
oder Cementierkisten sind, um sie so dünn wie möglich zu halten,
nicht aufgemauert, sondern aus gebrannten Platten aus feuerfestem
Thon hergestellt, welche unten und an den Seitenwänden in Rinnen
oder Falzen, welche im Mauerwerk ausgespart sind, einpassen und
darin mit feuerfestem Lehm verdichtet werden. Auf diese Art werden
drei Abteilungen hergestellt, in welche die Eisenstäbe mit dem
Cementierpulver lagenweise eingetragen werden. Der mittlere Hohl-
raum ist der gröſste und gröſser als die beiden seitlichen, deren
Auſsenwände von dem Ofenfutter selbst gebildet werden. In Fig. 34
sieht man die drei Ofenkisten gefüllt im Querschnitt. In der Kiste

Figure 40. Fig. 35.


a liegen drei Eisenstäbe in
derselben Lage nebeneinander,
während in den schmalen
Seitenkisten b b nur je ein
Stab in der gleichen Lage
liegt. Die drei Abteilungen
oder Kisten sind oben durch
Deckel geschlossen, welche
seitlich übergreifen. In unserer
Zeichnung sind dieselben flach
dargestellt, man kann die-
selben aber auch in der Mitte
erhöhen, was den Vorteil hat,
daſs die Kohlen, welche auf
dieselben geschüttet werden, leichter auf den geneigten Flächen durch
die breiten Schlitze in den Feuerungsraum rutschen.


Durch den Einbau der Kisten bleiben zwischen denselben zwei
schmale Hohlräume, welche die Feuerungsräume bilden und ganz mit
Brennmaterial gefüllt werden. Die mittlere, groſse Kiste ist also auf
beiden Seiten vom Feuer umspielt, während die Seitenkisten nur von
der einen, inneren Seitenfläche aus erhitzt werden. Die Verbrennung
wird verstärkt und geregelt durch künstlichen Wind, welcher durch
schlitzförmige Düsen n n unten in den Verbrennungsraum einmündet;
dieselben können mehrere kleine Schlitze bilden wie im Grundriſs Fig. 35
durch n n oder einen langen Schlitz, wie durch o o angedeutet ist. Der
Wind wird durch einen doppelten Blasebalg erzeugt, tritt durch die
Öffnung B (Fig. 34) in den Windraum A, von wo er durch die erwähnten
Düsen in den Feuerungsraum gelangt. Der obere Teil des Ofens
[213]Die Cementstahlfabrikation.
wird durch einen innen dachförmigen Deckel abgeschlossen. Derselbe
hat ein Loch in der Mitte, durch welches man Kohlen nachfüllt und
durch welches die Feuergase austreten können, wobei durch einen
durchlöcherten Stöpsel beliebig mehr oder weniger verschlossen werden
kann. An dem eisernen Rahmen des Deckels befinden sich vier
Zapfen, an denen er in die Höhe gezogen wird.


In der Vorderwand oder in den beiden Schmalseiten des Ofens
befinden sich verschiedene Oeffnungen, welche mit dem Ofeninneren
in Verbindung stehen. In den Feuerraum führen zwei horizontale
Schlitze unmittelbar über der Sohle, durch welche man die Öffnungen
der Düsen, wenn sie sich durch schmelzende Massen verlegen, mittelst
eines Feuerhakens reinigen kann. Höher oben befinden sich zwei
gröſsere Öffnungen, welche durch vorgesetzte kleine Thürchen von
Thon verschlossen sind und durch welche man die Kohlen in
den beiden Feuerungsräumen mit einem Spieſs aufstochen oder sie
auch mittelst einer langen Stange, welche man gegen die gegenüber-
liegende Wand anstemmt, zurückhalten kann.


Ähnliche Öffnungen führen in die Brennkisten, und zwar drei
breitere übereinander in die mittlere Hauptkiste und je zwei schmälere
in die zwei Seitenkisten. Durch diese kann man in das Innere des
Ofens sehen und den Hitzegrad beobachten, sodann zieht man durch
diese Öffnungen die Proben. Beim Füllen des Ofens legt man näm-
lich in der Höhe dieser Öffnungen Probestangen ein, welche in die
Öffnungen hineinragen, so daſs sie leicht mit einer Zange gefaſst werden
können. Glaubt man, daſs die Cementation nahezu beendet sei, so
überzeugt man sich davon durch Ziehen und Probieren einer solchen
Stange, was in verschiedener Höhe geschehen kann. Diese Öffnungen
sind während des Betriebes mit Thonpfropfen geschlossen; durch
dieselben kann man auch kleine Schäden, namentlich Sprünge und
Löcher in den Seitenplatten ausbessern, indem man sie mit feuer-
festem Thon verschmiert.


Da beim Brennen die Füllung allmählich etwas einsinkt, so ent-
steht oben ein leerer Raum; diesen füllt man durch die obere Öffnung
wieder aus, indem man dünnere Eisenstangen und Cementierpulver
einträgt. Die dünneren, später eingesetzten Stangen werden doch mit
den dicken Stangen gleichzeitig gar werden.


Will man den Ofen laden, so schneidet man zunächst die Eisen-
flachstäbe auf gleiche Längen ab, und zwar so, daſs dieselben 1 bis
1½ Zoll kürzer sind als der Innenraum der Kiste. Es empfiehlt sich,
oben und unten, wo die Hitze geringer ist als in der Mitte, schwächere
[214]Die Cementstahlfabrikation.
Stäbe einzulegen. Die heiſseste Zone liegt aber nicht immer gerade
in der Mitte. Man ermittelt dieselbe durch einen Versuch, indem
man eine Eisenstange vertikal einsteckt und mitbrennt. Hiernach
zerschlägt man sie in viele kleine Stücke, die man getrennt probiert
und dadurch ermittelt, in welchen Höhen dieselbe mehr oder weniger
der Hitze ausgesetzt war.


Jede Lage Eisen wird gewogen und ebenso wird das Cementier-
pulver entweder zugewogen oder zugemessen. Obgleich die seitlichen
Kisten nur etwa ⅓ so breit sind als die Hauptkiste, werden sie doch
nicht so heiſs wie letztere; deshalb legt man auch in die Seiten-
kisten schwächere Stäbe ein. Es steht durchaus nichts im Wege,
die mittlere Kiste noch grösser zu machen, als oben angegeben: die
Brennzeit wird dann eine längere sein, aber es wird auch eine gröſsere
Menge Eisen in Stahl verwandelt. — Sind die Kisten gefüllt, so
werden die Deckel aufgesetzt und sorgfältig lutiert. Alsdann wirft
man erst einige glühende Kohlen in die beiden Feuerräume und
füllt dann Kohlen nach, bläst schwach an, um die Hitze in Gang
zu bringen und setzt sodann den Hauptdeckel auf den Ofen. Man
darf beim Nachfüllen nie zu viel Kohlen auf einmal aufgeben. Es
ist nicht gut, wenn die Kohlen den ganzen Feuerraum erfüllen, viel-
mehr werden die Wände viel heiſser, wenn eine niedrige Schicht
Kohlen in gleichmäſsiger voller Glut erhalten wird, dann geben die
Verbrennungsgase am meisten Wärme an die Kistenwände ab. Durch
die vorspringenden Ränder der Kistendeckel wird der Schlitz, durch
welchen die Gase entweichen müssen, verengert, wodurch die Hitze
mehr zusammengehalten wird. Auch muſs man sorgfältig vermeiden,
daſs kalte Kohlen, die noch nicht entzündet sind, durch den Spalt
in den Feuerraum fallen. Das Vorwärmen der Kohlen ist ein wesent-
liches Beförderungsmittel des Prozesses.


Die ersten Stunden bläst man langsam, damit sich die Wände
allmählich erhitzen und durch zu plötzliche Hitze nicht reiſsen, dann
aber läſst man den Wind voll an. Es ist sehr wichtig, daſs der
Windstrahl genau in der Mitte senkrecht aufsteigt, und daſs er nicht
nach einer Seite hinbläst. Den Wind durch eine gröſsere Anzahl
Öffnungen oder durch einen langen Schlitz eintreten zu lassen,
ist nur zu empfehlen, weil dadurch eine bessere Verteilung der
Hitze bewirkt wird. Für einen Ofen von 300 kg Eiseneinsatz, wie ihn
Reaumur beschrieben hat, genügt ein Doppelbalg von 3½ Fuss
Länge bei 30 bis 40 Hüben in der Minute. Der Balgzieher besorgt
auch das Aufgeben und Einschieben der Kohlen. Sind die Eisen-
[215]Die Cementstahlfabrikation.
stäbe nicht dicker als drei Linien bei etwa 20 Linien Breite, so können
dieselben bei einem Einsatz von fünf bis sechs Centnern Eisen in 24
bis 36 Stunden in Stahl verwandelt werden; hierzu sind sechs bis
sieben Karren Kohlen erforderlich. Man kann also in einem solchen
kleinen Ofen dadurch, dass die Brennzeit kürzer ist, in derselben Zeit
annähernd ebensoviel Stahl erzeugen, als in einem groſsen Ofen, der
entsprechend längere Brennzeit erfordert.


Will man aber für einen gröſseren Betrieb gröſsere Öfen con-
struieren, so kann man ganz dasselbe Modell beibehalten und nur die
Maſse vergröſsern. In erster Linie aber macht man die Öfen und
die Eisenstäbe, die man einsetzt, länger. Die Kisten breiter und
höher zu machen, empfiehlt sich weniger, als ihre Zahl und zugleich
auch die der Feuerungen zu vermehren, also statt einer mittleren
Kiste drei Kisten einzubauen, wobei man auch die Feuerungen um
zwei vermehren muſs. Ein solcher groſser Ofen ist vorteilhafter als
mehrere kleine von gleichem Einsatzquantum, weil in den groſsen
Öfen das Verhältnis der Mittelkisten zu den Seitenkisten, in welchen
die Stahlbildung nur sehr unvollkommen erreicht wird, ein günstigeres
ist. Auch wird an Arbeitslohn gespart. Es empfiehlt sich, an jeder
Düse eine Klappe anzubringen, womit man den Wind ermäſsigen oder
abstellen kann. Das Windquantum muſs für gröſsere Öfen ent-
sprechend gröſser sein und läſst sich leicht durch Rechnung er-
mitteln 1). Statt der ledernen Doppelbälge, welche von Hand gezogen
werden, wird man bei groſsen Öfen besser Holzblasebälge, von einem
Wasserrad bewegt, benutzen. Nach Reaumurs Berechnung würde
ein Holzblasebalg, wie er bei den Hochöfen angewendet wird, für
einen Stahlbrennofen von 10000 kg Eiseneinsatz genügen; doch der
Verfasser bezweifelt, daſs jemals Öfen von solcher Grösse gebaut
werden würden.


Die Blasebälge, wie sie bei den Frischherden im Gebrauch sind,
genügen nach seiner Berechnung für Öfen von 3000 kg Einsatz. Der
ökonomisch wichtigste Gesichtspunkt ist die Ausnutzung der Wärme
und die wird bei der vorgeschlagenen Konstruktion in viel höherem
Grade erreicht, als bei den gewönlichen Wind-, Glas- und Töpferöfen.
Aus diesem Grunde ist auch die Erhöhung der Kisten weniger vor-
teilhaft, als die Verlängerung derselben. Bei der gleichen Feuerung
liegt das Maximum des Wärmeeffekts in einer bestimmten Höhe über
den Winddüsen; darüber hinaus nimmt die Wirkung ab. Ferner
[216]Die Cementstahlfabrikation.
muſs man die Wände mit zunehmender Höhe entsprechend dicker
machen, so daſs man schlieſslich die gebrannten Platten durch ein
Mauerwerk aus feuerfesten Backsteinen ersetzen muſs. An Stelle
dieses wären aber Kisten aus dicken Eisenplatten wohl noch vor-
zuziehen, wobei man allerdings von der künstlichen Windzuführung
absehen müſste. Man könnte dann mit Holz heizen und die Gase
durch einen Schornstein abführen. Ein Rost wäre leicht hergestellt
durch in gewissen Abständen eingemauerte Backsteine 1).


Nachdem Reaumur so in eingehendster Weise ein klares Bild
eines Stahlcementierofens gegeben hat, wendet er sich in der fünften
Abhandlung zu der Untersuchung der verschiedenen Eisensorten auf
ihre Stählungsfähigkeit. Daſs Schmiedeeisen aus verschiedenen Erzen
in dieser Beziehung ein sehr verschiedenes Verhalten zeigt, ist eine
bekannte Thatsache: manches ist besser, manches gar nicht zu
gebrauchen; manches braucht mehr Cement, manches längere Zeit
zur Umwandlung. Reaumur hat mit einer groſsen Anzahl Eisen-
sorten, namentlich mit französischen, Versuche angestellt und ist da-
durch zu gewissen allgemeinen Regeln geführt worden. Das Haupt-
mittel der Unterscheidung bildet das Bruchansehen, welches von
dem Gefüge oder der Textur des Eisens bedingt ist. Zuvor aber kann
als erste Regel für alle Eisensorten gelten, daſs man kein Eisen zur
Cementation nimmt, welches Risse, Narben und Flecken zeigt, sondern
daſs man nur gesunde, saubere, gutgeschmiedete Stäbe hierfür aus-
wählt. Rotbrüchiges Eisen darf man nie verwenden und muſs das
Schmiedeeisen stets darauf untersuchen, weil Rotbruch bei den ver-
schiedensten Sorten vorkommen kann. Dieser Fehler verschwindet
nicht durch die Cementation, sondern tritt nur noch mehr hervor. —
Im allgemeinen unterscheidet man weiches und hartes Eisen, ersteres
läſst sich wiederholt nach allen Seiten biegen und winden, ohne zu
brechen, letzteres bricht hierbei. Nach der Struktur unterscheidet
man sehniges und körniges Eisen, aber die Abstufungen sind unend-
lich, so daſs fast jede Eisensorte einen anderen Bruch zeigt. Reau-
mur
hat zum ersten Male die Bruchflächen der Eisensorten genau
beschrieben, sie in gewisse Gruppen gefaſst und sie, so gut dies mög-
lich ist, durch Zeichnungen und Kupferstiche veranschaulicht. Be-
züglich der Einzelheiten müssen wir auf seine Abhandlung verweisen
und können nur das Allgemeinste hier mitteilen. Reaumur hebt
mit Recht hervor, daſs das Bruchansehen des Eisens in seinen ver-
[217]Die Cementstahlfabrikation.
schiedenen Zuständen mehr abweiche, als das mancher verschiedener
Metalle, wie z. B. Blei, Zinn und Silber. Die Schmiedeeisensorten
zerfallen, wie schon erwähnt, in zwei Klassen, in solche mit körnigem
oder blätterigem und solche mit sehnigem Bruch; ersterer gleicht mehr
dem der Steine (Sandstein, Kalkstein, Granit), letzterer mehr dem
des Holzes. Diese Einteilung genügt aber nicht, Reaumur faſst
deshalb die verschiedenen Brucherscheinungen in sieben Gruppen zu-
sammen, die er genau beschreibt und in Bezug auf ihre Brauchbar-
keit für die Cementstahlfabrikation untersucht. Diese Gruppen sind
kurz folgendermaſsen charakterisiert: 1) glänzend, groſsblätterig;
2) glänzend, kleinblätterig; 3) blätterig und körnig gemischt, wobei
aber die graulichen körnigen Partieen gegen die glänzenden blätte-
rigen zurücktreten; 4) körnig-blätterig, wobei die feinkörnigen Partieen
vorherrschen und die Blätter weniger groſs und glänzend sind;
5) körnig, welcher Bruch oft bei gutem, weichem Schmiedeeisen sich
zeigt; 6) körnig-blätterig-faserig, wobei die körnigen Partieen vor-
herrschen, die einzelnen Körnchen aber weniger scharf und mehr ab-
geplattet erscheinen; 7) sehnig, welches man vorzugsweise als weiches
Eisen zu bezeichnen pflegt, wie z. B. das von Berry, von dem Hammer-
werk von Painpont in der Bretagne, von Foix u. s. w.


Die Verschiedenheit dieser Gruppen rührt nicht allein von der
Erzeugung, sondern auch von der Behandlung her. Oft finden sich
verschiedene Bruchflächen an demselben Stabe. Überhaupt sind die
Grenzen nicht scharf. Demungeachtet ist die Einteilung eine brauchbare.


Gruppe 1 ist schlechtes Schmiedeeisen und auch zur Cement-
stahlbereitung ganz ungeeignet, der daraus bereitete Stahl zerbröckelt
unter dem Hammer.


Gruppe 2 verarbeitet sich gut als Eisen, namentlich für polierte
Sachen, taugt aber nicht zur Stahlbereitung; ein vorheriges Um-
schmieden verbessert es etwas. Will man diese Eisensorten cemen-
tieren, so wählt man schwache Mischung und kurze Brennzeit. Den
Grund der Unbrauchbarkeit dieser beiden Sorten findet Reaumur
hauptsächlich in dem zu lockeren Gefüge.


Gruppe 3 verwandelt sich meist leicht in guten Stahl. Es be-
darf keines starken Cements noch langer Hitze. Der erzeugte Stahl
hat eine schöne weiſse Farbe, wie überhaupt der Stahl von Eisen mit
glänzend-blätterigem Bruch weiſser wird als der von körnigem.


Gruppe 4 giebt am zuverlässigsten Stahl bei der Cementation;
derselbe ist grau und läſst sich vorzüglich schmieden; dagegen ist er
nicht immer der härteste. Er ist besonders geeignet für feine, saubere
[218]Die Cementstahlfabrikation.
Arbeit. Er braucht keine lange Brennzeit, ist aber nicht empfindlich
darin. Reaumur erklärt diese Vorzüge aus der Struktur, die eine
Durchdringung und Verteilung des wirksamen Agens erleichtern,
auch sei der feinkörnige Grundstoff schon als natürlicher Stahl an-
zusehen.


Das Eisen der 5. Gruppe, zu dem namentlich das Quadrateisen
(les quarrillons) von der Champagne und von Nivernois gehören, be-
darf einer langen Brennzeit zur Stahlverwandlung, woran das gröbere
Korn Schuld ist; dagegen kann die Mischung schwächer sein als bei
Gruppe 4. Der Stahl ist grau und gut schmiedbar. Bei dieser
Eisenart finden sich oft Stangen, die schon sehr hart sind und sich
nur schwer schmieden lassen. Diese muss man aushalten, da sie sich
nur sehr langsam brennen. „Allerdings habe ich aus derartigen
Stäben von Berry den härtesten und feinsten Stahl, der sich sehr
leicht verarbeiten lieſs, erhalten. Dagegen läſst sich das Harteisen
(fer fort) von Foix, das eigentlich schon ein grober Naturstahl ist,
durch Cementation nicht zu feinem Stahl umwandeln.“


Das Eisen der 6. Gruppe, das weder blätterig noch körnig ist,
giebt ungleichen Stahl, der sich oft nur schwer bearbeiten läſst. Man
schmiedet es am besten zuvor um, wobei man meist sehniges Eisen
erhält.


Dieses Eisen der 7. Gruppe giebt, wenn es frei von Rotbruch ist,
ausgezeichneten Stahl, der viele „Körper“ hat, d. h. der viele Hitzen
erträgt, ohne sich zu verändern. Dieser bedarf der längsten Brenn-
zeit, was zum Teil daher kommen mag, daſs das Feuer doppelte
Arbeit zu verrichten hat, indem es die faserige Struktur in eine körnige
verwandeln und die Stahlbildung bewerkstelligen muſs. Auch er-
fordert das sehnige Eisen stärkere Cemente. Die sehnigen Eisensorten
sind aber unter sich auch sehr verschiedener Art, einige sind gemengt
mit blätterigem, andere mit körnigem Eisen und zeigen auch die oben
beschriebenen Eigenschaften dieser, nur werden sie immer durch die
beigemengte Sehne verbessert. Ein groſsblätteriges Eisen Gruppe 1,
das mit sehnigem Eisen vermischt ist, kann brauchbaren Stahl geben.
Ausser dem Unterschied im Gefüge ist auch noch ein Unterschied
in der Färbung zu beobachten, indem bei gleichem Gefüge diese
heller oder dunkler sein kann. Sehr weiſse und sehr schwarze Fär-
bung sind keine günstigen Zeichen. Eine allgemeine Regel ist, das
Eisen ist um so besser, je feiner und je gleichförmiger seine Teil-
chen sind, dies gilt von den Blättchen, von dem Korn und von der
Sehne.


[219]Die Cementstahlfabrikation.

Da nur ein sehr kleiner Teil des Eisens als Stahl zur Verwen-
dung kommt, so kann man das richtige unter den vielen Sorten
des Königreiches schon aussuchen; wenn es sein muſs, kann man aber
auch schwedisches Eisen, das, wie schon bemerkt, in unseren Häfen
so billig wie unser eigenes zu haben ist, verwenden. „Aber es ist
dies nicht nötig“, sagt Reaumur. „Ich habe mit einer ganzen Reihe
französischer Eisensorten bereits günstige Resultate erzielt, unsere
meisten Provinzen liefern brauchbares Cementeisen.“


Der Verfasser berichtet nun in seiner sechsten Memoire über die
Veränderungen, welche das Eisen bei seiner Umwandlung in Stahl
erfährt; über die Vorsichtsmaſsregeln, die man beim Ausschmieden
des Brennstahls anwenden muſs und endlich über die Kosten des
Verfahrens.


Die Veränderungen, welche das Schmiedeeisen beim Über-
gang zum Stahl bei der Cementation erleidet, sind ebenso interessant
vom physikalischen, wie vom metallurgischen Standpunkte aus. Der
Stab von weichem Schmiedeeisen von körniger oder sehniger Textur
erscheint nach der Cementation, einerlei ob er rasch oder ganz lang-
sam im Ofen selbst erkaltet ist, als spröder, harter Stahl, derart wie
der Stahl sonst nur nach raschem Ablöschen erscheint. Ein Schlag
mit dem Hammer beweist, ob das Eisen richtig cementiert ist, in diesem
Falle wird der Stahl in Stücke brechen. Bleibt er ganz, so war die
Cementation keine vollständige. Die Bruchfläche ist gegen früher ganz
verändert; statt der Sehnen und Körner zeigen sich Blätter. Gefüge
und Farbe sind mehr wie bei weiſsem Roheisen als bei irgend einer
anderen Eisensorte. Ein ungeübtes Auge wird es nicht für Stahl
halten, sondern für schlechtes (verbranntes) Schmiedeeisen. Und doch
unterscheidet sich der Bruch wesentlich in zwei Punkten von
schlechtem Schmiedeeisen, erstens sind die Blätter, wenn auch groſs
und unregelmäſsig, doch ganz regelmäſsig gelagert, und zwar senk-
recht zur Längenachse des Stabes, zweitens ist die Farbe eine ganz
andere, sie ist matt und grauer als die von Schmiedeeisen. Dies tritt
deutlich hervor, wenn man ein Stück von diesem daneben hält. Die
Blättchen erscheinen wie schlecht poliert und von rauher Oberfläche,
wie gespickt oder aufgesträubt. Dies rührt von dem Umwandlungs-
prozeſs her.


Dieser läſst sich in seinem Fortschreiten ebenfalls an den Bruch-
flächen in den verschiedenen Stadien erkennen. Die Umwandlung
beginnt an der Oberfläche und schreitet nach der Mitte zu fort. Die
sehnige Textur des Eisens verschwindet nahe der Oberfläche zuerst;
[220]Die Cementstahlfabrikation.
im Bruch erscheint der Stab noch im Inneren sehnig, nach auſsen
hin umgeben von einem Kranz von Blättchen, deren Glanz aber nicht
matt ist, sondern glänzend wie bei Gruppe 1. Sie sind noch nicht
in Stahl verwandelt, sondern erst im Übergang dazu. Die Änderung
der Struktur geht also der Stahlbildung voraus. Der äuſsere Ring
von blätterigem Gefüge verbreitert sich, bis er bis zur Mitte gelangt
ist. Gleichzeitig wird die Farbe ebenfalls von auſsen nach innen
fortschreitend matt und grau. Dickere Stäbe zeigen bei diesem Über-
gang einen sehnigen Kern, dann eine glänzende und auſsen eine
matte, blätterige Hülle, wie Fig. 36 es darstellen soll. Der sehnige
Kern verwandelt sich allmählich in glänzende Blätter, wird aber erst
Stahl, wenn er die mattgraue Farbe des äuſseren Ringes bekommt.
Währenddem bleiben aber die äuſseren Teile nicht unverändert, die
Blätter werden kleiner, die Farbe dunkler. Bei dem körnigen Eisen

Figure 41. Fig. 36.


Gruppe 3 und 4 zeigt sich die Umwandlung
in ähnlicher Weise, erst bildet sich ein nach
innen fortschreitender Ring von glänzenden
Blättern, dem einer von mattgrauen Blättern
und diesem einer von dunkler grauen, ver-
schwommenen Körnchen folgt. Die Blätter-
bildung geht hierbei leichter von statten
als bei dem sehnigen Eisen, das wohl aus
diesem Grunde eine längere Brennzeit be-
ansprucht. Der Bruch giebt das einfachste
und sicherste Zeichen, ob und wie weit
das Eisen in Stahl umgewandelt ist. Er gestattet aber auch ein
Urteil über die Güte des Stahls. Zeigt der Bruch sich nur dunkel
und feinkörnig, so war das Eisen zu lange im Feuer, der Stahl ist
unbrauchbar; zeigt sich nur ein schmales, feinkörniges, dunkles Band,
so wird er hart sein, aber leicht zu schmieden; ist dieses Band breiter
als die blätterige Mitte, so wird der Stahl meist rissig; ist dies nicht
der Fall, so ist er von besonderer Güte. In der Regel soll der
blätterige Teil grösser sein als der umgebende körnige. Der Stahl
ist im Inneren nie derselbe wie auſsen. Gerade dadurch lassen sich
aber die verschiedenen Stahlsorten erzielen, welche die Praxis verlangt.
Dünnere Stäbe werden aber rascher und gleichmäſsiger gestählt als dicke.


Der Fehler, der bei gutem Eisen durch zu langes Brennen ent-
steht, erscheint bei schlechten Eisensorten auch ohne dieses, indem
bei diesen die äuſseren Partieen schon dunkel und körnig werden, ehe
die inneren noch ihren Glanz verloren haben; so verhält sich das
[221]Die Cementstahlfabrikation.
blätterige Eisen Gruppe 1 und 2. Nach Reaumurs Auffassung saugen
diese zu rasch den Schwefel und das Salz ein, so daſs die äuſseren
Teile schon übersättigt sind, ehe bei den inneren nur die Einwirkung
beginnt. Die verschiedenen Eisengruppen behalten eine Verschieden-
heit auch nach der Cementation, welche sich besonders in der Gröſse
der Blättchen und im Glanz zeigt; so zeigt das schwedische Eisen
oder das der Gruppe 4 nach dem Brennen lebhafteren Glanz als das
von Gruppe 1, 2 und 5. Als Regel läſst sich sagen, das zuverlässigste
Eisen ist das, welches bei gleichem Grade der Cementation die
gröſsten Blätter zeigt. Das schwedische hat auch diesen Vorzug.


Das Äuſsere der cementierten Stäbe zeigt häufig Erhöhungen,
Fig. 36, die man als Blasen bezeichnet, weil man sie einem inneren
Kochen zuschreibt. Von diesen nennt man den Cementstahl auch
Blasenstahl (blister-steel im Englischen).


Diese Blasen sind meist länglich, von verschiedener Gröſse und
finden sich auch im Inneren. Reaumur, der geneigt war, diese
Blasenbildung einer stärkeren Einwirkung des Salzes zuzuschreiben,
überzeugte sich durch Versuche, daſs dies nicht der Fall war. In
der Regel sind die Blasen Zeichen, daſs der Stahl lange genug ge-
brannt war. Sie sind aber ebenso sehr Zeugen der Heftigkeit als
der Dauer der Einwirkung. Bei schwacher Hitze entstehen sie auch
bei langem Brennen nicht. Neben diesem sichtbaren Aufblähen hat
ein unsichtbares in der ganzen Masse statt, welches durch eine Volum-
vermehrung sich anzeigt. Sie beträgt nahezu 10 Proz., wie Reaumur
durch Längenmessungen feststellte. Aber nicht nur das Volum der
Eisenstange nimmt bei der Cementation zu, sondern auch das Ge-
wicht, und zwar ermittelte Reaumur eine Zunahme von 0,39 Proz.
Obgleich der rohe Cementstahl so brüchig ist wie abgelöschter Stahl,
so hat er doch durchaus nicht die Härte desselben. Er ist nur wenig
härter wie Schmiedeeisen. Erhitzt man ihn aber und löscht ihn ab,
so wird er ebenso hart wie gehärteter Stahl. Zieht man eine Stange
glühend aus dem Ofen und wirft sie in das Wasser, so wird sie hart
und im Bruche feinkörnig, aber nicht so schön und gleichmäſsig, als
wenn man sie vorher überschmiedet hat. Dies benutzt man beim
Probeziehen. Hat man die Proben in verschiedenen Höhen des Ofens
genommen und hat man sich überzeugt, daſs die Cementation in der
gewünschten Weise stattgefunden hat, so hört man auf zu feuern und
zieht, wenn der Ofen dazu eingerichtet ist, die Stäbe heraus oder
läſst sie in dem Ofen und mit demselben erkalten. Alsdann erwärmt
man die Stäbe wieder in einem Schmiedeherd und schmiedet sie vor-
[222]Die Cementstahlfabrikation.
sichtig aus. Hierbei erhitzt man sie anfangs am besten nur bis zur
hellen Rotglut. Besser noch ist es, wenn man die Stangen in einem
Flammofen ausheizen kann, weil sie dann gleichmäſsiger erhitzt
werden. Hierfür sind die Glühöfen mit Holzfeuerung am besten, die
man anwendet, um die Stäbe, welche man durch die Plättwalzen und
Scheibenmesser der Eisenschneidwerke (les rouleaux des applatisseries
et les couteaux de fenderies) gehen läſst, zu erhitzen.


Ist der Brennstahl aus gutem und richtig geschmiedetem Eisen
hergestellt, so ist der Abgang nicht gröſser als beim Ausschmieden
von gwöhnlichem Eisen. Beim Ausschmieden von solchem aus schwe-
dischem Eisen in Vierkantstäbe von zwei Zoll auf vier Linien fand
ihn Reaumur nicht höher als 1/12.


Sind die Stäbe zur gewünschten Form ausgeschmiedet, so werden
sie gehärtet. Dies geschieht hauptsächlich, weil es im Handel so ver-
langt wird. Man erhitzt die Stäbe bis zur Kirschrotglut und wirft
sie dann in kaltes Wasser. Dadurch wird der Stahl hart und fein-
körnig.


Reaumur teilt auch eine Kostenberechnung für einen Ofen für
300 kg Einsatz in Paris mit. Danach stellten sich die Kosten der
Cementation auf 11 Mk. für 100 kg Eisen. Auf dem Lande, in
der Nähe von Eisenhämmern, würden die Kosten nur ca. 6,40 Mk. be-
tragen. Der Eisenabgang und die Unkosten beim Schmieden berechnen
sich zu 4 Mk. pro 100 kg. Diese Kosten sind gering im Verhältnis zu
den Preisen von Eisen und Stahl, denn während man für 100 kg von
ersterem 24 Mk. bezahlt, kosten 100 kg guter Stahl 160 Mk. Beim
halben Preise für geschmiedeten Cementstahl würde noch ein be-
trächtlicher Gewinn erzielt werden.


Nachdem Reaumur in den angeführten Kapiteln ein klares
Bild der Cementstahlfabrikation gegeben und die Frage nach ihrer
praktischen Seite erschöpfend durchgearbeitet hat, wendet er sich in
seinen folgenden Memoiren zur theoretischen Erörterung des merk-
würdigen Prozesses und behandelt in der siebenten Abhandlung zu-
nächst die Frage des Unterschiedes zwischen Stahl und Eisen. Hier-
bei widerlegt er zunächst die landläufige Erklärung, daſs der Stahl
ein vollkommener gereinigtes Eisen sei. Er führt aus, daſs, wenn man
die Reinigung richtig als eine Abscheidung aller fremden Stoffe auf-
fasse, bei der Cementation von einer solchen Reinigung nicht die
Rede sein könne, es würden bei diesem Prozeſs keinerlei Stoffe aus
dem Eisen entfernt, sondern im Gegenteil beweise die von ihm nach-
gewiesene Gewichtszunahme eine Zufuhr fremder Stoffe. Dieser fremde
[223]Die Cementstahlfabrikation.
Stoff sei aber keinesfalls Eisen. Die Reinigung des Eisens zu Stahl
aber so aufzufassen, daſs der Stahl einen vollkommenen Zustand des
Eisens darstelle, sei ebenfalls widersinnig. Eisen und Stahl seien
Körper von verschiedenen Eigenschaften, von denen die einen diesem,
die anderen jenem Zwecke besser dienten, und man könne durchaus
nicht sagen, daſs der eine an und für sich schätzbarer sei als der
andere. Fiele alles Eisen bei seiner Herstellung als Stahl, so wäre man
ebenso gezwungen, auf Mittel zu sinnen, denselben in weiches, geschmei-
diges Eisen umzuwandeln, wie man jetzt den umgekehrten Weg ver-
folge. Eine Reinigung finde bei der Verwandlung des Schmiedeeisens
in Stahl also nicht statt, sondern eine Stoffaufnahme. Diese Stoffe
konnten nach dem damaligen Stande der Wissenschaft keine anderen
sein als Schwefel und Salz. Dies ist nun freilich ein groſser Irrtum,
denn der bei der Cementation von dem Eisen aufgenommene Stoff ist
weder Schwefel noch Salz, sondern Kohlenstoff. Reaumurs falsche
Theorie beeinträchtigt aber in keiner Weise die Richtigkeit seiner
Beobachtungen, dagegen verleitet sie ihn zu falschen Schlüssen. Er
findet die Aufnahme von Schwefel und flüchtigem Salz darin bestätigt,
daſs bei öfterem Ausheizen der Stahl an seinen charakteristischen
Eigenschaften Einbuſse erleide. Dies erklärt Reaumur aus der
Verflüchtigung der aufgenommenen Stoffe und er behauptet, daſs man
durch längeres Erhitzen Schwefel und Salz gänzlich wieder austreiben
könne, wodurch der Stahl wieder zu Schmiedeeisen werde. Diese Be-
hauptung ist in dieser unbedingten Fassung falsch und konnte von
ihm nur aufgestellt werden, weil er die Rolle, welche der Sauerstoff
der Luft bei der Entkohlung des Stahls spielt, nicht kannte. Diese
falsche Theorie ist es auch, welche Reaumur die Bedeutung des
Seesalzes als eines Bestandteils der Cementierpulver überschätzen läſst.


Reaumur fand selbst, daſs das Erhitzen in einem Kohlenfeuer
unsicher war und ganz verschiedene Resultate ergab. Bei seiner
Untersuchung der Einwirkung verschiedener Stoffe auf das Eisen in
der Hitze, welche er angestellt hatte, um das beste Cementierpulver
zu finden, hatte er bereits die Beobachtung gemacht, daſs manche
Stoffe, statt das Eisen härter zu machen, es eher weicher machten.
Dieser bediente er sich nun, um in derselben Weise wie bei der
Cementation, den Brennstahl darin einzupacken und zu glühen. Als
die geeignetsten Stoffe hierfür fand er Knochenkohle und Kreide,
welche er mit ⅓ ihres Gewichtes mit Holzkohlenpulver vermengte.
Dieses Glühen geschah in denselben Öfen, wie das Cementieren. Die
Brennzeit erforderte aber nur ⅓ der Zeit, wie beim Cementieren.
[224]Die Cementstahlfabrikation.
Auch hierbei begann die Einwirkung an der Oberfläche und schritt
von auſsen nach innen fort. Nach einiger Zeit zeigte sich im Bruch
ein Saum von weichem Eisen, während das Innere Stahlbruch zeigte.
Die Breite dieses Saumes giebt das Zeichen für die Beendigung des
Prozesses. Dieser Saum von weichem Eisen ist durchaus nicht nach-
teilig für die Güte und Brauchbarkeit des Stahls, denn sie schützt
den Stahl beim Erhitzen vor dem Verbrennen, dem er sonst leicht
ausgesetzt ist und sie erleichtert die Schweiſsung desselben. Dieses
Verfahren, von welchem sich Reaumur sehr viel versprach, erleich-
tert die Cementation auch insofern, als man nicht ängstlich zu sein
braucht, die Brennzeit zu überschreiten, weil der Fehler durch diesen
Prozeſs sich vollständig wieder gut machen lieſse.


Reaumur dehnte diese Versuche nun auch auf den natürlichen
Stahl aus und fand, daſs derselbe sich ebenso verhalte. Ja er machte
dieselben Experimente mit Roheisen, wobei er denselben günstigen
Erfolg erzielte. Dadurch gelangte er zur Ueberzeugung, daſs weiſses
Roheisen, Stahl und Stabeisen eine Reihe darstellen von Eisen als
Grundstoff mit mehr oder weniger Schwefel- und Salzgehalt. Diese
Theorie, welche er in seiner neunten Memoire ausführlich behandelt,
haben wir bereits erwähnt.


Theoretisch erklärt Reaumur den oben erwähnten Vorgang so,
daſs die Kreide und ähnliche Substanzen die Fähigkeit besäſsen, die
schweflige und salzige Beimengung des Eisens aufzusaugen, daſs es
also der umgekehrte Vorgang sei, wie bei der Cementation. Dort
giebt dies Pulver, bestehend aus Kohle und Seesalz, in welchem das
Eisen geglüht wird, die salzige und schweflige Materie an das Eisen
ab, hier giebt umgekehrt das Eisen diese Stoffe an die Umgebung ab,
das Pulver, in der Hauptsache aus Kreide oder Knochenkohle bestehend,
saugt die schweflig-salzige Materie auf.


Da nun nach seiner Theorie Roheisen nichts anderes ist als
Eisen mit einer gröſseren Beimengung schweflig-salziger Materie als
Stahl, so steht nichts im Wege, Roheisen durch eine ähnliche
Behandlung in Stahl
1)und in Schmiedeeisen überzuführen,
und seine Versuche haben dies, wie er angiebt, bestätigt.


Reaumur weist auch mit Recht auf das Stahlbereitungsverfahren
hin, welches Biringuccio beschrieben hat, und welches nichts
anderes sei als eine Cementation von Schmiedeeisen in flüssigem
Roheisen.


[225]Die Cementstahlfabrikation.

Es ist ihm ohne Mühe in einer gewöhnlichen Schmiede gelungen,
durch Einrühren von altem Schmiedeeisen, Nägeln u. s. w.
in flüssiges Roheisen Stahl zu erzeugen. Dieses Ver-
fahren empfiehlt Reaumur zur Herstellung eines ge-
ringen, aber billigen Stahls
.


In der folgenden Abhandlung beschreibt Reaumur die Kenn-
zeichen von gutem und schlechtem Stahl und giebt neue Mittel an,
die Qualität des Stahls nach Bruchansehen, Härte u. s. w. zu er-
kennen. Er sagt mit Recht, die Unterscheidungsmerkmale der Stahl-
arbeiter seien so wenig zuverlässig, daſs sie in den meisten Fällen
ihren Stahl auf ungefähr kauften und ihn erst nach dem Erfolg be-
urteilten. Er weist darauf hin, daſs die farbig angelaufenen Rosen
auf der Bruchfläche, welche von den Händlern so gerühmt und von
den Schmieden gesucht würden, ein sehr unzuverlässiges Zeichen
der Güte, wie der Härte des Stahls seien. Manche geringe fran-
zösische Stahlsorten zeigten dieselben, während sehr feine deutsche
Stahlsorten dieselben nicht zeigten. Es würde uns hier zu weit
führen, auf Reaumurs Prüfungsmethoden näher einzugehen, einiges
darüber haben wir bereits mitgeteilt.


Dagegen können wir nicht umhin, hier noch kurz das anzuführen,
was Reaumur über die Einsatzhärtung (la trempe en paquet) in
seiner zwölften Abhandlung vorbringt. Obgleich die Einsatzhärtung
und die Cementation auf gleicher Grundlage beruhten und anschei-
nend ganz übereinstimmten, so bestehe doch ein wichtiger Unterschied
zwischen beiden darin, daſs man bei der Einsatzhärtung nur eine Ober-
flächenhärtung erstrebe, den Eisenkörper aber möglichst zu erhalten
suche, während man bei der Cementation die ganze Masse bis ins
Innerste in Stahl umzuwandeln strebe. Bei letzterer wolle man erst
ein Material herstellen, das man alsdann verarbeite und je nach dem
Zwecke seiner Verwendung in bestimmte Formen ausschmiede, bei
ersterem dagegen habe man schon die gewünschte Form erzeugt und
wolle dieser nur so weit wie nötig eine äuſserliche Härtung geben;
es soll dabei möglichst vermieden werden, den Gegenstand spröde zu
machen; seine Festigkeit soll ihm erhalten bleiben, was nur möglich
ist, wenn die Umwandlung in Stahl nur eine oberflächliche ist, der
Kern aber Schmiedeeisen oder weicher Stahl bleibt. Deshalb müsse
man bei der Einsatzhärtung für das Härtepulver schnellwirkende
Stoffe auswählen, welche schon bei geringer Hitze wirksam seien.
Aus diesem Grunde eignen sich Stoffe für die Einsatzhärtung oder
Oberflächenverstählung, welche für die Cementstahlbereitung zu ver-
Beck, Geschichte des Eisens. 15
[226]Die Cementstahlfabrikation.
werfen sind. Die flüssigeren Substanzen, welche man für ersteren
Zweck am vorteilhaftesten verwendet, sind für den letzteren ungeeignet,
weil ihre Wirkung nicht in das Innere dringt und weil dieselbe auch
keine genügend nachhaltige ist, indem so erzeugter Stahl viel weniger
lange Hitzen aushält als richtig bereiteter Cementstahl. Auf die
Oberflächenhärtung beziehen sich vornehmlich die vielen überlieferten
Rezepte von zum Teil sehr sonderbarer Zusammensetzung. Reaumur
hat vielerlei Mischungen versucht und empfiehlt als besonders wir-
kungsvoll einmal Ruſs mit Urin vermischt und getrocknet, sodann
dieselbe Mischung unter Zusatz von Seesalz oder Ammoniaksalz, wo-
bei letzteres den Vorzug verdiene; fernerhin getrockneten und ver-
kohlten Taubenkot, den man noch wirkungsvoller machen könne durch
Zusatz von Urin und Ammoniaksalz.


Reaumurs Arbeit über die Umwandlung von Schmiedeeisen in
Stahl ist so gründlich, daſs keine Frage unerörtert bleibt. Die von
ihm auf Grund seiner zahlreichen Versuche gemachten Vorschläge
sind so klar und überzeugend, daſs sie zur Ausführung im groſsen
geradezu herausfordern. Reaumur versuchte selbst sein Verfahren
im groſsen Maſsstabe zur Ausführung zu bringen und andere Unter-
nehmer in Frankreich haben es nach ihm gethan. Aber der Erfolg
entsprach nicht den gehegten Erwartungen. Der Grund hierfür lag
hauptsächlich darin, daſs die französischen Eisensorten für diese
Fabrikation wenig geeignet waren und das erhaltene Produkt weit
hinter den aus bestem schwedischen Eisen hergestellten zurückstand.
Dazu kam, daſs die Engländer alles thaten, um diese Fabrikation in
Frankreich nicht aufkommen zu lassen, worüber wir später noch be-
richten werden. Dennoch bestand zur Zeit von Reaumurs Ableben
die Cementstahlfabrikation in Frankreich. In dem Nachruf der
Akademie heiſst es: Seine Arbeit hat, nachdem verschiedene Etablisse-
ments durch verschiedene Umstände fallierten, bei uns diese Kunst
eingebürgert, auf welche unsere Nachbarn so eifersüchtig waren.


Wir wollen hier anfügen, was Polhem über die Cementstahl-
fabrikation in Schweden mitteilt, deren Einführung von Frankreich aus
daraus hervorzugehen scheint, weil die Brennkisten von französischem
Thon gemacht wurden. Von einem Zusatz von Salz zu dem Kohlenpulver,
wie es Reaumur vorgeschlagen hatte, weiſs er aber nichts. Er sagt:
man füllt die Kisten mit Stangeneisen, zwischen welches man soviel
Birkenasche und Kohlenstücke thut, daſs die Stangen sich nicht be-
rühren können. Die Kisten stehen 7 bis 9 Zoll voneinander ab. In
den Zwischenräumen sind Thonböden gelegt, auf welchen die Kisten
[227]Schmiedbarer Guſs.
auch stehen, und welche runde Zuglöcher in Reihen geordnet haben,
damit, wenn man Kohlen zwischen und auf die Kisten legt, der Ofen
8 bis 10 Tage brennen kann. Doch richtet sich die Brennzeit nach
den Öfen, die man groſs oder klein machen kann. Die groſsen sind
ökonomischer. Der gebrannte Stahl ist grob und undicht, wird aber
durch Ausschmieden und Gärben dicht. Einmal gegärbt, ist er für
grobes Schmiedezeug tauglich; zu Messern, Scheeren und Werzeug etc.
schweiſst man ihn vierfach. Auch hierbei ist die Art der Kohlen
wichtig. Alte Kohlen sind dem Stahl sehr nachteilig; vorsichtige
Schmiede glühen sie deshalb erst aus.


Daſs die Anlauffarben des Stahls von einer dünnen Oxydations-
schicht — „Sinter“ — herrühren, den man durch Essig, Salz u. s. w.
entfernen kann, ist Polhem bereits bekannt.


Schmiedbarer Guſs (nach Reaumur 1721).


Ein anderer Zweig der Eisenindustrie, um dessen Entwickelung
sich Reaumur das gröſste Verdienst erworben hat, war die Her-
stellung des schmiedbaren Eisengusses (fer adoucis, fonte mal-
leable, engl. malleable cast iron). Reaumur war nicht der erste
Erfinder dieses Verfahrens. Ein Unbekannter hatte, wie er selbst
erzählt, um 1701 in Cône und in der Vorstadt St. Marceau in Paris
bereits die fabrikmäſsige Anfertigung aduzierter Guſswaren begonnen,
allerdings ohne nachhaltigen Erfolg. Reaumur gebührt dagegen
das Verdienst, das Verfahren und den Vorgang, auf dem es gegründet
ist, zuerst wissenschaftlich untersucht und erklärt und dadurch dieser
Fabrikation die richtige Grundlage gegeben zu haben. Aus diesem
Grunde ist man berechtigt, Reaumur, ebenso wie bei der Cement-
stahlfabrikation, einen wesentlichen Anteil an der Erfindung dieser
Industrie zuzuschreiben. Er hat seine Arbeit über den schmiedbaren
Guſs gleichzeitig mit seiner Abhandlung über die Cementstahlfabrikation
in sechs Memoiren unter dem Titel „L’art d’adoucir le fer fondu, ou
l’art de faire des ouvrages de fer fondu aussi finis que de fer forgé“
im Jahre 1722 veröffentlicht. Er hat sie dann später noch mit Nach-
trägen und Zusätzen bereichert und in dieser erweiterten Form wurde
sie nach seinem Tode von Duhamel de Monceau in den Descrip-
tions des Arts et Métiers veröffentlicht.


15*
[228]Schmiedbarer Guſs.

Reaumur hat in dieser Abhandlung selbst die irrige Ansicht
ausgesprochen, daſs diese Kunst schon in alten Zeiten bekannt ge-
wesen und später verloren gegangen sei. Hierzu wurde er verführt
durch angebliche Überlieferungen der Eisenarbeiter, welche die wunder-
baren Schmiedearbeiten des Mittelalters, speziell die herrlichen Thür-
beschläge der Notre Dame-Kirche, für Werke einer verlorenen Geheim-
kunst oder nach Reaumurs Deutung für aduzierten Kunstguſs
erklärten. Diese ganz grundlose Annahme war nur daraus ent-
standen, daſs man im Anfang des 18. Jahrhunderts auſser stande war,
so vortreffliche Schmiedearbeiten nur mit dem Hammer herzustellen,
und daſs man dies noch weniger den vermeintlich viel ungeschickteren
Vorfahren zutraute. Wir wissen, wie falsch diese Annahme war.


Richtig ist dagegen, daſs der obenerwähnte Unternehmer („Par-
tikulier“) zu Anfang des 18. Jahrhunderts eine Gesellschaft zur Aus-
beutung des von ihm geheimgehaltenen Aduzierverfahrens zusammen-
gebracht und auch einige ganz hübsche Sachen angefertigt hatte;
aber das Unternehmen ging zu Grunde, der Unternehmer verschwand
und man hat nie erfahren, was aus ihm geworden ist. Er war seiner
Methode nicht genügend sicher und der Erfolg hing zu sehr vom
Zufall ab. Oft kamen die eingesetzten Waren noch ganz hart und
unverändert aus dem Ofen, noch öfter waren die Guſsstücke durch
eine dicke Oxydkruste entstellt. Dem ungeachtet bedauert es
Reaumur lebhaft, daſs das Geheimnis auf diese Weise verloren
gegangen war, da er, wenn dies nicht geschehen wäre, viele Mühe
und Arbeit gespart hätte. So war er gezwungen, sich seinen Weg
selbst zu suchen und eine groſse Reihe von Versuchen anzustellen.
Er that dies mit der Gründlichkeit und Planmäſsigkeit, welche alle
seine Untersuchungen auszeichnen.


Die Aufgabe war, wie Reaumur in seiner ersten Memoire aus-
führt, Guſswaren, welche hart und spröde waren, weich und schmied-
bar zu machen. Obgleich man bis dahin meist nur grobe Ware, wie
Kaminplatten, Öfen, Töpfe, Röhren und dergleichen aus Eisen ge-
gossen hatte, so lag doch kein Grund vor, auch Kunstgeräte, Zier-
stücke aller Art wie aus Bronze zu gieſsen. Hierfür kam in erster
Linie die richtige Auswahl des Roheisens in Betracht. Weiſses Eisen
erschien Reaumur für am geeignetsten, weil es nach seiner Ansicht
reiner war als graues. Das graue Roheisen enthielt nach seiner
Meinung viele fremde, erdige Substanzen eingemengt. Daſs man ihm
für gewöhnliche Guſswaren den Vorzug gab, geschähe nur deshalb,
weil es sich besser bearbeiten lasse. An und für sich könne man
[229]Schmiedbarer Guſs.
die Waren ebenso gut aus weiſsem Roheisen gieſsen, wodurch die-
selben zugleich den Vorzug einer schönen Silberfarbe erhielten, wäh-
rend die aus grauem Eisen gegossenen Stücke immer miſsfarbig und
matt blieben. Daſs aber das graue Eisen nur ein verunreinigtes
weiſses Eisen sei, schloſs Reaumur, der von gebundenem und un-
gebundenem Kohlenstoff noch keine Ahnung hatte, daraus, daſs
graues Eisen bei der Reinigung durch Umschmelzen (dem Feinen)
weiſs werde, so daſs „Feinen“ und „Weiſsen“ gleichbedeutend seien.
Je schwärzer das Roheisen, je öfter müsse man es umschmelzen, um
es zu weiſsen. Beim Anblasen eines Hochofens fiele immer zuerst
graues Eisen, wenn die Erze auch ihrer Natur nach, wie dies in der
Folge geschähe, weiſses Eisen gäben, weil das erste Eisen noch nicht
so flüssig sei, daſs sich die Unreinigkeiten aus demselben genügend
abscheiden könnten. — Gieſse man Roheisen dünn aus, so werde es
ebenfalls weiſser, als wie wenn dasselbe Eisen dick gegossen würde,
was daher komme, daſs sich bei der gröſseren Oberfläche des dünn
gegossenen Eisens die Unreinigkeiten leichter abscheiden könnten.
Deshalb solle man für die zu aduzierenden Guſswaren das reinere
weiſse Roheisen wählen.


Die zweite Denkschrift beschäftigt sich mit der Herstellung der
Guſswaren und haben wir das meiste davon bereits an einer anderen
Stelle (S. 165) mitgeteilt.


Das weiſse Eisen läſst sich nicht gut durch Rinnen den Formen
zuführen, weil es zu rasch erstarrt. Wenn man sich eiserner Gieſs-
kellen bedient, so muſs man diese sehr gut vorwärmen. Fluſsmittel
sind bei dem Eisen für schmiedbaren Guſs durchaus zu vermeiden.
Dagegen ist es wichtig, daſs die Formen sorgfältig getrocknet und
daſs sie womöglich vorgewärmt sind. Es ist sogar gut, sie in einer
Art von Backofen vor dem Gieſsen zu erhitzen, namentlich wenn man
Guſsstücke von ungleicher Dicke aus dem weiſsen, spröden Eisen
gieſsen will. Man öffnet die Formen, wenn das Guſsstück noch rot-
glühend ist und schiebt es in den Wärmofen, wo es ganz allmählich
erkaltet. Reaumur warnt sehr davor, viele Gegenstände in dem-
selben Formkasten einzuformen, dieselben durch Laufrinnen zu ver-
binden und nur einen Einguſs zu machen, weil dies viel Bruch gebe.
Die Einlaufstellen müssen so dünn wie nur möglich sein.


Nachdem Reaumur das Wichtigste über den Guſs für diese
Fabrikation mitgeteilt hat, wendet er sich in seiner dritten Memoire
zur Untersuchung der Mittel und Stoffe, der Glühpulver, durch welche
die Erweichung der Guſswaren herbeigeführt werde. Hierüber hatte er
[230]Schmiedbarer Guſs.
bereits Versuche angestellt, ehe er seine Arbeiten über die Verwandlung
des Schmiedeeisens in Stahl aufnahm. Daſs die Erweichung des harten
Gusses durch Glühen geschehen müsse, lag nahe; daſs dazu aber ein
Glühen im offenen Feuer nicht genüge, schien ihm schon durch die
Beobachtung an den Kaminplatten, welche, obgleich dauernd der
Erhitzung ausgesetzt, ihre Sprödigkeit nicht verloren, erwiesen. Da-
gegen lieſs die Erhitzung in Tiegeln oder geschlossenen Öfen und
die Einwirkung fremder Stoffe, mit welchen man die Guſsstücke um-
gab, Erfolg erwarten. Reaumur machte zu diesem Zwecke eine
groſse Menge von Glühproben 1). Er versuchte alle nur denkbaren
Stoffe hinsichtlich ihrer Einwirkung in der Glühhitze und kam schlieſs-
lich zu dem Resultat, daſs Kreide und Knochenasche die beste Wir-
kung ausübten. Darin wurde er bestärkt durch das Ergebnis seiner
Versuche, die er über das Tempern des zuviel cementierten Stahls
angestellt hatte. Auch seine Theorie führte ihn dazu.


Roheisen war nach seiner Ansicht Eisen, welches am meisten
schweflige und salzige Materie enthielt. Durch Entziehung dieser
muſste es in Stahl und weiter in Schmiedeeisen verwandelt, d. h.
erweicht werden. Es kam also darauf an, den harten Guſs in Sub-
stanzen zu glühen, welche am meisten die Fähigkeit hatten, die
schweflige Materie aufzusaugen, hierfür waren Kreide und Knochen-
asche am geeignetsten. Der Erfolg schien seine Theorie zu bestätigen.
Indessen machte er bei seinen Glühversuchen doch verschiedenerlei
besondere Erfahrungen. Zunächst war die Temperatur sehr zu be-
achten. Giebt man dieselbe Glühhitze wie bei dem Stahlbrennen, so
zeigen sich die Guſsstücke mit einer Schicht Glühspan bedeckt, der
sie unschön erscheinen läſst und die Zeichnung der Verzierungen
verwischt. Dieser Fehler wird verbessert, wenn man das Glühen bei
geringerer Hitze vornimmt, er wird aber noch mehr verbessert, wenn
man der Kreide oder der Knochenkohle einen Zusatz von gepulverter
Holzkohle giebt. Bei Versuchen im groſsen zeigte sich ferner ein
viel besserer Erfolg bei der Anwendung von Knochenkohlen, als bei
der von Kreide; bei letzterer blieb er öfter ganz aus, namentlich bei
gröſserer Hitze. Am besten nimmt man also gepulverte Knochen-
kohle, welche man mit Holzkohlenpulver mischt, und zwar im Ver-
hältnis von 2 zu 1. Das Pulver kann man immer wieder von neuem
verwenden, indem man nur den geringen Abgang durch neues ersetzt.
Man nimmt nur so viel Pulver als nötig ist zu verhindern, daſs die
Guſsstücke sich berühren.


[231]Schmiedbarer Guſs.

Besser wie dieses und wie alle anderen Pulver wirkte aber der
Eisenglühspan selbst. Reaumur nannte dieses Pulver, welches er
durch Abklopfen eiserner Platten, welche längere Zeit der Wirkung des
Feuers ausgesetzt gewesen waren, erhielt, Eisensafran. — Leider lieſs
es Reaumur bei diesem Versuche bewenden. Hätte er ihn weiter
verfolgt und die Vorzüge dieses Glühmittels mehr hervorgehoben, so
würde die Fabrikation im groſsen wahrscheinlich mehr Erfolg gehabt
haben als dies der Fall war. Denn die moderne Fabrikation des
schmiedbaren Guſses, wie sie sich seit Anfang dieses Jahrhunderts
entwickelt hat, beruht hauptsächlich auf der Anwendung von Eisen-
oxyd als Aduzierpulver, d. h. als Entkohlungsmittel.


Figure 42. Fig. 37.

Reaumur wendet sich nun in seiner vierten Memoire zu den
Öfen, welche für diesen Prozeſs am geeignetsten sind. Da auch hier
die Glühgefäſse geschlossen sein und vom Feuer umspielt werden
müssen, so kommt er auf dieselbe Ofenkonstruktion wie bei der
Cementstahlfabrikation, welche er nur dem Prozeſs entsprechend ab-
ändert (Fig. 37). Da bei diesem keine so groſse Hitze verlangt wird,
so empfiehlt sich eine Feuerung mit natürlichem Luftzug an Stelle
des Gebläses, wobei man vorteilhaft Holz statt Kohle als Brenn-
material verwenden kann. Das bedingt eine Veränderung des Rostes
und der Luftzuführungskanäle Fig. 38 (a. f. S.), welche man vermehren
[232]Schmiedbarer Guſs.
und erweitern muſs. Die Luftzufuhr kann man durch ein vorgesetztes
Blech regulieren. Auch macht man die Öfen verhältnismäſsig höher,
und zwar um ein Drittel oder um die Hälfte. Dadurch kann man
die Kisten aber nicht mehr von oben laden, sondern muſs sie von
der Seite bedienen. Deshalb ist je eine der schmalen Wände mit
losen Formsteinen zugesetzt, die zugleich mit dem Laden über-
einandergesetzt werden. Diese Formsteine bekommen einen festen
Halt durch eiserne Klammern, welche in Ringe der eisernen Ofen-
bänder passen, wie aus der Zeichnung ersichtlich. Die Wände der
Feuerungskammern kann man bei Holzfeuer von guſseisernen Platten

Figure 43. Fig. 38.


machen, die man verklam-
mert und gegen das Durch-
biegen durch einen Steg
von Guſseisen verseift.


Man wird meistens meh-
rere Platten übereinander-
setzen, weshalb man an
jeder einen Falz an einer
Seite angieſst, in welchen
sich die folgende Platte
einsetzt. Man soll getrock-
netes Holz verwenden; das
Trocknen kann über dem
Gewölbe des Ofens ge-
schehen. Bei dem Laden
legt man die dickeren Stücke oder die am meisten weich gemacht
werden sollen, an die heiſsesten Stellen. Die Guſsstücke selbst müssen
sorgfältig vom Sand gereinigt sein. Auch hier setzt man in jede Lage
Probestücke ein, die man am besten als massive Cylinder, also in der
Form von Rundeisenstäben gieſst, denen man mindestens die halbe
Länge des Ofens giebt.


Man nimmt am besten mehrere von verschiedener Dicke. Sobald
man glaubt, daſs der Prozeſs beendet sei, zieht man sie aus und
zerschlägt sie nach dem Erkalten. Hierdurch kontrolliert man den
Glühprozeſs. Man muſs aber die Veränderungen kennen, welche die
Guſsstücke durch den Glühprozeſs erleiden. Diese machen sich schon
an der Oberfläche bemerkbar. Die bläuliche Farbe der Guſsstücke
geht, wenn eine Erweichung eingetreten ist, in eine braune über.
Während die bläulichen Stücke von der Feile nicht angegriffen
werden, geschieht dies leicht bei den braunen. Vergleicht man den
[233]Schmiedbarer Guſs.
Bruch, so beobachtet man ebenfalls zunächst eine Veränderung der
Farbe. Dieselbe wird durch das Tempern dunkler, und zwar zeigt
sich diese Farbenveränderung schon, ehe ein merkliches Weichwerden
des Gusses eintritt; sie geht demselben voraus. Wichtiger aber ist
die Veränderung des Gefüges. Der weiſse Guſs, der so dicht war,
daſs man kaum mit dem Mikroskop einige Blättchen erkennen konnte,
wird lockerer, es bildet sich von der Oberfläche aus ein körniger
Ring von weicherem Eisen oder vielmehr von Stahl, der allmählich
nach innen fortschreitet und zuletzt bis zum Mittelpunkt vordringt.
Alsdann ist die ganze Masse weich geworden und läſst sich feilen. Die
Körner treten erst vereinzelt auf, werden dann zahlreicher und legen
sich endlich dicht zusammen. Die Farbe des so getemperten Gusses ist
dunkler wie die des ordinären Stahls, auch erscheinen darin vereinzelte
gröſsere, dunkel schwarze Körner, die sich aber unter dem Mikroskop
als gröſsere Hohlräume erweisen. Fährt man mit dem Glühprozeſs
fort, so tritt eine neue Erscheinung ein. Ringsum erscheint ein
heller, glänzender Streifen ganz wie blätteriges Schmiedeeisen und
in der That ist er nichts anderes. Der glänzende helle Ring wird
breiter, bis er zuletzt die ganze Fläche einnimmt. Mit der Farbe
ändert sich das Gefüge, es wird blätterig, ganz wie gewisse Schmiede-
eisensorten. Mit der Farbe und dem Gefüge ändern sich auch ent-
sprechend die Eigenschaften des Guſseisens. Hat es durch den Glüh-
prozeſs die dunkle, körnige Textur des ordinären Stahls erlangt, so
zeigt es auch die Natur desselben; erhitzt und rasch gekühlt, nimmt
es Stahlhärtung an. Tritt das blätterige Gefüge ein, so zeigt das so
veränderte Metall die Eigenschaften von Schmiedeeisen. War das Stück
dick, so können die drei Zustände nebeneinander beobachtet werden,
auſsen weiches Eisen, innen noch unverändertes Guſseisen, dazwischen
Stahl. Das Gefüge des blätterigen weichen Eisens ist sehr locker, zwi-
schen den Blättchen sind Hohlräume. Noch eine andere Erscheinung ist
bemerkenswert. Als Reaumur einen schweren Thürklopfer nach dem
Glühen herausgenommen hatte, war er viel leichter geworden. Bei
näherer Prüfung zeigte es sich, daſs der innere Kern von Guſseisen
ausgelaufen war. Die Hülle war in Schmiedeeisen verwandelt worden,
während der Kern noch unverändert war. Bei der gesteigerten
Temperatur des Ofens schmolz dieser und lief durch eine Öffnung aus.
Diesen Vorgang wiederholte Reaumur absichtlich mit massiven Cy-
lindern. War die äuſsere Schicht getempert und steigerte man die
Hitze, so lief der Kern aus und man erhielt Hohlcylinder. Man
konnte sogar den Punkt bestimmen, von welchem das flüssige Eisen
[234]Schmiedbarer Guſs.
auslaufen sollte, wenn man diesen nämlich vor der Einwirkung ab-
schloſs, indem man ihn mit einem indifferenten Stoff, etwa mit Lehm,
beschmierte.


Nach Reaumur’s Ansicht lieſse sich von dieser Erscheinung in
manchen Fällen bei der Ausführung des Prozesses im groſsen Nutzen
ziehen. Kommt es aber darauf an, einen durchaus getemperten
Gegenstand zu bekommen, so darf diese Erscheinung nicht eintreten;
sie beweist, daſs die Hitze im Glühofen zu hoch war. Bei Mangel an
Vorsicht kann es vorkommen, daſs der ganze Einsatz zusammen-
schmilzt. Manche Stücke bedürfen nur eines oberflächlichen Weich-
werdens, andere, welche gebohrt oder sonst bearbeitet werden, müssen
durchaus weich sein, bei wieder anderen kommt es auf eine gewisse
Biegsamkeit an. Gut getemperter Guſs läſst sich kalt und warm
biegen und glatt schlagen. Er läſst sich dagegen nur schwer im Feuer
schmieden, weil das Gefüge des getemperten Eisens zu lose ist; er
zerbröckelt unter dem Hammer. Es ist aber auch nicht der Zweck,
diesen Waren mit dem Hammer ihre Form zu geben. Mit Vor-
sicht behandelt, läſst er sich aber auch schmieden. — Kalt biegen
lassen sich dünne Gegenstände von hämmerbarem Guſs leichter als
solche von Schmiedeeisen. Graues Guſseisen wird durch das Glüh-
frischen ebenfalls weicher, aber niemals so weich und biegsam wie
das weiſse.


Getemperter Guſs muſs der Theorie nach leichter sein als die
Guſsware, von der er stammt; Reaumurs Versuche haben dies be-
stätigt, wenn er auch nicht im stande war, Werte dafür zu ermitteln.


Beim Betriebe im groſsen empfiehlt es sich, mehrere Öfen zu
haben, damit man in dem einen dickere Stücke, in dem anderen
dünnere in längeren und kürzeren Bränden aduzieren kann. Man
kann getemperten Stücken, nachdem sie fertig mit Feilen, Bohren u. s. w.
bearbeitet worden sind, leicht wieder eine Härtung geben durch das
Verfahren der Einsatzhärtung (la trempe en paquet), was namentlich
sich dann empfiehlt, wenn man sie polieren will.


In der letzten Abhandlung zählt Reaumur die verschiedenen
Arten der Verwendung des schmiedbaren Gusses auf.


Schon in der Einleitung hatte er hervorgehoben, daſs es sich ganz
besonders für reich verzierte Gegenstände, welche aus Schmiedeeisen
oder Stahl nur sehr schwer und mit enormen Kosten herzustellen wären,
eigne. Er hatte darauf hingewiesen, wie unerschwinglich teuer Kunst-
werke von Schmiedeeisen, z. B. die reich verzierten Thürklopfer, die
Degengefäſse aus geschnittenem Eisen seien und wie leicht und billig
[235]Schmiedbarer Guſs.
dieselben nach Modellen herzustellen wären. Er weist darauf hin, wie
mager die schmiedeeisernen Geländer, Füllungen, Laternenträger u. s. w.,
welche man dürftig und unsolide mit aufgesetztem, geschnittenem und
gebogenem Blech verziere, seien, während man dieselben aus schmied-
barem Guſs viel reicher und dauerhafter herstellen könne. Schlüssel,
Schlösser, Riegel, Bänder, die jetzt alle so nüchtern glatt wären,
lieſsen sich so geschmackvoll und reich verziert anfertigen. Fig. 39
zeigt einen Schlüssel im Rohguſs und geglüht und ciseliert.


Reaumur weist ferner darauf hin, und dies ist von Interesse
für die Geschichte der Gieſsereitechnik, daſs man ja leicht schmiede-
eiserne Zapfen u. s. w., welche besonders viel auszuhalten hätten,

Figure 44. Fig. 39.


schon mit eingieſsen könne, indem
dieselben in die Form eingelegt,
sich beim Gieſsen mit dem Guſs-
eisen fest verbänden. Die schönen
Schlüssel, die man jetzt so teuer
aus England beziehe, lieſsen sich
viel reicher und dabei billig nach
diesem Verfahren herstellen. Gür-
tel- und Schuhschnallen, Bügel,
Pferdegebisse, kurz hunderterlei
Dinge, die schwierig zu schmieden
sind, wären billig so zu machen.
Selbst für Kanonen hält er dies
Verfahren sehr geeignet. Guſs-
kanonen seien immer der Gefahr
des Zerspringens ausgesetzt, deshalb
seien schmiedeeiserne Kanonen viel besser, aber sie seien zu teuer. Da
wäre der schmiedbare Guſs nun gerade der richtige Stoff und man
könnte denselben noch verstärken, wenn man die Kanonen über ein
dichtes Gerippe von schmiedeeisernen Stäben gieſse. Er macht An-
gaben, wie die Glühöfen dafür einzurichten seien und setzt groſse
Hoffnungen auf diese Art der Verwendung.


Aber nicht nur künstlerischen und kriegerischen Zwecken soll
die Erfindung dienen, sondern auch dem häuslichen Gebrauch.
Eisernes Kochgeschirr sei noch in den Häusern der Wohlhabenden
verpönt und werde nur bei den Bauern auf dem Lande angetroffen.
Der Grund dafür sei, daſs es zu schwer und zu plump sei. Man
müsse es so dick gieſsen, weil gewöhnlicher Guſs zu leicht springe
und zerbreche. Würde man aber das Geschirr dem Glühfrischprozeſs
[236]Schmiedbarer Guſs.
unterwerfen, so würde ihm die Spannung und Sprödigkeit genommen.
Man könne solches Geschirr viel dünner gieſsen und es würde dann
bald in allgemeinen Gebrauch kommen, da es viel billiger sein würde
als das jetzt noch allgemein gebräuchliche Kupfergeschirr und der
Gesundheit nicht schaden könne. Reaumur spricht prophetisch,
indem er sagt: „wohl wird dieser Prozeſs viele Anwendung finden,
wenn er künstlerische Waren liefert und das Schöne verbilligt. Denn
wenn auch das Schöne vielfach nur ein Modebegriff ist, so würde
doch jeder lieber in einem Palast wohnen, als in einer Hütte, wenn
er dies für dieselben Kosten haben könnte. Wichtiger aber als das
Dekorative ist das Nützliche und erst, wenn es gelänge, Gegenstände
des täglichen Gebrauchs auf diesem Wege herzustellen, würde diese
Fabrikation ihre wahre Bedeutung erlangen.“ Reaumur warnt zwar
vor übertriebenen und unvernünftigen Hoffnungen, welche erwacht
seien, seitdem er im November 1721 diese Kunst in öffentlicher Ver-
sammlung der Akademie vorgetragen und die in zahlreichen Anfragen
und Zuschriften ihren Ausdruck fänden, im ganzen aber ist er selbst
erfüllt von der zuversichtlichsten Hoffnung.


Die Erfüllung dieser Hoffnung sollte er aber nicht erleben.
Hatte schon der von ihm vorgeschlagene Prozeſs der Cementstahl-
fabrikation in Frankreich nur mäſsigen Erfolg, so hatte seine Kunst,
Guſseisen zu erweichen, gar keinen. Die verschiedenen Unternehmungen,
welche darauf gegründet wurden, gingen sämtlich zu Grunde. Zur
Zeit seines Todes 1757 war, wie wir aus seinem Nachruf erfahren,
die öffentliche Meinung über Reaumurs Erfindung bereits zur Tages-
ordnung übergegangen, sie war als erfolglos aufgegeben.


Während bei dem Cementstahlprozeſs Reaumurs Angaben so-
wohl in Frankreich als noch mehr im Auslande, z. B. in Schweden
und namentlich in England, mit Erfolg ausgebeutet wurden, so hatte
die Fabrikation des schmiedbaren Gusses damals gar keinen Erfolg
und wurde in England, wo Versuche damit gemacht worden waren,
als unpraktisch verworfen. Fragen wir uns, wie dies möglich war,
nachdem Reaumur das ganze Bild der Fabrikation und ihrer Ver-
wendbarkeit so klar, deutlich und richtig dargestellt hatte, daſs unsere
heutige Industrie auf diesem Gebiete fast vollständig damit überein-
stimmt, so müssen wir antworten, daſs dies wohl zum Teil in der
Ungeschicklichkeit und dem Mangel an Sorgfalt und Geduld lag, mit
dem das Verfahren geprüft wurde, hauptsächlich aber lag es darin,
daſs es keinem dringenden Bedürfnis begegnete; die Erfindung war
ihrer Zeit vorausgeeilt. Nur wo eine Erfindung einem dringenden
[237]Schmiedbarer Guſs.
Bedürfnis Abhilfe schafft, hat sie unmittelbaren Erfolg. Schafft eine
Erfindung zugleich ein neues Produkt, so muſs dies erst in den Handel
eingeführt, der Bedarf erst den Menschen angewöhnt werden und
dazu ist in den meisten Fällen lange Zeit erforderlich, ganz abgesehen
von dem Widerstande, welchen die bestehenden Gewerbe, die sich
durch dasselbe beeinträchtigt glauben, der Einführung entgegensetzen.
Jene Zeit war aber für Reaumurs Erfindung noch nicht reif.


Reaumur selbst aber hielt an seiner Erfindung unentwegt fest
und suchte dieselbe in späteren Jahren noch zu erweitern.


In Frankreich wurde zu Cône eine neue Fabrik nach Reaumurs
Vorschlägen eingerichtet und daselbst die Fabrikation von schmied-
barem Guſs in der beschriebenen Weise mehrere Jahre hindurch be-
trieben, aber die Unternehmer machten schlechte Geschäfte. Da kam
um das Jahr 1740 ein Herr von Haudinart zu Reaumur und
erzählte, sein Vater habe schon, ehe die Fabrik in Cône betrieben
worden sei, ebenfalls aduzierten Guſs gemacht, einfach in der Weise,
daſs er die Gegenstände mit etwas bestrichen und dann geglüht habe.
Die Sache sei auch ganz gut gegangen, bis sein Vater mit seinen
Teilhabern in einen Prozeſs verwickelt worden und bald darauf ge-
storben sei. Damit habe auch die Fabrik aufgehört. Er selbst sei
noch zu jung gewesen, als daſs ihm sein Vater das Geheimnis hätte
mitteilen können. Dennoch wuſste er einige Angaben über die Stoffe
zu machen, welche sein Vater verwendet habe. Mehr sagte er nicht,
wie Reaumur scherzend bemerkt, wohl aus übertriebener Höflichkeit
um mir die Freude zu lassen, auch diese Sache von neuem zu finden.
Jedenfalls gab aber diese Mitteilung die Veranlassung, daſs Reaumur
Versuche, die er früher gemacht, seit langem aber liegen gelassen hatte,
wieder aufnahm. Konnte man einen Stoff finden, der feuerfest wäre,
keinen Schwefel abgebe und beim Trocknen sich nicht zusammen-
ziehe, die Guſsstücke also vollständig umhülle, so lieſse sich hoffen,
den ganzen Prozeſs zu vereinfachen, denn dann brauchte man keine
geschlossenen Glühtöpfe oder Kisten und auch keine teuren Brennöfen,
man konnte dann das Glühen in irgend einem Ofen bewerkstelligen.


Als einen solchen Stoff bezeichnete Reaumur das Reiſsblei
(mine de plomb) oder den Graphit, auf welchen seine Aufmerksam-
keit dadurch gelenkt wurde, daſs man aus demselben in Deutschland
feuerfeste Schmelztiegel anfertigte, welche wiederholte Schmelzungen
aushielten, ohne zu reiſsen. Er fand weiter, daſs der Prozeſs um so
besser verlaufe, je rascher man die Gegenstände erhitze und bei
scharfer Hitze glühe.


[238]Schmiedbarer Guſs.

Er fand, daſs sogar ein ganz dünner Anstrich von Graphit hin-
reiche, ja daſs eine bestimmte Glühhitze schon für sich im stande
sei, harten Guſs zu erweichen. Aber auch nur eine solche, denn bei
langsamem Erhitzen und Kirschrotglut bedecken sich die Guſsstücke
mit Glühspan und werden nicht weich, und ebenso verbrennt das
Eisen bei zu groſser Hitze und wird im Inneren hart. Weil also die
richtige Temperatur sehr schwer zu treffen und die Gefahr von Glüh-
spanbildung bei offenem Feuer immer vorhanden ist, so schien es nicht
thunlich, den Graphitüberzug ganz zu entbehren. Auch ist die Ein-
wirkung der Hitze allein nur eine oberflächliche und findet keine
wirkliche Umwandlung des Guſseisens in Schmiedeeisen statt. Es ist
gut, dem Graphit einen Zusatz von feuerfestem Thon oder einem
ähnlichen Stoffe, welcher seine Bindekraft erhöht, zu geben. Das
Gemenge rührt man mit Wasser zu einem Brei an, den man ent-
weder mit dem Pinsel aufträgt, oder in den man die Gegenstände
eintaucht. Jede Art der Feuerung ist anwendbar, doch sind die Re-
sultate bei dem offenen Herdfeuer unsicher und die Gefahr des
Schmelzens der Guſswaren vorhanden. Geschlossene Gefäſse sind
deshalb vorzuziehen, am meisten aber eignet sich ein eigens für den
Zweck erbauter Glühofen, ähnlich einem Töpferofen von viereckigem
Querschnitt, mit Bänken oder Traggestellen ringsum und der Feuerung
in der Mitte.


Reaumur stellte eine weitere Reihe von Versuchen an, um das
Verziehen und Werfen der Guſswaren zu vermeiden oder wieder gut
zu machen. Manchmal genügte für letzteren Zweck ein vorsichtiges
Beklopfen mit dem Hammer, in den meisten Fällen wird aber ein
Pressen in der Hitze (Kirschrotglut) erforderlich. Hierzu genügt bei
kleinen Stücken ein Schraubstock, zwischen dessen Backen man die
Stücke entweder unmittelbar oder zwischen Platten preſst. Bei ver-
zierten und komplizierten Stücken muſs man besondere Gesenke hier-
für machen. Bei Töpfen und ähnlichen hohlen Guſsstücken müssen
Futter eingespannt werden.


Eine besondere Reihe von Memoiren beschäftigt sich mit der
Frage, ob Eisenguſs im flüssigen Zustande erweicht werden kann.
Reaumur gelangte zu einem negativen Resultate. Keins der vielen
Mittel, die er versuchte, brachte die gewünschte Wirkung hervor, die
meisten machten vielmehr das Eisen härter als zuvor. Darauf wendete
sich Reaumur zu den Mitteln, welche geeignet seien, einen möglichst
weichen Guſs zu erzeugen. Er verlieſs damit eigentlich gänzlich den
Ausgangspunkt seiner Untersuchung, welcher darin bestanden hatte,
[239]Schmiedbarer Guſs.
Guſseisen durch einen Glühprozeſs in weiches Schmiedeeisen umzu-
wandeln und welches ihn zur Erfindung des schmiedbaren Gusses
geführt hatte. In seiner späteren Arbeit verwischt er diesen Stand-
punkt, indem er seine Aufgabe allgemeiner dahin faſste, Mittel zu
finden und anzugeben, weiche Guſswaren, welche sich feilen und
bohren lieſsen, zu erzeugen. Dies konnte ebenso wohl durch die ver-
schiedenen Umwandlungsprozesse, als von vornherein durch Erzielung
eines weichen Gusses geschehen; letzteres war dann schlieſslich die
einfachere und natürlichere Lösung, auf welche deshalb in der späte-
ren Arbeit besonderes Gewicht gelegt wird. Diese spätere Arbeit er-
schien erst, wie erwähnt, nach Reaumurs Tode in den Descriptions
des Arts et Métiers 1) unter dem Titel: Nouvelle art d’adoucir le fer
fondu. Sie ist mit einer Einleitung des Herausgebers Duhamel du
Monceau
versehen und zerfällt in drei Teile. Der erste ist ein nur
wenig veränderter Abdruck der alten Arbeit vom Jahre 1722, bei
welchem aber der letzte Teil fehlt, so daſs er nur aus fünf Memoiren
besteht. Dieser beschäftigt sich mit dem Glühfrischen in geschlossenen
Öfen. Der zweite Teil besteht aus vier kürzeren Memoiren und be-
handelt das Glühfrischen mit einfachem Überzug. Der dritte Teil
umfaſst neun Abhandlungen und lehrt die Herstellung von Guſswaren,
welche schon in weichem Zustande die Formen verlassen. Diese
zweite ausführlichere Arbeit über denselben Gegenstand entbehrt der
Anmut der ersten, es fehlt ihr die letzte Hand des Meisters. Sie
hat ferner den Fehler, daſs sie keinen genügend scharfen Unterschied
macht zwischen der Umwandlung des Guſseisens in Schmiedeeisen —
den schmiedbaren Guſs —, zwischen Oberflächenerweichung und
zwischen alleiniger Aufhebung der Spannung durch ein nachträg-
liches Glühen. Dieser Unterschied ist aber ein fundamentaler, denn
bei ersterem wird eine Verwandlung der Substanz, ein metallurgisch-
chemischer Prozeſs angestrebt, während es sich beim Glühen unter
loser Decke, sowie beim einfachen Ausglühen nur um eine physika-
lische Wirkung, nämlich um die Aufhebung der Spannung, welche
durch das rasche Erstarren des flüssigen Metalles in den Formen den
Guſswaren anhaftet, handelt. Diese Verwischung der Grenzen von
zwei durchaus verschiedenen Prozessen, welche allerdings ineinander
übergehen, zieht sich bedauerlicherweise durch die ganze Litteratur
hindurch, nicht nur zum Nachteil der theoretischen Erkenntnis, son-
dern auch der praktischen Verwertung der Erfindung Reaumurs,
[240]Schmiedbarer Guſs.
welche erst in diesem Jahrhundert zur vollen Anerkennung ge-
kommen ist.


Was nun den dritten Teil der neuen Abhandlung Reaumurs
anlangt, so gehört derselbe, wie schon aus seiner Überschrift hervor-
geht, fast ganz in das Gebiet der Eisengieſserei. Die Grundlage des
Erfolges, um weichen Guſs zu erzielen, bildet die Auswahl des Roh-
eisens, indem dasselbe sich mehr oder weniger dafür eignet. Nur
graues Eisen soll man hierzu verwenden. Will man weiſses benutzen,
so muſs man es erst aduzieren, aber auch dann muſs man es mit
natürlichem grauen Guſseisen zusammenschmelzen. Ist das Eisen
zu grau, so empfiehlt er einen geringen Zusatz von Alaun, der ihm
eine schönere Farbe gebe, ohne es hart zu machen. Soll das Guſs-
eisen beim Umschmelzen seine Weichheit behalten, so muſs das
Schmelzgefäſs mit einem Futter von Holzkohlen oder von Holzkohlen
mit Beinasche ausgekleidet werden. Unter den verschiedenen Mitteln,
die Weichheit der Guſswaren zu befördern, hebt er als wichtigstes
das Erhitzen der Formen hervor. Das gut geschmolzene Guſseisen
soll in heiſse Formen eingegossen werden. Um eine genügende Er-
hitzung der Formen zu ermöglichen, empfiehlt er dringend die Anwen-
dung eiserner Formkasten an Stelle der noch allgemein gebräuchlichen
hölzernen. Er verlangt, daſs alle Formen nicht nur Lehm- und
Massenformen, sondern auch die Sandformen bis zur Rotglut erhitzt
werden. Dies könne in einem Ofen geschehen, der einem Cementier-
ofen ähnlich sei, und in dessen Kammern sich Gestelle mit Abteilungen
befänden, in welche man die Formkasten einschiebe. Da das Aus-
ziehen der heiſsen Kasten aus diesen Öfen aber beschwerlich sei, so
empfiehlt er einen Ofen, der mehr einem Ziegel- oder Backsteinbrenn-
ofen ähnlich ist, in dessen viereckiger Kammer die eisernen Form-
kasten vertikal auf den Boden und übereinander gestellt werden, daſs
Kohle und Hitze sie von allen Seiten umgeben. Die Öfen könnten
nach Reaumurs Angabe so eingerichtet sein, daſs man in denselben
gieſst, die Formkasten also nicht herausgenommen zu werden brauchen.
— Als ein weiteres Mittel zur Erzielung weicher Guſswaren empfiehlt
Reaumur ein Ausglühen unmittelbar nach dem Guſs, so daſs die
Guſsstücke noch möglichst heiſs in den Glühofen kommen. Auch dies
wird sehr erleichtert, wenn die Guſswaren in den zuletzt erwähnten
Öfen, die den heutigen Darrkammern der Gieſsereien am nächsten
kommen und in welcher die Formen erhitzt wurden, auch gegossen
werden. Das Nachglühen kann dann in denselben leicht und ohne
groſse Kosten bewerkstelligt werden. Die vielen Angaben, die
[241]Schmiedbarer Guſs.
Reaumur sonst noch in Bezug auf Formen und Gieſsen macht,
gehören in das Kapitel der Gieſserei, werden aber am besten in den
trefflichen Memoiren des Verfassers selbst nachgelesen.


Wir haben erwähnt, daſs Reaumurs Erfindung des schmiedbaren
Gusses keinen groſsen Erfolg hatte. Daſs daran nicht er, sondern
diejenigen, welche die Sache auszubeuten versuchten, Schuld waren,
geht aus den von den Metallurgen des 18. Jahrhunderts erhobenen
Einwendungen gegen das Verfahren hervor.


Der Engländer Horne hat 1773 eine Abhandlung über Eisen und
Stahl veröffentlicht, in der er behauptet, es lohne sich nicht, sich bei
dem Glühfrischprozeſs aufzuhalten, da derselbe nicht den Erwartungen,
welche Reaumur darauf gesetzt habe, entspräche. Glühe man die
Guſswaren mit Beinasche allein, so verbrennten sie, glühe man sie
in einem Gemisch von 2 Tln. Beinasche mit 1 Tl. Holzkohle, so ent-
stehe ein so löcheriges Produkt, daſs es nicht möglich sei, dasselbe
zu polieren. Er selbst habe, bestochen von der Schönheit und Nütz-
lichkeit der Erfindung, eine Reihe von Versuchen gemacht. Er habe
mehrere Eingüsse von ¾ Zoll Dicke in einen Tiegel mit obigem
Pulver längere Zeit geglüht und dann zum Schluſs einer scharfen
Hitze ausgesetzt, das Ergebnis sei gewesen, daſs der innere Teil ge-
schmolzen und ausgelaufen sei. Obgleich diese Versuche genau das er-
gaben, was Reaumur angegeben und erklärt hatte, indem er zugleich
vor der zu groſsen Steigerung der Hitze, wenn man nicht obiges Re-
sultat mit Absicht herbeiführen wolle, gewarnt hatte, so führt dennoch
Horne diese ungeschickten Versuche mit groſser Selbstgefälligkeit
als Beweise gegen den Wert von Reaumurs Entdeckungen an.


Viel gründlicher hat der schwedische Metallurg Swen Rinman
(1782) diese Frage geprüft und viele neue und wichtige Versuche
darüber gemacht. Dennoch, obgleich er den Glühfrischprozeſs genau
kannte, glaubte auch er nicht an die praktische Verwertbarkeit desselben,
in der von Reaumur vorgeschlagenen Weise. Er sagt 1): die Kenntnis
des Aduzierens des Roheisens kann zwar für den Künstler in manchen
Fällen sehr nützlich und vorteilhaft sein; bei groſsen Gieſsereien,
deren Fabrikate durch Aduzieren und Ciselieren mehr Vollkommen-
heit erhalten sollen, würde man aber in der Ausübung zu keinen
Vorteilen gelangen, wie die von Reaumur in Vorschlag gebrachte
und mit einem groſsen Kostenaufwand in Frankreich zu stande ge-
Beck, Geschichte des Eisens. 16
[242]Die mechanische Bearbeitung des Eisens.
kommene Fabrikanstalt beweist, von welcher die Unternehmer wieder
abstehen muſsten, teils weil das Brennmaterial zu teuer war, teils
weil sehr viele Arbeiten miſsglückten. Letzteres mochte wohl aus
mancherlei Ursachen geschehen, teils weil das Roheisen beim Schmelzen
im groſsen nicht immer jedesmal ein und dieselbe Beschaffenheit
haben konnte, teils weil der geringste unbemerkbare Fehler, eine un-
dichte oder blasige Stelle in der Guſsware, sogleich allen Aufwand
an Kosten und Mühe vergeblich machte, teils endlich weil der glück-
liche Erfolg des Aduzierens sehr von dem einer jeden Roheisenart
angemessenen Hitzgrad abhing, der sich um so schwerer genau treffen
lieſs, als die Guſswaren an der einen Stelle dicker sein konnten als
an der andern u. s. f. Überdies nimmt aber die Oberfläche des
aduzierten Roheisens nicht den Grad der Feinheit an, daſs man ihr
eine glänzende Politur geben könnte.


Rinman war aber weit davon entfernt, die hohe Bedeutung des
Glühfrischens zu verkennen. Er legte ihm sogar eine besondere
Wichtigkeit für die Stahlfabrikation, mehr als Reaumur selbst, bei
und hat dessen Versuchen viele neue hinzugefügt, auf die wir später
noch zurückkommen werden. Wenn er daher die Bedeutung des
Prozesses für den schmiedbaren Guſs als solchen verkannte, so lag
dies in den Verhältnissen seines Landes und seiner Zeit. Was
Reaumur erstrebte, der getemperte Kleinguſs, entsprach der Pariser
Industrie, nicht aber der schwedischen um das Jahr 1780, während
die Frage der Herstellung von Guſsstahl Rinman näher lag. That-
sache ist, daſs, nachdem die Fabrik zu Cône zu Grunde gegangen
war, Reaumurs Erfindung des schmiedbaren Gusses keine weitere
praktische Verwertung im 18. Jahrhundert fand und derart in Ver-
gessenheit geriet, daſs Samuel Lucas im Jahre 1804 auf das von
Reaumur beschriebene Verfahren, als eine neue Erfindung, ein
Patent erhielt.


Die mechanische Bearbeitung des Eisens
(Polhem 1720 bis 1746).


Die mechanische Bearbeitung des Eisens hatte in den ersten
Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts nicht unwesentliche Fortschritte
gemacht. Auf der Formgebung beruhten wichtige Industriezweige,
[243]Die mechanische Bearbeitung des Eisens.
wie die Ankerschmieden, die Blech- und Drahtfabrikation, das Nagler-
und Nadlergewerbe u. s. w. Zunächst war aber schon die unmittel-
bare Bearbeitung der Luppe und das Ausschmieden des Eisens in die
gebräuchlichen Formen für Material- und Handelseisen die wichtigste
Aufgabe des Hammerschmieds. Hierüber verdanken wir dem vortreff-
lichen Polhem nähere Mitteilungen. Dies war das eigentliche Ge-
biet für sein groſses mechanisches Talent, und er hatte eine so richtige
Vorstellung von der Bedeutung der Maschinenarbeit für die Eisen-
industrie, daſs seine Bemerkungen oft wie Prophezeiungen klingen.


Die Ausführungen Polhems über die mechanische Bearbeitung
des Eisens zu verschiedenen Zwecken bilden für die historische Be-
trachtung wichtige Ergänzungen zu Swedenborgs Schilderungen.
Indem er seine Landsleute ermahnt, Zainhämmer, Reckhämmer und
Stahlhämmer anzulegen, um die Wasserkraft der zahlreichen Gefälle
ihres Landes auszunutzen und durch die Veredlung ihres Eisens
gröſseren Nutzen zu erzielen, schildert er kurz die wichtigsten An-
lagen dieser Art.


„Der Vorteil, sowohl in andern Dingen als besonders bei ge-
werblichen Anlagen, besteht in den Mitteln, die Arbeit zu erleichtern,
damit die Sachen nicht zu teuer werden, indem der Absatz durch
nichts so sehr als durch billige Preise befördert wird: deshalb sind
solche Maschinen und Anlagen, welche auf eine oder andere Weise
die groben Handarbeiten vermindern oder erleichtern, höchst nötig.
Dieser Endzweck wird am besten durch Ausnutzung der Wasserkraft
zur Arbeit mit einem Nutzen von 100, ja 1000 Proz. gegen die Kosten
der Handarbeit erreicht.“


Er empfiehlt Zwischenprodukte herzustellen zwischen dem ordi-
nären Handelseisen, für das nicht viel bezahlt werde, und der fertigen
Ware, so z. B. für die Messerschmiede vorgeschmiedetes, aus Eisen
und Stahl zusammengeschweiſstes Material (Messermasse), was auf
„Klipphämmern“ (Zainhämmern) geschieht. Das Materialeisen für
Küchengeschirre, als Pfannen, Schaufeln, Kasserollen u. s. w., könnte
am besten auf Kneip-, Tief-, Platt- und Planhämmern gemacht
werden. Alle Teile von Gewehr- und Thürschlössern könnten mit
Gesenkhämmern geschmiedet werden. Wichtig sei ferner die Anlage
von Walzwerken, Schneidewerken und Scheren. Aber auch auf den
groben Stangenhämmern lieſsen sich schon viele grobe Waren ver-
schmieden, z. B. Pflugeisen, Eggenzähne, Brechstangen, Hämmer,
Haken, groſse Nägel, Hespen, Bolzen u. s. w.


Indem Polhem nun zur Ausführung im einzelnen übergeht,
16*
[244]Die mechanische Bearbeitung des Eisens.
wendet er sich zuerst zu den Zain- und Blechhämmern (Kneip- und
Platthämmern). Das grobe Stangeneisen kam von den Hammer-
schmieden in die Kneip- und Platthammerschmieden, und zwar zunächst
in die ersteren, in welchen zwei bis drei Hämmer von verschiedener
Gröſse arbeiteten. Das Ausschmieden auf den Kneiphämmern geschah
immer der Quere, nie der Länge des Hammers nach, weil dadurch
Risse und Blätter entstanden. Bei dem Querschmieden wurde jeder
Schlag der abgerundeten Hammerfinne auf dem Zain eingedrückt.
Man liebte dies besonders für das Drahtziehen, angeblich weil das
Fett sich länger in den Einkerbungen hielt. Auf diese Weise wurden
allerlei Arten kleiner Stangen, gröbere und feinere, von quadratischem
Querschnitt, ferner Flachstäbe ½, 1⅔, 3 und 4 mal so breit wie dick
und Bandeisen geschmiedet, „was aber mittelst Walzwerke viel ge-
schwinder geschieht als durch den Hammer“. Über das Ausschmie-
den der Luppe in Stäbe bemerkt er noch folgendes: Wenn die Luppe
zerhauen und das Mittelstück (welches das beste Eisen liefert) da-
von genommen ist, muſs das Eisengut zu groben Stangen durch-
geschmiedet werden, welche die Breite von 3 Zoll und die Dicke von
1¼ Zoll erhalten. Dieses muſs ein Meister oder geschickter Geselle
verrichten, welcher die Stangen, ohne ihnen mit Planieren längs des
Hammers zu helfen, überall gleich dick treffen kann, denn wenn die
Stangen auf ein oder der anderen Stelle auch nur ein wenig dicker
als anderwärts sind, so ist es beinahe unmöglich, diesem abzuhelfen,
ohne daſs es nicht an den nachgeschlagenen Stellen Risse geben
sollte. Deshalb ist es am besten, die Stangen gar nicht zu planieren,
sondern ihnen nur durch einige leichte Schläge nachhelfen zu lassen,
besonders da dasselbe Eisen noch mehrmals unter andern Hämmern
umgeschmiedet wird.


Platinen und Platten schmiedete man unter dem Platthammer
nur in die Quere, legte aber dabei meist mehrere übereinander. Es
bedurfte einer gewissen Berechnung. Wurden z. B. Platten verlangt,
welche 1/20 Zoll Dicke haben sollten, so legte man 5 Platten von je
¼ Zoll zusammen, welchen Pack man von neuem bis auf ¼ bis ⅕
Zoll Dicke ausschmiedete, wodurch die einzelnen Blätter die gewünschte
Dicke bekamen. Solche Stücke, für bestimmte Zwecke mit groſsen
Scheren geschnitten, fielen dann ganz gleich aus, so daſs sie gar
nicht mehr gerichtet zu werden brauchten. Die gangbaren Sorten
wurden auf Vorrat nach Nummern geschmiedet.


Nun folgen Polhems wichtige Mitteilungen über die Walz-
werke
, aus denen klar hervorgeht, daſs man solche nicht nur in
[245]Die mechanische Bearbeitung des Eisens.
Verbindung mit Spaltwerken, sondern auch für sich zum Strecken und
Auswalzen flacher Eisensorten verwendete. Das Kapitel 14 handelt
von Walzwerken und ihrem Nutzen wie folgt: Durch gute
Walzwerke können viele Arbeiten teils erleichtert, teils abgekürzt
werden; denn durch seine Geschwindigkeit kann ein Walzwerk 10 bis
20 und nach Beschaffenheit des Wasserbetriebes wohl noch mehr
Stangen Bandeisen in eben der Zeit pressen, in welcher der Kneip-
hammer nur eine ausreckt. Auſserdem daſs dünnes Bandeisen zu
Faſsreifen und allerlei Beschlägen nützlich ist, so können auch Messer-
stahl und ähnliche geschweiſste Sorten gewalzt und dann in Klein-
schmieden vollendet werden. Man kann auch solche Walzen machen,
welche die Klingen breit und nach beiden Seiten dünn, ungefähr
von der Form der Degenklingen machen, welche, wenn man sie der
Länge nach in der Mitte voneinander schneidet, zu Messerklingen
sehr bequem sind.


Auſserdem kann man auch Walzen für allerlei Formen,
als zu viereckigen, runden oder halbrunden Zainen oder Stangen
und zu Stahl für allerlei Feilensorten machen, welche nachher durch
wenig Schmieden zu vollenden sind.


Mit Walzwerken kann man allerlei Stacketstangen, mit besonders
dazu eingerichteten, das meiste zu Schlüsseln und Schlössern, wenn
solche von einerlei Façon sind und auch Bleche machen.


Wir ersehen hieraus, daſs Polhem bereits mit der Anwendung
der Walzwerke zur Herstellung vielerlei Eisensorten durchaus ver-
traut war, während man den Anfang dieser Kunst seither meistens
erst viel später in die Zeit Henry Corts gesetzt hat. Es wäre ja
auch fast unbegreiflich gewesen, wenn man Walzen als ein Teil der
Eisenschneidwerke schon lange benutzt hätte, ohne auf die Idee zu
kommen, das Walzwerk für sich, ohne Verbindung mit den Schneid-
scheiben zu verwenden. Die Anwendung der Eisenschneidwerke
konnten wir aber schon im 17. Jahrhundert mit Sicherheit nach-
weisen. Daſs man die Bleche in Sachsen zur Weiſsblechfabrikation durch
Walzen gehen lieſs, scheint aus Yarrantons Angaben hervorzugehen.
Es ist ja wohl anzunehmen, daſs man anfangs die Walzen mehr zum
Egalisieren und nicht eigentlich zum Ausrecken verwendet hat, nament-
lich bei den Blechen. Aber man muſste doch sehr bald dabei die
Beobachtung machen, wie leicht sich heiſses Eisen zwischen Walzen
auch strecken lieſs, und Polhems Mitteilungen lassen keinen Zweifel,
daſs sie hierfür in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts bereits
hier und da verwendet wurden. Im Kapitel 15 von Polhems Testament,
[246]Die mechanische Bearbeitung des Eisens.
welches von den Walzen und ihrer Verfertigung handelt, sagt er, daſs
die Zahl der Walzwerke im Vergleich mit der der Hämmer in Schweden
klein sei. Er fährt dann fort: „So viele Vorteile die Walzen wegen
geschwinder Verfertigung der Arbeit mit sich führen, so schwierig
sind sie herzustellen. Mittels derselben kann man nicht nur das
gröbste Stangen- und Platteneisen auswalzen, sondern es auch (in
Verbindung mit Schneidscheiben) in beliebig schmale Streifen zer-
schneiden, so daſs man mit Walzen in einem Tage mehr, als mit
Hämmern in einem Monat ausrichten kann. Man hat aber die Er-
fahrung gemacht, daſs geschmiedetes Eisen zäher als gewalztes ist,
weshalb man da, wo es auf die Zähigkeit besonders ankommt, wie z. B.
bei Draht, geschmiedetes Eisen gebraucht, obgleich geschnittenes Eisen
billiger wäre. Es ist also wohl zu erwägen, welche Gattungen von
Eisen zu walzen und welche zu schmieden sind.“


„Nunmehr komme ich zu der Anfertigung der Walzen, welches
nicht ohne Kunst und Wissenschaft geschieht. Alle Arten kleiner
Walzen bis 6 und 7 Zoll Durchmesser können leicht aus gutem
Eisen geschmiedet werden. Man härtet ihre Oberflächen, indem man
Stahl darumlegt, aufschweiſst und schmiedet. Nachher werden sie
abgedreht, welches am besten auf der Drehbank mittels eines
kleinen Wasserrades geschieht. Das Dreheisen wird an einem Klotz
befestigt, der mittels einer langen Schraube an der Walze allmählich
der Länge nach hingezogen wird, was gemeiniglich durch die Hand
des Walzmeisters geschieht, aber auch so gemacht werden kann, daſs
das Wasserrad die Schraube allmählich umdreht.


Wenn die Walzen auf dem Wasserwerk gut abgedreht sind, setzt
man sie in einen festen Drehstuhl, der mit einem Rade geht und
justiert sie zum Schluſs mit kleineren Eisen und Feilen, damit sie die
rechte Runde und Glätte erhalten. Alsdann härtet man sie auf die
Weise, daſs man sie im Feuer rot werden läſst und nachher allmäh-
lich in ein langsam flieſsendes Wasser taucht. Noch besser ist es,
die Walzen in Öl oder Talg abzulöschen. Sollte sie aber nicht voll-
kommen hart werden, so kann man dadurch abhelfen, daſs man die
glühende Walze vor dem Ablöschen in Hornspänen wälzt. Ist sie
aber nur von Eisen, so muſs man sie setzhärten (satshärdas, d. h. durch
Einsatzhärtung). Nach dem Härten spannt man sie in die Drehbank
und versucht, ob sie so rund geblieben, wie sie vorher war, was
nur selten geschieht, indem es sich wohl ereignen kann, daſs der Stahl
an einer Seite dünner zu liegen kommt als auf der andern, infolge-
dessen sich beim Ablöschen die Seite, wo der Stahl dünner ist, mehr
[247]Die mechanische Bearbeitung des Eisens.
zusammenzieht. Hat nun die Walze auch nicht den Fehler, daſs sie
blätterig ist, was sich beim Härten leicht ereignet, so schreitet man
zum Schleifen in der Weise, daſs man sie mit einer Kurbel umdreht
und sie die ganze Länge herunter mittels einer zinnernen oder bleier-
nen Kappe, auf welche man erst groben und dann feinen Schmirgel
thut, schleift, bis sie glatt und rund ist. Dieses Verfahren erfand
Gabriel Polhem, der Sohn des Verfassers, im Jahre 1737, und be-
diente sich desselben für die Walzen des Kasseler Münzwerks.


Auf diese Weise erhält man vollkommene Walzen, welche aber
leicht durch ungeschickte Arbeiter verdorben werden können, weshalb

Figure 45. Fig. 40.


Vorsichtsmaſsregeln nötig sind.
Am leichtesten verderben die
Walzen beim Auswalzen von
heiſsem Eisen, an welchem
Schlacken oder Sinter hängen.
Dies verhindert man dadurch,
daſs man die Schlacken zuvor
dadurch abschabt, daſs man die
Stangen vor dem Eintritt in
die Walzen durch eine Zange
(Fig. 40), welche vor derselben
aufgestellt ist und die an jedem
Arm in der Mündung zwei scharfe
Stahlzähne hat, welche man gegen
das zu walzende Eisen preſst,
passieren läſst. Dies geschieht
nur das erstemal, wenn das Eisen
aus dem Ofen kommt und den
meisten Sinter auf sich hat. Da
beim Walzen das Eisen sich abkühlt, so bringt man, um es nicht bei
jedem Durchgang von neuem aufwärmen zu müssen, eine Stahl-
schraube
an dem Walzenständer an, mit der man die Walzen auf
gewisse Grade zusammendrehen kann, so daſs man das Eisen mit
ein und derselben Hitze durch die Walzen ziehen kann
. Auf
diese Weise kann eine Länge von einer Elle auf 5 oder 6 mal mit
einer Hitze
bis auf 7 Ellen ausgezogen werden, welches ich bei
meinen eigenen Werken öfter gesehen habe. Auf diese Weise kann
man auch verschiedene Dicken erhalten, je nachdem man die Stahl-
schraube einstellt, wie es für die verschiedenen Zwecke erforderlich
ist. Dies ist in Kürze das, was ich von geschmiedeten Walzen
[248]Die mechanische Bearbeitung des Eisens.
gröſserer Form von 8 bis 10 Zoll Durchmesser zu sagen hatte. Ge-
schmiedete Walzen können bis doppelt so lang sein als ihr Durch-
messer, gegossene Walzen darf man aber nicht dicker machen als 1½,
höchstens 1¾ ihres Durchmessers, wenn sie bei starkem Gebrauch
nicht brechen sollen.“


Die Bleche für die Dachplatten (Dachbleche) waren von beson-
derer Konstruktion. „Da die Bleche breit und an ¾ Elle (0,45 m)
lang sind, so muſs man den Walzen einen entsprechenden Durch-
messer geben. Da aber die breiten Walzen im Drücken eine weniger
starke Wirkung ausüben als die schmalen, so legt man, um so breite
Platten zu walzen, noch ein Paar kleine geschmiedete Walzen zwischen
ein Paar starke gegossene Walzen, welche jene gerade erhalten und
verhüten, daſs sie sich nicht werfen.“ Solche Walzen legte Polhem
auf seinem Werk zu Stiernsund an. Ältere Walz- und Schneidwerke
erwähnt Rinmann bei Wedwog und Avesta.


Gegossene Walzen sind ziemlich viel in Anwendung
und sie sind auch gut, wenn sie aus dem richtigen Eisen gegossen
sind. Dazu ist am besten ein Eisen zwischen grau und weiſs (halbiert).
Hierauf sind allerdings unsere Hochöfen nicht eingeübt, die nur das
eine oder das andere zu machen wissen. Seitdem man aber gefunden
hat, daſs gegossene Ambosse bisweilen besser sind als geschmiedete,
sind dieselben doch dazu gekommen, gegen Ende der Kampagne auf
solches Guſseisen hinzuarbeiten. Wenn graues Roheisen, wie gewöhn-
lich, geblasen wurde, so giebt man gegen das Ende, wenn es dem
Ofengang nicht mehr viel schaden kann, stärkere Erzsätze, wodurch
das Eisen hart wird, öfter so hart wie gehärteter Stahl. Wenn dieses
eintritt, so ist es Zeit, Walzen und Ambosse zu gieſsen.


Da dies aber nur selten eintrifft, so müssen allezeit fertige Formen,
entweder von Thon oder von Eisen in Bereitschaft stehen, von welchen
man die ersteren folgenderweise anfertigt: Man dreht Stroh mit einem
einfachen Apparat zu Stricken zusammen und befestigt diese, oder bei
kleinen Walzen Lunten am Ende einer Eisenstange, und wickelt sie
um diese der Art herum, daſs man sie, wenn die Walze fertig ist,
leicht herausziehen kann. Hierüber schlägt man überall zarten Lehm
bis zu der beliebigen Dicke der Walze, welche man gegen ein Form-
brett abdreht und trocknet. Zeigen sich Risse, so verschmiert man
diese und dreht sie von neuem rund; ist sie fertig getrocknet, so
überpinselt man sie mit Milch und französischem Thon und dann mit
Bolus und Leimwasser, trocknet wieder, poliert die Fläche und über-
streicht sie mit einem Pinsel dünn mit Bockstalg und glättet durch
[249]Die mechanische Bearbeitung des Eisens.
Abdrehen. Alsdann pinselt man feingestoſsenen Graphit und streicht
feingestoſsene (kölnische) Tabakspfeifen mit saurer Milch, Eiweiſs oder
Öl, wohl angerieben, darüber: wenn das trocken ist, so pinselt man
ein Gemenge von Lehm, Sand und Pferdekot, zu einem Brei ange-
macht, darüber und wiederholt dies 5 bis 6 mal, doch so, daſs man
es allemal zwischenher trocknen läſst. Zuletzt beschlägt man die Form
mit vier Eisenstangen, welche ihre Öhre im oberen und die Biegung
im unteren Ende haben, der Länge nach; um diese wickelt man einen
Stahldraht so, daſs zwischen dem Gewinde fingerbreit Raum bleibt,
beschlägt dies mit Lehm, den man zu einem steifen Teig gemacht
hat, worauf man sie trocknen läſst. Sobald dies geschehen, zieht man
das Strohseil oder die Lunte heraus, stellt die Walze des völligen
Trocknens wegens an einen warmen Ort. Zuletzt muſs man sie bren-
nen, was am besten in einem Töpferofen geschieht. Ist dies ge-
schehen, so klaubt man von den beiden offenen Enden von innen aus
den zuerst aufgestrichenen Lehm los, der sich da löst, wo der Talg
sich eingezogen hat, wiewohl schon der gröſste Teil dieses Lehms mit
dem Stroh herausgebracht wurde, und man mit der Hand nur nach-
zuhelfen braucht. So erhält man die Walzenform.


Wenn der Guſs geschehen soll, gräbt man die Form in Sand ein,
drückt diesen fest dagegen, damit das schwere Eisen, welches rasch
in die Form einströmt, diese nicht sprenge, obgleich dies schon zu-
meist durch den umgewickelten Stahldraht verhindert wird. — Man
gieſse nicht, ohne sich überzeugt zu haben, daſs das Eisen auch von
der richtigen Beschaffenheit ist.


Wenn die Walzen im Sande soweit abgekühlt sind, daſs sie
dunkelrot scheinen, so wirft man sie der Länge nach in die Wasser-
gerinne und wälzt sie darin hin und her, damit die Härtung nach
allen Seiten gleich geschehen möge. Ist der Guſs wohl geraten und
sind folglich auf der Oberfläche weder Blasen noch Schlacken, so
schleift man sie mit einem Stück Sandstein, bis die Bahn so glatt
wird, als man sie verlangt. Sollte sich aber der Unfall ereignen, daſs
auf der Bahn eine Grube oder Höhlung geblieben wäre, so macht man
einen Teich von Feilspänen, Essig und Eiweiſs und verstreicht die
Löcher damit. Dieser Kitt wird beinah so hart wie Eisen, wenn er
sich aber ausnutzt, streicht man neuen hinein.


Das ist in Kürze die Bereitungsweise der Walzformen in Thon.
Man kann auch Walzenformen von Guſseisen aus drei zu-
sammenzusetzenden, wohl zu schleifenden Teilen herstellen. Eine
solche Form vollkommen zu machen, ist aber ebenso beschwerlich, wie
[250]Die mechanische Bearbeitung des Eisens.
die aus Thon. Man kann auch Walzen in Sand gieſsen, wobei
es aber mehr auf Glück als auf Kunst ankommt. Denn es ist immer
schwer, völlig runde Walzen zu erhalten, und wenn hierin das Ge-
ringste fehlt, so werden die Bleche im Walzen ungleich und zum Ge-
brauch undienlich.


Schmiedeeiserne Walzen kann man durch Einsatzhärtung in
folgender Weise härten. Man macht von starkem Blech eine Hülse
um die Walze von derselben Höhe, aber zwei Zoll weiter im Durch-
messer als diese. Den Zwischenraum füllt man mit einem Pulver
von Horn, welches auf die Art verfertigt wird, daſs man das Horn so
stark in einem Backofen trocknet, daſs es spröde wird, es dann klein
stöſst und siebt, hierauf aber mit Salzlake anmacht, trocknet und es
dann zur Umgebung der Walze benutzt. Obendrauf legt man einen
eisernen Deckel, den man mit einem Gemenge von Lehm und Kuh-
mist oder besser Ochsenblut verklebt. Wenn die Hülse mit Lehm über-
strichen ist, setzt man sie in einen Haufen kalter Kohlen, welche sie
von allen Seiten bedecken müssen. Alsdann zündet man den Kohlen-
haufen an, der ganz in Flammen gerät. Nach einer Stunde oder
mehr legt man die nunmehr rotglühende Walze auf Eisen in einen
Trog und läſst Wasser hineinlaufen, so lange, bis es die Walze be-
deckt. Die so gehärtete Walze schleift man erst mit Schmirgel und
Öl, sodann mit Zinnasche und zuletzt mit Blutstein, wodurch sie
spiegelblank wird. Solche Walzen dienten z. B. für die Zinnfolien.“


Aus Polhems wichtigen Mitteilungen über Walzen und Walz-
werke geht hervor, daſs Polhem deren Benutzung zum Walzen
von Eisen, unabhängig von den eigentlichen Eisenschneidwerken,
durchaus bekannt war und er sie als etwas Bekanntes voraussetzt.
Wenn er auch selbst Walzwerke konstruiert und erbaut und Ver-
besserungen angebracht hat, so stellt er sich durchaus nicht als den
Erfinder des Eisenwalzens hin, erwähnt dies auch nicht als eine neue
Erfindung. Wir dürfen also wohl annehmen, daſs das Walzen des
Eisens unabhängig von Eisenschneidwerken schon lange Zeit vor
1746 in Ausübung war, und daſs es wohl schon, ehe Polhem die
Fabriken zu Stiernsund zu Anfang des 18. Jahrhunderts gründete,
bekannt war. — Ein Beweis dafür läſst sich allerdings nicht erbringen,
da bestimmte Nachrichten aus andern Ländern fehlen. Die ersten
Angaben aus England finde ich in dem Patent von John Payne
(Nr. 505) vom 21. November 1728; darin heiſst es: „die Eisenstäbe,
nachdem sie in einem langen, gewölbten Glühofen erhitzt sind, sollen
zwischen zwei groſsen metallenen Walzen (welche geeignete Kerben
[251]Die mechanische Bearbeitung des Eisens.
oder Furchen auf ihrer Oberfläche haben) durch die Kraft der von
ihm erfundenen Maschine oder andere Kräfte in solche Gestalten und
Formen gebracht werden, wie es verlangt wird 1)“. In demselben
Jahre 1728 wurden in England die ersten Blechwalzen von Hanbury
eingeführt. Flower sagt in seiner Geschichte der Weiſsblechfabri-
kation: die Erfindung des Blechwalzens geschah 1728 und schreiben
sich ebenso John Payne wie Major Hanbury das Verdienst davon
zu 2). Über die weitere Entwickelung der Walzwerke werden wir
später berichten, hier wollen wir nur noch hervorheben, daſs Polhem
mit dem Guſs eiserner Walzen vertraut war und daſs ihm profilierte
Walzen, d. h. Walzen mit aufeinander passenden Rinnen oder Ver-
tiefungen ganz bekannt waren, wie daraus hervorgeht, daſs er aus-
drücklich angiebt, man könne Eisen von verschiedenen Querschnitten,
wie Rundeisen, Quadrateisen und Eisen, welches die Form von Degen-
klingen habe, mittels Walzen herstellen.


Wir kehren nun zu Polhems Angaben über die Hammerwerke
zurück. Aus dem mit Zainhämmern geschmiedeten oder mit Walz-
werken gewalzten Eisen kann man mit Hilfe von Wasserwerken
weitere Eisenarbeiten herstellen. Mittels der Zieh- oder Zugwerke
verwandelt man Eisen oder Stahl in Draht. Die Hauptkenntnis des
Drahtziehens muſs darin bestehen: 1) die Zugzange so zu stellen,
daſs sie weder zu viel noch zu wenig kneipt. Im ersteren Falle er-
hält der Draht unschöne Eindrücke (Bisse), im zweiten Falle geht
der Draht nicht mit; 2) den Ziehlöchern die richtige Weite zu geben,
daſs die jedesmalige Verjüngung entsprechend ist. Hierfür hatte
Polhem einen Maſsstab konstruiert (Drahtleere), bestehend aus einem
runden, schmalen, glattgefeilten Spitzbohrer von drei Zoll Länge und
¼ Zoll Durchmesser an seinem dicken Ende. Da die Verjüngung
eine gleichmäſsige war, so lieſs sich aus der Länge, welche der Bohrer
in das zu messende Loch eindrang, dessen Weite durch Rechnung
oder mittels eines Maſsstabes bestimmen.


Ein anderer Punkt, auf den es ankommt, ist die Auswahl des
Eisens. Man prüft das Eisen, indem man es mit einem scharfen
Meiſsel einhaut und durch Umbiegen zu brechen sucht. Läſst sich
[252]Die mechanische Bearbeitung des Eisens.
die Stange ohne zu brechen ganz zusammenbiegen, so kann man
das Eisen ohne weiteres zu Draht gebrauchen, bricht sie aber, wie
meistens, so muſs man es durchschmieden und gärben. Das geschieht
in der Weise, daſs man die Stangen auf ¾ Zoll Dicke ausschmiedet
und sie dann in viereckige Bunde von 9, 16 oder 25 Stäben zusam-
menpackt, welche man an zwei Stellen mit dünnem Zaineisen zu-
sammenbindet. Dieses Bund schweiſst man dann zusammen, wobei
man in der Mitte anfängt und so zuerst nach der einen, hernach
nach der anderen Seite fortfährt. Hierauf reckt man das Eisen unter
einem Hammer und Amboſs, welche beide schmale runde Bahnen haben,
in die Quere, wobei alle Schläge auf beiden Seiten Einkerbungen
geben, ähnlich wie bei einem quergefältelten Fidibus, und zwar von
⅓ oder ¼ Zoll. Diese Ungleichheiten machen, daſs der Draht an-
fänglich leicht durchgeht, so lange sich das Fett in den schwarzen
Narben oder Eindrücken aufhält, nachher aber muſs man einen Fett-
lappen beständig um den Draht fast bis an das Zugeisen halten. Das
Übrige lernt man aus der Übung.


Polhem empfiehlt ferner die Fabrikation von Gärbstahl (Ver-
bundmetall) für Messer, Scheren und Gabeln als für Schweden be-
sonders geeignet und giebt dabei verschiedene Winke von allgemeinem
Interesse. Man soll das Eisen dazu in der Weise vorrichten, daſs
man vier grobe Stahlstangen um eine Stange von zähem Eisen her-
umlegt, daraus ein Packet bildet und dieses zusammenschweiſst und
ausschmiedet. Diese Stangen dürfen höchstens eine Länge von 45 cm
haben, damit man die Hälfte bequem in die Schlacken eintauchen
kann. Das gut geschweiſste Packet wird dann zu dünnen Quadrat-
stäben ausgeschmiedet. Diese werden unter einem leichteren Hammer
zur richtigen Breite ausgereckt. Die Dicke verhält sich zur Breite in
der Regel wie 4:9. Der so hergestellte Messerstahl dient zu allen Arten
von Feilen, Messerklingen u. dergl., welches zugleich hart und zähe
sein soll, aber nicht zu Federn, weil der Eisenkern durch öfteres
Biegen abbricht 1).


Der Vorteil einer Messerschmiede liegt wesentlich im rich-
tigen Zusammenarbeiten mehrerer Schmiede zu gleicher Zeit. Pol-
hem
rät deshalb, eine Schmiede mit zwei Herden und jeden Herd
mit zwei Ambossen einzurichten. In einer solchen Schmiede können
acht Messerschmiede zugleich arbeiten, nämlich zwei und zwei bei
[253]Die mechanische Bearbeitung des Eisens.
einem Amboſs einander gegenüber, wovon vier ein Feuer benutzen,
dergestalt, daſs, sobald der eine an der einen Seite des Herdes das
Blatt fertig geschmiedet hat, welches allemal mit einer Hitze oder
einem Wärmen geschehen muſs, er es abhaut und für den andern auf
der andern Seite ins Feuer legt, um ebenfalls mit einer Hitze das
Blatt ganz fertig zu schmieden; auf diese Weise können ein Paar
Leute, wenn sie fleiſsig sind, täglich 20 bis 30 Dutzend verfertigen,
während sie nach deutscher Art höchstens 12 Dutzend zu Wege
bringen. Am Schlusse der Woche werden alle Klingen gehärtet, und
zwar in flüssigem Blei, das so heiſs ist, daſs sie braunrot darin an-
laufen. Man läſst es abkühlen, bis reine Feilspäne darin hochblau
werden. Alsdann tunkt man alle Messer, und zwar, der Menge wegen
mittels Zangen, bundweise ein und läſst sie blau anlaufen. Sollten
sich einige Blätter beim Härten krümmen, so reckt man sie auf die
Weise, daſs man sie mit dem Hammer an der inneren oder einge-
bogenen Seite und nicht an der erhabenen, wie man meinen sollte,
ausschlägt.


Zu den Scheren richtet man das Eisen in den Hammerschmieden
so zu, daſs man eine Stahlstange und eine Eisenstange zusammen-
schweiſst.


Die Messer- und Scherenfabriken können dieselben Schleifsteine
und Polierscheiben benutzen. Erstere haben 2 bis 3 Ellen (1,70 bis
1,80 m) Durchmesser und werden vom Wasserrad getrieben. Die
Gabeln, welche zu den Messern gehören, erfordern, ehe sie fertig
werden, dreimalige Hitze. Im ersten Feuer schmiedet man die Zange
und giebt dem Halse seine rechte Gestalt. In der zweiten Hitze
spaltet man das Eisen, haut es ab und schmiedet die eine Zinke aus.
Im dritten schmiedet man die andere Zinke und schlägt sie in einer
Form zusammen; wo es fehlt, hilft man dann noch mit der Feile
nach. Auch hier ist die richtige Arbeitsteilung die Grundlage des
Nutzens.


Andere Waren, die fabrikmäſsig hergestellt werden können, sind
ordinäre Schlösser. Zu dem Schloſsblecheisen, welches auf einer
Seite fein poliert sein muſs, schweiſst man bloſs zwei Stäbe, einen von
hartem, kaltbrüchigem Eisen (oder Stahl), und einen von weichem.
Diese schmiedet man zu grobem Platteneisen in der Hammerschmiede
vor und breitet es dann auf Blechhämmern zu Blechen von ver-
schiedenen Stärken (¼, ⅕, ⅙ bis 1/12 und 1/16 Zoll) aus. Dies ge-
schieht auch in der Weise, daſs man erst die Platine für sich an-
schmiedet und dann mehrere zusammenlegt und ausschmiedet, so daſs
[254]Die mechanische Bearbeitung des Eisens.
man, um z. B. Blech von 1/16 zu bekommen, vier Bleche von ¼ Zoll
zusammenlegt und diese bis auf ¼ Zoll ausschmiedet.


Um Schlösser zu machen, muſs die Arbeitsteilung noch weiter
durchgeführt werden. Für jeden Schloſsteil muſs ein besonderer
Schmied sein. Ein jeder hat seine besonderen Gesenke. Polhem
beschäftigte sich viel mit der Verbesserung der Schlösser und be-
schreibt in seinem Testament ein von ihm erfundenes neues Sicher-
heitsschloſs, von dem er eine allgemeine Verwendung hofft.


Man schlägt, wie schon erwähnt, alle einzelnen Teile in Ge-
senke, auch die Schlüssel, welche, wie bei den englischen und fran-
zösischen Schlössern, aus dem Ganzen geschmiedet und ohne Lötungen
sein muſsten. „Wenn es hiermit aber recht geschwind gehen soll,
so macht man ein Paar Stahlwalzen, in welche man der
Länge nach die Schlüssel von verschiedener Form und
Gröſse eingräbt
. Diese Walzen müssen an einem Ende ein
doppeltes Zahngetriebe haben, damit die Schlüsselformen recht genau
aufeinander passen. Wenn man walzen will, was am besten durch
ein Wasserrad geschieht, müssen die Platten die Breite und Länge
der Schlüssel haben und über 30 bis 45 cm lang, auch ungefähr
8 bis 10 cm dick sein; man macht sie der gröſsten Weichheit wegen
weiſsglühend. Je geschwinder sie bei einem kräftigen Wasserbetrieb
umlaufen, desto besser und genauer drückt sich die Form aus, so
daſs, wenn man die Walzen ganz dicht zusammenschraubt, das Blech
zwischen jedem Schlüssel so dünn wie Papier wird, welches man mit
Meiſseln weghaut und sie überall mit feinen Feilen zum Polieren und
Härten abfeilt.“


Hier giebt also Polhem eine andere Art der Verwendung der
Walzen an, nämlich zur Prägung an Stelle des Schmiedens im Ge-
senke, ein Verfahren, welches erst in neuerer Zeit wieder zu allge-
meinerer Verwendung gelangt ist.


Das Eisen zu dieser Fabrikation stellt man am besten so dar,
daſs man drei Stäbe zusammenschweiſst, einen weichen in der Mitte
und zwei harte (kaltbrüchige) zu beiden Seiten, diese reckt man,
nachdem sie geschweiſst sind, unter dem Reckhammer zu so breiten
Platten aus, als es zwei, drei bis vier Schlüssel in der Breite er-
fordern und schneidet sie mit einer groben Wasserschere in solche
Stücken, wie es die Auswalzung in der beschriebenen Weise er-
fordert.


„Durch diese Einrichtung kann man gute und schöne Schlösser
viel billiger (zu 2 Dal. Kupf. Münze, welche sonst einige Reichsthaler
[255]Die Ankerschmieden.
kommen) liefern; was ich selbst versucht habe, ob die Sache gleich
gewisser übeler Ursachen wegen keinen Fortgang nahm 1).“


Auch die Nagelfabrikation läſst sich vorteilhaft mit Wasser-
hämmern betreiben. Hierzu muſs man eine Anzahl kleinerer und
gröſserer Hämmer einrichten, denn es ist nicht vorteilhaft, leichte
Nägel auf schweren Hämmern darzustellen.


Was Polhem ferner über Schweiſsung und Lötung des Eisens
mitteilt, ist von groſsem praktischen Interesse, doch können wir hier
nur darauf verweisen.


In vielem ist Polhem seiner Zeit vorausgeeilt. Dies fühlte er
selbst nicht ohne eine gewisse Bitterkeit, welche zum Ausdruck
kommt, wenn er von dem bornierten Zunftverstand der Meister spricht,
die aus Dünkel und Trägheit neuen Ideen unzugänglich seien. Des-
halb ist sein patriotisches Testament der Jugend gewidmet, welche
mit seinen neuen Ideen dem Reiche dereinst Nutzen stiften soll.
Teilweise ist diese Hoffnung in Erfüllung gegangen, und besonders
hat er in einem seiner Schüler, in Swen Rinman, einen Nach-
folger gefunden, der ihm und seinem Vaterland Ehre gemacht hat.


Die Ankerschmieden.


Die gröſsten Schmiedestücke von Eisen, welche im früheren
Jahrhundert gewerbsmäſsig dargestellt wurden, waren die Schiffsanker.
Ein guter Anker war wohl das wichtigste Ausrüstungsstück eines
Schiffes, und je gröſser man die Schiffe baute, je schwerer muſsten
die Anker werden. Zu Anfang des vorigen Jahrhunderts galt es als
Regel, daſs man auf 20 Tonnen Schiffsgehalt einen Centner zu
110 Pfund Ankergewicht rechnete, so daſs also ein Schiff von
1500 Tonnen Gehalt einen Anker von 8250 Pfund verlangte. Die
Ankerschmiede bildeten ein zünftiges Gewerbe, das hauptsächlich in
den gröſseren Seeplätzen ansässig war. Bis gegen Ende des 17. Jahr-
hunderts geschah das Schmieden der Anker ausschlieſslich mit Hand-
hämmern, wie wir früher bereits erwähnt haben.


Um diese Zeit begann man in Frankreich in den Eisenindustrie-
bezirken Versuche zu machen, Anker mit Wasserhämmern zu schmieden.


[256]Die Ankerschmieden.

Über die Fabrikation der Anker hat Reaumur 1723 eine Ab-
handlung der Akademie der Wissenschaften in Paris vorgetragen,
welche aber erst nach seinem Tode mit Anmerkungen von Duhamel
de Monceau
in den Descriptions des arts et metiers 1) veröffentlicht
wurde. Aus dieser interessanten Schrift teilen wir folgendes mit.


Die Herstellung eines groſsen Ankers, der aus der Rute, zwei
Armen, zwei Schaufeln und dem Ring besteht, ist eine beschwerliche
Arbeit, denn nicht nur muſsten diese einzelnen Teile ein jeder für
sich hergestellt und dann mit den übrigen auf das sorgfältigste
zusammengeschweiſst werden, sondern die einzelnen Teile muſsten
selbst wieder aus groſsen Bündeln oder Packeten von Schmiedeeisen-
stäben zusammengeschweiſst und ausgeschmiedet werden. Dies war
eine ebenso mühevolle als kostspielige Arbeit.


Hauptsächlich um billigere Anker zu beschaffen, legte gegen Ende
des 17. Jahrhunderts Herr von Seignelay, damals Chef der franzö-
sischen Marine, eine Ankerfabrik in der Provinz Nivernais an, in der
man Anker direkt aus den Luppen der Frischfeuer schmiedete. Man
schweiſste so viel Luppen zusammen als jeder Teil erforderte, und
zwar geschah dies unter dem groſsen Stabhammer. Die so herge-
stellten Anker erwiesen sich aber als gänzlich unbrauchbar. Das
Eisen war viel zu wenig gereinigt, und sie brachen so leicht, als
wenn sie von Guſseisen gewesen wären. Man gab die Fabrikation
auf „und es ist zu wünschen“, sagt Reaumur, „daſs dieselbe niemals
wieder eingeführt werden möge“.


Hierauf schmiedete man die Anker aus mehreren Kolben, die
man zusammenschweiſste. Dies geschah in der Weise: man zängte
die Luppe unter dem groſsen Hammer und schmiedete sie zu einem
flachen Kolben aus. Diesem gab man eine zweite Hitze und schmiedete
ihn so um, daſs die breite Seite zur schmalen Seite wurde. Darauf
schmiedete man sie in die Gestalt von Keilen und schweiſste zwei oder
mehr, je nach der Gröſse des Ankers, zusammen. Dies waren die
Anker aus geschweiſsten und gestauchten Kolben. Sie waren besser
als die ersterwähnten, bewährten sich aber bei der Probe auch nicht.
War auch das Eisen besser gereinigt, so konnte sich doch bei dieser
Art zu schmieden keine Sehne entwickeln.


Ein Herr Tresaguet, der von dem Minister de Pontchartrain
den Auftrag erhielt, die Fabrikation zu prüfen, wies diesen Fehler
[257]Die Ankerschmieden.
nach und schlug, um demselben abzuhelfen, in einem Aufsatz, den
er 1702 bei dem Ministerium einreichte, ein anderes Verfahren vor.
Er riet, die Kolben zu Flachstäben von 1 Zoll dick, 4 Zoll breit und
3 bis 4 Fuſs lang auszuschmieden, diese ein- oder zweimal in Schweiſs-
hitze umzuschlagen und zusammenzuschweiſsen und daraus Keile zu
schmieden und diese wie oben weiter zu verarbeiten. Auch dies war,
wenn auch besser, doch nur ein Notbehelf, zu dem man nur seine
Zuflucht nahm, weil man es für unmöglich hielt, unter einem Wasser-
hammer die Ankerteile in derselben Weise zu schmieden, wie es mit
der Hand geschah. Bei dem Schmieden mit Handhämmern hatte
man Packete aus einer groſsen Zahl von Stäben, welche alle schon
annähernd die Länge der Rute oder eines andern Ankerteils hatten.
Diese waren mit eisernen Bändern zusammengebunden und wurden
in heftiger Weiſsglut mit zahlreichen Hammerschlägen, mit schweren
Vorschlaghämmern zusammengeschweiſst (Bd. II, Fig. 228). Dabei war
der einzelne Schlag nicht so stark. Man war aber überzeugt, daſs, wenn
man dasselbe mit einem Wasserhammer versuchen wollte, die Bänder
den Schlag nicht aushalten, zerspringen und die Stäbe nach allen
Seiten auseinanderfahren würden. Herr Tresaguet, der dieses Vor-
urteil geteilt hatte, kam nach und nach zu der Ansicht, daſs die
Sache doch nicht so unausführbar sein möchte. Trotz dem Wider-
spruche seiner Werkmeister und Schmiede wagte er den Versuch
und siehe da! er gelang gleich das erstemal viel besser, als er zu
hoffen gewagt hatte. Seitdem ist dieses Verfahren eingeführt worden
und hat alle andern verdrängt.


Die Vorteile, die Ankerteile aus Stäben von gut durchgearbeitetem
zähen Schmiedeeisen, dessen Fasern in der Richtung des Stückes
gelagert sind, herzustellen, liegen auf der Hand. Auch wirkt der
Schlag eines Hammers von 800 Pfund, wie man ihn bei den gröſsten
Ambossen verwendete 1), ganz anders, als ein Dutzend Handhämmer
von 12 bis 15 Pfund. Die mit Handhämmern aus Stäben geschweiſsten
schweren Ruten waren auch gar nicht bis in das Innerste ge-
schweiſst, sondern nur von einer geschweiſsten Hülle eingeschlossen. —
Für die Ankerschmiede in den Seestädten war dieser Erfolg der
Hammerwerke ein empfindlicher Schlag, und sie versuchten dagegen
anzukämpfen. Die Hammerwerke hatten auch noch den Vorteil, daſs
sie die einzelnen Stäbe schon der Form entsprechend vorschmieden
Beck, Geschichte des Eisens. 17
[258]Die Ankerschmieden.
konnten, so daſs sie z. B. für die Rute diese nach unten etwas breiter
machten, während die zünftigen Ankerschmiede das Stabeisen nehmen
muſsten, wie es im Handel vorkam.


Aus diesen verjüngten Stäben machte man auf dem Hammerwerk
ein Packet, welches pyramidal zulief, und band es mit starken Ringen
(Fig. 42), die man unter dem Hammer zusammenschlug (Fig. 41). In

Figure 46. Fig. 41.


den Handschmieden muſste man die pyramidale Form des Packets durch
Einstecken kürzerer Stücke bewirken, was natürlich die Gleichförmig-
keit beeinträchtigte. Das Heizen im Schmiedefeuer geschah aber auch
auf den Hammerwerken stets mit Steinkohlen, weil Holzkohlen keine
so durchgreifende Hitze gaben. Die Schmiede selbst hatte nichts

Figure 47. Fig. 42.


Besonderes. Die Öffnung der Windform war rund und enger als bei
den Schmiedeherden für Holzkohlen. Die Bewegung der groſsen Last
des Schmiedestücks geschah mit Hilfe eines Krahnes (Kranichs), der
so gestellt war, daſs er zu der Esse und zum Hammer führte. —
Mit dem Schweiſsen begann man in der Mitte, weil durch das Aus-
schmieden das Packet zugleich gestreckt wurde, was nur von der
Mitte aus gleichmäſsig geschehen konnte. War ein Stück von etwa
einem Fuſs schweiſswarm, so begann man mit dem Schmieden, wobei
[259]Die Ankerschmieden.
man sich, um die richtige Stärke zu erlangen, eines Greifzirkels bediente.
Es ist nicht unsere Aufgabe, auf die Einzelheiten der Arbeit näher
einzugehen.


Die Arme machte man ebenfalls aus pyramidenförmigen Stäben
und schweiſste einen Schweif an, um besser wenden zu können. Die
Schaufeln machte man aus Kolben. Zum Zusammenschweiſsen der
schweren Stücke waren zwei Krahne erforderlich und natürlich auch
zwei Schmiedefeuer. In jedem wurde das Ende eines Teils bis zur
hellen Weiſsglut erhitzt, worauf die beiden Krahne die Stücke auf
den gemeinschaftlichen Amboſs zusammenführten. Man legte ihre
glatt gemachten Enden gegeneinander und vereinigte sie mit starken
Schlägen zu einer Masse. Besonders zum Anschweiſsen (encoller)
eines der Arme an die Rute waren kräftige Hammerschläge nötig.
In der Schmiede zu Imphy in der Provinz Nivernais hatte man einen
Hammer mit besonders hohem Hub eigens für diese Arbeit gebaut.
Mit diesem Hammer konnte man mit vier bis fünf Schlägen einen
Arm an die Rute anschweiſsen. Der Angriffspunkt der Hebedaumen
zwischen Helm und Hammerachse lag nur ⅓ von letzterer entfernt.
Der Hub war bis 40 Zoll. Die Hammerwelle hatte nur zwei Hebe-
daumen.


Bei den Ankerschmieden in den Seeplätzen hatte man in Er-
mangelung von Wasserhämmern verschiedene Maschinen, um das
Anschweiſsen der Arme an die Rute zu bewerkstelligen. In Brest
bediente man sich einer Ramme, ähnlich der, mit welcher man Pfähle
in den Boden treibt; dasselbe war der Fall zu Vienne, wo sieben bis
acht Männer den Rammbär ziehen muſsten. Eine andere sonderbare
Vorrichtung hatte man ebenfalls in Brest. Sie bestand aus einer
schweren Keule von beinahe 300 Pfund Gewicht. Auf der einen
Seite endigte sie in einen Stiel, den ein Arbeiter festhielt, um dem
Schlage seine Richtung zu geben. Die Keule selbst war aufgehängt
und wurde von sieben bis acht Mann aufgezogen und fallen gelassen.
Den Schlag zu lenken war eine schwierige Arbeit. Diese einfachen
Maschinen sind von groſsem historischen Interesse. Mögen doch wohl
auf ähnliche Weise jene wunderbaren Schmiedestücke des Altertums,
wie der Dehli Lhat in Indien (Bd. I, S. 218), angefertigt worden
sein. Diese Hammerkeule galt aber schon zu Anfang des vorigen
Jahrhunderts für ein sehr unvollkommenes Werkzeug.


Zu Rochefort hatte man einen Hammer von 600 bis 700 Pfund,
der wie ein riesiger Vorschlaghammer war, dessen Stiel sich in einem
eisernen Zapfen drehte. Er war in einem Gerüst aufgehängt und
17*
[260]Die Ankerschmieden.
wurde durch ein eigenartiges Ziehwerk von acht Arbeitern, welche
an Seilen zogen, in schwingende Bewegung gesetzt 1).


Alle diese Maschinen dienten, nachdem die groſse Ankerfabrik
zu Cosne errichtet worden war, nur noch zu Reparaturarbeiten.


Über die Gründung dieser Fabrik schreibt Reaumur: Im Jahre
1733 kaufte Herr Babaude de Chaussade den Grund und Boden für
diese Schmiede, mit deren Errichtung ihn der Minister Graf de
Maurepas beauftragt hatte. Das Werk nahm einen so glücklichen
Fortgang, daſs de Chaussade sich bald danach genötigt sah, eine
zweite Schmiede zu Cosne zu errichten, dann eine dritte auf seinem
Gute zu Guerigny und eine vierte auf seinem Gute zu Villemenant,
zwischen Charité und Nevers. Als M. de Marchaud Minister des
Seewesens war, legte er ihnen den Titel königliche Fabriken bei und
ihre Thüren wurden von Schweizern in königlicher Livree bewacht.


Die berühmteste Ankerfabrik war aber zu jener Zeit die von
Soderfors in Schweden. Sie versorgte nicht nur das ganze schwe-
dische Seewesen mit Ankern, sondern lieferte auch viele in das Aus-
land. Die Anker von Soderfors galten als die besten. Dabei war
das Verfahren noch genau das ganz alte mit der Keule, welche wie
ein Rammbär wirkte, und welches man in Frankreich verworfen
hatte, weil der Wasserhammer und die Schweiſsung von Packeten
bessere Arbeit lieferten. In Soderfors schweiſste man die Anker-
teile einfach aus Luppenstücken zusammen. Daſs auf diese einfache
Art so gute Anker entstanden, lag nur an dem vorzüglichen Eisen.
Dasselbe war von Haus aus durch seine Erze von besonderer Güte,
wurde aber auch mit besonderer Sorgfalt gefrischt. Es geschah dies
nach der deutschen Frischmethode, wobei man aber einmal, unter
Umständen auch zweimal mehr aufbrach wie sonst. Zum mindesten
wurde also die Luppe zweimal aufgebrochen. Wollte man Anker
daraus machen, so zerteilte man sie in drei, manchmal nur in zwei
Stücke. Man schweiſste nun eines dieser Stücke an eine starke
Eisenstange, welche oben einen Griff wie ein Bohrer hatte, an, um sie
festzuhalten und zu regieren. An das erste Luppenstück schweiſste
man dann das zweite an und fuhr so fort nach Bedarf. Das An-
schweiſsen des Ankerkreuzes sowohl als die Vollendung des Ankers
konnte unter dem gewöhnlichen Hammer nicht vorgenommen werden.


Deshalb befand sich zwischen den beiden Frischfeuern ein groſser
Amboſs, derselbe stand unter einem starken Balken, über welchem
[261]Die Weiſsblechfabrikation.
eine Rolle befestigt war und unter dem sich ein Kloben mit einem
Strick befand, an welchem ein Haken hing. Dieser trug eine
geschmiedete eiserne Keule von ungefähr 75 kg Gewicht, welche
wegen ihrer Gestalt der Herkules hieſs. Sie wurde am dünnen
Ende vom Meister gefaſst, während drei Arbeiter das dicke Ende, wie
bei einer Ramme, mit Seilen anzogen und fallen lieſsen, wobei der
Meister die Richtung des Falles lenkte.


Abweichend von dem französischen Verfahren war auch, daſs
man nur Holzkohlen zum Erhitzen verwendete. Jars ist der Meinung,
daſs dieses Verfahren auch in Frankreich gute Resultate gegeben haben
würde, wenn man nur das Eisen sorgfältiger gefrischt hätte. Richtig
ist, daſs bei den Luppenstücken die Hitze besser verteilt war als bei
den Packeten, welche, wenn man sie gut heiſs im Innern machen
wollte, auſsen verbrannten. Trotzdem war dieses unvollkommene Ver-
fahren nur bei dem besten Material anwendbar.


Die Weiſsblechfabrikation (1725).


Reaumur hat sich nicht nur groſse Verdienste um die Weiſs-
blechfabrikation
in Frankreich erworben, sondern wir verdanken
ihm überhaupt die erste genaue Beschreibung dieses Industriezweiges.
Dieselbe ist enthalten in einer Memoire, welche er am 11. April 1725
der Akademie der Wissenschaften in Paris vortrug 1), und die sich
durch Klarheit und Schönheit der Sprache auszeichnet. Die Fabrika-
tion der verzinnten Bleche galt damals noch als ein Geheimnis der
Deutschen. Deutschland hatte den ganzen Weiſsblechhandel in Händen
und vertrieb dasselbe nach allen Ländern Europas. Die Versuche
des Ministers Colbert, die Weiſsblechfabrikation mit Hilfe von deut-
schen Arbeitern in Frankreich einzuführen, hatten keinen Erfolg
gehabt. Gerade weil der Prozeſs als ein Geheimnis behandelt wurde,
unterzog ihn Reaumur einer genauen Prüfung und veröffentlichte zum
allgemeinen Wohle die so einfachen Vorgänge bei der Fabrikation,
welche künstlich von dem Schleier des Geheimnisses umgeben waren.


„Wenn die Arbeiter und Gewerke ihre Kunst auch geheim halten,“
[262]Die Weiſsblechfabrikation.
sagt er, „so ist sie doch durchaus kein Geheimnis. Jedenfalls ver-
langt es das öffentliche Wohl, daſs man die Frage prüfe und die
Sache untersuche.“ In diesem Sinne ist die Memoire geschrieben.
Sie soll aufklären und denen, welche die Sache betreiben wollen,
genügende Anleitung dazu geben.


Die Bereitung des Schwarzbleches setzt er als bekannt voraus.
Er erwähnt nur, daſs nicht jedes Eisen sich dazu eigne, indem groſse
Zähigkeit in Verbindung mit Härte dafür verlangt werde. Das Blech
müsse sich heiſs und kalt hämmern und treiben lassen; weder sehr
hartes noch sehr weiches Eisen sei zu gebrauchen. Man nehme in
der Regel Quadrateisen von 1 Zoll Querschnitt, breite dieses flach
aus und teile es in die Stürze (des semelles), die man zur Hälfte
umbiege und ausschmiede. Aus den ausgeschmiedeten Stürzen bilde
man Päcke meist von 40 Blatt, welche man zusammen unter einem
Hammer von 6 bis 7 Ctr. Gewicht zu Blech ausschmiede. — Von
Walzwerken zum Auswalzen der Bleche, wie solche vermutlich bereits
im 17. Jahrhundert in Sachsen in Anwendung waren und 1728 von
Hanbury in England eingeführt wurden, erwähnt Reaumur nichts.


Ist das Blech fertig, so beginnt die Arbeit des Verzinnens. Die
Frage nach dem besten Verfahren ist wesentlich eine ökonomische.
Handelt es sich nur darum, wie man überhaupt das Eisen verzinne,
so wäre die Antwort sehr leicht. Zinn haftet leicht am Eisen, wel-
ches eine reine Oberfläche hat. Eine solche kann man auf mecha-
nischem Wege durch Feilen oder auf chemischem Wege, z. B. durch
Abreiben des erwärmten Eisens mit Salmiak erhalten. Beider Mittel
bediente man sich seit langer Zeit beim Verzinnen kleiner Gegen-
stände, wie Sporen, Schnallen u. s. w. Bei der fabrikmäſsigen Dar-
stellung verzinnter Bleche handelt es sich aber darum, das Eisen auf
die billigste Weise zu verzinnen und hierzu ist weder das Blankfeilen
noch das Abreiben mit Salmiak geeignet. Dafür wählt man ein lang-
sameres, aber billigeres Verfahren: die Einwirkung verdünnter Säuren
(des eaux acides). Diese benagen die mit einer dünnen Haut am
Glühspan überzogenen Oberflächen der Bleche, ähnlich wie die Feile,
und wenn dies auch langsamer geschieht, so hat man hierbei den
Vorteil, daſs man viele Bleche gleichzeitig ihrer Wirkung aussetzen
kann. Dieses Beizen (decaper) ist die unerläſsliche Vorarbeit für das
Verzinnen. Reaumur stellte nun eine Reihe von Versuchen an,
welche Flüssigkeit hierfür am geeignetsten sei und kam zu dem Schlusse,
daſs keine billiger den Zweck erfülle, als die von den deutschen
Zinnern angewendete Beize aus vergorenem, geschrotenem Roggen.
[263]Die Weiſsblechfabrikation.
Daſs die Deutschen den Roggen hierfür benutzten, war Reaumur
bekannt. Um 1710 hatte er eine Weiſsblechfabrik zu Beaumont-
la-Ferrière in Nivernais besucht. Obgleich die deutschen Arbeiter,
welche man dorthin berufen hatte, sehr geheimnisvoll thaten, so konnte
er doch wahrnehmen, daſs ihre Beize aus Korn hergestellt war. Auch
war ihm bekannt, daſs bei sehr hohen Kornpreisen die deutschen
Fabriken zeitweilig ihren Betrieb einstellten. Man zog Roggen
andern Getreidearten vor, weil er am leichtesten säuert. Versuche,
welche man bei sehr hohen Kornpreisen mit Hafer gemacht hatte,
waren erfolglos geblieben. Die Gärung und das Beizen der Bleche
geschah in geschlossenen Gewölben, welche mit Holzkohlen erwärmt
wurden. Durch die Hitze und den Dunst war die Arbeit eine sehr
beschwerliche. Die Arbeiter gingen zweimal den Tag in die Gär-
kammer, um die Bleche zu wenden und die verbrauchte Beize durch
neue zu ersetzen; sie waren dabei wegen der fast unerträglichen Hitze
nur mit einem Hemd bekleidet. Die Bleche muſsten mindestens zwei
Tage, meist aber länger in der Beize bleiben.


Wegen der Beschwerlichkeit der Arbeit bezweifelt Reaumur,
ob dies Verfahren das beste sei und suchte nach einem besseren.
Das übliche Verfahren hatte auch noch andere Mängel. So schien
es ihm verkehrt, daſs man die Bleche immer nur zur Hälfte ein-
tauchte und nach einer gewissen Zeit wendete. Auch schien es
Reaumur zweckmäſsiger, die Bleche erst zu entfetten. Überhaupt
hielt er es für besser, das Beizen durch mehrere einfache Operationen
zu ersetzen und dabei das Erwärmen ganz zu sparen. Er ging dabei
mit Recht von der Betrachtung aus, daſs es sich hauptsächlich darum
handle, die dichte Haut, welche die schwarze Oberfläche der Bleche
bilde, zu entfernen, und daſs dies durch Rosten geschehen könne,
indem der Rost, der ein groſses Volum einnehme und wie ein Schwamm
sich auftreibe, die Haut vom Glühspan mechanisch absprengen und
entfernen könne. Ein Eintauchen in Salmiaklösung gab nach seinen
Versuchen das beste Ergebnis. Zur Entfernung des Rostes und zum
vollständigen Beizen würde sich ein Eintauchen in Essig oder ver-
dünntes Scheidewasser empfehlen, wenn dies nicht zu teuer wäre.
Auch Vitriol empfehle sich nicht, weil es zu stark beize, obgleich es
in Gegenden, wo Schwefelkies vorkomme, durch Verwittern und Aus-
laugen desselben billig zu beschaffen wäre.


Er empfiehlt deshalb, eine Beize aus Essig und Salmiaklösung
herzustellen, in dieser aber die Bleche nicht stehen zu lassen, sondern
nur wiederholt einzutauchen und der Luft auszusetzen, wobei sie
[264]Die Weiſsblechfabrikation.
allerdings nie ganz trocken werden dürften. Zum Schluſs sollten die
Bleche mit Sand abgerieben und die Bleche in Bütten mit reinem
Wasser eingelegt werden. Diese Art zu beizen ginge rascher und sei
billiger.


Die zweite wichtige Arbeit ist das Verzinnen selbt, welches da-
durch geschieht, daſs man die Blechtafeln senkrecht in ein Bad von
flüssigem Zinn eintaucht. Auch hierbei wirkt Salmiak sehr günstig,
indem es die Ausbreitung des Zinns auf der Oberfläche und das
Haften desselben befördert, deshalb bedient man sich desselben beim
Verzinnen im kleinen. Auch bei den Versuchen im groſsen hatte
man dasselbe in Frankreich angewendet. Man hatte dabei das Blech
vor dem Verzinnen mit Salmiak eingerieben. Dies hatte aber den
Nachteil, daſs, weil die gleichmäſsige Verteilung schwierig war, das
Blech fleckig wurde.


Die deutschen Zinner wendeten deshalb gar keinen Salmiak an,
statt dessen hielten sie das geschmolzene Zinn mit einer Schicht
von flüssigem Talg bedeckt. Eine Schutzdecke war nötig, weil ohne
solche das Zinn an der Oberfläche sich mit einer Decke von Zinn-
asche überzog, die sehr störend war, indem sich Teilchen davon an
das Blech anhängten und die Verzinnung an der Stelle hinderten.
Wendete man nur reinen Talg an, so ging das Verzinnen nicht gut
von statten. Dem Talg war also irgend etwas beigemengt, was auch
daraus hervorging, daſs der Talg der deutschen Zinner schwarz war.
Dies war nach Reaumurs Ansicht das einzige wirkliche Geheimnis der
Deutschen. Durch Versuche fand er, daſs auch hier ein Zusatz von
Salmiak die günstigste Wirkung ausübte. Salmiak färbte aber den
Talg nicht schwarz; es muſste also noch ein anderer Zusatz dabei
sein. Diesen glaubte Reaumur im Ofenruſs gefunden zu haben und
wirklich gab auch Talg mit Zusatz von Salmiak und Ofenruſs die
besten Resultate. Aber da der Talg allmählich wegbrannte, so wurde
er durch den eingerührten Ofenruſs sehr dick, was wieder neue Miſs-
stände hervorrief. Dagegen fand Reaumur, daſs Talg, wenn man
ihn stärker erhitzte, sich von selbst schwärzte, ähnlich wie geschmol-
zener Zucker braun und zuletzt schwarz wird. Und das erwies sich
dann auch als das ganze Geheimnis der deutschen Zinner, sie er-
hitzten den Talg, den sie beim ersten Einsatz aufgaben, scharf, daſs
er fast schwarz wurde, während sie später für den Abgang immer
nur reinen Talg nachsetzten. Wie Talg wirken auch Wachs und
Harz, Wachs, wie es scheint, am besten, aber es hat den Nachteil,
zu teuer zu sein. Den Zusatz von Salmiak empfiehlt Reaumur sehr,
[265]Die Nadelfabrikation.
da er auch bei den Blechen die Ausbreitung und das Haften des
Zinns befördere, wie er meint, deshalb, weil er die Flüssigkeit des
Zinns ohne Temperatursteigerung erhöhe.


Durch Pflanzenöle oder durch Mineralöl lieſse sich der Talg nicht
ersetzen, auch nicht durch Schwefel (!), der nach der Chemie jener
Zeit ebenfalls in der Hauptsache ein fettiges Wesen hatte, weil dessen
Säure schädlich sei.


Reaumur giebt noch Vorschriften über die Temperatur des
Zinnbades und fügt noch manche praktischen Winke bei. Die ganze
Darstellung, welche viel Neues, Selbstbeobachtetes enthält, ist richtig
und verständlich und hat vollständig den Zweck erfüllt, Industriellen,
welche diese Fabrikation betreiben wollten, eine Anleitung dafür zu
geben. Wir können sie übergehen, da wir das Verfahren bereits
(Bd. II, S. 979) geschildert haben.


Die Nadelfabrikation.


Die Nadelfabrikation hatte seit Garzonis Zeit sich hauptsächlich
in der Richtung vervollkommnet, daſs eine gröſsere Arbeitsteilung
dabei zur Einführung gekommen war, wodurch die Produktion sehr
gesteigert wurde. Auch hatte man die Werkzeuge etwas verbessert,
im Grunde beruhte aber noch alles auf Handarbeit.


Unter Reaumurs hinterlassenen Schriften befand sich auch eine
Beschreibung der Verfertigung der Nadeln. Du Hamel de Monceau
hat dieselbe bearbeitet und mit Anmerkungen von Perronet in den
ersten Heften der Descriptions des Arts et Metiers 1761 heraus-
gegeben. Sie bezieht sich nur auf die Stecknadeln, die damals aber
meist aus Messing gemacht wurden. Von Eisen machte man nur die
schlechtesten Nadeln. Es kauften dieselben in Frankreich niemand
als die Weiber auf dem Lande. Den Nadlermeistern zu Paris war
die Anfertigung eiserner Nadeln nach Artikel 19 ihrer Gewerks-
verordnung ausdrücklich bei vier Thaler Strafe verboten. Reaumur
meint, dies sei deshalb geschehen, weil man den Stich eiserner Nadeln
für giftig halte, was aber falsch sei. Dagegen verwerfe man sie mit
Recht, weil sie nicht so glatt seien wie die messingenen. Sie behielten
öfters Ungleichheiten, welche das Leinen oder die feinen Zeuge be-
schädigten. Man kannte eben noch keine Stahlnadeln. „Dem unge-
[266]Die Nadelfabrikation.
achtet,“ sagt Reaumur, „besitzen sie vor den messingenen auch einen
Vorzug, nämlich, daſs sie härter sind und sich nicht so leicht krumm
biegen. Würden sie mit derselben Sorgfalt geglättet wie die Nähnadeln,
so würden sie wohl noch den messingenen Nadeln vorzuziehen sein und
ich weiſs nicht, ob sie durch die Arbeit des Glättens viel teurer würden.“


Zur Herstellung der Nadeln waren folgende Arbeiten erforderlich:
1. wurde der auf die richtige Dicke gezogene, gereinigte Draht ge-
richtet; 2. wurde er auf die richtige Länge abgeschnitten; 3. gespitzt;
4. fertig gemacht oder poliert; die 5. Arbeit war das Schmieden der
Schäfte, die 6. das Spinnen des Knopfdrahtes, die 7. das Schmieden
der Knöpfe, die 8. das Ausglühen der Knöpfe, die 9. das Aufsetzen
und Stumpen der Knöpfe, die 10. das Scheuern der Nadeln, die 11. das
Verzinnen derselben, die 12. das Abspülen, die 13. das Abtrocknen
im Rollfaſs, die 14. das Schwingen derselben, und die 15. das Ein-
stecken der Nadeln in Papier.


In den Fabriken zu L’Aigle in der Normandie, welches der Haupt-
sitz der französischen Nadelfabrikation war, kauften die Nadler etwas
stärkeren Draht ein und zogen ihn selbst zur richtigen Stärke. Immer
war aber der Draht in Ringen aufgerollt, also gebogen und muſste
erst gerade gestreckt werden. Das Strecken oder Richten des Drahtes
(dresser le fil) geschah mit Hilfe einer sehr einfachen Vorrichtung,
dem Richteholze. Es bestand dies aus einem kleinen Brett, auf
welchem sechs bis sieben Drahtstifte so eingeschlagen waren, daſs der
Draht, wenn man ihn zwischen denselben hindurchzog, gerade heraus
kam. Die Stifte richtig einzuschlagen, ist die Kunst des Drahtziehers,
die auf Übung und Erfahrung beruht. Der Richter (dresseur) besorgt
nur diese eine Arbeit, indem er dabei mit dem gestreckten Draht,
den er mit der Zange gefaſst hat, rückwärts geht bis an das Ende
des Arbeitsraumes, dann erst schneidet er den Draht am Richtholz
ab und legt ihn zu dem zuvor gezogenen in Strähnen (des bottes) zu-
sammen. Der Draht wurde dann in flachen Strähnen nach dem Maſs
eines Zuschneidemodells mit Handscheren geschnitten. Diese Stücke
(tronçons) machte man so groſs, daſs jedes drei bis fünf Nadeln gab.
Das Spitzen geschah auf beiden Seiten des Drahtes mit Hilfe einer
umlaufenden verstählten Scheibe, deren Schleiffläche parallele Ein-
kerbungen oder Schneiden ähnlich einer Feile hatte. Man nennt diese
Schleifrädchen, die 1½ Zoll dick sind und 3 Zoll Durchmesser haben,
Spitzringe. Dieselben werden durch ein groſses Rad, welches mit einer
Kurbel umgedreht wird, durch eine Schnur bewegt. Der Zuspitzer
drückt dabei eine Anzahl Drähte, welche die Breite von ⅔ des Rad-
[267]Die Nadelfabrikation.
kranzes einnehmen, gegen den Spitzring, indem er gleichzeitig mit
dem Daumen fortwährend quer darüber hinfährt und sie dadurch in
drehende Bewegung setzt. Ein guter Zuspitzer kann auf diese Art
240000 Nadeln in einem Tage spitzen.


Die zugespitzten Drähte werden nun auf einem zweiten Spitzring,
der nur feinere Schneiden hat, ebenso geschliffen, was man aber das
Polieren nennt. Ein Arbeiter kann den Tag leicht 180000 Stück polieren.
Diese auf zwei Seiten gespitzten Drähte werden nun von dem Schäfte-
schneider zerschnitten. Dazu bedient er sich der Schenkellade, eines

Figure 48. Fig. 43.


Holzgestells, das auf dem Schenkel aufsitzt und um denselben geschnallt
wird, welches oben zwei Klammern hat, durch welche ein Riegel
geht, mit dem man die Drähte festklemmen kann. Das Abschneiden
geschieht mit einer Handschere. Ein Schäfteschneider schneidet etwa
180000 Nadeln an einem Tage. — Nun werden die Nadelknöpfe auf-
gesetzt. — Anfangs hat man die Köpfe wohl aufgeschlagen, ähnlich
den Nagelköpfen; aber schon seit lange wickelt man den Knopf aus
zwei Gewinden eines feinen Messing- oder Kupferdrahtes. Das Fest-
schlagen der aufgewickelten Knöpfe besorgt die Wippe (entêtoir),
jenes in Nürnberg erfundene einfache sinnreiche Werkzeug. Fig. 43
[268]Die Nadelfabrikation.
ist die Abbildung nach Reaumurs Zeichnung. Die Wippe ist
ein kleines Hammerwerk; z ist der Hammer, v der Amboſs. In
der oberen Fläche des stählernen Ambosses ist die Vertiefung ein-
geschlagen, in welche der halbe Nadelknopf paſst, die andere Hälfte
ist in der unteren Fläche des Stempels z eingeschnitten; beide
Höhlungen müssen genau aufeinander passen. Deshalb geht der
Stempel und seine Verlängerung in doppelter Führung. Über dem
Stempel befindet sich das runde Bleigewicht, welches das Niederfallen
des Stempels bewirkt, sobald der Arbeiter, der mit einem Tritt das
Gewicht aufgezogen hat, den Fuſs aufhebt. Der ganze Apparat ist
auf einem starken Holzklotz befestigt, vor dem der Arbeiter sitzt.
Mit der linken Hand erfaſst er eine Nadel und fährt mit der Spitze
in einen Haufen aufgerollter Knöpfe, bis er einen aufgereiht hat.
Dann nimmt er sie in die rechte Hand, schiebt den Knopfdraht von
dem Amboſs bis an das Ende des Schaftes, legt den Knopf in die
Vertiefung und läſst den Hammer fallen. Er giebt dem Knopf vier
bis fünf Schläge nebeneinander. Dann ist dieser rund und fest und
er wirft ihn in eine Schachtel zu seiner Rechten. Währenddem war
aber seine Linke nicht müſsig, sondern hat einen neuen Knopf an
eine Nadel gereiht. So sind die beiden Hände und ein Fuſs des
Arbeiters in fortwährender Thätigkeit und er macht auf diese Weise
gewöhnlich 7000 bis 8000 Nadeln an einem Tage, einige bringen es
sogar bis auf 12000.


Nun folgte das Verzinnen oder Sieden der Nadel. Dies war bei
den Messingnadeln etwas anders als bei den eisernen. Bei letzteren
geschah es so, daſs man die Nadeln erst mit Kleie umrührte, damit
sie ganz trocken wurden und sie dann in einen unglasierten, bauchigen
Krug, die Verzinnkruke, warf. Diesen setzte man auf einen Drei-
fuſs über ein Feuer und erhitzte, bis die Nadeln zwischen gelb
und blau anliefen. Sodann warf man zwei Lot Zinn in dünnen
Stücken hinein und lieſs dieses schmelzen. War dies geschehen, so
warf man ein Lot Salmiak darauf, verschloſs den Krug mit einem
Holzstöpsel, nahm ihn in beide Hände und schüttelte ihn hin und
her, daſs die Nadeln von einem Ende zum andern fielen. Hierauf
öffnete man den Krug und schüttete sie in einen Zuber voll kalten
Wassers, wobei sie aber erst ein groſses Sieb passierten, wodurch sie
voneinander gesondert wurden. Hierauf nahm man sie wieder aus dem
Wasser und that sie in einen Sack mit trockener Kleie, in dem sie
von zwei Arbeitern geschüttelt wurden. Bei diesem Verfahren wurden
die Spitzen, welche zerbrechlicher waren als bei den Messingnadeln,
[269]Die Nadelfabrikation.
mehr geschont, als wenn man sie wie diese in einem Rollfaſs
scheuerte.


Zum Schluſs wurden die Nadeln in Reihen von je 25 Stück auf
Papier gesteckt. Die Löcher im Papier sind vorgestochen und kann
eine Person über 30000 Stück den Tag einstecken. Man machte 18
Sorten Nadeln von verschiedener Gröſse, welche mit den Nummern 1
bis 18 nach ihrer Gröſse bezeichnet wurden.


Vordem machte man in Frankreich viel schwarze Nadeln,
und dies waren die einzigen eisernen Nadeln, welche die Pariser
Nadler verfertigen durften. Man trug dieselben bei der Trauer. Aber
sie waren schon seit vielen Jahren aus der Mode gekommen. Dagegen
wurden sie noch von den Frauen zur Befestigung der Haarlocken
gebraucht. Sie waren dünn, 1¾ Zoll lang und wurden in sehr ein-
facher Weise mit einem schwarzen Firnis gefärbt. Man füllte die
Nadeln in einen irdenen Topf, goſs Leinöl darauf und schüttelte
über Feuer. Es entwickelte sich ein unerträglicher Gestank und
die Nadeln färbten sich schwarz. Man schüttete sie auf einen
Bogen starkes Papier aus. Ebenso verfuhr man beim Färben der
Heften und Häkchen und anderer Artikel, welche man schwarz
färbte.


Die Nadler machten noch verschiedene andere Artikel: Schreib-
tafelgriffel, Stricknadeln, Wandhaken, Hefte, Haken und Ösen, Draht-
gitter, Siebgewebe [und]Drahtstifte. Wir wollen nur von der
Fabrikation der letzteren, welche durch den Maschinenbetrieb heut-
zutage eine so groſse Bedeutung erlangt hat, ein paar Worte sagen.
Der Draht wurde gerichtet, geschnitten, auf beiden Seiten gespitzt
und dann zerschnitten. Dies geschah aber nicht auf der Schenkel-
lade im Sitzen, wie bei den Nadeln, weil der Draht hierfür zu stark
war, sondern mit einer starken Schere, welche mit einem Arm an
einem Tische befestigt war. Der Schneider steht davor und hat eine
Anzahl Drähte in der Hand, die er vorschiebt, bis die Spitzen gegen
ein Eisenblech stoſsen, und dann durchschneidet. Die Köpfe werden
mit Hilfe eines Schraubklobens (mordant) darangeschlagen. In den
Backen derselben sind kleine Rinnen eingekerbt, in welche man den
Schaft, d. h. den Stift ohne Kopf steckt, so daſs er etwa ½ Linie
vorsteht. Der Schraubkloben, welcher durch eine Feder gesperrt ist,
wird zwischen die Backen eines groſsen Schraubstocks gespannt.
Öffnet der Arbeiter diesen, so öffnet sich auch der Schraubkloben.
Der Arbeiter dreht nun mit der Linken fortwährend den Schraub-
stock auf und zu, während er mit der Rechten die Schafte einlegt
[270]Die Nadelfabrikation.
und mit dem Hammer daraufschlägt. Der erste leichte Schlag giebt
einen kleinen Kopf, wie ihn die Schuster für ihre Schuhzwecken ver-
langen; für die Stifte der Kistenmacher, Schreiner, Bildschnitzer u. s. w.
erhält dieser Kopf einen zweiten, stärkeren Schlag. Nun dreht
der Arbeiter den Schraubstock auf, dadurch öffnet sich der Schraub-
kloben, der fertige Stift fällt heraus, und er setzt mit der rechten
Hand einen neuen Schaft ein. Ein geschickter Arbeiter machte auf
diese Art 10000 bis 12000 Stifte in einem Tage.


[[271]]

DIE EISEN-INDUSTRIE
UM DIE
MITTE DES ACHTZEHNTEN JAHRHUNDERTS


(1740—1770).


Die Erfindung des Guſsstahls.

Vor der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde in England eine Er-
findung gemacht, welche von der allergröſsten Wichtigkeit nicht nur
für England, sondern für die gesamte Eisenindustrie werden sollte.
Es war dies die Erfindung des Tiegelguſsstahls durch Benjamin
Huntsman
.


Wenn Goethes Wort, daſs eine Erfindung der Abschluſs von
etwas Gesuchtem sei, in den meisten Fällen, wie wir im Verlauf
unserer Geschichte nachweisen konnten, seine Berechtigung hat, so
giebt es doch auch Fälle, in denen eine Erfindung unvorbereitet in
die Erscheinung tritt, und das war gerade bei der Stahlfabrikation
der Fall: die beiden wichtigsten Erfindungen, welche die Grundlage
der Fluſsstahlfabrikation geworden sind, die Erfindung des Tiegel-
stahls durch Huntsman und die des Bessemerstahls sind wie plötz-
liche Erleuchtungen in die Welt gekommen.


Die Erfindung des Guſsstahls erscheint nachträglich als eine sehr
einfache Sache, ein wahres Ei des Kolumbus. Aber die Idee, Stahl
durch Schmelzung zu reinigen, muſste erst einmal in irgend einem
Kopf auftauchen, und dann muſste sie mit der Vorsicht und Umsicht
ausgeführt und praktisch verwertbar gemacht werden, wie es durch
Huntsman geschehen ist. Es ist charakteristisch, daſs dieses ein-
fache metallurgische Verfahren nicht von einem Mann vom Fach,
sondern von einem Uhrmacher gemacht wurde. Ein Fachmann jener
Zeit, in seiner zünftigen Beschränktheit, würde die Idee Huntsmans
wahrscheinlich von vornherein verworfen haben, da für ihn Stahl ein
unschmelzbarer Stoff und jedes geschmolzene Eisen Guſseisen war.


[272]Die Erfindung des Guſsstahls.

Huntsman war Uhrmacher, ein geschickter und sehr peinlicher
Arbeiter, der groſsen Wert auf gute Werkzeuge und infolgedessen
auf guten Stahl legte. Auch für seine Uhrfedern bedurfte er eines
ganz zuverlässigen Materials. Für den einen wie für den andern
Zweck war ihm der Stahl, wie er ihn damals kaufen muſste, unge-
nügend. Auf diesem Nährboden entwickelte sich die Idee der Guſs-
stahlbereitung.


Über die persönlichen Verhältnisse des Erfinders und über die
Entstehung der Erfindung wissen wir nur sehr wenig. Huntsman
hat weder jemals etwas geschrieben noch hat er ein Patent für seine
Erfindung genommen. Er hielt dieselbe mit der gröſsten Vorsicht
geheim und hat deshalb auch über ihren Ursprung nichts mitgeteilt.


Benjamin Huntsman1) wurde 1704 in Lincolnshire geboren.
Seine Eltern stammten aus Deutschland und hatten sich erst wenige
Jahre zuvor dort niedergelassen. Da der Knabe von rascher Auf-
fassung war, wurde er für ein mechanisches Gewerbe bestimmt. Er
erwarb sich früh einen gewissen Ruf durch seine Geschicklichkeit,
Uhren zu reparieren und lieſs sich daraufhin, als er das nötige
Alter erlangt hatte, als Uhrmacher in Doncaster nieder. Wie es die
Zunft mit sich brachte, beschäftigte er sich nebenher mit allerlei
Arbeiten eines Mechanikers, reparierte Schlösser, Schornsteinkappen,
Bratenwender u. s. w. Er war sehr klug, beobachtend, nachdenkend
und praktisch und erwarb sich neben seinem Geschäft einen Ruf als
Wundarzt. Er war ein geschickter Chirurg und war besonders ge-
schätzt als Augenarzt, was er nur seiner Beobachtung, Erfahrung und
Geschicklichkeit, nicht theoretischen Studien verdankte. Viele suchten
bei dem weisen Quäker, denn ein solcher war er, Hilfe, der jedem
gern half und keine Bezahlung dafür nahm.


Er machte sich seine Werkzeuge selbst und empfand dabei, wie
bei den Uhrfedern, oft den Mangel an gutem, zuverlässigem Stahl.
Der beste Werkzeugstahl war damals der deutsche Stahl. Die
Cementstahlfabrikation hatte zwar in England Eingang gefunden und
verschaffte sich mehr und mehr Geltung. Der Stahl, den sie lieferte,
konnte aber mit gutem deutschen Stahl namentlich als Werkzeug-
stahl nicht wetteifern. Der Grund dafür lag zum Teil in dem Pro-
dukt selbst, zum Teil darin, daſs man noch nicht verstand, den
Cementstahl richtig zu gärben. Man schmiedete die Brennstahlstäbe,
nachdem sie gehärtet und sortiert waren, einfach in wiederholten
[273]Die Erfindung des Guſsstahls.
Hitzen zu dünnen Stäben aus. Erst einige Zeit danach führte
Crowley in Newcastle das Gärben des Cementstahls in England ein.
Der Cementstahl hatte häufig kleine Mängel, indem die Fehler der
Schmiedeeisenstäbe durch die Umwandlung nicht entfernt wurden,
sondern noch deutlicher zu Tage traten. Deutscher Stahl war besser,
namentlich lieferten die österreichischen Alpenhändler vortrefflichen
Werkzeugstahl. Aber auch dieser hatte häufig Flecken und auſser-
dem war im Handel viel Unredlichkeit; geringere Marken wurden
für beste verkauft, und auf dem damals weiten Wege von Steiermark
bis Doncaster ging das Stück Stahl, das der bescheidene Uhrmacher
von seinem Händler bezog, durch viele Hände, die alle ihren Nutzen
daran suchten. Die Unzuverlässigkeit der Ware, die Huntsman
als guten Stahl kaufte, war es, die ihn auf den Gedanken brachte,
ob es nicht ein Mittel gäbe, durch Reinigung ein gleichmäſsigeres
und besseres Produkt zu erzielen. Dieses durch Umschmelzen zu
versuchen, war ein Gedanke, der einem Laien im Eisengewerbe näher
lag, als einem Fachmann, weil er die groſsen Schwierigkeiten der
Ausführung nicht kannte. Stahl zu schmelzen, erforderte eine so
hohe Temperatur, daſs man dies damals für praktisch unausführbar
hielt. In Berührung mit Kohle war es unmöglich, weil Stahl sich
durch Aufnahme von Kohlenstoff in Guſseisen verwandelte, aber auch
bei dem Schmelzen in geschlossenen Gefäſsen war eine Einwirkung
kohlender Gase kaum ganz zu vermeiden und die geringste Menge
muſste den Stahl verderben. Es muſs deshalb Huntsman viele
Enttäuschungen und viele Miſserfolge gehabt haben, bis er endlich
doch sein Ziel erreichte und es ihm gelang, guten brauchbaren Guſs-
stahl herzustellen, und es ist ein Zeichen für den festen Glauben an
die Richtigkeit seiner Idee und für seine Beharrlichkeit in der Aus-
führung derselben, die beiden Grundbedingungen für jeden Erfinder,
daſs er trotz allen Schwierigkeiten allein und aus eigener Kraft seine
Erfindung durchführte.


Huntsman begann mit seinen Stahlschmelzversuchen in Don-
caster; um dieselben aber besser ausführen zu können, siedelte er im
Jahre 1740 nach Handsworth bei Sheffield über. Hierzu veranlaſste
ihn sowohl der bessere Bezug seiner Rohmaterialien, Steinkohlen oder
Koks und Brennstahl, als auch die Aussicht auf besseren Absatz
seines Produktes. Sheffield war bereits damals der Hauptsitz der
Stahlwarenmanufaktur. Die besten Messer und Werkzeuge wurden
in Sheffield fabriziert. Die Nachfrage nach gutem Stahl war deshalb
dort groſs und Huntsman hoffte, daſs er sein besseres Produkt dort
Beck, Geschichte des Eisens. 18
[274]Die Erfindung des Guſsstahls
leicht absetzen könnte. Er muſs seiner Sache schon ziemlich sicher
gewesen sein, als er seinen Wohnsitz und sein Geschäft aufgab, um
in Handsworth sich ganz der Stahlbereitung zu widmen. Aus diesem
Grunde wird es gerechtfertigt erscheinen, anzunehmen, daſs, als
Huntsman seinen Umzug bewerkstelligte, der Guſsstahl wenigstens
im kleinen bereits erfunden war, man darf also wohl das Jahr 1740
als das Jahr der Erfindung des Guſsstahls bezeichnen. In Handsworth
machte er aber erst die entscheidenden Versuche im groſsen und
ging vom Experiment zur Fabrikation über. Er betrieb das eine wie
das andere ganz im geheimen, wozu die abgelegene Lage seiner
Fabrik, einige englische Meilen südlich von Handsworth, günstig war.
Die Schwierigkeiten, die er zu überwinden hatte, waren enorm. Für
die Schmelzung des Stahls waren Hitzegrade erforderlich, wie sie
bis dahin bei keinem metallurgischen Prozeſs in Anwendung gekom-
men waren. Der dazu geeignete Ofen, das beste Brennmaterial, die
feuerbeständigen Tiegel, der Schmelzfluſs, die Einguſsformen, — alles
das muſste erst gesucht, gefunden und ausprobiert werden, ehe eine
Fabrikation möglich war. Es dauerte Jahre lang, ehe Huntsman
ein Produkt erhielt, das ihn befriedigte und das er auf den Markt
bringen konnte. Lange nach seinem Tode fand man die Zeugnisse
seiner mühevollen, fehlgeschlagenen Versuche in vielen Centnern Stahl,
die man an verschiedenen Plätzen in der Nähe der Fabrik ausgrub.
Dort hatte er diese Schmerzenskinder vergraben, damit sie sein Ge-
heimnis nicht verraten sollten. Aus ihnen konnte man erkennen,
wie er unablässig seine Idee verfolgte, Stahl in geschlossenen Tiegeln
mit einem Fluſsmittel bei höchster Hitze zu schmelzen. Und als er
endlich am Ziele glücklich angelangt schien, erwuchsen ihm neue
Schwierigkeiten durch Vorurteil und Neid der englischen Stahlwaren-
fabrikanten und durch Verrat anderer, die sein Geheimnis stehlen
wollten. Bei der Tiegelguſsstahlfabrikation handelt es sich nicht um
eine Stahlerzeugung, sondern nur um eine Stahlreinigung und Um-
wandlung in ein gleichförmiges, geschlossenes Produkt. Schweiſs- oder
Cementstahl wird durch Umschmelzen im Tiegel in Guſsstahl verwandelt.
Die Gleichförmigkeit des Metalls (homogenious metal) war der Zweck
der Operation, und er wurde erreicht durch die einfachen Hilfsmittel,
welche Huntsman anwendete: Tiegel vom besten, feuerfesten
Material, wofür er wahrscheinlich Stourbridge-Thon verwendete,
feste, in geschlossenen, sogenannten Bienenkorböfen, hergestellte
Koks und einen Windofen mit hoher Esse. Es sind dieselben Mittel,
welche noch heute in Anwendung sind.


[275]Die Erfindung des Guſsstahls.

Waren Huntsmans Versuche zunächst von dem eigenen Bedürfnis
ausgegangen, so war doch schon die Verlegung seiner Werkstätte nach
Handsworth in der Hoffnung auf den Absatz seines Stahls an die
Sheffielder Fabrikanten veranlaſst worden, indem er die zukünftige
Bedeutung seines Stahls für die Stahlwarenfabrikation voraussah.
Aber seine Bemühungen, seinen Stahl bei den Sheffielder Messer-
schmieden anzubringen, hatten anfänglich wenig oder gar keinen
Erfolg. Der harte Guſstahl war viel beschwerlicher zu schmieden
als der Schweiſsstahl und das genügte, ihn zu verwerfen und Hunts-
man
, der die Sache nicht als Kaufmann betrieb und nicht auf Ge-
winn ausging, verzagte und lieſs die Hoffnung sinken, den am Alten
hängenden Zunftgeist der Sheffielder Schmiede zu bekehren. Aber
galt der Prophet nichts in seinem Vaterlande, so fand er um so
gröſsere Anerkennung auſserhalb desselben. In Frankreich besonders
wurde guter Stahl für feine Stahlwaren gesucht, und da die fran-
zösischen Stahlarbeiter ihren besseren Stahl doch alle aus dem Aus-
land beziehen muſsten, waren sie unparteiischer in ihrem Urteil als
die Sheffielder, welche wahrscheinlich auch für die von ihnen be-
triebene Brennstahlfabrikation fürchteten. Huntsmans Stahl fand
willige Abnehmer in Frankreich, die daraus Stahlmesser und Stahl-
werkzeuge machten, welche die englischen an Güte weit übertrafen.
Jetzt wurden die klugen Herren in Sheffield unruhig, namentlich da
selbst in England die französischen Messer aus Huntsmanstahl
den Sheffieldern vorgezogen wurden. Sie fingen an, für die Zukunft
ihres Gewerbes besorgt zu werden und verfielen auf einen echt eng-
lischen Ausweg: sie schickten eine Deputation an Sir George Savile,
Parlamentsmitglied für die Grafschaft York, mit der Bitte, bei dem
Ministerium ein Verbot der Ausfuhr von Guſsstahl zu erwirken.
Aber als Savile auf sein Befragen erfuhr, daſs sie selbst den Guſs-
stahl gar nicht verwendeten, lehnte er ihr Gesuch rundweg ab. Es
war ein Glück für die Stadt Sheffield, daſs ihrem unsinnigen Bitt-
gesuche keine Folge gegeben wurde, denn um jene Zeit hatten unter-
nehmende und vernünftigere Fabrikanten in Birmingham Huntsman
bereits dringende und günstige Anerbietungen gemacht, seine Guſs-
stahlfabrik nach Birmingham zu verlegen. Wäre dies geschehen, so
wäre wahrscheinlich der Stahlwarenhandel Birminghams der erste
Englands geworden und Sheffield, dessen Geschäft damals auf sehr
schlechten Füſsen stand, zu Grunde gegangen; so wurde es durch die
Erfindung von Benjamin Huntsman zu einer blühenden Stadt.
Jetzt endlich sahen sich die Sheffielder Fabrikanten, wenn sie ihren
18*
[276]Die Erfindung des Guſsstahls.
Handel nicht ganz an Frankreich verlieren wollten, gezwungen, Guſs-
stahl zu verarbeiten. Damit hatte Huntsman sein Ziel erreicht;
sein Absatz und seine Fabrikation nahmen groſsen Aufschwung.
Aber nun begann ein neuer Kampf für ihn. Der Neid der Stahl-
fabrikanten miſsgönnte ihm seinen Erfolg und suchte ihm seinen
Vorteil zu entreiſsen. Da Huntsman durch kein Patent geschützt
war, so war seine Erfindung vogelfrei, wenn es nur jemand gelang,
hinter sein Geheimnis, das er so ängstlich behütete, zu kommen.
Es fehlte nicht an gewissenlosen Menschen, welche dies auf unehr-
liche Weise versuchten. Aber Huntsman war auf seiner Hut. Alle
seine Arbeiter hatten sich ihm zu unverbrüchlichem Schweigen ver-
pflichtet, kein Fremder durfte die Fabrik betreten, und die Schmel-
zungen, beziehungsweise das Ausgieſsen fand in einem abgeschlossenen
Gebäude in der Nacht statt. Natürlich gingen mancherlei Mut-
maſsungen über den Stahlschmelzprozeſs um. Die verbreitetste Mei-
nung ging dahin, daſs es ein besonderes Fluſsmittel sein müsse,
welches das Schmelzen des Stahls befördere, und in Arbeiterkreisen
erzählte man sich, daſs zerbrochene Glasflaschen dazu verwendet
würden. Viele Bestechungsversuche wurden gemacht, doch ohne Erfolg.
Vermutlich hielt Huntsman seine Leute in dem Glauben, daſs
das Fluſsmittel, das er wahrscheinlich selbst zusetzte, die Seele
des Geheimnisses wäre. Dies läſst sich deshalb annehmen, weil die-
jenigen Fabrikanten, welche durch Spionieren und Bestechen hinter
das Geheimnis gekommen zu sein glaubten, bei ihren Versuchen
Stahl zu schmelzen, ebenfalls aus dem Fluſsmittel ein groſses Ge-
heimnis machten und dasselbe eigenhändig vor dem Verschlieſsen der
Tiegel aufgaben. Endlich gelang es einem der Konkurrenten, namens
Walker, einem Eisengieſser, welcher seine Fabrik zu Greenside bei
Sheffield hatte, auf verräterische Weise sich in den Besitz des
Geheimnisses zu setzen 1).


An einem kalten Winterabend, als der Schnee in dichten Flocken
niederfiel, und die Fabrik ihren roten Lichtschein über die Nachbar-
schaft warf, kam ein Mensch elend und zerrissen an das Thor und
flehte um die Erlaubnis sich wärmen zu dürfen und um ein Obdach.
Die menschenfreundlichen Arbeiter konnten seinen Bitten nicht wider-
stehen und gewährten ihm ein Lager in einem warmen Winkel des
Gebäudes. Schärfere Augen würden wohl wenig Schlaf in der er-
[277]Die Erfindung des Guſsstahls.
heuchelten Übermüdung des Fremden entdeckt haben, denn mit
gierigen Blicken bewachte er jede Bewegung der Arbeiter, als diese
jetzt die einzelnen Operationen des neuerfundenen Prozesses vor-
nahmen. Er bemerkte zuerst, daſs Stangen von Brennstahl in kleine
Stücke von 2 bis 3 Zoll zerbrochen und in einen Thontiegel ein-
getragen wurden. Als dieser nahezu gefüllt war, wurden zerkleinerte
Scherben von grünem Glas darüber ausgebreitet und dann wurde
das ganze mit einem dicht schlieſsenden Deckel geschlossen. Die
Tiegel wurden hierauf in einen dafür hergerichteten Ofen eingesetzt
und nach Verlauf von 3 bis 4 Stunden, währenddem von Zeit zu
Zeit untersucht wurde, ob der Stahl in den Tiegeln völlig zu einer
Masse geschmolzen sei, machten sich die Arbeiter daran, die Tiegel
mit Hilfe von Zangen aus dem Ofen herauszuheben und den ge-
schmolzenen Inhalt, der hellglänzend funkelte und sprühte, in eine
zugerichtete Form aus Guſseisen auszugieſsen. Hier lieſs man sie
erkalten, während die Tiegel von neuem gefüllt und die Operation
wiederholt wurde. War die Form kühl, so wurde sie aufgeschraubt,
und es zeigte sich ein Stahlbarren, der nur noch der Hilfe des
Hammerschmieds bedurfte, um eine vollkommene Stahlstange zu sein.
Wie es dem verräterischen Gast, nachdem er dies alles beobachtet
hatte, gelang zu entkommen, darüber verlautet nichts, aber Thatsache
ist es, daſs nur wenige Monate danach Huntsmans Fabrik nicht
mehr die einzige war, in der Guſsstahl bereitet wurde.


In einem schwedischen Reisebericht 1797 bis 1799 von Proling
ist dieser Vorgang gerade umgekehrt erzählt 1). Danach sollte ein
armer Metallarbeiter namens Walter, welcher Walzen aus Cement-
stahl anfertigte, der Erfinder des Guſsstahls gewesen sein. Da seine
Walzen immer Fehler und Flecken hatten, so habe er sich bemüht,
Walzen aus Metalllegierungen zu gieſsen. Hierbei habe er nach viel-
jährigen Versuchen die Entdeckung gemacht, daſs er einen ohne
allen Zusatz umgeschmolzenen Stahl vollständig dicht erhalten könne.
Er habe dann auf diese Weise vortreffliche Walzen und Schmiede-
werkzeuge von vorzüglicher Gleichmäſsigkeit und Dichtigkeit erzeugt.
Ein reicher Fabrikant Huntsman habe davon erfahren, und nach-
dem er durch chemische Untersuchung habe feststellen lassen, daſs
dem Stahl keine fremden Stoffe beigemischt waren, die Sache als-
bald nachgemacht. Der reiche Fabrikant habe dem Stahl seinen
[278]Die Erfindung des Guſsstahls.
Namen gegeben, während der arme Erfinder unbekannt und unbelohnt
gestorben sei.


Dieses Geschichtchen des schwedischen Reisenden hat keine
historische Bedeutung gegenüber den verschiedenen ernsten Mittei-
lungen englischer Fachschriftsteller. Höchst merkwürdig bleibt es ja
allerdings, daſs die englische Nation und insbesondere die Stadt
Sheffield den Erfinder des Guſsstahls, der durch seine Erfindung die
Blüte Sheffields begründet und die Grundlage zur Überlegenheit der
englischen Eisenindustrie zuerst gelegt hat, fast vergessen hatte, so
daſs ein Ausländer, der berühmte Metallurg Le Play anfangs der
vierziger Jahre denselben erst wieder entdecken und auf seine Ver-
dienste aufmerksam machen muſste. Le Play hat sich die Mühe
gegeben, während seines Aufenthaltes in Sheffield die Frage der Er-
findung des Guſsstahls zu prüfen und kam zu der Überzeugung, daſs
nur Benjamin Huntsman dieser Ruhm gebühre und hat dieses
in seiner vortrefflichen Abhandlung über die Stahlfabrikation in York-
shire öffentlich kundgegeben 1). Er spricht mit Begeisterung von der
denkwürdigen Erfindung, welche die Stahlindustrie Yorkshires zur
ersten der Welt gemacht und so wesentlich zu Englands Suprematie
in der Eisenindustrie beigetragen habe.


Was nun das tiefe Geheimnis anbetrifft, so wurde dasselbe schon
zur Zeit, als Gabriel Jars Sheffield besuchte, also 1765, nicht mehr
so ganz bewahrt. Er giebt in seinem Reisebericht keine eingehende,
aber doch eine ganz genügende und in der Hauptsache auch richtige
Schilderung des Verfahrens. Es scheint, daſs man aber nach dieser
Zeit die Fabrikation wieder mehr geheim hielt, so daſs spätere Schrift-
steller noch weniger zu berichten wissen. Konnte doch ein so tüch-
tiger Hüttenmann wie Hermann 1789 behaupten, der englische
Guſsstahl sei gar nicht gegossen, sondern es sei nur sorgfältig gegärbter
Cementstahl 2). Svedenstjerna, der die englischen Eisenwerke
so gründlich studiert hat, versichert, daſs bis 1804 über die Bereitung
des englischen Guſsstahls nichts bekannt geworden sei, was als Richt-
schnur dienen könnte. Er selbst teilt in dem Bericht über seine Reise
durch England und Schottland auch nichts darüber mit. Karsten
erklärt sich 1815 auſser stande, darüber zu berichten 3). Blumhof
[279]Die Erfindung des Guſsstahls.
sagte 1817 1), die Verfertigung des englischen Guſsstahls werde noch
geheim gehalten, und daſs er nichts davon wuſste, dokumentiert er
vollständig dadurch, daſs er eine ganz falsche Schilderung eines
französischen Hütteninspektors Vandenbrock abdruckte. So hat
denn Jars kurzer Bericht von 1765 2) aus der Zeit, da Benjamin
Huntsman
noch selbst seine Guſsstahlfabrik in Handsworth leitete,
ganz besonderen Wert. Er sagt, die Schmelzöfen seien ähnlich wie
Messingschmelzöfen, nur kleiner, und der Luftzug zu denselben laufe
unter der Erde her. Ein viereckiger Fuchs führe in Bodenhöhe aus
dem Ofen in den Schornstein. In diesem Ofen habe nur ein Schmelztiegel,
welcher 9 bis 10 Zoll hoch und bis 6 Zoll weit sei, Platz. „In den-
selben wird der Stahl mit einem Fluſs, aus dem man aber ein Ge-
heimnis macht, eingesetzt, der Tiegel aber auf einen runden Back-
stein (sogenannten Käse), welcher auf dem Roste liegt, gestellt. Man
legt alsdann rund um den Tiegel Cinders (Koks) und füllt auch den
ganzen Ofen damit voll, läſst das Feuer an und legt die obere Mün-
dung des Ofens mit einer Thür von Backsteinen, welche durch einen
eisernen Rahmen zusammengehalten werden, zu, worauf die Flamme
in den Schornstein spielt.


Der Tiegel muſs fünf Stunden im Ofen stehen, ehe der Stahl
völlig geschmolzen ist; alsdann wird derselbe in vierkantige Formen
von gegossenem Eisen, welche aus zwei Stücken bestehen, deren eines
auf das andere gelegt wird, gegossen. Der Einguſs geschieht an dem
einen Ende.


Ich habe Ingots von dergleichem Stahl gesehen, welche wie Roh-
eisen aussahen. Dieser Stahl wird auf eben die Art, wie der Cement-
stahl, unter dem Hammer ausgereckt, er muſs aber gelinder und mit
mehr Vorsicht ausgewärmt werden, weil er sonst leicht zerspringen
würde. Die Absicht bei diesem Prozeſs geht bloſs dahin, die Stahl-
teilchen so nahe wie möglich aneinander zu bringen, so daſs er keine
faule Flecken, wie der deutsche Stahl, habe, und man will behaupten,
daſs dies bloſs durch die Schmelzung zu erreichen sei.“


Zur Einleitung hatte Jars schon bemerkt, daſs der Prozeſs dazu
diene, den Cementstahl noch mehr zu verfeinern. Wenn er danach
sagt, es werden Abfälle von Stahlwaren eingeschmolzen, so war das
nur für ganz geringe Stahlsorten richtig; der gute Guſsstahl wurde
aus Stücken des besten Cementstahls geschmolzen.


[280]Die Erfindung des Guſsstahls.

Er sagt zum Schluſs, der Guſsstahl werde nicht sehr häufig,
sondern nur zu solchen Arbeiten, die eine sehr schöne Politur er-
forderten, gebraucht, und es würden die besten Rasiermesser, ver-
schiedene Arten Federmesser, die schönsten stählernen Ketten, Uhr-
federn und kleine Uhrmacherfeilen daraus angefertigt.


Die Nachfrage nach Guſsstahl nahm aber von Jahr zu Jahr zu.
Infolge dessen verlegte Huntsman 1770 noch einmal sein Geschäft in
eine groſse, neu von ihm erbaute Fabrik zu Attercliffe, nördlich von
Sheffield, welche für seinen Betrieb günstiger gelegen war. Dort
wirkte er noch sechs Jahre als Stahlfabrikant und als Wohlthäter.
Denn wie die Darbys und Reynolds war er ein würdiges und hoch-
angesehenes Mitglied der Sekte der Quäker (society of friends). Er war
bewandert in dem Wissen seiner Zeit, und besonders in der Chemie,
welche ihm bei seinen Versuchen von Nutzen war. Daſs er dabei
von groſser Beharrlichkeit war, geht aus den Schwierigkeiten, welche
er bei der Ausführung und Vervollkommnung seiner Erfindung zu
überwinden hatte, hervor. Aber wie viele originelle Charaktere, war er
ein Sonderling in seinen Gewohnheiten und verschlossen. Die Akademie
(Royal Society) wünschte ihn als Mitglied aufzunehmen, sowohl wegen
seiner erfolgreichen Erfindung als wegen seiner chemischen Kennt-
nisse, aber er lehnte die Ehre ab, weil er fürchtete, aus seiner Ein-
samkeit herausgerissen zu werden und weil es ihm gegen die Grund-
sätze der Quäker zu sein schien. Er starb 1776 im 72. Lebensjahre
und wurde auf dem Kirchhofe von Attercliffe beigesetzt. Le Play
suchte 1842 seinen Grabstein auf, welcher die Inschrift trägt: Sacred
to the memory of Benjamin Huntsman, of Attercliffe, steel-refiner,
who died June 20th. 1776, aged 72 years 1). Sein Sohn führte das
Geschäft fort und dehnte es immer mehr aus. Die Guſsstahlmarke
Huntsman wurde in der ganzen Welt bekannt und erhielt ihren
Ruhm länger als ein Jahrhundert und Le Play schreibt 1846, „der
Käufer, der dafür einen höheren Preis zahlt, folgt nicht blinder
Routine, sondern giebt damit einen vernünftigen, wohlverdienten
Tribut an alle die materiellen und moralischen Eigenschaften, für
welche die Marke Huntsman seit einem Jahrhundert die Garantie
geboten hat“.


Neben Huntsman war Marschall (Marshall, Martial) die berühm-
teste Marke für englischen Guſsstahl zu Ende des vorigen Jahrhunderts.


Die Fabrikation des Tiegelguſsstahls darf nicht verwechselt werden
[281]Die Cementstahlfabrikation in England.
mit der des Tiegelfluſsstahls. Letztere bezweckt eine wirkliche
Stahlerzeugung, und zwar durch Zusammenschmelzen von Roheisen
und Schmiedeeisen. Reaumur gebührt das Verdienst, diesen Weg
zuerst gezeigt zu haben. Er schmolz Roheisen in einem Tiegel heiſs
ein und setzte Schmiedeeisenabfälle zu, dadurch erhielt er Stahl.
Ich habe auf diesem Wege, schreibt er 1722 1), ganz leidlichen
Stahl erhalten. Der Zusatz von Schmiedeeisen zu dem Guſs betrug
¼ bis ⅓. — Indes war dies doch nur ein Versuch im kleinen, eine
praktische Bedeutung hat die Tiegelfluſsstahlerzeugung im vorigen
Jahrhundert nicht erlangt.


Die Cementstahlfabrikation besonders in England.

Die Guſsstahlfabrikation in England benutzte Cementstahl als
Rohmaterial. Die Cementstahlfabrikation wurde mindestens schon
seit Anfang des 18. Jahrhunderts in England betrieben. Bereits im
vorhergegangenen Jahrhundert hatte sich Prinz Ruppert um deren
Einführung bemüht. Es ist möglich, daſs er sie auch wirklich ein-
geführt hat, daſs er sie aber, ähnlich wie Huntsman seinen Guſs-
stahlprozeſs, so geheim hielt, daſs nichts davon bekannt wurde. Nach
einer anderen Nachricht soll die Cementstahlfabrikation um das Jahr
1710 von einem deutschen Arbeiter Bertram aus der Grafschaft
Mark in England eingeführt worden sein 2). Wie dem auch sei,
zweifellos ist, daſs zu Reaumurs Zeit die Engländer bereits Brenn-
stahl exportierten. Genauere Nachrichten fehlen aber durchaus, bis
Gabriel Jars in seinen wichtigen Reiseberichten von 1765 auch
diese Fabrikation beschrieben hat.


Ehe wir uns mit diesem Bericht beschäftigen, wollen wir kurz
noch einiges mitteilen, was an unser Kapitel über Reaumurs Arbeit
über den Brennstahl anknüpft. Reaumurs Arbeit rief nicht nur
in Frankreich Cementstahlfabriken ins Leben, sondern auch in
Schweden und in Deutschland.


Aus Polhems Schriften geht hervor, daſs man sich in Schweden
mit der Cementstahlfabrikation beschäftigt hatte. Daſs dies sehr
[282]Die Cementstahlfabrikation in England.
bald nach der Veröffentlichung von Reaumurs Arbeit (1722) ge-
schah, folgt aus einer Dissertation eines gewissen Schepper1). Da-
nach scheint bei Barkinge schon vor 1725 eine Cementstahlfabrik
errichtet worden zu sein, denn er schreibt, dort geschieht die Um-
wandlung von gewöhnlichem Eisen in Stahl durch eine künstliche
chemische Abscheidung in geschlossenem Feuer mit Aschensatz.


Ferner war am Harz eine Cementstahlfabrik entstanden. Darüber
meldet von Rohr 1739 2): „Man stratificiert in einem groſsen Ofen

Figure 49. Fig. 44.


Eisenplatten und Horn oder
Tierklauen und macht ein
groſs Feuer darunter, so ent-
zünden sich die Klauen und
kalzinieren das Eisen. Ist es
glühend genug und an dem,
daſs es schmelzen will, so
nimmt man’s aus dem Ofen
und härtet es ganz glühend
in kaltem Wasser ab, da
dann der Stahl daraus wird.
Der Stahl hat die alte Struk-
tur, nur Löcherchen.“


Jars gelang es 1765 trotz
der in England üblichen Ge-
heimniskrämerei, sich Ein-
blick in die englische Fabri-
kation zu verschaffen, und
er hat darüber in seinem
Reiseberichte sehr wert-
volle Mitteilungen hinter-
lassen. Seine Zeichnungen
(Fig. 44, 45 u. 46) sind zwar,
wie er angiebt, nur nach dem
Augenmaſs gemacht, sie sind aber richtiger als manche andere seiner
Abbildungen.


Newcastle und Sheffield waren die beiden Sitze der Cement-
stahlfabrikation. Die Öfen, welche Jars beschrieben hat, befanden sich
[283]Die Cementstahlfabrikation in England.
bei der erstgenannten Stadt. Sie stimmen in ihrem Prinzip ganz und
in ihrer Anordnung nahezu mit den von Reaumur angegebenen

Figure 50. Fig. 45.


überein. Sie hatten ver-
schiedene Gröſse, waren
aber alle nach demselben
Muster gebaut. Das äuſsere
Mauerwerk bildete ein läng-
liches Viereck, nicht viel
von einem Quadrat ab-
weichend. Es umschloſs
den Feuerungsraum und
zwei Brennkisten. Längs
durch den Ofen ging ein
eiserner Rost, der beinahe
mit der Hüttensohle pa-
rallel lag, 20 Zoll breit
war, und unter welchem
sich der Aschenfall befand.
Ungefähr 16 Zoll über
dem Rost wurden auf
beiden Seiten die Brennkisten, in welche man das Eisen einlegte,
aufgebaut.


Zu diesem Zweck mauerte man auf jeder Seite zehn Zugkanäle,

Figure 51. Fig. 46.


auf welchen die
Kisten aus feuer-
festem Sandstein-
platten aufgeführt
und die Fugen mit
Thon verstrichen
wurden. Inwendig
waren die Kisten
etwa 10½ Fuſs
lang, 2 Fuſs 4 Zoll
breit und 2 Fuſs
6 Zoll tief, und
die Flamme spielte
rund um diesel-
ben herum. Seit-
lich wurden sie
durch Mauerwerk
[284]Die Cementstahlfabrikation in England.
gestützt, so daſs sie den Druck des Eisens und die Gewalt des Feuers
aushalten konnten. Über diesen Kisten und den ganzen inneren
Raum ist eine Haube oder Kuppel (nicht ein Tonnengewölbe wie bei
Reaumur) aufgeführt, welches die Hitze zusammenhält und durch
deren Decke Rauch und Flamme durch acht Öffnungen abziehen.
Der ganze Ofen steht unter einer Esse, welche in Gestalt eines
Zuckerhutes von Backsteinen erbaut ist.


Das schwedische Eisen ist das einzige, welches bis-
her zur Verwandlung in Stahl tüchtig befunden worden
ist
. Es sind auch mit dem in England fabrizierten Eisen viele Ver-
suche angestellt worden, aber man hat nie daraus einen ebensoguten
Stahl, wie aus dem schwedischen, erhalten können. Man nimmt zu
dieser Arbeit verschiedene Sorten von schwedischem Stahl, welche,
so wie sie nach der Verschiedenheit der Güte in verschiedenem Wert
stehen, dadurch auch im Preise des Stahls eine Veränderung machen.


Die Eisenstäbe, welche cementiert werden, haben nicht gleiches
Maſs; manchmal sind sie vierkantig, meist aber flach, 1½ bis 2 Zoll
breit und 4 bis 7 Linien dick und in der Länge kommen sie der
Länge der Kisten gleich. In jeder Kiste werden 5 bis 6½ Tonnen
Eisen eingesetzt, deren jede 21 Ctr. wiegt, den Centner zu 112 Pfund
nach englischem Gewicht gerechnet. Es werden demnach in einem
Ofen mit 2 Kisten 10 bis 13 Tonnen oder etwa 23000 bis 28000 Pfd.
Eisen auf einmal eingesetzt.


Zur Cementation bedient man sich nur des Kohlenpulvers
ohne allen Zusatz
von Öl und Salz als Cementationsmittel. Wenn
nun die Eisenstäbe in die Kisten eingesetzt werden sollen, so kriecht
der Stahlbrenner in den Ofen hinein und durch die an den Enden
angebrachten Löcher werden ihm die Stäbe zugereicht. Es sind dies
dieselben Öffnungen, durch welche auch die Flamme durchschlägt,
und welche während der Arbeit nach auſsen zugesetzt werden. Der
Stahlbrenner nimmt alsdann Kohlenstübbe, welche durch ein grobes
Sieb durchgeschlagen ist, feuchtet dieselbe ein wenig an, macht auf
dem Boden der Kiste davon eine Schicht und legt darauf eine
Lage von Eisenstäben, welche gewöhnlich nach der Länge des Ofens
abgehauen sind. Zuweilen nimmt man auch Stäbe von verschiedener
Länge, so wie sie kommen, jedoch werden sie stets dergestalt ein-
gesetzt, daſs keiner den anderen berührt, und also beständig Kohlen-
stübbe dazwischen liegt. Die erste Schicht Stäbe wird sodann 1 Zoll
hoch mit demselben Kohlenpulver bedeckt und dann wieder eine Lage
Stäbe gelegt. Auf diese Art wird fortgefahren, bis die ganze Kiste
[285]Die Cementstahlfabrikation in England.
voll ist. Die oberste Schicht Stäbe wird wieder mit Stübbe und diese
mit Sand bedeckt, damit das brennbare Wesen in der Kiste desto
mehr beisammen bleibe und durch den Brand nicht in Asche ver-
wandelt werde. Man gebraucht hierzu gewöhnlichen feuchten Sand;
wenn er trocken ist, muſs man ihn anfeuchten. Dieser Sand wird
dicht aufgestreut und von den Seiten nach der Mitte zu erhöht, so
daſs er in der Mitte etwa 10 Zoll dick liegt. Wenn das Eisen in
den Kisten eingesetzt ist, wird der Ofen in folgender Weise zuge-
macht. Die eisernen Rostbalken, welche in dem Mauerwerk einge-
mauert sind, stehen sehr weit voneinander ab, so daſs sie den Kohlen
noch keine genügende Auflagerung gewähren; es werden daher nach
der ganzen Länge des Rostes andere Stäbe querüber und so dicht
beieinander gelegt, daſs die Steinkohlen darauf ruhen können. Als-
dann werden die beiden groſsen Öffnungen, welche sich an jedem
Ende des Rostes befinden, zugemauert, so daſs in der Höhe des Rostes
auf jeder Seite nur eine Öffnung bleibt, die 10 Zoll hoch und 7 bis
8 Zoll breit ist, und durch welche die Kohlen auf den Rost geworfen
werden. Vor diesen Öffnungen befinden sich eiserne Thüren, welche
man, so oft geschürt und mittels eiserner Stangen in den Kohlen ge-
stocht wird, aufmachen und verschlieſsen kann.


Man pflegt in der Regel Montag Abend den Ofen anzustecken
und ihn dann bis zum folgenden Samstag in heftigem Feuer zu er-
halten. Es ist dies die gewöhnliche Brennzeit bei einem Einsatz von
10 Tonnen, sind aber 12 bis 13 Tonnen Eisen eingelegt, so wird mit
der Feuerung bis Sonntag Abend fortgefahren. Um aber desto
sicherer zu sein, daſs das Eisen hinlänglich cementiert ist, so sind
an dem einen Ende sowohl an dem Ofen als an den Kisten Öffnungen
angebracht, durch welche eine Stange herausgezogen werden kann,
sobald man glaubt, daſs der Stahl gar gebrannt sei. Der Stahlbrenner
erkennt meist schon an der Farbe und den Blasen auf der Ober-
fläche, ob der Stahl gut sei; das Herausziehen einer Probestange ge-
schieht daher nicht überall.


Wenn es sich nun findet, daſs nach einem fünf Tage und fünf
Nächte ununterbrochenen Feuer das Eisen ganz in Stahl verwandelt
worden, so wird das Mauerwerk, welches an den beiden Enden zur
Anbringung der Thüren aufgeführt war, aufgebrochen. Damit der
Ofen desto geschwinder erkalte, nimmt man auch die aufgelegten
Roststäbe hinweg, wobei die Kohlen in das Aschenloch fallen; des-
gleichen werden auch die vier Thüren, die während der Arbeit zu
waren, geöffnet. Man muſs demungeachtet wohl eine ganze Woche
[286]Die Cementstahlfabrikation in England.
warten, ehe der Stahl kalt wird, und wird er nicht früher heraus-
genommen. Der Stahlbrenner, welcher das Eisen eingesetzt hat,
kriecht alsdann in den Ofen und reicht die Stäbe einem anderen
Arbeiter durch die an den Enden befindlichen Öffnungen zu, welcher
ihm dieselben abnimmt. Für die ganze Arbeit sind nur zwei Per-
sonen erforderlich, deren jede für eine Tonne vier Schilling erhält.
Es gehen bei der Arbeit 16 bis 18 Fuder Steinkohlen auf, deren
jedes 16 Centner zu 112 Pfund Gewicht beträgt und vier Schilling
kostet — also auf 1000 kg Stahl etwa 1220 kg Steinkohlen. Man
hatte beobachtet, daſs das Gewicht des Eisens bei seiner Verwand-
lung in Stahl weder ab- noch zunahm. Die Gewichtsabnahme an
Kohlenstoff wurde ausgeglichen durch die Gewichtszunahme durch
Oxydation der Oberfläche.


Dieser Stahl, wie er aus dem Ofen kommt, heiſst Blasenstahl
(blister steel) und wird, wenn auch selten, zum Preise von 26 bis
28 Schilling der Centner (50 Mk. für 100 kg) verkauft. — Für den
gewöhnlichen Vertrieb wird erst noch eine sehr einfache Arbeit
mit ihm vorgenommen, indem er unter einem Hammer zu vierkantigen
Stäben von sieben bis acht Linien Stärke und beliebiger Länge
ausgeschmiedet wird. Diese läſst man, ohne sie im Wasser abzulöschen,
an der Luft erkalten. Dadurch wird das Gefüge des Stahls, das vor-
her locker und groſsblätterig war, dicht und feinkörnig, so daſs es
dem Korn des gemeinen deutschen Stahls gleicht. In diesem Zu-
stande wird es gemeiner Stahl (common steel) genannt und zur
Anfertigung von Feilen, Sägen, Scheren, Messern u. s. w. gebraucht.
Er wird nach den englischen Provinzen, namentlich aber nach Shef-
field und Birmingham, verschickt und der Centner zu 30 bis 32 Schil-
ling berechnet.


Da die Enden der Stäbe meist unrein sind und keinen guten
Stahl geben, so werden sie abgehauen und in Packeten verschmiedet.
Dieser Stahl heiſst harter Stahl (hard steel) und wird gewöhnlich zur
Verfertigung von Ackergeräten verwendet.


Aus dem Cementstahl kann man durch eine zweite Arbeit, welche
den Namen deutsches Stahlmachen führt, eine noch bessere
Sorte erhalten, welche Benennung sie daher erhalten hat, weil das
Erzeugnis dem deutschen Stahl an Korn und Qualität völlig gleich
kommt.“


Jars überzeugte sich davon durch Proben, und die betreffende
englische Gewerkschaft hatte dem echten deutschen Stahl bereits einen
beträchtlichen Absatz entzogen. Zu bemerken war nur, daſs der
[287]Die Cementstahlfabrikation in England.
Cementstahl bei wiederholten Hitzen weit mehr von seiner Stahlnatur
verlor als der deutsche.


„Um diese Arbeit zu bewerkstelligen, werden 10 bis 12 Stäbe von
Blasenstahl, wie sie aus dem Ofen kommen, in ein Packet zusammen-
gelegt und im Steinkohlenfeuer erhitzt. Von Zeit zu Zeit bewirft
man dieses Packet mit trockenem, gepulvertem Thon, ebenso wie
sonst das Eisen behandelt wird, damit die Hitze mehr zusammen-
gehalten wird und die Stäbe besser schweiſsen. Die Erfahrung be-
weist, daſs bei dem Schweiſsen des Stahls der Thon vorzuziehen ist,
während für das Schweiſsen des Eisens der Sand bessere Dienste thut.


Wenn nun ein solches Packet die hinlängliche Hitze hat, so
bringt man es unter den Hammer, unter dem es sodann zusammen-
geschweiſst und in Stäbe von bestimmtem Maſs ausgereckt wird.
Dieser Stahl wird meist nur auf ausländische oder auswärtige Be-
stellungen gemacht, und das Verfahren dabei ist dasselbe, wie in
Steiermark zur Bereitung des feinsten Stahls.


Einige Stahlschmiede in England pflegen zur Herstellung eines
superfeinen Stahls, von welchem das Pfund 20 Sols (1 kg = Mk. 1,60)
kostet, noch zwei Arbeiten mit demselben vorzunehmen. Zu dem
Ende brauchen sie bei der Anfertigung des deutschen Stahls aus
cementiertem Stahl Holzkohlen statt Steinkohlen und cementieren
alsdann diesen deutschen Stahl nochmals ebenso wie Eisen und
raffinieren ihn zum zweitenmal in der beschriebenen Weise mit
Holzkohle.


Der Versuch eines Fabrikanten bei Newcastle, den Stahl durch
Schmelzung zu reinigen, wie Huntsman, zu welchem Zweck er
zwei Meilen von der Stadt eine Fabrik erbaut hatte, war miſslungen.“


In Sheffield und Umgegend wurde ebenfalls eine groſse Menge
Cementstahl gemacht. Jars fand die besseren Öfen denen in New-
castle ähnlich, nur waren sie kleiner und weder in diesen noch in den
geringeren (wahrscheinlich älteren) Öfen wurde so viel Eisen auf ein-
mal eingesetzt, als in den oben beschriebenen. Die Öfen bestanden
aus einem Gewölbe von Backsteinen, etwa 12 Fuſs lang, 6 Fuſs breit
und in der Mitte 6 Fuſs hoch. In denselben war nur eine Kiste.
Die Feuerung, welche der Länge nach durchlief, und welche von
beiden Seiten aus bedient wurde, befand sich in der Mitte unter
dem Boden der Kiste. Die Feuergase traten durch je sechs Öffnungen
auf beiden Seiten zwischen das Gewölbe und die Seitenwände der
Kiste und umspülten dieselbe. Sie entwichen durch den darüber ge-
bauten Schornstein. In diese Öfen wurden nur 4 bis 5 Tonnen auf
[288]Die Cementstahlfabrikation in England.
einmal eingesetzt und wurde fünf Tage lang gefeuert. Das Besetzen
der Kiste geschah wie in Newcastle. Auch hier verwendete man nur
schwedisches Eisen zur Stahlbereitung, und kannte man kein anderes
Eisen, was dafür zu gebrauchen war. Der Blasenstahl kam in
Raffinierwerke, wo er unter leichten, schnellgehenden Hämmern
gereinigt und ausgeschmiedet wurde. Das Ausheizen des Stahls ge-
schah mit Steinkohlen. Dazu bemerkt Jars: „Ich habe beobachtet,
daſs der Stahl in diesen Hütten mit solchen Steinkohlen ausgewärmt
wurde, die beinahe alle ihr Harz verloren hatten. Denn da auf dem
Herde beständig ein groſses Feuer unterhalten wird, so legt man
sehr sorgfältig die frischen Kohlen oben auf, so daſs, ehe sie auf den
Stahl kommen, sie schon ihr Harz verloren haben und der Arbeiter
nimmt sich deshalb auch sehr in acht, daſs, wenn er das Feuer auf-
bricht, keine frische Kohlen nahe vor das Feuer fallen. Man läſst den
Stahl nur hell braunrot werden, weil er, wenn man ihm zu viel Hitze
gebe, leicht springen würde; deshalb schlagen auch die Hämmer sehr
schnell, damit der Stahl, ohne zwei Hitzen zu erhalten, bei diesem
Wärmegrade ausgereckt werden könne. Der Stahl wird so in vier-
eckige Stäbe von 4 bis 5 Linien Dicke ausgeschmiedet, aber nicht in
Wasser gelöscht, sondern in diesem Zustande zur Verfertigung kleiner
Waren verbraucht und verkauft.“


Eine bessere Reinigung geschah durch die Schmelzung, wie oben
beschrieben.


Jars suchte die auf seiner Reise gewonnene Kenntnis des Stahl-
brennens nach seiner Rückkehr in Frankreich zu verwerten. Zu
diesem Zweck erbaute er einen Versuchsofen zu Paris in der Vor-
stadt St. Antoine, in welchem er mit glücklichem Erfolg Stahl brannte.


Während die Cementieröfen in England mit Steinkohlen geheizt
wurden, wurden sie auf dem Kontinent, namentlich in Deutschland
und Schweden, mit Holz oder Holzkohle gefeuert.


Englands Stahlindustrie hatte durch die ausgedehnte Cement-
stahlfabrikation bereits einen groſsen Umfang und eine groſse Be-
deutung erlangt und die Engländer suchten dieselbe in jeder Weise
zu erhalten und zu befördern. Sie war durchaus auf künstlichem
Grund aufgebaut, denn sie beruhte auf der Verwendung des vorzüglichen
skandinavischen Eisens, welches auf einem weiten Wege über See
herbeigeschafft werden muſste. Von der Sicherheit dieses Bezugs
war also diese ganze Industrie abhängig und die Engländer thaten
alles, was in ihrer Macht stand, sich diesen Bezug zu erhalten. Das
wichtigste Mittel war natürlich, daſs sie denjenigen Werken, welche
[289]Die Cementstahlfabrikation in England.
das für die Stahlfabrikation besonders geeignete Eisen fabrizierten,
höhere Preise zahlten. Sie vergüteten den Hüttenwerken in und um
Danemora, von denen sie dieses Eisen bezogen, grundsätzlich 15 Proc.
mehr als der Normalpreis des Eisens war. Sie kauften auſserdem
den betreffenden Werken die ganze Produktion ab und banden die
Besitzer durch Verträge, an niemand anders als an sie ihr Eisen ab-
zugeben. Dieses Eisen führte die gemeinschaftliche Bezeichnung
Oregrund-Eisen, weil alle diese Hütten ihr Eisen in dem Hafen von
Oregrund verschifften. Von da ging es teils nach Newcastle, haupt-
sächlich aber nach Hull, namentlich das für die Sheffielder Werke. Das
Oregrund-Eisen hatten die Engländer förmlich mit Beschlag belegt
und wachten mit Eifersucht darüber, daſs es nicht in andere Hände
gelangte. Dies war der wichtigste Grund des groſsen Aufschwungs
und der Bedeutung der englischen Stahlfabrikation und weshalb in
keinem anderen Lande die Cementstahlfabrikation zu gleicher Blüte
kommen konnte. Kein anderes Land hatte ein solches Material, und
La Play schreibt mit Recht den Miſserfolg der vielen Versuche
zur Einführung dieser Stahlfabrikation in Frankreich diesem Um-
stande zu.


Natürlich lag es nahe, daſs die Schweden selbst die Vorteile
ihres vorzüglichen Materials ausnutzten, und sind denn auch man-
cherlei Versuche schon frühzeitig gemacht worden. Daſs dieselben in
der ersten Hälfte des Jahrhunderts keinen besonderen Erfolg hatten,
geht aus Polhems Bemerkungen in seinem patriotischen Testament
hervor. Ein Versuch auf der Hütte zu Akerby in Roſslagen, welche
das vorzügliche -Eisen lieferte, hatte keinen Erfolg, angeblich weil
der Prozeſs zu kostspielig war, was aber daher kam, daſs man teuere
englische Steinkohle als Heizmaterial verwendete. In den sechziger
Jahren des 18. Jahrhunderts war auch auf der Eisenhütte zu Osterby,
welche das beste Stabeisen — das sogenannte Zwei-Kugel-Eisen, mit
der Marke o o — lieferte, ein Stahlbrennofen angelegt worden. Jars
schreibt darüber: Der Ofen hat bezüglich seiner Bauart mit dem in
England gebräuchlichen viel Ähnlichkeit, allein er ist nicht so vor-
teilhaft wie dieser angelegt; es befinden sich drei Kisten in jedem
Ofen, deren jede nur sechs Fuſs lang ist und in welche zusammen
30 Schiffspfund (4800 kg) Eisen gehen. Ein Ofen hat vier Feuerungen,
welche aber nur zwei englischen gleichkommen, weil der Rost nicht
durch den Ofen durchgeht, sondern sich in der Mitte eine Scheide-
wand befindet. Das Sonderbarste dabei ist aber, daſs man die Arbeit
für unmöglich hält, wenn der Ofen nicht wie in England mit Stein-
Beck, Geschichte des Eisens. 19
[290]Die Cementstahlfabrikation in England.
kohlen geheizt wird. Diese verkehrte Ansicht, als welche sie Jars
ganz richtig bezeichnet, macht, da der Preis der englischen Stein-
kohlen ein sehr hoher ist, den Prozeſs kostspielig und überhaupt bis
jetzt zweifelhaft. Dies Vorurteil, welches vordem allgemein in Schwe-
den herrschte, deutet darauf hin, daſs der Prozeſs dem englischen
nachgemacht, von dort also nach Schweden gelangt war. Daſs
Reaumurs Abhandlung über die Cementstahlbereitung aber groſsen
Einfluſs auf die schwedischen Fabrikanten gehabt hat, gestanden
diese Jars gegenüber selbst ein und sie richteten sich auch in Bezug
auf das Cementierpulver nach dessen Vorschlägen, obgleich sie gerade
in diesem Punkte, wie Jars mit Recht bemerkt, besser den Eng-
ländern gefolgt wären und wie diese nur Holzkohlenpulver genommen
hätten. In diesen wie in anderen Dingen, z. B. in dem Baumaterial,
waren sie noch wenig erfahren; die ganze Fabrikation war, wie Jars
meint, noch im Versuchsstadium. Um das obengenannte Quantum
von 30 Schiffspfund Eisen in Stahl umzuwandeln, waren sechs bis sieben
Tage Brennzeit und 100 schwed. Tonnen Steinkohlen erforderlich.
Der eingelegte Probestab hatte am Ende ein Öhr, so daſs man ihn
leicht mit einem Haken herausziehen konnte. Der Stahl wurde in
einer besonderen Hütte raffiniert unter einem Hammer von etwa
100 kg Gewicht, der aber nicht so rasch ging wie die englischen
Raffinierhämmer. Der Stahl wurde mit Steinkohlen erhitzt, weil man
auch hierbei von dem Vorurteil befangen war, daſs er beim Gebrauch
von Holzkohlen schlechter werde. Er erhielt dabei eine stärkere Hitze
als in England, und daſs er trotzdem unter dem Hammer nicht rissig
und unganz wurde, war ein Beweis für seine Güte. Er wurde in
kleine Stäbe wie der kärntnische Stahl ausgeschmiedet und auch unter
der falschen Bezeichnung „venetianischer Stahl“, worunter der Stahl
aus Kärnten und Krain im südlichen Europa gehandelt wurde, auf
den Markt gebracht. Man verkaufte ihn auch nicht anders als ge-
härtet, weshalb man ihn vorher auf einem etwa drei Fuſs langen
Feuer glühte und ganz heiſs in das Wasser warf. Obgleich Jars
die Cementstahlfabrikation in Schweden unbedeutend vorkam, indem
er sie jedenfalls mit der englischen, die er vorher kennen ge-
lernt hatte, verglich, so geht doch aus seinen eigenen Angaben her-
vor, daſs der Export von schwedischem Cementstahl gar nicht so
gering war.


Osterby, welches allein den „venetianischen Stahl“ machte, hatte
seinen Hauptabsatz nach Spanien und verkaufte den Centner zu
150 schwedischen Pfund (51 kg) für 4½ bis 5 Thaler. Jars sagt:
[291]Die Cementstahlfabrikation in England.
Spanien allein soll eine ungeheure Quantität sogenannten venetiani-
schen Stahls gebrauchen und der Absatz dahin würde noch gröſser
sein, wenn der Preis billiger gestellt werden könnte. Der übrige
schwedische Cementstahl ging hauptsächlich nach Portugal und
Livorno und wurde zu dem gleichen Preise wie der venetianische
berechnet. Man schätzte die Produktion von demselben auf 30000
Centner, welche fast ganz ausgeführt wurde. Ruſsland bezog davon
3000 Centner.


Auch in Norwegen wurde Cementstahl gemacht, und zwar auf
den groſsen Silberbergwerken zu Kongsberg, allerdings nur für den
eigenen Bedarf, und war das Verfahren in mancher Beziehung ab-
weichend. Man stellte sich das Rohmaterial selbst her, und zwar aus
den abgängigen Bergbohrern und sonstigem alten Schmiedeisen. Dieses
Schrott wurde in einem Herd, wie ein Frischherd, zu einer Luppe
eingeschmolzen, aus welcher man, nachdem sie unter einem groſsen
Hammer gezängt war, die Stäbe schmiedete. Der Ofen war von einem
geschickten Arbeiter des Werkes, welcher zu diesem Zweck nach
Schweden geschickt worden war, erbaut. Er hatte wie die schwe-
dischen Öfen drei Kisten, welche ungefähr 7 Fuſs lang, 1½ Fuſs
breit und 3⅓ Fuſs tief waren und zwischen deren jeder verschiedene
Zugöffnungen angebracht waren. Die beiden langen Seitenmauern
des Ofens trugen unten mit Hilfe breiter und dicker eiserner Schie-
nen, welche querüber dicht nebeneinander lagen und auf denen sich
eine Plättung von Ziegelsteinen befand, die Sohle dieser Kisten. Der
ganze Raum darunter war ein hohler Raum, an welchem sich zur
Regulierung des Zuges eine Thür befand. Der Ofen war nicht mit
einer Kuppel überbaut, sondern mit einem Tonnengewölbe, welches
auf den Seitenmauern ruhte und oben verschiedene Abzuglöcher
hatte, welche man mit Ziegeln zusetzen konnte. Die Besetzung
der Kisten glich in sofern mehr dem englischen Verfahren, als man
nur Kohlenstübbe, und zwar aus Buchenkohle, als Cementierpulver
verwendete. Die Feuerung war sehr ähnlich der von Reaumur
angegebenen. Der Ofen wurde mit groſsen Holzkohlen, welche
durch die Hilfe der Züge rund um und über die Kisten gestürzt
wurden, geheizt, und man lieſs oberwärts nur in der Mitte eine
kleine viereckige Öffnung, um das Feuer 12 bis 13 Tage, welche
Zeit zum Brennen erforderlich war, zu unterhalten. Das Feuer wurde
durch einen oder mehrere Züge, welche mit kurzen Holzstangen, die am
Ende mit Thon beschmiert waren, mehr oder weniger geschlossen
wurden, regiert. Man brauchte zu einem Brande etwa 30 Last
19*
[292]Der Eisenhüttenbetrieb um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
Holzkohlen. Bei dieser Art der Feuerung und Ofenkonstruktion
gaben nur die mittleren Lagen gut cementierten Stahl. Die Stäbe
wurden unter einem gewöhnlichen Reckhammer zu viereckigen Stäben
ausgeschmiedet.


Der Eisenhüttenbetrieb um die Mitte des
18. Jahrhunderts (1734 bis 1770)
.

Über den Zustand der Eisenindustrie um die Mitte des 18. Jahr-
hunderts geben besonders die Abhandlungen von Reaumur, Mar-
quis de Courtivron, Bouchu
und Duhamel in den Descrip-
tions des arts et métiers, die Reiseberichte von Gabriel Jars, ein
Aufsatz des Grafen Johann Christian von Solms-Baruth und
Calvörs Berichte über den Harz nähere Auskunft.


Das Brennmaterial.

Das gröſsere Interesse, welches man der Hüttenkunde in der
ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zuzuwenden begann, der zuneh-
mende Holzmangel und die bessere Erkenntnis der wirtschaftlichen
Bedeutung des Holzes und der Waldungen gaben Veranlassung, daſs
auch der Holzverkohlung gröſsere Aufmerksamkeit zugewendet
und dieselbe ebenfalls in den Kreis wissenschaftlicher Untersuchungen
gezogen wurde. 1740 veröffentlichte der schwedische Mineraloge
Magnus Wallner eine Abhandlung über die Köhlerei in Schweden 1).
Die meiste Anerkennung und Verbreitung fand aber die in den Des-
criptions des arts et métiers von der französischen Akademie der
Wissenschaften veröffentlichte Schrift von Duhamel du Monceau,
L’art du Charbonnier 1761 2). Es ist eine vortreffliche Schrift, in
[293]Das Brennmaterial.
welcher die Grundsätze der Holzverkohlung klar und praktisch aus-
einandergesetzt sind.


Die Verkohlung geschah allgemein in Meilern, welche gegen-
über den von Biringuccio beschriebenen nur den Fortschritt zeigen
daſs sie gröſser waren und sorgfältiger gesetzt wurden.


Die Arbeit begann mit dem Einebnen der Meilerstelle, welche
der Sicherheit des Waldes wegen von dem Forstbeamten be-
stimmt wurde. In der Mitte (Fig. 47 a) wurde alsdann der Mast-
baum (mât) oder Quandelpfahl errichtet. Um diesen die ersten,
Hölzer, aufrechtstehend, in etwas dem Pfahl zugeneigter Stellung,
indem sie mit ihren Köpfen gegen denselben anlehnen, gestellt.

Figure 52. Fig. 47.


Um diesen ersten Ring setzt man den zweiten, dritten u. s. w.,
bis die ganze untere Lage, die aus den längsten und stärksten
Hölzern besteht, einen Durchmesser von 5 bis 6 Fuſs hat. An
einer Stelle am Boden läſst man einen Kanal offen, indem man
einen Rundbaum b einlegt, den man später auszieht. Dieser Kanal,
der bis zu dem Quandelpfahl geht, bildet die Zündgasse. Nach-
dem der innere Ring der untersten Lage gesetzt ist, beginnt der
Köhler mit dem Aufsetzen der zweiten Lage, was auf dieselbe Art
vom Boden aus geschehen kann, und entsprechend mit dem Fort-
schritt der zweiten Lage, setzt er die erste weiter, bis der vorge-
schriebene Umkreis des Meilers erreicht ist. Um die beiden oberen
Lagen zu setzen, muſs er bei groſsen Meilern auf dieselben steigen.
[294]Der Eisenhüttenbetrieb um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
(Fig. 47). Dadurch, daſs die Hölzer jeder folgenden Lage von geringerem
Durchmesser etwas mehr geneigt sind, bekommt der Meiler seine
haubenförmige Gestalt. Die gewöhnlichen kleineren Meiler faſsten
5 bis 10 Klafter (corde) 1) Holz, während die groſsen Meiler für die
Eisenhütten bis zu 50 Klafter Holz faſsten. Groſse Meiler sind viel
vorteilhafter als kleine, indem der Abbrand bei ersteren nicht viel
gröſser ist als bei kleinen. Bei Meilern von 10 Klafter schätzte man
den Verlust durch Abbrand einschlieſslich des Reisigholzes in der
Zündgasse auf den fünften Teil (20 Proz.), bei Meilern von 50 Klafter
aber war er viel geringer.


Nun macht man die Decke des Meilers aus Erde und Asche
Man wendet dazu die Erde an, die man in der unmittelbaren Nähe

Figure 53. Fig. 48.


des Meilers gräbt, vorausgesetzt, daſs sie nicht sandig oder steinig
ist. Der Köhler schlägt sie mit der Rückseite der Schaufel fest
(Fig. 48); um besser zu halten, muſs sie etwas feucht sein. Man
bedeckt auf diese Weise den ganzen Meiler 3 bis 4 Zoll dick, mit
Ausnahme einer Öffnung an der Spitze von etwa ½ Fuſs Durch-
messer, um hieraus den ersten Rauch entweichen zu lassen. Da wo
man Meiler ohne Zündgasse anlegt und von oben anzündet, läſst man
ringsum am Boden den Meiler einen halben Fuſs hoch unbedeckt,
und erst wenn er ordentlich in Brand geraten ist, bedeckt man auch
den Fuſs des Meilers. An manchen Plätzen bediente man sich des
Laubes statt der Erde als Deckmaterial. In Deutschland nahm man
[295]Das Brennmaterial.
fast allgemein ausgestochenen Rasen dazu, welcher die besten Decken
giebt.


Man schreitet nun zum Anzünden des Meilers, was bei den be-
schriebenen durch die Zündgasse geschieht, durch welche das Feuer
nach dem Quandel, den man mit kleinem, trockenem Holz umgeben
hat, geleitet wird. Der Zug geht am Quandel in die Höhe und oben
strömt dicker, weiſser Rauch aus. Dieses Centralfeuer erhitzt das
Holz des Meilers nach allen Seiten hin. An der Menge, dem Aus-
sehen des Rauches und einem geringen Einsinken an der Spitze er-
kennt der Köhler, ob der Meiler in der Mitte gehörig durchgebrannt
ist, was gewöhnlich nach 10 bis 15 Stunden eintritt. Alsdann ver-
schlieſst er die obere Öffnung in der Decke und die Zündgasse am
Boden. Die Glut im Inneren verbreitet sich nun durch den ganzen
Meiler, infolge dessen fängt die Decke an zu schwitzen. Daſs diese
Ausbreitung der Hitze nach allen Seiten hin geschieht, ist nun die
Hauptsorge des Köhlers. Er trägt dazu bei, indem er da, wo die
Hitze am schwächsten ist, Löcher mit dem Schippenstiel in die Decke
stöſst. Diese bilden kleine Essen, nach denen sich das Feuer hin-
zieht. Dies wird bei regelmäſsigem Verlauf zuerst am äuſseren Rande
am Boden, der von dem Mittelpunkte der Verbrennung am weitesten
entfernt ist, nötig sein. Dort stöſst man ringsum eine Anzahl Löcher.
Entstehen während des Brennens Risse und Einsenkungen in der Decke,
so muſs der Köhler immer rasch bei der Hand sein, um dieselben durch
Auftragen und Schlagen von neuem Deckmaterial wieder zu schlieſsen.
Auf diese Weise regiert der Köhler durch Öffnen und Decken die Hitze
in seinem Meiler, der, wenn die Verkohlung richtig voranschreitet,
gleichmäſsig einsinkt. Ist der Meiler an einer Stelle genügend durch-
gebrannt, so schlieſst der Köhler die Öffnung daselbst. Als Kenn-
zeichen dient ihm hauptsächlich das Aussehen des Rauches, der den
Öffnungen entströmt. Seine Kunst besteht darin, das Holz richtig
durchbrennen zu lassen, ohne es zu verbrennen. Viele Zufälligkeiten
haben darauf Einfluſs, z. B. der Wind, den man, wenn er zu stark
bläst, durch vorgesetzte Schirme aus geflochtenen Horden abhält.
Ein kleiner Meiler brennt 3 bis 4 Tage, ein groſser 6 bis 7 Tage.
Der Meiler sinkt durch das Brennen etwa um die Hälfte ein; nach-
dem er vollständig abgekühlt ist, fängt man an einem Punkte mit dem
Ziehen der Kohlen an.


Für die Hüttenwerke war die Wahl des Holzes und der Kohlen
von Wichtigkeit. Man machte Kohlen aus harten und aus weichen
Hölzern. Von ersteren kamen besonders Eichen und Buchen, von
[296]Der Eisenhüttenbetrieb um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
letzteren Fichten in Betracht. Erstere gaben mehr Hitze, von letz-
teren glaubte man, daſs sie dem Eisen mehr Geschmeidigkeit bei-
brächten. Gewachsenes Rundholz zog man dem gerissenen Stamm-
holz vor. Am besten war das Holz von 18 bis 20jährigen Schlägen,
in Stangen von 6 bis 12 Zoll im Umfang. Dieses Holz wurde zum
Verkohlen in Stöcke von 2 bis 3 Fuſs Länge zerhauen.


Gute Holzkohle sollte leicht, klingend und von groſsen glänzen-
den Stücken sein, die sich leicht zerbrechen lieſsen. Im Hochofen
verwendete man nur groſse Kohlen.


Die Köhlerei war ein wichtiger Teil der Waldwirtschaft und der
Kohlenbezug eine Existenzfrage der Eisenhüttenwerke. Ein fran-
zösischer Hüttenmeister Robert hatte schon früher die Behauptung
aufgestellt, daſs ein Hochofen mehr Holz verbrauche als zwei kleinere
Städte, und Duhamel stellte folgende Berechnung an. Ein Hoch-
ofen verzehrte täglich 8 Fuder (bannes) Kohlen. Zu einem Fuder
Kohlen waren 4 Klafter (cordes) Holz nötig. Folglich verzehrte ein
Ofen täglich 32 Klafter, oder im Jahre 11680 Klafter Holz. Ein
Morgen Wald in Schlage von 20 Jahren eingeteilt, giebt auf den
Schlag nicht mehr als ungefähr 36 Klafter Holz. Ein Hochofen ver-
brauchte also die ganze Produktion von 324 Morgen forstmännisch
betriebenem Wald, wobei eine Tagesproduktion von 2000 kg Roheisen
angenommen war 1).


Kein Wunder, daſs, wo die Eisenindustrie sich ausdehnte, Holz-
mangel entstand. In vielen Gegenden, besonders in England und den
Niederlanden, war man gezwungen, entweder die Eisenindustrie zu
Grunde gehen zu lassen, oder Ersatzmittel für die Holzkohle
zu finden. Solche Ersatzmittel boten sich im Torf und in der
Steinkohle dar. Der Torf gab in seinem natürlichen Zustande als
Stechtorf zu wenig Hitze aus, dagegen war er in gekohltem Zu-
stande verwendbar. Die Steinkohle bewährte sich im Schmiedefeuer
vortrefflich, da sie eine viel raschere Hitze gab als Holzkohle. Im
Frischherd und im Hochofen war sie in rohem Zustande nicht zu
gebrauchen. Aber man hatte gelernt, auch die Steinkohle ähnlich
wie das Holz zu verkohlen, oder wie man es später nannte zu ver-
koken.


In England machte man bereits im 17. Jahrhundert Versuche,
Torf zu verkohlen und in der Eisenindustrie zu verwenden. Fast
[297]Das Brennmaterial.
in allen Patenten, welche für die Verwendung der Steinkohle bei der
Eisenbereitung genommen wurden, wird der Torf neben der Stein-
kohle genannt. So nahmen z. B. schon 1630 Edw. Ball, Edm. Laselles,
Rob. Hampton und William Auley in Patent, Torf (peat or turf) in Kohle
zu verwandeln und damit Eisen, Blei und Zinn zu machen und für andere
Zwecke, ohne dabei Holz, Holzkohlen oder Steinkohlen zu benutzen.


Edward Jorden erhielt am 17. Dezbr. 1632 ein Patent, Eisen,
Zinn, Blei und Kupfererze mit Steinkohle und Torf zu schmelzen;
ebenso 12. Dezbr. 1637 Sir Philibert Vernatt Schmiedeeisen mit Stein-
kohlen oder Torf zu machen, und am 2. Mai 1638 Sir George Horsey,
David Ramsey, Roger Foulke und Dudd Dudley Eisen zu machen mit
Steinkohlen oder Torf (with sea or pitt coale, peate, or turffe). Des-
gleichen 30. Mai 1673 Sir Nicholas Slanning für Schmelzen, Gieſsen,
Frischen und Schmieden von Eisen und anderen Metallen mit ver-
kohltem Torf (with turffe and peate charred).


Johann Joachim Becher schreibt in seiner „Närrischen Weisheit
und weisen Narrheit“ 1683, 12. Bd., S. 91:


„In Holland hat man Turf und in England Steinkohlen, beyde
tauchen nicht viel zum Brande, weder in Zimmern noch zum Schmelzen.
Ich habe aber einen Weg gefunden, daſs sie nicht allein nicht mehr
rauchen und stinken, sondern mit den Flammen davon so stark zu
schmelzen, als mit dem Holze selbst, und so eine groſse Extension
der Feuerflammen, daſs ein Schuh solcher Kohlen zehn Schuh lange
Flammen machen. Das habe ich im Harz demonstriert mit Turf und
hier in England bei dem Herrn Boyle mit Steinkohlen, auch in
Windsor damit in groſso abgetrieben.“


Am 9. Febr. 1727 erhielt William Fallowfield ein Patent, Eisen-
erz zu Roheisen zu schmelzen, mit einem anderen Brennmaterial als
dem seither gebräuchlichen und dasselbe anzuwenden zum Frischen
und Ausschmieden des Roheisens in Stäbe. Das Brennmaterial war
verkohlter Torf (charred peat or turf) gemischt mit einer geringen
Menge Holzkohlen.


Erfolg scheinen diese Versuche aber nicht gehabt zu haben,
wenigstens ist nichts darüber bekannt. In Deutschland machte man
im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts ebenfalls Versuche, Holzkohle
zum Teil durch Torfkohlen zu ersetzen, und zwar, wie berichtet wird,
mit Erfolg. Justi schreibt in einer Anmerkung in seiner Übersetzung
des Artikels der Descriptions: Über die Kunst des Kohlenbrennens“ 1):


[298]Der Eisenhüttenbetrieb um die Mitte des 18. Jahrhunderts.

„Der Herr Duhamel gedenket in dieser ganzen Abhandlung
nichts von der Art und Weise den Torf zu verkohlen, welches doch
eine der nützlichsten Erfindungen unseres Jahrhunderts ist; indem
die Torfkohlen nicht allein zu allen Endzwecken angewendet werden
können, wie die Holzkohlen, sondern auch zum Eisenschmelzen dienlich
sind und sogar etwas beitragen, mehr Eisen aus den Minern aus-
zubringen, als sie an sich selbst mit Holzkohlen geben würden, ohne
daſs das Eisen dadurch spröde wird. Diese Erfindung ist schon
seit 40 Jahren in Deutschland gemacht worden
(also um 1720).
Man hat insonderheit in Sachsen die getrockneten Torfstücke in eben-
solchen Meilern verkohlt, wie das Holz; nur mit dem Unterschiede,
daſs man die Torfmeiler nicht so hoch gesetzt, und nachdem man
einen leeren Raum um den Mast herum gemacht, zwischen jedem
Umkreise von Torfstücken um den Mast herum zur Formierung des
Bettes einen starken Zoll breit Raum gelassen hat. Allein seit unge-
fähr 16 Jahren (um 1744) hat man zur Verkohlung des Torfes be-
sondere Öfen erfunden, die viel bequemer sind und die Arbeit sehr
erleichtern, sowohl als die Kohlen verbessern.“


Diese Erfindung ist meines Wissens in der Grafschaft Wernige-
rode
gemacht worden. Das Verkohlen geschieht in runden eisernen
Öfen, die auf einem viereckigen starken Gemäuer ruhen. Ein solcher
eiserner Ofen hat drei Sätze, die aufeinander gesetzt werden, davon
die oberen Sätze immer kleiner sind als die unteren. Der oberste
und kleinste Satz hat oben eine Öffnung, wodurch der Torf hinein-
gethan werden kann und die man nach Gefallen mit einer Thür ver-
schlieſst. Der untere eiserne Satz hat oben einen Rost, worauf die
Torfstücke zu liegen kommen; und die vier steinernen Grundmauern
haben ebenfalls eine eiserne Thür, die verschlossen werden kann.
Wenn man den Torf verkohlen will, so wird auf dem Rost mit wenig
dürrem Holze Feuer angemacht und die Torfstücke werden von oben
schichtweise darauf gelegt. Sieht man, daſs der Torf genugsam Feuer
gefangen hat, so wird die untere Thür in dem steinernen Gemäuer
verschlossen und sorgfältig mit Lehm zugeschmiert. Zugleich legt
man den Ofen mit Torfstücken voll, und wenn man findet, daſs der
ganze Haufen fast bis oben glüht, so wird auch die obere Thür zu-
geschlossen und verschmiert. Bald darauf verschmiert man auch alle
übrigen Fugen und Ritzen und in zwölf Stunden wird der leichte
Torf, in ungefähr 24 Stunden aber der feste Torf sehr wohl verkohlt
sein. Wenn man sechs bis acht solche Öfen hat und die Arbeit nach
einer gewissen Ordnung und Abwechselung darinnen vornimmt, so
[299]Das Brennmaterial.
stehen die Arbeiter in beständiger Beschäftigung und es kann eine
sehr groſse Menge Torfkohlen genommen werden. Eine Hauptsache
ist, daſs der Torf vorher sehr wohl getrocknet wird.


Über diese Torfverkohlung giebt Bornemann in seiner „Ab-
handlung von den Kohlen“ 1774 nähere Nachrichten. Danach hätte
Oberberghauptmann von Carlowitz in Sachsen die Torfverkohlung im
Anfang des Jahrhunderts erfunden und eingeführt. Sein Verfahren war
aber die Verkohlung in Meilern und er hat dasselbe in seiner Sylvicultura
Oeconomica näher beschrieben. Nach seinem Tode ging die Sache
wieder ein. Später habe dann Graf Christian Ernst von Wernigerode
und ein Herr von Lange das Verfahren verbessert und es um die Mitte
des Jahrhunderts auf die Höhe gebracht, auf der es jetzt (1774) stehe.


Bornemann giebt eine genauere Schilderung und Zeichnung der
oben beschriebenen eisernen Verkohlungsöfen, auf die wir verweisen.
Er erwähnt, daſs die Meilerverkohlung deshalb bei Torf nicht gut
verwendbar sei, weil die Torfkohle durchaus kein Wasser vertrage
und deshalb das Löschen sehr schwierig sei. In den Öfen erfolgte
das Löschen, wie auch aus Justis Beschreibung hervorgeht, durch
vollkommenen Luftabschluſs. Ebenso betont er, wie Justi, daſs der
Torf vor dem Einsetzen gut getrocknet werden müsse. Zu diesem
Zwecke habe man auf dem gräflich wernigerodischen Werke sehr groſse,
fünf Stockwerke hohe Trockenhäuser gebaut. Dieselben seien mit Brettern
beschlagen, welche immer je drei Fuſs voneinander abständen. Nach
diesem Verfahren wurde damals schon länger als 20 Jahre der Torf
in der Umgebung des Brockens verkohlt, und dasselbe Verfahren war
nach Bornemanns Angabe im Wittgensteinschen eingeführt worden.
Kammerrat Cramer hatte gefunden, daſs sich das Ausbringen von Eisen
bei der Verschmelzung mit Torfkohle vermehre, infolge des Eisengehaltes
des Torfes. Man verwendete die Torfkohle gemischt mit Holzkohle.
In Schweden solle man aber auch nur mit Torf gutes Eisen machen.


Von älteren Schmelzversuchen mit Torf erwähnen wir noch die
1765 auf der Eisenhütte zu Röhrenbach im Salzburgischen gemachten.
Man verwendete rohen Torf. Ein Versuch mit reinem Torf gab nur
verbrannte Eisenschlacke. Zusätze zu Holzkohlen von ½ bis ⅓ und
⅙ gaben nur schlechtes, sprödes Eisen. Bei 1/7 Zusatz erhielt man
weiſses, strahliges Eisen. Man gab die Versuche auf. Nur wenn sich
Ansätze oder Hurten im Ofen gebildet hatten, soll ein geringer Torf-
zusatz sich als vorteilhaft erwiesen haben 1).


[300]Der Eisenhüttenbetrieb um die Mitte des 18. Jahrhunderts.

1771 und 1772 machte die Gewerkschaft zu Hammerau Frisch-
versuche mit Torfkohle.


Über die in den beiden letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts
gemachten Versuche über die Verwendung von Torf und Torfkohle
an Stelle von Holz und Holzkohle werden wir später berichten.


Von den früheren Versuchen, Steinkohle zu verkohlen, haben
wir bei der Schilderung von Dud Dudleys erfolgreichen Bemühungen,
Eisenerze mit Steinkohlen im Hochofen zu schmelzen, schon mehreres
berichtet (Bd II, S. 1269).


Wir wollen, ehe wir auf die weitere Entwickelung der Verkokung
eingehen, eine Zusammenstellung bemerkenswerter Nachrichten über
Steinkohlen
seit Anfang des 16. Jahrhunderts vorausschicken.


Im Wurmrevier bei Aachen ging man um diese Zeit zum Tief-
bau über. Auſser der gewöhnlichen Haspel bediente man sich der
Pferdegöpel, deren Erfindung man in das Jahr 1504 setzt. Aus dem
Jahre 1532 stammt die erste schriftliche Steinkohlenordnung für
Zwickau, obgleich der Bergbau daselbst bis in den Anfang des
15. Jahrhunderts zurückgeht und jedenfalls schon früher bergrechtliche
und polizeiliche Bestimmungen bestanden. In jener Zeit hatte aber der
Kohlenbergbau noch keine groſse Bedeutung, da das Klafter Holz
nur sechs bis sieben Groschen kostete. Der älteste regelmäſsige Berg-
bau war in Planitz. Die erwähnte erste Kohlenordnung wurde vom
Stift Grünhain und dem Ritter von der Planitz erlassen. Dieser
folgte 1552 die erste churfürstlich sächsische Steinkohlenordnung.


1545 ging Eisen von den badischen Hüttenwerken nach Köln und
Berg, dafür kamen Steinkohlen zurück, welche wie Holz verzollt
wurden 1).


Sebastian Münster meldet in seiner Kosmographey (1550), man
habe in den letzten Jahren in Wallis ein Bergwerk, auf ein Mineral,
so man Kohlstein nennt, gefunden. Diesen Stein brauche man zum
Kalkbrennen wie zu Aachen und Lüttich. Er brenne bis zur Asche
und gäbe viel Hitze. Etliche brauchten ihn, um die Stuben zu heizen.
In dem Niederland und Aachen koche man die Speisen damit. Sie
fänden sich im Bremisthal gegen Sitten über am Wasser unter den
groſsen Felsen.


Für den Lütticher Steinkohlenbergbau wurden im 16. Jahrhundert
verschiedene Gesetze erlassen, so am 21. Juni 1571 ein Privilegium
Kaiser Maximilians II. für das Bistum Lüttich.


[301]Das Brennmaterial.

Am 22. Dezbr. 1582: Edit touchant la manière de conquérir les
mineraux extans dans le fond d’autruy.


Caesalpinus erwähnt 1596, daſs man zu Lüttich die Steinkohlen
zur Eisenbereitung verwende. Guicciardini sagt, man könne den übeln
Geruch der Steinkohlen durch Einwerfen von Salz vertreiben.


1616 wurde im Wurmrevier das erste von einem Wasserrade
getriebene Pumpwerk bei dem Dorfe Manbach im Wurmthal oberhalb
Herzogenrat auf einer Kohlengrube der früheren Abtei Klosterrat auf-
gestellt.


In einem alten Buche über Steinkohlen, Sylva Subterranea oder
Vortreffliche Nutzbarkeit des unterirdischen Waldes der Steinkohlen
von Joh. Phil. Bünting, Halle 1693, finden sich noch allerhand Curiosa.
Der Verfasser berichtet, es gäbe zweierlei Meinungen über den
Ursprung der Steinkohlen: 1. daſs die Steinkohlen nach Erschaffung
der Welt durch Kraft der Natur und Macht der Erde generiert und
entstanden wären; 2. daſs sie gleich anderer Kreatur mit dem Anfang
der Welt erschaffen. Die erstere Ansicht sei ketzerisch und gänzlich
zu verwerfen. Zwei Stellen der heiligen Schrift bringt Bünting direkt
mit den Steinkohlen in Verbindung, nämlich Jesaias Kap. 60, V. 17:
„Er wird Erz anstatt Holzes bringen“, wo Erz = terra bituminosa,
Steinkohle, sei und Hiob Kap. 28: „Man bringet auch Feuer unten
aus der Erde, da doch oben Speise aufwächset“, wo Feuer = materia
inflammabilis vel combustibilis sei. Viele hielten auch die Steinkohlen
für nutrimenta et excrementa metallorum, weil oft Erz mitbricht.
Der Verfasser ist der Ansicht, daſs die Steinkohlen mit der Welt
erschaffen, aber mit besonderem Samen zu ihrer Fortpflanzung und
Wachstum begabt seien. Er erzählt, Luther habe prophezeit, daſs
vor dem jüngsten Tage an drei Dingen Mangel sein werde: 1. an
guten, aufrichtigen Freunden; 2. an tüchtiger, wichtiger Münz; 3. an
wilden Holzungen. Dies sei Alles jetzt eingetroffen. Vielleicht könnten
aber die Sylva subterranea noch helfen. Libavius sage (I. Singul.
P. 3, c. q. p. 1045), die Steinkohlen sind gegrabene, schwarze und
harzige oder Pechkohlen, hart wie Steine und sehr schwefelig, gar
leichtlich aber anzubrennen, daher sie auch zum Einheizen und zu
den Schmiedearbeiten sehr bequem und dienlich sind. Agricola sei
der Meinung, daſs die Steinkohlen ein fetter, harzigter mit einer
schwefligen Materie vermischter Safft sei, der also in der Erde ver-
härtet und zum Steine geworden sei. Cardanus sagte: Engelland ist
so voll von schwarzem Judenpech, welches man bitumen nennt, daſs
man allda die Steine und Erde damit brennet. Encelius melde in
[302]Der Eisenhüttenbetrieb um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
libr. de lithantraco (1557), daſs die Kohlen von Newcastle nicht bloſs
nach England und Schottland, sondern auch nach Holland, Dänemark
und Hamburg zu verschiedenem Gebrauch verführt werden.


Kentmannus unterscheide 1. Bitumen Bohemicum, böhmische
Kohle; 2. Carbones bithuminosi et fossiles non procul Dresdae, weiche
Steinkohle; 3. Bituminosi cum pyrite aluminoso effosi, Steinkohlen mit
Alaun; 4. Bituminosi duri fossiles, gute Steinkohle, Pechkohle; 5. Bi-
tuminosi molles friabiles und 6. Steinkohle mit weiſsem Fluſs. Er
sagt, an denjenigen Orten, an denen Holz teuer ist, gebrauche man
Steinkohlen zum Einheizen. Der Verfasser beschreibt dann einen
Steinkohlen-Stubenofen mit hohlem Untersatz und einem Rost aus
schmiedeeisernen Stäben, wie ein Bratrost. Er empfiehlt das An-
feuchten der Kohlen und rühmt die Steinkohlen als Stubenbrand.
Arme Leute könnten sich statt des eisernen Rostes eines Rostes von
Ziegelsteinen bedienen. Sehr vorteilhaft sei das Nachlegen von ovalen
Klumpen, die ¼ Elle lang und ½ Elle dick, aus 2 Teilen kleiner
Kohlen, 1 Teil Steinkohlenasche und 1 Teil Lehm hergestellt und
getrocknet seien. Mit zwei bis drei Metzen könne man den ganzen
Tag über eine Stube damit warm halten. Das Mischen der Stein-
kohlen mit Lehm sei lütticher und brabanter Art.


Bezüglich der Verwendung in den Eisenschmieden bemerkt er,
Agricola habe schon gesagt, daſs ein Schmied mit einem Scheffel
Steinkohlen mehr verschmieden könne, als mit fünf Scheffel Holz-
kohlen, was auch Libavius bekräftige und von den Zwickauer Stein-
kohlen melde, daſs die Schmiede durch das ganze Meiſsner Land die-
selben zu ihrer Arbeit gebrauchten. Die Steinkohlen gewährten hierbei
wohl groſse Ersparnis, erforderten aber auch gröſsere Aufmerksamkeit.
Man müsse sie gut nässen, sonst würden sie durch den Schornstein
geblasen. Man verwendete sie auſserdem in Backöfen, zum Bierbrauen,
Kalkbrennen, Salzsieden u. s. w. Zum Erzschmelzen aber tauchten
sie nichts. In Newcastle seien sie so geschätzt, daſs ein Bettler lieber
ein Stück Steinkohle nehme als ein Stück Brot.


In Newcastle kosteten 1536 die Steinkohlen 2 Schilling 6 Pfg. das
Cauldron 1), in London 5 Schilling. — 1590 vereinigten sich die Gewerke
in Newcastle zu einer künstlichen Teuerung (der erste Kohlenring!),
infolge dessen stieg der Preis auf 9 Schilling das Cauldron.


1615 beschäftigte der Newcastler Steinkohlenhandel 400 Segel-
schiffe, davon dienten 200 für den Bedarf der Stadt London, 290 für
[303]Das Brennmaterial.
das übrige England. Auſserdem waren viele fremde Schiffe an dem
Kohlenhandel beteiligt, so von Frankreich 55 Schiffe, die bis nach
la Rochelle und Bordeaux gingen; ferner Schiffe aus Hamburg, Bremen,
Emden, Holland und Seeland.


1627 entstand in London Kohlennot infolge des Krieges im
Norden. Karl I. legte einen Zoll von 6 Pfg. auf jedes Cauldron.
1634 betrug der Zoll nur 4 Pfg. für die Exportkohlen.


1637 monopolisierte der König den Steinkohlenhandel und über-
trug Sir Thomas Tempest und andern den Verkauf für 21 Jahre.
Schon im folgenden Jahre erhielt eine andere Gesellschaft das Privileg,
Thomas Horth und Genossen. Sie muſsten dem König einen Schilling
von jedem Cauldron bezahlen und durften deshalb in London im
Sommer nicht über 17 Schilling, im Winter nicht über 19 Schilling
verkaufen.


1655 kostete das Cauldron aber 20 Schilling. Damals waren zu
Newcastle 320 Schiffe und Lichter, von denen jedes 800 Chaldrons
faſste nach Newcastler Maſs. 136 Chaldrons Newcastler Maſs waren
aber gleich 217 Chaldrons Londoner Maſs.


1676 war der Kohlenbrand schon sehr allgemein geworden. Es
wurden in Newcastle 80000 Tonnen verschifft, das vierfache gegen 1636.


Von den vielen Versuchen, die Steinkohlen in der Eisenindustrie
zu verwenden, haben wir zum Teil schon berichtet.


Bereits im Jahre 1589 gewährte Königin Elisabeth 1) an Thomas
Procter und William Peterson ein Patent, Eisen und Stahl zu machen
und Blei zu schmelzen mit Steinkohlen und Torf (with earth coal,
sea coal, turf and peat). Aber die Unternehmer machten schlechte
Geschäfte. In diesem Patent war aber schon eine deutliche Anspielung
auf einen vorbereitenden Prozeſs (coking oder cooking) des Brenn-
materials. Cooked peat, also Torfkohle, war der Brennstoff, mit dem
die Obigen zwei Tonnen hergestellt hatten.


1590 erhielt der Dekan von York eine Licenz, Steinkohle zu
reinigen und sie von ihrem widrigen Geruch zu befreien. Über den
Erfolg ist aber nichts bekannt.


1607 bekam Robert Chantrell ein Patent für das Herstellen und
Schmieden von Eisen und Stahl mit Steinkohle und Torf. Nun
folgten die bekannten Patente von Sturtevant, Rovenzon und Dudley.
Auch die übrigen Patente aus dem 17. Jahrhundert, welche sich auf
[304]Der Eisenhüttenbetrieb um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
die Gewinnung des Eisens mit Steinkohle beziehen, haben wir bereits
erwähnt. Sie enthalten keine nähere Angabe über die Vorbereitung
der Steinkohle für ihre Verwendung im Hochofen. Es wurde aber
bereits nachgewiesen, daſs diese Vorbereitung, die Verkokung der
Steinkohle jedenfalls das wichtigste Geheimnis Dud Dudleys, dem es
gelang, Eisen mit Steinkohle im Hochofen zu schmelzen, war. Die
Frage der Verkokung beschäftigte die Techniker des 17. Jahrhunderts
andauernd. Aus Plots Geschichte von Staffordshire erfahren wir,
daſs dort gegen Ende des Jahrhunderts die Verkohlung der Stein-
kohle in Meilern bereits in Übung stand. Von den Patenten des
17. Jahrhunderts heben wir besonders noch zwei hervor, weil die-
selben sich nur auf die Verkokung beziehen. Das eine wurde bereits
im Jahre 1632 an Sir Abraham Williams, John Gaspar van Wolfen,
Edward Hanchett, Amadis van Wolfen, Walter Williams, Henry Reignolds,
John Browne und Gaspar Fredericke van Wolfen erteilt, „für ein
neues Verfahren der Verkohlung von Steinkohle (Charking of Seacole)
und jeder Art Erdkohle und für die Aufbereitung und Zurichtung
derselben, um sie geeignet zu machen, Eisen und andere Metalle zu
schmelzen, sowie für jede Art von Verwendung noch über die hinaus,
die sie bis jetzt gefunden hatte. — Eine Beschreibung des Ver-
fahrens ist nicht mitgeteilt, nur ist in dem Patent (Letters Patent,
Nr. 65) gesagt, daſs den Patentinhabern auch das Recht zustehen
solle, auf fremdem Grund und Boden Öfen oder andere Gefäſse zu
errichten (and further agreeing with the tennants and occupiers of
the soyle to sett opp in any place or places with in our domynions
any house or houses, furnace or furnaces, vessel or vessels,
or any other ymplements whatsoever fitt and necessary for the
putting in practice of the said mistery), woraus sich vermuten läſst,
daſs ihr Verfahren in geschlossenen Öfen oder Gefäſsen ausgeführt
wurde.


Von groſsem Interesse ist auch das andere Patent, welches der
deutsche Gelehrte Becher, der mit Prinz Rupprecht von der Pfalz,
dem Enkel Jakobs I., in naher Beziehung stand, erhielt, obgleich
dessen Hauptzweck die Gewinnung der Destillationsprodukte der
Steinkohlen, Teer und Teeröle, war. Dieser Teer wurde bei der
königlichen Marine, an deren Spitze Prinz Ruppert damals stand, an-
gewendet.


In seiner „Närrischen Weisheit“ schreibt Becher darüber 1):
[305]Das Brennmaterial.
„Bey dieser Occasion ist auch merkwürdig, daſs gleich wie die
Schweden ihren Teer aus Kiefernholz machen, also habe ich hier in
England aus Steinkohlen Teer gemacht, welcher dem Schwedischen
in Allem gleicht stehet und noch in etlichen Operationen darüber
ist. Ich habe die Probe davon gemacht, sowohl auf Holz als auf
Stricke und ist diese gut befunden worden, gestattete auch der König
eine Probe davon zu sehen, welches für die Englischen eine groſse
Sache ist und die Kohlen, wenn der Teer daraus gegangen ist, sogar
besser zum Gebrauch als vorhin.“ Von den trefflichen Eigenschaften
dieser zurückbleibenden Kohlen spricht er noch an einer andern
Stelle 1): „Ich habe einen Weg gefunden, nicht allein beyde Sorten
(Steinkohlen und Torf) zu guten Kohlen zu brennen, die nicht mehr
rauchen noch stinken, sondern mit den Flammen davon so stark zu
schmelzen, daſs ein Schuh solcher Kohlen 10 Schuhe lange Flammen
machen“ . . . .


Zu praktischer Bedeutung kam die Steinkohlenverkokung durch
die Darbys, denen es gelang, mit Koks Roheisen zu erzeugen. Sie
bedienten sich der Haufenverkohlung. Nachdem Darby die Aus-
führbarkeit und Zweckmäſsigkeit des Hochofenbetriebes mit Koks
bewiesen hatte und dies anerkannt war, entstanden in den verschiedenen
Teilen Englands Kokshochöfen und die Steinkohlenverkohlung kam
in groſse Aufnahme.


Die Kunde dieses Erfolges, welcher der erste groſse Schritt für
die Herrschaft der englischen Steinkohlen-Eisenindustrie war, drang
ins Ausland und Jars wurde von der französischen Regierung haupt-
sächlich nach England geschickt, um die Gewinnung und Verwen-
dung der Steinkohlen zu studieren. Die Beschreibung des englischen
Steinkohlenbergbaues bildet denn auch den hauptsächlichen Teil seines
Berichtes über seine englische Reise und er hat darin die verschiedenen
Arten der Koksfabrikation, welche er kennen gelernt hat, beschrieben.


Die Koks für die Hochöfen wurden meist bei denselben in
Meilern bereitet. Man verfuhr dabei ganz ähnlich wie bei der
Holzverkohlung.


Zu Clifton Furnace richtete man runde Meilerstätten von 10 bis
12 Fuſs im Durchmesser zu; auf diesen wurden Stückkohlen derart
aufgesetzt, daſs die Luft durch den ganzen Haufen zirkulieren konnte.
Ein solcher Meiler hatte die Gestalt eines Kegels, dessen Höhe von
der Spitze an bis auf die Grundfläche ungefähr 5 Fuſs betrug. Wenn
Beck, Geschichte des Eisens. 20
[306]Der Eisenhüttenbetrieb um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
nun die Kohlen auf die vorbeschriebene Art aufgesetzt waren, so
wurden auf die Spitze etliche glühende Kohlen gelegt und der Meiler
alsdann mit Stroh, darüber mit Erde und Kohlengrus beschüttet, der-
gestalt, daſs die Erde eine Decke von 1 Zoll Dicke über das Ganze bildete.
Es standen immer viele dergleichen Meiler im Feuer, bei denen nur zwei
Mann arbeiteten, einer des Tages, der andere des Nachts, und welche
besonders darauf achten muſsten, von welcher Seite der Wind kam.
Wenn während der Arbeit Risse oder Löcher in dem Meiler ent-
standen, so muſsten sie dieselben, damit die fertigen Koks nicht ver-
brannten, sogleich zustopfen. Die Koks von Clifton Furnace sahen
denen von Carron nicht ähnlich und waren sehr locker.


Die Verkokung der Steinkohlen geschah zu Carron ebenfalls in
Meilern, die aber viel niedriger waren. Das runde Bett der Meiler-
stätte auf der bloſsen Erde hatte 10 bis 15 Fuſs im Durchmesser.
Daneben lag immer eine Mischung aus Kohlengrus und Asche von
der vorhergehenden Arbeit bereit. Die Kohlen wurden nun so auf-
geschichtet, daſs sie am Rande 7 bis 8 Zoll, in der Mitte höchstens
1 Fuſs hoch lagen. Der Haufen wurde auch in der Mitte entzündet
und wie sich das Feuer ausbreitete, Kohlengrus und Asche mit der
Schaufel aufgeworfen, ohne aber das Feuer dadurch zu ersticken.
Hatte sich die Flamme überall hin ausgebreitet und war dann er-
loschen, so war das Harz ausgetrieben und die entschwefelten Kohlen
wurden durch weiteres Aufwerfen von Mulm und Asche erstickt. Diese
Arbeit dauerte 40 Stunden. Den Koks beschreibt Jars als heller als
die Steinkohle, aber als weit schwärzer als die Cinders, welche man
in Newcastle mache. Die Kohle laufe aber auch nicht im Feuer
zusammen wie die von Newcastle.


Die Verkohlung an letzterem Platze geschah aber auch in ganz
anderer Weise, nämlich nicht in Meilern, sondern in Öfen. Der
ursprüngliche Zweck dieser Verkohlung war ein nicht rauchendes und
riechendes Brennmaterial für den Hausbrand herzustellen; man nannte
sie Entschweflung. Die Koks hieſsen wegen ihrem geflossenen, schlack-
artigen Zustand Cinders.


Die Öfen sind in Fig. 49 u. 50 abgebildet; das äuſsere Mauer-
werk war viereckig, der innere Ofenraum rund. An manchen Plätzen
standen drei in einem gemeinschaftlichen Mauerwerk. In der Anlage
zu Newcastle, die Jars beschreibt, standen neun am Wasser. Sie
waren nach einem Muster gebaut, nur abweichend in der Gröſse.
Man verwendete am liebsten für diese Arbeit Kleinkohlen. Gröſsere
Stücke muſsten sogar ausgehalten werden, weil sie langsamer ver-
[307]Das Brennmaterial.
kokten. Die gröſsten Öfen hielten 1½, die gewöhnlichen aber nur
1 Chaldron.


Die Öfen wurden nie voll, sondern immer nur bis zum oberen
Rande der Thüre gefüllt. Sie wurden durch glühende Kohlen entzündet,

Figure 54. Fig. 49.


meistens aber entzündeten sie
sich von selbst durch die er-
hitzten Ofenwände. Sodann wurde
die Thür zugemacht und die
Fugen verschmiert, doch so, daſs
immer noch etwas Luft eintreten
konnte. Dampf und Rauch ström-
ten durch die Esse in der Mitte
ab. Lieſsen diese nach, so schloſs
man die obere Mündung mehr
und mehr mit einem Backstein.
Die Arbeit dauerte etwa 30 bis
40 Stunden, man nahm aber erst
nach 48 Stunden die Cinders
heraus. Die ganze Masse bildete nun einen zusammenhängenden
Klumpen mit vielen senkrechten Rissen und Spalten, so daſs er sich

Figure 55. Fig. 50.


doch leicht zerbrechen und
aus dem Ofen ziehen lieſs.
Das Ausziehen erfolgte mit-
tels einer eisernen Krücke,
während ein zweiter Ar-
beiter die ausgezogenen
Stücke mit Wasser begoſs.
Der Ofen wurde dann
gleich von neuem gefüllt.


Die Kohlen schwanden
bei der Arbeit um ein
Viertel dem Volum nach,
dem Gewicht nach aber
nicht soviel. Ein Maſs
Cinder kostete in New-
castle um ein Drittel mehr als das gleiche Maſs Steinkohlen. Die
Cinders hatten eine aschgraue Farbe und waren sehr porös, aber
doch weit fester als „die Koks, die auch abgeschwefelte Kohlen sind,
aber nach einem andern Prozeſs verfertigt wurden“. Die Cinders
dienten, auſser zum Stubenbrand, besonders zum Malzdarren und zu
20*
[308]Der Eisenhüttenbetrieb um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
ähnlichen Feuerungen. Ein Goldschmied hatte sie auch im Windofen
mit Erfolg benutzt.


Jars war von der Wichtigkeit der Verkokung der Steinkohlen
für die metallurgische Industrie so sehr durch seine Reise nach Eng-
land überzeugt worden, daſs er alsbald nach seiner Zurückkunft Ver-
suche mit französischen Kohlen anstellte. Er interessierte seinen
Bruder dafür, der ebenfalls Metallurg war und das Hüttenwerk zu
Sainbel leitete, aber ihre gemeinschaftliche Reise nach Schweden
unterbrach ihre Arbeit. Nach Frankreich zurückgekehrt, nahm der
Bruder, M. G. Jars, die Versuche wieder auf, und zwar auf dem
Hüttenwerk zu Sainbel, wobei er sich der Steinkohlen von Rive-de-
Gier bediente. Dieselben wurden in Meilern verkohlt, ganz in der
Weise wie zu Carron. Zum Decken verwendete er entweder Stroh
und Lehm oder Abgänge von Koks. Rasen erwies sich als ganz
ungeeignet. Nach den vom 20. Januar 1769 bis 10. März 1770 fort-
gesetzten Versuchen ergab sich, daſs 100 Pfund Kohlen von Rive-de-
Gier 65 Pfd. Koks gaben. Dieselben wurden mit Erfolg beim Kupfer-
rohstein-Schmelzen verwendet. Am 7. März wurde ein Probeschmelzen
in zwei Krummöfen ausgeführt. Dasselbe fiel sehr günstig aus, indem
das Schmelzen viel rascher und billiger verlief als mit Holzkohle.
Gabriel Jars hatte diesem Schmelzen noch beigewohnt. Der Be-
richt darüber gelangte aber erst nach seinem Tode am 9. Januar
1770 an die Akademie, von der er alsbald in den Descriptions des
arts et métiers (Bd. II, p. 182) abgedruckt wurde. Später zog Jars,
der Bruder, aber doch vor, Koks mit Holzkohlen vermischt zu ver-
wenden. Gabriel Jars hatte auch auf der homburgischen Eisenhütte
im Elsaſs (1768) Schmelzversuche mit Koks für Gieſsereieisen anstellen
lassen, die sehr befriedigend ausgefallen waren.


Aus Jars Bericht erfahren wir ferner, daſs die Engländer auch
noch eine Art Verkokung in geschlossenen Gefäſsen betrieben, bei
welcher sie den Kohlenteer gewannen. Dieses Verfahren hatte man
1763 in Lüttich nachgeahmt und die erhaltenen Koks mit Vorteil
zum Verschmelzen der Eisenerze verwendet.


Um dieselbe Zeit hatte ein Herr de Genssane, der an Berg-
werken im Elsaſs und Burgund beteiligt war, ein weitläufiges Werk
über die Verwendung der Steinkohle zum Erzschmelzen geschrieben.
Er hatte dasselbe im Jahre 1767 an die Akademie geschickt, das-
selbe 1768 durch ein neues Kapitel erweitert und das Ganze 1770
in zwei Bänden mit Tafeln herausgegeben 1).


[309]Das Brennmaterial.

Das interessanteste Kapitel dieses Werkes beschreibt eine Art
Koksöfen, welche seit einigen Jahren in der Grafschaft Nassau-Saar-
brücken in Anwendung gekommen waren. Dort hatte der um die Eisen-
industrie des Saargebietes hochverdiente Fürst Wilhelm Heinrich von
Nassau-Saarbrücken nach englischem Vorbilde mit groſsen Opfern
eine Koksfabrikation eingerichtet und 1767 bis 1768 einen Eisenhoch-
ofen zu Sulzbach damit betrieben. Dieses Werk besuchte Genssane,
der davon Kunde erhalten hatte, im Jahre 1768 und er erkennt es
rühmend an, daſs, während sonst dies Verfahren geheim gehalten
wurde und den eigenen Arbeitern der Zutritt zu den Werken ver-
boten sei, man ihm hier bereitwilligst Alles gezeigt habe. Er schreibt
das Hauptverdienst der Ausführung dem Fürsten selbst zu, denn,
nachdem er auseinander gesetzt hat, daſs die Meilerverkokung nichts
tauge, fährt er fort: „Es war dem Fürsten von Nassau-Saarbrücken
vorbehalten, alle diese Schwierigkeiten zu überwinden durch seine
Ausdauer und die groſsen Kosten, die er daran wendete. Die Öfen,
welche dieser Fürst auf der Hütte zu Sulzbach hat erbauen lassen,
erschienen uns bei genauer Prüfung ebenso geistreich wie zweck-
entsprechend.“


Die betreffenden Öfen wichen in ihrer Konstruktion wesentlich
von den oben beschriebenen englischen Korböfen ab. Da der Haupt-
zweck derselben die Gewinnung von Teer und Teeröl war, so muſste
die Einrichtung eine wesentlich andere sein. Die Verkokung geschah
in einem geschlossenen Raume, der von der Flamme einer besonderen
Feuerung umspült wurde. Fig. 51 (a. f. S.) ist eine Darstellung dieser
Öfen. Wie man sieht, ist der innere Verkohlungsofen eine geschlossene
Muffel, welche von dem äuſseren Ofen umschlossen wird.


Der äuſsere Ofen ist ein Gewölbe, welches die Muffel und zwei
auf beiden Seiten liegende Feuerroste umspannt. Auf den Rosten
wird mit Holz gefeuert, die Flamme umspült die Muffel und hat im
Scheitel des Gewölbes ihren Abzug. Die Muffel war aus feuerfestem Thon,
wie ihn die Glasmacher für ihre Schmelztöpfe verwendeten, hergestellt.
Dies erforderte groſse Geschicklichkeit und war wohl nur möglich,
weil wegen der Glasfabriken auch geschickte Töpfer im Lande waren.
Der Fürst hatte allerhand Versuche gemacht, ehe er das beste fand.
Er wollte die Muffeln erst aus Eisenblech machen, aber natürlich
verbrannten dieselben sofort. Sie aus Formsteinen aufzumauern, hatte
sich ebenfalls nicht bewährt und so kam man dazu, sie an Ort und
Stelle aus Thon herzustellen. Der Boden des Ofens war rinnenförmig
vertieft und nach der Seite geneigt, wo am tiefsten Punkt das
[310]Der Eisenhüttenbetrieb um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
Ableitungsrohr für die Gase und Destillationsprodukte sich befand.
Der Ofen wurde in der Weise gefüllt, daſs ein Arbeiter durch die
Öffnung in die Muffel stieg und die doppelfaustdicken Kohlenstücke,
welche ein anderer Arbeiter ihm zureichte, auf dem Boden auf-
schichtete, wie wenn er eine Trockenmauer aufführen wollte, wobei

Figure 56. Fig. 51.


er vorsichtig zu Werke gehen muſste, um die Wände nicht zu be-
schädigen. Hatte er sie bis zur Höhe der unteren Öffnung so hoch
aufgeschichtet, als er konnte, so kroch er durch dieselbe heraus,
setzte sie von auſsen zu und füllte dann den Ofen durch die obere
Öffnung bis zur richtigen Höhe voll. Alsdann schmierte er die beiden
Öffnungen mit Lehm, der mit etwas Pferdemist versetzt war, zu und
[311]Gebläse.
schloſs die eisernen Thüren. Nun wurde das Feuer auf dem Rost
entzündet. Die Kohlen in der Muffel oder Retorte wurden heiſs und
die Dämpfe entwichen durch das Rohr, während der Teer sich ver-
dichtete und in den Topf, der als Vorlage diente, floſs. Allmählich
erhitzte sich Muffel und Ladung bis zur Rotglut. Sobald die Rauch-
entwickelung aufhörte, waren die Kohlen verkokt und der Prozeſs
beendet. Man zog die Koks mit Haken durch die untere Thüre
heraus.


Jeder Ofen war mit einer Tonne Steinkohlen geladen und man
brauchte 9 Ctr. geringer Steinkohle, um sie zu brennen. Neun Öfen
waren in einem Mauerwerk zu einer Batterie vereinigt. Von diesen
waren immer wenigstens drei in Brand. Wenn die Steinkohlen in
den ersten drei halb gebrannt waren, so entzündete man das Feuer
der drei folgenden, wenn diese ebenso weit, das der drei letzteren.
In dreimal 24 Stunden wurden auf diese Weise die neun Öfen ge-
brannt, so daſs jeden Tag drei Öfen entleert werden konnten. Die
Steinkohle verlor etwa ⅛ ihres Gewichtes. Das Gewichtsverhältnis
des Koks zu Buchenkohle war wie 5 zu 3.


Mit diesen Koks betrieb der Fürst seinen Hochofen
zu Sulzbach
und schmolz nach Genssanes Bericht ein gutes
Roheisen. Auf die Dauer aber scheint sich der Betrieb des Hoch-
ofens mit Koks doch nicht bewährt zu haben, denn nach zwei Jahren
lieſs man ihn fallen.


Die Verkokungsöfen blieben aber im Betriebe, hauptsächlich der
Teergewinnung wegen.


Gebläse.

Reaumur verdanken wir eine ausführlichere Beschreibung der
Wassertrommelgebläse oder Windtrompeten (trompes ou soufflets
à chøte d’eau, appellés aussi „artifices“ en Dauphiné), welche in den
französischen und italienischen Alpenländern auch für kleine Hoch-
öfen Verwendung fanden, hauptsächlich aber bei Luppen- und Frisch-
feuern angewendet wurden. Er beschreibt die in der Dauphiné und
die in der Grafschaft Foix gebräuchlichen; von letzteren haben wir
bereits oben bei der Schilderung der Luppenfeuer der Grafschaft
Foix Abbildungen mitgeteilt.


Das Prinzip des Wassertrommelgebläses beruht auf der Kon-
traktion eines Wasserstrahls bei vollem Ausfluſs vor der Mündung.
Geschieht nun dieser Ausfluſs in eine geschlossene Röhre, so wird an
[312]Der Eisenhüttenbetrieb um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
der Kontraktionsstelle Luft angesaugt, die sich mit dem Wasserstrahl
mischt und unter dem Druck der Wassersäule in einem Sammelgefäſs
aufgefangen und aus diesem abgeleitet werden kann. Bei den Ge-
bläsen der Dauphiné wurde, wie bei den italienischen, die Sweden-
borg
abgebildet hat, die Luft nur durch seitliche Öffnungen im
Einfallrohr angesaugt. Fig. 52 stellt ein Wassertrommelgebläse zu
einem Blauofen der Dauphiné mit drei Einfallröhren und Trommeln
dar. In dem Boden des Wassergerinnes mündet eine senkrecht
stehende Röhre von etwa 27 Fuſs Höhe und 1 Fuſs 4 Zoll Durch-
messer; diese Maſse können sich mit dem Gefälle ändern. Die Art,
wie diese Röhre ausgehöhlt ist, bewirkt hauptsächlich die Wirkung des
Gebläses. Die oberste Öffnung (Fig. 54), in welche der fast horizontale

Figure 57. Fig. 52.


Kanal das Wasser ergieſst, hat 13 Zoll im Durchmesser. Von da
verengert sich der Querschnitt der Röhre bis auf drei Fuſs von der
oberen Öffnung auf 4 Zoll Durchmesser. Unmittelbar unter diesem
engsten Punkte (étranguillon) d d erweiterte sich das Rohr auf 9 Zoll
Durchmesser; der obere Teil des Rohres bildet also einen Trichter,
der in das Rohr mündet. Unter der engen Mündung sind zehn
Öffnungen, durch welche Luft in die Windtrompete eintritt. Diese
cylindrischen Löcher f f sind schief gebohrt, so daſs die eintretende Luft
schon die Richtung nach abwärts, wie das herabfallende Wasser hat.
Die oberen sechs münden im Inneren etwa 8 Zoll unter der Trichter-
öffnung, die unteren vier sitzen 5 Zoll niedriger. Sie haben 2 Zoll
im Durchmesser. Das Rohr mündet in eine, mit eisernen Reifen
stark gebundene Kufe M (Fig. 53) von 6 Fuſs Höhe und 6 Fuſs
[313]Gebläse.
Weite, etwa 1½ Fuſs von dem oberen Rande, also 4½ Fuſs vom
Boden. Inwendig ist eine eiserne oder steinerne Tafel K (Fig. 53)
von 1 Fuſs 4 Zoll im Durchschnitte und etwa in halber Höhe ange-
bracht. Sie wird von einem hölzernen Kreuz, welches auf vier Füſsen

Figure 58. Fig. 53.


Figure 59. Fig. 54.


Figure 60. Fig. 55.


autsteht, getragen (Fig. 55). Auſser
der Öffnung für das Einfallrohr be-
findet sich eine zweite Öffnung (Fig. 53)
in dem geschlossenen Deckel zur Ab-
führung des Windes. Das Wasser tritt also alle Zeit voll in das Trichter-
rohr ein, indem es aus dessen unterer Mündung ausströmt, wird es zu-
sammengezogen und dann zerstreut und fällt in Tropfen und Fäden auf
die Luft, die es durch sein Gewicht und Gefälle mit hinunterreiſst,
während die fortgerissene Luft immer durch nachströmende ersetzt
wird. Die Luft wird mit Gewalt bis in die Kufe M, die sogenannte
[314]Der Eisenhüttenbetrieb um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
Trommel, gerissen, wo sie frei wird. Indem aber das Wasser mit
Gewalt auf die Tafel aufschlägt, wird auſserdem ein groſser Teil der
im Wasser gelösten Luft frei gemacht. Diese Luft hat keinen andern
Ausgang als durch die zweite Öffnung im Deckel, welche sie dem
Ofen zuführt. Gleichzeitig läſst man durch eine Öffnung in der
Seitenwand am Boden der Kufe ebensoviel Wasser ablaufen, als oben

Figure 61. Fig. 56.


zuströmt. Diese Öffnung ist durch einen Schieber Q R S (Fig. 53) ge-
schlossen, den man entsprechend stellt. Dadurch entsteht ein gleich-
förmiger Windstrom.


Für einen Frisch- oder Ausheizherd genügt eine solche Wind-
trompete (Einfallrohr), für einen Hochofen zum Erzschmelzen braucht
man zwei oder, wie in der Abbildung, drei. Jede hat ihre besondere

Figure 62. Fig. 57.


Kufe (Trommel), da-
gegen leitet man
die Windleitungen
aus denselben in
ein gröſseres Sam-
melrohr, aus dem
dann der Wind in
den Ofen geleitet
wird. Das Wind-
rohr hatte vor seiner
Einmündung eine
Klappe oder ein Ventil, durch dessen Öffnung die Luft statt in den
Ofen ins Freie ausströmen konnte (Fig. 57, l m). Je höher das Ein-
fallrohr, je stärker wird der Druck des Windes, während die Wind-
menge von den Durchmessern des Trichters, Fallrohres, der Wind-
löcher u. s. w. abhängt. Beides richtet sich nach Bedarf, Wasser-
menge und Gefälle.


Die Wassertrommelgebläse der Grafschaft Foix waren anders
konstruiert. Bei diesen sind die seitlichen Luftlöcher unter dem
Trichter nur nebensächlich, indem hier die Luft gleich beim Ein-
strömen des Wassers mitgerissen wird. Dies geschieht durch die
[315]Die Eisenerze.
eigentümliche Konstruktion des Einlaufs. Wir haben diese bereits
bei dem Luppenfeuer der Grafschaft Foix beschrieben und abgebildet
(s. S. 120, Fig. 11).


Diese Wassertrommelgebläse waren besonders verbreitet in den
Gebirgsgegenden von Mittel- und Nord-Italien, Süd-Frankreich und
Nord-Spanien und fanden im vorigen Jahrhundert häufig Anwendung.


Sonst war der Blasebalg die allgemein angewendete Blase-
maschine der Eisenindustrie. In manchen Gegenden hielt man an
den alten Lederbälgen fest, während in den meisten Ländern der
deutsche Holzblasebalg Verwendung fand. Daſs die Holzbälge durch
Deutsche zuerst nach Frankreich gebracht worden seien, bestätigt
Reaumur ausdrücklich. In Berry und Nivernais sei es ein Deutscher,
in der Dauphiné ein Schweizer gewesen, welche zuerst hölzerne Bälge
eingeführt hätten. Ebenso sei es in der Franche-Comté ein Deutscher
gewesen, welcher die Erbauung derselben zuerst den Gaucherots, den
geschickten Bälgemachern jener Gegend, gelehrt habe. Auf die aus-
führliche Beschreibung Reaumurs1) brauchen wir nicht näher ein-
zugehen. Wir erwähnen nur, daſs Reaumur auch die Leistung eines
Holzblasebalges für einen Hochofen berechnet hat. Ein Schmiedebalg
von 7½ Fuſs Länge, 42 Zoll Breite des Balgdeckels an der Breitseite,
14 Zoll an der Schmalseite, wo er seinen Drehpunkt hat, giebt danach
bei einem Wechsel 20151½ Kubikzoll Luft. Nun macht ein solcher Balg
206 Stöſse in einer Viertelstunde, die beiden Bälge also 412. — Ein
Blasebalg von mittlerer Gröſse für einen Hochofen giebt 98280 Kubik-
zoll Wind bei jedem Wechsel; er macht 120 Stöſse oder der Doppel-
balg 240 Stöſse die Viertelstunde. 98280 Kubikzoll sind annähernd
57 Kubikfuſs. Das Gewicht der Luft zu dem des Wassers = 1/1000
angenommen, entspricht dies 3½ Pfund Luft bei einem Wechsel.
Nimmt man acht Wechsel in einer Minute an, so erhält man für
zwei Bälge 56 Pfund Luft in der Minute und 3360 Pfund in der Stunde.


Die Eisenerze.

Die Aufbereitung der Eisenerze erfolgte in den meisten
Gegenden durch Handscheidung, nur in Frankreich spielte das Ver-
waschen
der Eisenerze eine Rolle. Man hatte dort vielfach lettige
Erze und das Verwaschen hatte den Zweck, den zähen Thon von den
Erzkörnern abzuspülen. Zu diesem Zwecke dienten Waschherde mit
[316]Der Eisenhüttenbetrieb um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
Rührwerken (Patouillets), in welchen die Erze unter reichlichem
Wasserzufluſs abgeschlämmt wurden 1).


Das Rösten der Erze 2) war eine weitere Vorbereitungsarbeit
für den Schmelzprozeſs, welche mehr Anwendung fand als das Waschen.
Das Rösten der Eisenerze hatte zuweilen nur einen mechanischen
Zweck, den der Auflockerung, meist aber einen chemischen, den der
Abscheidung gewisser Substanzen, wie Kohlensäure, Wasser und
Schwefel und den der Oxydation.


Allgemeine Regeln waren: Die Röstung muſs in freier Luft
geschehen, indem man den flüchtigen Teilen, die weggehen sollen,
den bequemsten Weg öffnen muſs. Das Feuer soll dabei mäſsig
sein. Man zog meist Holzfeuer dem Holzkohlenfeuer vor, sowohl
wegen der geringeren Kosten als auch, weil Holz nicht so sehr hitzte
und dadurch den Zweck der Operation besser erfüllte.


Reaumur stellte Versuche über die Röstung an und schreibt
darüber: „Ich röstete ein Stück Erz von der Gröſse eines Eies mit
Kohlen; nach einer Stunde hatte es den fünften Teil des Gewichtes
verloren. Ich weiſs zwar nicht, ob dies allgemein der Verlust bei
diesem Erz ist, das aber weiſs ich, daſs es immer ein beträchtliches
verliert, was die Aufmerksamkeit derer, die das Erz ausschmelzen,
wohl verdient. Aus diesem Grunde bringt man es (in Süd-Frankreich)
niemals auf den Ofen, ohne es vorher bei dem Bergwerk geröstet zu
haben, damit man nicht eine unnütze Last transportieren muſs.“
Nach Reaumurs Auffassung war die Röstung eine Ausscheidung von
Schwefel und Salz und für den Schmelzprozeſs höchst wichtig.


Die Röstung geschah meistens in offenen Haufen mit Holz, wie
z. B. in Schweden nach Swedenborgs Schilderung, in manchen
Gegenden aber auch in Stadeln und Röstöfen. Reaumur teilt
darüber folgendes mit 3): „Man röstet die Erze in der Dauphiné,
Grafschaft Foix, Roussillon und Navarra in solchen Öfen, die den
Kalköfen sehr ähnlich sind, die aber nach Verschiedenheit dieser
Länder verschieden gebaut sind. Allenthalben sind es aber teilweise
in die Erde gegrabene Löcher, die ummauert und oben offen sind.
Das Mauerwerk hat unten eine Öffnung zum Einfeuern. Man füllt
diese Öfen mit Holz und Erz schichtenweise. Die erste Schicht
macht man aus dem gröbsten Erze. In der Dauphiné heiſst ein solcher
[317]Die Eisenerze.
Röstofen une ugraine. Er hält ungefähr 14000 bis 15000 Pfund
geröstetes Eisenerz und man braucht zwei Wagen Holz auf 1400 bis
1500 Eselsladungen Erz. Das Feuer brennt in diesen Öfen einen
oder mehrere Tage. Man muſs darauf achten, daſs die letzten
Schichten Erz aus kleinen Stücken bestehen, damit hier das Feuer,
weil es weniger Luft hat, länger anhält und so das Erz, das am
weitesten von der groſsen Hitze entfernt ist, doch am leichtesten
röstet. In derselben Provinz hat man Öfen, die äuſserlich cylindrisch,
inwendig aber wie ein abgestutzter umgekehrter Kegel aussehen. Die
obere Öffnung ist 9 Fuſs (2,924 m) im Durchmesser, während der
Ofen am Boden nur 4 Fuſs (1,30 m) weit ist. Seine Höhe beträgt
10 Fuſs (3,248 m), wie man dies aus der Fig. 58 ersehen kann, die
nach den Zeichnungen, welche mir Herr von Orsai, der frühere Inten-
dant jener Provinz, verschafft hat, hergestellt ist. Wenn die Erze ge-

Figure 63. Fig. 58.


Figure 64. Fig. 59.


röstet sind, so zerschlägt man die gröberen Stücke zu Nuſsgröſse,
dabei scheidet man die taube Bergart davon. Man verbringt alsdann
das geröstete Erz zu den Schmelzhütten und lagert es in Haufen an
der Luft. Die Hüttenmeister sagen, daſs die Erze durch dieses
Lagern 5 Prozent an Wert gewinnen. . . . Die gerösteten Erze von
Alvar geben ungefähr ein Drittel ihres Gewichtes geschmolzenes Eisen.


In der Landschaft Foix und Umgegend errichtet man die Öfen
(Stadeln) auf einem quadratischen Sockel von 9 Fuſs Seitenlänge.
Man führt die Wände, 3 bis 4 Fuſs hoch, senkrecht auf und läſst
auf einer Seite eine Öffnung zum Anzünden. Den Boden bedeckt man
mit einer Schicht Kohlen, auf diese legt man eine Schicht Holz und
hierauf breitet man das zu röstende Erz aus, dieses bedeckt man wieder
mit Kohlen und Holz und breitet eine Erzschicht darüber, dicker als
die erste. Das Brennen in diesen Stadeln, welche Fig. 59 nach einer
Zeichnung des damaligen Intendanten d’Angervilliers hergestellt sind,
dauerte acht Tage. Die Öfen im spanischen Navarra hatten mehr
[318]Der Eisenhüttenbetrieb um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
Ähnlichkeit mit Ziegelöfen und waren auch die Erzstücke in ent-
sprechender Weise aufgesetzt. Es waren ebenfalls viereckige Röst-
stadeln. Die erste Schicht Erz baute man wie ein Gewölbe auf und
schichtete darauf das übrige Erz in Gestalt einer Pyramide auf. Das
Gewölbe bildete den Feuerungsraum. Man unterhielt das Feuer mit
Holz etwa 24 Stunden.


In England röstete man ebenfalls vielfach die Erze in Schacht-
öfen, ähnlich Kalkbrennöfen, so zu Clifton Fournace, in Cumberland
und im Forrest of Dean in Gloucestershire 1).


In Steiermark hatte man sehr groſse viereckige Röstöfen oder
Röststadeln. Die zu Vorderberg hatten eine Seitenlänge von 24 Fuſs
und waren 14 Fuſs hoch. Die Umfassungsmauern waren unten 2 Fuſs,
oben nur ½ Fuſs dick. An der Vorderwand war die gewölbte, 6 Fuſs
hohe Thür zum Ausziehen. Beim Füllen wurde diese mit eisernen
Stangen, die mit Haken befestigt wurden, geschlossen und gegen die-
selbe feuerbeständige Steine gesetzt. Den Boden bedeckte man mit
einer 2½ Fuſs dicken Kohlenschicht, auf welche man eine 4 Fuſs
dicke Erzschicht ausbreitete. Hierauf folgte die zweite Kohlenschicht,
die aber nur 1½ Fuſs dick war, darauf die zweite Erzschicht von
2½ Fuſs Dicke; die dritte Kohlenschicht machte man nur einen, die
dritte Erzschicht nur 2 Fuſs dick. Die Röstung dauerte ungefähr
14 Tage. Schien sie beendet, so warf man noch eine Lage Kohle
von ½ Fuſs auf. Alsdann zog man die Erze nach Bedarf und
pochte sie zu Nuſsgröſse. Man hatte immer zwei Öfen nebeneinander,
von denen der eine im Brand war, während der andere gezogen
wurde. Das gepochte Erz wurde auf einen groſsen Haufen, der rings
mit Brettern eingefaſst war, aufgefahren und oben platt ausgebreitet.
Auf diesen Haufen wurde durch verschiedene Rinnen Wasser geleitet,
das man möglichst verteilt durch Öffnungen am Boden ablaufen lieſs.
In diesem Zustande lieſs man den Haufen ein auch wohl zwei und
drei Jahre und man behauptete, das Erz sei um so besser, je länger
es in Haufen gestanden habe. — Auch zu Alvar in Frankreich lieſs
man die gerösteten Erze lange in groſsen Haufen liegen, ohne jedoch
Wasser darauf zu leiten.


Alle Erze werden nach dem Rösten rötlich oder rostfarben und
weicher und zarter anzufühlen. Courtivron und Bouchu treten lebhaft
für die Notwendigkeit des Röstens der Erze, das damals in Frankreich
vernachlässigt war, ein. Die Ausrede der Hüttenleute, daſs die Erhöhung
[319]Die Eisenerze.
der Schmelzöfen dieselbe Wirkung thue wie das Rösten und dasselbe
ersetzen könne, weisen sie zurück, weil die Röstung an freier Luft
geschehen müsse. In England und Schweden röste man die Erze,
bis sie in kleine Stücke zerfallen und doch seien die Schmelzöfen
dort so hoch wie in Frankreich.


Zu Laurwig in Norwegen hatte man statt des früheren Röstens
in viereckigen Stadeln eine verbesserte Röstmethode für die Magnet-
erze eingeführt, welche Jars folgendermaſsen beschreibt 1). Man führte
unter freiem Himmel eine 6 Fuſs hohe, starke, runde Mauer von be-
trächtlichem Durchmesser auf, in welcher sich nur eine Thüre zur Ein-
karrung der Erze befand. Ehe nun der Röstofen gefüllt wurde, führte
man ringsum aus groſsen, halbgerösteten Erzstufen eine zweite Mauer
auf, so stark, daſs sie in sich stand. In dieser runden Röststadel
machte man ein Bett von Holz und Kohlen und stürzte darauf Erz
in groſsen und kleinen Stücken auf, schichtete dann lagenweise Erz
und Kohlen bis auf eine Höhe von 8 bis 12 Fuſs und lieſs nur in
der Mitte eine Öffnung, welche von vier Brettern umschlossen wurde,
um dadurch den Rösthaufen anstecken zu können. Auf die obere
Lage Erz schüttete man 4 Zoll hoch Kohlenklein und zündete dann
an. Die ganze Röstung dauerte vier bis acht Tage. Eine Ofenfüllung
betrug etwa 100 Tonnen Erz. Zu einer Röstung wurden 50 Lasten
Kohlen, von denen jede 1 Thaler oder 4 Mark kostete, verbraucht.


Die Röstung der Thoneisensteine zu Carron in Schottland ge-
schah seit 1760 mit Steinkohlen in Haufen. Zu dem Ende machte
man auf gleicher Erde ein Bett von Steinkohlen 18 bis 20 Fuſs lang,
6 bis 7 Fuſs breit und 6 Zoll hoch, auf welches der Eisenstein in
groben Stücken von 7 bis 10 Pfund schwer gestürzt wurde. Der
Haufen lief nach oben zu und war etwa 3 Fuſs hoch. Er wurde an
einem Ende angezündet und, sowie das Feuer vorwärts ging, wurde
der ganze Haufen, damit die Hitze desto besser beisammen blieb, mit
Steinkohlenmulm und Asche bedeckt. Es dauerte mehrere Tage, bis
der Haufen durchgebrannt war.


Die Zuschläge zu den Erzen bei dem Schmelzprozeſs dienen
als Fluſsmittel. Die Beimengungen der Erze sind nach v. Cour-
tivron
und Bouchu thoniger oder kalkiger Natur. Ein gewisses
Verhältnis zwischen Thon und Kalk giebt den besten Fluſs, und zwar
sollten hierfür auf 10 Teile Thon 4 Teile Kalkstein kommen.
Nach diesem Grundsatze seien Zuschläge beim Schmelzen aufzugeben.
[320]Der Eisenhüttenbetrieb um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
Manche Erze enthielten diese Stoffe in der richtigen Mischung, manche
enthielten mehr von dem einen oder dem andern. Hat man Erze von ver-
schiedener Mischung oder Gangart zur Hand, so kann man diese selbst
so mischen, daſs das richtige Verhältnis herauskommt. Ist dies nicht
der Fall, so muſs man das fehlende als Fluſs oder Zuschlag zusetzen.


Die Zuschläge müssen trocken sein und so klein als möglich, damit
sie sich gut mischen können. Manche geben schon beim Rösten Kalk
als Zuschlag mit auf (eigentlich nur, um ihn billig zu brennen).
Bestimmte Regeln für die Schlackenmischung lieſsen sich noch nicht
aufstellen. Vorläufig könne man nur sagen, daſs die Vermischung
von kalkigen mit thonigen Erzen gut sei. Gerade die verschiedene
Gangart der Erze und die Verschiedenheit der Zuschläge bedinge die
Verschiedenheit der Schmelzöfen.


„Wenn man einmal wissen wird die Erze so zu bereiten, daſs
man bei der Schmelzung fast einerlei Verfahren anwenden kann, so
wird man nicht mehr als einerlei Art Öfen dazu nötig haben und das
ist es, was wir erzielen.“ (Si nous pouvons amener ces mines à une
disposition presque égale pour la fusion, il ne s’agira plus que d’un
fourneau presque uniforme: sur quoi nous proposerons nos vues.)


Die folgenden Mitteilungen über Gangarten und Schlacken-
flüsse
sind von den französischen Verfassern Gellerts Anfangsgründen
der metallurgischen Chemie (Leipzig 1750), entnommen. Die Kennzeichen
für die Gangarten sind danach folgende: Braust das Gestein mit Säure,
so ist es kalkartig, erhärtet es mit Wasser, so ist es gipsartig, bleibt
es, mit Wasser angefeuchtet, feucht, so trockne man es und glühe es
einige Stunden in starkem Feuer, schmilzt es dann, so ist es glas-
artig, brennt es sich hart, so ist es thonartig.


Die Steine zeigen aber in ihrer Vermischung folgendes Ver-
halten in starker Hitze
:


  • Thonige und kalkige lösen einander und werden zu Glas.
  • Thonige und gipsige ebenso.
  • Thonige und glasige strengflüssige lösen einander nicht auf.
  • Thonige und glasige leichtflüssige lösen einander auf.
  • Gipsige und kalkige lösen einander nicht auf.
  • Gipsige und strengflüssig-glasige ebenso.
  • Kalkartige und strengflüssig-glasige ebenso.
  • Kalkartige und leichtflüssig-glasige ebenso.

Der Fluſsspat löst unter den leichtflüssigen, glasigen Steinen am
besten auf. Gellert giebt hierzu in dem praktischen Teil seines
Lehrbuches (Aufgabe XVII) folgende schmelzbare Mischungen:


[321]Die Eisenerze.
  • Vermische 1 Tl. Kreide mit 3 Tln. Thon oder 1 Tl. Kreide mit
    5 Tln. Thon.
  • Vermische 2 Tle. Thon mit 1 Tl. Fluſsspat oder 1 Tl. Thon mit
    2 Tln. Fluſsspat.
  • Vermische 2 Tle. Kreide mit 1 Tl. Fluſsspat oder 4 Tle. Kreide
    mit 1 Tl. Fluſsspat.

„Es ist sehr merkwürdig“, schreibt Gellert, „daſs zwei Stein-
arten einander auflösen und zu einem Glase schmelzen, da doch von
denselben eine jegliche vor sich allein nicht schmelzen will. Es ist
dieses auch von einem sehr groſsen Nutzen bei dem Schmelzwesen,
dessen man sich auch in der Praxis bedient, indem man beim Eisen-
schmelzen Kalk zusetzt, um den Fluſs zu befördern, ohne den rechten
Grund davon zu wissen. Man sieht auch hieraus, daſs die Asche und
das darin enthaltene alkalische Salz von den verbrannten Kohlen
zum Flusse der bei den Erzen befindlichen Steinarten nicht notwendig
erfordert wird.“


Die XVIII. Aufgabe lautet: „Zwei Steinarten, die einander nicht
auflösen, vermittelst einer dritten Steinart aufzulösen.


Als Auflösungen erwähnen wir folgende:


  • Vermische 1 Tl. Kreide, 3 Tle. Thon und 1 Tl. Sand.
  • Vermische 1 Tl. Kreide, 5 Tle. Thon und 1 Tl. Sand.
  • Vermische 1 Tl. Thon, 4 Tle. Fluſsspat und ½ Tl. Sand.
  • Vermische 1 Tl. Thon, 4 Tle. Fluſsspat und 1 Tl. Sand.

Anmerkung: 1. Wenn man zwei Steinarten, die einander nicht
auflösen, vermittelst einer dritten Steinart auflösen will, so muſs diese
dergestalt beschaffen sein, daſs sie entweder eine von den beiden
Steinarten oder auch eine jegliche von denselben auflöset.


2. Diese Erfahrungen können, ebenso wie die vorhergehenden,
bei dem Schmelzwesen groſsen Nutzen verschaffen, wenn man gehörige
Vorsicht dabei gebraucht. Denn in den Hütten pflegt man den streng-
flüssigen Erzen noch einmal so viel Schlacken zuzusetzen, um sie in
den Fluſs zu bringen. Wo man aber verschiedene Erzsorten hat,
würde man viel Arbeit, Kohlen und Kosten ersparen, wenn man sich
nach ihren Auflösungen zugleich mit richtete, und manche Erze, die
man jetzt als unschmelzbar verwirft, schmelzen können.“


Beck, Geschichte des Eisens. 21
[322]Der Eisenhüttenbetrieb um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
Die Hochöfen in Frankreich um 1750.

Über den Bau und Betrieb der Hochöfen machen Courtivron und
Bouchu in ihrer Abhandlung von den Eisenhämmern und hohen Öfen
ausführliche Mitteilungen. Das meiste davon stammt aus den hinter-
lassenen Papieren Reaumurs, welche Beschreibung und Zeichnungen
des Hochofens und der Hütte von Grossouvre, in der Grafschaft Berry,
derselben, welche auch Swedenborg erwähnt hat, enthielten 1).


Fig. 60 stellt die Anlage des Hüttenwerks dar. Rechts befindet
sich das Schmelzhaus mit dem Hochofen, dessen Arbeitsseite dem

Figure 65. Fig. 60.


Beschauer zugekehrt ist, während die linke Seite des Ofens die Form-
seite mit dem Formgewölbe und den durch ein Wasserad bewegten
Blasebälgen zeigt. Vor dem Hüttengebäude schieben drei Arbeiter
eine Gans auf zwei Rollen der einfachen Wage mit Laufgewicht zu,
auf welcher ein Arbeiter eine zweite Gans abwiegt, hinter und über
dem Schmelzhaus liegt der Kohlen- und vielleicht auch Erzschuppen,
in welcher zwei Maultiere und ein Treiber Kohle oder Erz in Säcken
eintragen. Links befindet sich die Schlackenhalde.


Fig. 61 zeigt den Hochofen im Durchschnitt durch das Arbeits-
gewölbe und Fig. 62 durch das Formgewölbe und die Querschnitte
durch die Form Fig. 63 und den Kohlensack Fig. 64.


[323]Die Hochöfen in Frankreich.

Die Vorder- oder Arbeitsseite des Hochofens nannten die Fran-
zosen Côte de la dame (Wallsteinseite), die Hinterseite rustine oder
Aufgebeseite, die Formseite Côte de la tuyère und die Windseite
Contrevent. Diese Bezeichnungen waren, auſser der zuerst genannten,
schon bei den alten Luppenherden gebräuchlich.


Das Rauhgemäuer hatte an der quadratischen Basis 20 Fuſs
Seitenlänge und war 25 Fuſs hoch. Die innere Ofenhöhe betrug

Figure 66. Fig. 61.


dagegen nur 21
Fuſs.


Der massive Teil
des Rauhgemäuers
ging auf 18 bis 19
Fuſs Höhe, dort
war eine Plattform
(F F), welche von
vier umlaufenden
Mauern, den Gicht-
mauern
(A D) (les
batailles du four-
neau), eingeschlos-
sen war. Der in-
nere Ofen war
noch 2 Fuſs und
8 Zoll höher als
die Plattform in die
Höhe geführt (G G).
Dieser oberste Teil
des Ofenschachtes
war nicht mehr
zusammengezogen,
vielmehr hörte die
Verengerung des
Ofens auf der Höhe der Plattform auf; die obersten Wände waren
senkrecht und umschlossen einen rechtwinkeligen Raum von 2 Fuſs
auf 1½ Fuſs, der oben mit der Gicht (le gueulard) abschloſs.
Die Wände des Schachtaufsatzes (la buze) waren 2¾ Fuſs dick,
in der hinteren Wand war eine Nische ausgespart, in welche der
Aufgeber X trat, wenn er Erz oder Kohlen einwarf. Die Plattform
der Gicht war durch vier eiserne Platten (taques) abgedeckt. Der
Ofenschacht erweiterte sich bis zum Bauch oder KohlensackJ J,
21*
[324]Der Eisenhüttenbetrieb um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
welcher 13 Fuſs unter der Gichtöffnung lag. Er bildete einen umge-
kehrten Trichter, welcher mit seiner Basis auf einem aufrechtstehenden
Trichter saſs. Der obere Teil war der Schacht oder Laderaum (la
charge). Derselbe war aus feuerfesten Backsteinen oder in andern
Gegenden aus Feldsteinen hergestellt. Der untere Teil, von dem
Kohlensack bis zum Boden, war nur 8 Fuſs hoch. Der obere, sich
stark erweiternde Teil desselben, die Rast (étalage), war ungefähr

Figure 67. Fig. 62.


3 Fuſs hoch und
wurde aus Masse
(sable) gestampft.
Die Querschnitte des
Ofeninneren bilde-
ten im Gestell ein
längliches Viereck
(Fig. 63), in der
Rast ein längliches
Achteck (Fig. 64).
Die Gichtöffnung
war wieder ein Vier-
eck. Infolgedessen
waren Rast und
Schacht durch je
acht Flächen be-
grenzt, durch vier
Trapeze und vier
Dreiecke, wie aus
dem Schnitte Fig. 64
zu ersehen ist. Diese
eigentümliche Ge-
stalt des Ofeninne-
ren kam in Frank-
reich öfter vor. Die
Rastwände waren stark geneigt. Der untere viereckige Teil des Ofen-
inneren K K L (Fig. 61) war das Gestell oder Werk (l’ouvrage). Es
war dieser Teil auch wirklich das Werk des Schmelzers, das er selbst
fertig stellte und einbaute und das zu machen er für eine wichtige
geheime Kunst ausgab und selbst dafür hielt. Es wurde meist aus
groſsen, sorgfältig zugehauenen Werksteinen ohne Mörtel zusammen-
gefügt. Der Boden bestand in der Regel aus einem Stein, was besser
war, als wenn man ihn aus zwei oder drei zusammensetzte. Hierauf
[325]Die Hochöfen in Frankreich.
wurden zuerst die beiden Seitensteine (les costières), nämlich der auf
der Formseite und der auf der Windseite, gelegt. Je weniger Steine
im Gestell, desto besser, denn dann gab es um so weniger Fugen,

Figure 68. Fig. 63.


welche die Angriffs-
linien der Zerstörung
durch das Feuer waren.
Meistens verwendete
man gute, feuerfeste
Sandsteine. Reaumur
beschreibt das Aus-
sehen der in Berry
und Nivernais ge-
bräuchlichen genau.
Die Höhenlage der
Form war von groſser
Wichtigkeit, 18 Zoll
war die gewöhnliche
Höhe, doch schwankte
sie zwischen 17 und
25 Zoll. Die Gestelle
dauerten viel kürzer als der übrige Ofen und muſsten an manchen
Plätzen nach drei bis vier Monaten, an andern nach sechs Monaten,

Figure 69. Fig. 64.


an andern noch spä-
ter erneuert werden.
Die französischen Öfen
bestanden also in ihren
drei Hauptteilen aus
dreierlei Material, das
Gestell aus Sandstein-
quadern, die Rast aus
gestampfter Masse und
die Schachtwände (les
parois) aus gebrann-
ten Steinen. Nirgends,
auch im Schacht nicht,
verwendete man Kalk-
mörtel, sondern nur
Lehm. Daſs man die Wände der Rast aus Masse herstellte, ge-
schah nur der Ersparnis wegen. Man bediente sich eines etwas
thonhaltigen, feuerbeständigen Sandes, den man zwei Fuſs dick auf-
[326]Der Eisenhüttenbetrieb um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
stampfte. Er hielt sehr gut in der Rast, dagegen konnte man ihn
zur Herstellung des Gestelles nicht verwenden, weil er der flüssigen
Schmelzmasse nicht widerstand. Die Gestalt des Ofens war das
Ergebnis der Erfahrung. Theoretisch lieſs sie sich nicht begründen
und ist Reaumur vielmehr der Ansicht, daſs theoretisch der runde
Ofenquerschnitt der richtigste sei; das Feuer würde bei diesem überall
auf gleiche Weise wirken und der Ofen an einem Platz nicht mehr
abgenutzt werden, als an einem andern. Besonders gilt dies von dem
Gestell, bei dem man allgemein an der viereckigen Gestalt festhielt.

Figure 70. Fig. 65.


Reaumur ist aber der An-
sicht, daſs die Form eines ab-
gestumpften Kegels von läng-
lich runder Form für Gestell
und Rast am geeignetsten wäre.
Der Grund, warum die Ofen-
meister an der viereckigen
Form festhielten, war nach
seiner Meinung nur ihre Unge-
schicklichkeit als Steinhauer.
Das Werk mit vier geraden
Seiten sei leichter für sie zu
machen. Die Öfen bei St.
Gervais in der Dauphiné hätten
achteckigen Querschnitt im
Gestell und in der Franche-
Comté sollte es Öfen von ova-
ler Form geben, doch seien dies
seltene Ausnahmen. Die Hoch-
öfen im östlichen und nord-
östlichen Frankreich hatten
meist viereckigen Querschnitt.


Die Feuchtigkeit unter dem Bodenstein wurde durch einen ge-
wölbten Kanal Q (Fig. 61) abgezogen. Derselbe hatte an einer Seite
ein Abzugsrohr im Arbeitsgewölbe (Fig. 65 L), welches vor dem Ofen
mündet und aus dem, infolge der Hitze des Ofens, fortwährend
Dampf entweicht.


Das Rauhmauerwerk wurde mit drei oder vier starken Holzbindern,
Fig. 61 D D R R, zusammengehalten. Die Balken derselben waren 1 Fuſs
stark, es lagen drei bis vier übereinander, unten lagen sie auf vorsprin-
genden Steinen auf. Der höchste lag in der Höhe der Gicht-Plattform.


[327]Die Hochöfen in Frankreich.

Der Wall (dame), M Fig. 65, war nicht von einem Stein, sondern
von einem starken Guſsblock von 8 bis 10 Zoll Höhe und 12 Zoll Breite
gebildet, welcher die Breite der Ofenseite nicht ganz ausfüllte und die
Abstichöffnung frei lieſs. Dieser Wall schloſs die untere Öffnung der
Ofenbrust, die 15 bis 18 Zoll hoch und 17 bis 18 Zoll breit war, teil-
weise ab. Zu beiden Seiten des Walles standen guſseiserne Platten,
boustas genannt, welche oben das Tümpeleisen trugen, das gewöhnlich
einfach aus einer Gans hergerichtet war. Durch die so eingerahmte
Öffnung konnte man in das Innere des Ofens gelangen. Die Schlacken-
trift N wurde durch zwei eiserne Stangen (gentilhommes), die sich
an den Wall anlehnten, begrenzt. Das Weitere wird durch die Zeich-
nungen genügend erläutert.


Der Fluſs (castine), den man in Berry und Nivernais anwendete,
war ein weiſser Kalkstein. In Bourgogne und Franche-Comté schlug
man den feinkörnigen Bohnerzen einen leichtschmelzigen Lehm (terre
d’herbue genannt), der vorher gestoſsen wurde, zu. Erz, Zuschlag
und Kohlen wurden in Füllkörben (paniers) aufgegeben. Dieselben
waren von verschiedener Gröſse, die für die Kohlen (rasses) waren
am gröſsten, die für das Erz (clous, couches) am kleinsten. Letztere
faſsten ½ Scheffel Pariser Maſs, erstere ¼ Sack = 31 Pfd. Kohlen.


Eine Gicht (une charge) bestand zu Groſsouvre in Berry aus
8 Kohlenkörben, 11 Erzkörben und 3 Fluſskörben. Ebenso bestand
in der Franche-Comté die Erzgicht aus 11 bis 12 Körben zu 40 bis
50 Pfund. Die Chargen wurden in bestimmten Zeiträumen aufgegeben,
doch bediente sich der Aufgeber eines Maſsstabes (becasse), um damit
den Niedergang der Gicht zu messen, wie aus Fig. 61 zu ersehen ist,
um den richtigen Zeitpunkt zum Aufgeben zu bestimmen. Dieser
Maſsstab bestand aus einer Eisenstange, welche beweglich an einem
Stiel, ähnlich wie ein Dreschflegel, befestigt war. Die Eisenstange
hatte eine Länge von 2½ Fuſs, und es war Zeit, frisch zu laden, so-
bald sie ganz in den Ofenschacht hineinging.


Die heiſseste Stelle im Ofen befindet sich nahe vor der Form,
indem der Windstrom ähnlich wirkt, wie die Flamme einer Glasbläser-
lampe. Die Düsen der Blasebälge nehmen nicht die ganze Form-
öffnung ein, so daſs noch Raum bleibt, um die Schmelzung vor der
Form beobachten zu können. Der Niedergang der Erze und die
Schmelzung vor der Form darf nicht zu rasch erfolgen, damit das
Eisen aus dem Erz Zeit hat, die erforderliche fettige Materie aus den
Kohlen aufzunehmen. Gleichzeitig schmelzen die Asche der Kohlen,
die Erden des Flusses und die Unreinigkeiten der Erze zu Schlacke.
[328]Der Eisenhüttenbetrieb um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
Diese Schlacke läuft über dem Damm auf der einen Seite, wo eine
Schlackentrift zurecht gemacht ist, ab. Die Schlacken sind von sehr
verschiedener Farbe, je nach der Natur der Erze. Die der Öfen in
Nivernais waren grünlich, voll weiſser Adern, dem Jaspis ähnlich.
Andere sind wie Flaschenglas, andere weiſslich, andere schwärzlich.
Auſserdem wechselt die Farbe der Schlacken je nach dem Ofengang.


Nachdem eine gewisse Anzahl Gichten niedergeschmolzen sind,
hat sich soviel geschmolzenes Eisen im Herd oder Eisenkasten ange-
sammelt, daſs es Zeit wird, es abzustechen. Zu dem Zwecke formt
man in dem Sandbett vor dem Ofen eine lange prismatische Rinne
ein, in welche man das flüssige Roheisen zu einer „Gans“ (gueuse)
von 1500 bis 2500 Pfd. Gewicht auslaufen läſst. In der Form hatte
man mit römischen Zahlen die Nummer der Gans zuvor eingedrückt
und diese erscheint nun erhaben auf dem Boden der Roheisenmasse.
Nach dem Abstechen bricht man den Vorherd auf und reinigt den-
selben, indem man die zähe Ziehschlacke über den Wall auszieht.
Natürlich ruht während des Abstechens und während dieser Arbeit
das Gebläse, das erst wieder angelassen wird, sobald der Vorherd
und das Abstichloch wieder ordnungsmäſsig verschlossen sind.


In den meisten Hütten öffnet man, nachdem ein bis zwei Gichten
niedergeschmolzen sind, nochmals den Vorherd, um ihn zu reinigen
und die Ziehschlacke zu entfernen. Man sticht gewöhnlich in 20 bis
24 Stunden zwei Gänse bei stillgestelltem Gebläse ab. Die Gans
wird nach 10 bis 11 Stunden, nachdem sie erkaltet ist, aus der Vor-
hütte gezogen und gewogen, wie es auf Fig. 60 zu sehen ist. Eine
Wochenschmelze (fondée) hieſs die Arbeit von sechs Tagen und da-
nach wurde die Produktion gewöhnlich angegeben. Sie betrug meist
25000 bis 30000 Pfund. Eine Hüttenreise, d. h. die Zeit, während
welcher ein Ofen im Betriebe war, hieſs ouvrage, auch soudage, und
wurde nach Monaten ausgedrückt. Sie wurde in Frankreich nicht
eher beendet, als bis ein Fehler oder ein Mangel dazu zwang, und
dauerte in Berry meist fünf bis sechs, manchmal bis elf Monate. Man
bezeichnete die Hüttenreisen auch nach der Produktion, so daſs man
von Reisen oder Werken von 600000 oder 800000 Pfund sprach.
Das Ausblasen des Ofens nannte man mettre-hors. Gegen Ende der
Hüttenreise, wenn das Gestell schon ausgeschmolzen ist und sich
erweitert hat, bilden sich leicht Eisenansätze im Ofen, Sauen (renards)
genannt. Auch entstehen Ansätze von verglaster Materie in der
Rast. Nach dem Ausblasen ist in der Regel die Windseite am
meisten weggeschmolzen. Wenn man es in der Hand hat, bläst man
[329]Die Hochöfen in Frankreich.
am besten im Herbst aus, weil man dann am wenigsten Wasser hat.
Man benutzt die Zeit des Stillstandes, die nötigen Vorräte von Erz
und Kohlen anzuschaffen.


Bei dem Füllen des Ofens verfuhr man so, daſs man erst den
ganzen Ofen mit Holzkohlen füllte. Die Form war geschlossen. Man
entzündete vom Wall aus. Waren die Kohlen soweit niedergebrannt,
daſs Raum für eine Gicht war, so setzte man sie, gab aber zu acht
Körben Kohlen nur vier Körbe Erz und einen Korb Fluſsstein. War
diese bis zur richtigen Höhe niedergegangen, so folgte die zweite
Gicht von 5 Körben Erz und 2 Körben Fluſsstein, alsdann die dritte
von 6 und 2½, die vierte von 7 und 3 Körben. Den Fluſsstein ver-
mehrt man nicht weiter, der Erzsatz steigt bei der neunten Gicht
auf 9 Körbe. Sobald die ersten Erzstücke in der Höhe des Dammes
im Gestell ankommen, schlägt man den Rost (grille), d. h. man macht
ein Gitter von Eisenstangen, die man vom Damm bis zur Hinterwand
vortreibt. Die Stangen müssen dicht nebeneinander liegen, damit sie
die ganze Füllung des Ofens abfangen. Man reinigt alsdann den
Raum unter dem Rost, den Herd, sorgfältig und schlägt ihn dann mit
einer 4 bis 5 Zoll dicken Lage von Kohlenstaub aus. Diese soll die
Herdwände vor der unmittelbaren Wirkung des Windes und der ge-
schmolzenen Massen schützen. Darauf zieht man den Rost, verschlieſst
den Vorherd mit Kohlen und Kohlenstübbe, öffnet die Form, legt die
Düsen ein und beginnt zu blasen. Wir haben oben erwähnt, daſs
man die zähe Schlacke, welche sich im Herd sammelt, mit Stangen
und Haken auszieht. Da diese Ziehschlacke noch Eisenkörner ein-
gemengt enthält, so wird sie gepocht und dann verwaschen, wobei
man die Pochschlämme durch ein Holzgerinne leitet, in welchem
Querleisten am Boden aufgenagelt sind, welche die schweren Eisen-
körner, das Wascheisen, zurückhalten, welches dann ausgeschöpft wird.


An diesen Bericht Reaumurs über die Eisenhochöfen in Berry
und Nivernais schlieſsen sich die weiteren Ausführungen von de Cour-
tivron
und Bouchu über die Hochöfen in Frankreich.


Daſs die achteckige Querschnittsform in Frankreich auch in
andern Gegenden um die Mitte des vorigen Jahrhunderts beliebt war,
ersehen wir aus einer Beschreibung der Hochöfen von Angoumois und
Poitou von 1756 1). Man hatte hier zweierlei Öfen, kleinere und
engere für lettige Erze und gröſsere für thonfreie Erze. Bei ersteren
[330]Der Eisenhüttenbetrieb um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
betrug die Höhe 6,957 m. Die innere Form war unregelmäſsig und
bildeten die Querschnitte verschobene Achtecke, die Gichtöffnung da-
gegen ein Trapez. Die Maſse derselben sind aus untenstehender
Fig. 66 zu ersehen. Die Maſse des Kohlensacks sind nicht angegeben.
Die Form lag 18 Zoll (0,487 m) über dem Boden, darüber erhob sich
das Steinmauerwerk des Gestelles noch 5½ Fuſs (1,787 m), die eigent-
liche Rast war auf der Formseite höher als auf der Windseite, nämlich
4½ Fuſs (1,462 m) auf 3½ Fuſs (1,137 m), so daſs die Rast über der
Form steiler, auf der Windseite flacher war. Das Mittel der Form
lag 2½ Zoll (0,068 m) näher der Rückseite als der Tümpelseite. Zur
Herstellung der richtigen Profile des Ofeninneren wurden die Haupt-
querschnitte in Gestalt von Rahmen, durch deren Ecken Seile ge-
zogen wurden, eingesetzt.


Die Hochöfen für die nicht lettigen Erze waren 8,121 m hoch,
die Gichtöffnung war rechtwinkelig 0,975m auf 0,568 m. Der Quer-

Figure 71. Fig. 66.


schnitt des Gestelles
vor den Formen war
ebenfalls ein Achteck,
dessen zwei lange Sei-
ten 0,568 m, die Hin-
terseite 0,406 m, die
Vorderseite 0,433 m,
die vier gebrochenen
Ecken 0,217 m maſsen.
Die Form lag 20 Zoll
(0,541 m) über dem Boden. Ein solcher Ofen stand zu Verrières bei
Poitiers in gutem Betriebe.


In der Champagne, in Burgund u. s. w. hatten die Hochöfen
dagegen rechtwinkeligen Querschnitt, wie in Deutschland. Ihre Höhen
schwankten von 18 bis 26 Fuſs (5,847 bis 8,446 m), die Gicht von
22 bis 28 Zoll (0,595 bis 0,758 m) auf 25 bis 30 Zoll (0,677 bis 0,812 m)
in Breite und Länge, im Kohlensack von 52 bis 58 Zoll (1,408 bis
1,570 m) auf 60 bis 72 Zoll (1,624 bis 1,949 m), dabei lag der Kohlen-
sack 6 bis 8 Fuſs (1,949 bis 2,599 m) hoch; die Form 12 bis 20 Zoll
(0,325 bis 0,541 m) über dem Boden in ⅓ Abstand von der Hinter-
seite und ⅔ vom Tümpel, um die Hitze mehr nach hinten zu bringen,
wo der Schmelzer mit seiner Brechstange weniger gut reinigen konnte.
Die Breite des Gestelles war in der Regel gleich der Höhe der Form
vom Boden. Für schwerer schmelzbare Erze machte man die Öfen
höher als für leichter schmelzbare und setzte die Form tiefer. Bei
[331]Die Hochöfen in Frankreich.
leichter schmelzbaren Erzen machte man die Gicht weiter, die Rast
enger und das Untergestell höher. In der Kenntnis dieser Verhält-
nisse lag die geheime Wissenschaft der Schmelzer. Man verwendete
sowohl Sandstein als auch Kalkstein zum Ofenbau, und den Verfassern
war ein aus letzterem Material erbauter Ofen bekannt, der in einer
Reise 1½ Million Pfund Eisen gemacht hatte.


In dem Aufsatz von Courtivron und Bouchu wird ferner
auch ein Vergleich des Kohlenverbrauchs bei dem direkten und
indirekten Verfahren angestellt. Danach war der Aufwand in den
Katalanschmieden 3 Pfund Kohle auf 1 Pfund Eisen. Bei dem Hoch-
ofen brauchte man 1 Pfund und 13 Unzen 1) Kohlen zu einem Pfund
Guſs; da man zu einem Pfund Schmiedeeisen 1½ Pfund Guſs braucht,
so würde der Kohlenaufwand im Hochofen 43½ Unzen (= 272 Proz.)
auf das Pfund Eisen betragen. Nimmt man an, daſs zur Umwandlung
des Guſseisens in Schmiedeeisen ebenso viel Kohle verbraucht wurde,
so belief sich der gesamte Kohlenverbrauch für 1 Pfund Schmiedeeisen
auf 5 Pfund und 7 Unzen (= 544 Proz.). Die Verfasser nehmen
rund 6 Pfund in der Periode des Anheizens des Hochofens und
5 Pfund bei vollem Gange an. In Burgund und Champagne stellte sich
der Kohlenverbrauch bei der gewöhnlichen Arbeit sogar auf 7½ Pfund,
bei der verbesserten Arbeit immer noch auf 5 Pfund. Im ganzen
war also die Schmiedeeisenerzeugung in Katalanschmieden hinsicht-
lich des Kohlenverbrauches sparsamer.


Dieselben Verfasser stellen sodann allgemeine Betrachtungen über
den Bau der Hochöfen an. Einzelne ihrer Bemerkungen verdienen
vom historischen Standpunkte aus Beachtung. Das Rauhgemäuer hatte
meistens eine unverhältnismäſsige Stärke im Vergleich zu dem inneren
Ofenraum, und zwar mehr als für den Zweck der Zusammenhaltung
der Wärme erforderlich war. Dafür lag kein anderer Grund vor als
der, eine recht groſse Plattform auf der Gicht zu bekommen. Die
Verfasser weisen mit Recht darauf hin, daſs dies die Anlage verteure
und man besser auf andere Weise, durch Anlehnung an einen Ab-
hang u. s. w., sich helfe. Sie weisen ferner auf ein Mittel hin, das
massive Rauhmauerwerk rascher und besser auszutrocknen, was da-
durch geschehe, daſs man lose zusammengerollte Blechrohre, in welche
die Dämpfe eindringen könnten, in Abständen von je 2 Fuſs einmaure.
Die Verfasser vertreten dagegen die verkehrte Ansicht, daſs niedrige
Öfen, und zwar solche von 18½ Fuſs (6 m) Höhe, vorteilhafter seien
[332]Der Eisenhüttenbetrieb um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
als höhere von 21 oder 25 Fuſs (7 bis 8 m) Höhe. Daſs sie bequemer
sind, ist klar, auch daſs die Gichten rascher vor die Form gelangen,
was bei Unregelmäſsigkeiten des Ofenganges, wie sie ja bei dem da-
maligen Betriebe fortwährend vorkamen, von Wichtigkeit war; daſs
sie aber an und für sich ökonomischer seien, ist unrichtig, und wenn
sie Erfahrungen und Versuche dafür anführen, so muſs man an-
nehmen, daſs sie in den höheren Öfen denselben Wind zugeführt
haben, wie in den niedrigen, daſs aber ihre Blasebälge so schwach
waren, daſs sie nur für den Ofen von 18 Fuſs gerade ausreichten, für
die höheren aber nicht. Für die inneren Ofenwände soll, mit Aus-
nahme des Gestelles, eine Dicke von 2½ Fuſs (0,677 m) vollkommen
genügen. Wie mangelhaft und undauerhaft der Ofenbau aber damals
war, geht daraus hervor, daſs man in Frankreich Hochöfen vielfach
mit Kalksteinplatten von wenigen Zoll Dicke und gewöhnlichem Mauer-
mörtel ausmauerte, was sich allerdings wohl nur auf den Schacht beziehen
kann, da die Rast ja aus Masse gestampft wurde. Solche Öfen muſsten
nach jeder Schmelzung durchaus erneuert werden. Die Verfasser
weisen mit Recht auf die Nachteile eines so ungeeigneten Materials
und einer so unvorteilhaften Ausmauerung hin. Sie empfehlen da,
wo natürliche feuerfeste Steine fehlen, Backsteine. Für die Masse
zum Ausstampfen der Rast mischte man 5 Tle. Thon mit 4 Tln. Sand.
Gestelle aus Masse waren in Frankreich damals nicht im Gebrauch,
wohl aber in den österreichischen Alpenländern. Man benutzte dabei
Leerrahmen von Brettern, die den Raum umschlossen, der leer bleiben
sollte. Man setzte einen Rahmen auf den andern, nachdem man den
Raum dahinter ausgestampft hatte. Wenn die Rahmen weggenommen
waren, so trocknete der Sand sehr geschwind; hatte man aber Thon
verwendet, so muſste man ihn verschiedene Tage hintereinander immer
wieder von neuem schlagen, gewissermaſsen, als wenn er unter dem
Schlagen trocken werden sollte.


Wenn man Kalksteine zur Ausmauerung anwendete, so muſste
man zwei Wände hintereinander aufführen, von denen die innere die
falsche Wand (fausse-parois) hieſs. Der Grund hierfür war der, daſs
die innere Wand, die rasch zerstört wurde, sich für sich ablöste und
ausgebessert werden konnte, ohne daſs der Ofen selbst Schaden litt.


Für einen Ofen von 18½ Fuſs (6 m) Höhe, wie sie ihn für Burgund
und überhaupt als Normalofen vorschlagen, geben die Verfasser
folgende Maſse: Das Gestell, welches sie oval machen, soll haben:
Länge des Gestelles 18½ Zoll (0,501 m), in der Breite des Gestelles
13 Zoll (0,352 m), in der Formhöhe 13 Zoll (0,352 m), Abstand des
[333]Die Hochöfen in Frankreich.
Formmittels von der Hinterwand 6½ Zoll (0,176 m), Abstand des
Formmittels von dem Tümpel 12 Zoll (0,325 m).


Die Form soll mit ihrem flachen Boden horizontal liegen, das
Formmaul soll so eng sein, wie eine der Düsenöffnungen. Die Form-
öffnung soll sich vorn erweitern, der Bequemlichkeit der Arbeit wegen.


Das Obergestell, d. h. der Abstand von der Form bis zum Anfang
der Rast, soll ebenfalls 13 Zoll betragen.


Die Rast soll 52 Zoll (1,408 m) hoch, 60 Zoll (1,624 m) lang
und 50 Zoll (1,754 m) breit sein. Der Kohlensack liegt 6½ Fuſs
(2,111 m) über dem Boden, von da bis zur Gicht ist der Schacht
12 Fuſs (4,889 m). Die Gicht soll 20 auf 24 Zoll (0,541 bis 0,650 m)
haben. Die Ecken sollten durchweg abgerundet sein, so daſs der
Querschnitt eine eirunde Gestalt hatte. Daſs nur die Bequemlichkeit
der Meister der Grund war, weshalb man an der rechtwinkeligen Form
überhaupt noch festhielt, gehe schon aus dem Bericht eines Herrn
Guerchois von dem Jahre 1717 hervor, in dem es heiſse: „In der
Grafschaft Burgund ist ein Hochofenmeister, der die Wände einiger
seiner Öfen nach der Form eines abgestumpften Kegels, andere acht-
eckig, andere zehneckig hatte machen lassen, allein er hat es, weil
die Ausführung davon schwer war, doch wieder dabei bewenden lassen,
so daſs die Öfen mehr eine viereckige als länglich runde Gestalt be-
halten haben.“ Bei dem ovalen Querschnitt konnte man die von
Swedenborg beschriebene Drehschablone nicht brauchen, statt
dessen bediente man sich, wie oben erwähnt, entsprechender Rahmen
von Flacheisen, in welchen ringsum Löcher eingebohrt waren, durch
welche Seile gespannt wurden, wodurch man die Form des Ofen-
inneren erhielt.


Zu bemerken ist noch, daſs man in Frankreich wie auch in
andern Ländern mit einer Nase blies, d. h. daſs man an dem Form-
rüssel eine künstliche Verlängerung von Thon anbrachte, wodurch
der Schmelzpunkt mehr in den Herd hinein verlegt wurde, und der
man je nach Bedürfnis eine gerade, nach unten oder nach einer
Seite geneigte Richtung geben konnte. Die Kohlengichten, die vordem
360 Pfund (176 kg) betrugen, wurden mit Vorteil auf 280 Pfund (137 kg)
vermindert. Die Erze sollten gewaschen und geröstet sein. Pulverige
Erze muſste man anfeuchten.


Während die französischen Metallurgen glaubten, einen Universal-
Hochofen nach einheitlichem Muster und sogar gleichen Maſsen auf-
finden und einführen zu können, entwickelte sich der Hochofenbau
in der Praxis gerade in entgegengesetzter Richtung. Es bildeten sich
[334]Der Eisenhüttenbetrieb um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
nationale oder provinzielle Typen von Hochofenformen aus, wie sie
den Erzen der betreffenden Landschaften entsprachen und an denen
die Hochofenmeister mit Zähigkeit festhielten. Diese landschaftlichen
Hochofentypen entwickelten sich erst im Laufe dieses Jahrhunderts
zu voller Schärfe. Deutschland hat davon eine Anzahl charakteristi-
scher und durchaus voneinander abweichender aufzuweisen.


Die Floſsöfen in Steiermark und Kärnten.

Am Erzberg in Steiermark hielt man bis um die Mitte des
18. Jahrhunderts an dem alten Stückofenbetrieb fest. Der konser-
vative Sinn der Plaameister klammerte sich an das Hergebrachte und
wollte von der Einführung des Hochofenbetriebes nichts wissen, teils
aus Bequemlichkeit, teils aus Furcht, daſs die Qualität ihres Eisens
und Stahls und damit das Renommee ihrer Ware dadurch leiden
könnten. Als der Hüttenmeister Anthes im Jahre 1719 im Auftrage
der französischen Regierung seinen Bericht schrieb, kannte man am
Erzberg nur Stücköfen und ebenso war es, als Swedenborg 1734
sein Buch über das Eisen veröffentlichte. Sowohl in Eisenerz als in
Vordernberg schmolz man noch alles Eisen in Stücköfen. Der groſse
Kohlenverbrauch derselben zwang aber endlich doch die Radmeister
dazu, den alten Betrieb aufzugeben und Floſsöfen, wie in Kärnten, zu
erbauen. Schon 1665 hatte Graf Schwarzenberg einen solchen er-
baut gehabt. Derselbe stand aber nicht lange im Betriebe, angeb-
lich, weil der Kohlenverbrauch für das Frischen des darin erblasenen
Roheisens auf den Hammerwerken zu groſs war. Später muſs aber
doch der Betrieb wieder aufgenommen worden sein, denn Reaumur
erwähnt den Schwarzenbergischen Floſsofen zu Turrach („Durach“)
als den einzigen in Steiermark. Die Erbauung der ersten Floſsöfen
am Erzberg fällt um das Jahr 1750 1). Als Jars im Jahre 1758
Eisenerz besuchte, befanden sich bereits mehrere daselbst im Betriebe.
Sie waren auffallend niedrig, nämlich nur 11 bis 12 Fuſs (3,753 bis
3,898 m) hoch. Über dem Schmelzofen war ein gemauerter Kamin
von gleicher Höhe aufgeführt (s. S. 133, Fig. 71 b c) 2).


[335]Die Floſsöfen in Steiermark und Kärnten.

Der Abstand von der Formseite zur Windseite betrug 2 Fuſs
10 Zoll (0,920 m), von dem Stich bis zur Hinterseite zu 2 Fuſs 8 Zoll
(0,866 m). Der Ofen erweiterte sich bis auf ein Drittel seiner Höhe,
wo er 3 Fuſs (0,975 m) maſs. Von da zog er sich nach oben wieder
zusammen, so daſs er an der Gicht nur 2 Fuſs (0,650 m) weit war.
Auf den Bodenstein schlug man eine Sohle von Gestübbe etwa 1 Fuſs
hoch. Man blies durch den Stein, die Lehmform wurde in einer Höhe
von 15 bis 16 Zoll (0,406 bis 0,433 m) über Bodenhöhe angebracht 1).
Das Floſsschmelzen fing Montags früh an. Man füllte zuerst den
Ofen mit 18 Körben Kohlen, deren jeder 8½ Kubikfuſs hielt; gab
dann auf, wie auch bei den Stücköfen, und stach alle 2 bis 2½ oder
3 Stunden ab, und zwar Roheisen und Schlacken zusammen, die man
in eine flache, in Gestübbe ausgeschlagene Grube von etwa 4 Fuſs
Durchmesser laufen lieſs, so daſs das Eisen einen Kuchen von etwa
1 Zoll Dicke bildete. Je dünner das Roheisen war, je leichter schmolz
es im Frischherd. Das ganze Gewicht eines Abstiches betrug 3 bis
4 Ctr. Eisen. Im Anfang fiel Hartfloſs, weil der Ofen noch zu kalt
war, um schon Weichfloſs machen zu können. Hiermit begann man
erst am Dienstag Mittag. Bis dahin war die erste Lehmform schon
so weit abgeschmolzen, daſs sie erneuert werden muſste, wobei man
die Bälge auf die Seite schob. Nach dem Wiederanblasen gab man
anfangs mehr Kohlen und weniger Erz, weil durch die Erneuerung
der Form der Ofen unten kalt geworden war, dann aber stieg man
mit dem Erzsatz, um einen übersetzten Gang zu bekommen. Man
lieſs hierbei das Eisen länger im Ofen, stach also in gröſseren Pausen
ab. Dieser Betrieb war ökonomisch der vorteilhaftere, lieſs sich aber
nicht lange durchführen, weil alsbald das dicke, zähe, halbstahlartige
Eisen sich am Boden festzusetzen anfing. Nahm dies zu, so muſste
man wieder schärfer und auf harten Floſs blasen. Gewöhnlich konnte
man von Dienstag Mittag bis Freitag Mittag Weichfloſs machen, dann
muſste man bis Sonnabend früh, wo man den Ofen eindämmte und
den Wind abstellte, wieder auf Hartfloſs blasen.


Mehr oder weniger Weichfloſs zu machen, hing von der Beschaffen-
heit der Erze und von der Geschicklichkeit des Schmelzers ab. Man
verschmolz in einem solchen Ofen wöchentlich, d. h. von Montags
2)
[336]Der Eisenhüttenbetrieb um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
früh bis Sonnabend früh, 400 Ctr. Erz und brauchte dazu gegen
600 Maſs Kohlen, das Maſs zu 4½ Kubikfuſs gerechnet. Der Kohlen-
aufwand war demnach sehr beträchtlich.


Figure 72. Fig. 67.

Figure 73. Fig. 68.

Figure 74. Fig. 69.

Figure 75. Fig. 70.

Jars teilt nebenstehende Ofenprofile mit. Fig. 67 soll den
Höhenschnitt eines Eisenerzer, Fig. 69 den eines Vordernberger Ofens
(von 1758) darstellen. Aus den Grundrissen Fig. 68 und Fig. 70
ergiebt sich, daſs nur ein Gewölbe in dem Rauhgemäuer ausgespart
[337]Die Floſsöfen in Steiermark und Kärnten.

Figure 76. Fig. 71.


Figure 77. Fig. 72.


war, so daſs Abstich-,
Wind- und Arbeitsseite
eins waren, wie bei den
Stücköfen. Die Eisen-
erzer Öfen hatten runden,
die Vordernberger qua-
dratischen Querschnitt.


In Kärnten haben die
Floſsöfen früher Ver-
breitung gefunden als in
Steiermark, und als
Gabriel Jars im Jahre
1758 den Erzberg bei
Hüttenberg besuchte, fand
er den Floſsofenbetrieb
dort bereits vorherr-
schend. Auch waren alle
Öfen, sowohl die Stück-
als wie die Floſsöfen,
„hohe Öfen“ von 18 bis
20 Fuſs (5,847 bis 6,497 m)
Höhe. Die Floſsöfen wa-
ren von denen zu Eisenerz
verschieden. Fig. 71 u.
72 stellen einen Kärntner
Floſsofen nach Jars
Zeichnung dar. Das hohe
und schmale Ofenprofil
war lange Zeit charakteri-
stisch für die Kärntner
Hochöfen. Wie aus dem
Grundriſs zu ersehen,
war bei ihnen das Arbeits-
gewölbe und das Form-
gewölbe („der Formstall“)
getrennt. — Gestell und
Gicht waren viereckig, der
dazwischenliegende Ofen-
raum, Rast und ein Teil
des Schachtes aber rund.


Beck, Geschichte des Eisens. 22
[338]Der Eisenhüttenbetrieb um die Mitte des 18. Jahrhunderts.

Nach dem beigefügten Maſsstabe hatte das Gestell 0,60 × 0,45 m,
die Rast 1,10 m im Durchmesser, die Gicht 0,53 m im Quadrat. Diese
Maſse stimmen ziemlich mit den von Swedenborg angegebenen
(S. 156) überein. Die Form lag 13 Zoll (0,352 m) über dem Boden-
stein, der nach dem Stich zu abschüssig gelegt war. Die Öfen waren
von einem feuerbeständigen Granit erbaut, das Rauhmauerwerk war
4,20 m im Quadrat. Man stach das Eisen, welches verschickt werden
sollte, in Gänze, die 4 bis 6 Fuſs lang, 1 Fuſs breit, 4 Zoll dick und
5 bis 6 Centner schwer waren, ab. Dangenoust und Wendel, welche
1769 Kärnten bereisten, machen noch folgende Angaben. Eine Gicht
oder Charge bestand aus 1 Maſs Kohlen zu 3 Fuſs breit, 3½ Fuſs
lang und 2½ Fuſs hoch und aus einem Kübel Erz, welcher 18 Zoll
im Quadrat und 12 Zoll hoch war. Die Erze, spatige Brauneisensteine,
wurden in viereckigen Stadeln geröstet. Man schmolz sie ohne Zuschlag,
arbeitete mit der Stange nicht im Ofen und stach keine Schlacken vor
dem Abstechen ab, wenn sie nicht gerade bis vor die Form stiegen.
Alle vier Stunden hatte man einen Abstich von 5 bis 6 Ctr. Roheisen.
War das Eisen für den eigenen Gebrauch, so lieſs man es in einen
Sumpf laufen. Auf die Schlacke, welche das Roheisen bedeckte, goſs
man Wasser und zog sie ab. Alsdann spritzte man auf die Oberfläche
des Eisens Wasser, so daſs diese erstarrte und man eine Scheibe
Eisen abheben konnte, danach spritzte man wieder Wasser auf und
hob die zweite Scheibe u. s. w.


Je dünner die Scheiben wurden, desto besser war das Roheisen.
Alsdann wurde das Stichloch einfach mit Lehm wieder verschlossen,
ohne daſs eine Reinigung des Herdes nötig gewesen wäre. Ein Ab-
stich ergab 5 bis 6 Centner Wiener Gewicht, so daſs ein Ofen in
24 Stunden 30 bis 36 Centner Roheisen lieferte, und dieses die neun
Monate durch, die er im Gange war. So verfuhr man überall, auſser
wo man Eisen für entfernt liegende Hämmer oder für die Stahl-
fabriken machte. Dieses lieſs man in Gänze laufen, wie es Jars
angiebt. Dieselben wurden dann umgeschmolzen und in Scheiben
gerissen, ehe man sie verfrischte.


Alles Roheisen in Kärnten war weiſs, wie auch das in Steier-
mark, und hielt man das weiſse für besser als das graue, sowohl zum
Eisen- als zum Stahlmachen.


In Steiermark blieb man nicht bei den ersten von Jars be-
schriebenen niedrigen Floſsöfen stehen, sondern erhöhte sie und
veränderte auch ihre Gestalt. Es scheint, daſs in der Beziehung
in den ersten Jahrzehnten viel experimentiert wurde, weshalb auch
[339]Die Floſsöfen in Steiermark und Kärnten.
die Berichte verschiedener Reisender über die Floſsöfen zu Eisenerz
und Vordernberg durchaus nicht übereinstimmen.


Pantz und Atzl schreiben 1): „Im Jahre 1762 wurden also die
Stücköfen gänzlich abgeschafft und dafür Floſsöfen von 14 bis 16 Fuſs
Höhe aufgeführt. Unter diesen war einer, den man einen Hochofen
nannte. Er war 22 Fuſs hoch und stand auf dem Platze, wo jetzt
der Rupprechtische Ofen ist.


Zur Einführung dieser Arbeit wurden Schmelzleute aus Kärnten
geholt, die, wie dort, mit kupfernen Formen schmolzen und sogenannte
Gänze oder Kärntner Stritzel abstachen. Weil man sich aber vom
Stückofenprozeſs dadurch sehr entfernte, in dieser Arbeit noch un-
erfahren war und meistens sehr gekohlte, graue und spieglichte
Flossen erzeugte, welche die Hammerwerke gegen ihr voriges, schön
weiſs-metallisches und nur wenig gekohltes Eisen nicht zu verarbeiten
wuſsten, da ihnen die Zustellung der Feuer für dieses Eisen noch
unbekannt und die Entkohlungsmittel desſelben nicht in ihrer Er-
fahrung lagen, so erhob sich über dieses Rohgut eine Menge Klagen,
wobei die Stadt Steyr und die Waidhofner Fabrikanten, die jene
geschmiedete Ware verarbeiteten, nicht still blieben. Diese Beschwerden
machten den Beschluſs notwendig, jenen Ofen wieder abzutragen und
in den eben erst eingeführten Floſsöfen die Arbeit zu verfolgen,
ungeachtet selbst das aus ihnen erzeugte Roheisen den Hammerwerken
noch nicht behagen wollte, die den Unterschied gegen das der Stück-
öfen nur zu sehr fühlten.“


Die Maſse der gewöhnlichen Floſsöfen wichen in der Höhe um
2 Fuſs, in der Weite nur um 6 Zoll von den Stücköfen ab. Der
damals neu zugestellte Wendensteiner Ofen hatte folgende Maſse:


  • Vom Bodenstein bis zum Kohlensack   7 Fuſs — Zoll (2,212 m)
  • Von diesem bis zur Gicht  7 „ 6 „ (2,370 m)
  • Ganze Höhe   14 Fuſs 6 Zoll (4,582 m)
  • Weite der Gicht von der Form- zur Windseite   2 Fuſs — Zoll (0,632 m)
  • „ von der Brust- zur Hinterseite   3 „ — „ (0,978 m)
  • „ im Kohlensack   5 „ 3 „ (1,659 m)
  • „ am Bodenstein von der Form- zur
    Windseite   3 „ 6 „ (1,136 m)
  • „ von der Brust- zur Rückenseite   3 „ — „ (0,978 m)

22*
[340]Der Eisenhüttenbetrieb um die Mitte des 18. Jahrhunderts.

Der Schacht war übrigens rund und hintersäſsig, d. h. wenn man von
der Mitte der Gichtöffnung einen Senkel bis auf den Bodenstein herab-
lieſs, so muſste er gerade die Wind- oder Schuſsseite noch berühren.
Das Gestell stand daher um 21 Zoll von der Mittellinie ab gegen
die Formseite hin, und zwar aus dem Grunde, damit die Lehmform
durch die Schwere der niedergehenden Sätze nicht abgedrückt wurde.
Der von der Gichtöffnung noch weiter aufgeführte trichterförmige
Kranz betrug in seiner gesamten Höhe 5 Fuſs (1,580 m) und ebenso
viel in seiner gröſsten Weite.


Statt der Kupferformen setzte man damals eine Form von Lehm
ein. Man stopfte zu diesem Zwecke mehrere Ballen Lehm in das

Figure 78. Fig. 73.


Formloch und trieb mitten
durch noch einen groſsen läng-
lichen Keil von Lehm weiter
in den Ofen hinein, der mit
einem cylindrischen Stab so
durchbohrt wurde, daſs die
Mündung horizontal war, 3 Zoll
(0,079 m) weit, und so lange
sie nicht abbrannte, 18 Zoll
(0,473 m) in das Gestell hinein-
ragte und ebenso weit vom
Bodenstein entfernt lag. Durch
die Führung der Formnase
dirigierte man den Ofen auf
raschen und langsamen Gang;
für schnellen Niedergang der Gichten wurde sie aufwärts gerichtet,
für langsamen abwärts, wobei das Eisen mehr entkohlte und die
Schlacken flüssiger wurden. Kurz lieſs man die Nase, um die Eisen-
ansätze von der Formseite wegzuschmelzen, lang, um mehr zu
produzieren. Die horizontale Lage war die übliche bei normalem
Gang.


Die Hintersäſsigkeit war charakteristisch für die steierischen Floſs-
öfen und es ist auffallend, daſs Jars nichts davon erwähnt. Seiner
Zeichnung nach hätten Gestell und Schacht in einer Achse gelegen.
Nach Jars’ Reisebericht sind noch verschiedene Beschreibungen des
Floſsofenschmelzens in Steiermark veröffentlicht worden 1). Eine sehr
[341]Die Floſsöfen in Steiermark und Kärnten.
gute von einem Steiermärker findet sich als Anhang in Ferbers
Abhandlungen über die Gebirge und Bergwerke in Ungarn (1780).
Auſserdem veröffentlichte Schreber im Schauplatz der Künste und
Gewerbe, Bd. XI, S. 1772 die Zeichnung (Fig. 73 und 74) eines
Eisenerzer Floſsofens. Das Rauhmauerwerk oder der „Ofenstock“

Figure 79. Fig. 74.


(A B C D) hatte quadrati-
schen Querschnitt und senk-
rechte Seitenwände. Es
bildete annähernd einen
Würfel. In seinem Inneren
war ein viereckiger Hohl-
raum (E F G H) ausgespart,
in welchen der eigentliche
Schmelzofen mit feuerfestem
Lehm (Masse) eingebaut
wurde; man nannte dies
die „Leimfütterung“. Die
Seitenlänge des Ofenstockes
betrug je 3 Klafter = 18
Fuſs 1) (5,688 m), die Höhe
16 Fuſs 3 Zoll (5,315 m).
Die Seite, wo das Gebläse
lag, hieſs die Brustseite
(C D), wie bei den Stück-
öfen (auch Kamm- oder
Balgseite); die der Brustseite
gegenüberstehende Seite A B
nannte man die Schuſsseite.
Die Seite B D, wo das
Wasser auf das Rad geführt
wurde, wodurch die Welle,
die das Gebläse trieb, be-
wegt wurde, hieſs die
1)
[342]Der Eisenhüttenbetrieb um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
Wasserseite, und die dieser entgegengesetzte Seite A C nannte man
die Schoppseite, weil hier der Schopp, d. h. der Abstich, sich befand.
In der Schoppseite war das Abstichgewölbe K, in der Brustseite das
Formgewölbe W ausgespart. Die Wände des Ofenstocks waren von
ungleicher Dicke; diese betrug an der Brustseite 4 Fuſs (1,264 m), an
der Schuſsseite 6 Fuſs (1,896 m), an der Schopp- und der Wasserseite
je 5 Fuſs (1,580 m). Man erbaute den Ofen auf möglichst trockenem
Grunde. Der Sicherheit wegen führte man ein gemauertes Fundament
auf, und zwar zunächst eine 2 Fuſs (0,632 m) starke Grundmauer
A B X Y, auf dieser wurde der Kreuzkanal N, welcher der „Luftgraben“
genannt wurde, ½ Fuſs (0,158 m) breit und ½ Fuſs hoch aufgeführt,
aus dessen Mündung an der Brustseite unter dem Gebläse ein
blechernes Rohr in das Freie geführt wurde, um die durch die Hitze
des Schmelzofens sich bildenden Dämpfe abzuleiten. — Über den Luft-
graben, der mit Steinplatten oder Ziegeln gedeckt ist, kommt eine
Lehmsohle und über diese der Bodenstein 1), der etwa 1 Fuſs (0,316 m)
dick war, zu liegen; daher hatte der ganze Ofenstock vom Grunde des
Fundaments bis zur Gicht, „dem Eingang“, 19 Fuſs 9 Zoll (6,162 m)
Höhe. Über jedem Floſsofen war ein turmartiger Windfang aufgemauert,
5 Klafter (9,48 m) 2) hoch, der sich nach oben etwas verengte.
Zum Bodenstein wählte man eine flache Platte von feuerfestem Thon-
schiefer und gab ihm ½ Zoll Neigung gegen die Schoppseite. Auf
diesem wurde die Wandung des Ofens vom Boden aufsteigend nach
einem bestimmten Profil bald dicker, bald dünner, mit feuerfestem
Lehm aufgestampft oder „angeschlagen“. Man nannte dies „das
Sumperschlagen“ 3). Diese Arbeit, die vordem bei der Stück- oder
Maſserzeugung nur alle 12 Jahre wiederholt worden war, muſste bei
den Floſsöfen, weil der Lehm durch die gröſsere und beständige Hitze
rascher verzehrt wurde, alle drei bis vier Jahre von neuem vorge-
nommen werden. Den unteren Teil des Ofens, besonders über der
Schoppseite, wo die gröſste Hitze zu sein pflegte, muſste man öfters
ausbessern. Geschah dies so gründlich, daſs besondere „Reifeisen“,
hinter denen man den Lehm einstampfte, eingesetzt werden muſsten,
so nannte man diese Arbeit das „Reifsetzen“. Solche Ausbesserungen
nahm man natürlich nur vor, wenn der Ofen nicht im Gange war.
Die Länge der Schmelzkampagnen war damals aber viel weniger
von der Haltbarkeit des Ofens, als von anderen ökonomischen Be-
[343]Die Floſsöfen in Steiermark und Kärnten.
dingungen abhängig. Sowohl beim Sumperschlagen, als beim Reif-
setzen war hauptsächlich auf die richtige Legung der „Bruststange“
(Q R) acht zu geben, denn durch diese wurde der Platz der Form (O)
und die „Hintersäſsigkeit“ des Ofens bestimmt. Die Bruststange muſste
2 Fuss 6 Zoll (0,79 m) hoch liegen; denn wenn solche niedriger gelegt
wurde, muſste man auch die Form niedriger machen, was erfahrungs-
mäſsig einen gröſseren Aufwand an Kohlen und eine schlechtere Arbeit
verursachte. Ihr Abstand vom Ofenmittel wurde in folgender Weise
festgestellt; man senkelte von der Mitte der Brust- (Balg-) seite der
Gichtöffnung und legte die Bruststange 21 Zoll (0,563 m) von dem
Lot ab, um welche 21 Zoll dann der Ofen hintersäſsig wurde. „Stünde
der Ofen senkrecht, so würde die ganze Last des Erzes und der
Kohlen auf die Form hinunterfallen und solche, da sie nur aus Leim
gemacht ist, abdrücken, oder das Erz über derselben, weil dahin die
Luft am wenigsten wirkt, sich anlegen und versetzen. Bei so ge-
staltetem Bau des Ofens wird die Form gleichsam von der Hinter-
säſsigkeit geschützt und Kohle und Erz kommen vor die in den Ofen
hineinragende Lehmform, wo der Wind am meisten wirken kann.“
Man legte gewöhnlich zwei eiserne Bruststangen in einen Abstand
von 3 Zoll (0,079 m) parallel nebeneinander, sie ruhten auf den an
beiden Enden gesetzten Brustmäuerchen und hielten die ganze Brust,
d. h. die Wand des inneren Ofens auf der Balgseite bis zum Form-
gewölbe. Die Wand unter den Bruststangen bis zur Sohle nannte
man den „Krenn“. Diese ganze Anordnung rührte noch von den
alten Stücköfen her, wie auch die Bezeichnung Brustseite für die
Blaseseite, während wir gewohnt sind, unter der Brustseite die Abstich-
seite zu verstehen.


Um den Sumper zu schlagen, wurde der innere Hohlraum des
Ofens mit weiſsem, feuerfestem Lehm, einem vorzüglichen Kaolin, der
am Erzberg selbst gewonnen wurde, so ausgefüllt, daſs nur die tiegel-
förmige Höhlung, welche den Schmelzraum bildete, ausgespart blieb.
Dieser Hohlraum lag näher nach der Brust- oder Balgseite zu, so
daſs die Lotlinie vom Mittelpunkte des „Eingangs“ (der Gicht) der
Schuſsseite zufiel. Übrigens war auch der Querschnitt in keiner
Ofenhöhe ein vollständiger Kreis, sondern eine sich mehr oder weniger
dem Kreis nähernde Ellipse, die sich nach oben hin verdrehte. Am
„Boden“ betrug die Entfernung der Schoppseite von der Wasserseite
3 Fuſs 2 Zoll (1 m) und von der Brust- bis zur Schuſsseite 3 Fuſs
6 Zoll (1,158 m); im „Bauch“ oder Kohlensack, der sich wie bei den
Stücköfen in der halben Höhe des Ofens befand, war die Weite zwischen
[344]Der Eisenhüttenbetrieb um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
Schopp- und Wasserseite 5 Fuſs 4 bis 5 Zoll (1,685 bis 1,688 m),
zwischen Brust- und Schuſsseite 5 Fuſs 2 bis 3 Zoll (1,633 bis 1,660 m);
hier war also der letztere Durchmesser der kleinere. Dasselbe war
am „Eingang“ der Fall, wo der Abstand zwischen Schopp- und Wasser-
seite 2 Fuſs 6 Zoll (0,79 m), zwischen Brust- und Schuſsseite nur
2 Fuſs 2 bis 3 Zoll (0,685 bis 0,711 m) 1) betrug. Der Bodenquer-
schnitt war demnach gegen den Querschnitt des Bauches und des
Eingangs verdreht. Dazu kam nun noch die Hintersäſsigkeit, wodurch
die Mittellinie um etwa 10 Zoll von der Lotlinie abwich.


Beim Aufstampfen des Krenns lieſs man in der Mitte desselben
eine dachförmige Öffnung für die Form frei. In diese Öffnung wurde
dann die Form, oder wie man in Steiermark sagte, die „Ferne“ ein-
gesetzt. Sie bestand aus einer von grauem Lehm mittels des hölzernen
Formnagels ausgehöhlten, 18 Zoll langen Röhre, welche nach der
Beschaffenheit der Schmelzung gläge, eben oder scharf, d. h. nach
unten geneigt, horizontal oder oben gerichtet, eingeschlagen wurde.
Die ebene Lage war die normale, bei der „glägen“ verbrannte zu viel
Eisen, bei der „scharfen“ zu viel Kohlen. Das Gebläse eines solchen
Hochofens bestand aus zwei kleinen hölzernen Bälgen, die den Wind
ununterbrochen und gleichförmig in den Ofen führen muſsten, wobei
darauf zu achten war, daſs die Balgdüsen gut in die Lehmform ein-
paſsten, um möglichst wenig Windverlust durch seitliches Entweichen
zu erleiden.


Der Betrieb eines Floſsofens war kurz folgender: Zunächst wurde
der fertig zugestellte Ofen durch Holzflamme gut getrocknet und
hierauf mit Kohlen gefüllt, und zwar bis zum Kranz, d. h. bis zum
oberen Rand des auf der Gicht aufgemauerten Fülltrichters e f c g. Der
Ofen bis zum Eingang faſste 30, bis zum Kranz 40 Faſs Kohlen 2).
Hierauf wurden durch die Form einige glühende Kohlen eingelegt
und das Gebläse langsam angelassen, damit die Hitze im Anfang nur
ganz allmählich um sich griff; man nannte dies die „Glimmung“.
War der Kranz bis zum Eingang leer geworden, so wurden noch ein-
oder mehreremal frische Kohlen und auf diese dann zuerst ½ Kübel 3)
Stein aufgegeben. Nachdem dieser Satz niedergegangen war, gab man
½ Kübel Erz mit 8 bis 10 Faſs Kohlen, nachher aber wurde bei jeder
[345]Die Floſsöfen in Steiermark und Kärnten.
folgenden Gicht ein ganzer Kübel Erz mehr und ein Faſs Kohlen
weniger aufgegeben. Wurde die Lehmform während der Arbeit durch
die niedergehenden Gichten abgedrückt, oder vom Feuer verzehrt oder
auch nur kürzer, so stieſs man den alten Lehm heraus und bohrte
eine neue Form an. Nur dann lieſs man dieselbe mit Vorsatz kürzer
werden, wenn sich bei dem Krenn Ansätze von Eisen (sogenannter
„Brand“) angesetzt hatten, um diese wegzuschmelzen. Half dies noch
nichts und fuhr das Eisen fort zur Form heraufzuwachsen, so muſste
man den „Sinter“, d. h. die Schlacke, die sonst erst mit dem Eisen
zugleich abgelassen wurde, abstechen, um durch die nachrückenden
Kohlen dem Eisen wieder Wärme zuzuführen. — War das Untergestell
bis zur Form mit flüssiger Masse angefüllt, so wurde abgestochen.
Es geschah dies in der Regel alle drei Stunden. Ebenso war das Auf-
geben oder der Gichtenwechsel von dem Schmelzgang abhängig. Beides
waren Arbeiten des „Pleyers“ oder „Plaarers“, wie er in Kärnten hieſs.
Beim Ablassen oder Stechen, das weder zu spät noch zu früh ge-
schehen durfte, verfuhr er folgendermaſsen. Nachdem der flache „Tiegel“
(das Flossenbett) gut und eben zubereitet worden, um die Flosse
allenthalben gleich dick zu erhalten, wurde von dem „Müllner“ der
Gestübbebatzen oder -Klumpen und von dem „Grodler“ (Gradler) die
Sinterkrücke in Bereitschaft gehalten. Hierauf stieſs der Plaarer mit
der eisernen Stange unten am Schopp durch den Lehm und lieſs
durch diese Öffnung, die weit genug geöffnet werden muſste, um alles
heraus zu lassen, Eisen und Schlacken in den Tiegel flieſsen. Die
Öffnung wurde sogleich mit dem Gestübbebatzen wieder zugemacht
oder „verschoppt“. Wenn sich nach einer Weile das Eisen und der
Sinter geschieden hatten, wurde letzterer mit Wasser übergossen und
hierauf mit der eisernen Krücke von der Flosse abgezogen. Die Flosse
lieſs man 1½ Stunden im Tiegel langsam auskühlen und hub sie mit
Hilfe einer groſsen eisernen Zange und eines besonders hierzu be-
stimmten Ziehhaspels des „Flossenzugs“ auf die Seite.


Beim Aufgeben war das Folgende besonders zu beachten: Man
nahm nicht Kohlen von einer Sorte, sondern ein Gemisch von harten
und weichen, von Buchen- und Fichtenkohlen. Buchene allein gaben
„trockene“ Flossen, weiche allein erzeugten keine genügende Hitze
und gröſseren Kohlenaufwand. Das Maſsverhältnis zwischen Erz und
Kohle richtete sich nach der Eisensorte. Man unterschied haupt-
sächlich „Weichfloſs“ und „Hartfloſs“. Die Bezeichnungen „weich“
und „hart“ rühren hierbei keineswegs davon her, daſs das Roh-
eisen weicher oder härter war, sondern daſs dasſelbe im Frischherd
[346]Der Eisenhüttenbetrieb um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
leichter oder schwerer verfrischte und hierbei weiches oder hartes
Eisen gab.


Der Weichfloſs war ein luckiges Roheisen von übersetztem Ofen-
gang, welches rasch und leicht im Frischherd ging und das beste
Stabeisen gab. Die Schlacke, welche dabei fiel, war schwarz und
kochte („wallte und blauderte“). Der Hartfloſs entsprach dagegen
unserem Halbspiegel oder weiſsstrahligen Eisen (er war „schielicht
oder kompakt“). Die Schlacken, die dabei fielen, waren grün. Weil
das Eisen dichter und deshalb schwerer war und, indem es langsamer
frischte, ein hartes, mehr stahlartiges Eisen gab, so nannte man es
„schweren oder harten Floſs“. Sahen die Flossen „schwarzgriesig“
und verbrannt und der Sinter davon weiſs aus, so wurden sie „graue
Flossen“ genannt.


Die schweren Flossen wurden durch den Mangel an Kohlen, die
grauen durch Überfluſs derselben erzeugt, daher der Pleyer, der auf
Weichfloſs arbeitete, jederzeit mit der Schüttung der Kohlen auf die
Arbeit des Ofens acht haben muſste: denn bei erzeugten schweren
Flossen muſste er bei zukünftiger Schüttung dem Ofen mehr Kohlen
geben; bei erzeugten grauen Flossen war er genötigt, von den Kohlen
abzubrechen.


Bei dem „Haufenschütten“, d. h. dem Aufgeben, hatte man Be-
dacht zu nehmen, daſs, sobald es thunlich, die benötigten Kohlen
und Erze in den Kranz geschüttet wurden, denn dadurch wurde der
Eisenstein vorgeröstet und deshalb die Kohlen nicht unnütz ver-
brannt. Um die Röstung zu befördern und vollständiger zu machen,
wurde das Erz im Kranz wiederholt seitwärts hinaufgescharrt. An
der Seite, wo die Gicht rascher einsank, gab man mehr Kohle nach,
besonders an der Schuſsseite, damit es sich nicht so leicht an der
Krennseite ansetze.


Die Kennzeichen des Ofenganges waren auſser dem Eisen und
dem Sinter, wie oben beschrieben, das Aussehen vor der Form und
die Gichtflamme „der Läck“. Gingen die flockenweise vor der Form
herabfallenden Tropfen alle hell und weiſs nieder, so war die Hitze
zu stark; gingen sie meistens schwarz nieder und war die Form
dunkel, so ging der Ofen zu kalt; ein mittleres Verhältnis war das
richtige. War die Flamme auf dem Kranz ganz weiſs und brannte
hoch auf, so war dies das Zeichen eines harten Eisens, war „der Läck“
gelb oder braunrot und brannte ganz niedrig, so fiel weiches Eisen.


Die Hochöfen mit geschlossener Brust waren nur in einigen Ge-
bieten, wo man so reine Erze wie in Steiermark und Kärnten zur
[[347]]Die Floſsöfen in Schmalkalden.
Verfügung hatte. In Deutschland hatte man nur in Schmalkalden
ähnliche Öfen.


Der Schmelzbetrieb in der Herrschaft Schmalkalden erlitt in
dieser Zeit eine Änderung durch die Einführung der hohen Blau-
öfen
. Es geschah dies auf Betreiben des später in preuſsische
Dienste übergetretenen Geheimrats Waitz von Eschen im Jahre
1743 oder 1744. Vordem hatte man das weiche Eisen durch direkte
Schmelzung in den sogenannten niedrigen Blauöfen, die 12 bis 16 Fuſs
(3,60 bis 4,80 m) hoch waren, erhalten 1). Das Rohstahleisen hatte
man allerdings schon in den vorhergehenden Jahrhunderten in Öfen
gewonnen, die den steierischen und kärntnerischen ähnlich waren. Die
Reform in der Mitte des vorigen Jahrhunderts bestand nur darin,
daſs man diese Öfen erhöhte und alles Erz, auch das für weiches

Figure 80. Fig. 75.


Eisen, in denselben auf
Roheisen verschmolz.
Die Abbildung eines
Schmalkaldischen Roh-
stahlschmelzofens (Fig.
75) haben wir schon im
zweiten Bande, Fig. 57 bis
60, mitgeteilt. Quantz,
dessen Beschreibung der
Eisen- und Stahlmani-
pulation in der Herr-
schaft Schmalkalden von
1799 dieselbe entnom-
men ist, bemerkt aus-
drücklich, daſs die Gestalt der hohen Blauöfen ganz damit überein-
stimmt. Ihre Höhe ging von 19 bis 24 Fuſs. Bei einem 20 Fuſs 8 Zoll
(6,20 m) hohen Ofen waren die übrigen Maſse die folgenden: Der Durch-
messer des Gestelles auf der Herdsohle 2 Fuſs (0,60 m), von der Herd-
sohle bis zur Form 1 Fuſs (0,30 m). Bis zur Form waren die Wände
senkrecht. Von da erweiterte sich der Schacht bis zum Anfang der
Rast, welche 4 Fuſs 3 Zoll (1,275 m) Durchmesser hatte. Die Höhe
dieses Schachtes, welcher das Gestell bildete, betrug 8 Fuſs 2 Zoll
(2,50 m) und stellte einen umgekehrten Kegel vor. Die Höhe der
auffallend niedrigen Rast betrug 9 Zoll (0,225 m), in der Böschung
gemessen 10 Zoll (0,250 m), der Rastwinkel 55 Grad. Doch war derselbe
[348]Der Eisenhüttenbetrieb um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
verschieden für verschiedene Erze. Der Durchmesser im Kohlensack
betrug 5 Fuſs 3 Zoll (1,575 m). Von der Rast ging ein Stück von 1 Fuſs
senkrecht in die Höhe, also ein richtiger Kohlensack. Von da verengert
sich der Ofen bis zur Gicht, welche 1 Fuſs 8 Zoll weit war. Der obere
kegelförmige Schacht war 10 Fuſs 9 Zoll (3,225 m) hoch. Über der
Gicht war der Ofen noch höher aufgeführt und am Fülltrichter auf-
gesetzt. Das Mauerwerk wurde aus einem glimmerhaltigen Sandstein,
der Boden aus einer Kieselbreccie hergestellt. Das Rauhmauerwerk
war durch sechs eiserne Anker verstärkt. Die Form war von Kupfer,
0,30 m lang, die Mündung 0,038 × 0,062 m. Die Bälge waren nur
3 m lang, 0,975 m hinten, 0,200 m am Kopf breit, während die Bälge
des Blauofens für Rohstahleisen, der hitziger gehen muſste, 3,85 m
lang, 1,175 m hinten und 0,225 m am Kopf breit waren. Die Düsen
von Eisenblech waren vorn 0,038 m weit und lagen 0,075 bis 0,10 m
von der Formmündung zurück. Wenn das Schmelzen angehen sollte,
so wurde der Abstich (die Brust), die 0,60 m breit und 0,35 m hoch
war, anfänglich mit Kohlengestübbe zugemacht, nachher aber, wenn
das Gestell erwärmt war, mit Sandsteinen zugesetzt und mit Lehm
verschmiert. Dann wurde der Ofen mit Kohlen gefüllt, angewärmt,
darauf in Betrieb gesetzt wie gewöhnlich. Durch Verordnung war
bestimmt, daſs zu 4/7 des guten spatigen Erzes vom Stahlberg 3/7
des geringeren, kalkhaltigen Erzes der Mommel gesetzt werden sollten.
Zuschläge wurden nicht gegeben, da man durch Gattierung der Erz-
sorten die richtige Schlackenmischung erzielte.


Eigentümlich war das häufige Abstechen und die Art, wie dies
geschah. War der Ofen im richtigen Gange, so wurde immer nach
acht Gichten, meist nach 1½ bis 2 Stunden, das Eisen in Massen von
75 bis 125 kg mit der Schlacke in eine vor dem Ofen aus Kohlen-
stübbe und Sand gemachte runde Grube laufen gelassen. Die flüssige
Masse wurde sogleich mit Wasser begossen, wodurch die Schlacken
in die Höhe gingen. Dann lieſs man den Roheisenkuchen erkalten,
bis vier Gichten im Ofen niedergegangen waren. Hierauf wurde er
aus der Grube unter eine Wasserrinne gezogen, ganz erkalten gelassen
und dann mit Hämmern zerschlagen. Dieses Verfahren war vom
Rohstahleisenschmelzen übernommen. Für die Kaltfrischschmieden
lieſs man das Eisen auch in Gänze oder in Kuchen laufen; da es aber
immer hart war, sprang es meistens. Deshalb war es auch zum Ver-
gieſsen nicht geeignet. Anfangs erhielt man bei heiſsem Gang schönes
groſsspiegeliges Eisen, „sperriges“ Eisen genannt, dann Kleinspiegel,
hierauf luckigen Floſs, den man für das Eisenfrischen erstrebte. —
[349]Die Hochöfen in Deutschland.
In 24 Stunden setzte man gewöhnlich 3 bis 3½ Fuder Eisenstein mit
3½ bis 4 Fuder Kohlen, woraus man 30 bis 35 Ctr. Roheisen erhielt

Figure 81. Fig. 76.


Figure 82. Fig. 77.


Eine eigentümliche Über-
lieferung von dem alten
Blauofenbetrieb war es,
daſs der Schmelzer, wenn
die Reise zu Ende ging, zu
dem letzten Eisen noch
reichlich Eisenstein setzte
und eine regelrechte Luppe
blies, die er nach dem
Abstellen des Windes und
dem Aufbrechen der Brust
aus dem Ofen schaffte. Ein
hoher Blauofen wurde von
drei bis vier Schmelzern
bedient, welche in vier-
stündiger Schicht wechsel-
ten und zusammen täglich
4 Mark erhielten. Gegen
den alten Betrieb in nie-
deren Blauöfen war dieses
Schmelzverfahren ökono-
misch, sowohl hinsichtlich
des Kohlenverbrauchs, wie
des Ausbringens der Pro-
duktion und der Arbeits-
löhne 1).


Die Hochöfen im übrigen
Deutschland waren alle
Öfen mit offener Brust,
also mit Vorherd, Wall
und Tümpel. Jars be-
richtet über die Eisen-
hütten in Böhmen und
Sachsen, welche er im
Jahre 1757 besucht hatte;
insbesondere beschreibt er
[350]Der Eisenhüttenbetrieb um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
einen Hochofen zu Johann-Georgenstadt im sächsischen Erz-
gebirge näher. Fig. 76 u. 77 (a. v. S.) geben die Gestalt desſelben
nach der ziemlich mangelhaften Zeichnung 1). Nach dem beigefügten
Maſsstabe wäre der Ofen 21 Fuſs (6,822 m) hoch gewesen. Bodenstein
und Gestell waren aus groſsen zugehauenen Quadern von Zwickauer
Sandstein aufgeführt. Die Form lag 15 bis 16 Zoll (0,406 bis 0,423 m)
vom Bodenstein und 4 Zoll (0,108 m) über dem Rande des Wellsteins,
folglich war der Vorherd 1 Fuſs (0,325 m) tief. Er stand nur 9 bis
10 Zoll (0,244 bis 0,271 m) von dem Tiegelstein vor.


Die Breite des Gestelles von der Formseite nach der Windseite
betrug 15 bis 16 Zoll (0,406 bis 0,433 m), die Länge 3 Fuſs (0,975 m).
Das Gestell behält diese Maſse bis auf eine Höhe von 3 Fuſs 6 Zoll
(1,037 m) vom Bodenstein an gerechnet bei, von da erweitert er sich bis
auf eine Höhe von 3 Fuſs 2), wobei der viereckige Querschnitt in einen
zirkelförmigen übergeht, der im Kohlensack 5 Fuſs 2 Zoll (1,689 m)
Weite hat. Von da zieht er sich bis zur Gicht, die ebenfalls zirkel-
förmig ist und 27 Zoll (0,731 m) Durchmesser hat, wieder zusammen.
Die Erze, die zur Verhüttung kamen, waren gröſstenteils Blutstein und
Glaskopf aus dem groſsen Eisenbergwerk „Hülfe Gottes Irrgang“,
welche 13 Hochöfen in der Nachbarschaft mit Erz versah.


Bei jeder Gicht wurden 8 Schwiegen Kohlen, hierauf 7 Kübel
Möller, deren jeder ungefähr 60 Pfund wog, gesetzt. In 24 Stunden
wurde 16- bis 17 mal aufgegeben und zweimal in Gänzen abgestochen.
Jede Ganz wog 9 bis 9½ Centner. Die Tagesproduktion betrug also
etwa eine Tonne (1000 kg).


Von dem Bau der Hochöfen im Harz macht Jars keine näheren
Angaben; wir erfahren nur, daſs der Hochofen auf der Königshütte
21 Pariser oder 24 Harzer Fuſs (6,822 m) hoch war, während der
Ofen zu Rübeland sogar 28 Fuſs (7,980 m) Höhe hatte. Man fing also
auch in Deutschland an, die Öfen höher zu bauen.


Genauere Angaben über einen Hochofen zu Baruth in der heutigen
Provinz Brandenburg verdanken wir dem Besitzer desſelben, dem Grafen
Johann Christian zu Solms-Baruth, welcher sich theoretisch und
praktisch mit dem Eisenhüttenwesen vertraut gemacht und eine aus-
führliche Abhandlung über die Eisenhüttenwerke zu Baruth geschrieben
hat. Graf Solms-Baruth stellte dieselbe Herrn v. Justi zur Verfügung,
[351]Die Hochöfen in Deutschland.
welcher sie an Stelle der Übersetzung von Swedenborgs Werk „De
Ferro“ 1764 in dem Schauplatz der Künste und Handwerke (Bd. III,
S. 161) abdruckte. In Fig. 78 ist die ganze Hüttenanlage abgebildet.
a der hohe Ofen, b das Gichtenhaus, e das Schwengelhäuschen, in
dem sich die Blasebälge befanden; d die Brücke, auf welcher die Erze
und Kohlen auf die Gicht des Ofens getragen wurden; f Teich, g
„Freiharke“, h das Kohlenhaus, i i Erzstürzplätze, k das Wohnhaus
mit sechs Stuben, l der Stall mit einer Stube, m Brau- und Darrhaus,

Figure 83. Fig. 78.


n Hofraum, o Auffahrt. Aus einer Anmerkung von Justis geht her-
vor, daſs die Hütte um 1757 erbaut wurde.


Man verhüttete Raseneisenstein, der um Baruth überall an der
Oberfläche, höchstens einen Fuſs unter der Dammerde vorkam und
gegraben wurde. Er hielt angeblich zwischen 40 und 60 Proz. Eisen.
Die Stücke wurden mit Handhämmern klein geschlagen, dann wurde
er in Stadeln geröstet, in letzterer Zeit aber hatte man das Rösten
abgeschafft, weil bei der Leichtschmelzigkeit der Erze kein Bedürfnis
dazu vorlag und die Erze im Schacht des Hochofens genügend vor-
bereitet wurden. Früher hatte man das Erz in Renn- oder Blaufeuern
[352]Der Eisenhüttenbetrieb um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
verschmolzen, die aber seit Einführung des Hochofenbetriebes sich
nicht mehr rentierten.


Der Hochofen stand wegen des sumpfigen Untergrundes auf einem
Rost (Fig. 79, 2, 2) von eingerammten starken Pfählen (1, 1). Auf
diesen war eine starke Grundmauer (3, 3) mit den nötigen „Anzüchten“
(4), welche über das Kreuz unter dem Herd durchgingen, aufgeführt.
Das Rauhmauerwerk war aus Backsteinen erbaut. Es war zusammen-
gehalten durch eiserne Anker (7, 7), welche über das Kreuz durch
das Mauerwerk gingen und durch zwei starke Rahmen oder Schlingen
(8, 8) von Eichenholz, welche es umspannten. Der Schmelzraum war
viereckig, sowohl im Gestell als auch im Schacht, obgleich der Ver-

Figure 84. Fig. 79.


fasser anerkennt, daſs runde Schächte vorzuziehen seien. Die Haupt-
sache sei aber doch die richtige Weite des Kohlensacks, und in dieser
Beziehung habe die Erfahrung gelehrt, daſs das richtigste Verhältnis
zwischen der Weite von Gicht, Bauch und Gestell im allgemeinen
gleich 4 : 5 : 3 sei. Bei schwefelhaltigen Erzen solle man den Bauch
des Ofens etwas enger halten; überhaupt müsse man sich nach der
Beschaffenheit der Erze richten.


Das Gestell bestand aus Sandsteinen von Pirna. Von der rich-
tigen und sorgfältigen Zustellung des Gestelles hing nach der Ansicht
der Ofenmeister, welche dies zu besorgen hatten, der Erfolg der
Schmelzung hauptsächlich ab. Das Gestell bestand aus folgenden
[353]Die Hochöfen in Deutschland.
Stücken, dem Formstück, dem Tümpel und den zehn gemeinen
Stücken. — Der Herd des Baruther Ofens faſste nur etwa 4 Ctr. Eisen.
Nach allgemeiner Erfahrung sollte der Herd doppelt so lang als breit
sein, seine Höhe aber nur gleich der halben Breite. Im Formstein
lag die Form, welche 1½ Fuſs lang von Eisen oder Kupfer war,
konisch zulief und vorn eine 1½ zöllige halbzirkelige Öffnung hatte.
Dieselbe lag hinten etwas höher als vorn, so daſs sie mit der Horizon-
talen einen Winkel von 12° machte. „Die Hochöfner halten dieses,
sowie die Zustellung, für die gröſste Kunst, welche sie am geheimsten
halten.“ Die Maſse des Ofens sind in der Beschreibung nicht an-
gegeben. Nach der Zeichnung und dem beigefügten Maſsstabe wäre
der äuſsere Ofen mit der


  • Gichtmauer   14½ Ellen = 9,672 m
  • der innere Ofen   12½ „ = 8,338 „
  • das Gestell   1¼ „ = 0,834 „
  • die Rast   1¼ „ = 0,834 „
  • der Schacht   10 „ = 6,670 „

hoch und die


  • Gicht   1½ „ = 1,000 „
  • der Kohlensack   3 „ = 2,000 „
  • das Gestell   1 „ = 0,667 „

weit gewesen.


Die Blasebälge waren von Holz, 7 Ellen (4,670 m) lang und
2½ Ellen (1,668 m) breit. „Die vordere Öffnung der Form muſs
meistens den Mittelpunkt des hohen Ofens berühren 1).“ Die Erze
wurden mit Zuschlag eines kalkhaltigen Lehms und Kalksteins oder
in Ermangelung desselben mit einem kalkhaltigen Stein, Wacke ge-
nannt, geschmolzen. Dieser wurde vorher „ein wenig geröstet, wel-
ches man der Erfahrung gemäſs sehr nutzbar befunden hat“.


Die verschiedenen Erzsorten wurden mit dem Zuschlag auf der
Gicht zu einem Möller aufgefahren. Das Verhältnis des gebrannten
Kalkes zum Erz war wie 1 zu 10. Der Bericht über den Betrieb und
Betriebsstörungen und die Mittel zu deren Abhilfe enthält nichts, was
nicht bereits von Swedenborg angegeben worden wäre. Über die
Reinigung des Gestells wird gesagt: „Ehe abgestochen wird, muſs der
Hochöfner mit der Brechstange von den Seitenwänden des Herdes die
Beck, Geschichte des Eisens. 23
[354]Der Eisenhüttenbetrieb um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
Schlacken abstoſsen, damit sie sich in die Höhe begeben. Wenn aber
abgestochen ist, alsdann werden die im Ofen noch übrigen Schlacken
vermittelst eiserner Instrumente sorgfältig aus dem hohen Ofen heraus-
gezogen.“ Man blies auf graues Roheisen. Es wurde möglichst viel
Guſswerk gemacht, was vorteilhafter war als das Eisen in Gänze zum
Frischen laufen zu lassen. Nur flache Sachen, namentlich Ofenplatten,
wurden im Sande gegossen, während „Ofenblasen, Töpfe, Kasserolle,
runde Öfen“ u. s. w. in Lehm gegossen wurden. — Beim Ausblasen
des Ofens wurde in Baruth ebenso nur umgekehrt verfahren wie beim
Anblasen und an dem Erzsatz in entsprechendem Verhältnis abgebrochen.
War der ganze Ofeninhalt niedergeblasen, so lieſs man doch die Bälge
noch 10 bis 12 Tage gehen, um dadurch den Ofen rascher abzukühlen.
Dem Aufsatze des Grafen Solms-Baruth sind einige beachtenswerte
Beilagen beigefügt, auf die wir aber hier nur verweisen können. Die
erste ist ein Kostenvoranschlag für den Jahresbetrieb eines Ofens,
welcher 40 Wochen geht und in dieser Zeit 5600 Ctr. Eisen pro-
duziert 1). Die zweite Anlage ist die Inventarbeschreibung des Hütten-
werkes. Aus dieser erwähnen wir nur, daſs das Pochwerk mit drei
Stempel angelegt war, wie dies im vorigen Jahrhundert bei den deut-
schen Hütten ziemlich allgemein gebräuchlich war. Beim Hochofen
waren im ganzen 5 Mann beschäftigt: 1 Hochofenmeister, 2 Hoch-
ofenarbeiter und 2 Aufgeber, welche abwechselnd in zwölfstündiger
Schicht die Arbeiten am Ofen verrichteten. Sie erhielten zusammen
9 Thaler Wochenlohn. Die Eisengieſser waren wieder besonders und be-
standen aus einem Meister und „zween Purschen“. Ferner gehörten zum
Hochofen: 1 Kohlenmesser, 1 Eisensteinmesser, 6 bis 8 Köhler, welche
das bis 2000 Klafter jederzeit vorrätig stehende Holz verkohlten,
6 bis 8 Steingräber, welche das erforderliche Erz gruben, 2 Kahn-
fahrer, welche den Eisenstein auf dem Wasser zufuhren, und 2 Hütten-
knechte.


Zu einer Hammerhütte gehörten 4 Arbeiter: 1 Meister, 1 Vor-
schmied, 1 Ausgieſser und 1 Junge. Diese wurden nach dem Centner
abgelieferten Eisens bezahlt. Der Meister erhielt davon 3 Gr. 6 Pfg.,
der Vorschmied 2 Gr., der Aufgieſser 1 Gr. 9 Pfg., der Junge 9 Pfg.
Sie konnten in der Woche 20 bis 30 Centner abliefern.


Die dritte Beilage betrifft die Zustellung, d. h. die Maſse des
Gestells. — Die vierte Beilage ist die Tabelle eines dreiſsigwöchent-
[355]Die Hochöfen in Schweden.
lichen Schmelzens. In den 30 Wochen wurden 2995 Gichten mit
46465 Kästchen Eisenstein aufgegeben und 4626 Ctr. Eisen geschmolzen.
Im Durchschnitt also 22 Centner in 24 Stunden, die Woche zu sieben
Tagen gerechnet.


Die Frage, ob es zweckmäſsig sei, die Erze geröstet oder unge-
röstet aufzugeben, beschäftigte damals die Eisenhüttenleute und hat
ein Schwede Daniel Thelaus 1757 darüber eine Abhandlung ge-
schrieben 1). Er führt darin aus, daſs man in Deutschland auf vielen
Hochofenhütten vom Rösten der Erze abkomme, so zu Baruth in
Sachsen und zu Torgelow in Vorpommern, welche Raseneisensteine
verhütteten. In Schmalkalden röstete man die Erze weder beim
Eisen- noch beim Stahlschmelzen. Auf den Hütten im Trierischen
an der Lahn zu Nieborn (Nievern), Aalen, Schmitten und Hohrhein
wurden die in nuſsgroſse Stücke zerklopften Erze roh aufgegeben.
Auf der Ludwigshütte bei Biedenkopf wurden die reichen Erze von
Königsberg nicht geröstet, nur die ärmeren Zuschlagserze. Ebenso
erörterte man damals bereits die Frage, in wie weit der im Hochofen
zugeschlagene Kalk den Schwefel aus den Erzen auflöse 2). Ein ge-
wisser Junke hatte das behauptet; Christiernin bezweifelt, daſs
man den Schwefel, den man nicht durch Röstung entfernen könne,
durch den Kalkzuschlag entferne. Er giebt aber zu, daſs der Kalk-
stein beim Schmelzen der Eisenerze ein Fluſsmittel sei, das ein leichtes
und reines Schmelzen befördere.


Gabriel Jars besuchte Schweden im Jahre 1769; es war seine
letzte Reise. Beim Lesen der Schilderung der schwedischen Hoch-
öfen darf dieser Zeitunterschied von 10 bis 12 Jahren gegenüber den
zuvorbeschriebenen deutschen Öfen nicht auſser acht bleiben.


Die Hochöfen in Skandinavien hat Jars genauer beschrieben
als die deutschen und mit Recht, denn die neuesten derselben, die
von Laurwig in Norwegen, dürfen wohl als die besten jener Zeit
angesehen werden.


Swedenborg hatte zwar über die schwedischen Hochöfen
bereits ausführlich berichtet, und wir haben einen Auszug daraus
mitgeteilt; seit den 35 Jahren waren aber unverkennbare Ver-
besserungen in den Abmessungen und in der Bauart gemacht worden.


23*
[356]Der Eisenhüttenbetrieb um die Mitte des 18. Jahrhunderts.

Die schwedischen Öfen hatten, wie wir wissen, ein rundliches
Profil. Nur der Eisenkasten hatte senkrechte Wände; von der Form
an gingen Obergestell, Rast und Schacht allmählich ineinander
über, so daſs das Profil eine gekrümmte Linie und jeder Abschnitt

Figure 85. Fig. 80.


ein Kegelstück bildete. Die
Querschnitte bildeten Kreis-
linien. Diese Hochofenform
ist diejenige, welche den Sieg
über alle anderen davon ge-
tragen hat, freilich erst nach
mehr als hundertjährigem
Kampf. Es ist dieselbe, welche
in dem ältesten Profil, dem
Hochofen von Forrest of Dean
in England, bereits erscheint
und welche man vielleicht
richtiger die englische Form
nennen würde.


In Deutschland bezeichnete man aber diese Ofenform als die
schwedische, weil sie uns durch die vortrefflichen Schriften der schwe-
dischen Metallurgen hauptsächlich bekannt geworden ist.


Die schwedischen Öfen in Wärmeland (Fig. 80) welche Jars
gemessen und gezeichnet hat, stimmen mit den von Swedenborg
beschriebenen überein, nur waren sie gröſser.


Ihre Maſse waren die folgenden:


Der groſse Fassungsraum dieser neuen schwedischen Öfen ist sehr
bemerkenswert und namentlich war die Gichtweite gröſser als bei den
[357]Die Hochöfen in Schweden.
deutschen und französischen Öfen. Die Schweden legten besonderen
Wert auf eine weite Gicht, angeblich um zu vermeiden, daſs die Hitze
sich zu sehr in die Höhe ziehe und die Erze im Schacht schon an-
fingen zu schmelzen, ehe sie reduziert seien. Es war dies jedenfalls
eine Erfahrung, die sie an ihren Magneteisensteinen gemacht hatten.
Das Gestell bis zum Bauch war aus Sandsteinen, der Schacht aus
Formsteinen 1) gebaut. Der Wind wurde mittels Holzblasebälgen er-
zeugt und durch eine Form in den Ofen geleitet. Man stach unge-
fähr alle neun Stunden ab und lieſs das flüssige Eisen in mehrere
Gänze, damit diese nicht zu schwer wurden, auslaufen. Die Öfen
pflegten 20 bis 25 Wochen im Jahr zu gehen und blies man ge-
wöhnlich am Anfang des Jahres an und Ende Mai oder Mitte Juni
aus. Im Jahre 1758 gab es 48 Hochöfen in Wärmeland und Dahl
und 15 zu Danemora. Die ersteren 48 schmolzen 75611 Schiffs-
pfund (12100 Tons), entsprechend einer durchschnittlichen Tages-
produktion von 1650 kg. Auf dem Grillischen Hochofen zu Söderfors
in Roslagen war der Schacht, wie auch das obere Rauhgemäuer, aus
Schlackenziegeln statt aus Formsteinen, was Jars als einen groſsen
Vorteil bezeichnet. Es ist dies eine sehr frühe und sehr merkwürdige
Verwendung der Schlacken.


Die Herstellung dieser Steine geschah auf folgende Art. Man lieſs
die Schlacken, so wie sie aus dem Hochofen kamen, in eine Form
laufen, welche aus einer gegossenen eisernen Platte, welche die Gröſse
der zu machenden Ziegel hatte und aus zwei gegossenen Seitenstücken,
deren jedes einen rechten Winkel bildete, hergestellt war. Diese zu-
sammengesetzte Form wurde wagerecht auf Sand vor die Öffnung des
Ofens hingestellt. Nachdem man allerhand Abfälle von Schlacken vom
vorigen Guſs hineingeworfen hatte, lieſs man die sehr flüssige, hitzige
Schlacke darüberlaufen. War die Form voll, so schloſs man den
Schlackenstich und legte auf die Form eine Guſsplatte, welche die
Oberfläche eben machte und das Überlaufen verhinderte. Sobald alles
geronnen war, wurde die Form ringsum mit etwas Wasser bespritzt,
der Deckel entfernt, eins der rechtwinkeligen, dreieckigen Seitenstücke
weggenommen und der Ziegel herausgenommen. Die Steine wurden
an einem warmen Orte zum allmählichen Erkalten aufgesetzt, weil
sie bei raschem Erkalten sprangen. Diese Ziegel wurden nicht nur
zur Erbauung der Öfen, sondern auch zum Bau von Mauern gebraucht.
Sie waren zwar etwas schwer, aber durch ihre gute Auflagerung
gaben sie sehr feste, dauerhafte Mauern.


[358]Der Eisenhüttenbetrieb um die Mitte des 18. Jahrhunderts.

Hinsichtlich des Betriebes sowohl der Öfen in Wärmeland, als
der in Roslagen können wir auf Swedenborgs Angaben verweisen.

Figure 86. Fig. 81.


Höchstens ist noch zu
erwähnen, daſs zu Sö-
derfors die gerösteten
Erze gepocht und durch
ein Rätter geworfen
wurden. Nur das Durch-
geworfene kam in den
Ofen. Auch hatte man
daselbst einen sehr ein-
fachen mechanischen Auf-
zug, um die beladenen
Erzkübel auf die Gicht
zu heben. Es geschah
dies durch die Pochwelle
mit Hilfe einer Kette,
welche um einen Haspel
geschlungen war, der mittels eines Hebels in ein Triebrad an der
Welle ein- und ausgerückt werden konnte.


Weit interessanter sind die folgenden von Jars beschriebenen
Norwegischen Hochöfen. — Die groſse neue Hütte zu Laurwig

Figure 87. Fig. 82.


gehörte dem Grafen
von Laurwig, „der sie
aufs vollkommenste
angelegt und zur Er-
haltung dieses End-
zwecks nicht gespart
hat. Den gröſsten
Teil dieses glücklichen
Fortgangs hatte er
einem in der Kunst
sehr einsichtsvollen
und geschickten Manne
zu danken, dem er die
Direktion dieser Hüt-
ten anvertraut hatte“.
Die Anlage bestand
aus drei Hochöfen und
elf Frischherden. Der
[359]Die Hochöfen in Norwegen.
neueste der Hochöfen, in günstiger Lage näher nach der Küste hin
erbaut, war 70 Zoll höher als die anderen. „Er war“, wie Jars sagt,
„mit einer Solidität, die nicht ihresgleichen hat, erbaut, weil die Lage
des Ortes es erlaubte, durch Sprengung des harten Feldspatgesteins
einen Platz auszuhöhlen und den Ofen hineinzusetzen, so daſs der
Felsen an Stelle des äuſseren Mauerwerks den inneren Ofen schützte“.
Nach dieser Schilderung sollte man vermuten, der Ofen wäre ganz
in den Felsen eingebaut gewesen, dies war aber nach den Abbildungen

Figure 88. Fig. 83.


nicht der Fall. Es scheint,
daſs sich nur die Rück-
wand des Ofens an den
Felsen anlehnte.


Die Grundmauer der
beiden älteren Öfen hatte
29 Fuſs (9,420 m) im Qua-
drat. Fig. 81 zeigt das
Fundament mit den Kreuz-
abzügen, Fig. 82 den
ebenen Schnitt in Form-
höhe, Fig. 83 den senk-
rechten Schnitt durch
das Arbeitsgewölbe, Fig. 84
(a. f. S.) denselben durch
das Formgewölbe. Der
Abzugskanal im Boden
war mit einem groſsen
Stein bedeckt, über diesem
befand sich eine Lage Sand
von 1 Fuſs (0,325 m) Dicke
und auf dieser lag der
Bodenstein 1). Rings um
den Sohlstein wurde eine 4 Fuſs (1,299 m) dicke Mauer von einem
feuerbeständigen, schwarzen Glimmergestein und Thonmörtel aufgeführt,
und darauf das innere Mauerwerk mit demselben Material. Zwischen
der äuſseren Rauhmauer von 24 Fuſs Quadrat und dem inneren
Ofen blieb ein hohler Raum von 1 Fuſs Breite, welcher mit Sand
ausgefüllt wurde und von dem aus eine Anzahl offene Kanäle zur
Austrocknung des Rauhgemäuers nach auſsen führten. Das Gestell
[360]Der Eisenhüttenbetrieb um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
war aus feuerfestem Sandstein und war aus England bezogen.
Unten war es 23¼ Zoll (0,630 m) dick, oben verlief es sich im
Bauch des Ofens etwa 8 Fuſs (2,599 m) über dem Boden. Der
Zeichnung nach waren die Hauptmaſse folgende:


  • Höhe des Ofens   30 Fuſs = 9,745 m
  • „ der Rast   9 „ = 2,924 „
  • Weite vor der Form   2 „ = 0,650 „
  • „ im Kohlensack   8 „ = 2,699 „
  • „ der Gicht   4 „ = 1,300 „

Figure 89. Fig. 84.

Die Form lag 15 Zoll
(0,406 m) hoch, etwas
stechend.


Die Sandfüllung zwi-
schen dem inneren und
äuſseren Ofen war zum
Schutze des Mauer-
werks vor Hitze wie vor
Feuchtigkeit sehr zweck-
mäſsig.


Der dritte, zuletzt
erbaute Hochofen (Fig.
85) war besonders merk-
würdig, sowohl durch
den Einbau in die
Felsen und durch seine
Gröſse, als namentlich
auch dadurch, daſs er
einen cylindrischen
Schacht
hatte. Seine
Maſse waren nach dem
der Zeichnung beigefüg-
ten Maſsstabe:


  • Ganze Höhe   10,098 m
  • Höhe bis zur Form   0,445 „
  • „ „ zum Kohlensack   3,579 „
  • Weite vor der Form   0,609 „
  • „ des Kohlensacks   2,079 „
  • „ der Gicht   2,079 „

Aus der Angabe von Jars, daſs die Gestellsteine aus England
bezogen waren, läſst sich vermuten, daſs auch die Konstruktion
[361]Die Hochöfen in Norwegen.
der Hochöfen und die ganze Anlage, die von der schwedischen doch
sehr abwich, unter englischem Einfluſs entstanden war. Es ist auf-
fallend, wie sehr die Öfen von Laurwig englischen Kokshochöfen, die
wir später kennen lernen werden, gleichen. Das Gestell und Schacht
umgebende Mauerwerk war 2 Fuſs dick aus Backsteinen erbaut.


Die drei Öfen zu Laurwig gingen ununterbrochen 12, 18 Monate
bis 2 Jahre und Jars sah einen, der schon über 2 Jahre im

Figure 90. Fig. 85.


Feuer stand. Es sind dies bei weitem die längsten Hüttenreisen, von
denen wir bei Holzkohlenöfen bis dahin gehört haben. Zur Auf-
mauerung des Schachtes bediente man sich der schon von Sweden-
borg
beschriebenen Drehschablone, von welcher Jars eine verbesserte
Zeichnung mitteilt. Die Erze, meist Magneteisensteine, kamen 30 Meilen
weit von Arendal zu Wasser. Sie hatten 40 bis 50 Proz. Eisengehalt
und wurden gattiert. Es kam sehr auf eine gleichmäſsige und nicht
[362]Der Eisenhüttenbetrieb um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
zu scharfe Röstung derselben an. Früher hatte man diese Erze in
viereckigen Röststadeln nach der gewöhnlichen Methode geröstet, seit
einiger Zeit hatte man aber ein verbessertes Röstverfahren eingeführt,
welches wir oben mitgeteilt haben (S. 319).


Die groben Stücke der gerösteten Erze wurden unter einem
Hammer klein geschlagen. Das Erz bedurfte keines Zuschlags. Jede
Charge bestand aus einer Last Kohlen und etwa einer Tonne (450 kg)
Erz. In 24 Stunden wurde zweimal abgestochen, und zwar geschah
dies jedesmal, wenn fünf Gichten niedergegangen waren, deren jede
2 bis 2¼ Stunden Zeit brauchte. In 30 Tagen wurden mit 300 Last
Kohlen aus 300 Tonnen 1) Erz 84 Tonnen (à 1000 kg) Roheisen ge-
schmolzen. Zum Füllen und Anwärmen, welches 14 Tage dauerte,
brauchte man 16 Last Kohlen. Von 1600 Tonnen Roheisen wurder
nur 320 Tonnen zu Guſswaren vergossen, das übrige wurde verfrischt,
so daſs man 960 bis 1120 Tonnen Schmiedeeisen erzeugte, welches
meistens nach England ging.


Von gröſster Bedeutung war die Entwickelung der Hochofen-
industrie in England seit der Mitte des 18. Jahrhunderts. Der
Betrieb der Hochöfen mit Koks begann in allgemeinere Aufnahme zu
kommen. Es war aber auch die höchste Zeit, um dem gänzlichen
Untergang der englischen Hochofenindustrie infolge des immer drücken-
der werdenden Holzmangels zu entgehen. Im Jahre 1740 war die
englische Roheisenproduktion auf 17350 Tonnen gesunken, man zählte
in ganz England nur noch 59 Hochöfen in Betrieb, aber auch für
diese waren die Holzkohlen kaum zu beschaffen. Trotzdem wollten
die Hochöfenbesitzer, befangen in Vorurteilen und verblendet durch
Eigennutz, nichts von der groſsen Reform wissen, welche Abraham
Darby
angebahnt hatte, der praktisch bewiesen hatte, daſs man auch
mit Koks allein gutes Eisen im Hochofen schmelzen kann. Sein
Beispiel fand keine Nachahmung und Coalbrookdale war im Jahre
1747, als Professor Mason seinen Brief der Royal Society mitteilte,
wie es scheint, noch das einzige Hüttenwerk in England, in welchem
Eisenerze mit Koks verhüttet wurden. Der jüngere Darby, unter-
stützt von seinem Schwiegersohn Richard Ford, erntete den Lohn
seiner und seines Vaters Erfindungen.


Er erwarb ausgedehnte neue Mutungen auf Kohlen und Erze,
baute neue Hochöfen und dehnte sein Werk immer mehr aus 2). 1750
stellte er die erste Feuermaschine, d. h. eine Newcomensche Dampf-
[363]Die Hochöfen in England.
maschine auf, um die Gebläse seiner Hochöfen zu verstärken. Dies
geschah aber nicht durch direkte Verbindung der Blasebälge mit der
Feuermaschine — so weit war man damals noch nicht —, sondern
dadurch, daſs die Feuermaschine starke Pumpen bewegte, welche eine
groſse Wassermenge in den Spannteich des Wasserrades hoben. Durch
diesen verstärkten Wasseraufschlag war man im stande, gröſsere
Wasserräder von 24 Fuſs Durchmesser zu bewegen, welche dann wieder
die stärksten Holzblasebälge, welche bis dahin gebaut worden waren,
in Thätigkeit setzten. Darby erbaute nach und nach sieben Hoch-
öfen und stellte fünf Feuermaschinen auf, und so wurde Coalbrookdale
in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts das berühmteste
und gröſste Eisenhüttenwerk Englands und wahrscheinlich der Welt.
1754 wurde der erste Hochofen zu Horsehay angeblasen. Im Dezember
meldet er, „die Horsehay Werke sind auf dem höchsten Gipfel des
Erfolges, 20 bis 22 Tonnen Eisen jede Woche, und warm vom Ofen
weg verkauft mit gehörigem Nutzen“. Dies entsprach einer Produktion
von gut 3 Tonnen in 24 Stunden, eine höhere Produktion als bei
den Holzkohlenöfen üblich war.


Bald entstanden dann auch in anderen Gegenden Englands und
in Schottland Kokshochöfen. Leider hat Jars auf seiner Reise in
England im Jahre 1765 Coalbrookdale nicht besucht und dadurch
entbehren wir näherer Angaben über die dortigen Hochöfen, dagegen
hat er andere Werke gesehen und die Kokshochöfen in Cumberland
und Schottland beschrieben.


In Cumberland lag die Eisenhütte von Clifton-Furnace
zwischen Cokermouth und Whitehaven. Die Erze waren Thoneisen-
steine, von denen man an der See viel Lesesteine fand. Jars erzählt,
daſs die Hütte schon sehr alt sei und wegen der vielen Steinkohlen-
werke in der Nachbarschaft an diesem Platz erbaut worden war. Die
Erze muſsten hier, angeblich weil die Koks hier nicht so gut brannten
wie zu Carron in Schottland, sorgfältiger geröstet werden und geschah
dies deshalb in Schachtöfen, ähnlich den Kalkbrennöfen. Die Stein-
kohlen waren härter und fester und hatten mehr Harzteile. Man
unterschied zwei Sorten, die vom Dach des Flötzes, welche man top coal
nannte, und die darunter befindliche falling-coal. Das Brennen derselben
zu Koks geschah in Meilern. Mit diesen Koks wurden die Erze im
Hochofen auf Gieſsereieisen verschmolzen, welches gröſstenteils direkt
vergossen wurde. Auſserdem besaſs das Werk noch zwei Flammöfen,
in welchen meist gekauftes Eisen von Wales umgeschmolzen und zu
kleineren Guſswaren, namentlich zu Töpfen u. s. w., vergossen wurde.


[364]Der Eisenhüttenbetrieb um die Mitte des 18. Jahrhunderts.

Das andere Werk mit Kokshochofenbetrieb, welches Jars im
Jahre 1765 besuchte, war die berühmte Hütte zu Carron in Schott-
land
, welche ebenfalls für die Geschichte der Eisenindustrie von
England von besonderer Bedeutung ist. Es war damals noch eine
ganz neue Anlage, denn es war erst im Jahre 1760 von Dr. Roebuck,
dem groſsen Unternehmer, der nachmals zuerst James Watts Erfindung
der Dampfmaschine zu würdigen verstand, sich mit ihm verband und
ihm, so lange er konnte, voranhalf, gegründet worden. Roebuck
wurde einer der gröſsten Wohlthäter Schottlands durch die Einführung
des Kokshochofenbetriebs, starb aber arm, da ihm seine Unter-
nehmungen über den Kopf wuchsen. Der erste Hochofen war 1760
zu Carron von ihm erbaut worden. In den folgenden Jahren wurde
das Unternehmen auſserordentlich erweitert. Das Gesellschaftskapital
sollte nach dem Gründungsvertrag 12000 £ nicht übersteigen, aber
1771 betrug es schon 130000 £ und wurde bald darauf auf 150000 £
erhöht. In wenigen Jahren wurde dieses Werk durch seine Leistungen
eines der berühmtesten in Europa. Aus der Schilderung, welche Jars
von den Carron-Werken gemacht hat, entnehmen wir Folgendes.


Auf jeder der beiden groſsen Steinkohlenbergwerke, welche der
Gesellschaft gehörten, stand eine Feuermaschine, welche die Wasser-
haltung besorgte. Die Erze kamen von fünf verschiedenen Orten.
Es war ein Thoneisenstein, der höchstens 30 Prozent enthielt; um ein
gröſseres Ausbringen zu erzielen, verschmolz man ihn mit rotem
Glaskopf (Hämatit) von Cumberland. Die Thoneisensteine hatten eine
schwarzgraue Farbe und sehr dichtes Korn. Sie glichen keinem der
Eisenerze, welche Jars bekannt waren.


Sie wurden in groſsen Haufen mit Steinkohlen geröstet (siehe
S. 319). Das Cumberländer Erz (iron-ore) wurde ungeröstet auf-
gegeben. Die Steinkohlen wurden in Meilern zu Koks gebrannt. Das
Verschmelzen geschah in zwei nebeneinander stehenden Hochöfen.
Dieselben waren 30 Fuſs (9,15 m) hoch, von runder Form und hatten
8 Fuſs Durchmesser im Bauch. Es waren also auſser dem neuen
Ofen von Laurwig die gröſsten Öfen, von denen wir bis dahin Kenntnis
haben. Vor jedem Ofen lagen zwei sehr groſse, einfache Blasebälge,
welche durch ein sehr groſses Wasserrad getrieben wurden, an dessen
Welle zu jedem Blasebalg vier Wellfüſse befindlich waren. Alle zwölf
Stunden wurde abgestochen und jeder Abstich wog ungefähr 40 Ctr.,
in 24 Stunden also 4500 kg per Ofen, wohl die gröſste Produktion, die
bis dahin erreicht war.


„Es ist sonderbar,“ fährt Jars fort, „daſs dieses bei Steinkohlen
[365]Die Hochöfen in Saarbrücken.
erblasene Roheisen so sehr weich ist, da man doch niemals, wie wir
in der Folge sehen werden, ein gutes Stabeisen daraus erhalten kann.
Es läſst sich fast wie Stabeisen feilen und schmieden: ein Umstand,
welcher für die Herstellung allerhand Arten von Guſswaren ungemein
vorteilhaft ist. Die Anfertigung von Guſswaren ist aber auch der
Hauptgegenstand auf dieser Hütte und es werden hier, ebenso wie
auf einer sehr beträchtlichen Eisenhütte in dem Herzogtum Wales,
die gröſsten Cylinder zu Feuermaschinen für Schottland und England
gegossen.“ Das Gieſsen sehr groſser Stücke wurde noch durch Flamm-
öfen, in welchen Roheisen eingeschmolzen wurde, unterstützt. Man
goſs aber alle Arten von Gegenständen, und Töpfe für Amerika
bildeten einen Hauptartikel. „Ein Umstand bei diesem Hüttenwerk,
den man sonst nirgends findet, ist sehr merkwürdig. Dieses ist ein
hoher Ofen, der, wie man sagt, schon vier Jahre im Gange ist, und
die Gewerken glauben, daſs er noch ein Jahr gehen werde. Der
zweite ist auch schon drei Jahre im Gange, da doch sonst überall eine
solche Hüttenreise höchstens ein Jahr dauert.“ Die groſsen Gebläse
waren den Gewerken immer noch nicht stark genug, deswegen lieſsen
sie damals neue Bälge von ungeheurer Gröſse machen, welche 21 Fuſs
(6,405 m) lang werden und aus 10 Zoll (0,255 m) dicken Bohlen be-
stehen sollten. Sie sollten sich auf über 300 £ stellen. Jars meint,
wenn sie Doppelbälge anwendeten, würden sie viel sparen können.


Man machte aber nicht nur Guſswaren, ein Teil des Roheisens
wurde zu Stabeisen verfrischt, was aber nur unter starkem Zusatz
von russischem und amerikanischem Eisen geschehen konnte.


Auf dem Kontinent gelang es zuerst in Deutschland, Eisenerze
im Hochofen mit Koks zu verschmelzen. Dies geschah zu Sulzbach
bei Saarbrücken durch den Fürsten Wilhelm Heinrich von Nassau-
Saarbrücken.


Über die Verschmelzung der Eisenerze mit Koks in Sulzbach
berichtet Genssane, daſs der Hochofen ganz ähnlich den von
Courtivron und Bouchu beschriebenen französischen gewesen sei.
Auch der Betrieb war der gleiche, nur blies man etwas stärker. Die Erze,
Thoneisenstein und Bohnerze, wurden nur zum Teil geröstet. Sie waren
arm und gaben nur 30 bis 32 Proz. Eisen. Man beschickte in der Weise,
daſs man erst zwei Sätze, etwa 25 kg, geröstetes Erz aufgab, darüber
fünf Körbe Koks, von denen jeder etwa 25 kg wog, darauf fünf Sätze,
etwa 50 kg, ungeröstetes Erz, auf dieses drei Sätze Kalkstein und dann
wieder fünf Sätze gerösteten Stein. Jede Charge wog etwa 250 kg
Erz, 38 bis 40 kg Kalkstein und 125 bis 130 kg Koks. Man gab in
[366]Der Eisenhüttenbetrieb um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
24 Stunden sechsmal auf; also 2500 kg Erz, 350 bis 400 kg Kalkstein
und Koks entsprechend 1300 kg Steinkohlen. Hiermit erzielte man
800 kg Roheisen von guter Qualität, wie Genssane behauptet.


Das Roheisen war so gut, daſs es beim Frischen „nur“ 25 bis
26 Prozent verlor. Dabei gab es so weiches Eisen, daſs man es fast
zu Draht verarbeiten konnte. Hierin ist aber Genssanes Bericht
jedenfalls zu schön gefärbt, denn man gab nach zwei Jahren die
Herstellung von Roheisen mit Koks, wegen der schlechten Qualität
des Roheisens, wieder auf.


Jedenfalls gebührt aber dem deutschen Fürsten von Nassau-Saar-
brücken der Ruhm, auf dem Kontinent den ersten Eisenhochofen
mit Koks mit Erfolg betrieben zu haben. Es ist auch charakteristisch,
daſs es in Deutschland zwei souveräne Fürsten waren, welche sich um
die Fortschritte des Hochofenbetriebs verdient machten und von denen
wir die ersten Berichte über den Betrieb deutscher Hochöfen haben.


Man hatte wohl erkannt, daſs die Verwendung roher Steinkohlen
im Hochofen unausführbar sei oder sehr schlechtes Eisen gäbe, weil
bei der unmittelbaren Berührung von Kohle und Erz die Unreinig-
keiten der ersteren, namentlich der Schwefel, in das Eisen übergingen
und dasselbe verdarben. Die Idee, die Kohlen von den Erzen zu
trennen, die Ausschmelzung der letzteren nur durch die Flamme der
Steinkohle zu bewirken, lag nahe und wurden in England darüber
bereits im 17. Jahrhundert Versuche angestellt und Patente erteilt.
Das bekannteste ist das, welches einem Deutschen, Blauenstein
(englisch Blewstone), erteilt wurde, der wenigstens teilweise Erfolg
gehabt zu haben scheint. Im allgemeinen aber hatten diese Versuche
kein Ergebnis, weil man im gewöhnlichen Zugflammofen nicht die
nötige Temperatur erzielte, um Eisenerze zu schmelzen. Die Idee
tauchte aber immer von Zeit zu Zeit wieder auf. Auch in Deutsch-
land war dies der Fall und hier war es Herr von Justi, der zuerst
einen solchen Flammofen zum Schmelzen der Eisenerze, den er einen
„englischen Coupolo-Ofen“ nannte, vorschlug 1).


[367]Die Eisengieſserei um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
Die Eisengieſserei um die Mitte des
18. Jahrhunderts.

Die Eisengieſserei hat im Laufe des 18. Jahrhunderts be-
deutende Fortschritte gemacht. Daſs sie in Frankreich schon zu
Anfang des Jahrhunderts auf einer verhältnismäſsig hohen Stufe stand,
haben wir aus den Schriften Reaumurs entnommen, der selbst
wieder eben durch seine Schriften diese Kunst gefördert hat. Über
den Stand der französischen Gieſsereitechnik um 1760 giebt die Ab-
handlung von Courtivron und Bouchu in den Descriptions des
arts et métiers, an der auſserdem Duhamel mitgearbeitet hat,
und welche die erste ausführliche Darstellung über die Eisengieſserei
im allgemeinen enthält, den besten Aufschluſs. Nach dem Form-
material und der Art der Abformung ist der Aufsatz über Gieſserei
eingeteilt in die unbedeckte Abformung in Sand, sogenannter offener
Herdguſs, in die Abformung in Lehm und in die Abformung in Sand
in geschlossenen Kasten.


Die offene Sandformerei ist das einfachste Verfahren. Über
ihre Ausführung wird nichts Neues vorgebracht. Dagegen erfahren
wir, daſs ihre Anwendung eine recht mannigfaltige war. Es wurden
nicht nur die Ofen- und Kaminplatten, die damals im allgemeinen
Gebrauch waren, im offenen Herd gegossen, sondern auch Schmiede-
ambosse, Chabotten und schwere Hämmer so gegossen. Auch fing
man an, die Ringe mit Hebedaumen zur Bewegung der Hämmer in
einem Stück zu gieſsen, was einen groſsen Vorteil bot gegenüber dem
früheren Verfahren, bei dem durch das Einstemmen der schmiede-
eisernen Hebedaumen der Wellbaum sehr geschwächt worden war.
Der Guſs erfolgte fast stets direkt aus dem Hochofen, und zwar in
der Weise, daſs man die Form mit der Laufrinne oder dem Bett der
Gans durch eine im Sand geformte Rinne verband, welche man beim
Abstich öffnete und soviel flüssiges Eisen durchlieſs, als zum Füllen
der Form erforderlich war, worauf man sie durch Zustopfen mit Sand
oder ein eingesetztes Blech schloſs. Da wo man weiſses Roheisen
erzeugte, wurden die Guſsstücke oft so hart und spröde, daſs man sie
unmittelbar nicht gebrauchen konnte. Dies wurde bis zu einem ge-
wissen Grade durch nachträgliches längeres Ausglühen verbessert. Es
geschah dies entweder einfach in einem Haufen brennender Kohlen
[368]Die Eisengieſserei um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
oder in einem Wärmeofen. Auch ein Umhüllen mit frisch abgestochenen,
glühenden Schlacken übte manchmal schon eine genügende Wirkung.


Die Hauptart des Formens war immer noch die Lehmformerei.
Obgleich die Sandformerei billiger war und rascher von statten ging,
hing man doch noch mit Vorliebe an dem älteren Verfahren. Die
Eisengieſserei verleugnete nicht ihre Abstammung von der uralten
Kunst der Metallgieſserei, welche sich im Mittelalter in der Glocken-
und Kanonengieſserei groſsartig entwickelt hatte.


Über das Formen in Lehm und in Sand liefert Duhamel eine
sehr gute Beschreibung, die durch vortreffliche Zeichnungen noch ver-
ständlicher wird 1). Wir können nur das Wichtigste daraus mitteilen
und verweisen auf das Original.


Die Vorzüge des Lehmgusses bestanden darin, daſs man dazu
keine Modelle brauchte, und daſs, wenn man zarten Lehm nahm, die
Guſsstücke sauberer und glatter wurden als die in Sand gegossenen.
Endlich waren die in getrockneten Lehmformen gegossenen Guſswaren
fester als die in feuchtem Sand gegossenen, in welchem das Eisen
immer etwas abgeschreckt wurde. Der Thon durfte nicht zu fett sein,
weil er sonst beim Trocknen Risse bekam; in dem Fall mischte man
feinen Sand bei. Das Reiſsen wurde auch verhindert durch Einmengen
von Asche, Pferde- und Kuhmist, Haaren, kleingeschnittenem Werg u. s. w.
Mochte die Erde von Natur noch so gut sein, es war immer nötig, sie
vor dem Gebrauch gehörig durchzuarbeiten, was durch Schlagen mit
dicken eisernen Stangen oder gewöhnlicher durch Treten mit den
nackten Füſsen in Lehmgruben geschah. Hierbei wurden auch die
genannten Zusätze eingemengt.


Man bediente sich bei der Lehmformerei keiner Modelle, dagegen
soviel wie möglich der Schablonen. Erst stellte man den inneren
Teil des Guſsstücks, den Kern, dar, auf diesen trug man mit Lehm
die Eisenstärke auf, welche später entfernt wurde. Über Kern und
Eisenstärke, auch „Hemd“ genannt, formte man die äuſsere Form
oder den Mantel.


Zur Fertigstellung einer Lehmform macht man also 1) den Kern,
auf diesen trägt man 2) die Eisenstärke auf, hierüber formt man
3) den Mantel, 4) nimmt man den Mantel wieder fort, 5) löst man die
Eisenstärke oder das Hemd ab und entfernt es, worauf man 6) den
Mantel wieder darüber stülpt, wodurch die Hohlform hergestellt ist.


[369]Die Eisengieſserei um die Mitte des 18. Jahrhunderts.

Als Beispiel für die Lehmformerei und für die Sandformerei wird
das Einformen eines bauchigen Kessels beschrieben, der damals auf
die eine und auf die andere Weise hergestellt wurde.


Figure 91. Fig. 86.

Figure 92. Fig. 87.

Fig. 86 stellt den fertigen Kessel dar, der in Lehm geformt
werden soll. Zuerst wird der Kern gemacht. Zu diesem Zwecke wird

Figure 93. Fig. 88.


Figure 94. Fig. 89.


die rohe verjüngte Form
durch Aufdrehen eines
lose geflochtenen Stroh-
seils auf einer konischen
Spindel (Fig. 87, N), an
deren Ende man eine
Handkurbel befestigt und
welche auf einem Werk-
tisch ruht, in der Weise,
wie es Fig. 89 zeigt, her-
gestellt. Auf diese
wird der Lehm mit
der Hand unter
Drehen der stroh-
bewickelten Spindel
aufgetragen und mit
dem Schablonen-
brett abgestrichen
(Fig. 88), wodurch
die ungefähre Ge-
stalt des Kerns
entsteht. Der Kern
wird dann getrock-
net und hierauf zum
zweitenmal auf der
Beck, Geschichte des Eisens. 24
[370]Die Eisengieſserei um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
Werkbank unter Aufgeben von Lehm mit Hilfe einer genaueren
Schablone abgedreht. Für einen solchen Kesselkern genügt das zwei-
malige Aufdrehen, bei komplizierteren Körpern muſs es öfter wieder-
holt werden. Der Kern wird von neuem getrocknet. Dieses Trocknen
kann im Sommer bei sehr günstiger Witterung im Freien geschehen, in
der Regel werden die Lehmkörper aber über einem Feuer, welches
in einem aus Backsteinen gemauerten Trog, auf dessen langen Seiten-

Figure 95. Fig. 90.


wänden die Spindeln
mit ihren Enden auf-
lagern, während der
Lehmkörper über dem
Kohlenfeuer hängt und
nach Bedürfnis leicht
gedreht werden kann,
getrocknet. Alsdann
erhält der Kern einen
Anstrich von feiner
Kreide oder gesiebter
Asche, wodurch sich die danach aufgetragene Eisenstärke später besser
ablöst. Das Auftragen dieser Lehmschicht geschieht genau in derselben
Weise, nur mit einer andern Schablone, welche genau der äuſseren
Form des Kessels entspricht. Man trocknet wieder und trägt einen

Figure 96. Fig. 91.


Figure 97. Fig. 92.


ebensolchen Anstrich auf, wie auf den Kern. Hierauf wird der Mantel
aufgetragen, ebenfalls in zwei Lagen, von denen die erste ungefähr
9 Linien dick, die zweite etwas schwächer ist. Die äuſsere Form ist
der inneren ähnlich, doch kommt es dabei nicht so sehr auf Genauig-
keit an, wie zuvor. Man hat inzwischen die Henkel für sich geformt,
und zwar über zwei Rundhölzer, die zusammenstoſsen und sich aus-
ziehen lassen. Diese setzt man an ihre richtigen Plätze, indem man
[371]Die Eisengieſserei um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
in den Mantel bis auf das Hemd ein Loch macht, in welches man
sie einsetzt und sie mit Lehm festklebt. In der Mitte zwischen den
beiden Henkeln zeichnet nun der Former den Teilstrich an, nachdem
später die Form auseinander geschnitten wird, um den Lehm für die
Eisenstärke abzulösen (Fig. 90). Ehe dies geschieht, schlägt man die
Spindel aus der trockenen Form, was leicht ist, da sie verjüngt
zuläuft. An derselben hängt das eine Ende des Strohseils, welches
man nun ebenfalls ganz herauszieht. Man füllt nun das Innere mit
gewöhnlichem Lehm, um der Form mehr Halt zu geben und trocknet
sie dann in aufrechter Stellung über dem Feuer. Alsdann werden die
drei Füſse, die man ebenfalls vorher in Lehm geformt hat, angesetzt
(Fig. 91), und das Ganze von neuem getrocknet. Nun zerschneidet man

Figure 98. Fig. 93.


den Mantel nach der vorgezeichneten
Teilungslinie (Fig. 92). Die beiden Hälften
lassen sich leicht abziehen. Ebenso läſst
sich die Lehmschicht, welche der Eisen-
stärke entspricht, leicht ablösen. Nach-
dem die äuſsere Form, da, wo Henkel und
Füſse eingesetzt sind, auch von innen
glatt gestrichen worden ist, das Loch,
durch welches die Spindel durchging, am
Kern mit Lehm zugemacht und glatt
gestrichen, am Mantel ebenfalls geschlossen
und nur die beiden Öffnungen für den
Einguſs und die Windpfeife ausgespart
worden sind, schiebt man die beiden
Hälften des Mantels wieder über den
Kern. Um aber ganz sicher zu sein,
daſs sich Mantel und Kern nirgends berühren, legt man an ver-
schiedenen Punkten Kugeln von einem leichtflüssigen Metall, Blei
und Zinn (Fig. 92), ein, welche beim Guſs von dem flüssigen Eisen
sofort geschmolzen werden. Die fertige Form wird in glühenden Kohlen
scharf getrocknet, alsdann gräbt man sie im Boden ein und stampft
sie ringsum mit Sand fest, so daſs nur die Eingüsse über dem Boden
hervorragen. Der Gieſser schöpft nun mit Handkellen das flüssige
Eisen aus dem Vorherd des Hochofens (s. Fig. 93) und gieſst es dann
in die Formen. Nach dem Erkalten wird die Form aufgegraben,
herausgehoben und abgeklopft, die Einguſstrichter abgeschlagen und
das Guſsstück geputzt. Die Hochöfen, die auf Guſswaren gingen,
waren ebenso zugestellt wie die übrigen, nur machte man den Vor-
24*
[372]Die Eisengieſserei um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
herd zuweilen etwas länger, um besser ausschöpfen zu können, legte
für schwere Güsse auch die Form etwas höher, so daſs man 15 Zoll
Höhe im Eisenkasten bekam und richtete hier und da, um den Vor-
herd warm zu halten, die Form etwas nach vorn.


Das Formen im feuchten Sand ging viel rascher von statten
und war auch das dazu nötige Material billiger. Dagegen brauchte
man dafür Modelle und Formladen, Rahmen oder Formkasten. Letztere

Figure 99. Fig. 94.


Figure 100. Fig. 95.


Figure 101. Fig. 96.


Figure 102. Fig. 98.


Figure 103. Fig. 97.


waren damals noch allgemein von Holz mit Eisen beschlagen und
wurden durch Stifte und Haken miteinander verbunden.


Der Formsand muſs fein sein und schwach angefeuchtet sich in
der Hand ballen lassen. Man schlägt ihn trocken durch ein Haar-
sieb und vermischt ihn innig mit Kohlenstaub; alsdann feuchtet man
ihn an. Bei der Sandformerei hat es keine Schwierigkeit, die rich-
tige Gestalt herzustellen, da dieselbe durch das Modell gegeben ist.
Die Schwierigkeit liegt darin, das abgeformte Modell derart aus dem
[373]Die Eisengieſserei um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
Sand zu entfernen, daſs die Form erhalten bleibt und nichts ver-
letzt wird.


Zum Formen gehört als Unterlage ein an der Oberfläche glattes
Formbrett, wie es in Fig. 94 in Ansicht und Querschnitt dargestellt ist.
Dasselbe muſs über den Formkasten (Fig. 95, 96) hinausragen. Man
sieht in der Zeichnung des letzteren die eisernen Winkelbänder b b,
die Verstärkungsleisten c c und die Griffe d d. Das Modell, Fig. 97,
welches ganz glatt von Messing gearbeitet ist, wird nun zuerst mit
der Hohlseite oder dem Rande auf das Formbrett aufgesetzt, der
Formkasten darüber gesetzt und der ganze freie Raum um das Modell
herum mit Formsand ausgefüllt und festgestampft, wie in Fig. 98 dar-
gestellt. Die Füſse, welche mit besonderen geteilten Hülfsmodellchen
geformt werden, setzt der Former erst nachträglich an, ebenso die
Henkel. Nachdem der Kasten bis zum Rande vollgestampft und glatt

Figure 104. Fig. 99.


Figure 105. Fig. 100.


abgestrichen ist, setzt man einen Aufsatzkasten auf, in welchen der
Einguſs f, der auf das Messingmodell gesetzt wird, eingeformt wird.
Die beiden durch Riegel oder Haken verbundenen Kasten (Fig. 99)
werden dann umgewendet, auf der andern Seite ebenfalls ein Rahmen
aufgesetzt und in diesem das Innere des hohlen Topfmodells abgeformt.
Dieser wird dann abgehoben und auf die Seite gestellt, wie es Fig. 100
zeigt, worauf das Messingmodell ausgehoben wird. Nun wird der
Oberkasten (Fig. 98) ohne das Formbrett auf den Unterkasten (Fig. 99)
aufgesetzt, mit Haken fest gemacht und so ist die Form zum Guſs
fertig.


Der Abhandlung von v. Courtivron und Bouchu ist auſser
der Arbeit von Duhamel noch ein besonderer Aufsatz von Deparcieux
über Röhrenguſs einverleibt. Der Verfasser unterscheidet Muffen-
röhren und Flantschenröhren; dieselben kamen vornehmlich zur
[374]Die Eisengieſserei um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
Anwendung als Abfallrohren, um das Wasser von den Dächern herab-
zuleiten, und als Wasserleitungsröhren. Bei ihrer Herstellung wurde
die äuſsere Rohrform nach einem Holzmodell in Sand geformt, der
Kern aber in Lehm gedreht, wie dies auch heute noch vielfach
gebräuchlich ist.


Die Muffenrohre sind die ältere Art. Fig. 101 zeigt die Gestalt
derselben, wie sie früher in Frankreich gebräuchlich waren und wie

Figure 106. Fig. 101.


Figure 107. Fig. 102.


sie 1746 oder 1747 einer
alten Wasserleitung in den
Tuillerien entnommen wurden.
Sie hatten auf der einen Seite
eine Muffe, auf der andern
Seite in entsprechendem Ab-
stande einen ringförmigen
Wulst, welcher dazu diente, dem Kitt, mit dem man die Röhren
ineinander befestigte, Halt zu geben. Fig. 102 zeigt das Rohr im
Durchschnitt. Fig. 103 ist das Modell im ganzen und im Schnitt.

Figure 108. Fig. 103.


Man sieht, daſs dasselbe
in der Mitte der Länge
nach geteilt und zusammen-
gekittet war. Beim Ein-
formen wurde erst die eine
Hälfte mit der flachen
Seite auf das Aufstampf-
brett gelegt, der längliche
Kasten darübergestülpt, mit Sand gefüllt, gestampft und glatt
abgestrichen. Sodann wurde der Kasten gewendet, die zweite Modell-
hälfte auf die eingeformte erste Hälfte aufgesetzt, ein zweiter Kasten

Figure 109. Fig. 104.


aufgesetzt und ebenso aus-
gestampft. Dann wurde
der aufgesetzte Kasten
wieder aufgehoben und
die beiden Modellhälften
herausgenommen. Der
Kern, Fig. 104, welcher
um eine Spindel, welche erst mit Stroh umwickelt, dann mit Lehm
an einem Schablonenbrett abgestrichen wird, geformt ist, wird dann in
den Unterkasten eingelegt, wobei sorgfältig auf seine richtige Lagerung
geachtet wird, welche dadurch bewirkt wird, daſs man den vor-
stehenden Spindelenden eine entsprechende Auflagerung giebt, so daſs
[375]Die Eisengieſserei um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
der Kern in der Form derart frei schwebt, daſs überall der gleiche
Abstand von der äuſseren Form entsprechend der Wandstärke des
Rohres verbleibt. Nachdem man den Oberkasten, welcher natürlich
auch am Unterkasten seine Zapfenführung hat, wieder aufgesetzt hat,
ist die Form zum Gusse fertig. Die Muffenröhren haben den groſsen
Nachteil, daſs man sie aus einer geschlossenen Leitung kaum heraus-
nehmen kann, ohne sie zu zerschlagen, dadurch kam man dazu, sie
durch Flantschenröhren, welche Verdichtungsflächen haben, die mit
Schrauben verbunden werden, zu ersetzen. Es war dies eine sehr
wichtige Erfindung, die durchaus nicht so einfach war, wie sie uns
heutzutage erscheint 1). Sie soll nach Deparcieux’ Angabe gegen
Ende des 17. Jahrhunderts in Frankreich gemacht worden sein, als
Ludwig XIV. die groſsartigen Anlagen in Versailles und Marly aus-
führen lieſs. Nach seiner Ansicht hätte der Schwerpunkt der Er-
findung nur in den richtigen Formkasten gelegen. Das Modell eines

Figure 110. Fig. 105.


einfachen Flant-
schenrohres be-
steht aus sechs
Teilen, aus den
zwei Rohrhälften
und den vier
Flantschenhälf-
ten (Fig. 105).
An dem Rohrmodell ist ein Ansatz von geringerem Durchmesser, der
Kernstutzen, durch welchen die Eisenstärke bestimmt wird. Deparcieux
sagt, man habe seines Wissens bis jetzt keine Versuche über die erforder-
liche Wandstärke von guſseisernen Röhren bei bestimmtem Druck
angestellt und müsse man sich deshalb an die vorliegenden Erfahrungen
halten. Für ein 6 bis 7 Zoll weites Rohr mache man die Wandstärke
in der Regel 6 bis 7 Linien, wenn es aber einen Druck von 100 bis
120 Fuſs Wasser auszuhalten habe, müsse man sie 8 bis 9 Linien
dick machen. Die Flantschen mache man dicker als die Wandstärke
der Rohre, bei Röhren von 6 bis 7 Zoll 14 bis 15 Linien stark.
Dementsprechend müſste auch die Entfernung der Schraubenlöcher
vom Rande der Flantsche sein. Diese Löcher machte man 1 bis
2 Linien gröſser, als der Schraube entspreche, damit sie leicht durch-
gesteckt werden könne. Für 6- bis 8zöllige Röhren gäbe man ihnen
13 Linien lichte Weite.


[376]Die Eisengieſserei um die Mitte des 18. Jahrhunderts.

Die alten Flantschenrohre hatten viereckige Flantschen mit
gebrochenen Ecken, wobei die Schraubenlöcher in den Ecken ange-
bracht waren. Zum Ausheben muſsten sie etwas verjüngt werden.
Man verstärkte die Dicke der Rohrwandung nach der Flantsche zu,
wobei man gewöhnlich in 2 Zoll Entfernung begann. Das Besondere
der Formkasten bestand darin, daſs zwei besondere bewegliche Kasten-
scheider
angebracht waren, auf welchen der Lehmkern, der weit
vorstehen muſste, seine Auflagerung erhielt. Das Aufdrehen des Kerns
geschah in ganz entsprechender Weise, wie das oben beschriebene
Aufdrehen des Kesselkerns. Das Einformen des Modells ist leicht zu
verstehen. Die Formlöcher wurden in den Flantschen durch kleine
Lehmkerne ausgespart. Man machte in den Hütten von Dampierre
und Senonges bei Dreux nicht nur gerade, glatte Röhren, sondern

Figure 111. Fig. 106.


auch gekrümmte und
solche mit Stutzen, mit
schiefen Flantschen u. s. w.
Fig. 106 zeigt ein Rohr-
modell mit Stutzenrohr
und schiefer Flantsche
in seinem Formkasten
gelagert. Mit solchen
Röhren konnte man Ver-
bindungen herstellen, die man früher nur durch Zwischenstücke von
Blei oder Kupferblech erreichen konnte.


Aus allen diesen Schilderungen ersehen wir, daſs die Kunst der
Formerei, die ja auch eine uralte ist und im Bronzeguſs schon im
Altertum zu hoher Kunst entwickelt war, in den Eisenhütten um die
Mitte des vorigen Jahrhunderts schon sehr weit vorgeschritten war,
und daſs die Handarbeit schon fast ebenso wie heutzutage ausgeführt
wurde. Auch die Werkzeuge der Former, die ja sehr einfach sind,
waren ganz dieselben, wie sie heute noch in Gebrauch sind.


Das Schöpfen des flüssigen Eisens mit Handkellen (cuillers) aus dem
Vorherd des Ofens war mühselig, und wenn der Weg bis zur Form weit
war, oft unsicher, da zu einem gröſseren Stücke mehrere Kellen voll
Guſs nötig waren. Deparcieux rät deshalb an, wo es nur irgend
möglich sei und bei groſsen Stücken immer, das Eisen in Rinnen nach
den Formen, die dann selbstredend in den Boden eingegraben sein
muſsten, zu leiten. Der Abschluſs der Rinne geschah durch eine
quer eingesetzte eiserne Schaufel, die man wie eine Schleuse aufzog.
Stücke von mittlerer Gröſse solle man mit der Taschenkelle (la poche)
[377]Die Eisengieſserei um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
gieſsen. Es war dies eine Setzpfanne von Guſseisen. Sie hatte
14 bis 16 Zoll Durchmesser und 8 bis 9 Zoll Höhe und am oberen
Teile eine Öffnung von 8 bis 9 Linien Durchmesser, die mit einem
Thonpfropf verstopft wurde. Sie faſste 6 bis 7 Kellen von je 35 bis
40 Pfund Gewicht. Die mit Lehm ausgestrichene Taschenkelle wurde
zuvor angewärmt und dann wurde das Eisen mit Handkellen ein-
getragen. War sie genügend gefüllt, so wurde die Öffnung aufgestoſsen
und das Eisen in die Form laufen gelassen.


Über den Geschützguſs in Frankreich hat der Marquis de Mon-
talembert
eine wichtige Abhandlung in den Memoiren der Akademie
der Wissenschaften vom Jahre 1759 veröffentlicht. Der Zweck des Auf-
satzes ist, nachzuweisen, daſs es nicht gut sei, die Kanonen aus übergarem
Gieſsereieisen (fonte bourrue), welches blätterig und locker ist, her-
zustellen, wie dies jetzt zum Nachteil der Artillerie häufig ge-
schehe, weil es für das Abdrehen und Bohren nach dem neuen Ver-
fahren von Maritz wegen seiner groſsen Weichheit bequemer sei,
sondern daſs das Guſseisen wie früher eine gewisse Dichtigkeit und
Festigkeit haben müsse (fonte aminée).


Der Marquis von Montalembert besaſs groſse Eisenwerke in
Perigord, in denen namentlich auch der Guſs eiserner Geschütze für die
Marine betrieben wurde. Wir erfahren nun, daſs man bereits in den
zwanziger Jahren angefangen hatte, Bronzegeschütze voll zu gieſsen und
die Seele aus dem Vollen zu bohren. 1744 hatte Maritz in Straſs-
burg den Kernguſs für Bronzegeschütze gänzlich abgeschafft, dieselben
vollgegossen und die Seele mit seiner Bohrmaschine ausgebohrt. 1752
hatte Montalembert angefangen, auch eiserne Kanonen in dieser
Weise zu gieſsen und zu bohren. Dies war ein groſser Fortschritt für
das Geschützwesen, denn während man vorher, als man die Seele über
einen Kern goſs, selten ein Rohr erhielt, das ohne Löcher und Höhlen
(chambres) im Inneren war, so konnte Montalembert 1752 an den
Marineminister Rouille berichten, daſs seine aus halbiertem Eisen
gegossenen und aus dem Vollen gebohrten Kanonen niemals Höhlen
zeigten, was sich auch in der Folge bestätigte. Dadurch kamen die
guſseisernen Geschütze wieder mehr in Aufnahme. Die Bearbeitung der
Geschütze, das Ausbohren und Abdrehen derselben wurde eine Sache
von gröſserer Bedeutung. Dies gab die Veranlassung zu einer Reform
im Artilleriewesen, indem die französische Regierung den Schweizer
Maritz, der sich durch seine Erfindung verbesserter Kanonen-
bohr- und Drehbänke einen Ruf erworben hatte, 1755 als General-
inspektor der Marine-Geschützgieſsereien (Inspecteur général des fontes
[378]Die Eisengieſserei um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
de la Marine) ernannte, in welcher Stellung er auch die Qualität des
Guſseisens zu prüfen und darüber zu bestimmen hatte. Die Geschütze
wurden bekanntlich damals alle aus dem Hochofen gegossen. Man
hatte es bis dahin sorgfältig vermieden, aus dem in den ersten Tagen
nach dem Anblasen gewöhnlich fallenden, mit Graphit überladenen
Roheisen, dem fonte bourrue, Kanonen zu gieſsen, dieselben vielmehr
aus dem dichtgrauen, festen Eisen, wie es bei vollem Erzsatz fiel
(„fonte qui à tous sa mine“), gegossen. Nun brauchte aber Maritz,
der unter Zustimmung des Ministers seine Drehbänke für Bronze-
geschütze in allen Kanonengieſsereien des Landes einführte und die
Kanonen nicht nur ausbohrte, sondern auch von aussen abdrehte,
einen sehr weichen Guſs, was ja nicht schwer zu erreichen war durch
Verminderung des Erzsatzes bei der Gicht. Dieser weiche Guſs war
aber auch sehr porös, infolge dessen viele eiserne Geschütze nach
kurzem Gebrauch unbrauchbar wurden, zum groſsen Nachteil der
Marine. Montalembert führt deshalb mit Recht aus, daſs weiches
Eisen nicht immer gutes Eisen sei, ein Irrtum des Publikums, der
von Schmiedeeisen hergenommen sei, wo die Bezeichnungen weich
und gut fast identisch seien. Ganz anders verhalte sich dies aber
beim Guſseisen, das einen groſsen Widerstand, namentlich wie bei
den Geschützen, den Widerstand gegen die Pulvergase auszuhalten
habe, da sei nicht das weichste das beste, sondern das festeste.
Das feste Eisen sei aber schwerer als das schwammige, dunkle (très
poreuse, très brune et très tendre) und so könne das spezifische
Gewicht
den besten Maſsstab für die Brauchbarkeit des Eisens zum
Geschützguſs abgeben. In diesem Sinne machte Montalembert
Versuche und fand, daſs das spezifische Gewicht des weichsten,
porösesten Gusses 7,098, das von mittlerer Dichte 7,237 und des
dichtesten und härtesten 7,473 betrüge, demnach wog der Kubik-
fuſs 497 bis 507 und 524 Pfund. Hiernach lieſsen sich leicht,
wenn man erst durch Versuche festgestellt hätte, welches Eisen am
haltbarsten und geeignetsten für die Geschütze sei, Gewichtsgrenzen
festsetzen, welche das massive Geschützrohr haben müsse, um von der
Regierung als tauglich angenommen zu werden.


Montalembert gebührt der Ruhm, das Bohren der guſseisernen
Kanonen aus dem Vollen zuerst eingeführt zu haben, und was er über
das Material gesagt hat, daſs ein feinkörniges oder halbiertes Eisen
dem groſsblätterigen grauen Eisen vorzuziehen sei, hat die Praxis des
folgenden Jahrhunderts bestätigt. Montalembert verwarf auch
das von Maritz eingeführte Abdrehen der Geschütze, da die Gieſs-
[379]Die Eisengieſserei um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
haut das Eisen vor dem Rost schütze und durch keinen Anstrich er-
setzt werden könnte.


Da Maritz’ Geschütze sich schlecht bewährten, häufig platzten und
groſses Unglück anrichteten, muſste er 1764 seine Entlassung nehmen,
obgleich er sich groſse Verdienste um die Verbesserung des Kanonen-
bohrwesens erworben hatte.


Schweden lieferte damals bereits sehr gute guſseiserne Kanonen.
Jars hat einiges über die schwedischen Geschützgieſsereien, welche
er 1767 besucht hatte, mitgeteilt.


Er sah zwischen den beiden Städten Nyköping und Nordköping
in der Provinz Südermannland eine Geschützgieſserei, welche dem
Baron von Stakelberg gehörte. Sie lieferte etwa 300000 kg Guſs-
waren, bestehend in 24- und 12 pfündigen Kanonen, Kugeln und
Bomben, welche meistens auſser Landes gingen. Sie hatten, wie die
meisten Geschützgieſsereien in Schweden, zu jener Zeit einen Doppel-
ofen, d. h. zwei Hochöfen mit gemeinschaftlichem Rauhmauerwerk.
Diese waren gewöhnlich 7 bis 8 Monate lang im Jahr im Gange. Die
Erze, die verschmolzen wurden, waren Magneteisenstein, teils von
Roſslagen, teils aus der Nähe von Nyköping. Dieselben wurden in
Haufen, welche 32000 kg Erz faſsten, geröstet, danach unter Häm-
mern, von denen vier nebeneinander lagen, gepocht, dann wurden sie
gattiert und mit Kalkstein beschickt. Um das für einen Guſs ge-
nügende Eisen zu haben, lieſs man die Öfen bis zu 2½ Tag, ohne
abzustechen, gehen. Natürlich muſste der Herd den dafür ausreichen-
den Fassungsraum haben.


Eine 24 pfündige Kanone wog 3200 kg. Sie wurde über einen
Kern gegossen, so daſs nur noch 2 bis 3 Linien nachgebohrt werden
muſsten. Das Bohren geschah ebenso wie auch auf der Eisenhütte
zu Moss in Norwegen, stehend und zwar so, daſs die Kanone, welche
mit Hilfe von Hebeln und eisernen Ketten senkrecht gehalten wurde,
indem sie auf dem Bohrer aufruhte, durch ihre eigene Schwere sich
selbst bohrte. Der Bohrer wurde durch ein Vorgelege in Bewegung
gesetzt, welches durch ein groſses Wasserrad getrieben wurde.


Die Schwierigkeit, die alten oder fehlerhaften Kanonen zum Um-
gieſsen zu zerschlagen, hatte zur Konstruktion eines Sägewerkes, mit
dem man eine Kanone je nach ihrer Stärke an einem Tage in drei
bis vier Stücke zerschneiden konnte, geführt. Die Maschine bestand
aus einem kleinen Stirnrad von geschmiedetem Eisen, welches einen
Fuſs im Durchmesser hatte und dessen Zähne von Stahl waren. Dieses
Rad war an einer langen, dicken eisernen Welle befestigt, welche auf
[380]Die Eisengieſserei um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
der einen Seite auf einem Lager ruhte, mit dem anderen Ende mit
dem Zapfen der Radwelle fest verbunden war. Parallel mit dieser
Welle bewegt sich die Kanone auf einem Art Schlitten auf und nieder
und rückwärts und vorwärts. Es war also eine groſse Kreissäge,
welche die Kanone durchschnitt, indem sich diese nach unten be-
wegte.


Eiserne Geschütze bildeten einen wichtigen Ausfuhrartikel Schwe-
dens. Die Hochöfen waren durchgehends Privateigentum und ur-
sprünglich nur auf Gieſserei eingerichtet, und der Geschützguſs stand
jedem anderen Guſs vor. Der Staat legte solchen Wert darauf, daſs
er den betreffenden Hochofenbesitzern seit 1740 verbot, neben der
Kanonengieſserei Frischereibetrieb zu führen, damit ihr ganzes Inter-
esse auf den für den Staat so wichtigen Artikel des Geschützgusses
gerichtet bliebe. Dadurch bildeten sich eine ganz feststehende Routine
und ganz bestimmte Erzgattierungen aus, wodurch denn auch ein
vorzügliches Produkt erzielt wurde.


Während man auf dem Kontinent von Europa fast alle Guſs-
waren aus dem Hochofen goſs, höchstens für Feinguſs sich der
beschriebenen kleinen Öfchen bediente, goſs man in England bereits
vielfach aus dem Flammofen, in dem man das Roheisen um-
schmolz. Das Bedürfnis, groſse Guſsstäbe, wie z. B. die gewaltigen
Cylinder von beinahe 2 m Durchmesser für die Feuermaschinen,
groſse Schiffskanonen u. s. w. zu gieſsen, hatte zu diesem Verfahren
geführt. Scheinbar lag dieses Schmelzverfahren nahe, da man schon
seit Jahrhunderten die Bronze zum Glockenguſs in Flammöfen
geschmolzen hatte. Daſs es aber trotzdem beim Eisenguſs bis dahin
keine Anwendung gefunden hatte, war darin begründet, daſs man
mit Holz nicht die nötige Hitze im Flammofen erzeugen konnte,
um Eisen zu schmelzen. Wohl war dies aber mit Steinkohlen
möglich und deshalb verfiel man zuerst in England, wo man die
Steinkohlen in allen Zweigen der Industrie benutzte, auf dieses
Verfahren. Wann und wie es erfunden wurde, ist unbekannt. Im
17. Jahrhundert hatte man wiederholt Versuche gemacht, Erze im
Flammofen mit Steinkohlen zu schmelzen. Nachdem man nämlich
die nachteilige Einwirkung der schwefelhaltigen Steinkohlen auf das
Eisen bei den Versuchen, die Erze in Berührung mit roher Stein-
kohle im Hochofen zu schmelzen, kennen gelernt hatte, suchte man
die Lösung des Problems der Eisenerzeugung mit Steinkohle in der
getrennten Feuerung, bei welcher nur die Flamme mit dem Schmelz-
gut in Berührung kam. Hatten diese Versuche, die wir bereits erwähnt
[381]Die Eisengieſserei um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
haben, auch nicht den gewünschten Erfolg, so führten sie doch
unzweifelhaft auf das Umschmelzen des Roheisens im Flammofen mit
Steinkohlen. Wahrscheinlich waren es die Experimente, die der
Deutsche Blewstone anstellte, welche unmittelbar dazu hinleiteten.


Frederik de Blewstone hatte am 25. October 1677 ein Patent
genommen für das Schmelzen und Reduzieren von Eisen und allen
anderen Metallen und Mineralien mit Steinkohlen (Melting down, forging,
extracting and reducing iron and all metals and minerals with pitt
coale and sea coale). Daſs dies im Flammofen geschah, wissen wir
aus anderen Nachrichten. Blewstone muſs einigen Erfolg gehabt
haben, denn seine Versuche erregten Aufsehen. Becher schreibt
in seiner „Närrischen Weisheit“ (S. 34): „Nach Printz Rupperts
Angaben hat ein Teutscher hier im Lande, namens Blauenstein,
erfunden mit Steinkohlenflammen Eisenerzt zu schmelzen, daſs es ge-
schmeidig Eisen gibt. Man hat lange mit zu thun gehabt, denn der
Arsenik in den Steinkohlen macht alles Eisen brüchig, endlich ists
doch gefunden worden, denn ich habe vor kurzer Zeit die Probe bey
dem Printzen gesehen, nemlich ein Instrument von solchem geschmol-
zenen Eisen gemacht, war sehr geschmeidig, welches der Printz noch
auf meine invention verkupffert.“


Blewstones Verfahren, Eisenerze auf diese Art zu schmelzen,
hatte aber, wie wir früher bereits gesehen haben, keinen dauernden
Erfolg, wohl aber gelang das Umschmelzen von Guſs- und Roheisen
und bürgerte sich dieses allmählich in England ein.


Bestimmtes erfahren wir aber vom Schmelzen des Eisens in
Flammöfen erst durch Jars’ Bericht seiner Reise in England 1765.
Er beschreibt zuerst die Eisengieſsereien bei Newcastle (I, 351). „Die
Gieſshäuser, auf denen allerhand Waren, als Schmortiegel, Töpfe,
Gossen, Cylinder, Wagenräder u. s. w. von Roheisen gegossen werden,
stehen auf beiden Seiten des Flusses und gehören verschiedenen Ge-
werkschaften an. — Der zu dieser Arbeit gebräuchliche Ofen (Fig. 107
und 108, a. f. S.) ist ein Windofen, den man in Frankreich den englischen
Ofen
nennt. Schlüter hat denselben Ofen bei der Beschreibung,
wie in England die Kupfererze verschmolzen werden, abgebildet; ein
Unterschied besteht nur darin, daſs ersterer in der Mitte eine Thüre hat,
welche während der Arbeit zu ist. Durch diese Thüre B wird der
Herd A vorgerichtet und die zu verschmelzende Materie aufgesetzt,
wonach dieselbe fest verschlossen wird. An dem einen Ende des
Ofens, der Feuerung gerade gegenüber, also auf der Seite des
Schornsteins, befindet sich eine Öffnung, welche 1 Fuſs im Quadrat
[382]Die Eisengieſserei um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
groſs ist. Diese zweite Thüre C (Fig. 108) wird während der Arbeit mit
einem Backstein zugesetzt, welcher ebenso groſs wie die Öffnung ist.
Mitten in diesem Backsteine befindet sich ein rundes Loch von 1½ Zoll
Durchmesser, welches mit einem Cylinder von Thon verschlossen
wird, den man herausnimmt, sobald man nachsehen will, ob alles im
Fluſs sei und ob das Eingeschmolzene den gehörigen Hitzegrad erlangt
habe, was die Schmelzer aus Erfahrung beurteilen können. Unterhalb
der Thüre ist der Stich K angebracht.


Der Herd wird von Sand aus der Tyne oder von Seesand ge-
macht, völlig gleich und nach der Seite des Stichs zu geneigt ge-
schlagen, so daſs er daselbst eine ansehnliche Vertiefung bildet. Wenn
nun der Ofen auf diese Art zurecht gemacht ist, was alle Morgen

Figure 112. Fig. 107.


geschieht, so wird
die groſse vordere
Öffnung B mit einer
aus Backsteinen be-
stehenden Thüre,
welche Backsteine
mit einem eisernen
Rahmen verbunden
werden, verschlos-
sen. Durch eine
kleine Feuerthüre
F, welche nur
6 Zoll im Quadrat
hält, werden als-
dann die Stein-
kohlen in den Windofen gelegt und diese Öffnung selbst wird mit
Kohlen zugesetzt. Damit die Asche durch den Rost falle, müssen
die Kohlen öfters aufgerührt werden; so oft dies geschehen ist, wird
von neuem aufgegeben. Auf diese Art wird der Ofen drei bis vier
Stunden lang abgewärmt. Alsdann öffnet man die groſse Thüre von
Backsteinen, welche an einer über eine Rolle gehenden Kette hängt,
und setzt durch Hilfe derselben das zu verschmelzende Roheisen ein,
von welchem zu jedem Schmelzen 40 bis 45 Centner erforderlich sind.
Alsdann werden alle Thüren ganz dicht verschlossen und fünf bis
sechs Stunden das heftigste Feuer gegeben, in welcher Zeit alles
eingeschmolzen ist. Das auf diese Art eingeschmolzene Roheisen
kommt aus Schottland oder aus Amerika in Stücken, welche 2 bis
3 Centner im Gewicht halten. Gemeiniglich aber werden alte
[383]Die Eisengieſserei um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
zerbrochene Guſswaren, als Grapen, kleine Kanonen u. s. w. mit
durchgesetzt.


Man rechnet, daſs zum Verschmelzen der oben angeführten
Quantität Guſseisen 22 bis 23 Centner Kohlen und noch darüber
erfordert werden. Während der Zeit, daſs der Ofen abgewärmt und
das Guſseisen eingeschmolzen wird, werden die Formen nach der
überall gebräuchlichen und verschiedentlich beschriebenen Art ange-
fertigt. An dem Ende des Ofens, wo der Stich angebracht ist, be-

Figure 113. Fig. 108.


findet sich eine ziemlich groſse Dammgrube, in
welche die Formen zu den groſsen Stücken gesetzt
werden und ich habe bei meiner Anwesenheit ein
Rohr, welches 15 Fuſs lang war, abgieſsen sehen.


In diesem Ofen lassen sich nur Röhren, die
nicht über 22 Zoll (0,451 m) weit sind, gieſsen, weil
er zu klein ist, um die zu gröſseren erforderliche
Menge Roheisen zu fassen. Die Formen zu den
groſsen Stücken werden in der Dammgrube senk-
recht aufgestellt. Zu dem Ende werden die Formen
mit Sand stark eingedämmt, und damit die Hitze
keinen Schaden dabei thun kann, wird die Form
von oben mit eisernen Gewichten beschwert. Als-
dann wird von dem Stich an ein Lauf gemacht,
welcher dicht bei der
Form in zwei Rinnen
auseinandergeht. Wenn
nun das Roheisen in voll-
kommenen, zum Gieſsen
hinlänglichen Fluſs ge-
bracht ist, wird vermit-
telst einer eisernen Stange,
die mit einem Hammer
angetrieben wird, der
Stich geöffnet und das
Roheisen läuft dann in die Formen. Zwei Schmelzer halten dann in dem
doppelten Lauf mit vorgesetzten hölzernen Schaufeln die mit dem Roh-
eisen zugleich ausflieſsenden Schlacken und Unreinigkeiten auf, damit
sie nicht in die Form hineingehen. Wenn nun die Form sowohl als der
Lauf vollgelaufen sind, so wird der Stich mit einem groſsen Stück
Thon wieder zugemacht. Das im Lauf befindliche Roheisen wird so-
dann mit kleinen Holzkohlen bedeckt, daſs es warm bleibt und das
[384]Die Eisengieſserei um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
in der Form gegossene Stück nicht springt. Wenn dies geschehen
ist, so wird die groſse Thüre, welche sich über dem Stich befindet,
aufgemacht und das eingeschmolzene Roheisen mit heiſs gemachten
und mit Lehm überzogenen Kellen ausgeschöpft und in Formen ge-
gossen. Auf diese Art gieſst man die kleineren Stücke, als Grapen,
Töpfe u. s. w., zu denen hölzerne Modelle gemacht werden und welche
man auf die überall gewöhnliche Art im Kasten in Sand abformt.
Da gewöhnlich inwendig an den Ecken etwas Roheisen ungeschmolzen
bleibt, sich auch zuweilen von dem Geschmolzenen Bühnen ansetzen,
so werden diese losgebrochen, in die Mitte geschafft und noch einmal
unter scharfer Hitze eingeschmolzen. Dieses Eisen wird dann mit
Kellen ausgeschöpft. — Der Guſs von dem, was am Tage einge-
schmolzen wurde, pflegt abends zu geschehen. Danach wird der Ofen
gereinigt und alle Thüren geöffnet, damit er sich die Nacht über ab-
kühlt. Am Morgen wird dann der Herd von neuem zum Schmelzen
vorgerichtet. Währenddem wird das Guſsstück aus der Dammgrube
gehoben und eine neue Form eingesetzt. Das erhaltene Guſseisen
scheint von der besten Qualität zu sein und läſst sich beinahe wie
Schmiedeeisen feilen.“


Zu Clifton Furnace in Cumberland und zu Carron in Schottland
geschah das Vergieſsen sowohl aus dem Hochofen als aus Flammöfen.
Groſsartig war für jene Zeit der Gieſsereibetrieb zu Carron. Jars
schreibt darüber: „Die Anfertigung von Guſswaren ist die Hauptsache
auf dieser Hütte, und es werden hier die gröſsten Cylinder für Feuer-
maschinen gegossen. Ich habe einen solchen Cylinder gieſsen sehen,
welcher 50 Zoll (1,275 m) Durchmesser hatte. Zu dem Ende wird
vor den hohen Öfen eine Dammgrube angelegt, in welche die Formen
der abzugieſsenden Stücke eingesetzt werden. Man zieht alsdann von
jedem Ofen kleine Graben in Sand und läſst durch dieselben das
Eisen in die Form laufen, und wenn so groſse Stücke gegossen werden,
für welche die beiden hohen Öfen nicht Roheisen genug halten können,
so nimmt man noch das Roheisen von etlichen Windöfen (Flamm-
öfen) hinzu. Fünf derselben stehen dergestalt, daſs das Eisen in
eben dieselbe Dammgrube laufen kann und dadurch ist man im stande,
ein Stück von 40000 Pfund (20 Tonnen) abzugieſsen.


Die Windöfen sind ebenso eingerichtet und werden auch auf eben
die Art betrieben, wie die oben beschriebenen. Sie gehen alle Tage und
es geschehen täglich zwei Güsse. Alle kleinen Stücke, die von dem
Hochofen fallen, alte zerbrochene Guſswaren, die aus verschiedenen
Ländern dahin gebracht werden, werden darin verschmolzen und
[385]Die Eisengieſserei um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
auſserdem auch Roheisen. Das Bestreben der Hütte geht dahin, alle
Arten von Guſswaren anzufertigen, als Roste und Stubenkamine, Zierrate
von Zimmern, Schiffsöfen, Hausthüren mit zwei Flügeln, Plätteisen,
Töpfe u. s. w. Die letzteren machen einen Hauptgegenstand aus.
Diese Hütten versorgen ganz Canada damit, seitdem solches von Eng-
land erobert ist und sie brauchen dieselben Modelle, die man ehedem
in Frankreich hatte. Endlich werden auch daselbst beinahe alle
Arten von Waren aus Guſseisen gemacht, die man sonst aus ge-
schmiedetem Eisen verfertigt und auf Schleifsteinen, welche nach der zu
St. Etienne in Foretz gewöhnlichen Art vom Wasser getrieben werden,
blank geschliffen. Die Formen zu den groſsen Cylindern werden aus
Thon, der mit Kälberhaaren vermischt und sehr wohl durchgearbeitet
und geknetet wird, hergestellt. Die Kernstange zu dem groſsen Cylinder
besteht aus einer groſsen runden eisernen Stange, um welche so
lange Backsteine gelegt und darüber Thon geschlagen wird, bis der
Kern den erforderlichen Durchmesser erhalten hat. Weil aber ein
solcher Kern zu stark ist, als daſs man ihn selbst drehen könnte, so
wird er senkrecht aufgestellt und an einer beweglichen Spindel wird
eine Schablone befestigt, welche, wenn sie herumgedreht wird, dem
Kern die gehörige Proportion giebt.“


In Deutschland war die Eisengieſserei direkt aus dem Hochofen
sehr verbreitet. Die Eisenhütten am Rhein, an der Saar, in der
Eifel, an der Lahn, in Nassau, Hessen, am Harz, in Sachsen lieferten
vorzügliche Guſswaren.


Durch von Justi erfahren wir, daſs schon lange vor 1764 auch
das Einschmelzen im englischen Coupoloofen, d. h. im Flammofen mit
englischen Steinkohlen, auf den Eisengieſsereien in Hamburg und Altona
eingeführt war1). Justi spricht von der Güte dieser Öfen und der damit
erzeugten Guſswaren sehr geringschätzig. In diese Hamburger Öfen
könne man in der Mitte eine alte Kanone hineinhängen und sie nach und
nach abschmelzen. Hieraus zieht Justi den verkehrten Schluſs, daſs diese
Öfen nichts taugen könnten, weil dies „wider die Natur des Coupolo-
ofens“ sei. Er ist aber durchaus kein klassischer Zeuge, weil er selbst
schon um 1762 ein Patent auf einen „verbesserten englischen Coupolo-
ofen“ genommen hatte. Derselbe war allerdings 1764 in Deutschland,
wie er berichtet, noch nicht probiert worden2). In einem späteren
Aufsatz giebt Justi an, daſs das Verdienst der Erfindung dieser Öfen
Beck, Geschichte des Eisens. 25
[386]Das Eisenfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
hauptsächlich einem englischen Doktor der Medizin gebühre (Blew-
stone
?). Er erwähnt, daſs die Essen 24 Fuſs hoch sein sollten. Es
waren dies für jene Zeit ungewöhnlich hohe Schornsteine. Er empfiehlt
die Einführung englischer Coupoloöfen sehr. Sie seien auch für
Holzfeuer zu gebrauchen, allerdings könne man mit diesem kein Eisen
schmelzen. Dagegen behauptet er, man könne mit Steinkohlen Eisen-
erze mit Holzkohle vermischt schmelzen; besser aber alte Eisenguſs-
waren, wie alte Kanonen und Kugeln. Zu diesem Zwecke habe er
vor sechs Jahren, also 1765, auf dem königlich preuſsischen Hütten-
werk Gotho an der sächsischen Grenze einen englischen Coupolo-
ofen (Flammofen) erbaut. Der Herd war 5 Fuſs lang, 3½ Fuſs breit
und 2 Fuſs tief; die Rostfläche 2½ × 4 Fuſs. Er schmolz mit Holz-
feuer, erzielte auch genügende Hitze, aber das Eisen frischte so sehr,
daſs es nicht mehr floſs. Er drückt dies so aus: „Bei der Schmelzung
entgehet dem Eisen beständig etwas von seinem brenzlichen Wesen,
da es aber von dem Holzfeuer keinen neuen Zusatz davon erlangen
kann, so wird das geschmolzene Eisen gleichsam so dürre und aus-
getrocknet, daſs es hernach nicht weiter schmelzbar ist.“


Eisenfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.

Die Umwandlung von Roheisen in Schmiedeeisen geschah um die
Mitte des vorigen Jahrhunderts ausschlieſslich durch das Frisch-
verfahren mit Holzkohlen
in offenen Herden. Wohl hatte man
in den holzarmen, aber steinkohlenreichen Gegenden auch hierbei
versucht, die Holzkohlen durch Steinkohlen zu ersetzen, Erfolge hatte
man aber nicht erzielt. Zum Frischen im Herd lieſs sich die Stein-
kohle nicht verwenden, indem sie, mit dem glühenden Eisen in un-
mittelbare Berührung gebracht, dasselbe verdarb. Dagegen war es
den Engländern wohl gelungen, das Ausheizen der Schirbeln und
Kolben im Steinkohlenfeuer zu bewerkstelligen. Die Fortschritte,
welche das Frischverfahren mit Holzkohle im Laufe der Zeit machte,
waren mehr lokaler Natur. Je nach der Art des Roheisens erwiesen
sich kleine Änderungen des Verfahrens vorteilhafter, wobei aber oft
mehr die Billigkeit und der Gewinn, als die Güte des Erzeugnisses
maſsgebend waren. Die Produktionskosten wurden ein immer wesent-
licherer Faktor und deren Verringerung fand ihren Hauptausdruck
[387]Das Eisenfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
in der Ersparnis an den immer teurer werdenden Holzkohlen. Die
technische Vervollkommnung bewegte sich in der Richtung der sorg-
fältigeren Ausführungen der Betriebsapparate, zunächst der Kon-
struktion und des Baues des Frischfeuers und in einer gröſseren
Arbeitsteilung oder Trennung des Verfahrens in verschiedene Teile
der Vor- und Nachbehandlung. Das vorbereitende Schmelzen oder
Feinen des Roheisens fand namentlich im Süden, wo man gute
Bergerze verschmolz, Eingang, so in Kärnten und Steiermark in
dem Hartzerennen, im südlichen Frankreich in einem ähnlichen Ver-
frischen, mazéage genannt. Die selbständige Nachbehandlung, das
Ausheizen des Rohfrischeisens in einem besonderen Herd war schon
bei der Wallonschmiede zur Anwendung gekommen und wurde noch
weiter entwickelt in der englischen Frischmethode.


In Steiermark war durch die Einführung der Floſsöfen auch
die Einführung des Frischverfahrens bedingt worden. So wenig man
sich bei der Konstruktion der Floſsöfen streng an die kärntnerischen
Öfen, welche doch zunächst die Veranlassung zum Übergang zu
diesem Betriebe gegeben hatten, hielt, so wenig war dies bei dem
Frischprozeſs der Fall. Man behielt vielmehr den alten gemauerten
Löschherd, wie man ihn zum Ausheizen oder Zerennen der Halb-
massen der Stücköfen verwendet hatte, bei, und benutzte ihn sowohl
zum Eisen- wie zum Stahlfrischen, also zum Weich- und zum Hart-
zerennen, sowie als Ausheizfeuer für die Streckhämmer. Diese allge-
meine Brauchbarkeit darf aber nicht als ein besonderer Vorzug an-
gesehen werden; im Gegenteil muſs man schon vornweg urteilen, daſs
ein Herd, welcher für so verschiedene Zwecke gebraucht wird, unmög-
lich für jeden einzelnen Zweck die entsprechendste Gestalt und Gröſse
haben konnte1).


Fig. 109 (a. f. S.) ist die Abbildung eines steierischen Löschherds,
wie er noch in den fünfziger Jahren dieses Jahrhunderts im
Gebrauch war.


Über das Weichzerennen, d. h. das Eisenfrischen in Steier-
mark, hat Jars eine gute Schilderung in seinem Reisebericht aus
dem Jahre 1758 hinterlassen. Derselbe wird ergänzt durch eine
von Ferber 1780 veröffentlichte Beschreibung des steierischen Eisen-
schmelzens und einen Aufsatz von Klinghammer im Bergmännischen
Journal von 1788. Zu Eisenerz selbst befand sich bei Jars’ Besuch
25*
[388]Das Eisenfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
im Jahre 1758 nur ein einziges Frischfeuer, alle übrigen Frischhütten
und Hämmer waren acht Stunden (5 Meilen) davon bei St. Gallen.


Die manganreichen Erze des Erzbergs lieferten ein Roheisen,
welches sehr geneigt war beim Frischen ein hartes, stahlartiges Eisen
zu geben. Deshalb bemühte man sich, wie wir bei dem steierischen
Floſsofenbetrieb bereits berichtet haben, schon beim Schmelzen der

Figure 114. Fig. 109.


Erze ein möglichst
kohlenstoffarmes
Roheisen, ein lucki-
ges Eisen, das man
Weichfloſs nannte,
zu erhalten. Aber
auch dieser Weich-
floſs gab, wenn man
ihn unmittelbar ver-
frischte, noch ein
hartes Eisen. Man
muſste das Roh-
eisen einer Vorbe-
reitung unterwerfen,
einem Glühfrischen,
dessen Zweck eine
weitere Entkohlung
vor dem Frischen
war. Man nannte
dies das Flossen-
braten
und dieser
Bratprozeſs war ein
charakteristischer
Teil des Weich-
zerennens.


Das Rösten oder
„Braten“ des Roh-
eisens bestand in einem längeren Glühen bei mäſsigem Luftzutritt. Jeder
Frischherd zu St. Gallen hatte, nach Jars Beschreibung, seinen 8 Fuſs
langen, 4 Fuſs breiten „Bratofen“, der einem Kupfersaigerofen ähnlich
sah. An den langen Seiten war er offen; an jedem Ende befand sich eine
2 bis 4 Fuſs hohe Mauer, über der sich der „Eſskobel“ oder Schorn-
stein erhob. In der Mittellinie des Herdes war im Boden ein Kanal, der
von der einen Wand bis zur andern führte und der von zwei runden,
[389]Das Eisenfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
schiefliegenden Flächen eingeschlossen war. Hinter einer dieser Mauern
waren zwei Blasebälge angebracht, deren Düsen in einer Form lagen,
welche in den Kanal mündeten. Um nun in diesem Ofen das Floſs-
eisen zu braten, füllte man an der Seite des Gebläses den Kanal mit
Kohlen, bedeckte den Kanal mit Flossenstücken, die man auf die
flache Seite legte, schüttete Kohlen darauf und gab alsdann 40 Ctr.
Floſs in Stücken von verschiedener Gröſse auf. Man setzte diese
Stücke auf die hohe Kante in der Länge des Ofens dicht aneinander,
bedeckte alles mit Kohlen und streute feine Stübbe darüber, damit
die Hitze mehr beisammen blieb. Alsdann zündete man Feuer an
und lieſs die Bälge sehr langsam angehen, damit die Hitze nicht zu
stark wurde und der Floſs schmolz. Man bezweckte nur eine Röstung,
welche 14 bis 15 Stunden dauerte, in welcher Zeit, sobald es nötig
war, frische Kohlen aufgegeben wurden. Zuweilen begannen einige

Figure 115. Fig. 110.


Stücke zu schmel-
zen, aber der gröſste
Teil backte nur zu-
sammen und das
Eisen, das vorher
spröde wie Glas
war und zersprang,
wenn es hinfiel, er-
hielt durch diese Rö-
stung schon einige
Geschmeidigkeit.
Es zerbrach nur mit Mühe und auf dem Bruch bemerkte man Teile,
die sich hin- und herbiegen lieſsen. Ein Abgang war bei dieser Arbeit
nicht wahrzunehmen.


Die gebratenen Flossenstücke wurden nun in den Frisch- oder
Zerennherd (Fig. 109 und 110) eingesetzt. Nach Jars Angabe hatte
der Herd eisernen Frischboden und Schlackenplatte. Letztere war
immer von Eisen, während der Frischboden öfter auch aus einer
Steinplatte oder aus Ziegelmauerwerk hergestellt war. Der Herd war
(nach Tunner) 30 Zoll (0,790 m) lang, 27 Zoll (0,710 m) breit und
15 bis 18 Zoll (0,395 bis 0,474 m) tief. Die Form, die etwa 250 Quadrat-
linien in der Mündung hatte, war ¼ Zoll unterfeilt, lag 6 Zoll über
und hatte 10 bis 12 Grad Neigung. Die Entfernung des Formmittels
von der Wolfsmauer betrug 12 Zoll (0,316 m), vom Sinterblech
15 Zoll. Der Einsatz betrug etwa 2 Centner auf den Dachel (die
Luppe).


[390]Das Eisenfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.

Das Roheisen gab man in Form unregelmäſsiger Brocken auf1).
Der Herdraum wurde bis zur Formhöhe mit Lösche gefüllt und diese
festgeschlagen. Hieraus wurde ein Schmelzherd von 12 bis 15 Zoll
Durchmesser und 6 bis 7 Zoll Tiefe ausgegraben. Dann wurde der-
selbe bis über Formhöhe mit Kohle gefüllt und diese angezündet, als-
dann die Massel zum Ausheizen eingelegt und mehrere Körbe Kohlen
darüber gefüllt, und einige Schaufeln Weich (Hammerschlacke) darauf
geworfen, um den Schlackenboden zu bilden. Während des Betriebs
in der Woche lieſs man den Schlacken- oder „Schwallboden“ mög-
lichst unverletzt bestehen, und es gelang oft, alle Frischen auf dem-
selben Schwallboden zu machen. Der Dachel wurde in der Regel zu
vier parallelen Masseln zerschroten, von denen die beiden äuſseren,
die Ranftmasseln, zuerst, die beiden Kernmasseln danach zum Anfang
des Prozesses ausgeheizt und ausgeschmiedet wurden. Erst wenn nur
noch zwei Masseln und Kolben im Feuer waren, wurde die erste
Flossengarbe von 100 bis 150 Pfund von der Windseite aus einge-
setzt. Während des Ausheizens schmolz noch kein Roheisen ein,
dagegen wurde währenddem der Zerennboden hergerichtet. Das Aus-
heizen und Bodenzurichten dauerte 2 bis 2½ Stunden. Nach beendetem
Ausheizen legte man die zweite Flossengarbe (60 bis 100 Pfund), von
der Arbeitsseite aus, auf der hohen Kante über dem Eſseisen ein.
Hierauf wurde der ganze Herd hoch mit Holzkohlen angefüllt und
bei geschwächtem Wind der Zerennprozeſs eingeleitet. Nach 10 bis
20 Minuten begann das Eisen von der ersten Garbe zu schmelzen
und abzutropfen. Der Arbeiter regulierte dies durch Vorschieben,
Niederlassen u. s. w. Das geschwächte Gebläse wurde so lange bei-
behalten, bis der Zerennboden die richtige Höhe erreichte und anfing,
sich mit dem Räumeisen fest und kleberig anzufühlen. Blieb der
Boden tief, so stach man Schlacke ab und gab gare Schlacke und Setz-
brocken vom früheren Boden auf. Gewöhnlich dauerte das schwache
Blasen noch ¼ bis ½ Stunde nach dem Ausheizen, währenddem die
zweite Garbe sich auch bis zum Abschmelzen erhitzte. Alsdann wurde
der Wind verstärkt und das Eisen völlig eingerennt. Dünneisen bil-
dete sich dabei, infolge des wenig stechenden, schwachen Windes,
wenig. In der Erhaltung und Führung des Zerennbodens bestand die
Kunst des Frischers2). War das Eisen gar eingeschmolzen, so folgte
[391]Das Eisenfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
noch das Nachzerennen, d. h. das Verkochen des Dünneisens. Dieses
nahm, da nur wenig Dünneisen vorhanden war, auch nur wenig Zeit
in Anspruch. Wenn aber auch kein Dünneisen vorhanden war, so blies
man zum Nachschmelzen der zerstreuten Brocken, und damit der
Dachel auf der Steinseite völlig ausgarte, doch noch etwa ¼ Stunde
nach. Nur wenn man dazu übergehen wollte Stahldachel zu machen,
was öfter vorkam, blies man nicht nach. — Nun wurde der Dachel
ausgebrochen. Der ganze Zerennprozeſs, einschlieſslich des Dachel-
ausbrechens, nahm gewöhnlich zwei Stunden in Anspruch. Ein guter
Dachel war auf der oberen sogenannten Steinseite ziemlich eben und
hatte eine hellleuchtende Farbe von reinem Eisen, die untere Seite
hatte eine von Schlacke durchzogene Hülle und war von abgerundeter
Gestalt. Häufig zeigten sich aber in dem Dachel noch rohe Durch-
schüsse, die beim Drücken und Breiten unter dem Hammer als „Weich“
abfielen. Je reiner der Dachel, je weniger „Weich“ gab es. Der
Dachel wurde nun mit der Steinseite nach unten auf den Amboſs
gebracht, wozu man sich, wie bei dem Stückofenbetrieb, der Zugzange
bediente. Er wurde unter mehrmaligem Wenden gedrückt und ge-
breitet und dann in zwei Hälften geschroten. Jede dieser Hälften
wurde dann ebenso auf dem Amboſs gedrückt und gebreitet und dann
wieder in zwei, zuweilen auch in drei Masseln zerhauen. Hierauf folgte
das Drücken der Masseln, wobei zuerst die beiden Ranftmasseln und
dann die Kernstücke vorgenommen wurden. Zwischen jeder Vorrich-
tung muſste der Hammer auf den Bauer gesetzt werden. Der Heizer
half dem Hammerschmied bei der Arbeit. Während der Zeit wurde
der Herd wieder zugerichtet. Die ganze Arbeit beim Hammer dauerte
acht bis zehn Minuten, so daſs der ganze Zeitaufwand von einem
Dachel zum andern vier Stunden betrug. Das Eisen wurde meistens
zu Zaggel von 2 Zoll Quadrat ausgeschmiedet. Man schmiedete, soweit
wie thunlich, fertige Waren auf dem Zerenn- (Grob-, Wallas- oder
Wälsch-) hammer aus, die dann als Grob-, Wallas- oder Wälschwaren
bezeichnet wurden. Ein Zerennhammer wog mindestens 5 Centner.
Lange Ware nannte man Stäbe, die in zwei Hitzen, kurze Ware solche,
die in einer Hitze dargestellt wurden. Man arbeitete in dem steierischen
Löschherd nicht auf eine bestimmte Sorte, sondern machte je nach-
dem mehr harte oder weiche Ware, wobei man sich meistens nach
dem Roheisen richtete. Die Dachel fielen ungleich und auch die
Masseln aus demselben Dachel waren unter dem Hammer nicht ganz
gleich. Man machte deshalb zwölf Sorten von Grobwaren und in dem
richtigen Sortieren lag die Kunst des Hammerschmieds, der deshalb
[392]Das Eisenfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
in den steierischen Frischhütten der wichtigste Mann und dem Heizer
oder Frischer vorgesetzt war. Nach der Härte erzeugte man folgende
Sorten: 1) Brucheisen, pyramidal zulaufende Stäbe von 4 Fuſs Länge,
eigentlich ein eisenschüssiger Rohstahl, wurde auch als ordinärster
billigster Stahl, besonders zum Stählen geringer Werkzeuge ver-
wendet. 2) Sagbränder, flache Stäbe, 2 Zoll breit, 6 Fuſs lang, stahl-
artig, aber weicher wie 1), hauptsächlich für groſse Sägeblätter.
3) Radschuhe und Radschuhflecke, keilförmige Platten, halbhart, auf
einer Seite mehr Stahl als Eisen, dienten zum Belegen der alten
Radschuhe der Frachtwagen. 4) Radreifen, 2½ bis 6½ Zoll breit,
½ bis 1 Zoll dick, 6 bis 9 Fuſs lang, aus festem, hartem Eisen.
5) Flammen von ähnlicher Gestalt wie 1), dienten für Hacken, Hauen,
Schaufeln u. s. w., sehr gut ausgeheiztes, zähes, festes Eisen. 6) Weiſs-
blechflammen, flache prismatische Stäbe, meist 4 Zoll breit, ¾ Zoll
dick, von unbestimmter Länge, erforderten noch sorgfältigere Darstellung
als 5), dienten als Materialeisen für die Weiſsblechfabrikation. 7) Wagen-
achsen, in der Mitte kantig, an den Enden rund und dicker, von ver-
schiedenem Maſs, das Eisen muſste zäh und fest sein. 8) Schlieſsen-
eisen, wie Radreifen, nur schmäler wie 7). 9) Stabeisen, meist 1 bis
2½ Zoll breit, 3 bis 4 Fuſs lang, per Stück 10 bis 15 Pfund schwer, war
die feinste Gattung Grobwaren, aus weichem, zähem Eisen; es wurde
von den Faustschmieden für Bänder u. dergl. verwendet. 10) Mühl-
stangen, quadratisch 5/4 bis 10/4 zöllig, 5 bis 10 Fuſs lang, aus weichem
Eisen. 11) Blechflammen, 4 bis 6 Zoll breit, ¾ bis 6/4 Zoll dick, von
unbestimmter Länge, aus sehr weichem, gut ausgeheiztem Eisen, für
Schwarzbleche. 12) Zainprügel, quadratisch, am vorderen Ende ver-
jüngt, 6/4 bis ¾ Zoll, 3 bis 4 Fuſs lang, aus weichem, besonders gutem
Eisen, zu Nageleisen und Drahteisen. Zu diesen Sorten kamen auf
den Hämmern, die gleichzeitig Stahl frischten, noch verschiedene
Stahlsorten, die wir später aufzählen werden. Beim Ausschmieden
wurde die Massel in der ersten Hitze nur ganz gemacht und leicht
überschmiedet, worauf sie sogleich Schweiſshitze bekam, in der sie
ausgeschmiedet wurde.


Zu einem Frischfeuer gehörten drei Mann, der Hammerschmied,
der Heizer und der Wassergeber, welche täglich in 16 Stunden vier
Dachel erzeugten. Der Hammerschmied bezog den Centnerlohn und
die Getreide- und Fett-Fassung und bezahlte und verköstigte seine
Leute. Jeder Dachel konnte bei guter Arbeit zu 100 kg veranschlagt
werden. Der Kohlenverbrauch stellte sich auf 4 bis 5 Faſs zu 7¾ Kubik-
fuſs für den Centner Stabeisen. Der Abbrand betrug 8 bis 12 Prozent.


[393]Das Eisenfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.

Die Beschreibung, welche Jars von der steierischen Löschfrisch-
schmiede gemacht hat, stimmt mit dieser ausführlicheren Schilderung
nach Tunner im wesentlichen überein. Er erwähnt noch, daſs man
die ausgebrochene Luppe auf dem Herdboden erst mit Holzhämmern
abklopfte, ehe sie auf den Amboſs gehoben wurde. Das Gewicht des
Wasserhammers giebt er zu 9 Centner an. Gewöhnlich befanden sich
zwei oder drei Frischfeuer in einer Hütte und bei manchen Arbeiten
halfen sich die Arbeiter wechselweise. Man machte in denselben
Frischherden Eisen und Stahl. Jars ist erstaunt über den geringen
Abbrand von nur 12 Prozent.


Das Frischverfahren in Kärnten war ähnlich. Auch dort
wurden die Flossen, um Weicheisen zu machen, erst gebraten und
soll dieses Verfahren von Kärnten nach St. Gallen gekommen sein.
Der Herd hatte nach Dangenoust und Wendel1) 26 Zoll im
Quadrat. Man setzte nur etwa 100 Pfund gebratenes Roheisen ein.
Die Arbeit dauerte trotzdem vier Stunden. Man machte absichtlich
hartes oder weiches Eisen. Im ersteren Falle gab man der Form
mehr Neigung und blies schärfer.


Zu Kleinboden in Tirol verfuhr man beim Frischen von Stab-
eisen 1765 wie in St. Gallen, ohne aber die Flossen zu braten.


Bei der eigentlichen Tiroler Schmiede verarbeitete man dagegen
in Herden raffiniertes Roheisen (Hartzerennböden) mit Fichtenkohlen
in demselben Herd, entweder auf Rohstahl oder auf Grobeisen, wobei
man in der Regel abwechselte. Man machte, ähnlich wie bei der
Siegener Einmalschmelzerei, sehr groſse Luppen von 3½ Centner.
Entsprechend war die Gröſse des Herdes, 36 × 39 Zoll. Die Form
lag 18 Zoll über dem eisernen Boden und 8 bis 10 Zoll über dem
eingestauchten Löschboden. Zum Stahl- oder Eisenfrischen wählte
man unter den vorrätigen Hartzerennböden die mehr rohen oder die
weichen aus, ebenso gab man beim Stahlfrischen mehr und rohere
Zuschläge als beim Eisenfrischen. Sonst stimmte die Arbeit mit dem
steierischen Weichzerennen, das wir beschrieben haben, und der
steierischen Rohstahlarbeit, die wir später beschreiben werden, über-
ein. Die Arbeit dauerte vier bis fünf Stunden. Der Abbrand betrug
hier 23 bis 25 Prozent.


Jars hat die Eisenhütten von Johann-Georgenstadt und
von Heinrichsgrün in Böhmen beschrieben, dabei aber das
Frischverfahren nur sehr kurz berührt. Von dem Frischeisen von
[394]Das Eisenfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
Johann-Georgenstadt sagt er nur, daſs es zu Dünneisen für Weiſs-
blech verschmiedet werde. Zu Heinrichsgrün verfrischte man graues
Roheisen. Dasselbe muſste fein- und schwarzkörnig sein. Aus weiſsem
Eisen konnte man dort kein weiches Eisen machen. Die Arbeiter
erkannten an der Brechstange, womit sie in das geschmolzene Eisen
hineingingen, und an den Funken, die es von sich gab, ob es hinläng-
lich ausgefrischt war. — Aus dieser Bemerkung läſst sich schlieſsen,
daſs es die böhmische Anlaufschmiede war, welche, wie in Horzowiz,
auch in Heinrichsgrün in Anwendung stand. Dies wird bestätigt
durch von Stockenström und Rinman. Nach einer genauen
Beschreibung der Anlaufschmiede von Johann-Georgenstadt von erste-
rem hat Rinman dieselbe in seiner Geschichte des Eisens beschrieben.
Jars erwähnt noch, daſs sie sich auch nach der Menge und Beschaffen-
heit der Schlacken, welche sie abstachen, richteten. Der Frischprozeſs
dauerte ungefähr zwei Stunden. Das Stabeisen war grobkörnig und
kaltbrüchig; in der Hitze aber jedenfalls sehr weich, weil es ebenfalls
zu Weiſsblech verarbeitet wurde.


Die böhmische Anlaufschmiede gehört zu der deutschen Frisch-
oder Aufbrechschmiede. Sie war in der zweiten Hälfte des vorigen
und der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts verbreitet in Böhmen,
Sachsen, Schlesien und Mähren. Der Feuerbau war ganz derselbe wie
bei dem gewöhnlichen deutschen Frischherd1). Er war aus drei Guſs-
zacken und dem Guſsboden hergestellt, 21½ × 23 Zoll. Der 23 Zoll
lange Formzacken war in den Herd geneigt (s. Fig. 111). Die kupferne
Form war fast viereckig, 1½ Zoll breit, 1 1/10 Zoll hoch, ragte 3 Zoll in
den Herd und hatte 10 Grad Neigung. Erst wurde ein Löscheboden
besonders in den Ecken gemacht, darauf ein Schlackenboden, der an
der Windseite stärker war. Auf das Schlackenbett wurde das ein-
zuschmelzende Roheisen, 250 bis 260 Pfund, in einem regelmäſsigen
Stoſs aufgesetzt (siehe Fig. 113), der, um ihn vor dem Umfallen zu
bewahren, mit einigen Schwallstücken verspreizt ward. Der Raum
zwischen dem Stoſs und der Formwand wurde mit Holzkohlen gefüllt
und der Wind mit 6 bis 8 Zoll Wassersäule Druck angelassen. Der
ganze Vorgang zerfiel in vier Perioden, das Ausheizen und gleich-
zeitiges Roheiseneinschmelzen, das Garen, das Anlaufen und das Luppen-
machen.


Beim Ausheizen wurde nur etwa die Hälfte des Eisens, gewöhn-
[395]Das Eisenfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
lich ein Schirbel, erhitzt, weil die andere schon in der Anlaufperiode
fertig gemacht wurde. Der Schirbel wurde horizontal zwischen Form
und Roheisenstoſs eingelegt und mit Holzkohle überschüttet. Gewöhn-
lich wurden aber gleichzeitig noch allerhand halbfertige, kleinere Ware
(Kolben) erhitzt, mit welcher der freibleibende Raum besteckt wurde.
In dem Maſse als Platz frei ward, rückte man den Roheisenstoſs der
Form näher, so daſs er zuletzt nur wenige Zoll davon entfernt war.
Der Roheisenstoſs begann von unten an, wo der Wind ihn traf, abzu-

Figure 116. Fig. 111.


Figure 117. Fig. 112.


schmelzen. Um dies zu befördern, muſste er öfters mit der Brech-
stange gelüftet werden. Gegen Ende des Ausheizprozesses wurde der
Wind noch mehr geschwächt, wodurch es möglich wurde, eine nur
6 bis 8 Zoll über die Form reichende Lage Kohlen zu erhalten, ohne vom

Figure 118. Fig. 113.


Wind auseinander geworfen zu werden.
Volle Ausnutzung einer kleinen Kohlen-
menge war das besondere Streben bei dieser
Frischmethode. In Horzowiz dauerte das
Ausheizen 2 bis 2½ Stunden und das
Einschmelzen noch ½ bis 1 Stunde. In
Reutenhan, wo die Arbeit rascher geführt
wurde, brauchte man zu beiden nicht zwei
Stunden. Nach beendigtem Einschmelzen wurde der Wind noch mehr
geschwächt, so daſs er nur noch mit 2 bis 3 Zoll Wasserdruck blies.
War viel rohe Schlacke da, so stach man ab, was aber meist erst
später geschah. Die wenigen Kohlen schaffte man fortwährend von der
Windseite nach der Formseite, damit hier immer ein Häufchen Kohlen
erhalten wurde. Die der Form zunächst liegenden Partien Eisen
fingen an teils durch Kaltblasen, teils durch Garen in halbfesten
[396]Das Eisenfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
Zustand überzugehen. Man brach sie auf, kratzte sie aus, schob die
Kohlen an den frei gewordenen Raum und hob die Eisen- und Schlacken-
brocken über dieselben. Gleichzeitig lieſs man die aussaigernde Roh-
schlacke seitlich in eine im Vorherd zugerichtete Grube ab. Dieses
Ablassen der Schlacke hielt mit dem Garen vor der Form gleichen
Schritt. Man lüftete die Eisenmasse am Boden. Die aufgehäufte
Masse über der Form geriet in ein gelindes Kochen, wodurch ihr
Garen sehr befördert wurde. Nun wurde unter der Form ganz vom
Boden aus aufgebrochen, auf der Windseite aber, wo das Eisen noch
roh ist, nur gelüftet. Bei dem letzten Aufbrechen wurden die hellen,
garen Partien über die Form, die rohen mehr nach der Windseite
hingeschafft. Der Anlaufstab wurde zu seiner Vorbereitung in den
Schmelzraum eingehalten. Die reine Garperiode, die etwa eine Stunde
dauerte, war nun beendet. Der Kohlenaufwand beim Garen betrug
3 Kubikfuſs.


Nun wurde der Wind wieder verstärkt, doch nicht mehr als auf
10 bis 12 Zoll Wassersäule. Hatte der eingehaltene Anlaufstab
Schweiſshitze erlangt, so wurde er unter dem Hammer ganz gemacht
und währenddem die garsten Partien aufgebrochen, über die Form
gebracht und eingeschmolzen. Gerade unter dieser Stelle wurde der
Anlaufstab eingelegt. An diesen hingen sich die gar niederschmelzen-
den Eisenteilchen an und wurde dies durch öfteres Umdrehen des
Anlaufstabes befördert. Man nannte dies den reinen Anlauf, indem
nur das beste, flüssige Eisen bei der intensiven Hitze hängen blieb.
Das meiste lief ab und sammelte sich unten zu einer kleinen Luppe.
Eine andere Partie garte über der Form derart, daſs sie nicht nieder-
schmolz. Diese oberste Partie und die kleine Luppe unter der Form
wurden mit Brechstangen und Haken auf die Arbeitsplatte gebracht,
an den schweiſsenden Anlaufkolben geklebt, unter den Hammer ge-
hoben und daselbst zu einem Kolben vereinigt. Diese garen, an den
Anlaufstab gebrachten Frischbrocken wurden Juden oder gezwungener
Anlauf
genannt. Sie gaben kein so gutes Eisen wie der reine Anlauf,
förderten aber die Arbeit. Die Juden wurden erst nur unter dem
Hammer ganz gemacht und dann in einer neuen Schweiſshitze an
dem freien Ende ausgeschmiedet. Diese halbfertigen Kolben wurden
beiseite gelegt, um später beim Roheiseneinschmelzen ausgeheizt und
fertig gemacht zu werden. Für gröſsere Stäbe muſste das Ankleben
der Juden mehrmals wiederholt werden. Beim Aufbrechen unter der
Form und dem Anordnen der aufgebrochenen Teile über der Form
arbeiteten immer zwei Mann zusammen. Nach und nach wurden auch
[397]Das Eisenfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
die Teile an der Windseite gelüftet und näher herangerückt. Nach-
dem etwa ¾ des Eisens in Gestalt von Juden aus dem Herd entfernt
war, wurde die Anlaufperiode, die 2 bis 2¾ Stunden dauerte und
10 Kubikfuſs Kohlen erforderte, beendet. Die zerstreuten Brocken
wurden nun bei geschwächtem Winde gesammelt und vor dem Winde
niedergeschmolzen, was etwa ¼ Stunde beanspruchte. Der erhaltene
Klumpen, der noch sehr ungleich war, wurde aufgebrochen, mit der
oberen, garen Seite nach unten gewendet, über die Form geschafft,
um bei verstärktem Winde zu einer garen Luppe niedergeschmolzen
zu werden. Hierbei wurde öfter gelüftet und Garschlacke und Stock-
weich zugesetzt. Nach ¼ bis ½ Stunde war die Luppe fertig, die
sofort herausgebrochen, entweder mit Zangen oder am Anlaufstab
unter dem Hammer gedrückt wurde. Die ganze Charge dauerte, je
nach der Qualität des Roheisens, 5¼ bis 8¼ Stunden, und waren
dazu 28 bis 32 Kubikfuſs Holzkohlen erforderlich. Die höheren Zahlen
galten für graues Roheisen und die Erzeugung feinerer Roheisen-
sorten, die kleinen für halbiertes Roheisen und grobes Materialeisen.
Der Abbrand war in ersterem Falle 23 bis 25, im letzteren 19 bis
21 Prozent; die Stabeisenproduktion für die Charge etwa 100 kg.


Die Schilderung Rinmans von der Anlaufschmiede zu Johann-
Georgenstadt weicht insofern von obiger genaueren Beschreibung
Tunners ab, als dort das Roheisen in Gestalt einer Ganz von 8 Fuſs
Länge eingelegt und von dieser abgeschmolzen wurde. Sowie das
Roheisen nach und nach abschmolz, wurde die Ganz nachgeschoben.
Die Anlaufstangen waren 4½ Fuſs lang und 2½ Zoll breit und mit
einem hölzernen Handgriff versehen. Man machte mit zwei Anlauf-
stangen etwa 7 bis 10 Anlaufkolben im ungefähren Gewicht von
150 Pfund, die zu Flachstäben von 2½ bis 3 Fuſs Länge ausgeschmiedet,
in Bunden gepackt, als Seileisen verkauft wurden, während der Deul,
den man durch das Aufbrechen erhielt, in zwei Schirbel zerhauen
und in Blechflammen für die Weiſsblechfabrikation ausgeschmiedet
wurde. Rinman bezeichnet dieses Verfahren als Taucheisenschmiede
und Eintauchschmiede.


Auch am Harz war, wie fast überall in Deutschland, die deutsche
Aufbrechschmiede üblich. Jars, der 1766 die dortigen Eisenwerke
besuchte, bemerkt über die gewöhnlichen Frischhütten nur, daſs die
Hämmer 3 bis 6 Centner wogen, daſs jeder Hammerschmied nur eine
bestimmte Menge Stabeisen machen durfte, und daſs sie aus 3 Ctr.
Roheisen (330 Pfund) 206 bis 210 Pfund verschiedenes Stabeisen und
Sturzblech schmieden muſsten. Etwas eingehender beschreibt er eine
[398]Das Eisenfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
besondere Art derselben, mittels welcher man ein besonders weiches
Schmiedeeisen herstellte. Hierfür traf man schon bei der Beschickung
des Hochofens die entsprechende Auswahl der Erze, indem man alle
Sorten weglieſs, welche das Eisen spröde oder brüchig machen konnten.
Man schlug auch keinen Kalk zu, weil derselbe kupferschüssig und
der Qualität schädlich war. Man nahm nur die Erze, welche viel
Spat führten, und mit dem Namen Kuhrim bezeichnet wurden.


Das von diesem Schmelzen gefallene Roheisen wurde in einem
besonderen Frischfeuer, dessen Herd viel kleiner war, verarbeitet,
man gebrauchte auch mehr Vorsicht dabei und bediente sich eines
besonderen Verfahrens.


Sowie das Roheisen niederschmolz und sich auf dem Frisch-
boden kleine Luppen davon ansetzten, nahm der Frischer dieselben
heraus und nachdem er eine Anzahl dieser Luppen vom ersten Frischen
zusammengebracht hatte, schmolz er sie von neuem zusammen ein,
um eine einzige daraus zu erhalten, welches zweimal geschmolzenes
Eisen
hieſs. Diese Arbeit dauerte gemeiniglich vier Stunden. Wenn
nun dieses Eisen zuerst in ein dickes, vierkantiges Stück ausgeschmiedet
war, brachte man es in eine Hütte, in der sich zwei kleine Schwanz-
hämmer befanden. Daselbst wurde dieses Eisen von neuem in Formen
von verschiedener Breite und Länge ausgeschmiedet, wie man es zur
Verfertigung der Nägel, Ketten, Flintenläufe oder Eisendraht ver-
langte.


Man versicherte Jars, daſs durch diese Methode, das Eisen zwei-
mal zu frischen, man allezeit vortreffliches Eisen erhielte, jedoch mit
einem weit beträchtlicheren Abgang, weil man von 3 Ctr. Roheisen
kaum 175 Pfund Stabeisen erhielt.


Das beschriebene Verfahren stimmt mit der Modifikation des
deutschen Frischverfahrens überein, welche man als Brechschmiede
bezeichnet.


Über die Frischhütten in Schweden haben wir bereits früher
einen Auszug aus Swedenborgs ausführlicher Schilderung mitgeteilt.
Wir wissen daraus, daſs die deutsche Aufbrechschmiede das gebräuch-
liche Frischverfahren war und man nur im Gebiet von Dannemora
an der von Louis de Geer eingeführten Wallonschmiede festhielt.
Man war eifrig bestrebt, die Stabeisenfabrikation, die wegen des groſs-
artigen Exports für Schweden so wichtig war, zu verbessern. Am
meisten geschah dies durch sorgfältiges Sortieren und scharfe Kon-
trolle. Aber auch das technische Verfahren suchte man zu vervoll-
kommnen. Wir haben schon Polhelms Bemühungen in dieser Rich-
[399]Das Eisenfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
tung erwähnt. Auſser ihm schrieb Daniel Tilesius über das Eisen-
frischen in Schweden 1) und ein ganz neues Leben kam in das schwedische
Eisenhüttenwesen durch Sven Rinman, der 1751 das neu geschaffene
Amt eines Obermaſsofenmeisters, d. h. eines obersten königlichen
Hüttendirektors angetreten hatte und dem dann im Jahre 1760 auch
alle Schwarz- und Grobschmieden, also alle Frischhütten, unterstellt
wurden. Im Jahre 1766 besuchte Jars Schweden und Norwegen.
Aus seinem Reisebericht ist über die Schmiedeeisenbereitung in Schwe-
den folgendes zu erwähnen.


Zu Soderfors war für die Ankerfabrik diejenige Modifikation der
deutschen Aufbrechschmiede im Gebrauch, welche man als Halb-
wallonschmiede
bezeichnet. Der Frischherd war wie ein gewöhn-
licher deutscher Herd gebaut; die Form ragte 3 bis 4 Zoll in den
Herd hinein und lag 10 bis 12 Zoll vom Boden. Der Frischboden
wurde über und über mit Quandelkohlen und Schlacken beschüttet, als-
dann mit Meilerkohlen aufgefüllt und auf dieselben auf der Gicht-
seite eine Ganz von etwa 100 kg Gewicht gelegt, mit Kohlen bedeckt
und das Gebläse angelassen. Das Einschmelzen des Roheisens dauerte
etwa eine Stunde. Wenn alles Eingeschmolzene sich in einer Luppe
angesetzt hatte, wie es bei richtiger Lage der Form geschehen muſste,
so wurde dieselbe mit Brechstangen aufgebrochen, um sie über die
Kohlen zu bringen und nochmals einzuschmelzen. Dieses wurde ein
drittes Mal wiederholt und die Schlacken wurden, wenn sie sich zu
sehr anhäuften, abgestochen. Diese drei Operationen dauerten drei
bis vier Stunden. Wenn bei dem letztenmal sich eine groſse Luppe
angesetzt hatte, so wurde dieselbe herausgenommen, neben dem Herd
hingelegt und rundum beklopft, wie man sie denn auch etwas ab-
kühlen lieſs, ehe man sie unter den Hammer brachte, welchen man,
sobald die Luppe auf den Amboſs gehoben war, angehen lieſs. Die
Schlacken liefen dadurch ab. Man teilte sie dann in verschiedene
Schirbel, welche zu Stäben geschmiedet wurden. Dies entsprach also
dem deutschen Frischverfahren. Sollten aber Anker ausgeschmiedet
werden, so gab es keine Schirbel, sondern die Luppe wurde in drei
Stücke geteilt, welche der Ankerschmied übernahm.


Dieser Umstand, daſs das Ausschmieden der Luppenstücke in
einem andern Herd erfolgte, hatte Veranlassung zu dem Namen Halb-
[400]Das Eisenfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
wallonschmiede gegeben. Das Frischverfahren selbst entsprach aber
ganz der gewöhnlichen deutschen Frischarbeit.


Es gehörten zwei Feuer zu einem Hammer, aus denen man in
der Woche etwa 4800 kg Eisen ausschmiedete. Der Kohlenaufwand
und der Abgang an Roheisen waren bei dieser Arbeit durch Verord-
nung festgesetzt. Die so gefrischten Luppen hatten öfter im Inneren
etwas Stahl. Die Hämmer, deren man sich in den schwedischen
Frischhütten bediente, waren 320 bis 360 kg schwer, von geschmiede-
tem Eisen mit verstählten Bahnen. Die Hammerhelme wurden von
Birkenholz gemacht. Jars erwähnt hierbei, daſs er sich wegen der
Angabe Swedenborgs, daſs man sich gegossener, eiserner Ambosse,
welche mit Stahlplatten versehen seien, bediene, überall erkundigt,
um die Möglichkeit des Verfahrens kennen zu lernen, aber niemand
hätte etwas von der Sache gewuſst. Dagegen könne man wohl die
Bahn guſseiserner Ambosse härten, wenn man eine eiserne Platte an
der Stelle in die Form einlegte, wodurch das Eisen an dieser Fläche
abgeschreckt und hart werde. Hier geschieht also die erste Erwähnung
von Hartguſs. Obgleich durch die eingelegte, glatte Platte die
Amboſsbahn schon glatt wird, so wird sie doch noch auf dem Amboſs
abgeschliffen.


Auf der Hütte zu Forſsmark, welche Dannemoraerze verarbeitete,
fand Jars neben einem Wallonfeuer auch einen deutschen Frisch-
herd, welcher von den eben beschriebenen in verschiedenen Stücken
abwich. Der gegossene, eiserne Frischboden hatte beinahe 2 Fuſs im
Quadrat und drei andere dergleichen Platten bildeten wie gewöhnlich
den inwendigen Teil des Herdes, wobei der Gieſszacken etwas weniger
überhing. Wenn der Herd mit Kohlen angefüllt war, so legte
man der Form gerade gegenüber zwei Gänze, von je 60 kg Gewicht,
kreuzweise darauf und bedeckte dieselben mit Kohlen. Das Roheisen
schmolz nach und nach ein und fiel auf den Frischboden. Wenn nun
die Gänze ganz eingeschmolzen waren und sich die Luppe angesetzt
hatte, so hingen die Frischer das Gebläse ab, räumten die Kohlen
weg und entblöſsten die Luppe; in diesem Zustande lieſsen sie die-
selbe ½ Stunde abkühlen und währenddem wendeten sie die Luppe
um und schütteten ringsum Kohlen. Sobald nun der Frischer glaubte,
daſs sie hinlänglich abgekühlt sei, hing er das Gebläse von neuem
an und lieſs die Luppe zum zweiten Mal einschmelzen, zu welcher
Arbeit überhaupt drei Stunden gehören. Wenn sich die gare Luppe
angesetzt hatte, so wurde dieselbe unter den Hammer gebracht, ge-
zängt und in mehrere Stücke geteilt, die nach Verhältnis ihrer
[401]Das Eisenfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
Schwere, in Stäbe von verschiedener Gröſse ausgeschmiedet wurden.
Man benutzte hierzu das nämliche Feuer, indem diese Arbeit während
des Verfrischens des Roheisens geschah. Es ist dies ein Vorteil,
welchen die deutsche Methode an sich hat, und wozu noch kommt,
daſs, wenn hierbei noch etwas Eisen abschmilzt, dieses in den Herd
fällt und sich mit der Luppe vereinigt.


In ganz Schweden war für die deutschen Frischhütten der Auf-
wand an Kohlen und der Abbrand durch Verordnung festgesetzt. Es
war letzterer schon im Gewicht ausgedrückt: 1 Schiffspfund Roh-
eisen hatte 26 Liſspfund, 1 Schiffspfund Stabeisen nur 20 Liſspfund.
Dies entsprach dem Abbrand, so daſs also gerade 1 Schiffspfund
Roheisen 1 Schiffspfund Stabeisen ergab. Der Kohlenverbrauch für
ein Schiffspfund (etwa 160 kg) war auf 2 Stige = 24 Tonnen =
96 Kubikfuſs festgesetzt. Alles was hieran gespart wurde, kam dem
Frischer zugute. Bei einem Hammer arbeiteten gewöhnlich sechs
Leute; also bei jedem Feuer drei, welche gewöhnlich 30 Schiffspfund
(4800 kg) ausschmieden konnten.


Das beschriebene Verfahren stimmt ganz mit dem richtigen deut-
schen Frischen überein, bis auf die Unterbrechung des Prozesses nach
dem Einschmelzen und vor dem Rohaufbrechen. Bei dem gut ge-
leiteten deutschen Frischen soll das Rohaufbrechen ebenso wie das
Garaufbrechen bei ununterbrochenem Gang des Gebläses geschehen.
Die Unterbrechung des Prozesses nach dem Einschmelzen geschah,
um ohne Arbeit das Eisen durch Abkühlung rascher fest werden zu
lassen, und es in einem Klumpen aufbrechen zu können. Es war
dies aber nur zur Bequemlichkeit der Arbeiter, dagegen zum Nach-
teil der Güte des Produktes und des Kohlenverbrauchs. Denn die
Eisenmasse erstarrte durch Erkalten, nicht durch Garen und die
durch die Unterbrechung herbeigeführte Abkühlung war so groſs,
daſs sie durch vermehrten Kohlenaufgang nach dem Wiederanblasen
ausgeglichen werden muſste.


Oft wurde das Erstarren des roh eingeschmolzenen Eisens zu
einer Luppe durch Aufschütten von Wasser noch beschleunigt. Die
Arbeit wurde dadurch zum Kaltfrischen, ein Verfahren, bei dem
die noch ganz rohe Eisenmasse im Herd allein durch gewaltsames
Abkühlen fest gemacht und also roh aufgebrochen wird. Diese
Methode ist für weniger reine Eisensorten durchaus verwerflich, weil
die Reinigung dabei nicht zu Ende geführt und nichts erspart wird
als Schweiſs der Arbeiter. Für sehr reine Roheisensorten, die schon
frisch oder kohlenstoffarm aus dem Hochofen kommen, ist dieses Ver-
Beck, Geschichte des Eisens. 26
[402]Das Eisenfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
fahren dagegen zulässig und da es ökonomisch vorteilhaft ist, hat es
sich auch in Deutschland in manchen Gegenden eingebürgert. Zuerst
geschah dies am Rhein, vermutlich im Wiedischen, weshalb das Kalt-
frischen in Deutschland meist als Rheinisches Frischen und die
Frischessen als rheinische Frischfeuer bezeichnet wurden.


In Schmalkalden war mit der Einführung der hohen Blauöfen
auch das rheinische oder Kaltfrischfeuer eingeführt worden.
Allerdings ging nebenher gleichzeitig mit dem Betrieb der niedrigen
Blauöfen auch noch der eigentliche Löschfeuerbetrieb. Bei diesem
wurden die „Stücke“ von den „Gössen“ der niedrigen Blauöfen (Stück-
öfen) mit Scheibeneisen im Löschherd eingeschmolzen und zu weichem
Eisen verfrischt (s. Bd. I, S. 828 u. Bd. II, S. 211).


Die gröſsere Menge des in den hohen Blauöfen erblasenen Roh-
eisens wurde aber im Kaltfrischfeuer zugute gemacht. Zu diesem
Zwecke führte man den Betrieb der Floſsöfen, wie in Steiermark, auf
gares, „weiches“, luckiges, d. h. weiſses, feinstrahliges Roheisen voller
Löcher, die mit bunter, besonders stahlblauer Farbe angelaufen
waren, aus dem man weiches Eisen erhielt. — Das Frischfeuer,
das mit guſseisernen Zacken, von denen die Formplatte in den Herd,
die Gichtplatte nach auſsen geneigt waren, zugestellt war, hatte groſse
Ähnlichkeit mit dem (Bd. I, Fig. 69 u. 70, Seite 229, abgebildeten)
Siegerländer Frischherd. Auf der Schlackenplattenseite befand sich
kein Zacken, sondern nur die Eſsbank, die auf zwei Steinen ruhte.
Unter dem Frischboden befand sich eine Höhlung, der Tümpel, der
mit einer zu Tag ausgehenden Röhre in Verbindung stand, in wel-
cher, wenn der Frischboden zu warm war, Wasser zum Abkühlen
zugelassen wurde. Form- und Gichtzacken waren 2 Fuſs 4 Zoll
(0,70 m), Rückenzacken und Schlackenplatte 2 Fuſs 2 Zoll (0,65 m)
lang und 1 Fuſs (0,30 m) hoch. Die kupferne Form, deren Mündung
0,037 × 0,025 m betrug, ragte 0,060 m in den Herd. Ihre Höhe vom
Boden war verschieden, je nachdem hartes oder weiches Roheisen
verfrischt wurde. Bei letzterem betrug die Höhe 0,30 m, bei ersterem
0,25 m. Die Neigung der Form betrug 5 bis 6 Grad, bei hartem Roh-
eisen mehr wie bei weichem. Die Bälge waren 2,70 m lang und
0,975 m breit. Die 1 m langen Düsen lagen 0,102 m von der Form-
mündung ab. Nachdem die Kohlen im Herd entzündet sind, giebt
der Frischer Kohlen und darüber Lech von der vorigen Arbeit auf.
Dann setzt er, wenn er hartes Eisen frischen will, 6 bis 10 kg Roh-
eisen ein, welche voraus garen und den sogenannten „Frischvogel“
bilden. Bei weichem Roheisen ist dies nicht nötig. Der Frischvogel
[403]Das Eisenfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
beschleunigt das Garen in hohem Maſse. Das Roheisen wird wie ge-
wöhnlich in Form einer Ganz, die auf der Gichtplatte liegt und
allmählich vorgeschoben wird, aufgegeben. Man hält das Ende der-
selben in einem Abstand von etwa 0,10 m von der Form. Die Bälge
läſst man langsam angehen, verstärkt aber den Wind, sowie die ein-
geschmolzene Masse im Herd zunimmt. Während des Einschmelzens
findet das Ausheizen und Ausschmieden der Luppenstücke statt.
Schon ½ Stunde, nachdem das Einschmelzen begonnen hat, läſst man
Schlacke (Lech) laufen, indem der Frischer mit dem Handstachel
durch das Schlackenloch (die Lachthal) eine Öffnung macht, doch
muſs er Sorge tragen, daſs das Eisen noch von Schlacke bedeckt
ist, damit die Hitze saftig bleibt und nicht trocken wird. Letzteres
erkennt man leicht daran, daſs helle Funken aus dem Feuer hervor-
brechen, die sich im Zickzack durchkreuzen. Der Frischer sagt dann
„es senget und lauset im Feuer“ und giebt als Gegenmittel Hammer-
schlag auf. Das Ablassen des Lechs geschieht während des Ein-
schmelzens der Ganz und des Ausschmiedens drei- bis viermal. Bei
heiſsem oder Rohgang sieht der Lech rot aus (Heiſslech), bei frischem
Gang weiſs (Frischlech). Ist die Schlacke zu heiſs oder zu roh und so
zähe, daſs keine Scheidung erfolgt, so wirft der Frischer Schweiſssand
auf, der sie dünnflüssig macht. Das Einschmelzen des Roheisens
wurde so lange fortgesetzt, bis 1½ bis 2 Centner im Herd waren.
Es wurde aber kein bestimmtes Quantum eingewogen, sondern soviel
eingeschmolzen als der Herd faſste. War das Einschmelzen und das
Ausschmieden der vorigen Luppe beendet, und war das Eisen bereits
am Boden zu einem Frischklumpen zusammengegangen, so wurde das
Gebläse abgestellt, die Kohlen abgeräumt und der Frischklumpen
½ Stunde entblöſst stehen gelassen, um abzukühlen, damit das fol-
gende Einschmelzen desto langsamer geschehe. Um das Erkalten des
Frischklumpens noch mehr zu befördern, wurde er mit Wasser
begossen
.


Nach einer halben Stunde wurde der Frischklumpen aufgebrochen,
in die Höhe gebracht und umgewendet, so daſs die gare Seite, die
bisher unter der Form lag, gerade über dieselbe zu liegen kam.
Die gare Seite schmilzt jetzt zuerst nieder, kommt zu Boden und
bildet eine Luppe, woran sich das nachfolgende Frischeisen ansetzen
kann. Dies geschehe nicht, wenn die rohe Seite zuerst schmölze, auch
würde dann zu leicht die Form verbrennen. Beim Einschmelzen
der Luppe läſst man die Bälge rascher wechseln, da das gefrischte
Eisen gröſsere Hitze hierfür erfordert. Doch brauchte das harte,
26*
[404]Das Eisenfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
kohlenstoffreichere Eisen weniger starken Wind, indem es besser
war, das Einschmelzen der Luppe etwas langsam zu betreiben, damit
jeder Eisentropfen, der von dem Frischklumpen absaigerte, ganz
von dem Winde getroffen wurde. Es kam öfter vor, daſs der Frisch-
klumpen namentlich gegen Ende des Einschmelzens zu rasch nieder-
schmolz. In diesem Falle hob man ihn aus dem Feuer, begoſs ihn
mit Wasser und setzte ihn dann wieder ein. Von Zeit zu Zeit lüftete
man den Frischklumpen in die Höhe, hielt ihn aber immer mit Kohlen
bedeckt. Es war besonders wichtig, daſs der Wind gehörig unter dem
Klumpen durchstrich, um ein gleichmäſsig gares Eisen zu erzielen
und daſs sich nicht das Eisen zu früh vor der Form aufsetzte und
dem Wind den Durchgang versperrte. Geschah dies, so muſste
der Frischer stärker blasen. Umgekehrt muſste er das Hohlblasen
des Windes vermeiden, dadurch, daſs er das Feuer immer gut
geschlossen hielt. War dies dennoch geschehen, so daſs die Mitte
weggeschmolzen und ungeschmolzene Teile auf beiden Seiten stehen
geblieben waren, hatte also, wie der Frischer sagte, „die Luppe Beine
bekommen“, so muſste er entweder den Frischklumpen umkehren oder
ihn zerstoſsen. Den Fortgang des Garens beurteilte der Frischer
an der Farbe der Flamme und an den Schalen, die sich an den
Spieſs anlegten und die ihm anzeigten, ob er Heiſslech, d. h. Schlacke
vom ersten Einschmelzen, oder Stocklech, d. h. garende Schlacke zu-
setzen muſste. Ging die Arbeit zu frisch, d. h. wollte das Eisen vor
der Zeit garen, so setzte er Heiſslech zu, um den Prozeſs zu verlang-
samen und trockene Hitze zu verhindern; umgekehrt machte der
Arbeiter bei zu heiſsem Gang von dem Stocklech Gebrauch, um das
Garen zu beschleunigen. Im allgemeinen zog man ein saftiges Feuer
vor. War der Frischklumpen ganz eingeschmolzen und etwaige zer-
streute Klümpchen damit vereinigt, so räumte der Frischer die Kohlen
weg und brach die Luppe mit dem Spieſs los. Seine beiden Mit-
arbeiter traten dann auf ein gegebenes Zeichen hinzu und halfen ihm
die Luppe mit Haken herauszuziehen und unter den Hammer zu
wälzen, wo sie, nach Beklopfen mit einem Vorhammer, unter dem
Wasserhammer in fünf bis sechs Stücke zersetzt wurde. Diese wurden
dann beim folgenden Schmelzen ausgeheizt, wobei sie öfter weiſswarm
im Schweiſssand herumgedreht wurden, ehe man sie unter den Ham-
mer brachte. Der Abgang des Roheisens beim Kaltfrischen betrug
25 Prozent, die Arbeit dauerte fünf bis sechs Stunden, so daſs man
meist in 48 Stunden neun Luppen machte. Auf den Centner Stab-
eisen verbrannte man 2½ bis 3 Stützen Holzkohlen.


[405]Das Eisenfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.

Zwischen diesen Extremen, dem Kaltfrischen und dem richtigen
Warmfrischen lagen aber viele mögliche Zwischenstufen und in der
That begegnete man diesen auch in der Praxis. Die Arbeiter waren
immer geneigt, die Luppenbildung nach dem Einschmelzen zu be-
schleunigen, um sich die Arbeit zu erleichtern. Infolge dessen ent-
wickelten sich mancherlei Verfahrungsweisen, welche mehr oder weniger
von der richtigen deutschen Frischmethode nach der Seite der Kalt-
frischschmiede hin abwichen. Manche dieser Zwischenarten sind als
selbständige Methoden beschrieben und mit besonderen Namen be-
zeichnet worden, was im Grunde nicht nötig gewesen wäre, und das
Verständnis nicht wesentlich gefördert hat. In Schweden, wo eben-
falls ein sehr gutes Roheisen zur Verfügung stand, haben die Frischer
das deutsche Verfahren in diesem Sinne in verschiedener Weise ab-
geändert. Eine in Schweden gebräuchliche Frischmethode dieser Art
war die Butschmiede, oder von but = Klumpen auch Klump-
frischen
genannt. Man verwendete dazu ein sehr gutes, leicht-
frischendes Roheisen. Zur Zeit des Einschmelzens oder des Aus-
schmiedens der Schirbel von dem vorigen Deul rührte der Frischer
durchaus nicht im Herd, sondern sorgte nur, daſs das Eisen so lang-
sam abschmolz, daſs, sobald das Ausschmieden beendet war, man das
Eisen „in den Klump gehen (gå in but)“ lieſs, was dadurch geschah,
daſs man das Gebläse abhing, die Kohlen wegzog und Wasser auf
die heiſse Masse schüttete, um das Festwerden zu beschleunigen.


Der But wurde dann aufgebrochen, umgewendet, auf frische Kohlen
gesetzt und sogleich gar eingeschmolzen. Der Frischer, der sonst
während dem ganzen Prozeſs wenig Mühe hatte, muſs nur beim Deul-
machen gröſsere Sorgfalt darauf verwenden, daſs das eingemengte rohe
Eisen nicht in diesem Zustande mit einging, sondern gehörig durch-
gearbeitet wurde. Man schmolz 2 bis 3 Centner, zuweilen noch mehr
auf den Satz. Dem entsprechend war der Herd groſs (26 × 29 Zoll
im Mittel), aber nur 11 bis 12 Zoll tief und war flacher Wind erforder-
lich. Grelles Roheisen war für die Butschmiede am besten und härtete
man das Eisen in Schweden oft künstlich, indem man die eben er-
starrten Roheisengänze in kaltem Wasser ablöschte. Ein fleiſsiger
Frischer konnte bei dem groſsen Einsatz und dem einfachen Verfahren
aus geeignetem reinem Roheisen viel Frischeisen machen. Für graues,
oder, wie es die Frischer nannten, gares Roheisen, war dieses Verfahren
nicht anwendbar und gab ein sehr schlechtes Produkt, weshalb
Rinman das ganze Verfahren als ein schlechtes bezeichnet 1). Man
[406]Das Eisenfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
nannte dieses Frischverfahren in Schweden auch „Lathunsmide
oder „faule Schmiede“. — Schon Swedenborg und Thilesius
hatten dieses Verfahren beschrieben. Das charakteristische desselben
bestand darin, daſs man das Eisen nur einmal, und zwar sogleich gar
aufbrach 1).


In Deutschland betrieb man ein ähnliches Frischverfahren, das
aber mit sehr kleinen Einsätzen von höchstens 100 Pfund arbeitete und
deshalb als Kleinfrischarbeit bezeichnet wurde. Eine andere, noch
schlechtere Modifikation der deutschen Frischschmiede in Schweden war
die Suluschmiede, bei der man während dem Ausschmieden und ersten
Aufbrechen schon kleine Frischstücke, die hinlänglich zusammenhängend
zu sein schienen, herausnahm, an das Ende einer Stange anschweiſste
und zu einem Stabe ausreckte. Dieses Eisen war noch roh und stahl-
artig. Dadurch wurde der Deul kleiner. Der Vorteil lag auch hier
in gröſserem Ausbringen, beziehungsweise geringerem Abbrand. Das
so erhaltene Eisen war aber hart und sehr ungleich. Rinman stellt
es gewissermaſsen als ein unehrliches Verfahren hin, welches man
verbieten müſste 2).


Wir haben erwähnt, daſs, als Jars die Eisenhütte zu Forſsmark
besuchte, daselbst gleichzeitig auf deutsche und auf wallonische Art
gefrischt wurde. Nach Jars Angabe kam die Wallonschmiede völlig
mit der in Lüttich und in Frankreich üblichen überein. Jede Ganz
wog 6 bis 7 Schiffspfund (etwa 1000 kg). Eine solche wurde auf den
Herd gelegt, und wie sie abschmolz, allmählich langsam vorgerückt.
Sobald sich eine genügend groſse Luppe im Herd angesetzt hatte,
wurde sie herausgenommen, gezängt, unter dem Hammer in Stücke
geteilt, welche man sodann auf einen besonderen Herd, den man
Wärmeherd (chaufferie) nannte, und welcher lediglich zum Auswärmen
und Ausschmieden in Stäben gebraucht wurde, brachte. Man be-
hauptete, daſs bei diesem Verfahren wegen der weiten Form und der
stärkeren Hitze, welche der Herd durch die beständige Schmelzung
erhielt, mehr Eisen als bei der deutschen Frischmethode verschlackte,
allein auf der andern Seite ging die Arbeit auch geschwinder, indem
ein Hammer wöchentlich 40 Schiffspfund Eisen ausschmiedete, anstatt
daſs bei der deutschen Methode nur 30 gemacht wurden. Der dortige
Hütteninspektor versicherte Jars, daſs man aus 18 Schiffspfund
Roheisen, jedes zu 26 Liſspfund, nach der deutschen Art 19 Schiffs-
[407]Das Eisenfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
pfund Schmiedeeisen, nach der wallonischen Art aber nur 17
erhalte.


Das deutsche Frischverfahren, welches Jars auf dem groſsen
Eisenwerk zu Laurwig in Norwegen kennen lernte, stimmte seiner
Beschreibung nach wieder mehr mit der Brechschmiede überein.


Der Herd war aus guſseisernen Zacken und Bodenplatte zusammen-
gesetzt. Die kupferne Form lag 10 bis 12 Zoll über dem Boden und
ragte 4 bis 5 Zoll über den Formzacken vor. Ihre Neigung richtete
sich nach der Beschaffenheit des Roheisens. Der Frischboden wurde mit
Quandelkohlen und Schlacken bedeckt und die Ganz von etwa 80 kg
Gewicht auf den Gichtzacken über den Wind eingelegt. Sowie das
Eisen einschmolz, setzte es sich unter der Form an und dies war das
Zeichen, daſs die Form nach der Qualität des Roheisen richtig lag.
Hatte sich unter der Form eine kleine Luppe angesetzt, so wurde
dieselbe mit der Brechstange losgebrochen, aus dem Herd gebracht
und bei Seite gelegt. Auf diese Weise fuhr man fort, bis aus allem
Roheisen dergleichen kleine Luppen geworden waren, welche dann
alle wieder in den Herd kamen und eingeschmolzen wurden. Es
entstand daraus eine gare Luppe, welche ausgebrochen, gezängt und
in 5 bis 6 Teile zerschroten wurde, welche zu ebenso viel Stäben aus-
geschmiedet wurden. Das Ausheizen hierfür geschah während dem
Einschmelzen. Der Abbrand betrug hier 25 Prozent. In jeder
Hammerhütte waren zwei Frischfeuer und nur ein Hammer von 6 bis
7 Centner Gewicht. Dabei arbeiteten 7 Mann, nämlich 1 Meister,
4 Burschen und 2 Kohlenträger, welche bei 16stündiger Schicht im
Monat 120 Schiffspfund (19260 kg) Stabeisen schmiedeten.


Auf der Eisenhütte zu Moſs wurde dagegen nach der richtigen
deutschen Frischmethode verfahren; die ganze Luppe aufgebrochen
und ohne Unterbrechung bis zur fertigen Gare geblasen. Die Luppen
wogen 2 Centner. Die Ambosse waren aus sehr hartem Guſseisen.


Die Frischhütten in England stimmten nach Jars’ Angabe mit
den in Deutschland und Schweden gebräuchlichen überein. Über die
Frischhütten bei Newcastle, welche er 1765 besuchte, giebt er nur
kurze Nachricht. Man schmolz mit Holzkohlen, hatte lederne Blase-
bälge und verfrischte Roheisen aus Schottland und Amerika zusammen
mit altem Guſseisen und Schmiedeeisenabfällen. Das daraus erhaltene
Stabeisen stand dem schwedischen an Güte sehr nach. Die Hämmer,
welche etwa 300 kg wogen, wurden von Hebedaumen aufgehoben.


Zu Carron in Schottland wurde Jars zwar versichert, man
könnte auch mit Steinkohlen frischen, aber er hat es nirgends gesehen
[408]Das Eisenfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
und glaubt nicht daran. Wohl aber geschah das Ausheizen zu Carron
mit Steinkohlen. Das Eisen, welches man verfrischte, war Koksroh-
eisen, vermischt mit Holzkohlenroheisen aus Ruſsland und Amerika.
Das auf der Hütte erblasene Koksroheisen war für sich nicht zu ge-
brauchen. Das Frischen und Ausheizen geschah in verschiedenen
Herden, entsprechend der Wallonschmiede, und zwar wurden die
Kolben in einem Ausheizherd mit Steinkohlen gewärmt.


Rinman giebt allgemeine Regeln über den Feuerbau bei den
Frischherden. Versuche, die viereckigen Herde durch ovale und
achteckige zu ersetzen, haben keinen solchen Erfolg gehabt, daſs
sie die hergebrachte, bequeme Form hätten verdrängen können, auſser-
dem war der eigentliche Schmelzraum, der aus Gestübbe und Schlacken
hergestellt wurde, so wie so rund.


Der Grund unter dem Herd wird so eingerichtet, daſs man, wenn
es nötig ist, Wasser unter den Frischboden leiten kann. Dies ge-
schieht, wenn sich der Boden bei rohem Gang oder durch dünnflüssiges,
gares Eisen zu sehr erhitzt hat. — Durch die Neigung, welche man
dem Boden giebt, kann man auf den Gang des Frischens einwirken.
Neigt sich der Boden vom Wind ab nach der Ecke des Gicht- und
Aschenzackens hin, so geht das Feuer härter und dünnflüssiger. Diese
Lage des Bodens wählt man bei den deutschen Frischfeuern, wenn
man sehr grelles und leichtfrischendes Eisen zu verarbeiten hat. Ist
der Boden ausgehöhlt, so bleibt der Gang dünn, rein und roh.


Am wichtigsten ist die Beschaffenheit und Lage der Form, denn
die Windführung hat auf den Gang im Herd den gröſsten Einfluſs.
Weite Formen fördern mehr, verbrennen aber auch mehr Kohlen.
Man kann sie nur anwenden bei guten Kohlen, gutem Roheisen und
gutem Gebläse; fehlt es an einem dieser, so muſs man die Form ver-
engern. Ist die obere Kante der Formöffnung länger, so hat die Form
ein Obermaul und bläſst mehr nach unten. Der Kohlenverbrauch
ist dann geringer und das Eisen gart besser, erleidet aber auch
mehr Abbrand. Steht umgekehrt die untere Kante vor, so hat die
Form ein Untermaul, bläst dann mehr nach oben, wobei der Prozeſs
langsamer geht, weniger Eisen verbrennt, das Eisen aber langsam
gart und schlechter wird, wobei mehr Kohlen verbrennen. Ganz
ähnlich verhält es sich mit der mehr oder weniger geneigten Lage
der Form. Wenn sich die Form ebenso wie die Formzacken in den
Herd hinein neigt, so hat man meistens einen reinen, nicht zu rohen
und nicht zu garen Gang. Man läſst die Form mehr oder weniger
(von 2½ bis 5 Zoll) in den Herd hineinragen, je nachdem das Eisen
[409]Stahlfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
leichter oder schwerer schmelzend ist. Die Form muſs ebenso weit
vom Aschenzacken entfernt liegen als die Tiefe des Herdes beträgt,
auch muſs sie mit dem Formzacken immer einen rechten Winkel
bilden. — Ist sie nach der Vorderseite gewendet, so geht sie mehr
frischend, nach dem Aschenzacken mehr hart. Die Stärke oder
Pressung des Windes wurde durch den mehr oder weniger raschen
Wechsel der Bälge reguliert.


Der Schwede Gahn erfand zuerst einen Windmesser, um den
Druck des Windes zu messen.


Die Tiefe des Herdes richtet sich nach der Eisensorte; bei
halbiertem Eisen macht man ihn tiefer, bei grauem flacher. Der
Aschenzacken muſs sich aus dem Herd neigen, damit das Frischeisen
leichter aufgebrochen werden kann. Der Aschenzacken liegt meist
einen Zoll höher als der Formzacken. Je höher die Arbeitsseite ist,
desto härter oder frischender geht der Herd, und umgekehrt. Das
Schlackenloch liegt 2 Zoll höher als der Frischboden. Der Wind-
strom muſs immer durch die Düsen nach der Mitte der Formöffnung
und nach dem Boden der Form gerichtet werden.


Stahlfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.

Die Stahlbereitung geschah zwar nicht ausschlieſslich durch
das Frischverfahren; die Cementstahlbereitung hatte bereits einen
ziemlichen Umfang erlangt, aber jedenfalls war das Stahlfrischen in
jener Zeit die verbreitetste und gebräuchlichste Art der Stahlfabrika-
tion. Die direkte Stahldarstellung aus den Erzen hatte sehr abge-
nommen. Sie wurde noch betrieben in Nordspanien, Korsika und
einigen anderen Gegenden in Rennherden, und in Steiermark in Stück-
öfen, die aber im Laufe des Jahrhunderts mehr und mehr verschwanden.


Das Stahlfrischen geschah in ganz ähnlichen, teilweise sogar
in denselben Herdöfen, wie das Eisenfrischen. Der Unterschied des
Prozesses gegen das Eisenfrischen bestand darin, daſs man das
Garwerden des Roheisens durch eine langsame Behandlung unter dem
Winde zu bewirken suchte, statt daſs das Roheisen beim Eisenfrisch-
prozeſs stets vor oder über dem Winde gehalten werden muſste. Um
Stahl, den Zwischenzustand zwischen Roheisen und Schmiedeeisen,
welcher reicher an Kohlenstoff und leicht schmelzbarer ist als letzte-
res, zu erhalten, durfte nur eine beschränkte Verbrennung des Kohlen-
[410]Stahlfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
stoffs bei niedriger Temperatur bewirkt werden. Jars giebt in seinem
Reisebericht auch über das Stahlfrischen verschiedene Nachrichten.


In Steiermark war man durch den Übergang zum Floſsofenbetrieb
auch zum Stahlfrischen übergegangen.


Die steierische Rohstahlarbeit war mit der steierischen
Löscharbeit für Roheisen so verwandt und in so unmittelbarem
Zusammenhang, daſs häufig in denselben Herden abwechselnd einmal
Roheisen und einmal Stahl erzeugt wurde. Jars schreibt (1757)
darüber: Zum Stahlmachen aus Floſs nimmt man den harten und
bratet ihn nicht. Man baut ein Feuer, welches demjenigen, in dem
man das Eisen verfrischt, gleich ist, nur mit dem wesentlichen Unter-
schied, daſs man die Form mehr stechen läſst, die Stübbe weniger
anfeuchtet und nur sehr wenig Schlacken zusetzt. Anfänglich schmiedet
man die Stahlkolben von einer vorhergegangenen Arbeit aus, um
dem Herd Zeit zu lassen, in Hitze zu kommen. Alsdann trägt man
viel Kohlen auf den Herd und legt in zwei Zangen die eine Hälfte
des Flosses, den man verfrischen will, auf und nach Verlauf von
1½ Stunden die zweite Hälfte. Die Arbeit dauert ebenso lange als
bei der Verfrischung des Eisens, allein man setzt sehr wenig Schlacken
zu, weil man sie während der ganzen Arbeit nicht abzieht und auch
der Floſs selbst genug Schlacken giebt. Man zieht diese erst dann
ab, wenn der Stahl in einer Luppe aus dem Feuer gebracht wird.
Geschieht dies, so beklopft man sie nicht mit einem hölzernen
Schlegel, sie wird auch nicht gezängt, sondern man teilt sie gleich
in verschiedene Kolben, an deren Härte man unter dem Hammer er-
kennt, daſs es kein Eisen sei. Die ausgeschmiedeten Stangen kommen
dann in die Raffinierhämmer. Je mehr dieser Stahl gegärbt wird,
desto besser wird er, desto mehr Güte bekommt er, während der Stahl,
welcher aus Schmiedeeisen gemacht ist, beim öfteren Schmieden an
seiner Qualität verliert. Man macht aus dem Rauh- oder Rohstahl:
1. gemeinen Stahl, 2. feinen oder Mittel-Stahl, 3. Kernstahl, 4. Scharren-
stahl und endlich 5. Münzstahl, welcher der beste und teuerste ist.


Bei der steierischen Rohstahlarbeit nahm man also weiſse Flossen
von schwach übersetztem Gang, die keiner weiteren Vorbereitung
unterworfen wurden, während man in Kärnten und Krain das Eisen
erst einschmolz und in Böden abhob. Dangenoust und Wendel
machen zu Jars Beschreibung noch folgende Zusätze: Der Herd hat
oben 24, am Boden 21 Zoll Quadrat und 16 Zoll Höhe. Die Form
ragt 5 Zoll in den Herd hinein. Das Roheisen wird in Zangen, welche
3 bis 4 Stücke Floſs halten, längs dem Formzacken, der Form gerade
[411]Stahlfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
gegenüber eingelegt. Man legt den Herd mit nasser Stübbe zu, bedeckt
alles mit Kohlen und giebt Garschlacke auf. Während dem Ein-
schmelzen werden die Kolben ausgeschmiedet. Alle Viertelstunde wird
die flüssige Schlacke laufen gelassen, während man wieder weiche
Garschlacke aufgiebt. Nach zwei Stunden sind alle Kolben aus-
geschmiedet. Man legt ein zweites Pack Floſs mehr in der Mitte vor.
Nach 3½ Stunden ist dieses geschmolzen. Man schützt das Gebläse
ab, damit die Luppe fest wird, legt sie frei und bricht sie nach
4½ Stunden aus. Die 150 Pfund schwere Luppe wird unter dem
Hammer in vier Schirbel zerteilt, welche ausgeheizt, zu Stäben ge-
schmiedet und sortiert werden. Dieses Verfahren hatte seinen Haupt-
sitz in St. Gallen, war aber im ganzen Obersteyer und auch in Tirol
in Anwendung.


Zu Pillersee wechselte man ganz regelmäſsig mit Schmiedeeisen
und Stahlfrischen oder mit Weich- und Hartzerennen, wie man es
nannte, in demselben Herd ab. Die Form lag nur 8 Zoll über dem
Boden und hatte ganz wenig Neigung. Die Umfassungswände der Herd-
grube waren 12 bis 14 Zoll höher als die Form, um die Kohlen
zusammen zu halten. Am besten eigneten sich blumige Flossen; die-
selben wurden nacheinander in drei Zangen eingelegt und nieder-
geschmolzen. Der Einsatz betrug 80 kg. Jede Charge dauerte vier
Stunden und man machte drei im Tage, in der Woche etwa 1200 kg
Rohstahl. Der Eisenverlust war nicht gröſser als beim Weichzerennen,
etwa 10 Prozent, und man brauchte für 1 Ctr. Rohstahl 30 bis 32 Kubik-
fuſs Kohlen aus weichem Holz. Die ausgeschmiedeten Stäbe wurden
in Wasser geworfen, zerschlagen und sortiert. Man erhielt nicht nur
Rohstahl, sondern auch mehr oder weniger stahlartiges Eisen.
Gewöhnlich rechnete man auf 100 Teile: 60 Tle. Roh- oder Edelstahl,
20 Tle. Mock oder Mittelkür, welcher zu rohen Schneidwaren, besonders
zu Sensen, Sicheln, Äxten u. s. w. verarbeitet wurde und nur roh in
den Handel kam, 10 Tle. Hammer- oder Zwittereisen, das für Radreife
verwendet wurde, und 10 Tle. Verlust.


Der Rohstahl wurde vor dem Gärben nochmals sortiert in: 1. Zwick-
schmiedestahl, der weichste, aber besser wie Mock; 2. Mittelzeug;
3. Scharsachstahl und 4. Meiſselstahl, der härteste und festeste, der
nur zuweilen fiel und zu Münzstahl benutzt wurde 1).


Die kärntnerische Rohstahlarbeit ist sowohl von der
[412]Stahlfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
Kärntner Frischarbeit, als von der steierischen Rohstahlarbeit durch-
aus verschieden. Sie hat sich aus der Brescianschmiede (s. Bd. II, S. 252)
entwickelt und hat mit dieser manches Übereinstimmende. Das Eisen,
welches die Stahlhämmer von den kärntnerischen Hochöfen bekamen,
war meist halbiert und wurde erst durch einen besonderen Prozeſs,
das Hartzerennen, vorbereitet. Es geschah dies früher in dem Stahl-
frischherd selbst. Jars giebt folgende Schilderung:


„Um aus Floſs Stahl zu machen, bedient man sich eines mit
zwei Blasebälgen versehenen Herdes (Hartzerennherdes), der denen
zu St. Gallen ähnlich ist. Der Boden des Herdes ist eine Platte,
welche im Feuer gut steht; die Seiten sind von beschlagenen stählernen
Platten eingefaſst, worunter sich auch eine Schlackenplatte mit Löchern
befindet, um die Schlacken abstechen zu können. Auf den Boden des
Herdes schlägt man feuchte Kohlenstübbe ringsum im Kreise, so daſs
nichts zwischen diese und die Stahlplatten laufen kann, denn diese
Materie friſst leicht durch, wenn die Ganz geschmolzen ist.


Auf einem solchen Herde schmilzt man in drei Stunden eine Floſse
oder Ganz ein, läſst sie eine gute Viertelstunde sich läutern, alsdann
sticht man durch das obere Loch die Schlacken, welche die Oberfläche
bedecken, ab, räumt die Kohlen weg und das Eisen erscheint auf
seiner oberen Seite hart. Man spritzt noch Wasser darauf und reiſst
es dann wie Garkupfer in Scheiben. Auf dem Boden bleibt eine
Masse zurück, die man Eisen nennt, weil sie nicht so spröde ist als
die Scheiben, die man davon abgehoben hat. Wenn man nun Stahl
machen will, so hat man einen etwas kleineren Herd als den vorigen,
dessen Boden man auf die nämliche Art zurichtet; man läſst nur die
Form etwas mehr stechen. Der Herd wird mit Kohlen gefüllt, und
wenn er heiſs ist, so rückt man, während man zugleich die Stahl-
kolben darauf auswärmt und ausschmiedet, eine von den auf der
Herdsohle bei der vorher beschriebenen Arbeit zurückgebliebene Masse,
die man Eisen nennt, heran. Sie schmilzt nach und nach ein und
man trägt von Zeit zu Zeit Stücke von den gerissenen Scheiben hinzu.
Um Stahl zu machen, braucht man sowohl das eine wie das andere,
denn das eine würde zu weich sein und das andere springt und hält
nicht unter dem Hammer aus. Um das Einschmelzen zu erleichtern
und damit auch nicht zu viel verbrennt, wirft man von Zeit zu Zeit
Schlacken auf und sticht sie auch wie gewöhnlich ab. Wenn man
sieht, daſs die Schlacken zu dick sind, so setzt man einige Stücke
weiſsen Quarz zu, wovon die Schlacken dünner werden.


Sieht man, daſs ungefähr 20 Pfund sich auf dem Boden des
[413]Stahlfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
Herdes befinden und auf dem Punkt sind, den man verlangt, so
nimmt man die Luppe heraus, um sie unter den Hammer zu bringen.
Man schiebt alsdann von neuem die Masse, die man Eisen nennt,
vor, damit man davon zu einer zweiten Luppe abschmelze und fährt
fort, Stücke von den vorbeschriebenen Scheiben und Schlacken auf-
zutragen u. s. w. Man behämmert alsdann die Stahlluppe rundum
und teilt sie nachher; man wärmt die Kolben auf demselben Herde
aus, teilt und schmiedet sie in Stücken von 4 bis 5 Pfund zu 8 bis
9 Zoll Länge und 1 Zoll im Quadrat. Am einen Ende schmiedet man
sie auf 2 Linien Dicke zu. An diesem werden sie gefaſst und in
einem andern Feuer zu kleinen viereckigen Stäben oder Ruten aus-
gereckt, die man glühend in flieſsendem Wasser ablöscht und härtet.
Alsdann reibt man sie mit Stahlhammerschlag blank. Sie werden in
lange Kisten gepackt und so nach allen Ländern verschickt, besonders
nach Italien und der Türkei.“


Dangenoust und Wendel bemerken hierzu: Der Herd habe
an der Formseite 26, an der Gichtseite 29 Zoll und sei von der
Schlackenplatte zur Rückseite 21 Zoll; die Tiefe betrage 18 Zoll und
die Form rage 4½ Zoll in den Herd hinein. Den Löschboden mache
man 9 Zoll dick. Die Luppe wiege 70 bis 80 kg.


In 18 Stunden erhielt man von einem Feuer 200 kg Stahl. 10 Ctr.
Floſs gaben etwas mehr als 7 Ctr. Stahl und man brauchte dazu
80 Maſs Kohlen, oder nach Jars Angabe zu 15 Ctr. Stahl 16 Körbe
Kohlen, den Korb zu 13 Kubikfuſs gerechnet. Auſser der erwähnten
Stahlsorte machte man noch eine feinste, welche viel teurer war.
Der kärntnerische Stahl wurde allgemein für besser gehalten als
der steierische.


Daſs die kärntnerische Rohstahlarbeit aus der alten Brescian-
schmiede, die schon Biringuccio beschrieben hat, hervorgegangen
ist, haben wir früher schon berichtet. Fast alle die alten italienischen
und romanischen Ausdrücke haben sich bei ihr erhalten. Wir können
deshalb auch auf unsere Beschreibung der Brescianstahlarbeit verweisen
und uns ziemlich kurz fassen 1).


Fig. 114 (a. f. S.) stellt einen Kärntner Rohstahlherd dar, welcher
nach Tunner 22 bis 23 Zoll lang, 23 bis 24 Zoll breit und 11 bis 13 Zoll
tief war, von dem festgestauchten Löschboden stand aber die Form
nur 7 bis 9 Zoll ab. Der Riastein, d. h. der Windzacken, auf dem
[414]Stahlfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
das einzuschmelzende Roheisen auflag, war 2½ bis 5 Zoll höher als
die Formlage; je höher das Roheisen einschmolz, je garer war der
Gang. Die Form hatte eine kreisförmige Mündung von 16 bis
17 Linien Durchmesser, 3½ bis 4½ Zoll Überliegen und 10 bis
16 Grad Stechen. Man blies gewöhnlich mit 15 bis 16 Wasserzoll
Pressung. Der Herd war aus einem Boden von Stein und aus vier
eisernen Zacken, Steine genannt, zusammengesetzt. Jars giebt an,
daſs das Hartzerennen in einem besonderen Herd geschehe, dies war
aber durchaus nicht die Regel, auf den meisten Werken wurde dies
vielmehr in dem Stahlfeuer selbst vorgenommen, und zwar gewöhnlich

Figure 119. Fig. 114.


am Schluſs der Schicht. Das Roheisen bestand also aus Hartzerenn-
böden und aus weiſsen, frischen Hochofenblatteln, ein durch Ab-
schrecken gebildetes kleinspiegliges Eisen. Der Prozeſs zerfiel 1. in
die Sauerbildung und das Deulputzen, 2. die Bildung des Frischbodens
und das Deulumschlagen und 3. die Cottabildung mit dem weiteren
Ausheizprozeſs. Die Arbeit begann mit der Einschmelzung von unvor-
bereitetem Roheisen, um daraus eine dickflüssige Eisenmasse, den
„Sauer“, zu bekommen, welcher die Unterlage für die Cotta oder die
Luppe bildete. Dies war eben das Charakteristische des Verfahrens,
welches ihm mit der Brescianschmiede gemein war. Gleichzeitig er-
folgte das Abschweiſsen oder Putzen der zwei Hälften der vorigen
Cotta, Deule genannt, und das Ausschmieden derselben auf dem einen
[415]Stahlfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
Ende in groſse, 3 Zoll dicke Kolben, Greifen oder Presa genannt.
Durch die abschweiſsenden Teile wurde der Sauer immer garer und
ging gegen Ende des Deulputzens in einen breiartigen Zustand über.
Der richtige Zustand muſste gerade mit der Beendigung dieser Arbeit
zusammenfallen und muſste dies der Frischer durch Menge und Be-
schaffenheit des einschmelzenden Roheisens regeln. Auch muſste ein
genügendes Quantum Sauer vorhanden sein, um den Deul, wenn er
weiche Stellen hatte, darin eintauchen und dadurch cementieren zu
können. War er zu gar, so schmolz man Blatteln nach, war er zu roh,
so dämpfte man ihn durch gare Zuschläge (Scaja). Bei dem Putzen
wendete man den 70 bis 100 kg schweren Deul, damit er nicht auf

Figure 120. Fig. 115.


einer Seite zu heiſs wurde und abschmolz und stieſs und zwickte die
Unreinigkeiten mit der Heizschaufel und der Moja (Zange) weg. Dies
wurde fortgesetzt, bis die Oberfläche des Deuls rein erschien; alsdann
wurde er mit Armring und Spannring gefaſst und unter den Hammer
gebracht. Das ausgeschmiedete Stück (Greife, Presa) wurde auf die
Seite gelegt und der zweite Deul geputzt. Die ganze Arbeit dauerte
1½ Stunden.


Der bloſsgelegte Sauer wurde von Schlacke gereinigt und nach
allen Seiten hin in kleine Brocken aufgebrochen und diese in ein
Häufchen in der Mitte des Herdes zusammengebracht, was man das
„Aufrichten“ des Sauers nannte. Man füllte Kohlen darüber und
schob die noch heiſse letzte Presa zum Ausschweiſsen der andern
[416]Stahlfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
Hälfte ein, während man die andere, kältere, über den Riastein zum
Anwärmen legte. Man begann nun mit der Bildung des Frischbodens.
Das Aufrichten des Sauers hatte den Zweck, den oberen Teil vor dem
Wind zum Frischboden zu verkochen, den unteren dagegen wieder
als Sauer flüssig werden zu lassen, in welchem Zustande er sich wäh-
rend der ganzen folgenden Periode erhalten muſste, denn nur dann
war man sicher, daſs der untere Teil der Cotta harter Stahl blieb.
Das Ausschweiſsen und Putzen der Presa erfolgte gerade wie bei der
ersten Operation das Putzen des Deuls. Das geputzte Presastück
wurde mit einer Schmiedezange vom Zug nach dem Hammer gebracht
und hier zu einem langen Kolben von 3 Zoll Stärke am Ende und
4 bis 5 Zoll in der Mitte ausgeschmiedet. Dies nannte man das
Umschlagen des Deuls. Die Arbeit dauerte ½ bis ¾ Stunden und
sollte sich währenddem der aufgerichtete Sauer an der Oberfläche zu
einem gleichmäſsigen, ebenen Boden verkocht haben, was man mit
der Rennstange untersuchte. Zeigte er sich eben und fest und fast
über den ganzen Herd verbreitet, so begann man mit dem Einschmelzen
der Hartzerennböden. Das Einsetzen derselben geschah an der Ria-
seite und wurde das Presastück kreuzweise darüber geschoben, um
sie auf dieser Seite festzuhalten. Im Anfang schmolz man gern ein
sehr weiches Eisen ein, weil die Cottabildung langsam und tief im
Herd vor sich ging. Dazu benutzte man einen Kochboden; dies
waren jene Böden, die aus dem Sauer nach Beendigung der Schicht
erhalten wurden und die natürlich sehr weich waren. Dies dürfte
das sein, was Jars als die übrig gebliebene Masse, welche man Eisen
nennt, bezeichnet. War der Frischboden in Ordnung, so wurde der
umgeschlagene Deul eingelegt, um in der Mitte eine Hitze zu bekommen.


Seither hatte man ziemlich trockene Hitze, d. h. wenig Schlacke
im Herd. Jetzt muſste man mehr Schlacke aufgeben, um die heran-
wachsenden Cotta zu schützen. Beschaffenheit und Menge der Schlacke
waren bei der Rohstahlarbeit von groſser Wichtigkeit. Roher machte
man sie durch Quarz und frische Blatteln, garer durch Hammerschlag;
besser aber war es, zu rohe Schlacke abzustechen und durch gare zu
ersetzen. Die Schlacke sollte den Cottaboden 2 bis 2½ Zoll hoch be-
decken. Der zur Schweiſshitze erwärmte Deul wurde nun in der Mitte
auf 2 Zoll Quadrat ausgeschmiedet und dann zu zwei groſsen Kolben,
Halbdeule, abgesetzt, welche sogleich wieder in das Feuer kamen.
Das Ausheizen ging nun ununterbrochen fort. Die Halbdeule wurden
in zwei kleinen Kolben, Tajoli, geschmiedet, welche entweder als
Brescianstahl in drei kleine Kölbchen, oder als Tannenbaumstahl in
[417]Stahlfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
eine halbfertige Stange, oder als Stückstahl gleich fertig geschmiedet
und glühend in den Härtetrog geworfen wurden. Ganz wie das erste
Presastück wurde dann das zweite behandelt. Die Dauer des Ausheiz-
prozesses vom Schweiſsen des zuerst umgeschlagenen Deuls an betrug
2½ bis 3 Stunden, je nachdem jedes Feuer seinen eigenen Hammer-
schlag hatte oder nicht. Gewöhnlich erhielt man an 2 Ctr. Stahl.


Während des Ausheizprozesses schritt die Cottabildung, wenn
einmal das Einschmelzen der Hartzerennböden begonnen hatte, ohne
Unterbrechung bis zur Vollendung fort. Je gleichmäſsiger dies ge-
schah, je besser. Man muſste den Boden und das Anwachsen der
Cotta fortwährend untersuchen, was dadurch erleichtert wurde, daſs
derselbe nach jedem Herausnehmen eines Heizstückes ganz frei und
zugänglich war. Man konnte durch Aufsetzen roher oder garer Schlacke
an erhöhten oder vertieften Stellen Fehler verbessern. Flamme und
„Lauch“ waren die Erkennungszeichen für den Gang des Frisch-
prozesses. Man muſste besonders allgemeinem Weichgang oder Roh-
gang entgegenarbeiten, was durch Verstärkung oder Verminderung
der Hitze unter Zusatz von Blattelstücken oder garer Zuschläge ge-
schah. Wuchs die Cotta bis nahe zur Form, so bildete sich auf
dem Herd durch die starke Hitze ebenfalls ein geschmolzenes Eisen-
Sauer, dessen Überhandnehmen man aber entgegenwirken muſste durch
Schwächung des Windes, Aufgeben von nassem Sinter oder Auf-
schütten von Wasser. Wurde er aber kleberig, weich, so machte
man ihn durch Aufgeben von Blattelstückchen wieder frisch. War
der Herd ganz zugewachsen und die Cotta bis auf einen Zoll vor
die Form gerückt, so war der Prozeſs beendet. Der Rest der Hart-
zerennböden wurde zurückgeschoben, der Wind abgestellt, die Schlacke
abgelassen, die Kohlen weggezogen und die Cotta freigelegt. Vom
Einschmelzen der Böden bis zum Ende dauerte es 3¼ bis 3¾ Stunden.
Man lieſs sie abkühlen und zog die erstarrende Schlacke von Zeit zu
Zeit ab. War sie hinreichend abgekühlt, so goſs man noch einmal
Wasser über die Schlacken und hob sie ab. Alsdann wurde die Cotta
gelüftet und aufgewuchtet, dann mit Hilfe der groſsen Rennstange
gehoben und auf zwei Querstangen gelegt. Der Sauer am Boden
wurde abgestoſsen und die gereinigte Cotta auf die Seite gehoben und
nach dem Hammer transportiert, wo sie zerschroten wurde.


Gewöhnlich wurden drei Chargen an einem Tage gemacht. Bei
jeder verkochten etwa 20 Pfund von den bei Anfang der Schicht ein-
geschmolzenen 80 Pfd. Sauer. Der verbleibende Sauer wurde am Schluſs
als Kochboden ausgehoben. Die Dauer der ersten Charge oder eines
Beck, Geschichte des Eisens. 27
[418]Stahlfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
„Schmiedens“ betrug sechs, die der beiden folgenden nur je fünf
Stunden. Das Hartzerennen mit Vor- und Nacharbeit währte auch
noch drei bis vier Stunden. Auf vielen Hämmern wurden deshalb
nur zwei Cotta gemacht. — Die groſse flache Cotta, welche etwa
2 Fuſs Seitenlänge hatte und 5 Zoll dick war, wurde auf zweimal, je
zur Hälfte durchgeschroten. Die Hämmer wogen 150 bis 200 kg und
machten an 120 Schläge in der Minute. Sie waren so leicht, weil
man gleichzeitig den Tannenbaum- und andere Stahlsorten damit
fertig schmieden wollte. Der durch dieses Verfahren erzeugte Stahl
war härter und meist auch reiner und gleichmäſsiger als der nach
dem steierischen Verfahren hergestellte. Folgende Sorten waren die
üblichen:


1. Kölberlstahl (Brescianer oder Münzkölberl) war die Hauptsorte
und der härteste, der in kleinen Kolben von 5 bis 6 Pfund Gewicht,
mit einer quadratischen Greife von ½ bis ¾ Zoll und auf der andern
Seite einem abgezainten, gehärteten und gebrochenen Probezäpfchen
versehen war.


2. Tannenbaumstahl, langer und kurzer, ungehärtete, quadratische
Stäbe, 6 bis 8 und 4 bis 5 Fuſs lang. Erzeugte ein Werk bloſs Tannen-
baum, so konnte ¾ als reiner Stahl, ¼ als eisenschüssig angenommen
werden.


3. Stückstahl, groſser und kleiner, quadratische, gehärtete Stangen,
2 und 1 Zoll stark, mit reiner, oft mit Rosen angelaufener Bruchfläche.


4. Mockstahl, die von 3. ausgeschlossenen eisenschüssigen Stäbe.


5. Refudi, wie bei der steierischen Stahlarbeit, die ganz unbrauch-
baren Stücke.


Zu einem kärntnerischen Stahlfeuer gehörten drei Mann, der
Meister, Heizer und Wassergeber. Die wöchentliche Erzeugung eines
Feuers, in dem täglich dreimal geschmiedet wurde, betrug 30 bis
35 Centner. Der Kohlenverbrauch 40 bis 50 Kubikfuſs Fichtenkohle
auf 100 Pfund fertigen Stahl. Das Verhältnis von Blatteln zu Zerenn-
böden war wie 1 : 3 oder 1 : 2. — Der Abbrand belief sich gewöhn-
lich auf 25 Prozent.


Um den Brescianer- oder Kistenstahl zu machen, wurden die
Kölbchen in einem besonderen Ziehfeuer erwärmt und unter einem
1¼ bis 2 Centner schweren Ziehhammer zu dünnen Stäben von ¼ bis
¾ Zoll Stärke, welche nach Nummern verkauft wurden, ausgeschmiedet.
Die ausgeschmiedeten Stäbe wurden im Troge gehärtet und der Glüh-
span abgerieben. Man sortierte nach Bruchansehen und Qualität:
Münzstahl, Eindupf-, Zweidupfstahl und Eindupf- und Zweidupfmock.
[419]Stahlfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
Die Rosenbildung im Bruch, welche beim Rosenstahl verlangt wurde,
beförderte man dadurch, daſs man die Stäbe nach der ersten Härtung
nahe dem Ziehfeuer aufstellte und sie von Zeit zu Zeit mit Wasser
begoſs. Dadurch bildeten sich die feinen Quersprünge, welche die
Rosen zeigten.


Alle diese Stahlsorten wurden in Kisten zu 250 oder 125 Pfund
gepackt.


Die tiroler Rohstahlschmiede, bei welcher in demselben
Herd Stahl und Eisen abwechselnd erzeugt wurde, war ein Mittelding
zwischen dem steierischen und kärtnerischen Verfahren.


Nach Jars’ Reisebericht wurde zu Kleinboden in Tirol Stahl
auf zweierlei Weise gefrischt, entweder nur aus Roheisen oder unter
Zusatz von altem Eisen. „Nach der ersten Methode schmilzt man
die Gänze von schwarzem Korn in einem Hartzerennherd mit zwei
Blasebälgen, ebenso wie in St. Veith, ein. Man reiſst das geschmolzene
Eisen in Scheiben, doch ist man bedacht, die zum Stahlmachen dienen
sollen, noch dünner zu reiſsen. Sie sind alsdann sehr spröde und
den Floſskuchen in Kärnten sehr ähnlich.


Um nun daraus Stahl zu machen, bedient man sich eines Frisch-
herdes, welcher mit dem zu St. Gallen in Steiermark übereinkommt.
Man wählt dazu die dünnsten Scheiben und legt sie auf den mit
Kohlen angefüllten Herd und läſst zublasen. Die Scheiben werden
aber nur ganz allmählich vorgeschoben, was ein wesentlicher Umstand
ist. Wenn alles geschmolzen ist, hängt man das Gebläse ab und
bedeckt das im Herd befindliche Metall mit grober Lösche. In diesem
Zustande wird es eine gute Stunde gelassen, alsdann aber in einer
Luppe herausgenommen und unter den Hammer gebracht, um es in
verschiedene Teile zu teilen; man schmiedet es in viereckige Stücke
und schickt es in die Raffinierhämmer zum Ausschmieden.


Bei der andern Methode verfährt man folgendermaſsen: Der Herd,
in welchem die Arbeit geschieht, hat inwendig ungefähr 2 Fuſs im
Quadrat und ist mit senkrecht stehenden Guſsplatten eingefaſst, von
denen die an der Vorderseite befindliche, welche die Schlackenplatte
heiſst, drei Löcher hat. Die Form steht ungefähr 4 Zoll vor, sie ist
18 Zoll lang und hat 1 Zoll Fall, vorwärts ist sie etwas zurück-
gebogen. Der Herd ist 2 Fuſs tief; wenn aber darin gearbeitet werden
soll, so bringt der Frischer kleine Quandelkohlen hinein, die er mit
der Schippe festschlägt; darüber und auf den Boden legt er Schlacken
von derselben Arbeit und ringsumher kleine Quandelkohlen in Gestalt
eines Tiegels, so daſs von dem Boden bis an die Form nur 8 bis
27*
[420]Stahlfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
9 Zoll leer bleiben. Er giebt Kohlen auf, zündet sie an, rückt
seine Ganz heran, aber nur langsam vorwärts, damit die Schlacken
Zeit haben, zu schmelzen und zieht die Bälge an. Die Schlacken
schmelzen bald und bilden eine Art von Kessel, welcher das Roheisen,
das tropfenweise hineinfällt, aufnimmt. Der Frischer reinigt von Zeit
zu Zeit seine Form mit Hilfe eines eisernen Formstachels, welchen
er in den Formrüssel hineinbringt und damit das Eingeschmolzene
umrührt. Sind die Schlacken nicht flüssig und dünn genug, so setzt
er Kiesel zu, und wenn derselben zu viel wird, so sticht er sie über
dem Metall durch eines der in der Schlackenplatte befindlichen Löcher
ab. Zuweilen läuft auch etwas Eisen mit ab, welches dann der Frischer
wieder mit den Scheiben aufgiebt. Wenn alles eingeschmolzen ist,
räumt er die Kohlen weg, hängt das Gebläse ab und gieſst Wasser
darauf. Er hebt dann erst die Schlacken ab und reiſst dann das
Eingeschmolzene in Scheiben (Hartzerennböden).


Hierauf richtet man einen Herd vor, um aus dieser Materie, welche
zuweilen ein grauer, doch weit häufiger ein weiſser Guſs ist, Stahl zu
machen. Der Frischer reinigt sein Feuer und bringt wieder Quandel-
kohlen und Schlacken, von denen, die um den Herd herumliegen,
hinein, nimmt alsdann zwei oder drei kleine Schippen voll Schlacken,
die zum Teil von einer vorigen Arbeit dieser Art, zum Teil aber auch
von der vorbeschriebenen gefallen sind, pocht sie gröblich und legt
sie in die Mitte unter die Form, dergestalt, daſs sie ungefähr 5 Zoll
unter dieser liegen; rundum streut er noch Kohlen und Schlacken,
legt Feuer an und bedeckt alles mit Holzkohlen. Alsdann legt er
eine Stahlluppe von einem vorhergehenden Frischen auf, um sie
zu wärmen und auszuschmieden und dadurch das Feuer auszunutzen
und den Schlacken Zeit zum Schmelzen zu lassen. Wenn diese
geschmolzen sind, rückt er die Stahlkuchen an, daſs sie nach und
nach einschmelzen, und indem sie tropfenweise herunterfallen, sogleich
mit Schlacken bedeckt werden. Alsdann fängt der Frischer an mit
einer Brechstange in der eingeschmolzenen Masse zu arbeiten. Bleibt
sie flüssig, so setzt er nach und nach altes Eisen zu, ohne welches
angeblich dem Stahl keine Konsistenz gegeben werden könnte; er
würde auch sonst zu trocken sein, sich nicht schmieden lassen und
unter dem Hammer in Stücke zerspringen. Mit einem Worte, das
Eisen giebt ihm erst die erforderliche Festigkeit. Es scheint, daſs
dieses Guſseisen zu viel brennbares Wesen hat, und daſs es im Ver-
hältnis, wie es rein wird, den Überfluſs davon dem Eisen mitteile, um
mit selbigem eine Stahlmasse zu bilden. Nach Beschaffenheit des
[421]Stahlfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
Roheisens setzt man mehr oder weniger altes Eisen hinzu. Der
Frischer hat mir gesagt, daſs man gemeiniglich zu 60 Pfd. Stahlkuchen
30 Pfd. altes Eisen setze, und daſs man davon 60 Pfd. Rohstahl erhalte.
Diese Arbeit dauert drei Stunden.“


In Schmalkalden1) entwickelte sich der Stahlfrischprozeſs
ganz ähnlich wie in Steiermark. Wie hier hatte man vordem den
Stahl direkt aus den Erzen erhalten, war aber nach Einführung der
Floſsöfen zum Stahlfrischen übergegangen, wobei man ebenso wie in
Steiermark zunächst die alten Löschherde weiter benutzte. Es muſs

Figure 121. Fig. 116.


aber hier nochmals betont werden, daſs die Verwendung der Floſsöfen
zum Schmelzen des Rohstahleisens viel früher erfolgte, als die Ein-
führung der hohen Blauöfen zum Schmelzen des Scheiben- und
Platteneisens für das Frischen von weichem Eisen. Dementsprechend
ist auch das Stahlfrischen in Schmalkalden älter und dürfte wohl bis
in das 16. Jahrhundert zurückreichen. Obgleich das schmalkaldische
[422]Stahlfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
Stahlfeuer (Fig. 116, a. v. S.) dem Fig. 114, 115 abgebildeten steierischen
sehr ähnlich sah, war es infolge der alten Überlieferung noch einfacher
und den ursprünglichen Löschherden noch ähnlicher, als die steierischen
Stahlfeuer. Bei dem schmalkaldischen Stahlherd waren die drei Seiten
gemauert, und nicht einmal die Arbeitsseite war durch das übliche
Sinterblech geschlossen; vielmehr war der Raum B unter der Eſs-
bank e, welche 1 Fuſs 3 Zoll (0,375 m) über dem Bodenstein lag, nur
mit Kohlengestübbe zugemacht, welche zum Ablassen der Schlacke
mit dem Spieſs durchstochen und zum Ausbrechen des „Schreys“
ganz entfernt wurde, so daſs sie bei jeder Schmelzung erneuert werden
muſste.


Die übrigen Wände waren aus Sandstein und Lehm gemauert
und auch der Bodenstein v bestand aus einer Sandsteinplatte, welche
wöchentlich zweimal, am Mittwoch und Samstag, erneuert wurde. Die
Tiefe des eigentlichen Stahlherdes von der Gichtplatte (n m) bis auf
den Bodenstein betrug 2 Fuſs (0,60 m), ebenso groſs waren Breite
und Länge vor der Form. Auf der Hinterseite des Herdes war eine
kleine Mauer (w) aufgeführt, in der sich in der Höhe der Gichtplatte
eine Öffnung z, um die Stahlstangen zum Wärmen vor dem Härten
durchzustecken, befand. Das Loch f rechts diente zum Trocknen von
gepulvertem Lehm, den der Stahlschmied anstatt Schweiſssand ver-
wendete. Die Form ragte 6 Zoll (0,15 m) in den Herd hinein, lag
5 Zoll (0,125 m) vom Bodenstein und 10 Zoll (0,25 m) von der Hinter-
seite entfernt. Das Formauge war halbrund, 1 Zoll breit und ¾ Zoll
hoch (0,030 × 0,022). Die Windstrahlen, die sich kreuzten, trafen
die Gichtwand 2 Zoll über dem Bodenstein, hatten also ein geringes
Stechen. Die Form war um die Mitte des Jahrhunderts noch von
Eisenblech und muſste alle 14 Tage erneuert werden. Gegen Ende
des Jahrhunderts hatte man Kupferformen, die viel länger hielten.
Ebenso waren die Bälge, wie im Siegerland, von Leder. Erst nach
1760 überwand man das Vorurteil der Stahlschmiede, welche be-
haupteten, Holzbälge verdürben den Stahl, weil ihr Wind zu scharf
sei. Die späteren Holzbälge waren aber auch nur 8 Fuſs 3 Zoll (2,49 m)
lang, und muſsten bei stärkerem Blasen rasch wechseln. Der Hammer
war bedeutend kleiner als im Siegerland und in Steiermark und wog
nur 1½ bis 2 Centner.


Der Hammerstock hatte keine „Chavatte“, sondern bestand aus
einem starken Stamm, der 6 bis 7 Fuſs in die Erde versenkt war.
Seine obere Fläche war durch die zahreichen Köpfe eingetriebener
groſser Radnägel geschützt.


[423]Stahlfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.

Die Arbeit des Stahlfrischens verlief folgendermaſsen. Zuerst
wurden einige grobe Holzkohlen in den Herd geworfen und entzündet.
Dann gab man einige Schaufeln gröblich zerkleinerte Kohle auf und
hierauf eine Lage Hammerschlag, „Flisching“ genannt, um einen festen
Boden zu bilden. Auf diese Lage gab man 25 bis 30 Pfund Roh-
stahleisen in kleinen Brocken von höchstens 3 bis 5 Pfund Gewicht
auf und füllte dann den ganzen Herd bis zur Gichtplatte mit zer-
kleinerter Kohle, denn der Stahlschmied zerklopfte alle Holzkohlen
vor dem Aufgeben, um ein möglichst geschlossenes Feuer zu erhalten.
Dieser erste kleine Einsatz, „der Setztacken“ genannt, wurde mit garen
Schlacken und Hammerschlag niedergeschmolzen und vollständig ver-
frischt, ehe der gröſsere Einsatz erfolgte. Es dauerte etwa eine Stunde
bis zum Schmelzen des Setztackens und drei Stunden bis zur Gare.
Sobald diese eingetreten war, was man besonders am Hartwerden des
Eisens auf dem Herd erkannte, räumte man alle glühende Kohlen vor
die Form, legte vor dieselben den Rengel ein, um ihr Nachrollen zu
verhindern und trug dann hinter dem Rengel alle „Tacken“, d. h.
Rohstahleisenstücke, die man verschmelzen wollte, ein und bedeckte
sie mit Kohlen. Der ganze Einsatz betrug 1½ bis 2 Centner, je nach
der Gröſse des Herdes. Man setzte das Roheisen hinter dem Rengel,
also im kälteren Teile des Herdes ein, damit es sich allmählich bis
zur Schmelzhitze erwärme, indem beim Einsetzen in den heiſsen Teil
des Herdes und raschem Erhitzen mehr Eisen verbrennen würde.
Andererseits wurde das Einschmelzen dadurch beschleunigt, daſs man
das Rohstahleisen in kleinen Brocken aufgab. Groſse Stücke wurden
zu leicht zu weit gefrischt, verloren zu viel Kohlenstoff und wurden
dadurch unschmelzbar. Aus diesem Grunde warf man auch die
dickeren Brocken unten hin, wo sie mehr von Kohlen bedeckt waren
und rascher heiſs wurden. Sobald die Brocken geschmolzen waren,
zog man den Rengel heraus. Der gare Setztacken wurde durch das
niederschmelzende Rohstahleisen wieder aufgelöst, kam in Fluſs und
vermengte sich mit diesem. Diese Vereinigung ging indessen nicht
plötzlich, sondern allmählich vor sich, indem nicht alles Rohstahleisen
auf einmal in Fluſs geriet; und auch das, was wirklich schon ge-
schmolzen war, wurde zum Teil von dem Winde nach den Seiten des
Herdes getrieben, wo es sich ansetzte und fest wurde. Hiervon brach
nun der Stahlschmied ein Stück nach dem andern auf und brachte
es vor dem Winde zum Schmelzen. Die Schlacke oder „das Lech“,
welches sich beim Aufbrechen und Rühren im Herd an den Rengel
legte, war für den Stahlschmied das Kennzeichen des Fortschrittes
[424]Stahlfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
der Arbeit, und ob und wieviel Lech von der vorigen Arbeit er zu-
setzen muſste. Je heiſser das Rohstahleisen geblasen war, je weniger
Zusatz brauchte es, je frischer, also je ärmer an Kohlenstoff, je mehr.
Der Lechzusatz hatte also den Zweck, das Garen zu verlangsamen,
indem er das Eisen vor der unmittelbaren Einwirkung des Windes
schützte. Der raschere oder langsamere Verlauf des Prozesses und
danach der Zuschlag von Lech war auch davon abhängig, ob das
Feuer selbst kalt oder warm lag. Ein kaltes Feuer verlangte mehr
Fluſs, ebenso auch nachdem ein neuer Herdstein gelegt war. War
der Lech in dünnem Fluſs, was der Stahlschmied am Ansatz am
Rengel erkannte, so verstärkte er das Gebläse, „der Wind muſste
durchblasen“. Man lieſs die Bälge mehrere Minuten rasch wech-
seln, wodurch auch das Eisen sich völlig verflüssigte, was man an
dem Anlegen desselben, dem „Beschuhen des Rengels“, beobachten
konnte. Dann lieſs man die Bälge wieder langsam gehen. Die Masse
fuhr aber fort zu steigen und es lieſs sich ein wirkliches Aufkochen
des Eisens im Herd bemerken.


Nach dem Einschmelzen begann das Garmachen. Dies konnte
ohne Zusatz nur durch den Wind geschehen, wurde aber beschleunigt
durch den Zusatz von „Flisching“ und altem Schmiedeeisen. Die
Menge dieser Zusätze richtete sich nach der Natur des Rohstahleisens.
Auch hierfür war der Rengel der Maſsstab des Stahlschmieds.


Je weniger Zusatz von Lech das Rohstahleisen erforderte, je mehr
Flisching verlangte es beim Garen. Ging das Schmelzen zu heiſs,
d. h. floſs das Rohstahleisen dünn, so half man durch Zusatz von
altem Schmiedeeisen. Dem Schmied war es lieb, wenn er viel Zusatz
geben konnte, weil er auf Gewicht arbeitete. Auch wenn das Roh-
stahleisen unrein war und wegen des vielen Lechs keine Scheidung
erfolgte, setzte er altes Eisen zu, indem er gleichzeitig einen Teil der
Schlacken abstach.


Sobald die Kennzeichen der Gare sich zu zeigen begannen, blies
man langsamer und setzte kein Flisching mehr zu. Das wichtigste
Kennzeichen war das Ansetzen von Eisenkörnern an den Rengel.
Anfangs waren diese Körner von Erbsendicke, aber ganz vereinzelt,
mit fortschreitender Gare wurden sie dünner und häufiger, bis zuletzt
das gare Eisen einen gleichmäſsigen dünnen Überzug bildete. Quantz
vergleicht diesen Teil des Prozesses treffend mit dem Buttermachen.
Die anfangs getrennten Stahlkörner vereinigen sich allmählich im
Herd zu einer Luppe oder dem „Schrey“. Die Arbeit ist beendet,
wenn der Schrey sich zu einer harten Masse verdichtet hat. Der flüssige
[425]Stahlfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
Lech hatte sich dann groſsenteils unter denselben begeben. Ein guter
Schrey hatte eine glatte Oberfläche. — Nun hing man das Gebläse
ab und zog den Lech, der sich über dem Schrey befand, mit den Kohlen
auf die Gichtplatte, um ihn bei der folgenden Schmelzung zu ver-
wenden.


Der Schrey wurde rings vom Herd losgelöst, aufgerichtet, mit
Haken und Zangen herausgezogen, unter den Hammer gebracht und
mit dem Setzeisen in 6 bis 8 Teile zerschroten, was man „das Hauen
des Schreys“ nannte. Dies besorgten zwei Arbeiter, während der
dritte den Herd reinigte. Die Schlacke, die unter dem Schrey saſs,
war mit Lehmbrocken vom Herd verunreinigt und wurde deshalb auf
die Halde gefahren. Waren durch das Ausbrechen des Schreys und
beim Reinigen Löcher im Herd entstanden, so wurden sie mit Lehm
und Sandsteinbrocken verstopft.


Das ganze Schmelzen eines Schreys dauerte sechs bis acht Stunden.
Während des Schmelzens erfolgte in demselben Herd auch das Aus-
heizen zum Ausschmieden der Stücke von dem vorigen Schrey. Da die
untere Seite des Schreys härter war als die obere, so hatte auch jedes
Stück eine harte und eine weichere Seite, worauf man beim Einlegen
Rücksicht nehmen muſste. Zunächst legte man das Stück so an, daſs
die weiche Seite nach unten kam. Nachdem es rot- bis weiſswarm
geworden war, wurde es vorsichtig mit langsamen Schlägen unter dem
Hammer gedichtet. Man nannte dies „das Zusammenhalten des
Stückes“, hierauf folgte in zwei Schweiſshitzen das Breiten, wobei
das Stück im Feuer gewendet wurde. Auf das Breiten folgte das
„Ausschlagen“ und Ausrecken und auf dieses das Härten. Diese
Operationen erforderten zahlreiche Hitzen und sorgfältiges, vor-
sichtiges Schmieden. Der fertige Stahl war entweder Stangenstahl
oder Faſsstahl, letzterer wurde in Kernstahl und gemeinen Stahl
sortiert.


Im übrigen Deutschland war nur im Siegerland und in der Mark
eine altangesessene, bedeutende Stahlindustrie. Die dort angewendete
Methode haben wir früher bereits geschildert; Jars hat das Sieger-
land nicht besucht und berichtet auch sonst nichts über Stahlfrischen
in Deutschland. Von dem Siegerländer Stahl war der von Lohe bei
Müsen am besten, besonders für Schneidwaren.


Die Rohstahlfabrikation in der Grafschaft Mark stammte aus
dem Nassau-Siegenschen, und zwar aus dem Amte Freudenberg, von
wo sie in der Mitte des 17. Jahrhunderts eingeführt worden war.
Ebendaher wurde das Rohmaterial, Siegerländisches Rohstahleisen,
[426]Stahlfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
welches aus ⅔ Stahlerz und ⅓ Brauneisenstein erblasen wurde, bezogen.
Die alte Form des Rohstahlschmelzens in der Mark wurde deshalb
als Freudenberger Schmiederei bezeichnet. Sie verlief wie das
Siegensche Rohstahlschmelzen, und zwar gewöhnlich mit sechs Heizen
vor dem Aufbrechen des Schreys.


Ende des 17. Jahrhunderts wurde dieses ältere Verfahren durch
ein etwas abgekürztes Verfahren, die sogenannte Schwalschmiederei,
welche aus dem Bergischen eingeführt wurde, teilweise verdrängt.
Man setzte hierbei nämlich meist von der dritten Heize an beim
Garen altes Schmiedeeisen, „garen Schwal“, zu, wodurch das Garen
beschleunigt und das Ausbringen vermehrt wurde; infolgedessen
brauchte man nur fünf Heizen bis zum Auftreten des Schreys. Statt
des garen Schwals bediente man sich auch der aus den alten Osmund-
halten ausgeklaubten garen Schlacken und Eisenfrischbrocken, welche
von armen Leuten gesammelt und verkauft wurden. Gute Schwal-
schmiede verarbeiteten auf zwei Karren Stahlkuchen (Rohstahleisen)
eine Karre Schwal und um so mehr, je besser der Stahlkuchen war.
Von diesen drei Karren lieferten sie 14 Mesen oder 1960 Pfund Roh-
stahl, während sonst die Freudenberger und Plettenberger, die eben-
falls nach Freudenberger Art schmiedeten, 15 Mesen aus drei Karren
ausbrachten. Der gröſsere Abbrand kam von der gröſseren Ver-
brennlichkeit des Schwals. Dennoch war die Schwalschmiederei durch
den hohen Zusatz von altem Eisen ökonomisch sehr vorteilhaft. Die
beiden Verfahren wichen auch in der Zustellung des Feuers vonein-
ander ab, indem der Freudenberger Herd weiter und länger und die
Form stechender war.


Der Boden des Feuers bestand aus feuerbeständigem Sandstein,
die Form war von Kupfer. Auf 1000 Pfd. Rohstahleisen fielen in der
Regel 5 Mesen (zu 140 Pfund) Rohstahl. Das Bendorfer Stahleisen
war gegen Ende des Jahrhunderts besonders beliebt, weil es sehr
dünne Schlacke und guten Stahl gab.


Der mittlere Kohlenverbrauch war 20 Tain auf eine Karre Roh-
stahl. Der meiste Rohstahl, dessen Preis sehr schwankend war, wurde
auf den märkischen Reckhämmern zu Reckstahl verarbeitet.


Im allgemeinen trat damals die Stahlbereitung noch sehr gegen
die Eisenbereitung zurück. Guten Stahl bezog man aus den genannten
Gebieten, geringen machte man für den eigenen Bedarf oder für den
beschränkten Nachbarortsverkehr in den Eisenfrischherden zeitweilig
nebenher.


Ähnlich lagen die Verhältnisse in Schweden: Trotz des vor-
[427]Stahlfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
trefflichen Materials, trotzdem alle Welt wuſste, daſs das meiste
schwedische Eisen von den Engländern zur Stahlfabrikation benutzt
wurde, spielte dieselbe in Schweden selbst keine Rolle. Geringen
Stahl erhielt man von den Bauernschmieden, auch nebenher als
Luppstahl“ in manchen Frischhütten, namentlich den Sulu-
schmieden
. Was man an Frischstahl erzeugte, deckte kaum den
laufenden Bedarf. Das Frischverfahren, welches man anwendete, war
ebenfalls von Deutschland überkommen, und war das in Norddeutsch-
land, namentlich am Harz und in Westfalen gebräuchliche. Jars
erwähnt nur die Frischstahlerzeugung zu Forſsmark. Dort befand
sich neben zwei Eisenfrischhütten auch eine Stahlfrischhütte. „Das
zu dieser Arbeit nötige Roheisen“, sagt Jars, „ist mit demjenigen,
aus welchem Schmiedeeisen verfertigt wird, nicht einerlei, sondern es
ist schwarz.“ Dasselbe wurde aus denselben Erzen, aber bei geringe-
rem Erzsatz erblasen. Dadurch erhielt man zwar weniger Roheisen,
indem der Hochofen nur ungefähr 40 Schiffspfund (6400 kg) die Woche
gab, aber dieser Verlust wurde ausgeglichen durch die Qualität des
Roheisens und den Preis des Stahls.


„Das zu dieser Arbeit bestimmte Roheisen wird in kleinen,
unregelmäſsigen Stücken, die 5 bis 6 Zoll lang und mehr oder weniger
breit sind, abgestochen und in diesem Zustande, welches ich sonst
nirgends gesehen, auf einen Frischherd gesetzt, bis es rotglühend
geworden, worauf es unter einen groſsen Hammer kommt, um es etwas
zu breiten und seine Zwischenräume zu verengern, und man behauptet,
daſs diese Arbeit notwendig sei und dem Stahlfrischen vorausgehen
müsse. Da aber altes Roheisen spröde ist, so springt es, obgleich es
einen Grad der Geschmeidigkeit hat, den man bei anderen Roheisen-
sorten nicht findet, doch unter dem Hammer an vielen Stellen aus-
einander.


Man schreitet nun zum Stahlschmelzen. Der dazu bestimmte
Herd weicht von den Frischherden etwas ab; er ist länger und
schmäler, und die Form liegt niedriger. Der Gichtzacken hängt nicht
über, sondern steht senkrecht. Die Form ist glatt und liegt mit dem
Frischboden fast horizontal, obgleich der Wind mehr als bei dem
Eisen stechen muſs, welches durch den Formrüssel, der unterfeilt ist,
erhalten wird.


Auf dem Herde werden soviel Stücke Roheisen eingeschmolzen,
als zu einer Luppe von 40 bis 50 kg gehören, zu deren Erzeugung
drei bis vier Stunden Zeit gehören, und wobei von Zeit zu Zeit
Schlacken, die von dieser Arbeit gefallen sind, zugesetzt werden. —
[428]Stahlfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
Diese Luppe wird, wie auch sonst, unter dem Hammer gezängt, in
verschiedene Stücke geteilt und diese zu Stäben ausgeschmiedet,
wobei ein Abgang von zwei Drittel (?) an dem Roheisen erfolgen soll.
Die Luppenstücke werden auf einem andern Herd mit englischen
Kohlen
ausgewärmt und unter einem kleinen Hammer ausgereckt;
doch werden die Stahlkolben nicht so heiſs wie die Eisenkolben aus-
geschmiedet, und ist es üblich, daſs man dieselben, so oft sie aus
dem Feuer und ehe sie unter den Hammer kommen, vorher in klein
gestoſsenen Thon stecke und sie damit überziehe.


Die langen ausgereckten Stäbe werden jeder in 15 Stücke zer-
schlagen, welche man in eine Zange faſst, zusammenschweiſst und von
neuem unter dem Hammer zu einem Stabe ausschmiedet, welcher
Stahl sodann Kaufmannsware ist.


Man rechnet, daſs zu jedem Centner Stahl (zu 132 schwedischen
Pfund) 2½ Sturz Holzkohlen und ⅛ Tonne Steinkohlen gehören.“


Diese Beschreibung stimmt mit der ausführlicheren Beschreibung
des schwedischen Stahlfrischens von Sven Rinman (§ 262) überein
und tragen wir aus dieser zur Ergänzung noch das Folgende nach.
Man nahm am liebsten das graue Roheisen, welches zu Anfang der
Hüttenreise fiel und goſs es in 1 bis 2 Zoll dicke Platten, die, wie
oben beschrieben, rotglühend unter einem Hammer zerkleinert wurden.
Der Herd war ganz wie ein deutscher Frischherd, nur enger (17 bis
20 × 22 bis 24 Zoll) und nur halb so tief (13 bis 14 Zoll); die Länge
vom Formmittel zum Aschenzacken betrug 8½ bis 9 Zoll. Er war
aus drei Eisenzacken und eisernem Boden gebildet. — Der Frisch-
prozeſs verlief wie folgt: Der gereinigte Herd wurde mit reinen Kohlen
gefüllt, diese entzündet, die Bälge angelassen und dann zuerst etwa
1½ Schaufeln von Hammerstockschlacke aufgegeben. War diese
niedergeschmolzen, so gab man eine halbe Schaufel (4 kg) von den
zerschlagenen Roheisenstücken über Kohlen auf den Gichtzacken dem
Gebläse gerade gegenüber und bedeckte sie mit Kohlen. Das Gebläse
muſste hierbei, wie überhaupt, so oft man neues Eisen aufgab, lang-
sam wechseln. Alsdann wurde ein Schirbel von der vorigen Luppe
(Schrey) über die Form gelegt, um dort die zum Ausrecken nötige
Hitze zu erhalten. Währenddem schmolz das Roheisen nieder und
legte sich mitten unter der Form als eine gefrischte Masse (Sule
genannt) an. Das noch roh gebliebene Eisen, besonders beim Aschen-
zacken, muſste man vor den Wind zu bringen suchen, und wenn sich
die Sule ganz angelegt hatte, wurde wieder eine Schaufel Roheisen
oder noch etwas mehr, wie oben, nachgesetzt. Dieses Aufgeben wieder-
[429]Stahlfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
holte man jede Stunde etwa vier- bis fünfmal, oder richtiger: Der
Frischer muſste jedesmal von neuem Roheisen setzen, wenn das vorige
ganz eingegangen und zu Stahl gefrischt war, bis der Schrey bis unter
die Form gelangt war, und der Herd nicht mehr fassen konnte. Beim
Schreymachen wurden die vier Schirbel von der vorigen Arbeit zu
1⅓ zölligen Quadratstäben ausgeschmiedet und dann an den Gärbe-
stahlhammer geliefert. Erfahrung und Aufmerksamkeit waren für den
guten Erfolg des Frischens unentbehrlich. „Die Geschicklichkeit des
Stahlschmiedes bestand darin, das Roheisen zur Geschmeidigkeit oder
zum Frischen zu bringen, ohne daſs es zuviel von seinem überflüssigen
Phlogiston verlor, oder daſs es zu Stabeisen wurde, ohne aber auch
zugleich roh zu bleiben.“


Auſser dem Feuerbau war es das Aufgeben von Eisen, Schlacken
und Kieselstein, das Ablassen der Schlacke, das Verstärken und
Schwächen des Gebläses u. s. w., was dies herbeiführte. Als Erkennungs-
zeichen für den richtigen Gang dienten die Herdflamme, die Farbe
des Eisens im Herd, die Farbe der Schlacke, das Anfühlen mit der
Brechstange, wobei es hart und glatt anliegen muſste. Weiche Stellen
verbesserte man durch Aufgeben von Roheisen. Wenn nach fünf bis
sieben Stunden alles zu einer Luppe eingeschmolzen war, so wurde
aufgebrochen. Ein Meister und sein Gehilfe konnten in einem Tage
höchstens zwei Schmelzen machen. Sie machten die Woche 7 bis 8,
höchstens 9 Ctr. Stahl. Bei gutem Roheisen betrug der Abbrand nur
23 Prozent, wie bei dem Stabeisenfrischen; er stieg bei schlechtem
Roheisen bis 32 Prozent. Jars’ abweichende Angabe beruht deshalb
wohl auf einem Irrtum. Das Gärben geschah, wie oben angegeben,
mit Holzkohle.


Dieses Verfahren, welches mit der Siegener Einmalschmelzerei
Ähnlichkeit hatte, war das allgemein gebräuchliche in Schweden.


Von geschichtlichem Interesse ist aber noch ein anderes Stahl-
frischverfahren, obgleich es nur an einem Ort, zu Wedewäg im Linde-
ner Bergrevier, in Übung war. Hier wurde nämlich noch mit Hand-
bälgen in der einfachsten Weise Stahl gemacht. Der Stahlherd hatte
zwei Feuer unter derselben Esse, so daſs wechselweise in beiden
geschmolzen oder gefrischt und gegärbt werden konnte. Die Bälge waren,
wie gewöhnliche Schmiedebälge, nur 7 Fuſs lang und wurden mit
einer „Schwungrute“ betrieben. Zum Bodenstein wendete man hier
einen Sandstein an, wie in Deutschland, der 14 Tage bis 3 Wochen
aushielt. Der Herd zeigte in seinen Maſsen nichts besonderes, nur
bildete er unter dem Formzacken die Gestalt eines Halbkreises, indem
[430]Stahlfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
die Ecken, welche der Schlacken- und Aschenzacken mit dem Form-
zacken machen, ausgelegt waren. Die Tiefe des Feuers vom Boden
bis an den Wind betrug nur 5 Zoll. Man verarbeitete halbiertes
Roheisen aus Lindner und Storer Erzen. Dasselbe wurde in ziemlich
groſsen Brocken auf den Gichtzacken eingesetzt und niedergeschmolzen.
Man gab 12 kg auf einmal ein, welche Menge in drei bis vier Stunden zu
einer Stahlluppe von 8 kg eingeschmolzen war, die dann ausgebrochen
und geschmiedet wurde. So fuhr man von zwei zu zwei Stunden fort,
doch konnte man in acht bis neun Stunden nur etwa 32 kg Stahl
machen, weil die übrige Zeit zum Abkühlen des Herdes erforderlich
war. Der Frischer muſste acht geben, daſs das Eisen nicht zum
Kochen kam. Rinman, der diesen Prozeſs beschrieben hat 1), erstaunt
sich, daſs man mit so schwachem Gebläse soviel fertig bringe. Sicher-
lich war es aber überhaupt nur dem schwachen Gebläse zuzuschreiben,
daſs auf diese Weise Stahl erzeugt werden konnte, indem bei stärkerem
Gebläse unzweifelhaft ein Kochfrischen eintreten muſste.


Sven Rinman hat mit groſsem Eifer Versuche über die Um-
wandlung von Roheisen in Stahl
durch bloſses Glühen ange-
stellt. Daſs dies überhaupt möglich sei, hatte Reaumur nachgewiesen.
Dieser legte aber ausschlieſslich nur Wert darauf, Guſswaren durch
solches Glühfrischen in weiches Eisen, sogenannten schmiedbaren Guſs,
zu verwandeln und erwähnte nur nebenher die Möglichkeit, auf diesem
Wege auch Stahl zu erhalten. Rinman glaubte umgekehrt, daſs
sich dieses Verfahren vorteilhafter zur Stahlfabrikation als für schmied-
baren Guſs verwerten lieſse. Er verfuhr bei seinen Versuchen ganz
in derselben Weise wie Reaumur, indem er das Glühen in verklebten
Tiegeln oder Thonkisten meistens im Stahlbrennofen, zuweilen auch
in einem kleinen Windofen vornahm.


Beim Glühen im offenen Feuer bedeckte sich das Roheisen an
der Oberfläche mit einer Glühspanschicht, unter dieser folgte erst eine
weiche, schmiedeeisenartige, dann eine harte stahlartige Lage und
hierauf im Inneren unverändertes Roheisen. Bei zwölftägigem Glühen
im geschlossenen Tiegel ohne Zusatz war die Glühspanbildung sehr
gering, das Eisen sehr weich, aber nicht schmiedbar. Ebensowenig
wurde Roheisen, welches in Kohlenstaub geglüht wurde, geschmeidig.
Dagegen gaben die Versuche beim Glühen im verschlossenen Tiegel
in einer Ausfüllung von Knochenasche, welche schon Reaumur
besonders empfohlen hatte, günstige Resultate. Rinman stellte eine
[431]Stahlfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
groſse Anzahl von Versuchen an, aus denen sich ergab, „daſs Roh-
eisen, ohne zu schmelzen und ohne seine Gestalt zu ändern, bloſs in
einem gehörigen Hitzegrad mit Knochenasche, die eine absorbierende
Wirkung äuſsert, wodurch die Verwandlung befördert und der Ab-
brand vermindert wird, in Stahl und in geschmeidiges Eisen ver-
wandelt werden kann“. Über die vielen Einzelheiten, welche sich bei
den Versuchen ergaben, müssen wir auf Rinmans Bericht ver-
weisen 1). — Weniger günstig waren die Resultate beim Glühen in
gebranntem Kalk und Kreide. Von den vielen Substanzen, die
Rinman auſserdem noch als Glühpulver verwendete, heben wir nur
noch das Reiſsblei oder den Graphit hervor, den ebenfalls Reaumur
schon empfohlen hatte. Kaltbrüchiges Roheisen in gut verschlossenem
Tiegel, mit diesem geglüht, verwandelt sich in feinen und harten Stahl,
der eine reine, blanke Oberfläche erhielt, ohne Blasen zu bekommen.


Trotz dieser einzelnen Erfolge kam ein verwertbares Ergebnis
bei diesem Glühfrischen nicht heraus, denn die Qualität des stahl-
artigen Eisens lieſs in allen Fällen viel zu wünschen übrig.


Rinmans Theorie der Stahlbildung war die Reaumursche.
Danach sind Roheisen, Stahl und Stabeisen Verbindungen von Eisen
mit Phlogiston in verschiedener Abstufung; Roheisen enthält davon
am meisten, Stabeisen am wenigsten. Der Frischprozeſs ist eine Ver-
flüchtigung des Phlogistons des Roheisens, welche beim Eisenfrischen
möglichst weit getrieben wird, während sie beim Stahlfrischen nur
bis zu einem gewissen Grade statt hat. „In den Stahlherden sind
der Feuerbau und die ganze Manipulation darauf hin gerichtet, dem
Roheisen beim ersten Einschmelzen nur soviel Phlogiston zu entziehen,
als nötig ist, um es hierbei geschmeidig zu machen, in welchem Zu-
stand es Stahl heiſst.“


Rinman machte auch Reaumurs Versuche über Cementation
von Schmiedeeisen zu Stahl in den verschiedenen von diesem empfohle-
nen Glühpulvern nach und bewies, was die Praxis schon von selbst
gefunden hatte, daſs der einfache Kohlenstaub, besonders von Birken-
kohle, das beste und billigste Cementierpulver abgebe, und daſs der
von Reaumur empfohlene Zusatz von Salz nicht nur den Prozeſs
verteure, sondern auch schlechteren Stahl erzeuge. Dagegen bewährte
sich Reiſsblei für den Zweck sehr gut. Über die vielen Versuche
selbst verweisen wir auf § 270 von Rinmans Geschichte des Eisens.


[432]Eisen- und Stahlveredelung.
Eisen- und Stahlveredelung.

Über die Fortschritte der Eisen- und Stahlveredelung in
der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts verdanken wir Sven Rinman
einen vortrefflichen Bericht. Das Testament Polhems, der seinen
Landsleuten die Eisen- und Stahlveredelung zum Nutzen des Vater-
landes an das Herz gelegt hatte, fand in Rinman seinen eifrigsten
Vollstrecker. Er widmete seine ganze Kraft bis zu seinem Ende der
Aufgabe, die Industrie seines Landes zu heben, zu fördern und zu
verbessern. Er folgte Polhem auch darin, daſs er gerade auf die
Veredelung besonderen Wert legte. In diesem Sinne ist sein vortreff-
liches Buch: Anleitung zur Kenntnis der gröberen Eisen- und Stahl-
veredelung und deren Verbesserung, welches 1772 erschien 1), verfaſst.
Er beschreibt die gröberen Eisen- und Stahlveredelungsverfahren, wie
sie in Schweden in Übung standen, und knüpft an jedes einzelne
seine Verbesserungsvorschläge. Die Beschreibungen sind so klar und
praktisch, wie sie nur jemand geben konnte, der mit dem Gegen-
stande durch und durch vertraut war. Bei Rinman war dies in
ungewöhnlichem Grade der Fall, denn er bekleidete bereits seit 1760
die von den Hammerwerksbesitzern eigens für ihn und für die Ver-
besserung des Eisenhammerwesens geschaffene Stellung eines Direktors
der Schwarz- und Grobschmieden. Das Buch ist also das Ergebnis
seiner Berufsthätigkeit und schon dadurch von gröſserer Zuverlässig-
keit. Es ist auch der früheste ausführliche Bericht über diesen Gegen-
stand. Aus diesen Gründen legen wir es unserer Betrachtung über
die gröbere Eisen- und Stahlveredelung im allgemeinen zu grunde
und fügen bei den einzelnen Abschnitten nur das hinzu, was wir aus
anderen Berichten und von anderen Ländern noch Bemerkenswertes
aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wissen.


Unter der gröberen Eisen- und Stahlveredelung begreift
Rinman die Fabrikation aller Zwischenprodukte zwischen Frischeisen
und fertigem Gebrauchsgegenstand. Das ist also in erster Linie alles
Materialeisen, welches in den Schwarzschmieden, im Gegensatz
zur Frischschmiede, dargestellt wird. Rohmaterial war Frischeisen,
ausnahmsweise in Schweden auch zuweilen noch Osmund, der aber
nicht mehr direkt aus Erzen, sondern aus altem Eisen bereitet wurde.


[433]Eisen- und Stahlveredlung.

Die Produkte waren zunächst Stabeisen oder Stangeneisen, die
unter dem Stabhammer von etwa 300 kg Gewicht, sodann Zain-
und Bandeisen, die unter dem Zain-, Reck- oder einem Gebund-
hammer
ausgeschmiedet wurden. In Deutschland war ein Stab-
hammer meist nur 150 bis 250 kg schwer. Man schmiedete darauf
Nagel-, Schienen-, Flach-, Tau-, Schar-, Gragen-, Stängel- und
Senseneisen. Auſser diesen Stabeisensorten schmiedete man auf
Bestellung Modelleisen.


Man unterschied ferner in Schweden Façoneisen (Gitter- und
Senkeisen), welches in mit Gesenken versehenen Ambossen und Hämmern
geschmiedet wurde, wozu auch das geschmiedete Rundeisen gehörte.


Bleche, und zwar Dach- und Salzpfannenplatten, Sturzblech
und verzinntes Blech.


Bandeisen, welches entweder geschmiedet oder gewalzt wurde.


Schmiedeeisen, Nageleisen, Nägel und Draht.


Zu den Produkten der gröberen Stahlveredlung rechnet Rinman
nicht nur den Gärbstahl, sondern auch den Brennstahl und
Guſsstahl.


Zur feineren Veredlung durch die Schwarzschmieden gehörte
die Herstellung aller Gebrauchsartikel, die unter dem Hammer fertig
gemacht werden, als Pflugscharen, Äxte, Schaufeln, Spaten, Hacken,
Sensen, Sicheln, Sägeblätter, Gewehrläufe, Lafettenblech, Blechschläger-
und Pfannenschmiedearbeiten, Dreifüſse, Kasserollen, Hufeisen, Be-
schläge, Hämmer, Ambosse, Klammern, Anker, Ketten u. s. w.


Der Stabhammer diente schon zum Dichten und Zängen der
Luppe. Unter dem Stabhammer wurde alles Eisen vor- und die
gröberen Sorten auch fertig geschmiedet, für die feineren hatte man
Zainhämmer und für die weitere Veredlung Nagel-, Tief-, Planier-,
Rohr-, Waffen-, Blankschmiede-, Sensen-, Schaufel-, Bandeisen-,
Draht-, Gesenk-, Reck- und Stahlraffinierhämmer.


Die Einteilung der vierkantigen Eisensorten geschah nach dem
Querschnitt, sogenannten Schamplons (Schablonen). Rinman führt
sechs Flacheisen- und sechs Vierkanteisensorten auf, welche unter
dem Stabhammer hergestellt wurden, darunter Voyage-Eisen, als
schwächstes Flacheisen, 1½ Zoll: ⅜ Zoll und 5 Ellen lang, welches
ein Exporteisen war, das, um es auf Eseln gut transportieren zu
können, so dünn und kurz sein muſste, daſs man es bequem zusammen-
biegen konnte, und eigentliches Schamplon-Eisen, welches nach be-
sonderen Querschnitten auf Bestellung angefertigt wurde.


Nach der Güte unterschied man gutes und unartiges. Gutes
Beck, Geschichte des Eisens. 28
[434]Eisen- und Stahlveredlung.
Eisen soll 1. äuſserlich gleich, glatt und von schwarzgrauer Farbe
sein; 2. keine Kantenrisse zeigen; 3. die Proben durch Brechen im
Schraubstock, durch Werfen und durch starke Schläge nach der
Probierordnung aushalten; 4. sich an den Kanten mit den Hohl-
meiſseln in langen Spänen, die sich kräuseln, ohne zu brechen, aus-
hauen lassen; 5. guten Bruch und Sehne zeigen.


Der Bruch war aber wieder sehr verschieden nach der gröſseren
Härte oder Weichheit des Eisens. In Bezug auf diese unterschied
man: a) hart und dicht, b) hart und fest, c) hart und spröde, d) weich
und zäh (langfadig) und e) weich und schrod (kurzfadig).


Das unartige Eisen wurde eingeteilt in rotbrüchiges, kaltbrüchiges,
rohes und verbranntes Eisen.


Eine weitere Unterscheidung machte man nach dem Ursprungsort
und auf diese legte man in Schweden groſsen Wert. Da es Vorschrift
war, daſs jede Hütte und jeder Hammer besondere Nummer und
Stempel auf ihr Eisen schlagen muſsten und da jede Hütte ihren be-
stimmten Erzbezug und jeder Hammer seinen regelmäſsigen Roheisen-
bezug hatte, so war der Stempel schon ein erfahrungsmäſsiges
Qualitätszeichen.


Für einen schwedischen Materialhammer, der nur zum Aus-
schmieden von Gärbeisen bestimmt war, hatte man zwei Heizfeuer.
Ein solcher Hammer war nicht so schwer wie ein Frisch- oder Stab-
hammer und wog nicht über 36 Liespfund (etwa 250 kg), hatte dafür
aber einen rascheren Gang. Auſser zum Recken konnten diese Häm-
mer zum Gärben und zum Schmieden von grober Ware, als Hämmer,
Ambosse, Pflugeisen, groſse Sägeblätter, geschweiſste Walzen u. s. w.
benutzt werden. Grobe Blechplatten zu groſsen Salzpfannen, Flamm-
ofenthüren, Kachel- und anderen Öfen wurden auch öfter, namentlich
auf den Frischhütten selbst unter solchen Hämmern ausgeschmiedet,
während man in der Regel das Eisen nur auf dem Stabhammer
verschmiedete und dann auf dem Platthammer breitete. Die für
die Ausfuhr, besonders nach England, bestimmten Platten waren
10 bis 11 Zoll × 12½ bis 13 Zoll und knapp ¼ Zoll dick. Für
Holland wurden drei Sorten geschmiedet, davon gehörten zu einer
Pfanne: 1. Bodenplatten, 1 Elle 19 Zoll lang, 23 Zoll an einem Ende
und 12 Zoll am andern Ende breit, jede ungefähr 3 Liespfund (25 kg)
schwer, hiervon zu einer Pfanne gewöhnlich 26 Stück; 2. 200 Stück
Bodenstücke, jedes 2½ Liespfund (20 kg) schwer, 1 Elle 3½ Zoll lang
und 22 Zoll breit; 3. 30 Stück Seitenplatten, jede auf 2 Liespfund
(16 bis 18 kg) schwer, 1 Elle 16 Zoll lang und 16 Zoll breit.


[435]Eisen- und Stahlveredlung.

Auf der Hammerhütte zu Reichenhall wurden die Salzpfannen-
bleche auf 20 × 24 Zoll, in Tirol 23½ Zoll Quadrat (21 kg), im
steirischen Salzkammergut nur 20 × 10½ Zoll und 3 Linien dick
(5 kg) geschmiedet.


In England wurden die Salzpfannenbleche gewalzt, doch waren
die geschmiedeten Platten dichter und besser.


Dachplatten war die grobe Schwarzblechsorte, welche in
Schweden viel geschmiedet wurde. Hierzu wurde oft noch „gewählter
Osmund“, seiner Weichheit und Zähigkeit wegen, genommen. Ver-
wendete man Frischeisen, so nahm man nur die Mittelstücke der
Frischen. Das Materialeisen wurde „nach gutem Augenmaſs und
alter Gewohnheit“ so abgehauen, daſs aus jedem Stück eine groſse
und zwei gewöhnliche Platten mit so wenig Spänen und Abschnitzeln
als möglich fielen. Für gewöhnliche Dachplatten, deren höchstens
80 ein Schiffspfund ausmachten, eine also 2 kg wog, muſsten die
Materialstücke nicht gröſser sein, als daſs 30 oder 28 Stück ein
Schiffspfund betrugen.


Der Abfall vom Schmieden sollte nicht über ¼ des Ganzen
betragen, war aber oft mehr als ⅓ des Gewichtes der unbeschnittenen
Platten.


Die Sorten waren:


  • 1. Ordinäre Dachplatten, 2 Fuſs lang, 18 Zoll breit, von denen
    75 bis 80 ein Schiffspfund machten.
  • 2. Extraordinäre Platten, die einen Zoll weniger lang und breit
    waren und wovon 90 bis 95 auf ein Schiffspfund gingen.
  • 3. Schindelplatten von verschiedener Gröſse, meist 28 × 22 Zoll,
    30 auf ein Schiffspfund.
  • 4. Extrafeine Dachplatten, so groſs wie 1., aber so dünn, daſs
    90 bis 100 auf ein Schiffspfund gingen.
  • 5. Plattenschläger oder norwegische Platten, wie 1. oder 3., aber
    so dick, daſs 40 bis 45 ein Schiffspfund wogen.

Zur gröſseren Haltbarkeit auf den Dächern empfiehlt Rinman,
sie heiſs mit einem Firnis zu bestreichen, was dem üblichen Anstrich
auf dem Dache mit Leinöl und Kienruſs vorzuziehen sei. Die Dach-
bedeckung mit Eisenblech muſs damals in Schweden ziemlich viel im
Gebrauch gewesen sein. Unter dem, was für eine gute Blechschmiede
erforderlich ist, empfielt Rinman besonders einen Wärmofen und
eine Wasserschere, entweder nach Polhelms oder nach seinem Modell,
endlich ein kleines Walzwerk zum Auswalzen der geschmiedeten
Bleche. Hierzu bemerkt er: „Dachplatten können auch wohl mit
28*
[436]Eisen- und Stahlveredlung.
Walzwerken allein, ohne alles Schmieden bereitet werden, aber da
auſser einem sehr weichen walzbaren Eisen auch eine groſse, kostbare,
sehr stark gebaute, mit reichlichem Wasser versehene Betriebs-
einrichtung, nebst einem sehr thätigen, achtsamen Meister erfordert
wird, so dürften sie bei uns kaum eingeführt werden.“


Für verzinnte Bleche, die viel dünner waren, bedurfte man
noch eines weicheren und zäheren Eisens und nahm dazu nur solches,
welches dreimal im Herd niedergeschmolzen (zweimal aufgebrochen)
war. Wurden die Bleche geschmiedet, so nahm man ein Material-
eisen von 2 Zoll Dicke und ¾ Zoll Breite; wurden sie gewalzt, von
6 Zoll Breite und ⅝ Zoll Dicke.


Blechwalzwerke gab es zu Fagerwiek in Nyland, bei Skieskatle-
berg in Westmannland und zu Johannisfors in Upland.


Die gangbarste Sorte Weiſsblech war 13 auf 10 Zoll.


In Schweden waren am gebräuchlichsten:


  • 1. Ganzes Kreuzblech, die beste, gleichste und dickste Sorte,
    von welcher 1 Faſs zu 450 Blättern 1 Schiffspfund Stapelgewicht (160 kg)
    wog; sie wurden mit  bezeichnet.
  • 2. Halbes Kreuz, ½ , etwas dünner, 150 kg das Faſs. Hierauf
    weiter abnehmend:
  • 3. Senkler,
  • 4. Forder- (140 kg) und
  • 5. Netzelblech (130 kg),
  • 6. Verzinnter Ausschuſs,
  • 7. Schwarzer Ausschuſs und
  • 8. Unsortiertes verzinntes Blech.

Auf deutschen Blechhämmern wurden noch weiter Doppelkreuz-
oder Kronenblech I. P., Extrakreuz W X. Wf., ☉ Fr. u. s. w. sortiert.


In England sortierte man gewöhnlich nur einfaches, in Kisten zu
225 Blechen zu 140 engl. Pfund Gewicht und Doppelblech zu 100
Blätter in der Kiste von demselben Gewicht. Diese zeichneten sich
durch auſserordentliche Gleichmäſsigkeit aus, was seinen Grund darin
hatte, daſs das Blech gewalzt war. Auch waren sie besser verzinnt
und beschnitten. In der Länge übertrafen sie die schwedischen; ihr
Maſs war 14 Zoll Länge und 10 Zoll Breite.


In England galt es als eine Regel, daſs so viel Gewicht, als durch
das Beizen verloren ging, durch das Verzinnen wieder ersetzt wurde,
was eine sehr feine Verzinnung voraussetzt.


Während die Stab- und Materialhämmer Aufwerfhämmer
waren, so waren die Zain- oder Gebundhämmer, auch Knopper- oder
[437]Eisen- und Stahlveredlung.
Kneiphämmer (Knipphamare) genannt, meist Schwanzhämmer.
Dieselben waren nicht über 15 Liespfund (etwa 120 kg) schwer und
verschieden in der Konstruktion des Hammergerüstes. Fester Bau
und rascher Gang waren Haupterfordernisse. Letzterer wurde durch
den Umlauf des Wasserrades und die Zahl der Hebedaumen bedingt.
Die Daumen waren nicht in die Welle eingezapft, sondern auf einem
zweiteiligen guſseisernen Kranz, welcher mit viereckigen Löchern zum
Einsetzen der Stahlzähne versehen war, mit hölzernen Keilen auf-
gekeilt. Die Zähne gleich an den Kranz anzugieſsen, hatte sich
deshalb nicht bewährt, weil man die Zähne nicht auswechseln konnte;
wenn also einer fehlerhaft geworden war, gleich der ganze Ring
unbrauchbar wurde. Jeder Zainhammer, der schwerer als 7 Liespfund
(56 kg) war, muſste seine eigene Radwelle und sein eigenes Gestell
haben, während man von leichteren Hämmern wohl zwei mit einer
Welle treiben konnte, wobei man die beiden Hammergerüste zu einem
verbinden konnte. Das Rad eines gewöhnlichen Hammers lief 15 mal
in der Minute um, und da der Zahnkranz zwölf Zähne hatte, so
machte der Hammer 180 Schläge in der Minute.


Es war allgemeine Regel, daſs man durch den schnellen starken
Gang des leichteren Hammers dieselbe Wirkung hervorzubringen
suchte, der sonst mit einem schwereren Hammer bei langsamem
Umtrieb hervorgebracht werden konnte1). Durch häufige und leichte
Hammerschläge wird das Eisen oder Stahl immer dichter und fester
und die Schmiedearbeit reiner und schöner, als unter einem schweren
Hammer, dessen Schlag häufig Undichtigkeiten und Risse hervor-
bringt. Es ist deshalb sehr wichtig, daſs die Schwere des Hammers
der auszuführenden Arbeit angemessen sei. Doch lassen sich darüber
nur ganz allgemeine Regeln geben. Für gemeines Bolzen- und
Gebundeisen, Brennstahl von ½ Zoll Quadrat waren Hämmer von
13 bis 15 Liespfund (104 bis 120 kg) am besten, für Gärbstahl durfte
er nicht schwerer als 10 Liespfund (80 kg) sein, weil der Stahl bei
schweren, langsamen Schlägen nicht so gut geschweiſst werden kann,
als bei schnellerem und leichterem Hammergange. Zum Schmieden
von Sicheln, Sägeblättern, Klingen und ähnlicher Ware sollte der
Hammer nicht schwerer als 7 bis 8 Liespfund (etwa 60 kg) sein, wenn
er nur ein starkes Getriebe hatte.


Auſser dem Bau des Hammers war eine weitere Hauptsache, daſs
die Hammerbahn gut verstählt und glatt geschliffen war, wodurch die
[438]Eisen- und Stahlveredlung.
Arbeit ein schöneres Ansehen erhielt; und damit der Amboſs gut unter
dem Hammer stand, war es nötig, ihn mit Keilen in einer groſsen
Amboſsschale (Chabotte — städ skål) von Guſseisen zu befestigen.
Gut gegossene, gehärtete Ambosse galten als die besten.


In Deutschland befand sich der Zain- (Zähn-, Zehnt-) hammer
entweder in oder an der Stabhammerhütte, oder er stand zuweilen
in einem besonderen Gebäude bei der Hütte oder, was aber unwirt-
schaftlich war, von derselben entfernt. Bei einer gemeinen Zain-
schmiede wurde meist Krauseisen zu Nagel- und Kleinschmiedearbeit
gemacht. Kraus- oder Knoppereisen hieſs dasſelbe, weil es Knöpfe
und Einkerbungen hatte. Man nahm zu demselben gern fehler-
haftes Stabeisen, welches auf diese Art verwertet wurde. Das auf
dem Stabhammer angefertigte Prügel- oder Zainbengeleisen wurde
dem Zainschmied zugeworfen, der daraus ein gewisses Gewicht Kraus-
eisen zu schmieden hatte. Dies geschah nach dem Ausglühen unter
einem ½ bis 1 Centner schweren Zainhammer, und zwar führte der
Schmied den Stab der Quere nach und rückte ihn nach jedem Schlage
voran, wodurch er die Kerben und Beulen bekommt. Die Stäbe werden
rund oder kantig geschmiedet, meist 8 bis 10 Fuſs lang. Der Abgang
betrug am Harz 3 bis 4 Prozent. In einer wohl eingerichteten Zain-
schmiede machte man auch Drahteisen, Platinen- und Modelleisen.


Ursprünglich, und so lange man nur Holzkohlen als Brennmaterial
in den Reckherden verwendete, waren die Zainhämmer mit den Frisch-
hämmern verbunden. Nachdem man aber gelernt hatte, das Eisen
in den Reckherden mit Steinkohlen auszuheizen, wurden die Reck-
schmieden unabhängig von den Frischhütten und siedelten sich in
dem Steinkohlengebiet selbst an. Dies war in Deutschland besonders
in der Grafschaft Mark der Fall. Die Steinkohlen erforderten ein
schärferes Gebläse, gaben dann aber auch eine rasche und heftige
Hitze. Es war aber eine Kunst, das Reckfeuer richtig zu führen,
weil das Eisen in der Weiſsglut die Steinkohlen nicht berühren durfte.
Man nahm deshalb fette Kohlen, welche, mit Wasser angefeuchtet,
im Feuer zusammenbackten und ein Gewölbe bildeten, dessen innerer
Raum ausbrannte, während die Umhüllung die Hitze in dem Gewölbe
zusammenhielt. In dieses glühende Gewölbe wurden die Eisenstücke
so nebeneinander gelegt, daſs der Wind darunter herstrich, ohne sie
abzukühlen und das Eisen glühend wurde, ohne von den Kohlen
unmittelbar berührt zu werden. Die Beobachtung des Feuers besorgte
der Schmiedeknecht, während der Meister, auf seinem Hängestuhl
sitzend, unter dem Hammer arbeitete. Bei dem Ausrecken des Stab-
[439]Eisen- und Stahlveredlung.
eisens in Bandeisen machte der Hammer zehn Schläge in der Sekunde.
Für jede Rundeisensorte hatte man besondere Gesenke für Hammer
und Amboſs, die eingeschoben und verkeilt wurden. Alles geschmiedete
Eisen wurde, um es gerade zu machen, von einem dritten Arbeiter
auf dem Richtamboſs mit der Hand gerichtet. Von grobem Band
konnte man in einem Feuer 2000 kg in der Woche zu 1750 kg aus-
schmieden. Ein gut gehender Hammer verschmiedete 60000 kg im
Jahre. Die Kosten beliefen sich auf 12000 Mark, der Gewinn auf
10 Prozent, also 1200 Mark.


In Schweden wurde das Gebundeisen entweder direkt aus den
Stäben, wie sie vom Stabhammer kamen, ausgeschmiedet oder diese
wurden nach Polhems Erfindung erst mit einer starken Schere
in schmale Ruten geschnitten und diese unter dem Zainhammer
geglättet. — Man schmiedete Vierkant- und Flacheisen. Ersteres
gewöhnlich ½ Zoll im Quadrat und 8 Ellen lang, letzteres 1 bis
1¼ Zoll breit, ¼ bis 1/16 Zoll dick und 7 Ellen lang; aber auch
dicker oder dünner in den Grenzen, wie es einerseits sich nicht mehr
gut unter dem Stabhammer schmieden lieſs, anderseits man seine Kanten
noch abrunden konnte. Bei einigermaſsen gutem Gange schmiedeten
zwei Schmiede von den gebräuchlichen Sorten im Jahre ungefähr
200 Schiffspfund (32000 kg); von dem unter der Polhemschen Schere
geschnittenen Eisen, welches unter dem Zainhammer nur geglättet
wurde, dagegen 600 Schiffspfund (96000 kg). Letztere Sorte ging viel
nach Deutschland in Gebunden von 80 kg. In Schweden wurde es
zu Nageleisen und Kleinschmiedearbeiten verwendet.


Das Bolzeneisen, welches namentlich beim Schiffsbau verwendet
wurde, war achtkantig, sechskantig und rund. Das achtkantige war
das gemeinste und wurde in sieben Nummern von ⅝ bis 1⅜ Zoll im
Durchmesser geliefert, von welchen die feineren Nummern 1 bis 4
nur unter dem Zainhammer geschmiedet werden konnten. Es gehörte
ein gutes Stangeneisen dazu, um gerade, scharfe Kanten zu bekommen.


Das runde Bolzeneisen wurde entweder auf dem Glätteamboſs
oder in der Senke geschmiedet, wovon die eine halbe Rundung im
Amboſs, die andere im Hammer saſs, wodurch dasſelbe sehr gleich-
mäſsig, glatt und schön wurde. Sechskanteisen wurde so gemacht,
daſs man die Stäbe erst schief vierkantig schmiedete und alsdann die
spitzen Ecken niederschlug.


Bandeisen von solcher Breite und Dünne, daſs es nicht mehr
unter dem Hammer quer gekantet werden konnte, sondern nur nach
Breite und Länge ausgereckt wurde, diente zu Faſsreifen und Fastage
[440]Eisen- und Stahlveredlung.
und wurde diese Art Bandeisen vorzugsweise in Holland und Deutsch-
land gesucht, weil es zäher und fester war als das gewalzte Bandeisen.
Sorten waren:


  • 1. Lagerbänder, 5½ bis 6 Ellen lang, 1½ Zoll breit, 8 Skål-
    pfund jedes Stück.
  • 2. Halbe Lagerbänder, 3½ bis 3¾ Ellen lang, 1⅛ Zoll breit,
    5 Skålpfund jedes Stück.
  • 3. Kistenbänder, 4 bis 4¾ Ellen lang, ⅞ Zoll breit, 2 Skål-
    pfund jedes Stück.
  • 4. Mundpfeifen, 5 bis 5½ Ellen lang, ⅞ Zoll breit, 2½ Skål-
    pfund jedes Stück.
  • 5. Spanische Mundpfeifen, 4 bis 4½ Ellen lang, 1 Zoll breit,
    3½ Skålpfund jedes Stück.

Ferner wurden unter den Zain- oder Gebundhämmern viele Sorten
Materialeisen und Stahl vorgeschmiedet, besonders für Drahtziehereien,
Sägeblätter, Sicheln, Sensen, Klingen, Hespen, Hufeisen, Äxte, Schaufeln,
Spaten, allerhand Ackergerät u. s. w., welches dann teils mit der Hand,
teils mit Maschinen weiter verarbeitet wurde. Dies besorgte in der
Regel der betreffende Schmied selbst. Rinman empfiehlt aber dieses
Verschmieden des Materialeisens zu einer selbständigen Arbeit zu
machen, wie dies bei den besseren Einrichtungen im Auslande geschehe.
Hierfür ist nötig: 1. daſs die eisernen Modelle tadellos sind und
muſs das Gewicht derselben bis auf das Lot bemerkt werden; 2. daſs
an Material nicht mehr Eisen genommen wird als nach dem vor-
bestimmten Gewicht und Maſs erforderlich ist, welches Augenmaſs
und Übung des Meisters beurteilen muſs; 3. daſs die Arbeit unter
dem Zainhammer so sauber und so weit fertig wie möglich geschmiedet
wird, und daſs dafür 4. Hammer und Amboſs in Form und Schwere
genau dem Artikel angemessen sein müssen; 5. daſs alle erforderlichen
Hilfswerkzeuge vorhanden sind.


Ehe wir auf die feinere Formgebung eingehen, wollen wir kurz
die Rohstahl-, Gärbstahl- und Brennstahlschmieden betrachten, in
welchen man dieselbe Art von Zainhämmern verwendete.


Der Rohstahl, wie er vom Stahlfeuer kam, war für die meisten
Zwecke noch nicht zu gebrauchen, und muſste erst durch Umschmieden
oder durch Gärben in ein brauchbares Material verwandelt werden.


Das Umschmieden des Rohstahls erfolgte in Westdeutschland
besonders in der Grafschaft Mark und dem Herzogtum Berg in den
Reckhämmern. Man unterschied: 1. die Bördenstahlhämmer, welche
den sogenannten Bördenstahl machten, woraus zu Altena der Stahl-
[441]Eisen- und Stahlveredlung.
draht verfertigt wurde. 2. Stahlhämmer für den auswärtigen Handel,
welche vielerlei Stahlgattungen und Dimensionen, wie es der Handel
mit dem Auslande verlangte, lieferten. Auf diese wurden Zeichen
geschlagen, und zwar für bestimmte Länder auch bestimmte Zeichen,
so z. B. zwei S mit + darüber und = darunter auf den vierkantigen
Stahl, der unter dem Namen Acier d’Hongrie nach Brabant und
Frankreich ging. Name und Zeichen waren Nachahmungen, bezw.
Fälschungen des steierischen und kärntnerischen Stahls. Sonst waren
die gewöhnlichsten Zeichen für Frankreich Hirschkopf und Einhorn1).
3. Stahlhämmer für den inländischen Gebrauch, die besonders Sensen-,
Sägen-, Feilen-, Klingen-, Messer-, Federstahl u. s. w. verfertigten.
Eine besonders gute Sorte Messerstahl hieſs Krampstahl. Er ging
meist nach England unter dem Namen Butcher-Steel und wurde
hauptsächlich für Tisch- und Schlachtmesser gebraucht. Es war ein
sorgfältig bereiteter Gärbstahl.


Das Gärben geschah entweder im Stahlfeuer selbst oder in
besonderen Gärbstahlherden von besonderen Schmieden. Letzteres
war besser, auch schon deshalb, weil das Gärben rascher ging als das
Stahlmachen, so daſs, was in 18 Stunden an Stahl gefrischt wurde,
in 10 Stunden gegärbt werden konnte. Deshalb kann ein Gärbherd
mit drei Arbeitern zwei Schmelzherde bedienen. Die oben unter 2.
und 3. angeführten märkischen Stahlhämmer waren Gärbstahlhämmer.
Ebenso wie der Rohstahl wurde der Cementstahl teils blos aus-
geschmiedet, teils gegärbt. Durch das Ausschmieden erhielt der
Cementstahl erst sein Korn. Die gewöhnliche Sorte von ½ bis ⅝ Zoll
Quadrat hieſs in Schweden Bunkstahl. Davon konnte ein Meister mit
seinem Gesellen den Tag 5 bis 6 Centner fertig machen. Für diese
grobe Sorte muſste der Hammer 13 bis 14 Liespfund (etwa 110 kg)
schwer sein; für feinere Sorten aber muſste man einen um die Hälfte
leichteren Hammer haben, wenn der Stahl nicht Risse und Borsten
erhalten sollte. Da zum Ausschmieden des Cementstahls Weiſsglut-
hitze genügt, so empfiehlt Rinman dasselbe in einem Flammofen (Glüh-
ofen) vorzunehmen; vielleicht in Verbindung mit einem Blechhammer.


Nägel, so weit sie nicht aus der Faust geschmiedet wurden,
schmiedete man unter kleinen Wasserhämmern, welche den Zain-
hämmern entsprachen. Letzteres war in Schweden das gangbarste
Verfahren und hatte den Vorteil gröſserer Produktion und besserer
[442]Eisen- und Stahlveredlung.
Ausnutzung der Arbeitskraft, da die Arbeit für den Schmied leichter
war; auch konnte man gröberes Materialeisen verwenden und die
Nägel wurden gleichmäſsiger und glätter wie bei den Handschmieden.
Besonders war das Schmieden unter dem Wasserhammer für grobe
Sorten, wie namentlich für Eck- und Schiffsnägel von 5 bis 13 Zoll
Länge geeignet, doch wurden auch noch zweizöllige spitze Lattennägel
so geschmiedet. Die Handschmiederei hatte folgende Vorteile: es
konnten mehrere Schmiede an einem Herd arbeiten, die Anlagekosten
waren gering und brauchte kein Wasserzins gezahlt zu werden, sie
konnte von den Bauern als Hausindustrie nebenher betrieben werden,
wodurch die Kosten für Löhne fortfielen.


Bei den Nagelhämmern war es von Vorteil, mehrere an einer
Radwelle anzulegen, und zwar so viele als die Wasserkraft und die
Festigkeit des Gebäudes es erlaubten. Vier Hämmer, an denen drei
Schmiede mit einem Herd arbeiteten, wie dies zu Billingsforss in
Wärmeland und an anderen Orten eingerichtet war, hält Rinman
für am besten. Er empfiehlt das schwere hölzerne Hammergerüst
durch eines von Guſseisen ersetzt, welches dauerhafter und bequemer
wäre. Die schweren Nagelhämmer sollten 12 bis 16 kg, die leichten
nur 8 kg wiegen. Ganz groſse Nägel von 8 bis 18 Zoll wurden unter
Hämmern von 60 kg Gewicht geschlagen, ein solcher Hammer muſste
aber schon seine besondere Welle haben. Die Nagelhämmer muſsten bei
mittlerer Geschwindigkeit 300 Schläge in der Minute machen. Danach
und nach der Umlaufzeit des Rades richtete sich die Zahl der Zähne am
Wellkranz. Daſs Hammer und Amboſs wohl verstählt und glatt sein
muſsten, ist selbstverständlich. Man richtete die Nagelhämmer mit
Reitel- oder mit Prellhammer ein. Waren mehrere Hämmer mit einer
Welle verbunden, so muſsten die Kammen in solcher Ordnung ein-
gesetzt werden, daſs die Hämmer nicht zugleich, sondern nacheinander
gehoben wurden, wie Pochstempel. Das Verhältnis zwischen Helm-
länge und Schwanzlänge richtete sich nach dem Gewicht des Hammers.
Bei Nagelhämmern mit Prellhämmern, bei denen der Durchmesser
des Wellrings 3¼ bis 3½ Fuſs betrug und 16 bis 18 Kammen hatte,
wählte man folgende Längen:


Für viele Nagelsorten, bei denen es mehr auf den billigen Preis,
als auf Güte ankam, konnte man kaltbrüchiges Eisen verwenden.
[443]Eisen- und Stahlveredlung.
Rotbrüchiges Eisen war aber dafür unbrauchbar. Um das Nagel-
eisen herzustellen, wurde es entweder auf Zainhämmern ausgereckt,
was am teuersten war, oder aus Flachstäben mit der Polhemschen
Schere dreimal der Länge nach geschnitten, oder in einem Eisen-
schneidewerk, wo es gewalzt und zwischen Scheibenmessern zerteilt
wurde, angefertigt. Wo die Anlage einer solchen Eisenspalterei zu
teuer erschien, genügte es, bloſs Schneidewalzen anzulegen und vor-
geschmiedete Flachstäbe darin zu spalten.


Die Menge der im Handel vorkommenden Nagelsorten war sehr
groſs.


Die wichtigsten schwedischen Sorten waren: 1. Eichnägel (Ekspik),
quadratisch, dick. 2. Brettnägel (Furnspik), dreieckig, platt. 3. Boot-
nägel (Båtspik), viereckig, noch platter. Diese Sorten wurden nach
Längen in Zollen bestellt. Die folgenden Sorten hatten gebräuchliche
Längen: 4. Einbrett, waren Brettnägel von 3¼ Zoll Länge. 5. Zwei-
brett, von 4½ Zoll Länge. 6. Einfache Lattennägel, waren Bootnägel
von 3 Zoll Länge. 7. Doppelte Lattennägel, von 4 Zoll Länge und
8. Herrennägel, von 5 Zoll Länge. Diese Nägel wurden auch nach
Norwegen und Deutschland ausgeführt. Ein Übelstand der schwedischen
Nägel war das schwankende Gewicht, deshalb wurde durch eine
königliche Verordnung von 1683 für die Nagelschmiede die Gewichte
der 1- bis 12zölligen Nägel von 1000 Stück vorgeschrieben. Die
Bestimmungen dieser Verordnung wurden aber zu Rinmans Zeit nur
noch wenig befolgt, weshalb er selbst neue Gewichtstabellen in
Vorschlag brachte.


In den übrigen Ländern wurden die Nägel meistens mit der Hand
aus Schmiedeeisen geschmiedet. Auſser Schweden und Norwegen lieferten
Ruſsland, Holland, England und Deutschland, besonders Steiermark,
Kärnten und Krain die meisten Nägel. Krain allein sandte jährlich
an 10000 Ctr. Nägel in alle Gegenden der österreichischen Monarchie,
sowie auch über Graz nach Kroatien, Italien, Türkei u. s. w. Kärnten
lieferte verschiedene Sorten in groſser Menge, welche über Triest nach
Italien, Spanien, Portugal, sogar nach Indien gingen. In St. Veith
war die Hauptniederlage von Kärntner Nägeln, welche nach Italien
ausgeführt wurden, von wo aus sie weiter verführt wurden. Für
diejenigen Sorten, welche nach Böhmen, Mähren und Österreich gehen
sollten, befand sich zu Wien eine Hauptniederlage und in verschiedenen
Städten der Monarchie Nebenniederlagen.


In Frankreich blüte die Nagelindustrie besonders zu Charleville,
in der Champagne, welche nach allen Gegenden Frankreichs Nägel
[444]Eisen- und Stahlveredlung.
vertrieb, zu St. Dizier, zu Valenciennes u. s. w. Namentlich wurden viele
kleine Nägel dort gemacht, welche nach Körben, Sommes, zu 12000 Stück
gehandelt wurden. Im Detailhandel kaufte man sie pfundweise, mit
Ausnahme der Zwecken-, Schiefer- und Lattennägel. Alle Nägel, von
denen das Tausend 4 Unzen bis 2 Pfund wogen, wurden Broquettes
genannt. Sie wogen ¼ ½, ¾, 1, 1¼, 1½, 1¾ und 2 Pfund. Die
kleinsten Broquettes brauchten die Tapezierer, Sattler und Stellmacher
zum Beschlagen feiner Arbeiten. Die von 5/4 bis 7/4 Pfund waren für
jedermanns Gebrauch. Die zweipfündigen gebrauchten die Tapezierer
und Schlosser. Dachdecker- und Maurernägel hatten glatte Köpfe
und hieſsen auch Mundnägel, weil sie die Arbeiter vor dem Einschlagen
mit den Lippen festzuhalten pflegten. Man unterschied Schiefernägel
(clous à ardoises) und Lattennägel (clous à lattes), von den ersteren
wog das Tausend 2, 2½ oder 3 Pfund, von den letzteren 4 und
4½ Pfund. Diese waren länger, weil man sie zum Aufnageln von
Latten auf Holz verwendete.


Schindelnägel (clous à bardeaux — engl. clasp nails) dienten für
Sattler, Schlosser, Tischler, Täschner, Stellmacher u. s. w. Sie hatten
runde Köpfe und wurden auch nach Sommes verkauft.


Fuſsbodennägel hatten lange Köpfe, um gut in das Holz zu fahren
und nicht hervorzustehen. Sie wogen 10, 15, 20, 28 oder 35 Pfund
das Tausend und wurden nur von den Schreinern gebraucht.


Hakennägel, davon wurden die leichteren nach dem Gewicht von
1000 Stück in 6-, 8- und 10pfündige unterschieden, die schwereren
wurden nach dem Hundert verkauft (clous à crochet au cent); noch
schwerere hieſsen clous de cinquante, und wogen 1000 Stück über
50 Pfund. Zu den letzteren gehörten die mit platten Haken, welche
man Taubenschlagnägel nannte.


Schlossernägel und gemeine Nägel, welche nach dem Gewicht
gehandelt wurden, waren ebenso lang, aber schwerer als die von
derselben Qualität, welche man leichte Nägel nannte. Die gemeinen
von dieser Gattung waren doppelt so schwer, die Schlossernägel noch
schwerer. Schloſsnägel hatten spitze Köpfe, „wie ein geschliffener
Diamant“. Von Schuhnägeln und Zwecken (clous à trois têtes) gab
es viele Sorten, welche teils nach Sommes, teils nach der Zahl verkauft
wurden. Die ersteren hatten 2, 2½, 3, 3½ bis 4 Pfund pro Tausend
im Gewicht. Die ersten zwei Sorten rechnete man unter die leichten,
die übrigen unter die schweren Nägel. Die zählbaren unterschied
man noch in zweiköpfige Schuhnägel und in solche mit spitzen
Köpfen. — Von den Nägeln ohne Köpfe unterschied man leichte und
[445]Eisen- und Stahlveredlung.
schwere. Die ersteren von 3 und 3½ Pfund wurden nach Sommes
(à 12000 Stück), die von 4 und 5 Pfund das Tausend nach Hundert
verkauft.


Die Blasebalgnägel hatten besonders breite Köpfe; die Nietnägel
(clous à river) keine Spitzen. Zweispitzige Nägel mit ganz breiten
Köpfen von einem Zoll Durchmesser dienten zum Beschlagen der
Wagenthüren. Die Hufnägel hatten erhabene Köpfe, welche auf
beiden Seiten flach waren, damit sie in den Falz des Hufeisens paſsten.
Man unterschied französische, englische und deutsche. Die französischen
Hufnägel wurden fast alle in der Normandie, in der Gegend von
Breteuil verfertigt und wogen das Tausend 14, 16, 18, 20, 22 und
24 Pfund. Auch zu Tinchebray, unweit Falaise, befand sich eine
Fabrik für Hufnägel. Vormals bezog Paris und der gröſste Teil von
Frankreich die Hufnägel aus dem Limousin.


Schienennägel (clous à bande ou à tête rabadue) wurden in
Frankreich nur in der Champagne und St. Dizier in Menge verfertigt.
Sie dienen besonders zum Anschlagen der eisernen Bänder und der
Radschienen. Sie wurden nach Tausenden gehandelt. Die kleinsten
wogen 7 Pfund, die schwereren 8, 9, 10, 11 und 12 Pfund. Wenn
sie noch schwerer waren, wurden sie nach dem Gewicht verkauft und
hieſsen clous à poids. Nur in Charleville wurden alle Arten von
Nägel gemacht. Zu Tinchebray in der Normandie wurden nur fünf
Sorten Kleinnägel oder Zwecken gemacht, nämlich ¼-, ¾-, 1-,
1½ pfündige. Sie wurden in Säcken oder Beutel zu 60 Pfund oder
10000 Stück gehandelt. Die feinen Nägel der Champagne waren aber
besser als die der Normandie. Vorzügliche kleine Nägel wurden um
Troyes geschmiedet und die von St. Dizier waren auch gut. Die
besten Gattungen feiner Nägel und Zwecken lieferte aber die Provinz
Forez, sie waren aber auch teurer als alle anderen.


In Holland war ein auſserordentlich starker Handel mit Nägeln,
die fast alle in dem Gebiet von Lüttich fabriziert wurden. Das
Tausend wog 10, 12, 14, 16, 24, 30, 36, 50, 58, 60 bis 68 Pfund; die
hundert Pfund kosteten 10 bis 12 Gulden holländisch. Die Lütticher
Nägel wurden von Handschmieden aus ganz sprödem, kaltbrüchigem
Eisen gemacht. Da dieses und die Steinkohlen sehr billig waren, die
Lebensmittel wenig kosteten und die Arbeit von Bauern im Hause
betrieben wurde, so stellten sich die Preise dieser Nägel sehr niedrig.
Alle Sorten hatten einen platten Schlag auf dem Kopf, was nur mit
dem Handhammer zu machen ist, ein Teil hatte platte fünfschlägige,
ein anderer hohe vierschlägige Köpfe.


[446]Eisen- und Stahlveredlung.

Die deutschen Nägel waren aus zähem Eisen und, da dieses
Material kostbarer war, alle sehr leicht geschmiedet, so daſs z. B.
von den dreizölligen 25000 Stück auf ein Schiffspfund (160 kg) gingen.
Es gab eine Unmasse Sorten sowohl schwarze als weiſse (verzinnte)
Nägel. Die Nagler, welche in Grob- und Kleinnagelschmiede geteilt
wurden und von denen man auſserdem Schwarz- und Weiſsnagel-
schmiede unterschied, hatten ein geschenktes Handwerk.


Man verkaufte die Nägel in Dutzenden, halben und ganzen
Schock, halben und ganzen Hunderten und Tausenden. Die Nagel-
schmiede in Preuſsen muſsten einheimisches Eisen verarbeiten, nur für
die Schiffsnägel durften sie schwedisches Eisen nehmen. Berühmte
Nagelschmieden waren zu Roda im Hennebergischen und zu Silbach
in Westfalen.


In Norwegen waren groſse Nagelfabriken auf dem Eisenwerk zu
Moſs; die Edsvolder Schiffsnägel waren durch ihre Güte berühmt.
Man machte sie von 3 bis 10 Zoll Länge, etwas flach mit einem vier-
seitigen Kopf. Bei einem Zainhammer konnten von den 8- bis
10zölligen Schiffsnägeln in einer Woche 3 Schiffspfund (480 kg), von
den 7zölligen 4000 und von den 6zölligen 5000 Stück verfertigt
werden; von letzteren gingen 2000 Stück auf 1 Schiffspfund. Zu
Edsvold wurden sechs Schwanzhämmer von einer Welle bewegt. Die
Hauptniederlage war zu Christiania.


Die meisten Nägel für den Handel im Inneren des russischen
Reiches wurden von den Schmieden in einigen Distrikten an der
Wolga gemacht, wozu sie meist geschnittenes Eisen aus Sibirien
nahmen. Auch gab es in den Gebieten von Archangel, Olonetz, Wologda,
Wiätka, Kastroma und in mehreren Gegenden Sibiriens ebenfalls
Bauern, welche Nägel schmiedeten. Bei Narwa befand sich eine
Nagelfabrik.


In Italien lieferten Brescia im Venetianischen und Torre del
Cinquale sehr viele Nägel von allerhand Arten. Auch wurde in allen
Seestädten Italiens und anderer Länder mit Schiffsnägeln ein starker
Handel getrieben.


England verführte eine ungeheure Menge vortrefflicher Nägel,
welche meist mit der Hand geschmiedet wurden, teils aus gutem
russischen Eisen, teils aus kaltbrüchigem, einheimischem. Das Centrum
der Nagelfabrikation war Birmingham, doch waren die Nagelschmiede
meistens in der Umgegend, namentlich in Wallsall und Wolverhampton
ansässig. Die Nägel wurden nach 100 Stück verkauft und als 2, 3,
4, 6, 8, 10 und 12 Pennynägel bezeichnet, weil je das Hundert
[447]Eisen- und Stahlveredlung.
entsprechend viel kostete. Auch die übrigen kleinen Sorten Bellow-
Lath-, Tack-, Hob-Nail etc. wurden nach dem Hundert verkauft, die
gröberen, wie Kastennägel und 5 zöllige und doppelte Wassernägel,
nach dem Pfund. Zu Tipton in Staffordshire wurden kleine Nägel
gemacht, von denen 1200 Stück nur 2 Unzen wogen. Die Zahl der
Sorten war auch hier eine auſserordentlich groſse. Sie gingen massen-
haft nach Nordamerika, Ost- und Westindien, Spanien und Portugal.
In England fabrizierte man gegen Ende des Jahrhunderts auch
gegossene und Maschinennägel. Für erstere hatte Joseph Ashton
1771 ein Patent erhalten.


Der Guſs eiserner Nägel wurde 1785 bereits im groſsen betrieben1).
Die so bereiteten Nägel hatten groſse Köpfe und kleine Stifte und
dienten zu Beschlägen, besonders Sargbeschlägen. Das Eisen wurde
in Tiegeln geschmolzen, die Form in einem zweiteiligen Kasten von
3 Fuſs Länge, 1½ Fuſs Breite und 4 bis 5 Zoll Tiefe hergestellt.
Das Modell war von Kupfer und enthielt reihenweise geordnet je
sechs Nagelköpfe in der Breite und zehn in der Länge. Die Köpfe
waren durch schmale Rinnen untereinander und mit dem Einlauf
verbunden; sie waren auf der einen Seite konvex, auf der anderen
konkav. Das Einformen des Oberkastens geschah auf einem Aufstampf-
brett; dann wurde der Unterkasten aufgesetzt und die andere Seite
der Nägelköpfe geformt. Auf diese Weise wurden die Köpfe geformt.
Um die Spitzen daran zu formen, hatte man kleine Handmodelle von
Kupferblech, welche genau auf die Sandknöpfe paſsten. In jeder
Aushöhlung für die Köpfe war in der Mitte ein kleines viereckiges
Loch, durch welches man mit einer Spitze von bestimmter Stärke und
Länge durchstieſs und dadurch den Hohlraum für den Nagel bildete;
eine leichte Arbeit, welche von Kindern verrichtet wurde. Nunmehr
wurden die beiden Formkasten aufeinander gesetzt und zusammen-
geschlossen. Nach dem Gieſsen wurden sie aufgeschlagen, die Nägel,
die alle mit den Köpfen zusammenhingen, herausgenommen, aus-
einander gebrochen und die guten Nägel, welche aber noch sehr spröde
waren, getempert2). Nach der Patentbeschreibung sollten die Nägel
zwölf Stunden in einem Kohlen- oder Koksfeuer erhitzt werden.


Thomas Clifford machte Nägel mit Maschinen, worauf er am
17. Juli 1790 ein Patent erhielt3). Er benutzte Walzen, welche wie
[448]Eisen- und Stahlveredlung.
Stempel wirkten. Das Eisen wurde erst auf die genaue Stärke aus-
gezogen oder gewalzt. Alsdann wurde das Eisen warm gemacht und
heiſs durch ein Paar Stahlwalzen gehen lassen, in welchen die Nagel-
form vertieft auf jeder Walze zur Hälfte eingegraben war, und welche
der Länge eines oder mehrerer Nägel entsprachen. Auf diese Weise
wird eine fortlaufende Kette von Nägeln erzeugt, wobei immer die
Spitze des einen an dem Kopf des anderen hing. Diese Verbindungs-
stellen wurden dann leicht getrennt. Statt der Walzen konnten auch
Stempel mit Gesenken dienen. Obgleich die Handnagelschmiede der
Einführung der Nagelmaschinen den energischsten Widerstand entgegen-
setzten, so fand diese Art der Fabrikation bald Verbreitung, nament-
lich auch in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, wo zu Anfang
dieses Jahrhunderts bereits ⅔ des unter den Walzwerken verarbeiteten
Eisens für diese Nagelfabrikation Verwendung fand.


William Finch erhielt 1790 ein Patent für einen Nagelhammer,
mit Wasserkraft oder Dampf zu betreiben, der aber sonst nichts
bemerkenswertes zeigt.


Wichtiger war das Patent von Samuel Guppy vom 19. August
1796. Dasselbe bezog sich auf zwei verschiedene Maschinen, die eine
zum Schmieden, die andere zum Anköpfen der Nägel; beide arbeiteten
nach dem Rotationsprinzip. In der Schmiedemaschine lief eine Walze,
an deren entgegengesetzten Enden, in der Richtung ihrer Längenachse,
zwei Stempel oder Schmiedemesser (dies or cutters) befestigt waren.
Eine Schiebeplatte mit einem zweiten Stempel glitt gegen die Stirn-
seite der Walze, und bewegte sich in solcher Weise, daſs mit der
Umdrehung der Walze der Stempel mit beiden Schneidemessern
korrespondierte, welche abwechselnd von den Enden eines Flach- oder
Nageleisens jedesmal ein so groſses Stück abschnitten als einem Nagel
entsprach, in dem die beiden Abschneider zugleich in regelmäſsiger
Aufeinanderfolge den Kopf eines jeden Nagels von den entgegen-
gesetzten Seiten des Nageleisens bildeten. Der Anköpfapparat bestand
in einem Rade mit drei Hebetatzen, welche bei jeder Umdrehung drei
Hämmer aufwarfen, deren Schläge in ihrer Aufeinanderfolge die Nägel,
welche durch eine Kette vorwärts bewegt wurden, empfingen.


Die Walz- und Schneidewerke oder die Eisenspaltereien
hatten im Laufe des 18. Jahrhunderts eine immer gröſsere Anwendung
und Wichtigkeit erlangt, namentlich für die Herstellung von geschnittenem
Nageleisen. Hinsichtlich der Bauart unterscheidet Rinman


1. Einfache Walz- und Schneidewerke, bei welchen auf beiden
Seiten des Gebäudes je ein Wasserrad liegt, wodurch für das Trieb-
[449]Eisen- und Stahlveredlung.
werk der Walzen und Schneidescheiben nur zwei Stirnräder und zwei
Trillinge nötig sind. Die Walzen und Scheiben drehen sich ebenso
geschwind wie die Wasserräder, die man entsprechend schneller
laufen läſst.


2. Ein doppeltes Werk, welches man bei niederem Gefälle und
wenn die Räder nur auf eine Seite gelegt werden können, anlegt.
Hier befinden sich die beiden Räder auf derselben Seite und man
braucht für die doppelte Übersetzung vier Kronräder und vier Trillinge.
Infolgedessen gehen dann die Walzen und Scheiben doppelt so rasch
als die Wasserräder.


Man hat auch 3. Anlagen, die mit einem einzigen Wasserrad
mittels Triebrädern oder Krauswalzen gehen; diese hat man als halbe
Werke bezeichnet. Ferner kann man auch ein Walzwerk oder ein
Schneidewerk allein betreiben. Man kann dabei den Walzenstuhl so
einrichten, daſs die Walzen weggenommen und statt derselben ein
Schneidewerk eingelegt werden kann, so daſs man in demselben
Gestell das Eisen schneiden kann, welches vorher darin gewalzt
wurde, wobei freilich das Eisen erst wieder geglüht werden muſs, was
den Betrieb erschwert.


Über Walzwerke haben wir in einem besonderen Kapitel gesprochen.
Vieles dort Gesagte bezieht sich auch auf die Schneidewerke. Das
Gerüst, in welchem die Schneiderollen liefen, war im ganzen dem
Walzengerüste ähnlich; doch zeigte es auch manche Abweichungen.
Während man die Säulen des Gerüstes bei dem Walzwerk meist von
Schmiedeeisen machte, stellte man sie bei dem Schneidewerk, das
weniger Stöſse auszuhalten hatte, in der Regel von Guſseisen her.
Diese waren nicht rund, wie bei den Walzwerken, weil man keine
Schrauben zum Verstellen nötig hatte, da die Schneiderollen nicht
verstellt zu werden brauchten, sondern sie waren winkelig und bildeten
Rahmen, welche durch Zugstangen und einen sogenannten Deckring i i.
Fig. 117 (a. f. S.), verbunden waren. Fig. 118 u. Fig. 119 (a. f. S.) zeigen
einen solchen Rahmen b b, c c von der flachen und von der schmalen
Seite, welcher in den Schneideblock a eingelassen ist. Die Holzlager
zwischen den Rahmen werden durch Keile in ihrer Lage gehalten. Die
Schneiderolle, „das Gebinde“, ist zusammengesetzt aus gröſseren
Schneidescheiben, welche durch kleinere Zwischenscheiben voneinander
getrennt und im richtigen Abstand gehalten werden. Auſsen befinden
sich auf beiden Seiten Leitscheiben, welche zur Verstärkung durch
Auſsenscheiben gehalten werden. Das ganze „Gebinde“ wurde durch
vier durchgehende Schrauben zusammengehalten. Die Schneide-
Beck, Geschichte des Eisens. 29
[450]Eisen- und Stahlveredlung.
scheiben hatten bei gewöhnlichem Schneideeisen 14 Zoll Durchmesser.
Der äuſsere stark verstählte Umkreis derselben teilte das etwa ⅜ Zoll
dicke Flacheisen zwischen den Mittelscheiben in so breite Zaine, als
die Kanten der Scheibe dick waren. Dies betrug meist ⅝ Zoll, wenn
das 4⅜ Zoll breite Eisen in fünf Zaine geschnitten werden soll. Zur
richtigen Einführung befanden sich vor den Schneiderollen sogenannte
Gabelplatten, zwischen welchen der Stab eingesteckt wurde. Statt
der Befestigung der Schneide-, Zwischen- und Leitscheiben mit
Schrauben bediente man sich in späterer Zeit auch einer Befestigung
zwischen Scheiben, gegen welche sie festgekeilt wurden.


Figure 122. Fig. 117.

Figure 123. Fig. 118.

Figure 124. Fig. 119.

Man schnitt auf dem Schneidewerk feine Stäbe und Bandeisen
oder „Tubbenbänder“. Besonders beliebt war das geschnittene Eisen
für Nageleisen.


Wie groſs der Bedarf war, geht daraus hervor, daſs im Fürst-
bistum Lüttich an der Maas in einer Entfernung von drei bis vier
Meilen elf groſse teils einfache, teils doppelte Walz- und Schneide-
werke sich befanden, von denen jedes jährlich 2000 bis 3000 Schiffs-
pfund — im ganzen etwa 5000 Tons fabrizierte. Das meiste fand
Verwendung zur Nagelfabrikation. Bandeisen ging besonders nach
den Weinländern für Faſsreifen. Damals wurden in Cadix allein
jährlich 9000 bis 10000 Schiffspfund (1600 Tons) geschnittenes,
sogenanntes spanisches Bandeisen abgesetzt. Ein Schneidewerk mit
fünf Arbeitern lieferte in Schweden wöchentlich 10 bis 15 Tons
geschnittene Stäbe; Bandeisen, wovon das feine spanische bei 7 bis
8 Fuſs Länge 3 bis 4 Pfund wog, nur ungefähr 3200 kg.


[451]Eisen- und Stahlveredlung.

Die bekanntesten schwedischen Sorten waren1):


1. Geschnittenes Eisen, 5 bis 8 Fuſs lang, nach der Dicke unter-
schieden in:


  • a) 7 schneidiges, mit 7 Scheiben auf 7/16 Zoll im Quadrat
    geschnitten.
  • b) 9 schneidiges, mit 9 Scheiben, ½ Zoll breit und 5/16 Zoll
    dick geschnitten.
  • c) 11 schneidiges, mit 11 Scheiben, ⅜ Zoll im Quadrat
    geschnitten.
  • d) 13 schneidiges, mit 13 Scheiben, 5/16 Zoll breit und ¼ Zoll
    dick geschnitten.
  • e) 15 schneidiges, mit 15 bis 17 Scheiben, teils ¼ Zoll Quadrat,
    teils ¼ Zoll breit und 3/16 Zoll dick geschnitten.

Das gute geschnittene Eisen wurde mit drei Bändern so zusammen-
gebunden, daſs die Enden der Bänder längs des Bundes gelegt wurden,
während man bei kaltbrüchigem Eisen die Enden der Bänder so legte,
daſs eines aufwärts, das andere abwärts längs dem Bunde lag. Ein
solches Bund wog 1 Centner, bei sehr feinen Sorten ½ Centner.


2. Bandeisen, das seinen Hauptabsatz nach Spanien und Portugal
hatte und danach unterschieden wurde in Bandeisen


  • a) für Cadix, Alicante und Malaga, drei Sorten 8, 8½ und
    9 englische Fuſs lang, 1 Zoll breit und kaum ⅛ Zoll dick;
    wurden zu 81 Bändern in jedes Gebund, welches etwa
    125 kg wiegen muſste, gebunden;
  • b) für Lissabon, drei Sorten von denselben Maſsen, wovon
    54 Bänder zusammengebunden etwa 70 kg wiegen muſsten.
    Die einzelnen Sorten muſsten etwas feiner sein als die
    obigen;
  • c) für Oporto auch drei Sorten von 7, 7½ und 9 engl. Fuſs,
    1 Zoll breit und ⅛ Zoll dick; wurden ebenfalls in Bunde
    von 54 Bändern gebunden.
  • d) Französisches und schwedisches Bandeisen wurde etwas
    breiter und dicker gemacht, von 7 bis 8 Fuſs Länge, 1¼ Zoll
    breit, wobei jedes Band etwa 3 kg wog; ferner 1½ bis
    1⅝ Zoll breit, welch letztere Sorte aus feinem Voyage-
    eisen oder extraglatt von 1¼ bis 1½ Zoll Breite und
    ⅞ Zoll Dicke gewalzt wurde. Alle vorgenannten feineren
    Sorten muſsten aus geschnittenen Stangen gewalzt werden

29*
[452]Eisen- und Stahlveredlung.

Während beim Nageleisen Kaltbruch wenig schadete, durfte für
Bandeisen nur das weichste Eisen gewählt werden. Dies war auch
schon deshalb nötig, weil hartes Eisen die Walzen rasch angriff und
verdarb, infolgedessen dieselben immerwährend neu abgedreht werden
muſsten und rasch verschlissen. Aus diesem Grunde zog man in
England für diese Fabrikation das weichere russische Eisen vor.


Eine Kunst des Meisters bestand darin, das Materialeisen in der
gehörigen Länge abzuhauen, was nach dem Augenmaſs geschah.


Schneide- und Walzwerke bedurften groſser Kraft. Genügendes
Aufschlagewasser war deshalb Hauptbedingung für eine solche Anlage.
Auch waren guſseiserne Triebräder, statt der hölzernen, wie Rinman
solche auf der Graphütte in Nerike eingeführt hatte, sehr zu empfehlen.
Ebenso hatte sich für die Walzen Guſseisen am besten bewährt.
Geschmiedete Walzen, deren Oberflächen durch Einsatzhärtung oder
durch Aufschweiſsen verstählt waren, bewährten sich nicht, denn
einesteils waren sie teurer, anderseits, sobald sie Furchen bekamen,
was beim Walzen des Bandeisens nicht ausbleibt, nur schwer und
mit groſsem Zeitaufwand wieder in Stand zu setzen. Das Nachdrehen
der gegossenen Walzen war dagegen leicht und einfach. Es geschah
mit einem einfachen Drehstahl, ohne die Walzen auszuheben, im Walz-
gerüste selbst. Die beste Vorschrift über den Guſs harter Walzen
hatte Polhem gegeben. Rinman beklagt nur, daſs es wenige
geschickte Gieſser dafür in Schweden gäbe, indem die meisten den
Kanonenguſs gelernt hätten, zu dem man ein ganz gares Eisen
verwende, weshalb sie mit hartem Guſs, wie er für die Walzen nötig
sei, nicht umzugehen verständen. Wegen des Gusses einzelner Walzen
könne man die Beschickung des Hochofens nicht verändern und der
Walzenguſs aus Flammöfen hätte schlechte Resultate ergeben. Der
Guſs in eisernen Formen oder Koquillen sei mehrfach versucht worden,
biete aber auch groſse Schwierigkeiten wegen der Genauigkeit der
Herstellung der Form.


Diente das Schneidewerk nur für geschnittene Stäbe, so konnten
die Walzen mehrere hundert Schiffspfund (zu 160 kg) ausdauern, ohne
nachgedreht zu werden. Viel mehr litten sie, wenn feine geschnittene
Stäbe zu spanischen Bändern gewalzt wurden. Die Vorsicht des
Meisters konnte aber auch hierbei viel zur Schonung der Walzen
beitragen, und Rinman gelang es, auf einem Walzenpaar 100 Schiffs-
pfund spanisches Bandeisen zu walzen, ohne nachdrehen zu müssen.
Der Vorteil der Walzen gegenüber den Hämmern war sehr beträchtlich.
Die Kosten für Bandeisen betrugen unter dem Zainhammer fast
[453]Drahtzieherei. Nähnadelfabrikation.
9 Thaler, während sie sich bei dem Walzwerk auf nur 6 Thaler
stellten; und konnte man mit dem Walzwerk fünfmal so viel fertig
machen als unter dem Hammer. Dazu kam noch der Vorteil der
gröſseren Gleichmäſsigkeit der Ware.


Drahtzieherei. Nähnadelfabrikation.

Die Drahtzieherei war eine der wichtigsten Eisenveredelungen.
Zaineisen lieſs sich durch Ausziehen zu Draht leicht auf den vier-
bis zwanzigfachen Wert bringen. Obgleich in der zweiten Hälfte des
vorigen Jahrhunderts in manchen Gegenden Deutschlands, Frankreichs
und Schwedens das Ziehen des Drahtes mit der Hand in der
schwingenden Schaukel, wie wir es früher (Bd. I, S. 888). beschrieben
haben, noch im Gebrauch war, so hatten sich doch die Drahtmühlen,
d. h. die durch Wasserkraft bewegten Drahtzüge, überall Eingang ver-
schafft und fanden immer gröſsere Verbreitung. Polhem giebt in
seinem patriotischen Testament Nachrichten über die Drahtzieherei; in
den Descriptions des arts et métiers hat Duhamel du Monceau eine
Abhandlung darüber veröffentlicht1), und Rinman handelt darüber in
seiner Eisen- und Stahlveredelung2).


Weiches, zähes und festes Eisen, frei von Kaltbruch, ist für die
Drahtbereitung am besten. Auf die richtige Auswahl des Eisens
kommt viel an. In Deutschland verwendete man meistens das in
Zainhämmern geschmiedete Krauseisen. In anderen Gegenden ver-
wendete man Flacheisen, welches man mit dem Meiſsel in schmale
Stäbe spaltete, wie z. B. zu La Trappe in Frankreich, wo Flacheisen
von 21 bis 24 Linien Breite und 6 bis 7 Linien Dicke auf diese Weise
in drei Stäbe gespalten wurde3). In Schweden bediente man sich hierzu
statt des Handmeiſsels der durch Wasserkraft bewegten Polhemschen
Schere. Am häufigsten wurde aber um diese Zeit bereits Flacheisen
mit Scheibenmessern in den Eisenschneidewerken zu Drahteisen
geschnitten. Das geschnittene Eisen wurde dann nochmals über-
schmiedet und an den Kanten etwas abgerundet.


[454]Drahtzieherei. Nähnadelfabrikation.

Das auf Zainhämmern, die man in Frankreich „Allemanderies“
nannte, vorgeschmiedete Nageleisen war am besten, weil es die voll-
kommensten Sehnen hatte. Durch das Spalten wurden immer die
Sehnen teilweise durchschnitten. Nach Duhamel waren die Hämmer
der Allemanderies (Drahteisenschmiede) von Guſseisen und machten
bis 250 Schläge die Minute. Stahldraht fertigte man in Deutschland aus
Schweiſs-Gärbstahl. In Frankreich bediente man sich des „ungarischen“
Stahls; in Schweden wurde eigentlicher Stahldraht nicht gemacht.
Rinman empfiehlt gegärbten Brennstahl dafür, welchen man haupt-
sächlich in England verwendete; doch wurde in England auch bereits
Draht aus Guſsstahl gemacht1).


In den kleinen Osmundhämmern im Märkischen wurde das Material-
eisen zu Flachstäben, ¾ bis 1 Zoll breit, ¼ Zoll dick und 2 Ellen
lang ausgeschmiedet und dann mit der Hand in drei dünne Stangen
gespalten, die mit Handhämmern auf einem abgerundeten Amboſs
mit der Finne des Hammers ausgereckt wurden. Dieses Ausschmieden
mit der Hand trug gewiſs viel zur Güte des märkischen Drahtes bei,
kostete aber auch viel Arbeitslohn.


In Frankreich nahm man die Drahtknüppel, wie sie aus der
Frischschmiede kamen, heizte sie auf einem Ende 6 bis 8 Zoll aus

Figure 125. Fig. 120.


und schmiedete die-
ses unter dem klei-
nen Nagelhammer
(Fig. 120), indem
der Schmied das
Eisen fortwährend
und rasch drehte,
vor- und zurück-
schob, so daſs das
Eisen gleichmäſsig
gestreckt wurde.
Ein Drahtknüppel
(carillon) von einem
Fuſs Länge erhielt
auf diese Art eine
Länge von 6 bis 8
Fuſs. Dieses nannte
man Drahteisen (fer forgis). Ein guter Arbeiter konnte 2 Centner
davon ausschmieden, die gewöhnliche Tagesproduktion betrug aber
[455]Drahtzieherei. Nähnadelfabrikation.
nur 75 kg. Der Arbeiter saſs dabei auf dem beweglichen Brett M N,
mit dem er sich nach Bedürfnis vor- und zurückschieben konnte.
Das Brett hing hinten bei N an einem Ring, vorn an einem Strick O.
Die Rinne P giebt dem geschmiedeten Draht eine Führung und ver-
hindert das Krummbiegen. 108 Pfund Knüppel gaben 70 Pfund
Drahteisen.


In Schweden geschah das Ausrecken unter Nagelhämmern. Rinman
giebt folgende Vorschriften:


  • 1. Das Materialeisen soll zu 1⅜ Zoll glatt und ⅜ Zoll dick
    unter dem Stabhammer geschmiedet werden.
  • 2. Diese Flachstäbe sollen in 2⅓ bis 3 Ellen lange Stümpfe
    zerteilt und dann mit einem einfachen Schneidewerk (ohne vorheriges
    Walzen) in drei Stäbe — oder, wenn man das Materialeisen 2 bis
    2½ Zoll breit schmiedet, in fünf Stäbe — zerschnitten werden.
  • 3. Diese dünnen Stangen werden in einem Glühofen mit Holz-
    feuer ausgeführt und alsdann
  • 4. unter einem Nagelhammer zur gehörigen Feinheit ausgereckt,
    wobei der Gang des Hammers so schnell wie möglich sein muſs.

Draht, der gröber als ¼ Zoll sein soll, könne man aus geschnittenem
Draht in Gesenken ausschmieden, oder man könne ihn, nach einem
von Rinman schon im Jahre 1748 gemachten Vorschlag, direkt aus-
walzen. — Auch Duhamel sagt, daſs man da, wo man ein Schneide-
werk habe, man die geschnittenen Stäbe, um sie rund zu machen
durch Walzen gehen lieſse, welche Furchen (cannelures) von gleicher
Tiefe hätten, die aufeinander paſsten und das Profil des zu walzenden
Eisens ergäben. Wenn sie, nachdem sie zwei Kaliber passiert hatten,
noch nicht rund waren, lieſs man sie durch ein drittes gehen. Immer
blieb ein Grat oder Bart (bavure), weil die Walzen nicht fest auf-
einander schloſsen. Duhamel hatte aber diese Fabrikation nie
gesehen und kannte sie nur von Hörensagen.


Zu Kleinboden in Tirol wurde (1774) das Drahteisen auf von
Eisen gegossenen Amboſsen und Hämmern mit geschliffenen Bahnen
zu ¼ Zoll dicken Drahtzainen ausgereckt, zusammengewunden und
in einem Glühofen ¾ Stunden lang ausgeglüht; alsdann nach dem
Erkalten durch eine Reckwalze (Zainwalze) rund gebogen1).


Es war auch thunlich und geschah an manchen Orten, daſs man
das geschnittene Eisen direkt zu gröberen Drahtsorten auszog. Dazu
nahm man die mittleren Stäbe, die vom Schneidewerk kamen.


[456]Drahtzieherei. Nähnadelfabrikation.

Rinman empfielt, den Draht vor jedem Ausglühen in ein Gemisch
von 2 Teilen Kalk und 1 Teil Thon, welches mit Wasser zu einem
dünnen Brei angerührt ist, zu tauchen. Dies mit einer solchen Kalk-
haut überzogene Eisen bleibt weicher und zäher. Das Entfernen des
Schlackenspans nach dem Glühen geschah in Schweden in sehr
unvollkommener Weise, dadurch, daſs man den Draht durch ein
Brett zog. Rinman empfiehlt die deutsche Art, welche darin bestand,
daſs die ausgeglühten Drahtringe nach dem Abkühlen über zwei
aufrechtstehende Rundhölzer gehängt und abgeklopft wurden. Diese
Rundhölzer sind in einem Hebel befestigt, der in einem Gewerbe sitzt
und dessen anderer Arm durch Daumen einer Welle niedergedrückt
wird; dadurch werden die Ringe in die Höhe gehoben und fallen,
wenn die Daumen auslassen, zu Boden, indem sie gegen eine Unter-
lage aufschlagen. Auf diese Weise werden sie unter beständigem
Zurinnen von Wasser abgeklopft und von dem Glühspan befreit, bis
sie ganz blank werden. Diese Vorrichtungen heiſsen Polterbänke.
In England geschah das Reinigen vom Glühspan in der Weise, daſs
die Drahtringe in eine mit Zahnrad und Trilling umlaufende Tonne
gelegt und vermittelst kleiner eingelegter Feuersteine oder Hochofen-
schlacken unter beständigem Zurinnen von Wasser, durch Öffnungen
in der Tonne, rein gescheuert wurden. — Besser noch war es, die
Drahtstangen oder den groben Draht, der fein ausgezogen werden
sollte, nachdem er vom Glühspan befreit war, in eine Beize zu legen
und darin einen oder zwei Monate schwach rosten zu lassen, wodurch
sich festsitzende Glühspanteilchen ganz loslösten und die Oberfläche
weicher wurde. Dies geschah in Deutschland und in England. Einen
Zusatz von Holzessig zu der Beize hält Rinman dabei für zweck-
dienlich.


Das Ausglühen des Drahtes wurde meistens auf offenem Kohlen-
feuer in einem Schmiedeherd vorgenommen. Rinman empfiehlt sehr
die Anwendung von Glühöfen. Wo man keine Gelegenheit zur
Erbauung eines solchen Ofens habe, müsse das Ausglühen mit Kohlen
in einem groſsen gegossenen Cylinder von Guſseisen oder in einem
groſsen Kessel mit kleinen Zuglöchern im Boden und in der Mitte
der Seiten geschehen. — Duhamel beschreibt einen Glühofen mit
Holzfeuer von 12 Fuſs Länge und 4 Fuſs Breite, der 200 Dutzend
Ringe faſste.


Jägerschmied hat in seinen „Bemerkungen über einige Metallische
Fabriken der Grafschaft Mark 1788“ das Ausglühen des Drahtes mit
Holzfeuer für einen verderblichen Miſsbrauch der Drahtfabriken West-
[457]Drahtzieherei. Nähnadelfabrikation.
falens erklärt, da man doch die Steinkohle bei der Hand habe. Er
nennt es ein lächerliches Vorgeben, daſs man den Draht nicht mit
Steinkohle ausglühen könne, zumal da dieses ja in geschlossenen
Gefäſsen geschähe. Er schlägt deshalb einen Blechglühofen vor
(Fig. 121), wie er wirklich auch später Eingang fand. C ist der guſs-
eiserne Glühkessel, dessen Deckel, ebenso wie der eiserne Ofenhut D,
mit Lehm, Pferdemist und Hammerschlag, welche mit Ochsenblut
angemacht werden, verdichtet wird.


Das geschmiedete Drahteisen wurde aber in der Regel, um es im
Drahtzug auszuziehen, auf einem offenen Kohlenfeuer von 12 Fuſs

Figure 126. Fig. 121.


oder mehr Länge zur
Rotglut erwärmt. Hier-
auf übernahm es der
Drahtzieher, der es
mit Speck, Butter oder
Talg einfettete und es
dann drei- bis viermal
durch die Öffnungen
seines Zieheisens, wo-
bei es jedesmal etwas
dünner wurde, durch-
zog. Durch dieses
„Grobziehen“ (roulage)
war der Draht hart
geworden und muſste,
um ihn wieder weich
zu machen, ausge-
glüht werden. Als-
dann wurde er wieder
durch drei Nummern gezogen, von neuem geglüht und wieder durch
drei Ziehlöcher gehen lassen und so fort. Diese Arbeit hieſs das
Feinziehen (ébroudage).


Der Grobzug mit der Stoſsziehbank oder der „Schiebebank“ ist
jetzt durch die Feinwalzen verdrängt, in früherer Zeit bildete er den
wichtigsten und kostbarsten Teil eines Drahtzuges (tréfilerie).


Das Drahteisen wurde an einem Ende zugespitzt durch die
gröſste Öffnung des Zieheisens durchgesteckt und an dem durch-
gesteckten Ende von der Drahtzange gefaſst, welche den Draht auf
eine gewisse Länge durchzieht, ihn dann, indem sie sich beim Wechsel
der Bewegung öffnet, los läſst. Die geöffnete Zange bewegt sich
[458]Drahtzieherei. Nähnadelfabrikation.
vorwärts, und zwar gerade so weit, als sie sich vorher zurückbewegt
hatte, faſst den Draht, indem sie sich im Augenblick der Rückwärts-
bewegung wieder schlieſst, von neuem und zieht den Draht wie zuvor
ein Stück durch das Zieheisen. So geht die Zange immer hin und
her und reiſst bei jedem Rückgange den Draht ein Stück durch das
Zieheisen. Die hin- und hergehende Bewegung wird durch einen
Hebel vermittelt, welcher durch Daumen oder Kammen an einer Welle

Figure 127. Fig. 122.


hin- und herbewegt wird. So sehen wir es
schon in der Abbildung von Weigel (Bd. II,
S. 976). Einen anderen Bewegungsmecha-
nismus hat Sturm in seiner Mühlenbau-
kunst 1718 vorgeschlagen (Fig. 122). Hier
ist die Schere A mit einem Schlitten in
Verbindung, welcher durch einen halben
Trieb U, der in eine doppelte Zahnführung
eingreift, vorwärts und rückwärts geschoben
wird. Beim Ziehen schlieſst sich die Zange
A und faſst den Draht, während sie ihn
beim Rückgange ausläſst, wobei sich aber
die Zange nicht mehr öffnen kann, als es
die Hebel, welche bei C D an den Seiten-
führungen H J und K L gleiten, gestatten.
Obgleich nichts davon bekannt ist, daſs diese
Konstruktion in der Praxis Eingang ge-
funden hat, so ist sie doch von historischem
Interesse. Sturm schreibt, er habe zwar
solche Drahtmühlen bei Nürnberg oft ge-
sehen, doch habe er nie den Bewegungs-
mechanismus der Zangen beobachten können.
— „In diesen Eisendrahtmühlen bei Nürn-
berg sind groſse Zangen, welche durch eine
Maschine hin und her getrieben werden,
welche, nachdem die Stange ein wenig spitz
gefeilt und durch ein Loch in einem Amboſs (Zieheisen!) gesteckt worden,
nach demselben zugeht, sich davor öffnet und das durchgesteckte Ende
der Stange ergreift, sobald aber sich fester wieder zusammenthut und
zurückgehend die Stange mit nach sich zieht und also dünner und
länger machet; sobald die Zange ihren Rückgang absolvieret, thut sie
sich auf und lässet die Stange an dem Ende, wo sie dieselbe gefaſst
hatte, los, ergreifet sie hingegen an dem Amboſs und zieht sie weiter
[459]Drahtzieherei. Nähnadelfabrikation.
nach sich, bis sie solchergestalt ganz durchgezogen ist. — Nachdem
wird die Stange wieder durch ein enges Loch gesteckt und nochmals
durchgezogen und dadurch noch dünner und länger gebracht. Von
da wird sie vor eine andere Zange gebracht, die durch noch kleinere
Löcher ziehet und so fort, bis der Draht dünn genug geworden.“


Figure 128. Fig. 123.

Zu der von Sturm angegebenen Konstruktion bemerken wir noch,
daſs seine Zange 1½ Fuſs lang war, und daſs jeder Zug einer Zangen-
länge entsprach. Die aus der Zeichnung ersichtliche Art der Bewegung
war Sturms Lieblingskonstruktion für die Umsetzung einer rotierenden
Bewegung in eine geradlinige hin- und hergehende. Er erwähnt, daſs

Figure 129. Fig. 124.


er sie zuerst an einer holländischen Maschine gefunden habe. Das
Getriebe müsse sehr genau eingeteilt sein.


Die Ziehbank und der Bewegungsmechanismus derselben ist aus
den Figuren 123, 124 und 125, welche der Beschreibung Duhamels
entnommen sind, zu ersehen. An der Wasserradwelle befinden sich
die Daumen B B, welche den Kniehebel C D F in Bewegung setzen.
An dem Schenkel F ist der ringförmige Griff G (Fig. 125 a. f. S.) befestigt,
welcher die Schenkel b b der Zange H faſst, welche beim Zug mit dem
Becken a a den Draht R faſst und ihn durch das Zugeisen P P zieht.


[460]Drahtzieherei. Nähnadelfabrikation.

Gewöhnlich befanden sich drei Zangen an einer Welle, welche
eine geneigte Lage hatten, damit sie beim Auslassen des Hebedaumens
zum Teil durch ihr Gewicht zurückfallen. Da der dickere Draht
mehr Kraft zum Ziehen gebraucht als der dünnere, so machte man
die Daumen oder Kammen für den dicksten Draht am kürzesten,
wodurch auch die Zuglänge die kürzeste wurde, während man bei
jeder folgenden Zange die Kammen und den Zug länger machte. Die
erste Zange zog nur 2 Zoll, während die folgende 4 Zoll, die dritte
5 Zoll zieht. Die Kammen der drei Zangen muſsten so gegeneinander
gestellt sein, daſs nie zwei Zangen gleichzeitig anzogen, sondern daſs
die Bewegungen der drei Zangen aufeinander folgten.


Trotzdem die Kammen ungleich lang waren, so war doch die
Ausdehnung des Drahtes im Verhältnis noch gröſser. Um das rich-
tige Verhältnis der Geschwindigkeiten herzustellen, vermehrte man
bei den folgenden Zangen die Zahl der Kammen, so daſs, wenn die

Figure 130. Fig. 125.


erste und zweite Zange
je drei Kammen hatte,
die dritte vier Kammen
hat. Die Zieharbeit
besorgte die Maschine,
der Arbeiter hatte nur
den frischen Draht zu
spitzen, durch das
Ziehloch zu stecken
und mit der Zange zu fassen und den gezogenen Draht mit der Hand
aufzurollen.


Der Grobzieher hat aber auf die Natur des Eisens zu achten und
hilft je nachdem nach, indem er das Ziehloch etwas erweitert oder den
Zug etwas kürzer stellt. Zum besseren Durchgang des Drahtes wird der-
selbe immer eingefettet. Zu diesem Zwecke befestigt man vor die Zieh-
öffnung ein Stück Speck Q (Fig. 124), das der Draht erst passieren muſs.


Nachdem der Draht dreimal mit der ersten Zange gezogen
worden ist, wird er ausgeglüht und dann beginnt das Ziehen von
neuem durch engere Löcher mit der zweiten Zange. Nach dem dritten
Glühen kommt er auf die dritte Zange, deren Bewegungen viel rascher
sind. Hier geht er durch vier Löcher und ist dann Feindraht oder
Kleindraht, der dann in Frankreich meistens mit der Hand weiter
gezogen wurde. In Deutschland (Altena, Iserlohn) und Schweden kam
er auf die Drahtrollen (bobine). Die richtige Abnahme der Weite der
Ziehlöcher ist die wichtigste Kunst des Drahtziehers. Die engste Öffnung
[461]Drahtzieherei. Nähnadelfabrikation.
des kegelförmigen Ziehloches muſs immer an der Oberfläche des Zieh-
eisens nach den Zangen zu sein. Die genaue, glatte Rundung derselben
ist von Wichtigkeit. Die Zieheisen, welche der Arbeiter kauft, haben
noch keine Löcher, sondern sind nur durch das Eisen angebohrt. Die
Arbeiter erweitern die Löcher mit einem stählernen Stempel oder
Durchschlag (coin). Die Dicke des Drahtes wird gemessen durch eine
Drahtleere (jauge). Man bezeichnete ihn nach Nummern je nach
der Zahl der Ziehöffnungen, durch welche er gegangen war. Man
zog gewöhnlich neun Dutzend Ringe feinen Draht. Der Centner Draht-
eisen gab 536 Fuſs Grobdraht (fil d’écotage), ein Centner Grob-
draht gab 947 Fuſs Mitteldraht (fil d’ébroudage); ein Centner
Mitteldraht 1592 Fuſs Feindraht (ébroudis). Der Feindraht, welcher

Figure 131. Fig. 126.


⅓ Linie dick war, kam zum weiteren
Ausziehen auf die Drahtrollen, welche in
Deutschland von Wasserrädern bewegt
wurden, wie die Grobzieherbänke. In
Frankreich wurde dagegen der Ziehdraht
von der Drahtmühle an Arbeiter (agreyeurs genannt) verkauft, welche in
ihren Wohnungen kleine Handziehbänke auf eigene Rechnung betrieben.
Mit der Stoſszange lieſs sich der Draht nicht weiter ziehen, weil der
dünne Draht zu leicht reiſst. Man hatte deswegen von Alters her
für den Feinzug die Drahtrollen, die in schematischer Anordnung in
Fig. 126 dargestellt sind. Immer sind es zwei Rollen, von denen die
eine C Kraft, sei es durch Hand oder Maschine, bewegt wird und
den Draht durch ein Zieheisen B zieht und aufrollt, während er von
der anderen Rolle, der Laterne, A sich abwickelt.


Bei dem Handbetrieb, wie ihn Duhamel beschreibt, kam der
Draht zuerst auf eine kleine Ziehbank mit Zugzange, welche ganz
ähnlich den eben beschriebenen Ziehbänken eingerichtet war, nur war
alles kleiner und der Zughebel wurde mit der Hand bewegt. Dieses
[462]Drahtzieherei. Nähnadelfabrikation.
Ziehen ging langsam, indem der Draht bei jedem Zug nur 3 bis
4 Zoll vorrückte. Auch bekam der Draht viele Zangenbisse, die seine
Güte und Schönheit beeinträchtigten. Hierauf brachte man den Draht
erst auf die grobe Handrolle, welche horizontal, wie ein Haspel,
von zwei Arbeitern bewegt wurde. Hatte er hier den nötigen Grad
der Feinheit erlangt, so kam er auf die stehende Rolle (bobine verti-
cale), welche von einem Arbeiter (tireur de fer), wie eine Kaffeemühle
gedreht wurde 1). Die Ziehbank, auf der dies geschah, war 4½ Fuſs
lang und 1½ Fuſs breit. Eine solche Handrolle hatte 6 Zoll Durch-
messer. Man zog den Eisendraht höchstens bis auf ⅛ Linie Durch-
messer für Kratzendraht, nur die feinen Zithersaiten aus Stahldraht
waren noch dünner. Diese feinsten Sorten wurden in Frankreich
damals nicht gemacht. Natürlich muſste man auch den feinen Draht
von Zeit zu Zeit ausglühen, was in geschlossenen Öfen in eisernen
Töpfen geschah. Man verwendete dazu Lochkuchen als Brennmaterial
und verbrauchte 700 bis 800 Stück zum Ausglühen von 100 Pfund
Draht. Das Glühen dauerte zehn bis zwölf Stunden. Man lieſs den
Draht in dem Gefäſs kalt werden, was weitere zehn bis zwölf Stunden
in Anspruch nahm. Rollendraht (à rouet) nannte man den feinen
Draht, der von 10 auf 18 Fuſs ausgezogen war, Nadeldraht (à épingle)
von 10 auf 20 Fuſs, Kratzendraht (pour cardes) von 10 auf 30 Fuſs.
Stahldraht wurde in Frankreich aus ungarischem Stahl gemacht, der
erst auf die Dicke eines kleinen Fingers ausgeschmiedet wurde. Dieser
wurde in Stücke oder Knüppel geteilt, wie das Eisen, und in derselben
Weise gezogen. Er muſste noch öfter geglüht werden als das Eisen.


Man rechnete in Frankreich den Draht nach Dutzendpfund
(douzaine de livres). Für ein Dutzendpfund Grobstahldraht brauchte
man drei Tage, für ein Dutzendpfund vom feinsten Draht 14 Tage
bis 3 Wochen.


Obgleich Duhamels Beschreibung der Drahtfabrikation sehr klar
und verständlich ist, so genügt sie doch nicht dem, der etwa einen
Drahtzug erbauen wollte. Hierfür hat Rinman genauere Angaben
gemacht 2), auf welche wir verweisen.


Die Drahthütte, die er beschreibt, hat acht Zangen und vier
Rollen. Die acht Zangen sind an einer Wasserradwelle so ange-
bracht, daſs sich immer je zwei Ziehbänke, deren Zangen von den-
[463]Drahtzieherei. Nähnadelfabrikation.
selben Kammen bewegt werden, gegenüberstehen. Es sind auf die
Welle vier guſseiserne Kränze mit hölzernen Däumlingen oder Kammen
aufgezogen. Die Kammen des folgenden Kranzes sind immer etwas
länger als die des vorhergehenden. Die Rollen werden von einer
Radwelle mittels Zahngetriebe bewegt, so daſs die Rollen auch mit
zunehmender Geschwindigkeit laufen.


Der Abgang beim Ziehen betrug 25 Prozent, so daſs 4 Centner
Stangeneisen von 1 Zoll Quadrat 3 Centner Draht lieferte.


In Schweden hatte man folgende Sorten: der gröbste hieſs Kupfer-
schlägerdraht, davon gingen sechs Ringe auf den Centner; dann kam
Fensterdraht mit zehn Ringen auf den Centner, Reifdraht mit 20 Ringen
auf den Centner; sodann Nummerdraht, wovon die Nr. 1 bis 10
20 Ringe auf den Centner hatten. Die feineren Drahtsorten von 11
bis 24 oder 26 wurden in Ringen von 6 Mark Viktualiengewicht, also
20 Ringe auf den Centner, gebunden.


Ein schwedischer Fabrikant Eckerman erfand im Jahre 1726
zu Stockholm die Kunst, Eisendraht glatt und eben zu machen und
ihn in seidene und leinene Zeuge einzuweben, von denen er selbst
Kleider trug. Es scheint aber nicht, daſs diese Erfindung einen
bemerkenswerten Erfolg hatte.


In Deutschland wurde auch am Harz Draht gezogen. Die Arbeit
dort war kurz folgende: Zuerst wurde der Draht gespitzt, geglüht,
mit Talg und Öl geschmiert und alsdann auf die erste Zange oder
Rumpel gebracht, woselbst er viermal bis zu Nr. 4 durchgezogen
wurde. Hierauf wurde er wieder geglüht, gescheuert, gespitzt,
geschmiert und auf der zweiten Zange, der Schumback, ebenfalls
viermal bis zu Nr. 8 gezogen. Alsdann glühte und scheuerte man
ihn aufs neue und brachte ihn zur dritten Zange, dem Bänkel, wo
er bis zu Nr. 13 gezogen wurde. Zuletzt wurde er nochmals geglüht,
gescheuert und auf die vierte Zange, die Schockenzange, gebracht
und daselbst bis zu Nr. 18 gezogen. Alsdann kam er auf die Leyer oder
Rollen, wo er bis zu den feinsten Sorten gezogen wurde. Auf der
Königshütte waren fünf Zangen und zwei Leyern, welche beständig
betrieben wurden. Der stärkste Draht, welcher dort verfertigt wurde,
war der Grubenseildraht von 3 bis 5 Linien Dicke. Die eisernen
Grubendrahtseile waren eine Erfindung des Berghauptmanns v. Reden
und eines Herrn Lunde und wurden in den 80 er Jahren bei den
Bergwerken am Harz eingeführt. Man produzierte auf der Königs-
hütte 35 Sorten Draht, welche mit ebensoviel Nummern bezeichnet
wurden und von dem Seildraht an in der Stärke abnahmen. Elf
[464]Drahtzieherei. Nähnadelfabrikation.
Ringe Draht, deren jeder 9½ Pfund wog, wurden auf einen Centner
gegeben.


Viel bedeutender war die Drahtfabrik zu Ilsenburg in der Graf-
schaft Wernigerode. Hier befanden sich in drei nahe bei einander-
liegenden Gebäuden 30 Zangen und 6 Leyern, welche beständig im
Betriebe standen. Es wurden 28 Sorten Draht verfertigt. Das Glühen
des Drahtes geschah in einem Reverberierofen mit Reiſsholzfeuer.
Das Drahtwerk zu Zorge war dem Königshütter gleich.


Die Drahtfabrik zu Sophienhausen bei Hohenfinow in der Chur-
mark zog 41 Sorten, nämlich 0 bis 00000 Extraproben Kupfer-
schmiededraht, dann in Nr. 1 bis 36, von denen die feineren Nummern
von 21 bis 36 als „Band“ bezeichnet wurden.


Die Drahtfabrikation der Grafschaft Mark war die wichtigste in
Deutschland, sie hatte aber in technischer Beziehung keine Fort-
schritte gemacht.


Die märkische Osemundschmiede bildete die Grundlage der
berühmten Drahtindustrie von Altena, Iserlohn und Lüdenscheid.
Sie lieferte ein vorzügliches Drahteisen, welches auch im Ausland,
selbst in Schweden als das beste galt. An Festigkeit übertraf es das
sonst so vorzügliche schwedische Eisen (siehe Seite 86). Infolge-
dessen hielten die Osemundschmiede, welche eine geschlossene Zunft
bildeten, mit einer Zähigkeit an dem Hergebrachten, welche an Aber-
glauben grenzte. Ihr ererbtes Verfahren galt ihnen unbedingt als das
beste, an dem es nichts zu verbessern gab, und wenn etwas schief
ging, so suchten sie den Grund viel eher in Behexung als in einem
Mangel des Verfahrens oder ihrer Arbeit. In Wahrheit war die Ein-
richtung in manchen Stücken gegen andere Zainhämmer zurück-
geblieben. Jägerschmid, dem wir eine vortreffliche Schilderung der
märkischen Industrie des vorigen Jahrhunderts verdanken 1), charak-
terisiert diesen Zustand sehr treffend.


„Es ist den Arbeitern von jeher nicht erlaubt, Fremde in die
Werkstätten zu lassen, also, daſs schon in älteren Zeiten der Handlungs-
neid dem Fortgang und der Verbesserung der Künste und Wissenschaften
sich widersetzte. Allein so lange die Osemundschlacken 40 bis 50 Proc.
Eisen in sich enthalten, so lange die Schmiede glauben, ihr Feuer
wäre bezaubert, wenn zufällige Umstände die Arbeit verstellen und
durch Beten erzwingen wollen, was Kenntnisse und Geschicklichkeiten
[465]Drahtzieherei. Nähnadelfabrikation.
allein vermögen, so bin ich weit entfernt, zu glauben, daſs diese
Fabrik denjenigen Grad der Vollkommenheit, dessen sie fähig ist,
erreicht habe und bis dahin fällt das Geheimnisvolle auch ins
Lächerliche.“


Das Osemundfrischen und den Osemundhammer haben wir früher
schon beschrieben (Bd. II, S. 485). Wie gut das Osemundeisen war,
geht schon aus seinem Preise hervor; der Karren wurde nämlich mit
53 Thalern bezahlt, während sonst für gutes Stabeisen nur 44 Thaler
bezahlt wurde.


Die Ausfuhr des Osemundeisens war verboten und durften die
Hämmer nur eine bestimmte Zeit im Jahre arbeiten. Die Osemund-
schmiede muſsten einen Eid leisten, nicht auſser Landes ihr Hand-
werk zu betreiben. Der Eid lautete: „Ich .... schwöre zu Gott einen
leiblichen Eid, daſs ich das Osemundschmiede-Handwerk nicht auſser
Landes gebrauchen oder Ausländischen solches lehren, so auch meinen
jetzigen und künftigen Reidemeister treu und hold sein, dessen Bestes,
so viel mir möglich ist, befördern, und allen Schaden verhüten, auch
aus gutem Grunde, nach bestem meinem Vermögen, guten Osemund
wieder liefern, und bei Empfang des rauhen Eisens und Wieder-
lieferung des Osemundes, auf das Gewicht fleiſsig acht geben und
getreulich damit umgehen will. So wahr mir Gott hilft und sein
heiliges Evangelium“.


Das Osemundeisen wurde fast alle zu Draht gezogen. Lüdenscheid,
Altena und Iserlohn hatten das Recht, Draht zu fabrizieren und
waren jeder Stadt die Nummern, die es ziehen durfte, zugewiesen. —
Lüdenscheid zog nur groben, Iserlohn nur feinen Draht, Altena die
Mittelsorten und stand sich dabei am besten. Aller Draht der drei
Städte wurde an einem gemeinschaftlichen Stapel abgeliefert. Dadurch
bildeten die drei Städte eine groſse Genossenschaft. Dies war eine
groſse Hülfe für den kleinen Fabrikanten, der nicht selbst reisen oder
reisen lassen konnte. Er erhielt für seine abgelieferte Ware von
dem Stapel einen Schein, der so gut wie bares Geld war. Auch
wurde dadurch der Anfertigung schlechter Ware vorgebeugt, da sie
alle vor der Annahme besichtigt wurde. Die Kaufleute durften nur
von dem Stapel Draht kaufen. Sie gaben ihre Drahtbestellungen auf
dem Stapelkontor ab; beeidigte Leute besorgten die Verpackung und
dann erst kam er in die Hände des Kaufmanns. Der Betrag der
bezogenen Ware wurde ihm belastet, der gelieferten gut geschrieben
und alle Quartale wurde abgerechnet. Der Stapel hatte etwa 6 bis
8 Prozent und der Fabrikant oder Reidemeister ebenso viel Nutzen.
Beck, Geschichte des Eisens. 30
[466]Drahtzieherei. Nähnadelfabrikation.
Am Ende des Jahres wurden die Bücher abgeschlossen und die
Dividende verteilt. Der Kaufmann schlug nur einen geringen Nutzen
auf die Ware. Die fehlenden und ausgehenden Sorten waren am
Eingang des Stapels angeschlagen, so daſs sich die Fabrikanten
danach richten konnten. Der Drahtvorrat in Altena betrug immer
von 100000 bis 150000 Thaler an Wert. Dadurch konnten groſse
Bestellungen rasch effektuiert werden. Diese lobenswerte Einrichtung
hatte aber anderseits den Nachteil, daſs es die Industrie nicht zu
einer gröſseren als der herkömmlichen Leistung, die ja ausreichenden
Gewinn abwarf, anspornte. Überdies war die Produktion dadurch
beschränkt, daſs auch die Drahtzieher nur eine gewisse Zeit im Jahre
arbeiten durften. Dagegen waren die Altenaer Drahtfabriken gegen
Konkurrenz in den preuſsischen Nachbarprovinzen geschützt, wie aus
nachfolgendem Kontrakt der Kriegs- und Domänenkammer zu Cleve
von 1745 hervorgeht:


„Demnach zur besseren Aufnahme derer Drahtfabriken zwischen
sicheren Societätsgenossen und denen Reidemeisteren, wie auch
Drahtfabrikanten zu Altena, Dahle und Evinghausen ein Contract
geschlossen, und dabei Art. 48 u. 49 ausbedungen worden, daſs allen
mit Draht handelnden Cleveschen und Märkischen, wie auch Moersi-
schen Kaufleuten, bey Strafe von 100 Ducaten, verboten werden möge,
von denen Drahtsorten, die zu gemeldetem Altena, Dahle und Eving-
hausen gemachet werden, keine ausser Landes verfertigen, noch
anderen, als in denen Königl. Landen fabricirten Draht einkauffen
zu lassen, und Handel damit zu treiben. Se. Königl. Majestät in
Preussen etc. unser allergnädigster Herr, auch solchen Contract, wie
in allen seinen Clausulen, also in specie in obgemeldten Articulen,
allergnädigst confirmiret und bestätiget haben.


„Also wird in dessen Confirmität, Namens Höchst Deroselben,
hiemit allen Cleve-, Marck- und Moersischen mit Draht handelnden
Kaufleuten und Unterthanen wohlernstlich, und bey Vermeidung
oberwehnter Strafe von 100 Ducaten, aufgegeben, und anbefohlen,
von denen Sorten Draht, so zu Altena, Dahle und Evinghausen
fabriciret werden, keine ausser Landes machen zu lassen, noch auch
anderen, als in Sr. Königl. Majestät Landen fabriciret, anzukauffen
und damit Handel zu treiben. Wobey zugleich allen Richtern, Hoch-
grafen, Schultheissen und andern Königl. Befehlshabern, wie nicht
weniger den sämmtlichen Magisträten in Cleve und Mark, sodann im
Fürstenthum Moers, hiedurch nachdrücklichst anbefohlen wird, auf
Requisition des Magistrats zu Altena, den etwa ausser Landes fabri-
[467]Drahtzieherei. Nähnadelfabrikation.
cirten, von einländischen Kaufleuten anerhandelten Draht, sofort
anzuhalten, und nachher Altena zur nöthigen Untersuchung ausfolgen
zu lassen, übrigens aber die Uebertreter dieser Verordnung sofort zur
Bestrafung hiehin anzuzeigen. Signatum Cleve in der Krieges- und
Domainen-Cammer den 22. Juli 1745.


Rappard, Geelhaar, Müntz, Schmitz, J. C. Wolmstädt, Durham,
Colberg, A. O. v. Raesfeld, B. Rappard, Gazali, v. Schack, Fiedler,
Michaelis, S. P. Jänicke.“


Die mechanischen Einrichtungen der märkischen Drahtmühlen
waren einfach und veraltet. Wie im Handel, so hielt man in der
Technik am Hergebrachten fest und setzte dem Fortschritt passiven
Widerstand entgegen. Die einzelnen Drahtmühlen waren klein,
meistens mit einem Wasserrad. Das Ziehen geschah auf Grobziehers-,
Kleinziehers- und Winders- (Winnen-) Bänken. Die ersten beiden
hatten Zangen, die letztere Rollen. Wenn es nicht an Wasser fehlte,
so trieb ein Rad vier Scheiben mit den dazu gehörigen Rollen.
Jägerschmid tadelt die Konstruktion der Wasserräder, der Zieh-
zangen und der Glühöfen, für welch letztere er bessere Öfen mit
Steinkohlenheizung vorschlug (s. Fig. 121).


In dem Altenaer Revier waren allein 84 Drahtmühlen und wurden
hier jährlich 150000 bis 160000 Stück Eisendraht, das Stück zu
10 Pfund gerechnet, angefertigt. Im ganzen waren 800 bis 900 Arbeiter
in den Drahtziehereien beschäftigt. Zwei Arbeiter zogen in 14 Tagen
120 Stück Draht; dafür erhielten sie 5½ Stüber, wofür sie dann
die Pacht- und die Fabrikationskosten zahlen muſsten. Das Eisen
erhielten sie von den Reidemeistern, welche auch die Reparaturkosten
der Drahtmühlen tragen muſsten. Dieses Verhältnis besteht zum
Teil noch heute. Der Abgang betrug nur 10 Prozent, es gaben
100 Pfund Osemundeisen 90 Pfund Draht. Auſser dem Eisendraht
wurden noch ungefähr 300000 Pfund Stahldraht jährlich für die
Aachener Nadelfabriken angefertigt, welche dafür 60000 Thaler zahlen
muſsten.


Das Osemundeisen, welches 1 Zoll dick und 1½ Zoll breit war,
kam erst in kleine Handschmieden. Hier wurden die Stäbe bei Stein-
kohlenfeuer geheizt und in der Mitte der Länge nach gespalten und
an den Enden beigeschmiedet, damit sie in die Zieheisen gingen. So
erhielten sie die Grobzieher. Die Stahldrahtstäbe waren ¼ Zoll
quadratisch und wurden bei Steinkohlenfeuer in Kleinschmieden rund
geschmiedet.


Sobald der Draht drei Löcher des Zugeisens passiert hatte, wurde
30*
[468]Drahtzieherei. Nähnadelfabrikation.
er geglüht. Zuletzt wurde der Eisen- und der Stahldraht durch eine
Holzscheibe gezogen, wodurch er eine Art Politur erhielt.


Auch die Drahtzieher muſsten einen Verbleibungseid leisten.
Das Recht, Draht zu fabrizieren, hatte nur ein zünftiges Mitglied der
Reidemeisterinnung und das Recht erbte vom Vater auf die Söhne,
aber nicht auf die Töchter.


Die Fabrikation von Stahldraht war erst in diesem Jahrhundert
aufgenommen worden. Den dafür verwendeten „Bördenstahl“ lieferten
die Raffinier- oder Reckstahlhämmer. Auch die Einrichtungen dieser
Raffinierhämmer entsprach nicht mehr den Anforderungen der Zeit.
Namentlich tadelt Jägerschmid die Konstruktion der Schwanz-
hämmer, die bei 70 bis 80 Pfund Gewicht und 8 bis 9 Zoll Hub, Stahl-
zangen (Pakete) von 40 bis 50 Pfund und 5 bis 6 Zoll Höhe schweiſsen
und gärben muſsten. Man schmiedete den Rohstahl erst in Schienen
von 2½ Zoll Breite und 2 bis 3 Linien Dicke aus. Die glühenden
Stäbe wurden in Wasser gehärtet und in Stücke von 2 bis 3 Fuſs
zerschlagen. Von diesen wurden 10 bis 12 in ein Paket zusammen-
gesetzt, und zwar nahm man erst ein Stück Eisen, dann zwei schlechte
Stücke Stahl, dann wieder ein Stück Eisen, nun guten Stahl in die
Mitte; unten wieder Eisen, zwei Stücke schlechten Stahl und zuletzt
ein Stück Eisen. Dieser Pack, eine „Zange“ genannt, wurde in einer
Wellzange in Steinkohlenfeuer zusammengeschweiſst und in 5 Linien
dicke Stäbe ausgereckt, die dann, wie oben beschrieben, zu Stahl
verarbeitet wurden. Der Abgang beim Raffinieren und Strecken betrug
25 Prozent. Dieser „Bördenstahl“ wurde von den Stahldrahtschmieden
in achteckige, dünne Ruten geschmiedet, welche in dieser Gestalt in
den Zug genommen wurden. Aus 12 Börden lieferte der Stahl-
drahtschmied 115 Stück; der Bankzöger hatte von 12 Börden 2 über,
lieferte also dem Kleinzöger 117 Stück ab, dieser bekam 3 Stück
mehr und lieferte dem Winner 120 Stück, welche dieser seinem
Reidemeister abliefern muſste.


Hatte man den Stahldraht ursprünglich nur für die Aachener
Fabriken gezogen, so entstand später, im Jahre 1780, in Altena selbst
eine Nähnadelfabrik. Sie war von Aachener Fabrikanten ganz nach
dem Muster der Aachener Fabriken gebaut. Die Nadelfabrik gehörte
einer sehr vielköpfigen Gewerkschaft; sie muſste alles auf den Stapel
liefern. Diesen Umständen schreibt Jägerschmid die ungleiche und
vielfach geringe Qualität der Nadeln zu, infolge deren die Nadeln
keinen Absatz fanden. In der That kam die Fabrik dem Untergang
nahe, von dem sie nur durch die Hülfe des für die preuſsische
[469]Drahtzieherei. Nähnadelfabrikation.
Industrie hochverdienten Ministers v. Heinitz gerettet wurde. Mit
der königl. Unterstützung gelang es dem unternehmenden Bürger-
meister Rumpe, die Fabrik wieder in groſsen Flor zu bringen 1). —
Eine zweite kleine Nadelfabrik befand sich in den achtziger Jahren
zu Westich.


Die Nadelfabrikation schlieſst sich unmittelbar an die Draht-
bereitung an, indem diese das Rohmaterial für jene liefert. Die älteren
Berichte, namentlich von Reaumur über die Anfertigung der Steck-
nadeln, haben wir schon mitgeteilt. Über die Nähnadelfabrikation
hat Reaumur nichts hinterlassen und besitzen wir über diese Fabrikation
erst aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts genauere Nach-
richten. Man machte die Nähnadeln entweder aus Stahldraht oder
aus Eisendraht, den man nachträglich cementierte. Das letztere
Verfahren war in Süddeutschland und in England gebräuchlich, während
man in Aachen, Burtscheid und Altena den Stahldraht aus der Mark
verarbeitete. Gute Nähnadeln dürfen sich weder biegen noch zer-
brechen, dabei müssen sie eine längliche scharfe Spitze und ein
längliches Auge haben. Man nannte die Nähnadelmacher „Ein-
schläger“ im Gegensatz zu den Stecknadelmachern, den „Aufschneidern“.
Die Nähnadelfabriken im fränkischen Kreise waren sehr bedeutend,
namentlich waren die Nadeln von Schwabach berühmt. Hier arbei-
teten über 100 Meister und Gesellen. Die Nadelfabrik zu Schwabach
ernährte an 1200 Menschen und versandte jährlich 180 bis 200 Millionen
Nadeln in alle Teile der Welt, wodurch über 130000 Gulden ein-
gingen, wovon nur etwa 36000 Gulden für Draht und andere Bedürf-
nisse abgingen. Es wurden hier 21 Sorten von runden Nähnadeln,
welche mit Buchstaben von A bis S bezeichnet wurden, ferner alle
möglichen Sorten von Schneidernadeln, als Segel-, Einbind- und
Matrazennadeln, 15 Sorten der Gröſse nach, alle Sorten von Beutler-,
Kürschner-, Schuster- und Tapetennadeln, sowie Stricknadeln und
Stuhlnadeln für die Strumpfwirker verfertigt. Auſser in Schwabach
waren in Franken Nähnadelfabriken in Fürth, Nürnberg, Lauf, Aben-
berg (Klein-Amberg), in Weiſsenburg bei Linden, Pappenheim und
Gierwangen in Schwaben, ferner zu Röglingen; auſserdem in Süd-
deutschland zu Monheim in der Oberpfalz und zu Durlach in Baden.
Noch viel bedeutender waren die Nadelfabriken von Aachen und
Burtscheid, wo 10000 bis 12000 Arbeiter von den Nadelfabriken
lebten. In Aachen gab es zehn bis zwölf, in Burtscheid zwei und
[470]Drahtzieherei. Nähnadelfabrikation.
in Vaals eine Nähnadelfabrik. Weniger bedeutend war die Fabrik
in Altena.


Die deutschen Nähnadeln kamen meistens unter französischen
Adressen in den Handel. Bekannt waren die Marken: der Strauſs,
die Sonne, der Hahn, Fortuna, der Engel (Aiguilles à chasses rondes
aux marques de l’Autriche, du Soleil, du Cocq, de la Fortune, de
l’Ange), welche namentlich zu Nürnberg, Schwabach, Weiſsenburg und
Pappenheim verfertigt wurden. Hohlgefitzte Nadeln unter der Bezeich-
nung à la Coupe und façon de Paris wurden am schönsten in Aachen
und Burtscheid gemacht.


Die Nadelburger Fabrik bei Wienerisch-Neustadt lieferte Lang-
augen Nr. 0 bis 8, Rundaugen, Bremer Nadeln, Spanische Nadeln,
Sperrnadeln, Bauernnadeln, Schuster-, Kürschner-, Zischenmacher-,
Tapezierer-, Schnurmacher-, Handschuhmacher- und Perlnadeln. Sie
waren im allgemeinen zu weich.


In Frankreich lieferten folgende Orte gute Nähnadeln: Aigle und
Erpouse in der Normandie, Bois-Arnaud bei Rugles, Herponnay und
Juignette, ebenfalls bei Rugles (Dep. Eure), Bourg in Perche, Franche-
ville bei Verneuil, Moreuil, vier Meilen von Mont Didier und Troyes
in der Champagne.


In England war Birmingham und Umgegend der Hauptsitz der
Nadelfabrikation, besonders der Ort Redditch, etwa 14 engl. Meilen
von genannter Stadt. Ein alter Sitz der Nadelfabrikation war auch
Whitechapel, die östliche Vorstadt Londons. Obgleich die Fabrikation
dort eingegangen war, so hatte sich doch der Name Whitechapel-Needles
im Handel erhalten. Eine andere bekannte Sorte waren Mackenzies,
welche den Faden im Öhr nicht verletzen sollten (warranted not to
cut in the eye). Sie hatten ihren Namen von einem Fabrikanten
Gilbert Mackenzie, wurden aber von anderen, wie Bartfleet,
Mills
u. A. ebenfalls gemacht und unter Namen wie Wm. Bartfleets
Original Mackenzies verkauft.


Man unterschied in England folgende Hauptsorten: Common,
Best Common, London, or Milliners needles (Kronnadeln), Long eye
und Lo. Lo. eye (Langaugen), Whitechapel fine, between und super-
fine, sharps (dünne), blunts (dicke); Whitechapel long eye, fine darning
needles (Stopfnadeln), embroidering needles (Sticknadeln), yarn darning
needles (Sayettenadeln), long eye (Langaugen), round eye (Rundaugen),
looping needles (für Hutmacher), French quitting and cotton needles
(Piquénadeln), Tambour needles (Tamburinnadeln) und sailmakers
needles, von denen es wieder mehrere Sorten gab. Die englischen
[471]Drahtzieherei. Nähnadelfabrikation.
Nähnadeln wurden in Weiſsblechbüchsen (tin cases) verpackt und
verschickt.


Man machte die englischen Nähnadeln nicht nur aus Eisendraht,
indem man sie nachher cementierte, sondern auch aus gewöhnlichem
Stahldraht und aus Guſsstahldraht. Die Nadeln muſsten bis zu ihrer
Vollendung durch mehr als 60 Prozesse gehen.


In Schwabach war der Gang der Fabrikation etwa folgender:
Der meist von den thüringischen Drahthütten bei Schmalkalden und
Steinback erhaltene Draht wurde auf dem Richtholz gerade gezogen,
mit der Schrotschere bündelweise in sogenannte Schaften oder
Schachten, von denen ein jeder zwei Nadellängen lang war, zerschnitten.
Die geschnittenen Schafte wurden zwischen zwei glatten eisernen
Platten gerichtet und dann zugespitzt. Das Zuspitzen oder Schleifen
der beiden Enden geschah ähnlich wie beim Spitzen der Nähnadeln,
nur wendete man meistens statt des Spitzringes runde, vom Wasser
bewegte Schleifsteine an. Dieses Schleifen geschah trocken. Der
Arbeiter erfaſste, wie bei dem Schleifen der Stecknadeln, eine gröſsere
Anzahl Schafte und spitzte diese gleichzeitig unter fortwährendem
Drehen mit der Hand. Die zugespitzten Schafte wurden mit der
Schrotschere in der Mitte durchgeschroten. Das Öhrende wurde mit
einer krummen Feile befeilt und diesem Ende auf beiden Seiten des
Kopfes mit derselben Feile ein Strich gegeben. In diese mit der
Feile bezeichnete Stelle wurde mit einem feinen Drillbohrer ein Loch
gebohrt und die länglichen Augen mit der Filzfeile eingefilzt. Alle
diese Arbeiten geschahen noch mit der Hand. Die fertigen Nadeln
wurden dann in eine Beize von saurem Bier gelegt und wenn sie aus
derselben herausgenommen waren, scheuerte man sie zuerst mit Essig,
dann mit Wasser und trocknete sie mit Kleien oder Sägespänen in
einem beweglichen Faſs, in welchem man sie schüttelte. In England
bediente man sich zum Scheuern der Nadeln einer besonderen
Maschine, welche durch eine horizontale Windmühle bewegt wurde.
Alsdann wurden die Nadeln wieder gehärtet, was auf verschiedene
Art geschah. Gewöhnlich wurden die Nähnadeln in groſse irdene
Töpfe geschüttet, und zwischen jede Lage zartgeschnittene spanische
Seife und Hornspäne gethan; der mit diesem Gemenge gefüllte Topf
wurde rotglühend gemacht, die glühenden Nadeln wurden in Härte-
wasser geschüttet, alsdann mit sehr feinem Sand gescheuert, hierauf
nach ihren verschiedenen Nummern und Sorten pfundweise in Packete
gepackt.


Die eckigen Nadeln erhielten ihre Gestalt in einem dreieckigen
[472]Drahtzieherei, Nähnadelfabrikation.
Gesenke oder einem mit entsprechender Rinne versehenen Amboſs.
Dreieckig waren die Anreihnadeln, Schuster-, Pack- und Einbund-
nadeln; viereckig Sattler- und Riemennadeln und Ausheftnadeln.


Für die Fabrikation der Nadeln mit Maschinen erhielt Thimothey
Harris von Waltham Abbey, Essex, am 14. Juli 1797 ein Patent.
Seine Erfindung bezog sich auf eine Zuspitzmaschine, deren Schleif-
scheiben von Stahl waren.


Eine anderweitige neue Verwendung fand der Draht durch die
Erfindung der Drahtseile. Der Franzose Reignier, ein Mechanikus
im Dienste des Herzogs von Chartres, erfand um 1780 eine Vorrich-
tung, mittels welcher man Eisendraht so vollkommen und geschmeidig
in Stricke drehen konnte, wie hanfene. Diese Drahtseile verwendete
er namentlich für Blitzableiter. Der Engländer Hancok machte
ebenfalls Stricke aus Eisendraht, welche kalt gewebt und als Trans-
missionen verwendet wurden. Im Grubenbau führte der hannoversche
Berghauptmann v. Reden, der Onkel des berühmten preuſsischen
Ministers, die Drahtseile ein. Es war eine Erfindung von ihm und
von einem Herrn H. Lunde. Diese eisernen Grubenseile waren Ketten,
welche statt der gewöhnlichen Grubenseile in den Berkwerken ver-
wendet wurden. Das Eisen dazu wurde auf dem Drahtwerk zu
Königshütte besonders bereitet und probiert, ehe es den Bergschmieden,
welche die Drahtseile anfertigten, geliefert wurde. Sie kamen in den
80 er Jahren in den Harzer Bergwerken in Gebrauch. Die Fabrikation
von Drahtsieben wurde besonders in Böhmen, und zwar in Nieder-
kreibnitz und anderen benachbarten Orten des Leitmeritzer Kreises,
betrieben. Der stärkste Eisendraht, der dort verarbeitet wurde, hieſs
Band Nr. 1 bis 6; hierauf folgte Koppeldraht und Sturzdraht, aus
welchem die Kornfegen gewirkt wurden. Der feinste Draht hieſs
Blei, wovon man wieder zehn Nummern hatte. Der Draht wurde
gewirkt oder gestrickt. Im ersteren Falle hatten die Siebe viereckige,
im letzteren runde Löcher. Stets muſste der Draht erst geglüht
werden. Das Wirken geschah auf einem einfachen Stuhl, ähnlich
einem Webstuhl. Die gestrickten Siebe wurden mit der freien Hand
geflochten. Man verfertigte in Böhmen folgende Sorten: feine,
gegitterte Dunstsiebe, feine Griessiebe, mittlere Griessiebe, Staub-,
Fege-, Raden-, Knotten-, Rollen-, gestrickte Knotten- und Bohnensiebe.


[473]Amboſsschmieden und Waffenfabriken.
Amboſsschmieden, Rohrhämmer, Messer- und
Waffenfabriken.

Auch für die Formgebung grober Stücke wurde die Hand-
schmiederei mehr und mehr durch die Arbeit des Wasserhammers
verdrängt. Ein Beispiel hierfür bieten die Amboſsschmieden. Ambosse
wurden früher ausschlieſslich mit Handhämmern geschmiedet, und
zwar meist mit nur geringer Sorgfalt. In Frankreich wurden die-
selben zu der Zeit, als Duhamel seine Abhandlung über die Amboſs-
schmiede in den Descriptions des arts et métiers 1) veröffentlichte, noch
vielfach von herumziehenden Schmieden gemacht und geflickt. Die
Handbälge dieser Schmiede glichen den Bälgen der afrikanischen und
indischen Naturvölker. Öfter wurden ordinäre Ambosse in den Frisch-
hütten direkt aus Rohluppen unter dem Luppenhammer geschmiedet.
Bessere Ambosse wurden aus einer Anzahl vorgeschmiedeter Stäbe
unter einem Wasserhammer geschweiſst und geschmiedet. Gröſsere
Ambosse dieser Art wurden aus plattenförmigen Stücken hergestellt,
auf deren oberen Fläche, rechtwinkelig zu den Schweiſsflächen, eine
Stahlplatte aufgeschweiſst wurde. Während damals in den bedeutenden
Amboſsschmieden Berlins noch der Handbetrieb herrschte, war in der
Grafschaft Mark die Amboſsschmiederei mit Wasserbetrieb zu einem
wichtigen Industriezweige geworden.


Diese Amboſsschmiede verfertigten nicht nur Ambosse aller Art,
sondern auch sonstige schwere Schmiedestücke, als Hämmer, Walzen,
Hülsen, Achsen, Schienen, Wellzapfen, Mühlenkreuze, Sperrhaken,
Pumpengestänge, Maschinenteile u. s. w. Ein gut betriebenes Amboſs-
feuer brauchte jährlich 340 Ctr. Nassauer Luppeneisen, 15 Ctr. Stahl
und 104 Karren Steinkohlen. Der Verdienst war ein guter.


Rohrhämmer zum Ausschmieden der Gewehrläufe mit Wasser-
hammerbetrieb bestanden schon im 16. Jahrhundert, aber erst im
18. Jahrhundert kamen sie zu allgemeinerer Anwendung, namentlich
auch zu Suhl. Bei dem Schmieden der Rohre unter dem Rohr-
hammer, der etwa 15 kg schwer war, verfuhr man ebenso, wie wir es
früher bei den Handrohrschmieden beschrieben haben, und ging die
Arbeit bei gutem Material schnell von statten. In sechs bis acht
[474]Amboſsschmieden und Waffenfabriken.
Hitzen wurde ein ganzes Rohr geschweiſst. War aber das Eisen
schlecht, namentlich rotbrüchig, so ging die Arbeit, besonders das
Schweiſsen, schlechter von statten als bei den Handhämmern, weil
der schwerere Hammerschlag zahlreiche Risse an den Schweiſsstellen
veranlaſste. Der Rohrschweiſser war der wichtigste Arbeiter bei der
Rohrschmiede; ihn machte der Meister für alle Mängel der geschmiedeten
Rohre verantwortlich.


Die ordinären Rohre wurden der Länge nach zusammen-
geschweiſst, man machte aber auch gewundene, gedrehte und damas-
zierte Rohre.


Die gewundenen oder Bandrohre (canon à ruban) wurden in
der Weise hergestellt, daſs man über ein dünnes gewöhnliches Rohr
einen 1 Zoll breiten Eisenstab schraubenförmig so aufwand, daſs sich
die schmalen Seiten desſelben berührten. Es wurde dann stückweise
schweiſswarm gemacht und unter fortwährendem Umdrehen geschweiſst,
und dabei öfter auf einer Eisenplatte gestaucht. Gewöhnlich wurde
dann die ganze innere Hülse herausgebohrt.


Die gedrehten Rohre (canon tortu) wurden über einem Dorn
geschweiſst.


Die damaszierten oder türkischen Flintenrohre waren in
der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts sehr in Aufnahme
gekommen. Die Stäbe, aus welchen diese gewunden wurden, waren
aus abwechselnden Lagen von Eisen und Stahl zusammengeschweiſst
P. Wäsström hat darüber 1773 einen Aufsatz veröffentlicht 1).
Er empfiehlt darin diese Fabrikation für Schweden und schlägt
folgendes Verfahren vor. Man wähle Stäbe von gutem, weichem
Eisen und von hartem Brennstahl und schmiede sie bis auf ¼ Zoll
aus. Von diesen schweiſst man sieben Schienen abwechselnd von Eisen
und Stahl, doch so, daſs die erste und die letzte Eisen sind, zusammen
und schmiedet sie zu Flachstäben von 1 Zoll Breite aus. Diese haut
man in der halben Länge durch, schlägt sie um und schweiſst die
beiden Hälften wieder zusammen, worauf man sie wieder auf dieselbe
Dicke und 1 Zoll Breite ausschmiedet. Diese Stäbe kann man so ver-
wenden; will man sie aber noch feiner haben, so kann man das Um-
schlagen u. s. w. noch ein- oder mehreremal wiederholen. Man schmiedet
die Stäbe in der Weise, daſs sie an dem einen Ende, woraus man
die Pulverkammer macht, ⅙ Zoll, am andern Ende, den der Mündung,
⅛ Zoll dick macht. Dann rollt man sie schraubenförmig über ein
[475]Amboſsschmieden und Waffenfabriken.
altes Rohr, wie oben angegeben. Als Brennmaterial empfiehlt
Wäsström Steinkohlen und warnt vor Tannenkohlen. Rinman
bemerkt zu diesem Aufsatz, daſs die Türken zu diesem Verfahren aus
Mangel an gleichmäſsigem guten Material gekommen seien, wodurch
sie gezwungen wären, die Fehler einer Eisensorte durch die Vorzüge
anderer auszugleichen. Nach seinen Versuchen empfiehlt sich folgende
Zusammensetzung der Schienen für damaszierte Röhren: 1. Weiches
Storbergs Stangeneisen, 2. Brennstahl von Dannemoraerzen, 3. zäher
Schmelzstahl und 4. weiches Osemundeisen.


Drahtröhren machte man in der Weise, daſs man Drahtstücke,
Hufnägel u. s. w. in dem kleinen Feuer des Rohrhammers zu einem
Deul zusammenschweiſste und daraus die Schienen für die Rohre
schmiedete. Eine andere Art von Drahtläufen werden wir weiter
unten bei der Gewehrfabrikation erwähnen.


Der Büchsenmacher Fuller in London hatte durch Versuche
gefunden, daſs die aus Hufnägeleisen gedrehten Rohre die besten seien.
Ebenso wurden die guten spanischen Rohre aus alten Hufnägeln
geschmiedet, welche man dazu sammeln lieſs. Zu einem Laufe, der
fertig 6 bis 7 Pfund wog, gehörten 40 bis 45 Pfund alte Nägel. Gute
spanische Nagelläufe wurden in Paris bis zu 1000 Francs das Stück
bezahlt.


Säbelklingen und Messer wurden noch meistens mit der Hand
geschmiedet, dagegen wurden die Sensen schon früher auf Wasser-
hämmern hergestellt. Besonders geschah dies zu Steiermark, dessen
blaue Sensen für die besten galten. Sie waren aus Schweiſsstahl
gefertigt (s. Bd. II, S. 422).


Aber auch in Westfalen hatte die Fabrikation blauer sogenannter
steierischer Sensen, welche ganz aus Stahl geschmiedet wurden, bereits
eine groſse Bedeutung erlangt. Die gröſste Fabrik war die der Gebrüder
Elbers in Hagen, welche im Jahre 1800 30000 Stück steierische
Sensen machte. Auſser dieser gab es noch zwei Fabriken, welche
damals zusammen 162 Schmiede und 43 Schleifer beschäftigten.


Die Sensenhämmer der Enneper Straſse machten weiſse Sensen.


Eine Hauptsache war die richtige Zusammensetzung des Gärb-
oder Raffinierstahls, und wurde dessen Zusammensetzung von den
Raffinierschmieden als Geheimnis behandelt. In England bediente
man sich des Cementstahls bei der Sensenfabrikation.


Die Blankschmiedearbeit, durch welche hauptsächlich ordinäre
Werkzeuge, wie Beile, Äxte, Futterklingen, Spaten, Schaufeln, Haken u. s. w.
hergestellt wurden, bildete ein wichtiger Zweig der Eisenveredelung,
[476]Amboſsschmieden und Waffenfabriken.
welcher ebenfalls mit Wasserhämmern betrieben wurde, und zwar mit
Schwanzhämmern. Ein wichtiger Teil der Blankschmieden waren die
Schleifwerke. Jars sah zu Swallwell bei Newcastle ein gut ein-
gerichtetes Schleifwerk, in welchem ein Wasserrad durch eine Über-
setzung mit Stirnrad und Trilling eine lange Welle trieb, an der
sechs Schleifsteine befestigt waren. Es diente zum Schleifen von
Küchen- und Ackergeräten. In Schweden gehörten diese Eisenhämmer
zu den Feinschmieden, welche nicht, wie die Schwarzschmieden, unter
dem Bergkollegium, sondern unter dem Kommerzkollegium standen.


Die Blechschlägerarbeit war eine andere Art der Eisen-
veredelung, welche mit sogenannten Tiefhämmern ausgeführt wurde.
Diese Tiefhämmer waren lange spitzige Hämmer, welche wegen ihrer
Ähnlichkeit mit dem Schnabel eines Spechtes auch Spechtbecher
genannt wurden. Die Arbeit selbst hieſs das Aus- oder Auftiefen.
Ein wichtiger Zweig desſelben war das Pfannenschmieden. Der ganze
Betrieb war von den Messingwerken auf die Eisenhämmer übertragen.
Rinman sah solche Tiefhämmer bei Lüttich zum Schmieden tiefer
Kessel und Kasserolle, welche nachher verzinnt wurden, im Betrieb 1).


Jars hat 1765 in England noch verschiedene Fabriken, welche
Stahl verarbeiteten, gesehen und beschrieben, die hier ebenfalls
angeführt werden müssen. Dazu gehörte eine Sägefabrik zu New-
castle 2).


Man verwendete für die Sägeblätter den gemeinen Stahl (Cement-
stahl). Derselbe wurde mit Handhämmern ausgetrieben. Die Hämmer
wogen 4 bis 5 Pfund. Man lieſs den Stahl nur kirschrot werden und
trieb ihn mit kleinen Schlägen, wodurch er die nötige Härte (Feder-
härte) erhielt und nicht mehr im Wasser gehärtet werden durfte. —
Das geschmiedete Sägeblatt wurde alsdann in der Schleiferei geschliffen
und hierauf mittels eines gut gehärteten Haueisens die Zähne ein-
gehauen. Dieses Haueisen war ein Kaltmeiſsel, der genau die Form
des Zahnes hatte und in einer Führung ging. Nach jedem Hieb wurde
er durch eine Feder zurückgestoſsen, so daſs der Arbeiter nichts zu
thun hatte, als die Säge fortzuschieben und mit dem Hammer zu
schlagen, was bei einiger Fertigkeit des Arbeiters sehr rasch ging.
Das Schärfen der Säge geschah mit der Feile. — Gegen Ende des
Jahrhunderts machte man die Sägeblätter in England bereits aus-
schlieſslich aus Guſsstahl.


[477]Amboſsschmieden und Waffenfabriken.

In Deutschland wurden besonders in der Grafschaft Mark Säge-
blätter fabriziert und dort zuerst auf Breithämmern vorgeschmiedet.
Das Austreiben der Zähne geschah in Deutschland mit einer beweg-
lichen Stampfe, welche von dem Meister gegen ein im Amboſs
befestigtes Gesenk gehalten wurde, während der Gehülfe darauf
schlug. Albert in Paris erhielt am 12. Septbr. 1799 ein Patent auf
eine Säge ohne Ende mit Handbetrieb, welches aber auch in der
Hauptsache nur ein senkrecht stehendes Schneidrad war.


Nach Rinman1) ist das kalte Hämmern bei den Sägeblättern
höchst notwendig und wird eine sehr geübte Hand dazu erfordert,
um auf einem harten und glatten Amboſs mit einem polierten und
gut verstählten Hammer recht gleichmäſsige Schläge zu geben, so
daſs das Blatt nicht schief oder auf der einen Stelle härter als auf
der andern gestreckt wird. Mit solchen dichten und mittelmäſsig
starken Schlägen muſs man so lange fortfahren, als das Eisen es,
ohne Risse zu bekommen, vertragen kann. Um sich überzeugen zu
können, daſs die Schläge dicht genug nebeneinander erfolgen, schwärzt
man die Blätter an den Stellen, wo sie gehämmert werden sollen,
etwas mit Steinkohlen oder Kiendämpfen, so daſs man jeden Schlag
deutlich sehen und sich von der Gleichförmigkeit überzeugen kann.
Ein dünnes Sägeblatt von der Länge einer Elle muſs auf diese Art
eine solche Springkraft erhalten, daſs es sich in einen halben Zirkel
biegen läſst und dann sogleich wieder in seine vorige Form zurück-
springt. Wenn die Zirkellinie ganz gleichförmig ohne Buchten und
Biegungen zum Vorschein kommt, ist das Blatt gleichförmig und gut
geschlagen.


Die Kreissägen waren im vorigen Jahrhundert schon bekannt und
im Gebrauch, z. B. zu Rewdinsk, 40 Werst von Katharinenburg im
Ural, zum Zerschneiden von Eisen.


Jars besuchte ferner auf seiner Reise verschiedene Feilen-
fabriken
, sowohl in Newcastle als in Sheffield. Die Feilen wurden
aus gemeinem Stahl geschmiedet und dann sieben bis acht Stunden
in einem Wärmfeuer geglüht und langsam erkalten gelassen, damit
sie recht weich wurden. Hierauf wurden sie auf einem Schleifstein
poliert. So wurden sie an die Feilenhauer abgeliefert, welche sie in
vertiefte Bleiplatten legten und befestigten. Das Hauen geschah
mit der Hand mit einem Kaltmeiſsel. Alle Versuche, mit Maschinen
zu hauen, hatten keinen dauernden Erfolg gehabt. Zum Härten bediente
[478]Amboſsschmieden und Waffenfabriken.
man sich ganz lockerer Koks. Die Feilen wurden in Bierhefe getaucht,
dann in einen Haufen, der aus einem Gemisch von Seesalz und
gestoſsenen Rinderklauen bestand, gesteckt und so durchgeführt, daſs
sie von allen Seiten damit überzogen waren. Sie wurden dann zum
Trocknen auf eine eiserne Platte nahe dem Feuer gelegt, sodann in
ein Koksfeuer gebracht, und zwar so, daſs sie der Arbeiter vor Augen
hatte. Sobald sie kirschrotglühend waren, nahm er sie heraus und
tauchte sie senkrecht, soweit die Einhiebe gingen, in kaltes Wasser,
wodurch sie gehärtet wurden. Alsdann wurden sie mit feinem Sand
und einer scharfen Bürste abgescheuert und in eine Kufe mit Wasser,
in welcher weiſser Thon aufgelöst war, geworfen, in welcher sie ver-
blieben, bis sie verpackt werden sollten. Der Überzug von Thon
schützte so lange vor Rost, bis sie ganz trocken und rein gemacht
und mit Öl eingerieben waren, was sie auf dem Transport vor dem
Rosten bewahrte. In dieser Fabrik wurden wöchentlich 200 Dutzend
Feilen von mittlerer Gröſse angefertigt.


In Sheffield nahm man in der Regel für die Feilen aus-
geschmiedeten Cementstahl. Das Ausglühen geschah in Koks, die
man sich in dem Herd selbst bereitete, indem man eine groſse Menge
Steinkohlen aufgab, diese entzündete und so lange blies, bis sie auf-
hörten zu flammen und zu dampfen; alsdann nahm man sie weg und
löschte sie mit etwas Wasser ab. Mit dieser Art „Cinders“ wurden
die Stahlwaren geglüht. Die Feilen wurden in Gesenken geschmiedet
und beim Erhitzen zeitweilig durch einen Haufen Sand gestrichen.
Das weitere Verfahren war ganz ähnlich dem zu Newcastle. In den
Schleifereien erhielten die Messerklingen, Scheren, Barbiermesser u. s. w.
den letzten Schliff auf einer hölzernen Scheibe, welche 1 Zoll breit,
mit Leder eingefaſst und mit Schmirgel bestreut war. Diese Scheiben
liefen sehr rasch um. Für Klingen hatte man auch hölzerne Scheiben
ohne Leder, welche mit Fett und Schmirgel überzogen wurden.


Ein gewisser John Baskerville nahm am 16. Januar 1742
folgendes merkwürdige Patent auf das Walzen, Schleifen und
Formen von Metallblechen
, welche für verschiedene Zwecke
lackiert oder gefirniſst werden sollen.


„Der Hammerschlag (scale) wird von den eisernen Blechen
(plates), wenn sie aus den Walzen kommen, durch Wasser, in welchem
Salmiak gelöst ist, und darauf folgendes Ausglühen entfernt, das, was
noch haften geblieben ist, durch Abreiben (scouring). Diese Bleche
sind dann fertig zum Glätten zwischen Walzen (flatting by the rolls);
die letzteren erhalten den nötigen Druck durch einen belasteten Hebel,
[479]Amboſsschmieden und Waffenfabriken.
statt mittels Schrauben. Der Hebel mit einem Laufgewichte wirkt
auf das Polster, in dem die Zapfen der Walzen laufen und läſst sich
durch Verschieben des Laufgewichtes der Druck vermehren oder ver-
mindern und dem entsprechend giebt die obere Walze nach und läſst
eine dickere oder dünnere Platte durch. Die Bleche werden fast
völlig geglättet (made flat), wenn man sie einige Mal die Walzen
passieren läſst. — Nachdem sie abgeschliffen sind, wird auch das
Formen oder Richten (moulding) durch Walzen bewerkstelligt. In
diesem Falle wird ein flaches Stück Eisen senkrecht und parallel an
jedem Ende der Walze aufgestellt und ein Stück der Form (moulding)
horizontal an beiden Seiten angelegt, um der Platte die Richtung zu
geben, daſs sie beim Vor- und Rückgang in einer geraden Linie
(a right line) geht.“ Der Schluſssatz ist etwas unverständlich.


Am 14. Juli 1759 erhielt Thomas Blockley ein Patent für das
Polieren und Walzen von Metallen, um Radreife (tyres for carriages)
daraus zu machen. Die Walzen sollten rückwärts und vorwärts gehen,
zwei oder mehrere zusammen.


Am 31. Juli 1766 nahm John Purnell ein Patent auf die Her-
stellung von Schiffsbolzen, Rundstäben und Draht aus Eisen und
Stahl. Dazu sollte ein Walzenpaar dienen, dessen beide Walzen
entsprechende Erhöhungen und Vertiefungen hatten. Das Metall
wurde erhitzt und heiſs durch die Höhlungen, welche Rundeisen oder
Draht erzeugen, gehen lassen. Die Walzen drehten sich in Zapfen,
einer derselben war mit dem Zapfen eines Wasserrades so verbunden,
daſs eine gemeinschaftliche Muffe auf beide paſste. Das Wasserrad
trieb so die eine Walze, welche durch ein Kammrad die andere Walze
bewegte.


Richard Ford nahm am 28. August 1749 ein Patent, Metalle
von verschiedenen Dicken auf denselben Walzen in einer Operation
auszuwalzen. Entweder sollte eine Walze kegelförmig sein oder drei
oder mehr Walzen zusammen laufen, so daſs das Muster, welches man
walzen wollte, indem es durch ein Walzenpaar durchging, gleichzeitig
durch ein anderes gehen konnte. — Da Ford nach diesem Verfahren
auch Draht walzen wollte, so ist es wohl kaum zweifelhaft, daſs wir
hier die erste Idee eines Schnell- oder Feinwalzwerkes vor uns haben.


Die Gewehrfabrikation.

Die Verwendung von Eisen und Stahl für die Bewaffnung
nahm immer gröſseren Umfang an. Je stärker die stehenden Heere
[480]Amboſsschmieden und Waffenfabriken.
wurden, je gleichmäſsiger die Ausrüstung und Uniformierung, je massen-
hafter wurden Waffenstücke nach einem und demselben Modell gebraucht.
Dadurch ergab es sich von selbst, daſs die fabrikmäſsige Herstellung
die Handarbeit des einzelnen Meisters verdrängte. Am meisten war
dies bei der Gewehrfabrikation der Fall. Die komplizierte Arbeit,
welche ein Gewehr erforderte, zwang zur Arbeitsteilung und zu fabrik-
mäſsiger Herstellung der einzelnen Teile. In dieser Weise war in
Deutschland zu Suhl die Gewehrfabrikation zuerst betrieben worden
und hatte dieselbe vor dem 30jährigen Kriege alle Länder Europas
mit Gewehren versorgt. Suhl hatte unter den Stürmen des 30jährigen
Krieges aber furchtbar zu leiden gehabt. Gleichzeitig hatten alle
gröſseren Staaten eigene Gewehrfabriken gegründet, um bei der
Bewaffnung ihrer Truppen von dem unsicheren Bezug von einer aus-
ländischen Fabrikstadt unabhängig zu sein. Auf diese Weise ent-
standen in Deutschland die Gewehrfabriken zu Herzberg am Harz,
zu Spandau und Potsdam in Preuſsen; ferner in Österreich: zu
Wienerisch-Neustadt, Stadt Steyer, Krems, Stockerau, Karlsbad und
Weinberg in Böhmen und zu Ferlach in Kärnten; in Bayern: zu Am-
berg und Kemnath in der Oberpfalz; in Württemberg: zu Ludwigsburg;
in Sachsen: zu Zella im Gothaischen und zu Obernhayn bei Dresden.


In England entstanden zu Birmigham bedeutende Gewehrfabriken,
welche aber Privatunternehmungen waren; ferner gab es eine in
Bridgenorth.


In Frankreich haben sich die Gewehrfabriken namentlich in der
zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sehr vermehrt. Am angesehen-
sten war die in dem ehemaligen Hôtel de la maison du Roi. In
dieser waren auch die berühmten Laufschmiede Le Clair Vater und
Sohn beschäftigt, deren Doppelflinten sich besonderen Rufes erfreuten
und mit 100 bis 200 Louisd’or das Stück bezahlt wurden. Eine
bedeutende Gewehrfabrik bestand zu Sedan; ferner wurden Gewehr-
fabriken gegründet zu St. Etienne, Charleville, Abbeville und Verdun.
Lüttich war schon lange berühmt durch seine Schieſswaffen und
machte Suhl Konkurrenz. Es arbeitete aber mehr auf billige Ware,
die dann auch entsprechend schlecht war. Eine Lütticher Flinte
kostete nicht über 6½ Livres. Auſserdem wurden in den Nieder-
landen zu Mastricht Gewehre fabriziert.


Spanien hatte seine wichtigsten Gewehrfabriken zu Cordova, Bar-
celona und zu Helgoybar, welche das vortreffliche Eisen von Biskaya
und Guipuzcoa verarbeitete.


In Italien behauptete Brescia seinen alten Ruhm.


[481]Amboſsschmieden und Waffenfabriken.

In Dänemark war eine Gewehrfabrik zu Kronburg.


In Schweden wurden zu Norrtelge, Oerebro und Jönköping
Gewehre gemacht. In den nordamerikanischen Freistaaten wurde eine
Staatsfabrik bei Richmond in Virginien gegründet und eine vorzüg-
liche Privatfabrik zu New-Haven. Die groſsartigsten Gewehrfabriken
waren aber um jene Zeit wohl die kaiserlich russischen. Von diesen
war Tula die älteste, denn sie war bereits 1595 mit 30 Arbeitern
begründet worden. Aber erst 1717 erhielt sie ihre spätere Gestalt
und im Jahre 1737 kam sie in eigentliche Aufnahme. Gegen Ende
des Jahrhunderts waren daselbst 5000 Arbeiter mit der Waffen-
fabrikation beschäftigt. Die zweite groſse Gewehrfabrik zu Süderbeck
wurde 1716 angelegt, die dritte war zu Petrosawodsk in der Olonetz-
schen Statthalterschaft, dann gab es eine vierte in Orel, eine fünfte
in Moskau und eine sechste in Tobolsk.


Die Gewehrfabriken waren mit Maschinenbetrieb eingerichtet und
wurden die Maschinen meist durch Wasserkraft betrieben. Die Arbeiten,
welche ein Büchsenschmied allein zu machen hatte, wurden in den
Fabriken von einer ganzen Anzahl Arbeiter ausgeführt. Da gab es
Rohrschmiede, Rohrverschrauber, Schloſsmacher und Garniturmacher;
letztere waren wieder eingeteilt in Gieſser, Plattenmacher, Garnitur-
Auffeiler, Graveurs und Stecher. Ferner gab es Ladestockmacher
und Bajonettschmiede. Die Schleifer zerfielen in Rohrschleifer und
Bajonettschleifer. Diesen folgten die Schmirgler. Endlich gab es noch
die Schäfter und Reparierer. Sodann kamen verschiedene Arbeits-
maschinen in Anwendung, als Bohrmühlen, Schleif- und Polierwerke,
Ziehbänke u. s. w. Zeichnungen der maschinellen Einrichtung einer
Gewehrfabrik im vorigen Jahrhundert findet sich in Rinmans
Maschinenlehre 1).


Über Verbesserungen in der Fabrikation ist noch folgendes zu
erwähnen. In Frankreich schweiſste man die Platinen (lames à canon)
aus drei verschiedenen Stücken zusammen, von denen das mittlere
von der besten Beschaffenheit sein muſste und erhalten blieb, dadurch,
daſs die beiden äuſseren es vor der Wirkung des Feuers schützten.
Die äuſseren Lagen wurden von innen durch das Bohren, von auſsen
durch das Schleifen wieder weggenommen. Die Platinen wurden erst
Beck, Geschichte des Eisens. 31
[482]Amboſsschmieden und Waffenfabriken.
durch eine Fallprobe mit einem 650 Pfund schweren Bär geprüft.
Der Rohrhammer wog 300 Pfund. Über dies Schweiſsen und Schmieden
der Rohre siehe Bd. II, S. 441.


Man verbesserte die Platinen zu besseren Gewehren häufig durch
Gärben. Bandröhren (canons à ruban) wurden besonders in Spanien
gemacht. Hierzu wurden dünne Schienen aus alten Hufeisen,
Nägeln u. s. w. ausgeschmiedet und dann über ein schwaches Rohr
gewunden und nach und nach zusammengeschweiſst. Geschah dies
über einem Dorn, so wurde dieser nach dem Schweiſsen heraus-
geschlagen und das Rohr nochmals rotglühend in einem Gesenk-
amboſs überschmiedet. Die Herstellung der in der zweiten Hälfte
des 18. Jahrhunderts in Mode gekommenen damaszierten Läufe 1)
haben wir bereits beschrieben.


Sie wurden durch Zusammenschweiſsen von abwechselnden Lagen
von Stahl und Eisen hergestellt.


Feiner war die Damastzeichnung der Drahtläufe. Zu ihrer Her-
stellung umwickelte man einen Dorn oder einen alten Flintenlauf,
der als Dorn diente, etwa nach der halben Länge des künftigen
damaszierten Rohres mit feinem ausgeglühtem Draht. Auf jede Lage
dieser Umwickelung legte man der Länge nach einige Drahtstäbe zum
Zusammenhalten. Während der eine Arbeiter den Draht wickelte,
stauchte ihn der andere mit einem Stempel fest gegen den Dorn.
Dies wurde fortgesetzt, bis das gewickelte Knäuel so dick war wie
etwa ein Mannsschenkel. Hierauf wurde das umwickelte Rohr in die
Esse gebracht und der Draht zusammengeschweiſst, zuletzt über einem
kalibermäſsigen Dorn. Dies geschah aber ganz allmählich und mit
groſser Vorsicht. Der Draht muſste wenigstens 20mal geglüht werden,
ehe er sich zusammenschweiſsen lieſs. Es war eine Kunst, welche
nur die geschicktesten Büchsenmacher damals verstanden, weshalb diese
Drahtrohre hoch bezahlt wurden. — Ein anderes, weniger solides Ver-
fahren bestand darin, den Draht über ein schwaches Rohr zu wickeln
und mit diesem zusammenzuschweiſsen.


Um die Zeichnung der damaszierten Rohre hervortreten zu lassen,
wurde das Rohr in einem Troge mit Essig, Vitriol, verfaulten Citronen
und Scheidewasser so lange liegen gelassen, bis sich die Adern zeigten.


[483]Chemie des Eisens.

Eine falsche Damaszierung, die aber beim Gebrauch bald völlig
verschwand, wurde dadurch hergestellt, daſs man das Rohr mit Wachs
überzog, die Adern und Zeichnungen mit dem Grabstichel durch das
Wachs eingrub und dann das Rohr in obige Beize legte. Das Rohr
muſste schon vor dem Überziehen mit Wachs poliert sein. Damaszierte
Läufe wurden nur für Luxuswaffen verwendet.


Erst durch die Verbindung der Schuſswaffe mit der Pike durch
die Einführung des Bajonetts wurde das Gewehr die alleinige
Waffe des Fuſsvolks (diese Erfindung war von fast eben so groſser
Bedeutung wie die des französischen Gewehrschlosses). König Fried-
rich I. von Preuſsen hatte schon das Schnappschloſs mit dem Flinten-
stein allgemein in der preuſsischen Armee eingeführt. Das Lunten-
schloſs war bereits zu Anfang des 18. Jahrhunderts auſser Gebrauch
gekommen. Leopold von Dessau führte den eisernen Ladestock ein.
Weitere Verbesserungen waren die Einführung fertiger Patronen und
konischer Zündlöcher.


Hinterlader, mehrläufige und Drehgewehre kamen schon früher
vor. Hinterlader kennt man aus den ersten Jahren nach 1600; in
Deutschland machte Wetschgi in Augsburg Hinterladungspistolen
nach eigener Erfindung. — Marquis von Worcester führte unter
seinen Erfindungen Hinterlader und Drehgewehre auf. Patente auf
Hinterlader nahmen Abraham Hill 1664, Isaac de la Chaumette,
Th. Wright
und Ch. Bryne 1772 und Patrik Ferguson 1776; für
Drehgewehre Abraham Hill 1664 und James Puckle 1717.


Die Chemie des Eisens von der
Mitte des 18. Jahrhunderts bis zum Sturz der
Phlogistontheorie.

Die Chemie machte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts
groſse Fortschritte, welche auf die Eisenhüttenkunde nicht ohne Ein-
fluſs blieben. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts hatte die Phlogiston-
theorie so allgemeine Anerkennung und Annahme gefunden, daſs
kaum ein Zweifel an derselben auftauchte. Obgleich sie gerade die
Prozesse der Verkalkung und der Reduktion unrichtig erklärte, so
beschäftigten sich die Chemiker jener Zeit doch ganz besonders mit
diesen Vorgängen, welche allerdings für die Praxis auch von der
31*
[484]Chemie des Eisens.
gröſsten Wichtigkeit waren. Metallurgie und Mineralogie hatten der
Chemie groſse Anregung gegeben und man muſs zugestehen, daſs die
Chemiker jener Zeit mit rastlosem Fleiſs bemüht waren, Licht in das
Dunkel der Erscheinungen zu bringen. Dadurch wurden eine Masse
neuer Thatsachen entdeckt, deren Wert durch die unrichtigen
Erklärungen derselben kaum beeinträchtigt wurde.


Auf dem Gebiete der Chemie des Eisens waren es besonders
wieder die Schweden, welche an dem Fortschritt arbeiteten; auf
dem Gebiete der Mineralogie der Eisenerze Waller und Cronstedt,
auf dem Gebiete der metallurgischen Chemie besonders Brandt.


Brandt wies im Jahre 1733 das Arsen und 1735 das Kobalt
als selbständige Metalle nach 1). Man ging, unbeirrt durch die
Theorie, welche die Metalle für zusammengesetzte Körper erklärte,
darauf aus, Metalle zu isolieren und zu entdecken. Brandt rechnete
Arsen und Kobalt unter die Halbmetalle, deren er sechs annahm:
Antimon, Wismut, Kobalt, Arsenik, Zink und das Quecksilber,
dessen Mangel an Dehnbarkeit ihn veranlaſste, es so zu gruppieren
gegenüber den sechs wahren Metallen. Er erklärte sich aber bestimmt
dagegen, daſs man Substanzen, wie Vitriol, Zinnober, Erze, Erden
und dergleichen als Halbmetalle bezeichnete, indem diese auſser der
Feuerbeständigkeit und Geschmeidigkeit alle Eigenschaften der wahren
Metalle besitzen sollten. Um diese Zeit (1741) wurde auch das
Platin als ein besonderes Metall erkannt. 1751 wies der schwe-
dische Mineraloge Cronstedt auch das Nickel als ein eigenes
Metall nach.


Brandt machte ausgedehnte Versuche über das Verhalten des
Eisens zu den übrigen Metallen
, welche er 1751 veröffentlichte 2).
Er schmolz Eisen mit Gold, Silber, Zinn, Kupfer und Blei zusammen
und untersuchte die Verbindung von Eisen mit Quecksilber. Ferner
schmolz er Eisen mit Spieſsglanz, mit Arsenik, mit Kobalt, mit Wismut
und Zink. Er untersuchte das Verhalten des Eisens in der Hitze,
sowie gegen Säuren, gegen Schwefel, Salze und Glas.


Zu letzterem bemerkt er: „Da auch Eisenkalk in viel geringerer
Hitze vermittelst beigefügter Glasmaterie verschlackt, als durch etwas
brennbares reduziert wird, andere Metalle aber zu ihrem Verschlacken
stärkere Hitze brauchen, als zu ihrer Reduktion: so ist dies auch
eine sehr vorteilhafte Eigenschaft, wenn sie bei dem Schmelzen recht
[485]Chemie des Eisens.
in acht genommen wird, und legt den Grund zum Verschlacken des
Eisens und zu dessen reiner Absonderung von den edleren Metallen.“


Brandt hatte auch Untersuchungen über den Rotbruch und
den Kaltbruch des Eisens angestellt und kam zu dem falschen
Resultat, daſs rotbrüchiges Eisen Schwefelsäure enthalte, während dem
kaltbrüchigen Eisen Arsenik, Wismut (nach anderen Zink) oder Spieſs-
glanz beigemischt sei. Diese Frage beschäftigte damals die schwedischen
Chemiker lebhaft, denn die Königl. Akademie der Wissenschaften hatte
einen Preis ausgeschrieben für das beste Mittel zur Entfernung des Kalt-
bruchs. Rinman erzählt dazu folgendes Geschichtchen. Bereits 1749
habe ein schwedischer Gelehrter eine Beantwortung der Preisfrage
eingereicht und ein unfehlbares Arcanum dafür mitgeteilt. Er behauptete,
der Kaltbruch rühre von groben, erdartigen Salpeterteilen her. Wenn
man solche Erze glühe und dann auslauge, so erhielte man Salz-
krystalle aus der Lösung, deren Menge im Verhältnis zu dem Grade
des Kaltbruchs stände. Man solle deshalb, um den Kaltbruch zu
entfernen, die Erze pochen, sieben und in einem Reverberierofen unter
fleiſsigem Umrühren mit Holzfeuer kalzinieren; die noch rotglühende
Masse solle man dann in eine gemauerte Pfanne schütten und unter
Umrühren mit Wasser auskochen, welches das schädliche Salz auflöse.
Aus dem zurückbleibenden Erzpulver erhielte man dann im Hochofen
das zäheste Eisen und, fügt er hinzu, um das kostspielige Verfahren
verlockender zu machen, nicht nur dieses, sondern aus den ersten
Erzteilen könne man das feinste Gold und aus der Lauge die vor-
trefflichste Universalmedizin herstellen!


Um die Chemie der Eisenerze hat sich der berühmte Mineraloge
Johann Gottschalk Waller (Wallerius) sehr verdient gemacht,
der von 1750 bis 1767 als Professor der Chemie, Mineralogie und
Pharmacie an der Universität zu Upsala wirkte. 1767 trat er seine
Stelle kränklichkeitshalber an Bergman ab.


Wallerius’ Nachfolger Torbern Bergman hat sich die gröſsten
Verdienste um die Erkenntnis der Eisenverbindungen, namentlich
aber um die chemische Analyse des Eisens und der Erze erworben.
Bergman war am 20. März 1735 zu Katherinberg, Westgothland,
geboren. Von seinen Eltern zum Studium der Theologie und Juris-
prudenz, trotz seiner leidenschaftlichen Neigung für Mathematik und
Naturwissenschaften, bestimmt, studierte er die letzteren neben seinen
Fachstudien heimlich mit solchem Eifer, daſs er darüber erkrankte
und die Universität verlassen muſste. Erst nach seiner Wieder-
herstellung gab sein Vater die Erlaubnis, sich ganz seinen Lieblings-
[486]Chemie des Eisens.
studien widmen zu dürfen. Er wurde erst Adjunkt der Mathematik
und Physik und dann 1767 nach dem Austritt Wallers Professor
der Chemie und Pharmacie an der Universität zu Upsala. Er widmete
sich seit dieser Zeit hauptsächlich chemischen Untersuchungen und
seine Erfolge verbreiteten seinen Ruhm durch ganz Europa. 1776
wollte ihn Friedrich der Groſse unter ehrenvollen, glänzenden Bedin-
gungen nach Berlin ziehen, aber er konnte sich nicht entschlieſsen,
sein Vaterland, das ihm mit der gröſsten Bereitwilligkeit die Mittel
für seine Untersuchungen gewährt hatte, zu verlassen und lehnte ab.
Seine Gesundheit war durch übermäſsige Thätigkeit erschüttert, seit 1769
kränkelte er, von 1780 an nahm sein Leiden eine schlimmere Wendung
und 1784 starb er in seinem 49. Jahre im Bade Wedwer am Wettersee.
Er schrieb eine groſse Anzahl kleinerer und gröſserer Schriften,
darunter 1779: De primordiis Chemiae, 1782: Historia Chemiae medium
seu obscurum aevum — beide in das Deutsche übertragen von
Wigleb. Einen groſsen Teil seiner Abhandlungen sammelte er unter
dem Titel Opuscula Physica et Chemica, 6 Vol., 1779 — deutsch von
Taber, Frankfurt 1782 bis 1790.


Bergmans Arbeiten sind klar und praktisch. Er hatte ein sehr
richtiges Urteil darüber, wie weit man der Spekulation in der Natur-
wissenschaft Einfluſs gestatten und wie weit die Erfahrung allein als
Führerin anerkannt werden muſs. Fortgesetzte richtige Beobachtungen
hielt er für das allein Förderliche in der Chemie und auf diesem
richtigen Wege mit eisernem Fleiſs voranschreitend, hat er neue That-
sachen gefunden, neue Wege gezeigt, welche die Wissenschaft später
zu den wichtigsten Resultaten führten. Vorzüglich erfolgreich waren
seine Bemühungen, die analytische Chemie auf einen höheren Stand-
punkt zu erheben und seine Arbeiten legten eigentlich das Funda-
ment für die Zerlegungskunst unorganischer Körper 1).


Die chemische Analyse auf nassem Wege war damals noch
ganz unentwickelt. Die Untersuchungen der Mineralien und Erze
wurden fast nur auf trockenem Wege durch Schmelzung gemacht.
Auf nassem Wege hatte man bis dahin nur qualitative Untersuchungen
angestellt, die aber an groſser Unsicherheit litten; quantitative
Bestimmungen durch die Analyse auf nassem Wege zu machen, hatte
man noch kaum versucht. Bergman gab zuerst eine vollständige
Lehre über die Wahl der Reagentien und über deren Wirkung; er
war der erste, der eine Anweisung für den Gang, den man bei der
[487]Chemie des Eisens.
analytischen Untersuchung auf nassem Wege einzuschlagen hat, auf-
stellte, und seine Arbeiten in dieser Hinsicht tragen schon ganz das
Gepräge der neueren, exakteren Wissenschaft. Allerdings haben sich seine
quantitativen Bestimmungen später als nicht sehr genau herausgestellt.
Dies beeinträchtigt aber den Wert seiner Arbeiten nur wenig, denn
dieser liegt in der Methode, mit Hülfe derer er eine groſse Menge neuer
Gegenstände in das Bereich der chemischen Untersuchung zog und
dadurch den Wirkungskreis und das Arbeitsfeld der Chemie erweiterte.
Zu seinen Lebzeiten stand sein Ruf als Scheidekünstler so fest, daſs
man an der Richtigkeit seiner Analysen keinen Zweifel hegte. Er
machte namentlich auch die ersten Mineralwasseranalysen, und zwar
nach derselben umfassenden Methode, wie sie heute noch geübt wird.
Die angebliche Unlöslichkeit mancher Mineralien und Substanzen
waren für ihn kein Hindernis, den nassen Weg der Zerlegung anzu-
wenden; er suchte und fand die Mittel der Auflösung derselben.
Dabei vernachlässigte er über den nassen Weg die trockene Probe
keineswegs. Er suchte den Gebrauch des Lötrohres in allgemeine
Aufnahme zu bringen und zeigte, wie dasſelbe zur Bestimmung von
Mineralien mit gröſstem Vorteil angewendet werden kann. Unsere
ganze Lötrohrprobierkunst basiert auf der Grundlage, welche Bergman
ihr gegeben hat.


Als Schwede lagen ihm Untersuchungen über das Eisen nahe
und diese Arbeiten gehören zu seinen wichtigsten und besten. Er
versuchte es, zuerst den Unterschied zwischen Schmiedeeisen, Stahl
und Guſseisen durch die chemische Analyse festzustellen, eine Arbeit,
die ganz im Geiste der neueren analytischen Chemie ausgeführt ist 1).
Er prüfte die verschiedenen Eisenarten durch Auflösen in verdünnter
Schwefelsäure und Messen des entwickelten Wasserstoffgases; er fand,
daſs so Schmiedeeisen das meiste, Stahl weniger, Guſseisen am wenig-
sten Wasserstoffgas abgiebt; daſs hingegen Schmiedeeisen am wenigsten,
Stahl mehr und Guſseisen am meisten unlöslichen Rückstand läſst;
er schloſs daraus, daſs auch der Phlogistongehalt ein entsprechend
verschiedener sei und daſs sich also Stahl nicht in einem höheren
Zustande der Metallizität befinde. Zur Kontrolle untersuchte er auch,
wieviel Stahl und wieviel Schmiedeeisen nötig sei, um ein gewisses
Gewicht Silber aus seiner schwefelsauren Lösung zu fällen und das
Resultat bestätigte seine Ansicht. Er beurteilte ihre Verschiedenheit
richtig, indem er sie als Verbindungen in verschiedenen Verhältnissen
[488]Chemie des Eisens.
aus Eisen mit Graphit, mit welchem auch noch oft Mangan und
Kieselerde verbunden sei, ansah. Dabei definierte er den Graphit
nicht als gewöhnliche Kohle, sondern, wie Scheele, als eine brennbare
Verbindung aus Luftsäure und Phlogiston. Bergman, der noch ganz
auf dem Boden der Phlogistontheorie stand, sah allerdings das Eisen
selbst noch als einen zusammengesetzten Körper an, insofern ist seine
Ausdrucksweise befremdlich, aber die wichtigsten Thatsachen waren
durch seine analytische Arbeit erwiesen und konnten später leicht in
eine andere theoretische Ausdrucksweise übersetzt werden.


Sehr eifrig beschäftigte Metallurgen und Chemiker jener Zeit
die wichtige Frage über das Mangan und seine Beziehungen zum
Eisen. Das Mangan, das Metall des Braunsteins, ist mit dem Eisen
so vergeschwistert, daſs es lange Zeit nicht als ein besonderes Metall
erkannt wurde. Im Altertum hielt man den Braunstein für eine Art
Magneteisenstein. In diesem Sinne sagt Plinius, man benutze den
Magnet, um bei der Glasfabrikation das Glas zu entfärben. Diesen
Standpunkt teilte noch Agricola.


Im Mittelalter machte man insofern einen Unterschied zwischen
beiden, als man das Magneterz magnes und magnesius lapis nannte,
den Braunstein aber als magnesia bezeichnete, aber noch Basilius
Valentinus
rechnet ihn unter die Eisenerze. Erst im 16. Jahr-
hundert unterschied man den Braunstein als ein besonderes Mineral,
dem man in Italien zuerst den Namen Manganensis beilegte. Cardanus
sagt in seiner Schrift De subtilitate 1553: „Syderea, quam Manga-
nensem Itali vocant, terra est repurgando vitro aptissima, illudque
tingens colore caeruleo.“ Immer noch hielt man ihn für ein Eisenerz.
Erst der Chemiker Pott, Professor an der Universität zu Berlin, zeigte
in seinem examen chymicum magnesiae vitrariorum, Germanis „Braun-
stein“, daſs das Eisen nicht zu den wesentlichen Bestandteilen des
Braunsteins gehöre. Er stellte mehrere Salze des Mangans dar, ohne
jedoch das eigentümliche Metall zu erkennen. Er hielt den von ihm
untersuchten Niederschlag von Manganoxydulhydrat für eine alkalische
Erde, „ähnlich der Alaunerde, mit einem sehr zarten Phlogiston ver-
bunden“. Es dauerte bis zum Jahre 1774, ehe Scheele, Bergman
und Gahn das Braunsteinmetall entdeckten. Scheele hatte den
Braunstein untersucht und mit den verschiedenartigsten Reagentien
behandelt, dabei die charakteristischen Eigenschaften der Mangansalze
beschrieben, ohne aber dadurch zu dem Schluſs geführt zu werden,
daſs in den Mangansalzen ein neuer metallischer Körper enthalten
sei. Er neigte vielmehr zu der Ansicht, daſs die in dem Braunstein
[489]Chemie des Eisens.
enthaltene Erde eine Umwandlungsform der Kalkerde sein könne.
Bergman aber, dem die nahe Verwandtschaft des Mangans mit dem
Eisen zu klar war, erklärte aus Scheeles Versuchen mit Bestimmt-
heit, daſs in dem Braunstein ein neues Metall enthalten sein müsse
und noch in demselben Jahre konnte er melden, daſs seinem Schüler
und Mitarbeiter Gahn die Reduktion des Braunsteinmetalles gelungen
sei. Bergman nannte das neue Metall Magnesium, in Deutschland
nannte man es meist Braunsteinmetall, die Franzosen, Engländer und
Italiener nannten es Manganesium und diese Unsicherheit der Bezeich-
nung dauerte fort, bis 1808 Buttmann die abgekürzte Bezeichnung
Mangan vorschlug und Klaproth sie annahm.


Bergman war die wichtige Rolle, die das Mangan bei den
Eisen- und Stahlschmelzprozessen spielte, wohl bekannt. Er untersuchte
genauer den Anteil, welchen das neue Metall an der Zusammen-
setzung der Eisenerze und der Eisenarten habe. Durch seine unvoll-
kommene Trennungsmethode fiel leider der von ihm ermittelte Mangan-
gehalt durchgehends viel zu hoch aus. Trotzdem gehört auch diese
Arbeit Bergmans zu den grundlegenden für die Chemie des Eisens.
Bereits 1774 wies Bergman nach, daſs das Mangan ein gewöhnlicher
Begleiter der Spateisensteine sei. 1781 untersuchte er Schmiedeeisen,
Stahl und Guſseisen auf ihren Mangangehalt, wobei er allerdings zu
viel zu hohen Zahlen kam. Die Trennung von Eisen und Mangan ist
bekanntlich schwierig. Bergman erhitzte entweder das Gemenge von
Eisenoxyd und Manganoxyd mit Salpetersäure bis zum Glühen, und
löste dann das Mangan mit starkem Essig oder verdünnter Salpeter-
säure oder er fällte Eisen und Mangan aus ihrer Lösung mit Blut-
laugensalz und suchte dann das Mangan durch vieles Wasser aus-
zuziehen. Beide Methoden sind sehr unvollkommen. 1791 schlug
Richter das neutrale weinsaure Kali zur Trennung vor, Vauquelin
versuchte 1799 die Trennung mit doppeltkohlensaurem Natron,
Klaproth wendete 1802 nach Gehlens Vorschlag bernsteinsaures
Natron an, statt dessen Hisinger 1806 die benzoesauren Salze vor-
schlug.


Eine andere wichtige Arbeit Bergmans war die über den Kalt-
bruch
des Eisens 1). J. C. F. Meyer in Stettin hatte hierzu die
Anregung gegeben; derselbe erhielt 1780 aus kaltbrüchigem Eisen
einen weiſsen, erdartigen Körper. Da er denselben sowohl aus dem
bezüglichen Roheisen als aus den Sumpferzen, aus welchen dieses
[490]Chemie des Eisens.
dargestellt wurde, erhielt, so betrachtete er ihn als die Ursache des
Kaltbruchs. Da er weiterhin fand, daſs man jenen Körper zu einem
Korn von metallischem Aussehen schmelzen konnte, so hielt er ihn
für ein neues Metall, welches er Hydrosiderum oder Wasser-
eisen
nannte. Bergman gelang es auch, aus dem weiſsen Rück-
stand ein Metallkorn zu schmelzen, welches er ebenfalls für ein
neues Metall, das er siderum nannte, erklärte. Aber schon 1784
berichtigte Meyer seine frühere Angabe dahin, sein Wassereisen
sei Eisen mit Phosphorsäure gewesen. Gleichzeitig fand dies auch
Klaproth. Beide bewiesen auch die Zusammensetzung des Wasser-
eisens durch Synthese; analytisch zeigte sie zuerst Scheele 1785.
So wurde endlich die langgesuchte Ursache für den Kaltbruch des
Eisens entdeckt und erst von da an gelangte man nach und nach
zur Kenntnis der wichtigen Rolle, welche der Phosphor im Eisen
spielt.


Das Verfahren, welches Bergman bei seinen Analysen eisen-
haltiger Substanzen anwendete, war das folgende:


Als Lösungsmittel schreibt er Königswasser, eine Mischung von
1 Thl. Scheidewasser (Salpetersäure) und 2 Thln. Salzsäure, vor.
Das Erz wird möglichst fein gepulvert, abgewogen und in einem Glas-
kolben mit der Säure digeriert, was einige Tage, bei schwer löslichen
Substanzen sogar unter Erwärmung bis zur Siedehitze, fortgesetzt
wird. Der Rückstand soll auf ein abgewogenes Filtrum von Lösch-
papier gebracht und mit heiſsem Wasser ausgesüſst werden. Das
Waschwasser wird mit der Lösung zusammengegossen, welche jetzt
alles in dem Erz enthaltene Eisen enthält. — Die Fällung des Eisens
aus der Lösung geschieht mit Blutlauge, welche nach einer von
Macquer angegebenen Methode aus weiſsem Fluſs (Weinstein und
Salpeter im Tiegel abgebrannt) und Berlinerblau hergestellt wurde.
Die Reaktion auf Eisen mit Blutlaugensalz hatte Marggraf 1751 bei
seinen Wasseruntersuchungen in die analytische Chemie eingeführt.
Von dieser Blutlauge wird so lange zu der Eisenlösung zugetropft,
als noch ein blauer Niederschlag gebildet wird. Es ist besser, etwas
mehr von der Lauge zuzusetzen. Hat sich der Niederschlag abgesetzt,
so bringt man alles auf ein gewogenes Filter, süſst den Rückstand
auf dem Filter mit heiſsem Wasser aus, trocknet das Filter, wiegt es
mit dem Rückstand, zieht das Gewicht des Filters ab und berechnet
das Berlinerblau auf den Eisengehalt. Bergman hatte durch viele
Versuche gefunden, daſs ein Teil Eisen in der Lösung fast genau
6 Tln. Berlinerblau entspricht und dient dies als Grundlage für die
[491]Chemie des Eisens.
Berechnung. Man erhielt auf diesem Wege den Eisengehalt viel
genauer und richtiger als auf dem Wege der Tiegelprobe. Für
gewöhnliche Erzproben genügte es nach Bergman, das Erz in Säure
zu lösen, die saure Lösung zu neutralisieren und dann die Menge
des Kalks zu bestimmen, der zur Fällung der Eisenerde nötig sei.
Aus dieser lieſse sich der Eisengehalt des Erzes berechnen.


Die Ergebnisse seiner Untersuchung über das Eisen finden sich
in der vortrefflichen Schrift De Analysi Ferri 1) niedergelegt. Wir
müssen auf die Schrift selbst verweisen, da wir nur ganz kurz einige
der Resultate mitteilen können. Bei der Wasserstoffbestimmung mit
Schwefelsäure fand Bergman, daſs Roheisen durchschnittlich 40, Stahl
46 und Schmiedeeisen 50 Kubikzoll dieses Gases aus einem Probier-
centner entwickelte. Im festen Rückstande fand er bei demselben
Eisen (von Forſsmark): bei Roheisen 3, bei Stahl 0,5 und bei Schmiede-
eisen 0,1 Proz.


Die vollständige Analyse für die drei Eisenarten ergab:


Der Phlogistongehalt entspricht in Kubikzoll:


Bergman hat ferner die gröſsten Verdienste um die Lehre von
der chemischen Verwandtschaft der Anziehung, wie er sie nannte.
Die von ihm dafür aufgestellten Grundsätze wurden allgemein ange-
nommen. Die Reihe der Verwandtschaft des Eisens zu den übrigen
Metallen auf trockenem Wege war nach ihm in absteigender Stärke:
Nickel, Kobalt, Arsenik, Kupfer, Mangan, Gold, Silber, Zinn, Antimon,
Platin, Wismut, Blei, Quecksilber. Ebenso leistete er Groſses für die
Mineralogie, für welche er die erste Klassifikation nach der chemischen
Konstitution der Mineralien entwarf. Dabei war er der Erste, der in
Verbindung damit die Wichtigkeit der Krystallgestalt als Kennzeichen
für die Mineralien nachwies.


Wenn Bergman, wie kein Chemiker vor ihm, die Wage benutzte,
die [quantitative] Zusammensetzung der Körper aufs Genaueste zu
[492]Chemie des Eisens.
erforschen, so ist es uns fast unverständlich, wie der klar blickende
Mann doch noch an der Phlogistontheorie festhalten konnte, auch
noch zu einer Zeit, wo die neue Lehre vom Sauerstoff schon
laut verkündigt wurde. — Dabei ging er in seinem analytischen
Bestreben so weit, sich zu bemühen, das Phlogiston selbst quantitativ
zu bestimmen. Er ging dabei von der Erscheinung der Metallfällung
aus 1) und nahm an, daſs das fällende Metall sein Phlogiston abgiebt
an den Metallkalk, der in einer Säure aufgelöst ist, so daſs die Menge
des fällenden Metalles, welches sich auflöst, gerade soviel Phlogiston
abgiebt, als die Menge des gefällt werdenden zur Existenz im reguli-
nischen Zustande nötig hat. Er suchte nun zu bestimmen, wie viel
von einem Metall eine gewisse Menge eines andern aus seiner Auf-
lösung in regulinischem Zustande ausfällt; er erhielt so diejenigen
relativen Mengen zweier Metalle, in welchen seiner Ansicht nach
gleich viel Phlogiston enthalten war und durch fortgesetztes Ver-
gleichen suchte er die meisten Metalle nach der Gröſse ihres Gehalts
an Phlogiston zu ordnen.


Es ist dies ein glänzendes Beispiel, wie die irrige Lehre vom
Phlogiston der richtigen Naturbeobachtung selbst nicht im Wege
stand, denn ganz denselben Weg schlugen später die Chemiker ein,
um das Umgekehrte nachzuweisen, nämlich das Verhältnis, in welchem
sich die einzelnen Metalle mit dem Sauerstoff zu Metallkalken ver-
binden.


Ein treuer, hochbegabter Arbeitsgenosse Bergmans auf dem
Felde der Chemie war Carl Wilhelm Scheele, der 1742 als Sohn
eines Kaufmanns in Stralsund geboren war. Seine Begabung zeigte
sich erst, nachdem er 1757 als Lehrling in eine Apotheke zu Gothen-
burg eingetreten war. Von da ab wendete er allen Fleiſs und
alle Mühe auf, um sich in der Scheidekunst zu vervollkommnen. Er
kam 1773 als Apothekergehülfe nach Upsala und hier wurde Berg-
man
zuerst auf ihn aufmerksam. Der einfache Apothekergehülfe war
aber gar nicht versessen auf die Bekanntschaft des weltberühmten
Professors und lehnte dessen Einladung schroff ab. Er hegte nämlich
einen leicht erklärlichen Groll gegen Bergman. Ende der 60 er Jahre
hatte er eine Arbeit über Weinsäure und ihre Verbindungen an
Bergman geschickt, von welcher dieser aber gar keine Notiz genommen
hatte. Scheele muſste die ganze Arbeit umschreiben und schickte
sie an den Adjunkten der Akademie, Retzius, welcher dieselbe aller-
[493]Chemie des Eisens.
dings 1770 in den Schriften der Akademie abdrucken lieſs, aber in
solcher Fassung, daſs ein groſser Teil des Verdienstes auf Retzius
fallen muſste. Hieraus erklärt sich zur Genüge Scheeles bitteres Gefühl
gegen Bergman, denn er hielt sein Betragen für Geringschätzung.
Nicht ohne Mühe gelang es Bergman, ihn zu überzeugen, daſs nicht
böser Wille, sondern Vergeſslichkeit der Grund des unliebsamen Ereig-
nisses gewesen sei. Nachdem er aber einmal Scheeles Herz gewonnen
hatte, entspann sich daraus eine Freundschaft beider für das Leben
zum Segen der Wissenschaft, der Bergman und Scheele immer
als zwei Sterne erster Gröſse vorleuchten werden. Scheele starb
1786, zwei Jahre nach Bergman, nach kaum zurückgelegtem 43. Lebens-
jahre. Von seinen Entdeckungen haben wir die der Mangansalze
schon genannt, ferner entdeckte er die Molybdän- und die Wolframsäure,
ferner die Barytsalze, die Fluſssäure u. s. w. Eine für die Metallurgie
des Eisens wichtige Arbeit war seine Untersuchung des Graphits.
Er wies 1779 nach, daſs sich derselbe beim Verbrennen mit Salpeter
fast ganz in Kohlensäure verwandle und daſs er, mit Arseniksäure
erhitzt, diese unter Entwickelung von Kohlensäure zu arseniger Säure
reduziere; er schloſs, der Graphit sei eine Art mineralischer Kohle,
welche viel fixe Luft (Kohlensäure) und Phlogiston enthalte. Das
Eisen im Graphit erklärte er für eine zufällige Beimischung. Dagegen
sei der „Kies“ im Guſseisen wirklicher Graphit.


Eine seiner hervorragendsten Arbeiten war seine chemische
Abhandlung über Luft und Feuer 1), welche 1777 im Druck erschien.
Er wies darin nach, daſs die atmosphärische Luft aus zwei ver-
schiedenen Bestandteilen besteht, wovon die eine, von ihm Feuerluft
genannt, die Verbrennung und das Atmen unterhält, während die
andere, welche er verdorbene Luft nannte, nichts zur Unterhaltung
dieser Prozesse beiträgt. Zur Zerlegung der Luft bediente sich Scheele
einer Auflösung von Schwefelleber, von der er erkannte, daſs sie den
Anteil an Feuerluft vollständig absorbiert. Er versuchte das Ver-
hältnis beider Gase quantitativ zu bestimmen und ermittelte ziemlich
richtig ihre specifischen Gewichte. Er zeigte, daſs die Metalle bei
ihrer Verkalkung Feuerluft aufnehmen und bei ihrer Reduktion wieder
davon befreit werden. So hatte er selbst die Thatsachen erforscht,
welche die Unrichtigkeit der Phlogistontheorie erwiesen und doch hielt
er an letzterer fest, was freilich nur dadurch möglich war, daſs er
dem Begriff Phlogiston eine ganz andere, künstliche Deutung gab.
[494]Chemie des Eisens.
Phlogiston war ihm nur ein Hauptbestandteil des Lichtes und der
brennbaren Luft; mit vielem Wärmestoff bildete er das erste, mit
wenigem das Wasserstoffgas. — Wäre es Scheele vergönnt gewesen,
länger zu leben, so hätte er sich gewiſs der antiphlogistischen Lehre
zugewendet.


Auch der groſse Metallurge Rinman stand ganz auf dem Boden
der alten Theorie. Wir sehen seinen sonst so klaren Blick überall
verdunkelt und gehemmt durch die falsche Lehre vom Phlogiston.
Seine Auffassung aller Oxydations- und Reduktionsprozesse erscheint
uns fast unbegreiflich. Die Glühspanbildung hält er zum Beispiel für
eine Verdunstung des Brennbaren aus dem Eisen. Aus der Erfahrung,
daſs sich das Eisen bei fortgesetztem Glühen ganz in Glühspan ver-
wandelt, geht nach seiner Behauptung die „Erfahrung hervor, daſs
das Phlogiston oder das brennbare Wesen in dieser Hitze ununter-
brochen und unaufhörlich verdunstet und sich zerstreut“. — Dieses
Verdunsten des Phlogiston oder dieses Verbrennen zu Schlacke, was
ihm gleichbedeutend ist, soll in einem kubischen Verhältnis des
Abstandes von innen nach auſsen abnehmen. — Daſs aber der Zutritt
der Luft zu dieser „Verdunstung“ nötig ist, weiſs er sehr wohl: „die
Verbrennung oder die Entstehung des Glühspans ist desto beträcht-
licher, je gröſser der Hitzegrad ist, der angewendet wird und je mehr
die Luft freien Zutritt hat
“. Sowie das Phlogiston verdampft,
vermehren sich Gewicht, Gröſse und die äuſsere Oberfläche des zurück-
bleibenden verbrannten Metalles.


Unmittelbar unter der Schlackenrinde zeigen sich Eisen und Stahl
am weichsten und schwersten. Stahl und Roheisen lassen sich durch
gewisse langanhaltende Glühgrade, sobald die Metalle nicht unmittel-
bar vom Kohlen- und Flammenfeuer berührt werden, ohne einen
Kunstgriff oder einen besonderen Zusatz in weiches und geschmeidiges
Eisen verwandeln. Das wichtigste Mittel, das Verbrennen des Eisens
in der Glühhitze zu vermeiden, besteht in der Verhinderung des
Zutrittes der Luft. Hierfür giebt es viele Mittel, deren Verhalten
Rinman ausführlich beschreibt (§. 59, 60).


Daſs der Garschaum und der sogenannte „Kies“ in dem schwarzen,
blätterigen Roheisen in seinem Verhalten mit dem Wasserblei oder
Graphit vollständig übereinstimmt, war Rinman wohl bekannt. Er
sagt, daſs, wenn man solches gares, grobkörniges, schwarzgraues Roh-
eisen mit Scheidewasser koche, ein Teil sich löse und ein Gewebe
von ebenso groſsem körperlichen Inhalt zurückbleibe, als das ange-
wendete Stück Eisen gewesen sei, welches durchaus die Eigenschaften
[495]Chemie des Eisens.
des Wasserbleies besitze. So habe sich eine eiserne Kugel, welche
viele Jahre auf dem Meeresgrunde in einer metallenen Kanone gesteckt
habe, durch die Einwirkung des Seewassers aufgelöst, daſs nur solche
Wasserbleisubstanz zurückgeblieben sei. Dieser Eisenglimmer stimme
aber so sehr mit Kohlenstaub überein, daſs man ihn mit mehr Recht
gekohltes Eisen (koladt Järn) als Eisenschlacke nenne.


Über die Gewichtszunahme des Eisens beim Verbrennen machte
Rinman eine Reihe von Versuchen und fand dieselbe 1762, wie
Morveau, zu annähernd 27 Prozent. Aber er erklärte dieselbe nach
dem Satze, den Scheffer in den Abhandlungen der Schwedischen
Akademie 1757 aufgestellt hatte: „Die Metalle nehmen in demselben
Verhältnis an Gewicht zu, als sie ihr Phlogiston verlieren und werden
umgekehrt in demselben Grade leichter, als sie sich mit dem Phlogiston
verbinden“.


„Alle Chemiker stimmen darin überein, daſs die Kalcination eine
Abscheidung des Phlogiston oder des Brennbaren von dem Metall ist
und daſs die Reduktion in der Wiedervereinigung mit jenem Stoffe
besteht. — Die erstere Operation bewirkt aber eine Gewichts-
vermehrung, die zweite eine Gewichtsverminderung.“


Weil nun die Gewichtsvermehrung des geschmeidigen Eisens bei
der Verwandlung in Crocus 25 Prozent, und die des Roheisens bei
derselben Behandlung 27 Prozent beträgt, so kann man schlieſsen,
daſs sich die Quantität des Phlogiston im geschmeidigen Eisen zu der
im Roheisen wie 25 zu 27 verhält. Das specifische Gewicht der
Schlacke eines in starker Hitze verbrannten Eisenstabes fand Rinman
gleich 4,810. Rinman hat ebenso eine Reihe von Versuchen über
die Reduktion von Eisenschlacken und Eisenkalke angestellt (§. 65, 66).
Obgleich er nun die Wichtigkeit des Zutritts der Luft anerkennt,
bestreitet er doch, daſs die Gewichtszunahme der Eisenkalke der
Verbindung mit der Luft zugeschrieben werden könne, vielmehr rühre
dieselbe vorzüglich vom Verlust des Phlogiston her. — Hier führt
also die falsche Theorie den Experimentator vollständig auf den
Irrweg.


Rinman war es bekannt, daſs man aus manganhaltigen Erzen
am besten Stahleisen erzeugen könne. Er erwähnt, daſs die Erze,
welche in Steiermark und Kärnten, in Schmalkalden und in Siegen
den guten Stahl geben, alle braunsteinhaltig seien. Aus den braun-
steinhaltigen Erzen von Dingelwik in Daland konnte Rinman bei
seinen Schmelzversuchen in einem Rennfeuer immer nur Stahl, niemals
weiches Eisen bekommen. Bergman hatte in seiner Streitschrift
[496]Chemie des Eisens.
über die weiſsen Eisenerze 1774 zuerst hierauf aufmerksam gemacht
und Hjelm hatte 1778 die Bedeutung des Mangangehaltes der Eisen-
erze zur Stahlbereitung in einer ausführlichen Arbeit nachgewiesen.
Rinman hatte auch viele Roheisensorten auf ihren Mangangehalt
untersucht und Scheele hatte in dem aus den Stahlerzen von Swart-
wicker erblasenen Roheisen, aus dem guter Stahl gemacht wurde,
16 Proz. Mangan nachgewiesen. Rinman faſst seine Meinung dahin
zusammen: „Es geht aus allen Untersuchungen hervor, daſs Mangan
ein unzertrennlicher Begleiter aller bisher bekannten Stahlerze ist.
Man hat daher allen Grund, die ältere Vermutung für sehr wahr-
scheinlich zu halten, daſs der Braunsteingehalt einigen Eisenerzen die
Eigenschaft erteilt, ohne einen besonderen Aufwand von Kunst und
Mühe, Stahl oder stahlartiges Eisen zu geben. Bis jetzt ist es aber
noch nicht erwiesen, ob sich der Braunstein als Metall mit dem Eisen
verbindet, oder ob dieses Metall durch seine starke Anziehung zum
Phlogiston nur bewirkt, daſs das flüchtige Brennbare feuerbeständiger
wird und sich in der Schmelzhitze nicht so leicht vom Eisen trennt.“
Quantz geht weiter, indem er behauptet, daſs ohne Mangan kein
Stahl entstehen könnte. Er schreibt dem Mangan eine doppelte
Wirkung zu, einmal, indem es Erze wie Eisen flüssiger mache, das
andere Mal, dadurch, daſs es sich mit dem Eisen im Stahl verbinde.
Er empfiehlt den Zusatz von Braunstein beim Schmelzen der Erze im
Hochofen 1).


Roheisen ist nach Rinmans Ansicht, der darin Bergman folgt,
Phlogiston und Feuermaterie vermischt mit metallischer Erde, wozu
noch eine reiſsbleiartige Substanz (Plumbago) und Braunsteinmetall
teils wesentlich, teils zufällig hinzutreten.


Was Rinman über die Einteilung der Eisensorten, über die
Entstehung derselben und ihr Verhalten beim Vergieſsen und Frischen
mitteilt, ist im ganzen nicht neu und bezieht sich im einzelnen auf
die besonderen Verhältnisse Schwedens. Er klassifiziert das Roheisen
in gares Roheisen, und zwar in schwarzgraues mit groſsblätterigem
Kies (Graphit), graues, fein- und lichtgraues, graues mit weiſsen
Flecken, halbiertes, hagelbuntes und eisstreifiges. Die zweite Gruppe
umfaſst die grellen oder weiſsen Roheisensorten, bei denen er unter-
scheidet mattweiſses, mit unordentlichem Bruch ins Gelbliche fallend,
blankweiſses, silberfarbig ins Bläuliche spielend, weiſs mit blanken,
[497]Chemie des Eisens.
flachen Flecken. Die garen oder grauen Eisensorten entstehen, wenn
weniger Erz gesetzt wird, als die Kohlen tragen können, grelles, wenn
soviel Erz gesetzt wird, als die Kohlen tragen können. Gieſst man
graues Eisen in Metallformen, so daſs es sich rasch abkühlt, so wird
es auch weiſs, und zwar strahlig senkrecht auf die abgeschreckte
Fläche. Weiſses, grelles Roheisen aus Quicksteinerzen (die schwe-
dische Bezeichnung für gutartige, leichtschmelzige Erze) hält er, ähnlich
wie Reaumur, für das reinste Roheisen. Rinman macht (§. 286, 287)
ausführliche Angaben von den zu den Guſswaren erforderlichen ver-
schiedenen Eigenschaften des Roheisens, die zwar nichts besonderes
neues enthalten, für den Gieſsereitechniker aber von Interesse sind,
namentlich manche Bemerkungen über Hartguſs, wozu das schwe-
dische Eisen ja besonders geeignet ist. Er erwähnt, daſs man jetzt
in der Regel die Geschütze voll gieſse und die Seele ausbohre; daſs
man aber gefunden habe, daſs über den Kern gegossene Geschütze,
deren Seelen dadurch gehärtet wären, weiter und schärfer schössen.
Die groſse Schwierigkeit für das Gieſsen über den Kern bestände
darin, das Innere, die Seele, blasenfrei zu bekommen. Er glaubt, daſs
dies aber erreicht werden könne, wenn man statt der massiven Kern-
stange eine hohle, also ein eisernes Rohr nähme, wie man dies jetzt
nur für die Pulverkammer thäte.


Über die Mittel, welche zur Weichheit des Eisens beitragen,
stellte Rinman viele Versuche an, auf die wir hier verweisen (§. 72
bis 74). Buffon hatte in seiner Geschichte der Mineralien die
Behauptung aufgestellt, weiches Eisen verliere durch öfteres Glühen
seine Zähigkeit und werde schlechter, und zog daraus den Schluſs,
daſs man Eisen nur möglichst wenig und möglichst selten erhitzen
dürfe, daſs Eisen durch zwei- oder dreimalige Weiſsglut verdorben
werde u. s. w. Tronson de Courdray hatte diesen Irrtum schon
widerlegt und behauptet, daſs das Eisen durch öfteres Schweiſsen
sogar besser und zäher werde. Rinman fand dies durch seine Ver-
suche bestätigt.


Rinmans Versuche, Schmiedeeisen im Tiegel ohne Zusatz für
sich zu schmelzen, hatten keinen Erfolg. Daſs geschmeidiges Eisen
auch durch reine oder salzartige Flüsse nicht zum Schmelzen gebracht
werden kann, hatte schon Henkel in seiner Kieshistorie nachgewiesen;
mit kohlenhaltigen Zusätzen geschmolzen, veränderte es sich dagegen in
ein stahl- oder roheisenartiges Produkt. Er sagt:


„In geschmolzenem Roheisen löst sich das geschmeidige Eisen
auf und kann darin zum Schmelzen gebracht werden. Ich brachte
Beck, Geschichte des Eisens. 32
[498]Chemie des Eisens.
Roheisen in einem Tiegel im Windofen zum Flieſsen und stellte einen
dünnen Stabeisenzain hinein. Nach wenigen Minuten bemerkte ich,
daſs der Zain schon angegriffen war und in dem flüssigen Roheisen,
welches dadurch dick und breiartig wurde und sich zum Frischen
neigte, zu schmelzen anfing. Das abgeschmolzene Ende des Eisenzains
war zugespitzt und stahlartig geworden. — Diese Erscheinung giebt
einen Aufschluſs über die Art, wie das geschmeidige Eisen in Roh-
eisen übergeht; es verbindet sich nämlich zuerst mit so viel Brenn-
barem als nötig ist, um Stahl zu werden, und wenn dann noch mehr
Phlogiston hinzukommt, geht es wirklich in Roheisen über, in welchem
Falle es als ein flüssiges Metall erscheinen kann. Weil aber das
Roheisen dadurch etwas von seinem Brennbaren verliert, so muſs es
sich dem gefrischten Zustande nähern, oder geschmeidig zu werden
anfangen. . . .“


„Aus den Versuchen im kleinen über die Reduktion der Eisen-
erze und Eisenkalke in einer minder starken Hitze und ohne Schmelzen
im Tiegel, aber mit Zusatz von brennbaren und im Feuer andauernden
Substanzen, ist es bekannt, daſs das Eisen erst eine Art von Geschmeidig-
keit und Zähigkeit erlangt, und daſs es nicht eher flüssig wird, als
wenn der Hitzegrad bei einem Zusatz von Kohlenstaub aufs
Höchste verstärkt wird.“


„Bei dem Frischprozeſs erfolgt gerade das Gegenteil. Das
Roheisen muſs nämlich durch die Verjagung des überflüssigen
Phlogiston
zuerst hartes Eisen oder Stahl werden und sich dann
in dem Verhältnis, als es von der Feuermaterie stärker durchdrungen
wird, mehr und mehr in weiches und geschmeidiges Eisen verwandeln,
welches desto weicher wird, je mehr die Hitze zunimmt und je stärker
der Abbrand ist, bis es sich endlich durch den zu groſsen Verlust
an Phlogiston wieder zersetzt, spröde und zuletzt zur Schlacke wird,
in welchem Zustande man es als eine Art von Erz oder als zu seinem
ersten Zustande zurückgekehrt ansehen kann.“


Rinman glaubte aber auch, daſs die Wärme — der Wärme-
stoff — allein im stande sei, Roheisen in weiches Eisen zu verwandeln.


Über die specifischen Gewichte verschiedener Roheisensorten
machte er noch folgende Ermittelungen:


  • Halbiertes, gutes Roheisen aus Quicksteinerzen von Wärmeland   7,670
  • Grelles, weiſses Roheisen mit dichtem Bruch aus denselben Erzen   7,600
  • Hellgraues, feinkörniges Roheisen aus Dürrerzen von Norberg   7,050
  • Dunkelgraues, grobsterniges vom Anfang der Kampagne aus
    denselben Erzen   7,000

[499]Chemie des Eisens.
  • Graues, grobkörniges aus Smålandischen Wiesenerzen   6,800
  • Weiſses Eisen aus sehr wenig gerösteten Quicksteinen von
    Forsbeck   7,747
  • Ähnliches Eisen aus denselben Erzen, die aber stark geröstet
    waren   7,495

Im Frischfeuer verhalten sich die verschiedenen Roheisensorten
wie folgt:


  • a) Graues oder gares Roheisen ist strengflüssig und frischt lang-
    sam, erleidet aber wenig Abbrand. Es wird besonders beim deutschen
    Frischprozeſs verwendet.
  • b) Halbiertes Roheisen frischt rascher und leichter, weshalb es
    die Frischer mit Vorliebe nehmen.
  • c) Weiſses, grelles Roheisen ist leichtflüssig und frischt rasch,
    allein es erleidet den stärksten Abbrand. Er wird besonders in den
    Wallonschmieden verarbeitet.
  • d) Gehärtetes Roheisen, d. i. gares Eisen, welches nach dem
    Erstarren rotglühend in flieſsendem Wasser abgelöscht wurde, ist
    meist frei von anhängendem Sande und schmilzt und frischt leichter
    wie a).

Daſs die Anwesenheit von Schlacke beim Schmelzen des Eisens,
um dasſelbe vor dem Verbrennen zu schützen, notwendig ist, behauptet
Rinman mit Bestimmtheit. „Nach allen Versuchen ist es entschieden“,
sagt er, „daſs der unmittelbare Zutritt der Kohle schon hinreicht, das
Eisen in metallischer Gestalt darzustellen, daſs sich das Eisen aber
ebenso schnell wieder verschlackt, oder daſs es sogleich verbrennt,
wenn es nicht augenblicklich mit einer glasartigen, das Eisen in der
Hitze nicht angreifenden Substanz, welche das einzige wirksame Mittel
ist, um das Metall gegen das Verbrennen zu schützen, bedeckt wird.“
Manche Erze führen die Schlackenbestandteile in der richtigen Mischung
mit sich, wie die von Dannemora; die meisten bedürfen aber eines
Zuschlages und zwar gewöhnlich des Kalkes. Rinman warnt aber
sehr vor unreinem Kalk, wozu er als Schwede besondere Veranlassung
hatte, da viele schwedischen Kalke Schwefelmetalle eingesprengt
enthalten.


Gerhard hat zur Aufklärung über die Lehre von der Schlacken-
bildung und der Beschickung der Erze beim Schmelzen beigetragen,
indem er Schmelzversuche mit den Gangarten, welche die Erze
gewöhnlich begleiten, anstellte 1). Er machte seine Versuche in Tiegeln
32*
[500]Chemie des Eisens.
von Thon, von Kreide und von Kohle in einem Probierofen. Klaproth
hat diese Versuche später in einem Porzellanbrennofen wiederholt 1).


Ebenso hat Lampadius in Freiberg 1798 bis 1800 eine Reihe
systematischer Schmelzversuche der schlackenbildenden Substanzen
und der Metalloxyde in Thontiegeln und in Kohlentiegeln (d. h. in
mit Kohle gefütterten Tiegeln) vorgenommen und im ersten Bande
seiner Hüttenkunde veröffentlicht.


Rotbruch und Kaltbruch, die beiden wichtigsten Unarten
des Eisens, sind Gegenstand der Untersuchung der meisten Metallurgen
des vorigen Jahrhunderts, welche sich mit dem Eisen beschäftigt
haben, gewesen. Reaumur, Swedenborg und Polhem haben
darüber geschrieben, ebenso Jars, Gerhard, Waller, Brandt,
Bergman, Horn
und am ausführlichsten Rinman.


Rotbrüchiges Eisen erweist sich nach Gerhard2) in kaltem
Zustande als zäh und weich, ebenso verhält es sich in der Weiſsglut,
während es in der Rotglut beim Biegen bricht. Es rostet leicht und
ist deshalb zu Küchengeschirr untauglich, auch nicht zu Öfen, weil
es beständig einen unangenehmen Geruch verbreitet. Bei dem Feilen
giebt es einen bläulichen Stich. Es kann nur zu kleinen Schmiede-
arbeiten verwendet werden. Nach Rinman3) ist es ferner noch
undicht und deshalb für polierte Arbeiten unbrauchbar, und hat wenig
Spannkraft, weshalb man es nicht für feine Drähte verwenden kann.
Rotbrüchiges Eisen nimmt durch Streichen die magnetische Kraft am
schnellsten an. — Als Ursache des Rotbruchs hat man früher haupt-
sächlich eine Beimengung von Kupfer, im vorigen Jahrhundert aber
schon allgemein eine Beimengung von Schwefel bezeichnet.


Das schwedische Eisen aus den Bergerzen neigt mehr zu Rot-
bruch als zu Kaltbruch und schrieb man dies früher einem Kupfer-
gehalt zu, während in den meisten Fällen der Schwefel die Ursache
ist. Nach Rinmans Ansicht war es nicht Schwefel als solcher,
sondern er nahm mit Brandt an, daſs Vitriol- oder Schwefelsäure in
dem rotbrüchigen Eisen enthalten sei. Er glaubte, daſs auch alle
anderen Säuren, z. B. die des Fluſsspats, wenn sie sich mit dem Eisen
verbinden, Rotbruch erzeugen. Das einzige Mittel, den Rotbruch zu
verbessern, bestehe darin, die Ursache desſelben — also namentlich
den Schwefel — zu entfernen. Das wichtigste Mittel hierfür sei das
Rösten der Erze.


[501]Chemie des Eisens.

Kaltbrüchiges Eisen ist nach Gerhard hart, läſst sich in der
Wärme gut bearbeiten und biegen, in der Kälte aber springt es sehr
leicht, kann kalt nicht gehämmert werden und hat meist ein hell-
glänzendes, mehr blätteriges als sehniges Gewebe. Es rostet nicht
so leicht und nimmt eine schöne Politur an. Es eignet sich für alle
Gegenstände, die keinen Stoſs auszuhalten haben, auch für dünne
Bleche und für Nägel. Zu Guſswaren ist es sehr geeignet, da es
dünnflüssig ist und sich gut vergieſst. Für Stahl ist es unbrauchbar.
Eine sehr gute Eigenschaft ist seine Schweiſsbarkeit. Es schweiſst
leicht und bei geringerer Hitze als andere Eisensorten. Es rostet
nicht so rasch und nimmt die magnetische Kraft nicht so gut an
wie rotbrüchiges Eisen.


Kaltbrüchig waren namentlich die aus Wiesen- und Sumpferzen
dargestellten Eisensorten und da man in Norddeutschland früher fast
ausschlieſslich diese Erze verschmolz, so stand namentlich das deutsche
Eisen in früheren Zeiten im Ruf der Kaltbrüchigkeit.


Die Ursache dieses Fehlers blieb viel länger verborgen und
beschäftigte viele Chemiker. Brandt nahm eine Beimengung von
Arsenik, Wismut oder Spieſsglanz an. Waller und Gerhard behaup-
teten, daſs der Mangel brennbarer Teile den Kaltbruch hervorbringe.
Cramer schrieb den Kaltbruch der Beimengung einer schlackigen
Erde zu; dem widersprach aber der Umstand, daſs sich der Kaltbruch
durch Gärben und Schweiſsen nicht verminderte. Bergman und
Meyer sprachen zuerst die Ansicht aus, daſs die Ursache des Kalt-
bruchs ein noch unbekanntes Halbmetall sein möchte. Meyer fand
aber, daſs sein vermeintliches Hydrosiderum eine phosphorsaure
Eisenverbindung war.


Seitdem sah man die Phosphorsäure als die Ursache des Kalt-
bruchs an. Rinman schreibt aber noch in seiner Geschichte des
Eisens die Ursache des Kaltbruchs dem Mangel einer dem Eisen
eigentümlichen Säure zu.


Der eigentliche Vorgang der Kohlung des Eisens war Rinman
noch ganz unbekannt, dagegen sind seine Beobachtungen dieser
Erscheinungen, für welche ihm nur der richtige Schlüssel der
Erklärung fehlte, klar und bestimmt. Er erzählt, daſs bei einem
Hochofen im Bergrevier zu Nora, welcher das vortreffliche Asboberger
Erz — eine Art Hämatit — verarbeitete, durch den Fehler eines
Arbeiters einmal so viel Erz aufgegeben worden sei, daſs die Kohlen
es nicht schmelzen konnten und die Stücke in halbrohem Zustande
aus dem Gestell ausgekratzt werden muſsten.


[502]Chemie des Eisens.

„Die Erzstücke hatten sich äuſserlich mit einer dünnen Haut von
teils zähem, teils stahlartigem Eisen überzogen, welches sich kalt
biegen und schmieden lieſs; inwendig lagen aber die Erze noch wie
ein Kern in der Schale, in körniger Gestalt, völlig ungeschmolzen
und bloſs stark blau gebrannt.


„Aus dieser Beobachtung scheint mir deutlich und unwidersprech-
lich hervorzugehen, daſs das Eisen in dem ersten Grade der Schmelz-
hitze aus den Erzen, worin es sich im mineralisierten Zustande befindet,
als ein geschmeidiges Metall reduziert wird, oder daſs es zuerst als
gefrischtes Eisen erscheint; worauf es in einer stärkeren Hitze und
durch Aufnahme von mehr Phlogiston zum zweitenmal in Schmelzung
gerät, als Roheisen zum Vorschein kommt, bei welcher zweiten
Schmelzung fast alles Eisen und selbst das, was sich beim ersten
Grade des Frischens etwa in Glühspan oder Schlacke verwandelt hat,
in Roheisen übergeht. — Es folgt hieraus, daſs sich die Erzeugung
oder Schmelzung des gefrischten Eisens in kleinen Blaseöfen, oder in
den Rennfeuern, auf den Eintritt des ersten Reduktionsgrades gründet.“


Rinman hat durch Versuche nachgewiesen, daſs Roheisen durch
fortgesetztes Glühen im Blechglühofen unter Abbrand von 26 Proz.
Eisen in vollkommen geschmeidiges Eisen verwandelt wird. Ein
Tümpeleisen, welches nach mehrwöchentlichem Betriebe eines Hoch-
ofens herausgenommen wurde, war zur Hälfte fortgeschmolzen, der
übrig gebliebene Teil war innen Stahl, auſsen Schmiedeeisen. Abbrand
und Zeitaufwand sind aber zu groſs, um dieses Verfahren praktisch
zu verwerten. Beschleunigt wird dieses Weichwerden des Roheisens
durch Glühen in gewissen Stoffen, wie dies Reaumur bewiesen hat.
Roheisen wird schon geschmeidig durch Schmelzen im offenen Feuer,
wobei es eine möglichst groſse Oberfläche haben muſs. Durch
Umrühren und Durcharbeiten des geschmolzenen Eisens wird dieser
Vorgang beschleunigt. Hierauf beruhen die Frischprozesse.


[[503]]
DIE
MASCHINEN IN DER ZWEITEN HÄLFTE
DES
ACHTZEHNTEN JAHRHUNDERTS
.

James Watt und die Dampfmaschine.

Die Feuermaschine hatte nur eine sehr einseitige Benutzung
gefunden; nur zum Betriebe von Pumpwerken war sie zu gebrauchen.
Dafür hatte sie allerdings mit der Zeit eine groſsartige Verwendung
in England erlangt, namentlich bei dem Bergbau. Sie verrichtete
die Wasserhaltung der Zinnerzgruben von Cornwall und vieler Stein-
kohlenbergwerke im nördlichen England. Die Fortführung des Tief-
baues, die Abtäufung und Trockenhaltung tiefer Schächte war an
vielen Plätzen nur ermöglicht durch die Wasserhaltung mittels starker
Maschinen. Versuche, die Feuermaschine auch für andere Zwecke, als
selbständigen Motor zu benutzen, waren nicht viele gemacht worden
und die gemacht worden waren, hatten geringen Erfolg gehabt. Die
ungleiche Bewegung beim Auf- und Niedergang, das stoſsartige Ein-
setzen beim Wechsel, namentlich bei der Abwärtsbewegung, lieſsen es
sehr schwierig erscheinen, einen regelmäſsigen Gang durch Umsetzung
zu erreichen. Besondere Schwierigkeiten machte die Umsetzung der
geradlinigen Bewegung in eine Drehbewegung. Vorschläge wurden
allerdings hierfür gemacht. So nahm Jonathan Hull im Jahre
1736 ein Patent, um mittels einer Feuermaschine die Ruderräder
eines Schiffes und damit das Schiff selbst zu bewegen 1), aber sein
Projekt kam nicht zur Ausführung.


Am 21. Oktober 1740 nahm John Wise ein Patent für eine
Feuermaschine, welche Wasser nicht durch Pumpen heben sollte,
[504]James Watt und die Dampfmaschine.
sondern mittels Rädern, Ketten, Seilen, Flügelstangen u. s. w. einen
getrennten Bewegungsapparat in Bewegung zu setzen bestimmt war.
In der Patentbeschreibung wird gesagt: „Die Feuermaschine selbst
arbeitet nach den neuesten Verbesserungen, aber statt durch Pumpen
Wasser zu ziehen oder zu pressen, ist an dem Ende des Balanciers
(working beam) eine Kette, Seil oder Stange befestigt, welche senk-
recht zu meiner neuen Erfindung oder Maschine niederkommt. Diese
befindet sich unter einem besondern von der Feuermaschine getrennten
Dach und besteht aus einer horizontalen Welle (shaft), an welcher
sich Räder bewegen, in der Weise, daſs ein Rad mit eisernen Drillingen
(rounds) an der Welle fest ist, in welche eiserne Triebe (dogs) mit
Zähnen, welche in die erwähnten Drillinge eingreifen, die Welle halb
umdrehen und dann auslassen. Das zweite ist ein doppeltes Drehrad
(double tumbling wheel), an welchem die oben erwähnte Kette und
Triebe befestigt sind, und welches ebenfalls mit der Achse halb
umgedreht wird durch den senkrechten Hub der Feuermaschine und
dann wieder durch ein Gewicht an seine ursprüngliche Stelle zurück-
gebracht wird, während ein Schwungrad die erwähnte Welle in
Bewegung erhält, so daſs sie sich im Kreise dreht.


Wenn sie aber für groſse, schwere Arbeit dienen soll, wie Aus-
platten (plating) oder Walzen von Kupfer, Eisen u. s. w., so arbeitet
sie dadurch, daſs das gehobene Wasser auf ein oberschlächtiges Rad
fällt, das an der horizontalen Achse fest ist, wobei ein Wasserstrahl
von zwei Oxhoft so viel arbeitet, als sonst 1000 Oxhoft in der Stunde.“


Im Jahre 1740 kamen als eine Neuheit guſseiserne Kurbeln
bei der Maschine der London-bridge-Waterworks in Anwendung.


Im Jahre 1757 gab Keane Fitzgerald gleichfalls Vorrichtungen
an, welche bezweckten, die Dampfmaschine auch für andere Zwecke als
zur Bewegung von Pumpen nutzbar zu machen und er schlug dabei
ein Schwungrad vor, um eine gleichartige Bewegung zu erhalten 1).
Einen Erfolg hatten aber diese Vorschläge nicht. Dagegen erzählt
Jars in seinem Reiseberichte von 1765 von einer Feuermaschine,
welche bei einem Kohlenbergwerk in der Gegend von Newcastle zur
Förderung verwendet wurde. „Ungefähr acht Meilen nordöstlich von
Newcastle“, schreibt er, „unweit dem Dorfe Hartley, betreibt ein
groſser Gutsbesitzer, der zugleich mit dem Bergregal beliehen ist,
sehr viele Kohlengruben. Eine seiner Feuermaschinen ist sehr
beträchtlich; sie ist mit zwei groſsen Kesseln versehen, welche den
[505]James Watt und die Dampfmaschine.
Dampf in einen 60 Zoll weiten Cylinder einführen. Diese Maschine
treibt eine andere zur Kohlenförderung, was eine ganz neue Erfindung
ist. Ich habe ihren Mechanismus nicht beobachten können, weil sie
eben, als ich mich daselbst aufhielt, nicht ging, auch der Ort, wo
sich das Räderwerk befand, verschlossen war. Man versicherte mir
aber, sie sei sehr künstlich zusammengesetzt und bestehe aus sechs
bis sieben Rädern, deshalb sei sie aber auch sehr zerbrechlich und
man wende sie nur selten an. Der Erfinder und Erbauer habe ein
Patent darauf auf 14 Jahre.“ Jars fügt hinzu: „Es würde besser
sein, anstatt einer solchen Maschine, die notwendig sehr viel Kraft
von der Feuermaschine verbraucht, durch Hülfe der letzteren das
Wasser auf ein Kehrrad zu heben, durch welches die Förderung der
Kohlen geschehen könnte.“ Diese Ansicht entsprach der damals
herrschenden Meinung in England. 1742 hatte zuerst Champion
in Bristol mit einer Newcomen-Maschine Wasser auf ein Schaufelrad
gepumpt und es dadurch in Bewegung gesetzt und dieses Verfahren,
so unrationell es uns heute erscheint, fand Anklang und wurde von
den ersten Ingenieuren angewendet. Selbst Smeaton hielt es für
die beste Methode der Krafterzeugung durch die Feuermaschine und
wendete es vielfach an, auch dann noch, als Watt bereits seine ver-
besserte Dampfmaschine erfunden hatte. Auch auf den Eisenwerken
zu Carron wurde, nachdem durch die Vergröſserung des Werkes
Wassermangel eingetreten war, nach Smeatons Plan eine Feuer-
maschine aufgestellt, welche das Wasser aus dem Untergraben wieder
in den Obergraben des Wasserrades pumpte. Vordem hatte bereits
im Jahre 1736 ein gewisser Wrigley in ähnlicher Weise mit einer
Dampfmaschine das Wasser eines Baches in den Obergraben eines
Wasserrades gepumpt, welches die Blasebälge von Busham furnace
bewegte: das erste durch Dampfkraft, wenn auch indirekt, bewegte
Hochofengebläse.


Im Jahre 1775, als Watts Kondensationsmaschine bereits erfunden
und in Anwendung war, erbaute Smeaton eine Ölmühle bei Hull,
wobei er in gleicher Weise das Wasser mit einer Feuermaschine auf
ein Schaufelrad pumpte, um die Drehbewegung hervorzubringen.


Aber die Feuermaschine selbst bedurfte der Verbesserung. Sie
verschlang infolge ihrer unvollkommenen Konstruktion Unmassen von
Kohlen. Auf den Steinkohlenbergwerken selbst, wo die Abfallkohle,
die unter den Kesseln verbrannt wurde, keinen Wert hatte, machte
sich dies nur wenig fühlbar, ganz anders aber war dies in Cornwall,
wohin die Kohlen von weither erst zu Wasser und dann zu Lande
[506]James Watt und die Dampfmaschine.
nach den Bergwerken gebracht werden muſsten. Hier waren die
Kosten der groſsen Feuermaschinen so enorm, daſs sie fast den ganzen
Gewinn verschlangen. Abhülfe that Not. Man suchte sie zunächst
in Verbesserungen der Dampfkessel. Schon 1730 hatte Dr. Allen
Versuche in dieser Richtung gemacht. 1748 erhielten Thomas
Stephen
und Moses Hadley ein Patent auf einen verbesserten
runden Kessel, bei dem die Feuergase in Zügen durch den Kessel
gingen. Viele ähnliche Patente folgten. 1756 erfand Sampson
Swain
einen Kessel, in dem die Feuergase durch ein Schlangenrohr
das Wasser im Kessel erwärmten. Eigenartig war das Patent von
John Wright für einen verbesserten Dampfkessel. Derselbe war
geteilt, das Speisewasser fiel am heiſsesten Punkt ein und die über-
flüssige Wärme sollte zum Rösten von Eisenerzen u. s. w. verwendet
werden.


Verbesserungen an der Maschine selbst erstrebte Brindley.
1758 erbaute er eine Maschine für Newcastle-under-Tyne, welche nur
150 £ kostete, während bis dahin keine Maschine unter 500 £
gekostet hatte. 1759 nahm er ein Patent für verschiedene Ver-
besserungen, fand aber so viele Schwierigkeiten, daſs er sie nicht
ausführen konnte. 1762 baute ein gewisser Hindley in York eine
Maschine ohne Balancier. Die Pumpenstange befand sich unter dem
Cylinder und war mit der Kolbenstange durch ein Rahmenwerk ver-
bunden. In demselben Jahre konstruierte John Oxley zu Leaton
Delaval einen Apparat, um Maschinen mit kontinuierlicher Kreis-
bewegung direkt von dem Balancier aus zu bewegen. Diese Maschine
wurde nach einigen Jahren wieder abgeworfen.


Inzwischen gab man den Feuermaschinen, entsprechend den
gröſseren Anforderungen, immer gröſsere Dimensionen. Dies war nur
dadurch möglich, daſs man, namentlich zu Coalbrookdale in Shropshire,
gelernt hatte, so gewaltige Cylinder zu gieſsen. Der gröſste Cylinder
seiner Zeit wurde am 26. Februar 1763 für Newcastle gegossen. Er
war 6½ Fuſs hoch und 74 Zoll weit, wog ohne Boden und Kolben
6½ Tons, mit Boden und Kolben 11 Tons. Er war ein Muster von
Eisenarbeit und sollte 15⅓ Tonnen Wasser mit jedem Hub bewältigen.
Es ist dies dieselbe Maschine, die Jars 1765 auf der Walker-Grube
sah. Sie hatte vier groſse Kessel, von denen drei beständig im Feuer
waren. Die Kessel waren, soweit sie vom Feuer bespült wurden, aus
Sturzblechtafeln zusammengenietet; der obere Teil des Kessels war
rund aus gegossenen Tafeln zusammengesetzt, das Stück unmittelbar
unter dem Cylinder war ganz von Kupfer. Jars bemerkt, daſs dies
[507]James Watt und die Dampfmaschine.
Zusammensetzen der Kessel aus verschiedenen Materialien veraltet
sei und daſs man sie jetzt ganz von Eisenblech mache. Jeder Kessel
war in einen besondern Ofen eingemauert und hatte seinen eigenen
Schornstein. Die Flamme muſste in einer Spirallinie um den
gewölbten, kegelförmigen Boden des Kessels spülen. Die beiden Feuer-
maschinen bei Chacewater in Cornwall bei den Bergwerken Wheal
Rose und Wheal Bury, welche 66 und 72 Zoll Durchmesser hatten,
verbrauchten eine jede ungefähr 13 Tonnen Kohlen den Tag. Um den
Bergwerksbesitzern eine Erleichterung zu verschaffen, gewährte die
Regierung für jedes Chaldron Steinkohle 5 Schilling Steuernachlaſs,
aber auch das genügte in verschiedenen Fällen nicht und die Klage
wurde allgemein, daſs der Kohlenverbrauch die Bergwerke in Cornwall
unrentabel mache.


Smeaton, der bedeutendste Maschineningenieur seiner Zeit,
bemühte sich eifrig, die Feuermaschine zu verbessern, aber nicht
durch neue Ideen, sondern nur durch sorgfältigere Ausführung und
zweckmäſsigste Verteilung der Stärken und Gewichte der einzelnen
Teile. Um dies zu erreichen, stellte er in seinem Hause bei Austhorpe
eine Modellmaschine auf und indem er diese nach und nach in allen
ihren Teilen verbesserte, gelang es ihm, sie so vollkommen wie mög-
lich zu machen. Er brachte auf diesem Wege allerdings die Feuer-
maschine zu gröſstmöglicher Leistungsfähigkeit und erzielte nicht
unbeträchtliche Kohlenersparnis. Dabei baute er Maschinen von
ungeheuren Dimensionen. An einer seiner Maschinen hatte er einen
so groſsen Balancier, daſs 40 Pferde nötig waren, ihn in Bewegung
zu setzen. Die 1775 von ihm konstruierte Maschine für Kronstadt
hatte 66 Zoll Cylinder und 8 Fuſs Hub. Sie galt für stärker als
irgend eine in England und sollte in 24 Stunden 29300 Tonnen
Wasser 52 Fuſs hoch heben können. Seine später gebaute neue
Chacewater-Maschine von 150 Pferdekräften galt als eine unerreichte
Leistung auf dem Gebiete des Maschinenbaues. Sie hatte 74 Zoll
Durchmesser und 10½ Fuſs Hub. Der Cylinder wog 90 Centner 14 Pfund
und kostete der Centner 28 Schilling.


Aber alles das genügte nicht; die Feuermaschine war und blieb
eine höchst einseitige Maschine. Die Dampfkraft war noch weit davon
entfernt, die Wasserkraft ersetzen zu können. Es fehlte eine neue
Idee, eine vollkommene Maschine, ein Erfinder. Dieser war bereits
geboren in der Person des unsterblichen James Watt.


Wenn man im täglichen Leben James Watt schlechthin den
Erfinder der Dampfmaschine nennt, so ist dies ja nicht richtig, aber
[508]James Watt und die Dampfmaschine.
es liegt dem doch eine groſse Wahrheit zu grunde, denn das, was
wir heute unter einer Dampfmaschine verstehen, der Motor, der für
alle Zwecke verwendbar ist, der fast überall anzubringen, jede Form
der Kraftübertragung ermöglicht, ganz kleine und riesengroſse Arbeit
zu leisten vermag, diese Dampfmaschine hat in der That niemand als
Watt erfunden. Auch hat keine Erfindung eine so gewaltige Wirkung
auf Technik und Industrie, ja auf die gesamte Kultur ausgeübt als
die Erfindung der Dampfmaschine. Aus Eisen gebaut, ein Kind der
Eisenindustrie, hat sie diese zu den groſsartigsten Fortschritten
geführt, und wenn wir von einer neuen Zeit sprechen im Gebiete der
gesamten Technik, so beginnt diese mit der Erfindung und Einführung
der Wattschen Dampfmaschine. Diese Erfindung hat einen viel
gewaltigeren Umschwung der Kultur herbeigeführt als die ihr unmittel-
bar folgende französische Revolution, wir rechnen deshalb die neue
Zeit in unserer Kulturgeschichte am richtigsten von der Erfindung
der Dampfmaschine an.


Ein besonderes Interesse bietet Watts Erfindung auch dadurch,
daſs wir ihre Entstehung, Entwickelung und Vollendung so genau
verfolgen können, wie wohl bei kaum einer andern Erfindung. Watt
hatte von früh an eine Anzahl hochgebildeter Freunde, die sich für
seine Bestrebungen interessierten, dabei besaſs er ein Bedürfnis, sich
und seine Gedanken mitzuteilen, und war ein eifriger Briefschreiber.
Seine Briefe enthüllen uns die Geschichte seines Lebens und die
Geschichte seiner Erfindung. Und selten wohl war ein ganzes Leben
so ganz von einer Idee, einem Streben erfüllt. Darauf beruht ein
groſser Teil von Watts auſserordentlichem Erfolg. Aber nicht darauf
allein. Es kamen vielmehr viele günstige Momente zusammen: das
Bedürfnis nach der Erfindung, die angeborene Erfindungsgabe Watts,
seine klaren theoretischen Kenntnisse, welche ihn die Grenzen des
Erfindbaren erkennen lieſsen, die sich aber auch, verbunden mit einer
lebhaften Phantasie und dem Drang zum Erfinden, zu Intuition der
Erfindung steigerten, alle diese Eigenschaften begleitet von einem
genialen mechanischen Geschick, praktischem Blick und praktischer
Übung in den Mitteln der Ausführung.


Hierzu gesellte sich mit dem Glauben an die Erfindung eine
groſse Geduld und Ausdauer und hierin begegnet uns deutlich jenes
merkwürdige psychologische Phänomen, daſs die Ideen den Menschen
beherrschen können im Widerstreit mit seinem Körper. Watt war
von Kindheit an zart und schwächlich und litt später furchtbar unter
nervösen Kopfschmerzen. Diese wurden durch sein rastloses Grübeln,
[509]James Watt und die Dampfmaschine.
Denken, Erfinden gesteigert, oft erst veranlaſst, machten ihn häufig
zu jeder Arbeit unfähig und bereiteten ihm so schmerzliche Qualen,
daſs er seinen Drang zum Erfinden mit samt seinen Erfindungen,
die ihn in der ersten Zeit seines Lebens nur vom sicheren Erwerb
abhielten und ihm Mühe und Unannehmlichkeiten bereiteten, ver-
wünschte und sich nach einem beschränkten praktischen Beruf
sehnte. Aber der ihm innewohnende Geist lieſs ihm keine Ruhe und
die Sucht zum Erfinden begleiteten ihn bei der Arbeit, wie bei der
Ruhe, im Wachen wie im Traum. Das Erfinden war bei ihm wirklich
eine Leidenschaft. Es ist eine der belehrendsten und erhebendsten
Aufgaben, den Ideen- und Entwickelungsgang Watts zu studieren.
Wir aber müssen der gütigen Vorsehung danken, daſs dieser Mann
gelebt hat. Man glaube ja nicht, wenn Watt nicht gewesen wäre,
so hätte ein anderer diese Erfindung gemacht. Von dieser ober-
flächlichen Annahme wird jeder bekehrt werden, der das Leben
Watts wirklich studiert. Möglich, daſs in einem Jahrhundert oder
in noch längerer Zeit Watts Erfindungen allmählich an das Licht
gekommen wären. Daſs sie ein Mann in solcher Vollendung zu jener
Zeit machen konnte, ist und bleibt etwas Wunderbares.


Watts Lebensgang und der Gang seiner Erfindung sind so mit-
einander verbunden, daſs sie kaum zu trennen sind und sich am
besten an dem biographischen Faden vorführen lassen. Dies kann
hier nur in groſsen Zügen geschehen, in Bezug auf Einzelheiten
verweisen wir auf die vorhandene Litteratur 1).


James Watt wurde am 19. Januar 1736 zu Greenock am Clyde
geboren. Seine Eltern waren fleiſsig, rechtschaffen und fromm, aber
nicht mit irdischen Gütern gesegnet. Der Vater schickte James,
der von Jugend an von schwächlicher Gesundheit war, 1754 zu einem
Instrumentenmacher in Glasgow in die Lehre, denn schon früh hatte
sich bei dem Knaben ein hervorragendes mechanisches Geschick
gezeigt. Da er jedoch bei dem Meister, der sich zwar Optiker nannte,
aber nur zuweilen eine Brille reparierte oder eine Geige oder ein
[510]James Watt und die Dampfmaschine.
altes Spinet oder was sich sonst bot, nichts lernen konnte, so ging
er 1755 nach London, wo er auch nach manchen Mühsalen bei einem
Feinmechaniker, welcher mathematische Instrumente machte, namens
John Morgan, Beschäftigung fand. Aber sie war zu anstrengend für
seinen schwächlichen Körper und so muſste er schon 1756 wieder in
seine Heimat nach Greenock zurückkehren. Nachdem er wieder her-
gestellt war, ging er nach Glasgow, um hier Arbeit zu suchen und
sich als Feinmechaniker selbständig zu machen. Da aber Watt nicht
zur Zunft gehörte, legten ihm die Zirkelschmiede (hammermen), welche
ihn als Eindringling ansahen, groſse Schwierigkeiten in den Weg,
obgleich sie mathematische Instrumente weder machen konnten noch
machen wollten. Glasgow aber war eine Universität und das war
Watts Glück. Er reparierte einige physikalische Instrumente für
Dr. Dick, Professor der Naturwissenschaft; dieser erkannte seine
Geschicklichkeit und bewirkte, daſs ihm in den weitläufigen Gebäuden
der Universität ein Raum für eine Werkstätte eingeräumt wurde. So
wurde der zwanzigjährige James Watt Universitätsmechanikus. Als
solcher hatte er zwar wenig Arbeit und noch weniger Einkommen,
trotzdem wurde diese Stellung für ihn vom gröſsten Nutzen, denn
sie gab ihm Gelegenheit zu wissenschaftlicher Ausbildung. Watt,
der ein sanftes, einnehmendes Wesen besaſs und mit der gröſsten
Wahrhaftigkeit eine angeborene Liebenswürdigkeit verband, fand
bald Freunde. Seine kleine Werkstätte wurde ein Rendezvous streb-
samer junger Leute und nicht nur Studenten, auch Professoren hatten
es gern mit dem verständigen, gedankenvollen Mechanikus mit den
sanften, träumerischen, blauen Augen zu thun. Besonders aber waren
es zwei ausgezeichnete Männer, welche mit dem jungen Instrumenten-
macher einen Freundschaftsbund für das Leben schlossen, der eine
war John Robinson, damals Student und nur wenig jünger als
Watt, später berühmt als Professor der Naturwissenschaft in Eding-
burg, der andere der damals schon berühmte Chemiker Professor
Dr. Black, der viel älter als Watt, doch zu diesem eine innige, väter-
liche Freundschaft faſste und ihm in jeder Weise nützte. Robinson
war es, der 1759 zuerst Watts Aufmerksamkeit auf die Dampf-
maschine lenkte, indem er die Frage anregte, ob es nicht möglich
sei, ein Fuhrwerk mit Dampf zu betreiben. Watt erfaſste die Sache,
dachte ernsthaft darüber nach und entwarf ein allerdings ganz unvoll-
kommenes Modell einer Feuermaschine in Verbindung mit einem Fuhr-
werk. Seit dieser Zeit wurde er die Dampfmaschine nicht mehr los.
Viel tiefer führte ihn aber Black in diese Frage ein. Dieser las
[511]James Watt und die Dampfmaschine.
damals über seine neue Theorie der latenten Wärme. Watt hatte
bald Veranlassung, sich mit dieser Lehre praktisch zu beschäftigen.
In dem Inventar des physikalischen Kabinetts der Universität war
das Modell einer Newcomen-Maschine aufgeführt. Watt und seine
Freunde suchten danach, weil ihr Interesse an der Dampfmaschine
ein immer lebhafteres wurde, aber es fand sich nicht vor. Auf nähere
Nachforschung hin ergab es sich, daſs es schon Jahr und Tag nach
London zur Reparatur geschickt worden war. Der Instrumenten-
macher in London wuſste mit dem Dinge nichts anzufangen und hatte
es beiseite gestellt. Es wäre wohl nie wieder nach Glasgow zurück-

Figure 132. Fig. 127.


gekommen, wenn es nicht auf
Veranlassung der Freunde re-
klamiert worden wäre. Watt,
der schon seit 1761 mancherlei
Versuche über Wasserdampf
angestellt hatte, wartete mit
Ungeduld auf das Modell. Seine
Geduld wurde auf eine lange
Probe gestellt. Endlich kam
es im Jahre 1763 an und das
mangelhafte Modell einer
Newcomenmaschine (Fig. 127)
gelangte in seine Hände, ein
armseliges, unvollkommenes
Machwerk, höchstens ein Spiel-
zeug, wie es Watt selbst
nannte. Der Kessel war noch
etwas kleiner wie ein gewöhn-
licher Theekessel. Trotzdem
war dieses so unbedeutende
Ereignis von der gröſsten Tragweite für die Erfindung der Dampf-
maschine. Watt machte sich sogleich darüber her, den Apparat
zu probieren und Verbesserungen auszudenken. Er konstruierte
sich einen Kessel, an welchem er sehen konnte, wie viel Wasser
in einer gewissen Zeit in Dampf verwandelt wurde und wie viel
Dampf bei jedem Hub der Maschine verbraucht wurde. Er war
erstaunt, als er entdeckte, daſs eine kleine Menge Wasser, in Dampf
umgewandelt, eine viel gröſsere Menge Wasser bis zum Siedepunkt
erhitzen konnte. Er bestimmte die Mengen und fand, daſs ein Teil
Wasser in Form von Dampf die sechsfache Menge kaltes Wasser bis
[512]James Watt und die Dampfmaschine.
zum Siedepunkt erhitzen konnte. Die Thatsache hatte er festgestellt,
aber eine Erklärung dafür suchte er vergeblich, bis Dr. Black ihm
das Gesetz der gebundenen Wärme erklärte. Nachdem Watt hier-
durch erkannt hatte, welch eine Menge Wärme im Dampf gebunden
sei, lenkte er seine ganze Aufmerksamkeit darauf, bei seiner Maschine
Dampf zu sparen, da hierdurch die gröſste Kohlenersparnis erzielt
werden muſste. Er machte Versuche, um mit der gleichen Menge
Kohle mehr Dampf zu erzeugen durch bessere Ausnutzung der Wärme
der Feuergase. Dies erreichte er dadurch, daſs er Feuerzüge durch
den Kessel legte und den Kessel auſserhalb der Feuerung mit Holz
als den schlechteren Wärmeleiter umkleidete. Ebenso umkleidete er
den Dampfcylinder und die Dampfrohre. Aber alles das half nur
wenig gegenüber dem Dampfverbrauch zur Wiedererhitzung der durch
das in den Cylinder nach jedem Aufgang eingespritzte kalte Wasser

Figure 133. Fig. 128.


abgekühlten Cylinderwände. Wenn die
Wände nicht mit abgekühlt wurden bei
der Kondensation des Dampfes? Aber
wie war das möglich? Und wenn es
selbst möglich wäre, so würden die heiſsen
Cylinderwände beim Niedergang neuen
Dampf erzeugen und dadurch ein Hin-
dernis bilden. Das Einspritzen des Was-
sers in den Cylinder war der gröſste
Nachteil der Maschine, das erkannte
Watt deutlich, aber wie war es möglich,
dies zu vermeiden? Er grübelte über diese
Fragen unablässig. Bei einem Sonntagnachmittag-Spaziergang im
Frühjahr 1795 durch die Wiesen bei Glasgow (the Green) kam ihm,
wie er später selbst erzählte, plötzlich der Gedanke der getrennten
Kondensation. Der Gedanke kam ihm wie eine Erleuchtung; er
erfaſste ihn sofort, hielt ihn fest, dachte ihn in seinen Einzelheiten
und seiner praktischen Durchführbarkeit aus, und als er nach Hause
zurückkehrte, war der Kondensator erfunden. Der wichtigste Schritt
auf Watts Wege zur Erfindung der Dampfmaschine war damit gethan,
denn er war ein wirklicher Fortschritt, eine unzweifelhafte Ver-
besserung der alten Feuermaschine. Watt ging sofort an die Arbeit
und machte sein erstes Modell einer Dampfmaschine (Fig. 128),
welches in etwa zwei Monaten vollendet war. Sein Maschinchen,
wenn auch in Einzelheiten mangelhaft, arbeitete ausgezeichnet. Er
spannte den Dampf auf 10½ Pfund und hob mit den kleinen Kolben
[513]James Watt und die Dampfmaschine.
ein Gewicht von 14 Pfund. Aber was nun? Bis dahin hatte Watt
die Sache mehr als eine physikalische Aufgabe betrachtet. Jetzt, da
der Nachweis erbracht war, daſs seine Idee eine Verbesserung enthielt,
welche unschwer ausführbar war, muſste die Sache im groſsen aus-
geführt, eine Maschine, die wirklich Arbeit leisten konnte, gebaut
werden. Dazu fehlten Watt alle Mittel; aber das Glück war ihm
günstig. Dr. Roebuck, der Erbauer der groſsartigen Eisenwerke bei
Carron, der kühne Unternehmer, war mit Dr. Black befreundet und
hörte von diesem gelegentlich von Watts Erfindung. Sofort nahm
er Interesse an der Sache und trat mit Watt in Korrespondenz.
Roebuck, unternehmend und rastlos thätig, war der richtige Mann,
Watt, der von Natur ängstlich und zaghaft war, zur Thätigkeit anzu-
spornen. Er ermahnte Watt, seine Erfindung zu betreiben, „einerlei,
ob als Physiker oder als Geschäftsmann“, und erklärte sich bereit, ihm
bei Errichtung einer gröſseren Maschine behülflich zu sein. Im
November 1765 schickte Watt Detailzeichnungen für einen Dampf-
cylinder und Kolben, welche in Carron gegossen werden sollten, an
Roebuck. Aber in der Kunst des Gieſsens und noch mehr in der
des Bohrens von Dampfcylindern war man damals in Carron noch
weit zurück. Trotz aller Mühe war der Cylinder so schlecht gebohrt,
daſs er als unbrauchbar zur Seite gelegt werden muſste.


Der Mangel guter Maschinenarbeiter bereitete Watt überhaupt
viele Mühe. Die Kolbenstange lieſs er in Glasgow unter seiner
persönlichen Aufsicht verfertigen und sie heimlich nach Kinneil, wo
die Maschine zusammengesetzt werden sollte, bringen. Watt besaſs
noch kein Patent, deshalb war Heimlichkeit geboten. Die Arbeit
rückte nur langsam voran. 1766 schrieb er an Roebuck, „meine
Hauptschwierigkeit beim Bau der Maschinen ist immer die Schmiede-
arbeit“. Sein Geschäft in Glasgow ging zurück. Watt hatte nämlich,
um seine Verhältnisse zu verbessern, sich mit einem Kaufmann
associiert und ein Ladengeschäft in der Stadt angefangen. Sein Associé
starb aber bald und Watt sah sich gezwungen, das Geschäft auf-
zugeben. Durch den schlechten Gang des Geschäftes und seine Aus-
lagen für die Dampfmaschine hatte er sich in Schulden gestürzt. Um
seine Familie, die er inzwischen gegründet hatte, ernähren zu können,
übernahm er Vermessungsarbeiten; anfangs nur einfache Land-
vermessungen, bald aber wurden ihm gröſsere Arbeiten übertragen.
Es ist ein glänzender Beweis seiner Thätigkeit und der Wertschätzung,
in der er stand, daſs ihm die Stadt Glasgow die Vermessungsarbeiten
für ein groſses Kanalprojekt übertrug. In dieser Angelegenheit kam
Beck, Geschichte des Eisens. 33
[514]James Watt und die Dampfmaschine.
Watt im Jahre 1767 zum erstenmal nach London, um die Ermäch-
tigung zur Erbauung des Kanales von dem Parlament zu erlangen. —
Um diese Zeit trat er auch mit Dr. Roebuck in ein engeres geschäft-
liches Verhältnis. Dieser hatte soviel Glauben an die Zukunft von
Watts Maschine, daſs er die Zahlung seiner sämtlichen Schulden im
Betrage von etwa 1000 £ übernahm, dafür sollte er ⅔ des Nutzens
der Erfindung haben. Im Anfang des Jahres 1768 machte Watt neue
Versuche mit einem gröſseren Modell von 7 bis 8 Zoll Cylinder-
durchmesser. Dieselben gingen zuerst nicht nach Wunsch, aber Watt
überwand die Schwierigkeiten und konnte nach einem Monat ange-
strengter Arbeit Dr. Roebuck zu dem Erfolg beglückwünschen, indem
er bescheiden hinzufügte, jetzt hoffe er bald einiges leisten zu können
für das, was er ihm schuldig sei. Das Modell arbeitete so gut, daſs
jetzt beschlossen wurde, ein Patent darauf zu nehmen. Watt reiste
nach Berwick-upon-Tweed und gab bei dem Master-in-Chancery
daselbst eine Erklärung über die Natur seiner Erfindung ab, um sich
den vorläufigen Schutz dafür zu sichern. Im August arbeitete er an
seiner Patentschrift. Aber er war niedergeschlagen und verdrieſslich
über den schleppenden Geschäftsgang und die Kosten. Dr. Roebuck
war umgekehrt voller Hoffnung und drängte Watt, seine Maschine
im groſsen auszuführen. Watt aber dachte nur an neue Verbesserungen
und arbeitete an allen möglichen Details für den Kondensator, die
Pumpen, Ventile u. s. w. Dabei fühlte er sich körperlich sehr ange-
griffen, klagte viel über schlechten Schlaf, daſs er nichts fertig bringe,
kurz, er fühlte sich kopf- und herzkrank. Damals studierte er eifrig,
lernte Deutsch, nur um Leupolds Theatrum Machinarum in der Ursprache
lesen zu können, wie er zu ähnlichen Zwecken vorher schon Fran-
zösisch und Italienisch gelernt hatte.


Der Geist seines Genies leuchtet aus den Zeilen seiner Patent-
beschreibung und hier zeigt sich sein klarer Blick in die Zukunft.
Er hatte die Idee der Expansion als ein Mittel der Dampfersparnis
klar erfaſst und ebenso entwickelt er damals bereits in Briefen an
Dr. Small die Idee der Hochdruckmaschine und die Anwendung hoch-
gespannten Dampfes, wo es an Wasser zur Kondensation fehle.


Anfangs 1769 waren seine Patentschrift und die Zeichnungen
dazu fertig. Am 5. Januar wurde ihm das erste berühmte Patent
(Nr. 913) erteilt unter dem Titel: eine Verbesserung in dem Verfahren,
einen luftleeren Raum in einem Dampfcylinder zu erzeugen.


Um das Wesen und die Mängel der Newcomen-Maschine im
groſsen genau kennen zu lernen, übernahm er selbst die Aufstellung
[515]James Watt und die Dampfmaschine.
einer solchen und bediente während seines Aufenthalts in Kinneil
selbst die Schoolyardmaschine bei Borougstoneſs. Endlich begann
er mit dem Bau seiner Versuchsmaschine. Zu diesem Zwecke blieb
er in Kinneil, wo ihm Dr. Roebuck ein abgelegenes Häuschen ein-
geräumt hatte, in welchem er unbeobachtet in aller Stille seine
Maschine montieren konnte. Die Teile dazu hatte er teils in seiner
Werkstätte in Glasgow, teils auf der Hütte zu Carron, wo namentlich
der Cylinder von 18 Zoll Durchmesser und 5 Fuſs Hub gegossen
wurde, anfertigen lassen, die Aufstellung besorgte er selbst mit Hülfe
einiger Arbeiter. Watt konnte nur seine Muſsestunden der Erfin-
dung widmen. Da er noch seinen Vermessungsarbeiten nachzugehen
hatte, muſste er oft abwesend sein. Dadurch machte die Arbeit nur
sehr langsame Fortschritte, denn ohne ihn wuſsten sich seine Arbeiter
nicht zu helfen. Die Teile, die er anfertigen lieſs, waren alle sehr
mangelhaft gearbeitet, so daſs Watts Verdruſs kein Ende nahm. Je
mehr sich die Arbeit der Vollendung näherte, je mehr wuchs seine
Angst vor dem nahenden Gericht (for his approaching doom). Er
konnte nachts nicht schlafen und Furcht erfüllte ihn mehr als Hoff-
nung. Gerade umgekehrt ging es Roebuck, seine Zuversicht wuchs
mit dem Fortschritt der Arbeit und er wurde nicht müde, den zag-
haften Erfinder anzufeuern, dem er, wo er konnte, mit guten Rat-
schlägen half. Robinson erzählt, daſs ihm Frau Roebuck um diese
Zeit einmal sagte: „Jamie (Watt) ist ein verdrehter Junge und ohne
den Doktor wäre er verloren, aber Dr. Roebuck läſst ihn nicht
untergehen.“ Im September 1769 war endlich die Versuchsmaschine
fertig, aber sie erwies sich als recht mangelhaft. Der Cylinder war
so schlecht gegossen, daſs er fast unbrauchbar war. Watt war ganz
niedergedrückt und schrieb an Dr. Small: „Es ist eine verfluchte Sache,
wenn ein Mensch alles an einem einzigen Faden hängen hat.“ Nur
das Gefühl der Pflicht, daſs seine Gläubiger nicht durch ihn zu
Schaden kommen dürften, hielt ihn damals aufrecht, weiter zu arbeiten.
An der Richtigkeit des Principes seiner Maschine zweifelte er keinen
Augenblick, nur die Ausführung (the workmanship) brachte ihn zur
Verzweiflung. Könnte er tüchtige Mechaniker finden, so wäre er
seiner Sache sicher, aber solche gab es damals in Carron nicht. Um
diese Zeit brach ein anderes Unglück herein. Dr. Roebuck kam in
finanzielle Schwierigkeiten. Der kühne Mann hatte zu viel gewagt.
Obgleich alle seine Unternehmungen gesund waren, obgleich ihm der
hohe Ruhm gebührt, der Gründer der modernen Eisenindustrie
Schottlands geworden zu sein, so konnte ihn das doch nicht vor dem
33*
[516]James Watt und die Dampfmaschine.
Untergang retten, da er über seine Kräfte sich in Unternehmungen
eingelassen hatte. Er hatte alles, was er erworben hatte und mehr
wie dies in die Aufschlieſsungsarbeiten neuer Kohlenbergwerke gesteckt
und saſs plötzlich bei Eintritt einer ungünstigen Konjunktur so fest,
daſs er nicht im stande war, die Kosten des Patentes für die Dampf-
maschine zu bezahlen. Watt muſste sich das Geld von seinem treuen,
alten Freunde Dr. Black leihen. Damals schrieb er an Small: „Von
allen Dingen in der Welt ist nichts so thörigt als erfinden.“ Und
am 31. Januar 1770 schrieb er an einen anderen Freund: „Heute
werde ich schon 35 Jahre alt und ich glaube, ich habe nicht für
35 Pfennige Gutes in der Welt gethan bis heute, aber ich kann es
nicht ändern.“ — Das Erfinden konnte er eben nicht lassen, sein
ganzes Denken drehte sich darum. War es nichts Groſses, so
waren es kleine Dinge, an deren Verbesserung er arbeitete. So
erfand er mancherlei „gim cracks“, Kleinigkeiten von groſser praktischer
Bedeutung. Aber ihm brachten sie nichts ein, er kam mehr und mehr
ins Gedränge. Selbst manche seiner guten Freunde hielten seine
Leidenschaft zu erfinden für seinen Fehler. Dr. Huttons Neujahrs-
gruſs lautete: Glück zum neuen Jahr, aber keine neuen Erfindungen!
In solcher Lage befand sich Watt, als ihm das Anerbieten gemacht
wurde, die Bauleitung des Monklandkanals gegen einen Jahresgehalt
von 200 £ zu übernehmen. Frau und Kind zu lieb nahm er das
Anerbieten an, welches ihn mehrere Jahre von seiner erfinderischen
Thätigkeit abzog. Neben der Bauleitung des Kanales konnte er noch
mancherlei andere Vermessungsarbeiten ausführen, so die Vermessung
des Clyde zum Zweck seiner Schiffbarmachung; die Vermessung des
Strathmorekanals im Herbst 1770. Für den Magistrat von Hamilton
fertigte er die Pläne für den Bau einer Brücke über den Clyde. Für
die ganze Arbeit erhielt er 7 £ 7 sh. Aber diese Arbeiten im Freien
hatten wenigstens den Vorteil, daſs sie seine Gesundheit kräftigten,
auch hatte er dabei sein Auskommen. Die letzte dieser Arbeiten
war die Vermessung des Caledoniakanals im Herbst 1773. Während
er diese Arbeiten in weglosen Gegenden beim schlechtesten Wetter
ausführte, traf ihn der schwerste Schlag, der ihn damals treffen konnte,
seine treue, innig geliebte Gattin, die ihn immer so freundlich in seinen
Sorgen und Ängsten getröstet und aufgemuntert hatte, starb plötzlich
im Wochenbett. Diesem Unglück folgte bald ein zweites; Dr. Roebuck,
der noch einige Jahre mit aller Kraft gegen den Zusammenbruch
seines Vermögens angekämpft hatte, wurde bankrott erklärt. So brach
auch diese Stütze Watts zusammen.


[517]James Watt und die Dampfmaschine.

Aber das Sprichwort, „wenn die Not am gröſsten, ist Gott am
nächsten“, bestätigte sich an Watt. Sein Retter in der Not erschien
in der Person Matthew Boultons. Mit seiner Hülfe erst konnte
Watt das erreichen, was er erreicht hat. Matthew Boulton war
am 3. September 1728 in Birmingham geboren, als Sohn eines Fabri-
kanten von Birminghamer Metallwaren, besonders von Metallknöpfen.
Das Geschäft war ein aufblühendes, Matthew wuchs in ihm groſs,
bethätigte eminentes technisches und kaufmännisches Geschick. Er
war seinem ganzen Wesen nach ein Geschäftsmann im groſsen Stil.
Als ihm seine Werkstätten in Birmingham zu klein geworden waren,
gründete er die nachmals weltberühmte Fabrik zu Soho, zwei eng-
lische Meilen nördlich von Birmingham an der Straſse nach Wolver-
hampton. Hier erbaute er nach und nach Werkstätten für 1000 Arbeiter.


Er verfertigte kleinere Metallwaren aller Art, auſser Metallknöpfen
namentlich plattierte Waren zum Hausgebrauch wie zum Luxus, wobei
er auf Schönheit und Geschmack sah. Während Birminghamware
früher fast gleichbedeutend mit Schundware gewesen war, war es
Boultons eifrigstes Streben, nur Vollendetes auf den Markt zu bringen,
und es gelang ihm, den Namen Birmingham zu Ehren zu bringen.
Unter den vielen Artikeln, die er fabrizierte, gehörten auch Stand-
uhren, worin er erfolgreich mit der französischen Ware konkurrierte.
Hierzu hatte er eine mechanische Werkstätte nötig und dies führte
ihn zum Maschinenbau.


Matthew Boulton war ein Mann von rastloser Thätigkeit und
kühnem Unternehmungsgeist. Wo er einen Artikel fand, der zu seiner
Fabrikation paſste und Gewinn versprach, griff er ihn auf, und wo
er ein Talent entdeckte, unterstützte er es und suchte es an sich zu
fesseln. Seine Fabrik wurde eine wahre Schule der Arbeit. Er
engagierte die besten Vorarbeiter und zog sich unter deren Anleitung
aus den Bauernjungen der Umgegend eine treffliche Arbeiterschar
groſs. Soho hatte für die groſsen Bedürfnisse der Fabrik keine
genügende Wasserkraft. Boulton beschäftigte sich deshalb schon seit
dem Jahre 1766 mit der Idee der Anlage einer Feuermaschine.
Watt besuchte Boulton in Soho und sah ihn da zum erstenmal im
Jahre 1769 auf der Rückreise von London, wo er seines Patentes
wegen gewesen war. Beide Männer schlossen sich sogleich aneinander
an und blieben von da an in Korrespondenz.


Watt fühlte, daſs Boulton ihm mehr wie irgend ein anderer
behülflich sein könnte, seine Erfindung auszubeuten. Er suchte des-
halb Boulton zu veranlassen, sich mit Dr. Roebuck und ihm zu
[518]James Watt und die Dampfmaschine.
verbinden. Boulton war zurückhaltend, da er namentlich mit Roebuck
in keine nähere Verbindung treten wollte.


Im Winter 1769 bis 1770 korrespondierten Dr. Small und Watt
über die Frage der Dampfschiffe und Watt schlug damals bereits
die Schraube (spiral oar) als das beste Hülfsmittel zur Fortbewegung
eines Schiffes vor. Im Jahre 1770 lieſs Boulton nach einer Zeichnung
Watts die zu einer Dampfmaschine nötigen Teile gieſsen und lud
Watt ein, nach Soho zu kommen. Aber Watt hatte damals die
Bauleitung des Monklandkanals übernommen und war gebunden.
1772 war ein groſses Krachjahr in England und dadurch kamen auch
Watts Kanalbauarbeiten zum Stillstand. Er begann wieder seine
Hoffnung auf die Dampfmaschine zu setzen, vollendete ein Modell
einer Hochdruck-Radmaschine und versuchte nochmals Boulton zur
Teilhaberschaft zu bewegen. Da erfolgte Dr. Roebucks Bankrott.
Boulton hatte 1200 £ zu fordern. Er nahm dafür die ⅔ Anteile an
Watts Erfindung mit Zustimmung der übrigen Gläubiger, die froh
waren, Boulton so billig los zu werden, denn sie hielten die Sache
für keinen Pfennig wert. Damit erwarb er auch die vorhandenen
Modelle und die Versuchsmaschine. Und nun trat er mit Watt in
Verbindung. Watt nahm die Kinneilmaschine auseinander und
schickte sie nach Birmingham. Im Mai 1774 folgte er endlich
selbst nach.


Watt hatte jetzt neun Jahre an der Dampfmaschine gearbeitet,
fünf Jahre waren verflossen seit der Erteilung des Patentes, und doch
war sein ganzes Werk nur „ein Schatten im Hinblick auf seine Ver-
wertbarkeit“ (a shadow as regarded its practical utility and value),
wie Boulton sagte. Roebuck und Watt hätten schwerlich je mit
der Erfindung ein Geschäft gemacht. Alles hing ab von der Geschäfts-
gewandtheit, der Energie und dem Vermögen Boultons. Aber, wie
Smiles treffend sagt, hätte Watt ganz Europa durchsucht, er hätte
keinen besseren Mann als William Boulton finden können, um seine
Maschine richtig in die Welt einzuführen. Boulton war ein genialer
Geschäftsmann, dabei von hoher Bildung und durch und durch ein
„gentleman“. Von Boultons vielseitiger und gründlicher Bildung
zeugt die Mondscheingesellschaft, ein Kreis der vortrefflichsten Männer,
welche sich regelmäſsig zu anregendem Gedankenaustausch ver-
sammelten, welchen hauptsächlich Boulton zusammengebracht hatte.
Hierzu gehörten Männer wie Edgeworth, der Erfinder des Dampf-
wagens, Keir, der Chemiker, Dr. Small, Josiah Wedgewood, Thomas
Day
, Dr. Darwin, Arzt, Naturforscher und Dichter, der Groſsvater
[519]James Watt und die Dampfmaschine.
von Charles Darwin, Joseph Pristley und — last not least — James
Watt. Boulton
war ein kühner Unternehmer, aber kein Enthusiast.
Es war ihm wohl bekannt, daſs Smeaton, der damals als erste
Autorität im Maschinenwesen galt, Watts Maschine für zu kompliziert
und unpraktisch erklärt hatte, weil sich keine Arbeiter finden würden,
welche die schwierigen Teile richtig ausführen könnten. Boulton
hatte sein eigenes Urteil und teilte diese Bedenken nicht. Aber er
hatte andere Sorgen. Er faſste die ihm gestellte Aufgabe von vorn-
herein richtig und groſsartig auf. Die Erfindung war Watts Sache
und ihm schenkte er volles Vertrauen. Die Fabrikation und der
Vertrieb aber waren seine Sachen und ihm schien das ganze Unter-
nehmen nur dann der Opfer und Mühe wert, wenn er die Maschinen
für die ganze Welt lieferte. Dazu gehörte aber viel, sehr viel! Es
muſste eine ganz neue Fabrik geschaffen werden, wie noch keine
bestand, mit den besten, vollkommensten Hülfs- und Werkzeug-
maschinen. Es muſste ein Stamm tüchtiger Arbeiter erst heran-
gezogen werden, welcher für die neue Maschine die sorgfältige Arbeit
(accurate workmanship) leisten konnte, welche er ebenso wie Watt
verlangte. Die neue Dampfmaschine muſste erst eingeführt und der
Markt dafür erst geschaffen werden. Welche Korrespondenz, welche
technische und kaufmännische Arbeit, welche Geldsummen waren
hierfür erforderlich, viel gröſser als Boulton besaſs. Er sah die
ganze Gröſse des Unternehmens vor sich, aber er schreckte trotzdem
nicht davor zurück.


Einstweilen lieſs er Watt gewähren, dem er eine geräumige
Werkstatt eingeräumt hatte und der unbeschränkt nach seinem
Ermessen darauf los arbeitete. Boulton bezahlte alles, sowohl die
Kosten der Arbeit als die Kosten von Watts Lebensunterhalt.


Die Kinneilmaschine, die erste, welche Watt gebaut hatte, wurde
für den Betrieb in Soho und für Versuche fertig gestellt. Sie hatte
nur 7 Zoll Cylinderweite. Dank der darauf verwendeten Mühe und
Sorgfalt und der guten Arbeiter arbeitete die Maschine viel besser
wie früher. Watt war zum erstenmal befriedigt und fühlte sich
glücklich. Darüber waren aber wieder zwei Jahre verstrichen. Sechs
Jahre des Patentes waren bereits abgelaufen und noch kein Anfang
zur Ausbeutung der Erfindung gemacht. Boulton konnte das groſse
Unternehmen nicht eingehen auf die kurze Frist hin, die Watts
Patent noch zu laufen hatte. Er verlangte Sicherheit durch eine
Verlängerung der Patentfrist. Es lagen schon manche Anfragen,
namentlich von Cornwall, vor, wo die alten Newcomen-Maschinen
[520]James Watt und die Dampfmaschine.
immer weniger genügten. Die Zeit war entschieden günstig. Aber
Boulton wollte nichts Groſses wagen, ehe die Frage der Patent-
verlängerung entschieden war. Auch Watt selbst wurde schwankend.
Er hatte nichts Sicheres und sein Freund Dr. Robinson, welcher
damals als Professor der Mathematik an der Seeschule zu Kronstadt
in russischen Diensten stand, bot ihm eine Anstellung mit 1000 £
jährlich in Ruſsland an. Trotzdem lehnte Watt ab und beschloſs zu
bleiben, bis seine Sache im Parlament entschieden war. Am 28. Fe-
bruar 1775 hatte er sein Gesuch eingereicht. Als es zur Verhand-
lung kam, rief zwar die Opposition, kein Monopol! aber Watt hatte
sein Gesuch so vortrefflich und so wirkungsvoll begründet, daſs es
mit Majorität angenommen und sein Patent auf 25 Jahre verlängert
wurde. Der Parlamentsbeschluſs ist vom 22. Mai 1775 und heiſst:
An Act of vesting in James Watt, Engineer, the sole use and pro-
perty of certain steam engines, commonly called fire engines of his
invention, throughout her Majesty’s Dominions for a limited time of
25 years.


Jetzt erst setzte sich Boulton mit Roebucks Gläubigern,
welche nachträglich noch Ansprüche auf die ⅔ des Gewinnes von
Watts Erfindung erhoben, vollständig auseinander, indem er ihnen
gegen Verzicht auf alle weiteren Forderungen 1000 £ auszahlte. Er
erwärmte sich für das Unternehmen, experimentierte selbst mit der
Dampfmaschine, während Watt seine Sache in London verfocht. Er
bestellte einen neuen guſseisernen Dampfcylinder bei John Wilkinson
in Bersham, dem genialen Eisenhüttenmann, der eine neue Bohr-
maschine erfunden hatte, um die Cylinder genau ausbohren zu können.
Dieser wurde anstatt des alten Zinncylinders eingesetzt und gab sehr
gute Resultate. Eine groſse Maschinenwerkstätte wurde gebaut, die
bald widerhallte von den Hammerschlägen für die neuen Dampf-
maschinen. Die erste Maschine, welche in Soho auf Bestellung
gemacht wurde, war für John Wilkinson, um damit die Blasebälge
seiner Eisenhütte zu Broseley zu treiben, diente also der Eisen-
industrie! Der Kolben hatte 38 Zoll Durchmesser. Anfangs 1776
wurde sie aufgestellt; mit Spannung erwartete man den Erfolg, der
glänzend ausfiel. Boulton schrieb an Watt, der in Schottland
weilte, um seine Angelegenheiten zu ordnen, um seinen vollständigen
Überzug nach Birmingham zu bewerkstelligen: „Das Geschäft kommt
in Gang. Bitte sagen Sie Wilkinson, daſs er ein Dutzend Dampf-
cylinder von 12 bis 50 Zoll Bohrung für uns fertig stellt mit den
entsprechenden Kondensatoren. Letztere müssen hier zusammen-
[521]James Watt und die Dampfmaschine.
gesetzt werden. Wir können dann innerhalb drei Wochen eine
Maschine fertig machen.“ Jetzt erst, nach Watts Rückkehr von
Schottland, wurde der schriftliche Vertrag zwischen Boulton und
Watt ausgefertigt, dessen Hauptinhalt war, daſs Watt ⅓ des
Gewinnes von allen verkauften Maschinen erhielt. Es war damals
auſser anderen eine Dampfmaschine für die Destillerie von Cook \& Co.
in Strafford-le-Row bei London in Bestellung und Boulton drängte
mit aller Macht, daſs die Aufstellung beschleunigt wurde, weil
unter den Ingenieuren in London die Parole ausgegeben war, Watts
Maschine tauge nichts, sie sei zu kompliziert. Smeaton war das
groſse Licht, dem man darin nachbetete. Der glänzende Erfolg
der neuen Maschine machte das Gerede verstummen. Die Aufträge
mehrten sich rasch. Boulton schreibt im Jubel: „Hätten wir
100 Rädermaschinen und 20 groſse fertig, wir könnten sie alle los
werden. Laſst uns Heu machen, so lange die Sonne scheint!“ Watt,
der damals eifrig an der Erfindung eines Dampfrades arbeitete, fühlte
sich aber noch ganz unsicher. Auch fehlte es nicht an Schwierigkeiten.
Abgesehen davon, daſs hier und da eine Maschine nicht gleich nach
Wunsch gehen wollte, war in den Werkstätten selbst noch manches
unvollkommen. Bei der zunehmenden Arbeit muſste man ungeübte
Leute einstellen. Bei der Unvollkommenheit der Werkzeugmaschinen
hing aber alles von der Genauigkeit der Handarbeit ab. Einiger-
maſsen wurde geholfen durch eine möglichst durchgeführte Arbeits-
teilung. Hatte man einen tüchtigen Arbeiter herangebildet, so war
fortwährende Gefahr da, daſs er durch glänzende Anerbietungen zum
Fortgehen verlockt wurde. Schickten doch die fremden Regierungen
Emissäre, wie Preuſsen Eversmann und von Stein, den späteren
berühmten Minister, mit dem Auftrag, das Geheimnis der Wattschen
Maschinen zu erforschen und womöglich Zeichnungen und geschickte
Arbeiter mitzubringen.


Schon ehe Watt seine Kinneilmaschine baute, hatte er im
kleinen die Expansion versucht. Boulton hatte später dieselbe Idee
ergriffen und Versuche damit gemacht. Man versuchte jetzt die
Sache im groſsen und baute Maschinen mit Expansion. Eine solche
wurde zuerst 1778 auf dem Wasserwerk von Stradwell aufgestellt.
So gut die Sache auch war, es stellte sich heraus, daſs dadurch
zu groſse Anforderungen an die Fähigkeit der Maschinenwärter gestellt
wurden und so muſste man diese Verbesserung damals fallen lassen.
Es war ein Opfer, das man der Dummheit bringen muſste, am Princip
hielt Watt nach wie vor fest und arbeitete es noch besser aus.


[522]James Watt und die Dampfmaschine.

Ein groſsartiges Feld für Boulton und Watts Thätigkeit wurden
die Bergwerke in Cornwall. Je tiefer die Gruben wurden, je weniger
konnten die alten Feuermaschinen die Wasserhaltung bewältigen und
der Kohlenverbrauch richtete die Gewerke zu Grunde. Schon lange
ehe Watt und Boulton sich gefunden hatten, waren von diesen
Erkundigungen über die neue „schottische“ Dampfmaschine eingezogen
worden. Auf spätere Anfragen lud Boulton die Grubenbesitzer ein,
sich die im Gang befindlichen Maschinen zu Soho, Bedworth, Bow u. s. w.
anzusehen. Ende 1776 wurden bereits mehrere Maschinen für Corn-
wall bestellt. Die ersten für Wheal-Busy bei Chacewater und für
Ting-Tang bei Redruth wurden im Mai 1777 verschifft. Noch
begegneten die Erbauer groſsem Widerstand. Namentlich war es ein
Maschinenfabrikant Jonathan Hornblower, der selbst Newcomen-
maschinen in Cornwall baute, der in gehässigster Weise alles that,
um Watts Maschinen zu verkleinern. Mit groſsem Miſstrauen sah
man der Inbetriebsetzung der Chacewatermaschine entgegen. Um
so gröſser war der Eindruck, als sie arbeitete. Alles lief zusammen,
sie zu sehen; alle waren bekehrt. Watt schrieb voll Humor an
Boulton: „Die Schnelligkeit, Heftigkeit, Gröſse und der furchtbare
Lärm der Maschine gewährte allen Zuschauern, ob Gläubige oder
nicht, groſse Befriedigung. Ich hatte sie ein- oder zweimal so gestellt,
daſs sie sanft ging und weniger Lärm machte, aber Mr. Wilson (der
Besitzer) kann nicht schlafen, wenn sie nicht wie toll scheint, und
so habe ich’s dem Maschinenwärter überlassen, denn es scheint, daſs
gerade der Lärm den Unwissenden eine groſse Meinung von der Kraft
der Maschine giebt: Das bescheidene Verdienst wird so wenig bei der
Maschine wie bei den Menschen anerkannt.“


Watts Maschine (Fig. 129) war, wie die atmosphärische Maschine,
einfach wirkend. Der Unterschied bestand darin, daſs:


1. Der Niedergang des Kolbens nicht durch den äuſseren Luft-
druck, sondern durch den Dampf bewirkt wurde, welcher oberhalb
des Kolbens einströmte, weshalb der Dampfcylinder oben durch einen
Deckel verschlossen werden muſste.


2. Daſs die Kondensation nicht im Dampfcylinder selbst, sondern
in einem besonderen Gefäſse, dem Kondensator, erfolgte, der durch ein
kurzes Rohr mit dem unteren Teile des Dampfcylinders verbunden
war und der von auſsen gekühlt und in den zugleich Wasser ein-
gespritzt wurde.


3. Daſs der Dampf beim Aufgang des Kolbens, welcher ebenfalls
durch ein Gegengewicht bewirkt wurde, durch ein sogenanntes Gleich-
[523]James Watt und die Dampfmaschine.
gewichtsventil aus dem oberen Raum in den unteren trat. Die
Neuerung erforderte demnach drei Ventile.


4. Daſs Luft und warmes Wasser aus dem Kondensator durch
eine besondere Luft- und Warmwasserpumpe entfernt wurden.


Die Chacewatermaschine hatte 63 Zoll Durchmesser und 9 Fuſs Hub.


Cornwall war gewonnen. Zahlreiche Aufträge liefen ein. Watt
muſste nach Soho zurück, denn nur er war im stande, die Entwürfe
und Zeichnungen dafür zu machen. Andere Schwierigkeiten erwuchsen.
Durch die ungeheuren Ausgaben für den Bau der Fabrik und der

Figure 134. Fig. 129.


Maschinen, die noch lange
kein Geld einbrachten, kam
Boulton in finanzielle Be-
drängnis. Trotzdem entwarf
er ein System der Abzahlung
für seine Maschinen, wel-
ches ihm zunächst kein
bares Geld in die Kasse
brachte, aber eine groſse
Rente für die Zukunft ver-
sprach. Er verlangte näm-
lich statt Zahlung einer
Kaufsumme nur ⅓ der
wirklichen Kohlenersparnis
gegen die alten Feuer-
maschinen. Diese wurde bei
jeder neuen Anlage durch
ehrlichen Versuch fest-
gestellt. Boulton und
Watt verkauften an die
Bergwerke, wo alte Ma-
schinen standen, nur unter dieser Bedingung. Zur Bestimmung der
Leistung der Maschinen muſste die Zahl der Hube ermittelt werden.
Zu diesem Zwecke erfand Watt ein Zählwerk unter Verschluſs. Wo
die Steinkohlen billig waren, wurde dagegen eine bestimmte Patent-
gebühr statt Zahlung ausbedungen.


Neue groſse Maschinen für Cornwall wurden bestellt, die Maschinen-
fabrik in Soho nahm immer gröſseren Umfang an, damit wuchsen aber
auch die Schwierigkeiten der Firma. Es war ein schwerer Kampf, den
kaum ein anderer durchzukämpfen vermocht hätte. Boulton aber
wich nicht und kämpfte wie ein Held.


[524]James Watt und die Dampfmaschine.

1779 kamen zwei preuſsische Ingenieure nach Soho, welche von
Watt sehr artig empfangen wurden. „Sie gelangten in das Maschinen-
zimmer und kopierten Old Bess“ (die frühere Kinneil-, jetzt Soho-
maschine).


Acht weitere Maschinen wurden für Cornwall bestellt. Die Aus-
führung überwachte Watt und er war darin äuſserst peinlich. Er gab für
jede Maschine eine geschriebene Anleitung heraus, nach der gearbeitet
werden muſste und worin nicht nur die Werkzeuge für die einzelnen
Arbeiten, sondern auch die Aufeinanderfolge derselben genau angegeben
war. Dadurch wurde Soho eine hohe Schule der Arbeit. Watt verlangte
viel und wurde leicht ungeduldig, was durch Boultons vornehme
Ruhe wieder ausgeglichen wurde. Tüchtige Vorarbeiter kamen aber
dadurch auch in Stellungen, wie sie früher gewöhnliche Arbeiter nie
erlangt hatten. Ein solcher war William Murdock, ein praktisches
Genie und der zuverlässigste Mensch, das Muster eines Monteurs;
auf ihn konnte sich Watt ganz verlassen. Watts Umgang regte in
Murdock den Erfindungsgeist an, wodurch er später das erste brauch-
bare Modell eines Dampfwagens entwarf und anfertigte und zuerst die
Gasbeleuchtung einführte. Geboren 1754, also damals noch ein junger
Mann, stieg er vom gemeinen Arbeiter durch eigene Kraft zum Gehülfen,
ja man kann sagen zum Freund von Watt und Boulton empor. Er
war Watts Adjutant. Wo eine schwierige, mechanische Aufgabe zu
lösen war, wurde Murdock hingeschickt. Es war ein schönes Ver-
hältnis zwischen dem treuen Diener und der Herrschaft. Noch schöner
war aber das Verhältnis zwischen Watt und Boulton selbst, zwei
bedeutende Menschen von ausgeprägter Individualität, in voller Über-
einstimmung einem Zweck dienend. Watt war das Gehirn, Boulton
das Herz des Unternehmens.


Bis zum Sommer 1780 hatten Boulton und Watt 40 meist
groſse Maschinen geliefert, davon 20 nach Cornwall.


Wir haben schon früher erwähnt, daſs Watt eine Freude am Briefe-
schreiben hatte und eine ausgedehnte Korrespondenz unterhielt. Zu
seiner eigenen Erleichterung hatte er 1778 die Kopierpresse erfunden,
die noch heute in allgemeinem Gebrauch ist. Auch diese Erfindung
verstand Boulton in groſsartigem Maſsstabe auszubeuten, in Gemein-
schaft mit Watt und Keir, nachdem Watt 1780 ein Patent darauf
genommen hatte. Um jene Zeit litt dieser wieder an unaufhörlichem
Nervenkopfweh.


Die Cornwaller Gewerke wollten von den Zählkarten und der
Berechnung der Kohlenersparnis nichts mehr wissen und zogen es
[525]James Watt und die Dampfmaschine.
vor, eine jährliche Rente zu zahlen. Die Gewerke von Wheal Virgin
zahlten beispielsweise für ihre fünf Maschinen 2500 £ jährlich.
Boulton ging ohne Zögern auf den neuen Zahlungsmodus ein, aber
Watt war damals in so melancholischer Gemütsstimmung, daſs er
darin nur Unglück sah. Die Firma wurde selbst nach und nach Teil-
haber an verschiedenen Bergwerken in Cornwall, welche Anteile an
Zahlungsstatt verpfändet hatten. Dadurch wuchs ihr Interesse an
dem dortigen Bergbau noch mehr, so daſs Boulton ein eigenes Haus
daselbst bauen und einrichten lieſs, wo er in den folgenden Jahren
regelmäſsig einen Teil des Jahres verbrachte. Er trug sich sogar eine
Zeit lang mit der Idee, die ganze Maschinenfabrik von Soho nach
Cornwall zu verlegen, weil Cornwall ihr Hauptabsatzgebiet geworden
war. Alle Newcomenmaschinen bis auf eine waren dort von den
Wattschen Maschinen verdrängt worden.


Watts Niedergeschlagenheit dauerte an. Freilich fehlte es nicht
an Sorgen und Ärgernissen. Boulton hatte mehr als 40000 £ in das
Maschinengeschäft gesteckt, ehe es anfing, sich zu rentieren, und als
es nun anfing, entbrannte ein Kampf um das Patent, indem Gegner
auftraten, welche es zu stürzen suchten. Einen andern groſsen Ver-
druſs muſste er erleben in Bezug auf die Anwendung der Kurbel.
1779 war nämlich Watt damit beschäftigt, die einfachste Art der
Umsetzung der geradlinigen in die Kreisbewegung zu konstruieren.
Er verfiel auf die natürlichste, die Kurbel, die seit undenklicher Zeit
in Anwendung war, denn, wie Watt sagte, war der Mann, der
das erste Tretrad machte, der Erfinder der Kurbelbewegung, und
jeder Scherenschleifer benutzte dieselbe. Er dachte also nicht daran,
darauf ein Patent zu nehmen. Groſs war daher sein Ärger, als Pickard
im folgenden Jahre 1780 auf die Anwendung der Kurbel ein Patent
erhielt, um so mehr, als die Idee augenscheinlich von ihm gestohlen
war. Er hatte seine Kurbelmaschine in Soho fertig konstruiert. Einer
der Modelleure, welche an dem Modell gearbeitet hatten, prahlte damit
eines Abends in der Kneipe und zeichnete das Princip mit Kreide
auf den Tisch, um es besser zu erklären. Ein Horcher war anwesend
in der Person eines Knopfmachers. Durch diesen soll Pickard
Kenntnis davon bekommen haben. Watt hatte immer einen gewissen
Washburne im Verdacht, einen Mechanikus in Bristol, den Watt
früher einmal beschäftigt hatte und der sich später darauf verlegte,
selbst Dampfmaschinen zu bauen. Watt schrieb 1781: Washburnes
Maschinerie ist von mir und durch unwürdige Mittel gestohlen und das
Patent erschlichen. Dieser Washburne behauptete auch der Erfinder
[526]James Watt und die Dampfmaschine.
des Schwungrades zu sein, obgleich dieses schon 1757 Fitzgerald
patentiert worden war. Im Jahre 1781 war die Marineverwaltung
mit Washburne wegen Errichtung von Mahlmühlen in Verbindung
getreten, wollte aber von Boulton und Watt die Maschinen beziehen.
Diese lehnten es ab, mit Washburne in irgend welche Verbindung
zu treten. Die Marineverwaltung wendete sich in ihrer Verlegenheit
an Smeaton, welcher erklärte, daſs die Dampfmaschine, ob mit Kurbel
oder mit einer andern Vorrichtung, für den Zweck überhaupt nichts
tauge, da sie für Rotationsbewegung niemals das Wasserrad ersetzen
könne (!). Die Anwendung der Dampfmaschine für Mühlen war aber
eine dringende Frage geworden und Pickards Patent, welches Watt
die Anwendung der Kurbel unmöglich machte, kam höchst ungelegen.
Durch mechanische Schwierigkeiten lieſs sich aber Watt nicht leicht
auſser Fassung bringen. Diesmal hütete er sich, seine Erfindung vor-
zeitig kund zu geben. Boulton drängte wegen der Rotationsmaschine,
denn von allen Seiten kamen Anfragen wegen derselben. „Die
Menschen sind dampfmühl-toll“, schrieb Boulton. Ein Mr. Edwards
verlangte eine solche, um damit einen Hammer von 7 Ctr. Gewicht
120mal in der Minute zu heben. — Am 25. Juli 1781 gab Watt
seine Erfindung zum vorläufigen Schutz. — Um dieselbe Zeit wurde
in Soho eine groſse Dampfmaschine gebaut, welche die Öfen von
Walkers Eisenwerken bei Rotherham treiben sollte, und eine andere
für Wilkinsons Eisenhämmer zu Bradley, bei denen er doppelte
Cylinder, doppelte Kurbeln und ein Paar Schwungräder zu verwenden
vorschlug.


Ein anderer Konkurrent Watts tauchte auf in den Gebrüdern
Hornblower, welche Reklame machten für eine Feuermaschine,
besser als die Watts. Dieser vermutete, daſs es eine Heiſsluft-
maschine sein könne. Boulton machte Versuche mit heiſser Luft
und ebenso Pristley, der zu dem Schluſs kam, daſs heiſse Luft nicht
so billig dieselbe Arbeit leisten könne als Dampf. Watts Erfolge
regten den Erfindungsgeist in vielen Köpfen an. Endlich kam Watt
hinter Hornblowers Maschine und fand, daſs sie nichts anderes war
als eine zweicylindrige Maschine mit Expansion nach seinem Princip.
Das Princip der Expansion hatte Watt bereits 1769 seinem Freunde
Dr. Small erläutert; er hatte es angewendet bei der Sohomaschine
und bei der Shadwellmaschine, war aber von der allgemeinen Anwen-
dung infolge seiner schlechten Erfahrungen bei den Maschinisten
abgekommen. Wie sehr er von dem Princip selbst durchdrungen war,
erhellt daraus, daſs er an Boulton schrieb: „Eine gut regulierte
[527]James Watt und die Dampfmaschine.
Expansionsmaschine ist das non plus ultra unserer Kunst.“ Horn-
blower
erhielt auch 1781 ein Patent auf eine Expansionsmaschine,
welches aber von Boulton und Watt angegriffen wurde.


Watt war damals sehr fleiſsig. Innerhalb 14 Tagen vollendete
er die Zeichnungen für seine zum Patent angemeldete Rotations-
maschine. Um dieselbe Zeit machte er eine Reihe von Erfindungen,
darunter eine plötzliche Arretierung für die groſse Dalcoathmaschine
im Falle eines Grubenunglücks, ferner den Ausgleichungsbalancier
(equalising beam), das verbundene Radgetriebe (top working gear) und
die Excenterscheibe mit horizontaler Achse (a horizontal-axled elliptical
with one pulley); daneben erfand er einen vortrefflichen Metallkitt.


Am 25. Oktober 1781 wurde das Patent für seine rotierende
Dampfmaschine erteilt. Er hatte bei dieser die Anwendung der Kurbel

Figure 135. Fig. 130.


(wegen Pickards Patent) durch
fünf verschiedene Methoden von
Radbewegungen ersetzt. Das,
was in der Praxis den Vorzug
erhielt, war das zuerst von
W. Murdock erfundene Plane-
tenrad (Sun and Planet Motion),
welches zwei Umdrehungen machte
bei einem Hub (siehe Fig. 130).
Am 23. Februar 1782 wurde das
Patent, nach Einlieferung der
Specifikation, ordnungsmäſsig ein-
getragen. Es erstreckte sich auf einfache, Verbund-, halbrotierende
und rotierende Maschinen mit und ohne Expansion.


In Briefen aus jener Zeit verfolgte er die Idee der Überhitzung
des Dampfes unmittelbar vor dem Eintritt in den Cylinder. — Im
März war der Entwurf seiner Expansions-Wechselmaschine fertig, für
welche ihm am 4. Juli das Patent erteilt wurde.


In diesem Patent war die doppeltwirkende Maschine, oder Hoch-
druckmaschine, bei welcher der Dampf durch Druck unter und über
dem Kolben wirkt, mit einbegriffen, ferner das Princip der Expansion,
verschiedene Methoden der Kraftausgleichung, die Geradführung der
Kolbenstange durch Zahngetriebe und eine rotierende Maschine oder
Dampfrad. — Bei dieser angestrengten Thätigkeit war Watt viel
leidend und während er seine Erfindungen ausarbeitete, ging vieles
verkehrt in den Werkstätten. Hier bewährte sich wieder William
Murdock
, der überall hin gerufen wurde, wo es fehlte.


[528]James Watt und die Dampfmaschine.

Im allgemeinen war die Geschäftslage damals eine sehr schlechte.
Der Bergbau in Cornwall lag danieder; das groſse Kopierpressenlager
in London brannte ab. Die Dampfmaschinen hatten jetzt 13 Jahre
nach dem Patent noch keinen wirklichen Gewinn gegenüber den auf-
gewendeten Summen eingebracht. Die gesamten Abgaben von den
Pumpmaschinen beliefen sich 1782 nur an 4320 £ das Jahr. Watt, von
Schmerzen und Sorgen gequält, war nahezu verzweifelt. Boulton
hielt den Kopf hoch. Je schlechter die Aussichten in Cornwall waren,
je mehr muſste man sich auf die rotierenden Maschinen verlegen und
diese überall anzuwenden versuchen, wo man seither Wasserräder
benutzt hatte. Als Boulton 1781 ein groſses Kupferwalzwerk sah,
klagten die Besitzer, daſs es im Winter wegen des Frostes still liegen
müſste. Boulton schlug deshalb eine Dampfmaschine als Motor vor.
Nach Hause zurückgekehrt, lieſs er sofort ein Modell eines Walz-
werkes mit einer Dampfmaschine mit zwei Cylindern und zwei
Balanciers, von denen ein jeder die Kraft auf eine Walze übertrug,
anfertigen. Ende des Jahres legte er eine Dampfschmiede in Soho
an. „Sie arbeitet gut“, schrieb er, „denn obgleich die Maschine klein
ist, reckt sie doch mehr Stahl, als ein groſses Walzwerk in der
Nachbarschaft mit Wasser zieht.“ Wilkinson gefiel dieses Dampf-
walzwerk
so sehr, daſs er ein viel gröſseres für die Bradley-Eisen-
werke bestellte und ein weiteres wurde bald darauf für Rotherham
in Auftrag gegeben. Aber die Zahl der Walzwerke (iron mills) war
damals noch beschränkt und Boulton erwartete auch hiervon nicht
viel. Weit gröſsere Hoffnungen setzte er auf die Getreidemühlen.
Ende des Jahres (1782) hatte Watt seine Rotationsmaschine für
einen Schwanzhammer und für eine Getreidemühle angewendet. „Es
ist jetzt ausgemacht“, schreibt er, „daſs die Dampfmaschine die Korn-
mühle treibt, nicht aber, daſs dabei etwas verdient wird.“ Die erste
Dampfmühle wurde für Mr. Reynolds in Ketley gegen Ende 1782
errichtet, die erste in London für die Brauerei von Goodwyn \& Co.,
und die zweite, welche mit einigen Änderungen vor 20 Jahren noch
arbeitete, bei Messrs. Whitbread. Der Erfolg war ein so guter, daſs
bald alle Brauereien Londons folgten. Es war sehr nötig, daſs sich
andere Absatzgebiete für die Dampfmaschine fanden, denn die Ein-
künfte von Cornwall gingen erheblich zurück; die der Chacewater-
maschinen waren von 2500 £ auf 1000 £ gesunken. 1783 erkrankte
Boulton und muſste dann zu seiner Erholung längere Zeit nach
Schottland gehen. Der kräftige Mann erlangte bald seine Gesundheit
wieder. Wedegewood bestellte eine Maschine, um Flint zu mahlen.
[529]James Watt und die Dampfmaschine.
Ein wichtiger Absatz that sich in Nordamerika auf für Sägemühlen
und in Westindien für Zuckermühlen. Die Aufträge häuften sich
derart, daſs Watt kaum im stande war, die Zeichnungen alle anzu-
fertigen. Auſserdem hatte er eine Reihe neuer Erfindungen aus-
zuarbeiten, welche in seinem Patent von 1784 zusammengestellt sind;
dazu gehörte der Dampfschwanzhammer, um Eisen und Stahl zu
schmieden, die Anwendung der Dampfmaschine, um die Räder leichter
Fuhrwerke zu treiben (Dampfwagen) u. s. w. In diese Zeit fällt die
schöne Erfindung der Geradführung durch das Parallelogramm (the
Parallel Motion) (Fig. 131), von der Watt selbst sagte: „obgleich ich
nicht allzu viel auf Ruhm setze, so bin ich doch auf die Parallel-
bewegung stolzer als auf irgend eine andere mechanische Erfindung....
Sie erlaubt senkrechte Bewegung ohne Ketten, Führungen mit fatalen
Reibungen, Bogenköpfen und anderen plumpen Dingen“ und hatte

Figure 136. Fig. 131.


unter anderen den Vorteil, daſs
man bei 8 Fuſs Hub das Ma-
schinenhaus um 5 Fuſs niedriger
bauen konnte als seither. Sie
wurde zuerst und mit groſsem
Erfolg an der Whitbread-Maschine
in London angebracht.


Die andere, ebenso bekannte,
geistvolle Erfindung Watts aus
dieser Zeit war der Regulator
mit Schwungkugeln (the governor).
Die Gleichförmigkeit des Ganges
war bei den Pumpmaschinen nicht so wichtig gewesen, jetzt bei der
Rotationsmaschine war sie ein Haupterfordernis. Vordem hatte sich
Watt mit Drosselklappen, welche durch Hand gestellt wurden, geholfen.
Der neue Regulator arbeitete automatisch. Dieses einfachste und
eleganteste Mittel der Geschwindigkeitsregulierung hat sich bis auf
unsere Tage erhalten, wie Watt es konstruiert hatte. Eine Haupt-
anwendung erhoffte Watt von der Anwendung der Dampfmaschine
für Fuhrwerk. In sein Patent hatte er deshalb den Dampfwagen mit
eingeschlossen, und zwar sollten die Räder durch eine Hochdruck-
maschine, bei welcher der Dampf ins Freie ausströmte, getrieben
werden oder auch durch Niederdruck. Watt lieſs die Sache aber
liegen. Dagegen baute sich William Murdock einen Dampfwagen, mit
dem er wirklich auf der Landstraſse von Redruth, zum groſsen
Erstaunen der Einwohner, herumfuhr. 1784 wurde die letzte Newcomen-
Beck, Geschichte des Eisens. 34
[530]James Watt und die Dampfmaschine.
Maschine in Cornwall zu Polgooth abgelegt und durch eine Wattsche
Maschine ersetzt.


Um diese Zeit begann infolge der Vorgänge in Frankreich die Politik
allgemeines Interesse zu erregen, auch Boulton nahm daran Teil.
Damals war der ältere Pitt Minister. Um dieselbe Zeit gründete
Boulton in Cornwall die groſse Kupfergesellschaft.


Figure 137. Fig. 132.

Ein anderes wichtiges Ereignis war die Aufstellung der ersten
groſsen Rotationsmaschine mit Parallelführung (Fig. 132) in dem
groſsen Dampfmühlenwerk Albionmill in Southwark, welche 1786 in
Gang gesetzt wurde und nach einigen Schwierigkeiten vorzüglich
arbeitete. Diese Maschine verbreitete mehr wie irgend eine andere
den Ruhm von Boulton und Watt und wurde zur besten Reklame
für sie. Bestellungen aller Art liefen massenhaft ein für Papier-
[531]James Watt und die Dampfmaschine.
mühlen, Baumwoll-, Getreide-, Eisen- und Zuckerrohrmühlen. Es
kamen Ingenieure von allen Ländern Europas, um die Wattsche
Maschine kennen zu lernen. Die Dampfmaschine war eine aner-
kannte Macht geworden
.


„Es geht kein Wasserrad in Staffordshire,“ schrieb Boulton im
Dezember 1786, „sie sind alle eingefroren, und wäre nicht Wilkinsons
Dampfwalzwerk (steam mill) da, so müſsten die armen Nagelschmiede
alle verhungern; während diese Tag aus Tag ein ihren Gang geht,
10 Tonnen Eisen den Tag walzt und schneidet, welches warm weggeht.


Gegen Ende 1786 liefen neue Bestellungen ein. Die Spiegelglas-
Gesellschaft bestellte eine 40 pferdige Maschine; für die Oxford-Kanal-
Gesellschaft und für die Wasserwerke in Marly bei Paris liefen Auf-
träge ein.


Bis zum Jahre 1785 hatte die Maschinenfabrik in Soho noch
keine Überschüsse machen können, aller Verdienst muſste wieder in
das Geschäft gesteckt werden; nach zwei weiteren Jahren sah dies
ganz anders aus. — Watt und Boultons Ruhm breitete sich durch
ganz Europa und Amerika aus. Soho wurde ein Sammelpunkt aus-
erlesener Geister. Wir haben schon oben der Mondscheingesellschaft
gedacht, welche ihren Namen daher hatte, daſs die Mitglieder bei
Vollmond im Hause des einen oder des andern, meist aber bei Boulton
zusammenkamen, um die Mondbeleuchtung für den oft weiten Nach-
hauseweg benutzen zu können. Die Mondscheingesellschaft war eine
Art freie Akademie, alle wichtigen Tagesfragen auf dem Gebiete der
Wissenschaft und Technik wurden besprochen. Hervorragende Personen
machten sich eine Ehre daraus, an den Zusammenkünften teil nehmen
zu dürfen. Unter den gelegentlichen Besuchern erwähnen wir auch Baron
Reden, den späteren hochverdienten preuſsischen Minister, den Be-
gründer des oberschlesischen Berg- und Hüttenwesens, welchen De Luc
1782 bei Watt einführte. Priestley, der Entdecker des Sauerstoffs, war
ein hervorragendes Mitglied der Mondscheingesellschaft. Dieser hatte
bereits 1781 bei seinen Versuchen gefunden, daſs, wenn man ein
Gemisch von Wasserstoff und Luft durch den elektrischen Funken
entzündete, der Wasserstoff und ein Teil der Luft verschwand und
die Wände sich mit Wasser beschlugen. Diesen Versuch machte ein
Mr. Waltire, der in den englischen Städten herumzog und Vor-
lesungen über Chemie hielt, zu einem Vorlesungsexperiment. Dadurch
wurde Cavendish zuerst darauf aufmerksam, der dem von Priestley
wenig beachteten Umstand, daſs sich die Wände mit Wasser beschlugen,
die gebührende Aufmerksamkeit schenkte und dadurch zu der Ent-
34*
[532]James Watt und die Dampfmaschine.
deckung der Zusammensetzung des Wassers geführt wurde. Watts
Aufmerksamkeit war aber ebenfalls durch Priestleys Versuch auf
den Gegenstand gelenkt worden. Er war schon früher zu der Über-
zeugung gekommen, daſs Dampf, stark erhitzt, sich in Luft verwandle.
Jetzt schloſs er aus Priestleys Experiment, daſs das Wasser aus
brennbarer Luft (Wasserstoff) und dephlogistisierter Luft (Sauerstoff)
zusammengesetzt sei. Watt hat also schon vor Cavendish die rich-
tige Konstitution des Wassers erkannt. 1782 schrieb er an Boulton:
„Sie werden sich erinnern, daſs ich oft sagte, daſs, wenn man Wasser
zur Rotglut oder noch höher erhitzen könnte, es sich wahrscheinlich
in eine Art Luft verwandeln würde, weil der Dampf in diesem Falle
alle seine gebundene Wärme verloren haben würde, welche sich ganz
in fühlbare Wärme verwandeln würde, wodurch eine vollständige
Umwandlung der Natur der Flüssigkeit entstehen müſste.“ Und zu
Priestleys Versuch schrieb er an Dr. Black: „Wenn ganz trockene
brennbare Luft und ganz trockene dephlogistisierte Luft durch den
elektrischen Funken in einem verschlossenen Gefäſse entzündet wurden,
so fand ich nach dem Erkalten eine gewisse Menge Wasser an den
Wänden niedergeschlagen, gleich oder nahezu gleich dem Gewicht
der ganzen Luft. .... Sind wir nicht berechtigt zu schlieſsen, daſs
Wasser zusammengesetzt sei aus dephlogistisierter und inflammabler Luft
oder Phlogiston, denen ein Teil ihrer latenten Wärme entzogen ist?
und daſs dephlogistisierte oder reine Luft aus Wasser, dem der Phlo-
giston entzogen ist, besteht, verbunden mit Wärme und Licht? und
wenn Luft nur eine modifizierte Form der Wärme ist oder ein
Bestandteil des Phlogiston, dann besteht die reine Luft (der Sauer-
stoff) aus Wasser, dem der Phlogiston oder die latente Wärme ent-
zogen ist?“ So kamen Watt und Cavendish gleichzeitig und
selbständig zur richtigen Erkenntnis der Konstitution des Wassers,
denn es ist ganz undenkbar im Hinblick auf die Natur der beiden
Männer, daſs einer von beiden die Idee des andern als die seinige
ausgegeben hätte. Watt gebührt die Priorität insofern, als er seine
Ansicht früher niederschrieb, in seinem Briefe an Priestley vom
April 1783. Es ist aber zugleich ein Beweis, wie klar und tief Watt
das Wesen der Dinge ergründete, weit über die Grenzen des rein
Mechanischen hinaus. Cavendish veröffentlichte seine vermeintliche
Entdeckung erst am 15. Januar 1784 und Watt war sehr ärgerlich
darüber, denn er war damals überzeugt, daſs Cavendish seine Idee
gestohlen hätte. Später, als er alt geworden war, dachte er ruhiger
hierüber und sagte: „Alles in Allem liegt wenig daran, ob Cavendish
[533]James Watt und die Dampfmaschine.
oder ich zuerst die Zusammensetzung des Wassers gefunden haben,
die Hauptsache ist, daſs sie gefunden wurde.“


Wie gründlich Watt auch in das Wesen der Chemie eingedrungen
war, geht daraus hervor, daſs er Berthollets Entdeckung von der
Bleichkraft des Chlors in die Praxis einführte, indem er zuerst in
der Färberei seines Schwiegervaters Macgregor in Glasgow die
Chlorbleicherei im groſsen anwendete. Während Watt dieses Gebiet
der Chemie mit Liebe betrieb, war Boulton ein ausgezeichneter
Mineraloge und Geognost. 1785 besuchte ihn und die Mondschein-
gesellschaft Faujas de St.-Fond.


Ein neues und groſsartiges Geschäft begann Boulton mit der
Ausprägung von Kupfergeld. Die Einrichtungen der alten Münzen
waren so unvollkommen, daſs ihre Leistungen auſserordentlich gering
waren, sowohl in Bezug auf Qualität als auf Quantität. Boulton hatte
für seine Knopffabrik schon bessere Stampf- und Prägwerke als die
Münzstätten. In Verbindung mit der Dampfmaschine konnte er ihre
Leistungsfähigkeit auſserordentlich steigern. Dazu kam, daſs Boulton
Liebhaberei an Münzen hatte, und sein Geschmack in Bezug auf Zeich-
nung, Schnitt und Gravierung sehr geläutert war. Abgesehen von
geprägten Knöpfen mit erhabener Verzierung, prägte er Spielmünzen.
Das Ausprägen wirklicher Münzen lag ihm also als ein technischer Betrieb
sehr nahe. Er hatte schon früher ab und zu solche geprägt. 1786 über-
nahm er einen Kontrakt für 100 Tonnen Kupfermünzen für die Ostindische
Gesellschaft, und um diesen rechtzeitig erfüllen zu können, legte er
die neue Präganstalt mit Dampfbetrieb in Soho an. Diese wurde der
Ausgangspunkt einer vollständigen Reform des ganzen Münzwesens.
Boulton konstruierte nach und nach sämtliche Münzmaschinen neu
und ihm gebührt das Verdienst der besseren Geldausprägung. Das
Geldmünzen wurde ein bedeutender Zweig der Fabrik von Soho, dem
Boulton in den letzten 20 Jahren seines Lebens sein hauptsäch-
liches Interesse zuwendete. Es hatte für ihn noch den andern
ungeheuren Vorteil, daſs er dadurch den Wert seiner Kupferberg-
werke in Cornwall erhöhte, denn Boulton wurde nun der gröſste
Käufer von Kupfer und dadurch wieder ein Wohlthäter für den
ganzen Bergbau in Cornwall. Diese glänzenden Resultate erreichte
er durch seinen Fleiſs, seine Geschäftsgewandtheit, vor allem aber
durch seine strenge Redlichkeit und Gewissenhaftigkeit. Er führte
Krieg gegen die übliche schlechte und unwichtige Prägung und ver-
besserte dadurch das Geld überhaupt, was ein ungeheurer wirtschaft-
licher Fortschritt war. Er prägte bald für alle Länder in groſsartigem
[534]James Watt und die Dampfmaschine.
Maſsstabe. 1790 bis 1792 auch für die französische Republik. Am
längsten wehrte sich die englische Regierung selbst, die Ausprägung
der Privatindustrie zu überlassen. Aber Boultons Geld war soviel
besser und schöner, daſs auch hier die Regierung im Jahre 1797
der öffentlichen Meinung nachgeben muſste und die Ausprägung des
Kupfergeldes für England Boulton übertrug.


Die Prägeanstalt zu Soho war sehr bedeutend, sie hatte acht
starke Münzpressen mit Dampfbetrieb und konnte 1200 Tons Kupfer-
münzen im Jahre schlagen.


Boulton erhielt auch den Auftrag, die königliche Münze zu
Tower-Hill neu einzurichten und er machte daraus die vollkommenste
Münze damaliger Zeit. Die Pläne waren von ihm, die Maschinen
lieferte Soho. In gleicher Weise richtete er eine Anzahl neuer
Münzen in verschiedenen Ländern ein. Hätte Boulton sonst nichts
geleistet, so würden seine Verbesserungen des Münzwesens allein
seinen Namen unsterblich gemacht haben.


Ende der 80er Jahre konnten sich Boulton und Watt ihres
festbegründeten Wohlstandes erfreuen. Beide hatten Söhne in ziem-
lich gleichem Alter, die als hoffnungsvolle Nachfolger heranwuchsen.
Die französische Revolution brach aus und bewegte alle Gemüter.
In Birmingham erhob sich der Aufruhr gegen die Franzosenfreunde,
durch den Pristleys Haus, das ihm seine Freunde von der Mond-
scheingesellschaft geschenkt hatten, zerstört wurde und er selbst nur
mit Mühe das Leben rettete. Auch dieser Sturm ging vorüber, ohne
den festgefügten Bau der Firma zu erschüttern. 1794 traten die
Söhne von Boulton und Watt in das Geschäft und ihre jugendliche
Energie trug dazu bei, das Geschäft noch mehr zu heben. 1798
wurde Wilh. Murdock aus Cornwall zurückberufen, um oberster
technischer Aufsichtsbeamter der Werkstätten von Soho zu werden.
Die Gewerke in Cornwall sahen ihn ungern scheiden und boten ihm
1000 £ das Jahr, wenn er bliebe. Aber die Treue band ihn an
Watt. Er war seine „rechte Hand“. In Soho leistete er viel zur
Verbesserung der Werkzeuge. Er konstruierte eine Cylinderbohr-
maschine mit Schraube ohne Ende, die in ein Zahngetriebe griff, an
deren Achse der Bohrstahl befestigt war und die sich vortrefflich
bewährte gegenüber der alten Methode mit dem Stirnrad (spur gear).
Bereits 1785 hatte er die erste oszillierende Dampfmaschine erfunden.
Ebenso war das von ihm erfundene doppelte Schieberventil, welches
die vier Klappenventile (poppet valve) ersetzte, eine wesentliche Ver-
besserung. Auch in der Gieſserei war er sehr erfahren und erfand
[535]James Watt und die Dampfmaschine.
den Guſs der Dampfmäntel für die Cylinder in einem Stück, statt aus
zusammengeschraubten Segmenten. Murdock hatte in dem Drang,
zu erfinden, viel Ähnlichkeit mit Watt. Die moderne Gasbeleuch-
tung ist ebenfalls seine Erfindung. Daſs man Leuchtgas aus Stein-
kohlen herstellen konnte, war längst bekannt, aber die praktische
Verwendung zeigte Murdock zuerst. Schon 1792 machte er Versuche
damit zu Redruth und bald beleuchtete er sein Haus und seine Werk-
stätte damit. In Soho wurde die ganze Front der Fabrik zur Feier
des Friedens von Amiens im Jahre 1802 durch Murdock mit Gas
beleuchtet. Dies fand solchen Beifall, daſs man 1803 die ganze Fabrik
mit Gas einrichtete, was dann von vielen Fabriken nachgeahmt wurde.
Als Watt 1805 nach Glasgow kam, war auch dort das Gas schon in
ziemlich allgemeiner Anwendung. Murdocks Verdienst wurde von
der Royal Society in London anerkannt und mit der goldenen Medaille
belohnt. Die Gasbeleuchtung der Städte kam erst in den folgenden
Jahren durch einen Deutschen, Winzer (1809), und namentlich durch
Clegg auf, der die Londoner Gasbeleuchtung einrichtete.


Murdocks Lieblingsidee war eine Druckluftmaschine. Er führte
auch eine solche aus mit 12 Zoll Cylinder und 18 Zoll Hub, welche
er mit der gepreſsten Luft des Kupolofengebläses der Sohogieſserei
betrieb und damit eine Drehbank in der Modellierwerkstätte in
Bewegung setzte. Er machte auch einen Aufzug mit Druckluft,
welcher die Guſsstücke von der Gieſserei zu den Bohrmaschinen und
von da auf die Kanalsoole hob. Auch zu den Schellenzügen in seinem
Hause benutzte er sie bereits.


Der noch heute gebräuchliche Rostkitt für Guſseisen war gleich-
falls eine Erfindung Murdocks. Er war darauf gekommen, weil
durch ein Stückchen Salmiak, welches zufällig in seinen Werkzeug-
kasten gefallen war, Eisenfeilspäne so fest an ein Sägeblatt gerostet
waren, daſs sie kaum entfernt werden konnten. Versuche ergaben,
daſs sein Rostkitt (cast iron cement) besser war als Watts Metallkitt.


Als im Jahre 1800 Watts Patent für die Dampfmaschine erlosch,
löste sich auch die darauf begründete Handelsgesellschaft Watt und
Boulton auf. Boulton war damals 72, Watt 64 Jahre alt. Watt
fühlte sich erst jetzt ganz glücklich, als er alle Geschäftssorgen los
war. Boulton blieb in seiner Thätigkeit. Die Münze war jetzt seine
Hauptfreude. 1803, nach dem Frieden von Amiens, machte Watt die
längste Reise seines Lebens. In Gesellschaft seiner Frau fuhr er
durch Belgien, den Rhein herauf bis Frankfurt, von da nach Straſs-
burg und über Paris zurück.


[536]James Watt und die Dampfmaschine.

Boulton endete am 17. August 1809, 81 Jahre alt, sein thätiges
Leben. Er hatte Soho zu einer Musterfabrik gemacht und mit Stolz
nannte er sie seine Schule für geschickte Arbeiter. Er sorgte väter-
lich für seine Leute und gründete zu diesem Zwecke eine Lebens-
versicherung für dieselben. Geschäftsmann vom Scheitel bis zur
Zehe, hatte doch sein ganzes Wesen etwas vornehmes. Er war in der
That der „königliche Kaufmann“ und auch Watt nannte ihn oft,
wenn er von ihm sprach, den fürstlichen Boulton. Was Watt und
durch diesen die Welt ihm verdankt, haben wir aus obiger Skizze
kennen gelernt. Watt, tief erschüttert von dem Tode seines edlen
Freundes, schrieb einen Monat nach dessen Ableben in einem
Manuskript, das er in Soho deponierte: „Während der ganzen Zeit
unserer Geschäftsverbindung war es Boultons thätige und hoffnungs-
frohe Gemütsart, welche die Mutlosigkeit und Verzagtheit, welche in
meiner Natur lag, aufwog; und jede Hülfe, welche Soho oder Birmingham
liefern konnte, wurde durch ihn beschafft. Boultons liebenswürdiger,
freundlicher Charakter in Verbindung mit seinem Ruf als Ingenieur
und unternehmenden Fabrikanten, erwarben uns viele und sehr thätige
Freunde in beiden Häusern des Parlaments.... Genüge es zu sagen,
daſs seinem groſsmütigen Schutz, dem thätigen Anteil, den er in der
Betreibung des Geschäftes nahm, seinem verständigen Rat und seinem
Beistand bei der Erfindung und Ausführung vieler Arten der Ver-
wendung der Dampfmaschine, für verschiedene Arten von Maschinen,
das Publikum zu einem groſsen Teil für die Wohlthaten, die es jetzt
durch diese Maschinen erfährt, verpflichtet ist. Ohne ihn oder einem
ähnlichen Teilhaber (wenn ein solcher überhaupt zu finden gewesen
wäre) hätte die Erfindung nie so weit gebracht werden können, wie
es geschehen ist.“


Boulton war nicht nur ein geistvoller Mechaniker, sehr geschickt
in allen Zweigen der Industrie Birminghams, sondern er besaſs auch
in hohem Maſse die Fähigkeit, eine neue Erfindung, ob von ihm oder
von anderen, für das Publikum nützlich zu machen, sowohl durch
Organisation und Anordnung der Einrichtungen, durch welche sie
ausgeführt werden konnte, als auch durch Beförderung des Absatzes
durch eigene Arbeit und die Hülfe seiner zahlreichen Freunde und
Korrespondenten. Seine Auffassung des Wesens einer Erfindung war
rasch und nicht weniger rasch verstand er es, die Anwendbarkeit zu
ermessen und den Gewinn, der sich daraus erzielen lieſs, zu über-
schlagen. Sobald er irgend etwas in die Hand nahm, brachte er es
rasch zur Ausführung und sparte dabei weder Mühe noch Kosten.
[537]James Watt und die Dampfmaschine.
Er war ein groſsherziger Beförderer der Verdienste anderer und das
Vaterland verdankt ihm vielerlei Verbesserungen, welche durch seine
Hülfe ins Leben getreten sind. Was mich selbst betrifft, so kann ich
mit voller Aufrichtigkeit sagen, er war mein liebevollster, treuester
Freund und Gönner, mit dem ich in engster Verbindung während
35 Jahren niemals eine ernste Meinungsverschiedenheit hatte.“


„Was die Verbesserungen und Neueinrichtungen in Soho angeht, —
wie er aus einer dürren Heide einen herrlichen Garten geschaffen
wie er die Gegend von Handsworth bevölkert und reich gemacht
hat, — so muſs ich diese Dinge gewandteren Federn überlassen.“


Dieser schöne Nachruf ehrt den, dem er gilt und den, der ihn
niederschrieb.


Zehn Jahre konnte sich noch Watt des sich immer mehr wach-
senden Segens, den seine Dampfmaschine verbreitete, erfreuen. Am
19. August 1819 schied auch er ruhig und friedlich aus dem Leben
im 83. Lebensjahr. Mit ihm schied einer der gröſsten Wohlthäter des
Menschengeschlechts. Er wurde nahe seinem abgeschiedenen Freunde
Boulton in der Kirche von Handsworth beigesetzt. Sein dankbares
Vaterland aber errichtete ihm ein marmornes Ehrendenkmal in der
Westminster Abtei. Die Kolossalstatue ist von Chantrey, die ein-
gemeiſselten Verse von Lord Brougham. Als letzterer Minister von
England geworden war, sagte er: „Ich habe es immer als eine der
höchsten Ehren, die mir im Leben widerfahren sind, gehalten, daſs
ich berufen wurde, die Inschrift für dieses edle Denkmal, von Edlen
gestiftet, abzufassen.“


Die Worte der Inschrift 1) lassen sich nicht in ihrer ursprüng-
lichen Schönheit wiedergeben, ungefähr lauten sie wie folgt:
[538]James Watt und die Dampfmaschine.
Nicht einen Namen zu verewigen,
Welcher dauern wird, so lange friedliche Künste blühen,
Sondern zu zeigen,
Daſs die Menschheit gelernt habe, die zu ehren,
Welchen am meisten ihr Dank gebührt,
Hat der König
Seine Minister und viele Edle
Und Abgeordnete des Reiches
Dieses Denkmal errichtet
James Watt,
Welcher die Kräfte seines angebor’nen Genies
Früh entwickelt durch philosophisches Studium
Verwendete zur Verbesserung der
Dampfmaschine,
Die Hülfsquellen des Vaterlandes vermehrte,
Die Kräfte der Menschen erhöhte
Und selbst emporstieg zu einem hervorragenden Platz
Unter den berühmtesten Männern der Wissenschaft
Und der wahren Wohlthäter der Welt.
Geboren zu Greenock 1736,
Gestorben zu Heathfield in Staffordshire 1819.


Die Fortschritte der Dampfmaschine in der zweiten Hälfte des
18. Jahrhunderts sind fast ausschlieſslich an den Namen James Watt
geknüpft, dies lag in der Überlegenheit seines Genies und in dem
Umstande, daſs die Thätigkeit anderer durch das Erfindungspatent,
welches erst mit dem Jahre 1800 ablief, eingeschränkt war. Es ist
deshalb nicht viel zu dem, was über Watts Erfindungen berichtet
worden ist, hinzuzufügen. Nur dürfte noch zu erwähnen sein, daſs
er auch die Dampfkessel verbesserte und die sogenannten Kofferkessel
(Fig. 133 u. 134) erfand.


Hornblowers Versuche, Dampfmaschinen nach eigener Erfindung
zu bauen, haben wir bereits erwähnt. Seine Maschine hatte zwei
senkrecht stehende, ungleich groſse Cylinder, welche miteinander ver-
bunden waren, und arbeitete mit Hochdruck. Die Idee war gut und
wurde später weiter entwickelt (Verbundmaschine). Hornblower hatte
keinen groſsen Erfolg damit, weil er durch Watts Patent verhindert
1)
[539]James Watt und die Dampfmaschine.
war, die Kondensation zu benutzen. Noch weniger Erfolg hatte ein
ähnliches Patent von Sadler, dessen Maschine zwei Cylinder hatte, von
denen der gröſsere einfachwirkend war, der kleinere als atmosphärische
Maschine wirkte. Joseph Brahma erhielt 1790 ein Patent auf
eine zweicylindrige Rotationsmaschine, wobei der eine Cylinder in
dem anderen stand. Bei einer anderen Anordnung aus dem vorigen
Jahrhundert stehen drei Cylinder, von denen der mittlere als Konden-
sator dient, übereinander. Cartwright suchte 1797 Dampfmaschinen

Figure 138. Fig. 133.


Figure 139. Fig. 134.


ohne Balancier zu konstruieren, ferner verbesserte er die Kondensation
(Patent vom 11. November 1797).


Wichtiger war die Verwendung der Dampfmaschine zu ver-
schiedenartigen Arbeitszwecken. Anfänglich beschränkte sich dieselbe
auf den Betrieb von Wasserpumpen. Ein Hauptvorzug der Watt-
schen Maschine bestand aber darin, daſs sie sich leichter auch mit
anderen Bewegungsmechanismen verbinden lieſs, als die atmosphärische
Maschine, besonders seitdem die Verwandlung der Geradebewegung in
die Kreisbewegung gelungen war. Viele dieser Übersetzungen hatte
[540]James Watt und die Dampfmaschine.
Watt selbst ausgeführt, viele wurden von andern erdacht. Für die
Anwendung als Motor der wichtigsten Maschinen für die Eisenindustrie,
für Gebläse, Hämmer und Walzen hat John Wilkinson hervorragendes
Verdienst, andere Übersetzungen, namentlich zur Bewegung von Fuhr-
werken und Fahrzeugen werden wir später erwähnen, wenn wir von
den Dampfschiffen und Lokomotiven handeln werden, deren Anfänge
noch in das 18. Jahrhundert, deren praktische Ausführungen aber
erst in das 19. Jahrhundert fallen.


Nachdem der Erfolg der Wattschen Dampfmaschine anerkannt
und bekannt geworden war, machte man auch in den übrigen Industrie-
ländern Europas, besonders in Deutschland, Frankreich und Ruſsland
Versuche, ebenfalls Dampfmaschinen zu bauen. Die ersten Versuche
in Frankreich fielen nicht besonders glücklich aus. Dagegen bediente
man sich in Frankreich schon früher wie in Deutschland englischer
Maschinen. 1778 war der französische Mühlenbauer Perrier in Soho,
um mit Boulton und Watt wegen einer Dampfmaschine für das Pariser
Wasserwerk zu Passy zu verhandeln. 1779 schickten Boulton und
Watt eine Maschine nach Challiot in Frankreich. 1781 trieb d’Arnal
zu Nimes eine Kornmühle mit zwei Dampfmaschinen, welche das
Wasser auf zehn oberschlächtige Räder pumpten. Auf dem Eisen-
werk Creuzot waren Dampfmaschinen vor 1785 in Anwendung.


In Ruſsland wurde die erste Dampfmaschine 1787 von Engländern
erbaut. 1786 hatte Gascoigne, welcher technischer Leiter der Carron-
Eisenwerke nach Dr. Roebuck gewesen war, eine Kolonie schottischer
Mechaniker in St. Petersburg etabliert, welche die erwähnte Maschine
bauten; dieselbe fiel aber sehr plump aus und war weit schlechter
als die englischen.


In Deutschland wurde die erste Dampfmaschine nach Watts
Grundsätzen in Preuſsen auf Veranlassung Friedrichs des Groſsen
gebaut. Es ist bekannt, wie sehr der groſse König für die industrielle
Entwickelung seines Landes besorgt war. Mit ihm zusammen wirkte
der vortreffliche Minister v. Heinitz. Beide verstanden es, die besten
Leute zu finden; dies bestätigt sich in der Ernennung zweier noch
junger Männer zu Bergräten, des Freiherrn v. Stein, den der König
nach Westfalen entsendete, und des Grafen v. Reden, der 1779
an die Spitze der neugegründeten Bergdeputation in Tarnowitz in
Oberschlesien gesetzt wurde. Um diese Zeit gelangten die ersten
Nachrichten von dem Erfolg der neuen Dampfmaschine nach Preuſsen.
Friedrich entsandte alsbald zwei erfahrere Hüttenbeamte nach Eng-
land, um Watts Dampfmaschine an Ort und Stelle zu studieren.


[541]James Watt und die Dampfmaschine.

Wir haben berichtet, wie liebenswürdig die preuſsischen Ingenieure
von Boulton und Watt zu Soho empfangen wurden. Daſs der
Bericht, welchen sie erstatteten, bei dem König Erfolg hatte, beweisen
die folgenden Thatsachen. Der Mansfeldische Bergbau hatte mit
Schwierigkeiten in Bezug auf die Wasserhaltung zu kämpfen. 1782
beantragte das Oberbergamt zu Rothenburg (von Friedrich II. 1772
gegründet), dem derselbe unterstellt war, die Aufstellung einer groſsen
Kraftmaschine zur Abhülfe und schlug dafür eine englische Dampf-
maschine vor. Durch Spezialbefehl des Königs wurde der Bau-
inspektor, später Berginspektor Bückling in das Oberbergamt zu
Rothenburg versetzt und nach England geschickt, um sich über die
Dampfmaschine zu informieren 1). Dieselbe sollte nämlich nicht
gekauft, sondern im Lande selbst angefertigt werden. Die Kosten
sollte der „Landesmeliorationsfond“ tragen. Bückling kam der ihm
gestellten Aufgabe nach und fertigte nach der Rückkehr von seiner
mehrmonatlichen Reise ein Modell an, welches in Berlin geprüft und
angenommen wurde. Ein Mechaniker und ein Kupferschmied wurden
nach Rothenburg geschickt und begannen unter Bücklings Leitung
mit der Anfertigung der Maschine. Der Cylinder wurde aus Kanonen-
bronze in der königl. Geschützgieſserei in Berlin, der Dampfkessel
aus Kupfer auf dem königl. Kupferhammer am Finnowkanal bei
Neustadt-Eberswalde angefertigt, die Pumpen teils in Ilsenburg, teils
in Mägdesprung gemacht, die Kolbenstange und einige andere schmiede-
eiserne Teile lieferte ein Frischhammer zu Sausenberg in Oberschlesien,
die Guſsteile Zehdenik in der Brandenburger Mark. In der Handlungs-
zeitung vom 5. Februar 1785 liest man: „Herr Bückling, welcher
vor einiger Zeit von Berlin aus nach England geschickt wurde, war
so glücklich, die Boltonsche Feuermaschine, deren Mechanismus die
französischen, nach London geschickten Akademisten, welche den
Auftrag gehabt, eine solche Maschine in Paris anzulegen, um diese
Stadt dadurch mit frischem Wasser zu versehen, vergebens zu
erforschen bemüht gewesen sind, genau zu untersuchen und ihren
Mechanismus sowohl, als das Verhältnis aller ihrer Teile sorgfältig
zu berechnen. Er ist gegenwärtig damit beschäftigt, eine solche
Maschine zu Burg-Gerner in der Grafschaft Mansfeld zu erbauen,
welche aus 50 Lachter tiefem Schacht die Grubenwasser bis zu einem
Stollen 50 Lachter hoch heben soll.“ Nach einer allgemeinen
[542]James Watt und die Dampfmaschine.
Erklärung der Dampfmaschine heiſst es weiter: „Noch ist zu gedenken,
daſs der metallene Dampfcylinder in dem Königl. Gieſshause zu Berlin,
unter der Aufsicht und nach der Angabe des Herrn Assessor Bück-
ling
gegossen, aus dem Kerne gebohrt und inwendig sehr sauber
poliert worden sei; daſs dessen Durchmesser 2 Fuſs 4 Zoll, die Höhe
9 Fuſs 6 Zoll betrage und einen Hub von 8 Fuſs habe 1). Der
kupferne Dampfkessel hat eine sphärische Figur und miſst in seiner
gewöhnlichen Weite 8 Fuſs 8 Zoll im Durchschnitt bei einer Höhe
von 7 Fuſs 9 Zoll. Alles nach Rhein. Maſs. Am Dampfkessel ist ein
Wärmemesser und in Verbindung mit der Luftpumpe ein Luftmesser
angebracht. Ersterer zeigt dem Arbeiter den Grad der Hitze, den
das Wasser im Kessel haben muſs, welcher die Hitze des kochenden
Wassers nach Reaumurscher Skala um 5 Grade übersteigt und
letzterer unterrichtet ihn, ob die Luftpumpe in gehörigem Stande sei,
um ihre Dienste in den Dampfkanälen zu leisten. Der Dampfkessel
wird zur Hälfte mit Wasser gefüllt und in ihm sind zwei mit Hähnen
verschlossene Röhren angebracht, daran die eine unter das Wasser
reicht und die andere über selbigem steht.... Die Maschine hebt
in einer Minute 18 mal und gieſset auf jeden Hub 3 Kubikfuſs Wasser.
Die Kraft derselben ist übrigens der Kraft von 108 Pferden gleich.“
In demselben Jahre 1785 wurde die Maschine vollendet und am
23. August 1785 in Gegenwart Sr. Excellenz des Staatsministers
v. Heinitz, des Oberbergrats v. Veltheim, des Oberbergrats v. Reden
und des Bergassessors Bückling in Betrieb gesetzt. Die Resultate
waren aber anfangs sehr wenig günstig. Zunächst stellte es sich
heraus, daſs die Kesselfeuerung viel zu tief lag, dann brannte infolge
starken Absatzes von Kesselstein der Kessel durch, und als diese
Schäden repariert waren, zeigte es sich, daſs die Maschine zu schwach
war. Bückling wurde zum zweitenmal nach England geschickt, um
einen gröſseren guſseisernen Cylinder zu bestellen. Dies that er, und
zwar bei Homfray in Pennydarran in Südwales. Auch gelang es
ihm, einen Engländer, Richards, als Maschinenwärter zu engagieren.
Die kupfernen Kessel ersetzte man durch eiserne Wattsche Koffer-
kessel, wofür Suhler Pfannenblech von Schlegelmilch \& Komp.
bezogen wurde; zu einem zweiten Kessel lieferte die Hütte zu Sorge
bei Benneckenstein das Material. Die umgebaute Maschine versah
nun ihren Dienst bis zum Jahre 1794 ohne Störung. Dann aber
[543]Wasserräder. Gebläsemaschinen. Hämmer.
machte der fortschreitende Bergbau die Aufstellung einer gröſseren not-
wendig. Die Maschine wurde abgebrochen, aber 1797 an einem anderen
Schacht wieder aufgestellt, wo sie bis 1848 Wasser pumpte. Der
Maschinenmeister Richards baute mit Unterstützung der Bergbehörde
in Rothenburg auch neue Maschinen, deren guſseiserne Cylinder jedoch
aus England bezogen werden muſsten; so namentlich eine für Harz-
gerode und für die Salinen bei Langendreer in Westfalen. Bückling
errichtete auch auf dem königl. preuſsischen Salzwerk in Schönebeck
bei Magdeburg noch eine Dampfmaschine. In Berlin lieſs man nach
wie vor diesen Bestrebungen jede mögliche Unterstützung angedeihen
und so wurde diese Maschine der ruhmvolle Ausgangspunkt zunächst
eines Aufschwunges des Bergbaues und dann der Entwickelung der
deutschen Maschinenindustrie überhaupt.


Der deutsche Ingenieurverein beschloſs, im Jahre 1885 zum
hundertjährigen Gedächtnis an die Inbetriebsetzung der ersten deut-
schen Dampfmaschine an ihrem Standort zu Burgörner ein Denkmal
zu errichten.


Die zweite Dampfmaschine in Preuſsen war die am 4. April 1788
auf der königl. Friedrichsgrube bei Tarnowitz aufgestellte, welche auf
Veranlassung des Berghauptmanns v. Reden aus England bezogen war.


Wasserräder. Gebläsemaschinen. Hämmer.

Die Erfindung der Dampfmaschine war von so auſserordentlicher
Bedeutung für die gesamte Industrie, daſs es notwendig war, sie aus-
führlich zu behandeln. Bei den übrigen Fortschritten der Mechanik
und des Maschinenbaues ist dies nicht so nötig und können wir uns
mit Hervorhebung der wichtigsten Thatsachen begnügen und die aus-
führliche Behandlung einer Geschichte des Maschinenwesens überlassen.


Das Wasser war die wichtigste Triebkraft und blieb es auch
während des ganzen vorigen Jahrhunderts. Man wendete deshalb
auch der Hydrostatik und -Dynamik und dem Bau der Wasserräder
besondere Aufmerksamkeit zu. Obgleich aber die Wasserräder in
allgemeinem Gebrauch standen, hatte man doch zu Anfang des
18. Jahrhunderts von einer wissenschaftlichen Begründung ihrer
Leistung keine Ahnung. Stevin und Galilei hatten allerdings bereits
im 16. Jahrhundert die Grundlage einer Mechanik des Flüssigen
[544]Wasserräder. Gebläsemaschinen. Hämmer.
gelegt; seit jener Zeit war man aber nur wenig weiter gekommen.
Huyghens und Newton hatten mancherlei Versuche gemacht, letzterer
namentlich über den Ausfluſs des Wassers. Newton hatte auch die
Hydrodynamik mathematisch behandelt, war aber dabei von falschen
Voraussetzungen ausgegangen. Überhaupt beging man damals noch
allgemein den Fehler, alle Maschinen nur vom statischen Gesichts-
punkt, von dem des Gleichgewichtes in der Ruhe aus zu betrachten,
weshalb man zu richtigen Aufschlüssen nicht kam. Erst Parent ver-
suchte 1704 die Umlaufgeschwindigkeiten von Maschinen zu unter-
suchen. Ein groſser Fortschritt war Eulers vollständiges Werk über
Mechanik, 1736, an die sich d’Alemberts Traité de dynamique 1743
und Traité des fluides 1744 anschlossen. Hierauf trat wieder eine längere
Ruhepause ein, bis Lagrange 1788 der Mechanik durch Zugrundelegung
des Princips der virtuellen Geschwindigkeit ihr festes Fundament gab.


Zu diesen Untersuchungen auf dem Gebiete der Mechanik traten
Musschenbrocks wichtige Versuche über die Festigkeit hinzu, welche
er 1756 veröffentlichte. Um dieselbe Zeit (1758) schrieb Segner
über die Reibung. Die Mechanik des Flüssigen wurde speziell bereichert
durch Clairault und Bouguer, sowie durch Poleni, welcher schon
1717 Versuche über den Ausfluſs des Wassers bekannt machte, welche
dann von Michelotti, Venturi, Borda, Bossut, Du Buat, Langs-
dorf
und Gerstner wiederholt und erweitert wurden.


Der praktische Maschinenbau, der weit älter als die Theorie war,
wurde von dieser zunächst nur wenig beeinfluſst. Über den Bau
hydraulischer Maschinen, namentlich der Wasserräder, besitzen wir
aus dem 18. Jahrhundert wichtige Werke in Leonhard Christof
Sturms
Mühlenbaukunst (1718), Jakob Leupolds Theatrum machi-
narum hydraulicarum und B. Forest de Belidor’s groſses Werk
Architecture hydraulique. Es sind dies alles keine theoretischen Werke,
sondern sie gehen von der Beschreibung guter bestehender Wasser-
werke aus.


Rinman giebt in seiner Maschinenlehre folgende Einteilung der
Wassergefälle und Raddurchmesser für Hammerräder:

[545]Wasserräder. Gebläsemaschinen. Hämmer.

Die Radschaufeln der unterschlächtigen Räder machte man
1,17 m breit; die Schaufelbreite der oberschlächtigen Räder war
geringer. Blaseräder machte man etwas höher als die entsprechenden
Hammerräder, baute sie aber leichter.


Justi giebt (1771) an, ein unterschlächtiges Hammerrad für
Blech- und Breithämmer brauche 4 Quadratfuſs ständigen Wasser-
zufluſs, ein oberschlächtiges Rad bedürfte für denselben Zweck nur
1½ Quadratfuſs. Ein Frischhammer brauchte überhaupt bei unter-
schlächtigem Betriebe 4 Quadratfuſs, nämlich 2½ Quadratfuſs für das
Hammer- und 1½ Quadratfuſs für das Blaserad; bei oberschlächtigem
Betriebe genügten 2 Quadratfuſs.


Im Harz war man allgemein der Ansicht, die Höhe der Hammer-
und Blaseräder dürfe nicht über 8 Fuſs sein, indem bei gröſserer
Höhe die nötige Geschwindigkeit nicht erreicht werden könne. Auch
gegen Ende des Jahrhunderts hielt man noch dafür, daſs Hammer-
räder nicht über 10 Fuſs sein dürften. Die Hammerschmiede machten
Schwierigkeiten, als man bei dem Umbau der Mandelholzer Hütte 1796
Wasserräder von 12 Fuſs Durchmesser errichtete.


In Deutschland waren namentlich bei den Berg- und Hüttenwerken,
die ja meistens in gebirgigem Terrain lagen, oberschlächtige Räder
schon in früher Zeit (s. Bd. II, S. 520) und in ausgedehntem Maſse
in Anwendung. Weniger war dies in anderen Ländern, wie Italien,
Frankreich und England der Fall, wo man teils aus Gewohnheit,
teils aus Ökonomie mehr unterschlächtige Räder anwendete. Es
machte deshalb fast den Eindruck einer neuen Entdeckung, als
Deparcieux1) 1753 nachwies, daſs eine gewisse Menge Wasser bei
gleicher Fallhöhe mehr durch ihr Gewicht als durch den Stoſs wirke
und daſs deshalb oberschlächtige Räder vorzuziehen sind. Um die-
selbe Zeit hatte Smeaton über denselben Gegenstand Versuche gemacht,
die er 1759 in der Philosophical Transactions veröffentlichte und
welche einen groſsen Einfluſs auf den Bau der Wasserräder in Eng-
land ausübten. An diese schlossen sich dann die praktischen Unter-
suchungen von Bossut 1770 an und am Schluſs des Jahrhunderts
wurde der Bau der Wasserräder für Bergbau und Hütten in der
Maschinenlehre von Nordwall und Rinman gründlich abgehandelt.


In England suchte man durch oberschlächtige Wasserräder von
kolossalem Durchmesser, welche vielfach von Feuermaschinen bedient
Beck, Geschichte des Eisens. 35
[546]Wasserräder. Gebläsemaschinen. Hämmer.
wurden, indem diese das Wasser auf die erforderliche Höhe pumpten,
den gesteigerten Kraftanforderungen nachzukommen. Wasserräder
von 40 engl. Fuſs Durchmesser waren keine Seltenheiten. Das groſse
Rad auf der Hütte von Cyfartha am Ende des Jahrhunderts hatte
52 Fuſs Durchmesser und 7 Fuſs breite Schaufeln. Das ganze Rad
einschlieſslich der Schaufeln war von Guſseisen und wog über
100 Tonnen 1)!


Segner schlug 1730 das horizontale Reaktionsrad vor und
Euler befürwortete dessen Einführung in abgeänderter verbesserter
Form (1750 bis 1754) 2), aber ohne Erfolg. Horizontale Löffel-
räder
waren in Gebirgsgegenden, namentlich in den Pyrenäen, längst
bekannt. Belidor beschreibt solche, welche in der Provence und
Dauphiné zum Betriebe von Getreidemühlen in Anwendung waren.
Bei der Hüttenmechanik fanden sie damals noch keine Anwendung.


Wichtiger, namentlich für die Montanindustrie, war die Erfindung
der Wassersäulenmaschinen. Die Anregung dazu hat jedenfalls
Newcomens Feuermaschine gegeben. Wie bei dieser der Dampf, so
sollte bei der neuen Maschine das Wasser abwechselnd einen Kolben
in die Höhe drücken. Einige ältere Versuche von Denisard und
Dueille (1731), von denen Belidor berichtet, haben nur ein theoretisches
Interesse; die praktische Ausführung der Maschine wurde fast gleich-
zeitig von Höll in Ungarn und von Winterschmidt am Harz unter-
nommen. Wenige Jahre später konstruierte der Engländer Westgarth
eine ähnliche Maschine. Dem Oberkunstmeister Höll zu Schemnitz
gebührt wohl die Priorität und auch das Verdienst, die beste Wasser-
säulenmaschine konstruiert zu haben. Er stellte seine erste Maschine
1749 im Leopoldischacht auf und seine Maschinen fanden Verbreitung
in den ungarischen Silber- und den kärntnerischen Bleibergwerken.
Winterschmidt errichtete 1753 zuerst eine kleine Maschine auf der
Grube Karlsgnade, dann eine gröſsere auf dem Treueschacht. West-
garth
stellte 1765 seine erste Maschine auf. Winterschmidt, der
sich die Priorität der Erfindung, welche er 1748 gemacht haben will,
zuschreibt, hat seine Maschine weitläufig in Calvörs Maschinenwesen
am Harz beschrieben.


Für den Hochofen war die Gebläsemaschine das wichtigste
Werkzeug. Man bediente sich Anfang des 18. Jahrhunderts allgemein
der Blasebälge, und zwar waren die um 1620 in Mitteldeutschland
[547]Wasserräder. Gebläsemaschinen. Hämmer.
erfundenen Holzbälge bei den Hochöfen hauptsächlich in Gebrauch.
Auch behaupteten dieselben die Herrschaft während des ganzen
18. Jahrhunderts. Lederbälge waren nur noch in einigen Gegenden
beim Hochofenbetrieb üblich; so hielt man z. B. im Siegerland an
denselben fest, weil man sie angeblich rascher treiben konnte. Bei
Frischfeuern waren sie mehr in Anwendung. Über die Konstruktion
der Holzblasebälge haben wir bereits berichtet (Bd. II, S. 938). Nach
der älteren, allgemein gebräuchlichen Konstruktion bewegte sich der
Oberkasten um die feststehende Fläche (Unterkasten). Da er nur
beim Niedergang Wind ausströmte, so muſsten immer zwei Bälge
abwechselnd blasen, um eine fortwährende Luftzufuhr zu bewirken.
Der Niedergang des Balges wurde dadurch bewirkt, daſs Wellfüſse
oder Kämme an der Wasserradwelle direkt auf eine Verlängerung
des Balgendeckels, den Streichspan, drückten. Der Aufgang geschah
durch Aufziehen durch ein Gegengewicht an einem Balancier oder
der Wippe durch eine elastische Schwung- oder Balgenrute, welche
durch ihre Federkraft wirkte, oder durch einen zweiarmigen Hebel,
die Balgwage, welche durch Nuten beide Oberkasten so miteinander
verband, daſs, wenn der eine niedergedrückt wurde, die Wage den
anderen in die Höhe zog. Diese ältere, im vorigen Jahrhundert
allgemein verbreitete Konstruktion hatte unter anderen den Nachteil,
daſs der Beginn des Aufgangs des einen Balges genau mit dem Beginn
des Niederganges des anderen zusammenfiel, wodurch ein Stoſsen des
Windes herbeigeführt wurde, oder wie der Kunstausdruck lautete, die
Bälge „horchten“, d. h. setzten aus. Die Hochofenbälge am Harz
waren mit dem Balgkopf 13 Fuſs 6 Zoll lang, vorn oben 1 Fuſs
6 Zoll, unten 1 Fuſs 4 Zoll breit, hinten 3 Fuſs 4 Zoll oben und
3 Fuſs 2½ Zoll unten breit, und vorn 7¼ Zoll, hinten 1 Fuſs tief.
Die Balgrute war eine gesunde Tanne von 48 Fuſs Länge, am dünnen
Ende 6 Zoll dick. Die Balgwelle war gewöhnlich 36 bis 40 Fuſs lang
und hatte da, wo die Däumlinge saſsen, 14 Zoll Durchmesser. Ein
solcher Balg preſste bei jedem Niedergang 38 Kubikfuſs Luft aus,
hatte aber einen schädlichen Raum von 10 Kubikfuſs. Letzteren
suchte man in der Folge dadurch zu vermindern, daſs man in den
Boden oder Unterkasten ein zulaufendes Brett, dessen dünnes Ende
am Balgkopf lag, einlegte 1); dadurch wurde der schädliche Raum
auf die Hälfte reduziert. Je mehr man danach trachtete, die Pro-
duktion zu vergröſsern, je mehr vergröſserte man die Blasebälge. Dies
35*
[548]Wasserräder. Gebläsemaschinen. Hämmer.
hatte aber seine Grenze an der Schwerfälligkeit des Apparates.
Hermann giebt 24 Fuſs als die gröſstmögliche Länge an.


1724 soll schon ein Schlosser Freitag in Gera einen Doppel-
balg
mit parallelen Wänden erfunden haben.


In Frankreich kam man im vorigen Jahrhundert zuerst auf den
Gedanken, den Oberkasten feststehend zu machen und den Unter-
kasten in diesen hineinzudrücken; dies hatte den Vorteil, daſs der
Unterkasten durch sein eigenes Gewicht niedersank, wodurch für die
gleiche Windmenge weniger Kraft erforderlich war. Genssane1)
hat 1770 ein nach diesem Princip verbessertes Gebläse abgebildet.


Es waren Doppelbälge, deren oberer Kasten als Sammelkasten
diente, um mit einem Balg einen ununterbrochenen Windstrom hervor-
bringen zu können (s. Fig. 135).


Als Bläser wirkte nur der untere Kasten. Beide Bälge hatten
eine unbewegliche Fläche a miteinander gemein, welche für den

Figure 140. Fig. 135.


unteren Balg den Deckel des
Oberkastens und für den
oberen Balg die Sohle des
Unterkastens bildete. Bei
dem unteren Balg war der
Oberkasten und bei dem
oberen Balg der Unterkasten
unbeweglich. Verdichtung
und Einlaſsventil am Unter-
kasten waren wie gewöhn-
lich. Bei der Aufwärts-
bewegung des Unterkastens
wurde die Luft durch die Ventile in dem gemeinschaftlichen Deckel a
in den oberen Balg und aus diesem in die Düse gepreſst. Beim
Niedergang des Unterkastens wurde die Luft durch ein Ventil ange-
saugt, gleichzeitig entleerte sich der Oberkasten durch sein eigenes
Gewicht völlig. Die ganze Einrichtung war dem doppelten Lederbalg
der Schmiede nachgemacht und sehr schwerfällig.


Jars erwähnt diese Bälge schon 1765, indem er sagt, man würde
auf der Hütte zu Carron viel Geld ersparen, wenn sie die Doppel-
bälge kennten und diese statt der enorm groſsen einfachen Bälge
verwendeten.


Auch in Deutschland hatte man Versuche mit dieser Konstruktion
[549]Wasserräder. Gebläsemaschinen. Hämmer.
gemacht. Die Neuerung erlangte aber keine Verbreitung, bis sie
anfangs dieses Jahrhunderts in Schweden in verbesserter Form wieder
aufgenommen wurde.


Viel allgemeineres Interesse erregten im vorigen Jahrhundert die
Wassertrommelgebläse, die sich von Italien aus namentlich nach
Südfrankreich 1) verbreitet hatten und welche durch Swedenborg
und Reaumur bekannt geworden waren. Sie hatten bei groſser
Einfachheit der Konstruktion den Vorteil, daſs sie einen kontinuier-
lichen Windstrom lieferten. Dagegen gaben sie nur wenig und schwach
gepreſsten Wind. Es stand aber, genügende Gefällhöhe vorausgesetzt,
theoretisch nichts im Wege, ihre Wirkung zu steigern und so wendete
sich das technische Publikum mit einer gewissen Vorliebe dieser Art
von Gebläse zu, um so mehr, da sie sehr billig in der Anlage waren.
Baron Zois berechnet die Kosten eines Wassertrommelgebläses von
6 Tonnen auf nur 500 Gulden, während ein entsprechendes Balg-
gebläse mit zwei 18 schuhigen Bälgen sich auf 4000 Gulden stellte.
Wir haben diese Art der Gebläse bereits für unsern Zweck genügend
beschrieben.


Ein Engländer Lewis hat im vorigen Jahrhundert sehr eingehende
Versuche über Wassertrommelgebläse angestellt 2) und gefunden, daſs
ihre Wirkung am gröſsten ist, wenn unmittelbar im Boden der
Zuleitungsrinne, des Gefluders oder der Arche eine Anzahl cylin-
drischer Ansatzröhren angebracht sind, welche das Wasser in ebenso
viele Lutten führt, wobei die Menge des niederfallenden Wassers
durch einen Schieber oder einen Stellkeil bestimmt wird. Diese
Ansatzröhren sollen nicht einfach unten offen sein, sondern am Boden
eine Art von Sieb und seitlich Löcher haben, so daſs das Wasser
nicht in einen Strom, sondern zerteilt, wie in einer Brause, in die
Lutte gelangt und um so mehr die Luft mitreiſst. Lewis fand ferner,
daſs eine Gefällhöhe von 14 Fuſs hinreicht, so daſs es bei höherem
Gefälle, z. B. bei 25 Fuſs, vorteilhafter ist, die Wassermenge doppelt
zu benutzen, indem man sie durch zwei Systeme von übereinander-
stehenden Lutten führt. Der Wind von allen Lutten wird einem
gemeinschaftlichen Sammelkasten zugeführt.


Diese Trommelgebläse erforderten aber beträchtlich mehr Wasser,
[550]Wasserräder. Gebläsemaschinen. Hämmer.
als ein Wasserrad von gleichem Effekt, deshalb empfahlen sie sich
nur in Gebirgsgegenden bei hohem Gefälle und reichlichem Wasser,
und da, wo man mit schwach gepreſstem Winde auskam, weil sie billig
in der Anlage und besonders in der Unterhaltung waren. Sie haben sich
deswegen besonders bei den Katalonschmieden in den Pyrenäen, in
der Grafschaft Foix und der Dauphiné bewährt und sind auch bei
Frischfeuern in bergigen Gegenden mit Vorteil verwendet worden.
Ritter von Stahlberg führte ein solches Gebläse auf seinem Eisen-
werk bei Hof ein und will gefunden haben, daſs das Eisen besser
und geschwinder frische. Daſs man sie auch bei den Blauöfen in
den französischen und den italienischen Alpen anwendete, wissen wir
aus Swedenborgs Schilderung.


Eine verbesserte Trommel (tambour), wie sie nach La Peirouse
1786 in der Grafschaft Foix in Anwendung war, ist in Fig. 136

Figure 141. Fig. 136.


abgebildet. Links sieht man das Einfallrohr mit der darunter befind-
lichen steinernen Aufschlagplatte. Die Verbesserung liegt in der
Konstruktion des Aufsatzes A (la sentinelle), aus welcher der Wind
der Düse zugeführt wird. In den oberen Rahmen paſst ein Holz-
deckel, in dessen Mitte sich ein 2 Zoll groſses Loch, der Schnarcher
(expirail), befindet, welcher durch einen Pfropfen verschlossen ist. An
diesem miſst der Werkmeister die Stärke des Windes.


Baron von Zois zu Laibach führte Ende des Jahrhunderts
Wassertrommelgebläse verbesserter Konstruktion auf seinen Eisen-
werken in Unterkrain und Steiermark zum Betriebe von Hochöfen
ein und war von ihrer Leistung befriedigt 1). Diese Gebläse wurden
errichtet auf den Eisenhütten zu Miſsling in Steiermark und zu Jauer-
[551]Wasserräder. Gebläsemaschinen. Hämmer.
burg und Wochein in Krain. Fig. 137 u. 138 (a. f. S.) zeigen die dort
angewendete Konstruktion. Das Wasser stand 3 Fuſs 6 Zoll in der
Tonne und lieſs einen freien Luftraum von 2 Fuſs 6 Zoll Höhe und
51,54 Kubikfuſs Inhalt. Sechs solcher Tonnen leisteten soviel als
zwei 18 Fuſs lange Spitzbälge. Aus allen sechs Tonnen wurde der Wind
in einem gemeinschaftlichen Recipienten oder Sammler b (Fig. 138),
in Gestalt eines länglichen Kastens, vereinigt. Man benutzte nur eine

Figure 142. Fig. 137.


Düse, welche 5 Fuſs 6 Zoll lang war; ihre gröſste Weite betrug 9 Zoll,
ihre Mündung, durch welche die Luft in den Ofen strömte, 2 Zoll
Durchmesser. Ähnliche Gebläse wurden zu Admont in Steiermark
und zu Hof in Unterkrain errichtet.


Eine andere Klasse von Winderzeugern, welche im vorigen Jahr-
hundert Bedeutung erlangten, waren die hydrostatischen Gebläse.
Während bei dem zuvor beschriebenen Apparate das Wasser durch
[552]Wasserräder. Gebläsemaschinen. Hämmer.
seine Bewegung, seinen Fall, den Wind erzeugt hatte, blieb bei den
hydrostatischen Gebläsen das Wasser in Ruhe, während ein Gefäſs
durch eine davon unabhängige Kraft darin auf und nieder bewegt
wurde.


Eine Maschine der Art gab der Schwede Martin Friewald 1736
an 1). Zwei unten offene und zum Teil in Wasser gesenkte, oben
mit einem Ventil zur Einlassung der äuſseren, und einem Lederschlauch
zur Auslassung der zusammengedrückten Luft versehene Glocken
werden abwechselnd auf- und niederbewegt und geben das Gebläse.

Figure 143. Fig. 138.


Das Aufziehen der Glocken geschieht durch einen Wasserkasten, der
an einem Hebel hängt und abwechselnd gefüllt und entleert wird.


Eine ähnliche Blasemaschine wendete man im Harz zur Wetter-
haltung in den Gruben an. Es war der sogenannte Harzer Wetter-
satz. Die älteren Apparate der Art hatten Lederliederung, aber schon
1763 richtete man Wassersätze mit Wasserliederung vor 2).


Das älteste ausgeführte Glockengebläse, von dem wir Nach-
richt besitzen, befand sich auf der Hütte zu Châtel-Naudrin in der
Bretagne in Frankreich und bediente einen Hochofen. Es war von
[553]Wasserräder. Gebläsemaschinen. Hämmer.
einem Herrn Danican, dem ersten Besitzer jener Hütte, etwa um die
Mitte des Jahrhunderts erbaut worden und man schrieb ihm die
Erfindung desſelben zu. Grignon, dem wir die Mitteilung darüber
verdanken 1), vermutet aber, daſs er die Idee dafür einem alten
spanischen Schriftsteller, in dem der Apparat abgebildet gewesen sei,
entnommen habe. Er entspricht ganz der von Friewald angegebenen
Maschine.


Fig. 139 soll den Apparat darstellen. Jede Glocke bildete einen
Cylinder von 8 Fuſs Höhe und 4 Fuſs Durchmesser und bewegte sich
in einem Recipienten von 9 Fuſs Höhe und 4½ Fuſs Durchmesser
auf und nieder. Beide Gefäſse waren hölzerne, mit Eisenreifen
gebundene Tonnen. Der erstgenannte Cylinder endigte in eine

Figure 144. Fig. 139.


starke Haube von Blei, welche oben einen eisernen Ring hatte, an
welchem die Glocke mit einer Kette an einem Balancier aufgehängt
war. Die Glocke hatte ferner am oberen Ende ein Ventil, durch
welches die Luft einströmen konnte, und ein zweites, welches mittels
eines Verbindungsstückes von Leder in ein Kupferrohr mündete und
sich beim Ausblasen öffnete. Der Recipient war mit Wasser gefüllt.
Indem die Glocke sich in dem Recipienten auf- und niederbewegte,
saugte sie einmal die Luft an, das anderemal preſste sie dieselbe aus.
Der Niedergang geschah durch das Gewicht der Glocke, während der
Aufgang durch einen Wasserkasten, der an dem entgegengesetzten
längeren Arm des Balanciers befestigt war, bewirkt wurde. Sobald
[554]Wasserräder. Gebläsemaschinen. Hämmer.
nämlich die Glocke ihrem tiefsten Stand nahe war, öffnete der Wasser-
kasten mittels eines Hebels, den er in die Höhe drückte, einen
Wassergraben, aus dem sich sofort eine Wassermasse von 45 bis
50 Kubikfuſs in ihn ergoſs. Dadurch wurde der Balancier auf der
Seite des Wasserkastens stärker belastet und sank, indem er zugleich
die Glocke aufzog. Sobald der Wasserkasten sich abwärts bewegte,
schloſs sich wieder der Wasserzulauf, und wenn der Wasserkasten
seinen tiefsten Stand erreicht hatte, öffnete sich durch eine Schnur,
die sich alsdann spannte, eine Abfluſsklappe, wodurch der Kasten
wieder leer lief, worauf das Gewicht der Glocke dieselbe wieder nieder-
sinken lieſs. Die Glocke konnte höchstens zwei Niedergänge oder
zwei Entleerungen in der Minute machen, die zwei Glocken zusammen
also vier; dies entsprach, da eine Füllung etwa 100 Kubikfuſs ausmachte,
400 Kubikfuſs Wind in der Minute, man konnte aber höchstens auf
300 Kubikfuſs wirklich rechnen.


Der groſse, schwerfällige Apparat kostete an 18000 Francs in
der Anschaffung und bedeutende Unterhaltungskosten. Der Wind war
ungleich. Frost machte den Betrieb unmöglich, weil das Wasser im
Recipienten gefror. So lange Danican lebte, bediente man sich der
Maschine, um den Hochofen von Châtel-Naudrin mit Wind zu ver-
sehen. Danican war von seinem Bewegungsmechanismus so ein-
genommen, daſs er auch den Versuch machte, ein Pochwerk damit
zu treiben, was ihm aber nicht gelang. Nach seinem Tode oder
Abgang wurde das Glockengebläse durch Holzbälge ersetzt. Grignon
spricht die Ansicht aus, man könne den Apparat unter Beibehaltung
der Glocken verbessern, wenn man dieselben mit einem Wasserrad in
Verbindung bringe, ähnlich wie bei den Holzbälgen.


Der oben erwähnte Harzer Wettersatz veranlaſste von Baader
und nach ihm Köhler zur Konstruktion hydrostatischer Gebläse.
Köhler
baute ein solches Gebläse 1794 auf der gräflich Einsiedelschen
Hütte zu Mückenburg (Lauchhammer). Es war einige Zeit im Betriebe,
wurde aber später durch ein englisches Cylindergebläse ersetzt.
Herr von Baader gab ebenfalls im Jahre 1794 seine „Beschreibung
eines neu erfundenen Gebläses“ heraus. Er that sich darin auf seine
neue Erfindung, die er 1789 in England gemacht und dort zuerst
einigen hervorragenden Männern mitgeteilt hatte, etwas viel zu gut,
weshalb er sich in einem Aufsatz in Crells Chemischen Annalen in
demselben Jahre eine Zurechtweisung gefallen lassen muſste. In dem
angeführten Aufsatze wurde aktenmäſsig nachgewiesen, daſs das
Princip des Baaderschen Gebläses im Harzer Wettersatz seit minde-
[555]Wasserräder. Gebläsemaschinen. Hämmer.
stens 30 Jahren in Anwendung war, und daſs von Baader die Harzer
Wettersätze gesehen hatte und kennen muſste. Ebenso hatte John
Laurie
1786 oder 1788 in der Nähe von Edinburgh ein Gebläse
angelegt, welches ganz mit dem Gebläse Baaders übereinstimmte.
Auſser den oben erwähnten Glockengebläsen waren kleine hydro-
statische Gebläse für Schmiedefeuer bereits angegeben und ausgeführt
worden von Hornblower in England und von Friedrich in Klausthal
für eine Bergschmiede 1788.


Baader führte sein Gebläse im Jahre 1799 auf dem Eisenwerk
Weyerhammer, unweit Mantel in der Oberpfalz, im groſsen aus, nach

Figure 145. Fig. 140.


welchem Muster dann mehrere ähnliche Gebläse zu Ludwigshütte
bei Biedenkopf vom Hofkammerrat Klipstein, zu Eibelshausen im
Dillenburgischen u. s. w. erbaut worden sind. Baader selbst baute
später (um 1815) noch ein solches Gebläse auf der Königshütte bei
Waldsassen in Bayern.


Tiemann sagt in seiner Eisenhüttenkunde von dem Baader-
schen Gebläse (S. 319): „Das Ganze ist eine dem englischen Cylinder-
gebläse ähnliche Maschine. Sie besteht aus zwei Cylindern, wovon
[556]Wasserräder. Gebläsemaschinen. Hämmer.
der eine unbeweglich und feststehend, der andere aber beweglich ist.
Letzterer vertritt die Stelle des Kolbens und das im ersteren gefüllte
Wasser ist statt der Liederung.“ Als Vorzüge werden angegeben voll-
kommene Dichtigkeit, geringe Reibung, Kraftersparung und Einfach-
heit. Man setzte eine Zeitlang gerade um die Wende des Jahr-
hunderts groſse Erwartungen auf das Baadersche Gebläse, die sich
aber doch nicht erfüllt haben. Fig. 140 (a. v. S.) u. 141 stellen Ansicht
und Durchschnitt des Gebläses von Weyerhammer dar, das von dem
ursprünglichen Entwurf, wie Baader ihn 1794 veröffentlicht hatte,
nur in Nebensächlichem abweicht.


Figure 146. Fig. 141.

In der Tonne A, welche bis zur Höhe x mit Wasser gefüllt ist,
bewegt sich der Cylinder von Eisenblech B, der unten offen, oben
aber in einer gewissen Höhe durch einen Boden geschlossen ist, auf
und nieder durch das Gestänge A'. Der Unterschied zwischen dem
oben beschriebenen Glockengebläse besteht hauptsächlich darin, daſs
der Ausfluſs des Windes nicht durch eine Öffnung in dem beweg-
lichen Oberkasten, sondern durch ein Rohr in C mit Klappenventil h
erfolgt, welches durch den Boden der Tonne geht und über dem
Wasserstand seine obere Öffnung hat. Beim Aufgang des Blech-
cylinders schlieſst sich die Ausströmungsklappe h, dagegen öffnen sich
die beiden in dem Boden des Cylinders angebrachten Saugklappen h h
[557]Wasserräder. Gebläsemaschinen. Hämmer.
und lassen die äuſsere Luft in den Cylinder einströmen. Sobald die
Abwärtsbewegung beginnt, schlieſsen sich die Saugklappen durch ihre
kleinen Gegengewichte und die Druckklappe h öffnet sich. Der Wind
strömt durch das Rohr D und dessen Ansatz E nach dem Wind-
kasten F und der Windleitung G. Der Blechcylinder B hat eine
Geradführung durch aufgeschraubte eiserne Schienen, welche in eisernen
Rinnen laufen, die an der Innenwand der Tonne befestigt sind.


Figure 147. Fig. 142.

Die Bewegung wird aus Fig. 142 ersichtlich. Durch das an der
Radwelle angebrachte Zahngetriebe wird die excentrische Scheibe
oder der Wellfuſs a in Bewegung gesetzt, welcher auf den Streich-
span e wirkt und die untere Wippe c bewegt, welche die eiserne
Stange g, die obere Wippe oder den Balancier k in Bewegung setzt,
an dessen anderem Ende der Blechcylinder hängt. Selbstredend
muſsten auch bei diesem Gebläse mindestens zwei Cylinder gleich-
[558]Wasserräder. Gebläsemaschinen. Hämmer.
zeitig und abwechselnd auf- und niedergehen, um einen andauernden
Windstrom zu erzeugen. Zu Weyerhammer hatte man zwei Cylinder,
zu Ludwigshütte bei Biedenkopf stellte Klipstein drei Cylinder auf, —
jedoch ohne merklichen Vorteil. Baader hat der Beschreibung seines
Gebläses eine Berechnung und Formeln für die Windmenge beigefügt.
Nach den Beobachtungen des Hüttenverwesers Pindl zu Weyerhammer
drückte das dortige Gebläse mit zwei aus genietetem Eisenblech
angefertigten Cylindern von 4 Fuſs 10 Zoll lichter Weite bei 7½ Um-
gängen eines 13 Fuſs hohen unterschlächtigen Wasserrades in jeder
Minute 678, bei 8½ Umdrehungen 760 Kubikfuſs Luft durch eine
2 Zoll weite Deute gleichförmig aus. — Das Gebläse zu Eibelshausen
brachte bei neunmaligem Wechsel der beiden Cylinder 684 Kubikfuſs
Wind in den Hochofen. Das Baadersche Gebläse auf der Ludwigs-
hütte hatte, obgleich hier drei Cylinder zusammenwirkten, noch einen
gröſseren Windsammelkasten.


Im ganzen arbeiteten die Baaderschen Gebläse nicht günstiger
als die Holzbälge und waren teurer in der Anlage. Nach Blum-
hofs
Angabe 1) kostete ein solches Gebläse mindestens 3600 Mark.
Nimmt man an, daſs es in 30 Jahren abgenutzt sei und schlägt die
Abnutzung an Kapital auf 90 Mark, die Zinsen auf 180 Mark und
die jährliche Schmiere und Unterhaltung auf 270 Mark, so betrüge
der jährliche Aufwand 540 Mark. Dies wäre mehr als das zwölffache,
was ein gut konstruierter Balg von entsprechender Leistung an Unter-
haltung koste.


Dasjenige neue Gebläse des vorigen Jahrhunderts, welches sich
siegreich behauptete, war das englische Cylindergebläse.


Ehe wir dasſelbe näher betrachten, wollen wir zunächst noch
einiger Versuche mit anderen Wassergebläsen kurz Erwähnung thun.


Wir haben im ersten Bande unseres Werkes erwähnt, daſs man
schon in alten Zeiten die Äolipile oder Dampfkugel zum Anblasen
des Feuers benutzte. Dieselbe Idee tauchte im vorigen Jahrhundert
wieder auf und soll ein Mechanikus in Wien um 1790 viel Kosten
angewendet haben, um einen solchen Apparat für Hüttenwerke anwend-
bar zu machen, ohne damit Erfolge zu erzielen. Klipstein machte
ähnliche Versuche, indem er den in einem Kessel von Kupferblech
erzeugten Dampf in einer zweiten Kugel aus dem gleichen Metall über-
hitzte und diesen überhitzten Dampf in einem ganz dünnen Strahl auf
die Kohlen leitete. Damit will er einen hohen Heizeffekt erzielt haben.


[559]Wasserräder. Gebläsemaschinen. Hämmer.

Diese Versuche veranlaſsten auch den berühmten Gellert zu
Freiberg, die Frage zu prüfen, und auch er erhielt im kleinen gute
Resultate, doch standen dieselben in keinem Verhältnis zum Kohlen-
aufwand. Ein praktisches Ergebnis für die Hüttenkunde hatten diese
Experimente nicht, sie verdienen aber deshalb unser Interesse, weil
man wenigstens bei den Versuchen von Klipstein und Gellert schon
die Frage der Zersetzung des Wassers mit in Betracht gezogen hatte.


Von weiteren Versuchen, die Blasebälge durch bessere Vorrich-
tungen zu ersetzen, erwähnen wir die Terrals, welcher schon 1729
ein Windradgebläse konstruiert und empfohlen hatte.


Den Balgengebläsen nahe verwandt waren die Windkasten-
gebläse
, welche Ende des vorigen Jahrhunderts in Süddeutschland
Verbreitung fanden. Sie bestanden ebenfalls aus zwei hölzernen
Kasten, die sich ineinander bewegten und dadurch den Wind abwech-
selnd einsaugten und ausbliesen. Die Deckel der Kasten standen aber
nicht im Winkel, sondern parallel, dadurch fiel die Verbindung durch
ein Schloſs fort, Ober- und Unterkasten waren völlig unabhängig
voneinander; der schädliche Raum konnte dadurch sehr verringert
werden und das war ihr Vorzug gegenüber den Holzbälgen. Den
Unterkasten nannte man den Kolben. Die Dichtung geschah eben-
falls durch Druckleisten und Federn, ähnlich wie bei den Holz-
bälgen.


Die älteren Windkastengebläse waren einfachwirkend; es muſsten
also, wie bei den Blasebälgen, zwei verbunden werden, um einen
kontinuierlichen Luftstrom zu erzeugen. Der Gedanke, diese Kasten-
gebläse doppeltwirkend zu machen, lag aber nahe.


Auch die Windkastengebläse fanden ihr Vorbild in einer Harzer
Wettermaschine, welche Bartels zu Anfang des Jahrhunderts erfunden
und erbaut hatte 1). Als Gebläse sollen sie im Salzburgischen zuerst
in Gebrauch gekommen sein. Hermann fand 1780 ein solches nur
bei der Silberhütte in Ramingstein, erst nach dieser Zeit wurde ein
Kastengebläse für den Eisenhochofen zu Werfen mit Erfolg aufgestellt.
Hermann schreibt über die Windkastengebläse (1795): „Sie wirken
unter gleichen Verhältnissen und unter einerlei Umständen mit eben-
soviel Stärke als die Cylinder, kosten viel weniger, sind wohlfeiler
zu unterhalten und dauern vielleicht ebenso lange. Meistens werden
sie durch Wasserräder mit angebrachten einfachen Krummzapfen,
Korbstangen, Wagebalken und Druckarmen bewegt. … Der gröſste
[560]Wasserräder. Gebläsemaschinen. Hämmer.
Teil dieser Windkasten ist einfach; man kann sie aber auch doppelt
vorrichten. In diesem Falle werden die Deckel aber nicht von oben
nieder, sondern von unten hinaufgedrückt, wozu zwar ein anderer,
aber sehr einfacher Mechanismus erforderlich ist.“


Verschieden von den Windkastengebläsen waren die eigentlichen
Kastengebläse mit Stiefel oder Kolben. Während die ersteren den
Blasebälgen ähnlich waren, glichen letztere den Cylindergebläsen. Die
Kastengebläse mit Kolben scheinen als eine Nachahmung der Cylinder-
gebläse in Holz entstanden zu sein. Auf den Werken, wo die
Beschaffung der eisernen Cylindergebläse zu teuer oder zu schwierig
war, sollen sie diese ersetzen. Dies war besonders in den holzreichen
Gegenden Deutschlands und in Schweden der Fall.


In Böhmen müssen wohl diese Gebläse zuerst Eingang und Ver-
besserungen erfahren haben, denn man bezeichnete die Kastengebläse
in Deutschland meist als „böhmische“. Ebenso waren Kastengebläse
in den polnisch-deutschen Provinzen in Gebrauch, wo sie Hacquet
sah. Der preuſsische Oberhütteninspektor Voſs zu Borek in Schlesien
erwarb sich besondere Verdienste um dieselben und waren solche
Gebläse zu Borek, Panky und Kotten im Betriebe 1). Auf dem Harze
legte Maschinendirektor Friedrich 1792 verbesserte Kastengebläse an.
Bei einem Ofen waren drei Kästen in Anwendung, welche in ein
Reservoir bliesen, bei zwei anderen je zwei. Bei einem der letzteren
hatten die Kolben 52 Zoll Hub. Der Hub erfolgte immer durch
Antrieb von unten, entweder mit epicykloidischen Wellfüſsen oder mit
gezahnten Kränzen und Stangen. — In Frankreich kamen sie 1786
in Gebrauch.


Im Salzburgischen suchte man sie den englischen Cylinder-
gebläsen noch ähnlicher zu machen, indem man ihnen runden Quer-
schnitt gab. Es entstanden dadurch die sogenannten Schubbälge
oder Zirkelkasten, welche 4 bis 5 Fuſs Durchmesser hatten. Der
Kolben war, wie bei den gewöhnlichen Kastengebläsen, mit Leisten
und Federn versehen. Ein solches Gebläse wurde bei dem Schragl-
schen Floſsofen zu Vordernberg errichtet. Ein Kasten faſste 42 Kubik-
fuſs Luft, hatte aber einen beträchtlichen schädlichen Raum. Der
Kolben wechselte acht- bis neunmal in der Minute. — Ähnlicher
Holzcylindergebläse bediente man sich auch in Ruſsland.


Diese cylindrischen Kastengebläse bewährten sich aber nicht, weil
sie sich leicht verzogen und dadurch nachteilige Reibung der Kolben-
[561]Wasserräder. Gebläsemaschinen. Hämmer.
leisten entstand und weil sie nur schwer dicht zu halten waren,
stärkere Pressung überhaupt nicht aushielten.


Die ersten Kastengebläse (Fig. 143) waren, wie erwähnt, einfach-
wirkend. Der Kasten a war am Boden offen und der Kolben b preſste
beim Aufwärtsgang die Luft aus. Der Kolben hatte Saugklappen d
gerade wie beim Cylindergebläse. Um einen kontinuierlichen Wind-
strom zu erhalten, muſsten wenigstens zwei Kasten zusammen blasen.

Figure 148. Fig. 143.


In der Regel wurde die Luft erst in einen
Sammelkasten geleitet, von dem aus sie in den
Ofen trat. In Schweden wurden die Kasten-
gebläse mit aufwärts drückendem Kolben von
dem Bergamtsassessor v. Stockenström ein-
geführt. — In Frankreich erbaute Clouet 1795
ein Kastengebläse zu Chibon bei Sedan, und
Huard mehrere im Dep. von Nièvre.


Ein Fortschritt, analog wie bei den Cylinder-
gebläsen, waren die doppelten Kastengebläse.
Diese hatten ringsum geschlossene Kasten und
der Wind wurde kontinuierlich ausgepreſst und
angesaugt durch Ventile auf der oberen Fläche und dem Boden des
Kastens.


Ein solches Gebläse mit drei Kasten wurde 1800 auf der Eisen-
hütte zu Elend an Stelle eines alten einfachwirkenden erbaut. Auch
bei diesen Kastengebläsen geschah die Dichtung durch Holzleisten,
welche durch Federn gegen die Wände gedrückt wurden, was sich
besser bewährte als Lederliederung.


Die Kastengebläse sollten meistens nur ein billiger Ersatz für
die Cylindergebläse sein, welche letzteren aber doch den Sieg davon
trugen. Es wird gewöhnlich behauptet und die Angabe ist eine der
vielen historischen Erblügen, die englischen Cylindergebläse seien von
Smeaton im Jahre 1760 erfunden und in diesem Jahre auf dem
Eisenwerk in Carron von ihm eingeführt worden 1). Dieses steht
hinsichtlich der Jahreszahl in Widerspruch mit den beglaubigten
Thatsachen. Smeaton, über dessen Thätigkeit als Konstrukteur und
Erfinder wir die zuverlässigsten Nachrichten von ihm selbst besitzen,
hat niemals auf die Erfindung der Cylindergebläse einen Anspruch
Beck, Geschichte des Eisens. 36
[562]Wasserräder. Gebläsemaschinen. Hämmer.
erhoben; keinenfalls hat er aber ein solches Gebläse schon 1760 in
Carron eingeführt. Jars, der 1765 das Eisenwerk zu Carron besuchte,
beschreibt das dortige Hochofengebläse ganz genau. Er sagt: „vor
jedem Ofen liegen zwei sehr groſse einfache Blasebälge, welche durch
ein sehr groſses Wasserrad getrieben werden, an dessen Welle zu
jedem Blasebalg vier Wellfüſse befindlich sind“. Jars teilt fernerhin
mit, daſs man mit der Absicht umgehe, noch stärkere Bälge anzulegen.
„Die Gewerke finden nicht, daſs ihr Gebläse zu stark sei, sie lassen
anjetzt ein paar neue einfache Bälge von ungeheurer Gröſse machen,
welche 21 Fuſs lang werden und aus 10 Zoll dicken Bohlen bestehen
sollen; diese Bälge werden über 300 Pfund Sterling kosten. Wenn
die Gewerke den Gebrauch der doppelten hölzernen Bälge kennten,
so würden sie viel sparen können.“


Je vertrauter man mit dem Betriebe der Kokshochöfen wurde,
je mehr sah man ein, daſs man um so bessere Erfolge erziele, wenn
man den Wind verstärke, womit die Vergröſserung der Hochöfen
Hand in Hand gehen konnte. Holzbälge von der oben angeführten Gröſse
waren aber sehr plumpe Maschinen und dabei genügten sie den
wachsenden Anforderungen doch nicht. Man muſste also danach
streben, andere Gebläse zu erfinden. Da lag denn in England zu
jener Zeit nichts näher, als Apparate zu konstruieren, welche wie die
Feuermaschinen in der Hauptsache aus einem groſsen Cylinder mit
Kolben bestanden. Es ist nicht unwahrscheinlich, daſs man die ersten
Versuche mit abgängigen Cylindern von Feuermaschinen machte und
daſs man, als diese günstig ausfielen, Maschinen konstruierte, die
äuſserlich die gröſste Ähnlichkeit mit den Feuermaschinen hatten,
indem sie, wie diese, aus einem weiten aufrechtstehenden Metall-
cylinder, in dem sich ein groſser Kolben auf und nieder bewegte,
bestanden. Smeaton war aber damals derjenige Ingenieur Englands,
welcher am meisten Feuermaschinenanlagen ausführte und darin als
gröſste Autorität galt. Es ist also ganz natürlich, daſs er gewiſs auch
zu den ersten gehörte, welche Cylindergebläse bauten. Nun ist bekannt,
daſs Smeaton im Jahre 1768 ein neues groſses Gebläse zu Carron
erbaute, welches durch ein Wasserrad betrieben wurde. Wahrschein-
lich war dies ein Cylindergebläse 1). Solche werden von dieser Zeit an
öfter genannt. Das neue Gebläse wurde zugleich mit der neuen
Maschinenanlage, welche durch die Erweiterung des Werkes notwendig
[563]Wasserräder. Gebläsemaschinen. Hämmer.
geworden war, errichtet 1). Diese Anlage bestand, wie schon oben
erwähnt, aus einer Feuermaschine, welche das Wasser auf ein groſses
oberschlächtiges Rad hob, das die Gebläsecylinder in Bewegung setzte.
Nach anderen Angaben sollen die Cylindergebläse erst 1775 erfunden
worden sein. Dies kann aber wieder nicht richtig sein, denn in
einem Patent von John Barber von 1773 über ein neues Schmelz-
verfahren ist bereits ein Cylindergebläse erwähnt und abgebildet.
Die irrtümliche Angabe rührt wahrscheinlich daher, daſs 1775 John
Wilkinson
zuerst eine Dampfmaschine nach Watts Patent für sein
Cylindergebläse verwendete. Die Dampfmaschine hatte einen Cylinder
von 38 Zoll Durchmesser. Das Gebläse bediente einen Hochofen.
Seit dieser Zeit kamen diese Gebläse in England allerdings rasch in
Aufnahme und verdrängten bald die Holzbälge bei den Hochöfen.


Die ältesten Cylindergebläse waren, wie die Cylinder der Feuer-
maschinen, oben offen. Sie bestanden aus zwei aufrecht nebeneinander
stehenden, oben offenen, 4 bis 6 Fuſs weiten Cylindern, deren geliederte
Kolben wechselweise mittels zweier über denselben angebrachten
Schwengel mit Gewichtskasten aufwärts gezogen und durch die an
der Welle des Rades angebrachten Wellfüſse, wie die Oberkasten der
gewöhnlichen Bälge, niedergedrückt wurden. Aus jedem Cylinder
strömte die unter dem Kolben zusammengedrückte Luft durch ein
besonderes, am Boden des Cylinders angebrachtes Windrohr in die
gemeinschaftliche Form.


Da die Bewegung des Kolbens langsam war, so machte sich das
Absetzen oder Aussetzen des Windes beim Wechsel unangenehm
bemerkbar und man suchte einen einfachen, gleichmäſsigen Wind-
strom dadurch zu erreichen, daſs man statt zwei drei oder vier
Cylinder zusammen arbeiten lieſs und den Wind erst in einem weiten
Sammelrohr vereinigte, aus welchem man ihn durch eine einzige Düse
dem Ofen zuströmen lieſs. Aus diesen Sammelröhren entstanden dann
die Regulatoren, welche wir später beschreiben werden. Die Cylinder-
gebläse wurden anfangs durch Wasserräder bewegt, später aber, und
besonders nachdem Watt eine praktische Umsetzung der geradlinigen
Bewegung in die Drehbewegung erfunden hatte, mehr und mehr durch
Dampfmaschinen, und es ist ganz erstaunlich, welche Zahl von Cylinder-
gebläsen mit Dampfbetrieb in den letzten 20 Jahren des vorigen Jahr-
36*
[564]Wasserräder. Gebläsemaschinen. Hämmer.
hunderts in England errichtet wurde. Bader schreibt, „die Vorteile
der Dampfmaschine, daſs man einen Platz für ein Unternehmen wählen
kann, wo man will und ohne von einem Wassergefälle abhängig zu
sein und daſs der Betrieb ohne Unterbrechung und unabhängig von
der Jahreszeit das ganze Jahr geführt werden kann, werden in Eng-
land und Schottland so hoch geachtet, daſs man bei dem Bau eines
Hüttenwerkes, wenn man hierzu eine günstige Stelle gefunden hat,
lieber die kostbarsten Dampfmaschinen zum Betriebe aller Gebläse,
Hammer- und Walzwerke errichtet, als daſs man in einer Entfernung
von einer Stunde das reichlichste Aufschlagwasser und Gefälle, wo
übrigens jene Vorteile nicht in demselben Maſse vereinigt werden
könnten, zu dieser Absicht benutzte. Man trifft daher auch in jenen
Ländern überall wenigstens zehn mit Dampfmaschinen betriebene
Werke gegen eins, das mit Wasserkraft betrieben wird, an.“ So war
in England das Verhältnis am Schlusse des Jahrhunderts.


Die eisernen Cylindergebläse hatten den groſsen Vorzug geringerer
Reibung, geringeren Windverlustes und daſs sich ein viel höher
gespannter Wind in ihnen erzeugen lieſs. Diese Vorteile waren so
augenfällig, daſs die englischen Cylindergebläse auch auf dem Kon-
tinent rasche Verbreitung fanden, rascher im Verhältnis als die
Dampfmaschinen. Für den Kokshochofenbetrieb waren sie geradezu
unentbehrlich geworden, aber auch für den Holzkohlenbetrieb erwiesen
sie sich jeder anderen Art von Gebläse überlegen.


Das älteste Cylindergebläse auf dem Kontinent war das zu Creusot
in Frankreich erbaute.


Dieses englische Cylindergebläse, welches dort um 1778 errichtet
wurde, ist in Fig. 144 abgebildet. Die Stange a wurde durch
eine Feuermaschine bewegt und trieb mittels des Balanciers b den
Kolben des Gebläsecylinders D, welcher unten offen war. Beim
Niedergang trat die Luft durch die geöffneten Klappen e e ein,
während sie beim Aufgang durch die Klappen h h in die beiden Regu-
latoren E E gedrückt wurde. Die Luft aus den Regulatoren gelangte
durch die Leitungen o o in die Trommel oder den Sammelkasten P,
von wo aus sie beliebig durch Ableitungsrohre den Hochöfen zugeführt
werden konnte. Diese Leitungen lagen in Creusot unterirdisch und
traten dicht vor dem Ofen aus der Hüttensohle hervor. Man blies
mit einer eisernen Düse durch den rohen Formstein, welcher mit
feuerfestem Thon ausgeschmiert wurde, in den Ofen. Das Gebläse
hatte eine so gewaltige Kraft, wie Ferber es niemals bei einem
andern Gebläse gesehen hatte.


[565]Wasserräder. Gebläsemaschinen. Hämmer.

Eine groſse und rasche Verbreitung fanden die englischen Cylinder-
gebläse auch in Ruſsland, nachdem Kaiserin Katharina II. 1788 den
englischen Ingenieur Gascoigne dorthin berufen hatte und dieser
die kaiserliche Eisenhütte und Kanonengieſserei zu Petrosadowsk ganz
nach englischem Muster umbaute und einrichtete. Man bediente sich
dabei stets einer gröſseren Anzahl, meist von vier oder sechs Cylindern,
welche abwechselnd bliesen; dadurch sparte man den Regulator, der
zu einem einfachen Windsammler zusammenschrumpfte.


Figure 149. Fig. 144.

In England dagegen entwickelten sich die Cylindergebläse mehr
in der Richtung, daſs man mit einem oder zwei groſsen Cylindern
blies und die Ungleichheiten im Winddruck durch Regulatoren ausglich.


Nachdem man einmal den Windregulator mit belastetem, schwe-
bendem Kolben (regulator with the flying piston) erfunden hatte, konnte
man Cylindergebläse mit einem einfachwirkenden Blasecylinder bauen.
Die Anordnung war der Art, wie sie aus Fig. 145 (a. f. S.) ersichtlich
ist, daſs in dem unten offenen, oben durch einen Deckel geschlossenen
Blasecylinder C C sich ein geliederter Kolben an einer Kolbenstange
b b auf und nieder bewegte. Beim Niedergang saugte er die äuſsere
[566]Wasserräder. Gebläsemaschinen. Hämmer.
Luft durch die im Kolben angebrachten Saugklappen V V an. Beim
Aufgang drückte er diese Luft durch die Druckklappe x in den Regu-
lator D D. Letzterer bestand aus einem Cylinder von noch gröſserem
Durchmesser, in welchem ein geliederter Kolben P P, der nur durch
die rechtwinkelige Stange g f gerade geführt war, frei schwebte. Dieser
Kolben hatte eine bestimmte Belastung. Sobald nun die Pressung
des Windes beim Aufgang des Blasekolbens stärker wurde, als der
Belastung entsprach, was eintreten muſste, weil die Einströmungs-
öffnung x viel gröſser war als die Ausströmungsöffnung an der Düsen-
mündung, so stieg der schwebende Kolben im Regulator in die Höhe.
Dieses Aufsteigen hörte sofort auf, wie die Aufwärtsbewegung des
Gebläsekolbens beendet war und dessen Niedergang begann. Von

Figure 150. Fig. 145.


dem Moment an sank der schwebende Kolben im Regulator, indem
er durch sein Gewicht die Luft aus dem Ausfluſsrohr und der Düse
preſste. Es kam nun darauf an, das Steigen und Sinken des Kolbens
im Regulator in ein richtiges Verhältnis zu der Luftzufuhr und Abfuhr
zu setzen. Dies war immer nur annähernd zu erreichen.


In erster Linie muſste man dafür sorgen, daſs immer noch nach
beendigtem Niedergang etwas Luft im Regulator blieb. Dies wurde
durch die Belastung bewirkt. Gegen das zu hohe Steigen des schwe-
benden Kolbens konnte man sich auſser durch die Regulierung der
Belastung noch durch ein Ablaſsventil r (the waste-valve) schützen,
welches sich durch einen Hebel m n öffnete, sobald der Hebel m durch
die Stange p gefaſst wurde. Die Art, wie das Gebläse arbeitete, wird
hieraus genügend klar sein. Von Interesse ist noch, daſs die Kolben-
[567]Wasserräder. Gebläsemaschinen. Hämmer.
stange des Gebläsecylinders, welche durch den Deckel desſelben ging,
durch eine Stopfbüchse s s geführt und gedichtet war. An ihrem
oberen Ende war die Kolbenstange durch Öhr und Hülse mit einer
Gliederkette in Verbindung, welche an ihrem oberen Ende durch eine
Schraube mit Mutter an dem Balancier A A befestigt war und sich
auf das Kreissegment oder den Krümmling B B auflegte. Die Liederung
des Gebläsekolbens war ähnlich wie bei den Pumpenkolben mit Leder.


Eine Hauptsache war, daſs der Cylinder richtig ausgebohrt war,
aber das hatte man in England durch die Dampfcylinder gelernt und
nach und nach auf eine hohe Stufe der Vollkommenheit gebracht.
Man wählte gerade die Cylinderform, weil man ihr durch das Aus-
bohren den höchsten Grad der Genauigkeit geben konnte. Bei
Wasserrädern geschah die Bewegung des Gebläsekolbens oft mittels
cykloidischer Wellfüſse, auf deren Konstruktion dann viel ankam.


Die Anordnung eines Cylindergebläses in Verbindung mit einem
Regulator erlaubte es auch, mit einem starken Gebläse gleichzeitig
mehrere Feuer zu betreiben. Dieser Vorteil hatte ebenso sehr wie
der Ausgleich des unregelmäſsigen Luftdrucks zu der Einführung und
Verbreitung der Windregulatoren beigetragen. Auch diese sollen
zuerst zu Carron zur Anwendung gekommen sein. Die einfachste
Form derselben war ein genügend groſser Raum, in welchem sich die
Stöſse der Maschine in der eingepreſsten Luft ausgleichen konnten.


Bei einem einzigen Gebläsecylinder war ein Regulator gar nicht
zu entbehren, aber auch wo zwei zusammenwirkten, erwies er sich
als sehr vorteilhaft. Man lieſs dann meist den Wind von zwei oder
mehreren Cylindern oder Kasten in einen geschlossenen Hohlraum, den
man Windkasten, Windsammler, Kondensator oder Regulator
nannte, blasen. Je gröſser dieser Hohlraum war, je vollkommener glichen
sich die Stöſse aus. Auf der Eisenhütte zu Devon bei Muirkirk in
Schottland hatte man zu diesem Zwecke ein in die Felsen gesprengtes
Gewölbe von 72 Fuſs Länge, 14 Fuſs Breite und 13 Fuſs Höhe, also
mit einem Fassungsraum von 13000 Kubikfuſs, als Regulator für das
Gebläse des Hochofens hergestellt. Gewöhnlich bestanden aber diese Art
von Regulatoren nur aus einem eisernen oder hölzernen Kasten, dessen
Gröſse sich nach der Stärke des Gebläses richtete. Da der Fassungs-
raum derselben ein bestimmt begrenzter war, so nannte man sie
Windregulatoren mit unveränderlichem Inhalt. Diesen standen
die Regulatoren mit veränderlichem Inhalt gegenüber. Einen
solchen mit schwebendem Kolben haben wir bereits oben beschrieben.
Diese Art bezeichnete man als Trockenregulatoren im Gegensatz
[568]Wasserräder. Gebläsemaschinen. Hämmer.
zu den Wasserregulatoren, bei welchen Wasser den Abschluſs
bildete, ähnlich wie bei den Glocken der oben beschriebenen Glocken-
gebläse oder bei unseren Gasometern. Auch die Wasserregulatoren
kamen zuerst in England zur Anwendung und bestanden daselbst
ursprünglich aus einem langen, viereckigen Blechkasten, der in einem
gemauerten Kasten stand (siehe Fig. 146). Der Wind der Gebläse-
maschine trat durch eine Öffnung im Deckel des Kastens an der einen
Seite ein und durch eine ähnliche Öffnung an der anderen Seite
wieder aus. Der gepreſste Wind drückte auf die Oberfläche des
Wassers, wodurch dessen Spiegel im inneren Kasten sank, während er
in dem kommunizierenden äuſseren Kasten entsprechend stieg. Der
Druck des Wassers erzeugte einen gleichmäſsigen Windstrom. Diese
Regulatoren bewährten sich in England sehr gut und wurden deshalb
trotz der gröſseren Anlagekosten und dem gröſseren Raum, den sie

Figure 151. Fig. 146.


erforderten, den Regulatoren mit schwebendem Kolben vorgezogen,
da man irgend welchen nachteiligen Einfluſs der durch die Berührung
mit dem Wasser vom Wind aufgenommenen Feuchtigkeit auf den
Schmelzproceſs nicht wahrnehmen konnte.


Die Regulatoren gestatteten, wie erwähnt, mehrere Hochöfen und
noch andere Feuer mit Hülfe einer einzigen starken Gebläsemaschine zu
betreiben, was viel ökonomischer war, als jedes Feuer mit seinem beson-
deren Apparat zu versehen. Hiervon machte man denn auch in Eng-
land gegen Ende des Jahrhunderts bereits ausgiebigen Gebrauch. Zu
Lightmore, unweit Coalbrookdale, wurden z. B. nach Svedenstjerna1)
drei Hochöfen und mehrere Feineisenfeuer von einer einzigen Dampf-
maschine mit der Kraft von einigen und neunzig Pferden bedient. Das
Cylindergebläse hatte 7 Fuſs 4 Zoll inneren Durchmesser und 5 Fuſs
Hub. Der Wind wurde aus zwei gleich groſsen Regulatoren mit
[569]Wasserräder. Gebläsemaschinen. Hämmer.
beweglichen Deckeln verteilt. Jeder dieser Deckel war mit 10 Tonnen
Eisen beschwert und das Sausen des Windes vor der Form war so
stark, daſs man kein Wort hören konnte. Der aus zwei eichenen
Bäumen bestehende Balancier war etwa 18 Fuſs lang, 2½ Fuſs hoch und
1½ Fuſs breit und mit eisernen Bändern beschlagen und mit starken
Guſsplatten belegt. Die Maschine war nach dem letzten Patent von
Boulton und Watt gebaut. Sie ging, abgesehen von dem Sausen
des Windes und dem Schlagen der Ventile, äuſserst ruhig und leicht.


Man erkannte mehr und mehr, welchen Einfluſs die Windmenge
und Windpressung auf den Gang der Hochöfen, ihre Produktion und
Gröſsenverhältnisse ausübte. Infolgedessen wendete man auch der
Windberechnung gröſsere Aufmerksamkeit zu und erfand Apparate,
um den Winddruck zu messen und fortwährend zu beobachten.


Bouchu hat in der oft erwähnten Abhandlung über das Eisen
in den Descriptions des arts et métiers zuerst eine Berechnung der
Windmenge, welche das hölzerne Balgengebläse eines Hochofens
liefert, mitgeteilt. Er nahm dabei folgende Maſse an: Länge des
beweglichen Balgdeckels 90 Zoll, Breite von einem Ende 42 Zoll, am
anderen Ende 14 Zoll, Hub 14 Zoll. Danach berechnete er den
Inhalt des Balges als Keil zu 20151⅓ Kubikzoll oder 11,66 Kubik-
fuſs; wenn nun die Bälge 14 mal in der Minute wechseln, so liefert
einer 163,24 und beide 326,48 Kubikfuſs Wind in der Minute. — Die
Berechnung eines Kastengebläses ist noch einfacher. Das alte Kasten-
gebläse von Guerigny z. B., dessen Kasten 33 Zoll Quadrat und 27 Zoll
Hub hatten und 25 Touren in der Minute machten, lieferten 425 Kubik-
fuſs Wind in der Minute.


Baader hat für die Berechnung des körperlichen Inhaltes eines
Balges folgende allgemeine Formel aufgestellt: K = h . ⅓ l (B + ½ b),
worin K der körperliche Inhalt des Hubes, l die Länge, B die vordere
Breite, b die hintere Breite des Balges und h die Höhe des Hubes
ausdrückt.


Berechnete man in derselben Weise wie oben die Leistung des
Cylindergebläses zu Creusot, welches 5½ Fuſs Durchmesser und
7 Fuſs Höhe hatte und 15 Touren in der Minute machte, so ergab
sich eine Luftmenge von 2495 Kubikfuſs in der Minute. Diese Art
der Berechnung war zwar in Anwendung, aber sie war nicht genau.
Multiplizierte man das Volum des Gebläses mit der Zahl der
Touren, so erhielt man zu groſse Werte. Die Saugklappe öffnete sich
erst, wenn eine gewisse Luftverdünnung eingetreten war; da nun im
schädlichen Raum nach dem Auspressen komprimierte Luft zurück-
[570]Wasserräder. Gebläsemaschinen. Hämmer.
geblieben war, die sich beim Niedergang des Kolbens im Cylinder
erst verbreitete und die erst verdünnt werden muſste, so verstrich
eine gewisse Zeit, ehe die Saugklappe sich öffnete, und die eingesaugte
Luft erreichte nicht ganz den Druck der äuſseren Atmosphäre. Diese
Umstände bewirkten eine geringere Leistung und war diese für jedes
Gebläse verschieden, für die Bälge aber des groſsen schädlichen
Raumes wegen geringer als für Kasten- und Cylindergebläse.


Genauere Formeln unter Berücksichtigung des schädlichen Raumes
hat später Baader in seiner Theorie der englischen Cylindergebläse (1805)
aufgestellt. Aus dieser ersten gründlichen Berechnung der Cylinder-
gebläse teilen wir nachfolgende Resultate mit: Man muſs die Saugklappen
so groſs wie möglich machen; die Dimensionen eines Regulators mit
unveränderlichem Inhalt müssen sehr groſs sein bei einer einfachen
Dampfmaschine, um ein gleichmäſsiges Gebläse zu geben; bei einem
doppeltwirkenden Dampfcylinder brauchen sie nur den fünften Teil
so groſs zu werden. Der kubische Inhalt eines Wasserregulators
braucht nur den sechsten Teil von dem einer Windkammer von
unveränderlichem Inhalt zu betragen, um einen ebenso ruhigen Wind-
strom zu liefern. Die Reibung eines nicht zu scharf geliederten, gut
ausgebohrten Cylinders wurde in England zu einem Pfund für jeden
Zoll engl. Durchmesser gerechnet. Fette oder flüssige Kolbenschmiere
war nicht anwendbar, dagegen hatte sich eingestreuter Graphit bewährt,
der auch den Vorteil bot, daſs er Guſsblasen und Unebenheiten ausfüllte.


In der Praxis begnügte man sich, statt die Luftmengen, die dem
Ofen zugeführt wurden, zu berechnen, damit, den Winddruck zu
ermitteln, indem man die Wassersäule maſs, welcher der gepreſste
Wind das Gleichgewicht hielt. In England blies man viel stärker
als in Deutschland. Bei einem Cylindergebläse vor einem englischen
Hochofen betrug der Druck im Wasserregulator gemeiniglich 5 bis
6 Fuſs Wassersäule 1) oder 2 bis 2½ Pfund Überdruck auf jeden
Quadratzoll des schwebenden Kolbens im Trockenregulator; während
in Deutschland die stärkste Verdichtung der Luft im Gebläse bei
einem allerdings auch kleineren Holzkohlenhochofen höchstens einer
Wassersäule von 3 Fuſs und einer Belastung von 1 bis 5/4 Pfund auf
den Quadratzoll entsprechen durfte.


In England rechnete man für einen hohen Ofen von mittlerer
Gröſse von 40 Fuſs von der Sohle bis zur Gicht gewöhnlich 1600 bis
[571]Wasserräder. Gebläsemaschinen. Hämmer.
2000 Kubikfuſs Luft pro Minute, während in Deutschland ein paar
Bälge von der gröſsten Art mit vollem Aufschlagwasser höchstens
900 Kubikfuſs pro Minute von viel geringerer Geschwindigkeit lieferten.
Vergleichen wir damit die Zahl, welche Bouchu für das Wind-
quantum eines Hochofens mit zwei Bälgen ermittelt hatte, nämlich
326,48 Kubikfuſs pro Minute, so haben wir ein Bild von dem Fort-
schritt des Hochofenbetriebes in den 30 Jahren von 1760 bis 1790.


Die Windmesser erlangten dementsprechend beim Hochofen-
betriebe zunehmende Wichtigkeit und kamen gegen Ende des Jahr-
hunderts in allgemeinen Gebrauch. Ihrem Princip nach waren es
kommunizierende Röhren mit Wasser oder Quecksilber gefüllt. Indem
man den einen Schenkel mit dem Gebläsewind in Verbindung brachte,
drückte dieser die Flüssigkeit in dem anderen Schenkel in die Höhe
und konnte man die Windpressung am Stande der Flüssigkeitssäule
an einer Skala ablesen.


Die Wasserdruckmesser waren nach Fuſs und Zoll, die Quecksilber-
druckmesser nach Zoll und Linien geteilt. Die Wassermesser wurden
bei Blasebälgen angewendet, für stärkere Gebläse, namentlich bei
den Hochöfen, kamen die handlicheren Quecksilberwindmesser in
allgemeinen Gebrauch. Die Wassermanometer waren auch weniger
genau, da das Wasser zu leicht verdunstete. Die Verhältniszahlen,
welche man den Berechnungen zu grunde legte, waren folgende:
Quecksilber 13,568 mal so schwer als Wasser und das Wasser 811 mal
so schwer als die Luft. Einen Windmesser, welcher in der Praxis
Eingang fand und namentlich von Norberg sowohl in Ruſsland als
in Schweden angewendet wurde, hatte der Engländer Lewis angegeben,
ein anderer rührte von dem schwedischen Chemiker Gahn her, ein
dritter vom Oberbergrat Stünkel u. s. w.


Die Pressung des Windes war allerdings von gröſster Wichtigkeit
für den Schmelzproceſs, aber man war gegen Ende des Jahrhunderts
geneigt, dieselbe zu überschätzen und einseitig von der Erhöhung des
Winddrucks alles zu erwarten, während es doch in erster Linie die
Windmenge war, welche die gröſsere Wirkung hervorbrachte. Diese
nahm aber mit der Pressung nur im Verhältnis der Quadratwurzeln
zu, während sie durch Vergröſserung der Formöffnung im Verhältnis
des Quadrates der Durchmesser wuchs. Dieses Verhältnis hat John
Roebuck
jun., der Sohn des berühmten Dr. Roebuck, zuerst klar
gestellt und durch Versuche bestätigt 1).


[572]Wasserräder. Gebläsemaschinen. Hämmer.

Er stellte diese Versuche an einem der Hochöfen des Devon-
Eisenwerks bei Alloa in Schottland in den Jahren 1795 und 1796 an
und erzielte durch Einlegen weiterer Formen eine Steigerung der
Produktion von 20 auf 33 Tonnen in der Woche, wobei er weniger
Brennmaterial, weniger Eisenstein und weniger Kalkstein auf das
gleiche Quantum Eisen verbrauchte 1).


Er leitete daraus die Regel ab, daſs bei einer gegebenen Kraft
eine groſse Luftmenge, die mit einer mäſsigen Geschwindigkeit in den
Ofen geblasen wird, den gröſsten Vorteil im Schmelzen des Eisensteins
gewährt. Doch müsse das richtige Verhältnis zwischen Geschwindig-
keit und Menge der Luft erst durch Erfahrung festgestellt werden.


Wichtige Maschinenteile waren die Wellfüſse, Kammen oder
Daumen, welche die Kraft vom Motor auf das Gebläse, also bei der
alten Einrichtung vom Wasserrad auf den Blasebalg zu übertragen
hatten. Das Haupterfordernis war, daſs die Bewegung gleichmäſsig
übertragen wurde, weiter kamen in Betracht geringe Reibung und
solide Verbindung mit der Welle.


Viele hervorragende Mechaniker beschäftigten sich mit der Lösung
dieser Aufgabe. Olaus Römer hatte schon im 17. Jahrhundert die
epicykloidische Gestalt der Kammen bei den Zahnrädern als die
theoretisch richtigste ermittelt und dieses mechanische Problem war
dann von de la Hire, Johann Bernouilli, Euler und Kästner
weiter behandelt und theoretisch entwickelt worden. Besonders aber
war es der schwedische Mathematiker Peter Elvius, welcher die
epicykloidische Form bei den Wellfüſsen in Anwendung brachte und
seine theoretischen Ermittelungen übertrug Sven Rinman, der sich
sehr eingehend mit der Konstruktion der Wellfüſse beschäftigte, in
die Praxis. Rinman war es auch, der zuerst die alten hölzernen
Hebearme durch eiserne Daumen ersetzte, indem er nachwies, daſs
deren Reibung eine geringere sei. Man hatte schon früher die Streich-
späne der Blasebälge, auf welche die Wellfüſse drückten, mit Eisen-
blech überzogen, sowohl der gröſseren Haltbarkeit als auch der
geringeren Reibung wegen.


Eine sehr gründliche Untersuchung über die beste Form der
Wellfüſse für Gebläse veröffentlichte v. Baader in Anschluſs an seine
Beschreibung und Theorie des englischen Cylindergebläses. Er fand,
daſs die beste Krümmung der Wellfüſse, um den gleichförmigsten
Wechsel des Gebläses hervorzubringen, nach einer krummen Linie zu
[573]Wasserräder. Gebläsemaschinen. Hämmer.
konstruieren sei, welche weder Cykloide noch Epicykloide ist. Er
empfiehlt dabei die einfachen Wellfüſse, wie sie in England gebräuch-
lich waren, gegenüber den in Deutschland gebräuchlichen doppelten
Kämmen, bei welchen zwei Hube bei einem Umgang des Rades
gemacht wurden, infolgedessen das Rad aber auch soviel langsamer
laufen muſste.


v. Baader legt seiner Konstruktion folgende Erwägungen zu
Grunde. Um eine ununterbrochene Wirkung eines Cylindergebläses
mit zwei Kolben zu erreichen, muſs der eine Hub dem andern etwas
voreilen, denn im Augenblick des Wechsels findet nicht gleich ein
Ansaugen statt, weil die Luft im schädlichen Raume erst verdünnt
werden muſs. Hieraus folgen zwei wesentliche Bedingungen für den
Gang der Maschine:


1. Der Rückzug oder der einsaugende Hub eines jeden Kolbens
muſs in einer kürzeren Zeit vollendet werden als der ausdrückende Hub.


2. Jeder Kolben wird also am Ende seines Hubes von dem darauf
folgenden Hube des anderen Kolbens eingeholt, und am Anfang und
Ende eines jeden Hubes müssen einige Augenblicke lang beide Kolben
zusammen arbeiten oder zu gleicher Zeit miteinander Luft ausdrücken.


Um an der Ausströmungsöffnung gleichbleibende Ausfluſsgeschwin-
digkeit zu erhalten, muſs:


1. Jeder Kolben während derjenigen Zeit seines Hubes, die er
ganz allein arbeitet, mit vollkommen gleichförmiger Geschwindigkeit
bewegt werden.


2. Zu Anfang und Ende eines jeden Hubes, da beide Kolben
miteinander arbeiten, die Summe ihrer Wirkungen und Widerstands-
momente, sowie die von beiden miteinander ausgedrückte Luftmenge
ebenso groſs werden als diejenige, welche ein einzeln arbeitender Kolben
in gleicher Zeit ausdrückt.


Die Geschwindigkeit eines jeden Kolbens muſs also vom Anfang
seines Hubes beschleunigt, während der Zeit, da er arbeitet, gleich-
förmig und am Ende, sobald der zweite Kolben seinen Hub beginnt,
verzögert sein.


Baader konstruierte nebengezeichneten einhubigen Wellfuſs
(Fig. 147, a. f. S.), welcher diesen Anforderungen entsprach.


War das Gebläse die wichtigste Maschine in der Hochofenhütte,
so war dies der Hammer in der Frischhütte und in allen Arten von
Hammerhütten, welche ihre Benennung von diesen hatten.


Der Hammer als Werkzeug hat keine groſsen Veränderungen und
Verbesserungen im Laufe des 18. Jahrhunderts erfahren. Diese
[574]Wasserräder. Gebläsemaschinen. Hämmer.
beschränken sich auf sorgfältigere Fundamentierung und Herstellung
des Hammergerüstes, solidere Konstruktion der Hammerräder, der
Hebedaumen u. s. w.; endlich auch auf die Anwendung der Dampf-
maschine als Motor.


Der Hammer wirkte nicht bloſs durch das Gewicht und den Fall,
sondern auch durch den Rückschlag, also durch Elasticität. Dies
wurde beim Aufwerfhammer durch den Reitel, bei dem Schwanz-
hammer durch den Schwanzring und den Prellklotz bewirkt. Je
schwerer der Hammer, desto stärker muſste sein Gerüst sein. Das Ham-

Figure 152. Fig. 147.


mergerüst eines
Aufwerfhammers
bestand aus zwei
Säulen, zwischen
denen sich die
Hülse des Ham-
mers bewegte,
den Büchsensäu-
len und aus zwei
hintereinander
stehenden Säu-
len, der Drahm-
und Reitelsäule,
durch welche der
Reitel gesteckt
wurde. Diese
Säulen bekamen
Halt und Verbin-
dung durch den
schweren Drahmbaum, welcher auf der Drahm-, Reitel- und Hütten-
säule ruhte.


Ein Fortschritt ist auch darin nachzuweisen, daſs man mehr
Eisen zur Verbindung und Verstärkung des Hammergerüstes anwendete,
ja man ging dazu über, einzelne Teile ganz von Guſseisen statt von Holz
zu machen; so machte man in Deutschland die Büchsensäulen und
die Mittelsäulen zuweilen von Guſseisen, in England setzte man sogar
das ganze Hammergerüst aus Teilen von gegossenem Eisen zusammen.
Selbst die Wasserräder und Hammerwellen goſs man in England aus
Eisen.


Die Stabhämmer waren Aufwerfhämmer; nur bei der Osmund-
schmiede bediente man sich der Schwanzhämmer. Die Zain- und
[575]Wasserräder. Gebläsemaschinen. Hämmer.
Reckhämmer waren dagegen meist Schwanzhämmer, ebenso die
Nagel- und Tiefhämmer.


Die Stirnhämmer (Fig. 148) zum Schmieden schwerer Luppen
und Pakete kamen in England zuerst auf.


Wir haben bei der Beschreibung der Ankerschmieden kennen
gelernt, daſs man bei diesen, die in den groſsen Seehäfen sich befanden,
sich schwerer Hämmer bediente, die nicht durch Wasserkraft, sondern
von Menschenhand bewegt wurden. Dieselben wurden durch Seile
gezogen und in Schwingung versetzt. Der Schlag wurde durch Federn
verstärkt. Die Abbildungen französischer Hämmer dieser Art finden
sich in den Descriptions des arts et métiers 1). Die plumpe Fall-
keule, Herkules genannt, haben wir ebenfalls bereits beschrieben 2).
Compaguot brachte einen schweren Hammer von 500 bis 750 kg
Gewicht mit Handbetrieb in Vorschlag 3), doch ist seine Erfindung

Figure 153. Fig. 148.


Besson entnom-
men, in dessen
Théâtre des Instru-
ments mathemati-
ques et mécaniques
er bereits 1569 ab-
gebildet wurde.


Oberschläch-
tige Hammer-
räder
hatten meist 3,20 m Durchmesser und 0,36 m Schaufelbreite.
Man machte den Radkranz schwer und die Arme leicht, damit sie als
Schwungrad wirken konnten.


Den Aufwerfhämmern gab man ein Gewicht von 4 bis 5 Centner
und keine gröſsere Geschwindigkeit als 80 bis 90 Schläge in der
Minute. Die höchste Hubhöhe betrug 0,60 bis 0,75 m.


Schwanzhämmer waren leichter, doch von sehr verschiedenem
Gewicht; die schwersten, die man auch zum Verschmieden nicht zu
schwerer Luppen verwendete, hatten 3 bis 3½ Centner Gewicht,
0,47 bis 0,52 m Hubhöhe und machten 150 bis 180 Schläge in der
Minute.


Das Schwanzhammergerüst war viel einfacher; es bestand in der
Hauptsache nur aus zwei Büchsensäulen, welche mit dem Grundwerk
fest verbunden waren.


[576]Wasserräder. Gebläsemaschinen. Hämmer.

Über den Effekt der Wasserhämmer hatte Polhem bereits
Berechnungen angestellt, wobei er die von Huygens aufgestellten
Sätze über Pendel- und Centrifugalbewegung zu Grunde legte.


Auch bei den Hämmern waren die Wellfüſse, Kammen oder
Daumen ein wichtiger Maschinenteil, da er die Kraft des Motors auf
das Werkzeug übertrug. Die richtige Konstruktion derselben war
eine der im 18. Jahrhundert am meisten bearbeiteten mechanischen
Aufgaben. Da die Hämmer oft viele Schläge in kurzen Zwischenräumen
zu machen hatten, so muſste nicht nur das Hammerrad rascher laufen
als das Blaserad, sondern es muſsten auch mehr Hebearme oder
Daumen an der Welle angebracht werden. Man machte die Hebe-
arme (Hebeköpfe, Hebetatzen, Heblinge) früher aus hartem Holz. Vor
alters wurden die hölzernen Hebearme durch die Welle gelocht und

Figure 154. Fig. 149.


aus 8 Zoll starkem, festem Holz
gemacht. Sie wurden kreuzweise durch
die Wellen gesteckt und ragten auf
derselben an vier Seiten 1½ bis 2 Fuſs
empor. Diese Löcher schwächten aber
die Welle sehr, weshalb letztere auf
6 Fuſs lang stark beringt werden muſste.
Später wendete man auch eiserne
Heblinge an. Die Heblinge wurden
verdrängt durch die eisernen Well-
kränze. Um nämlich den eisernen
Hebearmen die nötige Stärke und Festigkeit zu geben, schlug Rinman
vor, die Hebearme fest mit einem Ringe um die Radwelle zusammen-
zugieſsen 1). Diese Einrichtung fand rasche Verbreitung und wurde
nach und nach allgemein eingeführt. Nebenstehende Fig. 149, welche
der Encyklopädie von 1783 entnommen ist, zeigt einen solchen Well-
oder Hammerring von Guſseisen. Hårlman machte 1760 den Vorschlag,
die Ringe aus zwei Teilen zu gieſsen, aber ohne Erfolg. — Die Well-
ringe wurden auf den Hütten gewöhnlich im Anfang der Kampagne,
wenn das Eisen recht gar war, im Sande nach einem Modell gegossen
und wog ein mittelmäſsiger, vierarmiger Wellring 11 bis 12 Centner.
Wellringe mit vier Daumen waren vollständig ausreichend bei
[577]Wasserräder. Gebläsemaschinen. Hämmer.
Wasserrädern von 10 Fuſs Durchmesser, bei gröſseren Rädern wurde
der Gang zu langsam und konstruierte hierfür Forssgren fünfarmige
Wellkränze 1), welche sich auch für 12- bis 14 füſsige Wasserräder
bewährten, indem sie bei schnellerem Gang des Hammers eine Ersparung
an Aufschlagwasser zur Folge hatten.


Bei den Zain- und Nagelhämmern machte man den Wellkranz
aus einem starken Ringe von Guſseisen, entweder aus einem Stück
oder aus zwei zusammengeschraubten Ringen von 8 bis 9 Zoll Breite
und 4 bis 5 Zoll Dicke, mit 3½ Zoll viereckigen Löchern, worin die
verstählten Kammen oder Däumlinge mit hölzernen Keilen oder
Klötzen befestigt waren. Solche Ringe dienten zur Befestigung der
Welle und der Kammen und beförderten den guten und festen Gang
des Hammers 2).


Die auf den Eisenhütten zum Ausschmieden des Eisens gebräuch-
lichen groſsen Hämmer wurden entweder geschmiedet, oder wie es
meistens der Fall war, gegossen.


Den Frischamboſs machte man möglichst schwer und stellte ihn
auf einen elastischen Amboſsstock. Gewöhnlich ruhte der Amboſs
auf einer Amboſsschale oder Schabotte, um das Niedertreiben in den
Amboſsstock zu verhindern. Man machte in Deutschland die schweren
Hammerambosse aus Guſseisen, und zwar wählte man dazu, weil sie
hart sein muſsten, grelles Eisen. Seine obere Fläche durfte nicht ganz
horizontal, sondern muſste vorn etwas höher wie hinten stehen, damit
der Hammer die Stäbe nicht zu sehr nach hinten traf. Der Amboſs
muſste ferner eine gerade geschliffene Bahn haben, die nicht hohl
sein durfte, weil das Stabeisen sonst Längsrisse bekam. Das Abschleifen
geschah entweder einfach auf einer Sandsteinplatte, auf der er mit-
tels eines an ein Wasserrad gesteckten Krummzapfens und daran
befestigte Stange hin und her geschleift wurde, was aber sehr lang-
sam und unvollkommen von statten ging, oder mit einem umlaufenden
Schleifstein, der vorn am Ende der Blaswelle angebracht war, oder
mit einer Schleifmaschine, wie eine solche auf der Elfkarönshütte in
Schweden von Rinman beschrieben wurde 3).


Von Interesse ist, daſs Peter Onions sich 1783 eine Erfindung
patentieren lieſs, die Federkraft der Luft zur Verstärkung des Hammer-
schlags zu benutzen. Es bildet diese einen Teil seines berühmten Patentes
des Puddelprozesses. Die Wirkung wird auf einem Aufwerfhammer
Beck, Geschichte des Eisens. 37
[578]Walzwerke. Scheren.
ausgeübt mittels eines Cylinders mit beweglichem Kolben. Ist die
Luft im Cylinder komprimiert, so wirkt der Kolben federnd; ist die
Luft verdünnt, so hilft der äuſsere Luftdruck zur Verstärkung des
Schlages; im ersteren Falle ist der Cylinder über dem Hammer ange-
bracht und drückt die Kolbenstange auf den Helm, im zweiten Falle
befindet sich der Cylinder unter dem Hammer und zieht der Kolben
an dem Hammerhelm. Der Beschreibung sind eine Anzahl Zeich-
nungen beigefügt.


Mit der Einführung des Puddel- und Schweiſsverfahrens in Eng-
land kamen auch viel schwerere Hämmer in Anwendung. Mushet
sagt 1798: „Die schweren Hämmer, welche mit dem gegossenen Helm
3000 bis 4000 Pfund wiegen, pressen die Schlacken mit Kraft aus
dem Eisen, während bei den Walzen die Gefahr vorliegt, daſs die
Schlacken eher mit eingewalzt werden.“


Walzwerke. Scheren.

Ein wichtiger Fortschritt für die Formgebung des Eisens war die
Einführung der Walzwerke. In Verbindung mit Schneidewerken
waren dieselben schon im 17. Jahrhundert in Anwendung gekommen.
Dabei hatten sie aber eine unselbständige Rolle gespielt, indem sie
nur dazu dienten, die Flachstäbe, die geschnitten werden sollten, zu
glätten und zu egalisieren. Die Stäbe wurden dabei allerdings auch
etwas gestreckt, weshalb man sie auch Schneide- und Streckwerke
nannte; die Streckung war aber mehr nebensächlich. Die ganze Art
des Betriebes war von den Münzstreckwerken auf die Eisenindustrie
übertragen worden, wie wir früher nachgewiesen haben. Dem
entsprechend waren die Walzen nur klein und das Flacheisen wurde
nur bis zur Rotglut erwärmt. Nachdem dieser Betrieb aber einmal
eingeführt war, muſste man bald wahrnehmen, wie vortrefflich das
glühende Eisen sich walzen und strecken lieſs, besonders wenn man
das Eisen etwas stärker erwärmte. Man konnte die Streckwerke ganz
wohl zum Auswalzen von Bandeisen benutzen, indem man den vor-
geschmiedeten Flachstab erst rotglühend die Walzen passieren und
ihn dann in derselben Hitze durch die Schneidescheiben gehen lieſs.
Die geschnittenen Stäbe erhitzte man aufs neue und breitete sie unter
[579]Walzwerke. Scheren.
den Walzen, durch welche man sie mehreremal hintereinander durch-
zog, zu Bandeisen von bestimmter Stärke aus. Die Walzen wurden
nach jedem Durchgang etwas enger gestellt, was durch Keilen der
Lager geschah. Für diesen Zweck machte man die Walzen breiter,
um das Strecken nicht immer an denselben Stellen der Walzen vor-
nehmen zu müssen, weil dieselben dadurch zu rasch Furchen bekamen
und nachgedreht werden muſsten.


Wie man Flacheisen für Band- und Schneideeisen verwalzte, so
lag auch der Gedanke nahe, vorgeschmiedete Bleche zwischen Walzen
glatt und gleich zu machen. Besonders war dies bei der Weiſsblech-

Figure 155. Fig. 150.


fabrikation, wo es auf
ganz glatte, ebene Tafeln
ankam, von Vorteil. Und
es scheint, daſs man hier-
für zuerst die Walzen
selbständig angewendet
hat. Nach einer Stelle
aus Yarranton läſst sich
sogar vermuten, daſs die-
ses Verfahren bereits im
17. Jahrhundert in Sach-
sen angewendet wurde.
Sicher aber wurden schon
in den ersten Jahrzehn-
ten des 18. Jahrhunderts
Walzen in dieser Weise
verwendet. In England
sollen im Jahre 1728 die
Walzen bei der Blech-
fabrikation in Aufnahme
gekommen sein. Auch die
Idee der gefurchten oder Kaliberwalzen war nicht neu. Zuerst
begegneten wir ihr bei Brankas Walzen für Fensterblei (s. Bd. II,
S. 946).


In einem Buche eines M. Remond, Mitglied der Société des arts
von 1731: „Mémoire sur le laminage de plomb“, wird ein sehr inter-
essantes Verfahren mitgeteilt, Bleirohre zu walzen. Das Blei wird
als kurzes, dickes Rohr über einen eisernen Dorn gegossen und dann
mit diesem durch kalibrierte Walzen gestreckt und ausgewalzt. Diese
Walzen waren sogar mit Rücklauf eingerichtet, ebenso wie die von
37*
[580]Walzwerke. Scheren.
Fajolle 1728 angegebenen zum Auswalzen von Blei zu Bleiblech 1).
(Fig. 150, a. v. S.)


Im Jahre 1728 nahm John Payne in England sein merkwürdiges
Patent, welches wir S. 250 mitgeteilt haben und in welchem klar und
deutlich kalibrierte Walzen zum Auswalzen von Eisen beschrieben
sind. Paynes Patent enthält aber gleichzeitig soviel andere Dinge,
daſs das Einzelne dadurch an Bedeutung verliert. Jedenfalls war aber
die Vorstellung von Façonwalzen zum Auswalzen des Eisens schon
vorhanden.


Wichtiger ist das, was wir aus Polhems Schriften erfahren, denn
dieser ausgezeichnete Mechanikus, der so viele maschinelle Vorrich-
tungen erfunden hat, beschäftigte sich mit besonderer Vorliebe mit
den Walzwerken, deren groſse Bedeutung für die Eisenindustrie er
zuerst hervorgehoben und erklärt hat. Unter den von ihm erfundenen
Maschinen wird besonders ein groſses Walzwerk für Platten und
Bandeisen aufgeführt, ferner eine Maschine, um gegossene Eisenwalzen
zu schleifen. Diese Maschinen waren auf seinen Werken in Stjern-
sund, welche er im Jahre 1704 gegründet hatte, in Thätigkeit.
Polhem kannte bereits die profilierten Walzen. Er erwähnt, daſs es
leicht sei, Eisen in der Form von Degenklingen, mit einem Grat in
der Mitte, zu walzen, was doch nur durch entsprechende Furchung
der Walzen möglich ist. Ebenso spricht er von gewalztem Rund- und
Vierkanteisen.


Walzen für Feinbleche wurden ferner bei der Fabrikation lackierter
Blechwaren, sogenannter japanischer Waren, in England angewendet.
Hierfür erhielt John Baskerville am 16. Januar 1742 ein Patent.
Es heiſst darin: Wenn die Bleche von den Walzen kommen, so ent-
fernt man den Glühspan durch Wasser, in welchem Salmiak gelöst
ist, und darauffolgendes Erwärmen über einem groſsen Feuer und
Abscheuern. Die Bleche sind dann fertig zum Glätten durch Walzen;
letztere erhalten den erforderlichen Druck mit Hülfe eines belasteten
Hebels, ähnlich einer Stahlelle, anstatt durch Schrauben. — Der
belastete Hebel war ausreichend, wo es sich nur um Glätten oder
Polieren handelte; wo man aber bestimmte Stärken walzen muſste,
wurden die Walzen mit Keilen oder Schrauben gestellt.


Calvör hat in seinem Werke über die Maschinen des Oberharzes
(1763) ein Walz- oder Streckwerk für eine Münze abgebildet 2). Das
[581]Walzwerke. Scheren.
Walzengerüst war von Eisen und die Stellung der Walzen geschah
durch Schrauben.


Im Jahre 1754 wurden in England auch bereits Kesselbleche
gewalzt. In einer Patentbeschreibung aus diesem Jahre ist von der
Anfertigung genieteter Dampfkessel aus gewalzten Blechen die Rede.


1759 erhielt Thomas Blockley ein Patent für das Glätten und
Walzen schmiedbarer Metalle, um Radschienen daraus zu machen.
Man bereite zwei Walzen zum Auswalzen von Eisen in der Weise,
daſs man sie in verschiedene Formen drehe, wie es der Zweck ver-
lange. Dieselben sollten sich, zwei oder mehr zusammen, nach rechts
und nach links drehen.


1766 erhielt John Purnell ein Patent für eine Maschine, um
Schiffsbolzen, Rundeisen, Rundstahl und gewalzten Draht zu machen 1).

Figure 156. Fig. 151.


Die Maschine ist
nichts anderes als
ein Walzwerk und
ist der Patent-
beschreibung eine
Zeichnung der Wal-
zen beigefügt (Fig.
151). Aus dieser
ersehen wir, daſs die
Walzen drei Rund-
kaliber hatten; die-
selben waren nicht
in beiden Walzen
so verteilt, daſs beide Walzen gleiche halbkreisförmige Rinnen gehabt
hätten, sondern in der einen Walze, welche stärker war, waren diese
Rinnen sehr tief eingeschnitten, während auf der anderen Walze auf-
gesetzte scheibenförmige Ringe, auf welchen die andere Seite des
Profils eingeschnitten war, in dieselbe eingriffen. Die Walzen hatten
viereckige Zapfen und wurde die eine durch eine Muffe B2 mit dem
Zapfen einer Wasserradwelle verbunden, während beide Walzen auf
der andern Seite gleiche Zahnräder G hatten, welche ineinander griffen,
wodurch die andere Walze mit bewegt wurde. Auf diese Weise wollte
Purnell nicht nur starke Rundstäbe, sondern auch Draht walzen.
[582]Walzwerke. Scheren.
Hier finden wir also auch bereits die Idee eines Feineisenwalz-
werkes.


Eine ähnliche Idee wurde 1769 Richard Ford patentiert, näm-
lich „Metalle von verschiedener Dicke mit denselben Walzen und
durch dieselbe Operation zu walzen, Draht zu ziehen und Metalle zu
pressen“. — „Die Walzen werden wie gewöhnlich umgedreht mit Hülfe
einer Muffe und eines Zapfens von der Mitte der Welle aus oder
statt dessen drei oder mehr Walzen, so daſs ein Muster, das man
walzen will, zu derselben Zeit, wenn es ein Paar Walzen passiert, auch
schon durch das andere gehen kann.“


Dem Gedanken der Drahtwalze gab Fleur, Direktor der Münze
in Besançon, in einem am 15. Dezbr. 1778 datierten Aufsatz 1) noch
bestimmteren Ausdruck. Er erzählt, daſs sein Vater früher einen
kleinen Drahtzug in Morvillars im Elsaſs besessen habe, welcher
damals der einzige in Frankreich gewesen wäre. Der Vater verzog
und starb und das Werk verfiel. Vor mehr als 30 Jahren habe er
nun selbst angefangen, sich für die Eisenindustrie zu interessieren.
Damals habe man in seiner eigentlichen Heimat der Franche Comté
noch keine andere Eisenwaren gemacht als Guſseisen und Stabeisen.
Blech und Draht kaufte man aus dem Auslande. Fleur beschloſs
eine Fabrik für deren Fabrikation zu errichten. Deshalb baute er
den alten Drahtzug, wo er als Kind gewesen war, wieder auf. Er
hatte Erfolg, sein Draht wurde bald in der Gegend dem aus Deutsch-
land und der Schweiz vorgezogen. Er war geneigt, die Sache in
gröſserem Maſsstabe zu betreiben. Bald bot sich hierzu eine günstige
Gelegenheit. Der Herzog von Randau, Marschall von Frankreich, der
in Burgund groſse Eisenwerke besaſs, hatte von seinem Erfolg gehört
und wollte diesen Industriezweig in seiner Provinz einführen. Er
verpachtete im Jahre 1745 seine Eisenwerke unter günstigen Bedin-
gungen an Fleur, dem er gestattete, nach Belieben Verbesserungen
und Bauveränderungen vorzunehmen. Dieser legte alsbald eine Draht-
zieherei und einen Blechhammer (platinerie de fer en tôle) an; diese
verband er mit einer Nagelfabrik (clouterie à froid) und vergröſserte
das Werk, so daſs er über hundert Arbeiter beschäftigte. Die
Nägel fanden vorzüglichen Absatz und gingen sogar nach Spanien,
Italien und Deutschland. Sein Erfolg reizte zur Nachahmung, so daſs
[583]Walzwerke. Scheren.
nach und nach sieben Drahtmühlen (tireries roulantes) in Burgund
entstanden, die alle nach dem ersten Muster eingerichtet wurden.
Ähnliche Werke entstanden im Elsaſs, in Lothringen, Nivernois,
Touraine, Forez, Limousin und in der Champagne.


Die von Fleur geschulten Arbeiter hatten sich überall hin ver-
breitet und Frankreich war in den 70 er Jahren bereits in der Lage,
Draht zu exportieren.


Fleur begnügte sich damit nicht, sondern strebte nach Ver-
besserung der Fabrikation. Er fand, daſs das auf vielen Werken
gebräuchliche Spalten des Eisens schädlich sei, weil dadurch die
Sehnen zerschnitten wurden. Das Ausschmieden war viel besser, aber
es war viel teurer und man konnte die Stäbe nicht sehr lang aus-
schmieden; auſserdem machte jeder unrichtige Schlag das Drahteisen
zum Ziehen untauglich, wodurch es sehr viel Ausschuſs gab. Jeder
Stab bekam drei Hitzen und muſste sechsmal durch den Zug gehen,
um ihn bis Nr. 24, d. h. bis auf 4 Linien Dicke auszuziehen. — Er
schmiedete deshalb das Drahteisen in der Gestalt eines verschobenen
Quadrats ganz flach vor und benutzte zur weiteren Verarbeitung eine
Maschine, durch die er viel Kohlen, Arbeit und Zeit sparte, die Faser
verbesserte, den Abgang verminderte und die vielen Hitzen beseitigte.
Einen Stab von 6 Linien Stärke und 15 Fuſs Länge konnte er in einer
Hitze bis auf 30 Fuſs verlängern. Er sparte dabei auſserdem viele
Handarbeit und das sechsmalige Ziehen bis Nr. 24; durch den gleich-
mäſsigen Druck wurde auch der Draht gleichmäſsig und hatte keine
Zangenbisse. Sechs Arbeiter und einige Kinder zogen in 24 Stunden
6000 Pfund von diesen Stäben von 6 Linien Durchmesser auf 4 Linien,
während vier Arbeiter an den Streckzangen in derselben Zeit nicht
über 500 Pfund bis zu 4 Linien ziehen konnten. Die groſsen Vor-
teile seines Verfahrens veranlaſsten Fleur, dasſelbe aus Patriotismus
bekannt zu machen (1777). Die Maschine hatte vier eiserne Gestelle
(cages) mit je zwei Walzen, welche abwechselnd die entgegengesetzten
Wirkungen hervorbrachten. In dem ersten lieſs man das heiſse Eisen
von 6 Linien zwei Walzen passieren, welche es auf 7 Linien Breite
bei 3 Linien Höhe auswalzten. Von diesen brachte man es zwischen
die zwei Walzen in dem zweiten Gestell, doch so, daſs es hochkant
durchpassieren muſste, dadurch wurde es fast rund von 5 Linien
Durchmesser. Hierauf passierte es die Walzen im dritten Gestell, die
es wieder platt walzten, zu 5 Linien auf 2 Linien. Hierauf wurde
es im vierten Gestell wieder hochkant durchgewalzt auf 4 Linien
rund. Es war also in vier Durchgängen zu Draht Nr. 24 und auf die
[584]Walzwerke. Scheren.
doppelte Länge ausgestreckt worden. Die Maschine war sehr einfach
und hatte Ähnlichkeit mit einem Schneidewerk. Einen Entwurf davon
reichte Fleur zugleich mit der Abhandlung dem Generalsekretär des
Handels ein und erklärte sich bereit, Reflektanten sein Werk zu
zeigen oder auf Wunsch ein solches anfertigen zu lassen. Die Walzen
waren aus paketiertem Eisen geschweiſst und geschmiedet. Er bediente
sich der Maschine schon seit Anfang der 50er Jahre. Ohne seine
Ziehscheiben zu vermehren, hatte er durch dieselben die doppelte
Produktion an gezogenem Draht, auſserdem drei Viertel weniger
Abfall und Minderverbrauch an Talg. Zum Feinziehen empfahl er
den Gebrauch von Rollen anstatt der Zangen, weil letztere leicht in
Unordnung gerieten, groſse Unterhaltungskosten erforderten und doch
viel Eisen verdarben.


Wir haben also hier schon das vollständige Bild unserer modernen
Drahtwalzen und Drahtziehereien.


Es scheint aber nicht, daſs Fleurs Beispiel und gute Ratschläge
viel Erfolg gehabt hätten. Er giebt in seiner Abhandlung noch ver-
schiedene andere praktische Winke, welche wir auch gleich mit
anführen wollen. Es war Gebrauch, die Zieheisen, welche bei einem
Zoll Dicke aus 9 Linien Eisen und 1 Linie Stahl bestanden, heiſs zu
lochen, was kostspielig war und wodurch sie leicht unbrauchbar
wurden. Fleur schlägt vor, die Ziehlöcher kalt durch das Eisen zu
bohren oder mit einer von ihm angegebenen Maschine zu lochen und
dann nur die Stahldecke warm durchzuschlagen.


Bei den Schneidewerken war es allgemein gebräuchlich, dasſelbe
durch zwei Wasserräder zu treiben, von denen je eins an den entgegen-
gesetzten Wänden des Gebäudes angebracht war und in entgegen-
gesetztem Sinne umlief; hierdurch wurde auch die entgegengesetzte
Bewegung der Walzen und Schneidescheiben, welche direkt mit den
Wasserradwellen verbunden waren, bewirkt. Fleur schlägt vor, alles
mit einem Rad zu treiben und die Walzen und Schneidescheiben so
dicht zusammenzustellen, daſs das Eisen direkt aus den Walzen in die
Schneiderollen eintritt. Fleurs Erfindungen haben nicht die Beach-
tung gefunden, die sie verdient hätten, namentlich nicht in Deutschland.


Auch über ein Walzwerk, welches Anfang der 50er Jahre zu
Essonne in Frankreich angelegt worden war, um profiliertes Eisen
zu machen, liegt ein Bericht einer Kommission der Pariser Akademie
vom 23. Dezember 1752 vor 1). Das Walzwerk bestand aus zwei
[585]Walzwerke. Scheren.
Walzen, deren eine auf der Oberfläche profiliert war, um dem Eisen
auf der einen Seite die Form (moulière) zu geben, die man wünschte.
Die untere Walze war direkt mit der Radwelle verbunden, die obere
wurde durch ein Zahngetriebe in entgegengesetzter Richtung bewegt.
Das eiserne Band, das man profilieren wollte, wurde rotwarm durch-
gewalzt; damit es sich nicht aufrollte, ergriff es der Arbeiter sofort
nach dem Durchgange mit einer Zange.


Die Kommission hatte bereits am 28. Januar 1751 Untersuchungen
angestellt, ob das Eisen durch das Walzen zäher werde. Sie stellten
fest, daſs sich durch das Walzen Sehne entwickelte und die Qualität
des Eisens verbessert wurde. Dies sind sehr beachtenswerte Resultate
aus so früher Zeit.


In Schweden hatten zwar die Walzwerke trotz Polhems
Bemühungen keine groſse Verbreitung gefunden, sie hatten sich aber
als ein erprobtes Werkzeug der Formgebung, namentlich für Blech
und Bandeisen, Anerkennung verschafft.


Rinman fällt in seiner Eisen- und Stahlveredlung im Jahre 1772
folgendes Urteil: „In England werden Salzpfannenplatten durch Walzen
des groben Materialeisens bereitet, wodurch zwar etwas an Zeit und auch
darin gewonnen wird, daſs die Platten überall gleich dick und glatt
ausfallen; man hat aber erfahren, daſs das Eisen in den Platten durch
das Schmieden mehr verfeinert, zäher, dichter und stärker wird, als
durch das Walzen, und daher werden unsere (schwedischen) Platten
selbst in England, namentlich für die groſsen Salzpfannen, für besser
gehalten, so daſs also hierbei das Walzwerk für keine eigentliche
Verbesserung gehalten werden kann. Dahingegen können einige Arten
dickere, aber kleinere Platten (Bleche), vorzüglich die für Thüren an
Kachelöfen, Haspenblech u. s. w., welche geschliffen und poliert
werden, mit groſsem Vorteil unter einem Walzwerk bereitet werden,
sowie ein solches Werk auch für viele andere dahingehörige Arbeiten
benutzt werden kann, wodurch sehr viel, sowohl an Zeit als an Abgang
durch Feilen und Schleifen, durch die gröſsere Gleichheit der Platten
erspart werden kann.“


Hinsichtlich der feinen Bleche, sagt Rinman, sei das durch
Walzwerk bereitete an Schönheit und Politur das beste. Alle Arten
von Beschlägen, die davon gemacht würden, seien auſserordentlich
blank und ebenmäſsig, so daſs das geschmiedete Blech gar nicht
damit verglichen werden könne. Die prächtigen japanischen Arbeiten,
welche in England gemacht würden, forderten unbedingt gewalzte
Platten, die im höchsten Maſse blank und glatt seien und es noch
[586]Walzwerke. Scheren.
mehr würden, wenn das Polieren dazu komme, wie es mit geschmiedetem
Eisen nicht erreicht werden könne. Der einzige Versuch, der in
Schweden mit Blechwalzen gemacht und zwei Jahre lang fortgesetzt
worden sei, habe aber, durch mancherlei widrige Umstände, schlechten
Erfolg gehabt und sei deshalb aufgegeben worden. Rinman ist aber
unbedingt der Meinung, daſs Blechwalzen, wenn die Wasserräder stark
genug seien, daſs sie beim Durchgang des Eisens wenig von ihrer
Geschwindigkeit und Kraft verlören und die gut standfest gemacht
würden, was allerdings nicht leicht sei, sich rentieren müſsten. Dabei
müssten aber die Bleche, nachdem sie durch Glühen und Scheuern
von dem Glühspan gereinigt und zur gehörigen Gröſse beschnitten,
noch einmal kalt durch ganz glatte und dicht aufeinander passende
Walzen laufen.


Von besonderem Interesse ist auch Rinmans „Allgemeine Anleitung
für Walz- und Schneidewerke“:


„Da Walz- und Schneidewerke eine groſse Gewalt erfordern, so ist es nötig,
daſs sowohl das Aufschlagewasser in hinlänglicher Menge da ist, als daſs auch
das Gebäude massiv und dauerhaft gemacht wird, vorzüglich die Radwelle, welche
die Walzen und Schneidescheiben treiben muſs, wobei selbst der Zapfen stark
und von gutem Eisen vorzüglich mit einem Blade an die Welle befestigt sein
muſs. Wie die Ringe der Trillinge und Zahnräder mit gutem Vorteil von Guſs-
eisen gemacht werden können, mit Zähnen und Trillingsstöcken von Holz, habe
ich an einem solchen Werke auf der Graphütte in Nerika mit gutem Erfolg
gezeigt, und kann diese als ein Modell für diejenigen dienen, die solche Einrich-
tung auch annehmen wollen, und mit Bequemlichkeit solches gut gegossenes
Eisen erhalten können. Für die Walzwerke ist es sehr nützlich, das Gestell mit
vier Schrauben einzurichten, auf englische Art, wobei ich neulich eine Ver-
besserung ausgedacht habe, um die Länge der Walze zu vermindern, welches
sehr viel zur Vermehrung der Stärke derselben beiträgt. Für Schneidewerke
können aber auch Säulen von gegossenem Eisen mit Keilen sehr zuträglich sein.
Um gute und standhafte Walzen zu erhalten, hat man hier im Reiche viel
Schwierigkeiten gehabt, und sind viele Versuche darüber angestellt, teils mit
geschmiedeten Walzen von Eisen, die nachher im Stahlofen auf der Oberfläche
zu Stahl gebrannt wurden, teils auch mit geschmiedeten und vorgestahlten
Walzen, da aber alle dergleichen Walzen sehr kostbar sind, und doch nicht hart
genug zu feinem Bandwerke, sondern von dem Bande tiefe Furchen bekommen,
die nachher auf einem eigenen Schleifstuhle mit einem Wasserrade wieder abge-
schliffen werden müssen, welches alles zu beschwerlich und zeitspielig ist, so
müssen Walzen von Guſseisen allen anderen vorgezogen werden, die beides,
weniger kostbar und leichter sind, und in dem Walzwerke selbst mit einem ein-
fachen Stahlstücke eben und rein geschliffen werden können. Es kommt bloſs
darauf an, genau gegossene Walzen zu erhalten, die von hartem und dichtem
Guſseisen sind, wozu kürzlich Herr Kommerzienrat Polhem in seinem patrioti-
schen Testamente eine sehr gute und zuverlässige Anweisung gegeben hat. Das
Unglück ist, daſs bei den Gieſsereien im Reiche selten geschickte Arbeiter zur
Bereitung der Formen und zum Gusse selbst gefunden werden, da bei den
Kanonen- und Topfgieſsereien bloſs ganz weiches, mit Phlogiston übersättigtes
(nödsatt) Eisen gebraucht wird, welches zu solchen Walzen ganz untauglich ist,
und wo man hartes Eisen haben kann, finden sich keine verständige Arbeiter
[587]Walzwerke. Scheren.
für das Formen und den Guſs. Man kann auch nicht verlangen, daſs man, um
einige Walzen zu gieſsen, in der Beschickung des hohen Ofens eine Abänderung
mache und dadurch das Eisen verändere, welches freilich der beste Weg wäre.
Man vermutete, daſs man die besten Walzen in dem hier im Reiche eingerichte-
ten sogenannten Reverberierofen erhalten würde, wo nämlich alles Guſseisen
durch Steinkohlenflammen geschmolzen und umgegossen wird, die Erfahrung
hat aber gezeigt, daſs solche Walzen, ob sie gleich ganz akkurat und wohl
gegossen sind, doch entweder zu weich oder zu spröde waren, oder auch durch
eine Menge Luftblasenlöcher und Undichtigkeiten verdorben wurden, dem aber
doch mit der Zeit abgeholfen werden muſs. Bis dahin scheint der genannte
Polhemsche Vorschlag der beste zu sein. Das Gieſsen in Guſseisenformen oder
Koquillen ist auch auf mehrere Art versucht, und hat wohl groſsen Nutzen bei
Ersparung der Form sowohl als darin, daſs die Walzen in der eisernen Form härter
werden als in der thönernen, allein es erfordert auch groſse Genauigkeit in
Bereitung der Form, und erfordert auch wieder taugliches Eisen für die Walzen
selbst. Die beste Einrichtung für die Glühöfen mit Holz, wie auch der Scheren
zum Abschneiden des Materialeisens, und wie die abgeschnittenen Stangen, die
gewalzt werden sollen, durch eine enge Hülse gehen müssen, damit sie sich nicht
zur Seite schieben u. s. w., kann auf der Graphütte und Hellefors in Nerika, als
auch bei Iggesund im Helsingland bei den von mir eingerichteten Walz- und
Schneidewerken in Augenschein genommen werden. Zum Ausglühen des Eisens
kann wohl allerlei Art Holz und selbst Torf gebraucht werden: da aber Laub-
holz, als Birken und Ellern, nächst Steinkohlen die schärfste Flamme und Hitze
giebt, so trägt auch solches Holz zur geschwinden Beförderung des Ausglühens
und der Arbeit sehr viel bei. Was den Torf betrifft, so kann wohl einige Holz-
ersparung dadurch gemacht werden, da es aber ein so kurz dauerndes Brenn-
material ist, so verlohnt es oft der Kosten nicht. Steinkohlen können nirgends
anders empfohlen werden, als wo sie für erträglichen Preis aus England erhalten
werden können, und dann muſs der Ofen besonders dazu ėingerichtet sein. Bei
dem, was vorhin von der Gewalt erinnert ist, die die Walzen durch die
geschnittenen Stangen, die zu Bandeisen ausgewalzt werden sollen, leiden, muſs
angemerkt werden, daſs dieser Schaden für die Walze sehr durch die Achtsam-
keit des Meisters vermindert werden kann, wenn er: a) Zu Bandeisenwerken
nichts anderes als das allerweichste Eisen auswählt. b) Daſs das dünnste Material-
eisen unter die Walze gebracht wird, das nie über, aber wohl unter ¼ Zoll dick
ist. So muſs auch das Materialeisen, ehe es geschnitten wird, nicht über ¾ Zoll
dick sein, oder im anderen Falle zweimal gewalzt werden, wie es auch im Aus-
lande gebräuchlich ist, wo das Eisen ½ bis ⅝ Zoll dick ist. c) Die zum Band-
eisen geschnittenen Stangen müssen in starker Hitze schnell ausgeglüht werden,
und daher nicht mehr Stangen auf einmal in den Ofen gelegt werden, als mit
Schnelligkeit können ausgewalzt werden, weil der Schlackenspan, der sich darauf
festsetzt, sowohl die Walze verdirbt, als auch den Bändern ein schlechtes Aus-
sehen giebt. d) Sobald die geschnittene Stange von der Walze ergriffen wird,
muſs eine mit zwei groben Querfurchen versehene Zange um die Stange gekniffen
werden, damit dieselbe durch das Reiben zwischen der Stange von ihrem Schlacken-
span befreit werde. Dieses thut mehr gute Wirkung, als man sich vorstellen
kann, so daſs man sich diese Vorsicht, ob sie gleich bisher nicht benutzt ist,
nicht darf verdrieſsen lassen, und will ich von der bequemsten Einrichtung
dieser Zange fernere Aufklärung geben, wenn es erfordert wird. e) Daſs viel
Wasser auf die obere Walze gegossen werde, vorzüglich auf die Stelle, wo das
Bandeisen durchgeht, und daſs die untere Walze zugleich in kaltem Wasser
gebadet werde, welches mit etwas Thon und Schlacken aufgedämmt werden kann,
wodurch die Bahn der Walze vor dem Anlaufen gesichert wird und sich härter
hält. f) Daſs die Stangen nicht immer an einer Stelle eingesteckt werden, sondern
[588]Walzwerke. Scheren.
damit so oft als möglich gewechselt wird, damit die von der Hitze auf der Bahn
angelaufenen Stellen inzwischen Zeit haben, wieder abzuatmen. Fernere Achtsam-
keit hierbei muſs jeder Meister selbst wissen in Acht zu nehmen.“


Rinman hat in den Abhandlungen der königl. schwedischen
Akademie der Wissenschaften vom Jahre 1772 auſserdem noch eine
ausführliche „Beschreibung von Walz- und Schneidewerken mit Ver-
besserungen“, welchen Zeichnungen beigefügt sind, veröffentlicht. Er
bezeichnet dieselbe selbst als eine Ergänzung zu dem, was er in seiner
„Eisen- und Stahlveredlung“ über Walzwerke gesagt habe und ver-
weisen wir deshalb Interessenten auf den gediegenen Aufsatz. Er
selbst hatte ein starkes Walz- und Schneidewerk 1762 zu Graphütte
angelegt, wobei zum erstenmal ein ganz guſseisernes Triebwerk ange-
wendet wurde.


Trotz Rinmans Ratschlägen, trotz Polhems früherem Beispiel
fand die Anwendung der Walzwerke in jener Periode keine Ver-
breitung in Schweden, ebensowenig in Frankreich und noch weniger
in Deutschland.


England war das einzige Land, in dem diese Industrie immer
festere Wurzeln schlug. In der Weiſsblechfabrikation wurde sie am
frühesten eingeführt, für die japanischen Blechwaren seit 1742 und
für Kessel- und Pfannenblech jedenfalls schon seit Anfang der
50er Jahre. Rundeisen wurde ebenfalls schon zuweilen gewalzt und
groben Draht versuchte man mindestens seit 1769 auf diese Weise
herzustellen. Versuche, Formeisen zu walzen, waren ebenfalls schon
früher gemacht worden. Am 24. Mai 1783 erhielt William Playfair
ein Patent, Fenstereisen, verziertes Leisteneisen für Kamingitter, Huf-
eisen u. s. w. zu walzen. Ein Teil der Erfindung bestand darin, ver-
schiedene dieser Artikel durch Walzen herzustellen. Man verwendete
dazu ein in einem Gestell befestigtes Walzenpaar von Stahl, Eisen
oder sonstigem Stoff, welches durch ein Zahngetriebe verbunden war
und durch Wasserkraft oder eine andere Kraft bewegt wurde. Die
Walzen waren mit Rinnen oder Vertiefungen auf ihrer Oberfläche,
entsprechend der Gestalt, welche man dem Metall geben wollte, ver-
sehen. Dem Patent sind Zeichnungen beigegeben. Besonderer Wert
ist auf die Herstellung von Hufeisen gelegt. Diese erhielten erst ihre
genaue Gestalt in gestreckter Richtung zwischen Walzen und wurden
dann um einen Ansatz auf einem eisernen Block, der genau die
innere Form des fertigen Hufeisens hatte, umgebogen.


In demselben Jahre am 17. Dezember erhielt Playfair ein zweites
Patent für dieselbe Sache, welches als eine Ergänzung des ersten
[589]Walzwerke. Scheren.
Patents anzusehen ist, „um Metallstücken eine cylindrische oder andere
bestimmte Gestalt zu geben oder die Stücke spitz zulaufend zu machen
und hierdurch Rundstäbe, Bolzen, Nutendraht, Schaufeln u. s. w. rascher
wie seither zu machen“, ferner um verzierte Oberflächen für alle mög-
lichen Zwecke und zusammenhängende Kugeln (beads), Blätter u. s. w.
zu erzeugen. Hierfür soll das Metall kalt oder warm zwischen Walzen
durchgehen, „welche Einschnitte oder Höhlungen haben, von der
umgekehrten Gestalt, welche die Sache erhalten soll oder es kann
auch eine Walze glatt sein. Die Walzen können in Lagern laufen,
welche durch Schrauben zusammengepreſst werden. Das Princip
besteht darin, daſs man das Metall gekrümmte Oberflächen passieren
läſst, wenn es auch keine vollständigen Cylinder sind, in solcher
Weise, daſs dieselben das Metall teilweise pressen und jedem Teil in
der Aufeinanderfolge, in der derselbe passiert, seine Form geben“.


Figure 157. Fig. 152.

Nur drei Tage früher,
am 14. November 1783,
erhielt John Westwood
ein Patent „für das Här-
ten und Steifmachen von
Kupfer, Messing, Eisen,
Stahl u. s. w. und solchem
(kalt oder erhitzt) runde,
winklige gezackte oder
ovale Formen mittels eingeschnittener oder ausgereckter Walzen zu
geben“. Das Härten wurde durch kaltes Walzen bewirkt, wobei
man die Walzen, wenn nötig, mit Wasser kühlte. Das Metall passierte
eine Anzahl von Rinnen eines Walzenpaares, wie sie zum Aus-
breiten oder Walzen der Metalle gebraucht wurden, in welche
aber kreisförmige oder winklige Vertiefungen in entsprechenden
Abstufungen von gröſseren und kleineren eingedreht waren. Die
Walzen wurden fester geschraubt, wenn das Metall das zweite oder
folgende Mal durch ein bestimmtes Kaliber durchgezogen wurde,
und man suchte das Metall jedesmal mit einer anderen Fläche
mit den Wandungen der Höhlung in Berührung zu bringen, um
den Druck gleichmäſsig zu verteilen und eine regelmäſsige Gestalt zu
bekommen.


Nebenstehende Zeichnung (Fig. 152) eines kalibrierten Walzen-
paares ist dem Patent beigefügt.


Zum Schluſs wird noch bemerkt, daſs das Walzen auch warm
geschehen kann, soweit es das Metall verträgt.


[590]Walzwerke. Scheren.

Die gröſste Verbreitung erhielt die Anwendung des Walzens
durch die Erfindung des Puddelprozesses. Die Verwendung von
Walzen bildete einen wesentlichen Teil von Corts Verfahren; auch
war sie eine Neuerung gegen früher, die als eine neue Erfindung
bezeichnet werden kann. Diese bestand darin, daſs man die rohen
Luppen, nachdem sie nur ganz schwach gezängt und gedrückt waren,
sehr heiſs auswalzte und ebenso die Schweiſspakete in groſser Hitze
unter die Walzen brachte. Bis dahin hatte man das Eisen vor dem
Walzen sorgfältig vorgeschmiedet und die vorgeschmiedeten Stangen
oder Platten nur rotglühend zum Walzen gegeben. Der Hammer
hatte immer noch die Hauptarbeit der Formgebung leisten müssen,
während die Walzen nur das Fertigmachen besorgten. Durch Corts
neuen Prozeſs wurde umgekehrt dem Hammer nur die Vorarbeit
zugewiesen, während das Walzwerk die ganze Streckarbeit und die
Formgebung besorgte. Cort hat keine Neuerungen an den Walzen
selbst erfunden und auch das von ihm angewendete Verfahren scheinen
andere vor ihm angewendet zu haben, sein groſses Verdienst besteht
nur darin, daſs er dieses Verfahren mit seinem neuen Frischprozeſs
in praktische Verbindung brachte. Das Hauptverdienst um das
Walzen gebührt wohl John Purnell, welcher s. Z. das erste Patent
auf das Walzen von Rundeisen 1766 erhalten hatte. William
Purnell
erhielt „auf eine Mitteilung von Purnell“, wie es in der
Specifikation heiſst, am 5. Juni 1787 ein Patent „auf das Herstellen,
Zängen und Schweiſsen von Eisen mit Steinkohlen aus Erz, Roh- oder
Guſseisen mittels einer Maschine“. Der erste Teil des Patents ist
nichts anderes als eine Wiederholung von Corts Prozeſs, der 1783
und 1784 bereits patentiert war. Dann heiſst es weiter, die Luppen,
welche ungefähr 14 Pfund wiegen, sollten nacheinander unter einem
Stabhammer in keilförmige Stücke geschmiedet und diese in der-
selben Hitze
(while still heated) durch ein nahegelegenes Walzen-
paar durchgewalzt werden, worauf sie in eine Kufe mit Wasser fielen.
Beim Walzen würden die Stücke der Reihe nach auf eine eiserne
Platte (den Walztisch), welche vor den Walzen befestigt war, gelegt,
und von da aus mit dem dünnen Ende nach vorn zwischen diese
gedrückt, oder die Walzen könnten nebeneinander laufen und die
Eisenstücke (von oben) zwischen ihnen durchfallen. Das Verbringen
des Eisens von den Öfen zu den Walzen sollte mit Schippen und
Haken geschehen. Durch das Walzen würde die Schlacke ausgepreſst
und das Metall für den Schweiſsofen vorbereitet anstatt durch einen
Hammer.


[591]Walzwerke. Scheren.

Purnells Anteil an der Einführung des Puddelprozesses war so
groſs, daſs man in Schriften jener Zeit, namentlich in deutschen, diesen
Prozeſs oft als Corts- und Parnells- (statt Purnells) Prozeſs, ja
manchmal bloſs als Parnells Prozeſs bezeichnet findet.


Cort beschreibt die Anwendung der Walzen zum Strecken der
Schweiſspakete (fagots) in seinem ersten Patent vom 17. Januar 1783
folgendermaſsen: „Man walzt die Pakete, welche an einem Ende
dünner sind als an dem anderen, um die Operation zu erleichtern,
durch die Walzen eines gewöhnlichen Walz- und Schneidewerkes, wo-
durch die Schlacken ausgepreſst und das Metall in einen faserigen
und zähen Zustand gedrückt wird; ein Hammer ist dabei unnötig.
Platten, Stäbe, Bolzen, Flacheisen, Reifeisen u. s. w. kann man ent-
weder mit flachen oder kannelierten (with grooves and collars) Walzen,
wobei man das Eisen, wenn erforderlich, schneiden kann, herstellen.“ —
In seinem zweiten Patent vom 13. Februar 1784 schlägt Cort vor,
die Luppen schweiſswarm unter einem Hammer zu zängen in Kolben,
Brammen oder andere Formen (half blooms, slabs or other forms),
welche von neuem erhitzt in Stangen, Plattinen oder zu anderen
Formen ausgezogen werden; die Brammen aber werden, nachdem sie
auf die richtige Form gezängt sind, in gefurchten Walzen zu beliebigen
Eisensorten in Schweiſshitze ausgestreckt.


Cort benutzte also die Walzen hier erst, nachdem die Kolben
vorgeschmiedet und zum zweitenmal ausgeheizt waren.


Das heutige Verfahren entwickelte sich erst allmählich in der
Praxis. Beachtenswert ist in dieser Beziehung ein Patent von John
Butler
vom 4. März 1786 für Herstellung von Bolzen und Rundeisen.
„Ein paar guſseiserne Walzen, befestigt wie Plattenwalzen, aber mit
eingeschnittenen Rinnen von verschiedener Gröſse und Gestalt, werden
nahe zwei Flammöfen aufgestellt, in deren einem man eine gute
Schweiſshitze, in dem anderen eine mäſsigere Hitze erzeugt. Bündel
eiserner Abschnitzel (shearings), mit Bändern zusammengebunden,
werden in dem ersten Ofen zur Schweiſsglut und dann zwei- oder
mehrere Male durch die gröſste Öffnung und dann durch die nächste
groſse Öffnung durchgewalzt. Hierauf werden sie in dem zweiten
Ofen erhitzt und durch die kleineren Kaliber bis zu der gewünschten
Stärke ausgezogen. Stabeisen erhitzt man nur in dem zweiten Ofen,
um es zu strecken. Rund-, Flach-, Quadrateisen macht man in ent-
sprechenden Rinnen. Jedesmal giebt man dem Eisen, sobald es die
Walzen passiert hat, eine Drehung.


John Wilkinson nahm am 2. März 1792 ein Patent, Eisen mit
[592]Walzwerke. Scheren.
Hülfe von Dampfmaschinen auszuwalzen. Der Zweck war dabei, nach
Belieben eine Vorwärts- oder Rückwärtsbewegung der Walzen zu
erzielen 1).


Im Jahre 1798 wurden zwei Patente für Schnellwalzen erteilt,
das erste an John Champion für eine Drahtwalze, das zweite an
John Hazeldine für eine Verbindung verschiedener Walzen durch
Führungen, so daſs das Metall, welches ein Walzenpaar verläſst, die
übrigen Paare passieren kann ohne jede Beihülfe. Sehr bemerkens-
wert ist auch das Nagelwalzwerk, welches Thomas Clifford 1790
patentiert bekam. Der angewendete Apparat bestand aus zwei auf
einem passenden Gerüst gut montierten Walzen und aus einem Paar
Zahnrädern an den betreffenden Walzenachsen, welche die gleich-
zeitige und gleichmäſsige Bewegung hervorbrachten. Diese Walzen
wirken wie sich umdrehende Stempel, indem sich auf einer oder
mehreren fortlaufenden Linien Vertiefungen rund um den Umfang der
Walzen befanden, welche eine oder mehrere Reihen von Nagelformen
bildeten, so daſs immer Kopf und Spitze zusammenstieſsen und auf
jeder Walze die Hälfte der Nagelform eingegraben war. Das Nagel-
eisen wurde glühend durchgewalzt und in die Vertiefungen hinein-
gepreſst, wodurch eine fortlaufende Kette von Nägeln entstand, bei
denen Kopf und Spitze zusammenhingen; oder man konnte die Ver-
tiefungen auch so machen, daſs immer zwei Köpfe und zwei Spitzen
sich begegneten. Durch einen weiteren Prozeſs wurden die Nägel
zerschnitten und mittels geeigneter Werkzeuge fertig gemacht. …


In Deutschland und Frankreich fanden die Walzen erst zu Ende
des Jahrhunderts Eingang. Das erste Blechwalzwerk in Deutschland
wurde um 1780 zu Neuwied betrieben 2). In Westfalen legte der
Landrichter Göcke im Jahre 1789 die erste Plattenwalze oder Schwarz-
blechfabrik zu Everingsen an. Es war lange die einzige Anlage dieser
Art in der Mark und die erste Konkurrenz für die benachbarten
Plattenhämmer zu Olpe. In Österreich wurde das erste Blechwalz-
werk im Jahre 1793 zu Lippitzbach in Kärnten errichtet und in Betrieb
genommen. Das erste Walzwerk am Harz war ein Messingwalzwerk,
welches 1800 bei Goslar von dem Hüttenreiter Stünkel angelegt wurde.


[593]Walzwerke. Scheren.

Gehen wir noch auf die Herstellung und Konstruktion der
Walzen
etwas näher ein, so haben wir zunächst das Material ins
Auge zu fassen. Die kleinen Walzen in den Münzen, die der Gold-
schläger u. s. w., wurden früher geschmiedet und dann durch Einsatz-
härtung verstählt. Im vorigen Jahrhundert ging man dazu über, sie
aus raffiniertem Cementstahl oder aus Guſsstahl zu machen. Berühmt
waren gegen Ende des Jahrhunderts die aus Gärbstahl bereiteten
Walzen von Souppes in Frankreich 1). Man nahm dazu Cementstahl
aus schwedischem Eisen entweder für sich allein oder mit französi-
schem Luppenstahl (acier du pays), legte die Stäbe in Lagen kreuz-
weise übereinander und gärbte sie in einem Gärbherd mit Steinkohlen-
feuer. Das Gärben wurde mehrere Male wiederholt. Alsdann schweiſste
man den Gärbstahl um eine vorgeschmiedete schmiedeeiserne Welle
zu einer Walze aus. Diese wurde abgedreht und bekam zum Schluſs
noch eine Oberflächenhärtung.


Noch vorzüglicher waren schon damals die englischen Guſs-
stahlwalzen
. Es gab nur eine Fabrik, welche diese anfertigte.
Dieses geschah in der Weise, daſs man Stahl um einen Kern von
Eisen goſs. Dazu bediente man sich einer guſseisernen Form, die
unten eine Vertiefung hatte, in welche der Kern hineinpaſste. Das
Eisen wurde weiſswarm in die Form eingesetzt und dann der Stahl
darum gegossen. Nach dem Abkühlen war Stahl und Eisen auf das
innigste verbunden. Das Hämmern der Walze geschah unter einem
besonderen Reckhammer und das Abdrehen mittels eines eigenen
Drehwerks. Zum Härten wurde die Walze in eine passende Büchse
von Blech, welche mit Kohlenstaub gefüllt war, eingesetzt, um die
Oberfläche zu schonen. Nach dem Herausnehmen wurde sie unter
einem Wasserhahn langsam gehärtet und dann ganz in Wasser
getaucht. Hierauf folgte noch das Polieren mit Schmirgel und Öl
und dann mit Kolkothar auf einer Polierscheibe von Walnuſs- oder
Erlenholz. Diese Guſsstahlwalzen dienten meist nur zum Glätten
von Uhrfedern u. dergl. Sonst bediente man sich im Eisengewerbe
geschmiedeter Walzen, denen man eine Einsatzhärtung gab oder, und
das war in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bereits der
herrschende Gebrauch geworden, guſseiserner Walzen.


Hierfür nahm man halbiertes Eisen und befolgte die Vorschriften
Polhems (S. 248). Bei dem Einformen verfuhr man ganz ähnlich
Beck, Geschichte des Eisens. 38
[594]Walzwerke. Scheren.
wie beim Kanonenguſs und bereitete die Formen aus gutem, feuer-
festem Lehm. Die Form durfte nicht geteilt sein, weil sonst die
Walze leicht unrund wurde. Um sie ganz rund zu erhalten, nahm
man einen ganz glatten Cylinder von Holz, der genau die Dicke des
Zapfens hatte; diesen umwickelte man mit Strohseil, worauf man die
Form der Walze in mehreren Lagen auftrug. Dann wurde die äuſsere
Form gemacht, welche man in Sand eindämmte und nachdem diese

Figure 158. Fig. 153.


gut trocken war, wurde
der Holzcylinder her-
ausgezogen, die innere
Form ausgebrochen
und die verbleibende
Form der Walze gut
getrocknet u. s. w.


Über die Gröſse
der Walzen macht
Rinman folgende An-
gaben: Die Walzen
für Schneideeisen und
Bandeisen muſsten
0,187 m lang und von
0,200 m Durchmesser
in der Bahn sein, wo-
bei jeder runde Zapfen
0,125 m lang und dick,
die viereckigen Zapfen
ebenso lang und qua-
dratisch nach der Dia-
gonale waren.


Für eiserne Dachbleche machte man die Walzen auf der Bahn
wenigstens 0,550 m lang und 0,250 m im Durchmesser stark, an den
Zapfen 0,162 m lang und dick; die ganze Länge der Walze betrug 1,050 m.
Das waren freilich Zwerge gegen unsere modernen Walzen. Auch
waren die Luppenwalzen, die man in England beim Puddelprozeſs
verwendete, beträchtlich stärker. Den Walzstuhl, so nannte man das
Walzengerüst, machte man von Eisen. Für Schneide- und Band-
eisen genügten vier geschmiedete, eiserne Säulen, wobei der Abstand
der Walzen voneinander oder die Dicke des Bandes durch die in
den Säulen befindlichen Löcher mittels eiserner Keile gerichtet wurde,
wie es auch bei den Walzwerken in Flandern und Frankreich gebräuchlich
[595]Walzwerke. Scheren.
war. Für genauere Arbeiten hingegen, wie für Bleche und Platten,
muſste der Walzstuhl mit vier starken eisernen Schrauben und Muttern
gemacht sein, wie dies in England überall der Fall war und in
Schweden zu Avesta und Garphytte eingeführt wurde 1).


Figure 159. Fig. 154.

Die Schneide-
und Walzwerke wur-
den früher in der
Regel mit zwei
gegenüberliegenden
und gegeneinander
laufenden Wasser-
rädern, mit wel-
chen die Walzen
direkt verbunden
waren, getrieben.
Die Walzen und
Schneidescheiben
gingen nicht schnel-
ler als die Wasserräder selbst. Diese Art nannte man „einfache“
Walz- und Schneidewerke. „Doppelte“ nannte man diejenigen, bei
denen die Scheiben und Walzen durch ein vorgelegtes Zeug von vier

Figure 160. Fig. 155.


Kernrädern und vier Trillingen
meist doppelt so schnell umge-
trieben wurden als die Wasser-
räder. Es gab, wie schon früher
erwähnt, Werke mit nur einem
Rad, wobei Walzen und Schneide-
scheiben durch Triebräder oder
sogenannte Krauswalzen bewegt
wurden.


Rinman hat in seinem groſsen
Werke über Bergmechanik (T. II,
S. 350 u. s. w.) eine Anzahl von
Walzwerksanlagen abgebildet und
genau beschrieben. Wir teilen
daraus nur einiges wenige mit.


Die allgemeine Anordnung eines doppelten Walz- und Schneide-
werkes ist aus Fig. 153, 154 zu ersehen. H H sind die Wände der
38*
[596]Walzwerke. Scheren.
beiden Radstuben auf beiden Seiten des Gebäudes. Die von dem
Wasserrad bewegten Triebräder treiben die Schneidescheiben b und
die Walzen s in entgegengesetzter Richtung um. In der Ecke links
befindet sich ein Glühofen (M N) für das Materialeisen. Rechts ist
ein Schmiedefeuer x mit dem Amboſs y.


Fig. 155 (a. v. S.) zeigt einen Walzwerksstuhl mit Keilen, der aus
glatten, geschmiedeten Pfosten besteht, wie sie in Westfalen, Lüttich

Figure 161. Fig. 156.


und Frankreich bei den
Walz- und Schneide-
werken im vorigen
Jahrhundert gebräuch-
lich waren.


Fig. 156, 157 zeigen
dagegen einen Walzen-
stuhl mit Schrauben
nach englischer Art.


Fig. 158 zeigt das
sogenannte Steuer-
blech, welches beim
Walzen von Bandeisen aus Schneideeisen angewendet wurde. Die
Schneideeisen wurden durch die Öffnungen eingesteckt, wodurch sie
Führung bekamen.


Figure 162. Fig. 157.

Fig. 159, 160, 161 sollen die Art der Zusammensetzung der
Schneidescheiben erklären.


Ein Blechwalzwerk ist in Fig. 162 u. 163 dargestellt. Dieses ist
für gröſsere Bleche nach englischer Art eingerichtet. Rinman beschreibt
auch ein kleines schwedisches Blechwalzwerk, welches mit nur einem
Wasserrad betrieben wurde. Hierzu macht er über das Walzen des
Bleches selbst folgende Angaben:


[597]Walzwerke. Scheren.

Das Materialeisen, welches von weicher und zäher Art, 2½ bis
3 Zoll breit und 5/4 Zoll dick sein muſs, wird unter einem besonderen
Zainhammer in 2 Fuſs lange Stücke abgehauen. In einen in der
Nähe befindlichen Glühofen legt man alsdann etwa 1 Schiffspfund
(160 kg) dieser Stümpel ein und wenn sie weiſswarm geworden sind,
bringt man sie zwischen die Walzen, unter denen sie meistens doppelt
so lang und etwa ⅜ oder ¼ Zoll dick, auch gegen 1 Zoll breiter

Figure 163. Fig. 158.


Figure 164. Fig. 160.


Figure 165. Fig. 162.


Figure 166. Fig. 159.


Figure 167. Fig. 163.


Figure 168. Fig. 161.


als zuvor werden. Sobald das geglühte Material herausgenommen
ist, wird neues in den Glühofen eingetragen, so daſs mit dem Walzen
ununterbrochen fortgefahren wird. Die gewalzten Stümpel werden
doppelt zusammengebogen und unter mehrmaligem Glühen in gewöhn-
licher Weise zu Sturzblech ausgeschmiedet. Das Walzen war also
hierbei nur eine Vorarbeit.


Zu dem oben abgebildeten Blechwalzwerk bemerkt Rinman, daſs
man in England damit Kupferbleche zum Beschlagen der Schiffe von
3¾ Fuſs Breite und 6 bis 8 Fuſs Länge (1,12 m × 1,80 bis 2,40 m)
[598]Walzwerke. Scheren.
walze. Die Walzen müſsten dann 4½ Fuſs lang und 10 bis 11 Zoll
dick sein. Eisenplatten walzte man nicht von solchen Dimensionen.
Solche von 2 Fuſs Länge und 1½ bis 1¾ Fuſs breit (etwa 0,60 ×
0,50 m) galten als groſse Platten. Die Bleche zum Verzinnen hatten
10 bis 11 Zoll auf 13 Zoll (0,30 bis 0,39 m) und waren die dafür
benutzten Walzen nur 14 bis 15 Zoll (etwa 0,42 m) lang.


Im Jahre 1791 erhielten Jamain und Poncelet in Frankreich
ein Patent auf Blechwalzwerke. Dillingen war nach Neuwied und
Everingsen das älteste Blechwalzwerk in Deutschland.


An die Walzen reihen sich die Pressen, welche zur Formgebung
in Metallfabriken vielfach angewendet wurden. Wir weisen besonders
auf die vorzüglichen Leistungen Polhems zu Stjernsund und Boultons
zu Soho hin.


James Knight lieſs sich 1762 eine ganz eigentümliche Ma-
schine, welche er „Forge harness“, Schmiederüstzeug, nannte, in
England patentieren, um damit Eisen und andere Metalle heiſs
auszuziehen. Der ganze Apparat bestand nach der etwas unklaren
Beschreibung aus einer Schraubenmaschine oder Spaltpresse (screw
engine or slitting press), einem guſseisernen Hammerhelm und guſs-
eisernem Amboſsblock. Die Schraubenmaschine bestand aus einer
groſsen Schraube und einem schweren Schwungrad (fly), durch welches
die Schraube in Bewegung gesetzt wurde, und dem Körper oder
Kasten der Maschine, in welchen die Messer eingesetzt wurden. Die
Messer muſsten zuerst so gestellt werden, daſs sie einen Kasten bil-
deten, in welchen die Eisenluppe (in der gewöhnlichen Weise aus
Roheisen bereitet) hineingelegt wurde. Alsdann wurde das Schwung-
rad durch ein Wasserrad in Bewegung gesetzt und preſste die eiserne
Luppe zu einem flachen Kuchen zusammen. Hierauf wurde die
Schraube zurückgezogen und die Messer so angeordnet, daſs sie
bei einem zweiten Angriff ineinander griffen und den Kuchen in
Kolben zerschnitten, welche unter dem Hammer in der gewöhnlichen
Weise ausgereckt wurden. Hammerhelm, Hammer und Amboſs waren
von Eisen und konnten Helm und Hammer auch in einem Stück
gegossen werden. Die Kolben wurden in einem Wärmeofen mit Koks
erhitzt.


Eine Nagelpresse lieſs sich Thomas Clifford am 4. Dezbr. 1790
patentieren. Die Nägel wurden aus Blechplatten mit Hülfe eines
Stempels ausgestanzt. Die Gestalt des Stahlstempels (punch) entsprach
genau dem Längenprofil des Nagels. Die Köpfe wurden dann durch
Anköpfstempel geformt. Jeder Nagel kam in richtiger Lage unter
[599]Walzwerke. Scheren.
denselben. Die Höhlung des Stahlstempels entsprach der Gestalt des
Kopfes. Man konnte auch die Platten schon so verwalzen, daſs sie
in Abschnitte von abnehmender Stärke gepreſst wurden.


Samuel Guppy erhielt 1796 ein Patent auf eine rotierende
Maschine, um Nägel zu schneiden und zu köpfen. Es war eine Kom-
bination einer Walze und einer Presse, so daſs der Draht aus der
Walze gleich unter zwei Stempel kam, von denen der eine zuschnitt,
der andere anköpfte. Der Anköpfapparat bestand aus einem Rad
mit drei Heblingen, welche drei Hämmer bei jeder Umdrehung auf-
warfen, welche die Nägel, die sich in einer Kette fortbewegten, an der
richtigen Stelle trafen.


Figure 169. Fig. 164.

Die Hufeisenmaschine von George Coates von 1797 war schon
ein recht komplizierter Mechanismus, ebenfalls aus Walzen und
Pressen zusammengesetzt.


Bei weitem die wichtigste Erfindung auf diesem Gebiete war
Brahmas hydraulische Presse im Jahre 1795, wenn dieselbe auch
damals noch keine Anwendung in der Eisenindustrie fand.


Zu den wichtigen Bearbeitungsmaschinen des Eisens gehören
die Scheren, welche namentlich bei der Blechfabrikation unentbehr-
lich waren. Früher kannte man nur die Stockscheren, welche ihre
Arbeit sehr langsam verrichteten. Der berühmte Polhem erfand zuerst
eine Blechschere, welche mit Wasser betrieben wurde. Die erste
errichtete er auf seiner Metallfabrik zu Stjernsund; von da verbreiteten
sie sich in Schweden.


[600]Walzwerke. Scheren.

Die Polhemsche Schere bestand aus zwei dicht aufeinander
liegenden Schenkeln, welche auf einer gemeinschaftlichen Achse
beweglich waren 1). Der eine Schenkel klemmte die Blechtafel gegen
einen kleinen, mit Stahl belegten Amboſs, während der andere die
Kanten derselben nach vorgeschriebenem Maſse an der scharfen Kante
des Ambosses beschnitt. Fig. 164 (a. v. S.) ist die Abbildung einer
Polhemschen Blechschere. a b ist die Schere, d g der Drücker, k der
Amboſs. Beim Beschneiden wurde die Blechtafel horizontal unter den
Drücker g gebracht, der sie fest hielt, bis der Schneideschenkel die

Figure 170. Fig. 165.


überstehende ungerade Kante des Bleches auf 6 bis 8 Zoll lang
abschnitt, so oft die Tafel nach einem gemachten Riſs während des
Schneidens fortgeschoben wird.


Diese Schere war gut und ausreichend für dünne Bleche; für
doppelte Stürze oder dicke Platten war sie nicht kräftig genug und
arbeitete zu langsam.


Für diesen Zweck konstruierte Sven Rinman eine verbesserte
Blechschere, welche zuerst bei Ferna Bruk in Westmanland auf-
gestellt wurde. Bei dieser Schere, welche für Pfannenbleche ver-
[601]Werkzeugmaschinen. Öfen.
wendet wurde, stand der bewegende Hebel rechtwinkelig zu der
Schneideplatte, welche bei jedem Schnitt 10 bis 12 Zoll durchsetzte.


Polhem hatte auſser der Blechschere auch eine Wasserschere
zum Schneiden von Materialeisen konstruiert, mittels welcher in
Schweden Zaineisen der Länge nach geschnitten und auf diese Weise
Schneideeisen (Klippjärn) erzeugt wurde.


Fig. 165 ist die Abbildung dieser Schere, die viele Jahre in
Stjernsund arbeitete.


Einen Schneideapparat, um flach ausgepreſste Luppen mit Messern,
welche in einem Preſskopf befestigt sind, der mit einer starken Schrauben-
presse verbunden ist, in cylindrische Kolben zu zerschneiden, hatte
James Knight sich 1762 patentieren lassen (s. oben S. 598).


John Cockshutt bezieht sich in seinem Patent von 1771, in
welchem die erste Angabe über ein Feineisenfeuer gemacht wird, ebenfalls
auf eine „Maschine eigens dafür konstruiert“, um die groſsen Luppen,
welche er in seinem neu erfundenen Ofen erhält, in Stücke zu schneiden.
Diese Maschine wird zweimal in dem Patent angeführt, aber ohne
die geringste nähere Beschreibung.


Sie wird so wenig, wie die Maschine von Knight, eine praktische
Bedeutung erlangt haben; immerhin ist es von Interesse, daſs man
schon so früh daran dachte, die Luppen mit Maschinen zu zerschneiden.


Werkzeugmaschinen. Öfen.

Von groſser Bedeutung für die Eisenindustrie war die Verbesserung
der eigentlichen Werkzeugmaschinen, namentlich der Bohr- und
Drehbänke. Die Fortschritte der Engländer im Ausbohren groſser
Cylinder haben wesentlich zur Einführung der Dampfmaschinen und
Cylindergebläse beigetragen und man begegnet in den deutschen
hüttenmännischen Schriften gegen Ende des Jahrhunderts fast keiner
Klage so oft, als der, daſs wir nicht im stande seien, groſse Cylinder
so zu bearbeiten wie die Engländer, die allein das Ausbohren derselben
verständen. Die Metallbohr- und Drehbänke haben ihre Entwickelung
zunächst der Geschützfabrikation zu verdanken. Das Ausbohren der
Kanonen war das Problem, an dem sich die Bohrkunst hauptsächlich
entwickelt hat. Wir haben früher schon erwähnt, wie Biringuccio im
16. Jahrhundert in seiner Pyrotechnia bereits das Ausbohren der
[602]Werkzeugmaschinen. Öfen.
Kanonen mit Hülfe eines Wasserrades beschrieben hat. Die von ihm
dargestellte Bohrmaschine bohrte horizontal. Der Bohrer, der mit
der Wasserradwelle verbunden war, drehte sich jedoch immer an der-
selben Stelle; das Geschütz muſste sich also dem Bohrer entgegen
bewegen, was mittels eines an dem Schlitten angebrachten Zugwerks
geschah.


Figure 171. Fig. 166.

Von dieser Art zu bohren ging man in späterer Zeit ab und
zu vertikalen Kanonen-Bohrmaschinen über, weil hierbei das Gewicht
des Geschützes die Arbeit unterstützte. Bei diesen (Fig. 166) war
das Geschütz an Flaschenzügen senkrecht mit der Mündung nach
unten aufgehängt und drückte der senkrechten Bohrstange S S, welche
durch Pferde umgedreht wurde, entgegen. Das Geschütz war auf
einem senkrecht geführten Schlitten befestigt, der mit dem Geschütz
auf- und niedergelassen wurde und geschah dies mittels doppelten
[603]Werkzeugmaschinen. Öfen.
Getriebes. Diese Art zu bohren wendete man an, als man noch aus-
schlieſslich die Geschütze über einen Kern goſs, das Bohren also nur
ein Nachbohren der eingegossenen Seele war.


Im Anfang des 18. Jahrhunderts ging man aber dazu über, die
Kanonen massiv zu gieſsen und die Seele aus dem Vollen zu bohren.
Dies gab die Veranlassung, wieder zu der früheren Bohrweise auf
horizontalen Bänken zurückzukehren. Die vertikalen Bohrer, welche
keine ordentliche Führung hatten, bohrten zu leicht schief, namentlich
dadurch, daſs sie sich drehten, während das Bohrstück still stand.
Den horizontalen Bohrern konnte man leichter Halt und Führung
geben.


Dem Schweizer Maritz aus Murten gebührt das Verdienst der
Einführung der horizontalen Bohrmaschinen, welche man in der Regel
als seine Erfindung bezeichnet, obgleich es, wie wir gezeigt haben,
nur eine Rückkehr zu dem ursprünglichen Bohrverfahren war. Aller-
dings waren seine Bohrbänke besser ausgestattet als die einfachen
Vorrichtungen Biringuccios. Maritz baute seine horizontalen Bohr-
bänke zuerst 1713 zu Bern. Dann ging er nach Spanien, wo er sich
lange aufhielt und viele Bohrbänke errichtete. Um 1740 berief ihn
der König von Frankreich, machte ihn zum Inspektor des Geschütz-
wesens und in dieser Stellung reorganisierte er die französischen
Artilleriewerkstätten, indem er das Gieſsen ohne Kern und das Bohren
aus dem Vollen mit horizontalen Bänken einführte. Seine eisernen
Kanonen waren anfangs schlecht, weil er zu weichen Guſs nahm, was
Montalembert nachwies, der die richtige Eisensorte für den Kanonen-
guſs durch Versuche in Perigord ermittelte. Nachdem dessen Ver-
fahren angenommen war, wurden auch gute eiserne Geschütze in
Frankreich gegossen. Ebenso ging man in England und Schweden,
welche Länder die meisten guſseisernen Kanonen lieferten, zu den
horizontalen Bänken über.


In früherer Zeit wurden die Bohrbänke vielfach nur mit Tret-
rädern betrieben, doch hatte man in Ulm schon im 16. Jahrhundert
Bohrmühlen, also Wasserbetrieb. Die Horizontalbohrmaschinen fanden
im vorigen Jahrhundert mehr und mehr Verbreitung, obgleich man
auch in manchen Anstalten die vertikale Bohrung beibehielt, wie z. B.
zu Ehrendal in Schweden, wo aber durch einen langen Trilling die
Kanone gedreht wurde, während der Bohrer fest stand. Dagegen
erbaute man noch 1775 auf der Stückgieſserei zu Hällefors in Schweden
eine Bohrmaschine nach dem alten System, welche aber nach 10 Jahren
wieder abgelegt wurde.


[604]Werkzeugmaschinen. Öfen.

Bei den horizontalen Bänken war es eine Hauptsache, daſs die
Kanone richtig eingespannt wurde, damit die Achse der Seele genau
mit der Achse des Stückes zusammenfiel. Die Kanone lief dabei wie
in einem Drehstuhl um. Diese Bänke hatten den weiteren Vorteil,
daſs sich die Kanonen auf ihnen auch sehr leicht äuſserlich abdrehen
lieſsen, was dadurch erst allgemein geworden ist. Die Schiffskanonen
bohrte man, so lange sie über den Kern gegossen wurden, in der
Regel überhaupt nicht aus, indem man behauptete, durch Entfernung
der inneren Guſshaut verliere die Kanone ihre Festigkeit. Nachdem
man auch bei den eisernen Kanonen zum Vollguſs und Bohren der
Seele übergegangen war, muſste man hiervon absehen, hielt aber
lange Zeit an demselben Vorurteil in Bezug auf das Abdrehen fest,
indem man behauptete, die Kanone würde wesentlich geschwächt
durch Entfernung der äuſseren Guſshaut. Die Franzosen hatten im
vorigen Jahrhundert ihre Geschütze noch vielfach aus Schweden bezogen.
Als aber der Revolutionskrieg ausbrach und die junge französische
Republik isoliert und, mit den monarchischen Staaten Europas in
Krieg verwickelt, auf ihre eigene Kraft allein angewiesen war, wurde
die nationale Bewaffnung organisiert und die Waffenfabrikation erhielt
hierdurch einen mächtigen Aufschwung. Hassenfratz, Monge und
Perrier wurden von dem Wohlfahrtsausschuſs berufen, um die
Geschützfabrikation zu organisieren. Der Mathematiker Monge warf
sich mit besonderem Eifer auf die Sache und ihm verdanken wir eine
ausführliche Beschreibung der Geschützfabrikation mit vortrefflichen
Abbildungen, welche im Auftrage des Wohlfahrtsausschusses gedruckt
wurde 1).


Diesem Werke entnehmen wir, daſs man in den alten Geschütz-
gieſsereien zu Douai, Straſsburg, Rochefort und Ruelle noch an dem
früheren Verfahren fest hielt, das Kaliber durch eine Anzahl auf-
einander folgender Bohrer zu bohren, von denen jeder folgende die
Seele um 6 bis 8 Linien erweiterte, bis man zuletzt den Schlicht-
bohrer anwendete. In den neu eingerichteten Werkstätten bohrte
man die ganze Seele bis auf den Schlichtbohrer mit einem einzigen
Bohrer. Dies war namentlich in der Bohrwerkstätte von Chaillot der
Fall. Eine Dampfmaschine setzte vier gleich groſse Zahnräder, welche
ineinander griffen, in Bewegung, von denen jedes eine Bohrbank
bediente, so daſs also immer vier Kanonen gleichzeitig ausgebohrt
[605]Werkzeugmaschinen. Öfen.
wurden. Während bei den älteren Bohrbänken der Bohrer auf einem
Schlitten befestigt war, welcher mittels Ketten und eines Haspels
vorwärts bewegt wurde, so fanden wir bei den Bohrbänken von Chaillot
schon die Einrichtung eines Selbstganges mittels Zahngetriebe.


Fig. 167 zeigt eine dieser Bohrbänke im Aufriſs. A ist der
Motor, ein Zellenrad (während in der allgemeinen Beschreibung der
Anlage eine Dampfmaschine — machine à feu — als Motor angegeben
ist) 1). Durch das Zahngetriebe B C wird die Kraft auf die Bohr-
bänke übertragen. Die Verbindung der Zahnradwelle mit der Kanone
wird durch die Muffe m vermittelt. Die Kanone ruht in den beiden
Supports E und D. In E hat der Hals der Traube, in D der des
Kopfes seine Auflagerung. Der Bohrer F ist verbunden mit einer
Zahnstange T, welche durch ein Triebrad bei M beim Bohren vor-
geschoben wird. Dies geschieht dadurch, daſs die Peripherie des

Figure 172. Fig. 167.


Speichenrades h h durch ein Seil mit dem Hebel O N verbunden ist,
welcher sich in dem Zapfen f dreht. An dem anderen längeren
Hebelarm ist ein Gewicht befestigt, welches den Hebel niederzieht,
dadurch das Seil O spannt und mit dem Speichenrad zugleich das
Zahngetriebe umzudrehen strebt. Dieses wirkt auf die Zahnstange
und den Bohrer F, welcher dadurch vorwärts bewegt wird. P ist
ein Wellbaum, um den ein Seil geschlungen ist, welches über die
Rolle Q geht und mit dem langen Arm des Hebels O N verbunden
ist, um nach Bedürfnis den Hebel aufziehen und entlasten zu können,
wodurch die Spannung des Bohrers aufhört und dieser zurückgezogen
werden kann.


Auſser dem Ausbohren war das Abstechen des verlorenen Kopfes
eine zweite Arbeit, welche auf der Bohrbank ausgeführt wurde. Zu
diesem Zwecke bediente man sich eines Hebels, welcher mit einem
[606]Werkzeugmaschinen. Öfen.
Support verbunden war. In dem Hebelarm war die Führung für den
Meiſsel, welcher das Abschneiden bewirkte und der durch ein Gewicht
am Ende des Hebelarms gegen die Kanone gedrückt wurde.


Das Bohren des Zündlochs geschah in ziemlich primitiver Weise
mit Hülfe eines Fidelbohrers, der eingespannt wurde. Der kleine
Apparat, mit welchem dies geschah, hieſs der Grashüpfer. Outram
zu Clyde erfand eine verbesserte Maschine zum Ausbohren der Zünd-
löcher, welche aber ziemlich kompliziert war. Ebenso bedurfte man
zum Abdrehen keiner besonderen Vorrichtungen. Es geschah dies
mit messerartigen Drehstählen, welche einfach wider das umlaufende
Kanonenrohr angedrückt wurden. Nur zum Abdrehen der Schild-
zapfen bediente man sich eines etwas komplizierteren Werkzeuges.
Es war dies ein Kapselbohrer, dessen Weite genau der Dicke des
Schildzapfens entsprach.


Im Haag in Holland war eine Bohrmaschine, bei welcher das
Vorrücken des Bohrers durch eine Schraube ohne Ende, welche in
eine gezahnte Stange eingriff, bewirkt wurde. Dieses entsprach einer
Erfindung William Murdocks.


Das Hauptverdienst der Verbesserung der Bohrmaschinen in der
zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gebührt überhaupt den Engländern,
namentlich Smeaton und John Wilkinson, welche soviel für die
Verbesserung der Arbeitsmaschinen geleistet haben und auch auf
diesem Gebiete sich hervorragendste Verdienste erwarben. Auf dem
Eisenwerk Carron wurden hauptsächlich Kanonen gegossen, zu deren
Bearbeitung Smeaton die Maschineneinrichtung gemacht hatte.
Wilkinson legte im Auftrage der französischen Regierung eine
Geschützgieſserei und Bohranstalt zu Nantes ganz nach englischem
Muster an. Ein Wasserrad von nur 8 Fuſs Durchmesser drehte die
Kanone, welche durch einen angegossenen viereckigen Ansatz am
Knopf mit einem Stirnrad verbunden war, welches durch ein anderes
Stirnrad an der Radwelle in Bewegung gesetzt wurde. Beide Stirn-
räder waren von Guſseisen, sehr sorgfältig gearbeitet und gut geschmiert,
wodurch die Kanone ungemein genau umging. Die Bohrstange war
ganz horizontal auf einem Schlitten oder Gestell befestigt, mit dem
sie durch Gewichte vorgeschoben wurde.


In England wendete man in der Regel gegen Ende des 18. Jahr-
hunderts Dampfmaschinen zur Bewegung der Kanonenbohrbänke an.
Auf dem Eisenwerk Calcutt bei Brosley in Shropshire setzte eine
Dampfmaschine durch Vorgelege elf horizontale Bohrer gleichzeitig
in Bewegung.


[607]Werkzeugmaschinen. Öfen.

Auf dem Eisenwerk Clyde bei Glasgow konnten vier Kanonen
auf einmal gebohrt und abgedreht werden. Das Abdrehen geschah
auch hier mit der Hand, oft durch Knaben und ebenso leicht, als
wenn man ein Stück Holz abdrehte.


Eine groſsartige Kanonengieſserei war zu Petrowsadowsk in Ruſs-
land, welche der Krone gehörte. Dieselbe war von dem englischen
Ingenieur Gascoigne eingerichtet worden. Vor einem Wasserrad
konnten auf einmal die verlorenen Köpfe von fünf Kanonen abge-
schnitten werden und auf einem anderen wurden zugleich zehn
massiv gegossene eiserne Kanonen unter Aufsicht von nur zwei Mann
auf einmal gebohrt.


Als die vollkommenste Stückgieſserei galt aber schon damals die
von Woolwich in England, welche mit vorzüglichen Bohrmaschinen
ausgestattet war. Nach diesem Muster baute der hannöversche
Ingenieur-Oberstleutnant Müller, später Professor in Göttingen, die
Stückgieſsereien in Hannover und Stockholm und 1795 berief ihn
König Friedrich Wilhelm II. nach Berlin zur Verbesserung der
preuſsischen Anstalten.


Wir ersehen hieraus, welche groſse Fortschritte die Metall-
bearbeitung zunächst bei den Werkzeugen des Krieges gemacht hatte.
Für die Bewaffnung scheute man eben keine Kosten, keine Versuche.
Dadurch wurde auch hierin der Krieg der Lehrmeister des Friedens.


Für friedliche Zwecke benutzte man aber ebenfalls bereits in
ausgedehntem Maſse die Bohrmaschinen. Zunächst waren es Pumpen-
stiefel und Wasserröhren, welche ausgebohrt wurden, dann aber erwuchs
der Bohrkunst eine groſse und schwierige Aufgabe in Herstellung
groſser, ausgebohrter Cylinder, erst für die atmosphärischen Maschinen,
dann für die Dampfmaschinen und endlich für die Cylindergebläse.
Es waren keine geringen Schwierigkeiten zu überwinden, bis man
dahin kam, Cylinder von Durchmessern bis 70 Zoll (1,80 m) tadellos
auszubohren. Als die Feuermaschinen aufkamen, war man überhaupt
noch nicht im stande, eiserne Cylinder von einiger Weite aus-
zubohren. Deshalb hielt man an den Messing- oder Bronzecylindern
fest, so viele Nachteile diese auch sonst hatten. Um die Mitte des
Jahrhunderts wurde die Anwendung eiserner Cylinder zwar allgemein,
wie unvollkommen diese aber gebohrt waren, geht aus Watts Klagen
hervor, der die gröſsten Schwierigkeiten hatte, gut gebohrte Cylinder
zu bekommen. Der erste, der seinen Wünschen entsprechend lieferte,
war John Wilkinson. Es war ein 18 Zoll-Cylinder, für welchen
Wilkinson eine besondere Bohrmaschine von groſser Genauigkeit
[608]Werkzeugmaschinen. Öfen.
konstruiert hatte. Dies war der Anfang des groſsartigen Geschäftes,
welches Wilkinson mit gebohrten eisernen Dampf- und Gebläse-
cylindern machte, welche seinen Namen durch ganz Europa trugen.


An genauen Angaben über die älteren englischen Bohrbänke
fehlt es; aber schon Jars erwähnt dieselben in seiner Reise nach
England (1765). Er beschreibt (Bd. I, S. 357) das Ausbohren eiserner
Rohre, welche bis zu 22 Zoll Durchmesser zu Newcastle gegossen
wurden. „Die Maschine, deren man sich zum Bohren und Polieren
der eisernen Rohre bedient, besteht aus einer vertikal stehenden
Welle, welche ungefähr 1 Fuſs im Quadrat hat und an welcher ein
Rad von 1 Fuſs Durchmesser befestigt ist, dessen obere Fläche der
Erde gleich ist. Die untere Fläche ist mit Zähnen versehen, welche
in einem Trilling von ungefähr 2 Fuſs im Durchmesser eingreifen
und dessen Achse so weit verlängert ist, daſs sie sehr bequem zu
einer Bohrstange, etwa 16 bis 17 Fuſs lang, dienen kann. An dem
äuſseren Ende dieser Achse befindet sich ein kleines Rad oder eine
Art von eiserner Walze, die dem Durchmesser des auszubohrenden
Rohres entsprechend eingerichtet ist. Dieses kleine Rad hat rundum
verschiedene Einschnitte, in welche stählerne Schneiden eingesetzt
und mit eisernen Keilen befestigt werden, die man nach Gefallen
herausnehmen kann, wenn man sie auf einem dabei befindlichen
Schleifstein scharf machen will. Unter diesem Rade ist an der
stehenden Welle ein 8 Fuſs langer Baum angebracht, an welchen,
wenn die Maschine gehen soll, ein Pferd angespannt wird.


Man bringt alsdann das Stück, das gebohrt werden soll, in einen
Schlitten, welcher willkürlich vor- und rückwärts geschoben werden
kann. Zu diesem Zwecke bedient man sich einer beweglichen stehenden
Welle, durch welche ein Hebel hindurchgeht, und vermittelst eines
Seiles, welches an dem Schlitten befestigt ist und über eine unter
dem Trilling befindliche Rolle herüber läuft, kann ein Mensch, indem
er an dem Hebel zieht, das Seil auf die stehende Welle aufwickeln
und in dem Verhältnis, wie der Bohrer fortrückt, den Schlitten mit
dem Rohre verschieben. Zu dieser Arbeit gehören zwei Leute; einer
regiert den Bohrer und der andere dreht den Hebel; der erstere treibt
und hält auch die Pferde nach Beschaffenheit der Umstände an.“


Die Röhren wurden also senkrecht stehend gebohrt, ähnlich wie
die Kanonen zu jener Zeit. John Smeaton konstruierte für die
Eisenhütte zu Carron eine doppelte Bohrmaschine für Cylinder und
Kanonen.


Coalbrookdale, welches lange die gröſste und berühmteste Eisen-
[609]Werkzeugmaschinen. Öfen.
gieſserei in England war, hat ebenfalls groſse Verdienste an den
Fortschritten der Metallbearbeitung. Hier wurden zuerst die groſsen
eisernen Cylinder für Feuermaschinen gegossen und gebohrt. Die
berühmtesten Mechaniker Englands waren am meisten darauf bedacht,
die Metallbearbeitung und die Werkzeuge dazu zu verbessern. Dies gilt
besonders von Smeaton, Wilkinson, Watt, Boulton und Murdock.
Die durch diese Männer eingeführten Verbesserungen haben auſser-
ordentlich viel zur Entwickelung des Maschinenbaues und dadurch der
mechanischen Industrieen überhaupt beigetragen und den Vorsprung,
welchen England im Laufe des 18. Jahrhunderts gewann, verdankt es
nicht zum kleinsten Teil der Verbesserung seiner Metallbearbeitungs-
werkzeuge. Leider fehlt es zu sehr an genaueren Nachrichten, um
dies im einzelnen verfolgen zu können. Exakte Maschinenarbeit gab
es erst, nachdem die automatischen Werkzeugmaschinen erfunden
waren. Die oben beschriebenen Kanonenbohrmaschinen können als
Anfang derselben betrachtet werden. Wie unvollkommen es aber
noch mit dem Ausdrehen der Cylinder zu James Watts Zeit bestellt
war, geht aus Watts Brief an Dr. Small hervor, in welchem er von
seinem neuen 18 zölligen Cylinder schreibt: „an der übelsten Stelle
übertrifft der längere Durchmesser den längeren nur (!) um ⅜ Zoll“.
Watt, selbst Feinmechaniker, hatte ein empfindliches Gefühl für
exakte Arbeit und so lange er in Soho thätig war, suchte er diesen
Begriff den rauhen Händen seiner Grobschmiede, die erst zu Maschinen-
arbeitern erzogen werden muſsten, beizubringen. So wurde Soho
eine Schule für gute Maschinenarbeiter. Ähnlich wirkte John
Wilkinson
zu Broseley. William Murdock erhielt 1799 ein
Patent auf seine Methode, Cylinder zu bohren durch eine Schraube
ohne Ende, welche in ein Zahnrad eingriff, das an der Bohrwelle
befestigt war.


In London war es Joseph Brahmah, der gegen Ende des
Jahrhunderts durch exakte Metallarbeit berühmt war, und sowohl er
als noch mehr sein Vorarbeiter Henry Maudslay haben viel zur
Verbesserung der Metallbearbeitung und der Werkzeuge beigetragen.


Die Drehbank ist ein uraltes Werkzeug. Sie wurde von tausen-
den und abertausenden geschickten Händen benutzt, ausführliche
Werke wurden über diese Hülfsmaschine geschrieben 1) und dennoch
blieb sie unverändert und unverbessert bis zum Ende des 18. Jahr-
Beck, Geschichte des Eisens. 39
[610]Werkzeugmaschinen. Öfen.
hunderts. Man wuſste nicht anders, als daſs der Drehstahl mit der Hand
geführt werden muſste und wir haben oben gesehen, daſs man auch
beim Abdrehen der Kanonen kein anderes Verfahren anwendete. Aber
auch die Achsen, Kolbenstangen u. s. w., auf deren genaue cylindrische
Rundung doch so viel ankam, wurden einfach mit dem Handstahl
abgedreht. Daſs dies bei gröſseren Eisenstücken eine beschwerliche
und unsichere Arbeit war, ist einleuchtend.


Diesen Miſsständen wurde mit einem Male abgeholfen durch den von
Henry Maudslay erfundenen Drehbanksupport. In diesem wurde
der Drehstahl in bestimmter Stellung festgeschraubt und bewegte sich
parallel mit der Bank und dem abzudrehenden Stück. Allerdings
gebührt das Verdienst der ersten Erfindung eines solchen Apparates
dem Schweden Polhem. Derselbe beschreibt in seinem patriotischen
Testament seine Drehbank mit eiserner Leitspindel zum Walzendrehen
folgendermaſsen: Die Drehbank wird mittels eines kleinen Wasserrades
bewegt. Der Drehstahl wird an einem Klotz befestigt, welcher
mittels einer langen Schraube an der Walze allmählich der Länge
nach hingezogen wird, welches meist durch die Hand des Walzmeisters
geschieht, aber auch so gemacht werden kann, daſs das Wasserrad
die Schraube allmählich umdreht.


Um diese Schraube zu schneiden, verfährt man so, daſs man
sich erst eine Spindel von feinem Holz, als Ahorn, Quitten, Apfel-
baum oder dergleichen herstellt. Auf diese befestigt man ein Papier,
auf welchem man zwei parallele Linien von dem Abstand, welcher
der Dicke des Schraubenganges entspricht, aufgerissen hat, in der
Weise, daſs diese Linien um die Spindel den Schraubengang machen.
Diesen schneidet man mit einer Säge, welche durch eine angebrachte
Drahtleiste verhindert wird, tiefer als bis zu dem bestimmten Maſs
einzuschneiden, aus. Diese Holzschraube wird parallel neben die
Eisenspindel gespannt, in welche das Schraubengewinde eingeschnitten
werden soll und das in erstere eingeschnittene Gewinde dient als
Führung für den Drehstahl, der das Gewinde in die sich gleichförmig
mitdrehende Eisenstange einschneidet. Dies geht selbstverständlich
nur ganz allmählich. … Polhems Erfindung scheint wenig Beach-
tung gefunden zu haben.


Maudslay machte den ersten Support dieser Art, als er noch
Vorarbeiter bei Bramah war. Nachdem er sich aber 1797 seine
eigene Werkstätte in Wells Street, Oxford Street, London, errichtet
hatte, verbesserte er denselben noch wesentlich. Die einfache, zweck-
mäſsige Vorrichtung fand rasch die allgemeinste Verbreitung und
[611]Werkzeugmaschinen. Öfen.
war eine der wichtigsten Verbesserungen, welche an den Werkzeug-
maschinen gemacht worden sind. Der Arbeiter hatte nur noch seinen
Drehmeiſsel richtig einzuspannen und langsam, ohne alle Anstrengung,
den Schlüssel der Führungsschraube zu drehen; und auch dieser
letzteren Arbeit wurde er überhoben durch ein selbstthätiges Zahn-
getriebe.


Dieser unscheinbaren Erfindung verdanken wir groſsenteils die
Zuverlässigkeit unserer Maschinen. Sie hat wesentlich zum Aufschwung
des Maschinenbaues beigetragen und während man früher nur kom-
plizierten Bohrmaschinen für gewisse auſserordentliche Leistungen in
groſsen Werkstätten begegnete, wurde die Supportdrehbank in
allen Werkstätten heimisch, für groſse und kleine Arbeit angewendet
und nahm den Bohrmaschinen einen groſsen Teil ihrer Arbeit ab.
Die Drehbank wurde seitdem das wichtigste Werkzeug der Metall-
bearbeitung.


Der Dampfhammer hat zwar im 18. Jahrhundert noch keine
Bedeutung erlangt, doch hatten Wilkinson und Watt seine
zukünftige Bedeutung bereits erkannt und die ersten Versuche zu
seiner Herstellung gemacht. Watt schrieb am 3. Mai an Boulton:
„Wilkinson
will groſse Schmiedestücke machen und braucht eine
Maschine, um einen Stempel von 15 Centner 30- bis 40 mal in der
Minute zu heben. Ph. Webb ist beauftragt, es mit einer kleinen
Maschine und einem Fallhammer (stamp-hammer) von 60 Pfund
Gewicht zu versuchen. Viele solche Rammen (battering rams) würden
gebraucht werden, wenn sie sich bewährten.“


Ferner schreibt Watt am 26. Novbr. 1782 an Boulton: „Bei
Wilkinson treibt eine Dampfmaschine, die gleichzeitig eine Pumpe
bewegt, einen Schwanzhammer; doch entspricht er nicht ganz.“ So-
dann bemerkt er am 28. Novbr. über den damaligen Zustand: „Der
Dampfcylinder hat 15 Zoll Durchmesser und 4 Fuſs Hub und macht
25 Wechsel in der Minute; der Hammer, der sechs Schläge für jeden
Wechsel macht, wiegt 120 Pfund, ist 18 Zoll breit, giebt einen guten
Schlag und schmiedet Eisen gut. Er beabsichtige den Hammer
1½ Centner schwer zu machen und 250 bis 300 Schläge zu geben,
da Überschuſs an Kraft da sei. — Einige Tage später machte die
Dampfmaschine 28 Touren und der Hammer schmiedete mehr Eisen,
als der Schmied heizen konnte.“ — Am 3. Dezember 1782 schreibt
er an Boulton: „Was sollen wir der kleinen Dampfmaschine zu thun
39*
[612]Werkzeugmaschinen. Öfen.
geben? Joseph meint ein Walzwerk; bitte, teile mir Deine Meinung
über die Gröſse der Walzen etc. mit“, und am 13. Dezbr. berichtet
er: „Der Hammer wiegt 120 Pfund, hat 8 Fuſs Hub und macht
240 Schläge in der Minute. Er braucht nur sehr wenig Dampf und
nicht ein Viertel der Kraft, die nötig wäre, das Wasser für ein Wasser-
rad zur Bewegung des Hammers zu heben.“


Dies sind die quellenmäſsigen Nachrichten über die ersten mit
Dampf bewegten Schmiedehämmer.


Die Öfen.

Von groſser Bedeutung für die metallurgischen Operationen im
Eisengewerbe waren die Verbesserungen der Öfen. In diesen voll-
ziehen sich fast alle Schmelz- und Glühprozesse, ihre Entwickelung
ist deshalb ein wichtiger Teil der Geschichte der Metallurgie. Die
Hauptformen der Schmelzöfen waren zu Anfang des 18. Jahrhunderts
soweit entwickelt, daſs von neuen Ofenarten kaum die Rede sein kann.
Wohl aber sind alte Ofenarten in neuer Weise verwendet und zweck-
entsprechend umgeändert worden.


Da wir das meiste hierüber schon bei der Beschreibung der ver-
schiedenen Hüttenprozesse vorgebracht haben, so können wir uns hier
kurz fassen.


Die Herdöfen, welche als Frischfeuer und Rennfeuer eine
wichtige Rolle in der Eisenindustrie spielten, erfuhren nur unwesent-
liche Veränderungen. Die alten gemauerten Löschherde verschwanden
mehr und mehr und wurden von den mit Eisenzacken ausgesetzten
Herden ersetzt. Christ. Polhem hatte zu Stjernsund einen ver-
besserten Frischherd konstruiert, der mit einem Gewölbe überbaut
war und unter dessen Sohle gewölbte Abzugskanäle herliefen. Weder
dieser Versuch noch die späteren Versuche in Schweden, dem Frisch-
herd eine ovale oder achteckige Gestalt zu geben, hatten bemerkens-
werte Erfolge. Von geschichtlicher Bedeutung war dagegen John
Cockshutts
länglicher Frischherd mit mehreren Formen (Patent
Nr. 988 von 1771), aus welchen sich die Feineisenfeuer entwickelt
haben.


Die wichtigsten Öfen waren seit Erfindung des Hochofenprozesses
die Schachtöfen geworden. In ihrer unvollkommensten Form als
Bauernöfen und Stücköfen verschwanden sie mehr und mehr in der
zweiten Hälfte des Jahrhunderts. Auch die Blauöfen, welche den
Übergang zwischen Stücköfen und Floſsöfen bildeten, teilten dieses
[613]Werkzeugmaschinen. Öfen.
Schicksal; dagegen gelangten Floſs- und Hochöfen zu allgemeiner
Anwendung und fortschreitender Entwickelung. Die Floſsöfen waren
hohe Schachtöfen mit geschlossener Brust, die Hochöfen solche mit
offener Brust.


Beide Ofenarten stimmten darin überein, daſs sie ein Arbeits-
gewölbe und ein Formgewölbe hatten. Erst gegen Ende des Jahr-
hunderts trat hierin eine Änderung ein, und zwar zuerst in England,
nachdem man dort zu den Cylindergebläsen mit Regulatoren über-
gegangen war. Die doppelten Düsen kamen dadurch in Wegfall, man
blies den Wind durch eine einzige Röhre in den Ofen. Das Streben
nach Steigerung der Produktion und die Erfahrung bei den Koks-
öfen, daſs dieselbe mit der Windmenge, die man in den Ofen blies,
zunahm, führten endlich dazu, mit dem alten Vorurteil der einen
Form zu brechen und den Wind durch mehrere Formen dem Ofen
zuzuführen. Es bot das bei den starken Cylindergebläsen, den groſsen
Windregulatoren oder Kondensatoren, um so weniger Schwierigkeit,

Figure 173. Fig. 168.


weil man die Formgewölbe selbst
viel kleiner wie früher, wo die-
selben zugleich die Blasebälge
beherbergen muſsten, machen
konnte. Diese Neuerung, die
Einführung von zwei oder
mehreren Formgewölben, welche
nach und nach den Hochofenbau wesentlich veränderte, scheint in
den 80 er Jahren aufgekommen zu sein. Direkte Nachrichten fehlen
hierüber, es läſst sich dies aber aus einem bemerkenswerten Aufsatz
schlieſsen, welcher 1790 in den chemischen Annalen von Crell
anonym erschienen ist und den Titel führt: Über einige Hauptmängel
verschiedener Eisenhütten in Deutschland. Der Verfasser, der frühere
Berghauptmann von Klausthal, August Ferd. v. Veltheim, hatte durch
eigene Anschauung das englische Eisenhüttenwesen kennen gelernt,
war entzückt von allem, was er in England gesehen hat und möchte
am liebsten sofort die ganze deutsche Eisenindustrie nach englischem
Muster umgestalten. Wenn er in seinen Behauptungen oft über das
Ziel hinausschieſst und in seinen Schilderungen mit grellen Farben
malt, so enthält die Schrift doch viel Wahres, geradezu Prophetisches
und fesselt durch ihre frische Unmittelbarkeit. Natürlich verlangt er für
die Hochöfen stärkere Gebläse und gröſsere Dimensionen. Im Anschluſs
hieran schreibt er (§. 6): „Aus diesen und noch mehr Gründen würde
ich einen Hochofen entweder mit zwei Formen oder bei noch gröſseren
[614]Werkzeugmaschinen. Öfen.
Dimensionen gar mit vier Formen vorrichten, dann aber dem Gestell
selbst eine beinahe ovale Form, ungefähr nach vorstehender Zeichnung
(Fig. 168, a. v. S.) geben. Daſs zur Gewinnung des Raumes und
überhaupt zur bequemen Regierung des Ganzen dieses durch soge-
nannte Windleitungen, die mit einem Regulator versehen sind, aus-
geführt werden müſste, versteht sich schon von selbst.“


Zu Newiansk in Sibirien hatte man damals bereits zwei Formen,
die aber auf derselben Ofenseite lagen. Man blies mit vier Cylindern.
Zu Treibach, wo man ebenfalls mit vier Bälgen blies, lagen dagegen

Figure 174. Fig. 169.


die beiden Formen
einander gegenüber.
Dasſelbe war der
Fall in Siebenbür-
gen, wo Gubernial-
rat von Leithner
diese Verbesserung
eingeführt hatte,
und in Schlesien.


Über den Bau
der Hochöfen, die
dazu verwendeten
Materialien und die
Gröſsenverhältnisse
haben wir das Wich-
tigste ebenfalls be-
reits mitgeteilt. Das
Streben ging Ende
des vorigen Jahr-
hunderts nament-
lich in England da-
hin, die Öfen immer
gröſser, namentlich
immer höher zu bauen. Man glaubte vielfach, daſs die Erhöhung des
Ofens unbedingt eine Vergröſserung der Produktion herbeiführe, obgleich
diese doch fast allein von der Verstärkung des Gebläses abhing.
Hierdurch wurde man veranlaſst, die Hochöfen oft in ganz zweckloser
übertriebener Weise zu erhöhen und dadurch zu verteuern. Gegen diesen
Miſsbrauch wendete sich der berühmte Eisenhüttenmann John Wilkin-
son
, welcher eine vollständige Reform des Hochofenbaues dahin erstrebte,
daſs er die riesigen Hochöfen mit einer Form durch ganz niedrige Öfen
[615]Werkzeugmaschinen. Öfen.
mit besserer Windverteilung durch mehrere Formen zu ersetzen
strebte. John Wilkinson nahm 1794 ein Patent (Nr. 1993) „für
ein neues Verfahren, Roheisen aus den Erzen zu erzeugen zur
Verarbeitung auf Schmiedeeisen“. Die Patentschrift enthält keine
nähere Erklärung des neuen Verfahrens, dagegen ist ihr eine Tafel
mit Zeichnungen und Erläuterungen beigefügt. Unter nebenstehen-
den Abbildungen (Fig. 169 und 170) ist bemerkt: Schnitte von

Figure 175. Fig. 170.


zwei Öfen, um darin, statt wie es
jetzt geschieht, Erz und Zuschläge
in Öfen von 30 bis 70 Fuſs Höhe
zu schmelzen. Meine Erfindung
oder Verbesserung geht auf die
Errichtung niedriger Öfen, nicht
über 10 Fuſs hoch, von rundem, länglichem oder quadratischem Quer-
schnitt, in welchen jede Art Erz oder Brennmaterial geschmolzen werden
kann, und in welche starker Wind von zwei oder mehreren Stellen,
Formen genannt (called Twires), deren Zahl man nach der Art des
Erzes und Brennmaterials abändern kann, eingeblasen wird. Jedem
Arbeiter wird es möglich sein, seinen Ofen nach der Qualität seiner
Materialien selbst zuzurichten. Die als Proben beigefügten Zeichnungen
stellen 1. einen runden Ofen (Fig. 169) mit drei auf drei Seiten verteilten
Formen dar, welcher am meisten den sogenannten Kupoloöfen zum
[616]Werkzeugmaschinen. Öfen.
Umschmelzen des Roheisens in den Gieſsereiöfen entspricht; 2. einen
länglichen Ofen mit drei Formen auf einer langen Seite (Fig. 170),
welcher an die Öfen des Generals Rachette, welche anfangs der 60 er
Jahre dieses Jahrhunderts Aufsehen erregten, erinnert. Es ist nichts davon
bekannt, daſs sich Wilkinsons niedrige Öfen für das Ausschmelzen
der Erze bewährt hätten, dagegen fand man, daſs man in diesen
Öfen mit Leichtigkeit bei schwachem Winde Roheisen umschmelzen
konnte, was für die Eisengieſserei von gröſster Wichtigkeit wurde.
Zu diesem Zwecke fanden Wilkinsons kleine, mehrförmige Öfen

Figure 176. Fig. 171.


unter der unrichtigen Benennung
Kupolöfen rasche Verbreitung. Sie
wurden zu Anfang dieses Jahr-
hunderts auch auf dem Kontinent
eingeführt und in Frankreich bis
um die Mitte dieses Jahrhunderts
als „Wilkinsonöfen“ bezeichnet.


Diese von Wilkinson vor-
geschlagenen Schmelzöfen hatten
den groſsen Vorteil, daſs kost-
spieliges Rauhmauerwerk durch
eine starke Umkleidung von guſs-
eisernen Platten ersetzt und er-
spart war.


Ähnliche Bestrebungen mach-
ten sich bei dem Hochofenbau
geltend, um durch Verwendung
von Eisen an Mauerwerk zu
sparen. Dies geschah durch
starke Verankerung mit durch
und um das Mauerwerk gelegten
schmiedeeisernen Stangen. Bei dem um 1795 neu erbauten Hochofen
zu Lauchhammer bei Mückenburg ersparte man das äuſsere Rauh-
mauerwerk für den Schacht vollständig durch die in Fig. 171
gezeichnete Einbindung des Rauhschachtes durch ein Gitterwerk von
Eisenstäben.


Die Mehrzahl der Hüttenleute erstrebte aber gegen Ende des
Jahrhunderts eine Erhöhung der Hochöfen und die Ansicht der Eisen-
hüttenmänner jener Zeit findet wohl ihren deutlichsten Ausdruck in
folgender Äuſserung Hermanns: „Je höher der Hochofen ist (doch
würde ich ihn nie über 45 englische Fuſs bauen, das Mittel ist zwischen
[617]Werkzeugmaschinen. Öfen.
35 und 40), desto vorteilhafter ist er auch, vorausgesetzt, daſs alle
übrigen Erfordernisse damit übereinstimmen, desto mehr bringt er in
einerlei Zeit Roheisen aus und desto weniger braucht er Kohlen.“


Die Flammöfen waren zwar längst bekannt und in der Metall-
industrie im Gebrauch, bei der Eisenindustrie hatten sie aber vor
dem 18. Jahrhundert eine nennenswerte Anwendung nicht gefunden.
Sie erlangten hierfür erst eine Bedeutung, als man in England ernst-
lich versuchte, die Holzkohlen durch Steinkohlen zu ersetzen. Nach-
dem man sich überzeugt hatte, daſs bei direkter Berührung von Eisen
mit Steinkohlen gutes Eisen nicht zu erzielen war, versuchte man es
damit, daſs man in einem überwölbten Flammofen das Brennmaterial
getrennt von dem Schmelzmaterial auf einem besonderen Rost ver-
brannte und die Flamme über das Schmelzgut im Herd des Ofens
leitete. Der erste, der dieses in der Metallindustrie bereits ange-
wendete Verfahren auf die Eisenindustrie zu übertragen versuchte,
war Dr. Blewstone gegen Ende des 17. Jahrhunderts, doch scheint
er damit keinen Erfolg gehabt zu haben. Mit wirklichem Nutzen
wurde dieses Verfahren dagegen im 18. Jahrhundert zum Umschmelzen
des Gieſsereiroheisens in England angewendet, was, wie wir gezeigt
haben, für die Entwickelung der Eisengieſserei von groſser Bedeutung
war. Die hierbei angewendeten Flammöfen glichen den in den eng-
lischen Metallhütten angewendeten. Dieser Ofen, den wir bereits
S. 383, Fig. 108 abgebildet haben, war mit einem kuppelförmigen
Gewölbe überspannt und wurde deshalb Kupolofen genannt. Als
„englischen Kupoloofen“ hat ihn auch v. Justi 1766 in einer beson-
deren Schrift beschrieben, in welcher erwähnt wird, daſs solche Öfen
schon seit 50 Jahren zum Kupferschmelzen in England im Betriebe
seien. Daſs dieser Name ohne jede Berechtigung später auf die
niedrigen Schachtöfen in den Gieſsereien übertragen wurde, läſst
sich nur daraus erklären, daſs letztere ebenfalls zum Umschmelzen
des Roheisens dienten und dadurch die eigentlichen Kupolöfen zum
Teil verdrängten. Die Namensübertragung fand aber schon früh in
England selbst statt, denn Svedenstjerna beschreibt in dem Bericht
über seine englische Reise von 1802/3 die Schachtöfen der Eisen-
gieſsereien bereits unter diesem Namen neben den „Reverberier-
öfen
“. Letzteres war die auf dem Kontinent gebräuchliche Bezeich-
nung für die Flammöfen, während die Engländer sie für gewöhnlich
einfach Zugöfen (air furnaces) nannten, weil die Verbrennung ohne
Gebläse durch den Luftzug vor sich ging.


Eine noch gröſsere Bedeutung erlangten die Flammöfen für
[618]Werkzeugmaschinen. Öfen.
die Eisenindustrie durch den Puddelprozeſs. Die Flammöfen, deren
man sich hierbei bediente, stimmten in der Form anfänglich ganz
mit den in den Gieſsereien angewendeten überein. Wie bei diesen
bildete der Herd eine ausgeschweifte Höhlung, wie aus Fig. 172 zu
ersehen ist. Dadurch war das Metallbad ungleich und in der Mitte
ziemlich tief, was für den Puddelprozeſs nicht vorteilhaft war und das
Frischen verzögerte. Erst sehr allmählich kam man zu der flachen

Figure 177. Fig. 172.


Form des Herdes, die
später gebräuchlich
wurde. Die neben-
stehende Zeichnung
stellt einen Puddel-
ofen aus dem An-
fang dieses Jahr-
hunderts dar 1).


Wie aus der
Zeichnung ersicht-
lich, war der
Ofen durchweg aus
Mauerwerk herge-
stellt, selbst der
Rost, auf dem die
Steinkohlen ver-
brannten, war ein
gemauertes Gewölbe
mit viereckigen Öff-
nungen e e. Die
Kohlen wurden von
oben in einen
schachtförmigen
Raum eingefüllt
und verbrannten durch die Luft, welche durch die Aschenlöcher
im Rost und durch die Züge h unmittelbar über dem Rost zuge-
führt wurde. Eine Feuerbrücke war ebensowenig vorhanden wie
eine Fuchsbrücke; die Feuergase entwichen unmittelbar durch den
Schornstein b, welcher 25 bis 30 Fuſs hoch war. An der Rückseite
des Ofens, da wo die Flamme in die Esse schlug, befand sich eine
Öffnung, durch welche man mittels einer Thür c in den Ofen sehen
[619]Werkzeugmaschinen. Öfen.
und den Schmelzprozeſs beobachten konnte. Im Herd befand sich
auch noch, ganz wie bei den Gieſsflammöfen, am tiefsten Punkt ein
Abstich (m). Der Herd war 7 Fuſs lang und an der breitesten Stelle
3 Fuſs breit.


Onions giebt in seiner Patentbeschreibung Flammöfen mit zwei
Rosten an; der Herd lag zwischen beiden erhöht.


Cort wendete zum Schweiſsen seiner Pakete gleichfalls einen
Flammofen an, den er balling furnace nannte und aus dem unser
Schweiſsofen entstanden ist.


Onions beschreibt in seinem Patent die Anwendung von künst-
lichem Wind beim Flammofen, und zwar einmal, indem derselbe unter
den Rost geleitet wird, zum Zweck einer lebhafteren Verbrennung der
Steinkohlen, also als Unterwind, und das anderemal, daſs er durch
das Ofengewölbe auf die geschmolzene Eisenmasse geleitet wird zur
Beschleunigung des Frischprozesses.


Der Gedanke, die Wirkung der Hitze dadurch zu steigern, daſs
man zwei oder mehrere Flammöfen miteinander verbindet, wiederholt
sich in verschiedenen Patenten. Schon John Payne beschreibt in
seinem oft erwähnten Patent von 1728 den Ofen, in welchem er seine
Eisenstäbe ausheizt, ehe er sie auswalzt, als „ein langes heiſses Gewölbe“
(a long hott arch or cavern). „Das heiſse Gewölbe kann eins einer
ganzen Reihe sein, welche durch Füchse miteinander und mit der
Feuerkammer am einen Ende verbunden sind, so daſs die Hitze die
ganze Reihe passieren muſs.“


Diese Anordnung machte Robert Gardner 1788 zum Gegen-
stand eines Patentes; er nannte seinen Ofen den ständig zunehmenden
Flammofen (a new invented progressivly multiplying air furnace). Der
Patentbeschreibung sind Zeichnungen beigefügt. Die Konstruktion
beruht auf mehreren neuen Ideen, welche in der Folge praktische
Bedeutung erlangten. Der Grundgedanke ist der des Vorwärmens.
Als ersten Gesichtspunkt betont der Patentnehmer die bessere Aus-
nutzung der Kohlen und der durch diese erzeugten Hitze. Um dies
zu erreichen, soll die Flamme durch mehrere Abteilungen streichen,
von denen jede ihre besonderen Thüren zum Eintragen der Metalle
hat. In der ersten Abteilung kann man Eisen zur Schweiſshitze
erhitzen, nachdem es in der zweiten Abteilung bis zur Rotglut vor-
gewärmt war. Will man die Hitze einer Abteilung steigern, so kann
man dies thun, indem man mehrere Feuerungen zusammenführt.
Wenn dies in der Weise, wie es in der Zeichnung angegeben ist,
geschah, so konnte damit freilich kein groſser Effekt erreicht werden.
[620]Werkzeugmaschinen. Öfen.
Durch Anbringung verschiedener Essen und Zugklappen sollte die
Hitze in den einzelnen Öfen reguliert werden.


Das zweite wichtige Princip, welches der Erfinder bei seinem
Ofen anwendete, war, daſs der Sandherd des Bodens auf einem hohlen
eisernen Boden ruhte. Die eisernen Bodenplatten werden durch
darunter herstreichende Luft vor dem Durchschmelzen geschützt und
der Sandherd kann nach Bedarf erneuert werden.


Figure 178. Fig. 173.

Drittens sollen die abziehen-
den Gase zur Dampferzeugung
benutzt werden.


William Tailor nahm
1793 ein Patent auf einen
Flammofen, der sowohl zum
Frischen als auch zum
Schweiſsen dienen sollte. Der-
selbe hatte an jedem Ende
eine Feuerung und ebenso
zwei Schornsteine an der Rück-
seite und in der Mitte des Ofens. Der Ofen war aus Eisen und
Ziegeln gebaut. Der Arbeitsraum bestand aus einem eisernen Boden
mit einer Bedeckung von Sand oder sonstigem feuerfesten Material

Figure 179. Fig. 174.


und wurde durch darunter
durchstreichende Luft gekühlt,
wie bei Gardner.


Eine eigentümliche Ver-
wendung von Flammöfen fand
bei dem englischen Tiegel-
frischen statt, indem hierbei
der metallurgische Prozeſs
nicht unmittelbar in dem
Flammofen, sondern in Tiegeln
oder Töpfen, welche, ähnlich wie bei den Glasöfen, in einen Flamm-
ofen eingesetzt und darin erhitzt wurden, ausgeführt wurde.


Eine andere Art Flammöfen, welche ebenfalls sehr früh in der
Eisenindustrie Anwendung fanden und auf dem Kontinent viel früher
bekannt waren als die Guſsflammöfen und die Puddelöfen, waren die
Wärm- oder Glühöfen (Fig. 173 u. 174), welche am frühesten bei
den Blechhämmern benutzt wurden und die dann bei den Walz- und
Schneidewerken in Anwendung kamen, und auch sonst zur Eisen-
veredlung dienten. Sie ähnelten den Brotbacköfen. In denselben
[621]Werkzeugmaschinen. Öfen.
erhitzte man die Bleche, Stäbe u. s. w. zur Rotglut, um sie weiter
zu verarbeiten. Ein solcher Ofen findet sich schon bei Swedenborg
auf der Abbildung eines Eisenschneidewerks Bd. II, S. 953 dargestellt.
Polhem und Rinman verbesserten diese Öfen. Polhem führte sie
auf seiner Metallfabrik zu Stjernsund ein und Rinman gab in den
Abhandlungen der Schwedischen Akademie von 1764 eine Beschrei-
bung solcher Blechglühöfen. In Deutschland kamen diese Blech-
glühöfen erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts in Aufnahme. Fig. 175
stellt einen Blechglühofen aus der angegebenen Zeit vom Harz dar,
der nach Tiemann eigentlich ein „englischer Reverberierofen“ ist.

Figure 180. Fig. 175.


G ist die Hauptesse, E ist ein
kleiner Schornstein über der
Einsatzthür zum Wegführen des
Rauches. Auf dem Boden des
gewölbten Glühherdes F liegen
starke eiserne Rostbalken k k,
auf welche die Bleche aufgelegt
werden 1). Die Feuerung geschah
mit Holz. — Die Glühöfen zum
Ausglühen der Stäbe waren von
ähnlicher Konstruktion, nur län-
ger und schmäler.


In Sibirien bediente man
sich ähnlicher Öfen zum Glühen
des harten Eisens, um es dadurch
weicher zu machen 2).


Einen eigenartigen Draht-
glühofen von Mägdesprung hat
Stünkel beschrieben 3). Es war
ein runder, innen und auſsen von gebrannten Thonziegeln her-
gestellter Ofen. Die innere Weite betrug 4 Fuſs und die Höhe
vom Roste an gerechnet 9 Fuſs; oben war er rund zugewölbt, nur
eine 6 Zoll weite Öffnung, die als Schornstein diente, befand sich
in der Decke. Der Rost war 12 Zoll über der mit Steinen gepflasterten
Sohle des Ofens angebracht; unter demselben war der Aschenfall.
1½ Fuſs über dem Roste gingen vier vierkantige eiserne Stäbe von
[622]Werkzeugmaschinen. Öfen.
1½ Zoll Stärke parallel und horizontal durch den Ofen und waren
am Ende vermauert. Auf diese Stäbe wurden die Drahtringe gepackt
auf einen gegossenen Ring als Unterlage. Über den Stäben war eine
Thür zum Ein- und Austragen des Drahtes, an der gegenüberstehenden
Seite war die Feuerthür. Die Feuerung geschah mit Buchenholz.
Auch ringsum und über die Drahtringe wurden Holzstücke gelegt,
um den Draht von allen Seiten zu erhitzen.


Figure 181. Fig. 176.

Der Drahtglühofen zu Kleinboden
in Tirol (1774) ruhte auf einem
Gewölbe, hatte inwendig eine Weite
von 4 Fuſs, eine Tiefe von 5 Fuſs und
eine Höhe von 3 Fuſs; auf dem Boden
befanden sich sechs Aschen- oder
Zuglöcher. 12 Zoll über diesem Boden
befand sich eine Art eisernen Rostes,
worauf die zu glühende Masse zu
liegen kam. Zu oberst im Ofen war
in jeder Ecke ein Zugloch, das als
Register für das Feuer diente. Die
Feuerung geschah mit Holz. Auf den
Glührost wurden die Drahtringe so
aufgelegt, daſs die gröbsten Sorten
zu unterst lagen. Zwischen jeden
Ring legte man ein Stück Holz.


Zur Erreichung höherer Hitzegrade,
Weiſsglut, Schweiſshitze, bediente
man sich in England eigentümlicher
Öfen, welche ein Zwischenglied zwi-
schen den Herdöfen und den Gefäſs-
öfen bilden. Es sind dies die hollow-
fires
, Hohlfeuer, welche lange Zeit
eine wichtige Rolle spielten. Sie traten an die Stelle der Ausheizfeuer
(chaferies) und wurden zuerst zum Ausschweiſsen der bei der südwales-
schen Frischmethode erhaltenen Schirbel angewendet. Sie wurden mit
Koks gefeuert. Ihrer Konstruktion nach waren es mit Gewölbe über-
baute Frischfeuer, wie solche ebenfalls Polhem zuerst angewendet
hatte. Fig. 176 ist die Abbildung eines Hohlfeuers, wie es früher in
Südwales betrieben wurde 1).


[623]Werkzeugmaschinen. Öfen.

Dasſelbe besteht aus zwei Teilen, dem Schweiſsraum a und dem
Vorwärmraum b. Der ganze Ofen war 6 Fuſs 5 Zoll lang und 5 Fuſs
7 Zoll breit. Der Schweiſsherd, welcher 16 Zoll tiefer als der Vor-
wärmraum lag, war 2 Fuſs lang, 20 Zoll breit und bis zum Scheitel
des Gewölbes 2 Fuſs 3 Zoll hoch. Der Glühraum b war 9 Zoll breit
und 20 Zoll lang. Die Sohle des Schweiſsherdes bestand aus ein-
gestampftem Quarzsand mit einer Vertiefung in der Mitte. Der Ofen
wurde bis zur Höhe der Thüröffnungen mit Koks gefüllt, und wenn
diese gut in Brand waren, die zu schweiſsenden vorgewärmten kuchen-
artigen Scheiben auf dem breit geschmiedeten Ende eines Schmiede-
eisenstabes durch die Thüröffnung in den Herd geschoben.


Dieselbe Art von Öfen wurde in England öfter zum Schweiſsen
von alten Schmiedeeisenabfällen, welche in Paketen (fagots) zusammen-
gebunden wurden, verwendet, weshalb man diese Öfen auch fagotted
iron furnaces nannte 1).


In Sheffield verwendete man die hollow-fires zum Ausrecken des
Stahls. Diese Öfen waren kleiner und hatten keinen Vorwärmherd.
Da die hollow-fires keiner Esse bedurften und wenig Raum erforderten,
konnte man sie leicht überall aufstellen, wo man einen Blasebalg
anbringen konnte. Sie hatten den Vorteil geringeren Brennmaterial-
verbrauchs und geringeren Abbrandes, dagegen kamen oft Reparaturen,
namentlich an den Gewölben, vor.


Des hollow-fire wird zum erstenmal in einem Patent von John
Roebuck
, dem Gründer der Carronwerke von 1762 (Nr. 780) gedacht.
Er will schmiedbares Eisen mit Steinkohlen in einem Herd frischen.
Dieses Frischeisen soll dann in einem Hohlfeuer ausgeheizt werden.
(The metal is afterwards exposed „to the action of a hollow pit-coal
fire“ worked with a blast, until it is „reduced to a loop“, which is
hammered into bar iron.) Henry Cort erwähnt in seinem Patent
von 1783 das Hohlfeuer als allgemein im Gebrauch zum Ausheizen
von Eisen, indem er sein neues Verfahren dazu in Gegensatz stellt
(„this in a practice not hitherto used in a chafery or hollow fire or
other fire blown by blast, in welding large faggots of iron“).


Von Gefäſsöfen gelangten besonders die Stahl-, Cementier- oder
Brennöfen im vorigen Jahrhundert zur Entwickelung.


Sturzöfen, d. h. tiegelförmige Öfen, welche in Zapfen schwebend
aufgehängt waren und umgekippt werden konnten, hat Reaumur
zuerst beschrieben (S. 170). Gegen Ende des Jahrhunderts kamen
[624]Werkzeugmaschinen. Öfen.
diese Öfen in vergröſsertem Maſsstabe in Ruſsland bei dem Gieſserei-
betriebe in Anwendung. Sie erregten groſses Interesse und wurden
auch in Schweden eingeführt. Näheres über diese Sturzöfen folgt
später.


Im Anschluſs an diese Übersicht der Entwickelung der Öfen
fügen wir noch einige Nachrichten über die Benutzung der über-

Figure 182. Fig. 177.


flüssigen Wärme hinzu. John
Barber
macht in seinem
Patent von 1773 den Vor-
schlag, einen Dampfkessel
über die Gicht eines Schacht-
ofens zu stellen. Ebenso
schlägt Robert Gardiner
in seinem Patent über ver-
bundene Flammöfen vor,
die verlorene Wärme der
Öfen (waste heat of fur-
naces) zur Dampferzeugung
zu benutzen. Über die Be-
nutzung der überflüssigen
Hitze der Koksöfen nahm
Henry Seymour Conway
sogar ein besonderes Patent
(Nr. 1689). Er will damit
Erze und Metalle rösten
und schmelzen, Messing und
Stahl schmelzen u. s. w.,
indem er die rauchfreie
Flamme direkt in ent-
sprechende Öfen leitet.


John Watt nahm 1785
ein Patent für eine rauch-
verzehrende Feuerung, welche er besonders bei Schmelzöfen, nament-
lich den Gieſserei-Flammöfen, angewendet haben wollte (Patent Nr. 1485
mit Zeichnung).


Einen sehr eigentümlichen „Holz ersparenden Hochofen“ (Fig. 177
und 178) schlug Graf Joachim von Stenberg 1795 vor. Es war
eine Kombination von Schacht- und Flammofen. Die Reduktion der
Erze sollte in einem Schacht, ähnlich dem Schacht eines gewöhn-
lichen Hochofens, erfolgen. Mit dem unteren Ende dieses Schacht-
[625]Werkzeugmaschinen. Öfen.
ofens waren zwei Flammöfen verbunden, welche die Schmelzung und
Reinigung des Eisens bewirken sollten. Die Reduktion im Schacht-
ofen sollte mit Holzkohlen, die Schmelzung in den Flammöfen mit
Steinkohlen erfolgen. Das Aufgeben der Erze und Kohlen im Schacht
geschah genau wie bei dem Hochofen. Der Ofenschacht sollte zugleich
als Esse für die Flammöfen dienen. Die zerkleinerten, mit Holzkohle
geschichteten Erze sanken in dem gut vorgewärmten Hochofenschacht,
wo sie gleichzeitig mit den glühenden Feuergasen der Flammöfen in
Berührung kamen, langsam nieder und gelangten als eine gut geröstete
und teilweise schon reduzierte halbflüssige Masse durch zwei weite
Öffnungen, welche gleichzeitig den Flammöfen als Füchse dienten,

Figure 183. Fig. 178.


auf die Schmelzherde, wo sie durch das heftige Feuer der Stein-
kohlen, welche auf den geräumigen Rosten verbrannten, in dünnen
Fluſs gebracht wurden. Eisen und Schlacken wurden von Zeit zu
Zeit abgestochen. Künstlicher Wind war nicht vorgesehen. Der Holz-
kohlensatz im Schachtofen sollte ein möglichst kleiner sein und der
ganze Schmelzprozeſs einen sehr geringen Aufwand an Brennstoff
erfordern. Versuche, welche Graf Sternberg im kleinen vornahm,
sollen dies, sowie überhaupt die Ausführbarkeit des Projektes, erwiesen
haben. Es ist aber niemals in der Praxis zur Anwendung gekommen
und ist es überflüssig, die Gründe, die gegen dasſelbe sprechen, aus-
einander zu setzen.


Graf Sternberg hat in seiner Schrift 1) auch einen Normalhoch-
ofen, aus welchem sich durch Berechnung die richtigen Dimensionen
und das entsprechende Windquantum für jeden einzelnen Fall ableiten
lassen sollen, angegeben. Als ein Versuch ist dies immerhin
erwähnenswert.


Beck, Geschichte des Eisens. 40
[626]Lavoisier und die antiphlogistische Chemie.
Lavoisier und die antiphlogistische Chemie.

Vandermonde, Berthollet und Monge.


Ein weittragender Umschwung in den Grundanschauungen über
die chemischen Vorgänge vollzog sich im letzten Viertel des 18. Jahr-
hunderts. Die Lehre vom Phlogiston beherrschte noch die Chemie
und kaum einen praktischen Zweig derselben in dem Maſse, wie die
Metallurgie, während doch keiner so augenscheinlich auf das Wider-
sinnige der Grundannahme, daſs die Verkalkung das Austreten einer
Substanz, also eine Trennung, die Reduktion aber das Eintreten eines
Stoffes, des Phlogiston, also eine Verbindung sei, hinführen muſste.
Man sollte glauben, jeder metallurgische Vorgang hätte die Unrichtig-
keit der Annahme erweisen müssen, sobald man nur einmal die Wage
zur Hand nahm, sobald man die Frage stellte, findet eine Gewichtszu-
oder -abnahme statt? Die Treibarbeit war doch beispielsweise ein
so einfacher und so bekannter Prozeſs. Wie deutlich lag es vor Augen,
daſs bei der Umwandlung des metallischen Bleies in Glätte eine
Gewichtsvermehrung statt hat, daſs also doch etwas hinzutreten und
nichts austreten muſste. Aber solche Gewalt hatte die Theorie über
die Geister, daſs man das Mittel, welches allein hierüber Aufschluſs
geben konnte, die Wage, geflissentlich anzuwenden vermied, und die
Gewichtszunahme, wenn man sie anerkennen muſste, als etwas Zufälliges
hinzustellen versuchte.


Als man dann die sich immer mehr häufenden Thatsachen, daſs
bei der Verbrennung stets eine Gewichtszunahme, bei der Reduktion
eine Gewichtsabnahme statt hatte, nicht länger übersehen konnte
und sie anerkennen muſste, suchte man durch geschraubte Erklärungen
von dem Wesen und der Natur des Brennbaren die Theorie zu retten,
bis endlich der morsche Bau unter dem Druck des Belastungs-
materials zusammenbrach.


Die unhaltbare Phlogistontheorie gestürzt zu haben, ist das
unbestreitbare Verdienst des französischen Chemikers Lavoisier,
dessen Waffe die Wage war, und der aus seinen grundlegenden
Beobachtungen und Entdeckungen auch gleich die richtigen weit-
gehenden Schluſsfolgerungen zu ziehen vermochte.


Die entscheidende Entdeckung des Sauerstoffs, die richtige Erklärung
der Verbrennungsprozesse, der Sturz der Lehre vom Phlogiston bilden
den wichtigsten Abschnitt in der Geschichte der Chemie und gehören
[627]Lavoisier und die antiphlogistische Chemie.
zu denjenigen Errungenschaften, die, wie die Erfindung der Dampf-
maschine auf mechanischem Gebiet, weltbewegend gewirkt haben.
Auch auf die Chemie des Eisens und die Eisenindustrie ist dieses
Ereignis von der allergröſsten Tragweite geworden und ist es deshalb
unsere Pflicht, die Entstehungsgeschichte der Entdeckung Lavoisiers
kurz zu schildern.


Wie jede Erfindung, ist sie nicht unvermittelt auf die Welt
gekommen, auch nicht nur in dem Kopfe eines Menschen entstanden.
Einer der ersten, der das Fundament der Phlogistonlehre, ohne es zu
ahnen, untergrub, war der englische Chemiker Black. Joseph Black,
1728 zu Bordeaux von englischen Eltern geboren, später Professor
der Chemie in Glasgow und danach in Edinburg, starb im Jahre
1799. Ausgezeichnet als Mensch und Gelehrter, hat er in verschiedener
Weise an der Kulturentwickelung des vorigen Jahrhunderts mit-
gearbeitet, nicht nur durch seine Arbeiten, sondern auch durch die
Anregung, die er anderen gab und unter diesen besonders dem groſsen
James Watt, dessen Lehrer, Berater und treuer Freund er gewesen
ist, so lange er lebte. Der Ausgangspunkt dieses Freundschafts-
verhältnisses bildeten Blacks Vorlesungen über die von ihm entdeckte
Lehre von der latenten Wärme. Eine andere Arbeit „über die Kausti-
cität des Kalkes“ war es, mit der er der Lehre vom Phlogiston einen
Stoſs in das Herz versetzte. Nach der herrschenden Ansicht beruhte
die Kausticität des Kalkes auf der Aufnahme von Feuermaterie beim
Brennen. Diese Feuermaterie konnte der gebrannte Kalk an andere
Alkalien abgeben, welche dadurch selbst ätzend wurden, während der
Kalk seine ätzende Kraft verlor. Diese einfache, einleuchtende Theorie
gehörte zu den Fundamentalsätzen der phlogistischen Schule. Black
wies aber nach 1), daſs sie falsch sei und von der Verbindung mit
einer Feuermaterie nicht die Rede sein kann 2). Er wies nach,
daſs die milden Alkalien nicht einfache Substanzen, sondern Verbin-
dungen seien und daſs die Kausticität ihnen nicht mitgeteilt würde
durch Verbindung mit einer Substanz, der Feuermaterie, sondern
durch Entziehung einer Substanz, der Kohlensäure, welche er als
„fixe Luft“ bezeichnete. Er wies ferner nach, daſs nichtätzender
Kalk an Gewicht verliert, wenn er zu ätzendem wird und schloſs
daraus, daſs der erstere den letzteren als Bestandteil in sich enthalte.
Er zeigte, daſs die Alkalien in dem nicht ätzenden Zustande mit
40*
[628]Lavoisier und die antiphlogistische Chemie.
Säuren aufbrausen und eine Luftart von sich geben, welche ganz
dieselbe ist, wie die aus nichtätzendem Kalk durch Glühen aus-
getriebene; diese fixe Luft muſs deshalb den zweiten Bestandteil der
milden Alkalien bilden. Er stellte fest, daſs die alkalischen Körper in
einfacherem Zustande ätzend sind und erst durch Verbindung mit fixer
Luft diese Eigenschaft verlieren und daſs die Ätzendmachung der
Alkalien durch Kalk darauf beruht, daſs die fixe Luft von den ersteren
an den letzteren tritt.


Diese Entdeckung Blacks muſste zur Erschütterung der Lehre
vom Phlogiston beitragen, nicht nur durch die nachgewiesene That-
sache, sondern auch besonders durch die Methode, indem Black
Gewichtsermittelungen als maſsgebend ansah, und bei der Erklärung
qualitativer Erscheinungen die quantitativen Verhältnisse als ent-
scheidend gelten lieſs. Er stellte damit zugleich fest, daſs ein schwererer
Körper nicht ein Bestandteil eines leichteren sein kann, ein Satz, der
in seinen Konsequenzen die Phlogistontheorie zu Fall bringen muſste.
Durch Blacks Untersuchung der fixen Luft wurde das Studium der
gasförmigen Körper, der Luftarten, angeregt und damit der richtige
Weg eingeschlagen, der zur Erkenntnis des Wesens der Verbrennung
führen muſste. Ein Landsmann Blacks, Henry Cavendish (geb.
1731, gest. 1810), war es, der sich eingehend mit dem Studium der
Luftarten beschäftigte. Bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts hatte
noch allgemein die naive Anschauung geherrscht, daſs alle Luft von
einerlei Art sei und daſs ihre scheinbare Verschiedenheit nur auf
Beimengungen irgend eines Stoffes beruhe. Cavendish wies 1762
zuerst nach, daſs es Luftarten giebt, welche von der gewöhnlichen
Luft wesentlich verschieden sind und wies dies nach an der fixen
Luft (Kohlensäure) und der brennbaren Luft (dem Wasserstoffgas).
Er untersuchte und beschrieb diese Gasarten genau und richtig,
ermittelte ihre specifischen Gewichte, wenn auch mangelhaft, wies
nach, daſs sich die Kohlensäure mit verschiedenen Alkalien in ver-
schiedenem Mengenverhältnis verbindet und bestimmte die quantitative
Zusammensetzung verschiedener kohlensaurer Salze; er fand, daſs
Wasserstoff brenne, aber die Verbrennung und die Atmung ebenso-
wenig unterhalte, wie die Kohlensäure. Trotz alledem blieb Cavendish
noch fest auf dem Boden der Stahlschen Lehre stehen und nahm
sogar an, in dem Wasserstoffgas das Phlogiston selbst entdeckt zu
haben, denn es wurde ja aus den Metallen, welche nach dieser Lehre
Verbindungen von Metallkalken mit Phlogiston waren, durch ver-
dünnte Schwefelsäure abgeschieden. Diese Lehre von der Identität
[629]Lavoisier und die antiphlogistische Chemie.
des Phlogiston mit dem Wasserstoff fand damals willige Annahme.
Um diese Zeit hatte sich Pristley, Geistlicher durch Beruf, Chemiker
durch Genie, mit Eifer auf das Studium der Gase geworfen.


Joseph Pristley war 1733 als Sohn eines Kaufmanns in dem
Dorfe Fieldhead bei Leeds in Yorkshire geboren. Er sollte dem
Beruf des Vaters folgen, aber eine Leidenschaft zum Studium ver-
anlaſste ihn, im 19. Jahre sich der Theologie zu widmen. Er studierte
drei Jahre auf der Akademie zu Daventry und sog da den seiner
zarten, liebenswürdigen Natur widersprechenden Geist der Unduldsam-
keit und starren Eigensinns in geistlichen Dingen ein, der ihm in
seinem späteren Leben so viele Kümmernisse bereitete. Er war
Dissenter im strengsten Sinne des Wortes. Früh erwachte seine Liebe
zu den Naturwissenschaften. Zuerst waren es die Erscheinungen der
Elektricität, denen er seine ganze freie Zeit widmete. Als Frucht
seiner Studien erschien 1767 seine Geschichte der Elektricitätslehre,
ein damals auch in Frankreich und Deutschland hochgeschätztes
Werk, welches ihm in England die Mitgliedschaft der königlichen
Gesellschaft und in Schottland das Diplom eines Doktors der Rechte
der Universität Edinburg einbrachte; ferner erhielt er eine Prediger-
stelle in Leeds. Diese gab er auf, als ihn 1773 ein reicher Adliger,
Graf Shelburne, später Marquis von Lansdowne, anstellte, haupt-
sächlich als Reisebegleiter. Dieses Verhältnis dauerte bis 1780 und
in diese Zeit fallen seine berühmtesten Entdeckungen auf chemischem
Gebiet. Obgleich er von Lord Shelburne, mit dem er sich auch
durch seine beständigen theologischen Streitigkeiten entfremdet hatte,
noch unterstützt wurde, kam er doch in so bedrängte Verhältnisse,
daſs seine Freunde, die Mitglieder der oben erwähnten Vollmond-
Gesellschaft, zu der namentlich Boulton und Watt gehörten, eine
Subskription für ihn eröffneten, aus deren Erträgnis sie ihm ein
Haus bauten und ihm eine Rente zuwendeten. Später erhielt er auch,
besonders durch Boultons Bemühungen, die Stelle eines Predigers
der dissentierenden Gemeinde in Birmingham. Aber auch hier ver-
wickelte er sich wieder in zahlreiche theologische und politische
Streitigkeiten. Er schwärmte für die französische Revolution und
trug dies oft in sehr unpassender Weise zur Schau. Der Haſs des
aufgehetzten Pöbels von Birmingham kam 1791 am Jahrestage der
Zerstörung der Bastille, welchen er in seinem Hause festlich begehen
wollte, zum Ausbruch. Sein Haus wurde überfallen, geplündert und
niedergebrannt, ebenso seine Kirche in Birmingham und die Wohnungen
einiger seiner Freunde. Pristley rettete mit knapper Not das nackte
[630]Lavoisier und die antiphlogistische Chemie.
Leben Die Franzosen lohnten ihm sein Martyrium für ihre heilige
Sache, indem sie ihn zum lebenslänglichen Mitgliede des Konvents
erwählten, aber in England fand er keine bleibende Stätte mehr, so
daſs er 1794 nach Amerika auswanderte, wo er sich an den Quellen
des Susquehannah in Northumberland niederlieſs, bis zu seinem
Tode 1804 mit der Abfassung chemischer und mehr noch theologischer
Schriften unablässig beschäftigt.


Seine groſsen Verdienste für die Chemie beruhen auf der Ent-
deckung der meisten wichtigen Gasarten. Waren seine Untersuchungen
nicht so gründlich wie die von Black und Cavendish, so waren
sie um so vielseitiger. Er hat die Lehre von den Gasen mehr
bereichert als irgend ein anderer Naturforscher, und seine Methode,
gasartige Substanzen zu untersuchen, bildet noch heute die Grund-
lage solcher Untersuchungen. Er wendete zuerst Quecksilber statt
Wasser als Sperrflüssigkeit an, wodurch er im stande war, alle Gas-
arten, welche vom Wasser absorbiert oder zersetzt werden, zu unter-
suchen. Wir können hier nur einzelnes von seinen Arbeiten erwähnen.


Die bedeutendste Entdeckung Pristleys war die des Sauerstoff-
gases
, welches er zuerst 1774 aus dem roten Quecksilberoxyd durch
Erhitzen abschied. Diese Entdeckung bildete die hauptsächliche
Grundlage für das Lehrgebäude der modernen Chemie. Er erkannte
in dem neuen Gas eine Luftart, welche das Verbrennen und das
Atmen länger und lebhafter zu unterhalten vermag als eine gleiche
Menge gewöhnlicher Luft; die wichtigen Schluſsfolgerungen aus dieser
Entdeckung zog aber Pristley selbst nicht, diese zog ein anderer,
der Franzose Lavoisier, welcher dadurch der Begründer der modernen
Chemie geworden ist.


Antoine Laurent Lavoisier, 1743 zu Paris als Sohn reicher
Eltern geboren, erhielt eine vortreffliche Erziehung. Sein Vater regte
die Liebe zu den Naturwissenschaften in ihm an; Mathematik und
Chemie bildeten sein Hauptstudium. In seinem 21. Jahre erwarb
er bereits einen groſsen Preis, welchen die Regierung für die Lösung
der Frage wegen der besten Straſsenbeleuchtung einer groſsen Stadt
ausgesetzt hatte. Dies hatte die weitere Folge, daſs er schon 1768,
erst 25 Jahre alt, zum Mitgliede der Akademie zu Paris ernannt
wurde. Seit dieser Zeit widmete er sich ganz dem Studium der
Chemie. Um sich die Mittel für die groſsen Untersuchungen, die
ihm vorschwebten, zu sichern, bewarb er sich um die einträgliche
Stelle eines Generalpächters, welche er auch erhielt. Durch diese
Stellung in das öffentliche Leben eingeführt, wurde ihm oft Gelegen-
[631]Lavoisier und die antiphlogistische Chemie.
heit geboten, seine Kenntnisse für den Staat und das öffentliche Wohl
zu verwerten. So wurde er 1776 an die Spitze der Verwaltung der
Salpeter- und Pulverfabrikation gestellt, welche er bis zu seinem Tode
vortrefflich und mit anerkanntem Erfolge leitete. Von der Republik
wurde er zu den meisten wissenschaftlichen Kommissionen zugezogen,
so wurde er beispielsweise 1790 Mitglied der Kommission für die
Regulierung des Maſs- und Gewichtssystems. 1791 lieſs die kon-
stituierende Versammlung einen von ihm abgefaſsten Bericht über die
Steuererhebung unter dem Titel: „Traité sur la richesse territoriale
de la France“ drucken. Aber weder seine wissenschaftlichen Ent-
deckungen, noch seine Verdienste für das Vaterland konnten ihn vor
der Guillotine retten, auf welche ihn der Neid und das Miſs-
trauen Robespierres brachten. Unter nichtigem Vorwand wurde
ihm der Prozeſs gemacht, und als einer seiner Freunde den Mut
hatte, seine Verdienste um die Wissenschaft vor dem Schreckens-
tribunal aufzuzählen, antwortete der Gerichtspräsident mit der
unsterblichen Roheit: Nous n’avons plus besoin des savants! So
endete Lavoisier im 51. Jahre seines ruhmvollen Lebens auf dem
Schaffot.


Von den Arbeiten Lavoisiers können wir hier nur insofern
sprechen, als sie mit der groſsen Reform der Chemie in Beziehung
stehen; sie zeichnen sich alle durch Originalität und Gründlichkeit
aus, was sie aber hoch erhebt über die einzelnen Groſsthaten
anderer Chemiker, das ist der einheitliche Gedanke, der sie erfüllt,
der geniale Plan, dem sie alle dienen, nämlich der, der Chemie eine
neue, feste Grundlage zu geben durch eine neue, richtige Lehre von
der Verbrennung und Verkalkung und von der Rolle, welche der
Sauerstoff dabei spielt. Als Mittel zur Ausführung diente ihm die
Wage, indem ihm die Gewichtsbestimmungen das Beweismaterial
lieferten. In der Ermittelung der Gewichte ging er mit der Sorgfalt
und Genauigkeit zu Werke, wie sie die neue Chemie, die Kopp mit
Recht das Zeitalter der quantitativen Untersuchungen genannt hat,
erforderte.


Den groſsen Feldzug gegen das Phlogiston begann Lavoisier
1772 mit einer Note, die er bei der Akademie deponierte und welche
in der ersten Hälfte des folgenden Jahres eröffnet und gelesen wurde.
Er erklärte darin, daſs bei der Verkalkung von Metallen ebenso wie
bei der Verbrennung von Phosphor und Schwefel eine Gewichts-
zunahme
stattfindet, daſs diese von der Absorption einer groſsen
Menge Luft herrührt und daſs bei der Reduktion von Metallkalken
[632]Lavoisier und die antiphlogistische Chemie.
sich wieder Luft in groſser Menge entwickelt 1). Die Frage, ob ein
besonderer Teil der Luft bei der Verkalkung absorbiert werde, hatte
Lavoisier noch nicht untersucht. Da teilte ihm Pristley, bei einem
Aufenthalt in Paris 1774, seine Entdeckung des Sauerstoffgases mit
und dadurch erlangte erst diese Entdeckung in Lavoisiers Kopf
ihre weltgeschichtliche Bedeutung. 1775 erschien die wichtige Schrift
Lavoisiers, in der er nachwies, daſs es der Sauerstoffsei, welcher
die Verbrennung bewirke
und daſs der Sauerstoff die notwendige
Bedingung jedes Verbrennungsprozesses sei. In demselben Aufsatz
wies er nach, daſs die fixe Luft (Kohlensäure) eine Verbindung von
Kohle mit Sauerstoff sei, da bei dem Erhitzen von Kohlen mit Metall-
kalk regulinisches Metall zurückbleibe und fixe Luft entweiche. Ebenso
wies er bereits darauf hin, daſs im Salpeter viel Sauerstoff enthalten
sein müsse, woraus sich die lebhaften Verbrennungserscheinungen
derselben mit Kohlen und anderen Körpern erklärten. Um seine
Erklärung der fixen Luft noch klarer zu beweisen, stellte er Ver-
brennungsversuche mit Diamanten im Inneren eines mit Luft oder
Sauerstoffgas gefüllten Glasgefäſses mit Hülfe groſser Brenngläser an. Er
zeigte, daſs bei der Verbrennung nichts anderes als fixe Luft gebildet
wird, gerade so, wie wenn man in gleicher Weise Holzkohle verbrennt.


Wichtiger noch war seine Arbeit über die Verbrennung des
Phosphors, welche er 1777 publizierte, denn er konnte dabei zugleich
nachweisen, daſs bei der Verbrennung in einem abgemessenen Volumen
Luft nur ein Fünftel absorbiert wurde, während vier Fünftel einer
Luftart zurückblieb, welche weder die Verbrennung noch die Atmung
unterhalten konnte. Er suchte daraus zu beweisen, daſs die atmo-
sphärische Luft ein Gemisch aus zwei verschiedenen Gasarten sei.
In demselben Jahre 1777 bewies er die Zusammensetzung der Schwefel-
säure. Daſs bei der Verbrennung von Schwefel schweflige Säure ent-
stehe, war längst bekannt, daſs dies durch Verbindung von Schwefel mit
einer gewissen Menge Sauerstoff geschehe, war für Lavoisier leicht
nachzuweisen. Erhitzt man Quecksilber mit koncentrierter Schwefel-
säure, so entwickelt sich ebenfalls schweflige Säure, indem die Schwefel-
säure einen Teil ihres Sauerstoffs an das Quecksilber abtritt. Dieser
vom Quecksilber aufgenommene Sauerstoff entweicht aber wieder bei
stärkerem Erhitzen. Auf diese Weise konnte Lavoisier Schwefel-
säure direkt in schweflige Säure und Sauerstoff zerlegen und den
Beweis liefern, daſs die Schwefelsäure nur eine höhere Oxydations-
[633]Lavoisier und die antiphlogistische Chemie.
stufe des Schwefels sei. — Aus diesen Thatsachen konnte Lavoisier
auch erklären, wie der Zerfall des Schwefelkieses und des Schwefel-
eisens in Eisenvitriol vor sich geht.


An der Entdeckung der Oxydationsstufen des Stickstoffs haben
Lavoisier, Cavendish und Pristley zugleich Anteil. Lavoisier
wies in derselben Weise, wie bei der Schwefelsäure, nach, daſs die
Salpetersäure aus Sauerstoff und einem anderen Gase, dem Salpeter-
gas, bestände. Was das Salpetergas sei, wies Cavendish nach, indem
er aus einem Gemenge von Sauerstoff und Stickstoff durch fort-
gesetztes Durchschlagen elektrischer Funken Salpetersäure erzeugt
hatte. Pristley wies die untersalpetrige Säure als eine besondere
Oxydationsstufe des Salpetergases nach.


So erklärte dann Lavoisier 1778 das als Lebensluft oder reine Luft
bezeichnete Gas für den Säurebilder und legte ihm dem entsprechend
1781 den Namen Oxygen (Sauerstoff) bei.


Lavoisier wandte sich nun wieder den Metallkalken oder
Oxyden zu. Er stützte sich auf Bergmans Arbeit, welcher durch
die Ausfällung eines Metalls aus einer Lösung durch ein anderes
Metall die Menge des Phlogistons zu bestimmen gesucht hatte.
Lavoisier erkannte klar, daſs man so zwar nicht das Phlogiston,
aber wohl den Sauerstoff der Metallkalke bestimmen könne. Seine
Resultate waren aber wegen der Ungenauigkeit der Versuche ebenso
mangelhaft, wie die Bergmans. Die Sauerstoffverbindung des Eisens
suchte er direkt durch Verbrennen darzustellen; da er aber nicht
beachtete, daſs das Eisen verschiedene Sauerstoffverbindungen bildet,
so waren auch diese Resultate nicht genau.


Auf grund seiner Versuche stellte Lavoisier 1782 eine Verwandt-
schaftstafel der Metalle zum Sauerstoff auf, die aber ebenso unzuläng-
lich war wie Bergmans Verwandtschaftstafel des Phlogiston.


Um diese Zeit machte Cavendish seine wichtigen Untersuchungen
über die Verbrennungsprodukte der Gase, welche ihn zu der höchst
wichtigen Entdeckung der Zusammensetzung des Wassers führten.
1783 erhielt Lavoisier von Cavendishs Entdeckung, daſs sich bei
der Verbrennung des Wasserstoffs Wasser bilde, Kenntnis. Sogleich
wurde es ihm klar, daſs Wasser eine Verbindung von Wasserstoff
und Sauerstoff sein müsse. Er machte Cavendishs Verbrennungs-
versuche nach und bestimmte die Zusammensetzung aus der Menge
der verbrauchten Gase. Er zerlegte das Wasser, indem er Dämpfe
über glühendes Eisen leitete, mit welchen sich der Sauerstoff verband
und der abgeschiedene Wasserstoff aufgefangen wurde.


[634]Lavoisier und die antiphlogistische Chemie.

Durch diese wichtige Entdeckung beantwortete sich die schwierige
Frage, woher die Metalle bei der Auflösung in Säuren ihren Sauer-
stoff hernähmen, und woher der Wasserstoff, der sich dabei ent-
wickelte, stamme, leicht, und Lavoisier konnte nun (1785) mit
Bestimmtheit aussprechen, daſs sich die Säuren nie direkt mit einem
Metall, sondern immer nur mit einem Oxyd desſelben verbinden und
daſs die Oxydation des Metalls entweder auf Kosten des Sauerstoff-
gehaltes der Säure oder des Wassers vor sich geht.


So war Lavoisiers Theorie zu einem vollkommenen Gebäude
angewachsen, das die Blicke aller Chemiker anzog, wenn auch anfangs
nur einzelne einzutreten wagten. Die Phlogistontheorie war Lavoisiers
Angriffen nicht gewachsen. Seine Abhandlungen über die Verbrennung
(1778) und über das Phlogiston (1783) waren unwiderleglich, denn sie
beruhten auf Wahrheit. Vom Jahre 1785 an fand seine Lehre
Anerkennung, und bedeutende Chemiker schlossen sich ihr an.


Durch Lavoisier entstand zunächst in Frankreich die anti-
phlogistische Schule, aus welcher eine Reihe der berühmtesten
Forscher auf dem Gebiete der Chemie hervorgegangen sind und diese
französische Schule oder la chimie Française, wie sie ihre Anhänger
mit Stolz nannten, war für mehrere Jahrzehnte tonangebend und
führend in Europa. Dabei unterstützte die französische Republik die
junge Wissenschaft der Zukunft, welche wie sie selbst und fast zu
gleicher Zeit auf französischem Boden durch eine Revolution gegen
das Alte erstanden war, auf das eifrigste.


Lavoisiers Arbeiten sind von unermeſslicher Tragweite für die
Chemie und für alle Naturwissenschaften, für die Industrie und die
Kultur geworden. Die quantitative Untersuchungsweise gab ihr eine
Sicherheit und eine Beweiskraft, die der Chemie vorher gefehlt hatte
und die sie mit einem Male zu einer gleichberechtigten Wissenschaft
neben die Physik stellte, der sie bis dahin unterstellt gewesen war.
Die selbständige Weiterentwickelung dieser beiden verwandten Zweige
der Naturwissenschaft hat in der segensreichsten Weise beide gefördert.


Welche Folgen Lavoisiers Lehre zunächst für die Chemie hatte,
können wir nur andeuten.


Die Lehre von der Affinität, die man bisher nur qualitativ auf-
gefaſst hatte, bekam durch die quantitative Untersuchung erst festen
Halt und erhöhte Bedeutung. Mit der Überzeugung von der Unver-
änderlichkeit des Gewichtes der Materie bekam die quantitative
Analyse
erst ihre richtige Stellung und Bedeutung. Durch die
quantitative Analyse lernte man die wirkliche Zusammensetzung zahl-
[635]Lavoisier und die antiphlogistische Chemie.
loser Körper kennen, die man vorher gar nicht darauf untersucht
hatte. Aber indem man sich nicht damit begnügte, die quantitative
Zusammensetzung einer Einheitsmenge zu finden, sondern ebenso
danach suchte, wie viele der verschiedenen Bestandteile sich mit dem
gleichen Gewicht einer bestimmten Substanz verbinden und in der
weiteren Folge, eine wie groſse Menge einer Substanz nötig ist, um
eine gewisse Menge einer anderen Substanz in Verbindungen zu ersetzen,
kam man auf den Begriff des Äquivalents und legte damit die
Grundlage der Stöchiometrie. Man fand, nachdem man die
Äquivalentzahlen ermittelt hatte, daſs die chemischen Verbindungen
nicht nur in konstanten, sondern auch in einfachen Gewichtsverhält-
nissen statthaben. Die quantitative Analyse führte ferner zur Auf-
findung des Gesetzes der multiplen Proportionen. Mit der
Erkenntnis dieser Gesetze erhebt sich die chemische Wissenschaft
über den empirischen Standpunkt empor zur Wissenschaft. Indem
man sich nicht mit der Gewichtsermittelung begnügte, sondern bei
den gasförmigen Körpern auch die Volumveränderungen beobachtete
und deren Gesetzmäſsigkeit erkannte, gelangte man zur Entdeckung
des Zusammenhangs zwischen specifischem Gewicht und Äquivalent-
gewicht bei den gasförmigen Körpern. Und diese Entdeckung führte
wieder zur Bestimmung des Atomgewichtes.


Daſs eine ganz andere Vorstellung von den Elementen mit der
neuen Lehre aufkam, bedarf kaum der Erwähnung. Für sie war ein
Element der Stoff, der sich chemisch nicht weiter zerlegen läſst.


So entsprang aus Lavoisiers Untersuchungen, Entdeckungen
und Schluſsfolgerungen der ganze Reichtum der modernen Chemie.


Wie Schuppen fiel es nun auch den Metallurgen von den Augen.
Wie einfach und natürlich erschienen jetzt die Vorgänge, deren
Erklärung die Phlogistontheorie mehr verdunkelt als aufgeklärt
hatte. Oxydation und Reduktion sind ja die Grundlage fast aller
metallurgischen Operationen. Diese waren durch die neue Lehre auf
das einfachste erklärt. Jetzt erst kam die Luft, die man zwar als
Luftzug oder Gebläsewind auch vordem nie entbehren konnte, der
die Theorie aber immer nur eine zufällige, nebensächliche Bedeu-
tung zuerkannt hatte, zu ihrem Recht. Jetzt erst fiel der Schleier
des Geheimnisses, der die Konstitution der verschiedenen Eisen-
sorten verhüllt hatte. Der „flüchtige Schwefel“, das „brennliche
Wesen“, das „Phlogiston“ und wie man es sonst noch genannt
hatte, es enthüllte sich einfach als Kohlenstoff; ein Stoff, der uns
überall umgiebt, den wir mit uns herumtragen, der unserem Körper
[636]Lavoisier und die antiphlogistische Chemie.
Wärme und Leben verleiht und den man doch erst so spät
erkannt hat!


Die Entdeckung, daſs ein verschiedener Gehalt an Kohlenstoff die
Verschiedenheit der Eisenarten, des Guſseisens, Stahls und Schmiede-
eisens bedingt, war die unmittelbare Folge der Lehre und der Unter-
suchungsweise Lavoisiers. War sie doch, wie wir gesehen haben,
durch bedeutende Chemiker, namentlich durch Reaumur, Bergman
und Rinman so vorbereitet, daſs uns für die Erklärung ihrer chemi-
schen Untersuchungen und Beobachtungen oft nur das eine erlösende
Wort gefehlt hat.


Dem ungeachtet ist die vortreffliche Arbeit, in welcher die drei
Naturforscher Monge, Vandermonde und Berthollet im Jahre
1786 zuerst den Nachweis geliefert haben, daſs es der Kohlenstoff
sei, welcher die Verschiedenheit der Eisensorten, die Umwandlung des
Schmiedeeisens in Stahl durch die Cementation u. s. w. bedinge, ein
Ereignis für die Geschichte des Eisens. Sie ermittelten, daſs in allen
Eisensorten Kohlenstoff enthalten ist, daſs davon aber das Schmiedeeisen
nur sehr wenig, der Stahl mehr und das Guſseisen am meisten enthält.


Bergman hatte bereits auf die Wichtigkeit der längst bekannten
Thatsache, daſs man durch Zusammenschmelzen von Schmiedeeisen mit
Kohle unter verschiedenen Bedingungen die verschiedenen Modifikationen
des Eisens darstellen könne, hingewiesen. Da er aber eine unrichtige
Vorstellung von dem Wesen der Kohle hatte, fand er die richtige
Erklärung nicht. Er nannte das Reiſsblei (Garschaum, Kies) im Eisen
„eine Verbindung des in einem gewissen Grade gestärkten Eisens mit
dem gröberen Brennbaren desſelben“. Scheele hatte schon 1779 die
kohlenartige Natur des Graphits im Roheisen nachgewiesen und man
fing bereits an, demselben eine wesentliche Rolle in der Zusammen-
setzung des grauen Roheisens zuzuschreiben; so namentlich auch
Monge in Frankreich 1786.


Der Sturz der Phlogistontheorie durch Lavoisier, der Nachweis,
daſs Luft und Wasser zusammengesetzte Körper, sowie daſs alle
chemischen Stoffe wägbar sind, die Erklärung der Verbrennung und
Verkalkung, die groſse Rolle, welche der Sauerstoff bei den wich-
tigsten chemischen Prozessen spielt, führten in ihren weiteren Folgen
auch zu einer richtigen Erklärung der Konstitution des Eisens und
der Ursache der Verschiedenheit seiner verschiedenen Modifikationen
als Schmiedeeisen, Stahl und Guſseisen. Bis dahin hatte man diese Ver-
schiedenheit durch das brennbare Wesen oder das Phlogiston erklärt.
Nachdem die neue, sogenannte „antiphlogistische“ Schule nachgewiesen
[637]Lavoisier und die antiphlogistische Chemie.
hatte, daſs es kein Phlogiston gebe, muſste man nach einer anderen
Erklärung suchen. Diese lieferten die französischen Chemiker und
Physiker Vandermonde, Berthollet und Monge in einer klassischen
Abhandlung über das Eisen in seinem verschiedenen metallischen
Zustande, welche im Jahre 1786 in den Memoiren der Akademie
der Wissenschaften in Paris erschien 1). Diese Schrift bildet die
Grundlage für die Lehre von der Zusammensetzung des Eisens.


Wie früher erwähnt, hatten Reaumur und Bergman die Natur
der verschiedenen Eisensorten so gründlich studiert und so richtig
erkannt und beschrieben, daſs sie von der vollen Wahrheit nur die
falsche Theorie trennte. Es fehlte für den die Eigenschaften bedin-
genden Bestandteil nur die richtige Bezeichnung als Kohlenstoff.
Diese sprachen die genannten Chemiker zuerst bestimmt aus. Sie
stellen sich in allem übrigen ganz auf den Boden der Untersuchungen
von Reaumur und Bergman, gestehen dies rückhaltlos ein und sagen
selbst, sie übersetzten eigentlich nur deren Resultate in eine neue Sprache.


Hierin ist ihre Bescheidenheit zu groſs. Vor allem beseitigten
sie einen fundamentalen Irrtum Bergmans. Dieser ging von der
Annahme aus, daſs die brennbare Luft (Wasserstoff), welche sich bei
der Auflösung des Eisens in Säuren, namentlich in verdünnter Schwefel-
säure entwickle, aus dem Eisen herrühre, also a priori ein wesent-
licher Bestandteil des Eisens sei. Vandermonde, Berthollet und
Monge wiesen dagegen nach, daſs alle brennbare Luft, die sich bei
dieser Auflösung bilde, aus dem Wasser herrühre. Es war durch
Lavoisier erwiesen, daſs sich bei der Lösung der Metalle in Säuren
eine entsprechende Menge Wasser zersetze, indem sich das Metall
auf Kosten des Sauerstoffs im Wasser oxydiere und nur in oxydiertem
Zustande von der Säure gelöst werde. Daraus folgt, daſs die Menge
des bei der Auflösung sich bildenden Wasserstoffgases der Menge des
reinen Eisens in der Substanz entspricht. Diese Mengen waren aber
ungleich. Nach Bergmans Versuchen verhielten sie sich bei Stab-
eisen, Stahl und Roheisen wie 50 : 48 : 40. Es muſste also mit dem
reinen Eisen, welchem das geschmeidige Eisen am nächsten kommt,
ein oder mehrere fremde Stoffe in dem Stahl und dem Roheisen ver-
bunden sein, welche diese geringere Wasserstoffentwickelung bedingen.
Diese fremde Substanz war Kohlenstoff. Daſs dieser sich mit dem
Stabeisen verbindet und dadurch Stahl bildet, ging klar aus der
[638]Lavoisier und die antiphlogistische Chemie.
Cementstahlbereitung hervor. Das Cementierpulver, in dem die
Schmiedeeisenstäbe geglüht werden, ist Kohle. Es findet nachweislich
durch dieses Glühen eine Gewichtszunahme statt. Diese kann nur
durch Aufnahme von Kohlenstoff bedingt sein. Schwerer fiel es den
französischen Chemikern, die Natur des Roheisens zu erklären, weil sie
noch nicht zwischen gebundenem und ungebundenem Kohlenstoff unter-
schieden oder vielmehr weil sie von gebundenem Kohlenstoff noch
nichts wuſsten und annahmen, aller Kohlenstoff sei als ungebundener
Kohlenstoff oder Graphit in dem Eisen enthalten. Daſs aber auch
bei dem Roheisen der Kohlenstoff den Unterschied zwischen weiſsem
Eisen und grauem Eisen bedinge, schlossen sie daraus, daſs man
graues Eisen, welches nach ihrer Auffassung viel Kohlenstoff enthielt,
erhält, wenn man die Erze mit viel Kohlen schmilzt, dagegen weiſses
Roheisen, wenn man dasſelbe Erz mit wenig Kohle, also bei über-
setztem Gang, schmilzt.


Indessen genügt ihnen der Kohlenstoffgehalt nicht, um den
groſsen Unterschied zwischen weiſsem und grauem Roheisen zu erklären,
ebenso genügt er ihnen nicht, um daraus die groſse Differenz der
Wasserstoffmenge, welche aus Roheisen, und der, welche aus Stahl
und Stabeisen entwickelt wird, herzuleiten. Um diese Erscheinungen
zu erklären, machen sie die alte Theorie Reaumurs, daſs das Eisen
in Roheisen noch nicht vollkommen metallisiert sei, zu der ihrigen.
Sie sagen: „Roheisen muſs als ein König angesehen werden, dessen
Wiederherstellung (Reduktion) nicht vollendet ist, der also noch einen
Teil der Lebensluft in sich hat, mit welcher er im Erze als Kalk
gebunden war.“ Sie nehmen also im Roheisen noch eine gewisse
Menge Sauerstoff neben dem Kohlenstoff als wesentlichen Bestandteil
an. Den Unterschied zwischen weiſsem und grauem Roheisen erklären
sie nur dadurch, daſs im weiſsen Eisen die Wiederherstellung noch
unvollkommener ist als im grauen, daſs also im weiſsen Eisen eine
gröſsere Menge Sauerstoff neben einer geringeren Menge Kohlenstoff
enthalten ist, während das graue Roheisen wenig Sauerstoff und viel
Kohlenstoff enthält. Dadurch soll sich die verhältnismäſsig geringe
Menge Wasserstoff, welche das weiſse Eisen bei der Auflösung in
Schwefelsäure entwickelt, erklären. Diese würde sich, nach der
Anschauung der Verfasser, aus dem geringen Kohlengehalt nicht her-
leiten lassen, wohl aber aus der Beimengung von oxydischem Eisen,
welches sich ja ohne Wasserstoffentwickelung in der Säure löst. Wenn
bei dem Roheisen der Sauerstoffgehalt ein beträchtlicher ist, so ist er
zwar bei dem Schmiedeeisen nur ein geringer, aber ganz frei davon
[639]Lavoisier und die antiphlogistische Chemie.
scheint ihnen kein Eisen zu sein. So wenig es einen idealen Zustand
des weichen Eisens, welches frei von allem Kohlenstoff sein müſste,
giebt, so wenig giebt es einen absolut sauerstofffreien. Die Fehler
von schlechtem Schmiedeeisen beruhen zum Teil auf einem gröſseren
Sauerstoffgehalt. Der Stahl steht in dieser Beziehung nicht in der
Mitte zwischen Roheisen und Schmiedeeisen; der Stahl verlangt viel-
mehr ein möglichst vollkommen wiederhergestelltes, d. h. sauerstoff-
freies Eisen zu seinem Grundstoff. Der Unterschied von Stahl und
Stabeisen liegt nicht nur im Kohlenstoffgehalt; der Grundstoff des Stahls
ist vielmehr von Sauerstoff freier als der des Schmiedeeisens. „Im
Brennstahl ist das Eisen vollkommen wieder hergestellt, aber noch
überdies mit Kohlenstoff gebunden, den er aus dem Cement ein-
geschluckt hat und von dem er eine gewisse Menge enthalten muſs,
wenn der Stahl von bestimmter Beschaffenheit sein soll. Zwischen
Roheisen und Stahl besteht also dieser groſse Unterschied, daſs in
jenem das Metall immer schlecht, in diesem aber immer vollkommen
wieder hergestellt ist; aber in beiden ist das Eisen an Kohlenstoff
gebunden.“


Von dieser Ansicht aus erklären die Verfasser die wichtigsten
Prozesse bei der Eisen- und Stahlbereitung. Das Rohschmelzen des
Eisens ist die Reduktion der Erze oder die Wiederherstellung zu
Metall. Diese ist aber nur unvollkommen, weil das Roheisen zu kurz
vor der Form verweilt, hier gleich schmilzt und unter die flüssige
Schlackendecke sinkt, die es vor weiterer Einwirkung schützt.


Die Bereitung des Stahleisens bei dem Frischprozeſs beruht auf
zwei ganz verschiedenen Wirkungen, einer chemischen, dem Frischen,
und einer mechanischen, dem Recken.


Bei dem Cementieren erkennt man am deutlichsten den chemi-
schen Vorgang, der in einer Aufnahme von Kohlenstoff besteht. Durch
das Brennen ändert sich wirklich die chemische Natur des Eisens,
durch das Härten dagegen nicht. Um den Vorgang bei der Cementa-
tion nochmals ganz klar zu stellen, machten die Verfasser sorgfältige
Versuche, bei welchen sie Stabeisenstäbe in reiner, ausgeglühter
Holzkohle bei vollständigem Abschluſs von Luft und Feuchtigkeit
glühten. Sie konnten auf diese Art nachweisen, daſs die Veränderung,
welche das Stabeisen erleidet, wenn es zu Stahl wird, allein von der
Wirkung der Kohle und von keinem luftartigen Wesen, welches die
Hitze daraus treibt, kommt und daſs die Gewichtszunahme nur der
Aufnahme von Kohle zuzuschreiben ist. Die Gewichtszunahme schwankte
bei vier Versuchen zwischen 1/170 bis 1/180 des Eisengewichtes. Diese
[640]Lavoisier und die antiphlogistische Chemie.
Gewichtszunahme ist nach Ansicht der Verfasser aber nicht als abso-
lute Gewichtszunahme, sondern als die Differenz zwischen dem Zuwachs
an Gewicht, den die Kohlenstoffaufnahme hervorbringt, und dem Ver-
lust, den die gänzliche Wiederherstellung des Metalls, d. h. die
Scheidung des kleinen Anteils von Lebensluft, der immer auch im
geschmeidigsten Eisen ist, veranlaſst.


Die Verfasser haben auch Bergmans Messungen der Mengen
des Wasserstoffs, welcher sich bei der Lösung von Eisen in verdünnter
Schwefelsäure entwickelt, wiederholt und wollen gefunden haben: 1. daſs
weiſses Roheisen immer weniger brennbare Luft giebt als graues, und
2. daſs Stahl immer weniger giebt als Stabeisen. Sie fanden ferner,
daſs sich bei der Auflösung Wasserstoff mit einem Teil des Kohlen-
stoffs zu Kohlenwasserstoff verbindet. Da dieser Kohlenwasserstoff
ein geringeres Volumen einnimmt als reiner Wasserstoff, so erkläre
sich zum Teil auch daraus die geringere Gasentwickelung bei der
Auflösung von Stahl als von Roheisen. Die Differenz der Gasvolumina
entspricht also nicht unmittelbar der Differenz an Kohlenstoff, sondern
man muſs, um diesen genau zu bestimmen, erst die Menge des
Kohlenwasserstoffs ermitteln.


Daſs das Roheisen Kohlenstoff enthalte, gehe nicht nur daraus
hervor, daſs seine blanke Oberfläche wie bei Stahl, wenn man einen
Tropfen Säure darauf bringt, einen schwarzen Fleck giebt, sondern
auch daraus, daſs Stabeisen durch flüssiges Roheisen in Stahl ver-
wandelt wird. Die Verfasser machten einen Versuch im Tiegel, der
dies vollständig bestätigte. Die Kohle löse sich beim Schmelzen des
Eisens in diesem auf, wie sich Salz in Wasser löse. Das weiſse Roh-
eisen sei leichtflüssiger, weil es noch mehr Lebensluft enthielte. Die
Verschiedenheit der Roheisensorten liege also einesteils in der ver-
schiedenen Menge Lebensluft, andernteils in der verschiedenen Menge
Kohle, welche sie enthalten. Das Hauptargument, daſs das Roheisen
im allgemeinen und das weiſse Roheisen besonders noch Lebensluft
enthalten müsse, ist das, daſs letzteres weniger entzündbare Luft bei
der Auflösung in Säure entwickelt, obgleich es weniger Kohlenstoff
als das graue enthalte. Daſs graues Roheisen durch wiederholtes
Umschmelzen in ganz geschlossenen Gefäſsen stahlartig wird, soll
beweisen, daſs auch das graue Roheisen Sauerstoff in seiner Masse
enthält und daſs dieser sich beim Umschmelzen mit Kohlenstoff ver-
bindet. Der Hauptbeweis, daſs das Stabeisen noch Lebensluft enthält,
ist der, daſs Stabeisen beim Cementieren Blasen bildet, welche von
dem Austreten der festen Luft (Kohlensäure), die sich aus der
[641]Lavoisier und die antiphlogistische Chemie.
Verbindung der Kohle mit der wenigen Lebensluft im Stabeisen
gebildet habe, herrührten.


Bei dem Hochofenprozeſs haben die Kohlen eine mehrfache Auf-
gabe zu erfüllen: sie erzeugen die Hitze, welche zur Schmelzung nötig
ist, sie reduzieren das Erz, indem sie sich mit dessen Sauerstoff ver-
binden, und endlich löst sich ein Teil davon in dem geschmolzenen
Eisen auf. Die Verfasser weisen selbst auf den Widerspruch hin, der
darin liegt, daſs gerade das Eisen, welches den meisten Kohlenstoff auf-
gelöst hat, auch die meiste Lebensluft enthält, da man bei der Verwandt-
schaft beider doch das Gegenteil erwarten sollte. Als Erklärung hier-
für dient ihnen das rasche Schmelzen und das kurze Verweilen vor
der Form. Daſs sich Kohlenstoff mit dem Eisen verbindet, geben die
Verfasser zu und es ändere sich die Verwandtschaft des Kohlenstoffs
zum Eisen nach den verschiedenen Stufen der Hitze. Bei höherer
Hitze nimmt das Eisen mehr Kohlenstoff auf, es wird damit über-
sättigt und läſst ihn beim Abkühlen wieder fahren. Geschieht dies sehr
langsam, so scheidet sich dieser Kohlenstoff zuweilen als Garschaum an
der Oberfläche aus, meist bleibt er aber in der Masse zerstreut. Der
so ausgeschiedene Kohlenstoff ist Graphit oder Reiſsblei. Bergman,
Scheele, Hjelm
und Pelletier haben bewiesen, daſs die aus-
geschiedenen Graphitblättchen des Eisens nichts anderes sind als
Kohlenstoff mit einem gewissen Anteil Eisen verbunden. Die Ver-
fasser haben Graphit mit Hülfe eines starken Brennglases in einem
geschlossenen Glasgefäſse verbrannt. Es hatte sich dabei Kohlensäure
gebildet und auf dem zurückgebliebenen Rest von Graphit fanden sich
Kügelchen von geschmolzenem Eisen — Graphit halten sie deshalb
für Kohlenstoff, der mit Eisen gesättigt ist, und zwar im Verhältnis
von 9/10 zu 1/10. Ihre Beobachtungen führen zu dem Schluſs, daſs
im erkalteten Roheisen und Stahl wahrscheinlich gebundener Kohlen-
stoff ist, der aber auch wieder bei dem Erkalten austritt und unge-
bunden darin bleibt, aber nicht als reiner Kohlenstoff, sondern als
Reiſsblei. Graues Roheisen und weicher Stahl sind demnach keine
gleichartigen Stoffe.


Die Resultate der französischen Chemiker, die mit Klarheit und
Bestimmtheit vorgetragen sind, stellen einen groſsen Fortschritt dar.
Sie enthalten aber auch einen groſsen Fehler, das ist die Annahme
eines wesentlichen Sauerstoffgehaltes in Roheisen und sogar im Schmiede-
eisen. Diese Annahme erklärte allerdings scheinbar vielerlei Erschei-
nungen in leichter Weise, deshalb wurde sie auch ziemlich allgemein
angenommen; sie war aber nur so lange haltbar, als man die Eisen-
Beck, Geschichte des Eisens. 41
[642]Lavoisier und die antiphlogistische Chemie.
sorten keiner genauen chemischen Analyse unterzog. Dieser schweren
Aufgabe war man damals noch nicht gewachsen.


Daſs diese hochbedeutsame Abhandlung bei allen gebildeten
Metallurgen das gröſste Aufsehen erregte, ist natürlich. Die neuen
Ansichten waren in so überzeugender, verständlicher Weise vor-
getragen, daſs sie allgemeinen Anklang fanden und zunächst kaum
einen Widerspruch hervorriefen. Um ihre praktische Bedeutung zu
erhöhen und noch klarer vor Augen zu führen, stellte im Jahre 1794
die königl. böhmische Gesellschaft der Wissenschaften die Preisfrage:
Worin besteht der Unterschied zwischen Roheisen aus Hohenöfen und
geschmeidigem Eisen aus Frischherden und nach welcher Methode
läſst sich das letztere am besten und vorteilhaftesten aus dem ersteren
bereiten?


Für den ersteren Teil der Frage empfahl die königl. Gesellschaft
die angeführte französische Abhandlung, aber mit dem Hinweis, daſs
die Bestimmung der besten Frischmethode der Hauptgegenstand der
Aufgabe sein solle. — Als Termin war der 1. Januar 1796 bestimmt;
er wurde aber bis zum 3. März 1797 verlängert. Es liefen acht
Abhandlungen ein, von denen drei als die besten befunden und der
ausgesetzte Preis unter denselben geteilt wurde. Auſserdem wurden
aber diese drei Abhandlungen, welche von Professor Lampadius,
Hofrat Hermann und K. Schindler herrührten, auf Kosten der
böhmischen Gesellschaft gedruckt. Sie gehören zu den besten hütten-
männischen Schriften aus jener Zeit. Während die beiden letzten
Abhandlungen die praktische Lösung der Frage erstreben, ist die
erste mehr theoretisch gehalten.


Lampadius kommt darin im wesentlichen zu demselben Ergebnis
wie Vandermonde, Berthollet und Monge. Obgleich er durchaus
selbständig experimentiert, findet er doch auch den Sauerstoff als
einen wesentlichen Bestandteil des Roheisens, nur nimmt er an, daſs
derselbe erst durch den Gebläsewind in dasſelbe gelange. Lam-
padius
hatte seine Beobachtungen an dem Hochofen des Grafen
Einsiedel zu Mückenburg gemacht. Er beschreibt die Vorgänge bei
dem Schmelzprozeſs in einem Hochofen von 32 Fuſs Höhe folgender-
maſsen:


„In dem oberen Teile des Ofens von 10 bis 12 Fuſs über der
Rast verflüchtigen sich die flüchtigsten Bestandteile, als das Wasser
der Erze und der Kohlen, auch fängt schon am Ende die Verflüch-
tigung des Schwefels, Phosphors und der Luftsäure (Kohlensäure) an;
tiefer bis zur Rast dauert die Verjagung dieser Substanzen fort und
[643]Lavoisier und die antiphlogistische Chemie.
die Reduktion nimmt ihren Anfang, indem sich der Kohlenstoff der
Kohle mit dem Sauerstoff der Erze verbindet und als Luftsäure ent-
weicht. Von hier bis zur Form findet der Anfang der Schmelzung
statt, die verschiedenen Erden lösen sich untereinander nebst dem
Eisen und Braunsteinkalk, welche noch nicht reduciert sind (auch der
Schwefel und die Phosphorsäure, wenn diese noch nicht verflüchtigt
sind), auf, indem die Kohle die Reduktion vollendet und anfängt,
sich mit dem Eisen zu verbinden. Durch die Verbindung der ersteren
untereinander wird die Schlacke und durch die der letzteren das
Roheisen erzeugt. (Ist noch unverflüchtigter Schwefel oder Phosphor
in der Mischung, so geht auch dieser mit in das Roheisen.) Nun-
mehr erreicht das Ganze die heftige Wirkung des Gebläses, wo der
höchste Grad der Schmelzung stattfindet (wo sich auch der Braun-
stein mit dem Eisen verbindet), zugleich aber auch dem reduzierten
Eisen aus der immer mit Gewalt zuströmenden Luft Lebensluft mit-
geteilt wird. In den oberen Teilen des Ofens konnte diese Ver-
kalkung nicht stattfinden, da sich das Gemenge in einer Säule von
Luftsäure und Stickluft befand. Ein Teil dieses verkalkten Eisens
geht auch mit in die Schlacke über, welche sich nun vermöge
ihres geringeren specifischen Gewichts absondert. Die Eisen- und
Schlackentropfen passieren endlich die Form und fallen noch von
neuem auf Kohlen, wo das erstere noch einen Teil Kohlenstoff auf-
nimmt. Jetzt bedeckt die Schlacke das vollendete Roheisen, welches
nun bei dem gehörigen Gange des Hohenofens keine Veränderung
mehr erleidet. Im Fall man aber nicht zeitig genug absticht, so dringt
der Wind durch die Schlacke und verbrennt noch Eisen, welches die
erstere aufnimmt.


Der geringe Anteil von Erden in dem Roheisen ist vorzüglich
während der Schmelzung, ich möchte fast sagen, mechanisch hinein-
gekommen.


Demnach besteht das Roheisen hauptsächlich aus: metallischem
Eisen, gekohltem Eisen, Sauerstoff und enthält zufällig Erden, Phos-
phor, Schwefel und Braunstein.


Die Hochofenschlacken bestehen aus verglasten Erden und ver-
kalktem Eisen; sie enthalten zufällig Braunsteinkalk, Phosphorsäure,
Schwefelsäure.“


Lampadius nimmt ebenfalls an, daſs der Kohlenstoff nicht in
der Masse des Eisens aufgelöst, sondern daſs er mit einem gewissen
Teil Eisen chemisch verbunden als Graphit in dem Roheisen ent-
halten ist. Nach seinen Untersuchungen hinterlieſsen


41*
[644]Lavoisier und die antiphlogistische Chemie.
  • 100 Teile weiſses Roheisen nach der Auflösung in ver-
    dünnter Schwefelsäure   1⅝ Proz.
  • 100 Tle. weiſsgraues Roheisen   2¾ „
  • 100 „ graues Roheisen   3⅞ „
  • 100 „ schwarzgraues Roheisen   4¼ „

gekohltes Eisen.


Lampadius nimmt an, daſs dieser Rückstand den ganzen
Kohlenstoffgehalt des Eisens enthalte.


Der Frischprozeſs verläuft nach Lampadius in der Weise, daſs:
1. Der Sauerstoff der Luft sich bei einem gewissen Temperaturgrade
mit dem gekohlten Eisen in dem Roheisen verbindet und die Kohle
in Luftsäure, das damit verbundene Eisen in Eisenkalk verwandelt.
Erstere wird verflüchtigt, letztere geht in die Schlacke über. 2. Der
in dem Roheisen enthaltene Eisenkalk (Sauerstoff und Eisen) wird
abgesondert und in die Schlacke geschmolzen, da verkalktes Eisen
viel leichter flieſst als reduziertes. 3. Die in dem Roheisen enthaltenen
Erden lösen sich mit dem Eisenkalk chemisch auf und gehen in die
Schlacke über. 4. Ein geringer Teil gekohltes Eisen geht unverändert
mit in die Frischschlacke über, weil es ebenfalls leichtflüssiger ist,
wie das Frischeisen, doch ist es gewissermaſsen nur mechanisch in
demselben enthalten. 5. Weil das Eisen überhaupt eine starke Affinität
gegen den Sauerstoff hat, so wird auch noch ein Teil in dem Frisch-
herd verkalkt und geht mit als Bestandteil in die Frischschlacke über.
Enthält das Roheisen noch Braunstein, Phosphor oder Schwefel, so
werden auch diese oxydiert und verschlackt. Demnach ist die Eisen-
frischarbeit ein wirklicher Oxydationsprozeſs. Der Gewichtsverlust,
welchen das Roheisen beim Verfrischen erleidet, entsteht: 1. Durch
Verkalkung des Eisens, welches mit dem Kohlenstoff verbunden war.
2. Durch die Absonderung des mit Sauerstoff schon verbundenen
Eisens. 3. Durch zufällige Verkalkung von Eisen während der ganzen
Arbeit. 4. Durch die Absonderung des Kohlenstoffs. 5. Durch die
Absonderung der Erden, des Braunsteins, Phosphors u. s. w.


Lampadius nimmt also bestimmt an, daſs noch eine nicht
unbeträchtliche Menge Sauerstoff im Roheisen enthalten sei, ebenso
aber auch die Abscheidung desſelben bei dem Frischprozeſs.


Von Interesse ist noch folgende, von ihm mitgeteilte Analyse
einer Frischschlacke. In 100 Teilen waren enthalten:


  • 77 Eisenkalk,
  • 10¼ Kieselerde,
  • 3 Thonerde,

[645]Lavoisier und die antiphlogistische Chemie.
  • 3 Braunsteinkalk,
  • 1¾ Phosphorsäure,
  • 1½ gekohltes Eisen.

In Bezug auf den zweiten Teil der Preisfrage faſst sich Lampadius
sehr kurz. Er schlägt das Vorfrischen in einem groſsen Flammofen,
in dem man etwa 50 bis 70 Centner auf einmal verarbeiten soll, vor,
indem er von dem richtigen Grundsatz ausgeht, daſs ein Prozeſs um
so ökonomischer wird, in je gröſserem Maſsstabe man ihn betreibt.
Er schieſst aber mit seinem Vorschlag, der ein ganz theoretischer war,
weit über das Ziel des damals Möglichen hinaus und verrät damit,
daſs er von dem Wesen des Puddelprozesses keine richtige Vor-
stellung hatte.


Trotz aller Fortschritte im Puddelbetrieb ist man doch nicht
entfernt jemals zu solchen Einsätzen gekommen, im Gegenteil haben
sich gröſsere Einsätze, als etwa 5 Centner, nicht als vorteilhaft erwiesen.
Von Interesse ist aber Lampadius’ Bericht über Frischversuche in
einem Puddelofen zu Mückenberg, welche wir an anderer Stelle
besprechen werden.


Hermann ist noch vollständig in den Anschauungen der Phlogiston-
theorie befangen und kann sich mit den Ansichten der französischen
Forscher nicht befreunden. Seine theoretischen Erörterungen haben
für uns deshalb kein Interesse; wohl aber der praktische Teil seines
Werkes, indem er die Verbesserungen des Hochofenwesens an den
sibirischen Hütten, bei welchen er selbst thätig war, erläutert. Seine
Vorschläge sind sehr richtig und gut und werden durch lehrreiche
Beilagen erläutert. Als Frischverfahren empfiehlt er die bekannte
Wallonschmiede und die deutsche Frischschmiede und sucht die
ökonomische Verbesserung mehr in dem Umfange und der Zweck-
mäſsigkeit der Anlage.


Schindlers Arbeit ist die umfangreichste, enthält aber am
wenigsten neues. Sie giebt aber eine sehr gründliche und lehrreiche
Darstellung der damals bekannten Frischmethoden. In Bezug auf die
Frage, ob das Roheisen Sauerstoff enthalte, spricht er sich nicht
bestimmt aus, doch geben seine Versuche eher ein negatives Resultat.
Im allgemeinen neigten die Eisenhüttenleute auf dem Kontinent der
Ansicht, daſs das Roheisen Sauerstoff als wesentlichen oder nie
fehlenden Bestandteil enthalte, am Ende des 18. Jahrhunderts zu.
Die Theorie der Konstitution der Eisenarten wurde hinsichtlich des
Kohlenstoffgehaltes durch Versuche, welche französische Chemiker
durch Zusammenschmelzen von möglichst reinem Eisen mit Diamant
[646]Lavoisier und die antiphlogistische Chemie.
anstellten, bestätigt. Diese Versuche wurden im Jahre 1799 von
Guyton de Morveau, Clouet, Welter und Hachette ausgeführt.


Die Verbrennlichkeit des Diamants war schon früher bekannt,
besonders aus den Versuchen, welche der Groſsherzog Cosmos III.
von Toskana 1694 und 1695 durch Averami und Targioni hatte
anstellen lassen, die erwiesen, daſs der Diamant in dem Focus
eines groſsen Brennspiegels sich vollständig verflüchtigt. 1771 beob-
achtete Macquer bei einem Versuche, Diamanten zu verflüchtigen,
Flammenerscheinung und stellte fest, daſs der Diamant wirklich ver-
brennt. 1773 wiesen dann Lavoisier, Macquer und andere nach,
daſs das Verbrennungsprodukt des Diamanten reine Kohlensäure, der
Diamant also reiner Kohlenstoff sei.


1798/9 stellte Guyton de Morveau Versuche an, Schmiedeeisen
mit Diamant zusammenzuschmelzen, wobei er Stahl erhielt. Clouet
hatte die Anregung zu diesem Experiment gegeben. Schon vordem
hatte Malliard gefunden, daſs der Diamant das Eisen in der Hitze
anfresse und zu einer Art Schlacke schmelze. Lampadius vermutete
1795, daſs dies eine Verbindung von Eisen und Kohlenstoff sein möge.
Der Versuch Guytons wurde in der Weise ausgeführt, daſs ein
Diamant von 0,907 g in einen kleinen Tiegel von Schmiedeeisen, der
mit einem genau passenden Stöpsel von demselben Eisen verschlossen
war, in einen hessischen, mit Quarzsand ausgefütterten Tiegel ein-
gesetzt und erhitzt wurde. Eisen und Diamant schmolzen zu einer
abgerundeten, gut begrenzten Masse Guſsstahl zusammen 1).


Die groſse Wichtigkeit des Braunsteins für die Stahlbereitung
kannte man längst, ehe Gahn 1777 dessen metallischen Grundstoff,
das Mangan, dargestellt hatte. Seit dieser Zeit legte man aber dem
Mangan eine noch gröſsere Wichtigkeit bei und ging darin soweit,
die Stahlbildung geradezu von dem Mangan abhängig zu machen.
Man nahm an, das Mangan sei es, welches die Verbindung der Kohle
mit dem Eisen bewirke und in der Art, wie es dies thue, liege seine
Wirksamkeit bei der Stahlbereitung. Besonders hatte der „Bürger
Picot“ (de La Peyrouse) die Eigenschaft des Braunsteins, die
Schmelzung des Eisens zu befördern, seine Güte zu erhöhen und die
Bildung des gegossenen und natürlichen Stahls wesentlich zu fördern,
erkannt (1787).


Quantz sagt, „je mehr Magnesium (i. e. Mangan) in dem Roh-
eisen zugegen ist, desto leichter wird man Stahl erhalten, so daſs die
[647]Lavoisier und die antiphlogistische Chemie.
verschiedenen Mengen von Magnesium schon im voraus die ver-
schiedenen Grade der Stahlartigkeit eines Roheisens anzugeben im
stande sind“. Man nahm an, daſs zum Stahl unbedingt drei Stoffe
erforderlich seien: Eisen, Kohle und Mangan. Gazeran sagt: „In
gutem natürlichen Stahl muſs sich das Mangan im doppelten Ver-
hältnis zum Kohlenstoff befinden. Jeder Stahl und besonders der
natürliche ist eine Verbindung des Eisens mit Mangan und Kohlen-
stoff.“ Diese Verbindung ist gewöhnlich im deutschen Schmelzstahl
folgende:


  • Eisen   96,84
  • Mangan   2,16
  • Kohlenstoff  1,00
  • 100,00

Man nahm also an, daſs das Mangan ein wesentlicher Bestand-
teil des Stahls sei.


Hiermit in Widerspruch standen aber von Vauquelin 1797 ver-
öffentlichte quantitative Analysen von Cementstahl, welcher 1785 von
Soller in Remmlingen fabriziert worden war. Dieselben sind zwar
im wesentlichen nach Berthiers Verfahren gemacht, zeichnen sich
aber dadurch aus, daſs auſser der Kohle auch Kiesel (silice), d. h.
Kieselsäure und Phosphor bestimmt sind. Er fand in 100 Teilen:


  • Eisen   97,597 bis 98,551
  • Kohle   0,631 „ 0,789
  • Kieselsäure   0,252 „ 0,315
  • Phosphor   0,345 „ 1,520

Mangan wurde darin nicht gefunden. Auf Genauigkeit können die-
selben allerdings keinen Anspruch machen. Kohle und Kieselsäure
sind nach Vauquelins Ansicht mit einem Teil Eisen verbunden als
„carbure de fer“ in dem Stahl enthalten. Dieses Kohleneisen soll
folgende mittlere Zusammensetzung haben:


  • Kohle   53
  • Eisen   26
  • Kiesel  21
  • 100

Um diese Zeit begann auch Klaproth, welcher 1792 das Titan
entdeckt hatte, zahlreiche Eisenerzanalysen zu veröffentlichen, auf die
wir später zurückkommen werden.


Im Jahre 1797 entdeckte Vauquelin das Chrom in einem
sibirischen Mineral, welches nach ihm Vauquelinit genannt wurde.


[648]Luppenfeuer.
Die Eisenbereitung im letzten Viertel des 18. Jahr-
hunderts. Luppenfeuer 1775 bis 1800.

Weitere Entwickelung der Schmiedeeisenbereitung in
Luppen- und Frischfeuern. 1775 bis 1800
.

Indem wir in den folgenden Kapiteln einen Überblick über den
Stand und die Fortschritte der Eisenbereitung im letzten Viertel des
18. Jahrhunderts geben, beginnen wir mit der direkten Gewinnung
schmiedbaren Eisens aus den Erzen, die zwar an Bedeutung mehr
und mehr verloren hatte, aber doch immer noch eine Rolle spielte.


Daſs die Luppenfeuer auf adligen Gütern in Deutschland in
dieser Zeit noch gebräuchlich waren, geht aus dem Artikel in Krünitz
Encyklopädie (1785) und einer Abhandlung von Justi von 1771 1)
hervor.


Nach Beschreibung der ältesten Luppenfeuer, welche an Berg-
abhängen angelegt worden seien und aus einem gröſseren Schmelz-
loch und einem tiefer gelegenen kleineren Schlackenloch bestanden
hätten, heiſst es:


„Von dieser leichten und einfältigen Art, das Eisen auszuschmelzen,
sind vermutlich die sogenannten Luppenfeuer entstanden, die schon
seit vielen Jahrhunderten in Deutschland stattfinden und deren sich
die Adligen, welche auf ihren Gütern mit dem Bergwerksregal oder
mit dem Eisenhüttenrechte beliehen sind, noch heutigen Tages
sehr häufig bedienen
. Bei diesen Luppenfeuern findet dieselbe
Einrichtung statt: ein oben solches rundes und unten ovales Loch
zum Einschmelzen; ein oben dergleichen, aber weniger tiefes Loch
in einem Orte der Eisenhütte, welcher 5 bis 6 Fuſs tiefer ist als die
Erhöhung, in welcher sich das Schmelzloch befindet und in welches
die Schlacken aus dem letzteren ablaufen; nur ist man bemüht
gewesen, den Anstalten zum Luppenfeuer eine gröſsere Dauerhaftig-
keit zu geben. Sowohl das Schmelz- als Schlackenloch sind mit
feuerbeständigen Ziegelsteinen ausgemauert und anstatt des Zugloches
der Alten hat man 4 bis 5 Zoll von dem obersten Rande des Schmelz-
loches ein doppeltes Gebläse, jedoch gemeiniglich nur von Leder,
[649]Luppenfeuer.
angebracht, welches durch ein Wasserrad getrieben wird. — Das
durch das Luppenfeuer gewonnene Stabeisen ist gemeiniglich sehr
gut, aber die ganze Anstalt taugt nichts. Sie ist eine Verschwendung
sowohl der Kohlen als des Eisensteins.“


Bei dem Schmelzen wird erst das Schmelzloch und das Schlacken-
loch vorgewärmt, dann lagenweise Holzkohle und gepochter Eisenstein
mit dem nötigen Zuschlag aufgetragen und zu einem förmlichen
Hügel 1) über der Öffnung aufgethürmt. Das Ganze schmilzt zu einer
Luppe zusammen, von der man, wenn sie fertig ist, die Schlacke
absticht, die Kohlen wegräumt und die Luppe aufbricht. Da die
Verbrennung beinahe in freier Luft erfolgt, so ist die Verschwendung
von Kohlen und Eisenstein eine unmäſsige.


„Man muſs sich in der That verwundern, daſs diese Luppenfeuer
in Deutschland noch immer beibehalten werden, da man doch heutigen
Tages weit bessere und vorzüglichere Anstalten zum Eisenschmelzen
hat.“ Daſs dies doch geschehe, liege hauptsächlich in der Kost-
spieligkeit der besseren Anlagen, denn einen Hochofen zu erbauen,
koste an 3000 Thaler und eine Hochofenhütte mit allen dazu gehörigen
Anlagen und Gebäuden 20000 Thaler und mehr. Koste doch ein
Blauofen 1200 bis 1500 Thaler zu bauen.


Zur Verbesserung dieser Luppenfeuer schlug deshalb Justi vor,
sie mit einem Steinkranz zu überbauen. Dieser Vorschlag, der
durchaus unpraktisch war, hatte keinen Erfolg und genügt es, ihn
erwähnt zu haben.


Im ganzen war die direkte Eisenbereitung in Deutschland mehr
und mehr im Verschwinden begriffen. In Sachsen, wo früher die
Luppenfeuer verbreitet gewesen waren, fand Stockenström auf seiner
Informationsreise im Jahre 1778 keins mehr vor, in Thüringen nur
ein einziges in dem meiningischen Dorfe Steinbach (s. Bd. I, S. 782).
Dieses erwähnt auch der Bergamtsassessor Wille noch 1786 2). Ebenso
war es am Harz, wo nur in Uslar noch in einem Luppenfeuer Frisch-
schlacken zeitweilig verschmolzen wurden. Es geschah dies in einem
Zerenn- oder „Centnerherd“, eigentlich Zehntnerherd. Seit alter Zeit
hatte nämlich die Landesherrschaft am Harz den ihr zukommenden
Erzzehnten in eigenen Zehntnerherden verschmolzen und hatten sich
diese auch nach Einführung des Hochofenbetriebes an manchen
[650]Luppenfeuer.
Plätzen erhalten. Ein solcher alter Zehntnerherd war bei Uslar,
der von höchst primitiver Konstruktion war. Er hatte weder einen
eisernen Boden, noch eiserne Seitenzacken. Die Herdgrube wurde
vielmehr aus feuchter Stübbe, ähnlich wie ein Garherd, geschlagen
und die Seitenwände nur zum Schutz gegen das Einwerfen der
Beschickung oben mit eisernen Platten abgedeckt. Die Breite von
Form- zur Windseite betrug 21 Zoll, die Tiefe bis zur Mitte des
Gestübbebodens 12 Zoll. Formlage und Formmaul waren wie bei
einem Frischfeuer. Die Bälge waren kleiner, wechselten aber rascher.
Beim Anlassen wurden vier Maſs kleine Kohlen von Zweigen und
schwachen Ästen von Laubholz (Grubenkohlen) aufgegeben und dann
vier Schaufeln ganz fein gepochter Frischschlacke darüber gebreitet.
Hierauf gab man wieder Kohlen u. s. w., so daſs man etwa 8 Ctr.
Schlacke in 5½ Stunden durchsetzte. Anfangs blies man langsam,
zuletzt rasch, damit in der Masse eine Scheidung erfolgte und die
kleine Luppe von 1¼ bis 1¾ Ctr. Gewicht sich ansammelte. Die
Luppe oder der Deul wurde unter dem „Centnerhammer“, einem Stab-
hammer, fertig gemacht und ausgeschmiedet.


Weil dieses Zerenneisen aber meist noch roh und undicht war,
so wurde es gewöhnlich noch einmal im Frischherd geschmolzen und
gab dann ein sehr gutes Eisen. Die Arbeit erforderte einen sehr
rohen Gang und wurden zuletzt oft Schlacken abgelassen.


Dieses Verfahren wurde auf Rinmans Empfehlung in Schweden
eingeführt und dort verbessert.


In Schlesien befanden sich nach Karstens Angabe im Jahre 1780
noch 17, 1790 noch 10 Luppenfeuer, davon 10 in Niederschlesien und
2 in Oberschlesien. Die letzteren gingen 1798 ein; von den ersteren
waren 1814 noch 4 zu Greulich, Alt-Öls, Modlau und Nieder-Leschen
im Betrieb. Es wurden Rasenerze darin verschmolzen.


Eins der letzten Luppenfeuer in Oberschlesien, das des Grafen
Colonna zu Tworock, hat Eversmann abgebildet, Fig. 179. Er
beschreibt es als ein Ding, wie eine märkische Amboſsschmiede, nur
daſs der Herd eine in Kohlengestübbe gemachte gröſsere und ungefähr
1 bis 1½ Fuſs tiefe Öffnung hatte. Die Eisenerze von Tarnowitz,
welche leichtflüssig sind, wurden ohne weitere Vorbereitung in einen
Handkübel voll Wasser geschüttet, daſs sie etwas zusammenklebten
und so mit dem Wasser auf dieses Feuer geschüttet, vor dem zwei
groſse Frischbälge mit ziemlich stechender Form lagen. So wie sie
niedergegangen waren, wurden wieder frische aufgethan und die
Kohlen angeschürt, bis eine Luppe von ungefähr 150 Pfund im Feuer
[651]Luppenfeuer.
war, die dann aufgebrochen und unter dem Hammer in Stäbe
geschlagen wurde. Zu einem Centner Eisen rechnete man 1½ Korb
Kohlen (etwa 46 Kubikfuſs). In 24 Stunden wurden drei Luppen
gemacht. Zu zwei Luppenfeuern waren 4 Schmiede, 4 Luppenschmelzer
und 2 Kohlenschütter erforderlich. Das Erz wurde klar gepocht und
Kalk zugeschlagen.


Auch in der Oberpfalz waren von den Zerennfeuern, welche die
Brauneisensteine von Amberg verschmolzen, Ende des vorigen Jahr-
hunderts noch einige im Betrieb. Das halbgare Zerenneisen wurde in
besonderen Löschfeuern zu geschmeidigem Eisen umgearbeitet, wobei
es 33 Prozent verlor.


Figure 184. Fig. 179.

In England wurden keine Luppenfeuer (bloomeries) mehr betrieben.


In Schweden waren die alten Bauernöfen fast verschwunden.
Dagegen war der Betrieb von Luppenschmieden noch in ausgedehnter
Anwendung in den Vereinigten Staaten von Nordamerika und in den
Pyrenäen.


In Frankreich gab es nur in den südlichen Provinzen Luppen-
feuer, die von den französischen Metallurgen nur wenig beachtet
wurden, bis im Jahre 1775 der Artilleriehauptmann Tronson du
Coudray
durch eine Schrift, in welcher er die Eisenmanipulationen
in Corsica und in der Grafschaft Foix beschrieb, die allgemeine Auf-
merksamkeit darauf lenkte und eine nachhaltige Diskussion über die
Vorteile der direkten Schmelzmethode anregte, die von geschicht-
licher Bedeutung ist. Tronson du Coudray kam nämlich, nachdem
[652]Luppenfeuer.
er das Verschmelzen der elbanischen Erze in Corsica und die kata-
lonische Schmelzart in Roussillon und der Grafschaft Foix beschrieben
hatte, zu dem Schluſs, daſs die katalonische Schmiede eine bessere
Abscheidung der Unreinigkeiten der Erze, also ein besseres Eisen
erzeuge, daſs man in ihnen ohne weitere Unkosten sowohl Eisen als
Stahl machen könne und daſs drittens die Anlagekosten nur den
vierten Teil, der Kohlenverbrauch nur die Hälfte betrage als bei der
indirekten Methode mit Hochofen- und Frischbetrieb, wie er im
übrigen Frankreich gebräuchlich sei. Diese verlockenden Aussichten
erregten Aufmerksamkeit, um so mehr, als du Coudray korrespon-
dierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Paris war
und dieser seine Schrift zugeschickt hatte. Duhamel war damals
Generalinspektor der königlichen Bergwerke. Er interessierte sich
für die Sache, besuchte die Grafschaft Foix und brachte 1785 in der
Akademie eine Abhandlung über die Konstruktion der dortigen Eisen-
schmelzherde zur Vorlesung, welche groſsen Beifall fand und deren
Druck in der Sammlung der akademischen Schriften beschlossen wurde.
Gleichzeitig hatte ein anderer hervorragender Metallurge Frankreichs,
Baron de Diedrich, sich für die Eisenwerke der Pyrenäen interessiert
und dieselben 1785 ebenfalls besucht. Er erhielt von dem Grafen von
Artois, dem Bruder König Ludwigs XVI., den Auftrag, die Schmelzung
anderer Erze und zwar zunächst der von Berri und der von Alevard in
der Dauphiné in pyrenäischen Schmelzherden vorzunehmen. Der Graf
von Artois lieſs auf seine Kosten 200 Ctr. Erze von Berri nach der Graf-
schaft Foix fahren und der Generalkontrolleur schickte gleichzeitig 30 Ctr.
spätige Erze der Dauphiné dorthin. Auch Baron de Diedrich war
bei seinem ersten Besuch entzückt von der Einfachheit des Verfahrens
und setzte wie Duhamel groſse Hoffnungen auf eine allgemeinere
Verwendung desſelben. Wenn er auch die von du Coudray ange-
nommene Kohlenersparung von der Hälfte des seitherigen Verbrauchs
für etwas zu hoch hielt, so glaubte er doch, durch die allgemeine
Einführung dieses Prozesses auf die Ersparung des dritten Teils des
Verbrauchs in Frankreich sicher rechnen zu dürfen. Er berechnete
den Kohlenverbrauch in Katalonschmieden zu 3¼ Pfund Kohle auf
1 Pfd. Eisen, dagegen bei der indirekten Methode auf 5 bis 6½ Pfd.
Die Ergebnisse der angestellten Versuche 1) entsprachen aber den
Erwartungen nicht. Die Erze von Berri gaben bei 15 Versuchen
[653]Luppenfeuer.
neben groſsem Abbrand ein ganz unbrauchbares Eisen. Die Versuche
mit den Erzen von der Dauphiné fielen besser aus und gab v. Diedrich
sein Urteil dahin ab, daſs dieselben geeignet seien, um nach dem
Verfahren von Foix verschmolzen zu werden, „wenn man sie richtig
behandle“ — also auch nicht ohne Reserve. Den Veröffentlichungen
von Baron v. Diedrich und Duhamel folgte dann 1787 die aus-
führliche Abhandlung des Marquis de la Peyrouse, Traité sur les
mines et les forges du Comté de Foix, welche ebenfalls die Vorzüge
dieses Schmelzverfahrens anpreist. Den Miſserfolg des Baron v. Died-
rich
mit den Erzen von Berri sucht er dadurch zu beseitigen, daſs
er annimmt, man habe besonders schlechte und schwefelhaltige Erze
geschickt, während gewiſs eher das Gegenteil der Fall war, da der
Graf von Artois persönliches Interesse an dem günstigen Ausfall der
Versuche hatte. Für die Dauphiné will er das Verfahren sofort ein-
geführt wissen. So groſs das Interesse war, welches diese rasch auf-
einander folgenden gut geschriebenen Veröffentlichungen in den
fachmännischen Kreisen hervorriefen, welches sich unter anderm auch
darin äuſsert, daſs das Buch von Tronson du Coudray 1786 von
Chr. L. A. Wille und das des Marquis de la Peyrouse 1789 von
Gust. Karsten in das Deutsche übersetzt wurden, so war der prak-
tische Erfolg doch nur gering. Den Theoretikern und dem gebildeten
Publikum leuchteten die Vorschläge der genannten Schriftsteller wohl
ein, vielleicht um so mehr, weil sie in die Zeit Rousseaus und der
Schwärmerei für die Rückkehr zum alten und einfachen fielen, aber
die Männer der Praxis wollten nichts davon wissen. Auch die schwe-
dischen Metallurgen Rinman und Garney, die ebenfalls von dem
Blendwerk des natürlichen Schmelzverfahrens etwas angesteckt waren,
beschränkten sich auf einige billige Versuche.


Garney machte mit Raseneisensteinen, die im Hochofen ein
Roheisen gaben, das sich nur zu einem kaum brauchbaren Schmiede-
eisen verfrischen lieſs, Versuche im Luppenfeuer und erhielt ein gutes
weiches Eisen. Ebenso gelang es ihm, aus braunsteinhaltigen Berg-
erzen einen brauchbaren Rohstahl zu erhalten. Rinman zog hieraus
den Schluſs, daſs es besser wäre, manche Erze direkt auf Schmiede-
eisen, statt auf Roheisen, zu verschmelzen.


„Das Ausbringen aus den Erzen und der Zeitaufwand schienen
freilich sehr unvorteilhaft und mit vielen Kosten verknüpft zu sein,
allein der Schmelzprozeſs würde sich ohne Zweifel durch eine gröſsere
Vorrichtung und durch ein stärkeres Gebläse ungemein verbessern
lassen.“


[654]Luppenfeuer.

Man übersah bei den günstigen Urteilen über den Luppenfeuer-
betrieb in den Pyrenäen den groſsen Schmelzverlust, die historische
Entwickelung und die Abgelegenheit und Unzugänglichkeit der Hoch-
gebirgsthäler, in denen dieser Betrieb in Ausübung stand, welche eine
Konkurrenz kaum ermöglichten und den Jahrtausende alten Betrieb
lebensfähig erhielten.


Die ganze Bewegung hatte den Vorteil, daſs dieser in den übrigen
Industrieländern ausgestorbene oder im Verschwinden begriffene Be-
trieb gründlich studiert und sorgfältig beschrieben wurde. Tronson
du Coudray
schilderte zunächst die Eisengewinnung aus elbanischen
Erzen auf der Insel Corsica, die noch in der ursprünglichsten Weise
ausgeübt wurde. Die Schmelzvorrichtungen waren noch einfacher, als
wie wir sie im ersten Bande (S. 784) nach Sageys Bericht von 1828
geschildert haben. Es ist deshalb keine Wiederholung, sondern eine
Ergänzung, wenn wir einen Auszug aus seiner Schilderung folgen
lassen.


Die Corsicanschmiede erfordert nur einen erhöhten Boden von
8 bis 10 Fuſs Länge und 5 bis 6 Fuſs Breite, von dessen einer Seite
sich eine Mauer mit einer Öffnung für die Windform befindet. Vor
dieser liegt eine halbkreisförmige Grube, welche 3 Fuſs im Durch-
messer hat und 6 bis 7 Zoll tief ist. Diese Grube wird mit ange-
feuchteter Kohlenstübbe ausgeschlagen, so daſs unter der Formmündung
noch ein Abstand von 4 bis 5 Zoll bleibt. Alsdann setzt man in
einem Abstand von 5 Zoll von der Form ringsum eine 4 bis 5 Zoll
dicke Wand von Holzkohlenstücken, die man sorgfältig wie eine
Trockenmauer zunächst 6 bis 7 Zoll hoch aufbaut. Dann legt man
um diesen Kohlenzirkel eine ebensolche Erzwand 6 Zoll dick aus
nuſsgroſsen Stücken von gebranntem Erz von Elba. Diese umgiebt
man von auſsen mit einem zweiten Kohlenkranz von 2 Zoll Dicke.
Sind die ersten Lagen so aufgeführt, so setzt man auf diese erste eine
zweite von derselben Höhe und Beschaffenheit. Um aber dem ganzen
Haufen bessern Halt zu geben, legt man von auſsen ringsum einen
Kranz von dicken Erzklumpen dagegen, welche gleichzeitig für den
nächsten Tag gebrannt werden sollen. Auf die beiden unteren Lagen
trägt man dann noch eine innere Lage Kohlen und eine äuſsere Lage von
gesintertem Erz von der früheren Schmelzung in Brocken von Faust-
gröſse auf. Alsdann werden in den inneren Hohlraum vor die Form
glühende Kohlen eingeschüttet, darauf mit frischen Kohlen bis oben
hin nachgefüllt und der Wind angelassen. Dieser wird durch ein
einfaches Wassertrommelgebläse, das nur eine Einfallsröhre von etwa
[655]Luppenfeuer.
25 Fuſs Höhe hat, erzeugt. Sind die inneren Kohlen verzehrt, so
werden sie durch neue ersetzt. Der Haufen gerät in Glut und die
Erze sintern zusammen. Ist diese Röstung, welche bereits eine teil-
weise Reduktion ist, genügend vorgeschritten, so rollt der Schmelzer
die äuſseren Erzstücke weg, dann den äuſseren Kohlenmantel und
bricht die Erzmauer auf, indem er die losgebrochenen Stücke nach
der andern Seite der Hütte zieht. Hierauf wird die Grube gereinigt.
Sodann wird ein neuer Kohlenboden gelegt und rechts und links von
der Form ein etwa 2 Fuſs hoher Haufen von Kohlen gesetzt, wodurch
die Form selbst etwa 1½ Fuſs hoch mit Kohlen bedeckt wird. Nach-
dem das Feuer wieder entzündet und der Wind angelassen ist, werden
der Form gegenüber die gerösteten Erzbrocken eingelegt. Die Schlacke
schmilzt ab und wird von Zeit zu Zeit abgestochen. Das Eisen sam-
melt sich am Boden zu einer Luppe (massello). Nach vier bis fünf
Stunden ist ¼ der Tagescharge eingeschmolzen, worauf der Schmelzer,
wenn die Luppe gut ist, die Schlacke abbläst, das Feuer wegräumt,
den Wind abstellt und die Luppe ausbricht. Diese wird erst mit
Holzhämmern abgeklopft und dann unter dem höchstens 3 Centner
schweren Hammer zu einem parallelepipedischen Kolben gedichtet,
der in drei Hitzen zu Stäben ausgeschmiedet wird. Während der
Zeit des Schmiedens macht der Schmelzer eine neue Luppe, von der
im ganzen vier in 16 bis 24 Stunden gemacht und ausgeschmiedet
werden, die zusammen 3 Centner wiegen. Diese Arbeit verrichten
vier, zuweilen auch nur drei Arbeiter.


Gegenüber diesem höchst einfachen Löschherd war der gemauerte
und mit Eisenzacken versehene Rennherd in der Grafschaft Foix,
welchen Tronson du Coudray als katalonischen Herd bezeichnet,
ein viel vollkommenerer Apparat.


Coudrays Angaben sind nicht immer ganz genau und deshalb
von Baron de Diedrich und Marquis de la Peyrouse korrigiert
worden. Soweit diese Abweichung nur seine Maſsangaben betrifft, ist
es aber auch möglich, daſs die Abweichung in dem von ihm gemessenen
Herde lag, da ja sämtliche Schriftsteller zugeben, daſs die Dimensionen
der Schmelzherde beeinfluſst werden durch die Stärke der Gebläse,
und gröſsere Wassertrommelgebläse auch gröſsere Herde erforderten.


Hinsichtlich der Einrichtung einer pyrenäischen Luppenschmiede
verweisen wir auf die S. 117 mitgeteilte Beschreibung Reaumurs. Auch
haben wir bereits im ersten Bande eine ausführliche Schilderung des
Schmelzprozesses in der Grafschaft Foix (nach François) gegeben. Es
genügt also hier, einige ergänzende Mitteilungen über den damaligen
[656]Luppenfeuer.
Betrieb zu machen. Die Erze wurden in runden oder viereckigen
Stadeln geröstet. Dieselben waren 6 bis 7 Fuſs hoch und hatten
10 bis 12 Fuſs Durchmesser. Der Herd oder Ofen muſste an einer
durchaus trockenen Stelle stehen und führte man zur Trockenlegung
rings um den Herd herum eine Abzucht (aqueduct). Den Boden des
Herdes stellte man aus einer einzigen Granitplatte her, die im richtigen
Verhältnis zum Windstrahl gelegt werden muſste. Die vier Seiten des
Herdes wichen in Höhe und Weite voneinander ab. Der im Oktober
1785 neuerbaute Herd in der Hütte des M. Vergines de Bouischères,
eines hervorragenden Eisenindustriellen im Thale von Vic.-Dessos,
hatte die nachfolgenden Maſse 1):


  • Die Schlackenseite (coté du chio) hatte etwa   20 Zoll Breite
  • Die gegenüberstehende Rückseite (cave) hatte etwa   21 „ „
  • Der Abstand von der Form zur Windseite betrug   25 „
  • „ „ von der Schlackenseite zur Windseite in
    der Mitte des Herdes gemessen   22½ bis 24 „

Von den vier Seiten waren die Formseite (porges) und die
Schlackenseite senkrecht und hatten Eisenzacken, die beiden andern

Figure 185. Fig. 180.


waren nach auſsen ge-
neigt. Die Windseite
(ore), die auch durch
eine eiserne Platte ge-
schützt war, wich 6½ Zoll
von der Senkrechten ab,
die Rück- oder Aschen-
seite, die immer gemauert
war, nur halb soviel. Die
Schlackenplatte war 20
Zoll hoch, Form- und
Rückseite verschieden, meist 4 und 4½ Fuſs hoch. Die Höhe der Wind-
seite betrug 2 Fuſs 4 Zoll. Die Tiefe des Herdes, in der Mitte gemessen,
war 27½ Zoll. Der Herd wurde mit Gestübbe ausgekleidet und erhielt
dadurch eine elliptische Gestalt, deren Achsen am Boden 2 Fuſs auf
1 Fuſs 8 Zoll lang waren. Die Form lag früher 12 Zoll über dem
Boden, in neuerer Zeit hatte man sie höher gelegt auf 14 bis 15 Zoll
vom Boden und ihre Mündung auf 20 Linien im Durchmesser erweitert,
wodurch man ein wesentlich höheres Ausbringen erzielte. Man gab
der Form ein Obermaul und 35 Grad Stechen. Der Wind wurde mit
[657]Luppenfeuer.
Wassertrommelgebläsen erzeugt, die meist von Holz, zuweilen aber
auch gemauert waren. Fig. 180 stellt den Luppenherd der Hütte
Guille zu Vic-Dessos nach der Zeichnung von dem Marquis de la
Peyrouse
von 1789 dar.


Charakteristisch war die Art der Beschickung des Schmelzherdes
mit Kohlen und Erz. Diese geschah nach dem Einsetzen einer Platte (la
posté) zwischen Form- und Windseite, die von letzterer 5 Zoll abstand.
Der Raum auf der Formseite (parédou) wurde mit Kohlen gefüllt,
die dicht zusammen geschlagen wurden, der Raum auf der Windseite
(ore) mit klein geschlagenem, geröstetem Erz. Durch Höhersetzen der
Platte führte man die Erz- und die Kohlenwand bis oben hin, bedeckte
dann das Ganze mit Kohlenklein (fraisil), das man festschlug und
abböschte (en dos d’âne). Auf diese Weise wurde ⅔ oder ¾ der
Erzcharge, welche 9 Centner (quintaux) betrug, eingesetzt. Nachdem
das Feuer entzündet und der Wind angelassen war, wurden die zwei
Massel (massoques), in welche die Luppe (massé) der vorhergehenden
Charge geteilt worden waren, in den Vorraum (parédou) zum Aus-
heizen eingesetzt und in Kölbchen (masselots) ausgeschmiedet. Die
verbrannten Kohlen wurden durch neue ersetzt und diese immer
gegen die Erzwand geschoben, damit dieselbe nicht umstürzte. Nach
etwa drei Stunden war das Ausheizen und Schmieden beendet und
die Erzmasse soweit zusammengeschmolzen, daſs man jetzt allmählich
den Rest des Erzes, aber nicht in Stücken, sondern als Pulver
(greillade) aufgab. Dieses wurde auf die Kohlen über den ganzen
Herd ausgestreut, an einem Punkte mehr, am anderen weniger, wo
es die Kennzeichen, besonders die Farbe der Flamme dem Schmelzer
angaben. In dem richtigen Aufgeben dieses Erzpulvers lag die Kunst
des Schmelzers. Die Greillade wurde nicht allein ebenfalls reduziert
und vermehrte die Luppe, sie bewirkte auch, daſs sich das Eisen aus
der einschmelzenden Masse abschied und zu Boden setzte, weshalb
man es la principe de la massé nannte. Ob das Erz langsamer oder
schneller der Form zugeschoben wurde (donner la mine), war auch
ein wichtiger Punkt für den Schmelzer. Aus dem Einsatz von
9 Ctr. Erz erhielt man eine Luppe von 4 Ctr., aus welcher 14 masselots
geschmiedet wurden, die 3½ Ctr. fertiges Schmiedeeisen ergaben.


Bei einem Luppenfeuer waren meist acht, zuweilen auch nur
sechs Arbeiter beschäftigt. Davon war der erste der foyer oder Ofen-
meister, ihm am nächsten stand der Hammerschmied (maillet), dann
folgten die beiden Schmelzer (escolas); Gehülfen waren zwei Erzpocher
(pique-mines) und zwei Vorläufer (miallous). Beim Ausbrechen der
Beck, Geschichte des Eisens. 42
[658]Luppenfeuer.
Luppe (Fig. 181) muſsten alle zusammen helfen. In 24 Stunden
konnten 4, in der Woche 24 Chargen geschmolzen werden, die
gewöhnlich 90 Ctr. Stahl ergaben. Zu einer Charge von 6 Ctr.
geröstetem Erz verbrannte man einschlieſslich des Röstens 14 Sack
Kohlen 1). Dies entsprach einem Kohlenverbrauch von 280 auf 100 Eisen.


Ein bemerkenswerter Umstand war es, daſs mit dem weichen Eisen
(fer doux) auch öfter hartes Eisen (fer fort) und Stahl (fer cedat, acier
naturel) fielen. Es war dies aber durchaus vom Zufall abhängig und
weder die Praktiker noch die Theoretiker fanden dafür eine aus-
reichende Erklärung. Die Schmelzer hatten es nicht in der Hand,

Figure 186. Fig. 181.


absichtlich Stahl oder weiches Eisen zu machen, wenn auch manche
Eskolas darin mehr Glück hatten, als andere. Swedenborg schreibt
die Stahlbildung besonderen Stahlerzen zu; Reaumur dem Umstand,
daſs neben dem weichen Eisen auch etwas Roheisen gebildet werde.
Da dieses flüssiger sei als die Hauptmasse, flieſse es nach dem Rande
hin und bewirke in seiner Berührung mit dem weichen Eisen die
Stahlbildung in derselben Weise, wie dies bei der alten Stahlerzeugung,
welche schon Vanuccio Biringuccio beschrieben hat, der Fall war.
Dadurch erklärte sich die Thatsache, daſs der Stahl sich immer am
Rande der Luppe fand. Du Coudray, Baron Dietrich und Marquis
de la Peyrouse bestritten zwar sämtlich diese Erklärung Reaumurs,
[659]Luppenfeuer.
aber ihre eigenen waren keineswegs besser. Du Coudray, der angiebt,
daſs von der Jahresproduktion sämtlicher Hütten der Grafschaft der
fünfte Teil an hartem Eisen und der zwanzigste Teil an Stahl falle,
verwirft die Ansicht Reaumurs, weil er von der irrigen Vorstellung
ausgeht, daſs das Eisen, das er in metallischem Zustande in den Erzen
vorhanden glaubt, überhaupt gar nicht selbst schmelze, sondern daſs
nur die erdigen Teile in den Erzen davon abschmelzen würden. Er
will die Stahlbildung durch eine bessere Reinigung der oberflächlichen
Teile, durch die Einwirkung des Feuers und Aufnahme von brennbarem
Wesen durch die unmittelbare Berührung mit den Kohlen erklären.
Dietrich, der Coudray gegenüber hervorhebt, daſs der Stahl sich
nicht gleichmäſsig auf der Oberfläche der Luppe verteilt vorfinde,
sondern meist nur an der unteren Hälfte, die nach dem Schlacken-
abfluſs zu liegt und am meisten am Schlackenabfluſs selbst, will die
Stahlbildung, der Meinung der Praktiker folgend, der Einwirkung des
nachgesetzten Erzpulvers (greillade) zuschreiben, was nach unserer
heutigen Anschauung etwa so zu erklären wäre, daſs beim Ein-
schmelzen zugleich eine Kohlung eintrete und die Greillade den
Überschuſs an Kohlen auſser bei den stahlartigen Randpartieen weg-
nehme. Der Marquis de la Peyrouse schreibt endlich die Stahl-
bildung hauptsächlich dem Mangangehalt der aufgegebenen Erze zu,
der dem Arbeiter nicht bekannt war und den er ebenfalls nur unter-
stellt. Der Luppenstahl der Katalonschmieden war sehr ungleich und
von Eisenfäden durchsetzt. Durch Gärben lieſs er sich verbessern,
erreichte aber nicht die Güte und Gleichmäſsigkeit des deutschen Stahls.


In den südwestlichen Provinzen Frankreichs bediente man sich
der biskayischen Luppenfeuer, welche gröſser waren als die der
Grafschaft Foix. Baron de Dietrich beschreibt einen solchen Herd
der Schmiede von Echeaux im Thale von Baigorry in Nieder-Navarra.
Man verschmolz Spateisenstein, der in Schachtöfen, ähnlich den Kalk-
brennöfen, geröstet wurde. Diese waren oben 8½ Fuſs, unten 5 Fuſs
weit und wurden die gerösteten Erze durch eine breite Öffnung unten
ausgezogen. Die Erze wurden lagenweise mit Holz geschichtet und
betrug eine Füllung 170 Ctr. Erz. Der Herd des Luppenfeuers war
29 Zoll hoch und zeigte sein Querschnitt ein in die Länge gezogenes
Achteck. Form- und Windseite bildeten die langen Seiten. Die
Länge von der Schlacken- zur Rückseite betrug 42 Zoll, von der
Form- zur Windseite 36 Zoll. Die Form war 15 Zoll lang und
9 Linien geneigt, so daſs der Wind 7½ Zoll über dem Boden des
Herdes und etwas von der Schlackenseite abgewendet die Windseite
42*
[660]Luppenfeuer.
traf. Das Formmaul war oval, 24 auf 18 Linien. Das obere Loch
der Schlackenseite lag 8 Zoll unter der Eſsbank. Der Herd wurde
aus Gestübbe geschlagen, so daſs er den Boden 13 Zoll bedeckte.
Man machte in 24 Stunden fünf Luppen, durchschnittlich zu 215 Pfund,
wozu jedesmal 5 Ctr. Erz aufgegeben wurden. Bei gutem Gang erhielt
man 35 Luppen oder 84 Ctr. Eisen in der Woche. Auf eine Luppe
verbrannte man 6½ Last (charge) Kohlen. Eine Last wog 140 Pfund
und kostete bis zu 40 Sols. 100 Pfund Eisen erforderten 27 Kubik-
fuſs Kohlen zur Schmelzung, während man in der Grafschaft Foix nur
20 Kubikfuſs brauchte. Bei einem Luppenfeuer waren fünf Arbeiter
beschäftigt, von denen die vier ersten 25 Sols für den Centner Eisen
bekamen, der Meister 7, jeder der drei anderen 6 Sols. Der Erzfahrer
(piquemine oder Miala) erhielt 30 Livres den Monat. Auſserdem gab
es zwei Erzröster, welche 6 Pfennige für den Centner rohes Erz
erhielten. Im ganzen stellten sich die Fabrikationskosten auf 30 Sols
für den Centner. Die Erze kosteten 15 bis 16 Sols pro Centner.
Das Eisen war sehr gut und fand willige Abnehmer zu 18 Livres der
Centner.


In Ruſsland waren vordem die niedrigen Bauernöfen oder Blase-
öfen, in welchen aus Sumpferzen unmittelbar geschmeidiges Eisen
erblasen wurde, allgemein im Gebrauch. Vor der Teilung Polens (1772)
gab es noch über 300 solcher Öfen in Ruſsland. Am längsten erhielten
sie sich in dem Nowgorodschen Bauernbergrevier. Dort waren alle
Männer geborene Schmiede, welche jede freie Zeit, die der Landbau
übrig lieſs, in der Schmiede zubrachten. Dabei bestand eine her-
gebrachte Arbeitsteilung: Schmelzer, Stahlmacher, Zeugschmiede und
Nagelschmiede waren getrennte Gewerbe. Ja, ein Nagelschmied, der
grobe Nagelsorten schmiedete, machte keine feine und umgekehrt.
Ein- oder zweimal im Monat trafen sich die Arbeiter mit ihren Pro-
dukten auf gewissen Märkten, wo sie voneinander kauften und tauschten
und wobei die Zwischenhändler von der benachbarten Stadt Ustjuschna
Rhelesopolski die notwendigen Bedürfnisse herbeiführten und die
Eisenfabrikate, welche meistens in Nägeln bestanden, aufkauften. Diese
wurden alsdann auf der Wolga nach einem groſsen Teil des russischen
Reiches verfahren.


Norberg1) giebt von einem solchen russischen Blaseofen, den
er gesehen hatte, folgende Beschreibung. Er war von der Form
9 Fuſs hoch, vor der Form 21 bis 22 Zoll im Gevierte weit; der
[661]Luppenfeuer.
Boden wurde von Kohlenstübbe mit einer Vertiefung von 6 bis 7 Zoll
und Neigung nach der Form geschlagen. Die Gichtöffnung war rund,
kaum 12 Zoll im Durchmesser. Die Brust, welche beim Herausziehen
des Schmelzklumpens weggenommen wurde, setzte man jedesmal aufs
neue aus einigen losen Steinen und dazwischen gelegten Kohlen und
angeschaufeltem Gestübbe zusammen. Der Ofen wurde mit Kohlen
gefüllt und dann ein Maſs von Sumpferz oder Schmiedesinter oder
gepochter Frischschlacke aufgegeben; zwei einfache, 4 Fuſs lange
lederne Bälge wurden mit einem eigenen Handgriff durch den hinter
den Bälgen sitzenden Arbeiter, welcher auch zugleich das ganze
Schmelzen allein dirigierte, bewegt. Es wurde niedergeschmolzen
und wieder aufgegeben, bis das Schmelzstück die verlangte Gröſse
hatte, die jedoch nicht über 1 Pud betrug. Dann wurden die Bälge
und die Brustwand weggenommen, der Schmelzklumpen herausgezogen,
auf einem Stein mit einem hölzernen Schlägel geschlagen und mit
der Axt zerhauen. In 24 Stunden konnten sechs Schmelzen gemacht
werden.


Die Bauern- oder Blaseöfen in den schwedischen Dalorten
waren fast verschwunden und damals nur noch an wenigen Plätzen
in den Kirchspielen zu Lima, Särna, Orsa und anderen in Wester-
dalen, die von den neueren Hüttenwerken sehr entfernt lagen, im
Gange. Es wurden darin ockerige Erze, welche dort in Sümpfen,
Wiesen und Brüchen nur 1 Fuſs tief unter dem Rasen gefunden und
unter dem Namen Yrke oder Örke aus morastigen Stellen gegraben
wurden, verschmolzen.


In England wurden die Versuche, schmiedbares Eisen in Flamm-
öfen mit Steinkohlen zu schmelzen, fortgesetzt. Wir ergänzen
Swedenborgs Mitteilung hierüber (S. 130) durch folgende Angaben.


Francis Wood erhielt 1727 ein Patent, „Roheisen aus Eisenerzen
in einem Flammofen abzuscheiden mit Hülfe von Steinkohlen“. Dasſelbe
Patent wurde 1728 erneuert mit dem Zusatz, daſs das neue Verfahren
eine Verbesserung des im Jahre zuvor patentierten und daſs das
gewonnene Eisen besser als gewöhnliches Roheisen sei, weshalb er es
Rauheisen oder präpariertes Eisen (raw-iron or iron metal prepared)
nennen will. Nähere Angaben fehlen.


1736 nahm Kingmill Eyre ein Patent, Rauheisen oder prä-
pariertes Eisen (wie oben) aus Eisenerz in einem Flammofen mit
Steinkohlen und Fluſsmitteln zu machen. „Nachdem das Eisenerz
geröstet und die Steinkohle verkokt ist, werden sie pulverisiert und
gemengt und so mit Zusatz von Kalk und Asche von Farn als Fluſs-
[662]Luppenfeuer.
mittel in einen Flammofen eingesetzt. Durch die Fluſsmittel wird
die Schlacke dünnflüssig und dadurch die Abscheidung des Eisens
erleichtert. Hierzu wird dann, je nach der Beschaffenheit der ein-
geschmolzenen Erze, je nachdem sie rot- oder kaltbrüchig oder ent-
sprechend sind, eine gewisse geringe Menge von altem verrostetem Eisen,
sogenanntem Schrott (scraps) oder Abfalleisen (bushel iron or nut iron)
oder Hammerschlacke (hammer slough), zugesetzt, wodurch mehr Metall
aus den Erzen extrahiert wird wie sonst und ein besseres, weicheres
Eisen als gewöhnlich erzeugt wird.“ — Postlewayths Patent von
1748 erinnert an das Patent von John Payne (S. 250) und lautet:
Eisen zu gieſsen aus Eisenerz, reiner, zäher und ähnlicher dem Schmiede-
eisen wie sonst, durch eine besondere Anwendung des Feuers und
Zusatz von Salzen und anderen Beimischungen.


Von gröſserem Interesse ist das Patent von John Cockshutt
vom 2. Mai 1771, und zwar schon deshalb, weil dasſelbe aus einer
Zeit stammt, wo das Ausschmelzen der Erze mit Koks schon sehr
allgemein geworden war. Das Patent wurde erteilt für die Darstellung
von Schmiedeeisen direkt aus den Erzen mit Hülfe von Steinkohlen
in einem Frischfeuer (finery or bloomery); für das Frischen von Guſs-
eisen in Schmiedeeisen, und für ein Frischfeuer, um Eisen zu machen
und zu raffinieren.


1. Ein pulverisiertes Gemenge von Eisenerz (wenn nötig geröstet)
und von roher oder verkokter Kohle, oder beiden, wird nach und nach
in einen vorgeheizten Frischherd eingetragen. Wenn die Kohle brennt
und das Erz schmilzt, wird die überflüssige Schlacke abgelassen und
mit dem Nachsetzen fortgefahren, bis der Herd voll Eisen ist, welches
ganz schmiedbar und in der Form einer Luppe sein sollte. Diese
wird gehämmert und in zwei Halbmasseln geteilt, welche in Stäbe u. s. w.
ausgereckt werden. Besser noch geschehe die Operation in dem von
ihm erfundenen Frischfeuer (Feineisenfeuer s. S. 612), wobei man eine
gröſsere Luppe bekommt, welche von einer für diesen Zweck kon-
struierten Maschine in Stücke geschnitten wird, welche gezängt und
ausgereckt werden.


Um Zeit und Holzkohlen zu sparen, kann das Guſseisen bis nahe
seinem Schmelzpunkt mit Steinkohlen oder sonstigem billigen Brenn-
material in einem Flammofen oder mit Bälgen erhitzt werden, um
dann in dem Frischherd des Erfinders mit Holzkohle bis zum Gar-
werden geschmolzen zu werden. Man setzt so lange Metall und Kohle
nach, bis eine groſse Luppe gebildet wird. Diese Luppe wird dann
mit der erwähnten Maschine zerschnitten, die Stücke gezängt und
[663]Luppenfeuer.
Stabeisen erhalten. Der Frischherd Cockshutts, der sich haupt-
sächlich dadurch auszeichnete, daſs er mehrere Formen hatte, wird
später noch beschrieben werden.


Die Idee des direkten Verfahrens, um schmiedbares Eisen aus
den Erzen zu gewinnen, tauchte dann in den 90 er Jahren des vorigen
Jahrhunderts in England wieder auf.


Am 18. April 1792 nahm Samuel Lucas ein Patent, Eisenerze
und Eisenoxyd in Metall zu verwandeln, ohne sie erst zu schmelzen.
Dies sollte in der Weise bewirkt werden, daſs eine Tonne weiches Erz
oder Eisenoxyd in zerkleinertem Zustande in die Tiegel eines Stahl-
brennofens (Steel-converting furnace) oder eines entsprechenden Ofens,
nach Vermischung mit 3 bis 4 Scheffel Holzkohle, Horn oder Knochen-
mehl oder anderer Substanzen, welche brennbaren Stoff oder Phlogiston
abgeben, eingesetzt wird. Diese Töpfe werden mit feuchtem Sand
oder Lehm, um die Luft abzuschlieſsen, bedeckt. Die Hitze wird als-
dann gesteigert und der Prozeſs geführt, wie wenn man Eisen in
Stahl (durch Einsatzhärtung) umwandelt. Auf diese Weise wird das
Erz in Metall umgewandelt, welches noch mit anderen Stoffen ver-
mischt ist; ein groſser Teil dieses Metalls wird unter günstigen
Umständen Stahl sein. Letzterer kann zu Guſsstahl geschmolzen
werden (may be run into ingots of cast-steel).


Am 19. Juni 1792 nahm William Fullarton ein Patent, das
darauf hinausging, Eisenerze sehr sorgfältig aufzubereiten und dann
in einer Art Schachtofen auf Schmiedeeisen zu verschmelzen. Das
geröstete Erz soll zu diesem Zwecke erst mittels Hämmern, Pochwerk,
Mühlen oder Walzen pulverisiert und, wenn nötig, gesiebt werden.
Alle fremden Stoffe werden dann durch Waschen, Zerreiben und Auf-
bereiten oder durch magnetische Anziehung getrennt. Diese von
allen groben Beimengungen, welche seinen Fluſs beeinträchtigten,
befreite Masse wird nun in einen Flamm- oder Gebläseofen eingesetzt.
Der Ofen dafür kann rund, quadratisch, länglich oder sonst wie
gestaltet sein, ist aber oben offen. Er wirkt wie ein Tiegel, aus
welchem das Eisen aber nicht als Roheisen abgelassen wird, sondern
als Regulus oder Luppe am Boden verbleibt. Sogleich nach Beendi-
gung eines Schmelzens und Herausnahme der Luppe wird der Ofen
von neuem beschickt. Die Luppe wird ausgeheizt, gezängt und zu
Stäben ausgewalzt. Die Beschickung von Koks oder Holzkohle mit
gepulvertem Erz wird dem Gebläse ausgesetzt und die Schlacke von
Zeit zu Zeit abgestochen.


Ganz originell und wie Zukunftsträume waren Barbers Patente,
[664]Frischfeuer 1775 bis 1800.
in welchen wir die erste Idee einer Gasmaschine mit dem Gedanken
der Reduktion und Schmelzung durch Wassergas kombiniert finden.


John Barber nahm am 31. Oktober 1791 ein Patent, entzünd-
liche Gase zu entwickeln zur Erzeugung von Kraft und zur Benutzung
bei metallurgischen Operationen.


Sein Apparat bestand aus einer Retorte, in welcher Kohlen, Holz,
Öl oder andere Brennstoffe durch ein äuſseres Feuer vergast und die
Gase durch eine Röhre in ein zweites Metallgefäſs „the exploder“
geleitet wurden. Hier wurden sie mit atmosphärischer Luft, welche
eingepumpt wurde, gemischt, wodurch ein entzündliches Gasgemenge
(Knallgas) entsteht, welches in Röhren geleitet werden kann und, bei
seinem Austritt entzündet, mit lebhafter Flamme verbrennt.


Der Druck in dem Exploder wird reguliert und verstärkt durch
Wasser, welches durch eine Pumpe eingepumpt wird. Die Erfindung
ist nach der Behauptung Barbers zu den verschiedensten Zwecken
verwendbar. Eine Maschine wird von dem Dampf, der aus der
Öffnung des Exploders strömt, getrieben (Gasmaschine?) und kann
zum Mahlen, Walzen, Schmieden, Spinnen und jeder mechanischen
Arbeit verwendet werden. Gleichfalls kann der Gasstrom (fluid stream)
in Öfen geleitet werden, um Erze zu schmelzen (Gasschmelzerei) u. s. w.


Derselbe John Barber nahm am 22. Dezbr. 1792 ein anderes
Patent für eine Methode, Steinkohle, Eisenerze und andere metallur-
gische Erze und deren Kalke durch Dampf, Luft und Feuer zu reinigen,
indem er dadurch den Grundstoff mit brennlichem Wesen verbindet
und so zähes Metall erzeugt. — „Man nehme eine gewisse Menge
Eisenerz und Steinkohle, bringe sie in einen Ofen oder einen ent-
sprechenden Apparat, bringe Feuer hinzu und leite Dampf mit atmo-
sphärischer Luft darüber, wodurch das Erz gereinigt wird. Dieses
gereinigte Erz wird dann mit gereinigter Steinkohle in einem Schmelz-
ofen unter Zuleitung von brennbarem Gas geschmolzen.“


Frischfeuer 1775 bis 1800.

Von der Eisenbereitung aus Erzen wenden wir uns zur Eisen-
bereitung aus Roheisen, und zwar zunächst zu der in Herdöfen, dem
Eisenfrischen. Wir tragen hierbei zuerst das nach, was Rinman
1782 von den primitiven Frischmethoden in Schweden mitteilt, die
wir als schwedische Osemundschmieden S. 187 bereits beschrieben
haben. Danach wurden die in der Osemundschmiede gewonnenen
kleinen Luppen in rohem Zustande, „ohne eine andere Zubereitung,
[665]Frischfeuer 1775 bis 1800.
als daſs die Schlacken davon geschieden waren, an einige Platt-
hämmer und Schwanzschmiede im Reich verkauft“. Bei dem „unge-
wählten“ Osemund lieſs man die kleinen Luppen geradeso, wie sie aus
dem Feuer kamen, bei dem „gewählten“ wurden die gröſseren Frischen
mit Äxten in fünf Teile zerhauen, die noch mit den Enden zusammen-
hingen. So wurde er in Fässer gepackt und verkauft. Um daraus
ein besseres, dichteres Eisen zu bekommen, wurde der Osemund in
Hammerschmiedessen nochmals eingeschmolzen, gereinigt und dann
verarbeitet. Unter dem Osemund waren oft stahlartige Frischen, die
als harter Osemund verkauft und zum Verstählen von Werkzeugen
verwendet wurden. Guter Osemund sollte beim Umschmelzen nicht
über 20 Prozent Verlust erleiden. Rinman spricht in seiner „Eisen-
und Stahlveredlung“ den Wunsch aus, daſs dieses Verfahren, welches
ein besseres Eisen gäbe als die anderen Frischschmieden, eher zu-
als abnähme.


Von den übrigen Frischmethoden, welche Rinman in seiner
Geschichte des Eisens (1782) noch aufgeführt hat, ist für uns nur
die englische Stabeisenschmiede bemerkenswert, weil wir noch
wenig über die in England üblichen Frischmethoden berichten
konnten. Was Rinman darüber mitzuteilen weiſs, ist auch nicht viel
und hat seinen Wert fast mehr in dem, was er nicht sagt. Mit keiner
Silbe erwähnt nämlich Rinman den später bei der englischen Frisch-
arbeit gebräuchlichen Feinprozeſs (refining-process), das vorbereitende
Schmelzen des Roheisens mit Koks in einem groſsen Herdofen, durch
welches das graue Roheisen gefeint oder geweiſst wurde. Wir können
daraus mit Sicherheit schlieſsen, daſs diese für das spätere englische
Frischen so charakteristische Vorarbeit damals noch nicht in Übung
war. Diese wurde auch erst ein Bedürfnis, als die Holzkohlenöfen ein-
gingen und man anfing, Koksroheisen zu verfrischen. Rinman, der
das, was er über das englische Frischverfahren mitteilt, den Reise-
bemerkungen eines Herrn Quist entnommen hat, schreibt: Eins der
bedeutendsten Eisenwerke ist das bei Pontypool (Süd-Wales), woselbst
man das Verfrischen, wie auch an anderen Orten in England, in
Wallonherden vornimmt, nur mit dem Unterschiede, daſs in England
nicht soviel in derselben Zeit eingeschmolzen und bearbeitet wird, als
wie in Schweden, weshalb man auf jenem Werke auch drei Schmelzherde
gegen einen Reckherd haben soll. Auch wird die Luppe dort erst
zu Kolben ausgeschmiedet, ehe man sie an den Reckherd zum Aus-
recken abliefert. Das gröſste Quantum, welches man mit diesen drei
Schmelzherden und einem Reckherde wöchentlich produzieren kann,
[666]Frischfeuer 1775 bis 1800.
beträgt 3 Tonnen. Man verschmilzt namentlich schwach halbiertes
und grau gesprenkeltes Roheisen. Beim Recken müssen die Reck-
schmiede aber auf den Grad des Glühens oder auf die Farbe des
Eisens sehr genau Achtung geben, denn wenn das Eisen zu dunkel-
rot glüht, so läſst es sich nicht recken, und wenn es zu weiſswarm
ist, so fällt es unter dem Hammer auseinander.


Das beste Eisen soll in Lancastershire aus Blutsteinerzen (Hämatit)
und aus Erzen von Forrest of Dean erzeugt werden. Auch das Eisen
aus einigen Flötzerzen bei Pontypool und den umliegenden Werken
soll ziemlich gut sein; an allen diesen Orten wird aber das Roheisen
sowohl als auch das Stabeisen bei Holzkohlen, welche dort von vor-
züglicher Güte sind, produziert. Wo man wenig Holzkohlen hat, ver-
wendet man in den Reckherden Steinkohlen. In den Frischherden
läſst sich die Steinkohle nicht anwenden.


Percy teilt in seiner Eisenhüttenkunde auf grund von Angaben
eines Herrn Rogers mit, daſs das Frischverfahren im Jahre 1807
eine wesentliche Verbesserung erfahren habe, daſs aber vor dieser
Zeit, bis zum Jahre 1720 zurück, das Verfahren noch ein sehr
einfaches gewesen sei. Man habe mit 1½ Ctr. Roheisen Einsatz
Luppen in einem Frischherd mit Holzkohlen erzeugt, diese seien unter
einem schweren Hammer gezängt und dann unter leichten, rasch
gehenden Schwanzhämmern ausgeschmiedet worden. Das Heizfeuer
oder der Reckherd hieſs chaferie, von dem französischen chaufferie. —
Dies sind die knappen Nachrichten über das Herdfrischen in England
im vorigen Jahrhundert.


In Frankreich entwickelte sich in Nivernais, wo man Qualitäts-
eisen machte, eine verbesserte Bergamaskschmiede, die sich von dem
alten Verfahren dadurch unterschied, daſs das Hartzerennen und
Frischen in zwei getrennten Herden vorgenommen wurde.


Baron Dietrich hat dieses Verfahren, welches von einem Beamten
aus Nivernais auch in dem Dep. des Landes, etwa in den 70 er Jahren
des vorigen Jahrhunderts, eingeführt worden war, in der Weise, wie er
es dort auf der Hütte von Uza bei dem Dorfe Lys kennen lernte,
näher beschrieben 1):


Von den zwei Hochöfen von Uza war immer nur einer, meistens
6 Monate lang, im Betrieb. Es wurde in 24 Stunden zweimal abge-
stochen, jeder Abstich gab etwa 1000 kg. Eine Tonne Eisen erforderte
[667]Frischfeuer 1775 bis 1800.
drei Wagen Kohlen. Nur der Mangel an Holzkohle verhinderte einen
stärkeren Betrieb.


Der Frischprozeſs (la mazerage), wie er von Nivernais eingeführt
war, bestand aus drei Operationen, 1. dem Hartzerennen, 2. dem
Rösten der Kuchen (Blattelbraten), und 3. dem Frischen (Raffinieren).
Es geschah dies manchmal in einem, meist in zwei Herden. Der
Hartzerennherd (mazerie) war 16 bis 18 Zoll im Quadrat und 16 bis
18 Zoll tief. Der Boden war nach der Schlackenseite zu geneigt,
den Formen gab man mehr oder weniger Neigung, je nachdem das
Eisen weicher oder härter war. Die Gans wurde von der Windseite
aus eingeschoben und gleich Frischschlacke und Hammerschlag mit
aufgegeben und der Wind angelassen. Bei der ersten Operation
wurde keine Schlacke abgestochen.


Das Einschmelzen durfte nicht zu sehr beschleunigt werden und
dauerte deshalb in der Regel drei bis vier Stunden. Dann stach man
die ganze geschmolzene Masse gefeintes Eisen und Schlacken zusammen
in ein flaches Sandbett ab, so daſs der Eisenkuchen nur etwa 1 Zoll
dick wurde. Ein solcher Abstich (pissée) lieferte 500 bis 600 Pfund
Hartzerenneisen. Man konnte sieben Abstiche in 24 Stunden machen.
Ehe das Eisen erstarrte, durchfurchte es der Arbeiter mit einem
Spieſs, so daſs es in Stücke von 6 Zoll auf 15 Zoll zerteilt wurde,
wodurch es sich hernach leicht in einzelne Platten (lopins) zer-
teilen lieſs.


Nun folgte die zweite Operation, das Rösten oder Braten (recuit),
dem man in Uza in der Regel alles Eisen unterwarf, auſser wenn
die Platten ganz weiſs waren oder wenn man Stahl machen wollte.
Das Braten geschah im offenen Herd zwischen zwei Lagen Kohlen.
Auf 1000 Pfund Eisen verbrannte man 420 Pfund Kohlen.


Das Raffinieren oder Frischen erfolgte dann in einem besonderen
gröſseren Herd, der 24 Zoll tief, 18 Zoll Quadrat im Boden, 24 Zoll
vom Schlackenloch bis zum Hinterzacken und von dem Form- zum
Windzacken (contrevent oder marâtre) in der Feuerhöhe hatte. Die aus
Kupfer geschmiedete Form lag 14 Zoll über dem Boden und 5½ bis
5¾ Zoll vor; ihre Mündung war 12 bis 13 Linien im Durchmesser;
sie war so geneigt, daſs der Wind den Windzacken 6 bis 8 Zoll unter
der Kante traf. Man setzte nur 60 Pfund gebratener Platten ein
und erhielt daraus eine Luppe (masset) von 40 Pfund, welche in
demselben Herd ausgeschmiedet wurde. War das Eisen zu weich, so
wurde die Form gehoben. Wollte man Stahl machen, was in den-
selben Herden geschah, so blies man fast horizontal und setzte keine
[668]Frischfeuer 1775 bis 1800.
Luppenbrocken und nur wenig Schlacken zu. — In Uza kostete dieses
Frischverfahren ⅙ mehr an Kohlen und gab 1/15 weniger Abbrand
als früher. Es hatte den Vorteil, daſs man das hierbei erhaltene
Eisen sofort zu kleinen Waren verschmieden und daſs man Roheisen
verarbeiten konnte, das sich sonst nur schwer frischen lieſs. Das
Eisen von Uza wurde in Bordeaux mit 18 bis 20 Lire der Centner
verkauft und konkurrierte mit dem spanischen.


Die zahlreichen Versuche, welche man in England gemacht hatte,
Eisen mit Steinkohlen zu verfrischen, hatten bis 1780 nur wenig
Erfolg gehabt. Rinman beschreibt ein eigentümliches Verfahren,
wie folgt:


Die Engländer versuchten auf jedem Wege das Ziel, Stabeisen
mit Steinkohle zu frischen, zu erreichen. Nachdem sie sich über-
zeugt hatten, daſs bei direkter Berührung des Eisens mit Steinkohle
oder Koks niemals ein gutes Eisen zu erzielen sei, probierten sie es
auf andere Weise. Das Frischen in Tiegeln vorzunehmen, wurde
von vielen versucht, und gelangte man endlich auch zu befriedigenden
Ergebnissen. Herr Quist, dessen Bericht Rinman benutzte, meldet
hierüber folgendes.


Das Hauptverdienst hiervon komme einem Mr. Bacon zu, welcher
das erste Werk zum Tiegelfrischen zu Lowermill, vier engl. Meilen
von Whitehaven, nicht weit von Egremont, angelegt habe. Er hätte
dieses Werk mit allen seinen Privilegien Herrn Wood überlassen,
der die Anlage erweitert und auch auf dem Eisenwerk zu Merthyr-
Tydwill sechs solcher Öfen gebaut habe.


Daſs ein Mr. Bacon ein solches Patent erworben habe, darüber
konnte ich nichts auffinden, wohl aber nahm John Wood am 5. Fe-
bruar 1761 ein Patent auf einen Prozeſs, dessen Beschreibung annähernd
mit dem von Quist beschriebenen übereinstimmt.


Das Verfrischen oder die Umwandlung in geschmeidiges Eisen
geschah danach statt in offenen Herden in geschlossenen Gefäſsen
oder Tiegeln, um die schädliche Einwirkung der Steinkohlen auf das
Eisen zu verhindern. Die Tiegel wurden aus feuerfestem Thon in
verschiedener Gröſse angefertigt. Die gröſsten waren 2 Fuſs hoch,
1 Fuſs weit und 4 Zoll stark, die kleinsten 9 bis 11 Zoll hoch, 5 Zoll
weit und 3 Zoll stark. Die Frischöfen — „flourishing furnaces“ —,
d. h. Flammöfen, in welche die Tiegel eingesetzt wurden, waren den
Gieſsereiflammöfen ähnlich. Auſser diesen hatte man noch kleinere,
„ball furnaces“ genannt, die nur dazu dienten, die Eisenkörner, die beim
ersten Schmelzen nicht frischen wollten, noch einmal umzuschmelzen.


[669]Frischfeuer 1775 bis 1800.

Das Roheisen muſste erst granuliert werden und geschah dies
gleich bei dem Hochofen zu Merthyr (Marthar) in Glammorganshire.
Man nahm halbiertes Roheisen, welches mit Koks erzeugt war. Beim
Granulieren wurde das flüssige Roheisen in eine guſseiserne Rinne
geleitet, an deren unterem Ende sich ein Loch von ½ Zoll im Durch-
messer befand, durch welches das Eisen, wie durch ein Sieb, 8 Fuſs
tief auf eine hölzerne Walze von 18 Zoll im Durchmesser fiel, welche
3 Zoll hoch mit Wasser bedeckt war und durch eine Kurbel mit der
Hand umgedreht wurde. Jeder einzelne herabfallende Eisentropfen
prallte gegen die Walze an und wurde dadurch in viele kleine
Körner zerteilt 1), die durch das Härten im Wasser so spröde wurden,
daſs man sie nötigenfalls unter einem Stampfer oder in einem Poch-
werk noch mehr zerteilen konnte. Die Granalien sammelten sich in
einer hölzernen Kiste unter dem Wasser, welche von Zeit zu Zeit
leer gemacht wurde. — Wenn der Schmelzprozeſs angehen sollte,
wurden zu einer Tonne Roheisengranalien 1½ Ctr. (84 kg) feingesiebte
und gewaschene Garschlacke aus dem Reckherd abgewogen und
dieser Schlacke setzte man dann gewöhnlich fünf kleine Schüsseln
voll fein gepulverten Kalk zu 2). Das Granuliereisen, welches unter-
dessen in einer Lauge von Kaliasche (Pottasche) gelegen hat und darin
gewissermaſsen gebeizt worden ist, wird dann aus dieser Lauge
genommen und mit dem Gemenge von Schlacke und Kalk auf dem
Beschickungsboden gehörig durchgearbeitet. Mit dieser Beschickung
werden alsdann etwa 26 von den gerösteten Tiegeln, von denen ein
jeder 93 Pfund enthält, angefüllt, mit einem Deckel wohl verschlossen,
verklebt und mit groſsen Zangen in den Flammofen — flourishing
furnace — eingesetzt. Wenn der Ofen einen guten Zug hat und
ganz neu ist, kann das Eisen bei einer sehr starken Hitze in höch-
stens 3½ bis 4 Stunden zu einem Klumpen zusammengeschmolzen
sein, welches man bei einiger Übung an der Farbe der Tiegel in dem
Ofen erkennt. Glaubt der Schmelzer, daſs der rechte Zeitpunkt
gekommen ist, so wird der Tiegel herausgenommen, geöffnet, zer-
[670]Frischfeuer 1775 bis 1800.
schlagen und ausgeleert und man findet das Schmelzstück dann, wenn
alles gut gegangen ist, als einen Klumpen, der einer gewöhnlichen
Luppe gleicht, mit einer dünnflüssigen, schwarzen, obsidianähnlichen
Schlacke umgeben. Das Schmelz- oder Frischstück pflegte gewöhn-
lich 80 Pfund zu wiegen; es wurde sogleich zusammengeschlagen und
an den Reckhammer geliefert. Miſsglückte, roh gebliebene Güsse
kamen in den Ball-furnace. Das Eisen war von geringer Güte, kurz-
sehnig und brüchig.


An dieses Tiegelfrischen schlieſst sich ein anderer, ebenfalls im
vorigen Jahrhundert in England angewendeter Prozeſs, das sogenannte
Brockenschmelzen in Tiegeln. Es ist dies das Zusammenschmelzen
oder richtiger Zusammenschweiſsen von altem Schmiedeeisen (Schrott)
in Tiegeln. Auch dieser Prozeſs war nur denkbar bei den auſser-
ordentlich hohen Holzkohlenpreisen auf der einen und den billigen
Steinkohlenpreisen auf der anderen Seite.


Die Öfen, in denen dieser Prozeſs vorgenommen wurde, hieſsen
Scrap-furnaces, Schrottöfen; man hatte dergleichen zu Duffield bei
Derby, zu Sheffield und anderen Plätzen. Die Eisenbrocken wurden
von armen Leuten gesammelt und bestanden aus allen möglichen
Abfällen. Mit diesen wurden etwa sechs Tiegel von 2 Fuſs Höhe
und 10 Zoll Weite ohne Zusatz angefüllt und die Masse möglichst
zusammengedrückt. Die offenen Tiegel wurden in den Schrottöfen
einem starken Steinkohlenfeuer ausgesetzt, so daſs der Inhalt zusammen-
schweiſste. Die Tiegel wurden alsdann aus dem Ofen genommen,
umgestürzt und die ausgestürzte, zusammengeschweiſste Masse zusammen-
geschlagen, unter einem Wasserhammer geschmiedet und nach oft
wiederholtem Glühen zu Stäben, wie sie für Kleinschmiede passen,
ausgereckt. Karsten giebt an, daſs die Tiegel mit Inhalt nach dem
Schweiſsen unter den Hammer gebracht wurden. Rinman sagt:
„man soll“ manchmal die Erhitzung bis zum Schmelzen der Masse,
die dann unter einer Decke von Glaspulver oder Hochofenschlacke
flüssig würde, fortsetzen und erhielte so das reinste Eisen, welches
die Engländer tincture of iron nannten. Hier ist wohl eine Guſs-
stahlerzeugung aus Stahlbrocken gemeint.


Statt dieses Verfahrens hatte man nach Quists Bericht um 1780
bereits ein anderes Verfahren, Schrott im Feuer zu verarbeiten, indem
man denselben in Flammöfen mit Steinkohlenfeuer zusammenschweiſste.
Man verarbeitete auf diese Weise namentlich alte Nägel und Abfälle
der Nagelschmiede, aus denen man auf runden Stücken von Sand-
stein kleine Kegel aufrichtete und diese im Reverberierofen (air fur-
[671]Frischfeuer 1775 bis 1800.
nace) bei geschlossenen Thüren der Hitze aussetzte. Die geschweiſsten
Klumpen wurden mit Handhämmern zusammengeschlagen und dann
unter einem kleinen Wasserhammer zu Stäbchen ausgereckt, die
gröſstenteils zu Sheffield zum Schmieden von Messerklingen ange-
wendet wurden.


Der Vollständigkeit wegen wollen wir hier noch einige ältere
Vorschläge und Versuche, Roheisen mit Mineralkohlen zu frischen, auf-
führen.


1724 erhielt Roger Wodehouse ein Patent, Roh- und Guſseisen
mit Hülfe roher Steinkohle schmiedbar zu machen.


1727 nahm Fallowfield ein Patent, Eisen mit Torfkohlen aus
feinen Erzen zu schmelzen und in Schmiedeeisen zu verwandeln.


1728 bekam John Payne ein Patent, welches wir schon wiederholt
angeführt haben, weil in demselben auch die Anwendung kannelierter
Walzen zum erstenmal patentiert wurde. Der erste Teil desſelben
bezieht sich auf die Herstellung von Schmiedeeisen durch gewisse
Zusätze und lautet: Roheisen schmiedbar zu machen, um es unter
dem Hammer zu strecken u. s. w. „Asche von Holz oder anderen
Vegetabilien, alle Arten von Glas und Sand, gewöhnliches Salz und
Steinsalz, Kali, Pottasche, Eisenschlacken von Schmelzöfen und
Frischfeuern werden in entsprechenden Mengen mit Roheisen oder
sonstigem spröden Eisen in einem Frisch- oder Schmiedeherd zusammen-
geschmolzen, wodurch dieselbe Umwandlung bewirkt wird, wie durch
Holzkohle, so daſs es schmiedbar wird und in Stäbe oder andere
Formen geschmiedet werden kann.“


Dieses Patent verdient deshalb Beachtung, weil darin die Idee
des Martinverfahrens zum erstenmal entfernt angedeutet ist. Das
englische Tiegelfrischen, wofür Francis Wood 1761 ein Patent erhielt
und welches wir oben beschrieben haben, ist damit verwandt.


1771 erhielt James Goodyer ein Patent, Stahl aus Roheisen
zu machen. Das beschriebene Verfahren entspricht dem deutschen
Stahlfrischverfahren und muſs man daraus schlieſsen, daſs das Stahl-
frischen in England nicht bekannt war.


„Man setze Roh- oder Guſseisen in ein Frischfeuer, gerade wie
wenn man Stabeisen machen wollte; aber das angewandte Gebläse
muſs schwächer sein. Sobald einiges von dem Eisen im Herd nieder-
gegangen ist, muſs man vom Boden aus es durcharbeiten, wie beim
Eisenmachen; mit dem Einschmelzen fährt man dabei aber anfangs
fort. Wenn es genug ist, um eine Luppe zu machen, läſst man das
ganze auf den Boden niedergehen, bringt die Luppe sofort zu dem
[672]Frischfeuer 1775 bis 1800.
Hammer, um sie zu zängen und zu recken wie Eisen. Man hält den
Herd so frei von Schlacke wie nur möglich. Ein Zusatz von Salz
oder salzigen Substanzen, thierischen Abfällen oder Holzkohlenstaub
verbessert den Stahl. Um feinen Stahl zu machen, nimmt man den so
bereiteten und cementiert ihn in derselben Weise, wie gewöhnlicher
Stahl aus Stabeisen gemacht wird.“


Richard Jesson nahm mehrere Patente für die Stabeisen-
bereitung mit Steinkohle. Das erste vom 30. Oktober 1773 erhielt
Jesson zusammen mit John Wright für die Darstellung von
weichem Eisen aus Roheisen (pig or sow metal) oder Guſseisen und
aus Schaleneisen (scull and cinder iron) oder anderem Guſswerk mit
roher Kohle oder Koks und einem Gebläse. Die erhaltenen Luppen
werden heiſs unter einem Stempel oder Hammer in Platten aus-
geschlagen, welche, wenn sie kalt geworden sind, in kleine Stücke
zerbrochen werden, um den Staub und die schweflige Masse, welche
das Metall aus den Kohlen aufgenommen haben können, abzuscheiden.
Hierauf werden diese Stücke noch völlig von Unreinigkeiten gereinigt,
entweder mit der Hand oder in Scheuertonnen. Alsdann erhitzten
die Erfinder die gereinigten Stücke in einem Flammofen, in Tiegeln
oder sonstwie und schmiedeten sie dann von einem Reckherd
(chafery) in der gewöhnlichen Weise wie bei der Schmiedeeisen-
bereitung aus. Wenn das Eisen aber rot oder kaltbrüchig ist, so
wird es unter Zusatz von Schrotteisen (scrap iron or nutt iron) in
Thontiegeln in einem Flammofen erhitzt und dann erst, wie zuvor
erwähnt, ausgereckt.


Am 14. November 1783 erhielt Richard Jesson ein neues
Patent für denselben Zweck und folgendes Verfahren: Guſs- oder
Schaleneisen wird in einem Frischherd erhitzt mit Gebläse, aber ohne
Flüsse oder Aufgüsse (infusions). Die erhaltenen Metallklumpen
werden heiſs in Platten oder sonstige Formen ausgeschmiedet. Diese
werden in Haufen (Garben — piles) oder sonstwie, aber ohne
Tiegel oder Gefäſse, in einem kleinen, für diesen Zweck erbauten
Ofen erhitzt und darauf in Stücke von Schmiedeeisen in einer
oder mehreren Hitzen mit oder ohne Reckherd ausgeschmiedet. —
Kleine Brocken des Metalls, welche bei dem Hämmern abfallen,
können in Tiegeln oder Gefäſsen oder ohne diese in einem Flamm-
ofen, wenn rot oder kaltbrüchig unter Zusatz von Schrott erhitzt
und dadurch in gutes Schmiedeeisen verwandelt werden. Dieses Ver-
fahren finden wir zum Teil bei der Südwalesschen Frischschmiede in
Anwendung.


[673]Frischfeuer 1775 bis 1800.
Frischen am Harz und in Österreich zu Ende des Jahrhunderts.

Über das Eisenfrischen am Schlusse des 17. Jahrhunderts liegen
ausführlichere Nachrichten vor, aus denen wir auszugsweise das Nach-
folgende mitteilen.


Das Kaltfrischen oder die Kaltbläserarbeit, welche am Rhein
gebräuchlich war und deshalb auch rheinisches Frischen genannt
wurde, war diejenige Abänderung der deutschen Frischarbeit, bei welcher
das zu frischende Eisen, um es schneller aufbrechen zu können,
abgeschreckt wurde.


Das Kaltfrischen unterschied sich von dem Warmfrischen (dem
eigentlichen deutschen Frischen) dadurch, daſs man das Eisen, sobald
es im Frischherde eingeschmolzen war, bis zur völligen Erstarrung
kalt werden lieſs, zu welchem Zwecke man die Schlacke von dem
auf dem Boden befindlichen flüssigen Eisen mit der Handschaufel
wegscharrte und die Erstarrung des Eisens durch Aufgieſsen von
Wasser beförderte. Wenn die Arbeit so etwa eine halbe Stunde
unterbrochen worden war, wurde der erstarrte Eisenklumpen auf-
gebrochen, umgewendet, Kohlen darunter gebracht und noch einmal
langsam eingeschmolzen. Das Eisen wurde hierbei dem Winde des
Gebläses von neuem ausgesetzt, frischte dadurch gleichmäſsig und
schnell und pflegte nach dieser zweiten Schmelzung schmiedbar zu sein.
Wurde die Hitze im Anfange bis zum Kochen des Roheisens fort-
gesetzt und dann erst abgekühlt, so nannte man dies Rohfrischen.
Das Kaltfrischen wurde um die Mitte des 18. Jahrhunderts in Schmal-
kalden eingeführt und werden wir bei der Landesgeschichte darüber
noch nähere Angaben machen.


Am Harz war das deutsche Frischverfahren in Gebrauch und
zwar diejenige Abänderung, welche man das Klumpfrischen nannte.


Man verschmolz dabei graues oder halbiertes Roheisen 1). Der Herd war
aus vier eisernen Zacken einschlieſslich der Bodenplatte zusammengesetzt.
Letztere war 2 Fuſs 1 bis 2 Zoll im Quadrat, 2½ Zoll dick und wurde von unten
durch Wasser gekühlt.


Der Formzacken war 2 Fuſs 2 Zoll lang und 1 Fuſs 2 bis 3 Zoll hoch, der
Gichtzacken war 2 Fuſs 6 bis 12 Zoll lang und 1 Fuſs 3 Zoll hoch, der Hinter-
zacken 2 Fuſs 2 Zoll lang und 1 Fuſs 4 Zoll hoch; alle waren 2 Zoll dick.


Die Vorderseite hatte keinen Zacken, sondern wurde mit Gestübbe zu-
gemacht, dagegen befand sich hier die eiserne Schlackenrinne oder Lachtsohle,
1 Fuſs 6 Zoll lang, 6 bis 8 Zoll weit und 4 bis 5 Zoll hoch. Sie war an beiden
Seiten des Mauerwerks befestigt und mit einer starken Eisenplatte, dem Schlacken-
Beck, Geschichte des Eisens. 43
[674]Frischfeuer 1775 bis 1800.
blech, bedeckt, das 3½ Fuſs lang und 1 Fuſs breit war. Sie diente beim Arbeiten
mit dem Spieſs (Spalt) als Unterlage. In diesen Kasten wurde der Herd von
Gestübbe geschlagen. Die Tiefe des Herdes war vom Formmaul bis auf den
Boden 11½ Zoll, vom Formmaul bis zum Hinterzacken 7½ Zoll, seine Länge vom
Formmaul bis zum Gichtzacken 2 Fuſs 4 Zoll; die Form ragte 3½ Zoll in den
Herd.


Der Hinterzacken hing 1½ Zoll rückwärts, der Gichtzacken um 1 Zoll ein-
wärts. Der Formzacken stand senkrecht und war einige Zoll niedriger als die
anderen, weil auf ihm die Form ruhte. Der Frischboden war einige Grade
nach der Ecke, welche Form und Hinterzacken bildeten, geneigt. Die Lacht-
sohle lag 4 Zoll über dem Frischboden. Die Lage des Frischbodens zur Form
war besonders wichtig. Bei grauem Eisen legte man den Boden höher, um das
Frischen zu beschleunigen, bei weiſsem (grellem) Eisen legte man ihn tiefer, um
das Frischen zu verlangsamen, weil dieses Eisen leichter frischte. Die Frischer
nannten das grelle, leicht frischende Roheisen garschmelzig, das graue roh-
schmelzig.


Die Form lieſs man soviel stechen, daſs der Wind entweder den Gichtzacken
1 bis 2 Zoll vom Boden berührte, oder daſs er auf den Boden selbst, 2 bis 3 Zoll
von der Mitte desſelben, nach dem Gichtzacken zu fiel; ersteres bei halbiertem,
letzteres bei grauem Roheisen. Das Formmaul war halbkreisförmig oder länglich
viereckig, im ersteren Falle 1⅜ Zoll breit und 1⅛ Zoll hoch, im zweiten Falle
1½ Zoll breit und 1⅛ Zoll hoch. Die Neigung der Form wurde mit einem
halben Gradbogen, der Formwage, bestimmt. Die Balgdeuten oder Düsen hatten
1⅛ Zoll weite Mündungen und lagen 3½ Zoll in der Form zurück. Die Bälge
waren 10 Fuſs 8 Zoll im ganzen lang und faſsten etwa 80 Kubikfuſs. Die Holz-
kohle, der man sich am Harz bediente, war Fichtenkohle (Pinus picea. Lin.).


Der Frischproceſs zerfiel in folgende Operationen: 1. das Roheinschmelzen;
2. das Garmachen; 3. das Rohaufbrechen oder erste Aufbrechen; 4. das Klump-
frischen; 5. das Garaufbrechen; 6. das Luppenschmelzen.


Das Frischen begann damit, daſs man den Herd halb mit Kohlen füllte, hierauf
grob zerschlagene Schurre, d. h. den Abfall von der vorigen Luppe nebst einigen
Eisenstückchen von ⅛ Ctr. Gewicht auftrug. Dann setzte man die Roheisenstücke,
welche 2 Ctr. wogen, zu vier bis fünf Stücken nebeneinander auf den Gichtzacken,
mit ihrer Längenachse der Form zugerichtet, ein. Das gröſste untere Roheisenstück
ragte etwas vor, etwa 6½ Zoll in den Herd hinein. Man gab den Roheisenstücken
hinten eine Unterlage, damit sie sich vorn in den Herd neigten. Alsdann stürzte
man den Herd mit grober Kohle voll, warf glühende Kohlen vor die Form und
lieſs den Wind an. Damit begann das Roheinschmelzen. Das Roheisen tropfte
langsam vor der Form nieder und vereinigte sich mit der Masse am Boden,
welche gleichzeitig einschmolz. Zur Schlackenbildung warf man einige Schaufeln
Frischschlacken ein. Die Bälge wechselten sieben- bis achtmal bei halbiertem
Roheisen, bei grauem etwas rascher. Da das Einschmelzen keine Arbeit erfor-
derte, so benutzte man das Feuer zum Wärmen und Ausschmieden der Luppen-
stücke von dem vorhergehenden Frischen. Hierüber ist nichts weiter zu bemer-
ken. Das Roheinschmelzen dauerte 1½ Stunden. Der Frischer untersuchte mit
dem Spatt, ob viel Lacht in dem Herde ist, welcher dann zum erstenmale abge-
stochen wurde. Der Lacht war bei grauem Eisen hochrot und dünnflüssig, bei
grellem Eisen weiſs und steif. An dem Lacht erkannte man, ob das Schmelzen
zu gar oder zu roh war, in ersterem Falle setzte man Frischschlacke, im zweiten
Garschlacke oder Hammerschlag zu. Das nach beendetem Roheinschmelzen im
Herde befindliche Eisen bildete keineswegs eine flüssige Masse, sondern war
äuſserlich erhärtet, innen aber breiartig. Man brach mit dem Spatt auf und
zerteilte sie in mehrere gröſsere und kleinere Klumpen. Bei grellem Roheisen
setzte man mehreremal Frischschlacke zu. Je behutsamer das Einschmelzen
geschah, um so besser verlief das Frischen.


[675]Frischfeuer 1775 bis 1800.

Das dem Winde am nächsten gelegene Eisen wurde nur leicht aufgebrochen
und in einigen Klumpen vor die Form gebracht, dies nannte man das Gar-
machen
, welches beendet war, sobald der Klumpen vor dem Winde eine weiſse
Farbe bekam und sich an den Spatt anhing. Nun beginnt die dritte Operation,
das Rohaufbrechen. Man bringt dabei sämtliches Eisen vom Boden über
die Form und läſst es aufs neue so einschmelzen, daſs der Wind auf jedes Teil-
chen gehörig wirkt. Der Frischer nimmt den groſsen Spatt von 7 bis 8 Fuſs
Länge und fährt damit beim Gichtzacken auf den Boden nieder und sucht nun
die fest aufsitzende Masse durch Wuchten des Spatts, indem er sich mit Gewalt
auf denselben legt, loszumachen und in die Höhe vor den Wind zu bringen.
Sie bricht dabei gewöhnlich in mehrere Stücke. Diese werden in die Höhe
gebracht und in umgekehrter Lage, so daſs die untere Seite mit der anhängenden
Schurre nach oben zu liegen kommt, über dem Winde aufgesetzt. Der Frischer
reinigt nun den Boden und beginnt alsdann mit dem Unterspatten. Hierbei fährt
der Frischer mit dem groſsen Spatt vom Schlackenblech vor der Form bis auf
den Boden durch und giebt ihm dann eine diagonale Richtung nach der Ecke
zu, wo Gicht und Hinterzacken zusammenstoſsen; dann fährt er in der Mitte des
Herdes durch, dann wieder nach der anderen Ecke und so kreuzweise fort.
Hierdurch überzeugt er sich, ob der Boden gehörig rein sei. Hat sich etwas
angesetzt, so wird es mit Gewalt weggestoſsen. Dies geschieht aber vorzüglich
nur beim Rohgang, wenn graues Roheisen verfrischt wird, bei halbiertem und
grellem ist es selten oder nie der Fall. Die unter der Form sich frischende
Masse wird nun aufgebrochen und in die Höhe gebracht. Man faſst daher mit
dem Spatt dicht auf den Boden, drückt hinten scharf nieder, bricht den gröſsten
Klumpen auf und wirft ihn vor den Gichtzacken, dann werden die übrigen kleine-
ren ebenfalls dahin gebracht und nun alles vor den Wind geführt. Einige beim
vorherigen Aufbrechen auf die Seite geworfene Schurre werden ebenfalls darauf
geworfen. Nachdem nun vom Gichtzacken alles weg und vor die Form gebracht,
diese selbst gereinigt und der Herd gelüftet ist, werden frische Kohlen in den
Herd gestürzt und man läſst das Gebläse, welches während der ganzen Operation
etwas langsamer ging, wieder geschwinder gehen. Die Zeit des Rohaufbrechens
dauert etwa ¼ Stunde. Die Schurre, die hauptsächlich aus oxydirtem Eisen
bestehen, werden ebenso wie der Hammerschlag als garende Mittel zugesetzt.
Wenn nun das Eisen nach und nach anfängt sich zu senken und niedergeht, so
kommt es in einem bereits halbgefrischten Zustande auf den Boden, wird zäh
und vereinigt sich schon weit lieber zu einem Ganzen als vorhin. Es bildet auf
dem Frischboden ein zusammenhängendes Ganzes, den sogenannten Klump, wes-
halb diese Arbeit das Klumpfrischen genannt wird. Der Frischer scharrt die
einzelnen Stücke vom Gichtzacken nach der Form, indem er darauf achtet, daſs
das Einschmelzen nach und nach geschieht, und daſs der Wind die Masse be-
ständig gehörig durchstreiche und alle Teile derselben hinlänglich berühre.
Mit dem Spatt muſs daher immer so gearbeitet werden, daſs der Wind den
Gichtzacken erreichen und folglich den ganzen Herd durchstreichen kann. Um
den Eisenverbrand zu vermindern, hält man die Masse vor der Form etwas dicht
und schlägt sie etwas zusammen. Nach 10 Minuten werden die Kohlen im
Feuer mit den Haken zur Seite gebracht, die niedergehende Masse mit dem
Spatt gelüftet, die Form rein gehalten und an der Gicht etwas aufgebrochen,
alles dem Winde zugeführt, damit nichts rohes eingehe, am Hinterzacken Wasser
gegossen und nun das Ganze etwas in Ruhe gelassen. Nach halbstündiger
Arbeit hat sich der Klumpen auf dem Herdboden gebildet.


Es folgt nun das Garaufbrechen oder Luppenaufbrechen, welches etwa
10 Minuten erfordert. Der Frischer fährt zu dem Ende mit dem groſsen Spatt
beim Formzacken nieder und hebt hier den Klump etwas in die Höhe, alsdann
faſst er beim Gichtzacken unter den Klump und hebt ihn nach und nach immer
mehr, bis er fast eine senkrechte Stellung bekommen hat. Nun macht er die Form
43*
[676]Frischfeuer 1775 bis 1800.
rein, stürzt Kohlen in den freien Raum und wuchtet alsdann den Klump so
herum, daſs die Seite desſelben, welche vorhin an der Gicht lag, nun vor die
Form und also die untere oder Bodenseite oben zu liegen kommt. Der ganze
Klump liegt daher jetzt über der Form. Nachdem er abermals mit Kohlen
bedeckt ist, bleibt er nun eine kurze Zeit sich selbst überlassen.


Hierauf folgt das Luppenschmelzen, die letzte Operation, welche als der
dritte Verfrischungsgrad zu betrachten ist. Das zu frischende Eisen wird dabei
zum drittenmale vor der Form niedergeschmolzen. Den aufgebrochenen Klump
darf der Frischer aber nur sehr behutsam und vorsichtig eingehen lassen, damit
keine ungefrischte Stelle darin bleibt. Der über der Form befindliche Klump
wird deshalb so lange als möglich schwebend erhalten, damit der Wind nur auf
den unteren Teil desſelben wirken und diesen nach und nach wegschmelzen
kann. Das Feuer hält der Frischer dabei immer dicht und gieſst dann und
wann etwas Wasser darüber. — Ist der Klump soweit niedergegangen, daſs die
sich auf dem Boden bildende Luppe beinahe fertig ist, so entblöſst man ihren
oberen Teil und drückt etwaige lose Brocken daran fest. Da jetzt der Wind
unmittelbar auf das Eisen bläst, so verbrennt ein geringer Teil desſelben und
sprüht mit strahlenden Funken in der Esse umher; um nicht zuviel zu ver-
brennen, läſst man das Gebläse etwas langsamer gehen. Wegen der zunehmenden
Schwerflüssigkeit des Eisens dauert dieses Luppenschmelzen etwa ½ Stunde. —
Ist alles zusammengeschmolzen, so wird nochmals Wasser darüber gegossen und
endlich die nun fertige Luppe, indem sie der Frischer mit dem Spatt vor
der Gicht aufhebt und zwei andere Arbeiter mit dem Luppenhaken zu Hülfe
kommen, aus dem Herde heraus auf die Hüttensohle gewälzt und nach dem
Hammer gebracht. Sie hat jetzt eine eiförmige, etwas gedrückte Gestalt.


Dieses Verfahren gilt für graues Roheisen; garschmelziges, leicht fri-
schendes Eisen wird immer unter dem Winde gehalten.


Zwei Arbeiter schaffen mittels des Luppenhakens die Luppe zum Hammer.
Sie wird nun mit der Luppenzange unter den Hammer geschoben und zwar so,
daſs sie auf der hohen Kante liegt. Bei den ersten Hammerschlägen flieſst die
noch bei der Luppe befindliche Schlacke ab. Ist jene oben und unten etwas
gedichtet, so wird sie gedreht und mit der flachen Seite auf den Amboſs gelegt.
Nachdem sie durch Hin- und Herschieben geebnet und zu gleicher Stärke aus-
gebreitet ist, wird sie zerhauen oder mittels des Setzeisens in vier bis fünf
Stücke zersetzt; das erstere ist das Gichtstück, dann folgen die Mittelstücke,
zuletzt das Formstück. Jedes Stück wird mit einer Zange gefaſst und zum
Auswärmen in den Herd geschoben. Sie werden dann gezängt oder gezaggelt
und zu Stäben ausgeschmiedet.


Zu einer Frischhütte gehörte ein Meister, drei Knechte und ein Lehr-
bursche. Der Meister hielt den Feuerbau und den Hammer in Ordnung und
half beim Zersetzen und Ausschmieden der Luppe. Die Knechte machten die
Luppen und schmiedeten sie aus. Man rechnete auf den braunschweigischen
Hütten auf einen Centner (zu 114 Pfund) Stabeisen 3 Maſs Kohlen = 240 Pfund.
3 Centner Roheisen gaben 2 Centner Stabeisen. Überschuſs wurde vergütet,
doch litt durch das Überschuſsmachen oft die Qualität. Wöchentlich wurden
50 bis 60 Centner Stabeisen geschmiedet.


Dieses Klumpfrischen hatte einen groſsen Abbrand, gab aber ein gutes
zuverlässiges Eisen, deshalb wurde es für Drahtseil- und Gewehrplatineneisen
auf der Königshütte auch im 19. Jahrhundert noch lange beibehalten.


In den österreichischen Alpenländern war das Löschfrischen
in allgemeiner und fast ausschlieſslicher Anwendung, bis in den
70er Jahren des vorigen Jahrhunderts ein Gewerke namens Dietrich
[677]Frischfeuer 1775 bis 1800.
in Hollenstein ein verbessertes Frischverfahren einführte, welches
Eingang fand und sich allmählich auf die österreichischen und stei-
rischen Nachbarwerke ausdehnte, bis es endlich auch auf allen haupt-
gewerkschaftlichen Hütten eingeführt wurde. Dieses Verfahren ist
bekannt als österreichische Schwallarbeit.


Der Herd war dabei mit Zacken oder Abbrändern ausgesetzt und hatte die
folgenden Maſse 1):


Länge der Herdgrube oben 27 Zoll, unten 22 Zoll, Breite der Formwand
oben 18 Zoll, am Boden 13 Zoll, die Windseite war um 2 Zoll breiter. Höhe
vom Rande des Sinterbleches bis zum Schwallboden 14 Zoll, vom Formabbrande
bis dahin 11 Zoll, von der Formmündung 8 bis 9 Zoll. Der Formabbrand stand
senkrecht oder war 1 Zoll in die Grube geneigt, das Sinterblech auf der Arbeits-
seite 3½ Zoll und der Wolfabbrand auf der Hinterseite 1½ Zoll aus der Grube
geneigt. Die Form oder das Eſseisen lag 4 Zoll über, die Düsen 4½ Zoll zurück;
das Stechen der Form 24 bis 26 Grad. Das Formmaul war halbrund und \frac{5}{4} Zoll
breit und hoch.


Das Charakteristische dieser Frischmethode war die Herstellung des Herd-
bodens aus Schlacken (Schwall). Zu diesem Zwecke wurde die Herdgrube erst
bis auf 13 bis 14 Zoll vom Rande des Formabbrandes entfernt mit zerkleinerter
Frischschlacke gefüllt, die geebnet die Unterlage des Schwallbodens bildete.
Diese Unterlage war 3 bis 5 Zoll dick. Hierauf wurde aus groſsen Stücken garer
Schlacke oder Schwall der Herdboden hergestellt, ähnlich wie ein Steinpflaster.
Die Oberfläche muſste ganz eben sein, die Zwischenräume wurden mit kleinen
Stücken und zuletzt mit fein gepochter Schlacke sorgfältig hergestellt. War dieser
Schwallboden gut gemacht, so war es nicht nötig, ihn vor dem Frischen fest-
zuschmelzen, indem dies dann bei der ersten Charge von selbst geschah. Ein
gut hergestellter Schwallboden konnte Monate lang halten, indem man ihn bei
der Arbeit selbst immer nach Wunsch regulieren, ihn erhöhen oder erniedrigen
konnte. Die Decke des Schwallbodens betrug 6 bis 7 Zoll. Der Frischer muſste
fortwährend auf den ordnungsmäſsigen Zustand des Schwallbodens acht geben.
Bei normalem Gange sollte er sich bei der Arbeit 1 bis 2 Zoll tief erweichen.
Die gare Schlacke des Schwallbodens wirkte zum Frischen mit. Bei zu groſser
Hitze im Herde, oder zu starker Neigung der Form war aber immer die Gefahr
vorhanden, daſs der Schwallboden an einer Stelle durchschmolz oder sich ganz
auflöste. Dies nannte man das weiche Durchzerennen. Es passierte nur uner-
fahrenen oder unaufmerksamen Frischern. Gröſser war die Gefahr, daſs das
Roheisen zu rasch niederschmolz und das hitzige Eisen und die rohe Schlacke
auflösend auf den Schwallboden wirkten, was man das rohe Durchzerennen
nannte. Hiergegen muſste der Arbeiter fortwährend auf der Hut sein. Er half
sich durch Einstellen der Arbeit, Ausräumen des Herdes, Einbetten frischer
Schwallstücke und Aufgieſsen von kaltem Wasser.


Das geeignetste Roheisen für die Schwallarbeit war der groſsluckige Floſs.
Bei grellerem Eisen muſste man das Einschmelzen verlangsamen, bei weicherem
Eisen es beschleunigen, dagegen die darauf folgenden Processe verzögern. Das
Roheisen wurde in unregelmäſsigen Stücken, den Flossenbrocken, eingesetzt. Die
Arbeit zerfiel in fünf Abteilungen:


  • 1. die Vorbereitung des Herdes;
  • 2. das Ausheizen;
  • 3. die Bildung des Zerenn- oder Frischbodens;
  • 4. das eigentliche Zerennen oder Frischen, und
  • 5. das Zu- oder Nachzerennen.

[678]Frischfeuer 1775 bis 1800.

Beim Beginn der Arbeit wird der Herd bis auf den Schwallboden aus-
geräumt und gereinigt, sodann ringsum an den Rändern feuchte Lösche oder
Stübbe festgeschlagen und auf den freien Schwallboden in der Mitte eine Schaufel
Weich (Schlacke) aufgeworfen. Die Herdgrube wird mit Kohlen gefüllt, über der
Eſsbank (Formseite) 4 bis 6 Zoll hoher Wall aus nasser Lösche errichtet und
rings um den Herd ein Löschkranz aufgeführt. Anders ist die Vorbereitung,
wenn man nach ausgebrochenem Dachel den heiſsen Herd für die folgende
Charge vorrichten will. Dann kühlt man erst durch Aufgieſsen von Wasser ab,
reinigt den Herd, ebnet die entstandenen Vertiefungen durch Einschlagen von
Lösche ein, füllt dann mit Kohlen und bildet den Löschkranz, wie zuvor
beschrieben.


Da der Dachel (die Luppe) bei der Schwallarbeit in acht Masseln zerteilt
wird und jede Massel wenigstens zwei Hitzen bekommt, so hat man mindestens
16 Hitzen auszuheizen.


Der Ausheizprozeſs ist für den Frischer die angestrengteste Periode, um so
mehr, weil er während derselben schon einen Teil des Frischprozesses voll-
enden muſs. Von den acht Masseln werden nur drei mit den Masselzangen
eingelegt, die übrigen vorläufig in einem einfachen Feuer warm gehalten.
Gleichzeitig mit den ersten drei Masseln wird auch schon von der Windseite
die erste Flossengarbe mit 50 bis 60 Pfund Roheisen eingehalten. Die Flossen-
garbe liegt einige Zoll höher als die Masselzangen. Alle liegen möglichst dicht
zusammen, um die Hitze gehörig auszunutzen. Bei den Masseln unterscheidet
man die Kernstücke und die Ranftmasseln. Letztere sind unreiner, bedürfen
stärkerer Hitze, und da mehr weggeheizt wird, tragen sie mehr zur Bildung des
Frischbodens bei als die Kernmasseln, weshalb man sie zuerst ausheizt. Man
unterscheidet ferner bei jeder Massel die Haarseite und die Reinseite. Erstere
ist die unreine Seite und muſs mehr geheizt werden, wonach man sich bei dem
Einlegen richtet. Ist alles in Ordnung, so giebt man Kohle auf und zwar türmt
man gewöhnlich einen Haufen Kohlen auf, den man durch Aufgieſsen von Lehm-
wasser von auſsen vor dem Verbrennen schützt. War der Herd kalt, so muſs
man langsam anblasen und da der Herdboden noch keinen Saft giebt, Weich
über die eingehaltene Massel werfen, welcher dieselbe überzieht und vor dem
Verbrennen schützt. War der Boden und die Massel heiſs, so kann man gleich
stärker blasen und das Ausheizen dadurch beschleunigen. Mit dem Aufgeben des
Weich muſs man sich besonders auch nach der Beschaffenheit des Herdbodens
richten.


Die Masselzangen werden anfangs horizontal gehalten, so daſs sie 2 bis
3 Zoll über dem Formrand liegen. Die noch höher liegende Flossenzange wird,
damit sie nicht nachsinkt, durch Gewichte an ihren Schäften in der Höhe gehal-
ten. Die mittlere Massel, die der Form am nächsten liegt, wird zuerst nieder-
gelassen, so daſs sie in das Bereich der flüssigen Schlacke kommt, doch darf sie
nicht bis zum Schwallboden sinken. Die Massel wird mehreremal gewendet.
Hierbei wird sie vorn etwas tiefer eingetaucht, in der Schlacke umgedreht
und dann wieder gehoben. Man muſs danach streben, eine möglichst saftige
Schweiſshitze zu geben; eine sengende Hitze ist sorgfältig zu vermeiden. Wird
die erste Massel unter dem Hammer zu einem Kolben ausgeschmiedet, so rückt
man die zweite über der Form liegende an die Stelle der ersten und schiebt den
Kolben mit der Kolbenzange an die frei gewordene Stelle der zweiten Massel ein.
Wird ein Platz frei, so folgt das Einsetzen der dritten, vierten u. s. w. Massel und
wenn es dann gegen Ende des Ausheizens Platz im Herde giebt, werden weitere
Flossengarben nachgetragen. Die Dauer des Ausheizprozesses, wenn ein Ham-
mer zwei Feuer zu bedienen hat, wie das die gewöhnliche Einteilung ist, beträgt
1½ höchstens 2 Stunden.


Während des Ausheizens bildet sich hauptsächlich aus den von den Masseln
abschmelzenden Teilen der Schweiſsboden, auf dem nachher das Zerennen des
[679]Frischfeuer 1775 bis 1800.
Roheisens vor sich geht und den man deshalb auch Zerenn- oder Frisch-
boden
nennt. Das Einschmelzen des Roheisens darf erst beginnen, wenn der
Schweiſsboden eine gewisse Dicke erlangt hat, damit es nicht zu tief niedersinkt
und infolge dessen roh bleibt. Diese genügende Stärke und Ausbreitung, um
ihn als Frischboden zu benutzen, erlangt er erst nach einem dreiviertelstündigen
Verlaufe des Ausheizprozesses. Er muſs dann 4 bis 5 Zoll unter der Form
sich befinden und sich eben, fest und klebrig, nicht rauh und hart anfühlen.
Bildet sich eine Vertiefung, was besonders vor der Form leicht geschieht, so
bringt man gare Zuschläge, am besten Stockweich, an die Stelle, sticht etwa
vorhandene flüssige Schlacke ab und schwächt den Wind. Nach der dritten
Hitze soll sich der Schweiſsboden bis zur rechten Höhe angesetzt haben, wenn
nicht, muſs man mit garen Zuschlägen und Schwächung des Windes nachhelfen.
Der Frischer muſs also fortwährend den Schweiſsboden mit dem Räumeisen durch
die Form untersuchen. Sobald der Schweiſsboden die richtige Höhe erreicht
hat, verstärkt man den Wind und der Frischer schiebt die Masselgarbe so nahe
zu der Form, daſs sie abzuschmelzen beginnt. Geschieht dies früher, so erhält
man einen rohen und zu tiefen Frischboden. Zu langes Warten ist ein direkter
Kohlenverlust. Man nimmt zur ersten Flossengarbe die weicheren Flossen.
Nachdem etwa die Hälfte der Masseln ausgeheizt ist, wird die zweite Flossen-
garbe von abermals 50 Pfund Roheisen auf der Windseite eingelegt. Sind nur
noch zwei Masseln im Feuer, so läſst man die Flossengarbe neben der mittleren
Massel tiefer in das Feuer, wodurch sie rasch einschmilzt. Sofort wird die dritte
Garbe von 50 Pfund an die Stelle der zweiten eingelegt. Diese wird in den
Schmelzraum gerückt, sobald die letzte Massel herausgenommen ist. Nach
beendetem Ausschmieden wird die vierte Flossengarbe an der Gichtseite auf-
gelegt. Inzwischen ist die erste Garbe nahezu eingeschmolzen. Die Zange wird
durch Niederdrücken an den Schäften aufgehoben und der Rest glühendes Eisen,
der etwa noch darin hängt, oben auf die Kohlen geschafft. Die zuletzt ein-
gelegte vierte Garbe kommt nun an die Stelle der ersten, worauf noch die fünfte
und letzte mit etwa 30 Pfund aufgelegt wird, so daſs der ganze Einsatz 230 Pfund
beträgt. Diese Teilung in fünf kleinere Garben ist viel vorteilhafter als das
Einlegen von zwei höchstens drei groſsen; die Arbeit ist dabei allerdings etwas
anstrengender, weil das Aufgeben von Kohlen und Schlacken immer nur in klei-
nen Mengen erfolgen kann.


Der Frischprozeſs selbst muſs in einem entsprechenden garen Gange
weiter geführt werden, was hauptsächlich durch die richtige Schnelligkeit des
Einschmelzens erreicht wird, ferner durch die Menge und Art der Zuschläge,
durch das Abstechen des Sinters und durch die Verschiedenheiten in der Stärke
des Windes. Die Beschaffenheit des Frischbodens, die Menge und Art der
Schlacken und das Aussehen der Flamme, „des Lauches“, geben dem Frischer die
nötigen Kennzeichen. Der Boden wächst näher zur Form und das nieder-
träufelnde Eisen gart unter gelindem Aufkochen. Man hält das Eisen absicht-
lich längere Zeit bei starker Hitze flüssig. Dies ist das „Dünneisen“. Seine
Bildung ist erwünscht und seine Bildung wird befördert, je garer der Gang ist.
Gegen Ende des Zerennens, wenn der Boden der Form schon sehr nahe kommt
und eine Pfanne vor derselben bildet, findet es sich oft in Menge ein. Richtiges
Dünneisen legt sich schnell um das kalte Räumeisen und erscheint nach dem
Herausziehen als schweiſswarmes Eisen mit glatter Oberfläche und blendend heller
Farbe; es läſst sich hämmern und ist schwer von dem Spieſs abzubringen, wäh-
rend rohes oder wildes Dünneisen bricht und abfällt. Noch schärfer tritt dieser
Unterschied hervor nach dem Ablöschen in Wasser. Wildes Dünneisen ist immer
ein Fehler.


Das Dünneisen begleitet das Frischen, dessen Schluſs das Verkochen des
letzten Dünneisens bildet. Sobald Dünneisen gebildet ist, schiebt man die Flossen-
garben vor und verstärkt den Wind. Ein Fehler, der besonders vermieden werden
[680]Frischfeuer 1775 bis 1800.
muſs, ist das Herausfallen von Roheisenbrocken aus der Zange, weil diese rohen
Durchschuſs der Luppe geben, den Boden verderben und die Dünneisenbildung
verhindern. Auch zu viel Schlacke verhindert die Dünneisenbildung, weil dann
die genügende Hitze nicht erreicht wird. Zu viel Dünneisenbildung ist aber auch
schädlich, weil es vom Winde herumgeworfen wird oder zu heftig kocht und leicht
die Form angreift. Die Schlacke läſst man gewöhnlich 3 bis 4 Zoll hoch im
Herde stehen. Die gare Schlacke erscheint am Räumeisen licht und gleichmäſsig
verteilt, erkaltet langsam und gleichmäſsig und fällt erst nach mehreren Schlägen
ab. Gare Schlacke wird nur dann abgestochen, wenn ihre Menge so groſs ist,
daſs sie die Form verlegt. Gewöhnlich geschieht dies ein- bis dreimal. Rohe
Schlacke sticht man sofort ab. Vor dem Schluſse des Zerennens wird die
Schlacke möglichst vollkommen abgelassen. Die Stärke des Windes pflegt etwa
24 Zoll Wassersäule zu betragen. Sind alle Garben aus dem Feuer, so folgt das
Nachzerennen. Diese Arbeit dauert 10 bis 20 Minuten und da bei deren
Schluſs alle Kohlen verzehrt sein sollen, so muſs man sich mit dem Kohlenauf-
geben danach richten. Der Zweck dieser Arbeit ist, das Dünneisen zu verkochen,
alle noch im Feuer befindlichen losen Brocken, welche von den letzten Flossen-
resten und den Zusätzen stammen, die Ränder und Ansätze vom Dachel abzu-
stoſsen und wieder einzuschmelzen und endlich die Schlacke zu entfernen und
die Reinseite (Oberfläche) zu kühlen. In dem Maſse, als die Kohlenmenge ab-
nimmt, wird der Wind geschwächt und der Löschkranz weggeräumt. Ist alles
Dünneisen verkocht, so wird die Schlacke abgestochen. Alsdann wird zum Aus-
brechen des Dachels geschritten. Dies geschieht mit der groſsen Brech- oder
Dachelstange von der Ecke zwischen Sinterblech und Windseite aus und wird
dabei der Dachel gewendet, so daſs er mit der Reinseite auf die Eſsbank zu
liegen kommt, von wo er mittels der Zugstange, oder, wo keine vorhanden ist,
mit einem Karren zum Hammer gebracht wird. Bei dem Aufbrechen helfen
dem Frischer noch zwei Arbeiter mit Haken.


Nach dem Aussehen des Dachels kann der Frischer auf seine Beschaffen-
heit schlieſsen. Seine Oberfläche muſs voll, eben und glatt sein. Noch deut-
licher zeigt sich die Güte des Dachels unter dem Hammer. Bei einem guten
Dachel fällt beim Drücken oder Zängen beinahe nichts ab. Wenn der Hammer
von Anfang an hart auffällt, so ist der Dachel zu roh, fällt er auch nach fort-
gesetztem Schlagen immer weich auf, so ist er schwammig und übergar. Der
Dachel wird mit der Reinseite nach unten etwas ausgebreitet und dann mit der
Schrothacke in zwei Hälften gehauen, welche in acht gleiche oder in sieben ungleiche
Masseln geteilt werden. Dies Schroten und Drücken geht bei ununterbrochenem
Gange des Hammers fort, so daſs es in 7 bis 8 Minuten beendet ist, wobei der
Hammermeister, der Hammerknecht und der Wassergeber zusammen arbeiten.
Ein roher Dachel, der sich unter dem Hammer „stöſst“, d. h. Risse bekommt,
muſs bei geringerer Hitze und langsamen Schlägen bearbeitet werden. Beim
Ausschmieden jeder Massel muſs man dieselbe zum Ganzmachen erst parallel mit
der Amboſsbahn halten und dann erst zum Ausrecken rechtwinkelig dazu. Das
beste Eisen der Mittelstücke wurde zu Drahteisen ausgereckt, das nächst gute
zu Nageleisen, das übrige zu Zaggeleisen. Andere Sorten wurden bei der öster-
reichischen Schwallarbeit, welche nur auf Weicheisen arbeitete, nicht gemacht.


Wenn ein „Schlag“, d. h. ein Hammer, zwei Frischfeuer bediente, wie dies
die Regel war, so wog er 500 Pfund, hatte 18 bis 20 Zoll Hub und machte
120 Schläge in der Minute. Bei einem Feuer, bei dem 4 Dachel den Tag
(12 bis 16 Stunden) gemacht wurden, waren gewöhnlich drei bis vier Mann, bei
doppelter Besetzung, wenn nachts durchgearbeitet wurde und 8 Dachel er-
zeugt wurden, sechs Mann erforderlich; bei zwei Feuern zu einem Schlag, wo
10 Dachel in der Schicht gemacht wurden, waren sechs Mann, bei doppelter
Besetzung, wo 14 Dachel in 24 Stunden gemacht wurden, noch zwei bis drei
Mann mehr erforderlich. Die Bezahlung geschah nach Gewicht und wurde für
[681]Frischfeuer 1775 bis 1800.
Draht- und Nageleisen etwas mehr vergütet. Das Kilo betrug 14 bis 15 Proz.,
der Kohlenverbrauch 23 bis 25 Kubikfuſs Fichtenkohle auf 100 Pfund fertiges Eisen.


Der Kohlenaufwand zur Erzeugung von Schmiedeeisen in Herden
war je nach der Natur der Eisenerze und des Eisens, sowie auch der
Holzkohlen selbst, ein sehr verschiedener und haben die angegebenen
Gewichte nur ganz entfernt einen Maſsstab zur Vergleichung der
Ökonomie der betreffenden Methoden.


Nach Hassenfratz1) und Hasse betrug Ende des Jahrhunderts
der Aufwand an Holzkohlen für die Darstellung von 100 Pfund
Schmiedeeisen aus den Erzen


  • bei den Katalonschmieden   400 Pfd.
  • „ dem indirekten Verfahren in Frankreich   500 bis 800 „
  • im Depart. Lot   1000 bis 1400 „
  • in Lauchhammer   629 „
  • „ Malapane   645 „
  • „ Peitz   672 „
  • „ Burghammer in der Lausitz   712 „
  • „ Schmiedeberg bei Dresden   770 „
  • zu Turrach   573 „
  • „ Horzowitz in Böhmen (angeblich)   353½ „
  • in Sibirien   493 „

Diese schwankenden Zahlen können kaum zu einer Vergleichung
dienen. Je nach der Natur der Erze fanden schon beim Ausschmelzen
im Hochofen die gröſsten Verschiedenheiten in Bezug auf den Kohlen-
verbrauch statt.


Aus einer Zusammenstellung Marchers über die Resultate ver-
schiedener Verfrischungsmethoden ergiebt sich an Produktion in
24 Stunden und Kohlenverbrauch auf 10 Ctr. geschmiedetes Eisen:


  • Ausbringen Kohlenverbrauch
    auf 10 Ctr.
  • Für die Steierische Wallonschmiede   642 Pfd. 457 Kbfſs.
  • „ schmalkaldisches Löschfeuer   1015 „ 677 „
  • „ die deutsche Frischschmiede   800 „ 360 „
  • „ „ märkische Osemundschmiede   560 „ 430 „
  • „ „ Kochschmiede in Altwied   — „ 350½ „
  • „ das Kaltfrischfeuer   500 „ 463⅘ „
  • „ die Kärntner Schmiede: Plattlheben,
    Braten und Einschmelzen   908 „ 369 „
  • „ die Luppenfeuer in Corsica   255 „ 217½ „

[682]Puddelprozeſs.
Puddelprozeſs. Feineisenfeuer.

Das Ausschmelzen der Eisenerze mit Koks im Hochofen war um
die Mitte des Jahrhunderts in England zur vollendeten Thatsache
geworden. Obgleich eine ungeheure Ersparung an Holzkohlen damit
gegeben war, so konnte sich dennoch die Produktion solange nicht
wesentlich vermehren, als man noch nicht im stande war, die Umwand-
lung des Eisens in Schmiedeeisen und Stahl ebenfalls mit Steinkohlen
zu bewirken. Dies war aber nicht der Fall. Zum Frischprozeſs war
die Holzkohle noch unentbehrlich. Alle Versuche, Steinkohlen oder
Koks im Frischherd anzuwenden, waren gescheitert. Keine Steinkohle
war frei von Schwefel, welcher meist in der Form von Doppelt-
Schwefeleisen, Schwefelkies darin enthalten war. Bei der Verkokung
wurde zwar die Hälfte des Schwefels, welche weniger fest mit dem
Eisen verbunden war, durch die Hitze ausgetrieben. Es war dies der
Teil des Schwefels, welcher für den Geruchssinn wahrnehmbar war
und da dieser durch das Verkoken entfernt wurde, so nannte man
dieses Verfahren auch „das Entschwefeln“; aber mit Unrecht, denn
nur die Hälfte des Schwefels wurde dadurch verflüchtigt, die andere
Hälfte blieb als Einfach-Schwefeleisen in den Koks zurück. Dieses
löste sich leicht in flüssigem Eisen auf. Wenn also das Roheisen in
unmittelbarer Berührung mit Koks oder mit Steinkohle bei dem
Frischprozeſs niedergeschmolzen wurde, so löste sich das vorhandene
Schwefeleisen in dem niederschmelzenden Eisen auf, aus welchem es
durch den darauf folgenden Frischprozeſs nur in geringem Maſse
entfernt wurde, so daſs der gröſste Teil des Schwefels in das Schmiede-
eisen überging und dasſelbe verdarb. Ein Frischen des Eisens in
unmittelbarer Berührung mit Koks oder Steinkohlen gab deshalb, wie
auch die Erfahrung lehrte, stets schlechtes, in höchstem Grade rot-
brüchiges, unbrauchbares Eisen. Auf diesem Wege war nichts zu
hoffen. Solange aber alles Schmiedeeisen mit Hülfe von Holzkohlen
gemacht werden muſste, war die Produktion der Hochöfen an Frisch-
eisen beschränkt durch den Mangel an Holz für den Frischprozeſs.
Unbeschränkt blieb dagegen die Erzeugung von Roheisen für Gieſserei-
eisen, welches man in Flammöfen mit Steinkohlen umschmolz und zu
Guſswaren vergoſs. Dieses Verfahren gewann deshalb auch in England
immer mehr Verbreitung, weil es verschiedene Vorzüge gegenüber dem
Gieſsen unmittelbar aus dem Hochofen bot. Man hatte dabei die Qualität
[683]Puddelprozeſs.
des Eisens und den Hitzegrad besser in der Hand und konnte gröſsere
Güsse auf einmal machen. Bei diesem Flammofenbetrieb machte
man nebenher mancherlei Erfahrungen, die zu dem späteren Puddel-
prozeſs hinleiteten. Wenn man die Thüren des Flammofens beim
Einschmelzen des Roheisens nicht sorgfältig verschloſs, so veränderte
sich dasſelbe durch den Zutritt der Luft. Bei aller Vorsicht gelang
es nicht, die Einwirkung der Luft teils durch die Ritzen, teils durch
den Rost ganz abzuhalten, so daſs zuletzt immer sogenannte Schalen
(sculls) übrig blieben, welche fast schmiedbares Eisen waren.


Bei der Flammofengieſserei suchte man dieser Schalenbildung
möglichst entgegenzuarbeiten. Sie gab aber bereits einen Finger-
zeig, daſs auf diese Art schmiedbares Eisen erzeugt werden könne.
Ehe aber dieser Weg eingeschlagen wurde, versuchte man Schmiede-
eisen mit Steinkohlenfeuer in Tiegeln zu erzeugen. Dieses Ver-
fahren, bei welchem das Roheisen erst mit Hülfe eines Rades unter
Wasser granuliert wurde, war von John Wood (siehe S. 668) zu
einer gewissen Vollkommenheit gebracht worden und wurde im
groſsen angewendet. Durch den starken Verschleiſs am Schmelz-
tiegel blieb es aber unvorteilhaft. Daſs das Schaleneisen der Gieſse-
reien damals schon eine gewisse Rolle spielte, lernen wir aus dem
Patent von John und Charles Wood von 1763 kennen, welches
zum Teil auf die Verwendung dieses Schaleneisens, welches für sich
oder zusammen mit Roheisen dem Tiegelfrischen unterworfen wurde,
begründet war. Es heiſst in der Patentbeschreibung: Schaleneisen
ist das Metall, welches ungeschmolzen im Flammofen zurückbleibt,
wenn Guſseisen zum zweitenmal in demselben umgeschmolzen wird.
(Scull or cinder iron i. e. the metal which remains unmelted, when
cast iron is a second time run or fused in an air furnace.)


Der unermüdliche Dr. Roebuck machte, wie viele andere, Ver-
suche, Eisen mit Steinkohlen im Herd zu frischen und nahm am
25. Oktober 1762 hierauf ein Patent (Nr. 780). Er beschreibt sein
Verfahren folgendermaſsen:


Roh- oder Guſseisen wird in einem Herd, geheizt durch Stein-
kohlen, mit Hülfe von Blasebälgen („in a hearth heated with pitt coal
by the blast of bellows“) niedergeschmolzen und das Metall durch-
gearbeitet, bis es gar ist („until reduced to nature“), alsdann aus
dem Feuer genommen und in Stücke zerteilt. Das Metall wird hier-
auf der Wirkung eines Glühofenfeuers (of a hollow pit-coal fire) mit
Windzuführung ausgesetzt, bis es in eine Luppe verwandelt ist, welche
zu Stabeisen ausgeschmiedet wird.


[684]Puddelprozeſs.

Nach dieser Beschreibung müſste man vermuten, daſs das Frischen
im Herd in Berührung mit Steinkohle geschehen sollte, obgleich der
Ausdruck a hearth heated with pit coal vieldeutig ist. Wie dem auch
sei, Roebucks Verfahren hat eine nennenswerte Bedeutung nicht
erlangt, wenn auch Smiles behauptet, es sei einige Zeit mit Erfolg zu
Carron betrieben worden 1).


Viel wichtiger war ein Patent (Engl. Pat. Nr. 851), welches
Thomas und George Cranage am 17. Juni 1766 nahmen, indem
darin zum erstenmal der richtige Weg des Frischverfahrens mit Stein-
kohlen gezeigt wurde. Die beiden Cranage (oder Cranege) waren
Meister zu Coalbrookdale unter Richard Reynolds, dem Schwieger-
sohn von Abraham Darby dem Jüngeren. Reynolds veranlaſste
die Cranages, das Patent zu nehmen und war ihnen dabei behülflich.
In einem Brief an Thomas Goldney vom 25. April 1766 schreibt er 2):
„.... Jetzt komme ich zu einer Sache von sehr groſser Bedeutung.
Es ist einige Zeit her, daſs Thomas Cranage, der auf dem Bridgenorth-
hammer arbeitet, und sein Bruder George vom Thal mich ansprachen
wegen einem Verfahren, das ihnen bekannt sei, Stabeisen ohne Ver-
wendung von Holzkohlen zu machen. Ich sagte ihnen, daſs nach
meiner Kenntnis, wie nach der aller anderer, die sich damit beschäftigt
hatten, ich dies für unmöglich hielte, weil die vegetabilischen Salze
in den Holzkohlen, welche alkalisch seien, als ein Absorptionsmittel
des Schwefels im Eisen, welcher den Rotbruch des Eisens erzeugt,
wirkten, während Steinkohle, welche eine Menge Schwefel enthält,
diesen vermehren würde. Diese begründete Antwort, welche wohl
den meisten endgültig erschienen wäre, wie mir selbst, war es nicht
für sie. Sie antworteten, daſs nach ihren Beobachtungen und wieder-
holten Beratungen sie beide der festen Meinung wären, daſs die
Umwandlung von Roheisen in Schmiedeeisen nur durch Hitze bewirkt
werde und daſs sie mir dies, wenn ich es erlaubte, gelegentlich durch
einen Versuch beweisen wollten. Ich stimmte zu, aber ich gestehe,
ohne groſse Erwartung ihres Erfolges; die Sache blieb einige Wochen
ruhen, bis es sich traf, daſs mehrere Reparaturen in Bridgenorth nötig
wurden. Thomas kam ins Thal und machte mit seinem Bruder
einen Versuch in Thomas Tillys Flammofen mit solchem Erfolg,
daſs ich es für gerechtfertigt hielt, einen kleinen Flammofen bei dem
Hammer zu erbauen, um den Wert der Erfindung näher zu prüfen.
[685]Puddelprozeſs.
Dies geschah und in dieser Woche wurde ein Versuch gemacht, der
die gröſsten Hoffnungen übertraf. Das Eisen, was wir einsetzten,
waren alte Zapfenlager, die, wie Du weiſst, immer aus hartem Eisen
gemacht werden und das daraus erhaltene Eisen ist das zäheste, was
ich je gesehen habe. Ein Stab von 1¼ Zoll Quadrat zeigte beim
Bruch kaum eine Spur Kaltbruch. Ich betrachte es als eine der
wichtigsten Erfindungen, die je gemacht worden sind und bin so frei,
Dich zu ersuchen und dringend zu bitten, sofort ein Patent darauf
zu nehmen.... Die Beschreibung des Patentes läſst sich in wenige
Worte fassen, indem nur ausgedrückt werden muſs, daſs ein Flamm-
ofen von entsprechender Konstruktion erbaut werden muſs, in welchem
das Roh- oder Guſseisen eingesetzt und ohne Hülfe von irgend etwas
anderem als roher Steinkohle in gutes, schmiedbares Eisen verwandelt
wird, welches man rotglühend aus dem Flammofen zum Hammer
bringt, wo es in Stäbe von verschiedener Gestalt und Stärke, nach
dem Belieben des Arbeiters, ausgeschmiedet wird.“


Das bald darauf den Brüdern Cranage erteilte Patent hat fast
genau den Wortlaut des Briefes, dessen unmittelbarer Zusammenhang
mit jenem dadurch erwiesen ist. Es wurde nach diesem Verfahren,
welches dem Puddelprozeſs schon sehr ähnlich war, zu Coalbrookdale
gearbeitet, und nach mündlicher Überlieferung soll das durch dieses
Verfahren hergestellte Eisen sehr gut, zäh und langsehnig gewesen
sein, viel mehr als das später nach Corts Prozeſs erzeugte 1). Es
gelang aber den Gebrüdern Cranage nicht, ihrer Erfindung Verbreitung
und Anerkennung und sich selbst daraus Nutzen zu schaffen.


So lagen die Dinge, als Henry Cort dieser wichtigen Frage
näher trat.


Henry Cort war 1740 zu Lancaster geboren. Über seine Jugend
ist nichts bekannt. 1765 betrieb er ein Geschäft als Schiffsagent
(navy agent) in Surrey Street, Strand, in London, wobei er groſsen
Gewinn erzielt haben soll. In seinem Geschäft hatte er Gelegenheit,
die geringe Qualität des englischen Eisens im Vergleich mit dem
ausländischen kennen zu lernen. Das englische Stabeisen war damals
so schlecht, daſs es von allen Staatslieferungen ausgeschlossen war
und auch der Guſs war so spröde, daſs er für viele Zwecke unbrauch-
bar war. Ruſsland setzte damals (1770) seinen Eisenpreis ganz will-
kürlich um mehr als 10 Prozent in die Höhe, in der Überzeugung,
daſs England ganz auſser stande sei, gutes Eisen selbst zu fabrizieren.
[686]Puddelprozeſs.
Corts Aufmerksamkeit wurde besonders durch Lieferungen für die
Marine, welche er übernommen hatte, darauf gerichtet und er begann
Versuche über die Verbesserung des englischen Eisens anzustellen.
Diese Versuche, über welche weiter nichts bekannt ist, müssen ihn
zu günstigen Ergebnissen geführt haben, denn 1775 gab er sein
blühendes Geschäft als Schiffsagent auf und pachtete Grundstücke
zu Fontley bei Farcham, im nordwestlichen Winkel des Hafens von
Portsmouth, wo er ein Hammer- und Walzwerk errichtete. Um sein
Unternehmen noch groſsartiger betreiben zu können, verband er sich
einige Zeit darauf mit Samuel Jellicoe, dem Sohn des Zahl-
meisters bei der Marine (Deputy-Paymaster of Seamens’ Wages) Adam
Jellicoe
, welche Verbindung nachmals schweres Unglück über ihn
brachte.


Am 17. Januar 1783 erhielt Cort sein erstes Patent 1) „für
Herstellung, Schweiſsen und Verarbeiten von Eisen; es für den
Gebrauch mittels Maschinen fertig zu machen; sowie für einen Ofen
und Apparat hierfür“ (Preparing, welding and working iron; reducing
the same into uses by machinery; and a furnace and apparatus
therefor). In diesem ersten Patent ist von dem eigentlichen Puddel-
prozeſs noch nicht die Rede, sondern fast nur von dem Schweiſsofen,
von dem Paketieren und Schweiſsen groſser Pakete in einem Flamm-
ofen, was also später den zweiten Teil des ganzen Puddelprozesses
bildete. Neu erscheint hierbei nur die Anwendung groſser Flamm-
öfen für diesen Zweck. Folgendes ist der Hauptinhalt der sehr aus-
führlichen Patentbeschreibung:


Man mache Pakete aus viereckigen Eisenstäben, mit Flachstäben
an den beiden Enden und an jeder Seite, so daſs das Ganze ein
viereckiges Paket bildet, das durch Ringe (collars) zusammengehalten
wird. Für kegelförmige oder pyramidale Pakete nehme man Flach-
stäbe, die zulaufend geschmiedet sind. Alle Reifen und ähnliches
Eisen wird geschnitten, gefaltet auf der gewöhnlichen Paketierbank
(bundling bench) oder durch Eintreiben in Ringe in Pakete geformt,
wobei die oberen Reihen die Fugen der unteren Lagen bedecken sollten.
Man kann auch alte gewalzte Platten benutzen, aus denen man
Kisten (coffins) macht, welche man mit Abfalleisen füllt und so Pakete
herstellt.


Mehrere solcher Pakete können gleichzeitig in einem Flamm-
[687]Puddelprozeſs.
ofen, Schweiſsofen („balling furnace“) genannt, zur Schweiſshitze
gebracht werden, welcher besser für ein durchgreifendes Heizen des
Metalls, ohne dasſelbe zu verbrennen, geeignet ist, als irgend eine
Feuerung mit künstlichem Wind. Auſser der vorderen Arbeitsthür
kann auch eine Thür in der Rückwand angebracht werden, um den
mittleren Teil sehr langer Pakete, deren beiden Enden aus den
Thüren herausragen können, zu erhitzen. — Nach dem Ausheizen
können die Pakete einzeln ausgeschmiedet oder zwei oder mehrere
zusammengeschweiſst werden unter einem Stabhammer von 8 bis
9 Centner und einer Bahn von 18 bis 20 Zoll Länge auf 10 Zoll
Breite, auſser an den Enden, die man zulaufen läſst, um das Eisen
zu strecken. Der Hammer muſs einen raschen Gang haben und jede
Seite des Pakets schlagen. Um runde Sachen zu schmieden, müssen
Hammer und Amboſs halbrunde Aushöhlungen haben. Um schwere
Pakete zu bewegen, kann man sich eines Kranes bedienen: man kann
die Pakete auf groſse Länge ausrecken. Schrott kann in dem Ofen
in Haufen aufgeschichtet werden, und Luppen und groſse Blöcke kann
man mit Hülfe von Anlaufstangen, die man anschweiſst, unter dem
Hammer bearbeiten.


Ehe man es zusammenbindet, kann man gröberes Eisen mit dem
Schrott erst in einem Scheuergefäſs von Rost u. s. w. reinigen. Solches
ist aber nicht nötig, wenn man die erhitzten Pakete, welche man an
einem Ende zulaufen läſst, um die Operation zu erleichtern, durch
Walzen eines gewöhnlichen Walz- oder Schneidewerks durchpassieren
läſst, wodurch die Schlacke ausgepreſst und das Metall in einen
sehnigen, zähen Zustand übergeführt wird, wobei das Schmieden unter
dem Hammer fortfällt. Platten, Stäbe, Bolzen, Flacheisen, Reif-
eisen u. s. w. können mittels flachen oder gefurchten (with grooves
and collars) Walzen nach Bedürfnis oder durch Spalten, wenn
erforderlich, hergestellt werden.


Ein weiterer Prozeſs bezieht sich auf die Behandlung von Schalen-
und Guſseisen. Schaleneisen häuft man auf alten Blechplatten auf
und zängt und streckt sie aus dem Schweiſsofen unter dem Stab-
hammer, worauf man sie wieder erhitzt und auswalzt, wodurch man
gutes Eisen ohne Frischen mit Holzkohle und Koks erhält. — Guſs-
eisen schmilzt man in dem Frischherd (finery) zu Luppen, die man
zu der richtigen Gröſse zängt und dann auswalzt. Oder beide Arten
von Eisen können nach sonst gebräuchlichen Methoden für den Schweiſs-
ofen vorbereitet, und dann in einer Hitze durch Auswalzen gezängt
und geschweiſst werden.


[688]Puddelprozeſs.

Diesem ersten Patent Corts folgte ein Jahr später am 13. Febr.
1784 sein zweites, bekannteres Patent, in welchem der Puddelprozeſs,
um dessen Erfindung und Einführung Cort das gröſste Verdienst hat,
genau beschrieben ist. Aber bereits vorher, nämlich am 7. Mai 1783,
hatte Peter Onions von Merthyr Tydwill ebenfalls auf einen ganz
ähnlichen Prozeſs ein Patent 1) erhalten. Das Patent lautet „für
Verarbeiten und Frischen von Guſseisen und Umwandlung desſelben
in flüssigem Zustande in Schmiede- oder Stabeisen“.


„Geschmolzenes Eisen wird von einem Schmelzofen in den
Raffinierofen (refining furnace) gebracht. Letzterer wird aus Bruch-
und Backsteinen erbaut und mit Eisen gebunden; er hat einen
Feuerungsrost, unter dem ein Windstrom eintritt und über dem
Schmelzraum oder Bett befindet sich ein gewölbtes Dach. Man kann
auch zwei Roste, einen auf jeder Seite, anbringen. Nachdem das
geschmolzene Metall eingegossen ist, wird die Thür des Ofens geschlossen;
das Feuer wird durch den Windstrom angefacht, bis das Metall weniger
flüssig wird und sich zu einer Art Teig verdickt, welchen der Arbeiter
mit einer eisernen Stange wendet und umrührt; er schlieſst sodann
die Thür und verstärkt das Feuer, bis eine Gärung (ferment) in dem
Metall beginnt, und wenn diese Gärung nicht eintritt, so läſst er
einen Windstrom durch eine im Gewölbe angebrachte Öffnung darauf
blasen, um sie hervorzurufen. Während der Arbeiter das Metall
rührt und wendet, scheiden sich Eisenteile von der sie begleitenden
Schlacke ab und sammeln sich zu einer Masse, welche, nachdem sie
bis zur Weiſsglut erhitzt ist, aus dem Ofen unter den Hammer
gebracht wird. Durch Aushämmern wird die darin verbliebene Schlacke
ausgepreſst und die Masse zu einer Luppe geformt, welche, von neuem
erhitzt, in Stäbe u. s. w. ausgeschmiedet werden kann. Das Guſs-
eisen kann auch in dem Raffinierofen eingeschmolzen werden, anstatt
vorher.“


Fig. 182 ist die Zeichnung des Ofens, welche Onions seiner
Patentbeschreibung beigefügt hat und welche aus der Beschreibung
genügend verständlich sein wird.


In Onions Patent war das Wesentliche des Puddelprozesses: das
Rühren, Verkochen und Luppenmachen, schon enthalten. — Es ist
aber nicht darin gesagt, daſs die Feuerung mit Steinkohlen unter-
halten wurde. — Jedenfalls hatte Cort denselben Prozeſs im Jahre
1783 bereits angewendet und erhielt darauf sein berühmtes Patent
[689]Puddelprozeſs.
(Nr. 1420) am 13. Februar 1784 1). Es hat fast dieselbe allgemein
gehaltene Bezeichnung wie sein erstes Patent, nämlich für „Zängen,
Schweiſsen und Bereiten von Eisen- und Stahlstangen, Platten,
Nuten u. s. w. durch Anwendung von Feuer und Maschinen“.


„Das Rohmaterial kann Roh- und Guſseisen aller Art sein (Erz,
Schaleneisen, Abschnitzel eingeschlossen). Der Ofen ist ein Flamm-
ofen von entsprechender Gröſse, dessen Boden schüsselförmig aus-
gehöhlt ist (is dished out), um das geschmolzene Metall aufzunehmen.
Mein Ofen wird erst mit roher Steinkohle oder anderem Brennmaterial
auf den entsprechenden Hitzegrad gebracht und dann das flüssige
Metall mit Hülfe von Löffeln oder auf andere Art in den Ofen
gebracht. Wird der Ofen mit (festem) Roheisen oder sonstigem Guſs-

Figure 187. Fig. 182.


eisen besetzt, so verschlieſst man die Thür oder die Thüren des Ofens,
bis das Metall hinreichend flüssig eingeschmolzen ist, und wenn der
Arbeiter (durch ein Loch, das er zeitweilig öffnet) bemerkt, daſs die
Hitze genügend auf das Metall eingewirkt hat, öffnet er die kleine
Öffnung oder Öffnungen, welche man zweckmäſsig am Boden der
Thür angebracht hat (die aber ebenso wie die Thür selbst, während
dem Einschmelzen der kalten Eisencharge dicht verschlossen bleiben),
worauf die ganze Masse mit eisernen Stangen oder anderen Instru-
menten durch diese Öffnungen durchgearbeitet und herumbewegt wird,
und diese Operation wird in entsprechender Weise bis zum Schluſs
des Prozesses fortgesetzt. — Hat sich das Metall einige Zeit in
flüssigem Zustande befunden, so tritt ein Kochen, Aufschäumen oder
eine ähnliche innerliche Bewegung ein, während welcher blaue
Beck, Geschichte des Eisens. 44
[690]Puddelprozeſs.
Flammen entweichen. In dem weiteren Verlauf des Prozesses wird
mit dem Umkrahlen, Trennen, Rühren und Ausbreiten im ganzen
Ofen herum fortgefahren, bis die Masse ihre Flüssigkeit verliert und
gefrischt wird oder gart (flourishes or is brought into nature). Diese
Arbeiten bleiben sich gleich, ob das Eisen im Ofen eingeschmolzen
oder in flüssigem Zustande eingetragen wurde. Sobald das Eisen
hinreichend gar ist, wird es in Klumpen von zweckentsprechender
Gröſse geballt, welche man Luppen nennt, die man zugleich mit den
kleinen Brocken, die etwa zurückgeblieben sind, aus der Thür oder
den Thüren herauszieht. Es hat sich als vorteilhaft erwiesen, daſs
man die erwähnten kleinen Brocken, ebenso wie Schalen- und Abfall-
eisen, nachdem sie in kleine Stücke zerbrochen, ebenso Blechschnitzel
und anderes dünnes Eisen und andere Schmiedeeisenabfälle, gewöhn-
lich Kleinschrott genannt, während des Prozesses von Zeit zu Zeit
in entsprechenden Mengen einwirft und dadurch das Garwerden
beschleunigt, und sie durch das Rühren und Durchkrahlen mit in das
garende Eisen und die Luppe hineingearbeitet werden.


Der ganze vorbeschriebene Prozeſs der Eisenbereitung, welcher
das Frischverfahren ersetzen soll, ist meine Erfindung und ist vordem
nie von jemandem in der Praxis ausgeführt und angewendet worden 1).“


„Das so erzeugte Eisen kann später in Platten geschlagen oder
in Haufen in Schweiſsöfen verarbeitet werden, hier in Tiegeln oder
nach irgend einer der bekannten Arten ohne Tiegel: Das Verfahren,
welches ich erfunden und ausgebildet habe, besteht darin, die Luppen
entweder in demselben Ofen oder in einem besonderen Flammofen
zur Weiſs- oder Schweiſsglut zu erhitzen und sie unter einem Stab-
hammer oder sonstiger Maschinerie in Kolben, Brammen oder andere
Formen zu bringen, welche dann in einem Heizfeuer nach dem alten
Verfahren erhitzt werden können. Meine neue Erfindung besteht
aber darin, daſs ich sie entweder in dieselben Öfen, aus denen die
Luppen genommen, oder in andere Flammöfen bringe und sie dann
unter einem Stabhammer, wie zuvor erwähnt, in Kolben, Stangen,
Flachstäbe, Zaineisen für Draht u. s. w. ausrecke; und wenn die
Schirbel (slabs) bis zu der Gestalt der Öffnungen der Walzen, welche
ich benutzen will, vorgeschmiedet sind, in derselben Weise durch die
gefurchten Walzen durchgewalzt werden, wie ich dies mit den zur
Weiſsglut erhitzten Schmiedeeisenpaketen mache. Dieses Verfahren,
[691]Puddelprozeſs.
alles Eisen in der Schweiſshitze durch gefurchte Walzen (groved
rollers) zu walzen, ist ausschlieſslich meine Erfindung.


Werden Eisen und Stahl in dieser Weise hergestellt und ver-
arbeitet unter Anwendung so wirkungsvoller Hitze und Maschinen-
kraft, so werden sie von den Unreinigkeiten und Beimengungen
gereinigt, welche bei dem gewöhnlichen Herstellungsverfahren darin
verbleiben.


Der Stahl ist von vorzüglicher Güte und man wird finden, daſs
das Eisen gut und zäh ist, sowohl in Stangen als verarbeitet, lang
oder kurz und in jeder Form von Handelseisen, einerlei ob das Eisen
ursprünglich rotbrüchiger oder kaltbrüchiger Natur war. Cementstahl,
einerlei ob er aus Eisen, welches nach obigem Verfahren oder aus
paketiertem und geschweiſstem Eisen, welches in Weiſsglut durch
kannelierte Walzen ausgewalzt, nach dem von mir erfundenen Ver-
fahren hergestellt und in einem gewöhnlichen Schneidewerk geschnitten
wurde, ist dem aus gefrischtem Hammereisen an Güte gleich.


Das Wesen dieser Erfindung und Vervollkommnung
besteht in einer wirkungsvolleren Verwendung von Hitze
und Maschinenkraft
, wie ich es beschrieben habe und wie sie
vordem nicht angewendet wurde und im Widerspruch mit den allge-
meinen Ansichten der Eisenhüttenleute stand. Mein Verfahren kann
durchgeführt werden ohne Anwendung von Frischherden, Holzkohlen,
Koks, Heizfeuer (chaffery), Haubenfeuer (hollow-fire), ohne Anwendung
von Wind, von Bälgen oder Cylindern oder von Fluſsmitteln. Die
ganze Operation kann in einem oder in mehreren Öfen ausgeführt
werden, je nach der Menge, die man fertig machen will.“


Dies war die glänzende Erfindung, welche Cort in wenig Jahren
nicht nur erdacht, sondern auch mit glänzendem Erfolge praktisch
ausgeführt hatte. Sie entschied mit einem Male den Konkurrenz-
kampf Englands mit den übrigen Eisenindustriestaaten zu seinen
Gunsten. Durch Corts Erfindung wurde es erst unabhängig von der
Holzkohle und konnte seinen nationalen Reichtum an Eisen und
Steinkohlen unbeschränkt ausbeuten. Wie sein Reichtum an diesen
Stoffen fast unermeſslich war, so öffnete sich auch der Eisenindustrie
ein unermeſsliches Feld. Dazu kam Watts herrliche Erfindung der
Dampfmaschine, welche tausend Menschenkräfte auf einen Punkt zu
vereinigen vermochte, welche ungemessene Kräfte erschloſs und ihnen
Freizügigkeit gab. Denn die Dampfmaschine war nicht, wie das
Wasserrad, an eine Örtlichkeit gebunden, überall konnte sie stehen,
überall ihre Riesenkraft entfalten. Aber auch hier war die Stein-
44*
[692]Puddelprozeſs.
kohle die Quelle der Kraft. Die Steinkohle erzeugte die Kraft,
welche Eisenerz und Brennmaterial aus der Tiefe schaffte, die Stein-
kohle war das Mittel, welches das Metall aus den Erzen schied und
schmolz, mit Steinkohle konnte man das Roheisen in geschmeidiges
Eisen und in Stahl verwandeln. Steinkohle wurde wieder die Kraft-
quelle, die groſse Walzwerke in Bewegung setzte, ohne welche Corts
Erfindung seine Bedeutung nicht erlangt hätte. So wurde die Stein-
kohle die wichtigste Quelle von Kraft, Reichtum und Macht. Eng-
land, reich gesegnet mit diesem Brennstoff, begriff den groſsen Nutzen,
den ihm Corts Erfindung darbot und beeilte sich, sie auszubeuten.
Bereits im Jahre 1786 erkannte Lord Sheffield die groſse nationale
Bedeutung von Corts Erfindung in folgenden Worten an: „Wenn
Corts geistreiche und verdienstliche Verbesserungen in der Kunst
der Eisenbereitung, die Dampfmaschine von Boulton und Watt und
Lord Dundonalds Erfindung, Koks zur Hälfte der seitherigen Kosten
herzustellen, sich bewähren, so ist es nicht übertrieben, zu behaupten,
daſs der Erfolg England von gröſserem Nutzen sein wird als die
13 Kolonieen (von Nordamerika): denn es wird unserem Vaterland die
vollständige Herrschaft über den Eisenhandel in die Hände geben, zu
seinen Vorteilen in Bezug auf die Schiffahrt.“ Diese prophetischen
Worte haben sich glänzend bewährt, denn weit über das kühnste
Hoffen hinaus haben Corts und Watts Erfindungen England reich
und mächtig gemacht.


Aber obgleich England Cort unendlich viel verdankte, obgleich
kurze Zeit nach Corts Erfindungen ungeahnte Reichtümer den Groſs-
industriellen, welche sich des neuen Verfahrens bedienten, zuflossen, so
erntete Cort selbst doch keinen Dank, sondern er litt Verfolgung, Elend
und Schmach ohne eigene Schuld. Es ist ein dunkles Blatt in Eng-
lands Geschichte. Auch über die Vorgänge selbst schwebt manches
Dunkel. Es scheint, daſs Cort von Anfang an, wie er an die Öffent-
lichkeit trat und sein Verfahren bekannt wurde, mit dem Neid und
der Miſsgunst der groſsen Eisenindustriellen, welche danach strebten,
ihn der Früchte seiner Erfindung zu berauben und sie selbst aus-
zubeuten, zu kämpfen hatte. Dies geht aus einem interessanten
Briefe Watts an Dr. Black hervor, welchen dieser bereits am
6. Juni 1784 schrieb. Der Brief, den wir ganz mitteilen, obgleich er
sich nur teilweise auf Cort bezieht, weil er zeigt, wie eingehend sich
Watt auch mit dem Eisen und dessen Eigenschaften beschäftigte,
lautet: „Ich hatte schon vor Empfang Ihres Briefes von Corts Ver-
fahren gehört und auch schon viel von seinem Eisen gesehen; obgleich
[693]Puddelprozeſs.
ich nicht ganz mit ihm wegen der Güte des Verfahrens übereinstimmen
kann, so ist doch viel Geist in der Idee, die Stäbe so zu formen, was
der einzige Teil des Verfahrens ist, der Anspruch auf Neuheit hat.
Die Sorte Eisen, die Sie beschreiben, ist eine Art von Kaltbruch, den
man hier bezeichnend rotten-tough (verdorben — zäh) nennt. Es war
mir längst bekannt, daſs man jede Art Kaltbrucheisen in diesen
Zustand bringen kann, wenn man es sehr heiſs auswalzt, oder wenn
man es quer zur Amboſsbahn zängt, um die Krystalle in Sehnen
zusammenzuspinnen. Man kann auch durch gewisse mechanische
Prozesse das Eisen kaltbrüchig machen. Aber in keinem dieser Fälle
wird die Qualität des Eisens selbst verändert; das Eisen bleibt fest
und der Kaltbruch ist sehr schwach. Ich betrachte Corts Eisen als
Kaltbruch, welcher durch Walzen Sehne bekommen hat (is spun out)
und das noch mit einer groſsen Menge halbmetallischer Erde versetzt
ist. Es ist zart für die Feile, weich für den Hammer und rostet sehr
leicht. Es sollte nie angewendet werden, wo es sich um starken Zug,
wie bei Maschinen u. s. w., handelt. Aber es ist gut für Nägel,
obgleich die Nagelschmiede sich über den starken Abgang beschweren,
weil es von seiner Schlacke nicht ordentlich befreit ist. Ich rede hier
nur von solchem Eisen, das aus kaltbrüchigem nach seinem Verfahren
gemacht ist. Gutes Eisen ist hart unter dem Hammer, schwer zu
feilen und zu meiſseln, bricht weiſs, nicht körnig, das allerbeste ist
faserig und weiſs wie Silber.


.... Cort ist höchst unwürdig von der Handelswelt
behandelt worden
, es sind unwissende Esel! Aber er setzte sich
dem aus, dadurch, daſs er ihnen seinen Prozeſs preisgab, ehe er voll-
kommen war: und da sie sahen, daſs er in den gewöhnlichen Opera-
tionen des Eisengewerbes unwissend war, lachten sie ihn aus und ver-
achteten ihn; dennoch werden sie durch eine schmutzige Umgehung
sein Verfahren oder solche Teile davon, als ihnen gut scheint, aus-
nutzen, ohne ihm dafür erkenntlich zu sein. Ich werde mich freuen,
wenn es mir möglich sein sollte, irgend etwas für ihn zu thun.“


Die düsteren Voraussagen Watts gingen in Erfüllung, und zwar
in noch viel traurigerer Weise. Was den Brief betrifft, so scheint
Watt nur das erste Patent Corts gekannt und im Auge gehabt zu
haben. Das zweite Patent war viel vollständiger und schützte ihn
dadurch mehr vor dem, was Watt befürchtete, daſs andere es umgehen
würden. Die Interessenten suchten auf andere Weise das Verfahren
in ihre Hände zu bekommen und dazu bot sich leider nur zu bald
Gelegenheit.


[694]Puddelprozeſs.

Cort suchte hauptsächlich für die Marine, den gröſsten Abnehmer
in England, zu arbeiten. 1787 hatte er den Triumph, daſs von der
Prüfungskommission sein Schweiſseisen für das beste und für besser
als das schwedische Oregrundeisen erklärt wurde. Sogleich wurde
befohlen, von dem schwedischen Eisen in Zukunft abzusehen und
Anker und alles Eisenwerk für die Marine aus Corts Eisen anfertigen
zu lassen. Für die groſsen Aufträge, welche Cort nun erhielt und
erwarten muſste, waren seine Anlagen zu klein. Aber er hatte bereits
sein ganzes Privatvermögen — über 20000 £ — in seine Versuche
und seine Unternehmungen gesteckt.


Er war also gezwungen, weiteres Kapital zu suchen. Dieses fand
er bei Abraham Jellicoe, dem Oberzahlmeister der Marine, welcher
27000 £ einschoſs gegen eine Verschreibung des Patents und daſs
ihm die Hälfte des Gewinns der Fabrik zuflieſsen und sein Sohn
Samuel als Partner an seiner statt in das Geschäft eintreten sollte.
Der alte Jellicoe galt für reich und stand auch bei der Marine-
behörde in bestem Ansehen, was aus dem groſsen Vertrauen, das man
ihm in Geldsachen einräumte, hervorging. Daſs die Behörde die
Geschäftsverbindung kannte, geht daraus hervor, daſs sie der Firma
Cort und Jellicoe“ nicht nur groſse Aufträge erteilte, sondern
auch am 16. April 1789 öffentlich bekannt machte, daſs sie nur Offerten
auf solches Eisen annehmen würde, welches nachweislich gemäſs nach
Cort und Jellicoes Patent hergestellt sei.


So schien alles für Cort auf das Günstigste zu stehen, als ihn
ein ganz unerwarteter Schlag traf. Der alte Jellicoe starb plötzlich
im August 1789 und alsbald stellte es sich heraus, daſs die Summen,
die er Cort geliehen hatte, von unterschlagenen Staatsgeldern her-
rührten. Cort hatte keine Ahnung davon gehabt, trotzdem traf ihn
allein das ganze Unglück. So nachsichtig die Behörde zu Jellicoes
Lebzeiten gewesen war, so strenge verfuhr sie jetzt. Nicht nur das
ganze Vermögen der Firma Cort und Jellicoe wurde für die For-
derung des Staates mit Beschlag belegt, sondern auch, was für Cort
am härtesten war, sein Patent auf grund der Verschreibung an
Jellicoe. — Nach der Abschätzung einer Jury war das Vermögen
an 17000 £ wert. Die Unterschlagungen beliefen sich auf 39676 £.
Hätte der Staat auch mit aller Strenge handeln wollen, so hätte es
genügt, das Vermögen der Firma zu veräuſsern und sich aus dem
Patent in der Weise bezahlt zu machen, daſs er sich aus den Licenz-
gebühren, welche das Patent abwarf, nach und nach bezahlt machte.
Dies hätte wahrscheinlich, da das Patent damals schon sehr hohe
[695]Puddelprozeſs.
Beträge abwarf, in wenig Jahren geschehen können. Statt dessen
setzte der Staat unbegreiflicher Weise den jungen Jellicoe in den
Besitz der Firma ein und konfiszierte das Patent, das als eine wert-
lose Sache auf nur 100 £ geschätzt wurde. Und solches konnte
geschehen, obgleich nach der Ansicht Sachverständiger, wenn die
fälligen Licenzgebühren richtig eingezogen worden wären, Kapital und
Zinsen sechsfach hätten bezahlt werden können 1)! Freilich war das
Verfahren des Staates sehr im Interesse der Eisenindustriellen, die
keine Gebühren mehr bezahlten und ohne weiteres Corts Patent
benutzten, und die Groſsindustriellen wirkten aus Eigennutz auf die
Regierung ein, in ihrem Unrecht zu beharren.


Cort machte im Mai 1790 eine Vorstellung an den Zahlmeister
der Marine, in der er darauf hinwies, wie sehr das Puddeln und
Walzen nach seinem Verfahren im Lande zunähme und seine
persönlichen Dienste anbot, das Patent für den Staat nutzbar zu
machen, d. h. die Licenzgebühren beizutreiben. Er erhielt aber nicht
einmal eine Antwort. Im folgenden Jahre wandte er sich deshalb
mit einem ähnlichen Gesuch an die Marinekommission, indem er
anführte, daſs jetzt bereits 50000 Tonnen Puddel- und Walzeisen im
Jahre gemacht würden. Darauf erhielt er folgende schnöde Antwort:
„Ihre Erfindung erscheint von solcher Nützlichkeit, daſs sie uns ver-
anlaſst, der britischen Eisenindustrie durch die von Ihnen ausgeführten
Methoden Aufmunterung zu gewähren.“ Der Staat beraubte also
Cort ohne weiteres seines Patentrechts, ohne ihm irgend welche
Entschädigung dafür zu gewähren. Der Staat, die Eisenindustriellen
und verschiedene hohe Beamte im Marineministerium bereicherten sich
auf diese Weise auf Corts Kosten 2).


Endlich gewährte man 1794 Cort, um ihn und seine Familie vor
Hunger zu schützen, eine jährliche Pension von 160 £. Im Jahre
1800 starb der beklagenswerte Mann, so arm, daſs seine Witwe von
neuem ein Unterstützungsgesuch einreichen muſste, worauf das reiche
England groſsmütig 100 £ jährlich gewährte. Und das alles geschah,
während bereits Millionen durch Corts Erfindung verdient wurden
und man wuſste und allseitig anerkannte, daſs man dies einzig und
allein Cort zu verdanken habe. Es ist und bleibt diese Behandlung
des armen Erfinders, dem die groſsen Wohlthaten, die er seinem
[696]Puddelprozeſs.
Vaterland erwies, nur zum Fluch wurden, ein dunkler Fleck auf
Englands Ehrenschild.


Die reichen Hüttenbesitzer bemühten sich später durch Verkleinerung
von Corts Verdienst als Erfinder, ihre eigene Mitschuld an Corts
Behandlung zu beschönigen. Es ist richtig, daſs die einzelnen Faktoren,
aus welchen sich Corts Prozeſs zusammensetzt, mehr oder weniger
bekannt waren; sein Verdienst besteht aber, abgesehen von den Ver-
besserungen im einzelnen, darin, daſs er diese einzelnen Faktoren zu einem
vollendeten Ganzen zusammenfaſste. Betrachten wir aber diese einzelnen
Faktoren, so war damals noch keiner so ausgebildet, wie es Corts
Prozeſs verlangte. Man hat angegeben, Payne habe schon 1728 ein
Patent für kannelierte Walzen erhalten. Das ist wohl richtig, aber
was waren das für Walzen? Payne wollte sie mit einem Windflügelrad
betreiben, das an der Wand des Gebäudes angebracht wurde! Wenn
dies überhaupt ausgeführt wurde, was nicht wahrscheinlich ist, so
müssen die Walzen Zwerge gewesen sein gegen die Walzwerke, wie
sie Cort anwendete. Auch Purnells Walzen von 1766 waren nicht
gröſser gedacht, als die Walzen eines gewöhnlichen Schneidewerkes
und sollten mit denselben nur rotglühende, vorgeschmiedete Stäbe
gestreckt werden. Cort walzte schwere, einfach überschmiedete Luppen
in der Weiſsglut. Er selbst legt auf dieses letzte Moment in seiner
Patentbeschreibung besonderen Nachdruck und nennt es eine neue,
nie zuvor angewendete Erfindung. In einem Protokoll vom Jahre
1812 erklärte Samuel Homfray, der sonst Corts Erfindung in jeder
Weise zu verkleinern suchte, daſs man vor Cort zwar schon weiſs-
glühendes Eisen zu Platten ausgewalzt habe, aber nicht zu Schienen. Die
zweite Erfindung Corts war der im ersten Patent beschriebene Schweiſs-
prozeſs, welchen Watts wichtiges Zeugnis für eine Neuheit erklärt.


Freilich war ja auch das Paketieren schon früher bekannt und
ebenso waren Flammöfen bekannt, aber diese besondere Kombination,
wie sie Cort in seinem ersten Patent beschrieben hat und wie sie
fast genau in derselben Weise noch heute in unseren Schweiſsöfen
betrieben wird, war neu, wie auch die Verbindung mit dem Walzwerk
neu war. Der Flammofen selbst wird von Cort nicht für etwas Neues
ausgegeben, wohl aber das eigentliche Verpuddeln.


Die Cranages hatten 1766 einen Prozeſs patentiert bekommen,
der insofern ähnlich war, als die Operation in einem Flammofen mit
Steinkohlenfeuer ausgeführt wurde. Von einem Verkochen und Durch-
rühren (puddling) der Masse in der von Cort angegebenen Weise,
wovon der Prozeſs seinen Namen erhalten hat, war nicht die Rede.


[697]Puddelprozeſs.

Onions’ Patent fällt mit dem Corts in der Zeit derart zusammen,
daſs es fast den Anschein hat, als ob es nur genommen worden
wäre, um Cort seiner Erfindung zu berauben (siehe oben Watts
Brief) und Cort erklärt ausdrücklich, daſs diese Art der Eisen-
bereitung seine Erfindung sei. Auch hat Onions später nie Anspruch
auf die Priorität der Erfindung seinerseits erhoben. So sehr die
herzlosen Groſsindustriellen, darunter der oben erwähnte Homfray
von Pennydarran, welche durch Corts Verfahren reich geworden waren,
sich bemühten, Cort zu verkleinern, die öffentliche Meinung, die Stimme
des Volkes hat immer und von Anfang an Cort laut als den Erfinder
des Puddelprozesses erklärt. Auch in Deutschland wurde dies schon
früh anerkannt. In Crells Chemischen Annalen vom Jahre 1785
findet sich bereits die Mitteilung: „Herr Cort von Gasport hat die
Kunst erfunden, aus rotbrüchigem wie aus kaltbrüchigem Guſseisen
gutes Stangeneisen durch gewöhnliche Steinkohlen und ohne Blase-
balg zu machen. Hauptmittel dazu soll die Anwendung von Walzen
sein.“ Späterhin wird zuweilen Purnell zusammen mit Cort als
der Erfinder des neuen Verfahrens genannt. Allerdings erhielt, wie
bereits erwähnt, William Purnell auf eine Mitteilung von John
Purnell
hin am 5. Juni 1787 ein Patent, das dem von Cort sehr
ähnlich sah. Es war ebenfalls erteilt für Herstellen, Zängen und
Schweiſsen von Eisen mit Steinkohle aus Erz, Roh- oder Guſseisen,
mit Hülfe einer Maschine.


„In einem Flammofen, ähnlich wie man sie in Eisengieſsereien
hat, wird das Metall eingeschmolzen, wobei man es in der Hitze hin
und her bewegt: sobald es ganz geschmolzen ist, muſs man die Hitze
langsam sinken lassen (wobei man mit dem Rühren und Scheiden
noch fortfahren muſs), so daſs es langsam abkühlt und dann in
Klumpen von etwa 14 Pfund Gewicht herausgenommen wird. Die
Klumpen werden nacheinander unter dem Stabhammer in keilförmige
Stücke geschmiedet, welche man, solange sie noch heiſs sind, durch
ein nahe gelegenes Walzenpaar durchwalzt und sie in ein Gefäſs mit
Wasser fallen läſst. Um das Metall zu walzen, werden die Stücke
nacheinander auf eine eiserne Platte, welche vor den Walzen befestigt
ist, gebracht und von da durch die letzteren gedrückt, mit dem dünnen
Ende nach vorn: oder man legt die Walzen nebeneinander und läſst die
Stücke zwischen ihnen durchfallen. Schaufeln, Hacken und Brechstangen
können angewendet werden, um das Eisen von dem Ofen zu den Walzen
zu bringen. Das Walzen preſst die Schlacken aus und bereitet das Eisen
für den Schweiſsofen vor, anstatt einen Wasserhammer anzuwenden.“


[698]Puddelprozeſs.

Es ist schwer erfindlich, in was eigentlich gegenüber dem von Cort
eingeführten Verfahren die Neuheit zu finden ist, welche es patent-
fähig machte. Das einzige dürfte das sein, daſs ausdrücklich gesagt
ist, daſs die Luppen in derselben Hitze gezängt und gewalzt werden.
Die ganze Aufeinanderfolge der Manipulationen entspricht Corts
Verfahren. Eine neue Entdeckung ist nicht darin enthalten und hat
Purnell wohl nur seiner früheren Verdienste um die Einführung
kannelierter Walzen wegen dieses Patent erhalten.


Aus dem oben angeführten raschen Anwachsen der Licenzgebühren,
welche Cort zu fordern gehabt hätte, wenn die Regierung ihn nicht
seines Patentes beraubt hätte, können wir schon ermessen, welchen
Aufschwung die Stabeisenbereitung mit Steinkohlen im Flammofen in
kurzer Zeit nahm. — Sobald der Erfolg, welchen Cort mit seinem
neuen Verfahren erzielt hatte, ruchbar geworden war, bemühten sich
alle gröſseren und intelligenten Eisenindustriellen Englands, das Ver-
fahren kennen zu lernen und einzuführen; unter diesen war William
Reynolds
von Coalbrookdale, der das Verfahren der Gebrüder
Cranage genau kannte, aber niemals behauptete, daſs Corts Ver-
fahren mit diesem übereinstimme oder nur ähnlich sei. Reynolds
lud vielmehr Cort persönlich ein, um in Ketley einen Versuch mit
seinem Verfahren zu machen. Ein anderer war Samuel Homfray
von Pennydarran, den wir ebenfalls schon kennen gelernt haben. Er
verschaffte sich nicht nur von Cort die Zeichnungen für die Puddel-
öfen und Muster der Walzen, sondern lieh sogar Arbeiter von Cort,
um die seinigen in dem neuen Verfahren zu unterrichten, das dem
von Onions weit überlegen war und nach welchem er alsbald seinen
ganzen Betrieb einrichtete. Pennydarran wurde dadurch ein bedeutendes
Werk und Homfray ein reicher Mann; wie undankbar er aber gegen
Cort handelte, kann man in Percys Iron and Steel näher nachlesen.
Den gewaltigsten Erfolg hatte aber Richard Crawshay von Cyfartha
durch Corts Erfindung. Dieser machte im Jahre 1787 wöchentlich
nur zehn Tonnen Schmiedeeisen unter dem Hammer. Als er die
Überlegenheit des Puddelprozesses kennen gelernt hatte, schloſs er
mit Cort einen Vertrag, um nach seinem Patent, gegen eine Licenz-
gebühr von 10 Schilling die Tonne, zu arbeiten. Crawshay ver-
leugnete auch nie, wie Homfray, daſs er das Verfahren, das er in
so groſsartigem Maſsstabe betrieb, Cort verdankte. In einem Briefe
an den Sekretär von Lord Sheffield, welcher 1812 im Parlamente
verlesen wurde, schrieb er: „Ich nahm es von Herrn Cort, welcher
eine kleine Walzmühle zu Fontley in Hampshire hatte. Ich habe Sie
[699]Puddelprozeſs und Feineisenfeuer.
jetzt mit dem Verfahren bekannt gemacht, nach dem ich jetzt jährlich
über 10000 Tonnen Stabeisen mache.“ — Die ganze groſsartige Eisen-
industrie von Südwales entwickelte sich erst durch den Puddelprozeſs.


Obgleich die Kunde von dem neuen Verfahren sich rasch ver-
breitete, so dauerte es doch lange, bis man Versuche machte, dasſelbe
auch auf dem Kontinent einzuführen. In Deutschland war es der
rührige, unternehmende Graf Einsiedel, der zuerst im Jahre 1795 auf
seinem Eisenwerke Lauchhammer bei Mückenburg den Puddelprozeſs
einzuführen versuchte. Als Brennmaterial wurde Holz benutzt. Pro-
fessor Lampadius von Freiberg leitete diese Versuche 1). Brauch-
bares Schmiedeeisen erhielt er aber nicht, das Produkt war ein
weiſses, grobkörniges Eisen, welches zäher war als das eingesetzte fein-
körnige, graue Roheisen, sich aber nicht schmieden lieſs. Dagegen
ging es sehr gut im Frischfeuer. Es war also eigentlich nur gefeintes
Eisen. Bei Anwendung von Wasserdämpfen und mit künstlichem Wind
fielen die Versuche noch ungünstiger aus. Das Produkt nennt
Lampadius überfrischt, es war aber wohl nur ein schlechtes weiſses
Eisen, wie es bei starkem Rohgang fällt. Nach Lampadius irriger
Theorie enthielt es zuviel Sauerstoff. Von der Einführung des Puddel-
prozesses muſste abgesehen werden, weil er auch viel zu teuer war.
Man wird dies begreifen, wenn man sich der mangelhaften Öfen und
der niedrigen Essen jener Zeit erinnert. Dieselben konnten mit Holz
die erforderliche Hitze nicht liefern.


Ebenso machte in Kärnten Maximilian Graf v. Egger um diese
Zeit zu Lippitzbach einen Versuch, mit Holz zu puddeln; der Rever-
berierofen verfiel aber nach dem Tode des Grafen (um 1800).


Im ganzen waren also die Unternehmen, das englische Flammofen-
frischen in Deutschland einzuführen, miſslungen.


Der Puddelprozeſs brachte in seiner weiteren Entwickelung eine
Erfindung zu Ehren, die schon geraume Zeit vor Cort gemacht worden
war, wenn auch zu anderem Zwecke. Es war dies das Feineisen-
feuer
oder Weiſsfeuer, welches man auf dem Kontinente später immer
als das englische Feineisenfeuer bezeichnete. Es diente zu einem
vorbereitenden Einschmelzen oder Verfrischen des grauen Roheisens.
In seiner ursprünglichen Gestalt war es ein einfacher Hartzerennherd;
[700]Puddelprozeſs und Feineisenfeuer.
in demselben wurde das graue Koksroheisen zur Reinigung einge-
schmolzen und in ein hellweiſses Eisen, gefeintes oder Feineisen (fine-
metal) übergeführt, welches rascher im Frischherd ging und ein
besseres Stabeisen gab.


Die Erfindung wird gewöhnlich auf John Cockshutt zurückgeführt,
welcher am 2. Mai 1771 ein ziemlich weitläufiges Patent auf ver-
schiedene Dinge erhielt: 1. Schmiedeeisen direkt aus den Erzen mit
Steinkohlen in einem Frischfeuer zu machen; 2. Guſseisen mit Holz-
kohle zu verfrischen; 3. erstreckte sich das Patent auf ein Frisch-
oder Raffinierfeuer (finery or bloomery), um Eisen darzustellen und zu
frischen. Den ersten Teil des Patentes übergehen wir hier, der zweite
wird in folgender Weise erläutert: „Um Zeit und Holzkohle zu sparen,
erhitze man Guſseisen bis nahe zu seinem Schmelzpunkte mit Stein-
kohle oder anderem billigen Brennmaterial in einem Flammofen oder
mit Blasebälgen; dieses schmilzt man dann mit Holzkohle in dem
Frischherde (finery or bloomery) des Erfinders ein, bis es gar wird.
Man fügt noch mehr Metall und Holzkohle hinzu, bis man eine groſse
Luppe fertig hat. Diese Luppe wird sodann durch die erwähnte
Maschine zerschnitten, die Stücke gezängt und zu Stabeisen ver-
schmiedet.“


Der dritte Teil bezieht sich auf den Schmelzherd selbst. Der
Frischherd des Erfinders ist beinahe quadratisch und aus Guſsplatten
in einem Herdbau (ähnlich dem Herde eines Ankerschmiedes) kon-
struiert, so daſs er an zwei oder mehr Seiten offen ist, wo Leute
daran arbeiten können. „In den Ecken sind Öffnungen, durch die
Brechstangen (furgens) eingeführt werden können, um das Eisen auf-
zubrechen. Statt einer Form (tuiron) hat man mehrere, die so ver-
teilt sind, daſs sie das Eisen an jeder Stelle des Frischherdes treffen.
Die Formen befinden sich in Platten, so daſs ohne Schwierigkeit eine
entfernt werden kann. Die Gröſse des Frischherdes muſs im Verhält-
nis stehen zu der Stärke der Bälge. Ein Windkessel mit Ventilen
(air vessel with valves) kann zum Regulieren des Windes dienen, oder
eine jede Form kann ihre eigenen Bälge haben.“


Aus dieser Beschreibung ersehen wir, daſs Cockshutts Herd
ursprünglich nichts war als ein groſser Frischherd mit mehreren
Formen, und daſs dieser durchaus nicht für den Zweck erfunden war,
für den er später verwendet wurde. Dennoch hat er zu dem Fein-
eisenfeuer geführt, nachdem dieses Bedürfnis geworden war. Das graue
mit Steinkohlen erblasene Roheisen von Südwales war unrein und
puddelte sich langsam und beschwerlich. Ein oxydierendes Schmelzen,
[701]Puddelprozeſs und Feineisenfeuer.
wodurch das graue Roheisen in weiſses Eisen von geringem Kohlen-
stoffgehalte verwandelt wurde, entsprechend dem Hartzerennen bei
der steierischen Frischmethode, war entschieden vorteilhaft und der
Gedanke lag nahe. Er wurde, wie es scheint, gegen Ende des Jahr-
hunderts zuerst in Südwales praktisch durchgeführt und zwar geschah
das Einschmelzen mit Kokes in Cockshutts Herden. Diese Erfindung
wurde 1)Samuel Homfray von Pennydarran zugeschrieben und
war zu Anfang des 19. Jahrhunderts in Südwales bereits allgemein
angewendet. In dem oben erwähnten Protokoll des Herrn Homfray
von Pennydarran vom Jahre 1812, worin er Cort so verkleinerte,
wird dieser Erfindung eine übertriebene Bedeutung beigelegt 2), um
sein eigenes Verdienst um so gröſser erscheinen zu lassen. Die ersten
Feineisenfeuer waren ganz von gebrannten Steinen erbaut, erst später
führte man eiserne Wasserkästen als Seitenwände ein.


Die Eigentümlichkeit des Verfahrens bestand hauptsächlich darin,
daſs man den Wind möglichst gleichmäſsig über die ganze Fläche des
eingeschmolzenen Metalls verteilte. Deshalb wendete man mehrere,
entsprechend verteilte Formen an, denen man nur geringe Neigung
von etwa 5 Grad gab. Da die Formen dem Abbrennen sehr ausgesetzt
waren, so nahm man gewöhnlich eiserne Formen, welche später mit
einem hohlen gegossenen Mantel umgeben wurden, in welchem beständig
kaltes Wasser cirkulierte 3). Die älteren Feineisenfeuer hatten meist nur
zwei Windformen. Die Feuer waren gröſser und tiefer als die gewöhn-
lichen Frischherde. Man konnte in der Woche in einem Feuer 250
bis 300 Ctr. Roheisen mit einem Abgange von 5 bis 10 Proz. und
einem Koksaufwand von 4 bis 5 Kubikfuſs auf den Centner ein-
schmelzen. Das flüssige Eisen wurde in eiserne Guſsformen von 4 bis
5 Zoll Breite und 2 bis 3 Zoll Höhe abgestochen. Im Augenblicke
des Erstarrens wurde es mit kaltem Wasser übergossen. Das Eisen
war ganz weiſs und in der Regel strahlig. Viel, aber schwacher Wind
war notwendig.


Der Puddelprozeſs wurde ziemlich geheim gehalten. Es findet
sich keine nähere Beschreibung desſelben in deutschen Schriften des
vorigen Jahrhunderts. In England erstattete Dr. Beddoes am
24. März 1791 einen Bericht über das Puddeln von grauem Roheisen
nach eigener Anschauung an die Royal Society. Die Charge betrug
damals 2½ Ctr. Der Ofen hatte zwei Kamine, einen am Ende wie
[702]Puddelprozeſs und Feineisenfeuer.
noch jetzt und einen über der Feuerung (Fig. 183). Beide hatten
Klappen, so daſs die Luft nach Belieben über den Herd oder direkt
in die vordere Esse geleitet werden konnte. In Frankreich veröffent-
lichte zuerst Charles Coquebert eine kurze Darstellung des Puddel-
prozesses 1) im Jahre III der Republik (1795), welche auf einem Briefe
von David Hartley von 17862) basierte. Aus diesem erfahren wir,
daſs Lord Sheffield, Playfair und andere sich sehr für die Anwen-
dung von Corts Prozeſs bemühten, und daſs derselbe damals auf dem
Eisenhüttenwerk von Folliot, Scott \& Comp. bei London einge-
führt war.


Die erste Abbildung eines Puddelofens findet sich in den Annales
des Arts et Manufactures vom Jahre VIII 3) (1800).


Figure 188. Fig. 183.

Den ersten klaren
und gründlichen Be-
richt über den eng-
lischen Puddelpro-
zeſs
lieferte A. H.
v. Bonnard, welcher
1802 England bereist
und das Steinkohlen-
frischen besonders in
Südwales und Coal-
brookdale studiert
hatte 4) (Abhandlung
über die englische Ver-
fahrungsart bei der Eisenfabrikation vermittelst der Steinkohle). Er be-
richtet, wie folgt. Das mit Koks erblasene Roheisen war bei forciertem
Betriebe in Südwales weiſs, sonst aber meistens grau. Dieses Koksroheisen
war nie gereinigt genug, um direkt im Reverberier- oder Puddelofen
verarbeitet werden zu können und muſste hierfür erst in einem Fein-
eisenfeuer umgeschmolzen werden. Das Feinen hatte Ähnlichkeit mit
dem Hartzerennen, nur geschah es in gröſserem Maſsstabe, in gröſseren
Herden und kontinuierlich. Das teilweise entkohlte Eisen wurde alle
zwei Stunden in dünnen Flossen, die mit Wasser begossen wurden,
abgestochen. In sechs Stunden schmolz man ungefähr 750 kg, der
[703]Puddelprozeſs und Feineisenfeuer.
Abbrand betrug etwas über 10 Proz. Das Feineisen war glänzend
weiſs, wenig muschelig im Bruch, dichter und gleichartiger als das
Roheisen.


Dieses gefeinte Eisen kam nun in Flammöfen, welche man Pudd-
ling Furnaces (Rühröfen) nannte 1) (Fig. 184). Der Herd war 6½ Fuſs
lang, 3 Fuſs 10 Zoll breit und etwas vertieft. Der Herdboden war,
wie der ganze Ofen, aus Ziegeln hergestellt und mit Sand bedeckt.
Der Rost war an 2 Fuſs breit, die Öffnung für die Flamme (Feuer-
brücke) 2½ Fuſs breit, der Ausgang in den Schlotkanal 2 Fuſs im
Geviert, also unverhältnismäſsig groſs. Der Schlotkanal (Fig. 184 a)
konnte mittels eines Registers nach Belieben geschlossen oder geöffnet
werden; unter dem Ausgange war ein kleiner Sumpf (bassin) zur

Figure 189. Fig. 184.


Aufnahme der Schlacken angebracht. Die älteren Öfen hatten noch
eine besondere Esse über dem Feuerraume (Fig. 184 b), durch welche
man die Flamme, wenn man den Herd kühlen wollte, abziehen konnte,
indem man den Zug nach der Hauptesse schloſs und diesen Schorn-
stein öffnete. Bonnard bemerkt aber, daſs er nirgends mehr solche
Öfen gefunden habe.


In Glammorgan hatten die Feuerungen zwei Thüren, eine vorn,
die andere seitlich, während in Staffordshire nur eine vordere Thür
angebracht war. Die vordere Öffnung des Ofens, durch welche das
Feineisen eingetragen und die Luppen ausgezogen wurden, war mittels
einer guſseisernen Thür von 20 bis 24 Zoll im Geviert geschlossen;
[704]Puddelprozeſs und Feineisenfeuer.
dieselbe hing am Ende eines wagerechten Hebels, um sie nach Belieben
aufziehen oder herablassen zu können. Sie hatte in ihrer Mitte eine
7 bis 8 Zoll breite Öffnung, um die zur Arbeit im Innern nötigen
Werkzeuge einbringen zu können, welche wieder mit einer mit einem
runden Spähloche von 8 bis 10 Linien Durchmesser zum Hineinsehen
in den Ofen versehenen kleinen Thür verschlossen werden konnte.
Diesen Ofen heizte man mit Steinkohlen von geringerer Güte („da
man die besseren zur Bereitung der Koks anwendete“). War der
Boden mit Sand bedeckt, so chargierte man, indem man 300 Pfund
Feineisen in gröſseren oder kleineren Stücken in die Nähe der Feuer-
brücke brachte; alsdann wurden die Thüren geschlossen, alle Fugen
mit feuerfestem Thon verstrichen und auch das kleine Spähloch ver-
stopft. Man warf Steinkohle auf den Rost und heizte, indem man
die Feuerungsthür geöffnet lieſs und das Schlotregister zur Hälfte
schloſs. Nach etwa einer halben Stunde, wenn das Roheisen weiſs-
glühend geworden, verstärkte man das Feuer; man verschloſs nun auch
die Feuerungsthür hermetisch und öffnete das Schlotregister vollends.
Das Eisen begann sich zu erweichen und zu schmelzen. Man beob-
achtete hierbei, wie die eingeschmolzenen Teile einige Augenblicke lang
aufkochen (bouillonnent). Nach Verlauf von weniger als ¼ Stunde
war das Roheisen fast vollständig geschmolzen. Der Arbeiter öffnete
nun die kleine Thür und brachte durch dieselbe einen eisernen Rengel
(ringard) ein, mit dem er die noch vorhandenen Klumpen zerteilte
und dem Feuer näher brachte. Nach einigen Minuten war meistens
alles im Fluſs. Nun arbeitete der Arbeiter mit dem Rengel und der
Krücke abwechselnd fleiſsig in dem Metallbade, rührte heftig um, um
fortwährend neue Teile mit der Flamme in Berührung zu bringen,
welche nach und nach die metallischen Moleküle desoxydiert(!) und
sie dadurch austrocknet. Indem sie dieses fremde Princip verlieren,
verliert das Eisen gleichzeitig seine Schmelzbarkeit und die gefrischten
Teile werden fest, und nach halbstündigem Rühren erscheint die ganze
Masse als halflüssiger Teig, der viele kleine Körner enthält. Der
Arbeiter hat während der Arbeit von Zeit zu Zeit etwas Sand auf die
Schmelzmasse, die er umrührte, geworfen, um die Absonderung der
Schlacken zu erleichtern, die nun auf ihrer Oberfläche schwimmen
und in den oben erwähnten Sumpf flieſsen, wo man sie mittels
brennender Steinkohlen flüssig erhält und zeitweilig durch ein eigenes
Loch abläſst. In Staffordshire begoſs man gewöhnlich die Schmelz-
masse während des Umrührens öfters mit Wasser. Die Thür oder
Thüren der Feuerung und der Schlotregister dienten dazu, die Wir-
[705]Puddelprozeſs und Feineisenfeuer.
kung der Flamme nach Bedürfnis zu erhöhen oder zu mäſsigen. Zu-
weilen wurden alle Öffnungen geschlossen, um heftigeres Feuer zu
geben, aber nur für Augenblicke, und das Umrühren wurde ohne
Unterbrechung fortgesetzt, um immer von neuem die metallischen
Teilchen der Wirkung der Flamme auszusetzen, wodurch sie immer
teigartiger wurden. Die Körner ballten sich zusammen und bildeten
Klumpen, welche der Arbeiter zu vereinigen suchte, indem er sie mit
dem Rengel andrückte, oder sie mit einer schweren Eisenstange
schlug. Auf diese Art bildete er eine Anzahl kleiner Luppen, deren
Zahl von drei bis sieben wechselte, je nach dem Zwecke ihrer Bestim-
mung; die gewöhnlichste Zahl war fünf. Diese ordnete er rings um
den Herd, schloſs die Ofenthüre, öffnete jene der Feuerung, und lieſs
die Luppen von der Flamme umspülen, bis er sie zum Schmieden
auszog. Diese ganze Arbeit vom Einsetzen des Feineisens bis zum eben
erwähnten Schlieſsen des Ofens nach dem Luppenmachen, dauerte in
Glamorgan ungefähr 7/4 Stunden; in Staffordshire, wo das Umrühren
mehr Anstrengung erforderte, 1½ Stunden: doch erschienen hier die
Luppen loser und weniger gut zusammengekittet.


Die Behandlung der Luppen war sehr verschieden; am gewöhn-
lichsten brachte man sie sogleich unter einen Hammer, der mit dem
Helm aus einem Stück gegossen war, mit einem Kopfe von 15 bis
18 Zoll Quadrat an seiner Grundfläche und etwa 1200 Pfd. schwer.
Am Vorderteile der Bahn waren zwei viereckige Einschnitte, die den
Masseln die gewünschte Form zu geben halfen. Vor dem Kopfe be-
fand sich eine Art Zapfen, welche von den Kämmen der von einer
Dampfmaschine bewegten Welle gefaſst wurden (Stirnhammer).


Der Arbeiter zog mit seiner Krücke eine Luppe aus dem Ofen,
lieſs sie auf den Boden der Hütte fallen, wälzte sie sogleich zum
Hammer, legte sie auf den Amboſs und übergab sie dem Hammermeister.
Diesem brachte gleichzeitig ein Junge eine viereckige, 8 bis 9 Linien
dicke Eisenstange, deren eines Ende während der vorigen Raffinier-
arbeit auf dem Roste des Ofens bis zur Weiſsglut erhitzt wurde. Der
Schmied legte dies Ende auf die Luppe und verband es mit ihr
durch einen Hammerstreich: die Stange diente nur zum Stiele, um
die Luppe leicht wenden und an allen Seiten hämmern zu können.
Die Luppe, die kaum fest war, gab bei der hohen Hitze leicht
ihre Schlacke ab und war in Zeit von 1½ Minuten in eine cylin-
drische Form von 18 bis 20 Zoll Länge und 3 bis 4 Zoll Durchmesser
gebracht. In diesem Zustande hieſs sie lump (Deul, Kolben). Man
nahm eine Luppe nach der anderen vor, so daſs die Arbeit ununter-
Beck, Geschichte des Eisens. 45
[706]Puddelprozeſs und Feineisenfeuer.
brochen fortging, bis meist in Zeit von einer halben Viertelstunde die
fünf Luppen zu Kolben gezängt waren. Die Eisenstange, welche zum
Stiel gedient hatte, wurde nach beendigtem Hämmern durch Hin- und
Herbiegen losgerissen, so daſs immer ein Stück derselben damit ver-
bunden blieb. Jeder Kolben wurde gewöhnlich zu einer Eisenstange
verarbeitet: sollte er mehrere geben, so wurde er sogleich vom Hammer
weg, während er noch glühte, unter eine Schere gebracht und nach
Erfordernis in zwei bis drei Teile geschnitten. Ein Hammer konnte
zwölf Puddelöfen versehen. Die Arbeit wurde dabei so eingerichtet,
daſs der zweite Arbeiter am zweiten Ofen einige Augenblicke früher
fertig war, als die Luppen des ersten gezängt waren, und daſs sich die
Arbeiten überhaupt ungefähr ½ Viertelstunde hintereinander folgten.
Jeder Puddelofen lieferte gewöhnlich fünf Luppen; und die 60 Stück
aus den zwölf Öfen waren stets fertig gezängt, bis der Arbeiter am
ersten Herde, der sogleich nach Vollendung seiner Lumps die Arbeit
wieder von vorn begann, mit dieser zweiten Operation fertig geworden
war. Inzwischen ruhte der Hammer nebst der ihn bewegenden Dampf-
maschine und wurde durch Besprengen mit Wasser abgekühlt. Die
Hammerschmiede hatten gewöhnlich ein Leder mit einer Glasscheibe
in der Mitte am Hute befestigt, das sie, um nicht von den heftig
sprühenden Schlacken beschädigt zu werden, vor das Gesicht fallen
lieſsen. Da ein Rührofen 250 Pfd. Kolben lieferte, so ergab sich
⅙ Calo; er verbrauchte 6/7 Pfd. Steinkohlen auf 1 Pfd. erhaltenes
Eisen, oder 5/7 Pfd. auf 1 Pfd. verbrauchtes Feineisen.


In vielen Hütten kamen die Luppen anstatt unter den Hammer
unter gefurchte Walzen, Fig. 185 a, die man Vorwalzen (ébaucheurs)
nannte und die durch eine Dampfmaschine in Bewegung gesetzt
wurden. Ein groſses Schwungrad gab der Bewegung Gleichförmig-
keit. Die Luppen passierten nacheinander die Furchen a, a', a'', a''',
wodurch die Schlacken ausgepreſst wurden und die Luppen cylin-
drische verlängerte Gestalt, ähnlich den gezängten Luppen, erhielten.
Diese gewalzten Kolben wurden nun entweder gleich weiter aus-
gewalzt, wie wir es nachher beschreiben werden, was aber nur anging,
wenn die Luppen noch sehr warm waren, auch kein so sehniges und
gut geschweiſstes Eisen gaben, oder sie wurden bei Seite gelegt und
später gerade so wie die geschmiedeten weiter behandelt, oder man
lieſs sie, wenn man die Qualität des Eisens verbessern wollte, sogleich
nach dem Zuge durch a''' der Vorwalzen durch Glattwalzen gehen,
wodurch man sehr breite und dicke Stangen voller Risse mit allen
Merkmalen eines noch sehr unvollkommenen Eisens erhielt. Diese
[707]Puddelprozeſs und Feineisenfeuer.
Stangen wurden nun in Stücke von 18 Zoll Länge zerteilt, vier der-
selben übereinandergelegt und daraus in Pakete geformt. In einigen
Hütten brachte man die Luppen, wie sie aus dem Ofen kamen, in
diese Glattwalzen, wodurch sie zu dicken Platten gewalzt wurden,
diese brachte man in andere Walzen, welche einige scharfe Rippen
hatten, wodurch Einschnitte in die Platten gemacht wurden, welche
ihr Zerbrechen in gleichförmige Stücke nach dem Erkalten erleich-

Figure 190. Fig. 185.


terten. Auch von diesen wurden
Pakete gemacht, welche in Flamm-
öfen, die den Puddelöfen ähnlich
waren, erhitzt wurden. Waren sie
weiſsglühend, so kamen sie unter den
Hammer, um Kolben, wie bei der
vorigen Arbeit, aus ihnen zu verfer-
tigen. Dies Verfahren war mit
gröſserem Abbrand und Kohlen-
aufwand verknüpft, gab aber reine-
res, gesunderes, besser geschweiſstes
Eisen.


In der Hütte von Bradley in
Staffordshire brachte man die Lup-
pen, sowie sie aus dem Puddelofen
kamen, unmittelbar in gefurchte Wal-
zen von ungefähr 4 Fuſs Durchmesser,
welche keine vollständigen Umdre-
hungen machten, sondern hin und
her gingen. Es war dies eine Erfin-
dung John Wilkinsons, welche wir
bereits S. 591 erwähnt haben.


Bonnard hat die Schmelzung des
Roheisens im Hochofen als ersten
Prozeſs, das Feinen als zweiten, das
Puddeln als dritten Prozeſs beschrieben
und schildert nun die Behandlung im Schweiſsofen und das Aus-
recken als vierten Prozeſs.


Die Manipulation war in allen Hütten dieselbe. Man brachte die
Kolben (lumps) oder Luppen (blooms) in einen Schweiſsofen (blowing-
furnace, soll aber wohl blooming-furnace heiſsen), der den Puddelofen
in allen Dimensionen übertraf, gab ihnen Weiſsglut und brachte sie
in einer Zange nach dem Walzwerk.


45*
[708]Puddelprozeſs und Feineisenfeuer.

Die Walzen, durch die sie nun gingen, sind die in Fig. 185 b dar-
gestellten Vorbereitungs- oder Grobwalzen (preparateurs) und Fig. 185 c
Streck- oder Fertigwalzen (étireurs). Sie waren viel sorgfältiger als
die Vorwalzen gearbeitet, und hatten kleinere Öffnungen, in der
Gröſse des kleinsten Kalibers der Vorwalze beginnend bis zu dem
Querschnitt des fertigen Stabeisens, wie man es in den Handel
brachte.


Diese Arbeit war mit unbedeutendem Koks- und Kohlenaufwand
verbunden, denn das Eisen ging schon sehr rein in dieselbe. Die
Kolben brauchten nur geglüht zu werden und der Ofen war beständig
ein Feuer. Wäre diese Arbeit nicht soviel schneller als das Puddeln
gegangen, so würde man die Kolben vom Hammer oder den Vorwalzen
weg unmittelbar und noch glühend in den Schweiſsofen bringen können,
wo sie nach wenig Augenblicken die richtige Hitze zum Auswalzen
erlangt haben würden. Kolben von 50 Pfd. Gewicht und 18 bis 20 Zoll
Länge brauchten nur siebenmal durch die verschiedenen Furchen des
Walzwerks zu gehen, um zu Stangen von 11 bis 12 Fuſs Länge
gestreckt zu werden; alles geschah in etwa 40 Sekunden. Sobald die
Massel aus der ersten Walze gekommen war, wurde mit einer neuen
fortgefahren, so daſs in jeder Minute zwei Stangen fertig wurden.
Zwei Walzwerke, die vier Stunden ruhten und 300 Tage jährlich
umgingen, sollten 18000 Tonnen Eisen geben. Mehrere Hütten brach-
ten es fast auf die Hälfte dieser Produktion. Gerade Stangen wurden
gleich noch heiſs gestempelt und an beiden Enden mit der Schrot-
schere abgeschnitten. Oft aber waren sie verzogen und muſsten
erst unter dem Hammer gerichtet und dann zum Abschneiden an
den Enden nochmals erhitzt werden.


Um Roheisen zu erzeugen, waren 5 Pfd. Steinkohlen oder 3 Pfd.
Koks auf 1 Pfd. Eisen erforderlich; durch die drei folgenden Arbeiten
stieg der Brennstoffbedarf in allem auf 10 Pfd. Steinkohlen auf 1 Pfd.
fertiges Eisen. — Der Eisenabgang betrug bei den drei Arbeiten
zusammen nicht viel über ¼ des Roheisengewichts, während in Frank-
reich das Frischen allein ⅓ Abgang erforderte. In der Teilung der
Manipulationen lag eine Ersparnis.


Das auf diese Weise erzeugte Eisen war zu grober Ware gut
verwendbar, zu feiner dagegen nicht, da es etwas rot- und kaltbrüchig
war; für letztere verwendete man in England schwedisches und
russisches Eisen.


Bonnards Theorie des Puddelprozesses war eine durchaus un-
richtige. Er behauptete, der Kohlenstoff des Roheisens werde schon
[709]Puddelprozeſs und Feineisenfeuer.
beim Feinen fast vollständig entfernt und das Wesen des Puddel-
prozesses bestände nicht in der Entkohlung, sondern in der Desoxy-
dation des Roheisens, indem er der Flamme des Steinkohlenfeuers
mehr eine desoxydierende als eine oxydierende Wirkung zuschrieb.


Zu diesem Berichte Bonnards hat O’Reilly, welcher um die-
selbe Zeit England bereiste, erläuternde und ergänzende Bemerkungen
gemacht 1), aus denen ebenfalls hervorgeht, daſs die älteren Puddel-
öfen Corts zwei Schornsteine hatten, daſs man aber den kleineren über
der Feuerung, der sich als nicht haltbar erwies, später abwarf; statt
dessen brachte man Schieber oder Register (dampers) an. Die Regu-
lierung der Hitze im Puddelofen war eine besonders wichtige Sache.
Zu diesem Zwecke bediente man sich in Wales und Staffordshire ver-
schiedener Mittel. In Wales hatte man zwei Thüren, die zu dem
Schmelzherde führten, von denen die eine an der Rückseite nur
zur Regulierung der Hitze diente, d. h. sie wurde aufgezogen, um den
Ofen abzukühlen, wobei man gleichzeitig den Zugschieber schloſs.
Dies geschah besonders während des Rührens, um das Frischen des
Eisens zu verzögern. In Staffordshire, wo man auſser der Feuerthüre
nur eine Thüre am Ofen hatte, wurde dies durch Aufgieſsen von Wasser
erreicht. Dies Verfahren war namentlich auf Wilkinsons Puddel-
werken gebräuchlich, und Wilkinsons Direktor Allen erklärte es
für wirksamer und vorteilhafter als das Öffnen der Thüre. In Staf-
fordshire befanden sich die Register oben auf den Essen und wurden
von unten auf- oder nieder gezogen. Die Puddelöfen besaſsen keine
ständigen Herde, weil der Boden jede Woche frisch bereitet werden
muſste. Man warf nämlich jeden Samstag die trocken gemauerten
Ziegelpfeiler, auf welchen die den Boden oder Herd tragenden Guſs-
platten ruhten, um und richtete den Boden über Sonntag neu zu.
Man räumte erst die Reste des alten Bodens weg, führte die Trag-
pfeiler von Ziegeln frisch auf, legte die Guſsplatten darauf und be-
deckte diese 6 Zoll hoch mit Asche (Lösche), schlug sie fest und
trug etwa 3 Zoll feuchten Sand darüber. Da man bei jedem Ein-
satz frischen Sand nachtrug, so wurde der Herd gegen Ende der
Woche so hoch, daſs die Arbeit dadurch behindert und ein neuer
Herd notwendig wurde. Der Sand war schmelzbar, und man brachte
den Eisensatz erst ein, nachdem die Hitze so gestiegen war, daſs der
Sand anfing zu schmelzen, was sich durch den Glanz der Oberfläche
[710]Hochöfen Ende des 18. Jahrhunderts.
verriet. Zu Bradley in Staffordshire pflegte man zu dem einschmel-
zenden Roheisen Abfälle von der Blechfabrikation aufzuwerfen. Dann
schloſs man fünf Minuten lang die Thüren, öffnete den Zug ganz und
erzeugte eine starke Hitze. Das Eisen fing an zu gerinnen oder „zu
faulen“ (comes in a rotten state), wie die Engländer sagten und nun
begann das Umrühren. Die Luppen, die nach der Feuerbrücke
geschafft wurden, wo sie wie Schneeballen aussahen, bekamen bei
geschlossenem Register noch eine Hitze.


Die gesamten Werkzeuge zu einem Puddelofen bestanden in zwei
Rührhaken, von denen der eine wolfszahnartig zugeschärft, der andere
vorn im Winkel gebogen war, einem Schaufelchen, um die Luppen zu
glätten, einem Hammer, um die beim Rühren sich anhängenden
Schlacken abzuschlagen, einer Zange zum Vorsetzen des Thürchens vor
dem Spähloch und einem Wassertrog zum Ablöschen der Rührhaken.


Hochofenbetrieb Ende des 18. Jahrhunderts.

Indem wir uns zu den Fortschritten der Roheisenerzeugung in
den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts wenden, müssen wir
zunächst einiger Verbesserungen der Steinkohlen- und Torfverkohlung
Erwähnung thun.


Graf Dundonald führte in England geschlossene Verkokungs-
öfen mit gleichzeitiger Gewinnung der Nebenprodukte ein.


Das Patent, welches Graf Archibald Dundonald am 30. April
1781 nahm, war erteilt für Herstellung von Teer, Pech, ätherischen
(essential) Ölen, flüchtigem Alkali, mineralischen Säuren, Salzen und
Koks (cinders) aus Steinkohlen. Die Erfindung bestand nach der
Beschreibung darin, „daſs man durch Gefäſse oder Bauwerke, in
welchen man die Steinkohlen, aus denen man die oben erwähnten
Substanzen destillieren will, einsetzt, die äuſsere Luft durch einen
oder mehrere Zugänge zuläſst, einerlei ob die Kohlen allein oder mit
Kalkstein, Kiesel, Eisenerz, Backsteinen oder anderen Substanzen so
gebrannt werden, daſs sie durch ihre eigene Hitze, ohne zu flammen,
und ohne Hülfe eines anderen Feuers durch Destillation oder Ver-
dampfung ihre Teere, Öle, Alkalien, Säuren und Salze in Vorlagen
oder Kondensationsgefäſse abgeben“. — Diese Methode, Teer, Öl u. s. w.
aus Steinkohlen zu gewinnen, war verschieden von dem gebräuchlichen
[711]Hochöfen Ende des 18. Jahrhunderts.
Verfahren der Destillation der Kohlen in geschlossenen Gefäſsen.
Die Kondensation der flüchtigeren Gase wurde befördert durch Ver-
mischung mit Wasserdampf und darauf folgende Anwendung von kaltem
Wasser. Durch die Zuleitung der Luft und die Durchleitung der
Dämpfe durch verschiedene Kondensationsgefäſse wurden verschiedene
Öle entsprechend ihrer Kondensationsfähigkeit gewonnen.


Die Koksöfen des Grafen Dundonald fanden zwar hauptsächlich
der mit denselben verbundenen Teergewinnung wegen Verbreitung,
doch lieferten sie auch einen sehr brauchbaren Schmelzkoks, weswegen
sie auch auf vielen Eisenhütten eingeführt wurden; so fand Sveden-
stjerna
auf dem Eisenwerk Calcutt bei Brosley 20 Dundonaldöfen
im Betrieb.


Die Versuche, Torf und Torfkohle in der Eisenindustrie zu
verwenden, hatten auch in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahr-
hunderts nur mäſsigen Erfolg. Der groſse Aschengehalt des Torfes
machte seine Anwendung zu jedem Schmelzprozeſs nahezu unmöglich.
Ebenso war die Asche durch ihre schädlichen Bestandteile da von
Nachteil, wo es sich um Prozesse handelte, bei welchen das Brenn-
material mit dem Metall in unmittelbare Berührung kam.


In Kärnten hatte man wiederholt vergeblich versucht, Eisenerze
im Hochofen mit Torf oder Torfkohlen zu schmelzen, so 1772 zu
Gmünd nur mit Torf. 1799 machte v. Marcher Versuche in der
Heft mit Zusatz von ⅓ Torfkohlen zu Holzkohlen, die angeblich
gut ausgefallen waren, aber doch nicht fortgesetzt wurden.


Versuche, mit Torf zu frischen, wollten natürlich noch weniger
gelingen. Solche Versuche wurden beispielsweise anfangs der 70 er
Jahre in Oberschlesien gemacht 1). Graf Preysing machte 1789 ähn-
liche Versuche mit verkohltem Torf von Wildenwart auf dem Hammer-
werk zu Hohenaschau in Oberbayern.


1793 wurden auf Veranlassung der bayerischen Regierung Schmelz-
versuche mit rohem, trockenem Torf in dem Hochofen der Eisenhütte
zu Bergen angestellt, worüber Fr. M. Wagner ausführlich berichtet
hat 2). Man begann mit Torf von Einsiedlermoos im Inngebiet und
setzte dann 1794 die Versuche mit Torf von Wildenwart fort, die dann
auch 1796 und 1798 noch weiter geführt wurden. Das Ergebnis war,
[712]Hochöfen Ende des 18. Jahrhunderts.
daſs ein Zusatz von ⅕ zu der Holzkohle den Betrieb nicht beeinträchtigte,
daſs aber schon beim Zusatz von ¼ Torf üble Folgen eintraten.


1792 hatte man ähnliche Versuche in Oberschlesien auf den
Eisenhütten zu Malapane und Kreuzburger Hütte unternommen. Aus
diesen ergab sich, daſs der Torf die Holzkohle nicht ersetzen konnte,
daſs guter Torf bis zu ⅓ dem Volumen nach zugesetzt werden durfte,
wobei etwa ⅕ an Holzkohle erspart wurde; daſs aber die meisten Torf-
aschen die Schlacken zähflüssig machten und einen strengen Ofengang
herbeiführten, so daſs der Zusatz von Torf von Zeit zu Zeit ausgesetzt
werden muſste. Auſserdem verminderte der Torfzusatz die Produktion.
Ein Vorteil wurde also durch den Torfzusatz nicht erzielt. Mit diesen
Ergebnissen standen diejenigen, welche Lampadius bei einem Ver-
suchsschmelzen auf einer Hütte des Grafen Sternberg mit einem
Gemenge von 1 Tl. trockenem Torf und 4 Tln. Holzkohlen erlangt
haben wollte, in Widerspruch. Wagner, welcher die Frage der
Torfverwendung sehr eingehend geprüft hat, sprach aber diesen Ver-
suchen jeden Wert ab.


Nach Wagners Erfahrungen konnte bei ⅙ Zusatz von Torf
durch 3 Tle. Torf nur 1 Tl. Holzkohle gespart werden und das Roh-
eisen hatte einen gröſseren Abgang bei seiner Verarbeitung, als ohne
Torfzusatz.


Beim Frischen erzeugte ein Torfzusatz fast immer Rotbruch.
Dagegen wendete man in den Gegenden, wo der Torf billig war, den-
selben mit Vorteil zu Glühfeuern an. Guter Torf erwies sich bei
richtiger Luftzuführung auch als ein geeignetes Material für Flammen-
feuerung, und Versuche auf der Kreuzburger Hütte in Oberschlesien
vom Jahre 1797 ergaben, daſs Torfkohle in der Esse des Zainschmiedes
fast dieselben Dienste leistete, als ein ebenso groſses Volumen von
Holzkohlen 1).


Im Hochofenbau und -Betrieb gab sich seit der Mitte des
Jahrhunderts ein eifriges Streben nach Verbesserungen kund; am
meisten war dies in England und Schweden der Fall. In England
war es veranlaſst durch den Übergang zum Koksofenbetrieb und die
Einführung stärkerer Gebläsemaschinen, in Schweden wurde es herbei-
geführt durch ein sachgemäſses Zusammenwirken von Regierung,
Hüttenbesitzern und Technikern.


Der Hochofenbetrieb war nach Schweden aus dem Auslande
gekommen; im 16. Jahrhundert hatten deutsche Hüttenleute Hoch-
[713]Hochöfen Ende des 18. Jahrhunderts.
öfen angelegt, im 17., mehr wie hundert Jahre später, kamen
Franzosen (Wallonen) in das Land, welche solche nach ihrer Weise
bauten. Lange Zeit hielten sich diese Methoden ganz getrennt.
Bau und Betrieb wurden nach Überlieferung und Zunftregeln aus-
geführt. Die Meister, welche den Hochofenbau besorgten, waren
streng geschieden von den Schmelzmeistern, welche den Betrieb
leiteten; die ersteren hieſsen Stegresare, die letzteren Masmästare.
Da diese Trennung auch in Deutschland bestand, so scheint sie von
dorther übertragen worden zu sein. Jeder der Meister betrieb seine
„Kunst“. Die Masmästare hieſsen in Deutschland Massen- oder
Maschenbläser von dem Hochofen, der Massenofen (schwed. Massugn)
hieſs. Zweifellos ist aus der deutschen Bezeichnung das schwedische
Wort entstanden. Anders war es mit dem ebenfalls sehr eigentüm-
lichen Wort Stegresare. Dieses war schwedischen Ursprungs, aus
steges upresande, was „Aufrichten der Leiter“ heiſst, gebildet, indem
von alters her der Ofenbaumeister sich einer Art Leiter, der Hochofen-
leiter (Masugns-stege) bediente, um das Profil des Ofeninnern zu
bestimmen und den Ofen danach zu erbauen. Wir fanden dies bereits
bei Swedenborg dargestellt (s. S. 139). Diese Ofenbaumeister wurden
früher in den einzelnen Bergrevieren von den Bergmeistern und Berg-
richtern angestellt. Sie waren aus den Hochofenarbeitern hervor-
gegangen, hatten auſser ihrer Erfahrung weiter keine Ausbildung und
hingen fest an dem Herkommen. Als man nun gegen Mitte des
17. Jahrhunderts Verbesserungen im Hochofenbau anstrebte, leisteten
sie entweder Widerstand oder machten die Sache verkehrt; ganz
ähnlich, wie in Deutschland. Die Hüttenbesitzer, meist verständige
Grundbesitzer, die zusammenhielten und unter sich eine Gesellschaft
— Brucks-Societät — zur Förderung des Eisenhüttenwesens gegründet
hatten, sahen ein, daſs der alte Schlendrian nicht so fort gehen konnte
und beriefen theoretisch und praktisch gebildete Hüttenleute, welchen
sie die Förderung des Hüttenwesens, die Aufsicht über Neubauten,
Anlagen und Einrichtungen und den Betrieb übertrugen. Dies waren die
Oberhochofenmeister. Der erste war der berühmte Sven Rinman,
dem am 4. März 1751 dieses Amt übertragen wurde. Der Nutzen
dieser Einrichtung zeigte sich alsbald. Da die Arbeit für einen Mann
aber zu viel war, so stellte man noch einen zweiten, dritten und
zuletzt noch einen vierten Oberhochofenmeister an. Einer von diesen
war Garney, der in seinem berühmten Werke über die Hochöfen in
Schweden die Ergebnisse der Thätigkeit dieser Beamten und der
erzielten Fortschritte im schwedischen Hochofenwesen in der Zeit
[714]Hochöfen Ende des 18. Jahrhunderts.
von 1750 bis 1790 ausführlich geschildert hat. Danach gab es, wie
schon erwähnt, um die Mitte des Jahrhunderts zwei Arten von Hoch-
öfen, die deutschen und die französischen, die wesentlich voneinander
verschieden waren. Beide Arten von Öfen waren nach der neuen
Hüttenordnung von 1766 gestattet.


Die deutschen Hochöfen waren in der Regel am Abhang eines
Hügels erbaut und in denselben eingegraben. Die Eckpfeiler der
Abstichseite und die Balgseite wurden aus Balken gezimmert und der
Raum innerhalb dieses Zimmerwerks bis zum Ofenfutter mit Steinen
und Thonmörtel ausgefüllt. Ebenso wurde der Rauhschacht durch ein
Zimmerwerk von Holz mit ähnlicher Füllung, dem sogenannten Erd-
gezimmer (Mulltimmer) ersetzt. Innerhalb dieser Wände wurde dann der
eigentliche Ofenschacht aus feuerfesten Steinen eingemauert. Die Höhe
der Öfen überstieg nie 12 Ellen (6,92 m). Die Rast begann 45 cm unter
der halben Ofenhöhe. Die Gestalt war meist achteckig und wurde
nach einer von Riegeln und Latten in Form einer Leiter zusammen-
geschlagenen Schablone aufgeführt. Die Fundamentierung war oft
mangelhaft, aber für Luftcirkulation unter dem Gestell wurde immer
gesorgt. Man beförderte diese womöglich durch flieſsendes Wasser,
weshalb man den Ofen gern über einer Quelle erbaute. Die Zustellung
war breiter, kürzer und niedriger unter der Form als bei den Öfen
der Wallonen, auch machte man Form, Tümpel und Damm von Guſs-
eisen. Letzteren hatte man nach und nach durch einen Wallstein,
meist aus Kalkstein, mit einem Stichloch und einem Lacht- oder
Schlackenloch auf der gegenüberliegenden Seite ersetzt. Der eigent-
liche Abstich lag nach der Formseite zu. Die hölzernen Bälge waren
nur 6 Ellen (3,46 m) lang. Einen wesentlichen Unterschied im Betriebe
machte es, daſs die Schlacke nicht frei abfloſs, sondern förmlich
abgezapft oder abgezogen werden muſste. Man arbeitete auf hellgraues
bis halbiertes („mäſsig hartgrelles“) Roheisen, welches für die deutsche
Frischschmiede am geeignetsten war.


Der wallonische oder französische Hochofen unterschied sich
zunächst dadurch, daſs er ganz in Stein aufgeführt wurde. Dies
erforderte ein stärkeres Fundament. Man stellte den Ofen nicht an
den Berg, sondern frei. Schon aus diesem Grunde muſste man das
Fundament mehr heraus bauen, um für die Abzüchte das nötige
Gefäll zu bekommen. Der Schacht war geräumig und kreisförmig.
Die Ofenhöhe betrug 14 bis 15 Ellen (8 bis 8,65 m). Der Kohlensack
lag auch hier 42 cm unter der mittleren Ofenhöhe. Die Ofenbrust
wurde auf eisernen Tragbalken (Trachten) aufgeführt und so geräumig,
[715]Hochöfen Ende des 18. Jahrhunderts.
daſs die gröſseren Bälge von 8 bis 9 Ellen (4,6 bis 5,2 m) genügenden
Platz hatten. Das Gestell war länger, schmäler und tiefer unter der
Form und mit steiler aufgezogener Rast als bei den deutschen Öfen.
Die Form bestand nur in einem quadratischen Loch von 6 Zoll Seiten-
länge in der Gestellwand für die Balgdüsen, welches während des
Blasens, so weit es nötig schien, mit Thon zugeschmiert wurde. Tümpel
und Damm waren von Stein. In letzterem war kein Abstichloch ange-
bracht, sondern dieses wurde in dem freibleibenden Schlitz zwischen
Wallstein und Windbacken (blåsväggen), der mit Thon ausgefüllt wurde,
ausgespart. Man erblies bei hohem Erzsatz weiſses Eisen, wie es für

Figure 191. Fig. 186.


die Wallonschmiede verlangt
wurde. Die Schlacken flos-
sen beständig frei ab.


Die Verbesserungen, wel-
che in dem schwedischen
Hochofenbetrieb eingeführt
wurden, bestanden nicht in
groſsen Reformen oder
neuen Erfindungen, sondern
in der wissenschaftlichen
Grundlage, welche dem
Hochofenbau und -betrieb,
welche bis dahin von der
krassesten Empirie geleitet
worden waren, gegeben
wurde. Es war sogar das
eifrige Bestreben der Ober-
hochofenmeister, die über-
lieferten Einrichtungen mög-
lichst zu schonen und zu entwickeln. Die schwedischen Verhältnisse
verlangten das.


Die Hochofenbesitzer waren teils reiche Adlige, teils arme Bauern.
Diese konnten nicht mit demselben Maſs gemessen werden. Die deutsche
Art des Hochofenbaues war bei dem auſserordentlich niedrigen Holz-
wert viel billiger und wurde deshalb von den Bauern vorgezogen. Die
Reichen konnten sich eher massive Öfen aus Stein bauen. Allmählich
verbanden sich aber benachbarte Bauern, um statt mehrerer kleiner
Öfen mit Holzumkleidung einen gröſseren steinernen Ofen zu errichten,
und so verschwand nach und nach die erstere Art von Hochöfen. Die
genauen Vorschriften über die Fundamentierung, den Bau des Rauh-
[716]Hochöfen Ende des 18. Jahrhunderts.
mauerwerks, der Ofenbrust oder Rast, des Schachtes und der Gicht,
welche in Garneys Werk mitgeteilt werden, hatten nur für Schweden

Figure 192. Fig. 187.


Bedeutung. Wir heben
deshalb nur einige histo-
risch wichtige Einzel-
heiten daraus hervor.


In Bezug auf die
Wahl des Standortes der
Hochöfen ging man von
dem alten nationalen
Grundsatz — denn auch
die alten Bauernöfen
waren so gebaut ge-
wesen —, dem Anbau an
einem Bergabhang, ab
und stellte die Öfen mög-
lichst frei (Fig. 186,
a. v. S.).


Man führte das Rauhmauerwerk aus Steinen auf. Für einen so
schweren Mauerblock, dessen Gewicht sich auf 9000 bis 10000 Schiffs-

Figure 193. Fig. 188.


pfund (etwa 1600
Tonnen) berechnete,
gehörte ein festes,
dauerhaftes Funda-
ment. Am besten
war eine Unterlage
von festem Felsen;
war diese nicht zu
haben, so wählte
man einen guten
Kiesgrund, wobei
man aber erst die
Grundfläche ebnen
und, wo der Unter-
grund nicht sicher
genug schien, durch
künstliche Mittel
nachhelfen muſste.
Hierfür diente in dem holzreichen Schweden ein starker Holzrost. Der-
selbe bestand aus doppelten, kreuzweise gelegten, horizontalen Balken-
[717]Hochöfen Ende des 18. Jahrhunderts.
lagen. Die Balken waren aus fettem, harzreichem Tannenholz, 9 Zoll
dick, auf zwei Seiten behauen, welche, damit sie nicht ausweichen
konnten, mit starken Holzpflöcken verbunden waren. Fig. 186, 187
und 188 a a zeigen die Anordnung eines solchen Balkenrostes. Der Rost
muſste so tief liegen, daſs er unter dem Niveau des Grundwassers
lag. Die Balken muſsten so lang sein, daſs sie 1½ Ellen über das
Fundament hinausragten. Zum Wassergraben stellte man den Hoch-
ofen so, daſs jener mit dem Wasserrad hinter der Rückwand des
Ofens lag. In der Regel lag der Brustpfeiler, welcher das Blase-
gewölbe von dem Arbeitsgewölbe trennte, rechts. In Schweden baute
man aber nicht selten zwei Hochöfen nebeneinander in ein gemein-
schaftliches Rauhgemäuer ein (Fig. 189). Dies geschah namentlich
auf den Hütten, wo Kanonen gegossen wurden, die oft so groſs waren,
daſs aus zwei Öfen zugleich abgestochen werden muſste. In diesem

Figure 194. Fig. 189.


Falle war der Brustpfeiler des einen Ofens links, der des anderen
rechts, wie auch die Blasegewölbe sich gegenüber lagen. Die beiden
Ablaſsgewölbe waren durch den gemeinschaftlichen Pfeiler M getrennt.


Das Material für das Mauerwerk in Schweden war grauer Granit,
sogenannter Graustein (Gråsten). Das Fundament des Hochofen-
schachtes wurde in dem Fundament des Rauhgemäuers, dem Ofenstock,
besonders eingebaut. Das Grundmauerwerk der beiden Gewölbe wurde
nur mit gewöhnlichen Füllsteinen aufgeführt.


Das Einbauen des Gestelles war nicht Sache des Ofenbaumeisters,
sondern des Schmelzmeisters. Dies bleibt deshalb vorläufig auſser
Betracht; der Ofenbaumeister hatte nur Platz für dasſelbe zu lassen.


Was die alten Meister, welche die steinernen Öfen nach wallo-
nischer Art gebaut hatten, nicht verstanden hatten, war die richtige
Abführung der Feuchtigkeit aus dem nassen Mauerwerk und die
[718]Hochöfen Ende des 18. Jahrhunderts.
Verankerung. Infolgedessen war es sehr gewöhnlich gewesen, daſs
diese Öfen groſse Risse und Sprünge bekamen, was sehr nachteilig
auf den Betrieb einwirkte. Daher läſst es sich erklären, daſs sich in
Schweden ein Vorurteil gegen die steinernen Öfen ausbildete und man
die Öfen mit Erdzimmerung vielfach vorzog. Zu den wichtigsten Ver-
besserungen, welche in diesem Zeitraum von den Oberhochofenmeistern
eingeführt wurden, gehörte die richtige Ventilation und Verankerung
des Rauhmauerwerks, welches ihm die nötige Festigkeit gab, um der
Ausdehnung der Hitze von innen während des Betriebes und der
Zusammenziehung durch die Abkühlung nach dem Ausblasen Wider-
stand leisten zu können. Zu dem doppelten Rauhmauerwerk nahm

Figure 195. Fig. 190.


man gute, lagerhafte Grausteine, namentlich zu der inneren Mauer.
Aber das beste Material und die sorgfältigste Maurerarbeit würde
keine Dauerhaftigkeit gewährt haben, wenn man dasſelbe nicht durch
eiserne Anker befestigt und verbunden hätte. Früher hatte man sich
mit einer Verklammerung von Holzbalken von auſsen begnügt. Die
wenigen eisernen Anker, die man allenfalls angewendet hatte, waren
ziemlich willkürlich eingelegt. Jetzt legte man ein ganzes Netzwerk
von eisernen Ankern in regelmäſsigen Lagen ein, wie es Fig. 190 zeigt.
Die Anker in den unteren Lagen waren 2½ Zoll breit und ½ Zoll dick;
die in den oberen, von der fünften Lage an, 2 Zoll auf ½ Zoll. Wo
die Stangen nicht lang genug waren, verband man sie durch Augen (A A).
[719]Hochöfen Ende des 18. Jahrhunderts.
An den Auſsenwänden befestigte man die Anker mit Schlieſsen und
Scheren (siehe Fig. 186, 188). Die unterste Lage lag im Fundament.


Den oberen Teil des äuſseren Rauhmauerwerkes führte man
zuweilen statt in Bruchsteinen in Erdzimmerung aus, wie aus Fig. 186
ersichtlich ist. Die äuſsere Zimmerung wurde dabei aber sorgfältiger
und mit beschlagenem Holz ausgeführt, während man früher diese
Bekleidung sehr roh aus unbeschlagenen Stämmen, deren Enden man
übereinander gehen und vorstehen lieſs, gemacht hatte.


Durch das Blasegewölbe und das Arbeitsgewölbe gelangte man
zu dem inneren Schmelzofen. Die Decke dieser Zugänge war ent-
weder wirklich gewölbt oder sie war auf starken eisernen Trage-
balken (Trachten) treppenförmig aufgemauert. Früher hatte man
Steinplatten eingemauert, welche auf hölzernen Balken auflagen. Die
eisernen Tragebalken auf beiden Seiten im Rauhmauerwerk waren
meistens aus Guſseisen, wo aber Guſseisen mangelte, aus Schmiede-
eisen. Es war die Aufgabe des Hochofenbaumeisters, die Decke
hoch genug zu machen, um den Bälgen und den Arbeitern bequem
Zugang zu verschaffen, ohne das Mauerwerk so zu schwächen, daſs
die Wirkung der Hitze in der Rast, welche zum Teil auf der Decke
aufruhte, unangenehm wurde. Diese sorgfältigere Herstellung der
Ofenbrüste, wie sie Garney nennt, gehörte zu den neueren Ver-
besserungen. Die gewölbte Hochofenbrust hatte Rinman zuerst in
Schweden eingeführt. Sie war vordem nur in England angewendet
worden. Über den Bau derselben berichtet Garney ausführlich.


Von groſsem Interesse sind die Betrachtungen über die richtige
Gestalt des Ofeninneren. Der Verfasser geht dabei sowohl von theo-
retischen als auch von praktischen Erwägungen aus. Nach der Theorie
muſs die richtigste Form aus den Bedingungen der Verbrennung und
der Schmelzung sich ergeben. Die Verbrennung muſs, um zur Wirkung
zu kommen, in dem eingeengten Raum des Gestelles geschehen. Sie
findet aber nicht momentan, sondern allmählich statt. Der auf-
steigende Gasstrom vermehrt sich und erfordert einen gröſseren Raum,
bis zu einem gewissen Maximalpunkt. Von da an nimmt die Erzeu-
gung und Spannung der Gase in ihrer fortgesetzten Bewegung nach
oben ab. Umgekehrt werden die Erze und Kohlen oben eingestürzt,
bedürfen einer gewissen allmählichen Erwärmung, bis sie den Hitze-
grad erreicht haben, daſs die Schmelzung der Schlacken und die
Reduktion beginnt. Dafür ist eine gewisse Auflockerung und Aus-
breitung zweckmäſsig. Wenn der Beginn der Schmelzung mit dem
Moment der gröſsten Ausdehnung des Gasstromes zusammenfällt, so
[720]Hochöfen Ende des 18. Jahrhunderts.
sind die Bedingungen am besten erfüllt. Diese theoretische Betrach-
tung giebt schon das eine wichtige Resultat, welches die schwedischen
Baumeister auch festhielten, daſs, da der Übergang dieser Expansion
und Kontraktion der Hochofengase ein allmählicher, kein sprung-
weiser ist, auch die Übergänge im Querschnitt des Hochofens, die
Erweiterung und Verengerung nicht durch Winkel, sondern durch Kurven
ihren Ausdruck finden müssen. Die richtige Kurve in jedem Falle
theoretisch zu ermitteln, war schwer, da die wirkenden Faktoren zu
wenig bekannt waren. Da trat dann eine praktische Erwägung helfend
ein. Man beobachtete die Form ausgeblasener Hochöfen, die in gutem
Gange gestanden hatten. Alle Öfen verändern während der fort-
gesetzten Schmelzung ihre Gestalt und gehen erst am besten, wenn
diese Veränderung einen gewissen Punkt erreicht hat. Diese Form
könnte man nur dann finden, wenn man den Ofen in dem Augenblick
des besten Ganges ausbliese. Da dies nicht möglich war, so muſste
man sich damit begnügen, die Formen ausgeblasener Öfen, wie sie
vorkamen, zu vergleichen.


Diese Untersuchung führte aber doch zu gewissen Ergebnissen,
deren wichtigste Garney, wie folgt, angiebt:


Der gröſste Nutzen der Schmelzung wird erhalten, wenn der
Schmelzraum in einem Hochofenschacht soviel Hitze bekommt, als
bewirkt werden kann und wenn der Vorbereitungs- oder Röstraum
so geräumig wie möglich ist. Man muſs also den Schmelzraum
zusammenziehen, was durch Verminderung des Inhalts oder Verrückung
des Schmelzpunktes nach innen und unten geschehen kann. Die
andere Regel ist die, daſs, obgleich nicht alle Eisensteine von gleicher
Beschaffenheit sind, sie doch darin übereinstimmen, daſs sie einen
gleich tiefen Schmelzraum erfordern. Was aber sowohl die ver-
schiedenen Durchmesser des Schmelzraumes auf ungleichen Höhen,
als die Tiefe und verschiedenen Durchmesser des Vorbereitungsraumes
anbetrifft, so muſs solches nach der Art und dem Verhalten jedes
Erzes im Feuer eingerichtet werden.


Nach dem Verhalten der schwedischen Erze konstruierte Garney
drei Normalprofile, deren Hauptunterschied in der Schachthöhe,
welche für leichtschmelzige Erze geringer sein kann als für streng-
flüssige, bestand.


Zur richtigen Herstellung des Profils dient die Leiterschablone,
deren Kernstock in Zapfen läuft (Fig. 191), die genau in der Ver-
längerung der Mittellinie des Ofeninneren befestigt werden. Die
Sprossen, welche das Längenprofil bilden, stehen nur 15 cm von-
[721]Hochöfen Ende des 18. Jahrhunderts.
einander ab, so daſs sie wirklich als Leiter von den Arbeitern
benutzt werden konnten. Als Baumaterial für den Hochofenschacht
dienten in Schweden feuerfeste Natursteine, Glimmerschiefer, Sand-
stein und Schiefer, namentlich ein Talk-Glimmergestein aus Nora-
Bergrevier, von dem ein Schacht bei Nors 80 Kampagnen aus-
gehalten hatte. In einigen Gegenden, wie in Dannemora und Lindes-
Bergrevier, machte man künstliche Schachtsteine aus Schlacken,
dieselben waren aber von sehr ungleicher Güte; für die Hütten
war dieses Material das billigste. Als Mörtel diente nur feiner,
feuerfester Lehm. Die Schachtmauerung begann in den Gewölben
über den Schachttrageisen, im übrigen Ofen etwas unterhalb auf dem

Figure 196. Fig. 191.


Schachtfundament. Bis zur Höhe des Gestelles (Fig. 188 u. 191 c c)
wurden die Wände senkrecht aufgeführt und sprangen etwas zurück.
Von da an begann der eigentliche Ofenschacht. — Vom obersten
Schachtring, dem Kranz ab gab man dem Kranzboden oder der Gicht
nach allen Seiten hin etwas Fall. Wo man Schlackenziegel anwendete,
mauerte man den Schacht in zwei gleichförmigen Schichten auf, zwischen
denen man eine Sandfüllung von 2 bis 3 Zoll anbrachte. Zwischen
Schacht- und Rauhmauerwerk blieb immer eine stärkere Isolierschicht
(Fig. 188 T T) von 6 Zoll, welche mit reinem Sand ausgefüllt wurde.
Da die Gichtmündung viel zu leiden hatte, so schützte man sie innen
durch eiserne Ringe; obenauf legte man die 12 bis 18 Zoll breiten
Beck, Geschichte des Eisens. 46
[722]Hochöfen Ende des 18. Jahrhunderts.
guſseisernen Kranzplatten. Manchmal erhöhte man auch den Schacht
über dem Gichtboden, indem man einen Schachtkranz aufmauerte,
was da, wo man mit Körben aufgab, ganz zweckmäſsig war. — Auſser-
dem war der Gichtboden selbst von einer Schutzwand, dem Gicht-
oder Hochofenkranz, eingeschlossen, welcher entweder aus Brettern
oder aus Mauerwerk hergestellt war. Das Holzwerk wurde, um es
vor dem Anbrennen zu schützen, mit roter Erdfarbe und mit Vitriol-
lauge bestrichen. Für gemauerte Gichtkränze waren Schlackenziegel
sehr geeignet. Der Umbau um die Gicht (s. Fig. 186) war in dem
rauhen, nordischen Klima unentbehrlich und geschah mit gröſserer
Sorgfalt als in den südlicheren Ländern.


Das Einbauen und die Zurichtung des Ofengestelles war, wie
schon erwähnt, Sache des Hochofen- oder Schmelzmeisters (Masmästare)
und die schwedische Hochofenordnung von 1766 erkannte keinen als
Meister an, der auſser der Betriebsleitung nicht auch die Zustellung
(Ställa) verstand; man nannte dies die Gestellmeisterkunst. Für jede
neue Kampagne wurde ein neues Gestell eingebaut, während der Ofen-
schacht möglichst viele Reisen aushalten muſste. Die Gröſse des
Gestelles richtete sich hauptsächlich nach der Stärke der Blase-
bälge. — Das Gestell zerfiel in das Untergestell, das Obergestell und
die Rast. Die Bodenplatte bedurfte eines gewissen Grades der
Abkühlung, um nicht wegzuschmelzen. Diese wurde erreicht durch
eine entsprechende Luftkühlung unter derselben. Sie wurde befördert
durch Cirkulation von kaltem Wasser in den Abzüchten, wobei die
gebildeten Dämpfe durch Dunströhren abgeleitet werden muſsten. Hatte
man kein Wasser am Boden selbst, so leitete man solches aus dem
Wassergraben, dem Gefluder, zu. Hatte man viel Grundwasser, so muſste
man die Abzüchte sehr hoch bauen und für starken Luftzug sorgen.
Der mittlere hohle Raum unter dem Bodenstein wurde zunächst mit
einer dicken Eisenplatte, der Grundplatte, bedeckt, zwischen der und
der Oberfläche des Bodensteins ein Abstand von wenigstens 4 Zoll
verbleiben muſste. Man legte von dem Hohlraum unter dem Ofen eine
Abzucht von 9 bis 12 Zoll Breite und 6 bis 8 Zoll Höhe nach der
Ablaſsseite zu zur Einführung des Wassers und nach der Balgseite eine
Abzucht von 12 Zoll im Quadrat zur Abführung des Wassers an. In
beide wurden eiserne Dammröhren eingesetzt. Auf die eiserne Grund-
platte goſs man eine Schicht Mörtel aus Lehm und Sand und darüber
weiter 2 Zoll Sand, worauf der Bodenstein gelegt wurde. Man gab
auch in Schweden damals noch dem Gestell eine rechtwinklige Gestalt;
Versuche, dasſelbe nach hinten abzurunden, hatten keinen Erfolg gehabt.


[723]Hochöfen Ende des 18. Jahrhunderts.

Fig. 192 soll die Anordnung des Untergestelles, Herdes oder
Eisenkastens zeigen. Nachdem der Bodenstein gelegt war, setzte man
zuerst den Hinterknobben (Rückenstück, la rustine). Diesem gab man
zuweilen eine kleine Drehung gegen das Gebläse, so daſs die der
Form gegenüberliegende Ecke etwas mehr als einen rechten Winkel
betrug. Man nannte das im Winkel zustellen (ställa i vrå). Alsdann
setzte man die Seitensteine (Form- und Windstück), und zwar den
Formstein zuerst. Auf die kleinen Abweichungen bei der Zustellung,
wie die Winkelstellung, der Abstand der Form vom Hinterknobben,
legte man einen auſserordentlichen Wert 1). Die Tiefe des Gestelles

Figure 197. Fig. 192.


unter der Form betrug 14 bis 18 Zoll, doch vergröſserte man dies
Maſs in Schweden zum Gieſsen groſser Kanonen, wozu viel Roheisen,
folglich ein sehr groſses Gestell nebst groſsen und starken Bälgen
erforderlich waren, bis zu 24 Zoll. Das Vordergestell war der Raum
vom Wallstein bis unter den Tümpel. Der Tümpel war mit der
wichtigste Teil der Zustellung. Er hatte auch am meisten durch die
Hitze zu leiden. Man machte ihn aus einer Platte von Stein, Schmiede-
eisen oder Guſseisen. Das letztere war das Gewöhnliche und machte
man ihn alsdann 2 Zoll dick und 7 bis 8 Zoll breit. Ein Stein-
tümpel war dann vorzuziehen, wenn das Guſseisen mit Kellen aus-
geschöpft wurde, weil dann das Eisen zu rasch verbrannte. Man
46*
[724]Hochöfen Ende des 18. Jahrhunderts.
legte den Tümpel 2 Zoll über die Höhe des Formsteins. Über den
Tümpel legte man das Tümpelblech, eine breite Platte, auf welcher
die ganze Tümpelbrust aufgemauert wurde. Den Wallstein machte
man so hoch, daſs er mit der darauf liegenden Platte 2½ Zoll
tiefer als die Form lag. Auf manchen Hütten lieſs man die Schlacke
über den Wallstein laufen, in anderen stach man sie durch ein
besonderes Schlacken- oder Lachtloch, welches dem Stichloch gegen-
über 4 Zoll unter dem Schlackenblech angebracht war, ab. Der
Abstand des Walls von der Mittellinie des Ofens durfte nicht über
48 Zoll betragen. Die Form war entweder nur ein Loch in der
Gestellwand, in dem die Formöffnung mit Thon hergestellt wurde, oder
sie war von Eisen. Das Loch im Stein machte man 3 bis 3½ Zoll
breit und 2½ bis 3 Zoll hoch an der Mündung, während es nach
dem Balg zu 12 auf 9 Zoll hatte. Die Mündung der eisernen Form
war auch rechtwinklig, 3 bis 3½ Zoll auf 2 bis 2½ Zoll. Der beste
Gestellstein war ein Sandstein von Roſslagen, doch hielt er höchstens
Kampagnen von einem Jahre aus. Gegossene Schlackenziegel wurden
zu Dannemora und in Norbergs- und Lindes-Bergrevier auch für die
Rast, Hinter- und Seitenmauern des Gestelles gebraucht.


Vordem spielte auch bei der Ofenzustellung der Aberglauben eine
groſse Rolle, namentlich richteten sich die alten Meister in Schweden
nach dem zu- und abnehmenden Mond, indem sie glaubten, daſs keine
Schmelzung glücklich ablaufen könne, wozu nicht das Gestell bei
zunehmendem Mondlicht eingesetzt war.


Garney giebt genaue Maſse für 14 verschiedene Zustellungen
für mehr oder weniger leicht- und schwerschmelzige Erze, sowie für
den Guſs von Kanonen von 8- bis 24-Pfündern an. In dem, was Garney
über den Betrieb der Hochöfen sagt, sind neue Gesichtspunkte nicht
enthalten und haben seine ausführlichen Angaben hauptsächlich nur
für schwedische Erze und Verhältnisse Interesse. Bemerkenswert sind
seine Beschreibungen der besonderen Arbeiten beim Hochofen, dem
Dämpfen, bei Versetzungen, wenn der Abstich zugeht, das Gestell
sich ausbläst, Bühnen sich ansetzen, die Gichten hängen und stürzen,
das Eisen vor der Form kocht u. s. w.


Man bediente sich damals noch allgemein der hölzernen Blase-
bälge, nur bei dem Hochofen von Nyhytte in Norbergs-Bergrevier
war in den 80 er Jahren ein englisches Cylindergebläse aufgestellt
worden, welches sich sehr gut bewährte.


Die Fabrikation der Schlackensteine war damals ein ganz
einträgliches Nebengeschäft bei den schwedischen Hütten. Der Preis
[725]Hochöfen Ende des 18. Jahrhunderts.
für das Hundert betrug 16 Schillinge, welche den Hochofenarbeitern
zu gute kamen. Die Schlacken wurden in eiserne Formen gegossen
und giebt Garney eine genaue Beschreibung des ganzen Verfahrens.


In Deutschland wendete man ebenfalls dem Hochofenbau in
der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gröſsere Aufmerksamkeit zu
und bildeten sich auch hier gewisse Regeln aus. In einigen Punkten
wich die deutsche Bauart von der schwedischen ab. Die Abzüge für
die Feuchtigkeit im Fundament, welche zugleich zur Kühlung des
Bodensteins dienten, fehlten nie und meist legte man sie in Kreuz-
form in der Weise an, daſs zwei Kanäle in den Diagonalen des Grund-
mauerwerks ausgespart wurden, welche sich unter dem Ofenmittel
kreuzten, man nannte sie deshalb die Kreuzabzüge oder auch Andreas-

Figure 198. Fig. 193.


kreuz. Sie wurden ganz mit Stein-
oder Eisenplatten bedeckt und mün-
deten auſserhalb des Fundamentes im
Freien. Bei trockenem Terrain konnte
man sie auſserhalb des Ofenmauerwerks
unter die Hüttensohle und hier in die
Höhe führen, wo man sie leicht be-
deckte.


Das äuſsere Ofenmauerwerk baute
man entweder so auf, daſs man den
unteren Teil bis zur Höhe des Kohlen-
sacks senkrecht aufführte, so daſs es
die Gestalt eines Würfels bekam, auf
dem man dann den oberen Teil in
Gestalt einer abgestutzten, vierseitigen
Pyramide verjüngt zulaufen lieſs, oder
man führte den Ofen in mehreren
Absätzen in Gestalt aufeinandergesetzter vierseitiger Prismen auf,
wie bei dem Harzer Hochofen (Fig. 193). An den Absätzen pflegte
man öfters von auſsen Schlingen von Holz oder von Eisen um den
Ofen zu legen. Man verstärkte das Mauerwerk ferner durch eiserne
Anker, die man parallel den Auſsenwänden in das Mauerwerk legte.
Die Blas- und Arbeitsöffnungen waren meist gewölbt und hieſsen
deshalb auch Blas- und Arbeitsgewölbe. Eine wichtige Eigentümlich-
keit der deutschen Bauart bestand darin, daſs man mindestens von
der Höhe der Gewölbe an in den vier Ecken des Rauhmauerwerks
Luftzüge anlegte, welche man untereinander durch schwach auf-
steigende Röhren verband (Fig. 194, a. f. S.) und denen man von Zeit
[726]Hochöfen Ende des 18. Jahrhunderts.
zu Zeit einen Ausgang in das Freie gab. Dieses System von Luftkanälen
diente zur Austrocknung des Rauhmauerwerks. Die Verankerung
begann erst in der halben Höhe der Gewölbe. Über diese legte
man die Anker so, daſs einer rechts und einer links an den Luft-
schächten vorbeiging, so daſs acht Anker in einer Ebene lagen. Sie
wurden auſserhalb des Mauerwerks „versplettet“ oder mit Riegeln

Figure 199. Fig. 194.


versehen. Dazu nahm man oft lange
Stäbe, welche die oberen und die
unteren Anker zugleich verspletteten.
Wo sie übereinander lagen, gab man
ihnen einen Falz. Man mauerte sie
nicht fest ein, sondern lieſs ihnen
etwas Spielraum, damit sie sich frei
ausdehnen konnten und das Mauer-
werk nicht auseinander trieben.
Den Rauhschacht machte man etwa
0,75 m dick. Oben lieſs man zwi-
schen Rauhgemäuer und Rauh-
schacht einen freien Raum von
einem Fuſs, in welchen die auf-
steigenden und die
horizontalen Zug-
röhren von Back-
steinen eingebaut
wurden; der Zwi-
schenraum wurde
mit Sand, Pferde-
mist und Schlacken,
der sogen. Füllung,
ausgefüllt. Diese
Füllung verbreiterte
sich nach oben, weil
das Rauhmauerwerk
inwendig senkrecht aufstieg, der Rauhschacht aber enger wurde. In
den Gewölben ruhte der Rauhschacht auf starken Trachteisen. Das
Ofeninnere legte man durch Ziehen von Schnüren fest, nicht, wie in
Schweden, durch eine Schablone. Da das Mauerwerk des Kern-
schachtes nach oben zu schwächer wurde, so bildete sich auch hier
wieder zwischen Kern- und Rauhschacht ein Hohlraum, der eben-
falls mit Steinen und Lehm ausgefüllt wurde. Der Kernschacht
[727]Hochöfen Ende des 18. Jahrhunderts.
ruhte in den Gewölben auf Trachteisen, sonst auf dem senkrecht
aufgeführten Kernschachtfutter. Machte man den Schacht rund, so
brach man erst die Ecken und mauerte auf eingelegten eisernen
Stäben die erste Schicht als ein Achteck auf, die zweite Schicht als
ein Sechzehneck, bis man in der fünften Schicht etwa die runde
Form erreicht hatte. Die untere Rundung war oval und ging erst
gegen die Gicht zu in die Kreisform über. Auch der Raum zwischen
Kreuzkanal und Bodenstein wurde mit gröſserer Sorgfalt, namentlich
in Bezug auf die Abführung der Feuchtigkeit, ausgefüllt als in Schweden.
Man brachte erst an dem unteren Teil des Kernschachtfutters ringsum
Röhren von Backsteinen an, welche mit Öffnungen versehen waren,
um die Feuchtigkeit aufzunehmen, die sie zu einer senkrechten
Röhre, meist von Blech, leiteten, durch welche sie nach auſsen abge-
führt wurde. Zwischen diese Röhren wurde dann eine doppelte Back-
steinplättung gelegt, auf welche eine eiserne Platte folgte. Dieses
nannte man den unteren verlorenen Boden. Hierauf folgte eine
zweite doppelte Plättung, wobei man zwischen den Backsteinen offene
Fugen lieſs, zur Abführung der Dämpfe, und bedeckte diese wieder
mit einer schlieſsenden eisernen Platte. Dies war der obere verlorene
Boden. Auf diesen wurde 1 Fuſs Lehm aufgestampft und dann der
Bodenstein gelegt.


In dem Eisenmagazin von Tölle und Gärtner findet sich ein
ausführlicher, wichtiger Aufsatz „von der ganz alten Art bis zu der
jetzt gewöhnlichen Schmelzfeuer zum Eisensteinschmelzen, der Hoch-
öfen“, in welchen die Entwickelung des Hochofenbaues, namentlich
am Harz, geschildert wird. Daraus erfahren wir, daſs die alten
Harzer Öfen an dem Fehler zu enger Gestelle gelitten hatten. Die
alten Öfen hatten Gestelle, welche nur 5 Kubikfuſs Raum umschlossen,
so daſs nur etwa 3 Kubikfuſs Kohle der unmittelbaren Einwirkung
des Gebläses ausgesetzt waren. Das Gestell ging sehr unvermittelt in
den Schacht über, indem die Rast sehr niedrig und flach war, während
der Schacht im Verhältnis zum Schmelzraum zu geräumig war. Da-
durch muſsten sich auch die Gase rasch abkühlen und so kam es,
daſs sich leichte Ansätze oder Bühnen über dem Gestell bildeten oder
sich gar die ganze Beschickung festhing. Hans Sien hatte schon
im 16. Jahrhundert die Öfen dadurch zu verbessern gesucht, daſs er
sie beträchtlich erhöhte, von 16 auf 24 Fuſs (6,84 m); da er aber das
enge Gestell beibehielt, war nicht viel damit erreicht. Im Jahre 1706
baute man in Tanne einen Ofen nach abgeänderten Maſsen, der lange
als Muster galt. Man machte das Ofenfutter stärker, indem man ihm
[728]Hochöfen Ende des 18. Jahrhunderts.
7 Fuſs (2 m) Seitenlänge gab. Der Ofen war 25 Fuſs (6,20 m) hoch,
die Gicht 2 Fuſs 9 Zoll (0,855 m) weit, dem entsprechend erweiterte
man auch das Gestell etwas. Diese Art der Zustellung blieb mit
geringen Abweichungen längere Zeit maſsgebend. In dem Aufsatz
sind die genauen Maſse für einen solchen Ofen mitgeteilt 1), woraus
wir folgende Hauptmaſse entnehmen:


  • Höhe vom Bodenstein bis zur Gicht   21 Fuſs — Zoll (5,987 m)
  • Höhe des Gestelles   3 „ 4 „ (0,95 m)
  • Weite des Gestelles oben   1 „ 6 „ (0,428 m)
  • „ „ „ unten   1 „ 1 „ (0,31 m)
  • Länge „ „   4 „ 6 „ (1,283 m)

Die Rast hatte „8 Zoll Fall“, d. h. sie war nur 8 Zoll hoch und
ging in dieser geringen Höhe in den Schacht über. Die Form lag
1 Fuſs über dem Bodenstein, war 2¼ Zoll breit und 2 Zoll hoch und
hatte 2 Zoll Steigen. Fig. 195 a u. b stellen die senkrechten Schnitte
durch ein Harzgestell mit der charakteristischen flachen Rast dar.


Figure 200. Fig. 195.

Bald danach erfreuten sich die „Schwabenöfen“ eines beson-
deren Rufes. Deshalb schickte die Fürstlich Walkenriedsche Hütten-
administration im Jahre 1725 einen gewissen Michel Teichmann
nach dem Württembergischen, um Erkundigungen über deren Betrieb
einzuziehen. Teichmann und namentlich aber einige im Jahre 1729
aus Schwaben berufene Hüttenverständige führten verschiedene Ver-
besserungen am Harz ein. „Die Hochöfen erbauten sie auf einem
festen und sicheren Grund, richteten auf diesem doppelte Abzüchte
vor, führten hierauf ein überaus groſses und starkes Rauhgemäuer
beinahe ins Gevierte und lotrecht in die Höhe, welches sie vielfältig
mit mächtigen Ankern und Bolzen so versahen, daſs man hätte glauben
[729]Hochöfen Ende des 18. Jahrhunderts.
können, ein solches Werk würde selbst der Zeit trotzen können; aber
sie gaben dem Rauhgemäuer zu wenig Röhren, sie sprangen und von
diesen Öfen ist seit 60 Jahren der einzige Rübeländer hohe Ofen
ein Muster der schwäbischen Bauart geblieben.“ Die Maſse dieser
Öfen waren:


  • Höhe vom Boden bis zur Gicht   25 Fuſs — Zoll (7,125 m)
  • Höhe des Gestelles   5 „ 4 „ (1,521 m)
  • Weite des Gestelles oben   1 „ 9 „ (0,501 m)
  • „ „ „ unten   1 „ 5 „ (0,405 m)
  • Länge des Gestelles   5 „ — „ (1,425 m)

Die Rast hatte auch hier nur 8 Zoll (0,192 m) Fall oder Höhe.


Die schwäbische Zustellung war dadurch charakteristisch, daſs
man das Gestell aus vielen, aber kleineren Steinen wie sonst zusammen-
fügte: so bestand der Hinterknobben, der sonst aus einem Stein her-
gestellt wurde, aus fünf Steinen. Ferner war der Wallstein niedriger,
um bei dem Betriebe die Schlacke fortwährend ablaufen zu lassen.


Von den Schwabengestellen unterschied man die Harzgestelle1),
welche etwas andere Gröſsenverhältnisse aufwiesen. Sie hatten zwei
Bodensteine, einen stärkeren Tümpel, der aus zwei Steinen gebildet
war; die Form hatte eine halbrunde Öffnung, der Wallstein war etwas
höher.


Gärtner giebt folgende Maſse für ein Schwabengestell und ein
Harzgestell, welche gleiche Schachte haben:


  • Schwabengestell Harzgestell
  • Höhe des Gestelles   5 Fuſs — Zoll (1,425 m) 4 Fuſs 3 Zoll (1,212 m)
  • Weite des Gestelles oben 1 „ 10 „ (0,525 m) 1 „ 10 „ (0,525 m)
  • „ „ „ unten 1 „ 4 „ (0,381 m) 1 „ 3 „ (0,357 m)
  • Länge des Gestelles   4 „ 10 „ (1,380 m) 4 „ 10 „ (1,380 m)
  • Rasthöhe   — „ 9 „ (0,216 m) — „ 8 „ (0,192 m)

Die Abweichungen sind demnach keine groſse. Sie sind geringer
als die der Zustellungen, welche Tiemann für verschiedene Erzarten
angegeben hat 2).


[730]Hochöfen Ende des 18. Jahrhunderts.

A für kieselhaltige Beschickung, B für thonhaltige Beschickung,
C für kalkhaltige Beschickung, D für magnetischen Eisenstein (in
Schweden?), E für strengflüssige Beschickungen überhaupt, F für
leichtflüssige Beschickungen überhaupt. Alle Schächte waren rund,
auſser für B, indem man bei thonhaltiger Beschickung noch an der
viereckigen Zustellung festhielt. Die Ofenhöhe war bei allen 26 bis
30 Fuſs.


Man hielt trotz aller Theorie noch fest an dem Hergebrachten
und wich nur wenig von den überlieferten Normen ab.


Der Tümpel lag in der Regel 16 Zoll (0,381 m) über dem
Bodenstein. Die Form war von Kupfer. Auf dem Wallstein ruhte
das Ende eines etwa 5½ Fuſs (1,567 m) langen gegossenen Eisens,
welches auf der Hüttensohle befestigt wurde, so daſs es geneigt lag.
Es diente für den Schlackenabfluſs und hieſs die Jungfrau. Neben
der Jungfrau lag in gleicher Neigung das Schlackenblech, worüber
die Schlacke aus dem Gestelle abfloſs oder von den Arbeitern her-
untergezogen wurde. Die Jungfrau war nur bei den Schwabenöfen
gebräuchlich, bei den übrigen Hochöfen hatte man nur das Schlacken-
blech. Die Neigung der Form wurde nach Graden durch die Form-
wage bestimmt. Besonders charakteristisch für die Ofenzustellung am
Harz war die sehr flache Rast. Mit welch eigentümlichen Gründen
man die hergebrachte flache Rast verteidigte, lesen wir bei Tiemann
(§. 230). Nach ihm soll die Rast bloſs zur Unterstützung der Be-
schickungssäule dienen, die Gichten sollten sich darauf ausbreiten
und die muſsig gewordene Masse von hier aus nun dem strengsten
Feuergrade langsam näher treten. — „Es kommt sehr auf die Lage
der Rast an, die man ihr giebt, ob man sie viel oder wenig steigen
läſst, d. h. ob man sie hoch, niedrig oder horizontal macht. Zuviel
Steigen der Rast ist ihr mehr schädlich als nützlich, indem dadurch
erstlich die Gattierungsmasse zu schnell und mithin zu roh in das
[731]Hochöfen Ende des 18. Jahrhunderts.
Gestell kommen würde, und zweitens, indem dadurch das vorhandene
Verhältnis der Form und Gestellshöhe, worauf viel ankommt, auf-
gehoben wird. Eine niedrige Rast wird viel andauernder als eine
hohe sein, indem die auf ihr liegenden Kohlen bald mit einer Schlacken-
haut überzogen werden und diese alsdann gegen das zu frühe Weg-
schmelzen derselben schützt. Bei einer horizontalen Rast würde
vorzüglich der Vorteil sein, daſs die Gestellhöhe immer dieselbe blei-
ben und also das vorhin erwähnte Verhältnis nie aufgehoben würde.“
Tiemann hält also danach eine ganz horizontale Rast für am besten.
Tiemann war selbst ein Harzer und ganz in den Harzer Vorurteilen
befangen. Es ist von selbst einleuchtend, wie fehlerhaft und schäd-
lich ein so plötzlicher Übergang aus dem engen Gestell in den weiten
Schacht und die dadurch bedingte rasche Abkühlung der Feuergase sein
muſs. Nur wenige aber wagten es, sich von dem überlieferten Vorurteil
frei zu machen. Ein solcher war gegen Ende des Jahrhunderts der
sächsische Kabinetsminister Graf Detlev von Einsiedel, der auf
seinem berühmten Hüttenwerke Lauchhammer bei Mückenberg die
wichtigsten Neuerungen und Verbesserungen vornahm. Im Jahre 1791
lieſs er einen neuen Hochofen nach ganz neuen Maſsverhältnissen
erbauen, dessen Inneres er statt aus Steinen aus Masse aufführte. Massen-
gestelle hatte man bis dahin in Deutschland noch nicht angewendet.
Der Hüttenverwalter Lohrisch hatte es 1790 zuerst unternommen,
ein Gestell aus Masse auszuführen, wobei er sich eines ganz eigentüm-
lichen Verfahrens bediente. Er stampfte nämlich die Masse nicht
zwischen Holzschablonen ein, sondern in eiserne Kasten, die er dann
wie Steine benutzte und daraus das Gestell aufbaute. Die Blechkasten
lieſs er darin. Der gute Erfolg, den man mit diesem Gestelle erzielte,
veranlaſste den Grafen, auch Rast und Schacht des neuen Ofens aus
Masse herstellen zu lassen; nur der oberste Teil des Schachtes wurde
aus Steinen gemauert. Gestell und Rast machte man rund. Der Ofen
selbst, der in Fig. 196 (a. f. S.) in der Ansicht und Fig. 197 (a. f. S.)
im senkrechten Durchschnitt dargestellt ist, erhielt folgende Dimen-
sionen: Ganze Höhe des Ofens 32 Fuſs (9,06 m), Schachthöhe 22 Fuſs
10 Zoll (6,21 m), Durchmesser der Gicht 4 Fuſs (1,132 m), der Rast
8 Fuſs 4 Zoll (2,357 m), Rastneigung 50 Grad, senkrechte Höhe der
Rast 4 Fuſs 4 Zoll (1,225 m), Höhe des Gestelles 4 Fuſs (1,132 m), Durch-
messer des Gestelles 1 Fuſs 4 Zoll (0,377 m) vor der Form. Das Rauh-
gemäuer bestand aus einem starken Sockel, auf den der Rauhschacht,
mit eisernen Reifen und Stäben gebunden, kegelförmig aufgesetzt war.
Der Gichtmantel war als Esse in die Höhe geführt. Diese Konstruktion
[732]Hochöfen Ende des 18. Jahrhunderts.
stellt einen groſsen Fortschritt dar und entspricht bereits ganz der
Ofenzustellung des 19. Jahrhunderts.


In Sibirien, wo bei den vortrefflichsten Erzen noch ein unbe-
grenzter Holzreichtum zur Verfügung stand, hatte man die Holzkohlen-
öfen von Anfang an geräumig gebaut und sie im Laufe des Jahr-
hunderts immer mehr vergröſsert. So entstanden in Ruſsland die
gröſsten Holzkohlenöfen des Kontinents, auf deren nähere Beschreibung

Figure 201. Fig. 196.


Figure 202. Fig. 197.


wir später noch zurückkommen
werden.


Auch die sibirischen Öfen
hatten eine ziemlich flache Rast,
doch wurde die Steilheit der Rastwände dadurch gröſser, daſs die
Gestelle vom Boden bis zur Rast sich erweiterten. Steile Rasten
wurden bei den Hochöfen mit offener Brust zuerst in England bei den
Kokshochöfen gebräuchlich.


Dagegen hatte man bei den Floſsöfen in Steiermark und Kärnten
meist gar keine getrennte Rasten, oder, wie bei den Öfen zu Turrach
und zu Treybach, sehr steile.


[733]Hochöfen Ende des 18. Jahrhunderts.

Wie verschieden die Produktion der Hochöfen war, zeigt folgende
Zusammenstellung des wöchentlichen Ausbringens 1):


  • Johann-Georgenstadt, Sachsen   103 Ctr.
  • Heinrichsgrün, Böhmen   125 bis 130 „
  • Königshütte, Harz   185 „
  • Königsbronn, Württemberg   305 „
  • Söderfors in Roslagen   348 bis 360 „
  • Torgelow, Pommern   405 „
  • Siegen   462 bis 484 „
  • Ruſsland, Sibirien   666 „

Die späteren groſsen Öfen in Ruſsland von 35 bis 42 Fuſs Höhe
schmolzen sogar 1200, 1300 bis 1700 Ctr. die Woche.


Wie vorteilhaft sich der Betrieb der groſsen sibirischen Öfen
hinsichtlich des Kohlenverbrauchs stellte, geht aus folgender Zusammen-
stellung Hermanns hervor:


  • Nischnetagilsk   1 1/15 Kohle auf 1 Eisen
  • Polowskoi   1 5/96 „ „ „
  • Kaslinsk   1 12/25 „ „ „
  • Newiansk   1⅔ „ „ „
  • Siegen   1⅗ „ „ „
  • Steiermark (Eisenerz u. Vordernberg) 2 4/7 bis 2¾ „ „ „
  • Turrach   4 1/12 „ „ „
  • Tschuber   4⅙ „ „ „
  • Kammenegoriza (Krain)   4 1/13 „ „ „
  • Alivard   2 44/100 „ „ „
  • Articol   2 88/100 „ „ „

In Frankreich bediente man sich noch um 1775 ziemlich
allgemein der niedrigen Öfen von 17 bis 18 Fuſs Höhe, welche sogar
theoretisch von Bouchu als die besten für die Erze von Burgund
und der Champagne verteidigt worden waren. Grignon suchte eine
Reform herbeizuführen, indem er Öfen von 24 Fuſs (7,80 m) Höhe
mit elliptischem Querschnitt, bei welchem Gicht und Rast ineinander
übergingen, vorschlug 2). Er eiferte besonders gegen das in Frank-
reich allgemein übliche Einziehen der Formseite bis in die Mittel-
linie des Ofens, indem er mit Recht darauf hinwies, daſs nicht die
Form, sondern der Focus der Verbrennung in der Mitte des Gestelles
liegen müsse, was viel richtiger erreicht würde, wenn die Mittellinie
[734]Hochöfen Ende des 18. Jahrhunderts.
des Gestelles mit der Mittellinie des Schachtes zusammenfiele. Auch
das starke Wegschmelzen der Windseite, welches man bei den aus-
geblasenen Hochöfen beobachten könnte, bewiesen dies.


Mehr als Grignons theoretische Erörterungen wirkte aber das
Beispiel der Engländer. Man fing an, deren Fortschritte zu beachten.
Es entstand sogar ein groſses, ganz nach englischem Muster ein-
gerichtetes Werk bei Creuzot, welches Ende der 70 er Jahre unter
der Leitung eines Engländers Wilkinson erbaut wurde.


In England hatte man die Holzkohlenöfen, nach Einführung
der stärkeren Gebläse, vergröſsert, in der Hoffnung, dadurch mit den
Koksöfen konkurrieren zu können. Im allgemeinen überschritt man
aber bei den Holzkohlenhochöfen eine Höhe von 30 Fuſs (9 m) nicht.


Das gröſste Interesse bietet aber die Entwickelung der englischen
Kokshochöfen dar, deren Zahl in der zweiten Hälfte des 18. Jahr-
hunderts rasch zunahm. Coalbrookdale war die klassische Heimat
des Kokshochofenbetriebes. Von da aus verbreitete sich derselbe von
der Mitte des Jahrhunderts an mit zunehmender Geschwindigkeit. Um
das Jahr 1740 war Englands Roheisenproduktion auf den tiefsten
Punkt gesunken. Von ungefähr 300 Hochöfen waren nur 59 in Betrieb,
die 17350 Tons produzierten. 1750 betrug die Produktion auch nicht
mehr als 22000 Tons und scheint Coalbrookdale immer noch die
einzige Kokshochofenhütte gewesen zu sein 1). 1760 wurde die Eisen-
hütte zu Carron mit Koksbetrieb errichtet; die Produktion Englands
betrug damals 27000 Tons, 1770 32000 Tons und 1780 40000 Tons,
dagegen betrug die Einfuhr von Schweden und Ruſsland 1781
50000 Tons. Von da an stieg die Eisenproduktion Englands gewaltig,
besonders seit Einführung des Flammofenfrischens im Jahre 1785.
1788 betrug die englische Produktion schon 68300 Tons. In diesem
Jahre gab es in England nur noch 24, in Schottland nur noch
2 Holzkohlenöfen, dagegen in England 53 und in Schottland 6 Koks-
hochöfen. Die Holzkohlenöfen produzierten 14500 Tons, die Koksöfen
53800 Tons. 1790 betrug die Produktion von Groſsbritannien bereits
80000 Tons und 1796 125079 Tons. Um diese Zeit waren die
Holzkohlenhochöfen schon fast ausgestorben. Am Schluſs des Jahr-
hunderts, im Jahre 1800, bezifferte sich die Produktion auf 156000 Tons,
sie war also in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts um mehr
als das Siebenfache gestiegen.


[735]Hochöfen Ende des 18. Jahrhunderts.

Man baute die Kokshochöfen ursprünglich nicht höher wie auch
die Holzkohlenöfen. Die Öfen zu Carron waren nach Jars’ Bericht
1765 nur 30 Fuſs hoch und 8 Fuſs weit. Man hatte aber bald
herausgefunden, daſs die Kokshochöfen um so besser gingen, je
stärkere Gebläse man anwendete. Die Holzbälge, welche noch all-
gemein im Gebrauch waren, nahmen riesige Dimensionen an und
gaben doch nur ungenügenden Wind. 1768 baute Smeaton im
Auftrage von Dr. Roebuck ein neues, sehr gutes Gebläse, welches
durch ein Wasserrad getrieben wurde. Vielleicht war dieses das
erste Cylindergebläse. Um diese Zeit wendete man auch bereits
Feuermaschinen auf den Eisenhütten an, aber sie bewegten die Bälge
nicht direkt, sondern sie pumpten nur Wasser auf ein Wasserrad,
welches durch die Kammen an seiner Welle die Bälge nieder-
drückte. Obgleich gewöhnlich das Jahr 1775 als das Jahr der Er-
findung des englischen Cylindergebläses angegeben wird, so sprechen
viele Gründe für eine frühere Verwendung desſelben, und daſs es
zuerst in Carron mit Erfolg benutzt wurde, beweist auch der Umstand,
daſs man den Hochofenbetrieb mit Cylindergebläsen als Carronsche
Schmelzmethode bezeichnete. Seine Erfindung fiele danach in die-
selbe Zeit wie die der Dampfmaschine von Watt. Die englischen
Hüttenwerke nahmen nach deren Einführung bald gewaltige Dimen-
sionen an.


1784 waren (nach Smiles) um Coalbrookdale 8 Hochöfen,
16 Feuermaschinen, d. h. Dampfmaschinen, 9 Hämmer, ohne die Flamm-
öfen, Walzwerke und die Gieſserei. Nach einer anderen Angabe (in
Köhlers Bergmännischem Journal) hatte Herr Reynolds zu Coal-
brookdale 5 Hochöfen, davon machte einer zu Ketley 120 Tons
wöchentlich; ferner 24 Feuermaschinen, die die Bälge und Hämmer in
Bewegung setzten und wöchentlich 720 Tons Steinkohlen brauchten.
Zum Schmieden von 5400 Centner wöchentlich wurden 1200 Tons
gebraucht und für die Gieſserei 460 Tons.


Die Hütte zu Carron umfaſste um 1792 1) 5 Hochöfen, 16 Flamm-
öfen, eine Thonmühle, welche nur für den eigenen Gebrauch arbeitete,
eine Pumpmaschine, die bei jedem Hub 4½ Tons Wasser hob und
durchschnittlich 7 Hübe in der Minute machte. Diese Maschine ging
in Zeiten der Trockenheit und verbrauchte 16 Tons Steinkohlen in
24 Stunden. Auſserdem wurden auf dem Werke und von den Arbeitern
täglich 120 Tons Kohlen verbrannt. Auſser den Flammöfen hatte
[736]Hochöfen Ende des 18. Jahrhunderts.
man drei Kupolöfen mit künstlicher Windzuführung. Die Maschinen-
werkstätten waren sehr ausgedehnt.


In dem Zeitraum 1770 bis 1792 entstanden zwei weitere groſse
Hochofenwerke in Schottland1). Von diesen war die Devon-Hütte
(the Devon ironworks) besonders bemerkenswert durch ihre eigentüm-
liche Anlage. Der Hochofen war dort in den Felsen eingebaut. Das
natürliche Gestein bildete das Rauhgemäuer und das Gestell war
durch in den Felsen gehauene Gewölbe zugänglich. Es standen zwei
Hochöfen nebeneinander, welche 40 Fuſs (12 m) hoch waren und
14 Fuſs (4,20 m) Durchmesser hatten. Auch das Dach der Gieſshalle,
welche 70 Fuſs (21 m) lang und 50 Fuſs (16 m) breit war, hatte seine
Auflagerung auf den Wänden des Steinbruchs. Ebenso war das
Maschinenhaus gebaut, und die Maschine, welche die beiden Öfen mit
Wind versehen sollte, drückte mittels eines groſsen Cylinders mit jedem
Hub die Luft in ein langes, in den Felsen eingehauenes Gewölbe, das als
Regulator diente. Diese groſse Windkammer faſste über 10000 Kubik-
fuſs Wind, war sorgfältig luftdicht verschlossen und hatte nur zwei
Öffnungen, eine für den Eintritt, die andere für den Austritt des
Windes 2). Das Werk war in Betrieb bis in die Mitte der 50 er Jahre
in diesem Jahrhundert und machte sehr gutes Eisen.


Das Eisenwerk von Crammond war ursprünglich eine Cement-
stahlfabrik, welche ihr Eisen hauptsächlich von Ruſsland und Schweden
bezog, und zwar über 1000 Tonnen jährlich. Der groſse Preis-
aufschlag des russischen Eisens in den 80 er Jahren veranlaſste die
Besitzer, Hochöfen am Clyde, nahe bei Glasgow, zu erbauen, in
der Hoffnung, ein passendes Eisen für ihre Fabrikation selbst her-
stellen zu können. In der Zeit von 1788 bis 1796 wurden weitere
Hochöfen in Schottland erbaut zu Glenbuck, Muirkirk, Wilsontown
oder Cleugh, Calder, Clyde und Omoa in Lanarkshire, so daſs 1796
bereits 17 Kokshochöfen in Schottland in Betrieb standen, welche
18000 Tonnen Eisen im Jahre machten. Die berühmte Clyde-Hütte
(Clyde Ironworks) wurde 1786 begonnen; 1792 waren zwei Hochöfen
daselbst im Betrieb, 1798/99 erbaute man den dritten; alles Eisen
wurde damals zu Kanonen und Munition vergossen.


Welchen Aufschwung die Eisenwerke in Südwales seit Ein-
führung des Puddelprozesses nach 1785 nahmen, haben wir schon
[737]Hochöfen Ende des 18. Jahrhunderts.
erwähnt. Ein gewisser Bacon hatte dort 1765 zuerst bei Merthyr
Tydwil eine Eisenhütte erbaut und gute Geschäfte gemacht. Als
er 1782 sich zurückzog, teilte er seinen Gruben- und Hüttenbesitz
in vier Distrikte, die er einzeln verpachtete, Dowlais, Pennydarran,
Cyfartha und Plymouth Works, nördlich, östlich, westlich und südlich
von Merthyr Tydwil. Die Werke nahmen alsbald einen groſsartigen
Aufschwung, namentlich Cyfartha, welches in die Hände des rührigen,
geschäftsgewandten Richard Crawshay kam. Man schmolz in Süd-
wales mit roher Steinkohle, welche den Charakter einer Anthracit-
kohle hatte, sich nicht verkohlen lieſs, im Hochofen aber nicht backte.
Da man aber noch kein anderes Mittel kannte, das Roheisen in Schmiede-
eisen umzuwandeln, als mit der teuren Holzkohle, so waren Produktion
und Bedarf klein und betrug die Wochenerzeugung von Schmiedeeisen
von recht geringer Güte bis in das Jahr 1787 nur 10 Tonnen. Nach
Einführung von Corts Puddelprozeſs erhöhte sich die Produktion
der Eisenwerke von Südwales rasch und sie erfuhr eine noch gröſsere
Steigerung durch den Bau des Kanals, welchen Crawshay mit
Homfray von Pennydarran nach dem nächsten Seehafen führten und
der 1795 eröffnet wurde. 1706 waren nach der officiellen Statistik
24 Kokshochöfen in Südwales im Betrieb, und das Eisenwerk zu
Cyfartha hatte bei weitem die gröſste Produktion in ganz Groſs-
britannien.


Die Anwendung der Dampfmaschine als Motor für Hochofen-
gebläse
ist das Verdienst von John Wilkinson, der dies zuerst
auf der Hütte von Bersham ausführte.


Die Eisenindustrie von Staffordshire war vor der Einführung
des Koksbetriebes höchst unbedeutend gewesen. Jars beschreibt
die Steinkohlengruben von Staffordshire, erwähnt aber keine Silbe
von einer Eisenhütte. Nach einer Schilderung aus dem Jahre 1780
war die ganze Gegend um Wednesbury herum damals noch eine mit
Wald und Haide bedeckte Öde. Nach der Statistik von 1796
waren in diesem Jahre bereits 14 Kokshochöfen in Staffordshire
im Betrieb.


Auch in England hielt man lange Zeit an der alten Überlieferung
fest, daſs jeder Hochofen mit nur einer Form blies. Es scheint aber,
daſs man Ende der 80 er Jahre anfing, Öfen mit mehreren Formen
zu erbauen. Es fehlen hierüber, wie über so manches andere aus
jener wichtigen Zeit, nähere Angaben; es läſst sich dies aber aus
einem Aufsatz in Tölle und Gärtners Eisenmagazin von 1791 schlieſsen.
Sicher ist, daſs man Ausgangs des Jahrhunderts mehrformige Öfen in
Beck, Geschichte des Eisens. 47
[738]Hochöfen Ende des 18. Jahrhunderts.
England hatte. Svedenstjerna sah 1802 auf dem Eisenwerk Leven
in Schottland einen Hochofen mit drei Formen; zwei davon lagen auf
einer Seite und die dritte auf der gegenüber stehenden Seite so, daſs
ihr Windstrom gerade in die Mitte der beiden ersten Windströme
traf. Der Ofen hatte 38 Fuſs Höhe und lieferte wöchentlich über
30 Tonnen Roheisen.


Die englischen Hochöfen schwankten sehr in ihrer Höhe, nach
John Wilkinsons Angabe zwischen 30 und 70 Fuſs (9 bis 21 m).
Svedenstjerna sah 1802/3 in Südwales bei Neath einen Hochofen
von 62 Fuſs (18,60 m) Höhe, der aber trotzdem nur 15 bis 16 Tonnen
Roheisen in einer Woche produzierte.


Bonnard1) macht folgende nähere Angaben über die Hochöfen
bei Merthyr Tydwil in Glamorganshire und Coalbrookdale in
Shropshire und in Staffordshire. Die Hochöfen waren am Schluſs des
18. Jahrhunderts von 40 bis 60 Fuſs (12 bis 18 m) Höhe, in Glamor-
gan sogar 65 Fuſs (19,50 m). Der gröſste Durchmesser des Schachtes
war gewöhnlich 12 Fuſs (3,60 m) bei den Öfen von 45 Fuſs (13,50 m)
und 14 Fuſs (4,20 m) bei jenen von 60 Fuſs (18 m) Höhe und befand
sich meistens ungefähr im Dritteil der ganzen Höhe bei dem Zusammen-
stoſsen des Schachtes mit der Rast. Das Gestell war bald ein gleichseitiges,
bald ein längliches Viereck und hatte bis zum Anfang der Rast 6 bis
7 Fuſs (1,80 bis 2,10 m) Höhe. Gestell und Rast machte man zuweilen
aus gutem Sandstein, in der Regel wurde aber der ganze innere Ofen
aus gebrannten Ziegeln erbaut, wobei er acht bis elf Jahre aushalten
konnte. Hinter dem Kernschacht befand sich oft eine zweite Ziegel-
wand (Rauhschacht), dazwischen ein freier Raum von etwa 3 Zoll
(0,075 m) Breite, der mit einem Gemenge von Kohlenstaub und Thon
ausgeschlagen wurde. In Bergländern wie Glamorgan und Shropshire
waren oft mehrere Hochöfen aneinander gereiht und an Felswände
gelehnt, deren Höhe ungefähr mit der Gicht gleich war. Die Öfen
hatten die Gestalt abgestumpfter Pyramiden, wobei die Seiten der
Grundfläche mehr als ein Drittel der Höhe betrugen. In Staffordshire
standen die Öfen isoliert in der Ebene, waren nicht so dick und
hatten einen Überbau oder Schornstein von 6 bis 10 Fuſs (1,80 bis
3 m) über der Gicht.


Die Gebläse bestanden aus gegossenen eisernen Cylindern von
6 bis 9 Fuſs (1,80 bis 2,70 m) Durchmesser und Höhe mit Regulatoren.
[739]Höchöfen Ende des 18. Jahrhunderts.
Windmesser mit Quecksilber gefüllt zeigten den Druck an. Die Gebläse
wurden von Dampfmaschinen oder groſsen Wasserrädern bewegt. Ein
Cylindergebläse von 42 Zoll (1,05 m) Durchmesser und 13 bis 14 Hub
in der Minute, das zwei Hochöfen und drei Frischfeuer versah, kostete
2500 £, nämlich 1500 £ für die Dampfmaschine und 1000 £ für das
Gebläse.


Beim Anheizen bekleidete man die Wände zum Schutz mit auf-
rechtstehenden Ziegeln. Das Anheizen dauerte ½ bis 1 Monat.


Die Zahl der Sätze, die Beschickung, das tägliche Ausbringen waren
nach der Güte des Koks, der Art der Eisensteine und den sonstigen
Eigentümlichkeiten auf den verschiedenen Hütten ungleich. In Glamor-
gan setzte man bei den 50 bis 65 Fuſs hohen Öfen und bei etwas
aufsteigender Form 80- bis 90mal in 24 Stunden jedesmal ungefähr
4 Ctr. Koks, ebensoviel Eisenstein und 1 Ctr. Fluſs; man stach zwei-
mal ab und erhielt jedesmal 3 bis 3½ Tonnen Roheisen, somit auf
einen Ofen wöchentlich 42 bis 49 Tonnen oder 2000 bis 2500 Tonnen
im Jahre. In Shropshire und Staffordshire, wo die Steinkohlen von
geringerer Güte und die Öfen niedriger waren, setzte man weniger
Gichten und bei jeder mehr Koks als Eisenstein, z. B. 3½ Ctr.
Koks, 3 Ctr. Eisenstein und 1 Ctr. Fluſs. Man brachte täglich 5
bis 6½, wöchentlich 35 bis 45, jährlich 1800 bis 2200 Tonnen aus.
Das Roheisen war in Glamorgan bei hoher Produktion weiſs, sonst
war es grau. In Coalbrookdale erzeugte man fast nur graues Gieſserei-
eisen.


Die gröſsten Erfolge erzielten die Engländer durch ihre guten
Cylindergebläse. Mushet berichtet 1798: alle englischen Hochöfen, mit
Ausnahme einiger weniger Holzkohlenhochöfen, sind mit Cylinder-
gebläsen versehen.


Die groſsartigen Fortschritte des Hochofenwesens in England übte
ihre Rückwirkung auf den Kontinent. Man stellte Vergleichungen an
und fand, daſs man gegen England sehr zurückgeblieben war. Dies
kam besonders in Deutschland zum Ausdruck.


In Crells Annalen wurde 1790 ein vorzüglicher Aufsatz ver-
öffentlicht: „Über einige Hauptmängel verschiedener Eisenhütten in
Deutschland“, worin der anonyme Verfasser (Graf August Ferdinand
v. Veltheim
, früher Oberberghauptmann zu Klausthal), der mit den
englischen Verhältnissen wohl vertraut war, einen Vergleich zwischen
englischem und deutschem Hüttenwesen zieht, welcher sehr zum Nach-
teil Deutschlands ausfällt. Deshalb macht der Verfasser eine Reihe
von Verbesserungsvorschlägen für unsere Industrie, welche am besten
47*
[740]Hochöfen Ende des 18. Jahrhunderts.
über den Stand derselben aufklären. Wir lassen die wichtigsten
derselben hier folgen.


  • „1. Die deutschen Hochöfen sind noch viel zu niedrig und sollten
    34 bis 36 Fuſs (10 bis 11 m) hoch sein. Diese Höhe haben jetzt die
    mit Holzkohlen in England und Schottland betriebenen Hochöfen,
    deren gewiſs über 20 sind.
  • 2. Die Rast ist oberhalb viel zu flach und müſste weit abschüssiger
    gebildet sein, damit der Satz oder die Gichten in den abschüssigen
    Trichter beständig und gleichförmiger fortrücken, auch nirgends einen
    Aufenthalt finden können.
  • 3. Das Gestell müſste aus gleicher Ursache oberhalb verhältnis-
    mäſsig noch um etwas weniges weiter und mehr trichterförmig sein.
    Dieses wird jetzt auch in Schweden mit viel Vorteil befolgt.
  • 4. Der Schacht kann bleiben, dagegen muſs das Gestell im Ver-
    hältnis weiter gemacht werden, als dies in Deutschland üblich ist.
    Nicht nur in Schweden, sondern besonders in England befolgt man
    dieses auf allen gut eingerichteten Hütten.
  • 5. Das Gebläse ist viel zu schwach und müſste sowohl bei der
    vorhin bemerkten Erweiterung des Gestelles, als auch auſserdem schon
    um ein Beträchtliches verstärkt werden. Wo hinreichende und
    beträchtliche Wasserfälle sind, verschaffen die englischen Cylinder-
    gebläse hierin einen ganz auſserordentlichen Vorteil.
  • 6. Aus diesen und noch mehreren Gründen wäre ein Hochofen
    am besten mit zwei oder mit vier Formen, wobei dann das Gestell
    eine ovale Gestalt erhielte, zu versehen. Hierfür müſste man einen
    Windregulator und Windleitungen anlegen.“

Die übrigen Vorschläge des Verfassers sind teils ökonomischer
Natur, teils sind sie selbstverständlich, nur ist noch das eine zu
bemerken, daſs er das hergebrachte Aufgeben nach Maſs in Körben,
Kistchen, Trögen u. s. w. auf das Entschiedenste verwirft und verlangt,
daſs die Beschickung und das Brennmaterial gewogen wird. Er ver-
wirft ferner das häufige Abstechen, alle sechs bis acht Stunden, und
will in 24 Stunden nur zweimal abgestochen haben.


Die Folge aller der vielen Mängel sei, daſs man in [Deutschland]
gewöhnlich nur 160 bis 200 Centner in der Woche produziere,
während doch 400 bis 500 Centner fallen müſsten. Letzteres erfolge
jetzt regelmäſsig in England, und zwar nicht etwa bei Kokshochöfen,
die wöchentlich 700 Centner erzeugten, sondern bei Holzkohlen-
hochöfen.


Diese Vorschläge bildeten das Programm, nach welchem sich die
[741]Hochöfen Ende des 18. Jahrhunderts.
Fortschritte bei den Hochöfen in Deutschland in den folgenden Jahr-
zehnten, freilich nur langsam, vollzogen.


Mit viel gröſserer Energie hatte man die Reform des Hütten-
wesens in Ruſsland angefaſst. Dort standen den reichen Besitzern
der groſsartig angelegten sibirischen Werke fast unbeschränkte Mittel
zur Verfügung und da sie weder durch staatliche Bevormundung
noch durch die Fesseln der Überlieferung und Gewohnheit eingeengt
waren, bauten sie ihre Hochöfen zum Teil mit Hülfe englischer
Ingenieure nach den neuesten Grundsätzen und Erfahrungen um.
Dieses geschah in so groſsartiger und zugleich so zweckmäſsiger Weise,
daſs die sibirischen Hochöfen die gröſsten und besten Holzkohlenöfen

Figure 203. Fig. 198.


wurden, die bis dahin gebaut worden waren, und alle, auch die eng-
lischen, an Produktion weit übertrafen. Sie wurden mit starken
Cylindergebläsen mit Wasserbetrieb ausgestattet und die sibirischen
Hüttenanlagen, mit denen namentlich der russische Hofrat Hermann
die deutschen Hüttenleute durch Schriften und Zeichnungen bekannt
machte, wurden mustergiltig. Die sibirischen Hochöfen hatten 35 bis
45 Fuſs (10,50 bis 12,96 m) Höhe, 12 bis 13 Fuſs (3,6 bis 3,9 m) Durchmesser
im Kohlensack, waren mit sechs Cylindergebläsen versehen und produ-
zierten 2000 bis 3000 Centner die Woche, welche Leistung selbst von den
gröſsten englischen Koksöfen damals nicht erreicht wurde. Dieser Erfolg
war hauptsächlich durch die zweckmäſsige Verwendung der englischen
[742]Hochöfen Ende des 18. Jahrhunderts.
Cylindergebläse erreicht, deren Überlegenheit seitdem auch unbedingt
anerkannt wurde. Einen der gröſsten Hochöfen hatte die Eisenhütte in
Newjansk (Fig. 198), derselbe war 18 Arschin, 10 Werschock oder
43 engl. Fuſs (= 13,20 m) hoch. Die Weite im Kohlensack betrug
5 Arschin (3,55 m). Umstehende Skizze zeigt das Profil des Hochofens
und die Anordnung des Gebläses, welches aus vier Cylindern von Guſs-
eisen, 1,42 m hoch und ebenso weit, bestand. Das Wasserrad war 3,20 m
hoch und 2,13 m breit. Eigentümlich war die gabelförmige Düse von
Guſseisen, deren Windströme parallel einströmten und welche angeb-
lich die Ofenwände weniger angreifen sollte als eine weitere Düse.
Die Zustellung war die althergebrachte, die Formseite befand sich
zur Rechten der Abstichseite.


Von geschichtlicher Bedeutung ist ferner die Einführung des
Kokshochofenbetriebes in Preuſsen. Dieselbe erfolgte durch die
Staatsregierung auf den königlichen Hütten in Oberschlesien. Es
geschah auf die unmittelbare Veranlassung des hochverdienten Mini-
sters v. Reden, welcher dadurch der Schöpfer der groſsartigen Eisen-
industrie Oberschlesiens geworden ist. Die Steinkohlenlager jener
Provinz bildeten die Grundlage dieser neuen Gewerbsthätigkeit und
Oberschlesien bietet das erste und glänzendste Beispiel von dem Er-
blühen einer groſsartigen, auf die Verwendung der Steinkohlen be-
gründeten Eisenindustrie auf dem Kontinent. In ähnlicher Weise
war die Eisenindustrie Schottlands mit Anlage der Hütte zu Carron
und zu Südwales mit den Eisenwerken bei Merthyr Tydwil entstanden.
In Schlesien war es Gleiwitz und die Königshütte, welche den
Anfang der modernen Eisenindustrie machten. Erst war es v. Reden,
damals Berghauptmann von Schlesien, gelungen, den König Friedrich
den Groſsen zu veranlassen, eine Dampfmaschine in England für die
wiedereröffneten Blei- und Silberwerke bei Tarnowitz zu beschaffen
und reiste v. Reden mit dem später als Staatsminister berühmten
v. Stein, der damals Oberbergrat in Westfalen war, im Herbst 1786
deshalb nach England, wo er auch Soho besuchte und Watts
Bekanntschaft machte. Im Jahre 1790 wurde das erste Cylinder-
gebläse mit drei eisernen Blasecylindern für Preuſsen von Graf
Reden in England gekauft und 1791 nebst einem groſsen Wind-
regulator auf der Eisenhütte zu Malapane aufgestellt. Anfang der
90 er Jahre wurde die Königsgrube eröffnet und hier ebenfalls eine
Dampfmaschine aufgestellt, und im September 1796 wurde endlich
der erste Kokshochofen in Deutschland auf der königlichen Hütte
zu Gleiwitz, deren Gründung Reden im Jahre 1790 veranlaſst hatte,
[743]Hochöfen Ende des 18. Jahrhunderts.
angeblasen. 1798 wurde die Königshütte gegründet; 1801 konnte
Gleiwitz bereits die ersten dort aus Koksroheisen gegossenen und
gebohrten Dampfcylinder abliefern. Die Einzelheiten über diese
wichtigen Ereignisse werden wir noch genauer in der preuſsischen
Eisenindustriegeschichte mitteilen.


Der Kokshochofen zu Gleiwitz ist nach Lampadius’ Zeichnung 1)
in Fig. 199 dargestellt. Er war 40 rhein. Fuſs (12,19 m) hoch (ge-

Figure 204. Fig. 199.


nauere Maſsangaben folgen auf S. 745). Das
Gebläse bestand im Jahre 1822 2) aus vier
guſseisernen Cylindern, welche durch ein Kropf-
rad bewegt wurden; nur bei Wassermangel
bediente man sich einer Dampfmaschine. Das
Gebläse lieferte 1991 Kubikfuſs Wind in der
Minute; da der Kubikinhalt des Ofens 2330 Kubik-
fuſs betrug, so war das Verhältnis der Wind-
menge pro Minute zum Ofeninhalt wie 0,8 : 1.
In 24 Stunden wurden aus 45 Gichten 50 Ctr.
Roheisen erzeugt. Die Windpressung betrug
in der ersten Zeit 1½ Pfund auf den Quadrat-
zoll, später bei vollem Gange 2¼ Pfund.


In Frankreich hatte der Engländer
Wilkinson in den 70er Jahren einen Hoch-
ofen für Koksbetrieb zu Creuzot erbaut. Der-
selbe war 39 Fuſs hoch und hatte eine 8 Fuſs
weite Gicht.


Welche Mannigfaltigkeit in Form
und Gröſse die Hochöfen
im Laufe des
18. Jahrhunderts hatten, zeigt folgende Zusammenstellung bekannter
Ofenformen nach ihrem Gröſsenverhältnis (nach Hassenfratz).


Fig. 200 bis 207 (a. f. S.) sind Holzkohlenöfen. Fig. 208 und 209
(S. 745) Koksöfen.


Fig. 200. Steierischer Floſsofen mit elliptischem Querschnitt.


Fig. 201. Steier. Floſsofen mit viereckigem Querschnitt (Neuberg).


Fig. 202. Steierischer Floſsofen mit zwei Blaseformen (Vordernberg).


Fig. 203. Hochofen von Schmalkalden.


Fig. 204. Französischer Hochofen von Grossouvre mit achteckigem
Querschnitt.


[744]Hochöfen Ende des 18. Jahrhunderts.
Figure 205. Fig. 200.

Figure 206. Fig. 201.

Figure 207. Fig. 202.

Figure 208. Fig. 203.

Figure 209. Fig. 204.

Figure 210. Fig. 205.

Figure 211. Fig. 206.

Figure 212. Fig. 207.

[745]Hochöfen Ende des 18. Jahrhunderts.

Fig. 205. Sächsischer Hochofen mit konischem Schacht (Johann-
Georgenstadt).


Fig. 206. Schwedischer Hochofen mit cylindrischem Schacht
(Laurwig).


Fig. 207. Groſser Ofen zu New-
iansk mit zwei Formen.


Fig. 208. Kokshochofen zu Creu-
zot mit einer Form.


Fig. 209. 60 Fuſs hoher Ofen zu
Glamorgan mit zwei Formen und
rundem Rauhmauerwerk.


Figure 213. Fig. 208.

Figure 214. Fig. 209.

Von Interesse ist nachstehende Zusammenstellung der Maſse der
zwei ältesten Kokshochöfen auf dem Kontinent, des zu Creuzot und
zu Gleiwitz:


  • Creuzot Gleiwitz
  • Höhe des Gestelles   1,62 m 1,83 m
  • Höhe der Rast   4,22 „ 2,74 „
  • Höhe des Schachtes  6,17 „ 7,62 „
  • Ganze Höhe   12,01 m 12,19 m

[746]Hochöfen Ende des 18. Jahrhunderts.
  • Creuzot Gleiwitz
  • Durchmesser des Kohlensacks   3,24 m 3,36 m
  • Durchmesser der Gicht   1,19 „ 1,22 „
  • Breite des Gestelles am Boden   0,70 „ 0,44 „
  • Länge des Gestelles von der Rückseite bis zum
    Tümpel   0,89 „ 0,71 „
  • Länge des Gestelles von der Rückseite bis zum
    Wallstein   1,62 „ 0,93 „
  • Abstand der Form von der Rückseite   0,38 „ 0,31 „
  • Höhe der Form über dem Boden   0,56 „ 0,53 „

Die Verbesserungen im Hochofenwesen, welche wir im Vorher-
gehenden geschildert haben, bezogen sich fast auschlieſslich auf den
Bau und die Konstruktion der Hochöfen und die Verbesserung der
Betriebswerkzeuge. Der Betrieb selbst wurde empirisch meist nach
überkommenen Regeln geführt. Die Chemie war noch nicht so weit
vorgeschritten, die metallurgischen Vorgänge richtig erklären zu
können und der Praxis eine brauchbare theoretische Grundlage zu
geben. Das Wesen der Schlackenbildung war noch ganz in Dunkel
gehüllt; man wuſste nur erfahrungsmäſsig, daſs für gewisse Erze
gewisse Zuschläge vorteilhaft seien. Einige Aufklärung, nicht für die
chemische Erkenntnis, sondern für die hüttenmännische Praxis
gewährte eine Untersuchung Duhamels im Jahre 1786 über die Ver-
schmelzung reicher Erze in Hochöfen 1). Es war eine öfter und schon
früher beobachtete Thatsache, daſs die reichsten besten Erze für sich
oder nur mit dem zur Verschlackung ihrer Gangart nötigen Zuschlag
verschmolzen, schlechten Ofengang und schlechtes Eisen gaben.
Duhamel untersuchte die Sache und kam zu dem Schluſs, daſs die
Ursache in einem Mangel an Schlacke liege. Gehen reiche Erze für
sich durch den Ofen, so tritt ihre Reduktion leicht ein, aber das
reduzierte Eisen, welches im Übermaſs vorhanden ist, umhüllt die
Gangart und hindert deren Vereinigung und Verschlackung. Die
entstehende zähe, muſsige Schlacke ist nicht im stande, das Eisen
einzuhüllen und vor der unmittelbaren Einwirkung des Windes vor
der Form zu schützen, infolgedessen verbrennt ein Teil des Eisens
und es entsteht schlechtes Eisen und schlechte Schlacke. Es ist also
für einen guten Verlauf des Schmelzprozesses eine gewisse Menge
von Schlacke notwendig
, welche dem Volum nach die Menge des
Eisens bedeutend übertreffen muſs. Bei einem gewöhnlichen Erz von
[747]Hochöfen Ende des 18. Jahrhunderts.
30 Pfd. Eisen im Centner und 30 Pfd. Kalkzuschlag und einer Pro-
duktion von 3600 Pfd. Eisen pro Tag würden nahezu 12000 Pfd. Schlacke
gebildet werden. Das Gewicht der Schlacke zu dem des Eisens ver-
hielte sich wie 10 zu 3. Dem Volum nach würde aber die Schlacken-
menge das sechs- bis siebenfache von dem Volum des Eisens betragen.
Duhamel hatte aus vielen Beobachtungen den Schluſs gezogen, daſs
mindestens die vier- bis fünffache Menge Schlacke dem Volum nach
erforderlich sei, um eine gute Schmelzung im Hochofen zu bewirken.
Man müsse also bei sehr reichen Erzen nicht nur die der Gangart
entsprechende Menge Fluſs zusetzen, sondern noch soviel Kalk und
Thonerde, als zu der erforderlichen Schlackenmenge noch fehle. Solche
Erze lieſsen sich allerdings nach Duhamels Meinung mit gröſserem
Vorteil in Katalonschmieden verschmelzen, indem hierbei der Kohlen-
verbrauch nur ½ bis ⅔ beträgt.


Der Gedanke, das Roheisen in Hochöfen mit Koksbetrieb durch
Einblasen von Dampf zu verbessern, welcher späterhin öfter wieder
aufgetaucht ist, erscheint in England zuerst in einem Patent von
John Barber vom 21. April 1773. Seine „Maschine“ zur Reinigung
der Steinkohlen im Schmelzofen besteht auſser einer Art von Wasser-
säulmaschine, welche ein Cylindergebläse bewegt, darin, daſs über
einem niedrigen Schachtofen ein Dampfkessel angebracht wird, welcher
mit Urin oder mit einer Lösung von flüchtigem Alkali (Ammoniak?),
oder einer sonstigen reinigenden Substanz gefüllt ist. Der Dampf
aus dem Kessel wird in den Ofen geleitet, unmittelbar über den
Wind. Hierdurch soll die Reinigung während der Schmelzung vor
sich gehen. Der Patentbeschreibung (Nr. 1041) ist eine etwas phanta-
stische Zeichnung beigegeben.


Das Roheisen beim Verfrischen durch Zusatz von Chemikalien
zu reinigen, wurde beim Tiegelfrischen ausgeführt. Ker, Chapman
und Ireland nahmen 1776 ein gemeinschaftliches Patent für die
chemische Reinigung des Eisens, wodurch es so hart wie Brennstahl
würde, ohne seine Zähigkeit zu verlieren. Sie bedienten sich dazu
eines Cementierofens und ihre Zusätze bestanden in Holzkohle, vege-
tabilischen Salzen und Ölen.


[748]Eisengieſserei Ende des 18. Jahrhunderts.
Eisengieſserei und schmiedbarer Guſs Ende des
18. Jahrhunderts.

Die Eisengieſserei hat in der zweiten Hälfte des 18. Jahr-
hunderts wichtige Fortschritte gemacht. Namentlich war dies in
England der Fall. Hier zuerst machte man diesen Industriezweig
durch Einführung der Flammöfen (air furnaces, öfter auch englische
Cupolöfen genannt) von den Hochöfen unabhängig. Vordem hatte
man alle Guſswaren unmittelbar aus dem Hochofen gegossen; durch
das Umschmelzen des Roheisens in Flammöfen war dies nicht mehr
nötig. Dieses Umschmelzverfahren oder die Herstellung von Guſs-
waren zweiter Schmelzung
war besonders geeignet für groſse
Stücke, indem man in mehreren geräumigen Flammöfen gröſsere
Mengen von Roheisen einschmelzen konnte, als der Herd eines Hoch-
ofens damals zu fassen vermochte. Allerdings taugte das Flammofen-
schmelzen nicht für alle Arten von Guſswaren, weil das Eisen durch
die Einwirkung des Sauerstoffs der Luft einen Teil seines Kohlenstoffs
verlor, also ein schwaches Frischen erfuhr, welches das Eisen weniger
dünnflüssig machte; dagegen war es gerade für Guſsstücke, von denen
man Härte und Festigkeit verlangte, besonders geeignet. Dies war
der Fall bei den Walzen und bei den Kanonen. Der Geschützguſs
hat mit am meisten zur Förderung der Technik der Eisengieſserei bei-
getragen; er gab auch die Veranlassung zur Einführung des Flamm-
ofenschmelzens.


Die Kanonen- oder Stückgieſserei war einer der wichtigsten
Zweige der Eisengieſserei. In mehreren Ländern, namentlich in
Frankreich und Deutschland, waren die Stückgieſsereien Staatsanstalten;
in England aber, wo dieser Zweig der Technik am meisten vervoll-
kommnet wurde, waren es Privatwerke. Die eisernen Kanonen wurden
hauptsächlich als Schiffskanonen angewendet, deshalb hatte England
für seine groſse Kriegs- und Handelsflotte den gröſsten Bedarf.
Schweden war berühmt durch die Güte seiner eisernen Kanonen und
hatte darin einen groſsen Export. Hier goſs man die Kanonen nur
aus dem Hochofen. Um groſse Geschütze gieſsen zu können, muſste
man zwei nebeneinander liegende Hochöfen zu gleicher Zeit abstechen
und das Eisen zusammenleiten. Dies gab Veranlassung zur Kon-
struktion der doppelten Hochöfen, wobei zwei Hochöfen nebeneinander
in ein gemeinschaftliches Rauhgemäuer eingebaut waren.


[749]Eisengieſserei Ende des 18. Jahrhunderts.

Garney1) giebt genau die Maſse der schwedischen Hochofen-
gestelle für 8-, 12-, 18- und 24 pfündige Kanonen an. Die Eisenmasse,
die zu dem Guſs einer solchen Kanone einschlieſslich des verlorenen
Kopfes nötig war, betrug für einen 6-Pfünder 1250 kg, für einen
8-Pfünder 1600, für einen 12-Pfünder 2700 kg, für einen 24-Pfünder
3250 kg und für einen 36-Pfünder 4500 kg.


Zum Gieſsen schwerer Geschütze muſste man, wie erwähnt, zwei
Öfen benutzen. Das Gieſsen eines Guſsstücks aus zwei verschiedenen

Figure 215. Fig. 210.


Hochöfen war aber eine
sehr miſsliche Sache,
denn es setzte ganz
gleichartiges Eisen vor-
aus, sowohl in der Zu-
sammensetzung als in
der Temperatur. War
dies nicht der Fall,
so muſste das Guſs-
stück ungleich aus-
fallen. Eine solche
Gleichartigkeit war in
Schweden, wo man
genau dieselben Erze
und Holzkohlen auf-
gab, möglich; wo man
es sonst versuchte,
hatte man schlechten
Erfolg. Namentlich
war dies in Frank-
reich der Fall. Des-
halb verwarf Grignon
dieses Verfahren und
schlug, da ein einziger Hochofen kein genügendes Eisen, weder nach
Quantität noch nach Qualität, gab, groſse Umschmelzöfen (Fig. 210)
vor, welche in ihrer Gestalt Ähnlichkeit mit Hochöfen hatten, nur
niedriger und weiter waren. Er wollte mit diesen Öfen nicht nur
ein Schmelzen groſser Eisenmassen, sondern auch eine Reinigung
(mazéage) derselben erreichen. Deshalb nannte er sie Feinöfen
[750]Eisengieſserei Ende des 18. Jahrhunderts.
(fourneau de maceration). Ein gewöhnlicher französischer Hochofen
hielt höchstens 25 Ctr. Eisen, und dieses war unrein und zum Guſs
guter Kanonen ungeeignet.


Grignons Ofen bestand aus Gestell, Rast und Schacht. Der
Schacht war 5 Fuſs hoch, elliptisch an der Basis, 4 Fuſs auf 5 Fuſs
weit; dieselbe Weite hatte die Rast, die 3 Fuſs hoch war und sich
im Gestell auf 24 Zoll auf 25 Zoll zusammenzog. Das Gestell war
2 Fuſs hoch; die Länge des Herdes vom Wall bis zur Hinterwand
betrug 4½ Fuſs, der Eisenkasten also beträchtlich gröſser als bei den
gebräuchlichen Hochöfen. Für eine Kanone von 4000 Pfund Gewicht
schmolz man 5600 Pfund Roheisen, Wascheisen und Eisenabfälle ein.
Grignon empfahl zur weiteren Reinigung in das flüssige Eisenbad mittels
einer hohlen Stange von Guſseisen Salpeter einzurühren. Es ist nichts
darüber bekannt, ob diese Umschmelzöfen Grignons in Frankreich
in Anwendung gekommen sind. Der Vorschlag hat aber ein geschicht-
liches Interesse, sowohl wegen dem Ansehen Grignons, als wegen
der späteren Einführung unserer Kupolöfen.


In Österreich geschah etwas ähnliches. Dort schmolz man
Frischereiroheisen in Hochöfen um, um Gieſsereieisen zu erhalten.
v. Marcher, der darüber berichtet, sieht in dem Vorgang eine höhere
Kohlung des Frischrohgutes. Er führte selbst dieses Verfahren auf
dem kaiserlichen Guſswerk bei Mariazell im Jahre 1789 aus, indem
er für die Hammerarbeit erzeugte Flossen von Gollrath zu Guſseisen
umschmolz 1). Das Schmelzgut bestand aus 36/78 zerkleinerten Goll-
rather Flossen, 11/78 Gollrather Waschwerk und 30/78 von der bei den
Guſsöfen gewöhnlichen Erzmöllerung. Das Guſseisen wurde haupt-
sächlich zu Munition vergossen. Auf 10 Ctr. Guſseisen wurden
22 19/28 Faſs Holzkohlen verbraucht gegen 62⅖ Faſs im Hochofen.
Man konnte in vier Stunden vier Abgüsse von 50 bis 60 Centner
machen, während man sonst nur zwei von 28 bis 32 Centner erhalten
hatte. Das Guſseisen war von vorzüglicher Qualität. Bei dem 1790
von Mai bis Juli fortgesetzten Probeschmelzen stellte sich der so
erzeugte Guſs um 30¾ Kreuzer billiger, als wenn man ihn nur aus
Eisensteinen geschmolzen hätte.


Auf der Eisenhütte zu Peitz in Brandenburg benutzte man eben-
falls den Hochofen, um gröſsere Mengen Brucheisen umzuschmelzen.


Man goſs die Geschütze in der zweiten Hälfte des 18. Jahr-
hunderts massiv und bohrte sie aus dem Vollen aus, indem man die
[751]Eisengieſserei Ende des 18. Jahrhunderts.
ältere Methode, die Kanonen über einen Kern zu gieſsen, aufgab.
Das Formen geschah in der schon von Biringuccio beschriebenen
Weise, die noch dadurch, daſs der Kern wegfiel, vereinfacht wurde,
in Lehm. Die Kanone wurde mittels des Drehbrettes oder der
Schablone, welche an der Spindel befestigt war, in Lehm auf der
Formbank aufgedreht. Auf diese Weise wurde die äuſsere Gestalt
der Kanone, einschlieſslich des verlorenen Kopfes, hergestellt. Dieses
Lehmmodell war über einer Holzspindel, welche mit Stroh umwickelt
war, aufgedreht. Nach dem Trocknen wurde der Boden und die

Figure 216. Fig. 211.


Figure 217. Fig. 212.


Hölzer für die Schildzapfen besonders
angesetzt. Alsdann wurde der Man-
tel, der die eigentliche Form gab,
in verschiedenen Lagen aus gut
durchgearbeitetem Lehm aufge-
tragen. Die Hölzer für die Schild-
zapfen blieben so lange darin stecken,
bis der Mantel die nötige Dicke
erreicht hatte, worauf man sie aus-
zog, so daſs der hohle Raum für
dieselben blieb. Der Mantel, der
mindestens 4 Zoll dick war, wurde
nun, um ihm genügende Festigkeit
für den Transport zu verleihen, mit
einem Gitterwerk von eisernen Stä-
ben umgeben (s. Fig. 211 u. 212) 1).
Alsdann wurde das glatte Rundholz
in der Mitte ausgeschlagen, das
Strohseil ausgezogen und der Lehm,
welcher das Modell bildete, herausgenommen. Die fertige Form wurde
dann zum Gieſsen in eine Dammgrube (s. Fig. 210) senkrecht ein-
gegraben und mit Sand ringsum fest eingestampft.


In England ging man zuerst davon ab, die Geschütze in der
beschriebenen Weise in Lehm zu formen, weil dies sehr zeitraubend
war. Man formte sie in Sand nach einem Modell, welchem auſser
dem Schwindmaſs auch für das Abdrehen etwas an Stärke zugegeben
war. Das Einformen war sehr einfach, es erforderte nur starke, gut
gearbeitete Formkasten.


Dieser wichtige Fortschritt war eine Erfindung von Isaak
[752]Eisengieſserei Ende des 18. Jahrhunderts.
Wilkinson (dem Vater von John Wilkinson), welcher am 21. April
1758 darauf ein Patent erhielt. Danach bezog sich seine Erfindung
auf die Herstellung der Formen und Kerne für röhrenförmige und

Figure 218. Fig. 213.


Figure 219. Fig. 214.


Figure 220. Fig. 215.


andere Guſsstücke. „Die
Auſsenseite oder der Mantel,
in welcher man Kanonen,
Feuermaschinencylinder, Röh-
ren und Zuckerwalzen (zum
Auspressen des Zuckerrohres)
oder ähnliche Stücke gieſsen
will, muſs man aus Sand
machen, dem ein klein wenig
trockener Pferde- oder Kuh-
dung oder etwas anderes, ihn
porös zu machen, beigemischt
ist. Dieser Sand wird ange-
feuchtet und eingestampft um
das Modell, welches in eiserne
Kasten (boxes), und zwar in
2, 3, 4, 5 oder soviel für den
Zweck erforderlich sind, ein-
gelegt ist. Alsdann werden
die Kasten auseinander genom-
men und das Modell aus-
gehoben. Hierauf werden die
Kasten in einem Ofen ge-
trocknet und dann mit Holz-
kohlenstaub, Graphit oder einer
anderen Mischung, welche ver-
hindert, daſs das Metall an
der Formwand anbrennt, bestrichen. Die Kerne
zu den erwähnten Stücken werden um eiserne
Stangen gemacht, die entweder hohl und mit
vielen Öffnungen versehen oder massiv und ge-
kehlt sind. Ist der Hohlraum aber sehr groſs,
so kann man ihn mit Backsteinen ausmauern; in
beiden Fällen umwickelt man den inneren Kern mit Strohseilen, welche
eine luftdurchlassende Schicht bilden und die auſsen in der richtigen
Stärke mit dem erwähnten Sand überzogen und dann getrocknet und
geschwärzt werden, ehe man sie einsetzt. Hierauf wird die ganze Form
[753]Eisengieſserei Ende des 18. Jahrhunderts.
zusammengesetzt, die Stücke gegossen und dann ausgebohrt und
abgedreht, wie es verlangt wird.“


Die äuſsere Form dieser Formkasten entsprach ungefähr dem
früheren Gerippe aus Eisenstäben. Sie waren der Länge nach und
quer geteilt und hieſsen Flaschen (flasks) oder Kapseln (boxes).
Fig. 213 zeigt den zusammengeschraubten Kasten von auſsen (nach
Monge), Fig. 214 den Querschnitt mit dem Modell. Letzteres war
ebenfalls geteilt. Fig. 215 stellt die Flasche für die Schildzapfen
dar. Der Zwischenraum zwischen Modell und Kasten wurde mit
fettem Formsand ausgestampft und die Formkasten einzeln getrocknet
und dann zusammengeschraubt. Sie wurden senkrecht aufgestellt und
ohne Eindämmen gegossen. Es ging dies so viel rascher, daſs man
an einem Tage ebensoviel Kanonen gieſsen konnte, als in Lehm in
einem Monat. Die Formen muſsten so tief stehen, daſs das geschmolzene
Eisen in Rinnen denselben zugeführt werden konnte.


In England erwarb sich das Eisenwerk zu Carron besonderen Ruf
durch seinen Geschützguſs. Wie groſsartig die Gieſserei schon zu
Jars’ Zeit dort angelegt war, haben wir bereits beschrieben. Im
Jahre 1779 erfand General Robert Melville1) eine neue Art schwerer
Schiffskanonen, die Zerschmetterer (Smashers) genannt. Sie schossen
Kugeln von 68 Pfund mit geringer Pulverladung, wodurch eine
gröſsere zertrümmernde oder zerschmetternde Wirkung ausgeübt
wurde. Das erste Stück dieser Art wurde auf der Eisenhütte zu
Carron 1779 gegossen. Gascoigne führte den Guſs derselben dort
ein. In dem Besitz der Familie Melville befindet sich noch das
kleine Modell einer Kanone mit folgender Aufschrift: „Geschenk der
Carron-Gesellschaft an Generalleutnant Melville, Erfinder der Zer-
schmetterer und der kleineren Carronaden für einfachen Schiffs-,
Granat- und Brandkugel-Schuſs u. s. w., welche zuerst 1779 gegen
die französischen Schiffe verwendet wurden 2).“ Diese gefährlichen
Geschütze für den Nahekampf zur See, welche damals in groſser Zahl
gegossen wurden, erhielten ganz allgemein den Namen Carronaden,
weil sie von der Hütte zu Carron geliefert wurden.


Ein nicht minder wichtiger und weit schwierigerer Artikel, welcher
in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts auf den englischen
Eisenhütten gegossen wurde, waren die groſsen Cylinder erst für die
Beck, Geschichte des Eisens. 48
[754]Eisengieſserei Ende des 18. Jahrhunderts.
atmosphärischen, dann für die Dampf- und Gebläsemaschinen. Daſs
solche ebenfalls bereits 1765 zu Carron gegossen wurden, berichtet
Jars. Das gröſste Renommee darin hatte aber Coalbrookdale, welches
den Guſs dieser Cylinder als Specialität betrieb. Später erwarb sich
John Wilkinson besonderen Ruf darin, namentlich wegen der vor-
trefflichen Bohrung seiner Cylinder. Sie wurden in Lehm gegossen.
Wilkinson, der um die Fortschritte des Gieſsereiwesens die gröſsten
Verdienste hat, erfand auch die Kunst, die Cylinderwandung doppelt
zu gieſsen, so daſs Cylinderwand und Mantel aus einem Stück bestanden.
Daſs er ferner der Erfinder der Umschmelzöfen für Gieſsereieisen,
welche unter dem Namen der Kupolöfen in allgemeinen Gebrauch
gekommen sind, gewesen ist, werden wir an einer anderen Stelle noch
näher ausführen. Diese niedrigen Schachtöfen zum Umschmelzen des
Roheisens kamen Ende der 80 er Jahre in Gebrauch. Reaumur
hatte bereits kleine Schmelzöfen der Art angewendet und sie ver-
bessert. Diejenigen, welche gegen Ende des vorigen Jahrhunderts in
England in Aufnahme kamen, waren anfangs ganz niedrig. Sveden-
stjerna
fand auf seiner Reise 1802 zu Coalbrookdale auf der Gieſserei
bei den Dale-works zwei Hochöfen und einige Gieſsöfen 1). Man
machte hier eine Menge feinerer Guſswaren, als Roste, Gewichte, Plätt-
eisen, Wärmöfchen, Schrauben zu Apfelweinpressen und dergleichen,
welche Sachen meist aus Reverberier- oder aus sogenannten Kupolo-
öfen, worin man Kleineisen und alle Sorten von kleinen Eisenbrocken
mit gewöhnlichem Gebläse einschmolz, gegossen wurden. „Diese
Kupoloöfen sind nur einige Fuſs hoch und viereckig, auswendig von
Roheisenplatten und inwendig mit feuerfesten Ziegeln bekleidet. Die
Form ist sehr klein und hat nicht über einen Zoll im Durchmesser.
Das Gebläse zu einem solchen Ofen wird entweder aus einem der
Reservoire (Regulatoren) der gröſseren Blaswerke geleitet oder der
Ofen selbst ist mit einem besonderen kleinen Cylindergebläse versehen,
welches durch Pferde bewegt wird. Man sieht dergleichen Öfen selbst
in London und beinahe auf allen Gieſsereien im Lande.“ Die Eng-
länder bauten diese Kupoloöfen öfter in alte unbrauchbare eiserne
Cylinder oder zwischen vier eisernen Platten, welche mit Ankern
zusammengehalten wurden. Die Höhe derselben betrug 5 bis 8 Fuſs.
Der Herd wurde von feuerfestem Thon geschlagen und der Wind
durch zwei oder drei Düsen an ebenso vielen Seiten zugeführt. Sie
dienten hauptsächlich zum Zugutemachen von Brucheisen. Schmolz
[755]Eisengieſserei Ende des 18. Jahrhunderts.
man Roheisen um, so bezweckte man zugleich auch eine Reinigung,
besonders von den dem Eisen beigemischten Erdarten. Zu diesem
Zwecke wurde auch auf der Sollinger Hütte am Harz 1797 ein kleiner
Kupoloofen von 6 Fuſs Höhe angelegt. Er sollte nur zur Reinigung
des zu verfrischenden Roheisens dienen. Der Zweck wurde erreicht,
indem das Eisen durch das Umschmelzen viel besser wurde. Dabei
betrug der Schmelzverlust nur 1/24. — Nebenstehende Zeichnung

Figure 221. Fig. 216.


(Fig. 216) stellt einen Kupoloofen in
Schlesien vom Ende des Jahrhunderts dar.


Die Verwendung des Guſseisens
breitete sich immer mehr aus. In der
Industrie wurde es zu vielen Zwecken
gebraucht. Die Eisenindustrie selbst lie-
ferte dafür zahlreiche Verwendungen. Die
Frischfeuer wurden, statt wie früher ge-
mauert, jetzt allgemein aus eisernen
Platten (Zacken) zusammengesetzt. Guſs-
eiserne Tragebalken trugen die Brust des
Hochofens und bildeten den Tümpel. Im
Maschinenbau fand das Guſseisen immer
allgemeinere Verwendung. Smeaton ge-
bührt hierfür das gröſste Verdienst, was
er aus einem Schreiben aus dem Jahre
1782 auch für sich in Anspruch nimmt.
„Als ich vor 27 Jahren (also 1755)“,
schreibt er, „zum erstenmal Guſseisen
für gewisse Zwecke verwendete, da riet
Alles, wie kann sprödes Guſseisen halten,
wenn das stärkste Zimmerholz nicht
widersteht? Die betreffenden Guſsstücke
arbeiten heute noch und ihr Gebrauch,
der zuerst in Nordengland gemacht wurde,
ist seit der Zeit ganz allgemein geworden
und ich habe nie von einem Bruch gehört.“ Die guſseisernen Rohre
und Cylinder haben wir wiederholt erwähnt, man goſs Hämmer und
Ambosse, Rostbalken, Walzen und die Gerüste der Walzen und der
Hämmer; sogar die Wasserräder wurden ganz aus Eisenguſs her-
gestellt. Zu Bauzwecken fand es schon mannigfaltige Anwendung.
Besonderes Verdienst um die Erfindung neuer Verwendungen des
Guſseisens haben sich die berühmte englische Eisenhütte zu Coal-
48*
[756]Eisengieſserei Ende des 18. Jahrhunderts.
brookdale und deren Leiter erworben. Dort wurden die ersten eisernen
Schienenbahnen und die erste guſseiserne Brücke gebaut.


Die Eisenbahnen hatten für die Kohlen- und Eisenindustrie in
England eine groſse Bedeutung erlangt, ehe man an Lokomotiven
dachte. Bei den zahlreichen Steinkohlenbergwerken bei Newcastle
machte sich zuerst das Bedürfnis geltend, gute und billige Abfuhr-
wege für die Kohlen nach den Verladungsplätzen am Wasser zu
schaffen. Förmliche Straſsen hierfür zu bauen, wäre zu kostspielig
gewesen und war fast unmöglich, weil der Grunderwerb in England
sehr erschwert war. Dazu kam, daſs eine solche Straſse nur so lange
Bedürfnis war, als aus dem betreffenden Schacht gefördert wurde.
Dies war aber bei dem oberflächlichen Abbau, wie man ihn damals
noch trieb, nie sehr lange der Fall. Der Schacht wurde auflässig und
die Straſse hätte keinen Zweck mehr gehabt; an einem neuen Schacht
hätte man eine neue Straſse anlegen müssen. Da kam man dann auf den
zweckmäſsigen Gedanken, Holzwege, welche auf Böcken standen, quer
über die Felder zu bauen. Hierzu war kein Grunderwerb nötig, indem
der fremde Besitzer den Übergang gegen eine jährliche Abgabe meist
gern gestattete. War der Weg nicht mehr notwendig, so brach man
ihn ab und konnte ihn an einer anderen Stelle wieder aufstellen.
Diese Holzstraſsen hatten vielerlei Vorzüge; man konnte den kürzesten
Weg wählen, konnte ihnen ein gleichmäſsiges Gefälle geben u. s. w.
Bald fand man, daſs man den Wagentransport sehr erleichtern konnte,
wenn man zugerichtete Holzschienen aufnagelte, welche der Wagen-
spur genau entsprachen. Dadurch wurde die Reibung so vermindert,
daſs ein Pferd statt eines einzigen Wagens eine ganze Anzahl anein-
ander gekuppelter Wagen fortbewegen konnte. Diese Schienenwege
(tram roads) fanden bald in allen Bergwerks- und Hüttenbezirken
Verbreitung und boten dem Fremden einen ganz überraschenden
Anblick, wie dies Jars bereits beschreibt. Sie wurden noch dadurch
verbessert, daſs man den hölzernen Spurweg mit Flacheisenschienen
belegte. Richard Reynolds von Coalbrookdale ersetzte zuerst die
Holzschienen durch guſseiserne Schienen. Die Holzschienen waren
da, wo sie stark in Anspruch genommen wurden, starkem Verschleiſs
ausgesetzt, wodurch fortwährende Störungen eintraten und Repara-
turen notwendig wurden. Diese Übelstände machten sich auf der
Werksbahn zu Coalbrookdale sehr unangenehm fühlbar. Schon früher
waren Versuche gemacht worden, guſseiserne Schienen zu verwenden,
aber ohne Erfolg, so 1738 zu Whitehaven und etwas später zu Coal-
brookdale von Wilkinson sen. Als nun im Jahre 1767 der Absatz der
[757]Verwendung des Guſseisens — Eisenbahnen.
Gieſserei der Coalbrookdale-Eisenwerke infolge ungünstiger Konjunktur
stockte, lieſs Reynolds guſseiserne Schienen gieſsen und dieselben
auf die am meisten befahrenen Strecken der Hüttenbahn aufnageln
(Fig. 217). Der Erfolg war ein so überraschend günstiger, daſs
Reynolds noch im Jahre 1767 alle Schienenwege der Bergwerke und
Hütten von Coalbrookdale in dieser Weise umbaute. Der Nutzen
der neuen Eisenbahnen war so augenfällig, daſs sie bald in ganz

Figure 222. Fig. 217.


Figure 223. Fig. 218.


England eingeführt wurden und zunächst der Gieſserei von Coal-
brookdale, später vielen Gieſsereien des Landes reichlich Beschäftigung
gaben.


Die Form der guſseisernen Schienen wurde 1776 durch Benjamin
Curt
verbessert, der auf den Spurbahnen der Kohlenwerke von
Sheffield Schienen mit gegossenen Spurrändern (Fig. 218) einführte 1).
Jessop führte dann 1789 die Stegschienen mit kopfartiger Verdickung

Figure 224. Fig. 219.


(Fig. 219) ein. In Deutschland
führte der Maschinendirektor
Friedrichs zu Klausthal zuerst
eiserne Schienen für den Erztrans-
port von der Grube Dorothea zum
Pochwerk in den 70 er Jahren des
18. Jahrhunderts ein und erfand
einen dazu gehörigen Transportwagen. Um die Wende des Jahr-
hunderts wurde die erste Schienenbahn für Kohlentransport in Deutsch-
land bei Hattingen an der Ruhr erbaut.


Gebührt Reynolds das Verdienst, die Eisenbahnen eingeführt
zu haben, so hat sein Nachfolger in Coalbrookdale, Abraham Darby,
der dritte dieses Namens seit Gründung des Eisenwerks, den Ruhm,
die erste eiserne Brücke, und zwar ebenfalls aus Guſseisen, erbaut
zu haben. Das Projekt, eiserne Brücken zu bauen, war nicht neu,
[758]Verwendung des Guſseisens — Brücken.
die eiserne Brücke bei Coalbrookdale war aber die erste gelungene
Ausführung einer eisernen Brücke, welche wirklich dem Verkehr diente
und die Idee, Guſseisen dazu zu verwenden, war die durchaus originelle
Idee Darbys. Brücken, die an Seilen und Ketten aufgehängt waren,
hatte man bereits in Indien und China und mag wohl Kunde davon
nach Europa gedrungen sein. Der erste, der sich ernstlich mit dem
Projekt der Erbauung eiserner Brücken beschäftigte und Pläne dafür
entwarf, war der hervorragende venetianische Ingenieur Faustus
Verantius
aus Dalmatien (um 1600). Fig. 220 zeigt eine von ihm

Figure 225. Fig. 220.


entworfene Hängebrücke. Er schreibt dazu: „Eine eiserne Brücke.
Diese Brücke nennen wir deshalb eine eiserne (pons ferreus), weil sie
an zwei Thürmen, welche an beiden Seiten des Wassers aufgebaut
sind, mit vielen eisernen Ketten aufgehängt ist. Die Thürme werden
aber ihre Thore haben, damit man den Reisenden einlassen oder aus-
sperren kann.“ Noch interessanter, namentlich in Bezug auf die

Figure 226. Fig. 221.


guſseiserne Brücke Darbys, ist
eine Tafel des Verantius mit
dem (Fig. 221) skizzierten me-
tallenen Brückenbogen. Der Text
dazu lautet:


„33. Eine Brücke von Glockenspeise. Diese Brücke soll aus
lauter Glockenspeise (Erz) gemacht sein, sie sei nun gerade oder im
Bogen gewölbt. Es möchte aber wohl einer sagen, man werde viel
Glockenspeise dazu haben müssen und deshalb würden groſse Unkosten
darauf gehen. Darauf antworte ich, daſs viel weniger Kosten darauf
gehen werden, als wenn sie aus Stein gemacht wird. Weiter wird
einer fragen: Wie kann ein so mächtiges Werk gemacht und gegossen
[759]Verwendung des Guſseisens — Brücken.
werden? Dieses solltest Du von den Geschützgieſsern erforschen.
Wenn sie es Dir nicht zu sagen wissen, so komme wieder zu mir.
Auf dieselbe Weise kann man auch mit viel geringeren Kosten die
Dächer und Decken der groſsen Gebäude und Kirchen machen.“ Ob-
gleich Verantius an die Ausführung einer metallenen Bogenbrücke
noch nicht denkt, hält er selbst die kostspielige Ausführung in Bronze-
guſs für billiger und vorteilhafter als Steinbau! Ob eins der beiden
Projekte des Verantius zur Ausführung gekommen ist, darüber
fehlen alle Nachrichten. Es läſst sich deshalb vermuten, daſs es
nicht geschah.


Fast hundert Jahre später, 1719, entwarf Garin den Plan,
eine eiserne Brücke bei Lyon zu bauen und Desaguiliers brachte
eine ebensolche Brücke über die Themse in Vorschlag. 1755 wollten
Goiffon und de Montpetit eine eiserne Brücke über die Rhone
bauen, ihr Versuch schlug aber fehl. 1777 und 1778 erschienen zwei
neue Projekte von Calippe und de Montpetit, welche de Morveau
von der Akademie von Dijon begutachtete. Diese Projekte kamen
sämtlich nicht zur Ausführung. Alle diese Brücken sollten aus
Schmiedeeisen, dessen Zugfestigkeit dabei in Anspruch genommen
werden sollte, erbaut werden. Es waren Hängebrücken. Inzwischen
war bereits im Jahre 1741 in England wirklich ein eiserner Steg
über den Teesfluſs bei Winch in der Grafschaft Durham erbaut
worden 1). Derselbe hing an einer eisernen Kette, die von Fels zu
Fels über einer Spalte von 60 Fuſs Tiefe aufgehängt war. Sie diente
zum Übergang von Fuſswanderern und Bergleuten. Sie war 70 Fuſs
lang, 2 Fuſs breit, mit einem Geländer auf einer Seite. Der Reisende
spürte jede Bewegung der Kette; in der That war der Übergang
über die Brücke ein so beängstigender, daſs nur wenige Fremde ihn
wagten. Dies war ein schmiedeeiserner Steg.


Ganz anders verhielt es sich mit der Brücke Darbys aus Guſseisen.
Auf beiden Seiten des Severn war die Bevölkerung in der Umgebung
immer mehr angewachsen. Coalbrookdale, Madeley und Broseley waren
groſse Fabrikorte geworden und doch hatten sie keine Verbindung über
den Fluſs, als durch die alte, langsame Fähre 2). Das Bedürfnis einer
Brücke hatte sich längst fühlbar gemacht und schon Abraham Darby
der Zweite trug sich mit der Absicht eines solchen Baues. Sein früher
Tod verhinderte die Ausführung. 1776 wurde der junge Darby Herr
[760]Verwendung des Guſseisens — Brücken.
der Herrschaft (manor) von Madeley und damit zugleich Besitzer der
Hälfte der Fähre. Da er fand, daſs die Besitzer der anderen Hälfte
auf der Broseleyseite ebenso sehr wie er selbst eine feste Brücke statt
der Fähre wünschten, so nahm er das Projekt in die Hand. Er
erlangte vom Parlament die Konzession, eine Brücke aus Guſseisen,
Steinen, Ziegeln oder Holz zu bauen. Eine Gesellschaft wurde
gegründet, deren Anteilscheine von den benachbarten Besitzern über-
nommen wurden. Abraham Darby war der Hauptbeteiligte. Zu
den Gesellschaftern gehörte auch John Wilkinson, der einen hervor-
ragenden Anteil an der Ausführung des Projektes nahm. Man ent-
schloſs sich für eine eiserne Brücke, doch fehlten für eine solche
alle Erfahrungen. Man übertrug zuerst einem Architekten Pritchard
von Shrewsbury die Entwerfung eines Planes. Aber obgleich eine

Figure 227. Fig. 222.


eiserne Brücke vorgeschrieben war, konnte er sich von den über-
lieferten Anschauungen nicht losmachen und konstruierte eine Bogen-
brücke von 120 Fuſs Spannweite aus Stein, bei welcher nur der
Gewölbeschluſs auf einige Fuſs aus Guſseisen hergestellt werden sollte.
Der Plan wurde nach eingehender Beratung verworfen und ein anderer,
nach welchem die ganzen Bogen aus Guſseisen konstruiert waren, unter
Abraham Darbys Leitung von Thomas Gregory, seinem ersten
Modelleur, ausgearbeitet. Dieser Entwurf wurde angenommen und
1777 bis 1778 die Widerlager gebaut, während gleichzeitig die Eisen-
teile für die Brücke gegossen wurden. Diese wurden 1778 innerhalb
drei Monaten aufgestellt. Im Jahre 1779 wurde die Brücke dem
Verkehr übergeben und erwies sich als ein sehr zweckmäſsiges Bau-
werk. Sie bestand, wie Fig. 222 zeigt, aus einem Bogen von 100 Fuſs
Spannweite, die Höhe desſelben über dem Fluſs betrug 40 Fuſs, so
[761]Verwendung des Guſseisens — Brücken.
daſs Schiffe bequem darunter wegsegeln konnten. Die Brückenbahn
war 24 Fuſs breit, mit Thon und Eisenschlacken gepflastert; ihr
Gewicht betrug 378½ Tons (nach der Handlungszeitung von 1790
11000 Centner).


1788 belohnte die Gesellschaft der Künste (Society of Arts)
Darbys Verdienst als Entwerfer und Erbauer der Brücke mit der
goldenen Medaille und das Modell der Brücke befindet sich noch in
der Sammlung dieser Gesellschaft. Stephenson und Telford haben
sich viele Jahre später sehr anerkennend über die Konstruktion und
die Ausführung dieser Brücke ausgesprochen. Sie wird noch heutiges-
tags in unverändertem Zustande benutzt, nur die Widerlager hat man
reparieren müssen. Die Brücke war eine groſse Wohlthat für die ganze
Gegend. Ihre Stellung war so gut gewählt und ihr Nutzen so groſs,

Figure 228. Fig. 223.


daſs eine blühende Stadt, „Eisenbrücke“ (Iron-bridge) genannt, um
sie herum entstanden ist, wo vormals nur wüstes Land war, ein Teil
der Öde von Madeley. Im 19. Jahrhundert erst ist das Eisen das
wichtigste und unentbehrliche Material für den Brückenbau geworden,
aber schon im vorigen Jahrhundert regte das vortreffliche Werk zur
Nacheiferung an.


In den 90 er Jahren wurde eine prachtvolle Brücke aus Guſs-
eisen bei Sunderland über den Fluſs Wear gebaut. 1790 hatte
Rowland Burdon den Plan für diese Wearmouth-Brücke (Fig. 223)
entworfen und zwei Jahre später durch Parlamentsbeschluſs die
Berechtigung zur Ausführung erhalten. Seine Idee war, die Form
und in gewisser Art auch die Verbindung wie bei den Steinbogen-
brücken beizubehalten. Es waren guſseiserne Klötze, 5 Fuſs breit
[762]Verwendung des Guſseisens — Brücken.
und 4 Fuſs dick, die durch Stäbe und Klammern von Schmiedeeisen
verbunden wurden, so daſs leicht jedes einzelne Stück ausgewechselt
werden konnte. So bildete er sechs Rippen, deren jede aus 105 solcher
Guſsstücke zusammengesetzt war. Die Rippen standen in einem
Abstand von 6 Fuſs voneinander ab und waren unter sich durch
Röhren und Gurten von Guſseisen verbunden. Der Grundstein wurde
am 23. September 1793 gelegt und die Brücke am 9. August 1796

Figure 229. Fig. 224.


eröffnet. Der Bogen war ein Kreissegment von 236 Fuſs Sehne, die
Höhe der Brücke über dem Fluſs betrug 100 Fuſs, die Bogenhöhe
33 Fuſs. Das prächtige Bauwerk wurde von Walker in Rotherham
innerhalb dreier Jahre gegossen und vollendet. Thomas Wilson von

Figure 230. Fig. 225.


Bishop-Warmouth war der ausführende Architekt. Die Brücke erregte
allgemeine Bewunderung; es war die gröſste bis dahin erreichte Bogen-
spannung. Ihr Gewicht betrug nur 250 Tons und die Kosten beliefen
sich auf 26000 £. — 1795 hatte auch Telford seine erste guſseiserne
Brücke (Fig. 224) bei Buildwas über den Severn gebaut. Ebenso
hatte er den Oberbau des groſsen Aquädukts von Pont Cystillton ganz
aus Guſseisen gebaut, wie es die Fig. 225 zeigt.


Durch diese Erfolge wurde die Konstruktion schmiedeeiserner
[763]Eisengieſserei Ende des 18. Jahrhunderts.
Brücken in England ganz zurückgedrängt. In Amerika war dagegen
die erste eiserne Brücke eine Kettenbrücke, die Finley 1790 über
den Jacobs-Creek baute.


Die erste eiserne Brücke in Deutschland war ebenfalls aus Guſs-
eisen. Sie wurde im Jahre 1796 in Schlesien auf Kosten des Grafen
v. Burghaus zu Lassan, sechs Meilen von Breslau, im Striegauer
Kreise erbaut. Das Gewicht derselben betrug 946 Ctr. 18½ Pfd. Eisen
und die ganzen Kosten dafür betrugen 6711 Thaler. Der Bogen war
40 Fuſs weit, 9 Fuſs hoch und die Brücke selbst 18 Fuſs breit. Die
Eisenteile wurden auf der Eisenhütte zu Malapane durch Herrn
Boildon gegossen. Zum Andenken an diesen Brückenbau wurde
eine Denkmünze geschlagen.


Inzwischen hatte man auch begonnen, schmiedeeiserne Brücken
zu bauen, doch wollen wir hiervon an einer anderen Stelle berichten.


Auch viele kleine Artikel suchte man aus Eisenguſs herzustellen,
welche man früher aus Schmiedeeisen gemacht hatte. Roste, Gitter,
Geländer u. s. w., die man früher geschmiedet hatte, wurden gegossen.
In England goſs man Ketten, Nägel, Fensterrahmen, Räder, Garten-
walzen und viele andere Gegenstände. Die Ketten wurden auf
zweierlei Weise verfertigt, einmal in einzelnen Gliedern, welche durch
Stifte verbunden wurden, das andre Mal aber so, daſs man lange
und auf gewöhnliche Art gegliederte Ketten in eins goſs, so daſs sie
unmittelbar nach dem Guſs fertig, sogar ohne Guſszapfen waren.
Diese Ketten dienten besonders zu Einfassungen und Verzierungen,
wozu sie öfter verzinnt und mit Goldfirnis überzogen wurden (siehe
Tölle u. Gärtner, S. 11). Über die Fabrikation gegossener Nägel
in England haben wir schon gesprochen (S. 447). Auf dem Eisen-
werk zu Vietz in der Mark goſs man eiserne Glocken, welche wegen
ihrer Billigkeit beliebt waren. Zwei Glocken dieser Art waren in Zang-
hausen aufgehängt 1). In verziertem Guſs zeichneten sich die Harzer
Hütten, namentlich die Ilsenburger- und die Königshütte, aus. Im
Kunstguſs leistete Lauchhammer Hervorragendes. Der Graf v. Einsiedel
that dort viel für den Bildguſs. 1780 begann er eine Sammlung der
besten Antiken, Basreliefs, Köpfen, Büsten, Statuen und Gruppen, die
er mit groſsen Kosten in Italien u. s. w. abformen lieſs, anzulegen. 1781
engagierte er den Bildhauer Wiskotjil, um Formen zum Kunstguſs in
Eisen anzufertigen. 1784 ward zu Lauchhammer die von den Bild-
hauern Wiskotjil und Mällensberger nach der Antike in Wachs
[764]Eisengieſserei Ende des 18. Jahrhunderts.
ausgegossene und poussierte Statue einer Bachantin in Lehm
geformt und in Eisen abgegossen. Das Stück geriet und so kam die
Erfindung des Kunstgusses in Eisen zu stande und es wurden, was
bisher in keiner Eisengieſserei gelungen war, selbst die gröſsten
Statuen und Gruppen aus dem Ganzen gegossen und kamen rein aus
der Form.


Vorzüglichen Guſs lieferte die nach englischem Muster ein-
gerichtete königl. Eisengieſserei zu Gleiwitz in Schlesien. Hier wurden
neben Kunstguſs Dampfcylinder und sonstige Maschinenteile gegossen,
ferner Kriegsmaterial, namentlich Kanonen und Bomben.


Durch die Einführung der Kupolöfen zum Umschmelzen war es
möglich, überall Gieſsereien anzulegen und geschah dies dann auch
an begünstigten Absatzorten, vornehmlich in groſsen Städten. In
London gab es gegen Ende des Jahrhunderts bereits eine groſse
Anzahl Eisengieſsereien, welche besonders altes Guſseisen umschmolzen.


Die Guſswaren wurden eingeteilt in ganz Lehm- oder Leimguſs-,
halb Lehmguſs- und Sandguſsware.


Ganz Lehmguſs waren (nach Hofmann 1791) Seifensieder-,
Färber- und Wasserkessel, Ofenblasen und Töpfe, Mörser, Kasserolle,
Tiegel, Pfannen, Kochtöpfe u. s. w. Diese wurden in Sachsen der
Centner, à 110 Pfund, zu 4 Thlr. 20 Gr. bis 5 Thlr. 8 Gr. verkauft.


Halb Lehmguſswaren, als Mühlzapfen, Schmiedeformen, Feuer-
böcke, Gewichte, Dreifüſse, Bratböcke, Ofenfüſse, Feuerroste u. s. w.
waren etwas wohlfeiler.


Sandguſswaren, als Ofenplatten, Öfen, Bratröhren, Herd- und
Kasserollplatten u. s. w. wurden zu 2 Thlr. 18 bis 21 Gr. verkauft.


Die Eisengieſsereien gaben in den letzten Jahrzehnten des vorigen
Jahrhunderts bereits Warenverzeichnisse und Preislisten heraus. Aus
nachfolgendem Warenverzeichnis der Königshütte im Harz kann man
die dort gebräuchliche Einteilung ersehen.


A. Offener Herdguſs (Guſswerk erster Gattung), als Platten-
öfen, groſse und kleine Wernersche und andere Arten von Sparöfen,
Koch- und Bratöfen, Herdplatten und Ringe, Ambosse für Schmiede,
Fuſskratzeisen u. s. w.


B. Verdeckter Herdguſs, offener Herdguſs mit Kernen
und massiver Lehmguſs
(oder Guſswerk zweiter Gattung), als
Schmiedeformen, Dreifüſse, Geländer, Futterkrippen, Kaminöfen oder
sogenannte Franklins.


C. Halb-Lehm-, Laden- und bedeckter Herdguſs mit
Kernen
(Guſswerk dritter Gattung), als Zapfen, Krummzapfen, Plätt-
[765]Eisengieſserei Ende des 18. Jahrhunderts.
und Bügeleisen, Kochtöpfe u. s. w. Groſse massive Walzen für Eisen-,
Kupfer- und Messinghütten, Zahnräder.


D. Lehm- und hohler Sandguſs (Guſswerk vierter Ordnung),
als Röhren, runde Stein- und Braunkohlenöfen, Gartenwalzen, Preſs-
schrauben, Mörser, Schalen, Pferderaufen, Maschinenguſs (nach Stünkel).


Viel ausführlicher noch war der Preiscourant von Guſswaren des
königl. Bergwerks-Produkten-Kontors zu Breslau, sowie der königl.

Figure 231. Fig. 226.


Eisenhüttenwerke Ma-
lapane, Kreutzberg und
Gleiwitz von 1798 (4°,
2 Bogen) 1).


Die Anwendung
von Sturzöfen bei
der Eisengieſserei hat
Reaumur zuerst be-
kannt gemacht. Seine
Öfen waren indes
sehr klein. Von einer
Verwendung derselben
in der Praxis verlautet
nichts. Erst im letzten
Viertel des 18. Jahr-
hunderts wurde auch
diese Idee in England
wieder aufgegriffen und
Öfen benutzt, die, wie
es scheint, dem von
Reaumur beschriebe-
nen genau nachgebil-
det waren, nur hatten
sie gröſsere Dimensio-
nen und der Wind
wurde durch zwei For-
men mittels Bälgen,
welche von anderen als Menschenkräften betrieben wurden, ein-
geblasen. Norberg erwähnt einen solchen englischen Sturzofen, den
er bei Baird in St. Petersburg gesehen hatte, dessen Bälge durch eine
[766]Eisengieſserei Ende des 18. Jahrhunderts.
Dampfmaschine bewegt wurden und der ein über eine Rolle gehendes
Gegengewicht hatte.


Dem Russen André Rhodiwonowitsch Bataschef gebührt das
Verdienst, die Sturzöfen (Fig. 226, a. v. S.) sehr verbessert und für
Holzkohlenbetrieb eingerichtet zu haben 1). Es geschah dies auf dem
von ihm 1750 gegründeten groſsen Eisenwerk zu Sintul, wo 1794 ein
besonderes Gieſshaus mit zwei Sturzöfen erbaut wurde.


Die Verbesserung bestand zunächst in der Art der Aufhängung
(Fig. 227). Die englischen Öfen hatten, wie die Reaumurschen,
Zapfen am Boden, wie an einem Mörser, womit sie in recht beschwer-
licher Weise gestürzt wurden. Bataschef verlegte die Zapfen höher

Figure 232. Fig. 227.


hinauf, nahe dem Schwer-
punkt, wodurch das Stür-
zen mittels eines Hebels
durch einen Arbeiter
leicht verrichtet werden
konnte. In Ermangelung
an feuerfestem Thon
mauerte er den Ofen mit
gewöhnlichen Ziegeln aus,
machte aber den Ofen im
Bauch so weit, daſs ein
Arbeiter bequem darin
hantieren und die täg-
lichen Reparaturen aus-
führen konnte.


Die Hauptschwierig-
keit bildete die Wind-
einführung. Wegen des
Stürzens konnten die Düsen nicht in die Formen treten, man kon-
struierte sie also in der Weise, daſs sie möglichst genau auſsen an
die Formen anschlossen. Da der Ofen viel Wind brauchte und die
Schmelzung möglichst rasch bewerkstelligt werden muſste, so nahm
Bataschef doppelte lederne Bälge von etwa 9 Fuſs Länge und
3½ Fuſs hintere Breite, welche so rasch bewegt wurden, daſs sie
30 Hube in der Minute machten. Dadurch konnten in einer Stunde
acht bis zehn Gichten geschmolzen werden. Eine Gicht bestand aus
2½ Kubikfuſs Kohlen und 2/4 bis 1 Pud Roheisenbrocken. Auf der
[767]Eisengieſserei Ende des 18. Jahrhunderts.
Hütte zu Sintul, wo zwei solche Sturzöfen im Betriebe waren, wurden
täglich zwei Güsse von 20 bis 30 Pud gemacht. Bataschef hatte
damit dreipfündige Kanonen gegossen. Der Ofen wurde ganz umge-
stülpt und war nach acht bis zehn Stunden so gekühlt, daſs ein daran
gewöhnter Schmelzer die nötigen Reparaturen ausführen konnte.
Diese Sturzöfen hatten namentlich den Vorteil, daſs darin allerhand
Eisen, welches sonst nicht gut verwendet werden konnte, zu Guſs-
waren veredelt wurde. Deshalb führte Norberg dieselben auch in
Schweden ein, und zwar erbaute er einen Sturzofen zu Atwidaberg
und zwei zu Nevequarn. Der Mantel dieser Öfen war ganz von Eisen,
die Ausmauerung geschah in Schweden mit guten feuerfesten Ziegeln.
Es genügt, obige Abbildungen mitzuteilen und auf die groſse Ähnlich-
keit mit den Bessemer-Birnen hinzuweisen 1). Eine gröſsere Bedeutung
haben die Sturzöfen bei der Eisengieſserei nicht erlangt. Die Ver-
besserung der Kupolöfen hat dies verhindert. Erst in unserer Zeit
sind dieselben bei der Fluſsstahlbereitung zur Geltung gekommen.


Reaumurs Vorschläge zur Eisenverbesserung, welche längere
Zeit hindurch als unpraktisch verschrieen wurden, kamen nach und
nach alle zur praktischen Verwendung, zuerst die Cementstahlfabrikation,
dann die Anwendung der Umschmelzöfen in der Gieſserei, zuletzt auch
die Herstellung des schmiedbaren Gusses. Für letzteres wurden
im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts verschiedene Patente genommen.


Bereits am 27. Novbr. 1769 nahm Jos. Ashton ein Patent auf
gegossene Sargnägel, welche nach dem Guſs zwölf Stunden lang in
einem Feuer von Koks oder Steinkohlen erhitzt und dadurch weich
und brauchbar wurden. Hierauf wurden sie mit einer Mineralsäure
gebeizt und dann verzinnt.


1781 erhielt James Reaves ein Patent (1279) für die Her-
stellung von Geräten (implements) aus Guſseisen, welches durch ver-
schiedene Mittel zuvor hart gemacht und nachträglich gestempelt
wurde. Ebenso nahm George Matthews 1783 ein Patent, Guſs-
eisen schmiedbar zu machen, um es für Gegenstände zum Mühlen-
bau u. s. w. zu verwenden. Die betreffenden Artikel wurden gegossen
und dann in geschlossenen Öfen mit Holzkohle geglüht. Die Öfen
brannten 24 Stunden und man lieſs die Guſsstücke im Ofen erkalten.


Einem anderen wichtigen metallurgischen Prozeſs, dem Schmelzen
mit Gas
, begegnen wir ebenfalls bereits im vorigen Jahrhundert in
[768]Stahl Ende des 18. Jahrhunderts.
England. Dieses Projekt verfolgte namentlich John Barber. 1791
nahm er ein Patent (Nr. 1833) für den Gebrauch von brennbarer
Luft zur Hervorbringung von Bewegung (Gasmaschine) und zur
Erleichterung metallurgischer Operationen. In der Beschreibung sagt
er: Brennluft (inflammable air or vapour), welche durch Erhitzung
brennbarer Substanzen in Retorten erzeugt wird, wird in ein Gefäſs,
„Exploder“ genannt, geleitet, in welchem sie mit gewöhnlicher Luft
gemischt wird; wenn nun an die Mündung desſelben ein Licht gebracht
wird, so strömt ein ununterbrochener Strom Feuer aus derselben,
welcher in Öfen geleitet werden kann, um Erze damit zu schmelzen.
Man kann auch Wasser in den Exploder leiten, wodurch der Gas-
strom noch verstärkt wird.


Barber kombinierte dann seine beiden Erfindungen, die der
Reinigung durch Dampf und der Schmelzung mit Gas in einem
weiteren Patent von 1792. Steinkohle, Eisen- und andere Erze sollen
geschmolzen und gereinigt werden durch Dampf, Luft und Feuer, und
die erhaltene Masse dann mit Brennluft behandelt werden. Zu diesem
Zwecke werden Steinkohlen und Erz in einen Ofen gebracht und mit
einem Strom von Wasserdampf, Luft und zuweilen Ammoniak oder
anderer Reinigungsmittel behandelt. Man erhält ein gereinigtes Oxyd
(calx), manchmal schon geschmolzen. Man kann das Oxyd zu seiner
weiteren Reinigung heiſs in Wasser werfen. Das gereinigte Oxyd und
Kohle werden dann in einen Schmelzofen aufgegeben, in welchen man
Brennluft aus einer Retorte leitet, entweder allein oder mit Gebläse-
luft zusammen. Auf diese Weise sollte ein geschmeidiges Metall erhalten
werden. Ökonomisch war dieses Verfahren nicht, aber es ist von histo-
rischem Interesse als Vorläufer von Gasgeneratoren und Gasschmelzöfen.


Stahl Ende des 18. Jahrhunderts.

In der Stahlfabrikation hatte England durch die Erfindung
des Guſsstahls einen auſserordentlichen Vorsprung erlangt. England
lieferte den besten Werkzeugstahl. Es hielt diese Fabrikation so
geheim, daſs fast nichts davon in die Öffentlichkeit drang, deshalb
läſst sich auch nicht beurteilen, ob seit der Erfindung Huntsmans
Verbesserungen in dieser Fabrikation im Laufe des vorigen Jahr-
hunderts eingeführt worden sind.


[769]Stahl Ende des 18. Jahrhunderts.

Die Stahlcementieröfen zu Sheffield, wie sie Jos. Collier
1796 beschrieben und abgebildet hat 1), zeigen allerdings im Vergleich
mit den von Jars beschriebenen eine sorgfältigere Konstruktion. Sie
standen, wie die Glasöfen, in einer konischen Esse.


Der Schwede Broling bereiste England in den Jahren 1797,
1798 und 1799. Aus seinem Reisebericht 2), der erst 1817 erschien,
entnehmen wir nebenstehende Zeichnung eines englischen Guſsstahl-

Figure 233. Fig. 228.


ofens (Fig. 228). Eine Anzahl solcher Wind-
öfen (gewöhnlich 12) lagen an einem gemein-
schaftlichen Zugkanal, welcher in eine hohe
Esse mündete. Man legte die Öfen in der
Regel an einem Abhang an, um dadurch
den Zug noch zu verstärken. Der obere Kranz
des Schmelzofens lag im Niveau der Hütten-
sohle, um die Tiegel besser ausheben zu
können. Die Tiegel, welche 13 Zoll hoch,
oben 8 Zoll, unten 6 Zoll äuſseren Durch-
messer hatten, wurden aus dem vorzüglich
feuerfesten Stourbridge-Thon, den man
allein dafür geeignet hielt, hergestellt. Die
Tiegelmasse wurde aus 20 Teilen gebranntem und 9 Teilen unge-
branntem Thon gemischt und dann in eine guſseiserne Form ge-
schlagen, wie es Fig. 229 zeigt. a ist die eiserne Form, b die Kern-
form oder der Stempel von hartem Holz und c der Tiegel. Das

Figure 234. Fig. 229.


Besetzen der Tiegel geschah teils mit
einer Zange, teils mit einem Trichter.
In letzteren, dessen unteres Ende mit
einem Papierpfropfen verschlossen war,
wurden die kleinen Stahlbröckchen ein-
gefüllt. Wenn man denselben in den
glühenden Tiegel hielt, verbrannte das
Papier und die Füllung rutschte in
denselben. Als Brennmaterial dienten
Koks. Der Zuschlag eines Fluſsmittels geschah nur zum Schutz des
geschmolzenen Metalls, war aber durchaus nicht nötig. Huntsman
verwendete in seinem berühmten Guſsstahlwerk zu Attercliffe nur
Beck, Geschichte des Eisens. 49
[770]Stahl Ende des 18. Jahrhunderts.
schwedisches Dannemora-Eisen, und zwar nur von den mit beifolgenden
Stempeln versehenen Marken (Fig. 230). Die Tiegel wurden vorgewärmt,
dann mit 10 bis 12 Pfund chargiert, worauf noch 1 bis 1½ Stunden
der Rest der Beschickung eingetragen wurde. Nach 3½ Stunden
konnte man zum Guſs schreiten.


Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts versuchte man auch in
den übrigen Ländern Europas die Guſsstahlfabrikation einzuführen,
jedoch ohne besonderen Erfolg. Am bemerkenswertesten sind in dieser
Beziehung die Anstrengungen, welche in Frankreich, namentlich zur
Zeit der französischen Republik, gemacht wurden. Clouet und Chalut

Figure 235. Fig. 230.


stellten im Jahre 1788
Versuche an, welche
Aufsehen erregten. Sie
wurden dabei geleitet
von der neuen Theorie,
welche Vandermonde, Berthollet und Monge aufgestellt hatten, und
durch den sensationellen Nachweis Guyton de Morveaus, welcher Stahl
durch Zusammenschmelzen von reinem Eisen und Diamant dargestellt
hatte 1), wonach also Stahl reines Schmiedeeisen mit höherem Kohlenstoff-
gehalt sei. Ihre Absicht war, dem Schmiedeeisen Kohlenstoff direkt im
Schmelztiegel zuzusetzen und dadurch den langwierigen Cementations-
prozeſs zu vermeiden. Sie setzten 1 Pfund Schmiedeeisen von Berry mit
einer abgewogenen Menge von 1/64 des Gewichtes des Eisens Kohlen-
stoff und mit einer bestimmten Menge Glas als Fluſsmittel und Schlacke
in einen Schmelztiegel ein und schmolzen in starker Hitze. Das
Produkt war nach ihrer Angabe Stahl, der sich anfangs schwierig
bearbeiten lieſs, nach einigem Schmieden aber weich wurde und sich
zu feinem Stahldraht ausziehen lieſs. Clouet setzte später diese
Versuche allein fort, legte deren Ergebnisse dem Nationalinstitut vor
und veröffentlichte sie 2). Er erhielt angeblich Stahl 1. aus Schmiede-
eisen mit 1/32 seines Gewichtes an Kohle, 2. aus Eisen, Glas und Kohle
(1/20 bis 1/30), 3. aus 1 Tl. Eisenoxydul (d. h. Oxyduloxyd) und 1½
[771]Stahl Ende des 18. Jahrhunderts.
bis 2 Tln. Kohlenstaub nach dem Volumen, 4. aus 1 Tl. Eisenoxydul
und 4 Tln. grauem Roheisen, 5. aus 3 Tln. Stabeisen, 1 Tl. kohlensaurem
Kalk und 1 Tl. gebranntem Thon, besonders solchen von alten Schmelz-
tiegeln. Er führte auſserdem Stahl in den Zustand des Eisens zurück,
indem er 1 Tl. Oxydul und 6 Tle. Stahl zusammenschmolz. Der
Stahl wird nach Clouet schon durch bloſses Glühen von Stahl-
plättchen in Eisenoxydul wieder zu Eisen.


Von diesen Versuchen erregte der unter 5. angeführte, wonach
Guſsstahl durch Zusammenschmelzen von weichem Eisen mit kohlen-
saurem Kalk und Thon, ohne Zusatz von Kohlen, entstehen sollte, die
gröſste Aufmerksamkeit.


Clouet selbst und das Institut legten den gröſsten Wert auf den-
selben und man wiederholte die Versuche in der Probieresse des Conseil
des mines, im Laboratorium der polytechnischen Schule und in dem
Windofen der Pariser Münze, indem man 3 bis 4 kg kleiner eiserner
Nägel mit den Zusätzen der Hitze aussetzte. Man erhielt in allen
Fällen bei einer Temperatur von 150° Wedgwood eine flüssige Masse,
welche man in eine Gieſsform laufen lieſs und welche vollkommen
dem Guſsstahl ähnlich war. Der Pariser Messerschmied Petitvalle
probierte dieselbe und erklärte sie von gleicher Güte wie echter
Huntsman- und Marshall-Stahl.


Die zur Stahlwerdung nötige Menge Kohlenstoff sollte hierbei
nach Clouet durch Zerlegung der Kohlensäure des Kalks erzeugt
werden. Diese Säure werde durch das Schmelzen mit Thon von dem
Kalk entbunden. Das Eisen übe aber auf die Kohlensäure eine dop-
pelte Wirkung, es bilde mit dem Sauerstoff derselben Oxydul, welches
sich in der Schlacke auflöse, und das übrige Eisen verbinde sich mit
dem Kohlenstoff zu Stahl. Theoretisch schien diese Erklärung nach
dem damaligen Stande der Wissenschaft durchaus begründet und so
acceptierte man sie in Frankreich und legte Clouets Erfindung groſse
Wichtigkeit bei. Mushet in England wies aber nach, daſs man das
gleiche Resultat erhalte, wenn man statt rohem Kalk gebrannten
Kalk nehme, daſs also die Kohlung nicht durch die Kohlensäure, son-
dern durch Kohlengase, die aus dem Brennmaterial sich entwickelten
und in den Tiegel eindrangen, bewirkt wurde. Dadurch wurde sogar
der Fundamentalversuch Guytons und Clouets mit dem Diaman-
ten zweifelhaft. Clouets hochgepriesene Erfindungen hatten nicht
den Erfolg, den man erwartete, sie sind aber von geschichtlicher
Bedeutung, weil sie viele Erörterungen und Untersuchungen veranlaſs-
ten, welche zur Aufklärung über den Guſsstahlprozeſs führten und
49*
[772]Stahl Ende des 18. Jahrhunderts.
weil sie den Ausgangspunkt für Mushets wichtigere Entdeckungen
bildeten.


Clouets Versuche trugen auch wesentlich zur Bekräftigung der
neuen Theorie, daſs die Eisensorten nur verschiedengradige Kohlen-
stoffverbindungen seien, bei. Er wollte durch direkte Synthese
gefunden haben, daſs Stahl entstehe, wenn man Schmiedeeisen mit
1/32 seines Gewichtes Kohle zusammenschmelze, daſs es mit ⅙ Kohle
eine Art Stahl gäbe, die kaum mehr schmiedbar sei und daſs weiterer
Kohlenzusatz das Eisen in Roheisen verwandle. Die schönen Ergeb-
nisse seiner Versuche verdarb aber Clouet wieder durch seine falschen
Theorieen. Auſser der oben erwähnten, von der kohlenden Wirkung
der Kohlensäure, behauptete er nämlich ferner, daſs sich das Glas
mit dem Eisen verbinde oder legiere und den gröſsten Einfluſs auf
seine Eigenschaften ausübe. Das Glas vereinige sich allerdings nur in
sehr geringer Menge mit dem Eisen. Solches glashaltige Eisen lieſse
sich noch ganz gut von der Feile angreifen, zerfliege aber schon bei
Kirschrotglut unter dem Hammer. Nach dem Ausgieſsen in die Form
ziehe es sich stark zusammen, und dünn ausgeschlagen zeige es nach dem
Ablöschen das Korn des Stahls und werde spröde, ohne härter zu werden.


Nicht nur das metallische Eisen, sondern auch die Oxyde des Eisens
lieſsen sich nach Clouet durch Vermischen mit bestimmter Menge
Kohle in Schmiedeeisen, Stahl oder Stabeisen verwandeln. Das schwarze
Eisenoxyd (Magneteisen) werde Eisen, wenn man es mit einer gleichen
Raummenge Kohlen im Tiegel behandele; mit der doppelten Menge
Kohle werde es Stahl und mit noch gröſseren Mengen Kohle erhielte
man weiſses und graues Roheisen. Eben dieselben Übergänge beob-
achtete Clouet bei der Behandlung von verschiedenen Mengen von
Roheisen und Eisenoxyd, von Roheisen und geschmeidigem Eisen, von
Eisenoxyd und Eisen und Eisenoxyd und Stahl. Nach Clouet wäre
⅕ Roheisen hinreichend, um Eisen in Stahl zu verwandeln. Umge-
kehrt bringe ⅙ Eisenoxyd gewöhnlichen Stahl in den Zustand des
Eisens zurück, wenn man beide im Schmiedefeuer oder durch Cemen-
tation behandele.


Weitere Versuche Clouets beziehen sich auf die Herstellung des
damascierten Stahls. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts hatte
der indische Wootzstahl in England und der orientalische Damascener-
stahl in Frankreich und den übrigen Staaten des Kontinents die
Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Das Interesse für denselben wurde
noch dadurch erhöht, daſs die Türkei die Ausfuhr des echten
Damascenerstahls bei Todesstrafe verboten hatte. Damascenerklingen
[773]Stahl Ende des 18. Jahrhunderts.
nachzumachen wurde namentlich in Frankreich als eine bedeutsame
Aufgabe der Stahlindustrie angesehen, welcher sogar eine volkswirt-
schaftliche Bedeutung beigelegt wurde. Perret hatte schon 1779 in
seiner Mémoire sur l’acier die Herstellung der Damastklingen genau
beschrieben und bereits ganz richtig zwischen künstlichem und eigent-
lichem Damast, der aus Persien komme und eine Art Guſsstahl sei,
unterschieden.


Clouet hatte versucht, seinen Guſsstahl zu Säbelklingen zu ver-
arbeiten und es gelang ihm im weiteren Verfolg dieser Versuche,
schöne damascierte Klingen herzustellen. Die Klingen erregten allge-
meine Bewunderung und Clouet wurde vom Wohlfahrtsausschuſs auf-
gefordert, seine Kunst, damascierte Klingen zu machen, öffentlich
zum Druck zu geben. Dieses Werk erschien aber erst nach seinem
1801 auf einer wissenschaftlichen Reise nach Cayenne eingetretenen
Tode. Wir entnehmen der ausführlichen Abhandlung 1) folgendes.
Die Kunst, gemusterte Klingen zu verfertigen, besteht darin, daſs man
Stäbe von verschiedener Gestalt, von Eisen und Stahl oder bei feinen
Klingen nur von verschiedenen Stahlsorten zusammenschweiſst. Je
feiner das Material, je mehr behält es seine Eigenschaften, je schärfer
treten die Zeichnungen später hervor. Die Kombinationen sind zahl-
los. Der Stahl soll immer raffiniert sein. Die einzelnen Streifen,
aus denen man die Pakete bildet, sollen höchstens 2 mm dick sein
und etwa 25 mm breit. Man muſs wenigstens 30 Streifen zusammen-
schweiſsen, was aber auch erreicht wird, wenn man ein Bündel von
zwölf Streifen schweiſst und ausschmiedet, die Stange in drei Stücke
zerschneidet, diese aufeinanderlegt und von neuem schweiſst und reckt.
Damit jede Stahlsorte ihre Natur behalte, ist sehr vorsichtiges Erhitzen
beim Schweiſsen nötig und muſs Schweiſsen und Schmieden bei mög-
lichst geringer Hitze geschehen. Die Schweiſsung erfolgt am besten
in der Richtung der Sehne, deshalb legt man die Stäbe der Länge
nach zusammen und bringt die Windungen durch Drehen und Wickeln
hervor. Die gedrehten ausgeschmiedeten, aus Bündeln zusammen-
gesetzten Stäbe kann man in der Mitte spalten. Zu dem Zweck pflegt
man den gewundenen Stab glatt auszuschmieden, so daſs er doppelt
so breit als dick ist, und ihn dann zu spalten. Diese gespaltenen
Stäbe kann man umkehren und wieder zusammenschweiſsen. Es lassen
sich aber auch bei parallelen Blättern ohne Drehung Zeichnungen her-
[774]Stahl Ende des 18. Jahrhunderts.
stellen, wenn man einzelne Zwischenlagen nach Mustern ausschneidet
und einschweiſst oder wenn man die Zeichnungen mit dem Grabstichel
eingräbt, die dann beim Schweiſsen teilweise ausgefüllt werden. Ein
drittes Verfahren ist, sie nach Mosaikart zusammenzusetzen. Hierzu
legt man die Stäbe, welche das Dessin bilden sollen, nebeneinander,
schweiſst dieselben zusammen, sägt sie dann rechtwinklig zur Achse durch
und schweiſst die so erhaltenen flachen Plättchen auf die Klinge auf.
Dies Verfahren wendet man nur dann an, wenn eine gewisse Zahl gleicher
Figuren in regelmäſsigem Abstande sich wiederholen sollen. In diesem
Mosaikdamast hat Clouet besonders schöne Arbeiten hergestellt.


In ähnlicher Weise hat auch Hermann Versuche zur Nachahmung
orientalischer Klingen mit gutem Erfolg angestellt 1).


Um diese Zeit, Anfang der 90 er Jahre, wurde der Wootzstahl
der Indier zuerst in Europa bekannt. Durch seine groſse Härte und
Festigkeit zog er die Aufmerksamkeit auf sich. George Pearson
war es, der den indischen Wootzstahl zuerst untersuchte und das
Ergebnis seiner Untersuchungen 1795 der Royal Society in London
mitteilte 2). Seine Prüfung war sehr genau, aber mehr eine physi-
kalische als eine chemische. Er fand, daſs es ein sehr harter Guſsstahl
sei, der dem weiſsen Roheisen schon nahe komme. Er lieſs sich noch
härten, aber nur wenig, und verhielt sich auch nach dem Glühen noch
hart gegen die Feile, nahm ausgezeichnete Politur an und war schwerer
schmelzbar als Roheisen. Salpetersäure hinterlieſs auf der polierten
Oberfläche einen schwarzen Fleck; in verdünnter Schwefelsäure gelöst,
hinterlieſs er soviel Kohlenstoff wie Stahl. Pearson, der über die
Herstellung des Wootz keine Nachrichten hatte, stand nicht an, aus
seinem Verhalten zu schlieſsen, daſs er unmittelbar aus den Erzen
geschmolzen worden sei und sich niemals im Zustande des Schmiede-
eisens befunden habe, denn die Stahlkuchen stellten offenbar einen
geschmolzenen Metallkönig dar und das Bruchansehen deutete eben-
falls auf die erfolgte Schmelzung der Masse.


Feine Stahlwaren von vorzüglicher Politur lieferte England
am besten. Die berühmteste Fabrik der Art war die zu Soho
bei Birmingham von Boulton, Watt und Fothergill, welche
besonders durch ihre vorzüglichen Maschineneinrichtungen hervor-
[775]Stahl Ende des 18. Jahrhunderts.
ragte, indem die Arbeiten mit Schmiede-, Preſs-, Stampf-, Dreh-,
Schleif- und Poliermaschinen, welche selbst wieder durch Dampf-
maschinen in Bewegung gesetzt wurden, ausgeführt wurden. Stahlknöpfe
und stählerne Uhrketten gehörten zu den wichtigsten Artikeln. Auſser
Birmingham lieferten Wolverhampton und Woodstock vortreffliche
Waren dieser Art. Indessen wurden die Knöpfe nicht aus Stahl,
sondern aus schwedischem Eisen hergestellt und erhielten erst, nach-
dem sie façonniert waren, eine Einfalzhärtung, worauf sie geschliffen
und poliert wurden.


Um zu erkennen, ob eine Ware aus Stahl oder aus Eisen gefertigt
sei, was besonders bei Waffenlieferungen von Wichtigkeit war, bediente
man sich gewisser Proben. Der Wohlfahrtsausschuſs der franzö-
sischen Republik hatte folgende Stahlprobe öffentlich bekannt gemacht:
Wenn man einen Tropfen Salpetersäure auf eine Klinge von poliertem
Eisen fallen läſst und nach einigen Minuten Wasser darauf gieſst, so
nimmt dieses die Säure und alles Aufgelöste weg und es bleibt nur
ein weiſser, eisenfarbiger Fleck zurück. Wird aber dieser Versuch
auf einer Klinge von poliertem Stahl gemacht, so greift die Säure
zwar auch die Eisenteile an, sie wirkt aber nicht auf die Kohle
des Stahls und diese setzt sich während der Auflösung ab, so daſs
ein schwarzer Fleck zurückbleibt, den das Wasser nicht wegnimmt
und der sehr dauerhaft ist, weil er fest mit dem Stahl zusammenhängt.


Hartley in London nahm am 9. Juni 1789 ein Patent, die
Stahlhärtung unter Anwendung eines Pyrometers und Quecksilber-
thermometers auszuführen. Er hatte die besten Temperaturen zur
Härtung zwischen 400 bis 600° Fahrenheit gefunden und stellte
folgende Skala der Anlauffarben für die Stahlhärtung auf:


  • Fahrenheit Celsius
  • 430° = 221°. Sehr blaſsgelb, für Lancetten geeignet.
  • 450° = 232°. Strohgelb, für chirurgische Instrumente und Rasier-
    messer.
  • 470° = 243°. Glänzend gelb, für Federmesser.
  • 490° = 254°. Braun, für Meiſsel und Werkzeuge zum Eisen-
    schneiden.
  • 510° = 265°. Braun mit Purpurflecken, für Achsen und Hobel-
    eisen.
  • 530° = 277°. Purpur, für Tafelmesser und groſse Meiſsel.
  • 550° = 288°. Hellblau, für Schwerter und Uhrfedern.
  • 560° = 293°. Tiefblau, für feine Sägen, Dolchklingen u. s. w.
  • 600° = 315°. Fast schwarzblau, für Handsägen.

[776]Stahl Ende des 18. Jahrhunderts.

Stodart1) fand 450° F. als die richtigste Temperatur für das
Härten von Federmessern.


Die Schwierigkeit, welche das Zusammenschweiſsen von Guſsstahl
und Eisen darbot, wollte Thomas Frankland durch ein von ihm
erfundenes Verfahren überwinden 2). Es bestand dies darin, Eisen
und Stahl, welche zusammengeschweiſst werden sollten, in getrennten
Feuern zu erhitzen und dabei dem Stahl eine schwächere Hitze zu
geben als dem Eisen. Stahl erhitzt sich rascher im Feuer wie Eisen und
schweiſst bei niedrigerer Temperatur. Wollte man beiden zusammen
die Schweiſshitze geben, wie dies meist geschah, so würde Stahl ver-
brennen, ehe das Eisen seine richtige Schweiſshitze erlangt hat. Dies
ist der Grund für obiges Verfahren.


Bei feinen und kurzen Sachen gab man erst dem Eisen und Stahl
Gestalt und Umfang, wie es das fertige Stück erforderte. Bei langen
Gegenständen, wie Sensen u. dergl., bei denen nur eine Stahlschneide
verlangt wurde, schmiedete man dagegen zwei entsprechend lange
Streifen aus, schweiſste sie zusammen und schmiedete erst dann die
Form aus. Glatte Stahlwalzen beschleunigten und beförderten dieses
Verfahren, indem man die Stäbe, Bleche u. s. w. erst auf Länge,
Breite und Dicke ausschmiedete und hierauf für sich durch die an-
gewärmten Cylinder laufen lieſs; dann beide Streifen schweiſswarm
aufeinanderlegte und zusammen die Walzen passieren lieſs, wobei die
Schweiſsung leicht und vollständig erfolgte, wenn die Hitze die richtige
war. Auf ähnliche Art konnte man auch schon fertigen Instrumenten
ein Stahlblatt auf das schnellste auflegen. Da dies bei groſsen Stücken,
z. B. bei Walzen, nicht anging, so schlug Frankland vor, erst den
inneren Teil derselben, d. h. die ganze Form abzüglich der Stahl-
stärke, aus Guſseisen zu gieſsen, diesen Kern dann in eine Lehm-
form einzusetzen, zu erhitzen und dann den Stahl darum zu gieſsen.
Sollte die Walze eine sehr starke Achse haben, stärker als sie aus
Guſseisen hergestellt werden kann, so fertigte man dieselbe vorher
aus Schmiedeeisen und goſs erst mit Guſseisen den inneren Walzen-
körper darum und hierauf dann den Stahl (compound metal!). — Die
Verstählung durch Verschmelzung sollte sich auch bei vielen kleinen
Gegenständen mit Vorteil anwenden lassen.


[777]Stahl Ende des 18. Jahrhunderts.
Verarbeitung von Eisen und Stahl.

Es würde zu weit führen, die Geschichte der zahlreichen Eisen-
verarbeitungen im einzelnen schildern zu wollen. Wir müssen uns
auf kurze Notizen über einige derselben beschränken. Die Ver-
wendung von Schmiedeeisen zu Baukonstruktionen war im vorigen
Jahrhundert noch sehr gering. Öfter wendete man hierfür schon
Guſseisen an, namentlich in England. Die erste bekannte selbständige
Deckenkonstruktion von Schmiedeeisen rührte von dem französischen
Baugeschworenen Ango her, der 1785 in einem Hause zu Boulogne
Decken mit Hülfe eines Eisengerippes, bestehend aus mehreren durch
Querstäbe miteinander verbundenen gesprengten Flacheisenträgern,
hergestellt hatte. Diese wurden von einer besonderen Kommission
der Pariser Akademie geprüft und vortrefflich befunden. Die Kon-
struktion fand Nachahmung. Ango war auch der erste, der in
Frankreich schmiedeeiserne Dachstühle konstruierte, worin ihm
Labarre nachfolgte.


Über die Verwendung von Guſs- und Schmiedeeisen zum Brücken-
bau haben wir bereits berichtet, ebenso über die Verwendung von
Schmiedeeisen zu Grubenseilen. Kettentaue statt der Hanfseile für
Schiffe zu verwenden, hatte Philipp White in England 1634 zuerst
vorgeschlagen, desgleichen Collin Mackenzie 1791.


W. Hancock zu Birmingham stellte 1790 die Kettenglieder aus
Draht dar. Sonst waren in England gegossene Ketten um diese Zeit
vielfach in Gebrauch.


Schlosser beschäftigten sich vielfach mit der Herstellung eiserner
Geländer, Balkone u. s. w. Dieselben wurden zuweilen aus Blech aus-
gehauen (balcons à tole ciselée). Die Schlösser selbst erfuhren eine
wichtige Verbesserung durch Regniers Mahlschloſs (cadenat à rou-
leaux). Derselbe erfand auch die Schlüssellochdeckel (cache-entrée).
In Deutschland hatte Freytag zu Gera schon in der ersten Hälfte des
18. Jahrhunderts die dreimal schlieſsenden runden Schlösser, welche in
der Folge fälschlich französische Schlösser genannt wurden, angefertigt.
Künstliche Kombinationsschlösser erfanden 1778 Boissier und der
Prinz von Beaufond in Frankreich und Robert Barron in England.
1784 trat Bramah mit seinem berühmten Sicherheitsschloſs auf.


Weitere Angaben werden bei den einzelnen Ländern folgen.


[778]Die gewerblichen Verhältnisse.
Die gewerblichen Verhältnisse.

Die gewerblichen Verhältnisse standen im 18. Jahrhundert
im allgemeinen noch unter dem Zunftzwang, wenn dieser sich auch
in den verschiedenen Ländern verschieden entwickelt hatte. Die
Stellung der Zünfte hatte sich seit dem 30 jährigen Kriege wesent-
lich dadurch verändert, daſs die landesherrliche Bevormundung eine
viel stärkere geworden war. Während die Zünfte ihren Ursprung in
dem freiwilligen Zusammenschluſs der gleichartigen Gewerbetreibenden
zum Schutz und gegenseitiger Unterstützung und Förderung hatten,
ging diese Unabhängigkeit bei dem fortschreitenden Verfall der Zünfte
mehr und mehr verloren. Sie suchten Schutz und materielle Unter-
stützung bei der Obrigkeit, so daſs sich allmählich die Vorstellung
ausbildete, daſs auch ihre Rechte nur von der Obrigkeit oder der
Landesherrschaft verliehen seien. Diese Auffassung begünstigten die
Regierungen, so daſs sie sich allmählich zu einer festen Lehre
gestaltete. Auch gaben die Zünfte durch ihr Benehmen, welches
immer exklusiver wurde, der Regierung oft genug Grund zum Ein-
schreiten, zur Prüfung und schlieſslich auch zur Abänderung ihrer
Satzungen. Der sittliche Wert der Zünfte war schon seit langer Zeit
im Schwinden und war im 30 jährigen Kriege ganz verloren gegangen.
Kastengeist, Gewinnsucht, Eitelkeit, Wichtigthuerei, engherzige Exklu-
sivität, Konkurrenzfurcht, Brotneid und Engherzigkeit waren an die
Stelle der alten Bürgertugenden, welche das Handwerk im Mittel-
alter ausgezeichnet hatten, getreten. Die alten Zunfteinrichtungen
dienten nur noch dazu, einer kleinen Zahl privilegierter Familien in
einzelnen Städten eine sichere Existenz zu schaffen 1). Der Zunft-
zwang diente nur noch als ein Mittel, Unzünftige auszuschlieſsen. Das
Meisterrecht wurde zu einem Gegenstand des Verkaufs gemacht. Die
Geschlossenheit der Zunft, d. h. die Beschränkung auf eine bestimmte
Zahl von Meistern, womöglich die gänzliche Sperrung wurden als
Privilegium erstrebt. Der Arbeitsfleiſs verschwand und mit ihr die
Geschicklichkeit und Kunstfertigkeit, welche vordem der Ruhm
der deutschen Meister gewesen war. Solche Zustände muſsten natür-
lich Gegenstand fortwährender Klagen werden. Die Handwerks-
miſsbräuche abzustellen, war eine unaufhörliche Sorge der Regierungen.
[779]Die gewerblichen Verhältnisse.
Wo dieselbe stark genug war, dem Widerstande der Zünfte erfolgreich
gegenüber zu treten, bildete sich immer bestimmter die Vorstellung
aus, daſs die Zunftrechte vom Staat verliehene Privilegien seien.
Sowohl einzelne Fürsten als der Reichsschluſs von 1731 erwogen
ernstlich die Aufhebung der Zünfte. Auch privilegierte der Staat
unzünftige Handwerker als Freimeister und die Zunft muſste sich
diese unzünftigen Meister gefallen lassen. Durch eingehende, weit-
läufige Gesetze wurden die Zünfte reglementiert und einer ständigen
Überwachung unterstellt. Von Obrigkeits wegen wurden jetzt die
Bedingungen für die Aufnahme in die Zunft festgesetzt und das
Lehrlingswesen geordnet; in gleicher Weise wurde das Gesellenwesen
gesetzlich geregelt und die Meisterprüfungen wurden unter Kontrolle
der Staatsbehörde abgehalten.


Neben dem zünftigen Handwerk entwickelten sich immer neue
nicht zünftige Gewerbe, welche namentlich die industriellen Arbeiter,
die Fabriken umfaſsten. Die merkantilistischen Grundsätze, nach
welchen die Regierungen das Gewerbewesen leiteten, bezweckten die
Industrie des eigenen Landes von der des Auslandes unabhängig zu
machen, ihr den inländischen Markt zu sichern und die Ausfuhr der
einheimischen Erzeugnisse zu befördern. Um ersteres zu erreichen,
gründeten die Fürsten Staatsfabriken und zogen fremde Künstler in
das Land. Die Einfuhr fremder Produkte wurde durch Zölle erschwert.
Diese Bevormundung führte aber besonders bei der Zersplitterung
Deutschlands und der Kleinstaaterei zu einer Unterdrückung der
Bewegungsfreiheit und zur Hemmnis des gewerblichen Fortschritts,
namentlich der Groſsindustrie, und so fand dann der Ruf nach
Gewerbefreiheit, welchen Adam Smith in England laut und mit
überzeugender Begründung erhoben hatte, in allen industriellen
Staaten Anklang.


In Österreich suchten Maria Theresia und Joseph II. den
Gewerbefleiſs und das aufkeimende Fabrikwesen durch zahlreiche
Specialbestimmungen von den Fesseln der Zunft zu befreien. Viele
unzünftige Gewerbe wurden zugelassen. Die Hof-Verordnung von
Nieder-Österreich zählt bereits 37 Gewerbe auf, welche für unbedingt
frei erklärt worden waren. Ganz allgemein wurden aber die Fabriken
von dem Zunftzwange befreit.


In Frankreich ging man noch entschiedener vor. Dort hatte
im 17. Jahrhundert der groſse Minister Colbert zugleich mit der
Volkswirtschaft das ganze Gewerbewesen reformiert. Als er die
Leitung der Regierung übernahm (1661), war die französische Industrie
[780]Die gewerblichen Verhältnisse.
hinter der anderer europäischer Staaten zurück. Er wollte durch
eine neue Gewerbepolitik die Gewerbe heben, Frankreich von seiner
Abhängigkeit auf industriellem Gebiet befreien und es zu einem
exportierenden Staat machen. Er glaubte dies nur erreichen zu
können durch unmittelbares Eingreifen, durch eine strenge staatliche
Bevormundung der Industrie und durch weitgehende Staatsunter-
stützung. Er begann seine Reform der Industrie 1665 durch die
obrigkeitliche Regelung des Textilgewerbes, welcher die Reform der
übrigen Industriezweige folgte. Die Reglementierung erstreckte sich
auf Anlagen der Fabriken, Betrieb, Erzeugnisse, kurz auf alle Einzel-
heiten und sollten vor allem die Herstellung guter Ware sichern.
Zur Durchführung seiner Vorschriften schuf Colbert eine groſse
Organisation von Fabrikinspektoren. Viele neue Industriezweige wurden
eingeführt. Auch die Metallindustrie suchte er zu heben. Haupt-
sächlich förderte er aber das Kunstgewerbe, für welches seit jener
Zeit Paris der Vorort wurde. Das Handwerk organisierte er zünftig.
Die Zünfte sollten aber ganz von der Obrigkeit abhängig, selbst
obrigkeitliche Organe, staatliche Polizeianstalten sein. Colberts
Erfolg war groſs. Seine Regierungszeit (1661 bis 1683) bildet eine
Glanzperiode des französischen Gewerbewesens. Aber sie dauerte nicht
länger als er lebte. Die Aufhebung des Edikts von Nantes unmittel-
bar nach seinem Tode, welche Hunderttausende der geschicktesten
Arbeiter und Künstler aus dem Lande trieb, bereitete ihr ein jähes
Ende. Dazu kamen schwere Kriege und die Verschwendung des Hofes.
Colberts Bevormundungssystem wirkte in den ungeschickten Händen
seiner Nachfolger nur schädlich. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts
kamen die Anschauungen der Physiokraten, welche absolute Gewerbe-
und Handelsfreiheit als die wahre Staatsweisheit verkündigten, zur
Geltung. Zur Herrschaft gelangte diese Richtung, als Turgot 1774
Minister wurde.


Im Februar 1776 erlies er, im Widerspruch mit dem Parlament,
sein berühmtes Edikt, welches die Zünfte aufhob und die Gewerbe-
freiheit einführte. Während man bis dahin das Recht auf Erwerb
aus gewerblicher Arbeit als ein vom Staat oder von der Krone ver-
liehenes Recht angesehen hatte, stellte er dasſelbe als ein natürliches
Recht jedes Menschen hin. Es ist nicht Zufall, daſs in demselben
Jahre Adam Smiths epochemachendes Werk über den Reichtum der
Nationen (Inquiry into the nature and causes of the Wealth of Nations.
London 1776) erschien. Adam Smith hatte sich vordem in Frank-
reich aufgehalten und Turgot war ein begeisterter Anhänger seiner
[781]Die gewerblichen Verhältnisse.
radikalen Ideen. Das Recht auf Arbeit erklärte Turgot für den
heiligsten Besitz 1). Jedes Gesetz, welches dawider streite, sei als
Verletzung des Naturrechtes ipso facto nichtig; die Zünfte grotesk
und tyrannisch, ein Ergebnis der Selbstsucht, Habgier und Gewalt.
Natürlich jubelten die Arbeiter über das neue Gesetz. Mit solch
revolutionären Grundsätzen lieſs sich aber nicht lange in einem
monarchischen Staate regieren, schon nach sechs Monaten erfolgte
Turgots Sturz und die geschlossenen Zünfte thaten sich wieder auf.
Allerdings verschwanden von den 110 aufgehobenen Zünften 21 dauernd,
die übrigen schlossen sich zu 44 Verbänden zusammen. Auch dieser
Zustand dauerte nicht lange; die französische Revolution brach
aus und am 17. Juni 1791 schaffte die konstituierende National-
versammlung die Zünfte von neuem ab. Nach diesem Vorgehen
Frankreichs strebten auch in den anderen Kontinentalstaaten die
freisinnigen Geister nach Gewerbefreiheit.


In England bestand diese in der Praxis schon lange. Das Zunft-
wesen hatte dort nie die starre Form angenommen wie auf dem
Kontinent. Der Grund lag zum groſsen Teil darin, daſs die Gewerbe
lange zurückgeblieben und die Könige gezwungen waren, fremde
Arbeiter und Künstler in das Land zu ziehen. Erst seit der Herr-
schaft der Tudors, seit Heinrich VII. (1485 bis 1509) und Heinrich VIII.
(1509 bis 1547) trat das Bestreben hervor, die nationale Arbeit zu
schützen, die heimische Produktion zu heben. Eine Menge einzelner
Monopole und Privilegien wurden erteilt. Eine eigentliche Gewerbe-
ordnung erlieſs aber erst Königin Elisabeth durch die sogenannte
„Lehrlingsakte“ 1562. Die Hauptbestimmungen derselben waren, daſs
keiner ein Gewerbe, welches technische Geschicklichkeiten erforderte,
betreiben durfte, der nicht sieben Jahre in der Lehre gewesen war.
Wer in die Lehre treten wollte, durfte noch nicht 21 Jahre alt sein
und seine Eltern muſsten einiges Vermögen besitzen. Die Zahl der
Lehrlinge gegenüber den Gesellen war bestimmt. Niemand durfte
einen Gesellen auf weniger als ein Jahr dingen mit gegenseitiger
vierteljähriger Kündigung. Die Arbeitszeit war festgesetzt auf zwölf
Stunden im Sommer und auf die Zeit von Tagesanbruch bis Sonnen-
untergang im Winter. Der Lohn sollte jährlich von Friedensrichtern
und Stadtmagistraten auf einer allgemeinen Sitzung nach Ostern fest-
gesetzt werden. Dieselben Behörden sollten auch Streitigkeiten zwischen
Meistern und Lehrlingen schlichten und die letzteren beschützen.
[782]Die gewerblichen Verhältnisse.
Obgleich diese Bestimmungen viel liberaler waren als die Zunft-
vorschriften in Deutschland, so wurden sie doch als lästiger Zwang
empfunden. Deshalb legte man sie später dahin aus, daſs sie nur
Gültigkeit für diejenigen Städte und Flecken mit Korporationsrechten,
welche vor 1562 bestanden hätten, beanspruchen könnten. Im Laufe
des 16. Jahrhunderts waren viele Privilegien und Monopole an ein-
zelne verliehen worden, gegen den Willen des Volkes. Diese Ver-
leihungen waren einträglich für die Krone. Als nun Jakob I. eben-
falls viele derartige Vorrechte gegen Abgaben an ihn selbst erteilte,
erhob sich das Parlament gegen diesen Miſsbrauch und setzte das
wichtige Statut von 1623 durch, welches alle bisher erlassenen oder
künftig zu erlassenden Bewilligungen, Charters und Patentbriefe für
Alleinverkauf oder Vorkauf, Verfertigung von Gewerbserzeugnissen,
Arbeit oder Gebrauch irgend eines Gegenstandes mit Monopolrecht
(auſser einigen ausdrücklich genannten Erfindungspatenten) für null
und nichtig erklärte und jede neue Monopolverleihung von der
Bewilligung des Parlaments abhängig machte.


Seit jener Zeit entwickelte sich erst das geordnete englische
Patentwesen, welches für die Industrie von so groſser Bedeutung
wurde. Weniger durch Gesetz als durch die Praxis wuchs von da
ab immer mehr in England die Gewerbefreiheit. In dem Kampf
zwischen Handwerk und Industrie, zwischen Klein- und Groſsbetrieb,
zwischen den Vertretern einer über die bestehenden Gesetze hin-
ausgehenden Gewerbefreiheit und den Verteidigern des diese ein-
schränkenden bestehenden Rechts verhielt sich die Staatsgewalt
in der Regel passiv und beförderte mit dieser Politik des laisser faire
die Entwickelung der englischen Groſsindustrie. Die gewerbliche
Bedeutung der Zünfte verschwand fast völlig. Nur die Messerschmiede
von Sheffield hielten an ihrer Zunftverfassung fest. Sie bildeten eine
Innung unter dem Namen the company of cutlers of Hallamshire.
Ihr Reglement von 1625 wurde noch 1791 erneuert und verbessert.
Es durfte keiner eine Fabrik haben, auch keine Waren fabrizieren
lassen, der nicht sieben Jahre in der Lehre gestanden und sein
Meisterstück zur Schau ausgestellt hatte. In Birmingham kannte man
diese Beschränkungen damals nicht mehr. Wesentlich trugen zu
der freisinnigen Entwickelung die Lehren von Adam Smith (1723
bis 1790), des Gründers des Industriesystems in der Volkswirtschaft,
bei. Dieser erklärte die Arbeit für die Quelle des Vermögens und
den Staat für verpflichtet, alle Hindernisse, welche der Entwick-
lung des Gewerbefleiſses im Wege ständen, zu beseitigen.


[783]Die gewerblichen Verhältnisse.

Diese freisinnigen Anschauungen kamen hauptsächlich der Industrie
zu gute, welche sich frei und ungestört in England entfalten konnte
und schon dadurch einen groſsen Vorsprung vor der bevormundeten,
polizeilich beaufsichtigten und eingeschränkten Industrie der Konti-
nentalstaaten gewann.


In der Eisenindustrie war die Einteilung der Arbeit, die Zahl der
Arbeiter und ihre Pflichten, so lange man nur die alten Holzkohlen-
hütten und den Frischbetrieb kannte, in allen Ländern ziemlich gleich.


Bei einer Hochofenhütte bestanden die Arbeiter aus dem Hoch-
ofenmeister und seinem Gesellen oder Knecht, der ihn ablöste, und
zwei bis drei Hülfsarbeitern. Der Meister hatte die Zustellung des
Ofens zu besorgen, bestimmte meistens auch den Satz, besorgte das
Abstechen der Schlacken und des Eisens, das Reinigen des Gestelles
und der Form, den Gang der Blasebälge u. s. w. Die Aufgeber
besorgten das Einschütten der Kohlen und des Eisensteins oben in
die Gicht des Ofens; der Pocher besorgte das Pochen des Eisensteins
und der Schlacken zur Gewinnung des Wascheisens, auch hatte er
meistens das Rösten der Erze noch unter sich. Der Kohlenmesser
bediente da, wo Hämmer mit dem Hüttenwerk verbunden waren,
gewöhnlich diese mit. Der Eisenmesser hatte die von den Gruben
angefahrenen Erze und ebenso die Zuschläge in Empfang zu nehmen
und zu vermessen. Wo die Hütte ihre eigene Waldung hatte, lieſs
sie ihre Kohlen durch eigene Köhler brennen. Die Pflichten der
Hütten- und Hammerbediensteten waren in den Hütten- und Hammer-
ordnungen genau bestimmt.


Die Hüttenarbeiter dienten auf Gedinge und wurden in der Regel
auf ein Jahr gedungen. In Preuſsen begann das Jahr mit dem ersten
Mai, im Wernigerodischen mit dem ersten Januar. Während dieser
Zeit durften sie nicht aus der Arbeit gehen und anderen Dienst
nehmen. Deshalb durfte kein Hüttenarbeiter, der auf inländischen
Hütten gearbeitet hatte, angenommen werden, wenn er nicht ein Attest
von der Faktorei hatte, daſs er ordnungsmäſsig gekündigt und nicht
von neuem Gedinggeld erhalten hatte. Die Löhnung geschah teils
in barem Gelde, teils in Naturalien, an einigen Orten auch mit Eisen
oder Viktualien. Dieses Trucksystem war sehr allgemein, obgleich es
anerkannt schlecht war und zum Nachteil des Arbeiters, der zu häufig
dabei übervorteilt wurde. Am schlimmsten war die Löhnung mit
Eisen, weil sie den Arbeiter zum Unterschleif herausforderte. Aus
diesen Ursachen war in manchen Ländern, wie in Sachsen, die Aus-
lohnung mit Eisen und Viktualien verboten. Auf den preuſsischen
[784]Die gewerblichen Verhältnisse.
Hütten durften die Arbeiter nicht wider ihren Willen angehalten
werden, Lebensmittel oder Waren statt baren Geldes zu nehmen. Bei
dem Eisenwerk zu Baruth betrug um 1760 der Wochenlohn:


  • Für den Hochofenmeister mit seinen beiden
    Hochofenarbeitern   6 Thlr. — Gr.
  • Ein Aufgeber   1 „ 12 „
  • Der Kohlenmesser   1 „ 6 „
  • Ein Tagelöhner   1 „ — „

1785 verdiente (nach v. Hofmann) ein Meister in Sachsen 3 Thlr.,
ein Hochöfner 2 Thlr., zwei Aufgeber 3 Thlr. 12 Gr., ein Pochknecht
1 Thlr. 8 Gr., ein Kohlenmesser 1 Thlr. die Woche. In Böhmen hatte
ein Meister 2 bis 3 Gulden die Woche und 1 Gulden 30 Kreuzer
Wartegeld. Ein Hochofenarbeiter 2 Gulden 15 bis 30 Kreuzer, jeder
Aufgeber 1 Gulden 45 bis 54 Kreuzer, ein Pocher 1 Gulden 30 Kreuzer,
sein Gehülfe 1 Gulden 15 Kreuzer.


Die Arbeiter bei den Hammerwerken bestanden aus dem Hammer-
meister und den Hammerschmieden, welche nach der Art ihrer Arbeit
und des Hammers in Vorschmiede, Frischer, Aufgieſser, Gleicher,
Urweller, Ziehner (Verzinner) u. s. w. zerfielen 1). Die meisten dieser
Leute waren ein wanderndes, gröſstenteils sehr rüdes Volk, welches
keinen bestimmten Wohnsitz hatte. Sie wurden, sowie die Hüttenleute,
in der Regel alljährlich und um die nämliche Zeit gedungen. Sie
bekamen ein hohes Dingegeld und arbeiteten eben so lange und in
derselben gesetzten Zeit, wie die Hüttenleute. Zur Verhütung von
Betrug, Diebstahl, Kohlenverschwendung, Feuersgefahr, Trunkenheit
und anderen daraus entstehenden Folgen konnte ein Aufseher nicht
sorgsam genug bei diesen Leuten sein. Die meist liderliche Lebens-
art machte sie bei dem besten Verdienste zu beständigen halben
Bettlern. Deshalb suchten die Hammerherren bemittelte Hammer-
schmiede zu bekommen, die eine Kaution stellen konnten und die
auſserdem in Eidespflicht genommen wurden, um sie desto besser in
den nötigen Schranken zu halten. Die Hammerherren konnten aber
ihrerseits auch zur Ordnung beitragen, wenn sie Veranstaltungen
trafen, daſs ihre Schmiede billig leben konnten, daſs sie sie regel-
mäſsig und in gutem Gelde ausbezahlten, ihnen keine groſsen Vorschüsse
bewilligten, dagegen auſser der freien Wohnung ihnen ein Stückchen
Land zu Gemüse und Kartoffeln, ingleichen einen Grasplatz, um eine
Kuh zu halten, ferner freies Leseholz u. s. w. einräumten und ver-
[785]Die gewerblichen Verhältnisse.
statteten. Wo aber die Faktorei diesen Leuten selbst Wein, Brannt-
wein, Kaffee, Zucker u. s. w. borgten und es ihnen hernach von ihrem
Lohn wieder abzogen, da muſsten diese in kurzer Zeit zu Grunde gehen.


Von den Hammerschmieden, welche auf den Stabhämmern
arbeiteten, gab es zweierlei Art: Tagelöhner und Akkordarbeiter.
Erstere waren fast stets liderliche Gesellen; die besseren Arbeiter
waren darauf aus, einen ordentlichen Akkord mit dem Hammerherrn
zu errichten. Diesen wurde Roheisen und Kohle zugewogen, wofür
sie eine gewisse Menge Stabeisen abliefern muſsten. Dafür erhielten
sie einen bestimmten Akkordlohn; was sie mehr ausschmiedeten oder
an Kohlen sparten, war ihr Nutzen. Die Löhne waren in verschiedenen
Gegenden verschieden. In Baruth waren bei einem Frischhammer
1 Meister, 1 Vorschmied, 1 Aufgieſser und 1 Junge, welche wöchent-
lich 32 bis 48 Ctr. Roheisen verschmiedeten. Der Hammerschmied
bekam vom Centner geschmiedeten Eisens 8 Groschen.


Auf dem einseitigen Harz waren bei einem Frischfeuer 1 Meister und
3 Knechte, welche die Woche 60 bis 66 Centner verschmiedeten. Der
Meister bekam für den Centner geschmiedetes Eisen 7 Mariengroschen,
von den Luppenstücken für die Blechschmiede aber nur 5 Mariengroschen.


Bei den württembergischen Eisenhämmern in dem Christophsthal
waren bei jedem Feuer drei Mann, welche in einer Woche 40 bis
50 Centner geschmiedetes Eisen lieferten, folglich, da sie von 125 Pfd.
Roheisen 104 Pfd. geschmiedetes Eisen liefern muſsten, wöchentlich
5000 bis 6250 Pfd. Roheisen verfrischten. Die Hammerschmiede zu
Heidenheim und Königsbronn bekamen 24 Kreuzer vom Centner
Schmiedeeisen. Die Zain- oder Zähnschmiede wurden ebenso gedingt
wie die Frischschmiede. Sie arbeiteten ebenfalls in Akkord. Das
Zaineisen wurde ihnen geliefert und auf jede Sorte „passierte“ ein
gewisser Abgang. Meist war ihnen auch der Kohlenaufwand vor-
geschrieben. Aus 125 Pfd. Zainbengel muſsten sie 120 Pfd. Zaineisen
schmieden. Auf der Königshütte am Harz passierten für Seil-, Draht-
und Modelleisen und für Platinen 6 Pfund, für Krauseisen 3 bis
4 Pfd. Abgang. Der Schmiedelohn auf Königshütte betrug für den
Centner Krauseisen 5 Mgr., rundes Drahteisen 5 Mgr., Modelleisen
3 Mgr., Platinen 9 Mgr.


Um einen Vergleich zu haben, fügen wir noch einige Angaben
über Löhne und Lebensmittelpreise aus Sachsen hinzu 1). Der Tage-
lohn gewöhnlicher Handarbeiter betrug in der zweiten Hälfte des
Beck, Geschichte des Eisens. 50
[786]Die gewerb ichen Verhältnisse.
vorigen Jahrhunderts 2½, 4, 5, höchstens 5½ Neugroschen; in Leipzig
war er durch die Taxordnung von 1763 auf 5 Neugroschen festgesetzt.
Die Maurer und Zimmerleute erhielten nach 1740 7½ Ngr. 3 Pfg.
„Cofentgeld“, ein Tischlergeselle 10 Ngr., ein Meister 12 Ngr. Nach
der Leipziger Taxordnung von 1766 betrug der Sommerlohn der
Maurer und Zimmerleute 10 Ngr., der Winterlohn 8¾ Ngr. — In der
Industrie waren die Löhne sehr ungleich. Ein Fabrikarbeiter der
Textilbranche verdiente 5 Thlr. die Woche, während ein Leinweber
in einer mittleren Stadt nur 1 bis 1½ Thlr. die Woche verdiente.
Nach der Leipziger Markttaxe kostete 1766 1 Kanne Butter 7½ bis
8 7/10 Ngr., 1 Schock Eier 10 Ngr., 1 Pfd. Rindfleisch 2½ Ngr., 1 Pfd.
Kalbfleisch 1⅕ bis 1½ Ngr., 1 Pfd. Schweinefleisch 2½ Ngr., 1 Pfd.
Schöpsenfleisch 2½ Ngr., 1 Klafter hartes Holz 4½ bis 8 Thlr., 1 Klftr.
weiches Holz 3½ Thlr., 1 Scheffel Korn 2 bis 2¼ Thlr., 1 Pfd. Roggen-
brot 4 Pfennige.


Ein Leipziger Arbeiter mit 5 Ngr. Tagelohn konnte also kaufen:
⅔ Kanne Butter oder ½ Schock Eier, 2 Pfd. Rind- oder Schöpsen-
fleisch, 3½ bis 4 Pfd. Kalbfleisch, 3¼ bis 4 Pfd. Schweinefleisch,
10 5/12 Pfd. Kornbrot u. s. w. Die Löhne waren aber trotz der billigen
Marktpreise niedriger als heutzutage.


Das Rechnungswesen auf den Eisenhütten und Hämmern,
namentlich den landesherrlichen, war sehr weitläufig und umständlich.
Wir verweisen diejenigen Leser, welche sich hierfür interessieren, auf
den Artikel „Eisen“ in der ökonomischen Encyklopädie von Krünitz
(Bd. X, S. 629), wo auch auf weitere Litteratur Bezug genommen ist.


Der Handel in Deutschland war sehr erschwert durch die Klein-
staaterei und die vielen Zölle. Als ein Hauptgrundsatz galt, das
Eisen in möglichst veredeltem Zustande auf den Markt zu bringen.
Die Preise wurden bei den landesherrlichen Eisenhämmern von den
Kammern festgesetzt. Um diese bekannt zu machen, wurden Preis-
courantzettel ausgegeben 1). Als ein Hauptbeförderungsmittel des
Eisenhandels galt die Anlage von möglichst vielen Eisenniederlagen
in einem Lande. Die Hämmer durften nur an die Niederlagen liefern
und bei diesen allein durfte gekauft werden. Die Ausfuhr wurde durch
Befreiung des auszuführenden Eisens von Zöllen und Abgaben unter-
stützt. Dem inländischen Handel half man durch Accisebefreiungen,
während die Einfuhr von ausländischem Eisen entweder ganz ver-
[787]Die gewerblichen Verhältnisse.
boten oder mit Zöllen und Acciseabgaben belastet war. Man verbot
sogar die Eiseneinfuhr aus einer eisenerzeugenden Provinz in eine
andere desselben Landes.


Die Eisenhändler waren entweder Groſshändler, „ordentliche Kauf-
leute“ in den Seestädten, welche Eisen in Schiffsladungen verfrachteten,
aber auch mit anderen überseeischen Artikeln handelten, oder es waren
„Verleger“ von gröſseren Eisenwerken, welche auch mit Schiffsankern,
Kanonen, Mörsern, Kugeln, Öfen, Draht u. s. w. handelten und gröſsere
Lieferungsgeschäfte darin, z. B. mit den Landesmagazinen, abschlossen,
oder es waren „Eisenhändler“ (Eisenzeughändler), die in den Städten
ganze Gewölbe voll von Eisenwaren, die sie teils von den Hütten und
Hämmern, teils von Plattnern, Klein- und Grobschmieden gekauft
hatten, feilhielten; oder es waren Eisenkrämer (Quincaillers), die nament-
lich kleine Waren führten, daneben aber auch noch mit anderen
Waren handelten; dann gab es noch Alteisenhändler, die man auch
öfters als Eisenkrämer bezeichnete. In Württemberg hieſsen die
priviligierten Eisenhändler „Chalanten“.


Groſsartig war der Eisenhandel Englands, das zu Ende des
vorigen Jahrhunderts bereits den Weltmarkt beherrschte. Seine zahl-
reiche Handelsflotte besorgte den Transport, seine wohlhabenden
Kolonieen waren seine Abnehmer. Obgleich die englische Produktion
von Roheisen in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts bedeutend zu-
nahm, so genügte sie doch nicht für die gesamte Fabrikation. Ein
wichtiger Teil der englischen Eisenindustrie basierte auf der Ver-
edlung von eingeführtem Roh- und Stabeisen.


Die Zahl der Erfindungen erfuhr besonders seit Watts groſsem
Erfolge mit der Dampfmaschine eine auſserordentliche Steigerung.
Der Nutzen, welchen Patente dem Erfinder wie dem Staat gewährten,
führte auch in vielen Staaten des Kontinents zur Einführung von
Patentgesetzen und Patentämtern. Frankreich gab durch sein Patent-
gesetz vom 7. Januar 1790 hierzu das Vorbild. In den Vereinigten Staaten
von Nordamerika wurde am 10. April 1790 das erste Patent (Nr. 1)
ausgegeben. Bayern erlieſs 1791 ein Patentgesetz. Durch die Patent-
gesetzgebung wurden die Erfindungen gefördert und England war
hauptsächlich deshalb schon im vorigen Jahrhundert das Land, in dem
die meisten neuen Erfindungen gemacht und auf den Markt gebracht
wurden.


50*
[[788]]

BESONDERER TEIL.
DIE GESCHICHTE DER EISENINDUSTRIE

IN DEN
EINZELNEN LÄNDERN
.


Deutschland.


Deutschland hatte durch den dreiſsigjährigen Krieg furchtbar
gelitten, auch seine Eisenindustrie hatte einen gewaltigen Stoſs be-
kommen. Dem ungeachtet war das Deutsche Reich zu Anfang des
18. Jahrhunderts noch immer der erste eisenerzeugende Staat in
Europa. Diese Stellung verdankte es seiner überkommenen Eisen-
gewinnung, die auf vielverbreitete Eisenerzvorkommen, besonders
aber auf seinen Waldreichtum begründet war. Um jene Zeit gab
es noch keine andere Art des Hochofenbetriebes und der Eisen-
bereitung als mit Holzkohle. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahr-
hunderts trat die Steinkohle mit dieser in Wettbewerb und ver-
schaffte England die Führerrolle in dem Eisengewerbe. Es ist deshalb
vollständig gerechtfertigt, wenn wir die Geschichte des Eisens in den
einzelnen Ländern auch im 18. Jahrhundert mit Deutschland beginnen.
Österreich stand aber nicht nur in politischer, sondern auch in in-
dustrieller Beziehung an der Spitze Deutschlands, und die vortreff-
lichen Erze der österreichischen Alpenländer lieferten Eisen und
Stahl von unübertroffener Güte, das in der ganzen civilisierten Welt
gesucht und gehandelt wurde. Auch waren die österreichischen Lande,
Böhmen und Schlesien ausgenommen, viel weniger unmittelbar von
den Drangsalen des dreiſsigjährigen Krieges heimgesucht worden als
das übrige Deutschland. Ihr Wohlstand hatte weniger gelitten und
ihre Eisenhütten und Bergwerke waren nicht mit Feuer und Schwert
zerstört worden. Die österreichische Eisenindustrie nahm deshalb
die erste Stelle ein und verdient zuerst unsere Beachtung.


[789]Österreich.
Österreich.

Die Eisenindustrie der österreichischen Alpenländer behauptete
im 18. Jahrhundert ihren alten Ruhm. Steiermark und Kärnten
galten unbedingt für die klassische Heimat der Eisenbereitung in
Mitteleuropa. Ihr Stahl wurde überall hin verführt und war aner-
kannt als der beste Schmelzstahl.


Auf technischem Gebiete vollzog sich in diesen Ländern im
18. Jahrhundert eine durchgreifende Reform, indem man den Stück-
ofenbetrieb aufgab und zum Hochofen- oder Floſsofenbetrieb über-
ging. In Kärnten hatte man schon im 16. Jahrhundert damit einen
Anfang gemacht.


In Steiermark wurde um 1650 der erste Floſsofen zu Turrach
erbaut, mit dem man aber anfangs nicht viel Glück hatte. Er stand
um 1719 im Betrieb, wie aus Reaumurs Mitteilungen hervorgeht.
Am Erzberg selbst dagegen hatte man mit Zähigkeit an dem alten
Stückofenbetriebe festgehalten und jede Neuerung im fortschritt-
lichen Sinne abgewiesen. Radmeister und Plahmeister waren sich darin
einig, indem sie der festen Überzeugung waren, die Güte des stei-
rischen Eisens müſste unter verändertem Betriebe notleiden. Zu diesem
Festhalten an dem Alten und Widerstreben gegen Neuerungen trug die
schwerfällige Leitung der Innerberger Hauptgewerkschaft durch
das Oberkammergrafenamt in Wien viel bei. Auch bestand die
„Widmung“ (s. Bd. II, S. 636) fort, welche jedem Ofen sein Produk-
tionsquantum vorschrieb und jeden selbständigen Fortschritt hin-
derte. Die Unzufriedenheit der Gewerke mit der ihnen aufge-
zwungenen staatlichen Verwaltung, welche nur im fiskalischen
Interesse geführt wurde, war eine andauernde, fand aber erst unter
Joseph II., der seine freisinnigen Reformbestrebungen auf alle Zweige
der Staatsverwaltung ausdehnte, Beachtung. 1781 hob Joseph II. die
Widmung, nachdem sie 211 Jahre bestanden hatte, auf und im fol-
genden Jahr, auf eine Vorstellung der Gewerke hin, auch die kost-
spielige Administration des Obergrafenamtes, und gab 1783 der Haupt-
gewerkschaft das Recht der eigenen Verwaltung 1). Um dieser weisen
Entschlieſsung in der Ausführung noch mehr Nachdruck zu verleihen,
[790]Österreich.
trat der Hof seine Aktien an die Gewerkschaft ab. Statt daſs aber
nun die Interessenten hätten bedacht sein sollen, durch einen zweck-
mäſsigen Gesellschaftsvertrag und wohlgeordnete Statuten sich eine
Verfassung zu geben, wodurch die Leitung des ganzen Werkes in die
Hände kenntnisreicher, gebildeter Männer gekommen wäre, wurde
die Verwaltung ziemlich planlos unkundigen Gewerken überlassen.
Man bestätigte die alte dreigliedrige Einrichtung der Verleger zu
Steyr, der Hammermeister zu Weyer und der Radmeister zu Eisen-
erz. Jedes Glied erhielt 13 stimmenführende Gewerke, Votanten
genannt, wobei aber das Schlimmste war, daſs man die anordnende
Gewalt, welche die Principalität hieſs, gerade dem unkundigsten
Gliede, den Verlegern, übertrug. Jedes Glied hatte zwei Deputierte
zu wählen, welche an den nach Erfordernis abzuhaltenden „Kon-
gressen“, die in der Stadt Steyr, wo sich die Direktion, bestehend
aus dem Kanzleidirektor und dem Referenten, befand, abgehalten
wurden, teilnahmen. Die Direktion legte die zu beschlieſsenden Vor-
tragsgegenstände, worüber von den Votanten schriftlich abgestimmt
wurde, vor. Daſs hierbei viele Parteilichkeiten unterliefen und ein äuſserst
schleppender Geschäftsgang die Folge dieser Verfassung war, leuchtet
ein. Dazu fehlte es an jeder Kontrolle. Die Auswahl der Beamten
geschah ohne Umsicht. Es ist deshalb wohl begreiflich, daſs diese
Verwaltung nicht die beste war. Wenn trotzdem die Gewerkschaft
Gewinn erzielte, so geschah dies nur infolge der unverwüstlichen
Güte des Besitzes. Diese Selbstverwaltung der Hauptgewerkschaft
dauerte denn auch nicht lange; bereits im Jahre 1798 wuſste die
kurz vorher entstandene Wiener Kanal- und Bergbaugesellschaft
wichtige Einlagen der Gewerkschaft, namentlich den ganzen Anteil
der Stadt Steyr an sich zu bringen und die Oberleitung in ihre
Hände zu bekommen, welche sie alsbald nach Wien verlegte. Von
der Regierung wurde wieder eine „Hofkommission“ unter dem Vorsitz
des sachkundigen Grafen von Wrbna ernannt, welche sich die Ver-
besserung der Werke der Innerberger Hauptgewerkschaft angelegen
sein lieſs. Nach Aufhebung des Oberkammergrafenamts 1783 war ein
Berggericht in Eisenerz errichtet worden, welches aber schon zwei Jahre
später nach Vordernberg verlegt wurde. 1785 war die Frohne für
Eisenerz auf 31¼ Kreuzer und für Vordernberg auf 24¾ Kreuzer
für jeden erzeugten Centner Roheisen herabgesetzt worden.


Während die Innerberger Gewerke ihr Eisen nordwärts nach
Österreich verführen muſsten, ging das Eisen der Vordernberger
Gewerke
, welche am südlichen Teil des Erzberges saſsen, süd-
[791]Österreich.
wärts, besonders nach Italien. Am Vordernberg hatten die Gewerke
ihre Selbständigkeit bewahrt. Hier stand der Stückofenbetrieb in den
ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts in hoher Blüte, wie Reaumur
und Swedenborg bezeugen. Der Herzog von Orleans schickte 1719
einen Sachverständigen nach Vordernberg, um den Stückofenbetrieb
an Ort und Stelle zu studieren. Es gab damals in Vordernberg (nach
Swedenborg) 16 Stücköfen, während man um die Mitte des Jahrhunderts
nur 14 Hüttenwerke zählte, welche folgenden Besitzern zugehörten:
1. Grasberger, 2. Georg von Pebal, 3. Hochkofler, 4. Stegmüller,
5. Gressl, 6. die Kommunität, 7. die Stadt Leoben (der Oberrobegger
Floſsofen), 8. Schragl, 9. die Stadt Leoben (der Unterrobegger Ofen),
10. Brandstätter, 11. Fürst Schwarzenberg, 12. von Ebenthal, 13. von
Eggenwald, 14. Baron von Egger. Soviel Radgewerke es gab, soviel
Grubenmaſse bebauten dieselben in dem oberen Teile des Erzberges,
welcher ca. ⅖ der ganzen Höhe ausmachte. Um die Mitte des Jahr-
hunderts entschloſs man sich endlich, die Stücköfen abzuschaffen und
Floſsöfen nach kärntner Art einzuführen. Dazu wurde man haupt-
sächlich veranlaſst durch den groſsen Verbrauch an Holzkohlen,
welche um so mehr im Preise stiegen, je mehr die Gegend um den
Erzberg entwaldet wurde. Die Zahl der Stücköfen betrug damals in
Eisenerz 12, in Vordernberg 14. Ein Teil derselben wurde 1750 und
die übrigen 1762 abgeschafft.


Reaumur und Swedenborg haben den Betrieb der Stücköfen
in Steiermark beschrieben. Wir haben zu dem bereits Mitgeteilten nur
weniges nachzutragen. Die Erze des Erzberges hatten einen durch-
schnittlichen Gehalt von 37 bis 38 Prozent; man teilte sie ein in
Pflinz, Brauneisenstein und Ocker. Der Pflinz, das ursprüngliche
Erz, war Spateisenstein, aus welchem die braunen Erze durch Ver-
witterung gebildet waren. Da der Brauneisenstein am leichtflüssigsten
war, so wurde er am meisten gesucht und in alter Zeit ausschlieſslich
verhüttet. Die Pflinze konnte man ungeröstet früher gar nicht ver-
schmelzen. Sie erforderten stärkeren Wind und mehr Kohlen. Beim
Stückofenbetrieb wurden sie überhaupt nicht verwendet. Auch wurde
alles Erz in gemauerten Rostfeldern (Stadeln) geröstet.


Die Höhe der Stücköfen zu Eisenerz überstieg nicht 10 Fuſs 1),
weil die Erfahrung lehrte, daſs durch gröſsere Höhe die Güte des Pro-
duktes beeinträchtigt wurde. Die Weite des oft runden, oft viereckigen
[792]Österreich.
Schachtes betrug 5 Fuſs, wohl auch darüber. Gegen die Gicht ver-
engte er sich, und im Gestelle wurde dasselbe durch Ausschlagen mit
Gestübbe erreicht. Die ganze Füllung bestand in 17 bis 18 Faſs oder
175 Kubikfuſs Holzkohlen. Eine Schmelzung, welche 16 bis 20 Stunden
dauerte, gab eine Luppe (Maſs), welche mit Graglach und Waschwerk
24 Centner wog. Im besten Falle konnten die 12 Stücköfen zu Eisenerz
im Jahre 96768 Centner Eisen liefern bei einem Aufwand von 282240 Faſs
Holzkohlen und 227484 Ctr. Erz. 1751 erzeugten die 11 im Betrieb be-
findlichen Stücköfen 60261 Ctr. Rauheisen, 21672 Ctr. Graglach und
8117 Waschwerk, zusammen 90050 Ctr. 1). Die in Halbmaſse zerteilten
Luppen wurden in einem niedrigen, flach gehenden Löschfeuer, dem
„Halmas“- oder eigentlich Halbmaſsfeuer, nur „im Saft“ ausgeheizt.
Was in der Zange zurückblieb, wurde zu Stahl bestimmt, der unter dem
Hammer in bestimmte Form gestreckt wurde; was abschmolz, die rauhe
Oberfläche und das mehr gekohlte zugeschlagene Graglach, setzte sich am
Boden zu einer Luppe an, aus der man weiches Eisen schmiedete. War
das Ausschmieden der Halbmassen schon früher in anderen waldreichen
Gebieten, namentlich zu St. Gallen geschehen, so wurde diese Trennung
des Ausschmelzens und des Frischens noch schärfer durchgeführt, nach-
dem man zu dem Floſsofenbetrieb übergegangen war. Um die Ein-
führung der hohen Öfen machte sich der Kammergraf der steirischen
Bergwerke, Edler von Koffler, besonders verdient, dem zum Dank
von der Hauptgewerkschaft in der Pfarrkirche zu Eisenerz dafür ein
Denkmal errichtet worden ist.


Die Floſsöfen zu Eisenerz hatten zuerst nur eine Höhe von
14 bis 16 Fuſs, nur einer war 22 Fuſs hoch und enger zu-
gestellt. Diesen nannte man einen Hohenofen. Er stand auf dem
Platze, wo später der Ruprechtsche Hochofen sich befand. Zur
Einführung des Floſsofenbetriebes wurden Schmelzleute aus Kärnten
geholt. Diese schmolzen ganz nach ihrer heimischen Weise mit
kupfernen Formen und stachen ihre „Kärntner Strietzel“ ab, ohne
die Erze zu kennen und deren Natur Rechnung zu tragen. Die
Folge war, daſs sie meist sehr gekohlte, graue oder spiegliche Flossen
erzeugten, mit denen die Frischschmiede nichts anfangen konnten.
Am meisten richteten sich die Klagen gegen das Eisen von dem
Hochofen, so daſs man beschloſs, denselben wieder abzutragen und
nur in den Floſsöfen zu schmelzen. Diese wichen in ihren Maſsen in
der Höhe um 2 Fuſs, in der Weite nur um 6 Zoll ab. 1752 betrieb
[793]Österreich.
man noch 10 Stücköfen und 2 Floſsöfen, 1756 4 Stück- und 6 Floſs-
öfen, 1760 5 Rundöfen, 4 Floſsöfen und 2 Hochöfen; seit 1762 keine
Stücköfen mehr, 7 Floſsöfen und 2 Hochöfen; hiervon lieferten die
ersteren 89869, die letzteren 25171, zusammen 115040 Ctr.; 1767 gab
es 9 Floſsöfen und keinen Hochofen, die Produktion betrug 104118 Ctr.
Im Durchschnitt wurden damals in einem Floſsofen jährlich, d. h. in
48 Wochen, 27888 Faſs Kohlen und 37919 Ctr. gerösteter Eisenstein
verschmolzen und 13776 Ctr. Roheisen erzeugt. Der Unterschied
der Hoch- und Floſsöfen bestand nur darin, daſs jene höher, enger
und im Herde kleiner (nach Kärntner Art), diese aber weiter und im
Herd gröſser waren; ferner daſs jene aus einem glimmerigen, feuer-
festen Stein, diese aus gebrannten Steinen erbaut wurden.


Der 1777 neu zugestellte Wendensteiner Floſsofen hatte fol-
gende Maſse:


  • Vom Bodenstein bis zum Kohlensack   7 Fuſs
  • Von diesem bis zur Gicht  7 „ 6 Zoll
  • Daher die gesamte Höhe   14 Fuſs 6 Zoll
  • Weite der Gicht von der Form zur Windseite 2 „ — „
  • „ von der Brust zur Hinterseite   3 „ — „
  • „ im Kohlensack   5 „ 3 „
  • „ am Bodenstein von der Form zur Wind-
    seite   3 „ 6 „
  • „ von der Brust zur Rückseite   3 „ — „

Der Schacht war rund und hintersäſsig. Wenn man von der Mitte
der Gichtöffnung einen Senkel bis auf den Bodenstein herablieſs, so
muſste er gerade die Wind- oder Schuſsseite noch berühren. Das
Gestell wich also 21 Zoll von der Mittellinie ab gegen die Formseite
hin und zwar aus dem Grunde, damit die Lehmform nicht an den
niedergehenden Gichten abgedrückt würde. Man verwarf nämlich die
kärntnischen Kupferformen und kehrte zu den alten Lehmformen
zurück. Der von der Gichtöffnung weitergeführte Kranz war 5 Fuſs
hoch. Man bediente sich meistens der Spitzbälge. Der Wendensteiner
Floſsofen hatte ein Kastengebläse; die zwei Kasten waren 4 Fuſs
weit und 6 Fuſs hoch, blieben aber auf 2½ Fuſs unausgedrückt.


Das täglich in einem Floſsofen erzeugte Roheisen belief sich
damals auf 54 Centner. Die jährliche Erzeugung in Eisenerz bestand
im Jahre 1777 in 110000 Centner Roh- und Wascheisen, wozu man
192500 Faſs Kohlen verbrannte und 300000 Centner Eisenstein ver-
schmolz. Die 5 Floſsöfen lieferten also mehr Eisen als früher die
[794]Österreich.
12 Stücköfen. Der Kohlenverbrauch auf den Centner betrug 16,93
Kubikfuſs. Ein Centner Eisenstein gab 36,66 Pfund Roheisen. Die
Wasserräder folgender Hütten der Innerberger Hauptgewerkschaft
wurden in Eisenerz von dem vereinigten Erz- und Lasitzenbach be-
trieben: 1. der Altweiſsenberger, 2. der Rupprechtsche, 3. der von
Wrbnasche, 4. der Jungweiſsenberger, und 5. der Wendensteiner Ofen.


Die Produktion in Vordernberg und Eisenerz zusammen giebt Kling-
hammer
1774 auf jährlich 280000 Centner Roheisen. In Vordern-
berg
waren damals 12 bis 14 Floſsöfen im Betrieb, welche 160000 Centner
Roheisen lieferten. Die dortigen Öfen waren viereckig und ganz mit
Steinzustellung, während die Eisenerzer einen weiteren elliptischen Quer-
schnitt hatten und mit Thon ausgestampft waren. Erstere nannte man
Steinöfen, letztere Blauöfen; letztere hatten die gröſsere Produktion.


Das Roheisen galt 1774 nur 1 Thlr. 6 Gr. 8 Pfg. der Centner.
Der „Frohn“ wurde sowohl vom Roheisen, wie vom geschlagenen
Eisen erhoben. Es entfielen auf die Flossen ⅔, auf das Graglach ⅓.
Er betrug für Flossen pro Centner 49 Kreuzer, für Graglach und
Waschwerk 43 Kreuzer. Die Innerberger Kammer vereinnahmte
80000 Gulden im Jahre. Der Verschleiſs hatte teils an die Hämmer
der Hauptgewerkschaft, teils an die drei „Proviantmärkte“ in Österreich
zu Scheibs, Purgstall und Gresten, an die Stadt Weidhofen und an
privilegierte „Extraparteien“ statt.


Waren die Innerberger und Vordernberger Eisenhütten weitaus die
wichtigsten in Steiermark, so waren es doch durchaus nicht die ein-
zigen, vielmehr gab es in den obersteirischen Bergen noch eine Anzahl
mehr oder weniger bedeutende Werke. Von diesen verdient das in
der Radmär, 3½ Stunden von Eisenerz gelegene, seiner Bedeutung
und seines eigenartigen Schmelzofens wegen unsere Beachtung. Das
reiche Erzvorkommen von Spat- und Brauneisensteinen im Buchek-
oder Erzberg in der hinteren Radmär wurde 1711 von einem Berg-
knappen Hans Adam Stangerer, der bei dem Kupferwerk Radmär in
Dienst stand, entdeckt und von dem Verweser dieses Werkes, Johann
Kappenberger, in seiner Bedeutung erkannt 1). Letzterer baute alsbald
in der vorderen Radmär einen 16 Schuh hohen Blauofen, welchen er
auf den beiden Seiten mit je zwei Spitzbälgen versah, von denen
der Wind durch Lehmformen wirkte. „Die Formgewölbe waren zum
Öffnen eingerichtet, und dieser zu jener Zeit geschickte Eisenhütten-
[795]Österreich.
mann erzeugte nun in einem Gange Flossen und Massen (d. h. Guſs-
und Schmiedeeisen). Hatte nämlich der Ofen zu viel Kohle, ging
er also gar, oder befand sich ein mehr gekohltes flüssiges Roheisen
im Eisenkasten, so lieſs er dasselbe, wie es heutzutage gewöhnlich ist,
abstechen, und es erschienen Flossen. Hatte er aber zu wenig Kohlen,
befand sich der Ofen in grellem Gange, und wurde das im Gestelle
reduzierte Eisen vor der Oxydation nicht hinlänglich geschützt, so
setzte sich dasselbe — wie es auch jetzt noch oft geschieht — auf
dem Herde und verlor seine Flüssigkeit, weil es, wenig gekohlt, sich
dem metallischen Zustande näherte. Dann lieſs er im Formgewölbe
wie bei den Stücköfen öffnen, hob die Masse heraus und schrotete
sie in zwei Teile, während der Ofen wieder zugestellt und ins Feuer
gesetzt wurde.“


Hier haben wir ein sehr charakteristisches Beispiel von dem früher
beschriebenen Doppelbetrieb der Blauöfen. Ferner dürfte dieser Ofen
das älteste bekannte Beispiel eines Eisenschmelzofens mit doppelten
Formseiten und vier Blasebälgen sein.


Die Darstellung von Roheisen in Floſsöfen hatte die Einführung
des Frischens, welches in Steiermark als Weich- und Hartzerennen
für Schmiedeeisen und Stahl unterschieden wurde, und das wir in
dem allgemeinen Teil geschildert haben, zur Folge 1). Weyer und
Leimbach bei St. Gallen waren die Hauptsitze der hauptgewerkschaft-
lichen Hammermanipulation. Zu Eisenerz befand sich nur ein Hammer
für den eigenen Bedarf, die übrigen lagen in den Seitenthälern der
Enns. Zu Reifling, 3 Meilen von Eisenerz, war die Niederlage für
das Roheisen, welches von den Kohlenfuhrleuten dahin gefahren
wurde. Zu St. Gallen, 2 Meilen unter Reifling, war die erste Hammer-
[796]Österreich.
verwaltung, welcher 33 Hämmer unterstellt waren. Dicht bei St.
Gallen befanden sich 11 Hämmer am Fluſs und 2 Sensenhämmer an
einem kleinen Nebenfluſs. Man unterschied die Hammerwerke in
Zerennfeuer und Hämmer. Erstere waren Frischhämmer, letztere
schmiedeten Kaufmannsware. Hartzerennen und Weichzerennen
geschah zu St. Gallen in demselben Feuer und mit demselben
Hammer.


Über den Betrieb des kaiserlichen Eisenwerks zu Neuberg in
Obersteier im Jahre 1788 hat Marcher einen ausführlichen Bericht
des Oberverwesers Neumann veröffentlicht 1).


In ganz Steiermark rechnete man um 1777 sämtliche Erzeug-
nisse von Eisen auf 400000 Centner; die Eisenindustrie gab 65000
Menschen Beschäftigung. 7000 Hüttenleute arbeiteten 1780 in den
Eisenhämmern, deren Ertrag nach dem Bericht des Ritters von
Born
jährlich 18 Millionen Gulden einbrachte 2).


Die alten Eisenwerke in Oberösterreich am Nordabhang der
Alpen im Erlaf-, Ips- und Schwarzathal standen mit der steirischen Eisen-
industrie in enger Beziehung. Die des Erlaf- und Ipsthals verführten ihre
Produkte auf der uralten Eisenstraſse, die des Schwarzathals auf der
Semmeringstraſse. Die Werke des Traisthals wurden dagegen erst
im 18. Jahrhundert gegründet. Besonderes Verdienst erwarb sich dafür
ein einfacher Büchsenschmied aus Schmalkalden, Jakob Fischer,
welcher der Gründer der berühmten Fischersschen Eisenwerke zu
St. Egyd am Neuwald wurde. Er hatte sich zur Zeit der Kaiserin
Maria Theresia auf der Wanderschaft anwerben lassen und war
als Büchsenmacher der Militärmonturkommission zugeteilt worden.
Durch seine Kenntnisse, Geschicklichkeit und Energie errang er sich
bald eine angesehene Stellung und erhielt die Begünstigung, neben
seinem Berufe Säbelklingen und Monturstücke anfertigen zu dürfen,
welche ihm die Militärverwaltung abkaufte. Er führte wichtige Ver-
besserungen bei der Fabrikation der Säbelklingen ein, so daſs seine
Klingen rasch in Ruf kamen. Ende der siebziger Jahre errichtete
er den ersten Hammer zur Erzeugung von Stahl für Messer, Feilen
und Säbelklingen zu Rehberg bei Krems. Die „Fischerklingen“
wurden mehr und mehr beliebt und gesucht in der österreichischen
Armee. Als zu Anfang der neunziger Jahre die groſsen Rüstungen
für den Krieg gegen Frankreich begannen, wurde sein Hammer zu
[797]Österreich.
klein für die massenhaft einlaufenden Bestellungen, und er errichtete
1794 die Stahlfabrik zu St. Egyd am Neuwald, welche sich immer
mehr ausdehnte und eins der berühmtesten Werke Österreichs ge-
worden ist.


Ebenso war die alte und ausgedehnte Kleineisenindustrie des
gewerbereichen Bezirks Steyr von dem steirischen Eisenhandel ab-
hängig, weil ein Hochofenbetrieb im Erzherzogtum Österreich nicht
existierte und alles Roheisen von Steiermark bezogen wurde. Dagegen
gab es dort zahlreiche Eisen- [und] Stahlraffinierhämmer, deren Pro-
dukte von den zahllosen Kleineisenschmieden verarbeitet wurden.
Von diesen erwähnen wir die Messerschmiede zu Trattenbach bei
Ternberg, welche schon im 15. Jahrhundert hier ansässig waren, und
die Sensenschmiede zu Michelsdorf. 1775 verlieh Kaiser Joseph II. der
Michelsdorfer Sensengewerksgenossenschaft besonderen Markenschutz.


In Kärnten vollzog sich die Entwickelung der Eisen-
industrie im groſsen und ganzen ähnlich wie in Steiermark, auch
hier verschwand in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts der Stück-
ofenbetrieb vor dem Hochofenbetrieb. Im einzelnen geschah dies
aber bei den abweichenden, eigenartigen Verhältnissen in Kärnten
doch in anderer Weise.


Die kärntnerische Eisenindustrie hatte eine gewerkschaftliche
Organisation. Auch in diesem Jahrhundert spielten die Knappen-
unruhen eine groſse und unheilvolle Rolle. Wir haben berichtet,
daſs gegen den Schluſs des vorigen Jahrhunderts von 1686 an fried-
lichere Zustände am Hüttenberger Erzberg geherrscht hatten. Die
Knappen schienen sich endlich beruhigt zu haben, und dieser Zustand
der Ruhe dauerte an bis 1712. Da erwachte von neuem der störrige
Geist der Bergknappen, teils aus sachlichen Gründen, namentlich
wegen zu groſser Lohnabzüge für gelieferte Naturalien, teils aus per-
sönlichem Haſs gegen den damaligen Bergrichter Franz Ferdinand
Rauscher
, der gleichzeitig ein Hauptgewerke war 1). Auch hatte
man zur Zeit der ersten Anwendung des Sprengpulvers am Hütten-
berger Erzberge, 1708 bis 1710, tiroler Knappen, welche des Schieſsens
kundig waren, kommen lassen. Gegen diese richtete sich der Zorn
der kärntnischen Knappen, und sie verlangten deren Abschaffung
zugleich mit der Absetzung des verhaſsten Bergrichters. Im Mai 1712
brach deshalb ein allgemeiner Ausstand aus. Die Regierung war
nachgiebig und suspendierte am 25. Juni den Bergrichter. Das ge-
[798]Österreich.
nügte den trotzigen Knappen noch nicht, und sie setzten den Aus-
stand bis in den September hinein, volle vier Monate, fort, bis er am
14. September durch einen Vergleich beigelegt wurde. 1720 kamen
die Knappen mit neuen Forderungen und verlangten Wiedereinführung
der abgeschafften Kindtage (s. Bd. II, S. 1044). Diesmal aber wurden
sie von der Regierung in Graz und durch direkten Erlaſs des
Kaisers Karl so scharf abgewiesen, daſs sie für längere Zeit Ruhe
hielten. Diese Zeiten der Ruhe waren dem Gedeihen des Berg- und
Hüttenwesens am Erzberg sehr förderlich. 1755 begann aber die
Gärung von neuem und zwar aus ganz frevelhaftem Anlaſs. Die
Knappen hielten es mit den Schmugglern, die besonders Tabak
schwärzten. Ein Knappe, Kreig, der einen groſsen Posten geschmug-
gelten Tabak gekauft hatte, wurde gefänglich eingezogen. Es fiel
der Verdacht auf einen anderen Knappen Grillitsch, den Kreig
verraten zu haben. Obgleich Grillitsch unschuldig war, verlangten
die Knappen dessen Entfernung. Aus diesem Anlaſs entsprang eine
ganze Kette von Aufständen und Tumulten, so daſs endlich im No-
vember 1758 Militär einschreiten muſste. Dies half jedoch nur vor-
übergehend. 1759 standen die Knappen von neuem auf. Ein groſser
Teil wurde gefangen, auf öffentlichem Markt zu Klagenfurt mit Stock-
streichen abgestraft und dann die Tauglichen als Soldaten unter das
Militär, die Untauglichen in das Zuchthaus gesteckt. Dies geschah
im April. Trotzdem versuchten bereits im Juli die „abgeschafften“
Knappen diejenigen, welche gehorsam geblieben waren, mit Gewalt
von der Arbeit zu vertreiben, worauf wieder Militär intervenierte,
scharfe Strafen erfolgten, gleichzeitig aber auch fremde Knappen an
den Erzberg herangezogen wurden, welche die Gewerke aufnehmen
muſsten. Ende 1759 war die Belegschaft wieder vollständig und der
Trotz der Knappen gebrochen. Freilich dauerten blutige Raufhändel
zwischen den einheimischen und den fremden Knappen noch jahre-
lang fort. Unter diesen Umständen ist es nicht verwunderlich, daſs
die Fortschritte der Eisenindustrie Kärntens bis zur Mitte des vorigen
Jahrhunderts nur sehr gering waren.


Die Kaiserin Maria Theresia wendete dem Berg- und Hütten-
wesen Österreichs und besonders auch dem des Hüttenberger Erz-
bergs groſse Aufmerksamkeit zu und suchte durch angemessene Ord-
nungen und Gesetze dasselbe zu fördern. Sie bestätigte auch 1742
von neuem die alten Freiheiten und Privilegien der Hüttenberger
Bergknappen nach dem Wortlaut der Bestätigung ihres Vaters, Kaiser
Karls VI., von Jahre 1714. Zu diesen gehörten auch die festlichen
[799]Österreich.
Knappenaufzüge am heiligen Dreifaltigkeitssonntage, das Laubhütten-
fest genannt, und am Frohnleichnamstag, welche damals noch be-
sonders festlich mit Aufzügen („Radschlagen“), Musik, Fahnen, Tanz
und Gesang begangen wurden 1).


Die alte Bergordnung von 1567, so gut sie für ihre Zeit ge-
wesen war, reichte nicht mehr aus, und jeder Teil legte sich den
Inhalt nach seinem Vorteil aus. Sie wurde dadurch ein Hemmschuh
für die fortschrittliche Entwickelung. Dies trat besonders zu Tage,
als sich alle Eisengewerke gegen die beantragte Anlage eines weiteren
Floſsofens verbanden. Wie bekannt, hatten die Floſsöfen zuerst in
Kärnten Eingang gefunden. Trotz ihrer Vorzüge waren aber bis
zur Mitte des vorigen Jahrhunderts nur vier Floſsofenhütten ent-
standen. Die Eifersucht der Gewerke lieſs keinen neuen aufkommen.
Deshalb erhoben sie auch 1755 gegen den von den Gebrüdern Josef,
Wolfgang
und Bartlmä Rauscher erbauten Floſsofen Protest.
Zur Untersuchung der Angelegenheit wurde der kaiserliche Rat
Josef Edler von Kofler als Kommissär von Wien nach Kärnten
geschickt und ihm drei kärntnerische Räte beigegeben. Auf den
ausführlichen Bericht dieser Kommission, welche die vielen ein-
gerissenen Miſsstände scharf hervorhob, beschloſs man, zunächst die
Konzessionen für Flossenöfen ohne Verzug zu erteilen. Infolgedessen
entstanden auſser dem Ofen der Gebrüder Rauscher in Mosinz noch
weitere vier Floſsöfen in den fünfziger Jahren. Auſserdem beschloſs
man in Wien eine neue Bergordnung ausarbeiten zu lassen, und
wurde hierzu eine vielgliedrige Kommission unter dem Vorsitz des
Edlen von Kofler ernannt. Am 24. April 1759 wurden die wich-
tigen neuen Berggesetze im Namen der Kaiserin Maria Theresia
publiziert und machten besonders die Berg-Deutschhammer- und
Radwerksordnung für Hüttenberg und die Rauheisen-Magazin-
Verlagsordnung dem rechtlosen Zustande am Erzberg ein Ende.


Die Berg-Deutschhammer- und Radwerksordnung2)
enthält 79 Artikel — 43 für den Bergbau und 36 für die Hämmer
und Radwerke. In letzteren wird es den Radmeistern zur Pflicht
gemacht, junge Leute zu Plahhausarbeitern auszubilden. Ein „un-
abgerichteter“ Plahhausarbeiter hatte durch zwei Jahre ununter-
brochen bei seinem Herrn zu verbleiben, im Übertretungsfalle war
ein solcher Arbeiter mit Eisen und Banden in den Berggerichtskeichen
[800]Österreich.
zu stecken, und der Radmeister, welcher einen solchen Arbeiter auf-
nahm, mit 5 Speciesthalern zu strafen. „Teufelspossen“ und geheime
Künste waren streng verboten und Schuldige dem peinlichen Gericht
zu überliefern.


Zur Kontrolle der Qualität sollte jeder Gewerke sein Eisenwahr-
zeichen auf sein Eisen schlagen, und hatten die Gewerke der Eisen-
wurze folgende Zeichen:


  • Graf Karl Theodor Christallnig  das Zeichen W. C.
  • Graf Gaisruck zu Silberegg   „ „ G. G.
  • Propstei Wieting  „ „ B. W.
  • F. von Eggersche Erben zu Treibach   „ „ T.
  • Maria von Greifenstein  „ „ M.
  • Maria Ulbing  „ „ L.
  • Kammerstadt St. Veit  „ „ S. V.
  • Sus. Felicitas von Mayerhofersche Erben
    zu Lölling   „ „ 
  • Martin Benedict von Secherau  „ „ 
  • Mart. Ben. von Secherau mit den Mayer-
    hofers
    chen Erben   „ „ 
  • Jos. Steinkeller, Edler von Kellerstein in
    Heft und Hüttenberg   „ „ I. S.
  • Josef, Bartlmä und Wolfgang Rauscher
    in Mosinz   „ „ R.
  • Josef, Bartlmä und Wolfgang Rauscher
    in der Plaggowitz- und Fuchshütte   „ „ W.
  • Josef Riegler in Hüttenberg   „ „ I. R.

Die Deutschhämmer durften nicht mehr als vier Stangen in den
Centner schmieden; ihre Ware wurde als Halbrauhe gerechnet und
wurde erst auf Streckhämmern zu Kaufmannsware gebracht.


Die Flossengewerke verpflichtete man bei 10 Thlr. Strafe, soviele
Blatteln zu erzeugen, als die Hammergewerke bedurften; diese
brauchten bei der Arbeit mit Blatteln weniger Kohlen als mit
Flossen. Hatte ein Hammergewerke wegen Mangel an Blatteln Flossen
einrennen müssen, so muſste der Radmeister dem Hammergewerke
an jedem Meiler eingerennter Flossen 3 Gulden ersetzen. Graglach-
wascheisen galt nur von Schlacken gereinigt als Kaufmannsware.
Verleihkauf und Gedinge sollten zu Michaeli ihren Anfang nehmen.


Die Löhnung für die Hüttenarbeiter war folgende: Bei Floſs-
hütten
für den Plaher 4 Gulden Leihkauf, alle 4 Wochen 7 Gulden
an Lohn, wenn die Hütte im Gang war, 5 Gulden auſser dem Betrieb
[801]Österreich.
der Hütte; Fleisch- und Faschingsgeld jährlich 3 Gulden. Ein Ofen-
knecht erhielt entsprechend 1 Gulden Leihkauf, 6 resp. 4 Gulden
Lohn und 2 Gulden Fleisch- und Faschingsgeld. Diese Lohnsätze
waren schon in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts eingeführt
worden. Bei den Stückhütten erhielt der Plaher an Leihkauf
12 Gulden, pro Meiler (500 kg) Stuck oder Graglach 24 Kreuzer,
vom Meiler Klaub- oder Bachgraglach 20 Kreuzer, für Ofen und
Brustmachen jährlich 3 Gulden. Ein Gragler entsprechend 8 Gulden
20 Kreuzer und 1 Gulden 30 Kreuzer. Bei den Deutschhämmern
erhielt der Vorplaher 18 Gulden Leihkauf, vom Meiler geschlagenem
oder Breiteisen 17 Kreuzer, für Ofen und Brustmachen des Jahres
1 Gulden 30 Kreuzer, Fleisch- und Faschingsgeld 1 Gulden 30 Kreuzer,
Gragler, Vorhammerschmied und Nachhammerschmied erhielten ent-
sprechend weniger.


Die Holzkohlen muſsten mit geaichtem Maſs vermessen gekauft
werden. Der Preis der Kohle wurde für das Hüttenberger Schaff
(soviel pflegte ein Pferd auf dem Rücken auf den Saumwegen zu
tragen, daher der Name Samkohle) auf 15 Kreuzer festgesetzt.


In dem früheren Stapelplatz St. Veit wurde ein Roheisenmagazin
errichtet und alles Rauheisen von den Stück- und Floſsöfen und das
Hammereisen, auſser was die Gewerken, Bergarbeiter und Bauern
für ihren eigenen Bedarf brauchten, muſste in das Verlagsmagazin
eingeliefert werden. Von da bezogen die Rad- und Hammermeister
ihr Eisen, und es war Aufgabe des Bergrichters, dafür zu sorgen,
daſs diese nicht bedrückt wurden. Die Gewerken durften die von
dem Magazin erhaltenen Verlagsgelder nur für Betrieb und Bau ihrer
Werke verwenden. Zweimal im Jahr, an bestimmten Tagen, fanden
Gewerkenversammlungen im Berggerichtshause zu Hüttenberg statt.
— In Klagesachen saſs der Bergrichter mit zwei Geschworenen und
drei bis vier Sachverständigen zu Gericht.


Die wichtige „Rauheisen-Magazin-Verlagsordnung“ brachte
1759 endlich in die hundertjährigen Wirren des Eisenverschleiſses
Ordnung. Sie bestimmt im § 1, wie oben schon erwähnt: „Alles Hütten-
berger, Mosinzer, Löllinger Rauheisen, als Stuck, Floſs und Blattl,
Graglach und Waschwerk muſs in guten und schlechten Zeiten in das
St. Veiter Verlagsmagazin abgeführt werden. Der Radmeister erhält
dafür seinen Wiegeschein und auf Grund dessen nach Ablauf der
„Respirozeit“ den Betrag in gangbarer Münze ausgezahlt.“


Für einen Meiler = 1000 Wiener Pfund Gewicht, Stuck, Floſs
und Blattl war 25 Gulden zu zahlen, das erste Jahr mit acht, die
Beck, Geschichte des Eisens. 51
[802]Österreich.
folgenden mit drei Monaten Respiro. — Das Magazin stand unter
landesfürstlichem Schutz. Die Verlagssumme war auf 40000 Gulden
festgesetzt, wovon die Hälfte der bürgerlichen Innung, die andere Hälfte
den Rad- und Hammermeistern, nach Verhältnis des einzuliefernden
Gutes, einzulegen erlaubt wurde.


An die Hammergewerken muſste ein Meiler Floſs, Stuck oder
Blattl um 26 Gulden gegen halbjährigen Respiro gegeben werden,
ein Meiler Graglach um 21 Gulden. Der gesetzlich für jeden Ge-
werken bestimmte Eisensatz durfte bei 50 Dukaten Strafe und Verlust
des Radwerkes nicht überschritten werden. Die Stadt St. Veit hatte
für das Magazin einzustehen und wählte einen Direktor, Kassierer
und Magazinsspediteur.


Die Waldeisengewerke durften bei 100 bis 1000 Gulden Strafe
kein Roheisen verkaufen und nur soviel erzeugen, als sie auf den
eigenen Hämmern verarbeiten konnten, mit Ausnahme von Gmünd
und der Ignaz von Marburgschen zwei Floſsöfen zu Jadersdorf.


Auch die Erzeugung der Haupteisengewerken wurde beschränkt
und nur folgende Produktionen bewilligt:


  • Theodor Graf Christallnig auf seinem Floſsofen in
    Eberstein   500 Meiler
  • Herrschaft Silberegg auf ihrem Stückofen zu Silberegg   162 „
  • Mayerhofersche Erben auf ihrer Schwarzstückhütte
    zu Lölling   207 „
  • Mayerhofersche Erben mit Martin Secherau ½
    Zecherhütte zu Lölling   89 „
  • Stadt St. Veit auf ihrer Floſshütte zu Urtl   1167 „
  • Stadt St. Veit auf ihrer Stuckhütte Hüttenberg   194 „
  • F. v. Eggersche Erben auf ihrer Floſshütte zu Treibach   1280 „
  • Jos. von Kellerstein auf seiner Floſshütte zu Heft   1022 „
  • Martin von Secherau auf seiner halben Stuckhütte
    zu Lölling   207 „
  • Theodor Graf Christallnig auf seinen zwei Stuck-
    hütten zu Lölling   360 „
  • Jos., Wolfgang und Bartlmä Rauscher auf ihrer
    Floſshütte zu Mosinz   1260 „
  • Jos., Wolgang und Bartlmä Rauscher auf ihrer
    Stuckhütte zu Mosinz   774 „
  • Jos. Riegler auf seiner Stuckhütte zu Hüttenberg   149 „

Auf den Deutschhämmern wurde bewilligt:


  • Graf Theodor Christallnig zu Eberstein   180 „

[803]Österreich.
  • Herrschaft Silberegg zu Wieting   67 Meiler
  • Propstei Wieting zu Wieting   67 „
  • Mayerhofersche Erben mit Secherau in Lölling   72 „
  • F. von Eggersche Erben mit Maria Ulbing und
    Johanna Greifenstein  46 „
  • Maria Ulbing zu Hüttenberg   54 „
  • Joseph Kellerstein zu Hüttenberg   99 „
  • Martin Secherau zu Lölling   90 „

Hierzu kam noch die Herrschaft Gmünd mit 800 Meilern und Josef
von Marburg
mit zwei Floſshütten zu Dellach und Jadersdorf mit
„soviel, als die Erzrechte zulassen“.


In der Hammerordnung sind für die beiden Kreise Kärntens
folgende Konzessionen aufgeführt:


  • Groſs-Wallisch-Hämmer mit 16 Feuern und 8 Schlägen
  • Wallas- „ „ 28 „ „ 16 „
  • Brescian- „ „ 39 „ „ 39 „
  • Stahl- „ „ 63 „ „ 63 „
  • Blech- „ „ 4 „ „ 2 „
  • Zinn- „ „ 29 „ „ 29 „
  • Nagelschmiede- „ „ 42 „ 210 Stöcken
  • Drahtzangen- „ „ 114 „ —

Folgende Preise wurden beim Verkauf im groſsen gegen Kontant-
zahlung festgestellt:


  • Für 1 Meiler (500 Kil) Hakeneisen   50 fl.
  • „ „ „ feinen Wallas   60 „
  • „ „ „ Nägel oder gröberen Wallas   54 „
  • „ „ „ Blechflammen   56 „
  • „ „ „ Streck- oder Brescianeisen   60 „

Bis zum Jahre 1759 waren die Hüttenberger Gewerken von der
kaiserlichen Frohne befreit gewesen, indem das Mauth- und Abwage-
geld als solche galt. Maria Theresia führte statt dessen eine
Frohne ein, und zwar von jedem Centner Flossen 15 Kreuzer, vom
Centner Stuck und Graglach 10 Kreuzer, vom Centner Deutschhammer-
eisen 13 Kreuzer; dieselbe wurde seit 1772 nach dem St. Veiter
Magazinsbuch erhoben; 1771 betrug sie 23000 Gulden. Daneben
bestanden noch die alten Mauth- und Abwaggefälle an die salz-
burgische Herrschaft Althofen.


Seitdem die Gebrüder Rauscher 1754 den neuen Floſsofen zu
Mosinz gegen Auflassung dreier ihrer Stuckhütten erbaut hatten, kam
51*
[804]Österreich.
es den Gewerken mehr und mehr zum Bewuſstsein, wieviel vorteil-
hafter der Floſsofenbetrieb gegenüber dem Stuckofenbetrieb war; denn
abgesehen von der viel gröſseren Produktion der Floſsöfen waren die
Erzeugungskosten viel geringer. Während man beim Floſshüttenbe-
triebe zur Erzeugung eines Meilers Floſseisens 5½ Fuder Erze und
25 Schaff Kohlen verwendete, die Erzeugungskosten pro Meiler sich auf
16 Gulden 51 Kreuzer, der Verkaufspreis sich auf 25 Gulden belief,
waren, bei einem Verkaufspreis von 25 Gulden 30 Kreuzer pro Meiler
Stuckeisen, 6½ Fuder Erze, 38 Schaff Kohlen zur Erzeugung er-
forderlich, und die Erzeugungskosten betrugen 21 Gulden 19 Kreuzer.
Bei einem Meiler Floſseisen resultierten also 8 Gulden 9 Kreuzer,
bei einem Meiler Stuckeisen nur 4 Gulden 11 Kreuzer Gewinn.


Durch die theresianischen Gesetzgebungen waren die Schwierig-
keiten, welche vordem der Errichtung neuer Floſshütten im Wege
gestanden hatten, beseitigt, und so folgten die übrigen Gewerken
bald dem Beispiel der Gebrüder Rauscher nach. 1762 bauten die
Mayerhofer-Secherauschen Gewerken in Lölling einen Floſsofen,
wofür sie zwei Stucköfen eingehen lieſsen. 1768 erhielten die Gebrüder
Rauscher eine weitere Konzession für einen zweiten Floſsofen
(Fuchshütte) gegen Auflassung von drei Stuckhütten. In demselben
Jahre entstand für die Stuckhütten in Heft und Hüttenberg eine
Floſshütte, die Kompaniehütte, an welcher Pfeilheim, die Stadt St.
Veit und der Gewerke Riegler beteiligt waren. 1775 erbaute Graf
Christallnig in Lölling für seine Löllinger Kaiser- und Neuluck-
Stuckhütten-Gerechtigkeit einen Floſsofen. Dies waren die zwei letzten
im Betriebe gestandenen Stuckhütten; mit dem Jahre 1775 war somit
der Stuckhüttenbetrieb auch in Kärnten gänzlich erloschen.


Wie sehr sich die kaiserliche Regierung die Verbesserung des
Hüttenwesens um jene Zeit angelegen sein lieſs, beweisen auch die
verschiedenen ausgesetzten Prämien. 1766 bestimmte die Regierung
ein Gnadengeschenk von 50 Gulden dem, der Steinkohlen durch
einen besonderen Kunstgriff zur Fabrikation des Eisens, wenigstens
zum Gebrauch der Raffinierung, tauglich machte; ferner 24 Dukaten
dem, der Torfgruben entdeckte, und 100 Dukaten dem, der mit Torf-
kohle die Schmelzung der Erze bewirke. 1768 wurde ein Prämium
von 1000 Dukaten für ein gedrucktes Avertissement für bessere
Eisenschmelzung in Manipulation der Schmelzung ausgesetzt.


Nach den Einschränkungen der theresianischen Verlagsordnung
durften auf sämtlichen Floſshütten nur 52290 Centner, auf sämt-
lichen Stuckhütten 21420 Centner und auf den Deutschhämmern
[805]Österreich.
6750 Centner Rauheisen erzeugt werden. Jedem Werk waren ära-
rische Privatwalddistrikte, die nur der Roheisenerzeugung gewidmet
waren, zugewiesen 1). Für alle Materialien waren die Preise bestimmt.
So gut dieser Zwang gemeint war und so sehr er zur Herbeiführung
geordneter Zustände geholfen hat, so wenig lieſs er sich auf die
Dauer durchführen. Der Aufschwung, den die Eisenindustrie infolge
der besseren Zustände nahm, führte bald zur Überschreitung der
gesteckten Grenzen. Schon 1759 belief sich der Eisen- und Stahl-
bedarf auf 80000 Centner und der Geldwert der ausgeführten Eisen-
waren: von Schmiedeeisen (nach Italien) auf 181000 Gulden, von
Pfann- und Hackeisen (gröſstenteils in die Türkei) auf 200000 Gulden,
von Stahl (nach Italien, Türkei, England) auf 140000 Gulden, von
Nägeln (nach Italien, Türkei) auf 73600 Gulden, von Draht (Ardea-,
Bella-, Schlingendraht nach Italien, Türkei) auf 72208 Gulden, von
Blech (nach Italien, Türkei) auf 7400 Gulden, von Sensen und Sicheln
(nach Italien) auf 6700 Gulden.


Vom Jahre 1769 trat trotz der Errichtung neuer Floſshütten
solcher Eisenmangel ein, daſs das St. Veiter Magazin immer geleert
blieb. Aus diesem Grunde wurde nach und nach allen Gewerken
gröſsere, ja zum Teil unbeschränkte Produktion, soweit der Kohlen-
bezug dies erlaubte, gestattet.


Durch die freisinnigen Reformen Josephs II. und durch die Patente
vom 29. Dezember 1781 und 8. November 1782 wurde endlich dem
Zwangssystem, der Verschleiſssatzung und der Roheisenwidmung ein Ende
gemacht. Jeder Gewerke ohne Unterschied, ob Haupt- oder Waldeisen-
gewerke, konnte von nun an jede beliebige Menge Roheisen erzeugen,
zu beliebigen Preisen verkaufen, war nicht mehr an das Verlagsmagazin
zur Ablieferung und die Hammergewerke nicht mehr zum Bezug
gebunden. Den Gewerken wurde gestattet, ihre Waldungen selbst
zu beaufsichtigen. Der Grundbesitzer durfte sein Holz frei benutzen
und zu beliebigem Preise verkaufen. Diese Befreiungen hatten eine
bedeutende Steigerung der Eisenproduktion zur Folge; sie stieg von
1770:90000 Centner, 1783 über 150000 und 1794 über 194000
Centner. Andererseits wurde die Mautfreiheit der Gewerken und
Knappen aufgehoben. 1793 hielten die Knappen ihren letzten fest-
lichen Aufzug ohne Bewilligung. Von da ab wurden sie verboten,
später nur gegen schriftliches Gesuch nach Ermessen gestattet. Die
alten Vorrechte, wonach nicht nur alle Berg- und Hüttenarbeiter,
[806]Österreich.
sondern auch alle bei Gewerken dienenden Knechte, Köhler, Kohl-
und Erzführer u. s. w. militärfrei waren, und die Knappen nur bei
Kriegsgefahr drei Tage auf eigne Rechnung ins Feld zu ziehen hatten,
erhielten jetzt mancherlei Beschränkungen. 1783 wurde das Berg-
gericht in Hüttenberg aufgehoben und mit dem Berggericht in Klagen-
furth vereinigt. In der Zeit von 1783 bis 1793 gingen auch die noch
übrig gebliebenen Deutschhämmer ein. Die meisten wurden in
„Wälischhämmer“ umgewandelt. Am 10. April 1793 kam an die
Hüttenberger Gewerke die Aufforderung, wegen der Holznot alle in
der Nähe der Schmelzöfen liegenden Hämmer aufzulassen oder zu
versetzen. 1791 wurden Gedinge am Erzberg eingeführt unter groſsem
Widerstand der störrigen Knappen. Kaiser Joseph II. legte durch
seine aufgeklärten, freien Verordnungen den Grundstein zur raschen
Entwickelung der Eisenindustrie an der Eisenwurze. Erst seitdem
entstand ein mehr ordnungsmäſsiger Betrieb, welcher die Gewerken
in die Lage setzte, Reichtümer zu sammeln und ihre Werke allmählich
zu vergröſsern.


Charakteristisch für die Zeitgeschichte sind noch folgende Ver-
ordnungen:


  • 1782: Es soll bei allen Dienstverrichtungen nicht mehr auf das Reli-
    gionsbekenntnis Rücksicht genommen werden.
  • 1790: Zur Errichtung eines Pionierbataillons wird unter dem Berg-
    volke von Hüttenberg, Vordernberg, Eisenerz und Auſsen eine
    Werbung veranlaſst.
  • 1791: Warnung an die Gewerken vor den französischen Anwerbungen
    kärntnerischer Eisen-, Stahl- und Sensenschmiedarbeiter.
  • 1793: Die Rauschersche Radwerks-Kompanie leistet einen frei-
    willigen Kriegsbeitrag von 300 Gulden.

Folgende Eisenwerke wurden vom Hüttenberger Erzberge mit
Erz und Eisen versehen:


1. Die Petzenstuckhütte, auch Plaggowitzhütte genannt; seit 1587
aktenmäſsig bekannt, 1750 von den Gebrüdern Rauscher aufgegeben.


2. Die Pucherstuckhütte, auch Puchbauerhütte; seit 1605, 1750 eben-
falls von den Gebrüdern Rauscher an die Mosinzer Floſshütte gegeben.


3. Der Plaggowitz Deutschhammer; seit 1572. 1638 verkaufte
Georg Purkstaller den halben Hammer für 86 Gulden, ein Tuch
im Werte von 5 Gulden, 5/4 wälischen Wein und 2/4 Marwein.


4. Die Möſslstuckhütte, auch Vellnerhütte, im 18. Jahrhundert
auch Gasserhütte genannt; seit 1572, kommt 1750 von den Gebrüdern
Rauscher an die Mosinzer Kompanie.


[807]Österreich.

5. Die Perwitzhütte; seit 1572, wird 1630 zum letztenmal er-
wähnt.


6. Die Pfannerhütte; seit 1638; 1750 von Josef Rauscher an
die Kompanie gegeben.


7. Der Peckenhammer (Deutschhammer); seit 1590. 1631 entstand
an seiner Stelle


8. die Fuchsstuckhütte, kam an die Gebrüder Rauscher, welche
sie 1750 an die Kompanie gaben.


1746 suchten die Gebrüder Rauscher, welche um die Mitte des
18. Jahrhunderts alle Stuckhütten von Mosinz und Plaggowitz an
sich gebracht hatten, um die Konzession nach, einen Floſsofen gegen
Auflassung der Pfanner-, Patzen- und Puchbauerstuckhütte erbauen
zu dürfen. Nach langem Kampf und unendlichen Schreibereien er-
hielten sie 1754 die Konzession und erbauten


9. den Mosinzer Floſsofen, ursprünglich Pfanner Floſshütte
genannt. 1755 setzten sie denselben in Betrieb. — 1768 erbaute die
Kompanie Rauscher den zweiten groſsen Floſsofen,


10. den Fuchsfloſsofen gegen Auflassung der Gasser- und Fuchs-
stuckhütte.


Um diese Zeit (1766) betrug die tägliche Erzeugung des Mo-
sinzer Floſsofens 3,1 Meiler (1550 Kil), der Kohlenaufwand 21 Schaff
für den Meiler. Bei dem Stuckofen betrug der Kohlenverbrauch da-
gegen 37 Schaff und die Herstellungskosten von einem Meiler 25 Gulden
44 Kreuzer, nämlich:


  • Für Erzverbrauch   8 fl. 3 kzr.
  • „ Kohlenaufwand   12 „ — „
  • „ Schmelzungskosten   — „ 40 „
  • „ Speditions- und Niederlagszinsen   — „ 32 „
  • „ Roheisenfracht ins Magazin   1 „ 39 „
  • „ Gebäudereparaturen   1 „ — „
  • „ Wegreparaturen   — „ 10 „
  • „ Frohne  1 „ 40 „
  • Summa 25 fl. 44 kzr.
  • 1775 betrug die Erzeugung der Pfannerfloſshütte 11308 Ctr. Roheisen,
  • „ „ „ „ „ Fuchshütte  4103 „ „
  • Summa 15411 Ctr. Roheisen.

Die Kompanie Rauscher konnte 1780 20000 Gulden Rein-
gewinn verteilen. Die Floſsöfen hatten damals noch durchgehends
die Höhe von 15 Fuſs. Der Ofen der Fuchshütte war 15 Fuſs hoch,
[808]Österreich.
18″ Quadrat von der Gicht, einige Fuſs unter der Gicht ging er in
einen kreisförmigen Querschnitt über, der Kohlensack war 3 Fuſs
weit, die Form lag 18 Zoll über dem Boden. 1790/91 wurde erst der
Mosinzer Ofen umgebaut und von 15 Fuſs auf 24 Fuſs erhöht. Dadurch
wurde die Erzeugung so erhöht, daſs man 1792 die Fuchshütte ganz
eingehen lieſs.


11. Die Schmied- oder auch Maierstuckhütte in der Heft,
seit 1572. 1623 erhielten die Besitzer, die Brüder Platzer, die
Konzession zur Erbauung eines Floſsofens, und erbauten in dem-
selben Jahr


12. Die Hefter Floſshütte. Bis 1764 hatte er die übliche
Höhe von 15 Fuſs; in diesem Jahre wurde er auf 18 Fuſs 4 Zoll
erhöht mit 3 Fuſs 8 Zoll Weite im Kohlensack. Seit der Zeit lieferte
er durchschnittlich 5 Meiler (2500 Kil) in 24 Stunden. 1797 wurde
er auf 24½ Fuſs erhöht und von dem berühmten Gebläsekonstrukteur
Pfeffer ein Kastengebläse von 4 Fuſs Quadrat und 6 Fuſs Höhe
erbaut. Dadurch stieg die Jahreserzeugung von 16000 auf 24000 Ctr.
Trotz der Höhe von 24½ Fuſs war die Gicht nur 17 Zoll Quadrat,
der runde Kohlensack 3′ 10″ im Durchmesser.


13. Der Hefter Deutschhammer hatte drei Plahöfen, jeder seinen Balg
und jeder Balg sein Wasserrad; seit 1587; wurde 1745 aufgelassen.


14. Die Hautzensteinerhütte unter Jaschitze schon 1558 be-
kannt, kam 1656 ausser Betrieb und in Verfall.


15. Die Rauzen- oder Reauzenhütte, nur 1574 bis 1588 erwähnt.


In der Nähe von Hüttenberg und dem Hüttenberger Graben
lagen folgende Hütten:


16. Der Kirchen-Deutschhammer war schon im 15. Jahrhundert
im Betrieb, ging nach 1662 ein.


17. Die Markthütte, Stuckhütte; seit 1601, gehörte 1768 Josef
Riegler
, der in diesem Jahre mit seiner Konzession der Kompanie-
hütte beitrat.


18. Die Hindterbergstuckhütte; seit 1636, 1768 im Besitz von
St. Veit, das damit dem Kompaniehütten-Floſsofen beitrat.


19. Der Silberberg-Deutschhammer; seit 1572, 1679 aufgelassen.


20. Der Steinbrugg-Deutschhammer; seit 1563, wurde 1768 in
einen Zeughammer verwandelt.


21. Der Pairisch-Deutschhammer bestand schon 1534, kam 1767
auſser Betrieb. Der letzte Besitzer, Pfeilheim, erbaute einen Stuck-
ofen und trat mit diesem in Kompanie mit Josef Riegler und der
Stadt St. Veit, welche gegen Auflassung von drei Stuckhütten 1767


[809]Österreich.

22. Die Kompaniehütte oder den Kompanie-Floſsofen er-
bauten.


Im Löllinger Graben lagen:


23. Die Neidluckenstuckhütte, auch die Neuhütte genannt, war
1601 im Verfall, wurde 1603 neu aufgebaut und 1774 von Graf Leo-
pold Maria von Christallnig
in die Union mit Secherau und
Mayerhofers Erben gegeben.


24. Die Kaiserhütte, ebenfalls anfangs des 17. Jahrhunderts im
Verfall, 1612 wieder aufgebaut, 1774 ebenfalls von Graf Christallnig
in die Union gegeben.


25. Die Dürr- oder Steinerhütte, seit 1589, wurde 1774 von Leo-
pold
Grafen von Christallnig in die Löllinger Union gegeben.


26. Die Knichtehütte wird Ende des 16. Jahrhunderts eine uralte
Hütte genannt; die Erben von Seher von Secherau geben sie 1770
in die mit den Mayerhoferschen Erben gegründete Union.


27. Die Zechnerstuckhütte gehörte 1529 dem Simon Lattacher;
1760 von Martin Benedikt von Secherau in die Union gegeben,
blieb aber bis 1769 im Betrieb und wurde dann aufgelassen.


28. Die Meixnerstuckhütte gehörte 1572 zum Teil dem Lattacher.
Die Konzession kam 1760 von den Mayerhoferschen Erben in die
Mayerhofer-Secherausche Union.


29. Der Löllinger- oder Zechner-Deutschhammer gehörte 1572
dem Georg Lattacher, kam 1760 in die vorgenannte Union und
wurde von dieser bis 1784 im Betrieb erhalten.


30. Die Lattacher-Stuckhütte wurde in der zweiten Hälfte des
17. Jahrhunderts konzessioniert, gehörte 1760 Ludwig von Mayer-
hofer,
der sie in die Union gab.


31. Die Schwarzhof-Stuckhütte, Anfang des 18. Jahrhunderts an
Stelle der abgetragenen Meixnerstuckhütte erbaut, kam durch die
Mayerhoferschen Erben 1760 zur Union.


An Stelle der Meixner- und Schwarzhofstuckhütte erbaute die
Mayerhofer-Secherausche Masse 1764 den ersten Hochofen für
Blattelerzeugung im Löllinger Graben. Da sie aber keine landes-
fürstliche Konzession erworben hatte, erfuhr sie manche Schwierig-
keiten. 1774 trat auch Leopold Maria Graf von Christallnig
der Mayerhofer-Secherauschen Masse bei, die nun den Namen
„Löllinger Union“ annahm. Diese erhielt 1776 die Konzession für
einen zweiten Hochofen:


32. Die Voitschstuckhütte, seit 1592 bekannt, wurde 1774 von
Leopold Graf von Christallnig zur Löllinger Union gegeben.


[810]Österreich.

Im Görschitzthal lagen


33. der Wietinger Deutschhammer; seit 1591, kam 1783 auſser
Betrieb.


34. Der St. Pauli Deutschhammer; seit 1574, kam später an die
Grafen v. Christallnig, die ihn eingehen lieſsen, die Konzession
aber mit in die Löllinger Union brachten.


35. Die Greiſsenegger Stuckhütte, auch Welzerhütte zu Eberstein,
1565 dem Herrn von Greiſsenegg zugehörig, kam später in
Christallnigschen Besitz und wurde Ende des 18. Jahrhunderts
in einen Wällischhammer umgewandelt.


36. Die Umfahrer-, auch Gillizsteinerhütte; seit 1570. 1605 kaufte
David Christallnig, Handelsherr in St. Veit, den Gillizsteiner
Besitz samt den Berg- und Schmelzwerken um den Betrag von
7000 Gulden. Sein Enkel Georg David kaufte die Herrschaften
Eberstein und Hornburg und die Greiſseneggerhütte. Die Familie
Christallnig gehörte dadurch zu den gröſsten Besitzern am Hütten-
berg. In einer Prozeſsschrift von 1674 konnte Georg Sigmund
Christallnig
durch Originalurkunden nachweisen, daſs die Eber-
steins
chen Schmelzwerke bereits über 400 Jahre bestehen. Wegen
hervorragender Verdienste im Eisenwesen wurde Georg Balthasar
Christallnig
1709 in den Freiherrn- und 1721 in den Grafenstand
erhoben.


Bei Guttaring lag die älteste Floſshütte:


37. Der Urtler Floſsofen. Schon in der ersten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts bestand eine Stuckhütte im Urtlgraben. Der Urtler Floſs-
ofen wurde zwischen 1567 und 1580 von der Kammerstadt St. Veit
erbaut. 1625 betrug die Produktion in zwei Kampagnen von 9 und
13 Wochen und 2 Tagen 5346 Ctr. In der zweiten Hälfte des
17. Jahrhunderts schwankte sie zwischen 5000 bis 6500 Ctr., 1700 bis
1712 von 6490 bis 9800 Ctr., 1712 bis 1724 von 10000 bis 11500 Ctr.,
in welchen Grenzen sie im 18. Jahrhundert blieb, nur 1780 erreichte
sie 13600 Ctr. Der Kohlenverbrauch schwankte von 20 bis 25 Schaff,
das Ausbringen erreichte meist nur 40 Proz.


38. Die Silberegger Stuckhütte, im Krapfeld gelegen, wurde 1600 ge-
gründet und gehörte im 18. Jahrhundert erst dem Grafen Gaiſsruck,
dann Josef Edler von Pfeilheim, der die Hütte und Nagelschmiede
1763 an Max Thaddäus Freiherrn von Egger für 9000 Gulden
verkaufte. Dieser lieſs sofort den Silberegger Stuckofen auf.


39. Die Treibacher Stuck- und Floſshütte. Erstere kam 1572 durch
Erbschaft an Frau Anna Vellner. Karl Vellner erbaute 1606 ohne
[811]Österreich.
Konzession eine Floſshütte, die zweite in Kärnten. Man machte ihm des-
halb Schwierigkeiten, bis ihm 1609 der Betrieb gestattet wurde. 1698
erwarb Paul von Egger, Ratsherr und Eisengewerke zu Leoben, die
Treibacher Floſshütte für 20000 Gulden und 10 Dukaten Leihkauf.
Dessen Enkel, Max Thaddäus von Egger, ein Mann von groſsem
Reichtum und Wissen, that viel zur Beförderung des Eisenhüttenwesens.
Er lieſs bereits 1766 den Hochofen zu Treibach mit zwei Formen
zustellen und versah jede Form mit zwei prismatischen Blasebälgen,
wodurch sehr günstige Resultate erzielt wurden. 1760 erhob ihn
Maria Theresia in den Freiherrn- und 1785 Kaiser Joseph II. in
den Grafenstand „ob der Verdienste, welche er sich bei Förderung
der Eisenindustrie erworben“, wie es in dem Diplom heiſst. 1793
setzte er sich mit zwei Engländern, Ligstowler und Sheffield, in
Verbindung und stellte in Lippitzbach ein Blechwalz- und Schneide-
werk, sowie englische Cement- und Guſsstahlöfen auf. 1798 pachtete
er die ärarischen Werke St. Leonhard und St. Gertraud.


Der Preis von Stuckeisen auf den Hütten am Erzberg betrug pro
Meiler 1572 bis 1597 9 Gulden, stieg bis 1608 auf 15 Gulden. Das
geschlagene Hammereisen galt 6 bis 8 Gulden höher als Stuckeisen.
Floſseisen hatte im 17. bis Mitte des 18. Jahrhunderts denselben
Preis wie Stuckeisen; in der zweiten Hälfte bezahlte man Floſseisen
2½ Gulden höher. Der Preis von Floſseisen schwankte 1650 bis 1700
von 17 bis 20 Gulden, 1700 bis 1708 von 18 bis 23 Gulden, 1710
26 Gulden, 1710 bis 1716 23 Gulden, 1727 28 Gulden, 1728 bis 1734
26 bis 27 Gulden, 1735 bis 1750 25 bis 27 Gulden, 1750 bis 1789
konstant 26 Gulden, stieg 1790 bis 1793 auf 33 Gulden und von
1790 bis 1800 sogar auf 39 Gulden pro Meiler, nämlich

Charakteristisch sind für die kärntnischen Hochöfen im 18. Jahr-
hundert die enge Zustellung und die Blattlerzeugung seit Mitte des
Jahrhunderts. Die der Latranschen Familie zugehörigen Hochöfen
bei Kremsbrücken waren 21 Fuſs hoch und unten und oben 1½ Fuſs
weit 1).


Die Eisenproduktion von Kärnten wird 1777 auf 120000 Ctr. an-
gegeben und waren nahezu 10000 Arbeiter in der Eisenindustrie be-
schäftigt. Nach einem Brief von Baron J. v. Zois an Sal. v. Stocken-
ström
in Stockholm betrug im Jahre 1780 die Ausfuhr aus Kärnten
[812]Österreich.
von Schmiedeeisen und verarbeitetem Eisen 6200000 W. Pfd.
„ Stahl und Stangen u. s. w. ..... 3800000 „ „


In dem Herzogtum Krain giebt es keine so groſsartigen Eisen-
erzvorkommen, wie der Erzberg bei Eisenerz in Steiermark und der
Hüttenberger Erzberg in Kärnten; die reichlich vorhandenen Rot-
und Brauneisensteine in Spalten und Schluchten des Kalkgebirges sind
über das ganze Land verbreitet. Sie wurden vielfach durch Tage-
bauten gewonnen und in zahlreichen kleinen Hüttenwerken ver-
schmolzen. Infolge dieser Verhältnisse und da es an einem natür-
lichen Mittelpunkt der Eisenindustrie fehlte, war der Verband der
über das ganze Land zerstreuten Gewerke ein viel loserer und die
staatliche Bevormundung durch Aufsicht und Mitverwaltung eine ge-
ringere als in den vorerwähnten Alpenländern. Deshalb war die
Ordnung des Berg- und Hüttenwesens schlechter und die Willkür
der Berg- und Hüttenleute, „des Bergvolks“, wie sie im Gegensatz
zum Landvolk hieſsen, noch gröſser. Hierzu trug auch das Völker-
und Sprachengemisch von Deutschen, Slawen und Italienern bei.
Wenn auch keine so ausgedehnte Ausstände und Aufstände vor-
kommen konnten wie am Hüttenberger Erzberg in Kärnten, so sind
im vorigen Jahrhundert die Klagen über Unordnungen, Faulheit,
Trunkenheit und Widersetzlichkeit der Knappen und Eisenarbeiter,
die von der Militärpflicht befreit waren und von der Regierung
geschützt wurden, um so häufiger. Der Korporationsgeist des Berg-
volks artete sehr oft in Anmaſsung und Zügellosigkeit aus. Charak-
teristisch hierfür sind die Berichte des Unterbergrichters Anton
Deitler
an das Bergobergericht 1) von 1775 über das Treiben des
Bergvolks in Sava, Jauerburg und Pleyofen. Nachtschwärmerei, Rauf-
händel und Verspottung der Obrigkeit hatten damals so überhand
genommen, daſs ein Militärkommando requiriert werden muſste, um
nur einigermaſsen wieder Ordnung herzustellen. Nicht minder schlimm
war es bei den Nagelschmieden, die keine besondere gesetzliche Ord-
nung hatten, und in einzelnen Gegenden sehr zahlreich waren. So
gab es am Schluſs des Jahrhunderts in Eisnern, Krop und Stein-
büchel über 1000 Nagelschmiede, von denen ein Bericht vom 27. Mai
1805 2) sagt, „sie behaupten unstreitig die Mehrheit über alle anderen
Bewohner; wegen dieser Mehrheit und ihrem Einverständnisse darf
[813]Österreich.
ihnen kein Gewerk, nicht einmal die substituierte Ortsobrigkeit, etwas
sagen, weil sie sogleich gemeine Sache machen. Sie arbeiten nur,
wann sie wollen; sie machen sich nach Belieben Feiertage zum
gröſsten Nachteil und empfindlichen Schaden der Gewerke, des Landes
und des Ärares, und bis zur Stunde verspotten sie die allerhöchsten
diesfalls wiederholt ergangenen Verordnungen und Strafgesetze vom
1. Februar 1787. Die Leute klagen über unzulänglichen Verdienst,
aber sie spielen, saufen und lärmen ganze Nächte und verfeiern auſser
den Kirchenfeiertagen über 100 Tage im Jahre. Sie bestehlen ihre
Gewerke von allen Seiten und verkaufen das Eisen und die Nägel.
Gehorsam oder doch wenigstens schuldige Achtung gegen ihre Ge-
werke ist gar nicht zu erwarten, ja selbst die Geistlichkeit vermag mit
diesem zügellosen Volke nichts auszurichten.“


Da aber das Bergvolk und die Nagelschmiede gröſstenteils den
Gewerken verschuldet waren, so befanden sie sich doch in gänzlicher
Abhängigkeit von diesen und waren auſser Stande, ihre Arbeitsstelle
zu verlassen. Versuchten die Arbeiter, sich ihren Verpflichtungen
durch die Flucht zu entziehen, so wurde mit aller Strenge gegen sie
verfahren. Dasselbe geschah seitens der Regierung, wenn die Knappen
und Eisenarbeiter sich verlocken lieſsen, auſser Landes zu gehen. Mit
der Befreiung vom Militärdienst war die Verpflichtung des Bergvolks,
im Lande zu bleiben, auf das engste verknüpft. Maria Theresia
schärfte dies durch ein Verbot vom 4. September 1762 noch besonders
ein, indem sie den Eisen- und Stahlarbeitern streng untersagte, in
benachbarte Länder, wo Eisen- und Stahlmanufakturen errichtet
werden, zu entweichen und befiehlt, sowohl die Emigranten als ihre
Verführer zu bestrafen.


Die Eisengewinnung war ein Privilegium der Gewerke, worüber
diese eifersüchtig wachten und gelegentliche Versuche der Grund-
besitzer oder Schmiede, Eisenerze zu graben und in Rennherden zu
verschmelzen, eifrig verfolgten. So wandte sich am 11. März 1775
Johann Bapta Schigann1), „Inhaber und respective Hammers-
Gewerkh an der Feistriz hinter Stein mit der wehmüthigen Beschwörde“
an das Oberberggericht, „daſs seit einiger Zeit an verschiedenen Orthen
mehrere sogenannte Einren- oder Schmelzfeyer-Schmiden
sich befinden und hervorgethan, welche aus Arzt in kleinen offen das
Eiisen schmelzen und sodann zum höchsten Nachtheill derer Berg-
werkhe verschlüssen“ … Er verlangt, daſs drei, die er namhaft
[814]Österreich.
macht, auf Grund „maſsgebigster Anordnungen — andern zum Bey-
spill zur empfindlichen Strafe gezogen und ihnen die aufgerichten
Ren- oder Schmelzfeyer abgeworfen werden“.


Die Beschwerde ist von technischem Interesse, da auch hier die
Rennfeuer als die ältere Art der Eisenschmelzen, die nach alter
deutscher Sitte von den Gutsbesitzern zuweilen noch betrieben wurden,
erscheinen. Die herrschende Form des Schmelzbetriebes in Krain
war bekanntlich der Stuckofenbetrieb, und es ist bei den oben
geschilderten Verhältnissen nicht verwunderlich, daſs man hier 1)
noch länger am Stuckofen- oder Wolfsofentrieb festhielt, als in
Steiermark und Kärnten; 1778 bildete derselbe noch die Regel.
Der Ofenstock war meist 8 Fuſs im Quadrat, die ganze Ofenhöhe
vom Wolfsbett bis Einsturz 11 Fuſs; obere Weite 1 Fuſs, am Wolfs-
bett 2 Fuſs, erweiterte sich in der Mitte. Das inwendige Futter
wurde mit einem feuerfesten, glimmerartigen Sandstein und schwarzem
Thon gemacht.


Erst im Laufe des 18. Jahrhunderts wurden zu Sava und Jauer-
burg zur Ausschmelzung der „Stahlerze“ (Spateisensteine) Floſs- oder
Blauöfen erbaut. Doch scheint allerdings eine alte guſseiserne Glocke
mit der Jahreszahl 1668 auf einen älteren Hochofen für Guſseisen,
den man in dem benachbarten verfallenen Werke zu Mesnontz ver-
mutet, hinzudeuten.


Wenden wir uns nun zu den wichtigeren Eisenwerken Krains,
über welche Nachrichten aus dem 18. Jahrhundert vorliegen.


In der Wochein lagen zwei alte Eisenwerke, der Althammer
im oberen und Pozableno bei Feistritz im unteren Thal.


Über den Stuckofenbetrieb in der Wochein ist folgendes zu be-
merken: Der Stuckofen bei Feistritz war 12 Fuſs 9 Zoll hoch und
hatte einen trichterförmigen Aufsatz von 1½ Fuſs; der Durchmesser
des Gichtzirkels war 1 Fuſs 3 Zoll, der des Herdzirkels 2 Fuſs 5 Zoll 2),
das halbmondförmige Gewölbe, welches die Brust des Ofens bildete,
wurde nur mit Thon zugemacht. Zu Anfang der Schmelzung legte
man die Blaseöffnung tief. Nach einiger Zeit kamen aus diesem
Eſsloche Funken und kleine Schlackenkerne heraus. Sobald dies
geschah, machte man auf den Seiten in dem Brustgewölbe kleine
Öffnungen, um den Schlacken Abfluſs zu geben. Fing nun der Wolf
[815]Österreich.
an zu wachsen, so wurde ein anderes Eſsloch zwei Zoll höher ge-
brochen. Mit dem Eſsloch machte man auch die Schlackenlöcher
höher und fuhr damit bis unter den Gewölbbogen fort. Der Wolf
war inzwischen bis zu dieser Höhe angewachsen. Man brach nun
die Brust auf und sah den Wolf „stocken“. Eine Schmelzung dauerte
18 bis 20 Stunden, der Erzeinsatz betrug 40 bis 50 Centner. Der
Wolf wurde alsdann in einem sogenannten Pfähfeuer eingerannt und
zwar die Kotlizhe (Masse) einmal, die Pogazhe (Wascheisen) zweimal.
Aus beiden wurden die Massellen oder Tajolen gemacht. Aus jeder
Tajol zwei Kolben und aus jedem Kolben vier Stangen Walascheisen
zu 50 Pfund Gewicht geschmiedet.


Die Zerennfeuer waren nicht überwölbt, sondern nur mit Eisen-
blech überhangen, weil das Mauerwerk durch die Erschütterung des
an 13 Centner schweren Walaschhammers einstürzen würde. Man
machte in einem Feuer wöchentlich 45 bis 50 Centner Walascheisen
und brauchte dazu 55 bis 60 Krippen (zu 3½ Wiener Metzen) Fichten-
kohlen. Der Abbrand betrug nur 3 bis 5 Proz.


Ein krainisches Hammerwerk bestand in der Regel aus einem
Stuckofen, einem groſsen Wolfshammer, einem Zerennfeuer und Zain-
hammer, meist auch einem Nagelschmiedfeuer und Drahtzieherei.
Feistritz hatte eine Drahtzange für grobe Sorten, welche mit dem
Stuckofen unter einem Dache stand. Nicht weit davon lag eine be-
sondere Drahtzieherei mit drei durch Wasser betriebenen Zangen und
einer Handzange für feinere Sorten. Auſserdem waren zu Feistritz
unter einem Dache 10 Schmiedeherde, wo beständig 25 Paar Nagel-
schmiede arbeiteten, die so wie die zu Althammer alle möglichen
Gattungen von Nägeln verfertigten, die nach Italien verkauft wurden.
Die Nägelschmiede bekamen ihr Eisen zugewogen und muſsten ein
gewisses Quantum Nägel dafür abliefern; was sie mehr erzielten, war
ihnen. Diese Art Geding gab zu vielen Unterschleifen Veranlassung.
1777 machte Althammer 924 Ctr. Nägel, 234 Ctr. Zain- und Schien-
eisen und 385 Ctr. Draht; Feistritz 472 Ctr. Nägel, 482 Ctr. Zain-
und Schieneisen und 461 Ctr. Draht.


1708 waren beide Werke für 70000 Gulden verkauft worden.


In den 70er Jahren schaffte Sigismund Freiherr von Zois,
ein hervorragender Hüttenmann, seine Stucköfen zu Feistritz im
Wocheinerthal ab und legte einen Hochofen (Floſsofen) an. Derselbe
war (1797) 22 Fuſs hoch, von kreisförmigem Querschnitt und vier-
eckigem Gestell, am Bodenstein 1 Fuſs 10 Zoll Quadrat, im Kohlen-
sack, der 11 Fuſs hoch, also in der Mitte des Ofens lag, 4 Fuſs
[816]Österreich.
6 Zoll und an der Gicht 1 Fuſs 6 Zoll Durchmesser 1). Einen zweiten
Ofen von ähnlichen Maſsen erbaute Baron Zois zu Jauerburg; bei
beiden führte er an Stelle der Spitzbälge Wassertrommelgebläse ein.
Zu Sava hatte der Gewerke von Ruard ebenfalls einen Floſsofen
von 19½ Fuſs Höhe erbaut.


Über die Wolfsöfen zu Kropp, Steinbichel und Eisnern giebt
von Marcher nähere Nachrichten 2). Das Eisenwerk zu Zhuber
(Tschuber) gehörte früher den Grafen Zriny, fiel aber, als diese
sich mit dem Grafen Frangipani gegen den Kaiser empörten, 1671
an die Krone und wurde Kammergut. Es hatte gegen Ende des
18. Jahrhunderts einen Hoch- und einen Wolfsofen. Letzterer, der
meistens gebraucht wurde, war kleiner als der in der Wochein. Man
schmolz darin in 24 Stunden 20 Ctr. Erz zu einem Stuck. Die
Schlacke lief dabei fortwährend aus einem besonderen Loch ab. Die
Masse oder der Wolf wog 6 bis 7 Centner. Das Erz, welches Bohn-
oder Wassererz genannt wurde, war Roteisenstein und gab 30 Proz.
an Eisen. Aus dem Wolf schmiedete man verschiedene Eisensorten:
Presan- und Boloseisen und Spiaggia.


Die groſsartige Nagelfabrikation haben wir früher (S. 443) schon
erwähnt. Fiume war der wichtigste Versandhafen für dieselbe. 1 Faſs
Nägel zu 100 Pfund kostete 13 Gulden 13¼ Kreuzer. Das Eisen wie
die Nägel wurden den neapolitanischen Kapitänen, welche das Barletta-
salz lieferten, als bares Geld gegeben und muſsten dieselben, wenn sie
auch nicht wollten, für ⅓ ihrer Ladung davon nehmen. Sowohl das
Eisen nach Fiume als die Erze zu den Schmelzöfen wurden „gesäumt“,
d. h. durch Saumpferde getragen, welche trotz ihres elenden Aussehens
mit gröſster Sicherheit die Lasten über die Klippen trugen. In der
Regel herrschte Erzmangel, so daſs der Floſsofen nicht betrieben
werden konnte; hatte man aber einmal etwa 3000 Centner Erz ge-
sammelt, so wurde der Floſsofen angelassen und dasselbe in 11,
höchstens 12 Wochen verschmolzen. Die Verkohlung des Holzes
geschah in stehenden Meilern.


In 14 Monaten wurden (1777/78) in Tschuber 2924 Ctr. Erz
angeliefert, welches nach dem Rösten 2824½ Ctr. wog. Dieses wurde
mit 2824½ Ctr. Hammerschlacke verschmolzen. Es erfolgte daraus
882 Ctr. Roheisen und 35 Stück mit 244¾ Ctr., zusammen also
1126¾ Ctr. Hierzu wurden 3926 Säume Kohlen zu 3 bis 4 Wiener Metzen
[817]Österreich.
verbraucht. Der Centner Spiaggiaeisen wurde mit 8 Gulden 10 Kzr.,
Presaneisen mit 8 Gulden 41 Kzr., das Massarina mit 11 Gulden 40
bis 13 Gulden 20 Kzr. verkauft. Die Nägelpreise für Fremde waren:
Canali 16 Gulden 30 Kzr., Ceseni 15 Gulden, Mantuani 14 Gulden
10 Kzr., Ottantini 13 Gulden 20 Kzr. In den Seehäfen Recco und
Fiume wurden für 3500 fl. Eisen, meist Nägel, verkauft, bei dem
Werk Tschuber selbst für 500 bis 600 fl.


Die Stahlhämmer zu Weiſsenfels verarbeiteten importiertes
Rauheisen und Stahl von Kärnten. Der Stahl wurde in daumendicke
Stäbe von 2½ Fuſs Länge ausgeschmiedet und nach Italien verkauft.
Produktion 1771: 2221 Ctr. Stahl und 400 Ctr. Nägel.


Auf dem Hammerwerk Kamelk verschmolz man roten Blutstein
von Bresky in Unterkrain, Sumpferze von Weichselburg, Bohnerze
von Duchain und braunen Glaskopf von Saposie unter Zusatz von
eisenhaltigen Schlacken, „Schlunder“ genannt, und Wascheisen (Rena)
in einem schlechten Stuckofen. Derselbe hatte die Form eines um-
gestülpten Kessels, war 14 Fuſs hoch, an der Gicht 1½ Fuſs, am
Boden 3 Fuſs weit. In Sätzen von 50 Pfund wurden in 24 Stunden
50 bis 60 Centner Erz aufgegeben. Der erhaltene Wolf wurde in
sechs bis sieben Teicheln zerteilt, jedes Teichel (Tajol) wog 250 Pfund.
Wurden diese unter dem Hammer viereckig geschmiedet, so nannte
man sie Massel. Aus den Masseln wurden Stangen gereckt. Meist
war das Eisen nach dem Zerennen noch zu spröde, um zu Zain-
eisen und für Nägel verschmiedet werden zu können. Es wurde des-
halb ein zweites Mal eingerannt, was man das „Überheben“ nannte.
Das meiste Eisen wurde zu Nägeln, die über Triest nach Italien gingen,
verarbeitet.


Über die Jahresproduktion von Krain fehlen uns nähere An-
gaben. In dem S. 811 erwähnten Brief des Baron v. Zois von 1780
giebt er die Ausfuhr aus Krain


  • von Schmiede- und verarbeitetem Eisen   zu 1800000 W. Pfd.
  • „ Stahl   „ 1200000 „ „

an.


In Tirol gab es viele Eisenhämmer, doch hatte es lange keine
so bedeutende Eisenindustrie wie Steiermark und Kärnten. Die besten
Eisenbergwerke waren zu Pillersee an den Grenzen vom Pinzgau,
woselbst sich „das k. k. Eisenberg-, Blau- und Hammerwerk samt
dem Drahtzug im Pillersee1) befand. Die Hütte umfaſste 1774
Beck, Geschichte des Eisens. 52
[818]Österreich.
eine Schmelzhütte (Blauhaus), ein Hammerwerk, zwei Draht- und
Nagelzain-Schmieden und eine Drahtfabrik.


Der Blauofen (Floſsofen) war 20 Fuſs hoch und lag die Form
1½ Fuſs, der Kohlensack 12 Fuſs 4 Zoll über dem Boden. Gestell
und Gicht waren viereckig, Rast und der untere Schacht kreisförmig;
am Bodenstein hatte der innere Ofenraum 1½ Fuſs Quadrat, die
Gicht 2 Fuſs 10 Zoll auf 2 Fuſs 5 Zoll, der Kohlensack hatte 3 Fuſs
4 Zoll Weite; die Zustellung war also ähnlich den kärntner Floſsöfen.
Die Form war 2⅝ Zoll weit. Es wurde jede fünfte Gicht, in der
Regel alle 2⅗ Stunden, abgestochen, in 24 Stunden an 30 Centner in
zehn Flossen zu 300 Pfund.


Die Erze waren ziemlich schwerschmelzige thonige Brauneisen-
steine; man verschmolz sie mit Zuschlag von Sand und Kalk und gab
dem Boden der Form 12° Ansteigen. Wascheisen setzte man zeit-
weise zu, um das Gestell zu reinigen. Je weiter der Ofen sich aus-
brannte, je mehr fuhr man mit der Form zurück. Dies hatte seine
Grenze, wenn das Gebläse nicht mehr imstande war, die Anbauungen
wegzuschmelzen und der Ofen anfing, zusammenzuwachsen. Halfen
dann auch leichtflüchtige Beschickung und Wascheisen nicht mehr,
so muſste man ausblasen. Guter, „lauterer“ Floſs muſste leichtflüssig,
von heller weiſser Farbe im Flieſsen sein. Sein Bruch war weiſs
und feinkörnig, die Schlacke ein dunkelgrünes Glas. Wollte man
graues Eisen erzielen, so setzte man leichtere Gichten. Das Hammer-
werk bestand aus einem Durchlaſs- oder Hartzerrennfeuer, drei Frisch-
feuern und einem 9 Centner schweren Hammer. Alles Roheisen wurde
erst durchgelassen (hartzerrennt) und in Platten abgehoben, sodann
meist auf Stabeisen und nur etwas weniges auf Stahl verarbeitet.
Man schmolz meist weiſse und graue Flossen gemischt ein. Die Hart-
zerrennstücke wurden ungeröstet dem Frischfeuer übergeben. Man
verarbeitete in 14 Stunden in einem Feuer 9½ Ctr. Hartzerrennstücke
und erhielt daraus drei Luppen (Teile — Deule) von 750 Pfd. Gewicht;
der Abgang betrug 25 Prozent. Das Frischverfahren entsprach der
steierischen Löscharbeit. Zu Drahteisen nahm man den inneren Teil
der Luppe, das „Kerneisen“, welches zu Drahtstäben ausgeschmiedet
wurde. Diese wurden dann zu ¼ Zoll dicken Stäben ausgereckt;
nur die ganzen wurden als Drahtzaine behalten, die unganzen zu
Nagelzainen bestimmt. Von 250 Pfund in die Reckschmiede geliefertem
Drahteisen kamen selten über 50 Pfund gute Drahtzaine zur Drahtfabrik.
In dieser wurden 7 Centner solcher Drahtzaine in rund zusammen-
gewundenem Zustande in den S. 622 beschriebenen Glühofen gebracht,
[819]Österreich.
in Zeit von ¾ Stunden hellrotglühend gemacht, sodann heraus-
genommen, zum Abkühlen eine Zeitlang liegen gelassen, hierauf
durch eine Reckwalze (Zainwalze) rund gebogen und dem Drahtzug
übergeben. Das Ziehen erfolgte in 32 Nummern auf sieben Zug-
stätten. Die gröbsten Nummern, 32 bis 24, wurden auf der Grob-
bank, einem Zangenzug gezogen, dann folgten vier Walzenzüge zu je
drei Nummern und hierauf der fünfte Walzenzug mit zwei Nummern,
welche zusammen die Nummern 24 bis 9 zogen, die feinen Nummern
8 bis 1 wurden auf dem Scheibenzug durch elf Zieheisen gezogen.


Im Jahre 1774 erzeugte man auf diesem Eisenwerke 6408 Ctr.
Roheisen und 364 Ctr. Wascheisen. Es wurden 1800 Same (gleich
225 Tonnen) Schmiedeeisen, 56 Same (7 Tonnen) Stahl und 16 Same
(2 Tonnen) Rohstahl oder Mock hergestellt.


Folgende Verkaufspreise wurden erzielt:


  • Für eine Tonne Schmiedeeisen   144 Gulden
  • „ „ „ Stahl   180 „
  • „ „ „ Rohstahl   154 „
  • Für ein Pfund Sandguſs   3½ Kreuzer
  • „ „ „ Lehmguſs   5 „
  • „ „ „ Roheisen   3½ „
  • „ „ „ Draht Nr. 1 bis 22   27 bis 9 „

An Löhnen wurden gezahlt: dem Blauofen- oder Schmelzmeister
wöchentlich, solange geblasen wurde, 2 fl. 13 kr., auſser dieser Zeit
1 fl. 45 kr., dem Ablaſsknecht 2 fl. 5 kr. und 1 fl. 45 kr. und dem
Aufgeber 1 fl. 36 kr. Für das Hartzerrennen wurden 3 Kreuzer pro
Centner für Eisenhartzerrennstücke und 5½ Kreuzer für Stahl-
hartzerrennstücke bezahlt.


Die Hammerleute erhielten, wenn zwei Frischer und ein Hammer-
schmied zusammen arbeiteten, 9 Kreuzer für den Centner Eisen und
18 Kreuzer für Stahl 1).


Ein altes bedeutendes Hüttenwerk in Tirol war „das k. k. gemein-
same Eisen-, Blau- und Hammerwesen Kleinboden“ unweit Fügen im
Zillerthale 2). Es verschmolz Eisenspat und Braunerz (Brauneisen-
stein), welches erst in ½ Kubikzoll groſse Stückchen durch ein Trocken-
pochwerk gepocht wurde. Der Blauofen („Blaaofen“ = Floſsofen)
war 22 Fuſs hoch, am Bodenstein 21½ Zoll, an der Gicht 2 Fuſs
6½ Zoll auf 2 Fuſs 13 Zoll und in der Mitte 3 Fuſs 8 Zoll weit.
52*
[820]Österreich.
Er hatte kupferne Form und Holzbälge. Die Erzgicht bestand aus
300 Pfd. Eisenstein, wozu 100 Pfd. Kalkstein gesetzt wurden. In
24 Stunden erhielt man durchschnittlich in neun Abstichen 30 Centner.
Auf 1 Centner Roheisen brauchte man 1⅘ Säcke Kohlen. Das Aus-
bringen betrug 22 Prozent.


Wenn sich starke Anbauungen oder Versetzungen über dem
Gestell bildeten, welche sich nicht wegschmelzen lieſsen, so pflegte
man diese in folgender Weise aus dem Ofen zu schaffen. Man hing
schwere Gewichte an eiserne Ketten, warf diese auf die hinein-
hängenden Anbauungen mit Gewalt herunter und machte sie hier-
durch stückweise los, dann wurde eine Person hinuntergelassen; diese
hing die losgetrennten Stücke an eine Kette, setzte sich auf die
Bürde und wurde mittels eines Aufzuges zur Gicht heraufgezogen;
so räumte man den ganzen Ansatz weg.


Die vier Öfner (Blääleute) samt dem Meister wurden nach dem
Centner der Produktion gelohnt und erhielten für jeden Centner
zusammen 11 Pfennige. Man goſs Pochsohlen, Hammer- und Amboſs-
stöcke. Damit die Bahn der Hammerstöcke eben und glatt (und
zugleich hart) wurde, legte man in die Form eine gegossene Bahn-
lehre ein, die man vor dem Einsetzen etwas erwärmte und mit Graphit
überstrich. Auch pflegte man aus den Schlacken mancherlei Waren
zu gieſsen
, z. B. Herd- und Salzdörrplatten, Pfeiler zu Stützen unter
die Salzpfannen, Mauer- und Ofenstücke. Hierzu wurde die letzte
Schlacke vor dem Abstechen, die sehr warm war, verwendet. Die
Eisenguſswaren wurden für 6 Kreuzer das Pfund Lehmguſs und für
3½ Kreuzer der Sandguſs verkauft.


Auch hier wurde alles Eisen, das verfrischt wurde, erst in einem
Hartzerrennfeuer geschmolzen und in Scheiben gerissen. Das Ver-
frischen geschah wie zu Pillersee. Man erzeugte einschlieſslich des
Stahls jährlich 2500 Ctr. Eisen.


Das tirolische Eisenwerk Kiefersfelden lag ½ Stunde unter-
halb Kufstein auf bayerischem Grund und Boden. Die Eisensteine
kamen auf dem Inn von Buech und Schwatz. Erze und Schmelzofen
waren ähnlich wie zu Pillersee. Man hatte auch hier viel mit Ansätzen
und Ausbrennen zu kämpfen. War das Durchbrechen des Eisens
von der Brustseite zu befürchten, so zog man den hinteren Balg
zurück und richtete den vorderen etwas mehr nach der Rückwand.
Bei Versetzungen am Abstich verfuhr man mit den Bälgen umgekehrt.
War überhaupt ein zu starkes Ausbrennen im Gestell zu bemerken, so
zog man beide Bälge von dem Formrüssel etwas rückwärts. Wurde der
[821]Österreich.
Ofen durch Anbauungen unter der Form zu eng, so unterlegte man
die Düsen, im umgekehrten Falle richtete man sie niedriger, dadurch
stieſs sich der Wind am Formrüssel und wurde mehr oder weniger
zu Boden oder davon abgetrieben. Im übrigen war der Betrieb wie
auf den zuvor erwähnten Hütten. Man erzeugte in vier Frischfeuern
täglich etwa 34 Centner. Hammermeister, Frischer und Aufgeber
erhielten für den Centner Eisen 3, 3 und 2¼ Kreuzer, für den Centner
Stahl 6, 6 und 2½ Kreuzer.


Die Eisenhütten in Südtirol an der italienischen Grenze
bedienten sich der Wassertrommelgebläse.


Sterzingen war ein bedeutender Platz für Messer- und Degen-
klingen, desgleichen Trient, wo eine besondere Art feiner Taschen-
messer gemacht wurde. Im Stubaithal wurden kleine Eisen-
waren gemacht, womit die Stubaier durch halb Europa hausierten.
Die Hausindustrie auf Eisenwaren im Stubaithal, welche besonders
in und um Vulpmes betrieben wurde, reicht urkundlich bis in das
14. Jahrhundert zurück. Im 18. Jahrhundert herrschte bereits
empfindlicher Holzmangel im Thal und muſsten Kohlen und Eisen
von weit her geholt werden. Das Eisen kam aus dem Inn- und
dem Zillerthal.


Das Erzherzogtum Österreich bezog, wie oben erwähnt, sein
Eisen groſsenteils aus Steiermark. Die alten Mauthstädte Steyr und
Enns hatten das Privilegium für den steierischen Eisenhandel. Auſser-
dem waren Waidhofen und St. Ägyd wichtige Eisenmanufakturplätze.
Die Aufhebung der Kohlenordnung 1784 und des Widmungszwanges
überhaupt durch Kaiser Joseph II. übte auch auf Österreich seine
günstige Wirkung.


Ein wichtiger Fortschritt war ferner die Einführung der öster-
reichischen Schwallarbeit durch Dietrich zu Hollenstein um 1780
(siehe S. 676). Die Waffenindustrie blühte besonders in Steyr; die
Klingenschmiede hatten eine Innung in Klein-Raming (1778); in
Trattenbach und Steinbach waren Messerer-Genossenschaften; in
Losenstein Nagel-, Sensen- und Sichelschmiede. In Neusohl wurden
(1784) damascierte Säbelklingen gemacht, mit denen man Eisen zer-
hauen konnte. Zu Piesting war eine Fabrik von eisernem und
blechernem Küchengeschirr, namentlich Eisenkochgeschirr und anderen
fein lackierten Eisenwaren 1).


[822]Österreich.

Böhmens altes Eisengewerbe erfreute sich wechselnder Blüte im
18. Jahrhundert. Jars giebt Nachrichten darüber, die er bei seiner
Reise 1757 gesammelt hatte. Damals wurde besonders das groſse
Eisenbergwerk Hülfegottes Irrgang bei Johann-Georgenstadt an der
sächsischen Grenze schwunghaft betrieben. Die Grube lieferte an die
13 Hütten der Umgegend alle Quartal 200 bis 600 Fuder Erze. Der
Hochofen bei Johann-Georgenstadt war 21 bis 22 Fuſs hoch und
erzeugte 18 bis 19 Ctr. Roheisen den Tag. Dies wurde verfrischt
nach dem böhmischen Anlaufverfahren (S. 394). Das Frischeisen
wurde zum groſsen Teil zu Blech verschmiedet. Da Böhmen selbst
Zinnbergwerke zu Graupen, Schlackenwald und Neudeck besaſs, so
spielte die Weiſsblechfabrikation eine wichtige Rolle.


Auf 120 Pfd. Roheisen sollte der Stabschmied 92 Pfd. geschmie-
detes Eisen liefern und bekam dazu ein bestimmtes Quantum (2½ Kübel)
Kohlen. Er erhielt von 100 Pfd. 26⅔ Kreuzer Schmiedelohn. An
manchen Orten in Böhmen schmiedete man aus 100 Pfd. Roheisen
nur 75 Pfd. Stabeisen. Die Schmiede muſsten das Pfund eingeschmie-
detes mit 4 Kreuzer bezahlen, während sie für das Pfund aus-
geschmiedetes 3 Kreuzer erhielten. In einer Stabhütte wurden
wöchentlich 30 bis 40 Ctr. zu 40 Pfd. geschmiedet.


Zu Neudeck wurden aus 120 Pfd. Roheisen 98 Pfd. Frischeisen
und hieraus ein Doppelt-Schock Kreuzbleche, beschnitten zu 58 Pfd.,
oder 60 Pfd. Sturzbleche erzeugt, wozu der Blechschmied 3½ Kübel
Kohlen erhielt und 43 Kreuzer Lohn bekam. Der Zinner erhielt
auf 300 Blatt 19 Prager Pfund 24 Lot Zinn, 1⅔ Pfund Inselt,
3 Metzen Korn und 8 Seidel Kleien, ½ Kübel Kohlen, 1½ Centner
Holz und 42 Kreuzer Arbeitslohn.


1770 lagen die berühmten Eisenbergwerke und Schmelzhütten
des Berauner Kreises bei Horzowitz und Kommorau bis auf einige
Eisenhämmer still 1).


Bedeutende Ausdehnung erfuhr das Eisenwerk Horzowitz, nach-
dem es gegen Ende des Jahrhunderts in den Besitz des sachkundigen
Grafen Rudolf v. Wrbna gekommen war. Derselbe führte den
Sandguſs ein und brachte die Gieſserei auf eine so hohe Stufe, daſs
Horzowitz ein Musterwerk wurde. Man datiert von dieser Zeit eine
neue Ära der Eisengieſserei in Österreich. Graf Wrbna, der ein
ebenso kenntnisreicher als begeisterter Eisenhüttenmann war und oft
[823]Österreich.
selbst mit Hand anlegte und in seinen eigenen Werkstätten arbeitete,
führte noch viele andere Verbesserungen ein. Er baute höhere Hoch-
öfen, bessere Gebläse und sorgte für Holzkohlenersparung.


1770 betrieb Graf Kolowrath zu Meyerhöfen im Pilsener Kreise
einen Hochofen und Hammer. Die Erze des groſsen Eisenbergwerks
zu Orpes wurden damals teils auf dem kaiserlichen Eisenhüttenwerk
bei Presnitz zu gute gemacht, teils nach Sachsen verkauft.


Auſserdem sind zu nennen die Eisenhütten zu Zbirow, Pürglitz,
Neusistritz, Dobrzisch, Groſsmayerhöfen, Reichenau, Presnitz, Brennt-
pordischeu, Rokitzen u. s. w. v. Hofmann erwähnt noch das Nisch-
burger Werk, dem Fürsten Fürstenberg gehörig, Schmiedberg,
Cloesterle und Kallig. Kallig und Delzsch (Gabrielahütte) gehörten
dem Grafen v. Rothenhahn, der sich ebenfalls die Verbesserungen
seiner Werke eifrig angelegen sein lieſs. Er erhöhte die Hochöfen
von 30 bis auf 40 Fuſs, lieſs das Gestell statt aus Sandstein aus
Masse stampfen. Im Jahre 1800 machte der Kontrolleur Balling in
Delzsch erfolgreiche Versuche, die Holzkohlen zum Teil durch kurz-
geschnittenes Tannen- und Fichtenscheitholz zu ersetzen.


Die Braunkohlengewinnung bei Teplitz begann um die Mitte des
Jahrhunderts. Die ersten Versuche hatte Fürst Adam Franz zu
Schwarzenberg
schon zu Anfang des Jahrhunderts gemacht.


In der Handlungszeitung vom 28. Mai 1785 ist folgende Statistik
des böhmischen Eisengewerbes veröffentlicht:


  • Meister Gesellen
  • Büchsenmacher   46 36
  • Eisendrahtzieher   37 186 Hauptort Presnitz
  • Eisenhütten und Hämmer
    (39 Hütten, 147 Häm-
    mer)   178 835 „ Horzowitz
  • Feilenhauer   1 1
  • Gewehrfabriken   34 35 „ Presnitz-Weyperter
  • Messerschmiede   44 20
  • Nadler   70 43 „ Pardubitz-Carlsbad
  • Nagelschmiede   159 200
  • Schwertfeger   21 12
  • Schnallenmacher   125 821 „ Prag
  • Stahlperlenfabrik   1 4 „ Klösterl

Ueber die Eisenindustrie Ungarns, dessen Stahl Weltruf hatte,
wissen wir aus alter Zeit nur sehr wenig. Niedrige Stucköfen waren
[824]Österreich.
früher allgemein im Gebrauch. Solche waren beispielsweise im Thale
von Moravitza im Betrieb, wo die Eisengewinnung bis in die Zeit der
Römerherrschaft zurückgeht.


Nach dem Abschluſs des Friedens von Passarowitz 1718, durch
welchen Ungarn von dem türkischen Joche befreit wurde, war die
Eisengewinnung in dieser Gegend bedeutend genug, um den Bau
zweier Hochöfen in Deutsch-Bogsán und später den zweier anderer in
Reschitza zu rechtfertigen. Rennwerksbetrieb bestand zu Reschitza
schon in alter Zeit. 1770 wurden die ersten Hochöfen erbaut und
1771 angeblasen und begann man in demselben Jahre das erblasene
Roheisen auf Frischherden in den alten Hammerhütten zu verschmel-
zen. Der Italiener Griselini, der 1775 diese Gegend besuchte,
berichtet in seiner Geschichte des Temeser Banates, daſs man in den
Hochöfen von Reschitza die Eisenerze von Moravitza verschmelze und
Stückkugeln, Bomben, Haubitzen, Granaten, Stubenöfen, Kessel u. s. w.
gieſse und auch Stahl erzeuge. Reschitza zählte bei der Gründung
der Hochofenhütte etwa 300 Einwohner. Im Jahre 1780 wurde das
Eisenwerk mit den zum Werksbetrieb nötigen Forsten und
Ländereien dotiert, welche man zu diesem Behufe aus dem sogenannten
Kameralterritorium eigens lastenfrei ausschied und ausschlieſslich dem
Hüttenwerke zuwies.


Um den fortwährend steigenden Holzkohlenbedarf zu decken,
wurde 1790 die Holztriftung auf dem Berzavaflusse eingeleitet, die bis
zum Jahre 1806 in Benutzung stand. Im Jahre 1793 lieferten die
Hochöfen von Reschitza und dem benachbarten Bogsán 20000 Stück
24- bis 36 pfündige Kanonenkugeln nach Neapel 1).


Zu Rhonitz war 1785 ein Blauofen, ein Flossenofen und ein
Hochofen im Betrieb. Der Hochofen oder richtiger der hohe Flossen-
ofen zu Rhonitz hatte 23 Schemnitzer Fuſs (= 27 Fuſs 7½ Zoll
Wiener Maſs) Höhe und war im Kohlensack, der 10 Fuſs über dem
Bodensteine lag, 5½ Fuſs weit. Vor der Form war die Zustellung
1 Fuſs auf 1 Fuſs 3 Zoll, an der Gicht 2 Fuſs 4 Zoll auf 2 Fuſs
8 Zoll. Der Ofen ging auf Guſswaren und lieferte im Monat 394 Ctr.
20 Pfd. oder in 24 Stunden 1314 Pfd.


Der kleine Flossenofen war 13½ Fuſs hoch und im Kohlensack
4 Fuſs weit; er erzeugte 280 Ctr. Flosseneisen im Monat. Der
Stück- oder Blauofen war 7 Fuſs hoch, vor der Form 1 Fuſs, in
der Höhe von 3 Fuſs 2 Fuſs 3 Zoll weit und lieferte im Monat 66½ Ctr.
[825]Österreich.
„Rauchmasse“. Das Vorfrischen des Roheisens geschah in Anlauf-
schmieden 1).


In den zwanziger Jahren war zu Neusohl eine neue „Eisenfabrik“
angelegt worden 2).


In Siebenbürgen war ein königlicher Flossenofen zu Töplitza bei
Vaida-Hunyad, welcher (1798) zwei gegenüberliegende Formen hatte;
dieselben lagen aber eigentümlicher Weise nicht in gleicher Höhe, son-
dern die eine lag 16 Zoll, die andere 28 Zoll über dem Bodenstein.
Die Produktion war hierbei ziemlich groſs, das Floſseisen aber sehr
verschieden, bald halbiert, bald grau. 1799 legte man die obere Form
um 3 Zoll niedriger. Das Ausbringen blieb noch ziemlich groſs, das
Floſseisen fiel gleichmäſsiger. 1801 legte man die obere Form um
6 Zoll tiefer, so daſs sie nur noch 3 Zoll höher als die Gegenform
lag. Hierdurch erhielt man gleichmäſsigere weiſse und weiche Flossen 3).
Das Frischen geschah nach steierischer Manier. Sonst wurde das
Eisen in Siebenbürgen meist in Stücköfen und Luppenfeuern gewonnen.
Unter diesen zum Teil sehr alten Werken nennen wir das Hatzaselter
Eisenwerk in der Gemeinde Demsus, Bezirk Hátzeg. Die dabei liegen-
den uralten Pingen von Goura Ferulin reichen bis in die Römerzeit
zurück. 1770 wurde dort die Eisengewinnung durch den Baron
Naláczy wieder aufgenommen.


Delius schätzte den Wert der gesamten Eisenproduktion Öster-
reichs anfangs der siebziger Jahre auf über 4 Millionen Gulden 4). Gegen
Ende des Jahrhunderts waren sowohl die Produktion als die Eisen-
preise beträchtlich gestiegen.


Nach Hassels Statistik von Ungarn 1798 gab es damals in
Steiermark 129 Eisenhammerwerke mit 300 Frischfeuern für Eisen und
Stahl und 27 Sensenhämmer; in Kärnten 20 Hochöfen (Flossenöfen),
267 Hammerwerke und 149 Drahtzüge. Die Eisenerzproduktion Kärn-
tens betrug 1795 396640 Ctr. In Österreich zählte man 12 groſse und
37 kleine Eisenwerke, welche allein in der Umgegend der Stadt Steyr
12000 Arbeiter beschäftigten. In Böhmen waren 179 Eisenhütten,
welche 2517 Eisengieſser und Schmiede beschäftigten; in Mähren
22 Hütten; in Ungarn allein in dem Gomörer Komitat 22 Eisen-
[826]Bayern, Württemberg, Baden.
hämmer; in Siebenbürgen 11 gröſsere Hüttenwerke und viele kleine;
in Galizien 42 Eisenhütten.


Bayern, Württemberg, Baden.

Über das Eisenhüttenwesen in Bayern im 18. Jahrhundert ist
wenig zu berichten. Im Nordgau (Sulzbach, Amberg) hielt man an
den alten Zerrennfeuern fest und machte sogar meist nur „Schien-
eisen“ unmittelbar aus den im „Wellfeuer“ erhitzten Zerrennstücken.
Die gröſseren herrschaftlichen Eisenwerke zu Aschau, Bodenwöhr,
sowie der Bergbau am Erzberg bei Amberg wurde fortbetrieben, aber
das bessere Eisen aus Steiermark und Böhmen machte dem einhei-
mischen Eisen empfindliche Konkurrenz. Fortschritte sind kaum
nachzuweisen. 1760 wurde eine neue kurfürstliche Eisenhütte im
Max Josephs-Thal erbaut und mit der Kloster Scheyerischen
Hofmarch wegen des Holzschlages zum Kohlenbezug ein Vertrag ab-
geschlossen 1).


Die Eisenwerke in der Markgrafschaft Bayreuth erfreuten sich
einer verhältnismäſsigen Blüte. v. Hofmann nennt 1785 das Mark-
grafentum ein Muster der Eisenindustrie 2) und rühmt die werkthätige
Unterstützung der Landesherren. Für die Eisenausfuhr wurden Prä-
mien erteilt, während die Einfuhr fremden Eisens durch Eingangs-
zölle erschwert war. Die Fabrikanten erhielten unverzinsliche Vor-
schüsse ohne Hypothek oder Bürgschaft. Hofmann führt folgende
Eisenwerke auf:


  • a) Im Goldkronacher Bergamtsrevier:
    • 1. Der Röhrenhofer Hammer mit einem Frischfeuer.
    • 2. Der neue Hammer oberhalb Röhrenhof, ein Hochofen mit
      einem Stabhammer; Besitzer Kaufmann Haas, der auch
      unweit davon ein Drahtwerk besitzt.
    • 3. Der Fröbershammer bei Bischofsgrün bestand aus einem
      Hochofen bei Bischofsgrün, welchen dieser mit dem Leupolds-
      dorfer Hammer gemeinschaftlich besaſs, einem Stabhammer
      und zwei Zainhämmern. Er gehörte dem Kommerzienrat
      Müller, dem gröſsten Eisenindustriellen Bayreuths.
    • 4. Der Knopfhammer mit einem Frischfeuer.
  • b) Im Wunsiedler Bergamtsrevier:
    [827]Bayern, Württemberg, Baden.
    • 1. Der neue Hammer bei Weiſsenbrod bestand aus einem
      Hochofen, einem Stab- und Zainfeuer.
    • 2. Der Frankenhammer unter Weiſsstadt war ein Stabhammer.
    • 3. Der Leupoldsdorfer Hammer hatte den oben erwähnten ge-
      meinschaftlichen Hochofen, einen Stab-, Blech- und Zain-
      hammer und ein Zinnhaus; gehörte ebenfalls dem Kommer-
      zienrat Müller.
    • 4. Der Tröstauer Hammer oberhalb Wunsiedel war ein Stab-
      hammer.
    • 5. Der Wölsauer Hammer unweit Arzberg, ein Hochofen und
      ein Stabhammer.
    • 6. Der Wendenhammer bei dem Jagdschloſs Kaiserhammer an
      der Eger bestand in einem Hochofen und einem Stab-
      hammer.
    • 7. Desgleichen der Schwarze Hammer unter Kaiserhammer.
    • 8. Das Wellerthaler Hammerwerk bei Sell hatte gleichfalls
      einen Hochofen und Stabhammer.
    • 9. Das Niederlauswitzer Hammerwerk bei Kirchenlauswitz hatte
      ein Blaufeuer (Zerrennfeuer) und ein Frischfeuer.
  • c) In dem Bergamtsrevier Naila:
    • 1. Der Dorschenhammer oder das obere Schauensteiner Hammer-
      werk an der Selbitz war ein Stabfeuer, das sein Roheisen
      von dem Hochofen zu Thiemitz, an dem es zur Hälfte be-
      teiligt war, erhielt.
    • 2. Der Kleinschmiedhammer oder untere Schauensteinerhammer
      an der Selbitz erhielt sein Roheisen von dem Klingsporner
      Werk.
    • 3. Der Oberklingsporner Stabhammer samt Hochofen an der
      Selbitz, welcher am 16. August 1783 die neunte Woche
      über ein Jahr ging.
    • 4. Das Unterklingsporner Hammerwerk an der Selbitz war ein
      Stabfeuer.
    • 5. Der Marxgrüner Hochofen an der Selbitz nebst Zain-
      hammer.
    • 6. Der Dürrenweider Stabhammer.
    • 7. Der Thierbacherhammer.

1 bis 3 gehörten verschiedenen Gewerken namens Dittmar, und
4 bis 7 dem Kommerzienrat Löwel zu Klingensporn.


    • 8. Das Kleinschmider Hammerwerk bestand in einem Stab-
      feuer, zu dem der Hochofen in der Thiemitz gehörte.
    • 9. Das Blechschmieden-Hammerwerk unter Lichtenberg, Stab-
      hammer mit Hochofen.
    • 10. Das Obergeroldsgrüner Hammerwerk und
    • 11. Das Untergeroldsgrüner Hammerwerk, „welche beyde Staab-
      hämmer einen kleinen zweidrittels Hohofen haben“.
  • d) In dem Lauensteiner Revier:
    • 1. Das Ober-Hammerwerk zu Neuhüttendorf an der Lockwitz,
      nahm sein Roheisen vom unteren Werk.
    • 2. Das Unterhammerwerk zu Neuhüttendorf.
    • 3. Das Hammerwerk zu Falkenstein unter Lauenstein an der
      Lockwitz, bestand in einem Blaufeuer und zwei Hämmern.

Die Lauensteiner Eisenwerke verschmolzen den Camsdorfer und
Gräfenthaler Eisenstein aus Sachsen.


Alle bayreuthischen Bergämter standen unter dem Berghaupt-
mann v. Bothmar; sämtliche Hochöfen des Markgrafentums wurden
von zwei Hochofenmeistern Nesmann und Koch besorgt.


Die Gestellsteine bezog man von Kaltensteinach im Meiningischen.


Der Hochofenmeister erhielt 6 Gulden rheinisch für das Zustellen
und 1 Gulden 15 Kreuzer wöchentlich, jeder Arbeiter 2 Gulden
fränkisch und jeder Aufgeber 2 Gulden rheinisch Wochenlohn.
Die Hammerschmiede gaben für 100 Pfd. 24 Kreuzer Schmiedelohn
und zahlten für 100 Pfd. ausgeschmiedetes Eisen 2 Gulden und
den Schmiedelohn. Die Nailaer Werke schmolzen Nailaer Steine,
während die Goldkronacher und Wunsiedler Werke Arzberger Steine
setzten.


Der Absatz war, auſser dem inländischen Bedarf, besonders nach
Nürnberg, Bamberg, Würzburg u. s. w. Im Nailaer und Wunsiedler
Revier waren damals 30000 Seidel Eisenstein verkauft worden, welche
ebensoviel Centner Stabeisen gaben.


In der Nähe befand sich noch der freiherrlich Gutenberische
Hammer, aus Hochofen, Stab- und Zainhammer bestehend, der Eisen-
berger und Reichenbacher Eisenstein aus dem Bambergischen ver-
schmolz und gutes Drahteisen lieferte. Überhaupt blühte die Draht-
fabrikation im Bayreuthischen. Der Draht wurde aus gutem Anlauf-
eisen gezaint und gezogen. In der Umgegend von Goldkronach befan-
den sich sieben Drahtziehereien. Jedes dieser Werke war mit sechs
Personen belegt und verarbeitete wöchentlich 3 Ctr. Zaineisen, woraus
man im Durchschnitt zog: 85 Pfd. Mauschel, 30 Pfd. groben Draht,
30 Pfd. Heftedraht und 75 Pfd. verschiedenen Blei- und Kratzendraht.
Die Preise waren teurer als im Märkischen.


[829]Bayern, Württemberg, Baden.

1773 wurde zu Frankenthal in der Rheinpfalz von einem Adam
Schoofs
eine Steck- und Haarnadelfabrik gegründet. Die Nähnadel-
fabrikation blühte auſser in Aachen und Karlsbad besonders in Bayern.
Der deutschen Handelszeitung vom 21. Mai 1787 entnehmen wir fol-
genden „Beitrag zur Kenntnis deutscher Nähnadelfabriken“: Die
ältesten und beträchtlichsten sind die zu Karlsbad, Schwabach, Nürn-
berg, Klein Amberg (Abmberg) im Eichstädtischen, Weiſsenberg zur
freien Stadt Linda gehörig, zu Pappenheim und Gierwangen in Schwa-
ben. Diese Nähnadelfabriken beziehen ihren Draht meist aus dem
Gothaischen und besonders machen die Schmalkalder zu Steinbach
eine Sorte, welche unter den Nummern 23-, 24-, 25-Nadeldraht
bekannt ist und wovon der Centner 18½ Thaler kostet. Eine Nadel
geht durch 75 Hände. Der Draht wird zuerst in die Länge von zwei
Nadeln geschnitten und an beiden Enden auf einem Schleifsteine
gespitzt, dann zerschnitten, gelocht und gescheuert, und zwar geschieht
dies mit feinem, klarem Sande und Butter, wovon 8 Pfund auf
90000 Nadeln gehen. Die Nadeln werden alsdann in viereckige
Töpfe mit Hornspänen eingelegt, mit Lehm verwahrt in einem Ofen
erhitzt. Wenn sie in der gehörigen Glut sind, werden die Töpfe her-
ausgenommen und der Inhalt in kaltes Wasser geschüttet und so die
Nadeln gehärtet.


Württemberg genoſs durch den Betrieb und die Zustellung sei-
ner Hochöfen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts einen weit
verbreiteten Ruf. Die braunschweigischen Fürsten lieſsen Hochofen-
meister aus Württemberg kommen, um die sogenannten Schwaben-
gestelle am Harz einzuführen und die Hochöfen nach schwäbischer
Art zuzustellen. Die Eisenwerke zu Königsbronn und Wasseralfingen
werden öfter erwähnt. Beide waren Gründungen geistlicher Stifte.


Königsbronn, das ältere von beiden, war von den Mönchen des
Cisterzienserklosters daselbst, denen 1366 Kaiser Karl IV. das aus-
schlieſsliche Recht „Eisenerz zu graben und Eisenwerk zu machen“ in
ihrem und dem Nachbargebiet verliehen hatte, erbaut worden. 1448
war Königsbronn mit der Herrschaft Heidenheim an Württemberg
gefallen.


Wasseralfingen1) war eine Gründung der Pröpste von Ell-
wangen
. Nachdem im 30jährigen Kriege die zur Herrschaft Ellwangen
[830]Bayern, Württemberg, Baden.
gehörigen älteren Eisenhütten zu Ober- und Unterkochen groſsen-
teils zerstört worden waren, erbaute das Stift 1668 bis 1671 einen
neuen Hochofen zu Wasseralfingen, der anfänglich mit schafledernen
Bälgen, seit 1675 mit „hölzenen Blasbälgen nach der oberpfälzischen
Manier“ betrieben wurde. 1675 wurde bereits ein zweiter Hochofen
mit einem Kostenaufwande von 795 Gulden 39 Kreuzer erbaut. Bis
1720 wurde fast nur Masseleisen erblasen. Die Jahresproduktion
von 1700 bis 1720 betrug im Durchschnitt 8000 Ctr., das Erz-
ausbringen 30 Proz. Das Masseleisen ging gröſstenteils an die
Hammerwerke bei Unterkochen und Abtsgemünd. Seit 1720 begann
eine regelmäſsige Guſswarenerzeugung, die bis 1802, in welchem
Jahre das Hochstift Ellwangen an Württemberg fiel, immer gröſsere
Bedeutung erlangte. Hierzu wurden erfahrene Eisengieſser vom Rhein
berufen, so 1726 Meister Johann Simon von Koblenz und 1750 der
Formmeister Johann Walter Tombo.


1770 wurden zu Wasseralfingen nicht nur Mörser, Böller und
Munition sowie Öfen und Platten, sondern auch Gewichte, Kessel,
Häfen [und] Rundöfen gegossen. Um diese Zeit begann man erst mit
einem kunstgerechten Bergbau.


1780 wurde ein neuer Hochofen erbaut, den man den clemen-
tinischen nannte, von dem damaligen Propst Clemens v. Ellwangen,
der zugleich Kurfürst von Trier und als solcher Besitzer der Sayner
Hütte bei Koblenz war. Deshalb beziehen sich verschiedene seiner
Verordnungen auf die beiden Hüttenwerke Wasseralfingen und Sayn
zugleich. Auch kamen der Schmelzmeister Ducke und der Sand-
gieſser Stiewing vom Rhein hierher, wahrscheinlich um die Sand-
formerei einzuführen. In den Jahren 1787 und 1788 hatte sich denn
auch die Produktion verdoppelt. Der sehr tüchtige Schmelzverwalter
von 1773 bis 1802 hieſs Johann Gottfried Ho̊gg.


Die Zunahme der Erzeugung von Masseleisen und Guſswaren
erhellt aus nachstehenden Zahlen:

Im Jahre 1787/88 wurde ein Reingewinn von 20547 Gulden
erzielt.


[831]Bayern, Württemberg, Baden.

Der Verkauf der Guſswaren erfolgte durch sogenannte Chalanten,
d. h. Vertreter, die für einen gewissen Bezirk den Alleinverkauf der
Eisenwaren des Werkes hatten und besondere Vorteile, z. B. Befreiung
vom Wegegeld, genossen.


Ueber die Geschichte der württembergischen Schmelzhütten und
Hammerwerke im Brenzthal ist bis jetzt nichts veröffentlicht worden.
Erwähnt wird schon 1689 Munitionsguſs aus der Eisenschmelze zu
Ahrhausen in der Herrschaft Oettingen.


In Baden werden besonders die Eisenwerke zu Hausen in Baden,
die seit 1680 an die Gebrüder Merian in Basel verpachtet waren,
das Hammerwerk zu Holtenau bei Waldkirch im Elzthal, das nach
dem 30jährigen Kriege neu aufgebaut worden war und durch den
„Admodiator“ Litschki von Krotzingen seit 1740 sehr in Schwung
kam, erwähnt. 1775 bis 1780 wurde für 164784 Gulden Eisen ver-
kauft und dabei 24778 Gulden Gewinn erzielt.


Die Eisenschmelze zu Eberfingen an der Wutach ging 1761 wegen
Holzmangel ein. Dagegen blühte seit 1740 die Kleineisenindustrie
im Triburgischen und die Löffelschmiede im Fürstenbergischen.


1684 war das zum Rheinfelden’schen „Eisenbund“ gehörige
Schmelz- und Hammerwerk Wehr1) durch Kauf an den Landschreiber
M. Joh. Belz in Rheinfelden übergegangen und von diesem zu einem
Hochofenwerk erweitert worden. Obgleich das Werk als Bundesmit-
glied verpflichtet war, seinen Erzbedarf aus dem Frickthal zu beziehen,
so that es dies nicht, sondern kaufte leichtschmelzigere Bohrerze im
Bayerischen und der Grafschaft Baden. Hiergegen legte 1736 der Eisen-
bund bei der vorderösterreichischen Regierung Beschwerde ein, worauf
die Pächter Samuel Burckhardt und J. J. Brenner \& Co. in
Basel ausführten, „daſs für einen hohen Schmelzofen das Stufferz (vom
Frickthal) nicht zu gebrauchen sei, weil durch die groſse Hitze, welche
[832]Nassau und das Siegerland.
dessen erste Schmelze erfordere — was beim Bohrerz nicht der Fall
sei — der Ofen ruiniert werden könnte, wogegen das Stufferz sich
besser für die Blauöfen eigne u. s. w.“


Die uralte Eisenindustrie zu Laufenburg war besonders durch die
Konkurrenz der Hochofenwerke zu Wehr und Albrugg sehr zurück-
gegangen. 1736 standen zu Laufenberg und Murz nur noch 4 Hämmer
im Betrieb. 1748 wird der geringe Betrag des eingegangenen „Massel-
geldes“ (Zollgebühr) dem Grubvogt als Entschädigung für die Inspek-
tion überlassen, „weillen die Hammerschmieden zu Murkh und Seggingen
abgangen und nur noch eine zu Laufenburg befindlich und wenig
importiert“.


Das von dem Stift St. Blasien im Jahre 1778 für 90000 Gulden
gekaufte Eisenwerk Albrugg, aus Hochofen, Hammerwerk, Pfannenblech-
und Drahtzugfabrik bestehend, beschäftigte 200 Personen. Es konnte
bei vollem Betriebe 6000 Ctr. im Jahre machen. Die Erze bezog es
aus dem Bernischen und Schwarzenbergischen. Eisenblech wurde auf
der Blechschmiede zu Gütterau, ¾ Stunden über St. Blasien, gemacht.


Die Eisenschmelzhütten bei Pforzheim wurden, seitdem sie aus
herrschaftlichen in Privathände gekommen waren, lebhafter betrieben.
Dieselben bezogen ihre Erze aus dem Württembergischen. Im Badischen
lagen fünf groſse und zwei kleine Hämmer, welche Guſs-, Stab- und
Zaineisen in groſser Menge und von bester Güte lieferten. Ein
Engländer Helly machte alle Arten von Werkzeug, Feilen, Grab-
stichel, sowie auch groſse Walzen.


Nassau und das Siegerland.

In den alten nassauischen Grafschaften nahm das Hüttenwesen in
diesem Jahrhundert keinen solchen Aufschwung, wie in Nassau-Saar-
brücken; Ursache hierfür waren die hohen Holzpreise. Die berühmte
Gewerkenfamilie Mariot, welche soviel für die Entwickelung des
Eisenhüttenwesens am Rhein und an der Lahn, im Nassauischen,
Trierischen und Katzenellenbogenschen gethan hatte, und wegen ihrer
Verdienste als Freiherren v. Langenau in den Adelstand erhoben
worden war, kam im Laufe des 18. Jahrhunderts in Verfall und
schlieſslich in Konkurs.


1738 beginnen die Beschwerden der Herren v. Langenau1) über
Beeinträchtigungen ihrer Eisenwerke zu Katzenellenbogen bei dem
[833]Nassau und das Siegerland.
Landgrafen von Hessen-Darmstadt. Am 18. Juli 1726 war Jean
François Mariot
gestorben. Dieser hatte sehr groſsartig gelebt und
wohl über seine Kräfte Güter gekauft. 1720 hatte er das Amt Mos-
bach von den Grafen v. Manderscheid erworben. Man pries ihn als
„den glücklichen Fundgrübner und Hüttenherrn“. Sein ältester Sohn
Johann Franz übernahm nach dem Teilungsvertrage die Hütte zu
Weinähr zu der Anschlagsumme von 20000 Gulden. Sein anderer
Sohn, Anton v. Mariot, erhielt die Werke bei Katzenellenbogen zu der
Herrschaft Langenau. Im September 1726 bittet dieser nach den Akten
des nassauischen Archivs um Erneuerung der Belehnungen, die auch
erteilt wurde. Im Jahre 1735 wurde aber die Streitfrage aufgewor-
fen, ob die Mariots durch den Verkauf von Katzenellenbogenschen
Erzen in das Ausland entgegen der Bestimmung der Verleihung ihr
Lehensrecht nicht verwirkt hätten? Die Mariots hatten nämlich
„gegen das Interesse der Herrschaft, auch gegen das Interesse der
Haarmühler Hütte nebst den Eisengruben in der Fuchsenhöhl und
Allendorfer Feld“ Erze und Eisen an einen holländischen Eisen-
händler namens Hartkopf verkauft; auch wie es scheint, ihr Werk
ohne Genehmigung der Herrschaft auf 12 Jahre verpachtet und für
etwa 4000 Thlr. Erz aus der Fuchsenhöhl in das Ausland verführt. —
Der Landgraf dekretiert, daſs das Lehen nicht eingezogen, die
Mariots aber strenger kontrolliert werden sollten. Von da an spinnen
sich die Streitigkeiten fort. Am 8. Februar 1737 wird einmal auf
Eisenstein und auf alles Mariotsche Fuhrwerk Arrest gelegt. Es
scheint, daſs die Mariots öfter ihren Verbindlichkeiten nicht nachkamen.


Seit 1740 suchen sie zu verkaufen und bitten um desfallsigen
Konsens des Landgrafen. 1742 gelingt es ihnen, ihre Eisenberg- und
Hüttenwerke bei Katzenellenbogen an Peter Franz und Georg
Wilhelm Grandjean
zu Montabaur im Trierischen zu verpachten
und schlieſsen sie einen „Temporal-Pacht und respektive Societäts-
Kontrakt“ ab. Mariot nennt darin die Eisenwerke „seine Allodial-
Schmelzhütten benebst denen hin und wieder gelegenen Eisenhäm-
mern“. — Dieser Pachtvertrag wird von den hessischen Beamten bei
dem Landgrafen befürwortet, weil die Pächter „Leute von gutem Ver-
lag“ seien, wodurch das Werk zu gröſserem Nutzen betrieben werden
würde, als von dem Mariot, „dem es an dem dazu erforderlichen
Verlag fehlet“. 1759 wollen die Mariots die Werke von neuem ver-
kaufen und klagen, daſs sie den Zehentstein nicht los werden können.
Hofrat Schmidt zu Weyer hatte damals die Hütte eine Zeitlang
betrieben. Später wird Johann Christoph Pauli als Erbbeständer
Beck, Geschichte des Eisens. 53
[834]Nassau und das Siegerland.
des (Mariotischen) Katzenellenbogener Berg- und Hüttenwerks ge-
nannt. Gegen diesen „Hüttenadministrator“ Pauli klagt aber 1762
bis 1766 der Erbleihträger der Mariotischen Eisenwerke, Bankier
von der Nülle zu Köln, weil derselbe zu seinem Nachteil Eisenstein
auſser Landes verkaufe; von der Nülle war also rechtmäſsiger
Besitzer geworden.


1761 schreibt Joseph Anton v. Mariot, daſs die Werke mit
vielen darauf haftenden Schulden durch Erbschaft von seinem Vetter
Anthon v. Mariot auf ihn übergegangen seien. Die Verschuldung
der Familie muſs groſs gewesen sein, der Konkurs brach aus und der
ganze Besitz wurde in einen groſsartigen Prozeſs verstrickt, an dem
die ganze niederrheinische Reichsritterschaft beteiligt war. Nach des
Hochfreiherrlich v. Mariotischen Erbteilungs-Receſs de dato Nassau
den 27. November 1756 sollten die Werke gerichtlich taxiert und ver-
steigert werden. Dies geschah 1762 und bei der Subhastation kaufte
der Bankier von der Nülle die obengenannten Werke. 1794 suppli-
zieren die von der Nülleschen Kinder um Erneuerung des Erbleihens.
Diese erfolgte am 19. November 1802. Der letzte Mariot starb 1847.
Die Besitzungen fielen an die Gräfin v. Giech.


Über die Haarmühler Eisenschmelze, wie die Hütte bei Katzen-
ellenbogen damals hieſs, liegt noch ein Bericht vom 31. Oktober 1760 vor.
Danach hatte sie im Winter zwar nur 27½ Wochen geblasen, „hätte
aber wegen des starken Vorrats an Kohlen, so sich an 400 Fuder
beläuffet, wohl bis Pfingsten fortgetrieben werden können. Dermaſsen
aber wegen der vielen Fourage — Mehl — und anderen Kriegsfährten
die Unterthanen keinen Eisenstein beyfahren können, hat man solche
vor der Zeit ausgeblasen“.


Wir teilen noch folgende archivalische Nachrichten über nas-
sauische Eisenwerke im 18. Jahrhundert mit. Graf Johann Ernst von
Nassau-Weilburg
, welcher von 1703 bis 1713 den Schloſsbau zu Weil-
burg ausführte, legte dafür eine groſse Wasserleitung aus Thon- und
Eisenrohren an. Die guſseisernen Rohre bezog er gröſstenteils von
dem Hüttenwerk Audenschmiede, nämlich 442 Stück, welche 141¼ Ctr.
wogen. Ein Centner kostete 9 Gulden.


1718 suchen die Besitzer resp. Erbbeständer der Rheinböller Hütte
im Oberamt Simmern in der Pfalz bei dem Erzbischof und Kurfürsten
von Mainz um die Erlaubnis zur Erbauung eines Eisenhammers bei
Lorch a. d. Wisper nach, das Gesuch wird aber abgeschlagen, weil das
Land Rheingau keinen Überfluſs an Holz habe und die Waldwege
dadurch ruiniert würden.


[835]Nassau und das Siegerland.
  • 1749 wird die Eisenschmelze zu Hahn zum Verkauf ausgeboten und
    im Jahre 1751 an einen gewissen Johann Friedrich Stritter
    aus Mosbach (Biebrich) verkauft.
  • 1750 stand die Michelbacher Hütte anscheinend schon längere Zeit
    in Betrieb, und sollte damals dieselbe wegen Baufälligkeit ab-
    gebrochen und die Hahner Eisenschmelze nach Michelbach
    gebracht und aufgestellt werden.
  • 1750/60 wurden der Michelbacher, Burgschwalbacher, Bleidenstadter
    und Niedernhäuser Hammer betrieben.
  • 1761 wird ein an den Erzbischof zu Mainz gerichtetes Gesuch des
    Besitzers der von Mariotischen an dem Lahnfluſs bei Aal
    gelegenen Eisenhütte, namens Jean Godfried von der Nüll,
    um Erlaubnis zur Anlage von zwei Eisenhämmern an der
    Wisper in der Lorcher Terminey präsentiert. Dasselbe wurde
    abgeschlagen.
  • 1786 wurde ein anonym eingereichtes Promemoria wegen Anlage von
    zwei Eisenhämmern bei Lorch von verschiedener Seite befür-
    wortet, aber die Akten enthalten nichts über den weiteren Ver-
    lauf der Sache.
  • 1783 schreibt Simon Schwan von Hofheim an die kurfürstliche
    Regierung, er besitze einen herrschaftlichen Erbbestands-Eisen-
    hammer zu Hofheim.
  • 1784 Die Gemeinde Hofheim sträubt sich gegen die Bewilligung der
    Konzession und schreibt: Schon vor 100 Jahren habe eine
    Eisenschmelze hier gestanden. Hätte die kurfürstliche Hof-
    kammer Nutzen davon empfunden, so wäre solche gewiſs nicht
    abgegangen und in Papiermühlen umgewandelt worden.

In Büschings Geographie heiſst es von Nassau-Usingen: „Es
sind hier viele Eisenhütten und Schmelzwerke befindlich, wo
verschiedene Eisenarbeiten verfertigt werden“, und Habel schreibt
am 4. Juli 1779: Im Usingischen werden zwei Hochöfen, sechs
bis sieben Eisenhämmer, drei bis vier Zainhämmer, ein Drahtzug
und Nagelschmiederei, alles auf herrschaftliche Kosten geführt.


Die Haupthütte zu Michelbach ging selten über 30 Wochen,
obgleich es die Gestellsteine länger vertragen hätten; es war altes
Herkommen. 1777 wurden in 29 Wochen 455880 Pfund Roh-
eisen in Göſsen und 268 Waag Wascheisen gemacht, ferner Sand-
guſswaren 10386½ Pfund, Lehmguſs: runde Öfen 268 Waag 33 Pfund,
Kessel und Ofentöpfe 18172 Pfund oder 151 Waag 52½ Pfund, Kroppen
56 Waag 52 Pfund; dazu waren verbraucht worden: 420 Fuder 10 Maſs
53*
[836]Nassau und das Siegerland.
Eisenstein, 444 Fuder 10 Maſs Holzkohlen und 32 Fuder 13 Maſs
Kalkstein. Für die Waag Lehmguſs wurde 1 Gulden den Formern
gegeben, für Kroppen und Bräter 1 Gulden 5 Alb. Auſser dem
Hochofen waren zu Michelbach zwei Stahlhämmer und ein Drahtzug.
Ferner verarbeiteten zwei Hämmer zu Burg-Schwalbach Michelbacher
Eisen. Die Hütte zu Hahn bezog ihren Eisenstein zum Teil von der
Platte. Oben auf der Platte „ist eine Zeit lang ein glaskopfartiger
Eisenstein aus einem ordentlichen Gang, der durch die Thonwerke
setzt, gewonnen worden, woraus noch eine Menge von den Mainzischen
vor dem Zeughause befindlichen Bombenkugeln sollen gegossen worden
sein. Da diese Eisensteine, wie leicht zu ermessen, ohne gehörige
Mischung ein sprödes Eisen geliefert, so ist die Eisenschmelze, welche
auf dem Dorfe Hahn in dem Amte Wehen lag, eingegangen“ 1).


Alte Hütten im Weilburgischen wurden genannt zu Emmers-
hausen (Emmerichshausen), zu Rod a. d. Weil, Langeheck, Auden-
schmiede, Weilmünster, Löhnberg, Michelbach und Runkel. In Lahn-
stein (Landstein) wurde Anfang des 18. Jahrhunderts ein Pfann-
hammer betrieben. Die Hütte bei Löhnberg, welche Fürst Wilhelm
Friedrich von Nassau-Dietz
1650 hatte erbauen lassen, blieb
bei dem Tausche im Jahre 1773 oranien-nassauisch. Später gelangte
sie in den Besitz der Familie Buderus. Das Audenschmieder
Hüttenwerk (ein Hochofen und ein Stabhammer) kaufte der Bergrat
Buderus am 1. April 1799. Über die Emmershäuser Schmelze und
die Hattsteiner Schmiede befinden sich Akten von 1761 bis 1765 im
nassauischen Archiv. Zu Emmershausen waren auſser dem Hochofen
zwei Hämmer am Weilbach. Im ganzen lagen am Weilbach im
Usingischen zehn Hämmer (Eversmann).


Im Bergrevier Wetzlar2) befanden sich die Oberndorfer Hütte,
die Hütten zu Aſslar und Kraft-Solms und der Brückenhammer
bei Leun. Vom Jahre 1706 sind Vorschläge über Verbesserungen
des Drahtzuges zu Aſslar vorhanden. Aus dem Jahre 1710 liegen
Rechnungen über die Hüttenwerke bei Oberndorf und Biskirchen
vor; dasselbe wird 1723 auf sechs Jahre an Theobald Treib ver-
pachtet. Der Pächter erhält jährlich 4000 Klafter Holz unent-
geltlich und muſs jährlich 4500 Gulden Pacht zahlen. 1715 wird
berichtet, daſs das Hammergerüst und der Balgenstuhl des Bis-
kirchener Hammers schadhaft sei. 1731 war die Ehringshäuser
[837]Nassau und das Siegerland.
Schmelze im Betrieb, es wurden täglich circa 1000 Pfund Eisen ge-
schmolzen. Im ganzen wurden in diesem Jahre produziert: 913 Waag
54 Pfund (1 Waag = 120 Pfund). Auch zu Werdorf bestand 1731
ein Hammer, welcher in diesem Jahre 1191 Waag 80 Pfund Stabeisen
fabriziert hat. Diese Hütten gerieten Mitte des vorigen Jahrhunderts
in Verfall. In Akten von 1772 werden die ehedem vorhandenen
Eisenwerke zu Aſslar, Werdorf, Ehringshausen, Biskirchen und Nieder-
Oberndorf erwähnt. 1774 wurde die Oberndorfer Hütte wieder auf-
gebaut. 1775 wurde dieselbe mit den übrigen verfallenen Werken
an den Hüttenverwalter von E. Doepp von Biedenkopf für
jährlich 600 Gulden verpachtet. Die fürstlich Braunfelssche Herr-
schaft verpflichtet sich, jährlich 1000 Klafter Holz, zu 5 Gulden das
Klafter, zu liefern. Die Werke hatten sich unter Doepp so gehoben,
daſs sie nach Ablauf der Pachtzeit für 3475 Gulden Pacht bei einem
Holzpreise von 6½ Gulden verpachtet werden. Auf der Aſslarer und
Oberndorfer Hütte produzierte Doepp 1788 814950 Kilo Roheisen
und Guſswaren für 48120 Gulden. Den Pacht der Hütten über-
nahmen 1783 die Fürsten von Braunfels selbst und stellten den
Doepp als Hüttenverwalter mit 1200 Gulden Jahresgehalt an. 1791
betrug der Reingewinn von Aſslarer Hütte, Oberndorfer Hütte, Aſslarer
Hammer, Oberndorfer Hammer und Brückenhammer 9672 Gulden
36 Kreuzer, woran die Aſslarer Hütte mit 6192 Gulden 46 Kreuzer
beteiligt war.


Im Dillenburgischen machte man Versuche, die Stockhäuser
Braunkohle im Hochofen beim Eisenschmelzen zu verwenden 1). Sie
wurden verkohlt teils unvermischt, teils mit Holzkohlen versetzt,
teils auch unverkohlt, jedoch mit gewöhnlichen Kohlen versetzt, ver-
blasen. Die Probe fiel aber nicht vorteilhaft aus; denn das Roheisen
soll nicht haben flieſsen wollen, sondern zähe, das daraus geschmiedete
Stabeisen aber sehr brüchig gewesen sein. — Auch im Preise lag
kein Vorteil, denn ein Zain Braunkohlenkoks stellte sich auf 2 Gulden
36 Kreuzer, der Wagen also auf 26 Gulden, wofür man zwei Wagen
guter Buchenkohle kaufen konnte 2).


Auf den drei herrschaftlichen Hütten zu Haiger, Eibelshausen
und Ebersbach wurden in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts
gegen 3000 Wagen Eisenstein verblasen, aus denen zwischen 800
bis 900 Wagen Roheisen erfolgte. Zu Haiger setzte man 1784 in
[838]Nassau und das Siegerland.
24 Stunden 9098 Pfund trockenen Eisenstein und Fluſsstein in
19 Gichten durch den Ofen und erhielt 19 5/8 Halben oder 3140 Pfund
Eisen. Der Centner Eisenstein im Möller hielt 37 Pfund Roheisen.
Auf der Hütte zu Eibelshausen wog jeder Satz Eisenstein auf die
Gicht 4 Centner 62 Pfund und der Gehalt des Centner Eisensteins in
Möller 41 Pfund. Aus zwei Möllern von 10880 Pfund erhielt man in
24 Stunden 4420 Pfund Eisen.


Von 1765 bis 1784 waren auf den vier Hütten zu Löhnberg,
Haiger, Eibelshausen und Ebersbach 433873⅓ Centner (= 24630 Tonn.)
Roheisen erzeugt worden, wobei zu bemerken ist, daſs die Hütte zu
Eibelshausen 1769, und die zu Ebersbach 1779 und 1781 nicht be-
trieben wurde.


Im Vergleich mit dem Betriebe von 1605 wurde die doppelte Menge
Stein durchgesetzt. Der Wagen Roheisen = 16 Stalln = 2320 Pfund
galt 1788 57 Gulden.


Im unteren Lahngebiet nennen wir noch 1) die Eisenhütten bei
Dorf Ems nahe bei der Sporkenburg, zu Nievern, Hohenrhein auf der
rechten und Miellen auf der linken Lahnseite. Bei Maxsain, nicht
weit von Selters, lag die Maxsainer Hütte, und ebenso befand sich
bei Alsbach eine Hütte; ob diese Eisenhütten waren, ist zweifelhaft.


Im Siegerland hielt man an den alten Sitten, Einrichtungen
und Rechten fest und das Eisengewerke blühte dabei. Die alten
Rechte der Massenbläser und Hammerschmiede wurden durch die er-
neuerten und konfirmierten Kurbriefe von 1684, 1705 und 1728
bestätigt 2). Diese Erneuerungen geschahen gegen Erlegung von Geld-
beträgen durch die Zunftmitglieder.


Der Kurbrief bestätigte die Zunft mit ihren „Begnadigungen,
Freyheiten und Gerechtigkeiten“ und ordnete eine jährliche Zusammen-
[839]Nassau und das Siegerland.
kunft der Mitglieder zu Buschgotthardshütten an, und zwar auf den
1. Mai resp. den darauffolgenden Tag, wenn dieser auf einen Sonntag
fiel. Auf dieser Generalversammlung wurde zuerst der Kurbrief ver-
lesen, dann konnte ein jeder Bruder Klage vorbringen gegen Zunft-
genossen. Der anwesende Richter unter Assistenz des Bergmeisters,
der Schöppen und etlicher alter Meister erkannten dann Recht und
bestimmten die Strafe. Ferner wurde aus den Massenbläsern und
den Hammerschmieden je ein neuer Meister gewählt. Den Zunft-
vorstehern ist bei ergangenem Befehl Folge zu leisten bei Strafe von
einer „Brüder-Kur“, die auf 6 Gulden siegensche Räderwährung fest-
gesetzt wird. Zum Eintritt in die Zunft ist jeder Meistersohn be-
rechtigt, wenn er zwei Hammertage oder sechs Blashüttentage eigen-
tümlich erworben hat und die Taxe von 3 Reichsthalern an den
Fürsten und ebensoviel an die Zunft bezahlt und den gewöhnlichen
Eid ablegt. Wer aber kein Meistersohn war, jedoch zwei eigene
Hammertage oder sechs Blashüttentage besaſs, hatte für die Auf-
nahme 6 Reichsthaler an den Fürsten und 4 Thaler für die Zunft
zu zahlen.


Wer Stellmeister werden wollte, um selbständig eine Massenhütte
zu stellen, muſste, nachdem er vorher „seine Pflichtmuſs abgeleget“
hatte, dem Fürsten und der Zunft je 2 Reichsthaler zahlen.


„Der Knecht oder Knabe aber, so empfänglich die Brüderschaft
der Massenbläser und Hammerschmiede Zunft zu empfangen und das
Handwerk mit der Faust zu lernen sich angeben wird, derselbe soll
nicht zugelassen werden, er seyn denn inländisch und ehrlichen
Bruder-Manns eheliches Kind, und schwöre dann uns und dem Hand-
werk einen leiblichen Eyd zu Gott dem allmächtigen, Innhalt dessen
er dieses Handwerk nicht auſserhalb unsrer Lande arbeiten, treiben
oder gebrauchen und weniger, daſs solches auſser Landes getrieben
und gearbeitet oder gebraucht werden könne, solle oder möge, Rat
und That geben oder auch beförderlich sein wolle, höchst beteuern
solle; und wie wir durchaus nicht gestatten wollen, daſs die Massen-
bläser einen Fremden oder Ausländischen das Handwerk lernen, also
sollen droben ersten Falls die Lehrknaben und zwar des Meisters
Sohn 4 Gulden, der andere aber, so nicht eines Meisters Sohn ist,
8 Gulden Uns und dem Handwerk zu gleichen Theilen zahlen.“ Die
Strafe für den Bruch dieses Eides behält sich der Fürst vor.


Die Massenhütten durften nur 48 Tage im Jahr blasen und
zwar von Michaelis Tag ab, so daſs sie nach Ablauf dieses Tages
ihre Bälge anbliesen.


[840]Nassau und das Siegerland.

Der An- und Abblasetag muſste bei Strafe von 10 Reichsthalern
dem Bergmeister schriftlich durch einen „Zeddel“ angemeldet werden
und war jedes längere Blasen bei Strafe verboten. Verunglückte aber
eine Hüttenreise durch irgend einen besonderen Grund, so konnten
die versäumten Tage vor Ostern nachgeholt werden, danach aber
nicht mehr.


In Bezug auf Maſs und Gewicht wird gröſste Gewissenhaftigkeit
eingeschärft und bestimmt, daſs jeder Hammer 7½ Stalln (zu 170 Pfund)
mit „Unserem hierzu gemachten Zeichen gestempelten Gewichts samt
einer untadelhaften Waage und nebst solchen, gleich jeden Massen-
hütten, vier richtige und gebrannte Kohlenzeynen zu ihrem stätigen
Beruf haben und unterhalten sollen“.


Jeder Mangel an der Wage soll vom Bergmeister mit einer
Bruder-Kur, an den Zainen aber mit 1 Reichsthaler bestraft werden;
dem Bergmeister aber von jeder Aiche und Stempelung 15 Albus
für seine Mühe gegeben werden.


Die Massenhütten dürfen nicht die Hammerhütten, noch diese
jene während der ihnen zugeordneten Zeiten durch Entziehung des
Wassers oder sonstwie behindern.


„Desgleichen sollen die Hammerschmiede die ihnen von alters
her zugeordnete müſsige Zeit nicht überschreiten, sondern vom heil.
Christtag an bis zu Lichtmeſs in einem und von St. Jakobi an bis
auf Mariä Geburt in dem anderen Termin, und zwar jedesmal nach
Verfluſs solcher Tage sich still halten und vom Schmieden abstehen …“


Ebenso ist verboten, des Nachts, d. h. nach 8 Uhr abends und
vor 4 Uhr morgens, zu schmieden. Alles bei Vermeidung festgesetzter
Geldstrafen. Nach altem Herkommen und Gebrauch muſs der
Hammerschmied für einen ihm gelieferten Stalln Eisen eine Wage
geschmiedetes Eisen zurückliefern. Ebenso wird nach alter Satzung
den Hammerschmieden eingeschärft und befohlen, „daſs sie das ihnen
von ihren Raidtmeistern um Lohn zu schmieden zugesandte, über-
wogene und überlieferte Eisen treulich zusammenhalten und ohne
ihrer Raidtmeister Konsens und Vorwissen dessen nichts vermengen,
vertauschen oder verkaufen, sondern dasselbige für jeden über-
kommenden Stalln rohen, eine Wage geschmiedeten Eisens zurück-
liefern oder andernfalls gewärtigen“ u. s. w. — So ist auch keinem,
der nicht der Bruderschaft angehört, rohes Eisen zu kaufen oder zu
verkaufen gestattet, und ebenso wird der Verkäufer oder Pfandnehmer
nicht nur mit Konfiskation des Eisens, sondern noch mit weiterer
Strafe bedroht.


[841]Nassau und das Siegerland.

Desgleichen ist der Verkauf rohen Eisens, wie der Kohlen seitens
der Raidtmeister, Massenbläser oder Hammerschmiede streng verboten.
Auch soll kein Massenbläser oder Hammerschmied mehr Kohlen
kaufen, als er mit seinem eigenen Feuer verbläst und verschmiedet.
Ebenso werden die Köhler gestraft, die nicht richtiges Maſs liefern.
Die Hammerschmiede dürfen nicht gestatten, daſs ihre Knechte über
ihren Lohn noch für sich Eisen schmieden, bei hoher Bestrafung
beider Teile. Wie aber einerseits keinem Massenbläser gestattet sein
soll, Eisen auſser Landes zu verkaufen, so soll ihm von den Raidt-
meistern und Hammerschmieden auch stets der entsprechende Preis
für sein Eisen in barem Gelde gezahlt werden.


Keiner darf im Lande Hütten- oder Hammerzeit gebrauchen, als
sein eigen Gut, der nicht der Zunft und Bruderschaft angehört.


Zum Schluſs heiſst es: „Und wie des ganzen Landes Wohlfahrt
fürnehmlich auf dem Eisenhandel beruht und hoch daran gelegen
ist, daſs derselbe im guten Esse möge erhalten werden, also wollen
und gebieten wir“ … die Befolgung dieser Ordnung.


Graf Friedrich Wilhelm Adolf zu Nassau-Siegen erlieſs ferner
am 23. März 1707 ein Edikt, das Schmieden an Bettagen während
des Gottesdienstes betreffend, in welchem den Eisenschmieden streng
verboten wird, an den monatlichen und vierteljährlichen Bettagen zu
arbeiten.


Der Verkauf und die Ausfuhr von Kohlen wurde noch 1716 durch
eine besondere Kanzleiverordnung verboten. Diese setzte für die Ge-
meinden 100 Reichsthaler Strafe, Konfiskation der Kohlen, Pferde
und Geschirr im Betretungsfall fest.


Eine vorzügliche Grundlage des ganzen siegenschen Eisenhütten-
wesens bildete die streng geordnete Haubergswirtschaft und Holz-
verkohlung 1), welche Jahrhunderte alt war, aber durch eine Forst-
verordnung von 1700 noch besser geregelt wurde. Auſserdem be-
zogen die siegenschen Werke Kohlen aus dem Wittgensteinschen.


Die Anteile an den Eisenhütten und Hämmern wurden nicht
in Kuxen, sondern in Hütten- oder Hammertagen ausgedrückt
und berechnet. Über den Bau der Hochöfen vgl. Bd. II, S. 197.


Der siegensche Hüttenmann sah auf die Reinigung des Eisen-
steins mit aller Strenge; auch wurden alle Erze vorher leicht ge-
röstet. Dies geschah 1777 noch meist in pyramidalen Haufen von
[842]Nassau und das Siegerland.
6 Fuſs Quadrat Grundfläche und 6 Fuſs Höhe. Die Hochöfen waren
meist an Abhänge gebaut. Sie waren viereckig zugestellt mit einer
schiefen Ecke. Jung giebt die Hochöfen 1777 zu 20 Fuſs Höhe, die
Gicht 3 Fuſs zu 2½ Fuſs, im Kohlensack zu 10 Fuſs auf 8 Fuſs
weit an; letzterer lag 12 Fuſs unter der Gichtöffnung. Charakteristisch
waren die ledernen Blasebälge, welche man im Siegerland beibehalten
hatte. Sie waren mit der Röhre 16 Fuſs lang, hinten 4 Fuſs, vorn
2 Fuſs breit und faſsten etwa 42 Kubikfuſs Luft. Infolge der reichen
und gutschmelzigen Erze hatte man trotz der kleinen Öfen und der
ledernen Bälge eine hohe Produktion von etwa 6000 bis 7500 Pfund
Roheisen den Tag. Man unterschied Stahlhütten und Eisenhütten,
doch waren dieselben im Bau nicht verschieden, und konnte man in
denselben Hochöfen Roheisen und Stahleisen oder Spiegeleisen er-
blasen. Stahleisen fiel etwa 5000 Pfund in 24 Stunden. Auch stach
man das Stahleisen nur alle 8 Stunden ab, während man Roheisen
alle 6 Stunden abstach. Das Stahleisen wurde hauptsächlich aus
den Erzen des Müsener Stahlberges, aus sogen. „reinem Müsener
Grund“ erblasen. Der Müsener Stahlberg versah sechs Hochöfen mit
Erzen. Daſs auch gute Guſswaren im Siegerland hergestellt wurden,
haben wir früher schon erwähnt. Für feuerbeständigen Guſs war es
so berühmt, daſs man z. B. die eisernen Retorten für die Quecksilber-
destillation im Zweibrückischen im Siegerland gieſsen lieſs. — Die
siegenschen Hochöfen wurden in der Gröſse der Erzeugung nur von
den russischen Öfen am Ural übertroffen, im Verhältnisse zu ihrem
Fassungsraum nehmen sie die erste Stelle ein.


Die Hammerschmiedsherde oder Frischherde waren aus fünf
eisernen Platten zusammengesetzt und 2 Fuſs 4 Zoll lang und
2 Fuſs breit.


Über das Frischverfahren s. Bd. II, S. 229. Die Hammerbälge
sollten nach einer Verordnung nicht über 8 Fuſs lang sein. Die
Form war von Kupfer, an der Mündung 1 Zoll hoch und 1½ Zoll breit.


Die Stahlschmiedsherde wurden aus Steinen aufgeführt. Die
Form war von Eisen. Der Herd war 2 Fuſs 4 Zoll lang, 2 Fuſs 2 Zoll
breit und 6 Zoll tief. Die Form lag 5 bis 6 Zoll höher wie der
Herdstein (Boden) und war so gelegt, daſs der Wind auf ⅓ des Herdes
blies. Die Lederbälge hielten 5 bis 7 Jahre. Ein Paar Stahlhämmer-
bälge kosteten etwa 80 Reichsthaler.


Das Roheisen wurde über, das Rohstahleisen unter dem Wind
eingeschmolzen. Ein Stahlhammer wog 400 bis 500 Pfund. Die
Reckeisenschmiederei hatte sich seit dem Ende des 17. Jahrhunderts
[843]Nassau und das Siegerland.
im Siegerland eingebürgert. Man schmiedete in den Frischhämmern
schweres Reckeisen, welches in den Reckhämmern der Mark und
im Bergischen weiter verarbeitet wurde. 1735 betrug der Verkauf
von geschmiedetem Eisen 1526 Wag 4 Pfund, darunter waren 966 Wag
80 Pfund Reckeisen. Ende der 80er Jahre lieferte ein siegener Hammer-
schmied bei einem Feuer drei Karren (ca. 3000 Pfund) Reckeisen.


Der Raidtmeister verlangte, daſs der Hammerschmied aus einem
Wagen Roheisen mit einem Wagen Kohlen 16 Wag Reckeisen ab-
liefere. Das Übergewicht erhielt der Schmied, der meist 18 Wag
ausbrachte, für den Schmiedlohn. — Bei der Kleineisenschmiederei,
die Pflugscharen, Rad- und Achsenschienen, Nagel- und Huf-
eisenstäbe u. s. w. lieferte, galten dieselben Sätze, nur bekam der
Schmied für 16 Wag Kleineisen noch 10 Rthlr. Schmiedlohn ver-
gütet. — Die siegenschen Hammerschmiede machten bei den Reck-
eisenschmieden sieben bis neun Luppen zu 300 bis 400 Pfund in
24 Stunden. Da die Luppenstücke 150 bis 170 Pfund wogen, so
muſste der Schmied zum Fortbewegen derselben sich eines Krahns
— Esel genannt — bedienen.


Jedes Luppenstück wurde zu einer Reckstange ausgeschmiedet,
die 3½ Zoll breit und ebenso dick war. Jedes Stück erhielt drei
Hitzen, mit der letzten „Heiſse“ schmiedete der Schmied die Stange
„an die Wand“. Diese grobe Arbeit war anstrengend und erforderte
Kraft. Die Eisenhämmer wogen 700 Pfund. Seit 1776 hatte man
auch im Siegerland gegossene eiserne Heberinge an der Hammerwelle,
wie sie Rinmann in den 50er Jahren in Schweden eingeführt hatte,
angewendet. Die Hebedaumen, „Frösche“ genannt, wurden mit hölzernen
Keilen befestigt.


Die Amboſsschmiederei wurde ebenfalls im Siegerland stark be-
trieben, namentlich wurden viel Reckhämmerambosse für auſser Land
geschmiedet. Die Hammerschmiede wollten deshalb das Amboſsgieſsen
als gesetzwidrig nicht gelten lassen und erwirkten 1766 ein Verbot
desselben. Auch die Hämmer waren alle geschmiedet, während man
in der Eifel solche goſs.


Die schwere Arbeit des Reckeisenschmiedens war in Siegen haupt-
sächlich des geringen Kohlenverbrauchs wegen beliebt, denn Kohlen-
ersparung war das Hauptbestreben. Der Vorteil, daſs man soviel
Reckeisen in so kurzer Zeit schmieden konnte, lag mit in dem Zusatz
von Kruschen (viereckige harte Guſsplatten vom Hochofen) und
Wascheisen, welche mit den „Goſsen“ eingeschmolzen wurden. Über-
haupt liebte der Hammerschmied leichtschmelziges, etwas rohes Eisen.


[844]Nassau und das Siegerland.

Auch die Stahlschmiede im Siegerland waren sehr geschickt
in ihrer Arbeit. Ein Schmied lieferte bei zwei Hammerfeuern in 20
bis 21 Stunden 2 Karrn (ca. 1100 Pfund) Stahl; hierzu waren 8 Stalln
(1360 Pfund) Roheisen und 9½ Zain Kohlen erforderlich. Der Preis
des Rohstahleisens betrug 1782 bis 1789 18 bis 22 Rthlr. für den
Karrn. Der ausgeschmiedete Stahl hieſs Edelstahl und Mittelkühr;
ersterer kostete 48 bis 57 Rthlr., Mittelkühr immer 3½ Rthlr. weniger.
Der Mittelkühr saſs in der Mitte des Schreis, der harte Edelstahl
am Rande.


Der Schrei, den der Stahlschmied nach sieben „Heiſsen“ bekam,
wog ca. 300 Pfund. — Der Käufer erhielt zwei Teile Edelstahl und
einen Teil Mittelkühr.


1703 bis 1730 kostete der Wagen Roheisen (2400 Pfund) 22¾ Rthlr.,
der Kohlenpreis verhielt sich dazu wie 1 : 5, 1730 bis 1740 1 : 3 7/8,
1740 bis 1750 1 : 4⅓. 1747 bis 1759 kostete das Roheisen 32 bis
33 Rthlr. und stieg 1759 auf 34 Rthlr. In dem Kriege 1760/61 ging
das Roheisen noch mehr in die Höhe, bis 52 bis 54 Rthlr. Der
Kohlenpreis verhielt sich wie 1 : 6. 1763 fiel das Roheisen von 46
auf 34 Rthlr. 1764 bis 1780 kostete das Roheisen 36 bis 39 Rthlr.
Der höchste Preis der Kohlen aus dem Wittgensteinischen betrug
10 Rthlr. für den Wagen.


1787 kostete eine Tonne Roheisen 33⅓ Rthlr., eine Tonne Roh-
stahleisen 36⅔ Rthlr., eine Tonne Edelstahl 120 Rthlr. Die Holz-
kohlen wurden mit 12 bis 20 Rthlrn. der Wagen bezahlt. Im Dillen-
burgischen war die Kohle wesentlich billiger, und zwar war das
Verhältnis 1 : 3½, während es in Siegen 1 : 2⅓ betrug. Der Preis
der Kohlen war seit dem vorhergehenden Jahrhundert enorm ge-
stiegen. Die Tagesproduktion der Hochöfen hatte sich 1789 seit der
ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts verdreifacht.


Der Stahl war gegen früher viel billiger, im 16. Jahrhundert
hatte er trotz des höheren Geldwertes den doppelten Preis. Man
hatte damals beim Stahlmachen den gröſsten Teil des Roheisens
verschlackt und an Kohle soviel Fuder gebraucht, wie zu Bechers
Zeiten Zaine. Die Produktion war dabei eine sehr geringe. Noch
vor 50 Jahren (1738) hätten die Stahlschmiede den Stahl, den sie
des Tags geschmiedet, gemächlich abends aus dem Hammer tragen
können. 1788 wurden 600 Karrn (ca. 280 Tonnen) Stahl aus einem
Stahlfeuer im Jahre geschmiedet.


Daſs die Siegerländer Eisenindustrie blühte, geht auch aus den
hohen Preisen hervor, welche für Hütten- und Hammertage gezahlt
[845]Nassau und das Siegerland.
wurden. Ende des 16. Jahrhunderts hatte man sich über die Ver-
teuerung der Hammertage beklagt, daſs man einen Hammertag mit
100 bis 120 Gulden bezahlen müsse, der vordem nur 25 bis
30 Gulden gekostet hätte. Um 1788 galt aber ein Hammertag 1200
bis 1400 Rthlr., ein Stahlhüttentag nur 900 bis 1000 Rthlr., ein
Eisenhüttentag 200 bis 280 Rthlr. Ein Stahlhammertag des Aher
Hammers war mit 1000 Rthlrn. bezahlt worden.


Die siegenschen Eisenarbeiter waren in drei Zünfte geteilt. Die
Eisenmassenbläser und Hammerschmiede bildeten eine Zunft, welche
die gröſste und wichtigste war; die Stahlmassenbläser bildeten die
zweite und die Stahlschmiede die dritte Zunft. Auſserdem hatte sich
seit 1689 die Zunft der Eisenmassenbläser und Hammerschmiede nach
den Konfessionen in eine katholische und eine reformierte geteilt.
Die Mitglieder der Zünfte waren zweierlei, die, welche das Handwerk
mit der Faust gelernt hatten, die Meister und Knechte, und die,
welche den Handel mit Eisen und Stahl betrieben, die Raidtmeister.
Die ersteren arbeiteten für die letzteren, erhielten dagegen von
diesen die Materialien und den Schmelz- und Schmiedelohn.
Während im 17. Jahrhundert die Hämmer meist im Besitz der Raidt-
meister, welche in der Stadt Siegen wohnten, gewesen waren, gehörten
dieselben gegen Ende des 18. Jahrhunderts meistens den auf dem
Lande wohnenden Hammerschmieden. Der „Pflichttag“ der Massen-
bläser und Hammerschmiede, an dem sich die Zunft versammelte und
mit dem das Hüttenjahr begann, war der 1. Mai. Auf diesen Tag
wurden die Hüttenrechnungen beschlossen und begonnen. Jede Hütte
war ursprünglich auf eine Reise von 48 Tagen berechtigt, um 1788
wurden aber die Reisen auf 60 Tage bestimmt und waren manche
Eisenhütten auf 1½, 2 und 3 Reisen privilegiert. Die 60 Hütten-
tage bestanden aus dem Anhebetag, dem Ablaſstag, 1 Armentag,
1 Hüttenschuldeisentag, 8 Sammttagen und 48 gemeinen Tagen,
welch letztere unter den Gewerken verteilt waren und für die
jeder die nötigen Materialien, Kohlen und Erze, selbst beschaffen
muſste. Die übrigen Tage waren gemeinschaftlich. Die Sammttage
waren die ersten acht Betriebstage. Die 48 Hüttentage waren nu-
meriert und wechselten ihre Besitzer nach der Nummer, doch so,
daſs immer eine andere Nummer den Anfang machte. War ein Tag
unter mehrere Besitzer geteilt, so muſsten sich dieselben verständigen,
da jeden Tag nur von einem gehüttet werden durfte. Zu jedem
Stahlhüttentag gehörte der Regel nach ein Maſs Stein auf dem
Müsener Stahlberg. Dieser war, wie der Hüttentag, in 24 Teile
[846]Nassau und das Siegerland.
geteilt. Deshalb pflegte man zu sagen, es besitze einer soviel Stunden
Stahlstein auf dem Stahlberg 1). War eine Reise nicht zu Ende
geführt worden, so wurden die „liegengebliebenen Tage“ bei der
nächsten Reise nachgehüttet. Die Besitzanteile an den Hütten und
Hämmern waren oft sehr verwickelt, indem die Tage wieder in Viertel
oder Drittel geteilt waren.


In dem Fürstentum Siegen befanden sich 1789:


A. Stahlhütten, d. h. Hochofenhütten, welche Spiegeleisen aus
Müsener Stahlerz erzeugten:


1. Auf der Allenbach, 2. zum Dahlbruch, 3. oberste und 4.
unterste Stahlhütte zu Müsen, 5. zu Burgholdinghausen, 6. zu Lohe.


B. Eisenhütten: 1. Zu Marienborn (auf zwei Hüttenreisen pri-
vilegiert), 2. Unterm Hain (1½ Reisen), 3. zu Eisern (3 Reisen),
4. zu Eiserfeld (2 Reisen), 5. vor der Tiefenbach, 6. vor der
Haard, 7. auf der Sieghütte (2 Reisen), 8. zu Gosenbach (1½
Reisen), 9. auf der Birlenbach (1½ Reisen), 10. zu Niederscheld.


Die Reise der Eisen- und Stahlhämmer bestand aus vier Wochen
oder 24 Werktagen. Jeder Gewerke wuſste, welcher Tag ihm zukam
und welcher Herd, ob der nach der Hof- oder der Wasserseite ge-
legene. Fielen Festtage in die Zeit, oder Bautage, an denen wegen
nötiger Bauungen nicht geschmiedet werden konnte, so wurden diese
zwar mitgezählt, durften aber in der müſsigen Zeit nachgeschmiedet
werden. Es gab zweimal müſsige Zeit im Jahre, im Winter von Weih-
nachten bis 20. Januar, und im Sommer bei den Stahlhämmern vom
15. Juli bis 1. September, bei den Eisenhämmern vom 25. Juli bis
8. September. Die gewöhnlichen Bauarbeiten zum Betrieb, „der kleine
Bau“, ging bei den Gewerken der Reihe nach um, so daſs immer
einer dafür verpflichtet war, den man den „Baumann“ nannte. —
Alle Eisenhämmer waren auf zwei Feuer oder Herde berechtigt, von
den Stahlhämmern nur einige. Der Kurbrief gestattete den Eisen-
hämmern, nur 16 Stunden mit beiden Herden zu schmieden, und
verbot das Nachtschmieden. Es war aber allgemeiner Gebrauch ge-
worden, mit einem Herde 24 Stunden zu schmieden und jeden Tag
mit dem Herde zu wechseln. Auſserdem wurde den Hämmern öfter
Überhüttungszeit (80 bis 100 Tage) gestattet, so den vier gewerk-
schaftlichen Stahlhütten 1787 80 Tage. Wurden diese „Konzessions-
tage“ nicht benutzt, so durften sie nachgehüttet werden. 1787 hatten die
sämtlichen Eisenhütten z. B. 1292 Konzessionstage zu gut, oder vorrätig.


[847]Nassau und das Siegerland.

An Roheisen wurde damals im Siegenschen 4080 Tonnen Roh-
eisen und 1080 Tonnen Rohstahleisen geblasen. Das Rohstahl- und
Roheisen wurde alle auf den inländischen Hämmern verschmiedet,
und durfte nach den Kurbriefen nichts davon auſser Land verkauft
werden. Es befanden sich 1789 im Siegenschen


A. Eisenhämmer: 1. Zu Allenbach, 2. zu Hillenhütten, 3. zu
Lohe (herrschaftlich), 4. zu Ferndorf, 5. zu Buschhütten, 6. zu Dillen-
hütten, 7. zu Geiſsweid, 8. zu Buschgotthardshütten, 9. zu Schneppen-
kauten, 10. vor der Haard, 11. zu Münkershütten, 12. zu Müseners-
hütten, 13. vor der Meinhard, 14. zu Tiefenbach, 15. zu Fickenhütten,
16. zu Sieghütte, 17. zu Hammerhütte, 18. Unterm Hain.


B. Stahlhämmer: 1. Zu Haarhausen mit einem Feuer, 2. der
oberste herrschaftliche Stahlhammer zu Lohe, 3. der unterste Stahl-
hammer daselbst, jeder mit zwei Feuern, 4. zu Ahe, 5. zu Eichen,
beide mit zwei Feuern.


Zu Freudenberg war ferner: 6. der Schollenhammer, 7. der
Grünehammer, 8. der Berghammer, 9. der Kulberger-Hammer, 10. der
Heckenhammer, 11. der Heidenhammer, 12. der Kocheshammer, 13. der
Asdorfer Hammer (6. bis 12. auf einen Herd, 13. auf zwei Herde be-
rechtigt).


C. Reckhämmer: 1. Zu Litfeld, 2. zu Haarhausen, 3. zum Dahl-
bruch, 4. zu Birlenbach, 5. auf der Alche, 6. zu Truppach, 7. auf der
Asdorf, 8. zu Niederndorf, 9. zu Hillenhütten, 10. zu Dreisbach, 11. zu
Tiefenbach, 12. zu Eiserfeld. — Die Reckhämmer waren nicht auf
bestimmte Reisen eingeschränkt und wurden nach Bedarf betrieben.
Mit Band- und Reifeisen hatten dieselben einen guten Absatz nach
Mainz, dem Rheingau, Frankfurt a. M. und der Pfalz.


Mit dem inländischen Roheisen reichten die Eisenhämmer nicht
aus, sie muſsten noch einige tausend Wagen meistens von den Eisen-
hütten im Grund, Seel- und Burbach dazu kaufen.


Die Produktion der 18 Eisenhämmer giebt Becher auf jährlich
7800 Tonnen Schmiedeeisen und die der 18 Stahlfeuer auf 1200 bis
1800 Tonnen an.


An Holzkohlen konsumierte das Siegerland jährlich 12000 Wagen.


Das Eisen war die Grundlage des gediegenen Wohlstandes des
Siegerlandes, dessen fleiſsige, tüchtige Bewohner Becher mit Recht
glücklich preist.


Die Herrschaft Altenkirchen, welche jetzt mit dem Siegerland
ganz verwachsen ist und auch geognostisch und durch seine Erwerbs-
verhältnisse mit ihm zusammengehört, war früher politisch davon
[848]Nassau und das Siegerland.
getrennt. Dadurch entwickelten sich die Verhältnisse der Eisen-
industrie, die auch hier die wesentliche Grundlage der gewerblichen
Thätigkeit bildete, durchaus verschieden. Während im Siegenschen
die Ausfuhr des Roheisens verboten war, bildete in der Herrschaft
Altenkirchen die Ausfuhr des Roheisens den wichtigsten Teil des
Eisenhandels; die eigene Verarbeitung trat dagegen zurück. Es gab
Ende des vorigen Jahrhunderts in der Herrschaft Altenkirchen elf
Eisenhütten, zwei Stab- und drei Raffinierhämmer. Von den Eisen-
hütten lagen neun im Amte Freusberg und zwei im Amte Freien-
wald. 1742 hatte die Herrschaft ihre sämtlichen Eisenwerke an
Private verkauft. Auch hier waren die Hütten alle auf eine gewisse
Anzahl Tage konzessioniert, doch wurden immer auf Antrag sogen.
Nachreisen gewährt.


Letztere dauerten meist ebenso lange wie die privilegierte Zeit oder
die „ordinäre Reise“. Die Landesherrschaft bekam von jedem Tag
der letzteren 18¾ Kreuzer, von jedem Tag der Nachreise aber 1 Gulden
41¼ Kreuzer und vom Stahleisen 2 Gulden Wasserzins für den Tag.


Im Amte Freusberg lagen folgende neun Hütten:


Die Alsdorfer (mit 60 privilegierten Tagen), Altgrünebacher
(48 T.), Neuhütte (48 T.), Herdorfer (48 T.), Seelenberger (96 T.),
Brachbacher (48 T.), Mudersbacher (48 T.), Fischbacher (96 T.) und
die Niederschelter, welche halb auf Stahleisen ging (52 T.).


Im Amte Freienwald lagen die Biersdorfer (60 T.) und die Niedern-
dreisbacherhütte (48 T.).


Ein Wagen Eisenstein von 4000 Pfund Gewicht kostete 5 bis
10 Gulden, ein Wagen Holzkohlen zu 3500 Pfund 36 bis 40 Gulden
und ein Wagen Roheisen zu 2700 Pfund 96 Gulden.


Die Preise wurden vom Bergamt festgesetzt und von der Herr-
schaft bestätigt. — Die Hochöfen hatten alle die beliebte „lange
Ecke“, welche dadurch entstand, daſs Rückseite und Windseite gröſser
waren als die beiden anderen. Die Blasebälge waren von Leder.


Den Hauptabsatz hatte das Roheisen (Goeseisen) an die Osmund-
schmieden in der Grafschaft Mark, welche es selbst auf den Hütten
abholten. Ein geringer Teil wurde an die Blechhämmer im Sauerland
und nach Nassau-Siegen verkauft. Auſserdem machte man aus Stahl-
stein (Spat) Stahleisen (Spiegeleisen), das an die märkischen Raffinier-
hämmer ging.


Die Hüttentage waren in Viertel geteilt, und kam es früher öfter
vor, daſs ein Gewerke nur einige Stunden hüttete; später durfte nur
tageweise gewechselt werden. Die zwei Hämmer waren erst gegen
[849]Hessen und Thüringen.
Ende des 18. Jahrhunderts errichtet worden, ganz in der Weise, wie
die Hammerwerke im Siegenschen; der eine lag bei Leutzbach und
Allmersbach an der Wied, nicht weit von Altenkirchen, der andere
bei Schurzbach im Amte Daaden. Es wurde darin Reckeisen ge-
schmiedet, welches an die Reck- oder Raffinierhämmer auf der En-
neper Straſse verkauft wurde. Ein kleiner Raffinierhammer im Lande
selbst, dem Hammerschmied Martin Schreiber gehörig und um
1750 erbaut, lag unmittelbar bei der Fischbacher Hütte. Die Reste
älterer Hämmer, welche aber schon 1750 und noch früher eingegangen
waren, bestanden bei Daaden, auf der Schneisebach zwischen Daaden
und Biersdorf, bei Kirchen, bei Elben, Kirchspiel Gebertshan, bei Fisch-
bach und dem sogen. Oberamtmanns-Stahlhammer, dessen ehemaliger
Standort unbekannt war.


Eng verbunden mit dem Siegerland einerseits, mit Sayn-Alten-
kirchen andererseits war der Freie Grund (Heller- und Burbacher
Grund), der auch politisch mit beiden Herrschaften vereinigt war:
er war zweiherrig. Hier grub man dieselben vortrefflichen Eisenerze
wie in den Nachbarländern, auf welche sechs Hütten betrieben
wurden: die Wildener Hütte, die Salgendorfer Hütte, ebenfalls am
Wildener Bach, die Wiedersteiner- und Zeppenfelder Hütte an der
Heller, die Alte-Hütte und Neue-Hütte, ebenfalls im Heller-Grund.
Besitz- und Betriebsverhältnisse waren wie im Saynischen. Die
Hütten hatten 52 gewerkschaftliche Tage, einschlieſslich zweier Amts-
tage, einem Armentag und einem Hüttenschultheiſsentag. Die Erze
wurden geröstet und gaben etwa 40 Proz. Ausbringen. Man machte
Goeseisen und Stahleisen. Ersteres ging meist nach dem Siegerland
und der Grafschaft Mark, letzteres in die Mark und nach Westfalen.


Hessen und Thüringen.

Von hessen-darmstädtischen Hütten nennen wir nur die Hütte
bei Biedenkopf, welche gegen Ende des Jahrhunderts an den Herrn
von Breitenstein verpachtet war. Sie erhielt ihr Erz (Roteisen-
stein) von dem Bergwerk bei Königsberg und versorgte den Breiten-
steiner. Biedenkopfer, Hatzfelder und Battenberger Hammer mit Roh-
eisen. Um 1800 kam sie wieder in landesherrliche Verwaltung und
legte Klipstein ein Baadersches Gebläse dort an.


In dem Fürstentume Solms-Braunfels lagen die schon erwähnten
Eisenhütten zu Aſslar und Oberndorf. Die Aſslarer Hütte hatte zwei Hoch-
Beck, Geschichte des Eisens. 54
[850]Hessen und Thüringen.
öfen und lieferte hauptsächlich aus Königsberger Eisenstein 1796 bis 1799
Roheisen an die Osemundhämmer in der Grafschaft Mark. Sonst war
das Eisen meist nach Süddeutschland gegangen. In der Grafschaft
Solms-Laubach lag die Friedrichshütte bei Laubach, welche gute
Guſswaren machte. 1701 hatte Graf Friedrich Ernst von Solms-
Laubach
dieselbe einem Hüttemann namens Neuburger verpachtet,
der bald darauf den Joh. Wilh. Buderus zum Teilhaber an dieser
und an einigen anderen Pachtungen ähnlicher Art aufnahm. 1730
übernahm Buderus die Friedrichshütte allein.


In Hessen-Kassel war von den Hütten des Klosters Haina (siehe
Bd. II, S. 744, 1073) nur die Rommershäuser Hütte im 18. Jahrhundert im
Betrieb. Sie ging zumeist auf den Roteisenstein von der Haingrube,
auſserdem verschmolz sie Bohnerze. Die Erze wurden geröstet. Der
Hochofen war 22 Fuſs, das Gestell 4 Fuſs hoch; letzteres 2 Fuſs lang,
unten 17, oben 19 Zoll weit. Die Form hing ungefähr 3 Zoll in den
Herd. Die Rast war über der Form etwas höher, um die Gichten
nach der Windseite zu werfen. Die Form des Schachtes war rund.
In 24 Stunden fielen 28 bis 30 Centner Eisen in zwei Abstichen. Es
wurde zur Hälfte Frischroheisen, zur Hälfte Guſswaren gemacht.
Jenes wurde auf die benachbarten herrschaftlichen Hämmer geliefert
und denselben mit 2 Reichsthalern der Centner angerechnet; Sand-
guſs kostete 5 Thaler.


Die Neubauer Eisenhütte im Waldeckschen war von der hes-
sischen Regierung gepachtet und stand mit der Rommershäuser
Hütte unter einer Direktion. Ihr Betrieb war derselben auch
ganz gleich. Ebenso war die Bericher Hütte in Waldeck von Hessen
gepachtet. Sie hatte noch einen viereckigen Schacht mit langer Ecke.
Sie bezog ihr Erz vom Martensberg, dessen uralte Gruben sechs Hüt-
ten versorgten. Ihr Eisen wurde verfrischt. Unter derselben Direk-
tion standen drei Hämmer bei Neubau an der Urfft und zwei Häm-
mer nahe bei Kleinern, welche letzteren dem Kammerrat Fulda in
Kassel gehörten, und der Vornhager Hammer an der Eder. Alle diese
Hämmer lagen im Waldeckischen und gingen nach Kaltbläserart. Sie
schmiedeten im Geding und muſsten aus 12 Ctr. Roheisen 8 Ctr.
Stabeisen liefern. Auch die Kohlen wurden ihnen zugemessen und
zwar auf 8 Waag Eisen 18 Maſs zu 12 Kubikfuſs. Sie bekamen für
die Waag 36 Kreuzer (1 Mark) Schmiedelohn und machten auf ein
Feuer 16 bis 18 Waag Eisen. Der Preis des Stabeisens betrug 5 Rthlr.
30 Alb. pro Centner. Der Konzessionspreis, wofür es die konzessio-
nierten Juden und andere Eisenhändler erhielten, betrug 10½ Gulden
[851]Hessen und Thüringen.
per Waag, wogegen sie nicht mehr als 1 Heller Nutzen auf das Pfund
nehmen durften. Das Eisen war sehr zähe. Zur Bericher Hütte
gehörte noch ein Hammer zu Niedern-Werbe mit zwei Feuern und
zur Rommershäuser Hütte zwei Hämmer mit drei Feuern in der
Nähe.


Die Holzhäuser Hütte bei Homberg wurde ebenfalls von der
Landesherrschaft betrieben, machte Roheisen, welches auf einem dabei
liegenden Hammer mit zwei Feuern verfrischt wurde, und Guſswaren.
Sie verschmolz Bohnerze.


Die Veckerhagener Hütte lag sechs Stunden südöstlich von Cassel,
war auch eine Herrschaftshütte, die zumeist Guſswaren machte. Ihr
Wasserrad war 16 Fuſs hoch und 3 Fuſs breit. Die Erze wurden
geröstet. Der Hochofen war (1767) 18 Fuſs hoch, die Form lag nur
14 Zoll über dem Boden. Es wurde in 24 Stunden zweimal ab-
gestochen und 25 bis 30 Ctr. Eisen erzeugt. Die Hütte ging 40
bis 42 Wochen 1). Die Guſswaren gingen meist die Weser abwärts nach
Bremen. Der Centner Roheisen kostete 1 Thlr., die Waag (= 120 Pfd.)
Plattenöfen 2½ Thlr. auſser Land. — Der Lippoldsberger Hammer
an der Schwülms erhielt sein Roheisen von der Veckerhagener und
Homberger Hütte. Er hatte drei Frischfeuer, die nach Harzer Art
zugestellt und betrieben wurden, und einen Blechschmiedeherd. Die
Hämmer wogen 3, 4 und 7 Ctr. In fünf Stunden wurde eine Luppe
von 2 bis 3 Ctr. gefrischt und ausgeschmiedet. Von 1200 Pfund Roh-
eisen muſste der Schmied 960 Pfund Stabeisen abliefern. Die Blech-
schmiede muſsten aus 120 Pfund oder 1 Waag Stabeisen 100 Pfund
rein beschnittenes Blech liefern. Eine Waag Stabeisen wurde mit 3
bis 3¾ Thlr. bezahlt. 1000 Waag wurden im Lande verbraucht, 3000 Waag
gingen nach Bremen, Hamburg und Amsterdam. Eine Zeitlang war
auch Weiſsblech auf dem Lippoldsberger Eisenwerk gemacht worden.


Schmalkalden erholte sich nur teilweise von den schweren
Bedrängnissen des 30jährigen Krieges. Dazu kam, daſs das wichtigste
Eisensteinlager, der Stahlberg, zum groſsen Teil abgebaut war, so
daſs die Landesregierung durch eine Verordnung vom 14. Nov. 1726
die Förderung beschränken muſste. Dagegen bemühten sich Gewerke
und Regierung gemeinschaftlich, durch technische Verbesserungen die
Eisenindustrie zu heben. Wie die natürlichen Verhältnisse, die Art
der Erze und ihr Vorkommen groſse Ähnlichkeit mit denen in Steier-
mark hatten, so hatte sich auch der Betrieb in ähnlicher Weise ent-
54*
[852]Hessen und Thüringen.
wickelt. Man schmolz im Anfang des Jahrhunderts die Erze in
Schmalkalden wie dort in Stücköfen, die man hier Blauöfen nannte,
und reinigte das Stückeisen (die Güsse) in Löschherden.


Um die Mitte des 18. Jahrhunderts ging man in Schmalkalden
wie in Steiermark zum Floſsofenbetrieb über, nur nannte man die
Floſsöfen ebenfalls Blauöfen, die man zur Unterscheidung von den
alten niedrigen Blauöfen (Stücköfen) hohe Blauöfen nannte. Die
Einführung der hohen Blauöfen geschah zuerst in den Jahren 1743/44
durch den in preuſsischen Diensten verstorbenen Geheimrat Waitz
von Eschen
1). In den fünfziger Jahren erfolgte dann die allgemeine
Einführung der hohen Blauöfen. Dadurch verschwand der alte Stück-
ofenbetrieb zum groſsen Teil, an seine Stelle trat Roheisenproduktion
und Frischverfahren. Lange vor der allgemeinen Einführung der
hohen Blauöfen hatte man aber schon das Rohstahleisen in Blauöfen
geschmolzen. Die Brauneisensteine und Spate des Stahlberges waren
sehr manganreich. Eine ältere Analyse der Schmalkalder Braunerze
von Buchholtz giebt folgende Zusammensetzung:


  • Eisenoxyd   73,75
  • Manganoxyd   10,50
  • Wasser   13,00
  • Kohlensaurer Kalk  2,75
  • 100,00

Die Erze der Mommel waren ärmer und von geringerer Güte.
Die Erzförderung auf dem Stahlberg war durch Gesetz auf 1200 Tonnen
(zu 4 1/7 Kubikfuſs) oder 2000 Fuder jährlich bestimmt. 600 Tonnen
erhielten davon die Stahlwerke und 300 Tonnen jeder Eisenhammer,
das übrige ging an die benachbarten sächsischen Eisenhütten, welche
dagegen an Schmalkalden Kohlen, Stabeisen und Blech überlieſsen.
Auswärtige wie Einheimische bezahlten 3 fl. (à 16 Ggr.) für das Fuder.
Die Förderung von dem nächstwichtigen Eisenbergwerk, der Mommel,
betrug etwa 6000 Tonnen, 1791 : 8000 Tonnen. Die Erze wurden
meistens geröstet. Wir haben das Ausschmelzen der Erze sowohl in
den kleinen wie in den groſsen Blauöfen früher schon geschildert,
ebenso die Reinigung des Stückeisens, wie das Frischen des Roh-
stahleisens und des Roheisens und genügt es, hierauf zu verweisen.
1792 standen 7 hohe Blauöfen, 3 niedrige Blauöfen oder Stücköfen
und 2 Blauöfen zum Schmelzen von Rohstahleisen im Betrieb. Ein
[853]Hessen und Thüringen.
kleiner Blauofen lieferte 66 bis 70 Ctr. „Guſs-“ oder Stückeisen in
der Woche, welches mit Scheibeneisen vom hohen Blauofen im Lösch-
herd eingeschmolzen und gefrischt wurde. Bei einem Stückofen waren
3 Schmelzer, die sich in achtstündigen Schichten, als die Zeit eines
Gusses, ablösten und von jedem Guſs 1 Mark erhielten.


Ein hoher Blauofen lieferte 256 bis 260 Ctr. Roheisen in der
Woche. Er wurde von 3 bis 4 Schmelzern bedient, welche in vier-
stündigen Schichten wechselten und täglich zusammen 4 Mark erhielten.
Auſser dem Scheibeneisen, welches, wie erwähnt, im Löschherd mit
Stückeisen zusammen verarbeitet wurde, frischte man das übrige
Roheisen, welches in Gänzen abgestochen wurde, in Kaltfrischfeuern.
Im Löschfeuer erzeugte man einen Deul von 1½ bis 2 Ctr. in 3 bis
4 Stunden. Die Wochenproduktion eines Löschherdes war 50 bis
60 Ctr. Stabeisen. Der Abbrand betrug 25 Proz., der Kohlenverbrauch
auf 1 Ctr. Roheisen 3 Stützen Kohlen. Bei einem Löschfeuer waren
4 Arbeiter, die 2 und 2 unter sich in 24stündigen Schichten wech-
selten. Sie erhielten vom Centner geschmiedeten Eisens 0,54 Mark.


Die 8 Kaltfrischfeuer, welche in der Herrschaft Schmalkalden
betrieben wurden, konnten jährlich gegen 8000 Ctr. Schmiedeeisen
erzeugen. Ein Feuer hatte 2 Schmelzer und einen Lehrjungen. Die
Schmelzer wechselten sich von Luppe zu Luppe (alle 5 bis 6 Stunden)
ab. Der Centner ordinäres Stabeisen kostete damals M. 22,80. Der
Eisenpreis wurde vom Bergamt nach dem Erzeugungspreise festgesetzt.


Die Ausfuhr des Stabeisens war gänzlich verboten, dennoch ging
durch den Schleichhandel viel Eisen ins Ausland, was nicht selten
Mangel bei dem inländischen Handwerk verursachte. Um dem ab-
zuhelfen, wurde gegen Ende des Jahrhunderts ein gewerkschaftliches
Magazin errichtet, in das alles Eisen abgeliefert werden muſste und
welches allein den Eisenverkauf hatte.


Das meiste in den Kaltfrischfeuern erzeugte Schmiedeeisen war
hart, dicht, von kleinkörnigem Bruch und hoher Politurfähigkeit. Es
näherte sich zuweilen dem Stahl und wurde für Ackergeräte und von den
Nagel-, Ketten- und Bohrschmieden gesucht. Von weicherem Eisen wurde
in den Kaltschmieden nur wenig erzeugt, dieses wurde, wie das in den
Löschfeuern erzeugte weiche Eisen besonders von den Drahtziehereien
und Rohrschmieden verwendet. Ehe das Stabeisen von den Hand-
werkern verarbeitet wurde, kam es in die Zainhämmer, von denen 12
in der Herrschaft Schmalkalden betrieben wurden. Der Abgang beim
Schmieden des harten Eisens betrug 3, der des weichen Eisens 5 Proz.
Jeder Zainhammer hatte jährlich 18 Mark Hammergebühr zu zahlen.


[854]Hessen und Thüringen.

Die Öfen, in welchen das Rohstahleisen erblasen wurde und die nur
Erz vom Stahlberg verschmolzen, gehörten den Stahlgewerkschaften.


Die Schmelzgerechtigkeit über der Stadt Schmalkalden gehörte
der alten Stahlgewerkschaft, welche auf jede halbe Zahl Stahl-
hammer (ein ganzer Stahlhammer hieſs eine Zahl) 175 Ctr. Rohstahl-
eisen zu schmelzen berechtigt war. Mit den Unreinigkeiten rechnete
man aber 385 Ctr. auf eine Zahl. Für diese Schmelzgerechtigkeit
bezahlte der Gewerke von jedem zehnten Centner Rohstahleisen 2 Ggr.
zur Bergzehntkasse.


Die zweite Stahlgewerkschaft, welche viel jünger als die
vorige war, hieſs die Steitzische Gewerkschaft, welche 3 Ggr.
für den zehnten Centner zahlen muſste. Sie hatte ihren eigenen
Schmelzofen und zwei Stahlhämmer mit vier Feuern bei dem Dorfe
Asbach, eine halbe Stunde von der Stadt. Sie gehörte vielen Be-
sitzern, und waren deren Rechte und Pflichten ähnlich wie bei den
siegenschen Gewerken. Erst gab es ein gemeinschaftliches Schmelzen,
dann schmolz jeder Gewerke seine Zeit mit seinen eigenen Materialien.
Die Reihenfolge wurde durch das Los bestimmt. Daſs ein solcher
Betrieb viele Mängel hatte, ist klar. — Das regierungsseitig ge-
nehmigte Quantum Eisen betrug bei den Rohstahleisenöfen 6200 Ctr.
im Jahr, bei den hohen Blauöfen 7000 bis 8000 Ctr. für das Jahr.


Das Verfahren bei dem Stahlfrischen haben wir S. 421 be-
schrieben. Der gehärtete Stahl wurde auf einem Sandstein abgerieben
oder gescheuert. So wurde er an Zainhämmer, an Ort- und Ahlen-
schmiede, Feilenhauer, Messerschmiede, Zweckenschmiede u. s. w. ver-
kauft. Die jährliche Ausfuhr betrug 1792 und 1793 3200 Ctr. zu
etwa 5 Thlr. Der Stahl wurde als Stangenstahl, oder in Stücken
verpackt als Faſsstahl ausgeführt. Der beste davon war der Kernstahl,
der 6 Thlr. 4 Gr. pro Centner kostete. In 24 Stunden wurden 2½ bis
3 Ctr. Stahl verfertigt und wurde davon 10½ Groschen Lohn gezahlt.
Der Abgang betrug 30 Proz. Die wöchentliche Erzeugung auf einem
Hammer betrug 14 bis 15 Ctr., bei 9 bis 10 Fuder Kohlenaufwand. Es
wurden nur Buchenkohlen verwendet, welche aus den sachsen-eisenach-
schen Waldungen bezogen wurden. Ende des 18. Jahrhunderts gab es
zwölf gangbare Stahlhämmer in Schmalkalden, von denen zehn zur
alten, zwei der Steitzschen Gewerkschaft gehörten. Die Stahlhämmer
waren entweder Eigentum oder wurden auf Erbzins betrieben. Letzterer
betrug 8 Thlr. für einen ganzen Hammer. Ein Stahlhammer kostete
2000 bis 4000 Thlr. Die Lehrzeit des Stahlschmieds dauerte drei bis
fünf Jahre, je nach seiner Fähigkeit; dann wurde er Unterknecht,
[855]Hessen und Thüringen.
und wenn er den Schmelzprozeſs verstand, Oberknecht oder Meister.
Der Lehrjunge muſste 10 Meiſsenische Gulden Aufdinggeld geben,
eine Kaution von 50 bis 150 Thlr. stellen und den Eid der Ver-
schwiegenheit leisten; die Stahlschmiede wurden jedes Jahr auf Jakobi
von neuem gedungen. — Der Schmalkaldische Stahl wurde durch
öfteres Bearbeiten besser und konnte 10 bis 13 Hitzen aushalten.


In der Nähe der Stadt Schmalkalden befanden sich sechs Draht-
hämmer; ferner war in der Stadt eine Messerfabrik, welche jährlich
30000 Messerklingen liefern konnte. Überhaupt war das Eisengewerbe
in Schmalkalden sehr mannigfaltig. 1788 1) gab es daselbst 110 Ahlen-
schmiede, 56 Feilenhauer, 86 Schlosser, 12 Scherenschmiede, 22 Bohr-
und Zangenschmiede, 10 Striegelmacher, 84 Messerschmiede, 23 Klingen-
schmiede, 6 Schneid- und Hackmesserschmiede, 51 Zweckenschmiede,
50 Kellenschmiede und 60 Ring- und Schnallenschmiede, welche meist
in den Nachbardörfern ansässig waren. Auſserdem gab es etwa
100 Huf- und Nagelschmiede. Die Professionisten verarbeiteten jähr-
lich gegen 3000 Ctr. Stahl und 4000 bis 5000 Ctr. Eisen. Jedes dieser
Gewerbe bildete unter sich eine Innung. Lichtputzenmacher gab
es besonders viele in Steinbach. Ein Haus Gebr. Sanner hatte
20000 Dutzend in einem Jahre verschickt. Es gab im Schmalkal-
dischen 17 Zainhämmer und 22 Schleifkotten, um Ahlen, Schneidmesser,
Äxte u. s. w. zu schleifen. — Ein Blechhammer war eingegangen. Die
Gewehrfabrik von W. M. Pistor beschäftigte in 15 Häusern 50 Rohr-
schmiede, Schlosser und Schäfter. Vor kurzem hatte sie 20000 Stück Ge-
wehre an das hessische Militär geliefert. Sie arbeitete nur für die
Landesherrschaft und war deshalb unregelmäſsig beschäftigt. Um
1800 arbeiteten 327 Arbeiter bei der Gewehrfabrikation für die hes-
sischen Truppen. Salomon Merkel war der Hauptstahlfabrikant,
er besaſs drei Stahlhämmer und hatte ein Kontor in Hamburg.


Ordinärer Stahl kostete damals 5 Thlr. 10 Gr. (16 Mark) und
raffinierter 8 Thlr. 3 Gr. (24,30 Mark) der Centner.


Suhl hatte ebenfalls furchtbar unter den Stürmen des 30jäh-
rigen Krieges gelitten und seine berühmte Gewehrfabrik war
dadurch sehr in Rückgang gekommen. Dazu kam der weitere Um-
stand, daſs alle gröſseren Staaten nach dem 30jährigen Kriege eigene
Gewehrfabriken errichteten, wodurch Suhl einen groſsen Teil seines
Absatzes verlor. Dennoch erhielt sich die Gewehrfabrikation und
blieb auch im 18. Jahrhundert ein angesehenes Gewerbe. Aber
[856]Hessen und Thüringen.
gleich zu Anfang dieses Jahrhunderts hatte Suhl von neuem durch
Kriegsnot zu leiden. 1706 wurde es von dem schwedischen Oberst
Görz eingenommen. Alle vorhandenen Gewehre wurden konfis-
ziert und nur gegen hohes Lösegeld blieb es vor Plünderung und
Brand bewahrt. Dies geschah in dem Kriege Karls XII. gegen König
August von Sachsen und Polen und unter dem Vorwand, daſs
vier Jahre zuvor König August schwedische Gewehre weggenommen
habe. Die Schweden nahmen 1790 Flinten, 214 Karabiner und 516 Paar
Pistolen, die nach der Aufstellung der Gewehrhändler 6304 Rthlr. kosteten.
1753 litt Suhl durch einen groſsen Brand, doch erholte sich die Stadt
dank der thatkräftigen Unterstützung der Regierung rasch wieder.


Auch im siebenjährigen Kriege hatte Suhl viel zu leiden. Feind
und Freund schleppten die vorhandenen Gewehre fort. Vor dieser
Zeit wurden noch viele Rohre ungeschäftet ausgeführt. Es waren 22 halbe
Rohrschmieden beschäftigt, die jährlich etwa 600000 Rohre lieferten. In
der zweiten Hälfte ging aber die Rohrschmiederei, infolge der immer
wachsenden Konkurrenz, mehr und mehr zurück, so daſs gegen Ende des
Jahrhunderts nur noch ⅓ der obigen Anzahl Rohrschmieden im Gange war.


Die Gewehrfabrikation in Suhl beruhte auf der Geschicklichkeit
der Schmiede, dem vortrefflichen Eisen und dem Stahl von Hein-
richs
und den billigen Arbeitslöhnen. Das für die Gewehrfabrik
erforderliche Eisen lieferten (1795) sechs in dem Suhler Bezirk gelegene
Eisenhämmer, deren Eisen sich durch Zähigkeit auszeichnete. Jeder
Hammer sollte 18000 Ctr. im Jahre liefern. Diese Hämmer schmie-
deten auch sehr gute Bleche. Im 17. Jahrhundert hatte man das
Eisen noch ausschlieſslich in Rennfeuern hergestellt. Anfang des
18. Jahrhunderts wurde angeblich durch einen schwedischen Arbeiter
der erste Blauofen errichtet.


Ein Blauofen brauchte zu seinem Eisen- und Blechbetrieb bis zu
1000 Klafter Holz im Jahre. Später wurde ein hoher Ofen erbaut
und auf herrschaftliche Kosten betrieben, da er aber zu viel Kohlen
verschlang, lieſs man ihn 1790 eingehen 1). Quantz berichtet, daſs
das Eisen für das Suhler Salzpfannenblech teils aus Schmalkaldener
Eisenstein, teils von Braun- und Spateisenstein, den man von Groſs-
kammsdorf, Könitz und von Saalfeld bezog, erblasen wurde.


Heinrichs versah die Suhler Fabriken mit seinem vorzüglichen
Stahl. Zu demselben bedurfte man der manganreichen spatigen Erze
von Schmalkalden. Da die von Heinrichs aber mit ihrem guten
[857]Hessen und Thüringen.
Stahl den Schmalkaldern Konkurrenz machten, und denselben sogar,
wie die Schmalkalder behaupteten, unter deren Zeichen zu Hamburg
und Lübeck verkauften, so waren diese sehr erbittert und weigerten
ihnen die Abgabe von Erz. Aber vermittelst der Bleche erhielt der
Fabrikant doch den Stein von ihnen durch die dritte Hand, als wenn
er zu den Blechhämmern gehörte 1).


Der gröſste Stahlfabrikant zu Heinrichs war 1776 Joh. Friedr.
Ripperger,
ein geschickter Mann, der auch damals eine Stahlspiegel-
fabrik von Spiegeln bis zu 1¼ Ellen Höhe und ¾ Ellen Breite anlegen
wollte. Heinrichs hatte schon 1702 Marktrecht mit drei Märkten
im Jahr erhalten. Es befanden sich dort ein Eisen- und zwei Stahl-
schmelzöfen und zwei Stahlhämmer. Es wurden jährlich an 2800 Ctr.
Stahl-, Blech- und Eisenwaren in das Ausland verschickt. Der Stahl
von Heinrichs war nicht so hart wie der Schmalkaldische, aber für
Federn besser zu gebrauchen. Zu Mäbendorf wurde ein weniger guter
Stahl gemacht, und die Cementstahlfabrik daselbst hat nicht fort-
kommen können.


Nach von Hofmann gab es 1776 zu Suhl 11 ganze und
22 halbe Rohrschmieden. Diese konnten bei vollem Betriebe jährlich
60000 Rohre liefern. Es wurden aber höchstens 20000 geschmiedet, so
daſs nur 4 ganze und 8 halbe Rohrschmieden voll beschäftigt waren,
und auſserdem allenfalls noch eine auf die Rohre, die ungeschäftet
an die Büchsenmacher nach der Schweiz, in die Reichsstädte und auf
die Messen gingen. Infolge dieses ungenügenden Absatzes lagen bei-
nahe ⅔ der Rohrschmieden wüst und waren baufällig geworden.
Ein Rohr kostete nur 2⅓ Pfennig Schmiedelohn. Die Ladestock-
fabrik wurde 1776 von drei Gebrüdern Job betrieben. Die Ladestock-
macher waren mit den gewöhnlichen Schlossern, „so Fromberger
genennet werden“, zünftig. Die eisernen Ladestöcke wurden gegen
1720 von einem Solinger Bürger in Suhl eingeführt. Auch die Bajo-
nettmacher, welche eigentlich Waffenschmiede und nicht zünftig
waren, sind von Solingen nach Suhl gekommen. Ehrhard de
Kummer
war 1776 noch der einzige dieser Art; er machte auch
Klingen. Das Polieren geschah noch meistens von Weibern und
Kindern mit der Hand.


Das Meisterrecht eines Büchsenmachers zu erwerben kostete
180 Gulden. Dies war für die Verhältnisse zu viel und deshalb
ständiger Mangel an Meistern, namentlich an Schloſsmachern.
[858]Hessen und Thüringen.
Büchsenschäfter gab es dagegen zu viele. Die Graveure waren sehr
geschickt und rühmten sich, mit ihren Arbeiten die Engländer und
Franzosen zu übertreffen. Sie arbeiteten besonders für die beiden
Haupthandlungen Spangenberg und Horniffer. Ersterer lieferte
1775 und 1776 2650 Stück Gewehre ins Ausland, meist dänische
Seeflinten. Letzterer handelte hauptsächlich mit Galanteriegewehren,
namentlich nach den Ostseeprovinzen. Den Meſshandel betrieben
hauptsächlich Lorenz Sauer und Söhne. Es gab elf Graveure
für erhabene und eingelegte Arbeit, besonders mit in Stahl einge-
legtem und erhaben gearbeitetem Golde à quatre couleurs. Berühmt
war der Hofgraveur Döll und 1776 Karges. —


Der ganze Handel in Gewehren soll sich nach von Hofmann
1776 nur auf 3000 Stück (?) belaufen haben.


Die Suhler Fabrikanten machten nicht nur alle Arten von Feuer-
gewehren, sondern auch Kürasse, Espadons, Klingen und verschiedene
Kunstsachen von Stahl und Eisen. Alle Feuerrohre wurden von
verpflichteten Personen öffentlich mit ein bis zwei, dem Kaliber
und den Vorschriften entsprechenden Probeschüssen besonders pro-
biert. — Im ganzen gab es neun Gewehrhandlungen in Suhl, welche
vermöge eines 1669 errichteten Gewehrhandlungsrecesses alle ge-
fertigten Gewehre um einen bestimmten Preis an sich zu kaufen und
in das Ausland abzusetzen berechtigt waren. 1794 waren 300 Hand-
werksleute bei der Gewehrfabrikation beschäftigt: ad 1, an Schlossern
und Büchsenmachern 101 Meister, worunter auch die Platten- und
Garniturmacher und die Rohrverschrauber gehörten, 64 Gesellen,
11 Graveurs und 8 Schmirgler und Polierer, welche zusammen
eine Zunft ausmachten; — ad 2, beim Rohrschmiedehandwerk
8 Meister, 9 Schweiſser, 9 Bohrer, 9 Schleifer und 27 Schmiede-
knechte, — ad 3, von Büchsenschäftern 44 Meister und 105 Ge-
sellen. — Die Gewehrfabrik in Suhl hat im Jahre 1795 in das Aus-
land geliefert: 3579 Karabiner, 15515 Musketen, 105 Jagdflinten,
661 Büchsen, 1158 Pistolen, ohne die einzelnen Flinten-, Pistolen-
und Büchsenläufe, Schlösser und Bajonette. In der Wolfgang Kum-
mers
chen Stahlraffinerie und Feilenwerk waren 4883 Bajonette,
11083 Ladestöcke, 1193 Karabinerstangen und 153 Dutzend Feilen
verfertigt worden. Das neue Ehrhard de Kummersche Klingen-,
Schleif- und Polierwerk hatte 4450 Bajonette und 2970 Stück Klingen
geliefert.


[859]Hessen und Thüringen.

Ein kaiserliches Kommiſsgewehr kostete:


  • 1. Dem Rohrschmied für das rauhe Rohr   1 Gulden 33 Kzr.
  • 2. Dasselbe zu verfertigen   — „ 18 „
  • 3. Ein Schloſs mit zwei Batterieen   — „ 44 „
  • 4. Dem Zeugschmied für die Garnitur   — „ 42 „
  • 5. Das Bajonett und der Wischer   — „ 32 „
  • 6. Der Ladestock   — „ 21 „
  • 7. Der Schaft   — „ 29 „
  • 8. Das Zusammenrichten und Bajonettaufpassen   — „ 10 „
  • 9. Die Bajonettscheide  — „ 7 „
  • Summa 5 Gulden 56 Kzr.

Der Verkaufspreis in Suhl für ein Infanteriegewehr betrug 7 Rthlr.
bis 7 Rthlr. 8 Gr.


1795 befanden sich in dem kursächsischen Anteil von Henneberg
18 Eisen- und Blechhämmer, 2 Stahl-, 1 Sensen- und 1 Draht-
hammer, die jährlich etwa 9000 Tonnen, gröſstenteils auswärtigen
Eisenstein verarbeiteten und dazu 27000 Klftr. Holz konsumierten.
Im ganzen wurden 10780 Ctr. Blech und 22827 Ctr. Eisen hergestellt
und dadurch 63000 Laubthaler in das Land gebracht.


In der Umgegend von Suhl lagen noch verschiedene Eisenwerke
im Thüringischen. Zelle und Mehlis waren nur eine Stunde ent-
fernt. Hier befanden sich Gothaische Gewehrfabriken, welche als
eine Anlage angesehen werden konnten. Jede hatte einen Eisen-
hammer (Rennwerk), wo sie das Eisen aus denselben Erzen wie zu
Suhl machten. Die übrigen Hämmer hatte man eingehen lassen
müssen, weil der Herzog von Sachsen-Gotha auf seinem eigenen
Hochofen und Hammer alles Eisen und Blech für sein Land machen
lieſs und deshalb 1776 auf jeden Centner Kursächsich-Hennebergisches
Eisen und Blech 1 Thlr. Eingangszoll gelegt hatte 1). In Zelle befand
sich noch ein Rohrhammer und eine Rohrschmiede im Gange, die an-
deren waren eingegangen. Es wurde nur geringe Ware hier gemacht
und hausierten die Schlosser von Zelle und Mehlis vielfach mit dem
Ausschuſs der Suhler Fabrikanten. Es gab 30 Schlosser zu Mehlis
und noch mehr in Zelle. Diese machten grobe Garniturarbeiten für
Suhl; hauptsächlich arbeiteten sie aber grobe Eisenwaren für
Schmalkalden.


Steinbach, drei Stunden von Suhl, war wieder hessisch. Hier
[860]Hessen und Thüringen.
war ebenfalls ein Zerrennfeuer im Gange, welches sich bis zum Schluſs
des 18. Jahrhunderts erhalten hat. Hier wurden ebenfalls grobe
Gewehrstücke und zeitweilig Garniturstücke für die Gewehrlieferanten
in Suhl gemacht. Auſserdem arbeitete man grobe Galanterie- und
Eisenwaren nach Schmalkalden.


Eine halbe Stunde von Steinbach lag Schönau. Daselbst war
eine Rohrschmiede und vier Schloſsmacher, welche ihre Arbeit an die
Gewehrfabrik in Schmalkalden absetzten.


1½ Meilen von Suhl lag Schleusingen mit Weiſsblech- und
Sensenhammer. Die Katzhütte im Hennebergischen war eine der
wichtigsten Weiſsblechfabriken im Kurfürstentum Sachsen 1). Die
Blechschmiede muſsten von 100 Pfund Frischeisen 75 Pfund oder
1½ Hüttenschock rein beschnittene Bleche liefern. Ein Hüttenschock
war gleich 120 Blatt oder Tafeln. Hiervon erhielt der Blechschmied
1 Rthlr. 15 Gr. Schmiedelohn, muſste aber dafür alle Materialien
auſser dem Eisen stellen und das Baugeld tragen. Er hatte auſser-
dem mit seinen Knechten 40 Rthlr. jährliches Geding.


Zu Albrechts oder Malmers waren Eisenbergwerke und 41 Nagel-
schmiede.


Auch sonst gab es im Thüringer Wald viele Eisenhütten und
Hämmer, die aber meist klein waren.


In Sachsen-Meiningen hatte das Oberland und Saalfeld starke
Eisenindustrie in den Werken Neuhaus, Hüttensteinach und Gabe
Gottes. — In der Grafschaft Rudolstadt wurde Stahl gemacht, der
an Güte dem steierischen gleich sein sollte. — Im Schwarz-
burgischen
wurde viel Eisen geschmolzen und Stahl daraus
gemacht, der zur Fabrikation von Messern, Sicheln und Sensen
diente.


In Ruhla lebten 1761, nach von Justi, 1500 Familien von dem
Messerschmiedegewerbe, obgleich in diesem Jahrhundert 500 Familien
auf einmal in das Preuſsische ausgewandert waren. Es wurden um
die Mitte des 18. Jahrhunderts jährlich für 120000 Thlr. Messer ver-
fertigt, welche meist nach Polen, Preuſsen und Schlesien vertrieben
wurden. Ferner machte man Ringe, Schnallen, Feilen, Vorhänge-
schlösser u. s. w. Friedrich der Groſse hatte bei der Gründung
der preuſsischen Eisenfabrik zu Neustadt-Eberswalde 200 Ruhlaer
Meister angeworben, und da er gleichzeitig die Einfuhr Ruhlaer
[861]Der Harz.
Waren nach Preuſsen verbot, dem dortigen Handel sehr geschadet.
1780 wurden nur für 34000 Thlr. Messer gemacht. Die Ruhlaer
muſsten sich auch auf andere Waren legen und trieben auſserdem
mit Eisenwaren von Schmalkalden, Zelle (Zeller Gewehre), Solingen,
Steiermark u. s. w. Hausierhandel. 1788 gab es noch 200 Messer-
schmiede und 7 Feilenhauer; ferner 1 Eisenhammer und 6 Schleif-
mühlen.


Zu Ilmenau hatte 1785 Gottfried Leffler einen eigenen Eisen-
hammer und handelte mit Schmiede- und Zaineisen. — Ein zweiter
Zainhammer bei Ilmenau hieſs der Grenzhammer. Man rechnete die
ganze Produktion an Eisen auf 2700 Ctr. jährlich.


Der Harz.

Als das wichtigste Eisenindustriegebiet von Norddeutschland darf
man wohl den Harz im vorigen Jahrhundert bezeichnen. Das Harzer
Eisengewerbe war aufs beste geordnet und zeichnete sich aus durch
intelligente Leitung und ernstes Streben nach Verbesserungen. Den
beteiligten Landesherrschaften gebührt dabei der Hauptteil des
Ruhmes.


Die Harzer Hütten gehörten zu verschiedenen Landes-Herr-
schaften; den Hauptbesitz hatte von jeher Braunschweig-Lüneburg.
Trotz der Teilung in verschiedene Linien blieb die Verwaltung der
Bergwerke gemeinschaftlich. Dieses Verhältnis wurde nach dem
Aussterben der älteren Wolfenbütteler Linie 1634 durch den Erb-
vertrag vom 15. Dezember 1635 zwischen den Linien Hannover und
Braunschweig geregelt und zwar „hat man sich freundvetterlich ver-
einiget, daſs die Fürstlichen Oberharzischen und Unterharzischen
Bergwerke der Orts gefunden und ungefunden, wie auch die Hohheit
über die Bergwerk und Bergstädte, nämlich Zellerfeld, Wildemann,
Grund und Lautenthal, ingleichen die beiden Rammelsbergischen und
Zellerfelder Forsten, das Salzwerk zu Juliushalle, auch Eisenfaktorei
und Hüttenwerk zu Gittelde (jedoch den Flecken Gittelde, welcher
zu der Hoheit des Hauses und Amtes Stauffenberg gehört, ausbe-
schieden) noch zur Zeit bis zu fernerer gütlicher Vergleichung un-
zerteilt
zu gleichem Nutz und Vorteil zwischen den dreien
Linien pro quotis gemein bleiben soll, dergestalt, daſs das Berg-
[862]Der Harz.
amt und Alles was darin gehört nomine communis administriert
wird … 1)


4/7 betrug der Ideal-Anteil des Kurhauses, 3/7 des fürstlichen Hauses.
Dieser Zustand blieb vollständig aufrecht erhalten bis zum Receſs
vom 4. Oktober 1788. Durch diesen wurden wichtige Teile, besonders
Zellerfeld, Wildemann und Lautenthal, aus der Kommunion aus-
geschieden, dagegen änderte sich das Verhältnis der Eisenhütten zu
Gittelde und der dazu bestimmten Eisensteingruben nicht. Auch
verblieb es mit den Holz- und Kohlenlieferungen beim Alten. Die
Gruben auf Eisenstein waren ausdrücklich der Kommunionhütte zu-
gewiesen, unbeschadet anderer Mineralien. Von Iberg, Gegenthal und
Schweinsrücken muſsten alle Erze nach Gittelde geliefert werden 2).


Die ganze Verwaltung des Kommunion- und einseitigen
Harzes
zerfiel in Bergämter, Forstämter und Ratskollegia. Die
Bergämter waren zugleich Vormünder der Gewerken. Die Forstämter
(Goslar und Klausthal) waren für die Herrschaft allein. Sie hatten
Jurisdiktion über alles, was die Forsten anging, auch über Grenz-
sachen. Die Ratskollegien hatten die Entscheidung in Civil-, Krimi-
nal- und Justizsachen. Sie hatten auch die wichtige Aufgabe, dafür
zu sorgen, daſs die Preise der Nahrungsmittel nicht zu teuer gemacht
wurden, weshalb sie Taxen festsetzten. Über alle diese dreierlei
Ämter befahl der Berg- und Viceberghauptmann nomine regis. Dabei
wechselte der Vorsitz zwischen Hannover und Wolfenbüttel Jahr um
Jahr; Hannover hatte in den geraden, Wolfenbüttel in den ungeraden
Jahren das Präsidium 3). Swedenborg nennt 1734 die Eisenhütten
Zorge, Wieda, Tanne, Gittel, Stollberg, Rübeland, Bos (?) und Voigt-
felde. Was er über die Harzer Hochöfen im allgemeinen sagt, ist
S. 156 erwähnt.


Es gab gegen Ende des 18. Jahrhunderts folgende Eisenwerke
im Harz:


  • 1. Die Königl. Kurfürstl. Braunschweig-Lüneburgischen Eisen-
    hütten, oder wie sie kurzweg genannt wurden, die Hannöverischen
    Hütten, waren: die Lerbacher Hütte, Altenauer Hütte, Königshütte,
    Steinrenner Hütte, Rotehütte, Mandelhölzer- und Elender Hütte.

[863]Der Harz.
  • 2. Die Königl. Kurfürstl. und Herzogl. Braunschweig-Lüneburgische
    Kommunion-Eisenhütte zu Gittelde.
  • 3. Die Herzogl. Braunschweig-Lüneburgischen Eisenhütten um-
    faſsten die Hütten im Stifte Walkenried zu Wieda, Zorge und Ilefeld
    und die Hütten im Fürstentum Blankenburg zu Altenbrak, Neuwerk,
    Rübeland, Tanne und Braunlage.
  • 4. Die Gräflich Stolberg-Wernigerodischen Eisenhütten zu Schierke
    und Ilsenburg.
  • 5. Die Fürstl. Anhalt-Bernburgische Eisenhütte zu Mägdesprung.
  • 6. Die Königl. Preuſsischen Eisenhütten zu Sorge und Thale.

An diese schlieſsen sich mehrere in der Nachbarschaft des Harzes
gelegene Hütten, welche als niedersächsische oder Weserhütten be-
zeichnet wurden: Sollingen, Uslar, Holzminden, Karlshütte, Wilhelms-
hütte und Delligsen.


Gittelde bezog seinen braunsteinhaltigen Eisenstein vom Iberge
und erblies ein Roheisen, welches für Stahl und Qualitätseisen ge-
eignet war.


Die hannöverischen Hütten hatten ihre Gruben auf dem Elbinge-
roder Felde und zu St. Andreasberg. Die Walkenrieder Hütten hatten
eigene Gruben in ihrer Nähe. Die Blankenburgischen Hütten er-
hielten ihren Stein gröſstenteils von den Hüttenroder Gruben bei
Neuwerk und Rübeland. Die Weserhütten hatten meist Eisengruben
in der Nachbarschaft.


Im allgemeinen waren die Harzer Erze (von denen bei Gittelde
abgesehen) ziemlich schwerschmelzig, und wurde meist graues Roh-
eisen erblasen, welches sich vorzüglich für Guſswaren eignete, aber
auch ein sehr festes Frischeisen gab. Das Frischverfahren am Harze
war das deutsche Warmfrischen meist in der Modifikation des Klump-
frischens. Gegen Ende des Jahrhunderts führte man eine Art
Durchbrechschmiede auf mehreren Hütten ein, wie wir es S. 673
beschrieben haben.


Die tüchtigen Beamten der Harzer Werke zeichneten sich meist
auch durch wissenschaftliche Bildung aus, und haben sich viele von
ihnen als Schriftsteller auf metallurgischem Gebiet hervorgethan,
wie Brückmann (Bergbaukunde), Schlüter (Hüttenkunde), Calvör
(Maschinenkunde) und später Tölle und Gärtner, Tiemann,
Quantz, Stünkel
u. s. w. Hervorragende Männer standen an der
Spitze des Harzer Berg- und Hüttenwesens, wie Berghauptmann von
Busch
zu Anfang des Jahrhunderts, welcher den berühmten Pol-
hem
von Schweden berief, und in der zweiten Hälfte des Jahr-
[864]Der Harz.
hunderts die Berghauptmänner von Reden und von Trebra. Wir
haben das für das Eisenhüttenwesen im allgemeinen Wichtige aus
den Schriften der oben Genannten und anderer Fachschriftsteller
bereits mitgeteilt.


Aber nicht nur durch technische Verbesserungen, sondern auch
durch wirtschaftliche Maſsregeln suchten die Landesfürsten die schwer
kämpfende Eisenindustrie des Harzes zu heben. Hierzu gehört das
Monopol vom 3. Februar 1740, durch welches die Einfuhr fremden
Eisens beschränkt und der Verkauf im Inlande befördert wurde. Da
dies aber keinen groſsen Erfolg hatte, und die Pächter die not-
wendigen Verbesserungen nicht ausführen konnten, weil es ihnen an
Mitteln dazu fehlte, so schritt die braunschweigische Regierung zur
Verstaatlichung der Werke, welche um 1764 ihren Abschluſs fand.
Erst von diesem Zeitpunkt an war es möglich, die Einrichtungen und
den Betrieb der Eisenwerke durchgreifend zu verbessern, und die
Administration der Harzer Eisenwerke wurde von da an eine so vor-
zügliche, daſs sie als mustergültig anerkannt wurde und viele Aus-
länder, selbst Engländer, die Werke zu ihrer Information besuchten.
Man hatte überall eigentliche Hochöfen mit offener Brust. Blauöfen
gab es nur für manganreiche Eisenerze zu Mägdesprung, Neuwerk
und Steinrenner Hütte. Die Hüttenreisen wurden nach und nach
verlängert. In der ersten Hälfte des Jahrhunderts betrugen sie meist
15 bis 20 Wochen, während sie 1750 bis 1776 auf 24 bis 36, 1776
bis 1781 auf 46 bis 52, 1781 bis 1791 auf 48 bis 102 Wochen und
danach oft auf mehrere Jahre verlängert wurden.


Von sonstigen Gesetzen und Erlassen erwähnen wir ein „Edikt,
die Bestrafung der Eisen-Diebereien am Harz betreffend“ vom
15. August 1735; darin heiſst es: „Das Eisenwerk und sonderlich das
Treib-Seyl in den Vorhäusern und Göpeln wird oftmals bei Centnern
ausgehauen und weggeschleppt …“ Eisendiebe werden, wenn der
Diebstahl über einen Reichsthaler Wert, mit dem Tode oder lebens-
länglicher Zwangsarbeit bestraft, wenn unter einem Reichsthaler, mit
Halseisen und Sackpfeifen 1).


Auch die am 20. Mai 1751 erlassene Walkenrieder Eisenberg-
werksordnung enthält strenge Bestimmungen, z. B. (XVIII): Wer
Stein oder Fluſs auf fremden Hütten verkauft, der ist seiner Grube
verlustig und fällt solche dem Bergamte anheim. (XXXVII): Würde
jemand der Eisenhüttenleute auf den Walkenriedischen Eisenhütten
[865]Der Harz.
durch Freundschaft, Feindschaft, Geschenke oder andere unerlaubte
Mittel sich verleiten lassen, guten Eisenstein zu verachten, untaug-
lichen aber als gut und blaswürdig auszugeben, insbesondere aber,
wenn sich bei einem Eisensteins-Trummen ein Kupfer- oder anderes
Ertzt-Trummen spüren läſst, sofort ohne Grund solchen Eisenstein
verwerflich zu machen oder gar, um sein Vorgeben zu bestärken,
durch Übergebung des Ofens, Verfälschung des Eisensteins oder an-
dere dem Hütten- oder Bergwerk höchst nachteilige Griffe, eine
Unart in den Ofen bringen: So soll ein solcher mit der Sackpfeife
und Ausschlieſsung von aller herrschaftlichen Arbeit, auch befindlich
schärfer, als ein Betrüger und Bösewicht bestraft werden.


Am 28. April 1737 war auch eine Stollberg-Wernigeroder Eisen-
hütten-Ordnung erlassen worden.


Bezüglich der schon oben erwähnten Berufung Polhems fügen
wir hier den Bericht Calvörs1) bei:


So ist Anno 1707 der schon damals berühmte Mechanikus
Christoph Polhammer, nachher Herr von Polhem, aus Schweden
hergeladen worden, um das Maschinenwesen auf dem Harz zu unter-
suchen … In seinem Bericht schrieb er an den Berghauptmann
von Busch, daſs die Künste sehr gut gebaut, obgleich alt, wenig
daran zu verbessern wäre, macht aber dann doch eine Reihe prak-
tischer Verbesserungsvorschläge, die Calvör anführt. Als einen
Hauptgrundsatz stellt er dabei auf: Man mache lieber ein groſses
starkes Rad und leite die Kraft von diesem durch Gestänge zur
Arbeitsstätte, als daſs man viele kleine Räder anlegt, die viel
mehr Kraftverlust bewirken. Er verwarf die Lederliederung bei den
Bergwerkspumpen, wegen der sauren Wasser, und empfahl Wind-
künste.


Polhems Vorschläge blieben nicht ohne Folgen. Einen wirk-
lichen Nutzen verschaffte er aber dem Harzer Maschinenwesen da-
durch, daſs er zwei geeignete Personen mit nach Schweden nahm
und sie im Maschinenwesen unterrichtete. Beide waren ursprünglich
einfache Zimmerhauer. Der eine, Bernhard Ripking, wurde nach-
mals Maschinendirektor, der andere hieſs Christian Schwartzkopf;
beiden verdankt der Harzer Bergbau viele Verbesserungen.


Polhem führte auch eine von ihm erfundene Syphonmaschine
zum Heben des Grubenwassers am Harz ein, welche bei Calvör be-
schrieben und abgebildet ist (S. 136 und Tab. XIV).


Beck, Geschichte des Eisens. 55
[866]Der Harz.

Wie sehr die Landesregierung bestrebt war, auch das Hütten-
wesen zu heben, geht aus den Schritten hervor, welche sie für die
Verbesserung des Hochofenbaues in den ersten Jahrzehnten des
18. Jahrhunderts unternahm. Nachdem man versuchsweise 1706 einen
Hochofen zu Tanne anders zugestellt hatte, schickte die Walken-
riedsche Administration 1725 einen gewissen Michel Teichmann
in das Württembergische, um die dortige Ofenkonstruktion kennen zu
lernen und lieſs dann 1729 Hüttenverständige aus Schwaben kommen,
welche die schwäbische Zustellung einführten. Es waren dies Berg-
rat Bökel und die Hüttenbediensteten Meyer und Braun aus Württem-
berg. Bökel kehrte nach Schwaben zurück, Meyer und Braun wurden
Hüttenschreiber zu Altenbrak und Neuwerk. Meyer starb 1754 als Bergrat.


Die ausführlichsten Nachrichten besitzen wir wieder über die
Eisenwerke zu Gittelde.


Swedenborg giebt 1734 bereits über den Hochofenbetrieb zu
„Gittel“ Nachrichten. Danach wäre das Erz damals nicht geröstet,
sondern nur in Stücke zerklopft aufgegeben worden. Als Zuschlag diente
gebrannter Kalk, der vorher mit dem Erz vermischt wurde. Wenn
der Ofen gehörig vorgewärmt war, so verbrauchte man in der Woche
50 Karren Kohlen und erzeugte damit 130 bis 150 Ctr. Roheisen.
Jeder Satz enthielt ¼ Fuder Erz. Jeder Abstich gab eine Gans von
11 bis 12 Ctr. (der Centner zu 114 Pfund). Ein Fuder Erz war
die Last, die ein Pferd zog und wurde in zehn Maſs eingeteilt. —
Die Schlacke wurde, um das eingeschlossene Eisen zu gewinnen, mit
Hämmern zerschlagen und auf Siebblechen (lamina cribi instar) ver-
waschen. Das Wascheisen wurde mit dem Erz wieder aufgegeben.


Die Windform lag 3 Fuſs über dem Bodenstein. Das Gestell
wurde aus quadratischen Steinblöcken von 1½ Ellen Länge und
¾ Ellen Dicke zusammengesetzt. — Die Länge des Eisenherdes
betrug 3½ Fuſs. Aus jedem Fuder Erz von 16 Ctr. Gewicht erhielt
man 3 Ctr. 38 Pfd., oder aus 480 Ctr. Erz 100 Ctr. Roheisen und 11 bis
12 Fuder Schlacken. Das aus diesem Roheisen gefrischte Schmiede-
eisen galt als das beste am Harz.


Noch genauere Nachrichten erhalten wir aus den Akten des
Oberbergamts zu Klausthal. — Die Verwaltung und der Betrieb waren
gegen das vorige Jahrhundert unverändert geblieben, denn die
Gittelder Eisenwerke und die dazu gehörigen Bergwerke wurden von
der Teilung der braunschweig-lüneburgischen Besitzungen, welche im
Jahre 1789 statt hatte, ausgeschlossen und wurde nach wie vor als
Kommunionbesitz verwaltet. Der hannöverische Anteil betrug 4/7, der
[867]Der Harz.
braunschweigische 3/7. Eine Drahthütte, welche bei Gittelde bestan-
den hatte, lieſs man aber damals eingehen.


Nach Stünkels1) Angabe war der Gittelsche Hochofen gegen
Ende des Jahrhunderts rund, 24 Fuſs hoch, an der Gicht 3½, über
der Rast 7 Fuſs weit und mit drei hölzernen Bälgen, deren jeder
64 Kubikfuſs Luft faſste, versehen. Die Bälge bliesen zusammen in
ein kleines Reservoir, und wurde der Wind durch eine Deupe (Düse)
von da dem Ofen zugeführt. Diese Anordnung des Gebläses war
eine Neuerung.


Das manganreiche Roheisen wurde in deutschen Warmfrischherden
verfrischt (Stünkel), doch hatte das Verfahren Ähnlichkeit mit der
rheinischen Kaltfrischmethode. Quantz2) giebt an, daſs das Frisch-
verfahren zu Gittelde fast ganz mit dem Schmalkaldischen überein-
stimme, nur darin abweiche, daſs man 1. den Frischklumpen nicht
kalt werden lieſse, sondern gleich aufbreche, und 2., daſs man während
des Einschmelzens keine Schlacke absteche. Der Gittelsche Frisch-
prozeſs nehme sonach an beiden, am Kalt- und Warmfrischen, zugleich
Anteil. Da die Gittelder Frischhütte bei Badenhausen aber nicht
mehr als 1800 Ctr. verfrischen konnte, der Hochofen gegen Ende des
Jahrhunderts aber an 7000 Ctr. erzeugte, so wurde das ver-
bleibende Roheisen zu 4/7 und 3/7 unter beide Herrschaften in natura
verteilt. Das auf den hannöverischen Anteil entfallende wurde nach
Königshütte und Sollingerhütte gebracht, in letzterer auf Stabeisen, in
ersterer auf Stahl verfrischt; der braunschweigische Anteil zu Holz-
minden auf Stahl und auf der Wilhelmshütte auf Eisen verarbeitet.
Manche Hütten kauften Gittelder Roheisen, um ihr Eisen, nament-
lich kaltbrüchiges, zu verbessern.


Vor der Teilung im Jahre 1789 wurde das meiste Granuliereisen
für die harzer Silberhütten zu Gittelde gemacht.


Nach den Rechnungen arbeitete das Gittelder Eisenwerk bis 1762
mit Vorteil, dann begann ein Schadenbetrieb, der auch nicht wesent-
lich verbessert wurde, als man 1780 fremde Hammerschmiede herbei-
zog. 1729 waren am Iberge noch 60 Gruben im Betriebe, 1783 nur drei.


Wir lassen einen Auszug aus den Hüttenrechnungen des 18. Jahr-
hunderts folgen.


Der Betrieb der Gittelder Hütten im 18. Jahrhundert zeigte lange
nicht die Gleichförmigkeit wie in den vorhergegangenen; häufig ar-
55*
[868]Der Harz.
beiteten die Werke mit Verlust. Der Absatz war schwankend, was
einerseits daher rührte, daſs der Betrieb der Bergwerke ein ungleicher
war, andererseits aber sich die Konkurrenz der im Harz neuentstandenen
Hütten fühlbar machte. Eine andere wichtige Ursache der schlechten
Ergebnisse waren der Holzkohlenmangel, welcher häufig zum Ankauf
teurer Kohlen aus entfernten Waldgebieten zwang, und die hohen
Bau- und Reparaturkosten. In den ersten fünf Jahren arbeiteten die
Hütten mit entsprechendem Nutzen, in den darauffolgenden Jahren
verminderte sich dieser, und der Betrieb war schwächer, immerhin
konnten 1706/7 637 Thlr. 5 Gr. 11 Pfg. aus dem Geschäftsgewinn zur
Erhöhung der Verlagsgelder genommen werden. Der Hochofen warf
um so mehr Nutzen ab, je mehr Pucheisen an die Bergwerke abgesetzt
wurde, deshalb war 1708/9 der Gewinn geringer, „weil in diesem wie
im vorhergehenden Jahre kein Pucheisen und Unterlagen abgesetzt
wurden“; demnach stockte der Bergbau. In den folgenden Jahren wird
öfter über Mangel an Absatz geklagt. Zum Jahre 1712/13, in dem nur
26 Thlr. 13 Gr. 9 Pfg. übrig blieben, bemerkte der Rechnungssteller,
„daſs so wenig Überschuſs, weil der beste Stein sich abgeschnitten
und nur Gattungsstein, so wenig Eisen giebt, verblasen werden muſste;
daſs die meisten Kohlen von auswärts gegen schweren Fuhrlohn und
hohen Forstzins bezogen werden muſsten und daſs mehr als 300 Thlr.
Bau- und Kommissionskosten passiret sind“.


1714 trat eine gröſsere Stockung im Absatz ein. Der Verlust
„rührte daher, indem beinahe für 2000 Thlr. Eisenwaren übrig blieben,
indem der Bedarf der Faktoreien, wie der Verkauf ins Land gering
war“. In den folgenden Jahren stieg der Bedarf und das Jahr 1718/19
schloſs glänzend ab, „weil nicht allein wenige Ausgaben bei den
Hütten vorgefallen, sondern auch, daſs die theuren Kaufkosten ces-
siret haben“. Bald aber lieſs der Absatz wieder nach, und 1720 wird
geklagt, „daſs der Abgang an Eisen und Blech sehr schlecht ge-
wesen“ sei. Infolgedessen wurde der Betrieb eingeschränkt, und im
Jahre 1721/22 ging der Hochofen nur 19½ Wochen. Die folgenden
Jahre waren wechselnd. Es muſs indes hier bemerkt werden, daſs die
angegebenen Gewinnziffern nicht immer der richtige Ausdruck der
Jahresergebnisse sind, denn erstens wurde der Verlust eines Quartals
oder eines Jahres immer auf das folgende übertragen, zog dieses also
in Mitleidenschaft, zweitens erscheinen aus den schon früher (Bd. II,
S. 1159) angeführten Gründen die Quartale oder Jahre günstiger, in
welchen der Hochofen nicht oder schwach betrieben wurde. Deshalb
wird der hohe Gewinn 1727/28 erklärt, „weil der Hochofen nur
[869]Der Harz.
9½ Wochen gegangen, weshalb wenig Ausgaben“, der geringere
Gewinn des folgenden Jahres aber, „weil der Hochofen in diesem
Jahre 22 Wochen gegangen“.


Mit dem Jahre 1729 beginnt eine sehr klägliche Periode der
Hüttenwirtschaft, welche bis 1748, nahezu 20 Jahre, andauerte. Das
Verlagsgeld, das bis dahin 2000 Thlr. betragen hatte, muſste Anfang
1730 auf 3300 Thlr. und schon im zweiten Quartal auf 5000 Thlr.
erhöht werden, um den Betrieb überhaupt nur fortführen zu können.
Besondere Gründe für diesen schlechten Geschäftsgang werden nicht
mitgeteilt, obgleich die ungünstigen Resultate zahlreiche Monita der
fürstlichen Kammer veranlassen. 1732 wird das Verlaggeld um wei-
tere 1000 Thlr. erhöht und erreicht 1734 den Betrag von 7000 Thlr.
1735 bis 1737 werden Rückzahlungen geleistet, so daſs 1738 das
Verlagsgeld nur 3000 Thlr. beträgt, wächst aber bis 1746 wieder auf
5000 Thlr. an.


Vom Jahre 1748 an gingen die Geschäfte wieder besser, doch
blieben die Erträgnisse schwankend. Der Kohlenbezug hatte darauf
groſsen Einfluſs. Konnte man den Kohlenbedarf in der Nachbarschaft
decken, wo man 1746 10 Gr. Köhlerlohn und 12 Gr., 1756 sogar
nur 10 Gr. Fuhrlohn bezahlte, wo also die Kohlen einschlieſslich
2 Gr. Forstzins für 22 bis 24 Gr. pro Centner zu haben waren, so ar-
beiteten die Hütten mit Nutzen; muſste man aber die Kohlen von
fremden Forsten kaufen, wo man hohe Fuhrlöhne und schweren
Forstzins zu zahlen hatte, so daſs sich die Kohlen auf 1 Thlr. 16 Gr.
bis 1 Thlr. 23 Gr. pro Karren stellten, so blieb nichts übrig.


Von technisch-historischem Interesse ist es, daſs seit Mitte der
40 er Jahre die Eisengieſserei, welche bis dahin auf der alten pri-
mitiven Einfachheit stehen geblieben war, sorgfältiger und kunst-
mäſsiger betrieben wurde. Es werden verschiedene Gattungen von
Guſswaren unterschieden und für dieselben viel bessere Preise erzielt
als für die plumpen Pucheisen und Unterlagen vordem. In der
Rechnung Crucis 1746 wird Braupfanneneisen und Guſs im Sand
erwähnt, und in der Rechnung Trinitatis 1756 werden als „Goſswerk
dritter Gattung: 42 Einfall-Röhren und 12 Stück allerhand kleine
Wahr zu den Wasser-Maschinen“ aufgeführt, wofür 24 Gr. pro Centner
Formlohn bezahlt wurde. Auch wurden zugleich mit besserem
Formerlehm 73 Laufkarren Pferdemist, der auf den Angern gesammelt
war, verwendet. — In diesem Jahre lieſs man zum Zustellen des
Hochofens einen besonderen Zusteller, Christoph Heisen, von der
[870]Der Harz.
Königshütte kommen, der 3 Thlr. für das Stellen und 1 Thlr. 18 Gr.
Dinggeld und Reisevergütung erhielt.


Ende der 50 er Jahre wuchsen die Eisenvorräte auf den
Hütten und in der Faktorei sehr an; so waren 1758 für
13706 Thlr. 3 Gr. 7 Pfg. und 1759 für 14865 Thlr. 27 Gr. 5 Pfg.
Eisenvorräte vorhanden.


1781 wurden 1439 Ctr. Granaten gegossen und dabei 4 Gr. pro
Centner Formerlohn bezahlt. Im Jahre 1801 war der als Berg- und
Hüttenschriftsteller des Harzes hochverdiente Stünkel als Hütten-
raiter zu Gittelde und bezog einen vierteljährlichen Gehalt von 25 Thlr.;
der Faktor Volkmann hatte 75 Thlr. und der Aufseher Blum auf
dem Iberg 18 Thlr. 2 Gr. Quartalsgehalt.


Die nachfolgenden drei Tabellen umfassen 1. den Betrieb des
Hochofens, 2. den Betrieb der Clus- und Neuenhütte, und 3. die
Zusammenstellung des Jahresgewinnes von 1700 bis 1800. Die beiden
ersten Tabellen sind zwar leider sehr lückenhaft, geben aber doch
einigermaſsen ein Bild des Betriebes im 18. Jahrhundert.


(Zu Tabelle I.)


Die Produktion beträgt in der Periode 1706 bis 1716 1082 kg
pro Tag, 1801: 1224 kg; die Tagesproduktion hat demnach zuge-
nommen. Die Herstellungskosten für eine Tonne Eisen berechnen sich:


  • 1701 bis 1721 auf: Eisenstein 5,8 Tonnen   Mk. 24,10
  • Kohlen 6,1 „   „ 20,90
  • Löhne   „ 2,90
  • Verschiedenes  „ 2,24
  • Mk. 50,14.
  • 1801 auf: Eisenstein 7,1 Fuder   Mk. 26,67
  • Kohlen 8,0 „   „ 29,271)
  • Löhne   „ 2,81
  • Verschiedenes  „ 8,63
  • Mk. 67,38.

Der groſse Unterschied rührt hauptsächlich von dem höheren
Kohlenpreise und den gröſseren Nebenausgaben her. Letztere sind
während des Jahrhunderts, wohl in Verbindung mit den Lebensmittel-
preisen, allmählich gestiegen, erstere sind schwankend, so betrugen


[871]Der Harz.

I. Hochofen der Teichhütte 1700 bis 1800.


[872]Der Harz.

II. Die Gittelder Frischhütten von 1710 bis 1790.


[873]Der Harz.

III. Übersicht des Gewinnes von 1700 bis 1800.


[874]Der Harz.

sie z. B. im vierteljährigen Durchschnitt 1771: Mk. 5,34, 1776:
Mk. 2,50 pro Karren.


(Zu Tabelle II.)


Die Oberhütte war bei Beginn dieser Periode bereits baufällig
und wurde nur noch ganz schwach betrieben, 1726 ruhte der Betrieb
vollständig, und in der Rechnung von 1741 wird sie überhaupt nicht
mehr aufgeführt. Ebenso hörte der Betrieb der Clushütte, oder, wie
sie in den letzten Jahrzehnten bezeichnet wurde, der Glüſshütte auf,
so daſs von da an nur noch eine Frischhütte, die Neue Hütte, be-
trieben wurde.


Für eine Tonne Schmiedeeisen war der Aufgang
bei der Clushütte


  • 1721/31 Roheisen 1532 kg, à 50 Mk. pro Tonne = Mk. 76,60
  • Kohlen 11,30 Karren   „ 15,40
  • Löhne   „ 14,90
  • Verschiedenes  „ 8,30
  • Zusammen Mk. 115,20

bei der Neuhütte


  • Roheisen 1515 kg, à 50 Mk. pro Tonne = Mk. 75,75
  • Kohlen 10,20 Karren   „ 24,50
  • Löhne   „ 14,60
  • Verschiedenes  „ 22,—
  • Zusammen Mk. 136,85

bei der Clushütte


  • 1776/77 Roheisen 1225 kg, à 67 Mk. pro Tonne = Mk. 102,31
  • Kohlen 14,61 Karren   „ 33,50
  • Löhne   „ 17,40
  • Verschiedenes  „ 20,44
  • Zusammen Mk. 173,65

bei der Neuhütte


  • Roheisen 1451 kg, à 67 Mk. pro Tonne = Mk. 97,22
  • Kohlen 14,43 Karren   „ 33,30
  • Löhne   „ 17,12
  • Verschiedenes  „ 9,58
  • Zusammen Mk. 157,22

Vergleicht man diese Preise mit denen des vorhergegangenen
Jahrhunderts, so sieht man, wie sehr die Selbstkosten gestiegen waren,
vornehmlich durch die höheren Kohlenpreise und die Reparaturkosten.


[875]Der Harz.

Die Inventarien der einzelnen Hütten hatten sich gegen früher
beträchtlich vermehrt, und zwar schon in dem ersten Jahrzehnt des
Jahrhunderts. Beispielsweise werden bei der Clushütte 1701 statt der
im Inventar von 1681 verzeichneten 3 Feuerzangen deren 14 auf-
geführt: 1 Luppen-, 2 Krumm-, 2 Waren-, 2 Stück-, 3 Schmiede-,
1 Timpen-, 2 Spitz- und 1 Hülsenzange. Ferner erscheinen in
diesem Jahr in den Gebäuden überall eiserne Öfen, und zwar solche
von Blech in den Hütten und gegossene in den Hüttenhäusern und
Hüttenstuben.


Das Inventar des hohen Ofens von 1721 lautet:


  • 1 Blaswelle mit 12 Bändern; 1 Paar hölzerne Bälge mit Zubehör; 3
    groſse eiserne Tragestangen im Hochofen über der Form; 1 eiserne Wage
    wie früher; 8 ganze, 2 halbe, 2 viertel, 2 achtel Centner-Gewichte; ein
    vierkantiges Eisen mit einem Rinken aus Federblech; Puchwelle mit
    Zubehör wie früher; 3 Puchstempel mit 3 Pucheisen und 6 Bändern
    so abgenutzet; 2 groſse gegossene und ein geschmiedetes Eisen über
    dem Timpen, worauf das Mauerwerk ruht; 9 alte eiserne Hebearme,
    sowie ein altes Unterlager im Sohlblock; 3 Steinmasse mit Eisen be-
    schlagen, Puch- und Unterlagsformen (Modelle) von Holz und Eisen.
  • Werkzeuge: Groſse und kleine Brechstange, 2 Stopfhaken,
    2 groſse Schlackenhaken, 2 Formstecher, 3 Stachel, 1 Wenne-
    (Wende-)haken, 5 Kratzen, 2 Löffel, 2 Steinharken mit eisernen
    Kralen, 3 Keilhauen, 3 Kohlenharken, 2 Bicken, 1 Timpenzange,
    1 Lehmenhake, 6 Schaufeln, 9 Tröge, 1 Fuchtel, 1 Brechstange,
    5 Bockehammer, 1 hölzernes Kohlenmaſs, 1 gezäuntes Kohlenmaſs,
    1 Fichtkarren (?), 9 Laufkarren, 13 Füllfässer, 4 Räder und 1 Räder-
    bock mit Eisen beschlagen, 2 Füllestuntzen (?), 1 Lehmtubben,
    1 Stachel beim Puchwerk, 9 Bockeeisen, 1 Feuerhaken, 1 eiserne
    Krücke, 1 Leuchte, 1 eiserner Ofen in der Hüttenstube, 8 hölzerne
    Raffeln (?), 2 Kellen, 3 Stübbesiebe, 1 Eimer, 2 geschmiedete
    Eiserne geschütze 1 groſs und 1 klein,
    1 Tragbahre, 14 ge-
    brochene Steine zum Gestell (!), 1 Wasser- oder Feuerstrentze, 1 Fahrt
    von 3 Lachtern.
  • An Gebäuden: a) der Hoheofen nebst dem Gebäude, worin
    oben eine Stube und zwei Kammern, in welchen 10 alte Fenster,
    4 Thüren mit hölzernen Anwürfen ohne Schlösser, 1 Tisch, siehe
    Stube, unten die Radstube nebst Zubehör. — b) das Puchhaus. —
    c) der Kohlenschuppen, von 6 Spann in der Mitte abgespahret
    (geteilt) für die Quandelkohlen. — d) das Bockehaus am Kohl-
    schuppen, fast so lang, aber nur halb so breit. — e) das Hütten-
    [876]Der Harz.
    haus nebst dem Stall ist 9 Spann lang mit 1 Stube und 1 Kammer,
    in der Stube ein Eisen offen. — Hinter solchem ist ein Garten
    gelegen.

Das Hochofen-Hütteninventar vom Jahre 1750 führt nur eine
gröſsere Zahl von Modellen auf, ferner einen Plattenbelag auf der
Gicht. Bei der Radstube wird der gewölbte Wassergraben erwähnt.
Das Puchwerk ruhte auf vier Ständern und war durch ein Schindel-
dach geschützt. Der bemerkenswerteste Zugang besteht in einem be-
sonderen Formhaus, 36 Fuſs auf 26 Fuſs und 10 Fuſs in den
Ständern hoch. Oben befindet sich eine Kammer. Der Boden des
Formhauses ist „von Gyps gegossen“, der Boden oben aus Lehm ge-
schlagen. — 1781 hat das Puchwerk vier Stempel.


Inventar der Clusingshütte von 1721:


  • 1 Blaswelle mit 6 Bändern, 2 gegossene Blaszapfen und Bolten,
    1 Paar hölzerne Bälge mit allem Zubehör, wie auf dem Hohen Ofen
    (1750: 7 kupferne Formen, wovon 6 verbraucht), 2 Ambosse im Stock,
    2 Zeichenhämmer, 1 Vorherdblech, 6 eiserne Haken, worin die Mauer
    vom Herd hanget, 11 Bänder ums Hammergerüst, wovon ¼ Ctr.
    geschmiedet Eisen, 1 hölzerne Wasserstrentze, 1 Wage mit Gewichten,
    2 groſse eiserne Schmiedehämmer, 7 Hallenschlösser, 1 Eisen-
    kasten u. s. w.
  • Werkzeuge: 1 Luppen-, 1 Krumme-, 2 Stück-, 2 Waren-,
    1 Timpen-, 2 Spitz-, 1 Hülsen- und 3 Schmiedezangen, 1 Meiſsel,
    1 groſse Amboſsstange, 3 Löchers, 2 Bieters, 4 Vorhämmer, 2 Schröter,
    1 Handhammer, 1 Setzhammer, 2 groſse Pötte, 5 Spannhaken,
    1 Luppenhaken, 1 Gieſslöffel von Holz, 1 Füllestuntze mit 2 eisern
    Bändern, 1 Schaufel, 2 Kohlenharken, 1 Kohlenmaſs, 6 Füllfässer,
    3 Tröge, 1 Eimer, 1 eisern Ofenblatt im Hüttenhaus, 1 Schieb-
    karren, 1 Hammer, womit das Eisen probiert wird.
  • 1 eisern Ofen in der Hüttenstube, 1 eisern Ofen im Hüttenhaus,
    woran ein eisern Blatt gesprungen, 1 Kratzen, 4 Fahrten von
    90 Sprossen, 1 Fahrt von 3 Lachtern, 1 eichene Hammerwelle,
    1 Wasserstrentze.
  • An Gebäuden: 1 Hammerhütte mit Zubehör, 1 Kohlenschuppen
    mit 6 Spanne, 1 Hüttenhaus und Stall, auch ein kleiner Garten, das
    Haus und Stall sind 8 Spannen und ist nicht übersetzet, darin eine
    Stube und Kammer befindlich.

Ähnlich ist das Inventar der Neuen Hütte.


Die Aufstellung von 1750 zeigt nur wenige Abweichungen. Das
Faktoreigebäude, welches wohl neu erbaut war, ist darin sehr weit-
[877]Der Harz.
läufig beschrieben. Es hatte Keller mit vergitterten Kellerfenstern,
im Parterre „einen doppelten eisern Bogenofen mit grotesquem Bilder-
werk“, woraus eine Röhre von Eisenblech durch die Brandmauer
ging. Der Ofenfuſs war von gehauenen Steinen. In einer anderen
Stube befand sich „ein doppelter eiserner Ofen“. Am unteren Ofen
das englische Wappen, an der Seite ein Roſs; an dem Hallen-Ofen
waren die Buchstaben  mit der Grafenkrone. In der Küche war
ein mit eiserner Platte bedeckter, mit zwei Kasserollöchern versehener
Feuerherd. In dem Saal des zweiten Stockes, zu dem eine Treppe
von 24 Stufen führte, war ein groſser eiserner Ofen mit irdenem
Aufsatz; die Eisenplatten waren mit dem englischen Wappen verziert.


Auch ein Feuerteich und ein besonderes Spritzenhaus werden
erwähnt.


1780 erscheint im Inventar eine Drahthütte. Sie bestand noch
1801 mit 3 Zieheisen, 2 Drahtzangen, 2 Gerüsten und 2 Drahtbänken;
1806 aber war sie bereits wieder eingegangen.


Der Bergbau auf dem Iberg verursachte im ganzen 18. Jahrhundert
wenig Baukosten und scheint nur schwach betrieben worden zu sein,
obgleich die Zahl der Gruben eine groſse war. Nach Gmelin waren
1729 60 im Betrieb 1). Die Eisensteinpreise blieben unverändert, wie
überhaupt die Preise sich ziemlich unverändert hielten.


Preise zu Gittelde im 18. Jahrhundert:


Materialien:


    • Eisenstein für ein Fuder od. Karren zu brechen 30 Gr.
    • Fuhrlohn 18 „
    1 Thlr. 12 Gr.
  • seit 1731 nur 16 „
  • Waschstein „ „   — „ 33 „
  • Bockestein „ „   1 „ 13 „

1721 werden 16 verschiedene Sorten Eisenstein, meistens vom
Iberge, aufgeführt.


  • Kohlen: Köhlerlohn
    (1701) Fuhrlohn Zusammen
  • für einen Karren (Fuder) 14 Gr. 13 bis 22 Gr. 27 Gr. bis 1 Thlr.
  • dazu noch 2 Gr. Forstzins 14 „ 9 Gr. 23 „
  • 1706 an Heinr. Rispe
    dageg. an die Abtei Gan-
    dersheim einschl. 24 Gr.
    Forstzins   — — 1 Thlr. 16 Gr.

[878]Der Harz.
  • Kohlen: Köhlerlohn Fuhrlohn Zusammen
  • 1716 a. d. Oldesheim. Forst — — 1 Thlr. 27 Gr.
  • 1716 aus dem Papenberg 14 Gr. 12 Gr. 26 „
  • „ aus dem Gandersh.
    Forst   14 „ 26 „
  • und 19 Gr. Forstzins — — 1 „ 23 „
  • 1721 aus dem Papenberg 14 „ 11 „ 25 „
  • 1746 10 „ 12 „ 22 „
  • 1751 13½„ 12 „ bis 25½ Gr. bis 1 Thlr.
  • 1 Thlr. 6 Gr. 19½ „
  • 1756 10 „ 10 Gr. 20 „
    • dagegen aus dem Lutter am Bah-
      renbergischen und vom Rollen-
      berg aus den Karpisch. Forsten
    — 1 Thlr. 28 Gr.
  • 1761 Köhlerlohn 15½ bis 17 Gr., Fuhrlohn 10 bis 20 Gr., Forst-
    zins 25½ bis 1 Thlr. 1 Gr.

Alle Kohlen aus den fürstlichen Waldungen hatten nur 2 Gr.
pro Fuder Forstzins zu entrichten, während für fremde Kohlen 19 Gr.
24 Gr. und mehr bezahlt werden muſsten.


Eisen:


  • Roheisen: Gans-, Kurz- u. grobes Guſseisen 1701: 1 Thlr. pr. Ctr. 1)
  • 1743: 1 „ 7 Gr. „
  • 1801: 1 „ 30 „ „
  • Wascheisen 1701: 27 Gr., 1743: 32 Gr. 3 Pfg., 1801: 1 „ „
    • Alteisen 1 Thlr. 4 Gr. 1743: 1 Thlr. 7 Gr. 1746: 1 „ 4 „ „
    • 1801: 1 „ 12 „
  • Pucheisen pr. Stck. und Ctr.: 1 Thlr. 29 Gr. (früher 1 „ 32 „)
  • Unterlagen pr. Stck. 1701: 4 Thlr. 18½ Gr., 1706: 5 „ 15 „
  • Goſswerk erster Gattung pr. Ctr. (zu 114 Pfd.)   1 „ 21 „
  • „ zweiter „   1 „ 33 „
  • „ dritter „   2 „ 33 „
  • „ besondere Ware   3 „ 15 „

Stabeisen nach d. Harz ins Bergwerk, d. h. in d. Faktoreien zu Zellerfeld


  • und Goslar   1701 pr. Ctr. 2 Thlr. 35 Gr., 1743: 3 Thlr. 12 Gr. 6 Pf.
  • 1746: 3 Thl. bis 3 Thl. 13 Gr.
  • nach Goslar zum Rammelsberg   pr. Ctr. 3 Thlr. — Gr.
  • (1731) 3 „ 9 „
  • (1736) 3 „ 13 „ 9 Pf.
  • 1801 nach d. Oberharz 3 Thlr. 12 Gr. 9 Pf., n. Goslar 3 „ 12 „ 9 „

[879]Der Harz.

an Chur- und Fürstl. Hofstadt oder sonst


  • hohe Bedienten   1701 pr. Ctr. 3 Thlr. — Gr. — Pf.
  • einzeln ins Land, so zum Bergwerk nicht
    düchtig ist   „ 3 „ 9 „ — „
  • nach der Messinghütte   „ 3 „ 22 „ 9 „
  • Modelleisen (groſse Sägeblätter nach dem Harze)
    1701 pr. Ctr. 4 Thlr. 21 Gr., 1736: 4 „ 34 „ 9 „
  • auf d. Messinghütte „ 6 „ 4 „ 1736: 6 „ 17 „ 9 „
  • Blech n. d. Hartzeburg „ 6 „ — „ 1731: 7 „ 23 „ — „
  • nach dem Harz „ 6 „ 32 „ 1751: 7 „ 9 „ 9 „
  • ins Land   „ 7 „ 23 „
  • Formsand   pro Karre 15 Gr.
  • Sand   „ „ 12 „
  • Lehm-Leimen zu der Formerei   „ „ 2 „
  • 1756 (von Gittelde angefahren 3 Gr.) „ „ 6 „
  • Pferdemist   pro Laufkarren 6 „
  • Öl   pro Pfund 2 Gr. 6 Pfg., 1721: 3 „
  • Unselt   pro Pfund 4 „
  • Mehl   pro Metze 6 „
  • Leim   pro Pfund 6 „
  • Nägel   „ „ 5 „
  • Leinwand   pro Elle 2 „

Löhne u. s. w.


  • Dem Massenbläser (1706) pro Woche 1 Thlr. 14 Gr., 1801: 2 Thlr.
  • Dem Meisterknecht „ 1 „ 21 „ „ 1 „ 27 Gr.
  • Den beiden Aufgebern „ je 1 „ 18 „ „ 1 „ 18 „
  • Dem Hüttenvogt „ — „ 20 „ „ — „ 30 „
  • extra f. gut. Aufs. währ. d. Betr. „ — „ 16 „ „ — „ 16 „
  • Liebnuſs (wie früher) pro Quartal 3 „ — „ „ — „ — „
  • Formerlohn: Pucheisen u. Unterl. zu form. u. zu gieſsen pro Stck. 4 „
  • Herdboden „ „ „ 5 „
  • Zacken „ „ „ 2 „
  • Ambosse „ „ „ 6 „
  • Guſswerk 1. Gattung „ „ (1746) pro Ctr. 2 „
  • (1756) „ 3 „
  • Granaten „ „ „ 4 „
  • Bälge zu schmieren   24 „
  • Ganseisen abzuwiegen   pro Woche 12 „

[880]Der Harz.
  • Wascheisen aus den Hochofenschlacken zu pochen pro Ctr. (1711) 6 Gr.
  • später 9 „
  • Frischschlacke zu bocken 4 Pfg., auf die Hütte zu fahren 4 Pfg.,
  • zusammen pro Ctr. 8 „
  • Eisenstein zu pochen   pro Karren 4 Gr.
  • Der gewöhnliche Tagelohn betrug   6 „
  • Stabeisen zu schmieden pro Ctr. 8 Gr.
  • Frischstücke „ „ 7 „
  • Blech „ „ 18 „

Der Blechschmied der Oberhütte erhält, wenn der Blechhammer
stillsteht, Wartegeld pro Woche 9 Gr. = 3 Thlr. 9 Gr. pro Quartal.


Ferner erhielten zwei Personen je 9 Gr. pro Woche Gnadengeld, von
denen der eine durch Alter invalid war, der andere sein Gesicht bei
der Hüttenarbeit verloren hatte.


Dienerbesoldung“ 1701: 99 Thlr. 31 Gr. 6 Pfg., und zwar dem
Faktor 44 Thlr. Gehalt und 6 Thlr. Deputat, dem Bergvogt 21 Thlr.
21 Gr., dem Schulmeister in Gittel 13 Wochen zu 20 Gr. = 7 Thlr.
8 Gr. pro Quartal, dem Anläuter im Grunde 19 Gr. 6 Pfg., dem alten
Hammerschmied Andreas Kippenberg, weil der Zerrennherd ein-
gestellt, bemachtes Gnadengehalt 13 Wochen zu 20 Gr. = 7 Thlr. 8 Gr.
pro Quartal. Dem Priester im Grund vor die Bergpredigt 1 Thlr.,
dem Rektor daselbst vor das Musizieren 18 Gr.


Die Dienerbesoldung betrug 1711: 118 Thlr. 34 Gr. 6 Pfg., 1716:
172 Thlr. 22 Gr. 6 Pfg. (einschlieſslich 75 Wohnungsentschädigung
für den Faktor von 2½ Jahren).


Bau- und Reparaturkosten, Werkzeuge u. s. w.


  • (1706) Ein neues Gestell zu brechen   6 Thlr. — Gr.
  • Das alte auszubrechen   — „ 18 „
  • Das neue einzubauen   1 „ 18 „
  • Dazu 2 Gehülfen 5 Tage zu 6 Gr.   1 „ 24 „
  • 10 Karren Lehm zu 2 Gr.  — „ 20 „
  • Summa 10 Thlr. 18 Gr.
  • 1743: Vor ein neu Willenser Hohen Ofen-Gestell zu brechen
    7 Thlr. 9 Gr.
  • 1721: Ein neues Gestell zu brechen und einzubauen: 14 Thlr. 6 Gr.
    1756: 14 Thlr. 18 Gr. 1776: Mit allen Nebenkosten
    39 Thlr. 26 Gr. 9 Pfg.

[881]Der Harz.
  • Zu einem neuen Timpel ¼ Ctr. Eisen 27 Gr., zu machen 4 Gr.,
  • zusammen 31 Gr.

15 Stück Timpelsteine zu brechen 1 Thlr. 8 Gr. 6 Pfg.


Bälgeflicken 1 Thlr., dazu 9 Gr. Botenlohn.


  • 1 Frischform für die neue Hütte 11 Pfd. zu 13 Gr. mit 1 Gr. Trink-
    geld 4 Thlr. 6 Pfg., für die Formen aufzunieten 6 Gr. 1731:
    4 Thlr. 16 Gr. 9 Pfg.
  • 1756. 2 Hochofenformen 14 Thlr. 34 Gr. 6 Pfg.
  • 1 neuer Hammer der Oberhütte, 5 Ctr. Eisen à 3 Thlr.   15 Thlr. — Gr.
  • Arbeitslohn   2 „ 28 „
  • Stahl  1 „ 18 „
  • Summa 19 Thlr. 10 Gr.

1 neue Hammerwelle (Oberhütte 1721) kostete inkl. Einziehen
45 Thlr. 25 Gr. 10 Pfg.


  • Im einzelnen: Das Hauen im Wald, 13 Arbeitstage zu 8 und
    9 Gr.: 3 Thlr. 1 Gr., das Fahren aus dem Wald
    11 Thlr., Lochen und Schlitzen 4 Thlr. 16 Gr.,
    das Binden 5 Thlr., die Zapfen, 4 Ctr. 6 Pfd.,
    à 3 Thlr. = 12 Thlr. 5 Gr. 10 Pfg., dazu 15 Gr.
    Fuhrlohn. Die Welle war mit 33 statt wie sonst
    mit 28 eisernen Bändern gebunden.
  • 1 Schubkarren   24 Gr.
  • 1 Füllfaſs   3 Ggr.
  • 1 Eisenmaſs beschlagen   20 Gr.
  • 1 Löffel, 3½ Pfd. Eisen 4 „ zu machen
  • 1 Schaufel, 13 „ „ 3 „ „ „
  • 1 Streichbrett, 3½ „ Eisen 4 „ „ „
  • 1 Feuerstrentze   24 „

Im ganzen 18. Jahrhundert sind Fortschritte im Hüttenbetrieb
nicht nachzuweisen, man arbeitete mit denselben Blasebälgen, den-
selben Herden und Öfen u. s. w. wie früher. Dies war einerseits
bedingt durch den gewohnheitsmäſsigen Schlendrian, andererseits durch
die Schranken, welche der begrenzte Kohlenbezug gewaltsam zog. Die
fürstlichen Waldungen konnten nur ein gewisses Kohlenquantum für
den Hüttenbetrieb liefern, damit muſste dieser auskommen, weil die
Kaufkohlen von entfernten Waldungen zu teuer wurden.


Beck, Geschichte des Eisens. 56
[882]Der Harz.

Zur besseren Übersicht geben wir noch folgende


Vergleichende Zusammenstellung der Herstellungs-
kosten einer Tonne (1000 kg) Eisen in den verschiedenen
Perioden von 1573 bis 1801
.


I. Masseleisen.


II. Frischeisen.


III. Zerrenneisen.


IV. Frischeisen
(im Durchschnitt auf Eisenstein berechnet zum Vergleich).


[883]Der Harz.

Die Hütte zu Lerbach wurde 1789 (nach Stünkel, 1784 nach
Wedding) durch Berghauptmann von Reden angelegt, zur Ver-
schmelzung der dortigen Eisensteine, welche vordem auf die sechs
Meilen entfernte Sollinger Hütte bei Uslar gefahren worden waren.
Die Erze waren teils kalk-, teils kieselhaltige Roteisensteine, von
durchschnittlich 24 Proz. Eisengehalt. Da sie Schwefelkies enthielten,
muſsten sie geröstet werden. Das Schmelzen ging ohne Zuschlag
von Fluſsmitteln gut von statten und schmolz man um 160 Ctr.
graues Roheisen die Woche. War das Roheisen grell, so war es
zum Verfrischen unbrauchbar, halbiertes Roheisen gab schlechtes
rotbrüchiges Stabeisen, dagegen lieferte dunkelgraues Roheisen ein
gutes, brauchbares Stabeisen; am besten eignete es sich für Guſs-
waren und wurde mehr als die Hälfte davon vergossen. Die Ler-
bacher Guſswaren wurden an die Faktorei nach Bodenfeld geliefert
und von da meist Weser abwärts verkauft. Seit 1794 hatte man
mit gutem Erfolg ein Kastengebläse bei dem Hochofen eingeführt.
Dasselbe bestand aus zwei groſsen hölzernen parallelepipedischen
Kasten. Der Hochofen war 28 Fuſs hoch, 3⅙ Fuſs an der Gicht
7 Fuſs im Kohlensack weit.


Bei der Lerbacher Hütte befand sich eine der Klausthaler Berg-
baukasse gehörige Blankschmiede, in welcher Beile, Sägen u. s. w.
verfertigt wurden. Die Kohlen kamen aus den königlichen Tannen-
waldungen.


Der Hochofen zu Altenau wurde erst im Jahre 1794 angelegt,
sowohl zur Ausnutzung des durch den Borkenkäfer heimgesuchten
Holzes, als der in der Nähe befindlichen Erze. Alles erblasene
Roheisen wurde für die Oberharzer Silberhütten granuliert. Zu diesem
Zweck lieſs man es durch Siebbleche in Wasser laufen. Der Bedarf
dieser Hütten an Eisengranalien belief sich auf etwa 30000 Ctr. das Jahr
und waren dieselben vordem hauptsächlich zu Rothehütte und Elend
hergestellt worden. Der Altenauer Hochofen lieferte durchschnittlich
220 Ctr. die Woche. Da es auf die Qualität des Roheisens nicht
ankam, so produzierte man weiſses und halbiertes Eisen bei etwas
übersetztem Gang. Die Erze waren hart und muſsten deshalb gepocht
werden. Die Sandsteine für Kernschacht und Gestell kamen, wie für
die meisten Harzer Hütten, aus dem Blankenburgischen. Da diese
Gestelle aber teuer waren, so machte man sie später aus zerstoſsenem,
mit Thonwasser angefeuchtetem Quarz, aus dem sie gestampft
wurden 1). — Das heiſse, eisenhaltige Wasser, welches beim Granu-
56*
[884]Der Harz.
lieren erzeugt wurde, diente zu Bädern für Kranke und waren diese
Eisenhütten zugleich förmliche Badeanstalten.


Der Hochofen war 30 Fuſs hoch, in der Gicht 3½, im Kohlen-
sack 7 Fuſs weit. Das Gestell war 4½ Fuſs hoch, die Rast sehr
flach, 9 bis 11 Zoll hoch, stieg mit einem Winkel von 16½ bis
20 Grad. Unten war das Gestell 15, oben 24 Zoll weit. Die Form
lag 13½ bis 14 Zoll über dem Boden und war 2¾ auf 1¾ Zoll weit.


Das Hochofengebläse bestand aus drei kubischen Kasten, deren
jeder 4 Fuſs 2 Zoll weit war. Die Kolben hatten 4 Fuſs 2 Zoll Hub.
Der Wind der drei Kasten blies in einen Sammelbehälter, aus dem er
durch eine Düse in den Hochofen strömte. Die Bewegung der Kolben
geschah durch 12 Fuſs lange Wagebalken. Das oberschlächtige Blas-
rad war 13 Fuſs hoch.


Die Königshütte bei Lauterberg am südwestlichen Fuſs des
Harzes war neben der Rothenhütte die gröſste der Harzer Eisen-
hütten. Sie wurde 1733 an Stelle des Königshofs angelegt, 1765
wurde daselbst ein Blauofen erbaut und 1773 wurde sie mit Granu-
liervorrichtung versehen. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts umfaſste
die Königshütte 2 Hochöfen, 5 Frischfeuer, 2 Zain- und Platinen-
hämmer, 1 Blechhammer, 1 Drahtwerk mit 7 Zügen, 1 Roh- und
1 Raffinierstahlhammer, 1 Zerrennfeuer zur Gewinnung des Eisens
aus den Frischschlacken, und 1 groſse Gieſserei. 1736 hatte man
auch einen Rohrhammer angelegt. Die Erze kamen von Andreasberg,
Elbingerode und vom Knollen. — Die Königshütte sollte die Städte
Duderstadt, Nordhausen und Heiligenstadt, welche vorher ihr Eisen
von der St. Johannishütte im Stift Walkenried bezogen hatten, mit
Eisen versorgen. Das Werk wurde durch 23 Wasserräder nicht unter
10 Fuſs Durchmesser von der Oder betrieben. Von den beiden Hoch-
öfen war gewöhnlich nur einer im Betrieb, namentlich seit der Er-
bauung der Steinernen Hütte 1788/89. Er war 24 Fuſs hoch, 3 Fuſs
an der Gicht, 7 Fuſs im Kohlensack weit; der eine der Öfen hatte vier-
eckigen, der andere runden Schacht. Es wurde zu der Beschickung etwas
Kalk zugeschlagen der Andreasberger Erze wegen, die sehr kieselhaltig
waren. Geröstet wurde der Elbingeroder Eisenstein, namentlich der vom
Knollen, und der Andreasberger nicht. Die Beschickung hatte
24 bis 27 Proz. Eisengehalt; das wöchentliche Ausbringen betrug
180 bis 220 Ctr. Roheisen, wozu 70 bis 90 Karren Holzkohlen,
wovon ⅓ Buchen-, ⅔ Fichtenkohlen, verbraucht wurden. In 24 Stunden
wurde 24- bis 30 mal aufgegeben.


Gute Hochofenschlacke war himmelblau und vollkommen glas-
[885]Der Harz.
artig. Man lieſs den Ofen gar gehen, weil immer Guſswaren gemacht
wurden. Von 9000 bis 12000 Ctr. Roheisen, welche der Hochofen lieferte,
wurden 4000 bis 5000 Ctr. vergossen 1), 5000 bis 7000 Ctr. zu Stab-
eisen verfrischt.


Eigentümlich war das Zugutemachen der Frischschlacken in
einem Zerrennfeuer auf der Königshütte. Der Herd war wie bei
einem Frischfeuer. Man füllte den 10 Zoll tiefen Herd gehäuft mit
Kohlen (geringer Quandelkohle) und streute Frischschlacken auf.
Sobald die Masse etwas niedergegangen war, gab man wieder Kohlen
und Frischschlacken, und fuhr so fort, bis sich 1 bis 1½ Ctr. Eisen
im Herd gesammelt hatten. Die erhaltene sehr ungleichartige Luppe
wurde in 3 bis 4 Stücke zerschroten und diese dann gewöhnlich dem
Roheisen im gewöhnlichen Frischherd zugesetzt und mit diesem ver-
frischt. Während der Arbeit wurde langsam geblasen und von Zeit
zu Zeit Schlacke abgelassen. In diesem Zerrennfeuer wurden jährlich
6000 Ctr. Zerrennluppen erhalten. Von den fünf Frischfeuern gingen
vier auf Stabeisen, das fünfte auf Seil- und Platineneisen. Sie liefer-
ten im Jahre 13520 Ctr. Schmiedeeisen und waren dazu 18600 Ctr.
Roheisen erforderlich, es muſsten also noch 12600 Ctr. Eisen an-
gekauft werden. Das meiste davon, etwa 10000 Ctr., kam von der
Steinernen Hütte, welche ihre ganze Produktion an die Königs-
hütte abgab. Man hatte hier die alte Einrichtung, wonach jedem
Hammerschmied sein vorgeschriebenes Quantum Eisen und Kohle
zugewogen wurde und die Ersparnisse daran ihm zu Nutz kamen,
nicht beibehalten, sondern die Hammerschmiede erhielten 7 Marien-
groschen Arbeitslohn für den Centner und Kohlen und Eisen
nach Bedarf. Man hoffte dadurch bessere Qualität zu erzielen. Für
die 11644 Ctr. Stabeisen wurden 3493 Karren und für die 1872 Ctr.
Seileisen 900 Karren Kohlen verbrannt. Von dem Stabeisen
wurden 3300 zu Kraus-, Seil-, Band- und Gittereisen, zu Platinen-
und Modelleisen für die Gewehrfabrik in Herzberg, welche eine Meile
von der Königshütte entfernt lag, verarbeitet. Von den 1800 Ctr.
Krauseisen wurden 430 zu Draht gezogen, das übrige verkauft. —
Das Seileisen, welches in einem besonderen Feuer aus gutem Stein-
renner Roheisen mit besonderer Sorgfalt gefrischt wurde, bestand aus
½ bis ¾ Zoll starken, an den Kanten abgerundeten Stäben von
10 Fuſs Länge. 400 Ctr. Drahtseileisen wurden jährlich den Metall-
[886]Der Harz.
gewerkschaften überlassen, 400 Ctr. zu Gewehrläufen, Ladestock- und
anderem Modelleisen in der Gewehrfabrik verbraucht. Von Bandeisen
zum Beschlagen der Bergtonnen wurden jährlich 350 Ctr. verlangt.


Das Drahtwerk hatte 5 Zangen und 2 Rollen (Leyre). Der starke
Grubenseildraht war 3 bis 5 Linien dick. Vormals zog man 27, gegen
Ende der Periode 35 Drahtsorten.


Für das Rohstahlfeuer bezog man das Roheisen von Gittelde.
Das Frischverfahren war wie in der Mark. Das Rohstahlfeuer war mit drei,
das Raffinierfeuer mit zwei Mann belegt. In ersterem wurden wöchent-
lich im Durchschnitt 15 Ctr. Stahl verfertigt, der teils raffiniert, teils
als Rohstahl verkauft wurde. Der Boden des Rohstahlfeuers bestand
aus einem 2½ Zoll dicken, 24 Zoll breiten, 30 Zoll langen Sandstein,
deren jährlich 30 bis 50 erforderlich waren. Das gesamte Personal
der Königshütte belief sich auf 71 Mann; es waren etwa 60 Pferde
beschäftigt, welche Privatfuhrleuten gehörten.


Die Steinrenner Hütte an der Sieber, ¼ Stunde von Andreas-
berg, bezog ihre Erze aus den nahegelegenen Gruben Königs- und
Eisensteinsberg. 1741 war hier die rheinische Schmelzarbeit ein-
geführt, 1765 ein Blauofen angelegt, 1773 Granuliereisen erzeugt worden,
1788 wurde sie von dem Berghauptmann von Reden ganz neu auf-
gebaut. Sie bestand nur aus einem Hochofen, welcher der Fracht-
ersparnis wegen mitten in dem Erz- und Kohlengebiet errichtet worden
war. Während die Erze nahe lagen, machte aber die Beschaffung des
Kalks, der als Zuschlag nicht zu entbehren war, Schwierigkeiten.
Man wendete abwechselnd Fluſsspat, Braunspat und Kalkspat aus
den Erzgängen und kalkhaltige Erze aus dem Lerbacher Revier an;
auch setzte man Frischschlacken von der Königshütte mit durch.
Die zugesetzten Elbingeroder und Lerbacher Eisenerze wurden geröstet
und gepocht. Der Hochofen war 30 Fuſs hoch mit viereckigem
Schacht. Das Gebläse bestand aus drei starken Bälgen und einem
Wasserregulator, der aus zwei ineinandergehenden Fässern bestand.
Die Hochofenform war von Kupfer mit 2¾ auf 1⅞ Zoll Mündung.
Man verwendete hauptsächlich Fichtenkohlen und erblies ein sehr
gares graues Roheisen, welches für feinere Guſswaren zu dickflüssig
war. Es wurde deshalb auf der Königshütte verfrischt. Die Formen
versetzten sich leicht mit zähflüssiger Schlacke und muſsten des-
halb häufig gereinigt werden, was die Arbeit am Ofen beschwer-
lich machte. Man produzierte 200 bis 230 Ctr. die Woche. Ein
Blasewerk (Campagne) dauerte nicht länger als 2 bis 3 Jahre; doch
geschah das Ausblasen aus ökonomischen Gründen und würde der
[887]Der Harz.
Ofen noch längeren Betrieb ausgehalten haben. Auf der Steinrenner
Hütte wurden die sämtlichen Erze des Andreasberger Reviers in einem
besonderen Windofen probiert 1). Die Steinrenner Hütte wurde von
der Königshütte aus administriert.


Die Rothehütte an der Bode am Fuſse des Brockens, ½ Meile
von Elbingerode, arbeitete ursprünglich mit der nahe gelegenen Eisen-
hütte zu Lüdershof zusammen. 1786 waren zu Rothehütte 1 und
zu Lüdershof 2 Hochöfen. Ende des Jahrhunderts wurde aber der
ganze Betrieb nach Rothehütte verlegt und im Jahre 1800 waren
hier 3 Hochöfen, 4 Frischfeuer, 1 Zainhammer, Bohrwerk, Blank-
schmiede und Gieſserei. Es war das Hauptwerk zur Verarbeitung
der Elbingeroder Erze, Roteisensteine von kieseliger, kalkiger oder
thoniger Beimengung. Die kieseligen Erze herrschten vor, dann
kamen der Menge nach die kalkigen, zuletzt die thonigen Erze. Man
gattierte die verschiedenen Sorten im Möller. Ein beliebtes Zuschlag-
erz war der am Bastkopfe brechende Koriem (Kuhriem), ein gelblicher,
thoniger Kalkschiefer mit 5 bis 6 Proz. Eisengehalt, der zwar arm
war, aber die Schmelzung und die Qualität beförderte. Seine
Zusammensetzung war:


  • 5½ Tle. Eisen,
  • 2½ „ Kieselsäure,
  • 87½ „ kohlensaurer Kalk,
  • „ Thonerde,
  • 100.

Die Elbingeroder Eisensteinlager waren ausgedehnt und mächtig.
Sie versahen die 5 Hochöfen zu Rothehütte und Elend und lieferten
noch 2000 Fuder jährlich an die Königs- und Steinrenner Hütte.
Die gesamte Förderung betrug an 18000 Fuder im Jahre. Vor 1791
wurden die drei Hochöfen, die damals kleiner waren, meist zusammen
betrieben, seitdem sie mit stärkeren Gebläsen versehen worden waren,
gingen immer nur zwei Öfen gleichzeitig. Zwei der Hochöfen
waren 30, der dritte 28 Fuſs hoch, sie hatten sämtlich viereckige
Schächte, oben 4, unten 6½ Fuſs weit. Die Erze wurden in Haufen
geröstet. Die richtige Gattierung der verschiedenen Erzsorten war
von groſser Wichtigkeit. Man machte hier Blaswerke von 7 und
8½ Jahren, eins z. B. von 1791 bis 1800 2). Das erblasene Roheisen war
dunkelgrau, glänzend, grobkörnig. — Auf Rothehütte war eine voll-
ständige Anstalt zum Abdrehen groſser gegossener Walzen und zum
[888]Der Harz.
Schleifen und Polieren cylinderförmiger Stubenöfen (sogenannter
Kanonenöfen). Das Dach der Gieſshalle war ganz von Guſseisen
konstruiert. Hier wurde auch die sämtliche für die hannöversche
Artillerie erforderliche Munition gegossen. Das übliche Frisch-
verfahren war auch hier das Klumpfrischen. Man machte 50 bis
60 Ctr. Stabeisen wöchentlich in einem Herd. Zu jeder Luppe wurden
2¼ Ctr. Roheisen eingeschmolzen. Von dem auf Rothehütte produ-
zierten Eisen wurden etwa 4000 Ctr. als Guſswaren verkauft und
13500 Ctr. verfrischt. Hieraus wurden 9800 Ctr. als Stabeisen erhalten,
von welchem etwa 7000 Ctr. als solches verkauft wurden. Das
übrige wurde zu Zaineisen verschmiedet. Auſserdem erhielt man von
den Schlackenpochwerken etwa 900 Ctr. Wascheisen. 1780 hatte man
auch ein Granulierwerk angelegt, weches bis 1793 benutzt wurde.
Es wurden in den drei Hochöfen etwa 9300 Fuder Erz und auf der
Rothenhütte im ganzen über 19000 Karren Holzkohlen verbraucht.
Auſserdem wurden zur Röstung der Erze noch 1200 Malter Holz
verbrannt. Die Arbeiterzahl belief sich auf 81 Mann, welche in
Elbingerode wohnten.


Die Mandelhölzer Hütte, ebenfalls an der Bode, war nur eine
Frischhütte. Früher hatte allerdings ein Blau- oder Hochofen daselbst
bestanden, derselbe war aber schon vor 1736 abgebrochen worden.
1767 und 1796 war das Werk umgebaut worden und enthielt am Ende
des Jahrhunderts zwei Frischfeuer und einen Schwarzblechhammer. Man
hatte dazu 12 füſsige Wasserräder erbaut, entgegen dem überlieferten
Vorurteil, daſs Hammerräder nur 8, höchstens 10 Fuſs hoch sein
dürften. Es wurden hier etwa 7500 Ctr. Roheisen von der Rothen-
hütte verfrischt, von den 5450 Ctr. daraus erhaltenem Stabeisen
wurden 2000 Ctr. unter dem Blechhammer zu Schwarzblech ver-
arbeitet, das übrige an das Eisenmagazin zu Rothehütte geliefert.
Das Roheisen für die Blechflammen wurde von auserwählten Eisen-
steinsorten mit besonderem Fleiſs und sehr gar auf der Rothenhütte
erblasen. Auch bei dem Frischen wurde besondere Sorgfalt auf die
Herstellung des Blecheisens verwendet 1). Der Blechhammer wurde
früher nach der in Suhl gebräuchlichen Weise betrieben. Je zwei
und zwei Arbeiter lösten sich alle 12 Stunden ab. Das Wärmen des
Eisens und der Bleche geschah in einem mit zwei Blasebälgen versehenen
Herd mit Holzkohlenfeuer. Wöchentlich wurden 20 bis 24 Ctr.
gröſstenteils dünne Bleche verfertigt.


[889]Der Harz.

Die Elender Hütte, eine Stunde über der Rothen- und ½ Stunde
über der Mandelholzer Hütte an der Bode, war 1778 bis 1782 erbaut
worden. 1783 wurde daselbst ein Hochofen (22 Fuſs hoch) errichtet
1789 erbaute man einen zweiten, hauptsächlich für Granuliereisen.
Einige Jahre später, nachdem auch zu Altenau ein Hochofen erbaut
worden war, lieſs man den älteren Hochofen eingehen. Mit dem
neueren Hochofen, welcher zweckmäſsiger gebaut war, wurde ab-
wechselnd Frischereiroheisen und Granuliereisen gemacht. Auch goſs
man auſser den gewöhnlichen groben Guſswaren Ambosse für die
preuſsischen Blechhütten und für Suhl, wozu das Eisen seiner Härte
wegen besonders geeignet war. Die Erze kamen von Elbingerode,
der Betrieb war wie auf Rothehütte. Der zu Elend zuletzt angelegte
und später allein betriebene Hochofen erhielt 1794 ein zweites Gebläse
und wurde mit zwei gegenüberliegenden Formen eingerichtet. Das neue
Gebläse war ein Kastengebläse, 4½ Fuſs weit und mit 48 Zoll Hub;
die beiden Blasekasten bliesen in einen Sammelkasten, aus dem der
Wind durch eine Deupe in den Ofen trat. Das andere Gebläse wurde
durch einen dritten Holzbalg verstärkt 1). Mit der Verdoppelung des
Gebläses wurde der Hochofen von 24 auf 30 Fuſs erhöht. Seitdem gab
der Ofen bis zu 300 Ctr. Roheisen die Woche. Es wurde an Stab-
eisen jährlich gefrischt


  • zu Rothehütte   9800 Ctr.
  • „ Mandelholz   5450 „
  • „ Elend  2550 „
  • Summa 17800 Ctr.

Die herzoglich braunschweig-lüneburgischen Eisenhütten im
früheren Fürstentum Blankenburg waren ebenfalls auf die Ver-
schmelzung der Elbingeroder und Hüttenroder Eisensteine begründet.
Die vier Eisenwerke Tanne, Rübeland, Neuwerk und Altenbrak
lagen sämtlich an der Bode und zwar Tanne nahe bei Rothehütte
in einem Seitenthal, unterhalb Rothehütte erst Rübeland, dann Neu-
werk und zuletzt Altenbrak. Tanne hatte 1 Hochofen, 2 Frischfeuer
und 1 Zainhammer; Rübeland 1 Hochofen, 2 Frischfeuer und 1 Zain-
hammer; Neuwerk hatte einen Hochofen und seit 1792 einen
Blauofen, der aber nicht lange betrieben wurde, und 2 Frisch-
feuer; Altenbrak und Ludwigshütte 1 Hochofen und 2 Frischfeuer.
Altenbrak war 1648 wieder aufgebaut worden, 1721 war es ab-
gebrannt, 1728 hatte Herzog Ludwig Rudolf dort die Ludwigshütte
[890]Der Harz.
mit schwäbischen Bauleuten angelegt; diese hatten ein sehr kunst-
volles Wehr errichtet, welches aber 1740 gänzlich zerstört wurde.
1733 wurde bei der Ludwigshütte eine Gewehrfabrik eingerichtet.


Herzog Ludwig Rudolf von Braunschweig-Lüneburg nahm groſses
Interesse an der Eisenindustrie. Er war der hochherzige Freund und
Gönner Swedenborgs, der diesem die sämtlichen Kosten seiner zum
Studium des Hüttenwesens Europas in den Jahren 1721 und 1722
unternommenen 15 monatlichen Reise bezahlte. Um dieselbe Zeit,
1722, korrespondierte er mit dem württembergischen Oberfaktor
Hepplin zu Königsbronn wegen Verbesserung seiner Harzer Eisen-
werke 1) und beschloſs, einen Eisenhochofen nach württembergischer
Art zu errichten. Er bat den Herzog Eberhardt Ludwig von Württem-
berg deshalb um seine Unterstützung, dass Hepplins Schwiegersohn,
der Oberfaktor Böcklen zu Prenzthal, nach Blankenburg geschickt
werde, um das Unternehmen auszuführen und zugleich eine Revision
der blankenburgischen Hütten, auf denen ein groſser Schlendrian ein-
gerissen war, vorzunehmen. Dies geschah, und auf den erstatteten
Bericht hin entwarf der Geheimrat v. Münchhausen einen strengen
Pachtvertrag, zu dessen Begründung er schreibt: Sie (die Pächter)
wissen nichts von Miſswachs, von Honigtau, von Hagel, von Hitze
oder Dürre, von Würmern, Schnecken, Mäusen, noch von anderem
Unglück, welches dem Landmann widerfährt. Ihre Ware ist keinem
Verderb unterworffen und so angenehm, daſs sie mehrenteils ent-
boten wird und sie noch gute Worte dazu bekommen; gebrauchten
sie nicht nur noch eine Art von Praecaution, so daſs sie nur ein
wenig Acht zu geben haben, wem sie creditiren, so hätten sie den
ersten Grad der Glückseligkeit des Lebens, welches in einigen Büchern
von Utopia beschrieben wird. Denn wenn sie einen guten Hütten-
schreiber und Maschenbläser haben, so können sie ihre Zeit mit
ziemlicher Kommodität passieren. Solchen glückseligen Leuten aber wird
man einen allzu geringen Gewinst wohl nicht dürfen anmuten. …


Die Erze waren Roteisensteine, die meist bis Hüttenrode und am
Stahlberg gewonnen wurden. Die übliche Beschickung hielt 35 bis
40 Proz. Eisen. Als Zuschlag verwendete man marmorartigen Kalk-
stein, hauptsächlich aber „Koriem“, der bei Hüttenrode und an
anderen Plätzen gewonnen wurde. Er kam gelb, braun und
dunkelgrau vor; der gelblich-weiſse war am beliebtesten. Viel Zu-
[891]Der Harz.
schlag war bei richtiger Gattierung der Erze überhaupt nicht nötig.
Das Erz wurde fast stets in Stadeln oder Haufen geröstet; auch der
Koriem wurde hier geröstet und zwar stärker als der Eisenstein.
Die Röststätten waren rund, 12 bis 20 Fuſs weit, von einer 7 Fuſs
hohen Mauer eingeschlossen mit einem Eingang an einer Seite. Das
Erz wurde lagenweise mit Holzkohlen geschichtet. — Die Hochöfen
waren 24 bis 28 Fuſs hoch, inwendig rund und nach schwäbischer
Art zugestellt 1). Zu Tanne und Rübeland wurden Guſswaren, nament-
lich Stubenöfen, hergestellt, in Neuwerk und Altenbrak Frischerei-
roheisen. Das Frischeisen war sehr schweiſs- und dehnbar, aber oft
kaltbrüchig; das Roheisen frischte leicht. Ein Feuer lieferte 45 bis
62 Ctr. Stabeisen; auf jeden Centner wurden 3 Maſs Kohlen gebraucht.
Für Minderverbrauch erhielten die Hammerschmiede für je 9 Maſs
oder einen Karren 12 Groschen Vergütung. Tanne verkaufte sein
Eisen aus der Hand, die übrigen drei Werke lieferten ihre Produktion
in die Faktorei nach Blankenburg.


Der Blauofen, den man 1792 bei Neuwerk erbaut hatte, war
18 Fuſs hoch. Er sollte besseres Eisen als die Hochöfen liefern, was
aber nicht erreicht wurde. Es zeigt sich, daſs der Harzer Eisenstein
für diesen Betrieb zu strengflüssig war.


1724 wurden folgende Preise auf den blankenburgischen Hütten
gezahlt: Guſswerk im Land pro Centner (zu 112 Pfd.) 2 Thlr., auſser Land
2⅙ Thlr., Guſswerk in Lehm 4 Thlr. 16 Ggr., Stabeisen 3 Thlr., Kraus-
eisen 3 Thlr., Alteisen 16 Ggr.


Von den Walkenrieder Eisenwerken hatte gegen Ende des
18. Jahrhunderts Wieda 1 Hochofen, 2 Frisch- und 1 Zainfeuer.
Zorge 2 Hochöfen, 4 Frisch-, 1 Zain-, 1 Blechhammer und 1 Draht-
zieherei. Ilefeld 1 Frisch- und 1 Zainhammer. Wieda, welches 1790
erbaut war, erhielt wie auch Zorge seinen Eisenstein aus dem Kahlen-
thal. Es war ein roter Glaskopf. Der Kalkspat, der als Zuschlag
diente, kam in Gängen in der Nähe vor. Die Hochöfen von Wieda
und Zorge waren nach schwäbischer Art zugestellt 2). Bei gutem
Ofengang floſs die zähe, glasige Schlacke von selbst über den niedri-
geren Wallstein ab. Die Hochöfen waren 27 bis 29 Fuſs hoch. Die
Beschickung hatte durchschnittlich nur 23 bis 25 Proz. Eisen, die
Wochenproduktion betrug etwa 200 Ctr. Die sieben Frischfeuer
der Walkenrieder Hütten lieferten nur 10500 Ctr. im Jahre, weil öfter
[892]Der Harz.
Wassermangel eintrat. Das Eisen war zähe und weich genug, um gutes
Blech daraus zu machen, aber es wurde oft kantenrissig, infolgedessen
der Blechhammer etwa ⅓ Abschnitzel machte. Diese wurden in
einem Frischfeuer, das nur für den Blechhammer arbeitete, dem Roh-
eisen zugesetzt. — Für Draht wurde auch auf besondere Qualität
gearbeitet und war das Drahtwerk ähnlich dem der Königshütte. Es
wurden 28 Sorten gezogen. Das fabrizierte Eisen wurde teils aus
der Hand verkauft, teils an die Faktorei zu Braunschweig abgeliefert.


Die St. Johannishütte bei Ilefeld war eigentlich kurbraun-
schweigisch, seit alter Zeit war aber eine Familie Balke damit beliehen
und für diese betrieb sie die herzogliche Landesherrschaft. Der Hochofen,
welcher 1728 erbaut war, stand seit 1778 still und bezog die Frisch-
hütte ihr Roheisen von Wieda und Zorge.


Die preuſsischen Hütten am Harz waren Sorge und Thale.
Die Eisenhütte zu Sorge lag ebenfalls an der Bode im Amt Benneken-
stein und bestand aus 1 Hochofen, 1 Frisch-, 1 Schwarz- und 1 Weiſs-
blechhammer. Sie wurde 1771 bis 1781 vom preuſsischen Fiskus
administriert und 1782 angekauft. Der rote Eisenstein kam vom
Büchenberge und aus dem Elbingeroder und Hüttenroder Gruben-
revier. Als Fluſs diente Marmorkalk von Elbingerode. Wegen Erz-
und Kohlenmangel konnte der Hochofen nicht das ganze Jahr gehen.
Infolgedessen muſsten die Frischhütten einen Teil ihres Roheisens
aus Schlesien beziehen. Die Erze waren reich und lieferte der Hoch-
ofen bei gutem Gang 300 Ctr. Roheisen die Woche. Das Eisen war
grau und das daraus gefrischte Stabeisen sehr gut. Das meiste
wurde zu Blech verarbeitet. Doch muſsten auch die Blechhämmer
einen Teil ihres Bedarfs aus Schlesien decken. Das verfertigte
Schwarz- und Weiſsblech ging an die königlichen Magazine zu Berlin
und Magdeburg.


Thale am Ostrande des Harzes an der Bode hatte einen Schwarz-
und einen Weiſsblechhammer, ein Frischfeuer und eine Verzinnungs-
anstalt. In dem Frischfeuer wurden die Blechabschnitzel für sich
eingeschmolzen und zu einer Luppe gefrischt oder geschweiſst, welche
ein besonders gutes Eisen gab. Dagegen war der Abbrand bedeutend.
Auf diese Weise konnte aber nur ein kleiner Teil des Eisenbedarfs
der Blechhütten gedeckt werden; das Fehlende erhielt man aus
Schlesien, von Malapene, Creutzburg u. s. w. Das Eisen kam bis
Magdeburg zu Wasser, nämlich durch die Oder, Spree und Elbe.
Über die Blechfabrikation und die Verzinnung ist nichts Besonderes
zu bemerken. Das Blech ging ebenfalls nach Berlin und Magdeburg.


[893]Der Harz.

Die fürstlich anhalt-bernburgische Eisenhütte Mägde-
sprung
an der Selke bestand aus 1 Hoch- und 1 Blauofen, 4 Frisch-
feuern, 2 Stahlfeuern, 1 Schwarzblechhammer, 1 Drahtzieherei, 1 Blank-
schmiede und 1 Eisenschneidmühle, die aber 1785 schon stillstand.
Die Erze kamen teils aus der Nähe, teils aus dem Gemeindewald bei
Rotleberode. Letztere wurden für Gieſsereieisen benutzt, während
man die Flinze (Eisenspate) von Neudorf auf Frischereiroheisen ver-
blies. Zuschläge bedurfte man nicht. Die Erze wurden in Haufen
geröstet. In dem 24 Fuſs hohen Hochofen erzeugte man aus den
Rotleberoder Erzen graues Roheisen, welches etwas heller war als
das der zuvor beschriebenen Harzer Hütten, sich aber gut ver-
gieſsen lieſs.


In dem Blauofen verschmolz man die Stahlerze. Derselbe war
19 Fuſs hoch, rund, ausgenommen unten im Herd, der von der Wind-
zur Formseite 2 Fuſs, in der Länge 2½ Fuſs war. Er hatte keine
Rast, sondern, wie alle Blauöfen, die Gestalt von zwei mit der Basis
aufeinander gestellten abgestumpften Kegeln. Der Kohlensack lag
7½ Fuſs über dem Bodenstein, die Gicht war 2 Fuſs weit, hatte aber
noch einen 3 Fuſs hohen, trichterförmigen Aufsatz. Die Holzbälge
waren 11 Fuſs lang. — Die spatigen Erze waren meistens braun
und verwittert. Man gab sehr kleine Gichten auf und schmolz 150
bis 180 Ctr. weiſsstrahliges Roheisen die Woche.


Das Frischen geschah nach dem am Harze üblichen Verfahren. Man
schmolz 2¼ Ctr. Roheisen ein und erhielt 1¾ Ctr. Stabeisen. Dabei nahm
man ⅔ Roheisen vom Hochofen und ⅓ vom Blauofen. Das Stab-
eisen war von ausgezeichneter Festigkeit. Jedes Frischfeuer lieferte
40 bis 45 Ctr. die Woche. Da das Roheisen nicht leicht frischte,
muſste es öfter aufgebrochen werden. Der Hammerschmied erhielt
6 Groschen Schmiedelohn für den Centner. Die Stahlherde waren
wie in Schmalkalden. Ein Stahlfeuer lieferte 16 bis 18 Ctr. Stahl
in der Woche. Man brauchte dafür wöchentlich 2 Bodensteine. So-
wohl die Steine für das Stahlfeuer als auch für den Hochofen wurden
in der Nähe gebrochen. Form- und Gichtseite waren mit eisernen
Zacken eingefaſst; auch auf der Schlackenseite befand sich eine eiserne
Platte mit einem 6 Zoll weiten Schlackenloch. Der Mägdesprunger
Stahl wurde nicht raffiniert, sondern aus dem Feuer zu Stäben aus-
geschmiedet; er war oft etwas weich. — Das Drahtwerk hatte 6 Zangen
und 2 Leiern. Das Eisen eignete sich sehr zur Drahtfabrikation und
wurde der Draht bis zu Nr. 36 ausgezogen. Das Glühen des Drahtes
geschah in einem besonderen, runden, gewölbten Glühofen, der mit
[894]Der Harz.
Holz gefeuert wurde. Das Hüttenwerk zu Mägdesprung hatte immer
an Holzkohlenmangel zu leiden.


Die gräflich stollberg-wernigerodischen Eisenhütten
befanden sich zu Schierke und Ilsenburg.


Schierke war die oberste Hütte an der Bode, unmittelbar am
Fuſse des Brockens. Sie hatte 1 Hochofen, 1 Frisch- und 1 Zain-
hammer. Die Erze kamen vom Büchenberg und Hartenberg. Der
Schierker Hochofen war 24 Fuſs hoch und gab wöchentlich 180 bis
200 Ctr. graues Roheisen, das teils auf der Hütte selbst, teils zu
Ilsenburg verfrischt wurde. Die Bode trieb Ende des vorigen Jahr-
hunderts von Schierke bis Thale 63 Wasserräder für eisengewerbliche
Zwecke.


Bei Ilsenburg befand sich 1 Hochofen (ein zweiter lag kalt),
2 Frischfeuer, 1 Zainhammer und 1 Drahtzieherei. Die Erze kamen
ebenfalls vom Büchen- und Hartenberg. Die Drahtzieherei war sehr
bedeutend und hatte 30 Zangen und 6 Leiern. Es wurden 28 Sorten
Draht gemacht, darunter die feinsten Sorten. Für das Drahteisen
wurde der Hochofen besonders auf ein weiches, zähes Eisen beschickt.
Dieses Roheisen wurde in einem besonderen Herd mit groſser Sorg-
falt gefrischt, alsdann unter dem Zainhammer zu Krauseisen ver-
arbeitet und von da in die Drahtzieherei geliefert. Das Glühen des
Drahtes geschah hier in einem Flammofen. Der Hochofen lieferte
180 bis 200 Ctr. Roheisen, einschlieſslich der Guſswaren, die beiden
Frischfeuer 45 bis 55 Ctr. Stabeisen die Woche. — Bei dem Schlackenpoch-
werk waren auch die Säulen, Holmen, Laden u. s. w. aus Eisen gegossen.


Im Laufe des 18. Jahrhunderts waren folgende ältere Harzer
Eisenwerke eingegangen: Die Hütten bei Trautenstein und Kahlen-
berg, die nach dem 30jährigen Kriege wieder aufgebaut worden waren,
1714, Hütte von Osterode 1731, Stiefensbeck 1714 bis 1716, Oderfeld
1742, Sieber 1745, Lonau teils 1752, teils 1766, Lüdershoff, die erst
1772 neu erbaut war, gegen Ende des Jahrhunderts, das Frisch-
feuer zu Gluſshütte (die alte Clusingshütte) bei Gittelde 1780, Braun-
lage, wo 1725 der Hochofen, 1767 die Schmiede (Blechhammer) ein-
ging. Die Hammerhütte von Lonau, wo noch 1731 eine Geschützrohr-
fabrik angelegt worden war, wurde 1766 an eine Stahlsocietät abgegeben.
Die 1691 erbaute Hütte zu Sieber wurde 1756 bis 1766 ganz ver-
äuſsert und abgetragen, nachdem sie seit 1740 den Gewerken ab-
genommen und fiskalisch administriert worden war 1).


[895]Der Harz.

Wedding schätzt die Produktion der Harzer Eisenhütten in den
verschiedenen Jahrhunderten folgendermaſsen:


Im Jahre 1500 produzierten 32 Eisenhütten mit 4 Rennfeuern
800 Tonnen Schmiedeeisen, im Jahre 1600 produzierten 33 Eisenhütten
mit 6 Hochöfen und circa 40 Renn- und Frischfeuern 1500 Tonnen
Schmiedeeisen und 150 Tonnen Guſswerk, im Jahre 1700 produzierten
18 Eisenhütten mit 14 Hochöfen und 23 Frischfeuern 3000 Tonnen
Schmiedeeisen und 780 Tonnen Guſswerk, im Jahre 1800 produzierten
20 Eisenhütten mit 22 Hochöfen und 35 Frischfeuern 4300 Tonnen
Schmiedeeisen und 1600 Tonnen Guſswerk.


An die Harzer Hütten reihen sich die in der Nachbarschaft des
Harzes gelegenen niedersächsischen oder Weser-Hütten.


1. Die Sollinger- oder Uslarerhütte an der Aale. Sie lag
am Sollinger Wald, war hannöverisch und stand unter dem Berg-
amt zu Klausthal. Sie bestand aus 1 Hochofen, 4 Frischfeuern,
1 Zainhammer und 1 Zerrennfeuer. — Die Holzkohlen, meist Buchen-
kohlen, kamen aus der Nähe, die Erze zum Teil aus der Nähe, meist
aber von Kalefeld. Es waren Roteisensteine von 20 bis 25 Proz.
Eisengehalt, welche mit Kalkstein und etwas Frischschlacken ver-
schmolzen wurden. Der Hochofen war 26 Fuſs hoch. Bei dem
geringhaltigen Möller wurden wöchentlich nur 110 bis 140 Ctr. Eisen
erblasen, darunter 50 bis 80 Ctr. Guſswaren. Verfrischt gab das
Eisen ein sehr zähes Stabeisen. Ein Frischfeuer lieferte 50 Ctr. Stab-
eisen die Woche, der Abbrand betrug 25 Proz. — Das Frischverfahren
wich insofern ab, als man das Eisen nicht zu einem Klumpen ein-
schmolz, sondern es bis zur Gare unaufhörlich durchbrach und die
einzelnen Partieen erst zum Schluſs zu einer Luppe vereinigte.
Bemerkenswert war auch, daſs man 1797 einen Kupolofen (Schacht-
ofen) von 6 Fuſs Höhe erbaute, um darin eine Partie von 5000 Ctr.
unreinem Roheisen von der Lerbacher Hütte umzuschmelzen und da-
durch zu reinigen. Nachdem er diese Aufgabe erfüllt hatte, wurde
er 1799 wieder abgerissen und das Zerrennfeuer wieder eingerichtet.
Man machte mit diesem Kupolofen vielerlei Versuche, namentlich
auch das Roheisen so dünnflüssig zu erhalten, um es für Guſswaren
verwenden zu können. Damit hatte man aber keine guten Erfolge
und schlieſst Stünkel daraus, daſs dieses englische Verfahren
bei Holz und Holzkohlen nicht möglich sei. Das Zerrennfeuer
diente wie auf Königshütte zum Verschmelzen von Frischschlacken.
Das meiste Eisen der Sollinger Hütte ging in das Magazin nach
Bodenfeld.


[896]Der Harz.

Die Eisenhütte bei Holzminden war herzoglich braunschweigisch.
Hier waren 2 Frischfeuer, 1 Zainhammer, 1 Stahlfeuer, 1 Walz-
und Schneidwerk und 1 Blankschmiede. Letztere, welche Äxte,
Beile u. s. w. lieferte, war verpachtet. Der Hochofen war seit Anfang
der 70er Jahre wegen Mangel an Erzen auſser Betrieb. Das Roh-
eisen kam teils aus dem Waldeckischen, teils von den braun-
schweigischen Hütten Wilhelms- und Karlshütte. — Die Stabeisen-
produktion belief sich auf 1700 Ctr. im Jahre. Das Walz- und
Schneidwerk lieferte Nageleisen, aber nur 600 bis 900 Ctr., da nicht
mehr abgesetzt wurde. Dieses Quantum lieſs sich in wenigen Wochen
schneiden. — Das Stahlfeuer erhielt sein Roheisen von der Gittelder
Eisenhütte. Man setzte beim Stahlfrischen altes Schmiedeeisen
zu. Die herzoglich braunschweigische Karlshütte bei Delligsen
bestand aus 1 Hochofen, 1 kleinem Blauofen, 2 Frischhämmern und
1 Zainhammer. — Der Blauofen, den man nur wegen des Mangels
an Wasser statt eines gröſseren Ofens beibehielt, ging nur zeitweise.
Das Erz war Roteisenstein von Fuhregge mit 30 bis 38 Proz.
Eisengehalt. Es bedurfte viel Zuschlag. Man produzierte 140 bis 170 Ctr.
Roheisen und 50 Ctr. Stabeisen die Woche. Das gewonnene Wasch-
eisen wurde, wie auch zu Sollingen, mit verfrischt.


Die Wilhelmshütte bei Bockenem lag 2 Meilen von Gittelde
und hatte 1 Hochofen, 1 Frischfeuer und 1 Zainhammer. Die Erze
kamen teils von der Fuhregge, teils vom westlichen Harz, die Kohlen
von den herzoglichen Forsten bei Seesen. Der Hochofen gab wöchent-
lich 140 bis 170 Ctr. Roheisen, welches meist vergossen wurde. Un-
gefähr 1400 Ctr. Roheisen wurden jährlich von Gittelde bezogen,
woraus ein sehr hartes Stabeisen gefrischt wurde.


Die Einrichtung der Gebläse war gegen Ende des 18. Jahr-
hunderts bei den meisten Harzer Hütten dahin abgeändert worden,
daſs man sie dadurch verstärkt hatte, daſs man drei Bälge anwendete,
welche in einen Sammelkasten bliesen, aus dem der Wind durch eine
Düse in den Ofen geleitet wurde. Unter 10 Hochöfen im Oberharz
hatten 5 diese Einrichtung; bei 3 Öfen hatte man Kastengebläse
eingeführt.


Durch die besseren Gebläse gaben die Hochöfen 250 bis 300 Ctr.
Roheisen wöchentlich, gegen 150 bis 200 Ctr. vordem; dabei zeichneten
sich die Harzer Hochöfen durch sehr lange Campagnen aus.


[897]Sachsen.
Sachsen.

Im Kurfürstentum Sachsen war die Pirnaische Eisenkammer,
welche früher eine so groſse Bedeutung hatte, von Johann Georg III.
1686 aufgehoben worden, weil sie keinen genügenden Absatz mehr
hatte. Der Eisenhandel wurde freigegeben. Dagegen wurde auf
fremdes Eisen, schwedisches, harzer, schlesisches, böhmisches und
anderes, das in das Land ging, durch Verordnung vom 8. Mai 1705
ein Grenzzoll von 6 Gr. und 4 Gr. „Licent“ von jeder Wage 1) gelegt.
Nur das Graf Herzanische Eisen (später gräflich Rothenhahnsches
zu Kallich) war vom Licent befreit. Auch das inländische Eisen
muſste die Licentgebühr von 4 Gr. bezahlen, bis dieselbe 1778 auf
2 Gr. von der Wage ermäſsigt wurde. 1 Centner eiserne Öfen
zahlte an Licent und Grenzzoll 5 Gr., Nägel vom Thaler des Wertes
3 Gr. 4 Pfg., Draht, geringer, 6 Gr., mittlerer 8 Gr., guter 10 bis 12 Gr.,
das alles unbeschadet der Landaccise von 3 Pfg. vom Thaler des
Wertes und des Wasserzolles 2).


Swedenborg erwähnt 1734 Rennwerke bei Sangerhausen, einen
Hochofen bei Rothenthal und den Eisenhammer bei Johann-Georgen-
stadt. Folgende Eisenwerke, die alle Privaten gehörten, waren in
Kur-Sachsen, auſser den schon erwähnten Hennebergischen, um 1780
im Betriebe 3):


Der Auerhammer an der Mulde, im Besitz der Gebrüder Rein-
hold
, bestand aus 1 Hochofen, 2 Frisch- und Stabfeuern, 1 Zain-
hammer und 1 Schaufelfeuer.


Der Biedermannsche Hammer, Herrn von Elterlein gehörig,
hatte 1 Hochofen und 1 Stabfeuer.


Der Breitenhofer Hammer an dem Schwarzwasser, ebenfalls
Eigentum des Herrn von Elterlein, 1 Hochofen, 3 Frisch- und
Stabfeuer.


Der Karlsfelder Hammer an der Wilzsch, Besitzer Herr Hen-
nig
, hatte 1 Hochofen, 2 Frisch- und Stabfeuer, 2 Blechfeuer und
1 Zinnhaus und war eins der besten Hammerwerke im Erzgebirge.


Der Erlaer oder Kugelhammer an der Schwarza, den Gebrüdern
Reinhold gehörig, bestand aus 1 Hochofen, 2 Frisch- und Stab-
feuern und 1 Zainhammer.


Beck, Geschichte des Eisens. 57
[898]Sachsen.

Der Gieſshübler oder Zwietzler Hammer gehörte einer Gesell-
schaft. Er war 1775 von dem berühmten Metallurgen Cramer mit
groſsem Kostenaufwande angelegt worden und verschmiedete alte
Munition, aber ohne sonderlichen Nutzen.


Der Groſspöhler Hammer an der Böhla, Hans Heinrich von
Elterlein
gehörig, hatte 1 Hochofen, 1 Frisch- und Stabfeuer und
1 Zainhammer.


Der Kühnheydner oder Niederschmiedeberger Hammer,
Eigentum des Grafen zu Solms, bestand aus 1 Hochofen, 1 Stab-
feuer, 1 Blechfeuer und 1 Zinnhaus.


Der Löwenthalsche Hammer zu Mückenberg, Besitzer Graf
von Einsiedel, hatte 1 Hochofen, 1 Frisch- und Stabfeuer, 2 Stahl-,
1 Zain- und 1 Blechhammer, war ein vorzügliches, einträgliches
Werk.


Der Markersbacher Hammer, der Kammerhof genannt, gehörte
den Grafen von Redern und hatte 1 Hochofen, 2 Stahlhämmer „und
vortreffliche andere Privilegia“.


Der Muldenhammer an der Mulde, Herrn Weichsel gehörig,
bestand aus 1 Hochofen, 2 Frisch- und Stabfeuern, 1 Zinnhaus.


Der Neidhardsthal- oder Schwefelhüttenhammer an der
Mulde gehörte einem Herrn Hennig und hatte 1 Hochofen, 2 Frisch-
und Stabfeuer, 2 Blechfeuer und 1 Zinnhaus.


Der Obermitweydaer Hammer an der Mitweyda, den Gebrü-
dern Niezsche gehörig, umfasste 1 Hochofen, 2 Frisch- und Stab-
feuer, 1 Blechfeuer und 1 Zinnhaus.


Der Pfeilhammer am Pöhlwasser, im Besitz des Herrn von
Elterlein
, hatte 1 Hochofen, 2 Frisch- und Stabfeuer.


Der Rittersgrüner Hammer, den Herren von Elterlein und
Baumann gehörig, hatte 1 Hochofen, 2 Blechfeuer und 1 Zinnhaus.


Der Nitzische- oder Schlosserhammer bei Wiesenthal gehörte
dem Johann August Hänel und bestand aus 1 Hochofen, 2 Stab-
und Frischfeuern.


Der rote oder Schmiedeberger Hammer im Unterweisenthal,
im Besitz des Herrn Irmisch, hatte 1 Hochofen, 1 Frisch- und
Stabfeuer.


Der Schönheyder Hammer an der Mulde, Besitzer Johann
David Gau
, enthielt 1 Hochofen, 1 Frisch- und Stabfeuer, Blech-
hammer und Zinnhaus.


Das Solmsische Hammerwerk zu Baruth, Besitzer Graf
zu Solms und Tecklenburg, hatte 1 Hochofen, 1 Frisch- und
[899]Sachsen.
Stabfeuer, 2 Stab- und 1 Zainhammer, 1 Blechhammer, 1 Zinnhaus,
1 Eisendrahtmühle.


Tannenbergsthal, Herrn von Mangold zuständig, hatte
1 Hochofen, 2 Frisch- und Stabfeuer, 1 Zainhammer.


Der Thalheimer Hammer des Herrn von Elterlein, 1 Frisch-
und Stabfeuer und 1 Zainhammer.


Unterblauenthal an der Mulde, Herrn Hennig gehörig, hatte
1 Hochofen, 2 Stab- und Frischfeuer, 2 Blechfeuer.


Der Wolfgruner Hammer an der Mulde, Besitzer David
Rauhe
, vormals Goſsler, 1 Hochofen, 1 Frisch- und Stabfeuer, 1 Blech-
hammer, 1 Zinnhaus.


Der Wittigsthaler Hammer am Breitenbach, Herrn Hunger
gehörig, hatte 1 Hochofen, 1 Frisch- und Stabfeuer, 1 Blechhammer
und 1 Zinnhaus.


Der Wildenthaler Hammer an der Bucke, Besitzer Amtmann
Gottschalk, bestand aus 1 Hochofen, 1 Frisch- und Stabfeuer,
2 Blechhämmern und 1 Zinnhaus.


Der Zwetenthaler Hammer des Herrn von der Planitz hatte
1 Hochofen, 1 Frisch- und Stabfeuer, 1 Blechfeuer und 1 Zinnhaus.


Überhaupt gab es damals 40 Hammerwerke in Sachsen; vordem war
deren Zahl noch gröſser gewesen, und viele alte Werke standen öde.


Auf dem Erlahammer wurde Stahl gemacht. Bereits 1709 heiſst
es in einer Resolution Friedrich Augusts, „der in unserem Lande
nunmehro gefertigte Stahl sei gegen den fremden Steiermärkischen
und Tyrolischen um ein ziemliches wohlfeiler zu haben“. Das kur-
fürstliche Landes-Ökonomie-Kollegium hatte 1765 Prämien auf den
besten inländischen Stahl ausgesetzt. Dem Hammerwerksbesitzer
Reinhold zu Erla wurde „wegen des aus inländischem Eisen ge-
fertigten Stahls, welcher unter denen von verschiedenen Personen
eingereichten Proben vor den besten erkannt worden, der ausgesetzte
Preis von 150 Thalern gereicht“. Es war dies, wie es scheint, Cement-
stahl. In dem Leipziger Intelligenzblatt werden aus sächsischem
Eisen hergestellte Sensen, Sicheln und Futterklingen, dem besten
ausländischen an Güte gleich, angepriesen 1).


Von besonderem historischem Interesse waren die Eisenwerke zu
Baruth und Mückenberg. Von ersterem hat der Besitzer, Graf
Johann Christian zu Solms, eine interessante Beschreibung ge-
liefert (s. S. 350). Das Werk war 1749 seiner Mutter konzessioniert
57*
[900]Sachsen.
worden gegen nachbenannte kurfürstliche Gefälle: Receſsgeld, viertel-
jährlich 8 Thlr., Erbzins jährlich 21 Thlr., Pocherzins 4 Thlr. 9 Gr.,
von jedem Fuder Eisenstein à 5 Tonnen 1 Gr. Ladegeld, zum Zehnten
jedesmal das zehnte Fuder, und dieses alles zum Bergamte Glas-
hütten; ferner dem Bergmeister 1 Thlr. Quartal Fahrgeld und dem
Bergschreiber 6 Gr. Zur Ermunterung der Baulust wurden aber die
Eisenstein-Zehnten und Ladegelder auf 3 Jahre erlassen.


Die Hütte bei Mückenberg war das spätere berühmte Eisen-
werk Lauchhammer. Freifrau von Löwenthal erhielt dafür am
17. Juli 1725 die Konzession:


  • 1. einen Hochofen, 2 Stabhämmer, 1 Zerrennfeuer, 1 Zain- und
    Blechhammer, und zwar diesen letzten zu Stabeisen als auch
    zu Blechen zu gebrauchen, 1 Frischfeuer, 1 Zinnhaus, 1 Eisen-
    drahtmühle, 1 Stahlfabrik und 1 Eisenguſswerk, letzteres beides
    aber nur bis auf Widerruf und in dem Maſse, wie solches den
    Hämmern im Pirnaischen Revier, nach Anweisung des unterm
    28. Juli 1670 diesfalls publizierten Mandats konzediert, zu er-
    richten.
  • 2. Bei diesem Werke das Branntweinbrennen, Schlachten, den
    Handel mit Materialien, Viktualien, das Mahlen in einer zu
    erbauenden Mühle, samt schwarz und weiſs Backen, auch
    Mälzen und Brauen, gegen Erlegung der ordentlichen Steuern,
    jedoch nur für die Hammerbedienten, Arbeiter und Fuhrleute,
    und ohne die Arbeiter mit Eſs- und anderen Waren gesetz-
    widrig auszulohnen, zu betreiben.
  • 3. Den Gerichts- und Hammerzwang, jedoch dergestalt, daſs die
    der Bergfreiheit unterworfenen Gruben und Stollengebäude
    hierunter keineswegs zu verstehen, ungehindert zu exerzieren;
    und endlich
  • 4. den Stahl und alle andere gefertigte Waren, jedoch gegen Ab-
    stattung des gebräuchlichen Aufgeldes, Geleit und Accise, frei
    zu verhandeln, doch so, daſs sie
  • 1. durch die verstattete Drahtmühle und deren Umtrieb die kur-
    fürstliche, zu dem Vorwerk Lohmen gehörige, wie auch die
    Rosenthaler Drahtmühle, welche vornehmlich aufs Gebirge ge-
    wissermaſsen privilegiert wäre, nicht benachteilige.
  • 2. Die Trank- und Fleischsteuer von der Konsumtion auf dem
    Werke ins Amt Hayn, den Zehnten von den gewonnenen und
    geförderten Eisensteinen aber, nebst dem Ladegroschen, auch
    [901]Sachsen.
    Quartember- und Receſsgeldern von Eisensteingebäuden, ins
    Bergamt Glashütten entrichte, und endlich
  • 3. sich der Hammerordnung gemäſs bezeige.

„Zur Ermunterung der Baulust“ wurde übrigens von Zeit des
Eisenstein-Vermessens an auf sechs Jahre der Eisensteinzehnte, die Au-
und Ladegelder, samt anderen bei Hammerwerken üblichen Gebühren,
die gebräuchlichen Wagegelder aber so lange, als sie ihre eigenen
Hölzer auf ihrem Hammerwerk verbrauchen, gänzlich erlassen.


Das Rittergut Mückenberg 1), welches seit der Mitte des 15. Jahr-
hunderts bis zum Jahre 1716 der Familie von Schleinitz gehört
hatte, kam in diesem Jahre durch Kauf für 65000 Mariengulden und
Übernahme von 16480 Mariengulden Lehnsschulden an den Freiherrn
von Löwenthal, von dessen Familie es 1776 durch Erbschaft an
den Grafen von Einsiedel fiel. Auf diesem Gute lag die ehemalige
Laug- oder Lauchmühle, von dem wendischen Lug, Sumpf, denn 1725
herrschte hier noch die wendische Sprache. Hier wurde das Eisen-
werk angelegt, welches von der alten Lauchmühle den Namen Lauch-
hammer bekam. Die Gräfin Löwenthal, Benedikta Margarete,
geborene von Rantzau, hatte das Gut Mückenberg von ihrem Manne
erblich erkauft. Um den bedeutenden Mückenberger Waldungen
Absatz und ihren Unterthanen Verdienst zu verschaffen, und da man
Raseneisenstein in der Nähe fand, erbaute sie eine Eisenhütte, zu
welcher sie die oben angeführte kurfürstliche Konzession erhalten
hatte und welche zu einer Quelle des Reichtums für die ganze
Gegend geworden ist. Am 25. August 1725 wurde der neuerbaute
Hochofen angeblasen. Die erste Campagne dauerte vom 25. August
1725 bis in den Januar 1726, 20 Wochen. Verschmolzen wurden
3050 Dresdener Scheffel Eisenstein, 4164 Kübel Kohlen, 315 Ctr.
Kalkstein und hieraus 2771½ Ctr. 4 Pfd. Roheisen erzeugt. Die
Kosten beliefen sich in allem auf 1925 Rthlr. 4 Gr. 8 Pfg. einschlieſs-
lich des Hochofengestelles u. s. w., so daſs der Centner Roheisen auf
16 Gr. 8 Pfg. zu stehen kam.


Zum Gieſsen wurde Georg Öser angenommen und schon in der
ersten Campagne Bedürfnisse für den Ober- und Mittelhammerbau
gegossen. Bei der zweiten Campagne, die vom 14. September 1726
bis 22. Februar 1727, also 23 Wochen dauerte und wobei 1816 Ctr.
10 Pfd. Eisen produziert wurden, fertigte gedachter Öser schon
[902]Sachsen.
173 Stück Ofentöpfe, 7 Kessel, 16 Kolbenröhren, 40 Knieröhren,
1 Krummzapfen, 6 Mörser, 3 Laugentöpfe, alles in Lehm; 6 Mörser
in Schalen; 2 Hammerzapfen, 104 Plattenöfen, 77 Kaminplatten in
Sand. In Dresden fanden bald — 1729 — Mückenberger holzsparende,
leicht heizende Öfen Eingang. Dagegen stieſs man beim Verfrischen
des Roheisens in den ersten sieben Jahren auf Schwierigkeiten. 1733
wurden aber bereits auf vier Hämmern 2238¼ Ctr. Stab-, Zeug-
und Zaineisen geschmiedet. Aus 8 Ctr. Roheisen erhielt man 5 Ctr.
Stabeisen. — In den ersten 51 Jahren wurden durchschnittlich in
der Schmelzwoche 184¾ Ctr. Eisen produziert. 10 Dresdener Scheffel
Eisenstein gaben 11⅛ Ctr. Eisen und brauchten 1 9/10 Ctr. Kalk
exkl. Frischschlacke und 13 2/9 Kübel Kohlen. Zu 10 Ctr. Eisen
brauchte man also 11 9/10 Kübel Kohlen. Die Gesamtproduktion in
dieser ersten — Löwenthalschen — Periode hatte betragen
209011 Ctr. Guſseisen und 92718½ Ctr. Schmiedeeisen bei einem
Aufwand von 122325 Klafter Scheitholz.


Hatte sich das Eisenwerk zu Mückenberg unter der freiherrlich
Löwenthalschen Verwaltung bereits einer befriedigenden Rentabilität
zu erfreuen gehabt, so entwickelte es sich unter gräflich Einsiedelscher
Verwaltung zu hoher Blüte. Der thätige sächsische Konferenzminister,
Detlev Karl Graf zu Einsiedel, gelangte 1776 in den Besitz von
Lauchhammer. Sein hoher Geist und sein staats- und geschäfts-
männischer Blick hatten ihn zu der Überzeugung geführt, daſs dem
durch den siebenjährigen Krieg zerrütteten Sachsen nur durch Be-
lebung der Industrie zu helfen sei. Graf Einsiedel suchte deshalb
auf jede Weise diese zu fördern. Unter anderem lieſs er die erste
Dampfmaschine in Sachsen erbauen, bemühte sich um die Anwendung der
Steinkohle u. s. w. Er suchte das Eisenwerk Lauchhammer in jeder
Weise, besonders auch in wissenschaftlicher Richtung, zu heben. Zu
diesem Zweck berief er den erfahrenen kurfürstlich sächsischen Berg-
meister Gläser, der die Erzgebirgischen, Voigtländischen, Suhler und
Saal-Hämmer kannte, lieſs durch diesen die Erze zuerst genau auf ihren
Eisengehalt probieren, lieſs Schmelzversuche anstellen, sowie Versuche
mit dem Verwaschen der Erze, der Verkohlung, der Zustellung des
Ofens u. s. w. machen.


Die Dünnflüssigkeit des Mückenberger Eisens, welche solches zu
schwächerem als bisher üblichem Gusse, zum Abdruck auch von
scharfen und feinen Formen fähig machte, die Liebe für den Eisenguſs,
dessen Beförderer er war, der Wunsch, die vergessene Kunst der alten
Meister der Gieſskunst wieder aufleben zu lassen, leitete den Grafen
[903]Sachsen.
zu Versuchen, sowohl leichte Kochgefäſse und andere nützliche Gerät-
schaften modellieren, formen und gieſsen zu lassen, als auch mit
Hülfe geschickter Künstler Formen nach klassischen Bildwerken des
Altertums herzustellen und deren Abguſs in Eisen aus dem Ganzen
zu unternehmen, weil dergleichen Kunstwerke aus Guſs nicht so der
Zerstörung unterworfen sind, wie solche aus Gyps oder Stein. Das
Gelingen dieser Bestrebungen trotz aller Kosten und Schwierigkeiten
ist sein Verdienst. Er errang damit die gröſste Anerkennung. Die
Eisengieſserei zu Lauchhammer wurde rasch überall bekannt und
wurde zum Muster für alle Kunstgieſsereien. Der Minister, Graf
Einsiedel, that auch viel für Fortbildungsschulen und für die
Heranziehung tüchtiger Arbeiter und Meister. Er war ebenso sehr
bestrebt, die Anwendung des Guſseisens auf immer mehr Artikel
auszudehnen, als er sich für den Absatz derselben bemühte. Einer
der wichtigsten dieser Artikel waren leichte guſseiserne Wasserröhren,
wie sie in England gebräuchlich waren, die aber in Deutschland
erst durch die Mückenberger Gieſserei eingeführt wurden.


Graf Einsiedel führte viele Bauten und Verbesserungen zu Lauch-
hammer aus. 1780 begann er mit der Anlegung einer Kunstsammlung
der besten Antiken, Basreliefs, Köpfe, Büsten, Statuen und Gruppen,
die er mit groſsen Kosten in Italien u. s. w. abformen lieſs. 1781
nahm er den Bildhauer Wiskotjil in seine Dienste, der die ersten
Versuche machte, Formen für den Kunstguſs in Eisen herzustellen.
1782 wurde ein chemisches Laboratorium zum Probieren der Eisen-
steine erbaut. Die Versuche, groſse Figuren in Formen von Gyps zu
gieſsen, miſslangen.


Nach fortgesetzten Versuchen gelang es endlich 1784, nach einer
von den Bildhauern Wiskotjil und Mättensberger nach der Antike
in Wachs ausgegossenen und poussierten Statue einer Bachantin von den
Gieſsern Klausch und Gottfried Gäthling eine Form in Lehm und
einen wohlgelungenen Abguſs davon herstellen zu lassen. So kam die
Erfindung des Kunstgusses in Eisen zu stande. Es wurden, was bisher
noch keiner Eisengieſserei gelungen war, selbst die gröſsten Statuen und
Gruppen aus dem Ganzen gegossen, und kamen rein aus der Form.


1785 wurden nach der Anfertigung mehrerer Modelle die ersten
Ofentöpfe, Mörser, Wasserröhren und schwache Kasserole in Kasten
gegossen und zu der jetzt so bedeutenden Kastengieſserei der Grund
gelegt. Auch wurden schon die ersten Versuche mit dem Emaillieren
eiserner Geschirre gemacht. 1786 wurde die Kastenformerei erweitert
und Statuen von Apollo und Venus in Kunstguſs hergestellt.


[904]Sachsen.

1789 wurden die ersten Kochtöpfe in Sand gegossen und email-
liert. In diesem Jahre erbaute man den neuen 30 Fuſs hohen
Hochofen.


1790 machte der Hüttenverwalter Versuche, Gestell und Rast
des Hochofens aus einer aus gepochten Kieselsteinen und Thon her-
gestellten Masse zu stampfen und 1791 wurde der ganze Hochofen
mit dem neu erfundenen Massengestell zugestellt.


1795 wurde ein Wasser-Cylindergebläse erbaut.


1795 lieſs Graf Einsiedel den ersten Puddelofen in Deutsch-
land erbauen und unter Mitwirkung von Professor Lampadius Ver-
suche, mit Holz und Kohlen zu puddeln, anstellen. Letztgenannter
hat dieselben beschrieben. Gegen Ende des Jahrhunderts machte man
auch Schlackenziegel aus Hochofenschlacke. 1801 wurden die ersten
Schrotmühlwalzen nach englischem Muster zum Verkauf fertig gemacht.
1802 wurde Oberbergrat Bückling eine Dampfmaschine in Auftrag
gegeben. Die Produktion war von 3382 Ctr. im Jahre 1778 auf
10729 Ctr. im Jahre 1804 gestiegen.


Lampadius hat in seinem Handbuch der allgemeinen Hütten-
kunde, Teil II, Band 4, S. 296 eine ausführliche Beschreibung des
Hüttenwerkes zu Lauchhammer mitgeteilt, auf welche wir verweisen.


Die Erze, welche verschmolzen wurden, waren ausschlieſslich
Raseneisensteine von 34 bis 44 Proz. Roheisengehalt. Zu 60 Karren
Eisenstein setzte man 5 bis 7 Karren Kalkstein. Der gewöhnliche
Satz war 14 bis 15 Kästchen Beschickung zu 40 Pfund Eisenstein
auf 2 Kübel (= 41 Kubikfuſs oder etwa 3 Ctr.) Kohlen. Bei
gutem Gang gingen 15 bis 18 Gichten in 24 Stunden nieder. In
dieser Zeit wurden 3 Hauptschöpfen gemacht und auſserdem bei dem
Schlackenabziehen kleine Portionen für kleine Guſswaren entnommen.
Das Frischroheisen lieſs man in Platten laufen. Die Erzeugung
betrug etwas über 200 Ctr. wöchentlich. Eine Hüttenreise dauerte
30 bis 50 Wochen. Das Frischen hatte Schwierigkeiten und wendete
man das Anlaufverfahren an. Der Frischherd war 2 Fuſs 9 Zoll lang,
3 Fuſs breit und 9½ Zoll tief. Die Form lag 9 Zoll vom Hinter-
zacken und hatte 5 Grad Fall. Bei dem Frischen muſste man
beachten a) einen langsamen Gebläsewechsel während des ersten Ein-
schmelzens; b) eine gleichförmig fortdauernde Abkühlung des Frisch-
bodens mittels darunter geleiteten Wassers; c) einen mäſsigen Zu-
schlag von Kalk während des Garmachens, aber nicht während des
Anlaufens; man rechnete 5 bis 8 Pfund Kalk auf den Centner Eisen;
d) ein sorgfältiges und oft zu wiederholendes Aufbrechen. — Man
[905]Preuſsen.
schmolz langsam ein und lieſs das Gebläse so lange auf das geschmolzene
Eisen wirken, bis das Ausschmieden der Teile vom vorigen Frischen
beendet war, was etwa eine Stunde dauerte. Dann wurde das Ge-
bläse abgeschützt, die Kohlen weggeräumt und das flüssige Eisen
dadurch zum Erstarren gebracht, die Schlacken abgehoben und einige
Hammerbrocken und Garschlacken auf den Eisenklumpen geworfen.
Hierauf wurde der Herd wieder mit frischen Kohlen gefüllt und
das Gebläse stark angelassen. Das Eisen kam in Fluſs, blieb aber
muſsiger als zuvor. Nach ¾ Stunden konnte man das Eisen mit
der Brechstange etwas drehen und wenden. Nach 2½ Stunden
erfolgte das erste Aufbrechen, dabei wurde der Eisenklumpen mög-
lichst zerkleinert und die Stücke dem Gebläse gegenüber aufgehäuft.
Nach ¾ Stunden folgte das zweite Aufbrechen unter Zusatz von
Kalk. Dann kam das Garaufbrechen bei stärkerem Winde und Kalk-
zusatz. Hierbei legte der Frischer den Anlaufstab ein und schmiedete
das Eisen in Kolben aus. Die zurückbleibende Luppe (Teil) wurde
ausgebrochen und unter dem Hammer in zwei Hälften geschroten.
Die ganze Arbeit dauerte 9 bis 10 Stunden. Das wöchentliche Aus-
bringen betrug 75 bis 100 Wag (1500 bis 2000 kg).


Über die historisch wichtigen Puddelversuche zu Lauchhammer 1)
haben wir bereits das Wichtigste mitgeteilt (s. S. 699). Zum Schluſs
erwähnen wir noch einer Hausindustrie, welche anfangs des Jahr-
hunderts im sächsischen Erzgebirge aufkam. 1710 vereinigten sich zwei
Arbeiter zu Bayersfeld zur Anfertigung von Löffeln aus Schwarzblech,
die sie einfach aus Blech ausschnitten und mit dem Hammer aus-
trieben, was so groſsen Beifall fand, daſs sich daraus der umfassende
Gewerbszweig der Löffelschmiede in Sachsen entwickelte.


Preuſsen.

Die preuſsischen Könige suchten stets die Eisenindustrie in
ihren Staaten zu fördern; sie unterstützten die Gründung neuer
Eisenwerke, die sie durch Einfuhrverbote fremden Eisens zu schützen
suchten. Seit Anfang des Jahrhunderts waren die Provinzen Pommern,
Neumark und Kurmark mit schwedischem, Magdeburg und Halberstadt
mit Harzer Eisen überschwemmt zum Nachteil der inländischen Werke.


[906]Preuſsen.

Friedrich I. erlieſs ein „Edikt wegen verbotenen fremden Eisens“
am 12. Mai 1703, nachdem er bereits am 5. Juli 1699 die Ausfuhr
von Bruch- und altem Eisen verboten hatte mit dem Zusatz: „Soll
unserem Blechhammer zu Hegermühle, welchen Moyse Aureihlion
gepachtet hat, zu gut kommen.“


Aureihlion war schon vorher wegen Anlage einer Eisenspalterei
bei Neustadt-Eberswalde vorstellig geworden und hatte 1698 die
Konzession erhalten. 1700 kam die Eisenspalterei und 1702 der
Drahtzug zu stande. Aureihlion gab die Kosten der Anlage auf
1200 Thlr. an. 1719 trat er sie an den Staat ab, der sie wieder
verpachtete, unter anderem an Spittgerber und Daun von 1731
bis 1749.


Ebenfalls in Brandenburg und zwar im Kreise Neu-Ruppin
lag die Eisenhütte zu Neustadt an der Dosse, welche Landgraf
Friedrich von Hessen-Homburg gemeinschaftlich mit dem
Groſsen Kurfürsten besessen hatte. Seit 1698 gehörte sie dem Kur-
fürsten allein. Es wurden dort 1700 viele Guſswaren angefertigt, näm-
lich auſser Munition, Mörsern u. s. w. Öfen, Blumentöpfe, Schleusenrollen,
Glocken, Hutmacherkessel, Pottaschenpfannen, Töpfe, Mörser u. s. w.
in Lehm geformt; sodann von Sandguſs: Gewichte, Kapellen, Platten,
Ofenbalken, Pochsohlen, Pochstempel, Ofenfüſse, Rosteisen, Ofen-
blätter, Kaminplatten, Ambosse, Hammerbüchsen, Schmiedeformen,
Preſseisen, Wellen u. s. w. 1). 1770 ging das Hüttenwerk an die
Magdeburger Gewerkschaft für Erz- und Steinkohlenbergbau in Erb-
pacht über. Das derselben jährlich aus den königl. Forsten zu lie-
fernde Holz wurde auf 1000 Klafter limitiert. Was sie mehr bezog,
sollte sie mit 4 Gr. für den Klafter vergüten. 1778 übernahm der
Staat die Hütte.


Am 20. Juli 1717 erteilte der König dem General Derfflinger
und Herrn v. Krummenau die Konzession zur Anlage eines Eisen-
hammers bei Freienwalde.


An der Grenze des Kreises Sorau, besonders an der Tschima,
waren viele Luppenfeuer. Es wurde nur der leichtschmelzige Rasen-
eisenstein (Lindstein) abgebaut, während der schwerschmelzige rauhe
Stein (Raudenstein) zurückblieb. Sobald der Lindstein abgebaut war,
gingen die Luppenfeuer ein. Doch blieben solche sowohl hier wie
im Sprottauischen das ganze 18. Jahrhundert hindurch im Betriebe.


1721 wird zuerst ein Hochofen bei Crebra erwähnt. Das Eisen-
[907]Preuſsen.
werk zu Schnellfortel wurde im dritten Jahrzehnt angelegt, um das
Holz der Stadt Görlitz besser zu verwerten. Das Eisenwerk bei
Tschirndorf gehörte der Familie Kulhasse. Es hatte auch nur
Luppenfeuer, bis 1764 der erste Hochofen erbaut wurde.


Der Teuplitzer und der Neiſs-Hammer, ebenfalls im Sorauer Kreise,
wurden 1748 von Graf Brühl vereinigt, der dort einen Hochofen
anlegte. Es war dies wohl der Hochofen von Pförthen, für welchen
der Kurfürst von Sachsen seinem Premierminister durch die Kon-
zession vom 29. August 1749 so auſserordentliche Vergünstigungen
einräumte 1). Er sollte angesehen werden, wie wenn er im Kur-
fürstentum Sachsen selbst läge, cum jure praehibendi, daſs binnen
20 Jahren kein anderer Hochofen im Markgrafentum erbaut werden
solle. Das Eisen sollte frei eingehen und nicht nur von Grenzzöllen,
sondern auch von allen Licenten und Landaccisen auf 20 Jahre
befreit sein. Das Werk hatte Frischfeuer, Stab-, Zain- und Blech-
hammer, und Graf Brühl rühmte sich, „die Ehre zu haben, die ein-
zige Eisenfabrique im Markgrafthum Niederlausitz zu pflegen“, welche
bis zu dem Einfuhrverbot von 1764 selbst die Niederlagen von Berlin
und Potsdam versorgte.


In der Oberlausitz wurden dagegen mehrere Eisenwerke betrieben,
darunter Werau, durch den Vater des berühmten Mineralogen Werner,
und Burghammer, welches dem Grafen Einsiedel gehörte.


Im Kreise Lübben bestand der uralte Eisenhammer zu Schlep-
zig
noch im Jahre 1757.


Von hervorragender Wichtigkeit war das Eisenwerk zu Peitz
im Kreise Cottbus, welches Ende des 17. Jahrhunderts verpachtet
worden war. Das Werk wurde von 1752 an auf Befehl Friedrichs II.
in Regie übernommen, um Kugeln und Bomben „zu eben dem Preis wie
in Zehdenick“ zu gieſsen. 1753 wurde statt des Hochofens ein Blauofen
angelegt von dem Schwarzburgischen Blauofenmeister Pfeifer; der-
selbe hatte aber schlechte Resultate. 1755 wurde die Hütte wieder
verpachtet. 1774 lieferte Peitz an 2000 Centner Munition und an
4000 Centner Stabeisen. Am 14. Juni 1778 übernahm die königl.
Bergwerks- und Hütten-Administration in Berlin das Werk für eigene
Rechnung. 1785 beschloſs man, den Hochofenbetrieb durch An-
schaffung eines englischen Cylindergebläses nach Angaben des Berg-
kommissarius Eversmann zu verbessern, doch war es nicht möglich,
im Inlande einen sorgfältig abgedrehten Cylinder zu beschaffen und
[908]Preuſsen.
von dem kostspieligen Ankauf in England sollte abgesehen werden.
Dafür wurde nach Angabe des Freiherrn von Heinitz ein dritter
Balg angelegt und die Bälge mit einem Wasserregulator verbunden.
Die Anlage kam 1788 in Gang. Auch blies man eine zeitlang mit
2 Formen, kehrte aber dann wieder zu einer Form zurück.


Wie energisch Friedrich der Groſse die Vermehrung der
Eisenindustrie in Brandenburg betrieb, ersieht man auch daraus,
daſs er am 24. September 1742 durch Kabinetsordre die Anlage von
2 Hochöfen bei Alten-Schadow verfügte. Die Ausführung ging
aber nicht so rasch, denn erst 1753 wurde der erste Ofen, der auf
fiskalische Rechnung betrieben wurde, angeblasen. von Justi hat
bei dieser Gründung mitgewirkt 1). 1755 wurde das Werk verpachtet;
1765 der Hochofenbetrieb eingestellt und die Hütte zu einer Schneide-
mühle eingerichtet. 1775 und 1778 wurde das Werk subhastiert, fand
aber keinen Käufer. Der Staat, der es übernehmen muſste, machte
Wohnungen daraus.


Den Eisenhammer zu Kutzdorf, Kreis Königsberg, hatte Ge-
heimrat Zinnow zugleich mit dem Werke zu Vietz im Auftrage des
Königs angelegt, hauptsächlich um Eisen für den Kriegsbedarf zu
beschaffen. Er bestand aus 4 Stabhämmern und einem Zainhammer
und war ursprünglich verpachtet. 1766 übernahm der Staat das
Werk in eigene Regie; 1770 ging es an die Haupt-Bergwerks- und
Hüttenkasse über. 1774 lieferte Kutzdorf jährlich an 4000 Ctr.
Stabeisen.


Das wichtige Hüttenwerk zu Zehdenik an der Havel im Kreise
Templin 2) wurde 1700 an Jaques Julien verpachtet, der aber 1704
starb; 1704 bis 1708 wurde es vom Staat betrieben. 1704 hatte das
Werk die Lieferung der eisernen Röhren für die Wasserkunst in
Oranienburg übernommen; von 1708 bis 1718 war es wieder ver-
pachtet. Nach dem Vertrage vom 1. Oktober 1718 erhielt der Pächter
1000 Thaler Herstellungskosten für das sehr schadhafte Werk. Er
erhielt die Befugnis, nach seinem Gefallen allerlei Guſswerk, als
Kugeln, Bomben, Granaten, Platten, Grapen, Glocken, Röhren u. s. w.
gieſsen, verfertigen und in wie auſserhalb des Landes ohne Entrich-
tung von Abgaben verkaufen und verschiffen zu dürfen. Für den
Hochofen erhielt er 1200 Fuder oder Kasten Eisenstein zugewiesen;
ein Kasten melierter Eisenstein wog 10 Ctr. 50 Pfd., und wurden
[909]Preuſsen.
daraus 2 Ctr. 45 Pfd. Eisen bei einem Kohlenverbrauch von 27
bis 28 Scheffel gewonnen. Der Eisenstein sollte ihm aller Orten,
wo immer derselbe zu entnehmen, frei verabfolgt werden. An Bau-
holz wurden ihm ein- für allemal dargereicht: 30 Bäume zu Säge-
blöcken und 12 Stück starkes Bauholz ohne Bezahlung, auſserdem
400 Klafter Kienholz, das Klafter zu 3 Gr.; Erlen- und Birkenholz,
das Klafter zu 6 Gr., und als Stammgeld 3 Gr. auf den Thaler zur
Köhlerei. An Hüttenaccidentien hatte er wöchentlich 16 Gr., für die
Nutzung des Hochofens 1400 Thaler jährlichen Pacht zu entrichten.
Die Generalkriegskasse für die königl. Artillerie zahlte ihm in Monats-
raten jährlich 2000 Thaler Vorschuſsgelder, zu deren Erstattung er
jährlich an die königl. Artillerie die entsprechende Menge Ammunition
nach einer festgesetzten Taxe frei bis zur Havel in Zehdenik, wo die
Verladung zu Wasser erfolgte, zu liefern hatte. Die Taxe betrug
für 1 Ctr. Handgranaten 2 Thlr. 16 Gr., Bomben 1 Thlr. 18 Gr.,
Kartätschenkugeln 1 Thlr. 18 Gr., Stückkugeln 1 Thlr. 8 Gr.


Mit diesem Vertrage machte der Pächter schlechte Geschäfte, und
muſste die Hütte am 7. September 1713 anderweit verpachtet und
der Pachtzins heruntergesetzt werden. Auch hier waren Arbeiter-
wohnhäuser, sogen. „Schwedenhäuser“, erbaut und an die Arbeiter
verpachtet worden. 1762 wurde der Pacht für dieselben auf 300 Thlr.
ermäſsigt.


1751 bestand das Hüttenwerk zu Zehdenik aus dem Gieſs- und
Schmelzwerk und dem Eisenhammer. Der Munitionsguſs erfuhr groſse
Verbesserungen durch den General Holzendorff, der in Frankreich
das Gieſsen von Kugeln nach Messingmodellen in Sand an stelle der
langsamen Lehmformerei kennen gelernt hatte. 1774 lieferte es
jährlich etwa 3500 Ctr. Munition. In diesem Jahre wurde die
Hütte in fiskalische Bewirtschaftung übernommen. 1800 wurde hier
ein Kupolofen angelegt und zwar von dem Hütteninspektor Brauns,
der 1789 mit Graf von Reden in England zur Information wegen
Einführung von Wind- und Kupolofenbetrieb in der königl. Eisen-
gieſserei zu Berlin gewesen war.


Der Pleiskehammer im Kreise Crossen gehörte 1772 einem
Herrn von Rothenburg, denn in diesem Jahre richtete derselbe
ein Gesuch an den König, hier an stelle der alten Luppenfeuer
einen Blauofen erbauen und das fabrizierte Eisen nach Polen und
Sachsen verkaufen zu dürfen. Das Gesuch wurde am 5. August
gewährt, doch kam es nicht zum Bau. 1778 übernahm der Staat
das Werk.


[910]Preuſsen.

Vietz in der Neumark hatte 1774 zwei Hochöfen, welche ihren
Eisenstein von Schadow mit 2 Thlr. 18 Gr. Transportkosten für
das Fuder bezogen. Von dieser Hütte erhielten die Hammer-
werke Zanshausen, Zansthal und Kutzdorf in der Neumark das Roh-
eisen. 1765 fand der König, daſs für Blech und Stahl zu viel Geld
auſser Land ging. Es sollten deshalb groſse Werke hierfür an der
Zanze angelegt werden, wofür der König 180000 Thlr. bewilligte.
Mit der Ausführung wurde der fast blinde v. Justi betraut, der aber
der Aufgabe nicht gewachsen war und hier ein trauriges Ende nahm.


Die beiden Hammerwerke Zanshausen und Zansthal, bei
welchen Blechwerke waren, lieferten 1774 an 2500 Ctr. Stabeisen.
Die Werke waren königlich, rentierten aber schlecht.


Das Hüttenwerk Gottow, 1752 gegründet, bestand 1776 aus
einem Hochofen und 2 Hämmern.


Die Hütte zu Crossen erhielt ihren Eisenstein aus Schlesien
hinter Breslau her; das Fuder kostete 4 Thlr. 12 Gr., der Centner
Roheisen 1 Thlr. 22 Gr. 1).


Die Drahtzieherei zu Hohenfinow bei Oderberg lieferte einen
ziemlich geschmeidigen Draht, doch machte man nicht alle Sorten.
Stricknadeldraht wurde viel abgesetzt. Der Centner kostete 11 bis
18 Thlr. und wurde in Ringen von 5 bis 10 Pfd. gebunden. Ferner
zog man Draht für Horden und Malzdarren. Feinere Sorten kosteten
6 bis 12 Gr. das Pfund.


Über die königliche Gewehrfabrik zu Spandau und Pots-
dam
berichten wir noch, daſs zu Spandau die Läufe zu den Schieſs-
gewehren für die ganze preuſsische Infanterie und Kavallerie ge-
schmiedet, gebohrt und aus dem Groben geschliffen wurden; nachdem
wurden sie zu Potsdam poliert, geschäftet, garniert, mit Schlössern
versehen und völlig fertig gemacht. Jede Woche konnte sie so viel
Flinten liefern, als für ein ganzes Bataillon erforderlich waren.
Ebenso war eine Klingen- und Bajonettschmiede zu Spandau; 1750
wurde daselbst auch noch eine besondere Küraſsschmiede angelegt.


In Pommern erlangte das Hütten- und Hammerwerk zu Tor-
gelow
besondere Bedeutung, welches 1758 neu angelegt worden war.
Es war auf die Sumpferze der Umgebung des Haffs begründet. Der
Hochofen war 30 Fuſs hoch, nach schwedischer Art gebaut.


Durch Schutzzölle und durch Verordnungen suchte die preuſsische
Regierung die Eisenindustrie des Landes zu fördern. 1735 wurden
[911]Preuſsen.
die General-Privilegia und Güldenbriefe vieler Eisengewerke neu publi-
ziert 1), so die der Schlosser, Sporer, Büchsen-, Uhr- und Windenmacher,
der Nadler, der Eisenhändler, der Feilenhauer, der Nagelschmiede,
Schwertfeger und Messerschmiede.


Friedrich der Groſse wendete von Anfang an der Eisen-
industrie seines Landes das gröſste Interesse zu, wozu seine kriege-
rischen Unternehmungen die erste Veranlassung gaben. Neustadt-
Eberswalde lag ihm besonders am Herzen, hier wollte er einen
Haupteisenindustrieplatz schaffen. Zu diesem Zwecke gründete er
1743 die Ruhlaer Kolonie oder die Stahlfabrik, indem er 200 Messer-
und Scherenschmiede von Ruhla in seine Dienste nahm, sie mit
ihren Familien zur Auswanderung bewog und in Neustadt-Eberswalde
unter günstigen Bedingungen ansiedelte. Nach von Justis Angaben
sollen im ganzen 500 Personen zur Auswanderung von Ruhla bewogen
worden sein. Anfangs wurden nur Messer und Scheren, später
allerhand Waren, Feilen, Bohrer, Lichtputzen, Vorhängeschlösser u. s. w.
in Neustadt gemacht. Wesentlich zum Schutz dieser Industrie wurde
1751 ein Edikt erlassen, welches alle fremden Eisen- und Stahlwaren
im Lande verbot. Es entsprach dies den handelspolitischen Grund-
sätzen jener Zeit, wonach man die Einfuhr von Waren, die im eigenen
Lande erzeugt wurden, verbot, hohe Eingangszölle auf solche legte,
die nicht im Lande erzeugt wurden, aber eingeführt werden muſsten,
und die Ausfuhr von Rohstoffen, welche die einheimischen Gewerbe
verwendeten, ebenfalls verbot.


1753 wurde die Eisenhütte an Splittgerber-Daun verpachtet
1754 bis 1755 wurde ein Blau- und Stahlofen für königl. Rechnung
dort angelegt. Das Eisenwerk stand in engster Beziehung zu der
Gewehrfabrik bei Spandau und Potsdam. Diese Fabrik war 1722
von dem Bankier Daun und zwar teils auf dem Plan zu Spandau
unter den Kanonen der Festung, teils zu Potsdam angelegt worden.
Die ersten Arbeiter kamen meistenteils aus Lüttich. Friedrich
der Groſse
lieſs aber auch Gewehrmacher aus Sachsen kommen.
Zu dem Neustadt-Eberswalder Eisenhammer gehörte 1 Platinen-
hammer, nämlich 1 Schwanzhammer, um aus schwedischem Scha-
bloneneisen Platinen für die Gewehrfabrik in Potsdam zu schmieden 2);
1 Zainhammer, ½ Ctr. schwer, der nur darin abweichend war,
daſs auf seiner Bahn ein langes, schmales Stück vorstand; er diente
[912]Preuſsen.
für die Messerfabrik, um Krauseisen für Messer, Scheren u. s. w. zu
schmieden. Der Blauofen war 16 Fuſs hoch. Er war angelegt, um
die Bohrspäne der Gewehrfabrik zu Potsdam wieder zu gute zu
machen. Man schmolz darin die Späne zu einer Luppe ein, die
man direkt unter den dabeistehenden Prellhammer brachte. In der
groſsen Werkstätte befand sich die Frischesse und ein Prellhammer,
d. h. ein Aufwerfhammer, der 2 Ctr. wog und wie der Platinen-
hammer eine cylindrische Bahn hatte. Der längliche, viereckige
Amboſs saſs in einer eisernen Chabotte, welche ein starker Amboſs-
stock umgab.


Aus den Luppen des Blauofens schmiedete man, nachdem man
sie zerteilt hatte, Stäbe, ferner Platten zu Kürassen, und zwar machte
man die Luppen so groſs, daſs eine 4 Kürasse gab. Endlich schmie-
dete man auch groſse Ambosse und Hämmer aus den Luppen. Die
Hammerschmiede dieses Handwerks hatte man ursprünglich aus dem
Herzogtum Gotha und Eisenach kommen lassen.


1756 wurde der Drahtzug zu Sophienhaus gebaut; 1763 wurde
die Stahlschmiede Karlswerk errichtet, aus der nachher eine Draht-
hütte entstand.


Am 27. April 1751 wurde ein „ausführliches Avertissement und
Taxe der Stahl-, Eisen- und Messingwaren, so zu Neustadt-Ebers-
walde verfertigt werden, nebst Verbot, dergleichen fremde Waren zu
verkaufen“, veröffentlicht. Diesem folgte am 5. Juli desselben Jahres
ein Mandat, daſs auſser den Neustadt-Eberswalder Stahl-, Eisen- und
Messingwaren keine dergleichen schlechte fremde Messer und Scheren
in die königl. Lande weiter vorgelassen werden sollten.


Am 29. Juni 1755 gelangte ein Reskript an die Kurmärkische,
Königsbergische, Gumbinnische, Pommern-Neumärkische Kammer, das
Verbot der ausländischen eisernen Guſswaren betreffend. Am 2. Fe-
bruar 1756 folgte ein „General-Avertissement, daſs in der Kurmark der-
gleichen Stahl- und fremde Eisenwaren, als in der königlichen Fabrique
zu Neustadt-Eberswalde nach der angefügten Specifikation gefertigt
werden, verboten sein und nicht umhergetragen und zum Kauf gestellt
werden sollen.“ Die angefügte Spezifikation enthielt 31 Nummern.


Am 5. Februar 1760 wurde eine Ordre vom 5. März 1753 wieder-
holt, wonach keine Hirschgeweihe auſser Land geführt werden, sondern
an die Eberswaldische Stahl- und Eisenwarenfabrik zur Anfertigung
der Messerhefte abgeliefert werden sollten. Über die weitere Ge-
schichte der Eisenwerke zu Neustadt-Eberswalde werden wir später
noch berichten.


[913]Preuſsen.

Waren die erwähnten Verordnungen nur Schutzmaſsregeln, um
die bestehende Industrie in den schweren Kriegszeiten zu schützen
und zu erhalten, waren die Bauten zu Vietz, Kutzdorf, Torgelow,
Schadow und Gottow nach dem Schlesischen Kriege mehr durch die
Not bedingt worden, so kam erst nach glücklicher Beendigung des
Siebenjährigen Krieges ein frischer Hauch in die industrielle Ent-
wickelung des Landes, besonders in die des preuſsischen Berg- und
Hüttenwesens. Erst nach Friedensschluſs kam der König in die Lage,
seine landesväterliche Fürsorge auch dem in schwerem Kampfe
errungenen Schlesien zuzuwenden.


Wie sehr König Friedrich es verstanden hat, in kurzer Zeit
nicht nur die Wunden des Krieges zu heilen, sondern die Hülfs-
quellen seines Landes zu segensreicher, ungeahnter Thätigkeit zu
entwickeln, ist zu bekannt, um weiterer Nachweise zu bedürfen. In
dem Berg- und Hüttenwesen erkannte er die wichtigste Industrie
seines Landes und wendete ihr die gröſste Sorgfalt zu. Ein neuer
Geist war auf dem Gebiete des Eisenhüttenwesens erwacht. Die
Konkurrenz beschränkte sich nicht mehr auf die nächsten Nachbar-
länder. Die gesteigerte Eisenproduktion Schwedens und seine
groſsartige Ausfuhr, die groſsen Umwälzungen in England, namentlich
auf dem Gebiete der Eisenbereitung und des Maschinenwesens, be-
rührten die preuſsische Industrie bereits unmittelbar. Der alte klein-
liche Betrieb war nicht mehr konkurrenzfähig; alles drängte nach
Vergröſserung und Verbesserung. Aber den Besitzern und den
Pächtern fehlte es in den meisten Fällen an den Mitteln dazu. Nur
der Staat war im stande hier helfend einzugreifen, und das that er,
indem er die Werke in eigene Regie übernahm. Es ging durch ganz
Deutschland ein Zug der Verstaatlichung der Eisenindustrie.


Wir haben gesehen, daſs auch Preuſsen um 1778 die meisten
wichtigeren Werke selbst übernahm. Dies gereichte damals der In-
dustrie zum Segen, indem hierdurch die Verbesserungen und Er-
weiterungen, welche notwendig waren, zur Ausführung kamen. Indes
blieb Friedrich seinen haushälterischen Grundsätzen treu und ging
nur mit Vorsicht auf diesem Gebiete voran. An Projekten fehlte es
nicht. von Hofmann teilt uns ein Beispiel mit, bei dem er selbst
beteiligt war. Er nennt hierbei den König, obgleich die Sache nicht
nach seinem Wunsch verlief, wegen der Art der Behandlung der
Sache das „Muster für Souverains, die sich eine allgemeine Kennt-
nis zuschreiben“. „Als Anno 1777 auf Anraten des damaligen königl.
preuſsischen Gesandten, Herrn von Alvensleben, ich den mit dem
Beck, Geschichte des Eisens. 58
[914]Preuſsen.
Kammerrat Kramer ausgearbeiteten Plan in Rücksicht des damalen
denen preuſsischen Staaten fehlenden Eisens, welches ehemals bereits
zu Zeiten des Etatsministers von Hagen in Bewegung gekommen
war und der zugleich mit eine Pachtung deren gesamten braun-
schweigischen Hütten
zum Gegenstand hatte, dem König zu-
sandte, erhielt ich folgendes Antwortschreiben vom König: Vester,
lieber getreuer. Unmittelbar kann ich Euren mir vorgelegten Plan
des herzogl. braunschweigischen Kammerrats Kramer zur Versorgung
meiner Länder mit eigenem guten Eisen nicht beurteilen. Ich habe
dazu nicht hinlänglich bergmännische Kenntnisse und habe daher
solchen meinem Etatsminister, Freiherrn von Heinitz, als Chef
meines Berg- und Hüttendepartements, zur Untersuchung zugefertigt
und setze bis zum Eingang dessen Berichts Meine Entschlieſsung
darauf aus. — Indessen bin ich Euer gnädiger König Friedrich.
Potsdam, den 11. Dezember 1777.“ — Auf Heinitz’ Bericht hin
wurde aus der Sache nichts.


Daſs aber der König nicht immer blindlings dem Minister von
Heinitz
folgte, und daſs er im Grunde kein Freund der Verstaat-
lichung der Eisenwerke war, geht aus folgendem interessanten
Schreiben vom 4. August 1780 hervor. „Mein lieber Etatsminister,
Freiherr von Heinitz! Es ist mir zwar Euer anderweiter
Bericht vom 3. dieses Monats, den Ankauf der Itzigschen Eisen-
hütte und Blechwerk (Sorge und Voigtsfelde) betreffend, zuge-
kommen: Allein, Ihr möget Mir das nicht übel nehmen, den
Kontrakt konnte Ich nicht konfirmieren. Ich sehe gar nicht ab,
wozu ich alle Eisenwerke an Mich kaufen soll, das bin ich keines-
wegs gesonnen zu thun, sondern man muſs dem publico auch etwas
lassen. . . .“ Dennoch wurden zwei Jahre später auch diese Werke
fiskalisch.


Alsbald nach Einsetzung des Berg- und Hüttendepartements
wurde am 27. April 1769 die wichtige Hütten- und Hammer-
ordnung für sämtliche in königl. preuſsischen Landen
befindlichen Königl. Eisen-, Blech-, Kupfer- und andere
Hütten-, auch Hammerwerke
erlassen. Dieselbe war zum Teil der
stollberg-wernigerodischen Eisenhüttenordnung vom 28. April 1737
nachgebildet, zeichnete sich aber durch Klarheit und Gründlichkeit
aus. In der That gewinnt man aus dieser Hüttenordnung, in welcher
die Pflichten eines jeden auf den Hütten und Hämmern Beschäftigten,
vom Direktor bis zum geringsten Arbeiter, auseinandergesetzt sind,
einen lebendigen Einblick in das Leben und Treiben auf den Eisen-
[915]Preuſsen.
werken. Wir müssen uns aber darauf beschränken, eine ganz kurze
Übersicht des Gesetzes mitzuteilen 1).


  • Kap. I beschäftigt sich mit den allgemeinen Pflichten der Hütten-
    Offizianten.
  • Kap. II mit deren besonderen Pflichten, worin namentlich genaue Vor-
    schriften über die Verwaltung und das Rechnungswesen gegeben
    werden. Ausgaben über 5 Rthlr. durften nur im Einverständ-
    nis des Bergwerks- und Hütten-Departements gemacht werden.
    Ausführliche Vorschriften werden über die An- und Abnahme
    der Materialien und Waren und deren Kontrolle erlassen.
  • Kap. III handelt von den Gedingen der Hütten- und Hammerleute;
    diese erfolgten auf ein Jahr vom 1. Juni oder von Trinitatis an.
    Es durfte keiner, der auf inländischen Werken gearbeitet hatte,
    ohne ordnungsmäſsigen Entlassungsschein angenommen werden.
    Die Gedinge selbst wurden um Fastnacht oder in der Mitte des
    Februar abgeschlossen; Kündigungen muſsten 3 bis 4 Wochen
    vor dieser Zeit erfolgen. Jeder angenommene Arbeiter erhielt
    seinen Dinge-Zettel, in dem genau zu verzeichnen war, was er
    an Lohn zu erwarten hatte. Der Lohn muſste alle 14 Tage
    richtig, prompt und unverkürzt ausgezahlt werden.
  • Kap. IV lautet: „Von hohen Öfen und Guſs-Werken.“ Alle Hochofen-
    arbeiter, Knechte, Pocher und Former wurden vereidigt. Der
    Hochofenmeister durfte an der Beschickung ohne Einwilligung
    des Faktors oder Kontrolleurs nichts ändern, dagegen durfte er
    je nach dem Gange des Ofens am Stein abbrechen oder zu-
    setzen. „Bey dem Ammunitionsguſs und zwar bei Kugeln, Feld-
    Stücken und Trauben-Kugeln ist der Ofen auf lauteres und
    grelles Eisen, hingegen bei Bomben nicht auf grelles oder gares,
    sondern halbiertes Eisen zu beschicken, indem die Bomben von
    ganz grellem Eisen zu spröde sind und leicht bersten.“ Bei
    dem Munitionsguſs soll das Eisen nicht geschöpft, sondern regel-
    mäſsig abgestochen werden. Der Former durfte kein Guſswerk
    weder in Lehm noch in Sand machen, wenn er dazu das Eisen
    im Ofen nicht tüchtig fand. Dem Frisch-Roheisen soll kein
    Sand anhängen und muſs deshalb der Masselgraben mit feinem
    Kohlengestübbe ausgeschlagen werden.
  • Kap. V. „Von Frisch-Feuern und Stab-Hämmern.“ Alte und unbrauch-
    58*
    [916]Preuſsen.
    bare Ammunition durfte nicht verfrischt, sondern muſste auf
    dem Hochofen aufgegeben werden und zwar in Stücken zer-
    schlagen und nicht mehr als ⅓ oder ¼ Centner auf die Gicht.
    (2) „Und wie Unser ernster Wille und Befehl ist, daſs bei der
    guten Qualität der Schmelz-Materialien auf Unsern Hüttenwerken
    alle Sorten von Stab-, Schienen-, Pflug-, Flach-, Modell-, Zähn-
    und Reck-Eisen von vollkommenster und dem besten aus-
    ländischen Eisen gleichkommender Güte angefertigt und im
    Publico verkauft werden sollen; so müssen die Frisch- und
    Stab-Schmiede durch fleiſsige und redliche Arbeit bey dem
    Frischen und Ausschmieden, teils durch öfteres und gehöriges
    Aufbrechen, teils aber mit einem der Natur des Roh-Eisens
    angemessenen Feuer-Bau dem Eisen alle mögliche Bonität, deren
    es nur fähig ist, geben, und so wenig wie möglich Kalk bei dem
    Frischen gebrauchen“ . . . . „Bey dem zeither angenommenen
    Abgang von ⅜ vom Stab- und 2/7 beym Frisch-Eisen soll es vorder-
    hand sein Bewenden behalten.“ Dem Zainschmied wird 8 Pfund Ab-
    gang auf den Centner gestattet. Es sollen überall die kleinen
    und geschlossenen Frisch-Feuer eingeführt werden, wodurch
    nicht allein groſse Kohlenersparung bewirkt, sondern auch das
    Eisen selbst um ein merkliches verbessert wird. Sämtliches
    Stabeisen muſs, ehe es in das Magazin kommt, aufs schärfste
    durch Biegen und Werfen probiert werden. (13) „Auf sämt-
    lichen Hammerwerken sollen die Hammerschmiede Sonntags
    abends um 10 Uhr zu arbeiten anfangen und die ganze Woche
    hindurch bis des Sonnabends gegen Mittag unablässig konti-
    nuieren, alsdann bei der Schicht das in der Woche gefertigte
    Eisen abgewogen, probiert und in das Magazin geschafft werden
    muſs. (11) Sollten die Frischer und Hammerschmiede diesem
    nicht pünktlich nachleben und zur gesetzten Zeit zu arbeiten
    nicht anfangen, sondern sich bey den eingerissenen Miſsbräuchen
    nach 10 Uhr oder gar später in den Bierhäusern betreten lassen
    und dem schändlichen Trunk nachgehen, welcher sie nicht allein
    zur Arbeit, sondern auch zum Gehorsam unfähig macht, soll
    der Hammerschmied zum erstenmal in 1 Thaler und der Schenk-
    wirt in eben so viel Strafe
    verfallen seyn, welche zur Hütten-
    Armenkasse eingezogen werden soll. Dafern aber diesem Un-
    wesen dadurch nicht abgeholfen und einer und der andere von
    den Hammerschmieden ein Handwerk von dergleichem wider-
    natürlichem Vollsaufen machen würden, soll derselbe als ein
    [917]Preuſsen.
    inkorrigibler und unnützer Mensch von dem Hüttenwerk gejagt
    werden.“ Muſs der Hammer wegen Eisen- und Kohlenmangel
    feiern, so erhält der Hammerschmied mit seinen Leuten, voraus-
    gesetzt, daſs der Hammer noch keine 40 Wochen im Jahre ge-
    arbeitet hat, 5 Thaler Wartegeld für die Woche.
  • Kap. V. „Von den schwarzen und weiſsen Blechhämmern“: enthält
    genaue Vorschriften über die Qualität des zu verwendenden
    Eisens. Die Sturzbleche müssen durchweg eben und gleich ge-
    schmiedet werden, auch weder rissig noch schiefrig, sondern
    sowohl in der Mitte, als an den Enden von egaler Stärke sein.
    Die schwarzen Sturzbleche müssen sich kalt lochen, biegen und
    falzen lassen. Den Blechschmieden wird 18 Pfund Abgang pas-
    sieret. Von den Sturzblechen sollen 18 bis 28 Tafeln auf den
    Centner gehen. Es folgen genaue Vorschriften über das
    Schmieden der Pfannenbleche und der Dünn-Eisen, d. h. der
    Blechtafeln, welche verzinnt werden zu Weiſsblech. Ein Doppel-
    schock Dünn-Eisen, nach dem gewöhnlichen Hüttenmaſse be-
    schnitten, soll 52 bis 54 Pfund wiegen.
  • Kap. VII. „Von der Verzinnung, auch dem Packen und Zeichnen der
    Bleche.“ Hierbei wird festgesetzt, daſs auf ein Faſs ordinär Kreuz-
    und Foder-Blech zu 450 Blatt höchstens 30 Pfund Zinn passieren
    darf. Eine Garnitur Bleche, ⅓ Kreuz- und ⅔ Foderbleche,
    soll nicht mehr als 6 Centner, ein Faſs Kreuzbleche zu 450 Blatt
    1¾ Centner, ein Faſs weiſser Ausschuſs, worin Kreuz-, Foder-
    und Senklerblech durcheinander gepackt, 2 Centner wiegen,
    wohingegen die Senkler nach auswärtigem Hüttenbrauch in Fässer
    zu 600 Blatt zu packen sind.
  • Kap. VIII handelt von der Köhlerei und dem Holz-Schlage, welche Vor-
    schriften später noch durch eine besondere Verordnung vom
    15. Januar 1779 erläutert worden sind.
  • Kap. IX lautet: Von den bei den Hütten befindlichen Handwerken.

Als Beilagen sind dem Gesetz angefügt: A. das Privilegium für
die Hüttenbedienten und Arbeiter; B. der Eid eines Hüttenoffizianten;
C. der Eid eines Hüttenarbeiters.


Es war das Bestreben des Königs und seiner Regierung, die
Eisenhütten und -Hämmer des Landes auf eine solche Stufe zu
bringen, daſs das inländische Eisen das ausländische, besonders das
schwedische Eisen, ersetzen und verdrängen sollte. Mit den Harzer
Werken konnten die preuſsischen Hütten bereits erfolgreich kon-
kurrieren, und es wurde nur noch wenig Eisen von dort eingeführt;
[918]Preuſsen.
dagegen beherrschte das schwedische Eisen noch immer den Markt
und schien für viele Zwecke unentbehrlich. Man bezahlte aber für
schwedisches Eisen 7 Thaler für den Centner, während inländisches
nur 4 Thaler 20 Groschen galt. Die Hauptsorten von schwedischem
waren Stabeisen, 2 Zoll breit und ¾ Zoll dick, mit dem Zeichen
S. F., und Schlossereisen, 1½ Zoll breit und ¼ Zoll dick, mit den
Zeichen H. H. und H. S.


Von Stahlsorten war der Kölnische Stahl am meisten beliebt.
Das Pfund kostete 4 Groschen 6 Pfennig, während englischer Stahl
mit 8 Groschen bezahlt wurde. Die Versuche, Stahl auf den branden-
burgischen Hammerwerken zu machen, hatten keinen Erfolg. Zum
Schutze des inländischen Eisens wurde von fremdem Eisen ein
Eingangszoll von 6 Gr. für den Centner erhoben. Die Einfuhr fremder
Bleche wurde ganz verboten, auſser in Schlesien und Ostpreuſsen,
welche aber ein gewisses Quantum von den königlichen Werken nehmen
muſsten. In den Städten wurden Niederlagen von inländischem Eisen
und Blech errichtet, in den kleineren Orten einzelne „Distributionen“,
wovon der Verkäufer nur gewisse Prozente bezog. 1770 starb Kriegs-
rat Jäckel, der ein Hauptverdienst an der Förderung der Eisen-
industrie hatte, und machte sich der Mangel eines tüchtigen Nach-
folgers in den nächsten Jahren sehr fühlbar. Erst nach einiger Zeit
brachte man es durch Betriebsverbesserungen, schärfere Kontrolle
und durch Übernahme des Eisenwerkes von Zehdenik, welches bis dahin
Konkurrenz gemacht hatte, dahin, wieder gute Waren zu liefern und
Überschuſs zu machen. Als ein glückliches Ereignis muſs der Eintritt
des Staatsministers von Heinitz in den königlichen Dienst be-
zeichnet werden.


Heinitz, der in Berg- und Hüttensachen Fachmann war, griff
überall thätig ein. Es wurde für Vorräte in den königlichen Nieder-
lagen gesorgt, Prämien für gute Waren ausgesetzt, die Holzersparung
durch Erlaſs der neuen Holz- und Kohlenordnung gefördert. Das
Eisenwerk zu Peitz wurde in eigene Regie übernommen, und so
konnte man schon 1779 die Eisenpreise heruntersetzen und die Ein-
fuhr des schwedischen Eisens verbieten. Die preuſsischen Provinzen
hatten bis dahin jährlich ungefähr 44000 Ctr. schwedisches Eisen
bezogen, das den Kaufleuten in Stettin selbst auf mindestens 4 Thlr.
zu stehen kam.


1776 wurde zu Neustadt-Eberswalde auch eine besondere Fabrik
zur Verfertigung von Kämmen und Messerscheiden aus Elfenbein an-
gelegt, welche jährlich 50 Ctr. Elfenbein verarbeitete. Damals be-
[919]Preuſsen.
fanden sich 119 fremde Familien mit 444 Köpfen daselbst, darunter
52 Messerschmiede, 8 Schlössermacher, 3 Scherenschmiede, 4 Bohr-
und Zeugschmiede, 2 Ring- und Schnallenschmiede, 2 Feilenhauer,
2 Ortschmiede, 1 Lichtputzenmacher, 3 Hammerschmiede, 12 Vor-
schläger. Für dieselben waren Arbeiterhäuser für je zwei Familien
errichtet. Die Materialien wurden von dem Besitzer im groſsen einge-
kauft. Die Arbeitskosten beliefen sich auf 36000 Thlr. im Jahre. Die
Arbeiten wurden von Schaumeistern geprüft. Die Arbeiter bildeten
ein Gewerbe (Fabrik) und hatten ihre Kranken-, Sterbe- und Witwen-
kasse. 1778 hatte eine Bereisung der Werke am Finowkanal durch
den Minister von Heinitz stattgefunden, welcher fand, daſs die
Pächter vor 8 bis 9 Jahren Walzen und ein komplettes Gerüst zur
Blechfabrikation aus England hatten kommen lassen; dasselbe war
aber liegen geblieben, weil kein Baukapital vorhanden war. Auf den
Bericht des Ministers hin wurde das Werk durch Kabinetsbefehl vom
5. Dezember 1779 der fiskalischen Verwaltung unterstellt.


Sein Hauptaugenmerk wendete aber Minister von Heinitz auf
die Provinz Schlesien, wo die Eisenindustrie zurückgeblieben war.
Im Jahre 1721 war dort der erste Hochofen erbaut worden. Vordem
hatte man nur Luppenfeuer in Schlesien, die auch noch nach dieser Zeit
hauptsächlich benutzt wurden. Das Eisenhüttenwesen war um die
Mitte des vorigen Jahrhunderts ein unbedeutendes Gewerbe in
Schlesien, welches nur zur Benutzung des sonst ganz wertlosen Holzes
von den Grundbesitzern ausgeübt wurde und sich gröſstenteils noch
auf die Darstellung eines Stabeisens sehr geringer Qualität, welches un-
mittelbar aus den Erzen gewonnen wurde, beschränkte 1). Die Einführung
der Roheisengewinnung hatte zwar bereits um das Jahr 1720 mit
Erbauung eines Hochofens zu Halemba im Beuthener Kreise statt-
gefunden, dieselbe scheint jedoch nur geringe Fortschritte gemacht
zu haben. Obgleich man um das Jahr 1750 in der Provinz bereits
14 Holzkohlenhochöfen und 40 Frischfeuer neben 21 Luppenfeuern
zählte, so betrug die ganze Roheisenproduktion doch nicht über
25000 Ctr. jährlich. An Stabeisen wurden 32000 Ctr. erzeugt. Die
Verwendung des Roheisens zu Guſswaren war fast noch unbekannt.


In diesem Zustande wurde durch die preuſsische Verwaltung ein
bedeutender Umschwung herbeigeführt. Allerdings lag die Eisen-
industrie innerhalb des dritten Viertels des Jahrhunderts noch so
[920]Preuſsen.
sehr in der Kindheit, daſs die Einfuhr oberschlesischen Eisens in
andere Provinzen des Staates wegen seiner schlechten Beschaffenheit
verboten war; bald jedoch traf Friedrich der Groſse die geeig-
neten Maſsnahmen zur Hebung der Kulturverhältnisse. Im Jahre
1754 und 1755 hatte er durch den Oberforstmeister Rhedanz die
beiden Hochofen- und Frischfeueranlagen Malapane und Kreuzburger
Hütte gegründet, zu welchen aus entfernten Gegenden geschickte
Arbeiter herangezogen wurden. Damals war Oberschlesien noch mit fast
undurchdringlichem Urwald bedeckt. Die Lage von Malapane wurde
des günstigen Wassergefälles wegen gewählt, und hat auch die Hütte
ihren Namen von dem gleichnamigen Flusse. Der Hauptzweck der An-
lagen war die Beschaffung der Munition für die schlesischen Festungen.


Menschen gab es in jener Gegend nur wenige. Die Arbeiter
muſsten mit groſsen Kosten aus anderen Provinzen und Ländern,
aus Brandenburg, Sachsen und dem Harz herangezogen werden. Es
entstand hier in dem sonst ganz katholischen und slawischen Lande
eine protestantische, deutsche Kolonie, die sich lange erhalten
hat. Zur Förderung des Werkes wurden die Beamten und Arbeiter
der Hütte durch einen Erlaſs des Königs vom 20. März 1755 mit be-
sonderen, weitgehenden Hüttenfreiheiten begnadigt 1). Um ihnen
Wohnungen zu verschaffen, wurde 1769 die Kolonie Hüttendorf erbaut
und 1781 die zweite Kolonie, Antonie, zwischen Malapane und Jed-
litze. Sie gehörten zu der Hütte, und übte das Hüttenamt Domänial-
rechte und Ortspolizei aus.


Bis 1768 hatte Malapane nur ein Frischfeuer. In diesem Jahre,
14 Jahre nach der Gründung des Werkes, machte sich erst das Bedürfnis
nach Vergröſserung bemerkbar, und wurden ¼ Meile oberhalb Mala-
pane zwei weitere Frischfeuer bei dem Dorfe Krascheow angelegt.
Bald hatte Malapane so bedeutende Überschüsse gebracht, daſs man
1775 eine halbe Meile unterhalb, ohne sonstige Beihülfe, das Jedlitzer
Werk erbauen konnte. Es bestand aus 1 Drahtzuge, 1 Frischfeuer
und 1 Zeug- und Zainhammer. Der Drahtzug lieferte jährlich 120 Ctr.
verschiedene Drahtsorten.


1777 wurde von Heinitz Minister. In diesem Jahre betrug die
gesamte Erzförderung Schlesiens 125679 preuſs. Tonnen (1 Scheffel
= ⅖ Tonne), das Eisen war aber so schlecht, daſs seine Ausfuhr in
die übrigen preuſsischen Provinzen immer noch verboten war.


[921]Preuſsen.

1779 erlieſs Friedrich der Groſse ein Einfuhrverbot für
fremdes Eisen. Diese Maſsregel wirkte sehr günstig auf die Entwicke-
lung der schlesischen Eisenindustrie. Viel wichtiger aber war noch
ein anderes Ereignis. 1779 wurde ein besonderes Oberbergamt für
Schlesien gegründet, und Friedrich Wilhelm Freiherr von Reden
die Leitung desselben übertragen. Reden, der Neffe des vortreff-
lichen Berghauptmanns des Oberharzes Graf Reden, der in braun-
schweig-hannöverischen Diensten stand, war am 23. März 1752 zu
Hameln geboren. Durch seinen Oheim wurde das Interesse am Berg-
und Hüttenwesen in ihm geweckt. Er studierte in Göttingen und
lernte dann durch groſse Reisen das Berg- und Hüttenwesen in
Deutschland, England und Schottland kennen. Hier sah er nament-
lich die Verwendung der Steinkohlen, welche die Grundlage der
modernen Eisenindustrie Englands geworden war.


Minister von Heinitz gebührt das Verdienst, den geistes-
verwandten, viel versprechenden Jüngling an sich gefesselt und nach
Preuſsen gezogen zu haben. 1778 ernannte Friedrich der Groſse
den 26jährigen zum Oberbergrat im Ministerium des Innern und
zum Kammerherrn, und ein Jahr später stellte er ihn bereits an die
Spitze des Oberbergamtes in Breslau. Graf Reden wurde der Schöpfer
der oberschlesischen Montanindustrie. Er leistete Erstaunliches. Vor-
trefflich verstand er es, den König für seine Pläne zu erwärmen und
von dem sparsamen Monarchen die Bewilligung der Mittel zu deren
Ausführung zu erlangen. Reden war unermüdlich den Steinkohlen
Oberschlesiens
, in deren Ausbeutung er mit richtigem Blick die
Zukunft der schlesischen Industrie sah, Anwendung zu Feuerungszwecken
in der Industrie zu verschaffen. Er bewirkte, daſs der Staat die
Kosten der Umänderung der Feuerungsanlagen übernahm und den
Interessenten Zeichnungen und Anleitungen umsonst zur Verfügung
stellte und Prämien gewährte.


Bis zu der Zeit war der ganze Bergbau Oberschlesiens so un-
bedeutend gewesen, daſs es nicht einmal eine eigene Bergdeputation
hatte. Die beiden Eisenwerke Malapaner- und Kreuzburger Hütte
ressortierten direkt unter der Domänenverwaltung. Reden erkannte
den Reichtum Oberschlesiens und übernahm die beiden Werke auf
sein Oberbergamt (1780). Sofort nach dem Antritt seines neuen
Amtes, noch im Jahre 1779, hatte er eine besondere Bergdeputation
(Revieramt) in Tarnowitz gegründet, welche schon nach einigen
Jahren zu einem Bergamt erweitert werden muſste. Zunächst setzte
Graf Reden die verwahrlosten Blei- und Silberwerke zu Tarnowitz
[922]Preuſsen.
wieder in Gang. Dadurch wuſste er in besonderem Maſse das
Interesse des Königs, der es immer beklagt hatte, daſs er das Blei
für seine Munition auſser Landes kaufen muſste, zu erwecken.
Er fand sich mit dem Grafen Henkel als Besitzer der Standes-
herrschaft Beuthen-Tarnowitz durch Vertrag ab, berief Arbeiter von
Mansfeld und konnte 1784 die Friedrichsgrube bei Tarnowitz eröffnen.
Inzwischen war er ebenso eifrig für die Entwickelung des Kohlen-
bergbaues bemüht. Vor allem baute er Fahrwege, die vordem kaum
bestanden hatten. Schlesiens Eisenindustrie war verhältnismäſsig noch
unbedeutend. Nach einem ungefähren Überschlage waren im Jahre
1780 etwa 36 Hochöfen im Betrieb gewesen, welche aber höchstens
100000 Ctr. Roheisen lieferten. Aus diesem und unter Zurechnung
der Produktion von etwa 20 Luppenfeuern wurden ca. 75000 Ctr.
Stabeisen im Werte von 3½ Thlr. der Centner hergestellt, also mit
einem Gesamtwerte von ca. 250000 Thlr. An Arbeitern waren ein-
schlieſslich der Eisengräbereien etwa 600 beschäftigt 1).


Schon 1781 erklärte Reden dem Minister von Heinitz, er ge-
traue sich zu behaupten, daſs die Berge Ober-Schlesiens sämtliche
preuſsische Werke auf unabsehbare Zeit mit Brennmaterial versehen
könnten.


Reden fand nachhaltige Unterstützung bei dem vortrefflichen
Minister von Heinitz und bei dem groſsen König. Dieser hatte
schon 1768 unter dem Minister Hagen das Berg- und Hüttenwesen
von der allgemeinen Verwaltung abgezweigt und einem selbständigen
„Bergwerks- und Hütten-Departement“ unterstellt. Für die einzelnen
Provinzen hatte er entsprechende Bergwerks- und Hütten-Ordnungen
ausarbeiten lassen und den neuernannten Minister von Heinitz in
den Jahren 1778 bis 1781 seine Staaten zur Förderung des Berg-
und Hüttenwesens bereisen lassen, um, wie es in dem königlichen
Reskript vom 15. Oktober 1781 heiſst, „den Nahrungszustand Unsrer
getreuen Unterthanen zu verbessern, die Cirkulation des Geldes in
den Provinzen zu vermehren und Handel und Wandel blühender zu
machen“.


Am 6. November 1781 erlieſs der König ein Reskript 2) an den
Oberbergrat Wehling in Berlin, wodurch derselbe zu Vorschlägen
[923]Preuſsen.
über die Vervollkommnung des inländischen Eisenhandels aufgefordert
wird. Dieses für den König und die damalige Lage des Eisengewerbes
in Preuſsen charakteristische Schreiben lautet, wie folgt:


Friedrich, König p. Unserm p.


Unter den verschiedenen Gegenständen, deren besondere
Bearbeitung Wir Unserm Bergwerks- und Hütten-Departement
aufgetragen haben, ist der Verbrauch und Absatz des in Unsern
Staaten, theils auf Unsern eigenen, theils auf Privathütten fabri-
cirten Eisens und Bleches einer derjenigen, auf welchen Wir
von jeher Unsere vorzügliche Aufmerksamkeit gerichtet haben.
Es ist Euch bekannt, zu welchen Mitteln Wir anfänglich haben
greifen müssen, um Unsere Hüttenfabricate an Unsere Unter-
thanen zu debitiren, sie solchergestalt mit denselben nach und
nach besser bekannt zu machen, ihnen ihre vielfältigen Vorurtheile
dagegen zu benehmen und zugleich Unsrer Hauptbergwerks- und
Hütten-Casse dadurch in etwas aufzuhelfen.


Ihr wiſst aber auch, wie sehr Wir’s Uns haben angelegen
seyn lassen, die Qualität dieser Hüttenprodukte zu verbessern,
die Fabrication derselben nach und nach zu vermehren, und
auf diese Weise für das Interesse Unsrer Unterthanen, sowie
für Unser eigenes zu sorgen. Es ist Euch ferner nicht unbe-
kannt, daſs, seitdem Wir Unsere, mit vorzüglich gutem Eisen-
erze und mit dem benöthigten Holze reichlich gesegnete Provinz
Oberschlesien durch Unsern Etats-Minister, Frhrn. v. Heinitz,
bereisen lassen und Uns überzeugt haben, daſs mit dem daselbst
sowohl, als auf Unsern in hiesigen Provinzen angelegten, der-
gleichen auf den Harzer, Blankenburgischen und Wernigerode-
schen Hütten verfertigten Eisen und Blech, Unsere sämmtlichen
Staaten diesseits der Weser, der Menge und Güte nach ver-
sorget werden können, der ganze Eisenhandel eine andre Gestalt
gewonnen, jene Zwangsmittel zum debit mit den deshalb an-
gelegten Distributionen, aufgehoben, die Einfuhren des schwe-
dischen Eisens verboten, mit Blankenburg, Wernigerode und
den oberschlesischen Privathüttenbesitzern Lieferungs-Contracte
geschlossen, für die Hauptbergwerks- und Hüttenkasse ein
Conto di tempo von 100/M. Rthlr. bei Unserer hiesigen Haupt-
banque eröffnet, verschiedene Magazine in den Provinzen etablirt,
zur Bearbeitung der bei diesem erweiterten Handel vorkommenden

[924]Preuſsen.
Geschäfte ein besonderes Haupt-Eisen-Comptoir errichtet und
Euch die Direction desselben anvertraut worden.


So sehr wir nun an dem bisherigen Fortgange Unserer des-
fallsigen hauptsächlich auf Unsrer Unterthanen mehreres Wohl
abzielenden Verordnungen ein gnädiges Wohlgefallen haben,
ebenso sehr ist Uns daran gelegen, diesen Eisenhandel zur mög-
lichsten Vollkommenheit und zu einer solchen dauerhaften con-
sistenz zu bringen, daſs derselbe theils mit Unsrem übrigen
Staatshaushalte stets verbunden bleibe, theils auch mit dem-
jenigen allgemeinen Plan von dem durch Unser Bergwerks- und
Hütten-Departement künftig vorzüglich zu bearbeitenden Gegen-
stande, über dessen Durchführung sich Unsere höchste Person
demnächst entschlieſsen wird, genau zusammenpasse und also
ein vollständiges Ganze entstehe; und Wir erfordern daher hier-
durch von Euch Eure gründlichen und pflichtmäſsigen Vor-
schläge, welche dienlichen Mittel zur Erreichung dieses End-
zweckes anzuwenden seyn möchten?“ etc.


Auf Grund dieses Schreibens wurden sämtliche preuſsische Berg-
behörden zum Bericht aufgefordert und auf diese Berichte hin ein
Generalplan ausgearbeitet, aus dem wir folgende Vorschläge für
die Hebung der Eisenindustrie ausziehen.


Für Oberschlesien wurden 12474 Rthlr. zur Anlage eines Frisch-
feuers, eines schwarzen Blechhammers und einer Kanonengieſserei in
Aussicht genommen; in Thale und Halberstadt für die Anlage von
weiſsen Blechhämmern 4408 Rthlr. „Durch diese Anlagen soll der
Schiffbau-Eisenbedarf für Pommern und das Consumo für West-
preuſsen gemeinschaftlich mit den Danziger Hämmern beschafft, auch
die für Ostpreuſsen und Elbingen annoch erforderlichen weiſsen und
schwarzen Bleche verfertigt werden; wodurch denn abermal jährlich
69000 Rthlr. im Lande erhalten werden, so daſs mit den bereits er-
sparten 187942 Rthlr. durch die diesseits der Weser befindlichen
Eisenhütten mindestens 256942 Rthlr., welche ehemals nach Schweden
gegangen, nunmehr den königlichen Staaten zu gute kommen.“


„Von verschiedenen Eisenfabriquen, welche mit Steinkohlen ar-
beiten“, wird beabsichtigt: 1. die Anlegung einer solchen Fabrique
bei Striegau in Schlesien und Unterstützung der Fabrikanten in
Steinseifen (5992 Rthlr.), 2. die Verbesserung der Wege zu diesen
und den märkischen Fabriquen, um Steinkohlen für selbige herbei-
zuführen (3600 Rthlr.), 3. die Hereinziehung von 50 Eisenfabricanten
aus dem Bergischen, welche allerhand Sorten Bandeisen und dergl.
[925]Preuſsen.
verfertigen, à 120 Rthlr. pro Mann (6000 Rthlr.), 4. die Etablirung
einer Stahlnähnadelfabrique zu Altena im Märkischen (3000 Rthlr.).


Für das gesamte Reformprojekt wurden 267500 Rthlr. verlangt
und berechnet, daſs man gar bald eine halbe Million dem Lande an
jährlicher Ausgabe für eingeführte Montanprodukte ersparen, und
daſs das angewandte Geld sich binnen 5 Jahren zu 4 Proz. verzinsen
werde.


Der Bericht fährt dann fort: „Auſser diesen wesentlichen Vor-
theilen erhalten Ew. Majestät noch diese:


  • 1. Daſs es alsdann an den für höchstdero Armeen erforderlichen
    Kriegsbedürfnissen an Eisen, Kupfer, Blei, Zinn, Schwefel und
    Salpeter nie im Lande fehlen kann;
  • 2. daſs der Manufacturstand, der seit Ew. Majestät weisen Re-
    gierung so glücklich zugenommen hat, an diesen benöthigten
    Berg- und Hüttenproducten keinen Mangel haben wird;
  • 3. daſs die National-Industrie auch in dieser Art von Beschäfti-
    gung gleich anderen Branchen mehr zunehmen muſs, und
  • 4. daſs durch die Ansetzung von 434 fremden Familien, Offi-
    cianten, Berg- und Hüttenleuten, die Population in Ew. Maje-
    stät Landen vermehrt wird.“

Der sparsame König billigte zwar die gemachten Vorschläge, be-
willigte aber die geforderte Summe vorläufig nicht. Dies geschah
erst nach Ablauf von 1½ Jahren im Juni 1783, nachdem Minister
von Heinitz in seinem Bericht 1) vom 4. Januar 1783 zahlenmäſsig
den Aufschwung der preuſsischen Eisenindustrie nachgewiesen hatte.
Hierzu hatte das Aufblühen des schlesischen Eisenhüttenwesens
wesentlich beigetragen.


Von Reden hatte 1782 die drei zusammenliegenden Eisenwerke
Malapane, Jedlitze und Krascheow unter ein gemeinschaftliches Hütten-
amt in Malapane vereinigt. Die Betriebsvorrichtungen bestanden bei
der Übergabe aus 2 Hochöfen mit einem durchschnittlichen Aus-
bringen von je 150 Ctr. pro Woche, 4 Frischfeuern, deren höchste
wöchentliche Produktion 120 Ctr. betrug, 1 Drahtzug, 1 Zeughammer
und 1 Zainhammer, die hauptsächlich für den Drahtzug arbeiteten
Freiherr von Reden machte die Hütte zu Malapane zur Pflanz-
schule des Eisenhüttenwesens für die ganze Provinz. Da sich der
Drahtzug nicht rentierte, so lieſs er ihn mit dem Zeughammer ein-
gehen und baute ihn in zwei Frischfeuer um, so daſs das Jedlitzer.
[926]Preuſsen.
Werk aus 3 Frischfeuern und 1 Zainhammer bestand. Auch baute
er zu Malapane selbst noch eine zweite Frischhütte. Das Malapaner
Stabeisen fand in Schlesien und Brandenburg, ja selbst im Auslande
einen solch starken Begehr und Absatz, daſs selbst der schwung-
hafteste Betrieb der bereits vorhandenen 7 Frischfeuer nicht ausreichend
war, den Bedarf zu decken. Es hatte dies die Anlage eines vierten
Werkes zur Folge, indem die Behörde 1784 bei dem zwischen Mala-
pane und Oppeln gelegenen Dorfe Dembiohammer eine Frischhütte
mit 2 Feuern, wovon das eine zum Schwarzblech-Schmieden vorge-
richtet war, erbaute. Dem Werke wurden 36000 Klafter Kohlholz
aus den königlichen Tiergarten-Forsten zum Preise von 12 Ggr. für
Kiefernholz und 8 Ggr. für den Klafter Fichtenholz bewilligt. Den
Eisenstein für Malapane bezog man damals von Tarnowitz.


von Redens ganzes Streben ging dahin, Dampfmaschinen-
betrieb einzuführen, und er setzte wirklich gelegentlich eines Be-
suches der Friedrichsgrube bei Tarnowitz mit Hülfe des Ministers von
Heinitz
die Anschaffung einer englischen Dampfmaschine durch,
indem er darlegte, daſs die Wasserhaltung der Grube mit Roſskräften
jährlich 14000 Thlr., mit Dampfkraft aber nur 3700 Thlr. kosten
würde.


Die Einführung der Wattschen Dampfmaschine auf preuſsischen
Bergwerken war die letzte Groſsthat Friedrich II. Fast gleichzeitig
wurde der Bau einer Dampfmaschine für die mansfeldischen Bergwerke
durch den Assessor Bückling, und der Ankauf einer englischen
Maschine für Oberschlesien beschlossen. Zu diesem Zwecke wurde ein
anderer noch junger Beamter, den das scharfe Auge des groſsen Königs
aus vielen auserlesen hatte und der zu den Gründern des modernen
Preuſsens gehörte, der Freiherr vom Stein, nach England geschickt.
Auch Stein war besonders durch Heinitz angezogen worden. Am 2. Fe-
bruar 1780 hatte Friedrich II. den 23 jährigen zum Kämmerer er-
nannt und ihn auf seinen Wunsch dem Departement des Ministers
von Heinitz als Referendar zugeteilt. Schon im folgenden Jahre,
am 28. März 1781, wurde er bei der Bergwerks- und Hütten-Ver-
waltung mit Sitz und Stimme angestellt und erhielt die Hüttenwerke
Sorge, Thale und Guttow zu seinem Departement 1). Drei Monate
darauf ward er auch zu Arbeiten bei dem Haupt-Eisen-Kontor beauf-
tragt, begleitete den Minister von Heinitz auf einer gröſseren
Dienstreise nach West- und Ostpreuſsen, von wo aus er nebst dem
[927]Preuſsen.
späteren Minister des Bergwesens, Grafen von Reden, den Rück-
weg über Warschau, Wielitzka, Krakau durch Schlesien nach Berlin
nahm. Hier traten also Stein und Reden zum erstenmal in
nähere Berührung.


Stein wurde im folgenden Jahre auf Heinitz’ Vorschlag zum
Oberbergrat ernannt. Der König zögerte bekanntlich anfangs, es
schien ihm etwas stark, den noch nicht 25 Jahre alten Mann gleich
zum Oberbergrat zu machen. Aber der Minister von Heinitz trat
mit solchem Eifer für die hervorragenden Tugenden Steins bei dem
König ein, daſs dieser seine Zustimmung gab. Heinitz hob bei
seinem Lobe Steins auch besonders hervor, daſs er sich auf Reisen
nach Ungarn, Steiermark und anderen deutschen Provinzen, bei ein-
sichtiger Untersuchung der Berg- und Hüttenwerke, besonders der
Stahl- und Eisen-Fabriken so gute Kenntnisse erworben, daſs er schon
damals, als der Minister ihm vorgeschlagen, sich des Königs Diensten
zu widmen, einer Oberbergrats-Stelle hätte vorstehen können. Um
diese Zeit begannen die groſsen Fortschritte des englischen Eisen-
hüttenwesens auf dem Kontinent Aufsehen zu erregen. Minister von
Heinitz
schickte 1784 den Bergkommissar Eversmann nach England,
um dort während 18 Monaten die neuesten Fortschritte und ihre Ver-
wertbarkeit für Preuſsen zu studieren.


Ferner wurde 1786 beschlossen, den Oberbergrat vom Stein,
den der König am 16. Februar 1784 mit der Leitung der west-
fälischen Bergämter und der Mindenschen Bergwerkskommission
betraut hatte, wegen der Dampfmaschinenangelegenheit und überhaupt
zum Studium des englischen Berg- und Hüttenwesens womöglich mit
von Reden nach England zu schicken. Da beendete Friedrich
der Groſse
am 17. August 1786 sein thatenreiches Leben.


Sein Nachfolger, Friedrich Wilhelm II., schenkte dem Minister
von Heinitz und dessen begabten Räten, den Freiherren von Reden
und vom Stein, dasselbe Vertrauen wie sein erhabener Vorgänger.
Alsbald nach seiner Thronbesteigung erhob er Reden in den Grafen-
stand und ernannte Stein am 31. Oktober 1786 zum Geheimen Ober-
Bergrat.


Im November traten die beiden vortrefflichen Männer ihre Reise
nach England an. Wie sie dort von Watt und Boulton zu Soho
freundlich aufgenommen wurden, haben wir früher schon erwähnt.
Reden bestellte in England eine Dampfmaschine, welche noch im
Spätherbst 1786 abgeschickt wurde. Nach schwierigem Wasser-
transport durch die Oder gelangte sie nach Oppeln, von wo sie per
[928]Preuſsen.
Axe nach Tarnowitz verbracht wurde. Die Maschine, die 32 Zoll
Cylinderweite hatte, wurde aufgestellt und ging. Es war dies die
zweite Dampfmaschine, welche auf den königlichen Werken in Thätig-
keit kam 1).


Das früher ganz unbekannte und vernachlässigte Oberschlesien
wurde nun ein Reiseziel von Fürsten und Gelehrten. 1778 besuchte
der König Tarnowitz, 1790 Herzog Karl August mit Goethe, welche
Reden mit nach Wielitzka nahmen. Goethe rühmt Reden als vor-
trefflichen Reisebegleiter. Von Tarnowitz schrieb er damals das
Distichon:


Fern von gebildeten Menschen, am Ende des Reiches, wer hilft euch
Schätze finden und sie glücklich zu bringen ans Licht?


Das groſsartige Projekt des Ministers von Heinitz und des Grafen
von Reden, in Oberschlesien eine Industrie zu schaffen, wie in Eng-
land, stieſsen auf viele Schwierigkeiten. Oberschlesien war noch fast
im Urzustande, es gab keine Karten, keine Wege, keine Wirtshäuser,
keine Arbeiter, wenigstens war mit der ungebildeten polnischen Be-
völkerung damals noch nichts anzufangen. Über alle diese Hinder-
nisse siegte Redens groſsartige Energie. Zunächst war es ihm ge-
lungen, vorzügliche Eisensteine (Sphärosiderite) in dem Kreuzburger
Kreise auf dem Territorium der Dörfer Wilmsdorf, Lofkaritz, Babkowski
und Ludwigsdorf aufzuschlieſsen und von 1780 an zu fördern. Diese
Erze gaben für sich verschmolzen das vorzüglichste Roheisen, das,
zur Stabeisen-Fabrikation verwandt, den allgemein anerkannten Ruf
des Malapaner und Kreuzburger Eisens begründete. 1783 wurde der
Bau einer Kanonengieſserei beschlossen.


Über die Hoffnungen des Ministers von Heinitz bezüglich der
Eisenindustrie giebt ein interessanter Brief 2) desselben in französischer
Sprache an Baron Phil. Friedr. de Dietrich vom 17. Juni 1785
einen Einblick. Er schreibt darin: „Ich habe den Bergkommissar
Eversmann nach England geschickt, um dort 18 Monate lang Unter-
suchungen und Beobachtungen bei den dortigen Bergwerken und
Hütten anzustellen, und ich bin jetzt damit beschäftigt, zu prüfen,
was man davon nützlich machen könne für neue Unternehmungen
[929]Preuſsen.
und zur Verbesserung der alten. Meine Aufmerksamkeit wird sich
in diesem Jahre besonders auf folgende Gegenstände richten:


  • 1. Auf eine Gieſserei eiserner Kanonen nach englischer Methode.
    Das Etablissement, welches im vorigen Jahre begonnen wurde,
    wird in diesem vollendet. Es befindet sich auf der königlichen
    Hütte zu Malapane.
  • 2. Auf die Anlage einer Stahlfrischhütte und einiger Stahlraffinier-
    hämmer, da man in Oberschlesien ein Erz von erdiger Be-
    schaffenheit für Weiſseisen, sehr geeignet für Stahl, gefunden
    hat.
  • 3. Guſsstahl zu machen unter Verwendung von Cementstahl als
    Rohmaterial.
  • 4. Lasse ich einen Hochofen bauen, bei dem der Wind von drei
    Seiten eintritt. Wenn dieser Versuch, wie ich hoffe, gelingt,
    so wird die Menge der Roheisenerzeugung sehr gesteigert
    werden und auch die Qualität wird besser wie bei den ge-
    wöhnlichen Hochöfen sein.
  • 5. Werden die Steinkohlen, welche wir in groſser Menge besitzen,
    entschwefelt, und ich werde die Koks mit Vorteil in den
    Hammer- und Guſshütten verwenden.
  • 6. Soll die Feuerpumpe, welche in Mansfeld nach den neuen
    Grundsätzen von Boulton aufgestellt wurde und sich zur
    Trockenhaltung eines wichtigen Kupferschieferflötzes bewährt
    hat, bald nachgeahmt werden.“

Nach der Rückkehr Redens von seiner ersten englischen Reise
1787 machte er Versuche mit einem kleinen Kupolofen (Schachtofen)
von 3 Fuſs Höhe und 15 Zoll Weite mit Holzkohlen, und 1790 wieder-
holte er diesen Versuch mit einem Öfchen von 4 Fuſs Höhe und
12 Zoll Weite, beide Male ohne Erfolg. Es waren dies die kleinen
Wilkinson-Öfen, welche mit Koks und genügendem Gebläse ganz
gut funktionierten, für Holzkohlen aber nichts taugten.


Graf Reden hatte John Wilkinson in England kennen gelernt
und wahrscheinlich die Dampfmaschine für Tarnowitz von ihm be-
zogen. 1789 wurde Wilkinson auf Redens Veranlassung von dem
königlichen Bergwerks- und Hütten-Departement nach Schlesien be-
rufen 1), um Reden bei seinen Versuchen, mit Koks zu schmelzen,
durch seine Erfahrung zu unterstützen. Reden hatte 1788 mit Ver-
Beck, Geschichte des Eisens. 59
[930]Preuſsen.
suchen, die schlesische Steinkohle zu verkoken, begonnen. Die ersten
Proben waren ungünstig ausgefallen. Während Wilkinsons An-
wesenheit (1789) wurden die ersten erfolgreichen Versuche, Bleierze
mit Koks zu schmelzen, auf der Friedrichshütte gemacht. Die beab-
sichtigten Versuche, Eisenerze mit Koks zu schmelzen, verhinderte
damals der starke Frost.


Von Interesse ist, daſs schon 10 Jahre früher, 1778, ein Eisen-
hüttenpächter Koulhaaſs, angeregt durch Jars’ „Metallurgische Reise“,
Versuche mit Verkokung von Steinkohlen gemacht hatte. Er nahm
sie nun ebenfalls wieder auf, und da ihm die Mittel fehlten, dieselben
im Hochofen zu versuchen, probierte er sie in einem Luppenfeuer zu
Mokrus; nach einigen Schwierigkeiten angeblich mit gutem Erfolg(?) 1).


Um die Mitte des Jahres 1789 wurde die erste Schmelzung mit
Koks in dem Hochofen zu Malapane gemacht. Man brach, als der
Ofen im guten Gange war, an dem Holzkohlensatz ab, indem man
60 Pfund Koks für 50 Pfund Holzkohlen setzte und damit fortfuhr,
bis man nur Koks aufgab, wovon man am 19. November 1789 das erste
Roheisen erhielt. Nach einigem Miſslingen war man im stande, den
Ofen 436 Stunden lang nur mit Koks zu treiben, und erhielt dabei
besonders zuletzt vorzügliches Eisen für feine Guſswaren und für zähes
Stabeisen. „Es muſs für jeden Schlesier erfreulich sein“, heiſst es in
dem Bericht, „daſs Malapane das erste und einzige Werk in den ge-
samten königlichen Staaten gewesen ist, woselbst man bei bloſsen
abgeschwefelten Steinkohlen gutes Roheisen erzeugt hat, wo weder
Offizianten noch Arbeiter jemals Koks gesehen oder verarbeitet hatten.“
Diese Versuche sollten zunächst nur die Thunlichkeit des Schmelzens
von Eisen mit schlesischen Koks beweisen. Für einen dauernden
Betrieb war weder der Hochofen noch das Gebläse genügend.


Graf Reden reiste mit Wilkinson nach England. Er hatte
für diese Instruktionsreise einen einjährigen Urlaub erhalten. Vor
seiner Abreise hatte er noch einen mit Zuziehung Wilkinsons ent-
worfenen Plan zur Erbauung von zwei englischen Hochöfen in Schle-
sien dem König eingereicht.


Graf Reden lieſs zunächst den einen Hochofen (Nr. 2) von
Malapane in der Weise umbauen, daſs derselbe statt des viereckigen
einen runden Kernschacht erhielt und von 24 auf 29 Fuſs erhöht
wurde. Ferner kaufte er ein dreicylindriges Gebläse nebst Regulator
in England, welches durch ein 22 Fuſs hohes Wasserrad bewegt wurde.
[931]Preuſsen.
Dasselbe kam 1791 an und wurde von dem ebenfalls nach England
entsendeten Hüttenbau-Inspektor Wedding für den Hochofen (Nr. 2)
in Malapane hergerichtet. Im September 1791 kam der Hochofen,
nachdem man ihn mit Holzkohlen abgewärmt hatte, in Betrieb. Man
ging nun sofort zu Koks über und machte in Gegenwart des Ministers
von Heinitz in der ersten Woche bereits 75 Ctr. Roheisen den Tag,
gegen sonst 52 Ctr. mit Holzkohlen. Die Produktion sollte bis 337 Ctr.
gesteigert werden. Einem Briefe Alexander von Humboldts ent-
nehmen wir noch, daſs das Cylindergebläse 800 Kubikfuſs Wind pro
Minute gab. Die ersten Versuche seien miſslungen, dann aber im
Winter vom 25. Januar 1792 an sei der Betrieb so glücklich von
statten gegangen, daſs an dem vollständigen Erfolg des Unternehmens
kein Zweifel mehr bestehe.


Der junge A. von Humboldt soll damals zuerst auf die Not-
wendigkeit stärkerer Gebläse beim Steinkohlenbetrieb hingewiesen
haben.


Eine bemerkenswerte Verbesserung war auch die Art des Auf-
gebens mittels eines groſsen Gichtwagens, der 32 Kubikfuſs Kohlen
faſste, auf welche die gattierte Erzgicht gleich oben aufgesetzt
wurde. Der Wagen wurde auf Schienen über die Ofengicht gefahren
und dort durch unterwärts sich öffnende Bodenklappen auf einmal
entleert.


Hochöfen mit mehreren Formen wurden zuerst auf oberschlesischen
Privathütten eingeführt. Der Hochofen des Oberhütteninspektors
Voſs zu Borek hatte drei Formen, zwei auf der Formseite und eine
gegenüber auf der Windseite. Der Hochofen des Grafen von Co-
lonna
zu Kotten, der 38 Fuſs hoch war, hatte zwei Formen auf der
Windseite. Die beiden genannten Hochöfen wurden mit Fichtenkohlen
betrieben.


Graf von Reden verbesserte nach seiner Rückkehr aus Eng-
land die Eisengieſserei zu Malapane wesentlich. Denn während früher
nur Munition, Kessel, Ofentöpfe und grobe Guſswaren geformt worden
waren, lieſs er jetzt Cylinder, Dampfmaschinenteile, Brücken, Räder,
Ketten, Trillinge, Laternenständer, verzierte Öfen, Gitter, Säulen,
Thore, englische Kamine und viele andere Gegenstände, selbst
feinen Kunstguſs, anfertigen, und die Kessel, Töpfe, Öfen u. s. w.,
die man früher mühsam in Lehm geformt hatte, wurden jetzt nach
Modellen in Kasten im Sand auf viel leichtere und wohlfeilere Art
hergestellt, was der Gieſserei einen groſsen Aufschwung gab.


Die Verbesserung der Gieſserei betrieb Graf Reden persönlich
59*
[932]Preuſsen.
und hielt sich zu diesem Zweck längere Zeit in Malapane auf. Er
führte Gedinge bei den Formern ein, setzte eine strenge Trennung
der Lehm- und Sandformerei durch und erlieſs genaue Vorschriften
über die Abnahme der Guſswaren. Infolge der vorzüglichen Waren
erzielte die Malapaner Gieſserei sehr gute Preise. 1793 kostete der
Centner feiner Lehmguſs 5 Thlr., ordinärer Lehmguſs 4 Thlr. 12 Gr.,
feiner Kastenguſs 5 Thlr., mittlerer Kastenguſs 4 Thlr. 12 Gr., ordi-
närer Kastenguſs 3 Thlr. 12 Gr., Sand- und Herdguſs 2 Thlr. 12 Gr.,
fleiſsig gebohrte Sachen, Cylinder, Walzen u. s. w. 8 Thlr. 8 Gr. Ge-
schliffene, abgedrehte und weniger fein gebohrte Sachen 7 Thlr. 4 Gr.


Die Stabeisenfabrikation hatte Graf von Reden bereits 1788
dadurch verbessert, daſs er zwei Frischer vom Harz engagierte. welche
das dort übliche Warmfrischen (deutsche Frischschmiede) sowohl in
Malapane als auf der Kreuzburger Hütte einführten. Eine weitere
Verbesserung war die 1793 getroffene Einrichtung, daſs der Meister
von da ab abwechselnd mit dem Frischer einen Deul frischen und
ausschmieden muſste. Dadurch wurde gröſsere Produktion und ein
regelmäſsigerer Betrieb erzielt. Schon seit 1782 waren Prämien für
Mehrproduktion über den Mittelsatz eingeführt worden.


Ferner lieſs Reden 1791 einen groſsen Stirnhammer aus Eng-
land kommen und auf dem Krascheower Werk aufstellen, um damit
Kolben zu schmieden.


Mit der Stahlfabrikation hatte man weniger Glück in Malapane.
1784 lieſs Graf von Reden den Stapeldirektor Voſs nebst zwei
Stahlschmieden aus der Grafschaft Mark kommen, die in Jedlitze
Versuche, Rohstahl zu frischen, anstellten, welche günstig ausfielen,
besonders mit Roheisen aus Wilmsdorfer und Loffkowitzer Stein.
Infolgedessen wurden 1785 die beiden Kascheower Frischfeuer in
3 Rohstahl- und 3 Raffinierfeuer umgebaut und 1786 in Betrieb
gesetzt. Dieser wurde aber schon nach 3 Jahren, 1789, wieder ein-
gestellt, obgleich der Stahl gut war, weil die Breslauer Kaufmann-
schaft Einsprache dagegen erhob, auf Grund eines ausschlieſslichen
Privilegiums, welches ihr in früherer Zeit erteilt worden war und das
sie jetzt auszunutzen suchte, indem sie eine groſsartige Stahlhütte zu
Königshuld anlegte 1), die 1790 in Betrieb kam. Die preuſsische
Staatsregierung unterstützte dieses Privatunternehmen durch eine
Beihülfe von 70000 Thlr.


[933]Preuſsen.

Da sich die Nachfrage nach Weiſsblech steigerte, indem der ein-
zige Weiſsblechhammer in Schlawentzitz nicht genügte, so wurde 1784
das Blechwerk zu Dembiohammer errichtet, das aber später nach
Malapane, wo man eine groſse Verzinnerei einrichtete, die 1799 in
Gang kam, verlegt wurde.


Im Jahre 1780 waren in Schlesien 36 Hochöfen im Betrieb,
welche aber höchstens 100000 Ctr. Roheisen lieferten. Der Wert der
gesamten Eisenproduktion wurde auf 250000 Thlr. angegeben; 1790
betrug der Wert der schlesischen Eisenproduktion schon 592318 Thr.;
1800 gab es 45 Hochöfen (6 mit Koks), über 150 Frischfeuer, welche
200000 bis 300000 Ctr. Roheisen und 160000 bis 180000 Ctr.
Schmiedeeisen lieferten.


Zwar hatten die Erfolge zu Malapane zur Genüge bewiesen, daſs
man mit schlesischem Koks Eisenerze verhütten konnte, aber die Ein-
richtungen in Malapane waren nicht ausreichend, um damit einen
befriedigenden Betrieb wie in England zu erzielen. Deshalb erstrebte
Graf von Reden die Anlage eines ganz neuen Hüttenwerks, welches
eigens für diesen Zweck und mit allen verbesserten Einrichtungen
versehen sein sollte. Nach längeren Verhandlungen erhielt er endlich
die Zustimmung des Ministeriums und des Königs und erbaute das
Eisenhüttenwerk bei Gleiwitz, wo eine ausreichende Wasserkraft zur
Verfügung stand. Mit den Entwürfen und der Bauausführung
wurden Assessor Bogatsch und Bauinspektor Wedding betraut.
Auſserdem bediente sich die preuſsische Regierung der Dienste eines
englischen Ingenieurs M. Baildon, der früher Beamter der Carron-
Eisenwerke in Schottland gewesen war. Der Bau begann 1794 und
wurde 1796 vollendet. Am 21. September 1796 wurde der erste
wirkliche Kokshochofen in Deutschland angeblasen, denn alle Hoch-
öfen, in denen man vor diesem mit Koks geschmolzen hatte (Sulz-
bach, Malapane), waren Holzkohlenöfen gewesen. Der Hochofen,
welcher Fig. 199 abgebildet ist 1), war 40 Fuſs rhein. (12,89 m) hoch,
10 Fuſs 3 Zoll (3,45 m) im Kohlensack, 4 Fuſs 7 Zoll (1,25 m) in
der Gicht weit, Rastneigung 67°, Höhe der Rast 9 Fuſs, Höhe des
Gestells 6 Fuſs, obere Weite 27 Zoll, Fassungsraum des Ofens
40,31 cbm. Das Gestell wurde ursprünglich aus Steinen, später (1815)
aber aus Masse hergerichtet. Der Schacht hatte zwei Futter, welche
durch eine Füllung getrennt waren. Das Gebläse hatte man aus
[934]Preuſsen.
Schottland bezogen. Es war einfach wirkend mit 3 Cylindern von
1,752 m Weite und 0,967 m Hub und sollte bei 7 Wechseln in der
Minute 46,3 cbm Wind durch eine 0,071 m weite Düse mit einer
Pressung von 0,080 m Quecksilber liefern. Die Bewegung geschah
durch Wasserkraft. Den Betrieb leitete Baildon und der Hütten-
gehilfe Schulze.


Der erste Versuch miſslang. Es gelang nicht, den Ofen in hin-
reichende Hitze zu bringen und muſste derselbe wegen gänzlichen Ein-
frierens, ohne daſs nur einmal abgestochen wurde, ausgekratzt werden 1).
Am 10. November desselben Jahres wurde er wieder angeblasen und
legte eine Hüttenreise von 24 Wochen, bei welcher 150 Ctr. Roh-
eisen in der Woche produziert wurden, zurück. Die zweite Hütten-
reise brachte es auf 26 Wochen, die dritte auf 38 Wochen mit
311 Ctr. Wochenproduktion, die vierte im Jahre 1799 bis Mai 1800
auf 30 Wochen mit 339 Ctr. die Woche. Der Koksverbrauch schwankte
von 260 bis 340 Pfd. auf 100 Pfd. Roheisen.


Gleiwitz erwarb sich bald groſsen Ruf durch seine vortrefflichen
Guſswaren und wurde eine Musteranstalt für ganz Deutschland.


Der Absatz des schlesischen Eisens nahm immer gröſseren Um-
fang an. In Brandenburg verdrängte es das schwedische fast voll-
ständig. Da die Gleiwitzer Hütte hauptsächlich Guſswaren machte,
so fehlte es an Roheisen für die Frischhütten. Graf von Reden
beschloſs die Anlage eines noch gröſseren Werkes und zwar unmittel-
bar in dem Kohlenrevier. Der Kohlenbergbau hatte inzwischen,
namentlich im Gebiet von Zabrze, groſsartige Dimensionen angenommen
und war durch Aufstellung einer Dampfmaschine sehr gefördert worden.
Diese zweite Dampfmaschine, welche Reden in Oberschlesien aufstellen
lieſs, war auf einer Kohlengrube bei Zabrze errichtet worden. Für
das neuprojektierte Eisenwerk suchte er den günstigsten Platz aus,
der Verhältnisse wie in Schottland bot, indem Steinkohlen und Erze
in unmittelbarer Nähe gewonnen werden konnten. So entstand das
groſse Werk Königshütte unmittelbar bei der Königsgrube.


Der Bau wurde 1798 unter der Leitung des Bauinspektors Wed-
ding
und des englischen Ingenieurs Baildon begonnen; 1800 bis
1802 wurden zwei groſse Hochöfen erbaut, von denen der erste,
nachmals dem Gründer des Werkes zu Ehren „Redenofen“ genannt,
am 25. September 1802, der zweite, „Heinitzofen“, am 25. Dezember
[935]Preuſsen.
1802 angeblasen wurde. 1805 wurde mit dem Bau eines dritten
Ofens angefangen. Der „Redenofen“ war der gröſste Hochofen, der
bis dahin auf dem Kontinent erbaut worden war, er hatte folgende
Hauptmaſse: Ganze Höhe 43 Fuſs 2 Zoll, Gestellhöhe 6 Fuſs 6 Zoll,
Rasthöhe 9 Fuſs 3 Zoll, Formhöhe 2 Fuſs, Durchmesser der Gicht
4 Fuſs 9 Zoll, des Kohlensacks 12 Fuſs 6 Zoll, Weite des Gestells
am Boden 1 Fuſs 7 Zoll, am Anfang der Rast 2 Fuſs 7 Zoll.


Redens groſse Verdienste wurden anerkannt. Als 1802 Minister
von Heinitz gestorben war, wurde er zunächst als Oberberghaupt-
mann zur Leitung der sämtlichen fiskalischen Berg- und Hüttenwerke
und der Porzellanmanufaktur nach Berlin berufen. 1804 wurde er dann
zum wirklichen Staatsminister ernannt. Die Katastrophe von 1806
erschütterte ihn auf das tiefste. Er weigerte Napoleon den Eid trotz
der Vorstellungen seiner Kollegen und trat 1807 aus dem Staatsdienst,
nicht aber aus dem Kreise der Patrioten. Bei Reden fand Minister
vom Stein, nachdem er 1809 von Napoleon geächtet und ein Preis
auf seinen Kopf gesetzt war, auf dem Schlosse Buchwald die erste
Zuflucht, und nachdem er über die böhmische Grenze fliehen muſste,
blieb er doch mit Reden in dauernder Verbindung. Graf von Reden
vermittelte die wichtige Unterredung zwischen Stein und Harden-
berg
am 16. September 1810 in Hermsdorf unter dem Kynast. Der
edle deutsche Mann erlebte noch die Befreiung des Vaterlandes vom
französischen Joch; aber am 3. Juli 1815 starb er. Unsterblichen
Ruhm hat er sich für das Berg- und Hüttenwesen, für die Eisen-
industrie, besonders aber für Oberschlesien erworben, das er aus einer
Wildnis zu einem der groſsartigsten Industriegebiete der Welt umge-
schaffen hat.


Mit dem Schlusse des 18. Jahrhunderts war das letzte Luppen-
feuer in Oberschlesien erloschen. Eine neue Zeit hatte begonnen.


Nach einer Statistik des Jahres 1800 1) gab es am Schlusse des
Jahrhunderts in Niederschlesien 16 Eisenwerke mit 8 Hochöfen,
20 Frischfeuern und 5 Luppenfeuern, welche 31340 Ctr. Roheisen,
13398 Ctr. Stabeisen und 5393 Ctr. Luppeneisen machten.


1787 hatte Niederschlesien nur 5 Hochöfen und 10 Frischfeuer
gehabt, dagegen 8 Luppenfeuer, welche zusammen 17200 Ctr. Roheisen,
8640 Ctr. Stabeisen und 8200 Ctr. Luppeneisen gemacht hatten.


Oberschlesien hatte 1800 dagegen 139 Eisenwerke, wovon 37
im Beuthener Kreise lagen, mit 46 Hochöfen und 150 Frischfeuern, in
[936]Westfalen und die Rheinlande.
denen 315018½ Ctr. Roheisen und 192930 Ctr. Stabeisen dargestellt
wurden.


1787 hatte Oberschlesien nur 42 Hochöfen gehabt, welche 178200 Ctr.
Guſseisen, und 145 Frischhütten, welche 116600 Ctr. Stabeisen erzeugt
hatten.


Die Statistik über die Eisenerzeugung des preuſsischen Staates
im vorigen Jahrhundert ist sehr unvollkommen.


Eine Zusammenstellung für das Jahr 1784 ist in dem oben er-
wähnten Briefe des Ministers von Heinitz an Baron von Dietrich
vom 17. Juni 1785 enthalten.


Hiernach erzeugte Preuſsen 1784:


  • Guſs- und Roheisen   31256 Ctr.
  • Schmiedeeisen   151249 „
  • Guſswaren   9894 „
  • Schwarz- und Weiſsblech   5659 „
  • Draht   18864 „
  • Roh-, Guſs- und Cementstahl   29558 „
  • Stahldraht  3244 „
  • Zusammen 249724 Ctr.

Nach Krug betrug die Roheisenproduktion Preuſsens im Jahre
1798 302491 Ctr.


Westfalen und die Rheinlande.

In Westfalen und den Rheinlanden, wo die Eisenindustrie seit den
ältesten Zeiten heimisch war, vollzog sich der Übergang aus der alten
in die neue Zeit nur langsam und allmählich. Die politische Zer-
stückelung des Gebietes verhinderte eine einheitliche Entwickelung.
Jedes Ländchen bewahrte auch seine industrielle Eigentümlichkeit.


Das Siegerland lieferte der westfälischen Mark und dem ber-
gischen Land seinen Rohstahl und sein Reckeisen, welches auf zahl-
reichen Hämmern verarbeitet wurde.


Die Herrschaft Altenkirchen lieferte den Osmundschmieden
in der Mark und im Sauerland und den Stahlhütten in Westfalen
das vorzügliche Rohstahleisen.


Die Grafschaften Berlenburg und Wittgenstein waren ge-
segnet durch ihren Holzreichtum. Sie lieferten ihren Überfluſs in
Form von Holzkohlen nach dem Siegerland und nach Dillenburg.
[937]Westfalen und die Rheinlande.
1794 wurde auf fürstliche Rechnung die Berlenburger Eisen-
hütte
1 Stunde westlich der Stadt erbaut, sie war aber nur ein
Jahr im Betrieb. Dagegen waren um Berlenburg mehrere Hammer-
werke in Umgang. Dieselben bezogen ihr Roheisen aus dem Dillen-
burgischen und Wittgensteinischen und arbeiteten nach Kaltbläser
Art (rheinisches Frischen). Im Wittgensteinischen wurde die Saſs-
mannshauser Hütte
bei Lasphe von der Herrschaft betrieben. Diese
Hütte erhielt ihren Eisenstein durch Tausch gegen Kohlen aus dem
Dillenburgischen. Um Lasphe herum lagen mehrere Frischhütten.


An der unteren Lahn lagen die Eisenhütten zu Nievern, früher
der Familie von Albini gehörig, zu Aal und zu Hohenrhein. Die
beiden letzteren Werke waren Mariotsche und hatten, wie alle von
den Mariots angelegten Werke, Wallon-Schmiederei, wobei 2 Frisch-
feuer einem Reckfeuer zuarbeiteten. Eine solche Schmiede konnte
6000 kg Stabeisen die Woche machen 1). Zu 1000 kg Eisen brauchte
man 1333 kg Roheisen und 2148 kg Kohlen.


Die Nievernerhütte gehörte Ende des Jahrhunderts der Familie
von der Nülle, die Aaler der Familie Requilet. Sie erhielten ihren
Eisenstein aus der Gegend von Dietz und Runkel. Der Ofen zu
Nievern war 23, der zu Aal 18 Fuſs hoch. Hohenrhein hatte auch
eine Eisenspalterei, die in der Woche 20000 kg schneiden konnte.
Bei dem geringen Bedarf ging sie nur zeitweise.


In der kurtrierischen Herrschaft Vallendar wurde 1770 die
Eisenhütte bei Sayn als kurfürstliches Kammeralwerk erbaut. Es
bestand aus 2 Hochöfen, 3 Hämmern und einem Reckhammer. Zu
seiner Administration gehörte noch ein ¼ Stunde oberhalb der Hütte
am Saynbach gelegener Hammer, Nr. 4 genannt. Das Werk stand
zu Ende des Jahrhunderts unter der Leitung des Hütten-Faktors
Lossen. Die Erze kamen von den Gruben bei Horhausen; es waren
Brauneisensteine, Glaskopf und strengflüssiger Eisenspat. Jeder Ofen
produzierte etwa 1750 kg täglich. Das Roheisen war auch für Stahl
verwendbar. Auf den Hammerschmieden wurden auf 4 Feuern mit
2 Geschlägen wöchentlich nach Kaltbläserart etwa 3000 kg Stabeisen
gemacht. Ein dritter Hammer war auf Einmalschmelzerei gestellt
und verarbeitete nur Bruch- und Wascheisen mit garen Hammer-
schlacken zu sogen. Barroeisen, Kolben, die unter dem Reckhammer
auf Maſs geschmiedet wurden. Das Feuer machte wöchentlich 2000 kg.
Auf 1000 kg brauchte man im Hochofen 2206 kg Erze und 1471 kg
[938]Westfalen und die Rheinlande.
Kohlen, bei den deutschen Hämmern 1, 2 und 4 zu 1000 kg Stab-
eisen 1400 kg Roheisen und 2156 kg Kohlen, bei der Einmalschmel-
zerei 1075 kg Roheisen und 2541 kg Kohlen. Das Stabeisen ging
meistens nach Holland.


Ferner lag ein Privathammer bei Vallendar, ein anderer bei
Bendorf, der „Steizerhammer“ genannt. Die Burscheder oder
alte Hütte mit 1 Hochofen im Amte Herschbach gehörte Freuden-
berg
in Neuwied. — Die Eisenindustrie im Amte Bendorf verdankte
ihre Blüte einem gewissen Remy, Sohn eines Pfeifenbäckers zu
Mehren im Amte Altenkirchen.


Die am Mittelrhein berühmte und verzweigte Industriellenfamilie
Remy1) leitet ihren Ursprung von dem 1568 zu Jvoy in Lothringen
geborenen Jacob Remy ab, der 1586 aus seiner Heimat auswanderte
und sich in Grenzhausen niederlieſs, wo er sich der dort schon da-
mals lebhaft betriebenen Thonwarenindustrie, besonders der Pfeifen-
bäckerei zuwandte. Dem Eisengewerbe widmete sich zuerst Wilhelm
Remy
, der 1728 das Bendorfer Eisenhüttengeschäft gründete und
sich dadurch ein groſses Verdienst um die gewerbliche Entwickelung
der Gegend erwarb. Nach seinem 1761 erfolgten Tode — er starb
als markgräflich brandenburg-ansbachischer Kommerzienrat und
Hüttenmeister — setzten sein Vetter Johannes Remy und dessen
Sohn den Betrieb der Bendorfer Hütte fort. Der Hochofen lag unter-
halb Bendorf nahe am Rhein. Er lieferte aus Braun- und Spateisen-
steinen ein vorzügliches Eisen. Ein Peter Remy wird von 1742 an
als Pächter des Nettehammers genannt. 1760 ging Pacht und Betrieb
des gräflich wied-neuwiedischen Eisenwerks Rasselstein, das schon
1655 urkundlich genannt wird und 1760 aus Hochofen und Eisen-
hammer bestand, an Heinrich Wilhelm Remy, einen unter-
nehmenden und hervorragenden Geschäftsmann, über. Er war es,
der 1769 mit vielen Kosten und Schwierigkeiten ein Blech-
walzwerk
einrichtete, welches die erste derartige Anlage in
Deutschland
gewesen ist. Dieselbe wurde mit gutem Erfolge be-
trieben und konnte nach und nach vergröſsert werden. Heinrich
Wilhelm Remy
starb 1779. Sein Nachfolger Karl Wilhelm Remy
war schon 1771 Teilhaber des Geschäfts geworden, das damit die
Firma Heinr. Wilh. Remy \& Consorten, welche bis 1873 unver-
ändert geblieben ist, erhielt.


[939]Westfalen und die Rheinlande.

Karl Wilhelm Remy kaufte von den Grafen, später Fürsten
von Wied 1784 Rasselstein und den Blechhammer zu Niederbieber
für 40000 Gulden, 1797 den Nettehammer und 1799 die Honnefelder
Hütte und Hammer. Das Eisenwerk Rasselstein bestand gegen Ende
des Jahrhunderts (nach Eversmann) aus 1 Hochofen, 5 Grobfeuern,
auf deutsche Schmiederei eingerichtet, 1 Reckfeuer und 1 Blechwalz-
werk. Die spatigen Erze kamen von Honnefeld. Es wurden 800 bis
900 kg. Roheisen pro Tag geschmolzen bei einem Ausbringen von
28 Proz. Auf dem Reckhammer wurden Steinkohlen von der Saar, die
sich auf 30 Kreuzer pro Centner stellten, gebraucht. Alle Hämmer
und Ambosse waren von gegossenem Eisen, die auch hier fabriziert
wurden. Man verwendete hier einen Schwanzhammer als Grobhammer.
Die Wasserräder waren 8 Fuſs hoch, mit eisernen Kränzen versehen
und ohne Speichen, indem der Raum zwischen Kranz und Achse mit
Holz ausgekeilt und mit gegossenen eisernen Scheiben geschlossen
war. Die Konstruktion war von den Gebrüdern Stumm auf dem
Hunsrücken eingeführt worden und soll den Gang des Rades sehr
erleichtert haben. Das Stab- und Reckeisen vom Rasselstein ging
nach Rotterdam an Hoffmann u. Comp., eine der gröſsten Eisen-
und Stahl-Handlungen in Europa.


Oberhalb Rasselstein lag ein Hammerwerk am Aulenbach zwischen
Ober- und Nieder-Bieber, ebenfalls Karl W. Remy gehörig, es
hieſs der Blech-Hammer.


Zwischen Rasselstein und Neuwied lag der Bastard-Hammer, eine
Wallonschmiederei, einem Mäurer zu Ehrenbreitstein gehörig, mit
einem Eisenschneidwerk. Es bezog sein Eisen von der Sayner Hütte
und von der Langenhecke. Die Eisenspalterei ging unterschlächtig mit
hohen Rädern. Das Schneideisen ging meist nach Köln und Holland.


Die Honnefelder Hütte an der Aulbach mit 1 Hochofen und
2 Schmelzfeuern gehörte ebenfalls Karl Remy. Der Hochofen
machte gegen Ende des Jahrhunderts wöchentlich 15000 bis 16000 kg
Roheisen und ging wegen der Spaterze, die das Gestell angriffen,
nicht über 20 Wochen. Das Roheisen, das hier nicht verschmiedet
wurde, ging nach dem ebenfalls Remy gehörigen Eisenwerk an der
Nette
auf der anderen Rheinseite. Es wurden hier viele Hämmer,
Hammerhülsen und Chabotten gegossen, wie denn in dortiger Gegend
gegossene Hämmer allgemein üblich waren.


Eine zweite Hütte im Neuwiedischen lag zu Maxsain an dem
Saynbach und hatte einen Hochofen und einen Stabhammer mit
2 Feuern. Sie gehörte Bergrat Freudenberg zu Hachenburg. Der
[940]Westfalen und die Rheinlande.
gewöhnliche Gang der Hütte war 17 bis 18 Wochen, wovon ungefähr
3 Wochen auf Guſswaren gingen. Es wurden fast nur Plattenöfen
für die Landbevölkerung gegossen, die noch ganz das Ansehen der
Guſsplatten aus dem 16. Jahrhundert hatten, auch muſsten sie noch
mit den bekannten Bildern aus der biblischen Geschichte versehen
sein, sonst nahmen sie die Westerwälder Bauern nicht 1).


Im Amte Bendorf lag noch der der Familie Freudenberg ge-
hörige Steinebrücker Hammer.


In der Grafschaft Alt-Wied lag die Clemenshütte an dem
Wiedbach, 3 Stunden nördlich von Neuwied. Sie gehörte vormals
einem Saler, ging aber 1794 in Eigentum der Herrnhuter Gemeinde
über. Das Werk bestand aus 1 Hochofen, 2 Hämmern mit 4 Grobfeuern
und einem Reckhammer. Der 24 Fuſs hohe Ofen gab 2500 bis 3000 kg
Roheisen in 24 Stunden. Das Stabeisen ging nach Köln und Holland.


Eine andere Hütte, die Max-Friedrich-Hütte, lag bei Linz
am Rhein.


1786 erbaute der hannöverische Berghauptmann von Reden die
Eisenhütte bei Wissen in der Hatzfeldischen Grafschaft Wildenburg.
Sie machte gutes Stahleisen, das meist in die Grafschaft Mark und
nach Westfalen ging. Der erste Pächter war Freudenberg von
Maxsain, der zweite Glaser von Siegen.


In der Grafschaft Wied-Runkel lag die Raubacher Hütte,
¾ Stunden von Dierdorf an dem Holzbach; sie hatte 1 Hochofen und
2 Frischfeuer und war vom Kammerrat Freudenberg gepachtet.
Eine Stunde davon lag der dazu gehörige Reichensteiner Hammer.
Die Christians-Hütte, oberhalb Schupbach an dem Kerkerbach,
wurde 1784 durch den Kaufmann Häntjens von Köln in Betrieb
gesetzt. 1786 wurde die Gieſserei angelegt.


In der Herrschaft Westerburg lag bei Gemünden ein Hammer,
der auf Kleinfrisch-Arbeit ging und zwei Drahtzüge, die nur grobe
Sorten machten.


In der Grafschaft Sayn-Hachenburg gab es eine Eisenhütte,
Hämchen oder Hohegreite, bei Ham an der Seelbach unweit
deren Ausflusses in die Sieg. Sie verschmolz Spat- und Brauneisen-
steine zu Stahleisen und produzierte 2000 kg den Tag. Das Eisen
ging nach dem Herzogtum Westfalen und der Grafschaft Mark. An
der Wiedbach unterhalb Hörtebach lag der 1795 von Hofrat Freuden-
berg
in Hachenburg erbaute Hamwärther Stabhammer, der sein Eisen
[941]Westfalen und die Rheinlande.
zum Teil an die Freudenbergische Zain- und Drahthütte an der
Niester lieferte.


An das Siegerland, dessen Geschichte wir bereits mitgeteilt haben,
grenzte im Norden und Westen das rauhe Bergland des westfäli-
schen Sauerlandes
, deren Gefälle, durchflossen von der Lenne
und Ruhr, seit vielen Jahrhunderten das Eisen schmieden halfen.
Die Eisengruben und -Hütten zogen sich meist entlang den Kalkstein-
ablagerungen zwischen Brilon und Iserlohn.


An der Diemel im Kreise Brilon, nahe der waldeckischen Grenze,
war eine alte Eisenindustrie heimisch. Die Briloner Hütte unterm
Schellhorn lag an der Hopke, einem Nebenfluſs der Diemel 1). Eben-
daselbst lag der Hopker Hammer. Nicht weit davon waren der Mes-
singhauser Ober- und Unterhammer und die Beringhauser Eisen-
hütte
. Am Itterbach, einem Arm der oberen Diemel, lagen im
Waldeckischen die Strickhütte und ein Reckhammer, der Willinger
Stabhammer, der Herrenwieser Hammer, die Adorfer Eisenhütte,
und unterhalb des Herrenwieser Stabhammers die Buntekerker
Eisenhütte, hart auf der Grenze.


An der vereinigten Diemel und Itterbach lag im Westfälischen
die Stadtberger Eisenhütte. Unterhalb der Vereinigung der
Hopke mit der Diemel lagen der Grünner und der Kellensteiner
Hammer mit je 2 Frischfeuern, dann folgte die zum Kloster Bredelar
gehörige Klosterhütte. Im Seitenthal der Urbe lagen wieder im
waldeckischen Gebiet der Illdorfer Hammer mit 2 Feuern, die Neu-
ebisser Eisenhütte
, die Rotzhütte, ein Stabhammer mit 2 Feuern,
die Neuehütte, der Bürener Hammer, die Miſsgunst und der Urber
Hammer mit je 2 Feuern. Bei Vrecken lag, ebenfalls noch auf wal-
deckischer Seite, der Herrenhäuser Hammer. Auſser den genannten
befanden sich noch mehrere Hütten und Hämmer im Waldeckischen
an der Twiste, sowie an der Urf, Wese und Eider.


Nördlich davon im Fürstentum Paderborn lag Ulrichs Eisen-
hütte
zu Alten-Beickum (Altenbecken) und Natorfs Eisenhütte,
¼ Stunde oberhalb Altenbecken. Beide Hütten schmolzen den in der
Nähe vorkommenden Roteisenstein und hatten je einen Stabhammer.


Im südlichen Westfalen, 2 Stunden oberhalb Olpe, lag an der
Bigge die Wendner Eisenhütte, welche 1728 erbaut war. Sie ging
aber wieder ein und kam in Verfall, bis sie in den 70er Jahren von
den Herren Remy, Hoffmann und Bayer wieder aufgebaut wurde;
[942]Westfalen und die Rheinlande.
gleichzeitig wurde ein Reckstahlhammer daselbst errichtet. Die Hütte
bezog vortrefflichen Eisenstein von der goldenen Haard im Amte
Freudenberg. Aus dem guten Stahleisen wurde ein geschätzter Stahl
gemacht. Der Hochofen war 20 Fuſs hoch, mit ledernem Gebläse.
Es wurde durch den Stein geblasen.


Die Elber Eisenhütte lag ¾ Stunden oberhalb Olpe. Sie
machte ebenfalls aus Spateisen Stahleisen, das nach den Hämmern
an der Lenne ging. Eine dritte Hütte an der Bigge lag nahe bei
Wenden. Sie war 1780 erbaut worden und gehörte dem Kloster
zu Drolshagen. Das Erz kam aus der Nachbarschaft von Valbert.


Die Olper Eisenhütte, auch im Dohm genannt, gehörte
dem Grafen von Brabeck und der Familie Weber in Olpe. Es
wurden Spateisensteine mit Glaskopf auf Stahleisen verschmolzen,
und lieferte der 20 Fuſs hohe Ofen mit viereckigem Schacht und stark
geneigter Rast 15000 bis 16000 kg Eisen die Woche.


An der Stelle, wo später der Meggener Hammer stand, war früher
die Keller Eisenhütte. In den 80er Jahren wurde eine Eisenhütte
in der Rüspe bei Albaum an der berlenburgischen Grenze erbaut.
Sie gehörte dem Richter Höing und Konsorten zu Valbach. An der
Wenne, nicht weit von Arnsberg, lag die Eisenhütte zu Alt-Hellfeld,
deren Hochofen hintersässig war und die „lange Ecke“ hatte 1). Man
verschmolz daselbst Magneteisenstein mit mulmigem Brauneisenstein.
An demselben Flüſschen lag die Hütte zu Berge. 100 kg Guſswaren
kosteten hier um 1800 10 Thlr., 100 kg Roheisen 5 Thlr.


Zu Entrop an der Ruhr lag eine Eisenhütte und eine andere
zu Langenholthausen an der Sorpe. ¼ Stunde von Balve lag die
Hütte zu Wocklum, dem Herrn von Landsberg gehörig; zu Gar-
beck
an der Hünne lag eine Hütte, eine andere zu Warstein,
welche Roteisenstein verschmolz und in 24 Stunden 1200 kg geringes
Eisen schmolz, das nach Bielefeld und Lippstadt ging. Zu Lenn-
hausen
legte 1792 Graf Plettenberg mit mehreren Gewerken eine
Eisenhütte an, die aber nur wenige Jahre betrieben wurde.


Recht bedeutend war die Rohstahlfabrikation im Lenne-
thal, wo Ende des Jahrhunderts über 50 Feuer im Betriebe waren,
welche ihr Rohstahleisen teils von den Hütten bei Olpe, meist aber
aus dem Saynischen und dem Freien Grund, sowie auch von der
Hütte bei Hamm bezogen. Das Frischen geschah wie in der Graf-
schaft Mark. Der meiste Stahl ging als Rohstahl nach der Mark
[943]Westfalen und die Rheinlande.
und ins Bergische. Letzterer folgte der alten Eisenstraſse über Val-
bert, Meinerzhagen und dem Tollen Anschlag bei Halver. Der Preis
stand um 1800 auf 100 Thlr. die 1000 Pfd. Eversmann schätzte
die jährliche Produktion um 1800 auf 3180 Karren im Werte von
178080 Thlr.


In diesem Gebiet gingen 36 Stabeisenfeuer auf Kaltbläserart; an
der Lenne waren einige Einmalschmelzereien. Diese Hämmer an der
Lenne bezogen ihr Eisen meist aus dem Freien Grund und dem
Dillenburgischen. Das inländische Roheisen wurde auf den eigenen
Frischhütten verschmiedet. Eversmann schätzte die jährliche Stab-
eisenproduktion auf 2520 Karren zu 50 Thlr. = 126000 Thlr. Das
meiste wurde zu Soest, besonders auf dem Allerheiligen-Markt, ver-
handelt und ging nach Münster und Osnabrück. Die Stabschmiede
waren der Meinung, daſs das westfälische Eisen nur nach Kaltbläser
Art verfrischt werden könnte.


Olpe war der Hauptsitz der Blechfabrikation1). Die Blech-
Reidemeister daselbst hatten ein besonderes landesherrliches Privi-
legium. Auch wohnten viele Blechschläger daselbst. Die zur „Olpschen
Blechfabrik“ gehörigen Stückhämmer (Renn- oder Frischwerke), deren
es 10 mit 13 Feuern gab, durften nicht vermehrt, selbst nicht einmal
ein Werk von einem schlechteren auf ein besseres Gefälle verlegt
werden. Ebenso verhielt es sich mit den 14 Platten- oder Blech-
hämmern. Die Blechfabrik bezog ihr bestes Eisen von den Dillen-
burger Hütten, auſserdem von Friedwald, aus dem Freien Grund, von
Weiershagen und Aslar. An den Stückhämmern arbeiteten 2 Leute,
die täglich 5 Stäbe zu 120 Pfd. mit 5 Zain (Tain) Kohlen machten.
Von 1350 Pfd. Roheisen erhielt man in der Regel 960 Pfd. Blechstäbe.
An den Blechhämmern arbeiteten 3 bis 4 Mann, die um 1760 nur
20 Wag zu 120 Pfd., um 1800 aber 40 Wag Blech machten, von
doppeltem Sturz- oder Salzpfannenblech sogar 50 Wag. Hierbei
wurden auf 1000 Pfd. Blech 10 Tain oder 160 Kubikfuſs Kohlen
gebraucht. Auch bei den Olper Blechhämmern war die Einrichtung
der Hammertage wie im Siegerland, so daſs öfter jede 24 Stunden
ein anderer Gewerke ans Schmieden kam. Zumeist wurden Sturz-
bleche und Ofenröhren (Ofenpiepen) gemacht. Viel Blech ging auch
auf die Altenaische Drahtfabrik für Glühkessel und auf die Fingerhut-
fabriken in der Mark und in Holland.


Die 14 Blechhämmer, welche zum „Schmiedeamt“, d. h. zu der
[944]Westfalen und die Rheinlande.
privilegierten Zunft gehörten, lieferten im Jahre 1800 an 1520 Karren
im Werte von 167300 Thlrn.


Zu Menden an der Hönne war eine Nähnadelfabrik, die
cementierte eiserne Nadeln von geringer Art machte. Die Gebrüder
Thöring waren die Haupt-Reidemeister, die etwa 100 Fabrikanten,
d. h. hausgewerbliche Arbeiter, beschäftigten. Sie machten be-
sonders Clevesche Rundaugen, Langaugen und Schwabacher Nadeln.


Die Grafschaft Mark war eins der industriellsten Gebiete
Deutschlands, und die märkische Eisenindustrie war sehr bedeutend.
Einen auſserordentlichen Aufschwung nahm dieselbe, als durch Minister
von Heinitz gute Land- und Wasserstraſsen, an denen es vorher
gefehlt hatte, angelegt wurden. Danach erst verschafften sich mär-
kische Eisenwaren selbständig Namen und Ansehen auf dem Weltmarkt,
während sie bis dahin meist als Kölner oder Solinger Waren gehandelt
worden waren. Dazu kam, dass die zunehmende Verwendung der Stein-
kohlen auch die Bedeutung der märkischen Eisenindustrie vermehrte.


Der Hochofenbetrieb in der Grafschaft Mark war gering. Es gab
Ende des 18. Jahrhunderts nur zwei Schmelzhütten, eine zu Sund-
wig
und eine zu Rödinghausen. Der Hochofen zu Sundwig wurde
1736 erbaut und war gewerkschaftlich den Gebrüdern von der
Becke
, dem Herrn von Landsberg zu Wocklum und dem Kauf-
mann Schrimpf zu Iserlohn zuständig. Die Brauneisensteine, welche
verschmolzen wurden, kamen aus der Nachbarschaft, aus der Hölle bei
Sundwig. Im Jahre 1800 bildete sich eine Gesellschaft, um die Sauer-
ländischen Eisenerze auf Hochöfen nach englisch-schlesischer Art mit
Steinkohlen zu schmelzen, doch erzielte dieselbe damit keinen Erfolg.


In der Grafschaft Mark wurde Stabeisen und Rohstahl auf den-
selben Hämmern, nur bei etwas verschiedener Zustellung des Feuers,
gemacht. Solcher Rohfeuer, wie sie Eversmann nennt, gab es 69
auf 45 Hämmern.


Die märkische Stabschmiederei war die deutsche Zweimal-
schmelzer-Arbeit. In einem und demselben Feuer wurde eingeschmolzen
und ausgereckt. Man hatte 25 Proz. Abgang und brauchte 20 Tain
frische Buchenkohlen zu 5 Wagen (1000 Pfd.) Stabeisen. Im Jahre
1798 wurden in 17 Stabeisenfeuern von 54 Arbeitern 6182 Ctr. weiches
Eisen gefrischt, welches auf Reckhämmern weiter verarbeitet wurde.


Die Stabschmiederei wurde mehr und mehr eingeschränkt durch
die wichtigere und vorteilhaftere Rohstahl-Fabrikation. Bei dieser
gab es zwei Verfahren, die Freudenberger und die Schraat (Schwahl-)
schmiederei (s. S. 426).


[945]Westfalen und die Rheinlande.

Die bedeutendsten Rohstahlfabrikanten um 1800 waren:


Karl Bertram u. Komp. zu Gevelsberg, welche unter an-
derem das groſse, aus 5 Hämmern bestehende Werk in der Milspe
bei Schwelm besaſsen. Ihr Stammvater, Clemens Bertram aus
Remscheid, war einer der ersten dener, die im letzten Viertel
des 17. Jahrhunderts die Rohstahlfabrik aus dem Bergischen in das
Land gebracht hatten.


Moritz Heilenbeck zu Heilenbeck, dessen Vorfahren schon
im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts Stahlreidung betrieben hatten.
Ihr Stahl war durch seine Güte besonders berühmt.


Kaspar Heilenbeck zur Milspe, Joh. Arn. Brand zu Möllen-
kotten, Peter und Daniel Göbel zu Vörde, Gebrüder Elbers zu
Hagen, Brüninghaus u. Komp. zu Brüninghausen im Kirchspiel
Lüdenscheid, Joh. Kaspar Söding bei Hagen, Gebrüder Harkort
zu Harkort bei Hagen, Witwe Hoppe u. Söhne zu Breckerfeld,
Gebrüder Voormann daselbst, Gebrüder Bülbering und van
Eicken
zu Vörde, Gebrüder Höfinghoff daselbst. Alle diese be-
saſsen Reckhämmer, auf denen der Rohstahl raffiniert wurde. Im
ganzen gab es 55 Stahlfeuer, welche 2750 Karren Stahl zum mitt-
leren Werte von 85 Thlr. pro Karren produzierten. 1798 waren in
51 Werken von 158 Arbeitern für 221000 Thlr. Rohstahl erzeugt
worden, der sämtlich im Inlande weiter verarbeitet wurde.


1788 hatte Bürgermeister Rumpe zu Altena eine Cementstahl-
fabrik
angelegt, worin er guten Brennstahl machte. Dennoch muſste
er sie wieder aufgeben, weil der Schweiſsstahl wohlfeiler und nament-
lich zu Schmiedewaren besser war.


Die eigenartigste und wichtigste Eisenfabrikation in der Mark
war die Osemundschmiederei, welche auf 79 Hämmern mit
88 Feuern betrieben wurde. Sie hatte ihren Hauptsitz im Kreise
Altena. Die Osemundfabrik bezog ihr Roheisen hauptsächlich von
den 8 Hütten in Sayn-Altenkirchen, sodann von der Weyershagener,
Kaldenbacher und Ründerother Hütte. Die Osemundfeuer waren tief
mit sehr stechendem Wind. Am liebsten verwendete man ein
dichtes, weiſses, grelles, stahlartiges Roheisen mit einem schwarzen
Band. Die Arbeit war eine Anlaufschmiede (siehe Bd. II, S. 487).
Ein Hauptvorzug der Osemundschmiederei bestand in dem Gärben
des Eisens unter leichten, schnellgehenden, gutfedernden Schwanz-
hämmern. Das Osemundeisen diente hauptsächlich für die Draht-
fabrikation (Drahtosemund). Der nicht zum Drahtzug bestimmte
Osemund hieſs Land- oder Knüppelosemund und wurde meist zu
Beck, Geschichte des Eisens. 60
[946]Westfalen und die Rheinlande.
Breitwaren und Kleineisenzeug gebraucht. Nach altem Satz gehörten
zu einer Karre = 1352 Pfd. Osemund, 1813⅓ Pfd. (10⅔ Stallen)
Roheisen und 5 Fuder oder 25 Tain (ca. 1000 kg) Holzkohlen. Der
Schmiedelohn betrug 4 Rthlr. 55 Stüber auf eine Karre Drahtosemund.
Die Osemundfabrikation war gesetzlich beschränkt; es durfte nur 8 Mo-
nate geschmiedet werden. Als Maximum in der Reidung waren im
ganzen 4018 Karren bestimmt, doch wurden nicht über 3200 Karren
= 4326400 Pfd. geschmiedet; davon erhielt die Drahtfabrik zu Lüden-
scheid 153, Altena 1250, Dahle 270 Karren, und von den verbleibenden
1527 Karren gingen ungefähr ¾ auf die Breithämmer und Kleineisen-
fabriken der Grafschaft Mark, ¼ in die Kirchspiele Remscheid und
nach Burg, Essen und Kölenburg auf die Gewehrfabriken.


Der Preis des Drahtosemund wurde auf einer jährlichen Versamm-
lung Ende November zwischen den Osemund- und Drahtfabrikanten
festgesetzt und stand um 1800 zu 80 Rthlr. die Karre. Die Osemund-
fabrik wurde schon von König Friedrich Wilhelm I. mit der Be-
freiung von der Militär-Konskription begnadigt. Jeder, der ¼ Feuer
besaſs, nahm daran Teil. Dieses hatte den Preis der Osemundhämmer
weit über ihren eigentlichen Wert erhöht und den Besitz zersplittert.
1798 gab es in der Grafschaft Mark und zwar in den Ämtern Pletten-
berg, Neuenrade, Altena und Iserlohn 84 Osemundhämmer, hiervon
standen 76 in Betrieb, welche mit 300 Arbeitern 15967 Ctr. Draht-
osemund und 19090 Ctr. Knüppelosemund im Werte von 107028 und
141750 Thlrn. erzeugten. Von dem Knüppelosemund wurde für
13833 Thlr. in das Bergische verkauft, das übrige im Lande meist
zu Eisen-, Stahl- und Kratzendraht verarbeitet. Der Eisen- und
Stahldraht ging nach ganz Westeuropa und nach Amerika; der
Kratzendraht nach Spanien und dem Mittelmeer; die geflochtenen
Drahtwaren nach Holland, Frankreich und Spanien.


Die wichtigsten Osemund-Reidemeister um 1800 waren 1): Joh.
Peter
und Joh. Diederich Brüninghaus zu Brüninghausen, Her-
mann Heinr. Winkhaus
zu Karthausen, Joh. Wilh. Wöste und
Komp.
zu Winkhausen, Gebr. Rentrop zu Harlingsen, Scheffen
Nölle
zu Othlingsen, Joh. Pet. Wöste daselbst, Joh. Geck zu Baucke-
loh, Joh. Kaspar Hücking zu Hückingsen, Petr. Henr. Spannagel
zu Nieden-Hunscheid, Joh. Heinr. Wöste zu Bollwerk, Witwe
Voſswinkel zu Kierspe, J. P. W. Geck zu Bauckeloh, Arn. Bernh.
Overbeck
zu Altena, Pet. Joh. Vollmann zu Vollme u. a. m.


[947]Westfalen und die Rheinlande.

Die Reckhämmer in der Grafschaft Mark besorgten das Raf-
finieren des Stahles, das Ausschmieden des Stabeisens und des Stahles
in übliche Handelsformen. Die Hammerwerke machten den gröſsten
und wichtigsten Industriezweig des Landes aus, der auf die zahl-
reichen Wassergefälle und die einheimischen guten und billigen Stein-
kohlen begründet war. Es gab zu Ende des Jahrhunderts über
160 Hämmer in der Grafschaft.


Die Reckeisenschmiede verwandelten teils inländisches, teils
fremdes Eisen, namentlich Siegensches Reckeisen und Stabeisen in
kleingerecktes Eisen, als Bügel-, Schnallen-, Nageleisen u. s. w., oder
in Breit- und in Bandeisen.


Die Bandeisenschmiederei war erst in den 70er Jahren aus
dem Gimborn-Neustädtischen eingeführt worden. 1798 lieferten 4 Band-
eisenhämmer für 20000 Thlr. Ware.


Die Breitschmiede arbeiteten auf ihren „Bredde-hämmern“ den
Schloſs-, Schippen-, Sägen-, Pfannen- und Flintenlaufschmieden das
Eisen im Rauhen vor. Dazu benutzten sie Osemund-Knüppeleisen,
welches ein unübertreffliches Material dafür abgab. Diese Fabrikation,
die früher im Bergischen heimisch war, wurde erst in den 60er Jahren
in der Grafschaft Mark aufgenommen und mit solchem Erfolg, daſs
die Breithämmer im Bergischen nach und nach alle eingingen. 1798
wurden 8182 Ctr. gebreitetes Eisen und Stahl zur Hälfte in den
Fabriken der Grafschaft Mark zu Schaufeln, Sägeblättern, Spaten,
Flinten u. s. w. weiter verarbeitet, zur anderen Hälfte in das Essensche,
Bergische etc. abgesetzt.


Die Amboſsschmiede, die auſser Ambossen noch vielerlei
schwere Schmiedestücke, wie Wellen- und Krummzapfen, Mühlen-
eisen u. s. w. machten, waren ein blühendes Gewerbe, das hauptsächlich
für die Industrie selbst wieder arbeitete.


Am bedeutendsten war aber die Reckstahl-Fabrikation. Sie
zerfiel in Bördenstahl-Hämmer, die den Bördenstahl (von Börde,
Gebund von 118 Pfd. Gewicht), welcher das Material für die Stahl-
drahtfabrik in Altena lieferte, schmiedeten; — Stahlhämmer für
den auswärtigen Handel, deren es die meisten gab, und Stahl-
hämmer für den inländischen Bedarf, die Sensen-, Sägen-, Beil-,
Feilen-, Messer-, Federstahl u. s. w. machten. Die Bördenstahlfabri-
kation hatte ihren Sitz in Altena.


Das Stahlraffinieren war erst in dem letzten Viertel des
17. Jahrhunderts aus dem Bergischen nach der Mark gebracht worden,
und zwar von Ibach und Clemens Bertram. Ibach hatte sich bei
60*
[948]Westfalen und die Rheinlande.
Sprockhövel, Bertram in der Milspe auf der Ennepe niedergelassen.
Im Laufe des 18. Jahrhunderts, besonders aber seitdem Minister von
Heinitz
die Staatsgeschäfte leitete, hatte die Stahlfabrikation, d. h. das
Stahlraffinieren, sehr zugenommen und die Konkurrenz im Bergischen
überflügelt. Das Ministerium hatte eine Prämie von 200 Thlr. auf
den Bau jedes neuen Reckhammers ausgesetzt.


Den Rohstahl bezogen die Stahlhämmer teils von den Stahlfeuern
im Lande, teils aus dem Herzogtum Westfalen und aus Siegen. Letz-
terer war wegen des „Müsener Grundes“ unentbehrlich, und der Loher
Edelkühr bildete die Blume des märkischen Stahles.


Zum Beistählen, d. h. als äuſsere Schienen für die Pakete, ver-
wendete man nassauer einmalgeschmolzenes Eisen; Dillenburger und
Kölnisches (aus dem kölnischen Sauerland) mit inländischem Eisen
zum Feinrecken und Osemund zum Breiten. Dillenburger Eisen
schweiſste gut mit Stahl zusammen.


Sämtliche Reckhämmer wurden mit Steinkohlen betrieben. Durch
die Reckschmieden fand zuerst eine ausgedehnte industrielle Ver-
wendung der Steinkohlen des Ruhrgebietes statt, und begann sich die
Eisenindustrie in diesem zu konzentrieren. Man verwendete möglichst
schwefelfreie und fette Kohlen, weil die Zange in einem Gewölbe von
zusammengebackene Koks schweiſsen muſste.


Der rohe Stahl und das Eisen wurden zu Schienen von 2 Zoll
Breite und 1/8 bis ¼ Zoll Stärke ausgereckt, und dann die Eisen-
schienen in Stücke von 2 Fuſs Länge abgehauen, die Stahlschienen
auf dieselbe Länge gebrochen. Diese Stücke wurden nach be-
stimmten Regeln übereinander geschichtet und dann in eine groſse
Zange gepackt, deshalb nannte man ein solches Bund oder Paket
„eine Zange“. 1798 schmiedeten 178 Arbeiter 44289 Ctr. Stahl- und
Reckeisen im Werte von 511136 Thlr., welches zum Teil in Altena
zu Stahldraht gezogen, teils auf Hämmern zu Sensen, Klingen, Messern,
Sägen, Feilen u. s. w. verarbeitet wurde. Das Übrige ging nach
Frankreich, Spanien, Dänemark, Amerika u. s. w. Um 1800 wurden
verarbeitet: 2533 Tonnen Reckstahl, 1617 Tonnen Eisen, 490 Tonnen
Osemund, 100 Tonnen Luppeneisen mit 9909 Tonnen Steinkohlen 1).
Nach der Qualität unterschied man märkisches Osemundeisen als gutes,
kölnisches als mittleres und nassauer Eisen als schlechtes Reckeisen.
Der Pacht eines Reckhammers, z. B. auf der Ennepe, betrug 160 bis
180 Thlr. das Jahr.


[949]Westfalen und die Rheinlande.

Im Stahlhandel gab es eine Menge von Zeichen. Gröſsere Fabri-
kanten schlugen manchmal ihren vollen Namen auf den Stahl und
dazu das Zeichen, das in der Gegend, wohin der Stahl geschickt
werden sollte, besonders beliebt war. Die berühmtesten dieser Zeichen
waren Herz und Kleeblatt („Härt und Club“) auf Stab- und Faſsstahl,
dessen ältester Besitz unter mehreren Häusern streitig war, Speere,
3 Sporen, Tannenbaum oder Eichenlaub, 2 lateinische S mit + dar-
über und — darunter, welche auf den vierkantigen Stahl, der unter
dem Namen ungarischer Stahl (acier d’Hongrie) nach Brabant und
Frankreich ging, geschlagen wurde. Die gewöhnlichsten Zeichen für
Frankreich waren Hirschkopf und Einhorn. Auſserdem gab es noch
eine Menge von Stahlmarken 1), als Stern, Siebenstern, Anker, Brillen,
doppelte Schlüssel, doppelte Adler, Seepferd, best german steel, Hahn,
Löwe mit dem Schwert, Schere, Sonne, wilder Mann, Pokal, Weinfaſs,
Weintraube, Krahn, Weltkugel, Vogel u. s. w. Faſsstahl wurde mit
13½ Rthlr. die 100 Pfd. bezahlt. Der märkische Stahl ging nach
fast allen Ländern der Welt.


Ein beträchtlicher Teil des fabrizierten Stahles wurde auf den
märkischen Fabriken weiter verarbeitet, z. B. zu Sensen, wovon 1798
159 Arbeiter für 124610 Thlr. herstellten, die teils in die baltischen
Länder, teils nach Holland, Frankreich und Spanien gingen; ferner,
wie bereits erwähnt, zu Stahldraht, der teilweise weiter zu Nähnadeln
verarbeitet wurde. Damit waren 1798 475 Arbeiter beschäftigt, die
107 Millionen Stück im Werte von 62500 Thlr. lieferten. Eine aus-
gedehnte Verwendung fand der Reckstahl für ordinäre Sackhauer-
und sogenannte „Solinger“ Messer. Endlich verarbeiteten die Klein-
eisenfabrikanten einen nicht geringen Teil zu Feilen, Sägen,
Feuerstäben, Kaffeemühlen, Wagebalken, Bohrern, Schlössern u. s. w.,
sodann zu Kurz- und Galanteriewaren, Maultrommeln, Ketten u. s. w.
Viel ging auch nach Solingen auf die Schwertfabriken.


Das Reckeisen wurde ebenfalls meist im Inlande zu Draht und
in Kleineisenfabriken verarbeitet. Das Bandeisen ging über Holland,
Bremen und Hamburg nach Frankreich, Spanien, Portugal und dem
Mittelländischen Meere.


Die Breitware wurde teils auf inländischen Fabriken als Pfannen,
Schaufeln u. s. w. fertig gemacht, teils roh ins Bergische verführt.
Die Platinen zu Flintenläufen gingen nach Burg an der Wupper,
Essen und Kölenburg auf die Gewehrfabriken. Eversmann schätzte
[950]Westfalen und die Rheinlande.
den Wert der Produktion der 98 Stahlhämmer auf 728000 Rthlr.,
der 41 Eisenreckhämmer auf 149240 Rthlr. und der 24 Breithämmer
auf 184500, zusammen 1061740 Rthlr.


Auf Schwarzblech gingen Ende des Jahrhunderts nur zwei
Hämmer, „Platen“ genannt, der zu Eilverlingsen (Everingsen) an
der Lenne, oberhalb Altena, dem Landrichter Göcke, und der am
Hünengraben bei Altena, dem Bürgermeister Rumpe gehörig. Ein
Blechwalzwerk des Erstgenannten auf der Rhamke (s. S. 592) war
nur kurze Zeit im Betrieb gewesen. Die märkische Blechschmiederei
zu Eilverlingsen stammte aus Suhl und war das Verfahren dasselbe
wie dort. Eilverlingsen schmiedete sich seine Blechstäbe selbst. Das
Sundwiger Eisen war für Bleche sehr gut. 1792 kosteten Ofenrohr-
bleche zu Elberfeld 86 Rthlr. die 1000 Pfd. Die Bleche gingen an die
Salzwerke zu Königsborn, Rehme bei Minden und Nauheim in
Hessen, auf die inländischen Fingerhutfabriken und an die Blech-
schmiede für Ofenröhren, Draht-Glühkessel u. s. w. Die jährliche
Produktion betrug an 70000 kg im Werte von 16500 Rthlr. Die
Versuche, die Weiſsblechfabrikation in der Mark einzuführen,
hatten keinen Erfolg gehabt. Die Fabriken zu Alhausen an der
Ennepe und auf der Gemark waren bald wieder eingegangen.


Zwei Walzen-Schmied- und Drehwerke waren auf der Rahlen-
beck bei Schwelm und auf dem Eilperbach bei Hagen. Sie drehten
gegossene und geschmiedete Walzen, Cylinder, Schrauben und Muttern zu
Kalander und Pressen; die gegossenen kamen aus dem Siegerland.
Da die Fabriken die einzigen in Westdeutschland waren, erzielten sie
sehr hohe Preise.


Sehr beträchtlich war die Sensenfabrikation geworden 1). Sie
beschäftigte Ende des Jahrhunderts 43 Hämmer mit 103 Feuern, jeder
Hammer hatte sein Schleifwerk. Die Schleifsteine waren neu 7 Fuſs
hoch. Man unterschied die weiſse Sensenfabrik der Enneper Straſse,
die blaue Sensenfabrik und die Plettenberger Sensenfabrik.


Die weiſse Sensenfabrik der Enneper Straſse beschäftigte
um 1800 34 Hämmer mit 85 Feuern. Vor jedem Feuer arbeitete ein
Meister mit einem Meisterknecht und einem Lehrjungen entweder
auf eigene Rechnung oder im Lohn. In letzterem Falle hieſs er
Bundschmied, weil er nach Bunden von 12 oder 13 Stück bezahlt
wurde. Das ganze Personal einschlieſslich der Schleifer machte seit
1790 eine vereinigte Gesellschaft aus, die unter einer obrigkeitlich
[951]Westfalen und die Rheinlande.
bestätigten Ordnung stand und wenigstens einmal im Jahre sich in
einer Tagessatzung versammelte, die den Namen Pflichttag führte,
wobei man sich über gemeinschaftliche Angelegenheiten beriet und
unter anderem auch gewisse niedrigste Verkaufspreise bestimmt
wurden, unter welchen kein Mitglied der Gesellschaft verkaufen
durfte.


Das Material zu den weiſsen Sensen war teils inländisches, teils
Dillenburger und Kölnisches Eisen. Die Eisenstangen wurden in ent-
sprechende Stücke gehauen, diese auf der hohen Kante gespalten und
Stahl eingelegt, alsdann unter einem Hammer vorgeschmiedet und
unter einem zweiten an derselben Welle gebreitet, hierauf mit der Hand
fertig gemacht, bei Koksfeuer gewärmt und gehärtet, in Unschlitt
gelöscht und abgelassen, nachher, soweit der Stahl in der Schneide
lag, gegen den Stein geschliffen. Nach dem Richten wurden sie in
Dutzenden oder Bunden in Stroh gewickelt und verschickt. Das
Schmieden geschah mit Steinkohlen. Das mittlere Fabrikations-
quantum eines Feuers betrug 300 Bund, doch gab es Meister, die
500 Bund machten. Ein groſser Teil der Sensen wurde von den
Winterberger Handelsleuten durch Hausierhandel vertrieben. Die
Fabrik der Enneper Straſse machte im Jahre 1800 an Sensen,
Sicheln und Strohmessern etwa 26000 Bund im Werte von
130000 Thlr.


In der Plettenbergischen Sensenfabrik wurde meist bei Holz-
kohlen geschmiedet und nicht gegen, sondern mit dem Stein ge-
schliffen. Auch härtete man die Ware im Wasser. Das Eisen dazu
kam aus dem Herzogtum Westfalen. In den 80er Jahren hatten die
Plettenberger Sensenfabrikanten einen Stapel und verkauften ihre
Ware gemeinschaftlich.


Die blaue Sensenfabrik unterschied sich dadurch, daſs ihre
Produkte ganz von Stahl waren und nicht geschliffen, sondern bloſs
geplattet, gekratzt und geblaut wurden. Sie war eine Nachahmung der
steierischen Sensenfabrik und wurde von einem Baron Wilhelm von
Haack
, der eigentlich aus Eisen Stahl machen wollte, was miſslang,
im Jahre 1763 eingeführt. Das Blauen oder Blauanlassen geschah
auf einer Eisenplatte, welche unten mit Steinkohlen erhitzt wurde,
in Sand, das Platten mittels ein- bis anderthalbpfündiger Hämmer,
die mit so schneller Bewegung gingen, daſs man die Schläge nicht
nachzählen konnte, und statt in Hülsen in widersinnig gewundenen
Stricken lagen. Die stärkste Fabrikation blauer Sensen betrieben die
Gebrüder Elbers auf ihrem Öyer Werke bei Hagen. Die zweite
[952]Westfalen und die Rheinlande.
hatte J. C. Fischer auf seinem Bergerhammer an der Ennepe. Die
Elberssche Fabrik verfertigte im Jahre 1800 30000 Stück steierische
Sensen.


Die weiſsen wie die blauen Sensen führten viele besondere Fabrik-
zeichen 1). Im ganzen lieferten die Sensenfabriken in der Grafschaft
Mark im Jahre 1800 für 154972 Thlr. Waren. Die märkischen Sensen
gingen weit umher, nach ganz Norddeutschland, Schlesien, Polen,
Ruſsland, Dänemark, Schweden, Holland, Frankreich und sehr stark
nach Amerika.


Eine groſse Rolle spielten bei der märkischen Eisenwarenindustrie
die Schleifwerke oder Schleifkotten. Es gab deren 40, ohne die
Schleifwerke der Sensen- und der Nadelfabriken; von diesen hatten
die gröſseren drei, die kleineren einen Stein; auſserdem enthielten
sie noch Hohlsteine, Polier- und Pliesterscheiben. Es wurden haupt-
sächlich Messer, Gabeln, Dullhauer (Matrosensäbel), Sackhauer (säbel-
artige Messer, die zum Abhauen des Zuckerrohres gebraucht wurden),
Schippen, Spaten, Sägen, Werkzeuge aller Art, Schlittschuhe u. dergl.
mehr geschliffen.


Die Waffenfabrikation zu Eilpe an der Volme, welche im
17. Jahrhundert von Solinger Klingenschmieden gegründet worden
war, befand sich in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in hoher
Blüte und hatte Absatz in ganz Europa. Eilper Schmiede waren es,
welche die russische Klingenfabrik in Tula gründeten 2). 1732 wurden,
nach den Akten der Klingen- und Messerzunft, „von Sr. Majestät dem
hochseligen König Friedrich Wilhelm einige Meister mit Gewalt
gegriffen und nach Ruſsland geschickt, um allda auch die Klingen-
fabriken zu etablieren; dafür wurden dem hochseligen König einige groſse
Menschen von der russischen Kaiserin verehrt, welche so groſs gewesen,
daſs ein Mann von 4 Zoll (1,674 m) solchen mit einer langen Pfeife nur
bis an den Bart habe reichen können. Wie nun die Fabrikanten allda
die Fabriken völlig zu stande gebracht, wollten sie in ihr Vaterland
wieder zurückziehen, zogen über Berlin und verlangten für sich und
ihre zurückgelassenen Brüder wieder Bestellungen, allein es gefiel
Sr. Majestät, die Fabrikanten da zu halten, und lieſs die jetzt so
stark florierende Fabrik zu Spandau anlegen. Dadurch kam die
heimische Industrie in eine drückende Lage“. In der That ging die
[953]Westfalen und die Rheinlande.
Klingenschmiederei der Mark in der zweiten Hälfte des 18. Jahr-
hunderts sehr zurück.


Die wichtigste Fabrikation der Mark war aber von alters her die
Drahtzieherei, in welche sich die drei Städte Lüdenscheid,
Altena
und Iserlohn teilten. Wir haben über Entstehung und Ent-
wickelung der Drahtfabrik in der Grafschaft Mark das Wichtigste
bereits mitgeteilt und beschränken uns auf die Veränderungen im
18. Jahrhundert.


Gegen Ende des Jahrhunderts hatte Lüdenscheid, welches den
groben Draht machte, 32 Drahtrollen, von denen aber nur 20 im Betrieb
waren, indem namentlich die Fabrikation des groben Drahtes in an-
deren Gegenden sehr zugenommen und den Absatz beschränkt hatte.
Altena hatte 1780 104 Drahtrollen vor Wasser mit 99 Bankzöger-,
124 Kleinzöger-Bänken und 178 Winnenscheiben, woran 401 Draht-
zieher mit 300 Knechten und Lehrjungen arbeiteten; dazu kamen
100 Drahtschmiede. Es wurden 180000 Stück Draht gemacht. — In
Iserlohn waren 1780 33 Rollen mit 139 Scheiben. Vom ersten
Holl ab wurde der Draht auf Handscheiben gezogen, deren gab es
inner- und auſserhalb der Stadt 75. Iserlohn hatte im Jahre 1720
55 Rollen mit 221 Scheiben gehabt; 1734 ging aber die Fabrikation
durch schlechte Ware zurück.


Der grobe Draht wurde auf Bankzögerbänken, der mittlere auf
Kleinzögerbänken, der feine auf Winnenscheiben gezogen. Nach einer
anderen Angabe hatte Altena 99 Bankzögerbänke, 123 Kleinzöger-
bänke und 191 Winnenscheiben; Iserlohn 140 Scheiben. Jede Bank
konnte für sich erworben und verkauft werden und hatte ihr be-
sonderes Folio im Hypothekenbuch.


Das Material, welches die Grundlage der ganzen Fabrikation bil-
dete, war das Osemundeisen. Die Drahtordnung von Altena, Dahle
und Evinghausen vom Jahre 1732 rechnete bei einem Stück Osemund
von 14 Pfd. dem Schmied 2½ Pfd., dem Bankzöger ½ Pfd., dem
Kleinzöger ¾ Pfd., dem Winner ¼ Pfd. Abgang zu gut, so daſs
dieser letztere ein Stück Draht von 10 Pfd. als Ergebnis aus 14 Pfd.
Osemund abzuliefern hatte 1).


Von den Reckhämmern kamen die vorgereckten Ruten, das Reck-
eisen oder Reckedraht. Dieses Vorrecken des Drahteisens auf Wasser-
hämmern wurde erst seit 1789 allgemein eingeführt; vordem war der
[954]Westfalen und die Rheinlande.
Osemund unter der Hand auf sogen. Drahtschmieden oder Isen der
Länge der Stange nach zu sogen. Schmiededraht durchgesetzt worden.
Die Herstellung des Reckdrahtes war also eine Neuerung, die in
Lüdenscheid Hand in Hand ging mit der Umwandlung der Draht-
schmieden in Werkstätten, worin Bügel und Schnallen gemacht
wurden, und in der Verminderung des Absatzes von grobem Draht,
wodurch Wasserkraft zum Schmieden in den Drahtkotten verfügbar
wurde. In Altena behielt man das Drahtschmieden mit der Hand
dagegen bei. Iserlohn bezog, besonders seit der Konvention, welche
es in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit Altena geschlossen
hatte, nur gezogenen Mitteldraht von Altena als Material für seinen
Feindraht, wogegen Altena sich verpflichtet hatte, nur bestes Material
zu liefern. Den groben Draht, solange er noch keine völlige Rundung
hatte, glühte man auf offenem Feuer, gerundeten Draht in verluttierten
Kesseln von Schwarzblech im offenen Feuer. Das Glühen der feinen
Sorten durch den Winner geschah in verluttierten gegossenen eisernen
Kesseln bei Steinkohlenfeuer. Als 1702 durch das Drahtglühen ein
groſser Brand in Altena entstanden war, wurde das Glühen des
Drahtes in Kesseln statt im offenen Feuer streng verboten. Obgleich
schwere Strafen angedroht waren, hatte dies Verbot keinen Erfolg.
Der Holzverbrauch zum Drahtglühen war sehr beträchtlich und
betrug für Altena, einschlieſslich des Stahldrahts, 30848 Karren im
Jahr. Der Verbrauch von Osemundeisen betrug nach Eversmann
2253108 Pfd. Aller Draht wurde von einer Gesellschaft angekauft
und kam auf den Stapel. Die Stapel-Gesellschaft war landesherrlich
octroyiert, um die kleinen, selbstarbeitenden Reidemeister vor der
Ausbeutung durch die Kaufleute zu schützen, und hatte das aus-
schlieſsliche Recht zum Drahteinkauf. Der Stapel bestand in Iser-
lohn seit 1722, in Altena seit 1745 1) ununterbrochen. Er war der
groſse Regulator der Fabrikation und des Handels. Bei schlechtem
Absatz konnte den Fabrikanten das Drahtziehen ganz untersagt
werden, und empfingen sie dann aus der Stapelkasse ein kleines
Wartegeld. Zur Stapelgesellschaft gehörten 1. die Stapelinteressenten.
d. h. die Aktionäre, welche allein Draht verkaufen durften und allen
Draht zu festgesetzten Preisen übernehmen muſsten; 2. die Reide-
meister, d. h. die Fabrikunternehmer; und 3. die Zöger, d. h. die Fabrik-
[955]Westfalen und die Rheinlande.
arbeiter. Die drei Fabriken beschäftigten 800 Drahtzieher. Zur
besseren Versorgung der Drahtfabrik in Altena wurde 1797 ein
Eisenmagazin eingerichtet, an welches aller Osemund abgeliefert
werden muſste. Der Osemund wurde dabei mit Strenge auf seine
Güte beschaut. Ebenso wurde der Draht, der zum Stapel kam,
von Beschaumeistern, die „Klinker“ hieſsen, genau auf Stärke,
Gleichheit des Zuges, Gewicht und sonstige Eigenschaften geprüft.
Alles war gesetzlich geregelt: der Pacht der Rollen, das Draht-
quantum, welches darauf gearbeitet werden durfte, der Lohn der
Zöger, der Preis des Drahtes u. s. w. Auſserdem herrschten strenge
Zunftregeln.


Wie eifersüchtig die märkischen Drahtfabrikanten darüber wachten,
daſs ihr Handwerk nicht in fremdes Land vertragen wurde, wird leb-
haft illustriert durch den tragi-komischen Einfall der Altenaer in das
kölnische Sauerland im Jahre 1721. Geheimrat von Dücker zu
Rödinghausen war eifrig bemüht, diesem Orte eine Drahtfabrik zu
gewinnen. Nach vielen Bemühungen gelang es ihm endlich, einen
geschickten Zöger namens Nüter zu veranlassen, von Altena heimlich
zu entweichen und entgegen seinem Verbleibungseid in Rödinghausen
einen Drahtzug einzurichten. Als die Altenaer dies erfuhren, rüsteten
sich unter dem Drosten von Pungelscheidt alle Reidemeister, Zöger
und auch mehrere von der Metzgerzunft und zogen nachts 1 Uhr in
aller Stille über die Grenze, überfielen die Rollen, schleppten Nüter
als Gefangenen fort und zerstörten das ganze Werk. Als die Bürger
von Menden von dem kecken Überfall Kenntnis erhielten, läuteten
sie die Sturmglocke und zogen bewaffnet nach Rödinghausen.
Aber die Altenaer waren längst über die Berge, nur einen vorwitzigen
Altenaer Bürger namens Vogel erwischten sie und nahmen ihn als
Gefangenen mit. Den unglücklichen Nüter steckten die Altenaer in
einen Kerker in der Burg, wo er nach zwei Jahren elend starb. Der
Vogel aber entwischte; angeblich hatten ihm die schlauen Altenaer
Feilen und Dietriche in einen Laib Brot gebacken und denselben ihm
zugeschickt.


Die Stahldrahtfabrik in Altena hatte keine besonderen Werke,
sondern wurde auf den Drahtrollen mit betrieben. Das Material
dafür war Bördenstahl. Dieser wurde von den Stahldrahtschmieden
unter der Hand in achteckige dünne Ruten geschmiedet und in dieser
Gestalt in den Zug genommen. Die Verwendung des Stahldrahtes war
hauptsächlich für Nähnadeln und Strickstöcke. Er muſste also von
bester Qualität und von vollkommener Rundung sein.


[956]Westfalen und die Rheinlande.

Das Recht, Stahldraht zu fabrizieren, hatte nur die Stadt Altena
und wurde von deren Magistrat verliehen. Aller fertige Stahldraht
wurde an eine Gesellschaft, die Stahldraht-Association in Altena,
abgeliefert. Im Jahre 1786 soll für 200000 Thlr. Stahldraht fabriziert
worden sein.


Die Produktion der sämtlichen Drahtfabrikanten war im Jahre
1800 folgende:


  • Verkaufspreis
  • Lüdenscheid   14503 Stck. zu 9¾ Pfd.   15172 Thlr.
  • Altena, Eisendraht   148349 „ „ 9¾ „   275786 „
  • Altena, Stahldraht   305048 Pfd.   121403 „
  • Iserlohner Kratzendraht 21632 Stck. zu 10 Pfd.  54871 „
  • Summe des Wertes: 467232 Thlr.

Der grobe Draht hatte ein beschränkteres Absatzgebiet, doch ging
ziemlich viel nach Holland und Portugal. Altena versendete seinen
Draht nach Spanien, Portugal, Amerika, der Levante, Frankreich und
ostwärts. In England, Böhmen und Sachsen war er verboten. Iser-
lohn sendete seinen Kratzendraht überall hin, wo Tuchfabriken waren.
Auch machte Iserlohn guten Saitendraht. Die Eigentümlichkeit des
Iserlohner Drahtes war seine Elasticität, weswegen er für Kratzen-
draht immer den Vorzug erhielt. Hauptdrahtindustrielle waren
Schrimpf, Rupe sel. Wittwe und Wöste in Iserlohn, Figge und
Rumpe in Altena, Sandhövel zu Lüdenscheid.


Die Hauptsorten waren: Schleppendraht, Mitteldraht, Kleindraht
und Middeldromme. Die einzelnen Nummern hatten folgende Be-
nennung:


  • Name Zeichen Stärke
  • Grober Draht.
  • Ketten-   K.   3,700 Linien
  • Schleppen-   S.   3,181 „
  • Groben Rinken   G. R.   2,873 „
  • Feinen „   F. R.   2,565 „
  • Malgen   M.   2,258 „
  • Groben Memel   G. M.   1,951 „
  • Feinen „   F.   1,644 „
  • Klink „   K.   1,486 „
  • Nattel   N.   1,329 „
  • Mitteldraht   M.   1,172 „

[957]Westfalen und die Rheinlande.
  • Name Zeichen Stärke
  • Banddraht.
  • 3 Schilling   3   1,062 Linien
  • 4 „   4   0,952 „
  • 2 Band   2 B.   0,843 „
  • Ordinären 12Riggen- oder 1 Band   1 B.   0,734 „
  • Kleinen 12Riggen- oder 3 Band   3 B.   0,674 „
  • Ordinären feinen 4 Band   4 B.   0,614 „
  • Kleinen feinen 5 Band   5 B.   0,554 „
  • Ordinären Stalen 6 Banddraht   6 B.   0,494 „
  • Kratzendraht.
  • Feinen Stalen- gemeinen oder 5 Band   G.   0,435 „
  • Ordinär Münster   M.   0,399 „
  • Feinen „   F.   0,363 „
  • Kleine Garinge   K.   0,327 „
  • 1 Holl   1   0,292 „
  • 2 „   2   0,257 „
  • 3 „   3   0,222 „
  • 4 „   4   0,197 „
  • 5 „   5   0,173 „
  • 6 „   6   0,149 „
  • 7 „   7   0,125 „
  • 8 „   8   0,101 „
  • 9 „   9   0,095 „
  • 10 „   10   0,090 „

Zwischen diesen Nummern gab es noch Zwischenstufen. In Iser-
lohn zog man noch bis zu 20 Holl, doch war 17 Holl schon so fein
wie ein Menschenhaar.


Die Fingerhutfabrikation war Ende des 17. Jahrhunderts
durch einen Fabrikanten, Konrad von der Becke aus Utrecht,
mit Hülfe des Iserlohner Kaufmanns Löbbecke in der Grafschaft
Mark eingeführt worden. Sie hat sich im Laufe des vorigen Jahr-
hunderts sehr ausgebreitet, so daſs am Schluſs desselben 11 Werke
dafür bestanden. Diese lagen alle im Gericht Hemer an der Sundwiger
Bach. Man machte die Fingerhüte aus Messing, Eisen und Stahl.
Das Schwarzblech kam teils von inländischen Blechhütten, meist aber
von Olpe. Die Arbeit wurde durch Maschinen, welche durch Wasser-
kraft bewegt wurden, verrichtet. Die schönste und sehenswerteste
Fabrik war die noch heute bestehende von von der Becke zu
Sundwig. Aus Eisen gegossene Fingerhüte hatten sich nicht bewährt.


[958]Westfalen und die Rheinlande.

Die Nähnadelfabrikation brachte der Iserlohner Kaufmann
Konrad Pütter ins Land und etablierte sie im ersten Viertel des
vorigen Jahrhunderts in Iserlohn. Sie machte nur ordinäre Ware
aus Eisendraht nach Art der Schwabacher Nadeln und hatte kein
rechtes Fortkommen. 1780 wurde aber zu Altena eine Stahl-
Nadelfabrik nach Art der Aachener angelegt. Da die Aachener ihren
Stahldraht von Altena bezogen, so hoffte man am Erzeugungsplatz
selbst günstiger fabrizieren zu können. Landrichter Göke und
Bürgermeister Rumpe standen an der Spitze des Unternehmens.
Aber die Schwierigkeiten im einzelnen erwiesen sich so groſs, daſs
das Unternehmen zu Grunde gegangen wäre, wenn Minister von
Heinitz
es nicht durch königliche Unterstützung gehalten hätte.
Hierdurch und durch den Fleiſs und den Unternehmungsgeist des
Bürgermeisters Rumpe kam sie doch nach und nach zur Blüte.
Johann Kaspar Rumpe gründete um 1789 das Werk am Hünen-
graben, eine Anlage, welche wegen ihrer damals auſserordentlich
erscheinenden Ausdehnung auf Hammerwerke, Drahtzüge, Nadel-
schauermühlen und Schleifwerke, mehr noch durch ihre Wasserleitung
mittels des in die Felsen gesprengten unterirdischen Kanals von
1200 Fuſs Länge, 8 Fuſs Höhe und 10 Fuſs Weite für ein Wunder
der Welt galt. 1800 wurde eine zweite Nadelfabrik zu Iserlohn an-
gelegt von Müllensiefen und Altgeld. Die Rumpesche Fabrik
fertigte um 1800 an 100 Millionen Nähnadeln. Auch in Plettenberg
entstand eine Nähnadelfabrik, die 1791 70 Arbeiter beschäftigte.


1725 begann Joh. Hermann Quittmann die Fabrikation von
Fischangeln, die ebenfalls ein dauernder Handelsartikel für Iser-
lohn und Altena geworden sind.


Wenn auch die Verwendung der Steinkohle im Laufe des
18. Jahrhunderts nach und nach zunahm, so war doch die Aus-
beutung der reichen Schätze des Ruhrbeckens noch eine sehr be-
schränkte. Im Jahre 1787 waren im ganzen 1023 Bergleute bei
dem Steinkohlenbau beschäftigt, und wurden 1769000 Scheffel ge-
fördert.


Die Militärpflichtigkeit spielte im vorigen Jahrhundert eine
groſse Rolle und wirkte namentlich in Preuſsen, das viele Soldaten
brauchte, vielfach störend auf die Entwickelung der Eisenindustrie
ein. Seit Friedrich Wilhelm I. ein strenges Werbesystem einge-
führt hatte und auch die Eisenarbeiter zum Militärdienst aushob,
entwichen viele wegen der Kriegspflicht ins Bergische, wo sie Freiheit
und Nahrung fanden und durch ihren Fleiſs das Land in Flor
[959]Westfalen und die Rheinlande.
brachten. In vorhandenen alten Akten von 1770, betreffend die Be-
schreibung der Eisen- und Drahtfabriken, wird lebhaft geklagt1), daſs
der Osemund, soweit er nicht zu Draht gezogen würde, ferner das
Stabeisen und der gare Stahl auſser Landes, namentlich ins Bergische
wanderten, wo man aus märkischen Metallen und mit märkischen
Steinkohlen die Waren fertige, welche nach allen vier Teilen der
Welt gingen. In den gewerbereichsten Orten des Bergischen bestehe
über die Hälfte der Bevölkerung aus märkischen Unterthanen. Wer
nur eben „groſs gefüttert“ sei und merke, daſs er „zu dienen ka-
pabel“, entweiche ins Ausland. „Werbefreiheit“ sei das Zauberwort,
welches die Mark in ein gewerbreiches Land verwandeln könne. Der
General Wolff von Wolffersdorf (in Hamm) und seine Offiziere
möchten sich dafür umsomehr an den Hellweg halten, woselbst, indem
man dort nur allein mit dem Ackerbau zu schaffen habe, keine
Privilegierung des Landes zu hoffen.


Nur die Drahtosemund- und Drahtfabrikation waren durch Kan-
tonfreiheit geschützt, und Friedrich der Groſse hielt strenge
darauf, was genannter General Wolff erfahren muſste, der einen
unglücklichen Versuch, die Altenaer Cyklopen unter die Spieſsruten
zu bringen, beinahe, wie der König droht, mit Spandau gebüſst,
„die mauvaise Geschichte in Erwägung der sonstigen Meriten für
diesmal pardonnirend“. Sonst war der König auf die Markaner,
wegen ihrer Abneigung gegen den Soldatendienst, schlecht zu sprechen
und betrachtete sie als widerspenstige Unterthanen. „Friedrich der
Einzige
“, sagt J. Fr. Möller, „kannte unter allen Provinzen seines
Reiches am allerwenigsten seine westfälische Mark, er hat sie niemals
bereist, der Strom seiner königlichen Wohlthaten reichte nicht zu
uns.“ Erst in den 80er Jahren wurde der Nachteil und die Ursache
der Auswanderung lebhafter erkannt. Es war dies ein groſses Ver-
dienst des um die Mark soviel verdienten, bürgerfreundlichen, ge-
werbskundigen und von unseren Vorfahren in jeder Beziehung hoch-
gefeierten Ministers von Heinitz. Auf seine Vorstellung hin wurde
die ganze Fabrikgegend für kantonfrei erklärt, die Werbungen auf
einen mäſsigen Fuſs gesetzt und den Ausgetretenen Generalpardon
bewilligt. „Am späten Abend seines Lebens sah der königliche Greis
auf die Mark mit seiner Huld herab.“ Daraufhin kehrten die Aus-
wanderer in Scharen zurück, brachten gleichsam als Sühngeld die im
Bergischen erworbene Kunstfertigkeit mit und zogen eine Menge
Fremder hinter sich her.


[960]Westfalen und die Rheinlande.

Schnell wuchs die Kleinschmiederei in den Thälern der Volme,
Haspe, Ennepe
empor. Während bis 1780 in Halver sich der
Gewerbebetrieb auf 2 Osemund- und 1 Rohstahlfeuer mit 12 Arbeitern
beschränkt hatte, zählte man dort 1791 schon 74 Arbeiter in Klein-
eisenwaren, und was noch merkwürdiger war, im nächsten Jahre, 1792,
schon 250 Arbeiter in Eisen, Stahl und anderen Metallen. Es waren
6 Reck- und Breithämmer hinzugekommen, und zur Anfertigung von
Schlössern, Bohrern, Feilen, Beiteln, Zangen, Sägen, Schippen, Fitzen,
Kaffeemühlen rührten sich fleiſsig die Hände der Schmiede. Beson-
deres Verdienst darum erwarben sich die Kaufleute Hermann,
Heinrich
und Johann Dietrich Winkhaus. Ähnlich war es
in Vörde, wo die sogen. „kleine Fabrik“ vor 1780 gar nichts war,
während 1800 schon 56 Schmiedewerkstätten für Fabrikwaren im
Betrieb waren. Die Freiheit Volmarstein hatte 1791 bereits
38 Arbeiter für Schlösser, Nägel und Kaffeemühlen.


Wir haben früher schon erwähnt, daſs Friedrich II. und sein
Minister von Heinitz durch Anlagen von Land- und Wasserstraſsen
die Industrie des Landes hoben. Am 16. Februar 1784 wurde dem
Oberbergrat vom Stein, dem späteren berühmten Minister, die Lei-
tung der westfälischen Bergämter und die Aufsicht über die Fabriken
in der Grafschaft Mark mit dem Amtssitz in Wetter übertragen. In
dieser Stellung leistete er viel für Hebung des Steinkohlenbergbaues
und der Fabrikindustrie. Das schönste Denkmal setzte er sich aber
durch die Schiffbarmachung der Ruhr, um dadurch die Kohlenbergwerke
mit dem Clevischen, dem Rhein und Holland in Verbindung zu setzen
und eine Erweiterung des Kohlen- und Salzabsatzes herbeizuführen1).
Für den Steinkohlenbergbau der Ruhr war dies die gröſste Wohlthat.


Unter Stein wurde auch der erste Versuch mit einer Kohlen-
bahn in Deutschland gemacht. Es geschah dies auf Betreiben des
Bergrats Eversmann, der einen „englischen Kohlenweg“ von den
Kohlengruben im Rauchendahler Gebirg (bei Dahlhausen) nach der
Ruhr bauen wollte. Der Bericht darüber wurde am 28. Februar 1786
vom Oberbergrat vom Stein an das königl. Generaldirektorium nach
Berlin geschickt. Weitere Nachrichten fehlen.


Eversmann und Post legten 1794 zwei Guſsflammöfen (Zug-
öfen) an, um mit Steinkohle alte Kanonen und altes Guſseisen um-
zuschmelzen und zu Munition zu vergieſsen, erzielten aber, wie
Eversmann schreibt, damit keinen anderen Gewinn, als daſs sie
[961]Westfalen und die Rheinlande.
ihre Erfahrung bereicherten1). Sie erhielten durch die oxydierende
Wirkung der Flamme zu viel gefrischtes Eisen, skull-iron, wie es die
Engländer nannten.


In dem Hochstift Essen, wo jetzt die groſsartigste Stahl-
industrie der Welt ihren Sitz hat, begann im vorigen Jahrhundert
die Eisenindustrie mit bescheidenen Anfängen. Die Eisenhütte Neu-
essen
am linken Ufer der Emscher wurde 1740 erbaut und hatte
gegen Ende des Jahrhunderts auſser dem Hochofen auch einen
Windofen (Flammofen). Man verschmolz Raseneisenstein aus der
Nachbarschaft. Es wurden hauptsächlich Guſswaren gemacht. Nach
Versuchen des Reidemeisters Spennemann zu Vormholte in der
Mark gab das Roheisen im rheinischen Frischfeuer ein kaltbrüchiges,
dagegen im Stahlherd ein weiches biegsames Eisen2).


1743 erhielt der Domkapitular Freiherr von Wenge zum Dieck
vom Kurfürsten von Köln Beleihung auf Eisenstein zwischen Oster-
feld und Buer im Vest Recklinghausen. 1753 wurde die Beleh-
nung bestätigt, ohne daſs bis dahin eine Eisenhütte zu stande ge-
kommen war3). Er erhielt aber die Erlaubnis zur Anlage und zum
Betrieb einer Eisenschmelzhütte und Hammerwerk im Vest Reckling-
hausen. Zur Erwerbung der Grundstücke und zum Bau wurden ihm
alle möglichen Erleichterungen gewährt. Die Hütte wurde denn auch
an der „Bocksmühle auf dem Furellenbach“ vom Meister Luiker
Walen
1757 erbaut und kam noch in den 50er Jahren in Betrieb.
Es war dies die St. Antony-Hütte, aus welcher zum Teil das groſse
Hüttenwerk Gute Hoffnungs-Hütte bei Sterkerade-Oberhausen
hervorgegangen ist. Schon in den 70er Jahren war man gezwungen,
Erze aus dem Clevischen zu beziehen. Die Behörde verbot aber Anfang
der 80er Jahre die Ausfuhr von Eisenstein nach dem Kölnischen. 1780
wurde die Hütte verpachtet, und die Pächter erschlossen bei Carnap
im Essenschen Raseneisenstein. Die technische Leitung hatte seit den
70er Jahren ein geschickter Meister, Pfandhöfer4). 1795 brachte
die Fürstin Maria Kunigunde von Essen das Werk an sich.


Die preuſsische Regierung sah mit einiger Eifersucht das Wachs-
tum dieser Hütte so nahe ihrer Grenze und unterstützte die Be-
Beck, Geschichte des Eisens. 61
[962]Westfalen und die Rheinlande.
strebungen, ein Konkurrenzwerk nahe dabei auf preuſsischem Gebiete
anzulegen. Die Idee der Anlage einer solchen Hütte bei Sterkerade
wurde schon 1773 angeregt. 1780 legte der Hüttenmeister Pfandhöfer
Mutung ein mit dem Recht zur Errichtung einer Eisenhütte und
nannte sie „Gute Hoffnung“. 1781 wurde von der Regierung der
Platz für die Hütte am Sterkerader Bach oberhalb des Klosters be-
stimmt. Die preuſsische Kommission besuchte bei dieser Gelegenheit
auch die St. Antony-Hütte und berichtete, daſs dort allerlei Guſswaren,
Öfen, Pötte u. s. w. verfertigt würden und daſs dort auch Kanonen
an 2000 Pfd. schwer gegossen werden könnten. Pfandhöfer hatte
damals eine Lieferung von 900000 Pfd. Kugeln nach Holland über-
nommen. Am 10. September 1781 erfolgte die Belehnung des Pfand-
höfer
. Es wurde ihm Zollfreiheit für 6 Jahre gewährt und statt des
Zehnten ein jährliches Fixum von 20 Thlr. auferlegt, dagegen sollte
er auch „die Versuche zum Gebrauch der Steinkohlen in dieser Hütte
fortsetzen“. Pfandhöfer legte auf Anraten Eversmanns den ersten
erfolgreichen Guſsflammofen in dieser Gegend Preuſsens an, ebenso
auch einen Temperofen und eine Plattenschleifmühle. 1790 wurden
die ersten Versuche mit „abgeschwefelten Steinkohlen“ von Evers-
mann
daselbst vorgenommen, die aber wegen des zu schwachen Ge-
bläses miſsrieten. Ein Kokszusatz von ⅙ zu den Holzkohlen wirkte
noch vorteilhaft. Die Gute Hoffnungs-Hütte beschäftigte nur 15 Ar-
beiter, ging aber im Anfang gut und hatte einen ziemlich beträcht-
lichen Absatz ins Ausland. Pfandhöfer geriet aber in Schulden,
und dadurch kam auch die Hütte in Rückgang, um so mehr, als
Pfandhöfer wieder die technische Leitung der Antony-Hütte über-
nahm1). 1799 wurde der Konkurs erklärt, und am 12. April 1800
lieſs der preuſsische Fiskus das Werk subhastieren. Käuferin war
die Witwe Krupp (geb. Ascherfeld) in Essen, welche die Eisen-
hütte „Gute Hoffnung“ mit sämtlichen Pertinenzien und Gerechtig-
keiten und insbesondere mit dem dazu gehörigen Wohnhause für
12000 Rthlr. kaufte.


Auf der Antony-Hütte war Hütteninspektor Gottlob Jacobi der
Nachfolger Pfandhöfers und legte 1797 ein hölzernes Cylinder-
gebläse an stelle der ledernen Bälge an, mit dem er 15 bis 20 Prozent
Kohlen ersparte. Auch hatte er einen eisernen, durch Wasser be-
[963]Westfalen und die Rheinlande.
wegten Schauercylinder für die Kugeln und einen Polierhammer,
unter dem die in einem besonders dazu vorgerichteten Ofen geglühten
Kugeln spiegelglatt poliert und vollkommen kalibermäſsig gerundet
wurden, errichtet. Während des französischen Krieges hatte die Hütte
groſse Quantitäten Munition für Rechnung Rotterdamer Häuser ge-
macht.


Johann Heinrich Jacobi, der Vater des oben genannten
Gottlob Jacobi, war als ein erprobter Hüttenmann und als Erbauer
der Sayner Hütte bekannt. Er war 1725 zu Eisleben geboren,
widmete sich schon 1740 im Mansfeldischen dem praktischen Bergbau,
wurde 1751 Schichtmeister und dann Verwalter einer Grube in Elpe
bei Ramsbeck in Westfalen, später zu Langenhecke im Trierischen (jetzt
Nassauischen), kam 1765 als kurfürstlicher Berginspektor nach Koblenz,
wurde 1766 „auf Requisition Ihro Gnaden von Saarbrücken in dero
Land die Kohlenbergwerke in bessere Verfassung zu bringen“ auf
10 Wochen nach Saarbrücken berufen. 1769 übertrug ihm die Re-
gierung den Bau der Sayner Hütte, welche er ohne fremde Beihülfe,
allein nach seinen Erfahrungen anlegte. Er siedelte dann mit seiner
Familie nach Sayn über, wo er 1796 nach einem sehr thätigen Leben
verstarb. Er stand in hohem Ansehen und wurde oft von fremden
Regierungen zu Begutachtungen berufen. Er hatte 15 Kinder. Der
1770 geborene Gottlob Julius spielte bei der Begründung des
Essener Hüttenwesens eine wichtige Rolle.


Im Jahre 1790 war eine neue Gesellschaft zur Gründung eines
Eisenwerkes im Hochstifte Essen zusammengetreten. Es waren dies
J. Th. Werner, H. F. Langen, Kanzleidirektor Schneitz und
Regierungsrat Rademacher und die Fürstin Maria Kunigunde von
Essen selbst. Bereits in diesem Jahre wurde Gottlob Jacobi Bau
und Leitung der neuen Hütte übertragen. 1794 brachte die Fürstin
das ganze Werk an sich, in demselben Jahre erwarb sie auch die
Antony-Hütte. Die Werke wurden vereinigt, und der Schwerpunkt der
Verwaltung nach der St. Antony-Hütte verlegt. — Auf der Antony-
Hütte waren neben dem Hochofen ein Wind- und ein Kupolofen, einer
der ersten in Deutschland, vorhanden. Der Hochofen war 22 Fuſs
hoch, das Gestell 4½ Fuſs, die Rast 3½ Fuſs hoch, die Form lag
16 Zoll über dem Bodenstein, Gestell von Form bis Windseite 16 Zoll,
von Tümpel bis Rückseite 17 Zoll, Gichtplatte 22 Zoll Quadrat, Rast
7 Fuſs Quadrat. Das Gebläse war ein cylindrisches Kastengebläse
nach Jacobis Konstruktion, welches mit dem Baaderschen Gebläse
Ähnlichkeit hatte. Es wurden nur Guſswaren gemacht, und zwar
61*
[964]Westfalen und die Rheinlande.
etwa 1300 kg den Tag. Der Preis der Guſswaren betrug im Durch-
schnitt 24 Mk. für 100 kg. Die Guſswaren hatten ein weites Absatz-
gebiet und gingen bis nach Ruſsland. Der Kupolofen hatte eine
Blaseform und wurde mit Holzkohlen betrieben. Bei abgeschwefelten
Steinkohlen hatte er ein unruhiges Eisen gegeben, das kaltbrüchig
war, doch konnte man eine Stange von ½ Zoll Dicke damit gieſsen.
50 Pfd. Koks trugen 65 Pfd. Brucheisen, das gleiche Gewicht Holz-
kohlen aber nur 42 Pfd.


In der kleinen Herrschaft Gimborn-Neustadt war eine alte
Eisenindustrie heimisch. Die Eisenerze wurden im Kirchspiel Rün-
deroth
gewonnen. Es gab gegen Ende des vorigen Jahrhunderts
noch 3 Eisenhütten daselbst, die Ründerother, die Ösinghauser
und die Kaltenbacher Hütte; früher gab es noch starken Eisen-
hüttenbetrieb im Kirchspiel Müllenbach, welcher seine Erze von einem
bedeutenden Bergwerk, dem Lollberg, bezog.


Die Ründerother Hütte wurde gewerkschaftlich betrieben, ganz
in der Weise der siegenschen und saynischen Hütten. Sie blies teils
aus heimischen, teils aus fremden Erzen, besonders aus den hom-
burgischen, ein sehr gutes Eisen, das zum Osemundschmieden ver-
wendbar war und dem saynischen an Güte gleichkam.


Der Schwerpunkt des Neustadt-Gimborner Eisengewerbes lag in
den Hammerwerken, auf welchen teils inländisches, teils fremdes
Roheisen von den bergischen, homburgischen, saynischen und wittgen-
steinischen Hütten zu Stabeisen und Rohstahl verfrischt, teils Band-
eisen geschmiedet wurde. Die Hammerwerke waren aber im Laufe
des Jahrhunderts wegen zunehmenden Kohlenmangels zurückgegangen.
1790 waren noch 4 Rohstahlfeuer und 9 Stahlhämmer im Betrieb.
Das Frischen geschah nach der deutschen Warmfrischmethode, nur
ein Hammer ging nach der siegenschen Einmalschmelzerei, dieser
arbeitete für die Bandhämmer. Die ersteren machten vorzugsweise
sogen. Maſs-Eisen, d. h. Eisen, welches nach vorgeschriebener Form
unter dem Stabhammer geschmiedet wurde und meist nach Remscheid
ging. Bandeisenhämmer gab es eine groſse Zahl; viele derselben
verdankten dem amerikanischen Kriege ihre Entstehung; im Amte
Neustadt lagen 46, im Gimbornschen 11.


Die Bandeisenhämmer bezogen ihr Material, einmal geschmolzenes
Eisen oder Reckeisen, aus dem Siegerland. Die Steinkohlen kamen
aus der Mark. Die Bandeisenschmiederei war sehr von Konjunkturen
abhängig. Seekriege und gute Weinernten in Spanien wirkten günstig
auf sie ein.


[965]Westfalen und die Rheinlande.

Die kleine Herrschaft Homburg vor der Mark, welche durch
die Acher von der Herrschaft Gimborn-Neustadt getrennt war, war
reich an guten Eisenerzen. Es befanden sich daselbst zwei Eisenhütten
zu Weiershagen und zu Nümbrecht. Letztere ging um 1780
bereits ein. Die strengflüssigen Brauneisensteine wurden mit einem
geringhaltigen, leichtflüssigen Stein von Ründeroth gattiert. Das
Ausbringen betrug etwa 1750 kg den Tag und ging meistens nach
der Mark, wo es dem saynischen gleichgeschätzt wurde. Unterhalb
Nümbrecht befand sich der Altemühler Hammer, die einzige
Frischhütte im Homburgischen. Auſserdem gab es 17 Band- und
Reckeisenhämmer daselbst.


Mitten in der Grafschaft Mark lag die kleine Grafschaft Hohen-
Limburg
, in der das Eisengewerbe, wie in der Mark, das Haupt-
gewerbe ausmachte. Es gab hier einen Osemundhammer und drei
Stabfeuer auf zwei Hämmern. Sie bezogen ihr Roheisen von der
Oberkaltenbacher Hütte im Bergischen. Ein Hochofen im Ländchen
selbst muſste wegen der Schwerschmelzbarkeit der Erze und zinkischer
Ofenbrüche eingehen. Die sämtlichen Hämmer arbeiteten für die
Limburger Drahtfabrik. Diese war bedeutend und wurde auf 20 Grob-
und Kleinzögerbänken und 61 Winnenscheiben betrieben, welche meist
auf der Nahmer lagen und in 18 Werken verteilt waren. Die Fabri-
kation war vorzüglich auf Kratzendraht gerichtet. Diese Fabrik war
früher mit der Iserlohnschen vereinigt gewesen und hatte sich anfangs
des 18. Jahrhunderts durch Uneinigkeit mit den Interessenten des
Iserlohner Stapels getrennt. Ein Unterschied der Fabrikation lag
darin, daſs hier der Draht meist aus Stabeisen statt aus Osemund
gezogen wurde. Der Draht war weicher als der aus Osemund, und
zum Biegen besser, dagegen nicht so elastisch. Er war sehr gesucht.
— Das Eisen wurde aus groben Stangen erst auf dem Reckhammer
in Ruten von 1 Zoll Breite und ¼ Zoll Dicke ausgereckt. Diese
wurden von dem Drahtschmied der Länge nach „durchgeklöbt“ und
zum Zuge verschmiedet. Auf einer Limburger Grobbank wurden jähr-
lich 700 bis 900 Stück Draht gezogen zu etwa 50000 Thlr. Wert;
es wurde 120 Rthlr. Pacht jährlich für eine Bank bezahlt.


Mit der Eisenindustrie der Mark stand das uralte Eisengewerbe
des Herzogtums Berg in lebhaftem Wettbewerb. Die bergische
Industrie gründete sich hauptsächlich auf den Fleiſs der Einwohner,
die Natur hatte nur wenig für sie gethan1).


[966]Westfalen und die Rheinlande.

Das bergische Land hatte längst seine Holzvorräte erschöpft,
so daſs für Hochöfen keine Stätte mehr war. Nur zu Oberkaltenbach
im Amte Steinbach, wo sich das reiche Kauerts-Bergwerk befand,
war auch noch Hüttenbetrieb. Die Oberkaltenbacher Hütte lag
½ Stunde von Ründeroth. Sie gehörte ursprünglich der Familie
Kauert. Die Erze waren Brauneisensteine, welche zum Teil mangan-
haltig waren. Man blies neben Roheisen aus diesen letzteren auch
„Stahlkuchen“, welche auf den märkischen Hütten „Schwerteisen“
genannt wurden, weil sie einen weichen, zähen Stahl gaben, der zu
den Schwertmassen gebraucht wurde.


Die Nieder-Kaltenbacher Hütte lag dicht an der Gimborn-
Neustädtischen Grenze und gehörte dem Grafen von Wallmoden.
1798 wurde ihr Betrieb eingestellt.


Die Eisenhütte zu Engelskirchen lag am Ausfluſs der Leppe
in die Acher. Sie gehörte der Gemeinde Engelskirchen (Kirchspiels-
Hütte). Die Kirche und Schule zu Engelskirchen wurden daraus er-
halten und zwar in der Art, daſs der Hüttenzins und der Ertrag des
Wascheisens nach Abzug der Reparaturkosten der Gemeinde zufloſsen.


Nicht weit davon lag, ebenfalls an der Acher, die Looper Hütte,
welche dem Grafen Nesselrode gehörte. Die Bröler oder Wald-
bröler Hütte
im Amte Windeck war Eigentum der Witwe Coing
zu Hachenburg.


Die Stab- und Rohstahl-Fabrikation, welche vordem von groſser
Bedeutung war, hatte sich teilweise nach der Mark verzogen, haupt-
sächlich wegen der Steinkohlen daselbst. Die Eisenhämmer zu Herren-
stein und Ehreshoven waren Nesselrodisch, ihr Eisen ging nach Rem-
scheid. Mehrere Hämmer lagen bei Engelskirchen. Der Hammer zu
Dorp an der Nave verarbeitete Roheisen von der Sayner, Bendorfer
und Clemens-Hütte und machte etwa 65000 kg Stabeisen und davon
50000 kg Reckeisen für Holland.


Das Schlebuscher Werk, 1½ Stunden von Mühlheim am Rhein,
bezog ebenfalls sein Roheisen von der Sayner Hütte. Es hatte zwei
Frischfeuer, einen Blech- und einen Reckhammer. Die Boeckerhämmer
an der Evecke waren ein Rohstahlhammer mit zwei Feuern und zwei
Stahlraffinierhämmer. Rohstahlfeuer waren ferner auf den Busch-
hämmern an der Wupper und auf der Borbeck in Rade vorm Wald.
In Remscheid hatte J. H. Funke den ersten Stangenstahl geschmiedet.


Die Eisen- und Stahlschmiederei auf Reckhämmern war eine sehr
beträchtliche Industrie im Bergischen. Bis in die zweite Hälfte des
17. Jahrhunderts diente die feine Stahlfabrikation im Lande nur der
[967]Westfalen und die Rheinlande.
Schwert- und Messerfabrik in Solingen. Erst nach dieser Zeit kam
zuerst der Stahlhandel nach Holland in Aufnahme und waren die
Hasenclever die ersten, die dies versuchten1). In der Folge war der
Rohstahl von Johann Caspar Halbach zu Remscheid in Amerika
besonders gesucht. Er schlug seinen vollen Namen als Zeichen auf
seinen Stahl.


Ein gewisser Böcker fing zu Anfang des 18. Jahrhunderts an,
Schlichteisen unter Wasserhämmern zu schmieden und damit Handel
zu treiben. Dadurch kam diese Industrie in Aufnahme. Die Stahl-
und Eisen-Reckhämmer vermehrten sich besonders in den letzten
Jahren des siebenjährigen Krieges. — Der Hauptsitz der Stahlfabri-
kation war in den Kirchspielen Remscheid, Kronenberg und Lüttring-
hausen; der des Schlichteisens an der Wupper oberhalb Gemark.
Wie sich die Hasenclever und Halbach im Stahlhandel auszeichneten,
so that dies die aus dem Nassauischen stammende Familie Flender
im Band- und Schlichteisenhandel. Der eigentliche Gründer dieser
Industrie war ein Siegerländer namens Clarenbach gewesen, der in
Holland den dortigen Eisenhandel und den groſsen Bedarf für den
Schiffsbau kennen gelernt und hierauf bei der Krähwinkler Brücke
an der Wupper mehrere Hämmer anlegte, in denen er siegerländer
Stabeisen zu Bandeisen verschmiedete und dieses nach Holland ver-
kaufte. Johann Flender, ein Siegener Gewerkensohn, heiratete
Clarenbachs Tochter und übernahm das blühende Geschäft, welches
er fortführte und erweiterte zum Nutzen des Bergischen und des
Siegerlandes2). 45 Eisenhämmer entstanden bis 1780 im Kreise von
5 Stunden.


Als sich die märkische Eisenwaren-Industrie hob und Eingangs-
zölle auf die Steinkohlen gelegt wurden, zog sich namentlich die
Stahlfabrikation mehr nach der Mark. Die Steinkohlen kaufte man
von den Kohlentreibern, welche dieselben auf Pferden in Ladungen
von etwa 300 Pfd. herbeiführten.


Das Rohstahleisen kam meist aus dem Siegenschen, Rohstahl
aus dem Siegerland, aus dem kölnischen Sauerland und aus West-
falen. Zum Beistählen verwendete man nassauisches Eisen. Der ber-
gische Stahl- und Stahlwarenhandel war sehr bedeutend und aus-
gebreitet; er ging durch die ganze handelnde Welt. Der bergische
Kaufmann, besonders der Remscheider, hielt viel vom Reisen, und
[968]Westfalen und die Rheinlande.
fand man Remscheider Stahlreisende gegen Ende des Jahrhunderts von
Moskau bis Lissabon und in Amerika. Aller Stahl, der in den
Handel kam, war mit Marken oder Zeichen versehen (s. S. 441).


Der Hauptsitz der bergischen Band- und Reck-, oder Hol-
ländisch-Eisen
-Fabrikation war die Wupper und ihre Nebenflüsse.
Auch hierfür kam das Eisen aus dem Siegerland. Das Tiefenbacher
Eisen galt als das beste für Bandeisen, weil es weich und nicht stahl-
artig war.


Wir wissen, daſs die bergische Sensenfabrikation von ehr-
würdigem Alter war, aber die Fabrikation der weiſsen Sensen zog
sich im Laufe des vorigen Jahrhunderts mehr und mehr nach der
Mark. Der Handel mit den weiſsen geschliffenen Sensen litt aber
überhaupt sehr durch die Konkurrenz der nur geschmiedeten blauen
Sensen aus Steiermark. Ein unternehmender Remscheider Kaufmann
vereinigte sich deshalb 1770 mit 42 Kaufleuten in Remscheid zur
Einführung der steierischen Sensenfabrikation. Ein Versuch, steierische
Arbeiter aus ihrer Heimat wegzulocken, miſslang, und wäre ein Kauf-
mann Halbach dabei fast verunglückt; doch gelang es ihm und
einem sächsischen Bergmann namens Schildach, wenigstens zum
Teil hinter das Geheimnis der steierischen Sensenfabrikation zu
kommen. Zu gedeihlicher Entwickelung gelangte indes das Unter-
nehmen erst durch einen gewissen Karl Röndgen, der schon in
der Mark das Sensenschmieden, das er von einem österreichischen
Soldaten erlernte, versucht hatte. Dieser legte den Grund zu der
bergischen blauen Sensenfabrik. Aber nur sehr allmählich und mit
groſsen Anstrengungen und Opfern gelangte man zum Ziel. Erst 1772
erbaute der Kaufmann J. A. Halbach zu Müngsten die erste zu-
sammenhängende Sensenfabrik. Um 1800 gab es schon vier Sensen-
fabriken, auſser der genannten die Gründer Hämmer der Gebr. Busch
zu Remscheid, die Buschhämmer an der Wupper und die Hämmer
von Hasenclever und Söhnen zu Ehringshausen. Ihr Absatz
betrug an 200000 Stück, etwa das dreifache der märkischen Fabrik.


Die Zahl der Schleifwerke überstieg 150. Sie arbeiteten teils für
die Solinger Schwert- und Messerfabrik, teils für die Remscheider
Kleineisenfabrik.


Die Solinger Schwert- und Messerfabrik erhielt sich ihren
alten Ruhm trotz vieler Schwierigkeiten und Kämpfe. Ein groſser,
für die Solinger Industrie nachteiliger Umschwung wurde dadurch
herbeigeführt, daſs nach dem 30jährigen Kriege die alte Sitte, daſs
jeder Bürger eine Waffe trug oder wenigstens besaſs, verschwand,
[969]Westfalen und die Rheinlande.
und daſs an stelle der Landwehr stehende Heere traten. Dadurch
wurde der frühere Markthandel mit Waffen sehr beschränkt; die Be-
stellungen kamen jetzt von den Landesregierungen immer in groſsen
Posten. Damit hörte aber die Gleichmäſsigkeit der Fabrikation auf.
Lagen Waffenbestellungen vor, so waren sie umfangreich und muſsten
rasch erledigt werden, nahmen also viele Kräfte in Anspruch; lagen
keine vor, so muſsten die Arbeiter feiern. Dazu kam, daſs viele
Staaten selbst Waffenfabriken anlegten. Solche entstanden im Laufe
des 18. Jahrhunderts zu Spandau, Neustadt-Eberswalde, Potsdam,
Klingenthal im Elsaſs, Kopenhagen, Elkistuna u. s. w.


Ferner machte die Klingenfabrikation in der Mark, welche unter
günstigeren Bedingungen und überhaupt auf billige Ware arbeitete,
empfindliche Konkurrenz. Hiergegen kämpften die Kaufleute mit
Erfolg dadurch an, daſs den Zunftgenossen verboten wurde, Klingen
an unprivilegierte Händler zu liefern. Dies waren in erster Linie
Remscheider Kaufleute, welche mit schlechten märkischen Klingen
handelten, sie unter die Solinger mischten und einen groſsartigen
Schleichhandel trieben. Die Vereinbarung vom 12. September 1788
bestimmte, daſs die privilegierten Kauf- und Handelsleute keinem ber-
gischen Unterthan weder direkt noch indirekt verkaufen durften.


Die Arbeiter benutzten die für sie günstige Zeit bei Ausbruch
des siebenjährigen Krieges, eine erneute Satzordnung vom 23. No-
vember 1757 für sich durchzusetzen, in der Löhne und Preise nach
Klassen der österreichischen, spanischen, preuſsischen, sächsischen u. s. w.
Klingen festgesetzt wurden und in der bestimmt war, daſs ihnen der
Lohn nur in barem gutem Gelde ausbezahlt werden muſste. Die
napoleonischen Kriege warfen die ganze alte Ordnung über den Haufen.
Die Zunftverfassung wurde aufgehoben, das Koalitionsrecht ge-
nommen, ein Zustand der Rechtlosigkeit trat ein. Das einzige, was
der Schwertfabrik in dieser Not half, war der vermehrte Bedarf in
der kriegerischen Zeit.


Die Messerfabrik war zwar weniger von den oben angeführten
veränderten Zuständen abhängig, sie war aber zu sehr mit der Schwert-
fabrik verwachsen, um nicht mit darunter zu leiden.


Gerade bei der Messerindustrie hatte das Trucksystem einen ver-
derblichen Umfang gewonnen; die Arbeiter wurden mit Kaffee, Thee,
Tabak, Kleidungsstücken u. s. w. abgelohnt, welche sie nur mit Ver-
lust bei Juden wieder absetzen konnten und wodurch sie sich an
kostspielige Bedürfnisse gewöhnten. Nachdem die Schwertbrüder ihre
Satzordnung durchgesetzt hatten, machten sich auch die Messer-
[970]Westfalen und die Rheinlande.
schmiede 1757 eine bessere Lohnordnung, aber ohne Mitwirkung der
Kaufleute. Nach Beendigung des Krieges traten auch für die Messer-
schmiede günstigere Zeiten ein. Den Schleifern und den Gabel-
machern gelang es 1770, einen besseren Lohnsatz zu erringen; aber
die Kaufleute wollten nicht darauf eingehen, und so kam es 1776 zu
Zusammenrottungen und Arbeitsverweigerungen. Dagegen schlossen
die Kaufleute ein Bündnis und sperrten nicht nur die Schleifer,
sondern auch die Messerschmiede und Reider aus. Ein regelmäſsiger
Strike brach aus. Die Regierung muſste intervenieren und verbot den
Ausstand bei 25 Thlr. Strafe. Am 16. April 1776 kam eine Verein-
barung zu stande, durch welche die Hungerlöhne um 25 Proz. und
mehr erhöht wurden1). Bestätigt wurde dieselbe durch die Lohn-
satzung vom 14. März 1777, welche gleichzeitig die unprivilegierten
Kaufleute und die Fertigmacher fast ganz vom Handel ausschloſs.
Die Vereinbarung wurde aber nicht gehalten; in dem Wechsel der
Geschäftslage suchte jeder Teil von neuem Vorteile zu erringen. Der
Krieg zwischen Arbeiter und Arbeitgeber wurde permanent. Es ent-
stand der sogen. 10jährige Solinger Messer-Satzordnungs-Prozeſs,
welcher 24000 Thlr. kostete und schlieſslich dahin führte, daſs 1786
die Ordnung gänzlich aufgehoben und freier Handel und freie Lohn-
vereinbarung ausbedungen wurden. So ging die alte Zunftordnung,
die jahrhundertelang eine Wohlthat gewesen war, durch die ver-
änderten Verhältnisse von selbst zu grunde. Daran konnte auch der
letzte Versuch, die Lohnsatzordnung vom 8. Oktober 1789, nichts
mehr ändern. — Nur den Scherenmachern gelang es noch, vor dem
Zusammenbruch aller Brüderschaften 1794 sich zu einer besonderen
Zunft zusammenzuschlieſsen.


Die Fabrikzeichen erlangten gröſsere Bedeutung nicht mehr in
dem ursprünglichen Sinne als Beschauzeichen, sondern als Zeichen
der gröſseren Fertigmacher und Kaufleute. Nicht der Schmied führte
das Zeichen, sondern der Händler, und das Zeichen wurde zu einem
wertvollen Vermögensrecht, das in der Familie auch auf Frauen und
Kinder sich vererbte und öfter ein Gegenstand des Kaufes (vgl. Bd. II,
S. 397) wurde. Die gröſste Rolle spielte jetzt das Zeichenwesen bei
der Messerschmiederei. Hier führten die Schmiede, welche meistens
zu Hause arbeiteten, nur die Zeichenstempel ihrer Arbeitgeber. Jedes
Fabrikzeichen muſste in den doppelt geführten Zeichenrollen einge-
tragen und jedes neue Zeichen beim vollen Handwerksgericht aus-
[971]Westfalen und die Rheinlande.
gerufen werden. Nach den Reskripten von 1772 und 1775 muſsten
neue Zeichen auch in den benachbarten Orten Kronenberg, Hamm
und Lüttringhausen dreimal vom Obervogtsboten ausgerufen, ebenso
oft von dem vollen Messermacher-Gericht verkündet werden. Daſs
man aber das Zeichen an stelle der wirksamen Kontrolle setzte,
führte zur Verschlechterung der Ware.


Die Solinger Industrie beschäftigte 1792 etwa 4000 Arbeiter,
wovon die Messermacher etwa ⅓, die Schwertschmiede ¼, die Schleifer
⅕ und die Scherenmacher 1/10 ausmachten. ⅓ der gesamten Zahl
waren unprivilegierte Arbeiter. Die Privilegierten bildeten die Aristo-
kratie des Standes, welche auf ihre Lohnarbeiter mit Stolz herab-
blickten. — Der Wert des jährlichen Exportes betrug 17921) an
600000 Thlr.; es waren 1600000 Pfd. Eisen und Stahl verarbeitet
und 700 bis 800 Karren Steinkohlen und 300 bis 400 Karren Holz-
kohlen verbraucht worden.


Die Technik schritt bei der Zunftverfassung nur langsam vor-
wärts, namentlich waren die Einrichtungen der 93 Schleifkotten auf
den 7 Bächen und der Wupper recht mangelhaft. Sie muſsten oft
bei ungünstigem Wasserstand monatelang feiern, was dann auch bei
den übrigen Handwerken Stockungen veranlaſste. Auch die Kunst
der Reider und Schwertfeger war gegen andere Länder zurück-
geblieben. Die technische Vorbildung, welche der Sohn vom Vater
erhielt, reichte nicht mehr aus. Durch die groſsen Kriege 1789 bis
1795, welche Solingen von seinen gewohnten Absatzgebieten absperrten,
kam die Industrie in groſse Not. Wie gering die regelmäſsige Be-
schäftigung war, geht daraus hervor, daſs, als 1790 plötzlich eine
Bestellung auf 5400 Ctr. oder 600000 Stück, das Doppelte der regel-
mäſsigen Jahresproduktion, eintraf, dieselbe bequem ausgeführt werden
konnte. Die Auswanderung der Arbeiter riſs trotz des Verbleibungs-
eides immer mehr ein und erlangte durch die Einführung der Frei-
zügigkeit 1804 gesetzliche Sanktion.


Trotzdem erhielt sich die Solinger Schwert- und Messerfabrik in
dieser schweren Zeit durch die überlegene Geschicklichkeit der Arbeiter,
die Arbeitsteilung und das überlieferte einmütige Zusammenwirken.


Die Kleinschmiederei hatte ihren Hauptsitz in Remscheid auf-
geschlagen. Hier wurden eine groſse Anzahl verschiedener Eisen-
und Stahlwaren angefertigt, welche sich nach und nach unter der
Bezeichnung „Remscheider Waren“ den Weltmarkt eroberten. Die
[972]Westfalen und die Rheinlande.
Einwanderung verjagter betriebsamer Protestanten aus Frankreich
und den Niederlanden hatte zur Hebung des Gewerbes viel beige-
tragen.


Bereits im 16. Jahrhundert hatten Gewerbetreibende, darunter
geschickte Eisenarbeiter aus den Niederlanden, welche vor den reli-
giösen Verfolgungen unter Herzog Alba geflohen waren, gastliche
Aufnahme von der Regierung und den Bewohnern des bergischen
Landes gefunden. Eine noch gröſsere Anzahl erfahrener Eisenarbeiter
wanderten gleichfalls infolge religiöser Verfolgungen in der zweiten
Hälfte des 17. Jahrhunderts, besonders nach der Aufhebung des
Ediktes von Nantes im Jahre 1685, aus Nordfrankreich ein. Nament-
lich waren es geschickte Schleifer aus der Pikardie, welche sich im
Bergischen ansiedelten und in und um Remscheid die Fabrikation
geschliffener Eisen- und Stahlwaren zur Blüte brachten. Die Ein-
wanderung dieser zum Teil wohlhabenden Gewerbetreibenden übte
auch auf den Remscheider Handel seine segensreiche Wirkung aus,
indem die französischen Einwanderer mit ihrem Mutterlande in Be-
ziehung blieben, Handelsverbindungen anknüpften und den Absatz
der Remscheider Waren nach Frankreich beförderten. Frankreich
hatte seine besten Arbeiter in diesen Artikeln aus dem Lande ge-
trieben und war nun gezwungen, seinen Bedarf aus dem Auslande zu be-
ziehen. Dadurch wurde Frankreich der wichtigste Markt für die Rem-
scheider Industrie und blieb es bis zur Zeit der Herrschaft Napoleons
und der Kontinentalsperre. Indessen gebührte doch diesen fremden
Einwanderern nur der kleinere Teil des Verdienstes an der gedeih-
lichen Entwickelung der Remscheider Industrie. Fleiſs, Thatkraft
und Unternehmungsgeist zeichnete die einheimischen Industriellen und
Kaufleute Remscheids in hervorragendem Maſse aus. Das glänzendste
Beispiel hierfür lieferte Peter Hasenclever1), der sich durch diese
Eigenschaften weit über die Grenzen Deutschlands hinaus hohen
Ruhm erwarb.


Er wurde am 24. November 1716 als Sohn des wohlhabenden Kaufmanns
Luther Hasenclever, der in der Eisen- und Stahlindustrie thätig war, ge-
boren. Nachdem er in Lennep und Solingen die Schulen besucht hatte, muſste
er seine Lehrzeit in einem Stahlhammer durchmachen und arbeiten wie die
stärksten Knechte. Dann schickte ihn sein Vater nach Lüttich, um die fran-
zösische Sprache zu erlernen, und bereits in seinem 19. Jahre machte er für
seinen Vater die erste Geschäftsreise nach Paris, im folgenden Jahre bis Bayonne
und durch Brabant zurück — 400 Meilen hin und her — zu Fuſs.


[973]Westfalen und die Rheinlande.

Für einen Vetter, der in Burtscheid bei Aachen eine Tuch- und Nähnadel-
fabrik besaſs, reiste er nach Schlesien, Polen und Ruſsland und dann nach Spanien
und Portugal, wo er sich ein halbes Jahr in Lissabon bei Verwandten aufhielt und
sich mit der Tochter eines englischen Schiffskapitäns verlobte. 1745 siedelte er
ganz nach Lissabon über und gründete mit den Söhnen seines verstorbenen
Vetters, Anton Hasenclever, die Firma Lang und Hasenclever und
1750 in Cadix die Firma Hasenclever und Timmemann, in welche ein Jahr
später noch ein Engländer, B. Bericke, eintrat.


Peter Hasenclever bereiste für sein Geschäft alle Länder Europas.
Sein Ruhm als erfahrener Geschäftsmann war bereits so groſs, daſs Fried-
rich der Groſse
ihn sich vorstellen lieſs und ihn mit einem Brief an den
schlesischen Minister von Massow schickte, um mit diesem zu erwägen, wie
sich Leinwandhandel und -Fabrikation in Schlesien erweitern und verbessern
lieſse. Der Scharfblick des groſsen Königs hatte die vortrefflichen Eigenschaften
Hasenclevers wohl erkannt, der nicht nur ein unternehmender Fabrikant und
Kaufmann im groſsen Stil, sondern auch ein guter deutscher Patriot war. 1755 trat
dieser aus dem Geschäft in Cadix aus und gründete mit den Herren Weerkamp
und Böhle ein neues Unternehmen in Hamburg und London, an welch letzterem
Platze er seinen Wohnsitz nahm. 1762 wendete er, nachdem er bis dahin haupt-
sächlich in Geweben, namentlich in Leinwand, gehandelt hatte, sein Interesse
dem Eisenhandel zu, der für England durch die Erfindung der Guſsstahlfabri-
kation eine rasch wachsende Bedeutung erhielt, und besuchte die Eisenwerke in
Schweden, welche das Rohmaterial für die englische Stahlfabrikation vorzugs-
weise lieferten.


Hasenclever erkannte mit sicherem Blick, daſs Englands groſse Kolo-
nieen in Nordamerika alle Vorteile boten, um eine Eisenindustrie zu begründen,
die England von Schweden unabhängig machen könnte. Zu diesem Zwecke ver-
band er sich mit englischen Kaufleuten und gründete 1763 die Firma Hasenclever,
Seton \& Crofts
in London. Im Juni 1764 traf er in New-York ein, kaufte
Wälder und Eisenminen, lieſs durch seinen Vetter A. Hasenclever deutsche
Bergleute, Schmiede, Köhler, Zimmerleute u. s. w., zusammen 535 Personen, mit
Frau und Kind anwerben und nach Amerika befördern, wo er sie sofort in Arbeit
stellte. Er gründete 3 groſse Werke in New-Jersey und 2 in der Provinz New-
York, erwarb 52000 Morgen Land, schaffte 122 Pferde, 214 Züge Ochsen,
51 Kühe nebst allen Geräten und Werkzeugen an, erschürfte 53 Eisenminen und
errichtete vom 1. Mai 1765 bis November 1766 über 200 Gebäude aller Art:
Wohnhäuser, Schuppen, Magazine, Schmelzöfen, Schmieden, Säge-, Stampf- und
andere Mühlen u. s. w. und baute Wege und Brücken. Schon Anfang 1765
schickte er das erste Stangeneisen nach London.


Das Unternehmen versprach eine glänzende Zukunft. Da erfuhr er, daſs sein
Associé Seton in London in leichtfertigster, verschwenderischster Weise wirtschaf-
tete und sah sich gezwungen, nach London zurückzukehren, um seine Angelegen-
heiten zu ordnen. Während er hiermit beschäftigt war, handelten die Direktoren,
die er in Amerika zurückgelassen hatte, ebenso gewissenlos gegen ihn, indem
sie sich nur selbst zu bereichern suchten. Es waren hochgestellte und einfluſs-
reiche Männer, die so treulos sich benahmen, und mit Schmerz muſste Hasen-
clever
erfahren, wie kostspielig und schwerfällig die Rechtspflege in England
ist, und wie schwer es einem Fremden wurde, sein Recht zu verteidigen.
Jahrelang muſste er um sein Vermögen, dessen Verwaltung ihm aus den Händen
gerissen worden war, prozessieren. 1773 verlieſs Hasenclever England, fast
aller Mittel, aber nicht seines Mutes und seines ehrlichen Namens beraubt. Er
kehrte nach Deutschland zurück, wo er, so zu sagen, wieder von vorn beginnen
muſste, und etablierte in Landshut eine Leinwandhandlung, die er in kurzer
Zeit zu groſsem Ansehen brachte. Der Kaiser von Österreich und der König
[974]Westfalen und die Rheinlande.
von Dänemark bemühten sich, durch glänzende Anerbieten Hasenclever in
ihre Länder zu ziehen. Er lehnte dieselben ab und widmete seine Dienste
seinem Vaterlande, dem er nicht nur durch Beförderung des Handels und durch
technische Verbesserungen, sondern auch durch Wort und Schrift seine Kräfte
widmete. Er starb 1793 in Landshut, 76½ Jahre alt. Erst ½ Jahr nach seinem
Tode wurde sein Prozeſs in London zu seinen Gunsten entschieden und seine
Gegner verurteilt, 158400 £ herauszuzahlen. Hasenclevers gröſster Schmerz
war aber, daſs es ihm unmöglich gemacht worden war, sein Ziel, eine groſse
Stahlindustrie in Amerika zu gründen, zu Ende zu führen. Alle seine Hütten-
werke und Anlagen wurden in dem Unabhängigkeitskriege zerstört. Dennoch
war seine Thätigkeit sowohl für Nordamerika als auch für den deutschen
Eisenhandel und insbesondere für den Remscheids von groſser Bedeutung.
Sein kaufmännisches Genie bahnte und ebnete die Wege für den Remscheider
Eisenwarenhandel.


Das Schmiedegewerbe in Remscheid erfuhr in der ersten Hälfte
des Jahrhunderts aus den preuſsischen Nachbarprovinzen, insbesondere
aus der Mark, Zuzug dadurch, daſs Eisenarbeiter sich dem strengen
Militärdienst unter Friedrich Wilhelm I. durch Auswanderung
in das unter kurpfälzischer Herrschaft stehende bergische Land zu
entziehen suchten. Dies änderte sich erst, als Friedrich Wilhelm II.
bei seinem Regierungsantritt dem märkischen Fabrikdistrikt die völ-
lige Werbefreiheit zusicherte. Das Gewerbe der Kleinschmiede in
Remscheid und Umgegend wurde so zahlreich, daſs es in der Mitte
des 18. Jahrhunderts um ein Privilegium nachsuchte, welches am
31. März 1759 erteilt wurde. In demselben wurden die Arbeiter
unter dem Namen des 16 Kleinschmieds-Handwerks zusammengefaſst1).
Die Bestimmungen entsprachen zum Teil der alten Zunftordnung,
waren aber in vielem liberaler. So durfte z. B. jeder Meister meh-
rere Gewerbe erlernen und ausüben, selbst Handel im Auslande treiben,
muſste jedoch dann des Handwerks sich auf ein Jahr begeben und
vor Antritt jeder Reise mindestens 20 Thlr., davon ⅓ an die Armen,
⅔ an das Handwerksgericht, entrichten. Die Warenpreise wurden
vom Vogt und Rat mit Zuziehung zweier Kaufleute, also nicht
einseitig, wie damals noch in Solingen, festgesetzt. Der Vogt wurde
auf vier Jahre vom kurfürstlichen Obervogt aus der Zahl der Rem-
scheider Meister ernannt. Zum Rat wählten jetzt die Remscheider
vier, die Kronenberger zwei, die Lüttringhauser Meister einen Rats-
mann.


Die Kleinschmiede versuchten in den Jahren 1760 und 1765
einen Tarif für die Warenpreise aufzustellen und die märkische Kon-
kurrenz durch einen Verbleibungseid und Nichtannahme fremder
Gesellen auszuschlieſsen; aber die Kaufleute wirkten diesen Be-
[975]Westfalen und die Rheinlande.
strebungen entgegen, indem sie möglichst freie Entfaltung des Hand-
werks erstrebten, denn Freiheit sei das beste Mittel, um den Kauf-
leuten zu ermöglichen, den Arbeitern gute Bedingungen zu stellen.


Ein feindseliges Verhältnis herrschte auch zwischen den Schmieden
und den Schleifern. Die Schleifkotten gehörten fast ausschlieſslich
der Familie Pickard. Diese hatte es also in der Hand, die Schleiflöhne
zu bestimmen und hielt sie hoch. Das paſste den Schmieden nicht,
und sie behaupteten, berechtigt zu sein, ihre Kleineisenwaren schleifen
zu lassen, wo sie wollten; das Privilegium der Schleifer beziehe sich
nur auf die weiſsen Sensen, auf welche Fabrikation die Zunft ur-
sprünglich begründet gewesen war. Diese Fabrikation hatte aber
fast gänzlich aufgehört, indem sie teils nach der Mark verzogen, teils
durch die blauen Sensen verdrängt war. Gegen diese Auslegung der
Schmiede riefen die Schleifer den Rechtsschutz an, und die Gerichte
entschieden in zahlreichen Prozessen zu ihren Gunsten. Die Schleifer
behaupteten durch das ganze 18. Jahrhundert ihr Monopol und ihre
hohen Löhne, wodurch aber die Konkurrenz mit der Mark immer
schwieriger wurde. Die Zahl der Eisenwarenfabriken nahm von Jahr
zu Jahr zu, die der Schleifkotten aber nicht. Da traf die Remscheider
Industrie ein schwerer Schlag durch die Einführung hoher Schutz-
zölle auf Eisen- und Stahlwaren in Frankreich. Der Eingangszoll
auf grobe Stahlwaren betrug 10 Proz., auf Sensen, Sägen u. s. w.
20 Proz., auf feinere Stahl- und Messingwaren 37½ Proz. Dadurch
wurde die Einfuhr nach Frankreich unmöglich gemacht, Remscheid
verlor seinen besten Markt. Frankreich strebte danach, diese Indu-
strie im eigenen Lande wieder anzusiedeln und veranlaſste die ber-
gischen Schmiede durch glänzende Versprechungen zur Auswanderung.
Ein Kaufmann Brink erlieſs beispielsweise von Lothringen aus einen
Aufruf, in welchem er freie Wohnung, 5000 Pfd. Steinkohlen jährlich
frei, 20 Proz. Lohnerhöhung gegen Remscheid und volle Beschäftigung.
versprach. Bis zum Jahre 1797 waren aus Kronenberg 127, aus
Remscheid etwa 200 Personen ausgewandert; die Hungerjahre 1794
bis 1796, verbunden mit einer vollständigen Stockung der Geschäfte,
hatten hierzu am meisten beigetragen. 300 Eisenarbeiter wanderten in
diesen Jahren nach Nordamerika aus, doch fanden dort damals nur
wenige ihr Glück. Eine groſse Zahl wanderte 1796 in die Gegend
von Danzig aus, wo sie am sogen. Silberhammer, einer der 1772 ge-
gründeten Seehandlung gehörigen Stahl- und Eisenwarenfabrik, Be-
schäftigung fanden.


Die Kaufleute kauften ihre Ware in der Mark billiger ein, in-
[976]Westfalen und die Rheinlande.
folgedessen waren in Remscheid viele Arbeiter müſsig. Die Ein-
wohnerzahl von Remscheid sank von 1792 bis 1807 von 6653 auf
5509. Nochmals begann 1797 ein allgemeiner Sturmlauf gegen das
Privilegium der Schleifer, und endlich wurde am 9. April 1798 die For-
derung der Schmiede und Kaufleute, die in dem Privilegium nicht
benannten Waren schleifen lassen zu dürfen, wo sie wollten, be-
willigt. 1803 wurde das Privilegium mit allen übrigen ganz aufge-
hoben. Die Aufhebung der Zünfte wurde hier deshalb mit Freuden
begrüſst.


Erwähnenswert ist auch, daſs ausländische Regierungen wiederholt
Agenten schickten, um bergische und märkische Eisenarbeiter heim-
lich anzuwerben und zu entführen. Dies gelang namentlich dem von
König Gustav III. von Schweden entsendeten Direktor Wadström,
obgleich derselbe zweimal, 1772 und 1774, als Verführer einge-
schworener Unterthanen ertappt wurde.


Der Aufschwung der bergischen Kleineisenindustrie im 18. Jahr-
hundert war ein bedeutender. 1763 zählte man schon 300, 1803 600
verschiedene Sorten von fabrizierten Stahl- und Eisenwaren. Ihr
Wert betrug 2 bis 3 Millionen Thaler bergisch. 1762 gab es
96 Schleifer und 1500 bis 2000 Kleinschmiede, 1803: 190 bis 230
Schleifer, 2700 bis 3000 Kleinschmiede und 300 Hammerschmiede.
Das Kirchspiel Remscheid wuchs von 1689 bis 1789 von 1400 bis
8072 Einwohner. Das Hauptverdienst an diesem Aufschwung gebührte
den Kaufleuten. Diese Kaufleute, deren es im Anfang des vorigen
Jahrhunderts nur 3 oder 4 gegeben hatte, betrieben ursprünglich alle
selbst das Schmiedehandwerk, wie dies Peter Hasenclever anschau-
lich geschildert hat. Ganz besonders verdankt Remscheid seinen
Absatz und seinen Aufschwung diesen Kaufleuten durch ihre Art zu
reisen. Sie besuchten mit kleinen Mustervorlagen alle Länder der
Welt, dehnten dadurch ihr Absatzgebiet überallhin aus und grün-
deten, wo dies möglich und vorteilhaft war, Zweigniederlassungen.
Sie reisten dabei nicht für das eigene Geschäft allein, sondern ge-
wissermaſsen für ganz Remscheid, indem sie in ihre Preiscourante
alle Artikel mit aufnahmen, die am Platze gemacht wurden.


Ein wichtiger Industriezweig Remscheids wurde im vorigen Jahr-
hundert die Feilenfabrikation. Gegen Ende des Jahrhunderts traten
65 Feilenhauer von Remscheid und Wermelskirchen zusammen und
trafen, „um allen Brotneid unter sich abzuschaffen“, am 23. Februar
1797 die Vereinbarung, daſs, wer Feilen von einem Schmied oder
Kaufmann nach Hause bekäme, dafür den Lohn von 5 Thlr. für
[977]Westfalen und die Rheinlande.
100 Sackfeilen erhalten müſste. Doch wurde diese Vereinbarung auf
die Klage der Kaufleute hin von der kurfürstlichen Regierung für
nichtig erklärt.


Im Herzogtum Cleve westwärts der Lippe, wurde 1794 die
Eisenhütte bei Ysselburg an der Altenyssel angelegt, auf Grund aus-
gedehnter Raseneisensteinvorkommen in unmittelbarer Nähe. Auch
war der Kohlenbezug günstig und die Abfuhr zu Wasser nach dem
Rhein leicht. Man hatte hier Versuche gemacht, rohe Steinkohlen
in geringer Menge dem Möller zuzusetzen, und sollen dieselben gut
ausgefallen sein 1).


Schon auf holländischem Gebiete lag die Eisengieſserei zu
Deutchen, die nur deshalb Erwähnung verdient, weil man dort in
einem Flammofen altes Guſseisen mit Holz oder mit Steinkohlen aus
der Mark schmolz; 1804 lag sie bereits still. Eine Stunde davon lag
bei Ülft an der Ah ein doppelter Hochofen, der auf Raseneisenstein
ging. Das Werk hieſs die Kepplerhütte.


Wenden wir uns nun zu der linksrheinischen Eisenindustrie.


Zwischen Aachen und Montjoie lag eine Eisenhütte, der Schmidt-
hoff
, welche Guſswaren machte, die zwar schön und dünn, aber zer-
brechlich waren. ¼ Stunde unterhalb der Hütte hatte eine Aachener
Gewerkschaft 1792 einen neuen Hammer gebaut, zu dem das Wasser
in eisernen Röhren geleitet wurde und dessen Flutkasten auch von
Eisen war. 2 Cylindergebläse bedienten die 2 Feuer. Oberhalb an
dem nämlichen Wasser lag die Maria-Theresiahütte. Nach
Stollberg zu befand sich eine Eisenhütte an der Vicht. Zwischen
Eschweiler und Montjoie lag die Schevenhütte.


Die Familie Cramer besaſs 1½ Stunden oberhalb Düren eine
Eisenspalterei an der Roer. Weiter abwärts an demselben Fluſs stand
noch eine Eisenspalterei zu Schneidhausen, um 1800 Eberhard
Hösch
gehörig. Unterhalb Düren bei Berkersdorf war ein drittes
derartiges Werk. Diese Schneidwerke, sowie das unterhalb Gemünden,
erhielten ihr Eisen von den Eifeler Reidwerken in 60 Pfd. schweren,
2½ bis 3 Zoll breiten, ½ bis ¾ Zoll dicken Stangen. Das beste
davon wurde für Draht ausgesucht und kam auf die Dürener Draht-
fabrik, das übrige wurde zu Nageleisen verarbeitet.


Das Wärmen der zugeschnittenen Eisenstangen, wovon 1000 bis
1100 kg auf einmal in den Glühofen eingesetzt wurden, geschah mit
Steinkohlen in der Weise, daſs man die Kohlen auf den Rost warf,
Beck, Geschichte des Eisens. 62
[978]Westfalen und die Rheinlande.
sie gut durchbrennen lieſs, zusammenschlug und dann das Eisen
darauflegte. Die Kohlen kamen von Eschweiler, wo die Jülicher Fabriken
ein Vorzugsrecht für Kohlenbezug und Preis hatten. Das Eisen blieb
4 Stunden im Wärmofen. An jeder Schneidemühle waren 5 Arbeiter
beschäftigt. Die Walzen des Werkes waren auf der Eifel gegossen
und im Lager abgedreht. In Düren war starke Nagelschmiederei.


Das Reidwerk zu Lendersdorf hatte sehr gute Erze im Bley-
busch. Dieselben wurden gewaschen, aber nicht gebrannt. Der Ofen
war 21 Fuſs hoch, viereckig, mit ledernem Gebläse. Der Lenders-
dorfer Stabhammer hatte 2 Feuer, die auf Zweimalschmelzerei ar-
beiteten. Jedes Feuer war mit 3 Leuten besetzt, die Tag und Nacht
durcharbeiteten, so daſs jeder umschichtig während einer Luppe
4 Stunden ruhte. Die Feuer waren sehr weit und tief. Die Luppen
wogen 150 bis 200 Pfd. Man reckte in dem nämlichen Feuer aus.
Der 700 Pfd. schwere Hammer war auf der Hütte gegossen. Der
Hammer machte wöchentlich an 5000 kg schönes Stabeisen.


5/4 Stunden unterhalb lag ein Eisendrahtzug Deutchen, später
Schöller gehörig. Man verwendete nur ausgesuchtes, einmal ge-
schmolzenes Eifeler Eisen. Das geschnittene Eisen wurde, so wie
es von der Schneidemühle kam, in den Zug genommen. Die äuſsere
Fläche des Drahtes war deshalb recht unscheinbar. Das Glühen
geschah in einem groſsen, gegossenen eisernen Kessel von 3 Fuſs Höhe
und oben 2½, unten 2 Fuſs Weite. In denselben wurden 700 kg
Draht eingelegt und ein Deckel darübergestülpt, worauf der ganze
Ofen mit einem Deckel von Eisenblech verschlossen wurde, der in der
Mitte, dem Durchmesser des Kessels entsprechend, ausgeschnitten
war. — Das geschnittene Eisen kostete 58 Rthlr. pro 1000 Pfd.


Zu Weilerbach legte der Abt von Echternach, Emanuel Limper,
1777 bis 1779 eine Eisenhütte an. Das Werk wurde 1797 von der
französischen Republik als Staatsdomäne an einen M. Legier verkauft.
Der Netterhammer, vormals dem Kloster St. Thomas gehörig, kam
in ähnlicher Weise an Remy in Neuwied.


In der Eifel lagen am Schleider Wasser oberhalb Schleiden
die Reidwerke Hellerthal, Kirschseiffen, Blumenthal, Müllers-
hütte
und Oberhausen, unterhalb Schleiden das Jauckforther-
werk
, die Ölhütte und 2 Bandhämmer.


Das Kallerthal, durch die Urfft gebildet, enthielt das Steinfelder-
und das Dahlbänder Werk, letzteres mit einem Hammer, die Hütten
bei Sötnich und Kalle, die Reidwerke Eisenau und Gemünder-
hütte
, letzteres mit Eisenspalterei.


[979]Westfalen und die Rheinlande.

Im Thale der Erft lagen oberhalb und unterhalb Eiserfey drei
Hütten.


In den Schleidener Reid- oder Riedwerken lagen ein Hochofen
und ein Hammerwerk unter einem Dach. Letzteres frischte alles,
was jener lieferte. Dies geschah in 2 Feuern, dem Schmiedefeuer
und dem Hammerfeuer (s. Bd. II, S. 242). Die Werke gehörten ent-
weder einzelnen Reidemeistern oder Gewerken mit Hüttentagen. Die
Hochöfen waren viereckig, 15 bis 20 Fuſs hoch, mit länglich-schmaler
Gichtöffnung, 10 Zoll × 3 Fuſs, die Erze wurden auf der Schmalseite
aufgegeben, über der Rast war der Schacht quadratisch. Die Erze wurden
weder gewaschen noch geröstet. 24 Hüttentage hieſsen eine Hütten-
reise, die Gewerke „trieben sich nicht mit Stunden, sondern mit dem
Stiche des Gusses aus“. Über das „Destillieren“ des Eisens haben wir
früher berichtet (Bd. II, S. 204), ebenso über die Art des Schmiedens.


Die Reckhämmer wogen gewöhnlich 650 Pfd., waren gegossen
und machten etwa 50 Schläge in der Minute. Jede Luppe von 50
bis 70 Pfd. gab einen Stab. Es wurden meist Schmiedestangen für
die Spaltereien gemacht, welche zu Nageleisen zerschnitten wurden.
Sie kosteten auf dem Hammer 47 Thlr. pro 1000 Pfd.


Zu Dalbänden im Kaller Thal, 2 Stunden oberhalb Gemünd,
besaſs die Familie Cramer 2 Hütten und 2 Hämmer. Das beste
Dalbänder Eisen wurde zu Platinen nach Lüttich für 55 Thlr.
verkauft. 1731 hatten sich die Verhältnisse der Eifeler Eisenindustrie
so gebessert, daſs der Graf von der Mark die alten Pachtverhältnisse
aufhob. Als die Grafschaft Schleiden 1774 an Aremberg kam,
wurde der Pacht für jedes Hüttenwerk um 13 Thlr. weiter erhöht,
wogegen aber die Reidemeister Beschwerde erhoben.


Im Moselgebiet lag das Eisenwerk Quint in der Nähe von Trier.
Es war wegen seines sehr haltbaren Guſseisens, besonders zu Stuben-
öfen, berühmt. Der Hochofen war nur 16 Fuſs hoch und machte
gegen Ende des Jahrhunderts 8000 bis 9000 kg, wovon ¾ Guſs- und
¼ Masseleisen war. Die älteste Ofenplatte mit Jahreszahl von der
Quint stammt aus dem Jahre 1702, doch geht die Herstellung von
Guſswaren vermutlich in frühere Zeit zurück. Das Erz wurde in der
Nähe gewonnen. Zu Anfang des 18. Jahrhunderts brachte Franz
Pidoll
, ein französischer Offizier, die Quint durch Heirat an sich
und wurde von Kaiser Karl VI. unter Beilegung des Namens von
Quintenbach in den Adelstand erhoben 1).


62*
[980]Westfalen und die Rheinlande.

Die Eichelhütte an der Lieser, 2 Stunden oberhalb Wittlich,
gehörte ebenfalls den Gebrüdern von Pidoll. Die 8 Frischfeuer der
Hütte waren an die Gebrüder de Wendel verpachtet, welche eine
eigenartige Massenschmiederei eingeführt hatten. An jedem Feuer
arbeiteten 5 bis 6 Mann Tag und Nacht ununterbrochen fort. Ihre
Luppen, zu welchen 130 bis 140 Pfd. Roheisen von der Sayner Hütte
eingeschmolzen wurden, teilte man nicht in Schirbel, sondern schmiedete
sie zu groben Stangen von 90 bis 100 Pfd. Gewicht aus. Auf diese
Art machte ein Feuer wöchentlich 9000 Pfd. Stabeisen. Alle Arbeiter
waren Franzosen. Die Schmiederei ging sehr gut.


In der Grafschaft Aremberg lagen die Ahrhütte und die Stahl-
hütte
, ¾ Stunden von einander entfernt, an der Ahr.


Im Hunsrück nennen wir zuerst die Rheinböller Hütte mit
bedeutender Gieſserei, welche der Familie Utsch gehörte. Von dieser
kam sie an die Familie Puricelli, die sie noch heute besitzt. Im
Volksmunde wird sie aber meist noch die Utscherhütte genannt. —
Ebenfalls am Seibersbach, der unterhalb Kreuznach in die Nahe flieſst,
lag die alte Stromberger Hütte, gegen Ende des Jahrhunderts der
Familie Sahler gehörig, daher auch öfter Sahlershütte genannt.
Heute ist sie im Besitz der Gebrüder Wandersleben. Auch hier
wurden hauptsächlich Guſswaren gemacht, doch besaſs das Werk auch
eine Stahlhütte, wo nach deutscher Art gefrischt wurde. Die beiden
Hütten machten um 1800 etwa 10000 kg Guſswaren wöchentlich,
welche ihren Absatz nach Mainz, Koblenz u. s. w. hatten. 1 Pfd. Guſs
kostete 4½ Kzr., 1 Pfd. Stabeisen 6 Kzr., also pro 100 kg 26 Mk.
und 34 Mk. — Beide Werke lagen in dem ehemaligen Fürstentum
Pfalz-Simmern.


In der Grafschaft Sponheim lag die Asbacher Hütte. Sie
bestand aus 1 Hochofen, 3 Grobhämmern, 1 Reck- und 1 Schippen-
hammer, der wöchentlich 250 Stück Spaten und Schippen bereitete.
Man schmolz Thon- und Raseneisenstein. Im französischen Kriege
wurden hier Kanonen gegossen, welche in Mannheim gebohrt wurden.
Die Frischfeuer gingen nach rheinischer Art (Kaltbläser). Die As-
bacher Hütte gehörte, wie die Gräfenbacher und Weilersbacher Hütte,
zu Ende des Jahrhunderts den Gebrüdern Stumm.


Denselben gehörte auch die Abentheuer Hütte an der Thran.
einem Seitenflüſschen der Mosel. Sie hatte 1 Hochofen, 2 Stab-
hämmer mit 4 Feuern und 1 Schneidwerk (Spalterei). Man schmolz
aus Wiesenerz wöchentlich an 10000 kg Roheisen und Guſswaren.
Im Revolutionskriege lieferte die Hütte Munition. Die Kugeln wurden
[981]Westfalen und die Rheinlande.
geglüht und unter einem Tiefhammer geglättet. Die Frischfeuer
gingen nach der Harzer Kleinfrischmethode. Hier wurde auch noch
ein Zerennfeuer, in dem Wascheisen gefrischt wurde, betrieben.


Die Familie Stumm, die für die Geschichte der Eisenindustrie
im Hunsrück und Saargebiet eine so groſse Bedeutung erlangt hat,
erscheint zuerst im Besitz des Birkenfelder Hammers bei Kempfeld,
wo sich Johann Nikolaus Stumm das noch jetzt stehende Wohn-
haus erbaute. Dieser erwarb 1730 Anteil an der Asbacher Hütte
und kaufte 1737 den Sensweiler Hammer im Soonwald. 1743 ging
die Asbacher Hütte an die Brüder Joh. Nik. Stumm aus Enkirch
an der Mosel und Josef Heinrich Stumm vom Birkenfelder
Hammer käuflich bezw. in Erbbestand über 1). Zwei Jahre zuvor
(1741) waren die Gebrüder Stumm als Teilhaber bei der Gräfen-
bacher Hütte, welche 1712 als einem J. G. Koch in Erbbestand zum
Teil gehörig genannt wird, eingetreten. Der Sohn von Joh. Nik.
Stumm, Johann Heinrich Stumm
, welcher badischer Kommerzien-
rat wurde, erwarb bezw. erbaute die Abentheuerhütte und den Wei-
prather Hammer. Auſser den genannten fünf Werken betrieb er noch
den Katzenlocher Hammer. Nach seinem 1781 erfolgten Tode führten
seine drei Söhne gemeinschaftlich den Betrieb der Eisenwerke fort und
erwarben im 18. Jahrhundert noch 1793 den Weilersbacher Hammer.
Ihre weiteren Erwerbungen fallen in das 19. Jahrhundert.


Von ganz besonderem Interesse ist die Geschichte der Eisen-
industrie des Saargebietes, von der wir durch die vortrefflichen
Untersuchungen des Geheimen Bergrats A. Haſslacher2) genauere
Kenntnis haben.


Der 30jährige Krieg hatte die Eisenindustrie jener Gegend voll-
ständig vernichtet, und es dauerte Jahrzehnte, bis das Eisenhütten-
gewerbe langsam wieder aufzuleben begann. Zu Anfang des 18. Jahr-
hunderts waren nur zwei namhafte Werke im Betrieb: Neun-
kirchen
und Dillingen, von denen letzteres zu Lothringen gehörte.


„Das Eysenberg- und Hammerwerk zu Neunkirchen“, in der
nassauischen Herrschaft Ottweiler gelegen, wurde am 6. Februar 1700
von dem Grafen Friedrich Ludwig durch „Admodiations-Kontrakt“
dem Hans Georg Koch von Zweibrücken zunächst auf 6 Jahre „in
Bestand gegeben“, d. h. verpachtet. Das Werk umfaſste 1 Schmelz-
[982]Westfalen und die Rheinlande.
ofen und 1 Hammerschmiede nebst Zubehör, beide von geringer
Leistungsfähigkeit, denn der Graf erhielt nur 450 fl. und 12 Ctr.
Eisen Jahrespacht, wofür noch dem Pächter sein ganzer Bedarf an
Kohlholz aus den herrschaftlichen Wäldern kostenlos angewiesen wurde.
Unter Kochs Leitung gedieh das Werk so, daſs der Pachtvertrag
wiederholt unter Erhöhung des Hüttenzinses erneuert wurde. Nach
einem im Jahre 1728 an die Fürstin Charlotte Amalie von Nassau-
Usingen über die „Hütten- und Bergwerks-Sachen in den über-
rheinischen Landen“ erstatteten Berichte war um diese Zeit das
Neunkirchener Eisenwerk das „considerabelste von allen Hüttenwerken
in den diesseits Rheinischen Landen“. Der Zins war damals auf
1000 Gulden normiert, wogegen freilich die kostenfreie Holzabgabe
5000 Klafter und mehr betrug.


Seit der Wiedervereinigung der nassauischen Herrschaften Ott-
weiler, Saarbrücken und Usingen im Jahre 1728 nahm die Eisen-
industrie einen merklichen Aufschwung und entstanden mehrere neue
Eisenhütten. 1728 wurde die Fischbacher Schmelze auf herrschaft-
liche Kosten erbaut und bis 1742 betrieben; von da ab wurde sie
verpachtet. Das Werk bestand aus einem Hochofen, der Masseleisen
und Guſswaren lieferte. Die Produktion schwankte zwischen 7 bis
16 Ctr. den Tag und wurde 1738 zu durchschnittlich 14 Ctr. im
Werte von 2 Gld. der Centner angegeben. Die Masseln wurden zu-
meist auf dem 1½ Stunden entfernten Scheidter Hammer ver-
arbeitet. Doch klagt der Hüttenschreiber Gottfried Röchling 1734
in einem Bericht, daſs derselbe unter der Konkurrenz der neuen
Hütte zu St. Ingbert zu leiden habe.


Das im 30jährigen Kriege zerstörte alte Eisenwerk zu Geis-
lautern
wurde bald nach 1730 von der Herrschaft neu aufgebaut und
betrieben. 1736 wurde die Jahresproduktion des Werkes an Guſswaren
und geschmiedetem Eisen auf 6 Jahre an den Kaufmann Olry ver-
kauft und zwar die 1000 Pfd. Stangeneisen und „Krugssen“ (Töpfe etc.
in Lehmguſs) zu 114 Liv. = 44 Gld. 10 Albus, Stabeisen zu 108 Liv.
und Sandguſs zu 54 Liv. Vom 1. Januar 1742 an übernahm genannter
J. Olry, Ratsherr von Metz und Beständer von Villerupt, die Eisen-
hütten von Geislautern, Fischbach nebst Scheidt zu einem Gesamt-
pacht von 8000 Liv., wovon 5000 auf Geislautern entfielen, auf 9 Jahre.
Das Werk bestand damals aus „1 doppelten Ofen“ mit 2 Paar von Wasser-
rädern getriebenen Blasebälgen, ferner 1 groſsen Hammer mit 3 Feuern,
1 Rennfeuer und 1 kleinen Hammer; dem Pächter wurde erlaubt, dazu
noch ein Eisenschneidwerk (fenderie) und eine Nagelschmiede anzulegen.


[983]Westfalen und die Rheinlande.

Die Landesherrschaft hielt darauf, daſs einheimische, seſshafte
Leute bei ihren Hütten beschäftigt wurden und nicht die herum-
ziehenden Sauerländer, wie dies bei den rheinischen Hütten meist
gebräuchlich war. Ein Protokoll der fürstl. Rentkammer, die Fisch-
bacher Hütte betreffend, sagt hierüber:


„Sonsten gar wohl bekannt ist, daſs über Rhein bey einer an-
gehenden Campagne auff einem Werck die Sauerländer sich pflegen
ohne Weib und Kinder einzufinden und auch so wieder zu End einer
Campagne mit ihrem Gewinn nacher Hauſs zu reisen, so aber bei
hiesigen Werkern nicht ist und seyn kann, sondern es sind be-
ständig seſshafte Leuthe von Arbeitern, so auch ihren Verdienst im
Lande wieder verzehren.“


Bei Sulzbach hatte Graf Friedrich Ludwig bereits 1719 als
Ersatz einer „alten Schmelze“ im Sulzbachthal, über deren Geschichte
aber nichts weiter bekannt ist, die „neue Eisenhütte an der Sulzbach“
anlegen lassen. Dieselbe war bis 1725 an den Erbbeständer Vigand
verpachtet, lag darauf 3 Jahre still und wurde 1728 von der Herr-
schaft wieder in Betrieb genommen, nicht lange danach aber wieder
kalt gestellt. Später wurden hier die berühmten Versuche, Roheisen
mit Steinkohlen zu erblasen, vorgenommen, worauf wir noch zurück-
kommen werden.


1734 kam das neuerbaute St. Ingberter Eisenwerk am Scheidter
Bach unterhalb St. Ingbert, in der von der Leyenschen Herr-
schaft Blieskastel gelegen, in Betrieb. Es wurde von der Herr-
schaft betrieben und lieferte Guſswaren und Schmiedeeisen. 1750
wurde es an einen Unternehmer Loth (Lott) aus Blieskastel ver-
pachtet, dessen Witwe, Katharina Lottin, 1758 und 1759 mehrfach
auch als Pächterin der benachbarten nassau-saarbrückenschen Eisen-
hütten auftritt.


Groſsen Aufschwung nahm die Eisenindustrie im Saargebiete
unter dem Fürsten Wilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücken
(1740 bis 1768), der nicht nur die vorhandenen Eisenhütten um eine
Reihe neuer Werke vermehrte, sondern namentlich auch die Weiterver-
arbeitung des Roheisens nach allen Richtungen hin förderte. So wurde auf
dem Neunkirchener Werke 1744 ein zweiter Hammer und 1752 eine neue
zweite Schmelze errichtet, 1745 bei Jägersfreude ein Platinen- und
Blechhammer, 1753 der Stahlhammer Goffontaine, 1756 die Hal-
berger Hütte
erbaut mit einem Schmelzofen und mehreren Hämmern;
1759 das Hammerwerk bei Rentrisch, 1766 das Sensenwerk, 1768
der Drahtzug daselbst gegründet. Die neuen Werke sowohl, wie auch
[984]Westfalen und die Rheinlande.
die bereits bestehenden älteren zu Neunkirchen, Geislautern, Sulzbach,
Fischbach und Scheid waren zwar meist verpachtet, erfreuten sich
aber mannigfacher Unterstützung seitens des Fürsten.


Die Eisenerze für alle diese Werke wurden sämtlich in der un-
mittelbaren Nähe der Schmelzen gewonnen und zwar früher aus-
schlieſslich durch regellosen Tagebau, „Verlochung“ genannt. Der
Thoneisenstein wurde geröstet, die Roteisensteine wurden roh ver-
wendet; beide ergaben, mit Kalksteinzuschlag geschmolzen, ein Aus-
bringen von 30 bis 35 Proz. Die Tagesproduktion betrug nicht über
1000 kg, die teils vergossen, teils verfrischt wurden. Die Saarbrücker
Hütten galten schon seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts als die
bedeutendsten auf der linken Rheinseite.


Mit dem Wachsen der Eisenindustrie wuchs der Holzverbrauch
und damit die Befürchtung einer allmählichen Erschöpfung der
Wälder. Der Holzverbrauch der Hütten in Nassau-Saarbrücken betrug
1734 bereits 24000 Klafter und in den 50er Jahren 26000. Dies
veranlaſste den einsichtsvollen Fürsten, die Frage der Verwendung
der Steinkohle als Ersatz für Holzkohle mit aller Energie in die
Hand zu nehmen.


Fürst Wilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücken kann der
Begründer der Steinkohlenindustrie im Saargebiet genannt werden.
Als Oranier stand er mit den Niederlanden in enger Beziehung, was
er zum Vorteil seines Landes benutzte, einen schwunghaften direkten
Handel mit Holland zu begründen, wobei besonders Kolonialwaren
gegen Schiffsbauholz, Steinkohlen, Eisen, Glas- und Porzellanwaren
ausgetauscht wurden. Fürst Wilhelm Heinrich führte an Stelle
des früheren Raubbaues und der regellosen Kohlengräbereien zuerst
kunstgerechten Bergbau auf den Steinkohlenflötzen ein. Die groſse
Bedeutung der Steinkohlen wuſste er voll zu würdigen, weshalb
er sich entschloſs, den ganzen Kohlenbergbau selbst in die Hand
zu nehmen.


Er betrieb Steinkohlenbergwerke zu Sulzbach, Dudweiler, Gers-
weiler, Klarenthal, Geislautern, Willesweiler und im Kohlwald bei
Neunkirchen. Am 12. Dezember 1754 bestimmte er, „daſs in Zukunft
niemand eine Steinkohlengrube eröffnen, noch weniger daraus Stein-
kohlen bei 100 Rthlr. Strafe verkaufen darf“. Dadurch wurde er
der Gründer des groſsen fiskalischen Steinkohlenbergbaues, den jetzt
Preuſsen besitzt. Im Saargebiet wurde auch schon 1773 die erste
Bergwerks-Dampfmaschine (pompe à feu) in den heutigen Grenzen
Deutschlands auf der damals lothringischen Grube Griesborn aufgestellt.


[985]Westfalen und die Rheinlande.

Von besonderem Interesse für uns ist aber die von ihm zuerst
auf dem Kontinent mit Erfolg durchgeführte Verwendung von Koks
im Hochofen. Wir haben hierüber im Hauptteil nach der Schilderung
des Franzosen De Genssane berichtet. Es dürfte aber angezeigt
sein, dieselben hier nach Haſslachers Darstellung aus den nassau-
saarbrücker Akten zu ergänzen.


Hofkammerrat Heuſs war es, der ein eigenes System der „Aus-
laugung“ der Steinkohlen erfunden hatte und vom Fürsten Wilhelm
die Erlaubnis erhielt, auf dem Sulzbacher Harzwerke Versuche zu
machen. In einem Vertrage vom 2. Juni 1758 zwischen dem Fürsten
und Heuſs über die Anlegung von Ruſs- und anderen Kohlen-
destillations-Fabriken, war bereits für den Fall, daſs die „aus-
gezogenen Kohlen“ (Koks) auch zum Eisenschmelzen gebraucht
werden könnten, ein bestimmter Preis für dieselben vorgesehen
worden 1). Doch hatten die ersten Versuche mit den nach diesem
Verfahren hergestellten „ausgelaugten Kohlen“, die am 24. März 1761
auf der Sulzbacher Eisenschmelze unter Aufsicht des fürstl. Kammer-
meisters Joh. Gottfried Röchling vorgenommen wurden, schlechten
Erfolg. Heuſs lieſs sich hierdurch nicht abschrecken. Im Frühjahr
1764 erbot er sich, die Sulzbacher Eisenschmelze mit Steinkohlen zu
betreiben und die dazu erforderlichen Einrichtungen zu treffen: dieses
kann ein Werk abgeben, „so in keinem Lande noch erfunden worden
ist“. Nachdem die vergleichende Kostenberechnung 2), die der Herzog
von der Rentkammer hatte aufstellen lassen, günstig für den Stein-
kohlenbetrieb ausgefallen war, ordnete der Fürst am 7. Februar 1765
die Ausführung der Versuche unter der Leitung von Heuſs auf
herrschaftliche Kosten an. Die auf S. 309 und 310 beschriebenen und
abgebildeten „Öfen zum Präparieren der Steinkohlen“ wurden in der
Nähe der Schmelze erbaut, und die Verkokung in denselben kam vom
10. Juli 1765 ab in regelmäſsigen Gang. Gegen Ende des Jahres
wurde mit dem Probeschmelzen im Hochofen begonnen. Nach man-
cherlei Schwierigkeiten und Unterbrechung führte dasselbe im Laufe
des Jahres 1766 zu befriedigenden Ergebnissen, und wurde der Hoch-
ofen im Jahre 1767 mit Erfolg mit Koks betrieben. Bis zum 6. Juni
1767 waren auf demselben bereits 538 Ctr. Masseleisen, 152 Ctr.
[986]Westfalen und die Rheinlande.
Brucheisen und 330 Ctr. Guſswaren mit Koks geschmolzen worden.
Fürst Wilhelm Heinrich war sehr befriedigt. In einer eigen-
händigen Ordre an die Rentkammer vom 4. Juni 1767 schreibt er:
„Die Massel, so heute gelaufen, ist in solcher Güte, als wie sie nur
zu Verlangen ist .... Das werck gehet würklich gut. Und da soviel
schon darin gewandt ist, so wird jeder rechtdenkende Mann keine
andere Denkungsart hegen als solche, die Mir und meinen Nach-
kommen Nutzen schaffen kann, ohne der Ehre zu gedenken, die der
gute fortgang einer solchen Unternehmung der Welt kund thun
soll …“


Wenn aber auch der Hochofengang durchaus befriedigte, so war
dies mit der Qualität des erblasenen Eisens nicht der Fall. Das
auf dem Scheidter Hammer aus „Steinkohlen-Eisen“ dargestellte
Schmiedeeisen lieſs recht viel zu wünschen übrig, was auch durch
Berufung eines neuen Hammerschmieds nicht anders wurde. Auch
war das Steinkohlen-Eisen „zum Guſs zeithero noch nicht hinlänglich
zu gebrauchen gewesen“, weshalb am 19. Juni 1767 der Fürst „wegen
seiner besonderen Wissenschaft im Schmelzwesen“ den Meister Wil-
helm Sauer
von Schönau auf Lebenszeit in Dienst nahm.


Eine Änderung wurde aber auch hierdurch nicht herbeigeführt,
und endlich wurden dem Fürsten, der bis zum 8. August 1766 schon
20000 Gulden für die Probeschmelzungen verausgabt hatte, die Kosten
doch zu groſs, und so verpachtete er Ende 1767 die Sulzbacher Hütte,
ohne indessen die Hoffnung auf den dauernden Erfolg des Steinkohlen-
schmelzens aufzugeben, was daraus erhellt, daſs der am 14. Juni 1768
über die anderweitige Verpachtung der Sulzbacher Schmelze und des
Halberger Eisenwerkes mit den Gebr. Beer abgeschlossene Vertrag
ausdrücklich bestimmt, daſs die Halberger Schmelze nicht mit Holz-
kohlen betrieben werden dürfe, dagegen die dazu erforderlichen
Steinkohlen aus den beim Sulzbacher Harzwerk belegenen Gruben
entnommen werden sollen. Der am 24. Juli 1768 erfolgte plötzliche
Tod des Fürsten Wilhelm Heinrich machte aber diesen Plänen
ein Ende. Erst 1780 machte man auf der Halberger Hütte ein
Probeschmelzen mit Zusatz von ⅓ Meilerkoks von Duttweiler, das
aber keinen Erfolg hatte, weil das aus dem so erblasenen Roheisen
dargestellte Stabeisen rotbrüchig war. Man sah deshalb, nach dem
Bericht des Bergmeisters Utsch1), um den guten Ruf des Saar-
brücker Eisens nicht zu schädigen, von weiteren Versuchen ab.


[987]Westfalen und die Rheinlande.

Über das Schicksal der Eisenwerke des Saargebietes in der
zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ist noch folgendes zu berichten.


Das Neunkirchener Eisenwerk war 1748 an Thomas von
Stockum und Söhne
in Frankfurt a. M. unter für den Fürsten
günstigeren Bedingungen wie früher verpachtet worden. Sie hatten
5000 Klafter Holz zum Preise von 4000 Gulden zu beziehen, einen
„Kanon“ von jährlich 3500 Gulden zu entrichten und auſserdem der
Herrschaft, „was zur Hoffstatt und Bauwesen erforderlich, an Stab-,
Zain- und Klein-Eisen, wie auch die Potterie Waare um 5 Gld., die
Sandguſs-Waare umb 3 Gld.“ den Centner zu verabfolgen.


Das Werk bestand damals aus 1 Hochofen, 1 groſsen Hammerwerk
mit 2 Läuteröfen, 1 Rennfeuer, 1 kleinen Hammer, 1 Stahlhammer,
1 Formhaus u. s. w. Den Pächtern wurde 1749 erlaubt, noch eine
zweite Schmelze „am Hasselbächer Weyher“ zu erbauen. Diese neue
Schmelze, später die „Schmeltz an der Sinnerbach“ genannt, um-
faſste 1 Hochofen, Sandgieſserei, Formhaus, Erzwäsche etc.


Die von Stockum behielten die Neunkirchener Werke in
Pacht bis zum 20. August 1782, worauf sie an die „Ferm Societät“
Le Clerc, Joly et Comp., welche bereits seit mehreren Jahren fast
sämtliche übrigen Eisenhütten des Fürsten von Nassau-Saarbrücken
gepachtet hatten, übergingen.


Die Eisenhütte zu Geislautern war 1750 an ein jüdisches Kon-
sortium auf 19 Jahre in Pacht gegeben worden. Sie umfaſste 1751
auſser den früheren Anlagen einen zweiten Schmelzofen, ein Schneide-
werk und einen Stahlhammer. 1766 wurde sie mit der Fischbacher
Hütte an Gebr. Beer et Comp. und am 10. Oktober 1776 an die
Ferm Societät Le Clerc, Joly et Comp. verpachtet. Seit den
70er Jahren wurde hier Weiſsblech gemacht und zwar zwei Sorten:
dunkles mit 1/10 Bleizusatz für Dachrinnen und helles für Koch-
geschirre.


Die Sulzbacher Hütte ging 1776 ein und wurde in herrschaftliche
Beamtenwohnungen umgebaut.


Die Halberger Hütte, die 1756 durch Umbau der Oberbrebacher
Mühle entstanden war, wurde anfangs von der Herrschaft betrieben,
aber bereits nach 2 Jahren sah sich der Fürst aus Geldverlegenheit
gezwungen, auch dieses neue Werk an jüdische Unternehmer zu ver-
pachten. 1767 legten die Pächter einen Kupferhammer an. 1768
wurde die Hütte zugleich mit der Sulzbacher Schmelze und einem
neu zu erbauenden Drahtzug unter der Bedingung, sie mit Steinkohlen
[988]Westfalen und die Rheinlande.
zu betreiben, den Gebrüdern Beer in Pacht gegeben. Das Halberger
Werk bestand damals aus 1 Hochofen, 1 groſsen Hammer mit
3 Feuern, 2 kleinen Hämmern mit 2 Feuern und 1 Kupferhammer,
an dessen Stelle 1768 aber ein Groſshammer trat. Am 1. Oktober
ging auch dieses Werk an Le Clerc, Joly et Comp. über.


Unter Fürst Wilhelm Heinrich war 1768 auch ein Drahtzug
am Styringer Weiher bei der alten Walkmühle angelegt worden;
doch wurde derselbe bereits 1781 verauktioniert. Später unter fran-
zösischer Herrschaft wurde hier ein Blechhammer sowohl für Schwarz-
blech als für Weiſsblech für Geislautern betrieben.


1776 wurde von 2 Niederländern, Laudemann und Liedorf,
auf Grund und Boden der Ordenskommende Saarbrücken ein Sensen-
werk errichtet und zu dem Zwecke der sogen. Sensenwerker Weiher
angelegt. Schon 1778 wurden hier Sensen geschmiedet. In der fran-
zösischen Revolution kam das Werk in Rückgang. 1779 wurde auch
die alte Eisenhütte von Müllnborn am Oosbach wieder in Betrieb
gesetzt. Der Hochofen, der 22 Fuſs (6,83 m) hoch war, gehörte den
3 Gewerken Cramer, Latz und Schruff, die abwechselnd schmolzen,
was für den Betrieb um so nachteiliger war, als Latz und Cramer
meist Guſswaren machten, Cramer aber Masseleisen zum Verfrischen
schmolz. Man stach alle 16 Stunden ca. 16 Ctr. ab und erzielte bei
29 bis 30 Proz. Ausbringen ein gutes graues Eisen. Das Roheisen
wurde in einem Frischfeuer mit 2 schlechten Handbälgen verfrischt.
Das Produkt ging meist nach Lüttich, wo es für Blech, Schneid- und
Nageleisen verwendet wurde.


Das Eisenwerk St. Ingbert wurde von dem Grafen von der
Leyen
1781 an H. Stahelin und P. F. Bouchot verpachtet, zu
denen einige Zeit danach noch Philipp Heinrich Krämer, Kauf-
mann zu Saarbrücken, als dritter Beständer hinzutrat, von dem es
1791 in alleinigen Pacht und von seiner Witwe, Sophie Krämer,
1804 in Eigentum übernommen wurde. Das Werk ist noch heute im
Besitz der Familie Krämer.


Das Dillinger Eisenwerk, welches zu Lothringen gehörte, war im
Besitz des Marquis von Lenoncourt. Dieser erhielt 1720 von Her-
zog Leopold von Lothringen das Privilegium, Weiſsblech und
Sensen machen zu dürfen, doch scheint derselbe damals keinen Ge-
brauch davon gemacht zu haben. Als König Stanislaus 1750
dieses Privilegium erneuert hatte, beschränkte man sich darauf,
Sensen, Schippen und Sägen, die sich auch bald guten Rufes und
Absatzes erfreuten, zu fabrizieren.


[989]Westfalen und die Rheinlande.

Sämtliche Eisenwerke des Saargebietes gingen durch die fran-
zösische Occupation im Jahre 1793 in Besitz der französischen Repu-
blik über, die indes zunächst die abgeschlossenen Pachtverträge
bestehen lieſs, so daſs sich an den Verhältnissen anfänglich nichts
änderte.


Zur Zeit der französischen Herrschaft (1793 bis 1814) standen
die Eisenhütten des Saargebietes fast anhaltend in lebhaftem Be-
triebe, indem einerseits die Beschaffung des Kriegsmaterials für die
französischen Armeen ihnen zeitweise reichliche Beschäftigung gab,
anderenteils durch den engeren Anschluſs an Frankreich sich der
Absatz ihrer Produkte wesentlich erweitert und verbessert hatte. Die
landesherrlichen Hütten des Fürstentums Nassau-Saarbrücken und
der Grafschaft Blieskastel wurden zunächst den bisherigen Pächtern
belassen, dann aber 1797 der Gesellschaft Equer in Paris, welche
1797 die Steinkohlengruben in Pacht genommen hatte, für 13500 Fr.
jährlich in Zeitpacht gegeben. Später aber wurden die einzelnen
Werke nach und nach veräuſsert. Die Fabrikation von Sensen,
Sicheln, Sägen und Kleineisenzeug auf der Dillinger Hütte nahm
einen groſsen Umfang an; 1799 lieſs man 20 Arbeiter aus dem Ber-
gischen dafür kommen.


Über den Stand der Saarbrücker und der benachbarten Eisen-
werke zur Zeit der französischen Herrschaft um 1800 ergiebt sich
aus Eversmanns1) Mitteilungen folgendes:


Die Eisenhütte zu Neunkirchen an der Brims im ehemals
Trierischen Amte Sarburg hatte 2 Hochöfen, 2 Stabhämmer mit
4 Feuern und 1 Reckhammer. Das Werk gehörte der französischen
Regierung und war an Equer \& Comp. verpachtet. Wöchentlich
wurden 9000 bis 10000 kg Masseleisen und Guſswaren erblasen. Die
Frischfeuer gingen nach der Kleinfrischmethode. — Die Halberger
Hütte, 1 Stunde von Saarbrücken, hatte 4 Frischfeuer, 1 Schneide-
werk und 1 Reckhammer. Letzterer lieferte wöchentlich an 4000 kg
schön geschmiedetes Eisen. Das Roheisen kam von der Fischbacher
Hütte, welche Thoneisensteine verschmolz. — Das Geislauterer Werk
war ebenfalls, wie das vorige, von der Regierung an Equer in
Paris verpachtet. Es bestand aus 1 Hochofen, 3 Frischfeuern,
1 Weiſsblechhammer, 1 Verzinnerei und 1 Sturzhammer. Aus thonigem
Eisenstein, der geröstet wurde, blies man wöchentlich 10000 kg
[990]Belgien.
Masseleisen. Dasselbe wurde auf den Stabhämmern mit Zusatz von
Bendorfer Eisen nach der Kleinfrischmethode verarbeitet. 100 Pfd.
Masseleisen gaben 64 bis 65 Pfd. Stabeisen; zu 100 Pfd. Stab-
eisen war 1 Maſs = 150 Pfd. Kohlen erforderlich. Die Weiſsblech-
fabrik hatte 4 Hämmer, den Sturz-, Gleich-, Breit- und Plötz-Hammer;
letzterer gab den Blechen eine schöne Fläche. In der Verzinnerei
machte man dunkle Bleche für Dachrinnen und helle Bleche für
Küchengeschirr. Die verzinnten Bleche wurden in halben Kisten zu
150 Blatt verpackt. Sie gingen nach Paris und Metz in die Maga-
zine. — Dillingen, das einer Gesellschaft gehörte, war sehr erweitert
worden. Es wurden hier alle möglichen Schneidwaren: Sensen, Stroh-
messer, Hobeleisen, Äxte, Sägen, ferner rundes und eckiges Zaineisen,
Ambosse, Winden, Schraubstöcke und dergl. gemacht. Auſser einem
Stabhammer enthielt das Werk eine groſse Gieſserei, in der 6 Flamm-
öfen standen. Das Roheisen kam von den Nachbarhütten und von
Bendorf. — Der Gaffontainer Stahlhammer am Scheiderbach, Govy
gehörig, hatte 4 Rohstahlfeuer und 5 Raffinierfeuer und bezog sein
Roheisen meist von Bendorf. Es wurde mit altem Eisen (Schraat)
verfrischt, indem man zu 100 Pfd. Roheisen 80 Pfd. Schraat setzte
und daraus 135 bis 140 Pfd. Rohstahl erhielt. Der Stahl ging
ebenfalls nach Paris und Metz.


Belgien.


Die Eisenindustrie in Belgien entwickelte sich im 18. Jahr-
hundert auf der gegebenen Grundlage stetig weiter. Groſse Neue-
rungen sind nicht zu erwähnen.


In Lüttich, dem wichtigsten Platz für das Eisengewerbe, hielten
die zünftigen Schmiede (Corps des Ferons) an ihren alten Privi-
legien und ihren alten Vorurteilen fest. Die Gewehrfabrikation und
die Nagelfabrikation waren die wichtigsten Zweige der Lütticher In-
dustrie. Erstere dehnte sich immer mehr aus, für letztere wurde die
Zahl der Schneidwerke vermehrt. Swedenborg meldet, daſs es in
der Provinz Lüttich „vor einigen Jahren“, also etwa um 1730, 8 Hoch-
öfen gegeben habe. Andere seien bei Huy und Namur, wo auch vier
Frischfeuer und Eisenhämmer betrieben würden. Ferner gäbe es
solche bei Limburg, Metz und Luxemburg, und werde das Eisen auf
[991]Belgien.
den Flüssen Vesdre und Ourthe nach Lüttich und von da weiter nach
Amsterdam gebracht. Swedenborg beschreibt die Lütticher Hoch-
öfen, bei denen man an der hergebrachten viereckigen Form festhielt,
und die Eisenschneidewerke Lüttichs, die er für die ältesten und für
die Muster der in Deutschland und England eingeführten hält.


Jars bereiste Belgien im Jahre 1767. Damals gab es in Namur,
welches von allen niederländischen Provinzen die stärkste Eisen-
produktion hatte, 13 Hochöfen, im Hochstift Lüttich 10, welche
Hammerherren der Grafschaft Namur gehörten, die das aus diesen
erzeugte Roheisen auf ihren Hammerwerken in dem Gebiete von Namur
verfrischten. Von diesen 23 Hochöfen ging auch einer auf Guſswaren,
zu den übrigen 22 gehörten 48 Frischfeuer, welche jährlich ungefähr
110000 Ctr. Stabeisen machten. Ein Teil davon wurde als Stabeisen
in Flandern und Brabant verbraucht, aus dem übrigen wurden Nägel
und andere Waren angefertigt, welche meistens nach Frankreich
abgesetzt wurden.


Nicht nur die Schmiede, sondern auch die in den Eisengruben
beschäftigten Bergleute gehörten in Lüttich und Namur zu der Zunft der
Eisenarbeiter — Corps des Ferons —, welche ihr eigenes Gericht — la
Cour des Ferons — hatte und an deren Spitze der Mayeur des
Ferons stand, durch welchen alle Arbeiter vereidigt wurden. Die
Bergleute wurden von den Hammerherren, welchen die Bergwerke
gehörten, nach dem Maſs des geförderten Eisensteins bezahlt.


Die Eisenerze der Grafschaft Namur gaben ein weiches, aber
kaltbrüchiges Eisen (fer tendre), das zur Nagelfabrikation sehr geeig-
net war und wovon ein groſser Teil in dem Gebiete von Lüttich ver-
arbeitet wurde. Die Lütticher Erze lieferten ein hartes, festes Eisen
(fer fort).


Die Hochöfen waren etwa 20 Fuſs hoch, von länglich viereckigem
Querschnitt und enger Gicht. Zu den Gestellen benutzte man die
Puddingsteine von Marchin bei Huy, welche beim Anheizen vorsichtig
behandelt werden muſsten, weil sie leicht absprangen, dann aber
sehr lange aushielten, so daſs die Öfen 3 bis 4 Jahre ununterbrochen
im Gange blieben, was damals in anderen Gegenden noch nicht er-
reicht wurde. Alle 13 bis 14 Stunden wurde abgestochen, jeder Ab-
stich lieferte ungefähr 20 bis 21 Ctr. Erze und Kalksteine wurden
roh aufgegeben. Das Verfrischen geschah nach der wallonischen
Methode. Es ging dabei viel Eisen in die Schlacken. Die Hämmer
wogen etwa 5 Ctr. Die Blasebälge sowohl der hohen Öfen als der
Frischfeuer waren von Leder. Diese behielt man bei bis gegen Ende
[992]Belgien.
des Jahrhunderts, wo man zuerst bei Namur ein eisernes Cylinder-
gebläse aufstellte, welches Baillot 1796 beschrieben hat 1).


Zu Anfang des Jahrhunderts hatte die Regierung von Lüttich
den Bau neuer Hochöfen für 25 Jahre verboten.


1734 wurde ein Ofen für Geschirrguſs (fabrication de la poterie
de fer) bei dem Flecken Chauxhe in der Gemeinde Spirmont erbaut.
Der Hochofen von Spaa lieferte ein gutes Roheisen, welches für die
Blechwarenfabrikation verarbeitet und auf dem Hammerwerk la
Bouxherie bei Theux verfrischt wurde. Aus diesem Blech wurde
Küchengeschirr gemacht, welches vielfach ins Ausland ging.


Die Nagelfabrikation beschäftigte im lütticher Land die meisten
Hände, und zwar arbeiteten die Arbeiter meist zu Haus für Meister,
welche ihre Ware den Kaufleuten ablieferten. Gegen die Erpressungen
der Meister gegenüber den Arbeitern ist eine Verordnung vom
8. April 1743 gerichtet.


Nach einer Tabelle von Franquoy2) wären im 18. Jahrhundert
im Departement de l’Ourthe noch folgende Eisenwerke entstanden:
1705 1 Eisenspalterei, 1 Blechhammer, 1 Rohrhammer (usine à canon)
in der Gemeinde Vaux-s.-Chèvrem, 1721 1 Rohrhammer bei Chaud-
fontaine, und 1 Reckhammer zu Colonster, 1773 1 Blechhammer zu
Chaudfontaine. Im ganzen führt er 19 Rohrhämmer und 4 Eisen-
spaltereien auf. Für die Gewehrfabrikation bezog Lüttich das Eisen
aus der Eifel, der Stahl kam aus der Graftschaft Mark.


Zur Zeit der Vereinigung Belgiens mit Frankreich (1794) waren
in der Grafschaft Namur 45 Hochöfen mit einer täglichen Produktion
von etwa 42000 kg, oder einer Jahresproduktion von 14 Millionen
Kilogramm Roheisen, welches verfrischt wurde.


In Lüttich gab es damals 18 Hochöfen, welche ungefähr im Jahre
150000 kg Guſswaren und 2433000 kg Frischereiroheisen lieferten.


Lüttich hatte im vorigen Jahrhundert bedeutende Ausfuhr in
Poterieguſs. So kamen beispielsweise die sogen. Stahltöpfe oder Stahl-
groppen, sehr dünne, leichte, harte und spröde Töpfe von Guſseisen,
welche bis nach Schweden gingen, von Lüttich. Die Blechfabrikation
des lütticher Landes erfreute sich groſsen Rufes, besonders um 1790 die
Blechhämmer der Herren Grisard von Chaudfontaine, von Donnéa
zu Embourg und von Gossuin zu Grevignée.


Steinkohle verwendete man nur in den Ausheizfeuern und zum
[993]Lothringen bis 1766.
Glühen der Bleche. Die Verwendung von Koks in den Hochöfen be-
schränkte sich auf einzelne Versuche. So hatte sich Abbé Needhan
(Nidgem)
, der Direktor der Brüsseler Akademie, in den letzten
Jahren seines Lebens mit dieser Frage beschäftigt. 1769 wurde zu
Juslenville bei Spaa ein Versuch gemacht. Aber erst im Jahre 1800
erzeugte Armand die ersten 12 Tonnen Roheisen nur mit Koks.


Die französische Revolution und der daraus entsprungene Krieg
war ein furchtbarer Schlag für die belgische Eisenindustrie, die zwei
Jahre vollständig brach lag. Nach der Annexion bemühte sich die
französische Regierung, die Hütten in dem annektierten Lande wieder
in Gang zu bringen, es dauerte aber eine Reihe von Jahren, ehe sich
die belgische Eisenindustrie erholte.


Das Herzogtum Lothringen


(bis 1766).


Lothringen stand zu Anfang des Jahrhunderts noch unter
eigenen Herzögen, und die Verwaltung der Bergwerke und Hütten
verblieb der Landesherrschaft bis zum Tode des letzten regierenden
Herzogs Stanislaus Leszynski, Königs von Polen, am 22. Fe-
bruar 1766. Seitdem wurde Lothringen ganz mit Frankreich ver-
einigt. Herzog Leopold I., der von 1679 bis 1729 regierte, suchte
den zerrütteten Metallbergbau und die Eisenindustrie wieder zu be-
leben. Er verlieh deshalb den Hüttenbesitzern, ähnlich wie in Frank-
reich, Vorrechte zur Gewinnung der Eisenerze auf den benachbarten
Grundstücken, legte denselben aber gleichzeitig unter dem Namen
droit de marque des fers eine neue Steuer auf 1); die frühere Berg-
freiheit wurde durch Privilegien und Monopole verdrängt. 1699 hatte
er Cäsar Franz von Hoffelize zu seinem Bergwerksintendanten
ernannt und ein Edikt vom Bergbau und den Gebühren der Eisen-
werke erlassen 2). Darin wurde bestimmt: 1. Der Bergbau ist ein
Hoheitsrecht, das sich zur Bestreitung der groſsen Kosten und Lasten
des Staates besser ausnutzen läſst. Alle Hüttenbesitzer, sowohl ein-
Beck, Geschichte des Eisens. 63
[994]Lothringen bis 1766.
heimische wie fremde, sollen das Recht haben, Erze zu gewinnen, zu
verarbeiten, einzuführen und zu verkaufen gegen Zahlung der Gebühr
für die marque des fers. 2. (Art. IX.) Alle, welche Eisenerze in
ihrem Grund und Boden haben, sollen bei der ersten Aufforderung,
welche ihnen von den Eigentümern der benachbarten Hüttenwerke
gemacht würde, gehalten sein, daselbst Öfen aufzustellen, um die
Erze in Eisen zu verwandeln; wenn sie dies nicht thun, so gestatten
wir den Eigentümern des nächsten Ofens, und bei deren Weigerung
immer den nächsten Eigentümern und denen, welche sie verwerten
wollen, die Erde aufzugraben und Erz daraus zu gewinnen, indem sie
den Grundeigentümern als volle Entschädigung 1 Sol für jede 5 Ctr.
wiegende Tonne Erz zu entrichten haben.


Artikel XIV bestimmte: Die Eisenerze, welche aus Unseren
Staaten in das Ausland ausgeführt werden, sind „unserer Gebühr
der Eisenmarke“ unterworfen, indem den Kauf- und Fuhrleuten ver-
boten wird, an der nächsten Zollstelle (bureau) ihrer Straſse vorüber-
zuziehen, ohne eine Erklärung darüber abzugeben und ohne Unsere
Steuern dafür zu entrichten, bei Strafe der Beschlagnahme und
500 Livr. Geldbuſse.


1702 wurden alle staatlichen Bergwerke von Lothringen auf
5 Jahre einem gewissen Erenny d’Erenny, der durch Reisen groſse
Erfahrungen in Bergwerkssachen erlangt hatte, übertragen. Vom
Eisen sollte er 10 Pfd. von je 100 Pfd. abliefern. „Das Eisen soll
er in Unserem Gebiet durch Hand- und Fabrikarbeiter weiter ver-
arbeiten lassen, und hat er freien Verkauf.“ Die Hütten durfte er an
die besten Plätze legen, das Holz aus den benachbarten Forsten
gegen Zahlung entnehmen. Durch Deklaration vom 1. Januar 1703
setzte Herzog Leopold die jährliche Steuer oder das Jahrgeld, das
die Hütten- und Hochöfenbesitzer seiner Staaten für die Eisenmarke
zu zahlen hatten, fest. Es wird dabei eingeschärft, daſs die Hütten-
besitzer überall Erz gewinnen dürfen und nur die Grundeigentümer
zu entschädigen haben, und daſs das in seinen Staaten erzeugte
Eisen frei durch die 3 Bistümer Metz, Toul und Verdun geführt
werde ohne Eingangs-, Ausgangs- und Verkaufsgebühr.


Da sich die Grundbesitzer gegen diese Auflage renitent ver-
hielten, so wurden die Vorschriften, besonders wegen Benutzung der
Zufuhrwege u. s. w., im Jahre 1715 noch verschärft, und in einem
„Edikt der Erhebung der Steuer der Eisenwerke vom 21. Juni 1720“
noch bestimmter formuliert.


Zu den wichtigsten Eisenwerken im jetzigen Deutsch-Lothringen
[995]Lothringen bis 1766.
gehörten die von Hayingen (Hayange) 1), welche gegen Ende des
17. Jahrhunderts Isabella von Lenoncourt, die zum zweitenmal
geheiratet hatte, besaſs. Nach ihrem Tode entstanden Erbstreitig-
keiten. Die Eisenwerke wurden der Tochter aus erster Ehe, welche
sich mit einem Baron de Vienne vermählt hatte, zugesprochen,
was durch einen Vergleich 1703 bestätigt wurde. — Neben diesen
alten Werken hatte Rudolf Hullin in den Jahren 1665 bis 1677
neuere Eisenwerke angelegt, welche nach seinem Tode in den Besitz
seiner Töchter und Schwiegersöhne, der Herren le Comte und de
Ridonet
übergingen. Diese gerieten in Geldverlegenheit und ver-
kauften am 26. März 1704 die Eisenwerke für 3208 L. T. und ein
Geschenk von 15 Livr. Gold „für die Damen“ an Jean Martin
Wendel
.


Jean Martin, der eigentliche Gründer des Eisenadels de
Wendel
, war ein hochbegabter Mann, gewandt in Geschäften und
ein erfahrener Eisenhüttenmann. Im Jahre 1710 erscheint er schon
als „Seigneur de Hayange“. Er kaufte am 19. Februar dieses Jahres
verschiedene alte Eisenwerke unterhalb Hayange, die noch von dem
Marquis von Marolles herrührten (maiures de vieilles forges, four-
neaux et dépendances appellés Marolles) 2), und am 22. ein Eisenwerk
eines Herrn von Bienassises für 780 Livr. Er baute die Werke
um und führte viele Verbesserungen ein. Sein geschäftlicher Erfolg
war so groſs, daſs er bei seinem Tode ein Vermögen von 700000 Livr.
hinterlieſs.


1719 erhielt Pierre Aubry, Bürger zu Rambervilliers, die Kon-
zession, im Bezirk von Gennanvoy einen Hochofen zu errichten. Dieser
Hochofen stand 1850 noch im Betrieb.


Im August 1720 hatte sich eine groſse Bergbau- und Hütten-
gesellschaft für Lothringen gebildet 3). Dieselbe erhielt von Herzog
Leopold für 10 Jahre die Erlaubnis, überall Fabriken zu errichten,
Holz gegen Zahlung aus den fürstlichen Waldungen zu beziehen, Be-
freiung von Abgaben und Kriegsdienst u. s. w. Von der Herrschaft
sollten besondere Richter eingesetzt werden, die in allen Streitfällen
bis zu 50 Frcs. erkennen sollten. Diese Gesellschaft hatte aber keinen
63*
[996]Lothringen bis 1766.
Erfolg. Schon 1722 wurden verschiedene wichtige Bergwerke auf
30 Jahre an einen Herrn Saur verpachtet. — 1720 hatte Herzog
Leopold einem Marquis von Lenoncourt das Privilegium erteilt,
auf der Dillinger Hütte Weiſsblech und Sensen zu machen. Doch
scheint auch bei diesem Unternehmen nichts herausgekommen
zu sein.


1725 erteilte Herzog Leopold die erste Steinkohlenkonzession
dem Nagelschmied Paul Kieffer aus Drogny für 20 Jahre, indem
dieser das Privileg erhielt, in der Gemarkung Drogny und Niedingen
auf Steinkohlen zu arbeiten.


Das Monopolsystem wurde später noch verschärft, indem aus-
drücklich durch Erlasse jeder Bergbau, auſser durch die konzessio-
nierten Personen, verboten wurde.


1728 wurde bei Bain am Flüſschen Cosné eine Weiſsblechfabrik
durch Patent des Herzogs Leopold zu Gunsten von George Puton
von den Brüdern Coster und Villiers errichtet.


1744/45 hatten Charles Godbille und Conrad Lihren.
Hüttenmeister zu Nunskirch und Minichwiller, in dem Forstamt
Schaumburg mit dem Domänenpächter ein Abkommen getroffen,
gegen bedeutende Entschädigung auf Eisenstein schürfen zu dürfen.
Sie fanden solchen bei Geilhoff im Gebiet von Bettingen. Der König
von Polen verbot aber 1746 den Betrieb, weil sie nicht zuvor seine
Erlaubnis eingeholt hatten.


Nach Jean Martin de Wendels Tode führte sein Sohn Char-
les de Wendel
die Hüttengeschäfte in Hayange in noch groſsartigerem
Stil fort, wobei er aber auch fürstlich lebte. Er baute das Schloſs
zu Hayange. Ferner gründete er die Eisenhütte (forges) von Hom-
bourg, zu welcher er die von Creutzwald hinzufügte; ferner die von
St. Louis und St. Fontaine, die er 1749 von Friedrich Quien
erworben hatte, welche Erwerbungen 1759 von König Stanislaus
bestätigt wurden.


1755 wurde unter Stanislaus Leszynski ein strenges Verbot
der Erzausfuhr erlassen, von dem aber die Ausfuhr nach Frankreich
ausgeschlossen sein sollte.


Im nordwestlichen Lothringen, wo die groſsartige Ablagerung
von Minetteerzen sich befand, erwirkten am 23. Juli 1756 die Grund-
herren (sieurs) Mauclerc, Hüttenherr von Lopigneux, und Sivry,
Hüttenherr von Longuyon, daſs ihnen das alleinige Bezugsrecht auf
die Erze von Saint-Pancré, wie dieses ganze Gebiet bezeichnet wurde,
für ihre Hütten auf Grund ihres Anspruchs (requête) zuerkannt und
[997]Frankreich.
dem Hüttenherrn von Chauvency, dessen Hütte auf französischem
Gebiete lag, der Erzbezug verboten wurde. Dieses Vorrecht genossen
die beiden Hütten Longuyon und Lopigneux aber nur 12 Jahre lang.
Bereits am 15. April 1759 erhielten die Klosterbrüder von Orval eben-
falls das Recht, Erze von Saint-Pancré für ihre Hochöfen bei
Villancy zu beziehen.


Obgleich nun 1766 die Herrschaft ganz an Frankreich kam und
französischer Geist Gesetzgebung und Verwaltung leitete, so erhielten
sich bei den Berg- und Hüttenleuten doch deutsche Sitten, Gewohn-
heiten und die deutsche Bergmannstracht bis zu der alles nivel-
lierenden Revolution 1789.


Frankreich.


In Frankreich lieſs sich die Regierung die Entwickelung des
Eisenhüttenwesens im 18. Jahrhundert besonders angelegen sein. Hervor-
ragende Naturforscher und Gelehrte beschäftigten sich mit diesem Zweige
der Metallurgie. Wir haben schon erwähnt, daſs die moderne Eisen-
hüttenkunde wesentlich auf den vortrefflichen Arbeiten Reaumurs
aufgebaut ist. Auf dem Wege theoretischer Behandlung suchte man
die Eisenindustrie des Landes zu fördern. Diese Untersuchungen
sind von groſsem Wert gewesen und kamen der ganzen Welt zu gut.
Aber die einseitig entwickelte Theorie eilte vielfach der Praxis vor-
aus, und die praktische Bethätigung der durch die Theorie gewonnenen
Resultate entsprach in vielen Fällen nicht den Erwartungen. So
geschah es beispielsweise mit den vorzüglichsten Arbeiten Reaumurs
über die Cementstahlfabrikation und den schmiedbaren Guſs; in beiden
Richtungen führten die praktischen Ausführungen nur zu Miſserfolgen,
Enttäuschungen und Geldverlusten. Hieran war auſser der Uner-
fahrenheit und Ungeschicklichkeit der Praktiker noch der Umstand
schuld, daſs man aus einem falschen Patriotismus nur einheimische
Eisensorten, die meistens wenig dafür geeignet waren, verwenden
wollte. Dieser patriotische Dogmatismus, der den Franzosen eigen ist,
hat die Entwickelung ihrer Eisenindustrie im 18. Jahrhundert wesent-
lich beeinfluſst; er hat viel Gutes hervorgebracht, aber auch viel
Gutes verhindert. Wie er die Entwickelung der Stahlindustrie nach-
teilig beeinfluſst hat, werden wir noch näher kennen lernen. Er
[998]Frankreich.
stellte sich auch der fortschrittlichen Entwickelung insofern in den
Weg, als die Feindschaft gegen England die Franzosen abhielt, die
Überlegenheit der Engländer auf dem Gebiete des Eisenhüttenwesens
unbefangen anzuerkennen, so daſs die groſsen Fortschritte, nament-
lich in der Verwendung der Steinkohlen, hier noch langsamer Eingang
fanden wie in Deutschland. Dagegen war das Nationalgefühl auf
der anderen Seite eine mächtige Triebfeder der Industrie, besonders zur
Zeit der französischen Republik.


Die französische Eisenindustrie hatte schon unter Ludwig XIV.
eine groſse Ausdehnung erfahren. 1680 war bereits ein Oberinten-
dant der Bergwerke ernannt und eine neue Abgabenordnung für die
Eisenhütten (ordonance du roi de 1680 de la marque des fers) er-
lassen worden. Die groſsen Kriege, welche der König führte, erfor-
derten, ebenso wie die vielen Bauwerke, welche er errichten lieſs, eine
groſse Menge von Eisen. Es war natürlich, daſs man danach strebte,
dieses im eigenen Lande herzustellen. Frankreich war vielfach von
fremder Einfuhr abhängig; aus Spanien, Italien, Deutschland, den
Niederlanden, Schweden und England bezog es Eisen.


Der bessere Stahl kam alle aus dem Auslande, aus Spanien, Italien
und besonders aus Deutschland. Da Frankreich an Eisenerzen aber
keinen Mangel hatte, so lag es nahe, danach zu streben, die eigene
Produktion zu vermehren. Es gab 3 Arten der Schmelzung. In
Südfrankreich, in dem Gebiete der Pyrenäen, bediente man sich der
Rennfeuer oder Catalanschmieden, worin man das Erz in Herdöfen direkt
als schmiedbares Eisen ausschmolz; in dem Gebiete der Alpen be-
diente man sich der Blauöfen, wie in Italien; in dem übrigen Frank-
reich, namentlich in den westlichen Provinzen, die an die Schweiz,
Deutschland und Belgien angrenzen, war der Hochofenbetrieb ein-
geführt. In den Pyrenäen und den Alpen hatten die Wassertrommel-
gebläse Eingang gefunden, während im übrigen Frankreich Blasebälge
angewendet wurden, und zwar hatte man angefangen, die alten Leder-
bälge durch die deutschen Holzblasebälge zu ersetzen.


Das Eisenschmelzen in Herden im südlichen Frankreich bewegte
sich Jahrhunderte lang in demselben Geleise. Auch läſst sich nicht
verkennen, daſs diese einfache Schmelzweise bei den gutartigen, leicht-
schmelzigen Erzen zweckentsprechend und vorteilhaft war; freilich
war das Produkt fast nur von der Beschaffenheit der Erze bedingt.
Ein Vergleich des Kohlenverbrauchs bei diesem Verfahren und dem
indirekten Verfahren in Hochöfen und Frischfeuern, wie man ihn in
der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts anstellte, fiel zu Gunsten des
[999]Frankreich.
ersteren aus, so daſs gewichtige Stimmen sich für die Rückkehr zu
diesem ursprünglichen Verfahren aussprachen. Diese Stimmen fanden
um so mehr Anklang, als sie in die Zeit der Rousseauschen Schwär-
merei fielen, wo man in allen Dingen die Rückkehr zu dem Einfachen
und Ursprünglichen erstrebte. Tronson de Courdray führt fol-
gende Vorzüge auf: Eine Catalanschmiede kostete 10000 Frcs., 1 Hoch-
ofen mit 2 Frischfeuern 80000 bis 100000 Frcs. In 2 Catalanfeuern,
welche ebensoviel Eisen wie 2 Frischfeuer erzeugen, würden ¾ an
Kohlen gespart. Er rechnet den Kohlenaufwand im Hochofen und
Frischherd doppelt so hoch als bei der Catalanschmiede. Dazu kommt
die Einfachheit der Arbeit, welche überdies gestattet nach Belieben
Schmiedeeisen oder Stahl zu erzeugen, und die Güte des Produktes.
Die Praxis lehrte bald die Unausführbarkeit einer allgemeinen Ein-
führung des direkten Verfahrens.


Die Eisengewinnung in Luppenfeuern stand in der Grafschaft
Foix und den benachbarten Gebieten von Couserans und Mirepoix in
groſser Blüte. Derselbe Betrieb war aber nicht nur in den angren-
zenden Provinzen Languedoc und Aude, wie in Comminges, Alet und
Narbonne, sondern auch in dem östlich davon gelegenen Roussillon
und den westlichen Provinzen Bigorre, Bearn, la Soule und Navarra
in Ausübung. Die Werke der Grafschaft Foix, des Gebietes von
Couserans und von Mirepoix, überhaupt alle Eisenhütten des späteren
Departements Ariège, bezogen ihre Erze aus dem Gebirge Rancié und
zwar fast alle aus dem Thale von Vic Dessos von dem groſsen Berg-
werke Sem. Die an der Ausmündung des Thales von Vic Dessos ge-
legene Stadt Tarascon war gewissermaſsen die Hauptstadt dieses
Eisenindustrie-Gebietes. Da der tausendjährige Betrieb in der Graf-
schaft Foix auf einem verhältnismäſsig kleinen Gebiete zusammen-
gedrängt war, so machte sich hier schon früh Mangel an Holz für
die zur Schmelzung notwendigen Holzkohlen fühlbar. Das Bedürfnis
der Nachbarländer nach den Erzen von Vic Dessos gab aber den
Gewerken in der Grafschaft Foix Gelegenheit zum Kohlenbezug, indem
die Erze nur im Austausch gegen Kohlen abgegeben wurden.


Die Grafschaft Foix hatte schon 1347 mit der waldreichen Land-
schaft von Couserans einen Vertrag in diesem Sinne abgeschlossen,
der auch unangefochten blieb bis zum Jahre 1720, als in Couserans
selbst Holzmangel sich fühlbar zu machen begann. Die Weigerung
der Kohlenanfuhr zu den alten Bedingungen führte zu einem Prozeſs,
der aber zu Gunsten der Grafschaft Foix und seiner Gewerken ent-
schieden wurde. Obgleich im Laufe des 18. Jahrhunderts infolge
[1000]Frankreich.
Holzmangels mehrere der alten Hütten eingingen, so zählte man doch
nach den Angaben des Barons de Dietrich im Jahre 1785 noch
23 Luppenschmieden in der Grafschaft Foix und 8 in Couserans. Ein
Luppenfeuer schmolz bei gutem Gang 12 bis 14 Ctr. in 24 Stunden,
doch gingen die wenigsten Hütten die ganze Woche, noch weniger
das ganze Jahr.


Die Hütten der Grafschaft Foix allein lieferten aber damals
55500 Ctr. Eisen, welche 770000 Frcs. einbrachten. Die nachfolgende
Tabelle giebt eine Übersicht der Produktion der Hütten von Foix
und den Nachbargebieten 1), sowie des Verbrauchs an Erz und
Kohlen.


Bei einer Vergleichung des Kohlenverbrauches bei den Luppen-
schmieden mit den Hochöfen und Frischfeuern berechnete Dietrich,
daſs man bei ersteren auf 1 Pfd. Eisen 3¼ Pfd. Kohlen, bei dem
indirekten Verfahren dagegen 6½ Pfd. Kohlen verbrauche. Es lieſs
sich also eine enorme Ersparnis erwarten, wenn es möglich sein
würde, wie man hoffte, alle Eisenerze Frankreichs nach diesem Ver-
fahren zu verhütten. Diese Hoffnung erfüllte sich aber nicht.


Dennoch riefen die glänzenden Berichte der genannten Schrift-
steller auch bei den Praktikern groſse Hoffnungen und eine tiefe Er-
regung hervor, infolge deren eine Anzahl Hammerherren der Dauphiné
dem Generalintendanten der Bergwerke eine Bittschrift überreichten,
des Inhalts, daſs das Verfahren, wie es in der Grafschaft Foix in
Anwendung sei, von Staats wegen öffentlich in ganz Frankreich be-
kannt gemacht werde, weil man bei den in der Dauphiné und Bur-
gund angestellten Versuchen, dem Gerüchte nach, bereits unschätz-
[1001]Frankreich.
bare Erfolge erzielt habe. Dieses Gerücht war durch die Versuche,
welche Baron de Dietrich auf Veranlassung des Grafen von Artois,
des Bruders des Königs, angestellt hatte, hervorgerufen worden. Wie
wenig aber das Ergebnis dieser Versuche den hochgespannten Er-
wartungen entsprochen hatte, haben wir an anderer Stelle bereits
erwähnt.


Man hatte bei den übertriebenen Anpreisungen der Catalan-
schmieden den wichtigsten Faktor, die Natur der Erze, nicht berück-
sichtigt, und die Versuche lehrten, daſs man mit anderen Erzen mit
dieser Methode nur schlechtes und teures Eisen erhielt. Trotzdem
erregten die Untersuchungen von du Courdray, Duhamel, Baron
de Dietrich und de la Peirouse über die Eisenschmelzen in der
Grafschaft Foix auch über die Grenzen Frankreichs hinaus Aufsehen
und veranlaſsten Versuche über die Anwendbarkeit dieser ältesten
Art der Eisengewinnung, worüber wir das Notwendigste im allge-
meinen Teil mitgeteilt haben.


Über das Schmelzverfahren in Blauöfen, wie es in Savoyen
um jene Zeit gebräuchlich war, haben Swedenborg1) und Reau-
mur
einige Mitteilungen gemacht, die wir bereits angeführt haben
(s. S. 127).


Von Hochöfen in Frankreich führt Swedenborg (1734) die
folgenden auf: in Nivernois: die Öfen von Sauvage, von Chante Merle,
von Bizy, von la Fanoderie, von Corbolin, Pot, Chaudaux, Guichy,
Cramin, Raveau, la Blouse, Première, Moulin-Bilouse, Montigny, Ci-
gogne, Azy-Valotte, Sardole und Charbonnerie; in Berry: Melian,
Grossouvre, Soutet, Torteran, Feuillardes, Pressy, Courbanson, la Cail-
loderie, Bonnau, Creuson, Ardante oder Clavière, Morcuit, la Forge
neuve, Bigny, Ivoye-le-Prez; in Turaine: Prévilly; in Poitou: le Meil-
leuret, Charnuil etc. Auſser diesen viele in Lothringen, in der Cham-
pagne bei Barserobe (Bar-sur-Aube) und Trois (Troyes), in den Ar-
dennen bei Dagny und Gironne, ebenso in der Normandie, Bretagne
und anderen Gegenden. Die meisten dieser Hütten verschmolzen
Raseneisensteine oder Thoneisensteine, die durch Tagebau gewonnen
wurden; sie waren lehmig und wurden gewaschen. Die guten Erze
in Foix und Perigord kamen in Gängen in festem Gestein vor. Das
weichste Eisen erhielt man nach Swedenborg in Burgund, Nièvre
und an einigen Plätzen der Champagne, welches fer de roche genannt
[1002]Frankreich.
wurde; das der Normandie, der Bretagne und von Perigord sei
spröde. Die Schmelzöfen in der Champagne, Lothringen, Bretagne
und Normandie seien ganz wie die Öfen von Lüttich, auch wären vor
20 und 30 Jahren (1703 bis 1713) noch lederne Bälge in Gebrauch
gewesen. Die Produktion der Hochöfen betrüge 2000 bis 2500 Pfd.
Roheisen den Tag, welches man in Gänzen von 1200 bis 1500 Pfd.
Gewicht laufen lieſse. Man verwende meist Kohlen von harten Hölzern.
Ein neuer groſser Ofen von 25 Pariser (27 schwedischen) Fuſs Höhe
war zu Grossouvre, nicht weit von Allier, erbaut worden (s. S. 153).
Die Bälge, welche nach Reaumur 8 Wechsel die Minute machten, lie-
ferten 6552 Kubikzoll (? Cubulos) Luft in der Minute; zu 1000 Pfd.
Eisen wurden 2 Tonnen Kohlen gebraucht; in 6 Tagen erhielt man
10 groſse Gänze (gueuzes).


Swedenborg berichtet, daſs der Herzog von Nevers vor meh-
reren (also wohl in den 20 er) Jahren, um den Guſs eiserner Kanonen
einzuführen, Arbeiter aus Schweden berufen habe. Als dieser erste
Versuch miſslungen sei, habe er englische Arbeiter kommen lassen
und die Anlagen sehr erweitert. Swedenborg selbst habe 11 oder
mehr Öfen gesehen, von denen einige Doppelöfen gewesen seien,
welche man für die schwersten Geschütze gleichzeitig abstechen
konnte. Es gäbe auch Öfen für Geschützguſs in Angoulème, deren
Geschütze nach Rochefort kämen, ferner in Burgund und an anderen
Plätzen. Auch im äuſsersten Südwesten, im französischen Navarra,
wo der Rennwerksbetrieb sonst vorherrschend war, befand sich bei
Baigorry ein Hochofen für Kanonen- und Munitionsgieſserei, der aber
vor 1785 wegen Mangel an Holzkohlen einging.


Die Erze für die Öfen des Herzogs von Nevers hatte man nach
Swedenborg meist von Nortrow (?), Essidueil, Marveil und la Cha-
pelle Poumier, welche aus einem flachen Lager durch Abbau an der
Oberfläche leicht gewonnen wurden, bezogen.


Die Öfen waren 24 bis 26 Fuſs hoch, aus Sandsteinquadern auf-
geführt. Sie hatten runden Querschnitt und in der Gicht 2 Ellen
Durchmesser, vor der Form 1½ auf 3 Fuſs im Lichten. Anfangs, als
man bloſs den Eisenstein von Marveil verwendet habe, seien die Ge-
schütze zersprungen; durch Gattierung mit anderen Erzen habe man
sie aber verbessert. — Das Frischverfahren war das wallonische (modus
Gallicus), wie es Reaumur beschrieben hat. Eine Hauptsache dabei
war, daſs das eingeschmolzene Eisen fortwährend mit dem Rengel
durchgearbeitet wurde, so daſs alle Teile des Eisens dem Feuer und
der Flamme, d. h. der Wirkung des Windes, ausgesetzt wurden. Die
[1003]Frankreich.
Luppen hatten ein Gewicht von 80 bis 90 Pfd. und wurden unter
wiederholtem Erhitzen ausgeschmiedet.


Die Hämmer hatten nach Reaumurs Angabe ein Gewicht von
1000 bis 1500 Pfd. 1).


Der groſse Holzverbrauch der Eisenhütten und die fortschreitende
Entwaldung schufen auch in Frankreich der Regierung schwere
Sorgen, da sie ihrem Bestreben, die Eisenindustrie zu heben, hindernd
im Wege standen. Man erlieſs schon zu Anfang des 18. Jahrhunderts
Verordnungen gegen den übermäſsigen Holzverbrauch. Eine Verord-
nung vom 9. August 1723 verbot die Neuanlage und Vermehrung der
Eisenhütten; doch hatte dieselbe keinen Erfolg. Es gab eine groſse
Anzahl kleiner Eisenwerke in Frankreich; dennoch konnte es die
fremde Einfuhr nicht entbehren. Gegen die Einfuhr über Marseille
machten die Hüttenbesitzer von Champagne und Burgund 1740 Vor-
stellungen bei der Regierung. Der Marquis von Courtivron wies
1747 auf die französischen Besitzungen in Canada hin, von dort
könne man viel Eisen beziehen. Es war den französischen Eisen-
arbeitern ausdrücklich gestattet worden, dort ihr Gewerbe frei zu be-
treiben.


Zu Beaucaire war ein wichtiger Eisenmarkt, wo besonders das
Schmiedeeisen von St. Etienne und St. Chaumont en Forez verhandelt
wurde, von dem angeblich auch viel in das Ausland ging. Die Hütten
von Burgund, sowie einige von Champagne, Lothringen und Franche
Comté brachten das Stabeisen nach Lyon, das die Kaufleute kauften,
um es in Forez zu Nageleisen verarbeiten zu lassen. Ein Lyoner
Kaufmann, M. Charrin, hatte hierfür zwei Eisenschneidwerke zu
St. Chaumont angelegt. Dieser Handel geschah auf 2 groſsen Messen
zu Chalons-sur-Saône, wo jährlich über 80000 Ctr. Grobeisen abge-
setzt wurden.


Paris hatte das allergröſste Interesse an der Beschränkung der
Eisenindustrie, denn die Eisenhütten verteuerten ihm das Brennholz.
Courtivron war der Ansicht, daſs durch Verbesserungen im Betrieb
viel Kohlen gespart werden könnten.


Um 1750 gab es 28 Hochöfen in Burgund; dieselben verarbeiteten
zwei Arten von Erzen, erdige Erze (mines en terre), die an der Ober-
fläche gegraben, und Bergerze (mines de roche), die aus festem Ge-
stein gewonnen wurden. Früher warf man die Erze ohne alle Vor-
bereitung in den Ofen. Es war schon ein groſser Fortschritt, daſs
[1004]Frankreich.
man sie pochte. Ferner bedurften sie Zuschläge; dem erdigen Erz
setzte man Kalk zu, den Bergerzen einen Lehm — terre herbue. Die
erdigen Erze gaben durchschnittlich ⅓ weniger als die Bergerze; erstere
verschwanden nach und nach. Damals gingen schon 5 Hochöfen an
der Seine nur auf Bergerze und auch bei den übrigen war dies nur
eine Frage der Zeit. Das Pochen der Bergerze geschah naſs, und
wurde dadurch viel Taubes fortgespült. Die Erze waren kalkig, des-
halb bedurften sie eines lehmigen Zuschlages.


Courtivron weiſs weiter keine Verbesserungsvorschläge zu
machen, als daſs man die Erze in Haufen lange der Einwirkung der
Atmosphärilien aussetzen sollte, wie es in Steiermark geschah; sodann
empfiehlt er ein Gattieren der erdigen und der steinigen Erze; durch
beides würde das Ausbringen gesteigert werden. Über den Bau der
Hochöfen geben Courtivron und Bouchu (1760) in ihrer bekannten
Abhandlung nähere Nachricht, welche wir S. 322 im Auszug mit-
geteilt haben. Die Öfen in Berry und Nivernais waren länglich und
hatten achteckigen Querschnitt in dem Kohlensack. Die Rast wurde
meistens gestampft, was billiger war als die Herstellung aus zuge-
richteten Steinen. Auch der Hochofen von St. Gervais in der Dau-
phiné hatte achteckigen Querschnitt, der der Franche-Comté dagegen
ovalen.


In Frankreich war man nicht an bestimmte Blasezeiten gebunden,
sondern man schmolz, wenn man Erze und Kohlen genug hatte, so
lange, als das Gestell es aushielt, meist aber nur ½ Jahr. Reisen
von 11 Monaten waren seltene Ausnahmen.


Die Öfen in der Champagne und in Burgund waren viereckig,
18 bis 26 Fuſs hoch. Viele waren mit Kalksteinen zugestellt.


Ferber beschreibt noch 1788 den Ofen zu Pontarlier in der
Franche-Comté (Departement Doubs) wie folgt:


Der Hochofen hatte einen viereckigen Schacht und war 20 Fuſs
hoch. Er war nach schwäbischer Art mit geneigtem Vorherd aus
Kalksteinen zugestellt, nur die wichtigsten Stücke des Gestelles am
Boden waren aus Sandsteinen gehauen. Die Kalksteine nahmen durch
das Feuer eine Glasur an, welche sie erhielt. Man blies direkt durch
den Stein.


Courtivron und Bouchu hatten sich bekanntlich bemüht, einen
Normalofen zu konstruieren. Derselbe sollte nur 18½ Fuſs hoch sein.
Diese durchaus verkehrte Theorie hat viel zur Beibehaltung der nie-
drigen Hochöfen in Frankreich beigetragen zum Nachteil des Fort-
schrittes der französischen Eisenindustrie. Hiergegen sprach sich
[1005]Frankreich.
zuerst Grignon 1775 mit Entschiedenheit aus. Er verlangte, daſs die
Öfen, welche damals meist nur 17 bis 18 Fuſs hoch waren, auf 24 Fuſs
erhöht würden, daſs man die Form 18 Zoll über den Bodenstein lege,
daſs man den Querschnitt nicht eckig, sondern oval mache und das
beliebte Einrücken der Formseite in den Ofen aufgäbe, weil das Centrum
der Hitze in der Mitte des Ofens liegen müsse. Auch befürwortete
Grignon weite Ofengestelle 1).


Ebenso hielt man lange Zeit an der niedrigen Rast, welche
Courtivron und Bouchu auf 3 Fuſs angegeben hatten, fest. 1780
hatten noch alle Hochöfen zu Couche, Bonneville, Ferrière, Lire im
unteren Seine-Departement, welche 48 Zoll im Kohlensack weit
waren, nur 30 Zoll Rasthöhe. M. Dobson (ein Engländer) erhöhte
dieselbe auf 66 Zoll, indem er gleichzeitig den Schacht um einige
Fuſs höher machte 2). Dadurch stieg die Produktion bei gleichem
Aufwand von Kohlen, Erzen und Zuschlag im Verhältnis von 160
zu 200. Seit der Zeit begann man die Schächte zu erhöhen, wofür
besonders auch der Engländer Wilkinson und Ignace de Wendel
eintraten, die nach von Dietrich durch Versuche bewiesen hatten,
daſs man durch Erhöhung der Hochöfen um ⅓ die Produktion be-
trächtlich steigern könne. Hassenfratz teilt mit, daſs der Direktor
M. Ramus zu Creusot empirisch die zweckmäſsige Erhöhung dadurch
ermittelt habe, daſs er bei einem Hochofen daselbst den Schacht bei
gleicher Zustellung so lange erhöht habe, bis die Erhöhung anfing,
nachteilig auf den Ofengang einzuwirken.


Über die Eisenhütten Frankreichs seit 1750 haben wir noch
folgende Mitteilungen zu machen. Courtivron und Bouchu er-
wähnen des Hochofens von Chateau Morigny in Berry und der von
Conches in der Normandie; letztere wegen der meergrünen Farbe
ihrer Schlacken. Limonges3) besaſs Eisensteinbergwerke, deren
Erze in mehreren Distrikten in Hochöfen zu Guſswaren verschmolzen
wurden. Die Erze von St. Robert, Perepeza und Temple wurden
mit Erzen von Exeydeuil in Perigord gemischt.


In Angoumois wurden Erze von Montberon und Marthon in
Hochöfen zu Kanonenguſs verwendet. Die bedeutendsten derselben
waren zu Planchesminier und Ruffec.


[1006]Frankreich.

In Burgund lieferten die Orte Charbonières, Blancy und Creusot
im Bezirk von Montcénis seit undenklicher Zeit Steinkohlen, die auch
für die Eisenwerke verwendbar waren. M. de Morveau hat diese
Kohlen zuerst verkokt und Erze damit verschmolzen, ohne Zusatz
von Holzkohlen. — Die burgundischen Erze wurden unterschieden
1. in Mine de chasse rouge, feinkörnige Raseneisensteine, die ver-
waschen wurden; sie waren sehr verbreitet, aber arm; auf 1 Pfd. Roheisen
verarbeitete man 10 bis 11 Pfd. Eisenerde, aus der man 4½ Pfd. Erz
auswusch; 2. Mine de fer gris, eine Art Bohnerz in erbsengroſsen
Körnern, und 3. Bergerz.


Im Charolais gab es Eisenhütten und Hämmer zu Perrecy,
Guerion, le Verderat, wo man fast nur Zain- oder Nageleisen (fer
fenderie) für die Nagelschmiede von Forez machte. Handelseisen
(fer marchant) schmiedete man auf dem Hütten- und Hammerwerk von
la Motte-sur-Dehune, welches um 1765 gegründet worden war zur
besseren Verwertung der Waldungen. Es gab ferner eine Hütte zu
Mervin und einen Eisenhammer la Motte bei Autun. Zu Pellerie und
Bouilland, nicht weit von Nuys, sowie zu la Canche wurde nur Sandguſs
(de la sablerie) gegossen und zwar Töpfe, Marmiten, Mörser, Kamin-
platten und Öfen. Der Hammer zu Veuvey-sur-Ouche verarbeitete
früher das Roheisen von Canche zu Nageleisen für die Fabriken in
Forez, jetzt nur zu Handelseisen. Herr von Buffon, gleich ausge-
zeichnet in den Künsten wie in den Wissenschaften, hatte auf seinen
Gütern in Burgund ein Eisenwerk, bestehend aus Hochofen und
Hammer, erbaut, das als ein Musterwerk galt und alle Sorten Eisen
1. Qualität machte. Die nahe gelegene Hütte von Aisy-sous-Rouge-
mont lieferte dagegen viel geringere Ware.


In der Gegend von Châtillon-sur-Seine lag eine groſse Zahl Eisen-
hämmer, wie z. B. bei Vauvey, Villote, Clameçon, Rochefort, Ampilly,
Volaines, Eparoy, Vuxolles, Lignerolles, Gurgy, Cour l’Eveque, Saint-
Colombe etc., deren Eisen meist hart war. Nur das von Clameçon
und Rochefort war gut und weich, während das von Gurgy und Vil-
lote besonders hart und spröde war.


Sehr gutes Eisen lieferten die Eisenhämmer von Villars und be-
sonders Marcy. Auch die Hämmer von Abeyement, Moloy, Courtivron,
Compasseur, Ville-Comte und Diénay gaben gutes Eisen. Pellerey
bei St. Seine hatte mit ungünstigeren Verhältnissen zu kämpfen.
Geschätzt war das Eisen der Schmieden von Beze, Montigny, Saint
Seine-sur-Vingeanne, Drambon und Berguotte, doch lagen sie weniger
günstig für den Holzbezug. Gutes Handels- und Nageleisen machte
[1007]Frankreich.
man zu Trichateau, das, obgleich es in der Champagne lag, doch zu
der königl. Bergwerksdirektion zu Dijon gehörte. Das Werk konnte
400000 Pfd. Eisen machen, ohne das verschmiedete. Ebenso leistungs-
fähig waren Marcy, Moloy, Ville-Comte, Compasseur und Buffon. Alle
anderen machten nur halb so viel, auſser denen in Charolais, wovon
jedes 300000 Pfd. machen konnte.


Die Hochöfen zu Fontaine-Française und la Marche machten nur
Masseleisen (fonte en gueuse) für die Frischhämmer. Dasselbe war
sehr gut und trug viel zur Qualität des burgundischen Frischeisens
bei. Es gab auch Drahtzüge. Der Handel auſserhalb der Provinz
beschränkte sich auf Lyonnais, Forez und Languedoc und nach dem
Auslande auf den Seehandel über Marseille. Letzterer war aber
durch Zölle (droits) so erschwert, daſs er nicht mit dem schwedischen
und englischen Eisen konkurrieren konnte, obgleich das inländische
angeblich an Güte nicht nachstand. Es wurde als ein groſses Unrecht
gegen den heimischen Handel empfunden, daſs das fremde Eisen
abgabefrei in die Häfen eingeführt werden durfte, während die zahl-
reichen Abgaben zwischen Dijon und Marseille so enorm waren, daſs
burgundisches Eisen nicht nach Languedoc kommen konnte. Dazu
kamen noch die Octroiabgaben der Städte, die von durchgehenden
Waren erhoben wurden.


In der oberen Champagne wurden die Gebiete von Valage,
Bassigni und Aubois von den Flüssen Marne, Aube und Blaise durch-
flossen, in welchen zahlreiche Bäche mit gutem Gefälle, nämlich Chi-
villon, Tenance, Rougeant, Rognon, Chatouroupt, Orne zahlreiche Eisen-
hütten und Hämmer trieben. Von diesen war der Hammer von
Bayard, welcher zur Kommandantur von Ruetz gehörte, wohl der
älteste an der Marne. Ein alter Hochofen war zu Ragecourt. In
der Gegend von St. Dizier lag Hochofen und Hammer von Chamouillé
bei Vitri-le-Française. — Im Gebiet von Saint-Menehould in den Ar-
dennen befanden sich mehrere Hütten, in denen Kanonen, Bomben
und Kugeln gegossen wurden. Ferner waren Hämmer und Öfen zu
Cirey in der Landschaft Messin.


Zu Valenciennes stand eine Feuermaschine zur Wasserhaltung
eines Kohlenbergwerkes, welche schon 1736 von Engländern aufge-
stellt worden war, ebenso zu Fresne bei Condé.


In Flandern befanden sich im Walde St. Michel, im Gebiete
von Guise, Hämmer und Hochöfen, wo man Artilleriemunition machte.
Zu demselben Zwecke dienten in der Bretagne die Eisenhütten von
Salles und Noué, über welche Duhamel Nachrichten veröffentlicht
[1008]Frankreich.
hat. Die Hütte zu Salles bestand aus 1 Hochofen, 2 Frischhütten
und 1 Schweiſsherd (chaufferie). Der Hochofen, der 22 Fuſs hoch
war und mit Blasebälgen betrieben wurde, erzeugte monatlich 1100
bis 1300 Ctr. halbiertes Roheisen. Die Frischhütte wurde nach der
Methode von Berry betrieben. Die Hütte zu Noué, die mit
groſsen Werkstätten zum Kanonenbohren versehen war, besaſs
2 Hochöfen, die abwechselnd schmolzen und 1½ Millionen Kilo Eisen
im Jahre erzeugten. Hiervon wurden 300000 Pfd. zu Bomben und
Kugeln für Brest vergossen, während 1200000 Pfd. zu ungefähr
800000 Pfd. Schmiedeeisen, welches mit 17 bis 18 Frcs. der Centner
bezahlt wurde, verfrischt wurden. Die Munition goſs man teilweise
in Coquillen. Zum Kanonenguſs eignete sich das Eisen unmittelbar
nicht, weil es zu hart war und sich nicht bohren lieſs. Es wurde,
in kleine Stücke zerschlagen, im Flammofen umgeschmolzen.


Im Bistum Nantes lagen die Eisengruben und die Hütte de la
Provotière. Zu Milleroy, Péan und la Portevinière waren Eisenhämmer.
Eisenbergwerke und ein Hammer befanden sich zu Pompont in dem
Sprengel St. Malo. Rennwerke nach spanischer Art lagen bei St.
Nazaire und bei Ville St. Martin.


Lothringen wurde 1766 einverleibt und eine französische Pro-
vinz. Seine Eisenindustrie, die damals sehr bedeutend war, haben
wir zum Teil bereits geschildert.


In den Vogesen befanden sich zu Fransont bei Grandfontaine,
zu Rothau, zu Rosbach (Raurupt), zu Waldersbach und zu Wisch alte
Eisenbergwerke. Bei Bellefontaine im Kreise Remiremont war eine
Stahlfabrik. Die Eisenwerke von Sexey, welche schon im 15. Jahr-
hundert bekannt waren, wurden 1777 von M. Marmod von Luneville
betrieben, gingen aber bald darauf ein.


Im Gebiete von Badonviller wurden Brauneisensteine gewonnen,
die auf der Hütte von Cirey verschmolzen wurden, desgleichen die
Eisenerze von Fremonville. Auch bezog Cirey Erze aus dem Canton
de Saint-Saveur und von Domêvre-sur-Vezouse, von Reillon und Gen-
drexange. Cirey und die Eisenhütte von Mutherhausen schmolzen ferner
Eisenerze aus dem Gebiete von Lixhein.


Im Moseldepartement waren bedeutende Eisengruben bei dem
Dorfe Warsberg, nördlich von St. Avold, die jährlich 6000 Ctr. Erze
für den Hochofen in Creutzwald lieferten. Nahe bei dieser Hütte
lagen die Eisengruben von la Houve (Creutzwald-la-Houve). Es waren
arme Brauneisensteine, die nur 12 Proz. Eisen, aber von guter Qua-
lität, gaben. Sie wurden auf Rechnung der „Madame d’Hayange“
[1009]Frankreich.
abgebaut, die sie auf ihren Hütten zu Sainte-Fontaine und Creutz-
wald verschmolz. Zu Oberdorff bei Rezonville wurden Bohnerze, die
etwa 18 Proz. gutes Eisen gaben, für die Hütte von Creutzwald ge-
wonnen, ebenso zu Brettnach.


Die reichen Eisenerzgruben von Castel im Schomburgischen lie-
ferten ihre Erze meist an eine Eisenhütte der Grafen von Hohn-
stein
im Trierischen. Dagegen wurden die Erze von Limperg und
von Gresaubach in dem Hochofen von Bettingen verschmolzen; die
aus dem Walde von Merten, welche nur 10 bis 12 Proz. Eisen gaben,
in dem Ofen von Sainte-Fontaine. Die Erze von Steinbach und Sau-
bach, die 19 bis 19½ Proz. Eisen lieferten, wurden in den Hoch-
öfen von Dillingen und Bettingen verhüttet.


Auf der Hütte von Moyeuvre wurden die Erze von Barbet, Rosse-
lange, Prevant und Devant-le-Port verschmolzen. Dieser Erzzug war
nur durch die Höhen, die sich zwischen der Orne und der Fentsch
erheben, von Hayange getrennt. Es war Minette von 35 bis 40 Proz.
Gehalt, der roh verschmolzen wurde. Die wichtigsten Gruben im
nördlichen Lothringen lagen bei Villers-la-Montagne. Unter der Be-
zeichnung Erze von Saint-Pancré wurde die ausgedehnte Erzablagerung
im nordwestlichen Lothringen, die zu Orimont, Vaux, Gorcy, Cussigny,
Houdlemont, Buré, Saint-Pancré, Tellencourt, Cosne und Lamalmaison,
zusammengefaſst und wurden deren Erze als „mines en truffe“, Trüffel-
erz, bezeichnet, weil runde Hämatitknollen in der Masse eingebettet
waren. Sie wurden einfach mit Schächtchen abgebaut, bis es das Wasser
nicht mehr gestattete. Die Besitzer von Longuyon und Lopigneux
hatten früher das alleinige Bezugsrecht nicht zum Vorteil des Berg-
baues. In den 60 er Jahren gruben die Besitzer des Hochofens von
Berchievé bis zu 50 und 60 Fuſs Tiefe. Die Herren von Tellancourt
beanspruchten das Recht der Erzgewinnung in Tellancourt und Frenoy.
Gorcy und Cussigny gehörten ebenfalls dem Gutsherrn (le seigneur).


Der unermeſsliche Eisenreichtum dieses Gebietes, wovon ¼
schmelzwürdig war, hatte nach der Einverleibung Lothringens als-
bald die Aufmerksamkeit der französischen Metallurgen auf sich ge-
zogen. Duhamel untersuchte die Ablagerung und stellte eine Be-
rechnung darüber an. — Die Vorrechte der Grundherren, namentlich
die der Hütten von Longuyon und Lopigneux, wurden aufgehoben.
Am 15. Dezember 1767 erhielt die Waffenfabrik von Charleville durch
einen Staatsbeschluſs das Recht, jährlich 1800 Wagen Eisenerz aus
den Gruben von Saint-Pancré zu beziehen. Ebenso erhielt der Prinz
von Condé das Bezugsrecht für seine Hochöfen bei Villancy.


Beck, Geschichte des Eisens. 64
[1010]Frankreich.

Es gab in dem Kreise Villers-la-Montagne noch zwei weitere
Eisenbergwerke, das von Audun-la-Tiche und das von Ottange. Die
Erze des ersteren, erdige Brauneisensteine, die gewaschen werden
muſsten, wurden von den Hütten zu Ottange und Villerupt ver-
schmolzen, ebenso die aus braunen Körnern bestehenden Erze von
Ottange. Hier gewann man auch einen kalkigen Tuff, der als Zu-
schlag verwendet wurde.


Im Gebiete von Thionville befanden sich die alten Gruben und
Hütten von Sierck, Mutherhausen, Florange und Hayange.


Im Maasdepartement waren im Bezirk von Saint-Mihiel 4 Eisen-
steingruben, deren Erze (Minette), mit anderen Erzen gemischt, im
Hochofen von Sampigny auf Guſswaren verschmolzen wurden. — Im
Bezirk von Bar versahen die Gruben von Brillon die Hütten von
Pont-sur-Saux und Iland’heurs mit Erz; ferner die von Haironville
und Cousances zu Vadonville, Kreis Commercy.


Über den Stand des Eisenhüttenwesens in Lothringen im
Jahre 1785 besitzen wir einen umfassenden Bericht in dem vortreff-
lichen Werke des Barons von Dietrich, Description des Gîtes de
Minerai, Forges etc. de la Lorraine Méridionale (Paris, an VIII), die
den 3. Band der Beschreibungen der Bergwerke und Schmelzhütten
von Frankreich, mit denen der ausgezeichnete Naturforscher und
Hüttenmann, Philipp Friedrich von Dietrich, welcher der be-
kannten elsässischen Eisenindustriellenfamilie entstammte, von der
französischen Regierung beauftragt worden war, bildet. Leider sind von
diesem Werke nur drei Bände, die Pyrenäen, das Elsaſs und Mittel-
Lothringen umfassend, erschienen, weil der Verfasser, wie Lavoisier
und andere hervorragende Geister ihres Landes, als ein Opfer der
französischen Revolution allzu früh für sein Vaterland und für die
gebildete Welt sein Leben auf der Guillotine enden muſste.


Das Vertrauen seiner Mitbürger hatte ihm 1790 die wichtige
Stelle eines Oberbürgermeisters (ancien maire) der Stadt Straſsburg
übertragen. In dieser hervorragenden Stellung bewährte er sich in den
schwierigen Jahren 1790, 1791 und 1792, aber seine gemäſsigte Ge-
sinnung machte ihn nach dem Sturze der Girondisten den Jakobinern,
besonders dem blutdürstigen Robespierre verdächtig, und so wurde
er nach kurzem Prozeſs auf Grund einer ungerechten, schmählichen
Anklage am 29. Dezember 1792 enthauptet 1).


[1011]Frankreich.

Der dritte Band des genannten Werkes enthält nur die Beschrei-
bung der Bergwerke und Hütten in den alten herzoglich lothringischen
Gebieten, während die der 3 Bistümer Metz, Toul und Verdun im
nächsten Bande folgen sollten. Wir ersehen aber aus dem Mitgeteilten,
daſs die Eisenindustrie dieses Gebietes sehr bedeutend war, begründet
auf den groſsen Reichtum an Wäldern und Erzen. Das Waldgebiet
umfaſste 1570000 Morgen.


In einer tabellarischen Zusammenstellung führt der Verfasser
27 Hochofenhütten mit einer Jahresproduktion von 204750 Ctr. Roh-
eisen, und 50 Frischhütten mit einer Jahresproduktion von 145150 Ctr.
Schmiedeeisen auf. An 40000 Ctr. Roheisen wurden dazu noch aus der
Freigrafschaft bezogen. Der Holzverbrauch betrug 180080 Klftr. 1).
Der Verkauf der Eisenhütten belief sich auf 3054040 Liv., der Eisen-
zoll (marque des fers) auf 149943 Liv. Die Zahl der Eisenarbeiter
wird auf 985 angegeben. Eisensteinbergwerke gab es 59, wovon die
zu St. Pancreiz die reichsten waren; sie galten für unerschöpflich.


Die meisten der Eisenhütten in den Vogesen, sowohl in Loth-
ringen wie im Elsaſs, waren ursprünglich zur Verwertung des reichen
Holzbestandes angelegt worden. Gegen geringe Abgabe waren diesen
Waldbezirke (de bois affectés aux fourneaux) überwiesen worden;
diese Überweisungen waren für bestimmte Zeiträume, gewöhnlich von
25, 30 oder 40 Jahren. In einzelnen Fällen waren diese Zuweisungen
(affectations) von Wald gröſser als der Bedarf; in den meisten Fällen
aber waren sie geringer, so daſs die Hütten gezwungen waren, noch
Holz zu kaufen. Mit der Zunahme der Eisenproduktion steigerte
sich der Holzverbrauch, was in einzelnen Gebieten bereits zu Holz-
mangel geführt hatte, und Dietrich schlieſst seinen Bericht über
Lothringen mit einem trüben Ausblick auf die Verwüstung der Wälder
durch die Eisenindustrie.


Aus dem reichen Inhalt des Buches teilen wir folgenden kurzen
Auszug über die lothringischen Eisenhütten mit.


Im Amtsbezirk (Baillage) Luneville waren 1785 bereits die
Frischhütte von Azerailles und der Reckhammer von St. Maurice
wegen Holzmangel zum Erliegen gekommen; die Eisenhütte von
Gennevoy, die Jaquotschmiede genannt, welche aus einem Frisch-
feuer und Reckhammer (martinet) bestand, lag ebenfalls kalt, doch
sollte sie in einen Drahtzug, der nur wenig Holz benötigte, umge-
64*
[1012]Frankreich.
wandelt werden. M. Colombier, dem dieses Werk gehörte, war auch
Besitzer der Frischhütte von Rambervillier, die aus 2 Frischfeuern
mit Stabhammer und 1 Reckhammer, welche 4500 Ctr. (Quintaux)
Grobeisen und 1200 Ctr. ausschmiedeten, bestand. Die Hütte war
1719 von Herzog Leopold konzessioniert worden. Sie bezog ihren
Bedarf an Roheisen, etwa 6000 Ctr., von den Hochöfen der Franche
Comté, wofür ein Zoll von 8 Liv. 2 Sous 6 ₰ für 10 Ctr. (1 millier)
bezahlt werden muſste. Die Grenzzölle zwischen den einzelnen Pro-
vinzen und historischen Gebieten bestanden nämlich auch nach der
vollständigen Einverleibung Lothringens unverändert fort. Die Hütte
verbrauchte für Holzkohlen 2100 Klftr. Holz und hatte im ganzen
18 Arbeiter. Die Frischschmiede erhielten 8 Liv., die Reckschmiede
5 Liv. vom Tausend Schmiedeeisen.


In dem Amtsbezirk Darnay befanden sich die zwei Stahlhütten
La Hutte und St. Marie, die nach steierischer Art Stahl frischten.
La Hutte gehörte den Herren Valette von Villiers und Meyer von
Koblenz. Sie war Mitte der 40 er Jahre von Valette Vater, der sich
Stahlschmiede aus Tirol kommen lieſs, aus einem Eisenhammer in
einen Stahlhammer umgewandelt worden. 1749 erhielt dieser von dem
König von Polen, Stanislaus Leszinsky, die Konzession, welche
den Stahlarbeitern Militärfreiheit gewährte. Man machte erst Fein-
eisen durch Einschmelzen im Frischherd und Blattelreiſsen, indem
man Wasser über das geschmolzene Metall goſs. Die Blatteln wurden
dann in demselben Herd unter Zusatz von Hammerschlag, Schlacke
und Schrott in Stahl verwandelt, wobei man die Masse gut mit
Kohlen bedeckt hielt und nicht darin arbeitete, wie beim Eisen-
frischen. Die Produktion war gering, weil die Arbeit langsam ging.
Zu einer Luppe von 150 bis 160 Pfd. waren 3 bis 4 Stunden er-
forderlich, manchmal noch mehr. Der Rohstahl wurde in grobe
Stücke (carrés) von über 2 Zoll Dicke geschmiedet. Diese Stücke
wurden dann zu Stäben ausgereckt, die in gewisse Längen geschnitten
und in Bunden als „Logel“-Stahl, oder in Fässern als Faſsstahl (acier
en barrique) verkauft wurden. Um Gärbstahl zu machen, schmiedete
man diese Stäbe zu dünnen Ruten aus, die man zu Garben zusammen-
band, schweiſste und reckte. Ein Faſs Stahl von 140 Pfd. kostete
40 bis 42 Liv., 1 Ctr. Gärbstahl ebensoviel. Aus 3500 Ctr. Roheisen
aus der Freigrafschaft erhielt man an 2000 Ctr. Stahl, der für 60000 Liv.
verkauft wurde.


Die Hütte von St. Marie hatte eine Waldnutzung (canton d’assu-
rance) von 1000 Morgen zu 40jährigem Umtrieb, gemäſs eines Rats-
[1013]Frankreich.
beschlusses vom 6. April 1731, und La Hutte eine Waldnutzung von
500 Morgen zu 35jährigem Umtrieb, wofür 20 Liv. für den Morgen
zu zahlen waren. Auſserdem war diesen beiden Hütten das Fallholz
im Forste von Darnay zugewiesen. Man rechnete 1½ Wagen (bannes)
Holzkohlen auf 10 Ctr. Stahl. Der Wagen Holzkohle kostete 25 Liv.
Beide Werke zusammen beschäftigten 18 Arbeiter. Die Stahlfrischer
bekamen 18 Liv. für die 1000 Pfd. Stahl, die Reckschmiede 45 Sous
für das Faſs von 140 Pfd. Die Stahlhütten litten unter den über-
mäſsigen Abgaben, die sich auf 50 Liv. für 1000 Pfd. berechneten.
Der Stahl war gut und stand nach von Dietrich dem steierischen
nicht nach. Dennoch muſsten die Besitzer steierische Marken auf-
schlagen lassen, um ihn mit Erfolg abzusetzen.


Mit der Frischhütte von Tunimont war eine Drahtzieherei mit
16 Zangen verbunden. Das Werk, welches nach seinen Einrichtungen
7000 Ctr. Eisen erzeugen konnte, lieferte nur 3600 Ctr., davon 700
bis 800 Ctr. Draht von Nr. 1 bis 22, wofür 80000 Liv. erlöst wurden.
Die 4500 Ctr. Roheisen, welche verarbeitet wurden, kamen von
Gray in Franche-Comté zum Preise von 82 bis 84 Liv. für 1000 Pfd.
Auch hier waren die Zölle und Abgaben sehr hoch, so daſs sie an
25 Prozent des Wertes betrugen. Die Einfuhr nach Frankreich war
dem Draht durch einen Eingangszoll von 21 bis 22 Proz. erschwert.


Die Hammerhütte von Usemain, die 2 Frisch- und 1 Reckfeuer
hatte, erzeugte nur 2500 Ctr. Schmiedeeisen. Sie bezog 2500 Ctr.
Roheisen von dem Hochofen von Villouxel bei Neuf-Chateau, an dem
der Besitzer beteiligt war; weitere 1000 Ctr. aus der Freigrafschaft.
Der Erlös betrug 40000 Liv., und zwar wurde erzielt für Grobeisen
145 bis 150 Liv., für Reckeisen 180 Liv. und für Krauseisen 200 Liv.
für die 1000 Pfd.


In dem Amtsbezirk Neuf-Chateau hatte der Hammer Le Châ-
telet
an der Var, welcher schon im 17. Jahrhundert betrieben wurde,
2 Frischfeuer, von denen aber nur eins ging, und 1 Reckhammer, auf
dem gutes Radreifeneisen (für 135 Liv. pro mille) geschmiedet wurde.
Das Roheisen kam vom Hochofen von Attigneville. Etwa 1500 Ctr.
gingen nach Frankreich, wofür 17 Liv. pro 1000 Pfd. Eingangszoll
erhoben wurden.


Der Hochofen von Attigneville ging nur 7 bis 8 Monate im
Jahr wegen ungenügender Wasserkraft und erzeugte 4500 Ctr. mit
2300 Klftr. Holz. Er verschmolz Wascherze aus der Nähe. Die nahen
Erze aus der Champagne konnten dagegen wegen des Eingangszolles
nicht verhüttet werden.


[1014]Frankreich.

Der Eisenhammer von L’Hôte-du-Bois, der im Bezirk von
Saint-Diez lag, machte 1500 Ctr. Schmiedeeisen für 21000 Liv. meist
aus Schrott. Auch die im Amtsbezirk Epinal gelegenen beiden Hütten
von Bremoncourt und St. Gorgon waren nicht bedeutend. Wichtiger
war der im Bezirk von Bruyères gelegene Eisenhammer von Mor-
tagne
bei Brouvelieure, welcher auch Herrn Colombier gehörte. Er
war 1634 auf Grund einer Konzession des Herzogs von Lothringen
errichtet worden, umfaſste 2 Frischfeuer, 1 Heiz- und 1 Blechfeuer
mit ihren Hämmern. Sie machten 4500 bis 5000 Ctr. geschmiedetes
Eisen, darunter 1000 Ctr. Bleche und 2000 Ctr. Zaineisen. Die Preise
für 1000 Pfd. lco. Hütte waren für Bleche 250 bis 300 Liv., für Stab-
eisen 155 bis 160 Liv., für Zaineisen 180 bis 185 Liv. Die Bleche,
die 1 bis 6 Fuſs lang und 15 bis 30 Zoll breit geschmiedet wurden,
waren sehr geschätzt und gingen nach Paris und Lyon. Die 6500 Ctr.
Roheisen kamen aus der Freigrafschaft für 80 Liv. die 1000 Pfd. Der
jährliche Erlös des Werkes betrug 90000 Liv., der Holzverbrauch
2375 Klftr. Es wurden 18 Hüttenarbeiter beschäftigt, hiervon erhielt
der Frischschmied 8 Liv., der Reckschmied 5 Liv. und der Blech-
schmied 20 Liv. für die 1000 Pfd. Die Bleche erzielten 250 Liv. pro
1000 Pfd. Hierauf ruhten über 20 Proz. Abgaben, wie die nachstehende
Zusammenstellung ergiebt:


  • Eingangszoll für Roheisen (8 Liv. 2 s. 6 ₰ pro
    Mille) auf 1000 Pfd. Blech   13 Liv. 15 s. 10 ₰
  • Eingangszoll für Blech nach Frankreich   21 „ — „ — „
  • Eisenzoll (Droit de marque des fers)   15 „ — „ — „
  • Wegzoll  — „ 7 „ — „
  • 50 Liv. 2 s. 10 ₰

Umfangreicher noch war die Eisenindustrie in dem Amtsbezirk
von Remiremont, obgleich es auch hier nur Hammerhütten, aber
keine Hochöfen gab. Der Stahlhammer Quénot bei Charmois gehörte
gleichfalls Herrn Colombier von Rambervillier. Diese Hütte, die
1634 konzessioniert worden war, machte Schweiſsstahl, besonders für
Ackergeräte. Die Erzeugung betrug 1000 Ctr., welche für 25000 Liv.
verkauft wurden, der Kohlenverbrauch 1½ Wagen zu 25 Liv. für
1000, oder im ganzen 150 Wagen, entsprechend 475 Klftr.


Das wichtigste und schönste Werk Lothringens und Frankreichs
war aber die königliche Weiſsblechfabrik von Bain. Sie war
gegründet 1733 von Puthon, Coster und Villiez auf Grund einer
Konzession des Herzogs Franz von Lothringen, die 1745 von König
[1015]Frankreich.
Stanislaus bestätigt wurde. Nach der Annexion 1766 erhielt sie
Zollfreiheit für die Einfuhr nach Frankreich, ebenso wie die Blech-
fabrik von Massevaux in Nivernois. 1777 wurde sie für 1120575 Liv.
von Claude Falatieu von Lyon erworben. Die groſsartige An-
lage umfaſste auſser den Werkstätten ein Schloſs, Kapelle, Park
und Marstall. 16 Wasserräder trieben 3 Frischfeuer mit 2 Aufwerf-
hämmern, 3 Schwanzhämmer mit den dazu gehörigen Reckfeuern, ebenso
3 Breithämmer (marteaux à élargir) und 3 Platthämmer, welche sich
alle in einer groſsen Halle befanden, die noch 2 Flammglühöfen für
die Reck- und Breithämmer enthielt. Unterhalb dieser Haupthalle lag
eine groſse Schmiede. In dem Hammerwerk la Pipée mit Frisch-
feuer und Hammer und 1 Reckhammer, La Papeterie genannt,
wurde nur Eisen für Bleche gemacht. Unterhalb dem Hauptwerk lag
eine vierte Hütte mit ebenfalls 1 Frischfeuer, Hammer und 1 Reck-
hammer; eine fünfte, Moulin-aux-bois, am Flüſschen Cosné, ent-
hielt 1 Frischfeuer mit Hammer. Hierzu kamen zahlreiche Arbeiter-
wohnhäuser, Magazine, Beiz- und Zainhäuser u. s. w. Die 12000 Ctr.
Guſs, die verarbeitet wurden, kamen früher von den Hochöfen von
Vreux und Monthereux, jetzt aber von Gray, Chalonges, Dampierre,
Bleye, Velson und Beaujeu in Franche-Comté, wo sie für 60 Livres
die 1000 Pfd. (mille d’achat) gekauft wurden, hierzu kamen 3 Liv.
Ausgangszoll aus der Comté und 8 Liv. Fuhrlohn, so daſs sich das
Roheisen lco. Hütte auf 71 Liv. pro Mille stellte.


Der Verbrauch an Holzkohlen betrug 1500 Wagen (bannes)
à 30 Liv., auf jeden kamen 6 Klftr., also 9000 Klftr., auſserdem
wurden 3000 Klftr. für Flammöfen, Heizung u. s. w. konsumiert.
Falatieu hatte eine Holznutzung von 8600 Morgen mit 40jährigem
Umtrieb in dem groſsen Walde von Darnay erworben, wofür er
140 Liv. (lothringisch) für den Morgen zahlte.


Man verwendete 1785 aber auch bereits Steinkohlen von Ron-
champ zur Heizung der Flammöfen zum Preise von 25 s. der Centner
lco. Hütte mit Erfolg. Zum Verzinnen der Bleche wurden jährlich
1000 Ctr. Zinn von Malacca gebraucht, das zollfrei aus Holland kam und
pro Centner 100 Liv. kostete. Ferner wurden konsumiert 700 Malter
Roggen für Beize, 16,2 Ctr. Talg. Die Fabrik beschäftigte 5 Angestellte
und 125 Hüttenarbeiter. Es wurden jährlich 5000 Fässer (barriques)
Weiſsblech für 540000 Liv. abgesetzt. Das Produkt stand im Ansehen
dem englischen nach, übertraf es aber an Haltbarkeit. Das Fabri-
kationsverfahren war wie in Deutschland. Die Hütte erzeugte mehr als
das Doppelte aller übrigen Weiſsblechfabriken Frankreichs.


[1016]Frankreich.

Der Eisenhammer von Alangy machte mit 2 Frischfeuern und
1 Zainhammer jährlich 3000 Ctr. diverses Schmiedeeisen und erzielte
für Stabeisen 145, für Drahteisen 190, für Nageleisen 180 Liv. pro
1000 Pfd. Das Roheisen aus der Freigrafschaft kostete 78 Liv. pro
1000 Pfd. lco. Hütte, auſserdem wurde viel Schrott und Guſsbruch,
wovon ersterer mit 75 Liv., letzterer mit 60 Liv. pro Mille bezahlt
wurde, verwendet. Der Holzverbrauch betrug 1400 Klftr., der Eisen-
zoll 3280 Liv., der Erlös 50000 Liv.


Der Eisenhammer von Ruaux oder la Fargeotte war mit einer
Drahtzieherei mit 14 Zangen und 4 Rollen verbunden und erzeugte
1200 Ctr.; ferner


  • der von Sémouse  2400 Ctr. Schmiedeeisen,
  • „ „ Blancmeurgé  2400 „ „
  • „ „ Plombières  620 „ Draht.

Alle diese Hütten, die auf den Bezug von Roheisen aus der Frei-
grafschaft angewiesen waren, hatten in gröſserer Blüte gestanden, so-
lange Lothringen noch ein Herzogtum bildete, weil seit der Ver-
einigung die Zölle und Abgaben erhöht worden waren. Für 150 Liv.
Eisen, das nach Frankreich ging, muſsten im ganzen 32 Liv. 2 s. 3. ₰
an Abgaben bezahlt werden, für Stahl und Blech noch mehr, wes-
halb diese nur in Lothringen ihren Markt suchen konnten. Dies
war um so drückender, weil die Werke im Elsaſs groſsenteils nicht
die droit de marque des fers zu bezahlen hatten und die in den
gräflich Salmschen Gebieten gelegenen Eisenhütten von allen fran-
zösischen Abgaben frei waren. Draht der Franche-Comté hatte
16 Liv. 3 s. 4 ₰, lothringischer dagegen 76 Liv. pro 1000 Pfd. zu
bezahlen. Schwarzer Draht ging dagegen zollfrei nach Frankreich.


Im Amtsbezirk Bitsch lag der Blechhammer von Bellerstein
und das groſse Hüttenwerk Mutherhausen (Moderhausen, Mutter-
hausen). Auf ersterem wurden in 2 Feuern 1350 Ctr. Blechflammen
geschmiedet, die in dem benachbarten, auf deutschem Gebiet gelegenen
Bärenthal zu Blech geschlagen wurden.


Die Eisenwerke von Mutherhausen haben eine ältere Geschichte.
Sie bestanden schon 1626, gingen aber in den Kriegen des 17. Jahr-
hunderts, welche die Grafschaft Bitsch in eine Wüste verwandelten,
zu Grunde. 1720 erhielt Frédéric Dithmard die Konzession, hier
eine Eisenhütte zu erbauen. 1723 associierte er sich mit Mader,
dem Pächter der Eisenwerke von Zinsweiler. Herzog Leopold be-
willigte ansehnliche Waldnutzung und erteilte Dithmard 1730 auch
[1017]Frankreich.
die Konzession zur Anlage einer Weiſsblechhütte, die aber nicht aus-
geführt wurde. Bedeutenden Aufschwung nahm das Werk, nachdem
es in den Besitz des M. Préaudeau de Chemilly gelangt war, der
eine Holznutzung in den Forsten von Bitsch von 2400 Morgen auf
50 Jahre, gegen Abgabe von 12 Sous für den Klafter, erwarb.


Die Hochöfen von Mutherhausen bezogen den gröſsten Teil ihres
Erzbedarfs, ca. 75000 Ctr. für 60000 Liv., aus der Groſspräfektur
Hagenau im Elsaſs. Die Erze gaben 25 Proz. oder 18700 Ctr. Eisen,
davon 3000 bis 4000 Guſswaren zu 12 Liv. der Centner. Das übrige
wurde verfrischt und gab etwa 9000 Ctr. Schmiedeeisen zu 150 bis
160 Liv. die 1000 Pfd., so daſs der ganze Verkauf an 190000 Liv.
betrug. Das Werk umfaſste, auſser dem Direktionsgebäude mit Gärten
und Teichen, 2 Hochöfen, 6 Frischfeuer, 3 Frischhämmer, die Tag
und Nacht gingen, 1 Hammerwerk mit 3 Zainhämmern, die 3000 Ctr.
Kraus- und Zaineisen machten, 1 Eisenspaltwerk, das 3000 Ctr. Nagel-
und Bandeisen liefern konnte, 1 Blechhammer für 500 bis 600 Ctr.
Blech. M. de Chemilly führte auch mit Erfolg die Cementstahl-
fabrikation ein.


Das Werk hatte seinen eigenen Geistlichen, seinen Schullehrer,
Arzt, Chirurgen u. s. w. Die marque des fers betrug jährlich 11000 Liv.
Im ganzen beliefen sich die gesetzlichen Abgaben auf 26000 bis
28000 Liv.


Der Hochofen von Creutzwald (Amtsbezirk Boulay-St. Avold)
wurde 1749 von König Stanislaus von Polen den Gebr. Quien
konzessioniert, durch königl. Arrêt 1) vom 13. Januar 1759 aber auf
Charles de Wendel, Herrn von Hayange, übertragen. Damit waren
groſse Waldnutzungen in dem Forstamte von St. Avold und dem Walde
von La Houve bei Merten verknüpft. Der Hochofen von Creutzwald
bildete 1785 mit den Eisenhämmern von Sainte-Fontaine, dem Blech-
hammer von St. Louis und dem Hammerwerke von Homburg, die
von ihm versorgt wurden, das bedeutendste Hüttenwerk der Mdm̲e̲.
de Wendel von Hayange.


Zu Creutzwald befanden sich auſser den beiden Hochöfen ein
Pochwerk und eine Sandmühle zum Mahlen des Formsandes, indem
das Guſseisen, welches nicht verfrischt wurde, zu Töpfen, Öfen u. s. w.
vergossen wurde. Die beiden Hochöfen erzeugten jährlich 14000 Ctr.,
wofür 8600 Liv. an marque des fers zu entrichten waren. In Kriegs-
zeiten wurden hier Kugeln, Bomben und Mörsergestelle gegossen. Der
[1018]Frankreich.
Holzkohlenverbrauch betrug 1400 Wagen. Die Waldnutzung (affec-
tation) der genannten Werke betrug 12080 lothringische Morgen zu
30jährigem Umtrieb, so daſs jährlich 345 Morgen geschlagen wurden,
die ca. 5000 Klftr. ergaben, etwas über die Hälfte des Bedarfes. Die
Erze kamen von verschiedenen Gruben, die von La Houve gaben einen
guten Brauneisenstein. Auf der Hütte waren 21 Arbeiter beschäftigt.


Das de Wendelsche Hammerwerk Sainte-Fontaine lag auf
homburgischem Gebiet an der Merte, 1½ Stunden von Creutzwald.
Der Hochofen lag kalt. Das Hammerwerk umfaſste 2 Frischfeuer mit
Hammer, 1 Reckhammer, 2 Pochwerke und wurde durch 6 Wasser-
räder getrieben. Es erzeugte aus 4500 Ctr. Roheisen von Creutzwald
3000 Ctr. Schmiedeeisen.


Der Blechhammer von St. Louis lag ¼ Stunde davon an dem-
selben Bach bei l’Hôpital. Ein Wärmfeuer wurde mit Holzkohlen,
ein Flammofen mit Steinkohlen und einem Gebläse betrieben. 1 Auf-
werfhammer und 3 Schwanzhämmer wurden von 2 Wasserrädern
bewegt. Man schmiedete aus Eisen von Sainte-Fontaine Pfannen-
bleche und Sturzbleche und zwar 1700 Ctr. mit 790 Klftr. Holz und
1000 Ctr. Steinkohlen von Geislautern. Der Warenverkauf dieser beiden
Hütten erzielte 50000 Liv.


Die ebenfalls der Madame d’Hayange gehörigen Hämmer zu
Homburg, welche 1681 von dem Marquis von Lenoncourt-Blain-
ville
errichtet worden waren, bestanden aus 3 Frischfeuern mit
2 Stabhämmern, 1 Blechhammer und 2 Reckhämmern, 1 Spalterei,
1 Pochwerk und 9 Wasserrädern. Erzeugt wurden aus 4500 Ctr.
Guſseisen von Creutzwald 3000 Ctr. Schmiedeeisen mit 300 Wagen
Holzkohle und 1500 bis 2000 Ctr. Steinkohlen. Der Verkauf be-
zifferte sich auf 50000 Liv. Das Eisen der genannten de Wendel-
schen Hütten war von solcher Güte, daſs es mit Vorliebe in den
königlichen Arsenalen verwendet wurde.


Die folgenden Werke Dillingen und Bettingen, welche den
Herren Soller und Gouvy gehörten, lagen ganz im deutschen Saar-
gebiet. Dillingen, an dem Zusammenfluſs der Brems und Saar,
hatte 1 Hochofen, 4 Frischfeuer mit 2 groſsen Hämmern, 1 Blech-
oder Zainhammer an der Welle des Haupthammers und 1 doppelten
Blechhammer mit besonderem Rad, der Tag und Nacht ging; ferner
1 Schneidwerk mit Zubehör, 1 Pochwerk, groſse Kohlenschuppen,
Magazine, Arbeiterwohnungen, Stallungen u. s. w. Der Hochofen von
Bettingen lag im Schaumburgischen bei Tholey an der Brems. Die
beiden Hochöfen zusammen machten etwa 1000 Ctr. Guſseisen, wozu
[1019]Frankreich.
52000 Ctr. Erz erforderlich waren, da dieses nur 19 bis 19½ Proz.
Eisen enthielt. Aus diesem Roheisen machten die Hämmer ca. 6000 Ctr.
Schmiedeeisen aller Art zum Preise von 140 bis 200 Liv. die 1000 Pfd.
Der Absatz, der 120000 Liv. einbrachte, war bequem durch die Saar,
welche das Eisen sowohl nach Frankreich als nach Holland brachte.
Das Dillinger Eisen war weich, sehnig und sehr geeignet zur Umwand-
lung in Stahl. Die 10000 Ctr. Eisen erbrachten 6000 Liv. für marque
des fers und weitere 3000 bis 4000 Liv. Zoll bei der Einfuhr nach
Frankreich. Gewöhnliches Stabeisen erzielte 140 Liv. für 1000 Pfd.,
ebensoviel der Poterieguſs, der Sandguſs dagegen nur 90 Liv. Die
Hütten hatten eine beträchtliche Holzzuweisung in dem groſsen Walde
von la Houve-Merten, doch muſsten sie noch viel Holz kaufen.


Die Stahlfabrik von Remmelsdorf im Amtsbezirk Bouzonville
war von Soller jun., dem Sohne des Besitzers von Dillingen, ge-
gründet und bezog ihr Eisen von Dillingen. Sie besaſs 2 Frischfeuer
mit Hammer, 4 Schweiſsfeuer mit 2 Schwanzhämmern und 1 Stahlcemen-
tierofen. Die Stahlfabrikation wurde aber infolge eines Prozesses ein-
gestellt und nach Bisten verlegt. Es wurden etwa 2000 Ctr. Eisen
für 30000 Liv. fabriziert.


Zu Castel in der Herrschaft Schaumburg lagen Eisenwerke, die
1785 Herrn de Bourson gehörten. Sie enthielten 1 Hochofen,
6 Frischfeuer, 2 Plattenhämmer, 1 Gieſserei, Pochwerk, Scheren u. s. w.
In einer Reise von 9 Monaten wurden 6500 Ctr. Roheisen meist aus Erzen
der Nachbarschaft erblasen. Die Hämmer konnten 4000 Ctr. Schmiede-
eisen machen. 1785 lag das Werk kalt. Das Eisen wurde gröſstentheils
nach Trier und Zweibrücken verkauft. Grobeisen erzielte 120, Reck-
eisen 130 bis 132 Liv. für 1000 Pfd.


Ein bedeutendes Werk war das der königl. Domäne gehörige
Eisenwerk von Moyeuvre an der Orne. Es war mit groſsen Wald-
nutzungen ausgestattet und umfaſste 2 zusammengebaute Hochöfen
und 7 verschiedene Feuer unter demselben Dach. Es waren 2 deutsche,
2 wallonische Frischfeuer und 3 Schweiſs- und Reckfeuer. Auſserdem
besaſs die Hütte 1 Eisenschneidwerk mit 2 Glühöfen. 1 Hochofen,
2 Frisch- und 1 Reckfeuer lagen kalt, das Schneidwerk arbeitete nur
6 Monate. In den Hochöfen schmolz man aus 45000 Ctr. Erz, das
meist in der Nähe gewonnen wurde, 15000 Ctr. Roheisen. Der Holz-
verbrauch betrug 7500 Klftr., also 5 Klftr. auf 1000 Pfd. Erz. Alles
Roheisen wurde verfrischt und daraus 10000 Ctr. Schmiedeeisen er-
zeugt. 5000 Klftr. Holz wurden zum Frischen und Ausschmieden,
400 Klftr. zum Heizen der Wärmöfen gebraucht, so daſs der gesamte
[1020]Frankreich.
Holzverbrauch ca. 13000 Klftr. betrug. Der Erlös für die 10000 Ctr.
Schmiedeeisen betrug rund 140000 Liv. Die Eisensteuer (marque des
fers) betrug 7500 Liv.; auſserdem zahlte das Werk, wie alle lothrin-
gischen Eisenhämmer, einen Eingangszoll von 10 Liv. 2 s. 6 ₰ bei der
Einfuhr in die Bistümer. Da ¾ der Produktion dort abgesetzt wurde,
so ergab dies eine weitere Steuer für den König von 7600 Liv. Auf
dem Werk waren 51 Hüttenarbeiter, mit Bergleuten, Köhlern, Fuhr-
leuten etc. 250 Arbeiter beschäftigt.


Im Amtsbezirk Longuyon lag die Gewehrfabrik von Longuyon,
welche 1710 von François Aubert auf Grund einer Konzession des
Herzogs Leopold gegründet worden war. 1785 war sie an einen
Herrn Guillaume verpachtet. Ihr Eisenverbrauch betrug 30 Ctr.,
als Brennmaterial wurden nur Steinkohlen verwendet, der Erlös be-
trug 8000 Liv.


Die Eisenhämmer von Longuyon und von Lopigneux, beide
an der Crune, gehörten einer Frau Hardy. Das letztgenannte Werk
war 1705 von den Eltern der Frau Hardy umgebaut worden und
umfaſste 1 Hochofen, 2 Frischfeuer, 1 Schweiſsfeuer, 1 Blechhammer
und 1 Luppen- bezw. Schrottfeuer (renardière).


Der Hochofen von Longuyon erzeugte aus gewaschenen Erzen
von St. Pancraz (Saint-Pancreix) etwa 9000 Ctr. Roheisen mit 600
Wagen Holzkohlen, entsprechend 4500 Klftr. Holz. Alles Roheisen
wurde in den Frischhütten von Longuyon und Lopigneux in Schmiede-
eisen umgewandelt und dann auf dem dazu gehörigen Schneid- und
Streckwerk Vezin zu Schneideisen verarbeitet. Der gesamte Holz-
verbrauch der 3 Werke belief sich auf 18000 Klftr., die meistens aus
den Wäldern von Etain, Montmedy und Longwy gekauft werden
muſsten. Vezin lag schon in dem Gebiet der 3 Bistümer, weil Mo-
yeuvre
gegen die Anlage des Schneidwerks in Lothringen Einsprache
erhoben hatte. Die Schmiedeeisenerzeugung betrug im ganzen
12000 Ctr., wovon die Hälfte Schneideisen war. Das Eisen war sehr
gut und zähe. Der Verkauf bezifferte sich auf 160000 Liv. Die
marque de fer betrug 5 Liv. von 1000 Pfd., dazu kam aber noch die
Abgabe bei der Einfuhr in die Bistümer, so daſs Steuer und Zoll
zusammen 10000 Liv. ausmachten.


In demselben Bezirk lag noch der Hochofen von Orlon oder Villancy
in dem Walde des Klosters von Orval in Luxemburg. Der Hochofen
bestand seit dem Ende des 17. Jahrhunderts, doch hatten die Mönche
von Orval schon im 15. Jahrhundert Eisenwerke in der Gegend. Die
Wasserkraft bestand nur in einer starken Quelle, weshalb der Hoch-
[1021]Frankreich.
ofen auch nur 7 Monate im Jahre gehen konnte. Das Wasserrad
hatte 20 Fuſs Durchmesser. Die erblasenen 6000 Ctr. Guſseisen
gingen nach dem Hammer von Orval in Luxemburg. Die Erze kamen
von Concy und St. Pancraz, die 400 Wagen Holzkohlen meistens aus
dem Klosterwalde.


In dem Amtsbezirk Villers-la-Montagne lagen die reichen
Eisensteinbergwerke von St. Pancraz, welche das sogen. „Trüffel-
erz“, Geoden von Brauneisenstein im Thon, lieferten. Die Erzlager
erstreckten sich in das luxemburgische Gebiet. Der Abbau war höchst
primitiv und unvollkommen. Hauptgewerke war Madame Hardy,
sodann M. Petit und M. Wendel de Longlaville.


Von den Eisenhütten des Bezirks von Villerupt und Ottange
gehörte die sehr alte von Villerupt dem Marquis von Gerbweiler.
Sie bestand aus 1 Hochofen, 1 groſsen Hammer mit 2 Frischfeuern,
1 kleinen Hammer mit 1 Frischfeuer, 1 Reckfeuer mit Schwanzhammer,
doch war das Werk seit lange schlecht im Gange. Es konnte 10000 Ctr.
Roheisen und 7000 Ctr. Schmiedeeisen machen. Holz bezog es aus
den Wäldern des Grafen von Gerbweiler.


Die Hütte von Ottange an der Grenze von Luxemburg war
ebenfalls alt; sie gehörte den Grafen von Hunolstein. Vor
150 Jahren, also um 1635, wurde ein Eisenhammer zu Remmelingen
zu Gunsten der älteren Rechte von Ottange unterdrückt. Das Werk
war an Herrn Pierron verpachtet, der jährlich 3500 Liv. für das
Wasserrecht und auſserdem 4 Liv. für das Klafter Holz zahlte. Es
bestand aus 1 Hochofen, 1 Hammer mit 2 Frischfeuern, 1 Schweiſs-
feuer und 1 Blechhammer. Ein zweiter Hammer, la basse forge, um-
faſste 2 Frisch- und 1 Schweiſsfeuer. Der Hochofen lieferte 10000 Ctr.
Guſs aus 25920 Ctr. Erz und 3240 Ctr. Minette, so daſs das Aus-
bringen an Eisen 35 Proz. betrug. Die Hälfte der Erze wurde ge-
röstet. Der Holzkohlenverbrauch betrug 840 Wagen, entsprechend
5040 Klftr. Aus dem Roheisen frischte man 7000 Ctr. Schmiede-
eisen mit 585 Wagen Holzkohlen, entsprechend 3500 Klftr. Holz. Der
gesamte Holzverbrauch, mit dem für Röstung und Heizung, betrug
8750 Klftr., der durch Ankauf im Luxemburgischen gedeckt wurde.
Der Eisenverkauf erbrachte 100000 Liv.


In dem früheren Herzogtume Bar war eine alte und eigen-
artige Eisenindustrie heimisch. Der Betrieb war dem der öster-
reichischen Alpenländer ähnlich, indem man durch Hartzerrennen
erst ein weiſses Feineisen — fer mazé — herstellte und dieses dann
zu Qualitätseisen, Zaineisen (carillon) oder Stahl verfrischte.


[1022]Frankreich.

Nicht weit von Bar lag die Hütte von Pont-sur-Saux, be-
stehend aus 1 Hochofen mit Pochwerk und 3 Frischfeuern, wovon
eins auf Hartzerrenneisen, 2 auf Stahl gingen. Der Hochofen konnte
wegen Wassermangels nur 6 Monate in zwei Reisen im Jahre gehen.
Er erzeugte 6000 Ctr. Die Erze kamen aus der Nähe und kosteten
7 Liv. die 1000 Pfd. Man rechnete 1½ Wagen Holzkohlen auf
1000 Pfd. Guſseisen, und kostete 1 Wagen 26 Liv. Der Eisen-
abbrand war bei dem oben beschriebenen Verfahren, um fer carilloné
zu machen, so, daſs man aus 4500 Ctr. Roheisen nur 2500 Ctr. caril-
lons erhielt, aus dem übrigen Eisen wurden Guſswaren hergestellt.
Bei der Fabrikation des Zaineisens gingen 4 Wagen auf die 1000 Pfd.,
man verbrauchte also 1000 Wagen für das Zaineisen und weitere
300 Wagen für den Guſs, zusammen 1300 Wagen, die aber nur
4500 Klftr. Holz entsprachen. Das fer carilloné war sehr gesucht
und ging nach Paris, Meaux, Orleans, Rouen und Beauvais. Es kostete
202 Liv. die 1000 Pfd., während Guſseisen mit 110 Liv. die 1000 Pfd.
bezahlt wurden. Der Verkauf erbrachte 68500 Liv., davon muſsten
6000 Liv. an Abgaben entrichtet werden.


Die Hütte von Vieux-Jean-Deurre enthielt 1 Hochofen und
1 Hammerwerk mit 4 Feuern. Der Ofen ging 6 Monate und lieferte
6000 Ctr. Guſseisen unter fast denselben Bedingungen, wie der vorher-
gehende. Der Hammer lieferte 3000 Ctr. nach deutscher Art ge-
frischtes Eisen, wofür 44400 Liv. (148 Liv. pro mille) erlöst wurden.
Ein Teil des Roheisens wurde verkauft; der Gesamterlös betrug
65000 Liv., wovon die Abgaben 6000 Liv. betrugen. Die Zahl der
Hüttenarbeiter betrug 16.


Ein weiteres Eisenhammerwerk zu Jean-Deurre, welches der
Abtei gleichen Namens gehörte, besaſs keinen Hochofen mehr, son-
dern nur 2 Frischfeuer, nämlich 1 deutsches und 1 Stahlfeuer.
Es bezog sein Roheisen von Morley und Dannemarie, kaufte aber
auch fer mazé, wodurch sich sein Holzkohlenverbrauch niedriger
stellte, indem für 1000 Pfd. nur 1½ Wagen Holzkohlen verbrannt
wurden. Die Produktion betrug wegen ungenügender Wasserkraft
nur 3000 Ctr., der Erlös 64600 Liv.


Diese beiden Eisenwerke und die Hütte von Haironville, die
auch schon seit dem Anfang des 17. Jahrhunderts bestand, hatte 1785
ein Herr Louis in Pacht. Haironville umfaſste 1 Hochofen mit
Pochwerk und 1 Frischhütte mit 3 Feuern, wovon 2 auf fer mazé
arbeiteten, auſserdem noch 2 Raffinierherde, um Stangenstahl zu
machen. Man erblies 5000 Ctr. Guſseisen, woraus Feineisen und Zain-
[1023]Frankreich.
stäbe (carillons) und zwar 2500 Ctr. gemacht wurden; doch wurde
auch noch Roheisen von dem Hochofen von Morley dazu gekauft. Der
Erlös betrug 60000 Liv., die Eisensteuer 5000 Liv., die Arbeiterzahl 17.


Der alte Hochofen von Cousance, der dem Grafen von Cou-
sance
gehörte, ging auf Guſswaren. In 8 bis 9 Monaten machte
man an 6000 Ctr. Sandguſs (sablerie). Die Erze wurden in der Nähe
gegraben, die Holzkohlen wurden gekauft, der Wagen zu 25 Liv. 10 s.
Man rechnete 1½ Wagen auf 1000 Pfd. Sandguſs. Der Verkauf er-
brachte 66000 Liv. Für marque des fers muſste 10 s. 10 ₰ für
1000 Pfd. Guſs bezahlt werden. Das Werk beschäftigte 32 Arbeiter.
Ein Sandformer erhielt 72 Liv. den Monat.


Auch der Herrn Varnesson gehörige Hochofen von Danne-
marie
war an Herrn Louis für 3000 Liv. jährlich verpachtet.


Die folgenden westlothringischen Werke in den Amtsbezirken
Bar-le-Duc, Saint-Mihiel, Commercy und La Marche fassen wir in
nachfolgender Übersicht zusammen.


[1024]Frankreich.

Die Eisenindustrie des Elsaſs im Jahre 1785 ist mit derselben
Gründlichkeit und Zuverlässigkeit wie die von Lothringen in dem
zweiten Bande des Werkes des Barons von Dietrich1) statistisch
und technisch geschildert. Wenn sie auch an Zahl der Werke und
Erzeugung die lothringische nicht erreichte, so war sie doch sehr be-
deutend. Sie umfaſste 39 Eisensteinbergwerke im Ober-Elsaſs und
66 im Unter-Elsaſs. In 7 Hochofenhütten wurden 92000 Ctr. Guſs-
eisen und in 9 Frischhütten 62720 Ctr. Schmiedeeisen erzeugt. Die
Eisenhütten lagen meist in dem Waldgebiet der Vogesen. Beginnen
wir mit dem südlichen Ende derselben, so begegnen wir zuerst dem
alten Eisenhammer von Sepois-le-bas, der sein Roheisen von
dem Hochofen du Travaux in der Franche-Comté bezog. Es stellte
sich auf 83 Liv. für die 1000 Pfd. Die Erzeugung betrug nur
1800 Ctr. Stab- und Krauseisen, das einerseits über Konstanz nach
Tirol, anderseits nach Köln ging.


Das Eisenwerk von Grandvillars war eine Frischhütte mit
2 Feuern, 1 Zainhammer und 1 Drahtzug von 25 Zangen. Sie ge-
hörte dem Marquis von Peseux, war aber für jährlich 1280 Liv., 2 Ctr.
Eisen und 50 Pfd. Nägel verpachtet. Ihr Roheisen bezog sie aus der
Freigrafschaft für 60 Liv. die 1000 Pfd., worauf bis zu der Hütte
noch 20 Liv. Fracht kamen. Die Hütte lag im Prozeſs und erzeugte
1785 nur 700 Ctr. Draht für 33300 Liv.


Viel bedeutender war das Drahtwerk des Herrn Nollat zu Mor-
villars
, ebenfalls an der Alain. Es war gegründet auf eine Kon-
zession (arrêt) von 1732. Es hatte 22 Rollen (tournans) und konnte
4000 Ctr. Draht machen, lieferte aber 1785 nur die Hälfte, nämlich
mit 50 Zangen 2000 Ctr. (20000 bottes) im Werte von 92000 Liv.
Auſserdem hatte das Werk Nagel- und Kettenhämmer und 1 Cement-
stahlofen. Es bezog 56000 Ctr. Roheisen aus der Franche-Comté,
wofür Ausgangs- und Eingangszoll erhoben wurde. Der Kohlen-
verbrauch betrug 400 Wagen, entsprechend 1600 Klftr. Holz. Der
Erlös war 102000 Liv., die Arbeiterzahl 120. In der Drahthütte
waren viele Verbesserungen des Herrn Fleur eingeführt worden und
hatte man nach diesem Muster 7 Drahthütten in Burgund angelegt.


Bei Chatenois und Belfort befanden sich eine Anzahl Eisenwerke,
welche dem Herzog von Valentinois gehörten. Es war dies ein
Hochofen bei Chatenois, der 9500 Ctr. Roheisen mit 1200 Wagen
Holzkohlen erzeugte. Sodann die Hochofen- und Hammerhütte von
[1025]Frankreich.
Belfort, welche der Herzog auf Grund einer groſsen königlichen
Schenkung an den Kardinal Mazarin im Jahre 1659 besaſs. 1668
hatte die Hütte zu Belfort noch verschiedene Privilegien erhalten,
namentlich hatte sie zollfreien Bezug von Kohlen und Eisen aus der
Freigrafschaft. Der Hochofen erzeugte, wie der von Chatenois,
9500 Ctr. Guſseisen im Jahre.


Der Eisenhammer von Belfort lag nahe dabei und umfaſste
4 Feuer und 2 Hämmer. Die Frischschmiede enthielt 2 Frischfeuer
und 1 Heizfeuer, die von dem groſsen Hammer bedient wurden, und
erzeugte 10000 Ctr. Schmiedeeisen im Jahre. Ein Rennfeuer (pique-
rie), welches altes Guſs- und Schmiedeeisen verschmolz, machte
3200 Ctr. Schmiedeeisen im Jahre. Ferner gehörten hierzu noch
zwei Reckhämmer bei Offemont und Després, von denen jeder an
1800 Ctr. Reckeisen machte. Die sämtlichen Eisenwerke des Herzogs
von Valentinois erzeugten demnach 1785 19000 Ctr. Roheisen,
13000 Ctr. Schmiedeeisen und 3600 Ctr. Reckeisen, wozu 9091 Klftr.
Holz verbraucht wurden. Der Erlös betrug 240000 Liv., die Zahl
der Eisenarbeiter 55.


Eine Anzahl zum Teil alter Hütten und Hämmer lag in dem
Thale von Massevaux (Masmünster).


Der Hochofen von Massevaux gehörte der Frau Marquise von
Rosen
. Schon 1578 bestand hier eine Hütte, die aber im 30jährigen
Kriege zu Grunde ging. 1686 erhielten die Grafen von Rothen-
burg
eine neue Konzession, worauf die neue Hütte mit Pochwerk,
Erzwäsche u. s. w. erbaut wurde. Ihre Bedeutung erhellt daraus,
daſs sie 1785 für 18000 Liv. an Herrn Laurent verpachtet war.
Er litt aber an Kohlenmangel, so daſs er nur 6 Monate im Jahre
blasen konnte, in welcher Zeit er 6000 Ctr. Guſseisen aus 4000 Kübel
Erz mit 750 Wagen Kohlen, entsprechend 1666 Klftr. 1) Holz erzeugte.
Das Roheisen wurde von den Frischhütten im Thale verarbeitet.


Die Zeugschmiede (taillanderie) von Langenfeld, welche Schippen,
Hacken u. s. w. schmiedete, ohne Konzession erbaut, verarbeitete Eisen
von dem Rennwerk Oberbrück.


Der Eisenhammer von Kirchberg, der Oberbrücker Hammer
genannt, gehörte zu der Herrschaft Massevaux, also auch der Marquise
von Rosen. Er bestand aus 1 Frischhütte mit 3 Feuern, 2 Reck-
hämmern, 1 Hufschmiede, 1 Pochwerk u. s. w. und verarbeitete auſser
4500 Ctr. Roheisen noch ca. 1000 Ctr. Abfälle der Blechhütte von
Beck, Geschichte des Eisens. 65
[1026]Frankreich.
Wegscheid. Er erzeugte mit 1222 Klftr. Holz 4500 Ctr. Schmiede-
eisen, das zum Teil wieder nach Wegscheid ging. Man rechnete
1450 Pfd. Roheisen auf 1100 Pfd. Schmiedeeisen. Die Zahl der Hütten-
arbeiter betrug 15.


In der Nähe lag das oben erwähnte Rennwerk des Herrn von
Anthes
, 1721 aus einer Zeugschmiede entstanden, aber ohne Kon-
zession. Es umfaſste 1 Frischfeuer und 1 Aufwerfhammer, verarbeitete
ca. 2000 Ctr. Roheisen aus der Freigrafschaft und erzeugte 1520 Ctr.
mit 411 Klftr. Holz, die 27000 Liv. erzielten.


Das Eisen der herrschaftlichen Hütte von Oberbrück wurde
groſsenteils in der Weiſsblechhütte von Wegscheid verarbeitet.
Diese war 1718 als die erste Weiſsblechhütte in Frankreich erbaut
worden und gehörte ebenfalls der Marquise von Rosen. Sie war
seit 1720 mit besonderen Privilegien, namentlich zollfreier Ein- und
Ausfuhr von Eisen und dem Rechte, sich königliche Fabrik zu nennen,
ausgestattet worden. Sie machte 1785 1300 Faſs (barriques) Weiſs-
blech für 135000 Liv. Ein Faſs kam auf 135 Liv. und konnte nur
nach Frankreich verkauft werden, weil im Elsaſs deutsches Weiſsblech
billiger war. In Frankreich wurde es dem deutschen vorgezogen.
Das Zinn kam von Holland, der Centner kostete 120 Liv., und man
rechnete 18 Pfd. auf ein Faſs. Die angeführten von Rosenschen
Eisenwerke konnten ⅓ mehr produzieren, wenn sie nicht an Holz-
mangel litten.


Im Thale von St. Amarin lag die Gieſserei von Steingraben in
Trümmern. Die Zeugschmiede von Willers machte etwa 300 Ctr.
Kleineisenzeug. Am Ausgang des Thales lag der Hochofen von Bitsch-
weiler
oder Rudensthal, welcher 1739 von dem Kapitel von Mur-
bach errichtet, jetzt aber von M. Laurent gepachtet war. Auſser dem
Hochofen war eine Hufschmiede und ein Rennfeuer (renardière) vor-
handen. Der Hochofen erzeugte 11000 Ctr. Roheisen aus 9000 bis
10000 Küb. Erz, wovon ein Kübel 400 Pfd. wog und 30 s. kostete.


Der Eisenhammer von Saint-Weiler gehörte, wie der vor-
erwähnte Hochofen, 1785 dem Herrn von Gebweiler und war an
M. Laurent verpachtet. Er hatte 2 Frischfeuer und 1 Reckhammer
und fabrizierte 6000 Ctr. Grobeisen und 2000 Ctr. Zaineisen im Werte
von 138000 Liv. In der Nähe lag noch der alte Hammer von Thann,
der schon vor 1723 betrieben wurde. Er verarbeitete 1500 Ctr. Roh-
eisen von Massevaux und Schrott, erzeugte etwa 1200 Ctr. zu 21000 Liv.


Im Thal von Münster lag der Pfannen- und Zeughammer von
Münster; ähnliche waren bei Colmar und Kaisersberg, die sämtlich
[1027]Frankreich.
Schrott verarbeiteten und durch die zollfreie Einfuhr deutscher
Pfannen schwer zu leiden hatten.


Im unteren Elsaſs erwähnen wir zuerst den Stahlhammer von
Dambach1), der vom Baron von Mackau zu Hürtigheim angelegt
war. In der Alsatia illustrata werden bereits fodina chalybis circa
Dambacum genannt. 1737 erwarb von Mackau das Recht der
alleinigen Ausnutzung der Stahlerzgruben. Aber der Stahlhammer
rentierte nicht und ist verschwunden; ebenso der Eisenhammer von
Villé, den ein Herr von Zurlauben 1683 angelegt hatte.


Dagegen war die Eisenindustrie in der Grafschaft Steinthal (Ban
de la Roche) durch Baron von Dietrich in Blüte gebracht worden.
Die bedeutenden Eisenerzgruben bei Rothau hatten im 16. Jahr-
hundert dem Herrn von Rathsamhausen gehört, vermutlich auch
die alte Eisenhütte daselbst. Diese ging infolge des 30jährigen
Krieges und der schlechten Verwaltung der Pfalzgrafen, welche die
Lehnsherren waren, zu Grunde. 1720 kam das Lehen an Herrn von
Angervilliers
, der 1724 eine Konzession zur Gründung einer Eisen-
hütte erhielt. Der unternehmende Eisenindustrielle Johann von
Dietrich
, Besitzer der Eisenhütte Jägerthal, den der deutsche Kaiser
Franz I. schon 1762 wegen seiner Verdienste um die Industrie zum
Reichsfreiherrn erhoben hatte, erwarb 1771 von König Ludwig XV.
von Frankreich das Lehen der Grafschaft Steinthal und damit der
Eisenbergwerke und Hütten von Rothau, die er zu groſser Blüte
brachte. Hierfür ernannte ihn 1783 König Ludwig XVI. zum Grafen
von Ban-de-la-Roche.


Der Hochofen von Rothau produzierte 1785 an 12000 Ctr. Roh-
eisen in Gänzen von 15 Ctr. Hierzu wurden verbraucht 5200 Kübel
Erz, der Kübel zu 760 Pfd. und zum Preise von 7 Liv., sowie 870 Wagen
Holzkohlen, der Wagen zu 170 Kubikfuſs, 4 bis 5 Klftr. Holz ent-
sprechend.


Das Hammerwerk von Rothau umfaſste 1 gröſseren und 1 klei-
neren Frischhammer und 1 Reckhammer. Diese erzeugten 7700 Ctr.
vorzügliches Schmiedeeisen, welches besonders von der Gewehrfabrik
Klingenthal gesucht wurde. Der Kohlenverbrauch entsprach 2083 Klftr.
Holz, der Verkauf erbrachte 150000 Liv., die Zahl der Hüttenarbeiter
betrug 35.


Auf dem Hammer von Barr versuchte ein Herr Diebold Stahl
65*
[1028]Frankreich.
zu machen und Sensen und sonstige Waren nach steierischer Art zu
schmieden, aber das Unternehmen ging zu Grunde.


Die berühmte königliche Waffenfabrik zu Klingenthal war 1730
von Herrn von Anthes gegründet worden. Sie stand in flottem
Betriebe, bis sie im 7jährigen Kriege durch Lieferung schlechter
Waffen in Miſskredit kam. Der Herzog von Choiseul suchte sie
wieder in Blüte zu bringen, was aber dem Direktor Gau erst nach
20jähriger Mühe gelang. Um 1785 konnten die Klingenthaler Waffen
sich sehr wohl mit den Solinger messen. Das Werk lieferte alle
Arten von Waffen für die Armee und brachte noch groſse Mengen
von blanken Waffen in den Handel. Die königliche Regierung lieſs
fortwährend die Fabrikation durch Offiziere kontrollieren. Das Eisen
wurde in 9 Nummern von Rothau bezogen, der Rohstahl kam von
Siegen und wurde zu Klingenthal raffiniert. Für die Glühöfen wurden
besonders Steinkohlen von Saarbrücken verwendet. Die zahlreichen
und ausgedehnten Werkstätten erstreckten sich ½ Wegstunde lang.
Der Erlös des Werkes, das dem Kriegsministerium unterstellt war,
betrug 160000 Liv., davon 120000 bis 140000 Liv. für Rechnung des
Königs und 20000 bis 30000 für Rechnung von Privaten. Die Zahl
der Arbeiter betrug 200.


Im Thal von Schirmeck lag das alte Rennwerk von Grendel-
bruch
, das in einem Frisch- und einem Reckfeuer Schrott und alten
Guſs verarbeitete und daraus Stäbe, Radschienen u. s. w. schmiedete.
Schrott kostete 6 Liv., alter Guſs 4 bis 5 Liv. der Centner. Es ver-
brauchte 100 Wagen Holzkohlen zu 50 Liv. der Centner und erzeugte
1000 Ctr.


Die Hämmer bei Aberschweiler und Neudorf im Soldatenthal
waren unbedeutend: der alte Drahtzug zu Gantzau bei Straſsburg war
eingegangen. Die Reckhämmer bei Weiſsenburg und Landau waren
ohne Bedeutung.


Dagegen war die Hochofen- und Hammerhütte zu Jägerthal
eine der wichtigsten für die Eisenindustrie des Elsaſs. Dieses Eisen-
werk war 1602 von dem gräflich hanauischen Bergrichter Adam
Jäger
auf hanauischem Gebiete begründet und nach ihm benannt
worden. Es liegt nicht weit von Niederbronn am Bache Winstein
und zahlte 50 Liv. jährlich an die Herren von Dürkheim für das
Wasserrecht. 1612 ging Jägerthal an die Herren Schwarzerden in
Weiſsenburg über, die so weiches Eisen machten, daſs es alle Kon-
kurrenz schlug. Im 30jährigen Kriege wurde es zerstört. 1672 gab
es der Graf von Hanau einem gewissen Ensinger, von diesem
[1029]Frankreich.
erwarb es ein Herr von Dietrich, der 1690 vom Grafen von
Hanau
eine neue Verleihung auf Erbpacht gegen jährlich 1000 Liv.
Silber und 12 Ctr. Eisen erhielt. Auch durfte der Pächter alles
Bau- und Kohlholz aus den hanauischen Waldungen beziehen, und
zwar das nötige Bauholz umsonst, das Holz zur Meilerverkohlung zu
2 Sous 8 Pfg. das Klafter. Die gräfliche Familie von Leiningen
(Linange)
war Mitbesitzerin der Herrschaften Niederbronn und
Jägerthal, und die Erben führten deshalb Prozesse. Es gelang Baron
Johann von Dietrich, das alleinige Besitzrecht von Niederbronn
und die Hälfte von Jägerthal zu erwerben. Auf der Hütte zu Jäger-
thal hatte er freie Hand und allein zu bestimmen, weil er gleichzeitig
Erbpächter und Besitzer der Hälfte war und die Gräfin Löwen-
haupt
, welcher der Besitz der anderen Hälfte zustand, diesen nicht
ausüben konnte, weil sie das auf sie entfallende Anteil der Kosten
der Verbesserungen des Hüttenwerkes nicht bezahlte.


Die Anlage bestand aus verschiedenen Hammerwerken. Das
älteste, das 2 Reckhämmer enthielt, lag am Flüſschen Winstein,
unterhalb des Schlosses gleichen Namens. Es arbeitete 1785 mit
Steinkohlen. Weiter unterhalb befand sich ein groſser Hüttenteich,
unter diesem das Hauptwerk mit 8 Feuern und 2 schweren Hämmern,
die fortwährend in Thätigkeit waren und das enge, malerische Win-
steiner Thal mit ihren Schlägen erfüllten. Weiter abwärts erweiterte
sich das Thal und hier lag der Hochofen mit dem Direktionsgebäude,
Pochwerk, Kalkhammer u. s. w. Der Hochofen von Jägerthal erzeugte
jährlich an 11000 Ctr. Roheisen in Gänzen (en gueuses), wozu
16000 Maſs Eisenerz und 1000 Wagen Holzkohlen verbraucht wurden.
Ein Wagen faſste 159 Kubikfuſs; 1 Kübel Erz wog 260 Pfd. und
kostete 27 Sous und gab 72 Pfd. Guſs, entsprechend 27 Proz. Erz
und Holz kamen aus den benachbarten Gebieten der Hanauer und
Niederbronner Herrschaft.


Der Jägerthaler Hammer machte etwa 7500 Ctr. Schmiedeeisen
mit 800 Wagen 1) Holzkohlen, wozu er das Holz aus dem Reichsforst
von Hagenau kaufen muſste. Das Eisen war von besonderer Güte
und wurde von der französischen Artillerieverwaltung bevorzugt.


1767 gründete der unternehmende Johann von Dietrich die
Hütte von Reichshofen. Er that dies, um die Anlage der von dem
Kloster Stürtzelbrunn projektierten und 1764 bereits begonnenen Hütte
am Teiche von Graffenweyer in Lothringen, dicht an der elsäſsischen
[1030]Frankreich.
Grenze, welche dem Jägerthal das Wasser entziehen konnte, zu ver-
hindern. Da die Abtei von Stürtzelbrunn dadurch nur eine bessere
Verwertung ihrer Wälder beabsichtigte, so lieſs sie das Projekt gern
fallen, nachdem Baron von Dietrich sich vertragsmäſsig verpflichtet
hatte, jährlich 4200 Klftr. Holz gegen eine ewige Rente von 15000 Liv.
zu beziehen. Er erwarb zu dieser Holznutzung aus 10000 Morgen
Klosterwald eine weitere von 3000 Morgen der königlichen Waldungen.
Infolge dieser Vereinbarungen wurden die angefangenen Bauten zu
Graffenweyer wieder abgetragen und mit groſsem Kostenaufwand die
Hochofenhütte von Reichshofen erbaut, die damals als die schönste
Frankreichs galt. Sie lag an der Straſse von Hagenau nach Bitsch
und umfaſste zwei zusammengebaute Hochöfen mit einer gemein-
schaftlichen Gieſshalle. Die Gicht jedes Ofens war durch eine Rampe
leicht zugänglich gemacht. Ferner gehörten dazu zwei groſse Kohlen-
schuppen, Arbeiterwohnhäuser u. s. w. Sie erzeugte 22000 Ctr. Guſs-
eisen mit 2000 Wagen Kohlen. Der Zuschlagskalk kam aus der
Nachbarschaft.


Nach Jägerthal zu erbaute Baron von Dietrich in demselben
Jahre das Hammerwerk Rauschendwasser, welches bis 1890 im
Betriebe stand. Es enthielt 1 Zainhammer (fenderie) und 1 Blech-
walzwerk nach dem Muster des zu Neuwied am Rhein betriebenen
(un atelier où la tôle est laminée au cylindre, à l’imitation de ce
pratiqué aux fabriques de Neuwied). Es war dies noch 1787 das
einzige in Frankreich, und Baron J. von Dietrich gebührt der
Ruhm, diese wichtige Industrie dort eingeführt zu haben. Bei dieser
Fabrikation wurden nur Steinkohlen verwendet. Zu Rauschendwasser
in dem engen Felsenthale des Winsteinflusses wurde dann auch noch
eine Frischhütte mit Grob- und Reckhammer angelegt.


Das andere bedeutende Hammerwerk, welches zu den Hochöfen
von Reichshofen gehörte und welches Baron Johann von Dietrich
1769 errichten lieſs, weil Rauschendwasser nur einen Teil des erzeug-
ten Roheisens verarbeiten konnte, war bei Niederbronn. Es wurde
später das wichtigste der von Dietrichschen Werke und ist noch
heute der Sitz der Firma de Dietrich \& Co. 1) und das gröſste
Eisenwerk (Gieſserei) im Elsaſs.


[1031]Frankreich.

Die Anlage zu Niederbronn bestand aus verschiedenen einzelnen
Hammerwerken, die in dem Thale von Bitsch malerisch zerstreut
lagen. Zuerst traf man auf 2 Reckhämmer, die mit Steinkohlen be-
trieben wurden und die ihr Aufschlagwasser durch einen Kanal vom
Niederbronner Bache aus erhielten. Gleich unterhalb des Hütten-
teiches lagen parallel 2 Frischhütten, jede mit 2 Frischfeuern und
1 Aufwerfhammer. Bei jeder derselben war ein Kohlenschuppen und
Arbeiterkasernen. In der Nähe befand sich auch das Direktions-
gebäude. Niederbronn und Rauschendwasser sind für die gleiche
Erzeugung wie Jägerthal, nämlich zusammen für 14000 Ctr. Schmiede-
eisen, eingerichtet, wozu 1600 Wagen Holzkohlen erforderlich waren.
Die drei Werke zusammen konnten 21000 Ctr. Eisen im Werte von
400000 Livres liefern, was nur durch ein groſses Betriebskapital und
die ausgedehnten Holznutzungen möglich war.


Die letzte Eisenhütte, welche Baron Johann von Dietrich mit
der Herrschaft Oberbronn im Jahre 1766 zum Teil und einige Jahre
später ganz erworben hatte, war der Hochofen und Eisenhammer von
Zinsweiler an der Zinsel bei Oberbronn. Dieses Werk bestand
schon im Anfange des 17. Jahrhunderts und gehörte den Grafen
von Leiningen (Linange). Die Hütte war gut gebaut und schön
angelegt. Der Hochofen lag gleich neben der Frischhütte am Abhang, so
daſs die Gicht leicht zugänglich war. Der gröſste Teil der Produktion
bestand in Guſswaren. Die Frischhütte enthielt 4 Feuer und 2 Auf-
werfhämmer (gros marteaux à drôme), dabei war das Direktions-
gebäude; ½ Stunde unterhalb lag ein Reckhammer.


Die Produktion an Guſswaren (fonte ouvragée) betrug 7000 bis
8000 Ctr. Es waren dies besonders Platten, Kamine, runde und vier-
eckige Öfen, Töpfe, Gewichte u. s. w. Zinsweiler war damals die
einzige Hütte im Elsaſs, welche diese Waren machte. Der Überschuſs
des Guſseisens und der Guſsbruch wurden in den Frischfeuern zu
Schmiedeeisen verarbeitet, wovon 2000 bis 3000 Ctr. jährlich gemacht
1)
[1032]Frankreich.
wurde. Der Erlös des Werkes belief sich auf 130000 Livres. Der
Verbrauch an Holzkohlen betrug an 1300 Wagen.


Nachstehende Zusammenstellung giebt die Erzeugung, Kohlen-
verbrauch, Erlös und Arbeiterzahl sämtlicher Eisenhütten des Barons
Johann von Dietrich im Jahre 1785.


Es sind nur die eigentlichen zünftigen Eisenarbeiter gezählt; mit
den Tagelöhnern, Fuhrleuten u. s. w. betrug die Zahl der Arbeiter auf
den Hütten 618, dazu kamen 300 Bergleute, zusammen 918 Arbeiter.


Nach dieser mehr statistischen Aufzählung der wichtigsten fran-
zösischen Eisenwerke wenden wir uns zu der Geschichte der Ver-
wendung der Steinkohlen bei dem Eisenhüttenwesen in Frankreich.
Ältere Versuche hatten nach von Courtivron und Bouchu nur
schlechte Erfolge gehabt, wie Bouchu meint, hauptsächlich deshalb,
weil man den Kohlen nicht die Zubereitung gegeben habe wie in
England, wo man durch eine Art Röstung den Schwefel austreibe.
1769 gelang es dem Bruder von Gabriel Jars, in einem Kupfer-
schmelzofen auf der Hütte zu Sainbel mit Erfolg Koks zu verwenden.
Eisen mit Koks zu schmelzen vermochte dagegen erst später M. de
Morveau
auf der Hütte zu le Creusot bei Montcénis (Depart. Saône
et Loire).


Die Eisenwerke von Le Creusot (Creuzot) spielen in der
neueren Geschichte der französischen Eisenindustrie eine ganz beson-
ders wichtige Rolle. Dort befand sich eine Geschützgieſserei, welche
man 1776/78 sehr zu vergröſsern begann, wobei man gleichzeitig
die Verwendung der in der Nähe befindlichen Steinkohlen ins Auge
faſste. Zu diesem Zwecke hatte man (nach Ferber) 1) den Engländer
[1033]Frankreich.
William Wilkinson, einen Bruder von John Wilkinson, den
berühmten Eisenwerksbesitzer in Bedfordshire, berufen, welcher „vor
10 oder 12 Jahren“, also um die oben angegebene Zeit, ein Eisen-
werk nach englischer Art, welches durch Feuermaschinen
und mit Steinkohlen betrieben wurde
, anlegte 1), wobei der
König mit ⅔, die Gewerken mit ⅓ beteiligt gewesen wären.


Die Beteiligung des Königs geschah nach Baron de Dietrich
in der patriotischen Absicht, die Benutzung der Steinkohlen zu för-
dern, um die Wälder Frankreichs, die besonders durch die Eisen-
industrie immer mehr gelichtet wurden, zu erhalten.


Die Anlage soll gegen 8 Millionen Livres gekostet haben. Man
muſs aber auch bekennen, schreibt Ferber weiter, daſs die
Maschinen, wozu die Cylinder und anderes Guſswerk aus England
gekommen sind, von vorzüglicher Schönheit sind. Herr Wilkinson
hat selbst das Werk eingerichtet und demselben drei Jahre lang
vorgestanden. 1788 stand es unter der Leitung des vortrefflichen
Mitbegründers Ignatz de Wendel aus Lothringen, früher Artillerie-
offizier, desselben, der im Auftrage der französischen Regierung
mit Dangenaux 1769 Steiermark und Kärnten bereist hatte und
der älteste Sohn von Charles de Wendel und der Madame
d’Hayange war.


Die Werke von Creusot hatten die Steinkohlen in unmittelbarer
Nähe; dies war die Veranlassung zu ihrer Gründung, wie zu ihrer
späteren Bedeutung. Die Eisenerze, welche man ebenfalls dort
gewann, hätten für sich allein die groſsartige Anlage nicht gerecht-
fertigt, denn sie waren von geringer Qualität. Ferber hält die
Gründe, welche zu der Anlage des Werkes führten, für verkehrt, die
geschichtliche Entwickelung hat ihm aber, wenigstens für die neuere
Zeit, Unrecht gegeben. Er war der irrigen Ansicht: weil das Erz von
Montcénis leichtflüssig sei, müsse, bei der groſsen Hitze in den Koks-
hochöfen, alles Eisen in die Schlacken gehen.


Das Erz war ein roter, kalkhaltiger Eisenstein, der bei Chalan-
cés in Burgund, einige Stunden von Creusot, gewonnen wurde und
nach der Untersuchung Bayens aus 50 Tln. Kalk, 13 Tln. Thon
[1034]Frankreich.
und 37 Tln. Eisenoxyd bestand. Zu dem Werke gehörten 4 Hoch-
öfen, 2 einfache und 1 doppelter, 5 Flammöfen zum Umschmelzen
des Roheisens, eine groſse Gieſserei und Kanonenbohranstalt. In
Verbindung mit dem Kohlenbergwerke hatte man überall englische
Schienenwege mit guſseisernen Schienen auf hölzernen Schwellen an-
gelegt 1). Weil diese von Wilkinson erbaute Eisenbahn die erste
auf dem Kontinente war, hat man ihm irrtümlicherweise auch die
Erfindung derselben zugeschrieben. Die Räder der Hunde waren
ebenfalls von Guſseisen und drehten sich mit der Axe unter den
Wagen. Die Abschwefelung der Kohlen geschah in langen Haufen,
welche in der Mitte angesteckt wurden. Die Stellen des Meilers, die
gar waren, wurden mit Lösche oder Erde fest zugedeckt. Um aber
auch den Kohlengries verkoken zu können, hatte man vier Bienenkorb-

Figure 236. Fig. 231.


Öfen gebaut (Fig. 231) mit einer
Öffnung in der Mitte des Ge-
wölbes, welche durch eine Klappe
geschlossen werden konnte. Un-
ten befanden sich verschiedene
Öffnungen, welche geschlossen
wurden, sobald die Koks gar
waren, um das Feuer zu ersticken.


Alle vier Hochöfen hatten fol-
gende Maſse: Ganze Höhe 12,01 m,
Höhe des Gestelles 1,62 m, der
Rast 4,22 m, des Schachtes 6,17 m;
Durchmesser des Gestelles über der Form 0,89 m, der Rast 3,24 m,
des Gestelles 1,19 m 2). Sie waren also weit gröſser als die in Frank-
reich sonst üblichen Öfen; drei derselben waren 8 Fuſs in der Gicht weit,
während einer nur 3 bis 4 Fuſs Gichtweite hatte. Dieser engere Ofen
soll sich besser bewährt haben. Die Zustellung war aus feuerfesten
Sandsteinen. Der Herd war stark ablaufend (nach schwäbischer Art,
wie Ferber sagt), die Rast steil, die Gichtöffnung war durch einen
Guſskranz umschlossen, der in der Ebene des Gichtbodens lag, also
nicht übermauert; der Kernschacht war aus feuerfesten Ziegeln
aufgeführt. Der Thon dazu wurde ebenfalls in der Nähe von
Creusot gegraben. Das englische Cylindergebläse haben wir bereits
früher beschrieben. Ein Gestell pflegte 30 bis 48 Wochen zu halten.
[1035]Frankreich.
Die Schlacken waren rein und glasig, aber das Eisen war unrein,
was sowohl an den Erzen als an dem Koks lag. Es war nicht so
flüssig, daſs es direkt vergossen werden konnte, sondern es muſste
häufig wie Eisensauen aus dem Herde herausgezogen werden. Zum
Vergieſsen muſste es zuvor in Reverberieröfen umgeschmolzen werden.


Baron de Dietrich schrieb 1786: vier Hochöfen von 39 Fuſs
Höhe schmelzen bei Montcénis Eisenerze mit Koks. Fünf Feuer-
maschinen sind jetzt bereits zu Creusot in Thätigkeit, die teils die
Kohlen aus der Erde fördern, teils den Wind in die Öfen blasen,

Figure 237. Fig. 232.


teils die schweren Hämmer der
Schmiede bewegen. Die starken
Dampfgebläse verstärken die Pro-
duktion der Hochöfen so sehr,
daſs die vier Hochöfen bei
Montcénis 10 bis 11 Millionen
Pfund Roheisen im Jahre liefern
werden, was zehn der früheren
Hochöfen kaum zu leisten ver-
möchten. Die gröſsten Blase-
bälge unserer alten Hütten (for-
ges) geben 500 Kubikfuſs Wind
in der Minute. Acht solcher Ge-
bläse für die vier Hochöfen wür-
den also 2000 Kubikfuſs geben,
während die drei durch englische
Feuermaschinen getriebenen Ge-
bläse 9000 Kubikfuſs Wind lie-
fern. Die vier Gieſsereiflamm-
öfen können 12000 Pfd. Eisen in
einem Gusse gieſsen.


In Fig. 232 ist der Guſsflamm-
ofen nach Ferbers mangelhafter
Skizze abgebildet. Zum Gieſsen brauchte man groſse eiserne, mit
Lehm ausgeschmierte Kessel, welche an einem Krahn hingen und von
zwei Hebearmen regiert wurden. Das im Flammofen umgeschmolzene
Eisen war zwar reiner und besser als das Eisen aus dem Hochofen,
für feine Lehmguſswaren taugte es aber nicht, und auch die Kanonen
hielten meist die doppelte Ladung nicht aus. Der Formsand wurde auf
einem Kollergange gemahlen. Der Lehmmantel der Kanonenformen
wurde noch durch einen vielfach verschraubten eisernen Mantel gehalten.


[1036]Frankreich.

Kanonen wurden in solchen eisernen Mantelformen massiv ge-
gossen und dann ausgebohrt. Die Bohrmaschinen wurden durch ein
oberschlächtiges Wasserrad, dessen Aufschlagwasser aber nach eng-
lischer Manier durch eine Feuermaschine erst hoch gepumpt wurde,
bewegt. In derselben Weise wurden die Drehbänke in Le Creusot
betrieben.


Bereits im Jahre 1770 hatte der Engländer Wilkinson in der
Kanonengieſserei zu Indre (Depart. Loire inferieure) Flammöfen nach
englischem Muster und die Sandformerei eingeführt. Auch zu diesem
Unternehmen hatte der König bedeutende Vorschüsse geleistet.


Das Frischverfahren zu Creusot war ebenfalls ganz nach eng-
lischer Art eingerichtet und von dem sonst in Frankreich gebräuch-
lichen durchaus abweichend. Man bediente sich dabei nur (?) der
Steinkohlen. — Das Frischen wurde nach zwei verschiedenen Methoden
ausgeführt. In drei Frischfeuern, welche nach deutscher Art gebaut
waren, schmolz man Roheisen ein und machte daraus unausgeschmiedete
Frischeisenluppen, von denen daher viele des Tags gemacht werden
konnten. In zwei anderen Frischfeuern machte man raffiniertes Frisch-
eisen nach englischer Art in folgender Weise: man schmolz das Roh-
eisen im Herde ein, lieſs es aber nicht zu einer Luppe sich sammeln,
sondern nahm es in Brocken, wenn das Eisen eben zu garen anfing,
heraus. Dabei lüftete man oft, damit sich die Schlacke am Boden
ansetzen konnte. Diese rohen Brocken wurden mit einer Hand-
schaufel unter einen langsam gehenden Hammer gebracht und zu
kleinen Kuchen ausgeschmiedet. Um den vielen Abfall, der hierbei
entstand, aufzufangen, war der Amboſs mit einer runden Eisenscheibe,
ähnlich einem Teller, versehen. War nun eine gewisse Anzahl von
diesen Kuchen geschmiedet, so wurden sie in thönerne Kapseln oder
Tiegel von 1 Fuſs Höhe und 8 Zoll Weite dicht aufeinander gepackt
und alsdann in einen Reverberierofen eingesetzt. Dieser Reverberier-
oder Flammofen hatte einen horizontalen Herdboden, in welchem
nur zwei halbkugelförmige Vertiefungen angebracht waren, um die
Schlacken darin zu sammeln und von da abstechen zu können. Ent-
sprechend hatte der Flammofen zwei Einsetzthüren auf der langen
Seite, während sich die Feuerungsthür auf der schmalen Seite befand.
Die Feuerung geschah mit Steinkohlen, und wurde die Feuerthür mög-
lichst dicht verschlossen gehalten. Für den Betrieb der oben erwähnten
fünf Frischherde waren zwei Reverberieröfen vorhanden, welche immer
abwechselnd betrieben wurden.


Durch eine jede Thür der Längsseite wurden jedesmal 20 Kapseln
[1037]Frankreich.
oder 20 Luppen um einen der ausgeschlagenen halbkugelförmigen Kessel
oder Vertiefungen gesetzt, und kamen also auf jede Schicht 40 Luppen
oder ungefähr 40 Ctr. Frischeisen in den Reverberierofen. Die Thüren
wurden alsdann fest verschmiert. Nach einer Stunde wurde aus den
kesselförmigen Vertiefungen die Schlacke abgestochen, was bei sehr
saftigem Eisen noch einmal wiederholt werden muſste. Nach Verlauf
von 2 bis 3 Stunden waren sämtliche eingesetzte Eisendeule gar
geworden. Die Thüren wurden geöffnet, ein Deul nach dem anderen
herausgenommen und unter einem schweren, gegossenen Hammer zu
Schirbel gezängt. Nach jedem Herausnehmen wurde die Thür wieder
geschlossen. Das Kapseleisen war in den Kapseln zusammengebacken
und wurden die Kapseln zerschlagen. Die vorgeschmiedeten Schirbel
wurden in drei Feueressen, welche nur Löschherde hatten, ausgeheizt
und zu Stäben ausgereckt. — Sowohl in den Frischherden als in den
Schmiedeherden wurden kleine Koks als Brennmaterial verwendet. Wie
sich denken läſst, war das so erhaltene Schmiedeeisen sehr schlecht;
es hatte einen weiſsen, grobkörnigen, spröden Bruch, schmiedete sich
unganz und lieſs sich nur schwer schweiſsen. Das Kapseleisen war
besser als das Luppeneisen und sollte nach Ferbers Angabe in der
Folge nur noch Kapseleisen gemacht werden. Dieses Kapselfrischen
entsprach dem von Rinmann beschriebenen englischen Tiegelfrischen
(vgl. S. 668).


Die ganze Schilderung Ferbers von dem Frischverfahren zu
Creusot ist von groſsem historischem Interesse, weil sie uns die Me-
thoden des Verfrischens mit Steinkohlen vor der Erfindung des
Puddelprozesses von Cort genauer kennen lehrt. Aus den groſsen
Mängeln dieser Methoden kann man erst den groſsen Fortschritt,
welchen die Erfindung Corts brachte, richtig würdigen. Ferber
spricht sich natürlich von seinem Standpunkte als Holzkohlenhütten-
mann sehr abfällig über das ganze Verfahren aus. Wir bemerken
noch, daſs der Wind der Frischfeuer ebenfalls durch eine Feuer-
maschine und Cylindergebläse erzeugt wurde und daſs das Zängen und
Schmieden von zwei Aufwerf- und zwei Schwanzhämmern besorgt wurde.
Zu dem Werke gehörte noch eine Anzahl von Gebäuden, in welchen
sich die Modellierwerkstätten, die Bohr- und Drehbänke für die
Metallbearbeitung, eine Messinggieſserei für die Lager, Kolben u. s. w.
befanden. Auch in dieser befand sich zum Schmelzen ein englischer
Flammofen.


In der That scheint man allerdings die Fabrikation von Schmiede-
eisen nach dieser Methode in Creusot bald aufgegeben zu haben, da-
[1038]Frankreich.
gegen wurde die Kanonengieſserei namentlich während der Kriegszeit
um so stärker betrieben. Monge erwähnt, daſs 1794 drei Hochöfen
von 40 Fuſs Höhe in Creusot Roheisen mit Koks für die Kanonen-
gieſserei schmölzen. Daſs das Eisen brauchbar war, geht aus den
Zerreiſsungsproben hervor, welche man in Creusot damit anstellte.
Ein Ingot von 3 Zoll Quadrat und 15 bis 18 Zoll Länge wurde mit
dem einen Ende in einer eisernen Büchse befestigt und dann mit
einem belasteten Hebel auf Bruch- oder Abscherungsfestigkeit pro-
biert. Eine Belastung von 1500 Pfd. galt als hinreichend.


Der Guſs eiserner Kanonen gehörte überhaupt zu den Zweigen
der Eisenindustrie, welche sich die französische Regierung besonders
angelegen sein lieſs. Swedenborg hatte schon der Kanonengieſserei
des Herzogs von Nevers um 1730 und St. Remy 1745 der Hoch-
öfen zum Kanonenguſs in Perigord erwähnt. — Um die Mitte des
Jahrhunderts fing man an, Verbesserungen einzuführen. Besonderes
Verdienst erwarb sich der Marquis von Montalembert. Er war
es auch, der die Kanonengieſsereien in Perigord und Angoumois
nach 1741 errichtet hatte, um die französische Flotte mit eisernen
Geschützen und Geschossen zu versehen; er war es, der zuerst die
Erfindung des Schweizers Maritz, die Kanonen aus dem Vollen zu
bohren, auf die eisernen Kanonen übertrug. Hierzu erfand er be-
sondere dreieckige Bohrer. 1755 wurde Maritz selbst nach Frank-
reich berufen als Generalinspektor der königlichen Geschützgieſsereien.
Über seine Thätigkeit haben wir bereits S. 603 berichtet.


Grignon beschäftigte sich ebenfalls eifrig mit dem Gusse eiser-
ner Geschütze und machte verschiedene Vorschläge zur Verbesserung
desselben. Unter diesen ist der bemerkenswerteste sein Projekt, das
Roheisen für groſse Geschütze, statt im Flammofen, in einem 10 Fuſs
hohen Schachtofen umzuschmelzen. Derselbe sollte die Gestalt eines
Hochofens, aber eine viel weitere Zustellung im unteren Teile haben.
Gestell und Rast sollten dabei nicht voneinander getrennt sein. Dieser
Schmelzofen (s. S. 749) erinnert an die groſsen Kupoloöfen, wie sie
heutzutage beim Bessemerbetriebe verwendet werden. Zur Reinigung
des Eisens und um dasselbe durch eine teilweise Entkohlung fester
zu machen, empfahl er die Eintragung eines Gemenges von Salz und
Salpeter vor dem Abstich in die Gieſsgrube. Er nannte das so teil-
weise gefrischte Eisen — Eisenregulus, regule de fer. Obgleich die
Vorschläge Grignons sehr beachtenswert waren und auf 25jährigen
Erfahrungen und Versuchen basierten, so fanden sie in der Praxis
doch keine Anwendung.


[1039]Frankreich.

Grignon hatte auch Versuche gemacht, Kanonen aus Schmiede-
eisen herzustellen, und dieses Problem kam damals wieder eine Zeit-
lang auf die Tagesordnung. Auf einem Hammerwerk zu Guerigny
im Depart. de la Nièvre wurden Kanonen geschmiedet, die auch gut,
aber, ebenso wie die auf dem Eisenhammer zu Calvodo in Neu Casti-
lien geschmiedeten, zu teuer waren. Als Kuriosum tragen wir bei
dieser Gelegenheit nur nach, daſs schon 1745 St. Remy den Vor-
schlag gemacht hatte, schmiedeeiserne Kanonen durch Zusammen-
schrauben aus einzelnen Stücken herzustellen.


Einen groſsartigen Impuls erhielten gewisse Zweige der Eisen-
industrie durch die französische Revolution. Die neugeschaffene
Republik muſste ihre Existenz gegen das alte Europa verteidigen,
und da sie isoliert und von den früheren Bezugsquellen Frankreichs
abgeschnitten war, sah sie sich gezwungen, das kriegerische Rüstzeug
sich selbst und aus einheimischem Material zu beschaffen. In erster
Linie waren es die Waffenfabrikation und der Geschützguſs, welche
dadurch einen groſsartigen Aufschwung nahmen. Die besten Männer
stellten sich an die Spitze der nationalen Verteidigung, und besonders
war es der berühmte Mathematiker und Naturforscher Monge, der
den Geschützguſs leitete. Er schrieb ein vortreffliches Werk über
diesen Gegenstand, welches den Stempel seiner revolutionären Ent-
stehung auch darin zeigt, daſs in demselben besonders empfohlen wird,
Kirchen in Geschützgieſsereien und Bohrwerkstätten umzuwandeln, und
auf verschiedenen Tafeln genaue Entwürfe und Zeichnungen mitgeteilt
sind, wie dies am praktischsten auszuführen sei. Damals wurden die
Dampfmaschinen eingeführt und die Kanonenbohranstalten sehr ver-
bessert. Chaillot bei Paris war die erste Kanonengieſserei, deren
Werkstätte mit einer Wattschen Dampfmaschine betrieben wurde.


Die Einführung der Dampfmaschine in Frankreich war ein
wichtiges Ereignis. Genssane erwähnt, daſs es 1743 in Frankreich
drei Dampfmaschinen, d. h. atmosphärische Maschinen gab, welche für
Bergwerkszwecke dienten. Von diesen befanden sich aber zwei im jetzigen
Belgien. Eine war zu Fresne bei Condé, eine zu Sars bei Charleroy,
wo sie zur Wasserhaltung eines Kohlenbergwerkes verwendet wurde,
und eine bei Namur auf einer Bleigrube; alle drei waren in England
fabriziert.


Die erste Wattsche Dampfmaschine kam (nach Prony) 1780
durch Perrier nach Frankreich und wurde von diesem zu Chaillot
zum Betriebe eines Pumpwerkes verwendet. Es war dies noch eine
einfach wirkende Maschine. Nach demselben Modell baute Perrier
[1040]Frankreich.
eine zweite Maschine zu Chaillot und eine zu Gros-Caillou. 1788
studierte von Bettancourt die Wattsche verbesserte Dampf-
maschine in England, fertigte dann ein Modell einer doppeltwirkenden
Maschine, nach welcher Perrier 1790 eine Maschine erbaute. In
Creusot arbeiteten 1785 fünf englische Dampfmaschinen.


Auſser der Waffenfabrikation wendete die französische Republik
der Stahlfabrikation ihre ganz besondere Aufmerksamkeit zu.
Frankreich war arm an guten Stahlerzen und deshalb gezwungen,
seinen besseren Stahl ganz aus dem Auslande zu beziehen. Gerade
deshalb bemühten sich aber sowohl die Regierung wie die Techniker,
guten Stahl in Frankreich zu erzeugen. Reaumurs Untersuchungen
und Bestrebungen gingen von diesem Punkte aus, und er hatte
auch in seinem berühmten Werke über die Stahlbereitung aus
Schmiedeeisen den Weg gezeigt. Aber die französische Industrie
war der Aufgabe nicht gewachsen. — Den besseren Stahl bezog
Frankreich namentlich aus Deutschland. Er ging unter dem Namen
ungarischer Stahl — acier de Hongrie, kam aber meist aus Kärnten
und Steiermark; im 18. Jahrhundert kam aber auch viel acier de
Hongrie aus der Grafschaft Mark. Den gewöhnlichen Stahl machte
man in Frankreich selbst und zwar in verschiedenen Provinzen und
Städten, besonders zu Vienne und zu Rive in der Dauphiné, zu Cla-
mecy in der Auvergne, zu Saint-Dizier in der Champagne, zu Nevers,
la Charité-sur-Loire, in der Umgegend von Dijon und von Besançon
und zu Veson in Burgund. Über die Stahlfabrikation im Departement
d’Isère, verglichen mit der in Nièvre und in Kärnten, haben Baillet
und Rambourg 1795 ausführliche Nachrichten veröffentlicht 1).
Früher ging der französische Stahl unter den Namen Loret, Clamecy
und Limousin. Ludwig XIV. hatte versucht, die einheimische Stahl-
industrie dadurch zu heben, daſs er hohen Eingangszoll auf den aus-
ländischen Stahl legte. Unter dem Schutze dieses Zolles waren aller-
dings zwei Stahlfabriken in den Ostpyrenäen entstanden 2); aber einen
wirklichen Erfolg hatte die Maſsregel nicht, sondern schädigte nur
die Stahlwarenindustrie, namentlich die Messerfabrikation. Man setzte
deshalb den Zoll 1702 von 12,41 Frcs. pro 100 kg auf die Hälfte
herab und kehrte 1704 wieder zu dem alten Zoll von 1664 von
2,41 Frcs. pro 100 kg zurück. Eine andere Maſsregel zum Schutze
der inländischen Stahlindustrie war die, auf dem Verordnungswege
[1041]Frankreich.
die Anwendung französischer Stahlsorten vorzuschreiben. So war 1743
in einem Reglement den Messerschmieden von Thiers vorgeschrieben,
daſs sich dieselben des Stahles von Rives bedienen muſsten 1). Der
Stahl von Rives wurde auch in der Gewehrfabrik von St. Etienne
verwendet.


Reaumurs Arbeiten über den Stahl, welche er 1715 begann
und 1720 und 1722 veröffentlichte, machten groſsen Eindruck und
übten bedeutenden Einfluſs aus. Die Cementstahlfabrikation bestand
damals bereits in Piemont und in England, sie wurde aber als ein
Geheimnis behandelt. Reaumur entdeckte dieses Geheimnis und be-
schrieb das Verfahren genau und ausführlich. Aber so vorzüglich seine
Vorschriften waren, so richtig er sogar das Wesen des Cementations-
prozesses erkannt hatte, so enthielt doch seine vortreffliche Schrift
einen Irrtum, der verhängnisvoll wurde, nämlich den, daſs das fran-
zösische Eisen für die Fabrikation gut und geeignet sei. Reaumur
wuſste, daſs die Engländer schwedisches Eisen verwendeten, er machte
selbst Versuche mit schwedischem Eisen und beobachtete, daſs das-
selbe ganz vorzüglich zur Cementstahlfabrikation geschickt war, aber
er stellte auch guten Stahl aus französischen Eisensorten dar, und
der Patriotismus veranlaſste ihn zu der Annahme, daſs es in Frank-
reich Eisensorten gäbe, aus denen sich ebenso guter Cementstahl her-
stellen lieſse, als aus schwedischem. An diese Behauptung klammerte
sich die öffentliche Meinung, die Regierung und die französische
Industrie. Die Folge war, daſs die französische Cementstahlfabri-
kation zurückblieb, mit der englischen nicht konkurrieren konnte und
zu Grunde ging.


Reaumur wies zwar selbst auf das schwedische Eisen hin und
bemerkte, daſs dasselbe sogar zeitweise in Paris billiger sei als ein-
heimisches, aber auf der anderen Seite versichert er, daſs es ihm
gelungen sei, mit französischen Eisensorten den besten Cement-
stahl zu machen: „Ich habe schon früher erwähnt, daſs, wenn man
unbedingt schwedisches Eisen verwenden müſste, dies kein Übelstand
wäre, indem dasselbe in unseren Häfen nicht teurer ist als das ein-
heimische. Aber wir sind weit entfernt von einer solchen Notwendig-
keit. Ich habe Eisen von Berry von verschiedenen Hammerwerken
mit bestem Erfolge versucht. Ich habe gute Versuche mit Eisen von
Nivernais gemacht. Man hat mir Eisen von Hämmern bei Maubeuge
geschickt, die sich in guten Stahl umwandeln lieſsen; man kann sich
Beck, Geschichte des Eisens. 66
[1042]Frankreich.
keinen besseren wünschen als den, den ich von den Eisensorten, die mir von
Vienne in der Dauphiné zugeschickt wurden, und die aus burgundischem
Roheisen hergestellt waren, gemacht habe; aus der Dauphiné kommt
auch das Eisen von Allevard, das sich vollkommen bewährt. Es giebt
in der Bretagne einen Hammer bei Painpont, dessen Eisen sich in
guten Stahl verwandeln lieſs. Das von dem Eisenwerke von Roc, in
Perigord, hat sich als gut erwiesen. Ich kenne gar kein Eisen, das
besser für Stahl wäre, als das von den Erzen von Biriaton in der
Landschaft Labour, nahe bei Bayonne. Und so könnte ich diese Auf-
zählung noch lange fortsetzen, aber es genügt zu sehen, daſs man in
den meisten Provinzen des Königreichs guten Stahl machen kann.“


Diese bestimmten Erklärungen erweckten in Frankreich um so
mehr den Glauben, daſs man mit einheimischem Eisen mindestens
ebenso gut Stahl machen könne als mit schwedischem, als sie zugleich
der nationalen Eitelkeit schmeichelten. Auch die Regierung stellte
sich auf diesen Standpunkt und schrieb nur Preise für Stahl aus
französischem Eisen aus. Nach dem Erscheinen von Reaumurs
Abhandlung wartete das Publikum mit Ungeduld auf die Erfüllung
der in Aussicht gestellten neuen Ära. Erst nach einiger Zeit bildete
sich unter hoher Protektion die Gesellschaft „Le manufacture royal
d’Orleans, pour convertir le fer en acier et pour faire des ouvrages
de fer et d’acier“.


Die Haupthütte wurde zu Cosne erbaut, das Bureau war in
Orleans, die Hauptniederlage in Paris, rue St. Thomas-du-Louvre.
Man glaubte am Ziele zu sein und erlieſs pomphafte Anpreisungen
des „Nouvel Acier de France“, der so gut sei wie der beste aus-
ländische und nur 10 Sols das Pfund koste. Wer nicht beste
Qualität erhalte, solle ihn zurückgeben gegen Rückzahlung des Kauf-
geldes. Aber der Erfolg blieb aus. Die Gesellschaft verlor ihr Ver-
mögen, löste sich auf und 15 Jahre nach der Veröffentlichung von
Reaumurs Abhandlung wurden die Stahlwerke zu Cosne nieder-
gerissen. Zwei kleinere Fabriken an der Schweizer Grenze, welche
Eisen der Franche-Comté verarbeiteten, hielten sich länger, aber auch
sie gingen nicht lange danach ein.


Inzwischen war in England die Guſsstahlfabrikation erfunden
worden, und die Cementstahlfabrikation kam dort in immer gröſsere
Blüte. Die französische Regierung schickte Gabriel Jars nach
England. Sein Reisebericht hat am meisten Licht über die fremde
Fabrikation verbreitet. Er hob hervor, daſs das einzige und alleinige
Eisen, welches man in England für die Cementstahlfabrikation für
[1043]Frankreich.
geeignet gefunden habe, das schwedische sei. Man machte nun auch
in Frankreich Versuche mit schwedischem Eisen, die aber nicht günstig
ausfielen, teils weil man die richtigen Sorten nicht wählte, teils weil
man zuviel Wert auf die von Reaumur angegebenen Beimengungen
des Cementpulvers, Öl und Seesalz, legte, welche die Sache durchaus
nicht verbesserten. Jars wurde nun auch nach Schweden geschickt,
wo er sich überzeugte, daſs die Engländer „nur die stählende Kraft
des Eisens in dem schwedischen Eisen so hoch bezahlten“. Man ging
nun auch in Frankreich ernstlich zu der Verwendung von schwe-
dischem Eisen über, und der Erfolg blieb nicht aus.


Neronville war 1778 das einzige Werk in Frankreich, das
feinen Stahl im groſsen lieferte. Die Öfen waren ganz nach englischer
Manier für einen Einsatz von 40000 kg gebaut und verarbeiteten nur
schwedisches Eisen. Die alten Anschauungen waren aber dadurch nicht
ausgetilgt; im Gegenteil verletzte es das französische Nationalgefühl,
daſs man trotz Reaumur den Engländern nachbeten muſste. Grignon,
der groſse Autorität besaſs, griff die Direktion von Neronville an und
wurde unterstützt durch die Ideeen Buffons, der die Ansicht vertrat,
auf die Natur der Erze komme es gar nicht an, sondern nur auf ihren
Eisengehalt und die Arbeit, indem man durch entsprechende Behand-
lung aus jedem Erze jede Eisensorte herstellen könne. Infolgedessen
erhielt Grignon den Auftrag, vergleichende Versuche mit französi-
schem, schwedischem, sibirischem und spanischem Erz anzustellen, und
wählte man dazu die Hütten des Herrn von Buffon und Neron-
ville. Grignons Resultate bestätigten angeblich seine Ansichten.
Die seitherige Praxis wurde verurteilt und die Industrie beugte sich
dem Urteilsspruche Grignons. Seit der Zeit ging das Stahlwerk
von Neronville immer mehr zurück, bis es gegen 1792 ganz einging.
Grignon war kein unparteiischer Sachverständiger, denn er hatte
seine Ansichten über die vorzügliche Stahlnatur des französischen
Eisens in der Einleitung zu seinen Abhandlungen schon früher
bestimmt ausgesprochen. Bei den Versuchen wählte er nur das beste
französische Eisen aus, während er beliebiges schwedisches und rus-
sisches Eisen nahm, dessen Ursprung er, wie er selbst sagte, nicht
kannte und das augenscheinlich geringer Qualität war. Der Zweck
der Versuche war auch keine objektive Vergleichung, sondern die
Bestätigung einer herrschenden vorgefaſsten Meinung. Jede Provinz
wollte jetzt mit einem Male das beste Stahleisen besitzen. Es ent-
stand eine förmliche Aufregung. Ein Dr. Nicolas, Mediziner und
Professor der Chemie, trat für die Güte des lothringischen Eisens
66*
[1044]Frankreich.
ein. Er stellte die Wahrheit geradezu auf den Kopf, indem er
behauptete, die Verwendung des schwedischen Eisens habe nur ihren
Grund in dem krassen Vorurteile der Fabrikanten. Er wolle mit
einheimischem Eisen den Stahl ein Dritteil billiger herstellen. Diderots
Meinung, die er in der Encyklopädie aussprach, daſs es wohl an dem
Stoffe des französischen Eisens liegen müsse, daſs man daraus keinen
feinen Stahl machen könnte, galt als überwundener Standpunkt.
Duhamel lieſs sich im patriotischen Eifer sogar zu der unsinnigen
Behauptung hinreiſsen, man könne aus französischem Eisen zweiter
Sorte besseren Stahl machen als den englischen und den deutschen.
Er ziehe das pyrenäische Eisen dem schwedischen vor, und die mitt-
leren Eisensorten von Perigord, Berry und Angoumois gäben den
besten Stahl, wenn man die Luppen noch einmal umschmelze.


Das gröſste Stahlwerk Frankreichs im vorigen Jahrhundert, das
von Amboise, wurde 1782 gegründet, als Ruffec einging und Neron-
ville in falsche Bahnen einlenkte. Sanche, ein Edelsteinhändler,
der feinen Stahl brauchte und aus England bezogen hatte, gründete
mit dem Kapitalisten Patry die Fabrik zu Amboise. Bis Mai 1783
hatten sie nur schwedisches Eisen verarbeitet und gute Resultate
erzielt. Sobald sie aber den Betrieb im groſsen begannen, muſsten
sie einheimisches Eisen verwenden, weil der Staat nur in diesem
Falle Unterstützung versprochen hatte. Vier Jahre lang suchten sie
nun mit Fleiſs und Kosten nach einer brauchbaren Sorte, aber ohne
Erfolg. Inzwischen führten sie unter der Hand ihren Betrieb mit
schwedischem Eisen weiter. An die Regierung berichteten sie, aus
gewissen Eisensorten von Berry lieſse sich bei besonderer Sorgfalt
ein Stahl erhalten, der so gut sei wie der aus schwedischem Eisen.
Sie entschuldigten sich, daſs sie dennoch mit schwedischem weiter
arbeiteten. Zunächst genüge es, den Nachweis geführt zu haben.
Um die Sache auszubreiten, müſsten sie die richtigen Eisensorten
selbst darstellen, dazu besäſsen sie aber die Mittel nicht. Auf günstige
Berichte von Sage, Vandermonde, Monge, Berthollet und Baron
Dietrich bewilligte die Regierung alle geforderten Privilegien.
Daraufhin wurde die Stahlfabrik zu Amboise unter dem Titel Manu-
facture royal d’acier fin et fondu gegründet und zwar mit einem
groſsen Kapital. Es wurden alsbald 12 groſse Cementieröfen, 40 Häm-
mer und 80 Stahlherde zur Verarbeitung des Stahls gebaut, und
Amboise wurde in seiner Anlage das gröſste Stahlwerk in Europa.
Aber nun begann man zu experimentieren und verlor rasch das
Renommé, welches Sanche ihm verschafft hatte. Unter der Republik
[1045]Frankreich.
erwuchs ihm überdies groſse Konkurrenz durch die neu errichteten
Stahlwerke an der unteren Loire zu Angers und Nantes.


Im Jahre 1785 erzielte ein Herr Soller auf dem Rammelsdorfer
Hammer bei Groſs-Rammelsdorf Erfolge mit der Cementstahlfabri-
kation. Er hatte einen Brennofen für 60 Ctr. Einsatz erbaut und
aus selbstgefrischtem Eisen aus Dillinger und Bettinger Roheisen einen
guten Stahl erzielt. Baron Dietrich besuchte das Werk 1785 und er-
stattete günstigen Bericht 1). Von weiteren Erfolgen ist nichts bekannt.


Der Revolutionskrieg, der alle Handelsverbindungen aufhob, gab
Veranlassung zu einem groſsen Stahlmangel. Die republikanische
Regierung warf sich mit der ihr eigenen Energie darauf, wieder Stahl
aus inländischem Eisen zu machen. Es wurde für die Landesbewaff-
nung eine besondere Kommission „Agence des armes portatives“ er-
nannt, und später die Commission des armes, poudres et l’exploitation
des mines. Diese Kommission war direkt dem Comité de salut
publique, in dem alle Staatsmächte vertreten waren, unterstellt und
korrespondierte mit den agents nationaux in jedem Distrikt. Das
Comité de salut public lieſs nun durch die befähigtsten Männer eine
Instruktion über die Bearbeitung des Stahles ausarbeiten: „Avis aux
ouvriers en fer sur la fabrication de l’acier, publié par ordre du
Comité du salut public. Imp. du dep. de la guerre.“ Sie war von
Monge 1794 auf Grundlage der gemeinschaftlichen Arbeit mit
Vandermonde und Berthollet verfaſst. Darin war alles zusammen-
getragen, was man über die Bereitung von Schweiſs- und Cementstahl
wuſste. Bezüglich der Wahl der Eisensorten waren die Ergebnisse
der Versuche zu Amboise 1786 als maſsgebend zu Grunde gelegt.
Charakteristisch sind die einleitenden Worte:


„Während unsere Brüder ihr Blut gegen die Feinde der Freiheit
vergieſsen, während wir erst in zweiter Linie hinter ihnen stehen, muſs,
o Freunde, unsere ganze Energie darauf gerichtet sein, die Hülfs-
mittel, deren wir bedürfen, aus unserem heimischen Boden zu ziehen,
um Europa zu zeigen, daſs Frankreich in seinem Schoſse alles birgt,
was es für seinen Mut verlangt. Der Stahl fehlt uns, der Stahl, der
uns dienen soll, die Waffen zu fertigen, deren jeder Bürger bedarf,
um den Kampf der Freiheit gegen die Sklaverei zu Ende zu führen.
Bis jetzt hatten die freundlichen Beziehungen zu unseren Nachbarn,
vor allem aber die Fesseln, in denen unsere Industrie schmachtete,
uns die Fabrikation des Stahls vernachlässigen lassen. England und
[1046]Frankreich.
Deutschland lieferten uns den gröſsten Teil unseres Bedarfes; aber die
Despoten Englands und Deutschlands haben allen Handel mit uns
zerrissen. Wohlan! machen wir unseren Stahl selbst!“


Es wird betont, daſs gutes Eisen die Grundbedingung für guten
Cementstahl sei. Die Engländer hätten aber die Produktion von Ros-
lagen gänzlich mit Beschlag belegt. In Frankreich fänden sich auch
gute Eisensorten. Das von Berry gäbe schon an und für sich einen
leidlich guten Stahl, gegärbt und gereinigt würde es einen vorzüg-
lichen geben. Die Güte des schwedischen Eisens liege nicht an den
besonderen Eigenschaften der Erze, sondern an der Sorgfalt, mit der
es ausgeschieden werde.


Am 3. Floreal des Jahres II erfolgte dann eine Instruktion an
alle agents nationaux, auf die Gründung von Stahlgesellschaften zu
wirken, sowie ein Aufruf an alle Bürger, Stahl zu fabrizieren. —
Daraufhin entstanden viele neue Cementstahlwerke. Der National-
agent von Toulouse bezeugte seinen Eifer und schrieb an die Regie-
rung: nur die Intriguen der Tyrannen und die niederträchtige Politik
des Hofes habe seither die Fabrikation des Stahls verhindert, was
ein Verbrechen und ein Schandfleck für Frankreich sei. — Die neuen
Stahlwerke erhielten ihre Arbeiter „par requisition“, weil es durch
den Krieg an Arbeitskräften fehlte, ebenso muſsten sie sich ihre
Rohmaterialien durch Requisition verschaffen. Die meisten waren
ohne Kapital, viele auf öffentlichem Grund und Boden errichtet. Es
entstanden Stahlwerke zu Paris au Feuillants in der Vorstadt St.
Antoine, zu Thionville (Mosel), Havre, Chaumont (Eure), Lorient
(Morbihan), zwei zu Nantes, zu Angers, Amboise, Souppes, Neronville,
Brienne (Aube), zwei zu St. Dié, zu la Hutte und zu Droiteval (Vogesen),
Mont-sur-Tille (Côte d’Or), Nevèrs, Bizy (Nièvre), Outrefurens (Loire),
Chautemerle (Hochalpen), im Arsenal zu Toulon, bei Marseille, Alais,
Nogaro (Gers), Eucausse (Unter-Pyrenäen), Agen (Lot et Garonne),
Toulouse und Sinoges (?).


Zu Nantes und Angers verarbeitete man schwedisches Eisen, in-
folgedessen man besseren Erfolg hatte, als die übrigen Werke. Auch
zu Toulon wurden neun Sorten schwedisches Eisen verwendet, doch waren
es nur solche, welche die Engländer für diesen Zweck nicht anwen-
deten; später nahm man Eisen von Franche-Comté. — Alle die
neuen Fabriken konnten die Schwierigkeiten, welche ihnen die Qua-
lität des einheimischen Eisens bereitete, nicht überwinden und sahen
sich gezwungen, durch Agenten im geheimen guten Stahl im Aus-
lande kaufen zu lassen. Sobald der Friede wieder hergestellt, und
[1047]Frankreich.
mehr noch, als Frankreich in den Besitz der Stahlwerke am Rhein
gelangt war, gingen fast alle neugegründeten Stahlwerke wieder ein.


Am 15. März 1791 und 2. August waren die Zollsätze auf 6,12 Frcs.
für den Centner Stahl und auf 23,15 bis 79,25 Frcs. für Stahlwerkzeuge
erhöht worden. In den folgenden Jahren wurden sie wieder herunter-
gesetzt, aber fast jährlich wurden die Zollsätze verändert, bis sie im
Jahre VII. auf 6,56 Frcs. für Stahl und 22,44 bis 84,15 Frcs. für Stahl-
werkzeuge bestimmt wurden.


Etwas besser fuhr man zur Zeit der Republik mit der Herstellung
von Schweiſsstahl, wofür man eher das Material im eigenen Lande
finden konnte. Zur Förderung und Verbesserung der Stahlfrisch-
hämmer wurden Stahlinspektoren mit 6000 Frcs. Jahresgehalt ange-
stellt. Allein in Nivernais gab es deren drei. Dennoch wurden die
Hoffnungen nicht erfüllt, und man schaffte bald die teuren Beamten
wieder ab.


Gar nichts erreichte man mit der Guſsstahlbereitung, welche
damals noch in den Schleier des Geheimnisses gehüllt war. Man
suchte immer nach dem richtigen „Fluſs“, von dem man glaubte,
daſs er das Wesen des Geheimnisses ausmache. Dem geistvollen
Gründer der Stahlwerke von Amboise scheint es gelungen zu sein,
aus Cementstahl, welcher aus schwedischem Eisen bereitet war,
brauchbaren Guſsstahl herzustellen, aber er wurde durch die Maſs-
regeln der Regierung an der Fortsetzung seiner Versuche gehindert.
Clouets Arbeiten, zur Zeit der Republik, gingen mehr darauf hinaus,
damascierten Stahl zu bereiten. An diesem nahmen die Franzosen
im vorigen Jahrhundert ein ganz besonderes Interesse. Schon der
Regent, Herzog von Orleans, der sich groſse Verdienste um das
französische Eisenhüttenwesen erwarb und namentlich ein Gönner
Reaumurs war, wollte die Fabrikation orientalischer Klingen in
Frankreich einführen und schickte deshalb um 1720 Schmiede nach
Cairo, um das Verfahren zu studieren, doch blieb dieser Versuch
erfolglos.


Das Interesse an der Sache verminderte sich aber nicht, und es
gelang auch allmählich, einen brauchbaren damascierten Stahl für
Klingen herzustellen. Das Verfahren in Frankreich war folgendes:
man schmiedete acht Blechstreifen von Stahl von 1 Fuſs Länge,
1 Zoll Breite und 1 Linie Dicke und dazwischen fünf Streifen
von weichem und vier von hartem Eisen von derselben Gröſse.
Den Anfang machte ein Streifen von weichem Eisen, darüber kam
einer von Stahl, dann einer von sprödem Eisen u. s. w., bis zum
[1048]Frankreich.
17. Blech, welches wieder weiches Eisen war. Diesen Bund brachte
man mit einer krummen Zange ins Feuer, schweiſste ihn zusammen,
streckte ihn viereckig aus, machte ihn weiſsglühend und drehte ihn,
indem man ihn mit dem einen Ende in einen Schraubstock steckte,
mit starken Zangen schraubenförmig um seine lange Achse. Hierauf
wurde er glatt 8 Linien breit und 4 Linien dick ausgeschmiedet
und zum Umschlagen in zwei gleiche Hälften zerschnitten. Zwischen
beide Hälften legte man einen ebenso breiten Streifen von gutem
steierischen Stahl, brachte das Packet in die Hitze und streckte es
zu der Form und Dicke des verlangten Gewehres aus. Die harten
Stahladern wurden schwarzblau, die aus zähem Eisen hellgrau und die
von kaltbrüchigem Eisen weiſs 1).


Clouets Untersuchungen über den damascierten Stahl sind von
geschichtlicher Bedeutung. Er wies durch Versuche verschiedene
Darstellungsweisen des Damascenerstahls nach, und war namentlich
sein Mosaikdamast, obgleich für die Waffenfabrikation ohne groſse
Bedeutung, neu und von Interesse. In den französischen Waffen-
fabriken hatte man die Fabrikation von damascierten Klingen ver-
sucht, so zu Klingenthal bei Straſsburg; sie wurden aber zu teuer.


Mit Chalut machte Clouet ferner 1788 Versuche, Guſsstahl
herzustellen und zwar direkt aus Schmiedeeisen mit entsprechenden
Zuschlägen ohne vorhergehende Cementation. Er behauptete, auf
diesem Wege durch Zusammenschmelzen von Schmiedeeisen mit Kohle
und Glas im Tiegel guten Guſsstahl bereiten zu können und legte
das Ergebnis seiner Versuche dem Nationalinstitute vor. Am meisten
Aufsehen erregte seine Methode, durch Zusammenschmelzen von
3 Tln. Eisen, 1 Tle. kohlensaurem Kalk und 1 Tle. gebranntem Thon
guten Guſsstahl zu bereiten (s. S. 771).


Einen praktischen Erfolg hatten diese mit groſser Emphase ver-
kündigten Versuche Clouets aber auch nicht. Der Erfolg der Ver-
suche im kleinen blieb bei den Versuchen im groſsen aus. Der Staat
wollte selbst erst mehrere Tonnen von Clouets Stahl herstellen,
ehe er sich für den Ankauf der Erfindung entschied, aber dies geriet
nicht. Die Erfindung wurde infolgedessen ganz frei gegeben, kam
aber nirgends in Anwendung.


Die Stabeisenbereitung in Frischherden mit Holzkohlen fand
in Frankreich auf verschiedene Weise statt, welche man nach den
[1049]Frankreich.
Landschaften, worin sie ihre ursprünglichen Sitze hatte, in Franche-
Comté-, Wallon-, Bergamask- und Nivernais-Schmiede einteilte.


Die Franche-Comté-Schmiede (affinage Comtois), welche der deut-
schen Frischschmiede am ähnlichsten war, bestand darin, daſs das
Frischen und das Ausschmieden während des Einschmelzens in dem-
selben Herde vorgenommen wurde.


Bei der Wallonschmiede (affinage Wallon) benutzte man zwei
Herde, indem die kleinen Luppen, die man im Frischfeuer erhielt, in
einem zweiten Ausheizfeuer (feu de chaufferie) ausgeschmiedet wurden.


Die Bergamaskschmiede (affinage Bergamasque) kam mehr auf
die steierische Frischschmiede, mit der sie das Hartzerennen gemein
hatte, heraus. Der Frischprozeſs zerfiel in zwei Operationen, die in
demselben Herde ausgeführt wurden, dem vorbereitenden Schmelzen
oder Hartzerennen (mazéage) und dem eigentlichen Frischen; mit
letzterem war das Heizen und Ausschmieden der Kolben verbunden.


Die Schmiede von Nivernais (affinage Nivernais) war eine ver-
besserte Bergamaskschmiede, in der das Hartzerennen und Frischen
in getrennten Herden vorgenommen wurde. Das Verfahren, welches
ein gutes Eisen lieferte, das sich sofort zu kleinen Gegenständen
verarbeiten lieſs, hatte um 1775 auch in den Landes Eingang gefunden.
Näher bei Bordeaux lag die Hütte von Pontins mit 1 Hochofen,
2 Frischfeuern und 1 Reckhammer. Hier wurde ein Teil des Roh-
eisens vergossen, von dem übrigen wurde nur Grobeisen gefrischt.
Besonders gutes Eisen lieferten nach Tronson de Courdray die
Eisenwerke von Permes in Hochburgund, von Cone in Berry, von
Gudanes in Foix und von Portes in Roussillon.


Über die Weiſsblechfabrikation in Frankreich haben wir
schon früher einiges mitgeteilt (s. S. 261). Minister Colbert hatte
im 17. Jahrhundert schon Weiſsblecharbeiter kommen lassen, von
denen sich einige zu Chenefey in der Franche-Comté, andere zu
Beaumont-la-Ferrière in Nivernais niederlieſsen. Nach Colberts
Abgang fanden sie aber keine Unterstützung mehr und zogen wieder
fort. Reaumur bemühte sich um die Weiſsblechfabrikation. Zu
Ende der Regentschaft (1723) war eine Weiſsblechfabrik in Straſs-
burg entstanden. 1780 gab es folgende Weiſsblechfabriken in Frank-
reich: 1. zu Massevaux im Elsaſs (seit 1733); 2. zu Bains in Loth-
ringen, gegründet durch Patent Franz III. 1733, bestätigt 1745 von
Stanislaus von Polen; 3. zu Morambert (Chaudauve) in der
Franche-Comté, in den 70er Jahren gegründet; und 4. zu Nevers, kurz
vor 1780 errichtet. Hierzu kam später noch eine zu Balan bei Sedan.


[1050]Frankreich.

Die Ankerfabrikation blühte in den französischen Seehäfen,
besonders zu Brest und Rochefort. 1733 wurde unter dem Minister
Grafen Maurepas eine Ankerfabrik zu Cosne von M. de Chaussade
angelegt. Unter dem Minister de Pontchatrin wurde die Anker-
fabrik zu Imphy in Nivernais von Tresaguet verbessert. Das Eisen
von Berry war wegen seiner sehnigen Beschaffenheit bei den Anker-
schmieden besonders beliebt.


Die Versuche, schmiedbaren Guſs nach Reaumurs Vorschrift
zu erzeugen, hatten keinen Erfolg (s. S. 236), dagegen blühte die
Eisengieſserei in Frankreich.


Bedeutende Röhrengieſsereien waren 1760 zu Dampierre und
Senonge in der Perge, 5 bis 6 Meilen von Dreux. Nach Depar-
cieux
goſs man dort Krümmer und Verbindungsstücke mit geraden
und schiefen Flanschen. Auch goſs man hier alle Teile für die
Feuermaschine zu Creci. 1785 hatten Eisenhändler zu Autun eine
Eisengieſserei errichtet, deren Bälge mit Pferden getrieben wurden.


Die Eisendrahtfabrikation entwickelte sich in Frankreich spät
und langsam. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gab es keine
nennenswerte Drahtfabrikation in Frankreich. Die ersten Versuche
wurden im Elsaſs gemacht; was Fleur hierüber und über die Erfin-
dung eines Drahtwalzwerkes zu Essonne bei Corbeil veröffentlicht
hat, wurde bereits mitgeteilt (S. 502). Zu erwähnen ist, daſs
Duhamel einem Schlosser Chopidal zu Paris die Ausführung
dieses interessanten Walzwerkes zuschreibt.


Um die Nadelfabrikation in Frankreich hatte sich ebenfalls
Reaumur bemüht. Dieselbe nahm im Laufe des Jahrhunderts einen
groſsen Aufschwung. Der wichtigste Fabrikationsplatz war Laigle.
Hier wurde 1760 die vierfache Menge wie 30 Jahre zuvor gemacht,
nämlich für 1½ Millionen Francs. Laigle hatte die übrigen fran-
zösischen Fabriken weit überflügelt und machte mit Erfolg den hol-
ländischen Konkurrenz; es hatte bedeutenden Absatz nach Spanien
und Portugal. Den Aufschwung verdankte die Stadt und Umgegend der
Geschicklichkeit der Fabrikanten und Kaufleute. Diese hatten früher
ihren Draht aus den Magazinen in Rouen und Paris gekauft; jetzt
bezogen sie ihn direkt aus Schweden. Sie erlangten dabei besondere
Vorteile, weil sie den Fabrikanten schon ein Aufgeld vorausbezahlten;
hierdurch sicherten sie sich den Bezug und erlangten billigere Preise.


Ferner hatten sie früher ihre Waren nach Paris und Rouen an
die Magazine und nach Caen und Guibray auf die Jahrmärkte ge-
schickt; jetzt aber handelten sie direkt mit Italien, Spanien, Por-
[1051]Frankreich.
tugal u. s. w. Viele Fabrikanten waren reich geworden und 6000
Personen lebten von dieser Industrie. Die Fabriken in Paris waren
infolgedessen zurückgegangen.


Um die Stahlwarenfabrikation in Frankreich zu befördern, legte
die französische Republik enorme Eingangszölle auf die deutschen,
namentliche die märkischen und bergischen Stahlwaren und unter-
stützte die Einwanderung fremder Stahlarbeiter. Hierdurch gelang es
allerdings, die alten Fabriken, z. B. zu Toulouse, zu heben, und neue,
z. B. zu Zabern im Elsaſs und in Nordfrankreich, zu begründen.
Diese letzteren bezogen damals sogar ihren Stahl aus Deutschland
von Siegen und Sayn-Altenkirchen.


In Nogent wurde die Scherenfabrikation, welche Ende des
17. Jahrhunderts von Langres hierher verzogen war, 1795 durch
einen Engländer Fey verbessert.


Nach Hassenfratz’ Angabe gab es nach einem officiellen
Register im Jahre 1792 600 Hochöfen und 1500 Hammerwerke in
Frankreich; doch sind diese Angaben jedenfalls zu hoch und die
Grenzen Frankreichs sehr weit gezogen. Nach einer Zusammenstellung
von Costaz und Villefosse gab es 1789 in Frankreich 230 Hochöfen
und 712 Frischfeuer; in denselben wurden erzeugt 61549,5 Tonnen
Roheisen, 7579,2 Tonnen Guſseisen; aus dem Roheisen wurden
46805,9 Tonnen Schmiedeeisen erzeugt.


Die statistischen Nachrichten aus der Zeit vor der Revolution sind
meist unzuverlässig und mangelhaft; nur über einzelne Provinzen liegen
genauere Nachrichten vor. Im Jahre 1787 gab es nach Baron Diet-
rich
im Elsaſs 8 Hochöfen und 11 Hammerwerke, welche 92000 Ctr.
Guſseisen und 62720 Ctr. Schmiedeeisen lieferten 1). In den Trois-Évèchés
(Metz, Toul und Verdun) gab es 12 Hammerwerke mit 500 Ctr. Guſs-
und 44380 Ctr. Schmiedeeisen; in Franche-Comté 12 Hämmer mit
43860 Ctr.; in der Champagne 17 Hämmer mit 62700 Ctr. Eisen; in
Berry 14 Hüttenwerke mit 151750 Ctr. Guſseisen und 94937 Ctr.
Schmiedeeisen; in den Bezirken von Pau und Auch 41 Hämmer mit
57800 Ctr. Schmiedeeisen und Stahl; in Roussillon 18 Eisenhämmer
mit 47000 Ctr. Stahl und Eisen; in Lothringen 260000 Ctr. Guſs- und
145000 Ctr. Schmiedeeisen 2). Frankreich führte damals noch für
11 bis 12 Millionen Francs Eisen und Stahl ein.


Daſs die französische Revolution auch viele alte Industrieplätze
[1052]Frankreich.
schädigte, geht aus der Geschichte der Eisenwerke von Hayange her-
vor. Diese standen beim Tode Charles de Wendels am 15. Sep-
tember 1784 in hoher Blüte. Seine vortreffliche Witwe, als Madame
d’Hayange in ganz Lothringen bekannt und verehrt, leitete mit
Umsicht und Klugheit die zahlreichen bedeutenden Eisenwerke der
Familie, unterstützt von ihren drei Söhnen, von denen der älteste,
Ignatz, früher Artillerieoffizier, ein hervorragender Eisenhüttenmann
war, der Wilkinsons Nachfolger in der Direktion der groſsen Eisen-
werke von Creusot wurde. Da brach die Revolution herein. Die
Familie de Wendel hielt es mit dem Könige. Infolgedessen muſste
Madame d’Hayange mit ihren drei Söhnen als Emigranten das Land
verlassen. Ihre Eisenhütten und alle ihre Güter wurden konfisziert.
Die republikanische Regierung verpachtete die Eisenwerke von Hayange
an einen Herrn Grauthil (?), der aber so wenig von der Fabrikation
und dem Geschäfte verstand, daſs er in kurzer Zeit bankerott wurde.
Madame d’Hayange starb am 25. Januar 1802 in der Verbannung.
Ignatz de Wendel hatte sich nach Ilmenau in Thüringen gewendet,
wo er mit Goethe, der ihn wegen seiner hervorragenden Kenntnisse
in Mathematik, Chemie und Physik hochschätzte, in freundschaft-
lichen Verkehr trat. Er starb daselbst 2. Mai 1795. So war die
Familie de Wendel am Schlusse des 18. Jahrhunderts gänzlich
verarmt.


Wie sehr die Eisenindustrie mit ihrem enormen Verbrauch an Holz-
kohlen zur Ausrottung der Wälder Frankreichs beitrug, ergiebt sich
aus einem bemerkenswerten Berichte, den der Bürger Alexander
Besson
im Jahre IV. der Republik dem Fünfhunderter-Ausschuſs
erstattete. In diesem Berichte (Rapport sur le produit et le con-
sommation des Bois en France avant la revolution) wird der jährliche
Holzverbrauch Frankreichs vor der Revolution auf 10350000 Klftr.
(cordes) geschätzt, wovon 4350000 Klftr. zu Heizzwecken, 6000000 Klftr.
aber für die Hochöfen und Hammerwerke verwendet worden waren.
Die jährliche Gesamtproduktion an Holz betrug aber nur 8333320 Klftr.,
demnach wurden jährlich 2016680 Klftr. vom Waldbestande genommen.
Die völlige Entwaldung wäre demnach unvermeidlich, mahnt Besson,
wenn Frankreich nicht seine Steinkohlen- und Torflager besser aus-
nutze.


Erwähnung verdient es noch zum Schlusse, daſs die Republik
Frankreich im Jahre 1798 in Paris die erste Industrieausstellung
veranstaltete.


[1053]Italien.

Italien.


In Italien blieb die Eisenindustrie zurück infolge der zunehmen-
den Entwaldung und dem daraus entspringenden Kohlenmangel. Wo
noch Waldungen waren, wurde auch Eisen geschmolzen, besonders in
den kleinen Thälern der südlichen Alpen, in Piemont, auf Korsika
und Sardinien, ferner auch an der Küste des Tyrrhenischen Meeres
in Luppenfeuern aus elbanischen Erzen.


Reaumur schreibt 1719: In den venetianischen Staaten, die an
Deutschland grenzen, sind die Schmelzöfen ähnlich wie die Floſsöfen
von Turrach und Gemund, nur daſs sie nur ein Gewölbe haben, wie
die Stücköfen, der Abstich also unter den Bälgen sich befindet. Diese
nimmt man aber nicht, wie in Steiermark, bei jedem Abstiche fort,
sondern man stellt sie hoch, manchmal so hoch wie die Gicht und
führt den Wind durch ein gekrümmtes Rohr in den Ofen. Die Erze
waren meist Spateisensteine. Das Erz z. B. bei Bragolino, 15 Meilen
von Brescia, war weiſs; man brannte es in Öfen, ähnlich den Kalk-
öfen, mit Holz, nicht mit Kohlen und begoſs es nach dem Ausziehen
mit Wasser. Man schmolz die Erze ohne Zuschlag eines Fluſs-
mittels 1).


Bacconi2) giebt an, daſs man in den Eisenhütten bei Rom, die
er besucht hat, das Eisen in denselben hohen Öfen zweimal schmelze.
Man gäbe oben Erz auf und steche alle sechs Stunden ab. Diese
erste Schmelzung gäbe Massen von 200 bis 300 Pfd. Das Geschmol-
zene gleiche hellem Schwefelkies. Man zerbreche es nach dem
Erkalten in kleine Stücke, mache den Ofen leer und schmölze dann
das Ganze noch einmal durch. Nach sechs Stunden werde abge-
stochen. Das Eisen habe jetzt nicht mehr die Schwefelkiesfarbe,
sondern bilde einen höckerigen, luckigen Floſs, war also wohl schon
etwas gefrischt.


Bei Brescia im Venetianischen wurden Floſs- oder Blauöfen
betrieben, und hier hatte die Eisenverarbeitung ihren Hauptsitz.
Über das Verfahren berichtet Swedenborgius (de ferro p. 149).
Die schwefelfreien Erze wurden ohne weitere Vorbereitung ver-
schmolzen, die schwefelhaltigen geröstet und zwar lagenweise in pyra-
midalen Haufen. Die gerösteten Erze wurden auf einem gepflasterten
[1054]Italien.
Boden ausgebreitet und mit Wasser ausgewaschen, wobei das Erz
umgewendet wurde. Alsdann wurde es getrocknet. Die Schmelzöfen
haben wir S. 128 schon erwähnt. Sie waren 24 Fuſs hoch (ein-
schlieſslich der Esse), ihre obere Öffnung hatte 3 Fuſs im Quadrat,
während die Weite am Boden 1½ Fuſs betrug. Zum Ofenbau benutzte
man Schiefer, als Mörtel ein Gemisch von Thon, Sand und Kohlen-
pulver. Unter dem Bodensteine war ein Abzugskanal. Den Boden-
stein bedeckte man mit einer handdicken Schicht von der erwähnten
Mischung. Das Stichloch wurde mit denselben Steinen, die mit dieser
Mischung verbunden waren, geschützt. Auf der einen Seite befand
sich das Blasegewölbe. Man blies mit Lederbälgen, an einigen Plätzen
auch mit Wassertrommelgebläsen. Der Ofen wurde zuerst mit Kohlen,
die man durch das Formloch anzündete, gefüllt. Waren sie nahe
bis zum Boden niedergebrannt, so beschickte man ihn von neuem
mit Kohlen, lieſs die Bälge an und gab in einem Trog (zerletto)
etwa ½ Ctr. Erz, dem man ¼ des Gewichtes gelben Sand, der
als Fluſs diente, zusetzte, auf. Man lieſs nun Gicht auf Gicht
folgen, bis die Woche zu Ende war, oder bis einer der vielen
Feiertage das Schmelzen unterbrach. Sobald der Schmelzer durch
das Blaseloch bemerkte, daſs das Eisen gut geschmolzen und von
Schlacke bedeckt war, stieſs er mit seinem Spieſse das Stichloch auf
und lieſs Eisen und Schlacke zusammen ausflieſsen. Alsdann ver-
wahrte er wieder das Stichloch mit der Mischung. War das Eisen
flüssig, rein und gut abgeschäumt, so wurden Geschosse, Bomben und
Granaten genannt, daraus gegossen; sonst erhielt man Luppen von Rauh-
eisen, die unter dem Hammer gezängt und gereckt wurden. Sollte
dieses ausgeschmiedet werden, so wurde es zuvor etwas abgeschreckt
und dann mit einem Hammer in kleine Stücke zerteilt. Hatte man Erz
und Kohle genug, so blies man bis zum Sonntage oder dem nächsten
Feiertage durch. Dann unterbrach man die Schmelzung, füllte den
Ofen ganz mit Kohlen an und begann erst am Montage wieder zu
blasen. An manchen Orten blies man nur zwei bis drei Tage. In
einer Woche konnte man 60 bis 70 Ctr. Eisen schmelzen.


Die Schilderung Swedenborgs läſst es im Zweifel, ob hier ein
Blauofenbetrieb, bei dem man abwechselnd einmal Guſseisen, ein
andermal schmiedbares Eisen erhielt, gemeint ist, oder ein Floſsofen-
betrieb, wie in den österreichischen Alpenländern. Letzteres erscheint
wahrscheinlich wegen einer Bemerkung Reaumurs bei der Schilderung
der Floſsöfen in Kärnten, worin er sagt, die Öfen im venetianischen
Gebiete auf der anderen Seite der Alpen seien derselben Art.


[1055]Italien.

Auch die darauf folgende Beschreibung der Löschherde zum Ver-
schmieden des Eisens in Brescia scheint dies zu bestätigen. Der
Herd war 1 Elle hoch, durch einen darunter liegenden Abzugskanal
vor Feuchtigkeit geschützt. Über dem Kanale lag eine Kalkplatte
von ½ Fuſs Dicke, hierüber wurde der Herd aus Kohlenstübbe ge-
schlagen. Die Formseite ward durch eine Mauer gebildet, die
Schlackenseite wurde durch ein vielfach durchlöchertes Eisen, „la
lattarvola“, geschlossen. Die Form lag in der Mitte der Formseite,
ragte 4 Zoll in den Herd und 6 Zoll über den Boden. Der geschla-
gene Löschherd wurde mit Kohlen gefüllt und der Wind angelassen.
Waren diese verzehrt, so wurden neue nachgefüllt und die Eisen-
brocken aufgegeben, einer nach dem anderen unter beständigem Nach-
füllen von Kohlen, bis sie niedergeschmolzen waren, wobei die ge-
bildeten Schlacken wiederholt abgestochen wurden. Schien das Eisen
genügend gereinigt, so nahm der Frischer eine 10 Fuſs lange Eisen-
stange, erhitzte sie am Ende zur Weiſsglut und stieſs sie dann in die
fest gewordene Eisenluppe, mit der sie zusammenschweiſste. Mit
dieser Stange zog er die Luppe aus dem Herde und hob sie auf den
Amboſs, wo sie unter dem Hammer in Stäbe ausgereckt wurde.
Währenddem reinigte der Gehülfe den Herd.


Das Eisen, welches zu jener Zeit in der Romagna verarbeitet
wurde, kam von Ancona. Sowohl hier wie an anderen Orten an den
Küsten gab es Eisenhütten, welche Eisenerze von Elba verschmolzen.
Dies geschah teils in Öfen, teils in Herden. Schmelzöfen gab es bei
Concka, 40 Meilen (milliaria) von der Stadt Rom, und bei Nottona,
Cisterna, Montevana, Canizio und anderen Orten im Neapolitanischen.
Die Schmelzung wurde zuweilen zwei bis drei Monate fortgesetzt, wie
namentlich zu Piombino und Cervetto und wich nur wenig von dem
oben beschriebenen Verfahren ab.


In einigen Eisenschmelzen bei Rom (ferraria genannt), von denen
sich eine dicht bei der Porta St. Giovanni befand, wurde das Eisen
in zwei Feuern geschmolzen. In dem einen Herde wurde altes Eisen,
Eisenbrocken von den Hütten und Eisenerz, vena di ferro, das
von Piombino kam, verschmolzen. In dem anderen wurden die Luppen
ausgeheizt und dann verschmiedet.


Der Wind für diese Feuer wurde durch Wassertrommelgebläse
erzeugt. In dem Rennherde wurde auf die Kohlen erst das alte
Eisen aufgegeben, dann wieder eine Lage Kohlen und hierauf das
Erz. Hatte sich eine Luppe im Herde gesammelt, so wurde sie mit
der Anlaufstange herausgenommen.


[1056]Spanien.

Das Eisen wurde in Stäbe von 4 Ellen Länge und 2 Zoll Breite
ausgeschmiedet. Täglich wurden 4 bis 6 Ctr. gemacht. Die Holz-
kohlen waren von Kastanien und Buchen.


Zwischen Rom und Florenz lagen gröſsere Eisenwerke, wo eben-
falls Erze von Piombino in Zerennfeuern geschmolzen wurden. Dem
Erz wurde altes Eisen oder auch Roheisen zugesetzt, und konnte
ein Feuer 40 Ctr. Schmiedeeisen in der Woche liefern. Zu 1 Ctr. Eisen
brauchte man 2 bis 3 Ctr. Erz. An jedem Feuer waren vier Arbeiter
beschäftigt. Der Wind wurde ebenfalls durch Wassertrommelgebläse
erzeugt.


Die kleinen Hüttenwerke an der Küste, welche elbanisches Erz
verschmolzen, waren ebenso wie auf Korsika und Sardinien Rennfeuer.
Über das Schmelzverfahren auf Korsika hat Courdray 1775 eine
ausführliche Beschreibung veröffentlicht (s. Bd. I, S. 784).


Spanien.


Die Nachrichten über die spanische Eisenindustrie des 18. Jahr-
hunderts sind nicht sehr reichlich. Im allgemeinen bemühten sich
die bourbonischen Könige, die gänzlich darniederliegende Industrie
wieder zu heben, namentlich erwarben sich König Karl III. und
seine Minister Verdienste in dieser Richtung. Karl III. baute
zugleich Straſsen, legte ein naturwissenschaftliches Museum, bota-
nischen Garten und chemisches Laboratorium in Madrid an. Unter
diesem Könige wurde auch die Waffenfabrik in Toledo neu organisiert
und zu frischer Blüte gebracht. Reaumur, Courtivron und
Bouchu haben Nachrichten über das Eisenschmelzverfahren in Bis-
caya und Guipuzcoa mitgeteilt, welche wir schon erwähnt haben.
In dem Berichte über den Handel Spaniens, welchen der Staats-
sekretär für Indien, Don Jeronimo Ustariz, auf Befehl Philipps V.
1724 abfaſste, erwähnt er, daſs die drei Stunden vom Meer in Gui-
puzcoa gelegenen Eisenhütten von Placencia allein im stande wären,
alle Anker und alles Eisengerät für die spanische Flotte zu liefern.


Brückmann schreibt in seinen Magnalia Dei 1727: „Biscaya,
früher Cantabria, hat eine unsägliche Menge Eisenstein, daher die
Geographen dieses Land des Königs Schutz-Wehr und Vulkani-Werk-
stadt item Martio Rüstkammer genennet haben. Man sagt für gewiſs,
[1057]Spanien.
daſs jährlich mehr als für 100000 Thlr. Nägel zu Schiffen, Riegeln
und anderem Eisenwerk nach anderen europäischen Ländern von hier
gebracht und wenigstens mehr als 300000 Ctr. Eisen verschmiedet
würden.


Man bedient sich in den Hütten gewisser Wassermaschinen,
welche die Blasebälge treiben, und groſser Hämmer, so auf die
Ambosse schlagen. Das in dieser Landschaft zugut gemachte Eisen
wird für das beste in ganz Europa gehalten.“


Besonders für die Waffenfabrikation war das kantabrische Eisen
berühmt. Der Marquis de la Ensenada sagt in einem Berichte
über die Artillerie, den er 1748 an König Ferdinand VI. erstattete:
Da das Eisen von Cantabria das beste ist, das es giebt, so folgt
daraus, daſs auch die aus demselben gefertigten Waffen, wie nament-
lich Musketen, Pistolen, Karabiner u. s. w. von besonderer Güte sind.
Es ist deshalb von Wichtigkeit, die Eisenwerke von Guipuzcoa, welche
speciell diese Artikel herstellen, zur Bewaffnung Spaniens und Ame-
rikas heranzuziehen 1). Der Export von spanischem Eisen nach Eng-
land war bedeutend. Er betrug in den Jahren von 1711 bis 1718
durchschnittlich 1560 Tonnen im Jahre, von 1729 bis 1735 durch-
schnittlich 1770 Tonnen im Jahre. In der zweiten Hälfte des Jahr-
hunderts ging er zurück.


Die durchschnittliche Ausfuhr von 1750 bis 1755 betrug 970 Ton-
nen. Gegen Ende des Jahrhunderts war sie so sehr gesunken, daſs
sie in den Jahren 1786 bis 1794 meist unter 100 Tonnen im Jahre
blieb.


Wir wissen aus Reaumurs Mitteilungen, daſs man sich in Bis-
caya ebenfalls der Wassertrommeln bediente, worauf auch Brück-
mann
anspielt.


Karl III. zog fremde Industrielle und Sachverständige in
das Land, um die einheimische Industrie zu heben. Zu diesen
gehörte der Engländer William Bowles, der sich um den
Bergbau in Spanien groſse Verdienste erworben hat. Er wurde be-
rufen, um die Quecksilberbergwerke bei Almaden, welche durch eine
Feuersbrunst zum Erliegen gekommen waren, wieder herzustellen.
Nach Erledigung dieses Auftrages erhielt er die Oberaufsicht über
die gesamten Bergwerke Spaniens. In dieser Stellung bereiste er
das Land. Seinem Aufenthalte in Biscaya verdanken wir einen vor-
Beck, Geschichte des Eisens. 67
[1058]Spanien.
trefflichen Bericht über die Eisenschätze von Sommorostro, welcher
in einem Werke über die Naturgeschichte Spaniens, das von ihm in
spanischer Sprache abgefaſst und 1776 von dem Vicomte de Flavigny
in das Französische übersetzt wurde 1), enthalten ist. Wir entnehmen
daraus, daſs der Abbau der Eisenerze und der Handel damit ganz
frei waren. Das Erz war von derselben Güte wie zur Zeit der Römer
und es gab kein Eisenerz in Europa, das sich so leicht schmelzen
lieſs und so geschmeidiges Eisen gab, wie das von Sommorostro. Es
wurden davon zur See ungeheure Mengen nach den benachbarten
Provinzen geschickt, wo man es entweder allein verschmolz, oder mit
geeigneten heimischen Erzen, welche aber in der Regel ein härteres
Eisen gaben, mischte. Geringere Mengen gingen mit Wagen zu den
Schmieden im Inneren des Landes. Die Erze wurden in Haufen mit
Holz geröstet. Man schmolz sie in Rennfeuern zu Luppen von 100
bis 125 Pfd., welche unter Hämmern von 700 bis 1000 Pfd. Gewicht
ausgeschmiedet wurden; Zuschläge waren nicht erforderlich, das Aus-
bringen betrug 30 bis 35 Proz. Eine gute Schmiede warf jährlich
an 500 Dukaten ab. Der Handel mit Eisen und Eisenerzen brachte
jährlich Millionen Realen in das Land. Die Biscayer hielten an den
kleinen Öfen der Kohlenersparnis wegen fest. Es gab noch an vielen
anderen Plätzen Biscayas Eisenerze, dasjenige aus der Gegend von
Bilboa galt als schwefelhaltig.


1724 waren Armut und Elend in Spanien noch so groſs, daſs
sich (nach Ustariz) damals eine Menge Menschen freiwillig zu den
Arbeiten auf den Galeeren anboten 2). Unter Philipp V. begann
wieder ein wirtschaftlicher Aufschwung, welcher unter Ferdinand VI.
andauerte und sich unter Karl III. zur Blüte entwickelte. Campo-
manes
schrieb 1774/76 seinen vortrefflichen Codex über Volksindu-
strie und -Erziehung, der groſsen Erfolg hatte. Er weist darin darauf
hin, daſs man in Asturien, Montana, Biscaya und Guipuzcoa die
Klein-Eisenwaren-Industrie in Aufnahme bringen solle. Auſser den
Kenntnissen seien alle Bedingungen dazu vorhanden, denn man
besitze das vortrefflichste Eisen, Holz und Steinkohlen in Asturien,
Überfluſs an Wasserkraft und die Nachbarschaft des Meeres. 1775
entstand zu Madrid die erste der ökonomischen, patriotischen Gesell-
schaften, welche die Hebung der Gewerbe und der Industrie zu ihrer
[1059]Spanien.
besonderen Aufgabe machten und sehr wohlthätig wirkten. Im Jahre
1784 gab es bereits 36 solcher Gesellschaften wie die in Madrid.


Cavanilles schrieb 1784 1), Asturien bearbeite mit groſsem
Erfolge seine reichen Bergwerke von Stahl, Magneteisen, Mangan,
Silber, Kupfer, Graphit und Steinkohlen. Keine Provinz des König-
reiches habe so viele Bergwerke und beschäftige so viele Menschen
dabei, als Biscaya. Das vortreffliche Eisen sei hier in solchem Über-
flusse, daſs es nicht allein die Zeughäuser in Spanien versorge, sondern
auch in groſser Menge nach Amerika ausgeführt werde. Catalonien
ausgenommen sei der Handel nirgends eifriger wie hier. In Arra-
gonien und Navarra sei das Eisen das wichtigste Bergwerksprodukt
und betrage die Erzeugung nur in der Gegend von Albaracia jährlich
für 300000 Frcs. an Wert. Bekannt seien die vortrefflichen Stahl-
und Gewehrfabriken in den Provinzen.


Wie groſs aber der Kohlenmangel und wie schlecht die Waldkultur
war, geht aus folgender Angabe Randels hervor: Wo Brennholz
mangelt, da verbrennen die Einwohner Weinstöcke, Stroh, Mist und
aromatische Kräuter, oder sie verkohlen das in ganzen Provinzen
befindliche Haidekraut, dessen Wurzeln die schönsten feurigen Kohlen
geben. Die meisten Eichen sind hohl, weil man sie der Kohlen
wegen zu köpfen pflegt (!). Nur in Biscaya und Guipuzcoa sind
Baumschulen angelegt worden, wo freilich die vielen Schmelzhütten
das meiste Holz wegnahmen.


Die Eisenminen zu Mondragon und Sommorostro sind die vor-
nehmsten des Reiches 2). Erstere, welche eine Meile von der Stadt
Guipuzcoa entfernt liegt, liefert natürliches Stahl- oder das weiſse
Eisenerz mit Kalk verbunden, aus dem sonst das Eisen für die
berühmten Toledoklingen verfertigt wurde 3). Das Erz gab 40 Proz.
Metall. Das Eisenerz des letzteren Werkes übertrifft an Weichheit
jedes andere in Europa. Der Centner enthält 35 Pfd. Eisen. Wegen
seiner Geschmeidigkeit läſst sich das Eisen zu dünnem Draht ziehen.


An Güte folgt das Eisenwerk von Bielsa und Albaracia in Ara-
67*
[1060]Spanien.
gon. Von dem Eisen bei Molina d’Aragon behauptet man, daſs es
sich wegen seiner auſserordentlichen Weichheit leicht bearbeiten
lasse. Sonst stehen auch zwischen Aragon und Castilien viele Eisen-
und Kupfererze zu Tage an. Raynal bemerkt, daſs im Jahre 1733
etwa 60000 Ctr. Eisen, im Jahre 1776 aber nur die Hälfte nach
Amerika ging, nur 8000 Ctr. davon war verarbeitet. Frankreich,
Holland und England bezogen viel rohes Eisen aus Spanien, wogegen
diese Staaten wieder Stangeneisen, Anker und Kriegsmunition mit
2 Mk. bis 6 Mk. Zoll für den Centner einführten. 1720 bezahlten
die fremden Nationen nur 4 Piaster für das Eisen, welches ver-
arbeitet mit 16 Piastern bezahlt worden wäre. Wenn also Spanien
jährlich für 300000 Piaster rohes Eisen ausführte, so hätte es dem-
selben durch Verarbeitung einen Wert von 1200000 Piaster geben
können.


Von spanischen Eisenwaren waren besonders von alters her die
Waffen berühmt. Auſser Toledo lieferte Saragossa berühmte Klingen,
del Perrillo genannt, die ebenfalls aus dem Stahleisen von Madragon
gemacht wurden. Die spanischen Klingen waren breit und von groſser
Länge, um zu Pferde getragen zu werden. Als der Herzog von Anjou
den Thron bestieg, wurden die französischen Klingen Mode, was der
toledonischen Klingenindustrie groſsen Abbruch that. Sehr gesuchte
Feuergewehre und vortreffliche chirurgische Instrumente lieferte
Barcelona. Die besten spanischen Flinten hatten eiserne Nagelläufe,
das Zündloch mit Pistongold verschraubt. Die Ausfuhr von Flinten
war verboten, und muſsten die Spanier noch öfters von den Nieder-
ländern Gewehre kaufen. Zu Ustariz’ Zeit (1720) wurden in Bis-
caya und Catalonien jährlich 18000 bis 20000 Flinten verfertigt, und
diese reichten hin, die Armee und viele Arsenale in Europa, auf der
afrikanischen Küste und in Indien zu versorgen. Besonders gute
Läufe wurden in Barcelona aus den alten Hufeisen der Maulesel ge-
macht. Ihr gewöhnlicher Preis war 90 Mk., künstlichere wurden aber
bis 360 Mk. bezahlt.


Zu S. Idelfonso hatte ein Irländer, Dowling, eine englische
Stahlwarenfabrik für Scheren, feine Instrumente und Degenklingen
gegründet. Die einst so berühmte Schwertfabrik in Toledo, die fast
ganz eingegangen war, hatte der König auf seine Rechnung wieder
eingerichtet, aber der alte Ruf war nicht wieder herzustellen.


Die Kanonengieſserei hatte ihre Hauptsitze in Barcelona und
Sevilla, erstere Stadt konnte jährlich 200, letztere 300 Kanonen
liefern. An beiden Plätzen hatte der Schweizer Maritz Kanonen-
[1061]Spanien.
bohrmaschinen aufgestellt, um die Kanonen aus dem Vollen zu
bohren. Diese Kanonen waren viel haltbarer wie vordem und sollten
1200 Schüsse aushalten können.


In Biscaya, dem Hauptsitze der Eisengewinnung, gab es auch
viele Eisen- und Stahlfabriken für gewöhnliche Waren. Ihre Zahl
belief sich an 300. In regnerischen Jahren, denn nur in solchen
hatten die Flüsse genügendes Wasser, um die Hämmer zu treiben,
wurden 80000 Ctr. (zu 155 Pfd. kastilisches Gewicht) verarbeitet. Nach
genauerer Angabe zählte man im Distrikte Bilbao zur Zeit der gröſsten
Blüte im 18. Jahrhundert 245 Ferrerieras (Rennfeuer, Katalanschmiede).
1780 betrug aber ihre Zahl nur 154 mit einer Produktion von 7300 Tonnen
Eisen. 1785 gab es in Guipuzcoa 18 Ankerschmieden, welche nicht
nur für den Bedarf Spaniens ausreichten, sondern auch noch nach
Frankreich und England exportierten.


Rinman giebt in seinem Bergwerkslexikon 1794 die Ausfuhr an
Eisen der drei Provinzen Biscaya, Guipuzcoa und Navarra zu
92000 Schiffspfund = 14720 Tonnen an. Es ging viel unverarbeitetes
Eisen ins Ausland, besonders nach Amerika. — Eine Weiſsblechfabrik
war bei der Sierra de Gaucin in Granada errichtet worden und eine
sehr vorteilhaft eingerichtete Drahtzieherei für Eisen- und Kupfer-
draht hatte Miguel Bayot erbaut. Im allgemeinen wurden aber
viel feinere Eisensorten und Eisenwaren importiert. Alten Ruhm
hatten die spanischen Metallarbeiter im Vergolden.


Zu Anfang des Jahrhunderts beherrschten noch die Holländer den
spanischen Handel, muſsten ihn aber mehr und mehr an die Engländer
abtreten. Diese lieferten namentlich Eisen- und Stahlwaren, als Messer,
Scheren, Rasiermesser, Gabeln, Schlösser, Knöpfe, Leuchter u. s. w.
Doch kamen auch viele Waren aus Frankreich und Deutschland. Nürnberg
lieferte 1780 Steck- und Packnadeln, Blechbüchsen, Vorhängeschlösser,
Hirschfänger, Fingerhüte, Lichtputzen, schwarze Degen, Hämmer für
Hufschmiede, Schermesser u. s. w. Bandeisen lieferte Schweden, Deutsch-
land und Holland; Stahl besonders die österreichischen Alpenländer
und die westfälische Mark; Stahlwaren Solingen und Remscheid.


Eisen im rohen Zustande spielte eine wichtige Rolle bei der Aus-
fuhr Spaniens. Unter den besten Sorten von Bilbao wurden aufge-
führt Fer Tiradera und Fer Zearrola, die nach Quintal-Macho zu
155 Pfd. verkauft wurden. — Gebr. Laurangin \& Co. waren damals
die gröſsten Eisenkommissionäre in Bilbao.


Versuche, den Hochofenbetrieb an Stelle der Katalanschmieden
einzuführen, hatten nur schlechten Erfolg.


[1062]Spanien.

Nachdem in dem Revolutionskriege 1794 die Franzosen die nörd-
lichen Provinzen Spaniens erobert hatten, schickte die Kommission
der Waffen den Bergingenieur Muthuon nach den baskischen Pro-
vinzen, um das dortige Eisenhüttenwesen zu studieren. Er fand alle
Eisenschmieden verlassen und keine einzige im Betriebe. Dennoch
erstattete er einen bemerkenswerten Bericht 1). Danach röstete man
in der Gegend von Tolosa und Aspeytia die Erze in Haufen, in
Navarra und bei Yrun (Irun) und Oyarsun in Schachtöfen, welche
bis zu 16 Fuſs hoch waren. Das Schmelzen der Erze geschah aus-
schlieſslich in Katalanschmieden. Die Schmelzöfen waren teils vier-
eckig, teils achteckig, teils rund. Letztere waren mit eisernen Reifen
gebunden, in welchem Gerüst das Mauerwerk eingebaut war. In der
Schmiede von Urdanabia bei Yron benutzte man sogar einen kupfernen
Kessel als Schutzbekleidung. Die spatigen Erze kamen von verschie-
denen Bergwerken, zumeist aber von Sommorostro. Die meisten Katalan-
schmieden lagen an Bächen. Man schätzte die Jahresproduktion von
Guipuzcoa auf 98100 Ctr. Es gab aber 76 Katalanschmieden in der
Provinz, welche nach mäſsiger Berechnung 147744 Ctr. liefern konnten,
wenn sie betrieben wurden. Muthuon fügte seinem Berichte eine Ta-
belle bei, in welcher 45 Hüttenwerke mit Katalanfeuern, nach den Ge-
meinden geteilt, aufgeführt sind, auſserdem 2 Eisenschneidwerke, 3 Blech-
hämmer, 1 Stahlhammer, 4 Nagelschmieden und 7 Ankerschmieden;
endlich noch 1 eingegangene Klingen- und Bajonettschmiede bei Tolosa.


Eiserne Geschütze wurden in Cabada gegossen, doch fiel der Guſs
sehr weich aus, und die meisten über dem Kern gegossenen zer-
sprangen (1772). 1783 wurde das französische Kaliber eingeführt.


Franzosen hatten in den Jahren 1740 bis 1742 mehrere Hoch-
öfen zum Kanonenguſs in Portugal angelegt. Einer zu Machuca,
unweit Figuiero dos Vinhos in Estremadura, war 24 Fuſs hoch, von
viereckiger Zustellung, vor der Form 2 Fuſs auf 2 Fuſs 6 Zoll, in
dem Kohlensack 5 Fuſs auf 5 Fuſs 6 Zoll, das Gestell war 3 Fuſs
7 Zoll, die Rast war 2 Fuſs hoch, die Form lag 1 Fuſs 10 Zoll über
dem Boden. Zwei Hochöfen von 25 und 26 Fuſs Höhe befanden sich
zwei Stunden davon bei Foz d’Alge am Ausflusse des Alge in den
Cesare. Man verschmolz Roteisenstein mit Kohlen von Korkeichen,
Kastanien und den Wurzeln der Cepa (Crica arborea), einem starken
Haidekraut 2).


[1063]England.

Zwei alte Eisenhütten in der Provinz Estremadura und zwar in
den Bezirken von Thomar und von Figuiero dos Vinhos erwähnt auch
Heron de Villefosse1). Sie waren schon lange eingegangen, als König
Johann IV. sie um die Mitte des 17. Jahrhunderts wieder in Betrieb
setzen lieſs. Sie erhielten sich bis 1759 und lieferten viel und gutes
Eisen an die Regierung.


Der berühmte portugiesische Minister Pombal war so darauf
aus, die Eisenindustrie zu fördern, daſs er 1768 in Angola (West-
afrika) am Zusammenflusse des Luinha und Lucalla eine massiv aus
Steinen konstruierte Eisenhütte mit Hochofen und Gieſserei nach
europäischem Muster erbauen lieſs. Acht spanische und schwedische
Eisenhüttenleute sollten mit Hülfe der Eingeborenen das Werk be-
treiben. Wie leicht erklärlich, war das Unternehmen nicht lebens-
fähig. Die Arbeiter gingen rasch an Krankheit und Ausschweifungen
zu Grunde, die Gebäude stürzten ein. Livingstone fand in den
50er Jahren noch die Trümmer.


England.


Der Fortschritt der Eisenfabrikation im 18. Jahrhundert vollzog
sich in groſsartigster Weise in England. Es ist ein überraschender
Gegensatz zwischen der Eisenindustrie Englands zu Anfang des Jahr-
hunderts und am Ende desſelben. Während in der Periode 1700 bis
1750 die englische Eisenindustrie um ihre Existenz ringen muſs, ent-
faltet sie sich in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts in bewunderungs-
würdiger Weise. Das letzte Viertel des Jahrhunderts ist ein Sieges-
zug der englischen Eisenindustrie, indem sie, von einer Erfindung und
einer Verbesserung zur anderen vorschreitend, die Bewunderung der
Welt erregt und sich die unbedingte Führerschaft auf diesem Gebiete
erkämpft.


In der ersten Hälfte des Jahrhunderts litt England schwer unter
dem Holzmangel. Es war weitaus nicht im stande, den immer wach-
senden Bedürfnissen des Landes an Eisen, namentlich für die Aus-
rüstung seiner Seeschiffe, zu erzeugen, und es war gezwungen, den
gröſsten Teil seines Eisenbedarfs aus dem Auslande zu beziehen.
[1064]England.
Trotzdem machte 1719 die Eisenindustrie ⅓ der ganzen englischen
Industrie aus und beschäftigte 200000 Personen.


Mr. William Wood, ein groſser Eisenindustrieller, veröffent-
lichte 1720 folgenden Bericht über den Zustand des englischen Eisen-
handels: „Das Eisen ist nach der Wolle der gröſste Industrieartikel
Englands. England verbraucht etwa 30000 Tonnen im Jahre, wovon
wir wegen Mangel an Kohlholz etwa 20000 Tonnen von unseren
Nachbaren für bares Geld kaufen müssen, was, zu 10 £ die Tonne,
200000 £ pro Jahr giebt. Wir haben aber Erz genug im Lande, um
den ganzen Bedarf zu decken, wäre nur Holz für Kohlen da. Es
dürfte sich rentieren, billiges Land aufzukaufen und dies mit Holz
anzupflanzen.“


Dieser Wood besaſs damals alle Bergwerke der Krone in Pacht.
Seine Hütten waren reichlich mit Steinkohlen versehen, er hatte
Frisch- und Reckhämmer, sowie ein Schneid- und Walzwerk, zum
Walzen, Schneiden und Vorbereiten des Eisens für Fabrikzwecke.
Er besaſs Hochöfen, um Roheisen, Töpfe, Schienen, Geländer, Herd-
und Kaminplatten und alle anderen Sorten von Guſswaren mit Holz-
kohlen und mit Steinkohlen zu gieſsen 1).


„Unglaublich ist bereits die Verwüstung der Wälder, besonders
in Warwick, Stafford, Worcester, Herford, Monmouth, Gloucester und
Salop durch die Eisenwerke“, heiſst es in einer Eingabe an die Re-
gierung aus jener Zeit, „und wenn nicht gesorgt wird, das Bauholz
vor diesen gefräſsigen Öfen zu schützen, so behalten wir nicht Holz
genug, unsere Schiffe zu bauen.“ Trotzdem war 1724 Eisenbereitung
noch die Hauptindustrie von Sussex.


Über die Hochöfen in Sussex hat Swedenborg genaue Mittei-
lungen gemacht (s. S. 154). Seine Nachrichten über die englische
Eisenindustrie vor 1734 sind von groſsem Interesse. Die Eisenerze
wurden nach seiner Angabe in England meistens durch Bohrarbeit
(terebratione) erschürft. Man fand sie zuweilen 10 bis 20 Fuſs tief unter
der sandigen und thonigen Decke, in gröſserer Tiefe waren sie von einem
fetten bläulichen Thon bedeckt. Dabei lag häufig unmittelbar über dem
Erz Kalkstein, der als Fluſsstein diente und von dem 25 Proz. im
Hochofen zugesetzt wurde 2) (Erz und Zuschlag wurden also aus dem-
selben Schachte gefördert). Das Erz wurde geröstet. Vielfach fand
[1065]England.
man auch Lager von Raseneisenerz von 1 Fuſs Dicke und mehr.
Dieses gattierte man mit Eisenstein, weil es für sich allein den Ofen
verstopfen würde. Frisch gegraben war es gelblich, nach längerem
Liegen an der Luft zerfiel es zu schwärzlichem Pulver. Pin-mine
hieſs ein Erz von grauer Farbe, das getrocknetem Thon glich und
sich leicht in Stücke zerschlagen lieſs. Im Forrest of Dean gäbe
es ein bläuliches Erz, welches helle, glänzende, glimmerähnliche
Einsprengungen enthalte, die das Eisen spröde machten, wenn man
ihm nicht alte Schlacken oder Steinkohlenasche (Koks?) beimenge 1).
In Staffordshire fände sich Eisenerz der Steinkohle eingemengt.


Das Ausschmelzen des Eisens und die Verarbeitung desſelben in
Hammerwerken stehe in England in hoher Blüte, und habe in den
letzten Jahren sowohl die Zahl der Hütten als die Kunst des Schmel-
zens zugenommen. Es gebe viele Hochöfen und Hämmer in der
Provinz Lancashire, desgleichen in Lichtonbeck, Cunsey und Back-
barrow 2). Eisenerzgruben seien in der Nähe der Stadt Ulverstone, die
ein fettiges Erz von roter Farbe liefern. Noch reicher war aber das,
welches bei Whitehaven gewonnen wurde, denn es gab drei Tonnen
Eisen aus fünf Tonnen Erz, also 60 Proz. Damit das Erz aber besser
schmölze, setzte man ihm alte Schlacken oder eisenreiche Abfälle zu 3).
„In den Hochöfen von Lancashire verwendet man Holzkohlen, wenn
aber daran Mangel ist, hilft man sich auch mit Torf (humus com-
bustibilis sive terra pinguis). Aber man hat die Erfahrung gemacht,
daſs dieser das Eisen schwefelhaltig, brüchig und schwer zu ver-
arbeiten macht, indem es in der Hitze in Stücke fährt und die daraus
geschmiedeten Stäbe voller Risse und Sprünge sind, so daſs man es
nur brauchen kann, wenn man es mit besseren Eisensorten zusammen
verarbeitet.


Am meisten blüht die Verhüttung des Eisens um Stourbridge
(Staffordshire). Die Schmelzöfen sind dort sehr hoch, nämlich vom
Bodenstein bis zur Gicht 26 schwedische Fuſs. Sie sind verschieden
von den schwedischen; auch weichen sie im Äuſseren wie im Inneren
von den Öfen anderer Gegenden ab. Die äuſsere Gestalt ist vier-
eckig, von 12 Ellen Seitenlänge am Boden. Die Wände sind bis ⅓
der Höhe parallel aufgeführt, von da sind sie bis zur Gicht zusammen-
[1066]England.
gezogen. Die Gicht selbst ist 20 bis 22 Zoll quadratisch. Das Gestell
ist oben 18 Zoll breit und 2 Fuſs 4 Zoll lang, unten am Bodenstein
17 Zoll zu 2 Fuſs. Das Gestell bis zur Rast ist 5 Fuſs hoch. Das
Innere wird aus Ziegelsteinen oder anderen feuerfesten Steinen, das
Äuſsere aus Bruchsteinen hergestellt. Das Gestell besteht aus vier
groſsen Steinen, von denen jeder 1 bis 1½ Tonnen wiegt. Der gröſste
derselben bildet den Bodenstein, die drei übrigen die drei Seiten. Ein
fünfter wird über dem Abstich angebracht. Es kommt vor, daſs die
Steinwände soweit wegschmelzen, daſs der ursprünglich 17 Zoll weite
Herd sich bis auf 3 Fuſs erweitert. Die Blaseöffnung ist von Stein; ihre
untere Fläche wird durch eine Eisenplatte geschützt, auf welcher die
Düsen der Blasebälge aufliegen. Die Bälge sind zum Teil von Holz,
an einigen Orten aber auch noch von Leder. Die Lederbälge sind
18 Fuſs lang, 4 Fuſs 2 Zoll breit. Die Düsen haben 1 Fuſs 4 Zoll
Länge. Die Holzbälge sind ebenfalls 18 Fuſs lang, 4 Fuſs und mehr
breit. Die Saugklappe ist 17 auf 16 Zoll. Die Düsen haben eine
Länge von 4½ Fuſs und ragen 3½ Fuſs aus dem Balghaupt. Sie
sind 2 Zoll weit an der Mündung. Die Bälge sind bis 7 Fuſs von
den Düsen mit Zinn ausgeschlagen; man glaubt, daſs dadurch der
Wind besser ausströme und die Bälge sich nicht so leicht durch ein-
gesaugte Funken oder Schlacke entzünden.“


Das Wasserrad hatte 22 Fuſs Durchmesser, seine Welle war
2 Fuſs 9 Zoll dick und 24 Fuſs lang. — Die Röstung der Erze
geschah in offenen Haufen, indem man Kohlen und Erz lagenweise
aufschichtete. Dann wurden sie von unten angezündet und brannte
eine Woche oder länger. Man gattierte dann die zwei Erzsorten,
eine ärmere (Iron-stone) und eine reichere (Iron-ore). Zum Schmelzen
verwendete man mittelgroſse Eichenkohlen, indem man die groſsen
für die Frischfeuer zurückbehielt. Auf 1 Schiffspfund Eisen wurde
nur ½ Last Kohlen verbraucht.


In Lancashire mischte man der Holzkohle Torf bei, was aber
ein durch Schwefel brüchiges Eisen gab. An mehreren Orten versuchte
man es mit Steinkohlen, die zu Koks (cinders) gebrannt waren; aber
man erhielt damit weniger Eisen als mit den Holzkohlen. Mit unge-
mischter Holzkohle schmolz man in einer Woche 15 bis 16 Tonnen
Eisen, bei Zusatz von Koks dagegen nur 5 bis 6 Tonnen, ganz
abgesehen davon, daſs das Eisen rotbrüchig und so schlecht wurde,
daſs es kaum zu irgend welchen Geräten verwendet werden konnte.


„Der Ofen wird zuerst mit Kohlen gefüllt; sind diese um 5 Fuſs
niedergegangen, so werden wieder drei Körbe Kohlen und auf diese
[1067]England.
zehn Tröge Erz aufgegeben; sind diese wieder um 5 Fuſs gesunken,
so gichtet man von neuem drei Körbe Kohlen und zehn Tröge Erz
auf. In 12 Stunden werden sechs Chargen gesetzt. Das Eisen wird
zweimal, zuweilen auch nur einmal in 24 Stunden abgestochen; in
der Regel erhält man bei jedem Abstich 7½ Schiffspfund Eisen,
welche man in 23 Massel zu verteilen pflegt. Die Schlacken sind
teilweise grün und glasartig und diese werden auch auf die Glashütten
gefahren. Das daraus erhaltene Glas ist aber brüchig. Man sucht dies
dadurch zu vermeiden, daſs man nur eisenfreie Schlacken aussucht.
An manchen Plätzen setzt man vier bis fünf Körbe Kohlen, darauf
das Erz und ⅛ oder ¼ Bushel Fluſsstein. Bei den groſsen Öfen
läſst man das Eisen direkt in das zugerichtete Flossenbett laufen,
bei kleinen Öfen dagegen in ein Gefäſs, aus dem man es in gewünsch-
ten Mengen ausgieſst. In der Regel sticht man zweimal in 24 Stunden
und zwar jedesmal 1200 bis 1300 Pfd. ab. Will man aber gröſsere Ge-
schütze gieſsen, so hält man oft das Eisen zwei Tage lang im Ofen.“


In Kent und Sussex waren viele Öfen für Kanonenguſs, deren Be-
schreibung wir schon früher mitgeteilt haben. Bei Turnbridge soll
man aus einem Hochofen jede 16 Stunden zwei Geschütze von je
1500 Pfd. Gewicht gegossen haben. Die Formen wurden aus Lehm,
dem Haare und Mist beigemengt waren, hergestellt, und eine neben
der anderen in aufrechter Stellung in den Boden eingegraben.


Prinz Ruppert machte viele Versuche, die Erze mit Steinkohlen
zu schmelzen und soll dies auch einige Wochen durch mit Erfolg
fortgesetzt haben, aber das Gestell setzte sich voll Schlacken und
wurde durch eine zähe, schwammartige Masse verstopft, auſserdem
war das Eisen sehr schwefelhaltig.


Die Verwendung der Steinkohle an Stelle der Holzkohle bei der
Eisenbereitung wurde aber ein immer dringenderes Bedürfnis, ja
geradezu eine Existenzfrage für die englische Eisenindustrie. Sie
war der Nerv aller Verbesserungsbestrebungen im 18. Jahrhundert
und ein Glied nach dem anderen setzte sich mit jeder neuen Erfindung
an, bis der kräftige Körper der englischen Steinkohlen-Eisenindustrie
am Ende des Jahrhunderts ausgebildet war. In die ersten Jahrzehnte des
Jahrhunderts fallen bereits die Versuche des älteren Abraham Darby
zu Coalbrookdale um 1713, die Erze im Hochofen mit Koks statt mit
Holzkohlen zu schmelzen. Obgleich dieselben nicht ohne Erfolg waren,
führten sie doch noch nicht zu der eigentlichen Einführung des Koks-
Hochofenbetriebes. Dieser wurde erst um 1735 erfolgreich zu Coal-
brookdale von Abraham Darby, dem Sohne des oben genannten,
[1068]England.
durchgeführt und gelangte erst 1747 durch Professor Marons Brief,
der in der königlichen Gesellschaft verlesen und dann veröffentlicht
wurde, zur allgemeinen Kenntnis.


Dem älteren Abraham Darby gebührt das weitere Verdienst,
die Eisengieſserei in England verbessert und die Sandformerei 1708
eingeführt zu haben.


In die erste Hälfte des Jahrhunderts fällt ein anderer wichtiger
Fortschritt der Eisengieſserei, die Einführung der Flammöfen zum Um-
schmelzen des Roheisens, besonders zur Erzeugung groſser Guſsstücke.
Als Brennmaterial diente hierbei ebenfalls Steinkohle. Damit war
diese auch in diesen Zweig der Eisenindustrie erfolgreich eingeführt.
Den 1729 bei Whitehaven angestellten Versuch, Eisenerze mit Stein-
kohlen im Flammofen zu schmelzen, haben wir S. 130 beschrieben.


Im Jahre 1720 nahm Hanbury die Weiſsblechfabrikation, die nach
Yarrantons Tode in Verfall geraten war, mit Erfolg auf. Der-
selbe errichtete 1728 das erste Blechwalzwerk in England. 1750
zählte man bereits vier Weiſsblechhütten, die alle in Wales lagen.
Durch das Walzverfahren hatten die englischen Bleche schöneren
Glanz als die importierten. Sie wurden deshalb rasch beliebt,
und da der Bedarf an Weiſsblech in Groſsbritannien und Irland
ein bedeutender war, so wurde die heimische Weiſsblechfabrikation
für das Land ein groſser Segen.


Schon vor oder zu Anfang des Jahrhunderts kannte man in Eng-
land die Cementstahlfabrikation. Dieselbe spielte wenigstens schon
zu der Zeit, als Reaumur seine berühmte Schrift über dieselbe ver-
öffentlichte (1722), eine bedeutende Rolle daselbst. Wie Reaumur
berichtet, verwendeten die Engländer schon damals ausschlieſslich schwe-
disches Eisen für die Bereitung ihres Brennstahls. Die Cementieröfen
wurden ebenfalls mit Steinkohlen gefeuert, nur zum Cementierpulver
selbst war Holzkohlenpulver erforderlich. Hier finden wir also die erste
erfolgreiche Verwendung der Steinkohlen auch bei der Stahlfabrikation.


Noch wichtiger wurde dieselbe, als Huntsman 1740 den Tiegel-
guſsstahl erfand. Die Tiegel wurden mit Koks geheizt. Die Ver-
kokung der Steinkohlen war selbstverständlich ebenfalls eine Erfin-
dung der Engländer, und reicht dieselbe schon in das vorhergehende
Jahrhundert zurück.


Alle diese Operationen und Erfindungen haben wir in dem all-
gemeinen Teile bereits beschrieben, ebenso auch die zahlreichen Ver-
suche, die schwierigste Aufgabe, Schmiedeeisen mit Steinkohlen zu
frischen, zu lösen.


[1069]England.

Seit der Erfindung des Guſsstahls, der erst um die Mitte des
Jahrhunderts anfing ein Handelsartikel zu werden, begann eine nach-
weisbarere Vermehrung der englischen Eisenproduktion.


Die Erfindung der Newcomenschen atmosphärischen Dampf-
maschine wirkte in doppelter Weise auf die Eisenindustrie: ihre Her-
stellung gab der englischen Eisengieſserei einen wichtigen Impuls,
und ihre Anwendung griff unmittelbar in den Bergbau und Hütten-
betrieb ein. Diese einzelnen Momente der fortschreitenden Ent-
wickelung der englischen Eisenindustrie haben wir bereits ausführlich
in dem allgemeinen Teile geschildert.


Aber alle diese Fortschritte konnten in den ersten Jahrzehnten
des 18. Jahrhunderts den durch den Holzmangel veranlaſsten Rück-
gang des englischen Eisengewerbes nicht verhindern.


Im Jahre 1740 stand die Eisenproduktion Englands auf einer sehr
niedrigen Stufe. Sie hatte sich infolge der fortschreitenden Ent-
waldung seit der Zeit Dudleys fort und fort vermindert und statt
der 300 Schmelzöfen zu jener Zeit waren in diesem Jahre nur noch 59
im Betriebe, welche nicht mehr als 17350 Tons im Jahre produzierten.


Scrivener teilt nachfolgendes Verzeichnis dieser Öfen und deren
Produktion mit 1):


  • Brecon   mit 2 Öfen produzierte 600 Tons
  • Glamorganshire   „ 2 „ „ 400 „
  • Carmathenshire   „ 1 „ „ 100 „
  • Cheshire   „ 3 „ „ 1700 „
  • Denbighshire   „ 2 „ „ 550 „
  • Derbyshire   „ 4 „ „ 800 „
  • Gloucestershire   „ 6 „ „ 2850 „
  • Herefordshire   „ 3 „ „ 1350 „
  • Hampshire   „ 1 „ „ 200 „
  • Kent   „ 4 „ „ 400 „
  • Monmouthshire   „ 2 „ „ 900 „
  • Nottinghamshire   „ 1 „ „ 200 „
  • Salop   „ 6 „ „ 2100 „
  • Staffordshire   „ 2 „ „ 1000 „
  • Worcestershire   „ 2 „ „ 700 „
  • Sussex   „ 10 „ „ 1400 „
  • Warwickshire   „ 2 „ „ 700 „
  • Yorkshire  „ 6 „ „ 1400 „
  • Zusammen   59 17350 Tons.

[1070]England.

Alle diese Öfen wurden mit Holzkohlen betrieben. Obgleich in der
Periode mindestens zwei Hochöfen mit Koksbetrieb in Coalbrookdale im
Gange waren, stieg die Jahresproduktion bis zum Jahre 1750 doch nur auf
22000 Tons 1), was sich leicht daraus erklärt, daſs die Kokshochöfen,
solange man sie mit den alten Blasebälgen betrieb, keine höhere
Tagesproduktion hatten als die Holzkohlenhochöfen, etwa 1 Tonne
den Tag. — England muſste damals ⅘ seines Eisenbedarfs aus dem
Auslande beziehen. Der Bedarf an Eisen und die Fabrikation von
Eisen- und Stahlwaren war sehr gestiegen, aber nur selten wurde
einmal ein neues Hochofenwerk gegründet, wie beispielsweise das
1735 von Cookson erbaute bei Chester-le-Street. Dieser erste Hoch-
ofen der eisenreichen Grafschaft Durham war 10,50 m hoch und
lieferte 25 Tonnen Roheisen wöchentlich, eine für jene Zeit sehr
beträchtliche Produktion. 1740 wurde ein Hochofen für Koksbetrieb
zu Pontypool in Monmouthshire errichtet. Birmingham verarbeitete
hauptsächlich das Eisen von Staffordshire und den Stahl, welchen
Sheffield und Newcastle lieferten.


1727 geschieht des groſsen Wachstums der Stadt Birmingham,
oder richtiger des Dorfes Birmingham, denn wie Manchester blieb es
noch ein solches, trotz seiner Bevölkerungszunahme, Erwähnung.
Wie Anderson sagt, verdankte Birmingham sein ungeheures Wachs-
tum durchaus der Eisen- und Metallwarenfabrikation, wodurch es
50000 Menschen beschäftigte resp. ernährte. Ein Hauptnahrungszweig
war die Gewehrfabrikation geworden, welche unter Wilhelm III.
hier entstanden war.


Die Regierung und das Parlament suchten die Eisenindustrie nach
Möglichkeit zu fördern. 1722 wurde unter dem Ministerium Walpole
eine Parlamentsakte erlassen, welche der Ausfuhr der englischen Manu-
fakturwarenindustrie groſse Handelserleichterungen durch Aufhebung
von Zoll und Accise und Gewährung von Prämien und Zollrückvergütungen
gewährte. Durch die Notwendigkeit, alles Qualitätseisen im Auslande
kaufen zu müssen, wurden dem Lande groſse Summen Geldes entzogen.
Hiergegen wurden mancherlei Vorschläge gemacht. 1737 wurde in
Broschüren und Zeitungen agitiert, daſs England seinen Bedarf an Eisen
und Hanf, den zwei wichtigsten Artikeln für das Land und die Flotte,
aus seinen Kolonieen in Nordamerika beziehen sollte. Infolgedessen
kam eine Petition der Kaufleute an das Parlament zu stande, in wel-
cher vorgebracht wurde, daſs England 1. jährlich über 20000 Tons
[1071]England.
tremdes Eisen importierte, wovon 15000 Tons aus Schweden kämen,
welche ca. 150000 £ kosteten und meist bar bezahlt werden müſsten,
der gröſste Teil der übrigen 500 Tons käme aus Ruſsland, während
Englands Export an Schmiedeeisen nur 3000 bis 3500 Tons im
Jahre betrage. 2. Daſs das Eisen von den britischen Kolonieen (Nord-
amerika) so gut sei, wie irgend ein fremdes Eisen und mit gehöriger
Unterstützung in ausreichender Menge dargestellt werden könnte, um
alles fremde Eisen zu ersetzen; England sei jetzt aber von Ländern
abhängig, die nicht genug Waren dagegen bezögen, während man
das Eisen der Kolonieen ganz mit Wollen- und anderen Artikeln
bezahlen könnte, deren Fabrikation dadurch auch einen neuen Auf-
schwung erfahren würde; im ganzen könnten sicher dem Lande
180000 £ gespart werden. Es wurde in jener Eingabe ferner
behauptet, daſs England im eigenen Lande ca. 18000 Tons
Stabeisen mache, welche Menge nur wegen Mangel an Holz,
da die Waldungen zu sehr erschöpft seien, nicht gesteigert wer-
den könne: während wenn England mehr Roheisen aus Amerika
bezöge und weniger davon im Lande selbst machte, man in Eng-
land selbst viel mehr Stabeisen fabrizieren könnte. 3. Daſs nichts
so sehr die Amerikaner davon abhalten würde, geschmiedetes
Eisen und Eisenwaren selbst zu fabrizieren, als wenn man ihnen das
Rohmaterial, Roheisen und Rohschienen abkaufe. Deshalb müsse
4. auf alles von Europa eingeführte Eisen ein Zoll gelegt werden.


Entschiedene Gegner dieser Petiton waren die englischen Hammer-
werksbesitzer und Eisenwarenfabrikanten, die fremdes Eisen bezogen.
Es wurde vorgeschlagen, daſs ein Zuschlagszoll auf alles fremde,
auſser dem von Amerika eingeführten Eisen, gelegt werden sollte.
Aber die englischen Eisenwerksbesitzer wuſsten auch das zu hinter-
treiben.


Die in der oben angeführten Petition der englischen Kaufleute
ausgesprochenen Grundsätze in Bezug auf die britischen Kolonieen in
Nordamerika wurden aber die Richtschnur für die englische Politik
diesen gegenüber, führten jedoch in ihrer Ausführung zu einer tyran-
nischen Unterdrückung der Selbständigkeit der amerikanischen Eisen-
industrie, welche in ihren Folgen für England verhängnisvoll wurde,
weil sie zum groſsen Teil den Haſs gegen das Mutterland hervorrief,
welcher die Losreiſsung der Kolonieen veranlaſste.


1750, im 23. Jahre der Regierung Georg II., wurde eine Parla-
mentsakte erlassen, „um die Einfuhr von Roheisen und Rohschienen
von Britisch-Amerika zu befördern, gleichzeitig aber zu verhindern,
[1072]England.
daſs irgend welches Hammerwerk oder Maschinen zum Eisenschneiden
oder Eisenwalzen oder irgend eine Blechschmiede mit Hammerbetrieb
oder ein Ofen, um Stahl zu machen, in besagten Kolonieen errichtet
werden durften“. — Dieser Titel der Akte beweist schon, wie eifer-
süchtig England darüber wachte, keine Industrie in seinen Kolonieen
aufkommen zu lassen, welche mit der Industrie Englands in Konkur-
renz treten konnte.


England besaſs bereits seit dem Jahre 1710 eine Handelsstatistik
(Parlamentary Tables of Imports and Exports), aus welcher die Ein-
und Ausfuhr von Eisen zu ersehen war. Die Zölle hatten die Ver-
anlassung dazu gegeben. Nach diesen Aufstellungen 1) betrug die
Einfuhr an Eisen von Weihnachten 1710 bis zum gleichen Tage 1711
14584 Tonnen, 1713/14, in welchem Jahre sie in dem Zeitraume
1710 bis 1718 am höchsten war, 21899 Tonnen, 1716/17 dagegen nur
7540 Tonnen. An Einfuhrzoll wurden 1713/14 45337 £ erhoben;
derselbe betrug per ton 2 £ 1 sh. 11 ₰ — von Irland dagegen nicht
ganz 1 £.


Die Einfuhr von Stahl schwankte in den Jahren 1718 bis 1735
von 2000 bis 4156 Ctr.; er kam fast ausschlieſslich von Holland, war
also deutscher Stahl, der 9 Schilling 5 3/20 Pence pro Centner Zoll
zahlte. Die Einfuhr von den Kolonieen betrug 1734/35 an Stabeisen
etwas über 55 Tonnen, an Roheisen 2570 Tonnen; letzteres bezahlte
3 Schilling 9 9/20 Pence, ersteres 2 £ 1 sh. 6 3/10 ₰ pro Tonne an Zoll.
In demselben Jahre betrug die Einfuhr von den europäischen Ländern
bereits über 26000 Tonnen, wovon Schweden über 20000 Tonnen
lieferte; 1750 stieg sie auf über 35000 Tonnen, wovon aber Ruſsland
schon an 15000 Tonnen lieferte. Die Einfuhr nach Schottland betrug
1750/51 1570 Tonnen.


Die Ausfuhr Englands nach seinen Kolonieen betrug 1710
17300 Ctr. an Stab- und Schmiedeeisen, 1715 31700 Ctr., nach
anderen Ländern 1711 10900 Ctr., 1715 16400 Ctr. Die Stahlausfuhr
schwankte 1719 bis 1735 zwischen 1000 Ctr. und 3500 Ctr. 2). 1735
betrug die Eisenausfuhr nach den Kolonieen über 42000 Ctr.


In den 50 er Jahren wuchsen die Städte Sheffield, Birmingham,
Manchester und Glasgow ungeheuer durch die Eisenindustrie und den
Eisenhandel. Ebenso wurde Workington ein wichtiger Platz durch
seine Eisenwerke. Bei der Stadt stand eine Eisenhütte und ein Gieſs-
[1073]England.
haus. Den Betrieb vermittelte ein schönes Wasserrad, dessen Ge-
stänge sich auf eine Meile weit erstreckte
1).


Die Stahlfabrikation, sowohl von Guſs- als Cementstahl, entwickelte
sich von Jahr zu Jahr mehr. Es wurden viele neue Reckhämmer
oder Stahlraffinierhämmer, um geschmiedeten Cementstahl und Gärb-
stahl (shear steel) zu machen, errichtet. Die Roheisenproduktion nahm
zwar nicht in demselben Verhältnis zu, doch stieg sie 1750 bis 1760
von 22000 auf 27000 Tons.


Die schottische Eisenindustrie fing erst um 1730 an sich zu ent-
wickeln. Um diese Zeit bestand ein Hochofen zu Invergarry, der von
einer Liverpooler Gesellschaft errichtet worden war. Ein anderer
Hochofen wurde im Jahre 1730 von einer irländischen Gesellschaft
bei Bunawe in Argylshire erbaut 2). Diese Hütte stand bis 1866 unter
dem Namen Lorne-Ofen im Betrieb. Eine weitere, 1730 in Strathspey
bei Abernethy errichtete Eisenhütte umfaſste einen Hochofen und
vier Frischherde. Die Erze wurden auf den Rücken von Ponys
20 englische Meilen weit von Tomintoul in Banffshire geholt. 1754
wurde zu Goatfield am Loch Fyne in Argylshire ein Hochofen, Cra-
leckan genannt, erbaut. Die Unternehmer stammten aus Lancashire,
von wo sie auch ihre Erze bezogen. Die Holzkohlen wurden aus den
benachbarten Wäldern auf den Rücken von Ponys, die Züge von 30
bis 40 Stück bildeten, gebracht. Auch hier war mit dem Hochofen
eine Frischhütte verbunden. Das Werk kam 1813 zum Erliegen.


Im Jahre 1760 legte Dr. Roebuck von Birmingham den Grund
zu der modernen schottischen Eisenindustrie dadurch, daſs er das
Kokshochofenwerk zu Carron erbaute (s. S. 364).


Dieses groſsartig nach Smeatons Plänen angelegte Werk wuchs
durch den Unternehmungsgeist seines Gründers zu solchem Umfang,
daſs es um 1772 mit den dazu gehörigen Anstalten, welche einen
Bezirk von etlichen Meilen einnahmen, über 2000 Arbeiter beschäftigte.
Damals waren die groſsen Cylindergebläse, welche Smeaton erbaut
hatte, schon in Thätigkeit. Thomas Pennant, der zu jener Zeit das
Werk besuchte, schrieb: „Es sind beständig zwei groſse Schmelzöfen
im Gange, bei denen ungeheure cylinderförmige Blasebälge angebracht
sind, die vom Wasser getrieben werden, wozu ein eigenes Reservoir
erfordert wird. In Zeiten der Trockenheit wird das wegflieſsende Wasser
vermittelst einer Feuermaschine in den Behälter zurückgebracht.
Beck, Geschichte des Eisens. 68
[1074]England.
Es wird hier eine ungeheure Menge von eisernen Töpfen, Zucker-
kesseln, Walzen zu Kohlenwerken, Kanonen und anderes Eisengerät
verfertigt. Die Kanonen werden alle gebohrt und sind seit einiger
Zeit in groſser Menge auswärts, vorzüglich nach Spanien verschickt
worden.“ — Es waren dies die von General Melville 1752 erfundenen
Carronaden.


Der groſse Kanal, der Carron mit dem Clyde verband, war 1786
von Smeaton begonnen und in den darauffolgenden Jahren ausgeführt
worden. Zu Carron wurde auch eine der ersten Dampfmaschinen
Watts aufgestellt, welche aber nicht die Arbeitsmaschinen direkt
bewegte, sondern nur das Abfallwasser der Wasserräder wieder in die
Sammelteiche zurückpumpte, weil die vorhandene Wassermenge nicht
mehr ausreichte, den Betrieb zu bewältigen.


Die auſserordentlichen Fortschritte der Eisenindustrie Englands
zogen die Blicke der übrigen europäischen Industriestaaten auf sich.
Die französische Regierung schickte 1765 Gabriel Jars nach Eng-
land und Schottland, um die Eisenindustrie, namentlich die Stahl-
fabrikation und die Verwendung der Steinkohlen, zu studieren.


Den ersten Kokshochofen in Nordengland hatte L. Cookson zu
Whitehill, nahe bei Chester-le-Street, erbaut. Er war 35 Fuſs hoch,
hatte 12 Fuſs im Kohlensack und produzierte 25 Tons die Woche. Die
Bälge wurden durch ein Wasserrad getrieben, und Wassermangel
machte dem Unternehmen ein Ende.


Englands Eisenindustrie hatte die der übrigen Staaten bereits
damals in vielen Beziehungen überflügelt. Ganz besonders war dies
der Fall in Bezug auf die mechanischen Hülfsmittel. Man wendete
Newcomens Feuermaschine als Kraftmaschine in der Weise an, daſs
man sie Wasser heben lieſs und dieses als Aufschlagwasser auf groſse
Wasserräder benutzte. Erscheint uns dies auch nur als ein unvoll-
kommenes Auskunftsmittel gegenüber der späteren Verwendung der
Dampfmaschine als Motor, so war es trotzdem ein groſser Fortschritt.
Dadurch fingen die Eisenwerke an, von den natürlichen Wassergefällen
unabhängig zu werden.


Das zweite wichtige mechanische Hülfsmittel waren die Walz-
werke, welche zuerst 1728 zum Walzen der dünnen Bleche für die
Weiſsblechfabrikation, später aber auch für die Herstellung von Stab-
eisen, namentlich für Rundeisen und Formeisen, angewendet wurden.
Swedenborg berichtete schon, daſs man in England das Eisen zu
Blechen auswalze, welche dann verzinnt würden. Auch meldete er,
daſs es in England viele Schneidwerke gäbe, auf denen man Ruten
[1075]England.
und Reifeisen schneide. Coleridges Erzählung 1), daſs ein Fiedel-
spieler, Namens Foley, diese Maschinen den Schweden abgesehen
und mit Hülfe eines Mr. Knight in England eingeführt habe, ist
deshalb unwahrscheinlich, weil aus Swedenborgs Darstellung hervor-
zugehen scheint, daſs diese Maschinen in England früher bekannt
waren als in Schweden. Allerdings hatte Polhem sie verbessert, und
waren es vielleicht diese Verbesserungen, die der pfiffige Musikant den
Schweden absah.


Als dritten wichtigen Fortschritt heben wir die Einführung der
Cylindergebläse hervor, um welche sich Smeaton und namentlich
Wilkinson groſse Verdienste erworben haben. Die Erfindung der-
selben fällt nach unserer Untersuchung (vgl. S. 561) in den Ausgang
der 60 er Jahre und nicht in das Jahr 1760, das Jahr der ersten
Anlage der Carron-Eisenwerke, wie Scrivener vermutet. Dieser giebt
ferner an, daſs das Gebläse daselbst aus vier groſsen guſseisernen
Cylindern von 4 Fuſs 6 Zoll Durchmesser, deren Kolben durch vier
mit der Welle des groſsen Wasserrades verbundenen Kurbeln bewegt
wurden, bestanden hätte. Die Produktion eines Ofens stieg von 12
auf 40 Tonnen die Woche. Durch die Cylindergebläse kamen erst
die Kokshochöfen zu erhöhter Leistung, indem durch den stärkeren
Wind die Produktion derselben gesteigert wurde und die der Holz-
kohlenhochöfen hinter sich lieſs. Zur vollen Geltung kam diese Wir-
kung aber erst durch die Erfindung und Anwendung der Wattschen
Dampfmaschine. Die Durchschnittsproduktion der Holzkohlenhochöfen
stieg durch die verbesserten Gebläse zwischen den Jahren 1740 und
1788 von 294 auf 546 Tonnen.


Als Jars im Jahre 1765 England besuchte, konnte er bereits
den Hochofenbetrieb mit Koks, die Gieſserei aus Flammöfen, welche
mit Steinkohlen gefeuert wurden, die Cementstahl- und die Guſsstahl-
fabrikation studieren, alles metallurgische Operationen, die auf dem
Kontinent noch unbekannt waren. Trotz alledem nahm auch in dem
Jahrzehnt von 1760 bis 1770 die Produktion der englischen Hochöfen
nur um etwa 5000 Tonnen zu, indem sie 1770 auf 32000 Tonnen
geschätzt wurde.


Die Guſsstahlfabrikation bei New-Castle und Sheffield erlangte
immer gröſsere Wichtigkeit. Die Verarbeitung des Guſsstahls kon-
zentrierte sich in Sheffield und Birmingham. In Sheffield wurden
hauptsächlich die englischen Stahlfeilen, die bereits Weltruf genossen,
68*
[1076]England.
fabriziert. Die meisten und die besten Feilen wurden aus freier Hand
gehauen, doch verwendete man anfangs der 70 er Jahre auch bereits
Maschinen zum Feilenhauen. Ein wichtiger Artikel für Birmingham,
Bilston und Wolverhampton war damals die Fabrikation von Schnallen-
herzen. Man verwendete dafür in Birmingham russisches Eisen, seiner
Weichheit wegen. Die geschmiedeten Schnallenherzen wurden durch
Einsatzhärtung verstählt.


Die Einfuhr von Eisen und Stahl, hauptsächlich aus Schweden,
Steiermark, Kärnten und Krain wurde 1773 auf 25000 Tonnen
geschätzt. Das schwedische Eisen kostete in London 16 bis 19 Schil-
ling der Centner (120 Pfd.). Auſserdem bezogen die Engländer viele
grob gearbeitete Eisenwaren aus Deutschland, die sie verfeinerten und
vervollkommneten und wieder als englische Waren nach Deutschland
zurückschickten, so z. B. rohe Schnallenherzen von Peterswalde in
Böhmen, die ausgearbeitet und poliert wurden.


Die groſse Fabrikstadt Birmingham hatte damals, wie auch
Sheffield, Leeds und Manchester, noch keine Stadtrechte und durfte
kein Mitglied in das Parlament entsenden, während dieses Recht
vielen verarmten und verfallenen Burgflecken zustand. Die Gewehr-
fabrikation war einer der reichsten Industriezweige dieser Stadt.
Nach einem Bericht von 1774 1) gingen jährlich viele tausend Partieen
(Stands) Gewehre nach der Küste von Guinea, gegen welche schwarze
Sklaven eingetauscht und nach Amerika geführt wurden. „Man trägt
aber Sorge, diese Schieſsgewehre so schlecht zu machen, daſs die
Schwarzen in Guinea damit den Engländern nicht viel Schaden zu-
fügen können, wenn sie auch wollten. Eine solche Flinte pflegt zu
springen, wenn sie zum sechsten oder siebenten Mal losgefeuert wird.
Das Schieſsgewehr, welches von Birmingham in die Türkei und Ber-
berei geht, wird auch nicht vorläufig probiert, sondern der Käufer,
welcher dasselbe zum ersten Male abfeuert, muſs seine Gefahr
stehen.“


„Die Stadt Sheffield in der Grafschaft York ist der Ort, wo die
meisten Feilen, Messer, Gabeln, Scheren, Klingen und alles, was zum
Schneiden, Hauen und Stechen dient, von vorzüglicher Güte geschmie-
det wird. Die Verfertigung der Stahl- und Eisenwaren allein beschäftigt
hier 40000 Fabrikanten (Arbeiter), die unter 600 Meistern arbeiten.
Ihre Zunft heiſst the Cutlers of Hallamshire und genieſst groſse Pri-
[1077]England.
vilegien. Die Mannigfaltigkeit aller hier gemachten Waren ist eben-
so groſs als die der Arbeiter, die sie verfertigen. Das geringste Feder-
messer geht durch die Hände sechs unterschiedlicher Fabrikanten,
ehe die Klinge fertig und zur Vollkommenheit gebracht ist, ungeachtet
man hier, wie zu Birmingham, eine Menge künstlicher, sehr sinn-
reicher und auſserhalb England unbekannter Maschinen antrifft, durch
welche die Arbeit ungemein verkürzt und viel Zeit gewonnen wird.
Besonders war eine durch Wasser getriebene Maschine merkwürdig, auf
welcher ein einziger Mann täglich soviele Feilen machte, als 50 Feilen-
hauer auf die gewöhnliche Art verfertigen können. Allein der Erfinder
und Eigentümer dieser Maschine, namens Thomas Lightowller,
zerstörte und zerbrach sie aus Eigensinn. — Überhaupt ist zu merken,
daſs in England der Flor aller Manufakturen nicht nur durch man-
cherlei künstliche Maschinen, sondern auch durch vortreffliches Hand-
werkszeug und viele sinnreiche Erfindungen und künstliche Instru-
mente unglaublich gefördert wird.“


Immer eifriger wurde das Streben, die mechanischen Hülfsmittel
zu verbessern, und waren es besonders zwei Männer, die hierin für
die Eisenindustrie Groſses geleistet haben, Smeaton und Wilkinson.
Der Name Wilkinson ist mit den Fortschritten der englischen Eisen-
industrie in ähnlicher Weise verknüpft, wie der Name Darby. Es
war nicht nur ein einzelner dieses Namens, der sich auszeichnete,
sondern die ganze Familie, welche Eisenwerke betrieb, nahm an den
Fortschritten des Eisenhüttenwesens teil. Der berühmteste und ver-
dienstvollste derselben war allerdings John Wilkinson, der, wie
kaum ein anderer, das Eisenhüttenwesen durch zahlreiche eigene
Erfindungen und durch die praktische Anwendung fremder Erfindungen
gefördert hat. Er besaſs Eisenwerke mit bedeutender Gieſserei zu
Broseley, welche er auf solche Höhe brachte, daſs er die besten Dampf-
cylinder und sonstigen Maschinenteile goſs; später besass er auch Werke
zu Bradley. 1788 bestellte die Stadt Paris bei Wilkinson guſseiserne
Wasserleitungsröhren für ihr Wasserwerk von 40 engl. Meilen Länge.
Er war Nachbar und Konkurrent von Coalbrookdale und in dieser
Schule des Eisenhüttenwesens, welche von Abraham Darby gegründet
war, hat er wohl seine Studien gemacht und die Grundlage seiner
technischen Ausbildung gelegt. Trotz der Konkurrenz stand er zu der
Familie Darby in enger, freundschaftlicher Beziehung und arbeitete mit
Abraham Darby (III), dem Enkel, den Plan für die erste guſs-
eiserne Brücke, welche bei Coalbrookdale über den Severn gebaut
wurde, aus. Er hat groſse Verdienste um die Einführung der
[1078]England.
eisernen Cylindergebläse und hat sie zuerst in unmittelbare Ver-
bindung mit der neuerfundenen Wattschen Dampfmaschine gebracht.
Mit der Erfindung Watts war Wilkinson auch dadurch eng ver-
bunden, daſs er die ersten brauchbaren Dampfcylinder goſs und eine
verbesserte Bohrmaschine erfand, wodurch dieselben genauer, wie dies
vordem möglich war, ausgebohrt werden konnten; ferner dadurch,
daſs er der Erste war, der die Wattsche Dampfmaschine in der Eisen-
industrie anwendete und sie zur Bewegung von Walzwerken, Hämmern
und Gebläsemaschinen verwendete. Für seine Erfindung, die Walz-
werke unmittelbar durch die Dampfmaschinen zu betreiben, erhielt
er 1792 ein Patent. Er war ferner der Erfinder der modernen Kupolo-
öfen, welche er auch zum Ausschmelzen der Erze anwendete (s. S. 614).


John Wilkinsons Wirksamkeit beschränkte sich nicht auf
England, sondern er führte die neuen Erfindungen auch auf dem
Kontinent ein und wurde der Prophet und der Begründer des modernen
Eisenhüttenwesens in Frankreich und in Deutschland. In Frankreich
baute sein Bruder, wie wir gesehen haben, im Auftrage der französischen
Regierung die neue, groſsartige Kokshochofenhütte zu Creusot 1782 und
in Deutschland stand er dem Graf Reden bei der Anlage der ersten
Kokshochofenhütte zu Gleiwitz mit Rat und That bei. Er war unbe-
dingt im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts die erste Autorität im
Eisenhüttenwesen in Europa. Boulton, der ihn besser wie irgend
einer beurteilen konnte, schreibt über ihn gelegentlich an Watt:
Ich muſs gestehen, ich kann John Wilkinson nur bewundern wegen
seines entschiedenen, klaren und bestimmten Charakters, der nach
meiner Meinung der vorzüglichste seiner Art ist1).


Smeaton gebührt das Verdienst, das eiserne Cylindergebläse
erfunden und auf den Carron-Works in Schottland zuerst eingeführt
zu haben.


Wichtiger noch als alle genannten Erfindungen war die der
(eigentlichen) Dampfmaschine durch James Watt. Sie übte den
unmittelbarsten und gröſsten Einfluſs auf die Eisenindustrie aus,
wovon wir eben schon bei Wilkinsons Verbesserungen Beispiele
gesehen haben. In engster Beziehung damit stand die allgemeine Ein-
führung der Cylindergebläse bei den Hochöfen, welche die Verstärkung
der Produktion, die Vergröſserung der Hochöfen und was damit
zusammenhing, zur Folge hatte.


[1079]England.

Obgleich Watts Erfindung der Dampfmaschine schon in das
Jahr 1765 fällt, so vergingen doch zehn Jahre, bis die erste Maschine
von Boulton und Watt verkauft wurde. Der Käufer war John
Wilkinson
, der sie auf seiner Eisenhütte zu Broseley aufstellte, um
sein Gebläse zu treiben, das er im Anfang des Jahres 1776 in Betrieb
setzte. Von dieser erfolgreichen Einführung der Dampfmaschine als
Motor an datiert die neue Zeit der englischen Eisenindustrie, die
jetzt in dem letzten Viertel des 18. Jahrhunderts mit Riesenschritten
voranschritt.


Wir haben ausführlich die Versuche und Bemühungen, auch das
Frischen des Eisens mit Steinkohle zu verrichten, welche endlich zu
der wichtigen Erfindung des Puddelprozesses durch Henry Cort im
Jahre 1785 führten, geschildert. Durch diesen letzten Sieg machte
sich England gänzlich von den Holzkohlen unabhängig und konnte
bald durch die Verwendung der Steinkohlen und Benutzung der
Dampfkraft alle anderen Eisen erzeugenden Länder überflügeln.


In dem Jahrzehnt von 1770 bis 1780, in welches die erste An-
wendung der Dampfmaschine im Hüttenbetriebe fällt, stieg die eng-
lische Produktion bereits um 8000 Tons, von 32000 auf 40000 Tons.
Dies war aber gering im Vergleich zu der Steigerung, welche nach der
Einführung von Corts Prozeſs eintrat, wie aus folgenden Ziffern zu
ersehen ist:


Die Roheisenproduktion Groſsbritanniens betrug


  • 1770   32000 Tons
  • 1780   40000 „
  • 1788   68300 „
  • 1790   80000 „
  • 1796   125000 „
  • 1800   156000 „

Während im Jahre 1740 noch keine Kokshochöfen, dagegen
59 Holzkohlenhochöfen (davon zehn im Forrest of Dean) aufgeführt
werden, waren 1788 in Groſsbritannien nur noch 26 Holz-
kohlenhochöfen, dagegen 59 Kokshochöfen im Betrieb. Die 26 Holz-
kohlenhochöfen schmolzen 14500 Tons, die 59 Kokshochöfen
53800 Tons; die ersteren erzeugten also durchschnittlich 557, die
letzteren 915 Tonnen im Jahre. In Sussex, welches in den voraus-
gehenden Jahrhunderten die wichtigste eisenerzeugende Provinz Eng-
lands gewesen war, zählte man 1788 noch zwei und 1796 nur noch
einen Holzkohlenhochofen. Nach einer Notiz von W. Wilkinson
vom 25. Dezember 1791, welche in dem Geschäftsjournal von Wm.
[1080]England.
Reynolds von Coalbrookdale eingetragen war, gab es damals in
England 73, in Schottland 12 Kokshochöfen, welche 67548 und
12480 Tons produzierten, und in England 20 und in Schottland
2 Holzkohlenöfen mit einer Produktion von 8500 und 1000 Tons.
85 Kokshochöfen produzierten demnach 80028 Tons und 22 Holz-
kohlenhochöfen 9500 Tons; danach hätte von ersteren ein Ofen
941½, von letzteren ein Ofen 432 Tons im Jahre erzeugt.


1796 war der Betrieb mit Holzkohlen fast aufgegeben. 121 Hoch-
öfen produzierten nach der von Pitt veranlaſsten Aufnahme 124879
Tonnen, so daſs sich das jährliche Produktionsquantum eines Ofens
auf 1032 Tons erhöht hatte1).


Die Männer, die an der erfolgreichen Durchführung des Kokshoch-
ofenbetriebs im 18. Jahrhundert die gröſsten Verdienste hatten, waren
Abraham Darby Vater (1713), Sohn (1735) und Enkel (1776), Richard
Ford
(1747), Schwiegersohn von Abraham Darby I, und John Rey-
nolds
(1763), Schwiegersohn von Abraham Darby II, und endlich
John Wilkinson; diejenigen, welche sich besonders um die Erfindung des
Puddelprozesses verdient gemacht haben, waren John Reynolds und
die Gebrüder Cranage zu Coalbrookdale (1766), John Cockshutt
(1771), Henry Cort (1783 und 1784), Peter Onions (1783), William
Purnell
(1787), Samuel Homfray und Richard Crawshay, deren
Anteil an den genannten Erfindungen wir im allgemeinen Teil schon
erwähnt haben.


Daſs man schon vor Corts Erfindung Eisen mit Steinkohlen zu
frischen versuchte, haben wir mehrfach nachgewiesen. Wallis
erwähnt in seiner 1769 veröffentlichten Geschichte von Northumber-
land eines Eisenwerks, welches einige Jahre zuvor zu Lee Hall bei
Bellingham existierte und von einem Mr. Wood verwaltet wurde,
welcher daselbst viel Stabeisen machte; weil aber die Holzkohlen
selten wurden, ist er nach Lancashire übergesiedelt, wo er erfolglos
Eisen mit Steinkohlen zu machen versuchte.


John Reynolds gebührt ferner das Verdienst der Einführung
der Eisenbahnen, d. h. der guſseisernen Schienenwege, welche den
englischen Bergbau wesentlich förderten und den Eisengieſsereien
groſsen Absatz gewährten. Die niedrigen Eisenpreise vom Jahre 1767
hatten die Veranlassung dazu gegeben. Reynolds lieſs plattenförmige
Schienen mit Nagellöchern gieſsen und sie auf den hölzernen Spur-
[1081]England.
wegen zu Coalbrookdale befestigen. Diese Neuerung bewährte sich
so vorzüglich, daſs sie bald Nachahmung fand. Benjamin Curr
führte im Jahre 1776 die guſseisernen Schienen auf der Bahn der
Sheffield-Kohlenwerke ein. Während Reynolds Schienen flache
Schienen mit wenig konkaver Oberfläche waren, welche die Karren
leicht verlassen konnten, führte Curr Schienen mit angegossenem
Rand an, welche die Räder auf der Bahn festhielten. Reynolds
und Currs Eisenbahnschienen lagen auf Langhölzern. 1793
führte Ch. Outram eine weitere Verbesserung der Eisenbahn-
schienen dadurch ein, daſs er die etwa 1 m langen Schienenstücke
nach unten zu mit einer Rippe versah, so daſs er dieselben an ihren
Enden auf einzelnen Steinblöcken auflegen und darauf mit eisernen
Nägeln in Holzdübeln befestigen konnte.


Abraham Darby III. und John Wilkinson erbauten die erste
guſseiserne Brücke (1779). John Wilkinson, der die Cylinderbohr-
maschine verbesserte, baute auch das erste eiserne Schiff. Rennie
war der Erste, der ganz eiserne Wasserräder, und zwar zu Albion-
Mill anwendete.


Coalbrookdale, das von Abraham Darby im Anfang des Jahr-
hunderts gegründete Eisenwerk, welches im Besitz der Familie Darby
blieb und sich auſserordentlich vergröſserte, war der Ausgangspunkt
vieler Erfindungen und Verbesserungen und das Musterwerk und die
hohe Schule für Eisentechniker im vorigen Jahrhundert. 1784 waren
daselbst 16 Dampfmaschinen, 8 Hochöfen, 9 groſse Hämmer, zahlreiche
Flammöfen, Walzen und eine groſse Gieſserei. Das Werk hatte über
20 Meilen eiserne Schienenbahnen im Betrieb. Richard Reynolds
bekämpfte damals die von dem Ministerium Pitt in Aussicht genom-
mene Steuer auf Steinkohlen und stellte der Regierung vor, wie
schwer die aufblühende Eisenindustrie durch eine solche Maſsregel
betroffen werden würde. In seinem Schreiben sagt er1): Die Fort-
schritte des Eisenhüttenwesens in den letzten Jahren waren riesig.
Man dachte, und mit Recht, daſs die Darstellung des Roheisens mit
Steinkohle ein groſser Gewinn für dieses Land sein würde, wegen der
Ersparung an Holz und dem Ersatz desselben durch ein anderes
Material für Fabriken, deren Produktion infolge der Vernützung alles
Holzes im Lande hinter dem Bedarf zurückgeblieben war. So wäre
die Nagelschmiederei, vielleicht das umfangreichste Gewerbe, für das
Land verloren gewesen, wäre man nicht darauf verfallen, Nägel aus
[1082]England.
Steinkohleneisen zu machen. Jetzt gilt es, einen anderen Prozeſs zu
versuchen, nämlich das Stabeisen mit Steinkohlen zu erzeugen, und
zu diesem Zwecke haben wir Umbauten zu Donnington, Wood, Ketley
und an anderen Plätzen begonnen, die wir in diesem Jahre zu voll-
enden hoffen, für nicht weniger als 20000 £, die uns in Verlust und
niemand zum Gewinn kommen, wenn die Steuer auf die Steinkohlen
gelegt wird. Er verlange keine Protektion des inländischen Eisens,
trotz der niedrigen Preise des ausländischen, denn „von seinem unvoll-
kommensten Zustand als Roheisen bis zu seinem vollkommensten Zu-
stand als Uhrfedern haben wir nichts zu fürchten, wenn nur die
Einfuhr überall frei wäre“.


So siegesbewuſst konnte schon damals ein Eisenindustrieller über
die englische Eisenindustrie sprechen.


War die Heimat der modernen Eisen-Groſsindustrie in England
Coalbrookdale und Darby ihr Begründer, so war der Ausgangspunkt
derselben in Schottland Carron, welches der unternehmende und ver-
dienstvolle Dr. Roebuck im Jahre 1760 erbaut hatte, und in Süd-
Wales Merthyr-Tydvill, das von Antony Bacon gegründet war,
das aber erst, nachdem Bacon 1782 sein groſses Gebiet in vier
Bezirke, in die Dowlais-, Pennydarran-, Cyfartha- und Plymouth-
Eisenwerke geteilt und auf diesen den Puddelprozeſs Corts in groſsem
Maſsstabe eingeführt hatte, einen groſsartigen Aufschwung nahm.
Dieser wurde besonders durch Richard Crawshay und Thomas
Homfray
, die dabei ungeheuren Reichtum erwarben, namentlich
Crawshay, der deshalb den Beinamen der Eisenkönig bekam,
herbeigeführt. Den Genannten gebührt besonders das Verdienst, die
Feineisenfeuer mit dem Puddelprozeſs kombiniert zu haben, welches
den letzteren wesentlich erleichterte und förderte und es möglich
machte, auch geringe Roheisensorten mit Vorteil und zu brauchbarem
Eisen zu verpuddeln. Die genannten Groſsindustriellen waren aber
nicht die einzigen, die durch Corts Erfindung Reichtümer erwarben.
Diese Erfindung, die dem Erfinder selbst nur Kummer und Ent-
täuschungen brachte, hat den Reichtum Englands um hunderte von
Millionen vermehrt und Hunderttausenden lohnenden Verdienst ver-
schafft.


1785 wurden die Bowling-Eisenwerke bei Bradford errichtet.


1791 wurde der erste Hochofen in Lowmoor angeblasen.


Die Eisengieſserei, welche im Anfang des Jahrhunderts noch auf
sehr niedriger Stufe stand, verdankt die ersten groſsen Fortschritte
dem älteren Abraham Darby, welcher mit Hülfe niederländischer
[1083]England.
Arbeiter den Sandguſs in England einführte. Der zweite groſse Fort-
schritt war das Umschmelzen des Roheisens zum Vergieſsen in Flamm-
öfen, und zwar unter Anwendung von Steinkohlen als Brennmaterial.
Diese Erfindung, welche schon in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts
fällt, wurde von gröſster Wichtigkeit nach Einführung des Kokshoch-
ofenprozesses, weil das Koksroheisen nicht flüssig und rein genug war,
um aus dem Hochofen direkt vergossen werden zu können, wie das
Holzkohlenroheisen, im Flammofen umgeschmolzen, aber ein sehr gutes
Guſseisen gab. Ganz besonders eignete sich dasselbe für den Guſs
von Kanonen, weil das Roheisen im Flammofen immer eine gewisse
Frischung erfuhr, welche seine Zähigkeit und Festigkeit erhöhte. Die
gröſsten Kanonengieſsereien waren die Carron-Hütte in Schottland
und Walkers Eisenwerk zu Masbrough bei Rotherham. Die eng-
lische Kriegsflotte zählte 1720 bereits 182 Schiffe mit 9940 Kanonen.


Um 1795 betrug der jährliche Bedarf für Artillerie-Eisenguſs
11000 Tons für Groſsbritannien, 5000 bis 6000 Tons für Indien und
10000 Tons für fremde Länder, zusammen ca. 26000 Tons1).


Ein weiterer Fortschritt für die Eisengieſserei war die Einführung
und Verbesserung der Schachtöfen, der sogenannten Kupoloöfen,
welche das Umschmelzen des Gieſsereiroheisens rascher und billiger
als die Flammöfen und in beliebigen Mengen gestattete. Wie wir
(S. 615) mitgeteilt haben, gebührt das Verdienst der Verbesserung
derselben durch die Anbringung mehrerer Formen wahrscheinlich
ebenfalls John Wilkinson. Die Kupoloöfen dienten ursprünglich
hauptsächlich zum Umschmelzen von Brucheisen und waren deshalb
namentlich in den Eisengieſsereien der groſsen Städte, wie besonders
in London, in Gebrauch. Die Öfen selbst hatte Reaumur bereits
beschrieben.


Die englische Eisengieſserei wurde ferner durch Gesetze über
Modell- und Musterschutz gefördert. Solche wurden im 38. und im
54. Jahre Georgs III. erlassen.


Die Stahlfabrikation hatte schon Ende des 17. Jahrhunderts einen
Aufschwung erfahren durch die Unternehmungen von Sir Ambrose
Crowley
in Sunderland und Winlatton. Die Guſsstahlfabrikation,
welche England als Geheimnis zu bewahren verstand, trotz der vielen
Versuche der Nachahmung in anderen Ländern, gaben ihm auch im
Stahlhandel eine entschiedene Überlegenheit.


Die Cementstahlfabrikation hing sowohl mit der Guſsstahl- als
[1084]England.
mit der Reckstahl (shear steel)-Fabrikation auf das engste zusammen.
In Hunters Hallamshire wird erwähnt, man habe um 1750 15 Reck-
hämmer (tilt-hämmer) oder Stahlraffinierhämmer zu Sheffield errich-
tet, um nach deutscher Art Eisen in kleinere Dimensionen umzu-
wandeln.


Benj. Huntsman, der Erfinder des Guſsstahls, hat bekanntlich
niemals ein Patent genommen; dagegen erhielt James Goodjer 1771
ein Patent auf ein Verfahren, Stahl aus Roheisen zu erzeugen, welches
aber nichts anderes war, als das in Deutschland allgemein gebräuch-
liche Stahlfrischen.


Die Eisenschneidwerke in England hatten (1785) das Eigentüm-
liche, daſs das Eisen, welches noch rotglühend aus den Walzen kam,
direkt zwischen den dicht dahinterstehenden Schneidrollen geschnitten
wurde, während man in Schweden den gewalzten Schienen erst noch-
mals eine Hitze gab.


Um 1785 gab es in Birmingham bereits Nagelgieſsereien (siehe
S. 447). 1796 erfand Guppy seine Maschinen zum Schmieden und
Anköpfen der Nägel.


In Schottland wuchs die Eisenindustrie seit 1770. In den 70er
Jahren entstanden die Devonshire-Iron-Works, eine Hochofenanlage,
und die Crammond-Works, welche schwedisches Stangeneisen zu Stahl
verarbeiteten. 1779 gründeten zwei schwedische Kaufleute die Wilson-
town-Works. 1786 wurden das Clyde-Eisenwerk und 1791 die Bal-
gonie-Werke von Losh und Wilson gegründet. Am Ende des
Jahrhunderts entstanden die Calder-Eisenwerke; auſserdem noch Hoch-
öfen zu Glenbuck, Muirkirk und Omoa in Lanarkshire.


1796 waren in Schottland bereits 17 Hochöfen im Betriebe, welche
18000 Tonnen Roheisen produzierten.


Trotz der immer wachsenden Eisenerzeugung Groſs-Britanniens
im Lande selbst blieb die Einfuhr fremden Eisens andauernd hoch.
Der Hauptbezug war aus Schweden und Ruſsland, welche nach wie
vor das Rohmaterial für die Cement- und Guſstahlfabrikation lieferten.
1737 betrug diese Einfuhr an 20000 Tons, wovon Schweden 15000 Tons
lieferte. 1781 hatte die Einfuhr aus diesen Ländern die auſserordent-
liche Höhe von 50000 Tonnen erreicht, indem namentlich der Bezug
aus Ruſsland bedeutend zugenommen hatte. Derselbe hatte den
aus Schweden überflügelt, nach Anderson in den letzten 12 Jahren
des Jahrhunderts im Verhältnis von 26000 Tons zu 16000 Tons.
[1085]England.
1787 wurden von St. Petersburg nach England 1586088 Pud =
25176 Tonnen Eisen verschifft.


Die Eiseneinfuhr in England betrug im vorigen Jahrhundert
nach Le Play:


Genauere Angaben von 1786 bis 1799 finden sich in Scriveners
Geschichte des Eisenhandels (S. 358).


1785 wurde ein Gesetz gegen die Ausfuhr von Werkzeugen und
Utensilien für Eisen- und Stahlfabriken, sowie gegen die Verführung
von Arbeitern erlassen. Es war dies hauptsächlich gegen Frankreich
gerichtet. Auf die Ausfuhr von Werkzeugen, Maschinen oder Modellen
durch solche wurde auſser der Konfiskation 200 £ Strafe und ein Jahr
Gefängnis gesetzt. Mit derselben Strafe wurden belegt Schiffskapitäne,
Seeoffiziere und Steuerbeamte, die solche Ausfuhr zulieſsen. Jeder,
der einen englischen Eisen- oder Stahlarbeiter verführte, in das Aus-
land zu gehen, wurde ebenfalls mit einem Jahr Gefängnis und 500 £
Buſse bestraft. Irland war allein ausgenommen. Im folgenden Jahr
wurde dieses Gesetz (25, Georg III., C. 67) dahin amendiert, daſs
die Ausfuhr von Werkzeugen und Geräten für die Eisen- und Stahl-
fabrikation nach britisch West-Indien ebenfalls gestattet wurde mit
Ausnahme von Walzen, glatt oder kannelliert, von Guſseisen, Schmiede-
eisen oder Stahl, sowie Walzenstühlen, Lagern, Pilaren, Schrauben,
Gerüsten, kurz allem, was zu einem Walzwerk gehört; desgleichen
von Teilen für Schneidwerke (slitting mills) und Pressen aller Art,
deren Schrauben über 1½ Zoll Durchmesser hatten; sowie von Modellen
solcher Maschinen und Werkzeugen; desgleichen auch für Kanonen-
[1086]England.
bohrmaschinen (bestätigt 30, Georg III., C. 18, s. 12 und für alle
Zeit erlassen — made perpetual — 35, Georg III., C. 38, s. 4).


1796 betrug die Einfuhr von Bilboa, besonders von Biscaya-Eisen,
80000 Ctr. 1798 war der Mittelpreis von nordischem Eisen 18 £ für
die Tonne. Am teuersten und gesuchtesten war bestes Dannemora-
Eisen mit der Marke O. O.


Irlands einstmals blühende Eisenindustrie hatte im 18. Jahr-
hundert fast aufgehört, und war das Land ganz von der Einfuhr
aus Groſsbritannien abhängig. 1782/83 betrug dieselbe: für 21773 £
Hartwaren, 164187 Ctr. Eisen, 579833 Messer, 9797 Kochtöpfe, 748
Kessel, 14865 Rasiermesser, 757 Groſs 9 Dutzend Scheren, 4089
Dutzend Sensen, für 24473 £ Kleineisenwaren und 323 Tonnen
Eisenerze. — Auſserdem bezog Irland Eisen von Schweden und Ruſs-
land. Aus St. Petersburg wurden 1784 2514 Tons Eisen nach Irland
verladen.


Der Stahlhof in London war immer noch der Hauptstapel für
fremdes Eisen. Pennant sagt 1790 in seinem Bericht über London
(Account of London), der Stahlhof ist gegenwärtig ein groſses Lager
von importiertem Eisen, das unsere Hauptstadt mit diesem notwen-
digen Material versieht. Die Menge von Eisenstäben, welche in den
Höfen und Warenhäusern dieses Quartiers lagern, erfüllen die Augen
des gleichgültigsten Beschauers mit Erstaunen.


Eine offizielle Statistik der englischen Eisenindustrie begann erst
gegen Ende des vorigen Jahrhunderts, seitdem die Produktion besteuert
wurde. Einen anderen Nutzen hat diese Besteuerung nicht gebracht,
vielmehr war sie in hohem Grade lästig und nachteilig, weshalb sie
auch 1806 wieder abgeschafft wurde.


Die äuſsere Politik Englands hat die Eisenindustrie besonders
insofern beeinfluſst, als durch die wachsende Kolonialmacht sich das
Absatzgebiet erweiterte und mit der immer wachsenden Schiffahrt
der Eisenbedarf wuchs. Von entschiedener Bedeutung war in dieser
Beziehung der glorreiche Pariser Friede von 1763, durch welchen
Englands Hegemonie zur See anerkannt und seine Kolonialmacht in
den drei auſsereuropäischen Weltteilen bedeutend vergröſsert wurde.
Ungünstig dagegen wirkte die durch eine kurzsichtige, egoistische
Politik herbeigeführte Losreiſsung der nordamerikanischen Kolonieen.
Welchen bedeutenden Anteil hieran gerade die Vergewaltigung der
amerikanischen Eisenindustrie und der Eigennutz der englischen Eisen-
industrieellen gehabt hat, werden wir bei der Geschichte Amerikas
schildern. Hier sei nur erwähnt, daſs England seinen amerikanischen
[1087]England.
Kolonieen nur die Erzeugung von Roheisen und Rohstäben gestattete,
alle weitere Verarbeitung aber verbot. Ein selbständiger Handel der
amerikanischen Kolonieen wurde kaum geduldet und seit 1764 mit
ungeheuren Zöllen belastet. Dazu kam noch eine drückende Stempel-
steuer. Alle diese harten und ungerechten Auflagen wirkten zusammen,
um die nordamerikanischen Kolonisten zur Verzweiflung zu treiben
und 1776 die Losreiſsung und Unabhängigkeitserklärung der 12 Staaten:
Massachusetts, Connecticut, Rhode-Island, Hampshire, Pennsylvania,
New-York, New-Yersey, Maryland, Virginia, Nord- und Süd-Carolina
und Georgia herbeizuführen.


Von groſsem Einfluſs wurde dann gegen Ende des Jahrhunderts
der Krieg mit Frankreich, welcher nach Napoleons Thronbesteigung
die Kontinentalsperre zur Folge hatte. Doch fällt dieses Ereignis in
das 19. Jahrhundert.


Folgende statistische Angaben von 17831) sind von Interesse:


  • England umfaſste   39 Millionen Morgen Land
  • Die Bevölkerung betrug   5545000 Seelen
  • Die der Stadt London   600000 „
  • Alle Ländereien warfen im Jahr ab   10 Millionen £
  • Die geschorene Wolle   2 „ „
  • Der Fleischkonsum betrug an Wert   33 „ „
  • Der Getreideverbrauch   6 „ „
  • Der Wert der Wollwaren, die in England konsumiert
    wurden   8 „ „
  • Der Export davon   2 „ „
  • Die Einkünfte an Steuern   43 „ „
  • (In Frankreich um dieselbe Zeit   81 Millionen Pfund)

Die gesamte Industrie produzierte für 51310000 £ Waren und
beschäftigte 5250000 Menschen. An Eisen und Eisenwaren wurden
produziert für 8700000 £2). Die Abgabe auf Stahl, der in England
um 1785 eingeführt wurde, betrug pro Tonne 2 £ 16 sh. 1½ ₰, wäh-
rend die Irländer nur 9 sh. 7½ ₰ bezahlten.


[1088]England.

Die Eisenpreise betrugen um 1620 für die Tonne Holzkohlen-
roheisen 6 £, Koksroheisen nach Dudleys Erfindung 4 £, Holzkohlen-
schmiedeeisen 15 £, Koksschmiedeeisen 12 £.


1792. Gieſsereiroheisen 5 £ 10 sh., Koksroheisen 8 £ 10 sh.,
Holzkohlenschmiedeeisen 23 £, Koksschmiedeeisen 18 £; 1798: Koks-
roheisen 10 £, Gieſsereieisen 7 £ 10 sh., Holzkohlenschmiedeeisen 27
bis 28 £, Koksschmiedeeisen 22 £.


Das beste Bild von der englischen Eisenindustrie am Ende des
18. Jahrhunderts erhält man aus Svedenstjernas Reisebeschreibung.
Die Reise fiel zwar in die Jahre 1802 und 1803, doch dürfen wir
annehmen, daſs die industrieellen Zustände im Jahre 1800 schon die-
selben waren, auſser bei den Anlagen, die der schwedische Reisende
selbst als ganz neue bezeichnet. Svedenstjerna, der in Gesellschaft
des Franzosen Bonnard reiste, machte seine Tour von Süden nach
Norden, indem er zuerst die Eisenwerke in Süd-Wales besuchte.
Zunächst fielen ihm die Kanäle und die zahlreichen Eisenbahnen, die
zwischen den Hütten, Bergwerken und Kanälen in groſser Zahl kreuz
und quer liefen, auf. Man unterschied dabei Railways und Tramways.
Die ersteren bestanden aus 2 bis 3 Zoll breiten eisernen Stegen, welche
auf der inneren und oberen Kante vollkommen glatt waren. Die
Wagenräder hatten an der inneren Kante des Rades einen Falz,
wodurch sie in der Bahn gehalten wurden. Bei den Tramways hatte
die Bahn auf der äuſseren Seite eine aufgeschlagene Kante und die
Räder waren glatt, wie gewöhnliche Schiebkarrenräder. Zwei Pferde
konnten auf einem guten Tramway 19 Wagen mit je 15 Ctr. Ladung
ziehen. Von Pennydarran führte gerade Cyfartha gegenüber eine
groſse Bahn 7 schwedische Viertelmeilen dem Cardiff-Kanal entlang.
Auf dieser wurden zwei zusammengehängte und mit 10 Tonnen
beladene Wagen bequem von einem Pferde gezogen. Die Bahn ren-
tierte sich trotz des Kanals durch Ersparung der Schleusenabgabe und
durch Zeitgewinn. — Den Verkehr mit den im Gebirge gelegenen Erz-
und Kohlengruben vermittelten Maulesel, welche mit Körben über
Packsättel beladen waren und gewöhnlich 3 Ctr. trugen. Noch mehr
erstaunten ihn die vielen Dampfmaschinen, welche in England zahl-
reicher seien, als in Schweden die Wasser- und Windmühlen.


Die groſsartigen Eisenwerke um Merthyr-Tydwill lagen in einer
Strecke, kaum eine halbe schwedische Meile lang und eine halbe
Viertelmeile breit, dicht beisammen. Auf diesem kleinen Raume
befanden sich 13 Hochöfen, die jährlich über 24000 Tons Eisen pro-
duzierten, welche zu etwa 20000 Tons Stab-, Band-, Bolzeneisen und
[1089]England.
Blech verarbeitet wurden. Die Hochöfen zu Cyfartha und Pennydarran
waren so zweckmäſsig angelegt, daſs Eisenstein und Kohle direkt auf
die Gicht des Hochofens angefahren und die Kohlen von da durch
eine schiefe Ebene zu den Stabeisenwerken gebracht wurden. In
diesen wurde der Puddelprozeſs in ausgedehntem Maſse betrieben.
Das Verdienst der Vervollkommnung derselben schreibt Sveden-
stjerna
Herrn Crawshay von Cyfartha zu. Die Eisenhütte von
Cyfartha war schon 1765 gegründet worden, ihr Aufschwung und
ihre Vergröſserung datiert aber erst seit 1783, in welchem Jahre sie
in den Besitz von R. Crawshay gelangte.


Zuerst wurde das Eisen in Feineisenfeuern umgeschmolzen und
gereinigt, wobei der Einsatz 10 bis 15 Ctr. betrug, welches nach zwei
bis drei Stunden abgestochen wurde. Von diesem „fine metal“ setzte
man 3 bis 4 Ctr. in einen Puddelofen ein, aus denen man fünf bis
sieben Luppen (Luneps) machte, die unter einem groſsen Stabhammer
zu Kolben gezängt wurden, welche in den Schweiſsofen (Bloom- oder
Ball-furnau) kamen und, nachdem sie Schweiſshitze erlangt, zu Luppen-
stäben von 12 bis zu 63 Fuſs Länge, 2½ Zoll Breite und ⅜ Zoll Dicke
ausgewalzt wurden. Um die Stäbe schön glatt zu machen, erhitzte
man sie nochmals und überschmiedete sie unter einem Hammer.


Auf dem Werke von Pennydarran befanden sich allein 3 Hoch-
öfen, 3 Feineisenfeuer, 25 Puddel- und 8 Schweiſsöfen mit den nötigen
Hämmern und Walzwerken, sowie 9 oder 10 Dampfmaschinen, von
denen einige mit einer Kraft von 70 bis 80 Pferdekräften arbeiteten.
Die Werke verbrauchten auch eine auſserordentliche Menge von Guſs-
eisen, denn abgesehen von den Eisenbahnen, Wagenrädern, Walzen u. s. w.
war hier fast alles von Eisen, der Fuſsboden, die Dachbalken, die
Gerüste u. s. w., und man versicherte, daſs tannene Balken von gewisser
Stärke teurer seien als entsprechende guſseiserne Träger. Es waren
4000 Arbeiter auf den Eisenwerken bei Merthyr-Tydwill beschäftigt.


Über die Hochöfen macht der Verfasser keine Angaben. Baader
erwähnt aber, daſs er auf seiner Reise nach England 1789 dort einen
Hochofen von 60 Fuſs Höhe angetroffen habe.


Groſsartig war die Stärke und Gröſse der Maschinen, welche die
Blasebälge, Hämmer und Walzwerke bewegten. Ein englischer Stab-
hammer wog wenigstens 60 bis 70 Schiffspfund oder über 10 Tons.
Es gab eiserne Wellen von 16 bis 24 Tons und Schwungräder von
9 Tons, von denen mache in einem Stück gegossen waren. Bei
Cyfartha war ein oberschlächtiges Wasserrad von 52 Fuſs Durchmesser
und 7 Fuſs breiten Schaufeln ganz von Guſseisen, die Zapfen hatten
Beck, Geschichte des Eisens. 69
[1090]England.
über 12 Zoll Durchmesser. Einzelne Guſsteile wogen 9 bis 10 Tons
und das Ganze über 100 Tons. Mit diesem Rade hatte man durch
ein Vorgelege eine Dampfmaschine verbunden, so daſs beide Maschinen
gemeinschaftlich zur Bewegung der Gebläse für zwei Hochöfen und
mehrere Feineisenfeuer (refineries) wirkten. Bei starkem Wasserzufluſs
konnte man dadurch viel Brennmaterial unter den Dampfkesseln
sparen, während umgekehrt bei Wassermangel durch stärkere Feuerung
unter dem Dampfkessel die Maschinerie im Gange erhalten wurde.
Die Originalität dieser von Crawshay konstruierten Maschine wurde
anerkannt, aber der praktische Nutzen dieser Kombination von vielen
bezweifelt. Doch hatte man auch zu Pennydarran eine ähnliche
Maschine, mit der man sehr zufrieden war.


1½ schwedische Meilen von Merthyr Tydwill lag das Eisenwerk
Sirhowy, in dessen Nähe später (1802) das Eisenwerk Tredegar erbaut
wurde. Sirhowy hatte zwei Hochöfen und ein Feinfeuer. Es schickte
seine Produkte hinunter nach den Eisenwerken bei Merthyr. Bei
Pontypool befanden sich groſse Blechhütten und eine Fabrik lackierter,
sogenannter japanischer Blechwaren.


In Shropshire kennzeichnete sich die Eisenindustriegegend von
Brosley und Coalbrookdale schon aus der Ferne durch eine Unzahl
von Pferdegöpeln und Schornsteinen; Steinkohlen-, Eisensteingruben
und Kalkbrüche lagen hier auf beiden Seiten des Severn in groſser
Zahl beisammen. Die drei Orte Broseley, Ironbridge und Coalbrook-
dale bildeten eine zusammenhängende Masse von Häusern und Eisen-
werken. Dicht bei Broseley lag das Eisenwerk Calcutt, welches drei
Hochöfen, mehrere Guſsflammöfen, eine Kanonenbohrmaschine und
Eisendreherei hatte. Die Hochöfen waren hier kleiner als in Süd-
Wales und gaben selten mehr als 30 Tonnen Roheisen in der Woche,
während die von Süd-Wales 50 und mehr schmolzen. Dagegen war das
Roheisen besser und zu feinen und starken Guſswaren sehr geeignet.
Die hier gegossenen Kanonen sollten sogar an Festigkeit die früher
in Cumberland und Lancashire aus Holzkohlenroheisen hergestellten
übertreffen. Auf gegossene Stangen dieses Eisens von 2 Zoll Breite,
½ Zoll Dicke und 8 Fuſs Länge, deren eines Ende festgekeilt war,
konnte man sich auf das andere Ende stellen, ohne daſs sie brachen.
Solche Stäbe wurden für gewisse Zwecke an Stelle von Schmiede-
eisenstäben gebraucht. Hier wie überall in England wurde nur in
Sand gegossen und zwar Guſsstücke von 1 Quentchen bis zu 9 Tonnen
Gewicht.


Das Bohren der Kanonen geschah mittels einer Dampfmaschine,
[1091]England.
welche unmittelbar auf einen im Mittelpunkte einer Welle befestigten
Krummzapfen wirkte, von dem aus elf horizontale Bohrer durch Vor-
gelege bewegt wurden. Dadurch konnten viele Kanonen — und es
liefen zeitweilig Bestellungen von 5000 Tonnen Gewicht ein — in
kurzer Zeit fertig gebohrt werden. Bei diesem Werke hatte man auch
20 Verkokungsöfen zur Theergewinnung nach Lord Dundonalds
Erfindung angelegt.


Die Daleworks, welche dicht am Eingange von Coalbrookdale
ihren Anfang nahmen, zogen sich das Thal hinauf bis zu der neuen
Hütte von Orsay, welche ebenfalls noch der Dale-Company gehörte.
Orsay hatte zwei Hochöfen, einige Refineries, Puddlingsöfen und
Walzwerke. Auf den unterhalb liegenden Werken waren weitere zwei
Hochöfen, mehrere Gieſsöfen, Schleiferei und Drahtbänke. Hier wurden
namentlich feinere Guſswaren aus Kupoloöfen geschmolzen. Alle
Hochöfen und Walzwerke bei den Daleworks wurden mit Dampf-
maschinen, nur die Dreh- und Schleifmaschinen durch das Wasser
eines kleinen Baches, welcher sich durch das Thal schlängelt, be-
trieben. Ebenso wurde eine Cylinderbohrmaschine zum Ausbohren
von Gebläsen bei Ironbridge und ein Stabhammer daselbst durch
Wasser bewegt. Mit letzterem war eine Tiegelfrischerei (siehe S. 668)
verbunden.


Broseley gerade gegenüber, unterhalb der eisernen Brücke, lagen
zwei Hochöfen und ein Gieſsofen, welche Herrn Reynolds gehörten.
Ein Cylindergebläse von 7 Fuſs Durchmesser, mit einem cylindrischen
Wasserregulator verbunden, lieferte den Wind für die Hochöfen.


Weiter abwärts auf derselben Seite des Severn war eine schiefe
Ebene mit Schienen, auf welcher beladene Böte vom Flusse auf und
nieder zu einem oberhalb gelegenen Kanal gezogen wurden. Dieser
Art des Transportes begegnete man dort an vielen Plätzen1). Die
ganze Gegend war von Eisenbahnen durchzogen.


Eine Stunde von Ironbridge, auf dem Wege nach Shiffnal, lag das
Eisenwerk Lightmoore, welches drei Hochöfen und eine Anzahl Fein-
eisenfeuer, Puddel- und Schweiſsöfen umfaſste. Hier lieſs man alles
Roheisen in Gänze laufen, um es nachher im Feineisenfeuer umzu-
schmelzen. Nur ein kleiner Teil wurde teils direkt aus dem Hochofen,
teils aus einem Flammofen vergossen. Man arbeitete in Lightmoore
auf gute Qualität, und wurde das Stabeisen so hoch bezahlt wie die
schwedischen Mittelsorten. Es wurde mit 23 bis 26 £ die Tonne ver-
69*
[1092]England.
kauft, während das Eisen von Merthyr-Tydwill nur 17 bis 18 £ er-
zielte. Boulton in Soho verwendete dasselbe vielfach an Stelle von
schwedischem. Die drei Hochöfen und einige Feineisenfeuer wurden
von einer einzigen Dampfmaschine, welche über 90 Pferdekräfte hatte,
bedient. Das Cylindergebläse hatte 7 Fuſs 4 Zoll lichte Weite und
5 Fuſs Hub. Es war mit zwei gleich groſsen Regulatoren mit beweg-
lichen Deckeln, von denen aus der Wind verteilt wurde, verbunden.
Jeder Deckel war mit 10 Tonnen Eisen beschwert, und das Sausen des
Windes vor der Form war so stark, daſs man kein Wort hören konnte.
Die Dampfmaschine war nach dem Patent von Boulton und Watt
gebaut und ging so ruhig und leicht, daſs ein schlecht gemachtes
Spinnrad oft mehr Geräusch verursachte.


Auf dem Wege nach Shiffnal lag auch die Hütte von Ketteley,
welche ebenfalls Herrn Reynolds gehörte.


Die Eisenwerke um Wolverhampton waren in kleinerem Maſsstabe
gebaut als die seither beschriebenen. Auch war der Betrieb mehr
geteilt, so daſs ein Hüttenbesitzer nur Hochöfen, andere Gieſserei,
wieder andere nur Puddlings- und Walzwerke betrieben. Die Hoch-
öfen waren alle aus Ziegeln gebaut.


Auf dem Eisenwerk Bilston New-Mills von Pearson \& Co. sah
Svedenstjerna ein Puddlingsverfahren, welches von dem in Süd-
Wales üblichen abwich. Man machte hier eine Sorte grobes Material-
eisen, welches durch ein gewöhnliches Schneidwerk von acht Scheiben
zu Nagelzainen von 5/16 Zoll Quadrat geschnitten wurde. Zuweilen
wurden diese aus Stäben geschnitten, welche unmittelbar aus den
Luppen (lumps) mit derselben Hitze gewalzt waren, zuweilen auch
aus Stäben, die eine zweite Hitze erhalten hatten.


Die ganze Gegend zwischen Wolverhampton, Wednesbury, Birming-
ham und Dudley flammte am Abend von den zahllosen Feuern der
Eisenwerke, deren man 40 zählte. Unter diesen war Browley eines
der gröſsten und lieferte an Guſswerk, Stabeisen, Blechen und
geschnittenem Eisen gegen 6000 Tonnen im Jahr.


Die Gewinnung von Eisenerzen, Steinkohlen und Kalkstein war
ähnlich wie um Coalbrookdale. Der Transport geschah meistens auf
Kanälen, welche das Land nach allen Richtungen durchschnitten und
in Birmingham zusammenliefen. Der Birminghamkanal brachte allein
jährlich 50000 £ für Kohlentransporte ein.


Bei Wednesbury lag das John Wilkinson gehörige Eisenwerk
Bradley, das gröſste der Gegend, welches zwei oder drei Hochöfen,
verschiedene Guſsflammöfen, Puddel- und Schweiſsöfen, Walzwerke
[1093]England.
für Stabeisen und Bleche, Schneidwerke und groſse mechanische Werk-
stätten umfaſste. Bei vollem Betriebe wurden 200 Tonnen Blech-,
Band-, Stabeisen und Nagelzaine in einer Woche gemacht. Letztere
wurden am Orte verkauft und von Nagelschmieden mit der Hand
zu Nägeln verarbeitet.


Das Walzen geschah hier auf die eigene, von Wilkinson erfun-
dene Weise. Das durch eine Dampfmaschine getriebene Walzwerk
bestand aus zwei 5 Fuſs starken und 6 Fuſs langen Walzen, wovon
jede 8 bis 10 Tonnen Gewicht hatte. Auf einem Ende dieses Walz-
werks waren, wie gewöhnlich, vertiefte Rinnen, auf dem anderen eine
glatte Bahn. In dem Mittelpunkt der oberen Walze war ein 3 Fuſs
langer Krummzapfen, welcher durch den Balancier einer Dampfmaschine
hin und her bewegt wurde. Die Kurbel drehte sich nicht um, sondern lief
in einem Winkel von 90° oder etwas mehr vor- und rückwärts, ebenso
auch die Walzen, die also nur mit ¼ ihrer Peripherie wirkten, statt
wie sonst ganz umzulaufen. Von der oberen Walze, welche bloſs mit
ihrer Schwere wirkte, ging kein Vorgelege nach der unteren, sondern
diese wurde nur durch die Reibung bewegt. Wenn das zuerst unter-
gesteckte Eisen vier- bis fünfmal vor- und rückwärts gegangen war,
so brachte man es unter die glatte Bahn, und in der Zwischenzeit
wurde ein frisches unter das andere Ende des Walzenpaares gebracht,
so daſs zwei Schmelzstücke jederzeit auf einmal gereckt wurden.
Wilkinson hatte hierdurch viel an Zeit zu sparen geglaubt, weil
seine Walzen nie leer, sondern immer doppelt besetzt liefen; auch
konnte er wirklich für dieses Walzenpaar mehr Puddelöfen benutzen,
als für ein gewöhnliches; aber die hohen Anlagekosten, der Kraft-
aufwand und andere Anforderungen waren Veranlassung, daſs diese
eigenartigen Walzen auf anderen Werken keine Anwendung fanden.
Die hier gewalzten Stäbe waren rauh, ungleich und im ganzen schlecht
gearbeitet. Um sie zu Blech- und Stabeisen zu verwenden, muſsten
sie noch einem Prozeſs unterworfen werden.


Das Blechwerk bestand aus zwei bis drei Blechglühöfen und
zwei Paar Walzen. Diese hatten 10 bis 12 Zoll Durchmesser, 3 bis
4 Fuſs Länge und waren abgedreht und poliert. Nachdem das Blech-
eisen durch die Walzen eine gewisse Dünne erhalten hatte, wurden
zwei und zwei und zuletzt vier und mehrere Tafeln zusammengelegt.
Man walzte hier manchmal ungewöhnlich groſse Platten.


Wilkinson hatte seine Pramen (Lastschiffe für die Kanäle) von
20 Tonnen ganz von Eisenplatten gebaut. Sie waren leichter und
besser zu bewegen als gleich groſse hölzerne, kosteten aber drei- bis
[1094]England.
viermal soviel. Wilkinson hatte auch ein gröſseres Fahrzeug auf
dem Severn ganz aus Eisenplatten gebaut.


In Wednesbury wurden auch viele Gewehre gemacht; in Wolver-
hampton hauptsächlich schwere Kurzwaren (hardware), wie Beile,
Mauerkellen, Plätteisen, Roste und namentlich Schlösser. Redditch
war berühmt durch seine Näh- und Stricknadeln.


Über Birmingham giebt Svedenstjerna nur ganz kurze Nach-
richt; wir ergänzen dieselbe deshalb aus dem Reisebericht eines
Deutschen, namens Nemnich, welcher 1799 England besucht hatte1).


1676 war Birmingham kaum ein Marktflecken. Gerbereien und
Eisenschmieden gab es aber daselbst schon Jahrhunderte früher.
Nach der Revolution entstanden hier Gewehrfabriken und bald darauf
begann die Fabrikation von Knöpfen und Schnallen, kurz all der
Kurzwaren (toys and hardware), die als Birminghamer Waren bekannt
wurden. Aber erst in der Mitte des 18. Jahrhunderts fing die Be-
völkerung der Stadt an bedeutend zu wachsen. 1690 mag die Ein-
wohnerzahl 4000 gewesen sein, zu Anfang des 18. Jahrhunderts war
sie vielleicht doppelt so groſs; 1741 zählte man 24660 Einwohner,
1778 etwa das Doppelte. Die glänzendste Periode für Birmingham
waren die Jahre 1790 bis 1792, in welcher die Einwohnerzahl sich
80000 näherte, am Ende des Jahrhunderts ging sie infolge der Han-
delsstockung, welche der französische Krieg veranlaſst hatte, wieder
um etwa 20000 Seelen zurück. Die Metallknopffabrikation war so
bedeutend, daſs sie etwa 20000 Menschen Unterhalt gewährte. Diese
Fabrikation wie die der Schnallen schlug die französische voll-
ständig aus dem Felde. Burke nannte Birmingham the toy-shop of
Europe. Die japanischen Blecharbeiten, welche Baskerville erfunden
hatte, wurden ebenfalls ein wichtiger Industriezweig Birminghams; am
berühmtesten waren die plattierten Waren und Stahlwaren. Das
gröſste Verdienst um das Aufblühen der Stadt erwarb sich aber
Boulton (s. S. 517). Ein besonders segensreiches Unternehmen war
die Erbauung des groſsen Kanals, 22 Meilen lang, welcher, im An-
schluſs an den Kanal von Staffordshire, Birmingham mit Bristol,
Liverpool und Hull in Verbindung brachte. Dieser Kanal wurde
1767 begonnen und kostete 70000 £.


Sheffield war in der ganzen Welt berühmt durch seinen Guſs-
stahl, seine polierten Stahlarbeiten und Schneidwerkzeuge. Auch
[1095]England.
diese Stadt verdankte ihr rasches Wachstum der Eisenindustrie. 1615
zählte es 2207 Seelen, 1736 an 9700, 1755 über 12000, 1788 aber
schon über 25000, 1790 über 29000, 1799 über 30000. Mitten durch
die Stadt läuft der Fluſs Don, der zahlreiche Walz-, Schneide- und
Schleifwerke trieb. Mitten in der Stadt ebenfalls am Flusse lag ein
groſses Eisenwerk mit Herden, Glühöfen, Walz- und Schneidewerken,
Hämmern u. s. w., einige davon wurden mit Wasserrädern, andere mit
Dampfmaschinen betrieben. Hauptsächlich beschäftigte man sich hier
mit Schmieden für andere Werke, von gewissen groben Maschinenteilen,
von Material zu Werkzeugen und dergleichen Sachen; man machte
Eisenbleche von allen Dimensionen und verschiedener Beschaffenheit
auf Bestellung. Svedenstjerna sah hier Blechtafeln von 5 Fuſs Länge
und 2 Fuſs Breite. Ferner wurde Guſsstahl gereckt und gewalzt; er
sah solchen zu Blechtafeln 2 Fuſs lang, 10 bis 12 Zoll breit und 1/16 Zoll
dick auswalzen, welche hernach diagonal zu Sägeblättern zerschnitten
wurden. Auch sah er Guſsstahlschienen von der Dicke 1 Linie und
einigen Zoll Breite, mit der gewöhnlichen Schneidscheibe in ⅜ Zoll
breite Zaine schneiden, woraus nachher die Klingen der Federmesser
geschmiedet wurden. Die Bleche wurden in einem gewöhnlichen
Blechglühofen sehr mäſsig ausgeglüht, und so oft solche heraus-
genommen wurden, schlug man sie mit einem gewissen Handgriff
gegen die Fläche eines in dem Boden der Schmiede eingegrabenen
Ambosses von Roheisen. Nachher wurden sie mehrmals durch die
Walzen vor- und rückwärts gezogen. Die Walzen hatten 9 Zoll im
Durchmesser, waren etwas über 2 Fuſs lang, wohl poliert und wurden
jedesmal, wenn eine Blechtafel durchging, ein wenig zusammen-
geschraubt. Wenn die Blechtafel zum letztenmal aus den Walzen
kam, war sie ganz schwarz, aber glatter und von Glühspan freier
als gewöhnliche Bleche. Sowohl bei diesem als bei dem anderen
Walzwerke hatte das Vorgelege zwischen beiden Walzen doppelte
Reihen Zähne, so daſs immer zwei Zähne auf einmal arbeiteten. —
Bei der Dampfmaschine, welche das Walzwerk trieb, war der Watt-
sche Regulator angebracht. Zu allen Arten von Werkzeugen und
polierten Waren wurde schon damals in England fast ausschlieſslich
Guſsstahl verwendet.


Neben dieser reellen Fabrikation bestand allerdings gerade in
Sheffield eine Fabrikation ganz geringwertiger Schneidwaren, welche
in Formen gegossen und dann geschliffen und poliert wurden. Sie
hatten nur das Aussehen guter Waren, waren aber sehr zerbrechlich.
Sie wurden zum Zweck der Fälschung für den überseeischen Handel
[1096]England.
angefertigt. Ein wichtiger Fabrikationszweig Sheffields waren auch
plattierte Waren, namentlich Leuchter, Kaffee-, Thee- und Bierkannen,
welchen Joseph Hancock 1758 eingeführt hatte1).


Einige Meilen von Sheffield, auf dem Wege nach York, lag die
kleine, betriebsame Stadt Rotherham am Don, welcher von hier an
schiffbar war und das schwedische Eisen für die Cementstahlfabriken
von Hull den Humber aufwärts hierher brachte. Hier wurde zuerst
Cementstahl gemacht. Bei der Stadt lagen zwei Hochöfen und die
groſse Gieſserei von Walker, in der Stadt war ein Puddel- und
Walzwerk mit Feineisenfeuern, Puddel- und Schweiſsöfen, Walzwerk
und einem Stabhammer nach schwedischer Art. Das Eisen, welches
hier fabriziert wurde, zeichnete sich durch seine Güte aus, namentlich
die Spatenbleche. Zu diesem Werke gehörten auch zehn Cementstahl-
öfen, worin jährlich etwa 1000 Tonnen schwedisches Oregrundeisen und
200 Tonnen russisches Old-Sabel-Eisen (d. h. alter Zobel) in Cementstahl
verwandelt wurden. Die meisten Öfen waren sogenannte doppelte mit
zwei Brennkisten, welche 8 bis 9 Tonnen faſsten. Gewöhnlich gehörten
acht Tage zur Ausbesserung des Ofens und Einlegen des Eisens, acht
Tage zum Brennen und ebensoviel zum Abkühlen. Ein Ofen machte
also 140 Tonnen im Jahre. Der Cementsatz bestand aus Laubholz-
kohlen mit wenig Asche.


Der Bezug des schwedischen und russischen Stangeneisens, auf
das bekanntlich die ganze Cement- und Guſsstahlfabrikation Sheffields
begründet war, geschah ausschlieſslich durch das Importgeschäft von
Joseph Sykes \& Co. zu Hull, welches diesen Handel allein in Hän-
den hatte. Die Marken Hoop L., G. L., Double Bullet galten als die
besten, die Marken W. Krone, G. F., Hoop S., J. B. Krone, Stenbock,
S. u. a. als geringere Sorten.


In Schottland sah Svedenstjerna zuerst einige englische Meilen
von Edinburg ein Eisenwerk. Es bestand aus einer Anzahl einzelner
Hämmer und Walzwerke, einem groſsen Bach entlang, in denen nur
Schrott, altes Bruch- und Materialeisen verarbeitet und zu Blechen,
Spaten, Schaufeln u. s. w. verschmiedet wurde. Hier waren Hämmer,
bei welchen Gerüst, Helm und Hammer aus Guſseisen waren und
zwar bestand dabei Helm und Hammer aus einem Stück. Ebenso
waren die Wasserräder aus Guſseisen, mit schmiedeeisernen Stangen
verschraubt. — Das alte Eisen kam meist aus Holland, wurde in
[1097]England.
Haufen (Piles) von 11 bis 12 Zoll zusammengelegt und in Schweiſs-
öfen oder Herden geschweiſst1).


Carron hatte fünf Hochöfen, der Zutritt zu dem Werk war aber
jedermann strengstens verboten, doch war es durchaus nicht mehr
das gröſste oder wichtigste Werk in Groſsbritannien.


Wilsontown, ein groſses Eisenwerk zwei bis drei schwedische
Meilen von Edinburg, war ein ganz neues Werk, welches Ende des
Jahrhunderts für 100000 £ erbaut worden war und nach schwedischer
Art arbeiten sollte, was sich aber nicht rentierte, weshalb dann ein
groſses Puddelwerk angelegt wurde.


Das Eisenwerk Clyde war nach Carron das gröſste Werk in
Schottland. Es hatte drei Hochöfen und verschiedene Guſsflamm-
und Kupoloöfen; man machte hier kein Stabeisen, sondern nur gute
Kanonen und alle Sorten von feinen und groben Guſswaren. Das
Gebläse für die drei Hochöfen wurde von einer Dampfmaschine von
55 Pferdekräften getrieben. Hierbei war nur der Regulator bemerkens-
wert, welcher aus drei groſsen Cylindern bestand, die in einem einige
Fuſs hohen Bassin mit Wasser standen. Der zuletzt gebaute Hoch-
ofen war 38 Fuſs hoch, in der Gicht 3 Fuſs, im Bauch 11 Fuſs 9 Zoll
und am Schluſs des Gestelles, welches 8 Fuſs hoch war, 2 Fuſs 6 Zoll
weit. Der Kernschacht war aus feuerfesten Ziegeln erbaut und durch
eine Luftschicht vom Rauhgemäuer getrennt. Letzteres hatte am
Boden einen Sockel von 30 Fuſs im Quadrat, war aber höher hinauf
rund und hatte an der Gicht 12 Fuſs Durchmesser. Das Äuſsere,
sowie das Gestell selbst waren ganz von gehauenen Steinen aufgeführt.
Wenn man bestes graues Roheisen für Kanonen machte, betrug die
wöchentliche Produktion nur 25 Tonnen. Die Kanonenbohr- und
Drehvorrichtung wurde durch eine kleine Dampfmaschine getrieben;
vier Kanonen konnten auf einmal gebohrt werden. Das Abdrehen
besorgte ein Knabe mit der Hand. Das Roheisen war ungewöhnlich
fein und dicht, dabei so weich, daſs man es wie Schmiedeeisen feilen
konnte2).


Zum Schluſs teilen wir (a. S. 1100) noch einige Bemerkungen aus
Bonnards, des Reisegefährten Svedenstjernas, Bericht über den
englischen Puddelprozeſs mit, die sich hauptsächlich auf den Stein-
kohlen-Hüttenbetrieb zu Merthyr-Tydwill und Coalbrookdale beziehen.


[1098]England.

Berechnung der Ein- und Ausfuhr von England nach allen
vom Jahre


Aus „Handlungszeitung“ 1785, S. 3 [...]


[1099]England.

[...]den, nach dem mittleren Durchschnitt in Pfund Sterling
[...]00 bis 1780
.


Stück vom 19. November 1785) und 378.


[1100]England.

Die Verkokung in Süd-Wales erfolgte in langen Haufen, bei
Wolverhampton in Meilern, zu Coalbrookdale in Öfen. — Die Erze
waren an beiden Orten graue, braune und gelbe Thoneisensteine aus
der Steinkohlenformation. Der Gehalt in der Beschickung wurde auf
33 Proz. gebracht. Aller Eisenstein wurde geröstet und zwar in Süd-
Wales in Schachtöfen, ähnlich den Kalkbrennöfen, in Shropshire in
pyramidalen Haufen. Bei letzterem Verfahren erhielt man gleich-
zeitig Koks. Die Hochöfen waren von 40 bis 60 Fuſs, in Glamorgan
sogar 65 Fuſs hoch. Bei Koks aus sehr guter Steinkohle zog man
die von 50 Fuſs, bei geringeren die von 45 Fuſs vor. Das Roh-
eisen wurde, ehe es in die Puddelöfen kam, in Feineisenfeuern um-
geschmolzen. Den Puddelprozeſs selbst haben wir bereits beschrieben
(s. S. 702).


Im Jahre 1788 arbeiteten in England und Wales folgende Werke1):


Hierzu lieferte Schottland noch 7000 Tonnen.


[1101]Schweden.

Mushet macht 1798 folgende statistische Angaben über die
Fortschritte der Eisenindustrie in England1):


  • 1620 betrug die Jahresproduktion eines Kokshochofens
    600 Tonnen im Werte von   3600 £
  • 1798 beträgt dieselbe 2060 Tonnen im Werte von   13520 „

Die Verkaufspreise betrugen 1620, 1792 und 1798


  • für Holzkohlenroheisen   6 £, 8 £ 10 sh. und 10 £ pro Tonne
  • „ Koksroheisen   4 £, 5 £ 10 sh. und 7 £ 10 sh. „ „
  • „ Holzkohlen-Schmiedeeisen   15 £, 23 £, 27 bis 28 £ „ „
  • „ Steinkohlen-Schmiedeeisen   12 £, 18 £ und 22 £ „ „

(Siehe Tabelle auf S. 1098 und 1099.)


Schweden.


In keinem Lande wirkten Regierung und Gewerke zur Verbesserung
und Hebung der Eisenindustrie so einträchtig zusammen, wie in
Schweden. Die Grundlage dazu gab die vortreffliche Bergwerks-
verfassung, welche König Gustav Adolf im Jahre 1630 erlassen
hatte. Das Bergkollegium war eine der angesehensten Behörden und
durch die besten Kräfte besetzt. Dies war ganz besonders in den
ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts der Fall, wo die beiden
berühmten Eisenhüttenmänner Swedenborg und Polhem als Asses-
soren des Bergkollegiums nebeneinander wirkten. Beide leisteten
Auſserordentliches nicht nur in der Theorie, sondern auch in der
Praxis. Namentlich hat Polhems mechanisches Genie in hohem
Grade das Eisenhüttengewerbe Schwedens gefördert. Er selbst hatte
im Anfang des Jahrhunderts (1704?) zu Stjernsund ein Eisen- und
Metallwerk angelegt, in dem er zuerst verzinnte Eisenwaren machte.
Hieran reihte sich bald die Darstellung anderer Eisenwaren, und
da Polhem überall Maschinenarbeit statt Handarbeit einführte, so
wurde Stjernsund eine Fabrik, die einzig in ihrer Art war und von
groſsem Einfluſs auf die Entwickelung der Eisenbearbeitung geworden
ist. Die Grundlage bildete die Blechfabrikation. Hierfür erfand er
seine berühmte Schere mit Wasserbetrieb, seinen Glühflammofen zum
[1102]Schweden.
Erhitzen der Bleche, eine Plattpresse zum Pressen von Dachblechen
und viele andere Vorrichtungen. Ihm gebührt, wie es scheint, das
groſse Verdienst, zuerst kalibrierte Walzen angewendet zu haben.
Hierüber und über seine weitere Anwendung der Walzen siehe oben
S. 580.


Er machte Weiſsblech, welches er zu allerhand Artikeln verar-
beitete. Manche Geräte fertigte er aus Schwarzblech und verzinnte
sie dann erst. Zur Blechbearbeitung hatte er Tiefhämmer, Präg-
werke, Pressen und Walzen konstruiert, mittels deren er namentlich
Küchengeschirr aus Blech anfertigte, insbesondere Teller, Schüsseln,
Becher u. s. w. Es gab viele Fabrikgeheimnisse auf dem Werke, von
denen leider die meisten durch einen groſsen Brand nach Polhems
Tode verloren gegangen sind. Er erfand eine Nagelmaschine und für
die königlichen Gewehrfabriken ein Ziehwerk für Flintenläufe. Ebenso
wie um die Blechfabrikation erwarb er sich um die Stahlbereitung und
Verarbeitung groſse Verdienste. Seine vortreffliche Anleitung zum Guſs
eiserner Walzen und viele andere Anregungen, die er der Eisen-
industrie Schwedens gab, haben wir bereits erwähnt. Neben Polhem
und Swedenborg wirkten noch andere tüchtige Männer, wenn auch
nicht von der Bedeutung der vorgenannten, wie Triewald, Lauräus,
Lindfort, Tilesius, Schepper
.


Von groſsem Einfluſs war der geistige Aufschwung Schwedens in
jener Zeit, der in der Gründung der wissenschaftlichen Gesellschaft
von Upsala und später der königlichen Societät der Wissenschaften in
Stockholm seinen Ausdruck fand und welcher zum groſsen Teil durch
die obengenannten Männer in eine wesentlich praktische Richtung
geleitet wurde. Eine wichtige Veränderung erfuhr die Organisation
des Bergkollegiums im Jahre 1713 dadurch, daſs die Landhauptleute,
d. h. die Revierbeamten, die bis dahin, ein jeder für seinen Bergslag,
wenn sie in Stockholm waren, Sitz und Stimme darin hatten, dieses
Recht verloren und dafür ständige sachverständige Beisitzer, von
denen zwei zu Bergräten ernannt wurden, deren Anzahl in der Folge
bis auf sechs vermehrt wurde, traten.


Neben dem Bergkollegium war eine andere segensreiche Körper-
schaft, die Hütten-Gesellschaft (Bruks-Societät), eine Vereinigung der
Hütten- und Hammerherren mit der ausgesprochenen Absicht, neben
Wahrung ihrer eignen Interessen das Eisenhüttengewerbe in Schweden
zu fördern. Dieser Verband hat sehr segensreich gewirkt und ist seiner
Aufgabe in hervorragender Weise gerecht geworden.


War das richtige Zusammenwirken im Inneren ein Faktor, der
[1103]Schweden.
die Eisenindustrie Schwedens förderte, so waren die Verhältnisse nach
auſsen, der Handel und die zunehmende Ausfuhr ein weiterer Faktor
hierfür. Der Bedarf Englands nahm von Jahr zu Jahr zu. Im
Jahre 1700 muſste England schon 395000 Ctr. fremdes Eisen ein-
führen, von denen der gröſste Teil von Schweden kam. Obgleich
mit der Regierung des genialen Abenteurers, Karls XII., schwere
Zeiten für die Industrie über Schweden hereinbrachen, so hatte doch
die Eisenindustrie am wenigsten darunter zu leiden. Freilich trat
groſser Arbeitermangel ein, denn alles, was Waffen tragen konnte,
muſste ins Feld, nur Alte und Krüppel blieben zurück. Auch waren
die Preise unsicher und groſsen Schwankungen unterworfen. Von
1703 bis 1711, wo man allein von Gothenburg aus jährlich 149000 Ctr.
verschifft hatte, war der Preis 4½ Thlr. Silber pro Centner gewesen.
1718 fiel er bei geringer Ausfuhr auf 3 Thlr., dann stieg er 1725 auf
6 Thlr., 1737 stand er wieder auf 4¾ Thlr. Um bei den schwanken-
den Exportmengen die Hüttenbesitzer vor Verlegenheiten zu schützen
und einen Vorrat zum Ausgleich zu schaffen, wurde es erlaubt, gegen
Pfandscheine auf hinterlegtes Eisen Anleihen bei der Bank zu machen
(Warrants). Diese Begünstigung, die sich erhielt, gab zu vielen Miſs-
bräuchen Veranlassung. Die Besitzungen fingen selbst an, Gegen-
stand des Tauschhandels zu werden und kamen mit den Hütten in
schlechte Hände; der Eisenhandel wurde fast nur durch Agenten
fremder Häuser betrieben, die den Preis unter sich nach Belieben
feststellten. Die schädlichen Wirkungen zeigten sich Anfang der 40 er
Jahre so deutlich, daſs alle Patrioten (darunter auch Polhem) auf
Mittel zur Abwehr sannen. Ein solches wurde von der Hütten-
Gesellschaft (Bruks-Societät) in Verbindung mit der Regierung gefunden.
Vom Reichstag wurde nämlich 1745 der Beschluſs gefaſst, die Hütten-
besitzer zu veranlassen, unter sich Summen zusammenzuschieſsen
und, auf diese gestützt, sich gegenseitig einen gewissen niedrigsten
Verkaufspreis zu garantieren (Syndikat, Ring). Zur Verwaltung der
Fonds und Ausführung der Maſsnahmen, welche zur Erhaltung und
Durchführung dieses Abkommens nötig waren, wurde ein Ausschuſs
mit dem bleibenden Sitze in Stockholm erwählt. Das ganze Institut
erhielt den Namen Eisen-Kontor (Jernkontor)1). Die Abgabe zur
Bildung des Fonds wurde auf 1 Kupferthaler (10 Pfge.) von jedem
Schiffspfund, das zur Wage gebracht wurde, festgesetzt; nach einem
späteren Abkommen muſste der Käufer diese Abgaben erlegen. Mit
[1104]Schweden.
diesen Summen sollten auf den groſsen Eisenmärkten Einkäufe gemacht
werden, wenn der Preis unter die bestimmte Grenze zu fallen drohte.
Auch sollten die Hüttenbesitzer, wenn sie nicht an ihren Preis kamen,
ihr Eisen deponieren und Summen zu 4 Proz. Zinsen darauf aufnehmen.
Die vier Bevollmächtigten wurden jährlich in einer Versammlung der
Bruk-Societät gewählt. Gleich beim ersten Markte zu Gothenburg trat
das neue Institut mit groſsem Erfolg in Aktion. Es gingen im ersten
Jahre über 300000 Kupferthaler ein.


Der ursprüngliche Plan wurde später 1766 dahin abgeändert,
daſs man den Einkauf auf den Märkten fallen lieſs, dagegen Hütten-
besitzer, die aus Mangel an Betriebsfonds zu niedrigen Preisen
verkaufen muſsten, durch Vorschüsse unterstützte, was sich um so
besser durchführen lieſs, als das Eisenkontor nach und nach ein
groſses Vermögen gesammelt und ihm von den Reichsständen über-
dies ein Kredit von 900000 Mk. zu geringem Zins bei der Haupt-
bank eröffnet worden war.


Das vortrefflich geleitete Institut wirkte aber noch besonders segens-
reich und verdiente sich den Dank aller Länder dadurch, daſs es
sich die Ausbildung der Hüttenkunde zu seiner ganz besonderen Auf-
gabe gemacht hat. Es hat dieselbe in bewunderungswürdiger Weise
erreicht, teils durch Besoldung tüchtiger Aufsichtsbeamten und Fach-
lehrer, teils durch kräftige Unterstützung aller Forschungen und Ver-
suche, wenn sie auch nur entfernte Aussicht auf tieferes Eindringen
in die mannigfachen Dunkelheiten der Eisenproduktion verhieſsen,
ferner durch Aufmunterungen aller Art, die auch den geringsten
Hüttenknecht mit einbegriffen, und endlich durch Verbreitung der
Fortschritte des Auslandes bis in die fernsten Hütten im rauhen
Lappland. Das vortreffliche Institut, welches patriotischer Gemeinsinn
geschaffen, hat sich bis heute erhalten.


Den Betrieb und die Fortschritte des Eisenhüttenwesens in
Schweden in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts haben wir bereits
im allgemeinen Teil behandelt, wo wir einen ziemlich ausführlichen
Auszug aus Swedenborgs Schilderung der schwedischen Eisen-
bereitung gegeben haben. Ebenso haben wir das wichtigste aus Pol-
hems
patriotischem Testament mitgeteilt. Es bleibt uns nur noch
weniges hinzuzufügen.


Welchen Aufschwung die schwedische Eisenindustrie seit etwa 1720
genommen hat, geht daraus hervor, daſs, während in den 100 Jahren
von 1620 bis 1720 nur 60 Stab-, 4 Stahl- und 8 Blechhämmer privi-
legiert wurden, in den folgenden 40 Jahren von 1720 bis 1760 dagegen
[1105]Schweden.
177 Stab- und Nagelhämmer, 16 Stahlwerke und 34 Plattwerke1).
Swedenborg giebt in seinem Werk de ferro 1739 ein ziemlich voll-
ständiges Verzeichnis der sämtlichen Hütten- und Hammerwerke in
Schweden2). Er führt die wichtigsten namentlich auf und zwar:


  • In Kopparbergland (Pro-
    vincia Cuprimontana)   79 Hochofenhütten und 47 Hammerhütten
  • „ Westmanland (Wess-
    mannia)   78 „ „ — „
  • „ Örebro   177 „ „ 165 „
  • „ Upland und Roslagen   24 „ „ 18 „
  • „ Gästrick- u. Helsingland
    (Gestricia et Hellsingia) 6 „ „ 54 „
  • „ Södermanland   2 „ „ 23 „
  • „ Ostgotland  17 „ „ 24 „
  • Zusammen 383 Hochofenhütten und 331 Hammerhütten.

Von den angeführten Werken hatten manche drei, vier, sechs bis
zehn Feuer. Auſserdem gab es noch eine groſse Anzahl Eisenwerke
in Jönköping, Kalmar, Kronoberg, Småland, Bothnien, Lappland und
Finnland von geringerer Bedeutung.


Hervorragende Werke waren in Kopparbergland die Hochofen-
hütten Wikmanshytta, Forshytta, Westansioe, Starbo und die Hammer-
hütten Graengshammar, Langfors und Stiernsund; in Örebro: Dalkarls-
hytta, Garphyttan, Stiernfors, Elfdala, Wedewang, Brefwen, Munkfors,
Bofors, Langbahn und Lillefors; in Upland und Roslagen: Södersfors,
Österby, Loefstad (mit Doppelöfen) und Forsmark; in Gestricia und
Hellsingia: Edke, Hammarby, Hoegbo, Forsbacka, Wiksioe, Iggesund;
in Södermanland: Eskelstuna; in Ostgotland: Österby, Finspong und
Isunda.


Bauernöfen und Luppenschmieden, welche Sumpferze direkt zu
schmiedbarem Eisen verschmolzen, gab es noch in Angermanland
(Graninge), Dalekarlien, Jemptland und West-Bothnien. In gleicher
Weise wurden Seeerze auſser in Angermanland und Dalekarlien auch
in Småland und Ostgotland verschmolzen. Nur in Småland ver-
schmolz man auch Seeerze im Hochofen. Die meisten Frischfeuer
waren deutsche Aufbrechschmieden, nur das für die Cementstahl-
fabrikation besonders gesuchte Eisen, das sogenannte Öregrundeisen
von Dannemora und Roslagen, wurde in Wallonschmieden gefrischt.
Beck, Geschichte des Eisens. 70
[1106]Schweden.
Die Hochöfen dieser Provinzen waren ebenfalls anders zugestellt.
Storgrufwen war das gröſste Eisenbergwerk in Dannemora. Die
bedeutendsten Hochofenhütten waren zu Österby in Roslagen, Tobo
und Elfkarleby. Hier schmolz man ein graues Roheisen aus einer
Mischung von Erzen von Dalekarlien und Uthoens.


Die Stahlfabrikation spielte in Schweden in früherer Zeit nur
eine untergeordnete Rolle. Allerdings hatte Gustav Adolf schon
das Stahlfrischen eingeführt, und wurde damals eine Stahlfrischhütte
zu Quarnbacka errichtet, welche auch 1734 noch im Betrieb stand.
Eine neuere, wohl erst im Anfang des 18. Jahrhunderts erbaute
Stahlfrischhütte war zu Hedemohra bei Frollbo in Dalekarlien. Das
vorzügliche Roheisen, welches diese verarbeitete, war zu Wikmans-
hytta aus besten Bisberget-Erzen erblasen.


Im Jahre 1748 zählte man 496 Hochofenhütten, 539 Stabhämmer
und 971 kleine Hämmer in Schweden.


Bereits 1725 scheint zu Barkinge eine Cementstahlfabrik bestanden
zu haben. Das giebt Schepper an 1), der noch folgende Werke 1725
erwähnt: eine Eisenfabrik zu Wellnorin, Schmelzhütten zu Bennebo
und Esbo, zwei Eisenhämmer zu Skebo; eine Hochofenhütte (officinia
massaria) zu Forsbo und Frösåker, viele Eisenfabriken um Harria
und zu Gimo; der Schafthammer in Öland; das berühmte alte Eisen-
werk bei Österby; Viggelsbohütte und Forsmark, die bekannten Werke
bei Lofstad; Eisenwerke zu Tobo, Strömberg, Elfkarlebyoen, Soeder-
fors, „wo die gröſsten Anker geschmiedet werden“.


Derselbe erwähnt, daſs die gerösteten Erze mit Hämmern zer-
kleinert würden, daſs die Schmelzöfen ähnliche Gestelle hätten wie
die Kalköfen. Sie waren 12 Ellen hoch und über dem Boden 3 Ellen
weit, von da bis zum Kohlensack noch 3⅝ und von da bis zur Gicht
5⅜ Ellen. An der Gicht betrug die Ofenweite 2½ Elle, vor den
Formen ¾ Ellen.


Schepper giebt (1725) ferner folgende Preise an:


  • Für Öregrund-Stabeisen   36 Thlr. (Daler Kopparwerk) das Schiffspfd.
  • Gutes Bergslag-Eisen   32 „ . . . . . . . . „
  • Voyage-Eisen   36 „ (10 bis 12 Stangen) „
  • Schamplun-Eisen   32 „ do. „
  • Gutes Bauerneisen   28 „ do. „
  • Mittleres do.   27 „ do. „

[1107]Schweden.
  • Grobes Bauerneisen   26 Thlr. (10 bis 12 Stangen) das Schiffspfd.
  • Knippeisen (Zaineisen)   42 „ do. „
  • Bandeisen   48 „ do. „
  • Blech   82 „ do. „
  • Anker   75 „ do. „

Der Hochofenbetrieb war hauptsächlich auf die Bergerze begrün-
det, nur in den südlichen Provinzen verschmolz man See- und Morast-
erze. Die schwedischen Erze waren Eisenoxyde mit mehr oder weniger
Oxydul; sie bewegten sich in den Grenzen zwischen Magneteisen-
stein und Blutstein, man unterschied sie auch nach dem Strich in
zwei Gruppen, schwarze und rote Erze, oder Magneterze und Blut-
steine (Magnetiska Malmer und blodsten). In der Praxis aber unter-
schied man Dürrsteine und Quicksteine, erstere waren die schwer-
schmelzbaren, letztere die leichtschmelzbaren Erze. Zu den ersteren
gehörten besonders die Blutsteine, als Roteisensteine, roter Glaskopf,
und Eisenglanz, aber auch Magneteisensteine, welche mit Quarz, Horn-
stein, Feldspat, Asbest oder Jaspis vorkamen. Man schmolz am
vorteilhaftesten Dürrsteine und Quicksteine zusammen. Die reichen
Dürrsteine, die Rinmann als hellgraue, blutsteinartige Erze bezeich-
net, gaben vortreffliches weiches Eisen, aber keinen guten, harten
Stahl. Besonders berühmt waren die dalekarlischen Dürrsteine von
Norberge, Grängsberg, Ormberg, Lomberg und Kelfberg, sodann die
von den Långsbanhyttan-Gruben in Wärmeland und den ähnlichen in
Linde und Nora-Bergrevier. Die südlichste Bergerzablagerung ist die
des Taberg, ein wahrer Magnetberg, welcher 1032 Fuſs über Meeres-
höhe emporragt. Er liegt in Jönköpings Län.


Nyköpings Län hat die vorzüglichen Erze von Förola und Scott-
wång, von denen hauptsächlich Geschützeisen bereitet wurde, sodann
rechnete man die Insel Utö mit ihren Erzschätzen hierher, deren
Gruben aber 1719 von den Russen verstürzt wurden. Nach Beendi-
gung des Krieges wurden sie mit ungeheuren Kosten wieder aufge-
wältigt. Das gesegnetste Bergrevier war Nora-Bergslag. In Wärme-
land liegen die reichen Erzlager von Långsbanshytta, Nordmark und
Persberg. Die ältesten Gruben hatte Norbergs Bergslag. Upland ist
vor allen Gegenden Schwedens gesegnet durch die berühmten Danne-
mora-Gruben. Von diesen hat Hausmann eine vortreffliche Schil-
derung geliefert1). Durch die Schenkung an Louis de Gheer kamen
70*
[1108]Schweden.
sie ganz in Privatbesitz. 1727 bis 1734 hatte man dort eine Feuer-
maschine aufstellen wollen, kam aber nicht damit zum Ziel.


Alles Eisen teilte man früher in „rotbrüchiges und kaltbrüchiges“,
oder „schwefelhaltiges und schwefelfreies“ ein1) und dementsprechend
unterschied man auch schon die Erze. Das Roheisen unterschieden
die Hammerschmiede in langsamgeblasenes oder gares Roheisen (nöd-
satt Tackjärn), in mäſsig geblasenes oder halbiertes (lagomsatt),
welches wieder unterschieden wurde in graugesprengeltes oder hagel-
buntes (hagelsatt) und in weiſsrandiges Eisen (Is- und Askrandjärn)
und in rasch geblasenes (satt oder hårdsatt), von welchem man dichtes,
körniges oder Kälberkäseeisen (Kalfostjärn) und luckiges oder Wespen-
eisen (Getinge-järn) unterschied.


Über den Hochofen- und Frischfeuerbetrieb in diesem Zeitab-
schnitt haben wir dem früher Gesagten nichts hinzuzufügen.


Für die Eisenveredlung bemühte sich damals Polhem am meisten.
Sein sogenanntes Testament soll hauptsächlich eine Mahnung hierfür
sein. „Es ist zu verwundern,“ schreibt er, „daſs so wenig auf die Ver-
edlung unserer Rohstoffe gehalten wird, gleich als ob der unzählige
Verkehr durch allerlei Arbeiten in Eisen, Stahl, Kupfer und Messing
nicht mehr als vieles andere würdig wäre, zu den Manufakturen
gezählt zu werden. — Die Haushaltung anderer Länder kann uns
darin zum Muster dienen . . . . Nirgends findet man auſser Landes
Eisenhütten, wo man nicht auch das beste und meiste Eisen zu Manu-
fakturen verarbeitet. Dadurch erhält das Land auf jede Stiege Kohle
50 bis 100 Thlr. Kupfermünze Gewinn, wir aber bringen es für jede
Stiege auf kaum 7 Thlr. Kupfermünze, solange die Fremden das
Schiffspfund Eisen nicht höher als 7 Platten oder 24 Thlr. bezahlen,
maſsen auf 1 Schiffspfd. 6 Stiegen zu Gruben- und Rostfeuer verwendet
werden . . . . Nach den sichersten Berechnungen verheeren wir unsere
Gruben und Wälder, welches die Nachwelt empfinden und unsere
Nachkommen mit Betrübnis beseufzen werden.“


„Ist es nicht ein unbeschreiblicher Miſsbrauch, wenn die Haus-
haltung des Reiches auf dem Fuſse steht, daſs die Ausländer (Eng-
länder) die Freiheit haben, die Arten des Eisens, die sie selbst
belieben, zu kommandieren, eben als wenn die Eisenwerke ihnen
gehörten.“


„Wir haben für allen vergossenen Schweiſs unseren Kindern fast
nichts hinterlassen als erschöpfte Gruben und ausgehauene Wälder.“


[1109]Schweden.

Mit Recht verweist er auf England und dessen groſse Königin
Elisabeth. Hätte sie so gehandelt, wie jetzt die Schweden, so wäre Eng-
land heute noch so arm wie vor 200 Jahren. „Gewissermaſsen ist das
damalige Schicksal Englands jetzo das unserige; denn so wie jenes
damals seine Wolle unverarbeitet ausführte, so machen wir es nun
mit unserem Eisen. — Dabei haben wir einen Vorteil, den jene nicht
besaſsen. Wir können mit unserer Eisenbereitung und -Veredelung
so verfahren, daſs weder In- noch Ausländer Schaden dabei leiden,
wenn wir uns nur auf Champlun- (Façon-)eisen, auf für verschiedene
Arbeiten bequem vorgeschmiedetes Eisen und auf Materialeisen für
allerlei Manufaktureisen verlegen wollen, was die Engländer mit ihrer
Wolle nicht konnten. Die ausländischen Arbeiter würden mit Ver-
gnügen dieses vorgearbeitete Eisen kaufen, schon des geringeren Auf-
wandes an Holzkohlen wegen, die in den meisten Ländern 12mal so
teuer sind als bei uns.“


„Würde der Ausländer uns die ganzen Kosten der Veredlung
nach seinen teuren Lohnsätzen bezahlen, so hätte er immer noch
einen Nutzen durch die Differenz der Kohlenpreise und durch die
geringere Fracht. Schweden besitze aber Überfluſs an Wasserkraft,
welche noch viel zu wenig ausgenutzt sei.“


Wenn wir diese Mahnrufe Polhems lesen und erwägen, daſs die-
selben im Jahre 1746 niedergeschrieben wurden und daſs um dieselbe
Zeit das Eisenkontor gegründet wurde, so dürfen wir wohl schlieſsen,
daſs Polhem selbst hierzu wesentlich mitgewirkt hat, wozu er auch
durch das hohe Ansehen, das er genoſs, am meisten in der Lage war.
Und hier knüpft sich denn auch gleich die Geschichte der schwe-
dischen Eisenindustrie der zweiten Hälfte des Jahrhunderts an, welche
ihren Hauptvertreter in Sven Rinman hat.


Wir haben schon oben erwähnt, daſs sich das Eisenkontor die
Hebung der schwedischen Eisenindustrie als Hauptaufgabe gestellt
hatte1). Dies bethätigte sich zuerst in der Anstellung eigener Beamten
neben den schon von der Regierung mit der Aufsicht über die Hütten
betrauten.


Wenn die Regierungsbeamten mehr über die Rechtsordnung zu
wachen hatten, wenn sie für die Durchführung der Vorschriften,
die Qualität des Eisens, Stempel und Wage, Abgaben und Anlage
neuer Werke zu sorgen hatten, so sollten die Beamten des Eisen-
[1110]Schweden.
kontors belehrend wirken; sie sollten sich bemühen, daſs die
Hütten nicht bloſs nicht gesetzwidriges, sondern möglichst gutes und
dabei möglichst wohlfeiles Eisen produzieren möchten; es sollte, da
die in Schweden vorkommenden Erze sich so sehr verschieden im
Schmelzen verhielten, jeder Hütte gezeigt werden, wie sie die sich ihr
darbietenden am vorteilhaftesten behandle, wie schlechten Hochofen-
gängen am besten vorzubeugen sei u. s. w.1).


Es hatte sich, was die Einwanderer an Kenntnis mitgebracht, durch
Tradition in der Hochöfnerzunft erhalten und durch die zum Gesellen-
und Meisterwesen nötigen Prüfungen hatte man sich zwar immer ver-
sichert, daſs die angestellten Arbeiter wenigstens nicht ganz ohne alle
Kenntnis seien, allein sehr vermehrt konnte sich bei diesem bloſs hand-
werksmäſsigen Vererben des praktischen Verfahrens vom Meister auf den
Lehrling, der kleine Fond, den die Einwanderer in jener früheren Zeit
mitgebracht, nicht haben; es hatten sich im Gegenteil die allgemeinen
Erfahrungen in den verschiedenen Gegenden sehr vereinzelt und auf
bestimmte Fälle gerichtet und dadurch sowohl, als auch durch das
mit Unwissenheit gewöhnlich verschwisterte Vorurteil und Hängen an
dem Hergebrachten, hatte sich eine Menge von Unbedeutendheiten in
der öffentlichen Meinung als wichtige Dinge festgesetzt; dies beweist
z. B. das Beibehalten der verschiedenen Ofenkonstruktionen, welche
die Einwanderer der zwei oder drei Nationen aus ihrem Vaterlande
mitgebracht, bis weit über die Mitte des vorigen Jahrhunderts. Be-
seitigung dieser Vorurteile und Einführung allgemein richtiger Grund-
sätze war der eine Hauptzweck; Forschungen und Versuche, um das
von Vorurteilen befreite Gewerbe nun auch auf systematischem und
gewissermaſsen schon wissenschaftlichem Wege rüstiger als bisher
einer höheren Vollkommenheit zuschreiten zu lassen, der andere.
Insbesondere wollte man die Roheisenindustrie, die verhältnismäſsig
am meisten zurückgeblieben war, fördern. Bei der allgemeinen Ver-
sammlung der Brucksocietät im Eisenkontor zu Stockholm im Jahre
1751 wurde beschlossen, einen praktisch und wissenschaftlich gebil-
deten Eisenhüttenmann vorläufig für drei Jahre zur Anstellung von
Probeschmelzen im Hochofen auf Kosten der Gesellschaft anzustellen.
Hierzu wurde als erster Rinman, ohne daſs er sich darum beworben
hatte, durch Patent vom 4. März 1751 ernannt und ihm der Titel
Oberhochofenmeister (Öfvermasmästare) beigelegt. Der Nutzen dieser
Maſsregel zeigte sich bald in solchem Maſse, daſs man bereits 1753
[1111]Schweden.
einen zweiten und 1755 einen dritten erst interimistisch und von 1757
an dauernd anstellte. Es wurden also drei solche Oberhochofenmeister,
unter welchen sich Rinman befand, von dem Eisenkontor besoldet.
1760 wurde noch ein vierter angestellt und Schweden dem entsprechend
in vier Bezirke geteilt. Die Maſsregel, die sich für die Hochöfen so
gut bewährt hatte, wurde auch auf die Frischhütten ausgedehnt, und
wieder wurde Rinman 1760 als erster Direktor der Schwarzschmiede
berufen.


Wie das Eisenkontor durch diese Maſsregel für die praktische
Belehrung und Förderung gesorgt hatte, so sorgte es auch für die
theoretische, indem es die Herausgabe guter Fachschriften auf seine
Kosten übernahm. Es stattete diese Werke in freigebigster Weise,
namentlich auch mit Zeichnungen, aus, und die Eisenindustrie ver-
dankt die vortrefflichen Werke von Rinman, wie noch viele andere,
dieser Thätigkeit des Eisenkontors. Die Bücher wurden an die schwe-
dischen Hütten- und Hammerwerke verteilt und dadurch verbreitet
und gemeinnützig gemacht. So entstanden im vorigen Jahrhundert
Rinmans Werke über Eisen- und Stahlveredlung, sein Versuch einer
Geschichte des Eisens und sein Bergwerkslexikon, sodann Nordwalls
und Rinmans Maschinenlehre und Garneys Abhandlung vom Bau
und Betrieb der Hochöfen, welche alle, abgesehen von ihrem höheren
allgemeinen Interesse, zur Förderung der schwedischen Eisenindustrie
beitrugen. Ganz besonders hat Garneys vortreffliches Werk bei den
Praktikern Anklang gefunden, „auf jedem Hochofenkranz und bei
jeder Tümpelflamme wurde es gelesen“ und hat am meisten dazu
beigetragen, mit vererbten Vorurteilen und dem alten Schlendrian zu
brechen.


Das Eisenkontor beförderte ferner das Eisenhüttengewerbe durch
Reisestipendien und Prämieen. Schon 1767 waren Summen zu folgen-
den Zwecken ausgeworfen worden: 1. Verstärkung der Fonds für die
gröbere Eisenmanufaktur, 2. Besoldung der Oberhochofenmeister u. s. w.,
3. Prämieen zur Aufmunterung der Frischerei, 4. der Köhlerei, 5. des
Schürfens (Malmletare), 6. Nachrichten und Sammlungen von aus-
ländischen Hüttenbetrieben. Auſserdem unterstützte das Eisenkontor
verunglückte Hütten und gröſsere Unternehmungen, darunter nament-
lich die Manufakturen in Eskilstuna; über wichtige Fragen schrieb
es Preisaufgaben aus.


Die Gründung des Eisenkontors hatte unmittelbar auf Betrieb
und Absatz den allergünstigsten Einfluſs. Schon Ende der 40er Jahre
hatte sich die Ausfuhr sehr vermehrt, trotz der wachsenden russischen
[1112]Schweden.
Konkurrenz. Aus schwedischen Häfen waren 1750 831900 Ctr. Stab-
eisen, 52000 Ctr. Manufaktureisen und 13000 Ctr. Guſswaren aus-
geführt worden. Die Guſswaren bestanden hauptsächlich aus Kanonen.
Von diesen bezog namentlich Holland für seine Kauffahrer groſse
Mengen. Dieselben waren alle über den Kern gegossen, und wurden,
wenn sie nur die Probeschüsse ausgehalten hatten, nicht weiter unter-
sucht. Finspång allein führte um diese Zeit jährlich mehrere Tausend
Geschütze aus. Die Eisenausfuhr Schwedens erhielt sich auf ihrer
Höhe, dagegen war der Handel im Innern durch den wechseln-
den Geldkurs groſsen Schwankungen unterworfen, welche die Pro-
duktionskosten oft sehr ungünstig beeinfluſsten. 1767 erfolgte ein
Sturz aller Kurse und damit ein Fallen der Eisenpreise, wodurch die
ganze schwedische Eisenindustrie schwer zu leiden hatte. Infolge-
dessen wurden 1768 30000 bis 40000 Schiffspfund weniger Eisen
geschmolzen, als dem Mittel der vorhergegangenen zehn Jahre ent-
sprach, woraus eine groſse Teuerung in den Bergdistrikten entstand,
so daſs die Regierung durch Ausnahmsmaſsregeln helfen muſste.


Kanonen und Munition lieferten die Gieſsereien zu Akersbruck,
Helleforss, Ehrendahl, Staffio und Ullaberg in Södermanland, Finspång
in Ostgotland und Ofwerrum in Kalmar Län. Hiervon waren Staffio
und Finspång die bedeutendsten. Letzteres lieferte 1768 1400 Schiffs-
pfund und Staffio sogar 1800 Schiffspfund1). Gewalztes Bandeisen
wurde besonders bei Iggesund in Helsingland und Helleforss und
Garphyttan in Nerike verfertigt. Es war ebenso schön und gut wie
das englische und wurden jährlich ca. 1300 Ctr. davon ausgeführt.
Um 1770 hatte sich der Betrieb von einem durch die genannten
Kursschwankungen schlechten Jahrzehnt kaum erholen können, da die
Getreidepreise gestiegen waren, was für die Hüttenbesitzer, die ihren
Arbeitern einen Teil des Lohnes in Getreide zu einem festgesetzten
niedrigen Preise entrichten muſsten, einen groſsen Schaden herbei-
führte. Der Krieg mit Amerika aber belebte den Handel, der Getreide-
preis sank wieder und der Wohlstand hob sich aufs neue.


Viele glückliche Umstände trugen dazu bei, die Zeit von 1780
bis 1800 zu der blühendsten für Schwedens Eisenbetrieb zu machen.
Die Getreidepreise fielen, die französische Revolution führte Rüstungen
herbei, welche die Manufakturen in Belgien und am Rhein störten;
es wurden Verbesserungen im Betriebe gemacht u. s. w. Der Durch-
[1113]Schweden.
schnitt der jährlichen Ausfuhr von 1792 bis 1800 betrug 890000 Ctr.
Stabeisen, 92000 Ctr. Manufaktureisen und kleinere Gegenstände. Man
glaubte, daſs diese Produktion, die, wenn man die Konsumtion im
Inlande mitrechnete, bis nahe an 1300000 Ctr. stieg, die gröſste sei, die
Schweden überhaupt bei nicht übermäſsigem Angreifen des Materials,
besonders des Holzes, hervorbringen könnte. Gegen Ende des Jahr-
hunderts führte der Engländer Lewis auch eiserne Cylindergebläse ein.


Die Manufakturschmieden (Schwarzschmieden) hoben sich seit 1760
bedeutend, sie exportierten an Waren (Äxte, Sensen, Achsen u. s. w.):


  • 1760 bis 1770 im Durchschnitt jährlich 37981 Ctr.
  • 1771 „ 1780 „ „ „ 53419 „
  • 1781 „ 1790 „ „ „ 101029 „
  • 1791 „ 1800 „ „ „ 95025 „

Der Export Schwedens verteilte sich 1788 in folgender Weise:


  • Nach den Ostseeküsten   148040 Ctr.
  • „ England   512589 „
  • „ Holland   36610 „
  • „ Frankreich, Spanien und dem Mittelmeer   318314 „
  • „ Westindien  6106 „
  • 1021659 Ctr.

Unter dem nach England ausgeführten Stabeisen befanden sich
etwa 62000 Ctr. Öregrund-Eisen, d. h. solches, das auf den Roslags-
Werken aus Dannemora-Erz bereitet und in Öregrund verschifft wurde.
Es diente ausschlieſslich der Cementstahlbereitung und wurde, weil
es für den guten Guſsstahl unentbehrlich war, sehr viel höher (Anfang
dieses Jahrhunderts doppelt so hoch) als andere Sorten bezahlt. Fast
das ganze Quantum wurde von einem Haus in Hull, Syks \& Co.,
bezogen. Öregrund war nur für das Dannemora- oder Roslagen-Eisen
Verschiffungsort, das übrige schwedische Eisen wurde meist in den
Häfen von Stockholm und Gothenburg verladen. Im Jahre 1780
betrug die Produktion rund 1300000 Ctr., wovon 1 Million Centner
verschifft wurden; hiervon gingen etwa zwei Dritteile nach England und
Holland. Die Verschiffung in Stockholm betrug 640000 Ctr., aus Gothen-
burg 200000 bis 220000 Ctr. Als verarbeitetes Eisen wurden verschickt
50000 bis 60000 Ctr. Nägel, 16000 bis 18000 Ctr. geschmiedete Anker
und 32000 Ctr. Kanonen. Schwarz- und Weiſsblech in Fässern von
450 Blatt zu 4 Ctr. ging besonders nach Frankreich. Gegen Ende des
Jahrhunderts ging die Weiſsblechfabrikation Schwedens infolge der eng-
lischen und deutschen Konkurrenz zurück und die darauf betriebenen
[1114]Schweden.
Walzwerke zu Fagerwyk in Nyland, bei Stieskateberg in Westman-
land und bei Johannisforss in Upland gingen ein.


Die Stahlfabrikation Schwedens war nicht bedeutend. Es wurde
mehr Roh- als Cementstahl gemacht. Der erstere ging als steierischer
Stahl mit Eichenblättern als Marke. Den besten lieferte Forssmark,
von wo jährlich 700 Bund zu 169 schwed. Pfund nach Rouen ver-
schickt wurden. Der Cementstahl von Österby wurde als venetianischer
Stahl nach Spanien, Portugal und Livorno verschifft. Die gesamte
Cementstahlfabrikation betrug etwa 30000 Ctr., wovon 3000 Ctr. nach
Ruſsland gingen.


Die Zahl der in den Eisenhütten und -Gruben beschäftigten Ar-
beiter belief sich auf 25000. Die Krone bezog von der Ausfuhr der
Metalle 1769968 Frs. an Zoll im Jahre. 1785 betrug die Produktion
372077 Schiffspfund (à 160 kg) Stabeisen und 31657 Schiffspfund
Knip-, Band- und Bolteneisen. Ausgeführt wurden 1788: Stabeisen
236929 Schiffspfund, Materialeisen 15666 Schiffspfund, Öfen 1069 Schiffs-
pfund, Stahl 3580 Schiffspfund.


Die Staatsregierung Schwedens suchte fortgesetzt auch auf dem
Wege der Gesetzgebung die Eisenindustrie zu heben. Schon 1671
war eine Eisenarbeiterordnung (Järnwräkare-Förordning) erlassen
worden; dieser folgte am 27. Dezember 1703 die Hammerschmiede-
und Hüttenordnung (Förordning om Hammar smedar och Bruks-
volk). Am 19. April 1740 wurde eine Verordnung für neuangelegte
Stabhämmer erlassen (Förordning angaende Stang-Järns-Smidet, och
deras Hushallning mal vid Järnwerken); am wichtigsten war aber die
erneuerte Hüttenordnung vom 11. Dezember 1766 (Kön. Maj. förnyade
Järnwräkare Ordning), welche für lange Zeit die Grundlage des Hütten-
haushaltes bildete1). In dieser erneuten Ordnung wurden namentlich
die alten Bestimmungen über die Hochöfner- und Frischerzunft neu
umgearbeitet. Diese waren nach altem Herkommen zuerst von der
Königin Christine (1638 und 1649) gesetzlich geregelt worden.


Zur Hochöfnerzunft (Masmästare Embetet) gehörten2): der
Hochofenmeister (Masmästare), Schachtaufsetzer (Stegresare), die
Hüttenknechte, Gichtsetzer oder Aufgeber, Erzpocher und Rostbrenner.
Alle diese Arbeitsklassen waren in jedem Bergrevier zu einer Zunft
vereinigt. An der Spitze derselben stand der aus der Zahl der Meister
gewählte Altmeister (Åldermann). Alljährlich wurde, wenn die Blase-
[1115]Schweden.
zeit vorüber war, die Zunft versammelt (Möte). In dieser Versamm-
lung, die der Bergmeister oder der Oberhochofenmeister abhielt, er-
statteten der Altmeister und die Meister Bericht über den Verlauf
der letzten Kampagne, über den Zustand der Hütten, Gebläse u. s. w.,
der Zustellung, Gattierung und alles, was einer Prüfung bedurfte; der
Oberhochöfner ordnete bei dieser Gelegenheit Veränderungen im
Betriebe sowie in der Gattierung an und belehrte die Arbeiter im all-
gemeinen. Von allen zünftigen Hüttenarbeitern führte der Oberhoch-
ofenmeister ein Verzeichnis, das bei der Versammlung vorgelesen
wurde, damit man von geschehenen Veränderungen oder Beförderungen
Kenntnis erhielt, von den Strafgeldern u. s. w. wurde eine Innungskasse
gebildet, aus der bei den Versammlungen kranke und alte Hütten-
arbeiter und ihre Witwen Unterstützungen erhielten; auch wurden die
Überschüsse zur Belebung des Geschäftes und zur Aufmunterung
fleiſsiger und geschickter Lehrlinge verwandt.


Der Altmeister, der von dem Bergmeister vereidigt wurde, muſste
jeden Herbst alle Hütten revidieren, nachsehen, ob die Anordnungen
des Oberhochofenmeisters ausgeführt waren, belehren, Reparaturen
anordnen, unter Umständen selbst ausführen. Wurde er besonders
berufen, so wurde er auch besonders bezahlt. Er war dem Oberhoch-
ofenmeister verantwortlich und muſste diesen auf Verlangen auf seinen
Reisen begleiten. Er bezog keinen Gehalt, sondern bestimmte Gefälle.


Die Meister muſsten erfahrene und zuverlässige Leute sein, die
ebenso die Zustellung wie den Betrieb des Hochofens verstanden.
Sie muſsten sich einer Prüfung durch den Oberhochofenmeister in der
Innungsversammlung unterziehen, welche sich sowohl auf allgemeine
als auf örtliche hüttenmännische Kenntnisse erstreckte. Nach wohl-
bestandener Prüfung erhielt der Geprüfte seinen vom Oberhochofen-
und dem Altmeister unterschriebenen Meisterbrief und wurde vereidigt.
Der Inhalt des Schwurs war: treue Pflichterfüllung als Meister, ins-
besondere sorgfältiges Aussuchen eines guten Gestellsteins, Aufsicht
über das Rösten und Pochen, Bestimmung der Erzgicht, Ökonomie
der Kohlen, Belehrung seiner Untergebenen und genaue Angabe der
Tage, die der Ofen überhaupt im Gang gewesen, um danach die
Besteuerung zu regeln. — Besonders wichtig war die Stellung des
Meisters bei den Gewerkshütten, wo er namentlich auch darauf zu
sehen hatte, daſs alles zum Hüttenbetrieb Nötige gut und rechtzeitig
beschafft wurde. Neue oder unbekannte Erze durfte er nur mit
Erlaubnis des Oberhochofenmeisters verhütten. Ferner sollte der
Hochöfner kein neues Gestell in einen schlechten Schacht einbauen;
[1116]Schweden.
er sollte nicht mit zu kleinen oder undichten Bälgen blasen und
dieselben nicht eher anbringen, bis der Hochofen vollkommen durch-
gewärmt sei. Er hatte darüber zu wachen, daſs die Arbeiter sich
gegenseitig nicht Schaden thuen und daſs der Aufgeber nicht zu
Gunsten des einen oder anderen an dessen Blasetage mehr Erz auf-
gebe, als die Kohlen gehörig tragen konnten und dadurch dem in der
Tour folgenden schade. Er hatte dafür zu sorgen, daſs die Hütten-
marke richtig auf das Eisenstück aufgedrückt wurde und daſs die
Stücke nicht über 13 bis 15 Schiffspfund Gewicht erhielten, weil sie
sonst zu schwer frischten. Für Anfertigung von Schlackenziegeln
wurde er extra bezahlt. — Lieſs ein Meister diese Vorschriften auſser
Acht, stellte er schlecht zu, übersetzte er den Ofen, stellte er den
Wind falsch u. s. w., so muſste er den Schaden bezahlen, und wenn
er dies nicht konnte, als Arbeiter unter einem anderen Meister
arbeiten, um den Schaden durch Arbeit zu ersetzen.


Diejenigen Meister, welche den Bau des Hochofens so gut ver-
standen, daſs sie ihn allein durchführen konnten, hieſsen Stegresare.
Deren gab es in jedem Bergrevier einen oder zwei, die aus den
Meistern gewählt wurden. Sie muſsten sich einer besonderen Prüfung1)
unterziehen, besonders über ihre Kenntnis der vorzüglichsten Erze
und Steinarten des Reviers, der Art, wie bei der Fundamentierung je
nach dem Boden zu verfahren ist, wie die Rauhmauer in Granit
untadelhaft aufgeführt wird und wie der Schacht gut und dauerhaft
aufzumauern sei.


Der Hüttenarbeiter (Schmelzer) arbeitete mit dem Meister vor
der Ofenbrust und vertrat diesen. Er erhielt einen Lehrbrief und
wurde vereidigt. Gewisse Kenntnisse muſste er bereits besitzen.


Der Aufgeber wurde in derselben Weise angenommen. Seine
Kenntnisse und Pflichten erstreckten sich auf Möllerung und Auf-
geben.


Bei den Versammlungen (der Möte) wurden die Arbeiter vom
Oberhochofenmeister geprüft, und, die am besten bestanden hatten,
erhielten Prämieen.


Die Frischer (Hammarsmed)-Zunft bestand aus dem Altmeister,
den Meistern, Gesellen (Mästersvän) und Lehrjungen. Zum Altmeister
wählte das Berggericht einen geschickten, zuverlässigen Meister, der
als Beisitzer des Berggerichts vereidigt wurde. Er revidierte jährlich
[1117]Schweden.
alle Frischfeuer, prüfte die Arbeit, überzeugte sich, daſs alle Arbeiter
zur Zunft gehörten und kontrollierte auf Verlangen das Kohlenmaſs.
Sein Lohn und Distrikt wurde ihm vom Berggericht angewiesen. Er
durfte ein Frischfeuer übernehmen, muſste aber auf Befehl sich sofort
an den bestimmten Platz begeben.


Zu jedem Hammer gehörte ein Meister, zu jedem Feuer ein
Meister, ein Geselle und ein Lehrjunge, oder für zwei Herde ein
Meister und drei Gesellen. Die Lehrlinge nahm der Meister mit
Bewilligung des Besitzers an, unterhielt sie und lieſs sie ein-
schreiben. Hatte der Lehrling ein Jahr gedient, so erhielt er
6 Thlr. aus der Zunftlade und diente dann in derselben Hütte noch
zwei Jahre. Wollte er Geselle werden, so meldete er sich beim Alt-
meister und wurde im Beisein des Besitzers geprüft, ob er das
Frischen und Strecken mit gehöriger Kohlenersparung verstand, und
machte dann die Gesellenprobe, die gewöhnlich in einem einwöchent-
lichen Frischen bestand, wobei er die Stelle des Meisters einnahm.
Er erhielt darauf einen Lehrbrief und wurde beim nächsten Bergsting
eingeschrieben. Wollte er Meister werden, so wurde er auf ähnliche
Art geprüft: über Stellung des Feuers, besondere Verschiedenheiten
des Guſseisens, wie man Herd und Geräte in Ordnung hält und ein
fehlerfreies Eisen nach gegebenem Muster ausschmiedet, darauf machte
er sein Meisterstück, das darin bestand, ohne alle weitere Unter-
suchung einen fehlerfreien Stabeisenhammer zu machen, sich selbst
das Feuer zu stellen und bei diesem eine Woche zu schmieden. Der
Frischer durfte kein schlechtes Guſseisen verfrischen und muſste dafür
einstehen, daſs das Eisen keine groſsen Risse und Kantenbrüche hatte,
nicht roh oder hart und gleichförmig in den Dimensionen nach dem
Muster geschmiedet war.


Das ganze Bergwerksbereich Schwedens wurde in folgende elf
Bezirke geteilt:


1. Fahlun Bergslag, 2. Stora Kopparberg Bergslag, 3. Nya Koppar-
berg Bergslag, 4. Öster och Wester Bergslag, 5. Nora och Lindes
Bergslag, 6. Wermelands Bergslag, 7. Södermanland och Ostergotland
Bergslag, 8. Upland och Roslagen Bergmästaredöme, 9. Skåne och
Kronobergs Bergmästaredöme, 10. Wester Norrland Bergslag, 11. Wester
och Norbotten. Bergslag im engeren Sinne hieſsen gewisse Distrikte in
der Nähe groſser Erzgruben, für die der Bergbau und das Verschmelzen
der gewonnenen Erze eine Pflicht war. Die oben angegebenen als
Bergslag bezeichneten gröſseren Bezirke umfaſsten oft eine ganze Anzahl
dieser Bergslage im engeren Sinne. Die bedeutendsten Eisenbergslage
[1118]Schweden.
waren Hjulsjö, Ramsberg, Nora, Lindes och Ramsberg, Lerbäck,
Grythytte, Taberg, Philippstadt, Carlskroga, Lekeberg, Nya Koppar-
berg, Gransgjärde und Norberg. Die Hauptvorrechte der Bergslager
waren, daſs sie ihre Steuern in Eisen entrichten, eigene Märkte, auf
denen sie mit Eisen bezahlen durften, hatten und von Militärdienst
und Militärlasten frei waren. Über die Bergslager war ein genaues
Grundbuch aufgenommen, welches auch 1760 erneuert wurde.


Die Hochöfen gehörten entweder einzelnen Besitzern (Bruks-
patronen) oder Gewerken (Bolag) oder Patronen und Gewerken zu-
sammen. Nach den verschiedenen Besitzern richtete sich die gesetz-
liche Feststellung des Betriebes. Die Brukspatrone bestimmten selbst
über ihren Betrieb, was um so eher geschehen konnte, weil sie für
ihre eigenen Frischfeuer bliesen. Die Gewerkshütten wurden dagegen
genau kontrolliert, denn sie bliesen für den Verkauf und waren im
Betrieb meistens zurück, schon wegen der verschiedenartigen Erze,
welche die einzelnen Teilnehmer verschmolzen; es entstanden oft
Besitzstreitigkeiten zwischen denselben, einzelne arbeiteten selbst mit,
ohne genügend vorgebildet zu sein, überhaupt waren es meist unge-
bildete, vorurteilsvolle Leute. Diesen gegenüber hatten die Beamten
einen schweren Stand und konnten nur langsam und mit Mühe den
Betrieb auf den Stand bringen, wie ihn die Brukspatrone führten.
Alle Versuche, die Bauern dazu zu bringen, ihre Erzfelder zusammenzu-
legen und einen einheitlichen Betrieb zu führen, wobei sie doch unbe-
dingt mehr erzielen muſsten, scheiterten an ihrem Vorurteil, Miſstrauen
und Eigensinn. Jeder schmolz nach wie vor sein eigenes Erz an seinen
bestimmten Tagen, und nur mit Mühe konnte es durchgesetzt werden,
daſs wenigstens das Anblasen bis zum vollen Gange gemeinschaftlich
geschah. Diese Zeit hatte der Bergmeister zu bestimmen, sie dauerte
gewöhnlich 20 Tage. Nachher aber schmolz jeder Bergmann einmal
oder mehrere Mal 24 Stunden, ja mancher nur drei bis vier Gich-
ten
mit seinem Erz und seinen Kohlen, bis die letzte Gicht auf-
gegeben wurde. Der letzte Tag des Ausblasens war dann wieder gemein-
schaftlich. Daſs diese Art des Betriebes eine unversiegliche Quelle
von Streitigkeiten war, ist einleuchtend, denn jeder wollte in seiner
Blasezeit möglichst viel herausbekommen, ohne Rücksicht auf die
übrigen. Jeder suchte für sich mehr aufzugeben, als gestattet war,
und da nach Schaufeln aufgegeben wurde, so waren Überschreitungen
leicht möglich. Allerdings konnte dies nur durch den Aufgeber
geschehen, der vereidigt war, aber der Schnaps war ein groſses Ver-
lockungsmittel, die Schaufeln stärker zu häufen. Deshalb war es dem
[1119]Schweden.
Aufgeber verboten, Speise und Trank anzunehmen. An das Abwiegen
der Gichten dachte man damals noch nicht.


Die Bergmannshütten bliesen noch jedes Jahr, wenn man auch
nur für Wochen, statt für Monate, Erz zusammen hatte, was ebenfalls
ein groſser Übelstand war. Hieraus erklärt sich auch die groſse Zahl
von Hochöfen im Verhältnis zur Produktion. Die Bemühungen der
Regierungen, gröſsere Vereinigungen von Gewerken herbeizuführen,
waren erfolglos.


Jede Gewerkschaft wählte für jeden Betrieb einen Hüttenvogt,
der also Repräsentant und Vorgesetzter war. Er wurde vom Ober-
hochofenmeister bestätigt. Er übernahm bei seinem Antritt das Inven-
tar, sorgte für die Kost der Arbeiter, machte Anzeige von den vor-
handenen Erzen und vom Beginn des Blasens. Er lieſs die Bergleute
beim Anblasen um die Reihenfolge ihrer Blasetage losen. Er war
den Gewerken für die richtige Ordnung beim Betrieb verantwortlich.
Bei fortdauernd schlechtem Betrieb rief er den Altmeister zu Hülfe.
Er führte die Rechnungen. Wenn das Blasen von der Gewerkschaft
beschlossen wurde, muſste jeder Einzelne, auch wenn er nicht blies,
seinen Teil zu den Kosten der Zustellung und Erz und Kohle zum
Anblasen und zur Zeit des gemeinschaftlichen Betriebes geben. Das
Eisen des gemeinschaftlichen Betriebes hielt der Vogt bis zur Rech-
nungsablegung unter Verschluſs, zog davon die Gesamtkosten des
Betriebes, darunter auch seine Besoldung, ab und verteilte den Rest
nach der Gröſse der Anteile unter den Gewerken. Wollte ein Berg-
mann seinen Anteil aufgeben, so wurde dieser von den anderen nach
Maſsgabe ihrer Beteiligung übernommen.


Schwedens Waldreichtum war die Ursache, daſs rücksichtslos
darauflosgehaust wurde. Groſse Verwüstungen richteten die Wald-
brände an, die durch das „Schweden“ veranlaſst wurden. Man brannte
nämlich den Niederwald, nachdem man ihn zusammengeschlagen hatte,
streckenweise ab, nur um dann auf seiner Asche zu säen. Diese
Methode nannte man Svedja. Wo dieselbe etwas rationeller betrieben
wurde, teilte man den Wald in Schläge ein, ähnlich wie bei den Hau-
bergen im Siegerland.


Die Eisenindustrie, die Holzverschwendung im Lande und die
Ausfuhr lichteten bereits im 18. Jahrhundert die riesigen Waldungen
Schwedens in bedenklicher Weise, wie wir aus Polhems Mahnruf
erfahren. Zu einer eigentlichen Waldbewirtschaftung konnte man
sich aber noch nicht aufschwingen, obgleich im Jahre 1734 eine vor-
zügliche Waldordnung erlassen worden war.


[1120]Schweden.

Dagegen hatte der Staat gewisse Waldungen kostenlos den Eisen-
hütten zugeteilt. Diese Bergslagsallmänningar waren nur für die
Eisenerzeugung bestimmt. Die einzige Beschränkung war die, daſs das
Holz nicht verkauft, sondern nur zum Hochofenbetrieb verwendet wer-
den durfte. In diesen Wäldern durfte nicht geschwedet, keine Ziegen
gehalten und keine neuen Gebäude aufgeführt werden, alles Bauholz
muſste angewiesen, zum Theerbrennen nur Wurzeln verwendet wer-
den. Auſserdem gab es „Rekognitionswälder“, aus welchen der
Staat den Hütten Holzkohlen oder Kohlholz gegen billige Sätze
abgab.


Die Roheisenproduktion war frei und auf keine bestimmte Quan-
tität beschränkt, wohl aber die Stabeisenproduktion, was natürlich
auf die Hochöfen zurückwirkte, denn es konnte dadurch nur soviel
Roheisen erzeugt werden, als die Privilegien aller Frischereien be-
trugen. Ein Teil der letzteren besaſs eigene Hochöfen, und diese
durften entweder gar kein Roheisen verkaufen oder nur ein beschränk-
tes, durch ihr Privileg vorgeschriebenes Quantum. Die übrigen Hoch-
öfen verkauften ihr Roheisen frei und unbeschränkt, und waren die
Frischhütten fast die alleinigen Abnehmer, da kein Roheisen aus-
geführt werden durfte. Die Gesetze der Frischereizunft bestimmten,
daſs jeder Meister Roheisen und Kohle vom Besitzer auf Rechnung
nahm, und wurde nach altem Brauch 1 Schiffspfund Roheisen nach
Roheisengewicht, für 1 Schiffspfund Stabeisen nach Berggewicht, also
mit 23 Proz. weniger, entsprechend dem Abbrand und 24 Tonnen
Kohlen geliefert. Das mehr gewonnene Eisen und die ersparten
Kohlen muſsten dem Frischer vergütet werden. Diese Bezahlung des
Überschusses erzeugte ein für die Güte des Eisens verderbliches Jagen
nach Kohlenersparung und gröſserer Eisenproduktion. Auf der
anderen Seite lag in diesem System ein so nützlicher Zwang zur
Sparsamkeit, daſs Sven Rinman in seiner „Eisen- und Stahlvered-
lung“ dieses System auch auf die weitere Verarbeitung auszudehnen
suchte und jeder der von ihm beschriebenen Arten der Eisenveredlung
eine Lohnberechnung beifügte, in welcher der Abbrand und Kohlen-
verbrauch bestimmt war, wobei er den allgemeinen Grundsatz befolgte,
daſs der Abbrand und Kohlenverbrauch lieber höher als zu niedrig
angesetzt würde, damit die Ersparung daran einem sparsamen Arbeiter
zum Verdienst gereichte 1). — Eine strenge Kontrolle bei der Abnahme
des Eisens war allerdings dabei vorausgesetzt.


[1121]Schweden.

Der Frischer hatte ferner für die Unterhaltung des Gezähes zu
sorgen und erhielt dafür als Vergütung auf 100 Schiffspfund Stab-
eisen 10 Lispfund (100 kg) Guſseisen und 14 Tonnen Kohlen. Alles
Stab- und Manufaktureisen muſste auf einer „Metallwage“ gewogen
werden. Die Wagen befanden sich in den Städten, jede war mit
einem Lagerhaus verbunden. Bei den privilegierten Wagen waren
Eisenbeschauer (Jernvräkare) angestellt, welche schlechtes Eisen aus-
stieſsen. Zeigte das Stabeisen gröſsere Schiefer, Kantenbrüche, tiefe
Hammereindrücke, verbrannte Stellen, hielt es an einer Seite in der
Breite ¼ Zoll, in der Dicke ⅛ Zoll mehr oder weniger als an
anderen, so durfte es nicht ausgeführt werden, und der Besitzer
bezahlte Strafe nach dem Grade der Fehlerhaftigkeit, bis zu ⅕ des
Wertes; es konnte aber im Inlande verkauft werden. Es gab noch
eine ganze Reihe von Kontrollvorschriften. Ungestempeltes Eisen
wurde konfisziert. Blech, Stahl und Draht in Kisten muſsten, wenn
sie wegen Fehler für den inländischen Absatz bestimmt waren, mit
den Buchstaben U. Sk. als Ausschuſs (Utskott) bezeichnet sein.


Jedes Eisenwerk war privilegiert, und war die Anlage neuer
Werke im vorigen Jahrhundert sehr erschwert. Die Entdeckung des
reichen Erzberges von Gellivara im hohen Norden Schwedens gab
der Unternehmungslust gegen Ende des Jahrhunderts neue Anregung.
Es entstanden zur Ausbeutung desselben in rascher Folge die Hoch-
ofenwerke Avafors, Gyljen, Rasfors, Selet und Tornefors und die
Eisenwerke bei Alters, Degenfors, Hoitåfors, Kengis, Melderstein und
Thirefors.


Über den technischen Zustand des Eisenhüttenwesens in Schwe-
den verweisen wir auf das im allgemeinen Teil Vorgetragene und die
Werke von Rinman und Garney.


Die statistischen Angaben über die Erzeugung und die Ausfuhr
sind höchst lückenhaft, doch ist aus denselben eine auſserordentliche
Zunahme vom Beginn bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts zu erkennen.
Die Angaben über die Ausfuhr sind genauer als die über die Erzeu-
gung, welche vielfach auf Schätzung beruhen. Von der Mitte des
Jahrhunderts an wurden etwa ⅔ der Erzeugung ausgeführt. Der
Export aus Gothenburg, dem Haupthafen für die Eisenverschiffung,
betrug von 1703 bis 1711 im Jahresdurchschnitt nur 7450 Tonnen,
während er 1750 schon 44845 Tonnen betrug.


In der nachfolgenden Tabelle sind einige genauere Angaben über
Produktion und Export zusammengestellt.


Beck, Geschichte des Eisens. 71
[1122]Ruſsland.

Ruſsland.


Peter der Groſse ist der Schöpfer der russischen Groſsindustrie
und besonders auch des modernen russischen Eisenhüttenwesens
geworden. Sein Genie hat es verstanden, die ungeheuren Schätze
seines Reiches zu erschlieſsen und nutzbar zu machen. Mit ziel-
bewuſstem Streben und eiserner Energie gelang es ihm, in wenigen
Jahrzehnten die Eisenindustrie Ruſslands, die vordem keinen Namen
hatte und den eigenen Bedarf nur in unvollkommener Weise deckte,
auf eine Höhe zu heben, daſs sie im Laufe des Jahrhunderts nicht
nur dem Bedarf des vergröſserten Zarenreiches genügte, sondern noch
exportieren konnte. Die vorbereitenden Schritte dazu, welche in das
17. Jahrhundert fallen, haben wir schon betrachtet. Nach der Rück-
kehr von seiner groſsen europäischen Reise war die Gründung der
uralisch-sibirischen Eisenindustrie eine der ersten Thaten des genialen
Herrschers. Peter der Groſse erkannte mit klarem Blick, daſs, um
in dem unwirtlichen Sibirien die reichen Schätze von Kupfer, Silber
und Gold heben zu können, erst eine Eisenindustrie geschaffen werden
müsse, und da an der Newa gute Eisenerze gefunden worden waren,
befahl er 1699 die Gründung der Eisenhütte und Gieſserei zu Newiansk
und stellte an die Spitze des Unternehmens den geschickten und er-
[1123]Ruſsland.
fahrenen Gewehrschmied von Tula, Nikita Demidoff, den er zum
Direktor ernannte. Es gelang diesem, nach kurzer Zeit Kugeln und
Bomben zu 13 Kopeken pro Pud zu liefern, welche bis dahin mit
80 Kopeken bezahlt worden waren.


Im Jahre 1700 wurde die Eisenhütte Kamensk an der Kamenka,
90 Werst von Katharinenburg, erbaut. Für die neuen Anlagen und
zur Einrichtung der Betriebe bediente sich Zar Peter meistens
deutscher Chemiker, Techniker und Meister. Schon 1695 war ein
Deutscher, namens Poppe, mit sibirischen Blei- und Silbererzstufen
nach Deutschland geschickt worden, um sie genauer untersuchen zu
lassen und um gleichzeitig deutsche Arbeiter anzuwerben. Bei seinem
Aufenthalt in Sachsen im Jahre 1698 bat der Zar den Kurfürsten
von Sachsen, ihm einige Bergleute zu überlassen, und im folgenden
Jahre gingen zwölf derselben nebst einem Bergmeister und dem Erz-
probierer Blüher nach Ruſsland. Um die Metallgewinnung zu beför-
dern, wurde 1700 die Bergbaufreiheit für Gold, Silber und Kupfer
eingeführt. Nicht nur Berg- und Hüttenleute, sondern technische
Arbeiter aller Art, sowohl aus Deutschland, wie aus Holland, Schweden,
Dänemark u. s. w. engagierte der Kaiser, dem es auf seiner Reise
gelang, 640 Industrielle zu gewinnen. 1702 lieſs er ein Manifest im
Auslande verbreiten, wodurch er Künstler, Fabrikanten und Hand-
werker einlud und denjenigen, welche sich zur Übersiedelung nach
Ruſsland geneigt zeigten, auſser anderen Begünstigungen die freie
Ausübung der Religion zusicherte 1). Unter den eingewanderten deut-
schen Meistern befanden sich auch viele Eisenarbeiter. Im Herbst
1703 wurde ein Büchsenschmied Emeis aus Olbernhau, ein Draht-
zieher Nitzel aus Freiberg und ein Messerschmied Joh. Friedr.
Wagner
aus Dresden engagiert; letzterer wurde nachher Probierer
und Bergmeister. Später wurden die geschickten Hüttenleute Deich-
mann, Ramfeld
und Katschka in Dienst genommen. Ersterer war
1724 in Kamensk, wo er vortreffliche Kanonen goſs 2).


Newiansk wurde das Vorbild für die übrigen sibirischen Eisen-
hütten, und Peter I. war so zufrieden mit der Direktion Demidoffs,
daſs er ihm die Hütte mit allen dazugehörigen Ländereien zum
Geschenk machte und ihm keine andere Abgabe auferlegte, als jährlich
3000 Pud Eisen an die Krone zu liefern 3). Dies war die Grundlage
71*
[1124]Ruſsland.
des späteren groſsen Reichtums der berühmten Familie Demidoff.
Nikita Demidoff
hatte sich aber noch anderweitige Verdienste um
die russische Eisenindustrie erworben. Peter der Groſse hatte in Tula
eine kaiserliche Waffenfabrik gegründet und dieselbe an Narischkin
verpachtet unter der Bedingung, jährlich eine bestimmte Quantität
Waffen an die Artillerie zu liefern. Narischkin war säumig in seinen
Lieferungen und teurer, und Nikita Demidoff, der 1701 selbst eine
Waffenfabrik in Tula gegründet hatte, lieferte besser und billiger:
dafür belohnte ihn der Kaiser mit zahlreichen Krongütern. Nikita
war der Sohn eines Schmieds, Demid Demiditsch oder Demidoff.


Zar Peter war besonders bestrebt, die Waffen für seine Truppen,
welche vordem aus dem Auslande, namentlich von den Hanseaten
und Holländern bezogen werden muſsten, im eigenen Lande zu machen.
Zu diesem Zweck übernahm er die groſse Kanonen- und Munitions-
gieſserei zu Petrosawodsk, welche an einen gewissen Rosenbusch
verpachtet gewesen war, wieder in staatliche Verwaltung. Ferner
wurden Eisengieſsereien und Waffenfabriken in Werchotur und
Tobolsk angelegt, um Kanonen, Flinten und Granaten anzufertigen.


Die uralischen Hütten wurden 1700 der sibirischen Gouvernements-
regierung zu Tobolsk unterstellt. Bald wurde es aber nötig, ein beson-
deres sibirisches Oberbergamt zu gründen mit dem Sitz in Katha-
rinenburg (1711 bis 1781). Da es den neugegründeten Hüttenwerken
an Arbeitern mangelte, so wurden die verbannten Raskolniken (Sek-
tierer) denselben zugeteilt.


Der erste Chef des sibirischen Oberbergamtes war ein Herr von
Hennin
oder Henning, der später General wurde. Wilhelm von
Hennin
, von Geburt ein Deutscher, war Artillerieoffizier und einer
der Reisebegleiter des Zaren gewesen und hatte sich so viele mine-
ralogische und hüttenmännische Kenntnisse erworben, daſs er mit
groſsem Erfolge sein Amt verwaltete und die sibirische Montanindustrie
wesentlich förderte. Er hat die später Jekatharinenburg genannte
Stadt erbaut und in derselben 1723 fast alle Arten von Eisenfabriken
angelegt, zu welchem Zweck er auf seinen Reisen (1719) verschiedene
deutsche Meister angeworben hatte. Die groſsen Erfolge des uralischen
Bergbaues erweckten die Bergbaulust in ganz Ruſsland. — Diese wurde
befördert durch eine in Jekatharinenburg errichtete Bergschule.


Henning gründete nach seiner Rückkehr aus Deutschland die
Eisenwerke von Olonetz, wurde dann Gouverneur aller Bergwerke
im Ural, erbaute das Wech-Istetsky-Werk an der Uktusk und führte
zu Kamensk Verbesserungen ein. 1726/27 lieferte dieses Werk 140000
[1125]Ruſsland.
bis 150000 Pud Eisen. Er war der Gründer der Bergschule zu
Katharinenburg. 1734 wurde Tatascheff sein Nachfolger.


Eins der ältesten Werke im Innern Ruſslands war das Katschinsky-
Werk, Gouvernement Tula, das schon 1693 erbaut worden war. Die
Waffenfabriken in Tula genügten dem rasch wachsenden Bedürfnisse
nicht, weshalb Peter I. noch verschiedene andere Gewehrfabriken
errichten lieſs. So entstanden schon 1703 die Fabriken zu Olonetz
und später die zu Sestrabek in der Nähe von Petersburg. Letz-
terer, welche besonders für die neu entstehende Flotte arbeitete,
wendete der Kaiser sein besonderes Interesse zu und berief viele aus-
ländische Meister, die er hier anstellte. Er lieſs sich an der Mün-
dung der Sestra ein Haus erbauen, in welchem er selbst oft mehrere
Tage verbrachte, um die Fabrikation zu überwachen.


In Olonetz war Oberstlieutenant Henning, ehe er nach Sibirien
ging, Direktor und hatte dort mit Hülfe fremder Meister, die er auf
seiner Reise 1719 angeworben hatte, auſser der Gewehrfabrik viele
Drahtziehereien, Eisenhämmer, Stahl-, Blech- und Reckhämmer, Stahl-
öfen, Ankerschmieden und andere Werke angelegt.


Durch einen Ukas von 1712 waren alle tulaischen Fabriken unter
die Leitung des Fürsten Wolkowsky gestellt worden, und es war
ihnen zur Pflicht gemacht, jährlich 15000 Büchsen mit Bajonetten
zum Preise von 1 Rubel 73 Kopeken das Stück an den Staat zu
liefern 1).


1719 wurde das Berg- und Hüttenwesen durch den Erlaſs eines
Berggesetzes geregelt. Die Ordnung, welche dadurch geschaffen
wurde, wirkte sehr segensreich, so daſs von dieser Zeit eine neue
Periode des russischen Bergwesens begann. Den Bergwerksbesitzern
wurden groſse Begünstigungen eingeräumt. Durch Ukas von 1720
wurden die Privilegien auch auf alle Ausländer übertragen und den
Bergwerksbesitzern das Recht eingeräumt, für ihre Bergwerke Dörfer
zu kaufen. Nach Schnitzler hatte Ruſsland im Jahre 1720 1 Silber-,
5 Kupfer- und 26 Eisenbergwerke, auſserdem viele Eisengieſsereien,
von denen 36 auf das Gouvernement Kasan und 39 auf das von
Moskau kamen 2).


Peter der Groſse verlegte den Seehandel Ruſslands von
Archangel, das vom Mittelpunkt des Reiches zu weit ablag, an das
Baltische Meer, besonders nach dem von ihm erbauten St. Petersburg,
[1126]Ruſsland.
was für die Eisenindustrie ebenfalls von groſser Bedeutung war. Er
führte eine freiere Handelspolitik ein und schaffte die lästige Be-
schränkung der „Kronwaren“ nach und nach fast ganz ab. 1718
gründete er das Kommerz-Kollegium, welches den russischen Handel
wesentlich förderte. Für dasselbe hatte Peter der Groſse eigen-
händig das Statut aufgesetzt. Gleichzeitig stiftete er das Manufaktur-
Kollegium, welches besonders das Gewerbswesen leiten und fördern
sollte. Auſserdem, daſs der Zar fortwährend geschickte Mechaniker
und erfahrene Meister in das Land zog — seit 1714 auch be-
sonders viele Franzosen —, schickte er viele seiner eigenen Unter-
thanen in das Ausland, um daselbst neue Betriebe kennen zu
lernen. Schon 1700 befahl er den Moskauer Bürgern, ihre Söhne
auf Staatskosten nach Amsterdam, London, Toulon und anderen
groſsen Städten zu schicken, indem er selbst bestimmte, in welcher
Branche sich ein jeder von ihnen ausbilden sollte. So sandte er
z. B. um 1719 auch einen nach England, um dort das Kanonen-
gieſsen zu lernen.


Alle Fabriken des Reiches gehörten entweder dem Staate oder
standen unter Staatsaufsicht; Peter I. verkaufte und verschenkte
aber viele Staatsfabriken an Private und suchte den Fabrikbetrieb
durch solche möglichst zu fördern.


Von dem Eisenhüttenbetrieb jener Zeit wissen wir nicht viel;
die Hochöfen waren klein, mit viereckigen Schächten in einem sehr
dicken Rauhmauerwerk aus Ziegelsteinen und lieferten nicht über
200 Pud (3276 kg) Roheisen in 24 Stunden 1).


Das den Fabriken eingeräumte Recht, Bauerndörfer zu kaufen,
war für diese zur Sicherung der Arbeitskräfte von gröſster Wichtig-
keit. 1723 wurde diese Erlaubnis dahin modifiziert, daſs das Manu-
faktur-Kollegium in jedem einzelnen Falle die Erlaubnis zum Kauf
von Dörfern zu erteilen habe, daſs die Dörfer aber mit den Fabriken
unzertrennlich verbunden bleiben sollten und ohne die Fabriken
weder veräuſsert noch verpfändet werden durften. Eine humane Vor-
schrift war es, daſs Leibeigene nicht einzeln, sondern nur mit ihrer
Familie oder mit dem ganzen Dorf verkauft werden durften.


Als der groſse Zar im Jahre 1725 starb, hatte er dem gewaltigen
Reiche eine so dauerhafte und feste Grundlage gegeben, daſs sich
auf derselben das Riesenreich des heutigen Ruſslands aufbauen
[1127]Ruſsland.
konnte. An Fabriken und Hütten (Sawoden) zählte damals Ruſsland
bereits 213, wovon sich 38 in Petersburg, 39 in Moskau und 70 in
den Städten an der Wolga und Okka befanden. Einige derselben
beschäftigten über 3000 Arbeiter. Die russische Eisenindustrie war
bereits exportfähig geworden. 1716 kam das erste russische Eisen
nach England. 1725 baute Demidoff das groſse Eisenwerk zu Nisch-
netagilsk.


Aus der Regierungszeit Katharina I. ist zu bemerken, daſs die-
selbe 1727 das Manufaktur-Kollegium aufhob und mit dem Kommerz-
Kollegium vereinigte. Einen groſsen Aufschwung erfuhr die russische
Eisenindustrie in der Regierungszeit der Kaiserin Anna Iwanowna
(1730 bis 1740), aus deren Anfang der interessante Bericht Sweden-
borgs
, welchen derselbe mit einer groſsen Karte des sibirischen
Eisengebietes (Gouvernement Perm) in seinem Werke de ferro 1734
veröffentlicht hat, stammt. Wir lassen denselben in ausführlichem
Auszug folgen.


„Die russischen Eisenwerke bestehen, wie bekannt, noch nicht
lange; trotzdem sind sie in Zahl und Umfang so gewachsen, daſs ihre
jährliche Erzeugung nicht nur für den Bedarf des russischen Reiches
ausreicht, sondern auch noch ein Teil derselben ausgeführt wird. In
Sibirien liegen die Eisenhütten in den Erzgebieten, aber auſserordent-
lich weit vom Meere ab, wohin der Transport schwierig und kost-
spielig ist.


Bei der Stadt Kungur gab es schon vor vielen Jahren Eisen-
schmelzen, die eine braune und rötliche Erde (Sumpferz) verschmol-
zen, weshalb das Eisen schlecht war. Das berühmteste Eisenwerk
wurde von Demidoff angelegt und besteht aus einer Anzahl von
Frischhütten und Hochöfen. Das bekannteste Eisenwerk Ruſslands
heiſst Sekoffka 1) (Newiansk), welches anfänglich aus drei Eisen-
hämmern und einem Hochofen bestand. Demidoff war ein im Eisen-
gewerbe geschickter und erfahrener Mann, erhielt nicht nur diese
Hütte, sondern noch andere bei Koffka gelegene vom Zaren Peter
zum Geschenk, dazu noch etwa 7 Quadratmeilen Grundbesitz, mit dem
Recht, allen Verbrechern Asyl zu gewähren, die dann aber Leibeigene
der Hütten und Bergwerke wurden. Er verpflichtete ihn, Eisenhütten
[1128]Ruſsland.
zu erbauen, und damit er dies freudig thäte, sollte er jährlich
3000 Pud Stabeisen an den Zaren gegen Vergütung von 30 Kopeken
für das Pud abliefern. Demidoff soll daraufhin 10 Frischhämmer,
8 Reckhämmer und 4 Hochöfen bei Lekoffka erbaut haben. Bei
Benge (auf der Karte Bungy), ebenfalls im Gebiete Newianskoi-
Sawod, ist ein Eisenwerk mit 12 Frischhämmern und 8 Reck-
hämmern; bei Siovoli (Skuralinska der Karte?) sind 2 Frischhammer-
werke, bei Togilla (Tagilsk) 2 Hochöfen, 8 Frisch- und 4 Zain-
hämmer. Bei den Demidoffschen Hochöfen betrug der tägliche Ein-
satz 242 Pud (zu 36 bis 37 schwedischen Pfunden) Erz und 50 Körbe
oder Maſs (1 Maſs = 6 schwedische Tonnen) Kohlen. Es wurde
zweimal Eisen abgestochen und zwar jedesmal 80 bis 90 Pud je
nach den Erzen; also 2600 bis 3000 kg in 24 Stunden. Beim Ver-
frischen dieses Roheisens erhielt man aus 100 Pud 60 Pud Stabeisen,
und wurden zum Frischen und Schmieden von 60 Pud 25 Maſs oder
200 schwedische Tonnen Holzkohlen verbrannt. Wenn ein Frisch-
hammer das ganze Jahr hindurch ging, so konnten 5000 Pud oder
82000 kg Eisen ausgeschmiedet werden.


Dem Kaiser gehörte das in Sibirien gelegene Eisenwerk Alapaika
mit zwei Hochöfen, die früher ihre Erze aus dem Krongut Alapaika
(Alapajewsk) bezogen. 1717 wurden reiche Erze dicht bei der Hütte
entdeckt, so daſs man jetzt 180 bis 200 Pud (ca. 3000 kg) Roheisen
schmilzt, während man früher nur die Hälfte erhielt. In den Eisen-
hämmern sollen jetzt jährlich 11000 Pud (ca. 180 Tonnen), das Doppelte
von früher, ausgeschmiedet werden. Dabei gingen die Hämmer nicht
das ganze Jahr hindurch. Nicht weit von Alapaika, bei der Stadt
Dolmaziowa (auf der Karte Tolmatschewa), ist an einem kleinen Fluſs
ein Blechhammerwerk angelegt, welches die Bleche für die Kessel
und Pfannen der Salzsiedereien von Solikamsky liefert.


Bei Octus (Uktusk) sind zwei Hammerwerke mit acht Feuern
und eine Hütte mit einem doppelten Hochofen, wobei zwei Öfen in
einem gemeinschaftlichen Rauhgemäuer eingebaut sind. Dieses Werk
ist sehr bedeutend und schön gebaut (admodum insigne et elegans),
doch erhält man aus 200 Pud Roheisen nur 101 Pud Schmiedeeisen.
Die ganze Anlage soll aber von Octus nach dem Flusse Iset verlegt
worden sein und heiſst jetzt Katharinaburg. Alles Schmiedeeisen
wird von hier nach der Stadt Susawa an der Ukta, 40 bis 50 Werst
über Land, gebracht, von wo es zu Wasser bis nach Petersburg ge-
langt. Der Fluſs Ukta ist ziemlich bedeutend, doch wird er nur im
Frühjahr für die Lastschiffe, die Columenckor heiſsen, schiffbar. Diese
[1129]Ruſsland.
Boote kehren nicht zurück, sondern werden am Bestimmungsort als
Holz verkauft. Die Demidoffschen Werke liegen 100 Werst von
diesem Orte entfernt. Aus der Ukta führt der Weg durch die Flüsse
Kama, Wolga, Twerza über den Ladogasee nach Petersburg. Noch
leichter wird der Transport werden, wenn der Kanal zwischen den
Flüssen Twer und Ems vollendet sein wird.


Weiter östlich in Sibirien giebt es noch viele Eisenwerke. Die
Hütte von Kaminsky (Kamensk) liegt 50 Werst von Octus entfernt,
hat zwei auf das beste gebaute Hochöfen, die aber nicht so hoch sind
wie sonst. Das rote Bergerz findet sich 4 Werst von der Hütte
entfernt und erstreckt sich sein Lager über 1 Meile lang, so daſs
man überall beliebige Mengen graben kann; es liegt nicht tiefer als
6 Ellen. An den Schächtchen, aus denen es gewonnen wird, wird
es auch geröstet und kommt so zur Hütte, wo es mit Hämmern
oder Pochstempeln zerkleinert wird. Es werden 18, 20 bis 24 Körbe
Erz, mit 3 bis 4 Körben Kalkstein gemischt, aufgegeben. Hieraus
erhält man ein Roheisen, das weicher ist wie gewöhnlich. 1723 hat
man aus diesem Eisen Kanonen, Kugeln, Kessel, Töpfe u. s. w. ge-
gossen. Bei Kaminsky sind auſserdem zwei Frischhämmer und vier
Stahlherde. 3 Werst davon an dem Flusse liegen zwei Hämmer mit
vier Herden, die mit den vorigen zusammen etwa 20000 Pud Eisen und
800 Pud Stahl liefern. Hier giebt es mehr Arbeiter 1) und Beamte.
Die Holzkohlen werden aus Birken gebrannt und sind härter wie
sonst. Das Eisen scheint rotbrüchig zu sein, doch läſst es sich in
groſse Bleche ausbreiten.


Es giebt auch im übrigen Ruſsland noch viele Eisenwerke, im
Petersburgischen Distrikt, beziehungsweise in Carelien und in der
Herrschaft Olonetz, welches Gebiet sich im Norden mit Lappland und
dem Weiſsen Meer, im Osten mit dem Onegasee und dem Flusse Swer
(Twer) verbindet. Einige Hütten dieses Gebietes verdanken ihren
Ursprung einem Dänen Battnart, später Rosenbusch genannt. Ein
Werk heiſst Petrofskoi Sawod am nördlichen Ufer des Onegasees;
Olonetz liegt dagegen am südlichen, 130 Werst entfernt und hat
vier Hochöfen und vier Hammerwerke. In jedem Hammerwerk werden
täglich 20 bis 24 Pud Eisen gefrischt, welches zu Schwertern, Degen,
Büchsen und Hausgerät verarbeitet wird. 60 Werst von Petrowsky
liegt das Eisenwerk Ustrika Sawod an einem Flüſschen, das von hier
in den Onegasee flieſst, mit zwei Hammerwerken. Ein anderes Werk,
[1130]Ruſsland.
Powenitz, liegt 96 Werst nördlich von Petrowsky. Hier werden, wie
in Petrowsk, Geschütze gegossen.


Die Werke Tillekin und Alexei liegen abseits (derelicta). Alle
Eisenhütten Careliens beziehen ihre Erze aus den Sümpfen von Kon-
sosero; es ist ein sandiges Sumpferz von gelblicher Farbe.


Es giebt noch zwei andere Woiwodschaften, die von Carelien
getrennt sind, Beschecony und Astjusina, wo die Eisenindustrie so in
Blüte steht, daſs in jedem Dorfe und in jedem Hofgute sich Eisen-
hütten befinden, die Eisen aus Sumpferzen schmelzen. Es geschieht
dies in Luppenfeuern oder Bauernöfen (in ustrinas aut fornaculis),
deren Blasebälge mit Hand betrieben werden. Das in den Renn-
werken erzeugte Roheisen wird in kleinen Herden ausgeheizt und mit
Hand- oder Wasserhämmern (marculis aut malleis ferreis) verschmiedet.
Ein fleiſsiger Schmied kann in einer Woche 80 Pud Eisen schmieden.
Bei der Stadt Galetz machen die Bauern ebenfalls viel Eisen aus
Sumpferz (terra paludinosa).


Tula ist eine sehr groſse Stadt, deren Bewohner aber fast alle
vom Schmiedewerk leben. Sie schmelzen das Eisen in Rennfeuern
mit Handblasebälgen. Das Eisen wird aus einer roten Erde oder aus
thonigen Knollen, die gleichsam versteinert sind, bereitet. Diese tho-
nigen Knollen finden sich in verschiedener Gröſse auf den Feldern
rings um die Stadt; sie werden gesammelt, in die Stadt gebracht und
auf dem öffentlichen Markte verkauft. Auſserdem befindet sich noch
ein Eisenwerk in der Nähe der Stadt, welches ebenfalls Demidoff
gehört.


Zwischen Tula und Moskau liegt ein Eisenwerk, das fünf Frisch-
hämmer und mehrere Hochöfen umfaſst und welches zwei Brüdern
Moellers gehört. Hier werden jährlich 20000 Pud (328 Tonnen) Eisen
erzeugt und nach Archangel transportiert. Hier hat Peter der
Groſse
, wie berichtet wird, mit eigener Hand zwei oder drei Stangen
Eisen ausgeschmiedet.


Nicht weit von der Stadt Serpentow befindet sich ebenfalls ein
kaiserliches Eisenwerk mit fünf Frischhütten und mehreren Hochöfen.
Zwischen Tula und Woronesch liegen die folgenden Werke: Lipsky
liegt 107 Werst von Tula und 445 Werst von der Hauptstadt Mos-
kau und hat vier Eisenhämmer und vier Hochöfen, die auch Kriegs-
gerät liefern. 20 Meilen weiter am Fluſs liegt das Eisenwerk Kos-
minsky mit zwei Frischhütten und einer Ankerschmiede. Nicht weit
davon ist Borna mit zwei Hammerhütten und zwei Hochöfen. Erz
wird rings um Tula gewonnen, aus dem ein rotbrüchiges Eisen
[1131]Ruſsland.
bereitet wird. In der Nähe der Stadt Paulawa (Pultawa?) wohnen
viele Schmiede, welche Schwerter und Damascenerklingen (gladios
Damascenos) machen.


Im allgemeinen werden die Eisenerze in Ruſsland und Sibirien selten
aus festem Gestein gewonnen, sondern meistens aus der Erde gegra-
ben. Sie liegen in losen Stücken nur wenige Ellen unter dem Boden
überall in den Feldern zerstreut, andere kommen in einem Thon-
schiefer vor, an anderen Orten wird das Eisen aus Sumpferzen und
aus ockeriger Erde ausgeschmolzen (exsudatur). Nur von zwei Plätzen
muſs das Eisen auf gröſsere Entfernung zu dem oben beschriebenen
Wasserwege über Land transportiert werden, diese liegen bei Illinsk
und bei Jeniseisk.


Sehr viele Eisenwerke in Ruſsland und Sibirien verdanken ihre
Entstehung den Herren Narischkin und Moellers. In Sibirien
soll es 5 kaiserliche und 27 private Eisenwerke geben. Die bekannte-
sten in Sibirien sind Newiansk, Alapaisk, Kamensk und Uktusk und
in Ruſsland die beiden zu Petrowsk und Olonetz. Das beste unter
den genannten Werken soll das Tetkowskische sein, welches dem
Nikita Demidoff gehört, und wird auch das daselbst bereitete
Eisen sehr gelobt.“


Die Gründung der Klingenfabrik in Tula erfolgte durch Schmiede
von Eilpe in Westfalen. Die Darstellung des Vorgangs in den alten
Akten der Klingen- und Messerschmiedezunft ist höchst charakte-
ristisch für die damaligen Zustände in Preuſsen wie in Ruſsland.
„Im Jahre 1732 wurden von Sr. Majestät, dem hochseligen König
Friedrich Wilhelm, einige Meister mit Gewalt gegriffen und nach
Ruſsland geschickt, um allda die Klingenfabriken zu etablieren; da-
für wurden dem hochseligen König einige groſse Menschen von der
russischen Kaiserin verehrt, welche so groſs waren, daſs ein Mann von
4 Zoll (1,68 m) solchen mit einer langen Pfeife nur bis an den Bart habe
reichen können. Wie nun die Fabrikanten allda die Fabriken richtig
zu stande gebracht, wollten sie in ihr Vaterland wieder zurückziehen,
zogen über Berlin und verlangten für sich und ihre zurückgelassenen
Brüder Bestellungen, allein es gefiel Sr. Königl. Majestät, die Fabri-
kanten dazuhalten, und lieſs die jetzt so stark florierende Fabrik zu
Spandau anlegen; dadurch sind wir in eine drückende Lage ge-
kommen.“


Der Aufschwung der Eisenindustrie unter der Kaiserin Anna
(1730 bis 1740) findet seinen deutlichsten Ausdruck in den Ziffern
der russischen Ausfuhr. Die Eisenausfuhr nach England betrug 1730
[1132]Ruſsland.
3640 m-Ctr., 1731 13270 und 1732 bereits 32830 m-Ctr. Die Eng-
länder bezogen das Eisen von Ruſsland teils in Form von Stäben,
wie das schwedische, besonders zur Cementstahlfabrikation, teils in
Form von Platten (slabs) zur Blechfabrikation.


Das gröſste Verdienst um die Hebung des Berg- und Hüttenwesens
hatte ein Deutscher, Herr von Schönberg aus Sachsen, der unter
der Kaiserin Anna General-Bergdirektor war. Er erbaute auch die
beiden Hütten zu Kuschwinsk an der Kuschwa und zu Werchne-Turinsk
an der Tura, welche ihr Erz von den 1735 zuerst förmlich angelegten
Bergwerken des berühmten Eisenberges Goroblagodat (d. h. die
gute Gabe) bezogen. Dieser groſsartige Erzberg war im Jahre 1730 den
russischen Ansiedlern von Stephan Cumpin, einem einheimischen
Bewohner des Urals, zuerst gezeigt worden, und wurde derselbe wegen
dieses Verrats von den heidnischen Priestern den Göttern geopfert.


Ferner trug Akinfi Nikitisch Demidoff, der Sohn des alten
Nikita, viel zur Ausdehnung bestehender und zur Anlage neuer
Bergwerke bei. Ihm verdankt Ruſsland die Aufnahme der altaischen
Gold- und Silberbergwerke. Er erbaute ferner viele Fabriken,
namentlich auch für feinere Artikel, wozu er Arbeiter aus Deutsch-
land in seine Dienste zog.


Sein Sohn Procopi Akinfinwitsch Demidoff versuchte es
zuerst, um eine gröſsere Produktion zu erzielen, und um dadurch die hohe
Abgabe an die Krone nach Verhältnis des Mehrausbringens zu ver-
mindern, zu Newiansk einen gröſseren Hochofen zu erbauen, den er
mit zwei Paar Bälgen versah, deren Formen auf einer Seite des
Gestelles angebracht waren. Damit beschritt Procop Demidoff
den Weg der Verbesserung der sibirischen Hochöfen, welcher schlieſs-
lich zu Öfen von 40 Fuſs Höhe, den gröſsten bekannten Holzkohlen-
hochöfen, führte. Der genannte Ofen wurde wohl erst allmählich
bis auf die damals auſserordentliche Höhe von 44 Fuſs 11 Zoll
erhöht, wobei er bei forciertem Gang und guten Erzen zuletzt
800 bis 900 Pud (13100 bis 14740 kg) in 24 Stunden blies 1). Die
doppelte Form verursachte aber viele Schwierigkeiten beim Betriebe,
weshalb man einen zweiten Ofen zu Newiansk kleiner baute und nur
mit einer Form betrieb, aber doch 600 bis 700 Pud (10000 bis
11500 kg) damit erzeugte. Dieser kleinere Ofen diente bei Neu-
anlagen im Ural vielfach als Vorbild.


[1133]Ruſsland.

Die Hauptmaſse bei den beiden Hochöfen waren folgende:


  • bei dem groſsen bei dem kleineren Ofen
  • Ganze Höhe   44 Fuſs 11 Zoll 30 Fuſs 4 Zoll
  • Höhe bis Kohlensack   12 „ 10 „ 8 „ 9 „
  • Höhe bis Obergestellkante   8 „ 2 „ 7 „ 7 „
  • Weite der Gicht   7 „ 7 „ 6 „ 5 „
  • Weite des Kohlensacks   9 „ 11 „ 8 „ 2 „
  • Länge des Gestells oben   5 „ 10 „ 4 „ 1 „
  • Breite „ „ „   4 „ 8 „ 4 „ 1 „
  • Vom Rücken bis Wallstein   8 „ 9 „ 7 „ — „
  • Breite am Boden   2 „ 11 „ 2 „ 4 „

Die beiden Formen des groſsen Ofens lagen 1 Fuſs 9 Zoll von-
einander ab.


Im allgemeinen baute man die sibirischen Öfen in drei Gröſsen
von 28, 35 und 42 Fuſs 1).


Während der Regierungszeit der Kaiserin Elisabeth (1741 bis
1762) machte die Eisenindustrie Ruſslands weitere groſse Fortschritte.
Im ganzen wurden in dieser Periode 335 neue Fabriken gegründet,
so daſs es deren bei dem Tode der Kaiserin 502 gab, welche aller-
dings für nur 2800000 Rubel Waren lieferten. Der Export von Eisen
nach England hob sich von 1754 bis 1755 von 62720 m-Ctr. auf
101802 m-Ctr. — Den groſsartigsten Aufschwung erfuhr aber das
russische Eisenhüttenwesen unter der segensreichen Regierung der
Kaiserin Katharina II. (1762 bis 1796). In freierem Geiste als ihre
Vorfahren suchte sie Handel und Industrie zu beleben. Dieses Stre-
ben fand den wichtigsten Ausdruck in dem neuen Zolltarif vom
Jahre 1766, der den Handel von vielen Beschränkungen befreite, der
Industrie die notwendigen Hülfsstoffe möglichst billig zur Verfügung
stellte und die Ausfuhr russischer Handelswaren begünstigte. Fremden
Industriellen wurden wieder dieselben Rechte eingeräumt, die sie
unter Peter dem Groſsen genossen hatten, viele drückende Mono-
pole wurden abgeschafft, kurz auf alle Weise suchte sie die Industrie
zu heben und die nationale Arbeit zu fördern. Der Erfolg war ein
groſser; die Zahl der Fabriken betrug in den letzten Regierungsjahren
Katharinas 2270 mit über 100000 Arbeitern 2). Welchen Aufschwung
die Eisenindustrie und der Eisenhandel nahmen, zeigt sich wieder am
[1134]Ruſsland.
deutlichsten an der Ausfuhr nach England. Dieselbe stieg 1786 auf
289640 m-Ctr. und 1793 sogar auf 366620 m-Ctr. Der russische
Eisenhandel überflügelte den schwedischen, und die Ausfuhr nach
England übertraf die schwedische im Jahre 1793 um 166600 m-Ctr.
1779 waren im uralischen Erzgebirge 70 Hochöfen und 532 groſse
Hämmer im Gange. Für das ganze Reich nimmt Hermann im
Jahre 1789 die Zahl der Hochöfen auf 100 und die der Stabhämmer
auf 800 an. Die Produktion betrug in diesem Jahre 5 Millionen
Pud (82000 Tons) geschmiedetes Eisen, wozu 7½ bis 8 Millionen
Pud Roheisen und wenigstens 15 Millionen Pud Eisenerze nötig
waren.


Über die uralischen Hüttenwerke jener Zeit hat Pallas in seinem
Reisewerke und nach diesem besonders der deutsche Hofrat Hermann,
der in kaiserlichen Diensten die Eisenwerke daselbst längere Zeit
leitete, in seinem zweibändigen Werke: Versuch einer mineralogischen
Beschreibung des uralischen Erzgebirges, 1789, sehr ausführliche
Nachrichten mitgeteilt. Danach gab es dort 1779 82 Eisenhütten-
und Hammerwerke und zwar in der katharinenburgischen Berghaupt-
mannschaft 53, wovon 10 der Krone, die übrigen Privaten gehörten.
In der permischen Berghauptmannschaft führt Hermann 14, in der
kasanischen 5 und in der orenburger Berghauptmannschaft 10 Eisen-
werke auf.


Die Hochöfen produzierten zusammen 5366652 Pud Roheisen, die
Hammerwerke 3678006 Pud Stabeisen, worin 619266 Pud Schmiede-
waren enthalten sind. Es würde zu weit führen, alle Werke aufzu-
zählen und zu beschreiben, wir verweisen deshalb auf das angeführte
Buch und beschränken uns darauf, einige der wichtigsten kurz zu
berühren.


Die bedeutendsten Eisenwerke der Krone waren die sieben Hütten,
welche unter dem Namen der Goroblagodatskischen Hütten bekannt
waren, fünf derselben, die Blagodat-Kuschwinskischen, lagen an der
Kuschwa, zwei, die Blagodat-Kamskischen, an den Kamabächen.


Alle diese Hütten bezogen ihre Erze aus dem mächtigen Eisen-
berg Goroblagodat, welcher, den Eingeborenen zwar schon lange
bekannt, erst 1735 von dem General-Bergdirektor von Schön-
berg
durch regelmäſsigen Bergbau erschlossen wurde. Das Erz war
magnetisch und wurde in ungeheuren Haufen von 300000 bis
350000 Pud geröstet.


Gleichzeitig wurde die groſse Eisen- und Kupferhütte zu Kusch-
winsk angelegt, welche vier Hochöfen von 10 und 10½ Arschinen
[1135]Ruſsland.
(russische Elle = 0,71 m) umfaſste; jeder Eisenhochofen hatte zwei
hölzerne Bälge, die 16 engl. Fuſs lang und hinten 6½ Fuſs breit waren.
Ihre Produktion betrug 230 bis 270 Pud (3800 bis 4400 kg), wenn
Roheisen, und 150 bis 170 Pud, wenn Munitionsguſs gemacht wurde.
Die Erze gaben 50 bis 56 Proz. Roheisen. 1789 lieferte ein Ofen von
16 Arschinen (11,36 m) Höhe 800 bis 900 Pud (13100 bis 14700 kg)
den Tag. 1766 lieferte das Werk 6800000 Tonnen Roheisen, dar-
unter 800 Tonnen Bomben.


Noch ausgedehnter war das Hüttenwerk Werschneturinsk, welches
gleichzeitig mit dem vorigen erbaut worden war. Es hatte 3 Hoch-
öfen und 4 Hämmer mit 6 Herden. 1779 erzeugte es 257954 Pud
Roheisen und 21611 Pud Stabeisen. — Die dritte groſse Hochofen-
hütte war Barantschinsk mit 2 Hochöfen, welche in demselben Jahre
119447 Pud Roheisen lieferten. Das Werk war 1743 angelegt worden.
Ein bedeutendes Hammerwerk war dagegen das 1766 erbaute Nisch-
neturinsk. Es hatte 10 Hämmer im Betriebe, 3 Walz- und Schneid-
werke und 20 Herde, ferner eine Ankerschmiede. 1779 machte es
105977 Pud Stabeisen. Die Schienen wurden in derselben Hitze
gewalzt und geschnitten. Die groſsen Hammerwerke Wotkinsk und
Ischeschsk, welche 1759 erbaut wurden, frischten ebenfalls ihr Eisen
aus blagodatskischem Roheisen. Ersteres hatte 17 Reckhämmer,
1 Hammer zum Ankerschmieden und 4 Blechhämmer. Letzteres war
etwa von derselben Gröſse. 1779 machte jedes von beiden 136900 Pud
Schmiedeeisen.


Das Hüttenwerk Pyschminsk, welches 1763 an der Pyschma er-
baut worden war, ist deshalb von Wichtigkeit, weil dort 1784 Her-
mann
auf Befehl der Kaiserin eine Stahlfabrik anlegte, in welcher
Brescianstahl nach kärntnischer Art gefrischt wurde. Das Roheisen
dazu kam von der Hütte zu Kamensk. Es wurde erst in einem
Zerennherd zu Böden oder doppelt Roheisen eingeschmolzen. Dieses
wurde dann in einem zweiten Herde zu Krizen oder Luppen gefrischt,
wobei „Brokwerk und Kot“, d. h. gare Abfälle und Garschlacke von
der vorigen Arbeit zugesetzt wurde. Eine Krize wog 2 bis 3 Pud
und konnte ein fleiſsiger Stahlschmied in 12 Stunden 3 bis 4 Krizen
machen 1). Dieselben wurden unter Aufwerfen von Quarzsand wieder-
holt ausgeheizt und zu kurzen Stangen ausgeschmiedet. Dieser Roh-
stahl (Uklad) wurde alsdann in Stücke gebrochen und von diesen
1½ bis 2 Pud in einer Zange zu einer Garbe (Sklatka) zusammen-
[1136]Ruſsland.
gefaſst und gegärbt. Die ausgeschmiedeten Stäbe wurden gestempelt
und zwar mit dem permischen Gouvernementswappen (ein Bär mit
einem Evangelienbuch) und der Aufschrift Sibirskaia Stal (sibirischer
Stahl). Er galt dem berühmten steierischen Scharsachstahl an Güte
gleich. Vor dieser Zeit hatte man in den uralischen Provinzen nur
einen ganz ordinären Rohstahl aus altem Eisen gemacht.


Die oben erwähnte Hütte zu Kamensk war ein Staatswerk und
eine der ältesten Hütten in Sibirien. 1789 bestand sie aus 2 Hoch-
öfen, 3 Stabhämmern mit 6 Herden und 1 Kanonenbohrerei. Die
Hochöfen hatten, wie überall in Sibirien, ein länglich viereckiges
Gestell und einen runden, tonnenförmigen Schacht, ähnlich einer
Probiertute; sie waren 12 Arschinen (8½ m) hoch. Es wurde hier
Roheisen in Gänzen, Kanonen und Munition und Stahlroheisen
in Blatteln erzeugt. Für letzteres war der Satz 19 Pud Erz,
2½ Pud gebrannter Kalkstein und ⅘ Korb oder 16 Pud Holz-
kohlen. Ein Hochofen konnte im Jahre 90000 Pud erzeugen, worunter
12000 bis 18000 Pud Stahlroheisen, 12000 bis 15000 Pud Guſs für
Hüttengerätschaften und 7000 bis 10000 Pud Guſs für die Artillerie
waren.


Die gröſste sibirische Hütte war das der Familie Demidoff
(1789 dem Nikita Akinfiwitsch Demidoff) gehörige Eisenwerk
Nischnetagilsk. Es war 1725 am Tagilfluſs erbaut und umfaſste 1788
4 Hochöfen, die paarweise gebaut und mit Erzaufzügen versehen
waren; eine Hütte mit 2 Stab- und 2 Reckhämmern und 4 Herden;
ein Walz- und Schneidewerk mit 1 Platthammer und den dazu ge-
hörigen Herden, ingleichen 1 groſsen Stabhammer mit 2 Herden; eine
Drahtzieherei mit 2 Hämmern, 2 Herden und 8 Zangen; eine Hütte,
welche wieder 2 Stabhämmer mit ihren Herden und 1 Ukladhammer,
dessen Herde Handgebläse hatten, enthielt; ferner einen Glühofen
zum Ausglühen des fertigen Stangeneisens, eine Ankerschmiede mit
2 Hämmern und 2 Herden, eine Gieſshütte, drei Balgenmachereien,
eine Nagelschmiede mit zwei Essen, drei Schmieden mit 30 Essen, wo
auch blecherne Kessel und Pfannen gemacht wurden, eine Blech-
hütte mit 2 Stab- und 2 Blechhämmern, eine Hütte mit 3 Reck-
hämmern, eine Sensenschmiede, ein Zinnhaus u. s. w. Es waren hier
3282 Meisterleute männlichen Geschlechts, welche in über 1000 Häusern
wohnten, ihrer Religion nach teils Altgläubige, teils Raskolniken. Die
Stadt hatte Kirchen, Spital, Findelhaus u. s. w.


Das Erz kam von dem berühmten Magnetberg (Wissogorokoi
Magnitnoi-Rudnik), der schon 1702 von den einheimischen Wolugen
[1137]Ruſsland.
entdeckt, aber erst 1721 mit Bergbau belegt wurde 1). Derselbe ver-
sorgt nicht nur die tagilskischen, sondern auch die rewidinskischen,
utkinskischen und newianskischen Hütten mit Eisenstein. Die Kuppe
besteht aus Magneteisenstein, dann folgt ein derber, blauer, schwerer
Eisenstein von angeblich 50 bis 80 Proz. Roheisengehalt, am Fuſse
des Berges findet sich das Erz meist als ein brauner, lederfarbener
Eisenstein brockenweise im Letten; um 1793 wurden jährlich beinahe
3½ Millionen Pud Eisenstein hier gebrochen. Das beste Erz wurde
mit 5 Proz. Kalk verschmolzen und gab den Grundstoff für das be-
rühmte alte Zobeleisen, welches an Güte nur dem Dannemoraeisen
nachstand. Es hatte seinen Namen von dem sibirischen Wappen,
welches einen Zobel führt. Alles Erz wurde geröstet und zwar in
Haufen bis zu 400000 Pud. Die nischnetagilskischen Hochöfen waren
sämtlich 13 Arschinen hoch und hatten Formen von Thon. 1782
wurden 522830 Pud Roh- und über 71 Sorteneisen (d. h. verschiedene
Sorten Schmiedeeisen) erzeugt.


Die Demidoffschen Hammerwerke Wuiek, Laisk und Tschor-
noistotschinsk waren in den Jahren 1725 und 1726 erbaut worden;
das Hochofenwerk Werschnesaldinsk 1760. Im ganzen hatte Nikita
Demidoff
1779 in der katharinenburger Berghauptmannschaft elf
groſse Werke. Eine noch gröſsere Anzahl besaſs Sawa Jakoblef,
darunter die berühmte Hütte zu Newiansk, welche er um 1780 von den
Demidoffs gekauft hatte. Newiansk war, wie wir oben erwähnt haben,
das älteste Eisenhüttenwerk im Ural, nach dessen Muster die vielen
jüngeren Werke gebaut wurden. Es hieſs allgemein Staroi Sawod,
die alte Hütte. Es hatte zwei groſse Hochöfen, viele Hämmer,
Schwarz- und Weiſsblechhütte, Drahtzieherei u. s. w. 1779 lieferte es
193452 Pud Roheisen und 121991 Pud Sorteneisen.


Eine ähnliche Anlage war zu Werschneiſsetsk, welche 1726 auf
Kosten der Krone erbaut, dann von dieser an Graf Woronzoff ver-
kauft worden war, von dem es Jakoblef erworben hatte. Ihre Pro-
duktion betrug 1779 129920 Pud Roheisen und 57973 Pud Sorteneisen.
Schuvalinsk war schon 1716, Byngofsk 1718, Schaitansk 1727, Utkinsk
1729, Sylwinsk 1730, Nischnesinätschichinsk 1736 und Nischnesusansk
1737 erbaut worden. Das groſse Werk Werschnetagilsk war 1716
erbaut worden. Es hatte nur einen Hochofen von 16 Arschinen
Höhe, der mit eisernem Dach und Schornstein versehen war. Es
lieferte 1779 an 114000 Pud Roheisen und 41500 Pud Stabeisen.


Beck, Geschichte des Eisens. 72
[1138]Ruſsland.

Die groſsen Werke Reschefsk und Irbitsk waren erst 1775 und
1776 von Sawa Jakoblef erbaut worden. Ersteres schmolz 1779 mit
einem Hochofen 155440 Pud Roheisen. Die oben erwähnte Hammer-
hütte Byngofsk lieferte in demselben Jahre über 140000 Pud Stab-
eisen. Die bedeutende Eisen- und Kupferhütte Alaganfsk war dagegen
schon 1704 erbaut worden. 1782 lieferte sie 118760 Pud Roheisen
und 37742 Pud Sorteneisen. Von den übrigen Privathütten im Katha-
rinenburger Bergbezirk nennen wir noch Sisersk, welches 1733 unter
dem Namen Imperatuzi Anni Sawod von General von Hennin ange-
legt und eins der ergiebigsten Werke der Krone war. 1759 gelangte
es durch Verkauf in den Besitz von Alexei Turtschaninof. Es
hatte zwei Hochöfen und neun Hämmer und beschäftigte 1000 Meister-
leute. 1779 produzierte es 98310 Pud Roheisen und 57562 Pud
Sorteneisen.


Ein groſses Hüttenwerk war Rewdinsk, 40 Werst von Katharinen-
burg, 1734 von Akimfi Demidoff erbaut. Es hatte zwei Hochöfen
und fünf Stabhämmer, auſserdem Blechhammer, Stahlwerk, Anker-
schmiede u. s. w. 1779 erzeugte es 229365 Pud Roheisen und
46260 Pud Sorteneisen. Es gehörte damals, ebenso wie das ähnliche
Werk Utkinsk an der Utka, welches Akimfi Demidoff bereits 1729
erbaut hatte, Enkeln desselben.


Dem reichen Edelmann Nikita Demidoff gehörten noch die
groſsen Eisenwerke Kaslinsk, Werschne- und Nischnekytschimsk.
Kaslinsk war 1746 von einem gewissen Tuljan Korobkof erbaut,
von Nikita Demidoff aber ganz umgebaut worden. Es hatte
1 Hochofen und 11 Stabhämmer. Der Hochofen hatte 21 Arschinen
(14,91 m) Höhe, übertraf also noch den groſsen Ofen von Newiansk
von 20½ Arschinen; seine Bälge waren 10 Arschinen (7,10 m) lang
und er schmolz 500 bis 550 Pud den Tag. 1782 wurden hier
143000 Pud Roheisen und 141200 Pud Sorteneisen erzeugt.


Werschnei- und Nischnekytschimsk wurden von Nikita Nikitisch
Demidoff
, dem Vater des zuvor genannten Nikita, 1757 erbaut.
Es waren hier 2 Hochöfen und 19 Stabhämmer. Das Werk hatte
1000 Leibeigene und 8000 zugeschriebene Bauern. 1782 lieferte es
470000 Pud Roheisen und 162000 Pud Stabeisen.


Nischneserginsk, welches 1779 dem Edelmann Johann Demidoff
gehörte, war 1743 erbaut worden und bestand aus 2 Hochöfen und
11 Stabhämmern. Es produzierte 1779 205695 Pud Roheisen und
88744 Pud Stabeisen. Ein bedeutendes Hüttenwerk war das zu
Bilimbaesk, welches 1733 erbaut war und dem Grafen Stroganof
[1139]Ruſsland.
gehörte. Es erzeugte 1779 in zwei Hochöfen 254688 Pud Roh-
eisen. Die Werke bei Schaitansk gehörten dem Hüttenherrn Sergei
Schiraef
.


Die Eisenhütten in der permschen Berghauptmannschaft waren
nicht so groſs wie die katharinenburger. Die meisten derselben
waren in den 50er Jahren von Groſsgrundbesitzern errichtet worden.
Die bedeutendsten waren Poschefsk mit 1 Hochofen und 12 Stab-
hämmern, welche 1779 94295 Pud Roheisen und 58052 Pud Stab-
eisen machten, und Nitwinsk, welches dem Fürsten Gallizin gehörte.
Sie war 1758 von einem Grafen Stroganof erbaut worden. Künofsk war
ebenfalls ein Stroganofsches Werk mit 1 Hochofen und 7 Hämmern.
Auch das groſse Eisenwerk Tschermask war 1761 von Graf Stroganof
erbaut und ging dann mit 7200 dazu gehörigen Bauern und Salz-
siedereien für die Summe von 488000 Rubel an Iwan von Lasaref
über. Es hatte 2 Hochöfen und 12 Stabhämmer und produzierte 1778
116446 Pud Roheisen und 37707 Pud Sorteneisen.


Die kasanschen Werke, welche den Hüttenherren Ossokin und
Massalof gehörten, waren nicht so groſs; dagegen waren in der
orenburgischen Berghauptmannschaft wieder sehr bedeutende Hütten-
werke. Von diesen nennen wir besonders Slatantofsk, dem Hütten-
herrn Lavian Luginin gehörig, mit 2 Hochöfen und 20 Stab-
hämmern. Es war 1760 erbaut worden und umfaſste auſserdem
4 Walz- und Schneidwerke mit 8 Öfen, 1 Blechhütte mit 6
Hämmern und 12 Herden, 2 Ukladschmieden, 1 Schmiede mit
12 Essen, Balgmacherei u. s. w. 1779 erzeugte es an 212000 Pud
Roheisen und 110000 Pud Sorteneisen. — Assessor Miäsnikof und
Direktor Tschwerdischef besaſsen die bedeutenden Hütten Kataui-
wanofsk, Ustkatausk, Simsk, Bielorczk mit 8 Hochöfen und 36 Stab-
hämmern; der Edelmann Ewdakim Demidoff besaſs 4 Hütten-
werke mit 2 Hochöfen und 14 Hämmern. Alle die letztgenannten
Werke waren seit 1755 erbaut worden.


Verwaltung, Bau und Betrieb der uralischen Eisenhütten hatte
vieles Eigentümliche. Wir haben schon erwähnt, daſs die Berg- und
Hüttenwerke ursprünglich dem Gouvernement Tobolsk unmittelbar unter-
stellt waren. Dann erbaute man mitten in dem reichsten Erzrevier 1718
die Stadt Katharinenburg und errichtete dort ein besonderes Ober-
bergamt, dem dann die Oberbergämter in Perm, Kasan und Orenburg
folgten. Diese Einrichtung blieb bis 1781, in welchem Jahre die
permische, wiätskische, kasansche und ufimskische Statthalterei er-
richtet und die Berg- und Hüttenverwaltung den Finanzdepartements
72*
[1140]Ruſsland.
derselben zugewiesen wurde. Der gröſste Teil der uralischen Hütten
kam zu der permischen Statthalterschaft.


Die Kronwerke hatten Direktoren, die Staatsbeamte waren, die
Privatwerke hatten meist einen „verschmitzten Leibeigenen“ (wie
Professor Georgi sich ausdrückt), der lesen und schreiben konnte,
als Prikaschtschik oder Inspektor, und wählte man dazu Raskolniken,
weil sie weniger tranken und die Fehler der Rechtgläubigen mit
Argusaugen beobachteten. Ein solcher Mann stand für 40 bis
100 Rubel Jahresgehalt und einigen ökonomischen Vorteilen oft
groſsen Berg- und Hüttenwerken mit einigen Tausenden von Leib-
eigenen und freien Arbeitern vor. Dies war nur möglich, weil bei den
reichen, gutschmelzigen Erzen und dem Überfluſs an Holz der Betrieb
leicht und einfach war, und die Arbeiter willig und gutmütig waren.
Die den Hütten zugeschriebenen Kronbauern hatten das ganze Fuhr-
wesen, das Fällen des Holzes, das Aufbrechen der Meiler, das Herbei-
schaffen des Sandes u. s. w. zu besorgen, dagegen durften sie für
eigentliche Berg- und Hüttenarbeiten nicht verwendet werden, auſser
wenn dies ihr freier Wille war. Für ihre Arbeiten bezogen sie
festgesetzte Löhne.


Das Recht zu schürfen und Bergwerke anzulegen, besaſs auſser
der Krone nur der Grundbesitzer, d. h. der Adel, nur unter gewissen
Beschränkungen durften auch Kaufleute Bergwerke besitzen. Um
den Berg- und Hüttenwerken Arbeitskräfte zuzuweisen, verordnete die
Regierung, daſs die Kronbauern in der Umgebung der Werke ihr
Kopfgeld auf denselben abverdienen muſsten. Aus diesen wurden
diejenigen, welche sonst als Rekruten eintreten muſsten, ausgewählt
und als Meisterleute den Werken für immer zugeschrieben. Dies
waren dann die Knappen, Hütten- und Hammerleute. Wo der Adel
aber Werke auf seinen eigenen Gütern hatte, muſsten seine eigenen
Bauern die Arbeiten verrichten. Auſserdem gab es bei dem Magnet-
berge am Tagil gewisse Klassen von Bauern, die den Hüttenwerken
auf ewig zugeteilt waren, aber weder den Werksbesitzern eigentüm-
lich gehörten, noch Kronbauern waren. Sie konnten nur mit der
Hütte selbst verkauft werden. Endlich gab es freiwillige Arbeiter, doch
war dies der kleinste Teil. Von der Möglichkeit, Arbeiter zu be-
kommen, hing die Möglichkeit der Anlage eines neuen Werkes in
erster Linie ab.


Die Wälder gehörten in Ruſsland entweder der Krone oder Pri-
vaten. Bei dem Überfluſs an Holz im vorigen Jahrhundert war die
Waldwirtschaft eine sehr unvollkommene. Über die Zeit des Holz-
[1141]Ruſsland.
fällens und Kohlenbrennens bestimmte eine kaiserliche Verordnung
vom 21. Mai 17791).


Die drei Hauptbedingungen für vorteilhaften Hüttenbetrieb, Erz,
Holz und Wasserkraft fanden sich am Ural meistens vereinigt; alle
drei waren reichlich vorhanden2).


Es war sehr gewöhnlich, zwei Hochöfen nebeneinander in ein
gemeinschaftliches Rauhgemäuer — in einen Korpus, wie man sich
ausdrückte — zu bauen. Dieser Korpus war erst auf einem Pfahl-
werk von eingerammten Pfosten errichtet. Die Hauptabzucht war
ein hoher und breiter viereckiger Kanal von 3 Arschinen Höhe, der
über dem Fundament der Länge nach durchlief, über demselben bil-
deten gegossene, eiserne Röhren die Kreuzabzüchte. Der Herd war
aus genau zusammengefügten Gestellsteinen hergestellt und erweiterte
sich nach oben im Verhältnis von 4 zu 6. Er war viereckig, während
die Rast und der Schacht rund waren. Die zwei Öfen von Nischne-
serginsk, welche Hermann näher beschrieben hat, waren 22 Arschinen
hoch und hatten im Kohlensack 5, an der Gicht 2½ Arschinen
Durchmesser3).


Von der Kante der Herdstellung bis ungefähr 5 Arschinen über
dem Sack war der Schacht aus feuerfesten Ofensteinen, höher hinauf
aber nur mit Ziegeln ausgefüttert. Zwischen dem ¾ Arschinen
starken Ofenfutter und dem äuſseren Mauerwerk des Ofenstocks war
ein ¼ bis ½ Arschine breiter Raum, der mit Schlacken, Thon,
Sand u. s. w. ausgefüllt wurde. Das Rauhgemäuer bestand ganz
aus Ziegeln. Die Gicht war mit einem eisernen Dach überbaut,
in dem sich über jeder der beiden Ofengichten ein trichterförmiger
Hut befand, der bis 1½ Arschinen über die Ofenmündung herab-
ragte und als Schornstein diente. Die Form und die Balgdüsen waren
von Guſseisen. Trotz der Gröſse hatten diese Hochöfen nur eine
Form. Die Holzbälge waren 8 Arschinen lang. Die Wasserräder der
Bälge waren 7 Arschinen hoch.


Die Höhe der sibirischen Hochöfen schwankt von 10 bis 22 Ar-
schinen (7,10 bis 15,62 m), doch waren die ältesten Hochöfen alle
niedrig, meist 10 bis 12 Arschinen. Die später gebauten waren meist
höher, von 15 bis 18 Arschinen.


Die Erze wurden weder gewaschen noch zerklopft, sondern wie
[1142]Ruſsland.
sie aus der Grube kamen, auf die groſsen Rösthaufen gestürzt, die
bei den Bergerzen zuweilen über 300000 Pud faſsten. Rasenerze
röstete man in Haufen von 30000 bis 50000 Pud. Man fand in den
Haufen nach dem Rösten meist eine Menge totgeröstetes, d. h. in Renn-
stöcke zusammengeschmolzenes Erz, welches, da es die Schmelzung
verdarb, ausgehalten werden muſste. Das geröstete Erz wurde gewöhn-
lich erst auf der Hütte mit Handhämmern zerkleinert. Ein Gattieren
der Erze fand in der Regel nicht statt; als Zuschlag war gebrannter,
zu Mehl zerfallener Kalk am gebräuchlichsten, von dem gewöhn-
lich 6 bis 8 Proz. zugeschlagen wurden. Die Aufgabe oder Schicht
bestand aus 1 bis 1¼ Korb Kohlen, 20 bis 30, an einigen Orten
bis 40 Pud Erz und 3 bis 4 Pud Fluſs. Bei gutem Gang wurden
davon 20 bis 30 durchgesetzt. Man rechnete, daſs das Erz 10 bis
15 Stunden Zeit gebrauchte, bis es von der Gicht (Schür) bis vor die
Form kam.


Bei jedem Hochofen, bei dem nur Roheisen erblasen wurde, waren
12 Mann, die sich Tag und Nacht abwechselten. — Die Schlacken
wurden abgezogen und mit Wasser begossen. Das Eisen wurde drei-
bis viermal am Tage abgestochen, und je nach der Gröſse lieferte ein
Ofen 200 bis 700 Pud, also bis 11½ Tonnen Roheisen. Die groſsen
russischen Öfen hatten bei weitem die gröſste Produktion, welche bei
Holzkohlenöfen damals erreicht wurde. Den Ofengang beurteilte man
nur nach der Beschaffenheit des Eisens. Das Roheisen war meist
körnig-grau und muſste rein und flüssig im Herde stehen. Ein Hoch-
ofen ging, wenn nicht Mangel an Wasser oder Materialien eintrat,
8 bis 12 Monate, ausnahmsweise 1½ bis 2 Jahre. Im Durchschnitt
betrug die Produktion eines mittleren sibirischen Hochofens 100000 Pud
im Jahre. Der Kohlenverbrauch betrug zu Nischne-Tagilsk 1 5/7 Pfd.
Kohlen auf 1 Pfd. Roheisen; unter sehr günstigen Bedingungen sank
er bis 12/15, dagegen betrug er in dem 37 Fuſs hohen Ofen von
Kuschinsk 25/9.


Wie man mit Vorliebe zwei Hochöfen zusammenbaute, so baute
man auch meistens zwei Frischherde unter einem Schornstein oder
Eſskobel zusammen. Der Herd hatte einen Sandstein als Bodenstein.
Statt des Sinterblechs waren zwei etwa 4½ cm voneinander ab-
stehende Guſseisenblöcke eingesetzt. Der Herd war viereckig, die
eiserne oder kupferne Form mit rundem Rüssel. Die Bälge bei den
Frischherden waren von Holz, mit dem Kopf 5 Arschinen (3,55 m)
lang; die der Reck- und Schmiedefeuer waren von Leder. Die
Luppen- oder Krizhämmer waren 18 bis 24 Pud (300 bis 400 kg)
[1143]Ruſsland.
schwer und fast bei allen Hütten von Guſseisen und waren Aufwerf-
oder „Stutzhämmer“. Die Reck- oder Streckhämmer von 3 bis 10 Pud
Gewicht (50 bis 160 kg) waren dagegen Schwanz- oder „Spitzhämmer“.
Das Ausheizen und Frischen geschah in demselben Herd. Zu einer
Krize oder Luppe wurden meist 10 bis 12 Pud Roheisen eingesetzt,
1 bis 1¼ Korb Kohlen verbraucht und 7 bis 8 Pud Stangeneisen erzeugt.


Bei jedem Herd waren sechs Arbeiter, welche sich Tag und Nacht
abwechselten. Manche Hämmer machten bis 10000 Pud im Jahre.
Die durchschnittliche Produktion der sibirischen Herde betrug aber
nur 5000 Pud. Das Frischen selbst geschah in einfacher Weise nach
Art der deutschen Aufbrechschmiede. Der Abbrand beim Frischen
belief sich im allgemeinen auf ein Dritteil1). — Das Stabeisen wurde
auf seine Güte probiert durch Aufschlagen auf den Amboſs, durch
Durchstecken und Biegen um einen Pfahl. — Da das Stabeisen meist
wiederholt mit Wasser oder Eis abgelöscht wurde, so muſste es auch
öfter wieder durchgeglüht werden, was auf Glühböcken im Freien
oder in einem Glühofen geschah. Letzterer war ein länglich-viereckiger
Flammofen, der 3000 bis 14000 Pud Stangeneisen faſste. Die Stäbe
ruhten auf guſseisernen Böcken.


Der Rohstahl (Uklad) wurde aus altem Eisen, Blechabschnitzeln
und Abfällen hergestellt. Diese wurden erst in einem Herd vor der
Form bei scharfem Wind zu einer Art Hartzerrenneisen eingerennt und
abgestochen. Von diesem Roheisen (Dwoinoi-Tschugun) wurden 3 Pud
eingesetzt und daraus 1 Pud 20 bis 25 Pfd. Uklad erzeugt, wobei
1 Korb Kohlen verbrannt wurde. So geschah es in den Waffenfabriken
von Sisterbeck und Tula und in Sibirien. Auf einigen Hütten wurde
nur die Hälfte von dem aus zerrenntem altem Eisen verfertigten Roh-
eisen genommen, während man die andere Hälfte in rohem Zustande,
als Abschnitzel u. s. w., nach dem Einschmelzen zusetzte. Der Uklad
wurde dann auf kleinen Reckhämmern ausgeschmiedet. Der Kalo be-
trug mehr als ein Viertel; ein Meister machte im Monat 28 bis 30 Pud.
— Dieser Uklad diente hauptsächlich zur Verstählung des Gezähes in
den Bergwerken und zum eigenen Gebrauch. Eine andere Art Stahl,
Susch genannt, waren die ausgehaltenen harten Stangen, welche zufällig
beim Stabeisen fielen. Er diente zum Verstählen gemeiner Werkzeuge.


Ein eigentliches Stahlfrischen aus Roheisen war am Ural vor
Hermanns Einführung der Brescianschmiede nicht bekannt gewesen.


[1144]Ruſsland.

So war die Lage der russischen Eisenindustrie bis zu dem Jahre
1788, in welchem die Kaiserin Katharina II. den Direktor der
Carronhütte in Schottland, Gascoigne, der als der Erfinder der Car-
ronaden galt, berief, um die russischen Kanonengieſsereien und das
Eisenhüttenwesen im allgemeinen zu verbessern1). Er erhielt einen
jährlichen Gehalt von 2500 £, auſserdem freien Unterhalt für zwölf
von England mitgenommene Personen, sowie die Hälfte von dem, was
die Guſswaren weniger als 2 Rubel pro Pud kosten würden. Der
erste Kontrakt wurde auf drei Jahre geschlossen und dann auf wei-
tere vier Jahre verlängert. Die obgedachten Accidenzien betrugen
1792 allein 147000 Rubel2). Dieser führte auf dem Staatswerk Petro-
sadowsk am Onega-See, im russischen Karelien, sogleich englische
Cylindergebläse ein. Schon im folgenden Jahre wurde mit dem Bau
einer neuen Eisenhütte in Sibirien zu Petrokamensk mit englischen
Gebläsen begonnen. Diese Hütte erbaute der reiche Hüttenherr
Peter Sawitsch Sabakin, der Sohn des Sawa Jakoblef Sabakin.
Sein Baumeister aber war sein Leibeigener, Iwan Gegorof Sikin,
den der Vater mit den Hüttenwerken von Procopi Akinfinwitsch
Demidoff
gekauft hatte. Auſser den neuen Gebläsen führte Sikin,
der ein vorzüglicher Hüttenmann war, noch viele andere Verbesse-
rungen auf dem neuen Werke ein. Er schaffte die alten Doppelherde
mit einem Hammer ab, indem er nur einen Herd für einen Hammer
baute. Dadurch erzielte er eine Erhöhung der Produktion im Ver-
hältnis von 16 bis 17 zu 13. Er machte bei den Stabhämmern
auſser der Dramsäule die Mittel- und Hintersäule aus Roheisen und
legte den Dram zum Teil auſserhalb der Hütte. Ferner verbesserte er
die Gebläseeinrichtungen an dem Frischherde, kuppelte mehrere zu-
sammen und lieſs nur mit einer Düse blasen. Die beiden neuen
Hochöfen wurden zwar nicht gröſser als der groſse Ofen von Newi-
ansk erbaut, machten aber infolge der starken Gebläse 750 Pud
(12285 kg) Roheisen den Tag. Auſserdem besaſs das neue Werk
23 Stabhämmer mit 23 Frischherden und 2 Suluöfen. Der Nutzen
dieser Werke war enorm: 1 Pud Roheisen kostete 16 Kopeken Pro-
duktionskosten, wovon der Arbeitslohn 5 bis 8 Kopeken ausmachte;
der Kohlenverbrauch betrug 12 Kubikfuſs, und 80 Kubikfuſs kosteten
50 Kopeken. Der Transport nach Petersburg kostete 30 Kopeken,
der Verkaufspreis dort 1 Rubel 65 Kopeken. Zu den Kosten kam
[1145]Ruſsland.
allerdings noch der Kronzehnten mit 4 Kopeken pro Pud und
100 Rubel für jeden Hochofen.


Infolge der günstigen Ergebnisse mit den Cylindergebläsen führte
man solche auch auf den alten Hütten, besonders bei dem kleineren
Ofen zu Newiansk ein, der infolgedessen ebensoviel produzierte wie
der groſse Ofen. Alsdann versah man auch den groſsen Ofen mit
einem solchen Gebläse, infolgedessen derselbe 1000 Pud (16380 kg)
in 24 Stunden schmolz; man konnte die Produktion aber mit reichen
Erzen bis auf 1500 Pud (24570 kg) treiben. Die vier Cylinder des
newianskischen Ofens waren 2 Arschinen hoch und weit und machten
fünf bis sechs Touren in der Minute (s. oben S. 741).


Aber nicht nur Sawitsch Sabakin führte die neuen englischen
Gebläse ein, sondern über alle Hüttenbesitzer kam eine Art Fieber,
und sie beeilten sich, die neuen Verbesserungen einzuführen, und wo
man keine gegossenen Cylinder haben konnte, machte man solche
aus Holz. Man gab diesen meistens kubische Gestalt. Ein Gebläse
derart mit drei kubischen, an beiden Enden verschlossenen Bälgen,
welche miteinander verbunden waren, wurde zu Nischnetagilsk gebaut.
Schon früher waren ähnliche Bälge bei den Frischfeuern in Anwen-
dung gekommen. Auf den Hütten zu Salinski, Kossatur und Solotoust
hatte man damit guten Effekt erzielt. Durch ein englisches Cylinder-
gebläse steigerte sich die Produktion eines Hochofens zu Nischne-
tagilsk auf über 13000 kg pro Tag; eines anderen zu Kamensk auf
11700 kg. Hermann erwähnt in seinen Bemerkungen über den
Hüttenhaushalt eine Eisenhütte Polewskoi, welche 1787 täglich 9100 kg
produzierte. Die groſsen Öfen hatten einen wesentlich geringeren
Kohlenverbrauch.


Über die altaischen und sonstigen asiatisch-russischen Eisenhütten
liegen weniger ausführliche Nachrichten vor. Jeniseysk, welches
Pallas (1770) als die hohe Schule der Eisenschmiede bezeichnet,
schmolz hier schon seit den 20er Jahren aus einem schneeweiſsen, in
Flötzen brechenden Eisenstein ein vortreffliches Eisen. Das Schmelzen
geschah in Bauernöfen. Zu Rybenskoi waren gleichfalls bedeutende
Eisenschmelzen von einem jenisseiskischen Schmied angelegt worden.
Das dortige Erz war höchst eigenartig, es bestand aus in Eisenstein
verwandeltem Holz; ganze Stämme waren vererzt. Auch zu Krasno-
jarsk wurde das Erz in niedrigen Stucköfen verschmolzen, wobei man
bald härteres, bald weicheres Eisen bekam. Pallas beschreibt das
Verfahren näher.


Der Hochofen zu Tomsk war 21 engl. Fuſs hoch und hatte in
[1146]Ruſsland.
46 Wochen 650675 kg Roheisen, also durchschnittlich 2021 kg in
24 Stunden produziert. Das Ausbringen betrug 34 Proz., der Kohlen-
verbrauch 3 5/7 : 1. Ferner gab es Hochöfen zu Slatoust.


Auch über die Eisenhütten im europäischen Ruſsland liegen keine
so genauen Nachrichten vor, wie über die uralischen Werke.


Um Tula und Kaluga und in dem kasanschen und wladomir-
schen Gouvernement gab es Hochöfen, welche auf der Verschmelzung
weiſser Thoneisensteine von etwa 40 Proz. Gehalt begründet waren.


Groſsartige Anlagen machten im wladimirschen Gouvernement
die beiden Brüder André Rhodiwonitsch (Bataschef) und Iwan
Rhodiwonitsch
. Ihr Vater hatte ihnen ein Eigentum von zusammen
600 bis 700 Bauern hinterlassen. Um 1780 teilten die Brüder ihr
Vermögen, welches sich damals schon auf 6000 Bauern belief; gegen
Ende des Jahrhunderts hatte Iwan allein so viel, während André
sein Vermögen bis auf 13000 vermehrt hatte. Iwan machte auf
seinen Hütten jährlich 300000 bis 400000 Pud, André aber machte
fast das Doppelte. Die beiden Brüder hatten groſse und öde Land-
strecken fruchtbar gemacht und Tausenden lohnenden Unterhalt ver-
schafft. Norberg vergleicht Bataschef in Ruſsland mit Wilkinson in
England; ihm gebührt auch der Ruhm der Erfindung der groſsen Sturz-
öfen. Das groſsartigste Eisenwerk, welches André Rhodiwonitsch
Bataschef
anlegte, war Gussef. Er sah sich dazu 1750 durch den
kaiserlichen Befehl, daſs auf 200 Werst von Moskau keine holzfressende
Anlage erbaut sein sollte, gezwungen. Er muſste infolgedessen seinen
Wohnsitz aufgeben und erhielt dafür das öde Gebiet angewiesen, auf
welchem er das umfangreiche Werk errichtete. Es umfaſste auſser
einem Hochofen acht Walzwerke für Dachplatten. Ein Gebäude,
welches 21 Reck- und Planierhämmer, von denen je 3 für ein
Walzwerk das bereitete Material annahmen und zuletzt streckten,
wobei es den den russischen Platten eigenen Glanz erhielt. Ein anderes
Gebäude enthielt 24 Stabeisenhämmer, welche das Materialeisen für
die Plattenwalzwerke verfertigten. Ferner war bei Gussef ein Gebäude
mit 96 Nagelhämmern, die durch 24 Wasserräder getrieben wurden,
und eine Schmiede für Hand- und Grobschmiede mit 200 Essen; end-
lich Werkstätten für Verzinner, Plattenschläger, Groſsuhrmacher u. s. w.
Obgleich hochbetagt, legte Bataschef 1794 ein Gieſshaus mit zwei
Sturzöfen an und legte den Grund zu einem riesigen Sensenwerk,
welches ½ Million Sensen jährlich liefern sollte. Bataschefs Hämmer
und Hütten produzierten jährlich 600000 bis 700000 Pud. Zu den
Hochofenwerken Bataschefs gehörten Umschenskoi und Sintul.
[1147]Ruſsland.
Ersteres war mit einem Gebläse von vier guſseisernen Cylindern ver-
sehen und sollte 500 bis 600 Pud den Tag machen. Sintul wurde
1793 noch mit gewöhnlichen Bälgen betrieben. Der Hochofen zu
Sintul war 37 Fuſs 4 Zoll hoch, hatte in der Gicht 7 Fuſs, im Kohlen-
sack 12 Fuſs 3 Zoll Durchmesser. Die Höhe vom Bodenstein bis
zur Rast war 12 Fuſs 3 Zoll, die des Gestelles 7 Fuſs, bis zur Form
1 Fuſs 10 Zoll 1).


Man verschmolz in Sintul mit den Erzen zugleich die Frisch-
schlacken von Gussef und zwar im Verhältnis von ⅓ und ⅔. Der
Schlackenzusatz erhöhte das Ausbringen von 40 auf 46 Proz.


Die Eisenhütten in den Gouvernements Wologda und Wjätka
führten ihr Eisen auf der Düna nach Archangel.


Eines der wichtigsten und merkwürdigsten Eisenwerke war durch
die von Gascoigne eingeführten Neuerungen das groſse Staatswerk
Petrosawodsk (oder Alexandrofsk) geworden. Die vier dort befind-
lichen Hochöfen nennt Norberg eine Mittelsorte zwischen russischen
und englischen hinsichtlich ihrer Konstruktion2). Sie waren enger als
die sibirischen, namentlich in der Gicht. Hauptdimensionen waren:
Höhe 35 Fuſs 8 Zoll, Höhe bis zum Kohlensack 12 Fuſs; Durchmesser
des Kohlensacks 9 Fuſs 9 Zoll; Durchmesser der Gicht 2 Fuſs 6 Zoll und
zwar mit parallelen Wänden bis 5 Fuſs tief; Formhöhe 16 Zoll; das Ge-
stell war 5,6 Zoll hoch, 20 Zoll am Boden, 24 Zoll oberhalb breit, die
russischen Gestelle waren meistens sehr hoch und nach vorn etwas
erweitert. — Man machte die Gichten nicht so groſs wie in Sibirien
(24 Kubikfuſs gegen 80 zu Newiansk), gab davon aber 60 bis 70 in
24 Stunden auf. Die Erze gaben 35 bis 36 Proz. Die Schlacken
waren strengflüssig und wurden abgezogen. Das meiste Roheisen
wurde in Flammöfen mit Steinkohlen nach englischer Manier zu
Kanonen umgegossen.


Ebenso hatte man auf den kaiserlichen Kanonengieſsereien zu
Sisterbeck, Komosersk und Kronstadt Flammöfen angelegt, von denen
[1148]Ruſsland.
während des Krieges zwei Öfen zu Kronstadt monatlich 8000 Pud
Guſswaren, meist Kugeln und Bomben aus cassierten Kanonen, lieferten.


Das Formen der Kanonen geschah nach englischer Weise in
Kapseln (Muscheln) von Roheisen, wobei der Formsand nur 1½ bis
2 Zoll dick eingestampft wurde. Ebenso wurden Kugeln in Roh-
eisenmuscheln gegossen. Von einem Wasserrad konnten zu Petro-
sadowsk fünf Kanonen auf einmal abgeschnitten werden, von einem
anderen wurden zehn auf einmal unter Aufsicht von nur zwei Mann
gebohrt. Ferner war hier eine Schraubenschneidmaschine, die von
selbst umkehrte, wenn das Messer bis an das Ende des Gewindes
gelangt war. In der Stabschmiede war ein 17½ Pud schwerer Ham-
mer, der 100 Schläge in der Minute machte.


Zu Sisterbeck waren die Arbeitsmaschinen sehr bemerkenswert.
Man hatte dort durch Wasserkraft bewegte Feilenhau- und Eisen-
hobelmaschinen; auch eine vorzügliche Schmiede, in der eiserne
Tiegel für die Münze in Petersburg, die 100 Pud auf einmal fassen
konnten, geschmiedet wurden.


Bei Kaluga hatte man Erzröstöfen erbaut, bei denen die Flamme
durch guſseiserne Kanäle unter dem Röstgut herstrich.


Bemerkenswert ist noch, daſs der schwedische Bergrat Norberg,
welcher 3½ Jahre bei sibirischen Eisenwerken angestellt war, auf der
Hütte bei Petropaulofsk 1790 einen Hochofen in der Weise umbaute,
daſs er den Wind durch drei verschiedene Formen in den Ofen führte.


Im Jahre 1796 wurde im südlichen Ruſsland das Eisenwerk zu
Lugansk zur Ausrüstung der Flotte des Schwarzen Meeres und zur
Anfertigung von Waffen und Munition für die Festungen im südlichen
Ruſsland gegründet. Dieses Eisenwerk wurde die Veranlassung zur
Eröffnung der ältesten Steinkohlengrube des Donetzbeckens zu Lis-
sitschansk.


Die Ankerschmieden und Blechhämmer waren in Ruſsland mit
den groſsen Hüttenwerken verbunden, wie wir aus unserer Aufzählung
schon gesehen haben. Draht zogen die Bauern an der Wolga, doch
war die Drahtfabrikation ungenügend und wurde viel Draht eingeführt.
Die Nagelfabrikation bildete ein ausgedehntes Gewerbe der Bauern-
schmiede an der Wolga, die dazu geschnittenes Eisen aus Sibirien
kauften. Zu Narwa war eine Nagelfabrik angelegt worden.


Eine Nadelfabrik wurde schon 1719 mit 79018 Rubel Kapital von
einem Peter Chlebnikow gegründet; auch in Reval war ein Nadel-
macher. Die Produktion stand aber in keinem Verhältnis zum Bedarf.


Woran es Ruſsland besonders mangelte, das war guter Stahl. Die
[1149]Ruſsland.
ersten Versuche, Cementstahl zu bereiten, wurden 1764 zu Nischninow-
gorod gemacht. Eine Gesellschaft Franzosen hatte in den 80er Jahren
den Versuch gemacht, Cementstahl aus sibirischem Stangeneisen zu
machen. Ihre Fabriken gerieten aber wieder ins Stocken. 1785 gründete
Hermann auf kaiserlichen Befehl eine Brescianstahlhütte bei Katha-
rinenburg; doch war das dafür verwendete Eisen nicht sehr geeignet.


Die Folge des Mangels an gutem Schweiſsstahl war, daſs es in
Ruſsland auch keine Sensenhämmer gab und daſs der ungeheure Bedarf
des Landes durch das Ausland gedeckt werden muſste. Die Einfuhr
betrug jährlich über 1 Million Stück.


Gewehrfabriken gab es (1789) vier im Reiche, davon war Tula
die älteste und gröſste. 1717 wurde sie als Staatswerk neu ein-
gerichtet, und schon unter Peter dem Groſsen wurden dort
20000 Gewehre und 10000 Pistolen im Jahre gemacht. Er hatte zur
Gründung der Waffenfabrik zwölf geschickte Arbeiter aus Spandau
von König Friedrich Wilhelm I. von Preuſsen erhalten, dem er
dafür 100 groſse Rekruten lieferte. 1789 hatte Tula 4000 Arbeiter.


Die zweite war Petrosadowsk, die, von Peter I. gegründet, schon
zu seiner Zeit 12000 Flinten und 6000 Pistolen im Jahre liefern
konnte. Die dritte zu Sisterbeck hatte 1784 über 400 Meisterleute.
Die vierte wurde Ende der 80er Jahre zu Orel angelegt.


1782 wurde die Gewehrfabrik zu Tula mit einem Aufwand von
388000 Rubel neu gebaut. Sie sollte jährlich 15000 Gewehre für
die Armee liefern; auſserdem machte sie noch viele für den Handel.
Eine Flinte für die Infanterie kostete 4 Rubel. Die Fabrikanten
erhielten zu ihren Gewehrarbeiten 25000 Pud Kronseisen.


In Tula wurden ferner allerhand hübsche Stahlwaffen, Degen,
Hirschfänger u. s. w. verfertigt und zu mäſsigen Preisen verkauft.


Die Schlossermeister in den groſsen Städten machten auch eine
Menge eiserner Gerätschaften; die meisten Stahlwaren, wie Scheren,
Feilen u. s. w., muſsten aber eingeführt werden.


Die Eisenausfuhr Ruſslands nahm im letzten Drittel des 18. Jahr-
hunderts auſserordentlich zu. Sie betrug

  • 1768 1793
  • an Eisen für   1443000 für 5159000 Rubel
  • Kleineisenwaren für   20000 „ 40000 „

1798 wurden in britischen Schiffen von St. Petersburg ausgeführt:

  • Eisen   2352217 Pud
  • Altes Eisen   24860 „
  • Reifeisen   2120 „

[1150]Ruſsland.

Ruſsland, in dem Glauben, daſs England sein Eisen nicht ent-
behren könne, erhöhte im Jahre 1770 seinen Preis von 70 bis 80 Ko-
peken für das Pud auf 200 bis 220 Kopeken für „neuen Zobel“
(sable) und 250 Kopeken für besten alten Zobel. 1794 gewährte die
Regierung den Eisenwerksbesitzern Darlehen auf ihr Eisen, um sie
in den Stand zu setzen, die Engländer zu beliebig hohen Preisen zu
zwingen. Dieses übertriebene Vorgehen fiel aber zum Nachteil von
Ruſsland aus.


Die Ausfuhr von Archangel betrug:


  • nach England im ganzen
  • 1795   64422 106885 Pud
  • 1796   104349 152553 „
  • 1797   125386 175542 „
  • 1798   97026 157127 „
  • 1799   37791 68463 „

Von St. Petersburg:


  • nach England im ganzen
  • 1795   2023241 ?
  • 1796   1837593 2329766 Pud
  • 1797   1579658 1857710 „
  • 1798   2345287 2689842 „
  • 1799   1584920 2019379 „

1786 betrug die Eisenerzeugung Ruſslands nach Rinman1)
530000 Schiffspfund oder 84800 Tonnen, wovon etwa die Hälfte ex-
portiert wurde. Die Ausfuhr nach England, Holland und Deutschland
betrug in diesem Jahre 40960 Tonnen.


Dagegen nahm die russische Eisenausfuhr nach Nordamerika von
1789 an rasch zu. Sie betrug 1789 an Stabeisen 24981 Pud, 1799:
239885 Pud.


Werfen wir zum Schluſs noch einen kurzen Blick auf das Ge-
werbewesen
in Ruſsland, namentlich in Bezug auf das Handwerk2).


Vor Peter dem Groſsen war die Eigengewinnung noch die
herrschende Produktionsweise in Ruſsland. Jeder Bauernhof erzeugte
seinen Bedarf an Nahrungsmitteln, Bekleidungsstücken und in der
Hauptsache auch an sonstigen Gebrauchsgegenständen, selbst. Die
Technik der Produktion war dabei eine einfache und rohe. Der Ge-
werbebetrieb war frei.


[1151]Ruſsland.

Peter der Groſse suchte das Gewerbewesen zu reformieren. Er
wollte ein selbständiges Gewerbe und eine Groſsindustrie schaffen.
Aber Erfolge erzielte er nur in letzterer Hinsicht. Zur Förderung
des Handwerks verordnete er 1721 für die Städte die Einrichtung
von Magistraten und Zünften. Diesen letzteren sollten alle Gewerbe-
treibenden in den Städten beitreten, nur Zunftmitglieder durften
Lehrlinge und Arbeiter halten; ihre Waren muſsten den Ältermännern
zur Prüfung vorgelegt werden. Aber für die bäuerliche Bevölkerung
auf dem Lande blieb die alte Gewerbefreiheit bestehen, und da,
wie es nach der Darstellung von Thun1) erscheint, diese wie bis-
her ihre Waren in den Städten absetzten und als Wanderarbeiter
beschäftigt werden konnten, so übte jene Verordnung auf den Zustand
ihres Gewerbebetriebs keinen Einfluſs. Aber auch Zünfte entstanden
nur da, wo viele ausländische Meister waren und in den beiden Haupt-
städten. Ihre Wirksamkeit für das gewerbliche Leben war eine ver-
schwindend geringe. Das Zunftwesen hat für Ruſsland „so gut wie
gar keine Bedeutung gehabt“.


Um eine Groſsindustrie ins Leben zu rufen, wurden merkanti-
listische Maſsregeln ergriffen. Da den Privaten das Kapital fehlte,
wurden Staatsfabriken gegründet und Privatkompanieen zum Betriebe
übergeben, auch Privaten vom Staate zur Errichtung von Fabriken
Geld gegeben. Beschränkungen in der Ausfuhr von Rohstoffen, sowie
in der Einfuhr ausländischer Fabrikate und Monopolrechte erleich-
terten den Betrieb, sicherten den Absatz. Ausländer wurden in der
Gründung von Fabriken durch Befreiung von allen städtischen Abgaben
und andere Privilegien unterstützt. Dem Arbeitermangel half man
dadurch ab, daſs durch die Verordnungen vom 18. Januar 1721 und
3. Dezember 1723 den Unternehmern gestattet wurde, leibeigene
Arbeiter für ihre gewerblichen Anstalten zu kaufen. Das Gros der
Fabrikarbeiter bestand seitdem aus Leibeigenen. Auch Gutsbesitzer
errichteten neue Fabriken mit Leibeigenen. Das Monopolsystem
wurde stärker ausgebildet, hatte aber in Ruſsland kürzeren Bestand
wie in anderen Ländern. Schon im Jahre 1775 erfolgte der Bruch
mit demselben, die Monopole und Privilegien wurden aufgehoben und
die Gewerbefreiheit eingeführt.


[1152]Amerika.

Amerika.


Die Eisenindustrie Nordamerikas, die heute die erste Stelle
einnimmt und sich zu bewunderungswürdiger Groſsartigkeit entwickelt
hat, begann erst spät und mit sehr bescheidenen Anfängen. Obgleich
schon die Expedition, welche Sir Walter Raleigh 1585 nach Nord-
Karolina ausgerüstet hatte, reiche Eisenerze fand und auch in anderen
Gegenden der Reichtum Nordamerikas an Eisenerzen bald offenbar
wurde, so dauerte es doch lange, bis sich eine Eisenindustrie entfaltete.
Die Kolonisten bezogen ihre Bedürfnisse aus dem Mutterlande, und
dieses hatte kein Interesse daran, eine Industrie zu befördern, die
ihrer eigenen Konkurrenz machte und ihren Handel beeinträchtigte.
Die ersten Versuche dazu wurden in Virginien gemacht. Nachdem
1607 die erste ständige englische Kolonie zu Jamestown gegründet
worden war, brachte im folgenden Jahre das Schiff der Virginia-
Kompanie unter der Führung des Kapitäns Newport auſser anderen
Artikeln Eisenerze nach England, aus denen 17 Tonnen Eisen ge-
schmolzen und für 4 £ die Tonne an die Ostindische Kompanie
verkauft wurde. Dies war das erste Eisen aus amerikanischen Erzen
(1608). 1610 lenkte Sir Thomas Gates die Aufmerksamkeit des
englischen Publikums auf die guten Eisenerze in Virginien. Aber
erst 1619 schickte die Virginia-Kompanie erfahrene englische Eisen-
arbeiter dorthin, welche die ersten drei Eisenrennwerke in Amerika
am Falling Creek, 7 engl. Meilen unterhalb Richmond und 66 engl.
Meilen oberhalb Jamestown, gründeten. 1620 konnte Sir Edwin
Sandys
in einer in London gehaltenen Rede diese Gründung als ein
blühendes Unternehmen bezeichnen, bei dem 150 Kolonisten mit
Gewinnung der Erze und dem Bau der Schmelzwerke beschäftigt
seien. 1621 entsandte man John und Maurice Berkeley mit 20
tüchtigen Arbeitern von England aus, um diese Industrie noch mehr
zu fördern, aber sie fanden ein rasches Ende. 1622 überfielen Indianer
die Kolonie und vernichteten sie gänzlich. Versuchsweise scheint
Eisen geschmolzen worden zu sein, zum Versand war aber noch keins
gekommen 1). Im 17. Jahrhundert wurde kein weiterer Versuch der
Eisenbereitung in Virginien gemacht.


Besseren Erfolg hatten die Versuche, welche von 1632 an im
[1153]Amerika.
Staate Massachusetts begonnen wurden. 1637 erhielt ein gewisser
Abraham Shaw den halben Gewinn von allen Kohlen und Eisen-
erzen, die er in dem Gebiete finden würde, zugesprochen. Schon vorher
waren gute Rasenerze am Saugusfluſs bei Lynn entdeckt worden, von
denen Robert Bridges 1642 Proben mit nach England nahm, in der
Absicht, eine Gesellschaft zur Ausbeutung zu gründen. Er wurde
darin unterstützt von John Whinthrop jr., dem Sohn des Gou-
verneurs, der zu demselben Zwecke nach London gekommen war.
Dieser wurde erreicht und die aus elf Teilhabern bestehende „Com-
pany of undertakers for the Iron Works“ mit 1000 £ Kapital gegrün-
det. John Whinthrop jr. brachte Eisenarbeiter von England mit
und legte eine Eisenschmelze (foundry) am westlichen Ufer des Saugus-
flusses, nicht weit von Lynn, an. Das Dorf, das bei der Hütte entstand,
hieſs Hammersmith. Die Regierung unterstützte das Unternehmen,
indem 1644 der general-court demselben Land zuwies und Privilegien
erteilte. Der Hochofen kam 1645 in Betrieb. Das erste Guſsstück,
ein eiserner Topf mit Füſsen, wird noch in Lynn von den Nach-
kommen (Lewes) des Gutsherrn (Th. Hudson), auf dessen Grund
und Boden der Hochofen erbaut war, als geschichtliche Reliquie
aufbewahrt. Es sollte aber auch Stabeisen gemacht und hierfür
ein Hammerwerk (forge) und eine Frischhütte (finery) erbaut wer-
den. Da das Kapital hierfür nicht ausreichte, wurden die Bürger
von der Regierung zur Beteiligung ermuntert. Im Mai 1645 lagen
bereits mehrere Tonnen Roheisen (sowe iron) bereit zum Verfrischen.
Im Oktober bestimmte die Regierung unter Gewährung weiterer Pri-
vilegien, daſs die Bewohner des Gebietes ihren Bedarf an Stabeisen
von der Hütte erhalten sollten, die Tonne nicht teurer als 20 Pfd.
(not exceeding twentye pounds per tunn) und daſs die weitere Land-
bewilligung für die Errichtung von sechs Hütten- und Hammerwerken,
nicht bloſs Rennwerken (for the building and seting up of six forges
or furnaces, and not bloomeries onely) erteilt sein sollte. Der Gesell-
schaft wurde die freie Verwendung aller Materialien, welche zur
Herstellung von Kanonen, Töpfen und anderen Guſswaren erforderlich
seien, zugesprochen. Im August 1648 schrieb Gouverneur Winthrop
von Boston an seinen Sohn, der nach Pequod, Connecticut, verzogen
war, „das Eisenwerk geht jetzt hoffnungsvoller. Es liefert etwa
7 Tonnen die Woche“; und am 30. September schrieb er, „der Hoch-
ofen giebt 8 Tonnen wöchentlich und das Stabeisen ist so gut wie
spanisches“.


Wie sich aus einem Rechnungsbuche von Lynn von 1651 ergiebt,
Beck, Geschichte des Eisens. 73
[1154]Amerika.
stand James Leonard (Leonhard, Leonnarde) der Frischhütte
vor. 1654 war ein Eisenhammer (iron mill) in regelmäſsigem Betriebe.
Während mehrerer Jahre wurde das Eisenwerk energisch betrieben und
lieferte den gröſsten Teil des Eisens für die Kolonie. Von 1651 an
herrschte aber Uneinigkeit unter den Besitzern, die zu kostspieligen
Prozessen führte, worunter das Unternehmen schwer zu leiden hatte.
Von 1671 wurde es nur noch unregelmäſsig betrieben und scheint
im Jahre 1688 ganz aufgegeben worden zu sein. Auf diesem für die
Geschichte des Eisens in Nordamerika hochbedeutenden Werke wurden
Guſswaren (castings), Roheisen (sowe iron) und gefrischtes Eisen
(barr iron) gemacht.


Der Maschinist der Lynn-Werke war Joseph Jenks von Hammer-
smith in England, der zugleich auch die Modelle und die Formen
für die Guſswaren machte. Joseph Jenks, ein sehr begabter
Mechaniker, erwarb im Januar 1647 das Privileg, eine Sensen- und
Werkzeugschmiede für seine Rechnung bei dem Lynn-Eisenwerke zu
erbauen. Hier fertigte er 1652 die Stempel, mit denen die ersten
Silbermünzen für Neu-England in Boston geprägt wurden, ebenso
machte er 1654 für Boston die erste in Amerika hergestellte Feuer-
spritze. Im Jahre 1655 erhielt er vom General-court ein Patent auf
eine verbesserte Sense. Er änderte die schwerfällige englische Sense
in der Weise ab, daſs er das Blatt sehr dünn machte und ihm eine
Verstärkungsrippe gab. Diese Form der Sense ist seitdem die all-
gemein gebräuchliche in Nordamerika geworden.


Durch die Gründung des Lynn-Eisenwerks waren auſser Joseph
Jenks
noch andere geschickte Eisenarbeiter in das Land gekommen,
welche für die Eisenindustrie Nordamerikas wichtiges geleistet haben.
Es waren dies namentlich die Brüder Henry und James Leonard,
die ihr Gewerbe in Pontypool in Monmouthshire gelernt haben sollen
und die Stammväter einer Familie von Eisenindustriellen wurden, die
mit der Eisenindustrie Neu-Englands so verwachsen war, daſs es ein
Sprichwort wurde: „Wo ein Eisenwerk ist, ist auch ein Leonard.“


Die zweite Gründung in Neu-England war der Hochofen und das
Hammerwerk zu Blaintree in Norfolk county, etwa 10 engl. Meilen
südlich von Boston. Es wurde von derselben Gesellschaft wie das
bei Lynn gegründet. 1646 wurde der Hochofen erbaut, der 1647 in
Betrieb war und Töpfe, Mörser, Öfen, Kochkessel und andere Guſs-
waren lieferte. Henry Leonard soll den Bau der Hütte geleitet
haben und James Leonard führte wahrscheinlich den Betrieb, da
[1155]Amerika.
er 1653, als das Werk wegen Mangel an Erz still gestellt werden
muſste, in Blaintree wohnte und von da nach Taunton verzog.


Das dritte Eisenwerk in Neu-England wurde zu Taunton in
Bristol county von einer Gesellschaft von Bürgern dieser Stadt er-
richtet. Diese Gesellschaft war im Jahre 1652 zusammengetreten
und hatte Heinrich und Jakob Leonard und Ralph Russel zur
Erbauung eines Rennwerks (bloomary) engagiert. Jakob Leonard
blieb in Verbindung mit dem Werke, das sich sehr gut entwickelte,
und später leitete sein Sohn, Kapitän Thomas Leonard, den Betrieb
von 1683 bis 1713. Das Werk erhielt sich bis in die neueste
Zeit und wurde erst um das Jahr 1890 niedergerissen. Es war das
älteste erfolgreiche Eisenwerk Nordamerikas und über 200 Jahre in
Thätigkeit.


1668 gründete Henry Leonard ein Eisenwerk bei Rowley, das
aber nicht lange bestand. James Leonard errichtete ein Rennwerk
bei Whittington am Mill river, welches er mit seinen drei Söhnen
betrieb. James Leonard sen. starb im Jahre 1691. In den Jahren
1696 und 1697 wurde das Eisenrennwerk Chartley von zwei Söhnen
von Henry Leonard nicht weit von Taunton erbaut.


Es entstanden noch mehrere Eisenrennwerke, welche alle Rasen-
eisensteine verschmolzen, in Massachusetts, welches der Hauptsitz der
Eisenindustrie Neu-Englands war, so zu Topsfield 1677, zu Boxford
1680. Aber auch in den Nachbarstaaten wurden Eisenwerke ins Leben
gerufen.


John Winthrop jr. war im Jahre 1645 von Lynn nach Pequod
(später Neu-London) in Connecticut ausgewandert und hatte die
Erlaubnis zur Anlage von Eisenwerken daselbst erhalten. Die Regie-
rung suchte die Gründung eines Eisenwerkes dadurch zu fördern,
daſs sie demselben Steuerfreiheit gewährte. 1658 verband sich Win-
throp
mit Kapitän Thomas Clarke zur Errichtung eines Eisen-
werks bei New-Haven. Der Bau eines Hochofens und einer Frisch-
hütte wurde begonnen, aber erst im Frühjahre 1663 wurde das erste
Roheisen abgestochen.


In Rhode-Island hatte Joseph Jenks jr., der Sohn des
berühmten Maschinisten von Lynn, einen Luppenhammer errichtet,
der aber mit anderen neu angelegten Eisenwerken 1675 im Wempa-
noag-Kriege von den Indianern zerstört wurde. Heinrich Leonard
hatte 1674 Rowley in Massachusetts verlassen und war nach New-
Jersey
ausgewandert, wo er ein Eisenwerk erbaute. Es war dies
die Eisenhütte an dem Tintonfalle bei Shrewsbury, welche er wahr-
73*
[1156]Amerika.
scheinlich für Colonel Lewis Morris von Barbadoes, der schon 1676
als der Besitzer des Werkes erscheint, erbaute. Sie bestand aus einem
Hochofen, der Rasenerz (bog-ore) verschmolz, und einer Frischhütte.
Es ist bemerkenswert, daſs nicht nur in den Rennfeuern, sondern auch
in den Hochöfen ausschlieſslich Raseneisensteine verschmolzen wurden
und die reichen Bergerze ganz unbenutzt blieben.


So bestanden bereits Ende des 17. Jahrhunderts die Anfänge
einer Eisenindustrie in Nordamerika, die sich allerdings auf wenige
unbedeutende Werke in den genannten Neu-Englandstaaten be-
schränkte. Die Eisenindustrie Nordamerikas würde damals und in
der folgenden Periode sich rascher entwickelt haben, wenn sie nicht
von England zurückgehalten und unterdrückt worden wäre. Eng-
land wachte mit Eifersucht darüber, daſs sich in seinen Kolonieen
keine Industrie entwickelte, die der des Mutterlandes Konkurrenz
machen könnte; obgleich es schon damals an Holzmangel litt und
Eisen importieren muſste, so sah es doch die Gründung von Eisen-
hütten in Neu-England mit scheelen Augen an. Zunächst erlieſs es
schon im 17. Jahrhundert Gesetze, welche jeden Handel der Kolonieen
mit anderen Ländern verboten. Das sogenannte Navigationsgesetz
von 1651 gestattete nur den Handel mit dem Mutterlande. 1662
wurde die Ausfuhr von Eisenerzen verboten und mit einer Strafe von
10 Pfd. Tabak für jedes Pfund Eisenerz belegt. England bean-
spruchte ein Monopol der Vorsorgung seiner Kolonieen mit seinen
Industrieprodukten.


Diese egoistische Politik verschärfte sich mit der zunehmenden
Ausbreitung der Eisenindustrie in den nordamerikanischen Staaten im
18. Jahrhundert. Sie führte zu einer Reihe von vexatorischen Be-
stimmungen zur Unterdrückung einer selbständigen Eisenindustrie
in den Kolonieen, welche wichtige Glieder jener Kette von Ver-
gewaltigungen bildeten, die die freie Entwickelung der nordameri-
kanischen Staaten einzwängte und diese endlich zwang, das Band
mit dem Mutterlande gewaltsam zu zerreiſsen.


Als im Jahre 1719 die Nachricht nach England gelangt war, daſs
die Eisenindustrie in Nordamerika sich mehr und mehr ausbreite und
daſs in Neu-England bereits 6 Hochöfen und 19 Hämmer im Betriebe
seien, erzeugte dies einen förmlichen Schrecken unter den Eisen-
produzenten Englands, die sofortige Abhülfe von der Regierung ver-
langten. Das Parlament verbot, „in Anbetracht, daſs die Errichtung
von Fabriken die Abhängigkeit vom Mutterlande vermindere, daſs
irgend Jemand in den Ansiedelungen (plantations) Eisenwaren irgend
[1157]Amerika.
welcher Art aus Roh- oder Schmiedeeisen erzeuge“. Das Oberhaus
machte noch den Zusatz: „daſs kein Hammerwerk (forge) mit Wasser-
betrieb oder irgend eine andere Anlage zur Erzeugung, Verarbeitung
oder Verwandlung von Roh-, Massel- oder Guſseisen (sows, pigs or
cast-iron) in Stab- oder Zaineisen errichtet werden dürfe“. Dagegen
erhoben die nördlichen Kolonieen Einsprache und lieſsen sich in
ihrer Fabrikation nicht beirren.


Massachusetts stand, wie erwähnt, bei Beginn des 18. Jahr-
hunderts an der Spitze der Eisen erzeugenden Staaten Neu-Englands.
1702 erbaute der Eisengieſser Lambert Despard mit der Familie
Barker zusammen einen Gieſsereihochofen zu Pembroke in der
Grafschaft Plymouth. 1703 errichteten zwei Brüder Lincoln Luppen-
feuer bei Hingham. In derselben Grafschaft entstanden 1710 die Drink-
water-Eisenwerke bei Abington. 1713 kamen die Chartley-Eisenwerke
am Stonybrook in den alleinigen Besitz von George Leonard, der
dieselben sehr erweiterte. Dieses Eisenwerk gab die Veranlassung zur
Gründung der Stadt Norton, weshalb dieselben später die Norton-
Eisenwerke genannt wurden. 1722 wurde zu Bridgewater ein Renn-
werk errichtet, das 1750 noch im Betriebe war. Es gab die Anregung
zur Gründung der ersten Gewehrfabrik durch Hugh Orr, einen
Schotten, im Jahre 1738. Der erste Hochofen für Potterieguſs (hollow
ware) wurde 1724/25 zu Taunton von John King gegründet. Er
stand über 100 Jahre im Betrieb. In diesem wie in dem vorher
genannten Hüttenwerke wurden einheimische Sumpferze verschmolzen.
1730 wurde eine Eisenhütte bei Plympton, jetzt Carver, errichtet,
jedenfalls mit einem Hochofen, da hier zwischen 1760 und 1765
der erste eiserne Theekessel gegossen wurde. 1731 werden in einem
officiellen Berichte im Staate Massachusetts auſser Rennwerken und
Hochöfen ein Eisenschneidwerk (slitting mill) und eine Nagelfabrik
aufgeführt. Die Eisenschneidmühle soll schon 1710 bei Milton für
Herstellung von Nageleisen errichtet worden sein. 1750 gab es bereits
vier Walz- und Schneidwerke, zwei in Middlesborough, eins zu Han-
nover und eins zu Milton.


1731 waren in Neu-England überhaupt 6 Hochöfen für Guſswaren
und 19 Luppenfeuer im Betriebe. Dagegen gab es damals noch keine
Hochöfen, die Frischeisen erzeugten, und keine Frischhütten. Diese
Werke exportierten einen Teil ihrer Produktion nach England, und
zwar betrug die englische Eiseneinfuhr von Amerika im Jahre 1728
1170 Tonnen, 1734 2610 Tonnen.


Infolge des groſsen Holzmangels in England hatte man sich mit
[1158]Amerika.
dem Gedanken der Einfuhr von Roheisen und Renneisen aus Nord-
amerika mehr ausgesöhnt, suchte aber jede Art der Eisenverarbeitung
zu unterdrücken. In einem englischen Berichte aus dem Jahre 1719
heiſst es: „Amerika würden wir für Eisen und Holz unsere Waren
liefern. Eisen giebt es überall von Karolina bis zum nördlichsten
Ende von Neu-England. Die Schweden haben einen Ausfuhrzoll von
25 Proz. auf ihr Eisen gelegt und die Störung des Handels mit der
Ostsee hat unsere Fabriken schwer geschädigt. Eisen wird überall
gesucht wie Gold und Silber. Jetzt versorgen die Deutschen (Dutch)
Portugal, die Mittelmeerländer und die Türkei mit groſsen Massen
von Eisen: Hätten wir genügende Anlieferung von unseren Kolonieen,
die wir als Ballast in den Schiffen fortführen könnten, so würden
wir Massen davon nach allen diesen Ländern, selbst nach Afrika
und Indien ausführen können.“ Ebenso wurde den amerikanischen
Kolonisten die Wichtigkeit der Eisenindustrie für ihre Länder immer
mehr bewuſst. Auch die übrigen Neu-Englandstaaten auſser Massa-
chusetts suchten diese Industrie nach Kräften zu fördern.


Rhode-Island gewährte 1721 dem Schmied Samuel Bissel ein
zinsfreies Darlehen von 200 £ zur Beförderung der Nagelfabrikation. —
Maryland bewilligte 1719 100 Acker Land für irgendwen, der Eisen-
hütten oder -Hämmer anlegen würde. 1721 wurden noch weitere
Vergünstigungen beschlossen. Das erste Rennwerk war dort 1716 am
Nordostflusse angelegt worden. 1722 begann ein Engländer, Joseph
Farmer
, mit einigen Unternehmern unter der Firma Jos. Farmer
\& Co
. einen Hochofen zu Talbots manor, nahe der Mündung des
Principio creek in die Chesapeake-Bai in der Grafschaft Cecil zu
erbauen. Nachdem er aber kaum den Bau begonnen, kehrte er
nach England zurück, indem er die Weiterführung einem gewissen
Stephen Onion überlieſs, der aber die Gesellschaft durch glän-
zende Berichte zu täuschen suchte. Als die Teilhaber dahinterkamen,
beriefen sie durch Vermittelung Farmers einen tüchtigen Eisen-
arbeiter John England von Tamworth in England, der die Leitung
des Unternehmens unter schwierigen Verhältnissen im Jahre 1723
übernahm, den Ofen fertig baute und 1723 oder 1724 in Betrieb
setzte. Das Werk erhielt den Namen Principio-Hütte und die Gesell-
schaft nannte sich Principio-Company, als solche wurde sie die be-
rühmteste Eisengewerkschaft Amerikas bis zum Befreiungskriege. Im
Jahre 1725 entdeckte John England auf dem Gute von Kapitän
Washington, dem Vater des berühmten Präsidenten George
Washington
, welches an der Nordseite des Rappahannock-Flusses in
[1159]Amerika.
Virginia gelegen war, reiche Eisenerzlager und bewog 1725 die Teil-
haber der Principio-Gesellschaft, hier einen zweiten Ofen, den Acco-
keekhochofen, gewöhnlich Englandshütte genannt, zu erbauen. Der
Ofen kam 1726 in Betrieb. Mit diesen beiden groſsen, gut gebauten
und gut betriebenen Hütten trat die Principio-Gesellschaft an die
Spitze der amerikanischen Eisenproduzenten und machte den Ruf
ihres Eisens auch in England bekannt. Swedenborg erwähnt in
seinem Werke de ferro ebenfalls die Principio-Hütte. Ihr Gründer,
John England, einer der fähigsten und erfolgreichsten Eisenhütten-
männer, starb 1734. Im Jahre 1744 baute die Principio-Gesell-
schaft ihre dritte Hochofenhütte, den Kingsbury-Ofen am Herringrun
in der Grafschaft Baltimore in Maryland. 1751 erwarb sie einen
vierten Hochofen, den Lancashire-Ofen, der in der Nähe des Kingsbury-
Ofens erbaut worden war. Die Gesellschaft besaſs nun 4 Hochöfen
und 2 Rennwerke, alle, mit Ausnahme des Accokeek-Ofens, in Maryland
gelegen.


Die Hälfte des vor der Revolution von Amerika nach England
ausgeführten Eisens soll von dieser Gesellschaft erzeugt worden sein.
Sie war aber nicht die einzige im Staate Maryland. Die Baltimore-
Gesellschaft
baute zwischen 1723 und 1730 einen Hochofen am Fuſse
der Gwynnsfälle und eine Luppenschmiede „Mount Royal“ an den
Jonesfällen. Dieser Hochofen war der zweite in Maryland. Stephen
Onion
baute, nachdem er sein Verhältnis zur Principio-Gesellschaft
gelöst hatte, auf eigene Rechnung einen Hochofen und zwei Eisen-
hämmer am Gunpowderfluſs, bei der Stadt Joppa.


In Delaware erbaute Sir William Keith zwischen 1722 und
1724 Rennwerke bei New-Castle, die aber im dritten Jahre wieder
eingingen, weil die Erze zu schwerschmelzig waren. Es war dies
wohl dasselbe Werk, das Swedenborg als am Christianiafluſs von
Keith erbaute erwähnt. Eine zweite Anlage in Delaware war der
1726 oder 1727 erbaute Abbington-Hochofen, zu dem 1734 ein Eisen-
hammer hinzukam. An diesem Unternehmen waren u. a. auch Tho-
mas
und John Rutter beteiligt. Swedenborg erwähnt noch ein
Rennwerk bei St. James-Kirche am Hustleer-Flusse (White Clay creek),
das dem Grobschmied John Ball gehörte.


Der vorerwähnte Thomas Rutter, ein englischer Quäker und
Freund Penns, war der erste, der in Pennsylvanien mit Erfolg
Eisen schmolz. 1714 oder 1715 schenkte ihm William Penn
300 Acker Land am Monatawny Creek, und 1716 machte Rutter,
der in Germantown am Schuylkill wohnte, das erste Eisen, wenn
[1160]Amerika.
wir von dem Versuche eines gewissen Frame absehen, dem es bereits
1692 gelungen war, 40 Pfd. Eisen auszuschmelzen. Rutters erste
Hütte hieſs Pool forge und lag in Berks county, 3 engl. Meilen ober-
halb Pottstown. Das zweite Eisenwerk in Pennsylvanien wurde eben-
falls von einem englischen Quäker, Samuel Nutt, der sich 1717 am
French Creek niederlieſs, errichtet. Es war dies Coventry oder Nutts
forge am French Creek in Chester County. Dickinson schrieb 1718:
„Unsere Erwartungen von den Eisenwerken 40 Meilen aufwärts am
Schuylkill sind sehr groſs“, und 1719: „Unser Eisen entspricht den
Erwartungen; das, was nach England geschickt worden war, wurde
für sehr gut befunden. Unsere Schmiede verarbeiten, so viel sie
bekommen können; es ist so gut wie das schwedische.“ Nutts forge
kam 1756 auſser Betrieb.


Das dritte Unternehmen war die Erbauung eines Hochofens Co-
ventry furnace im Jahre 1720 von einer Gesellschaft, bei der Thomas
Rutter
Hauptbeteiligter war. Die Hütte lag 8 Meilen nördlich von
Pottstown und versah Pool forge, Pine forge und andere Eisenhämmer
mit Frischroheisen. Später wurde Thomas Potts der Gründer
einer hervorragenden Familie und der nach ihm benannten Stadt.
Potts, der der gröſste Eisenindustrielle des Landes wurde, starb 1752.
Der Hochofen zu Coventry wurde 1733 von Potts niedergerissen und
neu und gröſser wieder aufgebaut. Man verschmolz bereits die reichen
Magneteisenerze, welche in nächster Nähe gewonnen wurden.


Der zweite Hochofen Pennsylvaniens war Durham furnace,
ebenfalls am Delaware-Flusse, der 1727 von einer Gesellschaft, zu
der William Allen, Jos. Turner, James Logan, Penns Privat-
sekretär und andere gehörten, erbaut. Er war nach damaligen Be-
griffen sehr groſs, nämlich an der Basis 35 bis 40 Fuſs im Quadrat
und 30 Fuſs hoch. Dieser Ofen machte von Anfang an Frischroh-
eisen, womit er drei Frischhütten versah. Die Arbeiter waren zum
groſsen Teil Negersklaven, und war dies noch nach dem Befreiungs-
kriege im Jahre 1781 der Fall. Das Eisen wurde in eigenartigen
Booten, ähnlich den Kanoes der Indianer, nach Philadelphia gefahren,
wo sie unter dem Namen Durham boats bald in allgemeinen Gebrauch
kamen.


So wurde in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts in so-
lider Weise das Fundament zu der später so riesengroſsen Eisen-
industrie Pennsylvaniens gelegt. 1728 waren bereits vier Hochöfen
im Betriebe. 1728/29 wurde das erste Eisen, 274 Tonnen, nach dem
Mutterlande ausgeführt. Nachdem Rutter den Weg gezeigt, folgten
[1161]Amerika.
bald zahlreiche neue Gründungen, so McCalls forge (später Glasgow
forge) am Manatawny-Flusse unterhalb Pool forge bei Pottstown 1725,
Spring forge an demselben Flusse, westlich vom Coalbrookdale-Hoch-
ofen, 1729. Letzterer versah beide mit Roheisen. Auch hier wurden
meist Negersklaven als Arbeiter verwendet. 1738 wurde von Thomas
Potts jr
. der Mount Pleasent-Hochofen, 13 Meilen oberhalb Pottstown,
erbaut, ebenso Princes forge am Manatawny, 1740.


Samuel Nutt erbaute bald nach Errichtung des Coventry-Hammers
den Reading-Hochofen am French creek. 1736 errichtete er mit
William Branson zusammen noch einen zweiten Hochofen daselbst,
starb aber im folgenden Jahre. Sein Schwiegersohn, Robert Grace,
baute darauf 1738 den Warwick-Hochofen. Er war mit Benjamin
Franklin
befreundet und dieser übergab ihm das Modell seines 1742
erfundenen verbesserten Zimmerofens, welcher auf der Warwick-Hütte
zuerst gegossen wurde. Während des Befreiungskrieges wurden groſse
Mengen von Munition hergestellt. Der Ofen ging sehr vorteilhaft
und stand bis 1767 im Betriebe.


William Branson, ein eingewanderter englischer Kaufmann,
der in den Besitz des Reading-Ofens gelangt war, erbaute ferner 1742
die aus zwei Hammerwerken bestehende Windsor-Schmiede. In Ver-
bindung mit anderen errichtete er auch um 1750 das Vincent-Stahlwerk,
worin Cementstahl gemacht wurde. Die damit verbundene Vincent-
Schmiede hatte vier Feuer und zwei Hämmer. In den 40er Jahren ent-
standen noch mehrere Hammerhütten im Schuylkillthale. Erwähnens-
wert sind namentlich die Sarumworks, ein von John Taylor 1742
erbautes Hammerwerk, dem 1746 eine Eisenschneidmühle für Nagel-
eisen hinzugefügt wurde. Hierdurch war das Werk im stande, Nägel
billiger als die Liverpooler Händler zu liefern und gab infolge dessen,
wesentlich zu dem 1750 vom englischen Parlamente erlassenen ver-
haſsten Verbote der Errichtung von Eisenschneidmühlen Veranlassung.


Ein anderer um die Entwickelung der Eisenindustrie verdienter
Eisengewerke war Peter Grubb, dessen Vater aus Cornwall ein-
gewandert war. Er erbaute 1742 den Cornwall-Hochofen am Furnace
creek in Lebanon county. Die Erze kamen aus nächster Nähe. Der
Ofen hatte die für die damalige Zeit hohe Wochenproduktion von
24 Tonnen Roheisen, welche in sechs Frischfeuern zu Stabeisen ver-
arbeitet wurden. Peter Grubb starb 1754.


Um die Mitte des 18. Jahrhunderts hatte die Eisenindustrie Penn-
sylvaniens die von Massachusetts bereits eingeholt.


In Massachusetts, welches, wie schon früher erwähnt, im Jahre
[1162]Amerika.
1750 bereits vier Eisenschneidwerke hatte, war der Hauptsitz der
Nagelfabrikation, welche für Amerika von besonderer Wichtigkeit war.
Sie wurde noch ausschlieſslich als Hausindustrie betrieben. Die
Bauern richteten sich neben dem Kamin kleine Schmieden ein, woran
sie im Winter und an freien Abenden Nägel schmiedeten. Weiber
und Kinder nahmen an der Arbeit teil. Der Kaufmann lieferte das
Eisen und nahm die geschmiedeten Nägel in Empfang.


Das Sumpferz, welches in Massachusetts hauptsächlich ver-
schmolzen wurde, schöpfte man, ähnlich wie das Seeerz in Schweden,
aus dem Wasser.


Um das Jahr 1747, heiſst es in einem Briefe eines Geistlichen
von Middleborough von 1794 1), wurde Eisenerz auf dem Boden des
groſsen Teiches (pond) von Assowamset entdeckt und nach wenigen
Jahren wurde dies das hauptsächliche Erz sowohl für die Hochöfen
als die Luppenfeuer und viel davon wurde an benachbarte Orte ver-
führt. „Männer ziehen aus mit Booten und fördern mit Instrumenten,
ähnlich denen, die man beim Austernfange gebraucht; ein Mann zog
vordem etwa 2 Tonnen den Tag herauf; jetzt ist er aber schon so
erschöpft, daſs man nur noch ½ Tonne auf eine gute Tagesarbeit
rechnen kann. Doch ist noch viel in den benachbarten Teichen.
Das aus diesen Erzen geschmolzene Eisen ist vielfach besser als das
aus Raseneisenstein und fast so gut wie Frischeisen. Die Menge des
von dem Boden des klaren Teiches geschöpften Schatzes soll oft an
500 Tonnen im Jahre betragen haben.“


Douglass giebt im Jahre 1750 folgende Beschreibung der Eisen-
industrie Neu-Englands: „Eisen bildet einen wichtigen Teil unserer
Fabrikation, welche sich in nachfolgende Zweige teilt: 1. Hochöfen
zum Ausschmelzen der Erze in Masseln (pigs), wofür Holzkohle
genug da ist und Anzeigen von Bergerzen (rock ore). In Attleborough
wurden drei Hochöfen mit groſsen Kosten erbaut, da es sich aber
erwies, daſs das Erz spärlich und schlecht war, so verunglückte dieses
Unternehmen in Bezug auf Masseleisen. Dagegen bewährte es sich
für den Guſs kleiner Schiffskanonen, Kugeln und Granaten für die
Belagerung von Louisville. 2. Frischherde (refineries), welche Masseln
von New-York, Pennsylvanien und Maryland zu Stabeisen verarbeiten.
3. Luppenfeuer (Rennherde = bloomaries), welche aus Sumpf- oder
Morasterz (bog- or swamp ore) ohne Hochofen nur im Herde halb-
geflossene Luppen machen, die in Stangen ausgeschmiedet werden,
[1163]Amerika.
die aber viel geringer als die aus Masseln gefrischten sind. 4. Sumpf-
erz-Schmelzöfen (swamp ore furnaces), mit denen man Guſswaren
(hollow ware) billiger herstellen kann, als wir sie von England oder
Holland beziehen.


Sumpf- oder Morasterz bildet Ablagerungen von ½ oder 2 Fuſs
Dicke. In etwa 20 Jahren nach dem Ausgraben wächst oder sammelt
es sich wieder, so daſs es ein erneutes Ausgraben lohnt; wenn es
länger liegt, wird es rostig und giebt schlechte Ware. 3 Tonnen
Sumpferz geben ungefähr 1 Tonne Guſsware. 120 Buschel Holzkohle
genügen, um aus Bergerzen 1 Tonne Masseleisen zu schmelzen. Zu
einem Hochofen gehören acht bis neun Mann, ohne die Holzhauer,
Köhler, Fuhrleute und andere Handlanger.


Wir haben jetzt in Neu-England zwei Eisenschneidmühlen für
Nageleisen: eine in Milton, 8 Meilen von Boston, und eine andere in
Middleborough, 30 Meilen von Boston, die den Bedarf vollauf decken.
Unsere Nagler können Spiker und groſse Nägel billiger von England
beziehen, kleine Nägel aber nicht so billig.


Es wird in Neu-England nicht genügend Eisen für den Bedarf
in Renn- und Frischherden gemacht; man muſs noch von England,
New-York, New-Jersey, Pennsylvanien und Maryland einführen.“


In Connecticut, wo man aus den trefflichen Eisenerzen der
Grafschaft Litchfield, aus denen später das berühmte Salisbury-Eisen
erblasen wurde, in Luppenfeuern ein sehr gutes Stabeisen machte,
entstand die erste Stahlfabrikation in Nordamerika. Dort war
es im Jahre 1728 Samuel Higley von Limsbury nach vielen Ver-
suchen in Gemeinschaft mit Josef Dewey gelungen, den ersten
Cementstahl zu machen 1). Für diese Fabrikation erhielt er ein
Monopol auf 10 Jahre. Higley machte Stahl, das bewiesen die von
ihm vorgelegten Proben, aber sein Unternehmen rentierte sich nicht.
Im Oktober 1740 gewährte die Legislatur von Connecticut den
Herren Fitch, Walker und Willis ein ausschlieſsliches Privileg,
Stahl zu machen unter der Bedingung, daſs sie innerhalb 2 Jahren
½ Tonne Stahl darstellten. Dies scheint nicht geschehen zu sein,
denn die Frist wurde um 2 Jahre verlängert. Erst nach vielen kost-
spieligen Versuchen gelang es ihnen 1744, in dem dafür zu Symsbury
erbauten Ofen Stahl zu erzeugen. Rentabel wurde aber auch dieses
Unternehmen nicht. Um 1750 besaſs Aaron Eliot bei Killingworth
einen Stahlbrennofen. 1761 machte er aus dem von ihm aus Magnet-
[1164]Amerika.
eisensand erblasenen Renneisen guten Stahl, wofür er von der Society
of Arts in London die goldene Medaille erhielt. Dennoch hatte auch
er mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen, weshalb ihm die
Regierung 1772 auf sein Gesuch hin ein zinsloses Anlehen von 500 £
auf 2 Jahre bewilligte, welcher Termin dann auf weitere 2 Jahre
verlängert wurde.


Das Wachstum der amerikanischen Eisenindustrie erregte in Eng-
land groſses Miſsbehagen. Man konnte sich dort nicht zu dem
Gedanken aufschwingen, den amerikanischen Kolonieen eine wirt-
schaftliche Selbständigkeit zuzuerkennen. Eine selbständige Eisen-
industrie in Nordamerika hielt man für eine Anmaſsung und suchte
dieselbe mit Gewalt zu unterdrücken. Josua Gee erklärte 1750 in
England: man müsse ein allzeit waches Auge auf die Kolonieen haben,
um sie vor der Errichtung jeder Art von Fabriken, welche in Eng-
land beständen, abzuhalten, und jeder Versuch müſste in der Wurzel
vernichtet werden, denn wenn man sie erst heranwachsen lieſse,
würde es schwer fallen, sie zu unterdrücken. Dies war der Ausdruck
der öffentlichen Meinung, die selbst einen so aufgeklärten Minister,
wie Lord Chatham, zu dem denkwürdigen Ausspruch verleitete: er
würde nicht dulden, daſs die Kolonisten auch nur einen Hufnagel
für sich selbst machten! Obgleich England am gröſsten Holzmangel
litt, infolgedessen seine Eisenproduktion bis zur Mitte des Jahrhunderts
mehr und mehr zurückging und es gezwungen war, Eisen zu impor-
tieren, so hatte es doch auf das Roheisen der Kolonieen einen hohen
Eingangszoll gelegt. 1750 wurde die Angelegenheit vor das Parlament
gebracht. Dieses beschloſs, den Zoll auf Roheisen und Luppenstäbe
aufzuheben, dagegen wurde die Errichtung von Eisen-, Walz- und
Schneidwerken in den amerikanischen Kolonieen vom 24. Juni ab
verboten, ebenso von Blechhämmern und Stahlöfen bei Strafe von
200 £ und sofortiger Niederlegung des Werkes. Die amerikanischen
Kolonieen sollten also Roh- und Luppeneisen für die englischen Eisen-
gewerken liefern, dagegen war ihnen verboten, irgendwelche Eisen-
artikel fabrikmäſsig aus ihrem eigenen Eisen zu machen, sie sollten
vielmehr gezwungen sein, solche von den englischen Eisengewerken zu
hohen Preisen zu kaufen. Ähnliche tyrannische Bestimmungen wurden
für die Wollenmanufaktur erlassen. Daſs solche kurzsichtige und
boshafte Gesetzesbestimmungen den Zorn und den Widerstand der
Kolonisten hervorrufen muſsten, ist einleuchtend. Von da ab trieben
die Verhältnisse in den englischen Kolonieen der Revolution zu, deren
Ausbruch durch die Grenville-Akte 1764 und die Stempelakte 1765
[1165]Amerika.
noch beschleunigt wurde. Am 19. April 1775 kam es zum ersten
Kampfe bei Lexington.


Betrachten wir kurz die weiteren Fortschritte der Eisenindustrie
der übrigen nordamerikanischen Kolonieen bis zum Befreiungskriege.


Im östlichen Massachusetts wurde 1758 der Charlotte-Ofen bei
Middelborough für Eisenguſs erbaut. Er lieferte im Befreiungskriege
viel Munition.


In Massachusetts wurde 1765 ein 28 Fuſs hoher Hochofen für
Frischroheisen zu Lenox in Berkshire errichtet, der bis 1888 im
Betriebe gestanden hat. Vor 1773 wurde ein weiterer Hochofen bei
Furnace village in Worcester county erbaut.


In Connecticut wurde 1762 ein Hochofen bei Lakeville in der
Grafschaft Litchfield angeblasen, der 2½ Tonnen Eisen in 24 Stunden
machte, mit einem Holzkohlenaufwand von 250 Buschel auf die Tonne
Roheisen. Auch dieser Ofen lieferte im Befreiungskriege Geschütze
und Geschosse für das amerikanische Heer und goſs auch noch nach
dem Kriege Kanonen für die Flotte, daneben groſse Pottaschekessel
von ½ Tonne Gewicht, zugleich lieferte es Frischroheisen für die
Hammerwerke.


In Rhode-Island betrieb 1741 Jabez Green eine Frischhütte
und sein Enkel, General Green, ein Rennwerk bei Coventry. Seit
1755 hatte man begonnen, die Erze des Cumberländer Eisenberges zu
verschmelzen. In New-Hampshire wurden 1750 einige Luppenfeuer
am Lamper-Eelflusse betrieben, die aber wieder eingingen. Dagegen
wurden in New-Jersey von 1740 bis zur Revolution viele neue Eisen-
hütten errichtet. Mount Burlington fournace wurde bereits 1730
erbaut. 1742 errichtete Jonathan Robeson den Oxfordofen, der
anfänglich mit einem Wassertrommelgebläse betrieben wurde. Während
des Krieges lieferte er Munition. Er stand 1880 noch im Betriebe
und wurde erst 1882 kaltgelegt. Jakob Ford sen. erbaute 1750
zu Mount Pleasant, 3 Meilen von Rockaway, zwei Frischherde. In
Andover wurde um 1760 ein Hochofen und eine Frischhütte errichtet.
Da die Besitzer Royalisten waren, so gingen die Werke bei Ausbruch
des Krieges ein.


Die Ogden waren eine bedeutende Eisengewerkenfamilie in New-
Jersey. Sie erbauten zwischen 1750 und 1756 einen Hochofen bei
Ringwood. Um dieselbe Zeit entstanden die Union-Eisenwerke bei
Clinton in der Grafschaft Hunterton. Sie umfaſsten 2 Hochöfen
und 2 Hammerwerke, jedes mit 2 Herden, daneben noch Zain-
und Blechhämmer. Der Hauptbesitzer war W. Allen, Oberrichter
[1166]Amerika.
von Pennsylvanien. Da derselbe königstreu blieb, so wurden die
Werke 1778 aufgelassen. Hier wurden zuerst reiche Magneterze
geschmolzen. Nach Allens Angabe lieferte ein Hochofen 20 bis
25 Tonnen die Woche, und brauchte man zu 1 Tonne Roheisen nur
1½ Tonnen Erz. 1764 war Peter Hasenclever, in Amerika
gewöhnlich Baron Hasenclever genannt, der an der Spitze einer
Londoner Gesellschaft stand, nach New-Jersey gekommen und hatte
das Eigentum der Ringwood-Gesellschaft, die schon 1 Hochofen und
2 Luppenschmieden betrieb, gekauft. Er erwarb ferner ausgedehnten
Grundbesitz von Lord Stirling und erbaute 3 Hochöfen und 6 Frisch-
hütten zu Charlottenburg, Ringwood und Long Pond. Der Hochofen
zu Charlottenburg lieferte 20 bis 25 Tonnen Roheisen die Woche.
Auſserdem machte er gutes Eisen und Stahl direkt aus den Erzen.
Leider kam Hasenclever 1768 in finanzielle Schwierigkeiten und
seine Gesellschaft machte 1770 bankerott. Faesch, ein Schweizer
aus Basel, der mit Hasenclever gekommen war, aber mehr für
seinen als seines Herrn Vorteil gearbeitet hatte, übernahm die Leitung
der Eisenwerke, die aber meistens durch den Befreiungskrieg auſser
Betrieb kamen.


1765 wurde die Abenteuerhütte (Adventure fournace) bei Hiber-
nia von einer Gesellschaft erbaut, an der Lord Stirling, Benjamin
Cooper
und Samuel Ford beteiligt waren. 1771 wurde Lord Stir-
ling
alleiniger Eigentümer. 1772 wurde der Mount-Hope-Ofen,
4 engl. Meilen von Rockaway, von J. Jakob Faesch erbaut. Dieser
Hochofen, der bis 1825 betrieben wurde, goſs während des Krieges
viel Munition. Faesch war damals einer der angesehensten Eisen-
gewerke in Amerika. Washington stattete ihm mit seinem Stabe
auf Mount Hope seinen Besuch ab. Faesch starb 1799. Neben den
Hochöfen waren auch zahlreiche Rennwerke während dieser Zeit
errichtet worden. — Ein anderer sehr bedeutender Eisengewerke vor
der Revolution war Charles Read. Er erbaute 1766 den Batsto-
Hochofen in Bourlington county, dabei eine Frischhütte, welche bis
1846 betrieben wurde. Er errichtete ferner in derselben Grafschaft
den Atsion- und den Taunton-Hochofen. Diese, sowie der ältere
Mount Holly-Ofen, verhütteten Sumpferze. Letzterer goſs im Befreiungs-
kriege Munition, auch war 1775 daselbst ein Blechhammer erbaut
worden.


In dem Staate New-York entwickelte sich die Eisenindustrie erst
spät. Die ursprünglichen Ansiedler waren Holländer, die dafür kein
Interesse hatten. Die erste Eisenhütte war ein Luppenfeuer, welches
[1167]Amerika.
Ph. Livingstone im Jahre 1740 am Ancram Creek in der Graf-
schaft Columbia erbaute. Das Werk wurde vergröſsert und besaſs
1750 1 Hochofen und 1 Frischhütte. Die Erze kamen von Salisbury
in Connecticut. 1750 wird auch bereits ein Blechhammer erwähnt,
den ein Schmied, L. Scrawley, errichtet hatte. In diesem Jahre
wurden Magneteisenerzlager in Orange county entdeckt. 1751 erbauten
Ward und Colton einen Hochofen am Ausflusse des Sterling pond.
Die Holzkohlen wurden mehrere Meilen weit südwärts von Saum-
pferden herbeigeschleppt. Bei dieser Hütte errichtete Abel Nobel
1752 eine Ankerschmiede. Beide Werke kamen in die Hände des
thätigen Gewerken Peter Townsend, und sie erhielten den Namen
die Sterling-Eisenwerke, wahrscheinlich von dem Grundbesitzer Lord
Stirling, der selbst vor der Revolution Eisenhütten in New-Jersey
betrieb. Townsend machte 1773 auf der Sterlinghütte die Anker
für die ersten amerikanischen Kriegsschiffe und 1776 den ersten
Stahl im Staate New-Jersey, anfänglich „nach deutscher Art“, d. h.
im Frischherde, später Cementstahl im Brennofen. 1777 baute
Townsend seinen zweiten Hochofen, 6 Meilen von den Sterling-
gruben, der noch steht. Auſserdem hatte er damals 2 Hammerwerke
mit 8 Feuern im Betriebe. Auch der schon 1756 5 engl. Meilen
westlich vom Fort Montgomery erbaute Forest of Dean-Ofen kam
zugleich mit den Forest of Dean-Gruben an Townsend. 1778 machte
Peter Townsend auf dem Sterlingwerke auch die groſse eiserne
Kette, mit der damals der Hudson gesperrt wurde, um den Engländern
die Einfahrt in den Fluſs unmöglich zu machen. Sie wog 180 Tonnen,
war an beiden Ufern befestigt und wurde durch Bojen getragen, die
gut verankert waren. Die einzelnen Glieder waren 2 Fuſs lang
und 2½ Zoll breit. — 1765 waren Eisenhütten in Dutchess County
im Betriebe, die ihre Erze wenigstens teilweise von Salisbury in
Connecticut bezogen. Während des Befreiungskrieges wurde ein Hoch-
ofen und Gieſserei zu Amenia betrieben, und lieferte das Werk Guſs-
waren und Stahl für die Armee.


In Pennsylvanien wurden nach 1750 auſser dem von William
Branson
gegründeten Vincent-Stahlwerk am French creek, welches
1 Cementierofen, 4 Feuer und 2 Hämmer umfaſste, auch in Phila-
delphia 2 Stahlbrennöfen betrieben. William Bird war ebenfalls
ein unternehmender Engländer, der Eisenwerke gründete. 1740/41
erbaute er ein Hammerwerk nahe der Ausmündung des Hay creek
in den Schuylkill. Er soll ferner 1759 den Hopewell-Hochofen am
French creek, der bis 1883 betrieben wurde, erbaut haben. Sicher
[1168]Amerika.
ist, daſs er 1760 den Roxborough- (später Berkshire-)Ofen bei Heidel-
berg errichtete. 1762 starb er. Der Berkshire-Ofen goſs während
der Revolution Munition für die Armee, und um diese Zeit baute
Mark Bird, des oben Genannten Sohn, ein Walz- und Schneidwerk
und eine Nagelfabrik bei Birdsboro. Mark Birk machte auch Draht
in New-Jersey; 1788 aber wurde er insolvent. — Ein Deutscher,
Michel Miller, und der Schmied J. G. Nickoll erbauten 1749 den
„Tulpehoken Eisenhammer“, der später Charming forge genannt
wurde und 1763 H. W. Stiegel gehörte. Von diesem kaufte ihn
George Ege, ein Holländer, im Jahre 1774. Dieser Ege, der nahezu
50 Jahre lang einer der bedeutendsten amerikanischen Eisengewerke
war, kaufte 1777 vom Kongreſs 34 gefangene Hessen als Arbeiter,
um einen Kanal für sein Eisenschneidwerk zu sprengen. 1765 erbaute
Dietrich Welker, dem Namen nach ein Deutscher, den Oley-Hoch-
ofen bei Reading. Bereits 1750 hatte John Huber, ebenfalls ein
Deutscher, den Elisabeth-Ofen bei Bickersville (Lancaster County)
erbaut und damit die Eisenindustrie am Susquehanna eröffnet. An
diesem Hochofen war die Inschrift angebracht: „Johann Huber, der
erste deutsche Mann, der das Eisenwerk vollführen kann.“ Der Ofen
war aber zu klein und ging nicht gut. Huber verkaufte ihn des-
halb an seinen Landsmann Heinrich Wilhelm von Stiegel, der
einen gröſseren Hochofen an seiner Stelle errichtete und Öfen goſs,
die die Inschrift trugen: „Baron Stiegel ist der Mann, der die
Öfen machen kann.“ Dieser war 1750 von Deutschland eingewandert.
Der Elisabeth-Ofen kam später in den Besitz von R. Coleman, der
im Befreiungskriege Munition damit goſs. Auch er kaufte sich von
der Regierung erst 42, dann weitere 28 deutsche Gefangene (Hessen), die
für ihn einen Kanal bauen muſsten. Er bezahlte 30 £ für den Mann,
was dem damaligen Preise eines Negersklaven entsprach. Der Elisa-
beth-Ofen wurde bis zum Jahre 1856 betrieben. Robert Coleman
machte ferner auf dem Salfordhammer die Kettenstäbe für die Kette,
mit der im Kriege der Delaware abgesperrt wurde, um Philadelphia
vor der Annäherung der britischen Flotte zu schützen. — Ein sehr
unternehmender Eisengewerke in Pennsylvanien war auch James
Old
, aus Wales gebürtig, der verschiedene Eisenhämmer errichtete. —
1755 wurde Martic forge bei Colemanville in Lancaster county erbaut.
Dieses Eisenwerk wurde von Anfang an mit schwarzen Sklaven be-
trieben, und es ist bemerkenswert, daſs noch im Jahre 1883 die
gröſste Zahl der Arbeiter Neger war. Peter Grubb, der Erbauer
des Cornwall-Ofens, errichtete ebenfalls Hammerwerke, Hopewell forge,
[1169]Amerika.
um 1743, Speedwell forge 1750. Der erste Hochofen, jenseits des
Susquehanna, war der Mary-Ann-Hochofen, der 1763 von Georg Roſs
bei West-Mannheim erbaut wurde.


In Delaware erbaute Colonel J. Vaughan 1763 den Hochofen
Deep creek und die Frischhütte Nanticoke forge. In Maryland ent-
standen um 1760 der Bush-Hochofen in Hartford county und der
Northampton-Ofen in Baltimore county, 1762 Unicorn-furnace bei
Narby in Queen-Ann-county, Etna furnace am Antietam creek um
1770, wo in der Revolution die erste Kanone von Maryland gegossen
wurde; auſserdem noch eine Anzahl Hochöfen und Hammerwerke.
Während des Befreiungskrieges waren 17 oder 18 Eisenhämmer im
Betriebe.


In Virginien legte Oberst Alex. Spottswood, der von 1710
bis 1713 Gouverneur war, eine feste Grundlage der Eisenindustrie,
indem er deutsche Arbeiter ansiedelte. Es waren meist ausgewanderte
Protestanten aus der Pfalz unter Führung eines Barons von Grafen-
reuth
. Sie waren von der Königin Anna nach Amerika geschickt
worden, um Weinberge anzulegen und die Eisenindustrie zu unter-
stützen. 1716 kam der erste Hochofen in Gang; ein zweiter Ofen
war 1732 bei Frederiksburg in Betrieb. Die Eisenerze wurden in
der Nähe durch Bergbau gewonnen, der Zuschlagskalk kam von
Bristol in England als Ballast. Der erste Hochofen lag bei der von
den deutschen Einwanderern gegründeten Stadt Germanna und ge-
hörte dem Oberst Spottswood. Er war von Bruchsteinen erbaut
und soll „der erste Ofen dieser Art im Lande“ gewesen sein. Das
Roheisen wurde mit Saumpferden nach Massaponex am Rappahannock
gebracht, wo Spottswood eine Eisengieſserei mit zwei Flammöfen (air
furnaces) errichtet hatte, um alle Arten von Guſswaren zu machen.
Diese waren sehr geschätzt und galten für besser als die englischen,
die direkt aus dem Hochofen gegossen waren.


Ein anderer Hochofen „Englands furnace“ war von England
und Washington, dem Vater des berühmten George Washington,
der Eisengruben am Nordufer des Rappahannockflusses betrieb, an
einem Nebenflusse des Potomac erbaut worden. Aus Nord-Carolina
war bereits, wie Swedenborg mitteilt, im Jahre 1728/29 Roheisen
nach England eingeführt worden. Wo dies geschmolzen worden war,
ist unbekannt. Dagegen wurden bei Ausbruch der Revolution mehrere
Eisenhütten genannt, so am Deep run, John Wilcox gehörig, in
Guilford county, wo Geschütze und Munition gegossen wurden, und am
Buffalo creek.


Beck, Geschichte des Eisens. 74
[1170]Amerika.

In Süd-Carolina wurde das erste Eisenwerk 1773 zu Buffington
errichtet, aber in der Revolution von den Tories wieder zerstört.


In den übrigen Gebieten der jetzigen Vereinigten Staaten von
Nordamerika gab es damals noch keine Eisenhütten. Über die Aus-
fuhr von Roh- und Schmiedeeisen von den amerikanischen Kolonieen
von 1728 bis 1775 hat Scrivenor eine statistische Zusammenstellung
mitgeteilt. Danach schwankte die Ausfuhr des Roheisens von 1132
bis 5303 Tonnen und betrug im Mittel etwa 2750 Tonnen. Die
Ausfuhr des Stabeisens war bis 1752 nur unbedeutend, von da
nahm sie zu, so daſs sie in den Jahren 1764 bis 1771 am stärksten
war und von 1060 auf 2222 Tonnen stieg. Von da nahm sie wieder
ab und sank 1775 von 916 auf 28 Tonnen im Jahre 1776.


Die Revolution und der Befreiungskrieg hatten groſsen Einfluſs
auf die Entwickelung der Eisenindustrie in Nordamerika. Manche
Werke gingen zu Grunde, andere wurden erweitert und mit doppelter
Energie betrieben, um Kriegsmaterial zu beschaffen, andere wurden
neu gegründet. Als nach dem Befreiungskriege die Amerikaner freie
Herren in ihrem eigenen Hause wurden, übte dies seine Wirkung auf
die Eisenindustrie aus, indem sich jetzt erst die Verarbeitung von
Eisen und Stahl, die bisher gewaltsam unterdrückt war, frei entfalten
konnte. Das Eisengewerbe entwickelte sich in günstiger Weise und
diese Entwickelung würde nach der Ansicht von James M. Swank1),
dem vorzüglichen Geschichtsschreiber der amerikanischen Eisen-
industrie, noch weit günstiger gewesen sein, wenn die Vereinigten
Staaten sofort einen ausreichenden Schutzzoll eingeführt hätten. Die
von Roh- und Stabeisen erhobene Abgabe von 5 bis 19½ Proz. des
Wertes kann nur als ein fiskalischer Zoll angesehen werden, der die
englische Einfuhr um so weniger abhielt, als durch die Erfindung
des Puddelprozesses und die Verwendung mineralischen Brennstoffes
in den Hochöfen das englische Eisen sehr im Preise sank und viel
billiger angeliefert wurde. England suchte auch nach dem Befreiungs-
kriege die amerikanische Eisenindustrie nicht nur durch die Kon-
kurrenz, sondern auch durch die Gesetzgebung zu schädigen. Die
Regierung unter Georg III. erlieſs eine Reihe von Verordnungen
gegen die Auswanderung gewerblicher Arbeiter, gegen die Ausfuhr
von Maschinen und Werkzeugen aller Art. Ein besonderes Verbot
für die Auswanderung von Eisen- und Stahlarbeitern und die Aus-
fuhr von Werkzeugen jeder Art für die Eisen- und Stahlindustrie
[1171]Amerika.
wurde im Jahre 1785 (25. Georg III. e. 67) erlassen und 1795 er-
neuert und für ewige Zeit gültig erklärt 1). Es waren darin besonders
hervorgehoben Pressen, Stanzen, Walzen von Guſseisen, Schmiede-
eisen oder Stahl, Walzenständer, Formkasten, Drehbänke, Ambosse
und Hammerköpfe für Eisenhämmer, Walzen, Messer, Gestelle für
Eisenschneidwerke u. s. w. So drückend diese Bestimmungen für die
Eisenindustrie damals waren, so hatten sie doch das Gute, daſs sie
die Amerikaner zwangen, sich selbständig ihre Maschinen zu bauen,
selbst zu erfinden. Auf die Verwendung von Maschinenkräften waren
aber die Amerikaner schon damals durch die hohen Löhne und durch
den Mangel an geschulten und erfahrenen gewerblichen Arbeitern an-
gewiesen. Hierdurch entwickelte sich in Nordamerika eine selbständige
Maschinenindustrie, die schon früh auſserordentliches leistete und die
nach und nach in mancher Beziehung die Maschinenfabrikation der
europäischen Staaten überflügelte und deren Lehrmeisterin wurde.


Ein kurzer Überblick der Entwickelung der nordamerikanischen
Eisenindustrie nach dem Befreiungskriege wird manche Illustration
hierzu geben. Holzkohlen waren damals noch das einzige Brenn-
material. Luppen- oder Rennfeuer, in denen mit Vorliebe Rasen- und
Sumpferze zu Schmiedeeisen verschmolzen wurden, waren sehr ver-
breitet, und zwar war das einfache deutsche Luppenfeuer (bloomery)
im allgemeinen Gebrauch. Die Hochöfen waren meist nach englischer
Art zugestellt und aus Backsteinen (bricks) gebaut. Ihre gröſste Höhe
betrug 28 bis 32 Fuſs, die gröſste Weite im Kohlensack 12 Fuſs, doch
wurde 9 Fuſs Weite auch bei den groſsen Öfen vorgezogen.


Rappahannock furnace, dessen Trümmer noch stehen, war aus
sorgfältig behauenen Bruchsteinen aufgeführt. Als Erze dienten meist
Sumpf- und Raseneisensteine. Seit 1750 wendete man in Massa-
chusetts die reichen Brauneisensteine in gröſserem Umfange an. Auch
reiche Magneteisensteine wurden schon im Hochofen verschmolzen.
Als Gebläse dienten Wassertrommelgebläse, Leder- oder Holzblase-
bälge; erstere bei den kleineren Gieſsereihochöfen. Das Frischen
geschah, wie in England, nach Art der Wallonschmiede in zwei Her-
den, einem Frisch- und einem Ausheizfeuer (chafery). In Pennsyl-
vanien hatte man häufig drei Herde zu einem Hammer. Auch hierbei
wurden die einfachen Wassertrommelgebläse, die bei vorhandenem
Gefälle am leichtesten herzustellen waren, vielfach angewendet.


Die Stahlbereitung geschah nur selten in Frischherden „nach
74*
[1172]Amerika.
deutscher Manier“, sondern meist in Brenn- oder Cementieröfen. Da
der Bedarf an Nägeln in den Kolonieen sehr groſs war, so spielte die
Nagelfabrikation eine hervorragende Rolle, und dies war die Veran-
lassung der Errichtung vieler Eisenwalz- und Schneidwerke. Die
Nagelfabrikation selbst bildete in vielen Gegenden eine Hausindustrie,
ebenso die Fabrikation der Drahtstifte. Auf einem kleinen Amboſs
wurde der Draht oder die Rute in die gewünschte Form geschmiedet
und zugespitzt; ein mit dem Fuſse getriebener Amboſs (die Wippe) faſste
das Eisen auf gewisse, durch ein Maſs bestimmte Länge, so daſs ein
kleines Endchen überstand, das dann plattgeschlagen den Kopf bildete.
Ein fleiſsiger Arbeiter konnte 2000 Stifte den Tag machen. Der Ersatz
der mühsamen Handarbeit durch Maschinenkraft bei der Nagelfabri-
kation geschah zuerst in Nordamerika.


Jeremias Wilkinson zu Cumberland in Rhode-Island erfand
1777 die Fabrikation der geschnittenen Nägel. Er schnitt die
Nägel anfänglich mit einer Schere, die er sich aus einem alten
Kistenschlosse gemacht hatte, und spitzte sie dann in einem Schmiede-
schraubstock. Als Material dienten alte spanische Reifen. Die kalt-
geschnittenen Nägel köpfte er in einer Kluppe an. In ganz ähnlicher
Weise machte er während des Befreiungskrieges Steck- und Näh-
nadeln aus Draht, den er sich selbst gezogen hatte. Im Jahre 1786
erfand Hesekiel Read von Bridgewater in Massachusetts eine
Maschine, um Nägel aus Blech zu schneiden, und 1798 erhielt er
ein Patent für ein Verfahren, das Schneiden und Anköpfen in einer
Operation auszuführen. Ähnliche Maschinen konstruierten um die-
selbe Zeit Benjamin Cochran und Josias Pierson. Die beste
Nagelschneidemaschine erfand aber Jakob Perkins in Massachu-
setts 1790. Sie wurde 1795 patentiert und konnte bis 200000 Nägel
im Tage schneiden. Allerdings war sie auch kostspielig und er-
forderte häufige Reparaturen.


Überblicken wir die Fortschritte der Eisenindustrie in den ein-
zelnen Staaten. 1784 zählte man in Massachusetts 76 Eisenwerke,
darunter waren allerdings viele kleine. Im östlichen Teile des
Staates nahm die Eisenindustrie damals einen bedeutenden Auf-
schwung. Um 1790 wurde zu Amesbury in der Grafschaft Essex ein
Hochofen und zu Boxborough in Middelsex ein Rennwerk erbaut.
Der Federal-Hochofen, der 1794 in der Grafschaft Bristol errichtet
wurde, war aus Steinen erbaut, wie auch die übrigen Öfen der
Grafschaft. Er war 20 Fuſs hoch, 24 Fuſs im Quadrat an der Basis
und 10 Fuſs weit im Kohlensack. Das Innere war ausgekleidet mit
[1173]Amerika.
einem feuerbeständigen weichen Schiefer. Über der Gicht war eine
aus Backstein gemauerte Esse angebracht. „An dem Boden des vor-
deren Gewölbes ist eine Öffnung zum Ablassen der Schlacken und
zum Schöpfen des Eisens. In einem anderen Gewölbe an der einen
Seite ist ein kleines Loch zum Einlegen der Düsen der 22 Fuſs lan-
gen und 4 Fuſs breiten Bälge, die durch ein Wasserrad von 25 Fuſs
Durchmesser in fortwährender Bewegung erhalten werden und dadurch
einen starken Windstrom erzeugen.“ Als Fluſsmittel dienten die
Schalen von Seemuscheln. Die wichtigsten Guſsartikel waren, auſser
Potterie, Seymours Patentwalzen für Eisenschneidmühlen von be-
sonderer Güte, die in eisernen Cylindern gegossen wurden (Hartguſs),
Pottaschekessel, Öfen, Kaminplatten und -stützen, sonstige Platten,
Rollen, Ambosse, groſse Hämmer, Kanonenkugeln jeder Art und die
verschiedensten Teile für Mühlwerke u. s. w. Die Erze, die im öst-
lichen Massachusetts verschmolzen wurden, waren meist Sumpf- und
Raseneisensteine.


In den Grafschaften Plymouth, Norfolk und Bristol gab es 1795
11 Eisenschneidmühlen, die in diesem Jahre 1732 Tonnen Reif- und
Nageleisen schnitten. Im Jahre 1798 waren (nach Bishop) in den
beiden Grafschaften Plymouth und Bristol allein 14 Hochöfen, 6 Flamm-
öfen (ais furnaces), 20 Hammerwerke und 7 Eisenschneidmühlen.
Dazu kamen eine groſse Zahl Zainhämmer (trip-hammers), Nagel-
und andere Schmieden. Es wurden groſse Mengen von geschnittenen
und geschmiedeten Nägeln, Schippen und Spaten, Kratzen, Sägen,
Sensen, Metallknöpfe, Kanonenkugeln, Glocken, Feuerwaffen, Fein-
bleche für verzinnte Waren, Draht u. s. w. gemacht.


Die Stahlfabrikation hatte ebenfalls eine wachsende Bedeutung
erlangt. Das erste Stahlwerk in Massachusetts, über das bestimmte
Nachrichten vorliegen, war das von Eliphalet Leonard bei Easton
in Bristol county 1775 oder 1776 errichtete. Damals war Stahl sehr
rar geworden und sehr gesucht, besonders für Feuerwaffen. Jona-
than Leonard
, der Sohn des oben Genannten, vergröſserte 1787 das
Stahlwerk, indem er einen Brennofen baute, in den Chargen von
3 Tonnen eingesetzt wurden. Der erzeugte Stahl war billiger als der
eingeführte englische, aber auch weniger gut, namentlich für Messer
und Schneidwaren. 1794 wurde die staatliche Waffenfabrik zu
Springfield in Hampdon county gegründet.


In Rhode-Island entwickelte sich die Eisenindustrie sehr günstig,
so daſs sie gegen Ende des Jahrhunderts die erste Industrie des
Landes war. In Litchfield county waren zahlreiche Luppenfeuer und
[1174]Amerika.
drei Eisenspaltereien, die das Eisen für die schwunghaft betriebene
Nagelfabrikation lieferten, deren Produktion nur von der der Graf-
schaften Plymouth und Bristol in Massachusetts übertroffen wurde.
Der Lakeville-Hochofen, der die vortrefflichen Hämatiterze der Graf-
schaft verschmolz, machte hauptsächlich Schiffskanonen, Pottaschekessel
und Roheisen für die Frischhütten. Geschirrguſs lieferten zwei neu-
errichtete Hochöfen bei Stafford. Während der Revolution wurde zu
Cumberland von einem Deutschen Frischstahl gemacht.


In New-Hampshire wurden zuerst 1795 die Magneteisenerze von
Winchester bei Furnace-village verschmolzen.


In Vermont begann man 1775 Eisen zu machen, nachdem man
im Südwesten groſse Erzlager entdeckt hatte. 1794 zählte man in
Rutland county 14, in den übrigen Grafschaften 7 Rennwerke. Im
Jahre 1800 wurde das erste Eisenschneidwerk errichtet.


Im Staate New-York standen die Sterling-Eisenwerke unter Peter
Townsend
1) in besonderer Blüte. Dieser hatte auch im Jahre 1776
den ersten Stahl, und zwar anfangs nach deutscher Art gemacht. Der
Hochofen, der mit zwei groſsen Holzblasebälgen betrieben wurde,
erzeugte gegen Ende des Jahrhunderts 2000 bis 2400 Tonnen im
Jahre, wovon ¾ verfrischt, das Übrige hauptsächlich zu Geschützen
und Geschossen vergossen wurde. Beim Frischen war das Ausbringen
60 auf 100. Das Werk besaſs eine groſse Schmiede mit 6 Wasser-
hämmern, in der Anker und sonstige Schiffsgeräte geschmiedet wurden.
Das Stahlwerk enthielt mehrere Cementieröfen, die einen Stahl lie-
ferten, der dem schwedischen nahekam. Die Nagelfabrikation hatte
in Albany ihren Hauptsitz. Geschnittene Nägel hatte Josiah G.
Pierson
schon 1787 oder 1788 mit einer unvollkommenen Maschine
in Whitehall-street in der Stadt New-York gemacht. Er erfand eine
verbesserte Nagelschneidmaschine, für die er am 23. März 1795 ein
Patent erhielt, worauf er eine groſse Nagelfabrik unter der Firma
J. G. Pierson \& Brothers zu Ramapo in Rockland county
errichtete 2).


New-Jersey zählte im Jahre 1784 8 Hochöfen und 79 Hammer-
werke, wovon allerdings die Mehrzahl Luppenschmieden waren. 1795
schätzte man die Produktion auf 1200 Tonnen Schmiedeeisen, 1200
Tonnen Roh- und Guſseisen (ausschlieſslich der Guſswaren), 80 Tonnen
Nägel. 1797 war zu Burlington eine bedeutende Nagelfabrik im Betriebe.


[1175]Amerika.

In Pennsylvanien nahm die Eisenindustrie einen immer gröſseren
Umfang an. Auch in technischer Beziehung zeigte sie die gröſsten
Fortschritte. Hier traten die Rennwerke gegen die Frischhütten sehr
zurück. Die Hochöfen waren höher und besser gebaut. Die Corn-
wall- und Warwicköfen waren 32 Fuſs hoch und lieferten, wie auch
der Ofen zu Reading, 25 bis 30 Tonnen die Woche, der Warwickofen
1783 sogar 40 Tonnen die Woche. Dagegen behielten diese Hoch-
öfen die ledernen Blasebälge bei, die zu Cornwall waren 20 Fuſs
7 Zoll lang. Eine Frischhütte mit drei Herden und einem Hammer
gab 2 Tonnen Schmiedeeisen die Woche. Der Betrieb ruhte in der
heiſsen Zeit oft 4 Monate lang. In Berks county waren 1789 6 Hoch-
öfen und 6 Frischhütten im Betrieb. Berkshire furnace, der im Be-
freiungskriege viel Munition für die Armee geliefert hatte, kam 1789
an George Ege, der ihn 1792 kaltlegte und dafür den Reading-Ofen
am Spring creek bei Heidelberg erbaute. Das gleiche Schicksal wie
der Berkshire-Hochofen hatte der Durham-Ofen, der 1791 kaltgestellt
wurde.


Neue Hochöfen wurden gebaut 1782 zu Mount Pleasant in Frank-
lin county von den Brüdern Chambers, zu Mount Hope, 10 Meilen
von Lebanon in Lancaster county von Peter Grubb.


1786 waren in einem Umkreise von 39 engl. Meilen von Lan-
caster 17 Hochofen-, Hammer- und Schneidwerke. 1790 wurde die
London-Hütte mit Hochofen und Hammerwerk von J. Chambers
erbaut. Der Colebrook-Ofen in Lebanon county, der bis 1860
im Betriebe stand, wurde 1791 von R. Coleman erbaut. Neben
zahlreichen Walz- und Schneidwerken entstanden in dieser Zeit auch
die ersten Walzwerke. 1790 wurde am Takony creek in der Graf-
schaft Montgomery das Cheltenham-Walzwerk erbaut. Die in dem-
selben Jahre erbaute Eisenschneidmühle bei Phönixville in Chester
county wurde der Anfang der berühmten Phönix-Eisenwerke. Clemens
Rentgen
wanderte 1781 aus Zweibrücken in der Pfalz nach Kimber-
ton am French creek in der Grafschaft Chester ein, kaufte daselbst
zwei Eisenhämmer und versuchte Stahl zu machen. Er baute dann
ein kleines Walzwerk. Die ganze Anlage wurde Pikeland-works
genannt. Am 17. November 1796 erhielt Rentgen ein Patent für
ein von ihm erfundenes verbessertes Verfahren, Achsen, Bolzen und
Rundstäbe zu schmieden 1).


1795 wurde eine Eisenschneidmühle, die Federal-Slitting mill, zu
[1176]Amerika.
East Fallowfield am Buck run in Chester county erbaut, aus der
später das Blechwalzwerk Rokeby rolling mill hervorging.


In dieser Periode entstand auch die wichtige Eisenindustrie im
Juniatathal. Der erste Hochofen war Bedford furnace bei Orbisonia
in Huntingdon county, der 1788 von einer Gesellschaft erbaut worden
war. Er machte anfangs nur Eisenguſs, 1791 wurde aber die Bedford-
Frischhütte dazugebaut. Der Hochofen war klein und teilweise aus
Holz gebaut. Er lieferte nur 8 bis 10 Tonnen Frischroheisen die
Woche, Guſswaren natürlich noch viel weniger. Die Guſswaren wie
das Schmiedeeisen wurden von Pferden auf Saumpfaden nach Pitts-
burg geschleppt. Um das Schmiedeeisen besser transportieren zu
können, wurden die Stangen in Form eines U gebogen und so über
den Rücken der Pferde gehängt. Der zweite Hochofen im Juniata-
thale war der 1791 erbaute Centre furnace am Spring creek in
Centre county. Rock forge, der erste Eisenhammer, wurde 1793
erbaut und bald darauf ein Eisenschneidwerk damit verbunden.
Barree forge am Juniata, eine Frischhütte, welche Roheisen vom
Centre-Ofen verarbeitete, entstand 1794, und 1796 erbaute Georg
Anschütz
den Huntingdon-Hochofen bei der Stadt Franklin. In
Mifflin county wurde der erste Eisenhammer 1795 bei Logan, der
erste Hochofen 1798 am Brightfields run errichtet. Westlich des
Alleghany-Gebirges wurde der erste Hochofen 1789 bei Jacobs creek
erbaut und 1790 angeblasen. Der Union-Ofen bei Connelsville kam
1791 in Betrieb. Springhill furnace in Fayette county wurde 1794
und Fairfield furnace am Georgs creek 1797 von J. Hayden gegrün-
det. Die erste Nagelfabrik westlich der Alleghanys wurde 1795 zu
Brownsville von Jac. Bowman erbaut.


In Westmoreland county erbaute J. Probst 1792 den West-
moreland-Hochofen im Ligonierthale, dessen erster Betriebsleiter
Georg Anschütz wurde. Dieser, ein Elsässer, war am 28. November
1753 bei Straſsburg geboren und 1789 nach Shady Side, einer Vor-
stadt von Pittsburgh, ausgewandert. Hier hatte er einen kleinen
Hochofen am Two-mile run erbaut, der 1792 in Betrieb kam, den
er aber 1794 wegen Mangel an Erzen eingehen lieſs. Er übernahm
dann die Leitung von Probsts Westmoreland-Ofen. Nach einem Jahre
verband er sich mit zwei Amerikanern und baute den Huntingdon-
Hochofen in Huntingdon county. Anschütz, der die gröſsten Ver-
dienste um die Gründung der Eisenindustrie in Pittsburg hatte, starb
daselbst am 28. Februar 1837.


Im Staate Maryland entstanden 1778 bei Baltimore ein Eisen-
[1177]Amerika.
schneidwerk, Zainhämmer und Nagelfabriken. Eins der bedeutendsten
älteren Walzwerke war auf der Avalonhütte 1795 von den Dorseys
erbaut worden.


In Virginia suchte die Regierung die Eisenindustrie möglichst
zu befördern. 1777 schenkte sie dem Eisengewerken John Hunter,
der Eisenschneidwerke, Blechhämmer und Drahtmühlen besaſs, die
eingegangene Hochofenhütte Accokeek furnace mit 200 Acker Land,
damit er den Ofen wieder in Betrieb nähme, doch scheint dies nicht
geschehen zu sein. Dagegen war 1775 ein Hochofen bei Mossy creek
erbaut worden. Zu Ende des Jahrhunderts entstanden eine ganze
Anzahl Hochöfen und Frischhütten in Virginia. Zu Westham, 6 Meilen
oberhalb Richmond, wurde im Befreiungskriege eine Eisengieſserei mit
einem Flammofen, der mit Steinkohlen von den Gruben in Chesterfield
county betrieben worden sein soll, erbaut. Er goſs Munition, wurde aber
1781 zerstört. Um 1790 nahm die Eisenindustrie Virginias einen gröſseren
Aufschwung, wozu die Unterstützung der Regierung viel beitrug. 1798
wurde die staatliche Waffenfabrik zu Harpers Ferry gegründet.


Auch in Süd-Carolina suchte die Regierung nach dem Kriege die
Eisenindustrie durch Prämien zu fördern, und wurden auch mehrere
Hochöfen und Hammerwerke errichtet.


Ebenso entwickelte sich in Kentucky und Tennessee die Eisen-
industrie. In Kentucky wurde 1791 der erste Hochofen, Bourbon
furnace, am Slate creek 1) erbaut. Es war dies der erste Hochofen
auſserhalb der alten 13 Staaten. 1792 machte er seine erste Kam-
pagne. Jakob Meier (Myers), der eigentliche Gründer von Bour-
bon furnace, war ein Deutscher. 1798 erbauten die Besitzer auch
die Frischhütte Slate forge am Slate creek.


Im östlichen Tennessee entstand 1790 ein Rennwerk bei Embre-
ville in Washington county; diesem folgten in den 90er Jahren noch
mehrere. 1795 wurde ein groſser Hochofen von David Roſs am
Holstonflusse, Sullivan county, erbaut, dessen Guſswaren bis nach
New-Orleans gingen. In West-Tennessee wurde 1792 der erste Hoch-
ofen, Cumberland furnace, in Dickson county von James Robinson
gegründet. Er wurde mit einem Wassertrommelgebläse betrieben.


Ganz auſserordentlich waren die Transportschwierigkeiten für
jene in halbwilden Ländern, fern vom Meer und schiffbaren Strömen
gelegenen Eisenhütten, und der Mut und die Ausdauer jener Pioniere
der amerikanischen Eisenindustrie verdienen unsere Bewunderung.
[1178]Amerika.
Schotten, Nordirländer und Deutsche waren hauptsächlich daran be-
teiligt. Die Gesamtzahl der in den Vereinigten Staaten im Jahre
1794 im Betriebe befindlichen Hochöfen wird auf 80 geschätzt.


Die Fabrikation von Roh-, Cement- und Gärbstahl hatte ebenfalls
Fortschritte gemacht, Guſsstahl kam ausschlieſslich aus England. Die
meisten Kolonieen hatten die Stahlfabrikation beim Ausbruch der
Revolution durch Prämien zu unterstützen gesucht. In Philadelphia
machte Whitehead Humphreys, der Besitzer von Stahlöfen in
Seventh-Street, Stahl aus Andovereisen für das Heer. Aus einem
offiziellen Berichte von 1791 geht hervor, daſs damals etwa die Hälfte
des Bedarfes durch die einheimische Fabrikation gedeckt wurde.


Durch den Ausbruch der Revolution hatte der Eisenhandel schwer
zu leiden gehabt, indem den nordamerikanischen Staaten ihr wich-
tigstes Absatzgebiet England dadurch verschlossen wurde. Die Aus-
fuhr nach England hatte 1771 ihren Höhepunkt erreicht, indem
5303 Tonnen Roheisen und 2222 Tonnen Stabeisen dorthin exportiert
worden waren. Dieser Ausfall an ausgeführtem Eisen wurde aber
reichlich ausgeglichen durch den inländischen Bedarf, der jetzt auf
das heimische Eisen angewiesen war. Nach Wiederherstellung des
Friedens nahm auch die Ausfuhr, die jetzt nicht mehr auf England
beschränkt war, wieder zu, so daſs im Jahre 1791 bereits 4179 Ton-
nen Roheisen, 350 Tonnen Stabeisen, für 1598 Dollar Nägel und
für 3500 Dollar Eisenwaren ausgeführt wurden. Preise und Selbst-
kosten wurden auſserordentlich durch die politischen Verhältnisse
beeinfluſst. 1731 kostete die Tonne Roheisen zu Colebrook in Penn-
sylvanien 5 £ 10 s. Landesgeld oder 15 Dollar, während der Preis in
England 30 Dollar betrug. Da die Fracht nach London 10 bis
12½ Dollar kostete, so konnte amerikanisches Eisen mit Vorteil nach
England ausgeführt werden. Ganz anders gestalteten sich die Ver-
hältnisse durch die Revolution. 1778 und 1779 stiegen die Selbst-
kosten auf 200 £ entwertetes Landesgeld. 1781 trat der Staatsbankerott
ein und damit eine noch gröſsere Geldentwertung.


Als am 3. September 1783 durch den Frieden von Versailles die
Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten endgültig anerkannt und
der Staatenbund siegreich aus dem Kampfe hervorgegangen war,
befanden sich Handel und Industrie nach dem vorausgegangenen
siebenjährigen Kampfe in sehr schwieriger Lage. Die Staaten, die
vordem in gröſster Abhängigkeit von England gestanden hatten,
waren plötzlich ganz auf sich selbst und ihre eigene Kraft angewiesen.
Um die Kräfte des Landes entwickeln zu können, fehlte es aber an
[1179]Amerika.
der richtigen Organisation und Leitung. Die alte Bundesverfassung
hatte hierüber keine Bestimmungen getroffen und der Kongreſs war
den Einzelstaaten gegenüber rechtlos. Dies führte zu Unordnung
und Rechtsunsicherheit. Die Staaten sahen ein, daſs dieser Zustand
unhaltbar und verderblich sei und beschlossen deshalb am 17. Sep-
tember 1787 eine neue Verfassung, in welcher dem Generalgouver-
nement die Macht eingeräumt wurde, den Handel zu regeln und
Steuern und Zölle zu erheben. Am 4. März 1789 trat der erste auf
Grund dieser neuen Konstitution gewählte Kongreſs unter der Präsident-
schaft von George Washington zusammen. Von diesem Augen-
blicke an begannen Handel und Industrie in Nordamerika aufzuleben.
Die Schulden konnten reduziert werden. Eine Nationalbank mit einem
Grundkapital von 10 Millionen Dollar wurde gegründet. Der Reich-
tum der Vereinigten Staaten wuchs in erstaunlicher Weise.


1789 traten wieder normale Handelszustände ein. Roheisen
kostete jetzt 30 Dollar und Schmiedeeisen 70 bis 80 Dollar die
Tonne.


Neben der Nagelfabrikation war es besonders der Maschinenbau,
der sich in Nordamerika in selbständiger und groſsartiger Weise ent-
wickelte. Schon im 17. Jahrhundert besaſs Nordamerika zahlreiche
Sägemühlen, die 1633 von den Holländern eingeführt worden waren
und hier bei dem groſsen Holzreichtum rasch zu viel gröſserer Be-
deutung gelangten als in Europa. Ebenso fand die Dampfmaschine
früh Anwendung in Amerika. 1756 wurden zuerst zwei englische
Feuermaschinen am Passaic aufgestellt. 1772 hielt Christoph
Colles
bereits Vorträge über die Dampfmaschine und 1775 lieſs
Colles den ersten Dampfcylinder in Amerika in der Gieſserei von
Sharp \& Curtenius in New-York für das New-Yorker Wasserwerk
gieſsen. Oliver Evans, der als der eigentliche Begründer des ame-
rikanischen Maschinenbaues angesehen werden muſs und der 1786
das amerikanische Mühlenwesen so erfolgreich reformierte, hatte sich
schon 1785 mit der Konstruktion einer Hochdruckdampfmaschine be-
schäftigt. 1786 bewarb er sich bei der Legislatur Pennsylvaniens
um ein Patent auf einen Dampfwagen, dessen Maschine er mit Dampf
von 10 Atmosphären Überdruck treiben wollte. Sein Projekt wurde
damals für eine Chimäre gehalten und das Patent nicht erteilt 1).
Er verfolgte aber seine Hochdruckmaschine und baute 1800 die erste
brauchbare Maschine dieser Art. Sie diente zum Betriebe einer
[1180]Amerika.
Getreidemühle 1). John Fitch und Henry Voight hatten 1786
die erste wirklich gangbare Dampfmaschine zu Philadelphia gemacht.
An diese Maschine und verschiedene andere, welche diese beiden
später bauten, knüpft die Geschichte der Dampfmaschine in Amerika
an. Fitch benutzte 1791 Dampfmotoren zum Bewegen von Booten,
und Starr erhielt 1797 ein Patent auf ein Dampfboot. 1791 erhielt
Macomb von Princetown (New-Jersey) ein Patent auf ein horizon-
tales Wasserrad, welches schnelleren Eingang in Amerika fand, als
die Turbinen in Europa. Zachariah Cox erhielt 1794 ein Patent
auf eine Kreissäge und David Wilkinson lieſs sich 1798 eine
Schraubenschneidmaschine patentieren. Mulliken erhielt 1791 ein
Patent auf eine Dreschmaschine, dem bald eine ganze Anzahl weiterer
Patente nachfolgten.


Statistische Angaben über die Eisenproduktion der Vereinigten
Staaten Nordamerikas im vorigen Jahrhundert fehlen fast ganz.
Rinman giebt 1794 die Erzeugung zu 12000 Tonnen Schmiedeeisen
und 2400 Tonnen Guſswaren an. Dagegen können wir folgende
Preise für die Tonne mitteilen:


  • Roheisen Schmiedeeisen
  • Dollar Dollar
  • 1731   15 50
  • 1765   17 50 bis 60
  • 1790   30 70 bis 80
  • 1794   — 77,50
  • 1795   — 82,50
  • 1796   — 106,50
  • 1797   — 101,50
  • 1798   — 97,50
  • 1799   36,25 98,50
  • 1800   35,75 100,50

In den Frischhütten machte man verschiedene Sorten Schmiede-
eisen. Die gebräuchlichsten waren Handelseisen und Stabeisen (mer-
chand-bar and mille-bar). Ersteres schmiedete man wie solches, was
gewöhnlich importiert wurde, ungefähr 1½ bis 2 Zoll breit und
⅓ Zoll dick mit verschiedenen Querschnitten. Das andere, welches
für die Schneid- und Walzwerke (slitting and rowling mills) bestimmt
war, machte man doppelt so stark. Die Schneid- und Walzwerke
[1181]Amerika.
wurden durch Wasserräder getrieben und hatten den Zweck, das
Stangeneisen in schmale Ruten oder dünne Bleche (plates) zu ver-
wandeln, um an Kosten für Holzkohlen und Arbeit zu sparen.


In Canada hatte Ludwig XV. eine königl. Licenz ertheilt, um
die Erze von St. Maurice zu gewinnen und schoſs dafür 10000 Liv.
vor. 1715 erhielt die Gesellschaft 100000 Frcs. Unterstützung, baute
1737 Hochöfen, welche aber 1743 der Krone zufielen, auf deren
Kosten sie weiter betrieben wurden; sie schickte tüchtige Eisenarbeiter,
welche bei den Hochöfen Frischherde erbauten; diese stehen zum
Teil noch. Es war lange das einzige Eisenwerk im Lande. 1749
waren zwei Hämmer mit Holzbälgen zu St. Maurice, und die Hoch-
öfen lieferten an Guſswaren: Geschütze, Geschosse, Öfen, Kessel.
St. Maurice forges kam 1760 in den Besitz der englischen Regierung
war 1815 noch im Betriebe und beschäftigte 250 bis 300 Arbeiter
Es blieb im Besitz des Staates bis 1846 und wurde dann an Henry
Stuart
verkauft. 1879 war es noch im Gang. 1883 wurde es wegen
Mangel an Brennstoff kaltgestellt, damit zugleich der älteste in
Amerika betriebene Hochofen.


[[1182]]

Appendix A Druckfehlerverzeichnis.


Seite 93, Zeile 3 von unten lies Calley statt Cradley.
„ 227, „ 19 „ „ „ adouci statt adoucis.
„ 248, „ 6 „ oben „ Die Walzen für statt Die Bleche für
„ 289, „ 17 „ „ „ Le Play statt La Play.
„ 350, „ 21 „ „ „ Schwingen statt Schwiegen.
„ 426, „ 7, 10, 13, 15 von oben lies Schraat statt Schwal
„ 568, „ 5 von unten lies Lightmoore statt Lightmore.
„ 607, „ 5 „ oben „ Petrosawodsk statt Petrowsadowsk.
„ 624, „ 4 „ unten „ Sternberg statt Stenberg.
„ 647, „ 19 „ oben „ Bergmans statt Berthiers.
„ 652, „ 19 „ „ „ de Dietrich statt de Diedrich.
„ 740, „ 7 „ unten „ Deutschland statt Eeutschland.
„ 745, „ 10 „ oben „ Glammorgan statt Glamorgan.
„ 757, „ 18 „ unten „ Curr statt Curt.
„ 763, „ 11 „ oben „ Baildon statt Boildon.
„ 763, „ 1 „ unten „ Mättensberger statt Mällensberger.
„ 777, „ 9 „ „ „ Reignier statt Regrier.
„ 832, „ 1 „ „ „ Bohnerz statt Bohrerz.
„ 832, „ 6 „ „ „ Murg statt Murz.
„ 832, „ 1 „ unten „ Katzenellnbogen statt Katzenellenbogen.
„ 847, „ 11 „ „ „ Grund Seel- und statt Grund, Seel- und
„ 909, „ 10 „ „ „ Rheden statt Reden.
„ 1040, „ 11 „ „ „ Soret statt Loret.
„ 1044, „ 9 „ „ „ Sanche statt Sage.
„ 1045, „ 3 „ oben „ Remmelsdorfer statt Rammelsdorfer
„ 1050, „ 4 „ „ „ Pontechatrain statt Pontchatrin
„ 1058, „ 15 „ unten „ Bilbao statt Bilboa.
„ 1069, „ 21 „ „ „ Serivenor statt Serivener.
„ 1072, „ 2 u. 3 von unten lies Serivenor statt Serivener.
„ 1086, „ 3 von oben lies Bilbao statt Bilboa.
„ 1092, „ 11 „ unten „ Bradley statt Browley.
„ 1113, „ 13 „ „ „ Sykes statt Syks.
„ 1138, „ 16 u. 20 von oben lies Akinfi statt Akimfi.
„ 1157, „ 21 von oben lies Poterieguſs statt Potterieguſs.

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Notes
1).
Das Original befindet sich in E. Darwin, The botanic garden, die Über-
setzung von Dr. Ernst Engel, in dessen „Das Zeitalter des Dampfes“. Berlin 1880.
1).
Quelques expériences sur la liqueur colorante qui fournit la pourpre, dans
les Mém. de l’Acad. des sciences; année 1736.
1).
Mém. de l’Acad. 1726, p. 273.
2).
Über das Thermometer hat Reaumur eine Reihe von Abhandlungen ver-
öffentlicht, welche sich in den Memoiren der Akademie von 1731, 1733, 1734 und
1735 finden. Die erste führt den Titel „Sur la construction des thermomètres
dont les degrés sont comparables, avec des remarques sur quelques propriétés de
l’air“ (dans les Mém. de l’Acad. 1731). Auſserdem veröffentlichte Reaumur
1).
Sur l’art de faire éclore et d’élèver en toute saison des oiseaux domestiques
de toutes espèces, soit par le moyen de chaleur de fumier, soit par le moyen de
celle du feu ordinaire. 1752 veröffentlichte er seine Schrift: Sur la digestion des
oiseaux.
2).
Observations du thermomètre à Paris, comparées à celles de différents autres
lieux 1735 — 1740. Auſser in der Einteilung bestand der Vorzug seines Thermo-
meters in der Füllung mit Spiritus von bestimmtem Alkoholgehalt.
1).
Nouvelle Biographie Générale, Paris 1865, Nr. 44, p. 690.
1).
Über die Dezimalteilung der Münzen und Maſse und die Vereinfachung des
Rechnens und der Abschaffung der Brüche. In schwedischer Sprache 1719 in 8°.
1).
Regnum subterraneum sive minerale de vena et lapide ferri ut et de
variis ejus probandi modus.
2).
Regnum subterraneum sive minerale de variis cum ferro et ejus victriolo
chymicis praeparatis et factis experimentis.
1).
In Justi’s Übersetzung und dem Nachdruck von Bertrand wurde diese
weggelassen und durch die Schilderung der Eisenbereitung zu Baruth von dem
Grafen Solms ersetzt.
2).
Er selbst schrieb sich vor seiner Nobilitierung 1716 Christopher Pål-
hammer
, danach Christopher Polhem.
1).
Sie findet sich auch in Schrebers Sammlung kameralwissenschaftlicher
Schriften, Bd. XII, 1764, S. 414.
1).
Die mangelhafte deutsche Übersetzung in Schrebers Sammlung XII,
S. 325.
1).
Sur la necessité de perfectionner la Métallurgie des Forges, pour diminuer
la consommation des bois: où l’on donne quelques moyens fort simples, d’employer
les mines en roche de Bourgogne aussi utilement que celles en terre de la même
province. In den Mémoires de l’Academie des Sciences de 1747.
1).
Tronson de Courdray, Mémoire sur la manière dont on extrait en
Corse le fer de la mine d’Elbe. Paris 1775. Deutsch von C. L. A. Wille,
1).
Traité sur les mines de fer et les forges du comté du Foix. Toulouse 1787.
Deutsch unter dem Titel „Abhandlungen über die Eisenwerke und Eisenhütten in
der Grafschaft Foix“ übersetzt von D. L. S. Karsten 1789. Es war dies die erste
litterarische Arbeit des berühmten Karsten.
2).
Buffons Mitteilungen über das Eisen sind niedergelegt in dem inter-
essanten Kapitel „fer“ seiner Histoire des Mineraux.
1).
Tronson v. Courdrays Beschreibung der Eisenmanipulation auf der Insel
Korsika. Leipzig 1786.
1).
Die ausführlichste Biographie findet sich im ersten Bande der deutschen
Übersetzung seines Bergwerkslexikons.
1).
Siehe Dr. Moritz Meyer, Beiträge zur genaueren Kenntnis des Eisen-
hüttenwesens in Schweden 1829.
1).
P. S. Pallas, Reise durch verschiedene Provinzen des Russischen Reiches,
3 Bde. in 4°, 1771 bis 1776.
1).
Siehe Journal des mines, an VII, No. 51.
1).
Georg Ernst Stahl, geboren 1660 zu Ansbach, seit 1693 Professor in
Halle, 1716 als königlicher Leibarzt nach Berlin berufen, gestorben 1734.
1).
Siehe G. E. Stahls Bedenken über Bechers Natur-Kündigung der Metalle,
1723, S. 71.
1).
Siehe Justi, Schauplatz II, S. 62, Anmerkung.
1).
Hist. et Mém. de l’académie des sciences à Paris 1706, p. 199.
1).
Siehe Descriptions des arts et métiers II, p. 122.
1).
Siehe Reaumur, L’art de convertir le fer forgé en acier, wo er Tab. VI
und VII die Bruchflächen des Schmiedeisens und Tab. VIII und IX Bruchflächen
des Stahls darstellt.
2).
In den drei letzten Memoiren der vorgenannten Abhandlung.
1).
Reaumur, loc. cit. Tab. 10, Fig. 1.
2).
Hierauf hatte schon Perrault 1680 hingewiesen, siehe Oeuvres diverses
de physique et de mechanique de Mrs. E. und P. Perrault I, p. 17.
1).
l. c. S. 321 und 330.
2).
Dies ist aber nur bei geringer oder bei starker Erhitzung richtig, da-
zwischen tritt die umgekehrte Erscheinung ein: die Festigkeit des Stahls wächst
durch das Härten.
1).
loc. cit. mem. XII.
2).
Jars, Metallurgische Reise, deutsch von Gerhard I, S. 27.
3).
Siehe Rinman, Geschichte des Eisens I, S. 4.
1).
Siehe Philosophical Transactions 1795, II, p. 322.
2).
Siehe J. von Musschenbroek, Cours de physique experimentale et mathé-
matique, Tome II, p. 101.
1).
Siehe Jars, Metallurgische Reisen, deutsch von Gerhard, Bd. VI, 1777.
Anmerkung, S. 640.
2).
Siehe Buffon, Histoire Naturelle, Tome V, 4. Mémoire: Expériences
sur la tenacité et sur la décomposition de fer.
3).
Siehe Annales de Chimie, Tome VII, p. 97—112.
1).
Musschenbroek, Introductio ad philosophiam naturalem, Tome II,
p. 1527 etc.
1).
Siehe Tiemann, Eisenhüttenkunde, S. 11.
2).
Siehe Gren, Grundriſs der Chemie, I. Teil, 1796, S. 94 Anmerkung.
1).
Abridgments of Specifications rel. to the Steam Engine, Fatent Office.
London 1871, I, p. 1—36.
1).
Harris, Lexicon Technicum, art. „Engine“.
1).
Switzer, Introduction to a System of Hydrostatics and Hydraulics,
pag. 342.
1).
Siehe Abridgments of Specifications rel. to the Steam Engine. Part I,
p. 46, Note a.
2).
Siehe Abridgments a. a. O., A. D. 1725, Note S. 42.
1).
Siehe Desaguiliers, Cours de physique expérimentale 1751, II, p. 627.
1).
Joh. Friederici Weidleri Tractatus de Machinis Hydraulicis Toto
Terrarum Orbe Maximis Maryliensi ed Londiniensi etc. Vitembergae 1728.
1).
Diese genaue Zeichnung wurde damals von John King in London ver-
kauft, woher sie Weidler erhalten hatte.
1).
Leupold, Theatrum Machinarum Hydraulicarum. Tome II, p. 87.
1).
Siehe Abridgments, a. a. O., S. 32.
2).
Henning Calvör, Historisch-chronol. etc. Beschreibung des Maschinen-
wesens auf dem Oberharze 1763, Bd. I, S. 119.
1).
Calvör, l. c. 121.
2).
Siehe „Das merkwürdige Wien“, Februar 1727, S. 74; dort wird gesagt,
„daſs diese Engelländische Feuermaschine von Herrn von Fischer zu allererst
anno 1722 in Deutschland sei angegeben und auf gnädigste Verordnung Sr. Hoch-
fürstl. Durchl. Caroli, Regierenden Herrn Landgrafens zu Hessen-Kassel, in
dero Residenz-Stadt Kassel zu einer Probe aufgerichtet worden“. Siehe auch
Weidler, loc. cit., p. 91.
1).
Calvörs Angabe, daſs er seine Kenntnis erst in Königsberg erworben,
stimmt nicht zu dem Faktum seiner Berufung nach Kassel.
2).
Smiles hält diesen irrtümlich für identisch mit dem Knaben Hum-
phrey Potter
, welcher das scoggan erfand, siehe Smiles, James Watt, p. 60.
3).
Siehe Abridgments a. a. O., S. 40.
1).
Siehe Leupold, Theatrum Machinarum hydraul. II, S. 93, Tab. XLIII,
Fig. III.
1).
Siehe das Februarheft der „Merkwürdigkeiten Wiens“ 1727, S. 74. Es
heiſst da, „daſs fast zu gleicher Zeit (mit der Königsberger Maschine) auch die
dritte Feuermaschine allhier in Wien von dem Herrn Fischer von Erlacher
sey verfertiget worden“. Die Maschine ist daselbst abgebildet und ist ganz
ähnlich der Londoner Maschine.
2).
Loc. cit., p. 72.
1).
Weidler Loc. cit., p. 79, wo er auch über eine abgeänderte Maschine
von Bosfrand berichtet. Bosfrand baute selbst eine Feuermaschine, welche
der Herzog von Autin bei Arcueil im Hause desselben in Augenschein nahm.
Siehe Gelehrte Zeitungen, Leipzig 1726, 7. Januar. Von Paris, p. 10.
2).
Siehe Swizer, Specimina Inchnographia 1730.
1).
Swedenborgius, De Ferro, p. 171.
1).
Nämlich 13 Schiffspfund, nicht fünf, wie Bd. I, S. 783 irrtümlich ange-
geben ist. 1 Schiffspfund = 160 kg = 20 Lispfund, also ein Lispfund = 8 kg.
1).
Liquatione venae immediata in officinis et tigills sive in illorum „bloo-
meries“.
1).
Swedenborg, a. a. O., S. 177.
2).
Abgedruckt in der Abhandlung: Arts des forges et fourneaux à fer par
M. le Marquis de Courtivron et M. Bouchu in den Descriptions des arts et métiers,
II, p. 141.
1).
Siehe Courtivron und Bouchu im Schauplatz der Künste und Hand-
werke, III, S. 35.
1).
In den Museo di fisica et di experienze etc. Siehe Courtivron und
Bouchu in v. Justis Schauplatz der Künste und Handwerke, III, S. 35.
2).
Tentamen novum Angliae venam ferri fundendi in caminis reverberii per
carbones lapideos sive fossiles. Swedenborgius, loc. cit. p. 160.
3).
Per carbones adustos fossiles.
1).
Vergl. Schauplatz der Künste und Handwerke, Bd. III, 1764, S. 41.
1).
1 schwed. Fuſs = 0,297 m.
1).
Das Schiffspfund Eisen muſs zu Swedenborgs Zeit um 200 kg schwer
gewesen sein. Nach seiner Angabe war 1 Schiffspfund = 26 Liespfund statt
20 Liespfund, wie sonst. Rechnet man das Liespfund zu 8 kg, so erhält man für
1 Schiffspfund 208 kg statt 160 kg. Auf S. 57 setzt Swedenborg 20 Schiffspfund
= 9000 bis 10000 Pfund. Da 1 Pfund Schalgewicht 0,425 kg entspricht, so wäre
1 Schiffspfund zwischen 191,25 kg und 212,50 kg gewesen. Wenn wir das Schiffs-
pfund = 200 kg setzen, kommen wir der Wahrheit jedenfalls näher, als wenn
wir es zu 160 kg annehmen. Das Gewicht des Schiffspfunds war bekanntlich sehr
verschieden, sowohl nach den Artikeln, als in verschiedenen Zeiten. Das leichtere
Schiffspfund zu 320 gewöhnlichen Pfund hieſs das Stockholmer.
1).
Swedenborgius a. a. O., fol. 48, 49 u. s. w.
1).
Fuſs und Elle sind nach schwedischem Maſse umgerechnet.
1).
Hier liegt jedenfalls ein Irrtum in dem Namen vor, und zwar ist der
Name des Ortes wohl unrichtig, indem aus dem ganzen Zusammenhange hervor-
geht, daſs die beschriebenen Öfen in Sussex liegen, Glocester liegt aber nicht
darin. Swedenborg verdankt seine Nachrichten dem schwedischen Kommissar
Kahlmeter.
2).
Swedenborg will in dieser Zeichnung gleichzeitig die äuſsere Ansicht
des Ofens und das Profil des Innern im Vertikalschnitt darstellen, giebt aber
infolge dessen keine von beiden richtig.
1).
Bei den deutschen und österreichischen Hochöfen ist der Fuſs zu 0,3 m,
der Zoll zu 0,025 m umgerechnet.
1).
Swedenborg, a. a. O., S. 184, giebt die Höhe zu 24 Fuſs an, während
er unmittelbar vorher sagt, der Ofen sei etwa 3 Ellen niedriger als die sächsischen
Hochöfen. Er meint also im ersten Falle jedenfalls die äuſsere Höhe des Ofens
mit der aufgebauten Esse.
1).
Allerdings muſsten einmal auch 3313 Tröge aufgegeben werden. —
Swedenborg teilt eine genaue Betriebstabelle über die angestellten Versuche mit.
1).
Scrivenor, History of the iron trade, p. 56; indessen bezweifeln Percy
und Smiles die Richtigkeit dieser Angabe.
2).
Sicherlich geschah dies im Jahre 1718, wie aus nachfolgenden Einträgen
des Hüttenjournals hervorgeht: 1718, Septbr. 28. Old Blast Furnace, Dr. Andrew
Cartwright, coaking 114 Stack of coal; New Blast Furnace, Dr. Andrew Cartwright,
coaking 135 Stack of coal.
1).
Siehe Percy, Iron, p. 888. Dieser Bericht rührt von den Nachkommen
Abraham Darbys her.
2).
Patent A. D. 1692, Febr. 29, Nr. 291. Thomas Addison. — Using seacoale
or pitt coale to melt or smelt down iron ore, iron, iron stone, slags, cinders, old
cast or hammered iron etc. and to refine and make the same into bar iron and
other iron and into guns, bullets etc.
1).
Siehe Mém. de l’acad. d. Sciences 1726, p. 385.
1).
Reaumur, l’Art d’adoucir le fer fondu (1722), p. 415.
1).
Das Gieſsen mit diesen Öfen heiſst fondre à la poche.
1).
Reaumur, Nouvelle art d’adoucir le fer fondu. Mem. V.
2).
Da Reaumurs Kenntnis hiervon schwerlich aus England stammte, so
bleibt es zweifelhaft, ob nicht das Formen in nassem Sande schon vor Darbys
Patent von 1708 auf dem Kontinent, wenn auch in beschränktem Maſse, in
Anwendung war.
3).
Siehe a. a. O., Mém. VII, p. 242.
1).
Vergl. Brescianstahlbereitung, Bd. II, S. 252.
1).
40 pondera nautica majora sive 44 Stockholmensia.
1).
Diese Frischmethode wurde zuerst ausführlich beschrieben von Peter
Saxholm
in seiner Dissertatio de Ferro Suecano Osmund. Upsala 1725.
1).
Reaumur, L’art de convertir le fer forgé en acier, p. 244.
1).
l. c. fol. 195 etc.
1).
Bezüglich der weiteren Angaben Swedenborgs über den Frischstahl
verweisen wir auf sein Buch S. 201.
1).
1 Centner = 8 Lispfund = 160 Shalpfund = 67 kg.
1).
Swedenborgs Darstellung ist hier nicht ganz klar. Es scheint, daſs
man den ganzen Herdinhalt, Schlacken und Stahlbrocken, vorn aus dem Herd
herauszog und sie vor dem Herd erkalten lieſs.
1).
Siehe Schreber, a. a. O., S. 358.
1).
L’art de convertir le fer forgé en acier et l’art d’adoucir le fer fondu, ou
de faire des ouvrages de fer fondu aussi finis que de fer forgé par Monsieur de
Réaumur, de l’Academie Royale des Sciences à Paris chez Michel Brunet,
Grande Salle du Palais, au Mercure galant, MDCCXII, avec approbation et privilége
du Roy. Der erste Teil l’art de convertir le fer forgé umfaſst 382 Quartseiten
mit 10 Figurentafeln, der zweite Teil d’adoucir le fer fondu 178 Quartseiten mit
7 Tafeln.
1).
Reaumur teilt eine solche Windberechnung mit, loc. cit. S. 128.
1).
Reaumur a. a. O. Tab. V.
1).
Glühstahl.
1).
l. c. p. 454 etc.
1).
Ausgabe von Bertrand, Tome XV, p. 71—277.
1).
Swen Rinman, Geschichte des Eisens, §. 295, deutsch von Karsten,
II, S. 731.
1).
„And those or other barrs, being heated in a long hott arch ore cavern
are to pass between two large mettall rowlers (which have proper
notches or furrows on their sussfass), by the force of the inventor’s engine or other
power, into such shapes and formes as required.“
2).
In Ures Dictionary of the Arts wird die Erfindung John Payne im
Jahre 1728 zugeschrieben.
1).
Bei den sog. Nürnberger Messern wurde der Stahl in die Mitte und auf
beide Seiten weiches Eisen gelegt. Solche Messer putzen sich aber schlecht.
1).
Er verweist dabei auf seine Mitteilungen im zweiten Bande der Schriften
der Königl. Schwedischen Akademie der Wissenschaften, S. 206.
1).
Diese Abhandlung ist in einem der ersten Cahiers enthalten. In der Aus-
gabe von Bertrand findet sie sich Tome XV; im Schauplatz der Künste und
Handwerke ist sie im ersten Band übersetzt.
1).
Duhamel bemerkt dazu, daſs man zu Ankern von 6000 Pfund Hämmer
von nur 500 bis 600 Pfund verwende.
1).
S. Beschreibung und Abbildung in Descriptions des Arts et Metiers, p. 42.
1).
Principes de l’art de faire le fer blanc in L’histoire et mémoires de
l’Academie Royale des Sciences de 1725, gedruckt 1727, p. 102.
1).
S. Smiles, Industrial biography, p. 103.
1).
S. The useful metals and their alloys p. 348 und Smiles, a. a. O. p. 108;
auch Percy, Iron and Steel, p. 829.
1).
S. Karstens Archiv, Bd. VIII, S. 342; Wedding, Handbuch der Eisen-
hüttenkunde, Bd. III, S. 607.
1).
Siehe Annales des mines, 4. Serie, T. III, p. 636. Le Play schreibt den
Namen immer Huntsmann, in älteren deutschen Büchern findet man ihn sehr
oft Hunsmann, Hunzmann geschrieben.
2).
Crells Chem. Annalen. Bd. VI, 1. St., S. 21.
3).
Siehe Rinman, Geschichte des Eisens, deutsch von Karsten. Bd. II, S. 639.
1).
Blumhof, Encyklopädie der Eisenhüttenkunde. Bd. II, S. 498.
2).
Siehe Gabriel Jars, Metallurgische Reisen, deutsch von Gerhard
Bd. II, S. 422.
1).
Siehe Percy, Iron and Steel, p. 829.
1).
Reaumur, l’art de convertir etc. p. 256.
2).
Siehe Poppe, Geschichte der Technologie, Bd. II, S. 409.
1).
E. Schepperus, de ferri confectione ad Barkinge, ubi secretione
artificio e Chemia petito, igne suppresso, cum sale cinereo ferrum commune in
στομωμα mutatur.
2).
J. Bernh. von Rohr, Merkwürdigkeiten des Oberharzes 1739, S. 258.
1).
Magni Wallneri Diss. de arte carbonaria in patria. Upsal. 1740. — Er-
schien 1746 in schwedischer Sprache als „Afhandling om Kolare-Konsten i Sverige.“
2).
Deutsch in v. Justis Schauplatz der Künste und Handwerke, Bd. I. —
1771 erschienen Additions et corrections relatives à l’art du charbonnier par
M. Duhamel du Monceau, welche in den Descriptions des arts et métiers, ed.
W. Bertrand Bd. I und II abgedruckt sind; deutsch im Schauplatz der Künste,
Bd. X, S. 239. Von älteren deutschen Schriften über diesen Gegenstand sind zu
erwähnen: Scopoli, Abhandlung vom Kohlenbrennen, Bern 1771; neue Auflage
1802 und C. E. Bornemanns Versuch einer systematischen Abhandlung von
den Kohlen. Göttingen 1776.
1).
Corde war ein Holzmaſs von 8 Fuſs Länge und 4 Fuſs Höhe, dessen Breite
aber je nach der Länge der Holzstücke verschieden war. Da dieselben zum Ver-
kohlen in der Regel auf 2 bis 3 Fuſs Länge geschnitten wurden, so schwankte
ein Faden oder Klafter Kohlholz von 64 bis 96 Kubikfuſs.
1).
Dangenoust hat in dem von Duhamel später herausgegebenen Nach-
trag diese Berechnung geprüft. Er fand bei Öfen von 1500 kg Tagesproduktion
6570 Klafter Holzverbrauch.
1).
Schauplatz der Künste und Handwerke, Bd. I, S. 30.
1).
Molls Jahrbuch für Berg- und Hüttenkunde, Bd. IV, 2. Teil.
1).
Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins, Bd. XII, S. 186.
1).
Alter Name für Chaldron.
1).
Robert S. Galleway, A History of Coal-Mining in Great-Britain 1882,
Seite 39.
1).
Närrische Weisheit und weise Narrheit, Frankfurt 1683, S. 91.
1).
a. a. O., S. 67.
1).
Traité de la Fonte des Mines par le feu du charbon de terre etc. 4°. Paris 1770.
1).
Siehe Descriptions etc., T. II. p. 96; Schauplatz, Bd. II, S. 104.
1).
Siehe hierüber Näheres in den Descriptions des arts et métiers, T. II und
Justi, Schauplatz der Künste und Handwerke, Bd. II, S. 53.
2).
Justi, a. a. O., S. 62.
3).
Descriptions etc., T. II, p. 60.
1).
Siehe J. Harris, Lexicon Technicum. „Iron“.
1).
Siehe Jars, Metallurgische Reise, Bd. I, S. 277.
1).
Dieselben stammen wahrscheinlich aus dem Ende der 40 er Jahre des
18. Jahrhunderts, denn Reaumur bezieht sich in einer Anmerkung auf eine von
ihm im Jahre 1744 der Akademie vorgetragene Abhandlung.
1).
Siehe Courtivron und Bouchus Abhandlung in v. Justi, Schauplatz,
Bd. III, S. 48.
1).
1 Livre = 16 Unzen = 0,4895 kg.
1).
Siehe Ferber, Anhang zur Abhandlung über die Gebirge und Bergwerke
in Ungarn, S. 273.
2).
Jars Zeichnungen stimmen mit seiner Schilderung nicht ganz überein.
Nach dem beigefügten Maſsstabe wäre der gezeichnete Ofen im Lichten 15 Fuſs
1).
Nach Dangenoux und Wendel (1769) in Eisenerz 2 Fuſs, zu Vordern-
berg 17 Zoll.
2).
hoch, 3 Fuſs am Boden, 4 Fuſs vor der Form und 5½ Fuſs im Kohlensack,
welcher sich in der halben Höhe des Ofens befindet, weit. Die Gestalt des Ofens,
der nur ein Gewölbe für die Blasebälge und den Abstich hat, gleicht noch sehr
einem Stückofen.
1).
Versuch einer Beschreibung der vorzüglichsten Berg- und Hüttenwerke
des Herzogtums Steiermark von V. Ignatz Ritter von Pantz und A. Jos. Atzl.
Wien 1814. S. 113.
1).
Auſser den angeführten aus dem 18. Jahrhundert besonders: Ferbers
Abhandlungen über die Gebirge und Bergwerke in Ungarn, nebst einer Beschreibung
des steierischen Eisenschmelzens und Stahlmachens von einem Ungenannten, 1780.
1).
Ein Wiener Fuſs = 12 Zoll = 0,316 m.
1).
B. F. Hermanns Beschreibung der Manipulation, durch welche in Steiermark,
Kärnten und Krain der berühmte Brescianstahl verfertigt wird, 1781. Scopoli,
Anfangsgründe der Metallurgie, 1789, S. 172. Klinghammer, Von Eisenwerken
und Stahlfabriken in Steiermark; Bergmännisches Journal 1788, Bd. I. Wille,
Vom Eisenschmelzen im Herzogtum Kärnten in Crells Beiträgen z. d. chem. Anal.,
Bd. I, St. 4, S. 9. Hacquets Mineralogisch-botanische Reise in Tirol 1784; Be-
schreibung der Eisenberge und Hüttenwerke zu Eisenerz in Steiermark etc., Wien
1788. O’Reilly, Annales des Arts et Manuf., T. XIX, p. 113.
1).
Diese fehlen in der Zeichnung.
2).
Nach der Zeichnung aber nur 22 Fuſs (6,952 m).
3).
„Sumper“ soll die Eisenerzer Bezeichnung für Lehm gewesen sein.
1).
Siehe Schreber, a. a. O., S. 16, woselbst das Maſs der Abstände der vier
Seiten von der Lotlinie von Fuſs zu Fuſs der Höhe in einer Tabelle zusammen-
gestellt ist.
2).
Ein Faſs Kohlen = 5 österr. Metzen.
3).
1 Kübel Erz wog netto 3 Ctr. 23 Pfd. (180 kg).
1).
Vergl. Bd. II, S. 177.
1).
Nähere Angaben hierüber siehe Quantz, a. a. O., S. 82.
1).
Wir teilen diese in vielen Einzelheiten ungenügende Zeichnung haupt-
sächlich deshalb mit, weil es die älteste Abbildung eines deutschen Hochofens ist.
2).
In der Zeichnung ist die Rast nur einen Fuſs hoch, was jedenfalls nicht
richtig ist.
1).
Dieser Satz, der gleich darauf nochmals wiederholt wird, ist nicht ganz
klar, und müſste man danach vermuten, daſs der Ofen hintersäſsig war, so daſs
die Formmündung unter dem Gichtmittel gelegen hätte. Die Zeichnung läſst dies
aber nicht erkennen.
1).
Der Anschlag fängt gleich mit einem groben Rechenfehler in den Ein-
nahmen an. Die Aufstellung der Ausgaben hat aber doch ein lokales Interesse.
1).
Metallurgische Abhandlung von dem Rösten des Eisenerzes, unter dem
Vorsitze Herrn Joh. Gottsch. Wallerius zu Upsala den 22. Juni 1757 der öffent-
lichen Prüfung unterworfen von Dan. Thelaus. Deutsch in Schrebers neuer
Sammlung, Bd. VI, S. 325.
2).
Abhandl. d. Schwed. Akademie von J. D. Christiernin v. 19. März 1760.
1).
Künstliche, aus feuerfestem Thon gebrannte Steine.
1).
Was in der Zeichnung nicht richtig dargestellt ist.
1).
1 Tonne = 26 Tröge.
2).
Siehe Percy, Iron and steel, p. 888.
1).
v. Justi, Chymische Schriften, Bd. III, S. 365 und Schauplatz der Künste
und Handwerke 1764, Bd. III, S. 6 Anmerkung.
1).
Descriptions des arts et métiers, T. II, p. 186; Schauplatz der Künste und
Handwerke, S. 88.
1).
Siehe hierüber Deparcieux in den Descriptions des arts et métiers,
T. II, p. 225.
1).
Schauplatz der Künste und Handwerke, Bd. III, S. 7 Anmerk.
2).
S. Schauplatz (1764), Bd. III, S. 6. Chymische Schriften (1771), Bd. III,
S. 365, wo auch eine Abbildung seines Ofens mitgeteilt ist.
1).
Siehe Tunner, Die Stabeisen- und Stahlbereitung in Frischherden, Bd. II,
S. 105.
1).
Die nachfolgende Schilderung ist hauptsächlich aus Tunners „wohlunter-
richtetem Hammermeister“ (§ 111) entnommen, weil dieselbe eingehender und
klarer ist als die von Jars, mit der sie aber im ganzen übereinstimmt.
2).
Tunner, a. a. O., § 105.
1).
Siehe Jars, a. a. O., Bd. I, S. 112.
1).
Siehe Rinman, Geschichte des Eisens, deutsch von Karsten, Bd. I, S. 577.
Tunner, d. wohlunterrichtete Hammermeister, Bd. II, S. 191.
1).
S. Abhandlungen der Königl. schwed. Akademie der Wissenschaften 1742,
Bd. IV, S. 158: Daniel Tilesius, Von den Hammerschmiedsherden und deren
Stellung.
1).
Siehe Rinman, Geschichte des Eisens, d. v. Karsten, Bd. I, S. 569.
1).
Siehe Karsten, Handbuch der Eisenhüttenkunde, Bd. IV, S. 124.
2).
Rinman, a. a. O., Bd. I, §. 103.
1).
Siehe Karsten, a. a. O., Bd. IV, S. 458. Jars unterscheidet Friemen-,
Kern-, Scharsach- und Münzstahl.
1).
Vgl. besonders Karsten, Eisenhüttenkunde, S. 1067 u. Tunner, a. a. O.,
Bd. II, S. 250.
1).
Siehe J. Ch. Quantz, Eisen- und Stahlmanipulation in der Herrschaft
Schmalkalden 1799, S. 153.
1).
l. c. Bd. II, S. 543.
1).
Rinman, Geschichte des Eisens, § 265.
1).
Anledning till Stål- och Jernsförädlingen och dess förbättring. 8°. Stock-
holm 1772. Eine deutsche Übersetzung erschien in Wien 1790.
1).
Siehe Rinman, l. c. S. 139.
1).
Weitere Angaben über märkische und bergische Stahlzeichen werden in
der Geschichte des Eisens der einzelnen Länder folgen.
1).
Siehe Pfingstens Almanach für Kameralisten und Polizeibeamte auf das
Jahr 1785, S. 484.
2).
Siehe Krünitz, Ökonom. Encyklopädie, Bd. 100, S. 809.
3).
Repert. of Arts and Manufact. Nr. 40.
1).
Rinman, Eisen- und Stahlveredlung, S. 185.
1).
Art de reduire le fer en fil, connu sons le nom de fil d’Archal. Descript.
des arts et met. ed. Bertrand, Tome XV, p. 433.
2).
Rinman, l. c. S. 199.
3).
S. Descriptions etc. p. 427.
1).
Rinman, l. c. S. 212.
1).
Siehe v. Moll, Jahrbücher der Berg- und Hüttenkunde, S. 55.
1).
Siehe Duhamel, Tréfilerie Tab. IV. Descriptions des arts et métiers,
Tome XV.
2).
Rinman, Afhandling rörande Mechaniken, Tom. II, 1794 und Blumhof,
Encykl. d. Eisenhüttenkunde, Bd. I, Art. Drahtzieherei.
1).
E. A. Jägerschmid, Bemerkungen über einige Metallische Fabriken der
Grafschaft Mark. Durlach 1788.
1).
Weitere Nachrichten s. Eversmann a. a. O., S. 284.
1).
De la forge des enclumes par M. Duhamel du Monceau. Descriptions,
ed. Bertr., T. XV, p. 65.
1).
Siehe Abhandl. der Königl. Schwed. Akademie 1773, S. 290.
1).
Rinman, Eisen- und Stahlveredelung, S. 336.
2).
Jars, a. a. O., S. 379.
1).
Rinman, Geschichte des Eisens, Bd. I, S. 30.
1).
Afhandling rörande Mechaniken etc. af S. Rinman, T. II, p. 508 — 526.
Blumhofs Encyklop. der Eisenhüttenkunde, Art. Gewehre. — Über Maschinen
zum Bohren von Flintenläufen s. Luigi Chizzola, Beschreibung einer neuen
Maschine, Flintenläufe zu bohren, in Schrebers Sammlung, Bd. X, S. 225, und
Machines et Inventions approuvés par l’Acad. des Sciences à Paris, III, p. 71. Machine
pour la fabrique des canons de fusil par M. Villons.
1).
Vergl. hierüber: Abhandlungen der Schwed. Akad. 1773 P. Wäsström,
Beschreibung damaszierter Gewehre von Eisen und Stahl. — An essay on shooting
3 te ed., London 1792, deutsch: Versuch über Gewehrfabriken, die Schieſskunst
und das Jagdwesen, a. d. Engl. von Timäus, 1792. — Anschütz, Gewehrfabrik
zu Suhl.
1).
In Actis Upsalensis d. 1735.
2).
Siehe Abhandl. d. Königl. Schwed. Akad. d. Wissenschafften 1751, S. 212:
Das Eisen und dessen Verhalten gegen andere Körper etc.
1).
Siehe Kopp, Geschichte der Chemie, Bd. I, S. 246.
1).
Siehe Kopp, a. a. O., S. 249.
1).
Siehe Kopp, a. a. O., S. 140.
1).
Tob. Bergman, Opuscula Physica et Chemica etc. Vol. III.
1).
Siehe Kopp, a. a. O., Bd. I, S. 253.
1).
Kopp, a. a. O., Bd. I, S. 260.
1).
Siehe Quantz, Eisen- und Stahlmanipulation der Herrschaft Schmalkalden,
S. 9 u. 187.
1).
Berichte der Berliner Akademie, Jahrgang 1781, S. 80.
1).
Siehe Klaproth, Mineralanalysen, Bd. I.
2).
Siehe Jars, Metallurg. Reisen, Bd. II, S. 645. Anmerkungen.
3).
Rinman, Geschichte des Eisens, §. 119.
1).
Tredgold, on steam engine, p. 14.
1).
Phil. Transactions I, p. 53 bis 157.
1).
Watt und Boultons Briefwechsel. Stuart, A descriptive history of the
steam engine, 1824.
Arago, Zur Geschichte der Dampfmaschine.
Farey, A treatise on the steam engine.
Tredgold, The principles of the steam engine, 1827.
Bataille et Jullien, Traité des machines à vapeur, 1847—1849.
Muirhead, The origin and progress of the mechanical inventions of James
Watt, 3 Bde. London 1854.
Robert Harts Reminiscences of James Watt in Transactions of the
Glasgow Archaeol. Soc. 1859.
1).
Not to perpetuate a Name
Which must endure while Peaceful Arts flourish,
But to show
That Mankind have learned to honour those
Who best deserve their gratitude
The King
His Ministers and many of the Nobles
And Commoners of the Realm
Raised this Monument to
James Watt
Who directing the Force of an Original Genius
Early exercised in Philosophical Research
To the improvement of
The Steam Engine
Enlarged the Resources of the Country,
Increased the Power of Man
And rose to an Eminent Place
1).
Among the most illustrous Followers of Science
And the real Benefactors of the World.
Born at Greenock 1736
Died at Heathfield in Staffordshire 1819.
1).
S. Zeitschr. deutscher Ingenieure 1886, S. 731, 1047. Dr. Gerland, Die
Dampfmaschine im 18. Jahrhundert in Deutschland, S. 35.
1).
Im Bergmännischen Journal, Jahrgang VI, Bd. I, S. 444, sind die Maſse
der umgebauten Maschine wie folgt angegeben: Durchmesser des Cylinders 34 Zoll,
Höhe 10½ Fuſs, Stärke des Eisens 5/4 Zoll, Hub 6 bis 8 Fuſs.
1).
Siehe Memoires de l’Academie des sciences 1754, p. 603. Siehe M. Rühl-
mann
, Allgemeine Maschinenlehre, Bd. I, S. 267.
1).
Svedenstjernas Reise durch England 1802 und 1803. Deutsch von
Blumhof, S. 56.
2).
In den Abhandlungen der Berliner Akademie.
1).
Siehe Tiemann, Eisenhüttenkunde, §. 253.
1).
Genssane, Traité de la fonte des mines etc. I, p. 98.
1).
Hier hieſsen sie Aysarcas.
2).
Lewis, On the blowing of air into furnaces by the fall of water, in seinem
Commercium Philosophico-Technicum 1763. Ders., Physikalisch-chemische Abhand-
lungen und Versuche zur Beförderung der Künste, Handwerke und Manufakturen;
aus dem Engl. von J. G. Krünitz 1764. Siehe auch Karsten, a. a. O., S. 588.
1).
Siehe v. Marcher, Abhandlung über das Wassergebläse 1810.
1).
Siehe Philosophical Transactions, T. 42.
2).
Siehe Crells Chemische Annalen 1794, Bd. II, S. 332.
1).
Grignon, Memoires de Physique sur l’art de fabriques le Fer 1775.
1).
Siehe Blumhofs Encyklopädie, Bd. II, S. 270.
1).
Siehe Calvör, a. a. O., Teil I, Tab. III.
1).
Wähler, Grundriſs der Eisenhüttenkunde. Berlin 1806.
1).
Auch Rühlmann entnimmt diese Angabe Fareys Abhandlung über die
Dampfmaschinen, wonach das Gebläse aus vier eisernen Cylindern bestanden hätte.
Siehe Rühlmann, Maschinenlehre, Bd. IV, S. 732.
1).
Man nannte das Schmelzen mit Cylindergebläsen später die Carronsche
Schmelzmethode (nach Herrmann).
1).
Auch der schwedische Bergrat Norberg bezeichnet Smeaton als den
Erfinder der Cylindergebläse; siehe Norberg, Über die Produktion des Roheisens
in Ruſsland, deutsch von Blumhof, 1805, S. 7, u. O’Reilly, Annales des Arts et Manu-
factures XV, p. 225, giebt an, daſs die ersten Cylindergebläse zu Carron gewesen seien.
1).
Svedenstjerna, a. a. O., S. 76.
1).
Nach Mushet 1798 6 Zoll Quecksilber = 6,784 Fuſs Wasser, was 1500 bis
1800 Kubikfuſs Luft pro Minute ergab, wenn der Durchmesser der Form 2¾ bis
3 Zoll betrug.
1).
John Roebucks Mitteilungen über einen von ihm angewendeten Mano-
meter, vergl. Annalen der Physik, 1801, Bd. XI, S. 53.
1).
S. Journal der Physik. Bd. IX, S. 45.
1).
S. Schauplatz der Künste und Handwerke, Bd. I, Tab. V, Fig. 1, 2 und 5.
2).
Abbildung davon findet sich ebendaselbst Tab. V, Fig. 10.
3).
Machines et inventions etc. de l’Academie, V, p. 101.
1).
Abhandlungen der Schwed. Akademie der Wissenschaften 1758, Bd. XX,
S. 20. Wie die Hammerwerke dadurch zu verbessern sind, daſs man die Hebearme
und Kämme der Räder zum Gebläse auſsen an die Radwellen befestigt; ebendaselbst
1774, S. 305: Neuere Untersuchungen von Hebearmen aus Guſseisen bei Eisen-
hämmern von Rinman.
1).
S. Abhandl. der Schwed. Akad. 1774.
2).
Siehe Rinman, Bergv.-Lex. I, S. 1087, Tab. XIX, Fig. 7.
3).
Siehe Rinman, Afhandling rörande Mechaniken etc. II, p. 210.
1).
Siehe Machines et inventions approuvées de l’Académie etc. V, p. 43,
Nr. 307 bis 330.
2).
Calvör, a. a. O., II, Tab. 23 und 24.
1).
Pat. Nr. 854. John Purnell: New-invented Machine for making ship
bolts, large rounds rods of iron and steel, and iron and steel wire of various sizes,
that is in many respects for more serviceable and preferable than any method
that has hitherto been made use of for that purpose.
1).
Derselbe ist abgedruckt in den Descriptions des arts et métiers ed. Bertrand,
Vol. XV, p. 277 und in der Encyklopädie Methodique; Arts et Métiers mécaniques.
Art. fer. Fernere Nachrichten finden sich in Dietrich, Descriptions des gites de
minerai etc., Vol. II, p. 31.
1).
Mitgeteilt in der Encyklopädie Methodique, Art. fer.
1).
Diese Patentbeschreibung Nr. 1857 ist mit Zeichnungen versehen. Siehe
Abridgments, S. 25; wir kommen auf das Walzverfahren bei der Geschichte
von England zurück.
2).
Nach Dietrich, Descriptions des gîtes de minerai et des bouches à feu
de la France, Tome II, p. 346, wo gesagt wird, daſs Joh. v. Dietrich ein Blech-
walzwerk zu Rauschendwasser nach dem Muster des zu Neuwied betriebenen
errichtet habe.
1).
Samlingar i Bergsvettenskapen, af Svedenstjerna och Lidbeck, I, H. 2,
p. 93. Om Stålgarfningen vid Suppes i Frankrike etc. (v. Svedenstjerna).
1).
Vergl. Abhandl. d. Schwed. Akad. von 1772 und Rinman, Bergwerks-
Lexikon, S. 1104.
1).
Siehe Sven Rinman, Afhandl. rör. Mech. 1794, Tom. II, p. 263.
1).
Description de l’art de fabriques les canons, faite en exécution de l’arrété
du Comité de Salut public, au 18 pluviôse de l’an 2 de la République française,
une et indivisible, par Gaspard Monge. Paris, an 2 de la republique française.
1).
Watt soll schon 1779 eine Dampfmaschine für Chaillot gebaut haben.
1).
Plumier, L’art de tourner. Paris 1754. Morin, L’art de tourner en perfection.
De la Hire, Machines approuvés par l’academie 1719. De la Condamine, eben-
daselbst 1733 u. s. w.
1).
Aus Lampadius, Handbuch der Hüttenkunde, Tl. II, Tab. L.
1).
Vergl. auch Hoffmann, Neues Bergmännisches Journal 1802, S. 255.
2).
Ein solcher Ofen ist abgebildet in Hermann, Über die Frage: Worin
besteht der Unterschied zwischen Roheisen und Frischeisen, Tab. II, Fig. 3.
3).
Siehe Stünkel, Eisenhütten am Harz, S. 345.
1).
Karstens Eisenhüttenkunde, Tab. 42, 8 bis 10.
1).
Siehe Svedenstjernas Reise durch England 1802/3, S. 143.
1).
Graf Joachim von Sternberg, Versuch über das vorteilhafteste Aus-
schmelzen des Roheisens u. s. w., Prag 1795.
1).
Zuerst in seiner Inauguraldissertation 1754, dann gründlicher in einer
besonderen Abhandlung 1755.
2).
Siehe Kopp, Geschichte der Chemie, Bd. I, S. 328.
1).
Kopp, a. a. O., Bd. I, S. 305.
1).
Mem. de l’Acad. des Sciences A. 1786, p. 204. Deutsch in Crells Chemi-
schen Annalen von 1794, S. 353, 460, 509.
1).
Siehe Annales de Chimie, T. XXXI, p. 328 und Gilberts Annalen III, S. 65.
1).
Siehe v. Justi, Ges. chymische Schriften, III, S. 323.
1).
„40 Fuſs hoch“ steht im Text, zweifellos ein Druckfehler; es muſs wohl
entweder 4 Fuſs oder 40 Zoll heiſsen.
2).
Vergl. Wille, Übersetzung von du Coudray, Eisenmanipulation auf der
Insel Corsica. Leipzig 1786. Einleitung S. IX.
1).
Siehe Baron de Diedrich, Descript. des gites de minerai des Pyrenées,
p. 78.
1).
Siehe M. de la Peyrouse, Deutsche Ausgabe, S. 113.
1).
Ein Sack Kohlen = 5 Kubikfuſs = 70 Pfund.
1).
Norberg, a. a. O., S. 28.
1).
Baron de Dietrich, Description des forges etc. des Pyrenées 1787
p. 530.
1).
In John Woods Patent (Nr. 759) heiſst es: Cast iron may be melted
in an air furnace and granulated by pouring it into water upon a revolving wheel
or roller.
2).
In dem Patent steht: The metal is then heated in pots or other close
vessels in an air furnace by means of a strong coal fire, until the impuritics con-
tained in the iron and the fluxes applied thereto are fused and run together into
a cinder or slag, and the iron is brought into a tough and malleable state, where-
upon it is hammered into bars or other formes. — The fluxes employed may be
run-slag or cinder, scales or scoria of iron, fusible sand and lime, kelp, soapers-
waste.
1).
Siehe W. A. Tiemann, Bemerkungen und Versuche über das Eisen 1799.
1).
Siehe Tunner, Der wohlunterrichtete Hammermeister, Bd. II, S. 54.
1).
Siehe Hassenfratz, Das Wichtigste aus der Eisenhüttenkunde, Bd. I, S. 45.
1).
Smiles, Industrial biographies, p. 136.
2).
Smiles, a. a. O., p. 87.
1).
Smiles, a. a. O., p. 88.
1).
Eng. Pat. Nr. 1357. Siehe Abridgments of the specific. rel. t. the manufact.
of Iron and Steel, p. 17.
1).
Engl. Pat. Nr. 1370, s. Abridgments, p. 18.
1).
Siehe Abridgments, p. 21; Percy, Iron and Steel, p. 627; Wedding,
Eisenhüttenkunde, Bd. III, S. 114.
1).
Es scheint fast, als ob diese ausdrückliche Erklärung gegen Onions
gerichtet ist.
1).
Nach Webster betrugen dieselben 1789 schon 15000 £, 1791 aber bereits.
25000 £, siehe Memoir of Henry Cort in Mechanic’s Magazine, 15. Juli 1859.
2).
Siehe Percy, a. a. O., S. 631.
1).
Siehe Lampadius, Allgemeine Hüttenkunde, II. Teil, Bd. IV, S. 98.
1).
Siehe Percy, a. a. O., S. 625.
2).
Siehe Percy, a. a. O., S. 633.
3).
Siehe Karstens Eisenhüttenkunde, Aufl. von 1816, S. 989.
1).
Siehe Annales des Mines, Nr. 5.
2).
In Annales d’Agriculture d’Arthur Young, Nr. 70.
3).
L. c., Tome I, p. 5.
4).
Siehe Journal des mines, Nivose an XIII, Nr. 100, Dez. 1804, Jan. 1805,
Paris, p. 245.
1).
Nach einem älteren Berichte von Thomas P. Smith aus Philadelphia,
der sonst nicht hervorragend ist, wurde das gefeinte Eisen in kleinen Stücken auf-
gegeben, eingeschmolzen und zu Granalien zerrührt, weshalb er den Puddelofen
Granalienofen (fourneau à grenailler) nennt. Siehe Annales des mines Nr. 73,
p. 57.
1).
Annales des arts et manufactures 1805, Nr. 2. Molls Ephemeriden der
Berg- u. Hüttenkunde, Bd. III, S. 505.
1).
Geschichte eines Versuches, Torfkohlen beim Eisenhammerwerk zu
gebrauchen. — In den ökonomischen Nachrichten der patriotischen Gesellschaft
in Schlesien für 1773, Nr. 332.
2).
Siehe Molls Jahrbücher für Berg- und Hüttenkunde, Bd. IV, 2. Teil,
S. 281.
1).
Siehe Karsten, Handbuch der Eisenhüttenkunde von 1816, Bd. I, S. 420.
1).
Siehe Garney, a. a. O., S. 289 u. s. w.
1).
Siehe Tölle und Gärtner, Eisenhüttenmagazin, S. 94. — Wir nehmen
bei unserer Umrechnung in Meter den Fuſs nach braunschweigischem Maſs zu
0,285 m an.
1).
Tiemann, Eisenhüttenkunde, §. 226.
2).
Die Weite im Kohlensack ist weder in diesen noch in den vorigen
Angaben mitgeteilt.
1).
Becher, a. a. O., S. 575.
2).
Siehe Grignon, Mémoires de Physique, p. 95.
1).
Man darf nicht vergessen, daſs die Produktion eines Kokshochofens zu
jener Zeit kaum gröſser war als die eines Holzkohlenhochofens.
1).
Siehe Sir John Sinclair, Statistical account of Scotland 1792.
1).
Siehe St. John v. Day, The iron and steel industries of Scotland, p. 34.
2).
Sir John Sinclair, a. a. O., und John Roebuck, Transact. of the R.
Soc. of Edinburgh, Vol. 5, Pt. Nr. 2, und Gilberts Annalen der Physik, Bd. IX,
S. 45.
1).
Siehe Journal des Mines, an XIII, p. 245. Moll, Ephemeriden der Berg-
und Hüttenkunde 1805, Bd. I, S. 383.
1).
Lampadius, Handbuch der allgemeinen Hüttenkunde. Zweiter Teil,
Bd. IV, Tab. H, Fig. 2.
2).
Desgl. Zweiter Supplementband, S. 277.
1).
Siehe Mem. de l’Acad. des Sciences à Paris pour 1786, p. 456.
1).
Siehe Garney, Vom Bau und Betrieb der Hochöfen u. s. w., Bd. II,
S. 346.
1).
Marcher, Beiträge zur Eisenhüttenkunde, I. Tl., Bd. XII, S. 113.
1).
Nach Monge, Description etc. a. a. O., Pl. VII, Fig. 1, 2, 3.
1).
Andere Nachrichten nennen einen Miller von Dalwinton als den
Erfinder.
2).
Nach einer anderen Nachricht soll Melville dieselben 1752 im Hafen
von Cork erfunden haben (?).
1).
Siehe Svedenstjerna, a. a. O., S. 69.
1).
Siehe Haarmann, Das Eisenbahn-Geleise, 1891, S. 17.
1).
Hutchinsons antiquities of Durham.
2).
Smiles, Industrial biography, p. 90.
1).
Siehe Handelszeitung 1785.
1).
Siehe auch Hildts Handlungszeitung 1798, S. 260. Beckmanns Phys.
ökonom. Bibliothek, Bd. XX, S. 233. Blumhof, Encyklopädie, Bd. I, S. 501.
1).
Siehe Norberg, a. a. O., S. 44.
1).
Ein ausführlicher Bericht über den Sturzofen von Atwidaberg von dem
berühmten Garney findet sich bei Norberg, a. a. O., S. 47 Anmerkung.
1).
Siehe Jos. Collier, Observ. on iron and steel, 18. Nov. 1796. Manchester
Memoirs, Vol. V, P. I, p. 109. — Annales des Arts et manufactures, T. I, p. 34.
2).
Broling, Anteckningar under en Resa i England, årn 1797, 1798, och
1799 med snedare Tilläggningar. Stockholm 1817.
1).
Annales de Chimie, T. XXXI, p. 378, Procès-verbal de la conversion du
fer doux en acier fondu par le diamand, par Guyton; deutsch in Crells Chem.
Annalen 1800, Bd. I, S. 433.
2).
Journal de Physique, II, p. 46, Clouets und Chaluts erste Versuche
1788; Journal des Mines, an VII (1799), Nr. 43, p. 3, Resultats et experiences sur
les différents états de fer par Clouet enthält die weiteren Versuche; Annal. de
Chimie, T. XXVIII, p. 19 — 39, Rapport sur les resultats des expériences du Cit.
Clouet, sur les différents états du fer, et pour la conversion du fer en acier fondu
fait par Guyton, le 16 Messidor an VI (1798); deutsch in Crells Chem. Annal.
1800, Bd. II, S. 55.
1).
Journal des mines, Tome 15 (Nr. 90), p. 421, Clouet, Sur l’art de fabri-
quer les lames figurées, dites lames de Damas; deutsch im Journal für Fabrik. etc.
XXXIII, S. 308.
1).
Siehe Nova Acta Acad. Imp. Petrop., Vol. XII, 1801, p. 352 und daraus
in Crells Chem. Annalen 1802, S. 13. Versuche über den Damascener Stahl von
H. R. Hermann; vergl. Chem. Annalen 1792, Bd. II, S. 99 und Hildts Handlungs-
Zeitung 1793, S. 115.
2).
Siehe Transactions of the Royal Soc. 1795, p. 322.
1).
Siehe Philos. Transactions 1795, p. 326.
2).
Siehe On welding cast steel by Sir Thomas Frankland, Philos. Transact.
1795, P. II. Deutsch von Buschendorf in Journal für Fabrik. etc., Bd. XVII,
Juli 1799, S. 49.
1).
Siehe Dr. G. Schönberg, Handbuch der politischen Ökonomie, S. 846.
1).
Wilhelm Roscher, System der Volkswirtschaft, Bd. III, S. 657.
1).
Siehe Krünitz, Encyklopädie, Bd. X, S. 625.
1).
Siehe Biedermann, Geschichte des 18. Jahrhunderts, Bd. I, S. 388 u. s. w.
1).
Siehe Krünitz, a. a. O., S. 674, wo ein „Avertissement wegen der Verkaufs-
preise der Eisen- und Blechwaren in der Mark Brandenburg vom 12. Oktbr. 1768“
abgedruckt ist.
1).
S. v. Pantz und Atzl, Versuch einer Beschreibung der vorz. Berg- und
Hüttenwerke des Herzogtums Steiermark. Wied 1814. S. 9. — Tunners Jahr-
buch, III. bis VI. Jahrgang, S. 217.
1).
Die Höhe der Stücköfen zu Vordernberg betrug nach Swedenborgs An-
gabe 14 Fuſs.
1).
Eine Tabelle der Produktion der Innerberger Hauptgewerkschaft von 1751
bis 1767 findet sich „Schauplatz der Künste und Handwerke XI“ auf S. 58.
1).
S. v. Pantz und Atzl, Beschreibung der Berg- und Hüttenwerke von
Steiermark 1814, S. 328.
1).
Die Litteratur über das steirische Hütten- und Hammerwesen im vorigen
Jahrhundert ist verhältnismäſsig reich. Auſser den betreffenden Abhandlungen in
Swedenborgius, de ferro, De Courtivron et Bouchu in den Descriptions des
arts et métiers erwähnen wir Schreber, Schauplatz der Künste und Handwerke
1772, Bd. XI, S. 57. — J. J. Ferber, Abhandlungen über die Gebirge und Berg-
werke in Ungarn nebst Beschreibung des Steirischen Eisenschmelzens und Stahl-
machens von einem Ungenannten 1780. — Schweighöfers Abhandlung von
dem Kommerz der österreich. Staaten, 1785. — Klinghammer, Von Eisenwerken
und Stahlfabriken in Steiermark, 1788. — F. B. J. Hermann, Beschreibung der
Manipulationen, durch welche in Steiermark, Kärnten und Krain der Bres-
cianer Stahl verfertigt wird, 1781. Desgl. Reisen durch Österreich, Steiermark,
Kärnten etc. 1786. — Beschreibung der Eisenberg- und Hüttenwerke zu Eisen-
erz etc. Wien 1788. — Hacquet’s mineralogisch-botanische Reise zu dem
Glockner 1779 und 1781. Viele Angaben aus dem vorigen Jahrhundert finden
sich ferner in von Marchers Beiträgen und in dessen Notizen über den Betrieb
der Hochöfen und Rennwerke.
1).
v. Marcher, Notizen u. s. w. §. 123.
2).
S. Schweighofer, Abhandlung von dem Kommerz der österreich.
Staaten. Wien 1785.
1).
S. Münichsdorfer, Geschichte des Hüttenberger Erzberges, S. 97.
1).
Vgl. die ausführliche Schilderung bei Münichsdörfer, a. a. O., S. 115.
2).
Abgedruckt in Wagners Corpus juris metallici.
1).
S. Münichsdorfer, a. a. O., S. 114.
1).
Hacquet, Lustreise vom Terglou zum Groſsglockner, S. 27.
1).
Aus dem Archiv des K. K. Revier-Bergamts zu Laibach, abgedruckt in
den interessanten Aufsätzen „Das Eisen in Krain“ von A. Müllner in der Zeit-
schrift Argo 1895 — speciell Nr. 3, S. 38.
2).
A. a. O., S. 40.
1).
S. Argo 1895, Nr. 1, S. 10.
1).
Vgl. Oryctographia Carniolica, 1778.
2).
S. v. Marcher, Notizen über den Betrieb der Hochöfen und Rennwerke,
3. Heft, § 97, wo sich vergleichende Tabellen über den Stuck- und Floſsofen-
betrieb zu Feistritz finden.
1).
S. v. Marcher, Notizen über den Betrieb der Hochöfen und Rennwerke,
3. Heft.
2).
A. a. O., §. 99 etc.
1).
Siehe Molls Jahrbücher der Berg- und Hüttenkunde, woselbst sich eine
genaue Beschreibung des Werkes von 1774 befindet.
1).
Siehe die weiteren Lohnsätze in Moll, a. a. O., Bd. I, S. 62.
2).
Siehe Jars, a. a. O., Bd. I, Abt. 4 und Molls Jahrbuch, Bd. I, S. 10.
1).
Preiscourant in Schweighofers Abhandlung von dem Kommerz der
österreichischen Staaten. Wien 1785.
1).
Siehe Ferber, Beiträge zu der Mineralgeschichte von Böhmen, S. 15.
1).
Siehe Berg- u. hüttenmänn. Zeitung, S. 357.
1).
Siehe Marcher, Notizen etc., 5. Heft, S. 5 etc. Ältere Nachrichten von
1747 siehe Lempes Magazin für Bergbaukunde, Bd. X, S. 231.
2).
Siehe Francisci, Umständliche Beschreibung der zu Neusohl in Ungarn
neu angelegten Eisenfabrik, Breslauer Sammlung 1726, 38. Versuch.
3).
Siehe Marcher, Notizen etc. 5. Heft, §. 169.
4).
Siehe Delius, Anleitung zu der Bergbaukunst. Wien 1773.
1).
Siehe Lori, Sammlung des bayerischen Bergrechts CCCXIX.
2).
Freiherr v. Hofmann, Abhandlung über die Eisenhütten 1785, S. 45.
1).
Siehe Julius Schall, Geschichte des Königl. Württemb. Hüttenwerkes
Wasseralfingen. Diese neu erschienene, vortreffliche Monographie gelangte erst
während der Drucklegung dieses Bogens, durch die Güte des Herrn Bergrat
Wepfer, in die Hände des Verfassers.
1).
Siehe A. Münch, die Erzgruben und Hammerwerke im Frickthal, S. 22.
1).
Siehe Akten der Mariot v. Langenau — nassauisches Landesarchiv zu
Wiesbaden.
1).
Vgl. Habel, Beiträge zur Naturgeschichte und Ökonomie der Nassauischen
Länder, Dessau 1779.
2).
Riemann, Beschreibung des Bergreviers Wetzlar, 1878.
1).
Becher, Mineral. Beschreibung der oranien-nassauischen Lande, S. 122.
2).
Genauere Angaben über diese Versuche s. Becher, a. a. O., S. 123.
1).
Auf Grund einer Karte des Fürstentums Wied von 1772.
2).
S. Wagner, Corpus juris metallici, S. 794 etc. Erneuerter Kurbrief der
Massenbläser und Hammerschmiede, den 1. Januar 1728 — ist eine Konfirmation
der Rechte und Pflichten der Hammerschmiede des Fürsten Wilhelm Moritz
vom 16. September 1684 und dessen Sohn Friedrich Wilhelm Adolf vom
1. November 1705. In dem Archiv des Kgl. Oberbergamts zu Bonn befinden sich
folgende Kurbriefe:
Der löbl. u. uhralten Massenbläser- und Hammerschmiedszunft Chur- und
Artikul-Brieff, beneben der Bergordnung von 1516. — Kurbrief für die Freuden-
berger Stahlschmiede d. a. 1684. — Massenbläser und Hammerschmiede erneuerter
Churbrief d. a. 1705. — Kurbrief der Massenbläser u. Hammerschmiede der refor-
mierten Linie d. a. 1728. — Erneuerter Kurbrief der Stahlhändler und Stahlschmiede
des evangel. Landes-Amts Crombach, Ferndorf und Hilgenbach d. a. 1731. —
Erneuerter Kurbrief für die Massenbläser der Stahlhütten des Müsener Stahlbergs
d. a. 1732.
1).
Wir verweisen auf die gediegene Abhandlung von Schenk, Nachricht
von den Haubergen im Fürstentum Nassau-Siegen in Schlettweins Archiv,
Bd. III, S. 420.
1).
Weitere Angaben findet man bei Becher, a. a. O., S. 584 etc.
1).
Cancrinus, Bergwerke in Hessen 1767, S. 50.
1).
Quantz, Eisen- und Stahlmanupulation der Herrschaft Schmalkalden 1799,
Einleitung, V.
1).
Siehe Handlungszeitung 1788, S. 193.
1).
Siehe H. Anschütz, die Gewehrfabrik in Suhl 1811, S. 26.
1).
Siehe v. Hofmann, a. a. O. 1785, S. 62.
1).
Siehe v. Hofmann, a. a. O., S. 74.
1).
Siehe Herwig, Beschreibung der Herrschaft Schmalkalden 1780, S. 33,
wo sich eine genaue Beschreibung der Schwarz- und Weiſsblechfabrikation auf
der Katzhütte findet.
1).
J. G. Stünkel, Beschreibung der Eisenbergwerke und Eisenhütten am
Harze. Göttingen 1803. v. Hofmann, a. a. O., S. 58.
2).
Siehe Dr. H. Achenbach, Die Verfassung des Kommunion-Harzes. Zeit-
schrift für Bergrecht, Bd. VIII, S. 66.
3).
Chr. Böse, Generalhaushaltungs-Principia und vom Harz, 1753, S. 83.
1).
Siehe Wagner, Corp. jur. met., p. 1103.
1).
Siehe Calvör, a. a. O., S. 111.
1).
Stünkel, Beschreibung der Eisenbergwerke und Eisenhütten am Harz
1803, S. 89.
2).
Quantz, a. a. O., Einleitung XI.
1).
Hierbei ist der gleiche Kohlenpreis wie 1786 angenommen.
1).
Siehe Gmelin, Geschichte des deutschen Bergbaues, S. 189.
1).
„Uns wird allhier der Centner Eisen und Blech zu 110 Pfd. ausgewogen.“
1).
Die nähere Beschreibung davon s. Stünkel, a. a. O., S. 125.
1).
Ein Verzeichnis der Guſswaren der Königshütte giebt Stünkel, a. a. O.,
S. 168.
1).
Siehe Stünkel, a. a. O., S. 213.
2).
Über die Ursachen der langen
Ofencampagnen s. Stünkel, a. a. O. S. 256 etc.
1).
Vergl. Stünkel, a. a. O., S. 281.
1).
Siehe Lampadius, Handbuch der allgemeinen Hüttenkunde, II. Theil,
Bd. IV, S. 156. 1810.
1).
Siehe Acta der Untersuchungen deren in dem Fürstentum Blankenburg
befindlichen Eisenhüttenwerken zu Braunlage, Rübeland, Altenbrack und Neuen-
werk betr. etc. 1724 und 1725. Stahl und Eisen 1891, S. 222.
1).
Vergl. v. Hofmann, a. a. O., S. 61.
2).
Tölle und Gärtner, Eisenhüttenmagazin S. 117 und 186.
1).
Siehe Wedding, a. a. O., S. 28.
1).
2½ Wage = 1 Centner, 1 Wage = 40 Pfund Nürnberger Gewicht.
2).
v. Hofmann, a. a. O., S. 57.
3).
v. Hofmann, a. a. O.
1).
Siehe v. Hofmann, a. a. O., II., S. 21.
1).
Siehe Geschichte und Feier des 1. Jahrhunderts des Eisenwerkes Lauch-
hammer am 25. August 1825; gedruckt zu Dresden.
1).
Vgl. Lampadius a. a. O. II, 4, S. 99.
1).
Siehe Cramer, Brandenburg VIII, S. 40.
1).
Siehe v. Hofmann, a. a. O., S. 81.
1).
Siehe „Die Manufakturen und Fabriken Deutschlands“. 1780. II. S. 55.
2).
Siehe Cramer, Beiträge zur Geschichte des Bergbaues in der Provinz
Brandenburg, VIII, 16.
1).
Siehe v. Hofmann, a. a. O., S. 43.
1).
Siehe „Nov. corp. Const. Brandenb.“ V. Teil. Anfang der II. Abteilung,
Kap. X, 1735.
2).
Siehe Sprengels „Handwerke und Künste“, V. Sammlung.
1).
Die preuſsische Hütten- und Hammerordnung von 1769 findet sich abge-
druckt in Wagners Corpus jur. metal. S. 1156.
1).
A. Serlo, Beitrag zur Geschichte des schlesischen Bergbaues in den
letzten 100 Jahren. 1859. S. 101.
1).
Der Erlaſs ist abgedruckt in L. Wachler, Geschichte des ersten Jahr-
hunderts der kgl. Eisenhüttenwerke zu Malapane von 1753 bis 1854. Glogau 1856. S. 4.
1).
Siehe v. Carnall, Das Denkmal des Ministers Grafen von Reden zu
Königshütte. Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen im preuſsischen
Staate I. S. 204.
2).
Siehe Dr. Max Sering, Geschichte der preuſsisch-deutschen Eisenzölle.
1882. S. 266.
1).
Siehe M. Sering, a. a. O., S. 270.
1).
Siehe Pertz, Das Leben des Freiherrn vom Stein I. S. 20.
1).
Die erste war die zu Burggerner im Mansfeldischen (S. 541). Diesen
folgten bald mehrere andere, die im eignen Lande, erst zu Malapane, dann zu
Gleiwitz hergestellt wurden. Die Cylinder lieſs man anfänglich aus England
kommen. Den Genannten folgte 1791 eine 40 zöllige, 1793 eine 48 zöllige, 1796
eine 40 zöllige, 1798 eine 24 zöllige.
2).
Ich verdanke die Mitteilung dieses Briefes der Güte der Herren de Diet-
rich u. Co
. zu Niederbronn.
1).
Siehe Bergmännisches Journal von Köhler, 5. Jahrgang. Bd. I. S. 148
und 3. Jahrgang. Bd. I. S. 319 (1790).
1).
Schlesisches Provinzialblatt 1790, St. 2, S. 141.
1).
Vgl. Gründungsgeschichte der Eisen- und Stahlwarenfabrik Königshuld in
Oberschlesien von H. Fechner. Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Salinen-
wesen in Preuſsen. 20. 1891. S. 279.
1).
Nach Lampadius, Hüttenkunde. II. Bd. 4. Tab. H, Fig. 2. Siehe
ferner die Beschreibung von Daubuisson im Journal des mines. 1863. Nr. 84,
p. 455.
1).
Wiebmer, Hochofenanlage und Hochofenbetrieb auf der königl. Eisen-
gieſserei bei Gleiwitz. Zeitschr. f. d. Berg-, Hütten- und Salinenwesen im preuſs.
Staate. 1874. S. 253.
1).
Mitgeteilt in Jordan und Hasse, Magazin der Eisenberg- und Hütten-
kunde. 1808. S. 187.
1).
Siehe Eversmann, Eisen- und Stahlerzeugung zwischen Lahn und
Lippe. 1804. S. 88.
1).
Nachstehende Mitteilungen über die Familie Remy, die Bendorfer Hütte
und das bekannte Eisenwerk Rasselstein bei Neuwied verdanke ich der gütigen
Mitteilung des Herrn Främbs, Direktor der Rasselsteiner Eisenwerks-Gesellschaft.
1).
Siehe Eversmann, a. a. O., S. 124.
1).
Siehe Eversmann, a. a. O., S. 407.
1).
Siehe Eversmann, a. a. O., S. 343.
1).
Siehe Eversmann, a. a. O., S. 364.
1).
Siehe Eversmann, a. a. O., S. 227.
1).
Über Materialaufwand, Kosten u. s. w. siehe Eversmann, a. a. O., S. 336 u. s. w.
1).
Siehe Eversmann, a. a. O., S. 244.
1).
Siehe Eversmann, a. a. O., S. 254.
1).
Siehe Eversmann, a. a. O., S. 261.
2).
Siehe Jacobi, das Berg-, Hütten- und Gewerbewesen des Regierungs-
bezirks Arnsberg. 1857, S. 335.
1).
Siehe Jacobi, Berg- und Hüttenwesen des Regierungsbezirks Arnsberg,
S. 409.
1).
Im Jahre 1745 ist zwischen der Altenaischen Draht-Stapel-Kompanie und
den dasigen Drahtreidemeistern und Fabrikanten ein Kontrakt errichtet und von
Sr. Majestät dem König von Preuſsen am 22. Junius bestätigt worden.
1).
Siehe Jacobi, a. a. O., S. 336.
1).
Siehe Pertz, a. a. O., S. 75.
1).
Siehe Eversmann, a. a. O., S. 289, wo er seine gemachten Erfahrungen
mitteilt.
2).
Siehe Eversmann, S. 295 Anmerk.
3).
Siehe Grevel, Die Gute Hoffnungs-Hütte. 1881, S. 4.
4).
Clemens Pfandhöfer war von Hause aus Weber; mit gesundem
Menschenverstand, Beharrlichkeit und Zuversicht ausgerüstet, hatte er sich
im Siegenschen zum Hüttenmeister emporgearbeitet.
1).
Eberhard Pfandhöfer hatte alles, was er erworben hatte, wieder ver-
loren und kehrte zum Webstuhle zurück. Nicht lange danach bot sich ihm neue
Gelegenheit, seine hüttenmännischen Kenntnisse zu bethätigen, indem ihm der
Bau einer Eisenhütte in Oberyssel übertragen wurde.
1).
Siehe Eversmann, a. a. O., S. 371.
1).
Siehe Eversmann, a. a. O., S. 387.
2).
Siehe Jung, Eisen- und Stahlgewerbe in dem Herzogtum Berg. Bemer-
kungen der kurpfälz. ökonom. Gesellschaft von 1780. S. 98.
1).
Siehe Thun, die Industrie am Niederrhein, II, S. 34.
1).
Siehe Wiebeking, Beiträge zur kurpfälzischen Staatengeschichte. 1792.
1).
Siehe: Der Kreis Lennep von J. Voſsnack und O. von Czarnowsky,
1854, S. 72 und Peter Hasenclever, Landshut, 1794.
1).
Siehe Thun, a. a. O., S. 111.
1).
Siehe Eversmann, a. a. O., S. 420.
1).
Bärsch, Eiflia illustrata III, 2, p. 480.
1).
W. Dunker, Bergrevier Koblenz II, S. 63 bis 65.
2).
A. Haſslacher, Das Industriegebiet an der Saar und seine hauptsäch-
lichsten Industriezweige, Saarbrücken 1879, und von demselben, Beiträge zur
älteren Geschichte des Eisenhüttenwesens im Saargebiete, Berlin 1896.
1).
Haſslacher, Geschichtliche Entwickelung des Steinkohlenbergbaues im
Saargebiet. Zeitschr. für Bergbau, Hütten- und Salinenwesen im preuſs. Staate.
Bd. XXXII B. S. 461.
2).
Siehe Haſslacher, Beiträge zur älteren Geschichte im Saargebiete.
S. 16.
1).
J. Ph. Becher, Mineral. Beschr. d. oranien-nassau. Lande, 1789.
1).
Siehe Eversmann, Eisen- und Stahlerzeugung zwischen Lahn und Lippe.
1804. S. 412.
1).
Siehe Journal des Mines. Ann. IV.
2).
J. Franquoy, Des progrès de la fabrication des fer dans le pays de Liège
1861, p. 76.
1).
Siehe Koch, Bergrechtliche Zustände im Herzogtum Lothringen, Zeitschr.
für Bergrecht. Bd. XIII, S. 470.
2).
H. Lepage, Recherches sur l’Industrie en Lorraine. Mém. de la Soc.
des Sciences de Nancy 1850, p. 413.
1).
Das Folgende nach gefälligen Mitteilungen der Herren de Wendel zu
Hayingen.
2).
Nach einer anderen Nachricht erwarb er den Hammer La Marolle im
September 1715 von Philippe du Conne, einem Erben des Marquis de Ma-
rolles
.
3).
Lepage, a. a. O., p. 419.
1).
Baron de Dietrich, Description des gîtes de minerai des Pyrénées.
Tableau des forges des généralités de Pau et d’Auch, wo man auch die Namen der
Hütten und ihrer Besitzer verzeichnet findet.
1).
Swedenborgius, de ferro, p. 142. Wir folgen genau der Schreibweise
des Verfassers, obgleich viele Namen zweifelhaft erscheinen.
1).
Siehe Reaumur, L’art de convertir le fer forgé en acier. p. 245.
1).
Siehe Grignon, Mémoires de physique etc. p. 109 und Tab. V und VII,
wo der Hochofen von Urville, dessen sich Grignon bediente, abgebildet ist.
2).
Siehe Annales des Arts et Manufactures. Tab. I, p. 225.
3).
Die nachfolgenden Notizen sind aus Les anciens mineralogistes du Royaume
de France. 1779.
1).
Näheres über sein Leben siehe Fréderic de Dietrich, premier maire
de Straſsbourg, par Louis Spach, 1857.
1).
1 Klafter = 112 lothringischer Kubikfuſs, oder 98 Kubikfuſs 864 Kubik-
zoll französisches Maſs.
1).
Vollständig abgedruckt a. a. O. III, S. 356.
1).
Description des Gîtes de Minerai, forges etc. de l’Alsace.
1).
Der Klafter zu 168 Kubikfuſs berechnet.
1).
Beschreibung von M. Barin, Traité sur l’acier d’Alsace, ou l’art de con-
vertir le fer de fonte en acier. Straſsburg 1737.
1).
Nach der Tabelle 7000 Ctr. Eisen mit 1888 Klftr. Holz.
1).
Wir tragen hier kurz noch einige biographische Notizen der freiherrlichen
Familie von Dietrich nach. Dieselbe stammt ursprünglich aus Lothringen, von
wo der protestantische Stammvater in der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. in Straſs-
burg einwanderte, wahrscheinlich infolge der religiösen Verfolgungen. Er heiratete
die Tochter des Bürgermeisters Heller. Ein Enkel beider war der aus der Geschichte
1).
bekannte Dominik Dietrich (geb. 1620), welcher am 30. Sept. 1681 als regie-
render Bürgermeister den Kapitulationsvertrag mit Frankreich abschloſs. Ein
Enkel dieses war der groſse Eisenindustrielle, dem das elsäſsische Eisenhütten-
wesen so viel verdankt, Baron Johann von Dietrich (geb. 1719). Er er-
reichte ein hohes Alter und überlebte seinen unglücklichen gelehrten Neffen, der
als Bürgermeister von Straſsburg 1793 auf dem Schaffot endete. Der Reichs-
freiherr von Dietrich, Herr von Reichshofen, von Oberbronn und Niederbronn,
Graf von Ban-de-la-Roche, Herr von Angeot u. s. w., starb 1795 in bitterer Sorge,
das stolze Werk seines Lebens durch die Stürme der Revolution der Vernichtung
nahe zu sehen. Sein Erbe war sein Neffe, Jean Albert Fréderic de Dietrich,
Sohn des hingerichteten Bürgermeisters von Straſsburg.
1).
Ferber, Mineral. und metallurg. Bemerkungen in Neuchatel, Franche-
Comté und Bourgogne im Jahre 1788. S. 49.
1).
Vandermonde, Monge und Berthollet schreiben in ihrem berühmten
Aufsatze über die Konstitution des Eisens 1786, „auf der Schmelzhütte zu Creusot
hat man kürzlich Öfen nach englischer Art angelegt und dabei Steinkohlen und
Dampfmaschinen angewendet“. Hier ist die Zeit der Inbetriebsetzung des voll-
endeten Werkes 1785 gemeint, während Ferbers Zeitangabe sich auf den ersten
Anfang des Baues oder die Konstituierung der Gesellschaft bezieht.
1).
Siehe Ferber, a. a. O., Fig. 5 und 6.
2).
Journal des Mines, An IV, Nivose, p. 18.
1).
Journal des Mines, Ann. III, Nr. IV, p. 3.
2).
Siehe Le Play, Mem. sur la fabrication et le commerce des fers à acier
dans le Nord d’Europe, Annales des mines, 4. Serie. T. IX, p. 209.
1).
Siehe Gay, Glossaire archéol. acier, p. 6.
1).
Journal de Mines, Nr. XXV an V (1797), p. 3.
1).
Siehe Perret, Mémoire sur l’acier, p. 15. Mémoires de la Société établie
a Genève etc. Tome I, p. 7 à Genève 1780.
1).
Nähere Angaben über diese Eisenwerke macht Baron von Dietrich in
Description des gîtes de minérai, forges etc. de la haute et basse Alsace. 1789.
2).
Siehe Journal des Mines, Nr. I, p. 65.
1).
v. Justi, Schauplatz etc. III, S. 47.
2).
A. a. O. III, S. 35.
1).
Dillon, Travels through Spain 1780. Dillon, Joh. Talbot, Reise durch
Spanien. Aus d. Engl. 2. Tl. 1782.
1).
Introduction à l’histoire naturelle et à la géographie physique de l’Espagne.
Traduite de l’original Espagnole de Guillaume Bowles par le Vicomte de Fla-
vigny
, Paris 1776.
2).
J. A. F. Randel, Neuere Staatenkunde von Spanien, 1797.
1).
Observations de Mr. l’abbé Cavanilles-Paris.
2).
Siehe Randel, a. a. O., S. 144.
3).
John Talbot Dillon erzählt in seiner „Reise durch Spanien“, 1780, I,
S. 161: Es ginge noch die Sage, daſs dieses Erz zu den berühmten Schwertern
gebraucht worden sei, mit denen Katharina von Arragonien ihrem Gemahl,
Heinrich VIII. von England, ein Geschenk machte; von denen man noch
einige bei den Hochländern in Schottland antrifft, wo man sie unter dem Namen
Andreas Ferrara, als des Meisters, der auf der Klinge steht, sehr in
Ehren hält.
1).
Siehe Annales des mines, an 3 (1795), No. XI, p. 1.
2).
Siehe Jordan und Hasse, Magazin für Eisenberg- und Hüttenkunde,
1808, S. 59.
1).
H. de Villefosse, De la richesse minérale, T. I, p. 265. Siehe auch
Memorias economicas da Academia real des Sciencias de Lisboa. T. I, No. 10.
(Lisb. 1770.) Jore Martins da Cunha Pescoa über die Eisenwerke von Figuiero.
1).
Siehe Anderson, An history of the great commercial interrest of the
British empire III, S. 124.
2).
Una cum ¼ parte calcarii lapidis.
1).
Nisi cum scoriis vetustis vel cineribus carbonum fossilium commiscentur.
2).
Die englischen Ortsbezeichnungen sind bei Swedenborg meist unrichtig
gedruckt; wo die richtigen Namen nicht zu erkennen waren, haben wir die
Schreibweise des Originals beibehalten.
3).
Recrementa vetusta, sive quae prius ex fornacum focis emissa sunt, et
ferro foeta et praegnantia.
1).
H. Scrivener, History of the Iron Trade, p. 57.
1).
Nach Karsten I, S. 64. Smiles giebt sogar nur 18000 Tons an.
1).
H. Scrivener, History of the Iron Trade. Appendix, p. 325.
2).
Die Zahlen sind abgerundet. Wegen der genauen Angaben siehe Scrivener,
l. c., wo auch die Ausfuhrländer aufgeführt sind.
1).
Siehe Thomas Pennant, Reise durch Schottland, 1769. Deutsch 1779.
S. 186.
2).
St. John V. Day, The iron and steel industries of Scotland, p. 30.
1).
Siehe Scrivener, a. a. O., p. 120. Anmerkung.
1).
Siehe F. W. Taube, Schilderung der engländischen Manufakturen u. s. w.
Wien 1774.
1).
I can’t say, but that I admire John Wilkinson for his decisive, clear
and distinct character, which is, I think, a first-rate one of its kind.
1).
Nach Scrivener, S. 95, 1048 Tonnen bei den englischen und 948 Tonnen
bei den schottischen Hochöfen. Dort findet man eine genaue Tabelle aller Hoch-
ofenwerke in Groſsbritannien mit Produktionsangaben vom Jahre 1796.
1).
Siehe Smiles, Industrial Biographies, p. 93.
1).
Lardner, Cabinet Cyclopaedia. Vol. I, Cap. IV.
1).
Siehe Hilds, Handlungszeitung von 1785.
2).
Nach einer anderen Angabe in Hilds Handlungszeitung, S. 346, verar-
beitete man um 1784 in England an Stahl- und Eisenwaren für 4 Millionen Pfd.
Das Kapital, welches dazu verwendet wurde, betrug 10 Millionen Pfd.; die Zahl
der dabei beschäftigten Arbeiter 200000. Das Quantum Eisen, welches sie verar-
beiteten, betrug an 250000 Tons, wovon 55000 Tons eingeführt wurden.
1).
Siehe Näheres darüber Svedenstjerna, a. a. O., S. 78.
1).
Beschreibung einer im Sommer 1799 von Hamburg nach und durch Eng-
land geschehenen Reise von P. A. Nemnich. Tübingen 1800.
1).
Siehe Nemnich, Reise durch England 1799, S. 199.
1).
Näheres, namentlich über das Ausschmieden der Spatenblätter, siehe a. a. O.,
S. 144.
2).
Siehe weitere Nachrichten über das Kanonenbohren auf der Clydehütte,
a. a. O., S. 161.
1).
Mischler, Das deutsche Eisenhüttengewerbe, II, S. 118. Genauere Angaben
aus dem Jahre 1790 mit Angaben der einzelnen Werke und deren Besitzer befinden
sich bei Scrivenor (S. 359).
1).
Philosophical Magazine, Vol. II, p. 850.
1).
Siehe Dr. M. Meyer, Eisenhüttenwesen in Schweden, 1829, S. 21.
1).
Siehe Rinman, Eisen- und Stahlveredlung, S. 9.
2).
Swedenborgius, l. c., p. 62.
1).
E. Schepperus, de ferri confectione, 1725.
1).
Siehe Hausmann, Reise durch Skandinavien, 1806 und 1807, IV, S. 70
bis 103.
1).
Siehe Swedenborgius, loc. cit., p. 1.
1).
Vergl. auch Hausmanns Reise durch Skandinavien in den Jahren 1806
und 1807, Bd. III, S. 452.
1).
Siehe Meyer, a. a. O., S. 25.
1).
Büsching, Magazin für die neue Historie und Geographie, IV, S. 344,
wo noch weitere Statistik über die schwedischen Eisenwerke aus diesen Jahren
zu finden ist.
1).
Alle diese Verordnungen finden sich abgedruckt in Utdrag uteer publ.
Handl. I bis XI.
2).
Siehe Meyer, a. a. O., S. 83.
1).
Siehe hierüber Meyer, a. a. O., S. 87 und Garney, Bau und Betrieb
der Hochöfen, I, 33.
1).
Siehe Rinman, a. a. O., S. 84.
1).
Matthaei, die Industrie Ruſslands, 1877, I, S. 18.
2).
Siehe Ben. Joh. Friedr. Hermann, Versuch einer mineralogischen
Beschreibung des Uralischen Erzgebirges, 1789, Bd. I, S. 14.
3).
Siehe Swedenborgius, de ferro, p. 164.
1).
Siehe von Ordega, Die Gewerbepolitik Ruſslands, 1885, S. 40.
2).
Siehe Schnitzler, l’empire des Tsars, IV, S. 367.
1).
Siehe Norberg, Über die Produktion des Roheisens in Ruſsland, deutsch
von Blumhof, 1805, S. 4.
1).
Koffka wohl gleich Kowka. Auf der Karte kommen bei Jernbruck im
Newianskoi Sawod die beiden Ortsnamen Faedkowka und Faedkowska vor. Newi-
anskoi Sawod = Newiansk Hütte. Die alten Ortsnamen, die Swedenborg an-
giebt, sind, abgesehen davon, daſs sie vielfach falsch geschrieben sind, schwer zu
identifizieren.
1).
Im Gegensatz zu Leibeigenen.
1).
Hermann berichtet von einem Probeschmelzen in Newiansk, wobei ein
Ofen in 8½ Monaten über 70000 Ctr. Roheisen lieferte, also etwa 14 Tonnen in
24 Stunden.
1).
Weitere Angaben findet man bei Norberg, a. a. O., Beilage I.
2).
Siehe Matthäi, a. a. O., I, S. 20.
1).
Genaueres hierüber vergl. Hermann, a. a. O., I., 279.
1).
Siehe Hermann, a. a. O., S. 305.
1).
Siehe Hermann, a. a. O., II., S. 229.
2).
Siehe Hermann, a. a. O., I., S. 412.
3).
Ausführlichere Nachrichten über die Zustellung russischer Hochöfen vergl.
Norberg, a. a. O., Beilage Nr. 1.
1).
Später, 1796, gab Hermann den Abbrand auf 30 Proz., den Kohlen-
verbrauch auf 3½ Pfd. für 1 Pfd. Roheisen an.
1).
Siehe Norberg, a. a. O., S. 6.
2).
Gascoigne blieb in Ruſsland, behielt die Leitung der kaiserlichen Gieſse-
reien und starb 1805 als Staatsrat.
1).
Vergl. Norberg, a. a. O., Beilage I.
2).
Nach Hermann (Bemerkungen über den Eisenhüttenhaushalt, S. 16)
wurden anfangs nur zwei Hochöfen von auffallenden Dimensionen angelegt. Sie
waren nur 17½ Fuſs hoch, 8 Fuſs im Kohlensack, dagegen im Gestell nur 1¼
und in der Gicht 1½ Fuſs weit; die Form lag 1½ Fuſs über dem Boden. Beide
Öfen wurden mit einem Cylindergebläse mit vier Cylindern von 4 Fuſs 3 Zoll
(engl.) Weite und 4 Fuſs 6 Zoll Höhe betrieben, deren Kolben von Holz mit
Lederliderung waren. Der Wind aus den vier Cylindern trat in einen liegenden
Cylinder, der als Reservoir diente. Als Motor diente ein Wasserrad von 24 Fuſs
Höhe. Beide Öfen produzierten pro Woche nur 3400 Pud, ein Ofen demnach
3978 kg pro Tag.
1).
Bergwerkslexikon, Art. Eisen, II, S. 492.
2).
Siehe Schönberg, Handbuch der politischen Ökonomie, 1882, S. 887.
1).
A. Thun, Landwirtschaft und Gewerbe in Mittelruſsland, 1880.
1).
Vergl. Swank, The Manufacture of Iron in all Ages, 1892, p. 105.
1).
Siehe Swank, a. a. O., S. 124.
1).
„To converte, change or transmute common iron into good steel.“
1).
J. M. Swank, The manufacture of iron in all ages, p. 494.
1).
Siehe Swank, a. a. O.
1).
P. Townsend I. starb 1783, er war der Vater eines Geschlechtes von
Eisenhüttenleuten. Ein Sohn und ein Enkel führten den Vornamen Peter.
2).
Vgl. Swank, a. a. O., p. 144.
1).
Vergl. Swank, a. a. O., p. 193.
1).
Genauere Angaben hierüber siehe Swank, a. a. O., p. 282.
1).
Siehe Dingler, Polytechn. Journ. 1824, Bd. 13, p. 134.
1).
Ann. de l’industrie nationale, T. XVI, p. 36 und Pl. 189. Rühlmann,
Allgemeine Maschinenlehre, S. 423.

Dieses Werk ist gemeinfrei.


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TextGrid Repository (2025). Collection 1. Die Geschichte des Eisens in technischer und kulturgeschichtlicher Beziehung. Die Geschichte des Eisens in technischer und kulturgeschichtlicher Beziehung. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bjsn.0