Herrnhuterey
in ihrer Schalkheit/
die ſchaͤdliche Irgeiſterey
des Herrn Grafen von Zinzendorf
aus deſen neueſten Schriften
entdecket wird
Vorrede.
STreitſchriften ſind mein liebſtes
geſchaͤfte nicht. Aber ich liebe
doch die warheit, und ſetze mei-
nen beruf nicht fuͤrſetzlich aus
den augen. Wenn man in
dem benachbarten Herrnhag, oder Marien-
born koͤnte ſtille ſeyn, ſo wolte ich mit freu-
den ſchweigen. O wie vollkommen wuͤr-
de mein wunſch erfuͤllet, wann ſich die
warheit endlich an denen bezeugen wolte,
die ſich ein geſchaͤfte daraus machen, ſie
mehr und mehr zu unterdruͤken. Aber ſeit
vielen jahrhunderten weiß man keine ſekte,
welche mit groͤſerer argliſt das letzte unter-
nommen hat, als die ſynagoge des Herrn
Grafen von Zinzendorf. So nennet er
ſelbſt die parthie verfuͤhrter menſchen, die
er faſt in allen theilen der welt, mit ſeinem
wink regieret. Man muß ihm das zeug-
nis geben, daß er das maas eines recht
groſen irgeiſtes, uͤberfluͤßig erfuͤllet hat.
Unter ſo vielen falſchen apoſteln und pro-
pheten, die von zeit zu zeit in die welt aus-
gegangen ſind, wird kein einziger ſeyn;
der ihm den rang duͤrfte ſtreitig machen.
Herrnhut.II.Th. )(So
[]Vorrede.
So verſchmitzt iſt er zu werke gegangen,
ſeinen plan zu entwerfen! ſo viel kunſte
hat er im vorrath, dasjenige durchzutrei-
ben, wodurch ein ganzes vor ihn gemacht
werden kan! Seit deme er etwas veſter,
als im anfang ſitzet; hat ſich eine neue
art von ungemeſſener unverſchaͤmtheit ſei-
ner gleisnerei an die ſeite geſtellet. Er
fuͤhlet ſich, und gehet nicht mehr leiſe, ſon-
dern faͤhret frech daher, uͤber alles, was
ſeinem reich im wege ſtehet: ſolte es auch
der Heiland und ſeine apoſtel ſeyn. Ich
halte ſeine predigen/ die er nach und nach
durch den druck unter die leute bringen laͤ-
ſet, vor einen ſeiner ſchaͤdlichſten griffe.
Man merket ſehr deutlich, daß die meiſte,
ſonderlich die neueren, recht darzu ausge-
ſonnen ſind, daß er die geheimniſſe ſeiner
ſchalkheit/ in der form erbaulicher ſchrif-
ten, algemein machen will. Dieſes koͤnte
nicht ſo fuͤglich geſchehen, wenn jene in ei-
nem naketen lehrgebaͤude aufgedeckt erſchei-
nen ſolten. Hier aber kan er einen guten
gedanken darunter mengen. Er kan zwei-
deutiger ſprechen, er kan einen ſpruch der
ſchrift voranſetzen, und ſeine triegerei zu
deſen inhalt machen. Mit dem letzteren
hat
[]Vorrede.
hat er es ſoweit gebracht, daß er gar nicht
mehr ſchamroth wird, wenn er alles wa-
get. Doch es haben ſeine predigen vor ſei-
nen plan, noch einen andern nutzen. Sie
ſollen, wie man offenbarlich ſiehet, zum
theil die ſtelle einer wiederlegung ſeiner
gegner, vertreten. Weil er dieſen aufrich-
tig unter die augen zu gehen nicht getrauet,
und es ſelber vor unmoͤglich halten muß;
ſo koſtet es ihm nicht viel muͤhe, in ſeiner
ſynagog uͤber ſie zu triumphiren, da ein
unbedingter gehorſam die regel der warheit
iſt. In ſeinen verſamlungen, wo er als
ein prediger auftrit, ſind die ohren und
herzen der zuhoͤrer, durch gewiſſe vorberei-
tungsmittel einer ſinnlichen andacht, ganz
unverruͤkt vor ihn eingenommen. Er hat
ſie ohnehin mit dem vorurtheil einer un-
fehlbarkeit geblendet. In dieſen umſtaͤn-
den wird ihnen alles zum abſcheu, was er
als einen ſatz ſeiner gegner beſchreibet. Sie
halten es ohne anſtand vor giftig und vor
hoͤlliſch, ehe der Graf noch ausgeredet hat.
Er braucht keinen beweis darzu. Beweis
gnug, wenn man hoͤret, daß es der Graf
haben, oder nicht haben will. Mir ſind
wiederum verſchiedene ſolcher predigen zu-
)( 2gefer-
[]Vorrede.
gefertigt worden. Das halte ich vor eine
ſtille erinnerung zu dem, was durch ge-
genwaͤrtige blaͤtter bewerkſtelliget wird.
Es duͤrfte vielleicht etwas beitragen, die
tiefen der argheit in dem herrnhutiſchen
reich, weiter aufzudecken, und die ehre
der goͤttlichen warheit zu retten. Zwar
es ſcheinet dieſe meine bemuͤhung weniger
ins ganze zu gehen, als die erſte. Dann
ich nehme nur graͤfliche predigen zu mei-
nem gegenſtand. Der Herr Graf kan
irren, ſchwaͤrmen, laͤſtern, und darum
thut es die gemeine nicht. So moͤchte
man wohl glauben. Allein ich hoffe grund
zu haben, warum ich in dieſem fal anders
denke. Der Herr Graf iſt ſtifter der ge-
meine, und ſie ein werk ſeiner haͤnde. Das
werk tadelt ſeinen meiſter nicht. Der
Herr Graf prediget dieſes oͤffentlich, und
laͤſet es in der drukerei der gemeine, nem-
lich zu Marienborn, zum nutzen der bruͤ-
der, und zum aͤrgernis der Chriſten, in
die welt laufen. Einiges davon ſtehet im
lehrbuͤchlein, oder bekentnis der gemeine.
Das meiſte iſt eine beſchreibung deſen,
was in der gemeine, nach ihrer weſentli-
chen verfaſſung geſchiehet, gelehret, und
gebilli-
[]Vorrede.
gebilliget wird. Ja es waͤre ganz wun-
derlich, den Herrn Grafen von der gemei-
ue zu unterſcheiden. Er hat ſeine verdek-
te tyranney, und den blinden gehorſam,
ſo hoch getrieben, daß in keiner geſchichte
ſeines gleichen iſt, und die nachwelt darob
erſtaunen wird. Man leſe die 73. beilage
in ſeinem creutzreich/ ſ. 216. wo die ge-
meine ihm uͤber den ganzen grundplan, in
lehre und leben, eine unumſchrenkte voll-
macht ertheilet, und das im namen GOt-
tes, des allerhoͤchſten: ja ſie ſpannet ſeine
unfehlbarkeit ſo hoch, daß ſie vermittelſt ei-
nes von ihme, auf den fal ſeines hintrits,
zu beſtellenden oberhauptes, auch nach ſei-
nem tode, von ihm will regieret ſeyn. Und
der Herr Graf haͤlt es gar vor eine belei-
digung ſeiner erzmeiſterſchaft, wenn je-
mand die grundſaͤtze der gemeine, von den
ſeinen unterſcheiden will. Der um die
kirche GOttes ſo ſehr verdiente Herr D.
Baumgarten/ hat dieſes, nebſt vielen
andern graͤflichen mishandlungen, an ſei-
nem theil erfahren. Mit deſen gewiſſen-
haften beſcheidenheit war dem Herrn Gra-
fen nicht gedienet: er wolte nicht anders als
Paulus angeſehen ſeyn. Gleichwie man
)( 3aus
[]Vorrede.
aus den ſchriften Pauli/ die lehrſaͤz-
ze der Chriſtlichen gemeinen/ mit ge-
wisheit behaupten kan; alſo will der Herr
Graf, daß man die gemeinen, die ſich
zu ſeinen grundſaͤzzen bekennen/ noth-
wendig auch nach ſeinen ſchriften richten
und ſchlichten ſoll. Er will leute haben,
die(*)ganz mit ihm ſind. Daher iſt
es gekommen, daß die gemeine, wie ich
im erſten theil erwieſen habe, die ſchaͤnd-
lichſte unwarheiten des Herrn Grafen,
auf ihre rechnung genommen, und in ei-
ne Apologie ihres glaubens verwandelt
hat. Und eben das iſt die urſache, war-
um die ſaͤmtliche ſogenannte maͤhriſche kir-
chen, bereits im jahr 1745. alle die graͤf-
liche betriegereien, die von erſtgedachtem
Herrn D. Baumgarten ſo gruͤndlich, als
redlich entdekket worden, als ein ſchuld-
opfer uͤbernommen hat. Dann weil der
Herr Graf, der ſeinen gegnern mit nichts,
dann laͤſterungen antworten kan, ſogar
blos und beſchaͤmt ſtehen muſte, daß er ge-
gen
[]Vorrede.
gen die wafen des lichts ſich nicht mehr ſe-
hen laſſen durfte: ſiehe, ſo trat die liebe
kreutzgemeine ganz gehorſamlich an ſeine
ſtelle. Die unmuͤndige uͤbernahm die vor-
mundſchaft vor ihren vormund, und (*)
der weltliche arm ſolte ihre zuflucht wer-
den, als trug und liſt ſie nicht mehr ſchuͤ-
tzen wolte. Hieraus wird hoffentlich zu
erſehen ſeyn, daß die wenige blaͤtter des
gegenwaͤrtigen theilgens, ebenfals wieder
das ganze zu gehen, ſich verſichert halten
koͤnnen. Wiewohl es kan mir dieſes
gleichguͤltig ſeyn. Gnug, daß die aͤrger-
liche predigen des Grafen, in das ganze
laufen, und nicht nur die proteſtantiſche
kirchen, ſondern uͤberhaupt die Chriſtliche,
zu
[]Vorrede.
zu vergiften ſuchen. Ich wuͤrde meinem
eigenen gewiſſen nicht antworten koͤnnen,
wann ich gegen ſolche ſchaͤndliche gebur-
ten, die ſich in dieſen gegenden, und an
orten meiner aufſicht, ausbreiten, ohne
daß eine hoͤhere hand dieſem frevel ſteuren
will, allerlei, ſonderlich unverwahrte le-
ſer, ohne warnung lieſe; zumalen da mir
manche ſamlung dieſer predigen ohne mein
zuthun uͤberliefert, und meine Amtsſor-
ge dadurch aufgefodert wird. Daß uͤbri-
gens verſchiedene ſtuͤke dermalen zuruͤke
bleiben muͤſſen, das iſt wieder mein ver-
muthen geſchehen. Der HErr der maͤch-
tig iſt, und des name heilig iſt, wolle ſich
gefallen laſſen, des ſatans trug und liſt
zu ſteuren, und ſeine warheit zu erhalten.
Gieſen, den 26. Jenner, 1747.
Die
Die
Herrnhuterey
in ihrer Schalkheit.
I.
Des Graf Zinzendorfs Predig von dem
eigentlichen Geſchaͤfte der Boten des Lammes
gehalten zu Marienborn am Himmelfahrts-
Feſt 1745. den 27. May.
Erſtes Hauptſtuͤk.
Die Schalkheit im Geſang.
Inhalt.
- 1) Die Befugnis neue
Lieder einzufuͤhren/
und deren Schranken
§. 1. 2. 3. - 2) Das ſchaͤdliche und
ſchalkhafte in den neu-
en Liedern der Zerrn-
huter/ uͤberhaupt/ §. 4.
- 3) Neue Proben davon
in dem Geſang der die-
ſer Predigt beygedrukt
worden/ §. 5. - 4) Enrdeckung und Wie-
derlegung derſelben/
§. 6. 7.
§. 1.
ICh habe nicht noͤthig, uͤberhaupt zu
erinneren, daß die Herrnhutiſche
Sekte ſich eigene Lieder gemacht
und noch taͤglich mache, um ſich
von allem was evangeliſch heiſer,
deſto ſichtbarer zu unterſcheiden.
Herrnhut.II.Theil. ADaß
[2]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
Daß die innere Gemeinſchaft des Geiſtes unter
den Gliedern Chriſti, gar wohl beſtehen koͤnne,
wann gleich beſondere Heerden, nicht alle und
jede Stuͤcke, von der Art und Weiſe, oder Zufaͤl-
ligkeiten des aͤuſerlichen Gottesdienſtes, worzu
der offentliche Gebrauch der Lieder gehoͤret, un-
tereinander gemein haben; das verſtehet ſich von
ſelbſten. So lange aber die gebraͤuchliche und
in dem gantzem evangeliſchen Zion eingefuͤhrte
Lieder, zu ihrem Zweck tauglich, geſchickt, und
hinreichend, auch ſo zu reden ein Bekentniszei-
chen derjenigen Verbindung ſind, in welcher alle
beſondere Gemeinen deſſelben, ſtehen und behar-
ren; ſolange iſt man verbunden, aus Liebe zur
Eintracht, und zum Beweis der Ubereinſtimmung,
ſowol mit den ehemaligen, als jedesmal gegen-
waͤrtigen Gliedern der aͤuſerlichen Gemeine, die
Fruͤchte ihrer Andacht gemeinſchaftlich zu genie-
ſen, mithin auch in gewiſſem Verſtande hier ein-
gedenck zu ſeyn, was der Heilige Geiſt in noch wei-
term Sin und Umfang befielet, daß wir mit ei-
nem Munde loben ſollen GOtt und den Va-
ter unſers HErrn JEſu Chriſti.
§. 2.
Wer den HErrn Chriſtum lieb hat, mithin
ſein Wort haͤlt, und daher ſein koͤnigliches Ge-
bot von der Liebe, und dem Band des Friedens
gebuͤhrend verehret; bey demſelben wird vorge-
dachte Verbindlichkeit deſto groͤſer, je mehr er
wahrnimt, daß aus der Liederneuerung, wegen
anderer miteinflieſenden Umſtaͤnde, ein Tren-
nungs-
[3]anderer Theil.
nungsgeiſt nicht unbillig gemuthmaſet werden
kan. Ja woferne nur ein eintziger ſchwacher
Bruder Anſtos daran nehmen wuͤrde, um wel-
ches willen Chriſtus geſtorben iſt; ſo haͤtte ich
kein Bedencken, dieſen Misbrauch einer allen-
fals unlaugbaren Freiheit, unter diejenige Ver-
gehungen zu rechnen, deren Paulus in ſeinen
Briefen hin und wieder gedencket.
§. 3.
Wer eine Gabe dem HErrn zu dichten und zu
ſpielen, empfangen hat, dem iſt freilich eben da-
durch die Befugnis ertheilet, ſie dem HErrn
und ſeiner Gemeine zum Opfer zu bringen. Aber
das kan ohne Neuerung geſchehen. Und die Ex-
empel ſovieler alten und neuen geiſtreichen Dich-
ter, lehren uns, wie es geſchehen muͤſſe. Hin-
gegen ſehe man die Herrnhutiſche Gewonheit an.
So manche neue Predig, ſo manches auf die
Sekte gerichtetes und ſogleich eingefuͤhrtes Lied.
Aus dieſen Geſaͤngen nimt man ſodann die Loſun-
gen, oder deren Beyſchrift, man fuͤhret ſie in Predi-
gen ſtat der Bibel an. Wer die Spuren einer
Selbſtgefaͤlligkeit, und geflieſentlichen Trennung
hier nicht ſiehet, zumalen wann er die neue Bibeluͤ-
berſetzung, den neuen Catechiſmus, nebſt den uͤbri-
gen duͤrftigen Satzungen dieſes Volcks, daꝛzu nimt,
der muß ſich vorgenommen haben, nichts zu ſehen.
§. 4.
Das ſchlimmſte aber bey dieſer neuen Lieder-
ſucht iſt noch uͤbrig. Es beſtehet nicht darinnen,
daß allerley kauderwelſche Woͤrter, Zinzen-
A 2dorfiſche
[4]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
dorfiſche Formeln, griechiſche, lateiniſche,
frantzoͤiſche, ja gar judiſche (*) Ausdruͤcke, und
was eine verruͤkte Phantaſie ſonſt vor Ausſchwei-
fungen ausheken kan, haͤufig in den Herrnhuti-
ſchen Singreimen zu finden ſind: obgleich die-
ſes ſo laͤppiſche und nie erhoͤrte Flickwerk, zu-
mal bey der heutigen Reinigkeit unſerer Mutter-
fprache einen an ſich noch ſo geiſtreichen Inhalt
eines Kirchenliedes, abgeſchmackt und veraͤchtlich
machet. Ja wer kan es einem Leſer verargen,
wann er dencket, es habe der Verfaſſer eines
teutſchen Kirchengeſangs, der wie ein Bettlers-
mantel, nebſt dem teutſchen, aus judiſch, frantz-
maͤnniſch, lateiniſch, und anderen Lappen zu-
ſammen geflickt iſt, mit geiſtlichen Sachen ge-
flieſentlich ſein Geſpoͤtte, wenigſtens eine Kurtz-
weil treiben wollen?
§. 5.
[5]anderer Theil.
§. 5.
Aber, wie gedacht, das iſt nicht das aͤrgſte.
Der neue Reimſprecher in Herrenhut, hauchet
noch uͤberdas ſein Gift in ſolche unſeelige Poeſien.
Im gegenwaͤrtigen Lied ſtehet dieſer Satz aus-
druͤcklich: die Herrnhutiſche Gemeine (als
Herrnhutiſch, und von andern Religionspar-
thien unterſchieden) iſt diejenige/ welche Chri-
ſtus meinet/ wann er die Verheiſung gibt/
es ſolle dieſelbe auf einem Grunde ſtehen/ der
von den Pforten der Hoͤllen nimmermehr uͤ-
A 3berwun-
(*)
[6]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
berwunden werden koͤnne. Dann er redet von
einer Gemeine, von welcher Herrenhut der Erſt-
ling ſeye v. 5. wo es anfangs durch manches
Gewirre ſchlimm gegangen v. 6. bis endlich
beym Streitereſſen und heiligen Wunden-
tranck/ der alte Meinungszanck vergeſſen/
und man ein Hertz und eine Seele worden ſeye
v. 6. Zu der Stunde ſoll dieſe Gemeine allererſt
entſtanden ſeyn/ v. 7. 8. Da iſt ſie zu der Ge-
meine worden die noch heute ſtehet/ und durch
den Eingang ſovieler Bruͤdern und Schweſtern
vormehret wird v. 9. die mit ihrer Predig/ daß
wir mit Blut bezahlet ſind/ die Seelen in al-
len
(*)
[7]anderer Theil.
len Landen und an jedem Ort bereits in Brand
geſtecket.(*) Das iſt die Beſchreibung von
A 4Her-
[8]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
Herrenhut, theils wie es anfangs von dem graͤf-
lichen Schwarmgeiſt ausgebruͤtet, theils wie es
bis auf dieſen Tag von eben demſelben geſaͤuget,
genehret, und je mehr und mehr mit immer neuen
Trebern des Irſals recht ausgefuͤttert worden.
Und darauf zielet dann der groſe Lobſpruch und
der goͤttliche Freibrief: v. 8. daß ſie die Kirche
ſeye, auf den Grund gebauet, den der Satan
und die gantze Hoͤlle nimmermehr wanckend
machen, vielweniger uͤberwaͤltigen ſolle. Ich
will es aus ſeinen Worten noch etwas deutlicher
zeigen.
§. 6.
Die Gemeine, welche zu derſelben Stunde/
in Herrnhut ihren Anfang genommen hat, iſt kei-
ne andere, als die von dem Herrn Graf Zinzen-
dorf
(*)
[9]anderer Theil.
dorf geſtiftet worden. Er iſt ihr Haupt, ihr
Fuͤhrer, ihr groſer Goͤtze; was er lehret, ſetzet,
ordnet, und befielet, das iſt Gottes Wort und
Heiliger Geiſt bey dieſem Volck; wie die Er-
fahrung bezeuget, und die Schriften wackerer
Leute; welche den Greuel des Herrnhutiſchen
Frevelgeiſtes bisher entdecket, und unwieder-
ſprechlich dargethan haben. Dieweil nun hier
die Herrnhutiſche Kirche, ſoferne ſie Herrnhutiſch
iſt, oder zu Herrnhut ihren Anfang genommen
hat, von dem Grafen betrachtet wird, nicht aber
ſoferne noch ein und die andere evangeliſche War-
heit bey ihr unvergiftet geblieben: ſo ſiehet man
hieraus, wie frech und verwegen der Graf ſeine
eigene Brut erhebet, wie unverſchaͤmt und hoch-
farend ſein Rottengeiſt ſich geberdet, da er ſein
Geſindel abſingen laͤſet, dieſer verblendete Sek-
tenſchwarm, ſofern er eine Sekte und zu Herren-
hut von einem unruhigen leichtſinnigen Menſchen
gezeuget worden iſt, ſeye die Kirche, welche ei-
nen Grund habe, den der Satan mit allen hoͤlli-
ſchen Heeren nicht von der Stelle bewegen ſolle?
§. 7.
Iſt aber dieſes Beginnen nicht ſchaͤndlich und
vor dem wahren Heiland unverantwortlich?
ſiehet man nicht deutlich hieraus, auf was fuͤr
Hoͤhen der graͤfliche Geiſt von dem Verſucher
ſich fuͤhren laſſen? Was Herrnhutiſch bey ſei-
nem Volck iſt, (und davon redet er an dieſem
Ort §. 6.) von wem komt das anders, als von
ihm ſelber? Iſt nicht Er, der Graf durch ſeine
A 5unum-
[10]Herrnhurerey in ihrer Schalkheit
unumſchrenkte Verwegenheit/ der Grund, der
Anfang, der Stifter, der Vater, der Saͤmann
von allem dieſem Ubel? Hat nicht ſeit der Stun-
de/ die er ſelber als die Geburtsſtunde ſeines
Reichs angibt (§. 5.) dieſer ſogenante Erſtling
des Graͤflichen Unweſens, ein gantzes Heer
von gleichem Ungeziefer ausgehekt? Hat ſich nicht
eine Tiefe der Bosheit nach der andern offenba-
ret? Iſt nicht Luͤgen, Irſaal, Tuͤcke, Betrug,
Mordbegierde, Laͤſterung gegen GOtt und Men-
ſchen die Grundveſte ſeiner Herrſchaft uͤber die
Seelen? Der Zaun und die Mauer um ſein Her-
renhag? ſein Bollwerck und Geſchuͤtz gegen goͤtt-
lich- und menſchliche Warheiten und Geſetze?
Iſt das nicht das Feuer bis daher geweſen, mit
welchem er uͤberall ſo manches in Brand geſteckt?
wie ſeine Worte lauten (§. 5.). Und ſiehe, dieſer
Grund ſoll der Heiland ſeyn! dieſer Grund ſoll
vor den Satan und die gantze Hoͤlle ſo fuͤrchter-
lich ausſehen, daß ſie ihre Hoͤrner daran ablau-
fen muͤſſen! Eben als wan von der Herrnhuti-
ſchen Stunde an, der Satan ſich in einen Fel-
ſen, und Heiland der Gemeine verwandelt, mit-
hin ſeine alte Maximen geaͤndert haͤtte, und mit
ihm ſelbſt uneins worden waͤre, das zu beſtuͤrmen,
welches er doch ſelbſt gebauet hat, und noch taͤg-
lich zu Trotz dem Heiland, bauet; welches die-
ſer maͤchtige Heiland wie Holtz, Heu und Stop-
peln zu ſeiner Zeit gewiß verzehren wird.
Das
[11]anderer Theil.
Das andere Hauptſtuͤk.
Schalkheit in Erwehlung des Textes.
Inhalt.
- 1) Urſachen/ warum der
Graf dieſe Worte
Chriſti/ und keinen
Lammes-Text dieſes-
mahl erwehlet hat/
§. 8. 9. 10. 11. - 2) Warum er Luthers
Uberſetzung geaͤndert/
und ſeine eigene einge-
fuͤhret hat/ §. 12. 13.
14. - 3) Ungrund der Graͤfli-
chen Uberſetzung/ §. 15.
16. 17. - 4) Des Grafen Unfug
in dieſer Sache/ wird
entdecket/ §. 18.
§. 8.
AUf den heiligen Himmelfahrtstag erſcheinet
dieſesmal weder Lammestext noch Lo-
ſung wie ſonſt geſchiehet. Was muͤſſen die
Bruͤder von ihrem Prediger hiebei gedacht ha-
ben? Doch dieſe Frage iſt bei ihnen leicht beant-
wortet. Es war der Herr Graf der Prediger.
Wer wuͤrde ſich erkuͤhnen, ihn zu fragen: war-
um thuſt du das? Hat er doch die Lammestexte
und die Loſungen, gleichwie alles uͤbrige, ſelbſt
geboten. Wie ſolte es ihm nicht frei ſtehen ſein
Gebot, wan und wie es ihm gefaͤllet, wieder
aufzuheben? Nicht allein was er gebietet und
fuͤrſchreibet, ſondern auch was er thut, iſt ein
Geſetz: und der Gehorſam ſeiner Leute gibt ſich
von
[12]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
von ſelbſten, eben deßwegen, weil ſie ſeine Leute
ſind, die er hernach, wann ſie ihm gehuldiget ha-
ben, des Heilandes Leute nennet.
§. 9.
Doch die Idee und der Plan des Herrn Gra-
fen bei Erwelung dieſes Textes, hat ſich ſehr
deutlich geaͤuſert. Nemlich ſein Hauptplan iſt
dieſer, daß alles was der Heiland geſeegneres,
ſeeliges, vorzuͤgliches, von ſeiner Gemeine gere-
det, verheiſen, oder derſelbigen befolen, und
verordnet hat, auf niemand anders, als den
Herrn Grafen und ſein Reich zu deuten ſeye.
Wann er ſeinem Volk dieſes einpraͤgen und recht
lebhaft einbilden kan, ſo iſt ſein Zwek voͤllig er-
reichet. So muß alles was auſer Herrenhut,
Religion iſt und heiſet, unter des neuen Hei-
land Zinzendorfs Fuͤſen liegen, hingegen das
Herrnhutiſche Reich in allen ſeinen Maximen,
Wegen und Unternehmungen gerade und weſent-
lich dasjenige ſeyn, was der HErr Chriſtus als
ſein eigenes abgemalet hat.
§. 10.
Der Herr Graf, dichtet demnach und ſtudie-
ret eintzig darauf, wie man es machen muͤſſe,
damit des Heilandes Worte zum Behuf der
Bosheit ſolange gefoltert werden, bis obgedach-
ter Plan ſich darinnen bilden moͤge; damit ſeine
Bruͤder den Betrug ſeiner eigenen Schalksgriffe
deſto weniger merken, und gegentheils ſie deſto-
mehr vor ein Werk GOttes und des Heilandes
anbeten ſollen. Deswegen hat er den gegenwaͤr-
tigen
[13]anderer Theil.
tigen Ausſpruch des HErrn JEſu zu dieſer ver-
zweifelten Mishandlung bequemer, als irgend ei-
nen Lammestext/ erachtet. Er hat geglaubet,
man koͤnne hier unter dem Namen des Heilandes
und mit ſeinen Worten, theils die evangeliſche
Kirchen vor der Herrnhutiſchen Gemeine geiſſeln,
theils dem Beginnen der Herrnhutiſchen Land-
ſtreicher aus der Hand JEſu einen Freibrief und
ſchriftlichen Beruf verſchaffen, damit ſie jeder-
man vor wuͤrkliche damals von Chriſto beſtelte
Apoſtel und des Heiligen Geiſtes Stellbetreter,
ungezweifelt halten, aufnehmen und verehren
moͤge. Wie ſogleich aus dem Anfang der Predig
ſ. 6. 7. 8. deutlich erhellet.
§. 11.
Mit dieſem ſchaͤndlichen Fuͤrſatz iſt der Graf-
am Tage der Himmelfahrt JEſu, auf die Herrn-
hutiſche Kantzel getreten. Und dieſe vorher aus-
gebruͤtete boshafte Fabel, hat er unter dem Schein
und Namen einer Predig uͤber JEſu Worte,
ſeinem Volk vor dieſesmal aufgebunden. Waͤ-
re es nicht beſſer, er naͤhme des Eſopus Fabeln
vor? Der Betrug bliebe einerlei, die Worte des
Heilandes aber kaͤmen unmißhandelt davon,
und die Verantwortung waͤre ertraͤglicher als ſie
nun iſt, da man die allerheiligſten Ausſpruͤche
des Erloͤſers, zum Vorſchub ſeines Gauckelwerks
wiſſentlich und fuͤrſetzlich auf die Folter ſpannet,
und eine daraus erzwungene Luͤgenrede, vor eine
bibliſche Warheit verkaufet.
§. 12.
[14]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
§. 12.
Hier muß ich beilaͤufig noch etwas erinnern,
welches zu einem neuen Beweis der Herrnhuti-
ſchen Redlichkeit dienen kan. Bei Gelegenheit,
daß der Graf das neue Teſtament auf eine ſehr
leichtfertige Art uͤberſetzet, und ſein Geſelle, Na-
mens Muͤller, den ſie ihren Biſchof nennen, die-
ſer Verwegenheit in einer offentlichen Schrift,
auf ausdruͤcklichen Befehl GOttes, wie dieſer
Muͤller heiliglich behauptet, nicht nur das Wort
geredet, ſondern auch als ein vom heiligen Geiſt
dem Grafen befolenes Werck ſie gebilliget und
geprieſen hat, iſt auch des S. Luthers Uberſetzung
in Betracht gekommen. Man hat unſerer ſeits
billig gefraget, warum doch der Graf, der ſich
bei aller Gelegenheit einen Lutheriſchen Prediger
nennet, in gedachter Uberſetzung ſoweit gegan-
gen ſeye, daß er faſt nicht eine Sylbe von des
S. Luthers Dolmetſchung beibehalten, ſondern
alle Ubereinſtimmung mit derſelben, auch ſogar in
der geringſten und gleichguͤltigſten Redensart,
auf das ſorgfaͤltigſte vermieden habe?
§. 13.
Hierauf gabe der Graf, und ſein Biſchof
Muͤller, folgendes zur Antwort: Erſtlich: die
graͤfliche Uberſetzung ſeye eine Schuͤlerprobe,
dabei der Herr Graf nur habe gewahr werden
wollen, wieviel griechiſch er koͤnne, und wie ſich
griechiſch gegen teutſch verhalte. Mit nichten
aber ſeye es eine Uberſetzung, die man in der Kir-
che oder ſonſt als ein neues Teſtament gebrau-
chen
[15]anderer Theil.
chen ſolle. Zum andern hat man alle evangeli-
ſche Lehrer aufgefodert, nur eine eintzige Probe
zum Exempel anzufuͤhren, wo man in Herrnhuti-
ſchen Verſamlungen, nicht Luthers ſondern des
Grafen Uberſetzung, gebrauche? Nun habe ich
dieſe verwegene Ausfluͤchte, im Zinzendorfiſchen
Unfug(lerna Z.) und in einer beſondern Diſpu-
tation, das Zinzendorfiſche Predigaͤrgernis
(noxa homil. Z.) der Gebuͤhr nach abgewieſen,
und mehr dann eine Stelle beigebracht, wo man
Luthers Uberſetzung, theils in der Herrnhuter
Catechismus, theils in ihren Predigen, ausge-
muſtert, und die graͤfliche ſogenante Schuͤlerpro-
be eingefuͤhret hat. Es iſt demnach das treuher-
tzige Vorgeben dieſer Leute offentlich bekant, und
vor den Augen einer nur buͤrgerlichen Ehrlichkeit,
blos geſtellet worden.
§. 14.
Gleichwol aber haben dieſe offene und gerade
Bruͤder, eine ſo unerſchrockene Stirne, daß ſie
aus ihrer eigenen ſchriftlichen Proteſtation eben
keine ſo fuͤrchterliche Regel machen, die man ih-
rem Gewiſſen aufbuͤrden muͤſſe. Dan was die
Verleſung des gegenwaͤrtigen Textes, Act.I,
7. 8. belanget, ſo ſiehet einjeder, daß des S. Lu-
thers Uberſetzung abermal wiſſentlich ausgemer-
tzet, und eine neue graͤfliche an jener Stelle ge-
brauchet worden.
Wer kan aber Leuten eine Warheit zu-
trauen, welche ſich alſo auffuͤhren? Sie ſagen:
es iſt eine Verlaͤumdung der Kreutzgemeine, wenn
man
[16]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
man die Welt weiß machet, man gebrauche nur
ein einigmal in offentlicher Verſamlung eine an-
dere als des S. Luthers Uberſetzung. Sie zeh-
len dieſe Nachrede zu dem vielfaͤltigen Unrecht,
welches dem Suͤnderkirchlein und den Leuten des
Heilandes, muthwillig von uns evangeliſchen Re-
ligionsleuten zugefuͤget werde. Und doch betrit
man ſie bei aller Gelegenheit wiederum auf fri-
ſcher That, und wird gewahr, daß der Geiſt
der Luͤgen ſie alsdann am meiſten zu ſeinen Dien-
ſten habe, wann ſie dieſen Frohndienſt, mit dem
Vorwand der Unſchuld und des Marterthums,
am beweglichſten abzulehnen ſuchen.
§. 15.
Man ſiehet alſo gar deutlich eine neue herrn-
hutiſche Warheit, in der Vorleſung dieſes Tex-
tes. Aber auch eine Leichtfertigkeit und Neue-
rungsſeuche. Dann liebet! was hat doch der
S. Luther in dieſem Vers verſehen, das von
dem Grafen haͤtte verbeſſert werden muͤſſen? Hat
Luther den griechiſchen Text nicht getrofen? oder
hat er einen unverſtaͤndlichen Ausdruk im teut-
ſchen gebraucht, den man deutlicher und mit ei-
ner beſſeren Redensart geben muͤſte? Wandieſes
waͤre, ſo wolte ich kein Wort mehr ſagen. Al-
lein ich ſehe das Gegentheil. Wo der Graf
vom Luther abgewichen iſt, da iſt er auch von
der Grundſprache und vom Sin des heiligen
Geiſtes abgewichen. Und wo er es deutlicher
hat machen wollen, da komt es unverſtaͤndlicher
heraus.
§. 16
[17]anderer Theil.
§. 16.
Der griechiſche ausdruk ομχ ὑμν ςι, heiſet in
ſeinem ganzen verſtande ſoviel, als in Luthers
Uberſetzung ſtehet: es gebuͤhret euch nicht.
Es iſt uͤber euren horizont, ihr ſeyd zu gering
darzu, es iſt uͤber eure wuͤrdigkeit, zu erkundi-
gen und zu wiſſen, was die weiſe Allwiſſenheit
des Allerhoͤchſten ſich vorbehalten hat. Der Graf
ſpricht: es iſt euer Amt nicht/ ihr ſeyd diſpen-
ſiret/ es wird von euch nicht gefodert. Aber
das iſt es nicht, was Chriſtus ſagen wolte. Nicht
allein war dieſes das Amt der Apoſtel nicht: ſie
waren nicht nur davon diſpenſiret/ es war nicht
nur eine Sache, die nicht von ihnen gefodert
wurde: ſondern es war ſogar ein Vorrecht der
goͤttlichen Weisheit, Macht und Allwiſſenheit,
daß kein Menſch und kein Engel, ja gar des Men-
ſchen Sohn nicht, (in ſeiner Erniedrigung) ir-
gend eine zeit und ſtunde wiſſen ſolten, die der
Vater ausdruͤcklich ſeiner Macht alleine vorbe-
halten hatte. Es kan jemand vieles wiſſen, das
eben ſein Amt nicht erfodert, oder das er zu ſei-
nen Amtsverrichtungen nicht nothwendig zu ge-
brauchen hat, obgleich dieſes wiſſen nicht nur moͤg-
lich ſondern auch ruͤhmlich iſt. Wer demnach
ſaget: dieſes zu wiſſen iſt deines Amtes nicht,
der ſpricht deswegen dem andern ſein wiſſen nicht
ab. Chriſtus aber hat es ſeinen Juͤngern hier
ſchlechterdings abgeſprochen. Nicht nur weil es
nicht ihres Amtes, ſondern weil es durchaus un-
erlaubet, und nach dem goͤttlichen Rathſchluß
Herrnhut.II.Th. Vunmoͤg-
[18]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
unmoͤglich ware, daß ſie dieſes wiſſen ſolten.
Weil aber der Graf ſeine Landlaͤufer an die ſtel-
le derjenigen ſetzet, die der HErr Chriſtus da-
mals angeredet hat; und gleichwol jedermaͤn-
niglich bekant iſt, daß dieſe Schwaͤtzer, obwol
ſie Wunderthaͤter ſeyn wollen, dennoch das nicht
wiſſen, was der Vater ſeiner Macht vorbehal-
ten hat: ſo dencket er, es ſeye ſeinem Plan ge-
maͤſer, daß Chriſtus ſagen muͤſſe: es iſt eurer
Amt nicht/ ihr ſeyd davon diſpenſiret. Son-
ſten aber ſiehet man aus ſeiner Predig (ſ. 15.)
gar deutlich, daß nicht allen Herrnhutern dieſe
Wiſſenſchaft, die Chriſtus ſeinen Juͤngern ab-
ſpricht, verſaget ſeye. Dann ein anders iſt ein
herrnhutiſcher Juͤnger oder Apoſtel, ein anders
der herrnhutiſche Heiland, der ihn ſendet. Die-
ſem und jenem ſeinem Knecht kan es der Hei-
land/ wann er Macht und Erlaubnis darzu
hat von ſeinem Vater/ erklaͤren/ es iſt genug
daß es dieſer Knecht weiß/ und andern gele-
gentlich ſaget. ꝛc. Daß aber der Heiland im
Stande ſeiner Erhoͤhung (davon hier offenbar-
lich die Rede iſt) von dem himmliſchen Vater
erſt Macht und Erlaubnis erhalten muß, wann
er ſeinen Knechten etwas offenbaren will; das
gehoͤret zu den herrnhutiſchen Glaubenslehren, die
wir unten beleuchten wollen.
§. 17.
Der andere Ausdruck in dieſem Zinzendorfi-
ſchen neuuͤberſetzten Text, iſt dieſer, daß der Va-
ter im Himmel, obgedachte Zeiten und Stun-
den
[19]anderer Theil.
den in ſeiner eigenen Hand behaͤlt. Ich weiß
nicht ob dieſes zierlicher, oder deutlicher, oder
beides zugleich, hat ſeyn ſollen, als des S. Lu-
thers Ausdruck. Das aber iſt gewiß, daß es am
natuͤrlichſten lautet, wie es der S. Luther gege-
ben hat. Der Vater hat es ſeiner Macht vor-
behalten. So iſt es meines Erachtens auch
deutlich gnug, und zierlich gnug, nach unſerer
teutſchen Sprache. Und ſo ſtehet es ausdruͤck-
lich im Grundtext. Weil aber der Herr Graf
durch einen dreiſigſaͤhrigen Gebrauch unſeres
von dem S. Luther uͤberſetzten neuen Teſtamen-
tes, es meiſt auswendig gelernet hatte, (wie an-
derswo ſeine Worte lauten) und er doch gleich-
wol kein rechter Reformator ſich zu ſeyn beduͤn-
ket, wenn er dem alten Luther etwas ſtehen lieſe;
ſo ſchaffet er ſich lieber neue Redensarten, die
ganz und eben ſo ſein eigen ſind, wie ſeine uͤbri-
ge Satzungen. Dieſe Texte prediget er, und
erklaͤret den vor einen Satan und Bruͤderſeind,
der ſich nur erkuͤhnet zu ſagen: Der Graf Zin-
zendorf behaͤlt Luthers Uberſetzung nicht.
§. 18.
Aber die Schalkheit dieſes Verfahrens verraͤth
ſich von ſelbſten. Haͤlt es der Graf vor billig,
nothwendig und loͤblich, und dringet ihn ſein
Gewiſſen darzu, daß er mit Hintanſetzung der
Lutheriſchen Dolmetſchung, eigene Uberſetzun-
gen bei offentlichem Gottesdienſt gebrauchet;
wie er dan wuͤrklich ſolches thut: warum will er,
wann es zur Sprache kommt, dieſes nicht ge-
B 2than
[20]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
than haben, ſondern die Leute bereden, daß er
bei dem Luther bleibe? Hat man ſich etwa deſen
zu ſchaͤmen, was man aus Trieb ſeines Gewiſ-
ſens gethan hat, und taͤglich thut? Der Graf
thut es: und wann er fertig iſt, und die Leute ſe-
hen es, ſo ſpricht er: ich habe es nicht gethan,
wer es mir nachredet, iſt ein Luͤgner. Heiſet
aber dieſes nicht, eine und eben dieſelbe Sache
werkthaͤtig billigen, und mit Worten vor unan-
ſtaͤndig und unbillig erklaͤren? Und wo iſt ein red-
licher Man, der dieſes ohne Verletzung der wah-
ren Aufrichtigkeit thun und unternehmen darf?
Iſt aber gegentheils der Graf in ſeinem Gewiſ-
ſen uͤberzeuget, daß es unrecht ſeye, ſich vor ei-
nen Lutheriſchen Prediger, und ſeine Gemeine
vor Lutheriſch auszugeben, gleichwol aber eine
gemeinſchaftliche Uberſetzung der Lutheriſchen Kir-
che eigenmaͤchtig abzuſchaffen, und manchesmahl
nicht einen einzigen gleichguͤltigen Ausdruk davon
zu behalten: warum thut er dann gegen dieſe
Uberzeugung, ſo oft es ihm einfaͤlt? das iſt, war-
um ſuͤndiget er muthwillig gegen ſein Gewiſſen?
Und was noch mehr iſt, warum haͤufet er dieſe
Suͤnde mit offenbaren Luͤgen, und laͤugnet un-
verſchaͤmter weiſe, was man ſiehet und hoͤret?
ja warum uͤberhaͤufet er auch dieſe Argheit mit
Verlaͤumdung ſeines Nechſten, und nennet die-
jenige Laͤſterer und ſalſche Zeugen, die nur ſagen
und bemerken, was er ohne ſcheu und bedenken
offentlich begehet? Warum will er mit Schmaͤ-
hen und Bannen erzwingen, daß man ihm zu
gefallen
[21]anderer Theil.
gefallen luͤgen und betriegen ſoll? Er urtheile ſelbſt,
ob man dieſes von einem ehrbaren Heiden jemals
vermuthet hat.
Das dritte Hauptſtuͤk.
Schalkheit in der beigefuͤgten Erklaͤrung
des Textes.
Inhalt.
- I.Der wahre Sinn der
Worte Chriſti/ §. 19‒
2[)]. - II.Die ſpoͤttliche Mis-
deutung des Grafen- 1. Beſchaffenhen der
Seelen/ welche
bekehret werden ſol-
len/ §. 25-32.- 1) Schalkheit des
Grafen bei dieſer
falſchen Erklaͤ-
rung/ §. 32. - 2) Noch eine ſchalk-
heit/ §. 33. 34. - 3) Wiederlegung
derſelben/ §. 35. 36.
- 1) Schalkheit des
- II.Von der Art der
graͤflichen Bekeh-
rung/ §. 37.- 1) Zuſtand der Wil-
den/ als angeblich
bekehrten/ wird- a)vom Grafen
erdichtet/ §. 38. - b)iſt eine fanatiſche
Schwaͤrmerei/ §.
39-44.
- a)vom Grafen
- 1) Zuſtand der Wil-
- a)Die Bekehrung
ſelbſt/- a)Erſter Greuel
der ſchalkheit/ die
Entkraͤftung des
goͤttlichen Worts/
§. 44. 45. - b)Zweiter Greuel/
der Betrug in die-
ſer Bekehrung/ §.
46. 47. - c)Dritter Greuel/
die Zuflucht zu ei-
ner abermaligen
fanatiſchen Of-
fenbarung/ §. 48.
49. 50. - d)Vierter Greuel/
Misbrauch der
H. Schrift/ zu
dieſer Betriege-
rei/ §. 51. - e)Fuͤnfter Greuel/ von
den geſchliffenen und
geſpaltenen Ohren/
ſubtiler Stimme und
ſanften Sauſen des
Geiſtes/ §. 52.
- a)Erſter Greuel
- 1. Beſchaffenhen der
§. 19.
VOrlaͤufig haͤtte der Herr Graf beſtimmen
ſollen ob unſer Heiland, in dieſer ſeiner
Antwort, die Aufrichtung des Reichs Iſrael ein-
geraͤumet oder verworfen, ingleichem, wann er
ſie eingeraͤumet habe, in welchem Verſtande ſol-
ches geſchehen ſeye? Dann dieſes hat einen ſtar-
ken Einfluß in die nachmalige Abhandlung und
Anwendug dieſer Zinzendorfiſchen Predig, damit
nicht bald das (*) eine, bald das andere von die-
ſen
[23]anderer Theil.
ſen beiden angenommen werde, je nachdem es zu
einer gewiſſen Abſicht vortheilhaftig ſcheinet.
B 4§. 20.
[24]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
§. 20.
Die Frage der Juͤnger (v. 6.) heiſet alſo:
Die aber, ſo zuſamenkommen waren, fragten
ihn, und ſprachen: HErr/ wirſt du auf dieſe
Zeit wieder aufrichten das Reich Iſrael?
Darauf antwortet der Sohn GOttes (v. 7.)
Es
(*)
[25]anderer Theil.
Es gebuͤhret euch nicht zu wiſſen Zeit oder
Stunde/ welche der Vater ſeiner Macht vor-
behalten hat (v. 8.) Sondern ihr werden die
Kraft des heiligen Geiſtes empfahen/ welcher
auf euch komen wird/ und werdet meine Zeu-
gen ſeyn zu Jeruſalem/ und in gantz Judaͤa
und Samaria/ und bis an das Ende der Er-
den.
§. 21.
Daß die Juͤnger Chriſti, welche dieſe Frage
thun, als gebohrne Juͤden, uͤbel von dem Meßia
berichtet waren, kan als eine bekante Sache
vorausgeſetzet werden. Sie hatten von ihren
Judiſchen Lehrern dieſes ſchaͤdliche Vorurtheil
mit der Muttermilch eingeſogen. Kurtz vor dem
Leiden JEſu, da Er ſeiner tieſeſten Erniedrigung
am nechſten war, gedachten ſie an die weltliche
Hoͤhen, und trieben ſich um den Vorzug der
oberſten Staats-Bedienungen in ſeinem Koͤnig-
reich. Luc. 22, 24. Nach ſeiner Auferſtehung,
die ſie noch nicht glauben konten, bedaureten ſie
faſt nichts mehr, als daß die Hofnung von ei-
ner Erloͤſung Iſraels durch ſeinen Todt fehl ge-
ſchlagen und verſchwunden ſeye Luc. 24, 21.
Die vielfaͤltige Belehrungen des HErrn, waren
nicht vermoͤgend, dieſe Thorheit endlich zu be-
ſiegen, und ihnen ein noͤthiges Licht zu geben.
Deswegen verſparet es der weiſe Lehrer bis auf
die voͤllige Erleuchtung, worzu die ſeelige Zeit
taͤglich naͤher trate. Dieſesmal aber geſellet ſich
zu obgedachtem eitelen Wahn, eine neue, und
B 5noch
[26]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
noch niemal geaͤuſerte Verwegenheit. Sie ſe-
tzen voraus, und nehmen vor bekant an, das
weltliche Reich Chriſti ſeye nun veſt geſtellet,
durch die Auferſtehung und den Triumph ihres
Oberherren. Aber ſie begehren nun naͤhere Nach-
richt davon. Sie wollen auch die Zeit und Stun-
de wiſſen, wann es mit allen feierlichen Ceremo-
nien eintreten ſolle? Dieſes kan der Heiland nicht
unbeantwortet laſſen. Ihre Frage hat zwei
Stuͤke in ſich. Die Zeit des Reichs, und das
Reich ſelber. Beides fertiget die Weisheit JE-
ſu, kurtz und nachdruͤcklich ab. Erſtlich begeg-
net er den neuen Fuͤrwitz, den ſie dermahlen mit
der alten Blindheit verknuͤpfen. Sodann der
blinden Einbildung, die er ſchon manchesmal
mit Wehmuth bemerket hatte.
§. 22.
Demnach iſt dieſes der Inhalt ſeiner verweis-
lichen Antwort: „Daß ihr die Unbeſonnenheit
„ſo weit gehen laſſet, und ſogar Zeit und Stunde
„beſtimmet haben wollet; das iſt bei dem Uber-
„bleibſel eurer juͤdiſchen Blindheit vollends un-
„ertraͤglich. Dann von ſolchen groſen Werken,
„wie ihr euch das ertraͤumte Reich Iſraels einbil-
„det, gebuͤhrete allenfals keinem Menſchen die
„Zeit und Stunde zu forſchen: weil uͤberhaupt
„die Ausfuͤhrung groſer Anſtalten, dem goͤttli-
„chen Rath vorbehalten, und ſolange den Men-
„ſchen ein Geheimnis bleibet, als der alweiſe
„Vater es in ſich ſelbſt verborgen haͤlt. Joh.
„2, 4. Am allerwenigſten ſchikt ſich dieſes Zeit-
„forſchen
[27]anderer Theil.
„forſchen fuͤr die gegenwaͤrtige Verfaſſung.
„Dann ihr habt meine Verheiſung, kraft de-
„ren, in dieſen Tagen ein gantz anderes Werk
„erfolgen ſoll.„ Soweit gehet die Antwort,
womit uͤberhaupt das fuͤrwitzige Forſchen der
Rathſchluͤſſe GOttes/ und deren eigentlichen
Offenbahrungs-Zeit/ geahndet wird, ohne
noch auf das zu ſehen, was die Ausſchweifung
der Frage zum Gegenſtand hatte.
§. 23.
Damit aber der Irthum ſelbſt, nicht unbe-
ruͤhret bleiben moͤge, ſo wird auch demſelben die
noͤthige Gegenbelehrung nicht verweigert. Sie
haͤtten ſonſt denken moͤgen, mit dem Weltreich
habe es ſeine Richtigkeit, und der auferſtandene
Heiland gebe wuͤrklich zu, was er nicht wieder-
leget haͤtte. Es ſolle nur die Zeit ein Geheimnis
bleiben, das Reich aber ſeye veſtgeſtellet. Dem-
nach heiſet es weiter in der Antwort Chriſti:
„Was aber die grundloſe Gedancken von dem
„irdiſchen Reich Iſraels betrift, ſo wiſſet, daß
„ich weit hoͤhere Sachen auszufuͤhren habe.
„Nicht ein Reich in den Grentzen Iſrael, iſt
„meine Abſicht, ſondern ein Reich das ſich aus-
„breiten muß bis an das Ende der Erden.
„Nicht ein Reich darzu ich groſe Staatsbediente
„noͤthig habe, ſondern Zeugen an die Suͤnder.
„Ihr werdet keine Regenten und Stadthalter,
„keine gewaltige und gnaͤdige Herren/ ſondern
„meine Zeugen ſeyn. Keine weltliche Pracht
„und Erhebung in glaͤntzende Wuͤrden, iſt hierzu
„noͤthig,
[28]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
„noͤthig, ſondern die Kraft des heiligen Gei-
„ſtes davon es licht wird in den Seelen, und
„dadurch die Blindheit und Bosheit nebſt dem
„Unglauben der Welt maͤchtiglich bezwungen
„werden ſoll: Mund und Weisheit, Lehre und
„Wunder, werden eure Wafen, die Ehren-
„zeichen meiner Herrſchaft und die Siegel eurer
„Bedienung ſeyn ꝛc. ꝛc.
§. 24.
Hieraus erhellet, daß dieſe Verheiſung un-
mittelbar auf die damalige Juͤnger des HErrn
gerichtet ſeye: Die ſind es, welche die Kraft des
heiligen Geiſtes/ anſtat der eingebildeten Vor-
zuͤge und Staatsbedienungen im Reich Iſraels,
durch ein Wunder, Apoſtelg. 2, 1. empfangen
ſolten. Die ſind es, welche zu Jeruſalem/ in
gantz Judaͤa und Samaria/ und bis ans En-
de der Erden das Zeugnis von JEſu ausge-
breitet haben. Dieſe Vorzuͤge koͤnnen die heuti-
ge Zeugen des HErrn nicht auf ſich deuten. Sie
ſollen uͤberhaupt die noͤthige Gaben des heiligen
Geiſtes empfangen, in ihrer Maaſe, und durch
die hinreichende Mittel die ſeine Weisheit ver-
ordnet hat. Keinesweges aber ſoll der heilige
Geiſt uͤber ſie kommen auf eine ſolche Art,
welche in dieſem beſonderen Ausdruck der Uber-
kunft lieget. Sie ſollen Chriſti Zeugen ſeyn,
ein jeder in ſeiner Ordnung, und in ſeinen ange-
wieſenen Schrancken. Demnach kan dieſes
Verheiſungswort in keine Weiſſagung verwan-
delt werden, welche noch itzt oder kuͤnftighin,
nach
[29]anderer Theil.
nach erſtgedachten Beſonderheiten, erfuͤllet wer-
den muͤſte. Das wuͤrde man vergeblich hoffen,
weil in der Rede Chriſti ſo wenig Grund zu einer
ſolchen Hofnung vorhanden iſt, als die Juͤnger
Grund hatten, das Reich Iſrael zu hoffen.
§. 25.
Dieſes vorausgeſetzt, ſoll der Herr Graf nun
reden. Ich gehe vorbei, was er von Jahrhun-
derten/ groſen Zeitlaͤuften/ und Special-Pe-
rioden prediget. Der S. Luther ſtimmet beſſer
mit dem Lucas. Er nennet Zeiten und Stun-
den/ weil der Heiland hier uͤberhaupt redet;
nemlich von allen ſonderbaren Werken GOttes,
die aus den Tiefen ſeines unerforſchlichen Raths,
wann ihre beſtimte Zeit und Stunde komt, her-
fuͤrbrechen. Er nennet kein beſonderes Werk,
davon er eine eigentliche Prophezeiung ſtellen
wolte. Sonſt haͤtte er von Zeiten und Termi-
nen in der Zahl der Vielheit nicht geredet. Es
waͤre ſchicklich geweſen einen Termin, und nicht
viele zu nennen.
§. 26.
Um ordentlich von der graͤflichen Dolmetſchung
oder Deutung zu reden, ſo laſt uns erſtlich die
Beſchaffenheit der Seelen erwegen, an welche
das Zeugnis der Apoſtel ergehen ſoll. Er ſpricht
es wuͤrde (ſ. 7.) das menſchliche Geſchlecht
ſeyn. Doch beſtimt er den Augenblick dieſe Re-
densart, und nennet ſolche Leute/ die ſeine
ſubtile Stimme noch nicht hoͤren koͤnnen/ die
noch nicht ſolche geſchliffene und geſpaltene
Ohren
[30]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
Ohren haben/ daß ſein ſanftes Sauſen durch-
dringen und ſich verſtaͤndlich machen koͤnte. ‒
‒ Ihr werdet aber wohl wiſſen/ daß ihr nur
ſo des heiligen Geiſtes ſeinevices,ſein Amt
auf euch habt/ daß ihr nur da oder dort hin
geſchickt ſeyd und zu ſolchen Leuten/ da der
heilige Geiſt ſchon angeſchlagen hat/ die er
ſchon hat/ da es aber doch noͤthig iſt/ daß
man auch menſchlich mit ihnen redt/ um der
Schwachheit und Menſchlichkeit willen/ da
wird man euch rufen/ da ſolt ihr geholt wer-
den/ da wird euch der heilige Geiſt (wie es
z. e. im nachfolgenden mit dem Philippo ge-
ſchehen Apoſtelg. 8, 26.) nehmen/ und euch
dahin ſtellen dorthin ſtellen/ an jenen Men-
ſchen. Das werden aber eben doch lauter
Seelen ſeyn/ die ſchon nach Gnade ſuchen
und verlangen/ die ſchon ſo was gemerkt ha-
ben die nur noch ſagen/ wie ſollen wirs ver-
ſtehen/ da wir niemand haben der es uns aus-
legt, und wan ihr werdet ſagen das iſts/ ſo
wirds ihnen gleich ſo ſeyn. Sie werden ſchon
lange haben glauben wollen/ und werden nur
nichts gewuſt haben zu glauben/ und wann
ihrs ihnen nun werdet nennen ohne weitere
argumentæ; ſo werden ſie ausrufen(*)Kehelle!
das
[31]anderer Theil.
das wars/ das iſts: HErr nun laͤſſeſt du dei-
nen Diener im Friede fahren/ dann nun hoͤr
ichs/ ich ſehe es nun/ nun weiß ichs/ nun
verſtehe ichs/ nun iſt mirs klaar/ was ich ſo
lange bey mir herum getragen habe; ich habs
nun erlebt/ nun weiß ich nichts was ich
mehr veriangen ſoll? mich beſchwemmt die
Gnadenfluth.
§. 27.
Sehet doch, wie vollkommen herrnhutiſch der
liebe Heiland auf Befehl des Herrn Grafen re-
den muß! Sogar das Indianiſche Kehelle! muß
auch in ſeinen Worten ſtecken. Das iſt den
Apoſteln nicht zu verzeihen, daß ſie ſo herrliche
Sachen ausgelaſſen, und die Rede des HErrn
nicht mit dem Indianiſchen Zuruf an die graͤfli-
che Landſtreicher beſtaͤtiget haben: da doch die
Erfuͤllung ſolcher Rede in dem Kehelle! ſonnen-
klar vor Augen lieget. Doch wir wollen eines
nach dem andern durchgehen.
§. 28.
Unſer Heiland ſoll ſeine Zeugen an ſolche Leu-
te abgeordnet haben, mit welchen der Graf in
Indien ſeine Sekte vermehret, oder die er durch
ſeine Teuſcherei beruͤkt zu haben glaubet. Die
ploͤtzlich durch das Kehelle ſagen/ zu Herrnhu-
tern geworden ſind. Die Weiſſagung Chriſti
geher nach dem Inhalt ſeiner Rede, der aus den
damaligen Umſtaͤnden begreiflich wird, (§. 24.)
aufs genaueſte auf die Apoſtel, und iſt durch die
Predig derſelben, an den benahmten Orten,
erfuͤllet
[32]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
erfuͤllet worden, zu Jeruſalem/ in ganz Ju-
daͤa und Samaria/ und bis ans Ende der
Erden/ ſo daß ihr Schall in alle Land ausge-
gangen/ und in alle Welt ihre Worte/ wie
ſchon Paulus zu ſeiner Zeit bezeuget Rom. 10,
18.
§. 29.
Ich laͤugne damit nicht, was an ſich unlaug-
bar iſt. Nemlich, daß alle wahre und von Chri-
ſto berufene Lehrer, noch itzt und kuͤnftig an die
Menſchen ſein Zeugnis uͤberbringen, und zu ſol-
chem Ende die Kraft ſeines Geiſtes uͤberkommen.
(§. 24.) Aber es iſt auch keiner unter ihnen ſo
frevelhaft, daß er alle Eigenſchaften der Apoſtel,
die in dieſer Weiſſagung enthalten ſind, auf ſich
und ſeine Verrichtungen deuten wolte. Ich mei-
ne, daß er ohne goͤttlichen Beruf in die Gren-
zen Samaria und Judaͤa, oder in Indien lau-
fen, und daſelbſt die Stelle des heiligen Gei-
ſtes vertreten wolte. Vielweniger wird ſich je-
mand erfrechen, dem Sohne GOttes nachzuaͤf-
fen, eine Juͤngerſchaft aus allerlei zuſammenge-
raften unerfahrnen Leuten aufzurichten, ihnen die
Kraft des heiligen Geiſtes, ſogar auch die Wun-
derkraft mitzutheilen, und ſolcher Geſtalt, ſie in
ſeinem Nahmen auszuſenden. Dieſes alles thut
immittelſt der Graf Zinzendorf, unter dem Vor-
wand der Gemeine. Er ruͤhmet, daß Wun-
der in der Gemeine geſchehen, davon er der Stif-
ter iſt. Er ordnet eine Juͤngerſchaft, einen Strei-
ter- und Zeugen-Plan, er laufet mit, wann es
ſeine
[33]anderer Theil.
ſeine Abſicht erfodert, und treibt mit aller Macht
auf das Kehelle! bei den Indianern. Und wann
das gerufen iſt, ſo lehret er ſein Geſinde, hier
ſeye das erfuͤllet worden, was der Sohn GOt-
tes gewelſſaget habe. Da ſind die graͤfliche Sek-
tenknechte, nach allen Eigenſchaften des Lam-
mes Boren. Dieſe aufgerafte, blinde, unge-
gruͤndete, aber mit unſaͤglicher Schwulſt aufge-
blehete Schleicher und Muͤßiggaͤnger, muͤſſen
ſodan in ihrem Wahnſinn erhalten und geſtaͤrket
werden, damit ſie fortfahren ſich vor Apoſtel zu
halten. Darum mahlet er ſie ab als ſolche, die
der Heiland gerade und perſoͤnlich vor Augen ge-
habt, als er ſagte: Ihr werdet die Kraft des
heiligen Geiſtes empfangen/ und meine Zeu-
gen ſeyn.
§. 30.
Doch wieder auf die Sache zu kommen: die
Menſchen, an welche das Zeugnis ergehet, ſind
ganz nach des Grafen ſeiner Idee oder Plan ge-
bildet; deswegen muß ſie auch der Heiland in
ſeiner Verheiſung juſt alſo abgeſchildert haben,
wie ſie der Graf haben will: obwol der wahre
Heiland nicht ein Wort davon gedenket. Ja er
wuͤrde nichts weniger als ein Heiland ſeyn, wann
er dem heiligen Geiſt ſo ſichtbarlich, wie ihm der
Graf andichtet, wiederſprochen haͤtte. Es ſol-
len Leute ſeyn, die der heilige Geiſt ſchon
hat. Was er damit ſeinen Herrnhutern ſagen
wolle, das iſt wohl zu mercken. Damit ich ehr-
Herrnhut.II.Th. Clich
[34]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
lich mit ihm umgehe, ſo ſollen ſeine eigene Wor-
te die richtigſte erklaͤrung geben.
§. 31.
Leute, die der heilige Geiſt ſchon hat/ ſind
ſolche, die das Kehelle! ſagen. Dann das
Wort iſt das eigentliche Kennzeichen dieſer Leu-
te. So heiſt es ſ. 30. Der heilige Geiſt hat
ſchon dran gemacht/ und alle Schwierigkei-
ten und Hinderniſſe aus dem Wege geraͤumet/
und ſchon eine Converſation angezettelt mit
der Seele/ und ſie ſind ſchon lange gezehlte
Leute/ es fehlet nur noch jemand/ der komt
und fraget ſie: was hat dir dann der heilige
Geiſt geſagt? Antwort: ach wann ichs ſa-
gen koͤnte! Ich will dirs ſagen: Hat er nicht
ſo und ſo geſagt? Ja/ Kehelle! Das iſt auch
wahr/ das hat er geſagt. Es iſt als wann
einer ſeinen Traum vergeſſen haͤtte/ und haͤt-
te ihn wiedergefunden. Und ſ. 23. Aber wir/
wann wir einem Wilden ſeinen Heiland predi-
gen/ ſeinen Schoͤpfer der ihn erloͤſet hat/ ſo
iſt der heilige Geiſt gewiß ſchon zehen Jahr
vorher da geweſen/ und wann wir alſo nur
koͤnnen ſo weit kommen/ ein geſcheut wort
mit dem menſchen zu reden/ ein deutliches/
vernemliches wort/ ſo ſind wir nur Zeugen
von dem Lamm/ von ſeinem fuͤr ihn am Kreutz
geſchlachteten Schoͤpfer; ſo ſind wir Zeugen
des heiligen Geiſtes/ wir verſicherns ihm/ wir
bekraͤftigens ihm/ wir druͤken das ſiegel auf
das/ was er ſchon lange hatte/ und nur nicht
leſen
[35]anderer Theil.
leſen oder ausſprechen koͤnnen. Wir ſchaffen
ihm weder kopf/ noch hand/ noch fus/ noch
herz/ ſondern wir geben ihm einige Inſtru-
mente/ machen ihm gedanken und worte/ die
den vorigen helfen/ und lehrens ihn an-
wenden.
§. 32.
Man ſiehet aus dieſer waſcherey, worauf die
herrnhutiſche Schalkheit ziele. Nemlich die von
dem heiligen Geiſt vorgeſchriebene Bekehrungs-
art/ ſol dadurch in eine herrnhutiſche kaperey
verwandelt werden. Wan jemand zu den Zin-
zendorfiſchen Juͤngern, die er Lammesboten
nennet, Kehelle ſaget, und mit dieſem Loſungs-
wort ein herrnhutiſcher Bruder zu werden ſchei-
net; ſo ſoll er auch ploͤtzlich bekehret, und des
Heilandes Juͤnger ſeyn. Der Herr Graf ſpot-
tet ſonſten der Evangeliſchen, und dichtet ihnen
an, was er nimmermehr erweiſen wird. Er
ſpricht: (*)ſie erkenneten die Leute vor neuge-
C 2bohrne/
[36]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
bohrne/ weil ſie uͤbereinſtimmen/ und vor un-
gegruͤn-
(*)
[37]anderer Theil.
gegruͤndet/ weil ſie nicht einſtimmen. Wann
dieſes jemand von uns thun wuͤrde/ ſo hieſe es
leichtſinnig, ungegruͤndet, betrieglich und ſchaͤd-
lich. Dann obwohl das letzte wahr iſt, daß nie-
mand gegruͤndet ſeyn kan, welcher mit der heil-
ſamen Lehre nicht ſtimmet/ 1. Tim.IV, 1. ſo
kan doch das erſte deswegen nicht gelten. Es
ſtimmen manche buchſtaͤblich uͤberein, und blei-
ben auſer Chriſto. Das bekennen wir alle, und
der Herr Graf bleibet nicht bei der warheit, wann
er obiges gegen die Prediger, die er Pfaffen
nennet, behaupten will. Aber ſiehe, wie ihn die
Eingenliebe geblendet hat. Er haͤlt ſeine Wilden
fuͤr ploͤtzlich bekehrte, wann ſie Kehelle! ſagen.
Bekehrt werden, und wuͤrklich oder auch nur
dem ſchein nach, herrnhutiſch werden, iſt bei
ihm einerley.
§. 33.
Doch, wir wollen den graͤflichen Zeugenplan
naͤher beleuchten. Die Wilden/ die er ſo ſchnell
bekehret haben will, ſoll der heilige Geiſt zehen
Jahre zuvor ſchon gehabt haben. Es ſoll nur
noch noͤthig ſeyn/ daß man auch menſchlich
mit ihnen redet. (§. 26.) Das erklaͤret er ſ. 7.
noch ferner, und leget dem Heiland folgende wor-
C 3te
(*)
[38]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
te in den mund: da ſolt ihr (herrnhutiſche Lam-
mesboten) an ſeine ſtelle treten/ und das zeug-
nis/ das der Heil. Geiſt von meinem Leiden
und Creutz/ und von der einzigen ſuͤnde der
welt/ daß ſie nicht an mich glaubet/ bei der
welt ablegen will/ das ſolt ihr in worte faſ-
ſen/ in foͤrmelchen vortragen/ das ſolt ihr
nach ihrem verſchiedenen begrif/ nach der
mancherley faſſung des menſchlichen gemuͤths
an der Leute herz legen/ daß ſie ſich werden
einbilden/ ihr habt ſie uͤberzeugt/ daß ſie
werden denken/ ihr habt ſie gewonnen fuͤr
mich.
§. 34.
Man iſt jetzt im ſtande, die andere ſchaͤdliche
abſicht dieſer ſchwaͤrmerei, leichter zu entdecken.
Nemlich, in dem Plan des Zinzendorfiſchen ge-
werbes, iſt dieſes eine hauptmaxime, man muͤſſe
zu Seelen gehen/ die ſchon erweckt ſeyen/ und
die von den Religionsmaͤnnern, als Donatiſten
und Dienern Moſis/ nicht recht bearbeitet wer-
den koͤnten. Dan den Leuten (*)Erkaͤntniſſe
beizubringen/ das iſt nicht ſein Plan. Durch
dieſe betriegerei hat er manche redliche Seelen,
ihren Lehrern, von welchen ſie auf eine goͤttliche
art erwecket, und zu einer weiteren fuͤhrung vor-
bereitet worden, argliſtig entwendet. Das wiſ-
ſen die Bruͤder, und zum theil ſind ſie ſelber zeu-
gen
[39]anderer Theil.
gen davon. Wann er nun gleichwol zu den Wil-
den gehet, und daſelbſt vor ſeine Sekte werben
will, ſo moͤchten ſeine Boten ſtutzig werden, und
ihn fragen: wie? wer gibt uns dann erweckte
herzen bei den rohen Indianern? und wer kan ſie
erwecket haben, da kein Wort GOttes unter ih-
nen wohnet? Dieſen Zweifel zu heben, muß der
Herr Graf ein Mittel erfinden. Und damit er
keinen weitern beweis brauche; ſo laͤſt es ſich mit
dem Heiland machen. Wann dieſer zu ſeinen
Apoſteln ſpricht: Ihr werdet die Kraft des
heiligen Geiſtes empfangen/ und werdet mei-
ne zeugen ſeyn bis ans ende der erden/ ſo hei-
ſet das ſoviel: ihr Herrnhuter werdet von eurem
Meiſter dem Grafen Zinzendorf, zu ſolchen voͤl-
kern geſendet werden, die mein Geiſt ſchon hat,
und die nichts weiter als foͤrmelchen beduͤrfen,
die er euch fuͤrgeſchrieben hat. So verwegen,
unverſchaͤmt, und argliſtig, mißbrauchet dieſer
Man den Heiland, wann er ſeine ſchaͤdliche grife
nicht anders bei ehren erhalten kan.
§. 35.
Es bedarf dieſe Schalkheit deſto weniger wie-
derlegung, je deutlicher des HErrn Chriſti wor-
te ſind, und je weniger anlaß zu einer ſolchen ver-
drehung ein nur vernuͤnftiger Menſch darinnen
finden wird. Es lieget 1) nicht eine ſylbe von
der Graͤfl. traͤumerey in dieſer Verheiſung unſers
Erloͤſers, ſondern der Graf hat es aus dem,
was in ſeinem reich uͤblich iſt, freventlich hinein-
geſchoben, und auf des Heilandes credit geſchrie-
C 4ben,
[40]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
ben, wie er gewohnt iſt. So ſtreitet auch 2)
dieſe freche unwarheit mit der wuͤrklichen Amtes-
fuͤhrung der Apoſtel. Dann dieſe giengen zu den
voͤlkern, welche in heidniſcher blindheit, finſter-
nis und abgoͤtterey, in juͤdiſcher verſtockung,
und teufliſchen wercken der bosheit gefangen la-
gen. Denen das kreutz des HErren JEſu ein
aͤrgernis und eine thorheit war, 1. Cor. 1, 23.
Man leſe doch die Geſchichten der Apoſtel/ von
anfang bis zu ende. Cap. 5, 33. 13, 50. 14, 19.
16, 19. 17, 5. 6. 18. 32. 18, 17. 18. 19, 29. 20,
22. 21, 30. ꝛc. ꝛc. Man vergleiche damit, was
ſie ſelber bekennen, daß bande und truͤbſaal ihr
lohn geweſen, daß wiederſpruch, laͤſterung,
ſchlaͤge, gefangnis, und endlich ein ſchmaͤhlicher
todt ihnen zu theil geworden. Man halte die
[weiſſagung] Chriſti dagegen Joh. 15, 20. 16, 1.
welche dieſen erfolg deutlich gnug beſchreibet.
Gewiß, wann ſie nur zu ſolchen ſeelen waͤren
geſchiket worden, welche der heilige Geiſt ſchon
ſo lange gehabt, und welche nur noch auf herrn-
hutiſche Foͤrmelgen gewartet haͤtten, ſo waͤre es
mit ihrem amte ſo blutig nicht abgelaufen. So
haͤtte es keine muͤhe gebraucht ihnen erkentniſſe
beizubringen. So haͤtte Paulus keine argu-
mente noͤthig gehabt bei den Heiden zu Lyſtra/
denen er die bekehrung prediget von den fal-
ſchen, zu dem lebendigen GOtt, mithin das
erſte Gebot Apoſtelg. 13, 15. und ſogleich den
erſten Artikel von der Schoͤpfung v. 15. 16. 17.
zum grunde leget. So haͤtte er nicht einen au-
genblick
[41]anderer Theil.
genblick bei den Heiden zu Athen bleiben, viel-
weniger argumente gebrauchen und ſie zur buſe
ermahnen duͤrfen, wie er doch gethan hat Apoſt.
17, 22. Dann hier faͤngt er 1) mit ſtrafen
an, gegen ihren aberglauben v. 22. 23. 24.
Weiter, braucht er 2) argumenten von der
Schoͤpfung und Erhaltung v. 24--28. und von
dem zeugnis ihrer eigenen lehrer v. 28. 29. auch
von dem ernſten willen GOttes daß die Heiden
buſe thun ſolten, ingleichem, von der goͤttlichen
langmuth v. 30. Und endlich vom letzten gerich-
te v. 31. Zuletzt von dem geſtorbenen und auf-
erweckten JEſu/ und von der heilsordnung/
nach welcher allen Menſchen der glaube darge-
boten werde v. 31. Dieſe Predig war voll geiſt
und leben. Dennoch hatten es einige ihren
ſpot; andere wurden geruͤhret, etliche aber hien-
gen Paulo an, und wurden glaubig v. 32. 33.
34. Wie ſchlecht aber haͤtte ſich Paulus zu ei-
nem graͤflichen juͤnger, und zu dem ſtreiterplan
geſchickt? Er wuͤrde gewiß von dem herrnhuti-
ſchen Heiland ausgemuſtert worden ſeyn. Dann
dieſer nennet ſolche bekehrungsart ein breitſchla-
gen(*) (ein ausdruk aus der ſprache der gau-
C 5diebe
[42]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
diebe und raͤuberbanden) ja er iſt ſeiner ſache ſo
gewiß, daß er den lammesboten ganz zornig
befielet:
(*)
[43]anderer Theil.
befiehlet: gehet geſchwind fort! gleich gehet
fort! wann die wilden nicht auf euch gewartet
haben,
(*)
[44]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
haben, und ſprechen: ey willkommen! ey! wie
haben wir auf den Man gewartet! Seine
worte ſtehen unten (§. 45. *) Er verſichert ſogar,
weil er ſich nicht mehr ſchaͤmet, daß er dieſen
befehl vom Heiland habe.
§. 36.
Daß aber 3) je zuweilen auch erweckte ſeelen
ſich gefunden haben, die eine weitere belehrung
von den Apoſteln erwarteten, das hat ſeine rich-
tigkeit. Dergleichen war der Kaͤmmerer der koͤ-
nigin Candaces, Apoſtelg. 8, 27. und Corne-
lius Cap. 10, 1. Aber deren ſind wenige: und
es
(*)
[45]anderer Theil.
es iſt eine geflieſentliche ſchalkheit, aus dieſen ſo
ſeltenen exempeln einen ſchlus zu machen, der al-
ſo heiſen ſoll: ihr zeugen der goͤttlichen lehre, ſol-
let nur dahin gehen, wo die leute ſchon laͤngſt
haben glauben wollen/ wo ſie der heilige Geiſt
ſchon hat/ wo ihnen die geſpaltene ohren nur
noch fehlen/ mit welchen ſie ſeine ſubtile ſtim-
me/ das iſt, die foͤrmelchen des herrnhutiſchen
handgrifs, vernehmen ſollen. Und gleichwol iſt
der Graf ſo ehrerbietig gegen den Heiland der
welt, daß er ihn zum weiſſager ſolcher ſchaͤdli-
chen erfindungen macht, und ſeine den Apoſteln
gegebene ſo theuere verheiſung in dergleichen mis-
geburten einer verduͤſterten argliſt verwandelt,
blos zu dem ende, damit ſein verfuͤhriſches unwe-
ſen und vermeſſenes beginnen, apoſtoliſch und
goͤttlich heiſen ſolle.
§. 37.
Bisher haben wir die beſchaffenheit derer
ſeelen (§. 26.) erwogen, an welche die lammes-
boten geſendet werden muͤſſen. Das andere das
wir noch zu ſehen haben, gehet auf die art der
bekehrung/ welche der Graf hier beſchreibet,
und womit er ſeine ſchalkheit abermal bei denen,
welche den geiſt der pruͤfung haben, allzudeutlich
verrathen hat. Es komt hierbei auf zwei dinge
an: 1) auf den zuſtand der vermeintlich bekehr-
ten aus den wilden, vor der angeblichen bekeh-
rung, 2) auf die art ihrer bekehrung.
§. 38.
[46]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
§. 38.
1) Was den zuſtand dieſer leute betrift, in
welchem ſie der Herr Graf gefunden haben will,
ſo erhellet derſelbe aus deſen eigenen beſchreibung,
die wir oben (§. 26. 31. 33) mitgetheilet haben.
Wo man alles zuſammen nimt, was er daher-
plaudert, ſo komt ſoviel heraus: (*)dieſe leute
waͤren
[47]anderer Theil.
waͤren 1) durch innere offenbarungen des hei-
ligen Geiſtes ſchon ſoweit erleuchtet/ daß es
2)
(*)
[48]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
2) an nichts weiter fehle/ als daß man ihnen
das mit worten und foͤrmelchen nenne/ was
ſchon in ihren herzen liege.
§. 39.
Laſſet uns nun dieſen von dem Grafen abge-
mahlten zuſtand ſeiner wilden, die er geherrnhu-
tert, oder nach ſeinem vorgeben, bekehret hat,
bei dem lichte der goͤttlichen warheit betrachten.
Wann
(*)
[49]anderer Theil.
Wann es leute ſind, die der heilige Geiſt ſchon
lange, ſchon von zehen jahren hatte, und denen
er eben das ſchon geſaget hatte, was die herrn-
huter ihnen von neuem ſagen; ſo entſtehen drei
fragen hierbei. 1) Was ihnen der heilige Geiſt
eigentlich geſagt haben muͤſſe? die antwort hier-
auf iſt leicht zu finden. Dann er hat ihnen eben
das geſagt, was ihnen die bruͤder ſagen. Die-
ſe aber ſagen wie der Graf bekennet, nichts an-
ders, als dein Schoͤpfer iſt fuͤr dich am kreutz
geſchlachtet, und der heilige Geiſt zeuget da-
von/ und zugleich von dem unglauben der
welt. 2) Die andere frage: Ob denn dieſe Leute
noch wiſſen, was der heilige Geiſt ihnen geſaget
habe? Die antwort des Grafen iſt etwas zwei-
deutig. Einmal ſpricht er: Ja, ſie wiſſen es,
es fehlet nur an jemand/ der ſie es ausſpre-
chen lehret. Wir druͤcken das ſiegel auf das/
was ſie ſchon lange hatten. Ein andermal
heiſet es, es waͤre ihnen wie einem, der ſeinen
traum vergeſſen haͤtte/ den man wieder daran
erinnern muͤſſe. Seelen, (§. 26.) die ſchon
nach gnade ſuchen und verlangen/ die ſchon
ſo was gemerkt/ und ſchon lange was bei ſich
herum getragen haben/ das man ihnen nur
nennen muͤſſe. Die ſchon lange haben glau-
ben wollen/ und nur nichts gewuſt haben zu
glauben/ bis man es ihnen nennet.
3) Wie und auf was art der heilige Geiſt ih-
nen dieſes geſaget habe? Dieſe frage hat die graͤf-
liche ſchalkheit uneroͤrtert gelaſſen. Dann hier
Herrnhut.II.Th. Dlieget
[50]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
lieget ein geheimnis ſeiner argheit verborgen, wel-
ches wir nun beleuchten werden.
§. 40.
Es redet der Herr Graf von den wilden, wel-
che das Kehelle! ſagen. Wann der heilige Geiſt
dieſen menſchen ſchon eben das geſagt hat, was
ihnen die herrnhuter ſagen, ſo und dergeſtalt,
daß ſie der heilige Geiſt ſchon hat/ und daß
ſie nach gnade hungern und verlangen: ſo lie-
get ein verborgener glaube in ihren herzen, der
nur noch weitere erweckung brauchet. Und da
gehet keine eigentliche bekehrung vor, ſondern ei-
ne vermehr- und ſtaͤrkung des glaubens, der nach
ſeinem anfang, bereits vorhanden iſt. Dann
die bekehrung begreifet Buſe und Glauben in
ſich, als ihre zwei weſentliche ſtuͤcke. Da nun
dieſe wilden keine buſe, oder zerknirſchung des
herzens noͤthig haben, wie der Herr Graf traͤu-
met: ja, da ihnen der heilige Geiſt bereits das
evangelium von JEſu geprediget, und einen hun-
ger nach gnade bei ihnen dadurch erwecket hat:
ſo iſt nicht begreiflich, warum dieſer heilige Geiſt
noch eines herrnhutiſchen bruders noͤthig haben
ſoll, der ihnen mit foͤrmelchen, oder menſchlichen
worten eben das und nichts anders ſagt, als was
er ſelbſt ihnen bereits geſaget hat. Dann, wenn
dieſes geſchehen iſt, ſo hat der heilige Geiſt ſon-
der zweifel es beſſer, oder wenigſtens eben ſo gut,
ihnen ſagen koͤnnen, als der herrnhuter, der zu
ihnen komt. Er hat eben ſo menſchlich, und for-
melmaͤſig reden koͤnnen, wann dieſes zu der be-
kehrung
[51]anderer Theil.
kehrung ſo unumgaͤnglich war; er hat ſich nach
der ſchwachheit der wilden eben ſo gut richten koͤn-
nen, als der Graf mit ſeiner ganzen Synagoge.
Dann lieber! warum ſoll der heilige Geiſt den
wilden das hauptwerk ins herz gegeben, und das
nebenwerk der foͤrmelchen davon gelaſſen haben,
davon das hauptwerk nur einen namen bekomt?
warum ſoll er ihnen auf geiſtlich/ in des lieben
GOttes ſeiner gnadenſprache und naturſpra-
che es ſchon lange geſaget, und die mutterſprache
dieſer wilden, nur noch vergeſſen und weggelaſſen
haben? vielleicht hat er die mutterſprache dieſes
volks nicht ſo gut verſtanden, als die bruͤder?
§. 41.
Noch beſſer wird ſich dieſes laͤutern, wann wir
die dritte frage werden unterſuchet haben; als
worzu wir nunmehro ſchreiten muͤſſen. Wann
der heilige Geiſt den wilden das vorlaͤngſt geſa-
get hat, was ein herrnhuter ihnen noch einmal
ſaget: ſo iſt ſolches entweder unmittelbar oder
mittelbar/ geſchehen. Unmittelbare offenbarun-
gen des evangelii zu behaupten, zu einer zeit, da
GOttes wort in aller welt erſchallet, und da alle
voͤlker gelegenheit haben, ſeiner theilhaftig zu wer-
den, ja, da nach des Grafen eigenem angeben
wuͤrklich die boten des friedens kommen, und nach
dem weiſen rath GOttes, Chriſtum und die heils-
ordnung verkuͤndigen: das heiſet nichts anders
als fanatiſche haͤndel anfangen, und das pro-
phetiſche amt Chriſti verkleinern, das er mittel-
bar durch ſein verordnetes kraͤftiges wort und
D 2durch
[52]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
durch die Sakramenten fuͤhret. Daß aber der
heilige Geiſt mittelbar/ das iſt, durch ſein wort
und deſen verkuͤndigung, zu den wilden geredet
haben ſoll, das kan mit dem lehrgebaͤude des
Grafen (*) nicht beſtehen. Dann waͤre es mit-
telbar auf jetztgedachte art geſchehen; ſo muͤſte es
auch in der ſprache geſchehen ſeyn, in welcher die
wilden das Kehelle ſagen. Solcher geſtalt muͤ-
ſten dan die menſchliche worte und foͤrmelchen/
an welchen es nur noch fehlen ſoll, ſchon damals
ihnen bekant geworden ſeyn, als der heilige Geiſt
angeblich mit ihnen geredet hatte. Dann der
glaube komt aus der predig/ und das predi-
gen aus dem wort GOttes. Rom. 10, 17. Wie
ſollen
[53]anderer Theil.
ſollen ſie aber glauben/ von dem ſie nichts ge-
hoͤret haben? wie ſollen ſie aber hoͤren ohne
prediger? wie ſollen ſie aber predigen/ wo ſie
nicht geſandt werden? v. 14. 15. Was haͤtte
doch den heiligen Geiſt bewegen ſollen, auf die
herrnhuter wohl zehen jahre (wie der Graf ver-
ſichert) zu warten? Konten dann die erſte zeugen
der warheit, durch welche er den wilden ſchon
eben das geſaget hat, was jetzt die bruͤder ſagen,
nicht eben ſowol ein geſcheutes wort reden als die
juͤngerſchaft und der zeugenplan, den der Graf
errichtet hat? Warum hat nicht der heilige Geiſt
ſchon damals dieſen plan gemacht? Warum hat
er die arme wilden ihren traum wieder vergeſſen
laſſen, bis der plan fertig war? Gewis der Graf
muß kein mittelbares ſagen des heiligen Geiſtes
zugeben. Sonſt waͤren alle ſeine worte gegen
ihn. Er muß ein inneres ſprechen des heiligen
Geiſtes verſtehen, das kein Apoſtel, wann er zu
den wilden kame, vorgefunden hat. Dieſe wah-
re und berufene zeugen JEſu, predigten Buſe
und Glauben. Sie fanden ihre wilden in lau-
ter tod und finſternis, Eph. 2, 1. und in des Sa-
tans gewalt, Apoſtelg. 26, 17. 18. 1. Cor.
12, 2.
§. 42.
Wir ſehen hieraus, wie der Graf, da er die
liebe zur warheit einmal verabſcheuet hat, aus
gerechtem verhaͤngnis GOttes in kraͤftige irthuͤ-
mer verfallen muß/ daß er den luͤgen glaubet/
2. Theſſ. 2, 10. 11. und ein werkzeug wird, ſol-
D 3che
[54]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
che immer mehr auszubreiten. Dann weil ihn
der wahnwitz vorerſt bethoͤret hat, die goͤttliche
wuͤrkungen durch das Geſetz, von der buſe gaͤnz-
lich auszuſchlieſen: ſo wird er dadurch genoͤthi-
get, auf die ſchaͤdlichſten abwege zu gerathen.
Er muß ſeine juͤnger bereden, der heilige Geiſt
habe ſchon uͤberal, wo ſie hinkommen, den glau-
ben unmittelbar den leuten eingepflanzet, und das
verhalte ſich wie ein traum/ an welchen man ſie
durch die foͤrmelchen von dem lamm, erinnern
muͤſſe; ſo ſeye es den augenblick geſchehen. Re-
helle! HErr nun laͤſeſtu deinen diener im frie-
de fahren! mich beſchwemmt die gnaden-
fluth!
§. 43.
Sehr ſchaͤdlich iſt es, daß nun ſogar die heili-
ge Schrift zu dieſer ſchalkheit misbrauchet wird.
Dann er nimt das, was der heilige Geiſt von
Philippo und dem Kaͤmmerer erwehnet, (§. 26.)
und machet es zu der einzigen maasregel aller be-
kehrung uͤberhaupt. Seine ſchlusfolge gehet da-
hin: Wie Philippus den Kaͤmmerer bekehret
hat, ſo werden alle Menſchen bekehret, welche
zu gnaden kommen. Nun aber iſt jener oh-
ne geſetz, blos durch die predig vom marterlam
bekehret worden: demnach geſchiehet es gleicher
weiſe bei allen menſchen, die zu Chriſto kommen.
Das iſt ſein argliſtiger grif, mit welchem er ſein
gottloſes beginnen zu beſchoͤnigen ſuchet. Weil
dieſe luͤgenhafte ausſchweifung bereits anders-
wo
[55]anderer Theil.
wo (*) von uns entdecket worden iſt, da wir
bewieſen haben, daß der Kaͤmmerer durch den
gebrauch der ordentlichen gnadenmittel, in die
heilsordnung getreten ſeye, ehe und bevor ihn
Philippus geſehen hatte; ſo iſt nicht noͤthig wei-
ter davon zu ſprechen.
§. 44.
Nachdeme wir den zuſtand derer erwogen ha-
ben, welche der Graf bekehret haben will: (§. 37.)
ſo wird die art ſolcher bekehrung noch kuͤrzlich zu
pruͤfen ſeyn. Der ſchaͤndlichſte Greuel, welcher
ſich hierbei offenbaret, muß zuerſt bemerket wer-
den. Nemlich, da der Graf dieſen fanatiſchen
grundſatz einmal angenommen hat, daß bei leu-
ten, die man bekehren ſoll, der heilige Geiſt ſchon
vorlaͤngſt die ſache richtig gemacht, und zu den
ſeelen eben das geredet habe, was man nur mit
foͤrmelchen ihnen noch einmal ſagen ſolle: (§. 41.)
ſo iſt leichtlich hieraus zu ermeſſen, wieviel kraſt
und wuͤrkung dem worte des HErrn, als dem
einzigen bekehrungsmittel, uͤbrig bleibe. An das
geſetz wird mit keinem wort gedacht, weil er die-
ſes vorlaͤngſt als eine giftig ſchaͤdliche lehre vor
die aus den heiden/(**) erklaͤret hat. Und
das Evangelium iſt nichts weiter, als ein geſcheu-
tes menſchliches wort/ ein foͤrmelgen/ (§. 38.*)
deſen man ſich bedienet, das was wuͤrklich in dem
D 4men-
[56]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
menſchen lieget, ihme verſtaͤndlich zu machen,
und ihn zu lehren, wie er ſolches ausſprechen ſol-
le. Es iſt ein leeres werkzeug, das dem guten
blos einen namen gibt, damit der menſch das
was er ſchon lange in ſich hat/ leſen und aus-
ſprechen lerne. So heiſen des Grafen worte.
Auf das hoͤchſte, iſt es ein bloſes erinnerungsmit-
tel deſen, was der heilige Geiſt ſchon laͤngſt wie
einen traum/ in die Seele geleget hat. Und ſo
viel thut es nicht einmal, bis ein herrnhutiſcher
dienſtbote ſeines Grafen, es in foͤrmelchen faſſet,
und ſo an die herzen leget. Alsdann ſollen ſie
ſeyn wie leute/ die wieder zu ſich ſelbſt kom-
men/ welche der Alp zuvor druͤcket/ wie ſei-
ne worte lauten. ſ. 29. Kan aber der Heiland
und ſein evangelium aͤrger geſchimpfet werden,
als durch dieſe boshaftige verkehrung geſchiehet?
§. 45.
Das iſt nun der erſte greuel der ſchalkheit, wel-
cher in dieſer bekehrungsart des graͤflichen reichs
verborgen lieget. Es wird nemlich dem ſeelig-
machenden wort GOttes ſeine kraft geraubet.
Ein arger grif des boͤſen geiſtes! deſen er ſich je-
desmahl zur grundlegung eines ſeelengefaͤhrlichen
plans bedienet hat. Wer auf die macht der fin-
ſternis acht gibt, wie ſie von anbegin bis auf die-
ſe ſtunde, in die kirche jedesmal eingedrungen
iſt; der wird finden, daß kein einziger fal vor-
handen ſeye, wo ſie nicht mit geringhaltung des
goͤttlichen worts, und deſen vorbeigehung in ſa-
chen, welche die ſeeligkeit betreffen, ihren betruͤb-
ten
[57]anderer Theil.
ten anfang genomgenommen, und nachher wie das
dunkel in Egypten, ſich ausgebreitet hat. Nach
des Grafen erfindung, kan die ganze Bibel hin-
geleget werden. Man darf nur zu dem Suͤnder
ſagen: dein Schoͤpfer iſt dein Heiland/ oder
dieſes in eine formul einkleiden, ſo iſt alles ge-
ſchehen, was zur bekehrung und Heiligung er-
fodert wird. Um die (*) uͤbrige eben ſo theure
D 5warhei-
[58]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
warheiten bekuͤmmert man ſich nicht. Ja die
obgedachte, daß der Schoͤpfer am kreutz fuͤr uns
geſtorben ſeye, ſoll nicht mehr darzu dienen, wor-
zu ſie verordnet iſt. Sie ſoll den glauben nicht
pflanzen, nicht den geiſt reichen, wie Paulus
Galat. 3, 2. davon bezeuget; ſondern nur anzei-
gen, wie ein wilder den ſchon lange bei ſich ge-
tragenen glauben, nennen muͤſſe. Auf dieſe art
iſt Geſetz und Evangelium zugleich verlohren.
Dann wer wird das ein evangelium, eine kraft
GOttes zur ſeeligkeit Rom. 1, 16. nennen duͤr-
fen, was nur ein leeres benennungswort derjeni-
gen wuͤrkung iſt, die der heilige Geiſt ſchon ze-
hen jahre vor dieſer predig, (**) in der ſeele voll-
fuͤhret hat?
§. 46.
[59]anderer Theil.
§. 46.
Wie nun die graͤfliche bekehrung beſchaffen
ſeyn muͤſſe; das laͤſet ſich hieraus leichtlich er-
meſſen.
(**)
[60]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
meſſen. Sie iſt oben (§. 40.) ſchon zum theil be-
ſchrieben. Nemlich, ſie beſtehet darinnen, daß
man den leuten, die der heilige Geiſt ſchon hat/
nur worte machet, und foͤrmelchen beibringet,
die dem kind den namen geben. Die neue geburt
lebet ſchon durch eine fanatiſche innere ausſprache
des heiligen Geiſtes. Er zeuget ſie nicht durch
das wort der warheit, wie er zu der Apoſtel zei-
ten bis daher gethan hat, ſondern, ſeitdeme herrn-
hutiſche Ohrenſchleifer da ſind, zeuget er ſie durch
innere offenbarungen: worzu das ordentliche gna-
denmittel nichts beitraͤget, als den namen und
die erinnerung an das, was wohl zehen jahre zu-
vor,
(**)
[61]anderer Theil.
vor, da geweſen iſt. Das evangelium: dein
Schoͤpfer iſt dein Heiland/ iſt nur ein mittel
zum ohrenſchleiffen und ohrenſpalten. Dann
es fehlet bei denen, die bekehret werden ſollen,
weiter nichts, (§. 26.) als daß ſie die ſubtile
ſtimme des heiligen Geiſtes/ (das ſind die foͤr-
melchen/ und das geſcheute menſchliche wort!)
noch nicht hoͤren koͤnnen/ daß ſie noch nicht
ſolche geſchliffene und geſpaltene ohren haben/
daß ſein ſanftes ſauſen durchdringen/ und ſich
verſtaͤndlich machen koͤnne. Mit einem wort,
es iſt eine bekehrung ohne buſe, ohne heilsord-
nung, ohne erkentnis ſeiner ſelbſt, und GOttes,
und Chriſti, ohne geſetz und evangelium. (§. 44.
45.) Das iſt der hauptgrund der herrnhutiſchen
bosheit, worauf das ganze reich als auf die grund-
ſaͤule gebauet iſt. Die predig Chriſti und der Apo-
ſtel: thut buſe/ und glaubet an das evange-
lium/ iſt hier gaͤnzlich ausgethan, und das rin-
gen/ einzugehen durch die enge pforte/ in ein
ſpielendes Kehelle verwandelt. Wann nun
Paulus die Heiden bekehret von der finſternis
zum licht/ und von der gewalt des Satans
zu GOtt/ Apoſtelg. 26, 17. 18. ſo iſt offenbar,
daß ſeine und des Grafen bekehrungasart him-
melweit von einander unterſchieden ſind. Dann
Paulus findet ſeine wilden in des Teufels ge-
walt und in der Finſternis. Die graͤfliche oh-
renſpalter haben an ihren wilden lauter ſolche
leute, die das zeugnis und die kraft von JEſu
ſchon lange bei ſich herum getragen haden/
denen
[62]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
denen es der heilige Geiſt ſchon lange geſaget
hat/ bei denen man nur darauf das ſiegel druͤ-
cket/ was ſie ſchon lange hatten. Paulus
findet noͤthig ſeinen heiden die augen aufzuthun/
daß ſie die gewalt des Satans ſehen, von wel-
chem ſie gefeſſelt ſind in ihrer finſterniß. Das
heiſt, er muß ihnen das geſetz verkuͤndigen. Der
Graf und ſeine boten, beduͤrfen dieſes nicht.
Seine wilden ſind ſchon durch ein inneres wort,
das der heilige Geiſt zu ihnen geredet hat, ſoweit
fertig gemacht, daß ihnen nur noch die formein
fehlen, und das ausſprechen dieſer formeln iſt die
bekehrung. Das Kehelle ſagen iſt der beweis,
daß ſie ploͤtzlich die formeln verſtehen, das iſt,
vollkommen bekehret ſind. Ich mag alſo dieſe
bekehrung nach ihren wuͤrkenden urſachen/ oder
nach dem welen/ oder nach ihren kennzeichen
anſehen, ſo iſt ſie ein leerer betrug des boͤſen gei-
ſtes. Dann 1) die wuͤrkende urſachen ſind ein
bloſer traum des Grafen. Die vorgaͤngige ein-
gebungen des heiligen Geiſtes ſind vorſetzlich von
dem Grafen erdichtet. Das geſcheute und menſch-
liche wort der bruͤder, iſt weder geſetz, noch das
kraͤftige evangelium, (§. 44.) in ſeinem gehoͤri-
gen Umfang. 2) Das weſen dieſer vermeinten
bekehrung beſtehet in einer gleichfals erdichteten
erinnerung an die ehemalige einſprache des H.
Geiſtes, und in einer benennung derſelben, (§. 40.)
worzu keine innere hauptveraͤnderung kommen ſoll.
(§. 26. *) Das kennzeichen dieſer bekehrung iſt
das wort Kehelle. Man gehe nun alle predigen
Chriſti,
[63]anderer Theil.
Chriſti, der Apoſtel und Propheten durch, und
ſehe, ob man dieſe bekehrungsart bei ihnen
finde.
§. 47.
Wenn man des Grafen ſchalkheit aus nichts
anders erweiſen koͤnte; ſo waͤre dieſe leichtfertige
bekehrungsart der ſicherſte beweis davon. Wer
will glauben, daß ein ſolcher menſch von GOtt
geſendet ſeye, das reich Chriſti zu bauen, der mit
dem goͤttlichen wort und hochwichtigen bekeh-
rungsgeſchaͤfte ein ſolches Gaukelſpiel zu treiben
ſich erfrechen mag? wer ſiehet nicht die hand-
greifliche betriegereien, wann dieſer ſpotgeiſt die
form einer apoſtoliſchen gemeine von auſen nach-
aͤffet, darbei aber alles, was Chriſtus und ſei-
ne Apoſtel, zur ſeeligkeit der menſchen gethan, ge-
lehret und verordnet haben, ganz freventlich mit
fuͤſen trit? ſich ſelbſt zu einem ſtifter einer neuen
bekehrungsweiſe aufwirft, dadurch dem heiligen
Geiſt und ſeinen zeugen ins angeſicht wiederſpro-
chen, die wahre bekehrung in ein dockenwerk,
und in eine arbeit von einer halben (*) minute,
ver-
[64]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
wandelt, und die allerheiligſte Religion der Chri-
ſten auf das aͤuſerſte verſpottet wird?
§. 48.
Der betrug wird ſich naͤher zeigen, wenn man
den Grafen fragen darf: woher ihm doch bekant
ſeye, daß die wilden ſchon ſo lange vom heiligen
Geiſt unterrichter worden, ehe er ihnen die ohren
durch ſeine juͤnger ſchleifen laͤſet? Hat ihm etwa
der heilige Geiſt durch eine gleiche innere offenba-
rung das ins ohr geſaget: dort ſind leute von den
wilden, die ich ſchon vor zehen jahren habe, mit
denen ich laͤngſt eine converſation angezettelt hat-
te? Es fehlet nur daran, daß die bruͤder hinlau-
fen, und das ſiegel darauf druͤken, was ſchon da
iſt? Auf demnach! und ruͤſte deine ſtreiterbande,
daß ſie dort ihren angrif thun! Gewis, der Graf
muß ſich dieſes einbilden. Deswegen vergleicht
er ſeine elende kreaturen mit dem Philippo,
(§. 26.)
(*)
[65]anderer Theil.
(§. 26.) welchem der heilige Geiſt, und ein En-
gel, den ausdruͤklichen unmittelbaren befehl er-
theilete, ſich eilends zu dem Kaͤmmerer zu verfuͤ-
gen Apoſtelg. 8, 26. 29: Dann ſolche beſonde-
re umſtaͤnde der ſeelen, kennet niemand, als der
Herr, der herzen und nieren pruͤfet. Der kan
allein wiſſen, ob und welche herzen er zubereitet
habe, wann dergleichen zubereitung wuͤrklich ge-
ſchehen waͤre. Der kan es allein denen offenba-
ren, die er allenfals zu einer weitern ſeelenfuͤh-
rung gebrauchen wolte. Aber wo hat der Graf,
der dieſe ſchleicher alleine ruft und (*) ſendet,
eine ſolche verheiſung empfangen, daß GOtt auf
der-
Herrnhut.II.Th. E
[66]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
dergleichen art mit ihm reden, und ihm befehl er-
theilen wolle, wohin er ſeine bruͤder ſchiken ſolle,
und wie es mit den ſeelen ausſehe, denen ſie hel-
fen wollen? Aus der offenbarung in der ſchrift,
kan er dieſes unmoͤglich wiſſen. Er muß dem-
nach in dieſem ſtuͤk wiederum auf fanatiſche Ein-
gebungen verfallen, und einen ſchwaͤrmeriſchen
traum mit dem andern ſchuͤtzen. Kan er aber nicht
erweiſen, daß ihm der heilige Geiſt dieſes offen-
baret habe: ſo verraͤth er hiedurch augenſchein-
lich, daß ſein ganzes werk auf luͤgen und falſchen
traͤumen beruhe, die wieder GOttes wort, und
ſeine ordnung ſind.
§. 49.
Wolte er etwa ſagen, er habe merkmale da-
von, an dieſen leuten ſelbſt, die er bekehren will,
gefunden: ſo wird er am allerwenigſten damit
auskommen, und gegentheils ein neues traum-
werk dichten. Dann die angezettelte converſa-
tion des heiligen Geiſtes mit den wilden, und die
innere anſprache deſſelben an ihre herzen, iſt eine
freche erfindung des Grafen, die gegen die heili-
ge ſchrift, und gegen das prophetiſche amt des
Sohnes GOttes laufet, als welcher in den ta-
gen des neuen teſtamentes ſein geoffenbartes wort
zur anſprache an die menſchen gebrauchet, und
keine unmittelbare eingebungen in ſeinem reich ge-
ſtattet. Was demnach gar nicht vorhanden iſt,
davon
(*)
[67]anderer Theil.
davon kan auch der Graf kein merkmal ſehen.
Ja, was das meiſte iſt, ſeine vorgeſpiegelte be-
kehrungsart hat ſelber offenbare merkmale der
ſchalkheit. (§. 46.) Wie kan aber der heilige
Geiſt leute an die ſeelen beſtellen, welche nichts
anders thun, als ſich ſelbſt ſamt den ſeelen, auf
das erbaͤrmlichſte betriegen? wiewol auch keine
merkmale ſtat haben, wo eine vorlaͤufige ſendung
behauptet wird (§. 48.)
§. 50.
Spricht er: die wilden werden doch gleichwol
von den bruͤdern geruͤhret. Dann ſobald jene
ihre foͤrmelchen ausgeſprochen, und ein geſcheu-
tes wort zu ihnen geredet haben, ſo hoͤret man die
wilden flugs ihr Kehelle ſagen. Das heiſet ſo-
viel: HErr/ nun laͤſeſt du deinen diener im
frieden fahren! mich beſchwemmt die gnaden-
fluth! So iſt dieſe marktſchreierei kaum wuͤr-
dig, daß ein vernuͤnftiger darauf antworten ſoll.
Dann 1) ſtehet es noch dahin, ob, und wievie-
le Indianer das Kehelle ſagen. Wer wird die-
ſes einem manne zu gefallen glauben, der mit
den wichtigſten religionsſachen ſo untreu und be-
trieglich umgehet? Nechſt deme ſo hat der Graf
2) zu erweiſen, wann die wilden ihr Kehelle!
ſagen, was ſie damit anzeigen wollen? das wort
leget er ſelbſt beliebig aus, (§. 26. *) und es ge-
faͤlt ihm vielleicht deswegen, weil er es das erſte
mahl bei einer ſuͤſſen einbildung gehoͤret, oder
weil es ein Indianer mit ſolchen minen begleitet
hat, die dem Grafen artig und wunderbar vor-
E 2ge-
[68]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
gekommen ſind. Geſetzt aber, 3) es heiſe das,
was der Graf darunter verſtehet, und es ſeye
ihm bei uͤberſetzung der Indianiſchen ſprache
mehr zu glauben, als wann er ſogar das wort
GOttes nach ſeiner phantaſie uͤberſetzet: ſo ſa-
gen ja die wilden mit ihren Kehelle nichts anders,
als daß ſie verſtuͤnden/ was gemeinet ſeye-
und das mit einiger verwunderung. Auf dieſe
art konten alle Feinde Chriſti und ſeiner Apoſtel,
das Kehelle ſagen: Dann ſie verſtunden oft gar
zu wohl, was gemeinet waͤre. Und die zu Naza-
reth, die ſich an Chriſto aͤrgerten, ſagten eben-
fals mit verwunderung: woher komt dem dieſe
weisheit? iſt er nicht der zimmermann? Marci
6, 3. Wer heiſet dann den Grafen daraus den
ſchlus machen, ſie haͤtten deswegen das innere
wort des heiligen Geiſtes nunmehr voͤlliger ver-
ſtanden, das er etwa zehen jahre zuvor in ihnen
ausgeſprochen? Wer heiſet ihn einen bleibenden
ſeegen daraus machen, den er dem wahren ſee-
gen einer goͤttlichen bekehrung entgegen ſetzt, und
vor den ohren ſeiner Synagogiſten, ſo hoch uͤber
den letzteren erhebet. Dann der andere ſeegen,
der nicht im Kehelle lieget, ſoll zwar weitlaͤuf-
tiger/ haͤufiger und lermhaftiger/ aber doch
ſo kein wahrer und bleibender ſeegen ſeyn, ſ. 31.
Iſt das nicht ein leichtfertiger ſprung, von ei-
nem ſolchen ſchluͤpferigen ſtufen auf eine ſolche
zinne, die in der luft ſchwebet? Sagen doch
viele HErr/ HErr/ zu Chriſto, und ſind doch
gleichwol deswegen keine leute, die der heilige
Geiſt
[69]anderer Theil.
Geiſt ſchon hat, und mit denen die voͤlli-
ge Bekehrung zu ſtande gekommen. Siehe
oben (§. 32.)
§. 51.
Aber was ſoll ich von der verwegenheit ſagen,
daß der Graf die worte der heiligen ſchrift zu die-
ſem ſeinem unfug fo freventlich misbrauchet?
Ein Indianer, der Kehelle ſpricht, iſt in ſeinen
augen ploͤtzlich ein Simeon, den die gnadenflut
beſchwemmet, und der von der ſtelle gen himmel
fahren ſoll. Das Kehelle heiſet jetzt nicht mehr,
ich verſtehe, was ich hoͤre, ſondern: HErr!
nun laͤſeſt du deinen diener im frieden fahren.
Ehe Simeon dieſes ſagen konte, war er durch
die ordentliche gnadenmittel erleuchtet und gehei-
liget worden. Er war fromm und gottesfuͤrch-
tig, und wartete auf den troſt Iſraels, Luc. 2,
25. und der heilige Geiſt war in ihm ꝛc. Wer
kan ſich aber traͤumen laſſen, daß ein wilder,
wann er zum erſtenmal eine formul, oder ge-
ſcheutes wort der herrnhuter ausſprechen hoͤret,
ehe er eine ſylbe von Buſe, Glauben, Heils-
ordnung, und ewigen Leben, vernommen hat,
ſogleich urploͤtzlich in den himmel eilen wolle, und
in die ewige herrlichkeit, die er zeit ſeines lebens
noch keinmal hat nennen hoͤren. Der Graf muß
ſich dieſer ſeelenbetriegerei ſelbſt ſchaͤmen. Dar-
um hat er das fanatiſche maͤhrlein erdacht, dieſe
leute waͤren ſchon zehen jahr zuvor, vom heiligen
Geiſt belehret worden.
E 3§. 52.
[70]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
§. 52.
Von den geſchlifenen und geſpaltenen ohren
noch etwas zu beruͤhren. Dieſe werden
den wilden abgeſprochen, bis die herrnhuter
daran geſchliffen und geſpaltet haben. Sobald
das geſchiehet, ſo koͤnnen ſie die ſubtile ſtimme
und das ſanfte ſauſen des heiligen Geiſtes al-
lererſt wahrnehmen, daß es ihnen verſtaͤndlich
wird. Sehet misgeburten von einfaͤllen und von
ausdruͤcken! wer meinet wohl, daß der Sohn
GOttes ſo gedacht und geredet haben ſolle, wie
der Graf ihn redend einzufuͤhren ſich nicht ſchaͤ-
met? Dan dieſes ſoll der ſinn der worte Chriſti
ſeyn, da er zu ſeinen Apoſteln ſaget: ihr wer-
det die kraft des heiligen Geiſtes empfangen/
und meine zeugen ſeyn. (§. 26.) Ein klein we-
nig weitlaͤufiger heißts/ (ſo ſpricht der Graf
ſ. 6.) ihr ſolt des H. Geiſtes ſeine dolmetſcher
ſeyn ‒ ‒ ‒ an leute/ die ſeine ſubtile ſtimme
noch nicht hoͤren koͤnuen/ die noch nicht ſol-
che geſchliffene ꝛc. Wenn der Graf ſich doch
erklaͤren wolte, wie das zugehen muͤſte. Vor ze-
hen jahren ſoll der heilige Geiſt ſchon bei den wil-
den geweſen ſeyn, und das zu ihnen geſaget ha-
ben, was die bruͤder ſagen, wann ſie hinkom-
men. Hatte dann dieſer heilige Geiſt damals
noch keine ſubtile ſtimme, als er ohne zuthun
der herrnhuter, und zwar auf geiſtlich/ in des
lieben GOttes ſeiner gnaden- und naturſpra-
che/ (§. 38.) mit dieſen heiden redete? war ſein
ſauſen noch nicht ſanft und verſtaͤndlich? iſt die
ſtimme
[71]anderer Theil.
ſtimme der graͤflichen leute ſoviel ſubtiler, und
ihr ſauſen ſanfter als jenes, das doch gleichwol
vom heiligen Geiſt ſich herſchreiben ſoll? ich daͤch-
te, wem der heilige Geiſt ins herz geredet, mit-
hin ihm das herz geoͤfnet hat, (wie vor bekant
angenommen wird,) bei dem ſeye das ohrenſpal-
ten und ſchleifen eine vergebliche muͤhe. Dann
was bedarf der heilige Geiſt der ohren, wann er
einen unmittelbaren weg in das herz genommen
hat? Gewiß, dem waͤren die ohren gnug geſchlif-
fen, wer den heiligen Geiſt in dem heiligthum
des herzens reden hoͤret. Man erwege doch das
leichtfertige gewaͤſche dieſes predigers. Die lam-
mesboten ſollen des H. Geiſtes ſtelle vertreten.
Dieſes thun ſie, wann ſie mit den wilden ein ge-
ſcheutes und ein menſchliches wort reden in der
ſprache dieſes volks: nachdem der H. Geiſt ſein
geiſtlich wort ſchon ehedem in des lieben GOt-
tes naturſprache zu ihnen geredet hat. Wann
nun die herrnhuter ſolcher geſtalt ihr wort thun,
ſo iſt das die ſubtile ſtimme und das ſanfte ſau-
ſen des H. Geiſtes. Alſo war die erſte anſpra-
che des H. Geiſtes weder ſanft, noch ſubtil, und
doch war es die geiſtliche anſprache, die natur-
ſprache GOttes. Die ſoll ſo grob und un-
ſanft geweſen ſeyn, bis der Graf leute gefunden
hat, die durch ihr geſcheutes und menſchliches
wort/ ihr das ſanfte und ſubtile verleihen, wo-
durch die ohren recht ausgeſchliffen, und zaͤrter
geſpaltet werden, als von dem H. Geiſt geſche-
hen ſeyn ſoll. Wer ſiehet nicht, daß dieſe ganze
E 4erfin-
[72]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
erfindung des Grafen nur dahin zielet, daß er
ſeine werkzeuge, nicht aber den heiligen Geiſt,
verklaͤren will. Dieſe ſchleifer ſollen erſt das ſie-
gel drauf druͤken/ und das ganz machen, was
der heilige Geiſt nur halb vollfuͤhret hat. Dar-
um ſpricht er getroſt: ſie waͤren des heiligen Gei-
ſtes ſtellbetreter/ und haͤtten zu dieſem ſpalten
die kraft des heiligen Geiſtes empfangen.
II.
Von den Laͤſterungen des Grafen gegen
die heilige Schrift.
Inhalt.
- I.Verbindung dieſes
ſtuͤks mit dem erſten/
§. 53. - II.Laͤſterung des Gra-
fen gegen die heilige
Schrift/ daß ihre
ſchreibart rabbiniſch/
duͤſter/ und miſerabel
ſeye/ daß niemand oh-
ne aufſchlus des H.
Geiſtes daraus klug
werden koͤnne/ §. 54. - III.Wiederlegung/ 1)
viele bibliſche buͤcher
ſind aͤlter als die Rab-
binen/ und der Graf
iſt 2 weder der Rab-
binen noch der grund-
ſprachen ſo kundig/ daß
er davon uꝛtheilen koͤn-
te/ §. 53. Es redet 3)
der H Geiſt ſelbſt in
der Schrift/ §. 5. und
4) die angegebene ſon-
derliche geiſteswuͤr-
kung iſt erdichtet/ §. 57.
dieweil ſie ſtreitet- a)gegen die deut-
lichkeit der ſchrift/ - b)gegen die goͤttli-
che weisheit und
guͤte/ § 58. - c)wieder die erfah-
rung/ §. 59. - d)wieder alle ge-
wisheit der erklaͤ-
rung. Demnach
iſt ſie fanatiſch/
§. 60. - e)wieder die innere
kraft des goͤttli-
chen worts/ §. 61.
- a)gegen die deut-
- IV.boshafte ſchalkheit
des Grafen bei dieſer
laͤſterung wird aufge-
deckt und wiederleget/
§. 62. Verbotenes bi-
belleſen. Beſchuldi-
gung Pauli; angege-
bene irthuͤmer der
Apoſtel. - V.Bemaͤntelung dieſer
ſchalkheit. Ob die H.
ſchrift gelehrt geſchrie-
ben ſeye? §. 63. Ob
ſie zuſammenhaͤnge?
§. 64. Warum der
Graf den zuſammen-
hang nicht leiden will?
§. 65. Ob der Graf
geiſt und leben in der
ſchrift zugebe? §. 66.
§. 53.
WIr haben in dem erſten ſtuͤk dieſes zweiten
theils, den fanatiſchen frevel des graͤfli-
chen ſchwarmgeiſtes entdeket. Er ſchaͤmet ſich
nicht, eine einſprache des heiligen Geiſtes in die
herzen, zu erdichten, ohne daß die ſchrift darzu
noͤthig ſeye. Damit ſeine bosheiten deſto deutli-
cher eingeſehen werden, ſo will ich nun ſein ohn-
geſcheutes laͤſtern auf die heilige ſchrift, aus ſei-
nen eigenen worten erweiſen.
§. 54.
Ich bin erſtaunet, als ich den abſchaum ſeiner
giftigen gegen die goͤttliche, in der heiligen ſchrift
liegende offenbarung, zum erſtenmal erbliket ha-
be. Was von jeher auf das theure wort GOt-
E 5tes,
[74]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
tes, von deſen abgeſagteſten feinden, gelaͤſtert
worden iſt, das hat der geiſt, welcher den Gra-
fen treibet, welcher ſein herz und ſeine feder re-
gieret, ganz ohne ſcheu ausgeſtoſſen. So heiſt
es in des Grafen von Zinzendorfs theologi-
ſchen bedenken/ in dem eventual-teſtament
vom 27. Decomb. 1738. ſ. 173. Es iſt eine
unverantwortliche thorheit/ die bibel ſo aus-
kuͤnſteln/ daß man wieder allen ſinn und ver-
ſtand glauben ſoll/ daß ſie gelehrt/ zuſam-
menhangend/ und nach unſerer art/ metho-
diſch geſchrieben ſeye/ da doch ihr goͤttlicher
geiſt und leben/ in die geſtalt und form eines
miſerablen Hirten-Fiſcher- und Viſitator-ſtyli/
oder/ welches noch unangenehmer vor die oh-
ren iſt/ in eine claßicaliſche duͤſterheit und
ſchul-terminologie der alten Rabbinen/ ein-
gewikelt iſt/ daraus unſere zeiten nimmer-
mehr klug werden wuͤrden/ wann nicht der
geiſt/ der die heilige zeugen ſchreiben machte/
auch uns leſen und hoͤren machte/ und ſein
wort ſelber erklaͤrete.
§. 55.
Wir wollen dieſe giftige pfeile des Satans
auseinander legen. 1) Er redet von der bibel.
Dieſe beſtehet aus dem alten und neuen teſtament,
nach dem bekentnis aller Chriſten. Iſt ihre
ſchreibart miſerabel, duͤſter, hirtenmaͤſig, und
rabbiniſch: ſo muß Moſes, David, Salomon,
Jeſaias, ꝛc. wenn wir dieſe maͤnner auch blos
nach ihren natuͤrlichen eigenſchaften betrachten,
in
[75]anderer Theil.
in den ſchulen der alten Nabbinen geweſen ſeyn,
wo ſie dieſe claßicaliſche duͤſtere ſchreibart geler-
net haͤtten. Wo waren aber die alte Rabbi-
nen/ als dieſe maͤnner GOttes durch eingebung
des heiligen Geiſtes, ſchreiben muſten? dem Gra-
fen lieget ob, aus den alterthuͤmern zu erweiſen,
ob diejenige, welche die Juden ihre Nabbinen
nennen, und die bekantlich in den neueren jahr-
hunderten der juͤdiſchen kirche, allererſt aufge-
kommen, ſchon zu Moſis, und der alten Pro-
pheten zeiten, ja noch vorher, gelebet, Moſen
nebſt den Propheten, zu ſchuͤlern gehabt, und
nachher durch eine Pythagoriſche ſeelenwande-
rung, in den ſpaten zeiten wieder aufgelebet ha-
ben. Oder, ob der heilige Geiſt dieſe rabbini-
ſche broken ihnen mit fleis eingegeben habe, um
den Rabbinen vorzuſpielen, und ihre claßicali-
ſche duͤſterheit, vorlaͤufig zu canoniſiren. Wer
hat aber dieſes den Grafen weiß gemacht? oder
was will er vor gruͤnde angeben, welche uns da-
von uͤberzeugen ſollen? 2) Man muß ſich wun-
dern uͤber die kentnis vom alterthum, der rabbi-
niſchen ſprache, lehrart und kunſtwoͤrter, welche
in dem ungemeſſenen umfang der graͤflichen weis-
heit ſich ſehen laͤſet. Es gibt heut zu tage nicht
gar zu viele gelehrten, welche mit den Rabbinen
ſo bekant ſind, daß ſie derſelben kunſtſprache und
ſchulterminologie, ſo puͤnctlich wiſſen, und ſo
gluͤklich entdeken koͤnnen. Und wieviel wuͤrde
darzu erfodert, wo man ſogar die griechiſche
ſchreibart des neuen teſtaments, in ihren beſon-
deren
[76]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
deren ausdruͤken, mit der claßicaliſch duͤſteren
ſchulſprache der Rabbiner, ſo ſcharfſinnig verglei-
chen, und die uͤbereinſtimmung ſo witzig bemer-
ken ſolte. Ich glaube, der Graf wuͤrde ſich die-
ſer verwegenheit ſchaͤmen, wann er ſich mit dem
maas ſeines talents meſſen, und nicht wie ein
ſinnloſer marktſchreyer, uͤber das ziel erheben
wolte. Was verſchiedene gelehrte maͤnner von
den ausdruͤken der Evangeliſten und Apoſtel, in
den ſchriften des N. T., in vergleich mit den for-
meln, oder ſprachgewonheit der juͤdiſchen kirche,
angemerket haben, das iſt loͤblich, und nuͤtzlich.
Aber es flieſet aus anderen quellen, und der geiſt,
der den Grafen treibet, hat kein theil daran.
Es ſind auch dergleichen ſtellen ſo wenige, gegen
die ganze bibel gerechnet, daß man die bosheit
des graͤflichen ſchluſſes mit haͤnden greiſen kan.
§. 56.
Der Hirten-Fiſcher- und Viſitator-ſtylus/
der in den augen des Grafen ſo miſerabel aus-
ſiehet, iſt 3) ebenfals ein ſolcher einfall, den er
dem eingeben des luͤgengeiſtes ſo gewiß zu danken
hat, als gewiß und ausgemacht es bei den Chri-
ſten iſt und bleibet, daß die heilige Schrift von
GOtt eingegeben iſt. Waren unter den maͤn-
nern GOttes Hirten und Fiſcher; ſo war doch
der heilige Geiſt der redner, der ihre zunge wie
einen grifel brauchte, und ſowol die Gedanken
in das herz, als die worte in den mund gab.
Welches ich, als ſonſt erwieſen, hier um des-
willen annehmen kan, weil ſelbſt der Graf es
anders-
[77]anderer Theil.
anderswo nicht laͤugnen will. (*) Redete aber
der heilige Geiſt durch ihre zungen, was hatte er
noͤthig, einen miſerablen ſtylum mit fleis zu er-
wehlen, woraus unſere Zeiten nicht klug wer-
den koͤnnen? Anderswo ſpricht der Graf, es ha-
be der Herr JEſus ſelbſt/ als ein zimmerge-
ſell/ ſeine redensarten und baͤuerliche ausdruͤ-
ke/ von den handwerkspurſchen zu Narareth
oft entlchnet/ und ſolche den Evangeliſten
und Apoſteln hernach eingegeben/ alſo und
dergeſtalt/ daß wir itzt ganz andere Sachen
darinnen ſuchten/ weil wir die ſprachgewon-
heit dieſer handwerksgeſellen nicht verſtuͤn-
den.(**) Heiſt aber dieſes mit der heiligen
Schrift,
[78]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
Schrift, und den reden JEſu beſſer umgegan-
gen, als der Satan damit umgehet? Sind die-
ſe laͤſterungen geringer, als die, welche die hei-
den und unglaubige Juden von zeit zu zeit darge-
gen ausgeſchaͤumet haben?
§. 57.
Nach des Grafen bekentnis, hat der H. Geiſt
die ſachen und die worte den heiligen menſchen
GOttes eingegeben. (§. 56. *) Er hat aber ei-
nen rabbiniſchen duͤſtern miſerablen hirten- und fi-
ſcher-ſtylum mit fleis erwehlet. Wir wollen dan
4) fragen: warum doch der heilige Geiſt, deme
es an weisheit, guͤte, und macht nicht gefehlet haben
kan, lieber eine ſolche duͤſtere und elende ſchreib-
art
(**)
[79]anderer Theil.
art erwehlet habe, als eine ordentliche, deutliche,
verſtaͤndliche, welche nach Davids zeugnis, die
alberne weiſe machen ſoll? die antwort iſt ſogleich
bei der hand, womit der Graf dieſes behaupten
will. Nemlich, unſere zeiten ſollen aus dieſer
duͤſterheit, und elendein ſchreibwerk nicht klug
werden, bis der heilige Geiſt uns ſein wort le-
ſen und hoͤren mache/ und ſelbſt erklaͤre.
(§. 54.)
§. 58.
Dieſes laſet uns genauer an die richtſnur der
warheit halten. 1) Wann wir nicht ehe aus
dem ſo dunkel und elend geſchriebenen wort GOt-
tes klug werden, bis der heilige Geiſt uns leſen/
und hoͤren machet, und es erklaͤret; ſo iſt es
unmoͤglich, daß jemand nur den buchſtaͤblichen
verſtand des goͤttlichen worts, aus eigenen kraͤf-
ten faſſen koͤnne. Dann der heilige Geiſt ſoll uns
erſt die claßicaliſche duͤſterheit, und die ſchul-ter-
minologie der alten Rabbinen verſtehen lehren.
Sonſt wird kein menſch zu unſern zeiten klug dar-
aus. Mithin hat die heilige Schrift nicht ein-
mal ſoviel klarheit, als eine menſchliche ſchrift,
die vernuͤnftig, und nach der Gewonheit einer
uͤblichen ſprache, abgefaſſet worden. Ich will
folgendes dabei zu uͤberlegen geben. Es laufet
dieſes 2) wieder die goͤttliche weisheit, und guͤ-
tigkeit. Ein mittel zur ſeeligkeit, wie die heilige
Schrift unſtreitig iſt, in einer gewiſſen ſprache
vorzulegen, und dennoch zu machen, daß diejenige,
welchen dieſes mittel beſtimt iſt, wegen geflieſent-
lich
[80]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
lich verurſachter duͤſterheit, es nicht verſtehen,
noch daraus klug werden koͤnnen, bis er ſelbſt
mit einer neuen offenbarung darzu komt. Der
heilige Geiſt konte deutlich reden; aber nach des
Grafen meinung wolte er nicht. Alſo war er
nicht ſo guͤtig gegen die menſchen, als er haͤtte
ſeyn muͤſſen, wann ſie ihn verſtehen ſolten. Wie
ſtimmet das mit der weisheit des heiligen Gei-
ſtes, daß er eine goͤttliche ſchrift verfertigen ſolle,
die zuvor dem leſer, wegen ihrer ekelhaften duͤ-
ſterheit, zum abſcheu werden muß, ehe ſie dieſel-
be zu leſen begehren? machte ſich der heilige Geiſt
nicht ſelbſt dadurch ein hindernis, das er durch
ein neues wunder erſt wieder heben muͤſte, ehe
nur der leſer einen vernuͤnftigen verſtand aus die-
ſem wort herausbringen koͤnte? Iſt nicht die ver-
derbte menſchliche natur vorhin wiederſpenſtig
gnug, gegen alles, was geiſtlich heiſet? Muß
der heilige Geiſt, da er dieſen wiederwillen heben
will, erſt neue gelegenheit zu einem billigen eckel
verſchaffen? Muͤſte ſein wort nicht laͤcherlich wer-
den, wann es wahr waͤre, daß er ohne alle noth
und urſache, von einer zunſt thoͤrichter und blin-
der Rabbinen, die art der ſprache erborget haͤt-
te, mit welcher alle voͤlker belehret, und zur ſce-
ligkeit klug gemacht werden ſolten, 2. Tim 3,
15.
§. 59.
Doch, man nehme nur 3) die eigene Erfah-
rung zu huͤlfe. Ich frage einen jeden, welcher
das neue teſtament lieſet, ob er die claßicaliſche
wort-
[81]anderer Theil.
wort-kuͤnſtlerei (terminologie) der alten Rabbi-
nen erſt lernen muͤſſe, ehe er deſen warheiten ver-
ſtehen, und daraus klug werden kan. Es ſind
geſchichten und lehrſaͤtze in demſelben enthalten.
Man darf nur der ſprache kundig, und des ge-
brauchs ſeiner vernunft maͤchtig ſeyn, ſo verſte-
het man, was der heilige Geiſt ſagen will. Ti-
motheus konte es von kind auf begreifen. 2. Tim.
3, 15. in ſolchen jahren, da man die kunſt-woͤr-
ter der elaßicaliſchen duͤſterheit zu begreifen noch
nicht faͤhig iſt. Sogar die abgeſagten feinde die-
ſes worts, die kein rabbiniſch buch jemahls geſe-
hen hatten, waren dennoch im ſtande, das zu
verſtehen, was in den heiligen buͤchern ſtunde.
Sonſt haͤtten ſie es ſo ſchrecklich nicht verlaͤſtern
koͤnnen. Die lebendige, uͤbernatuͤrliche Erkent-
nis des goͤttlichen worts, entſtehet freilich durch
die mit und in demſelben wuͤrkende kraft des hei-
ligen geiſtes, der uns erleuchtet. Aber keine er-
leuchtung iſt uns darzu verheiſen, daß wir erſt
die ſprache ſelbſt, und deren natuͤrliche bedeu-
dungskraft, durch eine unmittelbare einſprache
des heiligen Geiſtes erlernen ſollen. Das waͤre
ſonſt eben ſoviel, als wann der heilige Geiſt bei
der Taufe, nicht allein das himliſche, das mit
dem waſſer verbunden iſt, in uns wuͤrken, ſon-
dern auch jedesmal durch ein wunder, das waſ-
ſer, das ſchon da iſt, ſchaffen, oder es erſt zu
galle machen, und ſodann ploͤtzlich wieder in waſ-
ſer verwandeln muͤſte.
Herrnhut.II.Th. F§. 60.
[82]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
§. 60.
Aber es kommen 4) noch ſchlimmere folgen
hieraus. Dann wo es wahr ſeyn koͤnte, daß ei-
ne ſolche rabbiniſche duͤſterheit das wort des
HErrn umzogen haͤtte, welche zu vertreiben, der
heilige Geiſt unmittelbar hand anlegen muͤſte:
ſo bliebe uns keine richtſchnur der warheit forthin
uͤbrig. Ein ſpruch der ſchrift, der noch ſo deut-
lich waͤre, koͤnte von einem ſo, von dem andern
ganz wiedrig erklaͤret werden. Womit wolte ei-
ner gegen den andern die gewisheit ſeiner ausle-
gung behaupten? es wuͤrde einjeder ſagen: die
worte dieſes ſpruchs, ſind eine duͤſtere ſchul-ter-
minologie der alten Rabbinen, ein fiſcher- und
hirten-ſtylus. Mir hat der heilige Geiſt ihn ſo
erklaͤret, wie ich ſage. Er hat mich leſen, hoͤren,
und verſtehen gemacht. Der andere wuͤrde den
gegentheiligen verſtand behaupten, und ſeinen
heiligen Geiſt, nebſt deſen rabbinerſprache, fuͤr
eben ſo guͤltig halten. Wer ſolte hier den ſtreit
ſchlichten? Die alte Rabbinen aus Olam Habba
wieder zu rufen, und ſie zu richtern uͤber die ſpra-
che der bibel zu machen, wuͤrde wohl niemand
rathen. Ja ich ſorge, ein heutiger verſtokter
Jude, der ſich in der wortkunſt ſeiner Rabbinen
ziemlich veſtgeſetzet haͤtte, muͤſte uns Chriſten am
beſten eintreiben, und aus allen ſpruͤchen des N. T.
machen koͤnnen, was ihm einfiele. Dann er duͤrf-
te nur den graͤflichen erklaͤrungsſchluͤſſel nehmen.
Er duͤrfte nur ſagen: euer Meßias und Paulus
haben dieſes auf gut rabbiniſch geredet.
§. 61.
[83]anderer Theil.
§. 61.
Ja, was wuͤrde 5) das geſchriebene wort
GOttes nuͤtze ſeyn? es iſt nach des Grafen aus-
ſpruch nichts, dann eine duͤſtere decke der alten
(*) Rabbinerſprache. Das waͤre noch aͤrger,
als eine decke Moſis/ die uns der heilige Geiſt
geflieſentlich vor die augen gehaͤnget haͤtte. Pau-
lus duͤrfte die Juden nicht mehr beſchuldigen, daß
ſie aus fuͤrſatz ſelbſt muthwillig, 2. Cor. 3,
14. 15. herzen und augen in die decke Moſis ein-
gehuͤllet haͤtten. Dann der Graf bezeuget, daß
der heilige Geiſt eben dieſes gethan habe. Bei
gelegenheit, daß jemand die decke (**) anſiehet, komt
F 2der
[84]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
der heilige Geiſt, und lehret ihn etwas ver-
ſtehen, und gibt ihm heilige gedanken ein, die
er noͤthig hat, wann er ſeelig werden will. Hie-
ſe
(**)
[85]anderer Theil.
ſe dann ſolcher geſtalt das ſeelige wort des HErrn,
eine kraft GOttes, die menſchen zu bekehren?
ein licht, das da ſcheinet in einem dunkelen ort?
2. Petr. 1, 19. ein lebendiger ſaame, 1. Petr. 1,
23. aus welchem wir wiedergebohren werden?
§. 62.
Man ſiehet demnach, wohin die boshafte
ſchalkheit, bei dieſer verlaͤſterung des goͤttlichen
worts, abziele. Er ſuchet es auf alle weiſe ver-
aͤchtlich, kraftlos, und verabſcheuenswuͤrdig zu
machen, damit ſeine enthuſiaſterei an ſtat deſſel-
ben gelten moͤge. Er verraͤth ſich nach und nach
handgreiflich. Man weiß nun, warum er mit
der uͤberſetzung des N. T. ſo leichtfertig umge-
gangen iſt. Warum er bekehrungen dichtet, die
der heilige Geiſt zehen jahre vorher vorgenom-
men haben ſoll, ehe das wort GOttes darzu ge-
kommen iſt. Er verbietet (*) es ſeinen bruͤdern
F 3zu
[86]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
(*)
[87]anderer Theil.
(*)
F 4
[88]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
(*)
[89]anderer Theil.
(*)
F 5
[90]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
zu leſen. Er findet ſogar (**) irthuͤmer und fal-
ſche
(*)
[91]anderer Theil.
ſche nachrichten in demſelben. Er ſpricht, Pau-
lus
(**)
[92]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
lus habe das ungluͤk (***) gehabt, unverſtaͤnd-
lich
(**)
[93]anderer Theil.
lich und mit lauter furcht zu ſchreiben, weil er ein
gelehr-
(***)
[94]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
gelehrter geweſen waͤre. Die Apoſtel haͤtten mit
fleis
(***)
[95]anderer Theil.
fleis irthuͤmer in ihren ſchriften ſtehen gelaſſen,
aus reſpect vor ſolche gnadenartbeit.
§. 63.
[96]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
§. 63.
Nun ſuchet zwar der Graf dieſer laͤſterung ei-
nigen ſchein zu geben. Er will das anſehen ha-
ben,
(***)
[97]anderer Theil.
ben, als eifere er nur gegen den wahn derer, wel-
che
(***)
Herrnhut.II.Th. G
[98]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
che die unverantwortliche thorheit begiengen,
die
(***)
[99]anderer Theil.
die Schrift auszukuͤnſteln/ daß man wider al-
len ſinn und verſtand/ glauben ſolle/ ſie ſeye
gelehrt/ zuſammenhangend/ und nach unſe-
rer art/ methodiſch geſchrieben/ (§. 54.)
Allein, dieſer ausweg iſt uͤbel ausgedacht. Wenn
man nur ſagen will, es ſeye thoͤricht, an der ſchrift
zu kuͤnſteln; ſo iſt gar nicht noͤthig, daß man ſie
G 2deswe-
(***)
[100]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
deswegen als ein rabbiniſch, miſerables, mit
allerlei irthuͤmern angefuͤltes buch, beſchreibe.
Dann dieſe thorheit iſt ja noch weit ſchlimmer,
und bringet ungleich mehr verantwortung, als die
erſte, welche alle eigenſchaften einer laͤſterung hat.
Man ſiehet alſo deutlich, daß der Graf nicht im
ſinn hat, einen an der ſchrift begangenen fehler
zu ſtrafen, ſondern der ſchrift ſelbſt die ſchaͤnd-
lichſten fehler aufzubuͤrden. Was kan die ſchrift
darzu, wenn jemand eine lehrart ihr anmeſſen
will, die dem H. Geiſt nicht beliebet hat? Aber
folget dann daraus, daß ſie weder gelehrt/ noch
zuſammenhangend geſchrieben ſeye? Sie iſt
nicht allein gelehrt, ſondern uͤber alle vernunft
und gelehrtigkeit. Die heimliche weisheit GOt-
tes ſpiegelt ſich in derſelben, und das geheimnis
des goͤttlichen willens/ 1. Cor. 2, 6. 7. Epheſ.
1, 9. Sie hat auch natuͤrlichbekante warheiten,
welche den gelehrteſten ein licht anzuͤnden koͤnnen.
Sie ſchlieſet uns in deutlichen ſaͤtzen auf, was die
ſchaͤrfſte vernunft, durch muͤhſames nachſinnen
als wahr und richtig befunden hat, wann ſie oh-
ne dieſes uͤbernatuͤrliche licht, von GOtt und
von der welt richtig zu urtheilen, bemuͤhet war.
§. 64.
Daß man aber laͤugnen will, die ſchrift ſeye
nicht zuſammenhangend geſchrieben, weil etwa
ein fuͤrwitziger menſch, ihr einen frembden und
erdichteten zuſammenhang aufbuͤrden will, das
iſt, wann ich mit den graͤflichen worten reden ſoll,
eine
[101]anderer Theil.
eine unverantwortliche thorheit. Es haͤnget al-
les, was in der ſchrift ſtehet, dadurch zuſam-
men, daß es zum glauben an Chriſtum, zur gott-
ſeeligkeit, zur ewigen wolfahrt ein mittel iſt; ein-
jedes in ſeiner maaſe. Es iſt, alles zuſammen-
genommen, ein- und eben das mittel zum heil der
ſuͤnder. Iſt das nicht ein edler zuſammenhang
aller warheiten dieſer offenbarung? Es haͤngt al-
les zuſammen, da ein zeugnis das andere erklaͤ-
ret, erlaͤutert, beweiſet. Wie dann alles, was
wahr iſt, mittelbar und unmittelbar zuſammen-
haͤnget. Der heilige verfaſſer eines jeden buchs,
und einer jeden materie, hat alles, entweder
nach der natur und beſchaffenheit der ſache, oder
nach ſeiner weiſen abſicht, auf GOttes eingeben,
aneinader gehaͤnget, und verbunden. Einjede
geſchichte in der ſchrift, haͤnget zuſammen, ſo,
daß ein umſtand aus dem andern verſtanden wird,
und kein wiederſpruch aus eben dieſer urſache ent-
ſtehen kan. Obgleich der Graf dieſes letztere nicht
leiden will. Die glaubenslehren haͤngen derge-
ſtalt zuſammen, daß man erklaͤrungen, beweis-
gruͤnde, anwendungsgruͤnde, mit vergnuͤgen ſie-
het, und die weisheit des hoͤchſten verfaſſers be-
wundert. Kan doch ein boshafter menſch ſeine
raͤnke in einen zuſammenhang bringen, ſo, und
dergeſtalt, daß eine tuͤke der andern, eine luͤge
der andern, wenigſtens auf eine zeit lang, und
bei den verfuͤhrten und verblendeten, nach den ab-
ſichten des betriegers, vorſchub thut. Warum
ſolte dann die himliſche weisheit ihre warheiten
G 3nicht
[102]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
nicht zuſammenhaͤngen koͤnnen? oder warum ſol-
te ſie das nicht thun wollen?
§. 65.
Ich wuß doch ſagen, wo es dem Herrn Gra-
fen ſtekt, wann er den zuſammenhang ſo uͤbel lei-
den kan. Nemlich, ſein generalgeiſt, wie oben
erinnert worden, (§. 62. *) bringet ihm ein lehr-
gebaͤude, und einen kirchenplan in das gehirne,
ehe man noch die ſchrift zu leſen brauchet. Im
fal nun die heilige ſchrift nachher in dieſe form
paſſen ſoll; ſo iſt unmoͤglich, daß ihr zuſammen-
hang mit jenem zuſammenhang ſtimmen koͤnne.
Einzelne ſtuͤke der ſchrift lieſen ſich zur noth von
ihm (*) martern, und in die ſchnur des general-
geiſtes
[103]anderer Theil.
geiſtes flechten. Aber der zuſammenhang, den
der wahre heilige Geiſt gemacht hat, iſt eben dem
G 4lieben
(*)
[104]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
lieben Grafen der ſtarke zaun, den er nicht durch-
brechen kan; die kette, die er mit ſeinen loſen
ſtriken
(*)
[105]anderer Theil.
ſtriken nimmermehr durchfahren wird. Daher
ihm viel lieber waͤre, man ſchafte das buch der
G 5ſchrift
(*)
[106]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
ſchrift gaͤnzlich ab, und lieſe das armſeelige rab-
binen-hirten- und fiſcherzeug, im finſtern liegen.
Dieweil aber dieſes noch zur zeit gar zu plump
heraus kaͤme: ſo laͤſt er es dermalen noch bei
uͤberſetzungsproben, duͤſterheiten, irthuͤmern, ver-
bieten des leſens und erforſchens, ſalbungen, fuͤh-
rungen, und bei dem generalgeiſt, bewenden.
Kuͤnftighin wird es ſich ſchon beſſer fuͤgen. Er
ſchmaͤlet oft gegen die gelehrten, gegen argumen-
ten/ und endlich gegen Paulum, der ein wort
mit dem andern verwahret/ alles ſo genau zu-
ſammenhaͤnget, und aneinander ſchlieſet, daß
man ohne zerſchellen des herrnhutiſchen kopfs,
nicht wohl durchdringen kan. Die uͤbrige Apo-
ſtel gelten in ſo weit, als ſie mit fermeté, ſchrei-
ben, das iſt, in ſoweit ſie der Graf vor guͤltig
und zuverlaͤſig erkennet. Das ſind des Herrn
Grafen ſeine gnadenvolle cautelen/ die er ſon-
ſten nur in der Augſpurgiſchen confeßion, zum
gluͤklichen ſymboliſiren, gefunden hat, (theol.
bedenk. ſ. 166.) nun aber, in dem bibelbuch eben
ſo
(*)
[107]anderer Theil.
ſo weislich anbringet. So kan man die irthuͤ-
mer der Apoſtel weglaſſen/ und alle noͤthige
warheiten hinzuthun/ das iſt, in der duͤſtern
claßicalterminologie der alten rabbinen, mittelſt
der ſalbung, alles zu einer warheit machen, was
in dem miſerablen buch ſonſt niemand finden
wird.
§. 66.
Doch, der Graf hat vielleicht mehr reſpect
vor die ſchrift, als wir glauben. Er ſpricht doch
gleichwol, ihr goͤttlicher geiſt und leben ſeye in
obgedachte miſerable windeln eingewikelt. Dem-
nach geſtehet er dem wort GOttes einen goͤttli-
chen geiſt und leben. Es iſt wahr, daß er durch
dergleichen untermengte ſchoͤne lobſpruͤche, man-
chen barmherzigen leſer zu blenden ſuchet. Al-
lein, man halte nur dagegen, was er oben ge-
aͤuſert hat, ſo wird auch dieſe ſchalkheit hand-
greiflich werden. Erſtlich, nimt er ſich ohne ſcheu
die freiheit, das wahre und das irrige in der
ſchrift, nach belieben zu beſtimmen. Wie kan
aber geiſt und leben in denen ſtellen ſeyn, die er
ſelbſt vor irrig ausgibt? wie kan er den lehrſchrif-
ten Pauli, geiſt und leben zutrauen, wann ſich
Paulus bei aufzeichnung ſeiner ſaͤtze, ſo uͤbel auf-
gefuͤhret hat, wie der Graf oben gegen ihn kla-
get. Zum andern, wie kan geiſt und leben in
der ſchrift ſeyn, wann, ehe ſie geleſen, und be-
trachtet werden darf, der generalgeiſt erſt geiſt
und leben in das herz bringen muß, die ſchrift
aber ſodann zu einem woͤrterbuch dienen ſoll?
Was
[108]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
Was er demnach von dem goͤttlichen geiſt und
leben ruͤhmet, das gehet auf nichts anders, als
auf ſeinen generalgeiſt, den er erſt in die ſchrift
hineintragen, und in deren rabbiniſche Lumpen
einwikeln muß. Wann dieſes geſchehen iſt, ſo
hat er den handgrif, ihn wieder heraus zu wik-
keln. Das iſt dann der ganze hochgeruͤhmte re-
ſpect/ den der Graf vor die bibel traͤget. So,
wie ein Apoſtel des andern unwarheiten, als ei-
ne gnadenarbeit, reſpectiret haben ſoll, (§. 62. ***)
III.
Vom Vater, dem GOtt der gemeine.
Predig in der Schloskirche zu Marienborn/
den 19. Decemb. 1745.
Erſtes Hauptſtuͤk.
Verlaͤumdung der ſymboliſchen Buͤcher.
Inhalt.
- Eingang dieſer predig/
und abſicht deſſelben/
§. 67. 68. Die GOt-
tesvergeſſenheit die-
ſes eingangs/ der ſtat
des gebets/ aus lau-
te! verlaͤumdungen be-
ſtehet/ §. 69. - (1) Vorwuͤrfe gegen die
ſymboliſche buͤcher/
werden abgelehnet/
nemlich/ daß ſie ir-
thuͤmer
[109]anderer Theil.
thuͤmer in ſich faſſen/
§. 70. Daß wir alle
moͤgliche warheiten
darinn ſuchen/ §. 71. - (2) Vorhabende abwei-
chung des Grafen von
dieſen buͤchern/ §. 71.
num. 4.
- (3) Ausſchlieſung der ev-
angeliſchen/ aus der
chriſtlichen kirche/ §. 72.
num. 5. - (4) Angemaßte ausſpruͤ-
che des H. Geiſtes/ zu
beſchoͤnigung der
ſchaͤndlichen irlehren/
num. 6.
§. 67.
IN dieſer rede gedenket der Herr Graf etwas
rechts vorzutragen, einen glaubensartikel
vom erſten rang. Er ſiehet 1) voraus, daß es
ſehr ſchwer ſeyn werde, die gedanken in der rich-
tigen ordnung zu halten. Darum faͤngt er mit
dieſen worten an: Die wichtigkeit der heuti-
gen materie iſt ſo gros/ daß ich nur wuͤnſche/
daß die gedanken einander in der richtigen
ordnung folgen/ ſ. 3. Dann es gehoͤret aller-
dings etwas darzu, ſolche unſeelige gedanken in
der ordnung zu halten, welche der geiſt der un-
ordnung erzeuget hat. Wann Paulus leute
von zerruͤtteten ſinnen beſchreibet, ſo nennet er
die, welche mit ſolchen gedanken ſchwanger ge-
hen. Das iſt demnach der voreingang zu ſeiner
predig. Der rechte eingang handelt 2) von der
ſyſtematiſchen theologie, oder von denen aus der
ſchrift geſamleten warheiten, welche in einem zu-
ſammenhangenden lehrgebaͤude ſtehen. Daruͤber
critiſiret er ſehr ungnaͤdig, wie auch uͤber das be-
ten aus dem kopf, ſ. 3. 4. Und komt endlich
auf
[110]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
auf die Bekentnis-Buͤcher der Religionen:
zuletzt aber auf die Augſpurgiſche Confeſ-
ſion, ſ. 6. 7. Er meinet, der plan dieſes Aug-
ſpurgiſchen kirchenbuchs, ſeye keines weges der,
daß man gewiſſe lehren habe veſt ſetzen/ ſon-
dern/ daß man nur zeigen wollen/ wie man
dieſe und jene irthuͤmer nicht habe. Und das
letzte ſeye der nutzen/ der von dem rechten ge-
brauch dieſerlei verſehungen zu hoffen waͤ-
re/ ꝛc. ꝛc. ſ. 7.
§. 68.
Man hat billige urſachen, hierbei nachzuſin-
nen. Warum faͤngt doch dieſer prediger von
den bekentnisbuͤchern, inſonderheit von der Aug-
ſpurgiſchen conſeßion, ſeinen vortrag an? dann
ſein text hat mit dieſen ſachen die geringſte ver-
wandſchaſt nicht. Er heiſet: Ich fahre auf zu
meinem vater/ und zu eurem vater/ zu mei-
nem GOtt/ und zu eurem GOtt/ Joh. 20,
17. wie er ſ. 3. der predig vorgedrukt worden.
Die drei Chriſtliche religionen, und ihre bekent-
nisbuͤcher, verſtehen dieſen ſpruch voͤllig nach dem
ſinn Chriſti, und es iſt gar kein ſtreit daruͤber.
Allein, es erfodert kein tiefes nachdenken, die
abſicht des geiſtlichen redners gleich zu errathen.
Der Graf hat ſich ehedem zur Augſpurgiſchen con-
feßion bekennet, und macht nicht wenig ruͤhmens
davon, wie im erſten theil gezeiget worden. Da
er nun, aus obgedachten worten, ſeiner gemeine
ihren Vater darſtellen will; ſo muß er ohne zwei-
fel
[111]anderer Theil.
fel voraus merken, daß es der Vater nicht ſeyn
werde, den man in der Augſpurgiſchen conſeßion
findet, nemlich, GOtt Vater, Sohn, und H.
Geiſt. Alſo war es noͤthig, von dieſer ſchaͤdli-
chen confeßion, ſich zum voraus wieder loszuſa-
gen, und ſie den bruͤdern theils als eine (*) mis-
geburt,
[112]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
geburt, abzumahlen, theils die gnadenvolle cau-
tel (§. 65.) ihnen beizubringen, daß gedachte
bekentnis die veſtſetzung der warheiten, nicht
zur abſicht habe. (§. 67.)
§. 69.
[113]anderer Theil.
§. 69.
Es iſt recht gut, daß uns der Herr Graf zum
eigentlichen verſtand ſeiner Predig, ſo treuherzig
hat
(*)
Herrnhut.II.Th. H
[114]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
hat vorbereiten wollen. Dann dieſer eingang
gehet ſchon bis auf die neunte ſeite, und noch wei-
ter. Und wir haben noch kein wort von ſeinem
text: Ich fahre auf zu meinem Vater ꝛc bis
daher vernommen. Obgleich die herrliche war-
heiten dieſer worte JEſu, ihm ſachen gnug an
hand gegeben haͤtten. Waͤre dann nicht ohn-
maßgeblich ein kleiner ſeufzer, zu GOtt dieſem Va-
ter, oder allenfals auch ein gebet aus dem kopf
und herzen/ viel ſchiklicher geweſen, als dieſes
gewiſſenloſe geſchwaͤtz, das nicht allein aus einem
zerruͤtteten kopf, ſondern erzverlaͤumderiſchen her-
zen flieſet, wo man theils die ſachen, theils die
abſichten deſſelben, betrachtet. Wie konte die
andacht der bruͤder dadurch erweket, und auf die
ſo theuren worte des Erloͤſers, gerichtet werden?
der getreue GOtt wird verhuͤten, daß auf die
kanzeln der Lutheriſchen kirche, ſolche gottesver-
geſſene, liederliche plauderer, in ewigkeit nicht
ſteigen duͤrfen.
§. 70.
Doch, von der ſache nur einige worte zu ſpre-
chen. 1) Die vorwuͤrfe, (§. 68. * num. 1.)
ſind ſo kennbar gegen die ſymboliſche buͤcher ge-
richtet,
(*)
[115]anderer Theil.
richtet, aber auch ſo verlegen, verrochen, und
abgeſtanden, daß der Graf, ohne beſtrafung ſei-
nes gewiſſens, ſie unmoͤglich hat aufwaͤrmen koͤn-
nen. Aber man ſiehet, daß er recht im eifer iſt,
und mit allem ernſt ſpotten will. Daß (num. 2.)
eingeſtanden wird, es haͤtten die theure bekenner,
ein und andere ſtellen der H. ſchrift, nicht ſo
ſcharf verſtanden, als wir es etwa nunmehr koͤn-
nen, nachdeme ſie uns den weg gebahnet haben;
das hindert ja die warheit ihrer ſaͤtze nicht. Der
Graf iſt ſo gottlos, daß er in der heiligen ſchrift
irthuͤmer dichtet, und eben ſo verlaͤumderiſch auf
Paulum, und alle Apoſtel redet, (ſiehe das 2.
ſtuͤk/) als hier auf die ſymboliſche buͤcher. Nach
dieſer ſeiner laͤſterhaften meinung, waͤre die heili-
ge ſchrift eben das, was dieſe ſo verhaſtgemach-
te bekentnisbuͤcher ſeyn ſollen. Und er will den-
noch den namen haben, dieſer angeblichen irthuͤ-
mer ohngeachtet, ſie vor GOttes wort zu hal-
ten, das ſie wuͤrklich iſt.
§. 71.
Es iſt 3) noch niemanden in den ſin kommen,
zu behaupten, daß in dieſen bekentnisbuͤchern,
alle warheiten enthalten waͤren, von Chriſti
geburt an/ bis auf den juͤngſten tag. Er will
mit dieſer verlaͤumdung nur ſeine bruͤder gegen
die bekenner der warheit, und deren nachfolger
verhetzen, und dieſe in den augen ſeiner ſynagoge
laͤcherlich machen. Man findet dieſe betriegerei
beſtaͤndig in ſeinen ſchriften wider die gegner. An-
ſtat ihre zurechtweiſung anzunehmen, und die
H 2vorge-
[116]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
vorgeſtelte warheit aus GOttes wort zu erken-
nen, wann ſie ihm unwiederſprechlich gezeiget
worden, hilft er ſich mit einer art der bosheit,
die ſeinen abſichten ganz natuͤrlich iſt. Er ver-
wandelt nemlich die goͤttlichen lehren in einen ab-
geſchmakten wahn, und in eine ausſchweifung
von der mittelſtraſe auf einen abweg, den er ſo-
dann mit hoͤhniſchen worten abmalet, damit die
bruͤder ſich nicht einmal die muͤhe nehmen ſollen,
der warheit nachzudenken. Welche argheit ſich
kaum in eine zeche, ich geſchweige auf die kanzel,
vor einen prediger ſchiket, der die verehrenswuͤr-
digſte warheiten des Erloͤſers abgeleſen, und zu
erklaͤren, ſich vorgenommen hat. Allein, er
trauet auch ſelbſt dieſer fabel nicht. Deswegen
gehet er (num. 4.) dieſen buͤchern noch naͤher auf
den leib, und will ſoviel ſagen, die aufgeklaͤrte
einſichten der jetzigen zeit, leiden nicht mehr, daß
man bei ſo altfraͤnkiſchen buͤchern bleiben duͤrfe.
Dann das boͤſe gewiſſen erinnert ihn an ſein lie-
derliches vorhaben, nicht ſowol von dieſen buͤ-
chern, als von der lehre der heiligen ſchrift, oh-
ne alle ſcheu und furcht GOttes, abzuweichen.
Er gibt vor, das ſeye nur von der lehrart/ nicht
aber von der ſache/ abgegangen, und nur eine
beſſere art zu denken, mit der ſchlechteren ver-
tauſchet. Gerade, als ob in unſerer kirche je-
mand an gewiſſe formuln einer gezwungenen lehr-
art gebunden, und nicht vorlaͤngſt manche be-
quemlichkeiten, der ſache ſelbſt unbeſchadet, ja
zum wachsthum und vorſchub der warheit, durch
GOttes
[117]anderer Theil.
GOttes gnade, verſchaffet worden waͤren. Zu
welchem behuf, der elende und unlautere ver-
wirrungsgeiſt eines falſchen propheten, ohnehin
untauglich bleibet.
§. 72.
Er bricht endlich los, und kan den ſchalk nicht
mehr bergen: (num. 5.) wir haͤtten uns durch
dergleichen ideen/ (welche doch nur ideen ſeines
boͤſen herzens ſind,) aus der kirche Chriſti ausge-
ſchloſſen, weil er voraus ſiehet, daß die ausfuͤh-
rung ſeines ſchaͤndlichen fuͤrſatzes in diſer predig,
von der wahren Chriſtlichen kirche nicht anders,
als ein greuel, angeſehen werden muͤſſe: ſo bauet
er argliſtig vor, und lehret die bruͤder den ſchluß
machen: wann kuͤnftig dieſe herrnhutiſche reli-
gionsſaͤtze, an irgend einem Chriſten einen gegner
finden werden, ſo muß man ſicher glauben, es
ſeye einer von denen, die excommuniciret ſind:
er gehoͤre zu den heiden: es ſeye eine miſerable
ſache mit ihm: er verdiene mehr mitleiden, als
gehoͤr und antwort. Zuletzt (num. 6.) ſiehet er
wohl, daß man ſeine wahnwitzige, in aben-
theurliche woͤrter eingekleidete fratzen, ohnmoͤg-
lich ohne eckel wuͤrde leſen koͤnnen. Deswegen
verwahret er die bruͤder mit dem befehl, ſie ſol-
ten es als lehren des H. Geiſtes annehmen, de-
me die religionsleute bisher alle gelegenheiten, in
ſeiner ſprache zu reden, und recht geſalbte aus-
druͤkke zu gebrauchen, abgeſchnitten haͤtten. Das
iſt das geheimnis der bosheit, das in dieſem ein-
gang der predig, verborgen lieget: der grif der
H 3falſchen
[118]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
falſchen Apoſtel, die ſich, ſchon zu Pauli zeiten,
durch verlaͤumdung der warheit, und der diener
Chriſti, einen eingang in die herzen zu machen,
bemuͤhet waren. Dieſe nennet Paulus des Sa-
tans apoſtel, wann ſie gleich wie engel des lichts,
einhergiengen. Der brief an die Corinther, und
Galater, zeuget davon.
Zweites Hauptſtuͤk.
Schaͤndliche ſchwaͤrmerei, gegen die lehre,
von dem Vater JEſu Chriſti, und von
der Gottheit des Sohnes.
Inhalt.
- Die worte des Grafen
werden angefuͤhret/ §.
73. von dem Vater JE-
ſu Chriſti. - I.)Ob dieſe warheit im
A. T. ſtehe? boshaf-
tes laͤugnen des Gra-
fen/ §. 74. u. vorgeben/- 1) Daß den ſpruͤ-
chen des A. T. ge-
walt geſchehe/ §.
75. - 2) daß nur der Zei-
land im A. T. be-
kant geweſen/ §.
76. - 3) daß aus dem na-
men Jehova Elo-
him/ etwas unge-
wiſſes zu ſchlieſen
geweſen/ §. 77. - 4) daß das leſen des
A. T. nicht uͤblich
geweſen/ wie
heut zu tage/ §. 78.
- 1) Daß den ſpruͤ-
- II.)Ob die offenbarung
der Gottheit Chriſti an
die welt/ ein grundir-
thum ſeye/ aus wel-
chem die verlaͤugnung
der Gottheit Chriſti
entſtanden? §. 79. 80.
Vier
[119]anderer Theil.
- Vier ſaͤze des Grafen/
§. 81. und wiederle-
gung/- 1) des eꝛſten ſazes/ daß
die warheit/ von der
Gottheit Chriſti/ al-
lein in Panli briefen
ſtehe? §. 82. 83 - 2) des zweiten/ daß
dieſe warheit nur
vor die geſchwiſter
gehoͤre/ §. 84. 85.
86. 87. - 3) des dritten/ daß
die bekantmachung
dieſer warheit/
aus den briefen
Pauli/ ein verſchul-
den ſeye/ §. 88. 89.
90. - 4) des vierten/ daß
die Chriſten ſchuld
an verlaͤugnung der
Gottheit Chriſti/
und die Socinianer
zu entſchuldigen
ſeyen/ §. 91. 92. 93.
Socinianiſche bos-
heit/ und religions-
betrug des Grafen/
§. 93. **
- 1) des eꝛſten ſazes/ daß
§. 73.
DOch der Graf, nachdem er mit dem geiſ-
ſeln, ſchelten, ud begraben der bekentnis-
buͤcher, fertig worden, komt nun allmaͤhlich auf
ſeinen plan. Es faͤlt ihm ein, daß Paulus et-
lichmal geſaget habe, der Vater unſers HErrn
JEſu Chriſti. Ihr wißt/ (ſpricht er,) was
die venerable kirchenwarheit/ die in den epi-
ſteln Pauli etlichmal ſtehet/ von dem GOtt
und Vater unſers HErrn JEſu Chriſti/ nach
der zeit/ da die epiſteln Pauli publiciret wor-
den/ und in aller menſchen haͤnde kommen
ſind/ angerichtet: ihr wißt/ was ſich auf
den ſpruch: wir haben nur einen GOtt/ den
Vater/ von welchem alle dinge ſind/ und ei-
nen HErrn/ JEſum Chriſt/ fuͤr eine groſe/
H 4weit
[120]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
weit um ſich greifende ſecte/ in der Chriſten-
heit wuͤrklich berufen hat. Erſtlich/ die Aria-
ner/ darnach die Saracenen/ ꝛc. Pauli wort
iſt eine goͤttliche warheit/ eine unwiedertreib-
liche warheit/ aber man bedenkt nur nicht/
an wen ſie geſchrieben iſt. Nachdem nun
das aus den epiſteln Pauli herausgenommen/
und zum algemeinen lehrſatz gemacht iſt; ſo
haben die arme kopfgelehrten gedacht/ ſieha-
ben die ſache bei allen vier zipfeln/ ſie haben
gedacht/ das kan nicht fehlen/ die andern
menſchen muͤſſen doch nicht geſcheut ſeyn/
keine augen im kopf haben/ daß ſie nicht ſe-
hen koͤnnen/ daß/ wann man den HEern
JEſum zum GOtt macht/ ſo trit man der
ehre des Vaters zu nahe. Iſts nicht wahr/
meine geſchwiſter/ man kan das den alten und
neuen Umtariis ſo uͤbel nicht nehmen/ oder
man muß ihren irthum in dem grundirthum
ſuchen/ daß die theologie nicht auseinander
geſetzt iſt/ daß kein menſch auf des Heilands
klare worte achtung gibt: ich habe deinen
namen meinen juͤngern klar gemacht/ und de-
nen will ich ihn ferner kund thun/ (dann das
iſt ein himmliſch leben/ wann dich eins vor
ſeinen genuinen GOtt/ und mich fuͤr ſeinen
kirchenengel anſehen kan/) ſondern/ daß/ da
die apoſtel/ aus einer beſondern gefaͤlligkeit/
(complaiſance) an ganze gemeinen ihr herz
ausgeſchuͤttet/ man die/ an die oder jene ge-
meine geſchriebene herzeroͤfnung/ aller kreatur
in
[121]anderer Theil.
in der ganzen welt/ in die haͤnde gegeben hat/
das evangelium fuͤr die geſchwiſter/ zur theo-
logie der welt gemacht/ wieder des Heilands
ausdruͤklich verbot: ihr ſolt das heiligthum
nicht den hunden geben/ und eure perien ſolt
ihr nicht vor die ſaͤue werfen. ſ. 9. f.
§. 74.
Wir wollen uns dieſe geheimnisvolle rede in
etwas bekant machen. Daß die erſte Perſon der
Gottheit, ein Vater ſeye unſers HErrn JEſu
Chriſti, das iſt freilich eine verchrenswuͤrdige
warheit. Deſto heiliger ſoll ſie von jederman
gehalten werden. Deſto noͤthiger iſt es, daß je-
derman, der ſeelig werden will, ſie aus der ſchrift
lerne, und zur gemeinſchaft mit Chriſto, und ſei-
nem Vater gebrauche. Deſto mehr ſind wir ver-
bunden, ſie nach dem ſinn des H. Geiſtes, rein
und unveraͤndert zu behalten, und unſern nach-
kommen zu uͤbergeben. Wir wollen aber hoͤren,
wieviel ehrerbietung der Graf vor dieſelbe traͤget.
1) Er ſetzet voraus, daß die lehre von GOtt/
dem Vater unſers HErrn JEſu Chriſti/ gleich-
wie von der ganzen heiligen Dreieinigkeit eine im
(*) alten teſtament meiſt unbekante ſache geweſen,
H 5mithin,
[122]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
mithin, daß die glaubige alten teſtaments, ohne
die
(*)
[123]anderer Theil.
die erkentnis des Vaters JEſu Chriſti, ſeelig
worden ſeyen. Ich ſehe nicht, wie ihme ſolcher
geſtalt dieſe ſogenante kirchenwarheit/ ſogar
verehrenswuͤrdig ſeyn muͤſſe. Dann nach ſei-
nem plan, iſt ſie entbehrlich zur ſeeligkeit. Da
ſonſten, nach dem zeugnis der ſchrift, derjenige
den wahren GOtt nicht erkennet, der ihn nicht
als Vater/ Sohn und heiligen Geiſt/ erken-
net, ſo weiß der Graf eine zeit, nemlich das al-
te teſtament, wo den glaubigen nur die perſon
des Sohnes/ bekant geweſen. Da beſtunde das
ewige
(*)
[124]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
ewige leben nicht darinnen: daß ſie dich Vater/
daß du allein wahrer GOtt biſt/ und den du
geſandt haſt/ JEſum Chriſtum/ erkennen.
Joh. 17, 3.
§. 75.
Hierbei waͤre kuͤrzlich anzumerken, 1) wann
die lehre von der H. Dreieinigkeit/ mithin von
GOtt dem Vuter/ mit gewalt heutiges ta-
ges in die ſpruͤche hineingezogen wird/ ſo wird
den ſpruͤchen des alten teſtaments gewalt gethan,
und ihnen ein verſtand irrig aufgedrungen, den
ſie nicht haben. Nun aber hat unſer Heiland
ausdruͤklich gelehret, daß David im 110. Pſalm/
v. 1. einen HErrn, den Jehova/ redend ein-
fuͤhre, und zwar alſo, daß dieſer Jehova zu dem
HErrn Davids, oder zu dem Sohn des Jeho-
va, zu dem Meßias, ſage: ſetze dich zu meiner
rechten. Matth. 22, 43. 44. Alſo hat Chriſtus
erkannt, daß der Geiſt GOttes, durch David,
von dem Vater/ und dem Sohn rede. Und
kein Phariſaͤer konte ein wort darauf antworten,
v. 47. ſondern ſie muſten dieſen beweis vor die
Gottheit des Sohnes, gelten laſſen. Dannen-
hero muͤſte ja der Sohn GOttes ſelbſt, dem aus-
ſpruch des heiligen Geiſtes gewalt gethan, und
einen irrigen verſtand hineingeſchoben haben. Und
eben ſo verhaͤlt es ſich mit Paulo, Ebr. 1, 5.
Dieſer fuͤhret den ſpruch Davids an, Pſalm 2, 7.
da ſpricht GOtt der Vater zu dem Sohn: du
biſt mein Sohn/ heute habe ich dich gezeu-
get. Dieſes erklaͤret Paulus in eben dem ver-
ſtand,
[125]anderer Theil.
ſtand, in welchem es der heilige Geiſt geredet
hat. Nemlich, der Vater habe dieſes zu dem
Sohn geſaget, und dadurch uͤber alle engel ihn
unendlich erhoben. Alſo muͤſte Paulus auch von
denen ſeyn, die heut zu tage einen falſchen ſinn
in dieſes zeugnis Davids hineingezogen, und die
ſchrift dadurch verkehret haben, daß ſie den Va-
ter und Sohn im alten teſtament ſchon offenba-
ret ſehen. Vom heiligen Geiſt vergleiche man
Jeſa. 34, 16. und 2. Sam 23, 2. 3. mit 2. Petr.
1, 21. wo Petrus bezeuget, daß der, durch wel-
chen die heilige maͤnner GOttes geredet haben,
die dritte Perſon der GOttheit, nemlich, der hei-
lige Geiſt ſeye. Folglich hat auch Petrus einen
ſolchen, ſo zornig vom Grafen ausgeſcholtenen
falſchen dolmetſcher abgegeben. Dann die hei-
lige maͤnner GOttes im A. T. ſagen ausdruͤk-
lich, der GOtt Iſraelis, der heilige Geiſt, ha-
be durch ſie geredet. Und Petrus erklaͤret dieſes
eben ſo, wie ſie es meinen, nemlich, von der drit-
ten Perſon der H. Dreieinigkeit.
Doch, der Herr Graf kan den beweis noch
naͤher haben. Er fuͤhret ſelbſt den ſpruch Pauli
an- 1. Cor. 8, 6. Wir haben doch nur einen
GOtt/ den Vater/ von welchem alle dinge
ſind/ und einen HErrn/ JEſum Chriſtum/
durch welchen alle dinge ſind. Hier wird der
Schoͤpfer der welt genennet GOtt der Vater.
Nun aber nennet Moſes den Schoͤpfer 1. Buch
Moſ. 1, 1. den Jehovah/ von welchem alle din-
ge ſind. Demnach bezeuget Paulus hiedurch
ganz
[126]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
ganz deutlich, daß derjenige, den Moſes den
Schoͤpfer und den Jehova nennet, nicht der
Sohn allein, ſondern gleichmaͤſig der Vater ſeye.
Hat dann nun abermal der heilige Geiſt durch
Paulum einen ſo ſtraf baren misgrif gethan, daß
der Graf ihn deshalben ſtaͤupen muß?
Hieraus moͤchte der Graf ohnſchwer ſehen, daß
es nicht damit gnug ſeye, wann er ſpricht: es
wird von uns vorausgeſetzt/ daß die lehre
von der H. Dreieinigkeit/ mit gewalt in die
ſpruͤche hineingezogen wird. Dann wer heiſet
ihn etwas vorausſetzen, das dem heiligen Geiſt
wiederſpricht? dergleichen dinge ſetzet er ſoviel
voraus, und bauet hernach ſeine gaukeleien dar-
auf, daß man mit gutem grund vorausſetzen kan,
er habe ſich ordentlich vom luͤgengeiſt zu einem
tuͤchtigen werkzeug vor ſein reich, beſtellen laſen.
§. 76.
2) Man hat damals von einem GOtt ge-
wuſt/ der hat Jehovah geheiſen/ auf den ſind
alle 10. gebote/ alle glaubensartikel/ alle opfer
und gottesdienſte gegangen/ und das iſt JE-
ſus Chriſtus geweſen.
Aber (1) haͤtte man deswegen dann von zwei
Goͤttern gewuſt, wann auch der Vater dieſes Je-
hova bekant geweſen? ſpricht dann eben dieſer Je-
hova nicht: ich und der Vater ſind eins? (2)
Wann der Heiland im alten teſtament, als Je-
hova bekant geweſen, der Vater aber nicht: ſo
folget daraus, daß dieſer Jehovah nicht als die
andere Perſon der Gottheit, mithin nicht als der
Sohn
[127]anderer Theil.
Sohn des ewigen Vaters bekant geweſen ſeye.
Ohne erkentnis des Vaters, iſt es unmoͤglich ge-
weſen, den Sohn zu erkennen. Wie konte er
ein Sohn ſeyn, ohne Vater? wer aber dieſen
Jehovah nicht als den Sohn erkennet, und we-
der den Vater weiß, noch den heiligen Geiſt;
der erkennet gar keine Perſon der Gottheit. Und
wann es wahr iſt, daß im alten teſtament alles
von dem Jehovah/ und nicht von dem Vater,
handelt; ſo konte auch niemand im alten teſta-
ment von der Perſon des Vaters belehret wer-
den. Er muſte demnach auf die frage: ob es
noch eine Perſon in der Gottheit gebe, die Va-
ter ſeye? mit nein antworten; mithin den Va-
ter laͤugnen. Gleichwie es nun eine ewige war-
heit iſt, 1. Joh. 2, 23. wer den Sohnlaͤugnet/
der hat auch den Vater nicht: alſo gilt es auch
umgekehrt: wer den Vater laͤugnet/ der hat
auch den Sohn nicht. Dann wie kan er ſich
einen Sohn vorſtellen, ohne vorſtellung eines Va-
tes? wann nun alle glaubensartikel/ und alle
Gottesdienſte auf einen ſolchen Jehova gegan-
gen ſind, der weder als Vater, noch als Sohn,
noch als heiliger Geiſt, erkant worden iſt: was
muͤſſen das vor glaubensartikel, und vor ein got-
tesdienſt, geweſen ſeyn? was muͤſſen die leute im
A. T. gedacht haben, wann der Vater durch
David zu den Sohn ſagte: du biſt mein Sohn/
heute hab ich dich gezeuget? wann Michas/
5, 1. dieſes wiederholte, der Herzog uͤber mein
volk Iſrael/ iſt derjenige, des ausgang von
anfang/
[128]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
anfang/ und von ewigkeit her geweſen iſt:
muß nicht der unglaube ꝛecht gros geweſen ſeyn, der
dieſe zeugniſſe vor nichts gehalten hat? was fuͤr
einen GOtt muͤſſen eben dieſe Propheten, und
ihre zuhoͤrer, ſich vorgeſtellet haben, wann es
hieſe: Siehe/ ich komme/ im buch ſtehet von
mir geſchrieben/ deinen willen/ mein GOtt/
thue ich gerne/ Pſalm 40, 8. wer war der GOtt,
deſen willen der Meßias gerne thut? Es wirft
zwar der fromme Graf mit atheiſten um ſich, wann
die Chriſten heut zu tage, ſowol dem Vater, als
dem Sohn, die ſchoͤpfung zuſchreiben. Allein,
es iſt ganz natuͤrlich, daß er dieſes thun muß.
Dann unter dem ſchein, daß er dem HErrn Chri-
ſto die ſchoͤpfung, und Gottheit zuſchreibet, die
kein Chriſt ihm jemals abgeſprochen hat, laͤugnet
er die Gottheit des Vaters dadurch augenſchein-
lich, da er ihn vor keinen Schoͤpſer haͤlt. Und
dabei denkt er, es gebuͤhre ſich, die bekenner des
wahren GOttes, atheiſten zu ſchelten, damit er
ſeinem eigenen wahren titel vorbeugen moͤge. In
der predig, 1746. den 30. Januar. vom aͤlte-
ſtenamt des Heilandes/ heiſet es, ſ. 7. wir
wiſſen/ daß/ wenn ein natuͤrlicher menſch/
anſtat dieſes JEſu/ einen andern fuͤr ſeinen
Schoͤpfer haͤlt/ fuͤr den Jehova unter den Elo-
him/ fuͤr den GOtt im ungrunde/ von dem
es heiſt:non erat, ubi non eras;wer irgend ei-
nem andern manne/ als dem kinde in zerriſ-
ſenen windeln/ die fundamenta aller Monar-
chien zuſchreibt/ und daß alles durch ſeinen
othem
[129]anderer Theil.
othem entſtanden/ ſo mag er darnach einen
GOtt/ den er den himliſchen Vater heiſt/ an-
beten/ oder ſonſt einen heiligen Geiſt/ ſo hab
ich mich ſchon oft erklaͤrt/ daß ein ſolcher/
nach meinem erkentnis, von einem diener des
Jupiters ꝛc ꝛc. Wir waren ohne Chriſto/
das ſind Pauli eigene ausdruͤke/ da waren
wir Atheiſten. Ich mache den ſchlus hieraus:
wer Chriſtum nicht vor den Schoͤpfer erkennet,
der iſt ein atheiſt, und goͤtzendiener. Wer den Va-
ter JEſu Chriſti, nicht vor den Schoͤpfer erkennet,
der iſt eben dieſes. Nun haben die glaubige im
A. T. nach des Grafen wahn, den Vater nicht
gekannt, mithin nicht vor den Schoͤpfer gehal-
ten: alſo waren ſie lauter atheiſten, und goͤtzen-
diener. Ja, es will der Graf ſelbſt nicht haben,
daß man dem Vater die ſchoͤpfung zuſchreiben ſoll:
alſo macht er durch ſeine lehre lauter atheiſten.
§. 77.
3) Er meinet endlich, aus dem namen Je-
hova Elohim/ haͤtten die alten etwas muth-
maſen koͤnnen. Darzu aber waͤre zweierlei noͤ-
thig geweſen. Erſtlich, es muͤſte einer den geiſt
der heiligen goͤtter gehabt haben. Hatten aber
die propheten den geiſt GOttes nicht? ich ſage,
den geiſt GOttes: nicht einen wahrſagergeiſt,
den etwa die heiden von ihren goͤttern erwarte-
ten. Hatten die propheten den geiſt GOttes
nur vor ſich, oder ſolten ſie das volk lehren, und
die zur ſeeligkeit noͤthige geheimniſſe ihnen offen-
baren? konten ſie den namen Jehova Elohim
Herrnhut.II.Th. Jnicht
[130]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
nicht erklaͤren? wurde nicht durch ihren dienſt,
der HErr ſeinem volk bekant? zum andern, haͤlt
er fuͤr noͤthig, daß einer, der allenfals den geiſt
der goͤtter gehabt, den namen Jehova Elohim
haͤtte erklaͤren muͤſſen: Jehova unter den goͤt-
tern. Aber, was haͤtte dann dieſe erklaͤrung
taugen koͤnnen? a) der geiſt der heiligen goͤtter
haͤtte ja ſolch einen groben ſchnitzer gegen die mut-
terſprache, nicht machen duͤrfen. Er haͤtte ver-
ſtehen muͤſſen, daß es wieder die natur
des namens Jehova ſeye, ſich alſo mit Elo-
him zuſammenſetzen zu laſſen. Das weiß man
heut zu tag blos aus der grammatik, wenn man
noch ein ſchuͤler iſt. Wie ſoll dann der geiſt der
goͤtter ein ſolcher ignorant ſeyn, und doch die leu-
te ein geheimnis lehren wollen? ich glaube, das
iſt der geiſt der goͤtter, der ganz in den Grafen
gefahren iſt, und man ſiehet, wie der Graf in
ſeinem ebraͤiſchen ſo veſte ſitzet: wie geſchickt er
ſeye, die terminologie der Rabbinen heraus
zu ſuchen, wie er oben, (im erſten ſtuͤk) angeruͤh-
met hat. b) Doch, wir wollen ihm dieſes zu
gut halten. Was waͤre dann herausgekommen,
wann jemand die ebraͤiſche redensart ſo tiefſinnig
erklaͤret haͤtte: der Jehova unter den goͤttern?
hieſe das ſoviel, als der Sohn GOttes, unter
den zweien andern goͤttern? das waͤre eine herr-
liche Dreieinigkeit; ſo, wie der Graf ſie zuwei-
len beſchreibet, wann er den Sohn GOttes nen-
net den Jehova in der Gottheit. Das hieſe:
die Gottheit in der Gottheit. Dann der Herr
Graf
[131]anderer Theil.
Graf wird hoffentlich wiſſen, daß Jehovah ein
name des weſens, nicht aber ein unterſchiedsna-
me der perſonen iſt. c) Wiewohl er verlaͤſt ſich
auch ſchlecht auf dieſe Erfindung. Dann es faͤllt
ihm gleich dieſes bei: wann jemand dieſe erklaͤ-
rung gemacht haͤtte: Jehova unter den goͤt-
tern: der haͤtte eben keinen groſen irthum be-
gangen. Alſo braucht man einen geiſt der goͤt-
ter darzu, damit man nur irthuͤmer vom zweiten
rang begehe. Und dennoch haͤtte dieſer irthum
mit verſtand geſagt werden/ und ein tiefes
nachſinnen verurſachen muͤſſen. Sind das
nicht ſchoͤne ſachen vor eine predig im herrenhaag,
die uns die heilige Dreieinigkeit erklaͤren ſoll!
§. 78.
4) Allein, man muß hierbei wiſſen: daß die
heilige ſchrift im A. T. nicht auf die art Jaͤng
und gaͤbe geweſen/ wie heut zu tag: und die
leſung derſelben auch nicht. Und alſo darf
man ſichs gar nicht vorſtellen/ daß die leute
ſo tief nachgedacht haben. Herrliche anmer-
kung! oben ſtunde, alle glaubensartikel im alten
teſtament waͤren auf den Jehova Meßias ge-
gangen/ mithin kein glaubensartikel auf GOtt
den Vater. Da hatte der geiſt GOttes die
ſchuld, daß er die ſache nicht anders und beſſer
offenbaren wollen, bis der HErr Chriſtus im
neuen teſtament ſie erſt entdeket habe. Jetzt aber
heiſt es, die ſchrift/ und deren leſung waͤre
nicht ſo gaͤng und gaͤbe geweſen/ wie bei uns.
J 2Hie-
[132]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
Hiedurch komt der ſchaͤndliche unfleis der maͤn-
ner GOttes, und der glaubigen im A. T. in die
ſchuld. Hat es dann GOtt, der ihnen die ſchrift
gegeben, etwa ſo haben wollen? oder war es viel-
mehr ſeiner abſicht zuwieder, daß ſein wort nicht
gaͤng und gaͤbe werden konte? a) will der Graf
das erſte ſagen: ſo muͤſte GOtt im alten teſta-
ment eben ſo treulos und heimtuͤkiſch geweſen ſeyn,
wie der Graf iſt. Dann oben (im zweiten ſtuͤk)
haben wir gehoͤret, daß dieſer Herr Graf das
bibel-leſen/ und das tiefe nachdenken/ als ei-
nen ſchaͤdlichen misbrauch der ſchrift, ganz abge-
ſchaft wiſſen will, wann ſein herrnhaag im flor
bleiben ſoll. Ja, daß heut zu tag ſo eine boͤſe
ſekte in der Chriſtenheit entſtanden, das ſchreibet
er dem fuͤrwiz zu, daß man die ſchriften Pauli ſo
gemein gemacht, und die warheit, von dem Va-
ter unſers HErrn JEſu Chriſti, vor einen alge-
meinen lehrſaz ausgegeben habe. (§. 73.) Ich
haͤtte aber noch eins zu erinnern. Wann damals
die ſchrift nicht ſo gaͤng und gaͤbe war: wie komts,
daß die altteſtamentiſche kinder GOttes, den
Jehova in der Gottheit ſo genau kennen lerneten?
und zwar, ohne den Vater? ich bins zufrieden,
wann der Graf ſoviel dadurch ſagen will, ſie haͤt-
ten dieſen glaubensartikel aus der ſchrift nicht her-
genommen. Dann ich weiß gewiß, daß er nicht
darinnen befindlich iſt, wann ſie auch noch ſo
gaͤng und gaͤbe bleibet. b) War aber dieſes der
abſicht GOttes zuwieder, daß man die ſchrift ſo
liegen lieſe, und zwar in allen zeiten des A. T. ſo
muͤſſen
[133]anderer Theil.
muͤſſen die altvaͤter recht verruchte leute geweſen
ſeyn, daß ſie durchgehends das wort des Hoͤch-
ſten ſo unverantwortlich unter die bank geſteket,
und nicht einmal die erſte grundſaͤtze, von GOtt dem
Vater, Sohn, und heiligen Geiſt, ſich und andern
bekant gemacht. So muß dann nicht wahr ſeyn,
daß immer erleuchtete maͤnner GOttes vorhanden
geweſen, die fleiſig mit dem worte GOttes umgien-
gen. Warum ruͤhmet aber David von ſich, daß
er tag und nacht darinnen forſche, und die zeug-
niſſe des HErrn, als ſeine rathsleute gebrauche,
wie im 119. Pſalm zu finden. Warum gibt der
HErr Chriſtus den damaligen juͤden, die doch in
vergleich gegen die erſtere zeiten des A. T., in
ziemlichen verfall gerathen waren, das zeugnis:
ihr forſchet in der ſchrift/ Joh. 5, 39. Dann
ich nehme jetzt die uͤberſetzung des Grafen an.
Die heiſet alſo: ihr gruͤbelt in der ſchrift: au-
ſer daß hierbei angemerket werden kan, worauf
er mit dem wort gruͤbeln/ tuͤckiſch gezielet habe.
Das ſind nun die ſchaͤndlichen raͤnke miteinan-
der, darauf der Graf ſeine recht boshaftige ab-
ſichten, aber ſehr ungluͤklich, gebauet hat.
§. 79.
Wir kommen 2) auf den andern grundſatz der
graͤflichen predig. (§. 74.) Der iſt ſo auserleſen,
neu, und ausgekuͤnſtelt, daß man ſich daruͤber
verwundern muß. Ich will ihn kurz zuſammen
ziehen: das ganze unheil/ daß verlaͤugner der
gottheit Chriſti in der welt entſtanden ſind/
J 3ſchrei-
[134]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
ſchreibet ſich daher/ daß die theologie nicht
recht auseinander geſetzet iſt: das iſt/ daß
man die zeugniſſe Pauli/ von GOtt dem Va-
ter/ in aller menſchen haͤnde kommen laſſen/
daß man die herzenseroͤfnung der apoſtel/ an
die/ oder jene gemeine/ aller kreatur in der
ganzen welt/ in die haͤndegegeben/ das evan-
gelium vor die geſchwiſter/ zur theologie der
welt gemacht/ wieder des Heilands ausdruͤk-
lich verbot: ihr ſolt das heiligthum nicht den
hunden geben/ und eure perlen ſolt ihr nicht
vor die ſaͤue werfen. (§. 73.)
§. 80.
Das laͤſt ſich ſich nun treflich hoͤren. Die
theologie iſt nicht recht auseinander geſetzt/
darum ſind ſoviele feinde der Gottheit Chriſti ent-
ſtanden. Das iſt ja nun eine ſchmach, und eine
ſchande! wer ſoll aber die theologie auseinander
ſetzen? warum ſagt uns doch der Herr Graf die
rechte kunſtgriffe nicht, wie man dieſe auseinan-
derſetzung gluͤklich bewuͤrken ſolle? doch, er hat
ja dieſes gethan. Dann es ſtehet dabei: iſts
nicht wahr/ meine geſchwiſter/ man kan das
den alten und neuen unitariis/ (feinden der
Gottheit Chriſti, und des H. Geiſtes) ſo uͤbel
nicht nehmen/ oder man muß ihren irthum
in dem grundirthum ſuchen/ daß die theolo-
gie nicht auseinander geſetzt iſt/ daß kein
menſch auf des Heilands klare worte achtung
gibt: ich habe deinen namenNB.meinen juͤn-
gern klaar gemacht/ und den will ich ihnen
ferner
[135]anderer Theil.
ferner kund thun ꝛc. (§. 73.) Daß man nun
dieſes aller welt hat kund gemacht, und das, was
eine bloſe kirchenwarheit/ und ein evangelium
vor die geſchwiſter/ hat ſeyn ſollen, den hun-
den und ſchweinen, die keine geſchwiſter ſind, hin-
geworfen: das iſt der grundirthum/ woraus
der irthum der Arianer, und Socinianer, den
man ihnen nicht ſo uͤbel nehmen kan/ (hier muß
das geſchwiſter ja ſagen: iſts nicht wahr/ m. g.)
entſproſſen iſt. Ich will dieſe klage des Lutheri-
ſchen predigers, in deutliche ſaͤtze ſaͤſſen, da-
mit man einen nach dem andern einſehen koͤnne.
§. 81.
Hier findet ſich nemlich ein vierfaches geheim-
nis der ſchalkheit. Das erſte/ daß er das ge-
ſchwiſter bereden will, ob ſtuͤnde obgedachte war-
heit nur etlichemal in den briefen Pauli. Das
andere/ es gehoͤreten dieſe zeugniſſe nur vor die
geſchwiſter, und nicht vor die andere menſchen,
vor die kreatur, hunde, und ſaͤue. Das dritte/ es ſeye
eine groſe verſuͤndigung vorgegangen, oder eine
verwirrung der theologie, und ein grundirthum,
daß man dieſe kirchenwarheit, den leuten in die
haͤnde gegeben. Das vierte/ in dieſem grund-
irthum ſeye der irthum der Socinianer zu ſuchen,
welche die Gottheit des Sohnes, und H. Gei-
ſtes, verlaͤugnen. Man koͤnne dieſen leuten es
daher nicht ſo uͤbel nehmen, daß ſie auf derglei-
chen irthum verfallen waͤren.
J 4§. 82.
[136]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
§. 82.
Was nun das erſte betrift, daß die warhei-
ten, von GOtt, dem Vater unſers HErrn JE-
ſu Chriſti, nur etlichemal in den briefen Pauli
ſtehen, (§. 81.) das iſt eine ſo freche unwarheit,
daß ein ſinnloſer menſch nichts frechers erdenken
kan. Das zu geſchweigen, was wir oben von
eben dieſer warheit, ſchon aus dem A. T. ange-
fuͤhret haben, ſo iſt ſie in allen Buͤchern des N. T.
zu finden. Nur etwas zu gedenken: 1) als der
Heiland ſein lehramt anfieng, ſo wurde dieſe
warheit, an das ganze menſchliche geſchlecht, vom
himmel bezeuget. Der Vater ſprach aus den
wolkem, Matth. 3, 17. Das iſt mein lieber
Sohn/ an dem ich wolgefallen habe. Johan-
nes der taͤufer, und vorlaͤufer Chriſti, predigte
ſie offentlich, Joh. 1, 34. 36. 2) Der Heiland
hat den Juden, als den erzſeinden ſeiner Gott-
heit, dieſe warheit, daß er GOttes Sohn, mit-
hin der GOtt Iſraelis, der Schoͤpfer aller din-
ge, ſein Vater/ und daß er und der Vater eins
ſeyen/ daß er wuͤrke/ was der Vater wuͤrke/
mithin die Schoͤpfung und Erhaltung, Ihm ſo-
wol, als dem Vater zukomme, ſo oft, ſo deut-
lich, ſo nachdruͤklich bezeuget, daß ſie endlich,
zum behuf der laͤſterung, und peinlichen klage ge-
gen Chriſtum, dieſes unter andern herfuͤrſuche-
ten: Er habe ſich ſelbſt dadurch zu GOtt ge-
macht, daß er ſich fuͤr den Sohn GOttes aus-
gegeben, Joh. 5, 18. 19. 8, 38. 49. 54. 10, 33.
36. Ja, was iſt 3) bekanter, als der befehl
des Heilandes, den er nach ſeiner auferſtehung
den
[137]anderer Theil.
den apoſteln gab? wie heiſet derſelbe? Gehet
hin in alle welt/ lehret alle voͤlker/ und tau-
fet ſie im namen GOttes des Vaters, Soh-
nes/ und heiligen Geiſtes, Matth. 28, 19.
Marc. 16, 15. Man leſe 4) die briefe aller
Apoſtel, ſo wird eben dieſe grundlehre, ſich uͤber-
all darſtellen, weil ſie, und Paulus, durch ei-
nen, und eben denſelben heiligen Geiſt, redeten,
und die ſeeligmachende lehre, von dem Vater und
Sohn, Joh. 17, 3. unmoͤglich verſchweigen
konten, Jac. 1, 27. 2, 1. 1. Petr. 1, 3. 4, 11.
5, 10. 2. Petr. 1, 17. Johannes aber laͤſet in
ſeinem evangelio dieſes ſein hauptwerk ſeyn, daß
er den Sohn GOttes, als das wort des ewi-
gen Vaters/ anpreiſet, und das Schoͤpfungs-
werk, beiden mit unzertheiltem recht zuſchreibet.
Joh. 1, 1. Und in ſeinen briefen redet er faſt in
jeder zeile von dem Vater, und dem Sohn,
mithin von dem Vater unſers HErrn JEſu
Chriſti, der durch den Sohn auch unſer Vater
werden muͤſſe, 1. Joh. 1, 3.
§. 83.
Dieweil nun die bekantmachung dieſer war-
heit, daß der Heiland der Sohn des ewigen
Vaters, mithin der Vater gleichmaͤſig ein
Schoͤpfer der ganzen welt, und durch den Sohn
unſer Vater ſeye, keines weges den ſchriften
Pauli alleine, beizumeſſen iſt, ſondern der H.
Geiſt in allen ſchriften der evangeliſten, apoſteln,
(§. 82.) und propheten, (§. 75. f.) dieſe haupt-
warheit, als nothwendig zu aller menſchen ſeelig-
keit, bezeuget hat; ſo offenbaret ſich darinn die
J 5graͤfliche
[138]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
graͤfliche ſchalkheit ganz handgreiflich, wann die-
ſer Man ſich nicht ſchaͤmet, die ganze Chriſten-
heit zu bereden, ob haͤtte Paulus nur in einigen
ſtellen, die man geheim halten muͤſte, dieſelbe
lehre vorgetragen. Nemlich, ſeine gottloſe ab-
ſicht gehet dahin, daß er die ſchriften Pauli, wel-
che ihm am allerwenigſten anſtehen, ſeinem eige-
nen gutachten unterwerfen, ſich als ein wie-
derchriſt, freventlich uͤber dieſelbe erheben, und
zum richter ſetzen will. Dann, wo dieſe grund-
regel einmal angenommen wird, daß ein leicht-
fertiger menſch, dieſem und jenem apoſtel eine be-
ſondere, geheime lehre, andichten darf, welche
bekant zu machen, oder zu verſchweigen, von ſei-
nem befehl und gutbefinden, abhangen ſoll; da
iſt es um das goͤttliche anſehen der heiligen ſchrift
geſchehen; und der Satan kan nichts bequemers
vor ſein reich erfinden, als dieſe bosheit, wodurch
der grund aller glaubenslehren, auf einmal um-
geriſſen wird. Alſo hat der Satan, den Gra-
fen zu einem recht ausnehmenden werkzeug, aus-
erſehen, dieſen verzweifelten kunſtgrif zu probi-
ren, deſen ſich ſeine vorige apoſtel noch etwa ge-
ſchaͤmet haͤtten.
§. 84.
Das andere/ was der Graf erfindet, iſt von
gleicher art. Es ſoll die warheit, von dem Va-
ter unſers HErrn JEſu Chriſti/ nur eine kir-
chenwarheit/ oder evangelium/ vor die ge-
ſchwiſter/ nicht aber eine theologie der welt/
ſeyn; er nennet ſie ein heiligthum/ das vor die
ſaͤue
[139]anderer Theil.
ſaͤue nicht gehoͤre. (§. 81. 73.) Oben (§. 62. *)
macht er deswegen einen unterſchied zwiſchen den
grundlehren und ſpeciallehren der apoſtel. 1)
Der Herr Graf theilet abermal nach ſeiner ge-
wonheit. Das ganze menſchliche geſchlecht be-
ſtehet aus zwei claſſen; in der einen ſind die bruͤ-
der, oder das geſchwiſter, in der andern die
welt, oder die ſaͤue. Doch dabei wollen wir uns
nicht aufhalten, weil dieſe eintheilung bereits zu
Chriſti zeiten uͤblich war; aber nur bei den Pha-
riſaͤern. Dieſe machten den unterſchied zwiſchen
ihren mitbruͤdern, und zwiſchen dem volk, das
verflucht waͤre, Joh. 7, 47. 49. Aber der Hei-
land theilet doch wieder anders, Matth. 23, 13.
15, 14.
§. 85.
2) Die ſache ſelbſt, komt auf dieſen ſchlus an:
wie ſich GOtt in der heiligen ſchrift offenbaret
hat, alſo muß er von den menſchen erkant wer-
den. Nun aber hat er ſich offenbaret, als Va-
ter, Sohn, und heiliger Geiſt; deshalben muß
er auch von den menſchen ſo erkant werden.
Daß aber die unbekehrte ſolange mit dieſer er-
kentnis warten ſollen, bis ſie bekehret worden
ſind; das iſt ein ſatz, den der Graf beweiſen muß;
entweder durch einen ausdruͤklichen befehl GOt-
tes in der ſchrift, oder durch das exempel Chri-
ſti, und der maͤnner GOttes. Wo hat aber der
Graf dieſen beweis gefuͤhret? welche ſchriftſtelle
hat er darzu beigebracht? ſein bloſes dichten und
ſagen, ſoll einen ſchaͤndlichen wahn zu glaubens-
lehren,
[140]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
lehren, zu ſpeciallehren der apoſtel, machen. Iſt
aber dieſes nicht der antichriſt? ich will noch ei-
nen ſchlus beifuͤgen: die warheit, welche von
Chriſto, und den maͤnnern GOttes, im alten
und neuen teſtament, zur bekehrung der unbe-
kehrten, gebrauchet worden iſt; muß vor alle
menſchen, vor die welt, und vor die kinder GOt-
tes gehoͤren. Die warheit aber von GOtt, als
dem Vater JEſu Chriſti, iſt alſo gebraucht wor-
den. Dann das haben wir (§. 75. 82.) deutlich
erwieſen. Alſo muß auch dieſe warheit, vor be-
kehrte, und unbekehrte, nach der goͤttlichen ab-
ſicht, gehoͤren. Mithin muß derjenige zu einem
dieb und moͤrder an den ſeelen werden, Joh. 10,
8. der das den unbekehrten entziehet, was die
barmherzigkeit GOttes, zu ihrer ſeeligkeit, als
ein theures, reitzendes, und mit goͤttlicher kraft
beſeeltes evangelium, verordnet hat, und wel-
ches zu dem ganzen Rath GOttes gehoͤret, den
man den ſuͤndern zu ihrer bekehrung, verkuͤndi-
gen ſoll, Apoſtelg. 20, 27.
§. 86.
3) Nun will der Graf zwar den ſchein anneh-
men, als ob er dieſe fanatiſche lehre in der ſchrift
gefunden habe. Allein, daß ich ſeine worte ge-
brauche, er hat ſich ſo ganz auſer allen reſpect
geſetzer/ gegen den heiligen Geiſt, welcher in der
ſchrift redet, daß er alle ausſpruͤche des goͤttli-
chen worts, mit ſeinen ſchaͤndlichen gloſſen zu ver-
giften ſuchet. Er beruͤhret keinen ſpruch mehr,
ohne ihn auf die abſcheulichſte weiſe zu verkehren,
und
[141]anderer Theil.
und zum behuf ſeiner bosheit zu gebrauchen. Die
meiſterſchaft uͤber GOttes wort, welche er im an-
fang ſeiner ſchwaͤrmerei, argliſtig zu verbergen
wuſte, bricht nun von tag zu tage voͤllig heraus,
und iſt der letzte pfeiler ſeines reichs. Die worte
Chriſti, welche er martert, ſtehen Joh. 17, 6. 26.
Ich habe deinen namen offenbaret den men-
ſchen/ die du mir von der welt gegeben haſt.
Es iſt wahr, der heiland redet hier von ſeinen
juͤngern, hauptſaͤchlich, durch deren wort ande-
re an ihn glauben ſolten/ v. 20, und aus de-
ren zahl keiner verlohren ward, als der einzige
Judas/ v. 12. Er bezeuget in dieſem gebet, zu
ſeinem Vater, wie Er, des himmliſchen Vaters
namen/ ihnen offenbaret habe. Was heiſer
aber 1) der name des Vaters? alles, wodurch
der Vater im werke der ſeeligkeit, ſich kennbar
gemacht, und nach den umſtaͤnden der damaligen
zeit, und perſonen, ſich offenbaret hatte. Nicht
das bloſe benennungswort: Vater[´] konte es
ſeyn. Auch war es nicht blos und allein dieſe
warheit: ich bin der Sohn GOttes, des Vaters:
ſondern, daß um des Sohnes willen, dieſer Va-
ter ihr liebreicher Vater geworden ſeye, oder, daß
ſie den vaternahmen, als glaubige kinder, durch
Chriſtum, in der that und wuͤrkung ſelbſt, erfahren
konten. Joh. 16, 27. 1, 12. Eph. 1, 6. Was iſt nun
2) dieſe offenbarung? nicht die bloſe bekantmachung
an ſich ſelbſt. Dann dieſe war ſchon im A. T., auch
bereits von Johanne dem taͤufer, und von Chri-
ſto, offentlich geſchehen, ſogar an die aͤrgſten
feinde
[142]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
feinde des reichs Chriſti, (§. 75. 82.) ſondern
die offenbarung, in ſoferne dadurch ein lebendiges
erkentnis, und erfahrung dieſer warheit, in den
herzen der juͤnger, entſtanden war. So wurde
Chriſtus, nebſt dem Vater, ihnen offenbar, und
nicht der welt/ Joh. 14, 21. 22.
Nun halte man die graͤfliche foͤlgerung darge-
gen. Weil die glaubige, von einer geoffenbar-
ten warheit, eine lebendige erkentnis und empfin-
dung haben: ſo folget daraus, daß eine ſolche
goͤttliche warheit, keinem andern duͤrfe bekant ge-
macht werden, als der ſchon an Chriſtum glau-
bet. Was wolte aus der H. ſchrift werden,
wann dieſes gelten ſolte? ſo koͤnte ich mit eben
dem recht ſchlieſen: weil das wort von der buſe,
und vom glauben, nur bei denjenigen, mit eige-
ner erfahrung verſtanden wird, welche wuͤrklich
bekehret ſind, und an Chriſtum glauben, ſo ſoll
man ſich huͤten, daß ja keinen andern, als den
bekehrten und glaubigen, die texte von der buſe
und glauben, bekant werden moͤgen. Und weil
die herrnhuter allein, zwar nicht busfertige, dann
ſie wiſſen von keiner buſe,) aber doch glaubige
bruͤder ſeyn wollen, mit ausſchlieſung aller an-
dern: ſo wuͤrden ſie auch, nach dieſer grundleh-
re ihres abgotts, allein die bibel behalten, und
allerlei, was ihnen einfiele, aus derſelben ma-
chen wollen, wie ſie an dem exempel ihres mei-
ſters, ſchon wuͤrklich ſehen.
§. 87.
[143]anderer Theil.
§. 87.
Was den andern mißbrauchten ausſpruch
Chriſti betrift: ihr ſollet das heiligthum nicht
den hunden geben/ und eure perlen ſolt ihr
nicht vor die ſaͤue werfen/ ꝛc. Matth. 7, 6. ſo
iſt das verfahren des Grafen eben ſo liederlich,
wie es oben war, (§. 86.) dann die warheit von
dem Vater unſers HErrn JEſu Chriſti/ iſt
vom heiligen Geiſt aller welt kund gemacht wor-
den, (§. 75. 82.) Alſo kan der heilige Geiſt an
dieſem orte nicht verbieten, was er ſelbſt ohnlaug-
bar gethan hat. Das heiligthum vor die hunde
werfen, heiſet nichts anders, als boshaftig wie-
derſtrebende, rachgierige feinde der warheit, in
dieſem ihrem zuſtande ſeelig preiſen, den theuren
evangeliſchen troſt ihnen zueignen, der vor ihre
herzensbeſchaffenheit nicht gehoͤret. Auch wird
von Chriſto ſo viel befohlen, daß man die
geheimniſſe des himmelreichs, bei ſolchen leuten,
welche in der hoͤchſten raſerei ihrer affecten, oder
andern arten der ſchaͤndlichſten unreinigkeiten, be-
grifen ſind, und von denen man mit grund be-
fuͤrchten kan, auch ſchon die probe hat, daß ſie
nur zum ſpotten, laͤſtern, und verfolgen, dadurch
aufgebracht werden, keines weges verſchwenden,
ſondern die noͤthige klugheit vielmehr gebrauchen
folle. Das heiſt ja nicht, was der Graf will:
den leuten die ſchrift verbieten, und ſeeligma-
chende warheiten verheelen, weil ſie keine herrn-
hutiſche bruͤder ſind. Bei ihme iſt der ſogleich
ein kind der welt, ein hund und ſchwein,
wer
[144]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
wer nur tiefer in die ſchrift ſiehet, als ihm
lieb iſt.
§. 88.
Das dritte/ (§. 81.) woruͤber der Graf ſo
bitterlich klaget, beziehet ſich auf die ſchaͤdlichen
leute, welche die warheit von GOtt/ und dem
Vater unſers HErrn JEſu Chriſti/ aus den
epiſteln Pauli heraugenommen/ und da die
epiſteln Pauli publiciret worden/ mithin in
aller menſchen haͤnde kommen ſind/ zum al-
gemeinen lehrſatz/ zur theologie der welt ge-
macht/ da es doch ein evangelium vor die ge-
ſchwiſter bleiben ſollen. Dadurch hat man
gegen des Heilands ausdruͤklich verbot/ ſich
verſuͤndiget: ihr ſolt das heiligthum ꝛc. (§. 73.)
Hier iſt nun der Graf in ſeinem rechten ele-
ment. Er ſitzet auf ſeinem richtſtuhl, und die ur-
theile fallen fuͤrchterlich. Erſtlich/ verklaget
und verurtheilet er die ganze heilige Dreieinig-
keit. Dann ſein ſchlus gehet alſo: wer die war-
heit von dem Vater unſers HErrn JEſu Chri-
ſti/ aller welt in die haͤnde gebracht/ und ſie
nicht vor die bruͤder, als ein eigenthumlich evan-
gelium, zuruͤkbehalten, der hat ſich wieder den
befehl Chriſti verſuͤndiget, und hat die theologie
in (*) confuſion gebracht. Nun aber iſt oben
erwie-
[145]anderer Theil.
erwieſen werden, daß der dreieinige GOtt, als
urheber der H. ſchrift, dieſe zur ſeeligkeit ohnent-
behrliche
(*)
Herrnhut.II.Th. K
[146]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
behrliche warheit, allen menſchen bekant gemacht
hat. Alſo wird er ſich dem urtheil des Grafen
gedultig unterwerfen muͤſſen.
§. 89.
Nechſt dem HErrn unſerm GOtt, kommen
nun diejenige in das graͤfliche gericht, welche die
briefe Pauli, ohne die obgedachte warheiten her-
aus zu thun, aller kreatur in der ganzen welt/
in die haͤnde gegeben haben. (§. 73.) Alſo will
der Herr Graf, man ſolte entweder alle briefe
Pauli geheim gehalten, und unterdrukt, oder ſie
doch wenigſtens an denen orten caſtrirt haben,
wo die obgedachte warheiten befindlich ſind. Er
gibt hiedurch zu verſtehen, wie er es gemacht ha-
ben wuͤrde, wann er in den erſten jahrhunderten,
nach der apoſtel zeiten, gelebet haͤtte. Dann er
wuͤrde die heilſame verfuͤgung vor die Chriſten-
heit gethan, und ſorgfaͤltigſt verhuͤtet haben, daß
die briefe Pauli, oder wenigſtens diejenige ſtel-
len derſelben, welche von dem Vater JEſu Chri-
ſti, und von der Gottheit des Sohnes, handeln,
gewis in die haͤnde aller menſchen, nicht gekom-
men waͤren. Er haͤtte ſelbſt eine bibel gemacht,
wie er wuͤrklich thut. Daß nun die barmherzig-
keit
(*)
[147]anderer Theil.
keit GOttes, einen ſolchen boͤſewicht und kirchen-
raͤuber, damals nicht aufkommen laſſen, das iſt
eine wolthat vor ſeine Chriſtenheit, dafuͤr ſie ihn
ewig preiſen wird. Dann nunmehr wird es dem
Satan wohl unmoͤglich bleiben, durch den Gra-
fen auszufuͤhren, was er ſich vorgenommen hat.
Dieſer vater der luͤgen hat ihm zwar verſchiede-
nes ins herz gegeben, (das ſind ſeine herrnhuti-
ſche herzwarheiten/) aber es komt viel zu grob
heraus. Die apoſtel ſollen die zeugniſſe von der
Gottheit Chriſti, aus purer gefaͤlligkeit gegen
gewiſſe gemeinen/ (§. 73.) offenbaret haben.
Wo iſt aber der beweis davon? wann dieſes von
einer apoſtoliſchen warheit zugegeben wuͤrde, was
wolten wir von den andern ſagen? koͤnte es dem
Satan nicht einfallen, von allen andern warhei-
ten, endlich eben dieſes zu ſagen? ſo wuͤrde man
zuletzt die bibeln aus der ganzen welt zuſam-
men tragen, und den herrnhutiſchen bruͤdern uͤber-
liefern muͤſſen. Dann die andere menſchen ſind
nur hunde und ſchweine, vor welche dieſe perlen
nicht gehoͤren. Und was wuͤrde man in herrn-
hut mit der bibel machen? da der Graf ohnehin
nicht leiden will, daß ſeine bruͤder ſie leſen ſollen,
bis er mit ihnen fertig iſt, und ſie vorlaͤufig in ſei-
nen plan geformet hat, wie oben (im 2. ſtuͤk)
gezeiget worden. Die leichtfertige uͤberſetzung
des N. T., die der Graf verfertiget hat, kan uns
eine billige vermuthung geben, was vor ſchickſa-
le die bibel in den haͤnden der Geſchwiſter haben
moͤchte.
K 2§. 90.
[148]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
§. 90.
Ehe ich dieſes beſchlieſe, muß ich dem Grafen
ſein noch uͤbriges gewiſſen ruͤgen. 1) Das ev-
angelium ſolte aller kreatur, auf befehl Chriſti,
geprediget werden, Marc. 16, 15. zu dieſem ev-
angelio gehoͤrete die taufe, die im namen GOt-
tes des Vaters, des Sohnes, und des H. Gei-
ſtes, zu verrichten war, nach der einſetzung un-
ſers HErrn, Matth. 28, 19. So muſte dem-
nach alle kreatur, oder alle voͤlker, die man tau-
fen ſolte, dieſe warheit nothwendig hoͤren, die
ohnehin auch der Vater vom himmel, an das
ganze menſchliche geſchlecht ergehen laſſen: der
GOtt der Chriſten ſeye der Vater unſers HErrn
JEſu Chriſti, der Sohn des Vaters, und der
heilige Geiſt. Alſo muß dieſe warheit kein vor-
behalt vor die bruͤder ſeyn. Und der HErr Chri-
ſtus, mit ſeinem Vater, muß die theologie nicht
verwirret haben. 2) Wer etwas von dieſen
warheiten nimt, oder etwas darzu thut, mithin
ein anderes verſtuͤmmeltes evangelium, den un-
bekehrten, oder bekehrten leuten prediget, der iſt
verflucht. So ſpricht der HErr, Offenbar 22,
18. 19. 5. B. Moſ. 4, 2. 12, 32. Gal. 1, 7. 8.
3) Was Paulus, und ſeine mitgehuͤlfen, den
gemeinen geprediget haben, das muſten ſie thun
auf befehl GOttes, und unter vermeidung des
fluchs, welcher den untreuen knechten gedrohet
iſt. Wehe mir/ wann ich das evangelium
nicht predigte/ ſpricht Paulus, 1. Cor. 10, 16.
Daß ſie demnach, aus bloſer gefaͤlligkeit, vor ein
und
[149]anderer Theil.
und andere gemeinen, ihr herz eroͤfnet haben ſol-
len; das iſt eine herrnhutiſche erfindung. Waͤ-
re dann die warheit von dem Vater unſers HErrn
JEſu Chriſti, ſo hoͤchſtnoͤthig zur ſeeligkeit, wie
die ſchrift doch davon bezeuget, wann es bei der
gefaͤlligkeit, (complaiſance §. 73.) der apoſtel ge-
ſtanden haͤtte, ſie nur ein und anderer gemeine zu
offenbaren? Und 4) wie komt es, daß Paulus
aus einer ſolchen gefaͤlligkeit ſie den Corinthern/
1. Cor. 8, 6. ꝛc. ꝛc. eroͤfnet haben ſoll, von denen
doch der Graf ſo veraͤchtlich redet, daß er die
herrnhuter, als wahre kinder GOttes, von je-
nen unterſcheidet. Dann es ſollen ja (*)huͤn-
diſche lehren und greuel bei der Corinthiſchen
gemeine gaͤng und gaͤbe geweſen ſeyn. Solcher
geſtalt muͤſte Paulus ſelbſt das heiligthum den
hunden vorgeworfen haben.
§. 91.
Die vierte klage, nebſt dem graͤflichen urtheil,
(§. 81.) iſt gegen die Chriſten, wegen ihres vor-
ſchubs, welchen ſie den feinden der Gottheit
Chriſti gethan, gerichtet. Es iſt eine klage wie-
der die Chriſtliche kirche, und zugleich eine ver-
antwortung, und ſchutzrede vor die Socinianer,
K 3worzu
[150]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
worzu die geſchwiſter, das amen zu ſagen, be-
fehliget werden. Die Chriſtenheit hat darinnen
einen grundirthum begangen, daß ſie die war-
heit, von dem Vater und Sohn, mithin von der
Gottheit Chriſti, unter die leute gebracht, die
keine bruͤder ſind, (§. 88. * 73.) Dieweil aber
die Chriſtenheit hiermit nichts anders gethan hat,
als was die ganze heilige Dreieinigkeit, und alle
maͤnner GOttes gethan, und der Chriſtenheit zu
thun befohlen haben, (§. 82. 74. f.) ſo mag der
Herr Graf dieſe beſchuldigung, mit GOtt und
ſeinen zeugen auf erden, ausfuͤhren, und ſehen,
wie er an jenem tage mit dieſen gegnern zurechte
kommen wird. Wann der lebendige GOtt ei-
nen ſolchen grundirthum begangen, und einen
andern irthum der Socinianer dadurch veranla-
ſet, mithin urſache darzu gegeben hat, daß die
Gottheit des Sohnes verlaͤugnet, und verlaͤſtert
worden: ſo muß GOtt noch viel aͤrger gehandelt
haben, als die feinde der Gottheit Chriſti. Dann
ſein irthum iſt ein grundirthum, und jene bege-
hen nur einen gemeinen geringern irthum, der
jedoch aus dem grundirthum GOttes erzeuget
wird. Demnach wird der Herr Graf darauf
bedacht ſeyn muͤſſen, was er allenfals vor eine
buſe ihm auferlegen, oder wie er ihn gar aus dem
herrnhag, ſamt ſeinen apoſteln und evangeliſten,
verbannen will, wo es etwa nicht bereits geſche-
hen iſt.
§. 92.
[151]anderer Theil.
§. 92.
Es iſt aber doch kuͤnſtlich ausgedacht: man hat
die warheiten von dem Vater JEſu Chriſti, der
welt bekant gemacht. Alſo kan man es den So-
cinianern ſo uͤbel nicht nehmen, daß ſie dieſe war-
heit angefeindet, und verworfen haben, (§. 73.)
was wollen wir nun weiter haben? Aber wie
waͤre es dann gegangen, wo dieſe warheiten kein
anderer menſch, als die bruͤder, zu ſehen bekom-
men haͤtte? waͤren dann bei verheelung dieſer war-
heit, keine Socinianer entſtanden? oder muͤſſen
die leute nothwendig Socinianer ſeyn und blei-
ben, bis ſie bruͤder worden ſind? wann die wil-
den durch das wort bekehret werden: dein Schoͤ-
pfer iſt dein Heiland! wie der Herr Graf will:
wiſſen ſie dann ſogleich, ob dieſer Schoͤpſer der
Vater, oder der Sohn, oder der heilige Geiſt
ſeye? iſt derjenige dann beſſer, als ein Socinia-
ner, der nur von einer perſon der Gottheit weiß,
die er den Schoͤpfer, und den Heiland nennet?
Iſt das nicht ein herrlicher ſchlus: weil die war-
heit offenbar worden, welche von den feinden
dieſer warheit verlaͤugnet wird, ſo iſt die offen-
barung der warheit ein grundirthum, daraus die
verlaͤugnung derſelben entſtehet. Wann der
Graf fortfaͤhret, ſolche folgerungen zu machen,
ſo kan er bald zum ende kommen. Er kan mit
eben dem grund ſagen: weil der Schoͤpfer ſeine
ewige kraft und Gottheit, durch die hervorbrin-
gung einer ſichtbaren welt, allen und jeden men-
ſchen, auch den heiden, offenbaret hat, Koͤm. 1, 19.
K 4ſo
[152]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
ſo hat er einen grundirthum dadurch begangen,
woraus der irthum der atheiſten, und der abgoͤt-
ter, entſtanden iſt, und es kan dieſen leuten ihr
verfall ſo uͤbel nicht genommen werden. Ferner:
weil GOtt ſein geſetz offenbaret hat, ſo iſt dieſe
offenbarung ein grundirthum, woraus die ſuͤnde ih-
ren urſprung hat, dadurch das geſetz uͤbertreten
wird, und man kan einem ſuͤnder es ſo uͤbel nicht
nehmen, als man es dem geſetzgeber nehmen
muß. Und dergleichen exempel ſind mit tauſen-
den anzufuͤhren.
§. 93.
Die bosheit haͤtte den graͤſlichen verſtand nim-
mermehr ſoweit verruͤken koͤnnen, wann nicht
ſeine giftige feindſchaft gegen alles, was nicht
hernhutiſch iſt, auf den hoͤchſten grad geſtiegen
waͤre. Dann mit dieſer unverſchaͤmten tollheit
ſuchet er den Chriſten, die ſchuld der Gottesver-
laͤugnung des Sohnes, voͤllig beizumeſſen, und
den Socinianern das wort zu reden, wodurch
er aber zum laͤſterer des wahren GOttes wird,
wie oben erwieſen worden. (§. 91. 82. 74. f.)
Ja, man erwege nur, wieviel ihm ſelbſt daran
gelegen iſt, daß die feinde der Gottheit Chriſti
(*) recht behalten. Dann nachdeme man (wie
er
[153]anderer Theil.
er vorſetzlich dichtet,) gegen den befehl Chriſti,
die warheit, daß er der Sohn des ewigen Va-
K 5ters
(*)
[154]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
ters ſeye, kund gemacht, ſo ſoll den ſpruͤchen
theils die kraft benommen, theils andern eine
kraft,
(*)
[155]anderer Theil.
kraft, die ſie nicht haben, von den auslegern ge-
geben worden ſeyn. Da ſollen die miſerablen
120. machtſpruͤche jung geworden ſeyn/ (§.
78. *) davon ihrer 96. das gegentheil zu be-
weiſen ſcheinen. Dann wo dieſes wahr waͤre,
wer koͤnte alsdann einem feind der Gottheit Chri-
ſti uͤbel nehmen/ (**) daß er eine lehre nicht
glaube-
(*)
[156]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
glaubete, deren gegentheil durch 96. machtſpruͤ-
che
(**)
[157]anderer Theil.
che ſchiene bewieſen zu werden. Ja zu deren be-
weis
(**)
[158]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
weis man nichts anders, als verſchiedene, ich
weiß
(**)
[159]anderer Theil.
weiß nicht, wo jung gewordene/ und noch dar-
zu
(**)
[160]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
zu miſerable machtſpruͤche/ anzufuͤhren haͤtte?
heiſet
(**)
[161]anderer Theil.
heiſet das nicht, aus antrieb einer fanatiſchen
argheit,
(**)
Herrnhut.II.Th. L
[162]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
argheit, die zeugniſſe des goͤttlichen worts verlaͤ-
ſtern,
(**)
[163]anderer Theil.
ſtern, und den feinden die Chriſtliche religion,
als eine elende geburt, zum hohngelaͤchter preis
geben?
L 2IV.
[164]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
IV.
Entdecktes Geheimnis der Bosheit, in der
Herrnhutiſchen Lehre, von GOtt dem
Vater, und dem Sohn.
Inhalt.
Urſache der benennung
dieſer lehre/ §. 94.
Die lehre ſelbſt/ in ih-
rem zuſaminenhang/
der erſte ſatz derſel-
ben/ §. 93. Der zwei-
te/ §. 96. Der dritte/
§. 97. Der vierte/ §. 98.
Der fuͤnfte/ §. 99. Der
ſechſte/ §. 100. Der
ſiebende/ §. 101. Der
achte/ §. 102.
§. 94.
ES iſt noͤthig, den herrnhutiſchen greuel noch
beſſer in ſeinem zuſammenhang außude-
cken, welcher ſich, in anſehung ihrer unſinnigen
ſchwaͤrmerei, herſuͤrthut, waun ſie von GOtt
dem Vater, und dem Sohn reden. Ich habe
es mit bedacht ein geheimnis der bosheit ge-
nennet. Man ſiehet mit verwunderung, wohin
es der ſatan bringe, bei leuten, welche vernunft
und offenbarung an die ſeite ſetzen. Dann ohne
dieſes gedoppelte licht, iſt es unmoͤglich, auf dem
wege der warheit zu bleiben. Wer nun beides
mit fuͤſen trit, der handelt boshaftig gegen GOtt
und menſchen. Und dieſe bosheit, wo ſie noch
andere verſtekte abſichten hat, oder wenigſtens
der
[165]anderer Theil.
der ſatan, als ihr urheber, noch immerfort mehr
boͤſes dadurch ſtiften will, als bereits ausgebro-
chen, iſt ein geheimnis der bosheit. Es iſt ein
herrnhutiſch geheimnis, weil die barmherzigkeit
GOttes, alle Chriſtliche religionen bisher gnaͤ-
diglich dafuͤr bewahret, und keine, mit den Zin-
zendorfiſchen leuten, etwas davon gemein hat.
Kein vernuͤnftiger heide/ kan auf dieſen wahn-
ſin verfallen, ſolange er auf die ſtimme der natur
achtung gibt, von welcher Paulus zeuget, Koͤm.
1, 19. Kein Chriſt/ wann er die heilige ſchrift
gelten laͤſet. Weshalben auch die drei Chriſtli-
chen religionen, und deren bekentnisbuͤcher, in
der allgemeinen warheit, die von dem Grafen
hier verſpottet wird, durchgehends einig ſind,
und die wiederlegung, die ſonſt beizufuͤgen waͤre,
mir dermahl erſparen.
§. 95.
Laſet uns dieſe unerhoͤrte verwegenheit, und
ihre brut, in ihrer rechten geſtalt betrachten. Sie
lieget in folgenden ſaͤtzen abgemahlet. 1) Im
alten teſtament iſt ein GOtt bekant geweſen/
der heiſet Jehovah.(*)Das iſt der Sohn
L 3GOttes.
[166]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
GOttes. Von deſen menſchwerdung und
verſoͤhnung/ von ſeinen menſchlichen aͤmtern
und
(*)
[167]anderer Theil.
und herrlichkeiten/ hat man im alten teſtament
einige ſpuren gehabt/ aber nichts ganzes.
L 4Allein/
(*)
[168]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
Allein ſeine Gottheit/ und ſein ſchoͤpfungs-
recht iſt bekannt geweſen. Sie erwarteten
von dieſem Jehovah einen(**)Heiland/ den
ſie
(*)
[169]anderer Theil.
ſie aber vor ein bloſes geſchoͤpf hielten/ vor
ein etwas/ das nicht Er ſelber waͤre.
L 5§. 96.
[170]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
§. 96.
Dieſen GOtt/ haben nun 2) die Vaͤter im
alten teſtament/ mit ausſchlieſung der andern
goͤttlichen perſonen/ anbeten muͤſſen. Ja/
es iſt ihnen nicht einmal erlaubt geweſen/ den
Vater/
(**)
[171]anderer Theil.
Vater/ und den heiligen Geiſt zu entdecken.
(*)Sonſt waͤre das auf eine abgoͤtterei hin-
ausgelaufen/ ſie haͤtten vielleicht noch zwei
oder drei goͤtter darzu gemacht.
§. 97.
Nachdeme aber 3) der Schoͤpfer menſch
geworden/ da hat ſich eine(*)andere haus-
haltung/
[172]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
haltung/ (oͤconomie) mit ſeiner perſon ange-
fangen.
(*)
[173]anderer Theil.
fangen. Waͤhrend dieſer zeit/ will dieſer Je-
hovah/
(*)
[174]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
hovah/ unter ſeinen kindern nicht mehr als
GOtt
(*)
[175]anderer Theil.
GOtt tractiret ſeyn/ ſondern als ihres glei-
chen/ als ihr bruder/ als ihr fleiſch und blut/
als ein wuͤrklicher(**)herrnhutiſcher aͤlteſter.
Und
[176]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
Und wann das geſchwiſter mit Paulo dieſen
Jehovah
(**)
[177]anderer Theil.
Jehovah einen HErrn nennet/ ſo bedeutet
dieſes
(**)
Herrnhut.II.Th. M
[178]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
dieſes wort ſeine Gottheit nicht/ ſondern nur
ſoviel/ als einen Mann/(***)und die ehre/
welche
(**)
[179]anderer Theil.
welche ihm durch dieſes wort geſchiehet/ iſt
nichts anders/ als eine vorzuͤglichkeit/ der-
gleichen ein eheweib ſeinem manne einraͤumet.
M 2Gleich-
[180]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
Gleichwie demnach im A. T der Vater nicht
angebetet worden; alſo ſoll im N. T. der Sohn
von dieſer anbetung/ in den bruͤdergemeinen/
wie-
(***)
[181]anderer Theil.
wieder abgeſetzt/ und hingegen der Vater an-
gebetet werden.
§. 98.
Dieweil nun 4) ſolcher geſtalt die herrn-
huter/ vor den Sohn GOttes/ den ſie zu
M 3einem
(***)
[182]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
einem bloſen bruder/ mann/ und aͤlteſten ge-
macht/ wieder(*)einen GOtt an ſeiner ſtel-
le noͤthig zu haben ſcheinen/ damit ſie doch
nicht gaͤnzlich ohne einen GOtt ſeyn moͤgen:
ſo
[183]anderer Theil.
ſo hat ihnen der Heiland wieder einen GOtt
gegeben. Das iſt dann die urſache/ und der
eigentliche urſprung einer neuen offenbarung/
M 4ver-
(*)
[184]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
vermittelſt welcher/ der Heiland ſeinen Vater
den bruͤdern kund gemacht/ jedoch dieſes nur
ins ohr geſagt hat/ damit es die hunde und
ſchweine/ das iſt/ alle/ die keine herrnhuter
ſind/ nicht erfahren/ noch ſich des Vaters/
als ihres GOttes/ annehmen moͤgen.
§. 99.
Gleichwie nun 5) die bruͤder/ bei ſo be-
wandten dingen/ der Gottheit Chriſti ent-
uͤbriget/ und ſeiner puren bruͤderſchaft theil-
haftig worden: alſo koͤnnen doch die andere
menſchen/ und alle kreaturen/ der Gottheit
des Sohnes nicht loß(*)werden/ ſondern
die
(*)
[185]anderer Theil.
die muͤſſen ihn als GOtt behalten/ bis zur
wiederbringung aller dinge. Nach welcher
jedoch wiederum eine abaͤnderung folget.
M 5§. 100.
[186]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
§. 100.
Wann demnach 6) die bruͤder eine Gott-
heit zur anbetung haben wollen/ ſo wird ih-
nen befolen/ in ihren zuſammenkuͤnften(*)
den
(*)
[187]anderer Theil.
den Vater/ als ihren einigen kirchengott an-
zubeten/ und ſie ſollen darinnen vor der welt
privilegiret ſeyn/ daß die welt/ nach wie vor/
den Sohn; die geſchwiſter hingegen/ nur den
Vater anbeten/ den Sohn aber als einen(**)
puren menſchen/ vor ihren bruder halten.
§. 101.
[188]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
§. 101.
Es beſtehet 7) die bruͤderſchaft mit dem
Heiland/ als dem gemeinaͤlteſten/ dem zim-
merman von Nazareth/ beſonders darinnen/
daß die bruͤder/ des Heilandes fleiſch und(*)
bein
(**)
[189]anderer Theil.
bein ſind/ welches diejenige/ die keine bruͤder
ſind/
(*)
[190]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
ſind/ nicht ſagen koͤnnen. Dieſe koͤnnen
auch
(*)
[191]anderer Theil.
auch ihre gebete nicht ſchlieſen mit den
wor-
(*)
[192]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
worten: durch deinen lieben Sohn JEſum
Chriſtum:
(*)
[193]anderer Theil.
(*)
Herrnhut.II.Th. N
[194]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
Chriſtum:(**)weil ſie kein recht haben/ et-
was
[195]anderer Theil.
was von dem Vater JEſu Chriſti zu wiſſen.
N 2§. 102.
[196]Herrnhuterey in ihrer Schalk heit
[197]anderer Theil.
N 3
[198]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
§. 102.
In ſoferne 8) der Heiland ein menſchiſt/ wie
andere menſchen/ die noch keine bruͤder ſind/ hat
er(*)ſich ſelbſt zum Gott/ wie die welt ihn zum
Gott hat. In ſoferne aber der Heiland nach
ſeiner menſchheit ein herrnhutiſcher(**)bruder
iſt/
[199]anderer Theil.
iſt/ ein glaubiger und ſeeliger menſch; da iſt er
nicht ſein eigener Gott; ſondern er hat den Va-
ter/ als den Gott der gemeine/ zu ſeinem Gott/
wie die bruͤder. Und das iſt der aufſchlus von
dem geheimnis/ daß der Heiland und die bruͤ-
der einerlei Gott haben/ den ſie beide anbeten/
und der Heiland eben die(***)religion hat/ wel-
che die bruͤder haben/ folglich ein vollſtaͤndiger
herrnhutiſcher bruder iſt.
N 4
[200]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
[201]anderer Theil.
N 5
[202]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
[203]anderer Theil.
[204]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
[205]anderer Theil.
[206]Herrnhuterey in ihrer Schalkheit
[[207]]
Appendix A Drukfehler.
Der geneigte Leſer wolle die einge-
ſchlichene Drukfehler nicht unguͤtig deu-
ten, in Betracht, daß der Abdruk aus-
waͤrts geſchehen, und von dem Verfaſ-
ſer nicht durchſehen werden koͤnnen. So
iſt es z. e. wider alles Vermuthen und
gegen die deutliche Vorſchrift des Con-
cepts geſchehen, daß
- Vorrede §. 6. eine Rotte verfluchter Men-
ſchen, an ſtatt verfuͤhrter Menſchen
geſetzt worden, ſiehe ſ. 75. Man iſt ge-
wohnt lieber zu ſeegnen als zu verfluchen. - ſ. 22. ließ Corpori, ingleichen, unterſte-
hen wuͤrden. - ſ. 33. lin. 6. ließ: und unterſcheidet
ihn von dem Sohn. - ſ. 57. lin. 8. ließ der Vater und der H.
Geiſt, und eben ſo lin. 15. - ſ. 95. ließ faßlichern vor faͤlſchlichen Wor-
ten. - ſ. 132. ließ nicht mittelbar.
- ſ. 139. lin. 4. ließ: heiligen Geiſt ſelbſt.
- ſ. 144. ließ Moment an ſtatt Monat ꝛc.
Das uͤbrige wird der Guͤtigkeit des Leſers
uͤberlaſſen.
denken/ St. 24. ſ. 158.
geſamten maͤhriſchen kirche, ein ſchreiben
in 4to, an Ihro Koͤnigl. Maj. in Preuſſen
abgefaſſet worden: in welchem der Herr
Graf ſeine ſooft entdeckte betriegereien, und
zwar an manchen orten auf eine ſeltſame art,
erneuert. Die macht der warheit, welche
Herr D. Baumgarten ihn fuͤhlen laſſen,
ſuchet er unter dem namen der ganzen kirche
durch ſchimpfen und verklagen zu entkraͤften.
Theil Num. 1997. pag. 1901.
- 1. Am Schabbas ſind wir ſtille, Und reden in
der K’hille Wir thun uns was zu gut Wir
acheln von dem Tolah Der fuͤr uns ward ein
Olah Und trincken auch von ſeinem Blut. - 2. Er ward fuͤr uns zum Fluche Drum haben
wir Menuche Wir ſind gebenſchte Leut Er
macht in uns Hadloke Und ſein Sechus und
Z’doke Iſt unſer Schmuck und Schabbas
Kleid.
3. Die
3. Die Parſche und Haphtore Iſt immer nur
die B’ſore Daß GOttes ein’ger Sohn
Am Creutz vor uns geſtorben Und uns mit
Blut erworben Man ſingt und darſchet nur
davon.
- 1. Der Bore iſt erſchienen Seiner armen Berje
zu dienen Er half ihr aus der Noth Er hat
ſich makriv geweſen Col echad kan geneſen
Wer glaubt und achelt von ſeinem GOtt. - 2. Sein Boſer iſt die Achile Das Korben fuͤr
die Mechile Die K’hile lebt davon Sein
Dam iſt die Schetije Das ihm an der Telije
Aus ſeiner ofnen Seite ronn. - 3. Wir gehn bey ihm zu Tiſche Der Iſch mit
ſeiner Iſche Aguddas Bocherim Und ſeine
liebe Jonah Die Alme und Almonah Die
Olelim Vejonekim.
4. Wohl
- 4. Wohl dem der ſich ſo nehret Und von dem
Tolah zehret Sein Boſer Vedam genießt Der
ſtirbt nicht addrabba Er hat veſt olam habba
So veſt Techijas hammeſim iſt.
Pag. 1907. N. 2011.
Mel. Wer JEſum bey ſich hat.
- 1. Nichts iſt doch freundlicher als unſer Herr-
gen Nichts liebet ſich ſo ſehr als ſeine Naͤrr-
gen. - 2. Nichts predigt kraͤftiger als Wunden
Pfaͤrrgen Nichts ſinget lieblicher als JEſu
Lerchen. - 3. Drum bleib ich unverruckt im Bund der
Naͤrrlein Und liebe ewiglich der Naͤrrlein
Herrlein.
- v. 5. Du haſt erfahren was JEſus Gnade
thut, Von vielen Jahren in unſers Herren-
huth, Dem Erſtling unſerer Gemeinen
Der dich noch oft macht vor Freuden weinen. - v. 6. Durch manch Gewirre giengs da im An-
fang ſchlimm Durch das Gekirre der treuen
Hirtenſtimm, Das brachte ſeine arme
Schaafe, Bald zu dem ſanfteſten Glau-
bens-Schlafe. - v. 7. Beym Streitereſſen und heilgen Wun-
dentranck Da ward vergeſſen der alte
Meinungs-Zanck, man ſang dem Lamm
mit froher Kehle, Und ward ein Hertz und
eine Seele. - v. 8. Das war die Stunde, die ſich das Lamm
erſehn, Daß auf dem Grunde die Kirche
ſolte ſtehn, Den Satan und die gantze
Hoͤlle, Nimmer bewege von ſeiner Stelle: - v. 9. Sie ſteht noch heute, die ſeelige Gemein,
Erwehlte Leute gehn taͤglich zu ihr ein, Und
ihren Schweſtern allenthalben, Kirchen
ſind Suͤndern wies Neſt den Schwalben. - v. 10. Und ſeit die Warheit daß wir mit Blut
bezahlt, Mit ſolcher Klarheit in den Ge-
meinen ſtrahlt, So wird faſt alles hinge-
riſſen, Und man will nichts als die Wun-
den wiſſen.
v. 11.
- v. 11. Wir koͤnnen ſagen, daß faſt in jedem
Land, In dieſen Tagen die Seelen ſtehn
im Brand, Und man an einem jeden Orte
Hoͤren will von dem Verſoͤnungs-Worte. - Den Inhalt des 10. und 11. Vers beſinget der
Graf in einem eigenen Lied, mit hochpran-
genden Namen der frembden Voͤlcker und
Nationen, auf eine recht eitele Art ange-
fuͤllet. Herrnh. Geſangb ſ. 2034. Wie ſind
wir doch ſo herzlich ſchlecht ꝛc. und eben
daſelbſt: O Haupt vom Kirchen-Spren-
gel! ꝛc.
Nemlich, er drehet es dahin, daß er nicht
nur denen, welche das tauſendjaͤhrige Reich
glauben, in ſeiner Synagog die Brand-
marke gibt, und ſie Zeichendeuter nennet,
ſ. 15. 16. f. ſondern auch uͤberhaupt auf die
privat-Zuſammenkuͤnfte faͤllet, ja auf die
Erwekungen insgeſamt, die nicht herrnhu-
tiſch ſind. Er ſtellet dieſe Sachen als eine
ſeit 60. oder 70. Jahren geſuchte neue Re-
formation, vor, ſ. 9. und leitet die Folge dar-
aus, daß man Quacker/ Inſpirirte und
Naturaliſten dadurch mache, ſ. 20. Er
gehet bis dahin, daß er ſeinen Bruͤdern er-
zehlet, ſ. 28. Man habe wuͤrklich in den
letzten
ben fehlete es nicht/ wann wir nur dar-
nach thaͤten. Dieſes, und dergleichen,
ſchildert er ſo verhaßt, ſchaͤndlich, gefaͤhr-
lich, und der Obrigkeit nachtheilig, ab,
daß eine nicht geringe Bitterkeit und bos-
hafte Abſicht, ſich uͤberall zu tage leget.
Seine Synogoge ſoll ſoviel von ihm hoͤren:
Die Lutheriſche Kirche hat laͤngſt eine Re-
formation noͤthig gehabt. Aber die beſte
unter ihnen, die etwa noch reformiren wol-
ten, haben die Sache durch Unwiſſenheit,
und ſchaͤdliches Beginnen, erſt recht ver-
dorben. Bis wir Herrnhuter gekommen
ſind. Bisher alſo nimt er an, daß die Wor-
te Chriſti: Euch gebuͤhret nicht zu wiſ-
ſen ꝛc. von keiner Reformation der Zeiten
handeln: und daß diejenige ſich gewaltig ir-
ren, und Rebellionen anſtiften, ſ. 20. wel-
che Chriſto dergleichen Prophezeiung an-
dichten wolten. Hingegen gibt er doch den
Bruͤdern nicht undeutlich zu verſtehen, daß
vor die Herrnhuter und deren kuͤnfrige er-
wuͤnſchte Schickſaale, etwas herrliches in
dieſen Worten liege. ſ. 19. Vielleicht wer-
den ſie denken/ ſie haben uns (die Herrn-
huter)
ſie 100. Jahr von den Boͤmiſchen Bruͤ-
dern gedacht haben/ es ſind keine mehr.
NB.In dempoint de vuëmuͤſen wirs an-
ſehen; wenns darnach auf einmal nicht
wahr ſeyn wird/ wann ſie ſich darnach
auf einmal in ihrer Hofnung werden be-
trogen finden/ da ſie gedacht haben/ es
waͤrenNB.keine Chriſten mehr: ja/ her-
nach kan man leicht denken/ was daraus
entſtehen wird. Es wird das daraus
entſtehen/ daß ſie uns werden in Ernſt
vertilgen wollen: und das wird nicht
angehen/ da werden ſie zu kurz langen.
Nichts ſinnreichers aber haͤtte der Herr
Graf erfinden koͤnnen, als die herrliche An-
merkung, die er in dieſer Predig der Sy-
nagoge mittheilet. Wann er ſie nemlich
mit der artigen Fabel unterhaͤlt, es ſeye die
ſogenante allzufruͤhe Reformation ſeit 60.
Jahren, aus dem dreiſigjaͤhrigen Krieg
entſtanden. ſ. 10. f. Das iſt erquiklich zu
lefen! weit ſchoͤner als der Eulenſpiegel.
wunderung auszudrucken/ daß man ver-
ſtehe/ was gemeinet iſt. Alſo gloßiret
der Herr Graf das Kehelle! ſ. 8.
Zinzendorfiſchen Unternehmungen ſ. 57.
Warum bin ich ſoviele Jahre eine uner-
muͤdete Pfaffenſtuͤtze geweſen/ und habe
meine Bruͤder geaͤngſtiget/ ſich mit ih-
nen zu ſchlieſen. Habe ichs nun gleich
aus guter hofnung mit den Pfarrherrn
gehalten/ ſo habe ich doch niemals be-
gehret/ meinem Heiland etwas zu verge-
ben/
mit dem ſchaͤdlichen Stuhl/ der das Ge-
ſetz uͤbel deutet/ der die Leute vor neuge-
bohrne erkennet/ weil ſie einſtimmen/
und fuͤr ungegruͤndet/ weil ſie diſſen-
tiren.
Wolte irgend der Herr Graf ſagen, er
verſtehe dieſes uͤbereinſtimmen nicht von
dem beifall, den man der warheit, ſondern
den Sekten und Parthien gebe: ſo wird er
bedenken muͤſſen, daß er von den Pfarrern
der evangeliſchen, oder von den Lehrern, die
keine Herrnhuter ſind, uͤberhaupt rede, ſo-
ferne ſie Pfarrer, oder Prediger der evan-
geliſchen warheit ſind. Geſetzt aber, er re-
dete von einer uͤbereinſtimmung mit Par-
thien, (welches jedoch ſein vortrag nicht lei-
det) ſo bliebe doch dieſes unſtreitig, daß er
ſelbſt thue, was er an andern ſchilt, ja was
er vor eine urſache ausgibt, warum man
von ihnen ausgehen muͤſſe. Dann das Ke-
helle ſagen, iſt nicht einmal bis dahin zuver-
laͤſig, daß es eine ernſte und gruͤndliche bei-
ſtimmung verſichern moͤchte, ich geſchweige
eine vollkommene bekehrung. Es ſoll nach
ſeiner eigenen erklaͤrung (§. 26. *) nur die
verwunderung anzeigen, die jemand bli-
cken laͤſet, wann er einen vortrag verſtehet.
Dieſes
neuen Geburt/ als die uͤbereinſtimmung
mit der warheit, ein ſolches unbetriegliches
zeugnis heiſen kan.
ſeele! es iſt ein Lamm vor dich geſchlach-
tet/ aber ein GOtteslamm/ dein Hei-
land iſt fuͤr dich geſtorben/ dein Schoͤpfer
hat ſein Leben fuͤr dich gelaſſen/ er hat
dich
euch der Heide oder der wilde fragen wird:
was iſt das? wie kan das moͤglich ſeyn?
und daß ihr da erſt werdet alle eure Phi-
loſophie zuſammen nehmen/ und alles
was ihr euer tage gelernt habt; und wenn
ihr eins nicht koͤnnet/ daß ihr die ande-
re methode nehmen muͤſſet/ und wenn
ein argument nicht helfen wolte/ ihr ein
anders nachſchlagen muͤſſet/ und alle
moͤgliche argumenta aufſuchen/ bis ihr
endlich das findet/ was fuͤr den Man
iſt/ womit ihr den menſchen auf kurz
oder lang/ breitſchlagen koͤnnt/ darum
weil er das noch nicht zu beantworten
weiß. So raiſoniren die leute/ die kei-
ne geiſtliche koͤpfe/ und keine geiſtliche
herzen haben. Aber wir/ wann wir ei-
nem wilden ſeinen Heiland ſchon predi-
gen/ ſeinen Schoͤpfer/ der ihn erloͤſet hat/
ſo iſt der heilige Geiſt gewiß ſchon zehen
Jahre vorher da geweſen ꝛc ꝛc.
Nemlich, der Herr Graf hat dieſe me-
thode ſehr noͤthig. Dann er und ſeine lam-
mesboten wuͤrden ſehr uͤbel dran ſeyn, wann
die Heiden ſolten grund der hofnung ſodern.
Wann ſie mit warheiten, ich will nicht ſa-
gen
mit einem ordentlichen zuſammenhang der
heilsordnung wolten uͤberzeuget ſeyn. Sei-
ne boten wiſſen weniger davon als die wil-
den. Sie ſind rohe elende leute, die der
Graf zu Apoſteln macht, weil ſie ſeiner
leichtſinnigkeit und verwegenheit theilhaftig
worden: das heiſt, den heiligen Geiſt von
ihm empfangen haben. Darum macht
er ihnen die gruͤndliche Erkentnis GOT-
TES und ſeines worts auf alle weiſe ver-
haſt: und nennet es eine kunſt, die leute
breit zu ſchlagen. Nach ſeinen grundſaͤ-
tzen muß man diejenige, welche in irthum
ſtecken, und gruͤnde der gewisheit fodern, in
ihrem elend verderben laſſen, und gleich/
gleich/ geſchwind/ geſchwind/ davon
laufen. Was Paulus auf befehl GOt-
tes von den wahren boten des Lammes fo-
dert, daß ſie zu rechter zeit und zur unzeit
anhalten/ wiederlegen draͤuen und ermah-
nen ſollen mit aller gedult/ 2. Tim. 4, 2.
daß ſie den frechen und unnuͤtzen ſchwaͤ-
tzern/ die ganze haͤuſſer verkehren/ und
lehren das nicht taugt/ das maul ſtopfen
ſollen/ Tit. 1, 10. 11. daß ſie eben ſo
maͤchtig ſeyn ſollen, die wiederſprecher ein-
zu-
Tit. 1. 9: ja, was unſer Heiland ſelbſt
unzehligmahl mit ſeinem beiſpiel beſtaͤtiget,
da er die gegengruͤnde der Phariſaͤer, Sad-
ducaͤer ꝛc. wiederleget: das alles verbietet
der Graf ſeinen boten, mit dem groͤſten Ei-
fer. Und damit niemand gegen dieſes ver-
bot muchſe; ſo ſetzt er dabei: ſo ſpricht der
Heiland. Dadurch gewinnet er auf zwei
ſeiten. Erſtlich das, daß ſeine lammesbo-
ten nichts zu lernen brauchen, als die for-
mul: dein Schoͤpfer iſt dein Heiland. Da-
bei ſind ſie dennoch ſtatthalter des H. Gei-
ſtes. Zum andern, daß niemand dieſe fre-
che ſchwaͤtzer wiederlegen darf. Dann das
wiederlegen heiſt nach der graͤflichen ſprache
nur ein breitſchlagen.
fen worten. Der erſte wird alſo von ihm
vorgetragen: (§. 31.) Der heilige Geiſt
hat ſchon daran gemacht/ und alleſchwie-
rigkeiten und hinderniſſe aus dem wege
geraͤumet/ und eine converſation ange-
zettelt mit der ſeele/ und ſie ſind ſchon
lange gezehlte leute. Der heilige Geiſt
hat ihnenNB.das ſchon lange geſagt/
was die herrnhuter ihnen ſagen ſollen.
Es iſt ihnen nur ſo/ wie einem/ der
ſeinen traum vergeſſen hat/ den ein an-
derer/ der den traum weiß/ nur wieder
daran erinnern muß. Ingleichem: der
H. Geiſt iſt ſchon zehen Jahre zuvor da
geweſen. Durch die herrnhuter wird nur
das ſiegel darauf gedruckt/ was ein ſol-
cher menſch ſchon lange hatte/ aber nur
nicht leſen oder ausſprechen konte. Wie-
derum, (§. 26.) es ſind Leute, bei welchen
der H. Geiſt ſchon angeſchlagen hat/ die
er ſchon hat/ die nur ſolche geſpaltene
und
daß ſein ſanftes ſauſen durchdringen/ und
ſich verſtaͤndlich machen koͤnne. Der
andere ſatz, lautet mit des Grafen worten
alſo: wann wir nur koͤnnen ſo weit kom-
men/ ein geſcheutes wort mit einem ſol-
chen menſchen zu reden/ ein deutlich ver-
nemliches wort/ ſo ſind wir nur zeugen
von dem Lam/ von ſeinem fuͤr ihn am
kreutz geſchlachteten Schoͤpfer/ ſo ſind
wir zeugen des H. Geiſtes/ wir verſi-
cherns ihm/ wir druͤckeu das ſiegel auf
das/ was er ſchon lange hatte. ꝛc. ꝛc.
Dieſes geſcheute, deutliche, vernehmliche
wort, nennet er anderswo gewiſſe foͤrmel-
chen/ (§. 32.) an welche man das zeug-
nis des H. Geiſtes von dem kreutz Chri-
ſti/ und von dem Unglauben der welt/
abzufaſſen habe. Und faſt noch deutlicher
redet er (§. 31.) Sie ſind ſchon lange ge-
zehlte Leute/ mit denen der H. Geiſt ei-
ne converſation angezettelt hat;NB.es
fehlet nur noch jemand/ der komt und
fraget ſie/ was hat dir dann der H. Geiſt
geſagt? Antwort: ach wan ichs ſagen
koͤnte! Ich will dirs ſagen: Hat er nicht
ſo und ſo geſagt? Ja/ Kehelle! das iſt
auch
man muß nur menſchlich (§. 26.) mit ih-
nen reden/ um der ſchwachheit und
menſchlichkeit willen ꝛc. Am allerdeut-
lichſten aber bindet er dieſes ſeinen juͤngern
ein, ſ. 31. bei dem ſchluß ſeiner predig:
Und wenn wir nun in dem treu bleiben/
und verhuͤten/ unſerm geſchwiſter/ und
NB.allen leuten auf dem erdboden/ din-
ge zu predigen/ die uns nicht befohlen
ſind/ und werden hingegen mit allem
ernſt dabei halten/ was der H. Geiſt den
leuten ſchon auf geiſtlich/ in der gnaden-
ſprache/ in des lieben GOttes ſeiner na-
turſprache geſagt/ und wir werden nur
kommen/ und werdens ihnen in ihrer
ſprache ſagen/ da werden wir ſehen/ daß
wir einen wahren/ obgleich nicht ſo weit-
laͤuftigen/ nicht ſo haͤufigen/ nicht ſo
lermhaftigen/ aber auch einen bleiben-
den ſeegen haben.
mit den leuten aus/ die wir bekehren/
mit den nationen der heiden/ mit den
einzelnen menſchen. Es iſt eine ganz
verdrehte/ verkehrte Idee/ daß man denkt/
wann wir nicht kaͤmen/ ſo wuͤrde aus
den leuten nichts. Wann wir nicht kaͤ-
men/ ſo kaͤme jemand anders: wann
kein menſch kaͤme/ ſo ſchickte er wieder
einen Engel: wann kein Engel kaͤme/
und wann keine andere gelegenheit waͤre
an eine ſolche ſecle/ ſo erloͤſete ſie der H.
Geiſt von gewiſſen beſchwerlichen hin-
derniſſen/ daß ſie unmittelbar hoͤren koͤn-
ten/ das iſt gewiß.
meine zeugen ſeyn/ ſagt der Heiland.
Der Heiland ſagt nicht: ihr werdet den
leuten die H. Dreieinigkeit klaar machen/
ihr werdet den leuten erklaͤren koͤnnen/
wie das und das capitel in der Offenba-
rung Johannis/ oder im Propheten Da-
niel u. ſ. w. zu verſtehen ſeyn wird; ihr
werdet koͤnnen zeigen/ was in dem accent
vor eine kraft liegt/ und was in der con-
ſtruction fuͤr eine emphaſis iſt; ſondern
ſo: ‒ ‒ ‒ wo iſt jemand/ da der H. Geiſt
geweſen/ da der H. Geiſt ſich gemeldet
hat? ich ſoll ihm was ſagen. Und wann
ihr werdet kommen/ ey werden die ſpre-
chen/ willkommen/ ey! wie haben wir
auf den Man gewartet/ ey! wie haben
wir ihn verlangt. Und wann ſie euch
das nicht ſagen/ ſpricht der Heiland/ ſo
gehet geſchwind wieder fort/ gleich ge-
het fort/ haltet euch nicht auf/ dann es
wird
So iſts mit der bekehrung ‒ ‒ ‒ wir at-
teſtiren die goͤttliche warheiten/ und le-
gen ſie aus/ wir expliciren ſie/ und ma-
chen ſie faßlich/ die durch des H. Gei-
ſtes ſeine wuͤrkung im herzen erreget ſind/
und die ſich kaum mehr halten koͤnnen.
Wir ſagen: der unſichtbare prediger hat
recht/ ſo wahr ich dein freund den du
ſieheſt und lieb haſt/ ein ehrlicher Man
bin 1. Joh. 4, 20. Und das iſt eine
Oeco-
die muͤhe/ und bleibt ein paar tage da/
und beredt die leute ꝛc. ꝛc.
logi und Philoſophi todt ſtudiren/ und
todt lehren/ und todt ſchreiben/ und
werden nicht eine geſcheute definition
heraus bringen/ von der wuͤrkung des
H. Geiſtes an den ſeelen/ bis ſies ſelbſt
erfahren haben/ und aus den klaren und
deutlichen worten des Heilands einmal
die natur der ſache ein bisgen einſehen
lernen.
Ich glaube jedoch, der Herr Graf
kan dieſer letzteren furcht uͤberhoben ſeyn.
Wann er ſeine verwirte phantaſie nur erſt
in eine natuͤrliche ordnung bringen wolte, ſo
koͤnte er ein bisgen verſtehen lernen, daß
der heilige Geiſt mit dem wort, und durch
das wort dasjenige wuͤrke, was er aus der
erfahrung, die aber falſch und erlogen iſt,
ſo hoch uͤber alle Theologen und weltweiſen
gelernet haben will. Wann der gute Man
erſt lernen wolte, ehe er nicht nur lehren,
ſondern auch richten, ſchmaͤhen und verur-
theilen will; ſo koͤnte er aus den klaren zeug-
niſſen GOttes die gefaͤhrlichen gaͤnge ſeines
ſchwarmgeiſtes einſehen. Die heilſame er-
kentnis iſt von der erfahrung unzertrennlich.
Und
het, iſt von dem gebrauch des goͤttlichen
worts unzertrennlich. Dieſe Erleuchtung
iſt eine wuͤrkung des heiligen Geiſtes, wie
unſer Catechismus aus der Schrift lehret.
Wer aber ſolche wuͤrkungen behauptet, ehe
das wort GOttes ſie herfuͤrbringet, der wie-
derſpricht dem heiligen Geiſt auf eine fana-
tiſche art, und laͤſtert, was er nicht verſte-
het, oder aus boͤſen Abſichten nicht verſte-
hen will. Die bruͤder ſind erhabene leute,
da ſie in den graͤflichen predigen hoͤren, wie
weit ſie mit ihrem meiſter uͤber alle Theolo-
gen und Philoſophen hinauf geſtiegen ſind.
Wolten ſie doch Paulum hoͤren 1. Timoth.
1, 7.
ſeyn, wie einer frau zu muthe iſt, wann ſie
in dem moment erfaͤhret, ihr Man lebe
noch, den ſie vor todt gehalten. So iſt
den gnadenhungrigen ſeelen/ wann ſie die
predig vom kreutz hoͤren/ wann ſie eine
halbe minute davon reden hoͤren/ wann
ſie
mit beweiſet er dieſes von ſeinen wilden?
mit nichts anders, als ſeinem alten fanati-
ſchen traum: dann ſie haben, oft ſchon ze-
hen jahre/ daruͤber gedacht. Und wie
haben ſie als wilde, daruͤber denken koͤn-
nen? antwort: der heilige Geiſt hat ſchon
druͤber gearbeitet/ der heilige Geiſt hat
ſchon dran gemacht/ und alle ſchwierig-
keiten und hinderniſſe aus dem wege ge-
raͤumet ꝛc. ꝛc.
ken, darum beuget er vor, ſ. 22. wißt ihr
meine bruͤder/ was ihr zu thun kriegt?
ihr werdet eine vollmacht kriegen vom H.
Geiſt: euch wird aufgetragen werden
von der theuren und lieben kirchenmut-
ter: Gehet hin/ es hat da eine ſeele/ dort
eine ſeele. Und die ſeele wird nicht nur
bei euch in der nachbarſchaft ſeyn/ ſon-
dern es kan ſeyn/ daß ihr nach der einen
ſeele muͤſſet laufen bis ans ende der er-
den ꝛc. Wer iſt aber dieſe theure und lie-
be kirchenmutter? die eine ſo ſchaͤdliche und
dem Heiland wiederſprechende bekehrungs-
art ihren boten eingepraͤget hat? Iſt das der
heilige Geiſt? ſo muͤſte der Graf Zinzen-
dorf
HErr fuͤr!
die H. maͤnner in der zierlichkeit nichts
geſucht; wann man aber auf die accu-
rateſſe der gedanken/ auf die puͤnktlich-
keit und unfehlbarkeit des ausdruks ſie-
het/ den ſie gebraucht/ dann trift mans/
darum/ weil ſie ihreNB.ausdruͤke nicht
ſelber gemacht/ ſondern die ſind ihnen
vom H. Geiſt ſelbſt gemacht worden.
an ſeine gegner/ ſ. 23. Die Apoſtel ha-
ben ſehr ſchlecht griechiſch geſchrieben/
und ich will nicht ſagen ebraͤiſche redens-
arten/ (ebraismos)NB.davon ſie wohl
wenig moͤgen verſtanden haben/ ſondern
ſyriſche/
be/ unſer Heiland ſelbſt mag ſehr platt
geredet/ und vielleicht manche Bauern-
ausdruͤke gebraucht haben/ dahinter wir
jetzt etwas ganz anders ſuchen/ weil wir
die leibſprache (idiotismum) der hand-
werkspurſche zu Nazareth nicht wiſ-
ſen. ‒ ‒ ‒ Dann der Heiland war ein zim-
mergeſell zu Nazareth.
Deswegen lehret auch der Graf ſeine
bruͤder alſo ſingen:
Komt alle/ und buͤcket euch nieder
zur ſchwellenDes gnadenſtuls JEſu/ des zimmer-
geſellen.
der Graf rabbiniſche kirchenlieder mache.
Davon wir eine probe im erſten ſtuͤk bei-
gefuͤget haben. Er meinet nemlich dem hei-
ligen Geiſt damit nachzuaͤffen, damit der
ſtylus ſeiner kirchenlieder dem rabbiniſchen
heiligen Geiſt, den der Graf erfunden hat,
nichts nachgeben moͤge.
den H. Geiſt, wann er erſt die rabbiniſche
decke wegthun muͤſte, die er den ſeelen ſelbſt
vorgeſpannet haͤtte, und hernach erſt wuͤr-
ken koͤnte. Oder es koͤnte und muͤſte
der H. Geiſt bei einem jeden ſpruch eine jede
wuͤrkung verrichten, ohne den inhalt des
ſpruchs zu dieſer wuͤrkung zu gebrauchen.
Und
nicht uͤbel an. Seine haͤßliche Oſterpredig
iſt ein zeugnis davon. Da heißt es ſ. 4. vom
jahr 1744. Die condeſcendentz des Hei-
landes iſt ſo gros: daß/ wann auch
manchmal ein falſch verſtandener ſpruch/
ein ungeſchikter ort/ auf was gedeutet
wird/ wo er gar nicht hingehoͤrt/ ſo
hats deswegen nicht allemahl den effect/
den die vernuͤnftigen leute/ die nichts
glauben/ davon haben/ es wird nicht
allemal ein geſpoͤtte daraus: ſondern das
herz/ das dem Heiland nicht entgegen
iſt/ das hat manchmal aus der gering-
ſten gelegenheit einen nutzen und ſeegen/
und wird durch einen ſpruch uͤberzeugt/
der das gar nicht beweiſt. Und daraus
ſiehet man die groſe macht JEſu aufs
herz/ und ſeine treue gegens herz/ und
daß es ihm nicht darauf ankomt/ daß
die worte richtig uͤberſetzt und an-
gebracht ſind: ſondern/ wo nur ein herz
da iſt/ das faͤhig iſt/ die gnade aufzu-
faſſen/ ſo wirds dem einenNB.unter
dem ſaͤftgen/ dem andern unter jenem
vehiculo/ beigebracht.
ſchen bedenken: ſ. 187. Ich komme auf
den wichtigen punkt der H. Schrift.
Es iſt wahr/ ich habe vielmal ſorge ge-
tragen/ daß das bibel-leſen/ wann es
mit einer genauen collation/ erforſchung/
und art eines ſtudirens verknuͤpfet iſt/
der gemeine eher ſchaͤdlich/ als nuͤtzlich
ſeyn koͤnne/ vor jetzige zeit. (pro nunc)
Das iſt aber aus reſpect vor die bibel ge-
ſchehen/ um ihren misbrauch zu verhuͤ-
ten/ weil ich zu der gnade des Heilands
hoͤffe/
(die iſt nun kommen) daß kein wort in
der ſchrift ſeyn werde/ das unſerer ge-
meine nicht von auſen und innen bekant/
und mit unſerer ſalbung und ganzen fuͤh-
rung in der ſchoͤnſten harmonie ſeye. Bis
dahin wuͤnſche ich/ daß der generalgeiſt
der ſchrift/ des geſetzes/ der pſalmen/
der weiſſagungen/ der geſchicht von JE-
ſu/ des kirchenplans/ der(*)grund- und
ſpecial-lehren der Apoſtel/ in unſerer ge-
meine lebe: und uͤberall der aufſchlus/
(commentarius) der ſpruͤche/ und die
bibel ein woͤrterbuch (levicon) ſey/ dar-
innen wir aufſchlagen und finden koͤn-
nen/ was wir in lehr und weſen taͤglich
und ſtuͤndlich brauchen. Es iſt ohn-
moͤglich/ daß ich dieſen gedanken nach
ſeiner wichtigkeit gnugſam ausdruͤken
kan. Ich will aber weiter nichts hin-
zuthun ꝛc. Anderswo in der neujahrsre-
de 1746. heiſet es, ſ. 12. vom alten teſta-
ment: Uberhaupt iſt die heilige ſchrift/
und die leſung derſelben/ nicht auf die
art gaͤng und gaͤbe geweſen/ wie heut zu
tage; und alſo darf man ſichs gar nicht
concipiren/ daß die leute ſo tief nachge-
dacht haben.
Man darf nur ein Chriſt, und kein ge-
lehrter ſeyn, ſo faͤllet der frevelhafte wieder-
ſpruch
und ſpecial-lehren der Apoſtel/ ſiehe unten/ §. 84.
welches der Graf ſich eine unumſchrenkte
macht herausnimt, von ſelbſt in die augen.
Dann folgende warheiten ſind goͤttlich, 1)
der HErr hat uns ſein wort gegeben, daß
wir ſoviel von ſeinem ſinn und willen dar-
aus erkennen, als er hinein geleget hat.
Das heiſt, es ſoll reichlich unter uns woh-
nen/ mit aller weisheit. Col. 3, 6. Es
ſtehet keinem menſchen, keiner gemeine frey,
ſoviel davon zu leſen, und zu lernen, als
ihr beliebet. Sogar iſt der ſeelig/ der da
lieſet und behaͤlt die worte der weiſſa-
gung Offenbar. 1, 3. Sodann iſt es 2)
ausgemacht, daß ein fleißiges forſchen, zu-
ſammenhalten (collation) derer ſtellen, die
einander aufſchlieſen, und erklaͤren, oder
ein ſtudiren in dem buch des HErrn, zu
einer dem zwek der ſchrift gemaͤſen erkentnis
erfodert werde. Das nennet Paulus ein
pruͤfen des guten/ wohlgefaͤlligen/ und
vollkommenen willens des HErrn. Rom.
12, 2. Und dadurch waͤchſet man in dem
erkentnis Chriſti/ in aller weisheit, erfa-
rung und fruchtbarkeit zu guten werken, wel-
ches GOtt befolen Col. 1, 8. 10. 12. und die
ganze ſchrift darzu verordnet hat, daß wir
daraus lehre/ wiederlegung/ beſſerung/
zuͤchtigung in der gerechtigkeit, als aus ei-
ner reichen vorrathskammer, hernehmen
ſollen, 2. Tim. 3, 16. 17. Weil nun eine,
und
chern und ſtellen der ſchrift vorkommt, und
bald ausfuͤhrlicher an einem, bald kuͤrzer
am andern ort, bald deutlicher und leichter,
bald etwas ſchwerer, vorgetragen wird: ſo
hat der weiſe urheber der ſchrift, keine an-
dere abſicht hierbei, als daß wir eine ſtelle
mit der andern vergleichen ſollen, ſonder-
lich das alte mit dem neuen teſtament;
Matth. 22, 31. 32. 43. 1. Cor. 15, 1. 3. 4.
das heiſt die collation; daß wir daruͤber
nachdenken, die darinnen verborgene ſchaͤtze
der weisheit, mittelſt fleis und gebet ſo tief
als moͤglich, einſehen, und auf unſern zu-
ſtand ziehen ſollen; das heiſt erforſchen und
ſtudiren/ Joh. 5, 39. daruͤber nachden-
ken/ forſchen, ſuchen, Matth. 24, 15.
Jeſa. 34, 16. Dieſes iſt 3) die pflicht al-
ler menſchen/ ſie moͤgen in der gemeine/
oder auſer der gemeine, anfaͤnger oder ſtar-
ke, ſeyn. Dann die heilige ſchrift macher
die alberne weiſe/ Pſal. 19, 9. und ſoll
von kind auf ſtudiret werden, 2. Tim. 3.
15. Und an den neubekehrten zu Berrhoen,
wird das taͤgliche forſchen in der ſchrift, uns
zur nachfolge geruͤhmet, Apoſtelg. 17, 11.
Dieſen goͤttlichen warheiten wiederſpricht
der graͤfliche ſchwindelgeiſt, mit einer ver-
wegenen herſchſucht, und verbietet ſeiner
Synagoge, was GOtt geboten hat. Er
ſpricht 1) das erforſchen, vergleichen, ſtu-
diren,
ſchaͤdlich/ als nuͤtzlich. 2) Er ſetzet nach
ſeinem gefallen eine zeit/ wielange ſolches
unterbleiben ſolle; und wann 3) dieſe zeit
vorbei iſt, wie er dann ſie vorbei zu ſeyn
achtet: ſo ſoll ein generalgeiſt in ihnen ſeyn,
und ohne dieſes vorgaͤngige erforſchen und
leſen, ſogleich das alles den bruͤdern auf-
ſchlieſſen, und entdecken, was im alten und
N. T. ſtehet, alſo, daß durch eine vorgaͤn-
gige ſalbung, ihnen alles von wort zu wort
bekant werde, und ſie die bibel nur wie ein
lexicon brauchen ſollen, welches ihnen woͤr-
rer machen, und die innere ſchon vorhande-
ne ſalbung, vom erſten grundſatz der lehre,
bis auf den herrnhutiſchen kirchenplan, be-
nennen ſoll, damit hernach alles, was man
in der heiligen Schrift ſiehet und lieſet, lau-
ter herrnhutiſcher lehr- und kirchenplan ſeyn
moͤge. Das iſt ein recht ſataniſcher En-
thuſiaſtengrif, der nur dahin abzielet, daß
der Graf, als der generalgeiſt, erſt die ar-
men leute nach ſeinen ſchaͤndlichen grundſaͤ-
tzen bilden und formen, und ſodann, wo
zuvor alle gelegenheit, ſolcher verfuͤhrung kun-
dig zu werden, ihnen mittelſt warnung vor
dem bibel-leſen, entzogen worden, mit dieſen
vorgefaßten meinungen ſie in die ſchrift ſchi-
cken will, welche uͤberall, wie ein woͤrter-
buch, das ſagen ſoll, was er ihnen vorher
ſchaͤdliches eingepflanzet hat. Das iſt ſein
wich-
merkwuͤrdig/ daß der H Geiſt nicht ein-
mal das habe ſein werk bei der Schrift
ſeyn laſſen/ daß er in den hiſtoriſchen
umſtaͤnden/ den heiligen maͤnnern GOt-
tes/ einen wunderbaren beſonderen auf-
ſchlus und erkentnis gegeben haͤtte.
Daher esNB.gar nichts neues iſt/ wenn
man/ was die hiſtoriſche umſtaͤnde be-
trift/ in der Schrift vielmal ſolche din-
ge findet/ die einander gerade wiederſpre-
chen. Penſ. reden/ ſ. 200. f.
Ich
gnugſam ausdruken kan. Dann es liegt
ihm alles daran, dieweil, wie er ſpricht,
die zeit dieſes general-irgeiſtes/ oder Anti-
chriſten, wuͤrklich vorhanden iſt. Und das
heiſet ſein angeruͤhmter reſpect vor die bibel!
welcher darinnen beſtehet, daß ſie niemand
ehe leſen ſoll, er ſeye dan von dem Grafen
vorher bezaubert worden, daß er der war-
heit nicht gehorche/ wie Paulus von der-
gleichen verfuͤhrern redet Gal. 3, 1. So
muß man es machen, wann die Schrift der
eigenen auslegung eines boshaftigen men-
ſchen unterworfen werden ſoll, wie Petrus
von den letzten zeiten geweiſſaget hat 2. Petr.
1, 20.
riſche umſtaͤnde in der Schrift einander
wiederſprechen, ſo faͤllet die glaubwuͤrdig-
keit des geſchichtſchreibers nothwendig hin-
weg. Dann GOtt verbietet uns mittelſt
der geſunden vernunft, keine geſchichte vor
wahr, vielweniger vor goͤtttlich anzuneh-
men, welche ihren ungrund durch wieder-
ſprechende umſtaͤnde ſelbſt an den tag leget.
Und es iſt ein unlaugbares kennzeichen der
hoͤhern offenbarung, daß ſie ſich ſelbſt nicht
wiederſprechen muß. Wann die hiſtori-
ſchen umſtaͤnde der ſchrift, einander wieder-
ſprechen, ſo faͤllet unſer ganzer glaube da-
hin. Dann es beruhet die ganze lehre von
den anſtalten GOttes zu unſerm heil, auf
hiſtoriſchen umſtaͤnden. Daß Chriſtus zu
der zeit des kayſers Auguſti, in Bethlehem
gebohren iſt. Daß er am dritten tage auf-
erſtanden, daß er vierzig tage geſehen wor-
den, daß ſein leiden und todt unter Pon-
tio Pilato erfolget iſt ꝛc. ꝛc. Die Apoſtel
ſind in ihren ſchriften die zeugen davon.
Zeugen, die ſich in den hiſtoriſchen umſtaͤn-
den wiederſprechen, ſind verdaͤchtig. Ein
glaube, der auf einer verdaͤchtigen zeugen-
ſage beruhet, iſt ein aberglaube. Ein aber-
glaube iſt kein mittel zur ſeeligkeit. Hat
der
beſinnen, in den Penſ. reden/ ſ. 134.
Paulus/ weil er ein gelehrter/ hat das
ungluͤk gehabt (alſo iſt die goͤttliche einge-
bung ein ungluͤk vor ihn, dann er getraute
nichts zu reden, das nicht Chriſtus in ihm
wuͤrkete, 1. Cor. 2, 4. 13. 2. Cor. 13,
3. ꝛc. ꝛc.) daß er am wenigſten verſtan-
den wird/ dann wann er eine warheit
hingeſchrieben/ ſo iſt ihm gleich einge-
fallen/ was kuͤnftig dagegen koͤnte ein-
gewendet werden/ daher er mit lauter
furcht
ſtoriſchen umſtaͤnden, die einen theil der
ſchrift ausmachen; ſo kan eben ſo leicht ge-
laͤſtert werden, daß er auch an den uͤbrigen
ausſpruͤchen der ſchrift keinen antheil habe.
Und ſo muß nicht mehr wahr ſeyn, daß
die ganze ſchrift von GOtt eingegeben
iſt/ 2. Tim. 3, 16. Der Graf trit durch
ſeine recht laͤſterliche bosheit, ohngeſcheut
auf die ſeite der unglaubigen juͤden, heiden,
naturaliſten und ſpoͤtter, welche von alters-
her darauf ausgegangen ſind, wiederſpre-
chende umſtaͤnde in der heiligen ſchrift zu
finden. Der neue laͤſterer in dem Moſes
mit aufgedektem angeſicht/ iſt ſein treuer
gehuͤlfe in dieſem unſinn.
das eine wort das andere zu verwahren.
Das haben die andere nicht noͤthig ge-
habt/ ſondern ſie haben ihre ſachen
weggeſchrieben/ wie es ihnen war/ und
habens dem HErrn uͤberlaſſen/ wie ſie
kuͤnftig wuͤrden verſtanden werden/ und
die hat GOtt einfaͤltig laſſen hinhan-
deln/ und eigentlich nur in lehrſachen/
mit fermetaͤt aufſchreiben laſſen/ was
wahr iſt/ das andere aber ihrer natuͤr-
lichen notiz uͤberlaſſen. GOtt hats al-
ſo geſchehen laſſen/ daß ſie die natuͤrli-
che/ leibliche ſachen/ nicht anders ha-
ben ſchreiben koͤnnen/ als ſie ſelbige ge-
wuſt haben/ und wenn es ein anderer
anders gewuſt hat/ ſo hat ers wieder
anders geſchrieben. Wenn nun die zwei
zuſammenkommen ſind/ und haben ih-
re buͤcher gegeneinander gehalten/ ha-
ben ſie dieſelbe dennoch nicht corrigiret/
ſondern aus reſpect vor der goͤttlichen
gnadenarbeit/ ſo gelaſſen/ wie ſie einem
jedem gerathen war ꝛc.
Wir wollen dieſe gottslaͤſterliche frevelre-
den ein wenig zergliedern. 1) Paulus hat
aus eingeben des H. Geiſtes, und zwar
mit groſer freudigkeit geſchrieben. Weil
wir
ſer amt ein amt des geiſtes iſt, v. 5. 6.)
brauchen wir groſe freudigkeit/ ſo bezeu-
get er 2. Cor. 3, 12. Dem Graſen aber
hat ſein generalgeiſt gerade das gegentheil
eingegeben; daß nemlich Paulus das un-
gluͤk habe, nicht verſtanden zu werden, und
zwar deswegen, weil er ein gelehrter war/
und mit lauter furcht ſchriebe. Weshal-
ben auch der Graf die worte Petri, 2. Petr.
3, 16. durch antrieb eben dieſes generalgei-
ſtes, der ihn alle worte der ſchrift ſoll ver-
ſtehen lehren, ſo ſchaͤndlich uͤberſetzet hat:
Paulus hat etliche ſachen undeutlich
vorgetragen. Siehe ſeine uͤberſetzungs-
probe des N. T. an gedachtem ort. 2)
Die heilige maͤnner GOttes haben durch
eben den heiligen Geiſt geredet, der ſie nach
Chriſti verheiſung in alle warheit leiten ſol-
te, 2. Petr. 1, 21. Johan. 16, 13. alſo,
daß ihr wort ein goͤttliches wort der war-
heit iſt, 1. Theſſ. 2, 13. Joh. 17, 17.
kein evangelium zum irthum/ 1. Theſſ. 2,
3. Hieruͤber wird nun die graͤfliche ſal-
bung/ und ſein generalgeiſt, zu einem aus-
leger (comentario) folgender maſen: die
andere apoſtel haben zwar keine ſolche
furcht/ wie Paulus/ noͤthig gehabt:
ſie
gruͤnde des wiederſpruchs in ihren ſchrif-
ten geſuchet werden. Aber Paulus hat
mit lauter furcht/ und deswegen dun-
kel geſchrieben. Warum? Er hat a) als
ein gelehrter/ mithin nicht als ein erleuch-
teter vom heiligen Geiſt, geſchrieben. b)
Er hat etwas gethan, das die andere apo-
ſtel, als ungelehrte, nicht noͤthig hatten.
c) Die andere apoſtel haben ihre ſachen
weggeſchrieben/ wie ihnen war. Pau-
lus aber hat anders geſchrieben, als ihm
war. Wie war dann den uͤbrigen, wann
ſie ſchrieben? ohne zweifel war ihnen alſo,
wie der heilige Geiſt ſie haben wolte, und
wie er ſie lehrete, wann ſie ſchrieben.
Aber dem gelehrten Paulu war nicht al-
ſo/ wann er ſeine briefe an die Chriſten
ſchriebe. Wer will dann, wo dieſes wahr
iſt, was der Graf lehret, dem H. apoſtel
Paulo glauben? d) Die andere habens
dem HErrn uͤberlaſſen/ wie ſie kuͤnftig
wuͤrden verſtanden werden. Paulus hat
dieſes nicht gethan. Anſtat es dem HErrn
zu uͤberlaſſen, hat er ſeinen eigenen geiſt der
furcht und kuͤnſtlerei, gegen das vertrauen
auf den HErrn, in ſich herrſchen laſſen,
und
ein wort durch das andere verwahren
wollen/ und damit iſt es geſchehen, daß
er am wenigſten verſtanden/ mithin in
der that unbrauchbar wird.e) GOtt hat
die uͤbrige apoſtel einfaͤltig laſſen hinhan-
deln; aber Paulum nicht; den hat GOtt,
weil er gelehrt, und voller furcht war,
aus dieſer einfalt ſeiner mitbruͤder, auf ei-
genes wuͤrken verfallen laſſen. f) Insge-
ſamt hat GOtt die heilige maͤnner nur
in lehrſachen/ mit gewisheit und zuver-
laͤßigkeit/ (fermeté) ſchreiben laſſen/ und
zwar das, was wahr iſt: das andere hat
er ihrer natuͤrlichen notiz uͤberlaſſen. Da-
her iſt es g) gekommen, daß einer in die-
ſen ſachen dem andern wiederſprochen hat,
weil ſein natuͤrliches wiſſen, dem natuͤrli-
chen wiſſen eines andern apoſtels, ſchnur-
ſtraks entgegen war, mithin einer von bei-
den unrecht und falſch ſchreiben muſte. h)
Solche einander wiederſprechende, ſind
dann manchesmal zuſammen gekommen,
und haben ihre ſchriften gegeneinander ver-
glichen. Was ſoll geſchehen? wann ſie
nur von natuͤrlicher ehrlichkeit waren,
ſo
ner dem andern ſeinen fehler gezeiget, und
die falſche natuͤrliche notiz, mit einer wah-
ren natuͤrlichen notiz verwechſelt haͤtte?
dann zu was ende haben ſie ſonſt ihre ſchrif-
ten gegeneinander gehalten? aber der Graf
weiß es viel beſſer, wie ſie es gemacht ha-
ben. Nichts haben ſie corrigiret. So
wenig war dieſen maͤnnern GOttes an der
warheit gelegen! ſo gleichguͤltig war es ih-
nen, ob wir ſie als luͤgner, oder warhaf-
tige, in ihren ſchriften finden moͤchten. Ja,
ſie muſten nach des Grafen einſicht, vol-
ſtaͤndige und ganze luͤgner werden. Sie
haͤtten corrigiren koͤnnen, was ſich bei der
vergleichung beiderlei ſchriften, falſch be-
funden hatte. Aber ſie lieſen das wohl
bleiben. Sie berichteten demnach mit fuͤr-
ſatz, und gegen beſſere belehrung, was un-
gegruͤndet war. Und einer wiederſpricht
dem andern geflieſentlich, auf den heurigen
tag. Aber wie komt das? antwort, das,
was ſie haͤtten corrigiren koͤnnen, weil es
wiederſprechend war, muſte, als einmal
niedergeſchrieben, alſo ſtehen bleiben. Auch
dieſes falſche und irrige war eine goͤttliche
gnadenarbeit/ die muſte ſo gelaſſen wer-
den/ wie ſie einemjeden gerathen war.
Und
goͤttliche gnadenarbeit. Sie haͤtten
demnach eine goͤttliche gnadenarbeit ver-
ſchimpfet, wann ſie das irrige weggethan,
und das falſche verbeſſert haͤtten. Gnug,
daß die goͤttliche gnadenarbeit nicht beſſer
gerathen war. Die zuſammenkunft ſol-
cher zwei goͤttlichen maͤnner, die gegenein-
anderhaltung ihrer ſchriften, und die ent-
dekung manches wiederſpruchs und ir-
thums, welche bei dieſer gelegenheit geſcha-
he, dienete nur zum zeitvertreib; und ſie
lerneten dabei, daß die goͤttliche gnadenar-
beit, das iſt, die eingebung GOttes, auch
irthuͤmer, und ſachen wider die warheit,
haben wolle. Ja, dieſer geiſt des irthums,
erfoderte einen ſolchen reſpect, kraft deſen
man ſich nicht erkuͤhnen durfte, den irthum
wegzuſchaffen, ob man ihn gleich mit haͤn-
den grife.
Dieſen grundſatz hat ſich der Graf veſt-
geſtellet, und wann er kuͤnftig ſelber dieſem
exempel nachfolget, irthuͤmer und unwar-
heiten, wiſſentlich und mit fuͤrſatz, in die
welt zu ſchreiben, ſo muß kein menſch
ſich in den ſin kommen laſſen, ihm zu ſa-
gen: heiliger vater! warum thuſt du die-
ſes? Er wird gleich fertig ſeyn mit der ant-
wort:
Es iſt eine goͤttliche gnadenarbeit/ die
muß man aus reſpect laſſen/ wie ſie ge-
rathen iſt. Ja, was wird man antwor-
ten koͤnnen, wann kuͤnftig eben das auf die
heilige Schrift von jemand gezogen wird,
was der Graf den ſymboliſchen buͤchern,
und religionsleuten vorwirft: deſto liederli-
cher iſts/ dergleichen aus goͤttlicher vor-
ſehung/ mit ſichtbaren kennzeichen der
menſchlichkeit verſehene geburten (pro-
ductiones) zu canoniſiren. Predig vom
Vater/ dem GOtt der gemeine/ ſ. 8.
Das ſind nun die geſalbten einfaͤlle des
Grafen. Das iſt ſein generalgeiſt/ der
ihm alle worte der ſchrift erklaͤret hat.
GOtt gebe doch, daß dieſe teufliſche ſpoͤtte-
rei gegen ſein wort, welche nicht verruchter
ſeyn koͤnte, die tuͤken dieſes menſchen bei al-
len, die nur noch eine natuͤrliche ſcheu vor
goͤttlichen ſachen haben, moͤge kennbar ma-
chen.
ja, wie alle freche reden des Grafen, die
er predigen und gemeinreden nennet, faſt
nichts anders, wo ſpruͤche der heiligen ſchrift
angefuͤhret werden, als eine gewaltſame
mishandlung des goͤttlichen wortes ſind,
das liegt am tage. Siehe das erſte ſtuͤk.
Eine andere ſchaͤndliche probe davon, ſtehet
in der rede auf das kirchweihfeſt der maͤh-
riſchen bruͤder/ ſ. 10. da heiſt es alſo: es
iſt bekannt/ daß die juͤden in dem wahn
ſtunden/ ſie waͤrens allein/ und wuͤr-
dens bleiben. David macht ſelbſt das
epiphonema: So ehut er keinen heiden/
noch
jah! anſtat daß wir heut zu tage/ und
vor uns ſchon die apoſtel/ wenigſtens
Paulus/ ſingen koͤnnen: Mein GOtt/
du ſiehſt ſie weiden/ und dich vermei-
den/ durch ſatans bloſes neiden/ und
dir zum hohn/ ꝛc. ꝛc. das klinget ſo ein
bisgen weinerich: ſo ſang David/ der
Patriarch: du laͤſeſt die heiden ihre wege
gehen/ du laͤſeſt ſie deine rechte nicht
wiſſen/ Hallelujah! GOtt lob und dank!
Der zuſammenhang der worte Davids
mit dem vorheꝛgehenden, faͤlt einem kind in die
augen. Nemlich, David preiſet den HErrn
vor die unausſprechliche wolthat, daß er die
juͤden vor allen andern voͤlkern, zu ſeinem
eigenthum erwehlet hatte. Es iſt der 147.
Pſalm. Man leſe daſelbſt, v. 1. 2. 12. 19.
Der Graf aber preiſet in dieſer rede die vor-
zuͤge ſeines herrnhuts, und fuͤrnemlich die-
ſen, daß es die heiden bekehre. Damit nun
die bruͤder ſich deſto groͤſer darauf duͤnken
moͤgen, ſo ſetzet er den herrnhutiſchen ge-
ſang, dem loblied Davids entgegen. Je-
ner iſt apoſtoliſch, oder zum wenigſten
(dann die uͤbrige Apoſtel ſcheinen ihm kaum
ſoviel verſtand zu haben,) aus dem geiſte
des
nerig/ oder mit weinen und erbarmen, daß
die arme heiden ſo in der irre gehen. Aber
der David, der doch ein Patriarch ſeyn
will, und noch mit dem juͤdiſchen wahn
geblendet iſt, ſinget das mit froloken, und
ſpricht, hallelujah! GOtt lob und dank,
daß die heiden ſo blind dahin gehen! was
war nun David, wann dieſes wahr ſeyn
ſoll? 1) er wird zum exempel, eines juͤdi-
ſchen wahns, angefuͤhret. Alſo redet er in
dieſem Pſalmen, den ihm der geiſt GOttes
eingegeben hat, als ein blinder juͤde. 2)
Folglich misbrauchet er auch den namen
GOttes nicht wenig, und iſt ein ſchaden-
froh uͤber das ungluͤk der heiden. Dann er
meinet, die juden waͤrens allein/ und wuͤr-
dens bleiben. Und weil die heiden ihre we-
ge gehen, ſo ſinget er GOtt lob und dank!
da er doch mit den herrnhutern weinen, und
des Grafen ſein lied haͤtte ſingen ſollen.
Ich glaube nicht, daß unwiſſenheit, und
mangel der einſicht, den Grafen auf dieſe
ſchaͤndliche abwege bringen. Es muͤſte dann
die rabbiniſche deke ihm vor den augen haͤn-
gen. Es iſt vielmehr eine argliſtige bosheit.
Seine ſynagoge uͤber alles zu erheben, als
wohin
len, muß David, und der H. Geiſt, der
durch David geredet hat, ein armer ſuͤnder
ſeyn. 1) David lobſinget dem GOtt
Iſrael fuͤr die wolthaten, womit die goͤttli-
che barmherzigkeit das volk des eigenthums,
vor allen voͤlkern der welt, begnadiget hat.
Dahin gehet ſein Hallelujah. Das zeuget
der zuſammenhang des ganzen Pſalmen.
Der Graf aber iſt ſo ſchwuͤlſtig und feindſee-
lig, daß er ihn ſchriftlich verlaͤumdet, und
ſein Hallelujah, als eine wuͤrkung ſeines
ſchadenfrohen herzens, uͤber das elend der
heiden, angibt. 2) David ſoll einen juͤ-
diſchen wahn damit verrathen. Und wer
wuſte beſſer von der bekehrung der heiden,
aus trieb des H. Geiſtes zu ſingen, als Da-
vid? wer hat ſich im geiſte mehr daruͤber
erfreuet? wer ſpricht von dem Meßias:
heiſche von mir/ ſo will ich dir die heiden
zum Erbe geben/ und der welt ende zum
eigenthum? Pſalm 2, 8. Man leſe doch
Pſ. 67, 3. 47, 9. 82, 8. 117, 1. Wer
weiß nicht, daß Paulus dieſe letzte ſtelle,
als ein zeugnis aufuͤhret, die bekehrung der
heiden damit zu erweiſen, Roͤm. 15, 11.
Dieſen David, den Paulus mit groſem
reſpect,
fuͤhret, ſchaͤmet ſich ein ſolcher elender ſchwin-
delgeiſt ſogar nicht, mit ſchmach zu belegen!
und ſeine heilloſe haͤndel mit den wilden,
vor eine groſe heidenbekehrung auszugeben.
Doch, darin gebe ich ihm beifal, daß we-
der David, noch der heilige Geiſt, dieſe be-
kehrung beſingen konte.
ſchade es ſeye, daß man ſolche bekentniſſe
der bibel gleich ſetze. Er wird aber auch
wiſſen, daß in unſerer kirche kein menſch
dieſes zu thun begehre. Sonſt muͤſte er,
in einer ſo heiligen rede, ſeine bruͤder ge-
flieſentlich mit unwarheiten berichten. Wir
verabſcheuen das als einen greuel, wann
jemand menſchliche, an ſich auch gute und
heilige buͤcher, der heiligen ſchrift gleich ſe-
tzet. Noch viel ſchaͤndlicher iſt das in un-
ſern augen, wann jemand die heilige ſchrift
viel aͤrger als ein menſchlich buch, mis-
handelt, (ſiehe das zweite ſtuͤk) und ſei-
ne boshafte erfindungen, der heiligen ſchrift
entgegen ſetzet, ja dieſelbe noch weit uͤber
die ſchrift erhebet, wie wir bald ſehen wer-
den. Wir glauben demnach, und ſehen
offenbar, daß dem Herrn redner die hoch-
achtung vor GOttes wort, ſo ſehr nicht
am herzen liege, wie er vorgeben will:
ſonſt muͤſte er ganz anders davon ſprechen,
als oben geſchehen iſt. Hierauf folgen nun
die
confeßionen: 1) daß in einerjedweden of-
fenbare fehler ſtehen/ daß faſt in einer
jedweden falſch uͤberſetzte/ auch wohl
nur vergriffene ſpruͤche ſtchen/ daßſpruͤ-
che angefuͤhret werden/ die entweder
nicht ſo/ oder gar nicht in der bibel ſte-
hen/ daß zuweilen einem Apoſtel zuge-
ſchrieben wird/ was ein Prophet ge-
ſagt hat/ oder etwa dem apoſtel Pau-
lus/ was nur Petrus/ (nur Petrus! der
iſt gewiß anitzt geringer in des Grafen au-
gen, als Paulus) autores angefuͤhrt/
die ihr lebtag nicht in der welt geweſen
ſind/ ſpruͤche auf eine art exegeſirt wer-
den/ von welchen kein profeſſor auf ei-
niger univerſitaͤt/ kein ſchulrector/ kein
tertius/ das herz in ſeinem leibe nichr
haͤtte/ die auslegungsregeln zu unter-
legen/ weil er gewiß weiß/ da es nicht
zutrift. 2) Daß man das nun eingeſte-
het/ das iſt gut/ aber deſto liederlicher
iſts/ ‒ ‒ ‒ gar 3) zu behaupten/ daß
alle warheit drinnen iſt/ von Chriſti ge-
burt an/ bis auf den juͤngſten tag/ und
daß
befindliche warheiten bei taͤglichem an-
wachs der einſicht/ und der demonſtra-
tion/ mit eben den modificationen muͤſ-
ſen fortgeprediget werden/ die damals
gegolten haben/ und das/ was um die
goͤttlichen warheiten herum zu beden-
ken/ und zu deuten/ und manchmal ein
annexum ihres grundes iſt/ in dieſelbi-
ge ſchranken mit eingeſchloſſen werden
muͤſſe/ und daß man in der art/ um die
ſachen begreiflich zu machen/ ſich nicht
einmal einer bequemern und beſſern me-
thode bedienen duͤrfe/ wann ſie gleich/
nach einer ſchon algemeingewordenen
art zu denken/ nun anders und beſſer
praͤſentiret. Sehet 5) dergleichen Ideen
ſind kirchenfehler/ exitialfehler/ die die
religionen durch die ungluͤkſeeligen fol-
gen/ von dem recht/ eine kirche Chriſti
zu ſeyn/ ausſchlieſen/ (welches eine mi-
ſerable ſache iſt) die 6) dem H. Geiſt
zum voraus alle gelegenheiten praͤripi-
ren/ jemals ſelbſt zu predigen/ jemals
ſelbſt lehrer zu ſeyn/ und in ſeiner ſpra-
che zu reden/ ‒ ‒ ‒ weil es gewiſſe leh-
ren
caution und praͤciſion/ in ausdruͤken
lehren muß/ ſonſt werden aus den theu-
reſten warheiten/ in des hoͤrenden ge-
muͤth/ irthuͤmer.
worfene, und der ſchrift zuwieder laufende
ſatz des Grafen, erhellet auch daraus, daß er
dieſe warheit vor ſo geheim ausgibt, daß
nicht
be wiſſen ſolten, weil ſie eine kirchenwar-
heit, die nicht vor die ſaͤue zu werfen, und
die ganz unvorſichtig, durch die ſchriften
Pauli, unter die leute gebracht worden
ſeye. Er hat dieſes bereits in ſeinem herrn-
hutiſchen catechismus gelehret. Die alten
ſeyen auf den unterſchied zwiſchen Vater
und Sohn gefallen/ aber Chriſtus ha-
be zuerſt den menſchen etwas deutliches
davon geſaget. Das A. T. rede ordent-
licher weiſe von dem Sohn/ dem Icho-
va/ der unſere gerechtigkeit iſt/ fr. 91.
92. f. ſ. 45. vom Jahr 1742.
Aber noch ſchoͤner ſpricht er davon in der
neujahrsrede/ 1746. von der haushal-
tung des Lammes, in dieſer zeit/ ſ. 4.
Bei uns (herrnhutern) wird vorausge-
ſetzt/ daß die theologie vom Vater/
vom Geiſt/ und uͤberhaupt von der H.
Dreieinigkeit/ eine im alten teſtament
meiſt unbekante ſache/ geweſen iſt/ die
heutiges tages mit gewalt in die ſpruͤ-
che hineingezogen wird/ daran aber die
alten vaͤter wohl nicht gedacht haben.
Man hat damals von einem GOtt ge-
wuſt/ auf den ſind alle zehen gebote/
alle glaubrnsartikel/ alle opfer und got-
tesdienſte
ſus Chriſtus geweſen/ der hat damals
Jehovah geheiſen. Wann einer haͤtte
den geiſt der heiligen Goͤtter gehabt/
daß er haͤtte koͤnnen in das geheimnis
des namens Jehova Elohim/ hineinſe-
hen/ und haͤtte es wollen erklaͤren: Je-
hova/ unter den Goͤttern/ ſo waͤre es
eben kein groſer irthum geweſen/ es wuͤr-
de aber ein tiefes nachdenken gemacht
haben/ dem/ ders geſagt haͤtte mit ver-
ſtand/ und dem/ ders obſerviret haͤtte.
Uberhaupt iſt die heilige ſchrift/ und
die leſung derſelbigen/ nicht auf die art
gaͤng und gaͤbe geweſen/ wie heut zu
tage; und alſo darf man ſichs gar nicht
concipiren/ daß die leute ſo tief nachge-
dacht haben.
irthum/ muß man in dem grundirthum
ſuchen/ daß die theologie nicht ausein-
ander
ſ. 11. 12. da iſt die theologiſche confu-
ſion draus worden/ die am tage iſt.
Da ſind die miſerablen hundert und
zwanzig/ oder 130. machtſpruͤche jung
worden/ die man vor die urewige Gott-
heit Chriſti hat angefuͤhret/ davon ih-
rer nicht zehen beweiſen/ und davon ih-
rer etwa ſechs und neunzig/ das gegen-
theil zu beweiſen ſcheinen. Das iſt die
natuͤrliche folge des gemeinmachens/
(catholiſation) tiefer/ und vom H. Geiſt
ſich vorbehaltener herzwarheiten/ und
deren eintrichterung in die koͤpfe. Ob
jemals ein Arianer, Socinianer, oder ge-
flieſentlicher religionsſpoͤtter, ſo freventlich
und boshaftig gegen die zeugniſſe der heili-
gen ſchrift, geredet habe, das will ich dem
chriſtlicher leſer anheungeben. Jedoch re-
det dieſer verwirte menſch, bei ſeinen bruͤ-
dern, ſo oft es ihm nur einfaͤlt, von der
confuſion der theologie. Sein erſtes wort,
das er im jahr 1746. in der verſamlung
hoͤren laͤſet, und damit er, anſtat eines ge-
bets, ſeine predig anhebet, iſt ein giftiger
hohnſpruch, gegen die warheiten der chriſt-
lichen religion: meine geſchwiſter! wie-
der
nicht viel zu erinnern. Neujahrsrede von
der haushalt. des lammes ꝛc. ꝛc. den 1.
Januar. 1746. in Bethlehem/ bei Ma-
rienborn.
Graf, nebſt ſeinem ſehr feinen biſchof Muͤl-
ler, den Corinthern beileget, iſt unterſuͤcht,
und deſen greuel entdeckt worden, im Zin-
zend. unfug, (lerna Z.) ſ. 304.
er mit dem ausdruck Johannis treibet: im
anfang war das wort ‒ ‒ ‒ und das
wort ward fleiſch/ ꝛc. ꝛc. Joh. 1, 1. 14.
in
1745. gehalten zu Marienborn/ ꝛc. Da
heiſer es gleich mit dem erſten wort der pre-
dig: Man kans bei uns nicht gut ver-
tragen/ wenn man den Heiland/ ohne
gute erlaͤuterung/ GOttes Wort nen-
net ‒ ‒ ‒ das wort λόγος ſcheinet darum
genommen zu ſeyn/ weil es nichts ei-
gentlich heiſt/ und doch alles heiſt ‒ ‒ ‒
wir nennen ihn alſo das Gottesding ‒ ‒ ‒
wer weiß/ wo Johannes das wort λόγος
gehoͤret hat: er hats vielleicht bei einer
philoſophiſchen demonſtration/ vom
weſen aller weſen/ gehoͤret/ und es hat
ihm gefallen/ und hat gedacht/ es ſchikt
ſich gut/ den leuten ein biſſel einen be-
grif zu machen/ wer mein Herr iſt/ daß
ſie doch nicht einen engel/ miniſtre- oder
eigenſchafes-begrif bekommen: ich will
ihn lieber mit einem philoſophiſchen ter-
mino nennen/ bis wir was beſſers ha-
ben. Jetzt nehme man das zeugnis Jo-
hannis, und uͤberweiſe damit einen Soci-
nianer, von der Gottheit Chriſti, wie der
heilige Geiſt durch Johannem gethan hat.
Der Graf geſtehet ſelbſt, daß die herrnhu-
ter das wort nicht gut vertragen koͤnnen,
und
ausfluͤchten an die hand. Dann es ſoll
nichts bedeuten/ und doch alles/ was
man will. Es ſoll das Gottesding hei-
ſen. Das ſoll der name des Sohnes GOt-
tes ſeyn. Und wer weiß/ wo es Johan-
nes her hat: nicht vom heiligen Geiſt, der
durch ihn redet. Dann das haͤlt der Herr
Graf vor ein bloſes maͤhrlein, daß Johan-
nes durch eingebung des H. Geiſtes hier
geredet haben ſoll. Der heilige Geiſt iſt
ſein lehrmeiſter nicht geweſen, ſondern Jo-
hannes hat dieſes ſo ohngefehr bei einem
heidniſchen weltweiſen aufgefangen. Er
will es nur zum behelf gebrauchen, bis wir
was beſſers haben. Ohne zweifel will
der Graf eine beſſere bibel machen, und ei-
ne neue Dreieinigkeit. Wer kan veraͤchtli-
cher von GOttes wort reden, als dieſes
geredet iſt? ein heidniſcher ſcribent, der die
vermuthung vor ſich hat, daß er nicht ganz
ohne vernunft geſchrieben, wird gewis von
keinem ausleger ſo mishandelt, wie der
heilige Geiſt, der durch Johannem gere-
det hat, von dem liederlichen ſinn und
maul des Grafen mishandelt wird. Und
das geſchiehet auf der kanzel, vor den oh-
ren
es mit den Socinianern ſo treuherzig mei-
net. Dann er ruͤhmet ſich, ſie ſeyen herrn-
huter worden. Welches ich ihm glaube,
wann es auch umgekehrt wird. Dann der
ſtrengſte Socinianer/ ſolange er auch die
Gottheit Chriſti noch laͤugnet, iſt ein guter
herrnhuter, wann er nur vom blut redet,
und in die verſamlung der bruͤder komt.
Er iſt gleich bekehret, ob er wohl die Gott-
heit Chriſti noch anfeindet. Er kan ſich in
der
dere, heiſen will. Es offenbaret ſich hie-
durch ſein geheimnis der bosheit, wann er
von dem erkentnis GOttes in ſeinen ſieben
letzten reden ſchreibet, ſ. 7. Alles/ was
ſonſt von der Gottheit geſagt/ und ge-
ſchrieben wird/ das iſt von heiden her/
von irgeiſtern/ von thoren/ oder fal-
ſchen weiſen/ mit deren beſchreibung ſich
die theologi oft noch behelfen muͤſſen/
weil ſies nicht beſſer koͤnnen/ ꝛc.
bruͤdern, veſt ſetzen, davon uͤberzeuget wer-
den, und doch ein verlaͤugner der Gottheit
JEſu bleiben. So heiſt es in ſeiner rede
von der bruͤderkirche/ ꝛc. oder, von des
lammes ſeiner Eſther/ gehalten 1746.
den 2. Jannar. ſ. 24. Da die Socinia-
ner uͤberzeuget waren/ daß ſie muͤſten
ums bluts JEſu willen/ zu gnade kom-
men/ daß man nicht koͤnte ſeelig wer-
den/ als aus dem verdienſt Chriſti: ſo-
bald das nur unter den Socinianern an-
fieng/ zwei leuten deutlich und klar zu
werden/ da ſie im uͤbrigen noch die
ſtrengſte verlaͤngner des Sohnes/ und
H. Geiſtes/ (unitarii) waren/ ſo war
ihr erſter gang zu den bruͤdern. So
hat mancher groſer theologus unter ih-
nen/ jahr und tag hintereinander/ es
hat ſchneyen oder regnen moͤgen/ keine
bruͤderverſamlung verſaͤumet/ um ſich
in der lehre/ vom verdienſt Chriſti/ veſt
zu ſetzen.
Das muͤſſen gewiß wichtige bruͤder
geweſen ſeyn, welche den ſtrengſten Soci-
nianern ſo nahe an das herz gegriffen. Se-
het, wie ſo mancher groſer theologus un-
ter den Socinianern, auf eine ſo wunder-
ſame
und durch regen und ſchnee, in die verſam-
lungen gezogen wird! Was muͤſſen
dann wohl dieſe reſpectable bruͤder in ihren
verſamlungen geprediget haben? das blut,
und das lamm? dann die bruͤder duͤrfen
ja nichts anders predigen. Ich daͤchte
aber, die religionsleute, die keine bruͤder
ſind, haͤtten das den Socinianern ſchon
lange aus der heiligen ſchrift mit nachdruk
geprediget. Und nun muͤſſen die bruͤder
allererſt die kraft darzu geben, daß ſo gro-
ſe lehrer dieſer Heilands-wiedrigen ſecte,
erſt vom blut Chriſti uͤberzeuget/ und nach
dieſer uͤberzeugung, in den verſamlungen
der bruͤder, veſt geſetzet werden. Doch,
der Herr Graf hat uns dieſen kunſtgrif zu
entdecken beliebet. Nemlich, die bruͤder
ſind mit den Socinianern, in dieſem ſtuͤk
vollkommen einig, daß man von der Gott-
heit des Sohnes nicht viel weſens machen,
ſondern vom blut reden ſolle. Und kein
Socinianer hat jemals das blut gelaͤugnet.
Ein Socinianer kan immer ſagen, er wol-
le um des blutes JEſu willen, und aus
deſen verdienſte, zu gnaden kommen. Wann
er nur im uͤbrigen noch der ſtrengſte feind
der Gottheit Chriſti bleiben kan, wie der
Herr
einen theil der bruderverſamlung ausge-
macht, ganz offenherzig bezeuget. Nem-
lich, daß Chriſtus blut vergoſſen, und ein
groſes verdienſt vor das menſchliche ge-
ſchlecht habe, das ſagten alle Socinianer,
ehe die herrnhutiſche bruͤder in die welt ka-
men. Aber dieſes verdienſt Chriſti ſuchen
ſie darinnen, daß der JEſus von Naza-
reth, durch ſein allerheiligſtes exempel, uns
den weg zu GOtt zeige, daß er zur rechten
GOttes ſitze, und uns vertrete. Ja, ei-
ne parthie der Socinianer iſt ſoweit ge-
gangen, daß ſie Chriſtum vor anbetens-
wuͤrdig erklaͤret hat. Und gewiß hat die-
ſe mehr gethan, als der Graf ſeine bruͤder
lehret. Dann er will nicht haben, daß ſie
Chriſtum anbeten ſollen: und das deswe-
gen, weil er, der Heiland, wie ein ande-
rer bruder, wie ein aͤlteſter, ein kirchendie-
ner, anzuſehen ſeye. Dann ſo ſchreibet
der Graf, der auf ſeine blut-theologie ſo
gewaltig trotzet: in eben dieſer predig vom
GOtt der gemeine/ die aber in der that
eine ſchmaͤhſchrift auf den Sohn GOttes
iſt, ſ. 18. da er die worte des Erloͤſers:
ich fahre auf zu meinem GOtt/ nach
ſeiner eigenen deutung alſo gibt: das iſt
eben
kennen gelernet/ und welcher nun/ weil
ich ein purer menſch bin/ weil ich vor
menſch beſtehen kan/ nach leib/ ſeele/
und geiſt/ auch mein GOtt worden iſt.
Dann in dieſem gnadenreich, ſoll der Sohn
GOttes nichts anders bei den bruͤdern ſeyn,
als das lam, und der mitbruder der herrn-
huter. Und ſeine glaubige/ heiſt es ſ. 19.
haben das vorrecht allein/ ſeinen Vater
zum GOtt zu haben/ oder, wie er ſich
noch frecher ausdruͤket, in der neujahrs-
rede/ von der haushaltung des lammes/
1746. ſ. 8. wann ihr die Gottheit wer-
det anbeten/ ſo wies die ganze welt bis-
her auch gethan hat/ da ſolt ihr mei-
nen Vater/ euren GOtt nennen/ da ſolt
ihr meinen VaterNB.fuͤr einen einigen
kirchengott/ anbeten/ darinn ſolt ihr
privilegirt ſeyn vor der welt. Und ſ. 7.
lautet es alſo: ich will nicht anders von
euch tractiret ſeyn/ als daß ihr mich
euer gebeine nennen ſolt. ‒ ‒ ‒ Ich will
ordinarius unter euch ſeyn. Und damit
ſie ja verſtehen moͤchten, wer gemeinet ſey,
ſo fuͤget er hinzu: ich meyne uns/ das iſt
die herrnhuter. Wer demnach ein herrn-
huter wird, der erlanget von dem heiland
Zinzen-
brief, den Sohn GOttes nicht anzubeten,
nicht als GOtt zu tractiren; ſondern das
uͤberlaͤſet man immittelſt der welt/ und be-
tet nur den Vater an. Wer alſo den
Sohn GOttes, als GOtt anbetet, der iſt
ein weltmenſch, ein unglaubiger, und aus-
geſchiedener aus der gemeine. Wer aber
einig und allein den Vater anbetet, und
den Sohn blos vor ſein gebeine, vor ſeinen
bruder, und biſchof haͤlt, der iſt ein aͤchter
und weſentlicher bruder. Waͤre es dann
nun ein ſo groſes wunder, wann die Soci-
nianer unter den herrnhutiſchen bruͤdern ei-
nen kirchenſtand haͤtten? ich bin ſonſt ver-
ſichert, daß der Graf hier waker dichtet,
wann er die groͤſte lehrer der Socinianer
unter ſeine bruͤder zehlet. Dann ſeine ge-
wonheit iſt bekant. Aber er will doch ſo-
viel ſagen, daß niemand ſich beſſer zu einem
herrnhuter ſchicke, als ein Socinianer.
Und darinn hat er recht. Nur muß ein So-
rinianer alsdan noch ein wenig weiter her-
unter gehen, als es ſeine ſecte mit ſich brin-
get. Er muß nemlich den geringen vorzug
fahren laſſen, den er dem Heiland vor an-
deren gemeinen menſchen, kraft ſeiner reli-
gion, noch zugeſtehet. Das iſt einem Soci-
nianer
leichtſinnig ſeyn, und den Sohn GOttes,
mit huͤlfe des Herrn Grafen, noch kleiner
machen will, als er ihn zuvor gemacht hat,
da er ihm ſeine Gottheit geraubet. Jetzt ler-
nen wir, was der Graf mit den folgenden
worten ſagen will: von der gemeine zu herrn-
hut, oder des lammes ſeiner Eſther/ ſ. 24.
Der Heiland hat in der menſchen ihren
herzen/ in allen religionen/ die nicht di-
rect gegens evangelium angehen/ ſon-
dern ſich mit dem evangelio behelfen wol-
len/ in aller herzen ſage ich/ die idee ge-
leget/ man koͤnne ſich der bruͤderNB.
ohne gefahr bedienen/ ſie ſind nur die-
ner/ ſie werden mirNB.keine confuſion
in meiner religion/ in meiner kirche ma-
chen/ ich kan ſie zu dem zweck brauchen/
den mir GOtt in mein herz gegeben/ ꝛc.
Ich muß dieſe tiefe des ſatans ein wenig
entdecken. 1) Einejede religion kan die bruͤ-
der ohne gefahr brauchen/ weil ſie ihm in
der religion keine verwirrung machen wer-
den. Das iſt, die bruͤder laſſen den So-
cinianer bleiben was er iſt, ſie machen ihm
in ſeiner religion, dadurch er von andern
religionen ſich unterſcheidet, die geringſte
irrung nicht. Nun iſt der Socinianer
glaube,
weil er die H. Dreieinigkeit, und die gnug-
thuung Chriſti verlaͤugnet. Das gehet aber
die bruͤder nicht an. Das laſen ſie gelten,
und wann nur der Socinianer den bruͤdern
guͤnſtig iſt; ſo werden die bruͤder ſeine die-
ner, und mitbruͤder, nur mit dem beding,
daß der Socinianer Kehelle rufet, und vom
blut redet. Sind aber die bruͤder, kraft
dieſer graͤflichen beſchreibung, nicht grund-
boͤſe buben, und algemeine betrieger aller
religionen? zumal, da ſie ſich vor Luthe-
raner/ mit ihrem Grafen bekennen, und
die Augſpurgiſche confeßion, wann es ihre
boͤſe abſicht erfodert, vor ihre glaubensbe-
kentnis ausgeben? ſiehet man nicht hieraus
mehr als zu deutlich, warum es ihnen zu
thun ſeyn muß? daß ſie nemlich alle religio-
nen, ohnabgeaͤndert ihrer irthuͤmer, herrn-
hutiſch machen wollen, wann ſie nur eine
herrnhutiſche formul gelten laſſen? 2) Das
abſcheulichſte bei dieſer bosheit, beſtehet dar-
innen, daß, wann ſich die bruͤder als werk-
zeuge darſtellen, die ſich von einerjeden re-
ligion, zu einem beliebigen zweck gebrau-
chen laſſen: der Herr Graf dieſes vor ein
goͤttlich werk ausgiebet. Dann er ſaget
zweierlei davon. a)GOtt gebe den reli-
gionen
der, als zu einem zweck/ gebrauchen, b)
GOtt habe ſogar allen menſchen/ in al-
len religionen/ die ſich mit dem evange-
lio behelfen/ dieſes ins herz gegeben/ daß
ſie der bruͤder/ zu einem ſolchen zweck/
ſich bedienen ſolten. Das heiſt: GOtt
habe den menſchen dieſe regel, wie ein na-
turgeſetz, in ihre herzen geſchrieben, daß ſie
ſich vom Graf Zinzendorf und ſeinen werk-
zeugen betriegen laſſen, und die ganze welt
durch den dienſt der bruͤder hinwiederum be-
triegen ſolten. c) Wer das nicht glauben
will, der iſt, nach dem graͤflichen evange-
lio, ein menſch, welcher ſchnurſtracks dem
evangelio zuwieder iſt, oder, wie ſeine wor-
te lauten, welcher directe gegen das ev-
angelium angehet. Sehet! ſo muͤſſen die
teufliſche tuͤcke, mit welchen der Graf die
arme ſeelen verblendet, eingebungen des
heiligen Geiſtes bedeuten. Allen menſchen
ſollen ſie ins herz gepflanzet ſeyn, welche
nur noch einen ſchein des evangelii behalten
wollen!
de/ von der haushaltung des lammes
in dieſer zeit/ gehalten in Bethlehem/
den 1. Jan. 1746. ſ. 4. Man hat damals,
(im A. T.) von einem GOtt gewuſt auf
den ſind alle zehen gebote/ alle glaubens-
artikel/
gangen/ und das iſt JEſus Chriſtus ge-
weſen/ der hat damals Jehovah gehei-
ſen. Und daſelbſt, ſ. 5. Die ſpuren/ die
man im A. T. vom N. T. findet/ die ge-
hen eigentlich alle auf die menſchwerdung
GOttes/ auf dieſelbe groſe verſoͤnung/
die GOtt ſelbſt machen wuͤrde zu ſeiner
zeit/ aufs Heilands menſchliche aͤmter
und herrlichkeiten. Das ſind propheti-
ſche ſachen/ davon haben die leute kei-
nen zuſammenhang gehabt/ ſie haben
nur ein woͤrtgen davon ſagen hoͤren/ und
auch ein wenig geſehen/ wie der Heiland
ſagt: Abraham hat meinen tag geſehen.
Aber/ uͤber ſeine Gottheit/ uͤber ſeine al-
gnugſamkeit/ uͤber ſeine hoͤchſte herr-
ſchaft/ und alleinige gewalt (pantocra-
tie und monarchie) uͤber alle welten/ uͤber
ſeinen ſchoͤpfersrechten/ hat ſich kein
menſch beſonnen/ das iſt eine ausge-
machte ſache geweſen. Das war nun ſo
der GOtt/ den ſie hatten/ der GOtt/
der ſie aus Egypten gefuͤhret hatte. Das
war der GOtt Abraham/ Iſaac/ und
Jacob/ und ſie durften keinen andern
GOtt anbeten/ keinen andern GOtt eh-
ren.
an den GOtt halten/ der ſie erſchaffen
hatte/ an den GOtt/ der mit Adam
im paradies geredet hatte/ der ihnen den
Meßias verſprochen/ an den GOtt/ mit
dem die altvaͤter converſiret/ an den
GOtt/ der den Moſes geſandt hatte/
und er war immer einer/ der Heiland.
Man merke hierbei, 1) wann die altvaͤ-
ter den Jehovah, als ihren GOtt angebe-
tet haben, ſo iſt derſelbe weder GOtt der
Vater, noch der heilige Geiſt geweſen:
2) Wann die altvaͤter GOtt den Vater,
oder den heiligen Geiſt angebetet haͤtten, ſo
wuͤrden ſie einen andern GOtt angebetet
haben, welches ihnen nicht erlaubet war.
Wann ſie waͤren ſo wunderlich geweſen/
und haͤtten ſeinen Vater entdecken wol-
len/ haͤtten wollen den heiligen Geiſt
entdecken/ ſo haͤtten ſie vielleicht noch
zwei oder drei darzu gemacht/ es waͤre
dabei nicht geblieben. Alſo ſetzet der Graf
gleich darzu, ſ. 6. 3) Der GOtt, der ſei-
nem volk im A. T. den Meßias verſprochen
hat, iſt der Sohn GOttes, (den ſie aber
als Sohn/ nicht kannten, weil ſie nichts
von ſeinem Vater wuſten,) und der Mes-
ſias,
tag/ 1746. gehalten in der ſchloskirche
zu Marienborn/ den 9. Jan. ſ. 9. So-
lang Jehovah noch nicht anders bekannt
war/ als der GOtt uͤber alle welt/ und
noch kein menſch wuſte/ daß der Schoͤ-
pfer ihr Heiland ſeyn wuͤrde/ ſo wuſte
auch noch niemand/ daß er einen Vater
haͤtte/ ſondern ſahen immer den Jeho-
vah Elohim fuͤr einfach an/ fuͤr dasje-
nige guͤtige weſen/ das ihnen einmal ih-
ren Heiland ſchicken wuͤrde/ welchen ſie
aber an einem geſchaffenen individuo/
(einzelnen perſon/) an einer/ ob auch
gleich uͤbermenſchlichen und engliſchen/
doch auch nicht GOttesperſon/ ſondern
als ein Etwas erwarteten/ das nicht Er
ſelber waͤre: dann was bei uns alle kin-
der wiſſen/ das iſt damals keinem got-
tesgelehrten/ (theoſopho/) deutlich und
nett eingefallen; ſo konte es nicht anders
ſeyn; oder es muſte eine unnatuͤrliche und
uͤbernatuͤrliche kraft uͤber die leute kom-
men/
GOttes verſprochen wurde, wie ſogleich
folgen wird.
gen/ um ihnen das gefuͤhl zu machen/
daß ihr Schoͤpfer ihr Heiland waͤre. Das
thut nun mein Vater/ ſagt JEſus: es
kan niemand zu mir kommen/ es ſey dann/
daß ihn ziehe der Vater/ der mich ge-
ſandt hat. Und wieder an einem an-
dern ort: daß du weiſt/ daß ich GOt-
tes Sohn bin/ daß dein Heiland GOt-
tes Sohn iſt/ daß dein bruder/ dein
mitgenoß/ dein anfuͤhrer/ dein hausva-
ter/ GOttes Sohn iſt/ das hat dir nicht
fleiſch und blut/ das hat dir kein ſterb-
licher menſch/ weis gomacht/ das hab
ich dir ſelbſt nicht geſaget/ das haſt du
unmittelbar von meinem Vater.
Hierbei iſt anzumerken: 1) nach der
graͤflichen bibel ſind Abraham, Iſaac, Ja-
cob, David, ꝛc. lauter Socinianer gewe-
ſen. Dann ein Socinianer glaubet eben ſo-
viel, als dieſelbige: er glaubet, es ſeye ein
einfaches, d. i. in einer perſon beſtehendes
guͤtiges weſen, welches man Jehovah nen-
ne, weder Vater noch Sohn, ſondern Je-
hovah, und von welchem der Meßias, ge-
ſchickt worden. Dieſer Meßias ſeye ein
Etwas, aber keine goͤttliche perſon. 2)
Durch
ben kan man ſeelig werden. Dann er wird
hoffentlich zugeben, daß Abraham ſeelig
worden, als welcher ein Vater aller glau-
bigen genennet wird, in deſen ſchoos wir
ſollen getragen werden. 3) Er verbietet
den bruͤdern, (wie bald folgen wird,) den
Heiland im N. T. als GOtt zu verehren.
Die gemeine ſoll ihn als einen bloſen men-
ſchen anſehen, und den Vater vor ihren
GOtt. Das thun die Socinianer unge-
heiſen. Ja es iſt bekannt, daß die eine par-
thie der Socinianer, ſogar vor die anbe-
tung Chriſti ſtreitet, folglich ihm noch mehr
verehrung goͤnnet, als der Herr Graf er-
lauben will. 4) Man ſiehet hieraus, weil
ſolcher geſtalt die glaubige des alten und
neuen teſtamentes, Socinianer geweſen ſeyn
muͤſſen, daß ich dieſe grafliche ſchwaͤrmerei,
auch um dieſer urſache willen, mit recht ein
ein geheimnis der bosheit nenne. Dann
ſolcher geſtalt hat er die ganze ſekte der So-
cinianer in ſeiner gemeine, oder, (wie ſein
wort heiſt,) im kirchenſprengel.
(§. 95. *) die er weder mit vernunft, noch
ſchrift beweiſet, wie auch unmoͤglich blei-
ben wird. Alſo treibet er mit dieſen, zur
ſeeligkeit ohnentbehrlichen warheiten, nur
ſein poſſenſpiel, und ſuchet ſie zum gelaͤch-
ter zu machen. Es laͤſt ſich aus die-
ſen graͤflichen ſaͤtzen das erklaͤren, was
in ſeinem lehrbuͤchlein, oder catechismus,
etwas verſteckter, oder wenigſtens kuͤrzer
vorgetragen iſt, wann von GOtt dem Va-
ter, von der rechtfertigung der glaubigen
im A. T. u. ſ. w. gehandelt wird. Dann
der Graf ſucher ſogar in einem bekentnis-
buch, ſeiner ſekte, (wie dieſer catechismus
iſt,) einen ſolchen ausgeſchaͤumten unflat
ſeiner vom verwirrungsgeiſt aufgewuͤhlten
garſtigen phantaſie, zum glaubensbetent-
nis zu machen.
der haushaltung des lammes/ in dieſer
zeit/ den 1. Jan. 1746. ſ. 6. Da nun
derſelbe
das ewige gut ſich in unſer armes fleiſch
und blut verkleidete/ und der die fulle der
Gottheit in ſich hatte/ der der inbegrif
der theologie/ die hauptſumme der gan-
zen lehre von unſerer ſeeligkeit war/ JE-
lus Chriſtus/ ſich als menſch praͤſenti-
rete/ GOtt offenbaret wurde im fleiſch/
da gieng eine andere haushaltung, (oͤco-
nomie/) mit ſeiner perſon an/ und er wol-
te unter ſeinen kindern/ kuͤnftig nicht als
GOtt tractiret ſeyn/ ſondern als ihres
gleichen/ als ihr fleiſch und blut. Bis
die Chriſtin beim Chriſt wird ſeyn/ ſolte
ſie GOtt ihr fleiſch und bein nennen.
Was der Herr Graf mit dieſen worten
ſagen wolle, iſt wohl zu merken. Dann
daß die perſon des Sohnes GOttes in der
fuͤlle der zeit, die menſchliche natur ange-
nommen habe, das meinet der Graf nicht,
wann er ſpricht, es ſeye mit der perſon
des Sohnes/ eine neue oͤconomie ange-
gangen. Dann daß dieſes wuͤrklich geſche-
hen ſeye, iſt bei allen Chriſten ausgemacht.
Sondern die graͤfliche oͤconomie beſtehet dar-
innen, daß der Sohn GOttes von ſeinen
bruͤdern, oder von den herrnhutern, gar
nicht mehr als GOtt wolle tractiret ſeyn;
und
erniedrigung, (dann damals waren ja die
herrnhuter noch nicht in der welt, und waͤh-
rete ſogar, nach des Grafen bekentnis, das
alte teſtament noch) ſondern in der ganzen
zeit des neuen teſtamentes, bis zur wieder-
bringung aller dinge. Das bezeugen des
Herrn Grafen worte in der vorhabenden
predig/ vom Vater/ dem GOtt der ge-
meine/ ſ. 21. Bis die Chriſtin beim
Chriſt wird ſeyn/ haͤlt ſie den Jehovah
der ganzen welt/ (das iſt, den Sohn GOt-
tes) fuͤr ihr fleiſch und gebein/ glaubt an
ihn/ bis ſie ihn ſieht/ und unterdeſſen
ehret ſie den GOtt der gemeine/ (den
Vater,) der die beſondere barmherzigkeit
fuͤr das weib des lammes/ fuͤr die ge-
meine JEſu Chriſti hat/ ihr GOtt zu
ſeyn; den GOtt/ den JEſus Chriſtus/
als Mann der kirche/ auch zu ſeinem
GOtt hat/ zu ſeinem partieulier-GOtt/
zu ſeinem ſpecial-GOtt/ zu ſeinem amts-
GOtt/ und ſolange dazu haben/ und
dafuͤr erkennen wird/ bis er ihm alle
ſchoͤpfung/ bis er ihm/ wie oben geſagt/
die ganze armee ſeiner creatur/ wird ge-
ſchenkt haben/ ꝛc. Da wird er/ ſ. 19.
ſeinem Vater die ganze ſchoͤpfung praͤſen-
tiren/
men/ und vor allen creaturen der zeit
undNB.ewigkeit hergehen/ und ſagen:
lieber Papa! du haſt eine kleine heerde
gehabt/ und eine groſe guarde: aber da
bring ich dir alles/ du biſt fertig mit dei-
nen ſiegen fuͤr mich/ da haſt du alles
wieder zuruͤkke/ was mein iſt/ da ſie-
heſtu/ daß ichNB.fuͤr alles/ auſer GOtt/
(ſo mishandelt er den ſpruch Pauli, Ebr. 2,
9.) geſtorben bin. Und ſ. 17. Darauf be-
ziehet ſich das ganze 17. cap. Johannis/
da der Heiland klaar und deutlich zeiget/
daß er und wir/ einerlei GOtt haben/
und daß/ wann wir wollen rechte ſeelige
leute ſeyn/ ſo muß es mit uns dahin kom-
men/ daß wir zu ihm ſagen: meine ge-
beine/ und zu ſeinem Vater: mein GOtt!
Hieraus ſiehet man 1) daß Chriſtus der
Mann der kirche ſeyn ſoll, blos nach ſeiner
menſchlicher natur. 2) Daß dieſes ſolange
waͤhren ſoll, bis die Chriſtin, oder das weib
Chriſti, beim Chriſt wird ſeyn: das iſt, bis
ins andere leben. Da ſoll man erſt anfan-
gen, den Sohn als GOtt, zu verehren.
3) Daß Chriſtus der Mann der kirche ſeye,
mittelſt einer ſolchen verbindung, dadurch
er ihr fleiſch und bein heiſet.
des/ ſ. 9. ſpricht der Graf: man muͤſſe das
fein grob hin glauben/ nicht allein/ daß
GOtt Schoͤpfer/ ein wuͤrklicher natuͤr-
licher menſch geweſen iſt/ zu ſeiner zeit/ ‒‒‒
ſondern daß er nach ſeiner heiligen menſch-
heit/ nicht anders/ als da er der zim-
merman von Nazareth war/ nicht an-
ders/ als da er zu ſeiner eltern hauſe her-
ausgieng/ und ſich von Johanne taufen
lies/ mitten unter uns (die herrnhuter)
getreten iſt/ wandelt mit dem blut’gen
ſchrein/ hier in ſeiner huͤtten. Und ſ. 14.
bekennet er dieſen groben glauben noch deut-
licher: wie man den bruder Anton/ bruder
Johannes/ oder wie ſo ein bruder ſonſt
heiſen mag/ oder onſt einen arbeiter un-
ter uns/ ſich vorſtellet/ nahe/ ſimpel/
gemeinſam/ ꝛc. ſo iſt der aͤlteſte/ der Mann
der kirche/ unter uns. Nur daß in an-
ſehung der ehe/ einjeder mann ein vice-
chriſt iſt/ weil ihm der Heiland das kin-
derzeugen abgetreten hat. Doch, von die-
ſem ſchaͤndlichen geheimnis ſcheue ich mich,
etwas weiter beizufuͤgen. Siehe den erſten
theil/ ſ. 160. und 143. Es ſcheinet zwar
dem
er ſpricht) dies aͤlteſtenamt/ daß der Hei-
land unter uns/ (herrnhutern) uͤbernom-
men hat/ auf einen augenblik/ (ſ. 9.) eine
publique ſache worden/ das ſonſt/ und
an ſich betrachtet/ unter die geheimniſ-
ſe/ unter die perlen und heiligthuͤmer der
gemeine gehoͤrt/ die man den ſchweinen
und hunden nicht preis machen muß:
aber er bildet ſich doch ein, die weisheit
GOttes habe es zu einem realen nutzen
der menſchen/ die keine herrnhuter ſind,
gefuͤget/ daß es herausgekommen. Dann
es ſoll zu ihrer ewigen errettung gerei-
chen; welches ſich ſonderlich bei leuten
ereignen koͤnne/ die von den herrnhutern
glauben/ daß ſie weder auf die koͤpfe ge-
fallen/ noch auch betrieger ſind. Gera-
de, als ob man beides nicht zugleich glau-
ben, und erweiſen koͤnne, theils, daß die
erfinder dieſes geheimniſſes der bosheit, gro-
ſe land-und ſeelen-betrieger, theils, daß die
uͤbrige, die ſich von ihnen betriegen laſſen,
recht hart auf die koͤpfe gefallen ſind.
Dieſer entſetzliche betrug des teufels, kan
ohne erſtaunen nicht geleſen werden. Ein
herrnhutiſcher aͤlteſter, iſt eine bloſe menſch-
liche kreatur, eine erfindung, die in des
Grafen
ſoll der Sohn GOttes, der zur rechten des
Vaters erhoͤhet iſt, und den alle engel an-
beten, ohne betracht ſeiner Gottheit, und
ohne daß ein bruder ihn anbeten duͤrfe, als
ein bloſer menſch, in der geſtalt eines herrn-
hutiſchen aͤlteſten, mit dem blutigen ſchrein,
da herumgehen, wo der Graf ſeine capellen
und colonien errichtet hat; ſo, daß er wie
bruder Anton, und Johannes, als zimmer-
man von Nazareth, von den andern bruͤ-
dern betrachtet werden muͤſſe. Ja, dieſer
verfluchte wahn ſoll ein ſolches geheimnis
ſeyn, das zur ewigen errettung anderer
leute, die keine herrnhuter ſind, durch ei-
nen beſonderen rathſchlus der goͤttlichen
weisheit/ gereichen muͤſſe; und das den-
noch vor die herrnhuter eigentlich, nicht aber
vor hunde und ſchweine, gehoͤre. Dieſe
ſe unverſchaͤmte bosheit, (das fleiſchliche
mit Chriſto betriebene gnoſtiſche ehegeheim-
nis/ das noch abſcheulicher iſt, zu geſchwei-
gen,) hat dem Grafen ſeine ſinnen dergeſtalt
zerruͤttet, daß er endlich ſelbſt auf den ge-
danken faͤllt, ob nicht einjeder nur vernuͤnf-
tiger menſch, der dieſe ſchandluͤgen hoͤret,
ihn entweder vor einen ausnehmenden be-
trieger/ oder im kopf verruͤkten waͤſcher,
hal-
der vorhabenden predig komt es zweimal
vor: erſtlich, ſ. 14. Meine bruͤder! das
iſt es eigentlich/ was auch in der lehre
von unſerm Vater/ von dem einigen
GOtt der gemeine/ von unſerm einigen
manne/ den wir mit der Sara/ in eben
der abſicht/ wie ſie den Abraham/ un-
ſern Herrn nennen/ nicht weil er uͤberNB.
uns regieret/ nicht weil er das regiment
uͤber die welt hat/ nicht weil er unſer
Schoͤpfer iſt/ ſondern weil er unſer mann
iſt/ aus ehe-reſpect/ ꝛc. Das andere ſte-
het ſ. 20. Itzt iſt nun die zeit/ da wir
aus gnaden ſagen koͤnnen/ wir haben nur
einen GOtt/ den Vater/ von welchem
alle
grund, den er zum glauben an ſein geheim-
nis legen kan, daß nemlich die leute, de-
nen er daſſelbe aufbinden will, ein fuͤr alle-
mal glauben muͤſſen, der Graf ſeye weder
ein betrieger/ noch auf den kopf gefal-
len/ wann er den Sohn GOttes vor einen
ſolchen bruder Anton ausgibt. Wer nun
zuerſt dieſen glauben hat, der iſt ſodann fer-
tig gemacht zu dem andern glauben an das
graͤfliche geheimnis ſelber.
lam ſtehet Joh. 17. Ich in ihnen/ und
du in mir/ auf daß ſie ſich untereinan-
der ſeyn/ wie wir uns ſind/) und einen
HErrn/ einen mann/ einen ehegatten/
einen eheherrn/ JEſum Chriſtum/ durch
den alles fabriciret iſt/ ꝛc.
Dieſe ganze brut der graͤflichen teuſche-
rei, iſt ſo abſcheulich, und gotteslaͤſterlich
gegen den Heiland, daß ich es vor ganz un-
verantwortlich halte, mitten in der Chri-
ſtenheit, und der proteſtantiſchen kirche, der-
gleichen ſchaͤndliche ſchmaͤhſchriften auf die
GOttheit, frei und ohngehindert druken zu
laſſen, da man doch, wie billig, gegen die
laͤſterer der weltlichen majeſtaͤt, und ande-
dere pasquillanten, ein behoͤriges einſehen,
in allen, auch heidniſchen ſtaaten, zu gebrau-
chen pfleget. Man denke doch, wie dieſes
tolle volk ſich bruͤſten muß, wann es ſich
einbildet, der Sohn GOttes, ohne auf die
unzertrennlichkeit der drei perſonen, in-
gleichen ſeiner zwo naturen/ und auf die
uͤberhimliſche erhoͤhung ſeiner menſchlichen
verklaͤrten natur, im geringſten zu denken,
ſeye dergeſtalt in die herrnhutiſche banden
und
ihn als einen puren menſchen betrachten, folg-
lich duꝛchaus nicht anbeten, ſondern als ihren
bruder Hans, und Anton, ja leiblich, oder ſo-
matiſch/ (wie unten vorkommen wird,)
als ihr fleiſch und bein, mit ihnen zuſam-
menhangenden aͤlteſten, tractiren muͤſten.
Sie erheben ſich damit, uͤber alle engel und
auserwehlten, uͤber alles, was im himmel
und auf erden iſt, das ſeine Majeſtaͤt mit
tiefſter demuth verehret. Sie entkraͤften,
zu dieſem ende, die wichtigſten zeugniſſe der
heiligen ſchrift, welche ihn wegen der ſchoͤ-
pfung und erloͤſung, wodurch theils die
ganze welt weſentlich, theils die menſchen
eigenthuͤmlich, und die glaubige ſeeliglich-
von ihm abhangen, einen HErrn/ GOtt/
und Jehovah nennen. Da Paulus ſpricht:
1. Cor. 8, 6. Wir haben einen HErrn/
JEſum Chriſtum/ durch welchen alle
dinge ſind: ſo ſoll dieſer JEſus nicht ein
HErr, wegen des ſchoͤpfungsrechts, nicht
weil er alles regieret, ein anbetenswuͤrdi-
ger GOtt, ſondern ein ehemann und bru-
der heiſen, den man nicht als GOtt tra-
ctiren muͤſſe. Iſt nicht die weiſſagung Pe-
tri
HErrn/ der ſie erkauft hat/ 2. Petr. 2, 1.
Gewis, der ſatan ſelbſt, hat zu gewiſſen
zeiten, mehr eherbietung vor den Sohn
GOttes blikken laſen, Marci 1, 24. als
der Graf ihm unter ſeinen anhaͤngern uͤbrig
laſſen will. Und jederman wird hieraus
ermeſſen, was vor ein glaube an JEſum,
was vor ein Gottesdienſt, unter dieſem
volk im ſchwange gehen muͤſſe, wo die an-
betung des HErrn JEſu verboten, und vor
ein kennzeichen der hunde und ſchweine, (das
iſt derer, die keine herrnhuter ſind,) aus-
gegeben wird. Es ſolte wohl niemand ge-
denken, daß ein menſch ſeinen frevel ſoweit
treiben koͤnte. Um ſeinen anhang recht
ſtolz, die ſogenante aͤlteſten untrieglich, und
ſeine betriegereien gros, auch bei verlaͤug-
nern der Gottheit Chriſti geltend und alge-
mein zu machen, ſcheuet er ſich nicht, den
Sohn GOttes nach ſeiner ehre zu greifen,
und alles, was der heilige Geiſt in der
ſchrift dagegen zeuget, muthwillig unter die
fuͤſe zu treten.
mehrgedachten neujahrsrede/ 1746. ſ. 7.
Er wolte von ſeinen kindern kuͤnftig
nicht mehr als GOtt tractiret ſeyn/ ſon-
dern als ihres gleichen/ als ihr fleiſch
und blut. Bis die Chriſtin beim Chriſt
wird ſeyn/ ſolte ſie GOtt ihr fleiſch
und bein nennen. Da ſagte nun der
Heiland: ihr muͤſt wieder einen GOtt
haben: ich will euch einen geben/ ich
will euch einen nennen/ ich habe einen
Vater/ der euch gezeuget hat/ und das
will ich euch/ als ein groſes geheimnis/
ſagen/ ich ſags euch ins ohr/ ich hab
einen Vater. Woraus man ſiehet, wie-
weit die herrnhuter in ihrem gaukelſpiel ge-
hen, das ſie mit der H. Dreieinigkeit trei-
ben. Sie ſagen ſich dergeſtalt los von der
Gottheit des Sohnes, daß ſie ſogar einen
andern GOtt an deſen ſtelle noͤthig haben,
wann ſie nicht mit grund verdaͤchtig wer-
den ſollen, daß ſie gar keinen GOtt mehr
haͤtten. Die abſichten des ſatans bei die-
ſem geheimnis der bosheit, ſind zwar ſo
weit ausſehend, daß man, auch in dieſem
betracht,
fuͤhret der Herr Graf, als ſein getreuer
apoſtel, dieſes zugleich im ſchilde, daß er
den Socinianern, als verlaͤugnern der
Gottheit Chriſti, dadurch luft machen, und
die thuͤr zu ſeinem herrnhaag deſto weiter
oͤfnen will. Vom alten teſtament halten
die Socinianer nicht viel. Das iſt dem
Grafen bekant. Deswegen arbeitet er ſo
angelegentlich, die welt zu bereden, daß im
A. T. die Gottheit des Sohnes geglaubet
worden, jedoch ſo, und dergeſtalt, daß die
erkentnis des Vaters, und heiligen Geiſtes
dabei unterblieben ſeye. Das kan nun der
ſtrengſte Socinianer leicht geſchehen laſſen,
zumal unter den bedingungen, die ihnen der
Graf oben (§. 95.) an hand gegeben hat.
Aber im N. T. braucht man den Heiland
nicht anders, als einen puren menſchen an-
zuſehen, will man nicht unter die hunde
und ſchweine gehoͤren: und man ehret nur
den Vater als GOtt. Was heiſet dieſes
aber anders, als an der Gottheit JEſu
zum verraͤther werden, und die erkentnis
derſelben aufs moͤglichſte verhindern, nur
damit man ſeine parthie verſtaͤrken, und
den
wird der Heiland alſo von dem Grafen re-
dend eingefuͤhret: Dann die welt muß
mich behalten ewiglich/ die welt und
alle kreaturen koͤnnen mich nicht los wer-
den/ ſolange bis alle kreaturen einen
mund/ eine ſtimme/ einen ſinn hat/
ein Heil erfahren hat. Darnach will ich
ſie in euer recht einfuͤhren/ da will ich
vorangehen/ und will die ganze kreatur
meinem Vater praͤſentiren/ und will den
menſchen und engeln/ und allen/ wiſ-
ſen laſſen/ wie hoch ich meinen Vater
liebe/
an Chriſti ſtat, auf den thron ſetzen moͤge.
Iſt das weniger, als der antichriſt?
ich ihn ſchon im ungrunde geehret habe.
Aber bis dahin iſts ein geheimnis/ das
nur fuͤr euch gehoͤrt.
Und in unſererer obhabenden graͤflichen
predig/ vom Vater/ dem Gott der ge-
meine/ heiſet es, ſ. 18. Sehet meine ge-
ſchwiſter/ darauf bezieht ſichs auch/
wann manchmal im vorbeigehen geſagt
wird/ daß eine zeit kommen wird/ da
auch wir/ (die herrnhuter,) ihn werden
muͤſſen zu unſerm ausdruͤklichen Gott ha-
ben/ da auch wir/ ihm creatuͤrlich zu
fuͤſen liegen/ da auch einmal die glau-
bigen/ in conformitaͤt der ganzen uͤbri-
gen creatur/ in den aͤonen der ewigkeit/
vor ſeinem thron niederfallen/ und vor
ſeinem Schemhamphoraſch/ (heiligen
namen,) kindlich beben werden. Da-
mit auch er ſeinen turnum/ (wechſel,)
habe/ ſogar auch bei ſeinen glaubigen.
So wie er vorher ohnedem aller welt
Gott geweſen iſt/ ehe der welt grund
geleget war/ ſo wird einmal dasNB.
geweſene lamm/ auch uns das numen
catholicum/ (der algemeine GOtt,) ſeyn
und
der Heiland aus des Grafen mund alſo:
Aber wann ihr (bruͤder) werdet zuſam-
menkommen/ wann ihr die Gottheit
werdet wollen anbeten/ ſo wies die gan-
ze welt bisher auch gethan hat; da ſolt
ihr meinen Vater euren GOtt nennen/ da
ſolt ihr meinen Vater vor eurenNB.ei-
nigen kirchengott anbeten. Darinn ſolt
ihr privilegiret ſeyn vor der welt. Dann
die welt muß mich behalten ewiglich/ die
welt und alle creaturen koͤnnen mich nicht
los werden/ ſolang ꝛc.
ſeelige creaturen ꝛc. ꝛc. Dann itzo/ (ſ. 19.)
iſt er noch aller welt Gott/ und ſeine
glaubige haben das privilegium allein
ſeinen Vater zum Gott zu haben. ‒ ‒ ‒
Aber (ſ. 20.) das waͤhret eben wieder
aͤonen/ und es komt eben der turnus
wieder aufs lamm/ auf den H. Geiſt/
und ſchlieſt zuletzt mit der ganzen H. Drei-
einigkeit infolle,auf die fuͤlle/ die itzt
in Chriſto wohnt/ und ihn zum Gott
aller weltNB.alleine macht. ꝛc.
ter/ dem GOtt der gemeine/ ſ. 18. ſoll
der Heiland alſo reden: Ich fahre auf/
zu eurem GOtt/ das iſt eben der GOtt/
den ihr durch mich habt kennen gelernt/
und welcher nun/ weil ich ein purer
menſch bin/ weil ich vor menſch beſte-
hen kan/ nach geiſt/ leib und ſeel/ auch
mein GOtt worden iſt/ und ſolange
mein GOtt ſeyn wird/ als dieſelbe gan-
ze ewigkeit/ dieſelbe ganze reihe der aͤo-
nen beſtehen wird/ die ich itzt mit mei-
nem leiden und ſterben angefangen habe/
und die ich mit der zeit/ mit ganz was
neuem/ mit einer oͤconomie/ die das
vorige gute und ſeelige alles beiſammen/
auch/ und noch unausſprechlich mehr
darzu/ haben wird/ wieder beſchlieſſen
werde.
Hieher gehoͤret auch das graͤfliche lied,
in der predig vom aͤlteſtenamt des Hei-
landes/ ſ. 5. v. 2. Er iſt zwar nach den
zahren/ der aͤltſte unſrer ſchaaren/ und
nach
in der predig vom Vater/ dem GOtt
der gemeine/ ſ. 17. Wann wir wollen
rechte ſeelige leute ſeyn/ ſo muß es mit
uns dahin kommen/ daß wir zu ihm ſa-
gen: mein gebeine! und zu ſeinem Va-
ter: mein GOtt! woraus man ſiehet, daß
nur die recht ſeeligen leute zu dem Heiland
ſagen koͤnnen: mein gebeine! es muß dem-
nach der grund dieſer verbindung nicht ſeyn,
daß der Sohn GOttes aller menſchen natur,
und warhaftigen leib, angenommen hat,
in welcher abſicht er unſer aller fleiſch und
gebeine worden iſt, wie die kinder fleiſch
und blut haben/ Ebr. 2, 14. So ſchrei-
bet auch der Graf, ſ. 15. Daß/ welche eben
den Vater zum GOtt haben/ den der Hei-
land hat/ mithin welche bruͤder ſind, de-
ren annehmung an kindes ſtat bringe et-
was
ren/ erweiſt man ihm die ehren/ als
ſonſt einem ſuppoſito. Das heiſt, man
thut dem Heiland keine andere ehre an, als
ſonſt einem bruder.
ſie faſſe etwas koͤrperliches in ſich/ (et-
was ſomatiſches) Und in der oben an-
gefuͤhrten ſtelle, aus der neujahsrede/ heiſt
es, ſ. 7. Der Heiland wolte unter ſeinen
kindern kuͤnftig nicht als GOtt tractiret
ſeyn/ ſondern als ihres gleichen/ als ihr
fleiſch und blut: bis die Chriſtin beim
Chriſt wird ſeyn/ ſolte ſie GOtt ihr
fleiſch und bein nennen. Darinnen beſte-
het alſo das vorrecht der kinder GOttes,
vor den andern, daß Chriſtus ihr fleiſch
und bein wird. In der predig von dem
mann der ſeele/ ſtehet folgendes, ſ. 9. Die
worte 1. B. Moſ. 22, 17. Dein ſaame be-
ſitze die thore ſeiner feinde/ ſind ein com-
pliment der gemeine an den Vater. Sein
ſaame/ d. i. unſer mann ſelbſt/ und un-
ſers mannes ſchweſter/ die kirche/ ‒ ‒ ‒
die ſich fuͤhlt als ſeinen ſaamen/ als das
fleiſch und gebein ſeines kindes/ die/ bis
ſie einmal beim Chriſt ſeyn wird/ an
GOtt/ als ihr fleiſch und gebein glaubt/
und alſo durch den glauben ein heilig
und keuſch vermaͤhlungsrecht hat am
Jehovah im fleiſch ꝛc.
Dieſes erklaͤret er beſſer in der com-
munionpredig/ 1745. den 15. Aug. ſ. 9.
Daß
wird mit der menſchheit JEſu/ und mit
ſeinem marterleichnam/ und daß unſer
blut mit ſeinem gebluͤt vermenget wird.
Es iſt ſehr zu beſorgen, daß dieſe ausdruͤkke
aus dem groben glauben der herrnhuter,
(wie der Graf ihn oben nennet,) ihren ur-
ſprung haben. Dann das geheimnis der
wahren vereinigung mit JEſu, beziehet ſich
zwar auf die menſchliche natur deſſelben zu-
gleich, und unſer leib wird ebenfals dadurch
geheiliget, worzu der genus des leibes und
blutes Chriſti im H. abendmal ein geſeegne-
tes mittel iſt, und bleibet. Aber mir grauet
billig vor dem graͤflichen geheimnis, wann
er den zuſammenhang der bruͤder mit der
menſchheit JEſu, in eine vermengung un-
ſeres gebluͤtes/ fleiſches und gebeines, mit
dem nunmehr zur rechten GOttes erhoͤheten
Heiland, ſetzet. Zumahlen, da er dieſen
Heiland, in dieſer vereinigung mit den bruͤ-
dern, als einen puren menſchen betrachtet,
wie er ſich im vorigen erklaͤret hat. Man
halte die neujahrsrede/ ſ. 13. dagegen, wo
er ſpricht: wer das recht zu herzen nimt/
dem wird freilich ſein chriſtenſtand/ ſeine
kindſchaft/ ſein zuſammenhang mit dem
lam/ ſein geſchlecht/ bein von ſeinem bein/
und
ausſprechlich gros. Mein GOtt! wie
geſchiehet mir/ wann ich auf die gnaden-
gabe achtung habe/ des/ der meine ſeele
kennt/ tochter nennt/ und ſie zu den ehe-
ſachen/ mit dem lam will mannbar ma-
chen: augenblikke/ (dann das iſt was/
das will was ſagen/ das reiſt das ganze
gemuͤth hin das beugt vorm lam in ſtaub)
augenblikke komt behend.
Gewiß, die vereinigung des Heilandes
mit der ſeele, beruhet auf einem beſtaͤndigen
einflus ſeiner goͤttlichen kraft, (deren auch
die menſchliche natur theilhaftig iſt,) in un-
unſere ſeelen, und gehoͤret zum reich GOt-
tes in uns. Soferne aber der Heiland mit
den bruͤdern zuſammenhangen ſoll, wird er
als bloſer menſch betrachtet, und ſein reich
unter ihnen, ſoll in nichts anders beſtehen,
als daß der menſch JEſus Chriſtus/ ein
ordinarius zu herrnhut, und in den bruder-
gemeinen ſeye, wie die eingangspredig am
erſten gemeintage/ 1746. ſ. 8. bezeuget.
Und in der neujahrspredig/ ſ. 13. heiſet es:
wann ich das reich des geſalbten nenne/
das reich des Heilands/ ſo nenne ich die
oͤconomie/ die er als erſter diener im hei-
ligthum/ die er als prieſter/ als ordina-
rius
des ganzen gemeinleibes/ ſo taͤglich vor
ſich hat ꝛc.
Und ſ. 7. ſoll der Heiland ſagen: weil ich
nun zukuͤnftig euer bruder ſeyn werde/ euer
herz/ und werde unter euch wohnen alle
tage/ und euer hoherprieſter ſeyn im al-
lerheiligſten/ der erſte zeuge/ der aͤlteſte
der kirche/ der hauptliturgus eurer reli-
gion/ ſo will ich nicht anders von euch
tractiret ſeyn/ als daß ihr mich eure ge-
beine nennen ſolt/ ihr ſolt mich anſehen
als einen boten GOttes/ als den erſten
engel unter euch/ als einen erzengel von
Philadelphia/ und von allen kirchen. Ich
will ordinarius in Epheſus und Smirna/
und in allen gemeinen zugleich/ ich will or-
dinarius unter euch ſeyn/ ich meyne uns ꝛc.
Ja man gehet ſoweit, daß man dem erhoͤ-
heten Heiland zweierlei gedanken/ reden
und wollen zuſchreibet, welche ſoweit als
himmel und erden von einander unterſchie-
den ſeyn ſollen. Nemlich, in anſehung ſei-
ner Gottheit und menſchheit. Und die
eine art ſoll nur gelten, wann er als der aͤl-
teſte betrachtet wird. Welches eine ernie-
drigte, oder vielmehr von der Gottheit ge-
trennte menſchheit vorausſetzet, ohnerachtet
man
tuſchen ſuchet. Eingangspredig 1746.
ſ. 8. Es iſt bekannt/ (aber nirgends als
bei den herrnhutern,) daß der Heiland auf
zweierlei art denkt/ redt und will/ die
einander nicht entgegen/ aber ohngefehr
ſoweit wie der himmel von der erden/ un-
terſchieden ſind/ in anſehung der obgleich
unzertrennten/ doch auch inconfuſen/
mithin/ wenigſtens in praxi divers ge-
henden idiomatum ſeiner Gottheit und
menſchheit. Mit der praxi der Gottheit
wollen wir uns jetzt nicht tief einlaſſen/
und mit dem geſchaͤfte/ das er im himmel
und auf erden/ und in allen tiefen betreibt/
ſondern wir wollen nur anſehen/ wie GOtt
unſer Mann/ ſich als menſch freut/ wie er
ſich als haupt ſeines kirchleins freut ꝛc Die-
ſes zeiget offenbaꝛlich, daß man die verrichtun-
gen der Gottheit JEſu, im ſtande ſeiner erhoͤ-
hung, nur zum regiment des naturreichs rech-
net, hingegen den zuſammenhang Chriſti mit
den gemeinen, blos aus ſeiner menſchheit her-
leitet, nach welcher ſein denken, wollen, und re-
den, von dem denken, wollen, und reden der
goͤttlichen natur, him̃elweit unterſchieden ſeyn
ſoll. Als welches ohne trennung der perſoͤnli-
chen vereinigung, und aufwaͤrmung des Ne-
ſtorianiſchen irthums, mithin ohne wieder-
ſpruch gegen die ſchrift, und Augſpurgiſche
confeßion, nicht behauptet werden kan.
(**) So
jahrsrede/ ſ. 8. Alle anbetung des Va-
ters/ alle gebete/ die ſich endigen: durch
deinen lieben Sohn J. C. oder/ um dei-
nes lieben Sohns J. C. willen/ und wer-
den von einem unbekehrten menſchen aus-
geſprochen/ der den geiſt aus GOtt nicht
hat/ der mit dem Heiland nicht ein herz/
der nicht ſein fleiſch und gebein iſt/ die
werden nicht anders angeſehen in der
ewigkeit und vor GOtt/ als wann die
nonne den lateiniſchen pſalter/ und der
papagey/ aller augen warten auf dich
HErr/ betet.
Nun iſt zwar dieſer ſatz eine der ganzen
Chriſtenheit bekannte warheit, daß kein un-
glaubiger deswegen erhoͤret, oder zu einem
kind GOttes wird, weil er ſpricht, er be-
te im namen JEſu des Sohnes. Aber
nach des Grafen ſinn iſt es ganz anders, und
ſein ſatz enthaͤlt einen ſchaͤdlichen irthum.
Dann er ſetzet voraus, ein unglaubiger ha-
be kein recht, den Vater JEſu Chriſti zu
wiſſen und anzurufen. Welches er aus-
druͤklich vor verboten ausgibt, wie oben ge-
zeiget worden. Warum ſoll aber der un-
bekehrte den Sohn GOttes ohne verſuͤndi-
gung anbeten duͤrfen, und nur dadurch ſuͤn-
digen,
ter richtet? wann die verſuͤndigung blos
darinnen beſtuͤnde, daß ein gottloſer die un-
rechte perſon der H. Dreieinigkeit ſich zum
gegenſtand ſeines gebets erwehlet haͤtte: ſo
muͤſte die ehre der anbetung unter die goͤtt-
liche perſonen vertheilet ſeyn. So muͤſten
die eigenſchaften der perſonen unterſchieden,
folglich nicht mehr ein und eben das goͤttli-
che weſen in den drey perſonen ſeyn. Ein
ſolches gebet iſt wenigſtens ein gutes und
ſchriftmaͤſiges bekentnis der H. Dreieinig-
keit, und wegen des richtigen begrifs, den
ein unglaubiger mit ſolchen ſchriftworten ver-
bindet, mit nichten dem bloſen wort eines
papageyen zu vergleichen. Dann ein ſol-
ches gebet iſt ein ſtuͤk des goͤttlichen wortes,
und kan bei einem unglaubigen, zumal
wann er den Vater JEſu Chriſti um die
buſe anrufet, auch indeme er betet, ſeine kraft
beweiſen. Weshalben man es nicht verbie-
ten, ſondern zum beſten aller menſchen, auch
der ſuͤnder, einſchaͤrfen, und nur den mis-
brauch verhuͤten, keines weges aber den un-
glaubigen gleichſam bei ſtrafe anweiſen ſoll,
daß er mittelſt verehrung des Sohnes/
nur einen GOtt glauben moͤge, als ob es
ein anderer GOtt ſeye, wann jemand nebſt
dem
heiſet nicht vor dem misbrauch des gebets
warnen, ſondern GOtt ſeine ehre rauben.
Der Graf entdecket ſeine hierunter hegende
ſchalkheit in dem liede bei der predig vom
Vater/ dem GOtt der gemeine/ ſ. 24. v. 8.
Drum iſt ein generalvorbot/ fuͤr alles/ was
natuͤrlich/ zu glauben mehr als einen Gott/
und den nicht eh figuͤrlich/ bis daß du erſt-
lich inne biſt/ daß der Gott fleiſch gewor-
den iſt/ dann ehr ihnNB.creatuͤrlich/ v. 10.
was aber aus dem Gottes todt erlangt ein
neues leben/ das hat hinfuͤhro kein verbot/
und darf ſein herz erheben/ zu hoͤren was
der liebe GOtt/ der mann mit den 5. wun-
den roth/ ihm will zu hoͤren geben/ v 11.
Der hoͤrt/ daß noch ein Vater iſt/ vom
ſchoͤpfer aller dinge ꝛc.
- 1) Was natuͤrlich iſt, d. i. die menſchen,
die keine bruͤder ſind, ſollen nicht mehr als ei-
nen GOtt, glauben, nemlich den Sohn Got-
tes. Folglich ſchilt der Graf das eine vielgoͤt-
terei, wenn wir drei goͤttliche perſonen glau-
ben, und haͤlt einjede perſon der Gottheit, vor
einen beſonderen GOtt, der mit ausſchlieſung
der zweien uͤbrigen, als andern Goͤtter, ge-
glaubet werden koͤnne und muͤſſe. - 2) Es ſoll ein allgemeines verbot in die
welt ausgegangen ſeyn, kraft deſen die natuͤr-
liche menſchen nur einen GOtt, das iſt, eine
perſon glauben ſollen. Gleichwol hat der
wahre
- wahre GOtt kein ſolches generalverbot irgend-
wo gemacht; ſondern im gegentheil ſich in ſei-
nem wort als den Vater, Sohn, und heiligen
Geiſt, in einem unzertrennlichen weſen offenba-
ret. Und wer zu GOtt kommen will/ mithin
auch diejenige, die noch nicht mit GOtt vereini-
get ſind, muͤſſen glauben, daß der dreieinige
GOtt/ der wahre GOtt ſeye, Ebr. 11, 6. und
muͤſſen in ihren ſuͤnden ſterben/ wann ſie nicht
glauben, daß der Heiland GOttes Sohn ſeye,
Joh. 8, 18. 19. 24. 27. mithin nach ſeiner goͤtt-
lichen natur einen Vater habe. Alſo hat nie-
mand dieſes generalverbot gegeben, als der
Herr Graf, der ſich uͤber alles was GOtt iſt, er-
hebet, 2. Theſſ. 2, 4. und der ganzen welt ſich
ſelbſt zu einem generalgoͤtzen aufdringen will. - 3) Wenn man erſt inne geworden, daß die-
ſer eine Gott/ nemlich der Erloͤſer, menſch gewor-
den iſt, das heiſet ſoviel: wenn man ihn vor ſei-
nen bruder und aͤlteſten angenommen hat, als-
dann hoͤret die anbetung auf. Dann ehret man
ihn nur creatuͤrlich und figuͤrlich/ wie das weib
ſeinen mann ehret, als eine creatur ihres glei-
chen, nur daß er ihr haupt iſt. - 4) Und wann dieſes geſchehen, ſo hat man
anſtat des einen GOttes, nemlich JEſu Chri-
ſti, (der nun als ein bloſer bruder angeſehen
wird,) wieder einen GOtt, nemlich den Va-
ter. v. 11. Der hoͤrt/ daß noch ein Va-
ter iſt/ ꝛc.
(*) Pred.
Der Heiland hat als wahrer menſch/ denſelbigen
Gott/ den alle menſchen haben/ nemlich Sich; und
in anſehung/ daß er ein menſchenkind iſt/ ſo iſt er
der knecht ſeiner eigenen Gottheit. Und es iſt gar
nicht ungeſchickt/ wenn man die ſtellen/ da der Hei-
land Gottes knecht genennet wird/ ſo nimt/ daß
man den knecht fuͤr Chriſtum/ als JEſum haͤlt/ und
Gott fuͤr eben den Chriſtum/ als Jehovah/ und ſei-
ne menſchheit an denſelben orten ſeiner Gottheit
ſubordiniret/ (unterwirft/) und zum miniſter/ die-
ner/) ſeiner Gottheit macht. In welchem ſinn der
vers bei uns geſungen wird/ ‒ ‒ weil der knecht
Gottes/ Chriſtus/ des Zern Jehovah ſein ſchelten
aufs lam gewendet hat/ aufs Jeſulein.
ner menſchheit/ in ſoferne er ein bruder der glau-
bigen iſt/ in ſofern er ein ſeeliger menſch iſt/ ſofer-
ne er nicht nur in abſtracto ein menſch/ ſondern ins
beſondere/ in ſpecie/ ein ſeeliger glaubiger menſch
geweſen iſt/ der durch ſeinen Vater gelebt hat in
der welt/ der unter ſeines Z. Geiſtes hand gegan-
gen iſt/ und in deſſelben kraft: der gebetet/ und
geflehet/ und ſich abgeaͤngſtiget hat/ wie wir/ und
in tauſend proben treue bewieſen hat/ wie wir ſie
beweiſen koͤnnen/ der endlich aus der zeit in die
hand ſeines Vaters ganz menſchlich uͤbergangen
iſt/
der GOttes mit dem Vater JEſu Chriſti reden/ ſo
nimt er ihren Gottes dienſt an/ und ſein Sohn iſt
der erſte unter dem haufen/ der fuͤrſt unter den Li-
turgis/ unter den anbetern Gottes im geiſt und in
der warheit. Dann er macht ſich eine freude dar-
aus/ daß er mit ſeinen glaubigen einerlei religion
hat. Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem
Vater/ zu meinem Gott und zu eurem Gott.
Dieſer achte ſatz, muß nun ein wenig zerglie-
dert werden. Nachdeme der Herr Graf alles
in ſeine gemeine zu bringen beſchloſſen hat, was
auf erden iſt; ſo gehet er auch in den himmel,
und ſuchet den lieben GOtt unter die herrnhuti-
ſche bruͤder zu treiben. Er glaubet, er habe
ſonſt
ſag ich/ iſt er nicht ſein eigener Gott/ ſondern in an-
ſehung deſen hat er ſeinen Vater zum Gott/ wie
wir. Und darauf beziehet ſich das ganze [1] . cap.
Johannis/ da der Heiland klaar und deutlich zeigt/
daß er und wir einerlei Gott haben/ und daß/ wann
wir wollen rechte ſeelige leute ſeyn/ ſo muß es mit
uns dahin kommen/ daß wir zu ihm ſagen: mein
gebeine! und zu ſeinem Vater/ mein Gott!
menſchen unter ſein joch gezwungen, und den
HErrn, der im himmel wohnet, alleine frei ge-
laſſen haͤtte. Deswegen muß die heilige Drei-
einigkeit flugs herrnhutiſch werden. Ein ur-
gott/ ein Gott im ungrunde/ ein Jehovah, der
der Schoͤpfer iſt, mit ausſchlieſung des urgotts/
ein ſchwiegervater der herrnhuter, eine mutter/
eine gemahlin des urgotts/ ein herrnhutiſcher
aͤlteſter. Der urgott ſoll geſchlafen haben,
als der Jehovah die welt ausgeſonnen, und her-
nach geſchaffen hat. Bisweilen ſollen dieſe
Goͤtter ein liebesmahl untereinander halten,
ſich einander kuͤſſen/ und einer gewiſſen luſt
pflegen. Siehe das herrnhutiſche lied/ bei der
predig vom Vater, dem Gott der gemeine,
ſ. 23.
‘v. 3. Als Gott dein Sohn und dein gemahl/
ſich einmal heilig kuͤß ten/ vielleicht bei ihrem
liebesmahl/ und gottgelaſſen luͤſt ten/ der urgott
aber goͤttlich ſchlief/ formirte ſich ein perſpectiv/
von tauſend weltgeruͤſten. v. 4. Da brachte
der welt architect/ der zeit und ewigkeiten/ in
einen moͤglichen proſpect/ vors urgotts un-
grundheiten ꝛc. ꝛc.’ ()
Ob es nun die alten Gnoſtiker und Valenti-
nianer, ſo weit mit der Gottheit getrieben ha-
ben, das uͤberlaſſe ich denen zu beurtheilen,
welche dieſer tieſen des ſatans kundig ſind.
Damit wir auf die zergliederung des achten
ſatzes in dieſem §. 102. wieder einlenken, ſo
wird
1) Chriſtus
art betrachtet. Einmal, ſoferne er ein
menſch iſt, in abſtracto, das iſt, aus leib
und ſeele beſtehend, wie andere menſchen.
Sodann in ſoferne er ein heiliger und ſeeli-
ger menſch iſt, wie die bruͤder. Es lieſe
ſich dieſer unterſchied noch entſchuldigen,
wann der ſchreckliche misbrauch davon ge-
ſondert bliebe, welcher ſogleich hinzu geſe-
tzet wird, und davon wir hernach reden
wollen. Es kan die menſchheit Chriſti be-
trachtet werden, ſoferne ſie aus ſeele und leib
beſtehet, ohne an die obwol von beiden ſtuͤ-
ken unzertrennte heiligkeit und unſuͤndlich-
keit, auch ohne an die perſoͤnliche vereini-
gung, und theilnemung der goͤttlichen herr-
lichkeit, in anſehung der menſchlichen natur,
zu gedenken: ohne endlich den ſtand der er-
niedrigung und erhoͤhung in betracht zu zie-
hen. Aber
2) der Graf ſetzt die menſchheit Chriſti,
welche gedachter maſen betrachtet wird, in
eine beſondere klaſſe mit andern kreaturen,
die GOtt den Vater nicht zum GOtt ha-
ben. Und zwar in die klaſſe der unbekehr-
ten menſchen/ die deswegen den Vater
nicht zum GOtt haben, weil ſie fleiſchliche,
natuͤrliche menſchen ſind. Er betrachtet ihn
in zweierlei verhaͤltnis. Entweder als einen
menſchen, oder als einen heiligen ſeeligen
menſchen. Das iſt der grund, warum er
nicht
GOtt haben ſoll; dieweil die weltmenſchen,
die weder heilig noch ſeelig ſind, nicht den
Vater, ſondern den Sohn zum GOtt ha-
ben, deſen ſie nicht los werden koͤnnen, wie
oben ſein ausdruk lautet. Jetzt/ ſpricht er,
(vom Vater/ dem Gott der gemeine/ ſ. 19.)
iſt der Sohn noch aller welt Gott/ und
ſeine glaubige haben das privilegium al-
lein/ ſeinen Vater zum GOtt zu haben.
Alſo hat der Heiland, nach der graͤflichen
bibel, eben die verhaͤltnis gegen ſich ſelbſt,
welche die unbekehrte menſchen, als unbe-
kehrte, gegen ſeine Gottheit haben. Und in
dieſem verhaͤltnis hat er kein privilegium,
ſeinen Vater zum GOtt zu haben. Sol-
chergeſtalt hat dann der Heiland um ſeines
menſchlichen weſens willen, (welches als
nicht heilig/ und nicht ſeelig angeſehen wird)
nicht aber weil ihm unſere ſuͤnden zugerech-
net ſind, wobei er gleichwol nicht aufhoͤret
ein heiliger ſeeliger menſch zu ſeyn, ein ſol-
ches verhaͤltnis gegen ſeinen Vater, kraft
deſen er ihn weder zum Vater, noch zum
GOtt hat, ſondern er gehoͤret unter die zahl
der ſuͤnder, welche der Gottheit des Soh-
nes nicht los werden koͤnnen, ſolange ſie
nicht heilige und ſeelige menſchen ſind. Die-
ſe laͤſterung gegen den Heiland, zu verſte-
ken, ſpricht der Graf, es werde die menſch-
heit Chriſti inabſtractobetrachtet. Hieſe
das
tes nach leib und ſeele, betrachtet; (wie
doch der zuſammenhang der graͤflichen wor-
te nicht geſtattet,) ſo ſind ja in dieſem ver-
ſtande alle menſchen gute geſchoͤpfe GOttes.
Die zwei verſchiedene weſen, leib und ſeele,
ſind vollkommenheiten, welche der Dreiei-
nige GOtt, als Schoͤpfer und Erhalter, her-
fuͤrgebracht hat, und woruͤber wir im er-
ſten artikel des Chriſtlichen glaubens, mit
dem S. Luther ihn preiſen: Ich glaube/
daß mich GOtt/ (die erſte perſon,) ge-
ſchaffen hat/ mir leib und ſeele ꝛc. Alſo
muß ein menſch, der ſolchergeſtalt in ab-
ſtracto betrachtet wird, das iſt, ohne das
gute oder boͤſe, welches aus ſeinen freien
handlungen herkomt, oder auch, ohne an
das ebenbild GOttes und deſen verluſt zu
gedenken, nothwendig den Dreieinigen GOtt
zu ſeinem GOtt, Vater und Schoͤpfer ha-
ben, wie dann der Vater im himmel, als
der Vater JEſu Chriſti, den menſchen als
ſeinen geſchoͤpfen gutes thut, Matth. 5, 45.
Apoſtelg. 14, 17. Hat nun Chriſtus, (ſol-
chergeſtalt in abſtracto betrachtet,) den Va-
ter nicht zum GOtt, ſo verlaͤugnet er den
Schoͤpfer ſeiner menſchheit. Noch weiter,
wenn es erlaubet iſt, den Heiland auf eine
ſolche art in abſtracto zu betrachten; ſo duͤr-
fen wir ſonder zweifel auch die herrnhutiſche
bruͤder alſo betrachten. Alſo muͤſten ſie ja
ebenfals
nicht zum GOtt haben, b) den Sohn GOt-
tes im gegentheil als GOtt tractiren, wie
die menſchheit Chriſti ihn zum GOtt haben
ſoll. Oder hoͤren die bruͤder auf menſchen
zu ſeyn, ſobald ſie bruͤder werden? wel-
ches man faſt glauben ſolte. Doch wie-
der auf das erſte zu kommen: wer hat ſol-
che ſchandlehren jemals erhoͤret, daß ein
menſch, weil und ſoferne er ein heiliger
menſch wird, von dem verhaͤltnis gegen
GOtt den Sohn, als ſeinen ſchoͤpfer und
erloͤſer, mithin von dem verhaͤltnis, das
er, auch als ein wahrer menſch hat, los-
geſprochen ſeyn, und dennoch im gegen-
theil, einjeder menſch, der noch nicht an
Chriſtum glaubet, unter der regierung des
Sohnes, ohne den Vater zum GOtt zu
haben, ſtehen ſoll? Und das ſind gleich-
wol die graͤfliche glaubensartikel, die we-
der vernunft noch ſchrift, ſondern der
geiſt der luͤgen, und der atheiſterei, aus-
hecket.
3) Dieweil der Graf dem betrug und
eingeben des ſatans einmal platz gegeben
hat, es ſeye GOtt der Vater im alten te-
ſtament nicht bekannt geweſen; ſo hat ihn
dieſer meiſter der luͤgen, den er anſtat Got-
tes zum lehrer annimt, noch weiter gefuͤh-
ret. Nemlich wann der himmliſche Va-
ter im A. T. den Sohn ſeinen knecht nen-
net:
thun/ ꝛc. Jeſa. 52, 13. ſo ſoll die Gott-
heit des Sohnes daſelbſt von ihrer menſch-
heit reden. Jetzt nehme man den obigen
lehrſatz des Grafen darzu, ſo muß dieſes
der verſtand ſeyn: der knecht, der weis-
lich gethan hat, iſt die menſchheit Chriſti,
in ſoferne ſie ein knecht der Gottheit des
Sohnes iſt; oder in ſoferne ſie ihren eige-
nen Jehovah zum GOtt hat. Nun aber
wird die menſchheit Chriſti in ſolcher ver-
haͤltnis nicht anders als in abſtracto betrach-
tet. Das heiſet nach des Grafen erklaͤ-
rung ſoviel, ſie wird weder als heilig/
noch ſeelig/ nicht in der perſoͤnlichen ver-
einigung, nicht einmal ſo gut als ein herrn-
hutiſcher bruder, nicht wie ſie den Vater
zum GOtt hat, betrachtet. Und dennoch
ſoll ſie in dieſer verhaͤltnis das erloͤſungs-
werk vollfuͤhren, weislich thun/ ꝛc. Sie-
oben (not.*) wo es ausdruͤklich heiſet, es
werde der Heiland ſolchergeſtalt als JEſus
betrachtet. Wodurch dann eine verviel-
faͤltigung der perſonen, trennung der per-
ſoͤnlichen vereinigung, vernichtung der ver-
dienſtes JEſu, mithin ein voͤlliger umſturz
des hauptgrundes unſerer ſeeligkeit verur-
ſachet wird. Aber das alles hat der Herr
Graf thun muͤſſen, weil ſich der Heiland
in die herrnhutiſche form anders nicht ge-
ſchicket haͤtte. Der Graf fuͤhret ſeinen be-
weis
herrnhutern uͤblich iſt, wie er dann die hei-
lige ſchrift laͤngſt bei ſeite geleget, und ſeine
lieder, oder doch eine falſche deutung untadel-
hafter alter lieder, mithin uͤberall ſeine traͤu-
me, zu beweisgruͤnden macht. Der verwir-
rungsgeiſt iſt in der deutung dieſes liedes
handgreiflich. Der Jehova iſt der Sohn
GOttes, wie daſelbſt im folgenden ſtehet.
Der knecht GOttes ſoll Chriſtus ſeyn, in
abſtracto betrachtet, in ſoferne er ein knecht
ſeiner eigenen Gottheit iſt, und das lamm
iſt eben der Chriſtus, in ſofern er ein herrn-
hutiſcher bruder oder aͤlteſter iſt, der nicht
als ein GOtt tractiret werden darf, der
einmal aufhoͤren wird ihr lamm zu ſeyn,
wie es in der predig vom Vater ꝛc. heiſet,
ſ. 18. Es wird einmal das geweſene
lamm auch uns der algemeine GOtt (nu-
men catholicum) ſeyn und heiſen muͤſſen/
wann einmal alle ſeelige creaturen ꝛc. ꝛc.
4) Daß der Graf das ganze ſiebzehen-
de cap. Johannis/ und alſo die letzte reden
JEſu, zum behuf dieſer laͤſterungen mis-
brauchet, das iſt ein neuer beweis von der
groſen macht des ſatans, und von dem goͤtt-
lichen gericht uͤber ſolche ſeelen, welche den
weg der warheit einmal verlaſſen haben.
Wir befehlen die ſache dieſem Heiland, der
maͤchtig iſt, ſeine ehre zu retten. Der trete
den ſatan unter ſeine fuͤſſe.
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CC-BY-4.0
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- Zitationsvorschlag für diese Edition
- TextGrid Repository (2025). Benner, Johann Hermann. Die Herrnhuterey in ihrer Schalkheit. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bjqq.0