[][][][][][][]
Ein
treuer Diener ſeines Herrn.

Trauerſpiel in fünf Aufzügen.



[][[1]]
Ein
treuer Diener ſeines Herrn.

Trauerſpiel in fünf Aufzügen.





Wien.:
Gedruckt und im Verlage bei J. B. Wallishauſſer.

1830.

[[2]]

Perſonen.


  • König Andreas von Ungarn.

  • Gertrude, ſeine Gemahlin.

  • Bela, Beider Kind.

  • Herzog Otto von Meran, der Königin Bruder.

  • Bancbanus.

  • Erny, ſeine Frau.

  • Graf Simon, Bruder des Bancbanus.

  • Graf Peter, Erny’s Bruder.

  • Der Hauptmann des königlichen Schloſſes.

  • Zwei Edelleute von Herzog Otto’s Gefolge.

  • Mehrere Hauptleute.

  • Ein königlicher Kämmerer.

  • Ein Arzt.

  • Eine Kammerfrau der Königin.

  • Erny’s Kammerfrau.

  • Zwei Diener des Bancbanus.

  • Zwei Diener der Königin.

  • Ein Soldat.
[[3]]

Erſter Aufzug.


(Saal in Bancbanus Hauſe. Hohe Bogenfenſter, alterthümliches,
unſcheinbares Geräthe. Lichter auf dem Tiſche. Vor Tages
Anbruch.)

(Bancbanus im Vorgrunde am Tiſche ſtehend. Zwei Die-
ner
ſind beſchäftigt ihn auzukleiden. Der Eine hält den
Kalpak, der Andere kniet, die Sporne befeſtigend.)

(Von der Straße herauf tönt unter Geſchrei, Geläch-
ter und Händeklatſchen
.)

Bancbanus! Ho, Bancbanus!


Bancbanus.

Der Sporn da drückt!


Erſter Diener.

Ach Herr!


Bancbanus.

Bei toll und unklug!
Du ziehſt ja feſter an! Laß nach! laß nach!


Erſter Diener.

Man weiß kaum, was man thut.


1 *
[4]
Bancbanus.

So ſchlimmer denn!


Erſter Diener.

Der Lärm —


Bancbanus.

Was nur?


Erſter Diener.

Dort unten auf der Straße —


Bancbanus.

Was kümmert dich die Straße? Sieh du hier!
Ein Jeder treibe, was ihm ſelber obliegt;
Die Andern mögen nur ein Gleiches thun.


(Geſang zur Zitherbegleitung auf der Straße.)

»Alter Mann

Der jungen Frau,

Iſt er klug,

Nimmt’s nicht genau.«

(Viele Stimmen unter Lärm und Gelächter.)

Bancbanus! Ho, Bancbanus!


Erſter Diener

(die Fauſt vor die Stirn gedrückt).

Daß Gift und Peſt!


Bancbanus

(der mittlerweile den Gürtel umgebunden hat).

Den Säbel nun!


[5]
Erſter Diener.

Ach Herr!
Ihr wolltet —?


Bancbanus.

Was?


Erſter Diener

(den Säbel halb ausgezogen).

Den Säbel aus der Scheide —
Das Thor geöffnet — wir da hinter Euch —
Hineingeſprengt in’s höhnende Gelichter,
Und — Hui! — wo waren ſie?


Bancbanus.

Biſt du ſo krieg’riſch?
Ich will dir einen Platz im Heere ſuchen.
Hier wohnt der Frieden. Ich bin nur ſein Miethsmann,
Sein Lehensmann, ſein Gaſt.
Verhüte Gott, daß er mich lärmend finde,
Und Mieth’ und Wohnung mir auf Umzeit künde!
Die Narrentheidung laß’, und gib den Säbel.


(Er gürtet ihn um.)

Der Ungar trägt im Frieden auch den Stahl,
Zückt er ihn gleich nicht ohne herbe Wahl;
Wie denn der Ehemann den Reifen, den er trägt,
Auch in der Fremde nicht vom Finger legt.
Der Säbel an der Hüfte ſoll nur kunden,
Daß Ungar und Gefahr, wie Mann und Frau verbunden.
Nu, nu, laß’ nur und geh!


[6]
Erſter Diener.

Ach Herr! Mein Herr!
Sie werfen Sand und Steine nach dem Fenſter.


Bancbanus.

So mach’ es auf; die Scheiben koſten Geld;
Sind ſie geöffnet, ſchaden keine Würfe. —
Den Kalpak reiche du, ich muß auf’s Schloß.
Der König will mit Tages Anbruch fort. —
Was iſt die Glocke?


Zweiter Diener.

Vier Uhr.


Bancbanus.

Hohe Zeit!
Sieh du nach meiner Frau.


Erſter Diener

(am Fenſter).

Dort ſtehen ſie.


Bancbanus.

Laß ſtehn, laß ſtehn!


Erſter Diener.

Der Prinz in Mitten d’rin!


Bancbanus.

Was Prinz?


[7]
Erſter Diener.

Ich hab’s geſehn!


Bancbanus

(mit halb gezücktem Säbel).

Geſehen? — Schuft!
Hätt’ ich’s geſehn mit dieſen meinen Augen,
Weit eher glaubt’ ich, daß ich wachend träume,
Als Uebles von dem Schwager meines Herrn.
Geh’ fort! — Muß ich hier toben wie ein Fant?
Scheltwort’ ausſtoßen, und — bei toll und unklug! —
Ein Rath des König’s! — Nu, ein feiner Rath! —
Ei wollt’ ich doch, du wär’ſt auf Farkahegy,
Zwölf Steine über dir! — Ei, dies und das! —
Geh’ ſag’ ich, geh’! Ich will nicht weiter ſprechen.

(Dienerin kommt mit einem Becher.)

Bancbanus.

Was bring’ſt nur du?


Dienerin.

Den Frühtrunk, gnäd’ger Herr!


Bancbanus.

Setz’ immer hin. — Iſt meine Frau ſchon wach?


Dienerin.

Ja wohl!


Bancbanus.

Ja wohl? — Warum denn kommt ſie nicht?
[8] Ja wohl iſt zweimal »Ja!« — Wenn zweimal wach denn,
So ſollte ſie doch mind’ſtens einmal kommen.
»Ja wohl!« — Gott ſegne mir die Redensarten!
Ein andermal ſprich: Ja! — Nun alſo denn,
Warum nur kommt ſie nicht?


Dienerin.

Ich ſollte fragen,
Ob Ihr erlaubt —?


Bancbanus.

Ich gebe mich gefangen!
Die Thorheit, merk’ ich, ſteck’t, wie Fieber, an.
Ob ich erlaube, frägt ſie? — Guter Gott!
Soll ich erlauben? und hab’ nie verwehr’t!

(Erny erſcheint an der Thüre.)

Bancbanus.

Ei, Erny, grüß’ dich Gott! Was ficht dich an?
Läß’ſt du durch Kämm’rer mich um Einlaß bitten?
Ich bin ein Feind von Neuerungen, Kind!
Mach’ mir nichts Neues, bitt’ ich dich gar ſehr.


Erny

(nach vorn kommend).

So zürn’t Ihr nicht?


Bancbanus.

Warum denn? — Ja, dort unten —?
Die Straße, Kind, iſt Jedermann’s Gemeingut.
Wir haben ſie nicht herbeſtell’t, wir können,
[9] Genau genommen, ihnen’s auch nicht wehren.
Ob’s gleich nicht artig iſt, ſo früh am Tage
Die Schläfer ſchon zu ſtören durch Geſang.


Erny.

Doch wiß’t Ihr denn auch, wer —?


Bancbanus.

Ich mag’s nicht wiſſen.


Erny.

Gertrude ſagt — der Prinz —


Bancbanus.

Nun, ſey’s darum!
Der gute Herr hat Muße — laß’ ihn ſchwärmen!


(Geſang auf der Straße.)

»Schön’ Erny, lieb und gut,

Verſchläf’ſt dein junges Blut;

Vermähleſt ohne Scheu

Dem Winter deinen Mai.«

(Viele Stimmen.)

Bancbanus! Ho, Bancbanus!


Bancbanus

(der während des Geſanges den Becher ergriffen, und getrunken hat).

Der Mittlere ſing’t falſch, und hält nicht Takt.
Daß Gott! Ein ſchlechtes Lied verdirbt die reinſte Kehle!


Erny.

Ha, Scham und Schmach!


[10]
Bancbanus.

Für wen? — Mein liebes Kind!
Nur eine Schmach weiß ich auf dieſer Erde,
Und die heiß’t: Unrecht thun.


Erny.

Allein, die Worte —
Des argen Liedes Worte, die ſie ſangen.


Bancbanus.

Ich achtete nicht d’rauf, und rathe dir ein Gleiches.
Der Vorzug iſt’s der Worte vor den Thaten,
Sie ſchäd’gen nur, wenn man ſich ihnen leih’t. —
Nun laß’ von And’rem uns, von Nöth’germ ſprechen.
Der König zieh’t nach Haliſch mit dem Heer,
Des Reiches alte Rechte zu bewahren;
Mit Tages Anbruch will er heute fort.
Ich bin beſchieden, ſammt den andern Räthen,
Zu hören noch ſein königlich Gebot.
Ich geh’ auf’s Schloß.


Erny.

Wie? Jetzt?


Bancbanus.

Warum denn nicht?


Erny.

Jetzt, da das Haus von jenen tollen Haufen
Umlagert ſteh’t?


Bancbanus.

Mein Kind, gib dich zufrieden!
[11] Die lauten Kläffer ſcheu’ ich nicht zumeiſt.
Ich geh’ in meines König’s Dienſt und Auftrag.
Und dann — hätt’ ich dies Haupt an ſechzig Jahre
Aufrecht getragen unter Sturm und Sonne,
Damit ein junger Fant ſich muthig fühlte,
Zu mehr, als d’rauß’ zu lärmen vor der Thür?


(Auf die Bruſt ſchlagend.)

Sey ruhig, Kind, mein Wächter geh’t mit mir! —
Ich alſo will nach Hofe. Du indeß,
Wenn’s anders dir gefäll’t, zieh’ dich zurück
In’s Innere des Hauſes. Hör’ſt du wohl?
Verliſcht das Licht hier, und ermangelt Antwort,
So wird der Polt’rer ſeines Polterns ſatt,
Und geh’t zuletzt von ſelbſt. Willſt du, mein Kind?


Erny.

Wie gern!


Bancbanus.

Nun denn, leb’ wohl! Noch einen Kuß.
Doch nein! So aufgeregt, das hieße rauben.
Komm’ ich zurück, ſo gibſt du ihn wohl ſelbſt.


Erny

(in ſeine Arme eilend).

Mein Gatte!

(Geſchrei auf der Gaſſe.)

Bancbanus! Ho, Bancbanus!

Bancbanus.

Lärmet, lärm’t nur zu!


(Die Hand auf Ernys Herz legend.)

[12]

Wenn’s ruhig hier,


(auf ſeine eig’ne Bruſt.)

iſt hier auch Alles Ruh’!


(Geht ab. Die Diener folgen.)

Erny

(bleibt in horchender Stellung, nach der Thüre gekehr’t, ſtehen).

Er geh’t. — Nun ſind ſie ſtill. — Horch! — Es war nichts.


Kammerfrau

(die ein Licht ergriffen hat).

Beliebt’s Euch, gnäd’ge Frau?


Erny.

Ja ſo! — Ich komme.


(Zum Gehen gewendet.)

Sonſt war der Prinz doch artig, ſcheu vielmehr.
Was ſah er wohl an mir, das ihm zu ſolchen
Tolldreiſtem, frevlem Treiben gab den Muth?
— Komm’, komm’! Wir wollen noch ein Stündchen ſchlafen.


(Geht ab. Die Kammerfrau mit dem Lichte voran.)
(Straße vor Bancbanus Hauſe.)
(Otto von Meran, und Edelleute von ſeinem Gefolge. Sie
halten zum Theile muſikaliſche Inſtrumente.)

Erſter Begleiter.

Das Licht verſchwindet oben in der Kammer.


Otto.

Beachtet man ſo wenig unſer Thun?
[13] Schlag’ Einer an das Thor, und jubelt laut!
Ich will ihn reizen, will! und gält’s das Aergſte!


Erſter Begleiter

(am Thore horchend).

Der Riegel klirr’t — man dreh’t den Schlüſſel, Herr!
Der Feind thut einen Ausfall, wie es ſchein’t.


Otto.

Zieh’t Euch zurück, und harret, was geſchieh’t.


(Sie ziehen ſich zurück.)
(Das Thor wird geöffnet.)
(Bancbanus tritt heraus, vor ihm ein Diener mit einer
Fackel.)

Bancbanus
(zum Pförtner).

Verſchließ’ das Thor genau, und öffne Niemand,
Bis ich zurück gekehr’t. Hör’ſt du? — Nun gut!


(Das Thor wird geſchloſſen.)

Erſter Begleiter
(leiſe).

Es iſt Bancbanus ſelbſt.


Zweiter Begleiter.

Er geh’t nach Hofe.


Otto.

Geb’t ihm noch einen Aerger auf den Weg.


Erſter Begleiter
(laut).

Der Dachs fährt aus dem Bau.


[14]
Otto.

Windhunde vor!


Erſter Begleiter.

Melamp!


Zweiter Begleiter.

Garzaun!


Erſter Begleiter.

Baff! Baff!


Zweiter Begleiter.

Bau! Bau!


Diener.

Seh’t Ihr?
Im Finſtern ſtehen ſie.


Bancbanus.

Was kümmert’s dich?
Geh’ mit dem Licht voran, und leuchte. — Fort!


(Quer über die Bühne gehend, ab.)
(Otto nach vorn kommend.)

Otto.

Er iſt nicht aufzubringen, nicht zu ärgern!
Was ich beginn’, er ſpottet meiner Wuth.
Ich will ihm nach, ich will ihn ſtehen heißen,
Ihm lachen in ſein glotzend Angeſicht.
Ihr werdet ſeh’n, die hochgekniff’nen Brauen,
[15] Sie ſenken ſich um keines Haares Breite;
Die Falten alle ſeiner Lederhaut,
Sie bleiben, wie ſie Zeit und Stumpfhelt bogen.
Ich zupf’ ihn an dem Bart, er merk’t es nicht;
Ich raſ’ und tob’ — er aber frägt: Was nun?
Setz’t mich nach Frankreich, bringt nach Wälſchland mich;
Der Mann, der Bruder, der mein Liebchen hütet,
Er miſche Gift, er ſende Mörder aus;
Den Todesdolch in der durchſtoß’nen Bruſt,
Will ſterbend ich ihm ſagen: wohlgethan!
Doch dieſer Gleichmuth foltert, martert mich. —
Bringt Licht! Ich will mein Toben ſehn!


Erſter Begleiter.

Allein,
Bedenk’t, erlauchter Herr!


Otto.

Bedenken? Was?


Erſter Begleiter.

Die Nachbarſchaft.


Otto.

Ich lache dieſer Tröpfe!
Iſt meine Schweſter Königin im Land’,
Daß ich viel fragen ſoll nach Brauch und Sitte?
Ich wollt’ ihn ärgern; ſeht, das war der Punkt.
Ihn, der die Jagd mir hemm’t, die Luſt verdirbt.
Was kümmert mich ſein Weib mit ihrem blonden Haar?
Nicht einmal blond, aus Gelb und Fahl gemiſch’t;
Mit ihrem Antlitz, weiß und weiß, und weiß,
[16] Kaum auf den Wangen röthlich überſtrahl’t. —
Schön iſt ſie wohl! — Wenn dieſes blaue Auge,
So ernſt und ſchroff, und doch ſo feurig auch,
Wenn’s je — Ich ſage dir, ich hab’s geſeh’n,
Wie ſie, im vollen Kreis des ganzen Hofes,
Die theilnahmloſen Augen — blau und groß —
Nach mir hinrichtete, minutenlang,
In ſtarrer, wohlgefälliger Betrachtung.
Von mir ertapp’t, von meinem Blick begegnet,
Zog ſie den ihren nicht verſtohlen ab,
Nein, noch verweilend, wie ein kühner Feind,
Der nicht den Rücken kehr’t, und langſam weich’t,
Ertrug ſie die Begegnung, und erſt ſpät,
Willkührlich, nicht gezwungen, kehrte ſie
Von mir den froſt’gen Strahl. — Es war nicht Liebe,
Ich geb’ es zu; doch Wohlgefallen war’s.
Allein, was kümmert’s mich? Was frag’ ich viel
Nach ihr und ihrem Blick! — Noch and’re Weiber,
Und ſchön’re Weiber gibt’s, und minder ſpröde.
Mich reiz’t es nicht, zu ſchmelzen dieſen Schnee,
Zu Eis gedämm’t in ihres Mannes Gletſchern.
Den Mann zu ärgern gilt’s, der meiner Werbung
Durch ſeine Sicherheit zu ſpotten ſchein’t.
Was ſonſt ſich gibt, als Zuthat nehm’ ich’s hin.
Reich’t mir die Zither! Noch den letzten Sturm.

(Der Hauptmann des königlichen Schloſſes tritt auf, von
einem Diener begleitet.)

Hauptmann
(zum Herzog).

Wo weil’t der Herzog, Otto von Meran?
Iſt er zugegen?


[17]
Otto.

Nein!


Hauptmann

(zum Gefolge gewendet).

Man ſagte doch —


(Otto’s Begleiter weiſen ſchweigend auf ihren Herrn.)

Hauptmann

(zu Otto zurückkehrend).

Verzeih’t, ich kannt’ Euch nicht, die Schatten trügen.


Otto.

Ich muß doch ſelber wiſſen, wo ich bin!
Der Herzog iſt nicht hier; er will nicht hier ſeyn.


Hauptmann.

Doch ſendet mich die Kön’gin, Eure Schweſter.


Otto.

O, Schweſterliebe, läſtig ſchon als Liebe!
Was will ſie denn, die Schweſter, ſtets beſorg’t?


Hauptmann
(halb leiſe).

Sie läßt Euch bitten, eilig heim zu kehren.
Der König will zur Stunde fort. Sie hoff’t
Ihn noch ein Weilchen aufzuhalten, und
Das Aeußerſte, das Letzte zu verſuchen,
Um ihren Wunſch, ſich Euch, ſo lang’ er fern,
Beizugeſellen in des Reich’s Geſchäften,
Beim Abſchied zu erlangen. Zwar, ſie zweifelt;
Doch ſoll’t Ihr heim, damit, wenn’s doch gelänge,
2
[18] Ihr Euch befliſſen zeig’t, durch kluge Worte
Befeſtiget den Eindruck, den ſie hoff’t.


Otto.

Nun denn, es ſey! — Es iſt ihr Lieblingswunſch:
Sie füg’t ſich gerne ſonſt auch meinen Wünſchen!
Obgleich mich ſelbſt erborgte Herrſchaft,
Getheilte Herrſchaft nimmermehr erfreu’t.
— Kommt, die Belagerung iſt aufgehoben!
Der Feind erhole ſich, und träum’ indeſſen
Von ſeinem, — der zuletzt wohl unſer Sieg.


(Alle ab.)
(Saal in der königlichen Burg.)
(König Andreas, völlig gerüſtet, tritt aus der Seitenthüre
links. Die Königin, im Nachtkleide, folgt, ihn zurück-
haltend. Ein Kämmerer, der des Königs Helm trägt,
öffnet die Thüre.)

Königin.

Ich bitt’ Euch, weil’t noch länger, mein Gemahl!


König.

Geliebtes Weib! Du weißt, es drängt die Pflicht.


Königin.

Doch dräng’t auch Liebe Jeden, der ſie fühl’t.


König.

Schon eine Stunde gab dir der Gemahl,
Der König darf dir keine zweite geben.
Der Tag bricht an, das Heer erwartet mich.


[19]
(Zum Kämmerer.)

Ruf’t meine Räthe, ruf’t den ganzen Hof,
Daß ſie vernehmen ihres König’s Willen.


Königin

(zum Kämmerer).

Halt noch! — Verzeih’t! Es iſt die Gattin nicht,
Es iſt das Reich, das noch zwei Worte fordert.


(Zum Kämmerer.)

Verweil’t im Vorgemach’, bis man Euch ruf’t.


König

(winkt gewährend. Der Kämmerer geht ab).

Königin.

Ich weiß, Ihr ruf’t den Hofhalt und die Räthe,
Um für die Zeit, da Ihr vom Lande fern,
Zu ordnen die Regierung, das Geſchäft.
Den erſten Platz im Staate nun, ich weiß es,
Weil Eure Lieb’ ich kenn’, und Ihr’s verſprach’t,
Beſtimmt Ihr mir, der Mutter Eurer Kinder,
Der treu’ſten Hüterin von ihrem Erbe.
In ſo weit dank’ ich Euch, und bin zufrieden;
Doch iſt noch Ein’s, das mich mit Sorg’ erfüll’t.


König.

Und was, Gertrude? Sprich!


Königin.

Ihr hab’t erklär’t —
Ob nun mit Recht, mit Unrecht, ſtell’ ich hin —
Daß Manches ſich ergibt im Kreiſ’ des Herrſchers,
Das raſch perſönliches, ſelbſteig’nes Walten,
2 *
[20] Zuthun und Faſſen fordert und beding’t,
Und eines Männerarm’s bedarf.


König.

So iſt’s.


Königin.

Den Mann nun, der vollziehe, was beſchloſſen,
Erübrig’t noch zu nennen, zu beſtimmen.


König.

Auch dafür iſt geſorg’t


Königin.

O ſtille! ſtill!
Sprech’t keinen Namen aus, der, ausgeſprochen,
Zu Schlüſſen ſtämpelt prüfende Gedanken,
Und Euch zu halten nöthig’t das Geſagte;
Nicht weil es gut, nein, weil Ihr es geſagt. —
Wenn Ihr mich liebt, wenn ich Euch jemals werth,
So geb’t den Herzog, meinen Bruder, mir
Als Mitgenoß’ des fürſtlichen Geſchäft’s. —
Ich ſeh’ es, Eure Stirne runzelt ſich.
Ihr lieb’t ihn nicht! — Schon oft hab’ ich’s bemerk’t,
Mit Schmerz, mit tiefem Kummer es bemerk’t,
Ihr lieb’t ihn nicht!


König.

Ich liebe, was ich achte.


Königin.

So achtet Ihr ihn nicht? Wer darf das ſagen? —
O glaub’t nicht, was der Neid von ihm berichtet,
[21] Die Scheelſucht, die nur lob’t, was klein, wie ſie.
Der Schweſter glaub’t, die ich ihn kenn’ und liebe;
Die ich ihn liebe, ja! denn wahrlich, Herr,
Die Liebe nur erkennt und iſt gerecht.
Ihr geb’t ihm Fehler. Sey’s! doch ſchau’t um Euch!
Wo leb’t der Mann hier Landes, ihm vergleichbar?
Sprech’ ich zuerſt von ſeines Aeußern Gaben?
Wie ſie ſo herrlich ſind, unübertroffen,
Und alle dienſtbar ſeinem kühnen Geiſt’.
Sein blitzend’ Aug’, es blitz’t auch auf die Feinde;
Der friſche Mund macht Ueberredung ſüß;
Die Heldenbruſt, der Glieder kräft’ger Bau,
Verkündet ihn als Herrn und als Gebieter.
Glaub’t Ihr, ein Meuter wagte zu beſteh’n,
Mit dem Gefühl der Schuld in ſeiner Bruſt,
Vor eines Solchen Blick? — Fürwahr, fürwahr!
Des Geiſtes hohe Gaben acht’ ich alle,
Doch erſt, wenn ſo des Aeußern Trefflichkeiten,
Herolden gleich, vor ihnen her trometen,
Dann zieh’n ſie ein als Könige der Welt.


König.

Du biſt begeiſtert.


Königin.

Ja, ich bin’s, und Weh’ mir,
Wenn ich’s nicht wäre, wo es Würd’ges gilt.
Sag’t ſelbſt, iſt nicht mein Bruder tapfer, klug,
Entſchloſſen und verſchwiegen, liſtig, kühn,
Kein Zaud’rer?


König.

Ja.


[22]
Königin.

Was fehl’t ihm alſo?


König.

Sitte.


Königin.

Nun, er iſt jung! Viel geh’t der Jugend hin,
Und Viel erreicht ſie ſelbſt durch ihre Fehler.
Er iſt geſchäftlos. Geb’t ihm ein Geſchäft!
Und dann — was thut er auch? — Er ſchwärm’t, er lieb’t.
In Frankreich achtet man den Jüngling wenig,
Der nicht bei Weibern gilt, im Zwiſt der Minne
Den Geiſt vorübend ſchärf’t für ernſtern Zwiſt.


König.

So üb’ er ſich in Frankreich, wo man’s duldet,
Und abgeklär’t, ſey er willkommen mir.
Von andern Völkern borg’t das Schlimme nicht,
Wer weiß, ob Euch erreichbar iſt ihr Gutes?
Der Franke mag durch manche hohe Gaben
Den Leichtſinn adeln, dem er gern ſich gibt;
Mein Land bewohn’t ein einfach ſtilles Volk,
Zu jeder Art des Guten raſch und tüchtig,
Doch Sitte hält ihr unverrückbar Maß
Streng zwiſchen Allzuwenig, und zu Viel,
Und bann’t den ſpröden, überſcharfen Sinn.
So iſt, ſo muß es ſeyn, ſo ſoll es bleiben!


(Geht gegen die Mittelthüre zu.)

Königin.

Hör’t nur noch Ein’s. — Ihr nanntet oft mich ſtolz,
[23] Ein kühnes Weib, vergleichbar einem Mann’.
Ich war’s — ich bin’s — und doch — ſeh’t mich hier knie’n.


(Sie kniet.)

Geb’t meinen Bruder mir als Reichsgehülfen!
Gönn’t ihm den Namen nur! Ich will ihn hüten.
Er ſoll nichts thun, um was ich nicht gewußt.
Wie einem Vogel man die Flügel ſchneidet,
Nun hüpf’t er frei, und dünk’t ſich frei, und iſt’s nicht;
So will ich halten ihn, mit Liebe füttern,
Und er ſoll Dank mir zwitſchern, und gedeih’n.
Gönn’t ihm den Namen nur, daß er ſich fühle,
Zufrieden ſey, zum erſtenmal zufrieden.


(Der König hat ſie aufgehoben.)

Ihr ſeh’t mich ſchwach. Ich ſchäme mich, und doch
Kann ich nur wiederholen: Thut’s, o thut’s!


König.

Macht mich der Bruder eiferſüchtig nicht?


Königin.

Nicht ſo! Ich liebe dich, weiß Gott, wie innig!
Doch war die Zeit, da ich dich noch nicht kannte;
Erſt nach durchlebter Jugend fand ich dich,
Und ſeitdem wandelt auch mein Geiſt mit dir.
Doch er — an ſeiner Wiege ſtand ich ſchon,
Er war die Puppe, die ich tändelnd ſchmückte;
Mein Vaterland, der Eltern ſtilles Haus,
Mein erſt’ Gefühl, die Kindheit leb’t in ihm.
Ich grollte ſtets, daß ich ein Mädchen war,
Ein Knabe wünſcht’ ich mir zu ſeyn, wie Otto.
Er wuchs heran. — In ihm war ich ein Jüngling,
In ihm ging ich zur Jagd, beſtieg das Roß;
[24] In ihm lockt’ ich des Burgwart’s blöde Töchter. —
Ihr wiſſ’t, wie ich die Zucht als Weib gehalten;
Doch that mir’s wohl, in ſeinem kecken Thun
Traumweis’ zu überfliegen jene Schranken,
In die ein enger Kreis die Weiber bann’t.
Er iſt mein Ich, er iſt der Mann Gertrude,
Ich bitt’ Euch, trenn’t mich nicht von meinem Selbſt!
Soll er mein Helfer ſeyn, wir wollen leben,
Wie drei Geſchwiſter: Euer Volk das dritte.
Soll er?


König.

Was mach’ſt du, Weib, aus mir?


Königin.

Soll er?


König.

Nun wohl, ich will ihn ſprechen.


Königin.

Dank, o Dank!


König.

Du dank’ſt zu früh! Nur einen Theil der Macht,
Das Heer vielleicht, ſoll er indeß verwalten,
Und unter Aufſicht.


Königin.

Unter mir, das Ganze.


König

(mit dem Fuße ſtampfend).

Hollah!


[25]
(Der Kämmerer tritt ein.)

König.

Ruf’t meinen Schwager, Herzog Otto. —
— Ihr zögert? —


Kämmerer.

Herr —


Königin

(gegen den Kämmerer, der indeß Geberden gemacht hat).

Mein Bruder iſt nicht wohl.


König

(zum Kämmerer).

Bei deinem Kopf! Wo iſt der Herzog Otto!


Kämmerer.

Herr! nicht daheim.


König.

Seit wann?


Kämmerer.

Die ganze Nacht.


König

(zur Königin.)

Ihr ſeh’t, der Reich’sverweſer hat Geſchäfte,
Wir wollen ſie nicht läſtig noch vermehren.


(Er öffnet ſelbſt die Mittelthüre.)

Herein, wer noch im Vorſaal! Herr’n und Räthe!
Laßt uns beſorgen, was noch weiter oblieg’t.


[26]
Kämmerer
(zur Königin).

Erlauchte Frau —


Königin.

Daß du verdammt wär’ſt!


(Sie zerreißt ihr Schnupftuch.)

(Die Großen und Räthe ſind indeß mit Verbeugungen einge-
treten. Darunter Bancbanus, die Grafen Simon und
Peter. Sie ordnen ſich im Mittelgrunde. Der König ſteht
vorn am Tiſche rechts. Die Königin ihm gegenüber auf
der linken Seite.)

König.

Edle Herr’n!
Die Pflicht ruft mich aus Eurer Mitte fort.
Galizien, das Ungarns altes Anrecht,
Durch Erb’ und Unterwerfung uns zu Dienſt,
Man ſucht durch Trug und ſchlaugelegte Ränke
Es abzuzieh’n von der beſchwornen Pflicht.
Mein Heer erwartet mich, daß wir verſuchen,
Was die Gewalt vermag im Dienſt’ des Recht’s.
Ich ſcheide. Lebet wohl! Damit indeß —


(Herzog Otto kommt, ſich durch die Verſammlung durchdrängend,
die er mit den Augen muſtert.)

Otto.

Wie! Keine Frauen hier? Nur Bärte, Bärte?
— Ah, Schweſter!


Königin.

Sieh, Unſel’ger! Dort der König!


[27]
Otto.

Nun ſchön! Ich dacht’, Ihr wär’t ſchon abgereiſ’t.


(Geht auf ihn zu.)

König.

Beliebt’s Euch, tretet dorthin, Herr! Wir haben
Noch ein’ge Kleinigkeiten abzuthun. —
Nicht hier! Ich bitt’ Euch, dort! — Wir werden eilen.


(Otto geht quer über die Bühne und ſtell’t ſich in die Nähe der
Königin.)

König.

Nun denn, ſo lang’ ich fort, vom Lande fern,
Wird meine Frau hier, Eure Königin,
Vertreten meine Statt. — Ihr geb’t die Ehren,
Sonſt mir gezoll’t. Sie wird im Rathe ſitzen,
Vollzieh’n mit Unterfert’gung das Geſchäft.
Sie theil’t Belohnung, leih’t im Lehenhof’;
Was Gnade gibt, empfäng’t man nur durch ſie.
In Sachen blos des Recht’s, und was noch ſonſt
Des kühler’n Blick’s bedarf, und dies Papier benenn’t,
Stell’ ich an ihre Seite zum Genoſſen,
Der auch im Rathe ſitz’t, und ohne den
Nichts von dem Uebrigen auch wird verhandelt;
Der ſtets den Vortrag führ’t, und mir berichtet,
Wo ſich in Wichtiger’m die Meinung theil’t —


(Pauſe, in der er die Räthe fixirt.)

Königin

(zu Otto).

Unglücklicher! warum kamſt du ſo ſpät?


[28]
König.

In alle dem zum Reich’sgehülfen nenn’ ich —
Tritt vor, Bancbanus! — Hier! — Ernenn’ ich dich!
Sey du ihr Aug’ und Ohr, ſey Hand und Arm,
Sie wird der Geiſt ſeyn, der durch dich gebietet.
Stets war’ſt du treuer Diener deines Herrn,
Du wirſt’s auch hierin ſeyn.


Bancbanus.

Ach, Herr, bedenk’t —


König.

Es iſt bedacht!


Bancbanus.

Ich bin ein ſchwacher Mann.


König.

So minder wohl verlock’t dich die Gewalt.


Bancbanus.

Bin alt.


König.

Iſt Herrſchen denn ein Knabenſpielwerk?
Ich hab’s geſag’t, und reif erwogen auch,
Dein Weigern zeig’t mir, daß ich recht gewähl’t.
Wo iſt mein Sohn? Bring’t meinen Sohn zum Abſchied! —
Hier, dies Papier bezeichnet deinen Kreis;
Wie vorwärts nicht, ſo rückwärts nicht gefuß’t!
Denn, was du darfſt, iſt dem gleich, was du mußt.
Kannſt du den Herzog hier im Heere brauchen,
[29] So thu’s; wenn nicht, ich ſtell’ es dir anheim.
Geh’ hin, und küß’ die Hand der Königin;
Sey ihr zu Dienſt, und bitt’ um ihre Gnade. —
Wo iſt mein Sohn?


Bancbanus

(ſich der Königin nähernd).

Erlauchte Frau, erlaub’t —


Königin

(ihre Hand heftig zurückziehend).

Tolldreiſt und Thor!


König.

Was iſt? — Gertrude — wie?
Verweigerſt du die Hand dem Manne, dem —
Gott und Gericht! Iſt das der volle Dank?
Beginn’t der Unfried’, eh’ ich noch geſchieden?
— Gib deine Schrift! — Bancbanus, gib die Vollmacht!
Vor Weiter’m will ich wohl mein Land bewahren!
Die Königinnen ſaßen ſonſt am Kunkel,
So lang’ ihr Mann im Feld. — Bancbanus, gib!
Ich will Euch Grenzen ſetzen, daß Ihr’s wahrnehm’t,
Und wär’t Ihr blind vor Hochmuth und vor Grimm!


Königin.

Hier, meine Hand! Ich werd’ Euch gnädig ſeyn,
Wenn Ihr’s verdien’t.


König.

Geh’ hin, Bancban, geh’ hin!
Was? Seh’ ich recht? — Wohl eine Thräne gar?


[30]
Bancbanus.

Ich ſagt’ Euch’s, Herr! Ich tauge nicht dafür.


König.

Du taug’ſt, mein Freund, nur du. Küſſ’ ihre Hand!
Ob heftig zwar, iſt ſie gerecht und klug.


(Man hat den kleinen Bela gebracht. Bancbanus küßt die
Hand der Königin.)

König.

Und nun, leb’t wohl! Gertrude, theures Weib!
Bela, mein Sohn! Mein gutes, liebes Kind!
Leb’t wohl, Ihr Alle, alle meine Freunde!


(Zu Bancbanus.)

Vor Ander’n aber wend’ ich mich zu dir,
Dem ich mein Haus vertraue, Weib und Kind.
Als ich dich wählte, dacht’ ich Ruhe mir,
In Feld und Stadt, in Schloß und Hütten Ruhe.
Die fordr’ ich nun von dir. Kehr’ ich zurück,
Und finde ſie geſtör’t, die fromme Ruhe; —
Nicht ſtrafen werd’ ich dich, nur dich vermeiden,
Und ſtirbſt du, ſetzen auf dein ruhmlos Grab:
Er war ein Greis, und konnte ſich nicht zügeln,
Er war ein Ungar, und vergaß der Treu,
Er war ein Mann, und hat nicht Wort gehalten. —
Doch wird’s nicht kommen ſo, ich weiß, ich weiß.
Leb’t Alle wohl, und Gott ſey über Euch!


(Er geht.)

[31]
Alle

(drängen ſich um ihn, indem ſie rufen):

Heil auf den Weg!
Glück zu!
Kehr’t ſiegreich wieder!

(Der Vorhang fällt).

[32]

Zweiter Aufzug.


(Saal im königlichen Schloſſe. Im Hintergrunde führ’t eine große,
zu Anfang geſchloſſene, Pforte nach den äußern Gallerien.
Rechts, im Vorgrunde, ein erhöhter Lehnſeſſel, im Halb-
kreiſe herum mehrere Stühle. Seitenthüren. Zunächſt der
Thüre rechts ein bedeckter Tiſch.)

(Die Königin ſitzt, von den Räthen umgeben, Bancbanus,
Schriften in der Hand, ſteht, und trägt vor.)

Bancbanus.

Obgleich die Kinder zweiter Ehe nun
Dagegen Einſpruch thun, ſo ſagt ein Blatt,
Vollzogen vom Teſtator eigenhändig,
Ein rechtsbeſtändig, kräftig Codicill —
Wo ſteck’t es nur?


(Seinen Nachbar anblickend.)

Ihr, Schwager? Seyd ſo freundlich,
Und haltet mir die Schriften, daß ich ſuche.


(Er gibt Graf Petern einen Theil ſeiner Schriften, und ſucht in
den übrigen.)

(Herzog Otto tritt zur Thüre linker Hand ein.)

Otto.

Noch nicht geendig’t?


[33]
Königin.

Eben.


(Zu den Räthen.)

Gut für heute!
Die Sitzung, edle Herr’n, iſt aufgehoben!


(Die Räthe ſtehen auf, die Königin tritt zu ihrem Bruder.)

Bancbanus

(noch immer ſuchend).

Mein Schreiber hat’s verſchoben. Daß dich doch!


Königin.

Wie er mich lang’weilt nur, der alte Thor!
Glück auf, Ihr Herr’n! Wir ſehen uns demnächſt.


(Sie entläßt mit einer Kopfneigung die Räthe, dieſe gehen.)

Königin
(zu Otto).

Ich merke feſtlich Treiben hier im Schloß.
Was ſchaff’t man?


Bancbanus.

Seh’t, da hab’ ich’s doch gefunden!
Kraft dieſes Dokument’s — Wo ſind die Räthe?


Königin.

Sie gingen, ſo geduldig nicht als ich,
Im Schloßhof wohl nach Eurer Schrift zu ſuchen.


Otto
(lacht laut auf).

3
[34]
Bancbanus

(die Schrift emporhaltend).

Hier iſt die Schrift! — Nu, nu, im nächſten Rath
Erwäg’t man —


Königin.

Sprach ich denn nicht ſchon: »Gewähr’t?«


Bancbanus.

Gewähr’t? Gewähr’t? Lag dieſe Schrift nicht vor,
So war nichts zu gewähren.


(Er ſteckt die Schrift wieder unter die Papiere.)

Liege du!
Zu ſeiner Zeit kommt noch das Wort an dich!


Königin.

Was alſo ſind die Feſtlichkeiten, die —


Otto.

Kommſt du mit mir, ſo ſollſt du ſelber ſeh’n.


Königin

(gibt ihm den Arm).

Bancbanus.

Vorerſt nur Eines noch —


Königin.

Das nenn’ ich läſtig!


Bancbanus.

Der Fall iſt läſtig, ja, und dringend auch.
Landfahrer haben, höchſt verdächtig Volk,
[35] Bei Bihar ſich gezeigt. Es wird nun nöthig,
Zweihundert —


Otto.

Säcke!


Bancbanus.

Wie? — Es wird nun nöthig,
Zweihundert —


Otto.

Säcke!


Bancbanus.

Reiter, gnäd’ger Herr,
Dahin zu ſenden. Wenn Eu’r Gnaden Bruder,
Der Herzog, nun nach Thätigkeit verlang’t,
So könnte man der Reiter Führung ihm —


Otto.

Sehr gnädig, in der That!


Königin.

Das iſt zu viel!
Ihr ſchmeichelt, wie das Thierchen in der Fabel.
Mein Bruder ſoll zweihundert Reiter führen?
Schick’t Euren Schwager — Euren — was weiß ich?!


Bancbanus.

Wie Ihr befehl’t. —


Königin.

Und ſchweig’t für jetzt; ich bitte.
3 *
[36] — Wem alſo gelten jene Feſtlichkeiten,
Die man bereitet, ſeh’ ich, rings im Schloß?


Otto.

Ich wollte früher ſchon dir Alles melden,
Doch dieſe Herr’n —


(Zu Bancbanus.)

Beliebt’s Euch, Platz zu nehmen?
Wie, oder dünk’t Euch ein Spatziergang beſſer
In freier Luft? Wir haben ſchönes Wetter.


Bancbanus.

Ich bleibe noch; ich bin noch nicht zu Ende.


Königin.

Wie alſo? Sprich!


Otto.

Du weißt, wir feiern heute
Das Wiegenfeſt des Kleinen, deines Sohn’s.
Die Herren ſind, die Frau’n bei ihm verſammelt,
Und binden ihn mit kleinen Gaben an.
Da hab’ ich denn gewag’t, in deinen Zimmern
Dem Feſte zu bereiten noch ein Feſt.
Die Meinung war, dich erſt zu überraſchen,
Doch lieb’ſt du, weiß ich, Ueberraſchung nicht.
D’rum ſieh, ach, und verzeih’!


(Er hat die Seitenthüre rechts geöffnet, die Königin ſieht hinein.)

Königin.

Du guter Bruder!


[37]
Otto.

Nun hier noch.


(Er klatſcht in die Hände, die Seitenthüre links öffnet ſich.)

(Der kleine Bola läuft herein, mit kindiſchen Gaben ſchimmernd
behangen. Hinter ihm Herren und Damen, darunter Erny.)

Bela.

Mutter! Mutter!


Königin

(zu ihm niedergekauert, und ihn küſſend).

O, mein Kind!


(Ihrem Bruder die Hand drückend.)

Was ſoll ich ſagen?


(Zum Kinde.)

Und ſo reich beſchenkt! —
Habt Dank, Ihr Herr’n, Ihr edlen Frauen, Dank,
Für Alles, was Ihr unſerm Sohne gönnt.
Wir ſtünden tiefer noch in Eurer Schuld,
Wenn unſer Bruder, Herzog Otto hier,
Nicht der Vergeltung Pflicht auf ſich genommen.
Nehm’t Theil denn an dem Feſte, an den Freuden,
Die er für uns, die er für Euch erſann.
Es iſt zwar noch am Tag; allein wir wollen
Mit Luſt den freud’gen Abend führen ein. —
Graf Iwan, Dank! — Ei, Gräfin Erny, gönn’t Ihr
Uns auch einmal die ſchöne Gegenwart?
Wir rauben ſtündlich Euren Gatten Euch,
Und nicht zu ſeiner Freude, fürcht’ ich faſt.
Er findet uns zu ſchülerhaft, zu leicht.


[38]
(Zu Otto halblaut.)

Du arger Schalk! Das Feſt galt alſo mir?
Ich denk’, du gabſt dir’s ſelbſt und deinen Wünſchen.


Otto.

Ihr zürn’t doch nicht?


Königin.

Was Scherz iſt, tadl’ ich nicht.
— Nun auf! Ein Jedes wähle den Gefährten,
Dem es bei Tanz und Tiſch die Rechte gönnt. —
Nicht ſo! — Nein, das Verbund’ne laſſ’t uns trennen!
Des Gatten, des Geliebten Recht erliſch’t
Beim frohen Feſt, das Fremdes ſoll verbinden.
Ich ſelbſt, da es der Königin nicht ziemt,
Im Scherz auch einen Mann als Freund zu grüßen,


(Zu Erny.)

Erwähle, Gräfin, Euch mir zum Gefährten,
Wenn nicht vielmehr zum Manne mich für Euch.
Geb’t mir die Hand — die rechte!


(Ernys Hand in ihre beide faſſend.)

Glaub’t, ich lieb’ Euch!
Mein ſchönes Kind, ich lieb’ Euch, weiß es Gott!
Wir tanzen nicht, wir wandeln durch die Gäſte,
Und wenn der Hausfrau rings beſorgte Pflicht
Mich von Euch ruf’t, ſo ſoll mein theurer Bruder
Vertreten meine Statt. Dann tanz’t Ihr wohl
Ein Schrittchen, oder zwei. — Seyd Ihr’s zufrieden?
Mein frommes Kind, ich lieb’ Euch wahrlich ſehr!
Nun fort!


(Die Gäſte, die ſich Paarweiſe in Ordnung geſtellt haben, ſetzen
ſich in Bewegung.)

[39]
Königin

(zu Bancbanus, der noch immer im Vorgrunde rechts ſteht).

Was aber machen wir mit Euch?


(Während des Vorigen iſt die Thüre der Gallerie geöffnet worden.
Dieſe iſt mit Leuten aller Art angefüllt, die zum Theil Bitt-
ſchriften halten.)

Wer ſind die Leute da?


Bancbanus.

Eu’r hoher Gatte
Empfing um dieſe Stunde die Suppliken,
Bittſchriften aller Art.


Königin.

Thut’s denn ſtatt mir!
Ihr lieb’t die Feſte nicht. Weiß Gott, ich fürchte,
Ihr tadelt mir den Tanz, das Mahl, die Gäſte.
Bleib’t hier, und hör’t, was Jene dort begehren.
Hier iſt ein Tiſch, Papier und Feder hier.
Für eines Jeden Unterhaltung ſorg’ ich.
Eu’r Weibchen ſoll indeß’ Euch nicht vermiſſen;
So viel trau’t mir nur zu! — Beliebt’s, Ihr Herr’n?


(Sie geht mit Erny an der Reihe der Gäſte vorüber in die Sei-
tenthüre rechts ab. Die Gäſte folgen.)

Bancbanus

(zu einigen Dienern, die zurückgeblieben ſind).

Rück’t mir den Tiſch ein wenig ſeitwärts. — So!
Du läſſ’ſt die Leute vor. Du übernimmſt
[40] Die Schriften, die ſie reichen, leg’ſt ſie hieher.
— Die Feder iſt wohl ſtumpf?


(Hält ſie vors Auge.)

Nu, nu, ſie geht.
Nur Ordnung ſag’ ich Euch.


(Zum erſten Supplicanten.)

Was alſo willſt du?


(Er entfaltet die Bittſchrift.)

Jan Farkas. — Ei, mit deiner alten Bitte!
Hat dich der König nicht ſchon abgewieſen?
Nun glaub’ſt du wohl, weil er vom Lande fern?
Der König iſt noch da. Hier, ſiehſt du, ſteht er;
Und drinnen —


(Auf das Zimmer der Königin zeigend, vor ſich hin.)

Nu, weiß Gott! d’rin hüpft und tanzt er.


(Laut.)

Nichts da! Geh fort! Laß Beſſer’n deine Stelle.


(Ein Zweiter tritt vor.)

Die Erbſchaftsſache? Nu, wir wollen ſeh’n!
Im heut’gen Rath kam’s noch nicht zur Entſcheidung;
Im nächſten wird’s geſchehn. Glück auf, mein Freund!


(Hofleute gehen vorüber in die Zimmer der Königin. Sie zeigen
mit dem Finger auf Bancbanus, und flüſtern ſich in die
Ohren.)

Bancbanus

(zu einem Dritten).

Entſchäd’gung? Weil der Prinz auf letzter Jagd
Die Saat verwüſtet. — Er? — Der Prinz allein?
Die ganze Saat? Wohl nur des Prinzen Jäger?
Weßhalb denn ſchreibſt du: »Er?« Wo bleibt die Achtung,
[41] Verwünſchtes Volk! für Eurer Fürſtin Bruder?
— Man wird den Schaden ſchätzen und vergüten.
Ich bin ermüdet; bringt mir einen Stuhl.


(Ein Stuhl wird gebracht. Er ſetzt ſich.)

(Ein Edelmann vom Gefolge des Prinzen, eine Dame füh-
rend, aus dem Seitenzimmer links. Ein Kämmerer
öffnet.)

Edelmann
(zur Dame).

Ihr müßt zum Feſt; die Königin nimmt’s übel.
Sey’s auch, daß Ihr nicht wohl, ſo tanz’t denn nicht;
Doch kommen müßt Ihr. Es geht glänzend her.
Was iſt denn hier? Gehört das mit zum Feſt?


(Der Kämmerer ſpricht leiſe zu ihm, wobei er lachend auf Bancba-
banus weiſt.)

Bancbanus

(zu andern Bittwerbern).

Was knie’t ihr? auf! der König duldet’s nicht;
Und ich ſoll knieen ſeh’n von meines Gleichen?
Ich bin ein Unterthan, wie And’re. Auf!


Edelmann
(lachend).

Nu, das iſt luſtig! — Laßt uns denn hinein!


(Zu Bancbanus im Vorbeigehn.)

Seyd Ihr der Pförtner, Herr, des heut’gen Feſt’s?
Was zahl’t man Eintritt?


Bancbanus.

Klugheit nicht;
Ihr blieb’t ſonſt haußen wohl!


(Edelmann und Dame ab.)

[42]
Bancbanus.

Verwünſchtes Volk!


(Die Bittſchrift in der Hand.)

Ich ſehe wohl, warum ihr erſt geknie’t. —
Die Bitt’ iſt unſtatthaft. Seht doch! Zeh’n Goldſtück
Für jede Lieferung! — Nicht acht! Nicht fünf!


(Ein Diener reißt die Seitenthüre rechts auf und ſchreit.)

He, Waſſer und Citronen!


Zweiter Diener

(zur entgegengeſetzten Seite hereinkommend, ſchreit eben ſo).

Hier!


Bancbanus.

Nu, nu!
Ein wenig ſacht’!


Erſter Diener.

Hier ſitzt er! Blitz! Derweile
Setzt Herzog Otto ſeinem Weibchen zu.
Laſſ’ ihn uns ſchrauben! — Edler Herr! Befehl’t Ihr
Ein wenig Waſſer zu höchſt nöth’ger Kühlung?


Bancbanus.

Ja, ja, mein Sohn, gib her!


(Er nimmt das Glas.)

(Die beiden Diener platzen in Lachen aus und laufen davon.)

Bancbanus.

Was ſoll denn das?


[43]
Die Grafen Simon und Peter ſtürzen erhitzt aus dem Zimmer
der Königin.)

Peter.

Es iſt zu viel!


Simon.

Bancbanus, du noch hier?


Bancbanus.

Wo anders ſonſt?


Simon.

Fühlſt du denn nicht? — O, ſag’ ihm’s,
Sag’ ihm’s, ich bitte dich, mich würg’t der Zorn.


Peter.

Fühl’t Ihr denn nicht, daß Ihr der Spott des Hofes?


Bancbanus.

Der Spott? Warum?


Peter.

Daß draußen vor der Thür —


Bancbanus.

Ich übe, was mein Amt. — Ei ſpottet nur!


(Nach rückwärts gekehrt.)

Die Ford’rung iſt zu hoch, mein guter Freund.
Acht Thaler ſind genug. Das, Schreiber, ſchreibe!


Simon.

Bancban, auf Tod und Leben, höre mich!
Heiß dieſe Leute geh’n.


(Auf die Bittwerber zeigend.)

[44]
Bancbanus.

Du ſcherzeſt wohl?


Simon.

Nun denn, auf die Gefahr, daß ſie uns alle hören!


(Halblaut.)

Indeß du hier den Pförtner ſpielſt des Feſtes —
So nannten ſie dich d’rin und lachten! — lachten! —
Umſchwärmt der Prinz dein Weib.


Bancbanus.

Ich kann’s nicht ändern;
Kann ihn nicht ändern, wollt’ ich’s noch ſo gern.


Peter.

Er tanzt mit ihr.


Bancbanus.

Zum Tanz ward ſie geladen.


Peter.

Drückt’ ihr die Hand.


Bancbanus.

Er krieg’t den Druck nicht wieder,
Dafür bin ich dir gut.


Simon.

Biſt du ſo zahm?
Hab’ Mitleid mindeſtens mit deinem Weibe.
Sie fühl’t die Schmach, der Scheelſucht Spötterblicke;
Kaum hält des Hofes Brauch ſie noch beim Feſt.
Doch Unwill’ glüh’t in ihrem Angeſicht’.


[45]
Bancbanus.

Doch Unwill’ glüh’t in ihrem Angeſicht’!
Das ſagſt du ſelbſt, und willſt, ich ſoll ſie hüten?
Tanz’ zu! Tanz’, Erny, zu! Du wahr’ſt dein ſelbſt.


(Kehrt zu den Bittſchriften zurück.)

Simon.

Nun denn, ſo dulde, was du dulden willſt!
Ich kehre heim.


Peter.

Und ich zum Tanz zurück.
Und wag’t er’s, ſeiner Frechheit Raum zu geben,
Durch leiſeſte Berührung nur der Hand,
So ſtraf’ ich auf der That ſein ruchlos Werben,
Und Blut ſoll ihres Tanzes Eſtrich färben!


(Die Hand am Säbel, durch die Seitenthüre rechts ab.
Simon geht auf der entgegengeſetzte Seite.)

(Herzog Otto aus der Seitenthüre links, mit einem Begleiter.)

Otto

(im Auftreten zu Simon).

Iſt Gräfin Erny hier?


Simon.

Seht ſelbſt, und ſeht Euch vor!


(Ak.)

Otto.

Unhöflich Thier! — Wo aber iſt ſie hin? —
[46] Ihr Gatte hier? — Mit Ein’s war ſie verſchwunden.


(Zu ſeinem Begleiter.)

Sagt ich dir nicht, du ſoll’ſt auf jeden Schritt —?
Komm’, und vollführe, was ich ſonſt gebot.


(Im Vorübergehen.)

Bancban, iſt Eure Gattin ſchon nach Hauſe?


Bancbanus.

Ich weiß es nicht.


Otto.

Nu, nu, es ſoll ſich weiſen!


(In den Tanzſaal ab.)

Bancbanus.

Hier iſt es allzulaut. Kommt, folget mir!
Im Vorſaal draußen, auf den innern Gängen,
Macht leichter das und ruhiger ſich ab.
Die Königin verzeih’t wohl ſolchen Wechſel.


(Er faßt die auf dem Tiſche liegenden Papiere zuſammen.)
(Erny erhitzt und ſchwer athmend, kommt, ſich unter den Sup-
plicanten wegdrängend, durch die Mittelpforte.)

Erny.

Hier endlich, hier! Nun, Gott ſey tauſend Dank!


Bancbanus.

Je, Kind, was kommt dir an? Vom Tanz erhitzt!
Du gingſt wohl durch den Schloßhof? Herr und Gott!
Es kann dein Tod ſeyn, ſchneidend weh’t die Luft.
Du böſes Kind, was machſt du mir für Sorge!


[47]
Erny.

Nun iſt es gut! Weil nur bei dir! O, gut!


(Sie ſetzt ſich in den Stuhl.)

Bancbanus.

Zu luftig iſt es hier. Zurück zum Tanz!
Ein Reihen oder zwei, erwärmt dich wieder.


Erny

(aufſpringend.)

Zum Tanz? Ich weiche nicht von deiner Seite!
So drück’ ich mich in deine Nähe, ſo.
Trotz ſey geboten, wer von hier mich trennt.


Bancbanus.

Und dennoch muß es ſeyn. Sieh hier, Geſchäfte.


Erny.

Ich geh’ mit dir, ich falte dir die Blätter,
Ich ſtreue Sand, wie ich wohl oft gethan;
Doch nicht in jenen Saal mehr. Nein, fürwahr!


Bancbanus.

Was war denn?


Erny.

Nichts. Doch geh’ ich nicht von dir.


Bancbanus.

Bancbanus Weib ſteh’t gut in ſeiner Nähe,
Des Reichsverweſers Frau gehört zum Feſt.


[48]
Erny.

Gib ſie zurück denn dieſes Amtes Bürde,
Sey Ernys Gatte blos, mit ihr beglück’t.


Bancbanus.

Was fällt dir ein? Weil du nicht gern beim Feſt’,
Soll ich von Hof’, Unfrieden herrſchen laſſen,
Verwirrung rings im Land? Ich hab’s verſprochen,
Dem König angelobt bei ſeinem Scheiden,
Den Frieden zu bewahren hier, die Ruh’,
Und werd’ es halten, trifft was immer zu.
Dem Dienſte folg’ ich, folg’ dem Feſte du!


(Die Stiege herauf tönt Geräuſch von Stimmen und Schwert-
geklirre.)

Was iſt? — Horch! — Schwerterklang!?


(Zu einem Diener, der hereinſtürzt.)

Mein Freund, was gibt’s?


Diener.

Herr, Eures Bruders Diener und des Prinzen!
Sie ſtreiten, ſie ſind handgemein; man ficht.


Bancbanus.

Die Diener meines Bruders? Wer gab Anlaß?


Diener.

Des Prinzen Leute reizten ſie durch Spott.


Bancbanus.

Gleich viel? Wo iſt mein Schwert?


[49]
Erny.

Ich will mit Euch!
Ihr wagt Euch ſonſt.


Bancbanus.

Biſt du nicht klug? Bleib’ hier!


(Kämmerer kommt aus dem Zimmer der Königin.)

Kämmerer

(zu Erny).

Die Königin verlangt nach Euer Gnaden!


Bancbanus.

Hörſt du? Geh’ hin. Ich ſchlicht’ indeß die Fehde.


(Zu den Supplicanten.)

Ihr harret an der Treppe, bis die Ruh’,
Neu hergeſtellt, uns Muße gibt zur Rede.


(Er geht, die Uebrigen folgen.)

Erny.

Er geht. — Wo iſt der Kämm’rer, der mich rief
Zur Königin? — Gleich viel, ich will nur hin! —
Was kann der Prinz auch thun? Ich war wohl thöricht!
Zurück zum Feſt und ihm in’s Aug geblickt!
Du aber Gott, du gib mir Muth und Kraft,
Der Unbill zu begegnen mit Verachtung!
Gib, daß kein Wort, kein Wink, kein Laut
4
[50] Beſtät’ge was er meint und was er hofft! —
Doch erſt das Haar geordnet und die Kleider,
Verrathen möchten ſie mein kindiſch Zagen,
Deß wär’ er froh, allein da harre du!


(Im Vorgrunde ſtehend, und die Locken an den Fingern auf-
wickelnd.)

Sie glauben, weil ich ſelten ſprech’ und wenig,
Ich könne mich nicht wahren, nicht vertheid’gen.
Mein Vater ſprach wohl oft: Sie hat’s im Nacken!
Ich hab’ es auch! Ihr ſollt noch wahrlich ſeh’n! —


(Sie betrachtet noch ihre Schuhe.)

Nun iſt es gut. Der Schuh ſitzt fein genug!
Nun iſt es gut. Nun will ich nur hinein.


(Otto, der, während der letzten Worte, durch die Seiten-
thüre rechts, leiſe eingetreten iſt, nähert ſich jetzt von hin-
ten, ihre beiden Arme mit dem Aeußerſten der Finger be-
rührend.)

Otto.

Verſtärkt Ihr noch die Macht ſo vieler Reize?
O, ſchmückt Euch nicht, wir ſind ſchon wund genug.


Erny

(links nach dem Vordergrunde zurückweichend).

O Gott; er ſelbſt!


Otto.

Ich bin’s, und hochbeglückt,
Daß die Gelegenheit, ſo oft geſucht,
Und nie gefunden, günſtig dar ſich beut.


[51]
Erny.

So glaubt Ihr? — Laßt mich! Ich will fort!


Otto.

O bleib’t!


Erny.

Der Königin Befehl —


Otto

(vorkommend).

Er iſt erdichtet,
Von mir erdichtet; ſo wie jener Streit,
Der Euren Gatten in dem Schloßhof hält,
Auf mein Geheiß ſich, auf mein Wort entſpann.
Ich wollt’ Euch ſprechen, und ich thu’s, beim Himmel!
Es komme, was da will. Der Ort iſt günſtig,
Das Feſt hat aus der Nähe ſich gezogen,
In fernen Zimmern dampf’t das frohe Mahl;
Wir ſind allein, und doch — die Thüren offen;


(Auf die offene Pforte des Hintergrundes zeigend.)

Der kleinſte Ruf führt Zofen her und Diener.
Ihr ſeyd ſo ſicher gegen jede Kühnheit,
Als nur am eig’nen Herd.


Erny.

Und dennoch fort!


Otto.

Auch das. Hier iſt mein Arm. Komm’t mit zum Feſt!
Doch glaubt Ihr, mir dadurch Euch zu entziehn,
So irr’t Ihr, Gräfin, ſehr. Ihr kenn’t mich nicht.
4 *
[52] Doch wer mich kennt, der weiß: in Hofes Mitte,
Am off’nen Markt heiß’ ich Euch Rede ſteh’n;
Und leg’ Euch vor dieſelben Fragen, die —
Nichts mehr, als dies, — ich hier Euch ſtellen wollte.
Doch iſt’s Euch nicht genehm; — gut, wir verſchieben’s.


Erny.

O Uebermaß des ſträflichſten Erkühnens!


Otto.

Ihr ſeyd ’was eitel, merk’ ich, gute Gräfin.
Ihr glaubt mich wohl verliebt? Mag ſeyn! — Vielleicht!
Vielleicht auch nicht! Ich bin nicht ſo erregbar.
Ein Menſchenkenner bin ich, Menſchenforſcher,
Zumal auf Frau’n geh’t meine Wißbegier.
Die tauſend Formen zu erſpäh’n, die Krümmen,
In denen ſich das Eins und Eine birgt;
Das Eine: Heuchelei. Pfui, feige Schwäche!
Bin ich nicht gut, ſo wollt ich’s auch nicht ſcheinen.
Ihr aber ſcheinet Tauben, fromme Tauben,
Und ſeyd’s in Einem nur: in ew’ger Gluth.


Erny.

Das anzuhören ziemt mir nicht.


Otto.

(aus dem Wege weichend).

O ja!
Die Eine läßt ſich trauen einem Greiſe,
Mit grauem Bart und Haar, ein ſchlott’rig Scheuſal;
Voll Launen, abgeſchmackt, zum Tollhaus reif, —
Doch ehr’t und lieb’t ſie ihn.


[53]
Erny.

Sie ehr’t und lieb’t ihn!


Otto.

Wenn je und dann ſie ſchielt nach hübſchen Jungen,
Minutenlang mit ihrem Blick verweil’t —
Je, Neugier! Ei, zum Seh’n ward uns das Auge!
Wie? oder auch ſchon Menſchenforſcherin?
Auflauernd der Entwick’lung des Geſchlecht’s,
Und vom Gefühl gewendet zum Erkennen?


Erny.

Ich weiß, Ihr wollt beleid’gen und e[r]niedern;
Was ſonſt Ihr meint, weiß und verſteh’ ich nicht.


Otto.

Ihr blicktet nie nach Andern; ei, ich weiß!
Ihr war’t auch Jene nicht — wie, oder doch? —
Die, als man ihr beim Tanz die Hand —


Erny.

Ihr lüg’t!


Otto.

Vertheidig’t nicht, bevor man noch beſchuldig’t! —
Die, als man ihr beim Tanz die Hand gedrückt,
Den Druck zurücke gab. — Ich fühl’t es, ja!


Erny.

So mögen dieſe Finger denn verdorren,
Und Feuer ſie beſtrafen, lohe Gluth,
Wenn abſichtlos ſie und dem Willen fremd,
Euch Ander’s kündeten, als Haß und Abſcheu.


[54]
Otto.

Als Haß und Abſcheu. — Gut!


(Mit ſtarker Stimme.)

So geb’t zurück denn
Die Haare, die Ihr ſtahl’t von meinen Haaren!
Ich war nicht lang’ an dieſen Hof gekommen,
Da ſandt’ ich zum Geſchenk ſie meiner Schweſter,
In Kleinod ſie zu faſſen und Geſchmeid’.
Ihr aber glaubtet Euch allein und ſtahl’t
Vom Putztiſch Euch ein Pröbchen. — War’s nicht ſo?


Erny.

O Gott! Mein Gott!


Otto.

Das alſo wirkte!
O, Heuchelei, du abſcheuwürd’ges Laſter!
Und doch in Euch ſo ſchön, wie all’ das Eure.
Laſſ’t mich Euch danken für die ſchöne Sünde.
O, alle Tugend gleicht ihr nicht an Reiz!


(Er kniet.)

Erny.

Mein Prinz! — O glaub’t! — Doch ſteht vom Boden auf!
Daß jene Locke, kaum in meiner Hand —
Steh’t auf, ich bitt’ Euch! — daß ich ſie verbrannt;
Daß ich — o Gott! mein Gott! — Steh’t auf! — Man
kommt! —
Soll ich mit Thränen Euch im Auge bitten?


(Mit dem Fuße auftretend.)

Ich will nicht, ſag’ ich Euch, ich duld’ es nicht!


[55]
Otto.

Ich ſoll Euch hören, und Ihr ſelbſt verweigert’s?


Erny.

Ich will Euch hören, nur ſteh’t auf vom Boden!


Otto

(aufſtehend).

Es ſey! Doch auf Bedingung. — Seh’t, Ihr ſchuldet
Mir die Geſchichte jener Locke; ich
Hab’ eine Frage noch an Euch zu ſtellen.
Gönn’t zu geheimer Unterredung mir
Ein Viertelſtündchen, wo, und wann Ihr woll’t.


Erny.

Geheimes ich und Ihr?


Otto.

Geheim um Euretwillen!
Bring’t Zof’ und Diener mit, mir gilt das gleich!
Verwahr’t Euch, wie Ihr woll’t. Nur laſſ’t mich fragen.
Mir iſt’s um meine Zweifel nur zu thun. —
Seh’t Ihr denn üb’rall Liebe, eitles Volk?
Doch ſprechen muß ich Euch, muß Antwort haben!
Und woll’t Ihr anders nicht, ſo ſey es hier.
Noch einmal knieend, bitt’ ich Euch darum.


(Er beugt das Knie.)

Erny.

Halt’ ein! Ich will!


[56]
Otto.

Ihr gönn’t mir ein Geſpräch —
Und wo? und wann?


Erny.

O, nirgends, ach, und nie!


Otto.

Ich ſeh’, es macht Euch Müh’, davon zu ſprechen.
Hier iſt Papier und Feder; ich will geh’n.
Zwei Zeilen, die Ihr ſchreibt, mit Zeit und Ort,
Genügen mir. — Wenn heim die Gäſte kehren,
Nah’ im Getümmel ich mich Euch des Aufbruch’s,
Und leſe, was Ihr ſchriebt; mein Heil, mein Glück!
Bis dahin, lebet wohl! — O, meine Wünſche!


(In die Seitenthüre [rechts] ab.)

Erny.

Weh mir! Was iſt geſcheh’n? — Gerechter Gott!
Wenn in den erſten Tagen, da er kam,
Er fromm mir ſchien und gut — O pfui, pfui, pfui!
Erbärmliches Gefühl, du bleib’ſt mir fremd.
Und ſagen will ich’s ihm! — Doch hier, und jetzt —
Dem Raſenden, in Mitte ſeines Hof’s? —
Und ſprech’ ich nicht, ſo kehrt er tobend wieder,
Kniet, droh’t, beſchimpft. — Ich will ihm ſchreiben — ja!
Er hat’s begehr’t, und ich, ich will es thun.
Will ſchreiben ihm, ihn ſprechen ohne Zeugen,
Und hören ſoll er ein verzweifelnd Herz.


(Sie eilt zum Tiſche.)

Und doch — Es iſt nicht gut, es iſt nicht recht. —
[57] Woher ſonſt dieſes Zittern, dieſe Angſt?
Iſt Niemand hier? Mir kommt ein Schwindel an.
Horch! — Stimmen — Menſchen — Wo verberg’ ich mich?


(Sie hat das vor ihr liegende Blatt raſch gefaltet in den Buſen
geſteckt, und ſteht zitternd, zwiſchen Tiſch und Mauer ge-
drängt, da.)

(Bancbanus kommt.)

Bancbanus.

Der Streit iſt abgethan, ſo ſchnell geſchlichtet,
Als er begann. Faſt ſchein’t mir’s angeleg’t,
Abſichtlich angeleg’t, die Ruh’ zu ſtören.


(Auf ein Geräuſch wendet er ſich um.)

Doch wer iſt dort? — Ha, Erny, du? und bleich,
Und zitternd? — Kind, was war? — was iſt geſcheh’n?


(Er will ſie anfaſſen, ſie weicht zurück.)

Flieh’ſt du vor mir? — Ha, du biſt krank. —
Nur Hülfe!
Iſt Niemand hier?


Erny.

O, ſtill! Ich bin nicht krank.


Bancbanus.

Nicht krank? Und Todesbläſſe deckt die Wangen,
Aufzuckend fiebert eiſig jedes Glied. —
Laſſ’ uns nach Hauſe, komm’!


(Er greift nach ihrer Hand, ſie eilt an ihm vorüber, dem Vorgrun-
de zu.)

[58]
Erny.

Ich kann’s nicht tragen! Glühend brennt das Blatt,
Das frevle Blatt auf meinem ſchuld’gen Buſen.


(Sie wirft das Blatt von ſich.)

Nur fort, nur fort!


(Zu Bancban, der es aufgehoben hat.)

Vernicht’, zerreiß’, vertilg’ es!
Und Niemand ahne, Niemand, was es birgt.


Bancbanus
(es entfaltend).

Was birgt es denn? — Sieh, es iſt leer!


Erny.

Ha, leer?
Der Hölle Züge ſind d’rauf eingegraben.


Bancbanus.

Mag ſeyn! Doch lesbar nur für Gott, und für die Bruſt,
Die es gedacht, obgleich ſie’s nicht geſchrieben. —
Hier iſt dein Blatt, nimm es zurück.


Erny.

Ich nicht!
Bancban! Auf dieſem Blatt wollt’ ich dem Prinzen ſchreiben.


Bancbanus.

Verhüt’ es Gott!


Erny.

Und kamſt du nicht, ich that’s.


[59]
Bancbanus.

Die Königin mag wohl in Sorgen ſeyn
Ob jenes Streit’s. Den Ausgang meld’ ich ihr.


Erny.

Und läſſeſt du mich ſo allein? Bancbanus,
Willſt du dein Weib nicht ſtrafen und nicht hüten?


Bancbanus.

Beſtrafen? Hüten? Ei, ſag’ du nur ſelbſt:
Wie fang’ ich’s an? — Führ’ ich dich tobend heim,
Verſperre dich in’s innerſte Gemach,
Mit Schloß und Riegel, unter Thor und Gitter?
Verſchreib’ ich Stumme mir aus Mohrenland?
Verſchnitt’ne, die mein Weib allſehend hüten?
Und Nachts, die Dieb’slaterne in der Hand,
Schleich’ ich mich hin, und forſche, ob’s noch ſchließt?
Die Ehre einer Frau iſt eine eh’rne Mauer,
Wer ſie durchgräbt, der ſpaltet Quadern auch.


Erny.

O hart, zu hart, Bancban, mein Gatte!


Bancbanus.

Ich bin wohl alt genug, und du biſt jung,
Ich lebensmüd’ und ernſt, du heiter blühend.
Was gibt ein Recht mir, alſo dich zu quälen?
Weil du’s verſprachſt? Ei, was verſpricht der Menſch! —
Weil’s ſo die Sitte will? — Wer frägt nach Sitte?
Wenn nicht in deiner Bruſt ein ſtill’ Behagen,
Das Flüſtern einer Stimme leb’t, die ſpricht:
Der Mann iſt gut, auf Rechtthun ſteht ſein Sinn,
[60] Er liebt, wie Keiner mich, und wie zu Keinem,
Fühl’ ich zu ihm Vertrau’n; — wenn’s ſo nicht ſpricht,
Dann Gott mit dir, und mit uns Allen, Erny!
Dann ſchreib’ dem Prinzen nur!


Erny.

Mann! Vater! Gatte!


Bancbanus.

Ich weiß wohl, was ſie ſagen: Seht den Alten,
Er freit’ ein junges Weib! — Er täuſcht, man zwingt ſie.
Sag’, Erny, ſelbſt: ward’ſt du getäuſcht? gezwungen?
Von wem? und wann? Als Nemaret, dein Vater,
Im Tod zuſammenfügte unſ’re Hände,
Der blüh’nden Tochter und des Jugendfreundes,
Dem Schutz dich anvertrauend eines Gatten,
Wer zögerte, dein raſches Wort zu nehmen?
Wer ſchob die Heirath auf? Wer bat, beſchwor dich,
Dein Alter zu bedenken, und das ſeine? —
Allein, du wollteſt, und er fügte ſich,
Weiß Gott, wie gern! — Wenn’s nun dich reu’t —.


Erny.

Bancban!
So lag der Prinz vor mir auf ſeinen Knie’n,
So werf’ ich mich vor dich hin, ach, und ſchwöre —


Bancbanus.

Was fällt dir ein? Du knie’n vor mir, und ſchwören?
Dein Wort ſey »Ja!« und »Nein!« — Weißt du dich ſchuldlos,
Tritt hin vor mich und ſag’: Ich bin’s! Hör’ſt du?
Ich bin’s, bin ſchuldlos! — Und ſieh mir in’s Auge! —
[61] Nichts da! Den Blick nicht auf den Boden! Hier,
Auf mich dein Aug’! — Ja ſo, es ſchwimmt in Thränen?!
— Mißhandeln, Kind! mißhandeln wollt’ ich nicht!
Senk’ nur die Stirne, leg’ ſie an dieß Herz,
Und was du weiſt, das flüſt’re leiſ’ ihm zu.
Es wird dich hören, wie es dir verzeih’t.


Erny.

Verzeih’n? O, bitt’res Wort!


Bancbanus.

Nu, Kind, wer weiß —
Vielleicht dich bitten ſelbſt, daß du verzeih’ſt,
Was Thörichtes ich ſprach. — Es iſt mein Fehler,
Mein alter Fehler: ſtets der Mund voran!


Erny

(aufgerichtet).

Bancban! Vor Allem wiſſe: Kein Gedanke
Von Unrecht kam in meinen armen Sinn,
Nur daß — o Gott! Mein Gott!


Bancbanus.

Schäm’ſt du dich, Kind?
Das iſt dir nütz’! Schäm’ dich an meiner Bruſt!
So recht, den Kopf im Winkel eingeduckt,
Die Augen zu; recht wie der Vogel Strauß.
Und ſo laß ſprechen uns. — Du guter Gott!
Ich möchte ſingen, jubeln, jauchzen, ſchrei’n,
Daß ſie mir blieb, daß ich ſie nicht verlor.
Nun alſo denn: — der Prinz war hier?


[62]
Erny.

Ach ja!


Bancbanus.

War ungeſtüm?


Erny.

(aufgerichtet).

O, wenn du wüßteſt —!


Bancbanus.

Zurück, in dein Verſteck! — Ihm zu entgeh’n,
Verſprachſt du ihm ein Briefchen, oder ſo —
Ich könnte ſagen: Sey’s! Warum denn nicht?
Was ſchadet nur ein Brief? — Doch thu’ ich’s nicht:
Die Künſte ſind’s des hölliſchen Verſuchers.
Wer einen Fuß geſetzt, zieh’t nach den zweiten,
Und alles Böſen Mutter iſt Geheimniß.
D’rum ſchreibe nicht!


Erny.

Gewiß!


Bancbanus.

Und weich’ ihm aus.


Erny.

Ausweichen ihm? Ihm ſteh’n, ihn ſeh’n, vernichten!


Bancbanus.

Kind, Allzuviel geht gleich mit Allzuwenig.
[63] Laſſ’ ihn uns reizen nicht. Er iſt wie Flamme,
Und ſeine Schweſter häng’t, wie ſehr! an ihm.
Nicht ich, es ſoll mein Weib nicht Unfried ſtiften! —
Ertrag’, und überſieh ihn. Kurze Friſt,
So ſend’ ich dich hinaus auf ein’s der Schlöſſer,
Dann biſt du ſeiner quitt. Bis dahin, klug! —
Man kommt! Laſſ’ Niemand ahnen, was geſchah.
Unbill, die man erträgt, war gar nicht da.


(Zwei Kämmerer öffnen die Seitenthüre rechts. Die Königin
tritt heraus, hinter ihr Herzog Otto, und der ganze Hof.)

Königin.

Hier alſo meine ſchöne Tänzerin?
Sehr früh verließt Ihr mich.


Bancbanus.

Sie iſt nicht wohl;
Mit Eurem Urlaub führ’ ich ſie nach Hauſe.


Königin.

Nach Hauſe geht nun Alles, edler Rath;
Auch Eure Frau ſonach. — Glück auf, Ihr Herr’n!
Wir danken Euch, und hoffen’s zu vergelten.


Otto

(hat ſich indeß Erny’n genähert, die links im Vorgrunde ſteht. Leiſe).

Nun Gräfin, meinen Brief!


Erny
(laut).

Geh’t, ich veracht’ Euch!


(Wendet ſich zu ihrem Gatten.)

[64]
Otto.

Verachten, mich? — Auf Tod und Leben! Halt!


(Er dringt durch die Gäſte und ergreift Erny’s Hand.)

Warum verachtet Ihr mich? Ihr! Warum?


Königin

(indem ſie zwiſchen Beide tretend, ſie trennt).

Unſinniger! — Folgt, Gräfin, Eurem Gatten!


Otto.

Nicht laſſ’ ich ſie!


Königin.

Du wirſt, denn ich befehl’ es. —
Glück auf den Weg, Ihr Herr’n. Nur zu! Leb’t wohl!


(Die Gäſte ab. Königin zurückkommend.)

Unſinniger! Wie weit geh’t deine Tollheit?


Otto.

Und bin ich toll, ſo wahr’t Euch vor dem Tollen!
Du haſt’s geſagt, und ſo berühr’ mich nicht!
Hin auf den Boden werf’ ich meinen Leib,


(Er wirft ſich zur Erde.)

Und mit den Händen greif’ ich in den Grund.
Nicht hören und nicht reden! Raſe, ſtirb!


(Der Vorhang fällt.)

[65]

Dritter Aufzug.


(Vorzimmer der Königin. Rechts eine Seitenthüre, zu ihrem Ge-
mach führend. Im Hintergrunde der Haupteingang, an dem
mehrere Hofleute ſtehen. Unter ihnen Graf Peter.
Der Arzt wartend im Vordergrunde.)

(Die Königin tritt aus ihrem Zimmer.)

Königin.

Wo iſt der Arzt?


Arzt.

Hier bin ich, gnäd’ge Frau!


Königin.

Mein Bruder gilt für krank, und Ihr beſtärigt’s.
Kommt Ihr von dort? — Wie alſo ſteht’s mit ihm?


Arzt.

Nicht gut, muß ich bekennen; doch zugleich,
Daß noch die Form, der eigentliche Sitz
Des Uebelſeyns ſich nicht beſtimmen läßt.


Königin.

Ein feines Pröbchen Eurer Kunſt!


Arzt.

Verzeih’t!


5
[66]

Es läßt gar leicht ſich Grund und Urſach nennen,
Die Frag’ iſt nur, ob’s auch zum Falle paßt?
Wir Aerzte ſind Nachtreter der Natur,
Und unſ’re Herrin geht auf dunklen Pfaden.


Königin.

Ei gut! Ei ſchön!


(Zu Graf Peter.)

Man ſagt ja, Eure Schweſter
Sie geh’ auf’s Land? — In dieſer Jahreszeit?
Ohn’ Urlaub und Begehr? Scheint’s doch, ſie lernt
Von ihrem Gatten Hofesbrauch und Sitte.


Peter.

Verzeiht, ſie harrt im Vorgemache draußen,
Ob Ihr erlaubt —


Königin.

Warum ward’s nicht gemeldet?
Laßt ſie herein!


(Es geht Jemand.)

Nun, weiſer Oedipus,
Fahr’ fort, und löſ’ uns deine eig’nen Räthſel.


Arzt.

Des Herzog’s Zuſtand läßt ſich Fieber nennen.
Er liegt, und ſtarrt, und ſchweigt. Die Pulſe fliegen,
Die Stirne heiß, die Eßluſt fort.


Königin.

Wie ſo?


[67]
Arzt.

Er ſchlug die Diener, die ihm Nahrung brachten,
Weiſ’t ab ſo Speiſ’ als Trank.


Königin.

Seit wann?


Arzt

(achſelzuckend).

Wer weiß?


Königin

(ſtampft mit dem Fuße).

Arzt.

Und wenn man nicht —


(Erny kommt.)

Königin.

Ei, ſieh’ da, ſchöne Gräfin!
Ihr reiſ’t auf’s Land, dem Wonnemond entgegen?
Ihr werdet ſein noch etwas warten müſſen,
Wir ſind im März. Was treibt zu ſo viel Eile?


Erny.

Geſchäfte, gnäd’ge Frau!


Königin.

Ei, ich begreife!
Die erſte Graſung gibt die beſte Milch.
Da helf’t Ihr denn wohl ſelbſt mit eig’nen Händen?
Doch ernſthaft nun!


5 *
[68]
(Halblaut.)

Ich hoffe doch, der Vorfall
Von neulich Abends, er hat keinen Antheil
An dieſer Reiſe? — Hat er, Gräfin? Sprecht!
Nehmt das nicht höher, als die Meinung war.
Mein Bruder liebt zu ſcherzen.


Erny.

Scherzen, gnäd’ge Frau?


Königin
(verächtlich).

So glaub’t Ihr denn? — Wie, oder Gräfin, doch?
Wär’s etwa Ernſt geworden? Ernſt bei Euch?
— Was ſagt dies arme Herz?


Erny.

Wohl arm! Es ſchweigt!


Königin.

Und völlig ruhig denn?


Erny.

Vollkommen ruhig.


Königin

(ſich von ihr abwendend).

So reiſ’t mit Gott, und grüß’t mir Laub und Gras!
Einfältig Volk! Nur ſtumpf, nicht tugendhaft.
Harr’t draußen, ob noch etwas zu befehlen.


(Erny mit einer Verbeugung ab.)

[69]
Königin
(zum Arzt).

Eu’r Kranker, Herr, iſt toll, und gegen, Tollheit
Gibt es ein einzig Mittel nur: Vernunft.
Er mag ſich ſelber heilen. Sag’t ihm das!
Wie auch, daß er nicht hoffe, mich zu ſeh’n,
Bis er zu mir kommt, ſelbſt, als ein Geneſ’ner.


Arzt.

Doch wollet mich auch für entſchuldigt halten,
Wenn endlich doch Gefahr —


Königin.

Gefahr! Gefahr!
Es iſt nicht noth, daß gar ſo Viele leben;
Die Erde trägt unnütze Laſt genug.
Wer ſich Nothwendigem nicht fügen kann,
Mag ſterben, wär’s mein Bruder, wär’ ich’s ſelbſt.


Arzt.

Ich gehe denn.


Königin.

Bleib’t noch!


(Zu den Hofleuten.)

Iſt ſonſt noch Jemand
Im Vorſaal, der mein’ harr’t?


(Zum Arzte.)

Bei Eurem Kopf!
So glaub’t Ihr wirklich denn, daß Grund zur Sorge?
Geſteh’ ich’s Euch, ich dacht’, ein leeres Wahnbild,
Ein ungeſtillter Wunſch, ein Hirngeſpinnſt
Sey dieſes Uebels Grund.


[70]
Arzt.

Vielleicht! wohl möglich!
Streitſücht’ge Nachbarsherr’n ſind Geiſt und Körper,
Die Grenzen wechſeln und verwirren ſie;
Man weiß oft nicht, auf weſſen Grund man ſteht.
Doch, was es ſey, die Wirkung bleibt dieſelbe.
Zumal, wenn er die Nahrung von ſich weiſ’t:
Ein ganz Geſund ſtirbt, entbehrt er dieſe.


(Ein Diener kommt eilig.)

Diener.

O Herr! mein Herr!


Arzt.

Wer ruft?


Diener.

Der Prinz —


Königin.

Was iſt?


Diener.

Der Prinz — Ihr war’t kaum fort, da kam der Wärter
Mit Arzenei’n, die wies der Prinz zurück;
Gebot jedoch dem Mann, die Ader ihm
Am dargereichten Arm zu öffnen. Jener
Verweigert’s. Da ergreift der Herr den Dolch,
Und ſchleudert ihn. Am Haupte hart vorbei
Flog hin das Meſſer, daumtief in die Wand.


[71]
Königin.

Es iſt genug! Das Raſen hab’ ein Ende!
Zu Eurem Kranken kommt! Aus meinen Zimmern
Führt ein geheimer Gang uns nach den ſeinen.
Ob Wahrheit, oder Wahn, ob Kraft, ob Ohnmacht,
Es ſey im Klaren, und es ſey geheilt.
Was von Geſchäften hier, ſoll meiner harren.
Auch Gräfin Erny, heiß’t herein ſie treten,
Und mich erwarten. Bald kehr’ ich zurück.


(Mit dem Arzte durch die Seitenthüre ab.)

(Zimmer des Prinzen. Der Mittelgrund iſt durch einen breiten
Mauerbogen, und daran herabhängenden Vorhang geſchloſ-
ſen, der in ein inneres, alkovenartiges Gemach führt. In
der, nach vorn gekehrten, Verkleidung des Vogens, auf der
linken Seite eine Tapetenthüre. Im Vorgrunde rechts, eine
Seitenthür, in deren Getäfel ein blanker Dolch ſteckt. Ge-
genüber ein Tiſch und Stuhl.)

(Zwei Diener kommen durch die Seitenthüre.)

Erſter.

Ich zieh’ den Vorhang auf. Der Arzt will Licht.


Zweiter.

Der Prinz will Dunkelheit.


Erſter.

Allein, der Arzt —


Zweiter.

Du meinſt, es heile doch der Arzt die Beulen,
Die Ungehorſam bei dem Prinzen einträgt.


[72]
Erſter.

Ich thu’s! Horch! Pocht man nicht?


Zweiter.

Geh’ hin, und öffne!


(Erſter Diener öffnet die Tapetenthüre in der Bogenwand des
Mittelgrundes.)

(Die Königin und der Arzt treten ein.)

Königin.

Warum ſieht man nicht nach? Die Thüre läßt
Von Innen kaum, ſelbſt mit Gewalt, ſich öffnen.
Wo iſt mein Bruder? Zieh’t den Vorhang auf!


Erſter Diener.

Der Prinz verbot —


Königin.

Ich aber will’s. Gehorche!


(Der Vorhang wird aufgezogen. Herzog Otto liegt nach Vorne ge-
kehrt, den Kopf in die Hand geſtützt, auf einem querüber
ſtehenden Ruhebette.)

Königin.

Mein Bruder! — Ha, und wie entſtellt und bleich!
Wenn’s dennoch wäre! wenn — Verhüt’ es Gott! —
Geh’t hin, und fühl’t den Puls.


[73]
Arzt

(ſich dem Ruhebette nähernd).

Erlauchter Herr! —


Otto

(richtet ſich mit halbem Leibe, drohend, empor).

Arzt

(zieht ſich zurück).

Königin.

Was muß ich ſeh’n, mein Bruder? Weigerſt du
Der Hülfe dich, der heilbefliſſ’nen Sorge?
Nun glaub’ ich erſt, was kurz vor man berichtet.
Der Dolch in jener Wand bekundet deutlich,
Wie du dich nimmſt, wie ſehr du dein vergißt.
Du warf’ſt ihn nach dem kundig wackern Mann;
Er ſollte haften dort zur Straf’ und Warnung:
Doch ſchon’ ich dein, und finde ſelbſt bedenklich
Solch Werkzeug in des Raſenden Bereich.
Mach’t los den Dolch, ich nehm’ ihn ſelbſt zu mir.
Erſt dem Geneſ’nen geb’ ich ſeine Waffen.


(Der Dolch wird gebracht, ſie legt ihn auf den Tiſch.)

Er ſchweigt, kehrt nicht einmal den Blick nach mir? —
Nun Krankheit, oder Starrſinn, fort mit beiden!


(Näher tretend.)

Wie geht’s Euch, Herzog?


Otto.

Gut!


Königin.

So ſteh’t denn auf! —
Woll’t Ihr nicht eſſen?


[74]
Otto.

Nein!


Königin.

Warum nicht?


Otto.

Ich habe ſchon gegeſſen.


Königin.

Ha! Ihr lüg’t!


Otto.

Nun denn, ich mag, ich kann, ich will nicht.
Nicht eſſen und nicht athmen, leben nicht.


(Er wirft ſich herum, ſo, daß er mit aufwärts gekehrtem Geſichte
auf dem Rücken liegt.)

Königin.

Unſinniger, ſein ſelbſt vergeſſ’ner Thor! —
Geh’t Ihr hinaus! Ich werde nach Euch rufen.


(Arzt und Diener ab.)

Königin.

Kannſt alſo du der Gottheit Abglanz ſchänden?
Nicht Krankheit iſt’s, ich weiß, ich kenne dich!
Der Leidenſchaft und ihrer Raſerei
Wirfſt du die Gaben vor des gottgegeb’nen Geiſtes.
Sie glüh’t als Fieber durch dein kochend Blut,
Und wirft die Blaſen, die ſie Krankheit nennen.
Der Leidenſchaft! Und wär’ es Liebe noch,
Wenn auch verkehrt’, verbrecheriſche Liebe! —
War doch in alter und in neuer Zeit
[75] Entſchuld’gung ſie für manches Schlimm’ und Schiefe —
Doch iſt es Liebe nicht, iſt Tobſucht nur,
Des ungezähmten Geiſtes trotzig Walten,
Der Eigenſinn, der will, weil er gewoll’t.
Ich aber denk’ es nimmermehr zu dulden,
Am mind’ſten, wo ich Frau und Königin. —
Mir kommt die Luſt an, Wunder zu verſuchen!
— Steh’ auf, und ſey geſund, ſprech’ ich zu dir.
Steh’ auf, und zwar zur Stelle! Jetzt! Ich will’s!


(Sie hat ſeine Schulter mit ihrer Hand berührt, Otto richtet
ſich empor, und ſitzt mit aufgeſtützter Hand, und vorhängendem
Haupte da.)

O, Jammerbild der ſelbſtgeſchaff’nen Schwäche!
Wie ſchäm' ich mich, daß du von meinem Blut! —
Wo geh’ſt du hin? — Was willſt du?


Otto

der aufgeſtanden iſt, und einige Sch ritte gemacht hat, die Stirne
reibend).

Wußt’ ich’s doch! —
Ei, ja!


Königin.

Wo willſt du hin? Bleib’, Otto, bleib’!
Du willſt doch nicht in’s Freie? — Otto, ſprich!


Otto.

Ich will!


Königin.

Die Luft iſt rauh, der Abend kühl,
Du ſelber biſt erhitz’t.


(Sie hat ſeine Hand gefaßt.)

[76]

O Gott, wie heiß!
Ach, biſt du krank, wahrhaftig krank! Mein Bruder! —
O bleib’ doch, bleib’! Was willſt, was kannſt du wollen?


Otto.

So ruf’ denn ſelbſt, und laß’ die Pferde holen.


Königin.

Wie?


Otto.

Meine Pferde, meine Diener auch!


Königin.

Wo willſt du hin?


Otto

(aufrecht hinſchreitend, und Wams und Gürtel ordnend.)

Will heim, zu meinem Vater,
Zu meinen Brüdern, meinen Schweſtern allen,
Die mein begehren, mir mit Liebe folgen;
Zurück in meiner Heimath Alpenthal.
Was ſoll ich hier? Wo Jedermann mich haſſ’t,
Wo jedes Wort rückprall’t vom ſtumpfen Hörer;
Wo meine Schweſter ſelbſt das Beiſpiel gibt,
Mich zu erniedern.


Königin.

Ich?


Otto.

Ja du! Nur du!
Wer bin ich hier, und was an deinem Hof’?
[77] Beſchimpf’t nicht Jedermann mich ungeſcheu’t?
Trat’ſt du dazwiſchen nicht am ſelben Abend,
Wo ich die Thörin, die mir Hohn geſprochen,
Antrat zu Widerruf und zu Erklärung?
Trat’ſt du dazwiſchen nicht, als ſie es ausſprach,
Es ausſprach, daß ſie mich verachte! — Teufel!
Verachtung?! — Grimm und Tod! — Verachten? — Mich?!


Königin

(ihn anfaſſend).

Zu Hülfe! Aerzte! Diener! Hört denn Niemand?


(Der Arzt öffnet die Thür.)

Otto.

Laſſ’! Ich bin ſtark, wie der nemäiſche Leu,
Der Grimm ſtähl’t meine Sehnen ſtatt Geſundheit.


(Der Arzt zieht ſich zurück.)

Ja, ich will fort. Du aber, danke Gott!
Denn blieb’ ich hier, in Mitte meiner Schar
Durchzög’ ich dies dein Land, bis ich ſie fände,
Die Thörin fände, die mir Schmach gethan.
Aus ihres Hauſes Flammen riß’ ich ſie,
Aus ihrer Wächter Mitte, vom Gebet,
Und ſtellte ſie vor mich hin. Da, nun ſprich!
Wenn du es wag’ſt: warum du mich verachteſt?


Königin.

Mein Bruder, höre! — O, wie ſchäm’ ich mich!
Du haſt wohl Frau’n von höh’rer Art gekannt,
Ich ſelber darf mich zählen unter ſolche.
Haſt Geiſt gekannt, und Witz, des Umgang’s Reize.
[78] Wie kann nun Leidenſchaft für dieſes Weſen,
Kaum ſchön, von ſchwachem Geiſt, und dürft’gen Gaben,
Halb thöricht und halb ſtumpf, dich nach ſich zieh’n?
Und unerhört; denn, ſieh, ich weiß, mein Bruder!
Sie denk’t dein nicht.


Otto.

Wer ſpricht davon? — Und doch!
Weil ſie nicht will, und weil ſie’s nicht verdien’t,
Will ich ſie lieben, will mit jedem Reiz
Erfinderiſch ſie ſchmücken, mir zur Qual.
Will wiſſen, ich, warum ſie mich verſchmäh’t?
Den Zauber kennen, den der ekle Thor
Ausüb’t, ihr Gatte, über ſie; die Kräuter,
Die Sprüche, die ihm ihre Liebe bannen.
Dann komme, was da mag! Wer frägt nach ihr?
Laſſ’, ich will fort!


Königin.

Mein Bruder, höre!
Geh’ nicht von mir, du meines Lebens Glück!
Laſſ’ mich allein nicht hier in dieſer Wüſte,
Wo du der Einz’ge biſt, der Einz’ge, der da leb’t!
Mein Ich, mein Selbſt, mir theurer, als mein Selbſt!
Begehre, was du willſt, nur bleib’ bei mir!


Otto.

Ich kann nicht bleiben, ſo beſchimpf’t, entehr’t!


Königin.

Man ſoll genug dir thun. Verweis, Erklärung.
Ich banne ſie vom Hof’!


[79]
Otto.

Was fällt dir ein?
Glaub’ſt du, mein Zürnen brauche fremder Hülfe? —
Doch Ein’s! — Laſſ’ mich ſie ſprechen!


Königin.

Sprechen?


Otto.

Ja!
Die Gräfin, ſie. In deinem Zimmer. Hier!


Königin.

Euch zu erheben, woll’t Ihr mich erniedern?
Vermittlerin ich zwiſchen Euch und ihr?


Otto.

Ich ſagte dir: Von Lieb’ iſt nicht die Rede.
Ob ich ſie liebe, das ein ander Mal!
Doch ſprechen muß ich ſie, und weigerſt du’s,
So woll’ auch nicht, was ſonſt unmöglich iſt.


Königin.

Mein Otto!


Otto.

Und du kannſt es; wie ſo leicht!
Du ruf’ſt ſie her, und hinter jener Thür’ —


(Auf die Tapetenthüre zeigend.)

Biſt du ein Zeuge deſſen, was geſchieht;
Nur Zeuge, Hörer nicht. Drei Schritte fern
Harr’ſt du, bereit zu ſchneller Unterbrechung,
[80] Sobald der Zweiſprach Wendung dir mißfällt,
Sobald ein heftig Wort, ein Laut, ein Ruf,
Dir anzuzeigen ſchein’t, daß Trennung noth.
Du willſt? Du thuſt’s?


(Zur Thüre hinaus rufend.)

Hollah!


Königin.

Vorerſt nur noch —


(Ein Diener kommt.)

Otto.

Nicht ich, die Königin verlangt nach dir.


Königin

(nach einer kleinen Pauſe).

Ruft Gräfin Erny her in dieſes Zimmer!


Otto.

Noch Ein’s!


(Er ſpricht, mit dem Diener zur Thüre gehend, leiſe ihm in’s
Ohr. Diener ab.)

Königin.

Was iſt?


Otto.

Ein Auftrag meinen Leuten,
Daß wir nicht reiſen, daß wir bleiben noch.


[81]
Königin.

Nun aber hör’! Ich weiß, was ich verletze,
Wie ſehr zu tadeln, daß ich mich gefüg’t.
Verdammlich iſt die Liebe, meine Liebe,
Die du mißbrauch’ſt, und doch ſo theuer mir.
Nun aber zeige, daß du ihrer werth,
Erſpare einen Theil mir der Beſchämung,
Indem du ſo dich nimmſt, wie ich gehoff’t,
Als ich mich fügte deinen raſchen Wünſchen.
Gib mir dein Wort! —


Otto.

Man kommt!


Königin.

O Gott! —
Auf dir ruh’t nun mein Daſeyn. Fahre mild!


(Durch die Tapetenthüre ab.)

Otto.

Auch ich will nur hinein in mein Verſteck.
Der Feind erkenn’ erſt ſpäter die Gefahr.


(Er tritt hinter den Vorhang, der ſich ſchließt.)

(Erny kommt durch die Seitenthüre.)

Erny.

Es ward geſagt, die Königin ſey hier.
Wo iſt ſie denn? das Zimmer iſt ja leer.
Kein and’rer Ausgang auch, als wo ich kam.
Horch! — Hinter jenem Vorhang tönt ein Rauſchen.
6
[82] Vielleicht, daß dort —


(Sie blickt hinter den Vorhang, ihn in der Mitte öffnend. Während
dem tritt Herzog Otto leiſe von der recht[e]n Seite hervor, und
bleibt an der Thüre ſtehen.)

Auch hier kein lebend Weſen!
Wer wohn’t nur hier? Die Wände reich verzier’t —
Ein Schlafgemach — vielleicht wohl gar — o Gott!


(Sie erblickt den Herzog und läßt die Vorhänge fallen.)

Otto.

Erſchreck’t nicht, ſchöne Frau!


Erny.

Erſchrack ich denn?
Ich hin erſtaun’t, empör’t, doch nicht erſchrocken.
Zur Königin berief man mich hieher.


Otto.

Es iſt ihr Wunſch, daß Ihr ſie hier erwartet.


Erny.

Da gilt kein Wunſch und ſelber kein Befehl.


(Zum Gehen gewendet.)

Otto.

So hört denn mich, mein Bitten, meinen Schmerz.
Ich weiß, ich hab’ Euch ſchwer und tief beleidig’t.
Vor Allem laſſ’t Verzeihung mir erfleh’n.


Erny.

Wer Alles ſich erlaub’t, und ſelbſt verzeih’t,
Braucht der Verzeihung And’rer und Erlaubniß?


[83]
Otto.

Der ſüßen Nähe Reiz berückte mich.
Der Locken Gold, der Wangen Roſenlicht,
Die Stirn’ aus Elfenbein, der Augen blaue Himmel,
Die ganze, lichthell glänzende Geſtalt —
Allein, was ſprach ich, und was wollt’ ich ſprechen?
Ich bin verwirrt, ich bitt’ Euch, ſeh’t mir nach!


Erny.

Als kleines Mädchen nannten ſie mich eitel.
Ich bin’s nicht mehr.


Otto.

So viel der Himmelsgaben;
Dazu noch der Gedanke, daß — Ich weiß nun,
Wie ſehr ich irrte, damals aber glaubt’ ich’s —
Daß Euer Auge mit Zufriedenheit,
Mit Wohlgefallen auf mir hafte. Jener
Unſel’ge Druck der Hand, den ich beim Tanze
Zu fühlen glaubte — Haare, meine Haare,
Die Ihr ſo gütig waret zu bemerken,
Zu Euch zu nehmen. —


Erny.

Auf dieß Eine hört,
Was ich zur Deutung —


Otto.

O nicht doch, o ſchweigt!
Laß’t uns nicht mehr von dieſen Träumen ſprechen!
Ich weiß zu gut, wie ſehr ich mich getäuſch’t.
Dies Alles nun, und über alles And’re,
6 *
[84] Daß Euer Gatte — Gräfin, Ihr verzeih’t!
Bancbanus iſt, ich weiß, ein Ehrenmann,
Wohlredenheit ſtrömt über ſeine Lippen,
Iſt geiſtreich, witzig, ſchnellgewandt im Rath.
Sein Bart iſt grau, allein in Ehren grau;
Sein Säbel ſchlägt die Ferſen, wie ein and’rer.
Ein Ehrenmann, fürwahr! Doch etwas — unſchön,
Beinahe möcht’ ich’s lieber gräßlich nennen.
Allein, ich ſeh’, Ihr ſeyd nicht meiner Meinung!
Wohlan, ich geb’ es zu. Der erſte Eindruck
Thut wohl das Schlimmſte, und der Mann gewinnt,
Zumal in einiger Entfernung. Aber
Wenn auch nicht grau, und wenn nicht widrig auch,
Was wär er gegen dieſen holden Umfang
Von Allem, was der Himmel reizend ſchuf?
Als ich mit ihm zum erſten Mal Euch ſah,
Da rief’s in mir: Verkehrt iſt die Natur!
Entſprieſt dem Eis die Königin der Blumen?
Gezwungen iſt ſie, oder iſt betrogen;
Des Ritters Pflicht, Gefang’ne zu befrei’n.


Erny.

Spar’t Eure Ritterpflicht auf größ’re Noth.
Mit freier Wahl erkor ich meinen Gatten.
Und wenn nicht jung und wenn nicht blühend auch,
Weit höher acht’ ich ihn, als —


Otto.

Sprech’t nicht weiter
Antwortet mehr nicht, als man Euch gefrag’t!
Beleidigen iſt leicht, doch ſchwer verſöhnen.


[85]
Erny.

Wir ſind zu Ende, ſcheint’s, und ich kann geh’n.


Otto.

Noch nicht. Das Letzte fehlt, iſt noch zu ſagen.
Dies Land, wo meine Schweſter lebt und herrſcht,
Wo Alles mich umringt mit Luſt und Freuden,
Durch die Ereigniſſe der letzten Zeit
Iſt’s mir zum Gräu’l geworden, und zur Hölle.
Nach Teutſchland kehr’ ich heim — Ich ſeh’, es freu’t Euch!
Nun, um ſo lieber reiſ’ ich, macht’s Euch Freude.
Beim Scheiden nun gönnt mir als letzten Troſt —
Ihr könnt es leicht, denn bin ich fern, wie kann ich
Je Vortheil zieh’n aus Eurer Huld und Meinung —
Gönnt mir den Troſt, daß Ihr Euch mein erinnert.


Erny.

Erinnern Eurer? nie!


Otto.

Daß ich Euch völlig
Gleichgültig nicht.


Erny.

Gleichgültig ganz und völlig.


Otto.

Ihr lüg’t! — Ihr täuſch’t Euch, fürcht’ ich — O, ich weiß,
Was Euch ſo ſtrenge macht, ſo herb und kalt.
Ihr haltet mich für ſchlimm. Ich bin’s! ich war’s!
Geboren auf der unglückſel’gen Höhe,
Wo man nicht Menſchen kennt, nur Schmeichler, Sclaven;
Emporgetragen von des Haufens Gunſt,
[86] Aus Hand in Hand, ein Spielball fremder Neigung;
Begabt mit Manchem, was ſonſt Frauen lock’t,
Stürzt’ ich mich in des Lebens bunt’ Gewühl.
War ich nicht gut; ich konnte ſchlimmer ſeyn!
Gab böſes Beiſpiel ich, wer gab mir gutes?
O, wäret damals Ihr in Himmelsklarheit
Hinabgeſtiegen in die Schauerhöhle,
Wo ich, mit Molch und Natter ſpielend, lag;
Ich hätt’s erkannt an Eurem reinen Licht,
Wär’ Euch gefolgt, wär’ glücklich nun und ſelig.


Erny.

Setz’t Ihr’s voraus, weil’s nun unmöglich iſt?


Otto.

O, nicht unmöglich! Jetzt noch möglich, jetzt noch!
Wenn Ihr nur woll’t, wenn Ihr Euch nicht entzieh’t.
Ich ford’re ja nicht Liebe, Liebe nicht!
Gönn’t mir nur Antheil, Neigung, Euer Aug’ nur,
Daß ich es fragen darf mit meinen Augen:
War’s alſo recht? wenn ich nicht ſchlimm gethan.
— Ihr willig’t ein? Ihr ſtoßt’ mich nicht zurück?


Erny.

Hab’t Ihr vergeſſen, daß Ihr reiſen wolltet?
Der Meiſter hat den Schüler gern um ſich,
Ich aber wünſch’ Euch fern.


Otto.

Verkenn’t Ihr denn
Der Tugend ſchönſtes, weltbeglückend Vorrecht,
Wo ſie geblüh’t, auch Samen auszuſtreu’n?
[87] Genügt es denn der Sonne, daß ſie Licht,
Geht ſie nicht auf, uns Alle zu erleuchten?
Wenn Ihr dereinſt am großen Tage ſteh’t,
Umgeben von den Engeln Eurer Thaten,
Woll’t Ihr dann nicht den Blick zurückeſenden,
Und ſagen: dieſer Mann iſt auch mein Werk?


Erny.

Es hör’t ſich gut, doch handelt Ihr nicht ſo.
Wer dürft’ Euch trauen, wenn er wollte ſelbſt?


Otto.

Ihr dürf’t! Ihr ſoll’t! — O, dieſer Augenblick
Iſt fruchtbar an Entwürfen und an Thaten!
Geſteh’ ich’s Euch! Als man Euch herbeſchied,
War finſter meine Bruſt, und Gräßliches,
Das Aeußerſte bewegte ſich in mir.
Doch Euer Anblick bannte jene Schatten.
Lern’t mich erſt kennen, achten wohl zuletzt.
Des Leuchtthurm’s Flamme ſeyd dem irren Schiffer,
Er ſieht das Ufer nicht, von Nacht umfangen;
Doch ſteuert er getroſt dem Schimmer zu,
Er weiß, dort, wo das Licht, iſt Land und Rettung.
— Ihr woll’t? Ihr thut’s? — Geb’t mir die Hand darauf!
Die Hand, um die ich bitte — Eure Hand!


Erny.

Ha, was war das? Enthüll’ſt du ſelber dich? —
Tilg’ erſt den Schimmer dort aus deinem Auge,
Der, lauernd, ſich gelung’ner Plane freu’t.
Wirbſt du nach Tugend und gehör’ſt der Sünde?


[88]
Otto.

Der Sünde nicht! — Noch nicht! Noch iſt es Zeit!
Gib mir ein mildes Wort, und rette dich,
Errette dich und mich!


Erny.

Ich, Milde dir? —
Ich haſſe, ich verabſcheu’, ich ver —


Otto.

— achte!
Verachtung, war’s nicht ſo? — Merk’t Euch das Wort!
Ihr ſprach’t es einmal ſchon, an jenem Abend;
Merk’t Euch das Wort! Ihr ſteh’t dafür mir Rede! —
Fahr’ aus, du guter Geiſt, der mich beſchlich,
Als ich ſie bat, der faſt mich übermann’t,
Räum’ deinen Platz dem Finſterſten der Hölle! —
Schwachſinnig Weib mit der erlog’nen Tugend,
Die heilig möchte heißen, weil ſie kalt!
Du liebſt mich nicht? — Was frag’ ich um dein Lieben?
Du haſſeſt mich? Was kümmert mich dein Haß?
Doch weißt du, Thörin, was Verachtung heißt?
Verachteſt du mich, Weib? Das bitt’ mir ab,
Auf dieſen deinen Knieen bitt’ es ab,
Sonſt fürchte meinen Zorn.


Erny.

O Gott! Mein Gott!
Wer rettet mich?


Otto.

Du ſelbſt, wenn du dich füg’ſt.
[89] Allein, wenn nicht, dann Unglückſel’ge! wiſſe:
Verſchwinden ſollſt du vom Geſicht der Erde,
Daß ſich die Leute fragen: Iſt ſie todt?
Indeſſ’ du leb’ſt in dunklen Schauerklüften,
Umgeben von des Ortes Einſamkeiten,
Wo nur Erinnerung und du.
Dort ſoll’ſt du jammern, ſoll’ſt die Hände ringen,
Wie einen Feſttag zählen jeden Tag,
Wo mich mein Fuß in deine Zelle trägt.
Umſonſt dein Fleh’n, umſonſt ſelbſt deine Liebe.


(Näher tretend.)

Wenn du mir Liebe bötheſt ſelbſt —


Erny.

Ich dir?
Ha, mein Gefühl, ich hab’ es dir genannt.


Otto.

Du haſt. Es ſey!


(Er tritt hinter den Vorhang.)

Erny.

O Gott! Was wird?
Er ſinn’t Gefährliches. Nur fort! Entflieh’n!


(Sie eilt zur Thüre, und verſucht es, ſie zu öffnen.)

Die Thür’ verſchloſſen. — Gott! Wer ſchloß die Thür?
Wer rettet mich? Sie kommen! — Großer Gott!


[90]
(Der Vorhang fliegt auseinander. Herzog Otto tritt vor. Hin-
ter ihm zwei Gewappnete, deren Einer die Schnur des
Vorhanges gezogen hat. Im Hintergrunde zeigt ein, aus ſei-
nem Rahmen geſchobenes, großes Bild den Eingang, durch
den ſie gekommen ſind.)

Otto.

Ergreif’t dies Weib! Bring’t ſie nach Forchenſtein,
Auf den geheimen Pfaden, die ihr kenn’t.


Erny

(die wieder nach der linken Seite des Vorgrundes geflohen iſt).

Mein Prinz!


Otto.

Es iſt zu ſpät!


(An der Tapetenthüre wird gepocht.)

Ha, Schweſter! du?
Es iſt zu ſpät, ſag’ ich nun auch zu dir.


(Er dreht den Schlüſſel an der Tapetenthüre.)

Die Würfel liegen, und kein Schritt zurück.
— Ergreif’t ſie, ſag’ ich euch!


Erny.

Ich aber: Weich’t!


(Sie hat den Dolch ergriffen, der auf dem Tiſche lag.)

Du hülfreich Werkzeug, dich hat Gott geſendet!
Glaub’ſt du dich meiner Herr und jauchzeſt d’rob?
Wer mich berührt, den trifft dies ſcharfe Eiſen.
Ein zürnend Weib und eine Ungarin,
Wer wagt’s und nah’t?


(Sie thut einige Schritte ihnen entgegen, die Gewappneten
halten ein.)

[91]
Otto.

Ha, Feige, zittert ihr,
Und hab’t doch Harniſch’ an!?


(Die Gewappneten gehen auf ſie los.)

Erny.

Erbarmen! — Ha!
Sie nah’n, ſie faſſen mich!


(Einer der Gewappneten hat ſie ergriffen, ſie reißt ſich los.)

Hier iſt kein Harniſch.


(Sie ſtößt ſich den Dolch in die Bruſt.)

O weh’! — Es ſchmerzt! — Muß ich ſo früh ſchon ſterben? —
Mein Blut! — Es ſchmerzt! —


(Sie ſinkt zu Boden.)

(Herzog Otto entflieht nach dem Innern des Gemaches zu. Sobald
gepocht wird, bleibt er erſtarrt ſtehen, noch immer in der Stel-
lung eines Fliehenden, den Rücken gegen die Zuſchauer gekehrt.)

Königin

(von Innen an die Tapetenthüre pochend).

Macht’ auf! — Bei Eurem Leben, öffnet!


(Einer der Gewappneten öffnet die Tapetenthüre.)

Königin
(tritt heraus).

Was ging hier vor? Um aller Heil’gen willen!
Verruchter! Das mein Lohn und dein Verſprechen?
Such’t Hülfe! Eilt!


(Um die Todte beſchäftigt.)

(An der Seitenthüre rechts wird heftig geſchlagen. Verwor[r]’ne
Stimmen laſſen ſich hören.)

Königin.

Mein Gott! Was iſt nun das?


[92]
Peter
(von Außen).

Sie ging hinein! Wir haben ſie geſeh’n!


Simon
(eben ſo).

Spreng’t auf die Thüre, öffnen ſie nicht willig.


Königin

(ihren Bruder an der Hand ergreifend, und vorführend).

Unſeliger! ſtell’ dich an meine Seite!
Die Raſenden ergreifen, tödten dich!


(Die Thüre wird eingeſprengt. Bancbanus. Die Grafen Si-
mon
und Peter, mit Dienern und Gewaffneten,
ſtürzen herein.)

Simon.

Bancbanus, ſieh! Dort lieg’t dein Weib ermordet!


Bancbanus.

O Erny! O mein Kind, mein gutes, frommes Kind!


(Kniet an der Leiche.)

Peter.

Iſt keine Hülfe? Sendet Diener aus!


Simon.

Umſonſt! Getroffen iſt der Sitz des Lebens.
Kein Arzt, kein Gott gibt wieder ſie zurück.
Nichts mehr für ſie zu thun, als ſie zu rächen!
Dort iſt der Mörder! Dieſer hats gethan.


(Auf Otto zeigend.)

Heraus, mein Schwert, und freu’ dich auf ein Feſt!


[93]
Peter.

Du grimmer Wolf, was that dir dies mein Lamm?


(Er zieht ebenfalls.)

Simon.

Auf ihn! Hau’t ihn in Stücke! Stoß’t ihn nieder!


Königin.

Zurück! Wer klag’t hier an? und wer beweiſt?


Peter.

Liegt nicht das Opfer todt in ſeinem Blut?


Simon.

Steh’t nicht der Henker dort? Wer anders konnt’ es?


Königin.

Wer anders? Ich! — Ich ſelber hab’s gethan.
Sie hatte höchlich ſich an mir vergangen,
Und alſo ſtraft ich ſie. Wenn mein Gemahl
Zurücke kehrt, ſteh’ ich dem König Rede.
Bis dahin —


(Zu Otto.)

Komm! — Und Ihr kenn’t Eure Pflicht!


(Mit ihrem Bruder zum Abgehen gewendet. Die Uebrigen ſtehen
um die Leiche.)

(Der Vorhang fällt.)

[94]

Vierter Aufzug.


(Platz vor Bancbanus Hauſe. Die Grafen Simon und Peter
kommen mit Begleitung. Alle bewaffnet. Sie bleiben im
Vorgrunde rechts ſtehen.

Simon.

Bancbanus nicht zu Hauſe? — Aber ſeht,
Dort nahen ſie, ſie kommen vom Begräbniß.
Was fällt ihm ein? Begräbt er ſeine Frau? —
Ein Bahrrecht ſoll uns werden, blut’ges Bahrrecht!
Er wird ſchon alt und kindiſch; höchſte Noth,
Daß And’re denken, handeln d’rum für ihn.


(Zu Peter.)

Sey ruhig, Bruder! Dir ſoll Rache ſeyn!


(Zu einem Begleiter.)

Du aber kehre zu den Unſern. — Sag’,
Sie ſollen jeden Ausgang ſtreng’ bewachen,
Der aus dem Schloß in’s Freie führt. Man will
Den Mörder unſerm Grimm entzieh’n, ihn heimlich
Nach Teutſchland ſenden; doch das ſoll, das darf nicht!
Ich will dich zerren, blut’ger Wolf! Geh’ nur!
Und komm’ ich ſelbſt, und haben wir nicht Antwort,
So ſtürmen wir das Schloß!


(Begleiter geht ab.)

[95]
(Im Hintergrunde kommt Bancbanus auf zwei Diener ge-
ſtützt. Verwandte und Freunde hinter ihm, alle in Trauer.
Sie gehen quer über die Bühne auf das Haus zu.)

Simon.

Er kommt.


Peter.

Und ſieh, wie bleich!


Simon
(ruft).

Bancbanus!


Bancbanus
(anhaltend).

Halt! Wer ruft? Ah, du, mein Bruder?


(Nach vorne kommend.)

Wir haben dein entbehrt bei dem Geleit’.
Ich ſandte zu dir, doch, du warſt nicht heim.


Simon.

Nicht heim? Nicht heim?


(Gegen ſeine Begleiter gewendet.)

Wo war ich denn derweile?


Bancbanus

(zu den Leichengäſten.)

Euch Andern Dank für dieſen letzten Dienſt,
Den Ihr erwieſen mir und meinem Weib!
Zur ſichern Ruh’ſtatt brachten wir ſie hin,
Wo Gott ſie hat, und hat ſie — ach! ſo lieb,
Daß er ſie nimmer läßt. O, nimmer! nie!


(Mit erſtickter Stimme.)

Nun denn: dein Will’ geſcheh’! — Kehrt nun nach Haus,
Und haltet ruhig Euch und ſtill. Denkt d’rum nicht ſchlimmer
[96] Von mir und von den Meinen. Wenn mein Weib ſich
Auch eines Fehltritt’s, wie es heißt, vermaß,
Für den man ſie ſo hart, ach, gar ſo hart beſtraf’t;
Geſchah’s gewiß aus Uebereilung nur,
Denn ſie war ruſchlich — o, mein Weib! mein Weib! mein
Weib! —
Was ſie verſeh’n, und wie ſie ſich vergangen,
Ob man zu ſtreng, zu hart an ihr gethan,
Es wird ſich weiſen, kehrt der König wieder.
Und das ſoll bald, gemeldet ward’s ihm ſchon.
Der nun wird ſitzen mit dem Schwert des Recht’s,
Wer rein, wer ſchuldig, wird ſein Wort entſcheiden.
Bis dahin haltet Euch als ruh’ge Bürger,
Und meines Dank’s verſichert, lebet wohl!


Simon.

Halt noch! Und du! Seyd Ihr ſo zahm, ſo feig’,
Daß Ihr mit Thränen ehr’t nur ihren Tod?
Sie hätte eines Fehltritt’s ſich vermeſſen? —
Getödtet hat man ſie, hat ſie ermordet,
Weil ſie ſich nicht gefüg’t verbot’ner Luſt.


Bancbanus.

Biſt du der Richter hier in dieſem Land?
Der Alleswiſſende du ob den Sternen,
Daß du ſo kühn dein Urtheil gibſt für Recht?


Simon.

Ein Ungar bin ich, rufend um Gericht.


Bancbanus.

Es ſoll dir werden, kehrt der Richter heim.


[97]
Simon.

Dann iſt der Schuld’ge fern. Sie retten ihn.


Bancbanus.

Das ſoll man nicht.


Simon.

Sie wollen’s, und ſie thun’s!


Bancbanus.

So ſehr denn lechzeſt du nach ſeinem Blut?


Simon.

Ich, ja!


Bancbanus.

Auch ich, gäb’s wieder mir mein Weib.


Simon.

So tret’ ich denn als ihr Verwandter auf,
Und ford’re Bahrrecht, Blutrach’, und zur Stund’.


Bancbanus.

Ich bin der Nächſte, dem man ſie geraubt,
Dem man ſein Heil, dem man ſein Glück getödtet,
Mein Kind, mein Weib, mein Alles auf der Welt.
Wenn nun nicht ich, wer iſt ſo kühn und redet?
Hier ſteh’t noch Einer, ſieh, ihr Bruder hier,
Allein, er ſchweigt, und ſtarret auf den Grund.
Komm, Peter, komm! Wir wollen in mein Haus!
Es iſt um Zwielicht ſchon; wir ſetzen uns
Dort, wo ſie ſaß und ſprach, und ſagen uns
7
[98] Wie lieb ſie war und gut. Komm, Peter, komm!
Und weinen uns recht ſatt.


Simon

(Peter am Arme haltend).

Nicht von der Stelle!


(Zu Bancbanus.)

So wiſſe denn: die Burg iſt ſchon umringt.
Auslieferung des Mörders fordern wir;
Nicht, ihn zu tödten, nur zu ſich’rer Haft.
Wird nicht Gewährung uns zu dieſer Stunde,
So ſtürmen wir das Schloß. Biſt du ein Mann,
So nimm dein Schwert, und geh’ an unſ’rer Spitze.


Bancbanus.

Aufrührer, ich mit Euch? Ich bin der Mann des Friedens,
Der Hüter ich der Ruh’. Mich hat mein König
Geordnet, ſeinen Frieden hier zu wahren.
Ich in den Bürgerkrieg mit Euch?
Fluch Bürgerkrieg! Fluch dir vor allen Flüchen!
Aufrührer, ſieh, und ſo verhaft’ ich dich,
Im Namen meines Königs, deines Herrn.


Simon

(ihn mit vorgeſtreckter Hand abhaltend).

Schwachſinniger! Bewahr’ſt du And’rer Rechte,
Und kannſt die eig’nen nicht bewahren dir?
So bleib’ denn, bleib’! Das Ziel ſey der Verachtung,
Ein Spott für Jeden, dem die Ehre lieb.
Kein Tapf’rer ſetze ſich an deinen Tiſch
Der Bettler weiſe dir zurück die Gabe,
Unheilig ſey die Stätte deines Grab’s.
Bewein’ dein Weib! ich aber will ſie rächen.
[99] Ihr in der Trauer friedlichem Gepränge,
Nehm’t Schild und Schwert, zeigt männlich Euer Leid!


Bancbanus.

Verwandte! Freunde! Haltet! Hört mich erſt!


Simon.

Wer denk’t, wie ich, der trete her zu mir.


(Die Leidtragenden treten zu ihm über, und nehmen Waffen.)

Bancbanus.

Bin ich allein für meines Königs Sache?
Unglückliche! vernehmt —


Simon.

Schlagt Schild und Schwert zuſammen,
Hör’t nicht, was er in ſeinem Wahnwitz ſpricht.


(Sie ſchlagen unter lautem Ausruf ihre Waffen an einander, indeß
Bancbanus fruchtloſe Verſuche zu ſprechen macht.)

Bancbanus.

Ihr wollt, nicht hören? Krieg denn wollt Ihr? Hab’t ihn!
Doch gegen Euch mit meinem letzten Odem.
Geb’t mir mein Schwert! mein Schwert! — mein Schwert!


(Er wendet ſich wankend gegen ſeine Diener, und ſinkt endlich
in ihren Armen zur Erde.)

Simon.

Laß’t ihn, und überlaß’t ihn ſeiner Schwäche!
Die Zeit verrinn’t. Folg’t mir! Kommt mit auf’s Schloß!
Der Rache ſey ihr Recht, dem Recht ſey Rache!


(Mit ſeinen Begleitern ab.)

7 *
[100]
(Pauſe. Es wird allmählig dunkler.)

Bancbanus

(richtet ſich mit Hülfe ſeiner Diener vom Boden auf).

Wo ſind ſie hin? — Bringt mich in’s Haus zurück!
Hol’ einen Mantel du! — Du kannſt ja rudern? —
Auch eine Blendlaterne bringe mir!
Es wird ſchon dunkel. Führt mich in mein Haus!


(Sie bringen ihn in’s Haus.)

(Zimmer der Königin, mit einer Mittel- und zwei Seitenthüren,
von denen jene rechts nach dem Vorgrunde zu, die zur
linken Seite aber gegen den Hintergrund angebracht iſt. Rechts
im Vorgrunde ein Tiſch mit Lichtern, dabei ein Lehnſtuhl.)

(Hinter der Scene ertönt ein Schrei. Dann ſtürzt die Königin
aus der Seitenthüre rechts. Herzog Otto hinter ihr, das
Schwert in beiden Händen gerade vor ſich hin haltend, wie
Einer, der ſich anſchickt, zum zweiten Male auszuholen.)

Königin.

Um Gotteswillen! Bruder, was beginn’ſt du?


Otto.

Ah, Schweſter! ſo biſt du’s? Ich dachte, ſie wär’s,
Die blaſſe Gräfin, ſie. — Nun, ſo iſt’s gut.


(Will zurück.)

Königin.

Ich bitt’ dich, bleib’!


Otto.

Warum?


[101]
Königin.

Ich bitte dich!


Otto.

Wart’ noch!


(Er geht in das Zimmer zurück.)

Königin.

Auch dieſer Troſt noch ſollte fehlen!


Otto

(kommt zurück, einen Gewappneten führend).

Hier ſtell’ dich an die Thür, und ſieh’ſt du? ſo
Halt’ deinen Spieß. Wer irgend nun herein tritt,
Und weiß das Merkwort nicht, den ſtöß’ſt du nieder.
Triff zwei Mal, oder drei Mal, bis er todt.


(Vorkommend.)

Ich ſelber halte dieß mein gutes Schwert,
Ich hab’s geſchliffen —


(Es ſeiner Schweſter hinhaltend.)

Fühl’!


(Er verſucht ſelbſt die Schneide.)

Hui! Scharf, wie Gift!
Das in der Hand, den Rücken ſo geſichert —


(Er ſchiebt den Tiſch nach rückwärts.)

Der Tiſch iſt für den erſten Anfall gut. —
So will ich ſitzen, und will wachſam ſeyn.


(Setzt ſich.)

Königin.

Vergiß’ſt du denn?


[102]
Otto.

Nach Teutſchland kehr ich heim.
Sorgt Ihr für Euch! Was kümmert’s mich?


Königin.

Nach Teutſchland?
Und jeder Ausgang iſt verwehr’t, bewacht.


Otto

(ſeine Veine betrachtend).

Ich will mir Schienen fert’gen laſſen, dreifach Eiſen,
Und Panzerhoſen von geprobtem Stahl.
Der Stiefel ſchützt nicht g’nug.


(Mit dem Schwert an den Fuß klopfend.)

Es ſchmerz’t wohl gar!


(Er greift mit der Hand nach der getroff’nen Stelle.)

Königin.

Mann! wenn du es noch biſt — ’zum mind’ſten Menſch denn!
Wahnſinnig mach’ mich nicht mit ſolchen Reden!
Weißt du auch, wo du biſt? Was dich umgibt?
Von Pöbelhaufen ſind wir rings umlagert;
Nach dir begehren ſie, dich heiſcht ihr Grimm.
Das Schloß iſt ſchlecht verwahr’t, der Unſer’n wenig.
Geh’ du hinab, ſtell’ dich an ihre Spitze,
Wend’ ab, was droh’t.


Otto
(aufſpringend).

Daß ſie mich fangen? tödten?
Pfui über allen Tod! Durch Schwert, durch Feuer,
Durch Gift, durch Strick, durch Beil. Pfui allem Tod!
Ei, ich will leben, ich!


(Er ſetzt ſich wieder.)

[103]
Königin.

So lebe denn,
Bis uns das Unheil alleſammt verſchlingt!


Otto.

Wo iſt dein Sohn? das iſt ein wack’rer Schütz,
Mit ſeiner kleinen Armbruſt. — Ruf’ ihn her!
Er war zu Nacht bei meines Bettes Häupten,
Dort hielt er Wacht, und wenn die Gräfin kam,
Da ſpannt’ er ſeinen Bogen, wie Cupido,
Und ſchoß nach ihr den Pfeil. Sie duckte ſich,
Jetzt hier, jetzt dort ſo war ſie nicht mehr da.
— Wo iſt dein Sohn? Mich dräng’t es, ihn zu ſeh’n.


(Der Schloßhauptmann.)

Königin.

Euch ſendet Gott vom Himmel! Nun, mein Freund,
Habt Ihr die Meuter angeredet? Geben
Sie beſſer’m Rath, ſie ihrer Pflicht Gehör?


(Schloßhauptmann zuckt die Schultern.)

So bleiben ſie bei ihrer alten Ford’rung?


Schloßhauptmann.

Sie haben Einen hergeſandt als Boten,
Um Euer Gnaden ihr Begehr’ zu künden.
Er harr’t im Vorgemach. Doch bleibt’s wohl fruchtlos,
Denn ſie beſteh’n —


Königin.

Laß’t ihn doch immer ein!
Ein lebend Wort gilt hundert todte Zeilen,
[104] Und Hunderte von Gründen ſammt Erweis.


(Schloßhauptmann geht ab.)

Nun, Bruder, aber geh’ auf dein Gemach,
Sie ſollen dich nicht ſeh’n!


Otto.

Was fällt dir ein?
Ich muß hier Wache halten! Wache! Wache!


(Graf Peter kommt, vom Schloßhauptmann begleitet.)

Königin.

Nun, Graf, als Kämm’rer üb’t Ihr Euer Amt,
Allein, nicht öffnend, Ihr verſchließ’t die Thüren.


Peter.

Der Grund, warum wir Euch in Waffen nah’n —


Königin.

Ich weiß den Grund — Vielmehr nur: ich errath’ ihn.
Denn wiſſen, hieße doch zugleich erklären,
Daß er erkennbar aus Vernunft und Recht.


Peter.

Ein ungeheu’rer Frevel iſt geſcheh’n.


Königin.

Ein Unglück, ſprech’t vielmehr!


Peter

(auf Otto zeigend).

Der Thäter hier.


[105]
Königin.

Wer ſagt’s Euch?


Peter.

Es iſt klar! Er ſey beſtraft!
Auslieferung des Schuld’gen wird begehr’t.


Königin.

Ausliefern ihn? Daß Ihr in ſeinem Blut —


Peter.

Nicht ihn zu tödten, nur in ſich’re Haft.


Otto.

Der iſt nicht klug! Nach Deutſchland geh’ ich.


(Er neigt den Kopf in die Lehne des Seſſels zurück.)

Peter.

Hört Ihr?


Königin.

Wir werden uns verſtänd’gen, ſeh’ ich wohl.
Seyd Ihr zufrieden, wenn ich Euch gelobe,
Ihn ſelbſt zu halten hier, ihn nicht zu laſſen,
Bis Euer Herr zurückkehrt und der meine?


Peter.

Verzeih’t, wir trau’n Euch nicht!


Königin.

Verweg’ne! wagt Ihr’s?
— Und wenn zurück ich das Begehren weiſe?


[106]
Peter.

So ſtürmen wir — ſo ſtürmen ſie das Schloß.


Königin.

Ich ſeh’ in Euren Augen, Graf, ein Etwas,
Das eine mild’re Meinung mir verbürgt.


Peter.

Hier iſt von meiner Meinung nicht die Rede,
Von meinem Auftrag nur.


Königin.

Nun denn, ſo wiß’t:
Eh’ ich den Bruder ſeinen Mördern lief’re,
Begrab’ ich mich in dieſes Schloſſes Trümmern,
Mich, Eures Königs Weib, mit mir ſein Kind,
Den Erben ſeines Thron’s — Wagt Ihr’s und ſtürm’t? —
Der König wird ſo theure Pfänder rächen.


Peter.

Mit Recht. Doch nicht an uns, da Ihr ſie tödtet.


Königin.

Iſt dieß Eu’r letztes Wort?


Peter.

Das meine, ja;
Doch nicht auch Euer letztes, hoff’ ich.


Königin.

Geht!


(Graf Peter ab.)

[107]
(Zum Schloßhauptmann.)

Sagt ihm: wenn man — Begehrt zwei Stunden Aufſchub,
Bis dahin überlegt man —


(Schloßhauptmann ab. Königin ſteht erwartend an der Thüre
Schloßhauptmann kommt zurück.)

Nun?


Schloßhauptmann.

Er will nicht.


Königin.

Seys denn! Geh’t in den Schloßhof. Rüſtet Euch.
Heißt Alle wachſam ſeyn. Verſprecht Belohnung!
Vor Allen braucht die Leute meines Bruders.
Wenn’s angeht, kommt er ſelbſt.


(Schloßhauptmann ab.)

Königin

(raſch zu Otto tretend).

Nun, Bruder, auf!
Schläfſt du? Und wär’ dein Schlummer Seligkeit,
Ich kann dir’s nicht erſparen. Auf!
Die Waffen in die Hand!


(Die Hand auf ſein Haupt gelegt.)

Otto
(emporfahrend).

Wer faß’t mich an?


(Mit abſtreifender Bewegung über Arm und Körper.)

Sie fangen, tödten mich! Ha! Ketten, Bande, Stricke! —
Wer da? — Ha, Schweſter, du? — Und doch, und doch —
Dort reg’t ſich’s — dort, im Winkel — Meine Schweſter!
Bringt Lichter! — Dort im Winkel! — Gott! nur Licht!
Licht, ſag’ ich: Licht! Licht! Licht!


[108]
(Kammerfrau aus der Seitenthüre rechts, mit Licht.)

Königin.

Nur Faſſung, Bruder!


(Zur Kammerfrau.)

Bleib’ dort, dort an der Thüre mit dem Licht!


(Zu Otto.)

Sieh, es iſt nichts.


Otto
(matt).

O, Schweſter! Meine Schweſter!
Nicht wahr, die Gräfin war ein böſes Weib?


Königin.

Vielleicht!


Otto.

Sie hat’s verdient!


Königin.

Wohl möglich!


Otto.

Ach!
Und ich hab’s nicht gethan, ſie that es ſelbſt?


Königin.

Sey ruhig! Was geſcheh’n, iſt nicht zu ändern!
D’rum ſammle dich, und laß’ uns weiter ſeh’n.


Otto

(von ſeiner Schweſter unterſtützt).

Mein Inn’res iſt betrübt, bis in den Tod!
Schick’ fort nach deinem Sohn! Das Kind iſt gut.
[109] Es hat mich dieſe Nacht bewacht, er ſoll’s
Auch jetzt. Geh’, bitt’ dich, deinen Sohn!


Königin

(zur Kammerfrau.)

Bring’ ihm das Kind!


(Kammerfrau geht in die Seitenthüre rechts ab.)

Königin.

Du aber ſetz’ dich dort auf jenen Stuhl,
Sey erſt du ſelbſt, das And’re findet ſich.


(Entfernte Trompeten und Geſchrei. Ein ſtarker Schlag erſchüttert
das Schloß.)

Ha, was iſt das?


(Kammerfrau kommt mit dem Kinde zurück.)

Kammerfrau.

Ach, gnäd’ge Frau! Sie bringen
Sturmblöcke, Mauerbrecher an das Schloß.


Königin.

Kein Aufſchub denn?


Kammerfrau.

Ich ſah’s beim Schein des Mondes,
Sie ſteh’n in Haufen. Hörtet Ihr den Schlag?


(Aehnliches Getöſe, wie oben.)

Schon wieder! Gott und Herr, in deinen Schutz —


Otto.

Die Mauern ſind zu ſchwach, ſie halten nicht.
Ein Dutzend Stöße, und ſie ſtürzen nieder.


[110]
Kammerfrau.

Erbarm’ dich unſer, Herr!


Otto.

Am Thore rechts,
Da ſteht ein Erker, vor in’s Freie ſpringend.
Wenn den mit Schützen man beſetzt und Schleud’rern,
So faſſen ſie des Feindes Seite, drängen
Und treiben ihn zurück.


Königin.

Wenn du’s erkenn’ſt,
Hinab, und ordn’ es ſo.


Otto.

Was fällt dir ein?
Ich geh’ nicht hin, ich bleibe hier bei Euch!
Hab’t Ihr zu Eſſen nicht? Mich hungert.


Königin.

Von aller Welt verlaſſen, und auch dieß noch!
In ihm vernichtet, der mein Alles war! —


(Erneuerter Anprall und Kriegeslärm.)

Otto.

Knie’ nieder, Knabe! falte deine Hände!


(Zur Kammerfrau.)

Du auch! — Ich hinter Euch, mit meinem Schwert,
Will ſteh’n und wachen, ob Euch Gott erhör’t.


Königin.

Horch! Was dort für Geräuſch?


[111]
Kammerfrau
(die aufgeſtanden).

Es kam von ſeitwärts,
Aus jenem Zimmer!


(Auf die Seitenthüre links zeigend.)

Königin.

Iſt Verrath im Werk?


(Man hört Fenſter klirren.)

Kammerfrau.

Sie überfallen uns.


Königin.

Wer da? — Man ſchweigt.


Otto.

Knie’t nieder Ihr, dieß iſt der letzte Tag!


Königin
(zu Otto).

Gib mir dein Schwert! Ich will nur ſelber ſeh’n.
Wer dort? Freund oder Feind?


(Bancbanus, in einen braunen Mantel gehüllt, eine Blendla-
terne in der Hand, kommt aus der Seitenthüre links.)

Bancbanus.

Nicht Feind, nicht Freund!
Ich bin’s!


Königin.

Bancban!


[112]
Otto

(zum Knaben).

Stell’ dich vor mich hin, Knabe!
Sie wollen mir zu Leib’.


Bancbanus

(auf die Kammerfrau zeigend.)

Heißt dieſe geh’n!


Königin.

Führt Ihr Verbot’nes nicht im Sinn?


Bancbanus.

Ei ja!


Königin.

Marg’rethe, geh’!


(Kammerfrau geht ab.)

Königin.

Wie nun?


Bancbanus.

Mir iſt gelungen,
Zu täuſchen Eurer Feinde Wachſamkeit,
Auf kleinem Kahn den Graben zu durchſetzen,
Der dort das Schloß umgibt. Woll’t Ihr mir folgen?
In’s Freie bring’ ich Euch auf gleichem Weg’.


Königin.

Bancbanus! Sprecht Ihr Wahrheit?


[113]
Bancbanus.

Zweifelt Ihr?


Königin.

Nach Allem, was geſcheh’n? — Mann! Ihr vergäß’t —


Bancbanus.

Nicht, daß mein Herr Euch meinem Schutz vertrau’t.
Nehmt Euer Kind, und folgt!


Königin.

Mein Kind! — und dieſer?


(Auf Otto zeigend.)

Bancbanus.

Dank’t Gott, daß, als ich kam, ich ſeiner nicht gedacht. —
Nehmt Euer Kind, und folg’t!


Königin.

Bancbanus, höre!
Du retteſt alle Drei uns, oder Keines.
Mit ihm den Tod, mit ihm auch nur befrei’t.


Bancbanus.

Ich will nicht ſeh’n, wer Euren Schritten folgt.
Doch hüt’ er ſich, wenn draußen wir im Freien.


Königin.

Komm, Bruder! komm!


Otto
(zum Kinde).

Und du! — und hier mein Schwert!


(Er führt den Knaben. Alle gehen durch die Seitenthüre links ab.
Bancbanus ſchließt.)

8
[114]
(Kammerfrau ſtürzt herein.)

Kammerfrau.

Um Gotteswillen, gnäd’ge Frau! O Rettung!
Das Thor iſt offen, Feinde überall!
Wo ſind ſie? Gott! Wo flieh’ ich, Aermſte! hin?


(In die Seitenthüre rechts ab.)

(Dunkles Gewoͤlbe. Im Hintergrunde ein offner Mauerbogen als
Eingang. An der Seitenwand links ein ähnlicher kleinerer,
zu einem ſchmalen Gange führend. Gegenüber rechts, ein ver-
ſchloſſenes Pförtchen.)

(Bancbanus kommt mit einer Blendlaterne. Hinter ihm die Kö-
nigin
, dann Otto, den Knaben führend, unter dem Ar-
me einen zuſammengefalteten weißen Mantel, in der Hand
das bloße Schwert.)

Bancbanus

(am Ausgange auf der linken Seite ſtehen bleibend).

Hier iſt die Thür. Sie führt durch einen Gang
Nach außen, bis zum Graben hin der Burg.
Dort harrt ſein Nachen —


Otto

(zum Kinde herabgebeugt).

Ich will rudern, ſchau!


Bancbanus

(zur Königin fortfahrend).

Ein Fährmann lenkt den Kahn, der alſo klein,
Daß er nur Zwei auf ein Mal bergen kann:
Den Fährmann ſelbſt, und Eines je von Euch.
Gefällt’s Euch, geht zuerſt. Zurückgekehrt,
Nimmt Euer Kind der leichtgefügte Nachen;
[115] Und läßt der Feind uns Zeit zur dritten Fahrt,
So mag ſich retten, wem’s noch ferner nöthig.


Königin.

Nicht ſo, Bancban! Soll ich dein Schiff beſteigen,
So rett’ es dieſen erſt.


(Auf Otto zeigend).

Otto.

Ja, mich zuerſt!


Bancbanus

Nicht eh’ noch Euer Kind?


Königin.

Dies Kind beſchützt
Schuldloſigkeit mit lilienblankem Schwert;
Doch dieſen ſuchen ſie, und er iſt ſchuldig.
D’rum rett’ erſt ihn, zum zweiten dieſes Kind,
Die dritte Fahrt der Schweſter und der Mutter.
Nimm, Otto, meinen Sohn! Folgt dieſem Mann!
Ich ſelber bleibe hier. Die dumpfe Luft,
Der enge Raum benimmt, hemmt mir den Athem.
— Wenn mich die Reihe trifft zur nächt’gen Fahrt,
So geb’t ein Zeichen mir — Leb’ wohl, mein Sohn!
Mein Bruder, lebe wohl! Nun fort, nur ſchnell!


(Bancbanus mit der Laterne voraus in den Gang. Otto, der
Mantel und Schwert weggeworfen, und den Knaben auf den Arm
genommen hat, folgt.)

Königin

(nachdem ſie ihnen einen Augenblick nachgeſehen hat, raſch nach
hinten gewendet).

Ich hörte Stimmen, und ſie kommen, fürcht’ ich.
Das Schloß iſt über, wenn nicht Alles täuſcht.
8 *
[116] Nur ſo viel Friſt, o Gott! bis ſie gerettet,
Die Lieben Beide! Komme dann, was will!


(Am Mitteleingange ſtehend.)

Ich hörte recht. Die Stimmen nahen. Helle,
Wie Fackelſchein, wächſt gleitend durch die Gänge.
Der Fußtritt nah’t. — Stell’ ich den Meutern mich
Als Königin entgegen und als Frau?
Sie ſpotten mein, und thun ihr blut’ges Werk.
Ergreif’ ich dieſes Schwert, den Mantel hier,


(Sie rafft beides vom Boden auf.)

Und kämpf’ als Mann um meine ſüße Beute?
Zu ſchwach! — O Gott! Kein Einzelner genügt!
D’rum dort hinein! Zu warnen, anzutreiben,
Beſchleun’gen ihre Flucht — O Gott! Man kommt!


(Sie wirft Schwert und Mantel wieder hin, und eilt fliehend in
den Gang.)

(In demſelben Augenblicke treten die Grafen Simon und Peter,
vom Hintergrunde her, auf. Erſt ſpäter hinter ihnen Gewaff-
nete mit Fackeln.)

Simon.

Der Herzog war’s. Dort liegt ſein Schwert und Mantel.
Wirf deinen Dolch!


Peter

(wirft ſeinen Dolch in der Richtung des Ganges. Ein gedämpfter
Schrei wird gehört.)

Gerechter Gott! — Mein Bruder!
Das war des Herzog’s Stimme nicht.


[117]
Simon

(vorkommend).

Nur nach!
Es ſoll ſich zeigen bald, wer es geweſen!
Dring’t in den Gang, und folg’t der Flücht’gen Spur!


(Einige gehen in den Gang.)

Sie können nicht entrinnen; auch von Außen,
Vom Graben her, iſt bald der Gang beſetzt.
Mein reiſig Volk verlegt den Ausgang dort.


(Von Denen, die in den Gang gedrungen ſind, kommen Einige
zurück mit Zeichen des Entſetzens.)

Simon.

Was iſt?


Ein Gewaffneter.

Sie ſtirbt. — Es iſt die Königin!


Simon.

Willſt du mein’ ſpotten?


Peter.

Seh’t! Bringt Hülfe, ſchnell!


(Königin erſcheint blutend am Eingange. Sie macht eine abhal-
tende Bewegung, und ſinkt dann todt nieder.)

Peter.

O, all’ ihr Engel, die ihr Böſes abwehr’t,
Steht bei! Ich hab’ die Königin erſchlagen.


(Er eilt zur Leiche.)

[118]
Simon.

Haſt du’s gewollt? Und dann — weil’s doch geſcheh’n,
Weil uns der Teufel gaukelnd hier genarrt,
Um deſto heißer nach dem Doppelmörder!
Ihm nach, der ſie auch tödtete, auch ſie!
Laſſ’ jetzt die Klage, Bruder! räch’ dich erſt!
Hier iſt ſein Weg. Ich ſchlacht’ ihn allen Beiden.


(Indem er ſich anſchickt, den Gang zu betreten, ſpringt die Sei-
tenpforte rechts auf, und Herzog Otto’s Gefolge dringt be-
waffnet herein.)

Erſter Edelmann

(von Otto’s Gefolge).

Schütz’t Euren Herrn! Fallt an die frechen Meuter!


Simon
(umkehrend).

Du Herrenknecht! Nachtreter ſeiner Laſter!
Geh’ dieſes Mal voran, zeig’ ihm den Weg!


(Er fällt ihn an. Gefecht.)

Zweiter Edelmann.

Drängt weg ſie von der Pforte, ab vom Gang!


Simon
(fechtend).

Raſch, Peter! Zieh’ dein Schwert, mach’ reine Bahn!


Erſter Edelmann.

Dich ſucht’ ich, dich!


Simon.

Hier bin ich.


[119]
Erſter Edelmann.

Stirb!


Simon.

Erſt du!


(Ein ungariſcher Anführer erſcheint am Eingange des Hintergrun-
des. Die Kämpfenden theilen ſich nach beiden Seiten. Das
Gefecht ruht.)

Ungariſcher Anführer.

Steck’t ein die Schwerter! Nutzlos Euer Streit!
Der Herzog iſt entkommen; war am Ufer,
Bevor die Unſern noch den Platz erreicht.
Nun dringen Krieger herwärts durch die Wölbung;
Allein, zu ſpät, der Herzog iſt entwiſcht.


Simon.

Iſt er entwiſcht? Nu du entkommſt mir nicht.


(Zum erſten Edelmann.)

Zahl’ deines Herrn Zeche, Sündenknecht!


(Die Kämpfer miſchen ſich wieder. Erneutes Gefecht.)

Erſter Edelmann.

Zieh’t Euch zurück!


Simon.

Zur Hölle, ja!


Erſter Edelmann.

Weh’ mir!


(Er fällt. Die Anhänger des Prinzen werden nach dem Hintergrund
gedrängt.)

[120]
(Bancbanus kommt, den Knaben an der Hand, fliehend aus
dem Gange. Bald hinter ihm dringen ungariſche Krieger,
auf demſelben Wege, heraus, und miſchen ſich unter die, im
Hintergrund, Kämpfenden.)

Bancbanus

(im Vorgrunde links).

Der Ausgang iſt beſetzt, und kein Entrinnen.
Man kämpft, man ficht. Wo berg’ ich meinen Schatz?
Ei ja! duck’ dich, mein Herrlein! duck’ dich, Kind!
Der Mantel da hat Raum für Unſer Beide.
Und rühr’ dich nicht, und halt’ den Athem an.


(Er legt ſich zu dem Knaben am Boden hin, und zieht ſeinen dun-
keln Mantel über ihn und ſich. — Das Gefecht, wieder nach vorn
kommend, dauert fort.)

(Der Vorhang fällt.)

[121]

Fünfter Aufzug.


(Freie Gegend. Im Hintergrunde Hügel mit Aufgängen von beiden
Seiten.)

(Bancbanus kommt auf einen Stab geſtützt, den kleinen Bela
an der Hand führend, von der rechten Seite. Herzog Otto
mit bloßen Füßen, unbedecktem Haupte, und zerriſſ’nen Klei-
dern folgt ihm in einiger Entfernung.)

Bancbanus.

Verfolgſt du mich auf jedem meiner Schritte?
Stieß ich nicht ein und zwei Mal dich zurück?
Wie kamſt du in das Laub? in meinen Weinberg?
Wo triebſt du dich herum in dieſen Tagen?
Ich dachte längſt, ſie hätten dich gefunden,
Geſchlachtet, abgethan, wie du’s verdienſt. —
Rühr’ mich nicht an, ſonſt brauch’ ich meinen Stock!
Du Wolf, du Hund, du blut’ger Mörder du!


(Zum Kinde.)

Was wein’ſt du Herrlein? — Ja, dein Füßlein blutet! —
Setz’ dich dorthin, und ruh’ ein wenig aus.
Nur kurze Friſt, ſo heißt es weiter geh’n;
Die böſen Menſchen ſind uns auf der Ferſe.


[122]
(Er hat das Kind auf einen Stein geſetzt. Otto wirft ſich vor dem
Kleinen auf die Knie, deſſen Füße ſtreichelnd, und an ſeine Bruſt
drückend.)

Was aber nun beginnen? — Großer Gott!


(Zu Otto.)

Berühr’ſt du mir das Kind? — Ja ſo — Nu, Herzog,
Nehmt hier das Tuch, und trocknet ihm den Fuß.
Und wo’s geriz’t, da drückt mir fein gelinde. —
Du blut’ger Mörder, wär’ ich alt und ſchwach nicht,
Du ſollteſt mir den Knaben nicht berühren!
Und dennoch, Mann des Unheils, ſchickt dich Gott!
Laß’t, Herzog, jetzt, und hört mich ſorglich an.


(Otto, noch immer vor dem Knaben auf den Knien, wendet, auf
die Ferſen zurückgeſetzt, das Geſicht horchend nach Bancbanus.)

Es gilt, das Kind den Meutern zu entzieh’n,
Die nach ihm ſuchen. Ich nun ſelbſt vermag’s nicht,
Denn mühſam nur ſchleppt ſich der alte Fuß.
Auch ruft die Pflicht mich nach der Stadt zurück;
Dort will ich noch zum letztenmal verſuchen,
Was Treue kann im Streit mit blinder Wuth.
Nimm du das Kind, und flieh! Wenn ſie dich fangen,
So biſt du todt. Dir zwar geſchäh’ dein Recht,
Doch meines Herren Söhnlein muß ich hüten.
Sorg’ alſo, daß du jenen Wald erreich’ſt,
Der quer ſich hinzieh’t zu den weitſten Fernen.
Dort harr’, im Dickicht lauernd, meiner Botſchaft,
Und wenn ſie dir nicht wird in dreien Tagen,
So halte mich für todt, und rette dich;
Vielmehr, den Knaben rette, blut’ger Mörder!
Sonſt klag’ ich dich vor jenem Richter an,
Wo ſchwarz du ohnehin biſt, ſchwarz, wie Kohle.


(Otto iſt aufgeſtanden und hat den Knaben angefaßt.)

[123]

Bleib noch, du Mann des Blut’s! Hört dieß noch, Herzog!
Renn’t nicht in einem Lauf bis hin zum Walde;
Der Raum iſt groß, und leicht gewahrt man Euch.
Sieh’ an den Rebenhügeln hier und dort
Die Haufen Reiſig, nah bei wilde Roſen,
Dort duck’ dich unter, bette dich in Dornen,
Mach’ deinen Leib zum Pfühl für dieſes Kind.
Erſt, wenn du rings gelauſcht, ob Alles ruhig,
Dann komm’ hervor, und flieh’ von Buſch zu Buſch,
Bis Euch der Wald umfängt. Verſteh’ſt du, Mörder? —
Nun, Herzog, nehm’t das Kind, und ſeh’t Euch vor.


(Otto trägt das Kind auf den Armen. — Im Gehen.)

Ich dacht’ Euch mir ſchon viele Meilen weit!
Dank’t immer Gott, der Euch vergönnt ein Tröpflein
Von Gut zu thun in Euer Meer von Böſem.


(Stehen bleibend.)

Der Knabe trägt in ſeinen Taſchen Brod,
Das rühr’t nicht an! Das ſoll für ihn. Ihr ſelber
Such’t Beeren Euch, und fehlen die, ſo hungert,
Es iſt Euch nütz, wenn Ihr den Leib kaſtei’t.
Dort, Herzog, dort!


(Er weiſt ihn auf den Hügel, der links in die Scene führt.).

Und ſeyd Ihr auf der Höhe,
So lauf’t, was Ihr vermög’t. — Man kommt! —
Mach’t fort!


(Ein Soldat tritt rechts im Vorgrunde auf, ſeinen Bogen ſpan-
nend.)

Soldat.

Wer da? Halt!


(Otto entflieht.)

[124]
Bancbanus

(am Fuße des Hügels, mit gehobenem Stocke drohend.)

Du, ſchieß’ nicht! Dein Bischen Leben
Wär’ viel zu arm als Preis für ſolchen Schuß!


(Näher zu ihm tretend.)

Wer biſt du? und wer hat dich hergeſtellt?


Soldat.

Die Vorwacht halt’ ich, und — geb’t Euch gefangen!


Bancbanus.

Gefangen, ich? Gib du dich ſelbſt gefangen! —
Du Schelm! Die Vorwacht hältſt du? Und für wen?
Für jene Meuter, Friedensſtörer? — Räuber,
Mein guter Schurke, ſtellen Kundſchaft aus,
Nicht Vorwacht, ſo wie ehrlich wack’re Krieger.
Vorwacht! — Wie heiß’t denn Euer Loſungswort?
— Wirſt du nicht reden? — Schurke! Kenn’ſt du mich?
Ich bin Bancban, der Diener deines Herrn.
Wie heißt die Loſung? — Kehrt mein König heim,
So laß’ ich dich in hundert Stücke ſchneiden.
Wie heißt das Loſungswort?


Soldat.

Ungarn, und Ruhm!


Bancbanus.

Ungarn und Ruhm. Ein altes, wack’res Paar!
Ihr trenntet ſie, doch nicht auf lange, hoff’ ich. —
Geh’ wieder nur auf deinen Platz und ſchweig!
Vielleicht, daß dieſe Stunde dir noch frommt.


(Er wendet ſich nach dem Mittelgrunde rechts, um fortzugehen.)

[125]
(Ein Hauptmann mit Soldaten tritt heraus.)

Hauptmann.

Wer da?


Bancbanus
(vor ſich hin).

Ei frag’ den Henker du!


Hauptmann.

Wer da?


Bancbanus.

Ungarn und Ruhm. Wenn’s nur denn ſeyn doch muß!


Hauptmann.

Bancbanus! — Herr! Ich weiß nicht, darf ich Euch
Einlaſſen nach der Stadt?


Bancbanus.

Indeß Ihr zweifelt,
Geh’ ich nur meines Weg’s.


(Graf Peter erſcheint im Hintergrunde rechts, auf der Anhöhe
mit Begleitung.)

Peter.

Bancban!


Bancbanus.

Noch Einer?
Das iſt wohl gar eines Verräthers Stimme?


(Hinaufblickend.)

[126]

Lauf, Peter, lauf! Du kommſt wohl noch an’s Ziel.
Pfui, über alle Schelmen!


(Er geht.)

Hauptmann.

Soll ich, Herr!


Zurück ihn halten?


Peter

(der herabgekommen iſt).

Laß’ ihn! — Daß er Recht hat!
Daß ich mir’s ſelbſt in meinem Innern ſage!
Ein Schurk’ und ein Verräther! Großer Gott!
Ein Mörder noch dazu. — O, meine Hände!


Hauptmann.

Allein, der Herzog — laßt ihn uns verfolgen!
Des König’s Sohn iſt uns ein theures Pfand,
Als Geißel wichtig, kehrt der Vater wieder.


Peter.

Thut, was Ihr woll’t, nur laß’t mich!


Hauptmann.

Seht, dort d’rüben,
Dort läuft ein Mann, er trägt, ſo ſcheint’s, ein Kind.
Der Herzog iſt’s. Man folgt ihm. — Jetzt und jetzt!
Sie haben ihn! Noch nicht! — Eil’t ihr hinauf,
Verrenn’t ihm hier den Weg! — Nun aber — halt! —
Er ſpringt — er ſprang vom Felſen — Walt’ es Gott!


[127]
Peter.

Schnell hin und ſeh’t und ſorg’t. Mein beſtes Habe
Dem, der mir ſagt, ſie blieben unverletz’t.


(Graf Simon kommt von der linken Seite.)

Peter

(ihm entgegen).

Haſt du geſeh’n?


Simon.

Du auch?


Peter.

Der Herzog ſtürzte.


Simon.

Laſſ’ ſtürzen! Anderes gibt’s nun zu ſchauen.
Der König kommt.


Peter.

Der König?


Simon.

Sammt dem Heer!
Ich ſah im Thal ſchon ihre Speere blitzen.
Bancbanus iſt bei ihm.


Peter.

Bancban?


[128]
Simon.

So heißt’s.


Peter.

Er ging nur eben nach der Stadt.


Simon.

Und du,
Du ließeſt ihn?


Peter.

Warum?


Simon.

Daß uns ſein Wort
Die furchtſamen, die wankenden Gemüther
Abwendet völlig, da der König nah’?


(Zum Hauptmann.)

Eil’t Ihr zur Stadt, und treff’t Ihr meinen Bruder,
Bring’t ihn zurück, mit Güte, mit Gewalt.


(Der Hauptmann geht ab.)

Der König alſo naht!


Peter.

Wir ſind verloren!


Simon.

Biſt du verloren? Ich, ich bin’s noch nicht.
Noch bleibt uns dieſe Stadt, im Lande Mancher,
Den gleiche Schuld auf gleichen Bahnen hält.
Der König mag Verzeihung erſt gewähren,
[129] Dann öffnen wir die Pforten, eher nicht,
Und Krieg mag wüthen, Krieg —


(Trompetenſtoß von der linken Seite.)

Peter.

Horch!


Simon.

Seine Boten,
Des Königs Boten. Bruder, Faſſung nun!


(Ein Befehlshaber des Königs tritt links auf. Vor ihm ein
Trompeter.)

Befehlshaber

(zu einigen Kriegern, die auf der Seite ſeines Auftrittes ſtehen.)

Unglückliche! Verblendete! Verlockte!


Simon.

Zu jenen nicht, zu mir mit Euren Worten!
Sie folgen, wie zum Streit’, mir zum Vergleich!


Befehlshaber.

Doch ſeh’ ich Reue hier, bei dir nur Trotz.


Simon.

Ich liebe, daß man vor der That erwäge,
Nachher ertrage, was die Folge beut.
Wen reu’t, was er gethan, fehlt zwei Mal:
Weil er’s gethan, und dann, weil’s ihn gereu’t.
Doch will ich wohl mich auf Bedingung geben,
Ein neuer Umſtand ändert den Verhalt.
Ich zog das Schwert, weil man mir Recht verweigert,
9
[130] Spricht uns der König Recht, ſo ſteck’ ich’s ein.
Für’s Erſte alſo: Strafe jener That,
Die blutig lebt in jedes Mann’s Gedenken.


Befehlshaber.

Hab’t Ihr mit Blute Blut nicht aufgewogen?
Und dann — heißt Euer König der Gerechte,
Und haſt du doch gezittert um dein Recht?


Simon.

Demnächſt Verzeihung, unbedingt und völlig,
Für Jeden, der das Schwert in unſ’rer Sache zog.


Befehlshaber.

Der König aber fordert Unterwerfung,
So unbedingt und völlig, als das Wort.
Wem zu verzeih’n, wird ſeine Huld entſcheiden.


Simon.

So wiſſe denn: Eh’ feig wir uns ergeben,
Und anders, denn auf billigen Vergleich,
Eh’ ſoll mein Haupt, wie dieſer ſchlechte Filz,


(Er wirft ſeine Mütze auf den Boden.)

Hinkollern auf den Boden, ſo geſtoßen,
Eh’ ſoll mein Schwert,


(Er zieht es.)

Von meinem Blute naß,
Zur Scheide haben dies mein Eingeweide,
Einſtürzen jene Stadt mit ihren Zinnen,
Vom Brande ſchwarz, von Hunger menſchenleer
Auf unſer Haupt, und auf der Unſern Häupter;
Eh’ ſoll —


[131]
(Der Bancbanus nachgeſendete Hauptmann iſt zurückgekehrt,
und tritt jetzt zu Simon hin.)

Hauptmann.

Ach Herr! mein Herr!


Simon.

Wer ſtört mich? Willſt du ſterben?


Hauptmann.

Ach, Wichtiges —


Simon.

Was iſt nun wichtig ſonſt?


Hauptmann.

Im Innern Eurer Stadt —


Simon.

Sprich leiſe!


Hauptmann.

Brütet Gährung.
Des König’s Ankunft, furchtſame Gerüchte —


Simon.

Wo iſt Bancban?


Hauptmann.

Die Euren haben ihn.
Sie fingen ihn am Markt. Allein das Volk,
Zu dem er rief, wogt tobend um ihn her,
Und wehr’t Ihr nicht, ſie machen ihn noch frei.


9 *
[132]
Simon.

Er, oder ich! Es gilt das Aeußerſte.


(Zu Peter.)

Geh’ du mit dieſem. Laß’ von ihm dir ſagen.
Bald folg’ ich ſelbſt. Und eh’ Bancban du los gibſt,
Hab’ ihn das Grab, dich, mich, uns Alle!


(Graf Peter geht mit dem Hauptmann ab.)

Simon

(zum Abgeſandten.)

Man meldet mir — und doch, wozu der Lüge?
Was auch geſcheh’n und was der Pöbel mein’t,
Der Entſchluß bleibt der größern, beſſern Menge,
Und der heißt Krieg, heißt Widerſtand, wenn Ihr
Verzeihung nicht gewährt, vollgilt’ge Gnade.


Befehlshaber.

Dir Gnade mit dem Schwert!


Simon.

Nun denn, ſo habt’s!


(Zu den Seinen.)

Zieht Euch zurück, und Keiner trete vor,
Und Keiner ſpreche hier mit dieſem Mann.
Zurück! Wer vorgeht, fühlt mein ſcharfes Eiſen.
Ich will die Nachhut halten, und mein Säbel


(Zum Abgeſandten.)

Soll dir den Abſtand zeigen, der ſich ziemt
Für einen Boten, der du biſt, der Schande.
Nur fort, mit raſchem Schritt. — Du bleib zurück.


(Die Aufrührer ziehen ſich nach der rechten Seite hin zurück, Graf
Simon der Letzte, mit vorgehaltenem Säbel die Annäherung des
königlichen Befehlshabers abhaltend. Alle ab.)

[133]
(König Andreas tritt von der linken Seite auf mit Gefolge.)

König.

O, ſchmerzenvoller Anblick! Meine Kinder,
Sie flieh’n vor mir, ſie flieh’n vor ihrem Vater.


(Im Hintergrunde ſchickt ſich ein Haufe an, die Feinde zu verfolgen.)

Halt ein! Zu viel! Schon’t Eurer Brüder Blut!
Bis Alles erſt verſucht, das Letzte fruchtlos.
Bin ich in meinem Land? Iſt dies mein Volk?
Wenn ſonſt ich heim aus fernen Kriegen kam,
Wie drängte ſich der Schwarm in meinen Weg,
Mit Jubelruf, mit Dank- mit Freudenthränen;
Und weſſen Aug’ des König’s Auge traf,
Der war ein Glücklicher, der Neid der Andern.
Nun ſchließen ſie das Thor, und von den Zinnen
Blink’t Speer an Speer mir ſeinen trotz’gen Gruß.
Hier war der Ort, da kam ſie mir entgegen,
Mit ihrem Sohn, mein Weib, mein theures Weib!
Nun iſt ſie todt, und ungewiſſes Bangen
Wird mir als Antwort, frag’ ich um den Sohn. —
Bancban! Bancban! Wie haſt du mich getäuſcht
Um mein Vertrau’n, das ich auf dich gewendet!
Und haben ſie das Aergſte dir gethan;
Ich dachte dich, den Mann, zu ſteh’n dem Aergſten!


(Er ſtarrt vor ſich hin.)

(Der Befehlshaber, der den Aufrührern gefolgt iſt, kommt zu-
rück. Die Umſtehenden bedeuten ihn, auf den König zeigend,
ſich ſtille zu halten.)

König.

Wer kommt? Was iſt? — Haſt den Rebellen du
Mein Wort verkündet?


[134]
Befehlshaber.

Ja, o Herr!


König.

Wie nun?


Befehlshaber.

Sie weigern ſich. Verzeihung fordern ſie.


König.

Verzeihung? Mit den Waffen in der Hand?
Wer ſie nicht ablegt iſt ein Mann des Todes.
Ergebung fordr’ ich, voll und unbedingt.
Dann ſoll, wie Gottes Stimme in dem Garten,
Die Gnade wandeln durch gebückte Reih’n,
Nur zögernd ſtrafen, und, wie gern, verzeih’n.
Sie wollen nicht? Nun denn, ſo laß’t ſie müſſen!
Stell’t die Balliſten auf, das Sturmzeug ordnet!
Mit wiederholtem Stoß bedrängt die Stadt,
Bis ihre Steine ächzen, Thürme nicken,
Und die Erweichung allgemach und endlich
Sich fortpflanzt bis in ein Empörerherz.
Wenn Morgen hoch die Sonn’ im Mittag ſteh’t,
Will ausruh’n ich im Innern jener Mauern. —
Was habt Ihr ſonſt erforſcht?


Befehlshaber.

Es war nicht möglich
Mehr zu erkunden, denn man ſtand nicht Rede.
Doch heißt es: daß im Innern ihrer Stadt
Entzweiung herrſche. Auch, den Mauern nah’
[135] Vernahm ich Lärm von Stimmen, welche ſtritten,
Ja, ſelbſt Geklirr von Waffen.


König.

Und Bancbanus,
Wo weilet er?


Befehlshaber.

Verſchieden geh’t die Rede.
Die Einen nennen ihn gefangen, todt;
Die Andern laſſen ihn, als Haupt des Aufruhr’s,
Sich ſtellen ſelbſt an der Empörer Spitze,
Und glaublich ſchein’t es faſt, wenn man bedenk’t —


König.

Ich aber ſage: Nein! und zwei Mal: Nein!
Bancbanus ein Verräther? Schlimm genug,
Wenn er nicht wehrte, wo die Andern thaten.
Doch er Verräther? Nun, dann bin ich’s auch,
Dann ſind wir’s Alle. Nein, Bancbanus nicht!


Befehlshaber.

Befehlt Ihr ſonſt —?


König.

Bereitet Euch zum Angriff!
Iſt ſonſt noch Jemand? — Wer ſind dieſe hier?


Zweiter Anführer.

Zwei Ritter vom Gefolge Herzog Otto’s,
Eu’r Gnaden Schwager, ſuchend ihren Herrn.


König.

O, heißt ſie geh’n, die fert’gen Schuldgenoſſen
[136] Von ſeiner laſterhaften Jugend. Fort!
Wie gräbt Erinnerung mit blut’gen Zügen,
Und zeigt, was ich verſeh’n, wie ich gefehlt.
Unſittlichkeit! Du allgefräſſ’ger Krebs,
Du Wurm an alles Wohlſeyns tiefſten Wurzeln,
Du Raupe an des Staates Lebensmark!
Warum ließ ich beim Scheiden dich zurück?
Warum zertrat ich nicht, verwies dich?
Wie ſchlecht verwahrtes Feuer gingſt du auf,
Und fraßeſt all mein Haus, mein Heil, mein Glück!
Ich will nicht ſtrafen, heißt ſie kehren heim,
Nie mehr dies Land entweih’n mit ihrem Fuß.


Zweiter Anführer

(der auf einen Hügel geſtiegen iſt).

Ach, Herr! mein Herr! Der Feind thut einen Ausfall.


König.

Biſt du nicht klug?


Anführer.

Ich ſeh’ das Thor geöffnet,
Und Mann an Mann, mit Lanzen, Fackeln, Herr!
Es gilt dem Sturmgeräth’. Seh’t Ihr nicht vor,
So ſtecken ſie’s in Brand.


König.

Nun denn, es ſey!
Führt ſie ihr Unſinn ſelber in’s Verderben.


Anführer.

Noch immer fort. — Ein endlos dichter Haufen.
[137] Die Vorderſten verbirgt der Hohlweg ſchon;
Doch ſtets erneu’t, ſtrömt’s aus den offnen Pforten.


König.

Bleibt Ihr zurück! Mir widert’s, die Verworrnen
Dahin zu ſchlachten, ihrer Thorheit Opfer.
Ich will mich ihnen ſtellen, ich, ihr König;
Und wer es wagt, der mag mein Gegner ſeyn!
Bleibt Ihr zurück, ich will’s.


(Er geht gegen den Hintergrund.)

Doch ha! ſteht ihnen
Die Hölle bei mit ihren dunklen Geiſtern?


(Er kommt wieder nach vorne.)

(Rechts, im Hintergrunde, tritt, von einigen Gewaffneten geleitet,
ein Zug ſchwarz gekleideter Frauen auf.)

Das ſind die Weiber meiner hingeſchied’nen Frau.
Ihr Thoren, ſtachelt Ihr noch auf die Rache?


(Ein gleicher Zug ſchwarz gekleideter Perſonen kommt, und geht,
gleich den Vorigen, im Hintergrunde vorüber.)

Noch mehr der Trauer? — Wer ſind dieſe da?


Anführer.

Bancbanus Farben trägt man ihnen vor.
Auch ſeine Frau ward — Sie iſt auch geſtorben.


König.

Ich weiß! Ich weiß! — O himmliſcher Vergelter!
Kann ich nicht zürnen? und bin ſo verletzt!


[138]
(Von einem zahlreichen Haufen Volks; jeden Geſchlechts und Al-
ters gefolgt, kommt Bancbanus. Zu ſeinen beiden Seiten,
etwas nach rückwärts, gehen die Grafen Simon und Pe-
ter
, ohne Waffen, Ketten an den Händen. Graf Peter und
alles Volk kniet.)

Bancbanus.

Knie’ nieder, Simon! — Simon, beug’ dein Knie!
Es iſt dein Herr, du kannſt es ohne Schande.


(Simon kniet nieder.)

Mein königlicher Herr, und mein Gebieter!
Wir nahen dir, die Bürger einer Stadt,
Die ihrer Pflicht vergaß zu dieſen Stunden;
Doch ſchnell zur Reu’, und raſch zurückgekehrt,
Die Pforten öffnet, in den Staub ſich beugt,
Zu deiner Gnad’ und Ungnad’ ſich ergebend.
Ausliefert auch die Häupter der Empörung,
Hier, Grafen Simon, der mein Bruder war —
Nein, iſt, noch immer iſt, mein theurer Bruder,
Und Grafen Peter, meiner armen Erny —
Den Bruder meines früh verblich’nen Weib’s.
Dich bittend auch —


(Näher tretend.)

Wir haben viel gelitten,
Seit du nicht bei uns warſt, mein Herr und König!
Dahingegangen ſind der Lieben Viele;
Und eh’ ich weiter rede, ſo erlaub’,
Daß ich, das Aug’ gedrückt an deine Knie,
In Thränen derer denke, die geweſen.


(Er fällt vor ihm nieder, und umfaßt ſeine Knie.)

König

(nach einer Pauſe, zurücktretend).

Bancban! Bancban! Du ungetreuer Knecht!
Wie haſt du deines Herren Haus verwaltet?


[139]
Bancbanus

(der aufgeſtanden iſt).

Herr! gut und ſchlimm, wie’s eben möglich war.


König.

Ich gab mein Land dir ruhig und im Frieden.


Bancbanus.

Nu, Herr! beruhigt geb’ ich’s Euch zurück.


König.

Wo iſt mein Weib?


Bancbanus.

Daß Gott! die kehrte heim.
Sie wollte ſeh’n, wie’s meinem Weib erging!


König

(ihm näher tretend, und die Hand auf ſeine Schulter legend).

So ſtehen wir als Witwer Beide denn! —
Doch noch ein Punkt furchtbarer Aehnlichkeit! —
Du hatteſt nie ein Kind. Wo iſt das meine?
Bancban, wo iſt mein Sohn?


Bancbanus.

Ich glaube, Herr
Das Kn[ä]blein iſt gerettet.


König.

Ha, du glaubſt? du glaubſt?
Bancban, ich glaub’, du biſt ein Ehrenmann,
[140] Ich glaube, daß du treu an deinem König hältſt,
Iſt’s darum wahr?


Bancbanus.

Ich gab ihn, Herr, dem Mann,
Der ihn nächſt Gott am treueſten beſchützt,
Dem er das letzte Band an dieſes Leben,
Schutz vor Verzweiflung iſt und Selbſtverwerfung.
Es hat ihn Euer Schwager von Meran,
Der Mörder meines Weib’s und Eures Weibes.
Schon ſandt’ ich Boten, und ſie finden ihn
An jenen Hügeln dort am Saum des Waldes.


(Auf den Wink des Königs gehen Einige.)

Sey ſicher, daß dein theures Knäblein lebt.
Doch bis ſie wiederkehren, im Gefühl
Noch des Verluſt’s, die Vaterangſt im Herzen,
Wend’ ich dein Aug’ nach jenen Beiden hin.
Sie haben auch das Theuerſte verloren;
Mit ähnlichem Gefühl in ihrer Bruſt
Umſtanden ſie die Leiche ihrer Schweſter.
Den ungeſtraften Trotz des Mörders ſah’n ſie,
Da wich der gute Geiſt von ihnen, und —
Sie thaten, was nicht recht. Sey mild, o Herr!


König.

Den Mördern meines Weib’s?


Bancbanus.

Sie waren’s nicht;
Der Zufall that’s, des höchſten Gottes Bote.


König.

Aufrührer!


[141]
Bancbanus.

Nun, ſieh hin, o Herr! ſie knie’n.


König.

Und jetzt, da noch der blut’ge Zweifel ſchweb’t!
Ob nicht mein Weib nur, ob mir auch den Sohn
Ihr Frevel ſtahl —


Bancbanus.

Ach, jetzt, und eben jetzt!
Sey ganz wie Gott, o König! Straf’ den Willen,
Und nicht die That, den launiſchen Erfolg.
Nur kurze Friſt, ſo haſt du deinen Sohn,
Schon ſind geſendet Jene, die ihn ſuchen.
O, raube nicht der Huld den ſchönſten Schmuck!
Jetzt, mit der Vaterangſt in deinem Herzen,
Sey mild und gütig, daß auch Gott dir’s ſey.
Laſſ’ in Verbannung ſie ihr Leben enden;
Befleck’ dich nicht mit Blut!


König.

Du forderſt viel; doch ſey’s!
Und auf zu Gnaden nehm’ ich Eure Stadt.
Doch nun —


(Freudengeſchrei in der Ferne.)

Bancbanus.

Hör’ſt du der Engel Chor! Beglückter Vater!
Sie bringen jubelnd dir den Sohn zurück.
Nie bring’t ein Engel mir mein Weib.
Beglückter Vater, ſieh’ſt du deinen Sohn?


[142]
(Herzog Otto ſtürzt herein, in der rechten Hand ein zerbrochenes
Schwert, auf dem linken Arm den kleinen Bela tragend.
Hinter ihm jubelnd Krieger und Landleute.)

Otto.

Bancban, ſie rauben mir dein Kind!


(In die Mitte der Bühne gekommen, erblickt er den König. Er
ſteht einen Augenblick ſtill, dann fällt er, das Kind in den Armen,
auf die Knie. Der Kleine läuft zu ſeinem Vater. Herzog Otto liegt
auf dem Angeſicht am Boden.)

König.

Mein Sohn!
Mein wieder mir geborner, theurer Sohn!


(Er hält ihn in den Armen.)

Bancbanus

(auf der andern Seite).

Nu, herz’t Euch ſatt, und ich muß trocken ſteh’n.
Kann nicht einmal den Mund an ſeinen legen.


König

(den Knaben emporhaltend).

Hier, Euer Fürſt! Hier Euer künft’ger König!
Verzeihung Jedem, was er auch gefehl’t;
Des Frevels Häuptern ſelbſt, doch fern vom Lande.
Säh’ uns mein Weib aus weit entleg’nen Fernen,
Sie winkte: Ja! nachtönend: Ich verzeih’!


(Zum Gehen gewendet.)

Bancbanus
(auf Otto zeigend).

Hier iſt noch Einer, der gar bitter harrt.


König.

Steh’t, Herzog, auf! Steh’t auf vom Boden!


[143]
(Otto ſteht auf.)

Ihr hab’t ein kleines Gutes hier gethan,
Zu ſchwach, um zu vergelten ſo viel Böſes.
Doch ſtreck’ ich nicht die Hand als Richter aus,
Wo Sünde ſelber ſtraft, brauch’ts da noch Strafe?
Für meinen Theil entlaſſ’ ich Euch der Schuld.
Doch hier iſt Einer, dem Ihr mehr gethan.
Geh’t hin, und frag’t ihn, was ihn mag verſöhnen?


(Otto zu Bancbanus gewendet.)

Bancbanus.

Du guter Mörder, gib mir deine Hand!
Und doch — war ſie es nicht, die meiner Erny —
Fort, Mörder fort! und laß mich dich nicht ſchau’n!


König.

Er wendet ſich von Euch. Laßt ab!


Simon
(vortretend).

Und doch! Noch Eins!
Mein König, und mein hoher Herr! Verzeih’t,
Wenn Euch ein Mann, der ſelbſt dem Recht verfallen,
Und kaum begnadigt, angeht um ſein Recht;
Doch iſt’s der Lohn für dieſes Mannes Treue,
Und unſers Hauſes Ehre fordert’s laut.
Befehlt, daß Euer Schwager von Meran,
Vor Euch, des Landes Herrn und höchſtem Richter,
Mir Rede ſteh’, antwortend, wenn befrag’t.


König.

Ihr hör’t, was man begehrt. Geb’t Antwort denn!


[144]
Simon

(zu den Verſammelten).

Ihr aber lauſcht, und zeugt vor allem Land’!


(Zu Otto, auf Graf Peter und Bancbanus zeigend.)

Hat dieſes Mannes Schweſter, ſeine Frau,
Euch Anlaß je gegeben, Grund und Urſach’,
Sie zu verfolgen mit verbot’ner Werbung?


Otto.

Sie that es nie.


Simon.

Hat ſie ſich ſonſt vergangen
An Euch und Eurer Schweſter, ſonſt, und wie?
So, daß ihr Tod die Strafe des Vergehens?


Otto.

Niemals.


Bancbanus.

O, hör’t Ihr’s? Niemals! Nie!
Ihr Inn’res weiß, ſo weiß, als ihre Hand.


Simon.

Und wer vollbrachte jene That des Blut’s!
War’t Ihr’s?


Otto.

Sie that es ſelbſt.


Simon.

Dir zu entgeh’n?


[145]
Otto.

So war’s!


Bancbanus.

Mein Kind! Mein Kind! Laß’t mich ich will nach
Hauſe!


König.

Bancbanus, bleib’! — Euch, Herzog, halt’ ich nicht!
Kehrt heim, und merk’t, wie man in dieſem Land’,
Das Ihr verachtet einſt, Beleid’gung rächt.
Glimmt noch ein Funke einer beſſern Glut
In Eurer Bruſt, ſo fach’t ihn ſorglich an,
Und tilgt durch Reue, mildert Eure Schuld.
Zieh’t hin, mit Gott! Kein Fluch ſey über Euch!


(Otto macht einen Schritt gegen den König. Dieſer zieht ſich zurück.
Da beugt ſich Otto tief, und geht, in der Mitte zweier Begleiter,
die während des Vorigen vorgetreten ſind, und ihm von rückwärts
einen dunkeln Mantel umgeworfen haben, ab.)

König.

Man geb’ ihm das Geleit bis an die Grenze,
Und ſorge, daß kein Unfall ihn verletzt.


(Zu Bancbanus.)

Wie aber ſoll ich dir die Treue lohnen,
Zum Theile nur vergelten, was du that’ſt,
Was du erlitt’ſt im Dienſte deines Herrn?
Der Erſte ſey nach mir in meinem Reich’,
Dein Wort dem Worte deines König’s gleich,
Und ſo ernenn’ ich dich —


Bancbanus.

Halt’ ein, o Herr!


10
[146]

Ich bin ein alter Mann, dem Tode reif;
Laſſ’ ruhig ſein mich harren! — Mich belohnen?
Darf ich doch frei den Kummer wieder tragen,
Die Trauer um mein Weib. Darf Jeden anſeh’n,
Die Antwort leſen, ach! in Jedes Auge:
Unſchuldig war ſie und gerecht. Ei, Lohn’s genug!
Der Glanz, womit du deinen Diener ſchmückteſt,
Er hat als unheilvoll ſich mir bewährt.
Gebeut nicht, daß auf’s Neu’ ich Gott verſuche!
Mein Arm wird ſchwach, dies Haupt neigt ſich zur Ruh’.
Und ſo entkleid’ ich denn, mit deinem Urlaub,
Mich all’ der Würden, Aemter und Gewalt,
Die deine Huld an deinen Knecht verſchwendet;
Dich bittend, daß du gnädig mir vergönnſt,
Auf meiner Väter Schloß, bei meinem Weib,
Bei meines Weibes Leiche ſtill zu harren,
Bis zwei der Leichen liegen in der Gruft.
Wenn deſſ’ dir Botſchaft wird, und eine Thräne,
Wie jetzt, o Herr, in deinem Auge ſchimmert,
Dann hat dein Diener fruchtlos nicht gelebt,
Braucht and’re Grabſchrift nicht, noch güld’ne Zeichen.
Und wenn du ja in deinem hohen Sinn,
Belohnung jetzt ſchon räthlich glaubſt und gut,
Ach, ſo erlaub’, daß jenes edle Kind,
Für deſſen Heil ich auch mein Schärflein bot,
Daß ich ſein Händlein drück’ an meinen Mund,
Mich überzeugend, daß es lebt und athmet.


(Kniet vor dem Kinde.)

Glück auf! Glück auf! Du hohes Fürſtenkind,
Beſtimmt, dereinſt zu herrſchen hier im Lande!
Ein alter Mann, der lang’ dann nicht mehr iſt,
Wenn du als Fürſt gebeut’ſt in dieſem Lande,
[147] Er heißt Willkommen dich, und ruft dir zu;
Sey mild, du Fürſtenkind, und ſey gerecht!
Auf dem Gerechten ruh’t des Herrn Segen.
Bezähm’ dich ſelbſt, nur wer ſich ſelbſt bezähmt,
Mag des Geſetzes ſcharfe Zügel lenken.
Laß dir den Menſchen Menſch ſeyn, und den Diener
Acht’ als ein Spargut für die Zeit der Noth.
Gedenk’ als Mann der Zeit, da du ein Kind,
Und hülflos lagſt in eines Mörders Armen.
Wie da der Aufruhr an die Pforten pochte,
Und jeder Rath, und jede Hülfe fern;
Da that ein alter Mann, was er vermochte.
J nu! Ein treuer Diener ſeines Herrn!


(Er neigt ſein Haupt auf die Hand des Knaben.)

(Der Vorhang fällt.)

[][][]

Appendix A

Wien.
Druck und Verlag von J. B. Wallishauſſer.


[][][]

Dieses Werk ist gemeinfrei.


Rechtsinhaber*in
Kolimo+

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2025). Collection 1. Ein treuer Diener seines Herrn. Ein treuer Diener seines Herrn. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bjjt.0