[][][][][][][[I]]
Lehrbuch
der
Gynaͤkologie,
oder

ſyſtematiſche Darſtellung der Lehren
von Erkenntniß und Behandlung eigenthuͤmlicher geſunder
und krankhafter Zuſtaͤnde, ſowohl der nicht ſchwangern,
ſchwangern und gebaͤrenden Frauen, als der Woͤchnerinnen
und neugebornen Kinder.

Zur
Grundlage akademiſcher Vorleſungen,
und zum Gebrauche fuͤr praktiſche Aerzte, Wundaͤrzte
und Geburtshelfer,


Zweiter Theil.

Mit zwei Kupfertafeln, einer Tabelle, und einem
Schwangerſchaftskalender
.

Leipzig,: bey Gerhard Fleiſcher.
1820.

[[II]][[III]]

Indem ich hiermit auch den zweiten Theil der geſamm-
ten Gynaͤkologie dem Publikum zur wohlwollenden Auf-
nahme uͤbergebe, halte ich nur noch einige wenige Be-
merkungen ihm vorausgehen zu laſſen, fuͤr nothwendig.
Inwiefern ſich naͤmlich in dieſem Theile diejenigen Lehren
insbeſondere dargeſtellt finden, welche man gewoͤhnlich un-
ter den Namen der Entbindungskunſt oder Geburtshuͤlfe
(im weitern Sinne) zuſammenzufaſſen pflegte, ſo kann
ich nicht umhin zu wuͤnſchen, daß deren hier gegebenene
Darſtellung immer mehr dazu beitragen moͤchte, die aͤcht-
wiſſenſchaftliche Art des Studiums und der Ausuͤbung
dieſes Zweiges der Heilkunde zu foͤrdern. Eine Folge
dieſes Fortſchreitens wuͤrde es ſeyn, daß man ſich allge-
mein uͤberzeugte, wie ein Unterſchied zwiſchen niederer
und hoͤherer Entbindungskunſt (wenn man unter der er-
ſtern blos die Fertigkeit im Ausuͤben geburtshuͤlflicher
Operationen, unter letzterer aber das hinzukommende phy-
ſiologiſche, pathologiſche und therapeutiſche Studium des
weiblichen Koͤrpers verſteht) gar nicht geſtattet werden
koͤnne, und es vielmehr immer zum Nachtheil der ge-
baͤrenden Frauen ausfallen muͤſſe, wenn ein recht eigent-
licher Geburtshelfer, nur zur Herausbefoͤrderung des
Kindes oder der Nachgeburt herbeigerufen, dieſe Ge-
[IV] ſchaͤfte maſchinenmaͤßig beendigt, und ſodann die Behand-
lung nach der Geburt nun wieder einem Arzte anheim
faͤllt, welchem wohl uͤberdieß oft manche Eigenthuͤmlichkeit
des Geburtsverlaufs unbekannt oder verheimlicht bleibt.


Was ferner namentlich die Darſtellung der eigent-
lichen Therapie des Geburtsgeſchaͤfts betrifft, ſo ſchien es
mir auch hier die Aufgabe, die aͤrztliche Behandlungs-
weiſe ſtets auf den Mittelweg hinzuleiten, und eben ſo
ſehr gegen unzeitiges Eingreifen der Kunſt als gegen zu
unbedingtes Vertroͤſten auf Naturwirkſamkeit zu warnen.


Daß ich endlich am Schluſſe der Inhaltsanzeige
noch eine Auswahl derjenigen Schriften genannt habe,
welche insbeſondere uͤber Behandlung normaler und ab-
normer Geburten nachgeleſen zu werden verdienen, wird
vorzuͤglich angehenden Geburtsaͤrzten nicht unangenehm
ſeyn, und wenn ich dabei zugleich einige der beſſern Heb-
ammenbuͤcher namhaft gemacht habe, ſo iſt dieſes geſche-
hen um zu bezeichnen, wie wichtig und nothwendig die
Aufmerkſamkeit des Geburtsarztes auf dieſes Fach ſey,
da nicht gelaͤugnet werden kann, daß davon, ob die Heb-
amme genau den Zeitpunkt zu beurtheilen wiſſe, in wel-
chem das Herbeirufen aͤrztlicher Huͤlfe noͤthig wird, vor-
zuͤglich mit die gluͤckliche Ausuͤbung der Ent-
bindungskunſt abhaͤnge
.


Dresden, d. 1. Auguſt 1820.


Dr. C. G. Carus.

[[V]]

Inhalt
des zweiten Theils der ſpeciellen Gynaͤkologie
.


  • Erſter, phyſiologiſch-diaͤtetiſcher Abſchnitt.
  • I.Phoſiologie der Schwangerſchaft, der Geburt,
    ſo wie der Wochen- und Stillungsperiode
    .
  • I. Phyſiologiſche Geſchichte der Schwangerſchaft Seite 3
  • 1. Von der Empfaͤngniß — 5
  • 2. Von der Schwangerſchaft im Allgemeinen — 12
  • 3. Entwicklungsgeſchichte der Frucht — 16
  • Erſte Periode — 19
  • Zweite Periode — 36
  • Dritte Periode — 42
  • Vierte Periode — 44
  • Varietaͤten in der Bildung des Eies — 49
  • Ueberblick der phyſiologiſchen Eigenthuͤmlichkeiten des Fetus — 53
  • 4. Geſchichte der Veraͤnderungen im muͤtterlichen Koͤrper waͤh-
    rend der Schwangerſchaft — 61
  • 1) Veraͤnderungen in den Geſchlechtstheilen waͤhrend der
    Schwangerſchaft.
    a) Veraͤnderungen der innern Geſchlechtstheile — 62
  • b) Veraͤnderungen der aͤußern Geſchlechtstheile — 71
  • 2) Veraͤnderungen im Allgemeinbefinden des muͤtterlichen Koͤr-
    pers — —
  • 5. Zeichenlehre fuͤr die regelmaͤßige Schwangerſchaft.
    1) Kennzeichen der regelmaͤßigen einfachen Schwangerſchaft
    und ihrer einzelnen Monate insbeſondere — 79
  • 2) Kennzeichen der mehrſachen Schwangerſchaft — 84
  • 3) Kennzeichen fuͤr das Geſchlecht des Kindes Seite 85
  • 4) Kennzeichen uͤber Leben und Tod des Fetus — —
  • 5) Kennzeichen der erſten und wiederholten Schwangerſchaft — 86
  • 6. Zeitrechnung der Schwangerſchaft — 87
  • II. Phyſiologiſche Geſchichte der Geburt — 89
  • 1. Von der Geburtsthaͤtigkeit des weiblichen Koͤrpers — 90
  • 2. Geſchichte der regelmaͤßigen Geburt im Allgemeinen — 97
  • Erſte, oder vorherſagende Geburtsperiode — —
  • Zweite, oder vorbereitende Geburtsperiode — 98
  • Dritte Geburtsperiode, oder Periode der treibenden Wehen — 100
  • Vierte, oder Austrittsperiode — 102
  • Fuͤnfte, oder Nachgeburtsperiode — 103
  • 3. Von der Art und Weiſe wie bei der regelmaͤßigen Geburt
    das Kind durch das Becken hindurchgeht — 106
  • I. Klaſſe. Kopfgeburten.
  • 1. Ordnung. Hinterhauptsgeburt — 108
  • 2. Ordn. Scheitelgeburt — 113
  • 3. Ordn. Geſichtsgeburt. — 114
  • Vom Durchgange der uͤbrigen Kindestheile bei Kopfgeburten — 118
  • II. Klaſſe. Geburten mit vorausgehendem untern Ende des
    Rumpfs — 120
  • 1. Ordnung. Steisgeburt — 121
  • 2. Ordn. Kniegeburt — 124
  • 3. Ordn. Fußgeburt — 125
  • 4. Zeichenlehre der normalen Geburt — 126
  • Kennzeichen uͤber den Zuſtand des Kindes waͤhrend der Ge-
    burt — —
  • 1) Kennzeichen eines lebendes Kindes bei der Geburt — —
  • 2) Kennzeichen des waͤhrend oder kurz vor der Geburt abge-
    ſtorbenen Kindes — 127
  • II. Phyſiologiſche Geſchichte des Wochenbetts und der Stillungs-
    periode — 128
  • I. Von den Veraͤnderungen welche der muͤtterliche Koͤrper in
    der Periode des Wochenbetts und der Stillungsperiode er-
    leidet.
  • 1) Von den Veraͤnderungen in den Geſchlechtsorganen — 129
  • 2) Von den Veraͤnderungen welche das Allgemeinbefinden der
    Woͤchnerinnen zeigt — 138
  • Zeichenlehre fuͤr den Zuſtand der Woͤchnerin — 141
  • II. Von den Veraͤnderungen welche der Koͤrper des neugebo-
    renen Kindes im Vergleich zu ſeinem Zuſtande vor der Ge-
    burt erfaͤhrt Seite 143
  • II. Diaͤtetik der Schwangerſchaft, der Geburt, ſo
    wie der Wochen- und Stillungsperiode
    — 151
  • I. Diaͤtetik der Schwangerſchaft — 152
  • II. Diaͤtetik der Geburt, oder von der Behandlung des natuͤr-
    lichen Geburtsgeſchaͤfts — 158
  • I. Von den fuͤr das Geburtsgeſchaͤft zu treffenden Vor-
    bereitungen — 160
  • II. Huͤlfsleiſtung waͤhrend der einzelnen Perioden einer
    normalen Hinterhauptsgeburt.
  • Erſte Geburtsperiode — 168
  • Zweite Geburtsperiode — 170
  • Dritte Geburtsperiode — 171
  • Vierte Geburtsperiode — 172
  • Fuͤnfte Geburtsperiode — 184
  • III. Huͤlfsleiſtung bei den ungewoͤhnlichern Faͤllen der . .
    natuͤrlichen Geburt.
  • 1) Behandlung der Zwillings- und Drillingsgeburten — 186
  • 2) Huͤlfsleiſtung bei den ungewoͤhnlichen Kopfgeburten — 187
  • 3) Huͤlfsleiſtung bei Steis-, Knie- und Fußgeburten — 188
  • III. Diaͤtetik der Wochen- und Stillungsperiode.
  • 1) Von der Pflege der Woͤchnerin — 191
  • II. Von der Pflege des Saͤuglings — 198
  • Zweiter, pathologiſch-therapeutiſcher Abſchnitt.
  • I.Von den Krankheiten der Schwangern und der
    Behandlung derſelben
    — 204
  • I. Von den allgemeinen krankhaften Zuſtaͤnden der Schwan-
    gern — 205
  • 1. Krankhafte Zuſtaͤnde in den Verdauungswerkzeugen des
    weiblichen Koͤrpers waͤhrend der Schwangerſchaft — 206
  • 2. Krankhafte Zuſtaͤnde im Gefaͤßſyſtem des weiblichen Koͤr-
    pers waͤhrend der Schwangerſchaft — 213
  • 3. Krankhafte [Zuſtaͤnde] der Athmungs- und Abſonderungs-
    werkzeuge waͤhrend der Schwangerſchaft — 220
  • 4. Krankhafte Zuſtaͤnde des weiblichen Koͤrpers waͤhrend der
    Schwangerſchaft, welche ſich namentlich durch Stoͤrungen der
    Empfindungs- und Bewegungsthaͤtigkeit aͤußern — 230
  • II. Von den krankhaften Zuſtaͤnden im Geſchlechtsſyſteme der
    Schwangern Seite 243
  • I. Krankheiten des ſchwangern Uterus.
  • 1) Entzuͤndung der ſchwangern Gebaͤrmutter — 244
    (reine Entzuͤndung, Rheumatismus und Putrescenz der-
    ſelben.)
  • 2) Waſſerſucht der ſchwangern Gebaͤrmutter — 251
  • 3) Gebaͤrmutterblutfluͤſſe bei Schwangern — 253
  • 4) Fehlerh[a]fte Lagen des ſchwangern Uterus.
  • a. Zuruͤckbeugung der ſchwangern Gebaͤrmutter — 256
  • b. Vorfall der ſchwangern Gebaͤrmutter — 264
  • c. Schieflagen der ſchwangern Gebaͤrmutter und
    Gebaͤrmutterbruch — 268
  • II. Krankheiten der Bruͤſte bei Schwangern.
  • 1. Zu ſtarkes Anſchwellen der Bruͤſte in der Schwanger-
    ſchaft — 270
  • 2. Ausſchlaͤge an den Bruͤſten der Schwangern — 273
  • III. Von den krankhaften Zuſtaͤnden der Frucht — 275
  • 1. Allgemeine Pathologie des Fetuszuſtandes — 276
  • 2. Specielle Pathologie des Fetuszuſtandes — 284
  • II.Pathologie und Therapie der Gebursperiode— 289
  • Die Lehre von den geburtshuͤlflichen Operationen— —
  • I. Vorbereitende Operationen.
  • 1) Von der kuͤnſtlichen Erweiterung des Muttermundes — 296
  • 2) Von dem kuͤnſtlichen Sprengen der Eihaͤute — 304
  • 3) Von der Wendung — 308
  • a. Wendung auf die Fuͤße — 310
  • b. Wendung auf den Kopf — 322
  • II. Operationen wodurch die Geburt der Frucht oder einzelner
    Theile derſelben bewerkſtelligt wird.
    I. Kuͤnſtliche Bewerkſtelligung der Geburt des Kindes.
    A. Auf dem natuͤrlichen Geburtswege, und zwar
  • 1) Ohne Verletzung und Verkleinerung deſſelben.
  • 1. Von der Extraktion des Kindes an den Fuͤßen — 327
  • 2. Von der Extraktion des Kindeskopf durch Huͤlfe der Ge-
    burtszange — 336
  • 2) Von der kuͤnſtlichen Bewerkſtelligung der Geburt eines
    todten Kindes, nach verhaͤltnißmaͤßiger Verkleinerung deſ-
    ſelben.
  • 1. Von der kuͤnſtlichen Eroͤffnung des Kopfs und Entleerung
    des Gehirns — 354
  • 2. Von der Zerſtuͤckung des Kindes Seite 366
  • B. Kuͤnſtliche Bewerkſtelligung der Geburt des Kindes, durch
    Eroͤffnung eines neuen, oder durch kuͤnſtliche Erweiterung
    des gewoͤhnlichen Geburtsweges.
  • 1) Vom Gebaͤrmutterſchnitte oder Kaiſerſchnitte — 369
  • 2) Vom Bauchſchnitte — 386
  • 3) Vom Schamfugenſchnitte — 389
  • II. Von der kuͤnſtlichen Entwickelung der Nachgeburt.
  • 1) Von dem kuͤnſtlichen Loͤſen des Mutterkuchens — 392
  • 2) Von der Hinwegnahme der Nachgeburt aus der Hoͤhle der
    Gebaͤrmutter — 396
  • III. Von der kuͤnſtlichen Bewerkſtelligung des geſammten Ge-
    burtsgeſchaͤfts.
  • Die gewaltſame Entbindung — 398
  • Specielle Pathologie und Therapie der Geburt— 400
  • I.Von den krankhaften Zuſtaͤnden des muͤtterli-
    chen Koͤrpers, in wiefern ſie ſtoͤrend fuͤr den Ge-
    burtsverlauf wirken
    .
    I. Von den krankhaften Zuſtaͤnden des Allgemeinbefindens
    und den oͤrtlichen Krantheitszuſtaͤnden außerhalb der Ge-
    burtstheile.
  • A. Von den regelwidrigen Bildungen.
  • 1. Allgemeine Verbildung — 401
  • 2. Oertliche organiſche Krankheiten außerhalb der Geburts-
    theile — 404
  • B. Von den krankhaften dynamiſchen Zuſtaͤnden.
  • 1. In den Organen der animalen Sphaͤre — 407
  • 2. Krankhafte Zuſtaͤnde der vegetativen Sphaͤre — 413
  • II. Von den oͤrtlichen krankhaften Zuſtaͤnden der Geburtstheile.
  • 1. Von den krankhaften Zuſtaͤnden der Gebaͤrmutter, waͤhrend
    der Entbindung.
  • a. Krankhafte Thaͤtigkeit derſelben.
  • 1) Krankhafte Senſibilitaͤt — 420
  • 2) Krankhafte Gefaͤßthaͤtigkeit im Uterus waͤhrend der Ge-
    burt — 422
  • 3) Krankhafte Muſkularthaͤtigkeit im Uterus waͤhrend der
    Geburt (abnorme Wehen) — 425
  • b. Stoͤrungen der Organiſation welche im Uterus waͤhrend
    der Geburt bemerkt werden.
  • 1) Verwachſung und Verengerung des Muttermundes — 436
  • 2) Geſchwuͤre und Abſceſſe der Gebaͤrmutter Seite 438
  • 3) Krankhafte Geſchwuͤlſte der Gebaͤrmutter — —
  • 4) Zerreißung der Gebaͤrmutter — 440
  • 5) Schiefheit der Gebaͤrmutter — 442
  • c. Regelwidrige Lagen der Gebaͤrmutter waͤhrend der Ge-
    burt.
  • 1) Schieflagen — 443
  • 2) Vorfall — 444
  • 3) Umſtuͤlpung — 445
  • 2. Von den krankhaften Zuſtaͤnden der Mutterſcheide waͤhrend
    der Entbindung.
  • 1) Verwachſung und Verengerung derſelben — 447
  • 2) Zerreißung der Mutterſcheide — 448
  • 3) Vorfall der Mutterſcheide — 449
  • 3. Von den krankhaften Zuſtaͤnden der aͤußern Geſchlechtstheile
    waͤhrend der Geburt.
  • Von der Verwachſung oder Verengerung und von dem Auf-
    reißen der Schamſpalte — 450
  • 4. Von den abnormen Zuſtaͤnden des Beckens und ihrem Ein-
    fluſſe auf das Geburtsgeſchaͤft.
  • a) Von denen die Geburt beſchleunigenden Abnormitaͤten — 452
  • b) Von denen die Geburt hindernden Abnormitaͤten des Bek-
    kens — 453
  • II.Von dem regelwidrigen Verhalten der Frucht,
    in wiefern es die Geburt hindert oder ſtoͤrt
    .
  • I. Von dem regelwidrigen Verhalten der Frucht im Allge-
    meinen.
  • 1) Von der regelwidrigen Verbindung derſelben mit dem
    muͤtterlichen Koͤrper.
  • I. Von Anheftung und Ausbildung der Frucht außerhalb der
    Gebaͤrmutter (Graviditas extrauterina) — 465
  • II. Von regelwidriger Dauer der Verbindung der im Uterus
    enthaltenen Frucht mit dem muͤtterlichen Koͤrper.
  • I. Zu kurze Dauer dieſer Verbindung, Fruͤhgeburt oder Fehl-
    geburt. — 480
  • II. Zu lange Dauer der Verbindung zwiſchen Frucht und
    Uterus — 492
  • 2) *) Von regelwidriger Entwickelung der Frucht innerhalb,
    zuweilen auch außerhalb des Uterus, oder von den Mo-
    len-Schwangerſchaften und Geburten Seite 495
  • II. Regelwidrige Geburten durch abnormes Verhalten einzel-
    ner Theile der Frucht
  • I. Regelwidrigkeiten in den Eihaͤuten.
  • 1) Zu große Feſtigkeit derſelben — 499
  • 2) Zu geringe Feſtigkeit der Eihaͤute — 500
  • 3) Widernatuͤrliche Adhaͤſion der Eihaͤute — —
  • II. Regelwidrigkeiten des Mutterkuchens.
  • 1) Vorliegender Mutterkuchen — 502
  • 2) Zu feſt mit dem Uterus verwachſener Mutterkuchen — 506
  • 3) Zu lockere Verbindung des Mutterkuchens mit der Ge-
    baͤrmutter, oder zu zeitige Trennung deſſelben — 511
  • III. Regelwidrigkeiten des Fruchtwaſſers.
  • 1) Zu vieles Fruchtwaſſer — 512
  • 2) Zu weniges Fruchtwaſſer — 514
  • IV. Regelwidrigkeiten des Nabelſtranges.
  • 1) Der zu lange oder vorgefallene Nabelſtrang — 515
  • 2) Der zu kurze oder umſchlungene Nabelſtrang — 517
  • 3) Zerreißung des Nabelſtranges — 519
  • V. Regelwidrigkeiten am Kinde.
  • 1) Von der regelwidrigen Bildung deſſelben — 520
  • 2) Von der regelwidrigen Stellung des Kindes — 523
  • 3) Von der regelwidrigen Lage des Kindes — 524
  • Von Verbindung mehrfacher Regelwidrigkeiten des Geburts-
    geſchaͤfts untereinander und von der kuͤnſtlichen Veranlaſſung
    von Regelwidrigkeiten durch falſches Benehmen der Krei-
    ſenden, oder durch uͤble Behandlung — 528
  • III.Von den Krankheiten der Woͤchnerinnen und
    Neugeborenen, und von der Behandlung der-
    ſelben
    .
  • I.Specielle Pathologie und Therapie des Zu-
    ſtandes der Woͤchnerin
    — 531
  • I. Von den krankhaften Zuſtaͤnden der Woͤchnerin, welche
    unmittelbare Folgen der Geburt ſind Seite 531
  • 1) Krankhaftes allgemeines Befinden als Folge der Geburt — 532
  • 2) Krankhafte oͤrtliche Zuſtaͤnde als Folge der Geburt *)— 534
  • II. Von den Stoͤrungen der eigentlichen Wochenfunktionen
    und den davon abhaͤngigen Krankheiten — 543
  • 1. Von den Abnormitaͤten des Uterus im Wochenbette
  • 1) Nachwehen — 544
  • 2) Unregelmaͤßiger Lochienfluß — 545
  • 3) Regelwidrige Lagen des Uterus — 550
  • Umbeugung der Gebaͤrmutter — 551
  • 2. Von den regelwidrigen Zuſtaͤnden des Hautorgans bei
    Woͤchnerinnen — 553
  • 3. Regelwidrige Zuſtaͤnde der Milchabſonderung und der Bruͤſte — 555
  • 4. Von den Krankheiten welche durch Stoͤrungen in den
    natnrgemaͤßen Revolutionen der Wochenperiode hervorge-
    bracht werden.
  • 1) Congeſtionen und Blutungen — 564
  • 2) Entzuͤndungskrankheiten — 565
  • Weiſſe Schenkelgeſchwulſt — 566
  • 3) [Fieberhafte] Krankheiten.
  • a. Milchfieber — 569
  • b. Kindbettfieber — 572
  • III. Von den Krankheiten, welche, obwohl der Wochenperiode
    nicht eigenthuͤmlich angehoͤrend, Woͤchnerinnen befallen — 593
  • Von den Krankheiten, welche an neugebornen
    Kindern vorkommen
    — 596
  • I. Von dem krankhaften Zuſtaͤnden neugeborner Kinder,
    welche ſie, als Produkte abnormer Entwicklung innerhalb
    des muͤtterlichen Koͤrpers, mit zur Welt bringen.
    Angeborne Mißbildungen — 600
  • 1. Waſſerkopf — 601
  • 2. Vauchwaſſerſucht — 602
  • 3. Ruͤckgrathswaſſerſucht oder Wirbelſpalte — —
  • 4. Schambeinſpalte und vorgefallene Harnblaſe — 604
  • 5. Spaltung der Oberkiefergegend, Haſenſcharte, Wolfs-
    rachen Seite —
  • 6. Seitliche Lippenſpalte und Bauchſpalte — 605
  • 7. Spaltung der Bruſt und blosliegendes Herz — —
  • 8. Bauchſpalte oder angeborner Nabelbruch — 606
  • 9. Angeborener Leiſtenbruch — —
  • 10. Angeborener Hirnbruch — 608
  • 11. Angewachſene Zunge — 609
  • 12. Verwachſung des Maſtdarms — —
  • 13. Verſchlieſſung der Harnroͤhre — 610
  • 14 Zwitterbildungen — —
  • 15 Muttermaͤler — 612
  • 15. Kruͤmmung der Fuͤſſe oder Haͤnde — —
  • II. Krankheitszuſtaͤnde des Neugeborenen, als Folge der
    Geburt — 614
  • 1. Convulſionen des Kindes unter der Geburt — —
  • 2. Abreiſſen der Nabelſchnur — 615
  • 3. Anſchwellungen einzelner Kindestheile bei oder nach
    ſchweren Geburten — 616
  • 4. Knochenbruͤche, Eindruͤcke der Hirnſchale, Verrenkungen
    und andere [Verletzungen]— 617
  • III. Krankheitszuſtaͤnde welche bei neugeborenen Kindern erſt
    nach der Geburt bis zu Ende des Saͤuglingsalters ſich
    entwickeln.
  • a. Entzuͤndliche Krankheiten.
  • 1. Hirnentzuͤndung — 618
  • 2. Augenentzuͤndung — 621
  • 3. Entzuͤndung der Bruͤſtchen — 624
  • 4. Roſenentzuͤndung — —
  • b. Hautkrankheiten.
  • 1. Frieſel und Schaͤlblaſen — 625
  • 2. Gelbſucht — 626
  • 3. Schwaͤmmchen — 628
  • 4. Das Wundſeyn — 629
  • 5. Verhaͤrtung des Zellgewebes — —
  • c. Unterleibskrankheiten.
  • Koliken, Indigeſtionen, Obſtruktionen, Durchfall — 630
  • d. Krankheiten der Harnwege — 633
  • Harnloſigkeit und Harnſtrenge — —
  • e. Krankheitszuſtaͤnde des Nabels.
  • 1. Wundſeyn Seite 634
  • 2. Nabelbruͤche — —
  • f. Krampfhafte Krankheiten.
  • 1. Allgemeine Zuckungen — 635
  • 2. Kinnbackenkrampf — 636
  • Erklaͤrung der zum zweiten Theile gehoͤrigen 2ten und 3ten
    Tafel — 638

[[XV]]

Auswahl
einiger fuͤr das Studium der Entbindungs-
kunſt insbeſondere empfehlenswerthen
Schriften
.


Außer den ſchon im erſten Theile S. 86 u. f. namhaft gemachten Wer-
ken uͤber Entbindungskunſt von Oſiander*), Joͤrg**), Siebold,
Froriep, Plenk
und mehreren einzelnen im Text ſelbſt aufgefuͤhrten
Schriften, nennen wir als hierhergehoͤrig:


Hand- und Lehrbuͤcher.


  • J. J. Baudelocque Anleitung zur Entbindungskunſt, a. d. Franz, mit.
    Anmerk. von Ph. Fr. Meckel 2 Thl. 1791 — 94.
  • S. Zeller Grundſaͤtze der Geburtshuͤlfe. Wien 1781.
  • J. Ph. Hagen Verſuch eines neuen Lehrgebaͤudes der praktiſchen Ge-
    burtshuͤlfe. Verl. 1782. 2 Theile.
  • John Aitken Grundſaͤtze der Entbindungskunſt, a. d. Engl. mit An-
    merk. v. K. H. Spohr. Nuͤrnb. 1789.
  • J. G. Bernſtein Praktiſches Handbuch fuͤr angehende Geburtshelfer.
    2. Aufl. Leipz. 1797. u. Zuſaͤtze zu demſelben 1803.
  • G. W. Stein Anleitung zur Geburtshuͤlfe. 7. Aufl. Marburg 1805.
    2 Theile.
  • G. Chriſtoph Siebold Syſtematiſche Darſtellung der Manual- und
    Inſtrumental-Geburtshuͤlfe, nach Stein’s praktiſcher Anleitung.
    Wuͤrzb. 1794.
  • J. C. Ebermaier Taſchenbuch der Geburtshuͤlfe fuͤr angehende Ge-
    burtshelfer. Leipz. 1805 — 7. 2 Theile.
  • F. H. Martens Verſuch eines vollſtaͤndigen Syſtems der theoretiſchen
    und praktiſchen Geburtshuͤlfe. Leipz. 1802.
  • u. Ebendeſſelben tabellariſche Ueberſicht der praktiſchen Entbindungs-
    kunſt in Hinſicht auf die verſchiedenen Lagen des Kindes und die wich-
    tigſten Operationen. Jena 1805.
  • J. P. Weidmann Entwurf der Geburtshuͤlfe. Mainz 1808.
  • A. J. Jungmann Lehrbuch der Geburtshuͤlfe. 2 Theile. Prag 1812.

Gerichtliche Geburtshuͤlfe.


  • Im. Gottl. Knebel Grundriß der polizeilich gerichtlichen Entbin-
    dungskunde. 2. Bd. 1801 — 3. Breslau.
  • J. Chr. Gottfr. Joͤrg Taſchenbuch fuͤr gerichtliche Aerzte und Ge-
    burtshelfer bei geſetzmaͤßigen Unterſuchungen des Weibes. Leipz. 1814

[XVI]

Vermiſchte Schriften uͤber beſondere Gegenſtaͤnde
der Entbindungskunſt
.


  • (F. May) Stolpertus, ein junger Geburtshelfer am Kreisbette. Von
    einem patriotiſchen Pfaͤlzer. Manheim 1807.
  • Luc. J. Boër Abhandlungen und Verſuche zur Begruͤndung einer neuen,
    einfachen und naturgemaͤßen Geburtshuͤlfe. 2. Aufl. Wien 1810.
  • Fr. Benj. Oſiander Denkwuͤrdigkeiten fuͤr die Heilkunde und Ge-
    burtshuͤlfe. 2 Bde. Goͤttingen 1794 — 95.
  • Deſſelben Neue Denkwuͤrdigkeiten fuͤr Aerzte und Geburtshelfer. 1.
    Bd. Goͤttingen 1798.
  • Deſſelben Annalen der Entbindungslehranſtalt. 2. Bd. 1801 — 4.
  • J. P. Vogler Erfahrungen uͤber Geburt und Geburtshuͤlfe.
  • W. Gf. von Herder Zur Erweiterung der Geburtshuͤlfe diognoſtiſch-
    praktiſche Beitraͤge. Leipz. 1803.
  • M. Saxtorph geſammelte geburtshuͤlfliche praktiſche u. phyſiologiſche
    Schriften. Koppenhagen 1803.
  • J. Ch. G. Joͤrg Verſuche und Beitraͤge geburtshuͤlflichen Inhalts. Leip-
    zig 1806.
  • Ebenderſelbe Schriften zur Befoͤrderung der Kenntniß des menſchli-
    chen Weibes. 2 Thle. 1812 — 18.
  • G. W. Stein Nachgelaßene geburtshuͤlfliche Wahrnehmungen. Mar-
    burg 1807 — 9. 2 Theile.
  • G. W. Stein der juͤngere, Geburtshuͤlfliche Abhandlungen. Marburg
    1803.
  • W. L. Haſelberg Unterſuchungen und Bemerkungen uͤber einige Ge-
    genſtaͤnde der prkt. Geburtshuͤlfe. Berlin und Stralſund 1807.
  • J. Fr. Schweighaͤuſer Aufſaͤtze uͤber einige phyſiologiſche und prak-
    tiſche Gegenſtaͤnde der Geburtshuͤlfe. Nuͤrnberg 1817.
  • W. Joſ. Schmitt geſammelte obſtetriciſche Schriften. Wien 1819.

Was die weitere Aufzaͤhlung der geburtshuͤlflichen Literatur betrifft,
ſo verweiſen wir auf die S. 13. des 1. Theils genannten Werke, wo-
ſelbſt zugleich die vorzuͤglichern Zeitſchriften fuͤr Gynaͤkologie und Ge-
burtshuͤlfe insbeſondre erwaͤhnt worden ſind.


Vorzuͤgliche Hebammenbuͤcher.


  • L. F. Senff Lehrbuch fuͤr Hebammen. Halle 1812.
  • El. v. Siebold Lehrbuch der Hebammenkunſt. Wuͤrzburg 1808 (1818
    iſt davon die 3. Auflage erſchienen.)
  • J. Ch. G. Joͤrg Lehrbuch der Hebammenkunſt. Leipz. 1814. (Seit
    1818. zum Unterricht der Hebammen im Koͤnigreich Sachſen geſetz-
    maͤßig eingefuͤhrt.
[[1]]

Der ſpeciellen
Gynaͤkologie
zweyter Theil
.


II.
[[2]][[3]]

Vom geſunden und kranken Lebenszuſtande
des Weibes in ſeinem Verhaͤltniß zu einem
Erzeugten.


Erſter phyſiologiſch-diaͤtetiſcher Abſchnitt.


I.
Phyſiologie der Schwangerſchaft, der Geburt, ſo
wie der Wochen- und Stillungs-Periode.


1. Phyſiologiſche Geſchichte der Schwangerſchaft.

§. 637.

Der merkwuͤrdige Cyclus des weiblichen Lebens, welchen
wir, entſprechend den drei großen Stadien des allgemeinen
Lebens, eingetheilt haben in Schwangerſchaft (Entwickelung),
Geburt (Wendepunkt), und Wochenperiode (Ruͤckbildung),
beginnt mit dem geheimnißvollen Akte der Empfaͤngniß
(Conceptio), und wir verſtehen unter Empfaͤngniß*)
[4]denjenigen Vorgang, wo unter Zuſammenwir-
kung eines weiblichen und maͤnnlichen Organis-
mus der Grund zu einer nachfolgenden Schwan-
gerſchaft gelegt wird
; dahingegen unter Schwanger-
ſchaft
(Graviditas) derjenige Zuſtand des menſchli-
chen und zwar hauptſaͤchlich des weiblichen Koͤr-
pers verſtanden wird, wo eine durch Empfaͤngniß
erzeugte und im Innern des Organismus durch
Wechſelwirkung fortgebildete Frucht in dieſem
Innern verweilt. — Regelmaͤßig iſt die Em-
pfaͤngniß wenn ſie durch eine vollkommene Be-
gattung vermittelt, und der Grund zu einer
regelmaͤßigen Schwangerſchaft dadurch gelegt
wird. Regelmaͤßig iſt die Schwangerſchaft, wenn
die erzeugte Frucht in der Hoͤhle des Uterus ſich
befindet, ſelbſt in aller Hinſicht normal gebil-
det iſt, und in der geſetzmaͤßigen Zeit ihre voll-
kommene Entwickelung erreicht
.


Anmerkung. Die Wahl des Ausdrucks fuͤr eine
vollkommne Begriffsbeſtimmung des Zuſtandes der Schwan-
gerſchaft uͤberhaupt, iſt mit nicht geringer Schwierigkeit ver-
bunden, und zwar wegen der aͤußerſt mannigfaltigen Abnor-
mitaͤten, welche in dieſem Zuſtande vorkommen, und welche
demungeachtet in dieſer Definition mit einbegriffen werden
muͤſſen. So koͤnnen wir z. B. den Zuſtand der Schwan-
gerſchaft nicht fuͤglich auf den weiblichen Koͤrper allein be-
ſchraͤnken, ſobald ſich (wie dieß nun bereits einigemal beob-
achtet worden) Faͤlle vorfinden, wo ein maͤnnlicher Foͤtus
oder ein Knabe, einen andern Foͤtus in ſich trug *), von
welchem letztern angenommen werden mußte, daß er in und
durch jenen erſtern Koͤrper noch einige Zeit fortgebildet wor-
den ſey, und ſo zu dieſem ungefaͤhr in demſelben Verhaͤlt-
[5] niß geſtanden habe, wie ein Fetus im weiblichen Koͤrper
bey einer Schwangerſchaft außerhalb der Gebaͤrmutter. Fer-
ner koͤnnen wir die Schwangerſchaft auch nicht auf das
Tragen und Ernaͤhren eines Kindes beſchraͤnken, da oft gar
kein wirklich gebildetes Kind vorhanden iſt, oder auch der
Fall vorkommt, wo ein wirklicher Fetus zwar ſich vorfindet,
aber als abgeſtorbene Frucht laͤngere Zeit im Koͤrper verweilt
und ſonach nicht mehr ernaͤhrt wird.


1. Von der Empfaͤngniß.

§. 638.

Auf welche Weiſe die Bildung eines neuen thieriſchen
und beſonders eines neuen menſchlichen Koͤrpers zuerſt be-
gruͤndet werde, hat von jeher die Forſchungen der Phyſiolo-
gen rege gemacht und zu den verſchiedenartigſten Zeugungs-
theorien Veranlaſſung gegeben, welche hier durchzugehen
nicht der Ort iſt, und welche man anderwaͤrts *) ausfuͤhrlich
zuſammen geſtellt vorfinden kann. Gewoͤhnlich ſchwankten dieſe
Meinungen ziemlich der Annahme eines entweder von jeher
im weiblichen Koͤrper gegebenen Keimes, welcher nur durch
die Befruchtung zur Entwickelung gedeihe (Evolutionstheorie),
oder einer durch den Zeugungsakt angeregten allmaͤhligen
Ausbildung einer vorher rohen und ungebildeten Maſſe, wel-
che entweder vom maͤnnlichen oder vom weiblichen Koͤrper,
oder von beiden zugleich hergegeben werde (Epigenesis); der
ſchwierigſte Punkt blieb indeß immer, daß man die neue
Entſtehung
eines organiſchen Koͤrpers erklaͤren wollte,
und hier verfiel man offenbar in Irrthum.


[6]
§. 639.

Eben ſo wenig naͤmlich als in der Natur etwas wahr-
haft vernichtet wird, ſo wenig iſt auch ein wahrhaftes
neu entſtehen moͤglich, da der Natur das Praͤdicat
der Unendlichkeit zukoͤmmt, und folglich gar keine Subſtanz
gedacht werden kann, welche nicht von jeher in ihr vorhan-
den geweſen ſey. Eben ſo aber wie die Natur unendlich
und ewig iſt, iſt ſie auch in ſtaͤtiger Bildung begriffen, und der
Zeit wie dem Raume nach unendlich mannigfaltig, woraus
denn folgt, daß eben ſo wie die Subſtanz ewig dieſelbe
ſeyn muͤſſe, die Erſcheinung doch ſtets als neu ſich of-
fenbaren werde.


§. 640.

Haͤlt man dieſe Gedanken feſt, ſo wird bald das Un-
begreifliche der neuen Entſtehung organiſcher Weſen ſich min-
dern. — Wir finden es weniger unerklaͤrlich wenn wir ſe-
hen, wie der Baum Blaͤtter und Zweige hervor treibt, aber
es ſcheint uns wunderbar, wenn wir ſehen, daß aus einem
unſcheinbaren Samenkorn ein neuer Baum erwachſen kann;
und doch iſt das Samenkorn nichts mehr als eine moͤglichſt
zuſammen gezogene Geſtalt der Knoſpe ſelbſt *), und wie dieſe
nur ein (wenn auch abgeloͤſter) Theil des muͤtterlichen Or-
ganismus, welcher ſeine weitere Entfaltung beginnt, ſo
daß alle Fortpflanzung eigentlich blos als das Fortwachſen
eines Urſtammes durch unendliche Generationen betrachtet
werden muß.


§. 641.

Alſo aber auch das Fortflanzen oder die Zeugung
der Thiere und Menſchen; es iſt hier keine neue Ent-
ſtehung
, es iſt blos das Fortwachſen der Thierheit,
[7] der Menſchheit nach den ihnen einwohnenden ewigen Ge-
ſetzen, wo nur Glied an Glied ſich reiht, und ſo ein großes
Ganzes weiter und weiter ſich entwickelt.


§. 642.

Vergleichen wir nun aber das Hervorbilden des menſch-
lichen Organismus aus dem muͤtterlichen mit dem der Thiere
und Pflanzen, ſo ergiebt ſich ein bedeutungsvoller Unter-
ſchied. — In Pflanzen und Thieren naͤmlich iſt das erſte
Rudiment des neu zu bildenden Koͤrpers anfaͤnglich ſehr
deutlich ein wahrer integrirender Theil des muͤtterlichen Koͤr-
pers, ſo in der Pflanzenbluͤthe der Fruchtknoten (Germen),
in den Thieren (z. B. in den Fiſchen und Amphibien) das
ohne Begattung, gleich jedem andern Eingeweide des Thier-
koͤrpers entſtehende Ey. — In dem menſchlichen Geſchlechte
hingegen iſt ein ſolcher dem Aelternkoͤrper angehoͤriger, vor
der Begattung ſchon gebildeter Keim weit weniger nachzu-
weiſen, vielmehr darf man wohl annehmen, daß der Keim
ſelbſt erſt das Produkt der Begattung ſey, und er eben da-
durch um ſo viel freier und ſelbſtſtaͤndiger erſcheinen muͤſſe,
als im Gegentheil Thiere mit fruͤher ſchon gebildeten Keimen
ſich mehr der Fortpflanzungswelſe der unterſten Thierfamilien
z. B. der Polypen naͤhern, wo das Junge ohne alle Be-
gattung gleich einem Zweige aus dem Mutterkoͤrper hervor-
ſproßt.


§. 643.

Fraͤgt man nach dem Speciellen des Vorganges bey
Hervorbildung dieſes Keimes, ſo duͤrfen wir wohl, geſtuͤtzt
auf die Vergleichung der Fortpflanzung anderer vegetabili-
ſcher und animaliſcher Koͤrper behaupten, daß die Maſſe,
der Bildungsſtoff, hergegeben werde von dem weiblichen
Koͤrper, das Belebende, Begeiſtigende hingegen durch Ein-
wirkung des maͤnnlichen Koͤrpers mitgetheilt werde. Wir
koͤnnen es vergleichen einem Baume, welcher Blumen und
Fruͤchte hervor treibt unter Einwirkung von Licht und Waͤrme,
oder der Erde ſelbſt, deren organiſches Leben wie das Hervor-
[8] bringen lebendiger Weſen auf ihrer Oberflaͤche, abhaͤngt von
der Einwirkung der Sonne und anderer Weltkoͤrper, oder,
wollen wir Krankheitserſcheinungen erwaͤgen, mit einem thie-
riſchen Koͤrper, welcher ein Exanthem auf ſeiner Flaͤche er-
zeugt, nachdem er durch die Atmosphaͤre eines an gleichem
Leiden Erkrankten zu dieſem normwidrigen Bildungsprozeſſe
aufgeregt worden iſt.


§. 644.

Fuͤr dieſe Anſicht, und gegen das materielle Mitein-
dringen und Bilden maͤnnlichen Zeugungsſtoffes in den neuen
Organismus ſprechen die Befruchtung der Pflanzen, wo ein
Zudringen des Pollens bis zum Fruchtknoten kaum gedenk-
bar iſt, das Befruchten der Eier von Fiſchen und Amphi-
bien, wo ſchon die Beruͤhrung des Eies durch einen, oft
noch aͤußerſt verduͤnnten Samen zur Anregung des Lebens
hinreicht, und endlich beim Menſchen ſelbſt die oͤftern Bei-
ſpiele von Conception ohne vollkommene Begattung, ja bei
Verſchließung des Geburtsweges *).


§. 645.

Iſt nun aber das Hervorbilden eines neuen Keimes aus
dem muͤtterlichen Koͤrper auch anerkannt, ſo bleibt doch noch
der Ort, wo dieſer Keim zuerſt erſcheint, zu unterſuchen
uͤbrig. — In den Thieren iſt dieſer Ort ganz unlaͤugbar
das Ovarium; bei dem Menſchen hingegen iſt dieß weniger
klar nachzuweiſen, ſo daß man denn nicht ſelten (neuerlich
noch Wilbrand) die Entſtehung des Eikeimes im Uterus
ſelbſt angenommen hat; allein eben die Analogie ſo vieler
Thiergeſchlechter, die Beobachtung von Blaͤschen, welche ſich in
und auf den Ovarien, und zwar wohl erſt in Folge der durch
[9] den Geſchlechtsreiz hoͤher geſteigerten produktiven Thaͤtigkeit
derſelben wirklich entwickelt zeigen, die Schwangerſchaften
außerhalb der Gebaͤrmutter u. ſ. w. beweiſen wohl hinrei-
chend, daß wirklich an dem Eyerſtocke das erſte Rudiment
des neuen Organismus aus dem muͤtterlichen hervorwachſe,
jedoch ſo, daß es beim Menſchen bereits innerhalb eines
Zeitraumes von 2 bis 3 Tagen ſich abſondert, um ſpaͤter-
hin in dem Uterus zu voͤlliger Reife gebildet zu werden;
welche zeitige Abſonderung gewiß fuͤr die Selbſtſtaͤndigkeit
und hoͤhere Entwickelungsfaͤhigkeit des Fetus eben ſo wichtig
iſt, als die §. 642 angegebene Eigenthuͤmlichkeit.


§. 646.

Die Keime uͤbrigens, welche auf den Ovarien durch den
Begattungsreiz gebildet werden, ſind namentlich von Oſian-
der
und Oken einem blaſigen Exanthem verglichen worden,
und Erſterer hat hierbei noch die allerdings zu beachtende,
obwohl noch ſehr triftige Beweiſe fordernde Hypotheſe auf-
geſtellt, daß bei der erſten Empfaͤngniß ſchon mehrere Eiblaͤs-
chen erzeugt werden koͤnnten, welche dann erſt bei nachfolgender
Befruchtung wirklich zur Reife gediehen, und ſich abloͤſten *). —
Da wo ſich ein ſolches Blaͤschen wirklich abgeloͤſt hat, bleibt
am Eierſtock eine kleine Narbe zuruͤck (ſie kann dem ruͤck-
bleibenden Kelche (Calix), am Eierſtocke der Voͤgel vergli-
chen werden) und dieſe iſt es, welche den Namen des gel-
ben Koͤrpers (Corpus luteum), in ſofern man dadurch die
Spur eines abgeloͤſten Eychens bezeichnen will, wirklich ver-
dient; dahingegen ſich an Menſchen- und Thierleichen oͤſters
krankhaft gebildete und vergroͤßerte Eiblaͤschen an der Ober-
flaͤche der Ovarien vorfinden, welche ihrer Natur nach nie zu
wirklichen Fruͤchten ſich abloͤſen koͤnnen, und ſomit auch durch-
[10] aus fuͤr keine fruͤher Statt gehabte Empfaͤngniß beweiſend
ſind *).


§. 647.

Die Bedingungen, unter welchen eine regelmaͤßige
Empfaͤngniß Statt finden kann, laſſen ſich nur ſchwer mit
Beſtimmtheit angeben. Im Allgemeinen kann man zwar
annehmen, daß ein vollkommner Coitus bei beiderſeitigen
regelmaͤßig beſchaffenen Geſchlechtswerkzeugen und allgemeiner
Geſundheit am ſicherſten Empfaͤngniß zur Folge haben werde,
und man will noch uͤberdieß bemerkt haben, daß dieſelbe am
leichteſten bald nach Statt gehabter Menſtruation, in hori-
zontaler Lage und in den Morgenſtunden erfolge; demunge-
achtet mangelt es auch keinesweges an Beiſpielen, wo die
Conception Statt fand ſelbſt bei ſehr verbildeten Geſchlechts-
theilen, bei einem Coitus sine immissione penis, in auf-
rechter Stellung, bei gewaltſam erzwungenem Coitus, bei
gaͤnzlichem Mangel an Geſchlechtsempfindungen von Seiten
des Weibes, ja bei betraͤchtlichen Krankheiten der Geburts-
theile. —


§. 648.

Daß uͤbrigens koſmiſche Verhaͤltniſſe auch fuͤr die Beſtim-
mung der Empfaͤngniß von Wichtigkeit ſind, iſt wohl keine
Frage; iſt doch bei den Thieren die Brunſt des Weibchens
und mit ihr das Empfangen, ſehr deutlich an verſchiedene
Jahreszeiten gebunden, und es erfolgt daher die Empfaͤng-
niß auch im Weibe am haͤufigſten in den Fruͤhlingsmonaten,
und in feuchten und gewitterreichen Jahren, dahingegen im
Herbſt, und namentlich im October, das Empfangen ſeltner
iſt, und im Durchſchnitt immer die wenigſten Geburten in
[11] den Juni und Juli fallen *). Vielleicht wird ſelbſt durch
atmosphaͤriſche Einfluͤſſe die Erzeugung von Knaben oder
Maͤdchen mit beſtimmt, und auch meine Tabellen beſtaͤtigen
die ſchon von Oſiander**) gemachte Bemerkung, daß
im Durchſchnitt (keinesweges durchgaͤngig) mehr Knaben
beim Neu- und zunehmenden Monde, mehr Maͤdchen bei
vollem und abnehmendem Monde erzeugt werden. Eben ſo
iſt zu bemerken, daß die erſte Conception gewoͤhnlich
ein Maͤdchen iſt; dahingegen die Annahmen von Henke,
Millot
und Andern, daß auf die Beſtimmung des Ge-
ſchlechts entweder ein Teſtikel oder ein Ovarium wirke, hin-
laͤnglich widerlegt ſind.


§. 649.

Als Kennzeichen der Statt gehabten Empfaͤng-
niß
hat man zwar mehrere Zufaͤlle angefuͤhrt, allein genau
genommen, iſt keines derſelben, welches vollkommen guͤltig
genannt werden koͤnnte. — Es gehoͤren dahin erhoͤhte Em-
pfindung beym Coitus, Gefuͤhl von Schauer, innern Krampf,
oder auch wohl Ueblichkeit einige Zeit nach demſelben, gaͤnz-
liches oder ziemlich vollkommnes Zuruͤckbleiben und Eingeſo-
genwerden der Samenfeuchtigkeit in der Scheide und Ge-
baͤrmutter, gelindes Anſchwellen des Halſes (welches von
den Alten ſchon fuͤr das Zeichen verlorner Jungfraͤulichkeit
gehalten wurde), ein Trieb die Schenkel kreuzweis uͤber-
einander zu ſchlagen, voruͤbergehendes Aufgetriebenſeyn des
Unterleibes u. ſ. w. — Von alle dieſen Zeichen kann man
nur ſagen, daß ſie zuweilen vorhanden ſeyen, daß es
durch dieſelben einigen Frauen, welche ſchon mehrmals ge-
boren haben, moͤglich werden koͤnne, den Zeitpunkt wo ſie
empfangen haben, genau zu bemerken, allen daß alle dieſe
[12] Zeichen, da ſie einzig in die Perceptionsſphaͤre des Weibes
ſelbſt fallen, fuͤr den Arzt, namentlich etwa in gerichtlichen
Faͤllen, ſo gut als gar keinen Anhaltungspunkt gewaͤhren.


2. Von der Schwangerſchaft im Allgemeinen.

§. 650.

In der Geſchichte der Schwangerſchaft (wie uͤberhaupt
immer da, wo wir den weiblichen Koͤrper im Verhaͤltniß zu
einem neuen in ihm entſtandenen Organismus betrachten)
haben wir auf zweierlei vorzuͤglich Ruͤckſicht zu nehmen,
einmal naͤmlich: auf die erzeugte Frucht und deren Veraͤn-
derungen, und ein andermal auf den muͤtterlichen Koͤrper
und deſſen Veraͤnderungen, nach welchen beiden Abtheilun-
gen wir denn auch das Specielle der Geſchichte der Schwan-
gerſchaft abhandeln werden. — Zuvor iſt jedoch noch uͤber
Dauer und Eintheilung der Schwangerſchaft einiges zu
erinnern.


§. 651.

Den Zeitraum fuͤr die normale Schwangerſchaft betref-
fend, ſo betraͤgt derſelbe in der Regel gerade 40 Wo-
chen oder 280 Tage oder 10 Mondesmonate, welches
denn ziemlich mit neun Kalendermonaten uͤbereintrifft. Zu
bemerken iſt hierbei, daß eigentlich der Typus der monat-
lichen Periode das Maaß abgiebt, nach welchem die Schwan-
gerſchaft ſich richtet, und daß gerade zehnmal der vierwoͤ-
chentliche Typus ſich wiederholen muß, um dieſen Zeitraum
zu erfuͤllen.


§. 652.

Uebrigens iſt dieſes Maaß nicht ſo feſtſtehend, daß nicht
betraͤchtliche Abweichungen ſehr wohl Statt finden koͤnnten,
welches Theils durch Einwirkung der Menſtruationsperioden,
Theils vielleicht auch durch atmosphaͤriſche Einfluͤſſe herbei-
[13] gefuͤhrt werden kann, Faͤlle von denen der letztere mit dadurch
wahrſcheinlich gemacht wird, daß ſelbſt bey Hausthieren die
Zeit der Traͤchtigkeit oft ſo bedeutende Verſchiedenheiten zeigt *).


§. 653.

Der Einfluß, welchen die Menſtruationsperiode auf die
Schwangerſchaft hat, aͤußert ſich vorzuͤglich dadurch, daß
haͤufig nicht die Conception, ſondern der letzte Eintritt der
Menſtruation den Termin der Geburt beſtimmt, folglich
wenn die monatliche Periode vielleicht 8 oder vierzehn Tage
vor der Conception zum letzten Mal erſchienen war, auch
die Geburt nicht am 280. Tage nach der Conception, ſon-
dern um 8 oder 14 Tage zeitiger eintritt **). — Ueberhaupt
ſind auch im Verlaufe der Schwangerſchaft die Perioden des
Monatsfluſſes gewoͤhnlich ſehr wohl noch zu bemerken; denn
nicht allein, daß zuweilen die Menſtruation ſelbſt in der
Schwangerſchaft noch mehrere Male wiederkehrt (wovon un-
ten), ſondern es werden auch ohne dieß dieſe Perioden haͤufig
durch vermehrte Congeſtionen und aͤhnliche Zufaͤlle bezeichnet,
ſo daß ſelbſt unzeitige Geburten vorzuͤglich gern in dieſen
Perioden eintreten.


§. 654.

Eingetheilt wird die Schwangerſchaft zunaͤchft
in die regelmaͤßig und unregelmaͤßig verlaufende,
[14] von welchen wir denn an dieſem Orte nur die regelmaͤſ-
ſige
betrachten. Dieſe zerfaͤllt wieder in die einfache
Schwangerſchaft (Graviditas simplex), wobei nur eine
Frucht im Uterus ernaͤhrt wird, und zweitens in die mehr-
fache
Schwangerſchaft, wohin die Zwillingsſchwangerſchaft
(Graviditas gemellorum), die Drillingsſchwangerſchaft
(Grävitas trigeminorum), die Vierlingsſchwangerſchaft
(Gravidas quatergeminorum), u. ſ. w. gehoͤren. — Es
iſt hierbei die Frage zu beruͤhren: wie viel wohl Fruͤchte
im Uterus zugleich getragen werden koͤnnen und wirklich ge-
tragen worden ſind? — Man ſtoͤßt bei dieſen Unterſuchun-
gen auf vielfache Fabeln von Schwangerſchaft mit 10, 13,
ja noch weit mehrern Fruͤchten *); allein man findet auch
nicht zu laͤugnende Thatſachen von Schwangerſchaften mit
ſechs Kindern, ja ein von B. Oſiander**) angefuͤhrter
Fall erlaubt wenigſtens nicht mit Beſtimmtheit abzuſprechen,
daß eine Schwangerſchaft mit ſieben Fruͤchten unmoͤglich oder
doch unwirklich vorgekommen ſey.


Anmerkung. Nach J. Fr. Oſiander***) verhiel-
ten ſich in der Maternité von Paris die Faͤlle von Zwillin-
gen zu einfachen Geburten wie 1 zu 91, die Faͤlle von Dril-
lingsgeburten zu den einfachen aber ſchon wie 1 zu 8654.


§. 655.

Eine beſondere Abtheilung der mehrfachen Schwanger-
ſchaften endlich machen diejenigen aus, wo die beyden
Fruͤchte nicht in einem und demſelben Begattungsakt erzeugt
worden ſind, ſondern jede Frucht durch eine beſondere Em-
pfaͤngniß entſtanden iſt. — Man hat dieſe Faͤlle je nach-
[15] dem entweder die zweite Empfaͤngniß der erſten bald nachge-
folgt iſt, oder je nachdem ſie ſpaͤter Statt gehabt hat, entweder
Ueberfruchtung (Superfecundatio), oder im letztern Falle
Ueberſchwaͤngerung (Superfetatio) genannt, und die
Annahme oder Nichtannahme derſelben hat zu mehrern Strei-
tigkeiten Veranlaſſung gegeben *).


§. 656.

Was die Ueberfruchtung oder das Statt haben einer
zweyten Empfaͤngniß bald nach einer bereits geſchehenen be-
trifft, ſo kann ſie wohl keinesweges weder aus Gruͤnden a
priori
gelaͤugnet werden, noch fehlt es an Beobachtungen,
welche fuͤr dieſelbe ſprechen; denn erſtens kann man nicht
fuͤglich annehmen, daß die innern Geſchlechtstheile durch die
erſten Tage der Schwangerſchaft ſchon ſo weit veraͤndert
waͤren, daß nicht noch eine neue Empfaͤngniß Statt haben
koͤnnte; und zweitens beweiſen ſowohl die Beiſpiele, wo
Thiere Junge von verſchiedener Race warfen (z. B. eine
Stute ein junges Pferd und einen Mauleſel), oder wo Frauen
einen Zwilling von weißer und einen von ſchwarzer Farbe
gebaren *), oder einen Zwilling einen oder mehrere Tage ſpaͤ-
ter zur Welt brachten, als den andern u. ſ. w., daß die-
ſes Ueberfruchten wirklich zuweilen Statt finde.


§. 657.

Was hingegen die zweite Empfaͤngniß nach bereits weiter
vorgeruͤckter Schwangerſchaft betrifft, ſo iſt ſie bei einem
einfachen Uterus ſchwerlich je anzunehmen; indem erſtens der
Uterus alsdann ſelbſt ſo umgeaͤndert iſt, daß das Eindringen
und Ausbilden einer zweiten Frucht in demſelben auf keine
[16] Weiſe angenommen werden kann, und ferner die Faͤlle, wo
ein ſehr kleiner mit einem groͤßern Zwillinge zugleich geboren
wurde, oder ein Zwilling mehrere Wochen ſpaͤter als der
erſte zur Welt kam, hier gar nicht als beweiſend anzu-
nehmen ſind, da dieſes alles ſich weit einfacher aus der ver-
ſchiedenen Entwickelung erklaͤren laͤßt, welches um ſo mehr
beruͤckſichtigt werden muß, da man ja zuweilen wohl ſelbſt
untereinander verwachſene (und alſo gewiß zugleich erzeugte)
Zwillinge von aͤußerſt verſchiedener Groͤße antrifft *) — Bei
einem doppelten Uterus hingegen kann allerdings eine Ue-
berſchwaͤngerung Statt finden, und obwohl auch bei doppelter
Gebaͤrmutter am haͤufigſten nur eine Hoͤhle ſchwanger wird,
ſo iſt doch auch das Gegentheil vorgekommen, wie der von
P. Fr. Meckel in der Note zu Baudeloque**) er-
waͤhnte, in der Hunterſchen Sammlung befindliche Fall ei-
ner doppelten Gebaͤrmutter erweiſt, wo ein ausgetragenes
Kind auf der einen Seite, eines von vier Monaten auf der
andern Seite ſich vorfindet.


3. Entwickelungsgeſchichte der Frucht.

§. 658.

Die menſchliche Frucht folgt in ihrer Entwickelung der
Art und Weiſe der organiſchen Koͤrper uͤberhaupt, d. i. ſie
wird ein Vielgliedriges, ein Mannigfaltiges aus einem
Einfachen, nicht durch Zuſammenſetzung mehrerer urſpruͤng-
lich Getrennter, ſondern durch Trennung eines urſpruͤnglich
Einfachen.


§. 659.

Die einfachſte Geſtaltung alles Organiſchen aber iſt die
Kugelform, in welcher daher das Fluͤſſige, ſobald es Geſtalt
[17] annimmt (im Tropfen) erſcheint, in welcher die Weltkoͤrper
erſcheinen, in welcher auch die aus dem Fluͤſſigen hervorge-
henden erſten Keime eines Organiſchen (im Ei) ſich dar-
ſtellen.


§. 660.

Ein organiſirter Koͤrper aber, welcher das Einfache dar-
ſtellt, in und aus welchem die Mannigfaltigkeit der Gebilde
eines thieriſchen Organismus ſich unter guͤnſtigen aͤußern Ver-
haͤltniſſen entwickeln kann, nennen wir Ei (Ovum).


§. 661.

Das Ei iſt lebendig, ſein Leben aͤußert ſich unter guͤn-
ſtigen aͤußern Verhaͤltniſſen als bildende Kraft, und man
koͤnnte das Ei (wie es auch wohl geſchehen iſt *) ſelbſt als
Thier betrachten, wenn es nicht des Vermoͤgens der Wirk-
ſamkeit im Ganzen durch eigene Beſtimmungen gegen aͤußere
Gegenſtaͤnde beraubt waͤre; welches Vermoͤgen doch ſelbſt den
niedrigſten Thiergattungen nicht mangelt, deren Leben immer
ein inneres und aͤußeres zugleich iſt, dahingegen das Leben
des Eies blos als innres erſcheint.


§. 662.

Wie der Form nach aber im Reiche des Organiſchen die
Kugel das Einfachſte und Urſpruͤngliche iſt, ſo dem Stoffe,
der Maſſe nach, das Fluͤſſige. Wie alſo das Ei ſelbſt zuerſt
aus Fluͤſſigem ſich erzeugt, ſo liegt es nothwendig im Be-
griffe deſſelben, daß der Stoff deſſelben, welcher den Keim
zum neuen Organismus enthaͤlt, naͤmlich das Innere des
Eies, fluͤſſig ſey. Der Miſchung nach iſt aber dieſe
Fluͤſſigkeit von der Gattung, welche uͤberall die Grundlage
des thieriſchen Organismus ausmacht; ſie iſt eiweiß-
ſtoffig
.


§. 663.

Wie nun aber oben erwaͤhnt worden iſt, daß im Men-
II. Theil. 2
[18] ſchen hoͤchſt wahrſcheinlich der erſte Fruchtkeim, das Ei,
nicht knospenartig vom weiblichen Koͤrper erzeugt werde,
ſondern nur erſt durch die Begattung hervortrete, ſo iſt auch
das Ei blos als ſolches, uͤberhaupt kaum nachzuweiſen,
ſondern raſch entwickelt ſich aus ihm und in ihm der erſte
Keim des Menſchenkoͤrpers *), und bald laſſen ſich ſelbſt deut-
licher menſchliche Glieder unterſcheiden; der Keim erſcheint
als Centrum der Peripherie des Eies, und wir nennen es
nun unzeitige menſchliche Frucht (Embryo). — Eben aber,
daß dieſe erſten Perioden ſo raſch voruͤbergehen, huͤllt die
Art und Weiſe dieſer Entwickelung in tiefes Geheimniß,
welches mehr durch Betrachtung verwandter Entwickelungs-
weiſen in etwas aufgeſchloſſen, als an und fuͤr ſich ſelbſt
(zumal bei der ſeltnen Gelegenheit ſolche Unterſuchungen an-
zuſtellen) gaͤnzlich entziffert werden kann.


§. 664.

Bevor wir nun die Geſchichte dieſer Entwickelung nach
der Anſicht, welche Zuſammenſtellung von den Thatſachen der
vergleichenden und menſchlichen Anatomie und Phyſiologie
als die der Natur angemeſſenſte annehmen laͤßt, aufzuzeich-
nen unternehmen, wird es zweckmaͤßig ſeyn, einige Perioden
in dieſer Ausbildung zu unterſcheiden, nach denen wir dieſe
Beſchreibung ordnen, es ſind folgende:


§. 665.

Als erſte Periode der Entwickelung des Embryo be-
trachten wir den Zeitraum vom Eintritt des Eies in den
Uterus bis zu dem Punkte wo eins der wichtigſten Bil-
dungsorgane, der Mutterkuchen, deutlicher beobachtet wird;
d. i. der Abſchnitt vom Beginnen des erſten bis zum Ende
des dritten Monats. Die zweite Periode rechnen wir
von Bildung des Mutterkuchens bis zur erſten der Mutter
fuͤhlbaren Bewegung des Kindes, und ſomit bis zur Haͤlfte
der Schwangerſchaft, oder vom Anfange des vierten bis zu
Ende des fuͤnften Monats.


[19]
§. 666.

Als dritte Periode ſtellt ſich ferner der Zeitraum dar
von der fuͤhlbaren Bewegung des Kindes bis dahin, wo un-
ter ſorgfaͤltiger Pflege das Kind zuerſt faͤhig wird, im Fall
es durch zu fruͤhe Geburt ausgeſtoßen wurde, fuͤr ſich fort-
zuleben; d. i. vom Beginn des ſechſten bis Anfang des
achten Schwangerſchaftmonates. Die vierte Periode endlich
begreift den Zeitraum, wo das Kind ſchon die Faͤhigkeit hat,
im Fall einer fruͤhen Geburt getrennt von der Mutter und
ſeinen aͤußern Bildungsorganen (den Eihuͤllen) fortleben zu
koͤnnen; wo es hingegen bei regelmaͤßigem Forternaͤhrtwerden
im Uterus ſeine voͤllige Reife erlangt, auch die Theile des
Kindes aͤußerlich ſowohl fuͤhlbar werden, als innerlich der
nun ſchon beſtimmter gegen das kleine Becken ſich ſenkende
Kopf dem unterſuchenden Finger erreichbar wird. Dieß iſt
die Zeit vom Beginnen des achten Monats bis Ende des
Zehnten.


Erſte Periode.

§. 667.

Das menſchliche Ei in den erſten Zeiten ſeiner Bildung,
erſcheint, darin ſtimmen die wenigen Beobachter uͤberein,
welche gluͤcklich genug waren es im friſchen Zuſtande im
Uterus zu erblicken, als ein haͤutiges mit lymphatiſcher
Fluͤſſigkeit gefuͤlltes Blaͤschen etwa von der Groͤße einer
Erbſe *); an ſeiner Oberflaͤche bemerkt man bald wollige Fa-
ſern, mittelſt denen es ſich an der ebenfalls (wovon ſpaͤter
die Rede ſeyn wird) umgewandelten innern Flaͤche des Uterus
und zwar gewoͤhnlich gegen die rechte Seite des Gebaͤrmutter-
grundes (obwohl dieß auch an andern Stellen, krankhaft ſo-
[20] gar am Muttermund, geſchehen kann), anheftet; auch hier-
uͤber iſt man einig, und vergleicht dieſe Faſern zweckmaͤßig
den Wurzelfaſern des keimenden Samenkorns.


§. 668.

Allein welche Haͤute, welche Theile, verglichen mit
dem mehr entwickelten Ei ſind es, die man hier vor ſich
hat? — Hieruͤber ſind die Stimmen ſehr verſchieden. Fol-
gendes ſcheint der Natur am angemeſſenſten. — Das Blaͤs-
chen welches vom Eierſtocke ſich lostrennt (Graaf’ſches
Blaͤschen oder, was wohl daſſelbe iſt, Oſiander’ſches Aus-
ſchlagsblaͤschen), iſt das Grundgebild womit das Thier in der
Thierreihe anfaͤngt (man denke an die nur eine belebte Ma-
genzelle darſtellenden Infuſorien, Polypen und Blaſen-
wuͤrmer
) und womit es in den deutlicher zu beobachtenden
Thiereiern beginnt (man denke an den Dotter der Fiſch-
Amphibien- und Vogeleier, aus welchen der Darm gebildet
wird *)). Es iſt eine mit Eiweißfluͤſſigkeit erfuͤllte haͤutige
Hoͤhle, aus welcher der Darm entſteht, und die wir beim
Vogel, wo ihr eiweißſtoffiger Saft noch mit Fett vermiſcht
iſt, den Dotterſack nennen, da ſie hingegen im Saͤuge-
thier und Menſchen, wo ihre Bedeutung eine andere iſt,
naͤmlich nicht zugleich wie im Vogel waͤhrend des ganzen
Fetuslebens als Chylusbehaͤlter zu dienen, mit dem Namen
der Nabelblaſe (Vesicula umbilicalis) **) bezeichnet wird.


[21]
§. 669.

Die Nabelblaſe ſteht als erſte Weitung des Darmkanals
einem Magen vergleichbar, und dieſes Organ demnach iſt
als erſtes Rudiment auch des menſchlichen Embryos zu be-
trachten. Allein dieſe Magenblaſe oder Nabelblaſe iſt noch
von einer aͤußern Huͤlle umgeben, welche der Schale des
Eies eierlegender Thiere analog iſt, aber hier ebenfalls an-
dere Bedeutung erhaͤlt und den Namen der Lederhaut (Cho-
rion
) bekommt. (S. Taf. II. Fig. I.)


§. 670.

Nabelblaͤschen (oder vielmehr Magen- oder Darmblaͤs-
chen) und Chorion ſtellen ſonach das Ei urſpruͤnglich dar,
aber die Verwandlung ſchreitet raſch vorwaͤrts, und es bil-
den ſich zunaͤchſt rings am Chorion einſaugende Faſern. —
Dieſe hat man oͤfters als wahre vom Embryo ausgehende
Adern gedacht *), welches ſie indeß gewiß nicht ſind **),
ſondern anſchließende kolbig geendigte Saugfaſern, beſtimmt
wie Haarroͤhrchen plaſtiſche vom Uterus dargebotene Stoffe
aufzunehmen.


§. 671.

Wie das Chorion ſich verwandelt ſo auch das inliegende
Blaͤschen. In ſeiner Haut muͤſſen wohl wie in der Keim-
haut am Dotter des Huͤhnereies nach Pander mehrere
Schichten angenommen werden, wenigſtens bildet ſich in die-
ſer Huͤlle (wenn irgend eine Analogie guͤltig ſeyn kann und
ohne alle Analogie ſage man nur gerade, daß hier alles
Beſtreben nach Erkenntniß voͤllig vergeblich und unnuͤtz ſey),
[22] das Rudiment der Centralorgane fuͤr eigentlich animales Leben
die Wirbelſaͤule, welche uͤber das Blaͤschen wie ein Me-
ridian uͤber eine kuͤnſtliche Erdkugel ſich herumbiegt. Von
der Wirbelſaͤule aus vereinigen ſich die Waͤnde des Rumpfs
und Kopfs allmaͤhlig immer weiter nach der Bauch- und
Antlitzſeite hin, ungefaͤhr wie ein Mannesrock vom Ruͤcken
aus ſich um den Leib herum legt um ſich vorn zu ſchließen.


§. 672.

Hierbei ſchließen ſich die Kieferbogen in der Mittellinie
des Geſichts, zuweilen jedoch Lippen- und Gaumenſpalten
offen laſſend; hierbei ſchließen ſich die Bruſtrippen in Wie-
derholung einer Wirbelſaͤule im Bruſtbein, zuweilen Bruſt-
ſpalte und blos liegendes Herz hinterlaſſend; hierbei ſchließen
ſich endlich Bauch- und Beckenwaͤnde in der Linea alba,
und Symphysis ossium pubis, zuweilen Nabelſpalten und
angeborne Nabelbruͤche, oder getrennten Schambogen und
vorgefallene Harnblaſe hinterlaſſend.


§. 673.

Von dem Nabelblaͤschen, welches bei eierlegenden Thie-
ren als Dotterſack mit in die Bauchhoͤhle eingeht, kommen hin-
gegen im Saͤugthier und Menſchen nur die aus ihm ent-
ſtandenen Gebilde d. i. der Darmkanal in die Bauchhoͤhle;
dieſes Organ, welches bei Eierlegenden Blutbereitungs-
werkzeug und Receptaculum chyli iſt, erſcheint hier nur
gleichſam als erſte Form, uͤber welche der eigentliche Em-
bryo ſich bildet, und welche, alsbald er in ſeinen Grund-
zuͤgen gebildet iſt, unnuͤtz wird und abzuſterben beginnt.
Man darf wohl bey der Schnelligkeit des Bildungsprozeſſes
in der erſten Periode, die eigentliche wichtige Bedeutung und
Function der Nabelblaſe nur in die erſte bis zweite Woche
der Schwangerſchaft rechnen.


§. 674.

Wie nun zuerſt blos ein Gegenſatz im Ei beſtand,
naͤmlich zwiſchen Chorion (Schale) und Nabelblaͤschen (Kern),
[23] ſo entſteht nun als Wiederholung dieſes Gegenſatzes ein
zweiter, naͤmlich zwiſchen Embryo (Kern) und Amnion
(Schale). Um den Embryo herum naͤmlich legt ſich eine
lockere, haͤutige, hoͤchſt feine, wohl in dem Umfange der
Keimhaut des Nabelblaͤschens von dieſer Keimhaut ſelbſt ab-
geloͤſte Schicht, welche man als eine zweite noch ungeſtal-
tere Oberhaut der fruͤheſten Periode des ſelbſt noch ungeſtal-
teten Embryo’s betrachten kann, in welcher er ſteckt, unge-
faͤhr wie der ſich bildende Schmetterling in der Puppenhuͤlle,
welche ſelbſt ehemals die (nun vertrocknete) Haut der Raupe
war. — Dieſe Haut iſt im menſchlichen Embryo faſt gefaͤß-
los (wie die Epidermis), hat wenigſtens nie Blutgefaͤße,
heißt Schafhaut (Amnion, Indusium), und enthaͤlt das
Schafwaſſer oder Fruchtwaſſer (Liquor amnii). (S. Taf.
II. f. II.
)


§. 675.

In dem Embryo haben ſich nun gebildet: Wirbelſaͤule
mit Hirn und Ruͤckenmark, und zwar im Gegenſatz mit dem
gleichzeitig und antagoniſtiſch entſtehenden Gefaͤßſyſtem, deſ-
ſen Anfang man im Vogelei in der figura venosa der
Dotterhaut findet, und welches auch im Saͤugethier- und
Menſchenembryo wohl eben ſo in der Richtung von Außen
nach Innen (centripetal, ſich contrahirend) von der Nabel-
blaſe zum Embryo entſtehen muß, als die Bildung des
Nervenſyſtems mit Knochen und Muskeln in der Richtung
von Innen nach Außen (centrifugal, ſich expandirend) her-
vortritt.


§. 676.

Wenn wir nun §. 669 den erſten, §. 674 den zwei-
ten und im vorigen §. den dritten Gegenſatz (zwiſchen Ner-
ven und Gefaͤßen) nachgewieſen haben, ſo wird nun ferner
im Embryo als vierter Gegenſatz dieſer Bildungen bemerk-
lich: auf der Seite des Nervenſyſtems (animale Sphaͤre)
der zwiſchen Bewegungsorganen (Muskeln und Knochen) und
Sinneswerkzeugen; auf der Seite des Gefaͤßſyſtems (vegeta-
[24] tive oder reproduktive Sphaͤre) der zwiſchen Darmſyſtem, als
dem vorzugsweiſe Aufnehmenden, Bildenden — und Ath-
mungsſyſtem, als dem vorzugsweiſe Ausſtoßenden und Ver-
fluͤchtigenden. — Alle Athmung in der Stufenfolge der Thiere
iſt aber zuerſt Waſſer- oder Kiemenathmung; ſo auch bey
ihrer Embryonenbildung. Die Athmungsorgane ferner ſtehen
ihrer ausſcheidenden Natur nach, auf niedrigern Stufen or-
ganiſcher Bildung gewoͤhnlich nicht am Kopf- ſondern am
Afterende des Thieres, ſo bei den Molluſken *) und ſo
erfolgt auch die erſte Entwickelung derſelben in den hoͤhern
Thieren aus der Beckengegend hervor, und zwar wie in der
Entwickelung des Vogels vorzuͤglich deutlich wahrnehmbar iſt,
in Geſtalt eines gefaͤßreichen Blaͤschens, welches von dem
Ende des Darmkanals, in Saͤugethieren von der Harnblaſe
ausgehend, nach und nach immer mehr ſich vergroͤßert,
den Namen der Harnhaut (Allantois) bekommt **) (ſ.
T. II. f. III.), ſich zwiſchen Amnion und Chorion und dem
Rudimente der Nabelblaſe hereinlegt, und das ſogenannte
falſche Waſſer (Liquor spurius, Liquor Allantoidis) enthaͤlt.


§. 677.

Bevor wir nun dieſe Ausbildung wie ſie im menſchli-
chen
Embryo angenommen werden darf und erſcheint, naͤher
eroͤrtern, wollen wir noch einmal die Reihe der Gegenſaͤtze
in einem Schema zuſammenſtellen:


[25]
[26]
§. 678.

Wir haben nun oben bereits bemerkt, daß im Menſchen
und in den Saͤugthieren uͤberhaupt, das Nabelblaͤschen nebſt
ſeinen Gefaͤßen (es ſind die Vasa omphalomeseraica, welche
der Pfortader den Urſprung geben), bald vom Darm ſich
gaͤnzlich abloͤſe und obliterire, und es ergiebt ſich hieraus,
daß, da dem Embryo hier nicht wie in dem Dotterſack der
eierlegenden Thiere ein Chylusbehaͤlter beigegeben iſt, er den
zur Bildung noͤthigen Stoff auf andere Weiſe erhalten muͤſſe.
Hier ſind nun zweierlei Wege denkbar, auf welchen er
vom muͤtterlichen Koͤrper her dieſe Nahrung beziehen kann;
einmal naͤmlich koͤnnen die Eihaͤute durch die Saugfaſern
Nahrungsſtoff aufnehmen, dieſen durchſchwitzen und ſo der
Embryo aus den die Eihaͤute erfuͤllenden Feuchtigkeiten ge-
naͤhrt werden; oder ein andermal koͤnnen die nach den Fa-
ſern des Chorions hinlaufenden ſich nach und nach zum
Mutterkuchen ausbildenden Blutgefaͤße den Nahrungsſaft,
welcher von dem Uterus ausgeſondert wird, in ſich aufnehmen
und dem Embryo zufuͤhren.


§. 679.

Was die Meinung der Ernaͤhrung durch die Nabelge-
faͤße betrifft, ſo hat ſie allerdings mehrere Gruͤnde gegen
ſich; erſtens naͤmlich ſind die bleibenden Gefaͤße des Nabel-
ſtranges gerade die, welche namentlich auf die Funktion des
ſtellvertretenden Athmungsorgans ſich beziehen, zweitens iſt
ein unmittelbares Eindringen des Nahrungsſaftes in die
Blutgefaͤße dann faſt nothwendig anzunehmen (welcher Ein-
wurf jedoch durch die große Wahrſcheinlichkeit der Venenein-
ſaugung auch an andern Stellen ſehr an Kraft verliert),
und drittens (und dieſes waͤre wohl der Haupteinwurf) will
man Beiſpiele vom gaͤnzlichen Fehlen des Nabelſtranges und
nichtsdeſtoweniger Statt gehabter Ernaͤhrung der Frucht
beobachtet haben *).


[27]
§. 680.

Gegen die Meinung vom Durchſchwitzen des Nahrungs-
ſaftes durch die Eihaͤute in das Fruchtwaſſer, und Ernaͤhrung
des Kindes durch Mund und Haut aus dieſem, ſprechen die
doppelten Eihaͤute und der reichliche Chylusartige Saft der
bei vielen Saͤugethieren, namentlich bei denen, wo mehrere
Placenten (Kotyledonen) ſich bilden, zwiſchen dieſen Kotyledonen
und dem Uterus getroffen wird. Allerdings ſcheinen indeß
die Gruͤnde dafuͤr uͤberwiegend zu ſeyn, ſie beſtehen in der
Miſchung des Schafwaſſers, welches deutlich ſchon der duͤn-
nen erſten Milch (Colostrum) ſich naͤhert, oft von mir
wirklich weißlich, genau wie Molken, gefunden worden iſt,
und auch bei den Thieren, welche eine ſehr fette Milch ha-
ben (wie Kuͤhe und Schafe) durch ſeine auffallende, dem Ge-
fuͤhl ſich zu erkennen gebende Fettigkeit ſich auszeichnet. Fer-
ner durch das unlaͤugbare Eindringen des Fruchtwaſſers in
den Magen, welches ich theils durch die Unterſuchung ge-
frorener Saͤugthiereier beſtaͤtigt gefunden habe (wo eine Saͤule
von Fruchtwaſſereis bis zum Magen herab geht) theils (wie
namentlich H. Oſiander bemerkt) durch die dem Darm-
koth (Meconium) des menſchlichen Fetus beigemiſchten mit
dem Fruchtwaſſer verſchluckten Wollhaare erwieſen wird; und
endlich ſprechen fuͤr das Einſaugen des Fruchtwaſſers die
erwaͤhnten der Ernaͤhrung durch die Nabelgefaͤße entgegen-
ſtehenden Gruͤnde, ſo wie die Beobachtung von H. Meyer *),
wo bei Kaninchen die Fluͤſſigkeit des Eies durch eine in
die Lungen des traͤchtigen Thieres gegoſſene, und ſo dem
Blute mitgetheilte Indigobruͤhe gruͤn gefaͤrbt worden war. —



[28]
§. 681.

Haͤlt man nun dieſes alles zuſammen ſo iſt wohl dem
Fruchtwaſſer der meiſte Antheil an Ernaͤhrung der Frucht
zuzuſprechen, und wenn die Nabelgefaͤße uͤberhaupt Antheil
daran haben, dieſer fuͤr geringer zu achten, immer aber als
Hauptſache zu bemerken, daß die Frucht ihre Nahrung
durch die ganze Oberflaͤche des Eies
wie ungefaͤhr
die Pflanze durch die Wurzel, einſaugt.


§. 682.

Eben ſo wie nun aber die Funktion des Nabelblaͤschens
im Menſchen bald erliſcht und die Ernaͤhrung dem Chorion
und vielleicht zum Theil der Placenta uͤbertragen wird, ſo
iſt auch die Allantois ein Organ, deſſen Spur im Menſchen
ſo zeitig verſchwindet, daß man nur durch das Daſeyn des
Verbindungskanals zwiſchen Harnblaſe und Allantois (Ura-
chus
) ſo wie durch das Vorhandenſeyn des falſchen Waſ-
ſers (Liquor Allantoidis) zwiſchen Amnion und Chorion
berechtigt werden kann, auch das Daſeyn dieſer letztern an-
zunehmen. Demungeachtet verlieren ſich die arteriellen Ge-
faͤße, welche an der Harnblaſe und zu beiden Seiten des
Urachus gegen die Allantois verlaufen (Arteriae umbilica-
les),
ſo wie die ihr entgegenſtehende Vena umbilicalis kei-
nesweges, ſondern verlaſſen den obliterirenden Urachus um ſich
an der Oberflaͤche des Eies zu verzweigen (Taf. II. fig. IV.).


§. 683.

Im menſchlichen Ei nun verzweigen ſich dieſe Gefaͤße
namentlich gegen den obern im Grunde des Uterus liegenden
Theil deſſelben, und bilden ein immer dichteres Geflecht,
aus welchem der Mutterkuchen entſteht, der ſofort eine
Funktion ausuͤbt, welche fuͤr den Fetalzuſtand des Kindes
gleich zu ſetzen iſt derjenigen, welche bei dem geborenen
Kinde die Lungen ausuͤben *) — In dem Fetus mehrerer
Saͤugethiere hingegen bildet ſich Statt einer Placenta eine
groͤßere Anzahl derſelben (in den Wiederkaͤuern oft gegen
[29] 100), welche dann Kotyledonen genannt werden, und deren
Bau beſonders geeignet iſt, das Gefaͤßgewebe des Mutter-
kuchens ohne alle Praͤparation deutlich darzuſtellen; in an-
dern Saͤugethieren hingegen (ſo bei den Einhufigen) bildet
ſich gar keine Placenta, ſondern die Gefaͤße verbreiten ſich
auf der ganzen aͤußeren Flaͤche des Chorions, und vertre-
ten deren Stelle.


§. 684.

So weit nun die erſte Bildungsgeſchichte des Eies im
Allgemeinen. — Wir kommen jetzt zur naͤhern Beſchreibung
des menſchlichen Eies ſeiner Geſtalt und Groͤße nach, in den
einzelnen Monaten dieſer erſten Periode, ſoweit deſſen Kennt-
niß hierher gehoͤrt, denn die ausfuͤhrliche Verfolgung der
Ausbildung ſeiner einzelnen Theile und der Organe des Em-
bryo wuͤrde ein eigenes Werk erfordern.


§. 685.

Erſter Monat. Das menſchliche Ei erreicht in die-
ſem Monate die Groͤße einer Wallnuß oder eines kleinen
Huͤhnereies, ſeine Form iſt anfaͤnglich noch mehr rundlich,
und ſeine ganze Flaͤche mit dicken gegen ⅓ bis ½ Zoll lan-
gen Saugfaſern beſetzt, welche in die ſpaͤter zu beſchreibende,
oft faͤlſchlich mit zu den Eihaͤuten gerechnete Flockenhaut
(Tunica decidua vera Hunteri) an der innern Flaͤche der
Gebaͤrmutter eingreifen. — Auch dieſe Flocken an der Ober-
flaͤche des Eies ſind haͤufig als beſondere Membran beſchrie-
ben worden: Hunter*) nannte ſie Tunica decidua re-
flexa,
weil er ſich vorſtellt, es werde das Ei in die Flo-
ckenhaut des Uterus hinein gebracht, und umgebe ſich daher
bey ſeinem Groͤßerwerden mit einer Ausdehnung der inner-
ſten Lage derſelben. H. Oſiander**) unterſcheidet in die-
ſer Schicht zwei Membranen, von welchen er die aͤußere
Membrana ovi cribrosa, ſiebfoͤrmige Eihaut, die innere
[30]Membrana ovi crassa, dicke Eihaut nennt. Andere un-
terſcheiden dieſe Lage durch den Namen der flockigen Leder-
haut (Chorion frondosum) von der eigentlichen Lederhaut
(Membrana vasculosa).


§. 686.

Ich glaube dieſe Schicht, wie ſchon oben bemerkt wor-
den iſt, nur als eine Flockenlage der Lederhaut ſelbſt
betrachten zu duͤrfen, und moͤchte ſie daher eben ſo wenig
fuͤr eine beſondere Haut erklaͤren, als ein dichtes Haar auf
der Oberhaut ſelbſt fuͤr eine Haut erklaͤrt werden koͤnnte.


§. 687.

Die mit den Saugfaſern dicht und rundum beſetzte
Lederhaut bildet alſo die aͤußerſte Huͤlle des einmonatlichen
Eies. Haut und Flocken ſind von weißer Farbe da die
Frucht uͤberhaupt noch kein rothes Blut enthaͤlt, und wird
nun die Lederhaut geoͤffnet, ſo zeigt ſich eine kleine außeror-
dentlich zarte, der Spinnewebenhaut des Gehirns vergleich-
bare Huͤlle, das Ammion, welches den ungefaͤhr ¼ bis ⅓ Zoll
langen Embryo umſchließt. Dieſer ſelbſt ſcheint aus zwei
durchſcheinenden Blaͤschen zu beſtehen, und liegt gleich einer
gekruͤmmten Made an der innern Flaͤche des Eies dergeſtalt
an, daß diejenige Anſchwellung, welche Rumpf wird, durch
eine trichterfoͤrmige Zuſpitzung, welche ſpaͤterhin Nabelſtrang
wird, in die Eihaut uͤbergeht.


§. 688.

Da wo dieſer ſich bildende Nabelſtrang in die Eihaͤute
ſich einſenkt, wird um das Ende des erſten Monats ge-
woͤhnlich noch ſehr deutlich das Nabelblaͤschen bemerkt, obwohl
allerdings, da ſeine Funktion hoͤchſt wahrſcheinlich im menſchli-
chen Embryo ſich nur auf die fruͤheſten Tage der Schwanger-
ſchaft bezieht (ſ. §. 673.), es zuweilen auch zur genannten
Zeit ſchon obliterirt ſeyn kann, wodurch man aber keinesweges
[31] berechtigt wird, das Vorhandenſeyn dieſes Bildungsorgans
uͤberhaupt zu laͤugnen *)


§. 689.

Zweiter Monat. Das Ei waͤchſt hier bis zur Groͤße
eines Gaͤnſeeies an, welchem es jetzt auch der Geſtalt nach
(indem es die ſphaͤriſche Form verliert) aͤhnlich iſt, ſein Um-
fang verhaͤlt ſich hinſichtlich der Saugfaſern noch ziemlich
wie im erſten Monat, nur fangen an der Stelle, wo zuerſt
das Ei ſich angeheftet hatte bereits die Flocken an etwas
dichter und groͤßer zu werden, indem ſich hier mehrere Ge-
faͤße verzweigen, und uͤberhaupt durch die groͤßere Ent-
wickelung des Gefaͤßſyſtems rothes Blut zuerſt ſichtbar
wird.


§. 690.

Wird die Lederhaut geoͤffnet ſo erſcheint das Amnion
noch ziemlich auf gleiche Weiſe wie im vorigen Monat, doch
mittelſt eines weitern Raumes von der Lederhaut getrennt.
Dieſer Raum iſt es nun, welcher bey mehrern Thieren ſehr
deutlich durch die Allantois ausgefuͤllt wird, entweder, ſo
daß man ſie wirklich als eine große, freie, laͤngliche, (Wurſt-
foͤrmige, daher ihr Name), aͤußerſt duͤnnhaͤutige und gefaͤßloſe
Blaſe erblickt (wie bei den Wiederkaͤuern und im Schwein)
oder indem ſie der innern Flaͤche des Chorions und der
aͤußern des Amnions ſo feſt angefuͤgt iſt, daß man ſie als
beſondere Blaſe nicht wohl darſtellen kann (wie bei dem
Pferde und Hunde).


§. 691.

Auf letztere Weiſe darf man annehmen, daß ſich wahr-
ſcheinlich auch die Allantois im Menſchen verhalte (ſ. T. II.
[32] fig. IV.
), obwohl es nicht unmoͤglich waͤre, daß hier, wo
der Urachus ſo zeitig verwaͤchſt, auch vielleicht die Allantois nicht
zu ihrem voͤlligen Wachsthum gelangte, und gleich der Vesicula
umbilicalis
voͤllig obliterirte, ſo daß nur die zwiſchen Amnion
und Chorion ſich ſammelnde, dem Liquor allantoidis gleich
ſtehende Fluͤſſigkeit noch ihre Stelle bezeichnete. — Es kann
hieruͤber nur durch eine lange Reihe noch aufzuſtellender Beob-
achtungen entſchieden werden, obwohl nicht zu uͤberſehen iſt,
daß man auch in menſchlichen Eiern haͤufig eine zwiſchen Am-
nion und Chorion liegende mittlere Haut Membrana media
Hobokenii
*) beobachtet hat, welche wohl kaum eine andere
Bedeutung als die der Harnhaut haben kann.


§. 692.

Das Nabelblaͤschen ſelbſt wird auch in dieſem Monate ge-
woͤhnlich noch angetroffen, und liegt dann meiſtens als ein
erbſengroßes Blaͤschen neben der Einſenkung des Nabelſtranges
außerhalb des Amnions. — Das Amnion ſelbſt enthaͤlt in dem
voͤllig klaren Fruchtwaſſer den Embryo, welcher nun ſchon auf
die Laͤnge eines Zolles angewachſen iſt (nach Haller hat ſich
der Embryo im zweiten Monate gegen den erſten um das
achtundvierzigfache **) vergroͤßert) und ſich in aller Hinſicht voll-
kommner ausgebildet zeigt. — Der Kopf iſt im Verhaͤltniß zum
ganzen Embryo ſehr groß, die Augen ſtellen zwei dunkelfarbige
nicht voͤllig (wegen der Irisſpalte) geſchloſſene Kreiſe dar, Mund,
Naſenloͤcher, Ohren ſind angedeutet. Vom Rumpf, welcher
faſt ganz (ungefaͤhr wie im Fiſch) Bauchhoͤhle iſt, entſpringt
der kurze dicke Nabelſtrang, in welchem noch ein Theil der
Windungen des Darmkanals bemerklich iſt, und welchem außer-
[33] dem uͤberhaupt jetzt noch folgende Theile enthaͤlt: zwei Nabel-
arterien, eine Nabelvene, einen Urachus, eine Nabelblaſen-
Arterie und Vene (Vasa omphalomeseraica), und vielleicht
noch einen Verbindungskanal zwiſchen Darmkanal und Nabel-
blaſe (Ductus vitello-intestinalis) als deſſen Rudiment von
Oken der Processus vermiformis betrachtet wird, dahinge-
gen von Meckel und Andern die zuweilen vorkommenden Diver-
tikel des Darmkanals als ſolche Rudimente angeſehen werden.


§. 693.

Die Extremitaͤten des zweimonatlichen Embryo ſind noch
aͤußerſt kurz, Haͤnde und Fuͤße liegen noch als platte floſ-
ſenartige Koͤrperchen zu beiden Seiten an dem gekruͤmmten
Rumpfe, an welchem der Unterſchied des Geſchlechts uͤbrigens
bereits durch die bei weiblichen Embryonen groͤßere Staͤrke des
Unterleibes, bei maͤnnlichen Embryonen groͤßere Ausbildung
des Thorax beſtimmter ausgedruͤckt iſt, als durch die jetzt noch
aͤußerſt undeutlichen Geſchlechtstheile. — Die Subſtanz des
Embryo iſt noch gallertartig, die Verknoͤcherung hat in der er-
ſten Haͤlfte dieſes Monats noch nicht begonnen, und erſt in der
ſiebenten Woche fangen in den Schluͤſſelbeinen an die erſten Oſſifi-
kationspunkte ſich zu zeigen. Die Richtung des Embryo iſt aber bei
regelmaͤßiger Anheftung des Eies faſt immer mit dem Kopfe ab-
waͤrts, welches keinesweges (da es auch bei den horizontal geſtellten
Saͤugethieren vorkommt) der Schwere allein zuzuſchreiben iſt,
ſondern welches aus demſelben Grunde erfolgt, als das Auf-
ſteigen des Pflanzenſtengels von dem Boden. — Indem naͤmlich
der muͤtterliche Koͤrper eben ſo zum Embryo ſich verhaͤlt, wie die
Pflanze zur Erde, ſo muß auch der Embryo in dem Uterus,
mit der aus der Beckengegend hervortretenden Nabelſchnur, wur-
zeln, und den Kopf (die Bluͤthe ſeiner Organiſation) von dieſem
Boden aufwaͤrts erheben, wobei allerdings ſeine Richtung in
entgegengeſetzter Richtung mit der Gravitationslinie des muͤt-
terlichen Koͤrpers ſtehen wird.


II. Theil. 3
[34]
§. 694.

Dritter Monat. Auch hier ſchreitet das Wachsthum
des Eies noch mit außerordentlicher Raſchheit vorwaͤrts und der
Embryo vergroͤßert ſich, nach Haller, noch um das funf-
zehnfache, welches indeß doch bereits gegen das Wachsthum
im zweiten Monate bedeutend zuruͤckſteht; und ſo ſieht man
es nun in der folgenden Zeit bis zur Geburt, und dann bis
zur Entwickelung der Pubertaͤt immer in verminderter Pro-
greſſion ſich fortſetzen, bis es endlich auf der letztern Stufe
zum vollkommnen Stillſtande gelangt, und das weitere Ver-
groͤßern des Koͤrpers voͤllig aufhoͤrt, wodurch der Menſch und
die meiſten Saͤugethiere und Voͤgel ſich von den kaltbluͤtigen
Wirbelthieren auszeichnen, welche letztere allerdings zeitlebens
fortzuwachſen ſcheinen.


§. 695.

Das Ei wird in dieſem Monat ungefaͤhr 3½ Zoll lang,
an dem obern ſtumpfen Ende werden die Flocken immer laͤn-
ger und dichter, indem ſich die Gefaͤße des Nabelſtranges
hier mehr und mehr verzweigen, und ſo den ſich bildenden
Mutterkuchen immer beſtimmter andeuten. Ueber die Endi-
gung dieſer Gefaͤße ſelbſt, hat man verſchiedene Meinungen
aufgeſtellt; fruͤher glaubte man, daß ſie unmittelbar in die
Gefaͤße des Uterus uͤbergingen, und rothes Blut von daher
aufnaͤhmen. Dieſe Annahme ſtellte ſich indeß bey naͤhern Unter-
ſuchungen bald als unrichtig dar, und wird durch die ver-
ſchiedene Beſchaffenheit des Blutes, ſo wie durch die Bei-
ſpiele von Saͤugethieren, wo ſich gar keine Placenta bildet,
und Chorion und Uterus nur locker aneinander kleben (wie
beim Pferd), und endlich durch die Beruͤckſichtigung der
Fetusentwickelung im Ei der eierlegenden Thiere (wo ohne
daß Blut urſpruͤnglich im Ei vorhanden iſt, dieſes durch den
Fetus allein bereitet wird) hinlaͤnglich widerlegt.


§. 696.

Es fragt ſich alſo vorzuͤglich ob, und auf welche Weiſe
[35] dieſe Gefaͤße ohne unmittelbare Anaſtomoſe demungeachtet
Stoffe vom Uterus aufnehmen? — Nun iſt aber ſchon
daraus, daß, wie wir bemerkt haben, die Flocken am Ei fruͤher
exiſtiren, als die Gefaͤße im Ei, klar, daß die Gefaͤße nicht
ſelbſt die Flocken bilden, dagegen iſt es hoͤchſt wahrſcheinlich
und auch im dreimonatlichen Ei ziemlich deutlich nachzuwei-
ſen, daß neben den Gefaͤßen der Frucht an ihren feinſten
Enden, da wo ſie in die Faſern der Lederhaut ſich verlieren,
ſtets kleine Knoͤtchen (Bulbi) vorhanden ſind (welche nicht
ſelten in wirkliche groͤßere Blaſen z. B. bei Traubenmolen,
uͤbergehen) ſo daß die Gefaͤße wohl durch dieſe Bulbos theils
vielleicht wirklichen Chylus, theils eine oxydirte Lymphe (um
ſie mit dem Blute zu miſchen) aufzuſaugen im Stande ſind *),
wobei ohne Zweifel auch die Struktur der mit vielen Klap-
pen verſehenen Venen des Mutterkuchens ihnen zu Statten
kommen muß **). (Vergl. §. 679—681.)


§. 697.

Im Innern des Eies ſind Chorion und Amnion noch
immer getrennt, das Nabelblaͤschen iſt verſchwunden, ſo wie
die Vasa omphalomeseraica; der Urachus iſt geſchloſſen,
der Nabelſtrang laͤnger, im Verhaͤltniß zum Embryo duͤnner
und gewunden Der Embryo ſelbſt wird gegen Ende die-
ſes Monats uͤber 3 Zoll lang, der Kopf iſt noch immer von
einer zu den uͤbrigen Partien unverhaͤltnißmaͤßigen Groͤße,
ſeine Theile aber ſind mehr entwickelt, die Augen zeigen
deutliche obwohl geſchloſſene Augenlider, welcher (bei meh-
reren Saͤugethieren auch nach der Geburt fortdauernden) aͤuſ-
ſern Verſchließung, die der Pupille durch die Membrana
[36] pupillaris
entſpricht; das aͤußere Ohr beginnt gebildet zu
werden, und die Naſe faͤngt an ſich zu erheben.


§. 698.

An dem durch einen ſchon deutlich zu erkennenden Hals
von dem Kopfe geſchiedenen Rumpfe wird die Inſertions-
ſtelle des Nabelſtranges, da alle Windungen des Darmka-
nals nun in die Bauchhoͤhle zuruͤck gedraͤngt ſind, enger ge-
funden; die Geſchlechtstheile ſind haͤufig auch jetzt, bei blos
aͤußerer Unterſuchung noch nicht deutlich zu unterſcheiden. —
die Gliedmaßen ſind laͤnger, die Haͤnde breit, die Finger
kurz wie die Zehen, die Naͤgel blos Haͤutchen. Die obern
Gliedmaßen haͤngen uͤbrigens am Leibe herab, die untern
Gliedmaßen hingegen ſind an den Unterleib gezogen. — Die
Subſtanz des Embryonenkoͤrpers uͤberhaupt endlich iſt noch
mehr gallertartig, und die groͤßern Gefaͤße laſſen ſich im
friſchen Zuſtande ſehr gut durch die noch ſehr ſchleimige
Haut hindurch wahrnehmen. Die Verknoͤcherung geht in die-
ſem Monate ſehr raſch vorwaͤrts, ſo daß nach Senff*)
in der zwoͤlften Woche außer den fruͤher ſchon gebildeten cy-
lindriſchen Knochen, den Rippen-, Stirn-, Joch-, Keil-
Darmbeinknochen u. ſ. w. nun auch die Scheitel-, Naſen-,
Gaumen-, Mittelhand- und Mittelfußknochen, ſo wie die dritte
Phalanx der Finger- und Zehenknochen ſichtbar werden.


Zweite Periode.

§. 699.

Von dem Beginnen des vierten Monats an finden
wir nun gewoͤhnlich am menſchlichen Ei den fuͤr das Leben
der Frucht in den drei letzten Perioden ihres Verweilens
im Uterus ſo wichtigen Mutterkuchen entwickelt, und die da-
[37] durch in mehrerer Hinſicht etwas umgeaͤnderten Verhaͤltniſſe
der Frucht machen noch einige vorlaͤufige Bemerkungen noͤthig.


§. 700.

Der Mutterkuchen naͤmlich (Placenta, Mamma uterina,
Pulmo vicarius)
entſteht aus den dichter und mehrfach
verwobenen Gefaͤßzweigen des Nabelſtranges, und es
giebt an demſelben alſo keinen wahren Unterſchied zwiſchen
Placenta fetalis und Placenta uterina, zwiſchen kindlichem
und muͤtterlichem Theil, ſondern die ganze Placenta gehoͤrt
dem Kinde, iſt Placenta fetalis, indem als Placenta uterina
im Menſchen nichts als die ſpaͤter zu betrachtende ſogenannte
Tunica decidua ſelbſt angeſehen werden kann.


§. 701.

In demſelben Maaße, als die Placenta ſich an dem
Chorion mehr ausbildet, wird der innere Theil des Cho-
rions immer glaͤtter, heißt nun Chorion laeve s. pelluci-
dum,
und klebt nur durch kurze Flocken der hinfaͤlligen Haut
der innern Gebaͤrmutterflaͤche locker an. In dieſer ganzen
Periode uͤbrigens, und ſelbſt noch in der folgenden dritten,
iſt immer das Gewebe des Mutterkuchens noch nicht ſo dicht
als ſpaͤterhin, und ſeine aͤußere immer noch ſehr faſerige, oft
in mehrere Abtheilungen (Kotyledonen) getrennte Flaͤche laͤßt
ſich daher vom Uterus ſchwerer und unvollkommner abloͤſen, als
in den ſpaͤtern Monaten. — Schon fruͤher haben wir nun
zwar bemerkt, daß eben ſo wie im menſchlichen Ei, die
bei eierlegenden Thieren dem Dotterſacke uͤberlaſſene Ernaͤh-
rung, nach obliterirtem Nabelblaͤschen der aͤußern Eiflaͤche,
d. i. den Saugfaſern und darmzottenaͤhnlichen Bulbis der
Lederhaut *) anheim falle, daß eben ſo die fruͤhere und im
[38] Vogelembryo ſtets der Allantois eigene Athmungsfunktion, den
im Chorion verzweigten Gefaͤßen uͤbertragen werde, allein
da man noch ſo haͤufig ſich gegen dieſe Bedeutung der Le-
derhautgefaͤße und der aus ihnen gebildeten Placenta ſich er-
klaͤrt, ſo wird es hier noͤthig die Gruͤnde fuͤr die Athmungs-
funktion der Placenta noch einmal zuſammen zu ſtellen *).


§. 702.

Es ſind folgende: 1) Der Fetus ſtirbt ſchnell, wenn der
Kreislauf durch den Nabelſtrang auf irgend eine Weiſe z. B.
durch Druck, feſtangezogene Knoten u. ſ. w. gehemmt wird,
bevor die Lungenfunktion begonnen hat. Erhielte nun der
Fetus auf dieſem Wege blos Nahrungsſaft, ſo waͤre dieſes
namentlich unter dem Geburtsgeſchaͤft ſelbſt bemerkbare ſchnelle
Abſterben (z. B. bei Fußgeburten, wo der Nabelſtrang, be-
vor das Kind wirklich athmen kann, zwiſchen Kopf und
Becken gepreßt wird) keinesweges erklaͤrlich, da der große
Kreislauf im Kindeskoͤrper doch allerdings auch ohne jenen
Nebenkreislauf fortgehen koͤnnte; es zeigt ſich alſo die Wir-
kung dieſes Drucks eben ſo, wie die eines Druckes auf die
Luftroͤhre des gebornen Kindes. — 2) Die Analogie mit der
Organiſation des Fetus bei den Voͤgeln und Amphibien. —
Im Vogelembryo z. B. iſt es ganz unlaͤugbar, daß die Ei-
huͤllen athmen, ein geoͤffnetes bebruͤtetes Ei zeigt das ſchoͤnſte
Schauſpiel eines Netzes von ſcharlachrothen Venen und dun-
kelfarbigen Arterien, auch ſtirbt ein ſolches Ei ſogleich, ſo-
bald man die Schale mit Firniß uͤberzieht und ſo den Zu-
tritt der Luft zu den Eihuͤllen unmoͤglich macht. Eben ſo
iſt es im Eidechſenei, und bei Froͤſchen und Salamandern,
wo ſolche Gefaͤßreiche Eihaͤute fehlen, findet man dagegen
am Embryo wahre Kiemen wie bei den Fiſchen.


[39]
§. 703.

3. Athmung, d. i. Wechſelwirkung des thieriſchen Orga-
nismus mit der Atmosphaͤre entweder mittelbar oder unmittel-
bar, fehlt ſelbſt in den Thieren nicht, wo wir noch beſon-
dere Athmungswerkzeuge nicht nachweiſen koͤnnen, wo aber
irgend die Organiſation in ſich hoͤher entwickelt iſt, da ſind
auch beſondere Athmungswerkzeuge durchgaͤngig entwickelt.
Gegen dieſe allgemeine Ordnung aber wuͤrde es allerdings
ſtreiten, wenn in dem ſo vollkommen organiſirten Fetus des
Menſchen dieſe Funktion noch gaͤnzlich mangeln ſollte, nicht
zu gedenken, daß es ein großer Sprung waͤre, (wie er nir-
gends im natuͤrlichen Gange des thieriſchen Lebens vorkommt)
wenn dieſe große Funktion erſt bei der Geburt mit einem
Schlage eintreten, und nicht durch einen vorhergehenden,
wenn auch verſchiedenartigen Proceß eingeleitet ſeyn ſollte.
4) Iſt denn wohl uͤberhaupt eine Blutbereitung (Sangui-
ficatio)
ohne Athmung denkbar? — Alle Phyſiologie ſtreitet
dawider, und im Fetus der Saͤugthiere allein ſollte dieß
demungeachtet Statt finden? —


§. 704.

5) Spricht ſelbſt die Art des Wachsthums im Embryo
dafuͤr; wir koͤnnen naͤmlich bemerken, wie namentlich die
obere Koͤrperhaͤlfte und insbeſondere der Kopf ſehr fruͤh und
vollkommen ſich ausbildet, und duͤrfen wohl annehmen, daß
eine raſchere und hoͤhere Ausbildung namentlich durch ein
wahrhaft arterielles d. i. oxydirtes Blut befoͤrdert werden
koͤnne. Nun iſt aber die Richtung des Kreislaufs im Fetus
allerdings ſo, daß das Blut der Nabelvene vorzuͤglich gegen
den Kopf ſtroͤmt, indem die aufſteigende Hohlader (Vena
cava inferior)
urſpruͤnglich als ein fortlaufender Kanal ge-
rade in die linke Vorkammer uͤbergeht *), ihr Blut alſo
[40] gerade zu den Karotiden und Axillararterien aufgetrieben wird,
dahingegen in die abſteigende Aorta das venoͤſe Blut aus
dem rechten Herzen (von der Vena cava superior) durch
den Ductus arteriosus Botalli hinzu tritt, ſo daß alſo,
wenn das am meiſten oxydirte Blut uͤberhaupt aus der Vena
umbilicalis
kommt, das Blut der Karotiden nothwendig
weit ſtaͤrker, als das Blut der abſteigenden Aorta oxydirt
ſeyn muß, weshalb denn offenbar auch das Blut dieſer letz-
tern ſogleich wieder durch die Nabelſchlagadern zu dem Mut-
terkuchen gefuͤhrt wird um einer erneuten Oxydation ausgeſetzt
zu werden.


§. 705.

6. Muß es wohl als Beweiß fuͤr die Gleichartigkeit der
Lungen- und Placentenfunktion gelten, wenn man beide ſo
regelmaͤßig alterniren ſieht, wie man dieß bei Saͤugthier-
embryonen leicht kann, und ich es namentlich bei Kaninchen-
fetus beobachtet habe. Nimmt man naͤmlich ein ſolches bald
reifes Junges nebſt den Eifuͤllen, durch den Schnitt, aus dem Leibe
des eben getoͤdteten traͤchtigen Thieres, ſo wird man finden, daß
nach geoͤffneten Eihuͤllen das Junge zu athmen beginnt, und der
Blutlauf im Nabelſtrange aufhoͤrt, ſo daß man dieſen durchſchnei-
den kann, ohne daß viel Blut ausfließt. — Taucht man aber
das Junge nun unter erwaͤrmtes Waſſer, ſo wird in dem Mo-
ment als das Athemholen gehemmt wird, die Ergießung des Blu-
tes aus dem durchſchnittenen Nabelſtrange von neuem beginnen,
und nur aufhoͤren, wenn man das Thier wieder an die Luft
bringt, ſo daß der kleine Kreislauf in den Lungen wieder in Thaͤ-
tigkeit treten kann.


§. 706.

7. Endlich kann man auch an dem friſch unterbundenen Na-
belſtrange eines neugebornen Kindes bei Oeffnung einer Nabel-
arterie und einer Nabelvene allerdings zuweilen wahrnehmen,
daß das Blut der erſtern etwas dunkler, als das der letztern ſey,
[41] und wenn dieſer Unterſchied nicht bedeutend iſt *), ſo muß
man erwaͤgen, daß auch ſicher der Mutterkuchen ſo wenig
als die Fiſchkieme ein ſo vollkommnes Athmungsorgan
als die Lunge ſeyn kann, und ſelbſt im neugebornen Kinde
der Unterſchied zwiſchen Venen- und Arterienblut, verglichen
mit dem Unterſchiede wie er im Erwachſenen erſcheint, faſt
gleich 0 iſt. — Wir wenden uns jetzt zur weitern Betrach-
tung der Beſchaffenheit des Eies im vierten Monat
nach ſeinen einzelnen Theilen.


§. 707.

Oeffnet man aber das Chorion, ſo findet ſich auch jetzt
noch gewoͤhnlich dieſes vom Amnion durch eine mit falſchem
Waſſer **) gefuͤllte Hoͤhle getrennt. Im Amnion iſt die
Menge des Fruchtwaſſers im Verhaͤltniß zum Fetus noch ſehr
groß, der Nabelſtrang iſt ſchon gegen 5 bis 6 Zoll lang,
und es iſt wahrſcheinlich daß die wahren Knoten, die ſich
in demſelben zuweilen bilden, in dieſem Monate entſtehen,
indem derſelbe ſich um Theile des Kindes ſchlingt, dieſe Theile
dann aus der Schlinge ſich ziehen, und nun der Knoten ſich
zuzieht.


§. 708.

Der Fetus ſelbſt iſt 5 bis 6 Zoll lang, heißt jetzt un-
zeitiges Kind
, ſein Koͤrper iſt vollkommner geworden, doch
immer noch die Haut ſehr weich und durchſcheinend, daher
uͤberall geroͤthet, und feine Haare zeigen ſich auf derſelben.
Der Kopf iſt noch immer ſehr groß, die Augen ſind noch
geſchloſſen, Naſe, Ohren, Lippen ſind mehr entwickelt. Am
Rumpfe uͤberwiegt immer noch der Unterleib bedeutend, die
[42] Geſchlechtstheile ſind deutlicher, der Penis iſt noch nicht von
der Vorhaut bedeckt, Scrotum und Raphe ſind kenntlich,
die Klitoris ragt noch hervor, die Schamlefzen entwickeln
ſich. Die Gliedmaßen bilden ſich mehr aus.


§. 709.

Fuͤnfter Monat. Das Ei wird jetzt in ſeiner Form
mehr durch den Fetus, welcher von den Haͤuten dichter um-
ſchloſſen wird, beſtimmt; liegt dieſer daher regelmaͤßig mit
dem Kopfe abwaͤrts, ſo behaͤlt das Ei die nach unten etwas
zugeſpitzte Form, bei Querlagen hingegen wird es ebenfalls
mehr quer gezogen. Die Laͤnge des Eies betraͤgt 5 bis 6
Zoll, der Mutterkuchen iſt dichter und mißt ungefaͤhr 4 Zoll
in der Breite, die Haͤute ſind wie im vorigen Monat. —
Der Fetus iſt jetzt gegen 9 bis 11 Zoll lang und wiegt
6 bis 10 Unzen; ſeine Bildung wird immer vollkommner,
die Haut iſt roth, mit Wollhaar (Lanugo) beſetzt, der Kopf
und die Glieder ſind mehr ausgebildet, die Muskeln erhalten
mehr Kraft, und die Mutter fuͤhlt deshalb um die achtzehnte,
[neunzehnte] oder zwanzigſte Woche die erſten Bewegungen
des Kindes
. Wird ein ſolches Kind geboren, ſo ſchnappt
es wohl einige Minuten lang nach Luft, ſtirbt aber ſehr bald.


Dritte Periode.

§. 710.

Sechster Monat. Ohne daß in den einzelnen Thei-
len der Frucht hier beſondere Veraͤnderungen aufzufuͤhren waͤ-
ren, bemerken wir nur, daß ſie im Ganzen ſich immer mehr,
wenn auch nicht in ſo raſchem Fortſchreiten als in den erſten
Monaten ausbilde. Der Fetus erreicht hier 12 bis 14
Zoll Laͤnge und gegen ein Pfund Schwere. Der Kopf iſt
im Verhaͤltniß der uͤbrigen Theile nicht mehr ganz ſo un-
foͤrmlich groß, Augenlider und Pupille aber immer noch ge-
ſchloſſen. Die Koͤrperoberflaͤche iſt noch ſehr roth, die Haut,
[43] wegen noch mangelndem Fett, noch etwas faltig und mit
feinem Haar bedeckt, die Naͤgel ſind mehr ausgebildet, ob-
wohl noch weich. Die Hoden ruͤcken beim maͤnnlichen Em-
bryo ſchon den Bauchringen naͤher, im weiblichen Embryo
ſind die Schamlefzen mehr entwickelt, jedoch immer noch die
kleinern ſo wie die Klitoris ſtaͤrker hervorragend. Des Frucht-
waſſers iſt verhaͤltnißmaͤßig weniger, das falſche Waſſer iſt
oft ſchon ganz verſchwunden, der Nabelſtrang gleicht an Laͤnge
dem Kinde, hat aber ſchon ziemlich ſeine voͤllige Dicke. —
Kinder in dieſem Monate geboren leben zuweilen allerdings
ſchon eine Reihe von mehrern Stunden, koͤnnen aber nicht
fortleben.


§. 711.

Siebenter Monat. Der Fetus wird jetzt in ſeinem
Aeußern immer mehr dem Ausſehen des reifen Kindes ge-
naͤhert, die Laͤnge betraͤgt bis 16 Zoll, das Gewicht 2 bis
2½ Pfund. Die Hoden, namentlich der linke, ruͤcken jetzt
durch den Bauchring hervor, die Augenlider fangen an ſich
zu oͤffnen, die erſten Kopfhaare zeigen ſich, und die Lanugo
iſt dichter und laͤnger. Der Kopf ſelbſt ſenkt ſich jetzt be-
ſtimmter gegen das kleine Becken herab, und wird dem un-
terſuchenden Finger fuͤhlbar, obwohl man dieß Herabſenken
nicht im Sinn der aͤltern Geburtshelfer nehmen darf, welche
glaubten, daß das Kind bis in die letzte Zeit der Schwan-
gerſchaft aufrecht im Uterus ſitze, und nun erſt ploͤtzlich ſich
umkehre oder ſtuͤrze, von welchem Stuͤrzen (Culbute) man
ſo manche Beſchwerden der Schwangern abzuleiten wußte *).
Wird das Kind im ſiebenten Monate geboren, ſo lebt es
zwar zuweilen nicht nur einige Stunden, ſondern ſelbſt Tage
lang, kann aber demungeachtet ſchwerlich je erhalten werden.


[44]
Vierte Periode.

§. 712.

In dieſer erſcheint nun das Kind ſo weit entwickelt, daß es,
ohne der aͤußern Bildungsorgane (Eihuͤllen und Mutterkuchen)
noch des muͤtterlichen Koͤrpers unumgaͤnglich nothwendig zu be-
duͤrfen, fuͤr ſich fortzuleben im Stande iſt, obwohl bis zur acht-
unddreißigſten Woche (als fruͤhzeitiges Kind) nur durch
beſondere Pflege und Muͤhe, nach dieſer Woche aber als aus-
getragenes
oder zeitiges, reifes Kind.


§. 713.

Achter Monat. Das Ei hat hier gegen 9 Zoll Laͤnge,
der Mutterkuchen iſt dicht und dick, das Chorion pellucidum
faſt voͤllig glatt, das falſche Waſſer iſt meiſtens verſchwunden,
und Chorion und Amnion beginnen mit einander zu verwach-
ſen. Der Fetus mißt gegen 16½ Zoll, wird betraͤchtlich
ſtaͤrker und wiegt zwiſchen 3 und 4 Pfund. Die Haut iſt
jetzt am reichlichſten mit dem weichen glaͤnzenden Wollhaar
bedeckt, die Naͤgel ſind mehr ausgebildet, aber noch ſehr
weich, eben ſo die Kopfknochen, welche noch in den Naͤthen
ziemlich auseinander ſtehen. Die Augenlider ſind jetzt ge-
oͤffnet. Bei Knaben liegt der linke, zuweilen auch ſchon der
rechte Hode in dem mehr faltig gewordenen Hodenſacke. —
Ein in dieſem Monate gebornes Kind ſchlaͤft ſehr viel, hat
eine ſehr ſchwache Stimme, ſaugt nicht, und erzeugt ſo
geringe Waͤrme, daß es der groͤßten Aufmerkſamkeit und
Pflege bedarf um nicht zu erkalten und uͤberhaupt fortzule-
ben, welches indeß zu bewirken doch nicht allzuſelten gelun-
gen iſt.


§. 714.

Neunter Monat. Immer vollkommner wird die Ge-
ſammtbildung des Fetus, dahingegen von den aͤußern Bil-
dungsorganen deſſelben nun ſchon mehrere voͤllig verſchwunden
ſind, und durch das immer vollkommnere Verlieren ſelbſt der
[45] zottigen Oberflaͤche am Chorion und an der ſchon ſehr ver-
dichteten Placenta auch die aufſaugende Funktion dieſer Theile
immer mehr zu erloͤſchen ſcheint. Das Kind wird hier ge-
gen 17 Zoll lang und uͤber 5 Pfund ſchwer, die Wollhaare
fangen ſich an etwas zu verlieren, an den Augenbraunen und
Augenlidern kommen ſtaͤrkere Haare zum Vorſchein, auch
Kopfhaare bilden ſich, indem zugleich die Kopfknochen feſter
werden, und die Fontanellen (namentlich die Seitenfonta-
nellen und die Hinterhauptsfontauelle, ſich zu ſchließen an-
fangen. Im Auge verſchwindet nun die Pupillarmem-
bran. — Man will mehrmals bemerkt haben, daß Kinder
in dieſem Monate geboren ſchwerer noch erhalten werden koͤn-
nen, als die von acht Monaten. — Sie ſchlafen noch
immer ſehr viel, koͤnnen ſich durch Saugen noch nicht ernaͤh-
ren, und zeigen einen ſehr geringen Waͤrmegrad.


§. 715.

Zehnter Monat. Hier iſt es alſo, wo der Fetus nun
zu vollkommner Reife, d. i. zu einem Grade von Ausbil-
dung gelangt, wo er ſelbſtſtaͤndig, ohne aͤußere Bildungsor-
gane und ohne den Einfluß des Uterus fortwachſen kann.
Ebendadurch aber wird die Frucht dem Uterus fremder, und
man ſieht deutlich (worauf man bisher gar nicht geachtet
hat) an der aͤußern Flaͤche der Placenta ein duͤnnes aus Zell-
ſtoff gebildetes gefaͤßloſes Haͤutchen entſtehen, welches die fruͤher
hervorragenden und freien Gefaͤßflocken und Saugfaſern uͤber-
zieht, und ſomit die beginnende Trennung zwiſchen Frucht
und Uterus vorbereitet. — Dieſes Haͤutchen iſt offen-
bar fuͤr die unter der Geburt erfolgende Tren-
nung der Placenta von großer Wichtigkeit
, und
bei jeder vollſtaͤndig abgegangenen reifen Placenta trifft man
es daher in gaͤnzlicher Integritaͤt, ſo daß man es von der
Oberflaͤche leicht abpraͤpariren, und dann die Gefaͤßflocken ſelbſt
wahrnehmen kann.


[46]
§. 715.

Die Groͤße des Eies betraͤgt jetzt gegen 11 Zoll in der
Laͤnge und 7 Zoll in der Breite. Das Chorion pellucidum
iſt noch mit ſehr kurzen Saugfaſern beſetzt und mit kleinen Blut-
gefaͤßen durchwoben, auch verwaͤchſt es nunmehr groͤßtentheils
vollſtaͤndig mit dem Amnion. Der Nabelſtrang iſt durchgaͤngig
gewunden *) und 18 bis 24 Zoll lang, das Fruchtwaſſer
hat jetzt eine etwas molkigte Beſchaffenheit, und iſt in der
Menge von 4 bis 8 Unzen gewoͤhnlich noch vorhanden; zu-
weilen bemerkt man auch, daß es einen zaͤhen, weißen Schleim
auf der Oberhaut des Kindes abſetzt (gleichſam als Nieder-
ſchlag), welchen man Kaͤſeſchleim(Vernix caseosa) zu
nennen pflegt, und welcher in Folge des aufgeſaugten groͤßern
Theils des Fruchtwaſſers ſich zu bilden ſcheint. Der Mutterkuchen
mißt jetzt gewoͤhnlich 6 bis 8 Zoll im Durchmeſſer, wiegt gegen
oder etwas uͤber ein Pfund, und zeigt der Regel nach den Na-
belſtrang in der Mitte eingeſenkt.


§. 717.

Das Kind ſelbſt iſt als ausgetragenes Kind in der neunund-
dreißigſten oder vierzigſten Schwangerſchaftswoche 18 bis 20
Zoll lang und 6½ bis 7 oder 8 Pfund ſchwer; die Kopfknochen
ſind ziemlich feſt, laſſen ſich jedoch in der Pfeil- und Hinter-
hauptsnath noch etwas uͤbereinander ſchieben, die große Fonta-
nelle hat in groͤßter Breite gegen einen Zoll, und zeigt den Un-
terſchied zwiſchen dem ſpitzigen nach der Stirnnath, und
dem ſtumpfen gegen die Pfeilnath gerichteten Winkel (wel-
cher Unterſchied fuͤr Erkenntniß der Kopfſtellung im Be-
cken wichtig iſt) ſehr deutlich; die kleine Fontanelle iſt faſt
ganz geſchloſſen, und ſtellt ſich nur als Spitze des Dreiecks der
Hinterhauptsnath dar. Kopfhaare ſind nun groͤßtentheils, doch
faſt durchgaͤngig von dunkler Farbe, entwickelt; ſie fallen jedoch,
[47] ſo wie das nunmehr ſchon groͤßtentheils verſchwundene Wollhaar,
wieder aus, um andern Platz zu machen.


§. 718.

Geſichtstheile, Rumpf und Gliedmaßen ſind nun gehoͤrig
ausgebildet, die Naͤgel feſter und groͤßer, die Haut von ge-
woͤhnlicher Farbe und da, wo ſie am Nabel mit der vom Am-
nion ſich fortſetzenden Scheide des Nabelſtranges graͤnzt, zeigt
ſich ein hochrothes Raͤndchen, welches auf die hier groͤßere Ge-
faͤßthaͤtigkeit (um den Nabelſtrang, faſt gleich einem brandigen
Theil vom geſunden nach der Geburt abzuſtoßen) hindeutet.
Die Geſchlechtstheile des Knaben zeichnen ſich jetzt aus durch
ein ſtark gerunzeltes Scrotum, in welchem beide Hoden liegen,
und die vollkommen durch die Vorhaut bedeckte Eichel. Bei Maͤd-
chen ſind die Labia majora ſtaͤrker, und bedecken die Nymphen
und Clitoris beinahe. Geboren ſchlaͤft das Kind nicht mehr ſo viel,
erzeugt mehr Waͤrme, ſchreit mit kraͤftiger Stimme, und das
Saugen geht gut von Statten. — Alles Zeichen, wodurch, wenn
man ſie mit den in fruͤhern Paragraphen geſchilderten Zuſtaͤnden
des noch nicht ausgetragenen Kindes vergleicht, ein Unterſcheiden
des ausgetragenen von dem nicht ausgetragenen Kinde ſehr leicht
wird; obwohl man hierbei nie uͤberſehen darf, daß der Grad
der Ernaͤhrungsthaͤtigkeit im Uterus ſehr verſchieden iſt, und
daher zuweilen ein ſchlecht genaͤhrtes ausgetragenes Kind, wenn
man blos auf Laͤnge und Schwere Ruͤckſicht nehmen wollte,
einem unausgetragenen Kinde allerdings aͤhnlich ſeyn muß.


§. 719.

Zum Behuf richtiger Einſicht in die Lehre von dem Durch-
bewegen des Kindes durch das Becken, bleiben uͤbrigens noch
mehrere Flaͤchen und Maaße des Kindeskoͤrpers zu beruͤckſichtigen
uͤbrig, und vorzuͤglich muß in dieſer Hinſicht der Kopf des Kin-
des einer genauen Meſſung unterworfen werden. Wir unter-
ſcheiden demnach am Kindeskopfe vier Durchmeſſer und
ſechs Flaͤchen. Die Durchmeſſer ſind folgende: 1)
Querdurchmeſſer, von einem Scheitelbeinhoͤcker (Tuber
[48] parietale)
zum andern = 3½ Pariſer Zoll. 2) Gerader
Durchmeſſer
, von der Naſenwurzel bis zur hintern Fonta-
nelle = 4½ bis 4¾ Zoll; 3) ſenkrechter Durchmeſſer
von der großen Fontanelle bis zum Hinterhauptsloche (Foramen
magnum)
= 3½ Zoll; Diagonal- oder groͤßter Durch-
meſſer
, von der Kinnſpitze bis zur kleinen Fontanelle = 5
Zoll.


§. 720.

Die Kopfflaͤchen ſind folgende: 1) Scheitelflaͤche.
In ihre Mitte faͤllt die große Fontanelle nebſt der Pfeilnath;
ſie iſt vollkommen eifoͤrmig, nach hinten, im Hinterhaupte,
nahe an ihrer breiteſten Stelle, zugeſpitzt; nach vorn allmaͤh-
lig ſchmaͤler werdend, aber in der Stirne ploͤtzlich breit abge-
ſtumpft; ihrer Flaͤche nach mehr platt oder doch nur maͤßig ge-
woͤlbt. In dieſe Flaͤche faͤllt der Quer- und gerade Durchmeſ-
ſer. 2) Hinterhauptsflaͤche; ſie iſt rund im Umfange
und kugelfoͤrmig erhaben, ſie enthaͤlt die kleine Fontanelle auf
ihrer Mitte, ſo wie als Maaße den Querdurchmeſſer und den
ſenkrechten, welche von gleicher Groͤße ſind. 3) Geſichts-
flaͤche
, gleicht ziemlich in ihrem Umfange der Hinterhaupts-
flaͤche, und enthaͤlt wieder den ſenkrechten und Querdurchmeſſer,
wird jedoch durch das kleine Kinn und durch die breite Stirne
mehr eifoͤrmig und iſt mehr abgeplattet und uneben. 4) Grund-
flaͤche
; ſie gleicht, bei voͤllig wagerechter Stellung des Kopfs,
der Scheitelflaͤche, enthaͤlt den Quer- und geraden Durchmeſſer,
iſt jedoch platt, und kann bei ſehr von der Bruſt aufgeho-
benem Kinne, ſelbſt den laͤngſten oder Diagonaldurchmeſſer
mit in ſich aufnehmen. 5) und 6) Die Seitenflaͤchen
des Kopfs
. Sie enthalten jede ein Ohr in ihrer Mitte,
ſind unregelmaͤßiger, vorn breiter hinten zugeſpitzter Geſtalt,
und nehmen den ſenkrechten, laͤngſten und geraden Durchmeſ-
ſer in ſich auf.


§. 721.

Außerdem ſind noch Schulter- und Huͤftengegend des
Kindes fuͤr die Lehre von der Geburt wichtig. An der erſtern
[49] meſſen wir die Breite, welche von einer Schulterecke zur andern
4 bis 4½ Zoll betraͤgt, an der letztern bemerken wir ebenfalls
die Breite von einem großen Rollhuͤgel zum andern, welche 3
bis 3½ Zoll mißt, erwaͤhnen aber zugleich, daß bei heraufge-
ſchlagenen Schenkeln, die Steisflaͤche des Kindes eine eifoͤrmige
der Scheitelflaͤche aͤhnliche, durch Afteroͤffnung und Geſchlechts-
theile bezeichnete, fuͤr den Eintritt in das Becken ebenfalls voll-
kommen geeignete Rundung ausmacht. — Alle in dieſem und
vorigem Paragraph genannten Flaͤchen uͤbrigens, ſo wie die
ſaͤmmtlichen Koͤrperflaͤchen des Kindes, muͤſſen, Behufs zweck-
maͤßiger Huͤlfsleiſtung unter der Geburt, durch das Gefuͤhl des
Geburtshelfers, ſo wie der Hebammen allein, hinlaͤnglich er-
kannt werden koͤnnen, eine Fertigkeit, welche nur durch viel-
fache Uebung und durch die lebhafte Vorſtellung von dem Kno-
chenbaue des Kindes erlangt werden kann.


§. 722.

Ruͤckſichtlich der Lage (Situs) des ausgetragenen Kindes
bemerken wir, daß der Regel nach ſtets der Umfang des Kindes
uͤberhaupt der Form des Uterus, und der nach unten liegende
Kindestheil der obern Oeffnung des kleinen Beckens aͤhnlich ſeyn
muͤſſe, und ſomit folglich die Lage des Kindes mit ſeiner Laͤngen-
achſe in der Laͤngenachſe des Uterus, oder in der Levret’ſchen
Beckenachſe, bedingt wird, wobei in der Regel der Kopf nach
abwaͤrts, zuweilen aber auch der Steis nach abwaͤrts gerichtet
ſeyn kann. Unter der normalen Stellung (Habitus) hin-
gegen verſtehen wir die den raͤumlichen Verhaͤltniſſen im Uterus
und Becken guͤnſtigſte Richtung des Kopfes und der Gliedmaßen,
als welche wir die an den Leib gezogenen Knie, die gegen die
Bruſt gelegten Haͤnde und Arme, ſo wie den auf die Bruſt ge-
neigten Kopf anerkennen.


Varietaͤten in der Bildung des Eies.

§. 723.

Hierher gehoͤrt 1) die Bildung der Frucht bei
mehrfacher Schwangerſchaft
, bei Vorhandenſeyn von
II. Theil. 4
[50] Zwilligen, Drillingen u. ſ. w. — Man hat ſich hier die
Bildung des Zwillingseies ſo zu denken, daß zwei Ei-
blaͤschen von den Ovarien abgeloͤſt, und in den Uterus ge-
fuͤhrt worden ſeyen, dort nun aber jedes neben dem andern
ſich ganz ſo entwickele als waͤre nur ein einziges vorhanden.
In der Regel hat daher jeder Zwilling ſeine beſondern Eihaͤute,
ſein beſonderes Fruchtwaſſer, ſeinen beſondern Nabelſtrang und
Mutterkuchen, nur pflegen die Flaͤchen beiderſeitiger Leder-
haͤute, welche einander zugekehrt ſind, mit einander zu verwach-
ſen. Die Lage der Zwillinge ſelbſt iſt uͤbrigens (wenn ſie ganz
der Form des Uterus angemeſſen ſeyn ſoll,) ſo, daß das eine
mit dem Kopfe abwaͤrts das andre mit den Fuͤßen abwaͤrts ge-
richtet ſey *).


§. 724.

Von dieſem Verhalten aber finden ſich mehrere Abweichun-
gen. Eine der haͤufigſten iſt, daß die Placenten untereinander
verwachſen, wobei dann Anaſtamoſen zwiſchen beiderſeitigen
Nabelgefaͤßen ſich wohl bilden koͤnnen. Hier haben alſo beide
Eier ſcheinbar nur eine Placenta. Weit ſeltner iſt es dagegen,
daß die durch die doppelten Eihaͤute beider Zwillinge gebildete
Scheidewand entweder durch zu dichtes Aneinanderliegen oblite-
rirt, oder vielleicht auch auf mechaniſche Weiſe durch ſtaͤrkere
Bewegung der Kinder (obwohl auch dann die Duͤnnheit der
Haͤute ſchon ſehr groß ſeyn muß) zerſtoͤrt wird, und folglich
beide Kinder in einer und derſelben Eihoͤle liegen; ein Fall, wel-
cher indeß ſchon zu pathologiſchen Zuſtaͤnden Veranlaſſung geben
kann indem dann leicht die Nabelſtraͤnge untereinander ſich ver-
ſchlingen **) oder ſelbſt die Kinder untereinander verwachſen. —
Auf aͤhnliche Weiſe verhalten ſich die Theile des Eies auch wenn
Drillinge oder Vierlinge vorhanden ſind.


[51]
§. 725.

Ferner bemerkt man 2) auch bei einfachen Schwangerſchaften
noch mehrere Varietaͤten am Mutterkuchen und Nabel-
ſtrange
. Was die Placenta betrifft, ſo iſt dieſelbe zwar
gewoͤhnlich vollkommen rund, jedoch haͤufig auch mehr laͤnglich, zu-
weilen mit einzelnen hervorſpringenden Lappen verſehen, oder ſie
zeigt ſelbſt eine oder mehrere Nebenplacenten (Placentae succen-
turiatae
), welche dann durch ſtarke Gefaͤße mit der Haupt-
placenta zuſammen haͤngen. Zuweilen iſt auch die Subſtanz
der einfachen Placenta in mehrere Abtheilungen (Cotyledo-
nes
) ſehr deutlich geſchieden.


§. 726.

Den Nabelſtrang betreffend, ſo ſenkt er ſich nicht ſelten
Statt in der Mitte, am Rande, oder in der Naͤhe des
Randes der Placenta ein, wovon nach Schweighaͤuſer’s*)
allerdings wahrſcheinlicher Annahme, die Urſache darin liegt,
daß die Lage des Uterus in der Schwangerſchaft ſich aͤndert,
das Wachsthum der Placenta ſelbſt aber mehr gegen den
am meiſten nach oben gelegenen Theil des Uterus hinſtrebt.
Wenn folglich der Uterus ſich ſo in ſeiner Lage veraͤndert
hat, daß die Stelle, wo die urſpruͤnglich immer runde Pla-
centa anſitzt, mehr nach abwaͤrts gekommen iſt, ſo wird nun
die Placenta mehr nach oben hin fortwachſen (ſo wie unge-
faͤhr eine Pflanze mehr ihre Wurzeln gegen die Gegend, wo
Feuchtigkeit iſt, hinwenden wird), und es muß alſo der Na-
belſtrang, da die andere Seite des Mutterkuchens ſich nicht
verlaͤngert, jetzt außer dem Mittelpunkte, ja am Rande der
Placenta gefunden werden.


§. 727.

Der ſtaͤrkſte Grad dieſer excentriſchen Einſenkung des
Nabelſtranges endlich iſt derjenige, wo derſelbe gar nicht
[52] unmittelbar in die Placenta ſondern in die Lederhaut einge-
wurzelt erſcheint, wo in dieſer ſich die Gefaͤße bereits ver-
zweigen, und oft 3 bis 4 Zoll auf der Lederhaut und hin-
ter der Schafhaut verlaufen *); eine Bildung, welche bei der
Geburt indeß zu mancherlei regelwidrigen Zufaͤllen, nament-
lich zur Hemmung des Blutlaufs durch Druck, und zum
leichtern Abreißen des Nabelſtranges, Veranlaſſung werden
kann.


§. 728.

Ferner gehoͤren hierher die Knoten des Nabelſtran-
ges
, deren wir wahre und falſche unterſcheiden. Die
erſtern ſind wirkliche in die Nabelſchnur geſchuͤrzte Knoten,
welche, wie ſchon oben bemerkt, wahrſcheinlich im 4 oder 5
Monate durch ſtarke Bewegungen des Kindes entſtehen; ſie
koͤnnen allerdings, wenn ſie ſehr ſtark angezogen ſind, zur
Hemmung des Blutlaufs und zum Tode des Kindes beitra-
gen, werden aber haͤufig auch als ganz unſchaͤdliche Er-
ſcheinungen wahrgenommen **). Die falſchen Knoten ſind
bloße Ausdehnungen der Nabelgefaͤße, vorzuͤglich der Nabel-
vene und hervorragende Windungen derſelben. Uebrigens iſt
auch der Nabelſtrang ſelbſt zuweilen ſehr reichlich mit War-
thon’ſcher
Sulze verſehen, und heißt dann ein fetter
Nabelſtrang
, oder er iſt mit ſehr wenig Sulze verſehen,
und heißt, weil er dann die Blutgefaͤße ſehr deutlich zeigt,
ein blutiger Nabelſtrang. — Was die Eihaͤute be-
trifft, ſo variiren ſie dadurch, daß Chorion und Amnion
zuweilen nicht mit einander verwachſen und folglich falſches
Waſſer uͤbrig bleibt; und was endlich das Fruchtwaſſer ſelbſt
anbelangt, ſo kann deſſen bald mehr bald weniger, und zwar
bald von molkiger, bald von klarer Beſchaffenheit vorhan-
den ſeyn.


[53]
Ueberblick der phyſiologiſchen Eigenthuͤmlich-
keit des Fetus
.

§. 729.

Nachdem wir im Allgemeinen das Entſtehen, Fortwach-
ſen und Reifen des menſchlichen Eies betrachtet haben, iſt
es noͤthig noch auf das Leben und die einzelnen Lebensver-
richtungen im Fetus eine naͤhere Aufmerkſamkeit zu wenden,
indem nur durch Beachtung ſeiner phyſiologiſchen Eigen-
thuͤmlichkeit, theils die pathologiſchen Zuſtaͤnde, welche er von
der Geburt erleiden kann, theils die Umaͤnderungen, welche
er auch im regelmaͤßigen Lebensgange durch die Geburt er-
faͤhrt, anſchaulich werden. So wie indeß bei der Lehre von
der Eigenthuͤmlichkeit des weiblichen Koͤrpers die ſpeciellen
anatomiſchen Kenntniſſe vorausgeſetzt werden mußten, ſo iſt
auch hier nicht der Ort, die ſaͤmmtlichen Eigenthuͤmlichkeiten,
welche die Bildung einzelner Organe darbietet, beſonders
durchzugehen, woruͤber wir vielmehr auf beſondere dieſem
Gegenſtande gewidmete Schri[f]ten *) verweiſen.


§. 730.

Von den Lebenseigenthuͤmlichkeiten des Fe-
tus uͤberhaupt
: Die bedeutendſte iſt unſtreitig, daß ſein
Organismus nicht in freier und unmittelbarer Wechſelwirkung
mit der aͤußern Natur (mit dem Erdorganismus) ſteht, ſon-
dern eingeſenkt iſt in den muͤtterlichen Organismus; folglich
nur mittelbar Naturſtoffe zu ſeiner Ernaͤhrung aufnimmt,
nur mittelbar organiſchen Stoff an die aͤußere Natur aus-
ſcheidet. Eben dadurch aber beſtimmt ſich als zweite Eigen-
thuͤmlichkeit, daß dem Fetus, in wiefern er gleichſam noch
[54] ein Theil eines groͤßeren individuellen Organismus iſt, die
Selbſtbeſtimmung mangelt, er ſomit, da ihm dieſe eigentlich
den Thierkoͤrper charakteriſirende Eigenthuͤmlichkeit abgeht,
mehr der Pflanze genaͤhert ſcheint. Hieraus nun ergeben
ſich ferner als wichtige Folgerungen, daß, wenn der Fetus
einmal der weſentlichen Bedeutung nach (ſelbſt ſeiner man-
gelnden Locomotivitaͤt nach) Pflanzen aͤhnlich erſcheint, auch
ſeine einzelnen Funktionen ſich denen der Pflanzen verwandt
zeigen muͤſſen. Wie nun aber in der Pflanze alles auf
Bildung, Wachsthum, Ausſcheidung u. ſ. w. hinweiſt, und
wie dagegen die hoͤhere Seite des Lebens noch im tiefen
Schlafe zu liegen ſcheint, ſo iſt auch das Leben des Fetus
faſt nichts als produktive Thaͤtigkeit, und ſein Zuſtand,
ruͤckſichtlich der hoͤhern menſchlichen Vermoͤgen, ein tiefer
Schlaf mit Recht zu nennen.


§. 731.

Beſondere Funktionen des Fetus. 1) Stoff-
aufnahme, Ernaͤhrung
. Schon oben haben wir drei
Wege kennen lernen, durch welche die Ernaͤhrung des Fetus
von Statten gehen kann, den Mutterkuchen naͤmlich, die
Oberhaut und den Darmkanal; phyſiologiſch betrachtet fallen
indeß alle drei zuſammen, denn Kind und Eihaͤute wie Mut-
terkuchen ſind ja eigentlich nur ein Ganzes, und mag nun
fuͤr das Wachsthum des Kindes insbeſondere, der Stoff mehr
durch das im Nabelſtrange zuruͤckfließende Blut hergegeben
werden, oder durch das in Haut und Darm eindringende
Fruchtwaſſer, immer muͤſſen es zuerſt die Flocken der aͤußern
Flaͤche des Eies uͤberhaupt ſeyn, welche, wie die Wurzeln
der Pflanzen aus der Erde, ſo aus der innern flockigen
Wand des Uterns ernaͤhrende Saͤfte anziehen. Daß uͤbrigens
dieſe Ernaͤhrung aus mehr vorbereiteten Saͤften und alſo un-
mittelbarer geſchieht, iſt die Urſache davon, daß die peri-
ſtaltiſchen Bewegungen des Darmkanals im Fetus noch ſo
ſchwach ſind, daß keine Darmausleerungen erfolgen.


[55]
§. 732.

Ruͤckſichtlich der Bildung hierher gehoͤriger Theile iſt zu-
voͤrderſt die Haut mit ihren Poren und Haaren, (welches
beides gewiß fuͤr die Aufſaugung wichtige Gebilde ſind),
ſo wie mit ihrer im reifen Fetus ſo betraͤchtlich gewordenen
Fettablagerung merkwuͤrdig; welche letztere man vielleicht zum
Theil als eine unmittelbare Folge der Aufſaugung der Haut
deshalb betrachten moͤchte, da in innern Gebilden dieſelbe
weit geringer iſt (wie denn z. B. das Netz im reifen Fetus
voͤllig fettleer gefunden wird). — Ferner gehoͤrt die Bildung
des Darmkanals hierher, deſſen oberſtem (Mund-) Ende nicht
nur die Bewaffnung der Zaͤhne noch voͤllig mangelt, ſondern
au deſſen Verlauf auch der Magen noch, ſelbſt verhaͤltniß-
maͤßig zum Kinde betrachtet, ſehr klein und zuſammen gezo-
gen iſt, der Unterſchied des duͤnnen und dicken Darmes fruͤ-
herhin voͤllig wegfaͤllt und ſelbſt beim reifen Fetus aͤußerſt
gering iſt, wobei []man insbeſondere auch den Blind-
darm verhaͤltnißmaͤßig kuͤrzer bemerkt. Die Hoͤhle des Darm-
kanals iſt anfaͤnglich nur in den duͤnnen Daͤrmen, ſpaͤterhin
auch in den dicken mit einer ſchwarzgruͤnen zaͤhen Maſſe
(Kindespech, Meconium) erfuͤllt, welches vorzuͤglich als Pro-
dukt der in den Darm ergoſſenen Sekretionen, beſonders der
Galle, anzuſehen iſt, jedoch auch durch Reſte des eindringen-
den Fruchtwaſſers deſſen duͤnnere Theile abſorbirt worden
ſind, vermehrt wird. Endlich iſt aber die Bauchhoͤhle (welche
anfaͤnglich ſogar den ganzen Rumpf einnahm) noch ſehr
uͤberwiegend), und der große Leib im Verhaͤltniß der kleinern
Bruſthoͤhle und der zaͤrtern Extremitaͤten charakteriſiren aͤuſ-
ſerlich die Geſtalt des Kindes. (Wie ſie, im geringern Grade
freilich, die Geſtalt des weiblichen Koͤrpers ſelbſt [Thl. I.
§. 16. u. f.] bezeichneten).


§. 733.

2) Saͤftevertheilung, Gefaͤßthaͤtigkeit. Der Fetus
welcher, wie oben bemerkt worden iſt, erſt im zweiten Mo-
nate wirklich rothes Blut erhielt, zeigt auch in den letzten
Monaten eine Blutmaſſe, welche theils durch ihre geringe
[56] Conſiſtenz, den Ueberfluß an Serum, den wenigen Antheil
des Faſerſtoffs und Crnor’s, ſo wie (in Folge der erwaͤhn-
ten Momente) durch ihre ſchwache Gerinnbarkeit, von der
Blutmaſſe in der ſpaͤtern Zeit nach der Geburt ſich entfernt
und abermals zu den Saͤften der Pflanzen, ſo wie zu denen
der niedern Thiere eine Annaͤherung erkennen laͤßt. — Ue-
berdieß iſt nun die Oxydation der Blutmaſſe aͤußerſt gering,
und der Unterſchied zwiſchen Venen- und Arterienblut noch
nicht durch die Faͤrbung angedeutet, obwohl dieß kein Recht
giebt beide Blutmaſſen etwa noch als voͤllig gleich anzu-
ſehen, (welches ſie, wie ſich ſchon aus der verſchiedenen
Richtung des Blutſtroms ergiebt, ſelbſt in der fruͤheſten
Zeit nicht ſeyn koͤnnen). — Die ganze Blutmiſchung hat
ſonach noch mehr Aehnlichkeit mit der des Venenblutes bei
ausgebildeter Lungenathmung, und auch dieſes iſt fuͤr die
Phyſiologie des Fetus wichtig, indem es auf das Ueberge-
wicht der reproduktiven Thaͤtigkeit hinweiſt; denn im geſunden
ſowohl als krankhaften Zuſtande [ſehen] wir im menſchlichen
Koͤrper da, wo reproduktive Thaͤtigkeit vorherrſchend iſt, auch
die Venen ausnehmend entwickelt (man denke an die Venen-
geflechte des Uterus, ſo wie an die Erweiterung der Venen-
geflechte bei krankhaften Auswuͤchſen).


§. 734.

In der Blutbewegung ſelbſt ſind nun vorzuͤglich wichtig:
der offne Zuſammenhang der beiden Haͤlften des Herzens,
und die Kreisbewegung des Blutes durch die Placenta.
Was die letztere betrifft, ſo darf man annehmen, daß ſtets
gegen ein Drittel der Blutmaſſe ſich außerhalb des eigentli-
chen Fetuskoͤrpers befinde, und es gelangt dahin aus der
abſteigenden Aorta, welche vorzuͤglich das aus dem Koͤrper
ruͤckkehrende Venenblut durch den Ductus Botalli, in ſich
faßt, da Karotiden und Axillararterien reicher an dem aus
der Placenta zuruͤckfließenden Blute ſind. Die Aorta aber
ergießt ihr Blut durch die Nabelarterien, welche wir zwar
als Zweige der Art. hypogastrica betrachten, die jedoch
urſpruͤnglich die getheilten Fortſetzungen der Aorta ſelbſt ſind,
ſo daß Becken- und Schenkelſchlagadern eigentlich aus ihnen
[57] entſpringen. In wiefern aber dieſe Nabelſchlagadern ein
vorzuͤglich venoͤſes Blut nach der Oberflaͤche des Eies
ſchaffen, ſo daß es hier mit dem muͤtterlichen Koͤrper (wel-
cher gleichſam die Erde und die Atmosphaͤre des Fetus eben
ſo darſtellt, wie die wirkliche Erde und ihre Atmosphaͤre ſich
fuͤr den geborenen Lungenathmenden Menſchen) eben ſo in
Beruͤhrung kommen muß wie das Blut der Lungenarterien
nach der Geburt mit der Luft, ſo koͤnnen wir dieſen Blutlauf
dem ſogenannten kleinen ſpaͤter eintreffenden Kreislaufe gleich-
ſtellen (ſ. oben die Gruͤnde fuͤr die Reſpiration durch die
Placenta), und werden hierdurch ferner auf eine merkwuͤrdige
Verwandtſchaft der Athmungs- und Geſchlechtswerkzeuge auf-
merkſam gemacht. Wir ſehen naͤmlich das Geſchlechtsſyſtem
und die Harnwerkzeuge offenbar von den Zweigen der ab-
ſteigenden Aorta gleichſam an den niedrigern venoͤſen Pol
oder Endpunkt des Koͤrpers gebildet, wie an dem obern ar-
teriellen Pol oder Endpunkte die ſenſoriellen Organe ſich aus-
bilden.


§. 735.

Zuruͤck zum Fetus kehrt das Blut durch die einfache
Navelvene, und phyſiologiſch merkwuͤrdig iſt hier wieder die
Hinwendung dieſes Gefaͤßes zur Leber, welche als ein Ab-
ſonderungsorgan fuͤr brennliche Stoffe zur Befreiung des Blu-
tes von aͤhnlichen Beſtandtheilen, und ſomit (auf negative
Weiſe) auch zur vermehrten Oxydation des Blutes beitraͤgt.
Ein Theil des Blutes der Nabelvene ſtroͤmt naͤmlich durch
den Ductus venosus Arantii (die eigentliche Fortſetzung ih-
res Stammes) unmittelbar in die untere Holvene, ein ande-
rer Theil verbindet ſich mit der (ihrer Entſtehung nach durch
die Vena omphalomeseraica bedingten) Vena portarum,
um mit dem Blute dieſer ſich noch einmal in der Leber zu ver-
breiten, und nach Abſcheidung eines Theils ihres Kohlenſtoffs
ebenfalls in die untere Hohlvene ſich zu ergießen. Dieſe untere
Hohlvene alſo erhaͤlt ein großes Uebergewicht an Blut, wel-
ches theils poſitiv an der Oberflaͤche des Eies oxydirt,
theils negativ durch Ausſcheidung groͤberer Stoffe in
der Leber gereinigt worden iſt, und tritt ſonach fuͤr das
[58] ungeborne Kind in die Bedeutung, welche fuͤr das geborne
Kind die Lungenvenen bekommen.


§. 736.

Wie nun dieſes Blut durch die rechte Vorkammer hin-
durch in die linke Vorkammer und Kammer des Herzens ge-
langt, naͤmlich mittelſt des eirunden Loches, welches anfaͤng-
lich einen Kanal bildet, (und zugleich durch Beihuͤlfe der ſo-
genannten Euſtachi’ſchen Klappe), wie es von dem Ar-
cus aortae
aus, durch die Karotiden und Axillararterien
zum Kopfe und den obern Gliedern ſich bewegt, dahingegen
der herabſteigenden Aorta das Blut welches von der Vena
cava descendens
faſt allein in die rechte Vorkammer und
Herzkammer ſich ergießt, durch den Ductus arteriosus Bo-
talli
beygemiſcht wird *) haben wir zum Theil fruͤher ſchon
eroͤrtert. Im Allgemeinen bemerkt man ſonach, daß die Ein-
richtung des Kreislaufs im Fetus noch die groͤßte Aehnlich-
keit habe mit dem der kaltbluͤtigen Thiere, und wir duͤrfen
in dieſer Art der durch unvollkommne Reſpiration bedingten
Blutvertheilung nebſt der unvollkommnen Organiſation des
Nervenſyſtems zugleich die Urſachen annehmen: der im Fe-
tus noch aͤußerſt geringen eigenthuͤmlichen
Waͤrme
.


§. 737.

Nicht blos jedoch das Blutſyſtem bildet ſich im Fetus
immer vollkommner aus, ſondern auch das Saugader-
ſyſtem
entſteht und erſcheint im reifen Fetus, vorzuͤglich
ruͤckſichtlich ſeiner Druͤſen, ausnehmend und verhaͤltnißmaͤßig
weit mehr als ſpaͤterhin entwickelt. Merkwuͤrdig iſt es hier-
bei, daß die Gekroͤsdruͤſen allein davon eine Ausnahme ma-
chen, welche nur eine ſchwache Entwickelung zeigen. — Es
ſcheint dieſes darauf hinzuweiſen wie thaͤtig die Ernaͤhrung
[59] des Fetuskoͤrpers durch Einſaugung der der Oberflaͤche der Haut
innerhalb des Eies dargebotenen Fluͤſſigkeit von Statten gehe,
und daß die Ernaͤhrung vom Darmkanal aus eine geringere
Bedeutung habe. Selbſt die große druͤſigte Maſſe der Thy-
mus ſcheint, nach Lucaͤ*), nichts anderes zu ſeyn als Lymph-
druͤſe, und koͤnnte vielleicht fuͤr die Einſaugung mittelſt der
Bruͤſte (dafern ſie zu erweiſen iſt) die Stelle der Gekroͤs-
druͤſen vertreten.


§. 738.

3) Athmung und Ausſcheidung. Was die Ath-
mung betrifft, ſo ſcheint das eigentliche Werkzeug derſelben,
die Lungen, im Fetuszuſtande noch vollkommen zu ruhen,
denn daß ſie anſtatt der Luft Fruchtwaſſer athmeten **) hat
nichts fuͤr ſich außer das Vorkommen von etwas Frucht-
waſſer in der Luftroͤhre, und iſt an ſich voͤllig unwahrſchein-
lich. Die Lungen findet man daher voͤllig dicht und zuſam-
men gezogen, ihre ſpecifiſche Schwere iſt betraͤchtlich, und ſie
ſinken im Waſſer unter ***), ihre abſolute Schwere hingegen
iſt geringer als nach der Geburt ****). — Ueber die ſtell-
vertretende Reſpiration des Fetus durch die aͤußere Eiflaͤche
iſt ſchon oben das Naͤhere bemerkt worden. Wir wiederho-
len nur, daß hier der Fetus wohl nothwendig (ſo wie er
alle Stoffe zu ſeiner Bildung von hier empfaͤngt) auch das
Oxygen aufnehmen muͤſſe, da es außerdem unerklaͤrlich bleibt,
[60] wie er uͤberhaupt (was doch unlaͤugbar iſt) Oxygen ent-
halten koͤnne.


§. 739.

Eben ſo wie aber die Athmung noch im geringeren Um-
fange und von geringerer Energie erſcheint, ſind auch die
Se- und Exkretionen von geringerer Thaͤtigkeit, und ſaͤmmt-
lich von der Art, daß die ausgeſchiedenen Stoffe doch ſtets
innerhalb der Graͤnzen des Fetuskoͤrpers verweilen. (Dieſes
ſchwaͤchere Hervortreten der der individuellen Reproduktion
entgegengeſetzten ausſcheidenden Seite, ſteht aber im genaueſten
Zuſammenhange mit dem großen Uebergewicht der bildenden
Lebensthaͤtigkeit). Von den in den Darmkanal ſich ergießen-
den Ausſonderungen ſcheinen die Speichelwerkzeuge, deren
Ergießungen hauptſaͤchlich durch Bewegung der Kau- und
Schlingewerkzeuge rege werden, noch ganz zu ruhen. Mehr
iſt hingegen die Leber, in wiefern ſie zur Decarboniſirung
des Blutes beitraͤgt, in Thaͤtigkeit geſetzt, ja man findet ſie
mit der Entwickelung der Lungen gerade im umgekehrten
Verhaͤltniß, d. i. aͤußerſt groß und blutreich. Demungeach-
tet iſt die abgeſonderte Galle duͤnner und ſchleimiger als ſpaͤ-
terhin. — Was die Nieren betrifft, ſo ſind ſie im Fetus
noch in mehrere Abtheilungen getrennt, nicht voͤllig entwi-
ckelt, und ohne bedeutende Abſonderung; wenigſtens entleert
der Fetus noch keinen Harn, und der wenige in der Blaſe
befindliche Urin iſt waͤßerig, enthaͤlt keine Phosphorſaͤure, wohl
aber etwas Benzoeſaͤure. — Ferner die Haut betreffend, ſo
wirkt ſie ebenfalls dekarboniſirend theils durch die kohlen-
ſtoffige Natur ihrer Produktionen, wie des ſtaͤrkern Kopfhaars
welches faſt wie das im Ei ſich entwickelnde Haar und Ge-
fieder der Thiere, in der Regel dunkelfarbig iſt, theils durch
die Ablagerung von Fett. — Endlich iſt aber phyſiolo-
giſch vorzuͤglich bemerkenswerth, daß die der individuellen
Koͤrperbildung am ſtaͤrkſten entgegengeſetzten Geſchlechts-
organe
jetzt noch gar keine beſondere Funktion ausuͤben.


§. 740.

4) Die animalen Verrichtungen. Dieſe Seite
iſt es nun, welche im Fetus am allerwenigſten entwickelt iſt
[61] (wobei man ſich wieder erinnern muß, daß animales Leben
dem vegetativen gerade entgegen geſetzt iſt, und dieſer nie-
drige Stand deſſelben alſo vollkommen mit dem thaͤtigen
Bildungsleben dieſer Periode zuſammen ſtimmt). Zuvoͤrderſt
die Bewegungswerkzeuge betreffend, ſo ſind die willkuͤhrlichen
Muskeln blaß, ſchlaff, wenig ausgebildet (welches an die
ſchwache Reſpiration erinnert, da Reſpiration und Muskel-
kraft im ganzen Thierreiche gleichen Schritt halten). Bewe-
gungen der Glieder ſind willkuͤhrlos und gering. Zweitens
was die ſenſible Seite anbelangt, ſo iſt Hirn- und Nerven-
maſſe noch aͤußerſt weich, die Augenlider bleiben geſchloſſen,
die Pauken- und Naſenhoͤhle iſt mit Schleim erfuͤllt, und
uͤberhaupt ſind die Sinneswerkzeuge ganz unthaͤtig. Soll
man endlich uͤber das Seelenleben des Fetus eine Vermu-
thung aͤußern, ſo iſt wohl ſo viel klar, daß von eigenthuͤm-
lichen Willensrichtungen und Vorſtellungen hier noch nicht
die Rede ſeyn kann, ob aber nicht der Fetus in ſeinem
Schlafe im Uterus an den Vorſtellungen der Mutter (etwa
wie man ſich das Verhaͤltniß der Somnambuͤle zum Magneti-
ſeur denkt) Antheil nehme, ob nicht dieſe Vorſtellungen
gleich Traͤumen an ihm voruͤber gehen, und die
Geneigtheit zu aͤhnlichen Vorſtellungen hinterlaſſen? iſt
eine Frage, deren Beantwortung auf Erklaͤrung des Forter-
bens gewiſſer Eigenſchaften, auf die Lehre vom Verſehen
(wovon wir im pathologiſchen Abſchnitte ſprechen werden)
viel Licht verbreiten koͤnnte.


4) Geſchichte der Veraͤnderungen im muͤtter-
terlichen Koͤrper waͤhrend der Schwan-
gerſchaft
.

§. 741.

Man kann dieſe Veraͤnderungen eintheilen in ſolche,
welche im Geſchlechtsſyſteme ſelbſt und namentlich
im Uterus
bemerkt werden, und in ſolche, welche in den
uͤbrigen organiſchen Syſtemen und im Allge-
[62] meinbefinden
ſich darſtellen. Die letztern koͤnnen hier
theils als Folgen, theils als Urſachen der erſtern angeſehen
werden, und zeigen ſich in wiefern ſie Folgen oͤrtlicher Ver-
aͤnderungen ſind, voͤllig nach denſelben Geſetzen, welche auch
unter ganz andern Verhaͤltniſſen bei bedeutenden Modiſika-
tionen einzelner Organe oder Syſteme, allgemeine Lebens-
veraͤnderungen nach ſich ziehen. Als Urſachen oͤrtlicher Ver-
aͤnderungen muß aber die allgemeine Umſtimmung deshalb
betrachtet werden, weil uͤberhaupt jede oͤrtliche Thaͤtigkeit
durch die allgemeine bedingt wird, und durch die Empfaͤng-
niß [uͤberhaupt]der geſammte weibliche Koͤrper an-
geregt wird in dem Geſchlechtsſyſtem einen
neuen Organismus zu erzeugen
. — So koͤnnte man
z. B. in vieler Hinſicht die Umaͤnderungen im Allgemeinbe-
finden bei Schwangern, einem fieberhaften Zuſtande vergleichen,
welcher ſich zu einer Entzuͤndung (womit doch der Zuſtand der
Geſchlechtsorgane zu dieſer Zeit viel aͤhnliches hat) hinzuge-
ſellt, oder dieſe Entzuͤndung auch wohl hervorruft. Ferner
aber wird man auch die ſchon oben (I. Thl. §. 77.) be-
merkte Aehnlichkeit zwiſchen den Veraͤnderungen waͤhrend der
Schwangerſchaft und denjenigen, welche bei eintretender
Menſtruation Statt finden, nicht verkennen, welche Aehnlich-
keit ſich leicht erklaͤrt, wenn man bedenkt, daß beide Zu-
ſtaͤnde die Reſultate einer erhoͤhten Thaͤtigkeit des Geſchlechts-
ſyſtems ſind.


1) Veraͤnderungen in den Geſchlechtstheilen
waͤhrend der Schwangerſchaft
.

a) Veraͤnderungen der innern Geſchlechtstheile.

§. 742.

1) Eierſtoͤcke und Muttertrompeten. Dieſe, in-
wiefern ſie nur zur Zeit der Empfaͤngniß thaͤtig ſind, kom-
men hier weniger in Betrachtung. An den Ovarien be-
merken wir den Zuſtand erhoͤhter Gefaͤßthaͤtigkeit, Bildung
und Abtrennung eines Eies, und Zuruͤcklaſſen einer Narbe.
[63] Alle dieſe Veraͤnderungen ſind jedoch in den erſten Tagen
nach der Conception voruͤber, und es verbleiben dieſe Or-
gane ſodann vollkommen ruhig. — An den Mutterroͤh-
ren
bemerken wir den ebenfalls erhoͤhten Zuſtand von Ge-
faͤßthaͤtigkeit, wobei zugleich die Muskularthaͤtigkeit zur peri-
ſtaltiſchen Bewegung, um den Fruchtkeim nach dem Uterus
zu fuͤhren, aufgeregt wird. Spaͤterhin ruhen auch dieſe Theile,
obwohl man nicht uͤberſehen darf, daß ſie als Theile des
allgemeinen Fruchtganges (ſ. I. Thl. §. 27.) auch an den
Veraͤnderungen, welche der Fruchtgang uͤberhaupt und beſon-
ders der mittlere Theil deſſelben, der Uterus, zeigt, Antheil
nehmen, und ſich daher ebenfalls in der Schwangerſchaft mit
vergroͤßern, ſo daß man ſie am Ende derſelben bedeutend
groͤßer als im nichtſchwangern Zuſtande antrifft.


§. 743.

Veraͤnderungen des Fruchthaͤlters. Dieſer zeigt
nun die bedeutendſten Abweichungen von dem Zuſtande vor
der Schwangerſchaft, ſo daß wir die Umaͤnderungen deſſelben
in Wahrheit denen faſt, welche das Ei erleidet, gleichachten
koͤnnen. Die Urſache hiervon iſt, weil ja eben das Leben
und Wachſen des Eies fortwaͤhrend durch das Bildungsleben
des Uterus bedingt iſt, und natuͤrlich das letztere erhoͤht
ſeyn muß, wenn das erſtere fortruͤcken ſoll. Der Uterns
aber, welcher in der Schwangerſchaft der eigentliche Heerd
der geſammten Bildungsthaͤtigkeit wird, zeigt nun dreifache
Veraͤnderungen
, 1) ſeinem Parenchyma, der Struktur
ſeiner Waͤnde nach, 2) ſeiner Form, 3) ſeiner Lage nach,
welche Veraͤnderungen wir nun im Einzelnen durchgehen.


§. 744.

1) Die Subſtanz der Gebaͤrmutterwaͤnde be-
treffend, ſo wird dieſe namentlich in ſofern veraͤndert, als
alle ihre Gefaͤße, ganz vorzuͤglich jedoch ihre Venen ſich ver-
laͤngern und ſo betraͤchtlich erweitern, daß die ganzen Waͤnde
des Uterus in der Schwangerſchaft theils weit ſtaͤrker wer-
den (am Sitze der Placenta, wo die Gefaͤße im Uterus am
[64] weiteſten ſind, oft uͤber einen Zoll dick), theils auf der
Durchſchnittsflaͤche ein zelliges poroͤſes Gewebe zeigen, unge-
faͤhr gleich der Schnittflaͤche eines Badeſchwamms. Hier-
mit haͤngt es nun genau zuſammen, daß die Blutmaſſe,
welche gegen den Uterus hinſtroͤmt und in den Gefaͤßen des
Uterus verweilt, weit betraͤchtlicher ſeyn muß, als fruͤher;
wovon denn die vermehrte Roͤthe und erhoͤhte Waͤrme des
ſchwangern Uterus eine unmittelbare Folge iſt.


§. 745.

Ferner entwickeln ſich unter dem Ueberzuge des Perito-
naei
im ſchwangern Uterus die Muskelfibern weit vollkomm-
ner als ſie im nichtſchwangern Zuſtande ſind, ſo daß ſelbſt
diejenigen, welche uͤberhaupt die muskuloͤſe Struktur des
Uterus laͤugnen, in dieſer Periode die vorzuͤglich im Grunde
und in der Gegend der runden Mutterbaͤnder ſehr deutlichen
Faſern anerkennen mußten; welche Entwickelung denn eben-
falls, ſo wie die im vorigen Paragraph erwaͤhnte Verdickung
der Waͤnde beweiſt, daß das Groͤßerwerden des Uterus nicht
etwa auf einem bloßen Ausgedehntwerden, ſondern auf
einem wirklichen Anwachſen beruht.


§. 746.

Endlich iſt die Veraͤnderung der Struktur in der innern
Flaͤche des Uterus vorzuͤglich wichtig. Wir bemerken naͤm-
lich in Folge der durch die Empfaͤngniß aufgeregten (faſt
entzuͤndungsartigen) Gefaͤßthaͤtigkeit wie die ſonſt glatte in-
nere Flaͤche des Uterus ſich auflockert und ganz mit einem
flockigen Ueberzuge bekleidet wird. Dieſe Flocken nun darf
man indeß eben ſo wenig als die erſten Sangfaſern am ein-
und zweimonatlichen Ovulo fuͤr wirkliche verlaͤngerte feine
Gefaͤßzweige halten (wie doch ſehr haͤufig geſchieht), ſondern
ſie beſtehen aus lockern durch Zellgewebe gebildeten Flocken, ganz
von der Art, wie man ſie an entzuͤndeten innern Stellen,
ſobald ſich Adhaͤſionen bilden, wahrzunehmen pflegt. Sie laſ-
ſen daher zuweilen auch Stuͤckweiſe ſich abloͤſen, ſo daß man
ſie gewoͤhnlich als eine beſondere Haut, als hinfaͤllige
[65] Hunter’ſche
Haut (Membrana decidua Hunteri) auf-
gefuͤhrt hat, und noch zuweilen bemerkt, daß Theile derſelben
bei unzeitigen Geburten an den Flocken der Lederhaut haͤngen
bleiben, und mit dieſer geboren werden *)


§. 747.

Fragt man nun wie durch dieſe Flocken wohl die Wech-
ſelwirkung zwiſchen Uterus und Frucht bewirkt werde? ſo
darf man ſich daruͤber, alles erwogen, folgende Vorſtellung
machen: Die Erweiterung der Venenzellen des Uterus im Innern
ſeiner Subſtanz eroͤffnet auch die Venenmuͤndungen, welche
an der innern Flaͤche außer der Schwangerſchaft nur als
kleine Oeffnungen, zum Durchlaſſen des venoͤſen monatlichen
Blutes geeignet, erſcheinen; dieſe Venenmuͤndungen aber werden
zum Theil durch die gebildete flockige Pſeudomembran wieder ge-
ſchloſſen, und ſcheinen nur denjenigen lymphatiſchen Theil
des Blutes, welcher zur Ernaͤhrung der Frucht beſtimmt iſt,
hindurchzulaſſen. Unterſucht man daher (was von mir im
friſch geoͤffneten dreimonatlich, fuͤnfmonatlich und zehnmonat-
lich ſchwangern menſchlichen Uterus geſchehen iſt) die Struk-
tur der Gebaͤrmutterwaͤnde mittelſt einer in die Venenzellen
eingebrachten Sonde, ſo wird man ſich leicht uͤberzeugen
koͤnnen, wie durch mehrere betraͤchtlich weite Venenoͤffnungen
die Sonde auf der innern Flaͤche zum Vorſchein kommt und
leicht die flockige Haut durchdringt, ja injicirt man die Ve-
nen eines ſolchen Uterus mit Wachsmaſſe, ſo findet man
immer große Extravaſate geronnenen Wachſes zwiſchen Uterus
und Placenta. — Man darf ſich daher hier nicht von dem
Uterus der meiſten Saͤugthiere, welcher bei ſeiner duͤnnhaͤuti-
gen mehr darmartigen Struktur ein anderes Verhaͤltniß und
zwar eine wahre Sekretion durch Gefaͤßbuͤſchelchen auf der
innern Flaͤche, aber keinesweges ſo erweiterte Venenzellen
und Muͤndungen zeigt, verleiten laſſen, auf etwas aͤhnli-
II. Theil. 5
[66] ches im Menſchen zu ſchließen, ſondern iſt berechtigt anzu-
nehmen, daß, obwohl kein Blut unmittelbar vom Uterus zum
Kinde uͤbergehen kann, doch aus dem Blute ſelbſt,
durch die zwiſchen die Flocken der Hunter’ſchen Haut ein-
dringenden Saugfaſern der Lederhaut die Frucht ernaͤhrt
werde. *)


§. 748.

Es ergiebt ſich hieraus, daß eine waͤhre Uterinplacenta
im Menſchen nicht angenommen werden kann (dahingegen bei
mehrern Saͤugthieren [am deutlichſten bei den Wiederkaͤuern]
eine ſolche allerdings exiſtirt) und daß ihre Stelle hier einzig
durch den flockigen Ueberzug der Hunter’ſchen Haut er-
ſetzt wird. Dieſer Ueberzug iſt zugleich nebſt der Anhef-
tung des Eies ſelbſt, die Urſache einer andern fuͤr die Zei-
chenlehre der Schwangerſchaft merkwuͤrdigen Erſcheinung,
naͤmlich des Außenbleibens der Menſtruation. Indem naͤm-
lich die innere Flaͤche dergeſtalt ſich umwandelt und das
Ei ſelbſt in eine feſtere Verbindung mit der Uterinflaͤche
tritt, bleiben keine Oeffnungen uͤbrig, durch welche wie
fruͤher, reines Blut ausfließen koͤnnte, und wenn daher ja in
den erſten Wochen der Schwangerſchaft zuweilen noch einmal
dieſer Blutfluß erfolgt, ſo iſt dieß bewirkt durch die jetzt
nur erſt an einigen Stellen erfolgte Anheftung des Eies,
und ſoll ſpaͤterhin, da das Blut nun fuͤr den Zweck der
Ernaͤhrung der Frucht verwendet wird, dem Gange der Na-
tur nach, nicht mehr Statt finden. — Demungeachtet wogt
der monatliche Typus auch im Koͤrper der ſchwangern Frau
fort, und es iſt haͤufig, daß die Periode, wo die Menſtrua-
tion eigentlich erfolgen ſollte, auch jetzt noch einige allge-
meine Molimina ad Menstruationem (ſ. Thl. I. §. 119)
[67] zu erkennen giebt; ja, wo aus innern Urſachen Fruͤhgeburten
ſich ereignen, pflegen dieſe vorzuͤglich um dieſe Perioden
Statt zu finden. Nahmen aber die Gefaͤße der Vaginal-
portion an der Ausſcheidung des monatlichen Blutes Antheil,
ſo kann aus dieſem Theile auch ſpaͤterhin daſſelbe noch flieſ-
ſen, und es erklaͤrt dieß auch die ſeltnern Faͤlle, wo die
Menſtruation die ganze Schwangerſchaft hindurch erſcheint,
oder ſelbſt in ganz ſeltnen Faͤllen einzig und allein waͤh-
rend der Schwangerſchaft
zum Vorſchein kam (ſ. die
Anmerkung zu §. 126. im I. Thl.)


§. 749.

2) Die Form der Gebaͤrmutter veraͤndert ſich
quantitativ und qualitativ, dem Umfange und der Geſtalt
nach. Was zunaͤchſt den Umfang betrifft, ſo vergroͤßert
ſich der Uterus theils durch ſein eigenes Anwachſen, theils
durch die Vergroͤßerung der Frucht ſtufenweiſe dergeſtalt, daß
er von der Laͤnge = 3 Zoll und der Breite = 2 Zoll, ſo
er im ungeſchwaͤngerten Zuſtande zeigt, im zehnten Monate
auf die Laͤnge von 12 Zoll und die Breite von 8 Zoll
anwaͤchſt.


§. 750.

Anbelangend zweitens die Veraͤnderungen der Geſtalt
des Uterus
, ſo iſt hier vorzuͤglich merkwuͤrdig, wie derje-
nige Theil deſſelben, welcher urſpruͤnglich (im Kinde) der
kleinſte iſt, naͤmlich Grund und Koͤrper, hier der groͤßte wird
und das vollkommenſte Uebergewicht uͤber den nach und nach
ſich ganz verlierenden Mutterhals gewinnt. Zugleich rundet
ſich die Form dieſer Theile mehr ab, und der Uterus ver-
liert das Plattgedruͤckte, welches er außer der Schwanger-
ſchaft zeigt, woͤlbt ſich mehr, und entſpricht nach und nach
immer vollkommner der Geſtalt des Eies ſelbſt. — Was
insbeſondere den Gebaͤrmutterhals betrifft, ſo pflegt die
Verkuͤrzung deſſelben (wobei dieſer Theil der Gebaͤrmutter-
ſubſtanz uͤbrigens ſich wirklich ausdehnt, duͤnner wird, und
zur Erweiterung der Gebaͤrmutterhoͤhle ſonach beitraͤgt) bei
[68] Erſtgebaͤrenden gewoͤhnlich ſehr regelmaͤßig zu erfolgen. Man
findet daher den Mutterhals gegen die Haͤlfte der Schwan-
gerſchaft auf einen halben, im achten oder neunten Monate
gegen einen Viertelzoll verkuͤrzt, und am Ende der Schwan-
gerſchaft voͤllig verſchwunden, oder wie man zu ſagen pflegt,
verſtrichen. In dieſem Zuſtande ſind dann innerer und
aͤußerer Muttermund faſt in eins zuſammen gefallen, und
das untere Segment des Uterus oft ſo ſehr verduͤnnt, daß
man zuweilen die Naͤthe des Kopfs durchzufuͤhlen im Stande
iſt. In ſeltnen Faͤllen bleibt jedoch auch bei Erſtgebaͤrenden
am Ende der Schwangerſchaft ein groͤßeres Stuͤck Mutter-
hals uͤbrig, welches aber immer auf eine erſchwerte Eroͤff-
nung waͤhrend der Geburt ſchließen laͤßt.


§. 751.

Bei Perſonen, welche ſchon geboren haben, und wo der
Muttermund bei dieſen fruͤhern Geburten ſtarke Einriſſe er-
litten hat, pflegt dagegen in der Regel nicht nur eine be-
traͤchtliche Partie der Vaginalportion bis zur Geburt uͤbrig
zu bleiben (eben wegen der durch die Narben geſtoͤrten re-
gelmaͤßigen Textur des Mutterhalſes) ſondern es zeigen ſich
ſogar oft noch ſtarke wulſtige vorragende Lippen des Mut-
termundes ſogar unter der Geburt, ohne daß die Eroͤffnung
des Muttermundes dadurch gerade immer bedeutend erſchwert
wuͤrde.


§. 752.

Außer dem Mutterhalſe, in deſſen Subſtanz man uͤbri-
gens eben ſo wie im ganzen Uterus das Auflockern und
Anſchwellen bemerken kann, iſt ferner der Muttermund mit
ſeinen Veraͤnderungen wichtig. Man bemerkt naͤmlich, daß
bald nach der Empfaͤngniß die Querſpalte des Muttermundes
verſchwindet, die vordere Lippe der hintern gleich wird, und
die Oeffnung in eine kleine Rundung (ganz wie bei der
Menſtruation) ſich umgeſtaltet, welche indeß faſt verſchloſſen
iſt, und bei Erſtgebaͤrenden ſich der Regel nach erſt in den
letzten Tagen der Schwangerſchaft zu oͤffnen pflegt. Wo
jedoch der Uterus entweder durch Schleim- und Blutfluͤße
[69] oder durch haͤufigen Geſchlechtsreiz erſchlafft iſt, da oͤffnet
ſich auch bei Erſtgebaͤrenden der Muttermund etwas zeitiger.
Am zeitigſten, und oft ſchon im achten Monate erfolgt je-
doch dieſe Eroͤffnung bei Mehrgebaͤrenden und zwar ebenfalls
der aus den Einriſſen reſultirenden groͤßern Schlaffheit der
Muttermundslippen wegen.


§. 753.

Endlich 3) die Lage des ſchwangern Uterus be-
treffend, ſo iſt ſie nach den verſchiedenen Schwangerſchafts-
monaten verſchieden. Im erſten Monate bleibt der Uterus
ziemlich in ſeiner gewohnten Lage, ſchwellt aber durch ſein
Anwachſen die Gegend uͤber dem Schambogen etwas auf.
Im zweiten Monate hingegen ſinkt der ſchwangere Ute-
rus bei vermehrter Schwere etwas tiefer ins kleine Becken
herab. Die Vaginalportion iſt immer leicht und tief zu
fuͤhlen, und aͤußerlich bemerkt man, daß der Leib ſich in der
regio hypogastrica etwas abflacht. — Vom dritten Mo-
nate
an, wird nun das allmaͤhlige Hervorheben des Uterus
aus der Beckenhoͤhle bemerkt, der ſich vergroͤßernde Uterus
findet hier nicht mehr Raum, und ſein Grund tritt uͤber
den Schambogen ins große Becken herauf. In den folgen-
den Monaten hebt er ſich immer mehr, treibt die Unterleibs-
bedeckungen auf, kommt gegen den ſechſten Monat in die
Nabelgegend und treibt im ſiebenten den ſonſt nach innen
gezogenen Nabel, als eine vorragende Erhabenheit nach außen,
und erreicht ſo im neunten Monate mit ſeinem Grunde
die Gegend der Herzgrube, wodurch das Athemholen, ver-
moͤge des gehinderten Herabſteigens des Zwerchfells beengt
wird, und bei zunehmendem Gewicht der Bauchgegend der
Koͤrper oberwaͤrts mehr zuruͤckgebogen getragen werden muß,
um das Gleichgewicht zu erhalten. Im zehnten Monat
endlich bemerkt man, daß der ſchwangere Uterus ſich wieder
etwas herabſenkt und zwar ſowohl wegen vermehrter Schwere
tiefer ins Becken herabſteigend, als mit dem Grunde ſich
mehr vorwaͤrts uͤber neigend, wobei das Athemholen wieder
etwas freier wird, und der vorliegende Kindestheil, nament-
[70] lich der Kopf, bei der innern Unterſuchung tiefer im Becken
ſtehend gefunden wird.


§. 754.

Die Axe des ſchwangeren uͤber das kleine Becken herauf-
gehobenen Uterus faͤllt uͤbrigens ziemlich in die Richtung
der Levret’ſchen Beckenachſe, jedoch iſt ihre Neigung gegen
den Horizont theils nicht ſo ſtark, theils weicht ſie auch
groͤßtentheils etwas gegen die rechte Seite ab, wovon die
Urſache ſowohl darin, daß der von links herabſteigende
Maſtdarm den Uterus mehr nach rechts draͤngt, als darin,
daß die gewoͤhnliche Lage im Schlaf mehr auf der rechten
Seite iſt, und dadurch der ſchwere Gebaͤrmuttergrund gegen
dieſelbe Seite ſinkt, geſucht werden muß. — Der Uterus
ſelbſt liegt uͤbrigens immer unmittelbar hinter den Bauch-
decken und ſo, daß er die Windungen des Darmkanals ganz
gegen den hintern Raum der Bauchhoͤhle zuruͤckdraͤngt und
das Netz aufwaͤrts ſchiebt; ein Verhalten, welches, wenn
man es bei der Sektion einer hochſchwangern Perſon be-
obachtet, oft bewundern laͤßt, daß die ſo eingepreßten Ge-
daͤrme doch ihre Funktion fortzuuͤben im Stande ſind.


§. 755.

Veraͤnderungen der Mutterſcheide. Auch dieſer
Theil des allgemeinen Fruchtganges nimmt an den Veraͤnde-
rungen des Uterus ungefaͤhr auf die Weiſe wie die Fallopi-
ſchen Roͤhren Antheil, ihre Waͤnde lockern ſich mehr auf,
erſcheinen blutreicher und waͤrmer, und ſondern mehr Schleim
aus, ein Abgang welcher zuweilen in eine wahrhafte gut-
artige Leukorrhoͤe uͤbergeht, die jedoch mit dem Ende der
Schwangerſchaft ebenfalls ihr Ende zu erreichen pflegt. Alles
Veraͤnderungen, wodurch namentlich die bedeutende Erweite-
rung, welche dieſer Theil unter der Geburt erfaͤhrt, vorbe-
reitet wird.


[71]
b) Veraͤnderungen der aͤußern Geſchlechtstheile.

§. 756.

Sie betreffen hauptſaͤchlich die Bruͤſte, welche hier
wieder die vollkommenſte Uebereinſtimmung mit dem Zuſtande
des Uterus zeigen, und ebenfalls in eine groͤßere Thaͤtigkeit
verſetzt werden, und anſchwellen, ſo wie jener eine groͤßere
Blutmaſſe aufnimmt und in ſeinen Waͤnden anſchwillt. Man fin-
det die Bruͤſte daher vorzuͤglich in der letzten Haͤlfte der Schwan-
gerſchaft derber, und die Milchgefaͤße mehr gefuͤllt, welches nicht
ſelten den Schwangern Gefuͤhl von Spannen, Druͤcken, oder
von fluͤchtigen Stichen verurſacht, die Warzen werden mehr
hervorgehoben, verdunkeln ihre Farbe, ja ergießen ſogar
milchige Feuchtigkeit.


§. 757.

Endlich nehmen auch die uͤbrigen aͤußern Ge-
ſchlechtstheile
an den Veraͤnderungen der Schwanger-
ſchaft Antheil; auch hier naͤmlich bemerkt man einen vermehrten
Turgor und eine erhoͤhte Temperatur, die Labia majora
vorzuͤglich ſind dicker und wulſtiger und nehmen zuweilen
ſelbſt an den unten zu erwaͤhnenden oͤdematoͤſen oder vari-
koͤſen Anſchwellungen der Schenkel Theil.


Anmerkung. Oefters, und ganz naturgemaͤß, iſt auch
von geſchehener Empfaͤngniß an, ein Widerwille gegen den
erneuten Coitus vorhanden, jedoch iſt dieß keinesweges durch-
gaͤngig der Fall.


2) Veraͤnderungen im Allgemeinbefinden
des muͤtterlichen Koͤrpers
.

§. 758.

Wir unterſcheiden theils die Veraͤnderungen in der allge-
meinen Koͤrperbildung, theils die Veraͤnderungen der einzel-
nen organiſchen Syſteme: —


1) Allgemeine Koͤrperbildung. Die Richtung
der allgemeinen Bildungsthaͤtigkeit, welche ſich in dieſer Zeit
[72] namentlich auf den Uterus concentrirt, macht, daß die ge-
ſammte Beckengegend jetzt ebenfalls reichlicher ernaͤhrt wird;
die Beckenknochen ſelbſt erhalten daher erſt zur Zeit der er-
ſten Schwangerſchaft ihre recht vollkommene Ausbildung und
Rundung. Die Beckenbaͤnder werden elaſtiſcher, aber keines-
weges erſchlafft, ſo daß etwa ein Beweglichwerden der ſonſt
ſten Knochenverbindungen des Beckens angenommen werden
duͤrfte (welche Annahme fruͤher von den meiſten Geburts-
helfern behauptet wurde, obwohl ſie fuͤr den Menſchen kei-
nesweges ſtatthaft iſt, wenn auch nach Le Gallois und An-
dern die Schamfuge bei einigen Saͤugethieren [Meerſchwein-
chen, Igeln, Baͤren] ſich waͤhrend der Geburt allerdings
wohl erweitert). Mit dieſer groͤßern Ausbildung des Beckens
aber erfolgt das Staͤrkerwerden der Huͤften und die Ablage-
rung von mehrerem Fett und Zellgewebe unter der Haut in
der Gegend des Beckens und Leibes gleichzeitig, dahingegen
zugleich oft ſehr bemerklich die obere Haͤlfte des Rumpfs
und die obern Extremitaͤten magerer werden. — Was die
Ausdehnung des Unterleibes betrifft, ſo richtet ſie ſich nach
der Groͤße und Lage des ſchwangern Uterus und iſt daher
ſchon in den vorigen Paragraphen mit betrachtet worden.


§. 759.

2) Die einzelnen organiſchen Syſteme. Hier
iſt zu erwarten, daß diejenigen die auffallendſten Veraͤnde-
rungen zeigen werden, welche dem Geſchlechtsſyſteme am
naͤchſten ſtehen, ihrer Lage ſowohl als Verrichtung nach. —
Hierher gehoͤrt aber vorzuͤglich erſtens die geſammte vegeta-
tive Sphaͤre des Organismus uͤberhaupt und das Verdau-
ungs- und Gefaͤßſyſtem insbeſondere.


Anmerkung. Die mancherlei Stoͤrungen, welche in
dieſen verſchiedenen organiſchen Syſtemen zur Zeit der Schwan-
gerſchaft vorkommen, begruͤnden zugleich die mancherlei Stoͤ-
rungen des voͤlligen Wohlbefindens ſchwangerer Perſonen im
Allgemeinen, und es werden dieſe Stoͤrungen eines Theils,
ſobald ſie nicht allzubetraͤchtlich ſind, als gewoͤhnliche Zei-
chen und Begleiter der Schwangerſchaft, Gegenſtaͤnde der
[73] Diaͤtetick, andern Theils, ſobald ſie im hoͤhern Grade er-
ſcheinen und wirklich krankhafte Zuſtaͤnde veranlaſſen, Gegen-
ſtaͤnde der Therapie.


§. 760.

3) Verdauung. Immer finden wir, daß, ſobald der
Koͤrper in irgend einer bedeutenden Revolution oder Entwi-
ckelung begriffen iſt, der Darmkanal gegen die Aufnahme
aͤußerer Stoffe verſtimmt iſt; ſo beim Eintritt der Men-
ſtruation, beim Zahnwechſel, bei jeder Krankheit. Eben ſo
iſt nun auch bei der wichtigen Entwickelung die im weiblichen
Koͤrper mit der Conception beginnt, die Funktion des Darm-
kanals in mehrerer Hinſicht gehemmt; gleich wie zu Anfange
einer Entzuͤndung oder eines Fiebers, wird haͤufig die Zunge
belegt, der Appetit, namentlich zu ſtaͤrker naͤhrenden Speiſen,
Fleiſch, Brod u. ſ. w., verliert ſich nicht nur, ſondern ver-
wandelt ſich in vollkommenſten Widerwillen und Eckel, ob-
wohl ſich auch zuweilen ungewoͤhnliche Appetite und Geluͤſte
ſelbſt nach ſonſt nicht genießbaren Dingen einfinden. Nicht ſelten
tritt ferner wirkliches Erbrechen und zwar mitunter nach je-
der genoſſenen Speiſe, und ſelbſt ohne dieſe ein, wobei vor-
zuͤglich auf die groͤßere Erregung in dem untern dem Uterus
zunaͤchſt liegenden Theile des Darmkanals, als Urſache die-
ſer antiperiſtaltiſchen Bewegung Ruͤckſicht zu nehmen iſt.


§. 761.

Ueberhaupt aber ſind dieſe und aͤhnliche Erſcheinungen
nicht etwa blos aus dem Drucke des ſchwangern Uterus auf
die Unterleibseingeweide, ſondern hauptſaͤchlich aus dynami-
ſchen Einwirkungen zu erklaͤren, wovon der deutlichſte Be-
weis darin liegt, daß nicht in der Zeit, wo der Druck des
Uterus am bedeutendſten iſt, naͤmlich gegen das Ende der
Schwangerſchaft, ſondern da, wo der Uterus ſich nur wenig
vergroͤßert hat, d. i. in den erſten Monaten der Schwanger-
ſchaft die Erſcheinungen von Appetitloſigkeit, Eckel, Erbre-
chen u. ſ. w. am haͤufigſten und ſtaͤrkſten ſind.


[74]
§. 762.

Jedoch nicht allein die Thaͤtigkeit des Magens und der
duͤnnen Gedaͤrme, ſondern auch die des Dickdarms wird auf
mehrfache Weiſe abgeaͤndert. Hierhin gehoͤren vorzuͤglich die
in der letzten Haͤlfte (und dann rein mechaniſch durch den
Druck des Uterus) zuweilen aber auch ſchon in der erſten
Haͤlfte (wegen erhoͤhter Gefaͤßthaͤtigkeit) ſich zeigende Verſto-
pfung, verbunden oft noch mit Blaͤhungsbeſchwerden und
kolikartigen Schmerzen; ferner die zuweilen auch, namentlich
in atoniſchen Koͤrpern, ſich einfindende Diarrhoͤe, wo die
Darmſekretion gleich der Abſonderung im Uterus, jedoch eben
darum oft zum Nachtheil der letztern erhoͤht wird.


§. 763.

b) Gefaͤßſyſtem. Wie uͤberhaupt eine jede beſondere
organiſche Thaͤtigkeit immer nur Reſultat der allgemeinen
Thaͤtigkeit ſeyn kann, ſo iſt auch die erhoͤhte Thaͤtigkeit der
Uteringefaͤße bedingt durch die des Gefaͤßſyſtems im Allge-
meinen. Die Stimmung dieſes letztern iſt aber durch den
neu angeregten Bildungsprozeß in mehrerer Hinſicht veraͤn-
dert: erſtens die Blutmaſſe ſelbſt iſt wegen der ſpaͤter zu erwaͤh-
nenden herabgeſtimmten Athmungsthaͤtigkeit in geringerem
Grade oxydirt, dagegen reicher als gewoͤhnlich, an plaſtiſcher
Lymphe, weshalb man theils auf dem aus der Ader gelaſ-
ſenen Blute ſchwangerer Perſonen gewoͤhnlich, wie auf dem
Blute der Kranken welche an Endzuͤndungsfiebern leiden,
eine Speckhaut (Crusta inflammatoria hier auch wohl Cru-
sta lactea
genannt) ſich bilden ſieht, theils aber auch im
Koͤrper uͤberhaupt Neigung zu ungleichmaͤßiger Blutverthei-
lung, zu Fieberbewegungen und Congeſtionen bemerkt, welche
letztere die Urſache vieler ſich am Nervenſyſtem ausſprechen-
den Zufaͤlle oͤrtlicher Schmerzen, der Ohnmachten, des Schwin-
dels, ja der Verſtimmungen des Gemuͤths werden.


§. 764.

Vorzuͤglich merkwuͤrdig ſind indeß noch die Erſcheinungen,
welche das Leben der venoͤſen Gefaͤße zur Zeit der Schwan-
[75] gerſchaft darbietet, indem namentlich es haͤufig der Fall
iſt, daß die betraͤchtlichen Erweiterungen in den Venen des
Uterus, conſenſuell auch Erweiterungen in den Venenzweigen
(Krampfadern, Wehadern, Varices) auf der Ober-
flaͤche der untern Extremitaͤten und der aͤußern Geſchlechts-
theile ſo wie der Haͤmorrhoidalvenen zur Folge haben; Er-
ſcheinungen, welche man eben ſo wenig als die Verdauungs-
ſtoͤrungen, allein dem Drucke des ſchwangern Uterus zu-
ſchreiben darf, obwohl derſelbe hier mehr einwirkt, und des-
halb auch dieſe Erweiterungen ſowohl, als das ebenfalls
in Folge gehinderten Ruͤckfluſſes des Blutes nicht ſelten ſich
bildende Oedem der Fuͤſſe, Schenkel und aͤußern Geſchlechts-
theile, vorzuͤglich in den letzten Monaten der Schwanger-
ſchaft zu entſtehen pflegt.


§. 765.

c) Athmung und Abſonderung. Die Reſpiration,
durch welche ſtets organiſcher Stoff verfluͤchtigt und ausge-
ſchieden wird, und welche in dieſer Hinſicht der Aſſimilation
entgegen ſteht, muß nothwendig in einer Periode, wo die
Bildungsthaͤtigkeit ſich ſo ausnehmend thaͤtig erzeigen ſoll,
in etwas zuruͤcktreten; eines Theils iſt dieß ſchon zu An-
fange der Schwangerſchaft, durch dynamiſche Urſachen be-
dingt, der Fall; woher die veraͤnderte Blutmaſſe und das
Stillſtehen von Lungenkrankheiten (namentlich der Eitererzeu-
gung) erklaͤrt wird, andern Theils wird das Athemholen
ſpaͤterhin ſelbſt mechaniſch durch das vom ſchwangeren Uterus
aufwaͤrts getriebene Zwerchfell beſchraͤnkt, woher die Engbruͤ-
ſtigkeit und Unfaͤhigkeit zu ſchnellern und ſtaͤrkern Bewegun-
gen erklaͤrlich wird.


§. 766.

Dieſe verminderte Lungenthaͤtigkeit ſcheint indeß haͤufig
zur Folge zu haben, daß die Hautthaͤtigkeit, welche bei den
Frauen uͤberhaupt (bei geringerer Reſpiration) energiſcher von
Statten geht (ſ. Thl. I. §. 59.), im Zuſtande der Schwan-
gerſchaft noch mehr erhoͤht wird, welches durch vermehrte
[76] Ablagerung kohlenſtoffiger Subſtanz unter der Haut (deshalb
veraͤnderte Hautfarbe *), Bildung von Flecken, Staͤrkerwer-
den der Sommerſproßen) ſo wie durch Entſtehung chroniſcher
Entzuͤndungen in Form kleiner Exantheme (als Flechten,
Bluͤthen, beſonders an den Mundwinkeln u. ſ. w.) bemerk-
bar wird. Ja auch den vermehrten Turgor der Haut,
welchen man wohl unterſcheiden muß von der oͤdematoͤſen
Geſchwulſt, hat man als Folge dieſer ſtaͤrkern Erregung des
Hautorgans zu betrachten. Dieſer Turgor naͤmlich beſchraͤnkt
ſich nicht wie das Oedem blos auf die untern Extremitaͤten,
die Haut fuͤhlt ſich nicht wie bei jenem hart oder teigicht
und kalt an, wobei der Fingerdruck als weiße Vertiefung
eine Zeitlang zuruͤck bleibt, ſondern die Haut iſt dabei, und
zwar oft uͤber den ganzen Koͤrper und namentlich auch an
den obern Extremitaͤten natuͤrlich roth, warm und elaſtiſch
aufgetrieben, ſo daß Ringe und dergleichen zu enge werden,
ja zuweilen die Perſonen ſich in allen Bewegungen gehindert
fuͤhlen, ſich nicht mehr ſelbſt aus- und ankleiden koͤnnen,
und die groͤßte Zeit liegend zubringen muͤſſen.


§. 767.

Von Abſonderungen zeigen ſich beſonders Gallen-
und Harnabſonderung veraͤndert. Erſtere betreffend, ſo
nimmt die Leber wegen der ſehr veraͤnderten Thaͤtigkeit des
Pfortaderſyſtems vorzuͤglich an den Veraͤnderungen der Schwan-
gerſchaft Antheil. Die Gallenabſonderung iſt haͤufig bedeu-
tend vermehrt, wodurch das oft ſehr copioͤſe galligte Erbre-
chen, die Appetitloſigkeit, galligte Durchfaͤlle und in Ruͤck-
wirkung auf das Nervenſyſtem, Gemuͤthsverſtimmungen, Aerger-
lichkeit, Melancholie erklaͤrlich wird, und auch die zuweilen
eintretende Gelbſucht mit abhaͤngt. — Faſt noch mehr wir-
ken aber die Veraͤnderungen im Geſchlechtsſyſtem auf die
phyſiologiſch und anatomiſch ihm noch naͤher verwandten
[77] Harnwerkzeuge. Der Urin wird daher wieder faſt wie bei
einer beginnenden Entzuͤndung dunkelroth, brennend, und der
Quantitaͤt nach vermindert, oͤfterer Drang zum Uriniren, er-
ſchwertes und tropfenweißes Harnlaſſen, ja Harnverhaltung
treten ein, wovon man ebenfalls die Urſache nicht etwa dem
Drucke des Uterus allein zuſchreiben darf, da auch dieſe Be-
ſchwerden weit gewoͤhnlicher im Anfange als im ſpaͤtern
Verlaufe der Schwangerſchaft gefuͤhlt werden, und eigentlich
nur die in den letzten Wochen der Schwangerſchaft bei tief
herabgeſunkenem Kopfe zuweilen eintretende Iſchurie, oder
Incontinentia urinae offenbar von mechaniſchem Drucke ab-
haͤngig iſt.


§. 768.

d) Animale Funktionen. Die Veraͤnderungen, wel-
che in der Empfindungs- und Bewegungsthaͤtigkeit ſich zei-
gen, ſind hauptſaͤchlich Reflexe, welche aus den Umaͤnderun-
gen des vegetativen Lebens auf dieſen hoͤheren Kreis der
Lebensthaͤtigkeiten geworfen werden. Hierhin gehoͤren aber
die vorzuͤglich von ungleicher Blutvertheilung abhaͤngigen
ſchmerzhaften Empfindungen, als Zahnſchmerzen, Halsſchmer-
zen, Kreuzſchmerzen, der unruhige, von mancherlei Traͤumen
unterbrochene Schlaf, oder die beſonders in den letzten Wo-
chen der Schwangerſchaft zuweilen vorkommende Schlafloſig-
keit, oder auch die bald zu einer bald zur andern Periode
der Schwangerſchaft eintretende Schlafſucht. Ferner gehoͤren
hierher die Zufaͤlle von Schwindel, Ohnmachten, welche zu-
weilen in voͤllig asphyktiſche Zuſtaͤnde uͤbergehen koͤnnen, und
endlich die mancherlei Verſtimmungen des Gemuͤths, große
Reizbarkeit, Truͤbſinn, Aergerlichkeit u. ſ. w.


§. 769.

Am wenigſten zeigt ſich verhaͤltnißmaͤßig die Bewegungs-
thaͤtigkeit umgeaͤndert, nur erſchwert ſind uͤberhaupt, ſo-
wohl durch das Staͤrkerwerden des Leibes, als namentlich
durch das Beengen der Reſpiration, alle Anſtrengung for-
dernde Bewegungen, und die Natur ſcheint dadurch einen Wink
[78] zu geben, daß uͤberhaupt Bewegungen dieſer Art jetzt dem
Koͤrper unangemeſſen und nachtheilig werden. — Uebrigens
wird zugleich das Tragen des Koͤrpers uͤberhaupt veraͤndert,
der Oberkoͤrper iſt mehr zuruͤck gebogen, um das Gleichge-
wicht zu erhalten, wie ſchon oben bemerkt worden iſt.


Mehrfache Schwangerſchaften haben keinen an-
dern Einfluß auf den muͤtterlichen Koͤrper, als daß dabei
gewoͤhnlich manche der genannten Beſchwerden, als Spannung
der Bauchdecken, Engbruͤſtigkeit u. ſ. w. vermehrt werden.


§. 770.

So weit denn die Geſchichte der normalen Schwanger-
ſchaft. — Fuͤr zweckmaͤßige Behandlung des ſchwangern
ſowohl als nicht ſchwangern Koͤrpers iſt es indeß nothwen-
dig, ſo wie auch in gerichtlicher Hinſicht aͤußerſt wichtig,
vom Daſeyn oder Nichtdaſeyn der Schwangerſchaft uͤberhaupt,
von dem Zeitpunkte, in welchem ſich eine Schwangerſchaft
befindet u. ſ. w. genaue Kenntniß zu erhalten, und fuͤr die-
ſen Zweck wird es Beduͤrfniß noch ein mal hier in einem be-
ſondern Abſchnitte die Zeichen der Schwangerſchaft
zuſammen zu ſtellen.


§. 771.

Dieſe Zeichen aber koͤnnen natuͤrlich nichts anders ſeyn,
als aͤußerlich wahrnehmbare oder durch Fragen zu erforſchende
Veraͤnderungen, welche das Daſeyn der Frucht hervor bringt,
und alſo eben die Zuſtaͤnde, welche wir in den vorigen Pa-
ragraphen beſchrieben haben, die aber hier vorzuͤglich in der
Ordnung, wie ſie den meiſten diagnoſtiſchen Werth haben,
zuſammen geſtellt werden muͤſſen. Wir unterſcheiden hierbei:


  • 1) Kennzeichen der einfachen Schwangerſchaft uͤberhaupt,
    und nach ihren einzelnen Monaten
    • a) gewiſſe,
    • b) ungewiſſe Kennzeichen.
  • 2) Beſondere Kennzeichen der mehrfachen Schwanger-
    ſchaft.
  • 3) Kennzeichen des Geſchlechts vom Kinde.
  • 4) Kennzeichen fuͤr das Leben oder den Tod des Kindes.
  • 5) Kennzeichen der erſten, ſo wie der wiederholten
    Schwangerſchaft.

5) Zeichenlehre fuͤr die regelmaͤßige Schwan-
gerſchaft
.

1) Kennzeichen der regelmaͤßigen einfachen
Schwangerſchaft uͤberhaupt, und ihrer ein-
zelnen Monate insbeſondere
.

§. 772.

Wenn man die Zeichen, welche am weiblichen Koͤrper
fuͤr den Zuſtand der Schwangerſchaft ſich auffinden laſſen,
nach dem Grade ihrer Zuverlaͤſſigkeit ordnen will, ſo iſt klar,
daß diejenigen oben an ſtehen muͤſſen, welche unmittelbar
von dem Daſeyn einer Frucht im Innern des Koͤrpers uͤber-
haupt uns Kunde geben, welches ſonach nichts anderes ſeyn
kann, als das Wahrnehmen dieſer Frucht durch das Gefuͤhl
ſelbſt. Hierauf werden diejenigen Zeichen folgen, welche be-
zeugen, daß der Uterus in dem Maaße umgeaͤndert iſt, wie
er es gewoͤhnlich durch die Schwangerſchaft zu werden pflegt;
allein hier wird ſchon ein geringerer Grad von Zuverlaͤſſig-
keit eintreten, da unter gewiſſen Umſtaͤnden dieſe Umaͤnde-
rungen auch durch andere Urſachen herbeigefuͤhrt werden koͤn-
nen. Noch geringer wird, aus demſelben Grunde, die Zu-
verlaͤſſigkeit ſeyn, welche die Veraͤnderungen der uͤbrigen
Theile des Geſchlechtsſyſtems gewaͤhrt, und am wenigſten
diagnoſtiſchen Werth endlich werden die Veraͤnderungen der
uͤbrigen organiſchen Syſteme gewaͤhren, obwohl auch hier die
aus der vegetativen Sphaͤre entlehnten wichtiger ſind, als
die aus der animalen.


§. 773.

1) Gewiſſe Kennzeichen der Schwangerſchaft.
[80] Zu dieſer Rubrik kann einzig und allein das bei der aͤußern
oder innern Unterſuchung moͤglich gewordene Wahrnehmen
von Theilen der Frucht d. i. von Eihaͤuten, Frucht-
waſſer, Mutterkuchen, namentlich aber von Kindestheilen
und Kindesbewegungen durch das Gefuͤhl des unterſuchenden
Arztes ſeyn. — Da man aber hierbei auf die Ausſagen
der unterſuchten Perſon, indem ſie entweder abſichtlich oder
unwillkuͤrlich taͤuſchen koͤnnte, gar nichts geben darf, und
die genannten Gegenſtaͤnde ſelbſt oft erſt in ſpaͤter Zeit der
Schwangerſchaft fuͤr das Gefuͤhl deutlich wahrnehmbar wer-
den, ſo iſt das Auffinden dieſer, demungeachtet ſo wichtigen
Zeichen, oft ein ſehr ſchweres Geſchaͤft.


§. 774.

Am fruͤheſten aber ſind gewoͤhnlich die Theile des Kin-
des, ſo wie das Gefuͤhl des fluktuirenden Fruchtwaſſers durch
die aͤußere Unterſuchung des Unterleibes wahrzunehmen. Man
laͤßt zu dieſem Behuf die zu Unterſuchende nach entleertem
Stuhl und Urin, die horizontale Lage mit etwas erhabenem
Oberkoͤrper (damit die Bauchdecken erſchlafft ſind) annehmen,
und unterſucht nun beſonders ſorgfaͤltig durch die aufgelegte
flache Hand die Regio hypogastrica, woſelbſt man in der
Tiefe oft ſchon in der achten oder zehnten Woche bei nicht
zu fetten Bauchdecken den aufſchwellenden Uterus wahrneh-
men wird. Dieſes wird natuͤrlich, je weiter die Schwanger-
ſchaft vorruͤckt, um ſo leichter. Sollte man indeß vielleicht
ungewiß ſeyn, ob die gefuͤhlte kugliche Maſſe der Uterus
ſey, ſo kann man ſich, indem man dieſer Maſſe moͤglichſt
tief ins Becken hinab folgt, oder auch indem man zugleich
innerlich unterſucht, und die Vaginalportion gelind hin und
her bewegt, aufmerkend ob aͤußerlich entſprechende Bewegun-
gen bemerkt werden, genauer davon uͤberzeugen. — Iſt nun
der Uterus ſelbſt nicht allzu dickwandig, ſo wird man ferner im
dritten oder vierten Monat bei dieſer Art der Unterſuchung
im Innern deſſelben, durch abwechſelndes Aufdruͤcken zweier
Fingerſpitzen das Gefuͤhl einer Fluktuation, ſo wie das
Gefuͤhl eines feſtern in dieſer Fluͤſſigkeit ſchwimmenden Koͤrpers
[81] erhalten koͤnnen, und darin ein ſicheres Kennzeichen der
Schwangerſchaft gefunden haben.


§. 774.

Iſt die Schwangerſchaft uͤber die Haͤlfte vorgeruͤckt, ſo
wird das Auffinden der Kindestheile auf dieſe Weiſe immer
leichter. Man kann nun den aufgetriebenen Uterus deutlich
unterſcheiden, und obwohl auch hier noch zuweilen die Wahr-
nehmungen durch Dicke des Uterus, ſo wie der Bauchwaͤnde
erſchwert werden, ſo werden dagegen haͤufig ſelbſt die
Kindesbewegungen zu fuͤhlen ſeyn. Um dieſe letztern aufzu-
regen und zu entdecken, iſt es vorzuͤglich zu empfehlen, bei
aufrechter Stellung der Schwangern, durch gleichzeitig vor-
genommene innere Unterſuchung mit dem Zeigefinger der
rechten, und Anlegung der flachen linken Hand auf die
Bauchhaut, ein gelindes Schwanken des Uterus zu bewirken,
wodurch dann oft die Bewegung des Kindes als ein leiſes
Andraͤngen oder Anſtoßen an die Wand des Uterus wahrge-
nommen wird; oder auch mit einer etwas kalten Hand auf
den Unterleib zu fuͤhlen, welches ebenfalls oft Bewegungen
zur Folge hat. — Einen vorliegenden Kindestheil endlich bei
der innern Unterſuchung zu entdecken, iſt gewoͤhnlich erſt um
den ſiebenten Monat moͤglich; ſo wie oft noch ſpaͤter erſt
durch den Muttermund, Eihaͤute oder Mutterkuchen erreich-
bar werden, da man hingegen das Fluktuiren des Frucht-
waſſers oft ſchon um den fuͤnften oder ſechsten Monat auch in-
nerlich durch das untere Segment des Uterus wahrnehmen kann.


§. 775.

2) Weniger ſichere Kennzeichen der Schwan-
gerſchaft
. — Am wichtigſten ſind unter dieſen die Ver-
aͤnderungen am Uterus, als: a) das Außenbleiben der Men-
ſtruation. b) Das Verkuͤrzen der Vaginalportion, verbunden
mit Auflockerung und elaſtiſcher Anſchwellung derſelben (wo-
durch man dieſe regelmaͤßige Verkuͤrzung beſonders von den
krankhaften Verkuͤrzungen bei Gebaͤrmutterkrebs, Gebaͤrmut-
terpolypen u. ſ. w. unterſcheiden kann). c) Die Veraͤnde-
II. Theil. 6
[82] rung des Muttermundes in eine runde Oeffnung, wobei man
indeß ſich nicht von dem, bei Perſonen welche mehrere Male
geboren haben, auch im ungeſchwaͤngerten Zuſtande etwas
mehr erſchlafften und geoͤffneten Muttermunde taͤuſchen laſſen
muß. d) Das Anſchwellen und Vergroͤßern des Uterus, ſo
wie die veraͤnderte Stellung deſſelben, und die dadurch ver-
aͤnderte Form des Leibes im Umfange ſowohl, als ruͤckſicht-
lich des hervorragenden Nabels, wobei, was den Uterus be-
trifft, wieder das oben (§. 673.) beſchriebene Verfahren
fuͤr die erſten Monate namentlich empfohlen werden muß,
indem man innerlich zugleich auf den Stand der Vaginal-
portion, z. B. auf das Tieferliegen derſelben im zweiten
Monat, Ruͤckſicht nimmt.


§. 776.

Es folgen hierauf die aus dem Zuſtande der uͤbrigen Ge-
ſchlechtstheile hergenommenen Kennzeichen: a) die Auflocke-
rung und groͤßere Erweiterung ſo wohl, als Waͤrme der
Vagina, nebſt vermehrter [Schleimabſonderung] derſelben; b)
die Anſchwellung und vermehrte Waͤrme der aͤußern Scham-
theile, und c) das Anſchwellen der Bruͤſte, die zuweilen in
denſelben bereits beginnende Milchabſonderung, und das Ge-
fuͤhl fluͤchtiger Stiche in denſelben. — Als Zeichen der er-
folgten Umaͤnderung in der Stimmung des Geſchlechtsſyſtems
kann es endlich auch dienen, wenn (obwohl dieſes Zeichen
nicht immer bemerkt wird) die Umarmungen des Mannes
der Frau zuwider ſind. —


§. 777.

Als die noch weniger entſcheidenden Zeichen ſind nun zu-
letzt die aus den uͤbrigen organiſchen Syſtemen her-
nommenen zu erwaͤhnen. Es gehoͤren hierhin die Ueblichkei-
ten, das Erbrechen, die ungewoͤhnlichen Appetite, die Ver-
ſtopfung, Neigung zu Durchfall, die Wallungen, Ohnmach-
ten, Kreuzſchmerzen, Zahnſchmerzen, Kopfſchmerzen, das er-
ſchwerte und oͤftere Uriniren, die Umaͤnderungen der Haut-
farbe, die chroniſchen Hautausſchlaͤge, das Anſchwellen der
[83] der Schenkel, das Anlaufen der Krampfadern, die Verſtim-
mungen des Gemuͤths u. ſ. w.; welche Zufaͤlle wir ſaͤmmt-
lich in den vorigen Paragraphen ausfuͤhrlich durchgegangen
haben, welche aber (und dieſes gilt von allen unſichern
Kennzeichen) um ſo mehr diagnoſtiſchen Werth haben, je
geſuͤnder
das unterſuchte Subject uͤbrigens iſt, und je
weniger man folglich Urſache hat die erwaͤhnten allgemeinen
Zufaͤlle ſo wie die Umaͤnderungen der Geſchlechtstheile, fuͤr
Wirkungen eines krankhaften Zuſtandes zu halten.


§. 778.

Die Ordnung, in welcher man die geburtshuͤlfliche Un-
terſuchung zur Ausmittelung der Schwangerſchaft vornimmt,
iſt uͤbrigens ganz die oben (I. Thl. §. 89. u. f.) beſchriebene,
nur daß man hierbei beſonders die weichen Theile ins Auge
faßt, und zugleich auf Individualitaͤt des Koͤrpers uͤberhaupt
ſorgfaͤltig. Ruͤckſicht nimmt, indem man außerdem leicht zu
falſchen Reſultaten uͤber den Schwangerſchaftszuſtand kommen
kann; z. B. den weit geoͤffneten Muttermund bei einer ſchon
mehrere male Schwangern fuͤr das Zeichen bevorſtehender Ent-
bindung; oder den von einer Niederkunft zuruͤckgebliebenen ſtar-
ken Leib und kuͤrzern Gebaͤrmutterhals fuͤr das Zeichen vor-
handener Schwangerſchaft nimmt u. ſ. w. — Eben ſo ſehr
hat man dagegen auf Zeichen zu achten, welche irgend ei-
nem gewiſſen Koͤrper im Zuſtande der Schwangerſchaft eigen-
thuͤmlich ſind, und daher weil ſie bei jeder Schwangerſchaft
zuruͤckkehren, fuͤr dieſen Koͤrper von beſtimmter diagnoſtiſcher
Bedeutung erſcheinen, wenn ſie gleich fuͤr andere Koͤrper wenig
oder gar keinen Werth haben koͤnnen. — So pflegt z. B. fuͤr
manche Perſonen das Erſcheinen eines gewiſſen Ausſchlags,
der Widerwille gegen gewiſſe Speiſen, das Eintreten von oͤf-
tern Ohnmachten u. ſ. w. auf das beſtimmteſte den Beginn
der Schwangerſchaft zu bezeichnen, wenn dagegen bei andern
dieſelben Zeichen ganz fehlen *).


[84]
§. 779.

Was endlich die Kennzeichen der einzelnen Mo-
nate der Schwangerſchaft
betrifft, ſo muͤſſen wir hier
ganz auf das, was oben uͤber die Veraͤnderungen in der
Lage und Form des Uterus, uͤber Ausdehnung des Leibes
u. ſ. w. geſagt worden iſt, zuruͤckweiſen. Es ergiebt ſich da-
her z. B. daß das Plattwerden des Leibes, ſo wie der tiefe
Stand und die noch betraͤchtliche Laͤnge der Vaginalportion
Kennzeichen des zweiten Schwangerſchaftsmonats, das Her-
aufragen des Gebaͤrmuttergrundes bis in die Nabelgegend,
und die Verkuͤrzung der Vaginalportion bis zur Haͤlfte, Zei-
chen der Haͤlfte der Schwangerſchaft, die Erfuͤllung der
vordern Gegend der Bauchhoͤhle bis zur Herzgrube, und der
noch nicht feſt ſtehende Kopf, ſo wie der immer noch nicht
ganz verſtrichene Mutterhals, Zeichen des neunten Monats,
das Senken des Leibes, das Feſtſtellen des Kindeskopfs, der
oͤftere Drang zum Urinlaſſen, und die Eroͤffnung des Mut-
termundes Zeichen des zehnten Monats abgeben u. ſ. w. —


2) Kennzeichen der mehrfachen Schwan-
gerſchaft
.

§. 780.

Fuͤr dieſen Zuſtand koͤnnen nur wenige und durchans
keine vollkommen zuverlaͤſſigen Kennzeichen aufgefuͤhrt werden.
Folgende verdienen noch am meiſten beachtet zu werden,
und in einem Falle, wo ſie ſich alle zuſammen vorfinden,
kann man denn auch mit einiger Wahrſcheinlichkeit annehmen,
daß wirklich mehr als eine Frucht im Uterus vorhanden ſey:
a) Sehr betraͤchtliche Ausdehnung des Leibes; b) fruͤher, und
ſtaͤrker wahrgenommene Bewegung des Kindes, und zugleich
das Fuͤhlen dieſer Bewegungen in verſchiedener Richtung; c)
eine Laͤngenfurche auf der Linea alba; d) uͤberhaupt das
Erſcheinen der gewoͤhnlichen Beſchwerden der Schwangerſchaft
in hoͤherem Grade. — Alle dieſe Zufaͤlle werden indeß ſo
haͤufig auch durch ein ſehr ſtarkes Kind, durch vieles Frucht-
[85] waſſer, oder ungewoͤhnliche Lage des Kindes veranlaßt, und
werden hinwiederum auch bei vorhandenen Zwillingen nicht
ſelten vermißt, ſo daß oͤftere Taͤuſchungen in Hinſicht der
Beſtimmung einer einfachen oder mehrfachen Schwangerſchaft
faſt ganz unvermeidlich ſind.


3) Kennzeichen fuͤr das Geſchlecht des Kindes.

§. 781.

Alle in dieſer Hinſicht bisher von einzelnen Aerzten
oder Geburtshelfern aufgeſtellten Kennzeichen, z. B. haͤufige-
res Erbrechen und hellere Augen bei Schwangerſchaften mit
Knaben und ſtaͤrkerer Schleimabgang aus der Vagina, ſo wie
oͤftere Ohnmachten bei Schwangerſchaften mit Maͤdchen u.
ſ. w. koͤnnen eben ſo wenig als das neuerlich von einem
franzoͤſiſchen Arzte vorgeſchlagene Kennzeichen im Pulſe (wo
die ſtaͤrkern Pulsſchlaͤge am rechten Arm einen Knaben, die
ſtaͤrkern Pulsſchlaͤge am linken Arm ein Maͤdchen bezeichnen
ſollen) uͤber dieſe Gegenſtaͤnde irgend Gewißheit geben. —
Ueberhaupt ſind auch ſelbſt phyſiologiſch die Momente, von
welchen die Erzeugung eines oder des andern Geſchlechts ab-
haͤngt, durchaus nicht einzeln nachzuweiſen, denn weder daß
das eine Geſchlecht von dem einen Ovario, das andere von
dem andern Ovario abhaͤngig ſey, hat ſich erwieſen, noch daß
die Geſchlechtsverſchiedenheit, je nachdem das Sperma aus
einem oder dem andern Hoden komme, beſtimmt werde. Nur
ſo viel darf man annehmen, daß die Mehrzahl der Erſtge-
bornen einer Frau, weiblichen Geſchlechts ſey, eben ſo wie
es wahrſcheinlich iſt, daß uͤberhaupt die groͤßere Lebensenergie
eines der beiden zeugenden Individuen im Moment der Conce-
ption, vorzuͤglich das Geſchlecht des Embry’os beſtimme.


4) Kennzeichen uͤber Leben und Tod des Fetus.

§. 782.

Die Kennzeichen des Lebens koͤnnen mit Aus-
nahme der vom Geburtshelfer ſelbſt gefuͤhlten Bewegungen
[86] des Fetus, als dem ſicherſten Merkmale, nur im ungeſtoͤrten
Fortgange der Schwangerſchaft und in der Abweſenheit von
den Kennzeichen des Todes liegen. Die Kenuzeichen des
Todes
der Frucht ſind aber folgende, von denen jedoch keins
allein als voͤllig untruͤglich betrachtet werden darf: a) vor-
ausgegangene Schaͤdlichkeiten welche das Abſterben des Fetus
veranlaſſen konnten, als Krankheiten, gewaltſame Erſchuͤtte-
rungen, Blutfluͤſſe u. ſ. w. b) Schauder und Froſt, welche
von Zeit zu Zeit wiederkehren und ein allgemeines unbehag-
liches Gefuͤhl nach ſich laſſen. c) Verlorner Appetit, faulig-
ter Geſchmack im Munde, und Schwaͤche des ganzen Koͤr-
pers. d) Gefuͤhl von Schwere und Kaͤlte des Unterleibes,
welcher ſich gern auf die Seite hinneigt, auf welcher eine
Schwangere ſich niederlegt, und eben ſo leicht bei der Wen-
dung des Koͤrpers auf die andere Seite faͤllt. e) Zuſammen-
fallen und kuͤhlere Beſchaffenheit der Bruͤſte ſowohl, als der
Mutterſcheide und aͤußern Geſchlechtstheile. f) Gaͤnzlicher
Mangel der Bewegungen des Kindes.


5) Kennzeichen der erſten und der wiederhol-
ten Schwangerſchaft
.

§. 783.

Wir muͤſſen hierbei auf das zuruͤckweiſen, was im erſten
Theile (§. 53.) uͤber die Zeichen vorausgegangener Geburten
geſagt worden iſt (als groͤßere Schlaffheit der Bauchbedeckun-
gen, ſchlafferer Scheidenkanal, eingeriſſenes oder ſehr erſchlafftes
Schambaͤndchen, dunklere Warzen u. ſ. w.) deren Anweſenheit
oder Abweſenheit ſchon hieruͤber Aufſchluß geben kann; in-
deß iſt auch im Verlauf der Schwangerſchaft ſelbſt ein Unter-
ſchied wahrzunehmen, je nachdem es die erſte oder wieder-
holte iſt, und hiervon jetzt noch Einiges: — Es ſind aber
erſtens die Beſchwerden der Schwangerſchaft gewoͤhnlich in
der erſten Schwangerſchaft betraͤchtlicher, als in der zwei-
ten oder dritten, ungefaͤhr ſo wie die Molimina ad men-
struationem
bei dem erſten Eintritt der Menſtruation hefti-
ger zu ſeyn pflegen, als bei der Wiederkehr derſelben. Ferner
[87] verkuͤrzt ſich der Gebaͤrmutterhals bei der erſten Schwanger-
ſchaft regelmaͤßiger und verſtreicht gegen das Ende derſelben
ganz, welches bei wiederholter Schwangerſchaft, wo er zu-
gleich weit ſchlaffer iſt, nicht der Fall zu ſeyn pflegt, indem
da oft noch bis zur Niederkunft ein Theil Vaginalportion
uͤbrig bleibt. Endlich iſt der Muttermund bei Erſtgebaͤren-
den als ein rundes bis gegen Ende der Schwangerſchaft ge-
ſchloſſenes Gruͤbchen ſichtbar, an welchem man ſogar bis ge-
gen die Mitte und zuweilen noch laͤnger die tiefer hervorra-
gende vordere Muttermundslippe unterſcheiden kann, da hin-
gegen bei der wiederholten Schwangerſchaft, der Muttermund
wegen der Statt gehabten Einriſſe ſich weit zeitiger eroͤffnet,
erſchlafftere und wulſtigere Raͤnder zeigt.


6) Zeitrechnung der Schwangerſchaft.

§. 784.

Wiewohl man nicht ſelten findet, daß Perſonen, welche
bereits mehrere male geboren haben, den Termin der eintre-
tenden Geburt in einer abermaligen Schwangerſchaft ſelbſt
am genaueſten zu beſtimmen im Stande ſind, indem ihnen
oft ihr Gefuͤhl die Zeit, wo ſie ſchwanger geworden ſind, am
richtigſten bezeichnet, ſo iſt es doch in vielen andern Faͤllen
das Geſchaͤft des Arztes dieſe Beſtimmung zu geben, und es
ſind daher noch die verſchiedenen Arten den Termin der Nie-
derkunft zu beſtimmen, hier kuͤrzlich durchzugehen.


§. 785.

Zunaͤchſt hat man aber zu verſuchen, ob von der
Schwangern der Tag oder die Woche, in welcher ſie conci-
pirt haben muͤſſe, mit einiger Beſtimmtheit angegeben wer-
den koͤnne, um ſodann von dem Tage der Empfaͤngniß an
40 Wochen oder 280 Tage zu zaͤhlen, und ſo das Ende
der Schwangerſchaft ungefaͤhr zu treffen (denn haͤufig er-
folgt wohl auch die Niederkunft um einige Tage fruͤher oder
ſpaͤter, wobei vorzuͤglich der Tag, an welchem die Menſtrua-
[88] tion zum letzten mal erſchien, zu beruͤckſichtigen iſt, indem
z. B. oͤfters, wenn dieſe 8 bis 14 Tage vor der Conception
floß, auch die Entbindung 8 und mehrere Tage vor Beendi-
gung der 40 Wochen eintreten wird). Eben weil jedoch die
Erfahrung zeigt, daß die Rechnung nach 280 Tagen nicht
vollkommne Gewißheit des Entbindungstermins gewaͤhrt, ſo
darf man auch nicht umgekehrt ſchließen, daß genau 280
Tage vor der Niederkunft die Conception Statt gefunden
habe. — Iſt nun aber uͤber die Zeit der Conception nichts
auszumitteln, ſo haͤlt man ſich zweitens an die Zeit des
letzten Erſcheinens der Menſtruation, und rechnet (da man
annimmt, daß die Conception vielleicht erſt 8 bis 14 ja 21
Tage ſpaͤter erfolgt ſeyn koͤnne) von dieſer Zeit an 40 bis
42 Wochen.


§. 786.

Kann man ſich indeß auch an dieſe Art der Rechnung nicht
halten, ſo wird man, ſobald uͤberhaupt die Haͤlfte der
Schwangerſchaft voruͤber iſt, genoͤthigt drittens von dem
Tage an, wo die Schwangere die erſten Bewegungen des
Kindes wahrgenommen hat, zu zaͤhlen, und zwar 20 bis 21
oder 22 Wochen bis zur Niederkunft zu rechnen, bei welcher
Berechnung indeß, ſo wie bei der vorigen, immer nur eine
ungefaͤhre Beſtimmung der Niederkunftszeit, 8 Tage auf oder
ab, moͤglich iſt. Fehlt endlich auch die Angabe der erſten
gefuͤhlten Kindesbewegungen, ſo bleibt nichts anderes uͤbrig,
als nach den oben (§. 779.) angefuͤhrten Kennzeichen der
einzelnen Monate der Schwangerſchaft viertens durch die
geburtshuͤlfliche Unterſuchung den Zeitpunkt, in welchem ſich
die Schwangerſchaft jetzt befindet, und ſomit auch ihr Ende,
auszumitteln. — Wendet man mehrere Methoden dieſer Be-
rechnung zugleich an, ſo kann dadurch die Gewißheit des
Reſultats erhoͤht werden.


Anmerkung. Zu ſchnellerer Berechnung des Termines
der Niederkunft bedienen wir uns ſeit mehreren Jahren im
hieſigen Entbindungsinſtitute eines Schwangerſchaftskalenders,
wie ihn die beigefuͤgte Tabelle zeigt. Man findet darauf
[]

[][89] neben jedem Jahrestage den ihm entſprechenden 140. und
280. Tag, alſo immer Anfang, Mitte und Ende einer
Schwangerſchaft neben einander, und kann ſo, entweder
nachdem man den muthmaßlichen Tag der Conception oder
den der erſten Kindesbewegungen erfahren hat, ſogleich das
Ende der Schwangerſchaft finden. Die Feſtſtage ſind deshalb
nothwendig darauf mit zu bemerken, da viele Schwan-
gere die Zeit der Conception, letzten Menſtruation oder erſten
Kindesbewegung, mehr nach bekannten Feſttagen als nach
dem Datum zu beſtimmen pflegen, und man ſich folglich
durch die Angabe dieſer Tage auf dem Schwangerſchaftska-
lender, das vorherige Einſehen eines wirklichen Kalenders
erſpart.


II. Phyſiologiſche Geſchichte der Geburt.

§. 787.

In wiefern uͤberhaupt der nothwendige Eintritt des Ge-
burtsgeſchaͤfts am Ende der Schwangerſchaft und nach gehoͤ-
rig beendeter Entwickelung der Frucht, phyſiologiſch begruͤn-
det ſey, iſt bereits in der allgemeinen Gynaͤkologie (Thl. I.
§. 22.) bemerkt worden. Hier kann es ſonach uns blos be-
ſchaͤftigen den Endzweck der Geburt und den regelmaͤßigen
Verlauf derſelben zu ſchildern.


§. 788.

Was aber den Endzweck der Geburt betrifft, ſo iſt er
zweifach: 1) die Austreibung der Frucht zu bewirken, und
dadurch das Kind von den ihm nun uͤberfluͤſſig gewordenen
aͤußern Bildungsorganen zu befreien und ſeine ſelbſtſtaͤndige
Exiſtenz zu begruͤnden; 2) den Wendepunkt darzuſtellen, von
welchem an der weibliche Koͤrper beginnt wieder in den Zu-
ſtand zuruͤck zu kehren, in welchem er ſich vor der Conception
befand, und dieſe Ruͤckkehr, welche ſodann waͤhrend der Wo-
chen- und Stillungsperiode beendigt wird, einzuleiten. — Wir
haben hierbei zu betrachten:


[90]
  • 1) Die Geburtsthaͤtigkeit an und fuͤr ſich.
  • 2) Die Geſchichte der Ausſtoßung der Frucht im Allge-
    meinen.
  • 3) Die Art, wie das Kind bei der Geburt durch das
    Becken geht, insbeſondere.

1) Von der Geburtsthaͤtigkeit des weiblichen
Koͤrpers
.

§. 789.

In der Geburtsthaͤtigkeit haben wir zu unterſcheiden zwi-
ſchen der Thaͤtigkeit des Geſchlechtsſyſtems und namentlich
des Uterus insbeſondere, und ferner der allgemeinen Thaͤtig-
keit des weiblichen Koͤrpers.


1) Thaͤtigkeit der Gebaͤrmutter. Die außeror-
dentlich kraͤftige Thaͤtigkeit dieſes Organs (deſſen Name ſelbſt
davon entlehnt iſt) recht zu verſtehen, iſt es noͤthig an die
Entwicklung deſſelben, als darmartiges Gebilde (Thl. I.
§. 27. u. f.), und ſeine damit uͤbereinſtimmende Struktur ſich
zu erinnern; denn wie dieſe Struktur, ſo iſt auch ſeine Thaͤ-
tigkeit vollkommen darmartig, es iſt periſtaltiſche Bewegung,
d. i. abwechſelnde Thaͤtigkeit von Laͤngen- und Zirkelfibern,
und eben ſo wie ein Stuͤck Darm ſeine Contenta weiter
ſchafft, indem ſich nach unten die Zirkelfaſern erſchlaffen,
dahingegen ſich die Laͤngenfaſern zuſammen ziehen und
verkuͤrzen, ſo auch der Uterus; welches um ſo mehr zu
erkennen iſt, je darmartiger (wie bei vielen Saͤugethieren)
noch die Form dieſes Organs ſich zeigt. In wiefern jedoch
auch der menſchliche Uterus nur weitere ſphaͤriſche Ausbil-
dung eines darmartigen Fruchtganges iſt, ſo koͤnnen ſeine Zu-
ſammenziehungen mit denen des Magens, als der weitern
Ausbildung des Darmkanals, oder denen des Herzens als
der weitern Ausbildung eines Gefaͤßſtammes verglichen wer-
den. Ganz auf aͤhnliche Weiſe endlich erfolgt auch die Zu-
ſammenziehung der Harnblaſe.


[91]
§. 790.

Dieſe Zuſammenziehungen des Uterus nun, werden mit dem
Namen der Wehen (Dolores ad partum) belegt, und
[...]ind jetzt ihrer Urſache, Richtung, Periodicitaͤt, Schmerzhaf-
[...]igkeit, ſo wie ihrem Endzwecke und ihren Kennzeichen nach
[...]u betrachten.


§. 791.

Die Urſache der Wehen betreffend, ſo iſt ſie be-
gruͤndet in dem, mit erlangter Reife der Frucht erwachten
Beſtreben des Uterus, in ſeinen fruͤhern Zuſtand zuruͤck zu
kehren, ſich zu verkleinern, und jeden Widerſtand welcher
[...]hn in dieſem Beſtreben hindert, aus dem Wege zu raͤumen,
folglich die Contenta (die Frucht) auszuſtoßen. Daß dieſes
Ausſtoßen jedoch nicht die alleinige Veranlaſſung der Wehen ſey,
beweiſt die Erſcheinung, daß ſie mit beendigter Ausſtoßung
der Frucht noch nicht verſchwinden, ſondern auch in die Zeit
des Wochenbettes dann ſich fortſetzen, wann der Uterus nicht
Elaſticitaͤt und Kraft genug gehabt hat, ſich unmittelbar
nach Statt gehabter Entleerung vollkommen zuſammen zu
ziehen.


§. 792.

Die Richtung dieſer Zuſammenziehung ergiebt ſich aus
dem was uͤber die Bedeutung derſelben als periſtaltiſche Be-
wegung geſagt iſt. Es kommt naͤmlich hierbei darauf an,
zunaͤchſt den austreibenden Laͤngenfibern das vollkommenſte
Uebergewicht uͤber die Zirkelfibern zu verſchaffen, nach been-
digter Entleerung aber alle Faſerbuͤndel des Uterus zu einer
gleichmaͤßigen Zuſammenziehung zu bringen. Es wird hier-
durch erklaͤrt, warum man aͤußerlich bei jeder Wehe den
Grund der Gebaͤrmutter vorzuͤglich hart werden, und ſich
verkleinern fuͤhlt (da eben hier die ſtaͤrkſte Contraktion Statt
findet), wenn hingegen zu eben der Zeit ſich Expanſion im
Muttermunde vorfindet und derſelbe ſich erweitert *).


[92]
§. 793.

Das periodiſche Wiederkehren der Zuſammen-
ziehungen
betreffend, ſo iſt es eine Folge der im Allge-
meinen der Reproduktion angehoͤrigen Natur des Uterus, denn
alles productive Leben erſcheint ſeiner Natur nach periodiſch und
wechſelnd, ſo wie das geiſtige Leben ſeinem Weſen nach be-
harrend. Das erſtere zeigt ſich im Großen im periodiſchen
Umlauf der Himmelskoͤrper, im Wechſel der Jahreszeiten u.
ſ. w., im Einzelnen in periodiſcher Thaͤtigkeit der reproduk-
tiven Gebilde, im Pulsſchlag, im Athemholen, in der abwech-
ſelnden Zuſammenziehung des Darmkanals. Dieſem Geſetz
nun iſt auch die Thaͤtigkeit des Uterus unterworfen, nur
durch abwechſelnde Erſchlaffungen und Zuſammenziehungen
ſeine Bewegung zu uͤben. Eine Erſcheinung, deren Wohl-
thaͤtigkeit fuͤr das Geburtsgeſchaͤft ganz unverkennbar iſt, in-
dem nur dadurch, daß zwiſchen den oft ſo ſchmerzhaften und
anſtrengenden Contraktionen, Zwiſchenraͤume voͤlliger Ruhe und
Erholung eintreten, das Ueberſtehen des Geburtsgeſchaͤfts ohne
Stoͤrung der Geſundheit moͤglich wird.


§. 794.

Die Schmerzhaftigkeit der Wehen ferner, wird
erklaͤrlich aus dem was im I. Theil (§. 30.) uͤber die Sen-
ſibilitaͤt und die Nerven des Uterus geſagt worden iſt;
denn wenn die Nerven vorzuͤglich in der Gegend des Mut-
termundes ſich vorfinden, und hier die Senſibilitaͤt des Or-
gans vorzuͤglich ihren Sitz hat, ſo iſt wohl klar, daß bei der
Wehe wo eben der Muttermund uͤberwaͤltigt werden ſoll,
und ſich ſo betraͤchtlich ausdehnen muß, Schmerz allerdings
eintreten muͤſſe; daher denn auch nicht nur Wilde und Thiere
ebenfalls immer mit einigem Schmerz gebaͤren, ſondern na-
mentlich der Grad des Schmerzes auch von der Leichtigkeit
oder Schwierigkeit der Eroͤffnung des Muttermundes abhaͤngt,
und daher der derbere Muttermund einer Erſtgebaͤrenden mehr
Schmerz verurſacht, als der erſchlaffte Muttermund einer
Perſon, welche ſchon oft geboren hat, und eben ſo der di-
ckere menſchliche Uterus mehr Schmerz empfindet, als der
[93] duͤnnen, mehr haͤutige und darmartige Uterus der Saͤug-
thiere.


§. 795.

Uebrigens haͤngt der Schmerz der Wehen auch nicht blos
und allein von dem Muttermunde ab, ſondern es kann aller-
dings vorzuͤglich bei anſtrengendern Geburten der ganze Uterus
ſchmerzhaft werden, welches ja auch in andern faſt nerven-
loſen Organen, ja im Knochen unter geeigneten Zuſtaͤnden ſehr
wohl Statt findet, da allerdings Nerven nicht unabaͤnderlich
vorhanden ſeyn muͤſſen, wo Schmerz empfunden werden ſoll.
Ferner wird bei jeder Gebnrt Schmerz erregt, durch den Druck
der Kindestheile auf die Waͤnde der Vagina, auf Maſtdarm
und Harnblaſe, auf die Wurzeln des Nervus ischiadicus (daher
oft in die ganzen Schenkel der Schmerz ſich erſtreckt) und vor-
zuͤglich durch die außerordentliche Ausdehnung der empfindli-
chen aͤußern Genitalien.


§. 796.

Bemerkenswerth iſt daher auch, daß die Kreiſenden den
Schmerz immer namentlich im Becken (in der Gegend des
Muttermundes u. ſ. w.) fuͤhlen, der Grund des Uterus aber
gewoͤhnlich, ſo lange die Geburt ganz regelmaͤßig verlaͤuft,
unſchmerzhaft bleibt, ja daß man oft, was ich haͤufig beob-
achtet habe, in dem Grunde des Uterus bereits das Zuſam-
menziehen und Hartwerden fuͤhlt, bevor noch der Schmerz
von der Kreiſenden wahrgenommen wird, welchen ſie erſt in
einigen Augenblicken empfindet, ſobald die Wirkung auf den
Muttermund eingetreten iſt. — Was aber die Schmerzhaf-
haftigkeit der Contraktionen betrifft, welche bei entleertem
Uterus oft noch im Wochenbett (als Nachwehen) eintreten, ſo
ſind dieſe an und fuͤr ſich, wenn ſie in hoͤherm Grade er-
folgen, ſchon keine ganz regelmaͤßige Erſcheinung, ſondern
krampfhafter Natur, und dem Tenesmus im Darmkanal oder
in der Blaſe zu vergleichen, allein auch die bei Mehrgebaͤh-
renden unvermeidlichen Nachwehen laſſen einſehen, wie durch
das Beſtreben der Laͤngenfaſern, den durch vorausgegangene
[94] Schwangerſchaften mehr erſchlafften Uterus zur Verkleinerung
zu bringen, nothwendig der nun ſchon mehr verengerte Mut-
termund von neuem gereizt werden muͤſſe, und dabei auch, durch
die Geburtsanſtrengung aufgeregt, das Parenchyma uteri
ſchmerzhaft werden koͤnne.


§. 797.

Endlich iſt auch nicht zu uͤberſehen, welche wohlthaͤtige
Folgen dieſe Schmerzen fuͤr das Geburtsgeſchaͤft haben; ſie
ſind es, welche das Weib auf das Herannahen eines ſo wich-
tigen Aktes aufmerkſam machen, und welche beim Vorruͤcken des
Geburtsgeſchaͤfts das Weib noͤthigen ſich niederzulegen, und dem
Koͤrper diejenige Haltung zu geben, welche fuͤr den Austrin
des Kindes am zweckmaͤßigſten iſt; weshalb wir denn nicht
ſelten bemerken, daß, wo (in ſeltnern Faͤllen) die Wehen zu
wenig ſchmerzhaft, oder (wenn man den Ausſagen der Krei-
ſenden trauen darf) zuweilen ganz ſchmerzlos ſind, der Ge-
burtsakt oft unverſehens die Frau uͤberraſcht, und dadurch
das Kind oder die Mutter zu Schaden koͤmmt, oder doch der
Geburtsakt zu leichtſinnig betrachtet, und dadurch mancher
Nachtheil geſtiftet wird.


§. 798.

Der Endzweck der Wehen iſt ſtets zunaͤchſt auf Ver-
kleinerung des Uterus und Ruͤckkehr deſſelben in den fruͤ-
hern Zuſtand gerichtet; da aber dieſer Zweck nur erreicht
werden kann nach vorheriger Austreibung der Frucht, ſo muß
zweitens auch dieſe als Ziel der Wehen betrachtet werden;
daß ſie indeß der Hauptzweck nicht iſt, beweiſt, wie ſchon be-
merkt, die haͤufige Fortdauer der Wehen auch im Wochenbette.


§. 799.

Kennzeichen der Wehen. Schwangere leiden zu-
weilen an verſchiedenartigen mitunter heftigen Schmerzen im
Unterleibe, welche man leicht fuͤr beginnende Zuſammenzie-
hungen nehmen koͤnnte, wenn man nicht die charakteriſtiſchen
Merkmale wahrer Wehen, d. i. eigentlicher Contraktionen
[95] des Uterus, im Auge behielte; ſie ſind folgende: — 1) das
periodiſche Erſcheinen derſelben, 2) die Richtung, welche der
Schmerz nimmt, indem er ſich gewoͤhnlich von der Krenzge-
gend (der gewoͤhnlichen Stelle des Muttermundes) gegen die
Schambeine erſtreckt, 3) das aͤußerlich fuͤhlbare Hartwerden
des Gebaͤrmuttergrundes unter der Wehe, 4) die ſich bemerk-
lich machenden Veraͤnderungen des Mutterhalſes und der
Vaginalportion; 5) daß ſie durch kein Mittel, keine Lave-
ments, Antispasmodica u. ſ. w. beſeitigt werden koͤnnen.
Schmerzen, welche dieſe Merkmale nicht haben, ſind kolik-
artiger, entzuͤndlicher oder ſonſtiger Natur, aber keine wahren
Wehen, weshalb ſie auch von Manchen den Namen falſche
Wehen
(Dolores spurii) erhalten.


§. 800.

2) Thaͤtigkeit der Mutterſcheide. Sie iſt nur
etwas mehr als bloße Elaſticitaͤt, da die Faſern der Schei-
denwaͤnde nicht ausgebildet genug ſind, um kraͤftig zur
Austreibung des Kindes mit zu wirken. Demungeachtet be-
merkt man nicht ſelten deutlich die Zuſammenziehungen dieſes
der Hauptſache nach allerdings ſich paſſiv verhaltenden Ka-
nals, und zwar iſt dieſes namentlich bei Austreibung einer
in die Vagina herab geſunkenen Placenta, und des Kindes-
kopfs (wenn Fuß und Rumpf ſchon geboren ſind) der Fall.
Zu bemerken iſt noch, daß Schleimabſonderung und Waͤrme
derſelben zur Zeit der Geburt immer betraͤchtlich zunehmen.


§. 801.

3) Die Geburtsthaͤtigkeit des uͤbrigen Koͤr-
pers
. Sobald der Uterus durch hinlaͤngliche Eroͤffnung ſei-
ner Muͤndung auf den Austritt des Kindes vorbereitet iſt,
und die Wehen ſelbſt auf das Austreiben deſſelben hinwirken,
wird ein Trieb im ganzen Koͤrper rege, dieſe Thaͤtigkeit des
Uterus durch Mitwirkung willkuͤhrlicher Muskeln zu unter-
ſtuͤtzen. Die Muskeln, die nun hierbei vorzuͤglich wirkſam
ſeyn koͤnnen, ſind die die Bauchhoͤhle umſchließenden, die
recti abdominis, pyramidales, oblique descendentes,
[96] oblique ascendentes, transversi,
und ganz vorzuͤglich das
Diaphragma. Damit nun aber dieſe Muskeln wirklich
die Bauchhoͤhle verengern und ſo auf den Uterus mit druͤcken
koͤnnen, wird erfordert, daß der Rumpf, zu deſſen Beugung
doch eigentlich die erſtgenannten Muskeln beſtimmt ſind, in
eine unbewegliche Lage gebracht werde, damit ſich die Kraft
jener Muskeln allein auf Verengerung der Bauchhoͤhle con-
centrire. Dieſes Fixiren des Rumpfes nun, kann nur durch
ein Feſtſtemmen der Gliedmaßen bewirkt werden, und man
bemerkt deshalb, daß Kreiſende, um zu preſſen, gewaltſam
mit den Haͤnden ſich anklammern und feſthalten, mit den
Fuͤßen aber ſich feſtſtemmen, um mit vorwaͤrts nach der
Bruſt geneigtem Kopfe, erſt den Athem einzuziehen, folglich
die Lungen auszudehnen und das Zwerchfell herabzudraͤngen,
dann aber die Luft zuruͤck zu halten, und nun bemuͤht ſind,
theils durch Zuruͤckpreſſen der Luft das Zwerchfell noch mehr
herunter zu draͤngen, theils durch Einziehen der Bauchwaͤnde,
welches bei fixirten Extremitaͤten nicht auf Beugen des
Rumpfs wirken kann, die Bauchhoͤhle noch mehr zu verengern.


§. 802.

Dieſes gewaltſame Zuruͤckhalten des Athems aber, ver-
bunden mit den Anſtrengungen der willkuͤhrlichen Muskeln,
hat eine heftige Erregung des Koͤrpers im Allgemeinen zur
Folge, der Puls wird frequenter, die Haut roth, Schweiß
bricht aus, Congeſtionen nach Kopf und Bruſt (welche bei
uͤbermaͤßiger Anſtrengung oft gefaͤhrlich werden, und ſelbſt
Gefaͤßzerreißungen zur Folge haben koͤnnen) treten nicht ſelten
ein. Die Wirkung des Zwerchfells auf den Magen verur-
ſacht Erbrechen, des Uterus auf den Maſtdarm und die
Harnblaſe, unwillkuͤhrliche Stuhl- und Urinausleerungen; die
heftige Anſtrengung, verbunden mit dem Schmerz, fuͤhrt Zit-
tern der Glieder, zuweilen leichte Zuckungen, laute Klagen,
Trockenheit im Munde, Durſt und Ermattung herbei. Man
bezeichnet dieſe zum Theil willkuͤhrlichen Anſtrengungen mit
den Namen des Preſſens, des Verarbeitens der
Wehen
(Labores ad partum).


[97]
2) Geſchichte der regelmaͤßigen Geburt im All-
gemeinen
.

§. 803.

Es ſind hierbei zuvoͤrderſt die Bedingungen feſt zu
ſtellen, unter welchen eine ganz regelmaͤßige Geburt erfol-
gen kann. — Es gehoͤrt aber hierhin: erſtens, daß der
weibliche Koͤrper im Allgemeinen, und beſonders in den ein-
zelnen fuͤr das Geburtsgeſchaͤft wichtigen Theilen ſo regelmaͤßig
gebildet ſey, wie wir ihn in der allgemeinen Gynaͤkologie
(Thl. I. §. 16. u. f.) geſchildert haben; zweiteus, daß
der Uterus ſich in der Zeit der Schwangerſchaft ſo entwi-
ckele, und der allgemeine Koͤrper ſich dieſen Modificationen
gemaͤß ſo umgeſtimmt habe, wie dieß fuͤr dieſe Periode, der
Angabe des vorigen Abſchnitts gemaͤß, geſchehen ſoll; drit-
tens
endlich, daß die Frucht ſich in der regelmaͤßigen
Zeit der Schwangerſchaft ganz ſo regelmaͤßig, ihrer Groͤße,
Lage und Stellung nach entwickelt habe, wie dieß ebenfalls
im vorigen Abſchnitt beſchrieben iſt.


§. 804.

Eingetheilt wird das ganze Geburtsgeſchaͤft in fuͤnf
Perioden, von welchen die erſte die Vorboten der Geburt
und das voͤllige Verſtreichen des Gebaͤrmutterhalſes in ſich
begreift, die zweite die Eroͤffnung des Muttermundes um-
faßt, die dritte die Geburt des Fruchtwaſſers und Herab-
ruͤcken des vorliegenden Kindestheils in die Vagina, die vierte
die Geburt des Kindes, und die fuͤnfte die Geburt der
Nachgeburt enthaͤlt.


Erſte, oder vorherſagende Geburtsperiode.

§. 805.

Die Vorboten der Geburt, mit denen dieſe Pe-
tiode beginnt, ſind: vermehrtes Senken des Leibes, groͤßere
Auflockerung des Muttermundes, durch welchen der unterſu-
II. Theil. 7
[98] chende Finger leicht hindurch dringt; eine oft erwachende
innere Unruhe, vermehrter Drang zum Waſſerlaſſen und
Stuhlgange, Auflockerung und groͤßere Waͤrme der Vagina.
Hieran knuͤpfen ſich nach und nach, von Zeit zu Zeit ein-
tretende leichtere und ſchnell voruͤber gehende wehenartige
Schmerzen, welche von den beginnenden Contraktionen des
Uterus abhaͤngen, und den Namen vorherſagende We-
hen
(Dolores ad partum praesagientes) erhalten. Sie
werden nach der verſchiedenen Conſtitution auf verſchiedene
Weiſe und in verſchiedener Staͤrke empfunden, von ſchwaͤch-
lichen und reizbaren Perſonen oft bereits mehrere Tage vor
der wirklichen Geburtsarbeit, von ſehr ſtarken wenig reizbaren
Perſonen hingegen, zumal ſolchen, die bereits mehrere Male
geboren haben, werden dieſe Wehen zuweilen gar nicht, zu-
weilen nur wenige Stunden vor dem Beginn der zweiten Pe-
riode wahrgenommen. Fuͤr das Geburtsgeſchaͤft ſelbſt wir-
ken ſie, fuͤr die Unterſuchung bemerkbar, wenig; das voͤl-
lige Verſtreichen des Mutterhalſes nur beobachtet man zu-
weilen durch dieſelben beendigt, namentlich bei Erſtgebaͤren-
den; bei Mehrgebaͤrenden findet man oft noch in der zwei-
ten Periode eine betraͤchtliche Vaginalportion vor.


Zweite oder vorbereitende Geburtsperiode.

§. 806.

Die ſtarken, fuͤhlbaren, [nach] und nach oft ſchon hoͤchſt
ſchmerzhaft werdenden, und haͤufiger (alle 10, 15, 20 Mi-
nuten) wiederkehrenden Wehen (vorbereitende Wehen,
Dolores ad partum praeparantes) wirken jetzt vorzuͤglich
auf die Eroͤffnung des Muttermundes hin, welche durch
ſtarkes Herab- und Hereindraͤngen eines von Fruchtwaſſer
angeſpannten Segments der Eihaͤute (der ſogenannten ſich
ſtellenden Blaſe
) noch mehr unterſtuͤtzt und befoͤrdert
wird. — In dieſer Periode ſollen alſo vorzuͤglich die Laͤn-
genfaſern des Gebaͤrmuttergrundes das vollkommenſte Ueber-
gewicht uͤber die Zirkelfaſern oder die Subſtanz des Mut-
termundes erhalten, und es geſchieht dieß nur in laͤngerer
[99] Zeit*). Gewoͤhnlich brauchen die Wehen 6 bis 12, ja oft
bis 20, und bei bejahrten Erſtgebaͤrenden zuweilen ſogar bis
gegen 30 Stunden Zeit, um die voͤllige Eroͤffnung zu be-
werkſtelligen, wo man dann endlich, wenn ſich nun die Ei-
haͤute kuglich und prall durch den voͤllig eroͤffneten Mutter-
mund hervor heben, zu ſagen pflegt: die Blaſe ſtehe
ſpringfertig
. — Zu bemerken iſt uͤbrigens noch, daß
waͤhrend der Eroͤffnung des Muttermundes (deren allmaͤhli-
ges Vorſchreiten man am beſten nach dem Durchmeſſer der
Oeffnung in Zollen beſtimmt) gewoͤhnlich die Raͤnder des
Muttermundes kleine Einriſſe erhalten, zugleich aber auch in-
nerlich durch das Herabdraͤngen der Eihaͤute, die aͤußere Flaͤche
der Lederhaut vom Uterus ſich abzuloͤſen beginnt, und daß
durch beide Urſachen veranlaßt, gegen die Mitte der zwei-
ten Periode etwas Blutabgang erfolgt, welcher den Schleim
der Vagina faͤrbt, und am unterſuchenden Finger Blutſpuren
hinterlaͤßt, wofuͤr denn ebenfalls ein Kunſtausdruck uͤblich iſt,
indem man, es als ein Zeichen vorruͤckender Geburt betrach-
tend, zu ſagen pflegt: es zeichnet.


[100]
Dritte Geburtsperiode oder Periode der trei-
benden Wehen
.

§. 807.

Eine kraͤftige Wehe bewirkt endlich das Reißen der Ei-
haͤute (den Blaſenſprung, ruptura velamentorum), und
das Fruchtwaſſer fließt großentheils ab, wird geboren; ob-
wohl ein anderer Theil oft auch noch hinter dem Kinde zu-
ruͤckbleibt. Sind uͤbrigens die beiden Eihaͤute noch um dieſe
Zeit voͤllig getrennt geweſen, und war folglich noch eine be-
traͤchtliche Quantitaͤt Liquor allantoidis, oder falſches Waſ-
ſer vorhanden, ſo kann der Blaſenſprung doppelt eintreten,
indem ſich beim erſten nur das falſche, beim zweiten Male
das wahre Fruchtwaſſer entleert. Haͤufiger jedoch reißen
beide Haͤute zugleich, und zwar erfolgt das Oeffnen der
Blaſe gewoͤhnlich mitten auf dem Muttermunde, mitunter
ſcheint es indeß auch als ob dieſelben mehr in der Seite
und uͤber dem Muttermunde ſich oͤffneten, indem man in ei-
nigen Faͤllen das Abſickern von Waſſer bemerkt, obwohl
immer noch eine Blaſe im Muttermunde ſich fuͤhlen laͤßt.


§. 808.

Nach dieſem Waſſerabgange erfolgt nun in der Regel
ein kleiner Stillſtand im Geburtsgeſchaͤft; die Wehen ſetzen
½ bis ¾ Stunde aus, indem die Gebaͤrmutter nach Aus-
treibung des groͤßten Theils vom Fruchtwaſſer Raum findet,
ſich mehr zu verkleinern, und die Faſern derſelben ſich erſt
an dieſen Grad von Verkuͤrzung etwas gewoͤhnen muͤſ-
ſen, bevor ſie noch ſtaͤrkerer Zuſammenziehung faͤhig ſeyn
koͤnnen. — Nach dieſer Periode von Ruhe aber erwachen
die Wehen um ſo ſtaͤrker, da der ſich jetzt dicht an das Kind
anlegende Uterus mehr von dem Kinde gereizt wird, und
wirken jetzt unmittelbar auf Austreibung des Kindes, daher
ſie nun Treibewehen oder eigentliche Geburtswe-
hen
(Dolores ad partum proprie sic dicti) genannt wer-
den. Der ganze Koͤrper der Kreiſenden wird zugleich jetzt
[101] in hoͤherem Grade mit aufgeregt und unwillkuͤhrlich zum
Mitverarbeiten der Wehen gezwungen.


§. 809.

Unter dieſen ſtaͤrkern Wehen nun, bei oft laut werdenden
Klagen der Kreiſenden, und erhoͤhter Hautwaͤrme, verbunden
mit Draͤngen auf den Stuhl und Urin, haͤufig auch mit
Erbrechen, Schweiß, ſelbſt Zittern, Ohnmachten u. ſ. w.,
draͤngt ſich der vorliegende Kindestheil, und am haͤufigſten
der Kopf in den geoͤffneten Muttermund und zugleich tiefer
in das Becken herein. Sobald der Kopf von der Oeffnung
des Muttermundes ringfoͤrmig umgeben wird, pflegt man zu
ſagen: er habe ſich gekroͤnt, oder er ſtehe in der Kroͤ-
nung
, und es werden hierbei dann oft die Einriſſe im
Muttermunde, welche insgemein bei der Eroͤffnung deſſelben
entſtehen, noch vergroͤßert. — Der Kopf ſelbſt ruͤckt hierbei
bis in die Beckenhoͤhle herab, verlaͤßt den Uterus und tritt
in die Vagina, welches ſodann die dritte Periode endigt,
und zwar nach einer Dauer, welche mitunter nur einige Mi-
nuten, haͤufig jedoch auch eine Stunde, und in ungewoͤhn-
lichen Faͤllen ſelbſt 2 bis 4 Stunden betraͤgt.


§. 810.

Zu bemerken ſind uͤbrigens bei dem Herabtreten des vor-
liegenden Kindestheils in das Becken, ſehr deutliche Spuren
der Geburtskraft an demſelben. Am Kopfe fuͤhlt man das
Zuſammendruͤcken und zuletzt ſelbſt Uebereinander-
ſchieben der Naͤthe
, es entſteht dadurch nothwendig eine
Faltung der Kopfhaut (Kopffalte) und nach und nach bildet
ſich bei fortgehendem Druck, aus dieſer Falte eine umſchrie-
bene oͤdematoͤſe Geſchwulſt, welche wir mit dem Namen des
Vorkopfs oder der Kopfgeſchwulſt (Caput succeda-
neum
) belegen. Geht das Geſicht voraus, ſo ſchwillt dieſes,
und geht die Steisflaͤche voraus, ſo ſchwellen vorzuͤglich die
Geſchlechtstheile aus aͤhnlichen Urſachen an. — Je laͤnger
indeß dieſe Periode dauert, und je kraͤftiger die Wehen ſind,
um ſo ſtaͤrker wird auch immer die entſtehende Geſchwulſt
[102] ſeyn, ſo wie ſie im entgegengeſetzten Falle zuweilen nur we-
nig oder gar nicht bemerkt wird; ſich dafuͤr aber auch in
der folgenden vierten Periode noch verſtaͤrken, oder uͤberhaupt
erſt bilden kann.


Vierte oder Austrittsperiode.

§. 811.

Auch nachdem der Kopf voͤllig aus dem Uterus heraus-
getreten iſt, erfolgt zuweilen, eben ſo wie nach dem Waſſer-
abgange, und aus demſelben Grunde, ein kleiner Stillſtand
des Geburtsverlaufs, bald aber kommen nun die ſtaͤrkſten
Wehen, welche die Geburt des Kindes zu vollenden beſtimmt
ſind, und mit dem Namen der erſchuͤtternden Wehen (Schuͤt-
telwehen
, Dolores conquassantes) belegt werden. Dieſe
treiben zuerſt den Kopf ſtark gegen das Mittelfleiſch an,
wodurch dieſes kugelfoͤrmig hervorgetrieben, ſtark angeſpannt,
und in die Gefahr der Zerreißung verſetzt wird, und oft auch
noch etwas Stuhlabgang erfolgt; ſie bringen ferner den
vorausgehenden Kindestheil ſo weit, daß er zwiſchen den
Schamlippen anfaͤngt ſichtbar zu werden (man ſagt hier:
er kommt zum Einſchneiden) und treiben ihn endlich,
unter den heftigſten Schmerzen, unter Erſchuͤtterung und hef-
tigſter Aufregung des muͤtterlichen Koͤrpers durch dieſelben
hindurch (wobei man zu ſagen pflegt: er komme zum
Durchſchneiden
). Hierbei tritt nun wieder, nachdem der
Kopf voͤllig geboren iſt, eine kleine Zeit Ruhe ein, und dann
werden auch, gewoͤhnlich unter weit geringerer Anſtrengung die
ganzen uͤbrigen Kindestheile, zuweilen mit noch etwas nach-
kommendem Fruchtwaſſer, geboren, und ſo wird denn eben-
falls, bald in Zeit von einigen Minuten (zumal bei Perſo-
nen, welche ſchon mehrmals geboren haben) bald in Zeit
von ½ bis 1 Stunde, ſeltner erſt in Zeit von 2 bis 3
Stunden auch dieſe Periode geendigt*).


[103]
§. 812.

Im Fall uͤbrigens Zwillinge oder Drillinge vorhanden
ſind, ſo folgt nun (nachdem bis hierher alles wie bei einfa-
chen Geburten verlaufen iſt) nicht die Geburt der Nachge-
burt, oder die fuͤnfte Periode, ſondern es werden nun erſt
die uͤbrigen Kinder geboren; es iſt daher zuvoͤrderſt beizu-
bringen, aus welchen Zeichen nach der Geburt eines Kin-
des man erkennen kann, daß noch ein zweites im Uterus zuruͤck
iſt: 1) Spricht aber hierfuͤr die Auftreibung des Leibes,
deſſen Umfang auf eine zweite Frucht ſchließen laͤßt, und
gewoͤhnlich zuerſt darauf aufmerkſam macht. 2) Das Ge-
fuͤhl von Kindestheilen bei aͤußerer oder innerer Unterſuchung.
3) Das Vorfinden einer von Neuem ſich ſtellenden Blaſe, in-
dem ſelten beide Fruͤchte in einer Eihuͤlle liegen, und folg-
lich nach der Geburt des erſten Kindes, die Eihaͤute des
zweiten, der Regel nach neben dem Nabelſtrange des erſten
Kindes in die Vagina ſich herabdraͤugen.


§. 813.

In einem ſolchen Falle wiederholen ſich alſo nach Be-
endigung der vierten Periode das Ende der zweiten (d. i.
die zweite Blaſe wird ſpringfertig), es ſpringt unter neu ein-
tretenden Wehen, (welche indeß zuweilen erſt ½ bis 1 Stunde,
ja in ſeltnern Faͤllen ſelbſt mehrere Stunden und mehrere
Tage nach der Geburt des erſten Kindes erfolgen) die zweite
Blaſe, und es wiederholt ſich dritte und vierte Periode voll-
ſtaͤndig. Sind Drillinge oder gar Vierlinge vorhanden, ſo
erfolgt Waſſerſprung, und dritte und vierte Periode abermals
von Neuem, und erſt nach beendigter Geburt der Kinder
kommen die Wehen der fuͤnften Periode.


Fuͤnfte oder Nachgeburts-Periode.

§. 814.

Nachdem das Kind oder die Kinder geboren ſind, bemerkt
man, daß der Uterus ſich um die noch zuruͤckſeyenden Ge-
[104] bilde, welche aus Mutterkuchen, Eihaͤuten und Na-
belſtrang
beſtehen, und welche zuſammen den Namen der
Nachgeburt (Secundinae) bekommen, feſt zuſammen zieht,
ſo daß uͤber dem Schambogen derſelbe als ein feſter kugel-
foͤrmiger Koͤrper von der Groͤße eines Kindeskopfs, aͤußerlich
fuͤhlbar wird. In dieſem Grade der Zuſammenziehung iſt
nun wieder eine Zeit von Ruhe noͤthig, um die Kraft zu
neuen Zuſammenziehungen zu erhalten, denn, wie man auch
an willkuͤhrlichen Muskeln in pathologiſchen Faͤllen bemerkt,
die Muskelfaſer kann ſich jedesmal nur auf einen gewiſſen
Grad verkuͤrzen, allein wenn ihr dieſer Grad zur Gewohn-
heit geworden, ſo iſt ſie dann wieder einer groͤßern Verkuͤr-
zung faͤhig *). Nachdem indeß 15, 20, 30 Minuten ver-
floſſen ſind, ſo treten neue Wehen ein, und dieſe bewirken
nun zunaͤchſt das Abtrennen des Mutterkuchens, welches
ſich durch Ausfließen von einigen Unzen Blut zu erken-
nen giebt.


§. 815.

Die Art, wie dieſe Abtrennung erfolgt, iſt aber ſehr
einfach, es werden naͤmlich die aͤußere Flaͤche der Placenta
und die Adhaͤſionsflaͤche derſelben am Uterus einander gaͤnz-
lich ungleich, die erſtere kann ſich nicht verkleinern, die letz-
tere hingegen iſt bei der betraͤchtlichen Zuſammenziehung des
Uterus uͤber die Haͤlfte im Umfange verringert, und ſo muß
bei neu eintretenden Zuſammenziehungen die Abſchaͤlung des
Mutterkuchens ganz frei und ohne alle Gewalt erfolgen. — Das
Blut, welches hierbei abfließt betreffend, ſo kann es nicht
von Zerreißen anaſtomoſirender Gefaͤße zwiſchen Mutter und
Kind abhaͤngen, da es keine Gefaͤße dieſer Art giebt, ja nicht
einmal von Abtrennung der Uterinplacenta vom Uterus, da
die abgehende Placenta blos Fetalplacenta iſt, ſondern es
[105] wird veranlaßt durch die Venenmuͤndungen auf der innern
Uterinflaͤche, welche in der Schwangerſchaft durch die Mem-
brana decidua
verſchloſſen waren, jetzt aber, da dieſe Flo-
ckenhaut, welche mit der flockigen Oberflaͤche des Eies, und
zuletzt mit dem aus Zellgewebe gebildeten Oberhaͤutchen
der Placenta innig zuſammen haͤngt, nothwendig durch das
Abtrennen der Placenta verletzt wird, geoͤffnet erſcheinen. Da
ich nun die Muͤndungen aber oft gegen ¼ Zoll weit gefun-
den habe*), ſo wird gewiß ſtets eine betraͤchtliche Blutmenge
ſich ergießen muͤſſen, traͤte nicht alsbald die Zuſammenziehung
des Uterus ein, durch welche die Muͤndungen großentheils
geſchloſſen werden, und die Quantitaͤt des Bluts auf einige
Unzen beſchraͤnkt wird.


§. 816.

Iſt nun der Mutterkuchen voͤllig geloͤſt, ſo treiben die
erneuerten Wehen denſelben, und zwar umgeſtuͤlpt, mit der
innern Flaͤche voran, und die Eihaͤute nach hinten uͤber die
aͤußere Flaͤche zuruͤck geſchlagen in die Mutterſcheide herab,
welche ihn ſodann nach und nach durch ihre eigenen Con-
traktionen voͤllig ausſtoßen wuͤrde, pflegte man nicht ge-
woͤhnlich um Reinlichkeit und Bequemlichkeit der Neuentbun-
denen zu befoͤrdern, ihn von hier durch einen gelinden Zug
zu entfernen. — Sind vorher Zwillinge oder Drillinge ge-
boren worden, ſo gehen in dieſer Periode die Nachgeburten
derſelben zuſammen ab. Immer aber ſoll ſich der Uterus,
nachdem er ſich von Kind und Nachgeburt entleert hat, zu
einer feſten uͤber dem Schambogen deutlich fuͤhlbaren Kugel
(Mutterkugel) zuſammen ziehen, um ſodann in der nun fol-
genden Periode des Wochenbetts wieder in den fruͤhern Zu-
ſtand, wie er vor der Conception Statt fand, zuruͤckzu-
kehren **).


[106]
3) Von der Art und Weiſe wie bei der regel-
maͤßigen Geburt das Kind durch das Becken
hindurchgeht
.

§. 817.

Das Kind kann ſich vorzuͤglich in zweierlei Richtung
durch das Becken hindurch bewegen, entweder mit dem
Kopfe nach unten gekehrt, oder mit dem untern
Koͤrperende ſich zuerſt auf das Becken ſtellend
.
Dieß begruͤndet zwei Hauptklaſſen von Geburten, von
welchen indeß die erſtere ſowohl bei weitem die haͤufigere,
als auch die gluͤcklichere fuͤr das Kind iſt. Beide Klaſſen
aber enthalten mehrere Unterabtheilungen, je nachdem entwe-
der am Kopfe das Kinn weniger oder mehr von
der Bruſt entfernt iſt
, und in Folge deſſen entweder
Hinterhaupt, Scheitel oder Geſicht zuerſt auf das
Becken eintreten, oder zweitens am untern Ende des
Rumpfs die Fuͤße ausgeſtreckt, heraufgeſchlagen

oder im Knie gebogen ſind, welches Steisgeburten,
Kniegeburten
und Fußgeburten giebt; ſo daß denn im
Ganzen ſechs Arten natuͤrlicher Geburten entſtehen.


Anmerkung. Da die Beobachtung zeigt, daß unter
uͤbrigens normalen [und] guͤnſtigen Verhaͤltniſſen, eine Geburt
in jeder dieſer ſechs verſchiedenen Kindeslagen, ohne Beihuͤlfe
der Kunſt, und gluͤcklich fuͤr Mutter und Kind beendigt wer-
den kann, ſo werden wir allerdings genoͤthigt ſie ſaͤmmt-
lich
unter die normalen Geburten aufzunehmen. Da
man aber zugeben muß, daß unter allen eigentlich die Hin-
terhauptslagen diejenigen ſind, welche der Bewegung des
Kindes durch das Becken vorzuͤglich guͤnſtig zu nennen ſind,
ſo wird man ſomit alle die uͤbrigen, und ſelbſt die Hinter-
hauptsgeburten mit gegen den Schambogen gerichteter Stirn,
als ungewoͤhnliche Geburten betrachten muͤſſen.


§. 818.

Bevor wir nun dieſe verſchiedenen Geburtsweiſen naͤher
im Einzelnen betrachten, wird es zweckmaͤßig ſeyn, jene all-
[107] gemeinen Regeln des Geburtsmechanismus
aufzu-
fuͤhren, welche, indem ſie ſich ganz auf den Bau des Be-
ckens ſelbſt gruͤnden, fuͤr jede Art des Durchganges vom
Kinde durch das Becken paſſend ſind.


§. 819.

Erſte Regel: Jeder vorausgehende Kindestheil wird
durch die ſchiefen Waͤnde des großen Beckens gegen die obere
Oeffnung des kleinen Beckens geleitet, und muß in dieſe in
der Richtung der Levret’ſchen Beckenachſe eintreten. Zweite
Regel
: Jeder der Weite des kleinen Beckens ſeiner Groͤße
nach ziemlich entſprechende Kindestheil ſtellt ſich, ſobald er in die
obere Beckenoͤffnung eintritt, mit ſeinem groͤßern Durchmeſ-
ſer in einen der beiden ſchiefen Durchmeſſer derſelben. (Er
wuͤrde ſich in den allerdings noch geraͤumigern Quer-
durchmeſſer
ſtellen, wuͤrde dieß nicht durch das vor-
ſpringende Promontorium gehindert, welches ihn immer mehr
in die ſchiefe Richtung dirigirt.)


§. 820.

Dritte Regel: Derſelbe Kindestheil, welcher im Ein-
gange des Beckens im ſchiefen Durchmeſſer ſtand, wird, ſo-
bald er in die Beckenhoͤhle voͤllig herabgetreten iſt, die Rich-
tung des groͤßten Durchmeſſers derſelben, d. i. des gera-
den
, annehmen, ſich alſo um den achten Theil eines
Kreiſes
drehen. Dieſe Drehung iſt keinesweges die Wir-
kung ſpiralfoͤrmiger Bewegung der Faſern des Uterus, oder
Wirkung des Zuſammenziehens und Anſchwellens gewiſſer
Beckenmuskeln, wie Einige (z. B. H. Schweighaͤu-
ſer
) behauptet haben, ſondern die Folge der veraͤnder-
ten raͤumlichen Verhaͤltniſſe der Beckenhoͤhle gegen die
des Beckeneinganges allein, indem ſich leicht einſehen laͤßt,
daß ein jeder glatter, ovaler Koͤrper in einem ſchluͤpfrigen
Kanale, deſſen Dimenſionen von Strecke zu Strecke ſich aͤn-
dern, von ſelbſt die fuͤr jede Stelle paſſende Richtung an-
nehmen muß, ſobald er durch eine draͤngende Kraft uͤberhaupt
zur Fortbewegung gezwungen wird.


[108]
§. 821.

Vierte Regel: Derſelbe Kindestheil, welcher in der
Beckenhoͤhle die Richtung des geraden Durchmeſſers ange-
nommen hat, wird im Beckenausgange und waͤhrend des
Durchſchneidens in derſelben Richtung verbleiben; indem die
Verhaͤltniſſe der untern Beckenoͤffnung bei zuruͤck gebogenem
Steisknochen den Verhaͤltniſſen der Beckenhoͤhle gleichen, und
die Laͤngenſpalte der rima genitalium dieſe Richtung fordert.


Fuͤnfte Regel: Jeder vorausgehende Kindestheil, und
die Laͤngenachſe des Kindes uͤberhaupt, muß, außer der er-
waͤhnten ſeitlichen Drehung, der Fuͤhrungslinie des Beckens
folgen, und ſonach den Abſchnitt eines perpendikulaͤr geſtellten
Kreiſes beſchreiben.


Sechste Regel: Je mehr der Kopf mit dem Kinn
auf die Bruſt gedruͤckt iſt, je mehr die Schenkel an den
Leib herauf, und die Arme gegen die Bruſt gelegt ſind, je-
mehr endlich der Ruͤcken des Kindes gegen den Schambogen
gekehrt iſt (wovon nur die Geſichtsgeburten, bei welchen es
beſſer iſt, wenn der Ruͤcken des Kindes nach hinten liegt, eine
Ausnahme machen), und der Nabelſtrang folglich nach hinten,
ohne umſchlungen zu ſeyn, liegt, um ſo gluͤcklicher wird der Ge-
burtsverlauf von Statten gehen.


I. Klaſſe: Kopfgeburten.

1. Ordnung: Hinterhauptsgeburt (Partus
occipite praevio.
)

§. 822.

Die Geburten in dieſer Lage ſind bei weitem die haͤu-
figſten (unter 100 Faͤllen finden ſich ſtets gegen 96 bis
98 in dieſer Lage verlaufend), ſie ſind aber auch zugleich die
guͤnſtigſten, da hierbei, der ſechsten Regel gemaͤß, das Kinn
mehr auf die Bruſt gedruͤckt ſind, und die kleinſten Durchmeſſer
des Kindeskopfs, naͤmlich Quer- und ſenkrechter Durchmeſſer in
die Raͤume des kleinen Beckens fallen. Da nun aber dieſe
[109] beiden Durchmeſſer gleich ſind, ſo wuͤrde eigentlich die Dre-
hung aus dem ſchiefen in den geraden Durchmeſſer hier-
bei uͤberfluͤſſig; allein man muß erwaͤgen, daß in Folge der
Verbindung des Kopfes mit dem Halſe nie das Kinn ſo
ſtark auf die Bruſt geneigt ſeyn kann, daß nicht, vorzuͤglich
im Eintritt in das Becken, noch mehr die Gegend der
Pfeilnath als die Spitze des Hinterhaupts ſich in der Fuͤh-
rungslinie befinden ſollte, weshalb denn außer jenen bei-
den Durchmeſſern immer auch noch der gerade oder lange
Durchmeſſer beruͤckſichtigt werden muß, und die Urſache wird,
daß wir auch hier die Stellung des Kopfs nach den zwei
ſchraͤgen Durchmeſſern ſich richten ſehen, und dadurch vier
verſchiedene Hinterhauptslagen erhalten. Charakteriſtiſch iſt
fuͤr die Hinterhauptslage die Pfeilnath und die kleine Fon-
tanelle, an welcher man, um ſie zu erkennen, vorzuͤglich auf
das Eingedruͤcktſeyn des Hinterhauptknochens, und die daher
gewoͤhnlich etwas vorſtehenden Raͤnder der Scheitelknochen in
der Hinterhauptsnath (Sutura lambdoidea) achten muß.


§. 823.

Erſte Lage. Hier ruht die Stirn des Kindes an der
Ausſchweifung der ungenannten Linie auf der rechten Kreuz-
und Darmbeinverbindung und das Hinterhaupt iſt hinter der
linken Scham- und Darmbeinverbindung in den Beckenein-
gang herabgeſunken; die Bauchflaͤche des Kindes iſt nach hin-
ten gekehrt, und Steis und Fuͤße liegen gewoͤhnlich mehr
nach rechts. Die Pfeilnath verlaͤuft folglich in dem erſten
ſchiefen Durchmeſſer, und theils hieran, theils an der nach
links und vorn gerichteten kleinen Fontanelle, ſo wie zuwei-
len an der nach rechts und hinten erreichbaren großen Fon-
tanelle wird dieſe Lage erkannt. — Der Kopf ſteht in dieſer
Richtung waͤhrend der erſten und zweiten Geburtsperiode feſt,
dreht ſich aber, waͤhrend er in der dritten Periode in die
Beckenhoͤhle herab gepreßt wird, in den geraden Durchmeſſer,
ſo daß nun die Stirn in der Aushoͤhlung des Kreuzknochens
unter dem Promontorio und das Hinterhaupt hinter der
Schambeinverbindung zu liegen kommt, die Pfeilnath folglich
nun im geraden Durchmeſſer und die kleine Fontanelle hinter
[110] der Schamfuge fuͤhlbar iſt; eine Richtung, in welcher end-
lich in der vierten Periode der Kopf auch zum Ein- und
Durchſchneiden kommt, ſo daß er geboren, mit dem Geſichte
nach dem Mittelfleiſche hin ſieht. — Dieſe Lage iſt die aller-
haͤufigſte, vorzuͤglich wegen der gewoͤhnlichen Richtung des
Gebaͤrmuttergrundes nach rechts, wodurch der voraus gehende
Kindestheil mehr nach links gedruͤckt wird; ſie iſt zugleich
die allerguͤnſtigſte und die gewoͤhnlich am leichteſten verlau-
fende. — Entwickelt ſich in dieſer Lage eine betraͤchtliche
Kopfgeſchwulſt, ſo wird man ſie immer auf dem rech-
ten Scheitelbein aufſitzend finden
, und hieran die
anfaͤngliche Lage noch bei dem ſchon gebornen Kinde er-
kennen koͤnnen.


§. 824.

Zweite Hinterhauptslage. Hier iſt der Ruͤcken
des Kindes wieder vorwaͤrts gekehrt; es ruht beim Eintritt
in das kleine Becken die Stirn uͤber der linken Kreuz- und
Darmbeinverbindung, und das Hinterhaupt ſinkt hinter der
rechten Scham- und Darmbeinverbindung herab. Man er-
kennt dieſe Lage an der im zweiten ſchiefen Durchmeſſer ver-
laufenden Pfeilnath, der nach rechts und vorn gerichteten
kleinen Fontanelle, ſo wie an der zuweilen nach links und
hinten hoch im Becken fuͤhlbaren großen Fontanelle. Die
Drehung des Kopfes erfolgt waͤhrend der dritten Periode
mit dem Hinterhaupte von rechts nach links, bis auch hier
das Hinterhaupt hinter der Schamfuge, und die Stirn in
der Aushoͤhlung des Kreuzbeins ſteht. Geboren, ſieht der
Kopf ebenfalls mit dem Geſichte abwaͤrts. Die Geburt ver-
laͤuft faſt eben ſo leicht als in der erſten Lage, obwohl zu-
weilen die Drehung wegen der hierbei in der Gegend des Maſt-
darms liegenden Stirn etwas ſchwieriger von Statten geht; auch
iſt dieſe Lage naͤchſt der erſten bei weitem die gewoͤhnlichſte *).
[111] Eine ſich in dieſer Lage bildende Kopfgeſchwulſt ſitzt ſtets
mehr auf dem linken Scheitelbeine.


§. 825.

Dritte und vierte Hinterhauptslage. Sie ha-
ben das miteinander gemein, daß die Bauchflaͤche des Kindes
in beiden nach vorn gekehrt, und die Stirn nach dem Scham-
bogen gerichtet iſt. Die dritte*) iſt die umgekehrte zweite
Lage, naͤmlich das Hinterhaupt ſinkt in der linken Kreuz-
und Darmbeinverbindung herab, und die Stirn liegt uͤber
der rechten Scham- und Darmbeinverbindung. Man er-
kennt ſie an der im zweiten ſchiefen Durchmeſſer verlaufen-
den Pfeilnath, an der nach links und hinten fuͤhlbaren klei-
nen Fontanelle und der hier gewoͤhnlich (da bei dieſer Stel-
lung der Kopf immer anfaͤnglich mehr der Scheitellage ſich
naͤhert) nach rechts und vorn erreichbaren großen Fontanelle.
Tritt nun der Kopf tiefer ins Becken herab, ſo wendet ſich
in der Regel die Stirn voͤllig nach dem Schambogen, das
Hinterhaupt kommt in die Aushoͤhlung des Kreuzbeins, und
der Kopf kommt, obwohl wegen des Widerſtandes welchen
die breitere Stirn am Schambogen findet, mit weit groͤßern
Anſtrengungen, zum Ein- und Durchſchneiden, wobei denn
das Geſicht aufwaͤrts, das Hinterhaupt nach dem Mittel-
fleiſche gerichtet iſt. — Allein nicht immer endigt dieſe Kopf-
lage auf die angegebene Weiſe; ich hatte ſchon oͤfters beob-
achtet, daß zuweilen der Kopf, nachdem er in dieſer Richtung
eingetreten war, anſtatt mit der Stirn von rechts nach links bis
zum Schambogen ſich zu drehen, unter guten Wehen, umge-
kehrt ſich wendete, naͤmlich mit der Stirn nach hinten, ſo
daß der Kopf erſt voͤllig im Querdurchmeſſer kam, dann aber
nach und nach in die erſte Lage uͤberging, indem das Hin-
[112] terhaupt von der linken Kreuz- und Darmbeinverbindung
nach der linken Scham- und Darmbeinverbindung (alſo um
¼ eines Kreiſes) ſich drehte und dann der weitere Verlauf
wie bei der erſten Lage Statt fand. Dieſe Erſcheinung war
mir um ſo merkwuͤrdiger, als ich ihrer in keinem Lehrbuche
gedacht fand, bis ich ſpaͤterhin las, daß auch vom Prof.
Naͤgele*) daſſelbe beobachtet worden war. Seitdem habe
ich dieſe Faͤlle alljaͤhrlich mehrere Mal beobachtet, und mich
ganz davon uͤberzeugt, wie auch hier oft die Natur ein
ſicheres und einfaches Mittel ergreift, um einen leichtern Ge-
burtsverlauf, (da natuͤrlich der Kopf ſo mit dem Hinter-
haupte vorwaͤrts gekehrt, nun weit leichter als mit demſel-
ben nach ruͤckwaͤrts geſtellt, durchſchneidet) zu bewirken.


§. 826.

Die vierte Hinterhauptslage iſt die umgekehrte
erſte. Die Stirn ruht hier uͤber der linken Scham- und
Darmbeinverbindung, das Hinterhaupt ſinkt von der rechten
Kreuz- und Darmbeinverbindung herab. Man erkennt ſie
an der im erſten ſchiefen Durchmeſſer verlaufenden Pfeilnath,
an der nach links und vorn haͤufig erreichharen großen, und
der nach rechts und hinten fuͤhlbaren kleinen Fontanelle. Der
Regel nach dreht ſich auch hier der Kopf mit der Stirn
nach der Schamfuge, und wird mit dem Geſichte aufwaͤrts
geboren; allein auch hier aͤndert zuweilen die Natur ſelbſt,
auf die im vorigen Paragraph beſchriebene Weiſe die Lage
um, der Kopf richtet ſich nach und nach in die zweite
Hinterhauptslage, indem ſich das Hinterhaupt von der rech-
ten Kreuz- und Darmbeinverbindung nach der rechten Scham-
und Darmbeinverbindung dreht und es kommt ſo der Kopf
mit der Stirn nach unten zum Durchſchneiden, wodurch
die weit ſchwierigere Entwicklungsweiſe mit der Stirn nach
oben, erſpart wird. — Dritte und vierte Lage gehoͤren ſchon
zu den ſeltnern Geburtsweiſen (oft kommt auf 150 bis
200 Hinterhauptsgeburten kaum eine oder zwei voͤllig in
dieſer Lage verlaufende), und wir bemerken nur noch
[113] daß ſie ſehr leicht auch in vollkommne Scheitellagen uͤber-
gehen.


Zweite Ordnung: Scheitelgeburt (Partus
syncipite praevio
).

§. 827.

Der Kopf des Kindes tritt bei der Scheitellage voll-
kommen horizontal, ſo daß ſein ſenkrechter Durchmeſſer und
alſo die große Fontanelle in die Levret’ſche Beckenachſe
faͤllt, auf den Beckeneingang, in deſſen Flaͤche alſo der Quer-
durchmeſſer und der lange oder gerade Durchmeſſer des Kin-
deskopfs fallen. Charakteriſtiſch iſt dieſer Lage als Kenu-
zeichen die große Fontanelle, deren ſpitziger Winkel hierbei
die Gegend wohin die Stirn, ſo wie der ſtumpfe Winkel die
Gegend, wohin das Hinterhaupt gerichtet iſt, anzeigen wird.
Die Richtungen, in welchen der Kopf hierbei eintreten kann, ſind
aber vierfach, ganz ſo wie bei den Hinterhauptslagen, von
welchen ſie ſich uͤberhaupt nur durch die groͤßere Entfernung
des Kinnes von der Bruſt des Kindes unterſcheiden. Wie-
der iſt in der erſten und zweiten Scheitellage alſo die
Bauchflaͤche des Kindes nach ruͤckwaͤrts, der Ruͤcken vorwaͤrts,
und zwar in der erſten das Hinterhaupt nach links und
vorn, in der zweiten nach rechts und vorn gerichtet, und wieder
wird in dieſen beiden Lagen der Kopf mit dem Geſichte ab-
waͤrts geboren; dahingegen in der dritten und vierten
Lage das Kind mit der Bauchflaͤche vorwaͤrts ſieht, und in
der dritten zwar die Stirn nach vorn und rechts, in der
vierten die Stirn nach vorn und links gerichtet iſt, folglich
das Kind mit dem Geſichte aufwaͤrts geboren werden muß,
wenn nicht, was auch hier geſchehen kann, der Kopf ſich
aus der dritten in die erſte, oder aus der vierten in die
zweite Lage begiebt.


§. 828.

Die Scheitellagen kommen uͤberhaupt gegen die Hinter-
II. Theil. 8
[114] hauptslagen ſchon ſehr ſelten vor *), auch gehen ſie faſt im-
mer, ſobald der Kopf in die Beckenhoͤhle getreten iſt, in
Hinterhauptsgeburten uͤber, welches wenigſtens von der erſten
und zweiten Scheitellage in der vierten Geburtsperiode
immer gilt, da der Kopf mit dem Scheitel voͤllig voraus-
gehend, nur ſehr ſchwer zum Durchſchneiden kommen wuͤrde.
Die dritte und vierte Scheitellage betreffend, ſo kann ſie
leicht in eine Geſichtsgeburt (und zwar in die erſte und
zweite) uͤbergehen, wenn die Stirn naͤmlich fruͤher in das
Becken herabſinkt als das Hinterhaupt.


Dritte Ordnung: Geſichtsgeburt (Partus
facie praevia
).

§. 829.

In dieſer Geburtsweiſe iſt es, wo das Kinn am ſtaͤrk-
ſten von der Bruſt entfernt, und der Kopf ſtark ruͤcklings
uͤber gebogen iſt, demungeachtet kann auch in dieſer Stel-
lung die Geburt gluͤcklich fuͤr Mutter und Kind beendigt
werden, ſo ſehr man auch fruͤher daran zweifelte, und alle
Geſichtslagen als regelwidrig anſehend, ſie insgeſammt an
die operative Kunſthuͤlfe verwies **). — Im Ganzen gehoͤren
indeß auch dieſe Lagen zu den ſeltner vorkommenden, und es
iſt oft unter 200 Geburtsfaͤllen kaum eine Geſichtsgeburt ***).
[115] Man erkennt die Geſichtslage an der ungleichen Flaͤche des
Antlitzes, an den harten Kieferraͤndern, an den Augen und
der Naſe. Der Kopf ſteht dabei mit ſeinem langen oder
geraden Durchmeſſer gewoͤhnlich in der Axe des Beckenein-
ganges und mit dem ſenkrechten Durchmeſſer in einen der
beiden ſchiefen Durchmeſſer der obern Beckenoͤffnung geſtellt,
wodurch wir wieder vier Geſichtslagen erhalten, deren Auf-
faſſen und Behalten dadurch ſehr erleichtert wird, wenn man
ſich merkt, daß hier immer wieder in den einzelnen Lagen
die Stirne an denſelben Punkten ſteht, wo ſie bei den gleich-
namigen einzelnen Lagen des Hinterhaupts oder Scheitels
gefunden wurde.


§. 830.

Erſte und zweite Geſichtslage. In beiden iſt der
Rumpf des Kindes mit der Bauchflaͤche nach vorwaͤrts ge-
kehrt, das Kinn liegt nach dem Schambogen, die Stirn nach
hinten gekehrt, und dieſe Lagen ſind eigentlich die einzigen,
welche recht gluͤcklich, und voͤllig als Geſichtsgeburten, ver-
lauſen koͤnnen, es ſind dieſelben, in welchen Boër 80 Ge-
ſichtsgeburten in einigen Jahren hinter einander beobachtete,
und in welchen alle Lagen dieſer Art, welche mir vorgekom-
men, verlaufen ſind. In der erſten Geſichtslage
fuͤhlt man die Naſe in der Richtung des erſten ſchiefen
Durchmeſſers, der Mund und das Kinn liegen hinter der
linken Scham- und Darmbeinverbindung, die Stirn ruht
vor und uͤber der rechten Darm- und Kreuzbeinverbindung.
Kommt der Kopf waͤhrend der dritten Periode in die Be-
ckenhoͤhle herab, ſo erfolgt die Drehung deſſelben dergeſtalt,
daß die Stirn nunmehr in die Aushoͤhlung des Kreuzbeins,
das Kinn unter den Schambogen zu ſtehen kommt, in wel-
cher Richtung dann auch das Ein- und Durchſchneiden *)
[116] vor ſich geht, und folglich der geborne Kopf mit dem Ge-
ſichte aufwaͤrts ſieht.


§. 831.

Die zweite Lage, welche faſt eben ſo oft als die
erſte vorkommt, zeigt im Beckeneingange das Kinn nach der
rechten Scham- und Darmbeinverbindung, die Stirn nach
der linken Kreuz- und Darmbeinverbindung gerichtet, die
Drehung erfolgt mit dem Kinn von rechts nach links, und
der Kopf kommt in derſelben Richtung, wie in der er-
ſten Lage, zum Ein- und Durchſchneiden. — In beiden La-
gen bemerkt man, daß das Geſicht waͤhrend ſeines Durch-
ganges durch das Becken etwas anſchwillt, indem Mund,
Wangen und Augen mitunter betraͤchtlich auflaufen, allein
dieſe Geſchwulſt ſowohl als das Ruͤckwaͤrtsbiegen des Kopfs,
welches man an dem neugebornen Kinde bemerkt, iſt keineswe-
ges bedenklich, ſondern beide pflegen ſich in kurzer Zeit zu
verlieren.


§. 832.

In der dritten Geſichtslage iſt ferner die
Stirn wider die rechte Scham- und Darmbeinverbindung ge-
richtet, dahingegen das Kinn nach der rechten Kreuz- und
Darmbeinverbindung ſieht, wobei ſich folglich waͤhrend der
erſten Drehung des Kopfs das Kinn in die Aushoͤhlung des
Kreuzbeins begeben muͤßte. In der vierten Lage endlich
ruht die Stirn uͤber der linken Scham- und Darmbeinver-
bindung, und das Kinn ſieht nach der rechten Darm- und
Kreuzbeinvereinigung, und auch hier muͤßte ſonach die Dre-
hung, wie in der erſten Lage, erfolgen. — Unterſucht man
nun aber die ganze Lage, in welcher das Kind, bei der am
Schambogen angeſtemmten Stirn und dem dem Kreuzbein
zugekehrten Kinne ſich befinden muͤßte, genauer, ſo findet
man bald, daß dieſelbe bei tieferem Eindringen des Kopfs
ins Becken ſo widernatuͤrlich wird, daß ohne Nachtheil fuͤr
das Kind die Geburt in dieſer Lage (wenn ſie uͤberhaupt
wegen des Anſtemmens der Bruſt am Promontorio, ohne
[117] Zuthun der Kunſt vollendet werden koͤnnte) nicht moͤglich ſeyn
wuͤrde. Man findet deshalb, daß die Natur andere Huͤlfs-
mittel ergreift, um in Faͤllen ganz regelmaͤßigen Beckenbaues
und kraͤftiger Wehen (ohne welches doch dieſe Geburten
faſt immer zur Beendigung der Kunſt anheim fallen) die
Entbindung ſelbſt zu Ende zu fuͤhren.


§. 833.

Dieſe Huͤlfsmittel ſind doppelt: erſtens naͤmlich, es wan-
delt ſich eine ſolche Lage auf dieſelbe Weiſe, wie wir bei
dritter und vierter Hinterhauptslage beſchrieben haben, in die
erſte und zweite um, indem bei der dritten Lage das Kinn
von links und hinten ſich gegen die linke Scham- und
Darmbeinverbindung nach vorn dreht, oder bei vierter Lage
das Kinn von rechts und hinten ſich gegen die rechte Darm-
und Schambeinverbindung bewegt, in beiden Faͤllen alſo die
Geburt mit Entwicklung des Kinnes unter dem Schambogen
ſich endigt (welche Lagenaͤnderung ich in einigen Faͤllen ſehr
vollkommen von Statten gehen ſah). Zweitens aber bemerkt
man auch, daß dieſe Geſichtslagen dadurch umgeaͤndert wer-
den, daß das Kinn in der Aushoͤhlung des Kreuzbeins ſich
mehr gegen den Vorberg heraufzieht. ſich folglich mehr der
Bruſt naͤhert, und dadurch bewirkt, daß zunaͤchſt mehr die
Scheitelflaͤche herab ſinkt, ſo alſo nach und nach dritte Ge-
ſichtslage in zweite Scheitellage, oder vierte Geſichtslage
in erſte Scheitellage uͤbergeht, welche Scheitellagen dann,
wie oben beſchrieben worden, verlaufen, und beim Eintritt
in die untere Beckenoͤffnung gewoͤhnlich die Hinterhauptslage
annehmen. — Dieſe Umaͤnderungen ſind indeß immer mit
einigen Schwierigkeiten verbunden, und nur gar zu leicht
bleibt die Stirn am Schambogen feſt ſtehen, bewirkt eine
Schiefſtellung des ganzen Kopfs, und hindert das Geburts-
geſchaͤft in hohem Grade. Ueberhaupt kommen dieſe beiden
letzterwaͤhnten Geſichtslagen aͤußerſt ſelten vor.


[118]
Vom Durchgange der uͤbrigen Kindestheile
bei Kopfgeburten
.

§. 834.

Wie wir bei Betrachtung aller einzelnen regelmaͤßigen
Kopfgeburten gefunden, ſteht der Kopf immer in und gleich
nach dem Durchſchneiden dem geraden Durchmeſſer des Be-
ckenausgangs entſprechend, und folglich entweder das Geſicht
nach oben oder nach unten gekehrt. Gleichzeitig muͤſſen ſich
alſo die Schultern, welche ſich nun im obern Raume der
Beckenhoͤhle befinden, im queren oder ſchiefen Durchmeſſer
geſtellt haben. Allein bald nachdem der Kopf geboren iſt,
erfolgen neue Geburtswehen, und auch die Schulterbreite
wird nun ganz in die Beckenhoͤhle herabgedraͤngt, daher ſie
denn den oben aufgeſtellten allgemeinen Regeln zu Folge, ſich
abermals, wie fruͤher der Kopf ſelbſt, in den geraden Durch-
meſſer richten muß; an welcher Drehung denn auch der ge-
borene Kopf Antheil nimmt, und nun mit dem Geſichte
nach einem Schenkel ſich wendet, wobei man denn in der
Regel wahrnimmt, daß das Geſicht und die Vorderflaͤche des
Rumpfs vom Kinde wieder dieſelbe Stellung anzunehmen
ſuchen, in welcher ſie ſich vor beginnender Geburtsarbeit be-
funden hatten.


§. 835.

Als eine Regel, welche nur ſelten Ausnahmen erleidet,
kann man es daher betrachten, daß bei der erſten Hinter-
haupts- und Scheitellage, wo vor der Geburt die Bruſt-
und Geſichtsflaͤche mehr nach der rechten Seite gekehrt iſt,
die Schultern auch im Becken ſich ſo im geraden Durch-
meſſer drehen, daß die Bruſtflaͤche wieder nach der rechten
Seite gerichtet wird, folglich das Geſicht ebenfalls nach dem
rechten Schenkel ſich wendet *); daß hingegen bei der zweiten
[119] Lage, wo die Bruſt anfaͤnglich nach links ſieht, auch der
geborne Kopf, der Wendung der Schultern folgend, ſich mit
dem Geſichte gegen den linken Schenkel wendet. Eben ſo
erfolgt bei der dritten Hinterhaupts- und Scheitellage die
Drehung nach dem rechten, bei der vierten Lage die Drehung
nach dem linken Schenkel; endlich bei der erſten und dritten
Geſichtslage die Drehung nach links, bei der zweiten und
vierten Geſichtslage die Drehung nach rechts.


§. 836.

Sind nun auf die beſchriebene Weiſe die Schultern im
geraden Durchmeſſer der Beckenhoͤhle herabgetreten, ſo wer-
den ſie ferner in eben der Richtung (eine unter dem Scham-
bogen, die andere uͤber das Mittelfleiſch) hervorgetrieben, und
der Rumpf ruͤckt nun ſo weit im Becken vor, daß die Huͤf-
ten ſich dem Beckeneingange und zwar ebenfalls in der
Richtung der Conjugata naͤhern. Iſt indeß das Becken
nicht ſehr geraͤumig, oder das Kind nicht etwa ſehr klein,
ſo bemerkt man, daß Letzteres jetzt zum drittenmale ſich
dreht, um die Huͤften wieder in einen groͤßern Durchmeſſer
des Beckeneinganges, naͤmlich in den queren oder ſchiefen
Durchmeſſer zu bringen, bis dann endlich die Huͤftenbreite
in die Beckenhoͤhle herab kommt, nun wieder in den ge-
raden
Durchmeſſer ſich wendet, und endlich die Fuͤße den
Huͤften leicht nachfolgen. — Außer dieſen vier Drehungen
um die Laͤngenachſe uͤbrigens, welche jedoch nicht, wie es
ſich manche Geburtshelfer vorzuſtellen ſcheinen, in einer un-
unterbrochenen Kreisbewegung oder Spiralbewegung fortge-
hen, ſondern in einzelnen Kreisabſchnitten bald vorwaͤrts bald
ruͤckwaͤrts, erfolgen, bewegt ſich jedoch das Kind auch in einer
ſenkrecht geſtellten Bogenlinie (der oben aufgeſtellten Regel ge-
maͤß) durch das Becken, und wir ſehen deshalb alle Theile,
*)
[120] ſo wie ſie zum Einſchneiden kommen, von unten nach oben
uͤber das Perinaͤum hervor rollen.


Anmerkung. Nicht ſelten iſt es der Fall, daß bei
ſehr leichten Geburten mehrere dieſer Drehungen wegbleiben.
Vorzuͤglich gilt dieſes von den beiden Drehungen der Huͤften,
als welche bei nicht ſtarken Kindern oft durch das ganze
Becken ohne ſich zu wenden (alſo im geraden Durchmeſſer)
hindurch gehen. Seltner faͤllt auch die Drehung der Schul-
tern weg, und man ſieht die Schultern im Querdurchmeſſer
zum Durchſchneiden kommen. Faſt nie jedoch pflegt die Dre-
hung des Kopfs zu mangeln, und das Durchſchneiden deſſelben
im ſchiefen Durchmeſſer erfolgt nur bei ſehr weitem Becken,
und doch oft zum Nachtheil der aͤußern Geſchlechtstheile,
welche dabei leicht einreißen.


II. Klaſſe. Geburten mit vorausgehendem un-
term Ende des Rumpfs.

§. 837.

Bei einer jeden Geburt, wo der Kopf zuletzt durch das
Becken hindurch gedraͤngt wird, iſt das Kind in Gefahr,
durch den Druck, welchen der hier nothwendig neben dem
Kopfe im Becken liegende Nabelſtrang erfaͤhrt, abzuſterben,
indem der Kreislauf durch die Placenta gehemmt wird, be-
vor der Kreislauf durch die Lungen in Gang treten
kann. Dieſe Gefahr kann indeß bedeutend vermindert werden:
1) durch eine hinlaͤngliche Eroͤffnung der weichen Geburts-
theile, welche am beſten durch einen oder beide heraufgeſchla-
gene Schenkel bewirkt wird, wodurch dann auch ein ſchneller
Durchgang des Kopfs vorbereitet iſt; 2) durch gute Stel-
lung der Arme, welche an der Bruſt liegen bleiben, den
Nabelſtrang bei dem Durchgange der Bruſt ſchuͤtzen, und
ebenfalls den Durchgang des Kopfs erleichtern; 3) durch
gute Stellung des Kindeskopfs, welcher um ſo beſſer durch
das Becken geht, a) je mehr das Kinn auf die Bruſt ge-
[121] druͤckt iſt (dieſes wird aber vorzuͤglich durch etwas laͤngeres
Verweilen der Huͤftengegend im Becken, und kraͤftige von
oben auf den Kopf draͤngende Wehen bewerkſtelligt), b) je
mehr er ſich in die paſſenden Durchmeſſer des Beckens fuͤgt;
4) durch diejenige Richtung des Rumpfs und Kopfs im
Becken, bey welcher Ruͤckenflaͤche und Hinterhaupt nach dem
Schambogen gekehrt ſind. —


§. 838.

Nun ſind aber unter den drei in dieſe Klaſſe gehoͤrigen
Geburten, bei keiner Ordnung dieſe Bedingungen voll-
kommner erfuͤllt, als bei der Steisgeburt, welche uͤber-
haupt ſchon dadurch zur regelmaͤßigſten wird, weil nur bei
ihr das Kind voͤllig in guter Stellung d. i. mit an den
Leib heraufgezogenen Schenkeln ſich befindet. Es werden
hierbei die weichen Theile durch die vorausgehende dem Kopf
an Umfang aͤhnliche Flaͤche vollkommen eroͤffnet, der Kopf,
(weil mehr Wehendrang zur Durchbefoͤrderung der Steis-
flaͤche noͤthig iſt) wird vollkommner auf die Bruſt gedraͤngt,
und die Arme bleiben leichter an der Bruſt liegen, weshalb
denn hier auch leicht und oft die Geburt fuͤr Mutter und
Kind den gluͤcklichſten Erfolg hat. Knie- und Fußgeburten
hingegen, bei welchen das Kind gleichſam als Keil mit dem
duͤnnern Ende zuerſt, und in weniger natuͤrlicher Stellung
der Gliedmaßen eintritt, haben leichter, vorzuͤglich wo die
Natur durch unzeitige, zweckwidrige Huͤlfsleiſtungen geſtoͤrt
wird, das Heraufſchlagen der Arme neben dem Kopfe und
erſchwerteres Eintreten, ſo wie unvollkommneres Durchbewe-
gen des Kopfs durch das Becken zur Folge, endigen daher
auch oͤfters fuͤr das Kind weniger gluͤcklich als die Steis-
geburten.


Erſte Ordnung. Steisgeburt, gedoppelte Ge-
burt
. (Partus clunibus praeviis.)

§. 839.

Die Kennzeichen der vorliegenden Steisflaͤche (welche bei
noch nicht genugſamer Uebung im Unterſuchen leicht mit einer
[122] Kopfflaͤche verwechſelt werden kann) ſind aber folgende: 1)
die kugelfoͤrmige Geſtalt der beiden Hinterbacken, deren Flaͤche
von der Kopfflaͤche durch ihre fleiſchigte Subſtanz und die
durchzufuͤhlenden Sitzhoͤcker ſich unterſcheidet; 2) die After-
oͤffnung zwiſchen den erſterwaͤhnten Theilen; 3) die Geſchlechts-
theile (aus deren Verhaͤltniß zur Afteroͤffnung man zugleich
die Richtung der Bauchflaͤche des Kindes abnehmen kann;
4) der beim tiefern Eintritt der Steisflaͤche immer Statt
findende betraͤchtliche Abgang von meconium, ohne daß der-
ſelbe durch andere Zeichen, welche auf Krankſeyn oder Tod
des Kindes ſchließen ließen, erklaͤrt wuͤrde.


§. 840.

Was nun die Art des Eintritts der Steisflaͤche in das
kleine Becken betrifft, ſo erfolgt ſie (da man auch hier einen
groͤßern und einen kleinern Durchmeſſer unterſcheiden kann)
wieder wie bei den einzelnen Kopfgeburten in vierfacher Art.
Erſte Steislage. Die rechte Huͤfte des Kindes iſt gegen
die linke Darm- und Schambeinverbindung, die linke Huͤfte
deſſelben gegen die rechte Kreuz- und Darmbeinverbindung,
und folglich die Ruͤckenflaͤche nach rechts und vorn gerichtet.
Waͤhrend der dritten Periode werden die Hinterbacken in die
Hoͤhle des kleinen Beckens herabgetrieben, und drehen ſich
nun ſo, daß die Huͤftenbreite im geraden Durchmeſſer, die
rechte Huͤfte folglich unter dem Schambogen, die linke in
die Aushoͤhlung des Kreuzbeins zu liegen kommt, in welcher
Lage dann auch das Ein- und Durchſchneiden erfolgt. So
wird nun ferner die untere Haͤlfte des Rumpfs uͤberhaupt
ausgeſtoßen, bis, ſobald der Rumpf zum oder uͤber den Nabel
geboren iſt, nun die Fuͤße hervor gleiten, die Schenkel ſich
ausſtrecken, und herab ſchlagen, und zugleich nun die
Schultern in den obern Beckeneingang treten. Da ſie nun
aber der Form dieſer Beckenoͤffnung, ſo im geraden Durch-
meſſer ſtehend, wenig entſprechen wuͤrden, ſo erfolgt jetzt die
zweite Drehung des Kindes, wobei, um die Schultern mehr
im ſchiefen oder queren Durchmeſſer zu bringen, die Ruͤckenflaͤche
voͤllig nach dem Schambogen ſich wendet, ferner kommen unter
[123] neu eintretenden Wehen die Schultern in das Becken herab,
und nehmen nun wieder die Stellung im geraden Durch-
meſſer an (als dritte Drehung), wobei zugleich der Kopf
eine fuͤr ſeinen Eintritt in die obere Beckenoͤffnung voͤl-
lig paſſende Richtung, naͤmlich mit dem Kinne gegen eine
und zwar gewoͤhnlich gegen die linke Kreuz- und Darmbein-
vereinigung erhaͤlt, ſo daß das Hinterhaupt hinter der rech-
ten Scham- und Darmbeinverbindung in das Becken herab-
gedraͤngt wird. Endlich erfolgt, wenn der Kopf ſelbſt ganz
in die Beckenhoͤhle herein kommt, die vierte Drehung, bei
welcher das Hinterhaupt hinter der Schambeinvereinigung
ſich ſtellt, und in dieſer Lage dann auch der Kopf mit dem
Kinn uͤber das Mittelfleiſch ſich entwickelt.


§. 841.

Von dieſer erſten iſt die zweite Steislage in ihrem
Verlaufe wenig verſchieden. Die linke Huͤfte des Kindes
ſteht hier hinter der rechten Darm- und Schambeinverbin-
dung der Mutter, und die rechte Huͤfte vor der linken Kreuz-
und Darmbeinverbindung. Wieder iſt alſo urſpruͤnglich der
Ruͤcken nach vorwaͤrts gekehrt, und bei der Drehung in den
geraden Durchmeſſer kommt die linke Huͤfte hinter die [Scham-
beinverbindung]
. Der weitere Durchgang erfolgt hier wie in
der erſten Lage, nur daß der in die obere Beckenoͤffnung
eintretende Kopf gewoͤhnlich nach der rechten Kreuz- und
Darmbeinverbindung mit dem Geſichte gerichtet ſeyn wird.


§. 842.

In dritter und vierter Steislage iſt nun umgekehrt
der Ruͤcken des Kindes gegen den Ruͤcken der Mutter, und
die Bauchflaͤche nach vorn gewandt, Fuͤße und Geſchlechts-
theile des Kindes finden ſich daher gegen den Schambogen
gerichtet, und zwar iſt bei der dritten Lage die rechte
Huͤfte hinter die rechte Darm- und Schambeinverbindung
geſtellt, bei der vierten Lage die linke Huͤfte gegen die
linke Scham- und Darmbeinverbindung gekehrt. — Auch hier
wendet ſich zuerſt die Huͤftenbreite im Becken in den geraden
[124] Durchmeſſer, bei der dritten Lage kommt die rechte, bei der
vierten Lage die linke Huͤfte unter den Schambogen zu ſte-
hen. Allein bei der Drehung der Schultern koͤnnte man nun
erwarten, daß jetzt von neuem die Bruſtflaͤche nach vorwaͤrts
ſich kehren werde, welches indeß faſt nie geſchieht, indem,
wenn nur die Geburt nicht durch unvorſichtige Eingriffe,
z. B. durch Ziehen an den Fuͤßen des Kindes u. ſ. w. ge-
ſtoͤrt wird, fuͤr die obern Kindestheile durchaus das Ver-
haͤltniß des nach vorn gekehrten Ruͤckens vortheilhafter iſt,
und daher der Regel nach, die Wendung gewoͤhnlich wie bei
erſter und zweiter Lage erfolgt, ſo daß alſo auch hier die
Bauchflaͤche nach ruͤckwaͤrts gekehrt, und dadurch eine fuͤr
Mutter und Kind gluͤckliche Beendigung der Geburt moͤglich
gemacht wird. — Die Drehung des Rumpfs alſo, wobei,
indem er ſich durch das Becken bewegt, die Bruſtflaͤche nach
dem Schambogen gerichtet iſt, darf man ſtets als wider die
eigentliche Regel und als unguͤnſtig betrachten, obwohl doch
zuweilen, ſobald nur die Schulterbreite in dieſer Lage nicht
verweilt, ſondern ſich wieder, um den Kopf in den ſchiefen
Durchmeſſer zu richten, in den geraden Durchmeſſer ſtellt,
ebenfalls der Durchgang der obern Kindeshaͤlfte, wenn auch
ſchwieriger, beendigt werden kann.


Zweite Ordnung. Kniegeburt (Partus genubus praeviis).

§. 843.

Bei der Lage des Kindes, wo die Kniee zuerſt in das
Becken treten, hat man zu unterſcheiden: zunaͤchſt, ob wirk-
lich beide Kniee, oder ob nur ein einziges Knie in das Be-
cken kommt (das erſte giebt die ganze, das zweite die
halbe Kniegeburt), und ferner, ob der Ruͤcken des Kindes
nach vorn oder nach hinten gekehrt ſey, (welches an der
Richtung der Kniekehlen zu erkennen iſt). Wegen der voll-
ſtaͤndigern Erweiterung der Geburtstheile ſieht man es lieber,
wenn nur ein Knie vorliegt, und der andere Schenkel am
Rumpfe, wie bei einer Steislage (welcher dadurch die Lage
aͤhnlich wird) hinauf geſchlagen bleibt. Ruͤckſichtlich des
[125] Durchganges vom uͤbrigen Kindeskoͤrper aber iſt es wichtig,
daß der Ruͤcken vorwaͤrts gekehrt ſey, und das ganze Ver-
halten iſt alſo der Steislage hoͤchſt aͤhnlich, indem, wenn
einmal die Huͤften in das kleine Becken getreten ſind, alle
Drehungen wie bei jener erfolgen.


§. 844.

Kennzeichen der Kniegeburt ſind, ſchon vor voͤlliger Er-
oͤffnung des Muttermundes, die ſehr ſpitzig und tief in den-
ſelben ſich herabdraͤngende Blaſe (da wegen Mangel eines
groͤßern Kindestheils im untern Raume des Eies, das meiſte
Fruchtwaſſer hier ſich anſammeln kann), ferner aber die rund-
lichen Flaͤchen der Kniee ſelbſt, welche ſich durch groͤßere
Staͤrke, ſo wie durch die Knieſcheibe von dem Ellbogen un-
terſcheiden.


Dritte Ordnung. Fußgeburt (Partus Agripparum).

§. 845.

Sie iſt ſehr wenig von der Kniegeburt unterſchieden;
auch ſie theilt man in ganze und halbe Fußgeburt, je nach-
dem beide oder ein Fuß allein ins Becken treten, und achtet
außerdem auf die Richtung der Zehen, indem die nach hin-
ten gerichteten Zehen die guͤnſtigere Lage mit dem Ruͤcken
nach vorwaͤrts, die nach vorn gerichteten Zehen, die Vor-
waͤrtsrichtung der Bauch- und Bruſtflaͤche andeuten. Auch
hier erfolgt im Weſentlichen das Durchbewegen des Rumpfs
durch das Becken ganz wie bei der Steisgeburt; da indeß,
vorzuͤglich bei der ganzen Fußgeburt die Geburtstheile weni-
ger auf den Durchgang der Bruſt, Schultergegend und des
Kopfs vorbereitet ſind, ſo ſchlagen ſich theils die Arme leicht
uͤber den Kopf herauf, theils entfernt ſich leichter das Kinn
von der Bruſt, und die langſamere Entwicklung des Kopfs
wird ſomit oft die Urſache vom Tode des Kindes. — Iſt
dagegen ein Fuß gegen den Leib heraufgeſchlagen, ſo ſtehen
zwar oft die Huͤften etwas laͤnger im Becken, aber der
[126] Durchgang des Kopfs erfolgt leichter. Endlich iſt es auch
bei Fußgeburten der Regel gemaͤß, daß in denjenigen Lagen,
wo anfaͤnglich die Bauchflaͤche nach vorn gekehrt war, bei
der zweiten Drehung demungeachtet mehr die Ruͤckenflaͤche
nach vorn gerichtet, und dadurch der Geburtsverlauf guͤnſti-
ger geendet wird.


Zeichenlehre der normalen Geburt.

§. 846.

So wie die Unterſuchung und Beurtheilung der Schwan-
gerſchaft nach ihren Kennzeichen ein ſehr wichtiger Gegenſtand
der Geburtshuͤlfe war, eben ſo iſt es die Unterſuchung und
Beurtheilung der Geburt nach ihren Kennzeichen. — Wir
haben jedoch von den Kennzeichen der herannahen-
den Geburt
, von den Zeichen der wahren und fal-
ſchen Wehen
, ſo wie der einzelnen Geburtspe-
rioden
und Kindeslagen im Vorhergehenden ausfuͤhrlich
gehandelt; es iſt daher nur noch uͤbrig von den


Kennzeichen uͤber den Zuſtand des Kindes
waͤhrend der Geburt

einige Bemerkungen hinzuzufuͤgen, wobei wir vorzuͤglich zwi-
ſchen den Kennzeichen des lebenden und des abgeſtorbenen
Kindes zu unterſcheiden haben. Fuͤr beide Zuſtaͤnde giebt es
indeß wenig ganz zuverlaͤſſige Kennzeichen, weßhalb bei Be-
urtheilung derſelben große Vorſicht durchaus erforderlich iſt.
Wir werden immer die zuverlaͤſſigſten zuerſt betrachten: —


1) Kennzeichen eines lebenden Kindes bei
der Geburt
.

§. 847.

Hierher gehoͤren: a. Bewegungen des Kindes, entweder
mit den Gliedern, oder (bei der innern Unterſuchung) mit
[127] dem Munde, welche der Hebamme oder dem Geburtshelfer
ſelbſt fuͤhlbar ſind (obwohl oft, trotz dem daß das Kind voll-
kommen lebt, Bewegungen nicht wahrgenommen werden, und
zwar oft nur darum, weil das Kind durch die zuſammen ge-
zogenen Fruchthaͤlterwaͤnde zu ſehr eingeengt iſt). b. Pulſa-
ſation der Gefaͤße, welche entweder im Nabelſtrange oder an
andern Theilen des Kindes zu fuͤhlen iſt (von dieſen Zeichen
Gebrauch zu machen, wird man indeß oft durch die Lage
des Kindes verhindert). c. Geſchloſſener Schließmuskel des
Afters; d. reines, nicht riechendes Fruchtwaſſer; e. Ge-
ſchwulſt, welche unter dem Drange der Wehen am vorlie-
genden Kindestheile ſich bildet (man darf indeß hierbei die
normale elaſtiſche Geſchwulſt am lebenden Kinde nicht ver-
wechſeln mit den Saͤcken, welche zuweilen Waſſer und Blut
bei ſchon in Faͤulniß uͤbergegangenen Fruͤchten am vorliegen-
den Theile bilden, welche allerdings mitunter, namentlich
waͤhrend des Wehendranges, jener Geſchwulſt aͤußerſt aͤhnlich
ſind, und oft nur durch das Vorhandenſeyn der uͤbrigen
Zeichen vom Tode des Kindes unterſchieden werden koͤnnen).
f. Mangel aller Urſachen, welche waͤhrend der Schwanger-
ſchaft oder Geburt eingewirkt, und den Tod des Kindes ver-
anlaßt haben koͤnnten.


§. 848.
2) Kennzeichen des waͤhrend oder kurz vor
der Geburt abgeſtorbenen Kindes
.

a. Spuren von Faͤulniß am vorliegenden Kindestheile,
als welche namentlich das mit fauligtem Geruche begleitete
Abloͤſen der Oberhaut erwaͤhnt werden muß (zuweilen loͤſt
ſich zwar auch die Oberhaut in Folge eines blaſigten Exan-
thems ab, welches Kinder zuweilen mit zur Welt bringen,
allein dann fehlt der fauligte Geruch). b. Uebelriechendes
mit Meconium gemiſchtes Fruchtwaſſer (die Beimiſchung von
Meconium ohne fauligten Geruch kommt nicht ſelten auch
bei geſunden und ausgetragenen Kindern vor, ganz vorzuͤg-
lich aber bei Steislagen; iſt alſo dann nicht fuͤr Zeichen des
Todes zu erklaͤren). c. Nicht mehr pulſirender, ſchlaffer
[128] und erkalteter Nabelſtrang (eines der ſicherſten Zeichen). d.
Gaͤnzlich erſchlaffter Sphincter ani. e. Gaͤnzlicher Mangel
an Bewegung der Glieder (ein ſehr truͤgliches Zeichen),
und (bei erreichbarem Munde) Mangel an Bewegung der
Kiefern bei eingebrachtem Finger. f. Schlaffheit der Haut-
bedeckungen uͤberhaupt, und insbeſondere am vorliegenden, viel-
leicht zuvor angeſchwollenen Kindestheile. g. Froſt, welcher
die Mutter ein oder mehrere male waͤhrend der Entbindung
uͤberfaͤllt. h. Schaͤdlichkeiten oder Krankheiten, welche waͤh-
rend oder vor der Geburt auf die Mutter gewirkt haben,
und das Abſterben des Kindes zur Folge haben koͤnnen, eben
ſo wie ein ſehr langwieriger und ſchmerzhafter, regelwidriger
Geburtsverlauf ſelbſt *).


III. Phyſiologiſche Geſchichte des Wochenbetts
und der Stillungsperiode.

§. 849.

Waͤhrend der Schwangerſchaft hatten wir theils die Ent-
wickelung des Eies, theils mehrere bedeutende Veraͤnderungen
des weiblichen Koͤrpers und namentlich des Uterus bemerken
koͤnnen; nachdem ſich nun durch den Akt der Geburt muͤt-
terlicher, und Kindeskoͤrper getrennt haben, ſehen wir theils
dieſe Veraͤnderungen im muͤtterlichen Koͤrper allmaͤhlig wieder
erloͤſchen, und ihn nach und nach, ſowohl in ſeinem allgemei-
nen Befinden als hinſichtlich der Geſchlechtstheile, in den
Zuſtand, wie er vor der Schwangerſchaft war, zuruͤckkehren;
theils ſehen wir das Kind hier ein neues Leben beginnen,
[129] anfaͤnglich zwar noch von dem muͤtterlichen Koͤrper, obwohl
auf andere Weiſe, als fruͤherhin ernaͤhrt werden, endlich aber
ſich voͤllig von ihm abſondern.


I)Von den Veraͤnderungen, welche der muͤt-
terliche Koͤrper in der Periode des Wo-
chenbetts und der Stillungsperiode erleidet
.

1) Von den Veraͤnderungen, welche die Ge-
ſchlechtsorgane insbeſondere erleiden
.

§. 850.

Zu den im Wochenbett vorzuͤglich ſich umaͤndernden Or-
ganen gehoͤrt die Gebaͤrmutter, die Mutterſcheide, die aͤußern
Genitalien, und ganz beſonders die Bruͤſte. —


1) Die Gebaͤrmutter. In ihr iſt, wie wir ſchon
in der Geſchichte der Geburt erwaͤhnt haben, mit dem Be-
ginn der Wehen, das Beſtreben erwacht, wieder in den Zu-
ſtand, in welchem ſie ſich vor der Geburt befand, zuruͤck-
zukehren, und hierauf zwecken alle Veraͤnderungen ab, welche
ſie in dieſem Zeitraum erleidet.


§. 851.

Erſtens ruͤckſichtlich der Groͤße des Uterus, ſo verrin-
gert ſich dieſe immer mehr, ſo daß in den erſten drei bis
vier Tagen nach der Geburt dieſelbe zwar noch ungefaͤhr
6 Zoll in der Laͤnge und 4 Zoll in der Breite betraͤgt, und der
Gebaͤrmuttergrund noch betraͤchtlich uͤber dem Schambogen zu
fuͤhlen iſt, ſpaͤterhin aber der Umfang immer mehr ſich min-
dert, ſo daß oft ſchon am zehnten Tage der Gebaͤrmutter-
grund nicht mehr deutlich uͤber dem Schambogen zu fuͤhlen
iſt, und nach 5 bis 6 Wochen der Umfang, wie er vor der
Schwangerſchaft war, ſich ziemlich wieder hergeſtellt findet.
Hierbei iſt jedoch zu merken, a) daß bei Perſonen, welche
zum erſten Male niederkommen, die Zuſammenziehung und
Verkleinerung des Uterus gewoͤhnlich raſcher vor ſich geht,
II. Theil. 9
[130] wegen der noch groͤßern Elaſticitaͤt der Gebaͤrmutterwaͤnde;
b) daß der Uterus nach der erſten Geburt doch nie voͤllig
zu der Kleinheit des jungfraͤulichen Uterus zuruͤck kehrt, ſon-
dern immer etwas groͤßer, in ſeinen Waͤnden aufgelockerter
und in ſeiner Vaginalportion etwas kuͤrzer als dieſer, ver-
bleibt.


§. 852.

Die Urſache dieſer Verkleinerung wird aber gegeben,
theils durch wirkliche Zuſammenziehungen (Nachwehen), theils
aber auch durch wahre Zuruͤckbildung des Organs, indem die
fruͤher ſo aufgeregte Bildungsthaͤtigkeit ſich mindert, der ſtarke
Zudrang von Blut aufhoͤrt, die Venenwaͤnde und Venen-
muͤndungen ſich folglich verengern, die Arterien ſich wieder
in ihre fruͤhere Spiralform zuſammen ziehen, und die ganze
Subſtanz alſo gleichſam einſchrumpft.


§. 853.

Zweitens die aͤußere Geſtalt des Uterus betreffend, ſo
wird derſelbe ſchon nach ſeiner Entleerung wieder mehr platt
gedruͤckt, vorzuͤglich aber faͤngt die Vaginalportion nach und
nach wieder eben ſo zu wachſen an, als ſie in der Schwan-
gerſchaft ſich verkuͤrzt hatte. Man findet dieſelbe am zehnten
bis zwoͤlften Tage nach der Entbindung wieder gegen einen
viertel Zoll lang, die Muttermundslippen jedoch noch dick
und wulſtig, gewoͤhnlich mit ſtarken Narben der in der Ge-
burt erlittenen Einriſſe bezeichnet. Nach fuͤnf bis ſechs Wo-
chen iſt die Vaginalportion auf ½ bis ¾ Zoll angewachſen,
und ſo naͤhert ſie ſich noch weiterhin wieder ganz ihrer fruͤ-
hern Laͤnge.


§. 854.

Drittens iſt vorzuͤglich die Veraͤnderung der innern
Flaͤche des Uterus
wichtig. Dieſe Flaͤche naͤmlich zeigt
unmittelbar nach der Geburt theils noch weit geoͤffnete Ve-
nenmuͤndungen, theils noch die hinfaͤllige Haut, und endlich
zuweilen auch noch anklebende Flocken von der Placenta fe-
[131] talis
. Was die offenen Venenmuͤndungen (welche hier das
Einfuͤhren einer ſtarken Sonde ſehr gut geſtatten) betrifft, ſo
ſind ſie die Urſache, daß ſich in den erſten Tagen des Wo-
chenbetres noch helles Blut aus den Geburtstheilen ergießt,
welches (bis zum dritten oder vierten) mit dem Namen der
blutigen Wochenreinigung (Lochia rubra) belegt wird, und
es wuͤrde dieſe Blutergießung noch weit ſtaͤrker ſeyn, wenn
nicht die Zuſammenziehungen der Gebaͤrmutter die Muͤndun-
gen der Venen zugleich mit verengerte.


§. 855.

Ferner ſondern ſich nun die Flocken der hinfaͤlligen Haut,
ſo wie die damit zuſammenhaͤngenden etwa noch vorhandenen
Reſte der Fetalplacenta nach und nach ab, indem ſie als
abgeſtorbene Theile gleich dem Nabelſtrange am neugeborenen
Kinde, von dem Lebendigen abgeſtoßen werden, und mit der
Wochenreinigung theils als Faſern, theils voͤllig aufgeloͤſt, ab-
gehen. Hiermit ſteht es in genauer Verbindung, daß, ſo
wie die Ruͤckkehr der innern Flaͤche des Uterus zum Zu-
ſtande wie er vor der Conception war, fortſchreitet, auch der
blutige Ausfluß aufhoͤrt, und ein ſeroͤſer, dem Waſſer worin
friſches Fleiſch gewaſchen worden iſt, aͤhnlicher (Lochia serosa)
ſich einſtellt, welcher nun vom dritten oder vierten Tage nach
der Entbindung an, bis zum neunten oder eilften fortdauert,
und endlich in einen blos ſchleimigen zuweilen milchaͤhnlichen
Abgang (Lochia alba) uͤbergeht, deſſen Dauer gewoͤhnlich
noch drei bis vier Wochen, in immer abnehmender Quanti-
taͤt, betraͤgt.


§. 856.

Hierbei iſt uͤbrigens zu bemerken, daß der Lochienfluß
gewoͤhnlich bei ſolchen Frauen, welche nicht ſelbſt ſtillen, et-
was ſtaͤrker zu ſeyn, und laͤnger anzuhalten pflegt, woraus
hervor geht, daß die Natur ſich dieſes Weges auch dazu be-
dient, den im weiblichen Koͤrper durch uͤberwiegende allge-
meine Reproduktion bereiteten Ueberſchuß bildender Stoffe,
welcher waͤhrend der Schwangerſchaft gaͤnzlich durch den Uterus
[132] ausgeſchieden, und zur Ernaͤhrung der Frucht verwendet wor-
den iſt, welcher im Wochenbett nun aber von den Bruͤſten
ausgeſchieden werden ſoll, noch einige Zeit hindurch auf die
fruͤhere Weiſe, damit der Uebergang nicht zu ploͤtzlich ge-
ſchehe, abzuſondern. Unterbleibt daher das Stillen ganz,
ſo ſehen wir auch gewoͤhnlich die Menſtruation fuͤnf bis ſechs
Wochen nach der Entbindung wieder eintreten, und koͤnnen
dieſes als Zeichen der beendigten Ruͤckbildung des Uterus an-
ſehen, daher denn nun auch von neuem die Faͤhigkeit zur
Conception Statt findet. — Uebernehmen hingegen die Bruͤſie
voͤllig das Ernaͤhrungsgeſchaͤft, welches fruͤher durch den Ute-
rus geuͤbt wurde, ſo ſoll der Regel nach weder die Men-
ſtruation ſich einſtellen, noch Conception Statt finden ſo
lange das Stillungsgeſchaͤft unterhalten wird, obwohl Aus-
nahmen nicht allzuſelten vorkommen, welche dann der Fort-
dauer der Menſtruation waͤhrend der Schwangerſchaft zu ver-
gleichen ſind.


§. 857.

Viertens. Die Thaͤtigkeit des Uterus im Wochen-
bette betreffend, ſo kann man hier eine dynamiſche und
eine mechaniſche unterſcheiden. Zu der erſtern gehoͤren alle
die erwaͤhnten Erſcheinungen, in welchen das umgeaͤnderte
Bildungsleben des Organs hervor tritt, die Abſtoßung der
hinfaͤlligen Haut, das Einſchrumpfen der Subſtanz u. ſ. w.
Als eine Aeußerung mechaniſcher Thaͤtigkeit hingegen muͤſſen
die noch in das Wochenbett ſich fortſetzenden wahren Musku-
larcontraktionen (Nachwehen, Dolores post partum)
betrachtet werden. Man beobachtet dieſelben nicht in allen
Faͤllen gleich ſtark, insgemein erſcheinen ſie um ſo heftiger
und dauern um ſo laͤnger (oft mehrere Tage ja bis zu ſechs
oder ſogar in ſeltnen Faͤllen neun Tagen) 1) je mehrere Ge-
burten vorhergegangen ſind (bei Erſtgebaͤrenden iſt die Elaſti-
citaͤt des ganzen Organs ſtaͤrker, und daher erklaͤrlich, warum
oft gleich nach der Geburt der Uterus ſich ſo weit verklei-
nert, als er dieſes durch muskuloͤſe Zuſammenzie-
hung
kann, bei Mehrgebaͤrenden hingegen fordert die groͤ-
ßere Schlaffheit der Subſtanz ſtaͤrkere und wiederholte wahre
[133] Zuſammenziehung); 2) je ſchneller der Geburtsverlauf gewe-
ſen iſt (Boër*) macht ſchon darauf aufmerkſam, daß dem
Uterus ein gewiſſes Maaß von Kraft einwohne, welches ſtu-
fenweiſe den Gipfel ſeiner Thaͤtigkeitsaͤußerung erreiche, und
ſtufenweiſe wieder nachlaſſe; findet nun das Geburtsgeſchaͤft
allzuwenig Widerſtand, ſo wird dieſe Kraft nicht erſchoͤpft,
und muß ſich noch im Wochenbette aͤußern); 3) je reizbarer
der Koͤrper der Woͤchnerin uͤberhaupt iſt (theils naͤmlich muͤſ-
ſen bei groͤßerer Reizbarkeit dieſe Wehen laͤnger unterhalten,
theils aber auch ſtaͤrker empfunden werden, in welcher
Hinſicht es alſo beinahe derſelbe Fall, wie mit den vorher-
ſagenden Wehen iſt, welche auch ſehr kraͤflige Naturen bei-
nahe gar nicht, ſchwaͤchliche und empfindliche Koͤrper hinge-
gen lange und im hohen Grade wahrnehmen).


§. 858.

Endlich haben wir noch auf die Umaͤnderungen in der
Lage der Gebaͤrmutter
im Wochenbett Ruͤckſicht zu neh-
men. — In den erſten Tagen nach der Geburt aber, liegt
der Uterus noch immer etwas hoͤher als gewoͤhnlich, da ſein
bedentender Umfang das Herabſteigen in die Hoͤhle des klei-
nen Beckens verhindert. Er ragt daher noch beinahe zur
Haͤlfte uͤber den Schambogen hervor, und iſt gewoͤhnlich
(wohl durch die Art der Spannung, welche die runden Ge-
baͤrmutterbaͤnder angenommen haben) noch in derſelben Rich-
tung, in welcher er in der letzten Zeit der Schwangerſchaft
verweilte, ſo daß man ihn daher auch bei der Woͤchnerin
meiſtens noch etwas nach rechts geneigt findet. Spaͤterhin ſinkt
der Uterus tiefer in das Becken herab und zwar gewoͤhnlich,
wegen der noch groͤßern Ausdehnung der breiten Gebaͤrmutterbaͤn-
der, und dem groͤßern Gewicht etwas tiefer als er vor der Con-
ception gelegen hatte. Es wird hierdurch nicht ſelten bei
fehlerhaftem Verhalten der Woͤchnerin, die Veranlaſſung zu
bleibenden Senkungen des Uterus gegeben. — Uebrigens fin-
det man auch an dem bereits mehr ins Becken herabgeſun-
[134] kenen Uterus der Woͤchnerin, den Grund gewoͤhnlich mehr vor-
waͤrts, den Muttermund mehr nach ruͤckwaͤrts gerichtet.


§. 859.

2) Die Mutterſcheide und die aͤußern Scham-
theile
ſind in den erſten Tagen des Wochenbetts noch ſehr
erſchlafft, die Querfalten der Vagina ſind faſt unmerklich ge-
worden, und der Turgor aller dieſer Theile, wie er bei
Schwangern bemerkt wurde, iſt in der ganzen Poriode des
Wochenbetts faſt verſchwunden, ſie ſcheinen gleichſam abge-
welkt. Erſt in der dritten oder vierten Woche nach der Entbin-
dung findet man den Scheidenkanal wieder etwas mehr zu-
ſammen gezogen.


§. 860.

3) Die Bruͤſte ſind nun die Organe deren Funktion
jetzt vorzuͤglich von Wichtigkeit iſt. Gegen ſie richtet ſich
nun der ſtaͤrkere Zudrang der Saͤfte, welche fruͤher im Uterus
ausgeſondert worden waren, die Milchgefaͤße, die oft ſchon
in der Schwangerſchaft etwas mehr angeſchwollen waren,
turgeſciren jetzt noch ſtaͤrker, und ſondern nun zuerſt eine duͤnne
waͤßrige Milch aus (man nennt ſie Colostrum oder Co-
lostra
) welche gleichſam den Uebergang darzuſtellen ſcheint
zwiſchen dem Schafwaſſer (welches im Uterus in den Darm-
kanal des Kindes eindrang) und der ſpaͤtern, fettigern und
nahrhaftern Milch *). Dieſe fettigere und nahrhaftere Milch
tritt gewoͤhnlich um den zweiten oder dritten Tag (alſo nach-
dem der Uterus aufgehoͤrt hat helles Blut auszuſcheiden) ein,
und dieſes ſtaͤrkere Anfuͤllen der Milchgefaͤße iſt haͤufig mit
einem gelinden Gefuͤhl von Froſt oder Schauer **) verbunden,
[135] welcher zugleich dem reichlicher eintretenden Schweiß voranzu-
gehen pflegt, und durchaus mit keinen ſonſtigen Stoͤrungen
des Wohlbefindens verbunden ſeyn ſoll. Es verdient folglich
dieſer Schauer auch den Namen des Milchfiebers keines-
weges, unter welchem Begriffe man vielmehr die ſtaͤrkern,
theils mit gaſtriſchen oder entzuͤndlichen Zuſtaͤnden zuſammen-
haͤngenden Fieberaufaͤlle zu umfaſſen pflegt, welche als wahre
pathologiſche Zuſtaͤnde dem voͤllig normalen Verlaufe des
Wochenbettes durchaus fremd find.


§. 861.

Eine gute, dem Kinde wohlthaͤtige Milch (welche uͤbrigens im-
mer nur das Produkt eines voͤllig geſunden muͤtterlichen Koͤrpers
ſeyn kann), hat aber folgende Kennzeichen: — 1) Sie iſt
von reiner, weißer, ein wenig ins blaͤuliche fallender Farbe,
und nur wenn die Bruſt laͤngere Zeit gefuͤllt geweſen iſt,
geht die tiefer in den Milchgaͤngen zuruͤck gebliebene, zuletzt
entleerte Milch, etwas ins gelbliche uͤber *). 2) Sie zeigt
in ihrer Conſiſtenz ſich etwas dicklicher als Waſſer, ſo daß
ein Tropfen auf den Daumennagel gebracht, nicht wie die-
ſes ſchnell ablaͤuft, jedoch auch nicht zaͤhe ſich anhaͤngt. 3)
In reines, kaltes Waſſer getroͤpfelt bemerkt man, daß ſie
ſich nicht gleichmaͤßig darin aufloͤſt, ſondern Faͤden zieht, wo-
bei ein Theil (die fettigen Beſtandtheile) mehr nach der
Oberflaͤche, ein anderer Theil (die kaͤſigen Stoffe) mehr
gegen den Boden des Glaſes ſich hinbewegen. 4) Sie hat
keinen Geruch und einen angenehmen ſehr ſuͤßen Geſchmack.



[136]
§. 862.

Das ſpeciſiſche Gewicht der [Frauenmilch]*) betraͤgt nach
H. Schuͤbler, wenn das ſpecifiſche Gewicht des Waſſers
= 1000 geſetzt wird, 1020,4, wobei bemerkenswerth iſt,
daß die Milcharten von ſaͤmmtlichen Hansthieren ſpecifiſch
ſchwerer, und folglich auch reicher an den dem Waſſer in
der Milch beigemiſchten eigentlich naͤhrenden Stoffen ſind als
Frauenmilch, und zwar in folgenden Verhaͤltniſſen, welche
ich hier beifuͤge, da ſie beruͤckſichtigt zu werden verdienen, wo
zur Nahrung des Kindes Thiermilch der Menſchenmilch als
Erſatz dienen muß: —


  • Frauenmilch iſt ſpecifiſch ſchwer 1020,4
  • Kuhmilch 〃 〃 〃 1032,7
  • Ziegenmilch 〃 〃 〃 1034,1
  • Stutenmilch 〃 〃 〃 1034,6
  • Eſelsmilch 〃 〃 〃 1035,3
  • Schafmilch 〃 〃 〃 1040,9

§. 863.

Die chemiſchen Miſchungsverhaͤltniſſe der Milch hier durch-
zugehen, iſt nicht der Ort, allein von den naͤhern Beſtand-
theilen erinnere ich noch, daß kaͤſige Beſtandtheile, Butter,
Milchzucker und Waſſer zwar auch in der Menſchenmilch
ſich vorfinden, allein ruͤckſichtlich der kaͤſigen Theile von H.
Schuͤbler bemerkt worden ſey, daß dieſe in ihr nicht als
eigentlicher Kaͤſe, ſondern als der von ihm ſogenannte Zie-
ger
(von welchem ſich in 1000 Theilen friſcher Kuhmilch
nur 50 Theile finden, da ſie doch 110 Theile Kaͤſe ent-
haͤlt) vorhanden ſind, worin der Menſchenmilch nur die Stu-
ten- und Eſelsmilch gleich kommt, als welche ebenfalls an
ſtatt des Kaͤſes bloßen Zieger enthalten.


[137]

Anmerkung. Als Milchmeſſer (Galactometer), um
ungefaͤhr das Verhaͤltniß dieſer naͤhern Beſtandtheile zu be-
urtheilen, kann man ſich eines mit einer Scale verſehenen
Glascylinders bedienen, in welchen man die Milch gießt und
nun beobachtet, wie dick die Ramſchicht ſey, welche auf ihrer
Oberflaͤche ſich abſetzt; dann aber durch Zuſatz von Eſſig-
ſaͤure, oder einer aͤhnlichen Subſtanz, den Kaͤſe oder Zieger
in der Waͤrme gerinnen macht, und auch deſſen Menge be-
ruͤckſichtigt.


§. 864.

Die Bruͤſte ſind nun uͤbrigens die Organe, welche in
der mittelbar, doch ebenfalls durch die Empfaͤngniß ange-
regten Umſtimmung ihrer Funktion am laͤngſten verharren
koͤnnen, ja bei welchen die Fortdauer dieſer Funktion ſelbſt
zum Theil *) willkuͤhrlich iſt. Fragt man nach der eigentlich
naturgemaͤßen Dauer des an das Wochenbett ſich anſchlie-
ßenden Stillungsgeſchaͤfts, ſo kann man wohl der Meinung
von Krauſe**) am fuͤglichſten beiſtimmen, welcher feſtſetzt,
daß es fuͤr Mutter und Kind am naturgemaͤßeſten ſey, wenn
die Stillung gleichſam die Dauer der Schwangerſchaft wieder-
hole, und alſo ebenfalls zehn Mondesmonate oder drei viertel
Jahre fort geſetzt werde. Nimmt man naͤmlich die Geburt fuͤr
die Mutter als den Wendepunkt der durch die Schwanger-
ſchaft veranlaßten koͤrperlichen Entwickelung, ſo haben wir
hier im Wochenbett und in der Stillungsperiode eine gleich
lange Periode fuͤr die Ruͤckbildung, und was das Kind be-
trifft, ſo zeigt auch dieſes durch den um dieſe Zeit begin-
nenden Zahndurchbruch, daß es von nun an, von der Natur
auf andere Koſt gewieſen werde.


[138]
2) Von den Veraͤnderungen, welche das
Allgemeinbefinden der Woͤchnerin zeigt
.

§. 865.

Die erſte Erſcheinung, welche das Geſammtbefinden des
weiblichen Koͤrpers nach der Entbindung darbietet, iſt die Er-
ſchoͤpfung, welche in Folge der anſtrengenden Geburtsarbeit
und der erduldeten Schmerzen bemerkt wird, und gewoͤhnlich
in kurzem das Beduͤrfniß des Schlafs herbei fuͤhrt. Dieſe
Ruhe aber, auf welche hierdurch der weibliche Koͤrper ver-
wieſen iſt, erſcheint zugleich als die wichtigſte Bedingung,
die Ruͤckkehr des Uterus in den fruͤhern Zuſtand moͤglich zu
machen. — Weitere Veraͤnderungen im Allgemeinbefinden
werden herbeigefuͤhrt durch die veraͤnderte Richtung der Saͤfte
im Koͤrper, indem der Uterus aufhoͤrt das Centrum zu ſeyn,
gegen welches der ganze Ueberſchuß bildender Stoffe hin-
ſtroͤmt, und dieſer nun auf andere Organe vertheilt wer-
den muß.


§. 866.

Betrachtet man aber die große Blutmaſſe, welche in
den venoͤſen Zellen des Uterus verweilte, und welche nun bei
der in und nach der Geburt erfolgten Zuſammenziehung die-
ſes Organs, groͤßtentheils aus dieſen Venengeflechten wieder
in den großen Kreislauf zuruͤck gedraͤngt werden muß, da doch
nur ein kleiner Theil deſſelben bei einem voͤllig natuͤrlichen
Geburtsverlauf in der fuͤnften Periode ausfließt, ſo begreift
man, daß hier leicht ein Zuſtand von Plethora und dadurch
Andrang des Blutes gegen andere Organe entſtehen koͤnne,
dafern nicht fuͤr Herſtellung des Gleichgewichts von der Na-
tur bald geſorgt wuͤrde. Es geſchieht dieſes nun vorzuͤglich
durch den Eintritt groͤßerer Thaͤtigkeit in drei Organen, in den
Lungen, in der Haut und in den Bruͤſten.


§. 867.

Die Lungen naͤmlich, welche in der Schwangerſchaft
durch das aufwaͤrts getriebene Diaphragma beengt, und
[139] uͤberhaupt bei der erhoͤhten Bildungsthaͤtigkeit in ihrer Funk-
tion herabgeſetzt ſich zeigten, dehnen ſich jetzt wieder freier
aus, und nehmen ſomit auch mehr Blut auf. Es iſt hier-
aus allein erklaͤrlich, warum Eiterungen dieſer Organe, wenn
ſie in der Schwangerſchaft einen Stillſtand gemacht hatten,
jetzt mit ſolcher Heftigkeit fortſchreiten, daß gewoͤhnlich in
Kurzem der Tod die Folge davon iſt; zweitens warum an-
dere krankhafte Zuſtaͤnde der Lungen (als Verwachſungen,
Knoten, Waſſeranſammlungen) indem ſie dieſe groͤßere Thaͤ-
tigkeit verhindern, ſo hoͤchſt gefaͤhrlich werden, und ſo leicht
das Puerperalfieber zur Folge haben (worauf wir ſpaͤterhin
zuruͤckkommen werden).


Anmerkung. Auch der Froſt, welcher oft unmittel-
bar nach der Entbindung, ſonſt voͤllig geſunde Perſonen be-
faͤllt, kann wohl nur von dieſer Umaͤnderung in der Rich-
tung der Gefaͤßthaͤtigkeit, und momentaner Ueberfuͤllung
der innern großen Gefaͤße beruhen. Daß er wenigſtens nicht
von Erkaͤltungen immer abhaͤnge iſt gewiß, und eben ſo ent-
ſieht ja, ohne ſehr bemerkliches Sinken der Temperatur, auf
der Haut durch ungleiche Blutvertheilung und Anhaͤufung im
Innern z. B. daß Froſtgefuͤhl beim Wechſelfieber.


§. 868.

Die Haut ferner, welche als allgemeines Reſpirations-
und Perſpirationsorgan leicht den Veraͤnderungen der Lungen
beitritt, wird, namentlich in Folge des Saͤfteandrangs gegen
die an der Oberflaͤche des Koͤrpers gelegenen Bruͤſte, und des
dadurch ſich oft uͤber die ganze Hautflaͤche verbreitenden Ner-
venreitzes (Milchſchauers) zu erhoͤhterer Temperatur und ſtaͤr-
kerer Abſonderung aufgeregt. Es erfolgen daher die Wo-
chenſchweiße
, welche auch, um eine bei der anfaͤnglich ge-
ringern Conſumption der Milch leicht moͤgliche Ueberfuͤllung
der Bruͤſte zu verhuͤten, fuͤr ſo wohlthaͤtig gehalten werden
muͤſſen, und nach denen ſich auch die Woͤchnerin keines-
weges ermattet, ſondern vielmehr erquickt zu fuͤhlen pflegt.
— Von den Veraͤnderungen der Bruͤſte iſt ſchon oben die
Rede geweſen.


[140]
§. 869.

Endlich verſchwinden aber auch waͤhrend des Wochenbet-
tes die beſondern Umſtimmungen einzelner Organe, welche
waͤhrend der Schwangerſchaft ſich gebildet hatten. Die An-
ſchwellung der Gliedmaaßen, der Hautvenen u. ſ. w., die
Veraͤnderungen der Hautfarbe, die Verſtimmungen des Darm-
kanals, die ungewoͤhnlichen Erſcheinungen bei der Ausleerung
des Urins u. ſ. w. verlieren ſich, und auch in dieſer Hin-
ſicht kehrt der Koͤrper zu ſeinen fruͤhern Verhaͤltniſſen zuruͤck.
Beſondere Bemerkung verdient indeß noch der Zuſtand der
Verdauungswerkzeuge, welche hier namentlich durch den ge-
ringern Grad ihrer Thaͤtigkeit den uͤbrigen allgemeinen wich-
tigen Veraͤn erungen vollkommen entſprechen. Erſtens die
Aufnahme von Nahrungsmitteln betreffend, ſo fuͤhlt der Koͤr-
per in dieſer Hinſicht in den erſten Tagen des Wochenbettes
weit weniger Beduͤrfniß, wovon die innern bedentenden Ver-
aͤnderungen ohne Zweifel die Urſache ſind, indem bei jeder
betraͤchtlichen innern Revolution oder Entwickelungsperiode (ſ.
I. Thl. §. 255.) der Koͤrper weniger aͤußere Stoffe auf-
nimmt.


§. 870.

Zweitens aber die Darmausleerungen betreffend, ſo pfle-
gen auch dieſe, nachdem ſie noch kurz vor der Entbindung
erfolgt ſeyn muͤſſen, nach der Entbindung gewoͤhnlich bis zum
dritten oder vierten Tage auszuſetzen, wovon die Urſache ge-
geben wird: theils durch die geringere Nahrungsaufnahme,
theils und vorzuͤglich aber durch die groͤßere Ausdehnung,
welche in den vorher betraͤchtlich von der ſchwangern Ge-
baͤrmutter zuſammengedruͤckten Windungen des Darmkanals
Statt findet, und endlich durch die Theilnahme des Darm-
kanals an dem Zuſtande von Ruhe, welcher in der ihm phy-
ſiologiſch und anatomiſch ſo nahe liegenden Gebaͤrmutter ein-
getreten iſt. — Wie vortheilhaft uͤbrigens es fuͤr den Uterns
ſelbſt ſeyn muͤſſe, daß in den zwei bis drei erſten Tagen des
Wochenbettes (wo noch helles Blut abfließt, und er zu ſei-
ner Zuſammenziehung, und Abſtoßung der hinfaͤlligen Haut,
der Ruhe vorzuͤglich bedarf, durch aufrechte Stellung hinge-
[141] gen, am meiſten aber durch Preſſen, ſo leicht Blutfluͤſſe und
Vorfall veranlaßt werden) dieſe Ausleerungen unterbleiben, liegt
am Tage, und muß bei der Behandlung der Woͤchnerin vor-
zuͤglich beruͤckſichtigt werden.


§. 871.

Was das Gefuͤhl der Erſchoͤpfung betrifft, ſo pflegt ſich
dieſes, nach einer voͤllig naturgemaͤßen Entbindung bald zu
mindern, und, obwohl es ſicher auch durch das Gefuͤhl der
innern Umaͤnderungen in der Richtung der Gefaͤßthaͤtigkeit
unterhalten wird, gegen den fuͤnften oder achten Tag, wo
auch der Uterus mehr in ſeinen fruͤhern Zuſtand zuruͤck ge-
kehrt iſt, inſoweit ſich zu verlieren, daß die Woͤchnerin der
horizontalen Lage am Tage nicht mehr anhaltend beduͤrftig
iſt. Spaͤterhin bezeichnet ſich die voͤllige Ruͤckkehr des Ute-
rus zum Zuſtande vor der Empfaͤngniß, durch das in der
fuͤnften oder ſechsten Woche bemerkbare gaͤnzliche Verſchwin-
den der Wochenreinigung; und es wird ſo zugleich die Pe-
riode angedeutet, wo die Kraͤfte, die Eßluſt, kurz die allge-
meine Geſundheit der Mutter, wieder hervorgeſtellt ſind, von
wo ſie aufhoͤrt, Woͤchnerin zu ſeyn, und als ſtillende
Mutter
ſich mit Ausnahme dieſer erhoͤhten Funktion der
Bruͤſte ſelbſt, ſo wie der noch nicht eintretenden Menſtrua-
tion, ganz ſo wie vor der Conception [befindet].


Zeichenlehre fuͤr den Zuſtand der Woͤchnerin.

§. 872.

Fuͤr den Arzt und Geburtshelfer uͤberhaupt, namentlich
aber in gerichtlichen Faͤllen (z. B. bei verheimlichten
Geburten, Verdacht von Kindermord u. ſ. w.) iſt oft die ge-
naue Ausmittelung des Zuſtandes einer Woͤchnerin nicht min-
der wichtig als es die Ausmittelung der Schwangerſchaft war;
demungeachtet haben wir auch nur wenige Kennzeichen, welche
in ihrem Zuſammentreffen voͤllige Gewißheit gewaͤhren; und
uͤberhaupt ſind es nur die erſten acht bis vierzehn Tage des
[142] Wochenbetts, wo daruͤber, daß vor Kurzem eine Geburt
Statt gehabt habe, mit hinlaͤnglicher Beſtimmtheit entſchie-
den werden kann. Auch ſpaͤterhin naͤmlich laſſen ſich wohl
Zeichen auffinden, aus denen zu erkennen iſt, daß uͤberhaupt
eine Geburt Statt gehabt habe (ſobald es naͤmlich die Ge-
burt eines ausgetragenen Kindes war, denn ein Abor-
tus hinterlaͤßt oft ſehr wenige oder gar keine
kenntlichen Zeichen
), aber nicht vor wie langer Zeit ſie
erfolgt ſey. — Beſonders aber koͤnnen mehrere Krankheiten
den Zuſtand der Geſchlechtstheile ſo weit veraͤndern, daß ſie
denen einer Woͤchnerin aͤußerſt aͤhnlich werden; dahin ge-
hoͤren langwierige Leukorrhoͤe, Polypen, ſyphilitiſche Zu-
ſtaͤnde, ſelbſt Carcinoma u. ſ. w. —


Wir theilen uͤbrigens die hierher gehoͤrigen Zeichen in
die, welche durch aͤußere, und die, welche durch innere Un-
terſuchung erhalten werden.


§. 873.

Aeußere Zeichen. 1) Bruͤſte, welche aufgetriebene
Milchadern oder Milchknoten zeigen, beim Drucke Milch durch
die Warzen entleeren, oder auch, nach etwa bereits ver-
ſchwundener Milch ſich ſehr ſchlaff anfuͤhlen. 2) Der Un-
terleib iſt durch Querfalten, oft auch durch braune Flecken,
kleine Narben hezeichnet, iſt ſchlaff, und laͤßt beim Tieferein-
greifen den Fundus uteri hinter dem Schambogen wahrneh-
men. 3) Die aͤußern Schamtheile ſind in den erſten Tagen
der Geburt zuweilen noch aufgeſchwollen, ſpaͤterhin findet
man ſie erſchlafft, die Schamlippen ſind einwaͤrts mehr braun
gefaͤrbt, und mit annoch roth gefaͤrbtem oder weißlichtem
Schleim uͤberzogen, das Frenulum vulvae nebſt dem obern
Theile des Dammes ſind ſehr ausgedehnt oder zeigen ſogar
Einriſſe.


§. 874.

Innere Zeichen. 1) Die Mutterſcheide iſt ſchlaff,
fuͤhlt ſich (ſobald die Perſon nur nicht etwa anhaltend im
Bette gelegen hat) auffallend kuͤhler an, als z. B. bei
Schwangern, ihre Querfalten ſind faſt ſaͤmmtlich verſtrichen,
[143] oft hie und da ein Prolapsus vaginae wahrnehmbar, und
dabei zeigt ſie ſich mit haͤufigem Schleim, welcher Faͤrbung
und ſpecifiſchen Geruch der Wochenreinigung traͤgt, uͤber-
zogen. 2) Die Vaginalportion iſt in ihrem Umfange noch
bedeutend vergroͤßert, ſchlaff und wulſtig anzufuͤhlen, und im
Anfange des Wochenbetts noch ſehr verkuͤrzt. Die Mutter-
mundsraͤnder ſind ungleich, mit mehrern Einriſſen verſehen.
Der Muttermund bildet wieder eine Querſpalte, iſt anfaͤng-
lich noch ſtark geoͤffnet, ergießt die Lochien und iſt auch haͤufig
noch gegen Beruͤhrung empfindlich. —


Je weiter indeß die Tage des Wochenbettes von dem
Termin der Geburt ſich entfernen, deſto mehr verſchwinden
dieſe Zeichen, und gehen endlich in die oben (Thl. I. §. 53.)
erwaͤhnten Zeichen der vorausgegangenen Geburt uͤberhaupt
uͤber.


II.Von den Veraͤnderungen, welche der Koͤr-
per des neugebornen Kindes im Vergleich
zu ſeinem Zuſtande vor der Geburt erfaͤhrt
.

§. 875.

Die wichtigſte Umaͤnderung, welche das Kind bei der
Geburt erleidet, iſt, daß es aus der unmittelbaren Verbin-
dung, ſo wie aus der Umſchließung des muͤtterlichen Koͤrpers
heraustritt, und dadurch, indem es aufhoͤrt gleichſam ein
Theil des Mutterkoͤrpers zu ſeyn, einen hoͤhern Grad von
Selbſtſtaͤndigkeit, von Selbſtbeſtimmung erhaͤlt, wodurch zu-
gleich die animale Seite ſeines Lebens mehr hervor gehoben
wird. — Von dieſem Geſichtspunkte aus werden ſich die
einzelnen Modificationen, welche die Lebensverrichtungen des
Kindes, durch die Geburt veranlaßt, erleiden, hinlaͤnglich er-
klaͤren laſſen.


§. 876.

I.Vegtatives oder reproduktives Leben. 1)
Stoffaufnahme, Ernaͤhrung. Vor der Geburt wurde
die Nahrung pflanzenartig an der Oberflaͤche der Eihaͤute
[144] durch Saugfaſern aufgenommen, und theils durch den Na-
belſtrang, theils durch das Fruchtwaſſer in den Fetuskoͤrper
gebracht, nach der Geburt hoͤrt dieſe Einſaugung auf, denn
das Kind iſt aus ſeiner Eihaut hervorgetreten, und der
Kreislauf durch die Placenta iſt erloſchen. Der Darmkanal
wird nun das wahre Organ der Ernaͤhrung, ſeine periſtalti-
ſche Thaͤtigkeit erwacht, und aͤußert ſich am Mundende durch
das Saugen, d. i. die Nahrungsaufnahme, welche den
niedrigern Thieren eigen iſt, und der Stoffaufnahme der
Pflanzen nach am naͤchſten kommt. Die Stoffe, welche der
Darmkanal aufnimmt, ſollen zwar, wie die Saͤfte, welche
dem Kinde im Uterus zur Nahrung dienten, ebenfalls noch
vom muͤtterlichen Koͤrper bereitet ſeyn (als Milch), jedoch iſt
das Kind faͤhig, fremde Stoffe zu aſſimiliren, und die ei-
gentliche Verdauung tritt ein
, unterſtuͤtzt von den
durch die periſtaltiſche Bewegung aufgeregten ſich in den
Darmkanal ergießenden Sekretionen. — Hiermit ſteht es
in genauer Verbindung, daß nun auch die Ausleerungen des
Darmkanals beginnen, das Meconium fortgeſchafft wird,
und ſpaͤterhin die Contenta des Darmkanals (obwohl ſie bei
der blos fluͤſſigen Nahrung, welche die Natur fuͤr das Kind
beſtimmte, weicher ſeyn muͤſſen) wehr denen des Erwachſenen
zu gleichen anfangen. — Der Magen ſelbſt entwickelt ſich
mehr, und nach und nach wird auch der Unterſchied zwiſchen
duͤnnen und dicken Daͤrmen immer beſtimmter ausgebildet.


§. 877.

2) Saͤftevertheilung, Gefaͤßthaͤtigkeit. Hierin
aͤußert ſich nun, durch die Trennung der Placenta bedingt,
eine vorzuͤglich wichtige Umaͤnderung. Das Kind naͤmlich,
eingetreten in die freie Atmosphaͤre, wird auch ſogleich von
ihr nothwendig durchdrungen, nimmt die Luft ſelbſt (weil es
nun als ein Glied des Erdorganismus und von demſelben
durchdrungen exiſtiren kann) in ſich auf; das venoͤſe Blut
des Kindes, durch chemiſche Verwandtſchaft ſchon gegen das
eindringende Oxygen hingezogen, ſtroͤmt nun in die Lungen
ein, und der Andrang gegen die Nabelgefaͤße laͤßt nach, ja
hoͤrt endlich ganz auf. Hiermit wird nun, da Sanguification
[145] und Reſpiration immer gleichen Schritt halten, die Blut-
maſſe ſelbſt umgeaͤndert, der Unterſchied zwiſchen Arterien
und Venenblut wird auch durch die Farbe beſtimmter bezeich-
net und Cruor wie Faſerſtoff bilden ſich (obwohl auch im
ganzen Saͤuglingsalter das Blut noch duͤnner und weniger
gerinnbar, als in Erwachſenen bleibt,) nach und nach mehr
aus.


§. 878.

Hiermit verwandelt ſich auch die Bildung der Organe
des Kreislaufs, die Nabelarterien und die Nabelvenen ver-
wachſen, und werden zu ligamentoͤſen Straͤngen, indem an
der Inſertionsſtelle des Nabelſtrangs (welcher alsbald nach
aufgehobener Placentencirculation eintrocknet) durch eine Art
von Entzuͤndungszuſtand, der abgeſtorbene Reſt des Nabel-
ſtranges, als Todtes vom Lebendigen, gewoͤhnlich in Zeit
von 4 bis 6 Tagen, abgeſondert wird. — Im Mittel-
punkte des Kreislaufs aber ſchließt ſich nach und nach die
Communication der beiden Vorkammern, gewoͤhnlich innerhalb
des erſten Lebensjahres, und noch zeitiger der Ductus arterio-
sus Botalli;
wodurch nun das ganze Aortenſyſtem gleich-
maͤßig
mit arteriellem Blute verſehen wird, und daher von
nun an auch der Kopf nicht mehr ſo uͤbermaͤßig fortwaͤchſt;
ſondern auch die untere Koͤrperhaͤlfte nun ſtaͤrker entwickelt
wird. — Das Herz ſelbſt, welches fruͤher mehr in der Mitte
der Bruſt liegt, wird mehr gegen die linke Seite gedraͤngt,
durch die groͤßere rechte Lunge.


§. 879.

Immer iſt uͤbrigens der Koͤrper des Saͤuglings, da
auch in ihm die produktive Seite vorherrſcht, außeror-
dentlich gefaͤßreich, ſo daß eine feine Injektion faſt den gan-
zen Koͤrper roͤthet; allein je aͤlter das Kind wird, um ſo
mehr nimmt dieß doch ab. — Was das Saugaderſyſtem
betrifft, ſo iſt auch dieſes noch im Saͤugling aͤußerſt ent-
wickelt, wie die ſtarke Faͤhigkeit zur Hauteinſaugung beweiſt,
allein auch dieſes vermindert ſich ſtufenweiſe. Die Druͤſen
werden verhaͤltnißmaͤßig kleiner, und nur die Chylusgefaͤße
II. Theil. 10
[146] und Gekroͤsdruͤſen, wie die Einſaugung durch den Darmkanal
im Allgemeinen bilden ſich mehr aus.


§. 880.

3) Athmung und Ausſcheidung. Von der
Veraͤnderung der Athmungsweiſe durch die Geburt, iſt ſchon
§. 877 geſprochen. Der Saͤugling athmet nun erſt vermit-
telſt der Bruſt, wenn die Athmung des Fetus noch eine
Bauchreſpiration (poſitiv durch Nabelgefaͤße negativ
durch die Leber [§. 738]) war; die Lungen entwickeln
ſich, obwohl anfaͤnglich noch durch die Thymusdruͤſe beſchraͤnkt,
und bilden ſich endlich, wann dieſe Druͤſe noch mehr als
die aͤußern Lymphdruͤſen ſchwindet, vollkommen aus, werden
daher auch verhaͤltnißmaͤßig zum Koͤrper groͤßer und ſchwerer.


§. 881.

Allein nicht blos durch die Lungen wirkt die Luft auf
das Kind, ſondern allgemeiner noch durch die geſammte
Hautflaͤche. Dieſe wird ploͤtzlich von dem Drucke des Frucht-
waſſers befreit, ſie tritt aus einem fluͤſſigen in ein trockenes
Medium, und die Einwirkung der Luft aͤußert ſich an dem
neugeborenen Kinde durch eine lebhafte Roͤthung der ganzen
Oberflaͤche der Haut, ſo wie in den ſpaͤtern Tagen (gewoͤhn-
lich um den 3ten bis 6ten) eine Abſchaͤlung der ganzen
Oberhaut. Dieſer wahre Haͤutungsprozeß, welchen ich
an allen geſunden Kindern beobachtet habe, iſt bisher ganz
uͤberſehen worden, und demohnerachtet als der erſte der
weiterhin nach Kieſer als exanthematiſche Krankheiten erſchei-
nenden Haͤutungsproceſſe (Maſern, Scharlach, Blattern) zu
betrachten, und fuͤr die Lehre von den Krankheiten der Neu-
geborenen ſehr wichtig.


§. 882.

Die Haut kann und muß nun im Saͤugling ebenfalls
als wahrhaft ausſcheidendes Organ wirken, und eben ſo tre-
ten nun die uͤbrigen Excretionen hervor. Beym Saugen er-
gießt ſich Speichel, die Galle wird dicker und harziger, die
[147] Nieren ſcheiden regelmaͤßig Urin aus, und dieſer ſelbſt iſt
von anderer Beſchaffenheit, indem nach und nach Phosphor-
ſaͤure darin bemerklich wird. — Das Geſchlechtsſyſtem bleibt
auch im Saͤugling noch im Zuſtande der Unthaͤtigkeit.


Im Allgemeinen bemerken wir alſo, daß ſelbſt im ve-
getativen Leben, die der individuellen Reproduktion entgegen-
geſetzte Seite (der Athmung und Ausſcheidung) mehr hervor-
tritt, und erklaͤren dadurch, weßhalb das Wachsthum des
Koͤrpers, obwohl es gegen die ſpaͤtern Perioden immer noch
raſch genug von Statten geht, doch gegen das Wachsthunt
im Fetus ſich ſchon betraͤchtlich gemindert hat.


§. 883.

II.Animales Leben. Auch dieſe Seite (welche
ebenfalls der individuellen Reproduktion entgegengeſetzt iſt,
und das abnehmende Wachsthum durch ihr Erwachen mit
erklaͤrt) beginnt jetzt ihr Vermoͤgen zu entwickeln. Was die
Sinnesorgane betrifft, ſo ſehen wir das Auge ſich oͤffnen,
der Eindruck des Lichts wirkt auf das Kind ſchon in den
erſten Lebenstagen maͤchtig und reizend ein, obwohl man
noch nicht ſagen kann, es ſehe, welches erſt nach und
nach gelernt werden muß. Die Pauckenhoͤhle, welche an-
faͤnglich mit Schleim gefuͤllt iſt *), entleert ſich nach und
nach durch die Tuba Eustachii, und das Kind lernt nach
und nach einen Schall wahrnehmen. Eben ſo wird die Haut
nach aufgehobenem Drucke des Schafwaſſers zu Gefuͤhlswahr-
nehmungen faͤhig; der Geruch entſteht mit der Reſpiration,
denn auch der Erwachſene riecht bekanntlich nur, indem er
Luft einzieht, d. i. die Luft die Naſenhoͤhle durchſtroͤmen laͤßt,
und mit ihm bildet ſich wohl nach und nach auch einige Ge-
ſchmacksempfindung aus.


§. 884.

Hirn und Nerven ſind immer noch weich; bemer-
kenswerth aber iſt es, daß nun auch die in Heben und
[148] Sinken beſtehende Bewegung der Hirnmaſſe, welche durch
Anſchwellen der Hirnvenen beim Athmen bewirkt wird, zu-
gleich mit der Reſpiration beginnt. Die Seelenthaͤtig-
keit
faͤngt an nach und nach in dunkeln Regungen des Ge-
muͤths und Willens ſich kund zu geben, und uͤberhaupt tritt
jetzt zuerſt nach langem und tiefem Schlafe das Erwachen
ein, obwohl ſo, daß immer von Zeit zu Zeit (und zwar im
Saͤuglingsalter noch bey weitem im groͤßten Theil der Zeit)
das Leben zuruͤckkehrt in den urſpruͤnglichen Zuſtand des
Schlafs.


§. 885.

Was die Bewegungsthaͤtigkeit betrifft, ſo kann ſich
allerdings nun, bey einer vollkommnern Ausbildung der Re-
ſpiration auch die Muskelfaſer allmaͤhlig mehr ausbilden;
demohnerachtet ſind die Bewegungen noch ſchwach und un-
geregelt, wie denn uͤberhaupt im Saͤugling in der ganzen
animalen Seite die Receptivitaͤt noch vorherrſchend, die Re-
aktion nur gering iſt. Merkwuͤrdig iſt aber noch, als Pro-
dukt der Seelenthaͤtigkeit, Bewegungs- und Athmungsthaͤtig-
keit, das Erwachen der Stimme, die wenn auch jetzt
noch unartikulirt, ſpaͤterhin doch fuͤr die geiſtige Entwicke-
lung von ſo unendlicher Wichtigkeit wird. — Endlich auch
die eigenthuͤmliche Waͤrme als Produkt von Nerven-
wirkung und Gefaͤßthaͤtigkeit, nimmt im Saͤuglinge zu, ob-
wohl ſie noch immer mit der ſpaͤterhin ſich erzeugenden, nicht
zu vergleichen iſt.


§. 886.

Alle dieſe ſo wichtigen Umaͤnderungen im Kindeskoͤrper
nun, ſind das Werk der Geburtsperiode, welche eben deß-
halb, und weil dieſe Veraͤnderungen ſo ploͤtzlich erfolgen, mit
Recht als die bedeutendſte Revolution des menſchlichen Or-
ganismus betrachtet wird. Man erkennt daher aber auch,
wie ſehr es von Wichtigkeit ſeyn muß, daß dieſe Periode eine
gewiſſe Dauer habe, daß nicht zu ploͤtzlich das eben
noch in genauer Wechſelwirkung mit dem Uterus ſtehende
Ovulum abgetrennt und ausgeſtoßen werde, ſondern daß erſt
[149] waͤhrend der laͤngern Zeit, welche die Gebaͤrmutterkraft zum
Eroͤffnen des Muttermundes braucht, dieſe Wechſelwirkung
immer mehr erloͤſche, ferner aber waͤhrend des Druckes, den
das Kind im Becken erfaͤhrt, eine Art aſphyktiſchen Zuſtan-
des eintrete, aus welchem dann nach der Geburt es zu neuer
und hoͤherer Thaͤtigkeit erwache. — Doch auch ſo vorberei-
tet, iſt der Uebergang noch ploͤtzlich genug, um zu vielfachen
krankhaften Zuſtaͤnden zu disponiren, und die große Sterb-
lichkeit im Saͤuglingsalter zu erklaͤren.


§. 887.

Obwohl nun uͤbrigens nach der Geburt die unmittelbare
Verbindung des Kindes mit der Mutter aufgehoben iſt, ſo
muß man demohnerachtet einen mittelbaren Zuſammenhang
beider noch anerkennen, welcher theils gaͤnzlich immateriell
ſcheint, theils durch den Stillungsprozeß vermittelt wird.
Bei einigen Saͤngethieren (den Beutelthieren), iſt dieſes ſo
beſtimmt ausgedruͤckt, daß das geborne Junge in den Zitzen-
ſack gleichſam als in einen zweiten Uterus eintritt, und an
der Zitze, wie ein Fetus am Nabelſtrange feſthaͤngt. — Auch
fuͤr den Saͤugling iſt die Bruſt der Mutter nicht nur Er-
naͤhrungsorgan, ſondern ſicher auch der Weg, einen Rapport
der Nervenſyſteme beider Organismen zu erhalten, wodurch ein
gewiſſer Einfluß, und vielleicht die theilweiſe Uebertragung,
des Charakters der Stillenden auf den Saͤugling, wohl erklaͤrlich
wird. Allein auch eine Wirkung des Saͤuglings auf die
Mutter, namentlich um die Sekretion der Milch zu unter-
halten, iſt unlaͤugbar, und die Fortdauer der Milchabſon-
derung keinesweges blos dem mechaniſchen Reize des Sau-
gens zuzuſchreiben.


§. 888.

Man iſt hierauf zuerſt bei Thieren aufmerkſam gewor-
den. Home*) bemerkte, daß eine Eſelin nur ſo lange
[150] Milch gab, als ſie das Junge (wenn es auch gar nicht
mehr an ihr ſaugte) neben ſich ſah. Ferner machte Prof.
Emmert*) darauf aufmerkſam, daß ſchon Vaillant ganz
daſſelbe von den Kuͤhen in Afrika erzaͤhlt, welche daher, wenn
das Kalb ſtirbt, von den Eingebornen dadurch noch zu laͤngerer
Milchabſonderung gereizt werden, daß man die Haut dieſes
Kalbes einem andern Kalbe uͤberzieht, und dieſes beim
Melken in der Naͤhe der Kuh laͤßt. — Allein auch beim
Menſchen iſt dieſer Einfluß unlaͤngbar. H. Emmert er-
waͤhnt ſchon, daß in der muͤtterlichen Bruſt die Milch durch
kuͤnſtliches Ausſaugen (z. B. von einer zahnloſen alten Frau,
wie es an mehreren Orten in Faͤllen des Nichtſtillens zur
Gewohnheit geworden iſt) nicht laͤnger als neun Tage zu-
ruͤckgehalten wird, und dann verſchwindet, weil der Koͤrper
fehlt, deſſen Ernaͤhrung (als gleichſam eines noch nicht ganz
getrennten Theils des eigenen Organismus) dieſe Sekretion
bezweckt. Indeß faſt noch deutlicher habe ich dieß oft beim
Saͤugungsgeſchaͤfte der Ammen bemerkt. Junge, ganz ge-
ſunde Perſonen, welche waͤhrend der Stillung ihres eigenen
Kindes Ueberfluß von Milch hatten, verlieren dieſelbe oft
ſchnell, wenn ſie ein fremdes Kind anlegen; ja ſelbſt, wenn
Ammen ein fremdes Kind eine zeitlang gluͤcklich geſtillt haben
(weil ein aͤhnlicher Rapport zwiſchen ihnen und dieſem Kinde,
wie fruͤher zu ihrem eigenen eingetreten iſt), verlieren ſie zu-
weilen die Milch, wenn ſie nun wieder ein anderes Kind
zu ſaͤugen anfangen.


§. 889.

Was endlich die Dauer des Saͤuglingsalters
betrifft, ſo reicht ſie bis zur ſtaͤrkern Entwickelung der Zaͤhne,
und endet alſo 30 bis 40 Wochen nach der Geburt um
in das eigentliche Kindesalter uͤberzugehen, gegen welche
Zeit denn auch die innere Organiſation, in ſo weit ſie noch
vom Fetuszuſtande zeugt, mehr verſchwindet, eifoͤrmiges Loch
und Botalli’ſcher Gang groͤßtentheils geſchloſſen ſind, und
[151] das große Uebergewicht der Leber ſich vermindert hat. Als
neugeborenes Kind wird das Kind in dem Zuſtande,
wo der Nabelſtrang noch nicht abgeloͤſt, oder der Nabel
noch nicht ganz geheilt iſt (alſo die erſten 6 bis 8 Tage)
bezeichnet.


II.
Diaͤtetik der Schwangerſchaft,
der Geburt, ſo wie der Wochen- und Stil-
lungsperiode.


§. 890.

Es iſt wohl nicht uͤberfluͤßig, ſogleich im Eingange der
Lehre von der naturgemaͤßen Behandlung geſunder ſchwange-
rer, gebaͤrender, oder ſtillender Perſonen, wiederholt darauf
aufmerkſam zu machen, daß alle dieſe Verrichtungen, ſo we-
nig als Athemholen, Speiſe aufnehmen u. ſ. w., an ſich auf
irgend eine Weiſe krankhaft genannt werden koͤnnen, und
daß alle dieſe Verrichtungen daher, ſo lange ſie in dieſer
Regelmaͤßigkeit verlaufen, ſchlechterdings kein aktives Eingrei-
fen der Kunſt oder Kuͤnſtelei geſtatten, ohne dadurch in ihrer
Regelmaͤßigkeit beeintraͤchtigt zu werden. — Achtung vor
der Natur in dieſer ihrer geheimnißvollſten
Werkſtaͤtte
, iſt daher einer der erſten Grundſaͤtze welche
die Perſonen ſich einzupraͤgen haben, denen die Leitung des
natuͤrlichen, ja ſelbſt des krankhaften Verlaufs dieſer Perio-
den uͤbertragen wird.


§. 891.

Kann daher die Kunſt im natuͤrlichen Zuſtande dieſer
Funktionen einen Wirkungskreis haben, ſo iſt es der: zu
verhuͤten, daß ihr Eingreifen in den Verlauf
[152] dieſer Perioden ſelbſt nicht nothwendig werde
;
und wenn nicht zu laͤugnen iſt, daß der Zweck der aͤrztli-
chen Kunſt uͤberhaupt dahin gerichtet ſeyn ſolle, Krankheiten
zu verhuͤten, und ſo gleichſam ſich ſelbſt uͤberfluͤßig zu ma-
chen, ſo muß dieſes von der hier abzuhandelnden Diaͤtetik
ganz vorzuͤglich gelten, und wird auch hier leichter als in
der Heilkunſt uͤberhaupt, wenigſtens zum Theil erreicht wer-
den koͤnnen.


§. 892.

Alle Schaͤdlichkeiten alſo, welche den Ver-
lauf von Schwangerſchaft, Geburt, Wochen- und
Stitlungsperiode ſtoͤren koͤnnen, abzuwenden,
das dieſen Perioden angemeſſene Verhalten vor-
zuſchreiben, und diejenige Pflege der Mutter
und dem Kinde angedeihen zu laſſen, welche die
Wichtigkeit dieſer Zuſtaͤndefordert, hierbei aber
immer ſich ſtreng an das moͤglichſt Einfache und
Zweckgemaͤße zu halten, und der Natur dabei
ihre Freiheit auf alle Weiſe zu bewahren, die-
ſes ſey der Zweck, welchen die Kunſt, uͤberall wo
nicht bereits ein krankhafter Zuſtand vorhanden
iſt, ſich vorſetze, und in deſſen Erreichung ſie
ihre vollkommenſte Befriedigung finde
.


I. Diaͤtetik der Schwangerſchaft.

§. 893.

Wenden wir die in den vorigen §§. aufgeſtellten Saͤtze
zunaͤchſt auf die Leitung und Behandlung des weiblichen
Koͤrpers im Zuſtande der Schwangerſchaft an, ſo ergiebt ſich
vor allen andern, daß bei einem naturgemaͤßen gluͤcklichen
Gange dieſes Proceſſes, es nicht nur voͤllig uͤberfluͤßig, ſon-
dern in vieler Hinſicht ſchaͤdlich ſeyn muͤſſe, wenn durch An-
wendung von Aderlaͤſſen, Abfuͤhr- oder Brechmitteln und
aͤhnliche Eingriffe, auf den in keiner Hinſicht krank zu nen-
nenden Koͤrper gewirkt wird. Vorzuͤglich hat hier die un-
vollkommne Einſicht in die Natur des Schwangerſchaftspro-
[153] ceſſes oft zu einer nachtheiligen Behandlung verleitet, in-
dem man den Reichthum an einem nahrhaftern Blute in
Schwangern fuͤr krankhaft hielt, und deßhalb ſolche Ausleerun-
gen fuͤr noͤthig erachtete. — Der wuͤrdige Boër*) ſagt
aber in dieſer Hinſicht ſchon: „Wahre und geſunde Vollbluͤ-
tigkeit gehoͤrt mit zur Idioſynkraſie der Schwangern. Alles
was dieſe Vollbluͤtigkeit ohne gegruͤndete Urſache unter den
natuͤrlichen Standpunkt ſetzt, verurſacht in dem Organismus
Nachtheil. Reichthum an gutem Blute macht weder abor-
tiren, noch erregt es ſonſten unangenehme Zufaͤlle.“ —
Alle dieſe ausleerenden und andere Mittel muͤſſen daher bei
Schwangern fuͤr wirklich krankhafte Zuſtaͤnde aufgeſpart
bleiben.


§. 894.

Obwohl nun alſo die Schwangerſchaft kein krankhafter
Zuſtand iſt, ſo muß doch auch nicht uͤberſehen werden, daß
ſie gleich jeder andern Entwickelungsperiode ein ungewoͤhn-
licher
Zuſtand ſey, daß der Koͤrper eben dadurch fuͤr
krankhafte Einfluͤſſe jeder Art empfaͤnglicher werde, und daß
folglich, da Stoͤrungen des Wohlbefindens hier auch fuͤr
das Kind nachtheilig werden koͤnnen, ein beſonders vorſichti-
ges Verhalten um ſo nothwendiger ſey. Wir gehen deshalb
die einzelnen Regeln welche die Schwangere, ſowohl ruͤck-
ſichtlich ihres allgemeinen Befindens, als ruͤckſichtlich der
Veraͤnderungen welche das Geſchlechtsſyſtem erleidet, zu
befolgen hat, der Reihe nach durch.


§. 895.

Allgemeines Verhalten. Jeder Schwangern iſt
zu empfehlen, daß ſie von ihrer fruͤher gewohnten Lebens-
ordnung ſich nicht zu ploͤtzlich entferne, nicht etwa aus ge-
wohnter Thaͤtigkeit zu muͤßiger Ruhe uͤbergehe u. ſ. w. —
[154] daß ſie aber die Art ihrer Lebensweiſe dahin modificire, daß
alle zu raſche, angreifende Bewegung, jede heftige Anſtren-
gung vermieden werde. Man ſuche demnach ein ſchickliches
Gleichmaaß zwiſchen Ruhe und Bewegung herzuſtellen, und
verhindere vorzuͤglich anhaltendes Stillſitzen mit zuſammen-
gedruͤcktem Unterleibe, welches Schwangern eben ſo nach-
theilig, als eine maͤßige Bewegung wohlthaͤtig zn ſeyn pflegt.
— Die Kleidung der Schwangern ſey einfach, warm (vor-
zuͤglich was Bruͤſte, Unterleib und Fuͤße betrifft), und den
Koͤrper in keiner Hinſicht belaͤſtigend oder beengend. Vor-
zuͤglich ſind Kleidungsſtuͤcke, welche den Unterleib zuſammen-
preſſen, auf keine Weiſe zu geſtatten. — Was den Aufent-
haltsort betrifft, ſo darf es ihm vorzuͤglich an reiner geſun-
der Luft nicht fehlen, indem die an ſich ſchon herabgeſetzte
Oxydation des Blutes außerdem noch mehr beeintraͤchtigt,
und zu Entſtehungen von Stockungen, Congeſtionen u. ſ. w.
Gelegenheit gegeben wird. Der Aufenthalt auf dem Lande,
und haͤufige Bewegung in freier Luft ſind daher Schwangern
aͤußerſt nuͤtzlich.


§. 896.

Eben ſo aber wie die Bewegungen des Koͤrpers an ein
gewiſſes Gleichmaaß gebunden ſeyn ſollen, ſo iſt auch eine
heitere gleichmaͤßige Thaͤtigkeit der Seele, der Schwangern
und ihrem Kinde hoͤchſt vortheilhaft; alle gewaltſame leiden-
ſchaftliche Bewegung hingegen, alle heftigen Gemuͤthserſchuͤt-
terungen muͤſſen als phyſiſch und moraliſch nachtheilig fuͤr
die Frucht *), ſorgfaͤltig vermieden werden. — Beſondere
Ruͤckſicht aber verdient der Zuſtand des Schlafs, welcher
fuͤr alles reproduktive Leben, und ſomit auch fuͤr die er-
hoͤhte Bildungsthaͤtigkeit des weiblichen Koͤrpers hoͤchſt wich-
tig iſt, und durch angemeſſene, nicht zu heiße Schlafſtellen,
durch Vermeidung aller zu lebhaften Erregung der See-
[155] lenthaͤtigkeit, ſo wie jeder Ueberfuͤllungen des Magens kurz
vor dem Schlafengehen, beguͤnſtigt werden muß.


§. 897.

Was die Wahl der Nahrungsmittel betrifft, ſo muß
zwar auch hier die Gewohnheit den allgemeinen Maaßſtab
abgeben, indeß da die Reizbarkeit des Darmkanals conſen-
ſuell mit den Geſchlechtstheilen immer geſteigert erſcheint, und
ſpaͤterhin ſelbſt dem Raum nach, der Darmkanal aͤußerſt be-
ſchraͤnkt wird, ſo ergiebt ſich von ſelbſt, wie hoͤchſt nach-
theilig alle ſchwerverdauliche, blaͤhende oder erhitzende Spei-
ſen und Getraͤnke, ſo wie uͤberhaupt jedes Uebermaaß der-
ſelben, in dieſer Periode ſeyn muͤſſe; dahingegen eine einfache,
gelindnaͤhrende Diaͤt und der Genuß verduͤnnender erfriſchen-
der Getraͤnke nicht nur fuͤr die Geſundheit der Mutter und
des Kindes im Allgemeinen aͤußerſt nuͤtzlich iſt, ſondern auch
vorzuͤglich dazu beitragen wird, die mancherlei Beſchwerden
der Schwangerſchaft: als Ueblichkeiten, Erbrechen u. ſ. w.
zu vermeiden. — Beſonders in dem Beginn der Schwan-
gerſchaft muß eine jede Ueberladung des Magens ſchaͤdlich
ſeyn, da die Natur hier, wie auch in andern Entwickelungs-
perioden, nur wenig aͤußere Stoffe bedarf, und durch die-
ſelben oft mehr gehindert, als beguͤnſtigt wird. — Beſondere
Abneigungen gegen Speiſen u. ſ. w. ſind zu befolgen; un-
gewoͤhnliche Geluͤſte hingegen nie aufs Gerathewohl zu be-
friedigen.


§. 898.

Wichtig iſt ferner die Ruͤckſicht auf hinlaͤngliche Er-
haltung der Darmausleerungen, da Hinderung derſelben leicht
Unterleibsſchmerzen, Haͤmorrhoidalbeſchwerden, Varices u. ſ. w.,
zur Folge hat. Werden uͤbrigens die in den vorigen §§.
erwaͤhnten Regeln hinſichtlich der Koͤrperbewegung und Wahl
der Nahrungsmittel gehoͤrig beobachtet, ſo wird es auch in
dieſer Hinſicht ſo leicht nicht fehlen, und wo daher bei
Schwangern dergleichen Beſchwerden vorkommen, hat der
Arzt ſein naͤchſtes Augenmerk auf jene Verhaͤltniſſe zu wen-
[156] den, fuͤr den Moment zwar durch Anordnung einiger Lave-
ments fuͤr Erleichterung zu ſorgen, aber der Wiederkehr der
Obſtruktion durch beſſere Lebensordnung und Diaͤt vorzu-
beugen.


§. 899.

Vorzuͤgliche Aufmerkſamkeit verdient endlich die Auslee-
rung des Harus, und Schwangere ſind vorzuͤglich um den
zweiten bis vierten Monat vor laͤngerer willkuͤhrlicher Ver-
haltung des Urins zu warnen (indem dieß zur Zuruͤckbeu-
gung der Gebaͤrmutter fuͤhren koͤnnte) ſo wie krankhafte Un-
terdruͤckungen (von denen ſpaͤterhin die Rede ſeyn wird)
ſchleunige Abhuͤlfe erfordern. — Uebrigens iſt im Allge-
meinen Schwangern, deren Hautfunktion in mehrerer Hin-
ſicht umgeaͤndert erſcheint, auch eine ſorgfaͤltige Hautkultur
ſehr zu empfehlen, und oͤftere lane Baͤder werden daher von
denſelben mit Nutzen gebraucht werden. *)


§. 900.

2. Beſondere Ruͤckſichten im Verhalten der
Schwangern
. Hierher gehoͤrt a)die Sorge fuͤr die
Bruͤſte
. Es iſt naͤmlich vorzuͤglich wichtig, die Bruͤſte auf
das bevorſtehende Stillungsgeſchaͤft ſchon in der Schwanger.
ſchaft vorzubereiten. Sie ſind daher naͤher zu unterſuchen,
und bei Kleinheit der Warzen, ſo wie bei geſpaltenen oder
tiefliegenden Warzen muß durch oͤfteres Hervorziehen derſel-
ben mittelſt eines Ziehglaſes, oder einer Milchpumpe, ihre
Bildung verbeſſert werden. Man laͤßt dieſes Hervorziehen
in den letzten 4 bis 6 Wochen der Schwangerſchaft taͤglich
2 bis 4 Mal vornehmen, laͤßt die hervorgehobenen Warzen
mittelſt der durch Speichel befeuchteten Fingerſpitzen gelind
reiben, und ſie dann mit einem leichten aus Holz gearbei-
teten Warzendeckel bedecken (um das Zuruͤckdruͤcken der
[157] Warze zu verhindern), oder laͤßt auch wohl (beſonders wenn
ſchon Milch ausfließt) ein plattes Bruſtglas, mit einer Oeff-
nung zur Aufnahme der Warze, fuͤr beſtaͤndig tragen. Um
die zuweilen ſehr duͤnne und zarte Haut der Warzen (vor-
zuͤglich bei Blondinen, und wo ſie ſehr tief gelegen haben)
zu befeſtigen und zu ſtaͤrken, und kuͤnftig beim Stillen das
laͤſtige Wundwerden zu verhuͤten, empfiehlt man der Schwan-
gern das Waſchen derſelben mit rothem Wein, Rum oder
Franzbranntwein, vorzuͤglich jedesmal, wenn die Warzen her-
vorgezogen worden ſind. — Ueberhaupt ſind aber die Bruͤſte
in der Schwangerſchaft warm zu halten, und jeder Druck,
Stoß, oder Quetſchung derſelben ſorgfaͤltig zu vermeiden.


§. 901.

b) Was die aͤußern Geſchlechtstheile betrifft,
ſo machen ſie vorzuͤglich bei beſonderer Engigkeit, wie ſie
ſich namentlich bei bejahrten Erſtgebaͤrenden zu finden pflegt,
mehrere Vorkehrungen, um das Geburtsgeſchaͤft zu erleich-
tern, und Verletzungen des Dammes zu verhindern, noth-
wendig. Es gehoͤrt hierher theils das oͤftere Einreiben eines
milden Oehles oder Fettes in die Gegend des Perinaͤums,
theils das Benutzen der lauwarmen Seifenbaͤder.


§. 902.

Endlich macht aber c) der ausgedehnte Unterleib
eine beſondere Beruͤckſichtigung noͤthig. Schwangere, vorzuͤg-
lich Bejahrte und zum erſtenmale Niederkommende empfinden
naͤmlich zuweilen ſelbſt die Ausdehnung der Bauchbedeckungen
ſchmerzhaft, und das Gefuͤhl einer ſtaͤten Spannung der
glaͤnzend und zuweilen riſſig werdenden Bauchhaut wird ihnen
hoͤchſt beſchwerlich. — Auch hier iſt das oͤftere laue Baden
eins der Hauptmittel, und es kann daſſelbe durch milde
oͤhlige Einreibungen noch mehr unterſtuͤtzt werden. — Fer-
ner die ſtarke Ausdehnung des Leibes, das Ueberhaͤngen des
Uterus uͤber den Schambogen und die dadurch veranlaßten
Beſchwerden betreffend, ſo wird dieſen, bei Perſonen welche
ſchon ein- oder mehreremale geboren, ſehr haͤufigen Beſchwer-
[158] den am beſten durch eine zweckmaͤßig eingerichtete, uͤber das Hemd
angelegte, Leibbinde *) vorgebeugt, oder abgeholfen, welche
noch uͤberdieß, indem ſie ein gleichmaͤßiges Warmhalten des
Unterleibes beguͤnſtigt, namentlich fuͤr reizbare ſchwaͤchliche
Koͤrper, vielfachen Nutzen gewaͤhrt.


§. 903.

Zu erwaͤhnen iſt uͤbrigens noch, daß es fuͤr eine jede
Schwangere zweckmaͤßig ſey; 1) ſich einige Zeit vor der
Niederkunft einer geburtshuͤlflichen Unterſuchung, wenn auch
nur durch eine ſachkundige Hebamme zu unterwerfen, um
dadurch dem Arzt Gelegenheit zu geben, manche vielleicht fuͤr
die Geburt ſtoͤrend werdende Umſtaͤnde zeitiger entdecken,
und wo moͤglich beſeitigen zu koͤnnen; 2) ſich durch den
Geburtshelfer oder die Hebamme uͤber die bei und nach der
Geburt erforderlichen Gegenſtaͤnde, Kleidungsſtuͤcke u. ſ. w.
unterrichten zu laſſen, um ſich zeitig damit verſehen zu
koͤnnen.


II. Diaͤtetik der Geburt, oder von der Behandlung des
natuͤrlichen Geburtsgeſchaͤfts.

§. 904.

Dieſe Huͤlfsleiſtungen ſind nun vorzuͤglich das eigentliche
Geſchaͤft der Hebamme, und wir ſtimmen denjenigen kei-
neswegs bei, welche (wie z. B. H. Weidmann*) auch die
Behandlung des natuͤrlichen Geburtsgeſchaͤfts den Maͤnnern
uͤbertragen wiſſen wollen. Es koͤnnte naͤmlich allerdings,
wenn eine ſolche maͤnnliche Huͤlfsleiſtung allgemein werden
ſollte, dieſelbe doch nur von ausgebildeten Geburtshelfern ge-
[159] leiſtet werden; denn wollte man Rontiuiers dazu nehmen,
ſo wuͤrde jede Geburt, um die Wichtigkeit der Huͤlfsleiſtung
zu erhoͤhen, unfehlbar zur kuͤnſtlichen gemacht werden. Da
nun aber bei der natuͤrlichen Geburt, wie ſich ſchon aus dem
oben (§§. 890. 891.) Erinnerten ergiebt, das negative und
exſpektative Verfahren das einzig heilſame iſt ſo muͤßte
der Geburtshelfer zuweilen 1 bis 2 Tage Zeit aufwenden,
blos um den natuͤrlichen nur vielleicht etwas zoͤgernden Gang
des Geburtsgeſchaͤfts abzuwarten, welcher Zeitaufwand durch-
aus mit den uͤbrigen Geſchaͤften des praktiſchen Arztes un-
vereinbar ſeyn, oder wenigſtens einen unverhaͤltnißmaͤßigen
Koſtenaufwand fuͤr die Gebaͤrende veranlaſſen wuͤrde. Auch
paßt offenbar die maͤnnliche Individualitaͤt nicht ſo zu dem
ruhigen Ausharren, welches beim Geburtsgeſchaͤft noͤthig iſt,
die Gebaͤrende ſelbſt wird ihr Schamgefuͤhl dabei verletzt
finden, und des Troſtes weiblicher Theilnahme entbehren;
ja, und auch der gebildete Geburtshelfer wird vielleicht nur
zu oft, von Ungeduld uͤbermannt, zu Huͤlfsleiſtungen ſchrei-
ten, welche doch eigentlich uͤberfluͤßig waren.


§. 905.

Bei alle dem muß dem Geburtshelfer jeder Umſtand
und jede Fertigkeit in den bei einer natuͤrlichen Geburt
Statt findenden Huͤlfsleiſtungen, vollkommen bekannt ſeyn,
theils weil er es iſt, der das Verfahren der Hebamme zu
leiten und zu beurtheilen hat, theils weil es demohnerachtet
nicht ſelten vorkommt, daß ausdruͤcklich die Huͤlfsleiſtung des
Geburtshelfers auch bei einer ganz natuͤrlichen Geburt gefor-
dert wird. Wir betrachten daher die hierher gehoͤrigen Ge-
genſtaͤnde im Folgenden unter drei Abtheilungen. Die erſte
begreift die Vorbereitungen, Erwaͤgung der noͤthigen Appa-
rate u. ſ. w.; die zweite die Aufzaͤhlung der Behandlung
einer natuͤrlichen Hinterhauptsgeburt, nach den einzelnen Ge-
burtsperioden; die dritte die beſondern Regeln, welche die
Behandlung der ungewoͤhnlichern Geburten erfordert.


[160]
1. Von den fuͤr das Geburtsgeſchaͤft zu treffen-
den Vorbereitungen
.

§. 906.

Zuerſt den Apparat betreffend, mit welchem der Ge-
burtshelfer zu dieſer Huͤlfsleiſtung ſich zu verſehen hat, ſo
rechnen wir dahin: a) eine etwas gebogene abgeſtumpfte
Nabelſchnurſchere, nebſt mehrern Baͤndchen zum Unterbinden
des Nabelſtranges; b) eine, außer den beiden gewoͤhnlichen
Roͤhren, mit dem gebogenen Mutterrohr verſehene Klyſtier-
ſpritze; c) einen weiblichen Katheter; d) eine kleine Buͤrſte,
und in Fuͤrſorge bei etwaigem aſphyktiſchem Zuſtande des
Kindes, oder bei Ohnmachten, oder unvorherzuſehenden an-
dern Zufaͤllen der Mutter, e) einige Arzneimittel, von wel-
chen die wichtigſten und fuͤr viele Faͤlle ſelbſt abnormer
Geburten ausreichenden ſind: Naphtha vitrioli, Spiritus sa-
lis ammoniaci causticus, Tinctura Cinnamomi
und
Tinctura thebaica, nebſt etwas von den Florib. Chamo-
mill., Rad. Valerianae, Herba Melissae, Herba ser-
pilli
und Menthae piperit. — Uebrigens wird allerdings
fuͤr eben ſolche unvorherzuſehende Faͤlle dem Geburtshelfer,
wenn er die Leitung der Geburt uͤbernimmt, zu empfehlen
ſeyn, ſich mit dem ſpaͤter zu beſchreibenden Entbindungsap-
parat zu verſehen, und damit allenfalls auch noch, fuͤr
hartnaͤckige aſphyktiſche Zuſtaͤnde des Kindes ein Inſtrument
zum Lufteinblaſen *), etwas Spiritus salis fumans und
einige galvaniſche Plattenpaare zu verbinden.


§. 907.

Dinge, welche bei den Gebaͤrenden felbſt fuͤr das Ge-
burtsgeſchaͤft in Bereitſchaft gehalten werden muͤſſen, ſind:
[161] kaltes und warmes Waſſer, Wein, Brandtwein, Weineſſig,
Oehl oder etwas Pomade, Fett oder ungeſalzene Butter zum
Unterſuchen, nebſt Seife und Handtuͤchern. Ferner Bade-
wanne oder Mulde, Becken zum Empfang der Nachgeburt,
ſo wie die noͤthigen Erforderniſſe an Waͤſche fuͤr Mutter
und Kind, Nabelbinden (welchen man am beßten die in
H. D.Joͤrg’s Hebammenbuche Taf. 7. f. 3. abgebildete
Form geben laͤßt), Unterlagen von Wachsleinwand, wolle-
nem Zeuge und Leinwand, nebſt den noͤthigen Geraͤthſchaf-
ten um ein zweckmaͤßiges Geburtslager vorzurichten, von
deſſen Anordnung nun ausfuͤhrlicher die Rede ſeyn muß.


§. 908.

Bedenkt man aber die Wichtigkeit der Geburtsverrich-
tung, die Anſtrengungen welche dieſelbe fuͤr den weiblichen
Koͤrper herbeifuͤhrt, und die mancherlei Gefahren welche bei
dieſer großen Revolution dem Leben des Kindes und der
Mutter drohen, ſo wird man berechtigt, an den Apparat,
auf welchem eine natuͤrliche Entbindung vor ſich gehen ſoll,
vorzuͤglich folgende Anforderungen zu machen: 1) Ein ſol-
cher muß dem Koͤrper der Kreiſenden hinlaͤngliche Sicherheit,
Unterſtuͤtzung und moͤglichſte Bequemlichkeit gewaͤhren; 2) er
muß fuͤr den Austritt des Kindes, ſelbſt im Falle die Ge-
burt deſſelben, im ungluͤcklichen Falle, ploͤtzlich, in einem un-
bewachten Augenblicke, ohne Aufſicht erfolgte, vollkommene
Sicherheit darbieten; 3) es muß derſelbe fuͤr den Empfang
des Kindes ſelbſt, und fuͤr die dabei der Kreiſenden zu lei-
ſtende Unterſtuͤtzung die noͤthige Freiheit gewaͤhren; 4) er
muß die Annahme verſchiedener Haltungen des Koͤrpers,
welche fuͤr den jedesmaligen Stand des Geburtsgeſchaͤfts
zweckmaͤßig ſeyn koͤnnten, ſo wie hinlaͤngliche Gelegenheit zu
Verarbeitung der Wehen, auf keine Weiſe aber Veranlaſſung
zu Erkaͤltungen, oder Entſtehen von Blutungen geben; 5)
endlich muß aber eine ſolche Vorrichtung einfach ſeyn, und
leicht an jedem Orte und ohne Koſten hergeſtellt werden
koͤnnen.


II. Theil. 11
[162]
§. 909.

Alle dieſe Erforderniſſe nun zeigen ſich, wie vorzuͤglich
der wuͤrdige Boër fuͤr Deutſchland zuerſt oͤffentlich behaup-
tet und bewieſen hat, im Gebnrtsbett oder im Ge-
burtslager
, wenn es zweckmaͤßig eingerichtet wird, hin-
laͤnglich erfuͤllt, und wir werden deßhalb zunaͤchſt dieſe Vor-
richtung beſchreiben, und dann auch der kuͤnſtlichern Vor-
richtungen gedenken. —


§. 910.

Die ruhige ausgeſtreckte Lage auf wagerechter Ebene
anzunehmen (eine Lage, welche als die naturgemaͤßeſte ſelbſt
das gebaͤrende Thier erwaͤhlt), eignet ſich aber keine Vor-
richtung ſo vollkommen, als das gewoͤhnliche Bett, und
dieſes muß daher die Grundlage des Geburtslagers bilden.
Damit nun aber die Gebaͤrende nicht zu tief mit der Kreuz-
gegend einſinke, und dadurch die Unterſtuͤtzung des Mittel-
fleiſches und den Empfang des Kindes erſchwere, iſt es
zweckmaͤßig, die Betten ſelbſt zu entfernen, und blos auf
eine Matratze die Kreiſende zu legen. Die Kreuzgegend fer-
ner iſt durch ein untergelegtes, vier bis ſechs Zoll hohes Kiſ-
ſen etwas zu erhoͤhen, und man bedient ſich zu dieſer Unter-
lage entweder eines bloßen Sophakiſſens, oder eines eigenen,
vorn in der Breite von zehn bis zwoͤlf Zoll ausgeſchnittenen
Geburtskiſſens. Hierbei muß man darauf ſehen, daß die
Kreiſende, wenn ſie mit der Kreuzgegend auf dieſem Kiſſen
ruht, dem Fußbrette des Bettes nahe genug ſey, um mit
maͤßig gebogenen Schenkeln ſich an demſelben anſtemmen zu
koͤnnen. Bruſtgegend und Kopf werden durch ein ſchief un-
tergelegtes Sopha- oder Kopfkiſſen, oder auch durch bloße
Kopfkiſſen u. dergl. nach Beduͤrfniß der Gebaͤrenden erhoͤht.


§. 911.

Damit ferner fuͤr die Reinlichkeit des Lagers und der
Kiſſen geſorgt werde, laͤßt man uͤber das Geburtskiſſen und
den untern Raum des Bettes zuerſt ein Stuͤck Wachstuch,
oder (bei Reichern) ein Rehfell unterbreiten, dieß zuerſt mit
[163] einem wollenen Tuche, und dann mit einem Leinentuche be-
decken, und kann auch, z. B. wo ein ſtaͤrkerer Waſſerab-
gang aus der Stellung der Blaſe zu erwarten ſteht, ein
ſchmales und flaches Becken in Bereitſchaft halten, um es
in den Ausſchnitt des Kiſſens zu ſchieben, und ſo dieſe
Fluͤſſigkeit aufzufangen. — Noch wuͤrde es aber auf dieſem
Lager an einer Unterſtuͤtzung fuͤr die obern Extremitaͤten
mangeln, und dieſe erhaͤlt man, indem man entweder zwei
Handtuͤcher um die Bettpfoſten knuͤpfen laͤßt, oder (wel-
ches immer vorzuziehen iſt) ſich zweier mit Handhaben ver-
ſehener Riemen bedient, deren jeder durch eine Schnalle lang
oder kurz gemacht werden kann, und welche um die Bett-
pfoſten geſchlungen werden.


Anmerkung. Auf Taf. III. findet man F. 1. das Kiſ-
ſen (deſſen ich mich ſchon mehrere Jahre vor Bekannt-
machung des v. Siebold’ſchen Geburtskiſſens ſowohl
in der Anſtalt, als zum Gebrauch fuͤr die Hebam-
men bediene) und die beiden Riemen abgebildet. Er-
ſteres, ſo wie letztere koͤnnen zuſammen fuͤr einen
Preis von 4 Thlr. gefertigt werden, und ſind ſehr
leicht zu transportiren.


§. 912.

Findet man nun bei den Gebaͤrenden zwei Betten vor,
ſo iſt es immer zweckmaͤßig eins, auf die in den vorherge-
henden §§. beſchriebene Weiſe, zum Geburtsbett, das andere
aber, zum Wochenbett zu beſtimmen, beide daher ſo zuſam-
men zu ſtellen, daß die Neuentbundene leicht von einem auf
das andere gehoben werden kann. Fehlt es an einem zwei-
ten Bette, ſo kann man zum Geburtslager auch fuͤglich ein
Sopha nehmen; fehlt es jedoch auch an dieſem, ſo muß das
Geburtsbett ſo eingerichtet ſeyn, daß es zugleich als Wo-
chenbett dienen kann, und man laͤßt ſodann, etwa nach
H. Joͤrg’s Angabe, das Bett mit den noͤthigen Unterla-
gen zuerſt als Wochenbett vorrichten, uͤber dieſe Unterlagen
dann das Gebaͤrkiſſen, und dann abermals Unterlagen legen,
die Handhaben und die Erhoͤhung des Kopfs aber wie ge-
[164] woͤhnlich bereiten. Durch dieſe Einrichtung iſt man im
Stande die Neuentbundene blos durch Wegnahme der ober-
ſten Unterlagen und des Gebaͤrkiſſens ſogleich auf das Wo-
chenbett zu verſetzen. Immer aber wird, wo man es haben
kann, die zuerſt beſchriebene Vorrichtung vorzuziehen ſeyn,
da das Lager fuͤr die Woͤchnerin nothwendig durch die ab-
gewartete Geburt in Unordnung kommen muß.


Anmerkung. Frauen welche ſchon mehrmals geboren
haben, und uͤberhaupt leicht und ſchnell gebaͤren, beduͤr-
fen ſelbſt des einfachen hier beſchriebenen Geburtslagers
kaum, ſondern gebaͤren auf einem ganz gewoͤhnlichen
Bette mit einigen Unterlagen, und hoͤchſtens mit ein
Paar Handhaben verſehen, am allerbequemſten.


§. 913.

So wenig iſt es alſo, wodurch die oben gemachten
Anforderungen an eine Vorrichtung zum Gebaͤren befriedigt
werden, und ſo einfach die Unterſtuͤtzung, welche der weib-
liche Koͤrper zur natuͤrlichen Geburtsverrichtung bedarf; dem-
ohnerachtet hat man auch hieran vielfach gekuͤnſtelt, und eine
Menge Vorrichtungen zum Theil ſehr ſcharfſinnig erfunden,
welche wir aber insgeſammt, und zwar um ſo kunſtreicher
ſie ſind, um ſo mehr dem oben beſchriebenen einfachen Ge-
burtslager nachſetzen muͤſſen. — Wir wollen kuͤrzlich noch die
bemerkenswertheſten derſelben durchgehen. *)


§. 914.

Am naͤchſten an unſer beſchriebenes Geburtslager ſchließt
ſich das von El. v. Siebold bekannt gemachte Gebaͤr-
[165] kiſſen
*), an welchem der Ausſchnitt durch einen Keit
verſchloſſen werden kann, die Handhaben am Kiſſen ſelbſt be-
feſtigt ſind, auch fuͤr die Unterſtuͤtzung der Kreuzgegend noch
ein beſonderes Rollkiſſen angebracht iſt. Ferner gehoͤrt hier-
her das von demſelben Erfinder herruͤhrende Geburtsbett**),
wovon er drei verſchiedene Arten bekannt machte. Bei der
erſtern ſehr kuͤnſtlichen und koſtbaren Art kann das Geburts-
lager ſelbſt durch beſondere Vorrichtung erhoͤht und erniedrigt,
und auch ſonſt fuͤr kuͤnſtliche Entbindungen geeignet gemacht
werden; die zweite beſteht in einigen Abaͤnderungen eines
gewoͤhnlichen Bettes, und die dritte nur vorgeſchlagene Art
begreift ein transportabeles Geburtsbett. Noch erwaͤhnen
wir, mit Uebergehung der aͤltern Gebaͤrbetten, das von
Fauſt***) beſchriebene Geburtslager, deſſen Einrichtung
ebenfalls noch ſehr zuſammengeſetzt und koſtbar iſt, und das
von Schmitſon****) bekannt gemachte. Letzteres iſt zwar
ziemlich einfach, naͤhert ſich indeß ſchon voͤllig dem Geburts-
ſtuhle, und kann ſomit auch weniger zweckmaͤßig genannt
werden.


§. 915.

Am weiteſten von der Natur eines zweckmaͤßigen Ge-
burtslagers entfernt, ſind endlich die Geburtsſtuͤhle, wel-
che, obwohl die einfachſte Betrachtung bald lehrt, daß die
ſitzende Stellung dem weiblichen Koͤrper fuͤr Abwartung der
Geburtsverrichtung gewiß nicht zweckmaͤßig ſey, doch lange
Zeit hindurch, und zum Theil noch immer die Apparate ge-
weſen ſind, deren man ſich in Deutſchland, zum großen
Nachtheile der Kreiſenden und Kinder, vorzuͤglich bediente.
— Es ſcheint aus dieſer Urſache nicht unzweckmaͤßig die
[166]Schaͤdlichkeit dieſer Vorrichtungen, ſobald ſie fuͤr all-
gemeinen
Gebrauch benutzt werden, naͤher zu eroͤrtern, ob-
wohl dadurch nicht in Abrede geſtellt werden ſoll, daß die
Geburtsſtuͤhle fuͤr einzelne Faͤlle, z. B. fuͤr die Entbindun-
gen aſthmatiſcher Perſonen mitunter anwendbar ſeyn koͤnnen.


§. 916.

Die Nachtheile aber, welche die ſitzende Stellung der
Kreiſenden uͤberhaupt, und der Geburtsſtuhl insbeſondere,
veranlaßt, ſind aber: 1) Es wird dadurch leicht zu Ein-
riſſen des Mittelfleiſches, wegen zu ſehr verringerter Neigung
der untern Beckenoͤffnung, Gelegenheit gegeben. 2) Es
werden wegen aufrechter Stellung des Oberkoͤrpers leichter
Blutungen unter der Geburt eintreten, und es werden die-
ſelben ſchwerer zu ſtillen ſeyn. 3. Es wird die Kreiſende in
ſitzender Stellung nothwendig weit leichter ermatten, und
dagegen wird ſie 5) nicht fuͤglich die fuͤr manche Geburts-
faͤlle doch ſo noͤthigen und nuͤtzlichen Seitenlagen annehmen
koͤnnen. 6) Iſt fuͤr das Kind hierbei durchaus keine Si-
cherheit gewaͤhrt, es muß auf dem Schooße der Hebamme
oder des Geburtshelfers empfangen werden, und wenn es
ungluͤcklicherweiſe zu ſchnell in einem unbewachten Augenblicke
geboren werden ſollte, ſo waͤre es, ſo wie die Mutter ſelbſt,
den gefaͤhrlichſten Beſchaͤdigungen unterwerfen. 7) Muß die
Kreiſende, wenn ſie entbunden iſt, gewoͤhnlich erſt in die
aufrechte Stellung kommen, um auf ihr Wochenlager ge-
leitet zu werden, welches doch fuͤr ihren Zuſtand keineswe-
ges zweckmaͤßig iſt. 8) Endlich iſt ein gut eingerichte-
ter
Geburtsſt[u]hl immer ziemlich theuer, und nicht leicht zu
transportiren, daher in vielen Faͤllen nicht zu haben. —
Schlecht eingerichtete Geburtsſtuͤhle hingegen ſind auf keine
Weiſe zu dulden.


§. 917.

Damit wir indeß auch nicht uͤberſehen, was zu einem
gut eingerichteten Geburtsſtuhle eigentlich gehoͤre,
ſo wollen wir die weſentlichſten Erforderniſſe eines ſolchen
[167] hier ebenfalls noch angeben. Es gehoͤrt aber hierher: 1) hin-
laͤngliche Feſtigkeit. 2) Eine ſolche [Einrichtung] deſſelben,
daß er der Feſtigkeit unbeſchadet, doch zuſammengelegt, trans-
portirt und ſchnell wieder aufgeſchlagen werden koͤnne. 3)
Ein bequem eingerichtetes Sitzbrett an demſelben, welches
mit einem zweckmaͤßigen Ausſchnitt verſehen ſeyn muß, wel-
cher, damit er fuͤr Perſonen von verſchiedener Groͤße paſſend
ſey, die Geſtalt eines an der Spitze abgeſtumpften V ha-
ben muß (die hufeiſenfoͤrmigen Ausſchnitte der alten Ge-
burtsſtuͤhle ſind ganz verwerflich). 4) Bequem eingerichtete,
zu erhoͤhende und erniedrigende Fußtritte und Armlehnen mit
Handhaben; wobei die Handhaben ſelbſt zum Hinwegnehmen
angebracht ſeyn muͤſſen, damit nach abgewarteter Entbin-
dung die Mutter leicht und ohne in die aufrechte Stellung
zu kommen, auf das Wochenbett gehoben werden koͤnne.
5) Vorzuͤglich wichtig iſt die Einrichtung der Ruͤckenlehne,
welche beweglich ſeyn muß, um [durch] ihr Zuruͤcklegen den
Stuhl in eine Art von Bett verwandeln zu koͤnnen. 6)
Endlich ſey die Form des ganzen Apparats nicht abſchrek-
kend, ſondern moͤglichſt gefaͤllig gearbeitet.


§. 918.

Alles zuſammen genommen, ergiebt ſich alſo, daß der
beſte Geburtsſtuhl derjenige ſeyn wird, der dem Geburtsbett
am aͤhnlichſten iſt. In wiefern nun aber dieſes ſo einfach,
leicht und uͤberall zu bereiten iſt, der Stuhl hingegen zu-
ſammengeſetzt, ſchwer fortzuſchaffen, theuer, und doch nicht
uͤberall zu haben iſt, und auch nie das Bett voͤllig erſetzen
wird, ſo folgt daraus, daß es Pflicht aller Geburtshelfer
und Aerzte ſey, immer mehr zur allgemeinen Einfuͤhrung des
Geburtslagers hinzuwirken.


§. 919.

Der erfundenen Geburtsſtuͤhle giebt es uͤbrigens eine
große Menge, von dem ſehr charakteriſtiſch genannten Lit
de misère
des Herbinaux bis zu Welſch’s, Deven-
ter’s
(mit beweglicher Lehne verſehenen), Oſiander’s
[168] Wiegand’s
und v. Siebold’s Geburtsſtuhle *), wel-
cher letztere immer noch als einer der beſten betrachtet, und
wo man ſich eines Stuhls bedienen muͤßte, am meiſten em-
pfohlen werden kann.


§. 920.

Außer allen den genannten Apparaten endlich, verdient
auch die Beſchaffenheit des Geburtszimmers ſelbſt vorzuͤglich
die Aufmerkſamkeit des Arztes. — Es iſt naͤmlich darauf
zu ſehen, daß ein maͤßig großes abgelegenes und ſtilles Zim-
mer, welches in einer maͤßigen Erwaͤrmung, in milder Er-
leuchtung und reiner Luft leicht erhalten werden kann, zur
Abwartung des Geburtsgeſchaͤfts beſtimmt werde, woſelbſt
denn zur Zeit der herannahenden Entbindung alle uͤberfluͤſſ-
gen Perſonen entfernt, Hausthiere im Zimmer nicht gedul-
det, und alle Dinge, welche bei der Geburt gebraucht wer-
den koͤnnten, durchgeſehen und in Ordnung bereit gelegt
werden muͤſſen.


II. Huͤlfleiſtung waͤhrend der einzelnen Perio-
den einer normalen Hinterhauptsgeburt.

Erſte Geburtsperiode.

§. 921.

Es geht zwar dieſe Geburtsperiode haͤufig voruͤber,
ohne daß der Geburtshelfer oder die Hebamme die Krei-
ſende ſehen; iſt jedoch der eine oder die andere ſchon in die-
ſem Zeitraume gegenwaͤrtig, ſo hat man denſelben vorzuͤg-
lich zu Folgenden zu benutzen: — 1) Man ſtellt ein ge-
naues Examen an, uͤber Alter, Geſundheitsumſtaͤnde, Ein-
[169] tritt und Verlauf der Menſtruation, vorausgegangene Schwan-
gerſchaften, Befinden in der gegenwaͤrtigen Schwangerſchaft,
Zeitrechnung derſelben und Bewegungen des Kindes (ob und
wo ſie vorzuͤglich gefuͤhlt werden), und kann hieraus oft
ſchon Vieles uͤber den wahrſcheinlichen Verlauf gegenwaͤrtig
bevorſtehender Entbindung abnehmen. 2) Iſt die geburts-
huͤlfliche Unterſuchung vorzunehmen, und es iſt hierbei theils
wenn der Geburtshelfer nicht etwa bereits fruͤher die Gebaͤ-
tende unterſucht hat, und ſoweit ihren Koͤrperbau hinlaͤnglich
kennt) auf den geſammten Habitus des Koͤrpers, auf Bil-
dung der Bruͤſte und Bruſtwarzen, Beſchaffenheit der aͤu-
ßern Geburtstheile, und Bildung des Beckens Ruͤckſicht zu
nehmen, theils vorzuͤglich auf die Ausdehnung des Unterleides,
auf die Beſchaffenheit und den jetzigen Zuſtand der innern
Geburtstheile, beſonders der Vaginalportion des Uterus und
des Muttermundes, ſo wie auf den vorliegenden, und die
aͤußerlich fuͤhlbaren Kindestheile zu achten.


§. 922.

3) Muͤſſen die von der Kreiſenden gefuͤhlten Schmer-
zen naͤher unterſucht werden, um mit Beſtimmtheit von der
Natur derſelben (ob es naͤmlich wahre Wehen ſind, ſ. o. §. 799
die Kennzeichen derſelben) uͤberzeugt zu werden. 4) Hat
man dafuͤr Sorge zu tragen, daß es an keiner der im vori-
gen Abſchnitte aufgefuͤhrten Erforderniſſe und Vorbereitungen
mangele, daher die einzelnen Requiſiten ſelbſt nachzuſehen,
in Ordnung legen zu laſſen, und das Einlegen von Waͤrm-
ſteinen oder Waͤrmflaſchen in die fuͤr Mutter und Kind noͤ-
thige Waͤſche und Betten anzuordnen.


§. 923.

Was die Behandlung der Kreiſenden ſelbſt betrifft, ſo
iſt dieſe noch voͤllig paſſiv. Man laͤßt derſelben gaͤnzliche
Freiheit etwas umher zu gehen, auf ihrem gewoͤhnlichen La-
ger zu liegen, zu ſitzen, nur daß ſie alle erhitzenden Bewe-
gungen, ſo wie den Genuß erhitzender oder beſchwerender
Speiſen und Getraͤnke vermeide, und beengende Kleidungen
[170] ablege. — Iſt es eine Erſtgebaͤrende, beſonders von einem
ſchon vorgeruͤcktem Alter, mit etwas rigider Koͤrperfaſer, ſo
iſt ein laues Bad noch zu Anfange dieſer Periode anzuwen-
den, aͤußerſt vortheilhaft, und man muß oft bedauern, die-
ſes große Erleichterungsmittel der Geburt, vermoͤge unſerer
gewoͤhnlichen Einrichtungen weniger anwenden zu koͤnnen.


Zweite Geburtsperiode.

§. 924.

Waͤhrend dieſer Periode iſt nun vorzuͤglich, wegen der
ſtaͤrkern Wehen und der naͤhern Vorbereitungen zum Ein-
tritt des Kindes ſelbſt, fuͤr Entleerung der Harnblaſe und
des Maſtdarms zu ſorgen. — Erſtere wird gewoͤhnlich von
ſelbſt erfolgen, und kann oft, wenn ſie wegen des tiefliegen-
den Kindeskofs erſchwert ſeyn ſollte, durch das in horizonta-
ler Lage der Kreiſenden vorgenommene gelinde Aufheben des
Kindeskopfs erleichtert werden. Erfolgte indeß der Abgang
des Urins auch auf dieſe Weiſe nicht, ſo muß, bevor ſich
der Muttermund zu ſeiner voͤlligen Eroͤffnung ausgedehnt,
mit beſonderer Vorſicht der Katheter eingebracht, und ſo die
Entleerung der Blaſe bewirkt werden. Die Entleerung des
Darmkanals wird am zweckmaͤßigſten gegen die Mitte der
zweiten Periode (wenn auch die Kreiſende noch vor beginnen-
den Wehen Stuhlausleerung gehabt haben ſollte) durch ein
oder einige erweichende Lavements bewerkſtelligt.


§. 925.

Um ſich vom Fortgange der Geburt zu unterrichten,
und die Zeit, zu welcher die Kreiſende auf das Geburtsbette
zu bringen iſt, nicht zu verſaͤumen, iſt es ferner nothwen-
dig, von Zeit zu Zeit die innere Unterſuchung zu wiederho-
len, allein immer muß dieſes in moͤglichſt langen Zwiſchenraͤu-
men geſchehen, und mit aͤußerſter Behutſamkeit, um nicht
durch roheres Eingehen in den Muttermund und Reizung
deſſelben, die Eroͤffnung zu ſtoͤren. — Am beſten rich-
[171] tet man ſich hier nach der Art und Haͤufigkeit der Wehen.
— Schnell aufeinander folgende und ſtarke Wehen, zumal
bei Mehrgebaͤrenden, machen es noͤthig, in dieſer Periode alle
1 bis 2 Stunden zu unterſuchen; dahingegen bei zoͤgernder
Eroͤffnung des Muttermundes kaum alle 3 bis 4 Stunden
unterſucht werden darf. — Je ſeltner die Unterſuchung ange-
ſtellt wird, um ſo beſſer fuͤr die Kreiſende.


§. 926.

Außerdem iſt die Gebaͤrende durch ruhiges Zureden und
gutes Benehmen der ſie umgebenden Perſonen zur Ruhe und
geduldigen Ertragung der nothwendigen Schmerzen, ſo wie
zur Vermeidung des Mitpreſſens waͤhrend dieſer Wehen zu er-
mahnen, uͤbrigens auch hier ihr noch eine gewiſſe Freiheit
ihres Verhaltens zu laſſen, und das Herumgehen von Zeit
zu Zeit, ſo wie das Sitzen zu geſtatten, obwohl bei heftigern
Wehen meiſtens eine ruhige Lage auf dem gewoͤhnlichen Bette,
und zwar auf der Seite oder dem Ruͤcken, am guͤnſtigſten
iſt. Naht die voͤllige Eroͤffnung des Muttermundes heran,
ſo muß die Gebaͤrende (namentlich, wenn ſie zum erſten-
male niederkommt) auf das nun bevorſtehende Abgehen des
Waſſers aufmerkſam gemacht werden, damit das Geraͤuſch
vom Springen der Blaſe ihr nicht Schreck verurſache.


Dritte Geburtsperiode.

§. 927.

Hat man nun nach Stellung der Blaſe und Ausdeh-
nung des Leibes einen ſtarken Waſſerabgang zu erwarten,
ſo thut man wohl, ein flaches Becken in den Ausſchnitt oder
an den Rand des Geburtskiſſens zu ſetzen. Auf jeden Fall
aber unterſucht man Menge und Beſchaffenheit des abflie-
ßenden Fruchtwaſſers, und nimmt dann die innere geburts-
huͤlfliche Unterſuchung vor, hauptſaͤchlich um uͤber den
Stand und die Beſchaffenheit des vorliegenden Kindestheils
die genaue Auskunft zu erhalten, welche zuweilen zwar auch
[172] ſchon fruͤher, immer aber zu dieſer Zeit mit groͤßter Sicher-
heit zu erhalten moͤglich iſt. — Bei erneuerten Geburtswe-
hen iſt nun ferner auch das Verarbeiten derſelben zulaͤſſig,
welches vor voͤlliger Eroͤffnung des Muttermundes hoͤchſt
nachtheilig ſeyn wuͤrde, und Entzuͤndung des Muttermundes,
oder Vorfaͤlle der Gebaͤrmutter und Mutterſcheide veranlaſſen
muͤßte.


§. 928.

Um die Wehen aber zweckmaͤßig zu verarbeiten, laͤßt
man Fuͤße und Haͤnde fixiren, erſtere durch Anſtemmen an
das etwa mit einem Sophakiſſen belegte Fußbrett des Bet-
tes, letztere durch Anſichziehen der Handhaben. Man ſieht
ferner darauf, daß die Kreuzgegend der Kreiſenden ſo auf
dem Rande des Geburtskiſſens ruht, daß die Bewegung des
Schwanzbeins ungehindert bleibt, und eben ſo ſorgt man
dafuͤr, daß der Oberkoͤrper nicht zu ſehr erhoͤht ſey, und
daß das Kinn gegen die Bruſt geneigt werde. — Das Preſ-
ſen ſelbſt darf uͤbrigens durchaus nur waͤhrend der Wehen
geſtattet werden, und foͤrdert nicht nur außer denſelben die
Geburt nicht, ſondern muß auch der Kreiſenden nachtheilig
werden. — Auch iſt uͤberhaupt anfaͤnglich immer nur ein
maͤßiges Preſſen zu erlauben, und im Allgemeinen die Krei-
ſende auch in dieſer Periode durch Freundlichkeit und Ernſt
zu Vermeidung alles gewaltſamen Herumwerfens, und zu
einem zweckmaͤßigen Verhalten zu ermahnen. — Endlich muß
bei fortdauernden Wehen von Zeit zu Zeit auch die geburts-
huͤlfliche Unterſuchung erneuert werden, um vom Vorruͤcken
des Kindestheils, ob ſich Kopfgeſchwulſt bilde, und ob ſich
der Kopf regelmaͤßig drehe, Kenntniß zu erhalten.


Vierte Geburtsperiode.

§. 929.

Wenn ſonach die Huͤlfsleiſtungen in den vorhergehenden
Perioden ſich mehr auf Anordnung aͤußerer Umgebung und
[173] ruhiges Abwarten beſchraͤnkten, ſo tritt nun hier eine wirk-
liche thaͤtige Huͤlfsleiſtung ein, welche darauf abzweckt, die
Abwendung von Verletzung der aͤußern Geburtstheile beim
Durchgange des Kindes zu erlangen. Wenn naͤmlich in an-
derer Hinſicht eigentlich die Naturkraft bei normalen Gebur-
ten allerdings alles allein am beſten bewirkt, ſo iſt dagegen in
dieſer Periode die Naturwirkſamkeit nicht hinlaͤnglich, um
Nachtheil zu verhuͤten, und Perſonen, welche zum erſten-
male und ohne Huͤlfe gebaͤren, erleiden deßhalb eben ſo
wie die Weiber wilder Nationen, wo keine Huͤlfsleiſtungen
bekannt ſind, in ihrer erſten Niederkunft gewoͤhnlich be-
traͤchtliche Einriſſe des Mittelfleiſches. — Nur Perſonen, de-
ren Geſchlechtstheile aͤußerſt nachgiebig ſind, und vorzuͤglich
ſolche, welche fruͤher bereits ein- oder mehreremale geboren
haben, werden, auch wenn ſie keinen Beiſtand waͤhrend der
Geburt haben, ſobald ſie nur in ruhiger Lage auf dem
Bette gebaͤren, dieſer Verletzung oͤfters entgehen.


§. 930.

Damit nun aber ſo viel moͤglich, fuͤr alle Faͤlle die
Erhaltung des Mittelfleiſches bewerkſtelligt werde, hat man
verſchiedene Methoden der Unterſtuͤtzung des Dammes in
Vorſchlag gebracht und angewendet, welche ich hier nicht
einzeln durchgehen *), ſondern nur dasjenige Verfahren be-
ſchreiben will, welches mir nach einer großen Anzahl von
[Beobachtungen] das zweckmaͤßigſte zu ſeyn ſcheint, ja von
welchem ich behaupten kann, daß es fuͤr alle Faͤlle, wo
nicht ein ungemein großer Kindeskopf bei aͤußerſt engen Ge-
nitalien, die voͤllige Erhaltung des Dammes als unmoͤglich
darſtellen, hinreichend iſt, die voͤllige Integritaͤt der aͤußern
Geburtstheile zu bewahren. Nie werde ich daher das Ver-
fahren billigen, welches von D.Michaelis vorgeſchlagen,
und von manchen andern empfohlen worden iſt, in Faͤllen
eines ſehr breiten Dammes, denſelben lieber einzuſchneiden;
[174] da ich theils uͤberzeugt bin, daß die geſchnittene Wunde
beim Durchgange des Kopfs gewiß ſich vergroͤßern wuͤrde,
theils dieſes Einſchneiden als uͤberfluͤßig erkennen muß, wenn
ich behaupten darf, daß mit dem hier zu beſchreibenden Ver-
fahren der Einriß, ſelbſt wo er nicht voͤllig vermieden wer-
den kann, immer nur hoͤchſt unbetraͤchtlich werden kann,
ſo daß er durchaus keine nachtheiligen Folgen herbeifuͤhren
wird.


§. 931.

Der erſte und wichtigſte Punkt in der Beſorgung
des Dammes waͤhrend des Ein- und Durchſchneidens des
Kindeskoͤrpers iſt aber unfehlbar die Unterſtuͤtzung deſ-
ſelben mittelſt der Hand
. Hierunter darf man indeß
nicht etwa das Unterhalten, und gelinde Andraͤngen einer
Serviette gegen den Damm, das Anlegen eines mit Kreide
beſtrichenen Daumens an das Schambaͤndchen, das Herab-
ſtreichen der Haut auf der innern Schenkelflaͤche, und was
dergleichen Spielereien mehr ſind, verſtehen, ſondern eine
Unterſtuͤtzung, welche auch dem hintern Rande
der Schamſpalte eine feſte Ruͤckwand gewaͤhrt,
wie es die Sitz- und Schambeine fuͤr die Seiten-
raͤnder der Schamſpalte gewaͤhren
. — Offenbar reißt
naͤmlich deßhalb die aͤußere Geſchlechtsoͤffnung weder nach
vorn noch ſeitwaͤrts, ſondern allein nach hinten ein, weil
hier der feſte Anhaltungspunkt mangelt.


§. 932.

Um dieſe Unterſtuͤtzung zu machen, legt man daher die
Hand ſo an den Damm, daß die Finger uͤber dem After
(deſſen Gegend wegen haͤufig erfolgendem Kothabgang mit
einem Tuche bedeckt werden kann) ausgeſtreckt werden, und
die Ballen der Hand genau den vordern Rand des Dammes
fixiren. Dieſe Unterſtuͤtzung faͤngt an, ſo wie der Kopf das
Mittelfleiſch kuglich hervortreibt, und er ſelbſt zwiſchen den
Schamlippen ſichtbar wird, und muß mit ausdauernder
Feſtigkeit und Kraft fortgeſetzt werden, bis die Schul-
[175] tern (welche außerdem oft noch eben ſo leicht als der Kopf
Einriſſe verurſachen koͤnnen) geboren ſind. Da hierbei wegen
der laͤngern Dauer oft die Hand nach und nach ermuͤdet, ſo
wird es zweckmaͤßig, entweder den Arm gegen einen feſten
Punkt (z. B. den Boden des Geburtsbettes) mit dem El-
lenbogen aufzuſtemmen, oder ſie ſelbſt noch durch die zweite
Hand zu unterſtuͤtzen. Der Gegendruck der Hand muß uͤbri-
gens immer waͤhrend der Wehe am kraͤftigſten ſeyn, und in
ſchief aufſteigender Richtung gegen den Schambogen gemacht
werden. Bei dem Vorruͤcken des Kindeskopfs muß die Hand
genau den vorderſten Rand des Schambaͤndchens bewachen,
und wie derſelbe nach und nach hinterwaͤrts weicht, ihm ſtets
genau nachfolgen. — Durch dieſes Verfahren wird es oft
ſchon allein, und ſelbſt in jeder Lage der Kreiſenden moͤg-
lich, das Mittelfleiſch zu erhalten *), allein beguͤnſtigt und
erleichtert wird dieſer Zweck noch durch die Lage der Krei-
ſenden und das Verhalten derſelben uͤberhaupt.


§. 933.

Was die Lage der Gebaͤrenden betrifft, ſo ergiebt
ſich leicht, daß vorzuͤglich fuͤr das Durchſchneiden des Kin-
des die ziemlich horizontale Lage des Rumpfs die zweckmaͤ-
ßigſte ſey, indem nur in dieſer die Richtung der untern Bek-
kenoͤffnung ſo iſt, daß dadurch der Austritt des Kindes uͤber
das Miltelfleiſch leicht von Statten gehen kann. Man muß
deßhalb, wenn die Kreiſende auf dem Bette liegt, alle uͤber-
fluͤſſigen Kiſſen unter dem Kopfe entfernen, und wenn ſie
ſich ja auf einem Geburtsſtuhle befaͤnde, die Ruͤckenlehne
tiefer herablaſſen. Außerdem iſt auf die Richtung der Schen-
kel vorzuͤgliche Aufmerkſamkeit zu verwenden, ſie duͤrfen we-
[176] der in der Kniegegend mehr als einen Fuß breit auseinan-
der geſpreizt, noch im Knie zu ſehr gebogen ſeyn, vielmehr
iſt das voͤllige Ausſtrecken der [untern][Extremitaͤten], welches
neuerlich H. Joͤrg vorzuͤglich empfohlen hat, wenn auch
fuͤr ſich keinesweges zur Abwendung des Einriſſes bei Erſt-
gebaͤrenden hinreichend, doch eine nicht unzweckmaͤßige Maaß-
regel.


§. 934.

Endlich das ſonſtige Verhalten der Kreiſenden betref-
fend, ſo iſt vorzuͤglich wichtig, daß das Preſſen waͤhrend der
Wehen beim Durchſchneiden des Kopfs gehoͤrig gemaͤßigt
werde. Viel traͤgt es naͤmlich zur Erhaltung des Dammes
bei, daß der Kopf nur langſam aus den Geburtstheilen hervor-
rolle. Faͤngt derſelbe daher an ſichtbar zu werden, ſo laͤßt man,
ſobald die Wehen kraͤftig genug ſind, und der Kopf in der
untern Beckenoͤffnung keine Schwierigkeit findet, das Verar-
beiten der Wehen einſtellen, oder erlaubt daſſelbe, wenn der
Kopf nur ſchwer zum Durchſchneiden kommt, doch nur in
geringerm Grade. Hebt ſich endlich der Kopf wirklich her-
vor, ſo benutzt man die freie Hand dazu, ſie auf das Hin-
terhaupt zu legen, und auch dadurch ein zu ſchnelles Her-
ausgleiten der Stirn uͤber den Damm, wobei letzterer vor-
zuͤglich leicht einreißt zu verhuͤten.


§. 935.

Sind nun unter dieſer Vorſicht Kopf und Schultern zum
Durchſchneiden gekommen, ſo muͤſſen beide Haͤnde der Huͤlfe
leiſtenden Perſon dazu benutzt werden, das Kind gehoͤrig zu
empfangen. Man richtet ſich hierbei nach der Drehung des
Kindes; erfolgt dieſe mit dem Geſicht gegen den rechten
Schenkel der Mutter, ſo gebraucht man die linke Hand, um
den Nacken des Kindes, die rechte Hand, um die Huͤften
deſſelben zu faſſen, und legt es auf dieſe Weiſe queer zwi-
ſchen die Schenkel der Gebaͤrenden, und nahe an die Ge-
burtstheile, um den Nabelſtrang nicht zu dehnen, auf den
Boden des Geburtsbettes, ſo daß das Kind mit dem Ge-
[177] ſichte frei, und mehr nach oben gekehrt ſey. Dreht ſich das
Kind mit dem Geſichte nach links, ſo faßt die rechte Hand
den Nacken und die linke die Huͤften. Dieſe Handgriffe beim
Empfangen des Kindes ſind vorzuͤglich dann nothwendig, wenn
die Kreiſende auf einem Geburtsſtuhle oder dem ſpaͤter zu be-
ſchreibenden Querlager ſich befaͤnde, in welchem Falle der
Geburtshelfer das Kind auf ſeinen Schoß legen muß, und
ſorgfaͤltig darauf zu achten hat, daß der Nabelſtrang weder
zu ſehr angeſpannt, noch gedruͤckt werde.


§. 936.

Hierbei iſt uͤbrigens noch zu erinnern, daß wenn der
geborene Kopf einige Zeit ſtehen bleibt, ehe die Schultern
folgen, man durchaus nicht an demſelben ziehen darf, um
das Kind heraus zu befoͤrdern, ſondern vielmehr zuerſt den
Hals des Kindes befuͤhlen muß, um zu entdecken, ob Um-
ſchlingungen des Nabelſtranges vorhanden ſind oder nicht
(welches Verfahren uͤberhaupt allemal nach dem Durchſchnei-
den des Kopfes empfohlen werden muß), dann aber ruhig die
naͤchſte Wehe abwartet, welche die Schultern gewoͤhnlich her-
vortreiben wird. Dieſer Stillſtand des Kopfs ſchadet dem
Kinde nicht im geringſten, und wuͤrde ja der Austritt der
uͤbrigen Kindestheile gar zu lange verzoͤgert, ſo frottirt man
gelinde den Leib, worauf meiſtens Wehen erfolgen werden,
oder, wenn die Schultern bereits im geraden Durchmeſſer
ſich gedreht haben, und ſo tief ſtehen, daß man mit ge-
kruͤmmtem Zeigefinger die Achſelgrube faſſen kann, ſo zieht
man ſie auf dieſe Weiſe gelind an, und hebt ſo den Rumpf
des Kindes hervor.


§. 937.

Das neugeborene Kind ſteht indeß jetzt noch mit der
Mutter durch den Nabelſtrang und die Placenta in Verbin-
dung, und den rechten Zeitpunkt zu erwaͤhlen, wo es nun
von der Nachgeburt getrennt werden kann, iſt fuͤr daſſelbe
aͤußerſt wichtig. — Das erſte iſt es daher, daß man beach-
tet, ob die Lungenathmung gehoͤrig eintrete, wodurch dem
II. Theil. 12
[178] Gange der Natur nach, der Kreislauf durch den Nabelſtrang
uͤberfluͤſſig werden ſoll. Man entfernt daher zuerſt die Hin-
derniſſe der Einathmung, als welche oft angehaͤufter Schleim
oder Blut in der Mund- und Rachenhoͤhle des Kindes vorge-
funden werden, und vermeidet alles, wodurch der Kreislauf
des Nabelſtranges zu zeitig unterbrochen werden koͤnnte. Als-
bald faͤngt nun gewoͤhnlich das Einathmen und Ausathmen
an, das Kind ſchreit lebhaft; allein die Pulſation des Na-
belſtranges dauert noch fort, und iſt ein Zeichen, daß die
Umaͤnderung des Placenten- in den Lungen-Kreislauf nur
allmaͤhlig von Statten geht. Man muß daher nothwendig,
wenn man naturgemaͤß verfahren, und nicht Veranlaſſung zu
apoplektiſchen und ſuffokatoriſchen Zufaͤllen des Kindes geben
will, mit der Trennung des Kindes von der Pla-
centa warten, bis dieſe Pulſation gaͤnzlich erlo-
ſchen iſt
.


§. 938.

Tritt hingegen die Reſpiration des Kindes nicht regel-
waͤßig ein, und befindet es ſich in einem aſphyktiſchen Zu-
ſtande, ſo verſpart man gleichfalls die Trennung des Nabel-
ſtranges bis zum voͤlligen Erloͤſchen der Pulſation (da in die-
ſem Falle auch nach der Geburt die Funktion der Lun-
gen durch die Placenta erſetzt wird) und ſchreitet, ſobald
man uͤberhaupt noch Lebensſpuren am Kinde wahrnimmt, und
nicht wegen voͤlliger Schlaffheit und Muͤrbigkeit des Nabel-
ſtranges, Mangel des Herzſchlags und Spuren von Faͤulniß,
das Abgeſtorbenſeyn des Kindes annehmen darf, zur
Anwendung der belebenden Mittel. Hierher gehoͤrt zuvoͤrderſt
das eifrig fortgeſetzte Frottiren, und gelinde Schuͤtteln der
Bruſt des Kindes, das Buͤrſten der Fußſohlen, das Auftroͤ-
pfeln von Naphta auf die Bruſt, Beſtreichen des Gaumens
mit derſelben, Beſtreichen der Naſenloͤcher mit Salmiakgeiſt,
Aufſprengen von kaltem Waſſer (wonach indeß das Kind wie-
der in warme Tuͤcher gehuͤllt werden muß) und Anwendung
eines Lavements von Meliſſen oder Serpillen-Aufguß. Er-
folgt unter Anwendung dieſer Mittel noch kein Athemholen,
ſo fuͤhlt man nach, ob indeß vielleicht die Placenta bereits
[179] ſich getrennt, und der Uterus ſich zuſammengezogen habe, in
welchem Falle man, ſobald die Nabelſchnur noch klopft, das
Kind mit ſammt der Nachgeburt in das bereitgehaltene Bad,
dem noch Kraͤuteraufguͤſſe, ſo wie etwas Wein oder Brannt-
wein zugeſetzt werden muͤſſen, bringt. Man legt hier die
Placenta neben das Kind in das Waſſer, ſo daß die Uterin-
flaͤche der erſtern nach oben, und an der Oberflaͤche des Waſ-
ſers ſich befindet, und faͤhrt nun mit Anwendung der ge-
nannten belebenden Mittel fort, ſo lange nur noch ein
Schein von Hoffnung zur Erhaltung des Kindes uͤbrig, oder
das Kind wirklich zum Leben gebracht iſt. Oft muͤſſen dieſe
Bemuͤhungen daher gegen 1 bis 2 Stunden verlaͤngert
werden.


§. 939.

Hier im Bade iſt es nun auch, wo man elektriſche oder
galvaniſche Kraft auf das Kind wirken laſſen kann. Die An-
wendung der Elektricitaͤt namentlich iſt von Boër*) oͤfters
als ſehr heilſam fuͤr die Wiederbelebung des Kindes beobach-
tet worden. Er empfiehlt ganz ſchwache Schlaͤge einer
Kleiſtiſchen Flaſche erſt durch die Kniee, dann vom Knie
zur Hand, und endlich durch die Bruſt gehen zu laſſen;
auch ſpaͤterhin nach dem Bade das Kind ſelbſt in trockene
warme Tuͤcher gewickelt, auf ein Iſolirbret zu legen und 4
bis 6 Minuten lang kleine Funken einſtroͤmen zu laſſen. —
Leider ſind indeß ſolche Apparate nicht haͤufig zu Hand. —
Endlich muß auch das Einblaſen von Luft zu den Belebungs-
mitteln gezaͤhlt werden, nur muß es keine ausgeathmete
Luft ſeyn, welche dem Kinde eingeblaſen wird. Freilich
bringt hierbei gewoͤhnlich nur wenig Luft in die Bronchien
ſelbſt ein; allein es befoͤrdert doch die Reinigung der Luft-
wege, und iſt ſchon deßhalb vortheilhaft.


§. 940.

Sey es nun auf dieſe Weiſe gelungen, das Kind wie-
[180] der ins Leben zuruͤckzurufen oder nicht; immer bleibt es ſo-
nach Geſetz, erſt dann den Nabelſtrang zu trennen, wenn
ſeine Pulſation nachgelaſſen hat. — Die Art wie dieſe Tren-
nung vorgenommen wird, iſt folgende: — Zuerſt fuͤhlt man
auf den Unterleib, um ſich zu uͤberzeugen, ob nicht vielleicht
ein zweites Kind noch zuruͤck iſt. In jedem Falle legt man
ſodann ohngefaͤhr drei Zoll vom Nabel die erſte Unterbindung
mitelſt eines ſchmalen aber feſten Baͤndchens um den Nabel-
ſtrang, indem man einen einfachen Knoten ſchlingt und feſt
zuzieht, dann den Nabelſtrang umbiegt, und mit demſelben
Bande zum zweitenmale faßt, und dieſe Stelle auf die vorige
feſtknuͤpft. — Waͤre nun aber noch ein zweites Kind im
Uterus zuruͤck, ſo wird eine zweite einfache Unterbindung,
einen bis zwei Zoll weiter, nach dem Mutterkuchen hin an-
gelegt, und nun erſt der Nabelſtrang zwiſchen beiden Unter-
bindungen getrennt.


§. 941.

Man hat zwar neuerlich die Unterbindung des Nabel-
ſtranges als etwas hoͤchſt nachtheiliges darſtellen wollen; allein
ohne allen vernuͤnftigen Grund. Zwar wird man, wenn
man das Ende der Pulſation im Nabelſtrange gehoͤrig ab-
wartet, den Nabelſtrang auch ohne Unterbindung durch-
ſchneiden koͤnnen, und keinen Blutausfluß aus den Gefaͤßen
deſſelben bemerken, allein man wird finden, daß der Andrang
des Blutes im Bade, oder wenn das Kind angekleidet und
in ein Bett gehuͤllt iſt, leicht wiederkehrt *), und dadurch
ſelbſt Verblutung des Kindes herbeigefuͤhrt werden kann.
Da nun aber alle Nachtheile, welche man der Unterbindung
des Nabelſtranges Schuld gegeben hat (als Veranlaſſung
apoplektiſcher Anfaͤlle, der Gelbſucht u. ſ. w.) blos und
allein das zu zeitige Unterbinden treffen, fuͤr die Anle-
[181] gung eines Bandes an den erſchlafften Nabelſtrang hingegen
irgend eine Gefahr vernuͤnftigerweiſe durchaus nicht
nachgewieſen werden kann, ſo wird es Pflicht dieſelbe
durchgaͤngig vorzunehmen, und der Geburtshelfer, ſo
wie die Hebamme, werden fuͤr den Schaden, welcher aus
unterlaſſener oder ſchlecht angelegter Unterbindung entſteht,
gerichtlich verantwortlich.


§. 942.

Aeltere und einige neuere Geburtshelfer haben ferner
mitunter im Vorſchlag gebracht, den Nabelſtrang auch an
dem gegen die Placenta gerichteten Ende, bei jeder Geburt,
eben ſo wie wir es fuͤr Zwillingsgeburten angaben, zu unter-
binden. Als Grund dafuͤr gaben ſie an: theils (in fruͤherer Zeit
bei der falſchen Vorſtellung von Verbindung der Mutterku-
chengefaͤße mit denen []des Uterus durch Anaſtomoſe)
die ſonſt zu befuͤrchtende Blutung der Uringefaͤße, theils (ſo
neuerlich) die beſſere Loͤſung der Placenta. Keiner dieſer
Gruͤnde iſt indeß der Wahrheit gemaͤß und ſonach dieſe Un-
terbindung bei einfachen Geburten voͤllig uͤberfluͤſſig.


§. 943.

Soweit die Regeln fuͤr das Verfahren bei der Tren-
nung des Nabelſtranges! — Allein es bleibt noch uͤbrig ei-
nige phyſiologiſche Gruͤnde durchzugehen, um die Abweichung,
welche hier die menſchliche von der thieriſchen Geburtsweiſe
zeigt) als bei welcher letztern die Trennung und das Offen-
bleiben der Nabelgefaͤße, ſelbſt gleich nach der Geburt, ohne
Nachtheil ertragen wird), deutlich zu machen. — Die Jungen
der meiſten Saͤugethiere ſind aber ihrer ganzen Organiſation
nach zur Zeit der Geburt offenbar verhaͤltnißmaͤßig weit mehr
ausgebildet und ſelbſtſtaͤndig als das huͤlfloſe neugeborene Kind.
Eines Theils ſind daher dem Jungen der Thiere die Nach-
geburtsgebilde ſchon bei der Geburt weniger unentbehrlich und
der Andrang des Blutes gegen dieſelben weniger ſtark, an-
dern Theils ſind auch die Unterleibswaͤnde vollkommner ge-
ſchloſſen, und der Nabelring mehr verengert als im neuge-
[182] borenen Kinde. Beides zuſammen laͤßt es daher erklaͤrlich
finden, warum, wenn nur ſogleich beim Austritt des Jungen
das Athemholen beginnt, es keinen nur irgend betraͤchtlichen
Blutfluß zur Folge hat, daß hier der ſtets ſehr kurze Na-
belſtrang entweder waͤhrend dem Durchgange des Jungen zer-
reißt, oder auch die geſammte Nachgeburt gleich mit dem
Jungen zum Vorſchein kommt, und dann der Nabelſtrang
vom muͤtterlichen Thiere am Leibe des Jungen abgefreſſen
wird.


§. 944.

Es fehlt indeß auch keinesweges an Beiſpielen, wo auch
die unterlaſſene Unterbindung des Nabelſtranges, ſelbſt wenn
derſelbe unmittelbar nach der Geburt getrennt worden war, dem
Neugeborenen nicht gefaͤhrlich wurde. Die Bedingungen,
unter welchen dieß Statt finden kann, ſind folgende: 1) wenn
das Kind recht vollkommen ausgetragen und kraͤftig iſt, wo
die Selbſtſtaͤndigkeit des Kindes ſchon mehr ausgebildet, und
die Placenta weniger zur Lebensdauer des Kindes nothwendig,
auch die Trennung des Nabelſtranges bereits durch einen
rothen Streif an ſeiner Inſertionsſtelle angedeutet iſt. 2)
Wenn ſogleich nach der Geburt und vor der Trennung des
Nabelſtranges lebhafte mit kraͤftigem Schreien begleitete Re-
ſpiration Statt gefunden hat. 3) Wenn das Kind nicht
durch Binden, Kleider und Betten eingehuͤllt iſt, vielmehr
Bruſt und Unterleib ſich frei ausdehnen koͤnnen, und ſomit
das Blut nicht veranlaßt wird, ſeine fruͤhere Richtung laͤnger
fortzuſetzen; ſondern mit Macht gegen die Lungen getrieben
wird. 4) Wo das Kind einer kaͤltern Temperatur ausgeſetzt
war, und ſchon dadurch der Trieb des Blutes gegen die
Peripherie beſchraͤnkt wird. 5) Wo der Nabelſtrang endlich
mehr in der Mitte ſeiner Laͤnge, durch Dehnung und Zer-
reißung ſich theilt, wird gewoͤhnlich die Blutung weit gerin-
ger ſeyn, als da wo er am Unterleibe ſich abtrennt.


§. 945.

Iſt nun das lebende Kind von der Mutter entbunden
und getrennt, ſo wird es zu ſeiner Reinigung von Blut,
[183] Schleim u. ſ. w. in ein ſchon vorbereitetes warmes Bad ge-
bracht. Bei dem Abwaſchen deſſelben laͤßt man vorzuͤglich
darauf achten, daß die Augen nicht durch eindringende Seife
gereizt werden, ja bei ſchwaͤchlichen oder nicht voͤllig ausge-
tragenen Kindern iſt wegen der aͤußerſt zarten Haut der
Gebrauch der Seife lieber voͤllig zu vermeiden, und Statt
deren Mehl, auf ein Stuͤck wollenes feines Zeug geſtreut, zu
benutzen. Das Baden ſelbſt muß uͤbrigens nie in der Naͤhe
von Thuͤren und Fenſtern vorgenommen, und jede Erkaͤltung
nach dem Bade durch ſorgfaͤltiges Einhuͤllen in warme Tuͤ-
cher vermieden werden; auch iſt dafuͤr zu ſorgen, daß das
Waſſer eine, der der Geburtstheile aͤhnliche Temperatur habe
und das Kind bis zum Kopf hinlaͤnglich davon bedeckt oder
beſpuͤlt werde. Das Kind wird hierauf ſorgfaͤltig abgetrock-
net, und man benutzt dieſe Zeit theils nochmals den Nabel-
ſtrang und ſeine Unterbindung zu unterſuchen, um, dafern es
noͤthig ſeyn ſollte, letztere noch einmal feſter anzuziehen (wel-
ches namentlich bei den ſogenannten fetten Nabelſtraͤngen ge-
rathen zu ſeyn pflegt), theils eine genaue Beſichtigung des
Kindes vorzunehmen, um Bildungsfehler, welche es etwa
mit zur Welt gebracht haben koͤnnte, zeitig zu entdecken,
wobei es jedoch als Regel gelten muß, irgend bedeutende
Verunſtaltungen ſo viel als moͤglich fuͤr erſt der Mutter zu
verbergen.


§. 946.

Hierauf wird die Ankleidung und Einhuͤllung des Kin-
des nothwendig, wobei insbeſondere auf den Reſt des Nabel-
ſtranges Ruͤckſicht zu nehmen iſt, welcher blos in ein mit Semon
Lycopodii
beſtreutes Stuͤckchen Leinenzeug am zweckmaͤßig-
ſten eingeſchlagen und dann durch eine Binde auf dem Leibe
des Kindes befeſtigt wird. Die hierzu gebraͤuchlichen Binden
ſind gewoͤhnlich lang, mit Baͤndern verſehen, und gehen
mehreremahle um den Kindesleib herum. Beſſer ſind jedoch
die von H. Joͤrg empfohlnen und in ſeinem Hebammenbuche
abgebildeten breiten Nabelbinden, nach Art der Leibbinden fuͤr
Schwangere.


[184]
§. 947.

Bei alle dieſer Behandlung des Kindes nach der Ge-
burt, iſt indeß die Neuentbundene nie aus den Augen zu
verlieren. Man befraͤgt ſie mitunter uͤber ihr Befinden, laͤßt
der Erſchoͤpften eine Taſſe Kamillen- oder Meliſſenthee rei-
chen, unterſucht den Leib, ob ſich die Gebaͤrmutter feſt um
die Placenta contrahirt hat, und wartet nun die Zeichen der
Loͤſung der Nachgeburt ruhig ab.


Fuͤnfte Geburtsperiode.

§. 948.

Haben ſich aber wiederholte Nachgeburtswehen, ver-
bunden mit Blutabgang eingefunden, ſo kann man groͤßten-
theils die Loͤſung der Placenta als erfolgt annehmen. Jetzt
alſo, nachdem das Kind gewoͤhnlich bereits vollkommen be-
forgt und an einen maͤßig warmen Ort zur Ruhe gebracht wor-
den iſt, wird man auch die Placenta empfangen koͤnnen.
Man fuͤhlt deshalb zuerſt nach, ob ſie bereits in den Mut-
termund herabgedraͤngt vorliege, und wenn dieſes der Fall
iſt, kann man ſie ohne Bedenken entfernen, da das Abwar-
ten bis ſie voͤllig durch die Vagina und aͤußern Geſchlechts-
theile ausgeſtoßen wird, theils unnoͤthigerweiſe das Reinigen
der Neuentbundenen und die Anordnung eines Lagers verzoͤ-
gern wuͤrde, theils ſelbſt leicht zu innern Blutungen, indem
der Muttermund durch die Placenta verſtopft wird, Veranlaſ-
ſung geben koͤnnte.


§. 949.

Um die Nachgeburt zu empfangen verfaͤhrt man auf
folgende Weiſe: — Steht man, wie gewoͤhnlich, zur rech-
ten Seite der Gebaͤrenden, ſo faßt man mit der linken Hand
unter dem rechten Schenkel durch, ergreift den Nabelſtrang,
ihn um einige Finger wickelnd, und druͤckt mit Zeige- und
Mittelfinger der rechten Hand, indem man damit am Na-
belſtrange heraufgeht, denſelben nach hinten und unten. Hier-
[185] bei wird man alsbald bemerken, ob die Nachgeburt folgt.
Iſt dieſes der Fall, ſo ſetzt man den gelinden Druck und
Zug nach der Fuͤhrungslinie des Beckens fort, und lei-
tet ſo die Placenta bis zum Durchſchneiden. Hier empfaͤngt
man die Placenta ſelbſt mit beiden Haͤnden, dreht ſie meh-
reremale herum, um das Aufwickeln der nachfolgenden Ei-
haͤute zu einem Strange zu bewerkſtelligen (wobei man ſicher
ſeyn kann, daß ſie nicht theilweiſe abreißen und zuruͤckblei-
ben, wodurch heftige Nachwehen verurſacht werden) und
nimmt die ganze Nachgeburt behutſam in Empfang, um ſie in
ein bereitgehaltenes Gefaͤß zu legen. — Die Gebaͤrende darf
beim Abgange der Nachgeburt nie mit preſſen oder huſten,
auch iſt es nicht rathſam den Abgang der Placenta durch
Druͤcken auf den Unterleib zu befoͤrdern.


§. 950.

Zuweilen erfolgt nun auch wohl die Trennung und der
Abgang der Placenta etwas langſamer, und man hat dann
vorzuͤglich alles gewaltſame Ziehen am Nabelſtrange zu un-
terlaſſen, und, ſolange keine anderweitigen regelwidrigen Zu-
ſtaͤnde, vorzuͤglich keine Blutergießungen eintreten, dieſe laͤn-
gere Nachgeburtsperiode eben ſo ruhig abzuwarten, als eine
laͤngere Dauer einer andern Geburtsperiode abgewartet wer-
den muß. Verzoͤgert ſich indeß der Abgang der Placenta
uͤber 2 bis 3 Stunden, ſo iſt immer irgend ein krankhafter
Zuſtand (von welchem wir weiter unten ſprechen werden)
vorhanden, und muß dann ſeiner Natur nach behandelt werden.


§. 951.

Nach dem Abgange der Nachgeburt unterſucht man
ferner, ob der Uterus gehoͤrig zuſammengezogen, und der
Blutabgang nicht etwa ſtaͤrker als gewoͤhnlich ſey; laͤßt dann
durch einen in laues Waſſer oder in ein Infusum Serpilli
getauchten Schwamm, die Geſchlechtstheile und die innere
Flaͤche der Schenkel reinigen, und endlich die Neuentbundene
entweder auf ein anderes Bett hinuͤberheben, oder ihr Lager
durch Wegnahme der ſchmutzigen Unterlagen und des Ge-
burtskiſſens in ein Wochenbett umwandeln. Ein bei Neuent-
bundenen nicht ſelten ſich einſtellender Froſt wird durch eine
[186] Taſſe warmen Thee, nebſt einigen Tropfen Naphtha auf
Zucker gewoͤhnlich bald beſeitigt. — Die Nachgeburt muß in-
deſſen mit friſchem Waſſer gereinigt ſeyn, der Geburtshelfer
unterſucht ſie nun der Beſchaffenheit ihrer einzelnen Theile
nach genau, und erſt nachdem er ſich vom voͤlligen Wohl-
befinden der Mutter und des Kindes uͤberzeugt, und dafuͤr
geſorgt hat, daß beide noch unter hinlaͤnglicher Aufſicht ge-
halten werden, iſt es Zeit ſie zu verlaſſen, um ſofort (wel-
ches dem Geburtshelfer bei jeder Entbindung zu empfehlen
iſt) zu Hauſe die Aufzeichnung des Falles entweder tabella-
riſch oder geſchichtlich (ſo wie es nun die gewohnte Einrich-
tung des aͤrztlichen Tagebuchs mit ſich bringt) vorzunehmen.


III. Huͤlfsleiſtung bei den ungewoͤhnlichern
Faͤllen der natuͤrlichen Geburt.

1. Behandlung der Zwillings- und Drillingsge-
burten
u. ſ. w.

§. 952.

Die Behandlung ſolcher Faͤlle weicht bis zur beendigten
Geburt des erſten Kindes, von der bei einer gewoͤhnlichen
Geburt Statt findenden durchaus nicht ab. Bei der Tren-
nung des Nabelſtranges hingegen iſt derſelbe doppelt zu un-
terbinden und zwiſchen beiden Unterbindungen zu durchſchnei-
den, um die wegen etwaiger Verbindung der Placenten moͤg-
liche Verblutung des zweiten Kindes zu verhuͤten. — Treten
nun von neuem Wehen ein (deren Eintritt uͤbrigens durch-
aus auf keine gewaltſame Art zu beſchleunigen iſt) ſo macht
man natuͤrlich keinen Verſuch die Nachgeburt des erſten
Kindes zu entfernen, ſondern empfaͤngt nun, wenn auch die
Geburt des zweiten Kindes natuͤrlich verlaͤuft, dieſes gerade auf
dieſelbe Weiſe wie das erſte empfangen worden iſt. Iſt noch ein
Kind zuruͤck, ſo muß auch der zweite Nabelſtrang doppelt unter-
[187] hunden, und dann eben ſo wie das zweite auch das dritte
Kind empfangen werden. — Sind auf dieſe Weiſe die Kin-
der ſaͤmmtlich geboren, ſo werden die Nachgeburten derſelben
zuſammen, eben ſo wie eine einfache Nachgeburt, behutſam
hervorgeleitet und empfangen.


2. Huͤlfleiſtung bei den ungewoͤhnlichen Kopfge-
burten
.

§. 953.

Die ungewoͤhnlichern Hinterhauptsgeburten (mit dem
Geſichte nach vorwaͤrts) ſo wenig als die Scheitelgebur-
ten
machen eine andere als die oben beſchriebene Behandlungs-
weiſe noͤthig, mit Ausnahme der Sorgfalt fuͤr Erhaltung des
Mittelfleiſches, welche hierbei in noch hoͤherem Grade als
bei gewoͤhnlichen Geburten erforderlich iſt. Am meiſten aber
wird die Aufmerkſamkeit des Geburtshelfers hierauf gerichtet
ſeyn muͤſſen bei den Geſichtsgeburten, bei welchen die
Ausdehnung des Dammes am ſtaͤrkſten iſt. Ueberdieß wird
hier noch die aͤußerſte Behutſamkeit noͤthig beim Unterſuchen,
welches, auf rohe Weiſe vorgenommen, unausbleiblich die zar-
ten Theile des Geſichts verletzen wuͤrde. — Was die Ge-
ſchwulſt des Geſichts und die zuruͤckgebogene Stellung des
Halſes betrifft, welche ſich bei Kindern, in Geſichtslage ge-
boren, gewoͤhnlich zeigt, ſo haben beide wenig zu bedeuten.
Die Geſchwulſt verliert ſich meiſtens ſehr ſchnell, ohne alle
beſondere Behandlung, und iſt ſie hartnaͤckiger, ſo weicht
ſie doch bald, wenn man das Kind einigemal taͤglich in ein
mit Infusum serpilli vermiſchtes Bad bringt, oder die ge-
ſchwollenen Stellen mit einem durch etwas Wein verſtaͤrkten
aͤhnlichen Kraͤuteraufguſſe fomentirt. Wegen der zuruͤckgebo-
genen Stellung des Kopfs endlich, iſt ſo wenig als bei den
durch den Geburtsdrang verſchobenen Kopfknochen irgend eine
aͤußere Gewalt zur Ruͤckfuͤhrung des gewoͤhnlichen Verhaltens
verſtattet. Man laͤßt daher ein ſolches Kind mit dem Kopf
anfaͤnglich etwas tiefer legen, und erhoͤht dieſe Lage nur all-
maͤhlig, ſo wie die unnatuͤrliche Richtung von ſelbſt ſchwindet.


[188]
3. Huͤlfleiſtung bei Steis- Knie- und Fußge-
burten
.

§. 954.

Bei allen dieſen Geburten iſt die Behandlung ziemlich
eine und dieſelbe; ſie iſt ebenfalls wie das Empfangen des
Kindes bei vorausgehendem Kopfe hauptſaͤchlich ein nega-
tives, auf Abwendung aller Stoͤrungen des naturgemaͤßen
Geburtsverlaufs, Ruͤckſicht nehmendes Verfahren, und na-
mentlich durch folgende Regeln zu beſtimmen: — 1)
Man ſuche das zu ſchnelle Hervortreten der untern
Haͤlfte des Rumpfs zu verhuͤten, keinesweges durch ein
voreiliges Anziehen der Fuͤße etwa zu beſchleunigen. —
2) Man ſehe darauf, bei der zweiten Drehung des Kindes,
welche wegen dem Eintritte der Schultern iu einen der bei-
den ſchiefen Durchmeſſer der obern Beckenapertur erfolgt, es
ſtets dahin zu leiten, daß die Ruͤckenflaͤche des Kindes nach
vorwaͤrts gerichtet ſey. Erfolgt demnach (was jedoch ſelten
der Fall iſt) dieſe Drehung nicht in dieſer Richtung, ſo iſt
dem durch eine gelinde, mit platt auf Bruſt und Ruͤcken
gelegten Haͤnden ausgefuͤhrte kuͤnſtliche Drehung des Kindes,
waͤhrend welcher man es vorſichtig etwas zuruͤckdraͤngt, nach-
zuhelfen.


§. 955.

3) Man muß mehrere gewaͤrmte Tuͤcher zur hand
haben, um die Fuͤße, Schenkel, ſo wie den Rumpf, indem
dieſe Theile aus dem Becken hervortreten, darein einzuhuͤllen,
4) Man achte auf die Lage der Nabelſchnur, und ſuche ſie
immer mehr gegen die Aushoͤhlung des Kreuzbeins hin zu di-
rigiren; auch verhuͤte man Dehnungen des Nabelſtranges an
ſeiner Inſertion, indem man denſelben, wenn er zu ſehr ge-
ſpannt wird, durch einen gekruͤmmten Zeigeſinger hehutſam
etwas hervorzieht, auch Umſchlingung deſſelben um einzelne
Kindestheile, oder zwiſchen den Schenkeln durch, beſeitigt. —
5) Die Arme des Kindes laͤßt man, wo die Geburt uͤbri-
gens regelmaͤßig von Statten geht, durch die Wehen allein
[189] austreiben, und huͤtet ſich dieſelben zu zeitig zu loͤſen. —
6) Vorzuͤglich achtet man endlich darauf, daß der Kopf
des Kindes nicht etwa in der Richtung des geraden, ſon-
dern ſtets in der Richtung eines der beiden ſchiefen Durch-
meſſer in den Beckeneingang hereintrete.


Anmerkung. Es iſt immer, vorzuͤglich aber bei
Erſtgebaͤrenden, bei Perſonen mit nicht allzuweiten
Becken, oder bei einem ſtarken Kinde, ſehr rathſam,
ſaͤmmtliche Geburten bei welchen der Kopf zuletzt ins
Becken eintritt, nicht auf dem gewoͤhnlichen Geburts-
bett, ſondern auf dem ſpaͤter zu beſchreibenden Wendungs-
lager oder Querbett, abwarten zu laſſen. — Nicht ſelten
naͤmlich, und beſonders in den erwaͤhnten Faͤllen, kann
es geſchehen, daß der Kopf, oder auch ſchon die Arme,
bei ihrem Eintritte in das Becken ſich feſtſtellen, und
das Kind, weil es ſich in Gefahr befindet abzuſterben,
kuͤnſtlich entwickelt werden muß; eben ſo kann dieß
auch wegen Mangel an Wehen, Blutung u. ſ. w.
noͤthig werden. Da nun aber die ſodann noͤthig wer-
denden kuͤnſtlichen Huͤlflleiſtungen, als das Anlegen
der Zange, das Loͤſen der Arme, u. ſ. w. auf dem
gewoͤhnlichen Lager ſich nicht fuͤglich vornehmen laſſen,
und bei dem Herumwenden der Gebaͤrenden auf ein
Querbett zu dieſer Zeit erſt, man zu lange aufge-
halten werden, und der rechte Zeitpunkt der Huͤlfleiſtung
verſaͤumt werden wuͤrde, ſo iſt es zweckmaͤßig das La-
ger lieber gleich anfaͤnglich mit fuͤr einen ſolchen Zweck
einzurichten.


§. 956.

Ruͤckſichtlich der einzelnen zur zweiten Klaſſe gehoͤrigen
Geburten bemerken wir noch Folgendes: — 1) Bei der
Steisgeburt
muß zuvoͤrderſt in Ruͤckſicht der Geſchlechts-
theile des Kindes ebenfalls die Unterſuchung mit großer Be-
hutſamkeit angeſtellt werden, ferner beim Durchſchneiden der
Steisflaͤche die Unterſtuͤtzung des Dammes eben ſo wie bei
der Kopfgeburt Statt finden. — Kommen die Fuͤße herab
[190] (denn fruͤher durch kuͤnſtliches Herabfuͤhren derſelben die
Steislage in eine Fußlage zu verwandeln, wird keinem mit
dem Verlaufe der natuͤrlichen Geburt hinlaͤnglich vertrauten
Geburtshelfer jetzt mehr einfallen) ſo muß man das zu raſche
Hervorſchluͤpfen durch eine vorſichtige Leitung derſelben verhuͤ-
ten, Fuͤße und Rumpf dann in ein gewaͤrmtes Tuch einſchla-
gen und den fernern Verlauf der Geburt nach den obigen
Regeln behandeln. 2) Bei der Fußgeburt ſuche man
vorzuͤglich die Blaſe bis zur voͤlligen Oeffnung des Mutter-
mundes zu ſchonen, und huͤte ſich, wenn die Fuͤße herab-
treten, dieſelben (ſo lange keine anderweitigen krankhaften
Zuſtaͤnde die kuͤnſtliche Extraktion noͤthig machen) anzuziehen,
da auch ein laͤngere Zeit dauerndes Inneliegen der Fuͤße und
Huͤften im Becken nicht den mindeſten Nachtheil fuͤr Kind
oder Mutter haben kann. Iſt ein Fuß heraufgeſchlagen, ſo
laͤßt man das Kind in dieſer Richtung, und ohne dieſen Fuß
herabzuholen, eintreten. Vollkommen eben ſo verfaͤhrt man
3) bei der Kniegeburt. —


§. 957.

Sollte in irgend einem dieſer Faͤlle der Kopf einige
Schwierigkeiten im Becken finden, ſo liegt dies gewoͤhnlich
an der Richtung deſſelben; man ſuche daher waͤhrend des
Eintritts der Schultern, wie ſchon oben bemerkt wurde, die
Drehung des Kopfs ſo zu leiten, 1) daß ſein gerader Durch-
meſſer in einen der beiden ſchraͤgen Durchmeſſer der obern
Apertur faͤllt, 2) daß das Kinn moͤglichſt auf die Bruſt ge-
druͤckt ſey. — Das letztere wird man dadurch bewerkſtelligen,
daß man mit Zeige- und Mittelfinger der die Bauchflaͤche
des Kindes unterſtuͤtzenden Hand bis zum Oberkiefer heraufgeht,
ſie hier zu beiden Seiten der Naſe andruͤckt, und ſo die
Geſichtsflaͤche abwaͤrts draͤngt, zugleich aber mit denſelben
Fingern der am Ruͤcken des Kindes liegenden Hand gegen den
Hinterkopf heraufgeht, um dieſen hinauf und zuruͤckzudraͤn-
gen. Man kann dann, wenn der Kopf des Kindes auf dieſe
Weiſe an ſeiner vordern und hintern Flaͤche gefaßt, und mit
dem Kinne herabgedraͤngt iſt, durch mehrere hebelartige Be-
[191] wegungen denſelben gewoͤhnlich bald entwickeln. Alles Ziehen
am Rumpfe, um den Kopf durchzufuͤhren, iſt natuͤrlich hoͤchſt
ſchaͤdlich.


III.Diaͤtetik der Wochen- und Stillungspe-
riode
.

1. Von der Pflege der Woͤchnerin.

§. 958.

Die mannigfaltigen und großen Veraͤnderungen, welche
zur Zeit des Wochenbetts im weiblichen Koͤrper vor ſich ge-
hen und fuͤr viele kranhafte Einfluͤſſe ihn empfaͤnglich machen,
eben ſo wie die Erſchoͤpfung, welche Folge der Anſtrengung
bei der Geburt zu ſeyn, pflegt, machen hier ein beſonders
vorſichtiges Verhalten noͤthig, welches darauf abzweckt, alles
was hier ſtoͤrend einwirken koͤnnte, ſorgfaͤltig zu vermeiden,
im Gegentheil aber die der Periode des Wochenbetts eigen-
thuͤmlichen Vorgaͤnge zu beguͤnſtigen.


§. 959.

Ruͤckſichtlich des Allgemeinbefindens iſt daher bei
Woͤchnerinnen zuerſt auf zweckmaͤßige aͤußere Umgebungen
zu denken. Das Wochenzimmer ſoll demnach ruhig gelegen,
nicht allzugroß, mit reiner, maͤßig warmer Luft erfuͤllt ſeyn.
Man halte es in einer milden den reizbarern Augen der
Woͤchnerin, ſo wie des Kindes angemeſſenen Helligkeit, und
entferne alle Zugluft. Vorzuͤglich ſorge man ferner fuͤr Ruhe
des Koͤrpers wie des Gemuͤthes der Woͤchnerin, denn nur
bei dieſer koͤnnen die innern Revolutionen gluͤcklich von
Statten gehn. Das Lager der Woͤchnerin ſey bequem,
nicht mit zu dicken Federbetten beſchwert, und zur Erhaltung
der Reinlichkeit mit den noͤthigen Unterlagen von Wachstuch
oder Rehfell, nebſt wollenem Zeug und Leinwand (welche
oͤfters gewechſelt werden muͤſſen) verſehen.


[192]
§. 960.

Auf dieſem Lager verweilt die Woͤchnerin (die Zeit des
Wechſels von Waͤſche und Betten u. ſ. w. abgerechnet) in ruhiger
horizontaler Lage namentlich ſo lange, bis der blutige Wochen-
fluß gewichen, und die Zuſammenziehung des Uterus bereits
mehr vorgeſchritten iſt, welches vor Ablauf von wenigſtens
5 Tagen nicht fuͤglich der Fall ſeyn kann (bei beſonders
ſchwaͤchlichen und reizbaren Perſonen oder bei nicht Stillen-
den iſt noch eine laͤngere Zeit abzuwarten), und auch nach
dieſer Friſt darf ſie zuerſt nur kurze Zeit außer dem Bett
ſeyn, darf dieſe Zeit nur allmaͤhlig verlaͤngern, und muß
ſich auch außer dem Bette vor jeder angreifenden Bewe-
gung in Acht nehmen. Eins der [wichtigſten] Befoͤrderungs-
mittel des regelmaͤßigen Verlaufs der Wochenverrichtungen,
ſo wie der voͤlligen Wiederherſtellung der verlorenen Kraͤfte, iſt
uͤbrigens der ruhige Schlaf, und dieſen ſuche man der Woͤch-
nerin vorzuͤglich zu erhalten, ja ſelbſt die Neuentbundene kann
demſelben ſich ohne Bedenken uͤberlaſſen, ſobald es nur nicht
au hinlaͤnglicher Aufſicht fehlt, um einen vielleicht eintreten-
den ſtaͤrkern Blutabgang, und was dergleichen Zufaͤlle mehr
ſind, zeitig genug zu entdecken.


§. 961.

Die Gemuͤthsruhe der Woͤchnerin zu erhalten, vermeide
man ferner das Zudraͤngen fremder oder ſelbſt bekannter Per-
ſonen; man unterſage ihr in den erſten Tagen Leſen, vieles
Sprechen, ſo wie das Vornehmen weiblicher Arbeiten; ganz
vorzuͤglich aber muͤſſen die haͤuslichen Umgebungen der Woͤch-
nerin darauf angewieſen werden, alles was zu Aerger, Schreck,
Gram, ploͤtzlicher Freude u. ſ. w. ihr Veranlaſſung geben
koͤnnte, ſorgfaͤltig zu vermeiden. — Die Kleidung der das
Bett verlaſſenden Woͤchnerin ſey bequem und warm; das
Binden des Unterleibes nach der Geburt, durch Tuͤcher oder
durch die Leibbinde fuͤr Schwangere iſt im Allgemeinen nicht
nothwendig
, ja, im Uebermaaß, offenbar ſchaͤdlich, und
darf alſo nur Perſonen von etwas ſchlaffer lymphatiſcher
Conſtitution, ſo wie Mehrgebaͤrenden, oder bei Woͤchnerinnen,
[193] welche Huſten haben, als ein nicht unzweckmaͤßiges Mittel
zur Unterſtuͤtzung der Contraktion im Uterus empfohlen werden.


§. 962.

Was die Wahl der Nahrungsmittel betrifft, ſo
ſind in Hinſicht der Speiſen fuͤr die erſten Tage des Wo-
chenbettes durchaus nur wenig naͤhrende und leichtverdauliche
nicht blaͤhende Dinge zu erlauben, indem hier, wie in allen
Evolutions- und Revolutionsperioden, der Koͤrper von einer
reichlichern Stoffaufnahme nur geſtoͤrt werden wuͤrde: Waſ-
ſerſuppe, duͤnne Fleiſchbruͤhſuppe, etwas weiß Brod und der-
gleichen, iſt daher alles, worauf ſich in den erſten 4 bis
5 Tagen die Speiſeordnung beſchraͤnken darf. Von dem
5. bis 6. Tage kann allmaͤhlig, vorzuͤglich bei Perſonen,
welche ſelbſt ſtillen und nicht viel Milch haben, die Quan-
titaͤt etwas vermehrt werden, z. B. durch ſtaͤrkere Bouillon,
Zuſatz von Eiern, Sago u. ſ. w. Das Getraͤnk be-
ſtehe in Theeaufguͤſſen, welche zugleich die Hautausduͤnſtung
befoͤrdern. Flieder-, Fenchel-, Kamillenaufguͤſſe ſind die
zweckmaͤßigſten; zur Abwechſelung in heißer Jahreszeit ab-
gekochtes Waſſer mit etwas Obſtſaft, Brod u. dgl.; erſt
nach dem 5. Tage duͤrfen Stillende etwas Bier genießen,
ſo wie bei groͤßerer Erſchoͤpfung auch etwas Wein zweckmaͤ-
ßig iſt. — Nichtſtillende muͤſſen bis zum Verſchwinden der
Milch bei Waſſerſuppen und Thee gehalten werden.


§. 963.

Dieſe Vorſicht in der Wahl der Nahrungsmittel muß ſich
uͤbrigens auf gewiſſe Weiſe ſelbſt uͤber die ganze Periode des
Stillungsgeſchaͤfts fortſetzen. Der Einfluß der Nahrungsmittel
naͤmlich auf die Milch iſt nicht zu verkennen, und man erkennt
ſelbſt bei Thieren oft im Geſchmacke der Milch die Art des
gegebenen Futters. — Wenn daher auch, nachdem der Ute-
rus mehr in ſeinen fruͤhern Zuſtand zuruͤckgekehrt iſt, und
die Mutter wieder außer dem Bette zu verweilen anfaͤngt,
II. Theil. 13
[194] die Lebensordnung ſich genauer wieder der fruͤher gewohnten
anſchließen darf, ſo ſind doch fortwaͤhrend grobe, erhitzende,
blaͤhende Nahrungsmittel und Getraͤnke zu vermeiden.


§. 964.

Die Funktionen des Darmkanals betreffend, ſo
haben wir ſchon bemerkt, daß in den erſten Tagen bei ge-
ſunden Woͤchnerinnen die Stuhlausleerungen gewoͤhnlich nicht
zu erfolgen pflegen, und es muß dieſes die Regel begruͤn-
den, vor dem dritten Tage, und vor Minderung des bluti-
gen Ausfluſſes, auch nicht auf kuͤnſtliche Weiſe, am wenig-
ſten durch reizende Abfuͤhrmittel (welche nur zu oft hier die
Einleitung zum Kindbettfieber machen) dieſe Ausleerungen
erzwingen zu wollen. Nach dieſer Zeit hingegen iſt es noth-
wendig fuͤr regelmaͤßige Darmausleerung zu ſorgen, indem
Auftreibung des Darmkanals durch Obſtruktion eben ſo nach-
theilig werden muͤßte, als zu zeitige Erregung deſſelben. —
Es geſchieht dieß durch erweichende Lavements, und nur bei
Perſonen, welche uͤberhaupt zu Obſtruktionen neigen, iſt die
Anwendung eines blanden Abfuͤhrmittels zuweilen nothwendig.
Jedes Preſſen beim Stuhlgange iſt uͤbrigens der Woͤchnerin
ſchaͤdlich und zu unterſagen. — Was die Ausleerung des
Urins
betrifft, ſo iſt darauf zu ſehen, daß dieſe gleich in
den erſten Tagen des Wochenbetts regelmaͤßig erfolge, da
der Druck der angefuͤllten Harnblaſe fuͤr den Uterus hoͤchſt
nachtheilig werden muͤßte. Findet daher dieſe Ausleerung,
wegen der, haͤufig einer etwas ſchwierigen Entbindung nach-
folgenden Geſchwulſt der Geburtstheile, nicht von ſelbſt Statt,
ſo iſt auch hier, eben ſo wie waͤhrend der Geburt, die Nach-
huͤlfe durch den Catheter unentbehrlich.


§. 965.

Vorzuͤglich wichtig iſt ferner die Sorge fuͤr gleichmaͤßige
Unterhaltung der Hautfunktion. Durch Erhaltung
einer gleichen, maͤßig warmen Temperatur, durch hinreichende
jedoch nicht zu warme Bedeckung und durch ein warmes ge-
[195] lind diaphoretiſches Getraͤnk wie den Fliederblumenaufguß,
wird dieſer Zweck am ſicherſten erreicht. — Uebermaͤßige
Hitze erzeugt bei Woͤchnerinnen ſehr leicht das Kindbette-
rinnenfrieſel.


§. 966.

Eine beſondere Aufmerkſamkeit verdienen außerdem die
Geburtstheile
und die Bruͤſte. Was die erſtern be-
trifft, ſo wird ihre Heilung, Zuſammenziehung und Ruͤckkehr
in den fruͤhern Zuſtand zwar ſchon durch das in den vorigen
§§. beſchriebene allgemeine Verhalten befoͤrdert; allein au-
ßerdem iſt noch noͤthig, theils von Zeit zu Zeit den Zu-
ſtand des Uterus durch aͤußere Betaſtung der regio hypo-
gastrica
und Beruͤckſichtigung der Art des Wochenfluſſes
zu unterſuchen, theils fuͤr vorzuͤgliche Reinlichkeit der Ge-
ſchlechtstheile Sorge zu tragen. Oefters muͤſſen daher die
unterlagen gewechſelt werden, taͤglich mehreremale die Ge-
ſchlechtstheile durch die Hebamme mit lauem Waſſer, oder
einem Infus. serpilli ausgewaſchen, oder im Nothfalle bei
ſtaͤrkerem oder ſehr riechendem Wochenfluſſe auch durch einige
Injektionen in die Mutterſcheide gereinigt werden; bei allen
dieſen Verrichtungen, ſo wie bei dem durch die Wochen-
ſchweiße oͤfters noͤthig werdenden Wechſel der Waͤſche und
Betten iſt vorzuͤgliche Sorgfalt darauf zu wenden, daß keine
Erkaͤltung Statt finde.


§. 967.

Endlich zur Behandlung der Bruͤſte. Wir gehen
hierbei von dem Satze aus, daß eine jede geſunde
Mutter ihr Kind ſelbſt ſtillen muͤſſe; und erklaͤren
ſomit das Benehmen der Aerzte, ſo wie der Muͤtter,
welche ohne einen hinlaͤnglichen Grund das Stillen
nicht erlauben und unternehmen, oder ſogleich bei
kleinen Beſchwerden abbrechen und aufgeben, fuͤr
gaͤnzlich naturwidrig und ſuͤndhaft
. Gruͤnde, wel-
che das Stillen wahrhaft unmoͤglich machen, beruhen aber
[196] immer in krankhaften Zuſtaͤnden, und gehoͤren ſomit ei-
gentlich gar nicht hierher; wir wollen indeß einige, wenig-
ſtens dem Namen nach auffuͤhren. Es ſind dahin, au-
ßer der Niederkunft mit einem todten Kinde, zu rechnen:
kachektiſche Zuſtaͤnde des muͤtterlichen Koͤrpers, als Schwind-
ſucht oder Auszehrung, ferner Epilepſie, Gicht, Melancholie,
anſteckende Krankheiten, als Syphilis, Kraͤtze u. ſ. w.; end-
lich aber der mehr maͤnnliche Habitus des weiblichen Koͤr-
pers, Kleinheit der Bruͤſte, Mangel an Milch oder voͤllige
Mißbildung und Mangelhaftigkeit der Warzen (die bloße
Spaltung oder Kleinheit derſelben giebt keinesweges ein ge-
gruͤndetes Hinderniß ab) und große Schwaͤche.


§. 968.

Was nun zuerſt die Zeit betrifft, zu welcher das Kind
zum erſtenmale angelegt werden ſoll, ſo richtet ſich dieſe theils
nach der Luſt des Kindes, welches gewoͤhnlich erſt nach meh-
rern Stunden Schlaf Neigung zum Saugen bezeigen wird,
theils nach der Erholung der Woͤchnerin. Gemeiniglich wird
ſie nach 6 bis 8 oder 12 Stunden faͤhig ſeyn, dem Kinde
die Bruſt zu reichen. Nie iſt es gut, allzulange das Anle-
gen des Kindes zu verſchieben, da eines Theils die Bruͤſte
hierbei oft ſich zu ſehr anfuͤllen, hart werden, und dann
vom Kinde nicht gut zu faſſen ſind; andern Theils die erſte
Milch (Colostrum) gerade fuͤr das neugeborene Kind nuͤtzlich
(keinesweges, wie ein altes Vorurtheil ſagt, ſchaͤdlich) iſt.


§. 969.

Sollten uͤbrigens die Warzen fruͤher noch nicht zum
Stillen vorbereitet worden ſeyn, ſo muß das Hervorziehen
derſelben und das Waſchen mit Brandtwein jetzt noch nach-
geholt werden. Ferner wird die reichliche Abſonderung einer
guten nahrhaften Milch vorzuͤglich durch hinlaͤngliches Warm-
halten der Bruͤſte Schultern und Oberarme unterſtuͤtzt, wor-
auf ſonach die Woͤchnerin aufmerkſam zu machen iſt. Die
Ordnung, in welcher dem Kinde nun fernerhin die Bruſt zu
[197] reichen iſt, laͤßt ſich nicht ſo genau beſtimmen, jedoch halte
man darauf, daß ſobald Milch genug vorhanden iſt, ſtets
mit den Bruͤſten gewechſelt, einmal die linke, das naͤchſte-
mal die rechte Bruſt gereicht werde, wodurch, namentlich
wenn das Anlegen nur alle 2 bis 3 Stunden geſchieht, das
Aufziehen der Warzen verhindert wird. Die angemeſſenſte
Lage fuͤr das Stillungsgeſchaͤft, fuͤr die erſten Tage des Wo-
chenbettes, iſt offenbar die Seitenlage, bei welcher die Mut-
ter ihr Kind im Arme neben ſich liegen hat, allein auch in
der Art des Anlegens ſind oft die Muͤtter ungeſchickt, und
brauchen oft mehrere Tage die ausdauernde Nachhuͤlfe einer
geſchickten Hebamme. — Auch nach dem Wochenbett
aber muß die Stillende die Sorge fuͤr Schonung der Bruͤſte,
zweckmaͤßige Wahl nahrhafter leichtverdaulicher Speiſen und
Getraͤnke, Genuß einer geſunden freien Luft, hinlaͤngliche
Koͤrperbewegung und Ruhe des Gemuͤths fortſetzen, und bei
endlichem Aufgeben des Saͤugungsgeſchaͤfts dieſes nie ploͤtz-
lich abbrechen, ſondern nach und nach das Kind recht eigent-
lich der Bruſt entwoͤhnen, ſo den Zudrang der Milch,
auch durch leichtere Koſt, vermindern, und zuletzt, wenn das
Kind gar nicht mehr angelegt wird, fuͤr Zertheilung der
Milch auf aͤhnliche Weiſe ſorgen, wie dann geſchehen muß,
wenn das Kind uͤberhaupt nicht trinkt, wovon wir jetzt noch
Einiges zu erinnern haben.


§. 970.

Eine jede nicht ſtillende, ſonſt geſunde Woͤchnerin,
iſt aber zu betrachten als eine Anlage zu krankhaften
Zuſtaͤnden in hoͤherem Grade als eine Stillende in ſich tra-
gend, und muß daher, ſelbſt weil gewoͤhnlich die Lochien
ſtaͤrker und laͤnger fließen, auch laͤngere Zeit im Bette zu-
bringen. Ihre Speiſen und Getraͤnke muͤſſen, wie ſchon
oben erinnert iſt, wenig nahrhaft ſeyn, und die Ausſonde-
rung des Schweißes iſt bei ihr vorzuͤglich zu unterſtuͤtzen, ſo
wie insbeſondre auch der regelmaͤßige und hinlaͤngliche Erfolg
der Darmausleerungen wichtig iſt. — Um die Anhaͤufung und
Stockung der Milch ſelbſt zu hindern, iſt uͤbrigens die Ver-
[198] mehrung der oͤrtlichen Tranſpiration der Bruͤſte durch Auf-
legen von Baumwolle, oder Hanfwerg ſehr nuͤtzlich, eben ſo
wie ein maͤßiges Heraufbinden der Bruͤſte und ein Befoͤrdern
des Milchausfluſſes ſelbſt, welches entweder durch Ausſau-
gen mittelſt eines Ziehglaſes oder einer Milchpumpe (in man-
chen Gegenden uͤbernehmen alte zahnloſe Weiber dieß Ge-
Geſchaͤft) geſchieht, oder auch durch Baͤhungen der Bruͤſte
mit dem Dampfe eines Kamillen- oder Fliederaufguſſes be-
wirkt wird. — Beſonders ſind aber waͤhrend dieſer Zeit
ſehr ſorgfaͤltig Druck und Stoß der Bruͤſte zu vermeiden, da
ſolche mechaniſche Schaͤdlichkeiten, eben ſo wie Ueberfuͤllung
des Magens oder Erkaͤltung, hier gewoͤhnlich ſehr leicht Ent-
zuͤndung herbeifuͤhren.


II.Von der Pflege des Saͤuglings.

§. 971.

Wie der muͤtterliche Koͤrper, ja in vieler Hinſicht noch
mehr als dieſer, hat der Koͤrper des Kindes bei der Ge-
burt eine wichtige Revolution erlitten, und macht deßhalb
gleichfalls Abhaltung aller aͤußern ſchaͤdlichen Einfluͤſſe, ſo
wie zweckmaͤßige Unterſtuͤtzung der Proceſſe mit denen die
Natur vorzuͤglich beſchaͤftigt iſt, hoͤchſt nothwendig.


§. 972.

Was zuvoͤrderſt das allgemeine Verhalten be-
trifft, ſo iſt Reinlichkeit und gleichmaͤßige Waͤrme einer der
Hauptpunkte. Um die erſtere zu erhalten, iſt aber das taͤg-
liche Baden waͤhrend der ganzen Periode des Saͤuglingsalters,
und zwar immer unter den bei Gelegenheit des erſten Bades
erwaͤhnten Vorſichtsmaaßregeln, das wichtigſte Moment. Es
wird dadurch die in den erſten Tagen vor ſich gehende Ab-
ſchuppung der erſten Oberhaut befoͤrdert, die gehoͤrige Per-
ſpiration moͤglich gemacht, ja ſelbſt Fluͤſſigkeit dabei einge-
ſogen, und ſo denn zugleich immer noch eine kurze Annaͤ-
[199] herung an den fruͤhern Zuſtand, wo das Kind als Fetus
ſtets mit warmer Fluͤſſigkeit umgeben war, erhalten. —
Außer dem Bade wird die gleichmaͤßige Waͤrme des Kindes
durch ſorgfaͤltige, jedoch keinesweges beengende Einhuͤllung
deſſelben, und durch Beigeben einer Waͤrmflaſche in das
Bett des Kindes (die erſten Wochen hindurch) erhalten. Ue-
brigens iſt es auch dem Kinde vorzuͤglich angemeſſen, wenn
es anfaͤnglich wenigſtens am Tage *) von der Mutter oͤfters
mit ins Bette genommen wird, da animaliſche Waͤrme ſtets
nur unvollkommen durch die kuͤnſtliche zu erſetzen iſt. —
Ferner iſt darauf zu dringen, daß die Waͤſche des Kindes
ſehr haͤufig, und die Einſchlagetuͤcher und Betten deſſelben,
ſo oft ſie verunreinigt ſind, gewechſelt werden. Die Ver-
nachlaͤſſigung dieſer Regel legt den Grund zu vielfachen
Krankheiten.


§. 973.

In ſonſtiger Hinſicht hat man darauf achten zu laſſen,
daß das Kind nie ploͤtzlich im Schlafe unterbrochen und
etwa ſogleich ins Bad gebracht werde, daß es eine reine
geſunde Luft athme, weshalb nach 10 bis 14 Tagen, unter
Beguͤnſtigung der Witterung, das Austragen des Kindes
(welches hiebei mit einem leichten Tuche verhuͤllt wird) und
ſpaͤterhin das laͤngere Verweilen deſſelben in freier Luft ſehr
nuͤtzlich iſt. Was die Augen betrifft ſo gewoͤhne man ſie
nur nach und nach an ein helleres Licht und vermeide ploͤtz-
liche Uebergaͤnge aus Dunkel in Hell. Endlich ſorge man
auch dafuͤr daß dem Kinde eine gewiße Bewegung der Glieder
moͤglich ſey (welches durch die an manchen Orten leider noch
uͤblichen Wickelbaͤnder freilich ganz gehindert wird) und laſſe
weder Fuͤße noch Haͤnde zu aͤngſtlich einhuͤllen.


[200]
§. 974.

Ruͤckſichtlich der Wahl der Nahrungsmittel, ſo
iſt fuͤr den Saͤugling die einzige voͤllig naturgemaͤße Nahrung
in den Bruͤſten der Mutter vorbereitet, man huͤte ſich daher
dem Kinde, wenn es genug Muttermilch bekommen kann,
außer hin und wieder fuͤr den Nothfall etwas Kamillenthee,
irgend andere Nahrung zu reichen, wenn man nicht die
Verdauungswerkzeuge ſchon in der erſten Lebensperiode unter-
graben will. Kann indeß das Kind dieſe Nahrung nicht
erhalten, ſo muß man ſie durch ein Surrogat ſo gut als
moͤglich erſetzen. Am naͤchſten nun wird allerdings der Mut-
termilch die Milch einer voͤllig geſunden, der Mutter
ihrer Conſtitution und ihrem Temperament nach nicht allzu-
unaͤhnlichen, dem Entbindungstermin nach ihr ziemlich gleichen
Amme ſeyn, allein nicht haͤufig iſt ein ſolches Subjekt,
welches alle Erforderniſſe hinlaͤnglich beſitzt, zu finden, oft
auch iſt die Rohheit des Charakters dieſer Perſonen zu fuͤrchten,
oder bei groͤßerer Bildung und ſtaͤrkerer Liebe zu ihrem eignen
Kinde zu erwarten, daß ihre Milch ſich bald verliere. Aus
allen dieſen Urſachen muß ſonach oft die Ernaͤhrung des Kindes
ohne Frauenmilch bewerkſtelligt werden, welches denn auch
auf alle Weiſe mehr als die Ernaͤhrung durch eine nicht
recht geſunde und gute Amme angerathen werden muß.


§. 975.

In einem ſolchen Falle nun giebt offenbar Thiermilch
das beſte Surrogat; allein ſie muß, da ſie mehr fettige
und kaͤſige Beſtandtheile enthaͤlt, ſtets, und vorzuͤglich in
den erſten Wochen, mit etwas Fenchel-, Flieder- oder Kamil-
lenthee verduͤnnt, ſo wie um die ermangelnde Suͤßigkeit zu
erſetzen, mit etwas Zucker gegeben werden *). Der Miſchung
[201] nach (ſ. oben §. 863.) wuͤrde uͤbrigens vorzuͤglich die Eſels-
milch hier zu empfehlen ſeyn, doch iſt auch Kuhmilch mit
Nutzen zu gebrauchen. Hauptregel bei dieſer Ernaͤhrungs-
weiſe iſt es jedoch immer, dem Kinde, in den erſten Wochen
namentlich, bloß fluͤßige Dinge zu geben, als fuͤr deren
Aſſimilation die Verdauungskraͤfte des Neugeborenen allein
ausreichen. Spaͤterhin kann es einigemal taͤglich etwas auf-
geweichten Zwieback und dergl. ſo wie auch weiterhin etwas
Kalbfleiſchbruͤhe mit Gries und dergl. erhalten. Alle andere
Nahrungsmittel, Kaffee, Breie u. ſ. w. ſo wie das eckel-
hafte Saͤugen an Zulpen, ſind dem Saͤuglingsalter durchaus
unangemeſſen und ſchaͤdlich. — Im Allgemeinen iſt endlich bei
dieſer Ernaͤhrung ohne Bruſt auch darauf zu ſehen, daß
die Nahrung in einer gewiſſen Ordnung und nie zu ſchnell
auf einander gereicht werde, wodurch insbeſondere zum Gedei-
hen des Kindes beigetragen werden kann.


§. 976.

Was die Ausleerungen des Kindes betrifft ſo iſt ihre
Beruͤckſichtigung fuͤr das Wohl des Kindes hoͤchſt wichtig.
Das Kind muß naͤmlich oͤfters, taͤglich einigemale, Darm-
ausleerungen haben, durch ſie muß in den erſten 2 bis 3
Tagen das Meconium vollſtaͤndig fortgeſchafft werden, worauf
die Stuͤhle eine gelbe Farbe annehmen. Erfolgt dieſes nun
aus irgend einer Urſache nicht gehoͤrig, ſo iſt es allerdings
noͤthig die Natur durch Lavements oder durch eine leichte
Abfuͤhrung zu unterſtuͤtzen, aber unzweckmaͤßig und offenbar
ſchaͤdlich iſt es, wenn man dieſe Mittel, wie es ſehr haͤufig
ein verjaͤhrter Schlendrian mit ſich bringt, bei einem jeden
Kinde ohne Unterſchied anwendet. Eben ſo noͤthig iſt es daß
der Harn ordentlich ausgeleert wird, und die Menge deſſelben
giebt zugleich gewoͤhnlich einen guten Maaßſtab dafuͤr ab,
ob und wie viel das Kind an der Mutter getrunken habe.


§. 977.

Beſondere Ruͤckſicht endlich, macht nun in den erſten
Lebenstagen der noch uͤbrige Nabelſtrangsreſt noͤthig, und
[202] nachdem man hierin lange Zeit an einer hoͤchſt einfachen
Behandlung feſtgehalten hat, wird neuerlich ein ganz anderes
Verfahren in dieſer Hinſicht geprieſen, weßhalb wir etwas
ausfuͤhrlicher hiebei zu verweilen noͤthig finden. — Zuerſt
jedoch die Beſchreibung des Verfahrens welches als das
Zweckmaͤßigſte hiebei nach vielfaͤltiger Erfahrung immer noch
empfohlen werden darf: —


§. 978.

Der nach der Geburt unterbundene Nabelſtrang bleibt
ganz ruhig ſich ſelbſt uͤberlaſſen, bei jedesmaligem Baden
wird er ſorgfaͤltig geſchont, namentlich alles Dehnen und
Ziehen an demſelben ſorgfaͤltig vermieden, und er jedesmal
in ein neues Stuͤckchen weiches Leinenzeug, welches wieder
mit etwas Semen Lycopodii beſtreut wird, eingeſchlagen,
und dann, wie nach dem erſten Bade, durch eine angemeßene
Nabelbinde befeſtigt. Trocknet er nun nach und nach ein,
und loͤſt ſich endlich voͤllig ab, ſo legt man demohnerachtet
noch einige Wochen hindurch die Binde an, und kann uͤber-
dieß, wenn die Stelle noch etwas naͤſſen ſollte, die erſten
Tage hindurch auf die Mitte der Nabelbinde noch eine kleine
Compreſſe aufheften und dieſelbe mit etwas rothem Wein
befeuchten laſſen. — Auf dieſe Weiſe koͤnnen weder Nach-
blutungen aus den Nabelgefaͤßen, noch Nabelbruͤche oder
Schwaͤren und ſchwammige Auswuͤchſe am Nabel eintreten, und
wir nennen ſie daher in jeder Hinſicht zweckmaͤßig.


§. 979.

Seit indeß Meßmer auf den Einfall kam, daß die
in den Gefaͤßen des Nabelſchnurreſtchens ſtockende Blutmaſſe
die Urſache vielfacher Krankheiten des neugebornen Kindes
nicht nur, ſondern auch des ſpaͤtern Alters werden koͤnne,
daß Pocken, Gelbſucht, Kraͤmpfe u. ſ. w. hier ihre eigent-
liche Veranlaſſung und Entſtehung faͤnden, hat man jene
alte gepruͤfte Methode hie und da zu verlaſſen verſucht, ſie
ſelbſt in mehrern fuͤr das nichtaͤrztliche Publikum beſtimmten
[203] Schriften auf das haͤrteſte getadelt, und dagegen folgendes
Verfahren empfohlen *): Der Nabelſtrang wird ſchon bei
der erſten nach voͤllig erloſchener Pulſation vorgenommenen
Trennung nicht unterbunden, wohl aber das Ende deſſelben
durch eine Zange gequetſcht, um wie man (ganz unrichtig)
vorgab, das Abbeißen des Nabelſtranges bei Thieren moͤglichſt
nachzuahmen. Taͤglich wird ſodann der Nabelſtrang ausge-
druͤckt, gereinigt, und abermals ein Stuͤckchen deſſelben
abgeſchnitten, und das Ende wieder durch die Zange gequetſcht,
bis endlich der Nabelſtrang gaͤnzlich ſich geloͤſt hat.


§. 980.

Hierbei iſt nun aber folgendes zu erinnern: — 1. Das
nach der Unterbindung in den Reſten der Nabelgefaͤße etwa
noch verweilende Blut hat entweder noch mit dem uͤbrigen
Blute Gemeinſchaft, oder nicht. Im erſtern Falle wird ein
Verderben, Faulen oder Gaͤhren des hier ſtockenden Blutes
durchaus nicht denkbar ſeyn, im zweiten Falle koͤnnte allerdings
eher eine ſolche Umaͤnderung Statt finden; allein da dieſes
Blut von dem uͤbrigen abgeſondert iſt, Lymphgefaͤße zur
Aufſaugung nicht nachzuweiſen ſind, und uͤberhaupt in kurzem
die wenigen Tropfen Bluts voͤllig eintrocknen, ſo iſt gewiß
ein vernuͤnftiger Grund fuͤr jene Annahme, daß in dieſem
Blut der Stoff zu vielen Krankheiten gegeben werde, keines-
weges vorhanden.


§. 981.

2. Wenn es auch ganz richtig iſt, daß beim neuge-
borenen Kinde, wenn man das gaͤnzliche Erloͤſchen der Pul-
ſation des Nabelſtranges abwartet, derſelbe ohne Blutung zu
[204] erregen, durchſchnitten werden kann, ſo muß man doch andern
Theils auch bedenken, daß bei nachheriger Einhuͤllung des
Kindes, und durch die erhoͤhte Temperatur, der Blutandrang
gegen die Nabelgefaͤße wieder rege werden, und eine Lebens-
gefaͤhrliche Blutung
*) veranlaßt werden koͤnnte. H. v.
Siebold**) hat zwar den Vortheil, welchen er ſich vom
Ausdruͤcken des Blutes in dem Nabelſtrangendchen verſpricht,
mit dem taͤglich erneuerten Unterbinden zur Verhinderung
der Blutung gleichzeitig empfohlen; allein wenn einmal die
gefuͤrchtete Gefahr des ſtockenden Blutes grundlos erſcheint,
ſo iſt es wohl ſo noͤthig nicht, uͤberhaupt von dem aͤltern
Verfahren abzuweichen.


Zweiter pathologiſch-therapeutiſcher Abſchnitt.


I.
Von den Krankheiten der Schwangern und
der Behandlung derſelben
.


§. 982.

Wir theilen die hierhergehoͤrigen krankhaften Zuſtaͤnde
ein in ſolche welche dem Geſchlechtsſyſtem eigenthuͤmlich ſind,
und ſolche welche in den uͤbrigen organiſchen Syſtemen und
im Allgemeinbefinden der Schwangern vorkommen. Die
[205] letztexn aber ſtellen denn namentlich eine Reihe von Zufaͤllen
dar, welche wir als krankhafte Erhoͤhungen der im phyſio-
logiſchen Abſchnitte aufgefuͤhrten Symptome der Schwan-
gerſchaft
zu betrachten haben, und welche mit dieſen oft noch
in ſo fern uͤbereinſtimmen, als ſie, ihrer naͤchſten Urſache
nach durch die Schwangerſchaft ſelbſt bedingt, durch die
Kunſt zwar oft gelindert aber keineswegs immer voͤllig gehoben
werden koͤnnen. Die uͤbrigen allgemeinen Krankheiten, an
welchen Schwangere leiden koͤnnen, welche aber dem weibli-
chen Koͤrper weder ausſchließend eigenthuͤmlich ſind, noch mit
der Schwangerſchaft ſelbſt in einer urſachlichen Verbindung
ſtehen, bleiben natuͤrlich hiebei unberuͤckſichtigt, da ſie Gegen-
ſtaͤnde theils der ſpeciellen Noſologie und Therapie uͤberhaupt,
theils des erſten Theils der Gynaͤkologie insbeſondere aus-
machen.


§. 983.

Als einen Anhang dieſes Kapitels werden wir drittens
noch die Pathologie des Fetus betrachten muͤſſen, und hier
die verſchiedenen, in bisherigen Schriften noch wenig beach-
teten krankhaften Zuſtaͤnde, denen die Frucht ſchon vor der
Geburt unterworfen ſeyn kann (obwohl ſie gemeiniglich erſt
nach der Geburt zu erkennen ſind und einer Behandlung
faͤhig werden), durchzugehen haben.


I.Von den allgemeinen krankhaften Zuſtaͤnden
der Schwangern
.

§. 984.

So wie wir in der Phyſiologie der Schwangerſchaft
(§. 758 u. fgg.) die Umſtimmungen, welche durch dieſen oͤrtlichen
Bildungsprozeß im Allgemeinbefinden veranlaßt werden, nach
den einzelnen Syſtemen des Koͤrpers einzutheilen pflegten, ſo
werden auch die krankhaften Zufaͤlle dieſer Eintheilung am
zweckmaͤßigſten unterliegen.


[206]
1. Krankhafte Zuſtaͤnde in den Verdauungswerk-
zeugen des weiblichen Koͤrpers waͤhrend der
Schwangerſchaft
.

§. 985.

1. Ueblichkeit, Magenkrampf und Erbrechen.
Dieſe Schwangerſchaftsſymptome, welche im geringeren Grade
nur vorſichtige Diaͤt und gutes Verhalten erfordern um ſich
allmaͤhlig zu verlieren, erreichen zuweilen auch einen ſo
hohen Grad, daß alles Genoſſene ſogleich heftige Kraͤmpfe
verurſacht, wieder weggebrochen wird, ja das Erbrechen,
ſelbſt ohne Aufnahme von Nahrungsmitteln, zwanzig, dreißig
und mehreremal taͤglich repetirt, und in ein leeres, ſchmerz-
haftes Wuͤrgen uͤbergeht, wobei hoͤchſtens etwas Schleim,
Galle oder Blut ausgeworfen wird. In dieſem Grade der
Heftigkeit kommt es vorzuͤglich in den erſten Schwangerſchafts-
monaten, bei der erſten Schwangerſchaft, und bei entweder
ſehr ſchwaͤchlichen und reitzbaren, oder ſehr vollſaftigen auch
wohl ſchon fruͤher an Unterleibsbeſchwerden kraͤnkelnden Per-
ſonen vor. Seltner wird ſo heftiges Erbrechen als Folge
des ſehr ausgedehnten Uterus in den letzten Schwangerſchafts-
monaten bemerkt.


§. 986.

Die Urſachen dieſes Zuſtandes liegen: 1. in einer krank-
haft erhoͤhten Reitzbarkeit des Darmkanals uͤberhaupt, welcher
vorzuͤglich bei ſchwaͤchlichen, hyſteriſchen, verzaͤrtelten Koͤrpern
vorkommt, und außer der Beruͤckſichtigung dieſer Conſtitution,
durch Abweſenheit entzuͤndlicher Symptome, Abweſenheit
mechaniſchen Druckes u. ſ. w. erkannt wird. Eine 2te Urſache
welche ſich zuweilen mit dieſer erſten verbindet, iſt Ueber-
fuͤllung des Pfortaderſyſtems mit Blut, in Folge der erhoͤhten
Gefaͤßthaͤtigkeit im Geſchlechtsſyſtem, aus welchem pletho-
[207] riſchen Zuſtande dann oft ſelbſt entzuͤndliche Affektionen ſich
entwickeln. Die Zeichen dieſer Begruͤndung der Krankheit
ſind theils aus der Conſtitution und Lebensweiſe zu entnehmen,
wohin ein kurzer, gedrungener vollſaftiger Koͤrperbau, Haͤmer-
thoidalanlage, fruͤher gefuͤhrte reichlich naͤhrende Diaͤt,
ſitzende Lebensweiſe, Einſchnuͤren des Unterleibes u. ſ. w.
zu rechnen ſind, theils geben ſie ſich kund durch Auftreibung
und Empfindlichkeit der Praͤkordien, Vollheit des Pulſes,
Neigung zu varikoͤſen Geſchwuͤlſten und oͤfters ſich hinzu ge-
ſellende Fieberzuſtaͤnde.


§. 987.

3. Eben ſo kann auch mechaniſcher Druck auf den Darm-
kanal durch hartnaͤckige Verſtopfung und Anfuͤllung des
Blind- und Dickdarms mit veralteten Unreinigkeiten, durch
Einklemmung einiger Darmwindungen oder des Netzes
zwiſchen den ſchwangern Uterus und das Becken, oder in
Bruͤchen (z. B. in Mutterſcheidenbruͤchen) Druck von einem
ſchiefliegenden Uterus, von Druͤſenanſchwellungen u. ſ. w.
hierher gerechnet werden; welches ſich denn durch die Zeichen
dieſer einzelnen Abnormitaͤten und aus genauer geburtshuͤlflicher
Unterſuchung erkennen laſſen wird. 4. Endlich aber koͤnnen
auch organiſche Verbildungen die Urſache ſolchen anhaltenden
Erbrechens werden, wohin Statt habende Verwachſungen des
Netzes oder der Darmwindungen mit dem Uterus u. ſ. w.
gehoͤren *), welche denn vorzuͤglich durch genaue Beruͤckſich-
tigung fruͤher Statt gehabter Ereigniſſe, erkannt werden koͤnnen.
(Beſonders verdienen Puerperalfieber, an welchen etwa die
Kranke nach fruͤhern Entbindungen gelitten hat, in dieſer
Hinſicht ausfuͤhrliche Beachtung, indem dieſe nur gar zu leicht
dergleichen Verbildungen zuruͤckzulaſſen).


[208]
§. 988.

Die Prognoſe richtet ſich theils nach der Heftigkeit
des Uebels, theils nach den Urſachen. Das Erbrechen von
krankhaft aufgeregter Senſibilitaͤt abhaͤngig, pflegt ſelten, bevor
eine gewiſſe Periode der [Schwangerſchaft] (z. B. die erſte
Haͤlfte) voruͤber iſt, zu verſchwinden, iſt im Ganzen jedoch
weniger gefaͤhrlich in ſeinen Folgen. Am meiſten iſt das
Erbrechen wobei entzuͤndliche Zuſtaͤnde zum Grunde liegen,
alſo bey Einklemmungen, bey Plcthora des Pfortaderſyſtems,
u. ſ. w. zu fuͤrchten. Im Allgemeinen droht uͤbrigens jedes
Erbrechen von uͤbermaͤßiger Heftigkeit die Ernaͤhrung des
Kindes zu ſtoͤren und Veraulaſſung zu fehlerhaften Lagen
deſſelben ja zu Fruͤhgeburten zu geben.


§. 989.

Die Behandlung dieſer Zufaͤlle muß zwar vorzuͤglich
nach den beſondern Urſachen ſich richten, doch kann man
folgende allgemeine Regeln zunaͤchſt bemerken, welche fuͤr alle
Faͤlle dieſer Art zu beobachten ſind: — 1. Man ſorge hiebei
fuͤr hinlaͤngliche Unterhaltung der natuͤrlichen Darmausleerungen,
und man wird dadurch die Neigung zu den antiperiſtaltiſchen
Bewegungen vermindern. Zu waͤhlen ſind hierzu theils oͤftere
erweichende Lavements, theils blande Abfuͤhrmittel (Oleum
Ricini, Manna,
u. dergl.) Mittelſalze. 2. Man mache vorzuͤg-
lich von aͤußerlichen Heilmitteln Gebrauch, und vermeide bei
Anordnung der innern Arzneimittel voluminoͤſe Doſen, und
ſolche Dinge welche der Kranken vorzuͤglich zuwider ſind,
indem oft ſogar bei dieſer Vorſicht die Mittel wieder ausge-
brochen werden, immer aber, wenn dieſe Vorſicht nicht beruͤck-
ſichtigt wird. 3. Man ordne eine ſtrenge Diaͤt an, wobei
alle reitzenden belaͤſtigenden Speiſen und Getraͤnke vermieden
werden muͤſſen, und uͤberhaupt nur wenig und ſelten etwas
genoſſen werden darf. Am erſten wird gewoͤhnlich, wenn
gleich in den Fruͤhſtunden zu einer Taſſe Pfeffermuͤnz- oder
Zimmtthee, etwas leichtes Gebaͤck genoſſen wird, dieſe Nah-
rung von dem Magen zuruͤckbehalten. 4. Sollte endlich die
[209] Ernaͤhrung auf dem gewoͤhnlichen Wege ganz unmoͤglich werden,
ſo iſt zu naͤhrenden Baͤdern aus Milch, oder Malzdekokt, zu
Lavements von Fleiſchbruͤhe und Eigelb u. ſ. w. zu ſchreiten.
Indeß kann allerdings der weibliche Koͤrper (worauf ſchon
oben [§. 760.] aufmerkſam gemacht worden iſt) in dieſer
Entwickelungsperiode lange, ohne allzuſehr abzuzehren, die aͤuſ-
ſere Nahrung faſt gaͤnzlich entbehren.


§. 990.

Das uͤbrige Heilverfahren wird nach der verſchiedenen
Entſtehung des Uebels verſchieden ſeyn muͤſſen: — Um die
krankhaft geſteigerte Senſibilitaͤt herabzuſtimmen bedient man
ſich der Emulſionen mit einem Zuſatz von einigen Tropfen
Tr. thebaica, ferner des Liq. C. C., der Tr. Valerianae,
des Extract. Hyoscyami u. ſ. w. in [einem]Decoct. Rad.
Althaeae
mit Beimiſchung eines aromatiſchen Waſſers,
aͤußerlich bedient man ſich der Einreibungen einer Opiatſalbe,
der warmen erweichenden, mit antiſpasmodiſchen Mitteln
verſtaͤrkten Cataplasmen, der lauen Baͤder, des Waſchens der
Magengegend mit geiſtigen Mitteln welchen ebenfalls das
Laudanum beigemiſcht werden kann, des Auflegens eines
Emplastri aromatici, verſtaͤrkt durch Zuſaͤtze von Opium,
aͤtheriſchen Oehlen u. ſ. w.


§. 991.

Bei entzuͤndlichen oder plethoriſchen Zuſtaͤnden hingegen
wirken Venaͤſektionen, Anſetzen von Blutigeln in die Magen-
gegend, gelind abfuͤhrende Mittelſalze, kuͤhleres Verhalten, Fuß-
baͤder u. ſ. w. ſehr wohlthaͤtig. Wirklich bedeutende Obſtruk-
tionen oder gaſtriſche Zuſtaͤnde indiciren die Anwendung der
ſtaͤrkern ausleerenden Mittel und ſelbſt der Brechmittel. Mecha-
niſchen Druck des Darmkanals ſucht man zu vermindern,
indem man fuͤr Zuruͤckhaltung der Bruͤche ſorgt, und Schief-
lagen des Uterus durch eine zweckmaͤßige Bauchbinde beſeitigt.
Vorhandene organiſche Verbildungen endlich laſſen faſt nie
II. Theil. 14
[210] eine radicale Heilung hoffen, und es kann daher hier nur
ein den Umſtaͤnden angemeſſenes palliatives Berfahren em-
pfohlen werden.


§. 992.

Weniger bedeutende Stoͤrungen der Verdauungsfunktion ſind:
2. Saͤureerzeugung, Sodbrennen, heftige Geluͤſte
nach ungewoͤhnlichen, oft ganz ungenießbaren Dingen (Malacia,
Pica).
Auch dieſen Symptomen liegen gewoͤhnlich aͤhnliche
Urſachen wie dem Uebelſeyn und Erbrechen zum Grunde.
Der Saͤureerzeugung und dem Sodbrennen gewoͤhnlich gaſtriſche
Zuſtaͤnde, uͤbermaͤßige Gallenabſonderung u. ſ. w. weßhalb
ſie ausleerende, und ſpaͤterhin abſorbirende und roborirende
Mittel erfordern. Die krankhaften Geluͤſte beruhen vorzuͤglich
auf Verſtimmungen der Senſibilitaͤt, und machen daher die
lauen Baͤder, die Einreibungen ſpirituoͤſer mit etwas Laudan [...]
vermiſchter Fluͤſſigkeiten in die Magengegend u. ſ. w. nach
Umſtaͤnden noͤthig; weſentlich iſt uͤbrigens auch hier die Be [...]
bachtung einer ſtrengen Diaͤt, Sorge fuͤr Unterhaltung regel-
maͤßiger Darmausleerungen, fuͤr hinlaͤngliche Bewegung u. ſ. w.


§. 993.

3. Als krankhafte Zuſtaͤnde des eigentlichen Darmkanals
endlich ſind zu erwaͤhnen: die Diarrhoͤen, Verſtopfun-
gen und Koliken der Schwangern
. Alle drei Uebel
koͤnnen zwar bei Schwangern eben ſo wie bei nicht Schwan-
gern, aus Indigeſtionen, [Erkaͤltungen] u. ſ. w. ihren Urſprung
nehmen, werden aber zuweilen auch durch die Schwanger-
ſchaft ſelbſt befoͤrdert und veranlaßt.


§. 994.

An Diarrhoͤen pflegen Schwangere zuweilen vorzuͤg-
lich in den fruͤhern Monaten als Folge des ungewohnten
Zuſtandes zu leiden. Der Darmkanal nimmt dann gleichſam
mit Antheil an der vermehrten Ausſcheidung in den Ge-
ſchlechtsorganen, und treten dann irgend aͤußere Gelegenheits-
urſachen, Unvorſichtigkeiten in der Diaͤt, Erkaͤltungen u. ſ. w.
[211] hinzu, ſo kann das Uebel bis zum Tenesmus, zu ſchneidenden
Schmerzen und Blutabgang geſteigert werden, welches dann
auf entzuͤndeten Zuſtand der Schleimhaut des Dickdarms
deutet. In dieſem Grade drohen die Zufaͤlle fuͤr den Verlauf
der Schwangerſchaft ſelbſt Nachtheil, indem leicht Fruͤhgeburten
dadurch veranlaßt werden.


§. 995.

Bei Schwangern welche durch Vollſaftigkeit und Reitz-
barkeit eine natuͤrliche Anlage zu ſolchen Durchfaͤllen haben,
muß man aber zuerſt durch eingeſchraͤnkte Diaͤt, warme
Bekleidung der Fuͤße und des Unterleibes, den Ausbruch
derſelben zu verhuͤten bemuͤht ſeyn. Iſt indeß die Krankheit
bereits ausgebildet, ſo wird ſie bei einem geringern Grade
durch gelind diaphoretiſche Mittel, ſchleimige Getraͤnke,
Cataplasmata uͤber den Unterleib, auch wohl (namentlich unter
Zeichen gaſtriſcher Unreinigkeiten) durch einige leichte abfuͤh-
rende Mittel am zweckmaͤßigſten beſeitigt. Staͤrkere Grade
der Krankheit erfordern oft: bei entzuͤndlichen Zuſtaͤnden, kleine
Blutentziehungen, oͤhlige Mittel, Lavements von Staͤrkeabko-
chung, Epispastica u. ſ. w. — bei krankhaft erregter Sen-
ſibilitaͤt, das Opium, auch in Verbindung mit Ipecacuanha
und bei atoniſchen Zuſtaͤnden, die Zimmt- oder Cascarillen-
rinde, ſeltner die ſtark adſtringirend wirkenden Mittel wie
Rad. Columbo.


§. 996.

Die Verſtopfung wird ebenfalls bei Schwangern
theils durch die veraͤnderte Stimmung des Darmkanals allein
bedingt, (und dieſes pflegt namentlich, wenn ſie in den
fruͤhern Monaten eintritt, der Fall zu ſeyn) theils iſt ſie
die Folge des vermehrten Druckes vom Uterus (ſo insbeſondere
in den letzten Monaten bei tiefliegendem Kopfe des Kindes,
oder bei falſchen Lagen des Uterus). Auf beide Weiſe wird
ſie jedoch um ſo leichter eintreten je mehr ſie durch unzweck-
maͤßige Lebensweiſe, ſchwerverdauliche Diaͤt, vieles Stillſitzen
u. ſ. w. beguͤnſtigt wird. Haͤufig kommt ſie in Verbindung
[212] mit andern zum Theil ſchon erwaͤhnten Leiden der Verdauungs-
werkzeuge, namentlich mit dem Erbrechen, vor. — Die
Zufaͤlle welche anhaltende Verſtopfungen in der Schwangerſchaft
hervorbringen, ſind: Beaͤngſtigungen auf der Bruſt, Andrang
des Blutes nach dem Kopfe, Fieberbewegungen, Unordnun-
gen im Kreislaufe des Pfortaderſyſtems u. ſ. w.


§. 997.

Ruͤckſichtlich der Behandlung iſt auch hier wieder zunaͤchſt
auf die zweckmaͤßige Einrichtung der Lebensordnung zu achten,
Sparſame mehr vegetabiliſche Diaͤt, haͤufigere Aufnahme von
Getraͤnk, oͤftere Bewegung in freier Luft, reichen daher oft
allein hin, dergleichen Zuſtaͤnde zu beſeitigen. Außerdem iſt
jedoch von abfuͤhrenden Mitteln, von erweichenden Lavements
u. ſ. w. vorzuͤglich dann Gebrauch zu machen, wenn die Ver-
ſtopfung bereits laͤngere Zeit angehalten hat. Als Mittel
dieſer Art empfehlen ſich der Genuß eines Glaßes Seidſchuͤtzer
Bitterwaſſer in den Fruͤhſtunden, bei nachfolgender maͤßiger
Bewegung, das Electuarium lenitivum, das Oleum Rieini
und die Verbindung der Flor. sulphuris mit dem Cremor
tartari
(vorzuͤglich bei Neigung zu Haͤmorrhoiden). Zugleich
ſucht man beſondere einwirkende Urſachen der Verſtopfung zu
heben, unterſagt jedes feſte Einſchnuͤren des Leibes, und
beſeitigt falſche Lagen der Gebaͤrmutter entweder durch opera-
tive Kunſthuͤlfe (wie bei der ſpaͤter zu beſchreibenden Retro-
versio uteri
) oder durch Anlegung einer zweckmaͤßigen Bauch-
binde (z. B. bei Schieflagen des Uterus).


§. 998.

Die Koliken der Schwangern endlich verbinden ſich
haͤufig mit den vorgenannten Beſchwerden und werden zum
Theil durch dieſelben Urſachen begruͤndet. Beſonders werden
ſie durch abnorme Luftentwickelung in Darmkanale, an und
fuͤr ſich erhoͤhte Reitzbarkeit, und Druck des ſchwangern Uterus,
beſonders bei ungewoͤhnlichen Lagen deſſelben oder des Kindes,
veranlaßt. Sie kommen daher namentlich in der letzten Zeit
der Schwangerſchaft vor und koͤnnen dann leicht mit eintre-
tenden Wehen verwechſelt werden (welches jedoch durch genaue
[213] Beruͤckſichtigung der oben §. 799. aufgezaͤhlten Kennzeichen
der wahren Wehen zu verhuͤten iſt), ja ſelbſt, wenn ſie ſehr
heftig ſind, (indem die Reitzung des Darmkanals auf den
Uterus uͤbertragen wird), die Entſtehung wahrer Wehen
veranlaſſen.


§. 999.

Bei der Behandlung derſelben muß wieder theils auf
die Conſtitution der Kranken, theils auf die urſachlichen
Verhaͤltniſſe Ruͤckſicht genommen werden. Bei vollſaftigen,
zu Anhaͤufung des Blutes in dem Pfortaderſyſtem geneigten
Perſonen, wo Erkaͤltungen eingewirkt haben, der Charakter
der Krankheiten uͤberhaupt der entzuͤndliche iſt, ſind allgemeine
oder oͤrtliche Blutentziehungen, kuͤhlende, reſolvirende, abfuͤh-
rende Mittel (z. B. die Emulsio oleoso-salina) durchaus
nothwendig. Sind hingegen die Nerven krankhaft gereitzt
und anderweitige Urſachen, als gaſtriſche Unreinigkeiten, Ver-
ſtopfung u. ſ. w. hinlaͤnglich beruͤckſichtigt und beſeitigt, ſo
wirken laue Baͤder, Umſchlaͤge, kleine Doſen narkotiſcher Mittel,
Lavements, nach Befinden mit einigen Tropfen Laudanum
liq. S.,
Einreibungen des fluͤchtigen Liniments oder einer
Opiatſalbe, Rubefacientia, und Befoͤrderung gelinder Transſpi-
ration ſehr wohlthaͤtig. Blaͤhungsbeſchwerden erfordern, wenn
ſie die Koliken veranlaſſen, vorzuͤgliche Vermehrung der peri-
[ſtaltiſchen] Thaͤtigkeit des Darmkanals durch Einreibungen,
Lavements, Infusum menthae pip. u. ſ. w. — und eben
ſo koͤnnen endlich Koliken durch Wurmreitz, Leber-, Nieren-
krankheiten u. ſ. w. veranlaßt, hier nicht anders, als es uͤber-
haupt die Regeln der ſpeciellen Therapie lehren, behandelt
werden.


2. Krankhafte Zuſtaͤnde im Gefaͤßſyſtem des
weiblichen Koͤrpers waͤhrend der Schwangerſchaft
.

§. 1000.

Congeſtionen: Es iſt ſchon bei der phyſiologiſchen
Geſchichte der Schwangerſchaft erwaͤhnt worden, wie die
bedeutende Umſtimmung welche das Gefaͤßſyſtem im ſchwan-
[214] gern Koͤrper naturgemaͤß erleidet, manche beſchwerliche Schwan-
gerſchaftsſymptome herbeifuͤhrt. Auf eine wirklich krankhafte
Hoͤhe werden indeß dieſe Zufaͤlle geſteigert theils durch beſondere
Dispoſition, theils durch eigenthuͤmliche reitzende Einfluͤſſe.
Zu den praͤdisponirenden Momenten gehoͤren allgemeine bereits
fruͤher vorhandene Vollbluͤtigkeit, große Erregbarkeit des Ner-
venſyſtems, derjenige Bau des Koͤrpers, wodurch uͤberhaupt
Anhaͤufung des Blutes in gewiſſen Theilen, z. B. im Kopf
oder Bruſt befoͤrdert werden (apoplektiſcher oder phthiſiſcher
Habitus). Als veranlaſſende Urſachen aber ſind zu betrachten
reichliche, erhitzende Nahrung, warme Temperatur, ſitzende
Lebensweiſe, heftige Gemuͤthsbewegungen, und der Druck
des ſchwangern Uterus auf die Staͤmme der Unterleibsgefaͤße.


§. 1001.

Prognoſe. Die Zufaͤlle welche aus dieſer Ueberfuͤllung
einzelner Zweige des Gefaͤßſyſtems hervorgehen, ſind ſehr
verſchieden und oft fuͤr das Leben der Frucht ſo wie des
muͤtterlichen Koͤrpers gefaͤhrlich. Ruͤckſichtlich der Frucht,
ſo kann leicht die Ernaͤhrung derſelben geſtoͤrt, und durch
eine vom Gefaͤßſyſtem auf das Nervenſyſtem uͤbertragene
Erregung, das zu zeitige Erwachen der Geburtsthaͤtigkeit
veranlaßt werden. Was den muͤtterlichen Koͤrper betrifft, ſo
koͤnnen fuͤr dieſen Blutungen, Entzuͤndungskrankheiten, Ner-
venzufaͤlle, krankhafte Gemuͤthszuſtaͤnde, Ohnmachten ja
apoplektiſche Anfaͤlle herbeigefuͤhrt werden.


§. 1002.

Die Behandlung dieſer Krankheit des Gefaͤßſyſtems muß
vorzuͤglich auf Entfernung der genannten Veranlaſſungen, und
daher zunaͤchſt auf Regulirung der Diaͤt und Lebensweiſe
gerichtet ſeyn, welches beides voͤllig nach der antiphlogiſtiſchen
Methode zu ordnen iſt. Man unterſagt ſonach das viele
Stillſitzen, ſo wie das Schlafen in dicken Federbetten, mit
niedriger Kopflage und auf dem Ruͤcken liegend (wobei der
Druck des Uterus ſtaͤrker einwirkt), und eben ſo muß
alle beengende Kleidung, heiße Zimmerluft, und heftige Ge-
[215] muͤthsbewegung ſorgfaͤltig vermieden werden. Außerdem werden
hier allerdings, bei an und fuͤr ſich vollbluͤtigen Subjecten,
Blutentziehungen, von Zeit zu Zeit wiederholt, unumgaͤnglich
nothwendig, und ſind unter ſolchen Umſtaͤnden (namentlich
bei uͤberdieß ſehr reitzbaren Subjekten) das einzige Mittel
die Erhaltung und Austragung der Frucht zu bewirken.


§. 1003.

Beſondere Ruͤckſicht verdient ferner die Sorge fuͤr regel-
maͤßige Darmentleerungen, und von Zeit zu Zeit gegebene
gelinde Abfuͤhrungen (draſtiſche Mittel wuͤrden die Congeſtionen
nach dem Geſchlechtsſyſtem vermehren) durch das Electuarium
lenitivum,
der Cremor tartari mit den Flor. sulphuris u.
ſ. w. ſind deßhalb ſehr zu empfehlen. Außerdem ſind laue
Baͤder, Sorge fuͤr hinlaͤngliche Hautausduͤnſtung nuͤtzlich, um
die Neigung zu oͤrtlichen Blutanhaͤufungen zu vermindern. —
Wirklich entſtandene heftige Congeſtionen, welche durch
Schwindel, Kopfſchmerz, Engbruͤſtigkeit, Ohnmachten u. ſ. w.
ſich zu erkennen geben, fordern uͤbrigens dieſelbe Behandlung,
welche die ſpecielle Therapie auch fuͤr aͤhnliche Zufaͤlle außer
der Schwangerſchaft vorſchreibt. Es ſind demnach allgemeine
oder oͤrtliche Blutentziehungen, kuͤhlende Umſchlaͤge auf den
leidenden Theil, ableitende Mittel, als: Fußbaͤder, Senfum-
ſchlaͤge um die Fuͤße, reitzende Lavements, und endlich um
nachbleibende [Schwaͤchezuſtaͤnde] des Nervenſyſtems zu heben,
die mehr erregenden Mittel: Valeriana, Moschus, Naphtha
u. ſ. w. angezeigt. — Das gewaltſame Veranlaſſen und
Bewerkſtelligen der Entbindung hingegen, moͤchten wir auch
fuͤr die gefahrdrohendſten Faͤlle nicht als Univerſalmittel ſondern
nur dann, wenn der Zuſtand als rein durch die Schwanger-
ſchaft ſelbſt bedingt erſcheint, als huͤlfreich empfehlen.


§. 1004.

2. Blutungen. Wir beruͤckſichtigen hier blos die
Blutfluͤſſe aus andern als den Geſchlechtsorganen. Sie ſind
ſaͤmtlich als Produkte eines hoͤhern Grades von Congeſtion
anzuſehen und finden deßhalb ihre Urſachen theils in denſelben
[216] allgemeinen Momenten wie dieſe’ (ſ. §. 1000.) theils in
oͤrtlichen krankhaften Dispoſitionen einzelner Organe. Sie
erſcheinen als Bluthuſten, Naſenbluten, Blutbrechen oder
Haͤmorrhoiden, und ihre Folgen ſind ſehr verſchieden. Dieje-
nigen Blutfluͤſſe welche blos von allgemeinen Urſachen z. B.
zu reichlicher Diaͤt, ſitzender Lebensweiſe u. ſ. w. abhaͤngen,
oder regelmaͤßig in den erſten Monaten fuͤr die Menſtruation
vicariirend eintreten, aus weniger bedenklichen Orten ſich
ergießen (z. B. als Naſenbluten oder Haͤmorrhoiden) pflegen
weder das allgemeine Befinden merklich zu ſtoͤren noch auf
die Schwangerſchaft ſelbſt einen nachtheiligen Einfluß zu haben;
dahingegen, wo bedeutende Organe leiden, und das Bluten
oͤfters und in groͤßerer Quantitaͤt wiederkehrt, der Koͤrper
im Allgemeinen geſchwaͤcht und zu heftigen Blutfluͤſſen bei
der Geburt disponirt wird, ja die Ernaͤhrung des Kindes
ſelbſt leiden muß.


§. 1005.

Nach dieſen Anſichten muß denn auch die Behandlung
eingeleitet werden. Minder bedenkliche, aus allgemeinen
Urſachen entſtandene Blutfluͤſſe, duͤrfen nicht ploͤtzlich gehemmt,
ſondern nur fuͤr den Moment durch Ruhe und leichteres
antiphlogiſtiſches Verfahren gemaͤßigt werden, das Weſentliche
bleibt es aber nach voruͤbergegangenem Anfalle die Wiederkehr
deſſelben durch das gegen die zum Grunde liegenden Congeſti-
onen gerichtete Verfahren zu verhuͤten. Bedeutendere Blut-
ergießungen machen hier eben ſo wie außer der Schwanger-
ſchaft, ein paſſendes, auf Beruhigung des Erethismus im
Gefaͤßſyſtem und Contraktion der blutenden Gefaͤße abzwecken-
des Verfahren nothwendig. Es werden ſonach, bei Plethora
und großer Aufregung im Gefaͤßſyſtem, Blutentziehungen und
der geſammte antiphlogiſtiſche Heilapparat, bei Erethiſmus
ohne wahre Plethora, die mineraliſchen Saͤuren mit Opium,
die Alaunmolken, die Fußbaͤder, die trocknen Schroͤpfkoͤpfe
und warmen Fomentationen oder Friktionen der [Extremitaͤten],
ſo wie geiſtige, adſtringirende oder kalte Fomentationen auf
den leidenden Theil, ſich vorzuͤglich huͤlfreich erweiſen. Außer-
[217] dem aber muß waͤhrend des Anfalls vollkommene Ruhe
beobachtet, und es muͤſſen irgend einwirkende ſpecifiſche Urſachen,
ſo wie die oͤrtlichen vielleicht vorhandenen organiſchen Krank-
heiten beruͤckſichtigt werden.


§. 1006.

3. Venengeſchwuͤlſte(Varices.) Schon iſt bei der
Geſchichte der durch Schwangerſchaft im weiblichen Koͤrper
hervorgebrachten Veraͤnderungen, der Anſchwellung der Haut-
venen an den Extremitaͤten und an den Geburtstheilen als
einer haͤufigen Erſcheinung gedacht worden. Man bemerkt
dieſelben namentlich bei phlegmatiſchen, ſchwammigen Koͤrpern,
bei welchen das Venenſyſtem im Allgemeinen ein bedeutendes
Uebergewicht uͤber das arterielle Syſtem zeigt. Sie werden
gewoͤhnlich um ſo verbreiteter und ſtaͤrker gefunden, je meh-
rere Geburten vorausgegangen ſind. Ihre Lagerung folgt
gewoͤhnlich dem Laufe der Vena saphena magna, jedoch ſo
daß ſie ſich oft bis auf die aͤußern Geburtstheile ja ſelbſt
bis in die Bagina fortſetzen und ihre Groͤße variirt von dem
Zuſtande einer bloßen angeſchwollenen blau durchſcheinenden
Vene, bis zum Umfange eines Tauben- ja eines Huͤnereies.


§. 1007.

Die davon abhaͤngenden Beſchwerden ſind: Druck, Span-
nung, zuweilen ſtechende Schmerzen und Hinderung des Ge-
brauchs der Glieder; am bedenklichſten werden ſie jedoch durch
heftige ſelbſt lebensgefaͤhrliche Blutungen, welche erfolgen, ſo-
bald der Varix durch einen zufaͤlligen Stoß oder durch ſon-
ſtige Reitzung verletzt wird; welche Verletzungen auch zu-
weilen zu Entſtehung boͤsartiger, ſchwer heilender Geſchwuͤre
Veranlaßung geben. — Gewoͤhnlich ſind dieſe Geſchwuͤlſte zu
Anfange der Schwangerſchaft nur unbedeutend, wachſen aber
im Verlanfe derſelben immer mehr, und ſind dann auch ge-
woͤhnlich waͤhrend dieſer Zeit auf keine Weiſe voͤllig zu beſei-
[218] tigen. Nach der Geburt pflegen ſie zuſammenzufallen und
blos durch blauliche Zeichnungen auf der Haut ſpaͤterhin noch
kenntlich zu bleiben. In einer naͤchſtfolgenden Schwangerſchaft
hingegen kehren ſie gewoͤhnlich um ſo ſtaͤrker zuruͤck.


§. 1008.

Die Urſachen dieſer Anſchwellung ſind theils disponi-
rende theils Gelegenheitsurſachen. Zu den erſteren gehoͤrt
die §. 1006 bemerkte Conſtitution, ferner der Conſenſns der
Venen der Unter-Gliedmaaßen mit den Venen des Uterus,
und krankhafte Zuſtaͤnde des Pfortaderſyſtems. Zu den letz-
tern muͤſſen der Druck des ſchwangern Uterus auf die Venen-
ſtaͤmme des Beckens, langwierige Obſtruktionen des Darmka-
nals, die Anwendung heftig reitzender Mittel (der Aloë, Sa-
bina
u. ſ. w.) welche Cougeſtionen im Pfortaderſyſtem veran-
laßen, Schieflagen des Uterus u. ſ. w. gerechner werden.


§. 1009.

Die Behandlung muß nach den ſpecifiſchen, den jedes-
maligen Faͤllen zum Grunde liegenden Urſachen ſich richten.
Man wendet daher bei allgemeiner Vollſaftigkeit des Koͤrpers
und Blut-Anhaͤufungen im Pfortaderſyſtem, ein antiphlogi-
ſtiſches Verfahren, ja bei drohender Gefahr des Aufſpringens
der Venengeſchwuͤlſte ſelbſt Aderlaͤße mit Nutzen an, giebt
einige blande Abfuͤhrungen, ſorgt fuͤr hinlaͤngliche Bewegung
und kuͤhlende wenig naͤhrende Diaͤt; da hingegen das bloße
Einwickeln der Glieder und Zuſammenpreſſen der angeſchwol-
lenen Adern hier in mehrerer Hinſicht nachtheilig ja gefaͤhr-
lich werden koͤnnte. Hartnaͤckige Obſtruktionen machen ſtaͤr-
kere Abfuͤhrungen, das laͤngere Zeit fortgeſetzte Trinken des
Bitterwaſſers u. ſ. w. nothwendig, Schieflagen des Uterus
erfordern eine zweckmaͤßige Leibbinde.


§. 1010.

Erſt nach gehoͤriger Beruͤckſichtigung dieſer verſchiedenen
Urſachen kann mehr gegen die Erſchlaffung und Ausdehnung
[219] der Venen ſelbſt gewirkt werden. Außerdem daß ſonach bei
großer Atonie des Koͤrpers uͤberhaupt, ſtaͤrkere innere Heil-
mittel, die Anordnung einer kraͤftigen, nahrhaften Diaͤt, und
des maͤßigen Genußes eines kraͤftigen Weins, nuͤtzlich werden,
kann auch oͤrtlich durch Anlegen einer Binde oder der Schnuͤr-
ſtruͤmpfe, durch oͤfteres Waſchen der varikoͤſen Geſchwuͤlſte mit
geiſtigen zuſammenziehenden Fluͤßigkeiten (mit rothem Wein,
Brantwein, Abkochungen von Absinthium, Ulmenrinde mit
Brantwein, mit Spirit. serpilli nebſt einem Zuſatze der Tr.
terrae Catechu
) wenigſtens ein groͤßeres Anwachſen der Kno-
ten verhuͤtet werden. Haben die Varices ihren Sitz an den
Schamtheilen ſelbſt, ſo laͤßt man eine mit jener Fluͤßigkeit
getraͤnkte Compreße durch eine T Binde uͤber dieſelben be-
feſtigen. — Alle dieſe Mittel jedoch, ſo wie der aͤußere Druck
werden immer nur im Beginn des Wachsthums dieſer Ge-
ſchwuͤlſte recht wohlthaͤtig wirken koͤnnen, ſpaͤterhin aber die
ſchon entſtandenen Geſchwuͤlſte zu beſeitigen nicht im Stande
ſeyn. — Ueberhaupt iſt das ſtarke Zuſammendruͤcken groͤßerer
Geſchwuͤlſte keineswegs rathſam, da oft gerade dadurch erſt
das Aufſpringen derſelben veranlaßt wird.


§. 1011.

Iſt indeß ein ſolcher Varix trotz angewandter Vorſicht,
von ſelbſt oder auch durch aͤußere Gewalt geborſten, ſo wird,
um die Blutung zu ſtillen, namentlich vom Tamponiren und
der Anwendung der Kaͤlte Gebrauch gemacht werden muͤßen.
Man laͤßt zu dem Ende Feuerſchwamm mit Kolophonium-, oder
Alaun- und arabiſchen Gummi-Pulver beſtreut aufdruͤcken, macht
kalte Umſchlaͤge von Waſſer, Eſſig und Branntwein, ja koͤnnte
wohl in Faͤllen beſonders heftiger Blutung zu Anlegung des
Turnikets genoͤthigt werden (deſſen Anwendung man neuerlich
ſelbſt zur Verhuͤtung zu großer Ausdehnung dieſer Ge-
ſchwuͤlſte vorgeſchlagen hat, wozu es uns jedoch nicht recht
geeignet ſcheint).


[220]
3. Krankhafte Zuſtaͤnde der Athmungs- und
Abſonderungswerkzeuge des weiblichen Koͤr-
pers waͤhrend der Schwangerſchaft
.

§. 1012.

1. Huſten und Aſthma. Auch uͤber den weſent-
lichen Einfluß welchen die Veraͤnderungen im Geſchlechtsſyſtem
auf die Athemwerkzeuge aͤußern, iſt in dem phyſiologiſchen
Abſchnitte geſprochen worden. Namentlich iſt es die ausſon-
dernde Lungeuthaͤtigkeit welche hierbei vermindert wird, wo-
durch denn auch Gelegenheit zu den genannten krankhaften
Erſcheinungen gegeben werden kann. Wie naͤmlich ebendeß-
halb Krankheiten, welche auf krankhaft erhoͤhter Thaͤtigkeit
beruhen (als Phthiſis) ſich in der Schwangerſchaft zu min-
dern pflegen, ſo muß andern Theils, wenn die Athmungsthaͤ-
tigkeit vielleicht ſchon an und fuͤr ſich durch organiſche Feh-
ler der Bruſteingeweide beſchraͤnkt war, dieſes waͤhrend der
Schwangerſchaft leicht zu aſthmatiſchen Beſchwerden und dergl.
Veranlaßung geben.


§. 1013.

Zu den krankhaften Zuſtaͤnden der Bruſteingeweide nun,
welche zu ſolchen Zufaͤllen in der Schwangerſchaft disponiren,
gehoͤren Verwachſungen der Lungen mit der Pleura, Tuber-
kelu, Bruſtwaſſerſucht, Erweiterung in den großen Gefaͤßen,
Mißbildungen des Thorax uͤberhaupt, krankhafte Zuſtaͤnde des
Herzens und abnorme Reizbarkeit der Nerven der Bruſt. —
Veranlaſſung zum Ausbruch der Zufaͤlle ſelbſt hingegen wird
vorzuͤglich durch alles was Congeſtionen nach der Bruſt ver-
anlaßen, oder uͤberhaupt die Lungenthaͤtigkeit noch mehr hem-
men kann, gegeben. Heftige Gemuͤthsbewegungen alſo, Diaͤt-
fehler und dadurch entſtandne Auftreibung des Unterleibes, Ge-
nuß erhitzender Getraͤnke, Erkaͤltungen u. ſ. w. ſind es, wo-
durch bei der in Folge der Schwangerſchaft und fruͤherer krankhaf-
ten Zuſtaͤnde gegebene Dispoſition, entweder Anhaͤufungen des
Blutes in den großen Gefaͤßen, und ſomit Aſthma, welches
bis zur Ohnmacht ja bis zur Aſphyxie geſteigert werden kann,
[221] oder wodurch Congeſtionen und halbentzuͤndliche Zuſtaͤnde in
den kleinern Gefaͤßen, oder gereitzte Zuſtaͤnde der Nerven, ſo-
mit aber theils ebenfalls aſthmatiſche Anfaͤlle, vorzuͤglich aber
hartnaͤckige Beſchwerden von Huſten hervorgerufen werden. —


§. 1014.

Wir haben nun dieſe Zufaͤlle hier blos in Beziehung auf
den Zuſtand der Schwangerſchaft zu betrachten, und da er-
giebt ſich denn, daß namentlich das Aſthma allerdings ein
ſehr gefaͤhrlicher Zuſtand genannt werden muͤße, indem bei
der an ſich ſo herabgeſtimmten Oxydation der Blutmaſſe, eine
ſolche Hemmung der Reſpiration leicht dieſe Oxydation bis
auf einen Grad vermindern kann, wobei das Leben nicht
fortzubeſtehen vermag, und dadurch Apoplexie oder Erſtickung
veranlaßt wird. Merkwuͤrdig iſt es jedoch hierbei daß, wenn
das Uebel auf dieſen Grad ſteigt, gewoͤhnlich die Natur noch
ihre letzten Kraͤfte dazu verwendet, um die Geburt zu bewerk-
ſtelligen, daß jedoch der Einfluß dieſer gehemmten Reſpiration
der Mutter gewoͤhnlich ſo bedeutend iſt, daß die Oxydation
der Saͤfte des Fetus an der Oberflaͤche des Eies nicht fer-
ner unterhalten wird, und auch die Frucht folglich meiſtens
abſtirbt.


§. 1015.

Was den Huſten betrifft, ſo iſt er bei Schwangern zwar
wohl nicht an Gefahr dem Aſthma gleichzuſtellen, dagegen wird
auch er auf die Schwangerſchaft manche nachtheilige Einwir-
kungen aͤußern. Iſt er naͤmlich mit bedeutendem Auswurf
begleitet, ſo ſchwaͤcht oft ſchon dieſer Saͤfteverluſt die Ernaͤh-
rung des Kindes; vorzuͤglich nachtheilig aber wirken die Er-
ſchuͤtterungen, indem theils dadurch zeitigere Lostrennungen der
Placenta, und Fruͤhgeburten, theils falſche Lagen ſowohl des
Uterus uͤberhaupt als insbeſondere des Kindes, veranlaßt wer-
den koͤnnen. — Die Zeit der Schwangerſchaft uͤbrigens, in
welcher wir dieſe Beſchwerden vorzuͤglich beobachten, iſt theils
der Anfang derſelben, wo durch die ploͤtzlich eingetretene Um-
ſtimmung im Koͤrper, zum krampfigen Aſthma und Ha-
[222] ſten Veranlaßung gegeben wird, theils die letzte Zeit derſel-
ben, wo durch die am ſtaͤrkſten ausgedehnte Bauchhoͤhle der
Raum der Bruſthoͤhle am meiſten verengert wird, und da-
durch insbeſondere lebensgefaͤhrliche Stockungen der Blutmaße
herbeigefuͤhrt werden koͤnnen.


§. 1016.

Die Behandlung dieſer Zufaͤlle muß allerdings haupt-
ſaͤchlich nach den zum Grunde liegenden krankhaften Zuſtaͤn-
den der Reſpirationsorgane verſchieden ſeyn, und nach den in
der ſpeciellen Therapie fuͤr die einzelnen Bruſtkrankheiten auf-
geſtellten Regeln (welche hier zu wiederholen nicht der Ort
iſt) eingerichtet werden, wird aber ſtets, da viele dieſer Krank-
heiten waͤhrend der Dauer der Schwangerſchaft nicht beſei-
tigt werden koͤnnen, ja nur zu oft als voͤllig unheilbar be-
trachtet werden muͤßen, zum Theil auch palliativ und auf
ſchnelle Linderung gefaͤhrlicher Anfaͤlle gerichtet ſeyn muͤßen,
woruͤber denn hier noch Einiges zu erinuern iſt. — Zuvoͤr-
derſt iſt demnach ein Verhalten und eine Diaͤt den ſolchen
Anfaͤllen unterworfenen Schwangern zu verordnen, wodurch
alle oben erwaͤhnten Veranlaßungen zu Congeſtionen nach der
Bruft, und heftigen Aufreitzungen des Gefaͤß- und Nerven-
ſyſtems uͤberhaupt ſorgfaͤltigſt vermieden werden. Ferner wird
bei Dispoſition zu ſolchen krankhaften Zuſtaͤnden ſtets das
Hautorgan beſondere Beruͤckſichtigung verdienen, und eine ge-
linde Befoͤrderung der Hautausduͤnſtung durch waͤrmere Be-
deckung, namentlich der Bruſt ſelbſt, durch Friktionen der
Bruſt mit Flanelltuͤchern u. ſ. w. eben ſo nuͤtzlich werden,
als bei Neigung zu Anhaͤufung venoͤſen Blutes in den gro-
ßen Gefaͤßen der Bruſt, das Einathmen einer recht reinen an
Sauerſtoff reichen Luft.


§. 1017.

Den eingetretenen Anfaͤllen ſelbſt ſetzen wir zur Linde-
rung vorzuͤglich ausleerende, ableitend und beruhigende Mit-
tel entgegen. Bei Zufaͤllen durch bedeutende Blutanhaͤufun-
gen in den Gefaͤßen der Bruſt veranlaßt, werden daher all-
[223] gemeine oder oͤrtliche Blutentziehungen, Anwendung abfuͤhren-
der Mittel, Fußbaͤder, Fomentationen der untern Extremitaͤten
mit Flanelltuͤchern in Senffdekokt getaucht, Sinapismen und
Vesicantia nothwendig. Zur Verminderung krankhafter Reitz-
barkeit der Nerveu der Bruſteingeweide, oder Beſeitigung
krampfhafter Zuſtaͤnde, werden ferner, außer den erwaͤhnten
Ableitungen, demulcirende Getraͤnke, kleine Gaben des Extr.
Hyoscyami,
des Extr. Lactucae virosae, des Opiums in
Verbindung mit Antimonialien, warme Fomentationen, das
Rauchen einer halben Pfeife voll Herba Daturae stramon.,
oder reitzende Einreibungen auf die Bruſt u. ſ. w. huͤlfreich.
Am ſchwierigſten wird es gewoͤhnlich ſeyn bei Ergießungen von
Waſſer in der Bruſthoͤhle Linderung zu verſchaffen; auch hier
iſt jedoch von ableitenden Mitteln und Befoͤrderung der Nie-
renſekretion durch Decoct. Baccar. juniperi, durch Tr. Di-
gitalis, Squilla,
Einreibung diuretiſcher Linimente u. ſ. w. am
meiſten zu erwarten. Es koͤnnen indeß hierbei Faͤlle vorkom-
men, wo die Gefahr der Erſtickung ſo nahe tritt, daß, inſo-
fern ſie vorzuͤglich durch die Ausdehnung der Bauchhoͤhle und
das ſtark aufwaͤrts getriebene Diaphragma unterhalten wird,
es ſelbſt noͤthig werden kann, den Zeitpunkt der Entbindung
zu beſchleunigen, welches dann namentlich durch die ſpaͤter zu
beſchreibende Operation der kuͤnſtlichen Fruͤhgeburt (mittelſt
Sprengung der Eihaͤute, zu bewerkſtelligen ſeyn moͤchte.


§. 1018.

2. Krankhafte Zuſtaͤnde des Hautorgans.
Wir uͤbergehen hier die mancherlei Flecken und kleinern
Hautausſchlaͤge, welche haͤufige Begleiter der Schwan-
gerſchaft ſind, eine aͤrztliche Behandlung nicht wohl zulaßen,
jedoch durch ſorgfaͤltige Hautkultur, oͤftere Baͤder, Verhuͤtung
oder Beſeitigung gaſtriſcher Zuſtaͤnde u. ſ. w. vorzuͤglich ver-
mindert werden koͤnnen. — Was die Gelbſucht betrifft, ſo
muß ſie im Weſentlichen in der Schwangerſchaft wie außer
derſelben behandelt werden und iſt namentlich durch Beſeiti-
gung entzuͤndlicher Zuſtaͤnde der Leber, der Unordnungen in
der Blutbewegung im Pfortaderſyſtem, durch eine ſtreng ge-
[224] regelte mehr vegetabiliſche Diaͤt und durch die Anwendung
reſolvirender und ausleerender Mittel zu behandeln.


§. 1019.

Wir kommen ferner zu den krankhaften Anſchwel-
lungen der Hautflaͤche
. Es ſind hierbei zu unterſchei-
den: erſtens die bis zu krankhaftem Zuſtande und Hinderung
des gehoͤrigen Gebrauchs der Glieder ſteigende turgescirende
Anſchwellung der Haut, welche nicht von ergoßenem Waſſer
ſondern von uͤberwiegender Venoſitaͤt im Capillargefaͤßſyſtem
und vermehrter Spannung des Zellgewebes unter der Haut
abhaͤngig iſt, daher vorzuͤglich bei jungen vollbluͤtigen Perſo-
nen bemerkt wird, und, wenn auch der Zuſtand in mehrerer
Hinſicht hoͤchſt beſchwerlich werden kann, doch nicht leicht
gefahrdrohend werden wird. Die Haut iſt hierbei gewoͤhnlich
lebhaft roth, elaſtiſch und warm, und die Geſchwulſt meiſtens
gleichfoͤrmig am Koͤrper und beſonders an den Gliedern ver-
theilt.


§. 1020.

Zweitens das eigentliche Oedem (mit welchen man haͤufig
jenen Zuſtand erhoͤhter Turgeſcenz verwechſelt hat) iſt Folge
wirklicher Waſſerergießung in dem Zellgewebe der Haut, es
koͤmmt namentlich bei ungeſunden, phlegmatiſchen Koͤrpern, un-
ter Einwirkung von feuchter, kalter Luft, ſchlechter Nahrung,
deprimirenden Affekten, ſo wie bei fruͤhern Unordnungen im
Lymphſyſtem, inneren Waſſerergießungen, Druck des tiefliegen-
den Uterus u. ſ. w. vor, nimmt ſeinen Urſprung meiſtens
von der Gegend der Knoͤchel, erſtreckt ſich dann laͤngſt der
Schenkel herauf, nimmt oft vorzuͤglich die aͤußern Scham-
theile ein, und kann zuletzt in wahre Anasarca uͤbergehen.
Die Prognoſe iſt hierbei ſtets unguͤnſtiger, indem dieſe An-
ſchwellungen faſt nie waͤhrend der Dauer der Schwangerſchaft
beſeitigt werden koͤnnen, und im hohen Grade, als Zeichen
oder Verboten beginnender Waſſerausſcheidungen oft zu aſth-
matiſchen Zuſtaͤnden, convulſiviſchen Anfaͤllen u. ſ. w. fuͤhren
koͤnnen. Partielle Anſchwellungen hingegen, wie die der untern
[225] Extremitaͤt und Schamlippen, verlieren ſich in den erſten Ta-
gen nach der Geburt, unter den Wochenſchweißen oft ſehr
ſchnell und ohne uͤble Folgen, welches denn uͤbrigens auch
bei der durch abnorm erhoͤhten Turgor verurſachten gewoͤhnlich
der Fall iſt.


§. 1021.

Da die aͤrztliche Behandlung faſt nie die voͤllige Beſei-
tigung ſolcher Geſchwuͤlſte, bevor die Schwangerſchaft ſelbſt be-
endigt worden iſt, ſich zum Ziel ſetzen oder wirklich erreichen
kann, ſo wird ſie hauptſaͤchlich Verhuͤtung groͤßerer Ausbrei-
tung der Anſchwellung, und Beſeitigung der davon abhaͤngen-
den Beſchwerden, ſich als Endzweck vorzuſetzen haben. Bei
der turgeſcirenden Geſchwulſt erreicht man dieß vorzuͤglich
durch ſparſamere Diaͤt, ausleerende Mittel, ja ſelbſt Blutent-
ziehung, Befoͤrderung der Hautausduͤnſtung und Sorge fuͤr
hinlaͤngliche Bewegung.


§. 1022.

Die Behandlung der oͤdematoͤſen Geſchwulſt hingegen
betreffend, ſo erfordert ſie zunaͤchſt Entfernung der Gelegen-
heitsurſachen, als: der feuchten Luft, ſchlechten Nahrung u.
ſ. w., obwohl eine der weſentlichſten, der Druck des ſchwan-
gern Uterus, nur zuweilen, wenn er von Schieflagen deſſel-
ben abhaͤngt, durch Tragen einer guten Leibbinde etwas ge-
mindert werden kann. Ferner iſt die Thaͤtigkeit des Lymph-
ſyſtems und die Exkretion durch andere Organe zu unter-
ſtuͤtzen, durch Friktionen der geſchwollenen Glieder mit durch-
raͤuchertem Flanell, wollene Einwickelung, mehr horizontale
Lage derſelben, waͤrmeres Verhalten im Allgemeinen, ſo wie
durch Anwendung der leichtern diuretiſchen Mittel (wie des
Decoct. Baccar. Iuniperi, Infus. Ononis spinosae), ſeltner
wird man (wegen des Consensus der Harn- und Geſchlechts-
werkzeuge) von der Digitalis, der Squilla, den diuretiſchen
Linimenten u. ſ. w. Gebrauch machen duͤrfen. — Sehr hef-
II. Theil. 15
[226] tige Geſchwulſt, namentlich der Schamlippen, kann uͤbrigens
zuweilen ſelbſt Scarificationen zur Entleerung des Waſſers
noͤthig machen, ſo wie endlich die roſenartigen Entzuͤndungen,
welche bei dieſen Anſchwellungen oͤfters vorkommen, vorzuͤglich
warme trockne Fomentationen aus Kraͤuterkiſſen oder Kraͤuter-
pulver auf Hanfwerg, nebſt innern die Transpiration vermeh-
renden und die Ausleerungen des Darmkanals befoͤrdernden
Mitteln, indiciren.


§. 1023.

3. Krankhafte Zuſtaͤnde der Harnwerkzeuge.
Dieſe mit den Geſchlechtsorganen, ſowohl in anatomiſcher als
phyſiologiſcher Hinſicht ſo nahe verbundenen Organe, welche
deßhalb auch im geſunden Zuſtande immer einige Veraͤnde-
rungen durch die Schwangerſchaft erleiden, werden zuweilen
auch in Folge dieſes Zuſammenhanges in wahrhafte Krank-
heitszuſtaͤnde verſetzt, einmal indem die Harnausleerung ſehr
erſchwert, oder gaͤnzlich gehindert wird (Strangurie, Dys-
urie
und Iſchurie), oder indem ſie der Willkuͤhr entzogen
werden, und fortwaͤhrend Urin abgeht (Enuresis). — Die
weſentichen Urſachen dieſer verſchiedenen Krankheitserſcheinun-
gen ſind jedoch immer dieſelben, und ob dadurch Urinverhal-
tung oder unwillkuͤhrlicher Urinabgang eintrete, wird nament-
lich durch die Gegend der Harnblaſe welche insbeſondere affi-
cirt iſt, beſtimmt.


§. 1024.

Dieſe Urſachen ſind: 1) Druck des Uterus entweder
waͤhrend des tiefern Standes deſſelben im zweiten Schwan-
gerſchaftsmonat, oder durch Schieflagen deſſelben (wie z. B.
vorzuͤglich durch die Ruͤckwaͤrtsbeugung), oder durch die tie-
fere Senkung der Gebaͤrmutter und des Kindes gegen das
Ende der Schwangerſchaft. Wirkt dieſer Druck insbeſondere
auf den Blaſenhals und die Urethra, ſo wird Harnverhaltung
davon die Folge ſeyn, wirkt er hingegen mehr auf den Grund
[227] oder Koͤrper der Blaſe, ſo muß er Unvermoͤgen den Urin zu
halten, veranlaßen, beides aber entweder durch den Druck un-
mittelbar, oder durch einen vom Druck abhaͤngigen Entzuͤn-
dungs- oder krampfhaften Zuſtand. — Eine 2te Urſache iſt
der Zuſtand der Laͤhmung, welcher, ſobald er den Blaſenhals
betrifft, das Unvermoͤgen den Harn zu halten, wenn er die
austreibenden Muskelfaſern befaͤllt, die Iſchurie hervorbringt.
3) Der Entzuͤndungszuſtand zu welchem ſich gewoͤhnlich krampf-
hafte Zuſammenziehungen geſellen, und welcher, wenn er im
Blaſengrunde Statt findet, tropfenweiſen unwillkuͤhrlichen Harn-
abgang, wenn davon der Blaſenhals leidet, Harnſtrenge oder
Ichurie zur Folge haben wird.


§. 1025.

Die entferntern Urſachen der Laͤhmung der Muſkelfaſern
der Blaſe koͤnnen ſeyn: Schleimfluͤße oder Verletzungen, voraus-
gegangene Entzuͤndung, langwieriger Druck durch den ſchwan-
gern Uterus u. ſ. w. — Entferntere Urſachen des entzuͤnd-
lichen Zuſtandes koͤnnen ſeyn: die durch die Schwangerſchaft
veraͤnderte Qualitaͤt des Urins, der Druck des Uterus und
des Kindes, eine vielleicht fruͤher bereits vorhandene abnorm
erhoͤhte Reitzbarkeit der Harnwerkzeuge, welche durch die con-
ſenſuelle, vom Geſchlechtsſyſtem uͤbertragene Erregung bis zur
Entzuͤndung geſteigert wird, langes willkuͤhrliches Verhalten
des Urins, Geſchlechtsreitz, erhitzende Speiſen, Getraͤnke, oder
Arzneimittel u. ſ. w. —


§. 1026.

Die Prognoſe iſt bei dieſen Krankheitszuſtaͤnden in ſo-
fern unguͤnſtig, als auch bei ihnen oft die voͤllige Heilung
waͤhrend der Dauer der Schwangerſchaft, oder zum wenigſten
waͤhrend der Dauer einer gewißen Periode derſelben nicht ge-
lingt. Anderntheils ſind auch mehrere dieſer Zuſtaͤnde nicht
ohne Gefahr, indem die Iſchurie entweder, wenn ſie von
[228] Entzuͤndung abhaͤngt, ſelbſt zur Gebaͤrmutterentzuͤndung Ver-
anlaßung geben, oder in den fruͤhern Monaten zur Zuruͤck-
beugung der Gebaͤrmutter fuͤhren kann.


§. 1027.

Bei der Behandlung muß man, um ſie gruͤndlich ein-
zuleiten, auf Beſeitigung der weſentlichen Urſachen vorzuͤglich
Ruͤckſicht nehmen, Schieflagen des Uterus durch Leibbinden
mindern, bei ſehr tiefliegendem Kindeskopfe die Kranke mehr
in horizontaler Lage laßen, (wo denn oft dieſe Uebel faſt gar
nicht gefuͤhlt werden), uͤberhaupt jede anſtrengende Bewegung
unterſagen; bei qualitativ veraͤndertem Urin, eine leichte kuͤh-
lende Diaͤt, verduͤnnende Getraͤnke oder einige Abfuͤhrungen
anwenden, und uͤberhaupt vor Erkaͤltungen und haͤufigem Ge-
ſchlechtsreitz alle Perſonen, welche zu dieſen Krankheitszuſtaͤn-
den ſich hinneigen, warnen und ſie erinnern, die Willkuͤhr
ſelbſt zur Minderung oder Verhuͤtung der Krankheit aufzuru-
fen, durch Vermeidung zu langen Zuruͤckhaltens des Urins
u. ſ. w.


§. 1028.

Wirklicher Entzuͤndungszuſtand der Harnwege welcher ſich
durch Schmerz, Fieber u. ſ. w. charakteriſirte, macht uͤbrigens in,
wie außer der Schwangerſchaft, oͤrtliche oder allgemeine Blutent-
ziehungen, erweichende narkotiſche Fomentationen, laue Baͤder,
Abfuͤhrungen, Emulſionen, Calomel, Nitrum, ableitende Mit-
tel, Befoͤrderung der Hautthaͤtigkeit, [Beruͤckſichtigung] des Fie-
bercharakters u. ſ. w. noͤthig. — Atonie der Harnblaſenmuſ-
keln, welche durch Schlaffheit, geringe Temperatur, Unem-
pfindlichkeit, hinreichend bezeichnet wird, fordert den robori-
renden Heilplan, die Anwendung von bittern Extrakten mit
aromatiſchen Waͤſſern, dem Decoct. uvae ursi, dem Decoct.
corticis peruviani,
den maͤßigen Genuß eines kraͤftigen alten
Weins, das Waſchen der Geburtstheile mit kaltem Waſſer,
kuͤhle oder eiſenhaltige Baͤder, geiſtige oder reitzende Einrei-
[229] bungen, oder Auflegen des Emplastr. aromat. auf die regio
hypogastrica
oder offis sacri. Seltner darf man, wegen der
Ruͤckſicht auf den Schwangerſchaftsprozeß die ſtaͤrkern Reitzmit-
tel, als Vesicatoria, Elektricitaͤt, innerlich Tr. cantharidum
u. ſ. w. anwenden.


§. 1029.

Außerdem fordern dieſe Zuſtaͤnde auch je nachdem ſie
als Ischuria oder Incontinentia urinae erſcheinen, ein ver-
ſchiedenes palliatives Verfahren. Bei der Harnverhaltung
naͤmlich iſt die von Zeit zu Zeit durch Einbringen des Ka-
theters veranſtaltete Entleerung der Harnblaſe unentbehrlich,
welche indeß namentlich bei Entzuͤndungszuſtaͤnden ſo wie bei
der durch Druck des Kopfs verengerten Urethra, mit beſonde-
rer Vorſicht zu unternehmen iſt, wobei das Beſtreichen des Ka-
theters mit dem Oleo hyoscyami oder einer Opiatſalbe zu
empfehlen iſt. Was das Unvermoͤgen den Harn zuruͤckzuhal-
ten betrifft, ſo erfordert es, wenn es laͤngere Zeit fortdauert,
oder uͤberhaupt fuͤr die Dauer der Schwangerſchaft nicht zu
heben iſt, eine Vorrichtung um den abfließenden Harn aufzu-
fangen, und den urinoͤſen Geruch, die ſtete Verunreinigung,
die Excoriationen der aͤußern Geſchlechtstheile und der innern
Flaͤche der Schenkel zu vermindern, oder wo moͤglich ganz zu
beſeitigen. Zu dieſem Entzweck dient aber theils ein etwas
großer, in die Mutterſcheide gelegter Schwamm, welcher die
Urethra comprimirt, theils das Tragen eines Urinhalters
(Harnrecipienten) deren man mehrere erfunden hat, welche
jedoch meiſtens ihren Zweck nur zum Theil erfuͤllen, leicht
nachtheiligen Druck auf die Geburtstheile verurſachen, im
Sitzen hinderlich werden u. ſ w. Am meiſten moͤchte noch
der von Winter*) bekannt gemachte ſeinem Entzwecke ent-
ſprechen.


[230]
4. Krankhafte Zuſtaͤnde des weiblichen Koͤrpers
waͤhrend der Schwangerſchaft, welche ſich
namentlich durch Stoͤrungen der Empfin-
dungs- und Bewegungsthaͤtigkeit aͤußern
.

§. 1030.

1. Oertliche Schmerzen. Sie aͤußern ſich bei
Schwangern vorzuͤglich als Kopfſchmerzen, Zahnſchmerzen,
Ohrenzwang, Kreuzſchmerzen und Gliederſchmerzen, ſie ſind
meiſtentheils Symptome von Stoͤrungen anderer Syſteme des
Koͤrpers und nur ſelten durch idiopathiſche Affektionen des
Nervenſyſtems begruͤndet. So beruhen oft Kopfſchmerzen,
Zahnſchmerzen, Kreuzſchmerzen meiſtentheils auf Congeſtionen
nach, oder entzuͤndlichen Zuſtaͤnden in den leidenden Theilen,
obwohl man nicht uͤberſehen muß, daß in der Schwanger-
ſchaft, wie in einer jeden Entwicklungsperiode, die Reitzbar-
keit des Nervenſyſtems gewoͤhnlich auch an und fuͤr ſich ge-
ſteigert iſt. Sie beruhen ferner haͤufig auf einem bereits fruͤ-
her vorhanden geweſenen krankhaften Zuſtand des leidenden
Theils. So entſtehen Zahnſchmerzen vorzuͤglich bei fruͤher
vorhandenen carioͤſen Zaͤhnen, Kreuzſchmerzen bei Haͤmorrhoi-
daldispoſition, indem ſich dann Anhaͤufungen des Blutes in
den Haͤmorrhoidalgefaͤßen und wohl ſelbſt in den Venen des
Wirbelkanals bilden. Mitunter werden indeß dieſe Schmerzen
auch durch den Druck des Uterus auf Nervenſtaͤmme ſelbſt
erzeugt, ſo bei Schieflagen, vorzuͤglich bei der Zuruͤckbeugung
des ſchwangern Uterus, oder bei ſehr tiefliegendem Kindeskopf,
wodurch denn Lenden- Kreuz- und Schenkelſchmerzen eben ſo,
wie bei falſchen Lagen des Kindes und der davon abhaͤngigen
ungewoͤhnlichen, mehr quer gerichteten Ausdehnung des Ute-
rus, oft oͤrtliche Schmerzen im Unterleibe bemerkt werden.


§. 1031

Auf dieſe verſchiedene Entſtehungsweiſe ſolcher Schmer-
zen iſt demnach auch vorzuͤglich Ruͤckſicht zu nehmen, wenn es
die Aufgabe des Arztes wird, aͤhnliche Beſchwerden der Schwan-
[231] gerſchaft zu mindern. Kreuzſchmerzen von Haͤmorrhoidalcon-
geſtionen abhaͤngig, werden gewoͤhnlich nur durch antiphlogiſti-
ſches Verfahren, oͤrtliche Blutentziehungen, leichte Abfuͤhrun-
gen aus den Flor. sulphuris und Cremor tartari, hinlaͤng-
liche Koͤrperbewegung u. ſ. w. gemindert; haͤngen ſie dagegen
von Druck des Uterus und Nervenreitz ab, ſo werden ſie durch
Herſtellung einer regelmaͤßigern Lage, durch Waſchen der Kreuz-
beiugegend mit geiſtigen Mitteln, durch Auflegen des Em-
plastr. aromatici
u. ſ. w. gehoben werden koͤnnen. — Eben
ſo haͤngen Kopf- und Zahnſchmerzen meiſtentheils von krank-
haften Aufregungen des Gefaͤßſyſtems ab, und werden daher
durch ein antiphlogiſtiſches Verfahren gleichfalls am leichteſten
gehoben, wobei jedoch beſondere Einfluͤße z. B. Rheumatiſmen
nicht zu uͤberſehen, und ihrer Natur nach zu behandeln ſind.


§. 1032.

2. Ohnmachten. Sie ſind bekanntlich in geringerem
Grade ein gewoͤhnliches Symptom der Schwangerſchaft und
dann ohne alle nachtheiligen Folgen, zuweilen erſcheinen ſie
aber auch in hoͤhern und gefaͤhrlichern Graden, ja gehen in
Asphyrie und Apoplexie uͤber. Ihre Entſtehung wird entwe-
der durch abnorm geſteigerte Reitzbarkeit des Nervenſyſtems,
oder durch Hinderniße und Hemmungen des Kreislaufs in den
Lungen, ſo wie durch heftige Congeſtionen gegen die Gefaͤße
des Gehirns begruͤndet.


§. 1033.

Iſt die Ohnmacht mehr durch unmittelbares Leiden des
Nervenſyſtems bedingt, ſo geht ſie gewoͤhnlich bald voruͤber,
der Puls iſt dabei klein, unordentlich, die Geſichtsfarbe blaß,
die Temperatur geſunken. Die Perſonen bei welchen dieſe
Ohnmachten vorkommen, ſind in der Regel von ſchwaͤchlicher
reitzbarer Conſtitution, und die Einfluͤße wodurch ſie herbeige-
fuͤhrt werden, ſind von der Art, daß ſie das Nervenſyſtem
vorzuͤglich afficiren, als: ſtarke Geruͤche, aͤngſtliche gewitter-
hafte Luft, Gemuͤthsbewegungen, erhitzende Speiſen oder Ge-
[232] traͤnke, der Coitus, anſtrengende Bewegungen, Flechten oder
Kaͤmmen der Haare. Ferner ſind dieſe Ohnmachten zuweilen
auch bloße Folgen einer großen Schwaͤche, z. B. nach Blu-
tungen oder andern erſchoͤpfenden Krankheiten, wie des anhal-
tenden Erbrechens oder Durchfalls; oder ſie entſtehen durch
die in Folge der Schwangerſchaft ſelbſt eintretenden Veraͤnde-
rungen, z. B. durch Senkung der Gebaͤrmutter, erwachende
Kindesbewegungen u. ſ. w. veranlaßt; ja es kann hierbei
eine hoͤhere Aufregung der Lebensthaͤtigkeit im Geſchlechtsſy-
ſtem wohl an und fuͤr ſich, antagoniſtiſch, das Sinken der
Lebensthaͤtigkeit im Cerebralſyſtem zur Folge haben. Endlich
wirken hierauf auch ganz vorzuͤglich Reitzungen des Gang-
lienſyſtems bey krankhaften Zuſtaͤnden des Darmkanals, als:
Indigeſtionen, Blaͤhungsbeſchwerden, Obſtruktionen, einengende
den Unterleib vorzuͤglich druͤckende Kleidung u. ſ. w.


§. 1034.

Ohnmachten von Congeſtionen nach dem Gehirn, oder
Hinderung im kleinen Kreislaufe abhaͤngig, kommen hingegen
mehr bei ſtarken plethoriſchen Koͤrpern vor. Dieſe Ohnmach-
ten vorzuͤglich ſind gewoͤhnlich ſehr tief und anhaltend, der
Puls ſtockt entweder ganz oder iſt voll, hart, unordentlich;
das Geſicht iſt, wenn Congeſtionen nach dem Kopfe die Ur-
ſache ſind, ſtark geroͤthet, bei Stockungen des kleinen Kreis-
laufs hingegen oft blaß und leichenaͤhnlich, das Athemholen
gewoͤhnlich erſchwert, ſchnarchend, roͤchelnd, das Bewußtſeyn
iſt auch bei dieſen Ohnmachten, wie bei den im vorigen §.
beſchriebenen, oft verſchwunden, allein nicht immer; da man
Faͤlle kennt wo Perſonen ſelbſt im Zuſtande des vollkommen-
ſten Scheintodtes noch alles wußten was um ſie her vorging,
ohne indeß die Kraft zu haben dieſes Bewußtſeyn nur durch
die mindeſte Reaktion zu offenbaren. — Die aͤußern Ver-
anlaßungen koͤnnen uͤbrigens bei erwaͤhnter Conſtitution die-
ſelben ſeyn, welche wir im vorigen §. erwaͤhnt haben, als
Gemuͤthsbewegungen, Erhitzungen, Diaͤtfehler u. ſ. w. Als
innere Veranlaßung iſt namentlich der Druck des ſchwan-
gern Uterus auf die Gefaͤße des Beckens zu erwaͤhnen.


[233]
§. 1035.

Die Prognoſe iſt bei den leichtern, von Erſchoͤpfung des
Nervenſyſtems abhaͤngigen Ohnmachten nicht unguͤnſtig, da in
dieſen Zuſtaͤnden vollkommner Ruhe, oft die Lebenskraft recht
eigentlich ſich zu ſammeln, und der Koͤrper ſich von neuem
zu erholen ſcheint. Gefahrdrohend hingegen ſind die von Ue-
berfuͤllung der großen Gefaͤße abhaͤngigen gelaͤhmten Zuſtaͤnde
des animalen Lebens, theils weil ſie durch voͤllige Lungen- und
Hirn-Laͤhmung den Tod der Schwangern ſelbſt, oder doch
den Tod des Kindes herbeifuͤhren koͤnnen.


§. 1036.

Da die Krankheit blos in einzelnen Anfaͤllen erſcheint,
ſo muß die wichtigſte Behandlung außer den Anfaͤllen
Statt finden und auf Verhuͤtung derſelben gerichtet ſeyn.
Das Erſte wird es demnach ſeyn, alle die genannten aͤußern
Einfluͤße welche die Eutſtehung der Anfaͤlle beguͤnſtigen, ſorg-
faͤltig vermeiden zu laßen, und ferner die Dispoſition zu dieſen
Anfaͤllen durch zweckdienliche Mittel zu vermindern. Schwaͤche
und krankhaft erhoͤhte Senſibilitaͤt fordern demnach toniſche
Mittel, den Gebrauch lauwarmer ſtaͤrkender Baͤder, angemeſ-
ſene Bewegung in freier Luft und leichtverdauliche nahrhafte
Diaͤt, nebſt dem maͤßigen Genuße des Rheinweins. — Große
Vollbluͤtigkeit macht Blutentziehungen, Abfuͤhrungen, antiphlo-
giſtiſche Diaͤt, kuͤhles Verhalten, ſaͤuerliche Getraͤnke u. ſ. w.
noͤthig. — Den Druck des Uterus ſucht man durch eine gute
Leibbinde zu mindern, und behandelt uͤbrigens ſonſtige krank-
hafte Zuſtaͤnde der Verdauungswerkzeuge (als Verſtopfungen,
Blaͤhungsbeſchwerden u. ſ. w.) ihrer Natur gemaͤß.


§. 1037.

Die wirklich eingetretene Ohnmacht fordert in unbedenk-
lichen Faͤllen blos Ruhe, Loͤſen aller beengenden Kleidungs-
ſtuͤcke, gerade mit Kopf und Bruſt maͤßig erhoͤhte Lage, und
Entfernung aller etwa noch einwirkender und die Ohnmacht
unterhaltender Einfluͤße, als: ſtarker Geruͤche, heißer Zimmer-
[234] luft u. ſ. w. — Uebrigens eile man hier nicht zu ſehr mit
der Anwendung der ſogenannten belebenden Mittel, da an und
fuͤr ſich ſolche leichtere, von Erſchoͤpfung des Nervenſyſtems
abhaͤngige Ohnmachten nicht lange anzuhalten pflegen, und
durch uͤbereilte Unterbrechung derſelben oft, indem der Natur
die Zeit einer ihr nothwendigen vollkommenen Ruhe geſtoͤrt
wird, nachtheilig gewirkt werden muß.


§. 1038.

Tiefere Ohnmachten welche in wahre Aſphyrie oder Apo-
plexie uͤberzugehen drohen, fordern, nebſt dem im Eingange
des vorigen §. erwaͤhnten Verfahren, da ſie vorzuͤglich vom
Gefaͤßſyſtem aus bedingt werden, Blutentziehungen, und
außerdem die Anwendung fluͤchtig erregender Mittel; dahin
gehoͤrt das Beſprengen mit Eau de Cologne, Lavements
aus Meliſſen-Aufguß mit etwas Wein, Eſſig, oder Liq. C.
C.,
Frictioneu, Riechmittel, Beſtreichen der Schlaͤfe mit Naph-
the u. ſ. w. — Zugleich wird es in dieſen Faͤllen unum-
gaͤnglich nothwendig, die innere geburtshuͤlfliche Unterſuchung
vorzunehmen, da nicht allzuſelten unter ſolchen Ohnmachten
die Natur die Austreibung des Kindes vorbereitet oder be-
ginnt, oder auch wohl Blutungen eingetreten ſeyn koͤnnen,
welche Faͤlle dann die Behandlung, von welcher bei Betrach-
tung der Faͤlle abnormer Geburten die Rede ſeyn wird, noͤ-
thig machen.


§. 1039.

Bey wahrer Aſphyxie endlich, iſt oft ſchwer auszumit-
teln wo die Graͤnze zwiſchen Scheintod und wirklichem Tode
ſey, indeß, eben die Beruͤckſichtigung der nicht ſeltnen Faͤlle
wo bei Schwangern der Zuſtand des tiefſten Scheintodes
mehrere Tage lang angehalten hatte, muß den Arzt dazu
noͤthigen, theils die Verſuche zur Wiederbelebung lange Zeit
fortzuſetzen, theils nie eher zu geſtatten daß der Koͤrper als
Leichnam behandelt und beerdigt werde, bevor nicht durch ein-
getretene Spuren der Faͤulniß der Tod auf das Vollkom-
menſte erwieſen ſey.


[235]
§. 1040.

Der Eintritt des wirklichen Todes wuͤrde uͤbrigens, in
jedem Falle wo das Kind bereits als fuͤr ſich lebensfaͤhig be-
trachtet werden kann, (alſo nach der 28. Woche der Schwan-
gerſchaft), noch die baldige Sorge fuͤr die Rettung des Kin-
des dem Arzte zur Pflicht machen. Es ſind hierzu zwei
Wege vorhanden, theils der Kaiſerſchnitt, theils die gewalt-
ſame Entbindung (Accouchement forcé). Der erſtere iſt
allerdings die Operation, welche allein mit guter Zuverſicht
als Rettungsmittel fuͤr das Kind empfohlen werden darf, al-
lein auch in Faͤllen wo der Tod der Mutter noch nicht mit
voͤlliger Gewißheit zu erkennen iſt, dieſen erſt veranlaßen
koͤnnte. Bleibt daher noch ein Zweifel dieſer Art uͤbrig, ſo
iſt es wohl zweckmaͤßig nach Creve’s Vorſchlag *) nach ei-
nem gemachten kleinen Einſchnitt an einer Muſkelpartie den
galvaniſchen Reitz als Pruͤfungsmittel anzuwenden, und nur
wenn dieſe Reitzung kein Zucken mehr hervorbringt, zu dieſer
Operation zu ſchreiten. — Die gewaltſame Entbindung auf
dem natuͤrlichen Wege iſt hoͤchſtens in ſolchen Faͤllen, wo der
Muttermund ſchon ſehr aufgelockert und eroͤffnet iſt, rathſam,
und wird ſelbſt in dieſen Faͤllen, da das Kind ohne alle Mit-
wirkung des Uterus durch die Geburtstheile und das Becken
hindurch gezogen werden muͤßte, leicht das etwa noch vorhan-
dene Leben des Kindes zerſtoͤren.


§. 1041.

3. Convulſionen. Es iſt dieſes eine Krankheit welche
mit den in den vorigen §§. abgehandelten Ohnmachten, in
Hinſicht ihrer Entſtehung, ihrer Folgen und ihrer Behandlung
Vieles gemein hat. — Wie jene, treten ſie oft ploͤtzlich ein,
und ohne durch gewiße Vorboten angekuͤndigt zu werden; in
andern Faͤllen hingegen gehen ihnen mehrere Zeichen, welche
als Verſtimmungen des Gefaͤßſyſtems oder Nervenſyſtems ſich
darſtellen, voraus. Hierher gehoͤren Kopfſchmerzen, Schwindel,
[236] Beaͤngſtigung, Ziehen im Ruͤcken, Schauer, unordentlicher Puls,
Truͤbſinn u. ſ. w. — Die ausbrechenden Convulſionen ſelbſt
ſind gewoͤhnlich aͤußerſt heftig und zeigen meiſtens abwechſelnd
faſt alle Arten von Kraͤmpfen; das Geſicht wird dabei auf-
getrieben, verzerrt, roth und blaulich, die Zaͤhne knirſchen,
Schaum tritt vor den Mund, Schweiß bricht aus, Auslee-
rung des Stuhlganges und des Urins erfolgt oft unwillkuͤhr-
lich, und das Bewußtſeyn iſt entweder ſelbſt voͤllig erloſchen,
oder es iſt doch der Kranken die Willkuͤhr geraubt ihre Vor-
ſtellungen durch aͤußere Kennzeichen kund zu machen.


§. 1042.

Die Dauer dieſer Anfaͤlle, welche uͤbrigens oft eben ſo wie
die Ohnmachten ohne vorausgegangene Vorboten, auch ohne alle
beſondere Veranlaßungen eintreten, betraͤgt gewoͤhnlich nicht uͤber
5 bis 10 Minuten, ſehr ſelten uͤber eine Viertelſtunde, worauf
dann eine Periode tiefer Abſpannung, Gefuͤhl von Zerſchlagenheit
aller Glieder, Kopfſchmerz, oder auch wohl ſoporoͤſer Zuſtand
und Ohnmacht eintritt. In dieſem Zuſtande verweilen die
Kranken wieder eine Viertel- oder Halbeſtunde, ſelten laͤngere
Zeit, und alsdann tritt ein erneuter Anfall der Zuckungen ein,
welcher nach einiger Zeit wieder einer Periode von Ruhe Platz
macht, unter welchem Wechſel von Erſcheinungen dann ent-
weder die Krankheit ſich bald gaͤnzlich hebt, in einem Falle
ein bloßes Gefuͤhl von großer Ermattung zuruͤcklaßend, in
andern Faͤllen in Folgekrankheiten uͤbergehend, oder, welches
leider bei dieſer boͤsartigen Krankheit oͤfters der Fall iſt, durch
Tod ſich endigt.


§. 1043.

Als naͤchſte und weſentliche Urſache jedes Krampfs iſt
nun zwar vorzuͤglich die regelwidrige und willkuͤhrloſe durch
Verſtimmungen des Nerven- oder Gefaͤßſyſtems herbeigefuͤhrte
Contraktion der Muſkularſubſtanz zu betrachten, hier bleibt
jedoch noch eine naͤhere Entwicklung der Entſtehungsweiſe der
hier beſchriebenen allgemeinen Zuckungen zu geben uͤbrig. —
Vorzuͤgliche Beruͤckſichtigung verdient aber hierbei das nervoͤſe
[237] Centrum der Bewegkraft, naͤmlich das Ruͤckenmark und das
als Ganglion deſſelben zu betrachtende kleine Gehirn. Nun
zeigen aber phyſiologiſche Experimente daß wir im thieriſchen
Koͤrper Zuckungen vorzuͤglich auf zweierlei Weiſe hervorrufen
koͤnnen, naͤmlich durch einen Druck auf die Hirnſubſtanz oder
durch große Erſchoͤpfung der Lebenskraft uͤberhaupt z. B. durch
Blutverluſt oder nach Ueberreitzung und uͤbermaͤßiger Anſtrengung.
Beides wirkt in ſofern gleich, als es bei Schwaͤchung der
Centralorgane den peripheriſchen Gebilden ein unverhaͤltniß-
maͤßiges Uebergewicht zutheilt.


§. 1044.

Beruͤckſichtigung dieſer Gruͤnde laͤßt es nun alsbald klar
erkennen, daß auch die auf ſolche innere krankhafte Weiſe ent-
ſtehenden Zuckungen, durch aͤhnliche zwei Grund-Urſachen be-
dingt werden koͤnnen, naͤmlich 1) durch Druck auf das
Gehirn
von uͤberfuͤllten Gefaͤßen, oder ſelbſt von ausgetretenen
Fluͤßigkeiten, 2) durch unmittelbare Erſchoͤpfung der
Centralorgane des Nervenſyſtems
. Beide weſentliche
Urſachen werden durch verſchiedene praͤdisponirende und Ge-
legenheitsurſachen bedingt. — Der erſteren Entſtehungsweiſe
nach, welche in aller Hinſicht die gefahrdrohendſte, zugleich
aber auch die haͤufigere iſt, erfolgen die Convulſionen bei ple-
thoriſchen Subjekten von kurzem gedrungenem Koͤrperbau, bei
organiſchen Fehlern des Gehirns, Verdickungen der Schaͤdel-
knochen, und beſonders bei krankhaften Zuſtaͤnden der Bruſt-
eingeweide, als wodurch ganz vorzuͤglich ſolche Blutanhaͤufun-
gen in den Gefaͤßen des Gehirns veranlaßt werden. Zu die-
ſen Bruſtkrankheiten, welche ſich auch haͤufig bei Sektionen
zu erkennen gaben, gehoͤren urſpruͤngliche Bildungsfehler, oder
ſpaͤter entſtandene organiſche Fehler des Herzens, Verbildun-
gen in den großen Gefaͤßen, Bruſtwaſſerſucht, Verwachſungen,
Tuberkeln u. ſ. w. — Endlich koͤnnen dieſe Congeſtionen
nach dem Gehirn auch von krankhaften Zuſtaͤnden der Unter-
leibseingeweide, und Stoͤrungen im Pfortaderſyſteme, wobei
auch auf den Druck des ſchwangern Uterus Ruͤckſicht zu neh-
men iſt, vorbereitet werden.


[238]

Anmerkung. Ich glaube durch einige Beobachtungen
mich berechtigt, auch eine zuweilen Statt findende erb-
liche Familienanlage
anzunehmen, welche Dispo-
ſition alsdann, theils waͤhrend der Schwangerſchaft,
theils waͤhrend der Geburt, die Entſtehung ſolcher Zu-
faͤlle, unter Mitwirkung einer aͤußeren Veranlaſſung,
leicht bedingen kann.


§. 1045.

Aeußere Einfluͤße koͤnnen ferner den Ausbruch der Krank-
heit (welcher uͤbrigens haͤufig auch durch die genannten innern
Momente allein herbeigefuͤhrt wird) beſchleunigen. Dahin ſind
zu rechnen: erhitzende Getraͤnke, heiße Temperatur, Schlafe
in zu warmen Federbetten, Indigeſtionen, Erkaͤltungen der
untern Extremitaͤten u. ſ. w. —


§. 1046.

Die Convulſionen von idiopathiſchen Nervenleiden be-
dingt hingegen, ſind mehr ſchwaͤchlichen hyſteriſchen Subjekten
welche auch fruͤher ſchon an Kraͤmpfen oder wohl ſelbſt an
Epilepſie gelitten haben, eigenthuͤmlich, und die Ausbruͤche der-
ſelben werden durch deprimirende Affekte, Ueberreitzungen des
Nervenſyſtems aller Art, Saͤfteverluſt u. ſ. w. herbeigefuͤhrt.


§. 1047.

Die Prognoſe iſt wie ſich ſchon aus der Schilderung
des gewoͤhnlichen Verlaufs der Anfaͤlle ergiebt, im Allgemei-
nen aͤußerſt unguͤnſtig zu nennen, und, wie auch Boer be-
merkt, in Faͤllen, wo das Uebel nicht etwa ein habituelles
Leiden, oder offenbar von irgend einer aͤußern Einwirkung auf
das Nervenſyſtem bedingt iſt, nur zu haͤufig toͤdlich. Vor-
zuͤglich gilt dieß von den durch heftige Congeſtionen bedingten
Convulſionen, welche durch Blutergießungen, oder durch die
auch ohne dieſe erfolgende gaͤnzliche Hirnlaͤhmung, den Tod nach
ſich ziehen, oder bedeutende Folgekrankheiten, namentlich Stoͤ-
rungen der geiſtigen Thaͤtigkeit, Wahnſinn, Melancholie u. ſ.
w. zuruͤcklaßen, wie ſchon Hr. v. Siebold bemerkt, und auch
[239] ich mehreremale beobachtet habe. — Uebrigens wirken dieſe
Anfaͤlle auch nicht allein auf die Mutter, ſondern eben ſo
ſehr auf das Kind nachtheilig, und gemeiniglich ſtirbt unter
heftigen Convulſionen die Frucht ab, oder es werden ſelbſt
durch die heftigen mechaniſchen Erſchuͤtterungen, Lostrennun-
gen der Placenta, heftige Blutungen, Fruͤhgeburten, ja ſelbſt
Zerreißungen des Uterus herbeigefuͤhrt. Im Speciellen iſt
endlich noch die Prognoſe nach der groͤßern oder geringern
Heftigkeit der Anfaͤlle, und nach dem Zeitpunkte in welchem
die aͤrztliche Huͤlfe herbeigerufen wird (da bei dem hoͤchſt acu-
ten Verlaufe der Krankheit die Huͤlfe oft zu ſpaͤt kommen
kann) zu beſtimmen.


§. 1048.

Die Behandlung hat hier im Allgemeinen folgende
Regeln genau zu beachten: 1) daß man, wie ſchon Boër*)
anempfiehlt, jedem Anfalle einen gewißen Spielraum laße,
die Kranke zwar durch maͤßiges Halten fuͤr Schaden huͤte,
aber ſie nicht zu gewaltſam einzwaͤnge, um durch voͤllige
Hinderung der Gliederbewegung, nicht innere Kraͤmpfe und
Laͤhmungen zu befoͤrdern. — 2) Daß man vorzuͤglich auf
Anwendung aͤußerlicher Heilmittel ſein Augenmerk richte, zu
innerlichen Heilmitteln aber, welche hier oft ſo aͤußerſt ſchwer
der Kranken beizubringen ſind, nur kleine Gaben ſolcher Arz-
neiſtoffe waͤhle, welche ſchon in dieſer Gabe ſchnelle und kraͤf-
tige Wirkung herbeifuͤhren koͤnnen. — 3) Daß man die Ge-
burtshuͤlfliche innere Unterſuchung anzuſtellen nicht unterlaße,
um ſich von der vielleicht beginnenden Geburtsthaͤtigkeit zu
vergewißern.


§. 1049.

Die ſpeciellen Regeln fuͤr einzelne Faͤlle hingegen wer-
den ſich nach den urſachlichen Bedingungen der Zufalle rich-
ten. Bei den durch Ueberfuͤllung der Hirngefaͤße bedingten
[240] Convulſionen daher, welche durch den vollen, harten frequen-
ten Puls, durch erhoͤhte Temperatur, dunkelrothe Geſichts-
farbe, Kopfſchmerzen, Sopor waͤhrend der Intermißionen, ſo
wie durch die geſammte Conſtitution und die einwirkenden
Gelegenheitsurſachen ſich charakteriſiren, ſind ſtarke allgemeine,
und noͤthigenfalls zugleich oder ſpaͤterhin, oͤrtliche Blutentzie-
hungen, eines der entſchiedenſten Mittel um die drohende Ge-
fahr abzuwenden, wie mir dieß eine Reihe von Faͤllen dieſer
Art bewieſen hat. Naͤchſt dieſen Blutentleerungen ſind vor-
zuͤglich alle Mittel welche die Anhaͤufungen des Blutes in
den Hirngefaͤßen, direkt, durch vermehrte Contraktion, und in-
direkt, durch vermehrten Zudrang zu andern Theilen, hindern
koͤnnen, wichtig. Es gehoͤren dahin die kalten Fomentatio-
nen uͤber den Kopf, die Einwickelung der Fuͤße in Flanelltuͤ-
cher mit Senfabkochung getraͤnkt, das Auflegen von Sinapies-
men an die Waden, von Veſikatorien im Nacken, die reitzen-
den Klyſtire, und innerlich die ſtaͤrkern Gaben von Calomel
und Nitrum.


§. 1050.

Werden dagegen nach Beſeitigung dieſer Congeſtionen
noch andauernde Zuckungen oder andere koͤrperliche oder gei-
ſtige Krankheitszuſtaͤnde, aus Urſache einer zuruͤckgebliebenen
Verſtimmung des Nervenſyſtems bemerkt, ſo ſind dann vor-
zuͤglich die mehr auf das Nervenſyſtem wirkenden Mittel, um
das Mißverhaͤltniß zwiſchen peripheriſcher und centraler Sen-
ſibilitaͤt zu beſeitigen, angezeigt. Es gehoͤren hierher als in-
nere Mittel Valeriana, Ipecacuanha, Opium, Castoreum,
Tr. Asae foͤtidae, Aqua laurocerasi, Liquor Cornuç.
die
abwechſelnden Gaben von Opium und fixem Alkali nach
Stuͤlz, die Naphthen und der Campher, ganz beſonders aber
der Moschus, von welchem ich hier mehreremale die ausge-
zeichnetſten Wirkungen beobachtet habe. Als aͤußere Mittel
ſind namentlich die in den Intermißionen angewendeten lauen
Baͤder, durch Kamillen- oder Baldrian- und Serpillum-Auf-
guß verſtaͤrkt, oder, in Ermangelung deren, warme Fomenta-
tionen durch Flanelltuͤcher in einen ſolchen Kraͤuterabſud getaucht
[241] und mit dem Spirit. sal. ammon. caust. beſprengt, ferner
Klyſtiere vom Infus. Valerianae, Nicotianae u. ſ. w. mit
Asa foetida, mit Liquor C C., mit Laudanum, Klyſtiere
von ſtarkem ſchwarzen Kaffee, endlich die fortgeſetzte [Anwen-
dung]
der ableitenden Mittel, der Vesicatorien, Sinapiſmen,
Frictionen u. ſ. w. zu benutzen.


§. 1051.

Mit der im vorigen §. beſchriebenen Behandlungsweiſe
haben wir aber zugleich diejenige Methode geſchildert, welche
in den Faͤllen von Convulſionen ſich nuͤtzlich erwieß, deren
Entſtehung von idiopathiſchen Nervenleiden bedingt wird, und
welche durch die oben erwaͤhnte Conſtitution, durch die geringere
Aufregung des Gefaͤßſyſtems, ſo wie durch die Art der vorher
einwirkenden Gelegenheitsurſachen charakteriſirt werden, oder
auch, indem ſie fruͤher ſchon als habituelle periodiſche Kraͤmpfe
vorhanden waren, ihren mehr auf das Nervenſyſtem ſich be-
ziehenden [Urſprung] charakteriſiren.


§. 1052.

Da nun uͤbrigens die Convulſionen, auch wenn fuͤr den
Moment die Anfaͤlle derſelben beſeitigt ſind, oͤfters in einiget
Zeit wiederzukehren pflegen, ſo iſt noch insbeſondre auf gruͤnd-
liche Beſeitigung disponirender Urſachen und ſorgfaͤltige Ver-
meidung der Gelegenheitsurſachen Ruͤckſicht zu nehmen. —
Waren die Zufaͤlle ſonach vom Gefaͤßſyſtem aus erregt, ſo
muͤſſen durch von Zeit zu Zeit gereichte Abfuͤhrungen, leich-
tere, mehr vegetabiliſche Diaͤt, angemeſſene Bewegung, ja ſelbſt
durch von Zeit zu Zeit unternommene Blutentziehungen, Ver-
meidung aller Zuſammenpreßung des Leibes oder der Bruſt
durch Kleidungsſtuͤcke, Vermeidung zu erhoͤhter Temperatur
oder uͤberhaupt erhitzender Einfluͤſſe, wiederkehrende Anfaͤlle
verhuͤtet werden. War hingegen allgemeine Schwaͤche z. B.
nach Blutverluſt u. ſ. w., und krankhaft geſteigerte Reitzbar-
keit im Nervenſyſtem die Urſache, ſo iſt der ſtaͤrkende Heil-
plan, eine die Reproduktion unterſtuͤtzende Diaͤt, die Anwen-
II. Theil. 16
[242] dung der Extrakte, der China u. ſ. w. in Verbindung mit
aromatiſchen Baͤdern von Nutzen.


§. 1053.

Endlich aber bleibt noch von einem Mittel zu ſprechen,
welches man ſonſt zwar viel zu einſeitig als das einzige
und Hauptmittel bei Convulſionen aufgeſtellt hat, welches
wir indeß vielmehr nur auf einzelne Faͤlle und zwar ſo wohl
um das Leben der Mutter als des Kindes zu erhalten, em-
pfehlen koͤnnen. Es iſt dieß die gewaltſame Entbindung (Ac-
couchement forcé
). — In Faͤllen naͤmlich wo die betraͤcht-
liche Ausdehnung des Uterus und die dadurch veranlaßte Be-
engung der Refpiration, Nervenreitzung u. ſ. w. offenbar als
vorzuͤgliche Veranlaßung dieſer Anfaͤlle erſcheinen, und deßhalb
die oben (§. 1046 — 50.) erwaͤhnten Mittel die gehoffte
Linderung nicht herbeifuͤhren, oder doch einer baldigen Wieder-
kehr der Zuckungen entgegenzuſehen iſt, muß allerdings die
Beendigung der Schwangerſchaft uͤberhaupt vorzuͤglich wuͤn-
ſchenswerth bleiben, und die Natur deutet hierauf ſelbſt hin,
indem wir ſehr haͤufig unter ſolchen Umſtaͤnden das von freien
Stuͤcken erfolgende Eintreten des Geburtsgeſchaͤfts bemerken.
Da nun uͤberdieß bei ſolcher Ausdehnung des Uterus gewoͤhn-
lich die vierte Periode der Schwangerſchaft bereits eingetreten,
und das Kind als Lebensfaͤhig zu betrachten iſt, ſo wird es
hier zur Aufgabe der Kunſt entweder die Natur in ihrem ſich
bereits zeigenden Beſtreben zur Ausſtoßung des Kindes, durch
ein Verfahren, welches in der geburtshuͤlflichen Therapie naͤher
eroͤrtert werden wird, zu unterſtuͤtzen, oder die Geburt gaͤnzlich
durch Huͤlfe der Kunſt zu bewerkſtelligen. —


§. 1054.

Es kann dieſes aber auf zweierlei Weiſe geſchehen; ent-
weder indem man durch behutſames Durchboren der Eihaͤute,
ohne vorhergegangene kuͤnſtliche Erweiterung des Muttermun-
des (eine Operation welche ebenfalls im Folgenden naͤher be-
ſchrieben werden wird) den Abgang des Fruchtwaſſers veran-
laßt, und auf dieſe Weiſe eine kuͤnſtliche Fruͤhgeburt bewirkt,
[243] oder indem man den Muttermund kuͤnſtlich erweitert, die Ei-
haͤute nun trennt, und die Entwicklung des Kindes uͤbernimmt.
Das erſtere iſt fuͤr alle Faͤlle zu empfehlen wo man nach ei-
nem fuͤr jetzt beſeitigten Anfalle, der Wiederkehr der Zuckun-
gen durch baldige Beendigung der Schwangerſchaft allein vor-
beugen kann. Das zweite Verfahren hingegen muß in Faͤllen
gewaͤhlt werden wo dringende Lebensgefahr der Mutter und
des Kindes, moͤglichſt ſchnelle Entleerung der Gebaͤrmutter,
waͤhrend der Anfaͤlle ſelbſt, als einziges Rettungsmittel dar-
ſtellen.


§. 1055.

Nicht immer jedoch wird es gelingen, auch im guͤnſti-
gen Falle der Abwendung ploͤtzlicher Lebensgefahr die voͤllige
Geſundheit ſofort herzuſtellen, ſondern es werden oͤfters Gei-
ſteskrankheiten, fieberhafte Zuſtaͤnde u. ſ. w. zuruͤckbleiben,
welche dann ſaͤmmtlich ihrer beſondern Natur nach zu behan-
deln ſind, ſo daß eine weitere Beruͤckſichtigung derſelben nicht
fuͤr dieſen Ort gehoͤrt.


II. Von den krankhaften Zuſtaͤnden im Ge-
ſchlechtsſyſteme der Schwangern
.

§. 1056.

Es gehoͤren hierher vorzuͤglich mehrere krankhafte Zu-
ſtaͤnde der Gebaͤrmutter, indem Krankheiten der Bruͤſte zwar
auch zuweilen bei Schwangern vorkommen, aber mit Aus-
nahme der hier noch naͤher zu betrachtenden krankhaften An-
ſchwellung und den Ausſchlaͤgen derſelben, doch hier nicht
weſentlich von den Krankheiten denen ſie im Wochenbette aus-
geſetzt ſind, ſich unterſcheiden; krankhafte Zuſtaͤnde der Va-
gina, der aͤußern Geburtstheile und des Beckens aber, nur
fuͤr das Geburtsgeſchaͤft hinderlich werden, und dort naͤher
zu betrachten ſind. — Auch unter den Krankheiten an wel-
chen der Uterus waͤhrend der Schwangerſchaft leiden kann,
[244] ſind uͤbrigens mehrere die wir bereits fruͤher als Krankheiten
der nicht ſchwangern Gebaͤrmutter kennen lernten, deren Ver-
lauf jedoch ſo wie Behandlung hier manches Eigenthuͤmliche
zeigt.


I.Krankheiten des ſchwangern Uterus.

1. Entzuͤndung der ſchwangern Gebaͤrmutter.

§. 1057.

Schon im 1. Theile §. 327 ſind die Gruͤnde angegeben
worden, denen zufolge die Metritis haͤufiger in der Schwan-
gerſchaft als außer derſelben vorkommt, ſchon [inwiefern] die
Gefaͤßthaͤtigkeit des Uterus hier naͤmlich an und fuͤr ſich ſo
ſehr geſteigert iſt; allein es iſt auch noch darauf beſondere
Ruͤckſicht zu nehmen, daß der Uterus den aͤußern, Entzuͤndung
erregenden Einfluͤßen weit mehr ausgeſetzt iſt, als zu welchen
wir Erkaͤltungen, mechaniſche Verletzungen durch Druck, Fall
u. ſ. w. (leider zuweilen auch den Gebrauch von Abortiv-
mitteln) rechnen muͤßen. — Ebendeßhalb zeigt ſich bei der
Entzuͤndung der ſchwangern Gebaͤrmutter auch namentlich der
Grund als meiſtens vorzugsweiſe afficirt, da hingegen der
Gebaͤrmuttermund, welcher z. B. waͤhrend der Geburt ſich ſo
haͤufig entzuͤndet, hier weit ſeltener leidet.


§. 1058.

Aetiologie und Diagnoſe ſind uͤbrigens fuͤr die Metritis
der Schwangern ziemlich ganz gleich der fuͤr dieſe Krankheit
im nichtſchwangern Zuſtande fruͤher angefuͤhrten, ſo daß wir
in dieſer Hinſicht auf §. 330 bis 338 des erſten Theils ver-
weiſen muͤßen. Beſondere Bemerkung verdient es dagegen,
daß in demſelben Grade als die Muſkelfaſern des Uterus ſich
waͤhrend der Schwangerſchaft mehr entwickeln, auch dieß Or-
gan empfaͤnglicher fuͤr eine Art des Krankſeyns wird, welche
insbeſondere muſkuloͤſen Organen eigenthuͤmlich genannt wer-
den kann, naͤmlich fuͤr rheumatiſche Zuſtaͤnde, welche
[245] wir kein Bedenken tragen, mit hier, bei der Metritis der
Schwangern abzuhandeln, da man das Weſen des Rheuma-
tiſmus uͤberhaupt, doch namentlich in entzuͤndlichen Zuſtand
der contraktileu Faſer zu ſetzen berechtigt iſt.


§. 1059.

Der Rheumatismus der ſchwangern Gebaͤrmut-
ter
aber, eine Krankheit, welcher zuerſt Wigand*) eine
beſondere Aufmerkſamkeit gewidmet hat, zeichnet ſich aus durch
ſehr erhoͤhte Empfindlichkeit des geſammten Uterus, ſo wie
durch ziehende Schmerzen in demſelben, und in der Kreuzge-
gend, welche Schmerzen mit wahren Verkuͤrzungen der Muſ-
kelfibern ſich zuweilen verbinden, ſo daß ſich ſogar der Mut-
termund betraͤchtlich zu erweitern beginnt. Alles dieſes macht
dann oft glaublich, daß die Geburtsarbeit ſelbſt jetzt wahrhaſt
ihren Anfang nehme, welches indeß doch hier oft ſo wenig
der Fall iſt, daß nicht nur der Muttermund nach gehobener
Krankheit ſich wieder ſchließt, ſondern die Niederkunft ſelbſt
oft erſt nach mehrern Wochen und nach regelmaͤßiger Been-
digung des Schwangerſchafttermins eintritt. — Die erwaͤhn-
ten Schmerzen des Uterus zeigen ſich verbunden mit laͤſtigem
Preſſen, gewoͤhnlich vorzuͤglich in den erſten Stunden der Nacht,
verurſachen fieberhaften Zuſtand, heftigen Schweiß und ver-
mehrten unter empfindlichem Draͤngen erfolgenden Abgang ei-
nes dunkelrothen Urins. — Um einen ſolchen rheumatiſchen
Zuſtand von wahren Wehen zu unterſcheiden, hat man zu be-
merken das Andauernde dieſer Schmerzen, den Fieberzuſtand,
die vorhergegangenen ſchaͤdlichen Einwirkungen und die allge-
meine Empfindlichkeit des Uterus, welche Symptome ſaͤmmt-
lich den wahren Wehen fremd ſind.


§. 1060.

Die Schaͤdlichkeiten welche insbeſondere den Rheumatis-
mus der Gebaͤrmutter veranlaßen, ſind vorzuͤglich Erkaͤltungen
[246] der untern Extremitaͤten, Erkaͤltungen der Unterleibsflaͤche,
welche bei Hochſchwangern, wegen dem uͤberhaͤngenden, die
Kleider von den Schenkeln entfernenden Unterleibe ſo leicht moͤg-
lich werden, ja oft Erkaͤltungen der Geburtstheile ſelbſt, vor-
zuͤglich auf kalten und ziehenden Abtritten. — Wir reihen
hieran ſogleich noch, was uͤber Prognoſe und Behandlung die-
ſes rheumatiſchen Zuſtandes zu erwaͤhnen iſt. Im Ganzen
naͤmlich iſt allerdings der rheumatiſch entzuͤndliche Zuſtand kei-
nesweges von der Gefahr [fuͤr] Mutter und Kind, wie die
vollkommen ausgebildete Metritis, demohnerachtet kann die
laͤngere Dauer deſſelben nicht nur uͤberhaupt Veranlaßung zu
einer Fruͤhgeburt werden, ſondern wird auch insbeſondere, uͤberall
wo er ſich bis zur beginnenden Geburt fortſetzt, nachtheilig
auf die Wehen wirken und Unregelmaͤßigkeiten derſelben her-
beifuͤhren.


§. 1061.

Die Behandlung des Rheumatismus der Gebaͤrmutter
fordert ein leichtes antiphlogiſtiſches Verfahren, verbunden mit
Ruͤckſicht auf Befoͤrderung der Hautthaͤtigkeit ſo wie auf Ver-
minderung der aufgeregten Senſibilitaͤt. — Ein hinlaͤnglich
warmes Verhalten, Genuß ſehr leichter Diaͤt, der Fliederblu-
menaufguß, warme trockene Kraͤuterfomentationen, eroͤffnende
Lavements, innerlich Emulſionen mit Nitrum, Spiritus Min-
dereri, Liq. C. C.
und vorzuͤglich der von Wigand und
Schmidtmuͤller mit Recht geruͤhmte Gebrauch des Opi-
ums, reichen hier gewoͤhnlich hin, um die Krankheit zu he-
ben, wobei die Beſſerung meiſtens mit außerordentlich ſtarken
Schweißen eintritt. —


§. 1062.

Was die Prognoſe und Behandlung der ausgebildeten
Metritis im Zuſtande der Schwangerſchaft betrifft, ſo unter-
ſcheidet ſie ſich im Weſentlichen durchaus nicht von der im
erſten Theile §. 340. u. f. abgehandelten, nur ruͤckſichtlich der Prog-
noſe iſt zu bemerken, daß dieſe hier in Hinſicht auf die Frucht
durchgaͤngig verſchlimmert wird, da nie die Entzuͤndung hier
[247] einen betraͤchtlichen Grad erreichen wird, ohne das Abſterben
des Kindes und Fruͤhgeburten nach ſich zu ziehen, oder auf
die Bildung der Frucht und des Kindes nachtheilig zu wir-
ken, indem abnorm feſte Verwachſungen der Placenta mit
dem Uterus, Verwachſungen des Muttermundes, abnorme Waſ-
ſeranhaͤufung u. ſ. w. die Folge davon ſeyn koͤnnen.


§. 1063.

Die Behandlung wird ſonach ebenfalls wie bei Nicht-
ſchwangern vorzugsweiſe ſtreng antiphlogiſtiſch ſeyn muͤßen,
und nur bei unvollkommner Entſcheidung der Krankheit, bei
Neigung zum Uebergange in Gangraͤn oder Eiterung wird
kraͤftigere Unterſtuͤtzung der Lebensthaͤtigkeit und Reproduktion,
wie bereits Theil I. §. 345. erwaͤhnt worden iſt, noͤthig
werden. — Iſt es nun allerdings klar, daß bei einer in
Gangraͤn uͤbergegangenen Entzuͤndung des ſchwangern Uterus,
welche noch vor dem hier meiſtens unvermeidlichen Tode die
Geburt veranlaßt hat, die innere an ſich vorzuͤglich flockige
und ſchwammige Gebaͤrmutterflaͤche in eine wahrhaft faulige
Aufloͤſung uͤbergehen koͤnne, ſo ſcheint es doch, als ob, den
[Beobachtungen]Boërs zufolge, ein ſolcher gangraͤnoͤſer Zu-
ſtand auch ohne vorausgegangene Entzuͤndung zu-
weilen eintreten koͤnne.


§. 1064.

Es ſind dieß die Faͤlle welche von Boër mit dem Namen
der Putrescenz der beſchwaͤngerten Gebaͤrmutter
belegt worden ſind, welche Krankheit ſich nach Boër*) und
den neuerlich von H. Joͤrg**) gegebenen naͤhern Beſtim-
mungen durch folgende Eigenthuͤmlichkeiten charakteriſirt. —
[248] Ihr Vorkommen betrifft vorzuͤglich Perſonen von ſchlaffem,
phlegmatiſchem Habitus durch deprimirende Affekte, ſchlechte
Luft und Nahrung geſchwaͤcht, und wird auch durch naßkalte
Witterung beguͤnſtigt. Waͤhrend der Schwangerſchaft ſelbſt
aͤußert ſie ſich faſt gar nicht, außer durch Abnahme der
Kraͤfte, blaßes kachecktiſches Anſehen und Verminderung der
Ausdehnung und Derbheit des Uterus, weßhalb ſelbſt Boër
ihr fuͤr dieſe Zeit keine beſtimmten Symptome, an welchen
ſie jeden Falls zu erkennen waͤre, beizulegen wagt. Nach der
Geburt (welche hierbei leicht ebenfalls theils zu zeitig, theils
mit manchen krankhaften Zufaͤllen verbunden einzutreten pflegt)
aͤußern ſich hingegen die Folgen des innern Leidens deutliche,
die Wochenbettsfunktionen gehen unregelmaͤßig von Statten,
die Haut zeigt wie die Bruͤſte eine nur unvollkommene Thaͤ-
tigkeit, die Lochien erfolgen unrein und mit ihnen entleer
ſich eine faulige Jauche, Fieberbewegungen, oͤrtliche Entzuͤn-
dungen an einzelnen Stellen des Unterleibes, ja ſelbſt Abſon-
derungen milchaͤhnlicher, eiterartiger Fluͤßigkeiten kommen hinzu,
und ſo erfolgt unter mancherlei Colliquationen haͤufig der Tod.


§. 1065.

Das Weſentliche der Krankheit iſt von H. Joͤrg neuer-
lich in einen durch unzulaͤngliche Bildungskraft be-
dingten Abſterbungsprozeß der hinfaͤlligen Haut,
welche Mortification ſodann bis in die Subſtanz
des Uterus eindringt
, geſetzt worden, und wie fuͤgen
dieſer ſcharfſinnigen Anſicht hier nur die Bemerkung bei: 1)
daß der Uterus, vermoͤge ſeiner uͤberwiegend vegetativen Na-
tur, einer, unter geeigneten Umſtaͤnden, unmittelbar eintreten-
den Faͤulniß, gewiß unter allen Organen vorzuͤglich faͤhig ſey
(an den Vegetabilien ſehen wir eben ſo Faͤulniß einzelner
Theile, ohne daß wir hier einen Entzuͤndungszuſtand kennten);
2) daß ein ſolches Abſterben und Faulen allerdings in der
uͤberhaupt zur Aufloͤſung beſtimmten Membrana deoidua vor-
zuͤglich gedacht werden koͤnne.


[249]
§. 1066.

Ich ſelbſt habe dieſen Zuſtand des Uterus, wo die in-
nere Flaͤche (beſonders in der Mutrermunds-Gegend) mit ei-
nem ſchwarzblauen aufgeloͤßten fauligen Schleim uͤberzogen
iſt, und in die Subſtanz der Gebaͤrmutterwaͤnde hinein dieſe
ſchwarze Farbe ſich ein Stuͤck fortgeſetzt, nicht ſelten bei
Sektionen von Woͤchnerinnen angetroffen, nur bleibt es bei
dieſer bisher nur erſt von Wenigen beachteten und unterſuch-
ten Krankheit ſchwer zu entſcheiden, zumal da doch ſo haͤufig
anderweitige unverkennbare Entzuͤndungen und allgemeine Fie-
berzuſtaͤnde ſich damit verbinden, ob nicht dieſer Zuſtand wenig-
ſtens oͤfters die Folge einer ſchnell zur ſphaceloͤſen Aufloͤſung
(und zwar eben in Folge der ſchlechten allgemeinen Conſtitu-
tion) ſich hinneigenden Entzuͤndung ſey, da doch ſelbſt beim
Decubitus (mit welchem man dieſen Vorgang verglichen hat)
eine vorhergehende Roͤthung und Entzuͤndung, welche nur in
Folge des typhoͤſen Fiebers ſchnell in Zerſtoͤrung uͤbergeht,
unverkennbar bleibt.


§. 1067.

Iſt nun folglich auch in dieſer Hinſicht noch eine naͤ-
here Beſtimmung erſt von kuͤnftigen Unterſuchungen zu erwar-
ten, ſo kann doch dieſe Ungewißheit auf die Behandlung
keinen Einfluß haben, welche, es moͤge nun dieſer oͤrtlich fau-
lige Zuſtand unmittelbar eingetreten, oder durch vorhergegan-
gene Entzuͤndung bewirkt ſeyn, immer auf die Erhoͤhung der
Lebensthaͤtigkeit im Allgemeinen, und oͤrtlich auf Befoͤrderung
des Abſonderns aufgeloͤßter Partien und der Wiederkehr zum
geſunden Zuſtande zu richten iſt. — Was die Ruͤckſicht auf
das Allgemeine betrifft, ſo wird ihr vorzuͤglich durch zweck-
maͤßiges diaͤtetiſches, prophylaktiſches Verfahren Genuͤge ge-
leiſtet; und ſo wie man in andern Faͤllen (z. B. bei Ver-
wundeten in Hoſpitaͤlern) das Eintreten von dem boͤsartigen
Decubitus durch geſunde [Luft], gute angemeßene Koſt, Ver-
huͤtung deprimirender Affekte u. ſ. w. meiſtens vermeiden
kann, ſo wird auch bei Schwangern, deren Conſtitution durch
[250] zweckmaͤßige Diaͤt und ſonſtiges Verhalten, im Normalzu-
ſtande erhalten wird, jenes Uebel nicht zu befuͤrchten ſtehen.
Ferner werden die erſten Spuren eines ſolchen Leidens, welche
ſich durch allgemeines Sinken der Kraͤfte, ſtumpfe ſchmerz-
hafte Gefuͤhle im Uterus u. ſ. w. oft ſchon in der Schwan-
gerſchaft ankuͤndigen, die Anwendung des belebenden Heilap-
parates, der Caſcarille, der China, der Serpentaria, des Elixir,
vitriol. Mynsichti,
eines kraͤftigen Weins u. ſ. w. erfordern.


§. 1068.

Nach der Entbindung hingegen, wo leider oft das Uebel
zuerſt voͤllig klar ſich darſtellt, muß ſodann theils im Allge-
meinen die ſpaͤter durchzugehende Behandlung des boͤsartigen
Puerperalfiebers eintreten, theils iſt die oͤrtliche Anwendung
erregender antiſeptiſcher Mittel unentbehrlich, obwohl bei be-
reits weiter ins Innere der Uterinſubſtanz vorgedrungener Zer-
ſtoͤrung die Heilungsverſuche oft eben ſo fruchtlos als bei
dem bereits ausgebrochenen carcinomatoͤſen Geſchwuͤr zu ſeyn
pflegen. Boër erfand zum Zweck dieſer ganz oͤrtlichen Be-
handlung ein Inſtrument welches er Plumaceaux-Leiter
(Porte-Plumaceaux) genannt hat, und welches aus einer
gebogenen Roͤhre, worin die Carpie-Baͤuſchchen durch eine
duͤnne ſeidene Schnur heraufgezogen werden, beſteht. *)
Durch ſolches Verfahren ſollen die afficirten Stellen, gerade
ſo wie beim ſphaceloͤſen Geſchwuͤre aͤußerlicher Schaͤden, mit
erregenden Salben, Miſchungen der Tr. Myrrhae und
Perubalſam u. ſ. w., regelmaͤßig verbunden werden koͤnnen.
Statt eines ſolchen Verbandes fuͤr die innere Uterinflaͤche
empfiehlt H. Joͤrg dagegen ſtaͤrkende, erregende Injektionen,
jedoch ſo, daß man ſie mittelſt einer an eine bewegliche
Roͤhre befeſtigten knoͤchernen (noͤthigenfalls der Form des Mut-
termundes angemeßen platt gefeilten) Kanuͤle **) einbringt,
und folglich auch wahrhaft in die Hoͤhle des Uterus leitet.


[251]
2. Waſſerſucht der ſchwangern Gebaͤrmutter.

§. 1069.

Auch hier muͤßen wir auf die im erſten Theile durch-
gegangenen Zeichen, Eintheilungen, Urſachen u. ſ. w. der
Waſſerſucht des nicht ſchwangern Uterus uns berufen. Es
kommen aber auch hier wieder die Anhaͤufungen von Waſſer
theils im Parenchyma des Uterus, theils in der Hoͤhle deſ-
ſelben und neben den Eihaͤuten vor, ja ſelbſt die abnorme
Anhaͤufung von Fruchtwaſſer in den Eihaͤuten, welche jedoch
ihres groͤßern Einflußes auf das Geburtsgeſchaͤft wegen, erſt
unter den Abnormitaͤten der Geburtsperiode betrachtet werden
wird, iſt gewißermaaßen mit hierher zu rechnen.


§. 1070.

Ergab ſich nun aber daß ſchon die Erkenntniß der Hy-
drometra
im ungeſchwaͤngerten Zuſtande mit manchen Schwie-
rigkeiten verbunden war, ſo kann man daſſelbe mit noch groͤße-
rem Rechte von dieſer Waſſerſucht im Zuſtande der Schwan-
gerſchaft behaupten. Wir haben daher Behufs der Diagnoſe
namentlich auf folgende Umſtaͤnde Ruͤckſicht zu nehmen: 1)
auf die im 1. Thl. §. 400. beſchriebene atoniſche lymphati-
ſche Conſtitution; 2) auf die Kennzeichen der Schwangerſchaft
uͤberhaupt (welche vorzuͤglich beachtet werden muͤßen, um den
Zuſtand von der Hydrometra der Nichtſchwangern oder von der
Bauchwaſſerſucht zu unterſcheiden); 3) auf das weit ſchneller
als in der regelmaͤßigen Schwangerſchaft erfolgende, uͤberhaupt
ſehr betraͤchtliche, und mit einem ſtumpfen Drucke begleitete
Anwachſen des Uterus; 4) auf die Stoͤrungen der Reproduk-
tion, welche durch allgemeine Schwaͤche und Abmagerung ſich
zu erkennen geben; 5) auf die wahrnehmbare Fluktuation im
Uterus oder das teigartige Gefuͤhl ſeiner Waͤnde, und den
ſchlaffen oͤdematoͤſen Zuſtand der Vaginalportion; 6) auf die
ſchwaͤcher fuͤhlbaren Kindestheile und Kindesbewegungen, und
endlich 7) auf den von Zeit zu Zeit ſich einfindenden Waſ-
ſerabgang durch den Muttermund (welcher auch hier wieder
das ſicherſte Kennzeichen darbietet.)


[252]
§. 1071.

Es ergiebt ſich hieraus zugleich, wodurch dieſer Zuſtand von
andern ihm oft ſehr aͤhnlichen Zuſtaͤnden am ſicherſten unter-
ſchieden werden koͤnne. Von der bloßen Molenſchwangerſchaft
z. B., mit welcher er namentlich das ſchnellere Ausdehnen
des Leibes gemein hat, unterſcheidet er ſich durch die laͤugere
Dauer. Molenſchwangerſchaften naͤmlich pflegen nicht uͤber
den vierten oder fuͤnften Monat ſich auszudehnen, dahingegen
die Waſſerſucht der beſchwaͤngerten Gebaͤrmutter insgemein erſt
in den ſpaͤtern Monaten ſich bildet, auch bei der erſtern gar
keine Kindestheile und Kindesbewegungen ſich zeigen, wohl
aber oͤfterer Blutabgang ſich einſtellt. Von der Bauchwaſſer-
ſucht ohne Schwangerſchaft wird die Waſſerſucht der beſchwaͤn-
gerten Gebaͤrmutter durch die Zeichen der Schwangerſchaft
uͤberhaupt, ſo wie durch das weniger geſtoͤrte Allgemeinbefin-
den, den weniger heftigen Durſt, den weniger verminderten
Harnabgang u. ſ. w. unterſchieden. Endlich von der betraͤcht-
lichen Menge des Fruchtwaſſers iſt das Vorhandenſeyn von
Waſſer außer den Eihaͤuten oder in der Uterinſubſtanz ver-
ſchieden, durch die nur ſchwach zu fuͤhlenden Kindestheile und
Kindesbewegungen, da im Gegentheil bei ſehr vielem Frucht-
waſſer die Bewegungen ſehr ſtark gefuͤhlt werden.


§. 1072.

Auch die geſammte Entwicklung der Krankheit hat mit
der Waſſerſucht des ungeſchwaͤngerten Uterus die groͤßte Aehn-
lichkeit, indem bei Anhaͤufungen von Waſſer in der Gebaͤr-
mutterhoͤhle ebenfalls nach und nach daſſelbe ſich durch den
Muttermund zu entleeren pflegt, oder im Falle der laͤngſten
Dauer doch durch die erſten Wehen ausgeſtoßen wird. Waſ-
ſeranhaͤufungen im Parenchyma des Uterus werden gewoͤhn-
lich erſt durch die Lochien und durch die Wochenſchweiße be-
ſeitigt. Die Prognoſe kann hier ſonach im Allgemeinen ſehr
guͤnſtig genannt werden, und nur wo die Waſſeranſammlungen
ſehr bedeutend ſind, wird dieſelbe verſchlimmert durch den
nachtheiligen Einfluß welchen ſie oft auf die Ernaͤhrung des
[253] Kindes aͤußert, durch die Schwaͤche des Uterus, welche
ſie bei der Geburt veranlaßt, und wodurch nicht ſelten be-
traͤchtliche Blutungen herbeigefuͤhrt werden. Am unguͤnſtigſten
wuͤrde die Prognoſe ſeyn, wo mit dieſen Waſſeranſammlungen
ſich andere Waſſerſuchten complicirt finden.


§. 1073.

Die aͤrztliche Behandlung betreffend, ſo iſt es nicht
ſelten der Fall, daß ſie uͤberhaupt gar nicht von den Schwan-
gern nachgeſucht wird, weil ſie die von der Waſſeranſamm-
lung im Uterus abhaͤngigen Beſchwerden fuͤr bloße Folgen der
Schwangerſchaft halten, und ſelbſt den ſich einſtellenden Waſ-
ſerabgang durch die Mutterſcheide entweder verſchweigen oder
ganz uͤberſehen. — Uebrigens wird die aͤrztliche Behandlung
ſelbſt, theils wegen der in vielen Faͤllen nicht mit vollkomme-
ner Schaͤrfe anszumittelnden Diagnoſe, theils wegen Ruͤckſicht
auf die Schwangerſchaft, nicht ſo entſchieden eingreifen duͤrfen
wie bei der Gebaͤrmutterwaſſerſucht der Nichtſchwangern, und
das Entlecren des Waſſers mittelſt Einfuͤhrung einer Sonde
in den Muttermund findet hier, wegen leicht moͤglicher Ver-
letzung der Eihaͤute, welche eine Fruͤhgeburt nach ſich ziehen
wuͤrde, durchaus nicht Statt. Der Arzt iſt ſonach auf die
gelindern diuretiſchen und diaphoretiſchen Mittel und auf Be-
ruͤckſichtigung und moͤglichſte Verbeſſerung und Kraͤftigung der
allgemeinen Conſtitution beſchraͤnkt, wie dieß ſchon im 1. Thl.
§. 407. insbeſondere bei der Hydrometra oedematosa be-
merkt worden iſt.


3. Gebaͤrmutterblutfluͤße bei Schwangern.

§. 1074.

Blutergießungen aus den Geburtstheilen ſchwangerer Per-
ſonen koͤnnen in ſehr verſchiedener Art erfolgen: — erſtens
naͤmlich, erſcheinen ſie als eine in der Schwangerſchaft
regelmaͤßig fortdauernde Menſtruation
, und geben
ſich als ſolche durch ihre Periodicitaͤt, durch Mangel aller
[254] aͤußern Veranlaßungen und durch die geringe oder gar nicht
wahrzunehmende Stoͤrung des allgemeinen Wohlbefindens zu
erkennen. Hierbei iſt denn eine beſondere aͤrztliche Behand-
lung nicht anzuwenden, es waͤre denn daß der Blutabgang
durch ſeine betraͤchtliche Quantitaͤt der Ernaͤhrung der Frucht
nachtheilig zu werden drohte, wo ſodann das im erſten Theile
gegen die zu ſtarke Menſtruation empfohlene Verfahren (§.
193. u. f.) Anwendung finden muͤßte.


§. 1075.

Zweitens koͤnnen Blutungen eintreten durch Gefaͤß-
verletzungen am Uterus oder in der Vagina
, z. B.
durch Berſten varikoͤſer Venen, oder bei Zerſtoͤrungen der Va-
ginalportion durch Krebsgeſchwuͤre, oder bei vorhandenen Abſceſ-
ſen in dieſer Gegend. Es iſt fuͤr alle dieſe Faͤlle namentlich
von dem, bei den paßiven Gebaͤrmutterblutungen nichtſchwan-
gerer Perſonen empfohlenen (§. 366. u. f.) Verfahren Ge-
brauch zu machen, und insbeſondere das Tamponiren muß
hier als ein zweckmaͤßiges Mittel genannt werden.


§. 1076.

Drittens koͤnnen (und dieſes iſt bei weitem der haͤu-
figſte Fall) dieſe Blutungen die Folge ſeyn von zu zeitig
beginnenden Trennungen der Placenta vom Ute-
rus
, wobei (indem an der noch nicht voͤllig reifen Frucht
die Placenta gewoͤhnlich noch beſonders feſt mit der Tunica
decidua Hunteri
verbunden iſt) oft Theile dieſer hinfaͤlligen
Haut ſelbſt ſich abreißen, und ſo die Venenzellen des Uterus
geoͤffnet werden. — Es erfolgt dieſes entweder bei ſtarken,
von aͤußern oder innern Urſachen abhaͤngigen Erſchuͤtterungen
des ſchwangern Uterus, oder iſt auch die Folge der in der Naͤhe
des Muttermundes oder auf dieſem angehefteten Placenta.
Der Blutfluß iſt unter dieſen Umſtaͤnden haͤufig der Vorbote
einer Fruͤhgeburt und wird deßhalb unter den Anomalien der
Geburtsperiode naͤher betrachtet werden.


[255]
§. 1077.

Viertens endlich, koͤnnen dieſe Blutungen die Folge
ſeyn von Congeſtionen nach dem Uterus, eben ſo wie
aus dieſer Urſache haͤufige Blutungen im nichtſchwangern Ute-
rus entſtehen, und dieſe allein ſind es welche hier noch eine
naͤhere Betrachtung verdienen und erfordern. — Man bemerkt
bei Schwangern aͤhnliche Blutfluͤße aber namentlich, theils in
den erſten, theils in den letzten Monaten der Schwangerſchaft,
und hier, wie außer der Schwangerſchaft hat man hauptſaͤch-
lich zwiſchen den aktiven und paßiven Metrorrhagien zu un-
terſcheiden. Aktiver Art ſind gewoͤhnlich die welche zu An-
fange der Schwangerſchaft entſtehen, indem ſie durch die, von
erhoͤhter Produktivitaͤt des Uterus abhaͤngigen Congeſtionen
nach demſelben, bedingt werden. Sie erſcheinen vorzuͤglich bei
vollſaftigen reitzbaren Subjekten, werden durch die im 1. Thle
§. 354. genannten Gelegenheitsurſachen beguͤnftigt und durch
mehrere Verboten, als Kopfſchmerz, Kreuzſchmerz, Schwindel
u. ſ. w. groͤßtentheils angekuͤndigt. — Paßiver Art hingegen
ſind haͤufig diejenigen Blutungen welche gegen das Ende der
Schwangerſchaft erfolgen, und bei manchen, vorzuͤglich ſchwam-
migen Koͤrpern zu dieſer Zeit ganz zur Gewohnheit werden
koͤnnen. Dieſe haͤngen dann mehr ab, von der betraͤchtlichen,
nicht mehr allein zur Ernaͤhrung der Frucht zu verwendenden
Blutmaſſe in den aufgelockerten Venenzellen des Uterus, und
werden vorzuͤglich bei Perſonen welche uͤberhaupt zu Venen-
erweiterungen (an den untern Extremitaͤten, aͤußern Genita-
lien und Haͤmorrhoidaladern) geneigt ſind, am haͤufigſten be-
obachtet.


§. 1078.

Auch ruͤckſichtlich der Prognoſe und Behandlung dieſer Blut-
fluͤße iſt auf das im erſten Theile bei den Metrorrhagien nicht
ſchwangerer Perſonen Geſagte zu verweiſen, und ſchließlich nur
noch zu bemerken, daß insgemein die, nicht von angehendem
Abortus oder vorliegender Placenta bedingten Blutungen, ſelten
bedeutend werden, und daher außer ruhigem Verhalten, Ver-
[256] meidung aller Reitze, ſaͤuerlichem Getraͤnk u. ſ. w., ſelten eine
aͤrztliche Behandlung fordern. — Waͤre es jedoch der Fall
daß ſie mit groͤßerer Heftigkeit erſchienen, ſo wird allerdings
durch Ruͤckſicht auf das Kind die Prognoſe mißlicher, indem
ſie alsdann ſelbſt durch Schwaͤchung des Uterus das Abſter-
ben deſſelben und die Fruͤhgeburt veranlaßen koͤnnen; nach ih-
rer verſchiedenen Natur muͤßen daher ſodann die §. 369. u. f.
erwaͤhnten Huͤlfsmittel angewendet werden, obwohl in Faͤllen
der dadurch nicht zu bewerkſtelligenden Siſtirung des Blutfluſ-
ſes, es ſelbſt noͤthig werden wird, die kuͤnſtliche Entbindung
oder wenigſtens das Sprengen der Eihaͤute vorzunehmen, um
ſomit durch Entleerung des Waſſers dem Uterus Raum zu
ſtaͤrkerer Contraktion zu geben.


4. Fehlerhafte Lagen des ſchwangern Uterus.

a.
Zuruͤckbeugung der ſchwangern Gebaͤrmutter,
(Retroversio uteri.)

§. 1079.

Auch dieſe falſche Lage der Gebaͤrmutter, bei welcher ihr
Grund nach hinten geſenkt, ihr Halstheil gegen die Scham-
beinverbindung gerichtet iſt, haben wir außer der Schwan-
gerſchaft vorkommen ſehen (ſ. 1. Theil §. 500.); in der
Schwangerſchaft jedoch, erſcheint ſie gewoͤhnlich, wo ſie vor-
kommt, in einem hoͤhern Grade, ſo daß der Gebaͤrmuttergrund
ſelbſt unter das Promontorium herabgeſunken, und der Mut-
termund hinter und uͤber den Schambogen geſtellt iſt, folglich
die ſchwangere Gebaͤrmutter in dieſer verkehrten Lage voͤllig
in die Hoͤhle des kleinen Beckens hereingepreßt erſcheint.


§. 1080.

Das Vorkommen dieſer abnormen Lage des Uterus wird
uͤbrigens auf die erſten Monate der Schwangerſchaft, nament-
[257] lich auf den zweiten, dritteu und vierten beſchraͤnkt.
Dispoſition zu derſelben wird gegeben durch erſchlaffte Baͤn-
der des Uterus (und ſonach durch alle Krankheiten welche den
Tonns des Geſchlechtsſyſtems uͤberhaupt vermindern), durch
ein geraͤumiges Becken, vorzuͤglich durch ein Becken deſſen
Promontorium wenig hervorragt, und endlich durch oͤfters
wiederkehrende betraͤchtliche Urinverhaltungen, wobei die Aus-
dehnung der Blaſe den Gebaͤrmuttergrund ruͤckwaͤrts treibt.
Gelegenheitsurſachen, welche bei einer ſolchen Dispoſition
oft ploͤtzlich die Zuruͤckbeugung herbeifuͤhren, ſind Anſtren-
gungen des Koͤrpers beim Heben oder Tragen, Erſchuͤtterun-
gen durch einen Fall, vorzuͤglich durch einen Fall auf den
Ruͤcken, u. ſ. w. — Tritt die krankhafte Lage ohne ſolche
Gelegenheitsurſachen blos in Folge der erſterwaͤhnten Momente
ein, ſo iſt ihre Entſtehung gewoͤhnlich allmaͤhliger, es kehrt
aber das Uebel in folgenden Schwangerſchaften ſodann leicht
wieder (wie es von Andern und auch von mir in einem Falle
beobachtet wurde).


§. 1081.

Die Folgen einer ſo umgeaͤnderten Lage ſind zuerſt in
dem heftigen Drucke auf Maſtdarm und Blaſenhals bemerk-
lich, wodurch ſowohl Stuhlausleerungen als Ausleerungen des
Urins entweder gaͤnzlich unterdruͤckt, oder doch aͤußerſt ver-
mindert und erſchwert werden. Bei laͤngerer Dauer ferner
geſellen ſich hierzu heftige Schmerzen im ganzen Becken und
endlich entzuͤndlicher, mit allgemeinem Fieber begleiteter Zu-
ſtand des Uterus, welche Entzuͤndungen hier, wegen der wahr-
haften Einklemmung oder Einkeilung welche der ſchwangere
Uterns erleidet, leicht in Gangraͤn uͤbergehen, und ſo den Tod
der Frucht und der Mutter veranlaßen koͤnnen, oder auch ſchon
bei geringern Graden, wenigſtens die Ernaͤhrung der Frucht
leicht unterbrechen, und eine Fruͤhgeburt herbeifuͤhren werden.


§. 1082.

Wir kommen ferner zur Diagnoſe dieſer Krankheit,
welche um ſo wichtiger iſt, da Beiſpiele in Menge vorhanden
II. Theil. 17
[258] ſind, wo man dieſe falſche Lage uͤberſah und die davon ab-
haͤngigen Beſchwerden als gewoͤhnliche Iſchurie, Obſtruktion
u. ſ. w., und folglich ganz falſch behandelte. *) — Zu den
Keunzeichen der Zuruͤckbeugung des ſchwangern Uterus gehoͤrt
aber zuerſt die im zweiten, dritten oder vierten Monate ſich
einfindende Harnverhaltung und Stuhlverſtopfung, begleitet von
ſtumpfen druͤckenden Schmerzen im Becken, welche nach eini-
ger Zeit heftiger werden und mit Fieberbewegungen ſich ver-
binden. Dieſe Umſtaͤnde geben nun ſtets dringende Veran-
laßung (namentlich wo noch eine oder mehrere der §. 1080.
genannten entfernten Urſachen augenſcheinlich eingewirkt haben)
zum Vornehmen der geburtshuͤlflichen innern Unter-
ſuchung
, durch welche hier alsbald eine genaue Beſtimmung
uͤber die Natur des Uebels erlangt werden kann.


§. 1083.

Es wird ſich naͤmlich ergeben, daß die Hoͤhlung des
Kreuzbeins zum Theil ſich ausgefuͤllt zeigt, durch den kugli-
chen, feſt ſich aufuͤhlenden Gebaͤrmuttergrund, daß hingegen die
Vaginalportion nach dem Schambogen gerichtet, und oft der
Muttermund, wegen ſeines aͤußerſt hohen Standes nur mit
großer Anſtrengung zu erreichen iſt. Hier iſt es nun aber
nicht ſelten der Fall geweſen, daß man die Ergebniße einer
ſolchen Unterſuchung falſch ausgelegt und z. B. die nach ruͤck-
waͤrts zu fuͤhlende Geſchwulſt fuͤr den Kopf des Kindes oder
fuͤr eine ſteatomatoͤſe Ausartung der Gebaͤrmutterſubſtanz ge-
nommen habe, weßhalb denn uͤber die Zeichen um ſolche Ver-
wechſelungen zu vermeiden noch Einiges zu erinnern uͤbrig
bleibt.


§. 1084.

Erſtens die Verwechſelung des Gebaͤrmuttergrundes mit
dem Kopfe des Kindes betreffend, ſo beruht ſie immer auf
[259] der Vorausſetzung daß die Schwangerſchaft bereits ſehr weit
vorgeruͤckt ſey, da natuͤrlich im dritten oder vierten Monat
noch gar kein Kindeskopf, und am wenigſten ein ſo großer,
zu fuͤhlen iſt. Zu der Annahme einer weiter vorgeruͤckten
Schwangerſchaft veranlaßt aber zuweilen die betraͤchtliche Aus-
dehnung des Leibes, welche hierbei haͤufig durch Ausdehnung
der Harnblaſe und langwierige Obſtruktionen begruͤndet wird,
jedoch wird man ſich durch ſorgfaͤltige aͤußere Unterſuchung
bald davon uͤberzeugen koͤnnen, daß dieſe Ausdehnung des
Leibes nicht vom ſchwangern Uterus abhaͤngig ſey, ſo wie eine
ſolche Annahme auch durch eine genaue Beruͤckſichtigung der
Schwangerſchaftsrechnung und der uͤbrigen Schwangerſchafts-
zeichen, am meiſten aber durch Beachtung des in der regel-
maͤßigen Schwangerſchaft gar nicht vorkommenden Standes
der Vaginalportion nach, oder ſogar uͤber dem Schambogen,
widerlegt werden wird. — Zweitens ruͤckſichtlich der Verwech-
ſelung der Zuruͤckbeugung des ſchwangern Uterns mit einer
Ausartung der Gebaͤrmutterſubſtanz (Steatom) ſo wird dieſe
widerlegt: 1) durch den Gang der Krankheit, da ein Steatom
immer nur in Jahren zu einem betraͤchtlichen Umfange ge-
langt; 2) durch die Zeichen der Schwangerſchaft, da bei ſol-
chen Ausartungen ſelten Schwangerſchaft moͤglich iſt; 3) durch
den Stand des Muttermundes welcher hier aufwaͤrts und
vorwaͤrts gerichtet iſt, beim Steatom hoͤchſtens gegen den
Schambogen gedraͤngt ſeyn kann; 4) durch die Unmoͤglichkeit
die Repoſition zu machen.


§. 1085.

Die Prognoſe betreffend, ſo iſt dieſe, da die Krankheit
gewoͤhnlich, wenn ſie ſich ſelbſt uͤberlaßen bliebe, den Tod der
Frucht und der Mutter zur Folge haben wuͤrde, allerdings
unguͤnſtig zu nennen, jedoch wird dieſes modificirt durch die
Moͤglichkeit einer gruͤndlichen und baldigen Heilung wenn die
Huͤlfe zur rechten Zeit geſucht wird. — Es koͤmmt daher in
einem gegebenen Falle hauptſaͤchlich darauf an, ob das Uebel
bereits lange gedauert, und der Uterus bereits den Entzuͤn-
dungszuſtand erreicht habe. Im letztern Falle iſt immer,
[260] wenn auch die Heilung fuͤr die Mutter noch gelingt, zu be-
fuͤrchten daß die Schwangerſchaft durch Abortus ſich endigen
werde.


§. 1086.

Behandlung. Sie hat drei Indicationen zu erfuͤllen:
1) dringende Zufaͤlle welche von der falſchen Lage bereits ver-
urſacht worden ſind, zu beſeitigen; 2) die normale Lage des
Uterus herzuſtellen; 3) denſelben in dieſer Lage zu erhalten. —
Die Erfuͤllung der erſten Indication bezieht ſich aber zuvoͤr-
derſt auf Entleerung der Harnblaſe und Hebung der entzuͤnd-
lichen Zufaͤlle. Das Erſtere wird durch Einbringung des Ka-
theters bewerkſtelligt, jedoch oft nur mit Muͤhe, ſo daß es
daher rathſam iſt, fuͤr Faͤlle dieſer Art mehrere ſilberne und
elaſtiſche Katheter verſchiedener Staͤrke in Bereitſchaft zu hal-
ten, ja ſich auf den aͤußerſten Fall mit einem feinen maͤnn-
lichen Katheter zu verſehen. — Man kann zwar zuweilen die
Blaſe ſchon dadurch entleeren, daß man mit zwei Fingern in
die Mutterſcheide eingehend den Mutterhals zu faſſen und von
dem Schambogen weg zu druͤcken und herabzuziehen ſucht,
allein bei dieſem Verfahren, welches uͤberdieß wenn der Ute-
rus bereits entzuͤndet iſt, ſehr ſchmerzhaft ſeyn wuͤrde, muß
die Gebaͤrmutter ſtets eine Reitzung erfahren, welche gewiß
die Neigung zum Abortus verſtaͤrkt.


§. 1087.

Ferner den Entzuͤndungszuſtand betreffend, ſo iſt es fuͤr
alle Faͤlle wo er bereits eine betraͤchtliche Hoͤhe erreicht
hat, rathſam, der zu unternehmenden Operation der Zuruͤck-
bringung eine allgemeine Blutentziehung vorausgehen zu laſ-
ſen, und oͤrtlich erweichende, narkotiſche Injektionen und Fo-
mentationen ſo wie innerlich eine Emulsio nitrosa anwenden
zu laßen, ja fuͤr den Fall einer ſehr betraͤchtlichen Einklem-
mung des ſchwangern Uterus, die Kranke zuvor in ein laues
Bad zu bringen. — Die Entleerung des Darmkanals kann
ebenfalls vorher durch einige erweichende Lavements verſucht
[261] werden, da aber dieſe bei der betraͤchtlichen Zuſammendruͤckung
des Maſtdarms oft nur wenig ausrichten koͤnnen, auch durch
den noch ruͤckbleibenden Darmkoth die Operation nicht weſent-
lich gehindert wird, ſo muß man die voͤllige Beſeitigung die-
ſer Obſtruktion oft bis nach Vollendung der Operation ver-
ſparen.


§. 1088.

Die zweite und wichtigſte Indication ferner, fordert zu-
erſt die Anordnung einer zweckmaͤßigen Lage der Kranken, zu
welchem Behuf man dieſelbe auf Kniee und Ellenbogen ge-
ſtuͤtzt, quer uͤber das Bett legen laͤßt, ſo daß die Fuͤße uͤber
den Bettrand hervorragen und der Operirende bequem zu den
Geburtstheilen kommen kann. Die Repoſition ſelbſt kann
nun auf doppelte Weiſe gemacht werden, entweder durch die
Vagina oder durch das Intestinum rectum. In den mei-
ſten Faͤllen gelingt die Operation eben ſo vollkommen auf dem
erſten Wege als auf dem zweiten, und da durch die Scheide
das Eingehen mit der Hand bequemer und ſchmerzloſer iſt,
ſo verdient dieſes Verfahren, wo immer moͤglich, den Vorzug.
Jedenfalls iſt es indeß noͤthig entweder zwei Finger oder noͤ-
thigenfalls die ganze coniſch zuſammengelegte und ausgeſtreckte
Hand mit Fett oder Oehl beſtrichen einzufuͤhren, die Spitzen
der Finger an den vorragenden Gebaͤrmuttergrund anzuſetzen
und dieſen ſofort gelinde aufwaͤrts zu draͤngen. Hat man
denſelben durch maͤßigen Druck bis zum Rande des Promon-
torii
gebracht, ſo muß der Druck vorzuͤglich behutſam fortge-
ſetzt werden, um das ploͤtzliche Uebergleiten des Uterus und
Ausfahren der Spitzen der Finger zu verhuͤten. Zeichen der
gelungenen Repoſition iſt es, daß der Muttermund ſich wie-
der in der Fuͤhrungslinie befindet. — Hat das Uebel noch
nicht zu lange gedauert, ſo wird man die Repoſition meiſtens
ziemlich leicht finden, im entgegengeſetzten Falle fordert ſie
oft mehr Zeit, und ſtaͤrkern demohnerachtet aber immer vor-
ſichtigen Druck.


[262]
§. 1089.

Eine beſondere Betrachtung erfordern uͤbrigens noch die
Faͤlle, wo wegen uͤbermaͤßig langer Dauer der Einklemmung
die Repoſition ganz unmoͤglich wuͤrde, Faͤlle welche uͤbrigens
gewiß hoͤchſt ſelten ſeyn werden, indem ich nirgends Beiſpiele
aufgezaͤhlt finde wo das Uebel, ſobald es zur Genuͤge erkannt
war, zweckmaͤßigen Repoſitionsverſuchen Widerſtand geleiſtet
haͤtte. Demungeachtet iſt ein ſolcher Fall als moͤglich anzu-
erkennen, und die bisher vorgeſchlagenen Mittel hier noch we-
nigſtens die Schwangere zu retten (denn an Erhaltung der
Frucht wird bei dieſem Grade der Geſchwulſt und Entzuͤndung
ſelten noch zu denken ſeyn), beſtehen theils in der ſpaͤter noch
zu beſchreibenden Trennung der Schamfuge (Synchondro-
tomia)
oder der Durchbohrung des ſchwangern Uterus ſelbſt
mittelſt eines Troikars.


§. 1090.

Das erſtere Verfahren wuͤrde durch Erweiterung des
Beckenraums die Repoſition geſtatten, und duͤrfte auch hier,
da die Schamfuge ſich nicht allzuweit zu oͤffnen brauchte und
folglich keine Verletzung der Kreuz- und Darmbeinvereinigun-
gen ſo leicht zu befuͤrchten ſtaͤnde (welcher Nachtheil bei An-
wendung dieſer Operation Behufs der Erleichterung ſchwerer
Geburten immer ſich einzuſtellen droht), wenigſtens eher als
bei Geburten ausgetragener Kinder zu empfehlen ſeyn. Das
Eroͤffnen des Uterus durch den Troikar hingegen wuͤrde durch
Abfluß des Waſſers den Uterus zu Zuſammenziehungen veran-
laßen, und indem ſich ſo ſein Umfang verkleinerte, wuͤrde die
Repoſition moͤglich werden. — Da indeß von beiden Ver-
fahren eine nachtheilige Wirkung auf den muͤtterlichen Koͤrper
faſt nothwendig einzutreten droht, ſo ſchlage ich hier noch als
dritten Ausweg vor, eine kuͤnſtliche Fruͤhgeburt durch Sprengen
der Eihaͤute im Muttermunde zu bewerkſtelligen, und ſo-
mit alle Gefahr, in ſoweit ſie von der Operation abhaͤngig
iſt, fuͤr die Mutter zu vermeiden. Zwar wuͤrde das Eingehen
[263] in den Muttermund wegen des hohen Standes deſſelben wohl
haͤufig etwas erſchwert werden, allein mittelſt geſchickter Ein-
fuͤhrung der Hand in die Beckenhoͤhle, und mittelſt einer ge-
bogenen ſtarken geknoͤpften Sonde wird es ſicher nicht miß-
lingen.


§. 1091.

Iſt nun auf eine oder die andere Weiſe die Repoſition
gemacht, ſo bleibt noch die Erfuͤllung der dritten Indication
uͤbrig, naͤmlich den Uterus in dieſer normalen Lage zu erhal-
ten, welches um ſo mehr zu beruͤckſichtigen iſt, da viele Faͤlle
beweiſen, daß die Neigung die abnorme Lage wieder anzuneh-
men fuͤr laͤngere Zeit ſehr betraͤchtlich zu ſeyn pflegt, ſo daß
Ruͤckfaͤlle leicht eintreten. Zuvoͤrderſt muß daher, wenn die
Retentionen des Urins und Stuhls vor der Repoſition nicht
voͤllig zu beſeitigen waren, nach derſelben durch Application
des Katheters und der Lavements dieſer Zweck erreicht wer-
den, ſodann aber iſt eine ſtrenge Beobachtung der Lage auf
dem Bauche durchaus nothwendig. In dieſer Lage oder hoͤch-
ſtens in einer Seitenlage muß ſofort die Operirte 8 bis 14
Tage verweilen, Urin und Stuhl muͤßen oͤfters entleert und
eine ſehr einfache Diaͤt beobachtet werden, wobei denn ge-
woͤhnlich der Uterus ſich ſoweit vergroͤßert und an die nor-
male Lage gewoͤhnt haben wird, daß ein Ruͤckfall nicht wei-
ter zu befuͤrchten ſteht und die Operirte als voͤllig geneſen be-
trachtet werden kann. — Oefters hat man dieſen Ruͤckfaͤllen
auch durch Peſſarien welche den Muttermund umfaßen, vorzu-
beugen gerathen, allein dieſe reitzen gewoͤhnlich den Uterus,
ſobald ſie die Vaginalportion wirklich fixiren und befoͤrdern
dadurch die Neigung zum Abortus; da nun uͤberdieß die oben-
erwaͤhnte ruhige Lage ſchon als Verhuͤtungsmittel ausreicht,
und ohne dieſe ſelbſt das Peſſarium nicht genuͤgen wuͤrde,
ſo erſcheinen die letztern uͤberhaupt uͤberfluͤßig und ſogar nach-
theilig.


[264]
b.
Vorfall der ſchwangern Gebaͤrmutter.

§. 1092.

Ruͤckſichtlich der Beſchreibung und Eintheilung dieſes
Vorfalles (Prolapsus, Procidentia) ſo wie ruͤckſichtlich ſeiner
Aetiologie koͤnnen wir auf das was im 1. Theile (§. 470.
u. f.) uͤber den Vorfall des nicht ſchwangern Uterus geſagt
iſt, zuruͤckweiſen; zu bemerken iſt daher hier nur, daß der
Vorfall des ſchwangern Uterus im Ganzen weit ſeltner als
außer der Schwangerſchaft eintrete, da das vergroͤßerte Vo-
lumen der ſchwangern Gebaͤrmutter ihr Herabſinken ins Bek-
ken hindert, daß jedoch bei betraͤchtlicher Beckenweite und gro-
ßer Erſchlaffung der Gebaͤrmutterbaͤnder der Vorfall waͤhrend
der Schwangerſchaft auch leicht weit groͤßer als außer derſel-
ben, ja als vollkommner Vorfall mit Umſtuͤlpung der Vagina
erſcheinen koͤnne.


§. 1093.

Dieſes voͤllige Hervortreten des ſchwangern Uterus nun,
hat man namentlich zur Zeit des fuͤnften bis achten Schwan-
gerſchaftsmonats beobachtet, und es muß dieſe widernatuͤrliche
Lage nothwendig in der Schwangerſchaft mit weit heftigern
Zufaͤllen als außer derſelben verbunden ſeyn. Dieſe Zufaͤlle
ſind aber: theils Druck auf den Maſtdarm und die Harn-
blaſe, theils Anſchwellung, Entzuͤndung, Blutung, ja bei laͤn-
gerer Dauer wird ſelbſt Uebergang in Brand, oder (und dieſe
iſt beſonders gewoͤhnlich) Stoͤrung der Schwangerſchaft ſelbſt
durch eine fruͤhzeitige Geburt zu befuͤrchten ſtehen. Merkwuͤr-
dig iſt es uͤbrigens, daß, wie z. B. die in Stark’s Archiv *)
erzaͤhlten und Muͤllner’s Fall **) beweiſen, das Uebel wenn
[265] es mehr nach und nach eintritt, laͤngere Zeit, ja Monate
lang vorhanden ſeyn kann, ohne die genannten gefaͤhrlichen
Zufaͤlle ſogleich zu veranlaßen, ſo wie auch zu erwaͤhnen iſt,
daß mehrere Aerzte in dieſem Falle zugleich betraͤchtliche Ver-
laͤngerungen des Mutterhalfes haben entſtehen ſehen wollen.


§. 1094.

Was nun aber dieſe ſogenannte Verlaͤngerung der Va-
ginalportion betrifft, (ſie ſollte in dem Muͤllnerſchen Falle
6 Zoll betragen haben) ſo kann ich mich nicht enthalten zu
bemerken, daß man hier wahrſcheinlich die verlaͤngerte umge-
ſtuͤlpte Mutterſcheide fuͤr den Mutterhals genommen habe.
Wie naͤmlich ſchon von dem completen Vorfall nicht ſchwan-
gerer Perſonen bemerkt worden iſt, ſo wird derſelbe ſtets von
einer Umſtuͤlpung der Mutterſcheide nothwendig begleitet, und
eben ſo muß die ganz vorgefallene ſchwangere Gebaͤrmutter
aͤußerlich nothwendig noch von der umgeſtuͤlpten Mutterſcheide
umgeben ſeyn, welche nun aber oͤfters in der Muttermunds-
gegend eine cylindriſche Verlaͤngerung bildet, die leicht mit
dem Mutterhalſe ſelbſt zu verwechſeln iſt.


§. 1095.

Gehoͤren nun aber uͤberhaupt dieſe vollkommnen Vorfaͤlle
des ſchwangern Uterus zu den ſeltnen Erſcheinungen, ſo iſt
es dagegen ziemlich haͤufig der Fall, daß namentlich der hoch-
ſchwangere Uterus tiefer, zugleich mit dem vorliegenden Kin-
destheile, ins Becken herein ſinkt, und dadurch vorzuͤglich zu
Stuhlverſtopfungen, Urinbeſchwerden, Anlaufen der Hautvenen
und der Schenkel uͤberhaupt Veranlaßung giebt, jedoch nie ſo
gefaͤhrlich wie die erſterwaͤhnten Senkungen zu ſeyn pflegt. —
Daß uͤbrigens, wenn ſich der unvollkommene ſowohl, als der
vollkommene Gebaͤrmuttervorfall, bis zu Ende der Schwan-
gerſchaft erhaͤlt, daraus auch mehrfache Stoͤrungen des Ge-
burtsgeſchaͤfts ſich ergeben werden, iſt leicht abzunehmen und
wird bei der Betrachtung regelwidriger Geburten noch beſon-
ders eroͤrtert werden.


[266]
§. 1096.

Was die Diagnoſe betrifft, ſo iſt dieſe hier eben nicht
leicht zweifelhaft, da der herabgeſunkene Uterus ſich theils
oft ſichtbar darbietet, theils durch das Gefuͤhl und die Be-
ruͤckſichtigung der Zeichen der Schwangerſchaft der Fall un-
ſchwer von allen aͤhnlichen zu ſondern iſt. Bemerkung ver-
dient es nur noch, daß man bei dieſen Vorfaͤllen nicht immer
den Muttermund gerade in der Mitte der vorgetretenen Ge-
ſchwulſt ſuchen darf, ſondern ihn zuweilen weit ruͤckwaͤrts an-
trifft, ſo daß er ſelbſt wo der Gebaͤrmutterkoͤrper zwiſchen
den Schamlippen hervorragt, ſich hinter dem Schambaͤndchen
verbirgt, wodurch das Ganze fuͤr den erſten Anblick ein fremd-
artiges Anſehen bekommen kann.


§. 1097.

Die Prognoſe richtet ſich nach dem Grade der Sen-
kung, nach der Art der Entſtehung, nach den hinzugetretenen
Entzuͤndungszuſtaͤnden u. ſ. w. und der Dauer des Uebels.
Vorfaͤlle welche durch eine aͤußere Gewalt ploͤtzlich eingetreten
ſind, geben daher immer eine uͤblere Prognoſe; eben ſo wie
complete in der letzten Zeit der Schwangerſchaft eingetretene
Senkungen, theils der oben (§. 1093.) bemerkten Zufaͤlle,
theils der ſchwierigen Repoſition wegen, nur eine unguͤnſtige
Prognoſe geſtatten.


§. 1098.

Die Behandlung des gaͤnzlich vorgefallenen Uterus
hat dieſelben drei Indicationen welche fuͤr Retroversio uteri auf-
geſtellt worden ſind, zu erfuͤllen; naͤmlich 1) Beſeitigung drin-
gender Zufaͤlle, wie der Entzuͤndung u. ſ. w. 2) Herſtellung
der normalen Lage und 3) Erhaltung in derſelben. Der er-
ſten Indication iſt voͤllig eben ſo wie bei der Zuruͤckbeugung
Genuͤge zu leiſten, naͤmlich den Umſtaͤnden nach durch Blut-
entziehungen, Fomentationen, innerlich angewendete beruhigende
und antiphlogiſtiſche Mittel, und Sorge fuͤr Entleerung von
Stuhl und Urin.


[267]
§. 1099.

Um die zweite Indication zu erfuͤllen, laͤßt man die
Kranke auf ein horizontales Lager bringen, nur den Kopf und
die Kreuzgegend durch untergeſchobene Kiſſen etwas erhoͤhen,
beſtreicht die rechte Hand mit Oleum Hyosciami, einer
Opiatſalbe oder etwas dem aͤhnlichen, und eben ſo die vorlie-
gende Geſchwulſt, ſetzt dann die Spitzen der Finger um den
Muttermund an, und ſucht durch allmaͤhliges in der Richtung
der Fuͤhrungslinie unternommenes Draͤngen den Uterus wie-
der in die Hoͤhle des Beckens und in ſeine natuͤrliche Lage zu-
ruͤckzufuͤhren. Iſt nun der Uterus noch nicht durch weit vor-
geruͤckte Schwangerſchaft zu ſehr ausgedehut, oder durch be-
reits lange dauernde falſche Lage zur Repoſition gaͤnzlich un-
faͤhig geworden, ſo wird es nicht allzugroße Schwierigkeiten
finden dieſen Zweck zu erreichen. Finden hingegen die erwaͤhn-
ten Umſtaͤnde Statt, ſo wird oft die Zuruͤckbringung nur ſehr
ſchwer, oder gar nicht, wenigſtens nicht vor der Entleerung
des Uterus, durch die von ſelbſt eintretende oder kuͤnſtlich be-
ſchleunigte Entbindung erfolgen koͤnnen.


§. 1100.

Das Zuruͤckhalten des reponirten Uterus zu bewerkſtelli-
gen erfordert zuvoͤrderſt ſtrenges Beobachten der Ruhe in ho-
rizontaler Lage, Beſeitigung aller Gelegenheitsurſachen, als
Huſten, Erbrechen, Obſtruktion, Harnverhaltung u. ſ. w. und
endlich die Unterſtuͤtzung des Uterus durch einen hinlaͤnglich
großen in zuſammenziehende aromatiſche Aufguͤße getauchten
Schwamm, welcher durch eine T Binde zu unterſtuͤtzen iſt. —
Ein Vorfall welcher ſich durchaus nicht zuruͤckbringen laͤßt,
macht, wenn er nur langſam entſtanden und deßhalb nicht mit
heftiger Entzuͤndung begleitet iſt, zunaͤchſt die vollkommenſte
Ruhe und horizontale Lage, auch bei Excoriationen und Schmerz-
haftigkeit das Beſtreichen mit dem Oleo Hyosciami, oder
aromatiſche, warme, mit Wein verſetzte Fomentationen noth-
wendig; die kuͤnſtliche Entbindung hingegen iſt, ſo lange keine
gefahrdrohende Symptome ſich zeigen, zu verſchieben, da es
[268] durch die Erfahrung beſtaͤtigt iſt, daß auch ſelbſt bei zum
Theil außerhalb des Beckens liegendem Uterus, das Austragen
des Kindes Statt finden kann.


§. 1101.

Der unvollkommne Gebaͤrmuttervorfall, wo der Uterus
nur tiefer in die Hoͤhle des Beckens herabſinkt, erfordert in
den fruͤhern Monaten der Schwangerſchaft, aͤhnliche Behand-
lung wie bei nicht ſchwangern Perſonen, naͤmlich Repoſition,
ſtrenge Ruhe und das Einbringen eines Schwammes, da die
Peſſarien hier meiſtens zu ſehr reitzen und den Abortus be-
foͤrdern. In der letzten Zeit der Schwangerſchaft, wenn der
Uterus mit dem vorliegenden Kindestheile zugleich in das
Becken ſinkt, iſt die Repoſition ſo wie die Unterſtuͤtzung deſ-
ſelben durch mechaniſche Huͤlfsmittel ſelten wohl moͤglich, und
die aus dieſer Lage entſpringenden Beſchwerden koͤnnen daher
nur durch Ruhe und horizontale Lage vermindert, die falſche
Lage ſelbſt aber erſt nach der Entbindung nach den im erſten
Theile aufgeſtellten Regeln behandelt werden.


c.
Schieflagen der ſchwangern Gebaͤrmutter und
Gebaͤrmutterbruch
(Hysterocele).

§. 1102.

Was die Schieflagen des ſchwangern Uterus betrifft,
als welche durch ein betraͤchtliches Abweichen der Laͤngenare
deſſelben von der Fuͤhrungslinie des Beckens und von der
Laͤngenare des muͤtterlichen Koͤrpers bedingt werden, ſo un-
terſcheiden wir vorzuͤglich drei Arten derſelben, naͤmlich: 1)
die Lage mit dem Muttergrunde zu weit nach vorwaͤrts, 2)
die Lage mit dem Muttergrunde zu weit nach rechts und 3) die
Lage mit dem Muttergrunde zu weit nach links. Schieflage
mit dem Muttergrunde nach ruͤckwaͤrts kann bei weiter vor-
geruͤckter Schwangerſchaft wegen der Wirbelſaͤule, inſofern
[269] dieſe nicht etwa durch betraͤchtliche Kyphoſis verunſtaltet iſt,
nicht wohl vorkommen; tritt ſie hingegen in den fruͤhern
Monaten ein, ſo geht ſie gewoͤhnlich in die oben beſchriebene
Retroversio uteri uͤber.


§. 1103.

Verurſacht werden dieſe Schieflagen im Allgemeinen durch
Schlaffheit der Gebaͤrmutterbaͤnder und Bauchbedeckungen, weß-
halb man ſie vorzuͤglich bei phlegmatiſchen Perſonen und ſol-
chen die ſchon haͤufig geboren haben, beobachtet. Die Schief-
lagen nach ſeitwaͤrs insbeſondere werden beguͤnſtigt durch zu
ſtarke Neigung der Darmbeine nach auswaͤrts, ſo wie die
Schieflage nach vorwaͤrts durch eine zu ſtarke Neigung des
Beckeneinganges.


§. 1104.

Die Folgen dieſer Schieflagen (deren Erkenntniß uͤbri-
gens durch die aͤußere Unterſuchung und Beruͤckſichtigung des
Standes der Vaginalportion leicht erlangt wird) beſtehen
waͤhrend der Schwangerſchaft theils in groͤßerer Unbequem-
lichkeit fuͤr die Schwangere, welches vorzuͤglich von dem ſtark
vorwaͤrts uͤberhaͤngenden Leibe gilt, theils in groͤßerer Stoͤ-
rung der Stuhl und Harnausleerung, Druck auf die großen
Gefaͤße u. ſ. w. — Aber auch fuͤr die bevorſtehende Ent-
bindung veranlaßen dieſe Schieflagen manche Beſchwerden,
indem ſie das regelmaͤßige Herabſinken des Kindeskopfs auf
die obere Beckenoͤffnung verhindern. Eine Behandlung kann
uͤbrigens hierbei nicht weiter Statt finden, als daß man der
Schwangern das Schlafen auf der Seite nach welcher der
Muttermund gerichtet iſt, empfiehlt, (um ſo den Muttergrund
durch ſeine eigene Schwere mehr gegen die Koͤrpermitte her-
einzuleiten) und zweitens das Tragen einer zweckmaͤßigen
Bauchbinde anordnet, zugleich aber auch die durch die Schief-
lage etwa bereits veranlaßten Beſchwerden, als Obſtruktionen
u. ſ. w. nach den fuͤr dieſe Faͤlle bereirs oben eroͤrterten Re-
geln behandelt.


[270]
§. 1105.

Beſondere Erwaͤhnung verdienen uͤbrigens noch die Faͤlle
wo der nach vorwaͤrts ſchiefliegende Uterus in eine Spalte
der Linea alba, oder in den erweiterten Nabelring ſich zum
Theil hereindraͤngt und ſo einen Gebaͤrmutterbruch (Hysterocele)
bildet, welcher, beſonders wenn er neu entſtanden iſt, leicht
Einklemmungen veranlaßt, welche zu Entzuͤndung und Fruͤh-
geburt fuͤhren koͤnnen. In einem ſolchen Falle iſt zuerſt eine
horizontale Lage auf dem Ruͤcken anzuordnen, dann der vor-
gefallene Uterus behutſam zuruͤckzuͤbringen, und endlich die
Bruchſpalte ſelbſt durch eine gute Bauchbinde und aufgelegte
mit Spiritus camphoratus, Spiritus serpilli u. ſ. w. befeuch-
tete Compreſſen zuſammenzuhalten. Auch ſpaͤterhin muß die
Schwangere ein ruhiges Verhalten beobachten, und blaͤhende
Speiſen, Obſtruktionen u. ſ. w. ſorgfaͤltig vermeiden. Der
Verſuch einer radicalen Heilung ſolcher Bruͤche kann gewoͤhn-
lich erſt nach der Entbindung, und zwar voͤllig nach den fuͤr
dieſe Faͤlle in der Chirurgie vorgeſchriebenen Regeln, unter-
nommen werden.


S. Richter’s Anfangsgr. der Wundarzneik. 5. Thl. 15. und
16. Kapitel.


Anmerkung. Zuweilen kann auch waͤhrend der Schwan-
gerſchaft Zerreißung des Uterus eintreten, welche indeß
dann dieſelben Symptome hat und dieſelbe Behandlung
fordert wie unter der Geburt, weßhalb wir ſie erſt bei
der Lehre von abnormen Geburten naͤher betrachten.


II. Krankheiten der Bruͤſte bei Schwangern.

1. Zu ſtarkes Anſchwellen der Bruͤſte in der
Schwangerſchaft
.

§. 1106.

Wie uͤberhaupt in den weiblichen Geſchlechtsorganen eine
große Neigung zu wuchernden Ausartungen und Vergroͤßerun-
[271] gen ihrer Subſtanz vorhanden iſt, ſo auch zeigen die Bruͤſte *)
waͤhrend der Schwangerſchaft zuweilen nicht blos die geringe
Anſchwellung, welche eine Folge ihres phyſiologiſchen Zuſam-
menhanges mit dem Uterus iſt, ſondern auch abnorme, oft
mit Schmerzen und ſelbſt mit Fieberbewegungen verbundene
Ausdehnungen. Es iſt dieß namentlich bei vollſaftigen Koͤr-
pern der Fall, und die Vergroͤßerung beginnt hier oft ſchon
in den fruͤhern Schwangerſchaftsmonaten, die Bruͤſte werden
zugleich hart, verurſachen Spannen und Stechen, und errei-
chen zuweilen, obwohl ſelten, eine wirklich ungeheure Groͤße;
indem z. B. Joͤrdens ſie beide, jede von dem Umfange
welcher dem des Koͤrpers der Schwangern gleich kam, und ſo
daß ſie im Sitzen auf den Schenkeln auflagen, beobachtete.


§. 1107.

Die Urſache ſolcher betraͤchtlicher Ausdehnungen hat man
zuweilen, nach einer zu ſehr auf mechaniſche Verhaͤltniße Ruͤck-
ſicht nehmenden Anſicht, als in dem Drucke des ſchwangern Ute-
rus auf den Plexus hypogastricus der lymphatiſchen Ge-
faͤße begruͤndet angenommen; richtiger ſcheint es dagegen zu
ſeyn, eine abnorme Steigerung des Bildungslebens in dem
Geſchlechtsſyſtem uͤberhaupt und in den Bruͤſten insbeſondere
als weſentliche Urſache anzuerkennen. Entferntere Urſachen
koͤnnen in urſpruͤnglich ſtaͤrkerer Entwickelung der Bruͤſte, in
reitzender ſehr nahrhafter Diaͤt bei geringer Bewegung, in zu
warmem Verhalten insbeſondere der Bruͤſte, ſo wie in man-
cherlei Reitzungen derſelben durch Waſchen mit geiſtigen Mit-
teln, Manipulationen u. ſ. w. gegeben ſeyn.


§. 1108.

Die Folgen ſolcher ſtarker Ausdehnungen der Bruͤſte
ſind, wenn die Vergroͤßerung nicht allzubetraͤchtlich wird, nicht
[272] leicht gefaͤhrlich; in dieſem hoͤchſten Grade hingegen muß da-
durch außer vielfacher Unbequemlichkeit fuͤr die Schwangere,
eine zu bedeutende Ableitung der Saͤfte vom Uterus herbei-
gefuͤhrt, die Ernaͤhrung des Kindes geſtoͤrt, und ſelbſt zu
Fruͤhgeburten, oder unregelmaͤßigen Ausbildungen der Frucht,
abnormen Waſſeranhaͤufungen in den Eihaͤuten, u. ſ. w. Ver-
anlaßung gegeben werden. Endlich wirkt in ſolchen Faͤllen,
beſonders wenn die Anſchwellung der Bruͤſte ſich mit Aus-
fluß der Milch verbindet, gewoͤhnlich die uͤbermaͤßige Repro-
duktion in einem Syſteme, nachtheilig auf die Reproduk-
tion des Koͤrpers uͤberhaupt; der Koͤrper der Schwangern
magert ab, die Verdauung wird geſtoͤrt, Fieberbewegungen
treten ein, ja es geſellt ſich, ſo wie bei zu lange fortgeſetz-
tem Stillen, Blutſpeien hinzu, und droht einen Zuſtand all-
gemeiner Auszehrung.


§. 1109.

Die Behandlung muß hierbei vorzuͤglich auf das diaͤte-
tiſche Verhalten ſich einſchraͤnken und auf Beſeitigung der §.
1107 erwaͤhnten entfernten Urſachen gerichtet ſeyn. Man
unterſagt daher der Schwangern eine zu reichliche Nahrung,
veranlaßt ſie zu hinlaͤnglicher koͤrperlicher Bewegung, empfiehlt
eine ſorgfaͤltige Hautkultur und den Gebrauch der lauen Baͤ-
der um die Perſpiration zu befoͤrdern, ſorgt fuͤr regelmaͤßige
Unterhaltung der Darmausleerung und reicht, namentlich bei
ſehr ſchwammigen vollſaftigen Koͤrpern, von Zeit zu Zeit eine
gelinde Abfuͤhrung. Die Befriedigung des Geſchlechtstriebes
und jede Reitzung der Bruͤſte ſelbſt, durch zu oͤfteres Hervor-
ziehen der Warzen, Waſchen derſelben mit geiſtigen Mitteln
u. ſ. w. muß unterſagt werden. Oertlich iſt das vorſichtige,
keinen zu ſtarken Druck veranlaßende Unterſtuͤtzen der Bruͤſte
durch eine Binde und aufgelegte Baumwolle zu empfehlen,
bei entzuͤndlichen Zuſtaͤnden laͤßt man blutige Schroͤpfkoͤpfe
auf die Oberarme anwenden, und uͤberhaupt die Behandlung,
welche bei der unter den Krankheiten der Woͤchnerinnen abzu-
handelnden Entzuͤndung der Bruͤſte angegeben wird, eintre-
ten. — Endlich empfehlen ſich hierbei auch die Einreibungen
[273] von dem Oleo camphorato in die Bruͤſte, und bei entſte-
henden Milchknoten dasjenige Verfahren welches bereits im
erſten Theile bei den gutartigen Verhaͤrtungen der Bruͤſte an-
gerathen worden iſt.


2. Ausſchlaͤge an den Bruͤſten der Schwangern.

§. 1110.

Die erhoͤhte Gefaͤßthaͤtigkeit, welche in den Bruͤſten der
Schwangern uͤberhaupt Statt findet, und zugleich die weſent-
liche Urſache der in den vorigen §§. beſchriebenen abnormen
Anſchwellungen war, bewirkt auch haͤufig, daß bei Perſonen,
deren Koͤrper von ſcabioͤſen oder ſyphilitiſchen Krankheitsſtof-
ſen nicht frei, oder wo die unreinliche Lebensweiſe der Ent-
ſtehung von Hautkrankheiten guͤnſtig iſt, waͤhrend der Schwan-
gerſchaft mancherlei Ansſchlaͤge an den Bruͤſten zum Vorſchein
kommen. Dieſe Ausſchlaͤge erſcheinen entweder als einzelne
Bluͤthchen welche in Eiterung uͤbergehen, abtrocknen und wie-
der durch andere erſetzt werden, oder ſie ſtellen ſich dar als
Flechten, welche vorzuͤglich auf dem Warzenhofe ausbrechen,
Feuchtigkeit ausſchwitzen, Borken machen und ſtechende Schmer-
zen verurſachen.


§. 1111.

Iſt dieſer Ausſchlag ſcabioͤſen Urſprungs, ſo wird man
gewoͤhnlich auch an andern Theilen des Koͤrpers, an den
Handgelenken, den Unterſchenkeln u. ſ. w. Spuren dieſer
Krankheit bemerken, und die Kranke empfindet ein laͤſtiges
Jucken ſobald der Koͤrper ſehr erwaͤrmt wird. Syphilitiſcher
Charakter dieſer Ausſchlaͤge giebt ſich vorzuͤglich durch das
ſtarke Naͤßen der kranken Stellen, durch die rißige aufgeſprun-
gene Haut, durch das ſpeckige Anſehen der aus dieſen Aus-
ſchlaͤgen ſich oft entwickelnden kleinen Geſchwuͤre, ſo wie durch
die Spuren ſolcher Krankheit an den Geburtstheilen zu erken-
nen. In beiden Faͤllen pflegen die Ausſchlaͤge vorzuͤglich
hartnaͤckig zu ſeyn, und werden insbeſondere durch die ſpaͤ-
II. Theil. 18
[274] terhin zu beſorgende Anſteckung des Kindes oder durch die
gaͤnzliche Unmoͤglichkeit das Stillen in Gang zu bringen,
nachtheilig. — Entſtehen die Ausſchlaͤge blos als Folge der
Unreinlichkeit und unzweckmaͤßiger Nahrung, ſo giebt ſich dieß
durch Mangel der obenerwaͤhnten Merkmale und durch Be-
ruͤckſichtigung der Lebensweiſe zu erkennen. Dieſe pflegen
uͤbrigens auch weniger hartnaͤckig und gefaͤhrlich, und leichter
heilbar zu ſeyn.


§. 1112.

Die Behandlung ſolcher Ausſchlaͤge muß ſtets dem Ur-
ſprung derſelben angemeſſen ſeyn, im Allgemeinen iſt jedoch
immer auf die groͤßte Reinlichkeit, auf den Gebrauch lauer
mit etwas Seife verſetzter Baͤder, oͤfteres Wechſeln der Waͤſche
und Vermeidung aller oͤrtlichen Reitze ſo wie einer zu ſtark
naͤhrenden, ſcharfen und erhitzenden Diaͤt, beſonders zu drin-
gen. Ein blos von der Lebensweiſe abhaͤngiger Ausſchlag
wird oft ſchon allein durch dieſe Maaßregeln vertrieben, und
in hartnaͤckigen Faͤllen wird man damit noch das Waſchen
der Bruͤſte mittelſt eines Aufgußes der Hb. Iaceae, Stipit.
Dulcamarae,
einer Abkochung der Ulmenrinde u. ſ. w. ver-
binden, man wird einige gelind abfuͤhrende Mittel darreichen,
das Trinken der Abkochungen von Rad. Graminis, Rad.
Caricis aren. Stipit. Dulcamarae
u. ſ. w. empfehlen, bei
Stoͤrungen im Lymphſyſtem und herpetiſchem Charakter die
Antimonialien und aufloͤſenden Extrakte benutzen, und dadurch
meiſtens (dafern nur das Uebel noch nicht zu ſehr eingewur-
zelt iſt) den Zweck der Heilung bald erreichen.


§. 1113.

Ausſchlaͤge hingegen, welche ſcabioͤſer oder ſyphilitiſcher
Art ſind, fordern eine der Natur dieſer Krankheiten angemeſ-
ſene Behandlung. Im erſtern Falle unterſcheidet ſich dieſe
jedoch nicht allzuſehr von der im vorigen §. geſchilderten, nur
daß man innerlich außer einigen Abfuͤhrungen ſich wohl noch
des Schwefels bedient, und aͤußerlich außer den Seifenbaͤdern
[275] das Waſchen mit einer ſchwachen Aufloͤſung der Schwefelle-
ber oder der Abkochung von Stipit. Dulcamar. Hb. Cicutae,
Cort. Ulmi
u. ſ. w. anwendet. Syphilitiſche Ausſchlaͤge
endlich machen die innerliche Anwendung des Merkurs un-
entbehrlich, fordern uͤbrigens dieſelbe Anordnung der Diaͤt und
Lebensweiſe wie bei den vorigen Gattungen und machen aͤuſ-
ſerlich die Anwendung des Kalkwaſſers, des Cicuten- und
Ulmenrindendekokts, der Aq. phagedaenica, und der Mer-
kurialſalben nothwendig.


III. Von den krankhaften Zuſtaͤnden
der Frucht
.

§. 1114.

Wenn wir hier den krankhaften Zuſtaͤnden der Frucht
einen beſondern Abſchnitt widmen (was in den fruͤhern Hand-
buͤchern uͤber dieſe Gegenſtaͤnde noch nirgends geſchehen iſt),
ſo iſt es vorzuͤglich unſer Zweck, diejenigen im Leben des
Embryo vorkommenden Regelwidrigkeiten zuſammenzuſtellen,
wodurch zwar die Beendigung der Schwangerſchaft und die
Geburt ſelbſt nicht etwa gaͤnzlich unmoͤglich gemacht, dem-
ohnerachtet aber die regelmaͤßige Ausbildung und Lebensfaͤhig-
keit des Kindes auf vielfache Weiſe gefaͤhrdet wird. Die
Entwickelung der Frucht ſonach gaͤnzlich außerhalb des Ute-
rus (wobei die Geburt auf dem natuͤrlichen Wege durchaus
unmoͤglich wird), die Ausartungen des Eies uͤberhaupt in
eine Mola, die falſchen Adhaͤſionen des Mutterkuchens, die
zeitigen Abtrennungen deſſelben, die regelwidrigen Lagen des
Embryo u. ſ. w., ſind Regelwidrigkeiten welche in zu naher
Beziehung auf den Geburtsakt ſtehen, als daß ſie nicht un-
ter der Betrachtung der regelwidrigen Geburt uͤberhaupt, eine
beſondere Stelle einnehmen muͤßten.


§. 1115.

Es ſteht ſonach dieſer Abſchnitt dem uͤber die phyfio-
logiſchen Eigenthuͤmlichkeiten des Fetus vollkommen gegenuͤber,
[276] und hat zur Abſicht zu zeigen, welcher Krankheiten der Fe-
tus insbeſondere faͤhig iſt, oder mit andern Worten eine
Darſtellung der pathologiſchen Eigenthuͤmlich-
keiten deſſelben
(eine Therapie iſt natuͤrlich hierbei nicht
fuͤglich denkbar) zu geben.


1. Allgemeine Pathologie des Fetuszuſtandes.

§. 1116.

Im entwickelten Menſchen aͤußert ſich das Leben durch
Bilden und Beſtimmung der Gebilde (vegetatives und ani-
males Leben) und ſo auch zeigen ſich die krankhaften Zuſtaͤnde
bald als abnorme Bildungsthaͤtigkeit, bald als abnorme Zu-
ſtaͤnde des Seelenlebens in ſeinen Aeußerungen durch Empfin-
dung und Bewegung. In der Periode hingegen wo der ſich
erſt entwickelnde Menſchenkoͤrper, in tiefem Schlafe ſeiner
hoͤhern Faͤhigkeiten befangen, im muͤtterlichen Koͤrper verweilt,
lebt er auch nur im Bilden, und es ergiebt ſich daraus,
daß Stoͤrungen ſeiner Lebensthaͤtigkeit uͤber-
haupt nur als krankhaft werdende Bildungsthaͤ-
tigkeit erſcheinen koͤnnen
.


§. 1117.

Wir duͤrfen aber an der Bildungsthaͤtigkeit des Embryo
zweierlei Formen unterſcheiden, naͤmlich diejenige wodurch die
beſondern Organe des Koͤrpers zuerſt aus der indifferenten
Einheit des urſpruͤnglichen Keims, durch ſtets fortgeſetzte
Differenzirung organiſcher Maße, ſich hervorbilden, und dann
diejenige wodurch der organiſche Stoffwechſel in den bereits
vorhandenen Organen unterhalten wird. Man koͤnnte die
erſte die ſchaffende die zweite die erhaltende Bildungskraft
nennen, und muß bemerken, daß von dieſen wieder die erſtere
ganz dem Fetuszuſtande und beſonders der fruͤhern Periode
deſſelben eigenthuͤmlich ſey, in der ſpaͤtern Periode deſſel-
ben hingegen, ſo wie nach der Geburt bis zur Pubertaͤtsent-
wickelung, nur noch durch das Wachsthum vorhandener, aber
nicht mehr durch die Erſchaffung neuer Gebilde ſich aͤußere.


[277]
§. 1118.

Eben ſo wird nun auch die abnorme Bildungsthaͤtigkeit
in der menſchlichen Frucht theils als abnormes Erzeu-
gen organiſcher Gebilde ſich darſtellen
, und zwar
auf dreifache Weiſe: 1) indem ſie Organe welche der Idee
des menſchlichen Organismus nach vorhanden ſeyn ſollen,
nicht entſtehen laͤßt; 2) indem ſie uͤberzaͤhlige orga-
niſche Gebilde hervorbringt
; 3) indem ſie Organe
welche in die Idee des Organismus gehoͤren zwar
erzeugt, aber in regelwidriger Form, Miſchung
und Struktur. Theils wird die abnorme Bil-
dungsthaͤtigkeit in regelwidrigem Erhalten der
Organe ſich offenbaren
, und zwar indem in einem vor-
handenen und urſpruͤnglich regelmaͤßig erzeugten Organe durch
Krankheit entweder 1) eine uͤbermaͤßige Bildungsthaͤ-
tigkeit
(Entzuͤndung, Wucherung,) oder 2) eine zu ge-
ringe ja zerſtoͤrende Bildungsthaͤtigkeit
(Atrophie,
Aufloͤſung) oder 3) eine qualitativ veraͤnderte Bil-
dungsthaͤtigkeit
(Degeneration) hervortritt.


§. 1119.

Welches ſind nun aber die Urſachen wodurch dieſe Stoͤ-
rungen im Bildungsprozeße der Frucht hervorgerufen werden
koͤnnen? und welche Folgen bringen dieſe Stoͤrungen in dem
Befinden der Frucht hervor? — dieſe Fragen ſind es welche
jetzt zunaͤchſt eroͤrtert werden muͤßen. —


§. 1120.

Aetiologie. Wie im gebornen ſelbſtſtaͤndigen Men-
ſchen das Leben uͤberhaupt beſteht in und durch den Conflikt
ſeiner innern, und der ihn umgebenden aͤußern Natur, ſo ſind
bei ihm auch die Stoͤrungen ſeines Lebens, die Krankheiten,
in beiden Sphaͤren, in der innern Lebensthaͤtigkeit und den
aͤußern Einfluͤßen begruͤndet. Fuͤr den Embryo nun iſt der
muͤtterliche Koͤrper die aͤußere Welt, und ſuchen wir demnach
[278] die urſachlichen Momente fuͤr die Krankheiten des erſtern, ſo
muͤßen wir dieſelben theils in der urſpruͤnglichen Natur des
Fruchtkeims, theils in der Stimmung des muͤtterlichen Koͤr-
pers auffinden. — Die urſpruͤngliche Natur des
Fruchtkeims betreffend
, ſo iſt dieſe das Reſultat ſeiner
Erzeugung, alſo der zu einem Zweck ſich vereinigenden Wir-
kung der muͤtterlichen und vaͤterlichen Geſchlechtsthaͤtigkeit im
Moment der Empfaͤngniß. — Aus dieſer Quelle aber, d. i.
durch Stoͤrungen und Unregelmaͤßigkeiten in der Natur der
Erzeugenden, oder im Akt der Erzeugung ſelbſt, ſcheinen auch
die urſpruͤnglichen fehlerhaften Erzeugungen einzelner organi-
ſcher Gebilde des Embryo vorzuͤglich abgeleitet werden zu
muͤßen, und alle vom Vater auf das Kind uͤbergehenden De-
formitaͤten und Krankheiten gehoͤren wohl unwiderſprechlich
hierher.


Anmerkung. So beobachtet man in Kamtſchatka nach
H. v. Langsdorfs Bericht (im 2. Thl. ſeiner Reiſe),
daß unter den zum Ziehen benutzten Hunden, welchen
man dort durchgaͤngig die Schwaͤnze abſtutzt, oͤfters
engliſirte Hunde geboren werden, daſſelbe kennt man
von den engliſchen Pferden ſelbſt. Bei den Menſchen
gehoͤren hierher die bei Juden zuweilen vorkommenden
Faͤlle angebornen Mangels der Vorhaut, das Forterben
des Mangels oder der Ueberzahl einiger Finger und Ze-
hen u. ſ. w.
*)— Will man endlich nicht bemerkt
haben, daß in Trunkenheit erzeugte Kinder oft bloͤdſin-
nig ſind, und ſollte nicht oͤfters der mit Widerwille oder
unvollkommen ausgeuͤbte Coitus ſelbſt die Urſache un-
vollkommener und uͤberhaupt fehlerhafter Bildung des
Embryo ſeyn koͤnnen? —


§. 1121.

Zweitens die vom muͤtterlichen Koͤrper begruͤn-
deten Krankheitsurſachen
betreffend, ſo kann man da-
[279] bei wieder unterſcheiden zwiſchen ſolchen welche in dem Leben
des muͤtterlichen Koͤrpers an und fuͤr ſich begruͤndet ſind, und
zwiſchen aͤußern, gleichſam nur durch den muͤtterlichen Koͤrper
hindurch wirkenden Schaͤdlichkeiten. Zu den erſtern gehoͤren
die Einfluͤße einer mangelnden oder uͤbermaͤßigen und wuchern-
den reproduktiven Thaͤtigkeit im muͤtterlichen Koͤrper auf die
Frucht, wodurch bald atrophiſche Zuſtaͤnde, bald krankhaft
uͤbermaͤßiges Wachsthum, Waſſeranhaͤufungen u. ſ. w. hervor-
gerufen werden. — Ferner verſchiedene Krankheiten an wel-
chen der muͤtterliche Koͤrper ſelbſt leidet und welche er auf
das Kind uͤbertraͤgt, z. B. Pocken, Syphilis, Gicht, Epi-
lepſie. *) — Endlich die auf keine Weiſe voͤllig zu leugnende
Einwirkung einer gewaltſam aufgeregten Phantaſie der Mut-
ter auf den Kindeskoͤrper.


§. 1122.

Dieſes letztere wird bekanntlich unter dem Namen des
Verſehens begriffen, und hat zu vielfachen Streitigkeiten
Veranlaßung gegeben, indem Einige die Wirklichkeit, ja die
Moͤglichkeit ſolcher Faͤlle ganz zu leugnen und wegzudemonſtri-
ren bemuͤht waren, dahingegen Andere auch die abentheuer-
lichſten Faͤlle dieſer Art ohne Kritik ſtets fuͤr wahr anerkann-
ten. — Was die Gruͤnde a priori betrifft, welche man ge-
gen die Meinung von der Moͤglichkeit des Verſehens aufge-
ſtellt hat, ſo fußen ſie ganz vorzuͤglich auf den Mangel einer
Nervenverbindung zwiſchen Mutter und Kind, allein es ſcheint
daß man hierauf zu viel Gewicht legt, indem wohl die Sache
ſich, wenn auch Nervenverbindung vorhanden waͤre, darum
[280] nicht eben viel leichter erklaͤren laßen wuͤrde. — Uebri-
gens ſind Nerven und Nerventhaͤtigkeit Produkte der orga-
niſchen Einheit aber nicht etwa die einzigen Urſachen der-
ſelben, und es bedarf daher der Nerven keineswegs unum-
gaͤnglich nothwendig zur Uebertragung gewißer Empfindungen;
wie dieß bekannte Erſcheinungen beweiſen, (man erinnere ſich
nur an das ſogenannte Stumpfwerden der Zaͤhne, an die bei
Krankheiten eintretenden heftigen Knochenſchmerzen, Schmer-
zen der Haare u. ſ. w.) Auf jeden Fall koͤnnte daher wohl,
daß das Kind und die Mutter hier noch ein Organismus
ſind, die Frucht nur in der, und durch die Mutter lebt,
mehr gelten zur Erklaͤrung der Sympathie zwiſchen beiden,
als das Vorhandenſeyn einiger Nervenfaͤdchen. Daß endlich
man auch darauf ſich bezogen hat, daß im Fetus ſelbſt noch
keine Nerventhaͤtigkeit vorhanden ſey, und er deshalb ſchon
keine Vorſtellungen und Empfindungen vom muͤtterlichen Koͤr-
per aufnehmen koͤnne, beruht auf einer unerwieſenen Voraus-
ſetzung. Nerventhaͤtigkeit wird naͤmlich ja doch ſelbſt zu den
willkuͤhrloſen Bewegungen des Fetus mit erfordert, und wenn
wir zugeben daß hoͤhere Seelenthaͤtigkeit im Fetus noch in
tiefem Schlafe befangen ſey, ſo bleiben doch von einem ſol-
chen Schlafe traumaͤhnliche Vorſtellungen nicht nothwendig
ausgeſchloſſen (vergl. damit die zu Ende §. 740. aufgefuͤhrte
Bemerkung.)


§. 1123.

Ueberhaupt aber koͤnnen Gruͤnde a priori in Ausmitte-
lung einer Naturerſcheinung dieſer Art wenig Gewicht haben,
ſondern es kommt darauf an, das Faktum außer
Zweifel zu ſetzen
. — Alles was Vernunftgeſetzen nicht
widerſtreitet, muͤßen wir naͤmlich fuͤr moͤglich erklaͤren, und
es iſt ein eben ſo oft begangener Irrthum, Dinge welche un-
ſerm Stande geiſtiger Entwickelung noch nicht erklaͤrlich ſchei-
nen, fuͤr unmoͤglich zu halten, als hinwiederum man oft
geirrt hat, indem man halb oder gar nicht beobachtete Er-
ſcheinungen ſchon fuͤr Thatſachen erklaͤrte; allein welche Moͤg-
lichkeit in dem Kreiſe uns vorliegender Naturerſcheinungen
[281] zur Wirklichkeit werde, und unter welchen Umſtaͤnden dieß
der Fall ſey, iſt Sache der unbefangenen Beobachtung. Ver-
nunftwidrig iſt nun aber die Annahme einer Stoͤrung im
Fortbilden des Embryo durch eine gewaltſame Aufregung des
geiſtigen Bildungsvermoͤgens d. i. der Phantaſie, im muͤtter-
lichen Koͤrper, eben ſo wenig, als es das Fortpflanzen vaͤter-
licher Eigenthuͤmlichkeit auf den vom Vater nicht einmal ma-
teriellen Bildungsſtoff
aufnehmenden Embryo genannt
werden kann; beides hat freilich fuͤr uns noch manches Un-
begreifliche, demungeachtet iſt das Letztere durch Beobachtung
erwieſen, und das Erſtere wenigſtens wahrſcheinlich gemacht.


§. 1124.

Ueber das wirklich Statt finden koͤnnende Verfehen wird
alſo dereinſt blos durch Pruͤfung der Thatſachen entſchieden
werden koͤnnen, und eine Vorausbeſtimmung, hier nur ſo oder
ſo weit mit ſeinem Glauben an die Sache gehen zu wollen,
iſt gaͤnzlich unſtatthaft. — Nun braucht es aber nur einen
Blick auf die Maſſe der Erzaͤhlungen vom Verſehen, um ſich
zu uͤberzeugen, daß hier wie in ſo Vieles andere der Natur-
wiſſenſchaft, eine Menge Fabeln und Aberglauben mit einge-
miſcht ſey, es ſtellen ſich aber dagegen auch viele Thatſachen
dem unbefangenen Auge dar, wo man entweder achtbare
Maͤnner der Unwahrheit zeihen, oder geſtehen muß, daß auſ-
ſer auf dieſe Weiſe nicht fuͤglich irgend eine Erklaͤrung der
Thatſache moͤglich bleibe. — Daß man daher Schwangern
ſelbſt die Nichtigkeit eines ſolchen Verſehens, um ihre Ge-
muͤthsrnhe nach ungewoͤhnlichen Anblicken u. ſ. w. zu erhal-
ten, vorſtelle, iſt gar nicht zu tadeln, allein die Moͤglichkeit
und die je wirklich Statt gehabte Einwirkung ſolcher Art
mit einer raſchen Entſcheidung zu leugnen, kann auf keine
Weiſe Beifall verdienen.


Anmerkung. Eine große Menge von aͤltern Faͤllen ei-
nes ſolchen Verſehens ſehe man (freilich ohne hinlaͤng-
liche Kritik) geſammelt von Dr. H. G. Wuſtnei in
[282] ſeinem Verſuch uͤber die Einbildungskraft der
Schwangern in Bezug auf ihre Leibesfruͤchte
.
Roſtock 1809. Auch gedenke ich hier der merkwuͤrdi-
gen vom Archiater Brandis mitgetheilten Faͤlle (ſ.
Hufelands Journal d. prakt. Heilk. 41. Bd. 2 St.
S. 38.) ſo wie der intereſſanten Faͤlle vom Hofmed.
Klein in v. Siebolds Journal fuͤr Geburtshuͤlfe u.
ſ. w. I. Bd. 2. St. und der in Meckels Archiv f.
Phyſiologie (II. Bd. 2. Heft S. 353.) beſchriebenen
und abgebildeten Mißgeburt, welche hoͤchſt wahrſchein-
lich auf dieſe Weiſe entſtanden war. — Außerdem ſ.
m. uͤber dieſen Gegenſtand noch Dr.Arn. Wienholts
ſieben Vorleſungen uͤber die Entſtehung der
Mißgeburten
. Herausgegeben v. Scherf. Bremen
1807; ſo wie einen hauptſaͤchtlich gegen die Annahme
des Verſehens gerichteten Aufſatz uͤber das Verſehen
der Schwangern
vom Hrn. Prof. Joͤrg in ſeinen
Schriften zur Befoͤrderung der Kenntniß des
menſchlichen Weibes
. Nuͤrnberg 1812. S. 70.


§. 1125.

Wir kommen nun zu der zweiten Art der durch
den muͤtterlichen Koͤrper auf die Frucht wirkenden Krankheits-
urſachen, naͤmlich zu aͤußern Schaͤdlichkeiten, welche ſich bis
auf das im Uterus eingeſchloſſene Ovulum fortpflanzen. Es
gehoͤren dahin zuvoͤrderſt die mechaniſche Gewalt. So koͤn-
nen z. B. heftige Erſchuͤtterungen des muͤtterlichen Koͤrpers,
ſelbſt bedeutende Verletzungen am Koͤrper des Kindes veran-
laßen z. B. Knochenbruͤche. *) Zweitens rechnen wir hierher
die Einwirkungen der aͤußern Temperatur, indem weder zu
[283] hohe noch zu niedrige Temperatur der Atmoſphaͤre der Ent-
wickelung des Fetus guͤnſtig iſt, und daher durch ſolche Aen-
derungen der Atmoſphaͤre oͤfters Mißfaͤlle und Geburten todter
Kinder veranlaßt werden. — Bei alle dem iſt jedoch nicht
zu uͤberſehen wie der Zuſammenhang zwiſchen Mutter und
Kind von der Art iſt, daß Affektionen des muͤtterlichen Koͤr-
pers nicht allzuleicht auf das Kind uͤbertragen werden, und
es iſt hierbei merkwuͤrdig, daß, wenn einerſeits oft heftige
Gemuͤthsbewegungen ſehr beſtimmt auf die Frucht wirken, ja
den Tod derſelben veranlaßen koͤnnen, andrerſeits auch wieder
nicht ſelten die heftigſten koͤrperlichen Erſchuͤtterungen und
Leiden ertragen werden, ohne Nachtheil fuͤr die Frucht herbei
zu fuͤhren. *)


§. 1126.

Betrachten wir nun noch die Folgen welche theils
durch urſpruͤnglich fehlerhafte Richtung der bildenden Kraft
im Embryo, oder durch Einwirkungen vom muͤtterlichen Koͤrper
aus, herbeigefuͤhrt wurden, ſo muͤſſen wir zuvoͤrderſt unterſchei-
den zwiſchen denjenigen, welche als deutliche, in Struktur
oder Thaͤtigkeit ſich kund gebende Abnormitaͤten ſchon in der
Periode des Fetuslebens erſcheinen, und denjenigen welche erſt
ſpaͤterhin nach der Geburt ſich entwickeln. Zu den erſtern
gehoͤren vorzuͤglich die in der ſpeciellen Pathologie noch etwas
naͤher zu betrachtenden organiſchen Verbildungen, nebſt den
Krankheiten, durch welche insbeſondere Umaͤnderungen der Bil-
dungsthaͤtigkeit veranlaßt werden, d. i. der Entzuͤndungen und
Fieber; zu den letztern hingegen ſind die merkwuͤrdigen gewoͤhn-
lich unter den Namen der haͤreditaͤren Krankheitsanlagen begriffe-
nen Zuſtaͤnde zu zaͤhlen, wo eine gewiße fehlerhafte, oft ſinnlich
[284] gar nicht erkennbare Dispoſition, gleich einem erſt ſpaͤt kei-
menden Samenkorne, im Kindeskoͤrper verborgen liegt, welche
erſt zu gewißen Perioden des Lebens ſich entwickelt (ſo die
Anlage zur Phthiſis, zu Gicht, zu Haͤmorrhoiden u. ſ. w.)


§. 1127.

Symptomatologie. Beſondere Zeichen welche das
Krankſeyn oder die fehlerhafte Bildung des Embryo ſchon
waͤhrend der Schwangerſchaft zu erkennen gaben, ſind nur
in ſehr geringer Anzahl und ohne hinreichende Beſtimmtheit
vorhanden. Daß abnorme Anhaͤufungen von Waſſer vermehrte
Ausdehnung des Leibes zur Folge haben werden, ergiebt ſich
zwar von ſelbſt, und eben ſo habe ich oͤfters bei Schwangern,
unter Umſtaͤnden wo ein eintretender krankhafter Zuſtand des
Fetus wahrſcheinlich war, und wohl auch nach der Entbin-
dung ſich beſtaͤtigte, mehrere der oben (§. 782.) angefuͤhrten
Kennzeichen vom Tode des Kindes eintreten ſehen; naͤmlich die
Kindesbewegungen nachlaßend, die Bruͤſte einſinkend, Ge-
fuͤhl von Kaͤlte und Schwere im Unterleibe vorhanden gefun-
den; doch erlauben alle dieſe Zeichen nur ſehr unſichere Schluͤße
auf den eigentlichen Zuſtand der Frucht.


2. Specielle Pathologie des Fetuszuſtandes.

§. 1128.

Hierher wuͤrde nun die naͤhere Erwaͤgung jeder einzelnen
Abnormitaͤt welche wir im Leben der menſchlichen Frucht ent-
wickelt finden, gehoͤren; allein ſchon die Klaſſe der eigentlich
ſogenannten Mißgeburten, welche wir fuͤr nichts als Pro-
dukte krankhafter Bildungsthaͤtigkeit anſehen koͤnnen, bietet
eine ſo große Mannigfaltigkeit dar, daß ein beſonderes Werk
zu ihrer Eroͤrterung gehoͤrte. Wir muͤſſen daher dieſe ſaͤmmt-
lichen Mißbildungen, welche als Produkte einer urſpruͤng-
lich
geſtoͤrten oder an ſich mangelhaften Idee des neuen Or-
ganismus, ſich entwickeln, theils in die pathologiſche Anato-
[285] mie verweiſen, *) theils, inſofern ſie nach der Geburt einer
aͤrztlichen Behandlung unterliegen koͤnnen, bei den Krankheiten
der Neugebornen noch naͤher abhandeln. Hier bleiben ſonach
nur diejenigen einzelnen Krankheitsformen, welche im Fetus,
ſo wie nach der Geburt, auch bei urſpruͤnglich regelmaͤßiger
Bildung eintreten koͤnnen, etwas ausfuͤhrlicher durchzugehen
uͤbrig. (Von den abnormen Lagen deſſelben, welche nicht
mit zu den Krankheiten des Fetus gerechnet werden koͤnnen,
wird bei der abnormen Geburt die Rede ſeyn).


§. 1129.

Man wird aber dieſe Krankheiten, wie auch ſchon von
Oehler**) geſchehen iſt, am zweckmaͤßigſten in ſolche wel-
che die aͤußern Bildungsorgane des Fetus beſonders umaͤn-
dern, und in ſolche welche im Kindeskoͤrper ſelbſt ihren Sitz
nehmen, eintheilen muͤßen. Zu den erſtern gehoͤren die re-
gelwidrigen Zuſtaͤnde welche in den Verhaͤltnißen des Mut-
terkuchens, der Eihaͤute, des Nabelſtranges und Fruchtwaſſers
eintreten koͤnnen. Was den Mutterkuchen betrifft, ſo
finden ſich außer den bei den regelwidrigen Geburten naͤher
zu betrachtenden Inſertionen deſſelben an und [auf]
dem Muttermund, auch Ablagerungen feſter ei-
weißſtoffiger
, ja ſelbſt kalkiger Subſtanz in demſel-
ben, welches gewoͤhnlich mit abnorm feſter Verbindung zwi-
ſchen Uterus und Placenta begleitet iſt, und ſo die Urſache
zu Zoͤgerungen des Abgangs der Nachgeburt wird.


§. 1130.

Nuͤckſichtlich der Eihaͤute ſind vorzuͤglich die abnor-
men Verdickungen derſelben zu erwaͤhnen, welche als An-
[286] naͤherungen zum Uebergange der Frucht in die ſpaͤter zu be-
ſchreibenden Molen angeſehen werden koͤnnen. Auch verbinden
ſich damit gern abnorme Verwachſungen zwiſchen
Chorion und innerer Uterinflaͤche
. — Am Nabel-
ſtrange
ferner entſtehen außer den bei abnormen Geburten
noch zu erwaͤhnenden Umſchlingungen deſſelben, und den
unter den Varietaͤten bereits erwaͤhnten Knoten und ungewoͤhn-
lichen Einſenkungen in die Placenta, zuweilen eingeſchnuͤrte
Stellen
(ich habe denſelben einigemal bei todtgebornen faſt
reifen Fruͤchten an ſeiner Inſertionsſtelle in den Leib nicht
ſtaͤrker als einen ſchwaͤchen Bindfaden gefunden), Hydatiden
und Gefaͤßerweiterungen. Endlich das Fruchtwaſſer
betreffend, ſo wird dieß zuweilen in zu großer Menge ausge-
ſchieden und begruͤndet die Waſſerſucht des Eies, welche
dann, wie ich nun ſchon mehreremale beobachtet habe, ſich
auch auf das Kind erſtrecken kann, ſo daß man Bauchhoͤhle,
Bruſthoͤhle oder Hirnhoͤhlen mit Waſſer angefuͤllt findet, ja
oft auch Waſſer in dem Zellgewebe der Haut, in der Scheide
des Nabelſtranges, eben ſo wie in der Subſtanz der zuweilen
ſehr aufgelockerten Eihaͤute, oder in Hydatiden am Nabelſtrange
oder in der Placenta vorfindet. Außerdem kann aber auch
das Fruchtwaſſer ſich zu ſehr vermindern und hat dann
(welches indeß auch von der zu großen Anhaͤufung des Waſ-
ſers gilt) leicht nachtheilige Wirkungen auf das Geburts-
geſchaͤft.


§. 1131.

Wir kommen nun zu den eigentlichen Krankheiten des
Fetus, welche ſaͤmmtlich in der reproduktiven Sphaͤre deſſelben
wurzeln und hauptſaͤchlich dem Lymph- und Blutgefaͤßſyſtem
angehoͤren. — Ob nun zuvoͤrderſt hier wahre Entzuͤndungs-
und Fieberzuſtaͤnde, bei der noch ſo unvollkommenen Oxyda-
tion der Saͤfte, Statt finden koͤnnen? ſcheint wohl dem er-
ſten Anblicke nach zweifelhaft, muß jedoch wohl mit der Ein-
ſchraͤnkung, daß dieſe Zuſtaͤnde, bei der Verſchiedenartigkeit des
Fetuslebens vom Leben des gebornen Menſchen, ſelbſt meh-
rere Eigenthuͤmlichkeiten haben werden, bejahend beantwortet
[287] werden. Was naͤmlich die Entzuͤndungen betrifft, ſo fin-
den ſich davon bei Neugebornen oft die deutlichſten Beweiſe,
ſowohl auf der Oberflaͤche des Koͤrpers in Form verſchiedener
Exantheme, unter welchen vorzuͤglich ein blaſiges Exanthem
(eine Art Pemphygus) nicht ſelten iſt, als auch in innern
Organen
; wie ich denn namentlich auf dem Peritonaeo
mehrerer Waſſerſuͤchtig gebornen Kinder, deutlich entzuͤndete
Stellen, einmal ſogar mit Ausſcheidung plaſtiſcher Lymphe und
Verwachſung gefunden, und eben ſo auch mehreremal Theile
des Knochenſyſtems entzuͤndet, ja hie und da ſelbſt mit Ue-
bergaͤngen in Caries, beobachtet habe. Uebrigens iſt wohl
nicht zu leugnen, daß die Entzuͤndung in der Periode des
Fetuslebens ſtets eine groͤßere Neigung zum Uebergange in
Degeneration habe, als nach der Geburt (vergl. I. Thl. §.
328.), wie das wohl uͤberhaupt bei einer geſteigerten repro-
duktiven Thaͤtigkeit nothwendig der Fall iſt, weßhalb denn
ſogar bei Erwachſenen, Entzuͤndungen ſolcher Organe in de-
nen das reproduktive Leben betraͤchtlich uͤberwiegt (z. B. der
Unterleibseingeweide), weit leichter als Entzuͤndungen anderer
Organe in Degeneration uͤbergehen.


§. 1132.

Iſt nun aber Vorhandenſeyn von Entzuͤndung im Fetus
unter geeigneten Verhaͤltnißen unlaͤugbar, ſo muß wohl auch
die Moͤglichkeit fieberhafter Zuſtaͤnde in dieſer Lebensperiode
zugegeben werden; wozu noch kommt, daß Beiſpiele von wahr-
hafter Uebertragung fieberhafter Krankheiten (z. B. der Pok-
ken) auf das Kind im Uterus vom muͤtterlichen Koͤrper aus,
nicht mangeln. Fortgeſetzte Beobachtungen in dieſem faſt noch
ganz unbearbeiteten Felde, werden hieruͤber noch weitere Be-
ſtaͤtigungen ſicher herbeifuͤhren.


§. 1133.

Außer den Entzuͤndungs- und Fieberhaften Zuſtaͤnden
werden uͤbrigens die verſchiedenen Folgen derſelben, als Ei-
terungen, Verwachſungen, Verdickungen
und Ver-
[288] haͤrtungen einzelner Haͤute
, und beſonders Waſſer-
ſuchten
zuweilen veranlaßt, welche Abnormitaͤten jedoch hier
einer beſondern Eroͤrterung nicht weiter beduͤrfen. Zu bemer-
ken iſt daher nur noch, daß namentlich die Waſſeranſammlun-
gen im Fetus oft auch mit krankhaften Zuſtaͤnden des in
dieſer Periode beſonders entwickelten und thaͤtigen Lymphſyſtems,
deſſen Druͤſen hier vorzuͤglich haͤufig in krank-
haften Zuſtaͤnden
angetroffen werden, zuſammenhaͤngen. —
In Hinſicht des Druͤſenſyſtems verdient endlich noch das
Vorkommen des Kropfs beſondere Erwaͤhnung, welchen ich
nun ſchon bei neugebornen Kindern ſkrofuloͤſer Muͤtter meh-
reremale beobachtet hale.


§. 1134.

Unter den Organen der animalen Sphaͤre, ſind die Muſ-
keln faſt die einzigen welche im Fetuszuſtande ſchon eimge
wahrnehmbare Thaͤtigkeit aͤußern, und ebendeßhalb bilden ſich
auch in ihnen zuweilen abnorme Zuſtaͤnde aus. Hierher ge-
hoͤrt aber ganz vorzuͤglich das geſtoͤrte Gleichgewicht antago-
niſtiſch wirkender Muſkelpartien, und die davon abhaͤngigen
Verkruͤmmungen verſchiedener Theile des Koͤrpers, na-
mentlich der Extremitaͤten, jedoch auch der Wirbelſaͤule. Be-
ſonders haͤufig kommen unterdieſen die Klumpfuͤße (eine Folge
abnorm geſteigerter Contraktion der den Fuß einwaͤrts dre-
henden Muſkeln) vor, und wir werden darauf bei den Krank-
heiten der Neugebornen zuruͤck kommen. Ob endlich convul-
ſiviſche Krankheiten ſchon waͤhrend des Fetuslebens eintreten
koͤnnen, bleibt wohl bis es durch hinlaͤngliche Beobachtun-
gen nachgewieſen iſt, etwas zweifelhaft, obwohl es ſchon da-
durch wahrſcheinlich wird, daß dergleichen unter der Geburt
(wovon weiter unten) wirklich beobachtet worden ſind. Der
mechaniſchen Verletzungen z. B. der Knochenbruͤche welchen
zuweilen der Fetus ausgeſetzt iſt, haben wir bereits oben (§.
1125.) Erwaͤhnung gethan.


[289]

Pathologie und Therapie der Geburtsperiode.


§. 1135.

Bevor wir hier die ausfuͤhrliche Aufzaͤhlung der einzel-
nen regelwidrigen fuͤr das Geburtsgeſchaͤft ſtoͤrend werdenden
Zuſtaͤnde, des muͤtterlichen Koͤrpers ſowohl als der Frucht un-
ternehmen, wird es nothwendig, zunaͤchſt die Huͤlfsmittel wel-
che die Kunſt zur Befoͤrderung des Geburtsgeſchaͤfts darbie-
tet, durchzugehen, indem hierin ein großer Theil der geburts-
huͤlflichen Therapie gegeben iſt. Indem wir ſonach die ver-
ſchiedenen geburtshuͤlflichen Operationen an und fuͤr ſich,
gleichſam als Einleitung zu den eigentlichen Gegenſtaͤnden
dieſes Kapitels abhandeln, iſt nur noch die Bemerkung bei-
zufuͤgen, daß, um ſich in den Stand zu ſetzen, dieſe opera-
tiven Heilmittel auf zweckmaͤßige Weiſe anzuwenden, keines-
weges das Wiſſen der Regeln fuͤr Anwendung derſelben
allein hinreichend iſt, ſondern ganz vorzuͤglich die nur durch
vielfache Uebung zu erlangende Fertigkeit in Hand-
habung derſelben
, das Koͤnnen, hinzukommen muß.


Die Lehre von den geburtshuͤlflichen
Operationen.

§. 1136.

Wir theilen die verſchiedenen Huͤlfsleiſtungen zum Zweck
der Befoͤrderung des Geburtsgeſchaͤfts, ein: in ſolche welche
das Geburtsgeſchaͤft nur vorbereiten oder veranlaſſen,
und in ſolche, durch welche die Geburt des Kindes
oder der Nachgeburt bewerkſtelligt wird. — Zu den
erſtern gehoͤrt: 1) die kuͤnſtliche Eroͤffnung des Mut-
termundes
, 2) das Sprengen der Eihaͤute und die
kuͤnſtliche Fruͤhgeburt, und 3) die Herſtellung ei-
ner natuͤrlichen Lage des Kindes
durch Einrich-
II. Theil. 19
[290]tung des vorliegenden Kindestheils, oder durch die Wendung.
Zu den letztern hingegen ſind folgende Operationen zu
rechnen: —


I.Kuͤnſtliche Entwickelung des Kindes und
zwar A)auf dem natuͤrlichen Geburtswege, a)
ohne Verletzung und Verkleinerung des Kindes:
hierher gehoͤren 1) Extraktion des Kindes an den
Fuͤßen
, 2) Extraktion des Kindeskopfs mit der
Geburtszange
; b)Entwickelung des Kindes nach
bewerkſtelligter Verkleinerung deſſelben
1) durch
Entleerung des Gehirns: Excerebration oder Perfora-
tion
2) durch Zerſtuͤckung des Kindes. — B)Entwicke-
lung des Kindes auf einem ganz neueroͤffneten,
oder auf dem gewoͤhnlichen, aber kuͤnſtlich ver-
groͤßerten Geburtswege
. Hierher gehoͤrt 1) die Er-
oͤffnung der Unterleibs- und Gebaͤrmutterhoͤhle

(der Kaiſerſchnitt), 2) die Eroͤffnung der Bauchhoͤhle
allein (die Gaſtrotomie), 3) die Erweiterung des Bel-
kenkanals durch Trennung der Schamfuge
(die
Synchondrotomie).


II. Kuͤnſtliche Entwickelung der Nachgeburt,
wohin zu rechnen iſt 1) kuͤnſtliche Loͤſung des Mutterkuchens,
2) kuͤnſtliches Wegnehmen der geſammten Nachgeburt.


III. Gewaltſame Bewerkſtelligung des ge-
ſammten Geburtsgeſchaͤfts
, durch Eroͤffnung des Mut-
termundes, Sprengen der Eihaͤute, Extraktion des Kindes, Loͤ-
ſung und Extraktion der Nachgeburt (Accouchement forcé).


§. 1137.

Ehe wir jedoch dieſe Operationen im Einzelnen der Reihe
nach zu betrachten anfangen, wird es zweckmaͤßig ſeyn, ſo-
wohl einige allgemeine Bemerkungen uͤber das kuͤnſtliche Be-
ſchleunigen des Geburtsgeſchaͤfts uͤberhaupt vorauszuſchicken,
als die Beobachtung gewißer allgemeiner Regeln fuͤr dieope-
rative Kunſthuͤlfe zu empfehlen.


[291]
§. 1138.

Erſtens die Anwendung operativer Kunſthuͤlfe zur Foͤr-
derung des Geburtsgeſchaͤfts uͤberhaupt betreffend, ſo iſt es da-
mit haͤufig wie mit andern großen Heilmitteln der Medicin
gegangen, man hat ſie naͤmlich bald uͤberſchaͤtzt und viel zu
oft eintreten laßen, bald aber auch zu ſehr vernachlaͤßigt, ja
ſie lieber ganz und gar als eine Verirrung darſtellen wol-
len. — Zu dem erſtern iſt die Verfuͤhrung allerdings ſehr
groß; der Arzt ſieht die Mittel, die Geburt des Kindes, faſt
zu jedem beliebigen Zeitraume des Geburtsgeſchaͤfts, kuͤnſtlich
beendigen zu koͤnnen, in ſeinen Haͤnden, er findet in den
Schmerzen der Kreiſenden, ihren aͤngſtlichen Bitten um Huͤlfe,
dem Dringen ihrer Angehoͤrigen und der Beſchraͤnkung ſeiner
eigenen Zeit oft die Anzeige zur Huͤlfsleiſtung, welche doch
einzig von dem Stande des Geburtsgeſchaͤfts beſtimmt wer-
den ſollte.


§. 1139.

Hat der Arzt auf dieſe Weiſe oͤfters die Beſchleunigung
der Geburt, und zwar mehreremale ohne augenblicklich wahr-
nehmbare allzunachtheilige Folgen bewerkſtelligt, ſo wird er
endlich die Achtung gegen die einfache, große, und zweck-
maͤßige Wirkſamkeit der Natur immer mehr aus den Augen
verlieren, er wird in dem gemeſſenen allmaͤhligen Gange der
Natur nur krankhafte Traͤgheit ſehen, immerfort an der Ge-
burtsfunktion zu meiſtern finden, und zuletzt durch unzeitige
Kunſthuͤlfe fuͤr Mutter und Kind haͤufig die gefaͤhrlichſten
Zufaͤlle, entweder unmittelbar herbeifuͤhren oder doch fuͤr ſpaͤ-
tere Zeit veranlaßen. Daß dieſe Richtung immer noch die
allgemeinere ſey, kann man wohl annehmen, und verbindet
ſich mit einer ſolchen unpaſſenden Ueberſchaͤtzung und uͤber-
maͤßig haͤufigen Anwendung operativer Huͤlfsmittel, Rohig-
keit und Ungeſchicklichkeit in der Anwendung derſelben, ſo ent-
ſteht eine Art der Ausuͤbung dieſer Kunſt, welche in Zweifel
laͤßt, ob man nicht wuͤnſchen ſolle daß es gar keine, als daß
es eine ſolche Geburtshuͤlfe geben moͤchte. — Urſache genug
[292] gegen dieſen Abweg, als den betretenſten, vorzuͤglich
zu warnen.


§. 1140.

Daß man aber in Vermeidung aller Kunſthuͤlfe, im Ver-
trauen auf die Naturwirkſamkeit u. ſ. w. auf keine Weiſe zu
weit gehen koͤnne, iſt ebenfalls nicht zuzugeben, und kann am
beſten durch Beiſpiele aus der Chirurgie und Medicin erlaͤu-
tert und dargelegt werden. Wuͤrde es z. B. nicht der ge-
ſunden Vernunft zuwider laufen, bei irgend einem betraͤcht-
lichen Ertravaſate wo die ausgetretene Fluͤßigkeit durch einige
gemachte Einſchnitte leicht fortgeſchaft werden koͤnnte, dieſe
Einſchnitte blos deshalb nicht zu machen, weil die Natur viel-
leicht, wenn auch erſt in laͤngerer Zeit, es mit weit groͤßerem
Kraͤfteverluſt, durch Eiterung und Reſorption die ausgetrete-
nen Stoffe ſelbſt zu beſeitigen vermoͤchte? — oder eine Wunde
nicht zu verbinden, weil ſie vielleicht auch ohne dieß heilen
wuͤrde? — oder bei Ueberfuͤllung des Magens das Brechmit-
tel nicht zu geben, weil nach und nach die Contenta ja
wohl auch durch den Darmkanal ſich entleeren koͤnnten? —
Ueberhaupt haben wir zu bedenken, daß nicht blos Lebenser-
haltung, ſondern auch Erleichterung, Schmerzenlinderung, ein
wuͤrdiges Geſchaͤft der Kunſt ſey, und daß ſie auch zu dieſem
Behufe angewendet zu werden verdiene, ſobald wichtigere
Zwecke dadurch nicht gefaͤhrdet werden. *)


§. 1141.

Wir kommen zweitens zur Aufzaͤhlung der allgemeinen,
zu beobachtenden Regeln bei Anwendung geburtshuͤlflicher Ope-
[293] rationen, deren Beruͤckſichtigung von beſonderer Wichtigkeit
genannt werden muß, obwohl ihrer demungeachtet nur in ei-
nigen Handbuͤchern, ſo z. B. von H. Oſiander und H. v.
Siebold gebuͤhrende Erwaͤhnung geſchehen iſt.


§. 1142.

1. Regel. Keine Operation darf unternommen wer-
den, bevor nicht durch hinlaͤngliche innere und aͤußere Unter-
ſuchung der vorhandene abnorme Zuſtand ſo genau als
moͤglich, und die Art der daraus ſich ergebenden Indicatio-
nen fuͤr Art und Zeitpunkt der Huͤlfsleiſtung klar erkannt
worden ſind. Nothwendig iſt es jedoch hierbei ſehr (wie auch
H. v. Siebold bemerkt) dieſe Unterſuchung durchaus ſelbſt
vorzunehmen, und weder auf Ausſagen der Hebamme noch
ſelbſt fruͤher anweſender Geburtshelfer zu viel ſich zu ver-
laſſen.


2. Regel. Keine Operation iſt zu unternehmen, wo
irgend ſichere Ausſicht vorhanden iſt, daß die vorhandene
Abnormitaͤt, ohne Nachtheil fuͤr Mutter und Kind, durch die
Naturthaͤtigkeit allein, oder durch zweckmaͤßige dynamiſche Huͤlfs-
mittel (Medicamente), durch veraͤnderte Lage der Kreiſenden
u. ſ. w. beſeitigt werden koͤnne.


§. 1143.

3. Regel. Wie wir es dem Arzte fuͤr das weibliche
Geſchlecht (1. Thl. §. 84. u. f.) uͤberhaupt zur Pflicht ge-
macht haben, ſo behandele derſelbe namentlich als Geburts-
helfer, eingedenk der Wichtigkeit und Schwere des Moments,
die Kreiſende mit freundlicher Theilnahme ſo wie mit ruhigem
Ernſt, und zeige ſtets die moͤglichſte Schonung des Anſtan-
des ſowohl, als die ſtrengſte Sorgfalt fuͤr das Wohl der Mut-
ter und des Kindes. —


4. Regel. In der Feſtſtellung der Prognoſe beobachte
man ſtets die noͤthige Vorſicht, ſey nie zu voreilig mit dem
Verſprechen des unbedingt gluͤcklichen Erfolgs einer Operation,
noch erſchrecke man die Kreiſende durch eine ganz unguͤnſtige
Prognoſe, ſondern theile letztere den Angehoͤrigen derſelben
[294] vorſichtig mit, um dadurch falſche Beſchuldigungen, welche ſo
oft und gern gemacht werden, zu vermeiden. Beſonders wird
dieß nothwendig wo vielleicht der Tod des Kindes ſchon vor
der Geburt eingetreten iſt, oder durch fruͤher von Hebammen
oder andern Geburtshelfern gemachte Entbindungsverſuche, ir-
gend Verletzungen des Kindes oder der muͤtterlichen Theile
eingetreten ſind.


§. 1144.

5. Regel. Man ſorge vor einer jeden Operation fuͤr
alle und jede noͤthige Vorbereitungen, damit es waͤhrend der-
ſelben ſodann an nichts fehle; zugleich aber entziehe man dieſe
Vorbereitungen moͤglichſt den Augen der Kreiſenden und ver-
meide vorzuͤglich das Vorzeigen, Klirren und ſonſtiges Ge-
raͤuſch der geburtshuͤlflichen Inſtrumente. — Zu den Vorbe-
reitungen ſind aber theils das Zurechtlegen der bei den ein-
zelnen Operationen abzuhandelnden Inſtrumente, theils die
ſchon fruͤher (§. 906. u. f.) abgehandelten Vorbereitungen welche
auch fuͤr natuͤrliche Geburten erforderlich ſind, begriffen.


Anmerkung. Es ſcheint nicht unzweckmaͤßig zu ſeyn,
hier gleich vorlaͤufig den Apparat namhaft zu machen,
mit welchem der Geburtshelfer wenn er zu Kreiſenden
gerufen wird, ſich verſehen ſoll, und von welchem er
um ſo weniger etwas vermiſſen darf, je weiter er ſich
von ſeiner Wohnung, woher er etwa das ſeltner Ge-
brauchte nachholen laßen koͤnnte, ſich entfernt. Wir rech-
nen aber hierher 1) zwei Geburtszangen, 2)
Smellie’s ſtumpfen Haken, 3) ein zweckmaͤßi-
ges Perforatorium
, 4) die Boërſche Excere-
brationspincette
, 5) einen ſilbernen und
elaſtiſchen Katheter
, 6) eine Nabelſchnur-
ſcheere nebſt Baͤndern
, 7) eine Klyſtier- und
Mutterſpritze
, 8) Oſiander’s Dilatatorium,
9) einen Waſſerſprenger,
*)10) zwei Wendungs-
[295] ſchlingen
, 11) eine Buͤrſte, 12) ein Inſtrument
zum Lufteinblaſen
, (kann außer dem oben [§. 906.]
erwaͤhnten allenfalls auch ein bloßes Mundſtuͤck ſeyn)
13) verſchiedene Medikamente: als R̅. Cinna-
momi, R̅. thebaica, Naphtha vitrioli, Spiritus sal.
amm. caust., Spiritus salis fumaus, Oleum Hyoscy-
ami,
einige Dover’ſche Pulver, etwas deſtillirten
Eſſig und ein ſtyptiſches Pulver aus Alaun, Colopho-
nium und arabiſchem Gummi, nebſt Feuerſchwamm. —
Alle bisher genannte Gegenſtaͤnde koͤnnen in einer gro-
ßen ledernen Taſche mit Futeralen fuͤr die fluͤßigen (in
Kriſtallglaͤſern mit gut eingeriebenen Stoͤpſeln ver-
wahrten) Arzneimittel, ſehr wohl aufbewahrt und trans-
portirt werden. — 14) Ein chirurgiſches Beſteck
nebſt Verbandzeug, Aderlaßapparate, Heftpflaſter, Char-
pie u. ſ. w. (beſonders mit Ruͤckſicht auf die etwa vor-
zunehmende Operation des Kaiſerſchnitts) — Endlich iſt
es rathſam an Orten, wo man dergleichen nicht vorzu-
finden hoffen darf, etwas von d. Flor. Chamomill,
Rad. Valerian., Hb. Menth. pip.
oder Hb. Meliss.
und etwas Wein mitzunehmen.


§. 1145.

6. Regel. Hat man in einem gegebenen Falle die
Wahl zwiſchen mehrern Operationsmethoden, ſo gebe man, wo
es nur immer ſeyn kann, der Hand vor den Inſtrumenten
den Vorzug, denn man wird bei hinlaͤnglicher Fertigkeit bald
bemerken, daß auch hier das lebendige Werkzeug in vielen
Faͤllen unendlich mehr zum Wohle der Kreiſenden wirken kann,
als das unbelebte. — Unter den Inſtrumenten verdienen aber
ſiets die nicht verletzenden, die, deren Anwendung die moͤg-
lichſt wenigen Schmerzen macht, den Vorzug.


7. Regel. Die Hand des Geburtshelfers ſowohl, als
die Inſtrumente, welche in die Geburtstheile eingefuͤhrt wer-
den ſollen, muͤſſen ſtets der Temperatur dieſer Theile durch
ihre Waͤrme entſprechen und hinreichend mit Oehl beſtrichen ſeyn.


[296]

8. Regel. Entbindung einer Kreiſenden welche bereits
im Sterben begriffen iſt, unternehme man, um Beſchuldigun-
gen Unwißender oder Uebelgeſinnter zu vermeiden, nur in
Faͤllen
wo man noch irgend etwas zum Wohle der Mutter
oder des Kindes wahrhaft foͤrderliches dadurch zu er-
reichen hoffen darf. — Ueberhaupt endlich richte man ſich in
mediciniſch indifferenten Dingen (z. B. ruͤckſichtlich der, vor-
zuͤglich katholiſchen Religionsverwandten, ſehr wichtigen Noth-
taufe) mit Schonung voͤllig nach den Anſichten der Eltern.


I. Vorbereitende Operationen.

1. Von der kuͤnſtlichen Erweiterung des
Muttermundes
.

§. 1146.

Dieſe Operation beſteht darin, daß man, entweder mit-
telſt der Hand allein, oder durch Mitwirkung eines Inſtru-
mentes den Muttermund, theils nur bis zu einem gewiſ-
ſen Grade, theils bis zur voͤlligen Erweiterung kuͤnſtlich oͤffne.
Der Zweck weßhalb dieſes geſchieht, kann ſehr verſchieden ſeyn,
naͤmlich einmal bei voͤlliger Verſchließung des Muttermundes
uͤberhaupt die Geburt moͤglich zu machen, in andern Faͤllen
um ſonſtige dringend noͤthige Huͤlfsleiſtungen, Sprengen der
Eihaͤute, Wendung, Extraktion, Loͤſung oder Herausbefoͤrderung
der Nachgeburt u. ſ. w. darauf folgen zu laſſen. — Im
Allgemeinen darf man wohl behaupten, daß die kuͤnſtliche
Eroͤffnung des Muttermundes eine der Operationen ſey, wel-
che am gewaltſamſten in das Geburtsgeſchaͤft eingreifen, und
welche deßhalb durchaus nur auf die gefahrdrohend-
ſten Faͤlle
(ſie werden in der geburtshuͤlflichen Pathologie
naͤher bezeichnet werden) eingeſchraͤnkt zu werden verdient, nie
aber etwa blos Behufs der Abkuͤrzung einer etwas laͤngern
Dauer der zweiten Geburtsperiode und aͤhnlicher oft blos die
Geduld des Geburtshelfers auf die Probe ſetzenden Umſtaͤnde
angewendet werden darf.


[297]
§. 1147.

Die Prognoſe kann bei dieſer Operation im Ganzen
immer mißlich genannt werden, da theils die damit nicht ſel-
ten verbundenen heftigen Schmerzen leicht allgemeine unange-
nehme Zufaͤlle herbeifuͤhren, theils oͤrtlich, durch die heftige
Reitzung, ſehr wohl heftige, im Wochenbette zu Puerperalfie-
bern Veranlaßung gebende Entzuͤndungen entſtehen koͤnnen;
ja ſelbſt, und zwar mitunter erſt in laͤngerer Zeit nach der
Entbindung entſtehende Zufaͤlle, als chroniſche Entzuͤndung,
Verhaͤrtung und ſogar krebshafter Zuſtand der Vaginalportion,
in Folge erlittener Quetſchung und Verletzung ſich zeigen. —
Guͤnſtiger wird jedoch die Vorherſagung ausfallen duͤrfen: 1)
wenn die Vaginalportion bereits hinlaͤnglich verſtrichen, die
Muttermundsraͤnder verduͤnnt, aufgelockert, und zur Eroͤffnung
vorbereitet ſind. 2) Wenn die Eroͤffnung ſelbſt bereits durch
die Wehen bis auf einen gewiſſen Grad erfolgt iſt, und die
Kunſt nur den Reſt der Erweiterung zu bewerkſtelligen braucht.
3) Wenn die Ausdehnung durch Anwendung dynamiſcher
Mittel befoͤrdert und ohne Huͤlfe der Inſtrumente durch vor-
ſichtiges Operiren der Hand allein bewerkſtelligt wird. 4)
Wenn die uͤbrigen Umſtaͤnde guͤnſtig ſind, und der Mutter-
mund ſelbſt nicht etwa durch bereits eingetretene Entzuͤndung
und Geſchwulſt die Ausdehnung ſehr erſchwerte.


§. 1148.

Bevor wir nun die eigentliche Operation genauer kennen
lernen, iſt noch von den im vorigen §. erwaͤhnten dynamiſchen
Mitteln, welche insbeſondere zur Erleichterung der Erweiterung
beitragen, einiges zu erinnern. Hierher gehoͤren aber vorzuͤglich
Mittel, welche die Zirkelfibern des Muttermundes erſchlaffen,
und die Empfindlichkeit deſſelben vermindern, als: Einſpritzun-
gen von ſchleimigen, erweichenden mit norkotiſchen Stoffen
verſetzten Dekokten, Einſpritzungen von warmer Milch in Ver-
bindung mit Oehl, mit Laudanum, von warmem Oehl allein,
allgemeine laue Baͤder, und innere antiſpasmodiſche Mittel,
als: einige Tropfen der R̅. thebaica mit dem Infus. Vale-
[298] rianae
u. ſ. w. — Weniger ſind zu empfehlen die Einrei-
bungen in den Muttermund von Opiatſalbe, vom Oleo Hyo-
scyami
u. ſ. w., wobei der mechaniſche Reitz der Friktion
leicht nachtheilig wird, doch iſt es zweckmaͤßig, die Hand,
oder das Inſtrument deſſen man ſich zur Erweiterung be-
dient, mit einem ſolchen zugleich dynamiſch wirkenden Mittel
zu beſtreichen. Auch die oͤrtlichen Dampfbaͤder hat man end-
lich zu dieſem Behuf empfohlen, doch ſind ſie ſchon wegen
der, faſt nie der Kreiſenden zutraͤglichen, ſitzenden Stellung,
unzweckmaͤßig.


§. 1149.

Ausfuͤhrung der Operation mittelſt der blo-
ßen Hand
. Sie findet am meiſten Schwierigkeit in den
Faͤllen wo noch viel Vaginalportion vorhanden, und der Mut-
termund noch voͤllig verſchloſſen iſt; wir betrachten indeß das
Verfahren, wie es gerade dieſe Umſtaͤnde erfordern, und wer-
den daraus ſodann leicht abnehmen koͤnnen, wie viel davon
wegzulaſſen ſeyn wird, wo ſich der Muttermund bereits zu
einer gewißen Weite eroͤffnet hat. — Bevor man jedoch zur
Operation ſchreitet, hat man dafuͤr zu ſorgen, daß die Krei-
ſende in eine paſſende Stellung gebracht werde, wodurch ſo-
wohl die Erweiterung ſelbſt als die nachfolgenden Operationen
erleichtert werden. Dieſe Vortheile nun gewaͤhrt das ſogenannte
Querlager oder Wendungslager am vollkommenſten,
und da es fuͤr die meiſten geburtshuͤlflichen Operationen daſ-
ſelbe bleibt, ſo mag hier ſogleich ſeine ausfuͤhrlichere Beſchrei-
bung folgen.


§. 1150.

Die Aufgabe iſt naͤmlich die Kreiſende in eine Stellung
zu bringen, wo die Kreuzgegend hinlaͤnglich unterſtuͤtzt, und
der Oberkoͤrper ſchief ruͤckwaͤrts geneigt ruht, der Kopf aber
mehr nach vorwaͤrts geneigt erhalten wird, die Schenkel hin-
laͤnglich von einander entfernt werden koͤnnen, und die Ge-
burtstheile voͤllig frei bleiben. Eine ſolche Lage iſt nun am
[299] beſten anzuordnen auf einem gewoͤhnlichen, nicht zu niedri-
gen, an die Wand geruͤckten Bette, in welchem eine Matraze,
ein Strohſack oder ein Sophakiſſen, ſo auf den Bettrand ge-
legt, und mit Unterlagen hinlaͤnglich bedeckt wird, um fuͤr die
Kreuzgegend eine ſichere und vollkommen wagerecht liegende
Unterſtuͤtzung zu gewaͤhren. Ferner wird durch ſchief gelegte
Sophakiſſen oder einen verkehrt ins Bett gelegten, mit der
Ruͤckenlehne vorwaͤrts gerichteten Stuhl, eine ſichere, mit
Kopfkiſſen belegte Ruͤckenlehne gebildet; vor das Bett aber
werden zu beiden Seiten zwei Stuͤhle fuͤr die zur Unter-
ſtuͤtzung der Schenkel noͤthigen Gehuͤlfen, und mitten vor das
Bett wird ein Gefaͤß, zum Auffangen abfließender Feuchtig-
keiten, geſetzt. Die Kreiſende wird nur leicht bekleidet auf
dieſes Bett gebracht, hier mit einer wollenen Decke bedeckt,
ihre Schenkel in maͤßig weiter Entfernung von den Gehuͤlfen
fixirt, die Haͤnde finden an den Lehnen der Stuͤhle Unter-
ſtuͤtzung, und der Oberkoͤrper wird noͤthigenfalls durch eine
auf dem Bette ſtehende oder knieende Gehuͤlfin gehalten. —
Ein aͤhnliches Lager laͤßt ſich uͤbrigens im Nothfalle auch auf
einem feſtſtehenden nicht zu hohen Tiſche bereiten, ſo wie denn
auch ein guter Geburtsſtuhl oder eins der oben erwaͤhnten
kuͤnſtlichen Geburtsbetten hierzu benutzt werden kann.


§. 1151.

Die Wahl der Haͤnde zu dieſer Operation iſt gleichguͤl-
tig, nur wenn der Muttermund mehr nach links gewendet
iſt, waͤhlt man lieber die rechte, wenn er mehr rechts gewen-
det iſt, lieber die linke Hand. Der Geburtshelfer ſelbſt laͤßt
ſich entweder mit einem Kniee auf ein vor das Querlager ge-
legtes Kiſſen nieder, oder ſetzt ſich auf einen niedrigen Seſ-
ſel vor die Kreiſende, legt vorſichtig, ohne bei der Kreiſenden
damit zu viel Aufſehen zu erregen, das Oberkleid ab, ent-
bloͤßt den Vorderarm, faltet die langgeſtreckten, weder mit
Ringen noch ſonſtigen Rauhigkeiten verſehenen Finger genau
und coniſch aneinander, (in welcher Haltung der Hand man
durch oͤftere Uebung, Einfuͤhren derſelben in trockene Becken
[300] u. ſ. w. *) eine gewiße Fertigkeit ſich erwerben muß) und
beſtreicht ſie nun mit einem der oben (§. 1148.) genann-
ten Mittel z. B. dem Oleo Hyoscyami. — Hierauf rich-
tet man die Breite der Hand in den geraden Durchmeſſer
der untern Beckenoͤffnung, fuͤhrt zuerſt die Spitzen der Fin-
ger, und dann (jedoch ohne Schamhaare mit einwaͤrts zu
dehnen) die ganze Hand, und zwar in gelinder drehender Be-
wegung, und ſtets der Fuͤhrungslinie des Beckens entſprechend
in die Mutterſcheide ein.


§. 1152.

Man kann dieſes Einfuͤhren als den erſten Theil der
Operation betrachten, und nun erſt ſchreitet man zum zwei-
ten, naͤmlich zu der eigentlichen Eroͤffnung. Man giebt naͤm-
lich der im kleinen Becken liegenden Hand die Richtung in
den Querdurchmeſſer, ſucht nun zuvoͤrderſt mit gelind drehen-
der Bewegung den Zeigefinger in den Muttermund einzubrin-
gen, (wobei, wenn der Uterus etwa durch ſein Schwanken
dieſes Eindringen hindern ſollte, die die Schenkel unterſtuͤtzen-
den Gehuͤlfen, mittelſt der auf den Leib gelegten Haͤnde den
Uterus fixiren muͤßen) und draͤngt, ſobald dieſes gelungen iſt,
allmaͤhlig auch den Mittelfinger mit ein. Hierauf ſperrt man,
nach verſchiedenen Richtungen, beide Finger abwechſelnd meh-
remale auseinander, und wird dadurch bald ſo viel Raum
gewinnen, um endlich auch die uͤbrigen Fingerſpitzen mit ein-
zubringen, (findet man den Muttermund ſchon etwas eroͤffnet, ſo
kann dieß oft gleich anfaͤnglich geſchehen) worauf denn, durch
fortgeſetztes abwechſelndes Aufſperren ſaͤmmtlicher Fingerſpitzen,
die Muttermundsoͤffnung nach und nach bis zu dem hinlaͤng-
lichen, und fuͤr den gegebenen Fall ausreichenden Grade von
Erweiterung gebracht wird.


[301]
§. 1153.

Die Zeit in welcher die voͤllige Erweiterung des Mut-
termundes bewerkſtelligt werden kann, richtet ſich nach den
Umſtaͤnden. Iſt der Muttermund nachgiebig und ſchon durch
die Wehen etwas geoͤffnet, ſo gelingt die voͤllige Erweiterung
oft in wenigen Minuten und ohne allzuheftige Schmerzen;
iſt das Gegentheil der Fall, ſo braucht man oft weit laͤngere
Zeit (mitunter gegen 15 bis 20 Minuten) wenn man nicht,
was wegen der nachkommenden uͤbeln Folgen nie rathſam iſt,
allzuviel Gewalt bei der Ausdehnung anwenden will; auch pflegt
in dieſen Faͤllen die Operation immer weit ſchmerzhafter zu
ſeyn. — Als Regel kann es jedoch gelten, daß theils der
Schmerz, theils die Gefahr ſpaͤterer uͤbeler Folgen, ſtets um
Vieles geringer ſeyn wird, wenn man die oben erwaͤhnten dy-
namiſchen Mittel theils der Operation vorausgehen laͤßt,
theils ſie noch waͤhrend der Operation anwendet. —


§. 1154.

Erweiterung des Muttermundes durch In-
ſtrumentalhuͤlfe
. Hierher gehoͤrt erſtens die Eroͤffnung
des verwachſenen Muttermundes, ſo wie die bloße Erweite-
rung deſſelben durch ſchneidende Werkzeuge. — Das
Einſchneiden eines bei beginnender Geburtsarbeit verwachſen
gefundenen Muttermundes iſt aber von der oben (1. Thl. §.
137. 139.) beſchriebenen Operation wenig unterſchieden, und
kann entweder durch Oſiander’s Hyſterotom, oder durch
ein bis gegen die Spitze hin umwickeltes, und von der co-
niſch gelegten Hand umfaßtes Biſtourie geſchehen, welches
man vorſichtig bis zum Scheidengewoͤlbe einfuͤhrt, und einen
Kreuzſchnitt damit macht, welche Oeffnung dann gewoͤhnlich
entweder durch die Wehen, oder durch das oben genannte Ver-
fahren leicht zur voͤlligen Eroͤffnung gebracht wird. Außer-
dem koͤnnte ein Einſchneiden der Muttermundsraͤnder zuweilen
in Faͤllen noͤthig werden, wo der Muttermund noch ſehr ge-
ſchloſſen, und die Raͤnder deſſelben ſehr wenig nachgiebig find,
ſo daß eine vielleicht wegen anderer Umſtaͤnde noͤthige ſchnelle
[302] Eroͤffnung durch die bloße Ausdehnung nicht bewerkſtelligt
werden koͤnnte. Dieſes Einſchneiden wuͤrde uͤbrigens ganz auf
aͤhnliche Weiſe wie die Eroͤffnung eines verwachſenen Mutter-
mundes zu bewerkſtelligen ſeyn.


§. 1155.

Zweitens haben wir die Ausdehnung des Mut-
termundes in wiefern ſie durch Werkzeuge geſche-
hen kann
, zu betrachten. Man hat hierzu verſchiedene Vor-
richtungen in Vorſchlag gebracht und angewendet, von welchen
jedoch die meiſten auf ungleiche, gewaltſame und nachtheilige
Weiſe einwirken, ja manche ihren Zweck gar nicht erreichen
koͤnnen. Zu den gaͤnzlich unbrauchbaren gehoͤren namentlich
die dreiblaͤttrigen Specula uteri (welche uͤberhaupt nur zur
Ausdehnung der Vagina, aber nie zur Eroͤffnung des Mut-
termundes gebraucht werden koͤnnen, und auch, wie ſchon H.
Oſiander bemerkt, wahrſcheinlich nur zu dieſem Zwecke er-
funden ſind); eben ſo wenig wird Titsingh’s Fiſchbeinſtaab,
welcher ſprenkelfoͤrmig gebogen, mit beiden Enden in den
Muttermund gebracht wird, zur Erweiterung des letztern zweck-
maͤßig wirken koͤnnen, und auch die Idee durch eine ange-
fuͤllte Blaſe (nach Walbaum) den Muttermund auszudeh-
nen, iſt nicht ausreichend.


§. 1156.

Will man daher zu dieſer Operation (welche allerdings
in den meiſten Faͤllen, wo ſie uͤberhaupt wirklich angezeigt
iſt, am zweckmaͤßigſten durch die bloße Hand des Geburts-
helfers bewerkſtelligt wird) irgend ein Werkzeug demohnerach-
tet gebrauchen, ſo iſt dazu das von H. Oſiander erfundene
Dilatatorium in jeder Hinſicht am paſſendſten. Es beſteht
daſſelbe in einer nach der Fuͤhrungslinie maͤßig gebogenen
Zange, deren Blaͤtter zuſammengelegt einen ohngefaͤhr Fingers-
dicken am Ende abgerundeten Cylinder darſtellen, deſſen zwei
Haͤlften oder Blaͤtter durch das Oeffnen der Griffe gleichzeitig ſich
[303] eroͤffnen muͤſſen. Da indeß das Aufſperren der Blaͤtter durch
Aufſperren der Griffe zu bewerkſtelligen, eine etwas unbequeme
und ermuͤdende Bewegung der Hand noͤthig macht, ſo habe
ich zu meinem Gebrauch die Griffe etwas von einander ent-
fernen, und mit einer zwiſchen dieſelben gelegten Feder verſe-
hen laſſen, um das Oeffnen der in den Muttermund verſchloſ-
ſen eingebrachten Blaͤtter nicht durch Oeffnen ſondern durch
Zuſammendruͤcken der Griffe, (welches eine der Hand
weit leichtere Bewegung iſt) zu bewirken. (ſ. T. III. f. II.)


§. 1157.

Was die Anwendung des Inſtruments betrifft, ſo iſt ſie
ſehr einfach, man bringt, nachdem der Muttermund wenig-
ſtens zur Aufnahme zweier Fingerſpitzen, entweder durch die
Wehen oder durch Manualoperation eroͤffnet iſt, Zeige- und
Mittelfinger der linken Hand, wohl mit Oehl beſtrichen, in
die Mutterſcheide und den Muttermund, leitet auf dieſen ſo-
dann das mit der rechten Hand gefaßte, erwaͤrmte und gleich-
falls mit Oehl beſtrichene Inſtrument, verſchloſſen in den Mut-
termund ein, jedoch ſo, daß die abgerundeten Enden der Blaͤt-
ter nicht weit uͤber den innern Muttermund hinauf ragen,
und ſperrt die Blaͤtter, indem man das Inſtrument nun
hin und her dreht, bald in der Richtung des Querdurchmeſ-
ſers, bald in der Richtung des einen oder des andern ſchie-
fen Durchmeſſers, auseinander. Auf dieſe Weiſe kann man
durch fortgeſetzte Bewegungen, wobei jedoch die Finger der
linken Hand immer leitend in der Naͤhe bleiben muͤſſen (na-
mentlich um das Herausgleiten des Inſtruments aus dem
Muttermunde, oder das zu tiefe Eindringen deſſelben in den
Muttermund zu verhuͤten) in ziemlich kurzer Zeit die Oeff-
nung betraͤchtlich, jedoch immer nur unter einer gewaltſamern
Reitzung deſſelben vergroͤßern. Wo daher die Eroͤffnung noth-
wendig ſehr beſchleunigt werden muß, der Muttermund jedoch
hartnaͤckigen Widerſtand leiſtet, iſt die Anwendung dieſer Me-
thode zu entſchuldigen, ja ſie wird faſt unentbehrlich; nur
muß auch hier eine zu ſtarke Kraftanſtrengung, um Zer-
[304] reiſſungen in der Subſtanz der Vaginalportion und aͤhnliche
Unfaͤlle zu verhuͤten, vermieden werden.


2. Von dem kuͤnſtlichen Sprengen der Eihaͤute.

§. 1158.

Auch das Eroͤffnen der Eihaͤute (auch Waſſerſprengen ge-
nannt) wird entweder mittelſt der Hand oder durch Inſtru-
mente bewerkſtelligt. Obwohl an ſich ſcheinbar eine kleine
unbedeutende Operation, iſt es doch oft vom groͤßten Einfluſſe
auf den ganzen Verlauf des Geburtsgeſchaͤfts und darf daher
ſo wenig als eine andere Huͤlfsleiſtung ohne gegruͤndete An-
zeige unternommen werden. Dieſe Anzeige aber kann ſeht
verſchieden ſeyn, wie ſich noch in der ſpeciellen Pathologie und
Therapie naͤher ergeben wird; es gehoͤrt dahin: die abnorme
Feſtigkeit der Eihaͤute, die zu große Menge des Fruchtwaſ-
ſers, Atonie des Uterus, Blutung u. ſ. w. — Ferner wird
das Sprengen der Eihaͤute zuweilen noͤthig als Vorbereitung
zu andern Operationen, z. B. zur Wendung, zur Anlegung
der Zange u. ſ. w. Endlich aber findet es auch Statt um
eine fruͤhzeitige Geburt zu bewerkſtelligen.


§. 1159.

Je nach den beſtimmenden Umſtaͤnden wird auch die
Operation verſchieden ſeyn, denn ſie iſt anders bei voͤllig er-
oͤffnetem Muttermunde und mitten in demſelben, anders im
obern Theil der Gebaͤrmutterhoͤhle mit der zwiſchen Uterus
und Eihaͤute eingefuͤhrten Hand, Behufs der Wendung, an-
ders endlich bei noch geſchloſſenem Muttermunde, Behufs der
Bewerkſtelligung einer Fruͤhgeburt, auszufuͤhren.


§. 1160.

Am einfachſten iſt die Operation im erſten Falle, wenn
die im Muttermunde ſich ſtellende Blaſe geoͤffnet werden ſoll.
Man bedarf hierzu gewoͤhnlich nur eines Zeigefingers, welcher
[305] mit Oehl beſtrichen, wie zur geburtshuͤlflichen innern Unter-
ſuchung, und bei horizontaler Lage der Kreiſenden, in die Mut-
terſcheide eingefuͤhrt wird. Die Spitze deſſelben ſetzt man
waͤhrend einer eintretenden Wehe, an den hervorragendſten Theil
der geſtellten Blaſe, druͤckt ſodann gegen den Schambogen
herauf (um nicht beim ploͤtzlichen Reißen der Haͤute zu tief
einzudringen und vielleicht in der Naͤhe liegende empfindliche
Theile des Kindes zu beſchaͤdigen) und wird ſo das Abfließen
des Fruchtwaſſers gewoͤhnlich leicht bewerkſtelligen koͤnnen. —
Sind die Eihaͤute beſonders feſt, oder nicht prall genug durch
das Fruchtwaſſer angeſpannt, ſo wird das Trennen derſelben
oft betraͤchtlich erſchwert; hier iſt es rathſam, wenn die Blaſe
vielleicht bereits ſchlaff gegen die aͤußern Schamtheile herabge-
draͤngt iſt, dieſelbe durch die Scheere zu oͤffnen, zu welchem
Endzweck man mit der linken Hand eine Falte in den Eihaͤu-
ten bildet, und dieſe ſodann mit der an den Spitzen abge-
ſtumpften Nabelſchnurſcheere wegſchneidet, auf welche Weiſe
man immer ſicher ſeyn wird, keinen dahinter liegenden Theil
vom Kinde oder Nabelſtrange zu verletzen.


§. 1161.

Liegt die ſchlaffe, oder dicht uͤber den Kindeskopf gezo-
gene Blaſe noch innerhalb des Muttermundes, ſo wird man
eben ſo verfahren, als wenn die Eihaͤute weiter oben in der
Gebaͤrmutterhoͤhle, wo man ebenfalls keine geformte Blaſe
vor ſich hat, geoͤffnet werden muͤſſen; man geht naͤmlich mit
coniſch zuſammengelegter eingeoͤhlter Hand in die Mutterſcheide,
(im zweiten Falle ſelbſt durch den Muttermund, aͤußerlich an
den Eihaͤuten hin, bis gegen den Ort wo die Fuͤße liegen her-
auf) faßt mit Daumen und Mittelfinger eine Falte der Ei-
haͤute und ſprengt dieſe Falte durch den Druck des Zeige-
fingers.


§. 1162.

In wiefern nun aber in den Faͤllen, wo im Mutter-
munde keine ordentliche Blaſe gebildet iſt, und die Eihaͤute
II. Theil. 20
[306] ſehr dick ſind, das Sprengen derſelben auch auf die jetzt be-
ſchriebene Weiſe etwas ſchwierig bleibt, hat man auch zu die-
ſem Behuf mehrere Werkzeuge*) erfunden, von denen wir
nur einige erwaͤhnen wollen. — Es ſind aber entweder In-
ſtrumente welche als Haken die Haͤute zerreißen (hierher ge-
hoͤrt der Haken der Wiedmaͤnnin, Loͤffler’s Waſſerſpren-
ger, ein auf den Zeigefinger zu ſteckender Buͤgel mit einem Haͤk-
chen, und Oſiander’s verbeſſerter Stein’ſcher (wo der Ha-
ken an einem Ringe befeſtigt iſt), ſo wie Oſiander’s ſelbſt
erfundener Waſſerſprenger). — Sie haben den Nachtheil, daß
zu ſehr dabei an den Eihaͤuten geriſſen wird, welches Tren-
nungen der Placenta veranlaſſen kann; auch ſind Verletzun-
gen der Geburtstheile dabei nicht unmoͤglich, nur bei Oſian-
der’s
Inſtrument iſt dieſem durch Verdecken der Hakenſpitze
etwas vorgebeugt.


§. 1163.

Eine zweite Art der Waſſerſprenger ſind die ſpitzigen
und ſchneidenden; dahin gehoͤren Fried’s und Roͤderer’s
Inſtrumente (in einer Scheide verborgene Nadeln) der Stein-
ſche mit einer Spitze verſehene elaſtiſche Fingerreif, Aitken’s
Fingerſkalpell und Boër’s Scheere. Alle dieſe ſpitzigen In-
ſtrumente ſind aber wegen leicht moͤglicher Verletzungen hinter
den Eihaͤuten liegender Kindestheile nicht ſehr zu empfehlen.
Wollte man indeß ein Werkzeug welches ohne die Nachtheile
der Hakenfoͤrmigen und ſpitzigen Waſſerſprenger die Eihaͤute
leicht oͤffnete, ſo wuͤrde ſich dieſes in einer gewoͤhnlichen et-
was gekruͤmmten Kornzange, welcher man an den Enden ih-
rer Blaͤtter zwei einwaͤrts gebogene horizontal geſtellte ganz
kleine Scheerenblaͤtter gaͤbe, wohl am beſten darſtellen laſſen.
Ich habe mir ein Inſtrument dieſer Art (T. III. F. III.) fer-
tigen laſſen, und gefunden, daß, wo man ſich zu dieſer Ope-
ration eines Werkzeugs bedienen will, oder (in ſeltnen Faͤl-
len) bedienen muß, man davon auf das Zweckmaͤßigſte Ge-
brauch machen kann.


[307]
§. 1164.

Endlich bleibt uns noch die Art des Waſſerſprengens
bei uneroͤffnetem Muttermunde zu betrachten uͤbrig. Man hat
ſich derſelben aber vorzuͤglich in England, *) und zwar ſeit
mehrern Jahrzehnten bedient, um vor voͤlligem Ablauf der
Schwangerſchaftszeit die Geburt in ſolchen Faͤllen zu veran-
laßen, wo wegen betraͤchtlicher Engigkeit des Beckens voraus-
zuſehen, oder auch wohl bereits durch Erfahrung bewieſen iſt,
daß ein ausgetragenes Kind lebend auf keine Weiſe durch
das Becken geleitet werden koͤnne. Eben ſo hat man von
jeher dieſes fruͤhe Sprengen der Eihaͤute ohne vorherige Er-
weiterung des Muttermundes auch unternommen, wenn hef-
tige Blutungen an der Erhaltung der Frucht verzweifeln lie-
ßen, und man durch die Entleerung des Fruchtwaſſers dem
Uterus Raum zu groͤßerer Contraktion geben wollte, oder be-
ſonders gefahrdrohende Zufaͤlle, Convulſionen, Ohnmachten u.
ſ. w. das fruͤhere Beendigen der Schwangerſchaft noͤthig mach-
ten. In wiefern in der erſtern Abſicht dieſes Mittel anzu-
wenden ſey oder nicht, hat bereits verſchiedene Streitigkeiten **)
verurſacht, und wir werden darauf bei Betrachtung der fuͤr
die Engigkeit des Beckens noͤthig werdenden geburtshuͤlflichen
Behandlung zuruͤckkommen.


§. 1165.

Was die Art betrifft die Operation auszufuͤhren, ſo iſt
ſie noch etwas ausfuͤhrlicher zu beſchreiben, da ein moͤglicher
Mißbrauch
eines Mittels noch nicht Anlaß geben kann,
das Mittel uͤberhaupt, wenn es ſonſt in geeigneten Faͤllen
[308] wirklich huͤlfreich werden koͤnnte, voͤllig zu verwerfen, ja bei
Blutungen und aͤhnlichen fuͤr die Schwangere ſehr gefahrdro-
henden Faͤllen, dieſes Verfahren ganz unentbehrlich wird. —
Iſt nun aber der Muttermund noch ſehr geſchloſſen und ſelbſt
noch eine ſtarke Portion Mutterhals vorhanden, ſo wird es
nothwendig, die Schwangere Behufs der Operation auf ein
Querlager, wie wir oben beſchrieben haben, zu bringen. Man
waͤhlt ſodann eine maͤßig ſtarke geknoͤpfte Sonde, oder einen
ſilbernen weiblichen Katheter, fuͤhrt denſelben indem man ihn
in die rechte Hand faßt, eingeoͤhlt, auf Zeige- und Mittelfin-
ger der linken in die Mutterſcheide gebrachten Hand ein, lei-
tet die Spitze deſſelben durch die Finger der linken Hand in
den Muttermund, und ſtoͤßt das Inſtrument ſodann vorſichtig
durch denſelben hindurch, bis es die Eihaͤute trennt, und der
Abfluß des Fruchtwaſſer wahrgenommen wird. Selten wird
es noͤthig ſeyn, eines Troikaraͤhnlichen Inſtruments zu dieſem
Behufe ſich zu bedienen. — Iſt uͤbrigens das Fruchtwaſſer
abgefloſſen, ſo geſchieht, wo man bloß der Engigkeit des
Beckens, oder anderer nicht augenblickliche Gefahr drohender
Umſtaͤnde wegen die Fruͤhgeburt kuͤnſtlich zu veranlaſſen ge-
noͤthigt iſt, weiter durchaus nichts. Zwanzig, dreißig, ja zu-
weilen erſt vierzig Stunden nach abgefloſſenem Fruchtwaſſer,
pflegen ſich Zuſammenziehungen einzufinden, und nun die Ge-
burt auf gewoͤhnliche, der Natur moͤglichſt ganz allein zu uͤber-
laſſende Weiſe, zu erfolgen, wobei man bemerkt haben will,
daß vorzuͤglich durch ſehr reichliche Schleimabſonderung in den
Geburtstheilen der Mangel des Fruchtwaſſers erſetzt werde.


3. Von der Wendung.

§. 1166.

Es iſt dieß eine der wichtigſten und ſchwierigſten Ge-
burtshuͤlflichen Operationen, welche wir folgendergeſtalt genauer
zu definiren haben, naͤmlich: als ein Verfahren, das
Kind, welches in einer abnormen, der Geburt
hinderlich werdenden Lage ſich befindet, in eine
[309] normale Lage zuruͤckzufuͤhren, oder auch eine ge-
gebene normale Lage, in eine andere Gattung
dieſer Art, welche eine ſchnellere Beendigung
der Geburt verſpricht, und uͤberhaupt dem vor-
liegenden Falle angemeſſener iſt, umzuwandeln
.
Man erkennt hieraus daß die kuͤnſtliche Herausbefoͤrde-
rung
des Kindes keinesweges mit im Begriffe der Wendung
enthalten iſt, und es iſt wichtig hierauf aufmerkſam zu machen,
(wie dieß vorzuͤglich von H. Joͤrg geſchehen iſt) da die Idee
daß nach einer jeden Wendung nun auch nothwendig das
kuͤnſtliche Hervorziehen des Kindes erfolgen muͤße, zu vielerlei
Nachtheilen Veranlaßung geben koͤnnte und gegeben hat.


§. 1167.

So wie nun aber das Kind bei der normalen Geburt
entweder mit dem Kopfe oder mit den Fuͤßen voraus ins
Becken eintritt, ſo kann auch bei dieſer Operation der Ein-
tritt des Kindes auf die eine oder auf die andere Weiſe be-
werkſtelligt werden. In wiefern wir nun gefunden haben,
daß die Kopfgeburten mit der wenigſten Gefahr fuͤr das Kind
verknuͤpft ſind, ſo wuͤrde man allerdings wuͤnſchen muͤßen, in
der Regel bei abnormen Lagen den Kopf auf das Becken zu
leiten, und dieſe Wendung auf den Kopf iſt auch in der
That wohl die aͤlteſte Art dieſer Operation (indem ſchon Hip-
pokrates
ihrer erwaͤhnt); uͤberdieß ſieht man ſolche Aende-
rungen abnormer Lagen in Kopfgeburten, zuweilen durch Na-
turthaͤtigkeit allein bewerkſtelligt, und hat auch neuerlich die
kuͤnſtliche Wendung auf den Kopf mehreremale mit Gluͤck vor-
genommen. Demungeachtet bleibt dieſe Operation immer nur
auf wenige Faͤlle eingeſchraͤnkt, indem der Kopf ſich zu ſchwer
faſſen laͤßt, nur mit Schwierigkeit und nicht leicht ohne Ge-
fahr einer Verrenkung der Halswirbel, in das Becken herein-
gefuͤhrt werden kann, und das ganze Verfahren ſomit, bei
vollkommenen Querlagen und bei vor laͤngerer Zeit abgefloßenem
Fruchtwaſſer gar keine Anwendung finden wird.


[310]
§. 1168.

Was hingegen die Wendung auf die Fuͤße betrifft,
ſo wird dieſe durch keine auch noch ſo abweichende Lage des
Kindes unmoͤglich, das Herabfuͤhren der Fuͤße ſelbſt, iſt bei
geſchickter Ausfuͤhrung fuͤr das Kind mit keiner Gefahr ver-
bunden, und aus dieſen Gruͤnden wird dieſe Art ſeit Celsus
am allerhaͤufigſten, ja von Vielen (welches jedoch nicht zu bil-
ligen) ganz ausſchließend ausgeuͤbt. Man hat uͤbrigens hier-
bei noch zu unterſcheiden, ob beide Fuͤße zugleich in das Bek-
ken herabgefuͤhrt werden, oder ob nur einer herabgeleitet, der
andere aber am Leibe heraufgeſchlagen gelaſſen wird, endlich ob
man die untere Extremitaͤt des Rumpfs vom Kinde mit herauf-
geſchlagenen beiden Fuͤßen in das Becken herableitet. Bei der
Wendung uͤberhaupt aber iſt zu unterſcheiden, ob dieſelbe durch
die in den Uterus eingebrachte Hand, (und zwar durch dieſe
allein, oder durch Beihuͤlfe von Wendungsſtaͤbchen und Schlin-
gen) oder ob ſie durch aͤußere Manipulation, gewiße angeord-
nete Lagen der Kreiſenden u. ſ. w. bewerkſtelligt werde. —
Wir ſprechen zuerſt von der am haͤufigſten vorkommenden


a.Wendung auf die Fuͤße.

§. 1169.

Die naͤhere Beſtimmung der Faͤlle, wo das Unterneh-
men der Wendung auf die Fuͤße angezeigt iſt, bleibt der ſpe-
ciellen geburtshuͤlflichen Pathologie und Therapie uͤberlaßen;
hier ſind nur einige der allgemeinguͤltigſten Anzeigen und Ge-
genanzeigen zu erwaͤhnen. Zu den Anzeigen fuͤr die Wendung
auf die Fuͤße gehoͤrt aber 1) jede von den oben betrach-
teten ſechs natuͤrlichen Geburtslagen des Kindes
bedeutend abweichende Lage
, in ſofern naͤmlich das
Kind vollkommen oder wenigſtens viel uͤber die Haͤlfte ausge-
tragen iſt (indem Embryonen in jeder Lage durch das Becken
getrieben werden), und nicht etwa leichter und vortheilhafter
[311] die Wendung auf den Kopf Statt findet. 2) Iſt die Wen-
dung auf die Fuͤße angezeigt bei regelmaͤßigen, jedoch noch
nicht zu ſehr auf dem Becken fixirten Lagen (Kopflagen und
Steislagen), ſobald Umſtaͤnde eintreten, welche ein moͤglichſt
ſchnelles Beendigen der Geburt (z. B. bei Blutungen, Zuckun-
gen, nicht zuruͤckzubringendem Vorfalle des noch pulſirenden
Nabelſtranges u. ſ. w.) gebieten, indem man ſodann der Wen-
dung ſogleich die Extraktion an den Fuͤßen anreiht.


§. 1170.

Es giebt jedoch auch mehrere Umſtaͤnde welche das Un-
ternehmen dieſer Wendung verbieten, auch wenn man z. B.
durch regelwidrige Kindeslage ſonſt ſich dazu veranlaßt finden
koͤnnte, dahin gehoͤren: 1) ein ſo ſehr verengertes Becken, wel-
ches das Durchfuͤhren des Kindes auf keinerlei Weiſe, ſelbſt
nicht nach vorgenommener Verkleinerung (Enthirnung) geſtattet;
indem hier die Entbindung durchaus nur mittelſt Eroͤffnung
eines neuen Gehurtsweges moͤglich wird. 2) Eine Verenge-
rung des Beckens, welche das Durchfuͤhren des Kindes nur
nach vorgenommener Enthirnung, oder doch auf eine ſolche
Weiſe, daß das Leben des Kindes dabei nicht erhalten wer-
den koͤnnte, geſtatten wuͤrde, wird ebenfalls die Wendung auf
die Fuͤße, in allen Faͤllen, wo man von dem noch Statt fin-
denden Leben des Kindes auf das Gewißeſte uͤberzeugt iſt,
widerrathen muͤſſen. Auch hier naͤmlich iſt zur Rettung des
Kindes die Eroͤffnung eines neuen Geburtsweges der einzige
ſichere Weg. Demungeachtet bleibt hier die Entſcheidung der
Beruͤckſichtigung der uͤbrigen Umſtaͤnde uͤberlaſſen, indem leicht
der Erhaltung des Kindes das Leben der Mutter aufgeopfert
werden koͤnnte, und auch nicht immer eine zuverlaͤßige Beſtim-
mung daruͤber zu erlangen iſt, ob nicht bei einem vielleicht
nicht allzugroßen Kopfe und betraͤchtlicher Weichheit der Kno-
chenverbindungen deſſelben die Entwickelung des Kopfs, etwa
durch Anwendung der Zange, bei Erhaltung des Lebens vom
Kinde, gelingen moͤchte.


[312]
§. 1171.

3) Wird die Wendung auf die Fuͤße verhindert, ja fuͤr
den Augenblick voͤllig contraindicirt, durch zu lang abgefloße-
nes Fruchtwaſſer, und zu heftige Contraktion des Uterus um
das in einer falſchen oder regelmaͤßigen Lage befindliche Kind.
Es muͤſſen naͤmlich unter dieſen Umſtaͤnden, der Wendung die
Anwendung mehrerer antiphlogiſtiſcher, erweichender, krampf-
widriger Mittel vorausgehen, indem ohne ſolche Vorbereitung
die gewaltſame Wendung hier leicht Zerreißung des Uterus,
oder Entzuͤndung deſſelben, ja endlich Verletzung der Kindes-
theile veranlaßen kann; uͤberhaupt aber zuweilen, wegen des
Widerſtandes welchen der Uterus der eingebrachten Hand ent-
gegenſetzt, dieſe Operation auch fuͤr die Ausfuͤhrung ſelbſt auf
das aͤußerſte erſchwert, ja im aͤußerſten Falle ganz unmoͤglich
gemacht werden muͤßte. Eine 4) Gegenanzeige fuͤr die Wen-
dung giebt der im Becken bereits zu tief herabgetretene Kopf
oder Steis, indem das gewaltſame Zuruͤckbringen dieſer Theile
ſehr nachtheilig auf den Uterus wirken muͤßte, und leicht ſo-
gar das Zerreißen deſſelben herbeifuͤhren koͤnnte. Endlich 5)
wird die Wendung oft uͤberfluͤßig bei einem noch unzeitigen
Kinde, welches in jeder Lage durch das Becken geht.


§. 1172.

Prognoſe. Die Wendung auf die Fuͤße, ſobald ſie
mit hinlaͤnglicher, nur durch vielfache Uebung zu erhaltenden
Geſchicklichkeit ausgefuͤhrt wird, pflegt in der Regel fuͤr die
Mutter weder allzuſchmerzhaft noch ſehr gefahrvoll zu ſeyn.
Was das Kind betrifft, ſo iſt auch fuͤr dieſes die Wendung
an und fuͤr ſich, wenn ſie gehoͤrig ausgefuͤhrt wird, nicht ge-
fahrvoll zu nennen, (roh ausgefuͤhrte Wendungen koͤnnen al-
lerdings zu Knochenbruͤchen, Verrenkungen u. ſ. w. am Kinde,
ſo wie zu Verletzung des Uterus fuͤhren), demungeachtet wird
die Prognoſe in dieſer Hinſicht theils dadurch, daß die Geburt
uͤberhaupt als Fußgeburt endigt (welche fuͤr das Leben des
Kindes, wie ſchon oben §. 845. bemerkt wurde, immer ge-
faͤhrlicher iſt), theils auch deßhalb weil doch nicht allzuſelten
[313] auf die Wendung die Extraktion an den Fuͤßen folgen muß,
immer bedenklich.


§. 1173.

Uebrigens richtet ſich die naͤhere Beſtimmung der Prog-
noſe auch nach den ſonſtigen Umſtaͤnden. Sie wird daher
um ſo guͤnſtiger geſtellt werden koͤnnen: 1) je geraͤumiger das
Becken iſt; 2) je regelmaͤßiger die Wehen ſind, ſo daß ſie
nicht durch krampfhafte Zuſammenziehungen die Operation
hindern, demungeachtet aber die Geburt, ſobald das Kind in
die Fußlage gebracht iſt, kraͤftig foͤrdern. 3) Iſt die Prog-
noſe guͤnſtiger bei Perſonen welche ſchon mehrmal geboren ha-
ben; ferner 4) wo man den rechten Zeitpunkt zur Operation
auswaͤhlen kann, 5) wo die Fuͤße nicht allzuweit vom Mut-
termunde entfernt ſind, und endlich 6) der Fall nicht durch
Krankheit der Mutter, Entzuͤndung des Uterus, Blutung u.
ſ. w. durch Vorfall des Nabelſtranges, betraͤchtliche Groͤße
des Kindes u. ſ. w. erſchwert wird. Das Gegentheil von
alle dieſem, beſonders ein enges Becken, lang abgefloßenes
Fruchtwaſſer u. ſ. w. verſchlimmert die Prognoſe der Opera-
tion bedeutend.


§. 1174.

Wir kommen zur naͤhern Beſtimmung des rechten
Zeitpunktes der Operation
; es iſt dieſes das Ende
der zweiten Geburtsperiode wo der Muttermund ſeine voͤllige
Erweiterung erlangt hat, das Fruchtwaſſer aber noch nicht
abgefloſſen iſt. Muß die Wendung irgend vorhandener, auf
ſchleunige Entbindung dringender Umſtaͤnde wegen, zeitiger
unternommen werden, ſo muß derſelben die kuͤnſtliche Erwei-
terung des Muttermundes auf oben beſchriebene Weiſe vor-
ausgehen; iſt hingegen der genannte Zeitpunkt voruͤber,
ſo iſt dann zu beruͤckſichtigen, ob das Waſſer erſt vor kurzem
oder ob es ſchon laͤngere Zeit (bereits vor mehrern Stunden)
abgefloſſen ſey, wo denn im erſtern Falle die Operation nicht
[314] betraͤchtlich erſchwert, im letztern Falle hingegen mitunter auſ-
ſerordentlich gehindert wird.


§. 1175.

Vorbereitungen zur Operation. Dahin gehoͤrt
zuvoͤrderſt die Anordnung des Lagers fuͤr die Kreiſende, wel-
ches vollkommen das ſchon bei Gelegenheit der kuͤnſtlichen Er-
weiterung des Muttermundes beſchriebene Querbett ſeyn muß,
wenn man es nicht durch einen gut eingerichteten Geburts-
ſtuhl oder ein kuͤnſtliches Geburtsbett erſetzen will. — Ferner
gehoͤrt zu den nothwendigen Vorbereitungen: 1) die genaueſte
Unterſuchung des geſammten Zuſtandes der Kreiſenden, insbe-
ſondere aber des Beckenbaues und der Lage des Kindes. Was
die letztere betrifft, ſo iſt es bei Querlagen haͤufig der Fall,
daß durch die gewoͤhnliche, mit einem Finger vorgenommene
Unterſuchung, die Kindestheile uͤberhaupt gar nicht zu errei-
chen ſind, folglich auch die Kindeslage nicht beſtimmt werden
kann; in einem ſolchen Falle muß man ſich durch die aͤußere
Unterſuchung, durch Beruͤckſichtigung des Ortes wo man die
Kindesbewegungen oder den Kindeskopf am deutlichſten fuͤhlt
u. ſ. w. Aufklaͤrung zu verſchaffen ſuchen, und endlich die
Unterſuchung mit der ganzen Hand vornehmen, jedoch ſo daß
man dann die zu dieſem Behuf eingebrachte Hand nicht wie-
der zuruͤckzieht, ſondern ſogleich dieſelbe zur Vollendung des
Wendungsgeſchaͤfts benutzt.


§. 1176.

2) Wird es noͤthig der Gebaͤrenden die Nothwendigkeit
und den Zweck der Operation vorſichtig, ſo wie in mindeſt
abſchreckenden Ausdruͤcken mitzutheilen, zugleich aber Behut-
ſamkeit in Feſtſtellung der Prognoſe zu beobachten. 3) Wie
ſelbſt vor einer natuͤrlichen Geburt, muß noch weit ſorgfaͤlti-
ger vor der Wendung auf hinlaͤngliche Entleerung von Maſt-
darm und Harnblaſe Ruͤckſicht genommen werden. 4) Muß
der geſammte, bei natuͤrlichen und kuͤnſtlichen Geburten uͤber-
haupt noͤthige Apparat, vorzuͤglich die Belebungsmittel fuͤr
[315] ein ſcheintodtes Kind, erwaͤrmte Tuͤcher zum Einhuͤllen der
zuerſt hervortretenden Kindestheile, vorraͤthig und in Ordnung
gehalten werden. Von Inſtrumenten muß beſonders die Ge-
burtszange und (fuͤr ungewoͤhnliche Faͤlle) Smellie’s ſtump-
fer Haken, zur Hand ſeyn, ſo wie man zugleich ein Paar
gewirkte Schlingen zum Anſchlingen eines Fußes oder einer
Hand in Bereitſchaft zu halten hat. (Andere ſonſt wohl zur
Wendung empfohlene Inſtrumente, Kruͤcken zum Zuruͤckſchieben
vorgefallener Theile, Fußhaken, Fußzangen, Wendungsſtaͤbchen
u. ſ. w. ſind vollkommen uͤberfluͤßig.)


§. 1177.

Endlich 5) iſt noch der beſondern Vorbereitungen zu ge-
denken, welche ein ſolcher Wendungsfall erfordert wo bereits
das Fruchtwaſſer laͤngere Zeit abgegangen iſt, und der zu
feſt um das Kind zuſammengezogene Uterus fuͤr den erſten
Augenblick das Unternehmen der Wendung hindert. — Vor-
zuͤglich hat man hierbei zu unterſcheiden, ob es ein blos
krampfhafter oder ob es ein entzuͤndlicher Zuſtand ſei, in wel-
chem der Uterus ſich befindet? — Im erſtern Falle ſind vor-
zuͤglich warme antiſpasmodiſche Fomentationen aus Flanelltuͤ-
chern in den Aufguß der Hb. Hyoscyami, der Flor. Cha-
momill.
der Rad. Valerian. getaucht, und uͤber Unterleib
und Geburtstheile gelegt, zu empfehlen; innerlich giebt man
die Aufguͤße der Rad. Valerian. und Flor. Chamomill. zum Ge-
traͤnke, reicht kleine Doſen vom Liq. C. C., der Essent. Va-
lerianae,
und dem Laud. liq. S. — Auch Injektionen wer-
den ferner, vorzuͤglich bei großer Trockenheit der Geburtstheile,
mit Nutzen angewendet; man bereitet ſie aus warmer Milch,
Leinſamen- oder Hafergruͤtzabkochung mit Oehl vermiſcht,
Aufguͤßen der Kamillenblumen oder des Bilſenkrautes (bei
welchen letztern, ſo wie dann wenn man den Injektionen
Laudanum beimiſcht, jedoch ſehr darauf zu ſehen iſt, daß,
ſo lange das Kind noch lebt, keine Fluͤßigkeit zum Munde
deſſelben dringen koͤnne). Endlich wuͤrde ſelbſt das laue Bad
in beſonders ſchweren Faͤllen ſicher Erleichterung gewaͤhren. —
[316] Iſt nun aber aus der bedeutenden Empfindlichkeit des Leibes
und der Geburtstheile, aus der ſehr erhoͤhten Temperatur und
vermehrten Anſchwellung der letztern und aus der Beſchaffen-
heit des Pulſes, ein bereits angeregter Entzuͤndungszuſtand
abzunehmen, ſo muß eine hinlaͤngliche Blutentziehung als das
zweckmaͤßigſte Vorbereitungsmittel zur Wendung betrachtet
werden, obwohl nach dieſer auch noch die erwaͤhnten krampf-
widrigen Mittel mit Nutzen angewendet werden koͤnnen.


§. 1178.

Bevor man nun zur Operation ſelbſt ſchreitet, iſt noch
zu beſtimmen ob man, in einem gegebenen Falle, dieſelbe mit
der rechten oder linken Hand verrichten wolle. Es wird naͤm-
lich ein geuͤbter Geburtshelfer zwar allerdings im Stande
ſeyn, die Fuͤße, ſie moͤgen in einer oder der andern Seite der Ge-
baͤrmutter liegen, mit jeder Hand aufzufinden und herabzu-
fuͤhren, allein nichts deſtoweniger wird durch eine ſchickliche
Wahl der Hand die Operation in allen Faͤllen ſehr erleichtert.
Man kann hieruͤber als Regel bemerken, daß (vorzuͤglich in
den Faͤllen wo die Fuͤße in der Gegend des Gebaͤrmuttergrun-
des liegen, oder wo man mit der Hand, bei noch ſtehendem
Waſſer, eine Strecke zwiſchen Uterus und Eihaͤuten vordrin-
gen will, bevor man die letztern ſprengt) diejenige Hand ſtets
die ſchicklichſte ſey, welche der Seite, wo die Fuͤße liegen,
am naͤchſten iſt; daß man alſo fuͤr die in der rechten Seite
liegenden Fuͤße die linke, fuͤr die in der linken Seite liegen-
den Fuͤße die rechte Hand waͤhle. Iſt hingegen das Waſſer
abgefloſſen, und liegen die Fuͤße nicht ſehr entfernt vom Mut-
termunde, ſo wird man es zuweilen bequemer finden, die der
Seite gleichnamige Hand zur Operation zu waͤhlen.


§. 1179.

Sind nun alle dieſe Vorbereitungen getroffen, iſt die zu
Entbindende auf das zweckmaͤßig angeordnete Lager gebracht
und hinlaͤnglich von den Gehuͤlfen unterſtuͤtzt, ſo begiebt der
Operirende ſich, nachdem er das Oberkleid abgelegt hat, vor
[317] dieſelbe, laͤßt ſich entweder auf ein untergelegtes Sophakiſſen
mit einem Knie nieder, oder nimmt auf einem niedrigen Seſ-
ſel Platz, bedeckt ſich die Schenkel mit einem hinlaͤnglich großen
Tuche, oder einer Schuͤrze, und entbloͤßt dann vorſichtig, ohne
es der Gebaͤrenden zu ſehr merkbar zu machen, den zur Wen-
dung beſtimmten Arm bis uͤber den Ellbogen. Er entfernt Ringe
u. dergl. ſorgfaͤltig, legt ſodann die Hand langgeſtreckt und
coniſch zuſammen, beſtreicht ſie und den Vorderarm mit Oehl
oder Fett, und geht ſodann, indem er die Kreiſende zur
vollkommenſten Ruhe ermahnet und namentlich alles Preſſen
unterſagt, im geraden Durchmeſſer der untern Beckenoͤffnung,
der Fuͤhrungslinie gemaͤß, und in gelind drehender Bewegung
ein, wobei er das Dehnen der Schamlippen oder Scham-
haare (ſelten werden die letztern durch zu betraͤchtliche Laͤnge
noͤthigen, ſie etwas abzuſchneiden) behutſam vermeidet.


§. 1180.

Um nun die Wendung ſelbſt zu vollziehen, muß man ſich zu-
voͤrderſt den Weg zu den Fuͤßen des Kindes zu bahnen ſuchen.
Es geſchieht dieß indem man mit der coniſch gelegten, in der
Beckenhoͤhle quergeſtellten, mit der Ruͤckenflaͤche nach hinten
gekehrten Hand nun behutſam in den Muttermund eindringt,
und, dafern das Fruchtwaſſer noch nicht abgefloſſen iſt, zuerſt
an einer ſchicklichen Stelle die Eihaͤute ſprengt. Dieſe Stelle
richtet ſich theils nach der Lage der Fuͤße, theils nach der
Menge des Fruchtwaſſers. Iſt naͤmlich eine ſehr betraͤchtliche
Quantitaͤt Fruchtwaſſer vorhanden, ſo wuͤrde es den Uterus
allzuheftig reitzen, wenn man zwiſchen innerer Uterinflaͤche und
den Eihaͤuten weit in die Gebaͤrmutterhoͤhle vordringen wollte;
man ſprengt deßhalb hier, auf fruͤher beſchriebene Weiſe, die
Haͤute im Muttermunde und dringt ſodann gleich mit der
Hand in die gemachte Oeffnung, um das voͤllige Abfließen
des Fruchtwaſſers zu hindern. Giebt hingegen die ſchlaffere
Blaſe und der nachgiebigere Uterus Raum genug zur Einfuͤh-
rung der Hand außer den Eihaͤuten, ſo gleitet man an der
aͤußern Flaͤche der letztern vorſichtig gegen die Seite hinauf,
[318] in welcher die Fuͤße liegen, (nur muß nicht etwa die Pla-
centa in dieſer Gegend angeheftet ſeyn, als deren Sitz die
Hand immer ſorgfaͤltig zu vermeiden hat) um erſt in dieſer
Gegend die Haͤute zu ſprengen, und ſo bei noch ſtehendem
Waſſer die Wendung zu bewerkſtelligen.


§. 1181.

Die Art und Weiſe ferner betreffend, wie die Hand ſo
hoch in den Uterus hinauf- und zu den Fuͤßen des Kindes
ſicher hinzufuͤhren iſt, laͤßt ſich nur im Allgemeinen darſtellen,
und faſt jeder vorkommende Fall fordert daher ein eigenthuͤmli-
ches, nach den Umſtaͤnden, den allgemeinen Regeln gemaͤß,
modificirtes Verfahren. Vorzuͤglich jedoch iſt auf Folgendes
zu achten: — 1) bei dem Herauffuͤhren der Hand uͤber das
kleine Becken, waͤhle man ſtets eine der Darm- und Kreuz-
beinverbindungen, indem in den Ausbeugungen zu beiden Sei-
ten des Vorbergs gewoͤhnlich am meiſten Raum iſt. 2) Man
huͤte ſich, indem man die Hand in dieſer Gegend herauffuͤhrt,
nicht etwa zu ſtark gegen die Ruͤckwand des Beckens zu druͤ-
cken, um nicht durch Compreſſion der Vena und Arteria
iliaca
(das Pulſiren der letztern fuͤhlt man gewoͤhnlich hier
ſehr deutlich) Erſtickungszufaͤlle oder andere Beſchwerden zu
veranlaſſen. 3) Sobald waͤhrend der Operation eine Wehe
eintritt, halte man ſogleich ein, und laſſe die Hand ruhig
liegen, bis die Wehe voruͤber iſt.


§. 1182.

Um innerhalb des Eies gut zu den Fuͤßen zu gelangen,
bemerke man ferner: 4) ſobald der eindringenden Hand ein
groͤßerer Kindestheil (Rumpf oder Kopf) ſich entgegenſtellt,
ſo ſuche man denſelben behutſam etwas bei Seite zu ſchie-
ben, worin vorzuͤglich der Daumen uns gute Unterſtuͤtzung
gewaͤhren kann; auch iſt es zweckmaͤßig, wenn der Kopf auf
dem Eingange des kleinen Beckens aufliegt, der Kreiſenden
eine ſtaͤrker ruͤckwaͤrts geneigte Lage zu geben. 5) Um die
Fuͤße aufzufinden iſt es vorzuͤglich zu empfehlen, die Hand
[319] mehr unterhalb des Kindes, und zuerſt gegen die Bauch-
flaͤche deſſelben zu fuͤhren, hier liegen naͤmlich entweder die
Fuͤße ſelbſt, oder es iſt leicht, indem man die Hand von der
Bauchflaͤche nach den Oberſchenkeln, und von da, uͤber die
Knie, nach den Unterſchenkeln fuͤhrt, die Fuͤße zu finden.
Liegt der Kopf vor, ſo muß man ſtets mit der Hand uͤber
das Geſicht des Kindes heraufgehen, um zu den Fuͤßen zu
gelangen, und danach vorzuͤglich die Wahl der Hand einrich-
ten. 6) Sollten die Fuͤße des Kindes ſehr hoch im Gebaͤr-
muttergrunde liegen, ſo iſt es rathſam, zuerſt den Schenkel
im Kniegelenke zu faſſen und etwas herabzufuͤhren, um ſo das
Faſſen des Fußes, der Gebaͤrenden und ſich zu erleichtern.
7) Liegen ſie dagegen bei einem Haͤngebauche ſehr weit uͤber
dem Schambogen, ſo wird das Faſſen derſelben erleichtert,
theils indem ein Gehuͤlfe den Leib etwas hebt, theils indem
man die Gebaͤrende ſelbſt ſich etwas zur Seite neigen laͤßt.
8) Wo Zwillinge vorhanden ſind, zumal wenn ſie ſich in ei-
ner Hoͤhle der Eihaͤute befinden, faße man, auch wo man
Behufs einer nothwendig gewordenen, auf die Wendung fol-
gen ſollenden [Extraktion], beide Fuͤße herabfuͤhren will, zuerſt
ſtets nur einen Fuß, und huͤte ſich daß die Fuͤße beider Kin-
der ſich nicht kreuzen, welches leicht zu Beſchaͤdigungen Ver-
anlaßung geben kanu. 9) Ueberhaupt vermeide man ſorgfaͤl-
tig, waͤhrend man die Hand nach den Fuͤßen des Kindes
hin bewegt, den Druck auf die Nabelſchnur, ſo wie Dehnung
derſelben, und alle heftigere Reitzung der Theile des Kindes
oder des Uterus im Allgemeinen.


§. 1183.

10) Findet die Hand des Geburtshelfers ferner bereits
Theile des Kindes vorgefallen, z. B. Hand oder Nabelſchnur,
ſo wuͤrde es ein ganz vergebliches und nachtheiliges Bemuͤ-
hen ſeyn, dieſelben zuvoͤrderſt zuruͤckbringen zu wollen, ſondern
man geht neben denſelben, indem man ſie ſo viel als moͤg-
lich ſchont, in die Geburtstheile ein, und beendigt die Ope-
ration eben ſo wie in Faͤllen wo aͤhnliche Theile nicht vor-
[320] liegen, wobei die Arme ſich leicht von ſelbſt zuruͤckziehen, die
Nabelſchnur aber, welche hierbei gewoͤhnlich eher noch weiter
vorfaͤllt, gewoͤhnlich die Indication zur Extraktion mittelſt der
Hand des Geburtshelfers giebt. Man hat uͤbrigens oͤfters
den Rath gegeben, eine vorliegende, oder beim Fortruͤcken
der Hand des Geburtshelfers im Uterus angetroffene Kindes-
hand, durch eine Wendungsſchlinge zu befeſtigen, um nach
gemachter Wendung den Arm ſogleich an den Rumpf des
Kindes herabziehen zu koͤnnen, und in Faͤllen wo man die
Extraktion des Kindes auf die Wendung folgen laſſen muß,
iſt dieſes auch keinesweges unzweckmaͤßig; jedoch habe ich immer
gefunden, daß ein einmal vorgefallener Arm, auch nach ge-
machter Wendung, bei dem Eintritte des Rumpfs gewoͤhnlich
von ſelbſt leicht herabkommt; auch iſt mit dem Anlegen einer
Schlinge an eine nur innerhalb des Uterus aufgefundene Hand
oft ſo viel Zeitverluſt verbunden, daß derſelbe durch den
Vortheil der herabgefuͤhrten Hand nicht aufgewogen wird.


§. 1184.

Wir haben ferner zu erwaͤgen, ob es vortheilhafter ſey,
bei der [Wendung] beide Fuͤße, oder nur einen, und welchen
Fuß anzuziehen? — Da man aber bei der Wendung nur
die Abſicht hat, dem Kinde eine dem Geburtsverlaufe guͤn-
ſtige Fußlage zu geben, ſo muß man ſich zur Beantwortung
dieſer Frage erinnern, welche Lage wir fuͤr den natuͤrlichen
Geburtsverlauf im phyſiologiſchen Abſchnitt fuͤr die guͤnſtigſte
erkennen mußten. Es war dieſes aber (§. 845.) die halbe
Fußgeburt, wo ein Schenkel an der nach der Ruͤckenflaͤche
der Mutter gewandten Bauchflaͤche des Kindes heraufgeſchla-
gen blieb, und dieſe wird man ſonach auch durch die Wen-
dung vorzuͤglich herzuſtellen ſuchen muͤſſen.


§. 1185.

Es iſt daher als Regel aufzuſtellen, in allen Faͤllen wo
nicht die Wendung vorzuͤglich der nachfolgenden Extraktion
wegen gemacht wird, nur einen Fuß zu faſſen und in den
[321] Muttermund herabzufuͤhren, wobei der Fuß ſelbſt in der Ge-
gend der Knoͤchel mit Zeige- und Mittelfinger gefaßt und
behutſam, daß man ihn nicht gegen das Gelenk biege, herab-
gefuͤhrt werden muß. Um das Kreuzen der Fuͤße zu verhuͤten,
iſt es aber zweckmaͤßig, ſters den unterſten Fuß, welcher auch
meiſtens am bequemſten zu erreichen iſt, zu faſſen; und zwar
ſo, daß, wenn er ſehr hoch liegt, er erſt durch Herabbewegen
des Kniees erreichbarer gemacht werde. — Hat man auf die
beſchriebene Weiſe nun den Fuß in den Muttermund gebracht,
ſo faßt man ihn etwas feſter, und durch einen ſtaͤrkern Zug,
welchen man oft vortheilhaft durch ein gelindes Preſſen der
Kreiſenden unterſtuͤtzen laͤßt, bewirkt man nun die eigentliche
Wendung des Rumpfs in die Axe der obern Beckenoͤffnung;
ein Zug welcher ſo lange fortgeſetzt werden muß, bis man
das Eintreten der Huͤftenbreite in den Eingang des kleinen
Beckens beſtimmt erkennt.


§. 1185.

Behufs der nachfolgenden Extraktion hingegen kann es
nothwendig werden, beide Fuͤße in das Becken herabzufuͤhren,
und zu dieſem Entzweck verfaͤhrt man entweder ſo, daß man,
wenn die Fuͤße dicht nebeneinander liegen, ſogleich beide, mit
Zeige- Mittel- und drittem Finger erfaßt, ſie gegen und in
den Muttermund herabzieht, dann den einen Fuß loslaͤßt, den
andern allein durch einen gelinden Zug in die Mutterſcheide
bringt, hierauf den zweiten Fuß nachholt, und nun mit An-
ziehung beider Fuͤße, theils das Kind vollends wendet, theils
die Huͤften in den Beckeneingang herabfuͤhrt. Oder auch, man
erfaßt, wie gewoͤhnlich, anfaͤnglich nur einen Fuß, fuͤhrt die-
ſen in die Mutterſcheide herab, und legt ſodann eine Wen-
dungsſchlinge um denſelben (indem man die angefeuchtete
Schlinge uͤber die Spitzen der coniſch gelegten Finger haͤngt,
ſie mit dieſen einfuͤhrt und von den Zehen aus ſo uͤber den
Fuß und um die Knoͤchel legt, daß man die Schlinge auf
dem Ruͤcken des Fußes zuzieht), geht hierauf abermal mit
der Hand gegen den Gebaͤrmuttergrund herauf, holt eben ſo
II. Theil. 21
[322] wie den erſten auch den zweiten Fuß herab, und leitet dann
beide Fuͤße, mit etwas ſtaͤrkerem Zuge, um die voͤllige Wen-
dung des Rumpfs zu bewirken, in das Becken, und bis vor
die aͤußern Geburtstheile herab. Bei einem jeden Anziehen der
Fuͤße endlich muß zugleich darauf geſehen werden, dem Kinde
eine Richtung mit den Zehen nach ruͤckwaͤrts zu geben, und
was die Behandlung der nun weiter erfolgenden Fußgeburt
betrifft, ſo muß theils auf die Huͤlfleiſtung bei der natuͤrli-
chen Geburt, theils auf die Lehre von der kuͤnſtlichen Extrak-
tion des Kindes an den Fuͤßen verwieſen werden.


Wendung auf den Kopf.

§. 1186.

Sie kann aus den bereits fruͤher erwaͤhnten Gruͤnden nur
in ſolchen Faͤllen Anwendung finden, wo das Becken, vorzuͤg-
lich das große Becken regelmaͤßig gebildet, das Fruchtwaſſer
noch nicht, oder hoͤchſtens vor ſehr kurzer Zeit abgegangen, und
der Kopf in der Naͤhe des kleinen Beckens befindlich iſt,
Schiefſtaͤnde des Kopfs, Ohr- Nacken- Hals- Schulter- und
Bruſtlagen eignen ſich daher vorzuͤglich fuͤr dieſe Operation,
welche, da ſie hauptſaͤchlich auf einem aͤußerlich anwendbaren
Verfahren beruht, ſelbſt dann wenn der Muttermund noch
nicht genugſam fuͤr die Wendung auf die Fuͤße eroͤffnet iſt,
beginnen kann, ſo daß, im Fall das Herableiten des Kopfs
nicht gelingt, nach voͤllig eroͤffnetem Muttermunde immer noch
fuͤr die Wendung auf die Fuͤße keine Zeit verloren iſt.


§. 1187.

In dem Verfahren zur Herableitung des Kopfs ſelbſt,
muͤſſen vier Momente unterſchieden werden: 1) die Anordnung
der Lage der Kreiſenden; da es naͤmlich die Abſicht iſt, den
Kopf auf der ein planum inclinatum darſtellenden Flaͤche ei-
nes oder des andern der beiden Darmbeine herabzuleiten, ſo
muß die Kreiſende eine ſolche Lage annehmen, wo der Gebaͤr-
[323] muttergrund gegen die Seite in welcher der Kopf liegt, ſich
hinuͤberſenken, und dadurch den Kopf ſelbſt mehr gegen den
Eingang des kleinen Beckens herabdraͤngen muß; liegt folg-
lich der Kopf nach rechts, ſo laͤßt man die Gebaͤrende auf die
rechte, liegt der Kopf nach links, ſo laͤßt man ſie auf die
linke Seite legen. 2) Man unterſtuͤtzt das Herableiten des
Kopfs durch einen aͤußerlich angebrachten Druck, und zwar
ſo, daß, indem eine flach angelegte Hand gegen den aͤußer-
lich fuͤhlbaren Kopf andraͤngt, um ihn gegen das kleine Bek-
ken herabzufuͤhren, die zweite Hand in entgegengeſetzter Rich-
tung angelegt wird, um die Huͤftengegend von dem Becken-
eingange zu entfernen. Um den Druck gegen den Kindeskopf
uͤbrigens laͤngere Zeit zu unterhalten, kann man ſich auch des
Anſtemmens oder des Unterlegens eines roßhaͤrenen Kiſſens
gegen die Stelle des Leibes wo der Kopf durchgefuͤhlt wird,
bedienen.


§. 1188.

Bis hierher iſt das Verfahren alſo blos ein aͤußerliches,
und kann bei noch nicht eroͤffnetem Muttermunde, und indem
die Gebaͤrende auf ihrem gewoͤhnlichen Lager ſich befindet, an-
gewendet werden, ja iſt hier um ſo zweckmaͤßiger, da hier bei
noch weniger auf das Becken gedruͤckten Kindestheilen, und
mehrerem Fruchtwaſſer dieſe Lagenaͤnderungen am beſten von
Statten zu gehen pflegen. Allein auch noch durch innere
Manipulation laͤßt ſich das Herabtreten des Kopfs befoͤrdern,
und man mache ſich es hierbei zur Regel, in Faͤllen, wo
dieſe durch eine in das Becken eingefuͤhrte Hand verrichteten
Manipulationen das Herableiten des Kopfs nicht bewirken koͤn-
nen, dann ſogleich die Wendung auf die Fuͤße zu unterneh-
men, und auch zu dieſem Behuf daher gleich anfaͤnglich alle
noͤthigen Vorbereitungen zu treffen.


§. 1189.

Iſt alſo der Muttermund ſo weit geoͤffnet, daß er das
Einfuͤhren der Hand geſtattet, ſo bringt man die Gebaͤrende
[324] auf das oben beſchriebene Wendungslager, geht mit der der
Seite in welcher der Kopf liegt gleichnamigen Hand ein, und
ſucht nun 3) die vorliegenden Kindestheile und namentlich den
Rumpf deſſelben, gegen diejenige Seite, in welcher die Fuͤße
des Kindes liegen, zuruͤckzuſchieben, wobei man entweder, wenn
das Waſſer noch nicht abgefloſſen iſt, dieſes Zuruͤckſchieben
durch die unverletzten Haͤute hindurch (und zwar ſo am leichte-
ſten) bewirkt, oder bei bereits abgegangenem Waſſer den vor-
liegenden Kindestheil unmittelbar vom Becken wegzuheben ſucht.
Im letztern Falle erinnert zwar Hr. Oſiander, *) daß
hier die Operation nur bei vorliegendem Ruͤcken gelingen koͤnne,
doch erinnere ich mich, ſogar bei vorwaͤrts liegender Bruſt und
vorgefallenem Arm eines nicht allzugroßen Kindes, durch Zu-
ruͤckbringen des Arms und Zuruͤckſchieben der Bruſt das voͤl-
lige Eintreten des Kopfes bewirkt zu haben.


§. 1190.

4) Hat man ſomit den Kopf dem Beckeneingange nahe
genug gebracht, ſo erfaßt man ihn ſelbſt mit der im Becken
befindlichen Hand, und zwar nachdem man, wenn die Eihaͤute
noch unverletzt waren, dieſelben zuvoͤrderſt getrennt hat, und
leitet den Scheitel oder das Hinterhaupt durch hebelartige Be-
wegungen der an den Kopf gelegten Fingerſpitzen gegen das
Becken herein, um, ſobald man ihm eine zweckmaͤßige Stel-
lung angewieſen hat, ſodann das Austreiben deſſelben der Kraft
der Wehen zu uͤberlaſſen, oder, dafern es die Umſtaͤnde erfor-
dern, ſeine Entwickelung durch Anlegung der Zange zu been-
digen.


§. 1191.

Zum Zweck dieſer Hereinleitung des Kopfs iſt es uͤbri-
gens auch vorzuͤglich, daß man fruͤher oͤfters den Hebel
angewendet hat, uͤber deſſen Gebrauch daher, wenigſtens hiſto-
[325] riſch, hier noch einige Erinnerungen noͤthig werden. Es iſt
aber dieſes Inſtrument wahrſcheinlich im ſechszehnten Jahrhun-
dert durch Eucharius Röslin erfunden, und ſpaͤter durch
viele Geburtshelfer, als Roonhuysen, Plaatmann, De Bruas,
Camper
und Andere, veraͤndert und verbeſſert, mit einer Oeff-
nung (Fenſter), ja von Aitken ſogar mit einer elaſtiſchen
Vorrichtung verſehen worden. Die gebraͤuchlichſten Formen un-
terſcheiden ſich uͤbrigens wenig von einem gewoͤhnlichen Zan-
genblatt (ſ. T. III. F. IV.), außer durch die mangelnde
Beckenkruͤmmung, und man kann ſich daher, wenn man ja
den Hebel gebrauchen will, eben ſo gut eines Zangenblattes
bedienen. Der groͤßte Vortheil, welchen ſonach die Erfindung
des Hebels der Geburtshuͤlfe gewaͤhrt hat, beſteht offen-
bar in der Hinleitung auf die Idee der Conſtruktion der Ge-
burtszange, welche, wie wir ſpaͤterhin finden werden, anfaͤng-
lich aus nichts als zwei mit einander verbundenen Hebelarmen
beſtand.


§. 1192.

Die Anwendung des Hebels (oder eines Statt des He-
bels dienenden Zangenblattes) geſchieht aber auf folgende
Weiſe: — Nachdem man die §. 1172. beſchriebenen Vorbe-
reitungen getroffen und die Kreiſende auf das Wendungslager
gebracht hat, auch den Kopf bereits nahe am Beckeneingange
fuͤhlt, bringt man, wenn der Kopf in der linken Seite ruht,
die eingeoͤhlten Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand in
den hinlaͤnglich geoͤffneten Muttermund, faßt dann mit der
linken Hand den Griff des Hebels gleich einer Schreibefeder,
und bringt nun das Inſtrument, nachdem es ebenfalls an ſei-
ner aͤußern Seite mit Oehl beſtrichen iſt, der Fuͤhrungslinie
des Beckes entſprechend, erſt mit erhobenem dann mit immer
mehr geſenktem Griffe ſo auf den beiden Fingern der andern
Hand ein, daß man das Ende deſſelben bis an den Kopf des
Kindes herauffuͤhrt, die Mitte hingegen (das Hypomochlion)
durch die Beckenknochen unterſtuͤtzt wird. In dieſer Lage nun
ſoll durch abwechſelnde Bewegungen des Griffs nach und nach
der Kopf mehr gegen den Eingang des Beckens, und endlich
[326] voͤllig in denſelben geleitet werden, man ſieht indeß leicht,
daß ein ſtarkes Operiren mit dieſem Inſtrumente, den wei-
chen Theilen welche die Knochen bedecken leicht Nachtheil brin-
gen koͤnne, und doch oft der Erfolg, bei bereits feſtgeſtelltem
Kopfe, nicht den Erwartungen entſprechen werde, weßhalb
denn auch hier der Gebrauch deſſelben mehr widerrathen als
empfohlen werden muß. *)


Anmerkung. Das in den vorhergehenden §§. beſchrie-
bene Verfahren zu Herableitung des ſchiefſtehenden Kin-
deskopfes, kann uͤbrigens auch bei ſchiefliegendem Kinde
zur Herableitung der dem Becken naͤher liegenden Huͤf-
ten und zur Verwandlung der abnormen Lage in eine
Steisgeburt benutzt werden. Es muß hierbei natuͤrlich
der zunaͤchſt vorliegende Kindestheil mehr in der Rich-
tung nach dem Kopfe des Kindes hin vom Beckenein-
gange zuruͤckgeſchoben werden, die Huͤften ſelbſt aber
koͤnnen, theils indem man den gekruͤmmten Finger in die
Weichengegend einhakt, theils indem man die Lendenge-
gend umfaßt, auf das kleine Becken herabgebracht wer-
den. Den ſtumpfen Smellie’schen Haken hier in den
Schenkelbug einzuſetzen, und damit die Huͤften herabzu-
ziehen, kann nur bei abgeſtorbenen Fruͤchten, und wo die
zu heftige Zuſammenziehung des Uterus das Auffinden
der Fuͤße allzuſehr hindern, erlaubt werden, fordert aber,
ſowohl bei dem (nach denſelben Regeln welche fuͤr das
Einbringen des Hebels gegeben wurden, einzurichtenden)
Einfuͤhren des Inſtrumcnts, als bei dem Anlegen an
das Kind ſelbſt, die groͤßte Vorſicht um Verletzungen
der muͤtterlichen Theile zu verhuͤten. — Ich erinnere
endlich noch, daß nach meinem Dafuͤrhalten, die in den
obigen §§. beſchriebenen aͤußern Manipulationen das ein-
[327] zige ſind, was wir von den namentlich durch Wiegand
*)
bekannt gemachten Verfahren, die Wendung durch blos
aͤußerliches Manipuliren zu bewerkſtelligen, wahrhaft mit
Vortheil benutzen koͤnnen, daß hingegen, das Wenden
eines vollkommen querliegenden Kindes auf ſolche Weiſe
bewerkſtelligen zu wollen, nichts weniger als zweckmaͤßig
heißen kann, da nur zu leicht Entzuͤndungen des Ute-
rus, ja ſelbſt Verletzungen deſſelben die Folge davon
ſeyn werden.


II. Operationen wodurch die Geburt der
Frucht oder einzelner Theile derſelben
bewerkſtelligt wird.

I.
Kuͤnſtliche Bewerkſtelligung der Geburt
des Kindes
.

A. Auf dem natuͤrlichen Geburtswege, und zwar

1) ohne Verletzung und Verkleinerung deſſelben.

1.
Von der Extraktion des Kindes an
den Fuͤßen
.

§. 1193.

Wenn bei Steis- Knie- oder Fußlagen, oder nach vor-
her gemachter Wendung auf die Fuͤße, Umſtaͤnde eintreten,
[328] welche eine Beſchleunigung der Geburt nothwendig machen,
als z. B. Blutungen, Convulſionen, große Schwaͤche und Man-
gel an Wehen, Vorfall des Nabelſtranges, oͤrtliche Krankhei-
ten, wie Entzuͤndungen des Uterus u. ſ. w., ſo iſt die Her-
ausbefoͤrderung des Kindes aus den muͤtterlichen Geburtsthei-
leu durch die Hand des Geburtshelfers angezeigt. Contrain-
dicationen fuͤr dieſe Operation geben vorzuͤglich, wie bei der
Wendung, 1) eine abſolute Engigkeit des Beckens, welche das
Hindurchfuͤhren des Kindes uͤberhaupt unmoͤglich macht; 2)
auch derjenige Grad der Beckenengigkeit, bei welcher der Groͤße
des Kindes nach vorauszuſehen iſt, daß der Kopf nur nach
gemachter Enthirnung durch das Becken gefuͤhrt werden koͤnne,
demungeachtet aber vom Leben des Kindes noch ſichere
Zeichen vorhanden ſind
.


§. 1194.

In wiefern man nun endlich dieſe Operation haͤufig
als ganz untrennbar von der Wendung betrachter, ja ſie ſo-
gar zuweilen als fuͤr die Beeudigung jeder Fuß- Knie- oder
Steisgeburt ganz unentbehrlich gehalten hat, ſo muß hier nicht
nur beſonders gegen dieſe Vorurtheile gewarnt, ſondern nach
uͤberdieß erinnert werden, daß die Anwendung der Extraktion
ohne hinreichende Indication, und in Faͤllen, wo die Natur
recht gut zu Ausſtoßung des Kindes allein hingereicht haͤtte,
nur allzuleicht den Tod des Kindes, wegen dabei eintreten-
der ſchlechter Stellung des Kopfs, verurſachen kann.


§. 1195.

Die Prognoſe bei dieſer Operation, wo ſie behutſam
gemacht wird, iſt fuͤr die Mutter, welche nicht einmal bedeu-
tende Schmerzen davon erfahren wird, in der Regel guͤnſtig,
obwohl durch rohes Verfahren, beſonders bei Anwendung der
Haken zur Entwickelung des Kopfs, auch betraͤchtliche. Gefahr
dem muͤtterlichen Koͤrper erwachſen kann. Fuͤr das Kind hin-
gegen iſt die Prognoſe im Allgemeinen immer etwas unguͤn-
ſtig, theils wegen Druck auf den Nabelſtrang bei laͤnger inne-
[329] ſtehendem, wegen dem Anziehen der untern Extremitaͤten leich-
ter falſch, d. i. mit ſeinem laͤngſten Durchmeſſer eintretendem
Kindeskopfe, theils wegen der Dehnung oder Drehung der
Wirbelſaͤule, welche hierbei nur allzuleicht Statt finden kann. *)
Es wird jedoch die Vorherſagung auch fuͤr das Kind guͤnſti-
ger ausfallen koͤnnen, 1) je weiter das Becken iſt, 2) je kraͤf-
tiger die Wehen ſind und je beſſer die Mutter ihre Wehen
noch zu verarbeiten im Stande iſt; 3) je weniger anderwei-
tige krankhafte Zuſtaͤnde ſich bei Mutter und Kind vorfinden;
4) je mehr die Nabelſchnur vermoͤge ihrer Lage gegen Druck
geſichert iſt, und 5) je beſſer die Stellung des Kindes ſelbſt
iſt, je mehr die Bauchflaͤche nach ruͤckwaͤrts gekehrt iſt, und
die Arme am Rumpfe herabgeſchlagen ſind.


§. 1196.

Das Lager der Kreiſenden muß fuͤr dieſe Operation
daſſelbe wie fuͤr die Wendung ſeyn, und auch die uͤbrigen
Vorbereitungen, was vorzuͤglich die Mittel zur Wieder-
belebung des Kindes, die gewaͤrmten Tuͤcher zur Einhuͤllung
deſſelben, die Bereithaltung der Geburtszange und des ſtump-
fen Hakens betrifft, ſind dieſelben welche wir bei der Wen-
dung auf die Fuͤße beſchrieben haben.


§. 1197.

Um nun zur Operation ſelbſt zu ſchreiten, iſt es am
vortheilhafteſten, wenn beide Fuͤße im Muttermunde liegen;
iſt daher durch die Wendung auf die Fuͤße nur ein Fuß her-
abgeleiter worden, ſo muß dieſer angeſchlungen, und der zweite
Fuß auf oben beſchriebene Weiſe nachgeholt werden, nur darf
[330] hierbei die Huͤftengegend noch nicht zu tief im Beckeneingange
ſtehen, als in weichem Falle man zweckmaͤßiger das Kind
an einem Schenkel vollends bis uͤber die Huͤften hervorbringt,
und dann erſt den zweiten Fuß entwickelt. Eben ſo iſt es
mit den Steislagen; ſobald naͤmlich der Steis noch beweglich
im Beckeneingange ſteht, kann man leicht die Fuͤße, wie bei
der Wendung gelehrt worden, herabfuͤhren, iſt er dagegen ſchon
tief ins Becken eingetreten, ſo iſt es zweckmaͤßiger denſelben
entweder durch eine Geburtszange mit geringer Kopfkruͤm-
mung, oder durch einen gekruͤmmt in den Schenkelbug einge-
brachten Zeigefinger, oder bei einem abgeſtorbenen Kinde, ſelbſt
durch den hier eingeſetzten ſtumpfen Haken, bis zum Durch-
ſchneiden zu bringen, um dann die Fuͤße behutſam zu ent-
wickeln.


§. 1198.

Liegen nun beide Fuͤße vor den aͤußern Geſchlechtsthei-
len, ſo beachtet man zuerſt ob die Zehen nach ruͤckwaͤrts oder
vorwaͤrts gekehrt ſind. Man faßt hierauf mit jeder Hand,
und zwar mit flach angelegten geſtreckten Fingern, den Daumen an
die obere und aͤußere Seite des Unterſchenkels gelegt, einen Fuß,
zieht gleichzeitig beide Fuͤße an und leitet ſo, wenn die Zehen
nach ruͤckwaͤrts gekehrt waren, beide Fuͤße bis an die Huͤften her-
vor. Lagen die Zehen nach vorwaͤrts gekehrt, ſo iſt es zweck-
maͤßig, waͤhrend des Anziehens der Fuͤße, dem Kindeskoͤrper eine
gelinde Drehung mit dem Ruͤcken nach aufwaͤrts zu geben.
Sind nun die untern Extremitaͤten des Kindes geboren, ſo
ſchlaͤgt man ſie in ein gewaͤrmtes Leinentuch ein, und achtet
zuerſt auf die Lage des Nabelſtranges, welcher ſtets in der
Aushoͤhlung des Kreuzbeins ſich am meiſten gegen Druck ge-
ſichert befindet, und welcher, wenn er vielleicht an ſeiner In-
ſertion in den Unterleib zu ſehr gedehnt wird, behutſam etwas
weiter hervorgezogen, ſo wie, wenn er zwiſchen den Schenkeln
durchgezogen ſeyn ſollte, mittelſt Beugung und Durchſtecken
eines Schenkels von dieſer Umſchlingung befreit werden muß.


[331]
§. 1199.

Hierauf ſchreitet man zur Extraktion des Rumpfs, und
hierbei ſind namentlich folgende Regeln zu beobachten: 1) das
Anziehen ſelbſt ſtets von beiden Seiten gleichmaͤßig, und mit
der Behutſamkeit, welche die Ruͤckſicht auf Wirbelſaͤule und
Ruͤckenmark fordert, zu verrichten; 2) genau auf die Drehun-
gen des Rumpfs, welche bei einer natuͤrlichen Geburt in die-
ſer Lage erfolgen ſollen, zu achten, ſie moͤglichſt zu unter-
ſtuͤtzen, oder kuͤnſtlich nachzuahmen. 3) Fuͤr das Anziehen des
Kindes vorzuͤglich die Zeit einer Wehe zu benutzen, und daſ-
ſelbe wo moͤglich noch durch einiges Preſſen von Seiten der
Kreiſenden unterſtuͤtzen zu laſſen, indem faſt nur auf dieſe
Weiſe es gelingen wird, die uͤble Stellung des Kopfs mit zu
betraͤchtlicher Entfernung des Kinnes von der Bruſt zu hindern.
4) Alle Sorgfalt darauf zu verwenden daß die Arme ſich nicht
an den Kopf heraufſchlagen, weßhalb man, wo ſie beide, oder
wenigſtens einer, fruͤher durch eine Schlinge befeſtigt waren, dieſe
Schlinge anziehen muß, um ſie an dem Leibe herabzuſtrecken; ſind
ſie nicht angeſchlungen, ſo iſt es nur durch Vorſichtigkeit beim An-
ziehen ſelbſt, ſo wie durch Mitwirkung gut verarbeiteter Wehen
moͤglich, eine gute Lage der Arme zu erhalten, meiſtens aber wer-
den ſie ſich indeß in die Hoͤhe ſchlagen, (welches vorzuͤglich bei
ſtarken Kindern faſt nothwendig eintritt) und machen dann
die kuͤnſtliche Loͤſung, von welcher bald das Naͤhere angegeben
werden ſoll, unentbehrlich. —


§. 1200.

Zur Herabfuͤhrung des Rumpfs alſo, faßt man denſelben,
nachdem er gleichfalls in das Leinentuch eingeſchlagen iſt, mit
beiden Haͤnden in beiden Seiten, ſo daß wieder die Daumen
geſtreckt oberwaͤrts zu liegen kommen, zieht in einzelnen den
Wehen angemeſſenen Traktionen, und die Fuͤhrungslinie des
Beckens beobachtend, den Rumpf nach und nach tiefer herab,
und huͤllt die hervortretenden Partien deſſelben ebenfalls in
das Leinentuch, welches man zum Einſchlagen der untern
[332] Theile benutzt hatte. Waͤhrend dieſes Hervorziehens achtet
man vorzuͤglich darauf, daß die Schultern auf gute Art in
den Beckeneingang treten, naͤmlich ſo, daß ſie in einen der
beiden ſchiefen Durchmeſſer, und zwar mit der Ruͤckenflaͤche
nach vorwaͤrts geſtellt werden, worauf man an das Herabho-
len (das ſogen. Loͤſen) der Arme denken muß, ſobald nicht
etwa bereits die Arme von ſelbſt hervorgetreten oder durch
angelegte Schlingen herabgezogen worden ſind.


§. 1201.

Das Loͤſen der Arme aber wird bewerkſtelligt, indem
man den in gewaͤrmte Tuͤcher eingeſchlagenen Koͤrper des
Kindes vorſichtig, ohne den Nabelſtrang zu druͤcken, auf einer
Hand und Vorderarmflaͤche ruhen laͤßt, und mit Zeige- und
Mittelfinger der andern Hand an dem einen Arme des Kin-
des, und zwar von der Schulterflaͤche her, bis zum Ellbe-
gengelenke heraufgeht, hier die Fingerſpitzen einſetzt und nun
den Arm uͤber Geſicht und Bruſt vorſichtig herabdruͤckt, um
ihn ſo endlich aus der Mutterſcheide herauszufuͤhren. Regel
iſt es hierbei, den linken Kindesarm mit der linken Hand,
den rechten mit der rechten Hand zu loͤſen (wobei alſo auch
der das Kind unterſtuͤtzende Arm gewechſelt werden muß),
ferner wenn das Kind mit einer Schulter mehr ruͤckwaͤrts
mit der andern mehr vorwaͤrts nach dem Schambogen gerich-
tet iſt, den nach dem Kreuzbein liegenden Arm zuerſt herab-
zufuͤhren.


§. 1202.

Immer kann das Loͤſen der Arme durch vorſichtige Lei-
tung des Rumpfs ſehr erleichtert werden, eben ſo wie andern-
theils, wenn man den Rumpf mit der Bauchflaͤche nach vor-
waͤrts hat herabtreten laſſen, die Loͤſung der Arme am aller-
meiſten erſchwert wird. Nicht ganz in demſelben Grade, ob-
wohl gleichfalls oft bedeutend, pflegt ſie erſchwert zu ſeyn,
wenn die Arme ſich nach aufwaͤrts ſchlagen und hinter dem
Nacken und uͤber dem Schambogen ſich kreuzen. Es iſt hier
[333] oft noͤthig, die Kreiſende ſich mehr ſeitwaͤrts wenden zu laſ-
ſen, um hoͤher hinter dem Schambogen heraufdringen zu koͤn-
nen, ſtets aber bedarf es hier der groͤßten Vorſicht, um nicht
durch ein zu gewaltſames Verfahren den Bruch des Ober-
armbeins, welcher hierbei ſehr leicht erfolgen kann, zu veran-
laſſen.


§. 1203.

Endlich iſt eins der wichtigſten Geſchaͤfte bei der Ex-
traktion, die Herausbefoͤrderung des Kopfs, und es muß in
dieſer Hinſicht zuerſt gegen alles gerade heftige Anziehen der
Schultern gewarnt werden, indem ein ſolches Verfahren ſelbſt
zum Abreißen des Halſes fuͤhren koͤnnte, und leider, bei einem
rohern Zuſtande der Entbindungskunſt nicht ſelten gefuͤhrt hat.
Alles kommt aber hierbei zunaͤchſt darauf an, den Kopf auf
eine gute Weiſe in den Eingang des Beckens, und zwar in
den ſchiefen Durchmeſſer deſſelben zu fuͤhren, und ſobald er
in die Beckenhoͤhle herabtritt, die Drehung in den geraden
Durchmeſſer mit dem Hinterhaupte gegen den Schambogen zu
unterſtuͤtzen. Iſt dieſes gelungen, ſo bedarf es zur Entwicke-
lung des Kopfs gewoͤhnlich nur des, ſchon bei der natuͤr-
lichen Fußgeburt beſchriebenen Verfahrens, d. i. man laͤßt
das Kind auf dem Arme, welcher bei der Loͤſung des
zuletzt herabgefuͤhrten Kindesarms, den Rumpf unterſtuͤtzte,
fortwaͤhrend ruhen, geht jedoch mit Zeige- und Mittelfinger
derſelben Hand in das Becken ein, um ſie neben der Naſe an
die Kieferknochen anzuſetzen, und das Kinn gegen die Bruſt
herabzudraͤngen, fuͤhrt zugleich von der uͤber dem Ruͤcken des
Kindes befindlichen Hand, dieſelben Finger in das Becken ein,
um das Hinterhaupt herauf zu ſchieben, und den ganzen Kopf
folglich mehr mit ſeinem langen Durchmeſſer in die Fuͤhrungs-
linie des Beckens zu bringen, und ſucht nun, durch abwech-
ſelnde hebelartige Traktionen, welche moͤglichſt durch Wehen
und Preſſen unterſtuͤtzt werden muͤſſen, den Kopf allmaͤhlig
aus dem Becken hervorzuleiten.


[334]
§. 1204.

Kann jedoch durch dieſe Manipulation der Zweck der
Entwickelung des Kopfs nicht bald genug erreicht werden, und
befindet ſich der Kopf bereits in der Hoͤhle des Beckens, ſo
wird die ſchleunige Anlegung der Zange unumgaͤnglich noth-
wendig, da oft ein nur 5 bis 10 Minuten langes Verweilen
des Kopfs in der Beckenhoͤhle hinreichend iſt, den Tod des
Kindes zu verurſachen. Steht dagegen der Kopf fuͤr die Zange
noch zu hoch, ſo muß er noͤthigenfalls durch die eingefuͤhrte
Hand des Geburtshelfers erſt in eine ſchickliche Stellung fuͤr
dieſen Entzweck gebracht werden, oder endlich, dafern das
Kind etwa unbezweifelt abgeſtorben waͤre, laͤßt ſich das Her-
abfuͤhren des Kopfs auch durch Einbringen eines Zeigefingers,
oder ſelbſt des kleinern Endes vom Smellie’ſchen ſtumpfen
Haken in den Mund des Kindes, bewerkſtelligen (bei einem
lebenden Kinde darf natuͤrlich dieſes letztere Verfahren durch-
aus nicht angewendet werden).


§. 1205.

Was endlich die Faͤlle betrifft, wo bei fruͤher verſaͤum-
ter oder zu ſpaͤt gerufener zweckmaͤßiger Huͤlfe, der Kopf
mit dem Kinne uͤber dem Schambogen, mit dem Hin-
terhaupt gegen den Vorberg angeſtemmt getroffen wird, ſo
geben dieſe immer zu einer hoͤchſt ſchwierigen Entwickelung des
Kopfs Veranlaſſung und es iſt dabei wegen des Druckes gegen
den hinter dem Schambogen liegenden Nabelſtrang der Tod
des Kindes meiſtens unvermeidlich. — Man muß hierbei vor
allen Dingen die Lage des Kopfs verbeſſern, da bei einem
ausgetragenen Kinde der laͤngſte Kopfdurchmeſſer von 5 Zoll
ſich uͤber dem geraden Durchmeſſer des Beckeneinganges von
4 Zoll befindet, und folglich die gewaltſame Durchfuͤhrung
des Kopfs in dieſer Lage voͤllig unmoͤglich iſt, und ſicher
roh fortgeſetzte Verſuche dieſer Art hierbei oͤfters zum Abreiſſen
des Halſes gefuͤhrt haben moͤgen. — Ich habe nun unter
dieſen Umſtaͤnden, wenn ich zu Faͤllen wo unvorſichtiges fruͤ-
heres Verfahren den Kopf in dieſe ſchlechte Stellung gebracht
[335] hatte, hinzugerufen wurde, folgendes Verfahren immer als das
Zweckmaͤßigſte gefunden.


§. 1206.

Erſtens unterſucht man genau, nach welchem ſchiefen
Durchmeſſer des Beckeneinganges hin, wohl der Kopf ſeiner
fruͤhern und jetzigen Stellung nach am beſten und leichteſten
werde dirigirt werden koͤnnen, und bringt dieſer Richtung ent-
ſprechend einen aͤußerlichen Druck an, um das uͤber dem
Schambogen liegende Kinn nach dieſer Seite zu wenden, geht
ferner, indem man den in Tuͤcher gehuͤllten Rumpf des Kin-
des durch einen Gehuͤlfen unterſtuͤtzen laͤßt, mit der andern
Hand in das Becken ein, draͤngt das Hinterhaupt weiter zuruͤck,
ſucht ſodann mit Zeige- und Mittelfinger den Oberkiefer, oder,
wenn das Kind bereits unbezweifelt todt iſt, den Mund des
Kindes auf, fuͤhrt auf dieſe Weiſe das Geſicht mehr gegen
die eine Seite des Schambogens und hier in die Beckenhoͤhle
herab, worauf denn die voͤllige Entwickelung des Kopfs auf
die oben beſchriebene Weiſe entweder durch die Zange, oder
die Hand, oder den ſtumpfen Haken zu beendigen iſt.


§. 1207.

Faͤnde man uͤbrigens im ſchlimmſten Falle, durch rohe Be-
handlung den Kopf wirklich bereits vom Rumpfe abgeriſſen
und allein im Becken zuruͤckgeblieben, ſo iſt deſſen Extraktion,
theils durch die Geburtszange, theils durch Einbringung des
ſtumpfen Hakens in das foramen magnum und Einbringung
des Fingers in den Mund des Kindes, ja im aͤußerſten Falle
durch Anwendung der Ercerebration zu beendigen. — Be-
ſonderer Inſtrumente (wie die Kopfzieher Parré’s, Levret’s
oder Assalini’s) oder Gebaͤnde (wie Pugh’s oder Smellie’s
Schlingen) bedarf es fuͤr dieſen Zweck um ſo weniger, da
Faͤlle dieſer Art bei fortruͤckender Kultur der Geburtshuͤlfe im-
mer ſeltner werden, ja gar nicht mehr vorkommen koͤnnen,
außer vielleicht bei einem in den hoͤchſten Grad von Faͤulniß
uͤbergegangenen Kinde.


[336]

Anmerkung. Wie die Wendung, ſo iſt auch die Ex-
traktion des Kindes eine Operation, zu deren geſchickter
Ausfuͤhrung vorzuͤglich viel Uebung gehoͤrt, welche aber
um ſo nothwendiger iſt, als namentlich bei Mißbildung
des Beckens dadurch zuweilen, mittelſt vortheilhafter
Hereinleitung des Kindeskopf weſentlich zur Erleichterung
des Geburtsverlaufs beigetragen, ja ſelbſt hier leichter
als bei vorausgehendem Kopfe (wenn man gehoͤrig die
groͤßte Weite des Beckens zum Eintritt der groͤßten
Durchmeſſer des Kopfs zu benutzen weiß), die Perſora-
tion uͤberfluͤßig gemacht werden kann. Ich will in die-
ſer Hinſicht nur als Beiſpiel einen Fall anfuͤhren, wo
ich eine Frau, deren Conjugata nur 2¾ Zoll maß, durch
die Extraktion allein von einem todten ausgetragenen
Kinde entband, und zwar von einem Kinde, welches bei
dem Eintreten des vorangehenden Kopfs, ſchwerlich ohne
Ercerebration haͤtte durch das Becken gefuͤhrt werden
koͤnnen, weil hier faſt immer der Kopf im ſchiefen Durch-
meſſer eintritt, die Durchfuͤhrung aber nur durch die Be-
nutzung des Querdurchmeſſers moͤglich wird. Wenn daher
wir auch keinesweges die Perforation mit H. Oſiander fuͤr
eine uͤberhaupt nie zu unternehmende Operation erklaͤren moͤ-
gen, ſo iſt doch nicht zu leugnen, daß ſie bei Schiefſtaͤnden
des Kopfs auf dem verbildeten kleinen Becken, durch zeitig
unternommene Wendung und vorſichtige Extraktion ſehr haͤu-
fig zu umgehen ſeyn wird, welches gewiß ein wichtiger
Vortheil iſt, dafern man bedenkt, welch fuͤrchterliches
Werkzeug das Perforatorium in der Hand des nicht hin-
laͤnglich Geuͤbten werden koͤnne.


2.
Von der Extraktion des Kindeskopfs durch
Huͤlfe der Geburtszange
.

§. 1208.

Die Idee den Kopf des Kindes durch zwei hebelartig
geformte Arme, welche gleichſam die verlaͤngerten Haͤnde des
[337] Geburtshelfers ſelbſt darſtellen, im Becken zu faßen, ſeine
Lage theils zu verbeſſern, theils und vorzuͤglich, ihn tiefer in
die Beckenhoͤhle herabzuziehen, und ihn voͤllig zu entwickeln,
iſt von aͤußerſter Wichtigkeit, und hat zur Erfindung eines In-
ſtruments gefuͤhrt, welches zweckmaͤßig angewendet, ohne
Widerrede zu den wohlthaͤtigſten gehoͤrt, welche das geſammte
aͤrztliche Armamentarium aufzuweiſen hat, ſo daß nur Un-
unterrichtete, oder Maͤnner welche dieſes Werkzeug nur auf
ganz rohe und unvorſichtige Weiſe handhaben ſahen, es als
ein nunuͤtzes Werkzeug verachten koͤnnen. — Merkwuͤrdig iſt
es demohngeachtet daß die eigentliche Erfindung dieſes ſo wich-
tigen geburtshuͤlflichen Apparats in ſo viele Dunkelheit verbor-
gen iſt, und nicht unintereſſant wird es deßhalb ſeyn, noch die
Geſchichte dieſer Erfindung etwas ausfuͤhrlicher hier zu er-
oͤrtern. *)


§. 1209.

Es ſind naͤmlich zwar ſchon von Rueff (1554) ja ſo-
gar bereits von Avicenna Kopfzangen beſchrieben worden,
welche indeß ſaͤmmtlich Steinzangen nicht unaͤhnlich waren,
und verletzend wirken mußten, daher auch mit der wahren
Geburtszange gar nicht verglichen werden, duͤrfen. Wahr-
ſcheinlich iſt es hingegen daß das Geheimmittel, wodurch Cham-
berlaine
gegen Ende des ſiebzehnten Jahrhunderts ſchwere
Geburten erleichtern zu koͤnnen vorgab, die Geburtszange ge-
weſen ſey, und eine neuere Nachricht**) macht dieſes faſt zur
II. Theil. 22
[338] Gewifiheit; nichts deſtoweniger verdient derſelbe dieſer Geheim-
nißkraͤmerei wegen, wohl ſchwerlich als eigentlicher Erfinder
der Geburtszange betrachtet zu werden. Auch ob die unter
den Namen Roonhuysen’s und Ruysch’s (welche 1693 das
Chamberlainſche Geheimniß erkauft haben ſollen) ſpaͤter bekannt
gewordenen Inſtrumente wirklich von dieſen Niederlaͤndern her-
ruͤhren, iſt nicht mit Gewißheit zu beſtimmen.


§. 1210.

Mit groͤßerem Rechte betrachten wir demnach den Nie-
derlaͤnder Joh. Palfyn, (Wundarzt und Anatom zu Gent,
geſtorben 1730) als Erfinder der Geburtszange, indem er
ſeine, freilich noch ſehr unvollkommene und eigentlich nur aus
zwei zuſammengebundenen, ungefenſterten, nicht nach dem Bek-
ken gekruͤmmten Hebeln beſtehende Zange, im Jahre 1723 *)
der Pariſer Akademie vorlegte. (T. III. F. V.) — Nachdem
ſomit einmal die erſte Idee gegeben war, ſchritten die Ver-
vollkommnungen raſch vorwaͤrts, von Dusée wurden um das
Jahr 1733 die Zangenarme gekreuzt, mit Oeffnungen (Fen-
ſtern) wurden die Zangenloͤffel verſehen von Giffard und
Chapmann gegen das Jahr 1736, und dieſen Verbeſſerungen
ſind die meiſten ſpaͤtern Geburtshelfer beigetreten. Allein noch
fehlte der Zange ein weſentlicher Vorzug, naͤmlich außer der
Kruͤmmung der Zangenloͤffel nach der Rundung des Kopfs,
auch die Kruͤmmung nach der Fuͤhrungslinie des Beckens, und
dieſe Vervollkommnung wurde von Levret im Jahre 1751,
ſo wie 1752 von Smellie eine zweckmaͤßige Vereinfachung
des Zangenſchloſſes bekannt gemacht.


§. 1211.

Hiermit waren nun faſt alle Momente, welche zur Con-
ſtruktion einer guten Geburtszange weſentlich gehoͤren, gege-
[339] ben, allein man fuͤgte weiterhin auch haͤufig Einrichtungen
hinzu, welche als uͤberfluͤßig und unnuͤtz zu betrachten ſind;
dahin gehoͤren nach meinem Dafuͤrhalten: die in einer Scheide
beweglichen Zangenloͤffel, welche Burton (1757) empfahl, die
von Johnson (1769) bekannt gemachte Dammkruͤmmung,
die von Leake empfohlene dreiblaͤttrige Zange, ferner die
mancherlei gekuͤnſtelten Schloͤſſer zur Vereinigung und Kreuzung
der Zangenarme, wobei oft zum Oeffnen und Schlieſſen noch
ein beſonderer Schluͤſſel erforderlich iſt, ja endlich ſelbſt die
ſchon fruͤher (Thl. 1. S. 79.) erwoͤhnten Labimeter an deu
Zangengriffen um die Groͤße des Kopfs zu beſtimmen, nebſt
den Vorrichtungen ein zu ſtarkes Zuſammendruͤcken der Zan-
gengriffe zu verhuͤten, die ſogenannten Druckregulatoren (welche
den Ungeuͤbten nie vor Mißbrauch der Zange ſchuͤtzen, dem
Geuͤbten aber oft hinderlich ſeyn werden.)


§. 1212.

Mitunter iſt man uͤbrigens auch in der neuern Zeit wie-
der zu Einrichtungen uͤbergegangen, wie ſie an den aͤlteſten
unvollkommenen Zangen ſich vorfinden; ſo hat man hie und
da die Idee wieder aufgenommen, die Zangenarme nicht durch
Kreuzung ſondern durch anderweitige Vorrichtungen zu ver-
einigen. Es gehoͤrt hierher der Cephaloduktor von Uthoff,
ſo wie die Geburtszange des Hrn. Dr. V. Karl in Frei-
burg, das Weglaſſen der Fenſter an den Zangenloͤffeln, wie
an der Zange des Hrn. Oſiander, u. ſ. w. — Die ein-
zelnen ſchon uͤber Hundert vervielfaͤltigten Zangenformen hier
noch beſonders durchzugehen, wuͤrde außer unſerm Zwecke lie-
gen, und ich bemerke daher nur noch, daß in Deutſchland
die Zangen von Boër*)Siebold,**)Oſiander,***)
[340] ſo wie in Frankreich die Zangen Levret’s als die gebraͤuch-
lichſten betrachtet werden koͤnnen.


§. 1213.

Wir kommen nun zu den Anforderungen welchen eine
gute Geburtszange Genuͤge leiſten ſoll, nachdem zunaͤchſt
die beſondern Theile dieſes Werkzeugs unterſchieden worden
ſind; es beſteht daſſelbe naͤmlich gewoͤhnlich aus zwei Armen
oder Blaͤttern, (Branches) deren jeder eingetheilt wird, in
das zum Erfaßen des Kopfs beſtimmte obere Ende, den
Zangenloͤffel
, und das zur Handhabung fuͤr den Geburts-
helfer beſtimmte untere Ende, den Zangengriff; verbunden
endlich werden beide Arme durch eine zwiſchen Griff und Loͤſ-
fel angebrachte Vorrichtung, das Zangenſchloß.


§. 1214.

Fuͤr eine gute Geburtszange werden aber erfordert 1) ein
zweckmaͤßiges Material, naͤmlich guter Stahl, und uͤberhaupt
genaue und ſaubere Arbeit, mit hinlaͤnglich feiner Politur um
weder fuͤr Mutter und Kind nachtheiligen Druck zu veranlaſ-
ſen, noch zum Eindringen von Anſteckungsſtoffen in die fei-
nern Vertiefungen Gelegenheit zu geben. (Alle Furchen an
den Zangenloͤffeln, um die Fenſter herum, ſo wie alle ſcharfe
Kanten muͤſſen daher vermieden werden.) 2) Eine dem Kopfe
des Kindes angemeſſene Kruͤmmung der Zangenloͤffel, deren
ſtaͤrkſte Ausſchweifung bei geſchloſſener Zange ungefaͤhr 2½
Zoll breit freien Raum laſſen muß, und bei welcher, auch voͤl-
lig geſchloſſen, die Enden der Loͤffel noch ¼ bis ⅓ Zoll aus-
einander ſtehen. 3) Eine zweckmaͤßige, der Richtung der Fuͤh-
rungslinie des Beckens entſprechende Kruͤmmung der Zangen-
loͤffel, bei einer der Hoͤhe des kleinen Beckens angemeſſenen
Laͤnge derſelben. Rechnet man naͤmlich die Hoͤhe der Becken-
hoͤhle 4½ Zoll, und nimmt man an, daß der Kopf mit ſei-
nem langen Durchmeſſer in der Axe der obern Apertur, und
zwar eben nur am Eingange in das kleine Becken befindlich ſey
(wo ſich der Kopf wenigſtens befinden muß, wenn das Anle-
[341] gen der Zange indicirt ſeyn ſoll), ſo giebt dieß doch nur eine
Laͤnge von 4½ + 4½ Zoll, und man erkennt hieraus daß eine
Laͤnge der Loͤffel von 10 Zoll vollkommen ausreichend ſeyn
werde. Ich bediene mich daher in der Regel nur einer Zange
mit 10 Zoll langen Loͤffeln, und nur die zweite Zange welche
jeder Geburtshelfer vorraͤthig halten muß, laſſe ich fuͤr unge-
woͤhnliche Faͤlle (beſonders wenn der Kopf zuletzt eintritt und
die Schultern das Anlegen der Zange an den noch hoch ſte-
henden Kopf erſchweren) 1 bis 1½ Zoll laͤnger in den Loͤf-
feln arbeiten, welche Laͤnge indeß dann nicht der gekruͤmmten
Stelle der Loͤffel, ſondern ihrem untern Ende (zwiſchen Kruͤm-
mung und Schloß) zugeſetzt werden muß. (ſ. T. III. F. VII.)


§. 1215.

4) Das Inſtrument muß leicht und zur Handhabung be-
quem gearbeitet ſeyn, um eine ſanfte und vorſichtige Fuͤhrung
deſſelben zu befoͤrdern, und es dem Geburtshelfer moͤglich zu
machen, jede Bewegung des Kopfs, jedes beginnende Abglei-
ten der Zange u. ſ. w. alsbald wahrzunehmen. 5) Das
Schloß der Zange muß hinlaͤnglich feſt die Zangenarme ver-
einigen, demungeachtet aber leicht und ohne Zeitverluſt zu oͤff-
nen und zu ſchlieſſen ſeyn; welche Vortheile das Smellieſche
Schloß, wenn es gut gearbeitet iſt, und zwar ſo, daß an
dem obern (maͤnnlichen) Zangenarme der vorſpringende Bal-
ken weggelaſſen, und nur an dem untern (weiblichen) Arme
die Vertiefung zum Einlegen des obern Arms angebracht wird,
am vollkommenſten gewaͤhrt. 6) Die Zangenloͤffel muͤſſen zu Ver-
minderung des Gewichts und zur Vermehrung der Feſtigkeit
ihrer Lage am Kindeskopfe, mit hinlaͤnglichen hinten und vorn
ausgerundeten Fenſtern verſehen ſeyn. (ſ. T. III. F. VII. b.). 7) Die
Zagengriffe endlich muͤſſen bequem zu faſſen, und dieſerhalb, ſo
wie zur Vermeidung des unangenehmen Geraͤuſches bloß ſtaͤhlener
Griffe, mit Ueberzug von Holz verſehen ſeyn (waͤre es
nicht der Verunreinigung zu ſehr unterworfen, ſo wuͤrde ſo-
gar die Boërſche Methode, die Zangenarme bis zu den Fen-
ſtern mit Leder zu uͤberziehen, große Empfehlung verdienen).
[342] 8) Die Laͤnge der Zangengriffe muß nie das Maaß, welches
die Handhabung des Inſtruments nothwendig erfordert, uͤber-
ſteigen; die Laͤnge von 5½ Zoll reicht zu dieſem Zweck voll-
kommen aus, und groͤßere Verlaͤngerung hindert eben ſo ſehr
die Operation (z. B. bei Anlegung der Zange in horizontaler
Lage auf dem Bette) als es zur Verſtaͤrkung des Druckes
auf den Kindeskopf Veranlaſſung giebt.


§. 1216.

Alle die genannten Erforderniſſe ſcheinen uns nun in
keinem Inſtrumente ſo vollkommen als in der Boërſchen, zu
den augegebenen Maaßen der Loͤffel und Griffe verlaͤngerten,
Geburtszange gegeben zu ſeyn, und eben dieſes beſtimmt uns,
obwohl wir zugeben, daß eben ſo auch mit andern Werkzeu-
gen, bei hinlaͤnglicher Uebung, eine Operation gluͤcklich been-
digt werden koͤnne, doch dieſe vorzuͤglich zu unſerm Gebrauche
zu erwaͤhlen.


§. 1217.

Wir kommen nun zur Beſtimmung der Indication
fuͤr den Gebrauch der Geburtszange. — Es iſt aber die
Anlegung derſelben angezeigt, in allen Faͤllen,
wo durch irgend regelwidrigen Zuſtand von
Seiten der Mutter oder des Kindes, oder
beider Theile, eine ſchleunigere Entbindung des
Kindes uͤberhaupt und des Kopfes insbeſondere
nothwendig wird, dieſer letztere aber in einer
ſolchen Stellung an, oder in dem kleinen Becken
ſich befindet, daß ſich die Erfaſſung und Durch-
fuͤhrung deſſelben mittelſt dieſes Inſtruments
ohne Verletzung muͤtterlicher oder kindlicher
Theile als ausfuͤhrbar darſtellt
. Die regelwidrigen
Zuſtaͤnde, welche zur Anlegung der Zange Veranlaſſung ge-
ben, koͤnnen ſonach aͤußerſt verſchiedenartig ſeyn, und werden
in der ſpeciellen Pathologie des Geburtsgeſchaͤfts ausfuͤhrlicher
eroͤrtert werden, es gehoͤren hierher z. B. Mangel an We-
[343] hen, Entzuͤndungen, allgemeine Krankheiten der Gebaͤrenden,
Enge des Beckens, Vorfall des Nabelſtranges, Zeichen von
Schwaͤche des Kindes u. ſ. w.


§. 1218.

Was die Stellung des Kopfs betrifft, ſo kann ſich die-
ſer entweder mit der Hinterhaupts-, Scheitel- oder Geſichtsflaͤche,
oder mit der Baſis (bei vorausgebornen Fuͤßen) auf das Bek-
ken geſtellt haben, immer aber iſt erforderlich, daß derſelbe
wenigſtens auf dem Eingange des kleinen Beckens, oder
voͤllig in demſelben, oder in der Beckenhoͤhle oder
am Ausgange derſelben ſich befinde. Zwar hat man
mitunter auch gelehrt, daß ein noch hoch und beweglich im
großen Becken ſtehender Kopf ebenfalls mit der Zange zu
ſaſſen und herabzufuͤhren ſey, dafern nur die Laͤnge des In-
ſtrnments zureicht; allein wir muͤſſen dieſem Satze widerſpre-
chen, da in dieſem Falle immer der Kopf in einer Stellung
ſich befinden wird, welche der Form des Einganges zum klei-
nen Becken durchaus nicht entſpricht, und wobei er zum Theil
auf dem Rande der ungenannten Linie aufliegt (denn waͤre
dieß nicht, ſo muͤßte er ja eben in den Beckeneingang getre-
ten ſeyn), folglich das Faſſen und Anziehen durch die Zange,
nur zum gewaltſamen Aufpreſſen auf das Becken und zur
Quetſchung muͤtterlicher Theile ſo wie des Kopfs ſelbſt fuͤh-
ren wuͤrde. Bei einem ſolchen Stande des Kopfs iſt es da-
her nur dann moͤglich die Zange anzuwenden, wenn durch
das bei der Wendung auf den Kopf beſchriebene Verfahren
der Kopf wirklich zum Eintreten in die obere Apertur gebracht
worden war, da hingegen wo dieſes nicht moͤglich iſt, zur
Entwickelung des Kindes einzig und allein die Wendung auf
die Fuͤße, mit noͤthigenfalls nachfolgender Manualextraktion,
zweckmaͤßig genannt werden kann.


Anmerkung. Man darf mit Zuverſicht behaupten daß
die meiſten ungluͤcklichen Zangenoperationen, wo der Kin-
deskopf durch gewaltſame Traktionen zerbrochen wurde,
oder der ermuͤdete Geburtshelfer in Angſt nach dem
[344]Perforatorium greift, obwohl weder die Enge des
Beckens dieß entſchuldigte, noch ſichere Zeichen vom Tode
des Kindes dieß Verfahren rechtfertigten, von Nichtbe-
achtung dieſer Regel abgeleitet werden muͤſſen.


§. 1219.

Gegenanzeigen fuͤr den Gebrauch der Zange ſind
1) der noch nicht hinlaͤnglich geoͤffnete Muttermund; 2) die
noch uͤber den Kopf geſpannten Eihaͤute; 3) der zu hohe und
bewegliche Stand des Kindeskopfs; 4) ein zu betraͤchtliches
Mißverhaͤltniß zwiſchen der Groͤße des Kopfs und des Bek-
kens, ſey es nun daß der an und fuͤr ſich zu betraͤchtlich,
etwa durch Waſſeranhaͤufung, vergroͤßerte Kopf die Durchfuͤh-
rung unmoͤglich macht, oder ſey es, daß bedeutende Engigkeit
des Beckens entweder die Geburt des Kindes uͤberhaupt nicht,
oder nur nach vorgenommener Verkleinerung des Kopfs ge-
ſtattet. 5) Die zu betraͤchliche Kleinheit des Kopfs entweder
bei Fruͤhgeburten, oder nach vorher unternommener Verkleine-
rung und Entleerung deſſelben.


§. 1220.

Die Prognoſe bei Zangenoperationen kann im Allge-
meinen fuͤr Mutter und Kind vortheilhaft genannt werden,
und zwar wird dieß um ſo mehr der Fall ſeyn: 1) je weni-
ger Gefahrdrohend die Regelwidrigkeiten ſind, welche zur Un-
ternehmung der Operation noͤthigen, 2) je beſſer der Bau
des Beckens, 3) je tiefer der Stand des Kopfes iſt. Un-
guͤnſtiger wird die Prognoſe und ſchwieriger die Operation:
1) bei ſehr engem Becken, 2) bei normwidriger Kopflage, 3)
bei vorausgeborenem Rumpfe, 4) wenn andere Theile, vor-
zuͤglich die Nabelſchnur, neben dem Kopfe vorliegen, 5) wenn
die Geburtsarbeit bereits ſehr lange gedauert hat, 6) wenn
andere gefaͤhrliche Zufaͤlle, Blutungen, Zuckungen, Entzuͤndun-
gen, Abgang von Meconium u. ſ. w. ſich gleichzeitig vor-
finden.


[345]
§. 1221.

Wir kommen zur Erwaͤgung der zur Zangenoperation
erforderlichen Vorbereitungen: — Sie beſtehen zuvoͤr-
derſt 1) in Anordnung eines zweckmaͤßigen Geburtslagers fuͤr
die zu entbindende, wozu ſich in allen Faͤllen wo eine ſchwie-
rige Operation zu erwarten iſt, vorzuͤglich wieder das Quer-
bett (Wendungslager) eignet; allein nicht immer iſt dieſes La-
ger unumgaͤnglich nothwendig, und in manchen Faͤllen ver-
dient das gewoͤhnliche horizontale Geburtslager, mit etwas
mehr erhoͤhter Kreuzgegend allerdings den Vorzug; es gehoͤren
hierher die Geburten wo der Kopf bereits ſehr tief im Bek-
ken ſteht und nicht allzuſtarke Traktionen, um ihn zum Ein-
ſchneiden zu bringen, erfordert werden; zumal wenn die Ur-
ſache zur Anlegung der Zange von der Art iſt, daß ſie vieles
Bewegen der Kranken nicht zulaͤßt, z. B. Blutungen, große
Schwaͤche u. ſ. w.


§. 1222.

Fernere Vorbereitungen ſind: 2) die Sorge fuͤr hinlaͤng-
liche Entleerung der Harnblaſe und des Maſtdarms (welches
zwar bei jeder Geburt noͤthig, indeß hier wo die Eingeweide
des Beckens einen ſtaͤrkern Druck erfahren, vorzuͤglich unent-
behrlich iſt.) 3) Bereithaltung ſaͤmmtlicher zum Empfang des
Kindes, ſo wie zur Wiederbelebung deſſelben noͤthigen Appa-
rate, und der uͤbrigen geburtshuͤlflichen Werkzeuge. 4) Hin-
laͤnglich genaue, noͤthigenfalls durch die eingefuͤhrte Hand
unternommene Unterſuchung des Beckens, ſo wie der Groͤße
und Lage des Kindeskopfs. 5) Erwaͤrmung der Zange. 6)
Sorge fuͤr hinlaͤngliche Eroͤffnung des Muttermundes und
Beſeitigung der etwa noch uͤber den Kopf geſpannten Ei-
haͤute.


§. 1223.

Bei der Operation ſelbſt iſt nun vorzuͤglich nothwendig,
ſich daran zu erinnern, daß die Zangenarme eigentlich als
verlaͤngerte Haͤnde des Geburtshelfers wirken ſollen, daß ſie
[346] deßhalb nur taſtend und behutſam in die Geburtstheile einge-
fuͤhrt werden, und eben ſo auf den Kopf wirken muͤſſen, und
daß endlich bei Anlegung der Zange ein dreifacher Zweck
beabſichtigt werde: theils naͤmlich, nachdem ſie ihn ſicher
gefaßt hat, ihn tiefer in das Becken durch wiederholte Zuͤge
(Traktionen) herabzuleiten, theils den Stand des Kopfs zweck-
maͤßig zu aͤndern, theils endlich durch einen maͤßigen Druck
den Umfang deſſelben in etwas zu verkleinern (obwohl auf
letzteres weniger zu rechnen iſt, indem einer Seits ein zu
ſtarker Druck dem Kinde ſchaͤdlich werden muͤßte, anderer
Seits dieſes Zuſammendruͤcken immer nur in der Richtung
des queren Beckendurchmeſſers geſchehen wird, folglich dadurch
eine Verlaͤngerung des Kopfs in der Richtung des geraden,
und gewoͤhnlich am meiſten verengerten Durchmeſſers Statt
finden wird).


§. 1224.

Das Erfaßen des Kindeskopfs kann nun aber, vermoͤge
der Bildung des Beckens und der Conſtruktion der Zange,
vorzuͤglich nur auf die Weiſe Statt finden, daß die beiden
Arme zu beiden Seiten des Beckens eingebracht und ange-
legt werden. Demohngeachtet erfordert es hinwiederum die
Bildung des Kindeskopfs, daß die Zangenloͤffel denſelben, wo
moͤglich, im Querdurchmeſſer faſſen, da in dieſer Richtung der
Druck dem Kopfe am wenigſten Nachtheil bringen kann.
Beide Forderungen laſſen ſich jedoch nur dann vollkommen
erfuͤllen, wenn der Kindeskopf ſelbſt den Stand mit ſeinem
langen Durchmeſſer in dem geraden Durchmeſſer des kleinen
Beckens bereits angenommen hat; ſteht der Kopf hingegen
im Querdurchmeſſer, ſo wird die Zange den Kopf nothwendig
uͤber Stirn und Hinterhaupt faſſen muͤſſen, und man wird
hierbei oft nur wenn der Kopf tiefer in das Becken herabge-
fuͤhrt worden iſt, und ſich bereits mehr im ſchraͤgen oder ge-
raden Durchmeſſer gedreht hat, dadurch daß man die Zange
abnimmt, und ſie von neuem, und nun in einer angemeſſenern
Stellung anlegt, jenes Mißverhaͤltniß beſeitigen koͤnnen. Be-
findet ſich uͤbrigens zu Anfange der Operation der Kopf ſchon
[347] im ſchraͤgen Durchmeſſer, ſo kann und muß man in etwas
ſich nach dieſer Stellung richten, das eine Zangenblatt etwas
mehr nach oben, das andere etwas mehr nach unten und hin-
ten einbringen, und ſomit wenn der Kopf im erſten ſchiefen
Durchmeſſer ſteht, die Zangenblaͤtter im zweiten ſchiefen Durch-
meſſer anlegen, und umgekehrt.


§. 1225.

Die Art der Zangeneinfuͤhrung insbeſondere betreffend,
ſo verfaͤhrt man dabei folgendermaaßen. Operirt man mit
einer Boërſchen, oder einer ihr aͤhnlichen Zange, ſo fuͤhrt
man in der Regel (wegen dem bequemern Schlieſſen des Schloſ-
ſes) zuerſt den weiblichen Zangenarm ein, und zwar mit der
linken Hand in die linke Seite des Beckens. Der Geburts-
helfer hat fuͤr dieſen Endzweck zuvoͤrderſt eine paſſende Stel-
lung zu waͤhlen; liegt die Gebaͤrende auf dem gewoͤhnlichen
Querlager, ſo iſt es am zweckmaͤßigſten ſich auf ein vor daſ-
ſelbe gelegtes Sophakiſſen mit einem Knie niederzulaſſen, oder
auf einen niedrigen Seſſel ſich zu ſetzen, dabei des Rockes (indeß
nur wenn man auf eine anſtrengende Operation zu rechnen hat)
ſich zu entledigen, und ein doppelt gelegtes groͤßeres Leinen-
tuch ſich uͤber den Schoß zu breiten, theils um vor Verun-
reinigung zu ſchuͤtzen, theils um das Kind darauf zu empfan-
gen; liegt hingegen die Gebaͤrende auf dem gewoͤhnlichen
Bette, ſo hat der Operirende jederzeit eine etwas unbequemere
Stellung (weßhalb eben die Entbindung in dieſer Lage nur
fuͤr leichtere Faͤlle zu waͤhlen iſt), indem er entweder gebuͤckt
zur Seite des Bettes zu ſtehen, oder ſich auf den Rand des
Bettes zu ſetzen genoͤthigt iſt.


§. 1226.

Iſt dieſes geordnet, ſo beſtreicht man ſofort Zeige- und
Mittelfinger der rechten Hand mit Fett oder Oehl, faßt das
erwaͤrmte und abgetrocknete weibliche Zangenblatt mit der ab-
getrockneten linken Hand, auf die Weiſe wie man eine Schrei-
befeder ergreift, beſtreicht dann die aͤußere Flaͤche des Zangen-
[348] loͤffels ebenfalls mit Fett, und geht nun mit den zwei ge-
nannten Fingern der rechten Hand vorſichtig in die Vagina
und in den Muttermund (wenn der Kopf nicht bereits die
Kroͤnung paſſirt hat) bis zum Kopfe, wo die Spitzen der
Finger ruhig verweilen muͤſſen, um dem Zangenblatte als Lei-
ter zu dienen. Dieſe letztern fuͤhrt man nunmehr auf dieſen
zwei Fingern in die Mutterſcheide und Gebaͤrmutter ſo weit
an den Kopf herauf, bis die Kopfkruͤmmung der Zange den-
ſelben hinlaͤnglich gefaßt hat, wobei vorzuͤglich viel darauf
ankommt, die Richtung der Fuͤhrungslinie auf das genaueſte
zu beobachten, folglich das Zangenblatt anfaͤnglich faſt ſenk-
recht zu halten, dann aber, jemehr daſſelbe eindringt, ſtets
um ſo mehr der Zangengriff zu ſenken, und ſo den Zangen-
loͤffel eine voͤllige Bogenlinie beſchreiben zu laſſen. Außerdem
iſt darauf zu ſehen, daß die Kreiſende ſelbſt ein ſehr ruhiges
Verhalten beobochtet, alles Verarbeiten der Wehen unterlaͤßt,
und daß der Geburtshelfer ſelbſt waͤhrend einer eintretenden
Wehe mit dem Einfuͤhren des Inſtruments etwas einhaͤlt.


§. 1227.

Liegt ſomit das weibliche Blatt am Kopfe feſt, wovon
man ſich nach zuruͤckgezogenen Fingern der rechten Hand
durch einen gelinden Zug am Zangenblatte ſelbſt uͤberzeugt,
ſo giebt man den Griff deſſelben einem zur Seite ſitzenden
Gehuͤlfen zum Halten, und bereitet ſich nun zum Einbringen
des zweiten maͤnnlichen Zangenarms. Nachdem naͤmlich die
rechte Hand hinlaͤnglich abgetrocknet iſt, faßt man damit den
zweiten Zangenarm wieder auf die oben beſchriebene Weiſe,
ſalbt Zeige- und Mittelfinger der linken Hand mit Oehl, be-
ſtreicht damit auch die aͤußere Flaͤche des maͤnnlichen Zan-
genblattes, geht damit auf der rechten Seite des Beckens bis
zum Kindeskopf herauf (indem der Gehuͤlfe den Griff des
erſten Blattes mehr ruͤckwaͤrts draͤngt), und leitet nun mit
der rechten Hand das zweite Zangenblatt voͤllig nach denſel-
ben Regeln, welche beim erſten zu beobachten waren, in das
Becken herein. — Liegt nun auch das zweite Blatt ſicher,
[349] und in einer dem erſten entſprechenden Richtung am Kopfe,
ſo geht man mit den beiden Fingern der rechten Hand gleich-
falls zuruͤck, trocknet ſie ab, und wendet ſich nun zum Schlieſ-
ſen der Zange.


§. 1228.

Es faßt naͤmlich nun wieder die linke Hand den Griff
des weiblichen Zangenarms, und indem auch die Rechte den
Griff des zweiten Blattes voͤllig umfaßt, fuͤgt man beide
Blaͤtter im Schloſſe in einander, wobei jedoch die Zeigefinger
beider Haͤnde neben dem Schloſſe ausgeſtreckt werden muͤſ-
ſen, um das Einklemmen weicher Theile, der Schamhaare
u. ſ. w. zu verhindern. — Bei dem Einfuͤhren der Zangen-
blaͤtter ſowohl, als bei dem Schlieſſen derſelben, muß man
uͤbrigens alle Gewalt zu vermeiden ſuchen, und ſo wie das
erſtere bei genauer Beachtung der Fuͤhrungslinie gewoͤhnlich
leicht und ohne Schmerzen fuͤr die Gebaͤrende geſchehen wird,
ſo geht auch das zweite leicht von Statten, wo die Zangen-
blaͤtter in einer guten Lage, und in ſich gegenſeitig entſpre-
chender Richtung angelegt worden waren.


§. 1229.

Es koͤnnen uͤbrigens Faͤlle vorkommen, wo es zweckmaͤ-
ßig iſt, zuerſt den maͤnnlichen Arm einzufuͤhren, wenn z. B.
in der linken Seite der Kopf zu feſt aufliegt und man hof-
fen kann, durch den zuerſt eingefuͤhrten rechten Zangenarm
den Kopfſtand zu verbeſſern, u. ſ. w. — und man verfaͤhrt
hierbei wieder ganz auf die oben beſchriebene Weiſe, nur daß
man natuͤrlich, da die Zange ſo eingebracht ſich nicht ſchlieſ-
ſen laͤßt, zuerſt die Griffe verwechſeln muß.


§. 1230.

Liegt nun die Zange ſicher, und kennt man genau die
Richtung in welcher dieſelbe den Kopf gefaßt hat, ſo wird
es moͤglich, aus dem Abſtande der Zangengriffe (wenn man
[350] mit ſeinem Inſtrument hinlaͤnglich vertraut iſt) einen nicht
leicht truͤgenden Schluß auf den Umfang des Kopfs ſelbſt zu
ziehen. — Iſt auch dieſes beachtet und mit der Bildung des
Beckens nochmals verglichen, ſo ſchreitet man ſofort zu den
eigentlichen Traktionen, bei welchen, nachdem die Zangengriffe
mit einem Tuche umwickelt ſind, beide Haͤnde die Griffe ſo
faſſen muͤſſen, daß die Handruͤcken aufwaͤrts gekehrt ſind, und
ein Zeigefinger, ſobald das Schloß nicht zu tief innerhalb
der Schamlippen liegt, uͤber dieſes zwiſchen beide Blaͤtter
gebracht wird. Die Zuͤge ſelbſt modificiren ſich nun nach
dem Stande des Kopfs, iſt dieſer hochgeſtellt, ſo muͤſſen die
Zangengriffe ſtark ruͤckwaͤrts gerichtet werden, dahingegen, je
tiefer der Kopf mit der Zange herabruͤckt, die Zangengriffe
auch mehr in horizontale Stellung (der Fuͤhrungslinie des
Beckens gemaͤß) kommen werden, bis ſie endlich, beim Her-
ausleiten, wieder faſt in ſenkrechte Stellung gerichtet ſeyn
muͤſſen.


§. 1231.

Ferner darf die Kraft nicht blos in Zuͤgen auf den Kopf
wirken, ſondern man befoͤrdert die Herabbewegung deſſelben
noch mehr durch gelinde ſpiralfoͤrmige Seitenbewegungen der
Zange, wobei die Griffe kleine Ellipſen beſchreiben muͤſſen.
Auſſerdem huͤte man ſich auch dafuͤr, waͤhrend des Anziehens
der Zange den Kopf einer zu ſtarken Zuſammendruͤckung zu
unterwerfen, und ſetze uͤberhaupt eine Traktion nicht zu lange
fort, ſondern benutze dazu vorzuͤglich die Zeit einer, wo moͤg-
lich durch kraͤftiges Mitpreſſen der Kreiſenden verſtaͤrkten Wehe,
und mache ſodann eine kleine Pauſe, um der Kreiſenden und
auch ſich ſelbſt einige Erhohlung zu goͤnnen. — Mitunter
wird man ſich denn auch bei dem Vorruͤcken des Kopfs ge-
noͤthigt ſehen, ſeine eigne Haltung zu veraͤndern, die knieende
Stellung zu verlaſſen und die Entwickelung des Kopfs im
Stehen zu beendigen, immer aber muß man daruͤber wachen,
daß der Kopf, wenn er vielleicht uͤber eine engere Stelle hin-
weggeglitten iſt, nicht zu ploͤtzlich herabruͤckt oder durchſchnei-
[351] det, weßhalb man denn auch nie mit dem ganzen Gewicht
des Koͤrpers dem Zuge ſich hingeben, ſondern ſtets das In-
ſtrument in ſeiner Gewalt behalten muß, um auch daruͤber,
wie der Kopfſtand ſich aͤndert, oder ob die Zange vielleicht
abgleitet, immer urtheilen zu koͤnnen.


§. 1232.

Kommt endlich auf dieſe Weiſe der Kopf bis in den
Ausgang des Beckens, ſo daß er das Mittelfleiſch kuglich
hervortreibt, und ſelbſt zwiſchen den Schamlippen ſichtbar
wird, ſo wird es noͤthig, fernerhin die Zange nur mit einer
Hand zu fuͤhren, die zweite aber zum Unterſtuͤtzen des Mit-
telfleiſches zu verwenden (wenn man nicht dieſes letztere Geſchaͤft
einem geuͤbten Gehuͤlfen uͤbertragen kann). Iſt der Kopf aber
voͤllig ins Einſchneiden gefuͤhrt, ſo iſt es auf alle Weiſe am
zweckmaͤßigſten, die Zange zu loͤſen, und das gaͤnzliche Durch-
ſchneiden von den jetzt faſt nie ausbleibenden Wehen bewerk-
ſtelligen zu laſſen, wobei man ſtets mit groͤßerer Umſicht fuͤr
das Erhalten des Mittelfleiſches Sorge zu tragen im Stande
iſt. Dieſes Loͤſen der Zange muß uͤbrigens ſo ausgefuͤhrt
werden, daß zuerſt die rechte Hand das maͤnnliche Zangen-
blatt, waͤhrend die linke anhaltend das Mittelfleiſch unter-
ſtuͤtzt, der Fuͤhrungslinie gemaͤß durch Hebung des Griffs ent-
wickelt, und dann die linke, waͤhrend die rechte Hand die
Unterſtuͤtzung uͤber ſich nimmt, das weibliche Zangenblatt ent-
entfernt. Macht es hingegen große Unthaͤtigkeit des Uterus,
oder Blutung und aͤhnliche Zufaͤlle noͤthig, auch das Durch-
ſchneiden des Kopfs mittelſt der Zange zu beendigen, ſo muß
eines Theils der Kopf nur langſam uͤber das Perinaeum her-
vorgehoben werden (um das natuͤrliche immer von unten nach
oben erfolgende Hervorrollen des Kopfs nachzuahmen), an-
dern Theils die Unterſtuͤtzung des Mittelfleiſches mit aͤußerſter
Behutſamkeit, entweder durch den Operateur ſelbſt oder durch
einen Gehuͤlfen, fortgeſetzt werden. —


[352]
§. 1233.

So weit die Beſchreibung der Zangenoperation in ge-
woͤhnlichen Faͤllen, bei vorliegendem Hinterhaupt oder Schei-
tel. — Folgende Faͤlle machen nun noch einige naͤhere Be-
ſtimmungen noͤthig: — 1) Wenn Gliedmaaßen des Kindes,
oder der Nabelſtrang neben dem Kopfe liegen. Hierbei muͤſ-
ſen die Zangenblaͤtter ſtets ſo eingebracht werden, daß dieſe
Theile auſſerhalb der Zange bleiben, und dieſe immer den
Kopf allein erfaßt, ſo wie man uͤberdieß auf die Lage dieſer
Theile (beſonders des Nabelſtranges) Ruͤckſicht zu nehmen
hat, und, dafern ſie nicht voͤllig zuruͤckgebracht werden koͤn-
nen, daruͤber wachen muß, daß ſie wenigſtens mehr nach der
Aushoͤlung des Kreuzbeinss dirigirt werden.


§. 1234.

2) Es geſchieht zuweilen bei ſehr hohem oder ſchiefem
Stande des Kopfs, daß die Zange denſelben bei der erſten
Anlegung noch nicht ganz ſicher erfaßt, und daher nach meh-
rern Traktionen vielleicht loſe wird, ja endlich, wenn dieſes
nicht ſogleich beachtet wird, wohl ploͤtzlich abgleitet, die Krei-
ſende erſchreckt, und zu manchen Unannehmlichkeiten fuͤhrt.
In einem jeden Falle daher, wo man das Weichen, und ſich
am Kopfe Herabziehen der Zange bemerkt, iſt es noͤthig die
Lage derſelben alſobald zu verbeſſern; es geſchieht dieß, indem
man auf oben beſchriebene Weiſe das maͤnnliche Zangenblatt
voͤllig loͤſt, dann das weibliche ſogleich weiter am Kopfe her-
aufbringt, und nun eben ſo auch dem maͤnnlichen Zangen-
blatte eine beſſere Lage anweiſt.


Anmerkung. Die Faͤlle, wo ſich die Zange ſehr ſchwer
in eine ſichere Lage an den Kindeskopf anbringen laͤßt,
ſind es uͤbrigens auch, wo es noͤthig werden kann, ſtatt
zweier Finger, welche man gewoͤhnlich um die Zange
an den Kopf zu leiten benutzt, der ganz ins Becken
eingebrachten Hand zu dieſem Endzweck ſich zu bedie-
nen; ein Verfahren welches außerdem, als die Schmer-
[353] zen unnoͤthigerweiſe ſehr vermehrend, keineswegs zu
billigen iſt.


§. 1235.

3) Man bemerkt zuweilen, daß mit dem durch die Zange
gefaßten Kopfe ſich waͤhrend der Traktion ſtarke Scheidenfal-
ten oder die Muttermundslippen ſelbſt herabdraͤngen, in wel-
chem Falle man dann nie verſaͤumen darf, dieſe Theile durch
zwei mit Oehl beſtrichene Fingerſpitzen eines Gehuͤlfen, oder
bei groͤßern ſich vordraͤngenden Partien (z. B. beim prolabir-
ten Uterus) durch vorgelegte eingeoͤhlte Compreſſen ſorgfaͤltig
unterſtuͤtzen zu laſſen. — 4) Es kann zuweilen noͤthig wer-
den, die Zange auch bei vorliegender Geſichtsflaͤche anzulegen
(obwohl dann immer Druck und Zug nachtheiliger auf das
Kind wirken, und deßhalb hier bei hochſtehendem noch bewegli-
chem Kopfe ſtets die Wendung auf die Fuͤße mehr als Anlegung
der Zange zu empfehlen iſt, dafern augenblickliche Be-
ſchleunigung der Geburt noͤthig iſt
, und nicht eine
beſſere Stellung des Kopfs abgewartet werden kann). Es iſt aber,
wenn die Zange in dieſer Lage eingebracht werden muß, theils
die aͤußerſte Schonung der Geſichtsflaͤche waͤhrend dem Ein-
fuͤhren der Blaͤtter aͤußerſt noͤthig, theils wird die Lage der
Zangenblaͤtter hier durchaus zu beiden Seiten des Kopfs an-
geordnet werden muͤſſen, indem eine Lage uͤber das Kinn und
an dem Halſe des Kindes, nothwendig zu Beſchaͤdigungen deſ-
ſelben fuͤhren wuͤrde.


§. 1236.

5) Am meiſten von der gewoͤhnlichen Art der Zangen-
fuͤhrung abweichend, ſind die Faͤlle, wo die Zange nach ſchon
gebornem Rumpfe an den Kopf angelegt werden ſoll. Es
muß hier zuvoͤrderſt der in ein warmes Tuch gehuͤllte ſchon
geborne Kindeskoͤrper einem Gehuͤlfen zur Unterſtuͤtzung uͤber-
geben werden, welcher es dann uͤber ſich nimmt bei Einfuͤh-
rung des weiblichen Zangenblattes den Rumpf mehr nach
rechts, bei Einfuͤhrung des maͤnnlichen, ihn mehr nach links
II. Theil. 23
[354] zu halten. Was Anlegung und Schlieſſung der Zange ſelbſt
betrifft, ſo wird dieſe ganz nach den oben gegebenen Regeln
ausgefuͤhrt, jedoch ſo, daß das Zangenſchloß, wo das Hin-
terhaupt nach dem Schambogen gerichtet iſt, ſtets unter-
halb
des Kindes ſich befindet; nur in den uͤbeln Lagen, wo
das Kinn gegen den Schambogen ſteht, erleichtert es zuwei-
len die Operation etwas, wenn man die Zange uͤber dem
Kinde ſchließt.


§. 1236.

Liegt nun die Zange ſicher am Kopfe, und hat man
vorzuͤglich ſich uͤberzeugt, daß durch dieſelbe der Nabelſtrang
weder gedruͤckt, noch weniger aber mit gefaßt werde, ſo
ſchreitet man zu den Traktionen, wobei man entweder die
Zange, wie gewoͤhnlich, mit beiden Haͤnden faßt, und das
Kind fortwaͤhrend durch einen geuͤbten Gehuͤlfen halten laͤßt,
oder auch daſſelbe, auf dem die Zange von unten erfaßenden
rechten Arme ruhen laͤßt. Es bleibt hierbei die linke Hand
noch zur Unterſtuͤtzung des Mittelfleiſches frei, fuͤr deſſen Er-
haltung uͤbrigens auch durch die Art der Zangenfuͤhrung ſelbſt,
naͤmlich durch Hebung der Griffe, geſorgt werden muß.


2) Von der kuͤnſtlichen Bewerkſtelligung der Ge-
burt eines todten Kindes, nach verhaͤltniß-
maͤßiger Verkleinerung deſſelben
.

1.
Von der kuͤnſtlichen Eroͤffnung des Kopfs
und Entleerung des Gehirns
. (Per-
foratio, Excerebratio.
)

§. 1238.

Wie es uͤberhaupt fuͤr geburtshuͤlfliche Operationen als
Regel aufgeſtellt worden iſt, den Gebrauch verletzender Werk-
[355] zeuge, wo immer moͤglich, zu vermeiden, ſo muß auch die
im Folgenden naͤher zu beſchreibende Operation durchaus nur
fuͤr wenige unvermeidliche Faͤlle aufgeſpart, gegen das unbe-
hutſame und nicht durch Vorhandenſeyn aller dazu erforder-
lichen Indicationen gerechtfertigte Unternehmen derſelben hin-
gegen, ernſtlich gewarnt werden. Der noch nicht hinlaͤnglich
Erfahrene naͤmlich ſieht nur allzuleicht hierin ein Mittel, in
Faͤllen wo eben ſeine eigene Geſchicklichkeit nicht
ausreicht
um die Geburt auf eine ſchonendere Weiſe zu
beendigen, demungeachtet die Entbindung zu bewerkſtelligen;
Schiefſtaͤnde des Kopfs (welche entweder zuvor die tiefere
Hereinleitung deſſelben oder die Wendung auf die Fuͤße er-
fordert haͤtten), ja ſelbſt die nicht hinlaͤngliche Eroͤffnung des
Muttermundes und dergleichen, werden ihm nach fruchtloſen,
oft gleichfalls ungeſchickten Zangenverſuchen, zur Anzeige fuͤr
die Excerebration, und (es iſt ſchrecklich zu ſagen) zur Ver-
anlaſſung ein vielleicht noch nicht abgeſtorbenes Kind umzubrin-
gen, oder der Mutter durch unvorſichtige Fuͤhrung der Inſtrumente
die gefaͤhrlichſten Verletzungen zuzufuͤgen. Gruͤnde genug wel-
che jeden angehenden Geburtshelfer beſtimmen ſollten, eine Ope-
ration, welche doch wirklich nur in ſehr ſeltnen Faͤllen unum-
gaͤnglich noͤthig wird, *) nie ohne Berathung mit einem an-
dern erfahrenen Geburtshelfer zu unternehmen.


§. 1239.

Bevor wir nun die Indicationen, welche das Unterneh-
men dieſer Operation rechtfertigen, ausfuͤhrlicher durchgehen,
iſt es zunaͤchſt als unerlaͤßliche Bedingung fuͤr dieſelbe aufzu-
ſtellen, daß man von dem Tode des Kindes unbe-
ſtreitbar ſichere Zeichen vorgefunden habe
; eine
Bedingung von welcher nur diejenigen Verunſtaltungen und
krankhaften Zuſtaͤnde des Kindes, welche ſchon an ſich auf
[356] Lebensunfaͤhigkeit deuten, wie namentlich große Waſſeranſamm-
lungen im Schaͤdel, eine Ausnahme geſtatten, jedoch ſo, daß
auch dieſe bei Zeichen vom Leben des Kindes nur die Oeff-
nung (Paracenteſe) der Schaͤdelhoͤhle, aber nicht die Excere-
bration rechtfertigen. Es koͤnnen zwar Faͤlle vorkommen, wo
der Grad der Beckenenge das Durchfuͤhren des Kindes nach
der Excerebration erlauben, durch das Leben des Kindes aber
vielmehr der Kaiſerſchnitt angezeigt ſeyn wuͤrde, und wo ſo-
nach nur zwiſchen großer Gefahr fuͤr die Mutter, und dem
ſichern Tode des Kindes, die Wahl uͤbrig bleibt. Hier iſt es
alsdann, wo theils nach der Entſcheidung der Mutter ſelbſt,
die Wahl zwiſchen dieſen Operationen beſtimmt werden muß,
theils der Geburtshelfer auch nach dem was die Unterſuchung
uͤber den Zuſtand des Kindes, regelmaͤßige Bildung und fer-
nere Lebensfaͤhigkeit deſſelben erkennen laͤßt, zu entſcheiden
hat. — Indeß wird auch in einem ſolchen Falle, wo die
Mutter dem Kaiſerſchnitte ſich nicht unterwerfen will, der
Geburtshelfer berechtigt ſeyn, dafern wirklich weder durch
Wendung auf die Fuͤße noch Zange die Perforation um-
gangen werden kann, dieſe doch erſt alsdann vorzunehmen,
wenn er vom eingetretenen Tode des Kindes hinlaͤnglich uͤber-
zeugt iſt.


§. 1240.

Unter dieſer Bedingung nun wird es Indication fuͤr
das Unternehmen der Perforation abgeben, wenn ein ſo
bedeutendes Mißverhaͤltniß zwiſchen Kopf und
Becken Statt findet, daß die Durchfuͤhrung des
erſtern ohne Verkleinerung entweder gar nicht,
oder nur mit großer Gefahr fuͤr die Mutter moͤg-
lich wuͤrde
. In Faͤllen alſo langwieriger und heftiger Ein-
keilung des Kopfs im kleinen Becken, wo uͤberdieß durch Vor-
fall der nicht mehr pulſirenden Nabelſchnur, oder deutliche
Spuren eingetretener Faͤulniß am Kinde u. ſ. w., der Tod
des letztern keinem Zweifel mehr unterworfen ſeyn kann, hier
[357] ſagen wir, iſt es vorzuͤglich, wo die vorſichtig unternommene
Perforation als ein wohlthaͤtiges und vollkommen zweckmaͤßi-
ges Huͤlfsmittel erſcheint, und wo es offenbar Tadel verdient,
wenn man, blos um dieſe Operation nicht zu machen, die
Kreiſende durch hartnaͤckig fortgeſetzte Zangenoperation, oder
durch gewaltſames Zuruͤckdraͤngen des Kopfs und Wendung
auf die Fuͤße der Gefahr heftiger Entzuͤndungen, ja der Zer-
reiſſung der Gebaͤrmutter ausſetzt.


§. 1241.

Ueber den Zeitpunkt des Geburtsgeſchaͤfts, zu wel-
chem dieſe Operation am zweckmaͤßigſten zu unternehmen ſey,
laͤßt ſich im Allgemeinen wenig beſtimmen. Iſt es Waſſer-
anſammlung im Schaͤdel, welche zur Perforation (Paracen-
tesis
) des Kopfs noͤthigt, ſo iſt es rathſam, die Operation
nach eroͤffnetem Muttermunde und abgefloßenem Fruchtwaſſer,
ſobald man ſich von der Unmoͤglichkeit den Kopf bei dieſem
Umfange durch das Becken zu fuͤhren, uͤberzeugt hat, nicht
allzulange zu verſchieben. Iſt es Engigkeit des Beckens wel-
che die Operation indicirt, ſo wird auch hier, ſobald an dem
Tode des Kindes nicht mehr zu zweifeln, durch die bereits Statt
findende Einkeilung die Wendung auf die Fuͤße contraindicirt,
und die Zange fruchtlos angewendet worden iſt, laͤngere Ver-
zoͤgerung dieſer Operation nur zum Nachtheil der Kreiſenden
gereichen.


§. 1242.

Die Prognoſe richtet ſich bei dieſer Operation vor-
zuͤglich nach den uͤbrigen durch die langdauernde und ſchwere
Geburtsarbeit etwa bereits entwickelten krankhaften Zuſtaͤnden
und nach der Engigkeit des Beckens; obwohl man, was die
Operation ſelbſt betrifft, ſicher behaupten darf, daß, dafern
ſie mit aller noͤthigen Umſicht, Behutſamkeit,
und Schonung der muͤtterlichen Theile ausgefuͤhrt
wird
, dieſelbe keineswegs als eine fuͤr die Mutter an ſich gefaͤhr-
[358] liche Operation, *) ja nicht einmal als beſonders ſchmerzhaft be-
trachtet werden koͤnne. Hingegen muß auch bemerkt werden,
daß nicht leicht bei einer andern Operation, ſo wie bei die-
ſer, wenn ſie mit Rohheit und Unvorſichtigkeit vollbracht wird,
(nach Art der Deiſche und Mittelhaͤuſer, deren Nach-
folger leider noch nicht ganz ausgerottet ſcheinen) ſie leicht zu
fuͤrchterlichen Verletzungen fuͤhren koͤnne und muͤſſe.


§. 1243.

Noͤthige Vorbereitungen zu dieſer Operation ſind
paſſende Lage der Kreiſenden auf einem guten Wendungsla-
ger, und das Bereithalten ſowohl der mehrerwaͤhnten Arznei-
mittel und Entbindungsapparate uͤberhaupt, als der zur Er-
oͤffnung, Verkleinerung und zum Anziehen des Kopfs uͤber-
haupt noͤthigen Inſtrumente, von welchen hier noch etwas
ausfuͤhrlicher die Rede ſeyn muß.


§. 1244.

Die Perforatorien ſind aber theils meſſer- oder
pfeilfoͤrmig, theils ſcheerenfoͤrmig, theils trepanfoͤrmig. Zu
den erſtern gehoͤren, auſſer den Inſtrumenten der Alten, Mau-
riceau’s Perforator
(eine pfeilfoͤrmige Spitze an einem langen
Griffe), das Fried’ſche gerade in einer Scheide laufende, das
Wiegandſche gekruͤmmte, und mehrere aͤhnliche Perforato-
rien. **) Von den ſcheerenfoͤrmigen iſt vorzuͤglich Levret’s
Percecrane à deux Lames,
eine an den aͤußern Raͤndern
ſchneidende Scheere, Fried’s Kopfſcheere, wo zwiſchen den
Griffen dieſer an den aͤußern Raͤndern ſchneidenden Scheere eine
Feder angebracht iſt, damit ſie durch Zuſammendruͤcken der
[359] Griffe geoͤffnet werden koͤnne (eine Vorrichtung welche hierbei
nicht eben zweckmaͤßig iſt), ferner Denmann’s gekruͤmmte
mit Gegenhaltern verſehene Scheere zu erwaͤhnen. Die Idee
endlich ein trepanfoͤrmiges Werkzeug zur Perforation einzu-
richten, wnrde zuerſt von Hrn. Joͤrg ausgeſprochen, und
ſpaͤterhin von Assalini ſo wie von Hrn. Joͤrg ſelbſt in Aus-
fuͤhrung gebracht. (T. III. F. IX.)


§. 1245.

Fuͤr die meiſten Faͤlle nun, wo eine Fontanelle oder
Nath am Kopfe des Kindes gut zu erreichen iſt, gewaͤhrt
wohl das Levret’ſche Perforatorium, wenn es mit langen
dicht aneinander ſchlieſſenden Griffen verſehen wird (T. III.
F. VIII.), da es eine ſehr gelinde, voͤllig Geraͤuſchloſe Ein-
fuͤhrung geſtattet, auch damit eine hinlaͤnglich weite Eroͤffnung
des Schaͤdels ſehr wohl moͤglich iſt, die meiſten Vortheile;
fuͤr Faͤlle hingegen, wo man einen ſehr ſtark verknoͤcherten
Kopf von der Baſis aus, oder durch ein Scheitelbein perforiren
muß, verdient das trepanfoͤrmige (welches uͤberdieß in der
Hand des weniger Geuͤbten auch nicht ſo leicht als das ſchee-
renfoͤrmige, gefaͤhrliche Verletzungen der Mutter verurſachen
wird) den Vorzug.


§. 1246.

Der Werkzeuge ferner, welche Theile der
Schaͤdelknochen zu entfernen beſtimmt ſind
, hat
man abermals eine betraͤchtliche Anzahl nach und nach er-
funden; es gehoͤren dahin Fried’s Kopfſaͤge und Hirnloͤffel,
die groͤßern gezaͤhnten Zangen von Rueff und Mesnard, u.
ſ. w. — Als wirklich brauchbar kann jedoch hier nur die
Excerebrationspincette von Boër empfohlen werden (T. III.
F. X.), deren kleine, ausgehoͤhlte, innerlich (faſt wie bei Stein-
zangen) mit Zaͤhnen verſehene Loͤffel ſehr gut zur Wegnahme
einzelner durch das Perforatorium geloͤßter Knochenſtuͤcke ſich
eignen.


[360]
§. 1247.

Endlich iſt noch der Werkzeuge, welche den per-
forirten Kopf ins Becken herabzuziehen und zu
entwickeln
taugen, zu gedenken. Es gehoͤren hierher aber
zunaͤchſt die verſchiedenen Arten der Haken, von welchen
man ſcharfe und ſtumpfe unterſcheidet. Die erſtern (zu de-
nen Levret’s mit einer Scheide verſehener Haken, Smel-
lie’s
ſcharfer Haken, wovon zwei auch zu einer Hakenzange
vereinigt werden koͤnnen, Deumann’s ſcharfer Haken und
mehrere andere gehoͤren) ſind ſaͤmmtlich mehr von der Art
um aͤußerlich am Schaͤdel eingeſetzt zu werden, koͤnnen aber
eben deßhalb, ſo wie ihrer Spitzen und Schneiden wegen,
leicht zu den gefaͤhrlichſten Verletzungen der Geburtstheile
fuͤhren. Stumpfe Haken haben mehrere Geburtshelfer gleich
an ihren Geburtszangen angebracht, da indeß dazu ſtaͤhlerne
Griffe erfordert werden, und dieſe manches Unbequeme ha-
ben, ſo muß dagegen der Smellie’ſche ſtumpfe Haken (T.
III.
F. XI.) empfohlen werden, deſſen kleinere Kruͤmmung
ſich ſehr dazu eignet, ſowohl aͤußerlich (in Mundhoͤhle, Au-
genhoͤhle, Ohroͤffnung) eingeſetzt, als in die Oeffnung des
perforirten Kopfs eingebracht zu werden. — Auſſer den ver-
ſchiedenen Haken hat man aber ferner ſich auch eigener Kopf-
zieher
, theils (wie ſchon oben erinnert) zum Einbringen in
das Foramen magnum bei abgeriſſenem und zuruͤckgebliebe-
nem Kopfe, theils zum Einfuͤhren in die durch Perforation
entſtandene Oeffnung bedient. Sie ſind meiſtens von der
Art, daß ſie nach Einfuͤhrung in die Schaͤdelhoͤhle ſich entfal-
ten und Widerhaken oder Querbalken hervortreten laſſen.
Es gehoͤren hierher theils Gregoire’s, Levret’s, Burton’s
und Anderer Kopfzieher, ſo wie die neuerlich von Assalini
vorgeſchlagenen Inſtrumente. — Ich geſtehe daß mir alle dieſe
gewaltſamen Apparate uͤberfluͤßig ſcheinen, und eine gute Fuͤh-
rung des Smellie’ſchen Hakens mir nie andere Huͤlfsmittel
in dieſen, an ſich bei groͤßerer Ausbildung geburtshuͤlflicher
Kunſt immer ſeltner werdenden Operationen, zu wuͤnſchen uͤbrig
gelaſſen hat.


[361]
§. 1248.

Bei der Beſchreibung der Perforation ſelbſt iſt nun
zunaͤchſt zu unterſcheiden, ob man bloße Eroͤffnung der
Schaͤdelhoͤhle zur Entleerung von Waſſer (die Paracenteſe)
aber ob man die eigentliche Excerebration beabſichtige. —
Fuͤr den erſtern Fall empfiehlt ſich das von Hrn. Oſian-
der
*) angemerkte Verfahren. Sobald naͤmlich man ſich
durch genaue Unterſuchung von der Unmoͤglichkeit den ſehr
durch Waſſer ausgedehnten Schaͤdel durch das Becken zu fuͤh-
ren uͤberzeugt hat, und die Gebaͤrende in bequemer Lage ſich
auf dem Wendungslager befindet, faßt man mit der rechten
Hand eine chirurgiſche gerade ſpitzige Scheere (eben ſo wohl
koͤnnte man ſich des ſcheerenfoͤrmigen Perforatoriums zu die-
ſem Endzweck bedienen) und zugleich einen weiblichen Kathe-
ter, ſo daß letzterer auf der breiten Flaͤche der erſtern dicht
angedruͤckt liegt, und fuͤhrt nun die Spitzen beider Inſtru-
mente in der hohlen Hand vorſichtig zum Schaͤdel des Kin-
des an eine der gewoͤhnlich ſehr breiten Naͤthe oder Fonta-
nellen.


§. 1249.

Iſt man hier angekommen, ſo ſtoͤßt man vorſichtig die
Scherenſpitze durch die Schaͤdeldecke ein, wobei ſich der Ka-
theter zuruͤckſchiebt, und nun benutzt man Zeige- und Mittel-
finger der linken Hand, um das verletzende Inſtrument etwas
zuruͤckzuziehen, indem man zu gleicher Zeit den Daumen, um
den Katheter vorwaͤrts, und in die kleine Oeffnung hereinzu-
draͤngen, gebraucht. Auf dieſe Weiſe wird das Waſſer nach
und nach ſich entleeren, und man laͤßt ſich ſodann den Kopf
entweder durch die Kraft der Wehen allein, oder durch die
Einleitung mittelſt der Hand vorbereitet, entwickeln, oder man
faßt ihn ſogleich mittelſt der Geburtszange und fuͤhrt ihn ſo
[362] durch das Becken hindurch. — Der Geburtshelfer hat bei
dieſem Verfahren die Beruhigung, keine an ſich toͤdtliche
Verletzung dem (freilich uͤberhaupt ſelten lebensfaͤhigen) Kinde
zugefuͤgt zu haben, da durch neuere Beiſpiele *) erwieſen iſt,
daß die Paracenteſe der Schaͤdelhoͤhle ſogar als Heilmittel
dieſer Waſſerſuchten dienen koͤnne.


§. 1250.

Verrichtet man hingegen die Perforation zum Zweck der
Entleerung des Gehirns, ſo iſt folgendes Verfahren anzuwen-
den: — Nachdem die Kreiſende gehoͤrig unterſtuͤtzt auf dem
Wendungslager ſich befindet, iſt es zunaͤchſt noͤthig dafuͤr zu
ſorgen, daß der Kindeskopf ſich gehoͤrig feſtgeſtellt auf dem
Becken befinde. Wo er daher nicht bereits wirklich eingekeilt
im Becken ſteht, ſondern noch am Eingange deſſelben, viel-
leicht ſogar noch beweglich verweilt (obwohl im letztern Falle
uͤberhaupt durch die Wendung und Extraktion an den Fuͤßen
die Perforation haͤufig uͤberfluͤßig gemacht wird) iſt es noͤthig,
daß ein Gehuͤlfe durch Aufdruͤcken der flachen Hand uͤber dem
Becken den Kindeskopf mehr fixire. Auch habe ich einige-
mal, wo fruͤher die Zange angelegt worden war, mit Vor-
theil die Zangenblaͤtter, nach zuſammengebundenen Griffen,
feſt am Kopfe liegen laſſen, und indem ſo der Kopf durch
dieſes Inſtrument fixirt wurde, die Perforation gemacht; wo-
bei denn nach eroͤffneter Schaͤdelhoͤhle das Ausfließen des Ge-
hirns durch Druck befoͤrdert, der Kopf ſelbſt aber zugleich ein
Stuͤck ins Becken herabgezogen werden kann, bis das ſtaͤrkere
Zuſammenfallen des Kopfs, wobei die Zangenblaͤtter gewoͤhn-
lich abgleiten, zum Abnehmen derſelben noͤthigt.


§. 1251.

Iſt alſo auf eine oder die andere Art der Kopf hinlaͤng-
lich feſtgeſtellt, ſo benutzt man die eingeoͤhlten Zeige- und
[363] Mittelfinger der linken Hand, indem man ſie in die Geburts-
theile einfuͤhrt, zum Aufſuchen einer Nath oder Fontanelle,
und laͤßt die Spitzen derſelben an der Stelle, welche zum
Perforiren ſich am meiſten zu eignen ſcheint, ruhen. Hierauf
faßt man (ſobald man ſich des ſcheerenfoͤrmigen Perforatoriums
bedient) das erwaͤrmte Inſtrument an den Griffen, und leitet
es auf jenen zwei Fingern vorſichtig, und ſtets der Fuͤhrungs-
linie des Beckens angemeſſen, herauf, ſetzt dann die Spitze
an die Nath oder Fontanelle ſicher ein, richtet die Flaͤche des
Perforatoriums ſo, daß die beiden Schneiden deſſelben in der
Richtung einer Kopfnath eindringen muͤſſen, und draͤngt ſo-
dann die ganze Spitze, bis zur groͤßten Breite der Scheeren-
blaͤtter in den Kopf ein.


§. 1252.

Da nun aber die einfache Stich- und Schnittwunde
welche dadurch entſteht, nicht zur Entleerung des Gehirns aus-
reicht, ſo iſt man genoͤthigt ſofort das Inſtrument mehrere-
male umzudrehen, die Griffe zu oͤffnen (und zwar in ver-
ſchiedenen Richtungen), und auf dieſe Weiſe zugleich die Hirn-
haͤute und Gefaͤße mehr zu zerſtoͤren, damit das Ausfließen
des Gehirns leichter erfolge. Iſt auf dieſe Weiſe nun eine
hinlaͤngliche Oeffnung gebildet, ſo fuͤhrt man das Perforato-
rium vorſichtig wieder aus den Geburtstheilen hervor, und,
dafern nicht andere Umſtaͤnde die Beſchleunigung der Geburt
dringend fordern, laͤßt man den Kopf durch gehoͤrig verarbei-
tete Wehen mehr zuſammenpreſſen und durch das Becken
hindurchtreiben, welches, je mehr das Gehirn ausfließt, ge-
woͤhnlich auch um ſo leichter geſchieht. Sind hingegen Um-
ſtaͤnde vorhanden, welche auf Beſchleunigung der Geburt drin-
gen, ſo macht man entweder, wenn die Zange etwa noch am
Kopfe feſt liegt, noch einige Traktionen, oder welches in der
Regel hier weit zweckmaͤßiger iſt, man bedient ſich zur Been-
digung der Geburt des kleinern Endes vom ſtumpfen Haken
Smellie’s.


[364]
§. 1253.

Im letztern Falle wird es rathſam, ſo lange der Kopf
noch einen hoͤhern Stand behauptet, den Haken auf zwei Fin-
gern der linken Hand, bis zur Oeffnung des Schaͤdels und
in die Hoͤhle des letztern zu fuͤhren, hier ihn ſicher einzu-
ſetzen, und, indem die beiden Finger der linken Hand ſtets
in der Naͤhe bleiben und die Wirkung des Hakens leiten, den
Kopf, der Fuͤhrungslinie gemaͤß, durch die rechte, den mit
einem Tuche umwundenen Griff des Hakens oder deſſen groͤ-
ßere Kruͤmmung faſſende Hand, tiefer ins Becken herabzuzie-
hen. Gleitet bei einer ſolcher Traktion ja der Haken aus,
ſo wird er doch nie die muͤtterlichen Theile verletzen, da er
innerhalb der Schaͤdelhoͤhle ſich befindet und die Oeffnung
derſelben von den Fingern der linken Hand bewacht iſt.
Eben ſo wuͤrde aber auch das Durchdringen des Hakens durch
die Schaͤdeldecken ſogleich von den Fingern der linken Hand
bemerkt werden (wenn das Ende des Hakens hinlaͤnglich ab-
geſtumpft iſt, geſchieht dieß ſo nicht leicht), und auch hierdurch
kann folglich keine Verletzung der muͤtterlichen Theile entſte-
hen. — Nur wenn der Kopf bereits tiefer in das Becken
herabgeruͤckt iſt, und die Schaͤdelknochen nicht mehr hinlaͤng-
lichen Halt fuͤr den Haken gewaͤhren, iſt es rathſam den Ha-
ken aͤußerlich in eine Augenhoͤhle, oder ein Ohr einzuſetzen und
auf dieſe Weiſe den Kopf vollends zu entwickeln; nur iſt im
letztern Falle vorzuͤglich daruͤber zu wachen, daß der Haken
ſowohl beim Einfuͤhren als Anziehen die muͤtterlichen Theile
nicht beſchaͤdige.


§. 1254.

Es zeigen ſich nun aber gewoͤhnlich waͤhrend der Trak-
tionen mit dem Haken, oder ſelbſt bei dem durch die Wehen
allein erfolgenden Zuſammenpreſſen des entleerten Kopfs, meh-
rere durch die gemachte Oeffnung ſich hervordraͤngende Kno-
chenſplitter, oder groͤßere Kochenſtuͤcke, und auch dieſes kann
zu gefaͤhrlichen Verletzungen der Geburtstheile Veranlaſſung
geben. Es iſt daher noͤthig, ſobald dergleichen ſcharfe Kno-
[365] chenraͤnder bemerkt werden, theils dieſelben durch die Finger
der linken Hand zu bewachen, und von dem Eindringen in
die Scheidenwaͤnde abzuhalten, theils ſie auch durch Anwen-
dung der Excerebrationspincette zu faſſen, und vorſichtig zu
entfernen; auf welche Weiſe man uͤberhaupt, wenn es ein ho-
her Grad von Engigkeit des Beckens noͤthig machen ſollte,
nach und nach den groͤßten Theil des Schaͤdelgewoͤlbes ent-
fernen kann.


§. 1255.

Welche Abaͤnderungen endlich dieſes Verfahren erfordert,
wenn man ſich ſtatt des Scheerenfoͤrmigen Perforatoriums des
Trepanfoͤrmigen bedienen will, ergiebt ſich leicht von ſelbſt.
Man fuͤhrt in dieſem Falle naͤmlich dieſes letztere Inſtrument
mit zuruͤckgezogener Trepankrone, unter Leitung der linken Hand,
in das Becken ein, ſetzt die Scheidenoͤffnung deſſelben an eine
ſchickliche Gegend des Schaͤdels feſt an, und indem ſo der
Cylinder in welchem die Trepankrone laͤuft mit der linken
Hand fixirt wird, gebraucht man die rechte Hand um den
Griff des Inſtruments zu faſſen, und durch mehrere Drehungen
die hervorgeſchobene Trepankrone in den Schaͤdel eindringen zu
laſſen, worauf man das Inſtrument, welches die herausge-
ſaͤgte kleine Knochenplatte in ſich aufnimmt, zuruͤckzieht, und
es vorſichtig aus den Geburtstheilen hervorleitet. Gewoͤhnlich
wird es weiterhin noch noͤthig durch Einfuͤhrung des Hakens
in die Oeffnung des Kopfs eine vollkommnere Zerſtoͤrung der
Gefaͤße und Haͤute im Innern des Schaͤdels zu bewerkſtelli-
gen, und man uͤberlaͤßt alsdann die weitere Austreibung des
Kopfs entweder den Wehen, oder macht die Extraktion auf
die in den vorigen §§. bereits beſchriebene Weiſe.


§. 1256.

Es waͤre jetzt noch uͤbrig von dem Verfahren zu ſpre-
chen, welches in Faͤllen, wo der Rumpf bereits geboren und
das Kind abgeſtorben iſt, fuͤr die Perforation des Kopfs an-
zuwenden ſeyn wuͤrde. Es iſt jedoch hierbei uͤberhaupt zu
[366] erinnern, daß bei dem Eintreten des Kopfs in dieſer Rich-
tung, dafern es der Beckenraum geſtattete die uͤbrigen Kin-
destheile durchzufuͤhren, auch faſt immer das Durchfuͤhren des
Kopfes ohne Verkleinerung gelingen wird, ſobald man nur
darauf achtet denſelben im Eingange in den Querdurchmeſſer
zu ſtellen, und dann durch eingebrachten Finger oder Haken
in den Mund des Kindes, oder durch Einſetzen des Hakens
in eine Orbita, den Kopf mit ſeinem langen Durchmeſſer mehr
in die Fuͤhrungslinie des Beckens zu richten. Muͤßte indeß
beſonderer Groͤße des Kopfs wegen demungeachtet zur Perfo-
ration geſchritten werden, ſo iſt im Weſentlichen ganz daſſelbe
Verfahren wie bei vorliegendem Kopfe zu beobachten, nur
daß theils bei dieſer Lage ſich insbeſondere (wie ſchon oben
erwaͤhnt) das trepanfoͤrmige Perforatorium empfiehlt, theils
bei dieſer Art der Eroͤffnung der Schaͤdelhoͤhle beſonders dar-
auf zu achten iſt, daß die Verbindung des Halſes mit dem
Kopfe nicht getrennt werde, weßhalb man in der Regel mehr
die Gegend des Hinterhaupts, der Seitenfontanellen, oder der
Keilbeinfluͤgel zur Perforation waͤhlt.


Anmerkung. Da in den meiſten Faͤllen die Geburts-
theile durch die Perforation doch mehr als bei andern
kuͤnſtlichen Geburten gereitzt werden, ſo iſt es immer
rathſam, nach beendigter Operation einige Injektionen
von einem Aufguße der Kamillenblumen mit Hb. Ci-
cutae
und Hb. Serpilli vermiſcht, in die Geburtstheile
zu machen und innerlich prophylaktiſch den Gebrauch
einer Mohnſamenemulſion zu verordnen.


2.
Von der Zerſtuͤckung des Kindes.
(Embryotomia.)

§. 1257.

Dieſe fuͤr die Gebaͤrende ſo wie deren Angehoͤrige ſtets
hoͤchſt furchtbare und widrige Operation, mit welcher in den
[367] Tagen eines rohern Zuſtandes der Geburtshuͤlfe ſo viele Graͤuel
veruͤbt worden ſind, darf jetzt auf aͤußerſt wenige und ſel-
tene Faͤlle eingeſchraͤnkt werden, ja ſie bleibt eigentlich nur
unter zwei Bedingungen noch zulaͤßig: 1) bei einer Mißge-
burt, welche durch uͤberzaͤhlige Theile oder abnorme Vergroͤße-
rung einzelner Koͤrpergegenden die Entbindung auf dem ge-
woͤhnlichen Wege ſchlechterdings unmoͤglich machen wuͤrde, und
demungeachtet das Kind, dieſer Verunſtaltung wegen, nicht
eines wahrhaft menſchlichen Lebens fuͤr faͤhig zu achten waͤre.
2) Bei falſchen Lagen des Kindes wo der rechte Zeitpunkt
die Wendung zu machen gaͤnzlich verabſaͤumt worden iſt, und
nun das Kind mit irgend einer regelwidrig eingetretenen Flaͤ-
che des Rumpfs ſo feſt im Beckeneingange ſich eingekeilt fin-
det, daß Herabfuͤhrung der Fuͤße gaͤnzlich unmoͤglich erſcheint.
Allein ſelbſt in dieſem Falle pflegt hoͤchſtens die Eroͤffnung
einer Rumpfhoͤhle und Entleerung derſelben, keineswegs eine
eigentliche Zerſtuͤckung, noͤthig zu werden.


Anmerkung. Es iſt uͤbrigens hierbei zu erinnern, daß
dem Anfaͤnger oft eine Querlage, bei laͤngere Zeit
abgefloßenem Fruchtwaſſer, unuͤberſteigliche Hinderniſſe
darbieten wird, wenn dagegen der Geuͤbtere auch hier
die Wendung zu verrichten ſehr wohl im Stande iſt;
welches denn den angehenden Geburtshelfer dazu vermoͤ-
gen muß, in einem ſolchen Falle nie etwa ſogleich die
Embryotomie fuͤr unvermeidlich zu halten, ſondern lieber
zuvor noch den Rath eines erfahrenern Mannes zu ver-
nehmen.


§. 1258.

Die Inſtrumente betreffend, welche fuͤr dieſen Zweck er-
fordert werden, ſo hat man in fruͤherer Zeit ſich vorzuͤglich
der ſcharfen Haken und Sichelmeſſer bedient; Inſtrumente,
welche jetzt als gaͤnzlich uͤberfluͤßig betrachtet werden koͤnnen,
indem fuͤr die Eroͤffnung einer Rumpfhoͤhle das gewoͤhnliche
ſcheerenfoͤrmige Perforatorium, fuͤr anderweitige Trennungen
mißgebildeter Theile aber, ein gewoͤhnliches bis gegen die
[268[368]] Spitze umwickeltes geknoͤpftes Biſtouri, oder allenfalls Stark’s
Fingerbiſtouri oder Aitken’s Fingerſkalpell vollkommen aus-
reichen.


§. 1259.

Was nun die Art und Weiſe nach welcher dieſe Opera-
tion auszufuͤhren iſt, anbelangt, ſo geſchieht das Eroͤffnen ei-
ner Rumpfhoͤhle voͤllig auf dieſelbe Weiſe wie das Eroͤffnen
der Schaͤdelhoͤhle, nur daß man nachher genoͤthigt iſt, mittelſt
zweier in die Wunde eingebrachten Finger die Contenta die-
ſer Hoͤhle moͤglichſt zu entleeren, und ſich ſo, nach zuſam-
mengefallenen Waͤnden derſelben den Weg zu den Fuͤßen zu
bahnen. Iſt aber ſchon dieſe, immer hoͤchſt widerliche Ope-
ration hoͤchſt ſelten, und wo die Geburt nicht anfaͤnglich voͤl-
lig vernachlaͤßigt wurde, eigentlich niemals noͤthig, ſo iſt fer-
ner das Abtrennen vorgefallener Arme und aͤhnliche Verſtuͤm-
melung durchaus uͤberfluͤßig und keinesweges zu dulden.


§. 1260.

Ueber das Verfahren endlich welches bei einem mißge-
ſtalteten Kinde noͤthig werden kann, um durch Trennungen
uͤberzaͤhliger Theile die Geburt deſſelben moͤglich zu machen,
daruͤber laſſen ſich allgemeinere Regeln durchaus nicht geben,
indem die Faͤlle, welche in dieſer Hinſicht vorkommen koͤnnen,
ſo unendlich verſchieden ſind, daß hier faſt alles der Vorſicht,
Ueberlegung und Entſchloſſenheit des Operirenden uͤberlaſſen
bleiben muß. Eins iſt indeſſen, was man hierbei immer vor
Augen haben wird, naͤmlich, da man die Operation blos zum
Vortheil der Mutter unternimmt, durch die behutſamſte Fuͤh-
rung der Inſtrumente alle Verletzungen der muͤtterlichen Theile
auf das ſorgfaͤltigſte zu verhuͤten.


[369]
B. Kuͤnſtliche Bewerkſtelligung der Geburt des Kindes,
durch Eroͤffnung eines neuen, oder durch kuͤnſtliche
Erweiterung des gewoͤhnlichen Geburtsweges.

1.
Vom Gebaͤrmutterſchnitte oder Kaiſerſchnitte.
(Gastrohysterotomia, Sectio caesarea.*))

§. 1261.

Man bezeichnet mit dieſem Namen die Bewerkſtelligung
der Geburt des Kindes auf einem neu eroͤffneten Wege, naͤm-
lich durch den kunſtgemaͤßen Einſchnitt der Bauchdecken und
der Fruchthaͤlterwand. Es iſt dieſes eine Operation welche
allerdings fuͤr die Mutter ſo aͤußerſt gefaͤhrlich iſt, daß ſie
nur auf ſehr wenige Faͤlle eingeſchraͤnkt zu werden verdient,
demungeachtet aber nicht immer zu vermeiden ſeyn wird.


§. 1262.

Indicationen fuͤr dieſe Operation werden gegeben
1) durch ein abſolut zu enges Becken (Conjugata 1 bis 2
oder 2½ Zoll), durch welches ein im Uterus befindliches aus-
getragenes Kind, weder ganz noch nach vorgenommener Ver-
kleinerung hindurchgefuͤhrt werden kann. Hier wuͤrde ohne
den Gebaͤrmutterſchnitt der Tod von Mutter und Kind gewiß
ſeyn, und es wird die Operation ſonach, als einziges Ret-
tungsmittel, nie unterlaſſen werden duͤrfen. 2) Wird auch
ein lebendes, ausgetragenes, wohlgebildetes Kind, bei einem
II. Theil. 24
[370] verunſtalteten Becken, welches den Durchgang des Kindes zwar
nicht ganz unmoͤglich machen, aber doch nur nach unternom-
mener Verkleinerung geſtatten wuͤrde, Anzeige zum Gebaͤr-
mutterſchnitte geben; allein leider tritt hier die Alternative
ein, welche ſchon bei der Perforation beruͤhrt worden iſt, da
eben der Gebaͤrmutterſchnitt ſo haͤufig den Tod der Mutter
zur Folge hat, und alſo die Frage entſteht: ob man das Le-
ben der Mutter dem Leben des Kindes aufopfern ſolle? —
Nothwendig muß daher hier der Mutter ſelbſt ein Antheil an
der Entſcheidung uͤberlaſſen bleiben, und uͤberhaupt nur dann
zum Kaiſerſchnitt wirklich geſchritten werden, wenn man uͤber
Leben und Lebensfaͤhigkeit des Kindes wirklich zuverlaͤßige
Kennzeichen aufzufinden vermag, und die Beckenweite nicht
viel uͤber 2¾ Zoll betraͤgt.


§. 1263.

3. Endlich iſt der Gebaͤrmutterſchnitt zu unternehmen
bei ploͤtzlich erfolgtem Tode einer Schwangern, ſobald dieſelbe
im achten, neunten oder zehnten Monate ihrer Schwanger-
ſchaft ſich befand, und eben ſo bei ploͤtzlich erfolgtem Tode
einer angebenden Gebaͤrenden. Auch dieſe Indication iſt im
Allgemeinen ſo unbedingt, wie die zuerſt aufgeſtellte, nur muß
uͤber den wirklich eingetretenen Tod der Mutter kein Zweifel
mehr uͤbrig ſeyn, damit man nicht in einem Zuſtande bloßen
Scheintodes, durch eine ſo gefaͤhrliche Operation den Ueber-
gang in wirklichen Tod veranlaße. Dieſe Gewißheit kann
aber eines Theils durch Beruͤckſichtigung der Todesurſache er-
halten werden, wo z. B. heftige Blutungen, erlittene gefaͤhr-
liche Verletzungen u. ſ. w. als Urſachen dieſer Art zu betrach-
ten ſind, andern Theils bliebe wohl in zweifelhaften Faͤllen
noch die ſchon oben erwaͤhnte Anwendung des Metallreitzes
auf die entbloͤßte Muſkelfiber zur Ausmittelung des Todes
uͤbrig, da das ſicherſte Zeichen des Todes, die eingetretene
Faͤulniß, hier natuͤrlich nicht abgewartet werden kann. — Wo
aber immer die Gewißheit des Todes eingeſehen werden kann,
verdient durchaus dieſe Operation vor dem kuͤnſtlichen Been-
[371] digen der Geburt auf dem natuͤrlichen Wege, ſelbſt bei ſchon
ziemlich eroͤffnetem Muttermunde, unbedingt den Vorzug, da
in allen dieſen Faͤllen doch Erhaltung des Kindes der einzige
Zweck des Geburtshelfers ſeyn kann, und man faſt nie (bei
noch gar nicht geoͤffnetem Muttermunde gewiß nicht) erwar-
ten darf, daß bei einem ohne alle Wehen bewerkſtelligten Hin-
durchziehen des Kindes durch das Becken, dieſes am Leben
bleiben koͤnne.


§. 1264.

Was die Prognoſe betrifft, ſo iſt dieſe leider fuͤr die
Mutter immer hoͤchſt unguͤnſtig, und nur ein ſehr kleiner
Theil der auf dieſe Weiſe Operirten wurde erhalten; *) da
indeß die Erfahrung gezeigt hat, daß andere nicht minder
bedeutende Verletzungen der Bauchdecken und ſelbſt der Unter-
leibseingeweide oft weit leichter die Heilung geſtatten, ſo wird
es noͤthig etwas ausfuͤhrlicher zu betrachten, worin eigentlich
der Grund der haͤufigen Toͤdtlichkeit des Kaiſerſchnitts liege. —
Es ergiebt ſich aber derſelbe gewiß am richtigſten aus der
Beruͤckſichtigung der Periode in welcher dieſe Verwundung,
und des Ortes, an welchem dieſelbe den weiblichen Koͤrper
betrifft. Als vorzuͤglich wichtig naͤmlich erkannten wir es fuͤr
den Verlauf der Wochenperiode, daß die produktive Thaͤtigkeit
der innern Genitalien ſich allmaͤhlig vermindere, und alles
wodurch in der Naͤhe dieſer, jetzt in Zuruͤckbildung begriffenen
Theile, krankhafte Erhoͤhung produktiver Thaͤtigkeit (Entzuͤn-
dung) veranlaßt werden koͤnnte, ſorgfaͤltig vermieden bleibe.
Bei einer ſolchen Verletzung des Bauchfells wie der Gebaͤr-
mutter nun, iſt dagegen ein gewiſſer Grad von Entzuͤndung
ſchon zu Bewerkſtelligung der Heilung unerlaͤßlich, ja dieſe
Entzuͤndung wird durch den Reitz eingedrungener Luft, aus-
[372] getretener Fluͤßigkeiten in der Bauchhoͤhle u. ſ. w. nur noch
mehr befoͤrdert und unterhalten, und ſo wird die Entſtehung
eines heftigen Puerperalfiebers leicht erklaͤrlich, welches hier
unter Mitwirkung anderer ſchaͤdlicher Einfluͤße ſo leicht den
Tod zur Folge haben kann.


§. 1265.

Die weitern Schaͤdlichkeiten aber, wodurch die Prognoſe
oft noch verſchlimmert wird, ſind: theils die meiſtens unge-
ſunde, durch viele fruͤhere Krankheiten untergrabene Conſtitu-
tion der Perſonen, an welchen gewoͤhnlich die Operation ver-
richtet werden muß, als welches in der Regel ausgemergelte,
durch Rhachitis, Gicht und dergleichen Krankheiten zerruͤttete
Naturen ſind; theils die nicht ſelten vorausgegangenen ander-
weitigen Entbindungsverſuche und vergeblichen, mit großer Er-
ſchoͤpfung begleiteten Anſtrengungen der Kreiſenden.


§. 1266.

Guͤnſtiger kann daher die Prognoſe fuͤr die Mutter nur
geſtellt werden, dafern 1) das allgemeine Befinden der Krei-
ſenden von der Art iſt, daß es eine gute Heilung der Wun-
den hoffen laͤßt und eine dreiſte Anwendung eines kraͤftigen
antiphlogiſtiſchen Verfahrens, beim Eintritt ſtaͤrkerer Entzuͤn-
dung geſtattet; 2) wenn man Freiheit hat, den zur Opera-
tion guͤnſtigſten Zeitpunkt auszuwaͤhlen, auch die Schwangere
ſelbſt ſchon fruͤher zu beobachten, und zu dieſer Operation in
mehrerer Hinſicht vorzubereiten; 3) wenn die aͤußern Verhaͤlt-
niße unter welchen die Operation vorgenommen werden muß,
ſie beguͤnſtigen.


§. 1267.

Die Prognoſe fuͤr das Kind endlich iſt nothwendig
bei einer Operation, wo dieſes durchaus keiner gewaltſamen
Einwirkung unterworfen iſt, ſehr vortheilhaft zu nennen, und
nur wo bereits die Geburtsarbeit ſehr lange gedauert hat,
und mehrere andere Entbindungsverſuche bereits fruchtlos ge-
[373] macht worden ſind, wird auch in dieſer Hinſicht die Prognoſe
unguͤnſtiger. Daß uͤbrigens, wie man neuerlich behauptet
hat, auch das Wegfallen des Druckes welchen der Kindeskopf
beim Durchgange durch das Becken erleiden ſoll, dem Kinde
ſo nachtheilig werden muͤße, daß es ſchwerlich fortleben koͤnne,
iſt doch durch die Erfahrung zu oft widerlegt worden, als
daß man ſo viel Gewicht darauf zu legen ſich berechtigt
finden duͤrfte.


§. 1268.

Wir kommen nun zur Beſtimmung des rechten Zeit-
punktes
fuͤr dieſe Operation, wo (dafern uͤberhaupt eine
Wahl uͤbrig bleibt und die Geburtsarbeit nicht bereits, ehe
der Geburtshelfer ankommt, ſehr weit vorgeruͤckt war) zu
entſcheiden iſt, ob man ſie vor, oder nach geoͤffnetem
Muttermunde, vor oder nach abgefloßenem Fruchtwaſſer am
ſchicklichſten unternehmen werde, als woruͤber die Meinungen
ſehr getheilt find. Was die Eroͤffnung des Muttermundes
betrifft, ſo iſt ſie ſicher bis auf einen gewißen Grad noͤthig,
da, wie ſchon von Richter angefuͤhrt wird, das Nichteroͤff-
netſeyn deſſelben die Entleerung des Lochienflußes hindern
muͤßte, und, wie Hr. Joͤrg bemerkt, auch eine gewiße vor-
angegangene Aeußerung der Gebaͤrmutterkraft um ſo noͤthiger
iſt, damit dieſes Organ nicht nach der Entbindung zu reitz-
bar bleibe. Ruͤckſichtlich der Entleerung des Fruchtwaſſers iſt
Hr. Oſiander nebſt Mehrern der Meinung, daß dieſelbe moͤg-
lichſt vermieden werden muͤße, wenn dagegen Andere theils
uͤberhaupt zur Sprengung der Eihaͤute vor Beginn der Ope-
ration rathen, theils (wie Hr. v. Sicbold) bei großer
Anhaͤufung des Fruchtwaſſers wenigſtens fuͤr das vorherige
Sprengen der Eihaͤute ſtimmen.


§. 1269.

Fuͤr das Sprengen der Eihaͤute aber ſpricht es na-
mentlich, daß man dadurch einer noch genauern Unterſuchung
der Kindestheile faͤhig wird, und ſo auch uͤber Lebensfaͤ-
[374] higkeit
deſſelben zu einem beſtimmtern Urtheile gelangen
kann; außerdem aber, daß man durch vieles, bei Oeffnung
des Uterus vorgefundenes Waſſer, theils eine groͤßere Verun-
reinigung der Bauchhoͤhle befuͤrchten, theils erwarten muß,
daß nach Ablauf deſſelben der Uterus ſogleich dergeſtalt ſich
verkleinere, daß der zuerſt gemachte Einſchnitt nicht mehr zur
Herausbefoͤrderung des Kindes zureicht. Gegen das Spren-
gen des Fruchtwaſſers vor der Operation ſpricht es hinwie-
derum, daß der Einſchnitt in den Uterus dadurch erſchwert
wird, daß das Kind bei dieſem Einſchneiden leichter verletzt
werden koͤnnte, und daß endlich die Eihaͤute uͤber dem Kinde,
nach abgefloßenem Fruchtwaſſer ſich weniger gut trennen. —
Vergleicht man Gruͤnde und Gegengruͤnde, ſo ſcheint aller-
dings, namentlich in alle den Faͤllen wo die Menge des Frucht-
waſſers bedeutend iſt, es gerathener zu ſeyn, erſt das Spren-
gen der Eihaͤute auf dem gewoͤhnlichen Wege zu unterneh-
men, dann nochmals die Beſchaffenheit der fuͤhlbaren Kindes-
theile moͤglichſt genau zu unterſuchen, und dann erſt zur Ope-
ration zu ſchreiten. Iſt die Menge des Waſſers geringer, ſo
wird es die Unterſuchung nicht hindern und die Bauchhoͤhle
nicht verunreinigen, weßhalb es dann ohne weiteres zuruͤckge-
laſſen werden mag.


§. 1270.

Vorbereitungen zum Kaiſerſchnitt. 1) Wenn
man die zu Operirende noch als Schwangere zu beobachten
Gelegenheit hat, ſo iſt dieſe Zeit vorzuͤglich theils dazu zu
benutzen, ihre Conſtitution zu verbeſſern, durch Entfernung
gaſtriſcher Zuſtaͤnde, Anordnung einer geſunden Lebensweiſe,
und Erheiterung des Gemuͤths; theils ein zur Operation zweck-
maͤßiges Lokal vorzubereiten. 2) Ruͤckt die Zeit der Opera-
tion ſelbſt heran, ſo muß die Nothwendigkeit derſelben auf
ſchonende und ruhige Weiſe der zu Operirenden mitgetheilt,
und in Faͤllen, wo die eigene Wahl der Gebaͤrenden in An-
ſchlag koͤmmt, die Entſchließung derſelben nach Wahrheitge-
maͤßiger Darlegung der Umſtaͤnde ruhig abgewartet werden.


[375]
§. 1271.

3) Iſt es bei einer ſo wichtigen Operation unerlaͤßlich,
wenigſtens noch einen erfahrnen Arzt und Geburtshelfer zu-
zuziehen, und nur erſt wenn auch dieſer durch genaue Unter-
ſuchung von der Nothwendigkeit der Operation ſich uͤberzeugt
hat, zu derſelben zu ſchreiten; uͤberdieß aber wird es noth-
wendig, fuͤr noch einige geuͤbte Gehuͤlfen waͤhrend der Opera-
tion Sorge zu tragen, von welchen dann einer oder zwei
beim Einſchneiden der Bauchdecken, zur Zureichung der In-
ſtrumente, ſo wie zum Verbinden behuͤlflich zu ſeyn angewie-
ſen werden, dahingegen ein anderer die Beſorgung des Kin-
des, Anwendung der etwa noͤthigen Belebungsverſuche u. ſ.
w. uͤber ſich nimmt, und einige endlich zum Fixiren der Ex-
tremitaͤten (welche außerdem durch Servietten oder weiße Fla-
nellbinden an das Lager zu befeſtigen ſind) angewieſen werden.
Der Hebamme kann man dabei nach Hr. v. Siebold’s
Rath das Geſchaͤft uͤbertragen, neben dem Kopfende des La-
gers zu ſtehen, dafuͤr zu ſorgen, daß die Gebaͤrende das Ge-
ſicht nicht gegen die Wunde wendet, und, wenn Schwindel
oder Ohnmachten ſich zeigen ſollten, mit einigen belebenden
Mitteln zur Hand zu ſeyn.


§. 1272.

4) Was die Vorrichtung des Zimmers und des Lagers
betrifft, ſo waͤhlt man zu erſterem gern ein maͤßig großes,
hinlaͤnglich, aber nicht zu ſehr erwaͤrmtes und mit reiner Luft
erfuͤlltes Gemach, entfernt aus demſelben alle uͤberfluͤßige Per-
ſonen ſo wie alle Hausthiere, und ſorgt fuͤr hinlaͤngliche Er-
leuchtung, welche freilich am beſten vom Tageslichte gewaͤhlt
wird, weßhalb man denn auch am liebſten in den Vormit-
tagsſtunden zur Operation ſchreiten wird. Zum Lager waͤhlt
man entweder ein nicht zu niedriges, blos mit Matratze,
Betttuch und Kopfkiſſen bedecktes Bett, oder einen hinlaͤng-
lich großen, feſtſtehenden, auf aͤhnliche Weiſe bedeckten Tiſch;
ſieht aber immer darauf, daß der Unterleib nicht zu ſcharf
[376] angeſpannt werde, welches durch gelinde Erhoͤhung von Kreuz-
gegend und Oberleib am zweckmaͤßigſten erreicht wird.


§. 1273.

5) Den Apparat anbelangend welcher Behufs dieſer
Operation vorgerichtet werden muß, ſo beſteht derſelbe a) zum
Eroͤffnen des Uterus in einem bauchigten, und einem geraden
geknoͤpften Biſtouri, einer Hohlſonde, nebſt den zuweilen nuͤtz-
lich werdenden beiden ſtumpfen Haken zum Auseinanderhalten
der Wundlefzen; b) zum Stillen eintretender Blutungen, zu-
mal beim Durchſchneiden der Bauchdecken, theils in Arterien-
haken, Pincette, Nadeln und gewichſten Faͤden, theils in meh-
rern reinen Schwaͤmmen, kaltem und lauwarmem Waſſer,
Wein, Eſſig, Brandtwein, etwas Oehl und einem ſtyptiſchen
Pulver aus Alaun, arabiſchem Gummi und Colophonium; c)
zum Verband in bereitgelegten gewichſten Faͤden und Nadeln
zum heften, in mehrern breiten und langen Heftpflaſterſtrei-
fen, in Charpie, Compreſſen und einer Binde, welche entwe-
der die achtkoͤpfige Binde ſeyn kann, oder wozu man eine
beſondere, breite, mit uͤber der Wunde ſich kreuzenden Schnuͤ-
ren oder Baͤndern verſehene Vereinigungsbinde auswaͤhlt, wel-
che letztere noch den Vorzug gewaͤhrt, daß man leichter den
Zuſtand der Wunde, ohne die Binde abzunehmen, beobach-
ten kann.


§. 1274.

d) Außer dieſem zur Operation ſelbſt erforderlichen Ap-
parat, muͤſſen ferner alle die Dinge welche zum Empfangen
des Kindes auch bei andern Geburten erfordert werden, als
Nabelſchnurbaͤnder, Nabelſchnurſcheere, Bad, Kleidung, Betten,
Belebungsmittel u. ſ. w. zur Hand ſeyn, ja Einige *) ha-
ben ſogar gerathen eine Zange oder einen Hebel fuͤr Faͤlle
ſchwieriger Entwickelungen des Kopfs aus der Gebaͤrmutter-
[377] wunde bereit zu legen, welches indeß kaum jemals, bei ſchick-
licher Leitung der Operation noͤthig werden duͤrfte.


§. 1275.

6) Die Gebaͤrende ſelbſt noch insbeſondere betreffend,
ſo muß ſie bis auf das Hemd (welches ſodann vorn aufge-
ſchlitzt werden muß) und ein flanellenes Kamiſol, entkleidet
werden, und nun nach hinlaͤnglich erfolgter Entleerung des
Darmkanals und insbeſondere der Urinblaſe, auf das Opera-
tionslager gebracht werden.


§. 1276.

Es bleibt nun noch die Stelle wo der Einſchnitt
gemacht werden, und die Groͤße welche er bekom-
men ſoll
, zu eroͤrtern uͤbrig. Ueber die Richtung welche
dem Schnitte zu geben, beſtehen aber wiederum ſehr verſchie-
dene Meinungen: Am meiſten fuͤr ſich hat wohl der Schnitt
in der Linea alba, welchen Smellie, Deleurye,Richter
vorzuͤglich empfohlen haben, theils wegen der weniger zu be-
ſorgenden Blutung beim Durchſchneiden der Bauchbedeckungen in
dieſer Gegend, theils wegen der beſſern Heilung der Bauch-
wunde, welche hier nicht ſo leicht Bruͤche veranlaſſen wird,
theils endlich wegen dem leichtern Ausfließen der Feuchtigkei-
ten aus den Schnittwunden, indem hier immer die Wunde
am Uterus und in den Bauchbedeckungen in gleicher Rich-
tung bleibt. Zu bemerken iſt jedoch, daß, wenn hier der Ein-
ſchnitt gemacht wird, derſelbe immer 1½ Zoll unter dem Na-
bel anfangen und 1½ bis 2 Zoll uͤber dem Schambogen (um
Verletzungen der Harnblaſe zu vermeiden) aufhoͤren muß;
weßhalb denn, wenn ſich zwiſchen Nabel und Schambogen
nicht ſattſamer Raum vorfinden ſollte, allerdings eine andere
Richtung gewaͤhlt werden muß.


§. 1277.

Außer dem Laͤngenſchnitt in der Linia alba, iſt ferner
(namentlich von Stein) ein ſchiefer, ſeitwaͤrts gerichteter
[378] Schnitt empfohlen worden; da indeß hierbei nothwendig mehr
Blutgefaͤße durchſchnitten werden, auch leichter Bauchbruͤche
entſtehen koͤnnen, ſo wuͤrde dieſer Schnitt nur, wenn der Ute-
rus ſelbſt ſehr ſtark ſeitwaͤrts geneigt waͤre, oder der Raum
zwiſchen Nabel und Schambogenmitte zu klein befunden wuͤrde,
oder endlich, beim Einſchnitt auf der Mitte des Leibes, man
den Mutterkuchen zu verletzen fuͤrchten muͤßte, empfohlen wer-
den duͤrfen.


§. 1278.

Endlich hat denn auch Lauverjat zu einem Querſchnitt
in die Bauchdecken und den Uterus gerathen, allein ſchwerlich
duͤrfte dieſer Vorſchlag (obwohl auch auf dieſe Weiſe die Ope-
ration mit Gluͤck vollfuͤhrt worden ſeyn ſoll) den Vorzug vor
den uͤbrigen verdienen, da das Durchſchneiden der Bauchmuſ-
keln und mehrerer Blutgefaͤße ohnfehlbar die Heilung ſehr er-
ſchweren muͤßte. — Wichtiger iſt daher noch der Vorſchlag
des Hrn. Joͤrg, nach geoͤffneter Bauchhoͤhle den Uterus moͤg-
lichſt tief in der Gegend des Muttermundes einzuſchneiden,
da hier theils wegen der duͤnnern Subſtanz die Blutung ge-
ringer ſeyn, und auch die Adhaͤſion der Placenta leichter ver-
mieden werden muß; obwohl zu fuͤrchten ſteht, daß die Ent-
wickelung des Kindes
hier leicht einige Schwierigkeiten
finden koͤnne.


§. 1279.

Was die Groͤße des Einſchnittes betrifft, ſo muß der
Einſchnitt in die Bauchbedeckungen immer 6½ bis 7 Zoll Laͤnge
haben, der Einſchnitt in den Uterus hingegen braucht nur
ohngefaͤhr 4½ Zoll zu betragen; jedoch iſt immer zu rathen,
daß man bei einem ſtarken Kinde, den letztern lieber etwas
zu groß als zu klein mache, um ſich nicht in die hoͤchſt un-
angenehme Nothwendigkeit verſetzt zu ſehen, den Schnitt,
waͤhrend dem Hervorheben des Kindes, weil er fuͤr einzelne
Theile deſſelben zu klein befunden wird, erweitern zu muͤſſen.


[379]
§. 1280.

Sind nun alle dieſe Vorbereitungen getroffen, die Ge-
huͤlfen angewieſen, und iſt die Gebaͤrende auf das Operati-
onslager gebracht, ſo tritt der Operateur zur rechten Seite
derſelben, bezeichnet ſich die Richtung und vorzuͤglich die Ent-
punkte des Schnittes in die Bauchbedeckungen mit Dinte,
ein gegenuͤberſtehender Gehuͤlfe legt ſeine Hand quer auf den
Unterleib uͤber den Gebaͤrmuttergrund, fixirt den Uterus und
verhindert zugleich das Vorfallen von Daͤrmen oder Netz in
die Schnittwunde. Hierauf bildet der Operateur unter Bei-
huͤlfe ſeines Aſſiſtenten mitten auf der Linie des Einſchnittes
eine dieſe querdurchſetzende große Hautfalte, faßt nun das bau-
chige Biſtouri und ſchneidet ſodann mit einem Zuge dieſe
Falte durch, den Schnitt ſodann bis zu den Endpunkten ver-
laͤngernd und die Bauchdecken bis auf das Peritonaeum
trennend. Zeigt ſich hierbei einige Blutung, ſo ſtillt man
dieſe entweder durch Aufdruͤcken eines in kaltem, mit etwas
Wein oder Brandtwein verſetztem Waſſer eingetauchten Schwam-
mes, oder, dafern dieſes nicht hinreicht, durch Unterbindung
der blutenden Gefaͤße.


§. 1281.

Man ſchreitet alsdann zur Eroͤffnung des Peritonaei, wel-
ches zuerſt am obern Rande der Wunde ohngefaͤhr einen Zoll
lang mit dem bauchigen Biſtouri durchſchnitten wird, worauf
man Zeige- und Mittelfinger der linken Hand mit Oehl be-
ſtrichen in die Wunde einbringt und ſodann das auf dieſen
eingefuͤhrte geknoͤpfte gerade Biſtouri dazu benutzt, den Ein-
ſchnitt in das Peritonaeum, der Oeffnung der Bauchdecken
entſprechend, zu verlaͤngern; nur muͤßen hierbei die Spitzen
der Finger der linken Hand immer der Spitze des Meſſers vor-
ausgehen, um vorzuͤglich die Harnblaſe ſorfaͤltig zu vermeiden.


§. 1282.

Alsbald wird ſich nun der blaurothe Uterns in der Schnitt-
wunde zeigen, der Gehuͤlfe verdoppelt jetzt ſeine Aufmerkſam-
[380] keit, das Vorfallen von Netz oder Darmwindungen zu verhuͤ-
ten, und der Operateur ergreift zum zweitenmale das bau-
chige Biſtouri um den Einſchnitt in den Uterus zu machen.
Man trennt deßhalb an der Stelle welche man als oberſte
Grenze der Gebaͤrmutterwunde betrachten will, die Subſtanz
des Uterus bis auf die Fruchthuͤllen (eine weißliche Farbe
giebt gewoͤhnlich das Anzeichen, daß man ſich den Eihaͤuten
naͤhert, bei einem in der Wunde liegenden Mutterkuchen iſt
indeß wie ich mich bei Eroͤffnung einer hochſchwanger Ver-
ſtorbenen uͤberzeugt habe, das Unterſcheiden der Uterinſub-
ſtanz von der Placentenſubſtanz etwas ſchwieriger), bringt
ſodann die Hohlſonde und auf dieſer das gerade Biſtouri ein,
um die Wunde bis zu der im vorkommenden Falle fuͤr noͤthig
gehaltenen Laͤnge zu erweitern, und wendet ſich nun zur Ent-
wickelung des Kindes.


§. 1283.

Es tritt nun hierbei der doppelte Fall ein, daß man
entweder den Sitz der Placenta gluͤcklich vermieden hat, oder
die Wunde durch die Flaͤche der Placenta ganz oder zum Theil
ausgefuͤllt wird, in welchem Falle denn gewoͤhnlich, da in
der Gegend des Mutterkuchens die ſtaͤrkſten venoͤſen Gefaͤße
ſich vorzufinden pflegen, auch die Blutung beim Einſchnitt
der Gebaͤrmutterſubſtanz weit heftiger ſeyn wird. — Nun hat
es aber die Erfahrung bewieſen, daß in vielen Faͤllen alle
angewendete Vorſicht, z. B. den Unterleib nur an der Stelle
wo die Kindestheile am deutlichſten gefuͤhlt werden, oder (da
der Sitz der Placenta haͤufiger rechter Seits beobachtet wird)
mehr in der linken Seite einzuſchneiden, keinesweges hinreichte
dieſen unangenehmen Vorfall ganz zu vermeiden, und man
iſt ſonach genoͤthigt, jedesmal auf denſelben ſich gefaßt zu
halten.


§. 1284.

Das erſte was nun unter ſolchen Umſtaͤnden bemerkt
werden muß, iſt aber, daß der Operateur durch die eintretende
[381] heftige Blutung ſich nicht hindern laße, demungeachtet alles
noͤthige zur Beſchleunigung der Kindesentwickelung zu unter-
nehmen. Fuͤllt demnach die Placenta nur einen kleinen
Theil der Schnittwunde, ſo wird es am zweckmaͤßigſten
ſeyn, ſie in dieſer Gegend noch etwas zu loͤſen, und dann
nach Sprengung der Eihaͤute ſogleich zur Entwickelung des
Kindes, auf unten noch naͤher zu beſchreibende Weiſe, zu ſchrei-
ten; fuͤllt ſie hingegen die Schnittwunde ganz aus, ſo wird
die Entwickelung des Kindes noch groͤßere Schwierigkeiten fin-
den. Einer Seits hat man hierbei gerathen die vorliegende
Placenta ſelbſt einzuſchneiden und ſich ſo den Weg zum Kinde
zu bahnen; ein Vorſchlag welcher jedoch wegen vermehrter
Blutergießung, und Gefahr fuͤr das Kind keine Befolgung
verdient; beſſer moͤchte es daher wohl ſeyn, die Placenta auch
in dieſem Falle ſoweit vom Uterus zu loͤſen, bis man zu
den Eihaͤuten gelangt, ja im aͤußerſten Falle die Placenta
ſelbſt vor dem Kinde aus dem Uterus zu entfernen, wenn es
nicht vielleicht am allerzweckmaͤßigſten ſeyn ſollte, unter ſolchen
Umſtaͤnden, wo moͤglich, das ganze Ovum mit Kind,
Mutterkuchen und Eihaͤuten (wenn vorher das Waſſer ge-
ſprengt worden iſt) aus der Gebaͤrmutterhoͤhle hervorzuheben.


§. 1285.

Iſt man dagegen ſo gluͤcklich geweſen, den Sitz der Pla-
centa beim Einſchnitt zu vermeiden, ſo iſt das Entwickeln
des Kindes weit leichter, man oͤffnet naͤmlich alsbald die Ei-
haͤute, und erfaßt nun, wenn das Kind mit dem Ruͤcken nach
oben gekehrt liegt, zuerſt die Lenden oder noch beſſer die Schul-
ter und Nackengegend und hebt ſo es ſchnell aus der Gebaͤr-
mutter hervor; liegt die Bauchflaͤche nach vorn, ſo erfaßt man
zuerſt die Fuͤße oder Arme, immer aber muß man darauf
ſehen, daß man den Kopf in ſeiner Entwickelung nicht etwa
verſpaͤtige, und dadurch Gelegenheit zu Einſchnuͤrung deſſelben
in der Wunde (bei eintretender Zuſammenziehung) gebe. Die
beſondere Art in einzelnen Faͤllen das Kind zu faſſen und
aus dem Uterus hervorzuheben, richtet ſich uͤbrigens zu ſehr
[382] nach den jedesmaligen Umſtaͤnden, als daß ſie hier naͤher er-
oͤrtert werden koͤnnte.


§. 1286.

Iſt nun das Kind aus dem Uterus hervorgehoben, die
Nabelſchnur unterbunden und getrennt, und hat man es ei-
nem Gehuͤlfen zur weitern Beſorgung uͤbergeben, ſo iſt es auf
jeden Fall zweckmaͤßig, auch die Nachgeburt auf demſelben
Wege zu entfernen, da dem Vorſchlage, dieſelbe zuruͤckzulaſſen
und auf dem gewoͤhnlichen Wege, nachdem man den Uterus
mehr in das Becken herabgedraͤngt hat *) ihren Abgang zu
erwarten, zu viele Gruͤnde entgegenſtehen. Erſtens naͤmlich
iſt zu befuͤrchten, daß der verletzte Uterus nicht die Kraft zei-
gen werde, regelmaͤßig die Placenta abzuſondern; zweitens,
daß bei der groͤßern noch ruͤckbleibenden Ausdehnung des Ute-
rus die Wunde deſſelben ſich nicht gehoͤrig ſchlieſſen werde,
und drittens, daß ſogar die Austreibung der Placenta in die
Bauchhoͤhle bei ſtaͤrkerer Zuſammenziehung des Uterus nicht
unmoͤglich bleibe.


§. 1287.

Iſt ſomit endlich der Uterus voͤllig entleert, ſo reinigt
man ſo viel als moͤglich Bauchhoͤhle und Uterus von ausge-
tretenem Blute und dergleichen, mittelſt eines in lauem mit
etwas Wein vermiſchtem Waſſer eingetauchten Schwammes,
ſieht darauf daß die Wundlefzen der Gebaͤrmutter gehoͤrig
ſchlieſſen, und keine fremden Theile einklemmen, und eilt ſo-
dann auch die Bauchdecken zu vereinigen. Dieſe Vereinigung
nun kann geſchehen entweder durch bloße Heftpflaſter und
Binden, oder durch blutige Hefte. Fuͤr das erſte Verfahren
ſpricht es, daß hierbei die nicht nur ſchmerzhaften, ſondern
auch die Gefahr der Bauchfellsentzuͤndung vermehrenden Stiche
erſpart werden, und daß es an Beiſpielen nicht fehlt wo die
ohne blutige Hefte vollendete Operation einen ſehr gluͤcklichen
[383] Erfolg hatte *); fuͤr das letztere Verfahren hingegen ſpricht
es, daß hier auch bei geringerer Hautmaſſe die Vereinigung
der Wunde ſicherer bewerkſtelligt werden kann, und, im Falle
gluͤcklichen Ausgangs (der auch bei dieſem Verfahren oft be-
obachtet worden iſt), ſchneller zu erfolgen pflegt. — Der
Vorſchlag hingegen auch die Gebaͤrmutterwunde, wenigſtens
im Peritonaeo zuſammenzuheften, kann auf keine Weiſe
gebilligt werden.


§. 1288.

Alles erwogen, gewaͤhrt es gewiß fuͤr das Befinden der
Woͤchnerin manchen Vortheil, wenn die blutigen Hefte ver-
mieden werden koͤnnen, welches Vorzuͤglich da wo die ſchlaf-
fen Bauchdecken ſich leicht zuſammenhalten laſſen, wohl ein-
tritt. Man zieht daher in dieſem Falle die Wunde mit lan-
gen Heftpflaſtern zuſammen, bedeckt ſie mit einem Plumaceau,
legt ein Bourdonet in den untern Winkel derſelben, und
zwei Compreſſen zu beiden Seiten der Wunde, worauf man
den ganzen Verband durch eine vereinigende Binde befeſtigt,
und dann die Woͤchnerin in eine bequeme ſeitwaͤrts geneigte
Lage zu Bett bringt. — Einige (Stein, Wiegand) ha-
ben hierbei noch gerathen, den Uterus durch Compreſ-
ſen und Binden mehr in das kleine Becken hereinzudraͤn-
gen, um ſo das Einklemmen von Darmſtuͤcken u. dergl. in
die Wunde deſſelben unmoͤglich zu machen, ob indeß von die-
ſem Verfahren, ſo wie von der gleichfalls empfohlenen Bauch-
lage in welcher die Operirte (um den Abfluß der Feuchtigkei-
keiten aus der Wunde zu erleichtern) gehalten werden ſolle,
wahrhafter Nutzen zu erwarten ſteht, muß erſt durch Erfah-
rung beſtimmt werden. — Findet man hingegen die blutigen
Hefte unentbehrlich, ſo muß der uͤbrige Verband demungeach-
tet, wie oben beſchrieben, eingerichtet werden, und was hier-
bei den auch von H. Zang**) aufgenommenen Vorſchlag von
[384] H. Autenrieth betrifft, die Nadeln ſchon vor der Eroͤffnung
des Bauchfells in die Raͤnder der Bauchdeckenwunde einzuſtechen,
damit nach Entleerung der Gebaͤrmutter die Hefte ſogleich zuge-
zogen werden koͤnnen, ſo ſcheint derſelbe allerdings in mancher
Hinſicht vortheilhaft, da von der Zeit, waͤhrend welcher die innere
Flaͤche des Bauchfells der Luft ausgeſetzt bleibt, doch manches
dadurch erſpart wird, wenn nur die Hefte bei Entwickelung von
Kind und Nachgeburt nicht hinderlich werden koͤnnen.


§. 1289.

Sehr wichtig fuͤr den Erfolg der Operation iſt nun uͤbri-
gens ſicher noch die chirurgiſche und vorzuͤglich die aͤrztliche
Behandlung nach derſelben. In wiefern naͤmlich der ſo
haͤufig toͤdtliche Ausgang des Kaiſerſchnitts fuͤr die Mutter,
wie ſchon oben bemerkt worden iſt, nicht ſowohl eine unmit-
telbare Folge der Verletzung (etwa durch Verblutung) ſondern
vielmehr die Folge der geſtoͤrten Wochenfunktionen und des
ſich entwickelnden Puerperalfiebers zu ſeyn pflegt, ſo muß
dieſen Nachtheilen entgegenzuwirken Hauptaugenmerk des
Arztes bleiben.


§. 1290.

Was daher zunaͤchſt die chirurgiſche Behandlung betrifft,
ſo muß ſie die ſchnelle Vereinigung der Wunde zu bewerk-
ſtelligen ſuchen. Es wird dieß erlangt 1) durch Ruhe, weß-
halb die Kranke in den erſten acht Tagen ſtets unter Auf-
ſicht des Arztes oder Wundarztes bleiben muß, und die ho-
rizontale Lage nicht verlaſſen darf; 2) durch Vermeidung von
allem was die Wundraͤnder reitzen oder von einander entfer-
nen koͤnnte. Der Verband muß daher ohne den hoͤchſten Noth-
fall (wohin z. B. das Einklemmen von Darmſtuͤcken und Netz
gehoͤrt) nie zu oft erneuert werden, ſondern kann einige Tage
liegen bleiben, nur die Wieke aus dem untern Winkel der
Wunde muß taͤglich einigemal herausgenommen, und das in
Faͤulniß uͤbergehende Blut und Eiter ſorgfaͤltig mit lauem
Waſſer und etwas Wein abgewaſchen werden. Einſpritzungen
in die Wunde zu machen, wie von Einigen (Richter) em-
[385] pfohlen wird, muͤſſen wir vielmehr (mit Oſiander) wider-
rathen, da ſie ſicher die ſchnelle Vereinigung hindern. Tritt
Erbrechen oder heftiger Huſten ein, ſo muß waͤhrend demſel-
ben die Wunde durch die aufgelegte Hand des Wundarztes
ſorgfaͤltig unterſtuͤtzt werden, um Ausreißen der Hefte, Vor-
faͤlle u. ſ. w. zu verhuͤten.


§. 1291.

Was die aͤrztliche Behandlung betrifft, ſo muß ſie ihrem
Hauptcharakter nach antiphlogiſtiſch ſeyn, alle reitzende, erhitzen-
de Mittel alſo, wie Naphthen, . Castorei, China u. ſ.
w. ja ſelbſt (außer um etwa eintretendes Erbrechen oder Durch-
fall zu mindern) das Opium, muͤſſen fuͤr die erſten Tage ver-
mieden werden; leichte, ſaͤuerliche, die Hautthaͤtigkeit befoͤrdernde
Getraͤnke, als Fliederthee mit Citronenſaft, Molken u. dergl.
und reitzmindernde Mittel fuͤr den Darmkanal, wie Mohnſa-
menemulſionen ſind dagegen gewiß hoͤchſt zweckmaͤßig. Als
Nahrung dienen leichte Suppen oder in warmer Jahreszeit
Waſſerkalteſchaale. — Vorzuͤgliche Sorgfalt fordern uͤbrigens
die eigentlichen Wochenfunktionen. Was den Lochienfluß betrifft,
ſo muͤſſen nicht nur die Geburtstheile eben ſo wie bei andern
Woͤchnerinnen oͤfters gereinigt werden, ſondern es iſt bei zu
geringer Quantitaͤt oder uͤbler Qualitaͤt deſſelben das Anwen-
den von Injektionen, eines Aufgußes der Flor. Chamomill.
u. Hb. Serpilli auch wohl durch Zuſatz von Wein, Myr-
rheneſſenz u. dergl. verſtaͤrkt, zu empfehlen. Was die Bruͤſte
betrifft, ſo iſt die Abſonderung der Milch durch warme Be-
deckung, Aufſetzen trockner Schroͤpfkoͤpfe, Anwendung des Zieh-
glaſes u. ſ. w. moͤglichſt zu unterhalten, bis bei fortſchreiten-
der Heilung wohl ſelbſt das Anlegen des Kindes moͤglich wird;
und eben ſo wichtig iſt endlich die Sorge fuͤr hinlaͤngliche Thaͤ-
tigkeit der Haut, welche den gereitzten Zuſtaͤnden der Bruͤſte
und des Bauchfells vorzuͤglich vorbeugt. — Die Ausleerungen
des Darmkanals erfolgen am beſten erſt am dritten Tage,
und muͤſſen, wenn ſie nicht erfolgen, nur durch gelinde Mit-
tel (Lavements, Oleum Ricini u. ſ. w.) bewirkt werden.


II. Theil. 25
[386]
§. 1292.

Zeigen ſich indeß demungeachtet Fieberzuſtaͤnde und Ent-
zuͤndungszufaͤlle, ſo muß der ſtaͤrkere antiphlogiſtiſche Heilap-
parat, oͤrtliche oder allgemeine Blutentziehung, Nitrum und
kleine Doſen des verſuͤßten Queckſilbers, ohne zu aͤngſtliche
Ruͤckſicht auf ſchwaͤchliche Conſtitution (denn leichter toͤdtet die
Entzuͤndung als Schwaͤche) in Gebrauch gezogen werden und
uͤberhaupt die ſpaͤter zu eroͤrternde Behandlung des Puerpe-
ralfiebers eintreten. Sollte dagegen in den ſpaͤtern Ta-
gen, in Folge unkraͤftiger Reproduktion uͤbele Beſchaffenheit
des Eiters und Sinken der Kraͤfte bemerkt werden, ſo wird es
noͤthig, theils durch eine nahrhaftere Diaͤt, theils durch die
innerlich und aͤußerlich angewendete China, theils durch maͤßi-
gen Genuß eines guten Weins, dieſen zu begegnen.


§. 1293.

Geht nun die Heilung gluͤcklich von Statten, ſo iſt es
gleichwohl noͤthig die Wicke im untern Winkel der Bauchwunde
immer noch liegen zu laſſen, bis der Ausfluß voͤllig aufgehoͤrt
hat; ferner, auch wenn die Wunde ganz geſchloſſen iſt, doch
noch alle Anſtrengungen vermeiden und nach Oſiander’s
Rath eine gut anſchließende Bauchbinde noch laͤngere Zeit tra-
gen zu laſſen, welches insbeſondere, wenn der Einſchnitt mehr
ſeitwaͤrts gemacht worden war, vorzuͤglich nothwendig iſt.


2.
Vom Bauchſchnitte. (Gastrotomia.)

§. 1294.

Wir verſtehen unter dieſer Operation, welche man auch
mit dem Namen des unvollkommenen Kaiſerſchnittes
zuweilen belegt hat, die Eroͤffnung der Bauchhoͤhle, entweder
durch die Bauchdecken oder auch wohl durch das Scheidenge-
woͤlbe, Behufs der Entleerung des in der Bauchhoͤhle entwe-
der ſchon waͤhrend der Schwangerſchaft liegenden, oder erſt
in dieſelbe durch Zerreißung des Uterus oder der Vagina uͤber-
getretenen Kindes.


[387]
§. 1295.

Die Indication fuͤr dieſe Operation iſt ſonach ſehr klar,
und nur die Faͤlle in welchen der Einſchnitt durch das Schei-
dengewoͤlbe gemacht werden duͤrfte, fordern noch eine etwas
naͤhere Beſtimmung. Es findet dieß aber nur Statt, 1) bei
Schwangerſchaften der Bauchhoͤhle und aͤußern Eierſtocksſchwan-
gerſchaften, bei welchen ſich der Kopf des Kindes neben dem
Uterus ſo tief ins Becken herabgeſenkt haben moͤchte, daß er
das Scheidengewoͤlbe kuglich ausdehnte, und die Weite des
Beckens erwarten laͤßt, daß man das Kind nach Durchſchnei-
dung der Vagina auf dieſem Wege leicht zu entbinden im
Stande ſeyn werde; 2) bei Schwangerſchaften außer der Ge-
baͤrmutter, wo nach erfolgtem Abſterben der Frucht Eiterung
eingetreten iſt, der Abſceß ſich einen Ausweg nach dem Schei-
dengewoͤlbe ſucht, und dort durch Fluctuation ſich zu erkennen
giebt. — In Faͤllen von vorhergegangener Zerreißung der Ge-
baͤrmutter hingegen, ſo wie auch in den meiſten Faͤllen der
Extrauterinſchwangerſchaften, iſt jedoch einzig und allein der
Schnitt durch die Bauchdecken angezeigt, von welchem daher
hier auch zunaͤchſt gehandelt werden ſoll.


§. 1296.

Die ſaͤmmtlichen Vorbereitungen bei dieſer Gaſtrotomie
nun, ſind von den fuͤr den Kaiſerſchnitt noͤthigen nicht un-
terſchieden, und koͤnnen ſonach hier uͤbergangen werden; auch
das Einſchneiden der Bauchdecken geſchieht auf dieſelbe Weiſe,
nur daß man ſich damit vorzuͤglich nach der Lage des Kindes
zu richten hat, und hier weit mehr als beim Kaiſerſchnitt, die
aͤußerſte Sorgfalt noͤthig wird, um das Vorfallen der Darm-
windungen zu verhuͤten, obwohl es oft demungeachtet geſchieht.
Das weitere Verfahren aber wird nun den Umſtaͤnden nach
oft ſehr verſchieden ſeyn muͤſſen. Iſt eine Zerreißung der Ge-
baͤrmutter vorausgegangen, ſo entwickelt man das Kind aus
der Bauchhoͤhle, und iſt auch bereits die Placenta durch den
Riß ausgeſtoßen worden, auch dieſe; bleibt dagegen die Pla-
[388] centa noch im Uterus zuruͤck, und hat ſich letzterer bereits
feſt um dieſelbe zuſammengezogen, ſo wird ſie durch die Va-
gina beſeitigt. Iſt es hingegen eine Bauchſchwangerſchaft ge-
weſen, ſo muß zwar das Kind auf gleiche Weiſe entwickelt
werden, allein mit dem Loͤſen der Placenta, wenn ein wah-
res Gebild dieſer Art ſich entwickelt hat, wird es oft weit
groͤßere Schwierigkeiten haben, indem ſie auf eine Art mit
dem Bauchfelle verbunden ſeyn kann, welche deren Hinweg-
nahme nicht wohl zulaͤßt; und wenn ſonach dadurch, oder durch
gaͤnzlichen Mangel einer wahren Placenta, wie z. B. in dem
von Deutſch*) beſchriebenen Falle, wo ein vergroͤßertes
Ovarium ihre Stelle zu vertreten ſchien, die Loͤſung der Nach-
geburt unmoͤglich bleibt, ſo muͤßten die Nabelſtranggefaͤße, nach-
dem ſie vom Kinde getrennt worden, in der Wunde liegen
bleiben, bis ſie allmaͤhlig ſich abloͤßten; welches indeß, außer
bei bereits laͤngere Zeit abgeſtorbenen und in Eiterung uͤberge-
gangenen Fruͤchten, **) nicht leicht einen guͤnſtigen Ausgang
fuͤr die Mutter erwarten laͤßt.


§. 1297.

Der Verband und die Behandlung nach der Operation
wuͤrden in allen Faͤllen dem beim Kaiſerſchnitt beſchriebenen
Verfahren ſehr gleichen muͤſſen, und nur die Faͤlle wo die
Nachgeburt wegen der im vorigen §. erwaͤhnten Umſtaͤnde
nicht hinweggenommen werden koͤnnte, werden oft noch beſon-
dere Verfahrungsarten indiciren, welche indeß hier, indem ſie
zu ſehr nach den jedesmaligen Umſtaͤnden verſchieden ſeyn muͤſ-
ſen, nicht weiter zu eroͤrtern ſind.


§. 1298.

Was endlich das Verfahren bei der Eroͤffnung der Bauch-
hoͤhle durch das Scheidengewoͤlbe, oder den ſogenannten Schei-
[389] denkaiſerſchnitt betrifft, ſo laſſen ſich auch daruͤber kaum all-
gemeine Regeln aufſtellen, indem alles Naͤhere auch hier durch
die jedesmaligen Umſtaͤnde beſtimmt werden muß, das Ein-
ſchneiden des Scheidengewoͤlbes ſelbſt aber, nicht allzugroße
Schwierigkeiten findet, ſondern mit einem bis gegen die Spitze
umwickelten Biſtouri, nachdem man mit der ganzen Hand in
die Mutterſcheide eingegangen iſt, bei gehoͤriger Vorſicht ſehr
wohl ausgefuͤhrt werden kann.


3.
Vom Schamfugenſchnitte. (Synchondrotomia.)

§. 1299.

Eine Operation welche ſich urſpruͤnglich auf die irrige
Anſicht vom Mechanismus des natuͤrlichen Geburtsgeſchaͤfts
gruͤndet, zu Folge welcher man annahm, daß die Schamkno-
chen waͤhrend dem Durchgange des Kindes jedesmal vonein-
anderweichen muͤßten, als wodurch man auf die Idee geleitet
wurde, daß die Erleichterung der Geburt bei einem engen
Becken vorzuͤglich dadurch bewerkſtelligt werden koͤnnte, wenn
man ein recht bedeutendes Auseinanderweichen der Seitenwand-
beine durch Trennung des Schoosknorpels moͤglich machte.
Inwiefern indeß dieſe Vorausſetzung irrig iſt, muß auch die
daraus gezogene Folgerung unrichtig werden, und wir koͤnnen
daher, wie noch weiter bewieſen werden ſoll, dieſe Operation
als ein Erleichterungsmittel der durch verengertes Becken er-
ſchwerten Geburt, keinesweges mehr zulaͤßig erklaͤren, und fuͤh-
ren ſie daher nur geſchichtlich mit auf, zugleich bemerkend,
daß ſie vielleicht noch einzig in Faͤllen der zuruͤckgebeugten,
und durch ſtarke Einklemmung alle Repoſitionsverſuche verei-
telnden Gebaͤrmutter, Anwendung finden duͤrfte.


§. 1300.

Die Operation des Schamfugenſchnittes wurde uͤbrigens
zuerſt 1768 von Sigault in der Academie zu Paris vorge-
[390] ſchlagen *), ſpaͤterhin von Camper, welcher mehrere Verſuche
daruͤber an Leichnamen gemacht hatte, zur Vermeidung der
Perforation bei nicht allzuſehr verengertem Becken empfohlen,
und endlich 1777 von Sigault, an einer gewißen Frau Suchot,
mit anſcheinend gluͤcklichem Erfolg fuͤr Mutter und Kind ge-
macht, worauf denn die Operation als Mittel den Kaiſerſchnitt
entbehrlich zu machen, oͤffentlich geruͤhmt und der Operateur
mit einer Medaille belohnt wurde. Spaͤterhin wiederholte Ver-
ſuche dieſer Art zeigten jedoch das Unzweckmaͤßige dieſer Ope-
ration immer lebhafter, ja ſelbſt bei der Suchot fand ein deut-
ſcher Geburtshelfer die traurigſten Folgen derſelben, als Harn-
fiſteln und Wanken der Beckenknochen (bei einem uͤbrigens gar
nicht allzuſehr verengerten Becken) in ſo hohem Grade, daß
man bald die Operation zu unterlaſſen anfing, oder dieſelbe,
wie dieß noch neuerlich in einer deutſchen Hauptſtadt geſche-
hen iſt, mit dem uͤbelſten Erfolge ausuͤbte.


§. 1301.

Die Gruͤnde, durch welche es vorzuͤglich erwieſen wird,
daß die Schambeintrennung eine fuͤr Erleichterung der Geburt
des Kindes unzweckmaͤßige Operation ſey, ſind folgende: 1)
der Beckenraum wird dadurch zwar allerdings vergroͤßert, al-
lein in einer Richtung welche auch bei aͤußerſt engem Becken,
gewoͤhnlich an ſich hinlaͤnglich geraͤumig iſt, naͤmlich im Quer-
durchmeſſer; dahingegen die Conjugata, ſelbſt bei einem Aus-
einanderweichen der Schamfuge von 1 bis 2 Zoll, kaum um
einige Linien vergroͤßert wird. 2) Die Beckenverbindungen wer-
den dadurch oft auf eine ganz unheilbare Weiſe verletzt, die
Schamfuge heilt ſchwer, die Kreuz- und Darmbeinverbindun-
gen zerreiſſen wohl gar, und es bleibt ein wankendes Becken
und hinkender Gang zuruͤck. 3) Trotz dem durch das Aus-
einanderweichen bewirkten groͤßern Raume im Becken, erfolgt
[391] demungeachtet (aus dem obigen Grunde) die Geburt des Kin-
des nun keinesweges von ſelbſt, ſondern es ſind (wie mehrere
Faͤlle *) dieß bewieſen haben) andere Huͤlfsmittel, die Anlegung
der Zange u. ſ. w. (welche auf das verletzte Becken natuͤrlich
hoͤchſt nachtheilig wirken muͤſſen) zur Beendigung der Geburt
noͤthig. 4) Es leiden gewoͤhnlich bei dieſer Operation die
Harnblaſe und Harnroͤhre dergeſtalt, daß Entzuͤndung und
Brand derſelben, oder Harnfiſteln entſtehen muͤſſen. — Aus
welchem allen denn hinlaͤnglich hervorgeht, theils daß dieſe
Operation den Kaiſerſchnitt nie erſetzen kann, theils daß ſie
uͤberhaupt zum Zweck der Erleichterung der Geburt des Kin-
des gaͤnzlich unſtatthaft ſey.


§. 1302.

Die Art wie man uͤbrigens bei dieſer Opera-
tion verfahren hat
, iſt folgende. Zunaͤchſt werden einige
Vorbereitungen erfordert, welche beſtehen: 1) in der Anord-
nung eines gewoͤhnlichen Querlagers mit nicht hoher Ruͤcken-
lehne; 2) im Anordnen der zum Halten der Gebaͤrenden ſo
wie zum Zureichen des Apparats noͤthigen Gehuͤlfen; 3) im
Anordnen des ſaͤmmtlichen zur gewoͤhnlichen Entbindung noͤ-
thigen Apparats und Bereitlegung der uͤbrigen Huͤlfsmittel
zur Entwickelung des Kindes, z. B. der Geburtszange; 4) in
Anordnung der zum Schamfugenſchnitt ſelbſt noͤthigen Inſtru-
mente: hierher gehoͤrt ein bauchiges, und ein ſtarkes gerades,
geknoͤpftes Biſtouri, nebſt einem maͤnnlichen Katheter und (auf
den Fall einer Verknoͤcherung der Symphyſe) eine Knochen-
ſaͤge; 5) in Anordnung einer auf zwei Koͤpfe gewickelten Binde,
Charpie, Heftpflaſtern, und dem bei Schilderung des Kaiſer-
ſchnitts beſchriebenen Apparat zum Stillen der Blutung, Rei-
nigen u. ſ. w.


[392]
§. 1303.

Um die Operation zu machen, bringt man zuvoͤrderſt den
Katheter ein, entleert die Blaſe und laͤßt dann den Griff deſ-
ſelben von einem Gehuͤlfen faſſen, ſeitwaͤrts halten und ſo die
Urethra [nach] der entgegengeſetzten Seite hindraͤngen; hierauf
ſpaltet man mit dem convexen Biſtouri die Haut des Scham-
bergs von oben nach unten, und legt ſo die Symphyſe ſelbſt
blos, faßt dann das gerade Biſtouri um die Schamfuge ſelbſt,
vorſichtig, und ohne den Knochen zu beruͤhren, zu durchſchnei-
den (wobei beſonders auch das innere Kapſelband mit Ver-
huͤtung aller Verletzung der Urethra getrennt werden muß) und
alsbald wird das Voneinanderweichen der Schamkochen be-
merkt werden. Iſt hierauf die Geburt des Kindes, entweder
durch die Kraft der Wehen, oder durch Extraktion beendigt
worden, ſo werden die Schamknochen einander wieder vorſich-
tig, mit ſorgfaͤltiger Verhuͤtung des Einklemmens aller weichen
Theile genaͤhert, die Wunde wird durch Heftpflaſterſtreifen ver-
einigt, ſodann eine ſichere Binde angelegt, und der Entbun-
denen die ſtrengſte Ruhe angeordnet; worauf dann weiterhin
die Heilung der Verletzung nach den Regeln der Chirurgie ge-
leitet werden muß.


II.
Von der kuͤnſtlichen Entwickelung der
Nachgeburt
.

1.
Von dem kuͤnſtlichen Loͤſen des Mutterkuchens.

§. 1304.

Das kuͤnſtliche durch die Hand bewerkſtelligte Lostrennen
des Mutterkuchens von der Gebaͤrmutterflaͤche iſt an ſich eine
vorzuͤglich ſchwierige, beſondere Umſicht und Behutſamkeit er-
[393] fordernde Operation, welche durch die ſo leicht daran ſich
knuͤpfenden Blutungen, Entzuͤndungen, Puerperalfieber, Putreſ-
cenz, ja Verletzung des Uterus, der Entbundenen oft augen-
blicklich oder in kurzem gefaͤhrlich werden kann. Es wird
aber ferner die Schwierigkeit hierbei nicht unbetraͤchtlich ver-
mehrt durch die Unmoͤglichkeit, hinlaͤnglich beſtimmte, auch fuͤr
alle einzelne Faͤlle ausreichende Geſetze uͤber die Indication zu
dieſer Operation aufzuſtellen. Es gilt dieß vorzuͤglich von den
verſchiedenen Arten der Nachgeburtszoͤgerungen, bei deren Be-
handlung oft nur ein ſicherer, alle Umſtaͤnde gehoͤrig erwaͤgen-
der praktiſcher Takt den Arzt leiten muß, da ſich weder eine
gewiße Zeit feſtſetzen laͤßt, innerhalb welcher der Mutterkuchen,
wenn er nicht von ſelbſt ſich trennt, geloͤßt werden muß, noch
eine beſtimmte Quantitaͤt Blut etwa als Norm angenommen
werden kann, wodurch der Geburtshelfer zum Unternehmen die-
ſer Operation berechtigt wuͤrde. — So viel zur Berichtigung
des Standpunktes, von welchem die nun zu erwaͤgenden Indi-
cationen betrachtet werden muͤſſen.


§. 1305.

Anzeige zur kuͤnſtlichen Loͤſung der Placenta giebt aber
1) der Sitz derſelben auf dem Muttermunde (eine der beſtimm-
teſten Indicationen); 2) abnorm feſte Verbindung des Mutter-
kuchens durch ſehnige Faſern; 3) theilweiſe bereits erfolgte
Trennung deſſelben bei eingetretenem betraͤchtlichem, durch dy-
namiſche Mittel nicht zu ſtillendem Blutfluße; 4) Umſtuͤlpung
der Gebaͤrmutter, dafern nicht beſondere Umſtaͤnde das Zuruͤck-
bringen des Uterus bei noch anhaͤngender Placenta vorziehen
laſſen.


§. 1306.

Die Prognoſe richtet ſich theils nach den die Opera-
tion bedingenden Umſtaͤnden, theils nach der Behutſamkeit bei
ihrer Ausfuͤhrung; in erſterer Hinſicht iſt folglich die Prog-
noſe unguͤnſtig bei heftiger Blutung, Einſchnuͤrung des Mut-
terkuchens, abgeriſſenem Nabelſtrange, beſonders feſter Adhaͤ-
[394] ſion, ſtarker Zuſammenziehung im Muttermunde, ſchon vor-
handener entzuͤndlicher Reitzung im Uterus, ſchwaͤchlicher all-
gemeiner Conſtitution u. ſ. w. — wenn hingegen entgegen-
geſetzte Verhaͤltniße [eine] guͤnſtigere Prognoſe geben.


§. 1307.

Vorbereitungen welche fuͤr dieſe Operation erforder-
lich ſind, beſtehen 1) in Anordnung eines ſchicklichen Lagers
der Kreiſenden, welche entweder im Bett, bei hinlaͤnglich er-
hoͤhter Kreuzgegend, oder auf einem Querlager ſich befinden
muß, welches letztere beſonders in ſehr ſchwierigen Faͤllen, und
wo andere geburtshuͤlfliche Operationen nachfolgen muͤſſen,
wie bei vorliegendem Mutterkuchen, vorgezogen werden
muß. 2) Gehoͤrt hierher die Entleerung der Harnblaſe;
3) Sorge fuͤr hinlaͤngliche Eroͤffnung des Muttermundes (wel-
cher demnach, wo er noch nicht eroͤffnet iſt, kuͤnſtlich erweitert
werden muß); 4) Bereithalten einer Injektionsſpritze, gefuͤllt
mit einem lauen Kraͤuteraufguße nebſt Zuſaͤtzen von Eſſig und
Wein oder Brandtwein (wegen haͤufig eintretenden Blutungen);
5) Bereithalten der uͤbrigen bei Blutungen, Ohnmachten u.
ſ. w. nothwendigſten Medicamente, nebſt Oleum Hyoscyami
oder einer Opiatſalbe.


§. 1308.

Die Ausfuͤhrung der Operation iſt nach den Umſtaͤnden
verſchieden. Iſt das Kind bereits geboren und ſoll ſonach
Behufs der Wegnahme der Nachgeburt die Placenta voͤllig
getrennt werden, ſo waͤhlt man zuvoͤrderſt die Hand nach dem
Sitze der Placenta, ſo daß, wenn dieſelbe an der rechten Seite
adhaͤrirt, man die linke, wenn ſie an der linken Seite an-
ſitzt, man die rechte Hand gebraucht; bei dem Sitze an der
vordern oder hintern Wand iſt die Wahl ziemlich gleichguͤltig.
Hierauf bereitet man wie zur Wendung die Hand vor, indem
man ſie (nach abgelegtem Rock und entbloͤßtem Vorderarm)
coniſch zuſammenlegt und aͤußerlich mit Oehl beſtreicht, faßt
dann mit der Hand den Nabelſtrang den man gelinde anſpannt,
[395] und geht nun vorſichtig, nach den mehrerwaͤhnten Regeln in
die Vagina, und durch den Muttermund, und ſucht die am
meiſten bereits abgeloͤßte Partie des Mutterkuchens auf. Von
hieraus trennt man nun, indem man die flache Hand ſo zwi-
ſchen Placenta und Uterus hereindraͤngt, daß die Ruͤckenflaͤche
gegen die innere Gebaͤrmutterwand gerichtet iſt, beide Flaͤchen
durch ein behutſames Abſchaͤlen von einander los, wobei, wenn
die Placenta mehr an der Vorderwand anſitzt, man vorzuͤglich
auch des Daumens ſich mit Vortheil bedienen kann. — Die
ganz getrennte Placenta faßt man dann in die hohle Hand
und fuͤhrt ſie behutſam aus den Geburtstheilen hervor.


§. 1309.

Erſchwert wird dieſe Operation zuweilen 1) durch das
Hin- und Herſchwanken des Uterus, und man iſt dann genoͤ-
thigt, durch die flach aufgelegten Haͤnde eines Gehuͤlfen den
Uterus von außen fixiren zu laſſen. 2) Durch krampfhafte
Verengerungen (Strikturen) im Muttermunde oder auch in
der Hoͤhle des Uterus ſelbſt, welche gleichzeitige Anwendung
dynamiſcher innerer Mittel (Opium, Castoreum, Liq. C. C.,
Valeriana)
noͤthig machen, und nach den fuͤr Eroͤffnung des
Muttermundes ſelbſt gegebenen Regeln beſeitigt werden muͤſ-
ſen. 3) Durch feſte ſehnige Verbindungen zwiſchen Placenta
und Uterus, welche man entweder, indem man ſie zwiſchen
zwei Finger bringt, allmaͤhlig zerdruͤckt, oder wenn ſie zu feſt
ſind, aus der Subſtanz der Placenta allmaͤhlich herausſchaͤlt,
und einſtweilen zuruͤcklaͤßt, indem ſie dann nach und nach mit
den Lochien ſich abſondern, nie aber ſie gewaltſam vom Uterus
abreißt. 4) Durch Abgeriſſenſeyn des Nabelſtranges, in wel-
chem Falle zwar weſentlich kein anderes als das oben beſchrie-
bene Verfahren erfordert wird, jedoch mit beſonderer Vorſicht
deßhalb verfahren werden muß, damit man nicht andere Theile
z. B. die angeſchwollenen Muttermundslippen, mit der Pla-
centa verwechſele, und auch den Theil des Mutterkuchens auf-
finde, welcher zumeiſt ſich getrennt hat.


[396]
§. 1310.

Sitzt hingegen der Mutterkuchen auf dem Muttermunde
auf, und wird folglich die Loͤſung deſſelben vor der Geburt
des Kindes noͤthig, ſo darf derſelbe nur ſo weit getrennt wer-
den, als erfordert wird um der Hand den Weg zum Kinde
zu bahnen. Nachdem daher alles nicht nur zur Loͤſung der
Placenta, ſondern auch zur Wendung und Extraktion des Kin-
des vorgerichtet iſt, bringt man die Hand welche nach der
Kindeslage die ſchicklichſte zur Wendung iſt, zugeſpitzt in die
Geburtstheile ein, ſucht dann die Gegend auf, wo die Pla-
centa am wenigſten adhaͤrirt (bei voͤllig centralem Aufſitzen iſt
dieſes allerdings zu beſtimmen oft unmoͤglich, und muß dann
blos in der Richtung wo man am beſten zu den Fuͤßen ge-
langt geſchehen) und trennt von hieraus, auf die §. 1308
gelehrte Weiſe ſo viel von der Placenta los, bis man fuͤr
das Eindringen der Hand Raum genug gewonnen hat; wor-
auf denn das Sprengen der Blaſe, die Wendung und Extrak-
tion des Kindes folgen muͤſſen wird, und die Entwickelung
der Placenta folglich bis nach der Geburt des Kindes verſpart
bleibt.


2.
Von der Hinwegnahme der Nachgeburt aus
der Hoͤhle der Gebaͤrmutter
.

§. 1311.

Dieſe Operation, welche in den meiſten Faͤllen auf die
Loͤſung des Mutterkuchens folgen muß, wird indeß zuweilen
auch bei bereits eingetretener Trennung der Placenta nothwen-
dig, ſobald dieſe noch zu hoch uͤber dem Muttermunde liegt,
um auf die gewoͤhnliche Weiſe entfernt werden zu koͤnnen.
Anzeigen hierzu werden gegeben 1) bei Zwillingsgeburten,
wenn nach der Geburt des erſten Kindes ſich deſſen Placenta
loͤßt, auf den Muttermund legt, und die Geburt des zweiten
[397] Kindes verſperrt. 2) Bei betraͤchtlichem Blutabgange wegen
Atonie des Uterus, um die Anwendung zweckdienlicher Mittel
auf die innere Gebaͤrmutterflaͤche (namentlich der Injektionen)
zu erleichtern, und dem Uterus mehr Raum zur Zuſammen-
ziehung zu geben. 3) Wenn das Kind ſcheintodt geboren iſt
und man die Nachgeburt, zum Zweck leichterer Wiederbelebung
deſſelben mit ins Bad bringen will; wobei jedoch auch wirklich
die Zeichen von Trennung der Placenta bereits eingetreten ſeyn
muͤſſen.


§. 1312.

Das Verfahren ſelbſt iſt ziemlich einfach, die Frau bleibt
auf ihrem gewoͤhnlichen Lager, mit etwas erhoͤhter Kreuzge-
gend, das Einbringen der Hand geſchieht ganz wie es zum
Behuf der Loͤſung des Mutterkuchens beſchrieben wurde, und
ſobald man ſie auf dieſe Weiſe hoch genug heraufgefuͤhrt hat,
umfaßt man die Placenta und bringt ſie behutſam herab,
und aus den Geburtstheilen hervor. Ein ſchaͤdliches Verfah-
ren iſt es, wenn man blos einen Theil des Mutterkuchens
faßt und daran heftig zieht, weßhalb denn folglich auch be-
ſondere Nachgeburtszangen anzuwenden, keineswegs rathſam iſt.
Blos in Faͤllen wo ein Nachgeburtsreſt etwa innerhalb des
bereits zuſammengezogenen Muttermundes laͤge, kann man ſich
zuweilen des auf ſeiner innern Flaͤche eingefeilten und flachge-
zaͤhnten Dilatatorii von Oſiander mit Nutzen bedienen; ob-
wohl ſelbſt fuͤr dieſe Faͤlle, ſo wie fuͤr das Wegnehmen der
Nachgeburt bei ſehr kleinen Ovulis, zwei in den Muttermund
eingebrachte Finger meiſtens das beſte Werkzeug abgeben.


[398]
III.
Von der kuͤnſtlichen Bewerkſtelligung
des geſammten Geburtsgeſchaͤfts
.

Die gewaltſame Entbindung.
(Accouchement forcé.)

§. 1313.

Wir verſtehen hierunter die Reihenfolge verſchiedener, im
Einzelnen ſchon beſchriebener Operationen, bei denen auf die
kuͤnſtliche Erweiterung des Muttermundes, das Sprengen der
Eihaͤute, die Wendung und Extraktion des Kindes, ſo wie die
Loͤſung und Hinwegnahme der Nachgeburt folgt. Es kann
dieſes aber unternommen werden, entweder waͤhrend der Schwan-
gerſchaft oder beim erſten Beginnen eintretender Geburtsthaͤtig-
keit, ſtets aber iſt es eine ſowohl fuͤr die Mutter als fuͤr das
Kind hoͤchſt gefaͤhrliche Operation, und nur aͤußerſt wenige
Faͤlle bleiben daher uͤbrig, wo ſie unbedingt unternommen wer-
den muͤßte.


§. 1314.

Unter allen Umſtaͤnden aber, welche man wohl fruͤherhin
als Indication fuͤr das Unternehmen der gewaltſamen Ent-
bindung aufgefuͤhrt hat, ſcheint, bei richtiger Erwaͤgung, faſt
einzig und allein heftige, auf keine andere Weiſe
zu ſtillende Blutung
, derjenige, bei welchem dieſe Ope-
ration gar nicht zu umgehen iſt. Die Entſtehung eines ſolchen
Blutflußes kann uͤbrigens ſehr verſchieden ſeyn, als durch Auf-
ſitzen des Mutterkuchens auf dem Muttermunde, zeitigere
Trennung der Placenta bei beginnender Fruͤhgeburt in Folge
erlittener gewaltſamer Erſchuͤtterung, ja ſelbſt die Blutungen
aus andern Organen, ſobald ſie ſehr heftig ſind und in ſol-
chem Zuſammenhange mit der Schwangerſchaft ſtehen, daß ſie
vor erfolgter Entbindung nicht zu beſeitigen ſind.


[399]
§. 1315.

Naͤchſt dieſen verſchiedenen Formen des Blutflußes koͤn-
nen denn auch wohl einige Faͤlle von Convulſionen welche bei
Schwangern oder bei angehenden Gebaͤrenden eintreten, ferner
Ohnmachten, apoplektiſche Zufaͤlle u. ſ. w. welche Lebensgefahr
drohen, Veranlaſſung zu dieſer Operation werden, dafern naͤm-
lich wirklich ein unmittelbarer Zuſammenhang dieſer Uebel mit
dem Zuſtande der Schwangerſchaft nachzuweiſen, und die An-
wendung anderer fuͤr dieſen Behuf zweckmaͤßiger Mittel frucht-
los geblieben iſt. — Den Vorſchlag hingegen, durch die ge-
waltſame Entbindung vor dem eigentlichen Ende der Schwan-
gerſchaft die allzuſchweren Geburten, oder gar den Kaiſer-
ſchnitt zu vermeiden, muͤſſen Gruͤnde der Vernunft, und (lei-
der!) auch der Erfahrung, als voͤllig verwerflich darſtellen,
ſo daß er mit dem der kuͤnſtlichen Fruͤhgeburt durch zeitige-
res Waſſerſprengen gar nicht verglichen werden darf.


§. 1316.

Ueber die Art wie dieſe Operation auszufuͤhren ſey, be-
darf es hier keiner weitern beſondern Eroͤrterung, da das noͤ-
thige hieruͤber ſchon bei den einzelnen Theilen derſelben ange-
geben worden iſt; die Hauptregel aber muͤſſen wir doch noch
insbeſondere fuͤr dieſelbe feſtſetzen, daß, was immer hierbei
von Beendigung oder Foͤrderung der Geburt, den Naturkraͤften
ohne Nachtheil uͤberlaſſen werden kann, auch auf keinerlei
Weiſe durch die Kunſt bewerkſtelligt werden ſolle. Kann da-
her z. B. die Eroͤffnung des Muttermundes, wenigſtens bis
zu einem gewiſſen Grade, ohne Nachtheil der Mutter oder des
Kindes gedeihen, ſo ſoll ſie nicht durch die Kunſt verrichtet
werden. Eben daſſelbe gilt von der Wegnahme der Nachge-
geburt u. ſ. w. — Blos auf dieſe Weiſe naͤmlich iſt es zu-
weilen moͤglich, die Prognoſe fuͤr Mutter und Kind einiger-
maaßen vortheilhafter zu ſtellen, und den hoͤchſt gefaͤhrlichen
Ausgang welchen ſie nicht ſelten herbeigefuͤhrt hat, zu ver-
meiden.


[400]
Specielle Pathologie und Therapie der
Geburt.

§. 1317.

Die vielfachen Regelwidrigkeiten welche den ſo wichtigen
Akt der Geburt hindern, ja zuweilen voͤllig unmoͤglich machen
koͤnnen (zum wenigſten fuͤr die Kraͤfte der Natur), laſſen ſich
demungeachtet ſaͤmmtlich zuruͤckfuͤhren auf die welche von dem
muͤtterlichen Koͤrper, und die welche von der Frucht ausge-
hen, obwohl in vielen einzelnen Faͤllen auch die Combinationen
beider Urſachen bemerkt werden.


§. 1318.

Durch zweckmaͤßige Beruͤckſichtigung dieſer beiden Klaſ-
ſen, und hinlaͤngliche Sonderung der einzelnen Abnormitaͤten,
wird es nun moͤglich, uͤber dieſe Regelwidrigkeiten uͤberhaupt
ein eben ſo ſtreng logiſches Schema als uͤber den geſammten
Bereich der Gynaͤkologie, zu entwerfen, welches Schema denn
zur leichtern Ueberſicht hier beigefuͤgt wird, worauf wir ſodann
zur naͤhern Betrachtung der in der erſten Abtheilung enthal-
tenen Abnormitaͤten ſogleich uns wenden.


[]
[][401]
I. Von den krankhaften Zuſtaͤnden des muͤt-
terlichen Koͤrpers, in wiefern ſie ſtoͤrend fuͤr
den Geburtsverlauf wirken.

I.
Von den krankhaften Zuſtaͤnden des Allge-
meinbefindens und den oͤrtlichen Krank-
heitszuſtaͤnden außerhalb der Geburts-
theile
.

A.
Von den regelwidrigen Bildungen.

1. Allgemeine Verbildung.

§. 1319.

Von wie großem Einfluß die Geſammtbildung des Koͤr-
pers auf den Geburtsverlauf ſey, zeigt die Erfahrung bei der
Vergleichung auch nur einer geringen Anzahl von Entbindungen
auf das deutlichſte, und man bemerkt namentlich bald, wie
bei einer gewißen Conſtitution, d. i. bei maͤßig großen voll-
ſaftigen Koͤrpern, mit kraͤftig entwickelter weiblicher Eigenthuͤm-
lichkeit, die Entbindungen meiſtentheils leicht und gluͤcklich von
Statten gehen. Hinwiederum finden ſich auch Koͤrper, welche
ſelbſt unter uͤbrigens guͤnſtigen Bedingungen, bei gutem Bek-
ken und regelmaͤßigem Stande des Kindes, auffallend ſchwer
und langſam gebaͤren, und deren Koͤrper in einem weit hoͤ-
hern Grade von der Geburtsarbeit erſchuͤttert wird. Wir zaͤhlen
hierhin vorzuͤglich die noch nicht genugſam entwickelte Koͤrper-
bildung, die Koͤrperbildung der ſchon dem Ende der zeugungs-
faͤhigen Periode zu ſehr genaͤherten Individuen, den mehr
maͤnnlichen Koͤrperbau, die ſchwaͤchliche und ſehr erregbare, und
die phlegmatiſche, ſchwammige, torpide Conſtitution.


II. Theil. 26
[402]
§. 1320.

Die unvollkommene Entwickelung des Koͤr-
pers
giebt ſich zu erkennen in der Zartheit des Koͤrperbaues
uͤberhaupt, in der Kleinheit der Extremitaͤten, den kindlichen
Geſichtszuͤgen, ſo wie aus Beruͤckſichtigung des Alters und
der vorhergegangenen Lebensverhaͤltniſſe. Solche Perſonen nun,
welche entweder nach kaum entfalteter Pubertaͤt ſchon concipir-
ten, oder deren Koͤrper durch Krankheiten oder fruͤhe Aus-
ſchweifungen in ſeiner Bildung zuruͤckgehalten worden iſt, wer-
den nothwendig von dem Geburtsgeſchaͤft, welches fuͤr eine
gewiße Reife des Lebens von der Natur beſtimmt iſt, weit
ſtaͤrker als andere afficirt, ſie ermatten weit leichter, Convul-
ſionen, krampfhaftes Erbrechen, Schluchzen, Blutungen u. ſ.
w. treten weit leichter ein, und fuͤhren oft fuͤr Mutter und
Kind hoͤchſt nachtheilige Zuſtaͤnde herbei.


§. 1321.

Die Behandlung einer ſolchen Gebaͤrenden kann blos pro-
phylaktiſch ſeyn, indem man durch noͤthige Vorſicht alles was
das Nervenſyſtem erregen koͤnnte, vermeidet, und nichts was
irgend das Geburtsgeſchaͤft erleichtern koͤnnte, unterlaͤßt. Es
iſt daher ſehr zweckmaͤßig, ſolchen Perſonen, noch unter den
vorherſagenden Wehen welche hier gewoͤhnlich laͤngere Zeit an-
halten, ein lauwarmes Bad brauchen zu laſſen, fuͤr eine recht
zweckmaͤßige Umgebung bei der fortſchreitenden Geburtsthaͤtig-
keit Sorge zu tragen, zeitig ſchon das Beibehalten einer be-
quemen ruhigen Lage im Bette anzuempfehlen, die Kraͤfte auf
alle Weiſe zu ſchonen, und wenn im Verlaufe der Geburt die
Anwendung kuͤnſtlicher Huͤlfe noͤthig werden ſollte, dieſelbe nicht
zu lange zu verſchieben, uͤberhaupt aber anderweitige eintre-
tende Abnormitaͤten ihrer Natur nach zu behandeln.


§. 1322.

Sehr bejahrte Gebaͤrende, vorzuͤglich Erſtgebaͤrende
machen eine aͤhnliche Sorgfalt noͤthig. Meiſtens gebaͤren ſie
langſam (vorzuͤglich was die zweite Geburtsperiode anbelangt)
und es iſt dieſes insbeſondere deßhald zu beruͤckſichtigen, da-
[403] mit man nicht alſogleich an naturwidrige, das Eingreifen der
Kunſt noͤthig machende Abweichungen denke, vielmehr die ein-
fachern Mittel, welche beſonders bei Trockenheit und Enge der
Genitalien die Erweiterung erleichtern (als Baͤder, Vorlegen
eines mit warmem Flieder- oder Kamillenthee getraͤnkten
Schwammes an die aͤußern Genitalien u. ſ. w.), gehoͤrig
anwende.


§. 1323.

Ganz dieſelbe Behandlung welche §. 1317 gelehrt wurde,
machen ferner ſowohl ſchwaͤchliche und ſehr erregbare
Conſtitutionen
, als Koͤrper von einem mehr maͤnn-
lichen Typus
nothwendig, welche letztere oft trotz ihres
ſtarken Knochen- und Muſkelſyſtems weit heftiger durch die
Wehen erſchuͤttert, weit fruͤher ermattct, und zum Verarbeiten
der Wehen unfaͤhig gemacht werden als kleinere aber beſſer
gebildete Frauen. — Regel iſt es hierbei uͤbrigens noch, in
allen Faͤllen wo die Geburtsarbeit ſich ungewoͤhnlich (auf 2 ‒ 3
Tage) verlaͤngert, fuͤr die Erhaltung der Kraͤfte auch dadurch
zu ſorgen, daß man der Gebaͤrenden von Zeit zu Zeit etwas
Bouillon mit Ei u. dergl., oder bei fieberfreien Zuſtaͤnden et-
was Wein mit Meliſſenaufguß reicht.


§. 1324.

Was nun noch die phlegmatiſchen, ſchwammigen
Koͤrper
betrifft, ſo gebaͤren ſie theils gleichfalls ſehr langſam,
theils ſind ſie leicht paßiven Blutungen in der fuͤnften Periode
ausgeſetzt. Hier wird es zweckmaͤßig, die Kreiſende in deu
erſten Perioden noch etwas zur Bewegung anzuhalten, einige
Gaͤnge durchs Zimmer bringen oft bald eine etwas lebhaftere
Geburtsthaͤtigkeit hervor; auch in der 3. und 4. Periode wird
hier oͤfters ein Anregen zum gehoͤrigen Verarbeiten der We-
hen nothwendig, zumal wenn man von dem langſamen Ver-
lauf dieſer Perioden fuͤr das Kind fuͤrchten muͤßte. Gleichzeitig
kann unter ſolchen Umſtaͤnden auch das Darreichen von etwas
Wein und Meliſſenthee geſtattet werden; nur huͤte man ſich
[404] vor Anwendung aller aͤhnlicher Mittel, dafern ſie nicht wahr-
haft durch dieſe Einwirkung der Conſtitution auf den Ge-
burtsverlauf gerechtfertigt ſind, indem, wenn man durch die-
ſelben die Austreibung des Kindes mehr beſchleunigt, als un-
umgaͤnglich nothwendig, leicht dann die Atonie im Uterus waͤh-
rend der fuͤnften Periode um ſo nachtheiliger eintritt. Daß
man uͤbrigens eben in dieſer Periode vorzuͤglich behutſam ver-
fahren muͤße, um nicht durch zu zeitiges Anziehen des Nabel-
ſtranges Blutungen oder fehlerhafte Lagen des Uterus zu
erregen, leuchtet von ſelbſt ein.


§. 1325.

Endlich die verkruͤpelte Koͤrperbildung betreffend,
ſo aͤußert ſie waͤhrend des Geburtsgeſchaͤfts zuweilen insbeſon-
dere dadurch Nachtheile, daß entweder das Becken an dieſer
Verkruͤpelung mit Antheil genommen hat, und falche Lagen
des Uterus und des Kindes, ſo wie ſchwierigen Durchgang des
letztern verurſacht (wovon bei den oͤrtlichen Abnormitaͤten in
den Geburtstheilen gehandelt werden wird), oder daß durch Ver-
bildungen des Thorax die Reſpiration und folglich das Ver-
arbeiten der Wehen erſchwert wird (wovon bei den aſthmati-
ſchen Zuſtaͤnden die Rede ſeyn muß). Aeußern hingegen dieſe
Nachtheile ſich nicht, ſo wird oft die Geburt wenig gehindert
und es macht ſich eine beſondere Behandlung nicht nothwen-
dig; wie ich denn mehreremale kleine, verkruͤpelte Perſonen
ſehr leicht habe niederkommen ſehen.


1. Oertliche organiſche Krankheiten außerhalb
der Geburtstheile
.

§. 1326.

Wunden, Knochenbruͤche u. ſ. w. wenn ſie bei ein-
tretendem Geburtsgeſchaͤft vorhanden ſind, erfordern vorzuͤglich
deßhalb eine vorſichtige Leitung des letztern, weil ſie durch die
Anſtrengungen zur Geburt leicht in ihrer Heilung ruͤckgaͤngig
[405] gemacht werden, Blutungen und aͤhnliche Zufaͤlle erregt wer-
den koͤnnen. Außerdem daß man daher eine ſolche Kreiſende
zeitig die horizontale Lage annehmen laͤßt, muß beſonders die
Lage ſelbſt ſo eingerichtet werden, daß dabei das verletzte Glied
der vollkommenſten Ruhe genießt, wobei man fuͤr manche Faͤlle
denn auch wohl von der in England ſelbſt fuͤr jede natuͤrliche
Geburt gewoͤhnlichen Seitenlage *) Gebrauch machen kann.


§. 1327.

Varikoͤſe Geſchwuͤlſte machen, wo ſie von bedeu-
tendem Umfange, und vorzuͤglich ſobald ſie an den Geburts-
theilen ſelbſt befindlich ſind, große Vorſicht noͤthig um das
Zerſpringen unter den Anſtrengungen der Geburt zu verhuͤten.
Man laͤßt deßhalb die Gebaͤrende ſtets in horizontaler Lage,
macht kalte adſtringirende Fomentationen auf die Geſchwuͤlſte
ſelbſt, laͤßt wohl bei beginnender Geburtsarbeit um dieſelben
noch einige Blutigel anſetzen, und geſtattet kein zu ſtarkes
Verarbeiten der Wehen, weßhalb denn, dafern die Geburts-
thaͤtigkeit im Uterus allein nicht zur baldigen Beendigung der
Geburt hinreicht, man nicht ſelten zum Anwenden kuͤnſtlicher
Huͤlfe (vorzuͤglich durch die, hier uͤbrigens ebenfalls ſehr vor-
ſichtig anzulegende Zange) ſich genoͤthigt finden wird. Wirk-
liche Zerreiſſung einer ſolchen Venengeſchwulſt fordert das An-
wenden des Tampons und laͤngere Zeit fortgeſetzten aͤußern
Druck auf die blutende Stelle; ſehr heftige Blutungen koͤn-
nen ſelbſt das Tourniquet noͤthig machen.


§. 1328.

Beſonders gefaͤhrlich wuͤrde das Vorhandenſeyn einer
anevrysmatiſchen Geſchwulſt bei einer Gebaͤrenden ſeyn,
und es duͤrfte hier theils die moͤglichſte Ruhe, Unterſagen des
Verarbeitens der Wehen, und bei ſchwierigerm Durchgange des
[406] Kindes, Befoͤrderung deſſelben durch Zange oder Extraktion,
theils eine vorher angewendete Venaͤſektion das einzige Mittel
ſeyn, das Reißen derſelben zu verhuͤten.


§. 1329.

Auch vorhandene Bruchgeſchwuͤlſte fordern bei Ge-
baͤrenden beſondere Aufſicht, da ohne dieſelbe leicht Einklem-
mungen ſich bilden koͤnnten. Im Allgemeinen habe ich zwar
meiſtens beobachtet, daß ſich Schenkel-, Leiſten-, Mutterſcheiden-
und Nabelbruͤche bei herannahender Geburtsarbeit von ſelbſt
zuruͤckzogen und nicht leicht bedeutende Beſchwerden unter den
Wehen verurſachten *). Demungeachtet fordert es die Vor-
ſicht, auch ſolche Kreiſende gleich vom Beginn der Wehen an
in horizontale Lage zu bringen, die Bruͤche wenn ſie nicht von
ſelbſt zuruͤckgewichen ſind, wo moͤglich zuruͤckzubringen, und die
Bruchſpalten unter den Wehen durch die aufgelegten Ballen
der Hand unterſtuͤtzen, die Wehen ſelbſt aber durchaus nicht
verarbeiten zu laſſen. Eingetretene Einklemmungen indiciren
ſchleunige Beendigung der Geburt auf eine der Lage der Dinge
angemeſſene Weiſe; worauf dann die weitere chirurgiſche Be-
handlung der Brucheinklemmung Statt finden muß.


§. 1330.

Von Vorfaͤllen kommt vorzuͤglich der des Maſtdarms
bei Gebaͤrenden, vorzuͤglich ſolchen, welche an Haͤmorrhoidal-
Uebeln leiden, nicht ſelten vor. Auch hier iſt es noͤthig die
Gebaͤrende zeitig ſich niederlegen, ferner zeitig fuͤr hinlaͤngliche
Entleerung des Darmkanals Sorge tragen, und die erſchlaff-
ten Theile durch Auflegen einer mit kaltem rothem Wein be-
feuchteten Compreſſe fleißig fomentiren zu laſſen. Waͤhrend
der austreibenden Wehen ferner wird gewoͤhnlich, indem man
[407] ebenfalls ein zu heftiges Preſſen unterſagt, die mechaniſche
Unterſtuͤtzung des Orificii ani nothwendig, und ſie muß dann
bis zur Beendigung der Geburt fortgeſetzt werden. — Bei
allen hier betrachteten Uebeln koͤnnte uͤbrigens nicht leicht ein
Verfahren nachtheiliger werden, als wenn man die Geburts-
arbeit auf einem Geburtsſtuhle abwarten laſſen wollte. —


B.
Von den krankhaften dynamiſchen Zuſtaͤnden,

1) in den Organen der animalen Sphaͤre.

§. 1331.

Es wird hier der Ort ſeyn, zunaͤchſt der verſchiedenen
oͤrtlichen Schmerzen zu gedenken, welche bei Gebaͤrenden
nicht ſelten vorkommen und das Geburtsgeſchaͤft oft nicht we-
nig erſchweren. Es gehoͤren hierher Kopfſchmerzen, Kreuz-
ſchmerzen, Schenkelſchmerzen u. ſ. w. welche auch hier, wie
waͤhrend der Schwangerſchaft, vorzuͤglich theils vom Gefaͤß-
ſyſtem, theils vom Nervenſyſtem aus, bedingt werden. Beſon-
ſonders verdienen die Aufmerkſamkeit des Geburtshelfers, hef-
tige, von Congeſtionen nach dem Gehirn abhaͤngige Kopfſchmer-
zen, weil ſie waͤhrend der Geburtsarbeit oͤfters die Vorboten
von Convulſionen oder apoplektiſchen Anfaͤllen zu ſeyn pflegen.


§. 1332.

Die Behandlung muß bei alle dieſen Zufaͤllen zunaͤchſt
auf die Urſachen gerichtet ſeyn; Erregungen des Gefaͤßſyſtems
fordern kuͤhles Verhalten, Genuß kuͤhlender Getraͤnke, der Li-
monade u. ſ. w., ja ſelbſt Blutentziehungen, ſo wie bei Kopf-
ſchmerzen, kalte Fomentationen von Eſſig und Waſſer uͤber die
Stirn u. ſ. w. — Erregte Zuſtaͤnde des Nervenſyſtems, bei hyſte-
riſchen Perſonen, oder vom Drucke der Kindestheile auf die Bek-
kennerven abhaͤngig, machen theils Anodyna (Frottiren der lei-
denden Theile mit Liq. m. Hoffm., camphorirten Flanell, Spirit.
[408] camphor.,
Fomentiren mit warmen Kraͤuterkiſſen, Baͤder [waͤh-
rend der 1. und 2. Periode], innerlich ein Dover’ſches Pul-
ver, etwas Liq. m. Hoffm., Essent. castor. mit Jnfus.
Valerianae
u. dergl.) nothwendig, theils koͤnnen ſie, dafern
die Kreiſende beſonders ſchwach iſt, die Heftigkeit der Zufaͤlle
Gefahr droht, und nach der Natur derſelben ihre Beſeitigung von
Beendigung der Geburt nicht zu erwarten iſt, ſelbſt die kuͤnſt-
liche Beſchleunigung der Entbindung durch eine der Lage der
Dinge angemeſſene Operation, nothwendig machen; welches
letztere uͤbrigens unter aͤhnlichen Verhaͤltniſſen auch von den
durch das Gefaͤßſyſtem bedingten Schmerzen gelten muß.


§. 1333.

Was die Zuſtaͤnde der Bewußtloſigkeit, der Ohn-
macht
und des Scheintodes betrifft, ſo kann hieruͤber
voͤllig auf das, was hiervon oben bei den Krankheiten der
Schwangern (§. 1032. u. f.) geſagt worden iſt, zuruͤckge-
wieſen werden. Wie waͤhrend der Schwangerſchaft, treten ſie
auch hier entweder als Folge krankhafter Zuſtaͤnde des Gefaͤß-
ſyſtems (und ſo am haͤufigſten und gefaͤhrlichſten) ein, oder
erſcheinen als idiopathiſche Krankheitszuſtaͤnde im Nervenſyſtem,
woruͤber a. a. O. die beſondern Kennzeichen aufgefuͤhrt wor-
den ſind. — Im Allgemeinen kann man annehmen, daß
ſchnell voruͤbergehende Erſchoͤpfungen und Ohnmachten nach
jedesmaligen Wehen nicht viel auf ſich haben, ja oft mehr
zum Sammeln der Kraͤfte beitragen, tiefere Ohnmachten hin-
gegen immer bedenklich ſind, und theils die ganze oben (§.
1037.) ausfuͤhrlicher angegebene Behandlungsweiſe, theils,
dafern der Muttermund ſattſam eroͤffnet und der vorangehende
Kindestheil ins Becken eingetreten iſt, ſchon in Hinſicht auf
das Kind ſelbſt die Beſchleunigung der Geburt erheiſchen.
Mit Anwendung der gewaltſamen Entbindung in den fruͤhern
Zeitraͤumen der Geburt, muß hier eben ſo vorſichtig wie waͤh-
rend der Schwangerſchaft verfahren werden. Eingetretener
Scheintod oder wahrer Tod machen das fuͤr die Behandlung
ſolcher Faͤlle oben (§. 1040) angezeigte Verfahren nothwendig.


[409]
§. 1334.

Was die Organe der Bewegung betrifft, ſo zeigen ſich
dieſelben bei der Geburt theils im Zuſtande großer Erſchoͤpfung,
oder uͤberreitzter Thaͤtigkeit. Wahrer Mangel an Kraͤf-
ten
iſt die Folge vorausgegangener Krankheiten, deprimirender
Affekte, unguͤnſtiger Lebensverhaͤltniſſe, ſchlechter Conſtitution,
erlittener Blutungen u. ſ. w., und giebt ſich durch Beruͤckſich-
tigung der urſachlichen Momente des allgemeinen Habitus und
vornehmlich des Pulſes zu erkennen. Es muß auch hier die
ſchonende Behandlung welche oben (§. 1321.) gelehrt wurde,
eintreten, es muß das, was zur Aufrichtung der Kraͤfte waͤh-
rend eines langſamern Geburtsverlaufs geſchehen kann, nicht
verſaͤumt werden (§. 1323.), ja es kann auch hier, nament-
lich wenn oͤrtliche Unthaͤtigkeit im Uterus, oder andere Hin-
derniſſe der Geburt ſich vorfinden, zuweilen die operative Kunſt-
huͤlfe nothwendig werden. —


Anmerkung. Von dieſer wahren Schwaͤche muß uͤbri-
gens ſorgfaͤltig die nur ſcheinbare unterſchieden wer-
den. Oefters naͤmlich klagen ſehr empfindliche oder auch
etwas phlegmatiſche Perſonen ſchon uͤber die groͤßte Er-
ſchoͤpfung, obwohl nur Mangel einiger Standhaftigkeit,
oder Traͤgheit die Quelle der Klagen ſind; der Puls
zeigt ſich dabei natuͤrlich, und einige Ermahnungen und
Anregungen ſind dann allein am Platze. Eben ſo fuͤh-
len ſich Perſonen welche an Congeſtionen leiden, oft
auffallend matt, allein hier iſt es bloße Unterdruͤckung
der Kraͤfte, und Antiphlogistica allein dienen dann zur
Belebung der Thaͤtigkeit, wenn dagegen erregende Mit-
tel den krankhaften Zuſtand verſtaͤrken muͤßten.


§. 1335.

Es iſt ferner von einem der fuͤrchterlichſten Zufaͤlle, wel-
che Gebaͤrende betreffen koͤnnen, zu ſprechen, naͤmlich von den
Kraͤmpfen oder Zuckungen(Convulsiones, Eclampsia par-
turientium).
Es erſcheinen dieſelben bei Gebaͤrenden eben ſo
[410] wie bei Schwangern unter ſehr verſchiedenen Formen. Eines
Theils naͤmlich ſind es Anfaͤlle, wo ein Vibriren aller Muſ-
keln allein den krampfhaften Zuſtand bezeichnet (Tremor ar-
tuum),
welche Form bei reitzbaren Subjekten ſehr haͤufig, na-
mentlich waͤhrend der vierten Geburtsperiode bemerkt wird,
mehr Wirkung des heftigen Schmerzes, und daher ſelten von
großer Gefahr begleitet zu ſeyn pflegt.


§. 1336.

Ferner gehoͤren hierher die eigentlichen Zuckungen, wo
entweder nach vorausgegangenen Kopfſchmerzen, Fieberbewe-
gungen, Ruͤckenſchmerzen, Schluchzen u. ſ. w., oder auch ploͤtz-
lich und ohne alle Vorboten, entweder bei fortdauerndem Be-
wußtſeyn, oder bei voͤlliger Bewußtloſigkeit, eigentliche Con-
vulſionen ausbrechen, unter Zaͤhneknirſchen (wobei leicht die
Zunge verletzt wird), Schaͤumen, Blauwerden des Geſichts faſt
alle willkuͤhrlichen Muſkeln in die heftigſten Agitationen gera-
then, Opistotonus, Emprostotonus, Trismus abwechſelnd
ſich zeigen, und die Gefahr mannigfaltiger Beſchaͤdigungen ja
ſelbſt der Zerreißung der Gebaͤrmutter drohen. — Die Periode
wo dieſe Zuckungen eintreten, iſt verſchieden, bald die zweite,
dritte, vierte, bald auch wohl die fuͤnfte oder ſelbſt die Zeit
nach der fuͤnften. — Voͤlliger Starrkrampf (Tetanus), oder
Erſtarrung der Glieder bei ruͤckbleibender waͤchſerner Biegſam-
keit (Catalepsis), iſt bei Gebaͤrenden gewiß ein hoͤchſt ſeltener
Zufall.


§. 1337.

Was die Entſtehungsweiſe dieſer Zufaͤlle betrifft, ſo
muͤſſen wir insbeſondere auf das was uͤber die Entſtehung
der Zuckungen waͤhrend der Schwangerſchaft geſagt worden
iſt, zuruͤckweiſen (§. 1043. u. f.), und ſo wie dort, liegt auch
hier die weſentliche Urſache theils in Krankheitszuſtaͤnden des
Nervenſyſtems, theils in abnormen Stimmungen des Gefaͤß-
ſyſtems, und vorzuͤglich in Anhaͤufung der Blutmaſſe in den
Gefaͤßen des Gehirns. Fuͤr beide Arten der naͤchſten Urſache
[411] ſind indeß waͤhrend der Geburtsarbeit die Veranlaßungen noch
haͤufiger als waͤhrend der Schwangerſchaft; die Geburtsſchmer-
zen naͤmlich werden das Nervenſyſtem heftig erſchuͤttern und
von dieſer Seite den Ausbruch des Uebels beguͤnſtigen koͤnnen,
dahingegen die Erhitzung des Koͤrpers, zugleich aber der bei
vor ſich gehender Verkleinerung des Uterus erfolgende Ruͤck-
tritt eines betraͤchtlichen Antheils der geſammten Blutmaſſe in
das allgemeine Gefaͤßſyſtem aus den Venenzellen des Uterus *),
von der andern Seite daſſelbe hervorzurufen im Stande ſind.


§. 1338.

Die Prognoſe muß fuͤr die unter der Geburt, einem
an ſich ſo kritiſchen Zeitpunkte, ausbrechenden Zuckungen noch
unguͤnſtiger, als fuͤr die waͤhrend der Schwangerſchaft ſich zei-
genden ausfallen; und zwar theils fuͤr das Kind, theils fuͤr die
Mutter. Das erſtere ſtirbt dabei leicht ab, die letztere wird da-
bei zu dem fuͤr die Geburt noͤthigen Verhalten unfaͤhig ge-
macht, und iſt daher der Gefahr der Blutungen u. ſ. w.,
noch außer den den Convulſionen an ſich eigenen Gefahren
unterworfen. Die uͤbrigen oben (§. 1047.) angegebenen Mo-
dificationen der Prognoſe gelten auch hier; auch bei der Ge-
burt ſind die habituellen Convulſionen demnach weniger ge-
faͤhrlich, **) ja ich habe oͤfters bei Gebaͤrenden welche ſonſt
oͤfters an Epilepſie litten, dieſe Anfaͤlle gerade unter der Ge-
burt gar nicht eintreten ſehen. Guͤnſtiger iſt es ferner wenn
die Zuckungen uͤberhaupt mehr von heftiger Nervenreitzung ab-
haͤngig ſind, wenn die Urſache derſelben in Schmerzhaftigkeit
[412] des Geburtsgeſchaͤfts zu ſuchen iſt, und die Umſtaͤnde die Moͤg-
lichkeit einer ſchnellen und leichten Beendigung der Entbindung
durch die Kunſt verſprechen. — Betreffen dieſe Zufaͤlle hinge-
gen vollſaftige Koͤrper, und repetiren ſie ſchnell nacheinander,
ſo werden ſie ſehr haͤufig toͤdtlich. —


§. 1339.

Auch was die Behandlung dieſer Zufaͤlle betrifft, muß
auf die ſchon oben (§. 1048. u. f.) gegebenen Regeln verwie-
ſen werden, beſondere Aufmerkſamkeit jedoch iſt auf folgende
Punkte zu wenden: 1) daß die Kreiſende auf einem ziemlich
horizontalen Lager erhalten werde, indem hier ihr Koͤrper am
beſten gegen Beſchaͤdigungen geſchirmt werden kann; 2) daß
man ſelbſt die etwa noͤthig werdenden kuͤnſtlichen Huͤlfsleiſtun-
gen, dafern die Natur derſelben es einigermaaßen geſtattet,
auf dem Geburtsbett, außerdem aber auf dem Querlager an-
wende, nie aber dergleichen Perſonen auf einen Geburtsſtuhl
bringen laſſe. 3) Daß die Gebaͤrende nicht zu ſehr an allen
Gliederbewegungen waͤhrend der Anfaͤlle gehindert werde; 4)
daß man beſonders die freien Zwiſchenraͤume zwiſchen zwei
Aufaͤllen, zur Anwendung der kraͤftigſten innern und aͤußern
Mittel benutze; 5) daß man, dafern die Eroͤffnung des Mut-
termundes und das Eingetretenſeyn des Kindestheils eine bal-
dige und leichte Entbindung moͤglich machen, dieſe ſtets voll-
ende, indem zwar keinesweges dadurch allein die Zuckungen
immer gehoben werden, jedoch nicht ſelten wenigſtens einer
der Reitze welche dieſe Zufaͤlle herbeifuͤhrten, beſeitigt, nament-
lich aber die Gefahr welche dem Kinde droht, dadurch ver-
mindert wird.


§. 1340.

Was uͤbrigens ruͤckſichtlich der gewaltſamen Entbindung
bei Convulſionen der Schwangern bemerkt worden iſt (§. 1053.)
findet auch auf die Convulſionen bei Gebaͤrenden in den erſten
Perioden der Geburt Anwendung, naͤmlich daß jene Operation
ein Mittel ſey, wodurch oft mehr geſchadet als genuͤtzt werde,
[413] und deſſen Anwendung die groͤßte Vorſicht erfordere. Nur in
Faͤllen daher, wo der ſehr nachgiebige ſchlaffe Muttermund
einer Mehrgebaͤrenden eine leichte Erweiterung verſpricht, wo
die andern Huͤlfsmittel unwirkſam bleiben und der krankhafte
Zuſtand weſentlich nur von dem fortgehenden Geburtsreitze
unterhalten wird, iſt davon wirklich Gebrauch zu machen.
Meiſtentheils jedoch darf man von den allgemeinen und oͤrt-
lichen Blutentziehungen, kalten Umſchlaͤgen auf den Kopf, ab-
leitenden Mitteln, reitzenden Lavements u. ſ. w. bei dem durch
Congeſtion bedingten Leiden; bei hyſteriſchen und aͤhnlichen
Subjekten hingegen, und nach gehobenen Ueberfuͤllungen der
Blutgefaͤße in den Centralorganen der Senſibilitaͤt, von der
Anwendung der Baͤder, der Stuͤtz’ſchen Methode, des Mo-
schus,
der antiſpasmodiſchen Fomentationen und Injektionen,
des Castoreums, des Camphers, Extr. Hyoscyami, . Asae
fötid.
des Dover’ſchen Pulvers u. ſ. w. die wohlthaͤtigſte
Wirkung erwarten.


2. Krankhafte Zuſtaͤnde der vegetativen Sphaͤre.

§. 1341.

1) Verdauungswerkzeuge. Von den mannigfalti-
gen Krankheitszuſtaͤnden dieſes Syſtems welche ſich waͤhrend
der Geburt vorfinden koͤnnen, verdienen hier vorzuͤglich das
krampfhafte Erbrechen und Schluchzen, ſo wie die Colikſchmer-
zen und Obſtruktionen eine naͤhere Betrachtung.


§. 1342.

Krampfhaftes Schluchzen(Singultus)und Er-
brechen
, von denen das letztere nur als der hoͤchſte Grad
des erſtern angeſehen zu werden verdient, unterſcheiden ſich
von dem auch bei natuͤrlichen Geburten nicht ſelten vorkom-
menden Erbrechen vorzuͤglich durch Hartnaͤckigkeit, Schmerzhaf-
tigkeit, durch Uebergehen in ein anhaltendes leeres Wuͤrgen.
Es kommt vorzuͤglich bei Perſonen vor, welche durch große
[414] Reizbarkeit, Neigung zu Kraͤmpfen, rigiden Koͤrperban uͤber-
haupt ſich auszeichnen und hat ſehr haͤufig eine ſchwere Ge-
burtsarbeit, unregelmaͤßige Zuſammenziehungen des Uterus und
Unvermoͤgen zu gehoͤrigem Verarbeiten der Wehen zur Folge.


§. 1343.

Bei [Behandlung] dieſer Zufaͤlle muß, außerdem daß oͤrt-
liche Urſachen des Erbrechens z. B. eingeklemmte Bruͤche,
falſche Lagen der Gebaͤrmutter u. ſ. w. beruͤckſichtigt und ih-
rer Natur nach behandelt werden muͤſſen, vorzuͤglich darauf
Ruͤckſicht genommen werden, in welchem Grade das Gefaͤßſy-
ſtem dabei aufgeregt ſey. Heftige Erregungen deſſelben, durch
allgemeinen Blutreichthum, Haͤrte und Frequenz des Pulſes,
Durſt, ſtechende Schmerzen in den Praͤkordien angezeigt, ma-
chen ein antiphlogiſtiſches Verfahren, Ruhe, maͤßige Tempera-
tur, ſelbſt allgemeine Blutentziehungen durchaus noͤthig. Rei-
ner krampfhafter Zuſtand, durch Abweſenheit obiger Zufaͤlle ſo
wie durch allgemeine Conſtitution angezeigt, fordert hingegen
die Anwendung beruhigender narkotiſcher Mittel: allgemeine
Baͤder (in der fruͤhern Periode der Geburt), Fomentationen
mit ausgerungenen in den Aufguß der Flor. Chamomill.,
Hb. Hyoscyami, Hb. Serpilli,
getauchten Flanellen, Ein-
reibungen von dem Oleo Hyoscyami, Anordnung alles deſ-
ſen was zur leichtern Eroͤffnung des Muttermundes und Ver-
minderung der Schmerzhaftigkeit der Geburt beitragen kann,
ferner die Anwendung erweichender Lavements, innerlich die
Anwendung einiger Tropfen der . thebaica mit einem Eß-
loͤffel der Mohnſamenemulſion oder des Aufgußes der Vale-
riana,
des Liq. C. C. u. ſ. w. Eben dieſelbe Behandlung
wird eintreten muͤſſen, wenn nach fruͤher indicirter antiphlo-
giſtiſcher Behandlung, unternommener Blutentziehung u. ſ. w.,
die krampfhaften Zuſammenziehungen im Zwerchfell und Ma-
gen fortdauern. — Waͤhrend der dritten und vierten Periode
anhaltende Zufaͤlle dieſer Art, noͤthigen uͤbrigens zuletzt nicht
ſelten, dafern die Wehen ſelbſt dadurch geſtoͤrt werden, und
der Geburtsverlauf zu ſehr ſich verzoͤgert, zum Eingreifen ei-
[415] ner nach der Lage der Umſtaͤnde anzuordnenden operativen
Kunſthuͤlfe.


§. 1344.

Die Colikſchmerzen betreffend, ſo machen dieſe faſt
auf gleiche Weiſe wie die vorherbeſchriebenen Zufaͤlle, den Ge-
burtsverlauf ſchmerzhaft und langwierig. Die Umſtaͤnde unter
welchen ſie entſtehen, ſind den bei dem krampfigen Erbrechen
aufgezaͤhlten ſehr aͤhnlich, nur iſt zu bemerken, daß außerdem
haͤufig Erkaͤltungen, gaſtriſche Zuſtaͤnde und Aufblaͤhung des
Darmkanals dabei mitwirken. Die Behandlung iſt ebendeß-
halb von der im vorigen §. beſchriebenen faſt gar nicht ver-
ſchieden, nur daß vorzuͤglich auf hinlaͤngliche Entleerung des
Darmkanals dabei Ruͤckſicht genommen werde. Hartnaͤckige
Obſtruktionen ſonach, welche ſich entweder mit oder ohne
dieſe Zufaͤlle zeigen, fordern zu Anfange der Geburt die An-
wendung eines abfuͤhrenden Mittels z. B. des Oleum Ri-
cini,
einer Aufloͤſung von ℥β bis ℥j Sal amarum, Manna
u. ſ. w. ſo wie die Anwendung erweichender Lavements.


§. 1345.

2) Athmungswerkzeuge. Es ſind hier vorzuͤglich
die aſthmatiſchen Beſchwerden zu erwaͤhnen, welche uͤbrigens
von ſehr verſchiedenen Zuſtaͤnden bedingt werden koͤnnen, wohin
Bruſtwaſſerſucht, Verwachſung der Lungen mit der Pleura,
Degenerationen der Lungenſubſtanz, Fehler der großen Gefaͤße
und des Herzens u. ſ. w., ſo wie endlich auch der Zuſtand
der Congeſtion und des Krampfs gehoͤren. — Die Wirkung
aſthmatiſcher Zuſtaͤnde auf das Geburtsgeſchaͤft beſteht aber
vorzuͤglich in Hinderung der ſonſt ſo zweckmaͤßigen horizontalen
Lage, ſo wie in Hinderung des kraͤftigen Verarbeitens der
Wehen, außerdem aber iſt zu bemerken, daß, dafern dieſe Zu-
faͤlle von betraͤchtlichern Desorganiſationen oder Waſſerergießun-
gen in der Bruſthoͤhle abhaͤngen, ſie theils waͤhrend der Ge-
burt auch leicht zu Entſtehung von Ohnmachten und Convul-
ſionen, theils nach der Geburt ſelbſt zu toͤdtlichen Suffocatio-
[416] nen Veranlaſſung geben; welches erklaͤrlich wird, wenn man
ſich an das erinnert, was fruͤher uͤber das Eintreten und die
Bedeutung der Lungenfunktion nach der Geburt bemerkt wor-
den iſt. (ſ. §. 866.)


§. 1346.

Außer den Congeſtionen nach der Bruſt und den Bruſt-
kraͤmpfen ſind nun alſo die Urſachen aſthmatiſcher Beſchwer-
den bei Kreiſenden gewoͤhnlich chroniſche Zuſtaͤnde, deren Hei-
lung folglich waͤhrend des Geburtsaktes ſelbſt keinesweges zur
Aufgabe des Arztes werden kann. Fuͤr dieſe Art der Be-
ſchwerden wird ſonach eine mehr palliative Behandlung eintre-
ten muͤſſen, welche namentlich in Folgendem beſteht: — Man
ordnet zunaͤchſt dieſen Kranken das Geburtslager dergeſtalt an,
daß ſie in mehr ſitzender Haltung darauf ſich befinden, ja es
ſind dieſes Geburtsfaͤlle, wo ein guter Geburtsſtuhl allerdings
empfohlen zu werden verdient. Eine zweite Ruͤckſicht erfordert
die Zimmerluft, welche ſehr rein und nur maͤßig warm ſeyn
darf. Drittens iſt auf Vermeidung aller irgend beengenden
Kleidungsſtuͤcke zu halten, und endlich kein ſtarkes Verarbeiten
der Wehen zu erlauben, vielmehr wo die Thaͤtigkeit des Ute-
rus allein nicht ausreicht, von der operativen Kunſthuͤlfe Ge-
brauch zu machen.


§. 1347.

Ruͤhrt hingegen die Engbruͤſtigkeit von Blutanhaͤufung
her, welches aus Beruͤckſichtigung vorhergegangener Zuſtaͤnde,
des Pulſes, der Conſtitution und der Gelegenheitsurſachen ge-
woͤhnlich bald ſich ergiebt, ſo wird eine unternommene Venaͤ-
ſektion, die Anwendung ableitender Mittel, es werden kuͤhlende
ſaͤuerliche Getraͤnke u. ſ. w. voͤllig angemeſſen ſeyn; und es
wird hinwiederum bei ſpasmodiſchen Zuſtaͤnden, deren Erkennt-
niß durch Beruͤckſichtigung derſelben Momente erworben wird,
die Anwendung warmer Fomentationen uͤber die Bruſt, Frik-
tionen derſelben und der Ruͤckengegend mit fluͤchtig reitzenden
Stoffen (z. B. Spirit. serpilli oder camphorat. durch etwas
[417]Spirit. sal. ammon. caust. verſtaͤrkt), reitzende Umſchlaͤge
um die Fuͤße, innerlich das Extractum Hyoscyami, den
Liq. C. C. succ. die . Valerian. aeth. u. ſ. w. nebſt
dem Einhauchen milder Daͤmpfe, die vorzuͤglichſten Dienſte
leiſten. — Ganz nach denſelben Grundſaͤtzeu ſind auch An-
faͤlle von heftigem Huſten zu behandeln, nur daß hierbei,
wo ſchon waͤhrend der Schwangerſchaft das Tragen einer
Bauchbinde aͤußerſt nuͤtzlich iſt, dieſelbe auch waͤhrend der Ge-
burtsarbeit beibehalten werden muß.


§. 1348.

3. Abſonderungswerkzeuge. Von dieſen machen
nur die Harnwerkzeuge, ſobald deren Ausleerung ſich waͤhrend
der Geburt gehindert zeigt, eine beſondere Beruͤckſichtigung
noͤthig. Auch hierbei kommt es indeß, waͤhrend des Geburts-
aktes ſelbſt, zunaͤchſt auf palliative Huͤlfsleiſtung d. i. auf
augenblickliche Entleerung der Blaſe an, da anderweitige Ur-
ſachen der Iſchurie gewoͤhnlich erſt nach der Entbindung eine
radicale Behandlung zulaſſen, und dann ganz auf die Weiſe,
wie fruͤher bei der Iſchurie der Schwangern angegeben wurde,
zu behandeln ſind. — Die Entleerung der Blaſe aber wird
moͤglich, theils bei Compreſſion der Urethra vom vorliegenden
Kindestheile, durch das gelinde Aufheben des letztern von der
Mutterſcheide aus, theils durch Einfuͤhrung eines Katheters,
wo man, im Falle ſtarker Zuſammendruͤckung der Harnroͤhre,
ſich ſelbſt eines feinen maͤnnlichen mit Nutzen bedienen kann.
Blaſenkraͤmpfe machen wie bei Schwangern, beruhigende Fo-
mentationen, Injektionen u. ſ. w. nothwendig.


§. 1349.

4. Gefaͤßſyſtem. Der Ueberfluß an Blutmaſſe,
die Congeſtionen und Fieberbewegungen
, ſind ſchon
im Vorhergehenden mehreremale als Urſachen anderweitiger
krankhafter Erſcheinungen erwaͤhnt, und die dafuͤr zweckmaͤßi-
gen Behandlungsweiſen genannt worden, ſo daß wir deßhalb
hier nur bemerken, daß die Beruͤckſichtigung und zeitig einge-
II. Theil. 27
[418] leitete zweckmaͤßige antiphlogiſtiſche Behandlung um ſo mehr
zu empfehlen iſt, da ſie zur Verhuͤtung anderer Beſchwerden
(Kopfſchmerz, Ohnmachten, Zuckungen) von ſo großer Wich-
tigkeit iſt. Auch Blutungen aus andern als den Ge-
ſchlechtsorganen koͤnnen bei Kreiſenden vorkommen, und ſind
dann gewoͤhnlich das Produkt der krankhaften Dispoſition ein-
zelner Organe und einer abnormen Erregung des Gefaͤßſyſtems.


§. 1350.

Es gehoͤren hierhin z. B. die Haͤmorrhoiden. Zwar
iſt es ſelten der Fall, daß bei Gebaͤrenden welche uͤberhaupt
Dispoſition zu Haͤmorrhoidalcongeſtionen haben, wirkliche Blut-
ergießungen aus dieſen Gefaͤßen waͤhrend der Geburt ſich
ereignen, allein um ſo haͤufiger iſt es, daß betraͤchtliche Haͤ-
morrhoidalknoten ſich auftreiben, und der Gebaͤrenden ſowohl
unter als nach der Geburt viele Schmerzen verurſachen. —
Es iſt hierbei zuvoͤrderſt auf hinlaͤngliche Entleerung des Darm-
kanals Ruͤckſicht zu nehmen, im Falle betraͤchtlicher allgemei-
ner Plethora eine Venaͤſektion nicht unzweckmaͤßig, und bei ſehr
aufgetriebenen Haͤmorrhoidalknoten im Beginn der Geburtsar-
beit, ſelbſt das Anlegen von 6—10 Blutigeln zu empfeh-
len. Waͤhrend der Wehen der dritten und vierten Periode
ferner iſt heftiges Preſſen zu vermeiden, das Ueberſchlagen
kuͤhlender Fomentationen und eine mechaniſche Unterſtuͤtzung
der leidenden Theile zweckmaͤßig.


§. 1351.

Von andern Blutungen kommt vorzuͤglich Naſenblu-
ten, Blutſpucken und Blutbrechen
zuweilen bei Ge-
baͤrenden vor. Das erſtere zeigt ſich gewoͤhnlich als Entſchei-
dung von Congeſtionen gegen den Kopf und macht außer dem
antiphlogiſtiſchen Regimen kaum eine beſondere Behandlung
noͤthig. Das Blutſpucken hingegen zeigt ſich namentlich bei
phthiſiſchen Perſonen und kann leicht gefaͤhrlich werden, weß-
halb außer dem antiphlogiſtiſchen allgemeinen Verhalten und
ableitenden Mitteln (z. B. Senffomentationen um die Fuͤße)
[419] oͤfters das Eingreifen der Kunſt zur Beendigung der Geburt
unentbehrlich ſeyn wird. Daß dieſes letztere noch weit eher
der Fall ſeyn muͤße, wenn zugleich Regelwidrigkeiten im Ge-
burtsverlaufe ſelbſt z. B. Blutungen, ſchwieriger Geburtsver-
lauf wegen zu betraͤchtlicher Staͤrke des Kindes *) ſich vor-
finden, ergiebt ſich von ſelbſt. — Daſſelbe gilt auch von der
Behandlung des Blutbrechens.


§. 1352.

Es iſt jetzt noch uͤbrig, von der Behandlung der Krei-
ſenden welche an andern Krankheiten z. B. Gicht,
Waſſerſuchten, Entzuͤndungen, Fiebern u. ſ. w. leiden, einige
Bemerkungen beizufuͤgen. Allgemein guͤltige Geſetze laſſen ſich
indeß, begreiflicher Weiſe, bei ſo mannigfaltigen Complicatio-
nen als hier moͤglich ſind, nicht wohl aufſtellen, und es iſt
daher nur fuͤr alle ſolche Faͤlle die Regel zu beobachten, daß
man ſorgfaͤltig erwaͤge in wieweit zu befuͤrchten ſtehe, daß
theils die vorhandene Krankheit den Geburtsverlauf ſtoͤren,
theils die mit dem Geburtsverlauf verbundene Anſtrengung
die Krankheit zu einer gefahrdrohenden Hoͤhe ſteigern koͤnne? —
Hat man dieſes gehoͤrig erwogen, ſo wird es nicht ſchwer
ſeyn, ein fuͤr den Geburtsverlauf zweckmaͤßiges Verhalten an-
zuordnen, welches vorzuͤglich in moͤglichſter Schonung der Ge-
baͤrenden und Verminderung der Schmerzhaftigkeit des Ge-
burtsverlaufs, endlich aber auch haͤufig in dem zur rechten
Zeit Eintreten vorſichtiger operativer Kunſthuͤlfe beſtehen muͤſ-
ſen wird.


[420]
II.
Von den oͤrtlichen krankhaften Zuſtaͤnden
der Geburtstheile
.

1. Von den krankhaften Zuſtaͤnden der Gebaͤr-
mutter, waͤhrend der Entbindung
.

a. Krankhafte Thaͤtigkeit derſelben:

1) krankhafte Senſibilitaͤt.

§. 1353.

1) Zu ſehr erhoͤhte Senſibilitaͤt. Sie zeigt ſich
namentlich bei ſehr zartgebauten Koͤrpern, und namentlich
Erſtgebaͤrenden, ſowohl ſolchen welche ſehr jung, als ſolchen
welche ſchon in den Jahren zu weit vorgeruͤckt ſind; bei Per-
ſonen welche an ſchmerzhafter Menſtruation gelitten haben,
und wo die Wehen ſelbſt oft unregelmaͤßig (krampfhaft) ſich
zeigen. Der Zuſtand giebt ſich gemeiniglich ſchon durch ſehr
lange Dauer der erſten vorherſagenden Periode zu erkennen,
waͤhrend der Eroͤffnung des Muttermundes aber nehmen die
Wehen an Schmerzhaftigkeit zu, geben zu unruhigem Verhal-
ten und dadurch zu Blutungen u. ſ. w. Veranlaſſung, hin-
dern, waͤhrend der dritten und vierten Periode ein gehoͤriges
Verarbeiten der Wehen und erſchoͤpfen die Kraͤfte dergeſtalt,
daß zuletzt leicht die Natur zur Beendigung der Geburt un-
vermoͤgend wird. — Die Behandlung kann hierbei nur paſſiv
ſeyn, ein lauwarmes durch Beimiſchung von Chamillen und
Valeriana-Aufguß verſtaͤrktes Bad waͤhrend der erſten Geburts-
periode, ſpaͤterhin Fomentationen, moͤglichſte Ruhe, ein kuͤh-
lendes beruhigendes Getraͤnk, ein Dover’ſches Pulver, narko-
tiſche, erweichende Injektionen in die Vagina u. ſ. w. werden
das wichtigſte ſeyn was hierbei angeordnet werden kann. Be-
merkt muß uͤbrigens noch werden, daß der Arzt hierbei ſich
[421] nie durch vieles Klagen allein zur kuͤnſtlichen Huͤlfe bewegen
laſſen darf, indem ein bloßer Tumult des Nervenſyſtems, wenn
er auch aͤußerlich ſchreckhaft erſcheint, doch ſo lange die Funk-
tionen der uͤbrigen Organe nicht weſentlich getruͤbt ſind, kaum
ſo leicht gefaͤhrlich wird. — Nur Stoͤrungen des regelmaͤßi-
gen Lebens auch in andern Gebilden oder wahre Schwaͤche
und ſonſtige Regelwidrigkeiten in der Geburtsverrichtung koͤn-
nen daher zum operativen Verfahren hierbei berechtigen.


§. 1354.

2) Zu ſehr verminderte Senſibilitaͤt. Sie
aͤußert ſich beſonders durch faſt gaͤnzliche Schmerzloſigkeit der
Wehen, ſo wie durch einen gemeiniglich ſehr raſchen Geburts-
verlauf, und kommt vorzuͤglich bei Mehrgebaͤrenden zumal von
ſchlaffem Koͤrperbau, phlegmatiſchem Temperament und breiten
Huͤften vor. Dieſer Zuſtand kann nun zwar waͤhrend der
Geburt ſelbſt nicht leicht ein beſonderes Verhalten noͤthig
machen, da der Nachtheil und die Gefahr deſſelben vor-
zuͤglich darin beſteht, daß die Frau von der Geburt uͤber-
raſcht wird, und das Kind durch das ploͤtzliche Hervorſtuͤrzen den
groͤßten Beſchaͤdigungen unterworfen iſt, allein in gerichtlicher
Hinſicht werden Faͤlle dieſer Art oft um deſto wichtiger, da
ſie nicht ſelten Verdacht einer abſichtlichen Verheimlichung der
Geburt und vorſaͤtzlich veranlaßten Beſchaͤdigung des Kindes
erregen. — Daß indeß nun wirklich zuweilen die voͤllige Er-
oͤffnung des Muttermundes, ja das Hervordraͤngen des Kindes
bis gegen die aͤußern Geburtstheile, faſt ohne alles Gefuͤhl
von Zuſammenziehungen im Uterus erfolgen kann, iſt
keinem Zweifel unterworfen, und ich habe daruͤber die unzwei-
deutigſten Beobachtungen; allein ob man in irgend einem
beſondern
Falle die Entſchuldigung nicht gefuͤhlter Wehen
fuͤr den uͤbereilten Geburtsverlauf gelten laſſen kann, iſt
nach den uͤbrigen Umſtaͤnden und der Individualitaͤt der Per-
ſon ſelbſt abzumeſſen.


Anmerkung. Es iſt hierbei nicht unwichtig anzufuͤhren,
daß in mehrern Faͤllen wo aus dieſem Grunde ein ploͤtz-
[422] liches Hervorſtuͤrzen des Kindes Statt fand, doch ſelten
ſehr gefaͤhrliche Verletzungen dadurch am Kinde ſelbſt
hervorgebracht wurden. Beiſpiele dieſer Art habe ich
theils ſelbſt mehrfach beobachtet, theils hat Hr. Klein
(Bemerkungen uͤber die Folgen des Sturzes der Kinder
auf den Boden, bei ſchnellen Geburten. Stuttgart
1817) viele Faͤlle der Art geſammelt.


2) Krankhafte Gefaͤßthaͤtigkeit im Uterus
waͤhrend der Geburt
.

§. 1355.

Congeſtionen und Blutungen. Eben ſo wie eine
allgemeine Vollbluͤtigkeit der Geburtsthaͤtigkeit hinderlich ſeyn
kann, ſo zeigen ſich bei Frauen in deren ſchwammigem voll-
ſaftigem Koͤrper das Venenſyſtem ein zu betraͤchtliches Ueber-
gewicht hat, und wo aufgetriebene Venengeflechte an den
Schamtheilen, oder ungewoͤhnliches Gefuͤhl von Spannung,
Waͤrme und Druck im Uterus, auf Ueberfuͤllung der Uterin-
venen ſchließen laſſen, ebenfalls die Wehen oft ungewoͤhnlich
ſchmerzhaft; heftige Kreuzſchmerzen quaͤlen die Kreiſenden auch
außer den Wehen, ja die Wehen ſelbſt ſind ohne Energie.


§. 1356.

Die Behandlung muß hierbei ganz antiphlogiſtiſch ſeyn,
kuͤhles Verhalten, ſaͤuerliche Getraͤnke, hinlaͤngliche Entleerung
des Darmkanals ſind vorzuͤglich nothwendig; iſt jedoch die
Hinderung des Geburtsgeſchaͤfts bedeutend, ſo werden allge-
meine Blutentziehungen ganz unentbehrlich, und koͤnnen dann
als wahre Geburtsbefoͤrdernde Mittel betrachtet werden. —
Blutungen aus dem Uterus entſtehen waͤhrend der Geburt
faſt nur durch normwidriges Verhalten der Eihuͤllen und der
Placenta, aus den Anheftungsſtellen derſelben, woruͤber denn
das Naͤhere bei der Atonie des Uterus und den regelwidrigen
Verbindungen der Frucht mit demſelben erwaͤhnt werden wird.
[423] Andere Formen der Metrorrhagie ſind hierbei nur moͤglich
etwa durch Aufſpringen einer varikoͤſen Vene am Mutter-
munde, welches auch in dieſer Periode das Tamponiren, und
im aͤußerſten Falle, wo vor Entleerung des Uterus die Blu-
tung gar nicht zum Stehen zu bringen iſt, ſelbſt die kuͤnſt-
liche Befoͤrderung der Entbindung erfordern wuͤrde.


§. 1357.

Entzuͤndung des Uterus waͤhrend der Ge-
burt
. — Es iſt hierbei an alles das, was fruͤher uͤber die
Metritis der Nichtſchwangern und Schwangern geſagt worden
iſt, zuvoͤrderſt zu erinnern, und dann nur noch Einiges uͤber
die Art wie ſie ſich hier aͤußert und behandelt werden muß,
beizufuͤgen. — Meiſtens geht aber die Gebaͤrmutterentzuͤn-
dung waͤhrend der Geburt vom Muttermunde aus, deſſen
Anſchwellung *), erhoͤhte Temperatur, ſehr vermehrte Empfind-
lichkeit das Uebel, und zwar gemeiniglich waͤhrend der zwei-
ten Periode, hinreichend bezeichnen. Steigt die Entzuͤndung
hoͤher, ſo breitet ſie ſich wohl uͤber den geſammten Uterus
aus, und giebt ſich dann durch große Empfindlichkeit des Un-
terleibes bei der Beruͤhrung, aͤußerſte Schmerzhaftigkeit der
Wehen, Fieberbewegungen, und die uͤbrigen bei fruͤherer Be-
trachtung der Metritis erwaͤhnten Symptome zu erkennen.


§. 1358.

Die Veranlaſſung zu dieſer Form der Metritis giebt
theils allgemeine, zu Entzuͤndungen hinneigende Dispoſition,
theils oͤrtlich geſteigerte Empfindlichkeit; ferner ſchwierige Er-
oͤffnung des Muttermundes, zeitiger Waſſerabgang, tief her-
abgeſunkener vorliegender Kindestheil, zu zeitiges Preſſen, zu
haͤufiges Unterſuchen, Ausdehnungsverſuche am Muttermunde,
[424] innerlich genommene erhitzende, treibende Mittel u. ſ. w. —
Spaͤterhin kann denn auch der verzoͤgerte Austritt des Kindes
wegen falſcher Lage deſſelben, Engigkeit des Beckens u. ſ. w.
zu Entzuͤndung fuͤhren, eben ſo aber kann ſie auch durch
Nachgeburtszoͤgerungen, und rohe Operationen veranlaßt
werden.


§. 1359.

Die Prognoſe richtet ſich hierbei nach dem Grade des
Uebels Leichtes Anſchwellen und Entzuͤnden am Muttermunde
pflegt nicht leicht gefaͤhrlich zu werden, dahingegen ein jeder
heftigerer und ausgebreiteter Entzuͤndungszuſtand, nicht nur den
Geburtsverlauf aͤußerſt ſchmerzhaft macht und die regelmaͤßige
Wirkung der Geburtskraft uͤber lang oder kurz hindert, ſon-
dern theils fuͤr das Kind gefaͤhrlich wird (indem ich immer
beobachtet habe, daß Kinder bei entzuͤndlichem Zuſtande im
Uterus leichter abſtarben), theils aber ſich uͤber das Geburts-
geſchaͤft hinaus fortſetzt, und dadurch ſelbſt zu Entſtehung des
Puerperalfiebers Veranlaſſung geben kann.


§. 1360.

Die Behandlung muß ebenfalls, dem Grade der Hef-
tigkeit des Uebels gemaͤß, verſchieden ſeyn. Fuͤr die begin-
nende Entzuͤndung des Muttermundes paßt vorzuͤglich, naͤchſt
Beſeitigung fortwaͤhrend einwirkender Gelegenheitsurſachen, die
Anwendung oͤrtlicher erweichender, reizvermindernder Mittel;
es gehoͤren dahin die ſchleimigen, oͤhligen oder aus Milch mit
Zuſaͤtzen des Infus. Hb. Hyoscyami, Hb. Cicut., Flor. Cha-
momill.
u. ſ. w. bereiteten Injektionen, die ganzen Baͤder,
die Fomentationen mit Flanelltuͤchern welche in den Aufguß
der Kamillenblumen u. ſ. w. getaucht ſind und uͤber die Ge-
burtstheile gelegt werden; im Allgemeinen aber ein antiphlo-
giſtiſches Verfahren. — Hoͤhere Grade der Metritis hingegen
fordern Blutentziehungen, außerdem die oͤrtliche Anwendung
der obengenannten ſchmerzlindernden Mittel; innerlich, nach
beendigter Entbindung, die fruͤher gelehrte Behandlung, end-
[425] lich aber, im Falle einer groͤßern Hartnaͤckigkeit und bei ein-
tretender Gefahr fuͤr Mutter oder Kind, das Eintreten der
operativen Kunſthuͤlfe.


3) Krankhafte Muſkularthaͤtigkeit im Uterus
waͤhrend der Geburt (abnorme Wehen)
.

§. 1361.

Schwaͤche des Uterus. Sie giebt ſich zu erkennen
durch ſelten eintretende, wenig wirkende Zuſammenziehungen
(Wehen), durch Weichheit der Uterinſubſtanz welche bei aͤuße-
rer Unterſuchung waͤhrend der Wehen bemerkt wird, und folg-
lich durch Traͤgheit des Geburtsverlaufs. Uebrigens kann
dieſe Schwaͤche entweder gleich im Beginn der Geburt ſich
zeigen, oder erſt in den ſpaͤtern Perioden eintreten. — Die
Urſachen dieſer Schwaͤche koͤnnen theils im Allgemeinbefinden,
theils im Uterus ſelbſt liegen, theils auch von der Frucht be-
dingt werden.


§. 1362.

Urſachen der erſten Art geben ab: allgemeiner Kraͤfte-
mangel in Folge von Krankheiten, Blutverluſt, unguͤnſtigen
Lebensverhaͤltniſſen; und ferner unweiblicher Koͤrperbau, zu
wenig oder zu weit vorgeruͤcktes Alter. Urſachen der zweiten
Art geben ab: oͤrtliche Krankheiten des Geſchlechtsſyſtems wel-
che entweder fruͤher Statt gehabt haben oder noch fortdauern,
als Leukorrhoͤe, Blutungen, Ausartung der Gebaͤrmutterſub-
ſtanz u. ſ. w., oder auch Erſchoͤpfung durch viele fruͤhere
Schwangerſchaften und Geburten, oder durch langwierige hef-
tige Geburtsanſtrengung. — Urſachen der dritten Art endlich
ſind: ſehr große Anhaͤufung des Fruchtwaſſers, ein ſehr gro-
ßes Kind, Zwillinge oder Drillinge, indem in allen dieſen Faͤl-
len die zu ſtarke Ausdehnung der Gebaͤrmutterwaͤnde die Con-
traktilitaͤt derſelben mindert.


[426]
§. 1363.

Die Folgen dieſes Schwaͤchezuſtandes und die aus Be-
ruͤckſichtigung derſelben ſich ergebende Prognoſe, ſind nach dem
Grade deſſelben und nach dem Zeitpunkte der Geburt, wo
er bemerkt wird, ſehr verſchieden, und eben ſo muß es denn
auch die Behandlung ſeyn. — Was die erſte und zweite
Geburtsperiode
betrifft, ſo iſt hier die langſame weniger
kraͤftige Geburtsthaͤtigkeit weder fuͤr Mutter noch Kind mit
beſonderem Nachtheile verknuͤpft; man muß daher ſich beſon-
ders in Acht nehmen, hier ſchon durch Anwendung gewaltſam
erregender innerer oder aͤußerer Mittel, der . cinnamomi
der Einreibungen u. ſ. w., eine noch groͤßere Erſchoͤpfung fuͤr
die ſpaͤtern Perioden vorzubereiten. Iſt daher die Schwaͤche
der Wehen Folge allgemeiner Schwaͤchezuſtaͤnde, der phlegma-
tiſchen Conſtitution, des maͤnnlichen Habitus, ſo darf auch nur
die oben (§. 1323. u. 1324.) gelehrte Behandlung eintre-
ten; iſt ſie Folge oͤrtlicher Abnormitaͤt, ſo kann nicht anders
verfahren werden, nur daß auch hier, wenn mehr ein torpi-
der Zuſtand ſich zeigt und es die allgemeinen Kraͤfte und ſon-
ſtigen Umſtaͤnde erlauben, eine maͤßige Koͤrperbewegung durch
Auf- und Abgehen im Zimmer zweckmaͤßig zu ſeyn pflegt,
und die §. 1323. empfohlenen allgemeinen Unterſtuͤtzungsmittel
der Kraͤfte nicht vernachlaͤßigt werden duͤrfen. Haͤngt endlich
die Unthaͤtigkeit von zu großer Anhaͤufung des Fruchtwaſſers
ab, ſo wird es zuweilen noͤthig die Eihaͤute noch vor voͤlliger
Erweiterung des Muttermundes zu ſprengen, und ſo dem
Uterus mehr Raum zur Zuſammenziehung zu geſtatten, wie
davon noch bei Betrachtung der Regelwidrigkeiten des Frucht-
waſſers ſelbſt die Rede ſeyn wird.


§. 1364.

Die Unthaͤtigkeit des Uterus waͤhrend der dritten und
vierten Periode
, iſt ſchon von bedenklichern Folgen, und
zwar insbeſondere fuͤr das Kind begleitet. Wird naͤmlich der
Durchgang deſſelben, beſonders nachdem der Kindeskopf ſchon
in die Beckenhoͤhle herabgetreten iſt, verzoͤgert, ſo kann das
[427] Abſterben deſſelben leicht erfolgen. Die Zeit innerhalb wel-
cher dieß zu befuͤrchten ſteht, iſt nach den Umſtaͤnden verſchie-
den. Bei vorausgehendem Kopfe kann die dritte und vierte
Periode, ſo lange blos Unthaͤtigkeit der Wehen die Urſache
iſt, oft ſich auf 6, 8, ja 12 Stunden ausdehnen, und das
Kind leidet dabei nichts, eben weil die Preſſung des Kopfs
nur gering iſt, die Placenta nicht zu feſt gegen das Kind
gepreßt wird (welches, indem dadurch der Kreislauf in der-
ſelben leiden muß, ſicher in vielen Faͤllen ein wichtiges, bis-
her faſt ganz uͤberſehenes Moment zur Veranlaſſung des To-
des abgiebt) und der Uterus ſelbſt, ruͤckſichtlich ſeiner Gefaͤß-
thaͤtigkeit, in keinem krankhaften Zuſtande ſich befindet, folg-
lich die Wechſelwirkung zwiſchen Mutter und Kind, wie in
der Schwangerſchaft, ungeſtoͤrt fortdauert. —


§. 1365.

Weit ſchneller hingegen wird es fuͤr das Kind gefaͤhrlich,
wenn der Kopf, als zuletzt durch das Becken gehender Theil,
in deſſen Hoͤhle eingetreten iſt, und in derſelben durch Man-
gel an Geburtskraft verweilt. Hier reicht oft eine Zeit von
wenigen Minuten hin, um das Kind zu toͤdten. Die Erklaͤ-
rung dieſes ſo ſchnell eintretenden Todes, der Kopf mag in
dieſer Stellung durch Schwaͤche oder mechaniſche Hinder-
niſſe laͤnger als gewoͤhnlich verweilen, iſt nicht ohne Schwie-
rigkeit. Offenbar wirken hierbei mehrere Urſachen zuſammen;
eine der wichtigſten iſt der Druck auf die Nabelſchnur, allein
dieſes allein erklaͤrt es noch nicht voͤllig, da nicht ſelten
aſphyktiſche Kinder mit nicht mehr pulſirendem Nabel-
ſtrange doch wieder belebt werden, ja nach der Beob-
achtung mancher Geburtshelfer (womit auch meine Beobach-
tungen mehrfach uͤbereinſtimmen) die ſcheintodten Kinder wo
waͤhrend des Austritts kein Herzſchlag (und folglich auch kein
Klopfen im Nabelſtrange) gefuͤhlt wird, leichter zu ſich kom-
men als andere aſphyktiſche mit pulſirendem Herzen. Zwei-
tens iſt daher zu beruͤckſichtigen die unvollkommene Reſpira-
tion durch die Lungen, welche bei Einwirkung der Luft auf
[428] die Hautflaͤche des geborenen Rumpfs haͤufig, waͤhrend der
Kopf noch innerhalb der Geburtstheile ſich befindet, angeregt
werden kann, in dieſer Lage aber Erſtickung nothwendig her-
beifuͤhren muß *). Als dritte Urſache des Todes kann das
leicht Statt findende Dehnen des Ruͤckenmarks betrachtet wer-
den, und als vierte Urſache endlich ſcheint mir die Beruͤck-
ſichtigung des Umſtandes ſehr wichtig, daß der Kopf des Kin-
des gegen die Placenta andruͤcken, und die Cirkulation durch
dieſelbe ſtoͤren muß.


§. 1366.

Die Behandlung der Atonie des Uterus in dieſen Pe-
rioden muß auf dieſe Umſtaͤnde ſonach beſondere Ruͤckſicht
nehmen. Bei regelmaͤßig vorliegendem Kopfe iſt demnach
bei mangelhaften Wehen zunaͤchſt (dafern ſie eine betraͤchtliche
fuͤr das Kind gefahrdrohende Verzoͤgerung bewirken, alſo vor-
zuͤglich wenn der Kopf ſchon tief in der Beckenhoͤhle ſteht,
durch fruͤher betraͤchtlichere Wehen Vorkopf und Einkeilung
entſtanden iſt) durch zweckmaͤßige dynamiſche Mittel auf Ver-
ſtaͤrkung der Geburtsthaͤtigkeit zu wirken. Es geſchieht die-
ſes durch die ſchon im erſten Theile §. 369. u. f. genannten
den Uterus erregenden Mittel, von welchen die vorzuͤglichſten
ſind: Infusum Cort. Cinnamom., Melissae, Serpilli mit
etwas Wein, das Secale cornutum, die . Cinnamomi,**)
und die Einreibungen von fluͤchtigem Liniment auf den Unter-
leib. — Oft wird hierdurch, bei hinlaͤnglicher Unterſtuͤtzung
durch vermehrte Anſtrengung der willkuͤhrlichen Muſkeln, doch
die Geburt gluͤcklich beendigt, und man vermeidet das An-
wenden kuͤnſtlicher Huͤlfe, ſo lange immer noch ein, wenn
auch langſames, Vorruͤcken des Kindes bemerklich iſt, und
[429] nicht andere Symptome, als Blutung, Abgang von Meco-
nium
u. ſ. w. die Huͤlfe beſchleunigen muͤſſen. Tritt aber
endlich voͤlliger Stillſtand im Vorruͤcken des Kindes ein, ver-
moͤgen auch jene dynamiſchen Mittel nicht daſſelbe zu foͤrdern,
ſo darf mit der operativen Huͤlfe nicht laͤnger geſaͤumt werden
und das Anlegen der Zange iſt dann ein vorzuͤgliches Huͤlfsmittel.


§. 1367.

Eber dieſelben Regeln gelten denn auch bei Geburten
wo die Fuͤße vorangehen, ſo lange der Kopf noch uͤber dem
Becken ſich befindet, iſt hingegen der Rumpf des Kindes be-
reits geboren, ſo indicirt dieß nothwendig, ſobald jetzt ſolche
Unthaͤtigkeit im Uterus eintritt, das Anwenden der fruͤher be-
ſchriebenen Operationen zur kuͤnſtlichen Entwickelung deſſelben.


§. 1368.

Eine beſondere Betrachtung fordert endlich die Wirkung
und Behandlung der Schwaͤche des Uterus in der fuͤnften
Geburtsperiode
, allwo dieſelbe fuͤr den muͤtterlichen Koͤr-
per oft die groͤßten Gefahren herbeifuͤhrt. Dieſe beſtehen in
Nachgeburtszoͤgerungen, Blutungen und fehlerhaften Lagen des
Uterus. Hier iſt nur von den beiden erſtern zu ſprechen. —
Die Nachgeburtszoͤgerungen von Schwaͤche des Uterus abhaͤn-
gig, werden erkannt an dem Mangel der Nachgeburtswehen,
an der gleichfoͤrmigen Schlaffheit und betraͤchtlichen Groͤße
des Uterus, und an der eintretenden oft ſehr ſtarken Blutung
ſo wie ein Theil der Placenta ſich zu loͤſen beginnt. Die
Behandlung derſelben erfordert große Vorſicht. So lange die
Placenta noch nicht ſich trennt und weder aͤußerlich Blut
abgeht, noch innerlich in die Gebaͤrmutterhoͤhle ſich deſſen er-
gießt, wird ſtrenge Ruhe und beſonders Vermeidung jedes
auch des ſchwaͤchſten Zuges am Nabelſtrange zur erſten Pflicht
(ſtaͤrkeres Ziehen bringt eben theils Blutung, theils Umſtuͤl-
pung der Gebaͤrmutter nur allzuleicht hervor). Oft ſammelt
ſich in einigen Stunden die Geburtskraft von neuem, und
die Ausſtoßung der Nachgeburt erfolgt dann regelmaͤßig.


[430]
§. 1369.

Iſt die Erſchoͤpfung ſehr groß und anhaltend, ſo muß
man auch hier zuerſt durch dynamiſche Huͤlfsmittel zu wir-
ken ſuchen, und die §. 1363. genannten Aufguͤße und Me-
dicamente, das gelinde (immer genau auf dem Gebaͤrmutter-
grunde vorzunehmende) Frottiren des Unterleibes durch die
flache Hand allein, oder nach aufgetroͤpfeltem Linim. volat.
oder Naphtha, endlich das in horizontaler Lage der Neuent-
bundenen einige Stunden nach der Geburt veranſtaltete Anlegen
des Kindes an die Bruſt (ein wegen des Consensus vorzuͤglich kraͤf-
tiges Huͤlfsmittel) in Anwendung bringen. Auch wird man ſich
bei dieſen Mitteln um ſo mehr beruhigen koͤnnen, da das von
bloßer Schwaͤche des Uterus (nicht zugleich von zu feſter Ad-
haͤſion) abhaͤngige laͤngere Zuruͤckbleiben der Placenta, theils
faſt nie uͤber 10 bis 12 Stunden ſich ausdehnt, theils, ſo
lange keine Blutergießung Statt findet, durchaus nichts vor-
handen iſt, was der Neuentbundenen Gefahr drohte und au-
genblickliche Entfernung der Placenta indicirte, vielmehr von
einem vor wiedererwachter Zuſammenziehungskraft im Uterus
unternommenen kuͤnſtlichen Loͤſen der Placenta erſt die gefaͤhr-
lichſten Blutfluͤße zu beſorgen ſeyn wuͤrden.


§. 1370.

Was hingegen die Faͤlle betrifft, wo partiell eingetretene
Loͤſung der Nachgeburt Blutung verurſacht, ſo erfordert dieſe
zunaͤchſt auch wie jeder Gebaͤrmutterblutfluß (ſ. 1. Thl. §.
358.) vollkommene Ruhe und horizontale Lage, ſodann gleich-
falls die Anwendung der auf Erregung ſtaͤrkerer Contraktionen
abzweckenden Mittel (ſ. §. 1363.) mit Zuziehung der aroma-
tiſchen durch Wein oder Brandtwein und Eſſig verſtaͤrkten,
nur wenig (etwa zu 16 bis 20° Réaum.) erwaͤrmten Injek-
tionen. Wird hingegen trotz dem die Blutung heftiger und
erwacht die zuſammenziehende Kraft nicht ſtaͤrker, ſo wird das
Loͤſen und Hinwegnehmen der bei ſtarker Blutung gewoͤhnlich
ſchon groͤßtentheils getrennten Placenta durchaus nothwendig,
wobei theils der mechaniſche Reitz der eingebrachten Hand
[431] ſchon Zuſammenziehungen hervorbringt, theils nach entfernter
Nachgeburt, die zuſammenziehenden Einſpritzungen mehr Wir-
kung thun koͤnnen. Selbſt die Anwendung der Kaͤlte iſt in
ſehr dringenden Faͤllen, mit den ſchon im erſten Theile §. 374.
genannten Vorſichtsmaaßregeln hierbei oft unentbehrlich. —
Eben ſo wie die geloͤßte Nachgeburt, muͤſſen auch große Blut-
klumpen welche ſich im Uterus vorfinden (beſonders bei inner-
lichen Blutfluͤßen) durch die eingebrachte Hand entfernt wer-
den, und uͤberhaupt fordern dieſe in und gleich nach Beendi-
gung der fuͤnften Geburtsperiode entſtehenden Blutungen voͤl-
lig dieſelbe Behandlung welche fuͤr die paſſive Metror-
rhagie
ſchon im erſten Theile gelehrt worden iſt.


§. 1371.

Die zu gewaltſam aufgeregte Geburtsthaͤ-
tigkeit
giebt ſich dadurch zu erkennen, daß die Wehen die
Kreiſende oft gar nicht verlaſſen, dem Koͤrper durchaus keine
Ruhe goͤnnen, und ſo eine bedeutende Erſchoͤpfung, zugleich
aber oft einen fuͤr Mutter und Kind uͤbermaͤßig beſchleunigten
Geburtsverlauf herbeifuͤhren. Man findet dieſes namentlich
zuweilen bei jungen, vollſaftigen, kraͤftigen und zugleich keitz-
baren Koͤrpern, und kann hierbei (da wir kein die Thaͤtig-
keit des Uterus unmittelbar verminderndes Agens kennen) nur
negativ durch Verhuͤtung aller reitzenden Einwirkungen, und das
allgemeine antiphlogiſtiſche Verhalten Nutzen ſtiften.


§. 1372.

Von den krampfhaften Wehen. Wir rechnen da-
hin alle die Zuſammenziehungen welche mehr in der Richtung
vom Gebaͤrmuttermunde nach aufwaͤrts hinwirken, oder wobei
uͤberhaupt die Zuſammenziehungen der ringfoͤrmigen Faſern
uͤber die der Laͤngenfaſern das Uebergewicht erhalten, da bei
regelmaͤßigen Wehen doch vielmehr die Contraktion auf die
Laͤngenfaſern und die Expanſion auf die ringfoͤrmigen ſich be-
ziehen ſoll. Man bemerkt dieſe Regelwidrigkeit insbeſondere
bei mehr hagern, rigiden, Koͤrpern, mit allgemeiner Neigung
[432] zu Kraͤmpfen, oft mehr maͤnnlichem Habitus oder auch ſehr
ſchwaͤchlichem, reitzbarem Koͤrperbau. Sie wird indeß zuweilen
auch mehr durch oͤrtliche Veranlaßungen herbeigefuͤhrt, indem
alles was die Gegend des Muttermundes heftig reitzt, als
zu oͤfteres Unterſuchen, Erweiterungsverſuche deſſelben, fruͤh-
zeitig abgefloſſenes Fruchtwaſſer, tiefliegender Kindeskopf, Zie-
hen am Nabeiſtrange, in der fuͤnften Periode u. ſ. w. eben-
falls krampfhafte Zuſammenziehungen, auch ohne jene allge-
meine Dispoſition, veranlaſſen kann.


§. 1373.

Auch hierbei ſind die Folgen wie die Behandlung nach
den einzelnen Geburtsperioden ſehr verſchieden. Was die
erſte Periode betrifft, ſo aͤußern ſich die Wehen hier ganz
mit denſelben Symptomen welche bei der ſehr geſteigerten
Senſibilitaͤt (§. 1353) erwaͤhnt worden ſind, es geſellen ſich
haͤufig krampfhafte Zufaͤlle in andern Organen hinzu, als
Schluchzen, Erbrechen, Blaſenkraͤmpfe u. ſ. w. und die ganze
Periode iſt von ungewoͤhnlich langer Dauer. Auch die Be-
handlung kann hierbei nur dieſelbe ſeyn, welche ſchon oben
(§. 1353. §. 1349. §. 1347. §. 1343.) erwaͤhnt worden iſt.


§. 1374.

In der zweiten Periode aͤußert ſich die Wirkung
dieſer regelwidrigen Zuſammenziehungen vorzuͤglich durch un-
gewoͤhnlich langſame und ſchmerzhafte Erweiterung des Mut-
termundes, und das dem unterſuchenden Finger fuͤhlbare Ein-
ſchnuͤren des Muttermundes waͤhrend jeder Wehe. Auch hier
fuͤhrt nun zwar dieſer Zuſtand nicht unmittelbar fuͤr Mutter
oder Kind Gefahr herbei, allein kann doch, wenn dadurch
dieſe Periode (wie nicht ſelten geſchieht) auf 24 bis 48 Stun-
den verzoͤgert wird, zu voͤlliger Erſchoͤpfung der Geburtskraft
in den folgenden Zeitraͤumen, zu entzuͤndlichen Zuſtaͤnden, Hin-
zugeſellen der im vorigen §. genannten krampfhaften Zufaͤlle,
ja ſelbſt, bei reitzbaren Subjekten, zu Ausbruch allgemeiner
Kraͤmpfe und Zuckungen Veranlaſſung geben. Was die Be-
[433] handlung betrifft, ſo muß das allgemeine auf Verminderung
aller Reitze abzweckende Verhalten, welches fuͤr die erſte Pe-
riode empfohlen wurde, auch hier fortgeſetzt werden, innerlich
werden nach gehoͤriger Beruͤckſichtigung des Zuſtandes im Ge-
faͤßſyſtem, Aufguͤße der Kamillenblumen, der Valeriana, ei-
nige Tropfen Liq. C. C., Laudanum liq. S., ein Dover-
ſches Pulver, gereicht. Oertlich iſt theils unumgaͤnglich noth-
wendig, alles haͤufigere Unterſuchen und uͤberhaupt jede Rei-
zung des Uterus zu vermeiden, vielmehr durch Injektionen,
welche man von Zeit zu Zeit, bei erhoͤhter Lage der Schen-
kel (um zu ſchnelles Wiederausfließen derſelben zu verhuͤten)
aus der Abkochung von Farina lini, Avena excorticata, mit
Zuſatz vom Oleo olivarum, Ol. Hyoscyami, 8 bis 10
Tropfen des Laud. liq. S., auch wohl aus lauwarmer Milch,
Aufguͤßen der Hb. Hyoscyami, Hb. Melilot., Flor. Cha-
momill.
oder endlich aus bloßem warmen Oehl anwenden
laͤßt, die krampfhafte Spannung im Muttermunde zu ver-
mindern. Zu eben dieſem Endzwecke wirken Fomentationen
durch einen mit antiſpasmodiſchen Kraͤuteraufguͤßen getraͤnkten
vor die Geburtstheile gelegten Schwamm; weniger vortheil-
haft ſind die Dampfbaͤder (Insessus) wegen der ſitzenden
Stellung; und ebendaſſelbe gilt von den Einreibungen in den
Muttermund wegen des mechaniſchen Reitzes.


§. 1375.

Durch zweckmaͤßige Anordnung der hiergenannten Mittel
nun, wird es bei gehoͤriger Beruͤckſichtigung anderweitiger, als
Urſachen des Krampfs mitwirkender Regelwidrigkeiten des Ge-
burtsgeſchaͤfts, z. B. der falſchen Lagen des Uterus u. ſ. w.,
groͤßtentheils nach und nach gelingen die Eroͤffnung des Mut-
termundes zur voͤlligen Weite zu bringen, und ja ſey man
mit Anwendung der kuͤnſtlichen Erweiterung vorſichtig, bei ei-
nem Zuſtande, welcher dadurch nur allzuleicht zur Entzuͤndung,
zu nachbleibenden Verhaͤrtungen u. ſ. w. gefuͤhrt wird. —
Nie wird man daher von dieſem Mittel wegen dieſes krampf-
haften Zuſtandes allein, ſondern nur dann, wenn noch andere
II. Theil. 28
[434] gefahrdrohende Regelwidrigkeiten ſich hinzugeſellen, Gebrauch
machen duͤrfen.


§. 1376.

Was die Einwirkung krampfhafter Wehen in der drit-
ten
und vierten Periode anbelangt, ſo pflegt ſie hier im
Allgemeinen weniger nachtheilig als in der zweiten zu ſeyn,
da, wenn der vorliegende Kindestheil einmal in den Mutter-
mund oder in die Mutterſcheide herabgeſunken iſt, die Strik-
turen, wegen der mechaniſchen Ausdehnung, kaum in ſo ho-
hem Grade moͤglich ſind, ja es iſt nicht ſelten zu bemerken,
daß, ſobald einmal der Muttermund geoͤffnet iſt, die Geburts-
thaͤtigkeit regelmaͤßiger und kraͤftiger eintritt. Demungeachtet
kann zuweilen der krampfhafte Zuſtand auch in dieſen Perio-
den noch fortdauern, den Austritt des Kindes verzoͤgern, und
theils fuͤr letzteres, theils fuͤr die Mutter bedenklich werden.
Die Zeit innerhalb welcher uͤbrigens von dieſer Verzoͤgerung
Gefahr bevorſteht, laͤßt ſich, wie bei der Atonie, ebenfalls
nicht abſolut, ſondern nur nach Erwaͤgung der beſondern Um-
ſtaͤnde beſtimmen. Regel iſt es daher, zunaͤchſt mit dem fruͤ-
her genannten allgemeinen Verfahren, den Fomentationen, und
der Anwendung erregender und antiſpasmodiſcher Mittel (be-
ſonders eine Verbindung der . cinnamomi und TR. thebaic. iſt
hierzu zweckmaͤßig) fortzufahren, wo aber Zeichen eintreten,
welche von einer laͤngern Dauer der Geburtsarbeit fuͤr Mut-
ter oder Kind wahren Nachtheil befuͤrchten laſſen, durch ope-
rative Huͤlfe die Entbindung zu beendigen.


§. 1377.

Endlich den Einfluß betreffend, welchen dieſe krampfhaf-
ten Zuſammenziehungen auf die Erſcheinungen der fuͤnften
Geburtsperiode
aͤußern, ſo zeigt ſich derſelbe theils in
einer beſondern Art der Nachgeburtszoͤgerung, theils in innern
Blutungen. Was die erſtere betrifft, ſo belegen wir ſie mit
dem Namen der Einſackung der Nachgeburt (incar-
ceratio placentae
). Sie charakteriſirt ſich theils durch die
obenerwaͤhnte, zu Kraͤmpfen disponirende Individualitaͤt der
[435] Kranken, theils durch Beruͤckſichtigung der etwa einwirkenden
Kraͤmpfe befoͤrdernden Urſachen, theils durch das Gefuͤhl von
Unebenheit und ungleicher Zuſammenziehung welches der Ute-
rus bei der aͤußern Unterſuchung gewaͤhrt, ſo wie durch die
ſchmerzhafte Empfindung, welche jeder Zug am Nabelſtrange
hervorbringt, und endlich durch das Wahrnehmen der Strik-
tur ſelbſt bei dem Verfolgen des Nabelſtranges durch den
unterſuchenden Finger (dafern die eingeſchnuͤrte Stelle nicht
etwa weiter oben in der Gebaͤrmutterhoͤhle ſich befindet [denn
ſie iſt an jeder Stelle *) derſelben moͤglich] wo ſie alsdann nur
bei voͤllig eingefuͤhrter Hand fuͤhlbar iſt).


§. 1378.

Die Prognoſe bei dieſen Einſackungen der Nachgeburt
richtet ſich vorzuͤglich nach dem dabei Statt findenden Blut-
abgange. Die Einſackung an ſich ſelbſt, ohne Blutabgang,
iſt keinesweges gefaͤhrlich, und fordert in vielen Faͤllen (außer
Vermeidung aller mechaniſchen Reitzung des Muttermundes
und des Ziehens am Nabelſtrange) nur ruhige Lage (wobei
es, wie bei jeder laͤngern Nachgeburtszoͤgerung zweckmaͤßig iſt,
die Neuentbundene vorſichtig auf ein bequemes Lager zu brin-
gen, wenn das Geburtslager nicht ſelbſt dazu dienen koͤnnte),
einige Taſſen Kamillen- oder Valerianaaufguß, nebſt einigen
Tropfen Laud. liq. S., Ess. Castorei, . Valerian. L. C.
C.
ein Dover’ſches Pulver u. dergl., wobei gewoͤhnlich bald
eine leichte Transſpiration zum Ausbruch kommt, der Krampf
nachlaͤßt, und dann, in 4—6—10 Stunden, der Abgang
der Nachgeburt leicht erfolgt. — Weit bedenklicher iſt hinge-
gen der [Zuſtand], ſobald ſich mit dieſer Einſackung innere oder
aͤußere Blutung verbindet. Die erſtere (welche uͤbrigens auch
nach abgegangener Nachgeburt in Folge dieſer Strikturen ent-
ſtehen kann) droht vorzuͤglich, weil ſie oft weniger leicht bemerkt
wird, Gefahr, weßhalb wir die Zeichen derſelben welche ſchon
fruͤher (1. Thl. §. 351.) angegeben worden ſind, wieder in
Erinnerung bringen muͤſſen.


[436]
§. 1379.

Dieſe Blutungen entſtehen denn immer von theilweiſe
Statt findender, oder gaͤnzlicher Trennung der Placenta; ob-
wohl nicht umgekehrt auch jede Trennung der Placenta auch
nothwendig Blutfluß zur Folge hat, da zuweilen die zwar ge-
loͤßte aber noch die Hoͤhle des Uterus ausfuͤllende Nachgeburt,
durch Zuſammenziehung der Gebaͤrmutter gegen die Waͤnde
derſelben angepreßt, die blutenden Venenmuͤndungen gleich
einem Tampon verſchließt. In wiefern alſo auch bei dieſen
Blutfluͤßen die Erſchlaffung einer Gegend des Uterus eine der
Haupturſachen iſt, muß auch die Behandlung auf vermehrte
Contraktion im Uterus hinwirken. Auch hier wendet man
daher die . Cinnamomi zu 30—50 Tropfen mit 4—6
Tropfen der . thebaica an, macht Einreibungen auf die
erſchlafften Partien des Uterus, gießt etwas Naphthe auf u.
ſ. w. — und nur wenn durch dieſe Mittel es nicht gelingt,
ſtatt der krampfhaften Einſchnuͤrung einzelner Stellen, die re-
gelmaͤßige feſte Zuſammenziehung im ganzen Organ zu be-
wirken, muß auch hier die operative Huͤlfe wie ſie fruͤher (§.
1308.) beſchrieben worden iſt, eintreten. — Ruͤckſichtlich der
Behandlung der nach dem Abgange der Nachgeburt moͤglichen
innern Blutfluͤße, ſo kann dabei nur das fruͤher beſchriebene
Verfahren (ſ. 1. Thl. §. 375) in Anwendung gebracht werden.


b. Stoͤrungen der Organiſation welche im Uterus
waͤhrend der Geburt bemerkt werden.

1. Verwachſung und Verengerung des
Muttermundes
.

§. 1380.

Die voͤllige Verſchließung des Muttermundes iſt bei ei-
ner Gebaͤrmutterſchwangerſchaft und angehender Geburt gewiß
eine hoͤchſt ſeltene Erſcheinung, und nie darf man zu leicht
an das Vorhandenſeyn einer wahren Atreſie glauben, da es
[437] die Erfahrung nicht allzuſelten bezeugt, wie ſchwer zuweilen
durch Schiefheit des Uterus u. ſ. w. das Auffinden des Mut-
termundes werden koͤnne. Immer wird alſo nur in einem
Falle wo wirklich die Narbe des Muttermundes zu entdecken
iſt, aber auch zugleich das gaͤnzliche Geſchloſſenſeyn derſelben
deutlich gefuͤhlt wird, an Vorhandenſeyn dieſer Abnormitaͤt
geglaubt werden duͤrfen. —


§. 1381.

Eine ſolche Verwachſung kann aber bei eintretenden We-
hen theils als urſpruͤnglicher Bildungsfehler vorkommen (ſ.
davon und uͤber die Moͤglichkeit der Conception 1. Thl. §.
139.), und dieſes iſt der ſeltenſte Fall; oder ſie iſt die Folge
von vorausgegangener ſchwerer Entbindung, eingetretener Ent-
zuͤndung, Eiterung u. ſ. w. *). Immer wird dieſe Atreſie
operative Huͤlfe noͤthig machen, welche auf zum Theil ſchon
fruͤher beſchriebene Weiſe mit Oſiander’s Hyſterotom, oder
mit einem bis gegen die Spitze umwickelten Biſtouri zu lei-
ſten iſt. Nicht unzweckmaͤßig iſt hierbei Moscati’s Rath,
den Muttermund, um das Weiterreißen eines einfachen Quer-
oder Laͤngenſchnittes zu vermeiden, nach mehrern Richtungen
ſeiner Peripherie einzuſchlitzen (ſ. §. 1154).


§. 1382.

Verengerungen des Muttermundes kommen ebenfalls ent-
weder als Folge bloßer Rigiditaͤt ſeiner Faſern bei ſehr be-
jahrten Erſtgebaͤrenden vor, oder ſie entſtehen durch Steato-
mata
**) Skirrhoſitaͤten u. ſ. w. — Was die Behandlung
betrifft, ſo wird im erſten Falle das Beſeitigen der Verenge-
rung vorzuͤglich das Werk der Natur bleiben muͤſſen, indem
[438] man ſchon in Voraus erwarten kann, daß bei ſolchen Indi-
viduen die zweite Periode einer laͤngern Zeit beduͤrfe, als bei
andern, und es darf daher hoͤchſtens durch die oben (§.
1374.) genannten oͤrtlichen Mittel die Erweiterung befoͤrdert
werden, dahingegen ein raſches Einſchreiten operativer Huͤlfe
hier ſehr leicht zu Krampf und Entzuͤndung fuͤhrt. — Bei
den durch Degenerationen verurſachten Verengerungen hingegen
(deren Grund durch die geburtshuͤlfliche Unterſuchung und Be-
ruͤckſichtigung vorausgegangener Umſtaͤnde erkannt wird) ſind
zwar ebenfalls zunaͤchſt dieſe erweichenden Mittel anzuwenden,
demungeachtet wird man hier doch oͤfters theils der kuͤnſtlichen
Ausdehnung, theils in manchen Faͤllen ſelbſt des Einſchnei-
dens der Muttermundsraͤnder, nicht ganz uͤberhoben ſeyn
koͤnnen.


2. Geſchwuͤre und Abſceſſe der Gebaͤrmutter.

§. 1383.

Sie ſind waͤhrend beginnender Geburtsarbeit gewiß eine
hoͤchſt ſeltene Erſcheinung; kommen ſie wirklich vor, ſo koͤnnen
ſie nur aus der Anamneſe (Beruͤckſichtigung der fruͤher vor-
handen geweſenen Entzuͤndung oder mechaniſchem Verletzung,
dem andauernden oͤrtlichen Schmerz, ausgefloßenen Eiter u.
ſ. w.) erkannt werden. Sie drohen bei der Geburtsanſtren-
gung voͤllige Zerreißung der Uterinſubſtanz, ſo wie Stoͤrung
der Wehen, fordern daher aͤußerſt ruhiges Verhalten, uͤberhaupt
hoͤchſt ſchonende Behandlung, Nichtverarbeiten der Wehen und
bei ſchwierigerm Austreiben des Kindes, vorſichtiges Eingrei-
fen operativer Kunſthuͤlfe.


3. Krankhafte Geſchwuͤlſte der Gebaͤrmutter.

§. 1384.

Es gehoͤren hierhin ganz vorzuͤglich die ſteatomatoͤſen
und ſarcomatoͤſen Auswuͤchſe, von welchen im 1. Theile §.
[439] 408. u. f., das Naͤhere beigebracht worden iſt. Ihre Er-
kenntniß, ſchon außer der Schwangerſchaft mit manchen Be-
ſchwerden verbunden, iſt waͤhrend der Geburt noch viel ſchwie-
riger, und vor voͤlliger Eroͤffnung des Muttermundes nur
dann moͤglich, wenn die Geſchwulſt an der Vaginalportion
oder an der vordern Fruchthaͤlterwand ſich befindet. Vorzuͤg-
lich leicht iſt hier die Verwechſelung mit Kindestheilen moͤg-
lich, und wirklich vorgekommen, von innerlich vorliegenden
Theilen *) werden ſie ſich jedoch immer unterſcheiden laſſen,
ſobald man etwas in den Muttermund eingeht, wobei man
wahrnehmen wird, daß dieſer Koͤrper ſich außerhalb der
Gebaͤrmutterhoͤhle befindet.


§. 1385.

Der nachtheilige Einfluß welchen dieſe Ausartungen fuͤr
das Geburtsgeſchaͤft haben, beſteht theils in Hinderung der
Wehen, theils in Verengerung des Muttermundes, ja ſogar
des Beckenraumes. — Da die Abnormitaͤt ſelbſt ſelten, und
nie waͤhrend des Geburtsaktes gehoben werden kann, ſo muß
die Behandlung ſich blos darauf einſchraͤnken, die Folgen der-
ſelben, ihrer Individualitaͤt nach, zu behandeln. Die Schwaͤche
der Wehen, hier gewoͤhnlich nicht durch dynamiſche Mittel zu
beſeitigen, noͤthigt zuletzt zur kuͤnſtlichen Entwickelung des
Kindes; von dem Verfahren bei Verengerung des Mutter-
mundes iſt kurz zuvor die Rede geweſen, und wird dadurch
der Raum des Beckens betraͤchtlich verengert, ſo muß die
Kunſthuͤlfe, welche fuͤr die verſchiedenen Grade der Verenge-
rung in den knoͤchernen Waͤnden des Beckens noͤthig iſt, ein-
treten, dafern es nicht moͤglich iſt die Geſchwulſt ſelbſt (etwa
durch die Eroͤffnung ihrer mit mehr fluͤßigen Stoffen gefuͤllten
Hoͤhle) zu verkleinern.


[440]
4. Zerreißung der Gebaͤrmutter.

§. 1386.

Eine der gefaͤhrlichſten Regelwidrigkeiten, welche Gebaͤ-
rende betreffen koͤnnen. Sie iſt der Groͤße und der Stelle
nach verſchieden. Theils kommt ſie naͤmlich mehr in der
mittlern Gegend des Uterus vor, und dann iſt gewoͤhnlich
auch das Peritonaͤum mit durchgeriſſen und freie Communi-
cation zwiſchen der Gebaͤrmutter- und Bauchhoͤhle hergeſtellt;
theils betrifft ſie mehr die Gegend des Muttermundes, und
dann iſt zuweilen (wie ich es in einem Falle dieſer Art be-
obachtete) das Peritonaͤum unverletzt.


§. 1387.

Die Zeichen dieſer innern Verletzung ſind: 1) ein zu-
weilen außerlich hoͤrbares Geraͤuſch, dem Springen der Blaſe
zu vergleichen; 2) ein ploͤtzlich eingetretener Blutabgang wel-
cher jedoch nicht immer der Groͤße der Verletzung entſprechen
wird, da oͤfters der groͤßere Theil der Blutmaſſe ſich in die
Bauchhoͤhle zu ergießen pflegt; 3) die in der Geburtsthaͤtig-
keit eintretende ploͤtzliche Veraͤnderung, indem die Wehen nach-
laſſen, der Kindestheil vorzuruͤcken aufhoͤrt, ja zuweilen, ſobald
der Riß auch das Peritonaͤum getrennt hat, und der Uebergang
des Kindes in die Bauchhoͤhle erfolgt, ſich nach und nach zu-
ruͤckzieht, indem dagegen andere Kindestheile durch die Bauch-
bedeckungen fuͤhlbar werden. 4) Die Veraͤnderungen welche
im Geſammtbefinden gewoͤhnlich ſchnell nach der Zerreiſſung
eintreten; es gehoͤrt dahin Blaͤſſe und Zuſammenfallen des
Geſichts, Kaͤlte der ganzen Koͤrperoberflaͤche, große Frequenz
und Kleinheit des Pulſes, Schwindel, Ohrenbrauſen, Ueblich-
keiten, Erbrechen, Schluchzen, heftiger Leibſchmerz, Ohnmach-
ten und Convulſionen, auf welche letztere Zufaͤlle gewoͤhnlich
der Tod einzutreten pflegt.


[441]
§. 1388.

Die Urſachen, welche Zerreißungen des Uterus vorzuͤg-
lich veranlaſſen koͤnnen, ſind: Duͤnnheit der Gebaͤrmutterwaͤnde,
Geſchwuͤre und uͤberhaupt bedeutende Strukturveraͤnderungen
in derſelben (z. B. Vernarbung fruͤherer Schnittwunden durch
die Sectio caesarea verurſacht), ferner unruhiges Verhalten
der Gebaͤrenden, heftiges Preſſen bei noch nicht geoͤffnetem
Muttermunde, verzoͤgerter Eintritt und Durchgang des Kin-
des durch das Becken, wegen falſcher Kindeslage oder zu ſehr
verengertem Becken, bei heftigen Wehen; ferner gewaltſames
Zuruͤckdraͤngen ſchon im Becken eingetretener Kindestheile, Be-
hufs der Wendung, und endlich aͤußere Gewaltthaͤtigkeit durch
Fall oder Stoß.


§. 1389.

Die Prognoſe iſt in dieſen Faͤllen durchaus hoͤchſt un-
guͤnſtig, und obwohl einzelne Beiſpiele ſich finden, wo ſelbſt
die vollkommene Zerreiſſung nicht toͤdlich war *), ſo iſt doch
weit haͤufiger der ungluͤckliche Ausgang unabwendbar, vorzuͤg-
lich wo Kindestheile bereits in die Unterleibshoͤhle uͤbergetre-
ten waren. Auch fuͤr das Kind iſt die Prognoſe ſehr un-
guͤnſtig.


§. 1390.

Die Behandlung iſt hierbei nothwendig zunaͤchſt auf
die ſchlennige Beendigung der Entbindung gerichtet. Iſt da-
her das Kind noch innerhalb der Gebaͤrmutterhoͤhle, ſo muß
es ſogleich durch Anwendung der Zange oder der Extraktion
[442] an den Fuͤßen vollends entwickelt werden; iſt hingegen der
Uebertritt in die Bauchhoͤhle bereits erfolgt, ſo wird man den
Uterus auch ſchon ſo verkleinert finden, daß ein Zuruͤckfuͤhren
deſſelben durch den Riß unthunlich bleibt, und man zur Ent-
wickelung deſſelben der Gaſtrotomie nothwendig bedarf, wel-
che dann nach oben gegebenen Regeln ausgefuͤhrt werden muß.
Nur einzelne Kindestheile welche etwa erſt durch den Riß ge-
drungen waͤren, laſſen ſich auch auf dieſem Wege wieder zu-
ruͤckfuͤhren. Daſſelbe gilt auch von der Entwickelung der
Nachgeburt.


§. 1391.

Iſt die Entbindung beendigt, ſo tritt dann eine Behand-
lung ein, welche der fruͤher (§. 1290 u. f.) beſchriebenen nach
dem Gebaͤrmutterſchnitt noͤthigen, vollkommen entſprechen muß;
beſonders wird indeß darauf geſehen werden [muͤſſen], daß durch
die geriſſene, und deßhalb weniger genau ſchließende Wunde
nicht Darmwindungen in die Mutterſcheide herabtreten, wel-
ches jedoch natuͤrlich, wo das Peritonaͤum nicht mit verletzt
iſt, uͤberhaupt nicht zu befuͤrchten ſteht.


5. Schiefheit der Gebaͤrmutter. (Obliquitas uteri).

§. 1392.

Wir verſtehen darunter den Zuſtand, wo der Gebaͤrmut-
tergrund und Gebaͤrmuttermund einander nicht gerade gegen-
uͤber ſind, und ſonach die eine Seite der Gebaͤrmutter eine
groͤßere Ausdehnung zeigt als die andere. Man findet hier-
bei den Muttermund gewoͤhnlich ſehr ſtark nach einer Seite,
nach vorn oder hinten gezogen, den Gebaͤrmuttergrund aber
ihm aͤußerlich keinesweges, dem Durchmeſſer nach, gerade ent-
gegengeſetzt. Die Folge dieſer regelwidrigen Bildung iſt ge-
ſtoͤrtes Gleichgewicht zwiſchen der Thaͤtigkeit beider Seiten des
Uterus, und ſchwierige Erweiterung des Muttermundes, indem
die Wehen blos auf Ausgleichung der Schiefheit zunaͤchſt hin-
[443] wirken, und man daher oft lange Zeit, unter anhaltenden Zu-
ſammenziehungen, den Grad der Eroͤffnung ſich gleich bleibend,
und nur den Muttermund mehr in die Fuͤhrungslinie ruͤckend
findet, worauf er dann gewoͤhnlich ſchnellzur voͤlligen Erwei-
terung gelangt.


§. 1393.

Die Kunſt vermag zur Beſeitigung dieſer Regelwidrig-
keit ſehr wenig, vorzuͤglich iſt alles gewaltſame Einrichten des
Muttermundes zu vermeiden, und es gleicht auch die Natur
durch fortgehende Wehen ſelbſt die Schiefheit nach und nach
immer aus. Ruhiges Abwarten der etwas laͤngern Dauer
der zweiten Periode, Anordnen der gegen etwa ſich hinzuge-
ſellende krampfhafte oder entzuͤndliche Zuſtaͤnde oder falſche
Lagen des Uterus nothwendigen Huͤlfsmittel, und endlich, wenn
wirklich in Folge der zu langen und ſtarken Wehen der zwei-
ten Periode, wahre Schwaͤche des Uterus in der dritten und
vierten Periode eintritt, Anwenden dynamiſcher oder operati-
ver Huͤlfe, nach den bei der Schwaͤche des Uterus aufgeſtell-
ten Grundſaͤtzen, iſt folglich das einzige hierbei angezeigte
Verfahren.


c. Regelwidrige Lagen der Gebaͤrmutter waͤhrend
der Geburt.

1) Schieflagen.

§. 1394.

Wir finden deren bei Gebaͤrenden vorzuͤglich dreierlei Ar-
ten vor, naͤmlich: Schieflage mit dem Gebaͤrmuttergrunde nach
rechts (die gewoͤhnlichſte Art) oder zweitens nach links, und
endlich drittens mit dem Gebaͤrmuttergrunde nach vorwaͤrts,
bei welcher Lage denn zuweilen gleichzeitig der Uterus zum
Theil durch eine Bruchſpalte vorgetreten ſeyn kann. Erkannt
werden dieſe Schieflagen ſehr leicht durch Vergleichung der
[444] Reſultate innerer und aͤußerer Unterſuchung, und was die Ur-
ſachen derſelben betrifft, ſo iſt davon ſchon bei denſelben Schief-
lagen, in wiefern ſie ſchon in der Schwangerſchaft vorkommen,
geſprochen worden (ſ. §. 1103).


§. 1395.

Der nachtheilige Einfluß dieſer Schieflagen fuͤr das Ge-
burtsgeſchaͤft iſt, wie ſchon Boër*) gezeigt hat, keinesweges
ſo bedeutend als man zuweilen geglaubt hat, demungeachtet
kann nicht geleugnet werden, daß ſie das Eroͤffnen des Mut-
termundes ſo wie den Eintritt des vorliegenden Kindestheils
in die obere Apertur allerdings zu hindern im Stande ſind.
Die Behandlung iſt ſehr einfach; man giebt der Gebaͤrenden
naͤmlich ſtets eine Lage auf der Seite nach welcher der Mut-
termund hingerichtet iſt, um dadurch zu veranlaſſen, daß der
ſchwerere und beweglichere Muttergrund nach derſelben Seite
ſich ſenke. Schieflagen nach vorn machen daher die Ruͤcken-
lage nothwendig, und wo (wegen aſthmatiſchen Beſchwerden
etwa) dieſes nicht moͤglich iſt, muß der herabſinkende Leib
durch die Bauchbinde und vorgelegten Haͤnde der Hebamme
zuruͤckgehalten und gehoben werden. — Iſt der Uterus in
eine Bruchſpalte vorgeſunken, ſo iſt wie bei andern Bruͤchen
das Zuruͤckbringen, und dann die Unterſtuͤtzung der Spalte
nothwendig.


2) Vorfall.

§. 1396.

Was den completen Vorfall betrifft, ſo iſt derſelbe mehr
dem 5.—7. Schwangerſchaftsmonat eigen, und daher von
deſſen Behandlung auch ſchon fruͤher die Rede geweſen; tritt
die Geburt ein, oder muß ſie durch die Kunſt beſchleunigt,
oder beendigt werden, ſo iſt dabei vorzuͤglich auf zweckmaͤßige
Unterſtuͤtzung des vorgefallenen Uterus, durch große, in Oehl
getauchte Compreſſen zu denken, und die Entbindung auf die
vorſichtigſte Weiſe (beſonders auch ruͤckſichtlich der Entwicke-
[445] lung der Nachgeburt) zu bewerkſtelligen. Es muß ferner, auf
die ſchon im erſten Theile (§. 480.) gelehrte Art der Uterus
zuruͤckgebracht, und durch laͤngere Zeit (12 — 14 Tage) bei-
behaltene ruhige horizontale Lage im Wochenbett, nebſt An-
wendung der toniſchen Injektionen (von dem Tage an wo der
blutige Wochenfluß aufhoͤrt) und eingebrachte Schwaͤmme mit
zuſammenziehenden Fluͤßigkeiten getraͤnkt, die Herſtellung der
normalen Lage bezweckt werden.


§. 1397.

Unvollkommene Vorfaͤlle des Uterus verurſachen bei der
Geburt leicht Einklemmungen der Muttermundsraͤnder zwiſchen
Kopf und Becken, Harnverhaltungen u. ſ. w. — Man muß
daher ſolche Gebaͤrende wo der vorliegende Kindestheil, von
dem untern Segmente des Uterus uͤberzogen, bereits ſehr tief
im Becken ſteht, ſogleich in die horizontale Lage bringen, al-
les Preſſen vor voͤlliger Eroͤffnung des Muttermundes (obwohl
die Kreiſenden dazu wegen der Ausfuͤllung der Beckenhoͤhle
ſehr geneigt ſind) ſtreng unterſagen, und es ſelbſt in der drit-
ten und vierten Periode nur in geringem Grade zulaſſen (oft
iſt es auch hier ganz uͤberfluͤßig). Endlich wird oft das Unter-
ſtuͤtzen einer, beſonders der vordern Muttermundslippe, beim
Vorruͤcken des Kindes noͤthig, und es muß dieſes durch zwei
in Oehl getauchte Fingerſpitzen ausgefuͤhrt werden. Die Vor-
ſichtsmaaßregeln in der fuͤnften Periode und im Wochenbette
ſind dieſelben, welche im vorigen §. angegeben wurden, und
uͤberhaupt tritt ſpaͤterhin ganz die Behandlung des Vorfalles
nichtſchwangerer Perſonen ein, nachdem man unmittelbar nach
der Entbindung nochmals eine Unterſuchung angeſtellt und
den Uterus, wo es noͤthig, in ſeine normale Lage ſogleich zu-
ruͤckgebracht hat.


3) Umſtuͤlpung (Inversio uteri).

§. 1398.

Auch von dieſer Regelwidrigkeit, welche faſt nur in oder
gleich nach der fuͤnften Geburtsperiode entſtehen kann, iſt im
[446] 1. Theile (§. 503 u. f.) bereits die Rede geweſen, und es
ſind hier nur einige Bemerkungen uͤber das Entſtehen der
Umſtuͤlpung bei dem Abgange der Nachgeburt und der hier
noͤthig werdenden Behandlung nachzutragen.


§. 1399.

Vorzuͤglich tritt aber die Umſtuͤlpung der Gebaͤrmutter
ein, 1) bei einer ſchnellen Geburt des Kindes welches mit
den Eihaͤuten uͤber den Kopf durchſchueidet, wo die Placenta
mittelſt der Eihaͤute herabgezogen wird und den Gebaͤrmut-
tergrund mit hervortreibt; 2) durch Zug am Nabelſtrange ent-
weder bei feſten Umſchlingungen und ſchnell hervortretenden
Kindestheilen, oder durch ein unvorſichtiges Anziehen [deſſelben]
Behufs der Entwickelung der Nachgeburt; 3) endlich durch
gewaltſames Preſſen der Gebaͤrenden entweder bei oder nach
dem Abgange der Nachgeburt. Verkannt kann dieſe Re-
gelwidrigkeit, wenn ſie neuentſtanden iſt, nicht fuͤglich werden
(außer von ganz unwiſſenden Hebammen), da entweder die
noch anſitzende Placenta, oder die Stelle wo ſie ſich geloͤßt
hat, ein ſicheres Kennzeichen abgeben wird, auch Polypen von
der Groͤße wie die Maſſe der umgeſtuͤlpten Gebaͤrmutter, ne-
ben einem ausgetragenen Kinde undenkbar ſind. Wodurch hin-
gegen laͤnger vorhandene oder partielle Umſtuͤlpungen von an-
dern Abnormitaͤten zu unterſcheiden ſind, iſt fruͤher (1. Thl.
§. 505 u. 506.) angegeben worden.


§. 1400.

Auch die Behandlung befolgt die §. 508 — 510 gege-
benen Indicationen. Was die Placenta betrifft, ſo iſt man
verſchiedener Meinung daruͤber, ob ſie am Uterus ſitzen blei-
ben ſolle, bis die Repoſition beendigt ſey, oder ob man ſie
vorher loͤſen muͤſſe. Man richtet ſich indeß hierbei am ſicher-
ſten nach den obwaltenden Umſtaͤnden; iſt die Umſtuͤlpung
noch ganz neu, und adhaͤrirt die Placenta noch feſt, ſo wird
man am beſten ſie zugleich mit zuruͤckbringen, um groͤßere
Reizung des Uterus und heftigere Blutung zu vermeiden.
[447] Hat ſich hingegen bereits der groͤßere Theil der Placenta ge-
loͤßt, welches weit haͤufiger vorkommen wird, ſo iſt es auf
jeden Fall gerathen ſie vorher voͤllig zu trennen und hinweg-
zunehmen.


§. 1401.

Bei der in horizontaler Lage mit erhoͤhter Kreuzgegend
vorzunehmenden Repofition ſelbſt muß (nachdem die etwa durch
entſtandene Geſchwulſt oder Entzuͤndung noͤthigen Vorbereitun-
gen, als Umſchlaͤge oder Blutentziehungen vorausgeſchickt ſind)
mit der ganzen eingeoͤhlten Hand der Gebaͤrmuttergrund er-
faßt und der Fuͤhrungslinie gemaͤß einwaͤrts zuruͤckgebracht
werden. Zweckmaͤßig iſt es ſodann die Hand in dem noch
ausgedehnten Uterus zuruͤckzulaſſen, bis Contraktionen eintre-
ten, welche auch noͤthigenfalls, durch gelindes Reizen der in-
nern Gebaͤrmutterflaͤche mittelſt der Hand, ſo wie durch Ein-
reibungen auf die Bauchflaͤche hervorzurufen ſind. Erſt bei
eintretender Zuſammenziehung entfernt man die Hand aus den
Geburtstheilen, verfaͤhrt ferner, wenn die Nachgeburt mit zu-
ruͤckgebracht worden war, mit beſonderer Vorſicht bei Ent-
wickelung derſelben, und laͤßt dann das Verfahren welches
auch nach Beſeitigung vollkommener Vorfaͤlle des Uterus noͤ-
thig war (ſ. §. 1396.), eintreten.


2. Von den krankhaften Zuſtaͤnden der Mutter-
ſcheide waͤhrend der Entbindung
.

1) Verwachſung oder Verengerung derſelben.

§. 1402.

Was die Verwachſung betrifft, ſo kann ſie theils durch
ein zu großes Hymen verurſacht werden, oder Folge von Ent-
zuͤndung, Eiterung und Degeneration ſeyn *). Die Behand-
[448] lung iſt ganz dieſelbe wie bei den Verwachſungen des Mut-
termundes (ſ. §. 1381.).


§. 1403.

Verengerungen der Vagina ſind entweder die Folge hoͤ-
hern Alters und rigider Faſer, und finden ſich dann nur bei
Erſtgebaͤrenden. Dieſe Verengerungen ſind ſelten von bedeu-
tenden Folgen, indem der vermehrte Saͤftezudrang bald eine
Auflockerung hervorbringt, welche die Nachgiebigkeit fuͤr den
vorruͤckenden Kindestheil zur Folge hat, und in hartnaͤckigen
Faͤllen durch Baͤder, erweichende Injektionen und Fomentatio-
nen groͤßtentheils leicht gehoben werden. Nachtheiliger koͤnnen
Verengerungen, durch Degenerationen der innern Scheiden-
wand erzeugt, werden. Es gehoͤren dahin die durch Mutter-
ſcheidenbruͤche, Scheidenpolypen, Varices, Condylomata er-
zeugten, und es muß hierbei die dieſen einzelnen Regelwidrig-
keiten angemeſſene Behandlung eintreten. Bruͤche ſind zuruͤck-
zubringen, Varices mit adſtringirenden Fomentationen zu be-
handeln, Scheidenpolypen wuͤrden bei wirklicher großer Raum-
verengerung (was aber gewiß ſelten vorkommen wird) waͤh-
rend der Geburt die Operation des Wegſchneidens noͤthig ma-
chen (ſ. 1. Thl. §. 438.).


2) Zerreißung der Mutterſcheide.

§. 1404.

Sie kann entweder am obern Ende in der Gegend des
Muttermundes eintreten, wobei dann Zeichen, Urſachen und
Folgen (da auch hier der Uebergang des Kindes in die Bauch-
hoͤhle bevorſteht), ſo wie die Behandlung, ſo voͤllig mit denen
*)
[449] der Zerreiſſung der Gebaͤrmutter uͤbereinſtimmen (ſ. §. 1387
bis 1393.), daß eine weitere Eroͤrterung hieruͤber unnoͤthig wird
(nur die Prognoſe iſt im Ganzen wohl etwas guͤnſtiger *));
oder die Zerreiſſung findet weiter unten im Scheidenkanale
Statt, iſt dann gewoͤhnlich von geringerem Umfange, obwohl
in ihren Folgen oft gleichfalls ſehr bedenklich. Es bilden ſich
naͤmlich hierbei große Infiltrationen von Blut in das
Zellgewebe zwiſchen Vagina und Maſtdarm, es entſtehen be-
traͤchtliche Blutgeſchwuͤlſte am Perinaͤum und den aͤußern Ge-
burtstheilen, verurſachen im Wochenbett Entzuͤndungen und
Eiterungen, und fordern daher noch unter den Regelwidrigkei-
ten des Wochenbetts eine ausfuͤhrliche Betrachtung. Waͤhrend
der Entbindung ſelbſt, kann auſſer baldmoͤglichſter Beendigung
des Geburtsgeſchaͤfts keine beſondere Behandlung eintreten, um
ſo mehr aber muß gleich nach derſelben, auf die ſpaͤter zu
erwaͤhnende Weiſe fuͤr Zertheilung und Ausleerung der aus-
getretenen Blutmaſſe geſorgt werden. Bei voͤlliger Zerreißung
der Mutterſcheide fordert es noch beſondere Vorſicht, daß ein
Vorfallen der Daͤrme verhuͤtet werde.


3) Vorfall der Mutterſcheide.

§. 1405.

Auch von dieſer Regelwidrigkeit ſind die naͤhern Un-
ſtaͤnde, die beſondern Arten u. ſ. w., ſchon fruͤher (1. Thl.
§. 513 u. f.) aufgefuͤhrt worden; was den Einfluß derſelben auf
das Geburtsgeſchaͤft betrifft, ſo zeigt er ſich hindernd, indem
der Vorfall durch den Druck des Kindestheils anſchwillt, her-
abgepreßt wird, Entzuͤndung und ſogar Zerreiſſung der Mut-
terſcheidenwaͤnde droht, endlich aber, nach der Geburt gewoͤhn-
lich in weit ſtaͤrkerem Grade als vor der Schwangerſchaft
bemerkt wird.


II. Theil. 29
[450]
§. 1406.

Die Behandlung iſt hierbei im Allgemeinen ziemlich die-
ſelbe wie wir ſie bei dem unvollkommenen Gebaͤrmuttervorfalle
beſchrieben haben; außer der ruhigen horizontalen Lage, der
Vermeidung heftigen Preſſens u. ſ. w., iſt jedoch hierbei auch
das Unterſtuͤtzen des Vorfalles mittelſt zweier in Oehl getauch-
ter Fingerſpitzen, waͤhrend dem Durchgange des Kindes un-
entbehrlich. Nach der Entbindung unterſucht man nochmals,
bringt den Scheidenvorfall moͤglichſt zuruͤck, und ordnet dann
laͤngere ruhige Lage im Wochenbett, nebſt Anwendung oͤrtlicher
toniſcher Mittel (ſobald die Lochien ſich vermindert haben), ſo
wie der, bei betraͤchtlichen Vorfaͤllen der Mutterſcheide gleich-
falls ſehr nuͤtzlichen Einbringung des Schwammes an. Das
weitere Verfahren ſ. im 1. Thl. §. 517. u. f.


3. Von den krankhaften Zuſtaͤnden der aͤußern
Geſchlechtstheile waͤhrend der Geburt
.

Von der Verwachſung oder Verengerung und
von dem Aufreißen der Schamſpalte
.

§. 1407.

Eben ſo wie den Kanal der Mutterſcheide findet man
zuweilen auch deren aͤußere Oeffnung entweder verwachſen oder
doch betraͤchtlich verengert. Das erſtere iſt ein ſehr ſeltner
Fall und kann wieder urſpruͤngliche Mißbildung ſeyn, (zu
großes Hymen), oder von den vergroͤßerten, durch Entzuͤn-
dung und Eiterung verwachſenen kleinen Schamlippen abhaͤn-
gen. Auf jeden Fall fordert dieſe Mißbildung die Trennung
der verwachſenen Theile durch das Meſſer.


§. 1408.

Die Verengerungen der Schamſpalte haͤngen ebenfalls
theils von unſpruͤnglichen, theils von ſpaͤter entſtandenen krank-
[451] haften Zuſtaͤnden der Geburtstheile ab. Zu den erſtern ge-
hoͤrt ein abnorm ſtarkes, durch den Coitus nicht zerriſſenes
Hymen; auch dieſes wird gewoͤhnlich einen Einſchnitt, dann
aber die ſorgfaͤltigſte Unterſtuͤtzung, um das Weiterreißen zu
verhuͤten, noͤthig machen. Haͤufiger kommen die ſpaͤter ent-
ſtandenen Verengerungen vor. Sie werden verurſacht durch
Entzuͤndungsgeſchwulſt, varikoͤſe Anſchwellungen, wahre Dege-
nerationen der Nymphen oder der Klitoris, Bruchgeſchwuͤlſte
der großen Schamlippen oder oͤdematoͤſe Anſchwellungen der-
ſelben. Saͤmmtliche Regelwidrigkeiten werden theils dem Aus-
tritte des Kindes hinderlich, und demſelben ſonach bei laͤngerer
Verzoͤgerung ſogar gefaͤhrlich, theils koͤnnen ſie mehrfache Ge-
fahren auch fuͤr den muͤtterlichen Koͤrper herbeifuͤhren. Rigi-
ditaͤt und Trockenheit enger Geburtstheile, macht das Eingießen
von etwas Oehl in der vierten Periode noͤthig.


§. 1409.

Die Behandlung derſelben richtet ſich nach den Urſachen:
Bruchgeſchwuͤlſte machen die ſchon fruͤher (§. 1329.) erwaͤhnte
Behandlung der Bruͤche nothwendig, ſo wie in der Leitung
des Geburtsgeſchaͤfts darauf geſehen werden muß, daß, wo-
fern das Zuruͤckbringen nicht moͤglich iſt, der Druck der Ge-
ſchwulſt beim Eingange des Kopfs moͤglichſt vermindert, oder
wenigſtens (noͤthigenfalls durch operative Huͤlfe) abgekuͤrzt
werde. Das letztere wird eben ſo bei varikoͤſen Geſchwuͤlſten
nothwendig, obwohl hier noch uͤberdieß das Fomentiren derſel-
ben durch kalten rothen Wein, durch ein kaltes Decoctum
Cort. Quercus
mit Spirit. Serpilli vermiſcht u. ſ. w. Statt
finden muß. — Oedematoͤſe Geſchwuͤlſte erfordern, wenn ſie
betraͤchtlich ſind, außer der zeitig anzunehmenden horizontalen
Lage, oftmals Scarificationen der Schamlippen, um die Ge-
fahr die Aufſpringens, und des zu heftige Quetſchung der-
ſelben zu vermindern. — Deformitaͤten der Nymphen oder
der Klitoris ſind bei Gebaͤrenden faſt nie ſo bedeutend, daß
nicht die Geburt, bei einiger Behutſamkeit, auch trotz derſel-
ben zu Ende gefuͤhrt werden koͤnnte.


[452]
§. 1410.

Zerreißungen kommen an den aͤußern Schamtheilen nur
an der hintern Commiſſur vor, und daß ſie auch hier faſt
immer nur von unvollkommener Unterſtuͤtzung des Dammes,
und unzweckmaͤßigem Verhalten der Gebaͤrenden herruͤhren, iſt
fruͤher bemerkt worden. Fuͤr die Geburt ſelbſt koͤnnen ſie uͤbri-
gens natuͤrlich, da ſie erſt am Ende der vierten Perinde entſte-
hen, keine beſondere Behandlung indiciren, obwohl man Ur-
ſache hat in Folge des dadurch verurſachten Reitzes, Kraͤmpfe
beym Abgange der Nachgeburt zu fuͤrchten. — Von der Be-
handlung dieſer Verletzungen nach der Geburt wird ſpaͤter
die Rede ſeyn.


4. Von den abnormen Zuſtaͤnden des
Beckens und ihrem Einfluße auf
das Geburtsgeſchaͤft
.

a)Von denen die Geburt beſchleunigenden
Abnormitaͤten
.

§. 1411.

Es gehoͤrt hierher ganz vorzuͤglich das zu weite Bek-
ken, jedoch koͤnnen bei einer gewiſſen Weite des Beckenraums,
auch die geringe Hoͤhe, Neigung und Kruͤmmung
des geſammten Beckens, zur Beſchleunigung der Geburt bei-
tragen. —


§. 1412.

Zeichen des zu weiten Beckens ſind: von außen,
breite Huͤften, nicht eingedruͤcktes Kreuzbein, und ſtark gewoͤlb-
ter Schambogen (wodurch waͤhrend der Schwangerſchaft ein
geringeres Vortreten des Leibes bewirkt wird); ferner die Ge-
ſchichte vorausgegangener Geburten, wo die Frau von ſtarken
Kindern ſehr leicht und ſchnell entbunden wurde, ſo wie das
[453] Vorbandenſeyn anderer krankhafter Zuſtaͤnde, welche durch
Weite des Beckens bedingt werden, z. B. des Gebaͤrmutrer-
vorfalls. Endlich giebt das zuverlaͤßigſte Kennzeichen die in-
nere geburtshuͤlfliche Unterſuchung. Die zu große Weite iſt
uͤbrigens auch zuweilen nur einer gewißen Gegend z. B. dem
Beckeneingange eigen. — Iſt außerdem noch die Neigung
des Beckens zu gering
, ſo zeigt ſich dieſes an: durch die
zu ſehr nach vorn gerichteten aͤußern Genitalien, den tief ſte-
henden Muttermund und Kindestheil und durch die mehr ſenk-
rechte Stellung der Schamknochen; und eben ſo wird die zu
geringe Kruͤmmung dem die innere hintere Flaͤche des
kleinen Beckens unterſuchenden Finger, und die zu geringe
Hoͤhe
durch die kleine Statur des ganzen Koͤrpers, ſo wie
durch die Leichtigkeit mit welcher Muttermund, Kindestheil
und Promontorium erreicht werden, erkennbar.


§. 1413.

Die Folgen dieſer Regelwidrigkeiten ſind ſchon waͤh-
rend der Schwangerſchaft bemerklich, und aͤußern ſich durch
tieferes Herabſenken des ſchwangern Uterus welches, wie ſchon
in der Pathologie der Schwangerſchaft bemerkt worden iſt,
Stuhl- und Harnverhaltung, Tenesmus, Druck auf die Becken-
gefaͤße (und dadurch Varices, Oedema pedum, Unordnun-
gen im Pfortaderſyſtem, u. ſ. w.) ja ſelbſt Ruͤckwaͤrtsbeugung
des ſchwangern Uterus, Blutung, Entzuͤndung, ja Abortus
veranlaſſen kann. — Erfolgt nun die Geburt, ſo kann auch
hier theils der Vorfall und ſpaͤterhin die Umſtuͤlpung des Ute-
rus leichter eintreten, theils aber wird auch der zu raſche
Durchgang des Kindes durch das Becken fuͤr die Mutter ſo-
wohl als fuͤr das Kind manche Gefahr veranlaſſen. Fuͤr die
Mutter wirkt die ploͤtzliche Entleerung des Uterus nachtheilig,
indem ſie Blutungen veranlaßt, zu heftigen Nachwehen und
uͤberhaupt groͤßerer Reitzbarkeit des Uterus im Wochenbett,
ſo wie zu ſtarken Einriſſen des Dammes beim Durchgange
des Kindes fuͤhrt; fuͤr das Kind, indem die zu ſchnelle Ge-
burt leicht den Sturz deſſelben auf den Boden veranlaſſen
[454] kann, indeß auch durch das ſehr weite Becken Vorfallen des
Arms oder der Nabelſchnur, ja ſogar, wegen unvollkommener
Drehung des Kindes, Einkeilung des Kopfs im ſchiefen Durch-
meſſer des Beckenausganges bewirkt werden koͤnnte (das letz-
tere pflegt beſonders leicht einzutreten, wenn das Becken nur
in der obern Gegend zu weit iſt).


§. 1414.

Die Behandlung der Gebaͤrenden mit weitem die Ge-
burt beſchleunigendem Becken iſt im Ganzen mehr negativ,
und bezieht ſich auf Vermeidung aller reitzend und anregend
wirkenden Momente. Man bringt eine Kreiſende dieſer Art
demnach gleich anfaͤnglich in die horizontale Lage, empfiehlt
die vollkommenſte Ruhe, unterſagt auch nach voͤllig eroͤffnetem
Muttermunde jedes heftigere, und bei ſehr weitem Becken
uͤberhaupt alles Verarbeiten der Wehen, nimmt auf die hin-
laͤngliche und ſichere Unterſtuͤtzung des hier gewoͤhnlich ſehr
breiten Dammes die noͤthige Ruͤckſicht, laͤßt den Austritt des
Kindes durchaus in horizontaler Lage abwarten, und verfaͤhrt
mit beſonderer Vorſicht beim Abgange der Nachgeburt, um
nicht durch Ziehen am Nabelſtrange u. ſ. w. zu falſchen La-
gen der Gebaͤrmutter Veranlaſſung zu geben. Dieſe Vorſicht
muß endlich auch bis auf die Periode des Wochenbettes ſich
fortſetzen; auch hier muß die Woͤchnerin laͤngere Zeit in der
horizontalen Lage bleiben, und muß noch ſorgfaͤltiger als auſ-
ſerdem anſtrengende Bewegungen vermeiden. — Die in Folge
dieſes Beckenbaues etwa ungeachtet der genannten Vorſichts-
maaßregeln ſich einfindenden Abnormitaͤten, als Vorfaͤlle des
Uterus, Entzuͤndungen der hervorgetriebenen Muttermundslip-
pen, Blutungen u. ſ. w., muͤßten uͤbrigens ganz ihrer Natur
nach behandelt werden.


[455]
b)Von denen die Geburt hindernden
Abnormitaͤten des Beckens
.

§. 1415.

Es gehoͤren hierher vorzuͤglich die Verengerungen
des Beckens
, indeß kann auch bei ſonſt nicht bedeutender
Engigkeit die zu ſtarke Neigung oder Kruͤmmung
des Beckens
, die betraͤchtlichere Hoͤhe deſſelben,
die unſymmetriſche, ſchiefe Bildung
und der regel-
widrige Zuſtand der Beckenverbindungen
hinderlich
fuͤr den Durchgang des Kindes werden.


§. 1416.

Was die Engigkeit betrifft, ſo kann ſie, wie die
Weite, zuweilen dem ganzen Becken zukommen, zuweilen nur
einer gewißen Gegend deſſelben eigen ſeyn; indeß wenn die
abnorme Vergroͤßerung eines Durchmeſſers noch keine ſchnelle
Geburt bewirken kann, ſo kann doch ſchon die betraͤchtliche
Kleinheit des Beckenraums, wenn ſie auch nur eine einzige
Richtung betrifft, der Geburt Schwierigkeiten entgegenſtellen,
weßhalb denn partielle und totale Verengerung hier nicht ſo
ſtrenge Sonderung noͤthig machen. Dagegen unterſcheiden wir
noch die Verengerung, welche in der Knochenbildung ſelbſt
liegt, und die Verengerung durch krankhafte an dem Bek-
ken, oder an den weichen Theilen befindliche Geſchwuͤlſte.


§. 1417.

Die Kennzeichen des engen Beckens finden ſich
theils in der aͤußern Unterſuchung, dahin gehoͤren die Spu-
ren fruͤher vorhanden geweſener Knochenkrankheiten, beſonders
der Rhachitis oder uͤbelgeheilter Knochenbruͤche und Verren-
kungen in der Gegend des Beckens, ferner die geringe Huͤf-
tenbreite, der eingedruͤckte Schambogen, die aͤußerlich ſtark ver-
tiefte Kreuzgegend, ungewoͤhnlicher Stand der untern Extre-
mitaͤten, Kyphoſen der Ruͤckenwirbel (wobei gewoͤhnlich im
[456] Gegenſatz die Lendenwirbel und das Promontorium ſehr her-
vorgetrieben ſind), und endlich die Geſchichte fruͤherer Gebur-
ten, da denn mehrere ſchwer beendigte Geburten mit ziemli-
cher Sicherheit auf ein ſchlechtes und enges Becken ſchließen
laſſen, aber umgekehrt allerdings, auch wo fruͤher mehrere
leichte Geburten Statt gefunden haben, ſpaͤterhin das Becken
doch verengert ſeyn kann *). Andern Theils aber laͤßt die
innere Unterſuchung, und zwar am zuverlaͤßigſten, die Zeichen
der Verengerung erkennen, nur daß man, um die vorzuͤglich
wichtige und auch am oͤfterſten vorkommende Verengerung der
Conjugata zu beſtimmen, oft das Eingehen mit ganzer Hand
(welches freilich voͤllige Eroͤffnung des Muttermundes voraus-
ſetzt) noͤthig haben wird, da nur bei ſehr niedrigem Becken
das Erreichen des Vorbergs mit ein oder zwei Fingern (wie
mich haͤufige Ausmeſſungen an Leichnamen uͤberzeugt haben)
moͤglich iſt **).


§. 1418.

Die Zeichen der uͤbrigen Geburtshindernden Abnormi-
taͤten des Beckens betreffend, ſo erkennt man das zu ſtark
geneigte
Becken an den weit nach hinten ſtehenden aͤußern
Genitalien, der ſchief einwaͤrts gerichteten Flaͤche der Scham-
fuge und dem ſtark uͤberhaͤngenden ſchwangern Leibe, das zu
ſehr gekruͤmmte Becken
an der tief eingedruͤckten Kreuz-
gegend, und anderweitigen als Kyphosis oder Lordosis er-
ſcheinenden ſtaͤrkern Kruͤmmungen der Wirbelſaͤule; endlich das
zu hohe an der Schwierigkeit, Muttermund und Kindes-
theil zu erreichen, ſo wie durch Beachtung allgemeiner groͤße-
[457] rer Koͤrperlaͤnge. Was das ſchiefe Becken betrifft, ſo giebt
auch davon allerdings die innere Unterſuchung des Becken-
raums die ſicherſte Kenntniß; allein auch aͤußerlich laͤßt ſich
aus der Richtung der untern Gliedmaaßen und aus der Bil-
dung der Wirbelſaͤule darauf ſchließen *), indem beſonders
Scoliosis des Ruͤckgraths auf die Schiefheit des Beckens da-
durch entſchiedenen Einfluß hat, daß die Convexitaͤt der Wir-
belſaͤule in einer Gegend gewoͤhnlich das Abweichen nach der
entgegengeſetzten Seite in den naͤchſtangraͤnzenden Stuͤcken
zur Folge hat; ſo daß z. B. bei Biegung der Ruͤckenwirbel
nach rechts, die Lendenwirbel nebſt dem Promontorio nach
links abweichen, und Verengerung der linken gegen die rechte
Beckenhaͤlfte zur Folge haben werden. Das ſelten vorkom-
mende Lockerwerden der Kreuz- und Darmbein-, ſo wie der
Schambein-Verbindungen giebt ſich durch Wanken des gan-
zen Beckens, die Unbeweglichkeit der Kreuz- und Schwanz-
beinverbindung durch innere Unterſuchung des Beckenausgan-
ges bald zu erkennen.


§. 1419.

Die Urſachen dieſer Verunſtaltungen des Beckens koͤn-
nen ſehr mannigfaltig ſeyn; es gehoͤrt dahin Rhachitis, vie-
les Stillſitzen der Kinder auf platter Erde, harten Baͤnken
oder durchbohrten Kinderſtuͤhlen, Schnuͤrleiber, Hackenſchuhe,
ſchweres Tragen auf dem Ruͤcken oder auf dem Kopfe **),
Verletzungen der Beckenknochen oder Beckenbaͤnder, wodurch
theils unmittelbar Verengerung verurſacht, theils zu Entſte-
hung verengender ſteatomatoͤſer und knoͤcherner Auswuͤchſe Ver-
anlaſſung gegeben wird, gichtiſche und convulſiviſche Krank-
[458] heiten u. ſ. w. — Schiefheit und zu ſtarke Kruͤmmung iſt,
wie ſchon bemerkt, gewoͤhnlich Folge von Kruͤmmungen der
Wirbelſaͤule, Lockerheit der eigentlich feſten Knochenverbindun-
gen haͤngt ab von Knochenerweichungen, vorausgegangenem
Schamfugenſchnitt oder andern Verletzungen, dahingegen ab-
norme Feſtigkeit der Kreuz-Schwanzbeinverbindung entweder
durch Rigiditaͤt der Baͤnder bei bejahrten Erſtgebaͤrenden, oder
durch Ankyloſen in Folge fruͤherer Verrenkung oder Ablage-
rung kalkiger Stoffe bedingt wird.


§. 1420.

Die Folgen der Beckenverengerung fuͤr das
Geburtsgeſchaͤft richten ſich nach dem Grade derſelben; es
ſind namentlich drei Grade von Engigkeit zu unterſcheiden.
Der erſte Grad umfaßt diejenigen Verbildungen wo die
Conjugata nur 3¾ bis 3¼ Zoll haͤlt. Schon hier koͤnnen
bei ſtarken Kindern leicht Einkeilungen des Kopfes ſich
bilden, mit welchem Namen wir den Zuſtand bezeichnen, wo
die Kindestheile eingetreten in eine der Aperturen des kleinen
Beckens, ſich dergeſtalt unter anhaltenden Wehen feſtſetzen, daß
Zuſammenpreſſung und Anſchwellung derſelben bemerklich wird.
Es haͤngt bei dieſem Grade von Energie der Wehen und kraͤf-
tigem Verarbeiten derſelben, ſo wie von der Groͤße des Kin-
des ab, ob die Geburt deſſelben ohne kuͤnſtliche Huͤlfe moͤglich
ſeyn wird oder nicht. — Die Gefahr der Einkeilung fuͤr das
Kind richtet ſich namentlich nach der Dauer derſelben und
dem Stande des Kopfs. Einkeilungen am Beckeneingange
koͤnnen oft 3 bis 4 Stunden dauern (dafern nicht andere
Regelwidrigkeiten, z. B. falſche Lage des Nabelſtranges, ent-
zuͤndliche Zuſtaͤnde des Uterus u. ſ. w. ſich hinzugeſellen,
ohne Gefahr des Kindes; Einkeilungen in der Beckenhoͤhle hin-
gegen, und am Ausgange, muͤſſen weit ſchneller fuͤr das Kind
fuͤrchten laſſen, und verurſachen oft ſchon in 2 Stunden we-
nigſtens aſphyktiſche Zuſtaͤnde deſſelben. Je heftiger hierbei
die Wehen ſind, deſto nachtheiliger wirkt natuͤrlich die Ein-
keilung.


[459]
§. 1421.

Die Behandlung wird bei dem erſten Grade der
Verengerung zunaͤchſt exſpektativ ſeyn, man wird die Geburts-
thaͤtigkeit unterſtuͤtzen und auf Lage des Kopfs und allgemei-
nes Befinden Ruͤckſicht nehmen. — So lange man hierbei
allmaͤhliges Vorruͤcken des Kopfs bemerkt, wird man das Ein-
greifen kuͤnſtlicher Huͤlfe vermeiden, da auch die vorſichtigſte
nie ſo wohlthaͤtig fuͤr das Kind, als die natuͤrliche Geburts-
kraft wirken kann. Dabei huͤte man ſich jedoch das bloße
Zunehmen der Kopfgeſchwulſt fuͤr wirkliches Vorruͤcken des
ganzen Kopfes zu nehmen. Tritt indeß wirklicher Stillſtand
und Einkeilung ein, ſo wird gewoͤhnlich das Anlegen der Ge-
burtszange unumgaͤnglich nothwendig, und zwar um ſo fruͤ-
her, je mehr der Ort der Einkeilung, ihre Heftigkeit, oder an-
derweitige Umſtaͤnde dem Leben des Kindes Gefahr drohen.


§. 1422.

Der zweite Grad der Beckenenge iſt der wo die
Conjugata (oder uͤberhaupt der kleinſte Durchmeſſer) nur 3 ¼
bis 2 ¾ Zoll haͤlt. Hier erfolgt die Geburt eines regelmaͤßig
genaͤhrten ausgetragenen Kindes ſchon in der Regel ohne
Beihuͤlfe der Kunſt durchaus nicht; es entſtehen die heftigſten
Einkeilungen, der Kopf kann hierbei, durch die bloße Geburts-
kraft eingezwaͤngt, Fiſſuren der Schaͤdelknochen, *) tiefe Ein-
druͤcke am Promontorio**) erleiden, und die Geburt eines
lebenden Kindes (dafern es nicht ſehr klein iſt) kann, ſo-
bald die Conjugata auf 3 Zoll verengert iſt, gewoͤhnlich auch
durch die Kunſt kaum bewerkſtelligt werden. Die Mutter aber
ſetzen Geburten dieſer Art der Gefahr der Quetſchung und
Entzuͤndung des Uterus, ja der Zerreißung deſſelben aus.


[460]
§. 1423.

Ruͤckſichtlich der Behandlung muß man die Behandlung
waͤhrend der Geburt, und die ſchon waͤhrend der Schwanger-
ſchaft anwendbare unterſcheiden. Was die erſtere betrifft, ſo
iſt vorzuͤglich auf die Lage des Kopfes zu achten und dieſelbe
wo moͤglich auf die Weiſe zu leiten, daß deſſen groͤßere Durch-
meſſer in die groͤßte Weite des Beckens (alſo im Eingange
mehr im Querdurchmeſſer, welcher gewoͤhnlich ſelbſt bei ſehr
verengertem Becken eine gewiße Weite behaͤlt) geſtellt werden.
Bei vorausgehendem Kopf muß dieß, ſo lange er noch be-
weglich iſt, durch das bei der Wendung auf den Kopf be-
ſchriebene Verfahren bewirkt werden, und iſt dieſes nicht moͤg-
lich, ſo wird man bei der Wendung auf die Fuͤße es gewoͤhn-
lich leichter bewerkſtelligen koͤnnen, und dadurch die gefaͤhrliche
Perforation gewoͤhnlich zu vermeiden im Stande ſeyn. Iſt
aber der Kopf ſchon wirklich eingekeilt, ſo muß die Huͤlfslei-
ſtung nach den §. 1421. angegebenen Regeln eingeleitet wer-
den. Die Zange, und bei ſehr verengertem Becken, und
vollkommen ſichern Kennzeichen vom Tode des
Kindes
, das Perforatorium, ſind dann die Mittel die
Entbindung zu beendigen. — Folgt der Kopf zuletzt nach,
ſo wird nach den bei der Extraktion gegebenen Regeln
(§. 1203. u. f.) auf die vortheilhafte Hereinfuͤhrung deſſelben in
das Becken beſondere Ruͤckſicht genommen, und bei demunge-
achter Statt findenden Faͤllen von Einkeilung leiſtet dann
ebenfalls die Zange oder, bei ſicher abgeſtorbenem Kinde, der
kleine ſtumpfe Haken Smellie’s, ſchickliche Huͤlfe. Sel-
ten wird man bei gut eingeleitetem Kopfe, in dieſer Lage,
die Perforation noͤthig haben, wenigſtens habe ich ſelbſt bei
2 ¾ Conjugata ausgetragene Kinder in dieſer Stellung ohne
Perforation entbunden, obwohl Eindruͤcke vom Promontorio
dabei nicht leicht zu vermeiden ſind.


§. 1424.

Was die Behandlung waͤhrend der Schwangerſchaft be-
trifft, ſo gehoͤren dahin zunaͤchſt die Vorſchlaͤge von Bruͤn-
[461] ninghauſen
*) und Ackermann**), durch betraͤchtliche
Verminderung der Nahrung, und beſonders durch bloße Pflan-
zenkoſt eine zu ſtarke Vergroͤßerung des Kindes zu hindern,
und ſo den Durchgang des Kopfs vermoͤge der biegſamern
Kopfknochen zu erleichtern, Ideen von welchen indeß die prak-
tiſche Anwendbarkeit ſehr gering ſeyn moͤchte, da ſich doch
nicht ſelten die kraͤftigſte Ernaͤhrung der Frucht ſelbſt bei ſehr
abgezehrtem Koͤrper der Schwangern zeigt, Purgirmittel,
Aderlaſſen und Lenhardt’ſche Quackſalbereien aber entwe-
der ganz ohne Wirkung auf die Frucht bleiben, oder wohl
ſogar den Abortus befoͤrdern koͤnnen.


§. 1425.

Ein anderes Mittel die ſchweren Geburten bei ſo ver-
verengertem Becken zu erleichtern und ihnen einen fuͤr das
Leben des Kindes gluͤcklichern Ausgang zu geben, iſt die kuͤnſt-
lich veranlaßte Fruͤhgeburt durch Sprengung der Eihaͤute, wovon
das Naͤhere oben (§. 1158 u. f.) angegeben worden iſt. Nach
den bis jetzt daruͤber von Englaͤndern, und unter den Deut-
ſchen von Wenzel geſammelten Erfahrungen, kann aber
hiervon in Wahrheit mehr als von den im vorigen §. ge-
nannten Mitteln erwartet werden, und es wuͤrde ſonach in
Faͤllen: wo durch eine oder mehrere vorausgegau-
gene Geburteu mit Beſtimmtheit dargethan iſt,
daß ein ausgetragenes Kind nicht lebend gebo-
ren werden koͤnne, allein die Engigkeit noch nicht
ſo groß iſt, daß nicht wenigſtens ein achtmonat-
liches Kind ohne Schwierigkeit geboren werden
koͤnnte
, dieſes Verfahren allerdings Anwendung finden ***).


[462]
§. 1426.

Der dritte Grad der Beckenenge begreift diejeni-
gen Verunſtaltungen in ſich, wo die Conjugata (oder uͤber-
haupt der kleinſte Durchmeſſer des Beckens) noch unter 2 ¾
Zoll haͤlt. Hier wuͤrde die Geburt eines ausgetragenen, ja
ſelbſt die eines noch nicht voͤllig reifen lebenden Kindes auf
keine Weiſe moͤglich ſeyn, nur ein ſpaͤrlich genaͤhrtes Kind
kann zuweilen todt durch das Becken kuͤnſtlich hindurch ge-
fuͤhrt werden, und wo die Verengerung noch nicht unter 2 ½
Zoll betraͤgt wird unter guͤnſtigen Umſtaͤnden auch wohl noch
die Entbindung durch die Perforation moͤglich werden. In
den uͤbrigen Faͤllen wird die Entbindung uͤberhaupt auf dem
natuͤrlichen Wege unmoͤglich bleiben, und es muͤßte ſonach
die Mutter ſowohl als das Kind (die erſtere in Folge eintre-
tender Entzuͤndung und Gangraͤn des Unterus), ohne Beihuͤlfe
der Kunſt, nothwendig ſterben.


§. 1427.

Die Behandlung wird hier ſich blos auf den Ge-
burtsakt ſelbſt beziehen kuͤnnen, da man bei einem dergeſtalt
verengerten Becken auch auf die Entbindung durch kuͤnſtliche
Fruͤhgeburt Verzicht leiſten muß. — Die hier noͤthig werden-
den Operationen aber ſind, vorzuͤglich bei ausgetragenen leben-
den Kindern, und eben ſo bei todten wenn die Conjugata
noch nicht 2 ½ Zoll betraͤgt, die Gaſtrohyſterotomie; nur wenn
auf das Leben des Kindes Verzicht geleiſtet werden muß, auch
deßhalb weil die Gebaͤrende jener Operation ſich nicht unter-
werfen will, und die Weite noch zwiſchen 2 ½ bis 2 ¾ Zoll
betraͤgt, [auch] das Kind nicht allzugroß iſt, die Enthirnung
oder die Extraktion des Kindes mit vorausgehenden Fuͤßen
und unter Beihuͤlfe des Smellie’ſchen Hakens; uͤber welche
Huͤlfsleiſtungen denn ſaͤmmtlich in der Lehre von den geburts-
huͤlflichen Operationen das Naͤhere eroͤrtert worden iſt.


§. 1428.

Es iſt nun noch uͤber die Folgen und Behand-
lungsweiſen
der uͤbrigen hierher gehoͤrigen Verbildungen des
[463] Beckens zu ſprechen. Das zu ſtark geneigte Becken (eine
beſonders haͤufig vorkommende Regelwidrigkeit) veranlaßt, auſ-
ſer dem Nachtheile der Schieflage des Uterus nach vorn, ſchon
waͤhrend der Schwangerſchaft, bei angehender Geburt vorzuͤg-
lich erſchwertes Eintreten des vorausgehenden Kopfs in das
kleine Becken, Feſtſtellen deſſelben uͤber oder hinter dem Scham-
bogen, Schieflagen oder Querlagen des Kindes, Vorfallen des
Nabelſtranges oder der Arme, Druck auf die Harnblaſe und
Quetſchung der vordern Muttermundslippe. — Die Behand-
lung muß hierbei theils auf die Schieflage des Uterus Ruͤck-
ſicht nehmen (ſ. §. 1104.), theils das Eintreten des Kopfes oder
Steißes zu befoͤrdern ſuchen, welches vorzuͤglich durch eine
Lage geſchieht, bei welcher die Neigung des Beckens ſelbſt
vermindert (d. i. der zu ſtumpfe Winkel welchen hier die
Conjugata mit der Wirbelſaͤule macht, dem rechten etwas
mehr genaͤhert) wird. Man bringt zu dieſem Endzweck die
Gebaͤrende in eine Seitenlage mit ſtark heraufgezogenen Schen-
keln, und laͤßt den Oberkoͤrper mehr nach vorn beugen. Es
kann dieß ſchon in der zweiten Periode der Geburt geſchehen,
in der dritten aber muͤſſen die Wehen in dieſer Haltung ver-
arbeitet werden, und gewoͤhnlich kommt der Kopf dann zu-
mal gleich nach dem Abgange des Waſſers am leichteſten ins
Becken herab. Gelingt das Einleiten des Kopfs nicht, ſo
wird die Wendung auf die Fuͤße nothwendig. Anderes feh-
lerhaftes Verhalten der Kindestheile fordert das bei dieſen Re-
gelwidrigkeiten ſpaͤter anzugebende beſondere Verfahren, Ein-
keilung des Kopfs dieſelbe Huͤlfe wie bei dem etwas zu en-
gen Becken.


§. 1429.

Was die zu ſtarke Kruͤmmung betrifft, ſo verzoͤgert
ſie, ganz ſo wie das etwas zu enge Becken die Entbindung
(weit weniger iſt dieſes bei den zu hohen Becken der Fall)
und macht demnach auch dieſelbe Behandlung nothwendig (ſ.
§. 1421). Die zu feſte, oder voͤllig verknoͤcherte
Verbindung von Kreuz- und Schwanzbein
veren-
gert den Beckenausgang, verurſacht Einkeilungen des Kopfs
[464] am Beckenausgange, und macht dann gemeiniglich baldige
Huͤlfe durch Anwendung der Zange nothwendig. Becken
mit wankenden Kreuz- Darm- und Scham-
beinverbindungen
kommen bei Gebaͤrenden gewiß nur
aͤußerſt ſelten vor. Umlegen eines ſichernden Guͤrtels, moͤg-
lichſte Ruhe und ſehr vorſichtige und ſchonende Leitung des
ganzen Geburtsgeſchaͤfts, wuͤrde dabei unentbehrlich ſeyn.


§. 1430.

Endlich anlangend die Schiefheit des Beckens,
die Verunſtaltungen einzelner Knochen
u. ſ. w.,
ſo hindern dieſe gewoͤhnlich nur den Geburtsverlauf, in ſo-
fern als ſie das Becken verengern, oder den natuͤrlichen Ge-
burtsmechanismus umaͤndern. Die Behandlung kann daher
auch hier keine andere als die ſchon fuͤr das zu enge Becken
angegebene ſeyn. —


Uebrigens wird ſelten ein verbildetes Becken gefunden
werden, was nicht mehrere Arten von Regelwidrigkeiten
zugleich in ſich faßte, und es koͤnnen dieſe ſodann theils ein-
ander wechſelſeitig verſtaͤrken und ihren Nachtheil vergroͤßern
(z. B. die Schiefheit, ſtarke Neigung und Engigkeit), theils
ſich wechſelſeitig aufheben und ihre Nachtheile vermindern
(wie z. B. die ſtarke Kruͤmmung und ungewoͤhnliche Weite);
wonach dann auch in ſolchen complicirten Faͤllen, den fuͤr die
einzelnen gegebenen Regeln gemaͤß, eine zweckmaͤßige Behand-
lung einzuſchlagen nicht ſchwer fallen wird.


[465]
II. Von dem regelwidrigen Verhalten der Frucht
in wiefern es die Geburt hindert oder ſtoͤrt.

I.
Von dem regelwidrigen Verhalten der Frucht
im Allgemeinen
.

1) Von der regelwidrigen Verbindung derſelben
mit dem muͤtterlichen Koͤrper
.

I.
Von Anheftung und Ausbildung der Frucht außerhalb
der Gebaͤrmutter, oder von der Schwangerſchaft außer
der Gebaͤrmutter (Graviditas extrauterina.)

§. 1432.

Eine in phyſiologiſcher ſowohl als pathologiſcher Hinſicht
hoͤchſt merkwuͤrdige Erſcheinung des weiblichen Koͤrpers iſt es,
daß unter gewiſſen, uns zur Zeit nur noch wenig bekannten
Bedingungen, die Frucht auch außerhalb desjenigen Organs
welches die Natur zu ihrem eigentlichen Entwicklungsort be-
ſtimmte, ſich bilden, ja zur voͤlligen Reife gelangen kann.
Sie iſt phyſiologiſch ſehr wichtig, weil daraus uͤber viele ſonſt
hoͤchſt ſchwierige Punkte in der Bildungsgeſchichte des Kindes
Aufklaͤrung zu erhalten iſt, und ſie iſt pathologiſch aͤußerſt
bedeutend, weil ein fuͤr Geſundheit und Leben der Mutter
hoͤchſtbedenklicher ja gefaͤhrlicher Zuſtand daraus ſich entwickelt.
Wir betrachten zunaͤchſt die verſchiedenen Arten der
Schwangerſchaft außer der Gebaͤrmutter.


§. 1433.

Man unterſcheidet aber zunaͤchſt primaͤre und ſekundaͤre
Extrauterinſchwangerſchaften, unter letztern diejenigen verſtehend,
wo die Frucht nicht an dem Orte wo ſie gefunden wird auch
II. Theil. 30
[466] erzeugt war, ſondern z. B. in der Muttertrompete oder in
der Gebaͤrmutter entſtanden, durch einen Riß in die Bauch-
hoͤhle gefallen iſt u. ſ. w., woraus denn hervorgeht, daß die
ſekundaͤren nur uneigentlich den Namen der Schwangerſchaften
fuͤhren koͤnnen, da hierbei die eigentliche organiſche Verbindung,
zum mindeſten die Wechſelwirkung zwiſchen Frucht und muͤt-
terlichem Koͤrper, und die Fortbildung der Frucht wohl immer
wegfallen muß.


§. 1434.

Wichtiger iſt daher die Unterſcheidung dem Orte nach,
wo ſich der Fruchtkeim fixirt. Es ſind in dieſer Hinſicht
als primaͤre Schwangerſchaften vier Arten zu bemerken:
1. Aeußere Eierſtocksſchwangerſchaft(Graviditas
ovarii externa),
wo die Frucht dem die Oberflaͤche des Eier-
ſtocks uͤberziehenden Bauchfelle aͤußerlich anhaͤngt; 2. innere
Eierſtocksſchwangerſchaft
(Graviditas ovarii interna)
wo in der Subſtanz des Eierſtocks das Ovulum ſich entwik-
elt; 3. Bauchhoͤhlenſchwangerſchaft(Graviditas
abdominalis)
wo an irgend einem andern Punkte des Bauch-
fells die Frucht ſich anhaͤngt und fortwaͤchſt, wodurch ſie
aͤußern Eierſtocksſchwangerſchaft ſehr verwandt wird; 4. Mut-
tertrompetenſchwangerſchaft
(Graviditas tubaria), wo
der Kanal der Muttertrompete die Funktion des Uterus uͤber-
nimmt, wobei noch der ſeltene Fall eine Untergattung bildet,
wo die Frucht in dem Theile der Tuba, welcher den Uterus
durchbohrt, ſich anheftet, man koͤnnte dieſes als Graviditas
tubo-uterina
bezeichnen. —


Als ſekundaͤre Schwangerſchaften laſſen ſich drei
Arten auffuͤhren: 1. Bauchhoͤhlenſchwangerſchaften,
und 2. Harnblaſenſchwangerſchaften
(es iſt jedoch klar
daß dieſe, eben weil hier der Fetus nicht weiter entwickelt
wird, nur uneigentlich Schwangerſchaften zu nennen ſind);
3. Mutterſcheidenſchwangerſchaft, woruͤber nur eine
einzige Beobachtung von Noel bekannt iſt, wobei das durch
[467] den Uterus hindurchgegangene Ei ſich in der Vagina zur
Reife ausgebildet haben und geboren worden ſeyn ſoll.


§. 1435.

Wie nun aber ſo hoͤchſt verſchiedenartige Organe ſaͤmmt-
lich einem ſo wichtigen Geſchaͤft als die Ernaͤhrung des Kindes
iſt, vorſtehen koͤnnen, wird nur begreiflich, indem man be-
ruͤckſichtigt, was bisher voͤllig uͤberſehen worden iſt, daß die
geſammte innere Flaͤche des Fruchtganges
(Mutter-
ſcheide, Gebaͤrmutter und Muttertrompeten) durch das
Abdominalende der Fallopiſchen Roͤhren ein wah-
res Continuum mit dem geſammten Bauchfelle
bildet
, und daß es folglich eine und dieſelbe Flaͤche
einer nur verſchieden geformten plaſtiſchen Haut iſt, welche
der Ernaͤhrung und Fortbildung des einmal aus dem Ovario
hervorgetretenen Keimes, ſowohl bey der aͤußern Eierſtocks-
ſchwangerſchaft, Bauchhoͤhlen- und Muttertrompetenſchwanger-
ſchaft, als der eigentlichen Gebaͤrmutterſchwangerſchaft uͤbernimmt,
wenn hingegen bey der innern Eierſtocksſchwangerſchaft die
Entwicklung an demſelben Punkte, wo ſie zuerſt begruͤndet
wurde, auch fortſchreitet. —


Anmerkung. Wie wichtig dieſe Anſicht von Continuitaͤt
der innern Haut des Fruchtganges mit dem Bauchfelle
ſey, wird ſich noch vorzuͤglich bei Betrachtung der
Krankheiten der Woͤchnerinnen ergeben. Uebrigens waͤre
eine genaue Unterſuchung des Verhaltens einer ſolchen
Stelle des Bauchfells, welche die Ernaͤhrung der Frucht
uͤbernommen hat, noch ſehr zu wuͤnſchen.


§. 1436.

Der Verlauf der Schwangerſchaften außer-
halb der
Gebaͤrmutter, ſtimmt in den erſten Wochen wohl
groͤßtentheils ſehr mit dem der Uterinſchwangerſchaft uͤberein,
und außer den gewoͤhnlichen Beſchwerden welche ſo haͤufig
der Empfaͤngniß nachfolgen, werden beſondere Zufaͤlle nicht
bemerkt. Allein um ſo abweichender iſt dagegen groͤßtentheils
[468] der fernere Gang des Uebels, jedoch wiederum ſehr verſchieden, je-
nachdem die Frucht ſich frei in der Bauchhoͤhle, oder eingeſchloſſen
in der Tuba oder im Eierſtocke entwickelt. Mehrere Zeichen
der Schwangerſchaft uͤberhaupt, als Verlieren der Menſtruation,
Anſchwellen der Bruͤſte u. ſ. w. werden indeß meiſtens beobach-
tet, obwohl weniger conſtant als in der wahren Schwanger-
ſchaft. Im erſtern Falle iſt zuweilen auch im Fortſchreiten
der Entwicklung das Wohlbefinden der Schwangern nicht
betraͤchtlich geſtoͤrt, ſo daß oͤfters bei denſelben gar der Ver-
dacht eines widernatuͤrlichen Zuſtandes nicht erwachen konnte.
Zuweilen aber kuͤndigt ſich der Zuſtand auch hier, wenigſtens
vom zweiten oder dritten Monate, durch ungewoͤhnliche Zufaͤlle
an. Die Schwangern leiden, in Folge des entzuͤndungsartigen
Reizes an einer Stelle des Bauchfells, an heftigen Schmerzen
und Stoͤrungen in den Funktionen der Unterleibseingeweide,
welche durch die umgeaͤnderten raͤumlichen Verhaͤltniſſe, durch
ſich bildende Verwachſung u. ſ. w. veranlaßt werden; alſo
an Erbrechen, Kraͤmpfen, Durchfall, Obſtruktion u. ſ. w.
verbunden mit einſeitiger, von der ſchmerzhaften Stelle aus-
gehender Anſchwellung des Unterleibes.


§. 1437.

Merkwuͤrdig iſt ferner das Verhalten des eigentlichen
Geſchlechtsapparats. Auch der Uterus naͤmlich veraͤndert ſich
hierbei wie bei einer angehenden Gebaͤrmutterſchwangerſchaft,
ſeine innere Haut lockert ſich auf, ſeine Subſtanz ſelbſt ſchwillt
etwas an, ſeine Hoͤhle wird geraͤumiger und die Vaginalportion,
deren Muttermund rundlicher wird, faͤngt an ſich etwas zu
verkuͤrzen. Vorzuͤglich wichtig aber iſt die Bildung einer
wahren flockigen Haut (Membrana decidua Hunteri) an
ſeiner innern Flaͤche, welche bei laͤnger dauernden Schwan-
gerſchaften dieſer Art oft zu Molenartigen Maſſen anſchwillt,
ja in dieſer Form zuletzt wohl wirklich geboren werden kann*).
[469] Daß mit dieſer Veraͤnderung des Uterus auch die an demſelben
bemerkbaren Erſcheinungen am Ende der Schwangerſchaft in
Verbindung ſtehen, wird ſich noch ſpaͤterhin ergeben.


§. 1438.

Die Entwicklung der Frucht ſelbſt ſcheint im Ganzen
hierbei wenig von der im Uterus vor ſich gehenden unterſchieden.
Immer bildet ſich der Fetus in Eihuͤllen (Haͤute und Pla-
centa hat man hierbei uͤbrigens meiſtens duͤnner gefunden)
und Fruchtwaſſer, und iſt durch einen nicht ſelten ganz dem
gewoͤhnlichen aͤhnlichen Nabelſtrang mit den Haͤuten ver-
bunden *); zuweilen ſcheinen indeß auch mehrere einzelne Ge-
faͤße (wie in dem bekannten Walther’ſchen Falle) die
Verrichtung des Nabelſtranges zu uͤbernehmen, obwohl
Fruͤchte, welche lange abgeſtorben in der Bauchhoͤhle gelegen
haben, und dann oft nach obliterirten Eihaͤuten bald hie bald
da mit dem Peritonaeo zuſammenkleben, kein beſtimmtes Ur-
theil erlauben. Nach Duverney und Ramsay bildet ſich
ſogar in dieſen Faͤllen noch außer den Eihaͤuten eine, der
Gebaͤrmutteraͤhnliche, Huͤlle um das Ei, welches, wenn es ſich
beſtaͤtigte, um ſo merkwuͤrdiger waͤre, da es dem Verhalten
der oft in der Bauchhoͤhle entſtehenden Hydatiden (Cysticercus)
entſpraͤche. Daß uͤbrigens hier das Kind ſelbſt voͤllig reif,
und zum weitern Fortleben tuͤchtig, ausgebildet werden kann,
iſt durch den Fall von Navara und den unter Heim’s Lei-
tung 1813 zu Berlin lebend aus der Bauchhoͤhle genommenen
Knaben außer Zweifel geſetzt. (ſ. Ruſt Magazin f. d. geſ.
Heilk. III. Bd. 1. Hft.)


§. 1439.

Der Verlauf der Muttertrompeten- und in-
nern Eierſtocksſchwangerſchaft
unterſcheidet ſich von
[470] dem in den vorigen §§ beſchriebenen vorzuͤglich dadurch, daß
ſelten hier die Frucht ihre voͤllige Reife erreicht, ſondern
meiſtentheils durch Zerreißung des abnormen Fruchthaͤlters die
Schwangerſchaft ſchon im zweiten, dritten oder vierten Monat
geendigt wird. Demungeachtet iſt das Austragen des Kindes
auch hier nicht unmoͤglich, da z. B. von J. S. Saxtorph
bei einer toͤdtlich abgelaufenen Muttertrompetenſchwangerſchaft
ein reifes Kind in der Tuba gefunden wurde *); eben ſo
wie andern Theils auch bei Bauchhoͤhlenſchwangerſchaften es
nicht ſelten vorgekommen iſt, daß die Ernaͤhrung des Kindes
ſchon in fruͤhern Monaten unterbrochen wurde.


§. 1440.

Die Zufaͤlle welche den muͤtterlichen Koͤrper im Laufe
einer ſolchen Schwangerſchaft betreffen, ſind insgemein ſtuͤr-
miſcher als in den Bauchhoͤhlenſchwangerſchaften; die Un-
terleibsſchmerzen treten fruͤher und heftiger ein, ſind hier
nach Heim**) oft mit einem eigenthuͤmlichen Klagegeſchrei
verbunden, obwohl die Erſcheinungen auch hier ſich keinesweges
gleich bleiben und unter gewiſſen Umſtaͤnden die Schmerzen
allerdings minder betraͤchtlich ſeyn koͤnnen ***). Die ungleiche
Anſchwellung des Leibes ferner, und die unvollkommenen Entwick-
lungsvorgaͤnge im Uterus (§. 1437) hat dieſe Schwangerſchaft
ganz mit der Bauchſchwangerſchaft gemein. Zuweilen will man,
insbeſondre bei der Muttertrompetenſchwangerſchaft, den Abgang
eines ſchwaͤrzlichen Blutes bemerkt haben. Daß ſich uͤbrigens
Verwachſungen des abnormen Fruchthaͤlters mit andern Organen,
weitere Ausbildung deſſelben (wobei die Muttertrompete z. B.
eine mehr dem Uterus aͤhnliche Struktur annimmt), Entzuͤn-
dungen, ja brandiger Zuſtand deſſelben entwickeln koͤnnen, hat die
Erfahrung mehreremale bewieſen.


[471]
§. 1441.

Das Verhalten der Frucht hierbei iſt gewoͤhnlich dem
Verhalten der Frucht im Uterus noch weit aͤhnlicher als bei
der Bauchhoͤhlenſchwangerſchaft. So zeigte ſich z. B. in einer
von Boͤhmer*) beſchriebenen inneren Eierſtocksſchwanger-
ſchaft, das Kind mit Nabelſtrang und Haͤuten regelmaͤßig
gebildet, und eben ſo finde ich es an einem Falle wo die
Frucht in dem zu einem Nebenſinus der Gebaͤrmutter erwei-
terten innerſten Theile des Kanals der Tuba lag **).


§. 1442.

Der Ausgang der Schwangerſchaften außerhalb
der Gebaͤrmutter
iſt hauptſaͤchlich ſechsfach. Die
erſte und guͤnſtigſte Beendigung
derſelben iſt das
fruͤhzeitige Abſterben und Einſchrumpfen des an einem falſchen
Orte niedergelegten Keimes. In dieſem Falle koͤnnen, nach
kaum bemerklich gewordenen Zeichen der Conception, dieſe
wieder verſchwinden, und die Spuren der Empfaͤngniß (wenn
nicht durch den obliterirten Keim etwa ein Kanal der Tuba
verſchloſſen wird und hierdurch zu andern Zufaͤllen Veranlaſſung
giebt***)) werden dann vielleicht nur zufaͤllig bei der ſpaͤter
etwa unternommenen Sektion bemerkt. Der zweite Aus-
gang
iſt die Zerreißung des abnormen Fruchthaͤlters, welche
namentlich bei Schwangerſchaften der Tuba und des Ovariums
bemerkt wird. Sie erfolgt meiſtens in den fruͤhern Monaten,
und hat meiſtens eine große, unmittelbar toͤdtlich werdende
Ergießung von Blut in die Bauchhoͤhle zur Folge. Daß
hierdurch eine wahre ſekundaͤre Bauchhoͤhlenſchwangerſchaft
[472] (Wiederanheftung und Fortbildung des Kindes in der Bauch-
hoͤhle) moͤglich ſeyn ſollte, laͤßt ſich wohl ſchwerlich annehmen *),
wenn auch das Fortleben der Mutter nach der Zerreißung,
und die Verhaͤrtung oder Aufloͤſung der Frucht in der Bauchhoͤhle
vorkommen koͤnnte **).


§. 1443.

Der dritte Ausgang iſt es wenn das außerhalb
der Bauchhoͤhle liegende Kind, entweder vor oder nach erreichter
voͤlliger Reife abſtirbt und nun theils allmaͤhlig einſchrumpft,
oft die weichen Theile allmaͤhlig aufgeſogen werden, und endlich
eine feſte erdige Kruſte die zuſammengeballte Frucht uͤber-
zieht ***), wodurch denn dieſelbe endlich dergeſtalt von den
uͤbrigen Theilen abgeſondert wird, daß ſie beinahe als frem-
der Koͤrper ****) und zwar ohne weitere betraͤchtliche Stoͤrung
der Geſundheit eine lange Reihe von Jahren (10, 20, bis
56 Jahre) im Koͤrper zuruͤckbleiben kann, und dann den
Namen eines Steinkindes, einer Steinfrucht (Osteopädion,
Lithopädion)
erhaͤlt †). Es betrifft dieß vorzuͤglich
Fruͤchte, welche in der Bauchhoͤhle lagen; indeß auch
[473] bei der Muttertrompetenſchwangerſchaft iſt es vorgekom-
men. In einzelnen Faͤllen ſoll das Kind bevor es dieſe
Verhaͤrtung eingegangen iſt, mehrere Jahre gelebt haben *).


§. 1444.

Der vierte Ausgang iſt der, wo das Kind, nach-
dem es vor oder nach erfolgter Reife abſtarb, durch eine
Entzuͤndung und Eiterung im Umkreiſe ſeiner Bildungsſtelle
(vielleicht zunaͤchſt eines abnorm um daſſelbe gebildeten Frucht-
haͤlters ſ. §. 1438) ſich allmaͤhlig aufloͤſt, der gebildete Abſceß
auf eine oder die andere Weiſe nach und nach einen Ausweg
ſucht, und endlich durch die Bauchdecken, den Darmkanal,
oder in ſeltnen Faͤllen durch die Harnblaſe und Mutterſcheide
die Reſte des Kindes entleert. — Es ſind dieſes Faͤlle,
welche ganz vorzuͤglich die enorme Reproduktionskraft des
weiblichen Koͤrpers zu bewaͤhren dienen, indem hierbei die
enormſten Zerſtoͤrungen und Eiterungen im Innern des Koͤrpers
oft vor ſich gehen und demungeachtet haͤufig das Leben erhalten
wird, ja ſelbſt Faͤhigkeit zu erneuerter und zwar regelmaͤßiger
Schwangerſchaft oft bald zuruͤckkehrt, eben ſo wie man neben
einem Lithopädion zuweilen eine Uterinſchwangerſchaft ent-
ſtehen ſah.


§. 1445.

Vorzuͤglich haben ſich auf dieſe Weiſe Bauchhoͤhlenſchwan-
gerſchaften oͤfters geendigt, und am guͤnſtigſten fuͤr die Mutter
iſt es dabei, wenn der Abſceß ſich durch die Bauchbedeckungen
oͤffnet, (haͤufig geſchieht dieß durch den Nabelring) indem
man auf dieſem Wege ſelbſt die voͤllige Entwicklung des
ausgetragenen und noch nicht aufgeloͤſten Kindes leicht von
[474] Statten gehen ſah *), ja ſogar Zwillinge hier entwickelt
hat **). Schon langwieriger und gefaͤhrlicher iſt der Uebergang
der Frucht in den Darmkanal, bei welchen oft bedeutende,
ſelbſt der Unterſuchung durch den After fuͤhlbare Oeffnungen
entſtehen, und die einzelnen Kindesknochen dann mit vielem
Eiter durch dem Maſtdarm ausgeleert werden. Auch Mutter-
trompetenſchwangerſchaften haben ſich ſo geendigt. — (Iſt
wirklich ein vom Peritonaeo gebildeter Sack um das Ovulum,
ſo erklaͤrt ſich der oft gluͤckliche Ausgang dieſer Faͤlle weit
leichter). In einem Falle will man ſogar beobachtet haben,
daß die Reſte eines aufgeloͤſten Kindes, welche in den Darmkanal
uͤbergegangen waren, ausgebrochen wurden ***). — Der
dritte Ausweg durch Vagina oder Harnblaſe kommt ſelten
vor, indeß hat man ſelbſt durch die Harnblaſe die Knochen
des Kindes, ohne der Mutter toͤdtlich zu werden, abgehen
ſehen ****).


§. 1446.

Bemerkenswerth ſind nun noch einige Erſcheinungen am
muͤtterlichen Koͤrper, welche, es mag nun eine außerhalb des
Uterus liegende Frucht ſich verhaͤrten oder in Eiterung uͤber-
gehen (ſeltner, und nur zum Theil, wo die Zerreißung des
abnormen Fruchthaͤlters erfolgt) beobachtet werden. Hierher
gehoͤren aber zunaͤchſt die voͤllig Wehen-artigen Schmerzen,
welche, ſobald das Kind ſeine Reife erlangt hat, immer einzu-
treten pflegen, oft aber, bei einem fruͤhern Aufhoͤren der Bildung
[475] der Frucht, auch zeitiger bemerkt werden. Oefters waren dieſe
Schmerzen ſo heftig daß die Schwangern, wie die zugerufenen
Hebammen, ja ſelbſt Geburtshelfer, ſie fuͤr wahre Geburts-
wehen nahmen. — Sie ſind wohl nur aus dem fortgeleiteten
Reize auf der plaſtiſchen Flaͤche des Bauchfells und des
Fruchtganges zu erklaͤren, und haben allerdings ihren Sitz
im Uterus ſelbſt, ſo daß unter dieſen bald nur einige Tage,
bald mehrere Monate dauernden, ja mitunter ſich mehreremale
erneuernden Schmerzen zuweilen Oeffnung des Muttermundes,
ja Austreiben der aus der Membrana decidua gebildeten
Molenartigen Maſſen eintritt *).


§. 1447.

Andere Erſcheinungen welche noch waͤhrend dieſem ſo
verzoͤgerten Verweilen der Frucht im muͤtterlichen Koͤrper
beobachtet werden, ſind das Vorhandenbleiben eines erregtern
Zuſtandes im Geſchlechtsſyſtem, welcher ſich zuweilen durch
fortdauernden Mangel der Menſtruation oder durch anhaltende,
wenn auch geringe Milchſekretion in den Bruͤſten bemerklich
macht. Indeß ſind dieſe Zufaͤlle ſo wie andere bleibende
Zeichen der Schwangerſchaft, als Anſchwellung des Leibes,
oft ſo gering, daß ſchon zuweilen verhaͤrtete Fruͤchte ganz
unerwartet, ohne daß man durch beſondre Symptome auf ihr
Vorhandenſeyn geleitet worden waͤre, bei Leichenoͤffnungen
gefunden wurden.


§. 1448.

Der fuͤnfte Ausgang der Extrauterinalſchwanger-
ſchaft ferner iſt der, wo durch eine Operation die Frucht
hinweggenommen wurde; welches, wenn auch nun ſchon
einigemale dadurch lebensfaͤhige Kinder geboren wurden, doch
[476] fuͤr die Mutter nur da guͤnſtig ausgefallen iſt, wo das Ab-
ſterben der Frucht bereits eine Aufloͤſung und Abloͤſung der
aͤußern Bildungsorgane derſelben herbeigefuͤhrt hatte. —
Der ſechſte und ſeltenſte Ausgang endlich iſt der, wo
das Kind auf dem natuͤrlichen Wege noch wirklich geboren
wird, welches begreiflicherweiſe nur bei der uͤberhaupt noch
etwas problematiſchen Mutterſcheidenſchwangerſchaft
der Fall ſeyn koͤnnte und wirklich geweſen ſeyn ſoll.


§. 1449.

Diagnoſe. Sie iſt eine der ſchwierigſten im ganzen
Bereich der Gynaͤkologie, wenigſtens in den fruͤhern Monaten
dieſer Schwangerſchaften. Man muß bei den hierher gehoͤrigen
Zeichen unterſcheiden zwiſchen den Zeichen der Schwangerſchaft
uͤberhaupt, den Zeichen der Extrauterinalſchwangerſchaft ins-
beſondre, und endlich den Zeichen der beſondern Arten der
Extrauterinalſchwangerſchaften. — Ruͤckſichtlich der erſtern
muͤſſen wir auf die fruͤhern Angaben (§ 772. u. f.) verweiſen,
und finden nur zu bemerken daß auch hier, als ſichere
Zeichen, nur das Fuͤhlen der Kindestheile oder Kindesbewegungen
gelten koͤnnen, wodurch denn eben die Entſcheidung in den
fruͤhern Monaten ſo ſehr erſchwert wird.


§. 1450.

Die zweite Art, die Kennzeichen der Schwangerſchaft
außer der Gebaͤrmutter insbeſondre, beſtehen in den zu be-
ruͤckſichtigenden ſpeciellen Erſcheinungen derſelben, als welche
vorzuͤglich folgende fuͤr die Diagnoſe wichtig werden: —
1) Unvollkommnes Fortſchreiten der Veraͤnderungen an Mutter-
mund und Mutterhaks, welche, obwohl der Unterleib fortwaͤhrend
anſchwillt, alsbald einen voͤlligen Stillſtand machen. 2) Klein-
bleiben des durch den Scheidengrund oder Maſtdarm gefuͤhlten
Gebaͤrmutterkoͤrpers, bei fortgehender Entwicklung der Unter-
leibsgeſchwulſt. 3) Deutlicheres Durchfuͤhlen der nicht vom
Uterus umgebenen Kindestheile durch die Bauchdecken
oder zuweilen auch durch den Mutterſcheidengrund oder Maſtdarm
[477] (in Verbindung mit dem vorigen am meiſten charakteriſtiſch).
4) Heftige von Zeit zu Zeit wiederkehrende, von der anſchwellen-
den Stelle des Leibes ausgehende, mitunter wehenartige Schmer-
zen, oft wohl mit einem eigenen winſelnden Geſchrei und
Verziehung des Geſichts. 5) Ungleiches Anſchwellen des
Leibes, welches meiſtens mehr von einer Seite ausgeht.
6) Mitunter eintretender Abgang von blutigem Schleim oder
ſchwaͤrzlichem Blut. 7) Die Kranke kann oft nur auf der
leidenden Seite liegen. 8) Der nicht erfolgende Eintritt der
Geburt nach Ablauf der gewoͤhnlichen Schwangerſchaftszeit,
vielmehr die hier ſich einfindenden heftigen wehenartigen Schmer-
zen und die Zufaͤlle von Entzuͤndung, Eiterung, und Abgang
einzelner Knochen des Kindeskoͤrpers, oder das Gefuͤhl eines
verhaͤrteten Klumpens bei ruͤckbleibender Milch in den Bruͤſten
oder wohl auch andauerndem Mangel der Menſtruation.


§. 1451.

Von der Gebaͤrmutterſchwangerſchaft iſt es
ſonach nicht allzuſchwer, durch Beruͤckſichtigung der genannten
Zeichen, beſonders des Verhaltens der Vaginalportion, der
heftigen Schmerzen u. ſ. w., die Extrauterinalſchwangerſchaft
zu unterſcheiden. Weit ſchwieriger hingegen iſt, namentlich
in den fruͤhern Monaten, die Unterſcheidung von den Krank-
heiten der Eierſtoͤcke, den Entzuͤndungen, Dege-
nerationen derſelben ſo wie des Uterus
u. ſ. w.,
als bei welchen nur durch Beruͤckſichtigung des bei dieſen
Krankheiten gewoͤhnlichen langſamern Ganges der Anſchwellung,
den Mangel der Veraͤnderung der Vaginalportion, und fuͤhl-
barer Kindestheile, eine beſtimmtere Unterſcheidung moͤglich
iſt (vergl. 1. Thl. §. 531. u. f. u. §. 408. u. f.). Was die Zei-
chen der einzelnen
Arten der Extrauterinalſchwangerſchaft
betrifft, ſo ergeben ſie ſich aus der fruͤhern Geſchichte derſelben
genuͤglich. Bei der Bauchſchwangerſchaft wird das Wohlbefin-
den weniger geſtoͤrt, und die Ausdehnung des Leibes gleichfoͤrmi-
ger ſeyn; bei der innern Eierſtocks- und Muttertrompetenſchwan-
gerſchaft wird der Schmerz heftiger und die Anſchwellung
einſeitiger ſeyn u. ſ. w.


[478]
§. 1452.

Ueber die Urſachen der Schwangerſchaften
außerhalb der Gebaͤrmutter
iſt wohl eine genuͤgende
Beſtimmung kaum moͤglich; als mitwirkende Urſachen koͤnnen
jedoch, wie auch von Meckel bemerkt wird *), hauptſaͤchlich
zweierlei Momente betrachtet werden: 1) Hinderungen in
der Fortbewegung des Ovuli vom Ovario nach dem Uterus,
als welche theils Atonie der Tuba, theils Verſchließungen
ihres Kanals wirken koͤnnen. 2) Uebermaͤßige Erregung im
Ovario oder der Tuba ſelbſt, wodurch dieſe Theile beſtimmt
werden die Entwicklung der Frucht zu uͤbernehmen.


§. 1453.

Daß die Prognoſe bei dieſen Regelwidrigkeiten im
Allgemeinen ſehr unguͤnſtig ſeyn muͤſſe, ergiebt ſich aus dem
Vorhergehenden zur Genuͤge; ſie wird jedoch guͤnſtiger werden
fuͤr Mutter und Kind bei Bauchhoͤhlen- und aͤußern Eier-
ſtocksſchwangerſchaften, am guͤnſtigſten bei Vaginalſchwanger-
ſchaften, ſehr unguͤnſtig hingegen bei Muttertrompeten- und
innern Eierſtocksſchwangerſchaften. Eben ſo iſt die Prognoſe
nach den Ausgaͤngen ſehr verſchiedenartig, am gluͤcklichſten iſt
das zeitige Obliteriren der Frucht, am gefaͤhrlichſten die
Ruptur des abnormen Fruchthaͤlters; die Vereiterung hat man
oͤfters doch gluͤcklich fuͤr das Leben der Mutter ſich endigen
ſehen, ſo wie auch beim Lithopädion allgemeine leidliche
Geſundheit beſtehen kann.


§. 1454.

Die Behandlung dieſer Zuſtaͤnde iſt ſehr ſchwierig
und das Vermoͤgen der Heilkunſt hier ſehr beſchraͤnkt. Was
die fruͤhern Zeitraͤume dieſer Schwangerſchaften betrifft, ſo iſt
hier ſchon wegen der ſchwierigen Diagnoſe oft eine direkte
Behandlung einzuleiten unmoͤglich, und moͤchte ſich denn auch,
[479] außer bei ſicher erkannter innerer Eierſtocks- oder Mutter-
trompetenſchwangerſchaft, kaum etwas außer der doch wieder
an ſich ſehr gefaͤhrlichen und in vielen Faͤllen gar nicht
ausfuͤhrbaren Exſtirpation des abnormen Fruchthaͤlters, in
Vorſchlag bringen laſſen. Die wichtigſte Behandlung tritt
daher vorzuͤglich nur erſt ein, bei voͤlliger Reife des Kindes,
oder dem ſchon fruͤher erfolgten Abſterben deſſelben und
Hinneigung zur eiterigten Aufloͤſung. Bei erfolgter Reife
des Kindes und Zeichen des Lebens iſt aber namentlich Gaſt-
rotomie nach oben gegebenen Regeln (§. 1294. u. f.) indicirt*);
dahingegen bei ſchon eingetretener Eiterung dieſelbe durch
erweichende Mittel zu befoͤrdern, wo moͤglich mehr gegen die
aͤußern Bauchdecken hinzuleiten, und die Reproduktion wie
bei allen innern Eiterungen, durch zweckmaͤßige Diaͤt, China
u. ſ. w. zu unterſtuͤtzen iſt. — Auch bei dieſen Eiterungen
wird uͤbrigens oft noch das Eingreifen der operativen Chirurgie
noͤthig. Die Oeffnung des Abſceßes in den Bauchdecken iſt
mehremale mit gluͤcklichem Erfolge erweitert worden um die
Reſte des Fetus zu extrahiren **), beim Eindringen von
Knochen in die Harnblaſe hat man ſich zum Blaſenſchnitte
genoͤthigt gefunden, u. ſ. w. —


§. 1455.

Bei alle dieſen Operationen uͤbrigens, welche zur Extrak-
tion eines Extrauterinalfetus unternommen werden, macht
nun beſonders die Entwicklung der Nachgeburt Schwierigkeit.
Selten wird man ſie ohne Gefahr heftiger Blutung gewaltſam
trennen koͤnnen, und alſo immer noch ein Eiterungsproceß
zum Abſtoßen derſelben erforderlich ſeyn; weßhalb denn eben
die Faͤlle, wo die Natur ſelbſt die Aufloͤſung der Frucht
uͤbernahm, meiſtens guͤnſtiger fuͤr die Mutter endigen als
die Operationen. Daß dieſes ein Fingerzeig werden muͤſſe,
[480] bei abgeſtorbenen Fruͤchten nicht zu ſehr mit der Operation
zu eilen, nach unternommener Operation aber die Nabelgefaͤße
in der Wunde liegen zu laſſen, bis die (zu befoͤrdernde)
Eiterung die Abſtoßung der Placenta beendigt hat, ergiebt
ſich von ſelbſt. Bei einer in Verhaͤrtung uͤbergehenden Frucht
wuͤrde die Operation ganz unterbleiben. — Findet man ſie bei
der Operation in einer Tuba oder in einem Ovario, ſo ſind
dieſe Theile wie der Uterus beim Kaiſerſchnitt zu behandeln,
dafern es nicht den vorliegenden Umſtaͤnden nach gerathener
ſcheinen ſollte, die Exſtirpation des ganzen abnormen Frucht-
haͤlters zu unternehmen.


II.
Von regelwidriger Dauer der Verbindung der
im Uterus enthaltenen Frucht mit dem muͤtter-
lichen Koͤrper
.

I.
Zu kurze Dauer dieſer Verbindung, Fruͤhgeburt oder
Fehlgeburt (Partus praematurus, fausse-couche).

§. 1456.

Wir verſtehen hierunter eine jede Geburt welche vor
dem Ablauf der ſieben und dreißigſten
Schwanger-
ſchaftswoche erfolgt, und unterſcheiden davon folgende Arten: —
1) Den eigentlichen Mißfall(Abortus) welcher vom
erſten bis vierten Monate, 2) die unzeitige Geburt
(partus immaturus) welche vom fuͤnften bis ſiebenden Monate,
und 3) die fruͤhzeitige Geburt(partus praecox,
praematurus)
welche im achten oder neunten Monate erfolgt.


§. 1457.

Dieſe abnormen Geburten ſind ferner ſehr verſchieden,
jenachdem ſie durch eine oder die andere Veranlaſſung entſtehen.
[481] Wir unterſcheiden hier folgende drei Momente: 1) Mangelhafte,
endlich voͤllig aufhoͤrende Ernaͤhrung der Frucht, und Abſterben
derſelben; 2) mechaniſch bewerkſtelligte Abtrennung der
Frucht vom Uterus; 3) zu zeitig und ohne daß eins der
vorhergenannten Momente fruͤher Statt gehabt haͤtte, eintre-
tendes Erwachen der Zuſammenziehungen des Uterus (der
Wehen). Dieſe Urſachen, weil nach ihnen auch der Ver-
lauf, die Folgen und die Behandlung verſchieden ſind, haben
wir zunaͤchſt zu betrachten.


Anmerkung. Die Fruͤhgeburten wegen Mißbildung des
Eies (Molenbildung) werden wir ſpaͤterhin beſonders
betrachten.


§. 1458.

Was 1) die mangelhafte Ernaͤhrung der Frucht
betrifft, ſo iſt ſie ſelbſt wieder die Folge anderer krankhafter
Verhaͤltniſſe, naͤmlich allgemeiner oder oͤrtlicher, fieberhafter
oder chroniſcher Krankheiten, ſchwaͤchender Ausleerungen, als
oͤfterer Aderlaͤſſe oder ſonſtiger Blutungen, zu ſtarker Abfuͤh-
rungen, heftiger Schweiße, ſchlechter Luft und Nahrung,
deprimirender Gemuͤthsſtimmungen oder heftiger Gemuͤthser-
ſchuͤtterungen, unguͤnſtiger Temperatur (weßhalb in ſehr heißer
ſo wie in ſehr kalter Zeit Fehlgeburten oͤfterer vorkommen).
Oertliche Veranlaſſung giebt vorzuͤglich der Schwaͤchezuſtand
im Geſchlechtsſyſtem, Leukorrhoͤe, vorausgegangene oder noch
Statt findende Syphilis, Blutungen, Waſſerſucht der Gebaͤr-
mutter, noch waͤhrend der Schwangerſchaft fortgeſetztes
Stillen u. ſ. w.


§. 1459.

Durch alle dieſe Umſtaͤnde wird der weibliche Koͤrper fuͤr
Unterhaltung der Fortbildung der Frucht zuletzt unfaͤhig ge-
macht, es erfolgt das Abſterben derſelben, und kuͤndigt ſich
dann gewoͤhnlich durch folgende Zeichen an: — Aufhoͤren der
Kindesbewegungen (dafern die Schwangerſchaft ſchon uͤber die
Haͤlfte vorgeruͤckt war), eintretender, ſich mehremale wieder-
II. Theil. 31
[482] holender Froſt, Gefuͤhl allgemeinen Uebelbefindens, verlorene
Eßluſt, fauliger Geſchmack, Empfindung von Schwere und
Kaͤlte im Unterleibe, wobei die Schwangere das Heruͤber-
und Hinuͤberfallen eines ſchweren Klumpens, im Wenden von
einer zur andern Seite wahrnimmt *); ferner Zuſammenfallen
der Bruͤſte, Erſchlaffung der Vaginalportion und des Mutter-
mundes, Ausfluß von vielem oft gefaͤrbtem und riechendem
Schleim, kuͤhlere Temperatur der Vagina, Kreuzſchmerzen
u. ſ. w. — Iſt nun das Abſterben der Frucht erfolgt, ſo
wird bei aufgehobener Wechſelwirkung zwiſchen Ei und Uterus
die Neigung zur Ausſtoßung des erſtern rege, und erfolgen
denn endlich Wehen ſo geht die Geburt vor ſich. — Die
Zeit wie lange die bereits voͤllig abgeſtorbene Frucht noch im
Uterus bleibt, iſt verſchieden, zuweilen erfolgt das Ausſtoßen
derſelben ſehr bald, zuweilen kann ſie auch wohl eine, ja
mehrere Wochen im Uterus zuruͤckbleiben, ja es laͤßt ſich
hierbei durchaus a priori die moͤgliche Zeit des Zuruͤckbleibens
gar nicht beſtimmen, da wir bei den verzoͤgerten Schwan-
gerſchaften einiger freilich hoͤchſt ſeltener Faͤlle erwaͤhnen werden,
wo die todte Frucht Jahre lang zuruͤckgeblieben war. —
Jenachdem die Frucht uͤbrigens kuͤrzere oder laͤngere Zeit
zuruͤckbleibt, und die Luft weniger oder mehr Zutritt hat
(z. B. bei mehr geoͤffnetem Muttermunde) iſt die Faͤulniß in
welcher Fruchtwaſſer, Kind und Nachgeburt geboren werden,
ſtaͤrker oder ſchwaͤcher. Mitunter erreicht ſie wirklich einen
Grad faſt voͤlliger Aufloͤſung.


§. 1460.

2) Mechaniſch bewerkſtelligte Abtrennung
der Frucht vom Uterus
. Sie iſt entweder nur theilweiſe
geſchehen oder betrifft die ganze Adhaͤſionsflaͤche der Placenta.
[483] Man kann ferner unterſcheiden 1) die Abtrennungen durch
aͤußere Einwirkungen, 2) die von innern Urſachen abhaͤngi-
gen. — Was die erſtern betrifft ſo gehoͤren dahin Fall,
Druck, Stoß, Erſchuͤtterung durch Springen, Laufen, Heben
ſchwerer Laſten u. ſ. w. — Dahingegen zu den letztern das
Einzwaͤngen und Erſchuͤttern des Uterus durch Preſſen der
Bauchmuſkeln und des Diaphragmas, bei anhaltendem Huſten,
Erbrechen, Preſſen beim Stuhlgange, ferner die regelwidrigen
Lagen des Uterus (namentlich Retroversio und Procidentia
uteri),
endlich aber die Trennungen des Eies, durch innere
Verhaͤltniſſe im Uterus bedingt, gehoͤren; Verhaͤltniſſe dieſer
Art ſind: Anheftung der Placenta auf dem Muttermunde
(wovon noch ſpaͤterhin ausfuͤhrlicher gehandelt werden wird),
gleichzeitiges Vorhandenſeyn von Molen und andern Afterge-
bilden (vorzuͤglich Polypen) im Uterus.


§. 1461.

Folgen und zugleich Kennzeichen dieſer Einfluͤſſe ſind
vorzuͤglich die eintretenden Blutungen, welche, jenachdem die
[Trennung] groͤßer oder kleiner iſt, heftiger oder minder heftig
eintreten, meiſtens ſich durch die Vagina ergießen, zuweilen
aber auch bei geſchloſſenem Muttermunde innerliche Blutungen
ſeyn koͤnnen, als ſolche ſich durch das coagulirende Blut
zuweilen ſelbſt ſtopfen, und dann oft, wenn der Abortus
erfolgt, nur durch die Klumpen anhaͤngendes Blut auf der
Placenta oder den Haͤuten ſich zu erkennen geben. Fernere
Wirkung dieſer Blutungen ſind nun, theils Erhoͤhung der
Reizbarkeit des Uterus (eben ſo wie nach einem Blutverluſt
insgemein der geſammte Koͤrper reizbarer und empfindlicher
wird) und dadurch endlich Erwachen der Contraktionen deſſel-
ben; theils Stoͤrung in der Ernaͤhrung der Frucht und Ab-
ſterben derſelben, ſo daß es namentlich darauf ankoͤmmt, wie
lange bereits eine ſolche Trennung der Placenta Statt gefunden
habe, und wie viel Blut ausgegangen ſey, ob die Frucht
noch lebend, oder ob ſie nur abgeſtorben geboren werden
koͤnne.


[484]
§. 1462.

3) Zu zeitig erwachende Contraktionen. Auch
ohne daß fruͤheres Abſterben der Frucht oder mechaniſche Ab-
trennung derſelben vom Uterus erfolgt waͤre, koͤnnen zuweilen
Wehen eintreten und die Fruͤhgeburt bewerkſtelligen, und zwar
namentlich aus folgenden Veranlaſſungen. — a)Durch
Erregungen des Nervenſyſtems vom Gemuͤthe
aus
. So bewirken heftige Leidenſchaften, ploͤtzlicher Schreck*),
heftige Freude u. ſ. w. oft augenblickliches Erwachen der
Wehen, ohne daß vorher die Frucht abgeſtorben, oder eine
durch Blutung angezeigte Trennung der Placenta vorhergegan-
gen waͤre. b) Ferner kann eine gewiſſe Verwoͤhnung des
Uterus
eintreten, wo ein falſcher Schwangerſchaftstermin
von 2, 3, 4 Monaten u. ſ. w. gleichſam zur andern Natur
wird, und um dieſe Zeit denn eben ſo, wie ſonſt zu Ende der
40 Wochen, die Contraktionen erwachen, welches vorzuͤglich
Statt findet wo bereits eine oder mehrere Fruͤhgeburten, ſey
es aus welcher Urſache es wolle, vorher Statt gehabt haben.
Auch hierbei wird die Frucht meiſtens lebend geboren. c) Es
kann aber auch der Consensus zwiſchen dem Uterus
und andern Organen
, und namentlich dem Darmkanal
die fruͤhern Wehen bewirken, wie dieß denn durch heftige
Abfuͤhrungen nicht allzu ſelten geſchieht. d) Endlich koͤnnen
auch den Uterus erregende Mittel den Abortus zur Folge
haben, wie dieß namentlich von der Sabina, Aloë u. ſ. w.
befuͤrchtet werden muß.


§. 1463.

Die Zeichen einer auf ſolche Weiſe veranlaßten Fruͤhgeburt
beſtehen vorzuͤglich darin, daß weder Kennzeichen vom Abſterben
des Kindes, noch Blutabgang, vor begonnenen Wehen,
[485] bemerkt werden, obwohl beides, nach eingetretenen Wehen,
erſcheinen kann. — Uebrigens iſt es ſchon deßhalb wichtig,
die Fruͤhgeburten dieſer dritten Art genau zu unterſcheiden,
da die Kunſt in Verhuͤtung des Mißfalls hier mehr als in
den beiden erſten Gattungen vermag.


§. 1464.

Vorkommen und Verlauf der Fruͤhgeburten.
Im allgemeinen kommen Fruͤhgeburten in den erſten Monaten
der Schwangerſchaft, wegen der noch weniger innigen Adhaͤſion
des Eies, weit haͤufiger als in den ſpaͤtern Monaten vor,
wo ſie ſeltner, aber auch, wegen des ſchon mehr entwickelten
und blutreichern Uterus gefaͤhrlicher ſind. — Der Verlauf
einer Fruͤhgeburt ſelbſt iſt im Ganzen nicht allzuſehr von dem
der natuͤrlichen Geburt verſchieden. Die erſte und zweite
Periode nur, pflegen bei noch vorhandener laͤngerer Vaginal-
portion und groͤßerer Derbheit derſelben, betraͤchtlich ſchmerz-
haft und oft ſehr langwierig zu ſeyn. In den ſpaͤtern Perioden
wird bei den Fehlgeburten in den fruͤhern Monaten namentlich
die Verſchiedenheit bemerkt, daß theils nicht einzeln Frucht-
waſſer, Kind und Nachgeburt geboren werden, ſondern das
ganze Ovulum auf einmal (wegen des noch nicht hinlaͤnglich
entwickelten Mutterkuchens) ausgeſtoßen wird, theils daß das
Kind ſelbſt vermoͤge ſeiner Kleinheit nicht den gewoͤhnlichen
Geburtsmechanismus befolgt, ſondern uͤberhaupt ſchnell, und
(wenn es noch ſehr klein) in jeder Lage, durch das Becken
hindurchgeht. Der Abgang der Nachgeburt wird, vorzuͤglich
bei noch inniger Verbindung derſelben (z. B. im 6. bis 8 Monate)
und wo die zu zeitig erwachten Wehen Urſache der Fruͤhgeburt
ſind, oft gleich der vorbereitenden Periode ungewoͤhnlich verzoͤgert.


§. 1465.

Die Folgen nebſt der aus Erwaͤgung derſelben ſich
ergebenden Prognoſe, ſind bei Fruͤhgeburten den Umſtaͤnden
nach verſchieden. Fuͤr das Kind iſt uͤberhaupt jede Fruͤhgeburt
vor dem achten Schwangerſchaftsmonate toͤdtlich. Nach
[486] dieſer Zeit kann das Kind nur wenn eine nicht zu betraͤchtliche
mechaniſche Trennung, oder die zu zeitig erwachenden Contrak-
tionen allein, die Fruͤhgeburt bewirkten, zuweilen erhalten
werden, und zwar um ſo leichter je kraͤftiger ſeine fruͤhere
Ernaͤhrung war, und je mehr es ſich der Reife genaͤhert hatte.


§. 1466.

Fuͤr den muͤtterlichen Koͤrper ſind Fruͤhgeburten in den
erſten 4 bis 8 Wochen der Schwangerſchaft gewoͤhnlich am
leichteſten, wegen der noch unbetraͤchtlichen Entwicklung des
Uterus. Fruͤhgeburten in den ſpaͤtern Monaten hingegen ſtoͤren
die Geſundheit weit mehr, und ſind auch beſonders wegen der
ruͤckbleibenden Neigung zu wiederholten Fehlgeburten nachthei-
lig. — Außerdem richten ſich die Folgen der Fruͤhgeburt
auch nach der Urſache aus welcher ſie entſtanden ſind. Fruͤh-
geburten bei welchen die Frucht ſchon fruͤher durch erfolgtes
Abſterben vom Uterus ſich getrennt hatte, gehen gewoͤhnlich
leichter von Statten, die Blutung iſt gering und das Wochenbett
(die Heilung des Uterus) erfolgt ſchnell. Fruͤhgeburten durch
ploͤtzlich erwachte Wehen ſind oft ſchon an ſich ſchwieriger
und disponiren im Wochenbette wegen den ploͤtzlich unter-
brochenen Entwicklungs- und Ernaͤhrungsproceßen leichter zu
Krankheiten. Am Gefaͤhrlichſten indeß pflegen die Fruͤhgeburten
aus mechaniſcher Trennung zu werden, da hierbei entweder
die Blutung augenblickliche Lebensgefahr droht, oder doch
nachfolgende Krankheiten wegen Saͤfteverluſt (als Schteimfluͤſſe,
Gelbſuchten, Waſſerſuchten u. ſ. w.) befuͤrchten laͤßt.


§. 1467.

Wir kommen nun zur Behandlung der Fruͤh-
geburten
, und es iſt hierbei zunaͤchſt der prophylakti-
ſchen Regeln
zu gedenken, welche, namentlich wo eine
Frau ſchon ein- oder mehreremale Fruͤhgeburten erlitten hat,
zumal wenn die kritiſche Periode wieder herannaht, beobachtet
werden muͤſſen. Es ſind namentlich folgende: — 1) Vermeidung
jeder ſtaͤrkern Gemuͤths- und Koͤrperbewegung, dagegen
[487] Beibehalten ruhiger horizontaler Lage. 2) Vermeidung des
Coitus. 3) Verhuͤtung von allem wodurch der Leib beengt
und gedruͤckt werden koͤnnte, als Schnuͤrleiber, Blanchets u. ſ.
w., wogegen das Tragen einer zweckmaͤßigen Bauchbinde zu
empfehlen. 4) Muͤſſen Erkaͤltungen und Erhitzungen eben ſo
wie Ueberladungen des Magens und Genuß erhitzender oder
geiſtiger Speiſen und Getraͤnke vermieden werden, und es iſt
zugleich fuͤr regelmaͤßige Unterhaltung der natuͤrlichen Auslee-
rungen Sorge zu tragen.


§. 1468.

Sind ferner bereits Stoͤrungen im Allgemeinbefinden
vorhanden, ſo fordern dieſe eine baldige und zweckmaͤßige
Abhuͤlfe. 5) Zeigt ſich ſonach ein krankhaftes Uebergewicht
der Gefaͤßthaͤtigkeit durch zu reichliche Bluterzeugung, Verdik-
kung der Blutmaſſe und Congeſtionen (ein theils bei ſchwam-
migen und phlegmatiſchen, theils bei ſchwaͤchlichen und ſenſibeln
Koͤrpern waͤhrend der Schwangerſchaft ſehr haͤufiger Fall), ſo
muß ein durchaus antiphlogiſtiſches Regimen, kuͤhlende, verduͤn-
nende Getraͤnke, vegetabiliſche Koſt u. ſ. w., es muͤſſen blande
Abfuͤhrungen, ja oft Venaͤſektionen in Anwendung gebracht
werden, und nur auf dieſe Weiſe iſt es oft moͤglich den Mißfall
zu verhuͤten. 6) Bei großer Reizbarkeit und Schwaͤche mit
Neigung zu krampfhaften Beſchwerden werden vorzuͤglich oft
wiederholte laue Baͤder, ſehr leichte Diaͤt, der ſparſame Genuß
eines guten alten Weines, fruͤh und Abends eine Taſſe vom
Aufguß der Flor. Chamom. oder Rad. Valerian. und ſorg-
faͤltige Vermeidung von allen Gemuͤthsbewegungen, das Mittel
zur Erhaltung der Frucht. Iſt die Schwaͤche ſehr groß, durch
vorausgegangene Blutfluͤſſe u. ſ. w. veranlaßt, ſo muß ein
zweckmaͤßiger toniſcher Heilplan (wie er fuͤr ſolche Folgezuſtaͤnde
ſchon fruͤher beſchrieben worden iſt) befolgt werden; demunge-
achtet wird hierbei doch oft die Fehlgeburt nicht verhuͤtet
werden koͤnnen, indem es uͤberhaupt ſehr unguͤnſtig iſt wenn
ein ſo geſchwaͤchter Koͤrper ſchwanger wird, weßhalb denn
auch nach einem ſolchen Unfalle es zweckmaͤßig iſt, den Coitus
[488] noch laͤngere Zeit zu unterſagen. 7) Drohen endlich falſche
Lagen des Uterus die Bewirkung einer Fruͤhgeburt, ſo muß
das bei den Krankheiten der Schwangern beſchriebene Verfah-
ren in Anwendung gebracht werden.


§. 1469.

Die Behandlung der Fruͤhgeburt ſelbſt iſt
abermals nach den verſchiedenen Urſachen verſchieden einzuleiten.
Fruͤhgeburten denen das Abſterben der Frucht
vorhergegangen iſt
, erfordern eine mehr paſſive Behand-
lung; fuͤr Verminderung der Wehen iſt nichts zu thun, da
das laͤngere Zuruͤckbleiben einer abgeſtorbenen Frucht nicht
gewuͤnſcht werden kann, aber auch kuͤnſtliche Verſtaͤrkung der
Geburtskraft iſt nicht erforderlich, da das Austreiben der
Frucht gemeiniglich an und fuͤr ſich ohne große Schwierigkeit
von Statten geht. Es ſind daher die einzelnen Perioden
hierbei ganz nach den fuͤr die natuͤrliche Geburt aufgeſtellten
Regeln zu behandeln, nur die horizontale Lage bereits in der
zweiten Periode annehmen zu laſſen iſt rathſam, dagegen das
Vorbereiten eines eigentlichen Geburtsbettes mit Geburtskiſſen
und Handhaben meiſtens uͤberfluͤſſig. Eben ſo faͤllt bei kleinen
Fruͤchten die Unterſtuͤtzung des Mittelfleiſches weg, dahingegen
bei Wegnahme der Nachgeburt wegen des ſehr muͤrben Nabel-
ſtranges viel Vorſicht angewendet werden muß. — Auch
fuͤr das Wochenbett gelten die gewoͤhnlichen Regeln, und,
auch daß meiſtens hierbei nicht ſehr viel Milchandrang bemerkt
wird, beguͤnſtigt einen ſchnellern und leichtern Verlauf dieſer
Periode. Erfolgen (was jedoch hier ſeltner vorkommt)
Blutungen, ſo muß eben ſo wie bei der folgenden Gattung
verfahren werden.


§. 1470.

Die Fruͤhgeburten durch gewaltſame Tren-
nung der Placenta
machen in ihrer Behandlung
die Beruͤckſichtigung der Blutung zum wichtigſten
[489] Gegenſtande. Man hat demnach vorzuͤglich Folgendes zu
erwaͤgen: 1) ob nicht vielleicht wenn man zu der Kranken
kommt, bereits die Frucht mit dem Blut (beſonders dem
geronnenen) fortgegangen ſey, welches in den fruͤhern Monaten
manchmal von den Schwangern ganz unbemerkt, geſchieht, weß-
halb denn das abgangene Blut ſtets genau zu unterſuchen iſt.
Waͤre dieß nun etwa wirklich der Fall, ſo tritt ſodann gegen fort-
dauernde Blutung nur das oben erwaͤhnte Verfahren gegen
Schwaͤche des Uterus in und nach der fuͤnften Geburtsperiode
ein (ſ. §. 1368). — Iſt jedoch die Frucht noch ganz
oder theilweiſe zuruͤck, ſo ſind zwei Faͤlle moͤglich, es kann
naͤmlich dieſelben zu erhalten, und die Fruͤhgeburt zu verhuͤten
noch Hoffnung ſeyen, oder nicht. — Die Entſcheidung hieruͤber
haͤngt wieder von der Heftigkeit der Blutung und den eintre-
tenden Wehen ab.


§. 1471.

Iſt die Blutung nicht allzuheftig, hat die Urſache der-
ſelben bereits zu wirken aufgehoͤrt, oder laͤßt ſie ſich durch
die Kunſt beſeitigen, und ſind die Wehen ſchwach oder noch
gar nicht eingetreten, der Muttermund alſo noch nicht eroͤffnet,
ſo ordnet man zunaͤchſt ruhige horizontale Lage, Entfernung
beengender Kleider, und nur maͤßig erwaͤrmte reine Zimmer-
luft an, entfernt alle uͤberfluͤſſigen Perſonen und ſucht das
Gemuͤth der Kranken zu beruhigen. Die poſitive Behandlung
ſey auf Verminderung der Reize gerichtet, man reicht kuͤhlende
ſaͤuerliche Getraͤnke, Limonade, Cremor tartari mit Nitrum,
Pulpa Tamarindorum
u. ſ. w., ja wenn der Orgasmus
heftig iſt und Congeſtionen Statt finden, ſo werden zuweilen
ſelbſt Blutentziehungen aus den Armvenen nicht entbehrt
werden koͤnnen. Iſt auf dieſe Weiſe der Unruhe des Gefaͤß-
ſyſtems begegnet, ſo benutzt man die Einwirkung der antiſpaſ-
modiſchen Mittel um die beginnenden Wehen zu verhuͤten oder
zu vermindern. Einige Dover’ſche Pulver, das Castoreum,
die Valeriana, u. ſ. w. ſo wie die verduͤnnten mineraliſchen
Saͤuren, wirken hierbei wohlthaͤtig.


[490]
§. 1472.

Unter dieſer Behandlung wird es ſich zeigen ob die
Blutung nebſt Wehen ſich mindert, und in dieſem Falle faͤhrt
man in gemindertem Grade noch einige Zeit mit dieſen Mitteln
fort, laͤßt noch laͤnger eine ſtrenge Ruhe beobachten, und
beſchließt die Cur durch einige ſtaͤrkende Mittel und Empfeh-
lung groͤßter Vorſicht ruͤckſichtlich der Erregungen des Koͤrpers
und des Gemuͤthes. Oder aber es nehmen die Wehen zu, und
alsdann, ſobald der Muttermund einmal ſich wirklich einiger-
maßen zu oͤffnen angefangen hat, iſt die Fruͤhgeburt als
unvermeidlich zu betrachten. Fuͤr dieſen Fall wird dann die
weitere Behandlung blos durch den Grad der Blutung beſtimmt.
Iſt dieſe fortwaͤhrend unbetraͤchtlich und weder der Mutter
noch (dafern es uͤberhaupt ſchon lebensfaͤhig iſt) dem Kinde
gefahrdrohend, ſo wird die Geburt in horizontaler Lage und
ohne daß irgend Preſſen geſtattet wird, gleich einer natuͤrlichen
abgewartet. Nimmt hingegen die Blutung zu, ſo wird es
noͤthig den Geburtsverlauf zu beſchleunigen, theils indem
man durch R. cinamomi, Auftroͤpfeln von Naphtha auf den
Unterleib u. ſ. w. die Contraktion des Uterus mehr anregt,
theils indem man durch operative Huͤlfe die Verkleinerung des
Uterus befoͤrdert, wohin zunaͤchſt das Sprengen der Eihaͤute
gehoͤrt (indem nach abgefloſſenem Waſſer der Uterus ſich weit
mehr zuſammenzuziehen Raum findet), theils in hartnaͤckigen
und dringenden Faͤllen (vorzuͤglich wo innere Bedingungen
Statt finden, wie etwa Placenta praevia oder Procidentia
uteri
) ſelbſt das oben beſchriebene Accouchement forcé und
die ſomit bewerkſtelligte voͤllige Entleerung des Uterus. Bleiben
auch nach dieſer noch Blutergießungen (innere oder aͤußere)
zuruͤck, ſo muß die fruͤher (Thl. 1. §. 278 u. fgg.) gelehrte Be-
handlung der Metrorrhagie eintreten. — Eben ſo iſt zu verfah-
ren, wenn gleich anfaͤnglich die Blutung mit Gefahr drohender
Heftigkeit eintritt.


§. 1473.

Endlich die Behandlung der Fruͤhgeburten
durch zu zeitig erwachende Contraktionen
betreffend,
[491] ſo muͤſſen wir hierbei zunaͤchſt auf Beſeitigung der erregenden
Urſachen und auf Ausgleichung allgemeiner Verſtimmungen
des Wohlbefindens nach den §. 1468. gegebenen Regeln,
hinwirken *). Ferner iſt die ſtrengſte koͤrperliche und geiſtige
Ruhe, und die Anwendung von Mitteln welche den Erethis-
mus im Gefaͤß- und Nervenſyſtem mindern (wohin außer dem
allgemeinen antiphlogiſtiſchen Regimen vorzuͤglich die kleinen
Gaben des Opiums gehoͤren) angezeigt, und anzuempfehlen,
daß wenn hierauf die Wehen ſich vermindern doch noch laͤn-
gere Zeit die oben (§. 1467. u. 68.) genannten prophylak-
tiſchen Regeln genau beobachtet werden. Zeigt ſich aber durch
Fortſchreiten der Eroͤffnung des Muttermundes die Fruͤhgeburt
unvermeidlich, ſo muß die weitere Behandlung ſodann der
fuͤr die natuͤrliche Geburt nothwendigen voͤllig entſprechen,
nur daß auch hier die horizontale Lage beobachtet werde, Ver-
arbeiten der Wehen unterbleibe, und bei ſich etwa ſpaͤter
hinzugeſellenden Blutungen ganz nach den §. 1471. u. 72.
aufgeſtellten Regeln gehandelt werde.


§. 1474.

Nach einer jeden Fruͤhgeburt uͤbrigeus, da ſie gern Dis-
poſition zu erneuerten Fehlgeburten, oͤrtlichen und allgemeinen
Krankheiten hinterlaͤßt, iſt eine ſorgfaͤltige aͤrztliche Behandlung
theils um die etwa im Koͤrper ſchon fruͤher gelegenen disponiren-
den Momente, (z. B. Gebaͤrmutterpolypen, Syphilis, Leukorrhoͤe
u. ſ. w.) theils um die Folgen der Fruͤhgeburt (oͤrtliche und
allgemeine Schwaͤche u. ſ. w.) gruͤndlich zu beſeitigen, un-
entbehrlich. Auf jeden Fall aber iſt die Gelegenheit zu neuer
Empfaͤngniß fuͤr laͤngere Zeit durchaus zu vermeiden, da auſ-
ſerdem haͤufig baldige Wiederholung des Abortus und noch
groͤßere Zerruͤttung des Koͤrpers zu befuͤrchten ſteht. — Reiſen,
Beſuchen mineraliſcher Baͤder ſind als Nachkuren oft vortreffliche
Huͤlfsmittel.


[492]
II.
Zu lange Dauer der Verbindung zwiſchen Frucht und
Uterus. Spaͤtgeburt (Partus serotinus).

§. 1475.

Die Dauer einer Schwangerſchaft uͤber 40 Wochen hat
in wie weit ſie moͤglich ſey, zu verſchiedenen Streitigkeiten
Veranlaſſung gegeben. Man muß hierbei unterſcheiden die
Betrachtung der Moͤglichkeit einer verlaͤngerten Schwangerſchaft
und die Erwaͤgung der wirklich beobachteten Faͤlle. Was
die Moͤglichkeit betrifft, ſo laͤßt ſich dieſe durchaus nicht laͤug-
nen, und es hat an ſich gar nichts Widerſprechendes, daß
unter gewiſſen Bedingungen die Frucht laͤngere Zeit als ge-
woͤhnlich im Uterus zuruͤckbleiben und ſelbſt fortleben kann,
ja es wird das letztere ſchon durch das obenerwaͤhnte lange
Fortleben der Fruͤchte in der Bauchhoͤhle wahrſcheinlich. Was
nun aber die wirklich beobachteten Faͤlle von verlaͤngerter
Schwangerſchaft anbelangt, ſo iſt es zuvoͤrderſt bei Kuͤhen
eine nicht allzuſeltene Erſcheinung, ein laͤngeres Zuruͤckbleiben
einer Frucht im Uterus zu beobachten, wobei die Frucht ent-
weder voͤllig erhalten bleibt, oder bis auf die Knochen aufge-
loͤſt wird; indeß auch im menſchlichen Geſchlechte iſt dieſes
vorgekommen und W. Lawrence*) erzaͤhlt einen Fall wo
nach vergeblichen Anſtalten zur Geburt ein Fetus 52 Jahre
im Uterus, welcher ſich verknoͤcherte, zuruͤckblieb, und ein aͤhn-
liches Beiſpiel wird auch im 1. Bd. der Abhandlungen
der mediciniſch-chirurgiſchen Joſephsakademie zu
Wien
mitgetheilt.


§. 1476.

Es iſt ſonach keinem Zweifel unterworfen daß die ver-
laͤngerte Schwangerſchaft moͤglich ſey und, wenn auch ſelten,
doch zuweilen wirklich vorkomme, allein es ergiebt ſich auch,
[493] daß eine feſte Grenze hierbei nicht geſteckt werden koͤnne.
Nimmt man z. B. mit manchen Geburtshelfern an, daß nur
42 oder 46 woͤchentliche Schwangerſchaften moͤglich ſeyen, oder
ſetzen manche Geſetzbuͤcher die groͤßtmoͤgliche Dauer einer
Schwangerſchaft auf 302 Tage (wie das Preußiſche) oder auf
300 Tage (wie der Code Napoleon) *), ſo iſt dieß eine
durchaus willkuͤhrliche Beſtimmung, welche nichts fuͤr ſich
hat als die große Seltenheit der wirklich um 2 und mehrere
Wochen verſpaͤteten Geburten, von welchen uͤbrigens doch
Beiſpiele an mehrern Orten aufgezeichnet gefunden werden **).


§. 1477.

Zeichen der verlaͤngerten Schwangerſchaft;
wir theilen ſie in die vor der Niederkunft, und die bei und
nach derſelben wahrnehmbaren. Waͤhrend der Schwanger-
ſchaftszeit ſelbſt wuͤrde allerdings die Schwangerſchaftsrechnung
das beſtimmteſte Kennzeichen abgeben, nur daß hier ſo leicht
und ſo oft, theils abſichtliche theils unwillkuͤhrliche Taͤuſchungen
Statt finden, worauf man denn Ruͤckſicht zu nehmen, und
nie den Angaben der Schwangern zu unbedingt Glauben
beizumeſſen hat. Außerdem wuͤrde es auf abnorme Verlaͤn-
gerung der Schwangerſchaft ſchließen laſſen, wenn, nachdem
der Leib ſeine groͤßte Ausdehnung erreicht, ſich geſenkt, und
die Vaginalportion ſich verkuͤrzt hat, doch die Niederkunft
zur erwarteten Zeit nicht eintritt, wohl aber andere Beſchwer-
den, Schwellen der Fuͤße, Kreuzſchmerzen u. ſ. w. ſich aͤußern.
Endlich wenn mehrere von den Urſachen der Spaͤtgeburt vor-
handen ſind.


[494]
§. 1478.

Bei der Niederkunft wird die Spaͤtgeburt charakteriſirt
durch den ſchwierigen Verlauf wegen zu betraͤchtlicher Staͤrke
des Kindes und uͤbermaͤßiger Ausdehnung des Uterus; an dem
Kinde zeigen ſich die Fontanellen und Naͤthe oft verknoͤchert,
und die Schwere und Laͤnge des Kindes ungewoͤhnlich ver-
mehrt. — Es ergiebt ſich hieraus, daß die Folgen der zu
lange dauernden Schwangerſchaft mit denen des zu engen
Beckens beinahe voͤllig uͤbereinſtimmen, nur daß hier auch ſchon
vor beginnender Geburt der Koͤrper von der widernatuͤrlichen
Dauer der Ernaͤhrung des Kindes leiden muͤſſe, ja ſich die
Folgen der Erſchoͤpfung bis nach der Geburt fortſetzen und
mancherlei Krankheiten erzeugen koͤnnen.


§. 1479.

Die Urſachen welche Verſpaͤtung der Geburt veran-
laſſen genau auszumitteln, reichen die bisherigen Faͤlle ſchwerlich
zu; wahrſcheinlich iſt es, daß namentlich verminderte Reiz-
barkeit des Geſchlechtsſyſtems, Schwaͤche, Degenerationen im
Uterus u. ſ. w., Erſchoͤpfungen der Nervenkraft uͤberhaupt durch
phyſiſche oder pſychiſche Urſachen, zu große Anhaͤufung des
Fruchtwaſſers u. ſ. w., hierher gehoͤren.


§. 1480.

Die Behandlung dieſes Zuſtandes vor dem Eintritt
wahrer Geburtsthaͤtigkeit wird zunaͤchſt theils die Urſachen
der abnormen Verzoͤgerung zu beſeitigen ſuchen muͤſſen, welches
durch aromatiſche Baͤder, toniſche gelind erregende Mittel, in
manchen Faͤllen wohl geſchehen kann, theils, wenn die laͤngere
Dauer wirklich fuͤr die Mutter durch anderweitige Zufaͤlle
gefahrdrohend wird, in dem zum Behuf der kuͤnſtlichen Fruͤh-
geburt beſchriebenen Verfahren ein Mittel zur Beendigung
der Schwangerſchaft [finden]. — Die Behandlung waͤhrend
der Geburt ſelbſt iſt ganz die welche wir fuͤr das verengerte
Becken beſchrieben haben, und haͤufig wird der Kunſt auch
[495] hier die Beendigung der Entbindung anheim fallen. Nach
der Entbindung endlich werden aͤhnliche Maaßregeln wie nach
der Fruͤhgeburt zur Beſeitigung der krankhaften Dispoſition
und nachgebliebenen Folgen ergriffen werden muͤſſen. —


III.
Von regelwidriger Entwicklung der Frucht
innerhalb, zuweilen auch außerhalb des Ute-
rus, oder von den Molen-Schwangerſchaften
und Geburten
.

§. 1481.

Wir haben in der Pathologie des Fetus bemerkt, daß
die krankhaften Zuſtaͤnde welche im Leben der Frucht vorkom-
men koͤnnen, ſich faſt ſaͤmmtlich durch abnormes Bilden
zu erkennen geben muͤſſen, und ſodann die regelwidrigen
Bildungen des Fetus ſelbſt im Allgemeinen betrachtet, allein
auch die geſammte Frucht kann gleich vom Beginn ihrer Bil-
dung an entweder ſo unvollkommen ſich organiſiren, oder ſo
voͤllig degeneriren, daß ihr eigentlicher Kern, der Embryo,
entweder ſich gar nicht geſtaltet oder bald wieder obliterirt.
Man nennt eine ſolche Frucht, welche demnach aus den bloſ-
ſen aͤußern Bildungsorganen, den degenerirten Eihuͤllen
beſteht, Mola,Mondkalb, unfoͤrmliches Fruchtge-
waͤchs
.


§. 1482.

Nach der verſchiedenen Subſtanz aus welchen die Molen
beſtehen, theilt man ſie in mehrere Arten. Einmal naͤm-
lich bildet das degenerirte Ei eine einzige Hoͤhle, oft von
verdickten meiſtens ſchwammigen, oder fleiſchigen, oder ſehnigen
Huͤllen umſchloſſen und innerlich Waſſer, Blut oder Luft ent-
haltend. Hierher gehoͤren die ſchwammige Mole, die
[496]Fleiſchmole, ſehnige Mole, die Waſſer-, Blut- oder
Luftmole(Mola fungosa, carnosa, tendinosa, aquosa,
cruenla, ventosa).
Ein andermal zeigen ſich in den Huͤllen
kalkige Ablagerungen(Mola calcarea), oder bei lange
Zeit zuruͤckbleibenden Molen erfolgt wohl eine voͤllige Verknoͤ-
cherung derſelben (Mola ossea), welche dann die ſogenannten
Steine bilden, die man von Zeit zu Zeit im Uterus
angetroffen hat. Endlich aber entſtehen zuweilen auch Molen
welche aus einem Aggregat ſehr vieler Blaſen gebildet werden,
wahrſcheinlich indem ſich die aufſaugenden Bulbi an den Spi-
tzen der Saugfaſern des Chorions zu bald kleinern bald groͤ-
ßern mit ſeroͤſen Fluͤßigkeiten gefuͤllten Blaſen ausdehnen,
Blaſenmole(Mola vesicularis, hydatica). Dieſe letztern
erreichen oft einen ſehr betraͤchtlichen Umfang, dem der aus-
getragenen Frucht aͤhnlich, dahingegen die erſtern meiſtens
kleiner ſind und in der Groͤße eines 2, 3, bis 4 monatlichen
Eies abzugehen pflegen. Selten iſt es der Fall, daß bei
einem drei- oder fuͤnfmonatlichen Embryo noch eine Degenera-
tion in den Eihuͤllen zu molenartigen Maſſen Statt findet,
doch iſt es vorgekommen *)


§. 1483.

Die Zufaͤlle welche durch dergleichen Molen waͤhrend
der Schwangerſchaft und Geburt hervorgebracht werden, ſind
folgende: — In der Schwangerſchaft wird gewoͤhnlich in
den fruͤheſten Wochen (bis zur 6. oder 8.) nichts ungewoͤhnli-
ches wahrgenommen, ſpaͤterhin aber, namentlich bei den
Blaſenmolen, wird ein laͤſtiges oft mit Schmerz verbundenes
ſchnelles Anwachſen des Leibes bemerkt, oͤfters geſellen ſich
Blutungen, welche von Zeit zu Zeit wiederkehren und von
[497] der unvollkommenen Verbindung dieſer degenerirten Frucht mit
dem Uterus abhaͤngig ſind, hinzu, ſchwaͤchen den Koͤrper
durch anhaltenden (auch von dem lurnrirenden Fortwachſen
der Frucht abhaͤngigen) Saͤfteverluſt, verurſachen Sinken der
Reproduktion, Anſchwellen der Fuͤße u. ſ. w. — Bleibt eine
ſolche Mola ganz zuruͤck und verknoͤchert, ſo wird ſie Unfrucht-
barkeit und die Beſchwerden, welche Folgen der andern De-
generation der Uterinſubſtanz (ſ. Thl. 1. §. 417) ſind, zur
Folge haben. Liegt endlich die Mola neben einem regelmaͤßig
gebildeten Ei, ſo wird ſie durch ihren Druck die Fruͤhgeburt
deſſelben bewirken.


§. 1484.

Die nachtheiligen Folgen fuͤr den Geburtsverlauf be-
ſtehen hauptſaͤchlich in den ſich zu ſolchen Niederkunften
hinzugeſellenden Blutungen, welche theils davon, daß dieſe
Molen auf unvollkommne Weiſe mit dem Uterus ſich verbanden,
theils von der ploͤtzlichen Entleerung des Uterus durch die
mit einemmale austretende Mola abhaͤngig ſind.


§. 1485.

Die Zeichen der Molen ſind vor der Niederkunft oft
ſehr unbeſtimmt, nur wenn, nachdem die Zeichen augehender
Schwangerſchaft uͤberhaupt bemerkt werden, die Ausdehnung
des Leibes ſchnell zunimmt, ſo daß derſelbe ſchon im 4. oder
5. Monat beinahe den Umfang des zehnmonatlich ſchwangern
Leibes erhaͤlt, wenn dabei keine Kindestheile und Kindesbewe-
gungen bemerkt werden, allgemeines Unwohlſeyn, periodiſcher
Blutabgang, Schleimfluß, Oedem u. ſ. w. bemerkt wird, laͤßt
ſich mit ziemlicher Beſtimmtheit auf das Vorhandenſeyn einer
Mole und zwar einer Blaſenmole ſchließen. In den meiſten
Faͤllen giebt jedoch theils die ohne anderweitige auszumittelnde
Urſachen eintretende Fruͤhgeburt *), theils die beim Beginn
II. Theil. 32
[498] der Wehen ſich zeigende Blutung, der Abgang einzelner
Hydatiden *) mit derſelben, und die Beſchaffenheit der in den
Muttermund ſich herabdraͤngenden Fruchttheile ſelbſt, genuͤgen-
den Aufſchluß uͤber dieſen Zuſtand.


§. 1486.

Die Behandlung kann waͤhrend der Schwangerſchaft
nur auf Unterſtuͤtzung der Reproduktion, Empfehlen eines
ruhigen Verhaltens, und Anwendung der gelindern toniſchen
Mittel gerichtet ſeyn. Waͤhrend der beginnenden Geburt aber,
muß ganz daſſelbe Verfahren wie bei einer durch mechaniſche
Abtrennung bewirkten Fruͤhgeburt beobachtet, und alſo haupt-
ſaͤchlich die Blutung beruͤckſichtigt werden. — Horizontale
Lage und Nichtverarbeiten der Wehen iſt demnach durchaus
zu beobachten, das Empfangen der Mola an den aͤußern Ge-
burtstheilen gerade ſo wie beim Abgange der Nachgeburt zu
handhaben, dafuͤr daß nichts abreiße und zuruͤckbleibe zu ſorgen,
und die Frucht zu weiterer Unterſuchung ſogleich in ein bereit
gehaltenes Gefaͤß zu legen. Unterſtuͤtzung des Dammes wird
nur bei feſten und großen Fleiſchmolen noͤthig; Blutungen
welche nach dem Abgange der Mole andauern oder ſich ver-
ſtaͤrken, fordern die oben (§. 1368) beſchriebene Behandlung
der Schwaͤche der Gebaͤrmutter in der fuͤnften Periode, alſo
Friktionen, Injektionen, u. ſ. w. — Anordnung eines ſtaͤr-
kenden Heilplans als Nachkur iſt auch hier gewoͤhnlich
unentbehrlich. — Lange zuruͤckbleibende, ſich verhaͤrtende Molen
laſſen faſt ſo wenig als die Steatomata uteri eine vollſtaͤn-
dige Beſeitigung, ſondern nur zuweilen Milderung einzelner
Symptome zu.


[499]
II. Regelwidrige Geburten durch abnormes
Verhalten einzelner Theile der Frucht.

I.
Regelwidrigkeiten in den Eihaͤuten.

1.
Zu große Feſtigkeit derſelben.

§. 1487.

Eine ziemlich haͤufige Regelwidrigkeit, welche ſich bei
beginnender Geburt zu erkennen giebt durch die koͤrnige dickere
Subſtanz der die Blaſe im Muttermunde formirenden Haͤute,
und den verzoͤgerten Abfluß des Kindeswaſſers, ſelbſt bei voͤllig
erweitertem Muttermunde. Beſtimmte Urſachen welche dieſe
Verdickung zur Folge haͤtten, laſſen ſich wohl ſchwerlich an-
geben. — Die Nachtheile welche fuͤr das Geburtsgeſchaͤft
dadurch veranlaßt werden koͤnnen, ſind nicht unbedeutend.
Es gehoͤrt hierher 1) Verzoͤgerung der Muttermundseroͤffnung,
wenn zugleich eine im Allgemeinen zu ſtarke Anhaͤufung des
Fruchtwaſſers Statt findet, oder groͤßere Anſammlung deſſelben
im untern Raume des Eies vor dem Kindeskopfe, Reitzung
der Muttermundsraͤnder und Spannung des untern Gebaͤr-
mutterſegments hervorbringt.


§. 1488.

Gefaͤhrlicher wird aber 2) die dadurch zuweilen veran-
laßte Geburt des Kindes mit den uͤber den Kopf geſpannten
Eihaͤuten (mit einer Gluͤckshaube, Caput galeatum).
Die ſtark gedehnten Haͤute naͤmlich, bringen hierbei einen Zug
an der Placenta zu Wege, welcher entweder ein fruͤhzeitiges
Trennen derſelben und betraͤchtliche Blutungen (zumal wenn
die Placenta wirklich mit dem Kinde geboren, und der Uterus
ſonach ploͤtzlich voͤllig entleert wird) zur Folge haben muß, oder
[500] ſogar bei feſterer Adhaͤſion des Mutterkuchens voͤllige Umſtuͤl-
pung der Gebaͤrmutter herbeifuͤhren kann.


§. 1489.

Die Behandlung iſt hierbei ſehr einfach, und wird leicht
im Stande ſeyn die ſonſt zu befuͤrchtenden Abnormitaͤten zu
verhuͤten. Immer iſt naͤmlich das Sprengen der Eihaͤute nach
oben gegebenen Regeln das zweckmaͤßigſte Huͤlfsmittel, und wird
nothwendig theils unter den eben erwaͤhnten Umſtaͤnden (§. 1487)
noch vor voͤlliger Erweiterung des Muttermundes, theils durch-
gaͤngig, ſobald die Blaſe tief in den Muttermund ſich herab-
draͤngt, oder gar durch den nachfolgenden Kindestheil hervor-
getrieben wird. — Waͤre durch die Verſaͤumung dieſer
Huͤlfsleiſtung bereits partielle oder totale Trennung der Placenta,
Blutung, Umſtuͤlpung des Uterus, eingetreten, ſo wird zwar
immer noch Trennung der Haͤute unumgaͤnglich nothwendig
ſeyn, ſodann aber werden die ſonſtigen veranlaßten Regelwidrig-
keiten ihrer beſondern Natur nach behandelt werden muͤſſen.


2.
Zu geringe Feſtigkeit der Eihaͤute.

§. 1490.

Es iſt ebenfalls nicht ſelten der Fall, daß die zu duͤn-
nen Haͤute weit fruͤher als eigentlich geſchehen ſollte, d. ſ.
lange vor voͤlliger Erweiterung des Muttermundes zerreißen,
und es geſchieht dieß um ſo leichter, je groͤßer die Menge
des Fruchtwaſſers iſt. Fuͤr das Geburtsgeſchaͤft fuͤhrt dieſer
fruͤye Waſſerabfluß bei Perſonen welche ſchon geboren haben,
wo der Muttermund ſehr nachgiebig iſt, oder wo ſehr viel
Fruchtwaſſer vorhanden war, gewoͤhnlich gar keinen Nachtheil
herbei; hingegen wo an und fuͤr ſich die Eroͤffnung des
Muttermundes ſchwer von Statten geht, ſey es durch Rigi-
ditaͤt deſſelben, Neigung zu krampfhaften Zuſammenziehungen,
oder entzuͤndlichen Zuſtand, muͤſſen auch uͤbele Folgen deutli-
cher bemerkt werden.


[501]
§. 1491.

Es gehoͤrt hierhin die widernatuͤrliche Verzoͤgerung der zwei-
ten Geburtsperiode nebſt ſehr verſtaͤrkter Schmerzhaftigkeit der
vorbereitenden Wehen, daraus ſich ergebende ſtaͤrkere Erſchuͤt-
terung des muͤtterlichen Koͤrpers, Gefahr ſtaͤrkerer Gebaͤrmutter-
entzuͤndung oder heftigerer krampfhafter Wehen, ja endlich
ſelbſt vermehrte Gefahr fuͤr das Kind, da daſſelbe bei zeitigem
Abgange des Waſſers offenbar mehr leidet und leichter ab-
ſtirbt als bei dem zur rechten Zeit erfolgenden Zerreißen der
Haͤute.


§. 1492.

Die Behaudlung kann nur die durch zu fruͤhen
Waſſerabgang wirklich entſtandenen ſonſtigen Abnormitaͤten
beruͤckſichtigen. Trockenheit, angehender Entzuͤndungs-Zuſtand
der Genitalien, wird ſonach Injektionen, Baͤder u. ſ. w.
(ſ. §. 1063) noͤthig machen. Bei ſehr langwieriger Dauer
der zweiten Periode und ſinkender Geburtskraft in der dritten
und vierten, wird es nach fruͤhem Waſſerabgange eher noͤthig
werden zur kuͤnſtlichen Huͤlfe zu ſchreiten; krampfhafte oͤrtliche
oder allgemeine Zufaͤlle machen Anwendung innerlicher und
aͤußerlicher, gleichfalls fruͤher erwaͤhnter antiſpaſtiſcher Mittel
nothwendig u. ſ. w.


3.
Widernatuͤrliche Adhaͤſionen der Eihaͤute.

§. 1493.

Waͤhrend der Schwangerſchaft ſind die Eihaͤute der
geſammten innern Gebaͤrmutterflaͤche locker anhaͤngend, allein bei
den beginnenden Wehen ſollen ſie ſich abloͤſen, das Stellen der
Blaſe dadurch beguͤnſtigen und ſelbſt einigermaßen den Abgang
der Nachgeburt ſchon mit vorbereiten. Zuweilen jedoch zeigt
ſich das Chorion an einzelnen Stellen verdickt, blutreicher,
die Verbindung deſſelben mit dem Uterus inniger als gewoͤhnlich,
[502] und dadurch eine ſchwierigere und ſchmerzhafte Trennung
deſſelben bedingt. Es aͤußert ſich dieſes meiſtens durch einen
fixen Schmerz welcher waͤhrend der zweiten Periode an einer
beſtimmten Stelle des Uterus empfunden wird, und durch
ſtaͤrkeres Zeichnen (Blutabgehen) in dieſem Zeitraume; laͤßt
ſich indeß faſt immer nur erſt durch Unterſuchung der abge-
gangenen Nachgeburt mit Beſtimmtheit ausmitteln. Da nun
uͤbrigens auch eine beſondere Behandlung hierbei nicht Statt
findet und die Regelwidrigkeit uͤberhaupt unter die weniger
bedenklichen gehoͤrt, ſo mußte ſie nur als eine zur Erklaͤrung
der genannten Symptome naͤher zu kennende pathologiſche
Erſcheinung hier mit erwaͤhnt werden.


II.
Regelwidrigkeiten des Mutterkuchens
.

1.
Vorliegender Mutterkuchen (Placenta praevia).

§. 1494.

Eine hoͤchſt gefaͤhrliche Regelwidrigkeit welche demun-
geachtet erſt ſeit Anfange des achtzehnten Jahrhunderts, nachdem
eine Leichenoͤffnung daruͤber Aufſchluß gegeben hatte *), richtig
gewuͤrdigt wurde, entſteht, ſobald der Mutterkuchen, anſtatt
wie gewoͤhnlich im Grunde des Uterus ſich anzuheften, am
Rande oder in der Mitte auf dem innern Muttermunde ein-
gewurzelt iſt. Die Urſachen welche eine ſo ungewoͤhnliche
Bildung deſſelben herbeifuͤhren koͤnnen, ſind, ſo weit bisherige
Beobachtungen reichen, durchaus nicht mit Zuverlaͤſſigkeit
anzugeben; man beobachtet dieſe Abnormitaͤt bald bei Erſtge-
baͤrenden bald bei Mehrgebaͤrenden, bei geſunden und ſchwaͤch-
lichen Subjekten, und muß ſchon ebendadurch uͤber die urſaͤchlichen
[503] Verhaͤltniſſe in voͤlliger Ungewißheit bleiben. Merkwuͤrdig iſt
es, daß man in den meiſten Faͤllen bei dem Sitze des Mut-
terkuchens auf dem Muttermunde auch falſche Lagen des
Kindes (wohl als Folgen jener abnormen Adhaͤſion), wahrnimmt.


§. 1495.

Die Folgen des aufſitzenden Mutterkuchens ſind theils
ſchon in der Schwangerſchaft, theils bei beginnender Geburts-
arbeit bemerklich. Waͤhrend der Schwangerſchaft bewirkt das
allmaͤhlige Verkuͤrzen des Mutterhalſes und die immer zuneh-
mende Ausdehnung des unterſten Gebaͤrmutterſegments, daß
die Placenta an einzelnen Stellen vom Uterus ſich zu trennen
anfaͤngt, und alsbald ergießen geoͤffnete Venenmuͤndungen des
Uterus Blut. Es geſchieht dieß gewoͤhnlich erſt nach zuruͤck-
gelegter erſter Haͤlfte der Schwangerſchaft und am haͤufigſten
in 7. 8. oder 9. Monate. Iſt nun die Blutung nicht allzuheftig
ſo kommt ſie gewoͤhnlich nach und nach, durch Bildung
geronnener Blutklumpen, welche tamponirend wirken, zum
Stillſtand, die Schwangerſchaft ruͤckt weiter, bis in einiger
Zeit erneuerter Blutfluß eintritt. Durch einen ſtarken Blut-
verluſt dieſer Art kann auch ſelbſt die Schwangerſchaft fruͤh-
zeitig unterbrochen und eine Fehlgeburt veranlaßt werden.


§. 1496.

Vorzuͤglich gefaͤhrlich aber wirkt dieſe Regelwidrigkeit
immer bei eintretenden Wehen; indem naͤmlich der Mutter-
mund ſich erweitert, muß nothwendig die Placenta immer
weiter ſich abtrennen, und die Blutung welche gewoͤhnlich
ſchon mit den erſten Wehen eintritt, an Heftigkeit immer
mehr zunehmen, ja es kann, bei mitten auf dem Mutter-
munde aufſitzender Placenta, ſogar dahinkommen, daß dieſe
vor dem Kinde ausgetrieben wird, wobei denn natuͤrlich der
Blutverluſt ſo bedeutend ſeyn muß, daß Kind und Mutter
gewoͤhnlich eine Beute des Todes werden. — Die Prognoſe
wird daher ſtets um ſo uͤbeler, je mehr centriſch der Mutter-
kuchen auf dem Muttermund aufgeheftet iſt, je laͤnger, wenn
[504] der Geburtsarzt hinzugerufen wird, die Blutungen bereits
gedauert haben, und je ſchlechter an und fuͤr ſich die Conſti-
tution der Mutter und die ſonſtigen fuͤr den Geburtsverlauf
wichtigen Umſtaͤnde (z. B. Weite des Beckens, Beſchaffenheit
des Muttermundes u. ſ. w.) ſind. Guͤnſtiger wird die Prog-
noſe wo der Muttertuchen nur dem Muttermundsrande adhaͤrirt,
die Blutung noch nicht lange begonnen hat, der Muttermund
ſehr nachgiebig, das Becken gut und die allgemeine Conſtitution
kraͤfrig iſt.


§. 1497.

Die Zeichen dieſer Regelwidrigkeit geben ſich in der
Schwangerſchaft zu erkennen durch die (§. 1495.) erwaͤhnten
periodiſchen Blutungen, welche, daß ſie nicht andauernde
Menſtruation ſind, durch Mangel des regelmaͤßigen Eintritts
ſo wie durch Erſcheinen gerade in den ſpaͤtern Monaten beweiſen,
und bei welchen auch, daß ſie nicht durch aͤußere Erſchuͤtte-
rung u. ſ. w. bewirkt wurden, der Mangel ſchaͤdlicher Ein-
fluͤſſe darthut. Wird man, durch ſolche Blutungen veranlaßt,
die Schwangern zu unterſuchen, ſo zeigt das untere Gebaͤrmut-
terſegment ein teigartiges Gefuͤhl, Kindestheile werden ſchwer
oder gar nicht erreicht, ja bei Mehrgebaͤrenden kann durch
den ſchon etwas eroͤffneten Muttermund die teigige ſchwammige
Flaͤche des Mutterkuchens gefuͤhlt werden. Hat die Geburt
bereits begonnen, ſo wird die ſtaͤrkere, beſonders mit jeder
Wehe hervorſtuͤrzende Blutung, und die im Muttermunde fuͤhlbar
werdende aͤußere Placentenflaͤche welche entweder den ganzen
Muttermund ausfuͤllt, oder neben welcher noch Eihaͤute gefuͤhlt
werden, den Zuſtand hinlaͤnglich charakteriſiren.


§. 1498.

Die Behandlung 1) waͤhrend der Schwangerſchaft
kann nur auf Verhuͤtung heftigerer Blutergießungen, durch
ruhiges Verhalten, und Vermeidung erhitzender Getraͤnke,
Speiſen, und Gemuͤthsbewegungen gerichtet ſeyn, auch den
eintretenden Blutungen kann, dafern ſie nicht heftig ſind, nur
[505] das antiphlogiftiſche Verfahren und kuͤhle, aromatiſche, mit
Eſſig vermiſchte Fomentationen uͤber die Geburtstheile entge-
gengefetzt werden. Staͤrkere Blutungen fordern auch hier ſchon
durchaus das Accouchement forcé, da ſonſt kein Mittel die
Verblutung abzuwenden vermoͤgen wird.


§. 1499.

2) Waͤhrend der beginnenden Geburt ſelbſt, muß ebenfalls
das Eingreifen der Kunſt durchaus nach dem verſchiedenen
Grade der Blutung ſich richten. Bei unbetraͤchtlichem
Blutabgange laͤßt man daher ruhig die Eroͤffnung des Mutter-
mundes vorſchreiten, ja es iſt nicht unmoͤglich, daß bei einem
nur am Rande des Muttermundes aufſitzenden Mutterkuchen
ſelbſt die Geburt des Kindes ohne kuͤnſtliche Huͤlfe vor ſich
gehen koͤnne. Allein weit haͤufiger nimmt die Blutung bald
nachdem der Muttermund nur in etwas geoͤffnet iſt, uͤberhand,
und dann iſt die Beſchleunigung der Geburt das einzige
Mittel ihn zu ſtillen, indem alle andere ſonſt durch ſtaͤrker
erregte Contraktion blutſtillend wirkende Mittel hier die Haͤ-
morrhagie nur verſtaͤrken wuͤrden. — Die Entbindung ſelbſt
geſchieht dann erſtens durch kuͤnſtliche Eroͤffnung des Mutter-
mundes, zweitens indem man nach der Seite wo ſich neben
der Placenta Eihaͤute fuͤhlen laſſen, oder, beim centriſchen
Aufſitzen, nach der Seite wo die Fuͤſſe des Kindes liegen,
nach oben beſchriebenen Regeln (§. 1310) den Mutterkuchen
ſoweit abtrennt, um die Hand zu den Fuͤſſen des Kindes
außer den Haͤuten hinauffuͤhren zu koͤnnen. Die Haͤute ſelbſt
werden allda geſprengt, nach ebenfalls gelehrten Regeln wird
Wendung auf die Fuͤſſe (ſelbſt wenn der Kopf vorliegen ſollte)
und Extraktion des Kindes beendigt, und dann bei andauern-
der Blutung (welche indeß gewoͤhnlich nach Entleerung des
Uterus ſteht) durch Injektionen, Einreibungen und zweckmaͤßige
innere Mittel (. cinnamomi, Phoſphorſaͤure u. ſ. w.) auf
vollkommne Zuſammenziehung des Uterus gewirkt, ſo wie die
ſich gewoͤhnlich bald vollends trennende Placenta entfernt. —
Die aͤltern auf unvollkommne Kenntniß dieſes Zuſtandes ſich
[506] ſtuͤtzenden Vorſchriften, den Mutterkuchen, um das Kind zu
entbinden, mitten zu durchbohren, oder denſelben gar vor
dem Kinde hinwegzunehmen, verdienen als unzweckmaͤßig und
gefaͤhrlich keine weitere Beruͤckſichtigung.


2.
Zu feſt mit dem Uterus verwachſener Mutter-
kuchen
.

§. 1500.

Eine Regelwidrigkeit welche erſt in der fuͤnften Periode
bemerklich wird, und eine dritte Art von Nachgeburts zoͤge-
rungen (die erſten beiden Arten waren Schwaͤche des Uterus
und Einſackung der Placenta) verurſachen kann. Man hat
hierbei theils verſchiedene Grade in der Feſtigkeit dieſer Adhaͤ-
ſionen, theils ob ſie uͤber die ganze Flaͤche der Placenta
verbreitet, oder auf einzelne Punkte beſchraͤnkt iſt, zu unter-
ſcheiden. Ruͤckſichtlich der Feſtigkeit findet man Placenten
welche entweder durch einzelne oder viele tendinoͤſe Faͤden an
den Uterus geheftet ſind, andere zeigen an ihrer Oberflaͤche
koͤrnige Punkte von einer dem geronnenen Eiweißſtoff aͤhnlichen
Maſſe, noch andere ſind wirklich mit groͤßern und kleinern
Knochenſtuͤcken oder kalkigen Concrementen durchſetzt und
haͤngen dann gemeiniglich vorzuͤglich feſt der innern Gebaͤrmut-
terflaͤche an.


§. 1501.

Was die Urſachen der zu feſten Adhaͤſion betrifft, ſo
laͤßt ſich wohl davon ſo wenig als uͤber die Urſachen des
vorliegenden Mutterkuchens etwas mit Beſtimmtheit feſtſetzen.
Die Zeichen der durch zu feſte Adhaͤſion bewirkten Nachge-
burtszoͤgerungen ſind: erſtens der hartnaͤckig, hoch uͤber dem
Muttermunde an einer Seiten- oder Grundflaͤche des Uterus
verweilende Mutterkuchen, trotz dem daß es an Nachgeburts-
wehen nicht gefehlt hat, und der Uterus ſich um die Placenta
[507] hinreichend zuſammengezogen hat, und zweitens der Schmerz,
welchen die Kreiſende an Anheftungspunkte der Placenta bemerkt,
ſobald nur ein maͤßiger Zug am Nabelſtrange verſucht wird,
und der bei fortgeſetztem Zuge ſich einſtellende Blutabgang.


§. 1502.

Die Folgen dieſer Abnormitaͤt ſind 1) die Gefahr einer
Umſtuͤlpung des Uterus bei unvorſichtigem Zuge am Nabelſtrange.
2) Gefahr einer betraͤchtlichen Blutung wenn einzelne Stellen
der Placenta ſich trennen und demungeachtet das Ausſtoßen
der ganzen Placenta nicht erfolgen kann. 3) Gefahr eines
ſehr langen Zuruͤckbleibens der Placenta. Ueber dieſen letztern
Punkt namentlich, ſind nun die Meinungen ſehr verſchieden,
indem Einige das ſelbſt Wochen lang dauernde Zuruͤckbleiben
der Placenta fuͤr einen nicht gefaͤhrlichen Zuſtand, Andere ſelbſt
das einige Stunden dauernde Verzoͤgern dieſes Abganges fuͤr
hoͤchſt bedenklich erklaͤrten.


§. 1503.

Erwaͤgt man Gruͤnde dafuͤr und dawider unpartheiiſch,
ſo wird man finden, daß ſo im Allgemeinen ausgeſprochen
beide Annahmen unzureichend ſind, und daß die Gefahr welche
eine ſolche Nachgeburtszoͤgerung droht durch die weiter damit
verbundenen Umſtaͤnde modificirt wird. Die Erfahrung beweiſt
naͤmlich allerdings, daß ein ſehr langes Zuruͤckbleiben der
Nachgeburt den weiblichen Koͤrper nicht minder nachtheilig
afficiren koͤnne, als ein zu langes Verzoͤgern der Geburt des
Kindes, indem dadurch die Verkleinerung des Uterus gehindert,
die ſo bedeutende Revolution der Wochenperiode geſtoͤrt, und
zuletzt ein gereitzter ja entzuͤndlicher Zuſtand des Uterus ein-
treten werde, um ein Gebilde, deſſen Ausſtoßung die Natur
fordert, auf alle Weiſe auszuſondern. Hierbei koͤnnen ferner
allerdings die geloͤſten Partien der Placenta, ſo gut als das
abgeſtorbene im Uterus liegende Kind in Faͤulniß uͤbergehen,
welches an dem Nabelſtrange und den Haͤuten, welche ge-
woͤhnlich zuerſt abfaulen, vorzuͤglich bemerklich wird, und
[508] uͤberdieß entſteht dann an der innern Oberflaͤche des Uterus
eiterartige Abſonderung, Behufs der Abloͤſung des Mutterku-
chens, von welcher dann nicht nur eine ſich auf das Perito-
naeum
(deſſen Continuitaͤt mit der innern Haut
des Fruchtganges
auch hier zu beruͤckſichtigen iſt) fort-
pflanzende Reizung nothwendig bewirkt werden muß, ſondern
auch eine Putreſcenz der Gebaͤrmutterſubſtanz ſehr wohl ver-
urſacht werden kann. Geſellen ſich nun hierzu noch fortgehende
Blutungen aus den Stellen wo einzelne Lappen der Placenta
geloͤſt ſind, ſo muß nothwendig ein hoͤchſt gefaͤhrlicher Zuſtand,
welcher ſchon manche Woͤchnerin getoͤdtet hat, ſich entwickeln *).


§. 1504.

Die Zeit aber innerhalb welcher ſich dieſe nachtheiligen Vor-
gaͤnge im Uterus entwickeln werden, iſt nicht bei allen Woͤchnerin-
nen gleich; vorzuͤglich ſehr reitzbare, dabei vollſaftige und zu ent-
zuͤndlichen Zuſtaͤnden geneigte Perſonen ſind es, wo oft 24 bis
48 Stunden hinreichen, um den Anfang derſelben zu zeigen.
Phlegmatiſche wenig reitzbare Subjekte hingegen, werden oft
von einer ſolchen Nachgeburtszoͤgerung weit weniger afficirt
(eben ſo wie bei ihnen ſelbſt die verzoͤgerte Schwangerſchaft
leichter vorkommen kann) und Beobachtungen von 4 bis 6 taͤgi-
gem und auch laͤngerm Zuruͤckbleiben der Nachgeburt, wo dem-
ungeachtet endlich die Geburt derſelben ohne weitere beſondere
Zufaͤlle erfolgte, wurden gewoͤhnlich an ſolchen Individuen
gemacht. Daß alſo die Prognoſe vorzuͤglich nach dem
Blutverluſte und nach der allgemeinen Conſtitution, ob ſie
reizbarer und ſchwaͤchlicher, und die Reaktion des Uterus gegen
die zuruͤckgebliebenen Reſte heftiger oder weniger heftig ſey,
geſtellt werden muͤſſe, laͤßt ſich hieraus leicht abnehmen.


[509]
§. 1505.

Die Behandlung iſt zuvoͤrderſt verſchieden, jenachdem
ſich aus partiell getrennten Stellen Blutungen einfin-
den oder nicht. Im erſtern Falle wird man bei noch bedeutend
feſter Adhaſion zunaͤchſt zur Vermehrung der Contraktion des
Uterus auf die mehrerwaͤhnte Weiſe hinwirken, da durch dieſe
theils die allmaͤhlige Loͤſung der Placenta befoͤrdert, theils
bei feſterem Anpreſſen der geloͤſten Stellen der Placenta,
weitere Blutergießung gehindert wird; Ziehen am Nabelſtrange
aber muß durchaus unterbleiben und die Kreiſende in der
horizontalen Lage erhalten werden. Iſt hingegen die Blutung
ſehr heftig, ſo bleibt als Mittel zur Stillung derſelben ge-
woͤhnlich nur die voͤllige Entleerung des Uterus ausreichend,
und es muß ſodann nach fruͤher gelehrten Regeln (§. 1308)
zur Loͤſung und Entwicklung der Placenta geſchritten werden,
worauf bei demungeachtet fortdauernder Blutung dieſelbe durch
Injektionen, Einreibungen, . Cinnamomi u. ſ. w. zu
beſeitigen iſt.


§. 1506.

Wo hingegen die Placenta noch allgemein feſt anhaͤngt
und keine Blutung vorhanden iſt, muß zuerſt, um nicht etwa
die letztere kuͤnſtlich zu veranlaſſen, oder Inversio uteri,
oder wenigſtens Abreißen der Nabelſchnur herbei zu fuͤhren,
alles Anziehen des Nabelſtranges vermieden werden, ſo wie
uͤberhaupt ein ruhiges Verhalten der Kreiſenden, Unterſagen
alles Preſſens waͤhrend der Nachgeburts-Wehen u. ſ. w.
unentbehrlich iſt. — Ferner iſt hierbei, ſo wie in den Faͤllen
wo anfaͤnglich etwa vorhandene Blutung voͤllig zum Stehen
gebracht iſt, ein ruhiges Abwarten der Naturthaͤtigkeit erſte
Pflicht des Geburtshelfers; man ſucht hierbei die Contraktio-
nen zu unterhalten (eintretende Atonie fordert daher die oben
(§. 1368) genannten Mittel) und wird ſo haͤufig durch das
Fortwirken derſelben allmaͤhlig die Trennung bewerkſtelligt
finden. Immer aber iſt es zum Beßten der Kranken, daß,
[510] wenn ja die voͤllige Loͤſung durch die Natur nicht bewerkſtel-
ligt werden kann, doch die kuͤnſtliche Trennung durch die
Natur vorbereitet werde, da, wenn die kuͤnſtliche Trennung
vielleicht nach 16 bis 24 Stunden Statt findet, man theils bei
ſchon mehr contrahirtem, mehr von Blut entleertem Uterus weni-
ger Blutung zu befuͤrchten haben, theils die Verbindung der Pla-
centa ſelbſt ſchon mehr abgeſtorben finden wird.


§. 1507.

Wie lange man nun eine feſt anhaͤngende, keine Blu-
tung verurſachende Placenta im Uterus zuruͤcklaſſen duͤrfe,
wird ſich nach den Zufaͤllen beſtimmen, welche eine Reaktion
des Koͤrpers gegen die zoͤgernde Nachgeburt darthun. Iſt es
daher ein mehr torpider Koͤrper, der Uterus nicht ſchmerzhaft,
wird die Temperatur der Genitalien nicht uͤbermaͤßig geſteigert,
und bemerkt man keine Neigung zu krampfhafter allmaͤhlig
ſich ſteigernder Verſchlieſſung des Muttermundes, ſo kann
man ruhig ein ja zwei Tage die Austreibung der Nachgeburt
der Natur uͤberlaſſen. Alsdann aber wird man immer wahr-
nehmen daß die Nachgeburtsgebilde von der Faͤulniß ergriffen
werden, zuerſt gewoͤhnlich Nabelſtrang und Eihaͤute. — Um
dieß nicht noch fruͤher eintreten zu laſſen macht man oͤfters
Injektionen von lauem Chamillen- oder Serpillum-Aufguß
in den Uterus, und ſchont den Nabelſtrang, welcher daher
nicht unzweckmaͤßig durch ein Band locker an den einen
Schenkel der Woͤchnerin befeſtigt wird, um das zufaͤllige Ab-
reißen deſſelben durch Daraufliegen zu verhindern.


§. 1508.

Loͤſt ſich indeß die Nachgeburt auch jetzt nicht, ſo wird
es immer, ſelbſt wo noch keine Schmerzen und entzuͤndlichen
Zufaͤlle im Uterus vorhanden ſind, nothwendig werden, die
kuͤnſtliche Trennung (ſ. §. 1308) zu bewerkſtelligen, da in
der feuchten Waͤrme und bei dem Zutritt der Luft in den
Uterus, die Faͤulniß am dritten Tage immer auch die Placenta
ergreifen, und dadurch indem der Uterus alsdann mit leidet,
[511] der Woͤchnerin gefaͤhrlich werden wird. Sollten hierbei nun
einzelne Theile oder die Flaͤche der Placenta ſo innig mit dem
Uterns verwachſen ſeyn, daß die Trennung wirklich durch die
Kunſt nicht bewerkſtelligt werden koͤnne, ſo muß wenigſtens
alles was ſich getrennt hat, oder trennen laͤßt, entfernt werden
(in dem Feſthaͤngenden greift ſo die Faͤulniß nicht ſo leicht
um ſich) und zur allmaͤhligen Ab- und Aufloͤſung der Reſte
mit den erwaͤhnten Einſpritzungen fortgefahren werden.


3.
Zu lockere Verbindung des Mutterkuchens mit
der Gebaͤrmutter, oder zu zeitige Trennung deſ-
ſelben
.

§. 1509.

Hierher gehoͤren zunaͤchſt die Faͤlle, wo die bildende
Kraft des weiblichen Geſchlechtsſyſtems waͤhrend der Schwan-
gerſchaft uͤberhaupt nicht hinreichend iſt, um eine recht innige
Verbindung zwiſchen Frucht und Fruchthaͤlter zu bewerkſtelligen.
Die gewoͤhnliche Folge davon iſt der Abortus, welcher dann
ſeinen beſondern Umſtaͤnden gemaͤß nach den oben gegebenen
Regeln behandelt werden kann. Die eigentliche Urſache dieſes nicht
genugſam angeregten Bildungsproceſſes kann entweder in
Schwaͤche des weiblichen Koͤrpers oder in Schwaͤche der maͤnn-
lichen Zeugungskraft liegen, und dieſe Umſtaͤnde muͤſſen be-
ruͤckſichtigt und gehoben werden, wenn nach einer aus dieſer
Urſache entſtandenen Fruͤhgeburt die Wiederkehr eines aͤhnlichen
Zufalls vermieden werden ſoll.


§. 1510.

Ferner aber trennt ſich auch zuweilen die Placenta fruͤ-
her, durch mechaniſche Einwirkungen waͤhrend der Schwanger-
ſchaft (von der Behandlung dieſer Faͤlle ſ. oben §. 1076 u. fgg.)
oder waͤhrend der beginnenden Geburt. Das letztere kann die
Folge zu feſter, und zu weit hervorgetriebener Eihaͤute, der
[512] Umſchlingungen des Nabelſtranges um den Hals des Kindes,
und des unruhigen Verhaltens der Kreiſenden ſeyn. Bei dieſen
partiellen Abtrennungen vor beendigter Geburt des Kindes
muß zunaͤchſt die Gelegenheitsurſache wo moͤglich entfernt,
dann aber der Grad der Blutung beruͤckſichtigt, und darnach
die Behandlung eingerichtet werden. Die zu feſten Haͤute
alſo muͤſſen getrennt, das unruhige Herumwerfen der Kreiſenden
muß gehindert werden, Umſchlingungen des Nabelſtranges
koͤnnen gewoͤhnlich erſt nach geborenem Kopfe gehoben werden.
Iſt ferner die Blutung bedeutend, ſo ſucht man ſie zunaͤchſt
durch Vermehrung der Contraktion des Uterus mittelſt einiger
Doſen . Cinnamomi, des Einreibens des Leibes, u. ſ. w.
bei Unterſagung des heftigern Preſſens, zu vermindern, gelingt
dieß aber nicht, ſo iſt die kuͤnſtliche Beſchleunigung der Ent-
bindung auf eine der Lage des Kindes angemeſſene Weiſe
durchaus angezeigt. — Von der Behandlung partieller Ab-
trennungen der Placenta in der fuͤnften Periode iſt oben
(§. 1504) das Naͤhere erwaͤhnt worden.


III.
Regelwidrigkeiten des Fruchtwaſſers
.

1.
Zu vieles Fruchtwaſſer.

§. 1511.

Schon in der Pathologie der Frucht iſt erwaͤhnt worden, daß
an dem Eie zuweilen ein wahrhafter, zuweilen ſelbſt bis auf
den Fetus ſich fortpflanzender waſſerſuͤchtiger Zuſtand, beobach-
tet wird. Am haͤufigſten, und namentlich bei ſchwammigen
leukophlegmatiſchen Koͤrpern, aͤußert ſich dieſes durch eine
bedeutende Anhaͤufung von Fruchtwaſſer, welches mitunter bis
zur Menge von 3 bis 6 ja bis 12 Pfund betragen kann. —
Die Urſache dieſer Anhaͤufungen ſcheint vorzuͤglich in einer
zu geringen Produktivitaͤt des Uterus geſucht werden zu muͤſſen,
[513] und eben ſo wie wir auch in andern Organen, ja im nicht-
ſchwangern Uterus ſelbſt, wenn aufgeregte Bildungskraft nicht
zu Hervorbringung regelmaͤßiger Geſtaltungen ausreicht, An-
haͤufung von Waſſer entſtehen ſehen, bildet ſich ein ſolcher Zuſtand
auch innerhalb der Eihaͤute; weßhalb denn gewoͤhnlich bei ſo
vielem Waſſer das Kind weniger kraͤftig genaͤhrt erſcheint.


§. 1512.

Zeichen dieſes Zuſtandes werden durch die bedeutende
Ausdehnung des Leibes, die ſtarken, oft nach mehrern Rich-
tungen gefuͤhlten Bewegungen des Kindes, ſelbſt noch waͤhrend
der zweiten Geburtsperiode, und durch die pralle, gewoͤhnlich
auch außer den Wehen angeſpannte Blaſe, gegeben. Die
Folgen des zu vielen Fruchtwaſſers fuͤr das Geburtsgeſchaͤft
zeigen ſich ſchon vor Beginn deſſelben durch die bei groͤßerer
Beweglichkeit des Kindes beguͤnſtigten abnormen Lagen und
Stellungen deſſelben, die leichter moͤglich werdenden Umſchlin-
gungen des Nabelſtranges, das durch den vermehrten Druck
des Uterus auf benachbarte Gebilde oͤfters geſtoͤrte allgemei-
ne Wohlbefinden u. ſ. w. — Bei der Geburt ſelbſt hingegen,
bewirkt namentlich die zubetraͤchtliche Ausdehnung der Faſern
des Uterus eine Atonie, welche außer der dadurch verurſachten
ſchmerzhaften Spannung des Leibes theils in der zweiten
Periode die Eroͤffnung des Muttermundes ſehr erſchwert (indem
hierbei auch oft noch die Spannung der ſtets gegen den innern
Muttermund angedraͤngten Blaſe reizt und hindert), theils auch
noch in der dritten und vierten fortwirkt und den Austritt des
Kindes verzoͤgert, (wobei zugleich die abnormen oͤfters Statt fin-
denden Lagen des Kindes und Nabelſtranges hinderlich werden).
Vorzuͤglich gern aber entſtehen ſie durch die, in der fuͤnften Periode
eintretenden Nachgeburtszoͤgerungen und Blutungen, und endlich
wird ſelbſt noch waͤhrend des Wochenbetts oft eine langſame und
unvollkommnere Zuſammenziehung des Uterus dadurch veranlaßt.


§. 1513.

Was die Behandlung betrifft, ſo muͤſſen wir hierbei
zunaͤchſt auf die Huͤlfe aufmerkſam ſeyn, durch welche die
II. Theil. 33
[514] Natur dieſe Regelwidrigkeit oͤfters beſeitigt. Man bemerkt
aber ziemlich oft, daß bei ſo großer Waſſeranſammlung ſchon
mit den erſten Wehen oder bald nach beginnender Eroͤffnung
des Muttermundes die Haͤute zerreißen und Waſſer anfaͤngt
zu fließen, daß dadurch nach und nach der Uterus ſich ver-
kleinert, ſich dichter an das Kind anſchließt und dann die
Geburt regelmaͤßig verlaͤuft. — Es ergiebt ſich hieraus, wel-
ches Verfahren die Kunſt einzuſchlagen habe; naͤmlich ſobald
in der zweiten Periode die Zeichen der zu großen Frucht-
waſſermenge deutlich ſich zu erkennen geben, und die Folgen
derſelben durch ungewoͤhnliche Verzoͤgerung der Erweiterung des
Muttermundes, Schmerzen u. ſ. w. ſichtbar werden, das kuͤnſt-
liche Sprengen der Haͤute nicht zu unterlaſſen, ſobald die Eroͤff-
nung des Muttermundes wenigſtens bis zum Durchmeſſer von
1 oder 1½ Zoll vorgeſchritten iſt. Bleiben jedoch nach dem Waſ-
ſerabgange die Folgen der zu ſtarken Ausdehnung demungeach-
tet zuruͤck, durch Atonie in der dritten, vierten und fuͤnften Pe-
riode ſich aͤußernd, ſo muß ſodann die bei der Schwaͤche des
Uterus naͤher eroͤrterte Behandlung eintreten.


2.
Zu weniges Fruchtwaſſer.

§. 1514.

Der Regel nach ſoll allerdings in der letzten Periode
der Schwangerſchaft das Fruchtwaſſer nach und nach ſich
vermindern, allein mitunter nimmt es ſo ſehr ab, daß zur
Zeit der eintretenden Geburt daſſelbe ſoweit verſchwunden iſt,
daß davon bei Trennung der Haͤute nur eine hoͤchſt geringe
Quantitaͤt, oder auch gar nichts bemerkt wird. Man nennt
eine ſolche Geburt eine trockne Geburt, und beobachtet
davon mehrere nachtheilige Folgen. Es gehoͤrt dahin eine,
wegen ſich nicht ſtellender Blaſe, ſchwierigere Eroͤffnung des
Muttermundes mit allen ihren Folgen (Entzuͤndung, Krampf
u. ſ. w.), ſtaͤrkeres Anſpannen der Haͤute und leichter eintre-
tende partielle Trennung des Mutterkuchens; ja es iſt nicht
[515] zu verkennen, daß dieſe Geburten auf das Kind nachtheiliger
wirken, nur darf man nicht durch die oft ſchon in der letzten
Zeit der Schwangerſchaft ganz mangelnden Bewegungen ſich
zu der Annahme, daß das Kind abgeſtorben ſey, zu ſchnell
verleiten laſſen, da ſie hier durch den beſchraͤnkten Raum un-
moͤglich werden. — Ueber die Urſachen des Fruchtwaſſer-
mangels laͤßt ſich wohl mit Beſtimmtheit nichts ausmitteln,
jedoch habe ich ihn oͤfters bei duͤrftig genaͤhrten, magern und
zu Kraͤmpfen geneigten Perſonen beobachtet.


§. 1515.

Ruͤckſichtlich der Behandlung, ſo kann man nur den
entſtehenden anderweitigen Regelwidrigkeiten, als Krampf und
Entzuͤndung im Muttermunde u. ſ. w. durch die oben gelehr-
ten Mittel begegnen, und die Trockenheit der Genitalien durch
erweichende ſchluͤpfrig machende Einſpritzungen erſetzen. Uebri-
gens achte man hierbei immer genau auf die Haͤute, welche
bei vorliegendem Kopfe oft ſo dicht uͤber demſelben geſpannt ſind,
daß die Verwechſelung derſelben mit den Hautbedeckungen des
Kindes leicht moͤglich iſt, und ſo das Sprengen derſelben bei
eroͤffnetem Muttermunde, oder gar bei Anlegung der Zange,
verſaͤumt werden koͤnnte. — Uebrigens bemerkt man auch zu-
weilen, wo ſehr nachgiebige ſchleimreiche Genitalien ſich vorfin-
den, ſo wenig bei der trocknen Geburt als bei dem zu zeitigen
Waſſerabgange beſondere Stoͤrungen, und es macht ſich dann
auch keine beſondere Behandlung nothwendig.


IV.
Regelwidrigkeiten des Nabelſtranges
.

1.
Der zu lange oder vorgefallene Nabelſtrang.

§. 1516.

Die zu betraͤchtliche Laͤnge des Nabelſtranges (ich habe
ihn einigemal 46 bis 50 Zoll lang gefunden) kann an ſich
[516] nicht als ein Hinderniß fuͤr das Geburtsgeſchaͤft betrachtet
werden, allein wird oft entweder dadurch nachtheilig, daß er
Knoten gebildet hat, welche, wenn ſie bei den Wehen gedruͤckt
werden, das Abſterben des Kindes herbeifuͤhren, oder dadurch
daß ein Vorfall einer Schlinge des Nabelſtranges eintritt,
welche zugleich mit dem vorausgehenden Kindestheile ſich in
das Becken hereindraͤngt, dabei Druck erfaͤhrt, von Einwir-
kung der Luft und Kaͤlte erſchlafft. Beguͤnſtigt werden dieſe
Vorfaͤlle vorzuͤglich durch Schieflagen des Kindes, zu vieles
Fruchtwaſſer und weites Becken. Erkannt wird die vorfal-
lende Nabelſchnurſchlinge noch innerhalb des Muttermundes
und ſelbſt in den Eihaͤuten gewoͤhnlich durch ihre Pulſation;
außerhalb des Muttermundes iſt ſie mit gar nichts anderm zu
verwechſeln.


§. 1517.

Die Behandlung bei dem vorfallenden Nabelſtrange
muß hauptſaͤchlich auf zeitige Zuruͤckbringung deſſelben gerich-
tet ſeyn: Man erreicht dieſen Zweck 1) durch ſorgfaͤltige Scho-
nung der Eihaͤute bis zu voͤlliger Erweiterung des Mutter-
mundes, da, ſo lange die Schlinge noch in den Haͤuten liegt,
ein Nachtheil fuͤr das Kind nicht zu beſorgen iſt. 2) Durch
Einfuͤhrung zweier eingeoͤhlter Finger oder noͤthigenfalls der
ganzen Hand nach eroͤffneten Eihaͤuten um den Nabelſtrang
tiefer in den Uterus zu ſchieben und ihn hinter den vorlie-
genden Kindestheil zuruͤckzubringen. 3) Durch die dabei an-
geordnete horizontale Lage der Kreiſenden. 4) Durch Einle-
gen eines Schwammes in den Muttermund, welches vorzuͤg-
lich anzuwenden iſt, wenn der Nabelſtrang, obwohl zuruͤck-
gebracht, immer wieder vorgleitet, und der Muttermund doch
noch nicht ſo weit geoͤffnet iſt um die Entbindung bewerkſtel-
ligen zu koͤnnen. 5) Durch Verbeſſerung der Lage des Kin-
des, und Beſchleunigung der Geburt. Bei voͤlliger Querlage
wird die Wendung auf die Fuͤße nothwendig, welcher, dafern
der Nabelſtrang dabei noch weiter vorfaͤllt, oft auch die Ex-
traktion nachfolgen muß; bei Schiefſtaͤnden des Kopfs iſt
durch angemeſſene Lage, innere und aͤußere Manipulation (ſ. §.
[517] 1187 u. f.) die Einleitung deſſelben zu befoͤrdern (ſo daß man
z. B. wenn der Kopf links [aufſteht] und rechts der Na-
belſtrang herabtritt, die Gebaͤrende auf die linke Seite
legt, den Nabelſtrang hinter den Kopf zu bringen und letz-
tern herabzufuͤhren ſucht u. ſ. w.), der in den Eingang des
Beckens geſtellte Kopf aber alsdann mittelſt der Geburtszange
baldigſt zu entbinden.


Anmerkung. Es verſteht ſich von ſelbſt, daß dieſe
Maaßregeln, welche ſaͤmmtlich nur auf die Erhaltung
des Kindes abzwecken, uͤberfluͤßig werden, wenn durch
gaͤnzliches erkaltet und erſchlafft ſeyn des vorliegenden
Nabelſtranges und andere Symptome, man von dem
Tode des Kindes ſichere Ueberzeugung erhalten hat, als
in welchem Falle, dafern ſonſtige Regelwidrigkeiten in
der Lage oder Groͤße kein Eingreifen der Kunſt noͤthig
machen, man das Austreiben des Kindes voͤllig der Na-
tur uͤberlaſſen wird.


2.
Der zu kurze oder umſchlungene Nabelſtrang.

§. 1518.

Es iſt ein ſehr ſeltner Fall daß der Nabelſtrang, bei
einem ſchon groͤßern Kinde, wirklich an ſich fuͤr den Durch-
gang deſſelben durch das Becken zu kurz iſt, und wo man
dieſes bemerkt, hat man gewoͤhnlich zugleich betraͤchtliche Miß-
bildung des Kindes damit verbunden geſehen *). Ein ſo ho-
her Grad von Kuͤrze des Nabelſtrangs wird immer bei der
Geburt entweder das Zerreißen deſſelben oder die zeitige Ab-
trennung der Placenta zur Folge haben, und die Kunſt ver-
mag hierbei weiter nichts als, ſobald der Nabelſtrang zu er-
reichen iſt, ihn kuͤnſtlich zu trennen, die Entwickelung des
Kindes zu beſchleunigen, und die durch zu zeitige Loͤſung der
[518] Placenta entſtandene Blutung angemeſſen zu behandeln. Weit
haͤufiger kommt die zu betraͤchtliche Kuͤrze der Nabelſchnur
durch Umſchlingung vor, und am haͤufigſten liegen dann die
Schlingen um den Hals. Zuweilen iſt indeß auch der Na-
belſtrang durch die Schenkel gezogen, um Arme und Schen-
kel gewickelt u. ſ. w. Erkennen laſſen ſich dieſe Umſchlin-
gungen, außer waͤhrend der Wendung, nur waͤhrend des Aus-
tritts vom Kinde. Vermuthen kann man indeß namentlich
die Umſchlingung um den Hals, wenn waͤhrend oder noch vor
dem Durchſchneiden, ſich Blutungen einfinden, und die Krei-
ſende waͤhrend des tiefern Herabruͤckens des Kindeskopfs fixe
Schmerzen an einer Stelle des Uterus empfindet.


§. 1519.

Die Folgen dieſer Umſchlingungen, wodurch eine ſtarke
Verkuͤrzung des Nabelſtrangs herbei gefuͤhrt wird, ſind fuͤr
Mutter und Kind nicht ohne Gefahr. Zunaͤchſt wird auch
hierbei leicht eine fruͤhere Trennung der Placenta und heftige
Blutung veranlaßt, oder es ſteht, bei ſehr feſter Adhaͤſion der
Placenta, die Zerreißung des Nabelſtranges zu fuͤrchten. Auſ-
ſerdem wirkt aber auch eine ſolche Umſchlingung durch die
Spannung oder den Druck, welchen der Nabelſtrang erleidet,
fuͤr das Kind gefaͤhrlich und verurſacht leicht das Abſterben
deſſelben. Endlich kann allerdings auch der Kindeskopf ſelbſt
durch ſolche Umſchlingungen entweder eine Schieflage erhalten,
oder in ſeinem Fortgange im Becken etwas verzoͤgert wer-
den; jedoch hat man die letztere Einwirkung ſonſt gewoͤhnlich
viel zu hoch angeſchlagen, da bei kraͤftigen Wehen der ſchwa-
che Nabelſtrang kein dauerndes Hinderniß ſeyn kann.


§. 1520.

Die Behandlung wird auf Beſeitigung der Umſchlin-
gung gerichtet ſeyn muͤſſen, welches freilich groͤßtentheils, auſ-
ſer zuweilen waͤhrend der Wendung, nicht eher moͤglich wer-
den wird, bis der umſchlungene Theil am Ausgange des
Beckens erreichbar wird. Umſchlingungen um den Hals ſucht
[519] man ſodann uͤber den Kopf nach vorn abzuſtreifen, indem
man wo die Umſchlingung etwa doppelt iſt, die Vorſicht an-
wendet, erſt durch Unterbringen zweier Finger beide Schlin-
gen etwas locker zu machen und dann eine nach der andern
zu loͤſen. Iſt die Schlinge zu feſt angeſpannt, um uͤber den
Kopf gebracht zu werden, ſo loͤſt man ſie wenigſtens etwas,
und ſchiebt ſie, indem das Kind vorruͤckt, uͤber die Schultern
nach hinten; ſollte aber endlich auch dieſes nicht moͤglich ſeyn,
und die Spannung des Nabelſtranges das Zerreißen deſſelben
oder das Abreißen der Placenta befuͤrchten laſſen, ſo bleibt
dann kein Mittel, als ihn durch die Schere zu trennen,
wobei indeß (da ſich kindliches und muͤtterliches Nabelſchnur-
ſtuͤck hier noch nicht unterſcheiden laſſen) es die Vorſicht for-
dert beide Enden vorher zu unterbinden, oder wenigſtens,
wenn die Zeit hierzu zu kurz iſt, beide durchſchnittene Enden
durch einen Gehuͤlfen feſt zudruͤcken zu laſſen, bis die Unter-
bindung der kindlichen Haͤlfte vorgenommen werden kann.
Umſchlingungen um andere Theile loͤſen ſich meiſtens leichter
und das Verfahren dabei ergiebt ſich von ſelbſt.


3.
Zerreißung des Nabelſtranges.

§. 1521.

Durch unvorſichtiges Anziehen des Kindes, oder bei
feſter Umſchlingung auch wohl durch die Gewalt der Wehen,
kann in ſeltnen Faͤllen der Nabelſtrang zerreißen, und ſo eine
fuͤr das Kind ſehr gefaͤhrliche Blutung veranlaßt werden.
Sollte dieſes vorkommen, ſo wird eines Theils die ſchleunige
Entbindung noͤthig (da wenn auch das abgeriſſene kindliche
Ende unterbunden werden kann, doch ſonſt das Kind bei ge-
hindertem Athemholen der Lungen erſticken muͤßte), andern
Theils die Stillung der Blutung, entweder durch Unterbin-
dung, oder wenn im ſchlimmſten Falle die Nabelſchnur dicht
am Leibe abgeriſſen iſt, durch Aufdruͤcken von Feuerſchwamm
mit einem ſtyptiſchen Pulver beſtreut.


[520]
V.
Regelwidrigkeiten am Kinde.

1.
Von der regelwidrigen Bildung deſſelben.

§. 1522.

Es gehoͤrt hierher zuvoͤrderſt bei uͤbrigens regelmaͤßiger
Bildung die zu betraͤchtliche oder die zu geringe
Groͤße des Kindes
. Was die erſtere betrifft, ſo wird
ſie die Folge entweder ungewoͤhnlich reichlicher Ernaͤhrung in
der gewoͤhnlichen Schwangerſchaftszeit ſeyn, oder bei Spaͤtge-
burten bemerkt werden. In jedem Falle kann dadurch ein
Mißverhaͤltniß zum Becken entſtehen, wodurch letzteres relativ
zu enge erſcheint, folglich die bei engem Becken gewoͤhnlich
vorkommende ſchwere Geburt eintreten kann, und dann die-
ſelben Huͤlfsmittel der Kunſt, wie beim engen Becken, eintre-
ten muͤſſen. Es ſind deßhalb nur die Zeichen eines ſehr
großen Kindes hier noch zu erwaͤhnen: — Es gehoͤrt dahin:
der ſehr ſtark ausgedehnte Unterleib ohne Zeichen des vielen
Fruchtwaſſers oder von Zwillingen, der ſehr feſt und ſchwer
auf dem Becken aufliegende Kopf, oder die Groͤße anderer
innerlich fuͤhlbaren Kindestheile, die verknoͤcherten Naͤthe und
Fontanellen, und die beſondere Feſtigkeit der Kopfknochen.


§. 1523.

Die abnorme Kleinheit des Kindes, eine Folge nicht
beendigter Schwangerſchaftszeit, oder zu duͤrftiger Ernaͤhrung
des Fetus, wird einen ſehr raſchen Geburtsverlauf, und ſo-
mit manche der beim zu weiten Becken namhaft gemachten
Nachtheile veranlaſſen koͤnnen. Die Zeichen eines zu klei-
nen Kindes werden aus dem geringern Umfange des Leibes,
den kleinen etwa fuͤhlbaren Gliedern des Kindes, dem wenn
auch ſchon im Becken ſtehenden, dennoch beweglich bleibenden
[521] Kindeskopfe, der Weichheit der Kopfknochen und Weite der
Fontanellen erkannt. Ruͤckſichtlich der Behandlung verlangt
die Vorſicht daß, obwohl nicht ſo viel Gefahren als beim zu
weiten Becken zu befuͤrchten ſtehen, doch eine ſolche Gebaͤ-
rende zeitig die horizontale Lage einnehme und die Wehen
wenig oder gar nicht verarbeite.


§. 1524.

Ferner gehoͤren hierher die Mißbildungen des Kin-
des
, welche indeß auf das Geburtsgeſchaͤft meiſtens auch
nur, indem ſie abnorme Vergroͤßerung oder Verkleinerung des
koͤrperlichen Volumens verurſachen, ſtoͤrend einwirken. Ueber
die Entſtehung dieſer krankhaften Bildungen haben wir in der
Pathologie des Fetus ſchon ausfuͤhrlicher gehandelt; als Ein-
theilung
derſelben, wenn ſie zum Behuf der Behandlung
des Geburtsgeſchaͤfts verlangt wird, koͤnnen folgende alte vier
Klaſſen recht fuͤglich gebraucht werden: — 1. Mißbildung
durch Mangel gewiſſer Koͤrpertheile
(Monstra
per defectum);
hierher gehoͤren z. B. die voͤllig kopfloſen
Mißgeburten (Acephali), der Schaͤdelmangel oder die Katzen-
koͤpfe (Hemicephali), der Mangel einzelner Glieder, ja
der Mangel des ganzen Rumpfs nebſt den Gliedern, wo alſo
(wie in dem einzigen im Berliner Muſaͤum bewahrten Praͤpa-
rat) ein bloßer Kopf uͤbrig bleibt, und dann das Fehlen der
Augen, einzelner Eingeweide u. ſ. w. welches indeß auf die
Geburt weiter keinen Einfluß aͤußern kann. Zu bemerken iſt
noch, daß die ſehr verſtuͤmmelten Mißgeburten am haͤufigſten
als unvollkommne Zwillingsfruͤchte (Keime zu deren Ausbil-
dung die Produktivitaͤt nicht zureichte) neben entwickelten Kin-
dern geboren wurden. — Zeichen dieſer Monſtroſitaͤten koͤn-
nen nur zuweilen durch die innere Unterſuchung erlangt wer-
den, die Regeln der Behandlung wuͤrden die im vorigen §.
beſchriebenen ſeyn.


§. 1525.

2. Mißbildung durch uͤberzaͤhlige Theile(Mon-
stra per excessum);
hierher gehoͤren die zuſammengewachſe-
[522] nen Zwillinge, welche entweder nur an einzelnen Stellen ver-
bunden, oder auch in groͤßern Flaͤchen innig mit einander ver-
ſchmolzen ſind; das Doppeltwerden einzelner Gegenden, wenn
z. B. die Wirbelſaͤule nach unten ſich theilt und doppelte
untere Extremitaͤten zum Vorſchein kommen, oder nach oben
getheilt iſt und zwei Koͤpfe, und doppelte obere Gliedmaaßen
ſich bilden. Ferner die uͤberzaͤhligen Finger und Zehen, die
krankhaften Vergroͤßerungen einzelner Koͤrpertheile (welches
freilich zum Theil auch mit in die folgende Klaſſe gehoͤrt)
wie die betraͤchtlichen Balggeſchwuͤlſte, der Waſſerkopf (fuͤr
die Unterſuchung durch die auſſerordentlich breiten Naͤthe und
Fontanellen erkennbar) die Bauchwaſſerſucht u. ſ. w. — Die
Behandlung ſolcher Faͤlle wird mit der des engen Beckens
uͤbereinſtimmen, und nicht ſelten die Huͤlfe der Kunſt zur Be-
endigung der Geburt noͤthig machen, nur mit der Einſchraͤn-
kung daß hier die Operation nur auf Erhaltung der Mutter
gerichtet ſeyn muß, und daher (außer bei gleichzeitiger abſo-
luter Beckenenge) die Gaſtrohyſterotomie, oder ſchwere Zangen-
entbindungen und Extraktionen durch die nach fruͤher gegebe-
nen Regeln zu unternehmende kuͤnſtliche Verkleinerung des
Kindes zu vermeiden ſind.


§. 1526.

3. Mißbildung durch veraͤnderte Lage der
Koͤrpertheile
(Situs mutatus); hierher gehoͤren die ange-
bornen Bruͤche, Hirnbruch, blosliegendes Herz, vorliegende
Unterleibseingeweide, angeborne Leiſtenbruͤche u. ſ. w. — Sie
koͤnnen nur, wenn die Bruchgeſchwuͤlſte von ſehr betraͤchtlicher
Groͤße ſind, fuͤr das Geburtsgeſchaͤft ſtoͤrend werden, und die
Huͤlfe der Kunſt z. B. Extraktion erfordern. 4. Mißbil-
dung durch veraͤnderten Bau einzelner Koͤrper-
theile
(Fabrica aliena); hierher gehoͤren die Spina bifida,
die angebornen Klumpfuͤße, die Zwitterbildungen, Atreſien
u. ſ. w. welche dem Geburtsgeſchaͤfte faſt nie einen beſon-
dern Eintrag thun und deßhalb auch keine beſondere Huͤlfslei-
ſtung ſo leicht noͤthig machen werden.


[523]
2.
Von der regelwidrigen Stellung des Kindes.

§. 1527.

Es gehoͤrt hierher die Abweichung von derjenigen Lage
der Gliedmaaßen des Kindes, welche fuͤr den Durchgang durch
das Becken die guͤnſtigſte, und waͤhrend dem Aufenthalt im
Uterus die gewoͤhnliche iſt. Dieſe fehlerhaften Stellungen der
Gliedmaaßen nun, kommen vorzuͤglich an den obern Extre-
mitaͤten vor, und zeigen ſich als Vorfallen einer Hand oder
eines Arms, ja in ſeltnern Faͤllen ſelbſt beider Arme neben
dem Kopfe. Es iſt leicht zu erachten, daß durch dieſes Vor-
liegen einer Hand vergroͤßert, das Volumen des eigentlich voraus-
gehenden Kindestheils fuͤr das Becken zu groß werden, zugleich
aber auch bei einer ungewoͤhnlichen, der Beckenform nicht
hinlaͤnglich entſprechenden Geſtalt dieſes Theils, der Mechanis-
mus der Geburt ruͤckſichtlich der nothwendigen Drehungen er-
ſchwert werden muͤße. Man bemerkt daher gar nicht ſelten
Einkeilungen des Kopfs mit anliegender Hand im Becken,
wobei die Hand ſelbſt gedruͤckt wird, anſchwillt und ſich ver-
faͤrbt, und noch haͤufiger zeigt ſich als Urſache eines durch
unvollkommne Drehung ſehr verzoͤgerten Kopfdurchganges durch
das Becken, beim endlichen Durchſchneiden des Kopfs eine
am Geſicht oder zur Seite des Kopfs liegende Hand.


§. 1528.

Erkannt kann dieſe Regelwidrigkeit nur durch innere Un-
terſuchung werden, wenn die Hand tiefer am Kopfe liegt,
eine hoͤher liegende Hand laͤßt ſich zuweilen nur aus der un-
vollkommenen Drehung des Kopfs und dem verzoͤgerten Durch-
gange deſſelben vermuthen, dafern nichts anderes vorhanden
iſt, was jene Erſcheinungen ſattſam erklaͤrte. Die Behand-
lung
wird, ſobald die Hand erreichbar iſt, auf Verbeſſerung
dieſer Gliederſtellung und regelmaͤßige Einleitung des Kopfes
gerichtet ſeyn muͤſſen. Man verfaͤhrt zu dieſem Endzweck
[524] voͤllig wie bei dem Zuruͤckbringen des vorgefallenen Nabel-
ſtranges (§. 1517.), geht mit zwei Fingern, oder noͤthigen-
falls mit der der Seite des Beckens entſprechenden ganzen
Hand ein, und ſchiebt dieſen Theil hinter den Kopf zuruͤck,
indem man zugleich eine vortheilhafte Lage anordnet um das
tiefere Herabkommen und normale Drehen des Kopfs zu un-
terſtuͤtzen. Iſt dagegen die Einkeilung ſchon vorhanden, ſo
macht ſich gewoͤhnlich das Anlegen der Zange noͤthig, mit der
Vorſicht, die Hand durchaus außerhalb der Zangenloͤffel zu
laſſen.


3) Von der fehlerhaften Lage des Kindes.

§. 1529.

Es gehoͤren hierhin alle Lagen wo die Laͤngenachſe von
der Fuͤhrungslinie des Beckens oder der Axe der obern Bek-
kenoͤffnung auf irgend bedeutende Weiſe abweicht. Je nach-
dem nun der Winkel, unter welchem dieſe beiden hier nicht
mehr zuſammenfallenden Linien ſich ſchneiden, ein ſpitziger iſt,
oder ſich mehr dem rechten Winkel naͤhert, nennen wir es
entweder Schieflage (wo denn Kopf oder Huͤften immer in
der Naͤhe der obern Beckenoͤffnung, und zwar entweder auf
einer Darmbeinflaͤche oder uͤber dem Schambogen oder Vor-
berge ſich befinden muͤſſen) oder Querlage (wobei denn alle
denkbare Flaͤchen des Kindes, außer den fruͤher angegebenen
ſechs bei regelmaͤßigen Geburten eintretenden, ſich auf dem
Beckeneingange befinden koͤnnen).


§. 1530.

Die Folgen dieſer abnormen Lagen ſind bei geringer
Schieflage, Hinderung des Geburtsgeſchaͤfts durch geſtoͤrten Ein-
tritt des Kindes ins Becken (obwohl zuweilen hier ſelbſt durch
Naturthaͤtigkeit allein die Lage noch verbeſſert werden kann);
bei ſtaͤrkerer Schieflage und voͤlliger Querlage hingegen, ſobald
das Kind die gehoͤrige Groͤße erreicht hat, wird der Durch-
gang des Kindes durch das Becken gaͤnzlich unmoͤglich, es
[525] wuͤrden, wenn die Kunſt nicht zu Huͤlfe kaͤme, Einkeilungen
abnorm vorausgehender Theile, nach und nach Abſterben des
Kindes, Entzuͤndung und Gangraͤn des Uterus und Tod der
Gebaͤrenden unfehlbar eintreten. Nur in ſehr ſeltnen Faͤllen
iſt es vorgekommen, daß auch dieſe hoͤhern Grade abnormer
Lagen durch Selbſtwendung (Evolutio spontanea), welche
ſicher, wo ſie Statt findet, bloßes Werk der Thaͤtigkeit des
Uterus iſt, abgeaͤndert worden ſind.


§. 1531.

Die Urſachen der abnormen Lagen der Frucht laſſen
ſich ſchwer mit Beſtimmtheit nachweiſen. Folgende Umſtaͤnde
tragen wahrſcheinlich am meiſten zu ſolchen Lagenaͤnderungen
bei: — 1) Große Anhaͤufung des Fruchtwaſſers. 2) Be-
traͤchtliche Laͤnge der Nabelſchnur und Umſchlingungen derſel-
3. Regelwidrige Inſertion der Placenta (wobei an die fuͤr
die regelmaͤßige Lage, mit dem Kopfe voraus, wirkende Ur-
ſache zu erinnern iſt, ſ. §. 693.) 4) Regelwidrige Bil-
dung in den Seitenwaͤnden des großen Beckens, beſonders zu
ſtark auswaͤrts gebogene Darmbeine; daher bei manchen Per-
ſonen eine beſondere Dispoſition zu ſolchen falſchen Lagen er-
klaͤrlich wird. 5) Fehlerhafte Lagen des Uterus. 6) Aeußere
heftige Erſchuͤtterungen des Koͤrpers, oder Erſchuͤtterungen durch
anhaltenden Huſten, durch haͤufiges Erbrechen u. ſ. w. veran-
laßt. 7) Vorhandenſeyn mehrerer Fruͤchte im Uterus.


§. 1532.

Die Zeichen der abnormen Lage geben ſich oft ſchon
waͤhrend der Schwangerſchaft zu erkennen: 1) durch unge-
woͤhnliche mehr in die Breite gedehnte Form des Leibes; 2)
durch die Bewegungen des Kindes welche die Schwangere an
ungewoͤhnlichen Stellen z. B. mehr nach den Leiſtengegenden hin,
fuͤhlt; 3) durch ſchmerzhafte Empfindungen an den ungewoͤhn-
lich ausgedehnten Punkten; 4) durch nicht zu fuͤhlenden Kin-
destheil bei der innern Unterſuchung. Dieſelben Zeichen gel-
ten auch fuͤr die angehende Geburt, nur daß im Fortgange
[526] derſelben gewoͤhnlich der falſch auf das Becken geſtellte Kin-
destheil ſelbſt fuͤhlbar wird, oder auch wohl einzelne Theile,
Arme oder Nabelſchnur, vorfallen. Bleibt auch bei geoͤffnetem
Muttermunde der Kindestheil noch fuͤr die Unterſuchung mit
einem Finger zu hoch geſtellt und unerreichbar, ſo wird die
Unterſuchung mit der ganzen Hand noͤthig, jedoch ſo, daß
man zugleich alles zur Wendung vorbereitet, und dieſe nach
beendigter Unterſuchung, ohne die Hand zuruͤckzuziehen, unge-
ſaͤumt vollfuͤhrt.


§. 1533.

Die ſpeciellere Eintheilung dieſer verſchiedenen
falſchen Lagen richtet ſich nun theils nach dem auf dem Bek-
keneingange befindlichen Kindestheile, theils nach deſſen Rich-
tung. Man koͤnnte daher eine große Anzahl von Klaſſen,
Ordnungen und Gattungen ſolcher Lagen anfuͤhren (wie dieß
insbeſondere von Baudeloque geſchehen), allein der praktiſche
Nutzen davon iſt zu gering, und es genuͤgt uns daher fol-
gende Abtheilungen aufzunehmen. I.Schieflagen. A. Mit
dem Kopfe voraus, und zwar mit a) Hinterhaupt, b) Schei-
tel und c) Geſicht, ſo daß dieſe Theile entweder uͤber dem Scham-
bogen, dem Promontorio, der rechten oder linken Linea arcuata
der Darmbeine aufſtehen und die Fuͤße in der entgegengeſetz-
ten Seite des Uterus ſich befinden. B. Mit den Huͤften
voraus, welche entweder rechts, links, nach vorn, oder nach
hinten aufſtehen.


§. 1534.

II. Querlagen 1) des Kopfs: die rechte oder linke
Seitenflaͤche mit dem Ohr befindet ſich auf dem Becken (Ohr-
lagen) und es ſind dabei die Fuͤße bald nach rechts, bald
nach links gelegen; 2) des Halſes: a) Kehllagen, wobei
wieder bald nach rechts, bald nach links die Fuͤße gerichtet
ſeyn koͤnnen, und b) Nackenlagen, von denen daſſelbe gilt. Die
erſtern werden an Unterkieferrand, Kehlkopf und Schluͤſſelbein,
die letztern an den Dornfortſaͤtzen erkannt. 3) Querlagen des
[527] Oberleibes mit den Fuͤßen nach rechts oder links: a) Vor-
derflaͤche der Bruſt, durch Rippen, Bruſtbein und Schluͤſſel-
beine charakteriſirt, liegt vor; b) Seitenflaͤche, wobei α der
Arm heraufgeſchlagen iſt (reine Seitenlage fuͤr welche die Rip-
pen charakteriſtiſch ſind), β der Arm am Koͤrper herabgeſtreckt
iſt, (wofuͤr Akromion, Schluͤſſelbein und Schulterblatt charak-
teriſtiſch ſind), γ der Arm vorliegt (Armlage); c) obere
Ruͤckenflaͤche, durch Dornfortſaͤtze, Schulterblaͤtter und Rippen
bezeichnet. 4) Querlagen des Unterleibes, wieder theils mit
den Fuͤßen nach rechts, theils nach links: a) Bauchlage, durch
die weiche Flaͤche und den Nabelſtrang charakteriſirt; b) Sei-
tenlagen des Bauchs, durch eine weiche Flaͤche, die kurzen
Rippen und den Darmbeinrand charakteriſirt; c) untere Ruͤk-
kenflaͤche liegt vor (Lendenlage), durch die Dornfortſaͤtze und
die an den Lendenwirbeln mangelnden Rippen bezeichnet.


§. 1535.

Die Behandlung bezieht ſich bei den Schieflagen
zunaͤchſt auf die Hereinleitung des ſchiefgeſtellten Theils in
das Becken, wozu die unter Operation der Wendung auf
den Kopf beſchriebenen Regeln, das zweckmaͤßigſte Mittel ab-
geben. Vorzuͤglich wichtig iſt das Anordnen zweckmaͤßiger
Lagen der Kreiſenden, bei Schiefſtaͤnden des Kopfs nach rechts
die rechte, bei Schiefſtaͤnden nach links die linke Seitenlage,
bei Schiefſtaͤnden uͤber dem Schambogen die Seitenlage mit
ſtark angezogenen Schenkeln und vorgebeugtem Leibe, allen-
falls ſelbſt Aufſtemmen auf Knie und Ellenbogen, nebſt aͤuſ-
ſerm Druck gegen die Stelle wo aͤußerlich der Kopf fuͤhlbar
iſt. Gelingt indeß durch dieß Verfahren es nicht, die Huͤften
oder den Kopf in eine gute Stellung zu bringen, oder treten
Zufaͤlle ein, welche bevor das Herabruͤcken dieſer Theile abge-
wartet werden kann, die Beſchleunigung der Entbindung drin-
gend indiciren, ſo iſt zur Wendung auf die Fuͤße zu ſchreiten,
da wie ſchon fruͤher bemerkt wurde, das Faſſen und Anzie-
hen eines ſchief, hoch und wohl ſelbſt noch beweglich ſtehenden
Kopfs durch die Geburtszange auf keine Weiſe rathſam iſt. —
[528] Querlagen des Kopfes und Halſes laſſen in ſeltnern Faͤllen
auch noch die Wendung auf den Kopf zu, meiſtens aber noͤ-
thigen ſie, ſo wie die andern Querlagen durchgaͤngig, zur
Wendung auf die Fuͤße, woruͤber die weitern Regeln bereits
fruͤher gegeben ſind.


Von Verbindung mehrfacher Regelwidrigkei-
ten des Geburtsgeſchaͤfts untereinander,
und von der kuͤnſtlichen Veranlaſſung von
Regelwidrigkeiten durch falſches Beneh-
men der Kreiſenden, oder durch uͤbele Be-
handlung
.

§. 1536.

Es iſt ein ſeltner Fall, daß bei einem uͤberhaupt regel-
widrig verlaufenden Geburtsgeſchaͤft nur eine einzige Art von
pathologiſchen Zuſtaͤnden vorkommen ſollte, und weit haͤufiger
bemerken wir ganze Gruppen von Regelwidrigkeiten welche
in ihrer Verbindung das Geburtsgeſchaͤft ſtoͤren. Solcher
Verbindungen koͤnnen außerordentlich viele vorkommen, und
durch dieſe große Mannigfaltigkeit wird uͤberhaupt das Han-
deln des Geburtsarztes oft aͤußerſt erſchwert. — Zu bemer-
ken iſt an dieſem Orte nur 1) daß gern gewiſſe Reihen von
Regelwidrigkeiten ſich zuſammen vorfinden, in wiefern ſie ent-
weder in gemeinſchaftlichen Urſachen bedingt ſind, oder ein-
ander wechſelſeitig hervorrufen. So findet ſich z. B. bei
ſchlaffem phlegmatiſchem Koͤrperbau haͤufig vieles Waſſer, Ato-
nie des Uterus, paſſive Blutung, falſche Lage des Uterus u.
ſ. w.; bei rhachitiſchen Perſonen Engigkeit, Schiefheit des
Beckens, zu ſtarke Neigung deſſelben, Haͤngebauch, Schief-
ſtand des Kindes u. ſ. w. vor. Oder es iſt Enaigkeit und
Rigiditaͤt des Muttermundes vorhanden, dieſe erzeugt krampf-
hafte Zuſammenziehung, Einſackung der Nachgeburt, Entzuͤn-
durch u. ſ. w.


[529]
§. 1537.

2) Iſt das Verhaͤltniß zu bemerken, in welchem meh-
rere Regelwidrigkeiten ruͤckſichtlich der Verbeſſerung oder Ver-
ſchlimmerung des Geſammtzuſtandes ſich befinden. Zuweilen
naͤmlich koͤnnen Regelwidrigkeiten zuſammentreffen welche ſich
gegenſeitig einander ziemlich aufheben, und ſo den Geburts-
verlauf erleichtern, z. B. uͤbermaͤßige Groͤße des Kindes bei
einem ſehr weiten Becken, eine etwas zu zeitige Geburt bei
ſehr verengertem Becken, lockere Eihaͤute bei zu großer Waſ-
ſeranhaͤufung u. ſ. w. — Allein weit oͤfterer kommt es noch
vor, daß ſich Regelwidrigkeiten mit einander verbinden, de-
ren Zuſammentreffen den Geſammtzuſtand verſchlimmert, z.
B. krampfhafte, ſchlechte Wehen bei engem Becken, Entzuͤn-
dung und Krampf, falſche Lage, ſchwer zu oͤffnender Mutter-
mund, Incarceration der Nachgeburt, mit feſter partieller
Anheftung der Placenta und innerer Metrorrhagie u. ſ. w. —


§. 1538.

Was die Behandlung ſolcher complicirter Faͤlle be-
trifft, ſo muß der Geburtsarzt vorzuͤglich erwaͤgen, erſtlich, ob
die eine Abnormitaͤt erſt Folge der andern iſt, und ob beide
einander wechſelſeitig verſchlimmern oder verbeſſern. Iſt das
erſte der Fall, ſo wird auf die urſachliche Abnormitaͤt die
Behandlung zunaͤchſt gerichtet ſeyn muͤßen, und auf welche
Weiſe uͤberhaupt die ſpecielle Leitung des Falles einzurichten
ſey, wird ſich ergeben, wenn man die fuͤr jede beſondere Ab-
normitaͤt noͤthige und im Vorigen beſchriebene Behandlung be-
denkt, und dieſe Heilregeln fuͤr die Individualitaͤt des Falles
moͤglichſt vereinfacht in Anwendung bringt. Atonie des Ute-
rus von zu vielem Fruchtwaſſer mit Feſtigkeit der Eihaͤute
z. B., wird durch das kuͤnſtliche Sprengen der Blaſe am
zweckmaͤßigſten behandelt; und ſo wird ſich aus hinlaͤnglicher
Kenntniß der Behandlung fuͤr jede einfache Abnormitaͤt, die
Behandlung der complicirten Faͤlle leicht entnehmen laſſen.


II. Theil. 34
[530]
§. 1539.

Es iſt nun aber auch von den Stoͤrungen zu ſprechen,
welche ein unzweckmaͤßiges Benehmen der Gebaͤrenden ſelbſt,
oder der Huͤlfe leiſtenden Hebammen oder Geburtshelfer bei
ſonſt normalen Geburten kuͤnſtlich erſt herbei zu fuͤhren im
Stande iſt; und leider muß bei dem Stande in welchem
gegenwaͤrtig die Ausuͤbung der Entbindungskunſt ſich befindet,
immer noch dieſes Moment haͤufiger als es zu wuͤnſchen
waͤre, als Veranlaſſung zu mannigfaltigen Abnormitaͤten an-
geklagt werden. Manche Gebaͤrende iſt daher ſchon, weil ſie
zu rechter Zeit nach Huͤlfe zu ſenden verſaͤumte, ohne zweck-
maͤßige Vorbereitung, von der Geburt oft wohl im Stehen
uͤberraſcht worden, und hat ſich Blutfluͤße u. ſ. w. zugezo-
gen; manche Gebaͤrende ſtoͤrt durch ſehr unruhiges oder ver-
zoͤgert durch zu traͤges Benehmen den Geburtsverlauf fuͤr ſie
zum Nachtheil u. ſ. w. — Aber ſicher wird oft auch durch
Gebrauch treibender Mittel und durch Operationen, welche ohne
hinlaͤngliche Indication blos aus Ungeduld oder Operations-
luſt des Geburtshelfers angewendet werden, Kreiſenden der
groͤßte Nachtheil zugefuͤgt, durch Sorgloſigkeit der Hebamme
oder des Geburtshelfers die Zerreißung des Mittelfleiſches
veranlaßt, oder wohl gar bei wirklich angezeigten oder nicht
angezeigten Operationen, durch Ungeſchicklichkeit und Rohheit
des Verfahrens der abnorme Zuſtand erhoͤht anſtatt vermin-
dert, Zerreißung oder doch Entzuͤndung der Gebaͤrmutter her-
beigefuͤhrt, durch unzeitiges Loͤſen der Placenta Blutſturz er-
zeugt u. ſ. w. — Kurz es gehoͤrt hierher das ganze Suͤn-
denregiſter und Schuldbuch unwiſſender und ungeſchickter Ge-
burtshelfer, deren Haͤnden oft das weibliche Geſchlecht uͤber-
laſſen iſt, ein Gegenſtand den wir indeß hier nicht weiter
auszufuͤhren haben, da die einzelnen Abnormitaͤten welche durch
ſchlechte Behandlung entſtehen koͤnnen, dieſelben ſind, welche
als, gewoͤhnlicher von andern Urſachen begruͤndete, Regelwi-
drigkeiten wir oben geſchildert haben; und ausfuͤhrliche Eroͤr-
terungen aber, fuͤr den, dem die innere Stimme nicht ſagt wie
[531] vorzuͤglich das gebaͤrende Weib zur groͤßten Schonung und
gewiſſenhafteſten Behandlung auffordern muͤße, doch fruchtlos
ſeyn wuͤrden.


III.
Von den Krankheiten der Woͤchnerinnen und
Neugeborenen, und von der Behandlung derſelben.

I.
Specielle Pathologie und Therapie des
Zuſtandes der Woͤchnerin
.

§. 1540.

Betrachtet man im Allgemeinen die verſchiedenen Krank-
heitszuſtaͤnde, welchen die Periode des Wochenbettes unter-
worfen iſt, ſo kann man vorzuͤglich drei Gattungen derſelben
unterſcheiden, welche jedoch wieder unter ſich der mannigfal-
tigſten Complicationen faͤhig ſind: — Es gehoͤren dahin, er-
ſtens Krankheitszuſtaͤnde welche als unmittelbare Folgen der
Geburt zu betrachten ſind; zweitens Krankheitszuſtaͤnde, wel-
che in Stoͤrungen der im weiblichen Koͤrper in dieſer Periode
vorgehenden naturgemaͤßen Revolutionen und eintretenden ei-
genthuͤmlichen Funktionen beſtehen; drittens endlich Krankhei-
ten, welche auch außer dem Zuſtande des Wochenbettes den
weiblichen Koͤrper oder den Menſchen uͤberhaupt befallen koͤn-
nen, und in dieſer Periode nur durch den eigenthuͤmlichen
Charakter derſelben Modificationen erleiden.


I. Von den krankhaften Zuſtaͤnden der Woͤchnerin,
welche unmittelbare Folgen der Geburt ſind.

§. 1541.

Hierbei muͤſſen wieder unterſchieden werden die allge-
meinen Affektionen, als: große Erſchoͤpfung, Froſt, Ohnmach-
[532] ten, Zuckungen, und die oͤrtlichen Krankheitszuſtaͤnde, als:
Anſchwellung der Geburtstheile, Entzuͤndung derſelben, die
Folgen der Zerreißungen in der Vagina oder in den aͤußern
Geburtstheilen, die Harnbeſchwerden und die Verrenkung des
Schwanzbeins.


1.
Krankhaftes allgemeines Befinden als Folge
der Geburt
.

§. 1542.

Die Geburtsanſtrengung, unter manchen Umſtaͤnden und
von aͤcht weiblichen kraͤftigen Koͤrpern ſo leicht uͤberwunden,
hinterlaͤßt dagegen bei ſchwierigerm ſehr verzoͤgerten Verlauf,
und bei ſchwaͤchlichen kraͤnklichen Naturen oft einen Grad von
Erſchoͤpfung, welcher zu Ohnmachten, Zuckungen, paſſiven
Blutungen geneigt macht, und deßhalb die Aufmerkſamkeit
des Arztes im hohen Grade verdient. Es charakteriſirt ſich
dieſer Zuſtand durch Blaͤſſe des Geſichts, matten Blick, ſehr
geſunkenen, langſamen Puls, unvernehmliche Stimme, geſun-
kene Temperatur, ſo wie durch Beruͤckſichtigung vorausgegan-
gener Umſtaͤnde und allgemeiner Koͤrperconſtitution.


§. 1543.

Die Behandlung dieſes Zuſtandes betreffend, ſo iſt vor-
zuͤglich fuͤr bequeme Lage und vollkommenſte Ruhe der Neu-
entbundenen zu ſorgen, durch Abhaltung hellen Lichtes und
ſonſtiger Stoͤrungen ein ruhiger Schlaf zu befoͤrdern, bei wel-
chem jedoch, moͤglicher Blutungen wegen, ſtets eine unterrich-
tete Perſon Wache halten muß. Außerdem wirken gelind
erregende Mittel, etwas Meliſſenthee und Wein, einige Trop-
fen Naphtha auf Zucker, Waſchen mit Eau de Cologne,
ſpaͤterhin eine Taſſe Bouillon mit Ei ſehr wohlthaͤtig. —
Zeigt ſich in Folge dieſer allgemeinen Erſchoͤpfung Froſt, ſo
ſind vorzuͤglich einige Tropfen vom Laudano liq. S. ein
[533] huͤlfreiches Mittel. Seltner entſtehen aus dieſer Urſache Con-
vulſionen oder Ohnmachten, welche jedoch im Ganzen dann
immer eine guͤnſtigere Prognoſe zulaſſen, und der fruͤher be-
ſchriebenen, auch bei Ohnmachten und Convulſionen wel-
che bei Schwangern oder Gebaͤrenden im Nervenſyſtem begruͤn-
det ſind huͤlfreichen Methode zu weichen pflegen (ſ. §. 1050
u. 51, 1038).


§. 1544.

Ferner aber zeigen ſich auch bei Neuentbundenen oͤfters
Anfaͤlle von Froſt, Convulſionen, Ohnmachten in
Folge von Unordnungen im Gefaͤßſyſtem, und faſt auf die-
ſelbe Weiſe entſtehend, wie bei den Convulſionen der Gebaͤ-
renden ſchon eroͤrtert worden iſt (§. 1335), naͤmlich indem
ſich ungleiche Blutvertheilung offenbart, welche durch Ruͤck-
tritt der fruͤher in den Venenzellen aufbehaltenen, jetzt von
den Lungen nicht vollſtaͤndig aufgenommenen Blutmaſſe in
das allgemeine Gefaͤßſyſtem veranlaßt wird. Zeigt ſich aus
ſolchen Urſachen das ſubjektive Gefuͤhl von Froſt, ſo iſt dabei
die Hautwaͤrme aͤußerlich eher erhoͤht als vermindert, das Ge-
ſicht roth, der Puls hart und frequent, und Ohnmachten und
Convulſionen werden gewoͤhnlich durch Kopfſchmerz angekuͤn-
digt. — Die Behandlung muß hiernach vorzuͤglich durch die
antiphlogiſtiſche und ableitende Methode eingeleitet werden.
Bei bloßem Froſt wirkt die Befoͤrderung des allgemeinen
Schweißes durch einige Gaben Liq. C. C. oder Sp. Minder.
mit Fliederthee, warme Fomentationen um die Fuͤße u. ſ. w.
vorzuͤglich wohlthaͤtig, Ohnmachten und Zuckungen erfordern
dieſelbe Behandlung wie unter der Geburt, d. i. allgemeine oder
oͤrtliche Blutentziehungen, kalte Fomentationen auf den Kopf,
reitzende Einreibungen in den Nacken, Rubefacientia, warme
Fomentationen um die untern Extremitaͤten, und nach beſei-
tigten Congeſtionen die mehr die centrale Thaͤtigkeit des Ner-
venſyſtems aufrufenden Mittel: Moschus, Campher, Vale-
riana, Liq. C. C.,
die Stuͤtziſche Methode u. ſ. w.


[534]
2.
Krankhafte oͤrtliche Zuſtaͤnde als Folge der
Geburt
.

§. 1545.

1) Anſchwellung und Entzuͤndung der Ge-
burtstheile
; Ein Zufall welcher nach ſchwierigen Gebur-
ten, wo der Kopf laͤngere Zeit in der Beckenhoͤhle ſteht, ſehr
haͤufig einzutreten pflegt. Man hat hierbei vorzuͤglich zu be-
ruͤckſichtigen, ob die Geſchwulſt mehr oͤdematoͤs oder wirkliche
Entzuͤndungsgeſchwulſt ſey. — Im erſtern Falle iſt dieſelbe
mehr ſchwammig, blaͤßer und weniger empfindlich, im letztern
Falle ſchmerzhaft, geſpannt und lebhaft geroͤthet, auch ent-
ſtehen hierbei leicht einige Fieberbewegungen, welche denn haͤu-
fig, wenn der Arzt die Beſchaffenheit der Geburtstheile nicht
kennt oder nicht unterſucht, auf Rechnung des ſogenannten
Milchfiebers geſchrieben werden.


§. 1546.

Beide Arten der Anſchwellung machen zuvoͤrderſt die
ſtrengſte Reinlichkeit, oͤfteres Auswaſchen der Genitalien mit
Aufguͤßen der Flor. Chamam. und der Hb. Serpilli, oͤfte-
res Wechſeln der Unterlagen und bei ſtarken, riechenden und
wegen der Geſchwulſt unvollkommen ausfließenden Lochien, aͤhn-
liche Injektionen in die Vagina nothwendig. Eben ſo eignen
ſich fuͤr beide Arten warme aromatiſche Fomentationen uͤber
die Geburtstheile, wozu die Aufguͤße der Flor. Arnicae, der
Hb. Serpill. und Absinthii vorzuͤglich paſſen. Bei der Ent-
zuͤndungsgeſchwulſt muß uͤbrigens ein antiphlogiſtiſches Regimen
beobachtet werden, kuͤhlende Getraͤnke, Fliederthee mit Citro-
nenſaft u. ſ. w. ſind ſehr wohlthaͤtig. Fieberbewegungen er-
fordern die Anwendung von Nitrum, Emulſionen, blanden
Abfuͤhrungen u. ſ. w. Iſt die Anſchwellung rein oͤdematoͤs,
[ſo] wirken die Zuſaͤtze von Wein, ſpaͤterhin von Franzbrandt-
wein, zu den Fomentationen ſehr wohlthaͤtig. Sehr ſtarke
[535] Anſchwellung der Schamtheile macht oͤfters die Anwendung
von Scarificationen der Geſchwulſt unentbehrlich.


§. 1547.

Zuweilen bilden ſich nach Entzuͤndungsgeſchwuͤlſten der
Geburtstheile auch kleine Eiterungen oder oberflaͤchliche Exco-
riationen; die erſtern muͤſſen durch erweichende Umſchlaͤge zur
Reife gefoͤrdert, dann vorſichtig geoͤffnet, und weiterhin nach
den Regeln der Chirurgie durch einen einfachen Verband und
ſorgfaͤltige Reinlichkeit zur Heilung geleitet werden. Die Ex-
coriationen machen blos das im vorigen §. beſchriebene Ver-
fahren noͤthig.


§. 1548.

Am gefaͤhrlichſten, obwohl auch weit ſeltner ſind die
Anſchwellungen der Schamlippen und des Mittelfleiſches,
welche von ausgetretenem Blute in dem Zellgewebe zwiſchen
Vagina und Maſtdarm abhangen, und aus kleinen Zerreißun-
gen des Scheidenkanals oder benachbarter Gefaͤße ihren Ur-
ſprung nehmen. Sie werden durch die dunklere Farbe und
die Fluktuation vornehmlich erkannt, verurſachen leicht gefaͤhr-
liche weit ausgebreitete Eiterungen, weil die Blutergießung
fuͤr Wiederaufſaugung gewoͤhnlich zu groß iſt, ſo daß die Ei-
terung ſelbſt dann hektiſches Fieber, Zerſtoͤrungen der Becken-
verbindungen und Tod nach ſich ziehen kann. Die Behand-
lung beſchraͤnkt ſich hierbei vorzuͤglich auf die zeitig zu un-
ternehmende Oeffnung der Blutgeſchwulſt, man legt. eine Wieke
ein, bedeckt die geſchwollenen Theile mit Arnica-Fomenta-
tionen, und bei eintretender Eiterung wird dieſe durch erwei-
chende mit aromatiſchen Kraͤutern verſtaͤrkte Cataplasmata
behandelt, jauchigem Eitererzeugniß durch Chinafomentationen,
. Myrrhae, beſſere Diaͤt, innern Gebrauch der China be-
gegnet, und ſo eine voͤllige Heilung befoͤrdert.


§. 1549.

2) Verletzung der innern Geburtstheile. Bei
ſchweren Entbindungen, zumal wenn ſie nicht mit genuͤgender
[536] Vorſicht durch Inſtrumente beendigt worden ſind, geſchieht es
zuweilen, daß der Muttermund ſtaͤrker als gewoͤhnlich einreißt,
oder der Scheidenkanal ſelbſt hin und wieder oberflaͤchliche
Verletzungen und Quetſchungen erleidet, welches dann im Wo-
chenbett durch Schmerz in den Geburtstheilen, Entzuͤndung,
oberflaͤchliche Eiterungen und riechende Lochien ſich zu erken-
nen giebt, ja ſelbſt Fieber erregt, und wobei durch die ſtar-
ken Verletzungen des Muttermundes bleibende Nachtheile, Un-
fruchtbarkeit, Leukorrhoͤen oder Skirrhoͤſitaͤten leicht entſtehen
koͤnnen. — Die Heilung dieſer Verletzungen muß dem Orte
nach, freilich hauptſaͤchlich der Natur uͤberlaſſen bleiben, ſie
wird indeß durch oͤftere Reinigung der Geburtstheile, mittelſt
Einſpritzung des Aufgußes der Flor. Chamomill. der Hb.
Serpilli
u. ſ. w. am beſten beſoͤrdert, ſo wie ſich hierbei auch
laͤnger beobachtete Ruhe im Wochenbett und eine angemeſſene
antiphlogiſtiſche Behandlung bei dem eintretenden Wundfieber
nothwendig macht.


§. 1550.

3) Zerreißung des Mittelfleiſches. Einer der
unangenehmſten Zufaͤlle der Entbindung welcher auch im Ver-
laufe des Wochenbettes oft zu den bedeutenſten Stoͤrungen
Veranlaſſung giebt, ſehr ſchwer oder gar nicht durch die Na-
tur geheilt wird, und dafern die Verletzung bedeutend iſt, d. i.
ſobald ſie ſich bis an, oder in den After erſtreckt, unwillkuͤhr-
licher Abgang von Blaͤhungen oder Stuhl, Scheidenvorfaͤlle,
Leukorrhoͤen, Unfruchtbarkeit u. ſ. w. nothwendig zur Folge
hat; Gruͤnde genug welche uns noͤthigen muͤſſen alles aufzu-
bieten, um dieſe Verletzungen zu verhuͤten, welches denn durch
genaue Befolgung der oben gegebenen Regeln auch faſt im-
mer moͤglich ſeyn wird. Findet ſich indeß das Uebel wirk-
lich vor, ſo giebt es ſich durch Geſchwulſt, Schmerz und
Brennen bein Uriniren, Unvermoͤgen aufzuſitzen und Wundfie-
ber bald zu erkennen. Selten reißt die rima genitalium
mehr ruͤck- und ſeitwaͤrts ein, wobei jedoch die Folgen
und die Behandlung mit denen des zerrißenen Mittelfleiſches
voͤllig uͤbereinſtimmen.


[537]
§. 1551.

Was die Behandlung betrifft, ſo iſt auch hier die ſtrengſte
Reinlichkeit das erſte Erforderniß zur Heilung, da ja eben
das ſtaͤte Verunreinigen der Wunde durch den Lochienfluß ein
Haupthinderniß der Heilung abgiebt. Es muß daher nach
jedem Auswaſchen mit einem weichen Schwamme, die hintere
Commissur der rima genitalium durch trockne Charpie aus-
getupft und die Heilung durch Wiederaneinanderlegen der
Wundraͤnder befoͤrdert werden. Iſt nun der Einriß nicht be-
traͤchtlich, ſo reicht gewoͤhnlich dieſes Verfahren, nebſt einer
anhaltenden Seitenlage, wobei die Knie dicht aneinander ge-
halten und deßhalb mit einem Tuche locker umſchlungen wer-
den muͤſſen, vollkommen hin, um die Heilung zu bewerkſtelli-
gen, und es kann ſich bei lange genug beobachteter Ruhe
ſelbſt das frenulum labiorum vollſtaͤndig wieder erzeugen *).
Da uͤbrigens bei Zerreißungen des Mittelfleiſches ſich immer
auch Entzuͤndung, Schmerz und Geſchwulſt einfindet, ſo ſind
außer den genannten Maaßregeln noch erweichende, zerthei-
lende Fomentationen ſehr nuͤtzlich, bei welchen in den erſten
Tagen alle Zuſaͤtze von ſpirituoͤſen Mitteln zu vermeiden ſind.


§. 1552.

Staͤrkere Einriße bis in oder bis dicht an den Af-
ter, koͤnnen auf zweierlei Weiſe behandelt werden, entweder
naͤmlich durch die blutige Nath, oder ohne dieſelbe. Was die
erſtere Methode betrifft, ſo kann ſie fuͤr die erſten Tage des
Wochenbettes, wo ſie allein wegen der Friſchheit der Wunde
zur ſchnellen Vereinigung allenfalls fuͤhren koͤnnte, durchaus
nicht empfohlen werden, da das Einſtechen der Nadeln in
die ohne dieß ſchon gereitzten Partien, die Entzuͤndung ver-
mehren und Fieberbewegungen nothwendig veranlaſſen muͤßte,
uͤberdieß aber faſt nie die unmittelbare Vereinigung der ge-
trennten Theile bewirken kann, weil dieſelbe durch das Ein-
[538] dringen des Lochienflußes (welches ſich durch keine kuͤnſtliche
Vorrichtung wird abhalten laſſen) ſtets gehindert werden muß.
Muß man daher wegen zu betraͤchtlicher Verletzung und
auf andere Weiſe nicht zu erreichender Heilung zur blutigen
Nath ſchreiten, ſo geſchehe dieß nachdem die Zeit des Wo-
chenbettes ziemlich voruͤber, und die Wundraͤnder oberflaͤchlich
vernarbt ſind, mittelſt des erneuerten Wundmachens der Wund-
lefzen, und zwar nach Zang’s Vorſchrift *) durch Weg-
ſchneiden mit dem Meſſer, und ſo, daß ehe die drei Hefte
angelegt werden, die Blutung durch den Schwamm und kal-
tes Waſſer voͤllig zum Stehen gebracht, dann die
Wundſpalte derb zuſammengezogen, hierauf aber 10 bis 12
Tage die groͤßte Ruhe beobachtet wird.


§. 1553.

Will man den Verſuch zur Heilung betraͤchtlicher Zer-
reißungen des Mittelfleiſches ohne die blutige Nath unter-
nehmen, ſo muͤſſen zunaͤchſt die §. 1551 gegebenen Vorſchrif-
ten auf das genaueſte beobachtet, und bis die Eiterung der
Wundlefzen eintritt, die erweichenden mit aromatiſchen Kraͤu-
tern verſetzten Umſchlaͤge fortgefuͤhrt werden **). Ferner aber
wird es noͤthig die Granulation durch taͤglich einigemal wie-
derholtes Beſtreichen der Wundlefzen mittelſt einer Miſchung
von zwei Theilen Peru-Balſam und einem Theil . Myr-
rhae
zu befoͤrdern, und beſonders auf die ſtrengſte Ruhe, das
ſtetige Aneinanderſchließen der Schenkel und die haͤufig wie-
derholte Reinigung durch aromatiſche Aufguͤße, zu halten.
Umſchlaͤge ſind, wenn die Geſchwuſt ſich verloren hat, nicht
[539] mehr nothwendig, auf Erhaltung gelinder Darmausleerungen
aber muß fortwaͤhrend geſehen werden. — Da zuweilen al-
lerdings die Vereinigung auch bei dieſem Verfahren gelingt,
ſo iſt es rathſam immer zuerſt dieſen Weg einzuſchlagen und
dafern er nicht zum Zweck fuͤhrt, ſpaͤterhin die Scarification
und Nath anzuwenden.


§. 1554.

3) Harnbeſchwerden. Sie kommen ziemlich haͤufig
nach ſchweren Geburten, ja zuweilen ſelbſt nach leichtern Ent-
bindungen vor. Die Formen dieſer Abnormitaͤten ſind dieſel-
ben welche auch ſchon bei Schwangern vorkommen und fruͤher
§. 1023 u. f. beſchrieben worden ſind. Als Urſachen der-
ſelben iſt zunaͤchſt die Geſchwulſt der Urethra und der Harn-
roͤhrenmuͤndung, welche vorzuͤglich nach langem Inneſtehen des
Kopfs ſich zu entwickeln pflegt, zu erwaͤhnen; ſie hat gewoͤhn-
lich Strangurie oder Iſchurie zur Folge, giebt ſich durch Un-
terſuchung des Orificii urethrae, und Hinderniß bei Einfuͤh-
rung des Katheters zu erkennen, und kann entweder mit oder
ohne Entzuͤndung (oͤdematoͤs) vorkommen, welches erſtere durch
vermehrte Waͤrme, Empfindlichkeit, und wohl durch leichte
Fieberbewegungen erkannt wird. — Fernere Urſachen ſind
die Laͤhmung oder Verletzung des Blaſenhalſes, von welchen
die erſtere durch Quetſchung von einem ſtarken Kindeskopfe,
durch anhaltende Laukorrhoͤe, Blutungen u. ſ. w. oder auch
durch vorausgegangene Entzuͤndung und Geſchwuſt erregt
werden kann, und eine Incontinentia urinae zur Folge hat,
wobei der Harn entweder fortwaͤhrend, oder beim Huſten, Um-
wenden u. ſ. w. abfließt. Was die Verletzungen betrifft, ſo
ſind ſie meiſtens die Folge roh ausgefuͤhrter Zangenentbindun-
gen, Extraktionen oder Perforationen, fuͤhren Harnfiſteln nach
der Vagina herbei, und quaͤlen die Kranke fortwaͤhrend durch
tropfenweiſe erfolgenden Harnabgang, durch Excoriationen u. ſ. w.


§. 1555.

Eine dritte Urſache geben die von der Geburt angereg-
ten Krankheitszuſtaͤnde der Blaſe, wohin theils die Laͤhmung
[540] theils der entzuͤndliche und krampfhafte Zuſtand derſelben ge-
hoͤrt. Die Laͤhmung durch ſtark und lange auf dem Scham-
bogen aufſtehenden Kindeskopf, verſaͤumte Harnentleerung vor
der Entbindung, und fruͤhere atoniſche Zuſtaͤnde der Geburts-
und Harnwege veranlaßt, fuͤhrt Iſchurie herbei und charakte-
riſirt ſich durch Mangel an Fieber ſo wie an Schmerz bei Beruͤh-
rung der Regio hypogastrica und dem Einbringen des Ka-
theters. — Entzuͤndung und Krampf hingegen findet ſich bei
reizbaren Subjekten nach ſchweren Geburten, treibenden er-
hitzenden Mitteln und vorher verſaͤumter Blaſenentleerung,
bringt Strangurie, Iſchurie, zuweilen auch Unvermoͤgen den
Harn zuruͤckzuhalten hervor, und wird durch Empfindlichkeit,
durch die geſammte Conſtitution, und bei Entzuͤndung durch
das nie mangelnde Fieber bezeichnet.


§. 1556.

Die Behandlung dieſer Zuſtaͤnde hat mit der der Harn-
beſchwerden bei Schwangern viel Uebereinſtimmendes. Die
Geſchwulſt der Harnroͤhre, der krampfhafte Zuſtand der Harn-
blaſe und eben ſo die Entzuͤndungszuſtaͤnde machen aͤußerlich
zunaͤchſt Umſchlaͤge von den Specieb. resolvent. uͤber die
aͤußern Geſchlechtstheile und die regio hypogastrica unent-
behrlich, zugleich muß, wenn die Anhaͤufung des Urins be-
deutender wird, nothwendig der Katheter eingebracht werden. —
Zeigt ſich ein paralytiſcher Zuſtand der Harnblaſe, ſo ſind fluͤch-
tig reitzende Einreibungen, das Emplastr. aromaticum, Auf-
troͤpfeln von Naphtha u. ſ. w. mit Nutzen anzuwenden, ſo
wie, wenn Incontinentia urinae durch Atonie des Blaſen-
halſes verurſacht wird, aromatiſche Umſchlaͤge mit Wein oder
ſpirituoͤſen Zuſaͤtzen nicht unterlaſſen werden duͤrfen.


§. 1557.

Auch die weitere Behandlung richtet ſich nach den be-
ſondern Urſachen. Entzuͤndliche Zuſtaͤnde mit Fieber verknuͤpft
machen allgemeine oder oͤrtliche Blutentziehung, kuͤhlende
Emulſionen, blande Abfuͤhrungen, den Gebrauch des Calo-
[541] mels *) und ableitende Mittel nothwendig. Krampfige Zu-
ſtaͤnde weichen vorzuͤglich der Anwendung der Emulſionen mit
Opium, und den Zuſaͤtzen der Hb. Hyoscyami zu den Fo-
mentationen. Bei paralytiſchen Zuſtaͤnden endlich muͤſſen auch
innerlich die mehr erregenden Mittel, als Decoctum corticis
peruv., Hb. uvae ursi,
der Gebrauch der Naphthen, eines
guten Weins u. ſ. w. nicht unterlaſſen werden. — Lang an-
haltende Enuresis macht die Anwendung aͤußerlicher Vorrich-
tungen zum Auffangen des ſtets abfließenden Urins (ſ. §.
1029.) nothwendig.


§. 1558.

Am meiſten Schwierigkeit pflegen gewoͤhnlich der Hei-
lung entgegenzuſetzen die durch Verletzung entſtandenen Harn-
fiſteln. Was die Sorge fuͤr ſtrenge Reinlichkeit, die Behand-
lung der ſich dabei einfindenden Geſchwulſt, Entzuͤndung und
Fieberanfaͤlle betrifft, ſo kann auf die in den vorigen §§.
angezeigte Behandlung verwieſen werden; allein was die Hei-
lung der Verletzungen ſelbſt betrifft, ſo hat man dazu uͤber-
haupt nur noch wenig Verſuche gemacht. — Ich erwaͤhne
hier zunaͤchſt der von H. Naͤgele gemachten Vorſchlaͤge, durch
ein der Operation der Haſenſcharte einigermaaßen nachgebilde-
tes Verfahren, mittelſt eigener Inſtrumente die Vereinigung
der wieder wund gemachten Raͤnder der Fiſteloͤffnung zu bewerk-
ſtelligen **), welche allerdings in mehrerer Hinſicht zweckmaͤßig
ſcheint, obwohl das Verfahren etwas ſehr zuſammengeſetzt und
[542] gekuͤnſtelt nicht mit Unrecht genannt und auch durch die Er-
fahrung noch nicht hinlaͤnglich beſtaͤtigt worden iſt. — Weit
einfacher dagegen iſt das von M. Coze*) beſchriebene Ver-
fahren, welcher, indem er von der Ausfuͤhrung des Stein-
ſchnittes durch die Vagina ſpricht, bemerkt, daß die hierbei
entſtandene Communication zwiſchen Blaſenhals und Mutter-
ſcheide, durch bloße hinlaͤngliche Ausfuͤllung des Scheidenka-
nals mittelſt eines ſtarken, Zuſammendruͤckung der vordern Schei-
denwand bewirkenden Scheidencylinders, bei laͤngere Zeit inne-
liegendem Katheter ſehr gut zur Heilung gebracht werden
koͤnne, und dieſes Verfahren auch zur Heilung der Harnfiſteln
nach vorausgegangener Scarification der Fiſteloͤffnung em-
pfiehlt. — Da uͤbrigens nach jeder, fortwaͤhrendes Austroͤp-
feln von Harn verurſachenden Harnfiſtel große Zuſammenge-
zogenheit der Blaſe entſtehen muß, ſo wird die Anwendung
von oͤhligen oder ſchleimigen Injektionen welche einige Zeit
zuruͤckgehalten werden muͤſſen, als Nachkur meiſtens unent-
behrlich ſeyn.


§. 1559.

4. Verrenkung des Schwanzknochens. Dieſer
Zufall welcher eigentlich, wie ſchon Bernſtein**) bemerkt,
nicht eigentlich Verrenkung genannt werden kann, da das
Steisbein mit dem Kreuzbein durch Knorpel verbunden iſt,
gehoͤrt zu den ſeltenſten Zufaͤllen nach der Entbindung. Er
kann vorzuͤglich bei aͤltlichen Erſtgebaͤrenden mit ſtarker Bek-
kenkruͤmmung, bei gewaltſamer Durchfuͤhrung eines ſtarken
Kindeskopfs, oder bei ſtarkem Zuruͤckdruͤcken des Steisknochens
durch eine uͤbergeſchaͤftige unwiſſende Hebamme eintreten.
Man erkennt die (hier allein vorkommende) Abweichung die-
ſes Knochens nach außen, durch das Schmerzgefuͤhl am
leidenden Theile, in der Gegend des Dammes und Afters,
und am Zunehmen dieſes Schmerzes durch Bewegung der
[543] Schenkel, Darmausleerung, Huſten, Nieſen u. ſ. w., ſo wie
an der aͤußerlich fuͤhlbaren Erhabenheit der Schwanzbeinſpitze.


§. 1560.

Die Folgen dieſer Abweichung wuͤrden, wenn das Uebel
ſich ſelbſt uͤberlaſſen bliebe, leicht bedenklich werden, und in
Entzuͤndung, Eiterung der getrennten Knorpelflaͤchen, Fort-
ſchleichen des Abſceſſes zu benachbarten Gebilden und auszeh-
rendem Fieber beſtehen. — Die Behandlung iſt ziemlich ein-
fach; um die Einrichtung des nach außen getriebenen Kno-
chens zu machen, bringt man den eingeoͤhlten Zeigefinger ei-
ner Hand in den Maſtdarm und druͤckt mit dem Daumen
der andern Hand den Knochen vorſichtig einwaͤrts, worauf
dann Compreſſen aufgelegt und mit der T Binde, welche
indeß nicht gerade den After bedecken darf, befeſtigt werden.
Iſt bereits Anſchwellung oder Entzuͤndung vorhanden, ſo wer-
den aromatiſche zertheilende Fomentationen nothwendig. Zur
Vollendung der Kur iſt ſodann blos Ruhe, Seitenlage, Ruͤk-
kenlage auf einem gepolſterten Ringe erforderlich. — Aus-
einanderweichen anderer Knochenverbindungen des Beckens durch
ſchwere Geburt iſt (auſſer nach dem Schamfugenſchnitt) gewiß
hoͤchſt ſelten, und muß dann eben ſo wie wenn dergleichen
Abweichungen durch aͤußere Gewalt verurſacht worden ſind, nach
den Regeln der Chirurgie behandelt werden.


II. Von den Stoͤrungen der eigenthuͤmlichen
Wochenfunktionen und den davon abhaͤngigen
Krankheiten
.

§. 1561.

Hierher gehoͤren 1) die Abnormitaͤten welche am Uterus,
waͤhrend er in ſeinen fruͤhern Zuſtand zuruͤckzukehren ſtrebt,
bemerkt werden, 2) die regelwidrigen Zuſtaͤnde des Hautor-
gans, 3) die regelwidrigen Zuſtaͤnde der Bruͤſte, 4) die all-
[544] gemeinen Stoͤrungen der naturgemaͤßen Revolution im Or-
ganismus der Woͤchnerin, als Congeſtionen, Entzuͤndungen,
Milchfieber, Kindbettfieber.


1.
Von den Abnormitaͤten des Uterus im Wochenbett.

1) Nachwehen.

§. 1562.

Daß Nachwehen unter gewißen Bedingungen z. B. nach
ſehr ſchnellen Geburten und bei Mehrgebaͤrenden zum regel-
maͤßigen Verlaufe der Wochenperiode gehoͤren, iſt fruͤher erin-
nert worden; als regelwidrige Erſcheinungen hingegen ſind
ſie zu betrachten, wenn ſie bei Erſtgebaͤrenden eintreten, ſehr
haͤufig kommen, ungewoͤhnlich ſchmerzhaft ſind, und ſehr lange
fortdauern. — Die Urſache derſelben liegt theils im Uterus
ſelbſt, theils in andern Gebilden. Es gehoͤren dahin: ſehr
erhoͤhte Senſibilitaͤt im Allgemeinen und des Geſchlechtsſyſtems
insbeſondre, im Uterus zuruͤckgebliebene fremde Koͤrper, als
Reſte der Placenta, der Eihaͤute, Blutklumpen, polypoͤſe Aus-
wuͤchſe der innern Uterinflaͤche, ſchmerzhafte Zuſtaͤnde der Bruſt-
warzen, wo das Saugen des Kindes durch conſenſuelle Rei-
zung den Uterus erregt, und uͤberhaupt alle das Gefaͤß- oder
Nervenſyſtem heftig erregende Reitze.


§. 1563.

Die Behandlung muß dieſen Urſachen angemeſſen ſeyn.
Bei zuruͤckgebliebenen Blutklumpen oder Nachgeburtsreſten muß
auf die Entfernung dieſer Koͤrper die Aufmerkſamkeit des Arz-
tes gerichtet ſeyn, und es wird dieß bewerkſtelligt, theils in-
dem man die austreibende Kraft des Uterus durch Einreibungen
des fluͤchtigen Liniments, oder durch einige Taſſen Zimmt-
thee unterſtuͤtzt, theils indem man, wenn die Ausſtoßung nicht
von ſelbſt erfolgt, dieſe Maſſen auf die oben (§. 1312.)
[545] gelehrte Weiſe entfernt, kleinere polypoͤſe Auswuͤchſe aber ent-
weder durch die Finger abdruͤckt oder ausſchneidet.


§. 1563.

Sind Verſtimmungen des Gefaͤß- oder Nervenſyſtems
die Urſache, ſo muͤſſen das antiphlogiſtiſche Regimen, kuͤhlende
oder beruhigende Mittel, Emulſionen, Infus. Valerianae,
Flor. Chamomillae,
oͤrtlich das Auflegen warmer trockner
Kraͤuterkiſſen, zu Huͤlfe gerufen werden. Die ſchmerzhaften
Zuſtaͤnde der Bruſtwarzen oder Abnormitaͤten der Harnwege
und des Darmkanals ſind ihrer Natur nach zu behandeln;
beſonders geſteigerte Senſibilitaͤt des Uterus endlich, wird durch
einige Gaben des Doverſchen Pulvers, durch Castoreum,
. Asae foetidae
mit Laudanum liq. S., ſo wie durch
einige (vorzuͤglich bei gleichzeitig ſtockender Wochenreinigung
nuͤtzliche) Injektionen vom Aufguß der Flor. Chamomill.
mit der Hb. Hyoscyami oder Cicutae am beſten beſeitigt.


2. Unregelmaͤßiger Lochienfluß.

§. 1564.

Wir finden hier vorzuͤglich dreierlei Arten von Regelwi-
drigkeiten, indem der Wochenfluß entweder zu ſtark iſt und
in Blutfluß ausartet, oder zu ſchwach ja voͤllig unterdruͤckt
erſcheint, oder endlich ſeiner Qualitaͤt nach von widernatuͤrli-
cher Beſchaffenheit iſt. Im Allgemeinen muß jedoch hierbei,
wie bei der Menſtruation, bemerkt werden, daß fuͤr die Quan-
titaͤt und Dauer dieſes Ausflußes kein beſtimmtes Maaß ſich
angeben laͤßt, vielmehr derſelbe nach der verſchiedenen Indi-
vidualitaͤt ſehr verſchieden ſeyn kann, ſo daß nur ſolche Ab-
weichungen von dem gewoͤhnlichen Verhalten, bei welchen Stoͤ-
rung des allgemeinen Befindens beobachtet wird, wirklich krank-
haft genannt werden koͤnnen. — Ueberhaupt naͤmlich ſind die
Lochien vorzuͤglich als Symptome des im Uterus vorgehenden
Umaͤnderungsprozeſſes von Wichtigkeit, und ihre Abnormitaͤten
II. Theil. 35
[546] kommen daher keinesweges blos als eigenthuͤmliche Krankheits-
zuſtaͤnde, ſondern haͤufiger als Folgen allgemeiner Verſtimmun-
gen vor.


§. 1565.

Zu ſtarke Lochien und Metrorrhagie der Woͤch-
nerinnen
. Da uͤberhaupt der Blutabgang nach Trennung
der Nachgeburt nur Folge der bei Abloͤſung der Placenta ge-
oͤffneten Venenzellen iſt (§. 854.), ſo muß der Lochienfluß
alsbald ſtaͤrker eintreten, ja in wahre Metrorrhagie uͤbergehen,
ſobald die Zuſammenziehung des Uterus nicht regelmaͤßig er-
folgt oder durch unruhiges Verhalten oder andere Reitze ge-
ſtoͤrt wird. — Die gewoͤhnlichſten Urſachen der zu ſtarken
Lochien ſind daher Schwaͤche des Uterus, Unvorſichtigkeiten der
Woͤchnerinnen, vieles Bewegen, Preſſen beim Stuhlgange u.
ſ. w., falſche Lagen des Uterus, oder fremde die Zuſammen-
ziehung hindernde Koͤrper, Nachgeburtsreſte (der Blutfluß
iſt folglich ein paſſiver zu nennen). Ferner gehoͤrt hierher
alles was Congeſtionen gegen den Uterus bewirken kann, er-
hitzende Getraͤnke, Gewuͤrze u. ſ. w., nebſt dem (auch im nor-
malen Zuſtande laͤngere Dauer der Lochien bedingenden) will-
kuͤhrlichen Unterlaſſen des Selbſtſtillens (Blutfluͤße aus dieſen
Urſachen werden mehr aktiver Art ſeyn).


§. 1566.

Der Erſcheinung nach koͤnnen dieſe ſtaͤrkern Blutausſchei-
dungen hinſichtlich ihrer Dauer und Quantitaͤt aͤußerſt verſchieden
ſeyn, und koͤnnen als aͤußere und innere Blutergießungen, de-
ren beſondere Zeichen ſchon fruͤher angegeben worden ſind
(ſ. §. 351. 1. Thl.), vorkommen. — Ihre Folgen ſind nach
den Umſtaͤnden verſchieden; ſtaͤrker und laͤnger als gewoͤhnlich
fließende Lochien ſchwaͤchen den Koͤrper, geben Gelegenheit zu
Entſtehung von Leukorrhoͤe, Vorfaͤllen, und Neigung zum Abor-
tus; wirkliche Metrorrhagien werden vorzuͤglich als paſſive
Blutungen leicht lebensgefaͤhrlich und es gilt von ihnen uͤberhaupt
die ſchon im erſten Theile angegebene Prognoſe.


[547]
§. 1567.

Die Behandlung muß zunaͤchſt auf Herſtellung eines
vollkommen ruhigen Verhaltens, horizontale Lage und Beſei-
tigung aller den Blutandrang gegen die Geburtstheile ver-
mehrenden Reitze gerichtet ſeyn. Die fernere Cur wird nach
den beſondern Urſachen verſchieden eingeleitet werden muͤſſen.
Da die Schwaͤche des Uterus eins der Hauptmomente zur
Entſtehung dieſer Blutungen iſt, ſo werden auch vorzuͤglich,
und bei heftigen Blutungen immer, diejenigen Mittel zu
Huͤlfe gerufen werden muͤſſen, welche die Contraktion der Ge-
baͤrmutter aufrufen, und ganz daſſelbe Verfahren welches bei
Schwaͤche des Uterus nach Ausſtoßung der Nachgeburt (§.
1369.) und bei paſſiven Blutungen (1. Thl. §. 366.) erwaͤhnt
worden iſt, als: Einreibungen von Linimentum vol., Naph-
tha,
Einſpritzungen von lauen Kraͤuteraufguͤßen mit Eſſig und
Wein, innerlich . Cinamomi mit der TR. thebaica, Aci-
dum phosphor.
u. ſ. w. ſind folglich, ſowohl bei innern
als aͤußern Metrorrhagien angezeigt.


§. 1568.

Außerdem muͤſſen ferner ſpecielle Urſachen der Blutung,
als Reſte der Nachgeburt, Blutklumpen, falſche Lagen des
Uterus, beſeitigt werden. Bei geringerer Blutergießung aber,
oder nur ungewoͤhnlich lange anhaltendem Blutabgange ſind
die contrahirenden Mittel in kleinern Doſen angezeigt, und
der Aufguß der Zimmtrinde, das Dover’ſche Pulver, die taͤg-
lich einigemal wiederholten Einreibungen des fluͤchtigen Lini-
ments in die regio hypogastrica, bei ſchwammigen Koͤrpern
das gelinde Binden des Unterleibes, die laͤngere Zeit fort be-
obachtete moͤglichſte Ruhe der Kranken und uͤberhaupt diejenige
Behandlung, welche im erſten Theile bei andauernden Metror-
rhagien gelehrt worden iſt, zweckmaͤßig. Aktive Blutungen
kommen im Ganzen bei Woͤchnerinnen ſeltner vor, erfordern
aber alsdann ein mehr antiphlogiſtiſches Verfahren und be-
ſonders die Anwendung der mineraliſchen Saͤuren, obwohl
die Erregung ſtaͤrkerer Contraktion im Uterus auch hierbei
nicht uͤbergangen werden darf.


[548]
§. 1569.

Zu ſchwacher oder voͤllig unterdruͤckter Lo-
chienfluß
. Entweder indem ein ſehr gereitzter Zuſtand an-
derer Organe hervortritt, welcher die Ausſcheidung im Uterus
vermindert, oder indem im Uterus ſelbſt eine entzuͤndliche
Reitzung ſich zeigt, welche den Abgang hemmt, oder endlich
indem durch krampfhafte Verſchließungen (z. B. nach ploͤtz-
lichen Gemuͤthsbewegungen), oder mechaniſche Verſtopfung des
Muttermundes (z. B. von Nachgeburtsreſten) der Lochienfluß
ſich vermindert oder gaͤnzlich ſtockt, kommt dieſe Regelwidrig-
keit zu Stande. Es iſt ſonach dieſelbe gleich der Hemmung
oder Verminderung der Menſtruation haͤufiger fuͤr ein Zeichen
anderer Krankheitszuſtaͤnde, als ſelbſt fuͤr eine beſondere Krank-
heit zu erklaͤren. Ob eine oder die Andere der genannten
Urſachen die Stockung der Lochien veranlaße, muß ſich aus
der Unterſuchung des Geſammtzuſtandes und aus Beruͤckſich-
tigung der Gelegenheitsurſachen, ſo wie, was die mechani-
ſchen Urſachen betrifft, durch die innere Unterſuchung ergeben.


§. 1570.

Die Folgen dieſer gehemmten Ausſcheidung an und fuͤr
ſich ſind vorzuͤglich bedeutend bei mehr lokalen Veranlaſſun-
gen und ploͤtzlichen Unterdruͤckungen, z. B. durch Erkaͤltung
der Fuͤße, oder des Unterleibes, durch heftige Gemuͤthsbewe-
gungen, und aͤußern ſich wie die Unterdruͤckungen der Men-
ſtruation (1. Thl. §. 207.) durch Nervenzufaͤlle, Fieberbe-
wegungen, heftige Schmerzen und bei krampfhafter oder mecha-
niſcher Verſchließung des Muttermundes durch Auftreibung der
Gebaͤrmutter, Spannung im Unterleibe; ja ſelbſt Bauchfell-
entzuͤndung und Kindbettfieber wird die Folge davon ſeyn
koͤnnen.


Anmerkung. Alle dieſe Unterdruͤckungen, auch die der
Milch und des Schweißes, ſind uͤbrigens immer um deſto
gefaͤhrlicher, je fruͤher im Wochenbett ſie ſich ereignen.


[549]
§. 1571.

Ruͤckſichtlich der Behandlung kann hier nur von den
Hemmungen welche als primaͤre Krankheitserſcheinung durch
aͤußere oder innere Veranlaſſung herbeigefuͤhrt werden, die Rede
ſeyn; denn daß, ſobald die Unterdruͤckung blos Symptom einer
andern Krankheit z. B. des Kindbettfiebers iſt, auch nur dieſe
Krankheit behandelt werden muͤſſe, und nach deren Heilung
auch dieſes Symptom weichen werde, ergibt ſich von ſelbſt.
Die primaͤre Unterdruͤckung alſo wird nach ihrer Entſtehungs-
weiſe und den dadurch erregten Zufaͤllen zu behandeln ſeyn.
Sind Gemuͤthsbewegungen vorausgegangen, haben dieſe krampf-
hafte Verſchließungen des Uterus und allgemeinen Erethis-
mus zur Folge gehabt, ſo wirken leichte Antispasmodica
innerlich, aͤußerlich warme Fomentationen des Unterleibes,
Injektionen vom Infus. Valerianae in die Vagina, und erwei-
chende Lavements ſehr wohlthaͤtig. Iſt die Conſtitution voll-
ſaftig und zu Entzuͤndung geneigt, ſind Erkaͤltungen voraus-
gegangen, Spannung, Schmerz und Fieber eingetreten, ſo
wird oft eine Blutentziehung nebſt kuͤhlenden Emulſionen,
blanden Abfuͤhrungen, gelinden Diaphoreticis, und oͤrtlichen
warmen Fomentationen und Injektionen angewendet werden
muͤſſen. Iſt der Termin der Geburt ſchon etwas weiter
entfernt, ſo koͤnnen auch laue Baͤder hierbei ſehr wohlthaͤtig
wirken. —


§. 1572.

Abnorme Qualitaͤt der Wochenreinigung. Bei
Krankheiten der Woͤchuerinnen uͤberhaupt, beſonders bei fie-
berhaften Zuſtaͤnden, ferner bei Verletzungen, Quetſchungen
und Eiterungen des Muttermundes und der Vagina, oder bei
ſchon fruͤher Statt findenden Krankheiten der Geburtstheile,
wie Syphilis oder Leukorrhoͤe, endlich auch bei Unreinlichkeit
und ſehr erhoͤhter Temperatur, zeigt ſich die Wochenreinigung
zuweilen von beſonders ſcharfem Geruch und mißfarbiger Be-
ſchaffenheit, wobei man bemerkt, daß ſie leicht die aͤußern
Geburtstheile und die innere Schenkelflaͤche wund macht. —
[550] Die Behandlung richtet ſich hier wieder nach den jedesmali-
gen zum Grunde liegenden andern Krankheitszuſtaͤnden, von
welchen ſie ein Symptom ausmacht. Aeußerſte Reinlichkeit,
oͤfteres Auswaſchen der Genitalien und Injektionen in die
Vagina vom Infuso Serpilli oder Absinthii, allenfalls mit et-
was Wein vermiſcht, ſind indeß jedesmal nothwendig, und
koͤnnen auch allein gegen ſchon eingetretenes Wundſeyn der
aͤußern Genitalien in Anwendung gebracht werden. War blos
vernachlaͤßigte Reinlichkeit die Urſache, ſo iſt auch dieſes Ver-
fahren allein zur Beſeitigung dieſes Zuſtandes hinreichend. —
Die Behandlung der innern Verletzungen, welche oft die rie-
chenden Lochien zur Folge haben, iſt oben gelehrt worden.


3. Regelwidrige Lagen des Uterus.

§. 1573.

Abweichungen von der regelmaͤßigen Lage des Uterus kom-
men bei Woͤchnerinnen eben ſo wie außer und waͤhrend
der Schwangerſchaft und Geburt vor; es gehoͤrt dahin der
Vorfall, die Umſtuͤlpung und betraͤchtliche Schieflagen, welche
wir auch ſchon in andern Lebensperioden bemerkt haben, fer-
ner aber die Umbeugung nach vorn oder hinten (Pronalio
und Supinatio), welche der Wochenperiode eigenthuͤmlich
ſind. — Alle fehlerhafte Lagen des Uterus im Wochenbett
haben aber zunaͤchſt den Nachtheil, daß ſie die regelmaͤßige
Verkleinerung und Ruͤckbildung des Uterus ſtoͤren, und da-
durch zu Blutungen, unregelmaͤßigen Nachwehen, Entzuͤndun-
gen und Fiebern Veranlaſſung geben. Es wird daher noͤthig,
ſie baldigſt zu beſeitigen, und auf welche Weiſe dieß bei
Schieflagen, Vorfaͤllen und der Umſtuͤlpung geſchehen muͤſſe,
davon iſt bei der ſpeciellen Therapie der Abnormitaͤten des
nichtſchwangern Zuſtandes und der Geburt die Rede geweſen.
Wir haben daher hier nur noch die Umbeugungen etwas naͤ-
her zu betrachten.


[551]
Umbeugung der Gebaͤrmutter.

§. 1574.

Das Weſentliche derſelben beſteht darin, daß der Ute-
rus in der Gegend ſeines Koͤrpers dergeſtalt gebogen iſt, daß
der Muttergrund nach vorn oder hinten bis gegen den Mut-
termund herabkommt, ſo daß die Axe des Uterus, welche in
der Regel eine gerade Linie | ausmacht, nun als eine zuſam-
mengebogene ∩ erſcheint. — Es gehoͤrt dieſe Abnormitaͤt in
ihrer voͤlligen Ausbildung mit zu den ſeltenſten Erſcheinun-
gen, und kann ſonach theils als Vorwaͤrtsbeugung (Pro-
natio
), wobei der Grund hinter dem Schambogen in die Ge-
gend der Harnblaſe herabſinkt, oder als Ruͤckwaͤrtsbeugung
(Supinatio), wobei der Grund nach dem Vorberge in die Ge-
gend des Maſtdarms zuruͤckſinkt, vorkommen.


§. 1575.

Vorwaͤrtsbeugung. Die einzige Beobachtung ei-
ner vollkommnen Regelwidrigkeit dieſer Art iſt die von Moͤl-
ler
*) aufgezeichnete, wobei, nachdem man ſchon unter der
Geburt ein ungewoͤhnliches Aufthuͤrmen des Leibes beobachtet
hatte, am dritten Tage des Wochenbettes Schmerz im Unter-
leibe entſtand, am eilften Tage nach der Entbindung der Tod
unter den gewoͤhnlichen Erſcheinungen des Puerperalfiebers
eintrat, und bei der Leichenoͤffnung der Gebaͤrmuttergrund hin-
ter dem Schambogen liegend, der Uterus aber ſo wenig ver-
kleinert ſich zeigte, daß ſeine Laͤnge noch 11 Zoll betrug. —
Annaͤherungen zu dieſer Vorwaͤrtsbeugung habe ich, nament-
lich bei Perſonen welche in der Schwangerſchaft einen ſtark
uͤberhaͤngenden Leib trugen, oͤfters bemerkt, und bei einem
alsdann ungewoͤhnlich ſtark gegen die regio hypogastrica
[552] vorgedraͤngten Gebaͤrmuttergrunde, immer die Zuſammenziehung
unregelmaͤßig von Statten gehen, auch mehreremale Blutung
oder Entzuͤndungszufaͤlle entſtehen ſehen.


§. 1576.

Ueber die Behandlung der vollkommnen Vorwaͤrtsbeu-
gung laͤßt ſich wohl, da das Uebel nur erſt einmal beobach-
tet worden iſt, wenig beſtimmen; ſo viel iſt indeß klar, daß
auch hier ſchon durch die aus dem vorausgehenden Aufthuͤr-
men des Leibes und die genaue innere und aͤußere Unterſu-
chung zu erlangende Diagnoſe viel gewonnen iſt, und man
dann durch Eingehen der Hand in den Uterus (bei zuſam-
mengezogenem Muttermunde waͤre wohl auch von einem fiſch-
beinenen, abgerundeten, platten Fuͤhrungsſtaͤbchen Gebrauch
zu machen), verbunden mit aͤußern Manipulationen und ho-
rizontaler im Krenz erhoͤhter Lage, die Repoſition zu bewerk-
ftelligen und dann die voͤllige Contraktion zu befoͤrdern ſu-
chen muß.


§. 1577.

Ruͤckwaͤrtsbeugung. Auch von dieſer Abnormitaͤt in
ihrer voͤlligen Ausbildung, iſt neuerlich erſt eine Beobachtung
bekannt geworden, welche, obwohl der die Heilung auf das
Zweckmaͤßigſte bewirkende Arzt das Uebel als Ruͤckwaͤrtsnei-
gung (Retroversio ſ. 1. Thl. §. 500.) beſchreibt, offenbar
ein Beiſpiel der hier erwaͤhnten Lagenaͤnderung abgiebt *).
Hier war naͤmlich vier Wochen nach der Entbindung, durch
das Tragen eines Faͤßchens, Blutabgang entſtanden, und hatte
3 Wochen angehalten, ohne verſchiedenen blutſtillenden Mitteln
zu weichen. Die Frau klagte dabei uͤber druͤckende Empfin-
dung beim Stuhlgange, der Muttermund ſtand in der Mitte
(alſo war es keine Ruͤckwaͤrtsneigung [Retroversio] wo der
Muttermund ſtets an der Symphyſe gefunden wird) und in der
[553] Mitte des Kreuzbeins lag eine kugliche Geſchwulſt welche der
Muttergrund war. Durch die Repoſition, bei einer auf Knie
und Ellbogen geſtuͤtzten Lage des Koͤrpers, wurde der Mut-
tergrund leicht zuruͤckgebracht, der Muttermund trat hierauf
mehr nach hinten, die Blutung ließ nach, und bei einem
in die Vagina gebrachten Schwamm und einigen Tagen Ruhe
wurde die Frau bald voͤllig hergeſtellt. — Nach meiner Mei-
nung ergiebt ſich hieraus deutlich: 1) daß der Gebaͤrmutter-
koͤrper durch irgend eine Gewalt veranlaßt, ſich auch nach
hinten umbeugen kann, 2) daß dieſe fehlerhafte Lage eben ſo
wie die Retroversio uteri behandelt werden kann. Tritt
uͤbrigens eine ſolche Ruͤckwaͤrtsbeugung in den fruͤhern Tagen
des Wochenbetts ein, ſo moͤchten wohl ihre Zufaͤlle nicht minder
gefaͤhrlich ſeyn, als die der Pronatio uteri, ohwohl ſie viel-
leicht immer weit leichter als dieſe zu beſeitigen ſeyn wird.


2.
Von den regelwidrigen Zuſtaͤnden des Hautorgans bei
Woͤchnerinnen.

§. 1578.

Keinem aufmerkſamen Beobachter des Zuſtandes der
Woͤchnerinnen wird es entgangen ſeyn, wie noͤthig eine regel-
maͤßige Hautthaͤtigkeit fuͤr das Wohlbefinden derſelben werde,
und wie ſtoͤrend ſonach Unregelmaͤßigkeiten derſelben auf die
uͤbrigen Funktionen einwirken koͤnnen. Es iſt hierbei uͤbri-
gens zu bemerken, daß auch hinſichtlich der Hautfunktion,
ſo wie ruͤckſichtlich der Lochien, kein beſtimmtes Maaß ſich
feſtſetzen laͤßt, ihr Verhalten durch die Conſtitution modifi-
cirt werde, und folglich nur ſolche Abweichungen vom Gewoͤhn-
lichen, welche nachtheiligen Eindruck auf das Geſammtbefin-
den machen, als krankhaft betrachtet werden koͤnnen. Der-
gleichen Abweichungen ſind nun theils die zu geringe oder
unterdruͤckte Hautfunktion, und die zu gewaltſam aufgeregte,
wobei haͤufig auch Frieſelausſchlaͤge zum Vorſchein kommen.


[554]
§. 1579.

Urſachen ſolcher Stoͤrungen koͤnnen theils allgemeine
Krankheiten ſeyn, und dann iſt die oͤrtliche Abnormitaͤt nur
ein Symptom der allgemeinen, oder ſie koͤnnen als primaͤres
Leiden hervortreten, durch aͤußere Schaͤdlichkeiten aufgeregt,
und dieſe ſind hier allein noch etwas naͤher zu erwaͤgen.
Was die nicht genugſame oder unterdruͤckte Thaͤtigkeit des
Hautorgans betrifft, ſo haͤngt ſie theils von minderer Erreg-
barkeit des deſſelben *), theils von zu kuͤhler Temperatur,
theils von ploͤtzlichen Erkaͤltungen (ab, zu welchen letzteren
Woͤchnerinnen, je empfindlicher und thaͤtiger ihre Haut iſt,
um ſo mehr geneigt ſind. Die Folgen davon ſind Congeſtio-
nen nach andern Organen, Kopfſchmerzen, Rheumatismen,
Geſchwulſt der Bruͤſte, Coliken, Durchfaͤlle, rheumatiſche Fie-
ber u. ſ. w.; und zwar ſind dieſe Folgen um ſo bedeutender
je ploͤtzlicher dieſe Stoͤrungen eingetreten waren. Was die
abnorm aufgeregte Hautthaͤtigkeit anbelangt, ſo wird ſie vor-
zuͤglich die Folge ſeyn von heißer Jahreszeit (Frieſelausſchlaͤge
ſind daher bei Woͤchnerinnen in heißen Sommern oft epide-
miſch), zu warmer Zimmerluft und zu aͤngſtlicher Bedeckung.
Man bemerkt, daß ſolche heftige Schweiße beſonders durch
Verminderung der Milch, Abnahme der Verdauungskraͤfte,
und durch allgemeine Schwaͤche ihren nachtheiligen Einfluß
aͤußern. Was die Frieſelausſchlaͤge betrifft, ſo ſind ſie
immer mit einigen Fieberbewegungen verbunden, die, wenn
auch an ſich nicht bedenklich, doch durch hinzutretende Schaͤd-
lichkeiten leicht zu einer bedenklichen Hoͤhe geſteigert werden
koͤnnen. — Endlich gehoͤrt auch hierher der Milchſchorf
der Woͤchnerinnen
(Crusta lactea puerperarum), wel-
cher am vierten, fuͤnften, oder einem ſpaͤtern Tage erſcheint,
durch vorausgehende Fieberhitze, Entzuͤndung einzelner Haut-
partien im Geſicht oder am uͤbrigen Koͤrper, und Entſtehung
von Blaͤschen angekuͤndigt wird, die dann aber in Borken uͤber-
gehen, welche in gutartigen Faͤllen bald wieder abheilen, in
boͤsartigen Faͤllen aber unter gaſtriſchen Zufaͤllen Sinken der
[555] Kraͤfte und Außenbleiben der Milch, tiefgehende Eiterungen
und ſelbſt lebensgefaͤhrliche Zuſtaͤnde zur Folge haben.


§. 1580.

Die Behandlung der erſtgenannten Zufaͤlle muß zunaͤchſt
auf Entfernung der Gelegenheitsurſachen Ruͤckſicht nehmen,
eine dem Koͤrper angemeſſene Temperatur herſtellen, bei ploͤtz-
lichen Unterdruͤckungen der Hautfunktion den entſtandenen Zu-
faͤllen die ihrer Natur angemeſſenen Heilmittel entgegenſetzen,
bei rheumatiſchen Schmerzen warme, trockne Fomentationen,
Einwickelungen, Friktionen, bei Diarrhoͤen demulcirende Ge-
traͤnke u. ſ. w. anordnen, vorzuͤglich aber durch eine gelind
diaphoretiſche Methode vermehrte Hautthaͤtigkeit anregen. Eben
ſo fordern zu heftige Schweiße und Frieſelausſchlaͤge, nebſt
einem vorſichtig und allmaͤlig eingeleiteten kuͤhleren Verhalten,
ſaͤuerliche Getraͤnke, und, bei nachbleibender Schwaͤche, Unter-
ſtuͤtzung der Reproduktion. — Was die Behandlung des
Milchſchorfs anbelangt, ſo ſind auch hier vorzuͤglich die ur-
ſachlichen Verhaͤltniſſe ins Auge zu faſſen. Krankhafte Zu-
ſtaͤnde des lymphatiſchen Syſtems, gaſtriſche Zuſtaͤnde, man-
gelhafte Hautthaͤtigkeit ſind aber in der Regel die Quellen
dieſes Uebels: man giebt deßhalb zuerſt einige Abfuͤhrungen,
laͤßt die Abkochungen der Hb. Jaceae, Stip. Dulcamar.,
Rad. Caric. ar.
u. ſ. w. trinken, Baͤder gebrauchen, die lei-
denden Stellen mit dem Dekokt der Jacea und der Stip.
Dulcam.,
bei boͤsartigen Cruſten mit China- und Cicuta-Ab-
ſud waſchen, ſorgt fuͤr regelmaͤßige Unterhaltung der uͤbrigen
Wochenfunktionen, und ſucht eine kraͤftigere Stimmung des
Verdauungsſyſtems und der geſammten Reproduktion durch
bittere Extrakte, China u. ſ. w. herbeizufuͤhren.


3.
Regelwidrige Zuſtaͤnde der Milchabſonderung.

§. 1581.

Die Bruͤſte, welche außer der Zeit des Wochenbettes
[...]m Ganzen ſelten krankhafte Zuſtaͤnde zeigen, werden waͤhrend
[556] deſſelben haͤufig von Krankheiten heimgeſucht. Wir rechnen
hierher die zu geringe Thaͤtigkeit der Bruͤſte und ploͤtzliche
Unterdruͤckung der Milchabſonderung, die geſteigerte Empfind-
lichkeit der Bruͤſte und das Wundwerden der Bruſtwarzen,
ferner das Anſchwellen und Entzuͤnden der Bruͤſte, und die
Eiterung derſelben, endlich die zu lange dauernde Abſonderung
der Milch, die Galaktirrhoͤe.


§. 1582.

Die zu geringe Thaͤtigkeit in der Milchab-
ſonderung
iſt vorzuͤglich die Folge einer im Allgemeinen
darniederliegenden Ernaͤhrung, oder eines unweiblichen allge-
meinen Habitus des Koͤrpers. Das erſtere kann entweder die
Folge anderer Krankheiten ſeyn, und hierbei wird es gewoͤhn-
lich nothwendig das Stillungsgeſchaͤft uͤberhaupt aufzugeben,
da, wenn daſſelbe mit Hartnaͤckigkeit verfolgt wird, leicht aus-
zehrende Zuſtaͤnde angeregt werden koͤnnen; zumal machen
Bruſtkrankheiten dieſe Vorſicht nothwendig. Sind blos un-
guͤnſtige aͤußere Verhaͤltniße Urſache der zu geringen Ernaͤh-
rung und zu ſchwachen Milchbereitung, ſo kann man durch
reichlichere und beſſere Diaͤt, Sorge fuͤr Ruhe des Gemuͤths
u. ſ. w. haͤufig eine hinlaͤngliche Milchabſonderung hervorru-
fen. Iſt hingegen ein allgemeiner unweiblicher Habitus des
Koͤrpers die Urſache mangelhafter Milchbereitung, ſo iſt in
der Regel keine aͤrztliche Kunſt im Stande dieſelbe wider den
Willen der Natur hervorzurufen, und waͤre es moͤglich, ſo
wuͤrde es ſicher zum Nachtheile der Stillenden geſchehen;
auch hier muß daher das Selbſtſtillen gaͤnzlich unterbleiben.


§. 1583.

Was die ploͤtzliche Unterdruͤckung der Milchab-
ſonderung
betrifft, ſo iſt ſie wie die Unterdruͤckung
des Wochenfluſſes, oft die Folge anderer Krankheiten und na-
mentlich nicht ſelten ein bedenkliches Symptom des Kindbett-
fiebers. Zuweilen jedoch kann ſie urſpruͤnglich in Folge hef-
tiger Erkaͤltungen der Oberarme und Bruſt, oder in Folge
erſchuͤtternder Gemuͤthsbewegungen ſich zeigen, verurſacht indeß
[557] auch hier leicht gefaͤhrliche Zufaͤlle, heftige Congeſtionen nach
anderen Theilen, Fieberbewegungen, Kopfſchmerz, Unterleibs-
ſchmerzen, Gliederſchmerzen, Laͤhmungen, ja Hervortreten milch-
aͤhnlicher Sekretion in andern Organen, oder die ſogenannten
Milchverſetzungen. Die letztern anbelangend, ſo koͤnnen ſie
ſich an verſchiedenen Orten ereignen, und erſcheinen voͤllig in
der Form eines gewoͤhnlichen Abſceſſes bald in der Lendenge-
gend, in den untern oder obern Extremitaͤten u. ſ. w., oft
mit heftigem Fieber und ſelbſt den uͤbrigen Zufaͤllen des Kind-
bettfiebers verbunden, und weit ausgebreitete Eiterungen und
hektiſches Fieber veranlaſſend. Daruͤber, ob die hierbei ausge-
ſchiedene Materie wirkliche Milch ſey, hat man vielfach ge-
ſtritten; die richtigere Anſicht ſcheint zu ſeyn, daß der plaſti-
ſche Stoff zur Milchabſonderung beſtimmt, ja zum Theil ſchon
als Milch in der Bruſt ausgeſchieden, wieder vom Blute auf-
genommen eine Plethora veranlaßt, welche ſich an einem an-
dern Orte durch eine krankhafte Ausſcheidung zu entladen ge-
neigt iſt. Daß dieſe Ausſcheidung, durch ein anderes Organ
bewerkſtelligt, nicht leicht wahre Milch ſeyn werde, ergiebt
ſich ſonach wohl unbedingt, daß ſie ihr indeß oft ſehr nahe
kommen koͤnne, darf, wenn man bedenkt daß ſie aus denſel-
ben Grundſtoffen ſich erzeuge und daß vicariirende andere Aus-
ſcheidungen von Harn, Samen, Galle nicht ſelten vorkommen,
wohl nicht gelaͤugnet werden.


§. 1584.

Die Behandlung dieſer Unterdruͤckungen muß zunaͤchſt
auf Beruhigung der dadurch im Nerven- und Gefaͤßſyſtem
aufgeregten Stuͤrme, auf Beachtung der dadurch entſtandenen
Lokalzufaͤlle, und auf Wiedererregung der Milchſekretion in
den Bruͤſten gerichtet ſeyn. — Was die allgemeine Behand-
lung betrifft, ſo macht ſich namentlich bei wohlgenaͤhrten kraͤf-
tigen Koͤrpern das antiphlogiſtiſche Verfahren im ganzen Um-
fange noͤthig, ſelbſt Blutentziehungen koͤnnen oft nicht ent-
behrt werden. Zur Herabſtimmung des aufgereitzten Nerven-
ſyſtems dienen laue Baͤder, Lavements, Aufguͤße der Valeriana,
[558] der Kamillenblumen u. ſ. w. Oertlich afficirte Stellen ma-
chen zunaͤchſt Verſuche zur Bewerkſtelligung der Ableitung der
Congeſtionen durch Friktionen, Epispastica u. ſ. w., zur Zer-
theilung, bei bereits begonnener Entzuͤndung, durch warme
trockne Kraͤuterfomentationen, angelegte Blutigel und ablei-
tende Mittel, nothwendig. Tritt jedoch die Eiterung ein, ſo
muß dieſe durch erweichende Umſchlaͤge zur guͤnſtigen Eroͤff-
nung gefuͤhrt, und dabei ganz nach den Geſetzen wie bei an-
derweitigen bedeutenden Abſceſſen, auf Befoͤrderung gutartiger
Eiterung und Unterſtuͤtzung der Reproduktion geſehen werden.
Auch Laͤhmungen u. dergl. entſtehen oft durch innere Abla-
gerungen ſolcher Stoffe *), und den dadurch verurſachten
Druck auf Nervenſtaͤmme; muͤſſen folglich nicht blos als Laͤh-
mungen, ſondern nach dieſer Urſache behandelt werden.


§. 1585.

Endlich die Erfuͤllung der dritten Indication, naͤmlich
Wiederanregen der Milchſekretion in den Bruͤſten betreffend, ſo iſt
dazu vorzuͤglich das oͤftere Anlegen des Kindes, oder das kuͤnſt-
liche Ausſaugen durch aufgeſetzte trockne Schroͤpfkoͤpfe, durch
Anlegen von Milchpumpen u. ſ. w. zu empfehlen. Zugleich
muͤſſen die Bruͤſte warm gehalten werden, ſelbſt ein eine kurze
Zeit liegen bleibender Sinapiſmus findet hierbei ſchickliche An-
wendung, eben ſo wie das Anwenden von Baͤhungen durch
Daͤmpfe eines Kamillen- oder Fliederblumenaufguſſes.


§. 1586.

Die geſteigerte Empfindlichkeit der Bruͤſte
kommt vorzuͤglich bei ſehr zarten reitzbaren Koͤrpern vor, iſt
die Folge der vermehrten Ausdehnung der Milchgaͤnge und
aͤußert ſich durch ein oft beſonders waͤhrend des Sangens
empfundenes Ziehen laͤngs der Milchgefaͤße, welches leicht
[559] zum krampfhaften Verſchließen der Milchgaͤnge, Anſchwellen
und Entzuͤnden der Bruͤſte fuͤhrt. — Die Behandlung muß
hierbei darauf gerichtet ſeyn, durch Ueberdecken eines weichen
Thierfelles oder trockner Kraͤuterkiſſen, ſo wie durch Anwen-
dung der Baͤhungen, die Empfindlichkeit herabzuſtimmen,
durch Beſchraͤnkung der Diaͤt den zu großen Milchzudrang
zu verhindern, und durch ſehr regelmaͤßig, nur in gewiſſen
Zeitraͤumen vorzunehmendes Anlegen des Kindes, Ausbrechen
des entzuͤndlichen Zuſtandes zu verhuͤten.


§. 1587.

Das Wundwerden der Warzen und Bluten
derſelben
betrifft ebenfalls vorzuͤglich reitzbare, zarte Con-
ſtitutionen, oder Woͤchnerinnen mit kleinen geſpaltenen Warzen.
Wie es durch prophylaktiſche Behandlung meiſtens verhuͤtet
werden koͤnne, iſt fruͤher gezeigt worden (ſ. §. 900.); iſt
das Uebel eingetreten, ſo kann nur ein ſeltneres Anlegen des
Kindes, Waſchen der noch wenig excoriirten Warzen mit ſpi-
rituoͤſen Mitteln, und, bei hoͤhern Graden, Beſtreichen der
Warzen mit einem die Heilung befoͤrdernden Liniment*)
nach jedesmaligem Anlegen des Kindes von Nutzen ſeyn.
Gar zu wunde Warzen machen entweder das Saugen durch
einen mit Schwamm und durchloͤcherter Blaſe uͤberzogenen War-
zendeckel, oder unmittelbar durch eine uͤber die Warze gezogene
durchloͤcherte Kaͤlberblaſe nothwendig, oder erlauben endlich
uͤberhaupt gar nicht das Stillen fortzuſetzen.


§. 1588.

Milchgeſchwulſt der Bruͤſte. Sie entſteht theils
aus Ueberfuͤllung ſaͤmmtlicher Milchgefaͤße, bei vernachlaͤßigtem
oder aufgegebenem Anlegen des Kindes, oder zu reichlicher
[560] Diaͤt, oder unterdruͤckter Hautfunktion, und charakteriſirt ſich
durch allgemeine Haͤrte der Bruͤſte, Gefuͤhl der knotigen Straͤnge
der Milchgefaͤße, Spannung und Druck, giebt auch haͤufig
zu Entzuͤndungen Gelegenheit. Theils aber kann auch eine
groͤßere Ergießung von Milch in der Subſtanz der Bruſt vor-
kommen, welche durch Zerreißung eines Milchgefaͤßes (vorzuͤg-
lich durch zu heftiges Saugen eines ſchon aͤltern Kindes ver-
anlaßt) zu Stande kommt. Bei dieſen Milchextravaſaten
nimmt oft das Volumen der Bruſt außerordentlich zu, da
man bisweilen mehrere Pfund reine unverdorbene*)
Milch aus dergleichen Geſchwuͤlſten entleert hat. Dieſe Ge-
ſchwulſt charakteriſirt ſich durch die deutliche Fluktuation, durch
den Umfang, durch Abweſenheit von Entzuͤndung und Zeichen
der Eiterung, und Beruͤckſichtigung ihrer Entſtehungsweiſe.


§. 1589.

Die Behandlung der erſtern Art von Anſchwellung muß
zunaͤchſt auf Entleerung der uͤberfuͤllten Gefaͤße durch oͤfteres
Anlegen des Kindes, Befoͤrderung des Milchausflußes durch
Baͤhungen und kuͤnſtliches Ausſaugen gerichtet ſeyn. Ferner muß
die Diaͤt eingeſchraͤnkt, regelmaͤßige Darm- und Hautfunktion
unterhalten werden, und außerdem iſt ein gelindes Herauf-
binden der Bruͤſte, Bedecken derſelben mit zertheilenden Kraͤn-
terkiſſen nothwendig. — Die fluktuirenden Milchgeſchwuͤlſte,
von zerriſſenen Gefaͤßen herruͤhrend, erfordern die Ausleerung
mittelſt des Troikarts und dann die Anwendung trockner war-
mer Fomentationen, der Einreibungen des fluͤchtigen Liniments
u. ſ. w.


§. 1590.

Die Entzuͤndung und Eiterung der Bruͤſte.
Sobald die Bruͤſte uͤberhaupt ſehr empfindlich ſind, oder die
[561] Milchgefaͤße uͤberfuͤllt werden, Stockung in denſelben, durch
Gemuͤthserſchuͤtterungen, Diaͤtfehler, Erkaͤltungen, erregt werden,
das Stillungsgeſchaͤft nicht zweckmaͤßig geleitet wird, mecha-
niſche Schaͤdlichkeiten die Bruͤſte treffen, ſo erfolgt leicht die
(zuweilen auch ſchon bei Schwangern, am ſeltenſten aber bei
Nichtſchwangern vorkommende) Entzuͤndung der Bruͤſte. Ihre
Oberflaͤche wird dabei im Ganzen oder an einzelnen Stellen leb-
haft geroͤthet, es entſteht ein heftiger, ſtechender Schmerz,
Brennen, Anſchwellung, Haͤrte, erhoͤhte Temperatur, und
allgemeiner Fieberzuſtand. Die Milchabſondrung und Auslee-
rung kann uͤbrigens bei einem gewiſſen Grade der Entzuͤndung
noch ſehr wohl beſtehen; beim hoͤchſten Grade aber hoͤrt beides
auf. — Der Charakter dieſer Entzuͤndungen iſt mehr roſen-
artig und ihre Ausgaͤnge ſind: entweder, unter eintretenden
reichlichen Schweißen, freierem Milchausfluſſe u. ſ. w., die
allmaͤhlige Zertheilung; oder, nach wiederkehrendem
Froſt, Eintreten eines klopfenden Schmerzens, und Entfaͤrbung
der zuerſt entzuͤndeten Hautpartie, die Eiterung; oder bei
Verminderung der Entzuͤndung aber Ruͤckbleiben einer ſchmerz-
haften Stelle und eines ſchleichenden Fiebers, die Verhaͤr-
tung
.


§. 1591.

Die Behandlung muß bei dieſen Zuſtaͤnden vorzuͤglich
auf Bewerkſtelligung der Zertheilung gerichtet ſeyn. Man ſorgt
daher zunaͤchſt fuͤr allgemeine Ruhe des Koͤrpers, Befoͤrderung
der Hautthaͤtigkeit, begegnet dem Fieber durch kuͤhlende Ge-
traͤnke, wenig naͤhrende Speiſen, Emulſionen mit Nitrum,
Lavements, oder, bei Neigung zu Obſtruktionen und gaſtriſchen
Zuſtaͤnden, durch einige blande Abfuͤhrungen. Oertlich bedeckt
man die Bruͤſte mit Kraͤuterkiſſen, oder noch beſſer mit Baum-
wolle und aufgeſtreutem feinem Pulver der Kamillen, des Me-
lilotenkrautes u. ſ. w. Manche Aerzte lieben auch hier die
Anwendung der fettigen Mittel, allein jenes ſcheint mir
dem roſenartigen Charakter angemeſſener und wirkſamer, Brei-
umſchlaͤge befoͤrdern zu ſchnell die Eiterung, und Bleihaltige
II. Theil, 36
[562] Mittel geben wohl zu Verhaͤrtungen Anlaß. — So lange
als moͤglich muß uͤbrigens die Entleerung der Bruſt durch
Ausſaugung und Befoͤrderung des freiwilligen Ausfluſſes fort-
geſetzt werden.


§. 1592.

Unter dieſer ruhig fortgeſetzten Behandlung und bei gutem
Verhalten der Woͤchnerin kommt man gewoͤhnlich dahin, die
Zertheilung zu bewerkſtelligen, und gelingt dieß nicht, ſo muß
wenigſtens immer dieſe Behandlung, bis ſich bereits deutliche
Spuren von Eiterung zeigen, fortgeſetzt werden. Zeigt ſich
nun die Eiterung wirklich in der Tiefe begonnen, ſo findet
die Anwendung erweichender Breiumſchlaͤge ſich angezeigt und
muß nun ununterbrochen bis zur Reifung des Abſceſſes an
der Oberflaͤche der Bruſt fortgeſetzt werden. Die Eroͤffnung
des Abſceſſes muß in der Regel durchaus der Natur uͤberlaſſen
bleiben, und darf allenfalls nur durch ein kleines aufgelegtes
Zugflaſter zuletzt befoͤrdert werden, da die voreilige Geſchaͤf-
tigkeit mancher Chirurgen, welche den Abſceß ſchon in der
Tiefe durch das Meſſer oͤffnen wollen, gewoͤhnlich ſehr lang-
wierige und uͤbelartige Eiterung zur Folge hat *). Die Ent-
leerung des geoͤffneten Abſceſſes muß nur durch ſanftes Aus-
ſtreichen, Einlegen einiger Charpiefaͤden in die Oeffnung, und
Fortſetzen der Breiumſchlaͤge bewerkſtelligt werden, bei welcher
Behandlung die Heilung gewoͤhnlich in Zeit von 2 bis 3 Wochen
geſchehen iſt, anſtatt daß zu zeitig geoͤffnete, durch eingelegte
Wieken u. ſ. w. gereizte Abſceſſe Monate lang fort zu eitern
pflegen.


§. 1593.

Seltner iſt es, daß die Entzuͤndung durch Bildung
einer Verhaͤrtung ſich entſcheidet, ſogenannte Milchknoten
[563] entſtehen, oder ſelbſt nach der Eiterung aͤhnliche Verhaͤrtungen
ſich bilden. Die Behandlung dieſer Zuſtaͤnde iſt dann voͤllig
dieſelbe welche bereits im 1. Thle. §. 565 u. f. naͤher eroͤrtert
worden iſt. — Wie lange uͤbrigens bei dieſen krankhaften
Zuſtaͤnden das Stillen fortgeſetzt werden koͤnne, muß nach
den Umſtaͤnden abgemeſſen werden, bei kleinen Abſceſſen iſt
es oft auf keine Weiſe noͤthig daſſelbe auszuſetzen, ausgebrei-
tetere Abſceſſe hingegen hindern daſſelbe wenigſtens an der
kranken Bruſt, indem man hierbei auf keine geſunde reine
Milch mehr rechnen darf. Zur Befoͤrderung der allmaͤhligen
Aufloͤſung von Verhaͤrtungen iſt das fortgeſetzte Stillen ſehr
zu empfehlen.


§. 1594.

Zu lange dauernde oder zu ſtarke Milchaus-
ſcheidung
(Galactirrhoea). Die Milchabſonderung, als
Produkt der thaͤtigern Reproduktion im weiblichen Koͤrper, muß
nothwendig mit dem Stande der Reproduktion ſelbſt auch
gleiches Maaß halten, und ferner auch nur in denjenigen
Perioden hervortreten, welche die Natur fuͤr ihre Ausſcheidung
beſtimmt hat. In beiden Ruͤckſichten jedoch koͤnnen Regelwi-
drigkeiten ſich zeigen, und es gehoͤrt dahin 1) wenn waͤhrend
des Stillens ein ſo großer Zufluß von Milch Statt findet,
daß die Ernaͤhrung des Koͤrpers darunter leidet, Ohrenbrauſen,
Schwindel, Kopfſchmerz, hektiſches Fieber, Ueblichkeiten, ge-
ſtoͤrte Verdauung und allgemeine Abmagerung eintreten; 2) wenn
auch nach aufgegebenem Stillen die Milchausſcheidung fortdauert,
und nun bei wiedergekehrter Menſtruation der Koͤrper anhaltend
ſo viel Saͤfte verliert, daß dieſelben Zufaͤlle eintreten.


§. 1595.

Was den erſtern Fall betrifft, ſo muß hier die erſte
Ruͤckſicht der Behandlung ſeyn, das Stillungsgeſchaͤft zu
beendigen. Es darf dieſes jedoch durchaus nicht zu ploͤtzlich
geſchehen, damit nicht aus zu großem Milchuͤberfluß Geſchwuͤl-
ſte, Entzuͤndungen oder Milchverſetzungen ſich ereignen.
[564] Nach und nach werde daher das Kind immer ſeltner angelegt,
die Bruſt mit dem Oleo camphorato eingerieben, heraufge-
bunden und mit zertheilenden Mitteln bedeckt, man ſehe darauf
die Hautthaͤtigkeit mehr anzuregen, die Darmausleerungen zu
unterhalten, und unterſtuͤtze zugleich die Reproduktion durch
China, etwas Wein, ſpaͤterhin ſelbſt durch den Gebrauch eiſen-
haltiger Mittel, laſſe bei hektiſchem Fieber Milch und Selter-
waſſer trinken und ſorge, ſobald der Milchzudrang abnimmt,
fuͤr eine nahrhafte leicht verdauliche Diaͤt. — Faſt auf aͤhn-
liche Weiſe iſt die Behandlung des nach dem Stillen andau-
ernden Milchfluſſes zu leiten, nur daß man hier noch ſtaͤrker
zertheilende Mittel in Anwendung bringen kann, die Bruͤſte
mit dem Emplastr. de cicuta, mercuriale, diachylon bede-
cken laͤßt, Sinapismen auf die Oberarme legt, einige Abfuͤh-
rungen von Zeit zu Zeit giebt, und im Allgemeinen die
Reproduktion unterſtuͤtzt.


4.
Von den Krankheiten welche durch Stoͤrungen in den
naturgemaͤßen Revolutionen der Wochenperiode hervorge-
bracht werden.

1) Congeſtionen und Blutungen.

§. 1596.

In einer Periode wo die Richtung der Saͤftemaſſe eine
ſo bedeutende Umaͤnderung erfaͤhrt, iſt es natuͤrlich, daß oft
auch ungleiche Blutvertheilungen, Anhaͤufungen in einzelnen
Gebilden u. ſ. w. ſich aͤußern, und es ſind dergleichen Abnormi-
taͤten ſchon als Urſachen des Froſtes, der Ohnmachten und
Zuckungen bei Woͤchnerinnen genannt worden. Seltener iſt es
daß dieſe Congeſtionen ſo bedeutend werden daß ſie Blutaus-
ſcheidungen als z. B. Naſenbluten, Bluthuſten oder Blut-
brechen zur Folge haben. Die Urſachen ſolcher Unordnungen
liegen gewoͤhnlich in Stoͤrungen der Wochenfunktionen, als
z. B. in unterdruͤckter Hautfunktion, Wochenreinigung, oder
[565] in krankhaften Zuſtaͤnden der Bruſteingeweide, wodurch die
Lungen das Gleichgewicht des Gefaͤßſyſtems herzuſtellen ver-
hindert werden. — Die Behandlung dieſer Congeſtionen iſt
von der welche auch unter andern Lebensverhaͤltniſſen hierbei
eintreten muß, nicht allzuverſchieden, und gruͤndet ſich auf
Anwendung antiphlogiſtiſcher und ableitender Mittel, nur daß
dabei immer vorzuͤglich die jedesmaligen Urſachen beruͤckſichtigt
werden muͤſſen, und auf Wiederherſtellung der unterdruͤckten
Wochenfunktionen zu ſehen iſt. — Erleichternde Blutungen
an nicht gefaͤhrlichen Orten (ſo wie das Naſenbluten) duͤrfen
nicht zu zeitig gehemmt werden.


2) Entzuͤndungskrankheiten.

§. 1597.

Aus denſelben Urſachen welche die Congeſtionen bei Woͤch-
nerinnen oͤfters erregen, koͤnnen auch Entzuͤndungszufaͤlle entſtehen,
welche in ſo verſchiedenen auch außer dem Wochenbette vor-
kommenden Formen auftreten koͤnnen, daß wir ſie groͤßtentheils
hier nicht weitlaͤuftiger zu eroͤrtern noͤthig haben; nur von
den rheumatiſchen Schenkelſchmerzen und der weißen Schenkel-
geſchwulſt der Woͤchnerinnen bleibt daher die naͤhere Betrachtung
ruͤckſtaͤndig, da die Gebaͤrmutterentzuͤndung, Oophoritis,
Peritonitis,
als vorzuͤglich das Weſen des Kindbettfiebers
conſtituirend, bei dieſem werden betrachtet werden.


§. 1598.

Die Schenkelſchmerzen, welche vornehmlich vom
Acetabalo bis gegen das Knie und zuweilen auch noch tiefer
ſich zu erſtrecken pflegen, haͤngen aber in der Regel ab von
Affektionen der Nervenſtaͤmme und kommen daher mit der
Ischias nervosa Cotuni ziemlich uͤberein. Druck auf die
Lendennerven oder Sakralnerven bei ſchweren Geburten, Er-
kaͤltungen kurz vor oder bei der Geburt, oder im Wochenbette,
geben gewoͤhnlich die Gelegenheitsurſachen ab. — Dieſe
Schmerzen ſind oft ſehr heftig und anhaltend, beruhen namentlich
[566] in entzuͤndlichen Zuſtaͤnden der Nervenſcheiden, und koͤnnen in blei-
bende Laͤhmung und Unempfindlichkeit des Schenkels uͤbergehen. —
Unterſcheiden muß man davon die Schenkelſchmerzen welche von
innerlich in der Gegend des Pſoas u. ſ. w. ſich bildenden Geſchwuͤl-
ſten und Abſceſſen abhaͤngig ſind als welche blos Behandlung
dieſer letzteren Abnormitaͤten, nach oben gegebenen Regeln
noͤthig machen.


§. 1599.

Die Behandlung der rheumatiſchen Schenkelſchmerzen iſt
ihrer Heftigkeit nach verſchieden. Geringere Grade weichen ins-
gemein bald der diaphoretiſchen Methode, verbunden mit Ein-
huͤllungen des leidenden Theils in Wachstaffent, oder campho-
rirten Flanell, den Einreibungen des fluͤchtigen Liniments
mit der Tr. thebaica oder dem Ol. Hyoseyami u. ſ. w.,
in hartnaͤckigeren Faͤllen aber vorzuͤglich der Anlegung eines
bandfoͤrmigen Veſikators, oder Sinapismus, unter das Knie-
gelenk. — Heftigere, auf ausgebildeter Entzuͤndung der
Scheidenhaut des Nerven gegruͤndete Schmerzen machen die
Anwendung topiſcher Blutausleerungen, des Calomels, Nitrums
u. ſ. w. nothwendig.


Weiße Schenkelgeſchwulſt (Phlegmatia alba dolens
puerperarum).

§. 1600.

Eine ſehr ſeltne Krankheit der Woͤchnerinnen (noch weit
ſeltner hat man ſie bei Schwangern, ja ſelbſt bei Maͤnnern
beobachtet) welche, obwohl ſchon aͤltere Aerzte z. B. Mauriceau
ihrer gedenken, doch erſt neuerlich, namentlich durch engliſche
Aerzte ausfuͤhrlicher beobachtet und beſchrieben worden iſt *).
[567] Es entſteht dieſelbe gewoͤhnlich erſt in den ſpaͤtern Tagen des
Wochenbettes, z. B. in der zweiten, dritten Woche, faͤngt an
als eine von einer Schamlippe ausgehende und allmaͤhlig
immer weiter am Schenkel herab, zuweilen auch etwas aufwaͤrts
ſich verbreitende heiße, aͤußerſt ſchmerzhafte Geſchwulſt von
blaſſer Farbe. Es verbindet ſich hiermit ein anhaltendes
Fieber, und eigenthuͤmlich iſt es dieſer Krankheit, daß, dafern
nur ein Schenkel leidet (und dieſes iſt der oͤfterſte Fall), die
Geſchwulſt ſtreng auf eine Haͤlfte des Koͤrpers, und zwar
ſcharf begraͤnzt, eingeſchraͤnkt bleibt.


§. 1601.

Der Verlauf der Krankheit iſt ſehr langwierig; man hat
ihre Dauer ſich oft auf 3 bis 8 Wochen, bei nur wenig ſich
mindernden Schmerzen, ausdehnen ſehen. Wenn in die feſte,
milchweiße Geſchwulſt, bei welcher oft ſelbſt die blauen Haut-
venen nicht mehr bemerklich ſind, ein Einſtich mit der Lanzette
gemacht wird, ſo kommt gewoͤhnlich nur eine ſehr geringe
Menge heller Fluͤſſigkeit zum Vorſchein. Vermindert ſich
endlich die Krankheit, ſo bemerkt man das Abnehmen der
Geſchwulſt in derſelben Ordnung in welcher die Zunahme er-
folgt war, das Fieber laͤßt nach und die Geneſung tritt ein,
obwohl oft Schwaͤche des Fußes, Hinken u. ſ. w. lange zuruͤck-
bleiben. Sehr ſelten hat man die Krankheit ſich in Eiterung
endigen ſehen, zuweilen hingegen kann ſie ſelbſt den Tod
veranlaſſen.


§. 1602.

Ueber die Urſachen dieſes Uebels, beſonders deſſen eigent-
liches Weſen, ſind die Meinungen hoͤchſt verſchieden. White
leitet daſſelbe ab von Druck, Quetſchung und Zerreißung
eines oder mehrerer Lymphgefaͤße von denen welche uͤber dem
Schambogen-Rand in das Becken ſich ſenken, und betrachtet
die Geſchwulſt als entſtanden durch Stocken und Ausdehnen
in den Lymphgefaͤßen der untern Gliedmaßen uͤberhaupt und
der Haut insbeſondere. Gegen dieſe Meinung ſpricht es jedoch
[568] zu entſchieden daß die Krankheit immer erſt ſpaͤt nach der
Geburt ausbricht, und daß ſie auf ſehr leichte Geburten eben
ſo wie auf ſchwere Geburten erfolgen kann. Eben ſo wenig
ſcheint die neuerlich geaͤußerte Meinung, daß Nervenleiden
Urſache der Krankheit ſey, ſich erweiſen zu laſſen. Viel mehr
mit dem Gange des Uebels und zum Theil auch mit dem
Sektionsbefunde *) ſtimmt es uͤberein, die Entzuͤndung
der Lymphgefaͤße
als weſentliche Urſache zu betrachten **),
welcher Meinung auch die mehrſten neuern Beobachter beigetreten
ſind.


§. 1603.

Was die Gelegenheitsurſachen zur Entſtehung dieſes
Uebels betrifft, ſo laſſen ſie ſich nicht mit Beſtimmtheit an-
geben. Es kommt bei Juͤngern und Aeltern, zart- und ſtark-
Gebauten, Vornehmen und Geringen vor; eben ſo, bald nach
regelmaͤßigen, bald nach regelwidrigen, nach der erſten oder
nach wiederholten Geburten, und endlich ſcheinen auch die
Funktionen der Wochenperiode als Milch- und Lochien-Aus-
ſcheidung wenig Einfluß auf die Entſtehung zu haben, da
man ſie theils in regelmaͤßigem Gange theils unterdruͤckt ge-
funden hat. — Die Prognoſe iſt bei einer ſo ſchmerzhaften,
langwierigen ja ſelbſt gefaͤhrlichen Krankheit allerdings im
Allgemeinen hoͤchſt unguͤnſtig zu nennen.


§. 1604.

Auch uͤber die Behandlung der weißen Schenkelgeſchwulſt
herrſchen ſehr verſchiedene Anſichten. Im Beginn derſelben,
wo die entzuͤndlichen Zufaͤlle noch ſehr hervortreten, wird ein
antiphlogiſtiſches Verfahren welches der allgemeinen Conſtitution
angemeſſen iſt, und in oͤrtlichen oder allgemeinen Blutentzie-
hungen, Anwendung von Calomel, Mittelſalzen u. ſ. w.
[569] beſteht, nicht entbehrt werden koͤnnen. Oertlich hat man nach
White vorzuͤglich Fomentationen, durch Flanelltuͤcher mit
warmem Eſſig oder Wein getraͤnkt, angewendet; vielleicht moͤch-
ten trockne Kraͤuterkiſſen hier (wie z. B. auch bei Druͤſenge-
geſchwuͤlſten) am vortheilhafteſten ſeyn. Daß ferner die regel-
maͤßige Unterhaltung der Wochenfunktionen beſondere Aufmerk-
ſamkeit verdienen, iſt durch ſich ſelbſt klar. — In dem
ſpaͤtern Stadium der Krankheit iſt eine mehr erregende Methode,
vorzuͤglich innerlich der Gebrauch der Antimonialien, der
Digitalis, des Camphers, und aͤußerlich (wie durch mehrere
Beobachtungen *) ſich zu beſtaͤtigen ſcheint) die Anwendung
der Veſikatorien auf den leidenden Theil ſelbſt von ausgezeich-
netem Nutzen geweſen. Als Nachkur wird gewoͤhnlich noch
eine ſtaͤrkende oͤrtliche Behandlung zur Hebung der ruͤckblei-
benden Laͤhmung und Torpiditaͤt, unentbehrlich.


3) Fieberhafte Krankheiten.

a.
Milchfieber.

§. 1605.

Man hat ſich lange Zeit mit dem Vorurtheil getragen,
als wenn zum Weſen der Wochenperiode es nothwendig gehoͤre,
daß ein Fieberanfall den dritten, vierten oder ſechsten Tag nach
der Entbindung etwa, eintreten muͤßte, und denſelben mit
dem Namen des Milchfiebers, indem man ihn mit der Sekre-
tion der Milch ſelbſt in Verbindung brachte, bezeichnet. Be-
obachtet man jedoch eine Reihe von Woͤchnerinnen vorurtheils-
frei in ihrer Aufeinanderfolge, ſo wird man bald bemerken
daß viele derſelben durchaus gar keine Spur von Fieberbewe-
gungen zeigen, daß dieſes ferner haͤufig gerade die geſuͤndeſten
[570] und mit Milch am reichlichſten verſehenen ſind, und wird
folglich ſchon dadurch uͤberzeugt werden, daß es, wie auch
Schmidtmuͤller, Joͤrg und Andere bemerkt haben, keine
eigenthuͤmliche Krankheit dieſer Art, denen alle Woͤchnerinnen
unterworfen ſeyn muͤßten, gebe.


§. 1606.

Bei einigen Woͤchnerinnen hingegen nimmt man aller-
dings um die angegebene Zeit eine vermehrte Aufregung des
Gefaͤßſyſtems wahr, es entſteht ploͤtzlich Froſt, Hitze, Durſt,
Schweiß, zuweilen mit dieſen oder jenen krankhaften oͤrtlichen
Zufaͤllen als Kopfſchmerz, Mangel an Appetit, fadem Geſchmack,
u. ſ. w. verbunden, welcher Anfall ſich denn nicht ſelten den
folgenden Tag wiederholt, im Ganzen jedoch das Wohlbefinden
nicht allzuſehr zu beeintraͤchtigen und ſich endlich voͤllig zu
verlieren pflegt. — Spuͤrt man nun der Entſtehungsweiſe
dieſer Zufaͤlle etwas genauer nach, ſo wird man dieſelbe ſeht
verſchieden finden, im Allgemeinen aber nicht verkennen koͤnnen,
daß ſie immer vornaͤmlich durch die vermehrte Reitzbarkeit des
Gefaͤß- und Nervenſyſtems bedingt werden welche die Begleiter
einer jeden bedeutenden Umaͤnderung im Organismus ſind,
Eben ſo ſehen wir das Maͤdchen beim Eintritt der Pubertaͤt
reizbarer, zu Fieberbewegungen geneigter; daſſelbe tritt ein
bei beginnender Schwangerſchaft, und muß im Wochenbette,
wo die Richtung der Saͤftemaſſe eine ſo bedeutende Umaͤnde-
rung erlitten hat, noch mehr der Fall ſeyn.


§. 1607.

Iſt nun alſo durch dieſe Revolution ſchon eine Neigung
zu fieberhaften Zuſtaͤnden gegeben, wird dieſe durch eine an
ſich reizbare Conſtitution noch vermehrt, ſo iſt es wohl erklaͤr-
lich, wie faſt jede mit nur einiger Macht auf den Koͤrper
einwirkende Gelegenheitsurſache den Fieberanfall wirklich her-
vorruft. Als ſolche Urſachen erſcheinen nun leichtere Erkaͤltungen,
Gemuͤthsbewegungen, Diaͤtfehler, beſonders aber gereizte Zuſtaͤnde
der fuͤr die Periode des Wochenbetts vorzuͤglich wichtigen Organe,
z. B. der Bruͤſte, oder Bruſtwarzen, der aͤußern oder innern
[571] Geſchlechtstheile (Nichtſtillen, Nachwehen, Geſchwuͤlſte, Verlez-
zungen u. ſ. w.). Ja es iſt allerdings zuweilen der Fall,
daß der vermehrte Eintritt der Milch in die Bruͤſte mit einer
allgemeinen Bewegung des Gefaͤßſyſtems erfolgt, welche durch
einen Schauer angekuͤndigt wird, eben ſo wie ohngefaͤhr die
Aufnahme von Chylus in das Blut nach dem Genuſſe der
Speiſen vermehrte Gefaͤßthaͤtigkeit anregt. Endlich aber kann
ein aͤhnlicher leichter Froſtanfall auch entſtehen durch Abſtoßung
der Reſte der hinfaͤlligen Haut auf der innern Uterinflaͤche,
womit ſich ja nicht ſelten eine innere oberflaͤchliche Eiterung
verbindet, welche Anfaͤlle ſich dann analog den bei beginnendem
Brand oder Eiterungsproceß ſich ſtets zu erkennen gebenden
Froſt-Anfaͤllen erweiſen.


§. 1608.

Man erkennt hieraus welch ein vielgeſtaltiges Ding das
ſogenannte Milchfieber eigentlich iſt, und aus wie vielerlei Ur-
ſachen es zu Stande kommen kann, und wird ſich zugleich,
wenn man weiß aus welchen ſcheinbar unbedeutenden Krank-
heitszuſtaͤnden bei Woͤchnerinnen oft ploͤtzlich die heftigſten
Krankheiten ſich entwickeln, uͤberzeugen, wie wichtig es ſey,
bei dieſen leichten Fieberanfaͤllen immer die veranlaſſende Ur-
ſache ſcharf ins Auge zu faſſen, und danach Prognoſe und
Behandlung zu beſtimmen. — Was die Prognoſe naͤmlich
insbeſondre betrifft, ſo iſt ſie zwar im Allgemeinen allerdings
guͤnſtig zu ſtellen, da die Fieberanfaͤlle nicht ſehr heftig ſind
und gewoͤhnlich in 2 bis 3 Tagen ſich voͤllig zu verlieren pflegen;
allein nie iſt zu uͤberſehen, daß, jemehr bei denſelben irgend
eine der wichtigern Wochenfunktionen geſtoͤrt, jemehr vornehmlich
die Ruͤckbildung des Uterus dabei gehindert iſt, die innern
Genitalien ſehr gereizt, oder die Unterleibsorgane uͤberhaupt
afficirt ſind, um ſo uͤbler auch die Prognoſe und um ſo leichter
der Uebergang in Kindbettfieber werden muͤſſe.


§. 1609.

Anbelangend die Behandlung des Milchfiebers, ſo kann
dieſe in den meiſten Faͤllen ſehr einfach ſeyn. Ein leichtern
[572] fieberhaften Krankheiten uͤberhaupt angemeſſenes Regimen,
leichte, kuͤhlende oder die Hautfunktion gelind befoͤrdernde
Getraͤnke, ſehr leichte Diaͤt, maͤßige Unterhaltung des Stil-
lungsgeſchaͤfts und bei Nichtſtillenden Sorge fuͤr Befoͤrderung
des Milchausfluſſes und allmaͤhlige Zertheilung der ſtockenden
Milch, ſind in den meiſten Faͤllen die einzigen Heilregeln. —
Staͤrkere Fieberbewegungen indiciren außerdem noch den Ge-
brauch der Emulſionen mit etwas Nitrum, der Lavements,
oder bei belegter Zunge, geſpanntem Unterleibe u. ſ. w. eines
leichten Abfuͤhrmittels. Immer aber muß vorzuͤglich, ob lokale
Regelwidrigkeiten ſich vorfinden, beruͤckſichtigt werden, welche
dann die ſchon fruͤher gelehrte Behandlung noͤthig machen.
Auch ſtaͤrkere gaſtriſche, rheumatiſche, catarrhaliſche Complica-
tionen machen zugleich die der Natur dieſes Uebels entſprechende
Behandlung nothwendig.


b.
Kindbettfieber(Febris puerperarum).

§. 1610.

Faſt eben ſo wie das Milchfieber, iſt auch das Kindbett-
fieber in ſeiner Erſcheinung und ſeinen Urſachen ſehr verſchieden,
und hat dadurch Veranlaſſung gegeben, daß ſelbſt die Frage,
ob man daſſelbe uͤberhaupt als eine beſondere Krankheitsform
annehmen kann, von Vielen noch als unentſchieden betrachtet
wird. — Unterſucht man naͤmlich einzelne Faͤlle dieſer Krank-
heit, ſo wird ſich alsbald zeigen daß die meiſten ihrer Zufaͤlle
ſehr wohl auch in andern Krankheiten, bei Nichtwoͤchnerinnen,
ja wohl ſelbſt bei Maͤnnern vorkommen koͤnnen, und es ſcheint
ſomit der Grund fuͤr Annahme eines Kindbettfiebers als eigen-
thuͤmliche Krankheit hinwegzufallen; allein geht man genauer
in die Sache ein, ſo wird ſich eine andere Anſicht alsbald
eroͤffnen. Man wird naͤmlich finden daß hierwiederum doch
allen dieſen Krankheitsfaͤllen etwas Gemeinſames zum Grunde
liege, und dieſes Gemeinſame iſt: die Stoͤrung der
[573] naturgemaͤß in der Periode des Wochenbetts
vor ſich gehenden Revolution im Innern des
weiblichen Koͤrpers
.


§. 1611.

Inwiefern alſo auch die beſondern Erſcheinungen des
Kindbettfiebers, als z. B. Bauchfellentzuͤndung und Ausſchwiz-
zungen in der Bauchhoͤhle ſehr wohl auch andern Krankheiten
gemein ſeyn koͤnnen, ſo bekommt das Ganze doch ſtets einen eigen-
thuͤmlichen Charakter ſchon durch die Periode innerhalb welcher
es ſich ereignet; einen Charakter, welcher uͤbrigens allerdings
beſſer mit geſunden Sinnen und ſcharfem Auffaſſungsvermoͤgen
in der Natur zu erkennen, als mit Worten zu definiren iſt.
Jedoch dieſes gilt eben ſo von den meiſten, wenn nicht von
allen Lebenserſcheinungen, denn die Natur, als ein ewig Wan-
delbares, duldet ſelten das Einkerkern in die feſten Schranken
eines mit Worten auszuſprechenden Begriffs.


§. 1612.

Halten wir uns alſo ſonach berechtigt, dieſe Krankheit
fuͤr eine eigenthuͤmliche, nur dieſer Periode angehoͤrige zu er-
klaͤren, ſo kommt es nun darauf an, das Weſentliche der-
ſelben etwas naͤher zu ſchildern. Hier iſt es nun, wo die
Aerzte am allermeiſten von einander abgewichen ſind, indem
ſie bald bloße Unterdruͤckung der Milchſekretion, bald gaſtriſche
Zuſtaͤnde, bald Unterdruͤckung des Lochienfluſſes, bald Entzuͤn-
dungen u. ſ. w. als Weſen der Krankheit zu ſchildern bemuͤht
waren *), ja auch wohl dadurch ſich zu helfen ſuchten daß
ſie (wie dieß von Schmidtmuͤller geſchah) mehrere Arten
des Kindbettfiebers annahmen, wovon einige durch Milchver-
ſetzungen, andere durch gaſtriſche Zuſtaͤnde u. ſ. w. zu Stande
[574] kaͤmen. — Unter den Neueren deutete vorzuͤglich H.
Autenrieth*) zuerſt auf die beim Kindbettfieber vorkommendt
Stoͤrung in der eigenthuͤmlichen Richtung der Saͤftemaſſe, und
leitete die Erſcheinungen deſſelben von gehinderter peripheriſcher
Thaͤtigkeit und krankhafter Concentration der Bildungsſtoffe
auf innere Gebilde her. Ihm folgte in ſeinen Anſichten groͤß-
tentheils H. Joͤrg**). Andere wie z. B. P. Frank, F.
Horn***) halten ſich vorzuͤglich an die entzuͤndliche Natur
dieſes Uebels, noch immer aber gehoͤrt dieſe Krankheit wie
H. Froriep****) nicht mit Unrecht bemerkt, zu den am
wenigſten gekannten und genau beſtimmten Krankheiten.


§. 1613.

Bevor nun, welche Anſicht hieruͤber wohl die wahrſchein-
lichſte ſey, unterſucht werden kann, wird es noͤthig werden
zunaͤchſt uͤber Vorkommen und Verlauf dieſes Uebels das Naͤhere
darzulegen: —


Es kommt das Kindbettfieber aber ſowohl ſporadiſch
als epidemiſch vor, das letztere pflegt vorzuͤglich in naßkalten
Wintern und Herbſten, ſo wie wohl auch in ſehr heißen
Sommern der Fall zu ſeyn. Daß es in Gebaͤrhaͤuſern ſich
nicht ſelten auch als anſteckend zeige, kann keinem Zweifel
unterworfen bleiben. Uebrigens werden die verſchiedenſten
Individuen davon befallen, Erſtgebaͤrende und Mehrgebaͤrende,
Aeltere und Juͤngere, obwohl man leicht bemerken kann, daß
kachektiſche Koͤrper, Perſonen welche deprimirenden Gemuͤths-
bewegungen und aͤußerlichen Schaͤdlichkeiten ausgeſetzt ſind,
welche ſchwere Geburten uͤberſtanden haben, ſo wie Nichtſtillende,
vorzuͤglich dieſer Krankheit unterworfen ſind.


[575]
§. 1614.

Was den Verlauf der Krankheit betrifft, ſo iſt derſelbe
im Allgemeinen hoͤchſt akuter Art, der Anfang iſt von dem
des Milchfiebers oft nicht weſentlich unterſchieden, ja manch-
mal macht das letztere ſelbſt erſt den Uebergang zu dieſer
Krankheit. Allgemeines Uebelbehagen, verlorener Appetit, Mat-
tigkeit kuͤndigen in der Regel das Kindbettfieber an, deſſen
eigentlicher Eintritt mit einem heftigen Froſte groͤßtentheils
bezeichnet wird. Es eroͤffnet ſich hiermit das erſte Stadium
der Krankheit, welches wir mit dem Namen des entzuͤndlichen
Stadiums (Stadium inflammationis) belegen muͤſſen; die Kranke
klagt uͤber heftigen Durſt, die Haut wird nach dem Froſte brennend
und trocken, der Puls iſt ſehr frequent und meiſtens hart,
der Kopf beim Aufrichten benommen, oft auch ſchmerzhaft,
der Schlaf unruhig; die Zunge iſt trocken, der Geſchmack fad
oder ſonſt verdorben, die Ausleerungen ſtocken, der Urin iſt
dunkelroth, und vorzuͤglich zeigt ſich alsbald ein entſchieden
hervortretendes Lokalleiden, welches zwar an mehrern Orten
vorkommen kann, bei weitem am haͤufigſten aber im Unterleibe
und zwar durch Spannung und Haͤrte, hoͤchſte Empfindlichkeit
bei der Beruͤhrung, beim Wenden, Aufrichten, Huſten u. ſ. w,
aber auch ohne dieß durch heftiges Schneiden und Stechen ſich zu
erkennen giebt. Seltner finden wir die Lokalaffektion in der
Bruſt oder im Kopfe, und ſie zeigt ſich dann durch den hier
wahrgenommenen Schmerz und die Stoͤrungen des Athemholens,
Zufaͤlle einer Pneumonie, oder, im andern Falle, durch De-
lirien, Zuckungen, und vorzuͤglich heftiges Fieber an.


§. 1615.

Ruͤckſichtlich der Wochenverrichtungen, ſo verhalten ſich
dieſelben nicht immer gleich; oft wird in dieſem Stadium, ja
gleich nach dem erſten Froſte, die Milch vermindert oder
voͤllig aufgehoben, zuweilen aber bleibt ſie ſich auch ziemlich
gleich, daſſelbe gilt von den Lochien. — Das Fieber ſelbſt
haͤlt den Typus einer continua remittens, deren Exacerbationen
vorzuͤglich in den Abendſtunden ſich einzuſtellen pflegen. —
[576] Die Dauer dieſes erſten Stadiums erſtreckt ſich nicht leicht
uͤber drei bis vier Tage, jedoch kann es ſich bei vollſaftigen
Koͤrpern und entzuͤndlicher Krankheitskonſtitution, wiederholen,
indem an die Stelle des zuerſt angegriffenen und entzuͤndeten
Theils ein anderer tritt, oder auch die Entzuͤndung auf der
alten Stelle von Neuem aufflammt.


§. 1616.

Das zweite Stadium nennen wir das der Ausſchwitzung
(Stadium exsudationis); es muß nicht jedesmal eintreten,
ſondern es wird zuweilen die Entzuͤndung zur Zertheilung ge-
bracht, und ſogleich das Stadium der Geneſung herbeigefuͤhrt
werden koͤnnen; oder aber es iſt auch vielleicht das entzuͤndliche
Stadium ſelbſt entweder an und fuͤr ſich, oder durch Uebergang
in Brand toͤdlich geworden. Tritt aber wirklich dieſes zweite
Stadium ein, und es erfolgt zuweilen die Ausſchwitzung ſchon
ſehr zeitig bald nach Eintritt der Krankheit, ſo erſcheint groͤß-
tentheils abermaliger Froſt, die Haut wird vorzuͤglich brennend,
Lochienfluß und Milchſekretion verſchwinden, oder werden ab-
normer Beſchaffenheit, Durchfall, truͤber Urin, oft mit milch-
aͤhnlichem Geruche, klebrige Schweiße, braun belegte Zunge
oder Aphthen, fauliger Geſchmack, heftiger Durſt treten ein,
der Schlaf wird noch unruhiger, und die Nervenzufaͤlle haͤufiger.
Geſchehen Ergießungen im Unterleibe, ſo ſchwillt dieſer mehr
auf, es zeigen ſich wohl ſelbſt Kennzeichen innerer Abſceſſe
durch partielle Anſchwellungen, Hinderung der Schenkelbewegung
u. ſ. w. und nicht ſelten treten Symptome von Putreſcenz
auf der innern Uterinflaͤche hinzu, und unter Colliquationen
und typhoͤſem Fieber erfolgt der Tod. Geſchieht Aehnliches
in der Bruſthoͤhle ſo wird der Athem beklommen, Huͤſteln,
Roͤcheln und unordentlicher Puls erſcheinen und drohen Erſtik-
kungsanfaͤlle. Ergießungen im Kopfe endlich erregen die heftigſten
Anfaͤlle der Manie, welchen Sopor und Tod gemeiniglich
bald nachfolgt. —


[577]
§. 1617.

Die Dauer dieſes Stadiums iſt nach dem Orte und
dem Maaße der Ausſchwitzungen verſchieden. Betraͤchtliche
Ergießungen im Unterleibe toͤdten gewoͤhnlich nach 3 bis 6 Ta-
gen (am ſiebenten, neunten, oder wenn das entzuͤndliche Stadium
vielleicht mehreremale verlaufen war, am zwoͤlften, funfzehnten
Tage der Krankheit). Schneller erfolgt der Tod bei Ergieſ-
ſungen an andern Orten. Geringere Ausſchwitzungen, welche
mehr Verwachſungen, Ablagerungen im Innern der Organe,
Degenerationen zur Folge haben, koͤnnen oft zu Uebergaͤngen
in chroniſche Zuſtaͤnde, hektiſchem Fieber, mit Zufaͤllen welche
nach der Art der angehenden innern Verbildung unendlich
verſchieden ſind, Gelegenheit geben. Auch Metaſtaſen der
abgelagerten Stoffe auf die Muſkeln der Extremitaͤten kommen
zuweilen vor.


§. 1618.

Als drittes Stadium unterſcheiden wir das der Geneſung
(Stadium convalescentiae). Es wird verſchieden ſeyn, je nach-
dem es ſich unmittelbar dem erſtern anſchließt oder dem zweiten
nachfolgt. Schließt es ſich dem erſtern an, ſo bemerkt man
Nachlaß der Fieberbewegungen, Abnahme des oͤrtlichen Schmer-
zes, Wiedereintritt der Lochien- und Milchausſcheidung, ver-
mehrten nicht ermattenden Schweiß, kritiſchen Urin, oͤftere
erleichternde Darmausleerungen, erquickenden Schlaf, die Kraͤfte
finden ſich oft ziemlich ſchnell, und auch in der raſchen Ge-
neſung bleibt der akute Charakter ſich treu. — Haben hin-
gegen Verbildungen oder Ausſchwitzungen bereits Statt gefunden,
ſo treten die Wochenfunktionen nicht regelmaͤßig wieder ein,
das Fieber mindert ſich zwar, aber der afficirte Ort bleibt
noch laͤngere Zeit ſchmerzhaft, erregt confenſuelle Leiden, der
Urin zeigt eiterartigen Bodenſatz und die Kranke erholt ſich
nur langſam, ja es macht ſich wohl ſelbſt ein Uebergang in
Folgekrankheiten, welche wiederum ſehr verſchiedener Art ſeyn
koͤnnen. Es gehoͤren dahin Melancholie, Wahnſinn, Waſſerſucht,
II. Theil. 37
[578] Schwindſucht, Auftreibungen einzelner Unterleibseingeweide,
Degenerationen des Uterus, der Ovarien, Unfruchtbarkeit
u. ſ. w.


§. 1619.

Der Befund bei der Leichenoͤffnung iſt namentlich nach
dem Orte wo die Entzuͤndung ihren Anfang nahm, ſehr ver-
ſchieden. Da unter 10 Faͤllen wenigſtens 9 gewoͤhnlich Angegriffen-
ſeyn der Unterleibseingeweide zeigen, ſo finden ſich auch in
der Bauchhoͤhle die vorzuͤglichſten Veraͤnderungen vor. Die
Menge der hier ergoſſenen gelblichweißen, mit eiterartigen
Flecken vermiſchten Fluͤſſigkeit betraͤgt zuweilen 4, 6, und
mehrere Kannen. Was die Qualitaͤt dieſer Fluͤſſigkeit betrifft,
ſo ſind die Meinungen daruͤber verſchieden, indem ſie bald fuͤr
Milch bald fuͤr Eiter angeſehen worden iſt. Boer theilte
daher *) eine Analyſe derſelben mit, woraus ſie ſich als blos
lymphatiſch zu erkennen giebt, mit beigemiſchten Eiterpartickeln;
und hiernach, ſo wie aus andern Gruͤnden, (m. ſ. was ſchon
bei der Milchverſetzung erwaͤhnt wurde) kann man zwar an-
nehmen daß dieſelben plaſtiſchen Stoffe welche auch Abſonderung
der Milch bedingen, hier ſich ablagern, aber nicht daß das
Depot ſelbſt aus Milch beſtehe. Außerdem finden ſich Netz,
Darmwindungen, die innern Genitalien und uͤberhaupt alle
Produktionen des Bauchfells hie und da mit eiterigen Aus-
ſchwitzungen oder geronnener Lymphe bedeckt, und dadurch
Verwachſungen mannigfaltiger Art bewerkſtelligt. Ferner zeigen
gewoͤhnlich groͤßere Stellen des Bauchfells, beſonders in der
Gegend der innern Genitalien, namentlich der Ovarien, noch
Spuren heftiger Entzuͤndung, die Subſtanz des Uterus iſt
zuweilen im normalen Zuſtande, zuweilen aber findet ſich auch
die innere Flaͤche im wahrhaft putrescirten Zuſtande. Seltner
zeigen ſich geſchloſſene innere Abſceſſe.


[579]
§. 1620.

Was die uͤbrigen Theile des Koͤrpers betrifft, ſo finden
ſich vorzuͤglich oft Regelwidrigkeiten in der Bruſthoͤhle vor,
nicht ſowohl immer als Folgen der Krankheit, ſondern haͤufiger
als ſchon fruͤher vorhandene Regelwidrigkeiten, welche die
Dispoſition zum Kindbettfieber vermehren. War hingegen die
Pleura ſelbſt in der Krankheit ergriffen, ſo zeigen ſich auch
die Spuren der Entzuͤndung Ausſchwitzung, Verwachſung, Ei-
terung u. ſ. w. ganz wie auch nach anderen heftigen und
boͤsartigen Pneumonien. Das Gehirn findet man bei Puerperal-
fiebern mit vorherrſchenden Leiden der Unterleibsorgane ſelten
auf eine in die Sinne fallende Weiſe veraͤndert. Bei den
Verſtorbenen hingegen, wo die Hirnhaͤute ihr vorherrſchendes
Leiden durch Manie und Delirien zu erkennen gaben, zeigen
ſich dieſe Theile ausgezeichnet blutreich, die Gefaͤßhaut iſt
zuweilen mit coagulabeler Lymphe bedeckt, und Ausſchwitzungen
von Waſſer in den Hirnhoͤhlen, auf der Basis cerebri, und
im Ruͤckenwirbelkanale, ſind keine ſeltne Erſcheinung.


§. 1621.

Nachdem wir ſomit das vorzuͤglich Bemerkenswerthe uͤber
Verlauf und Ausgang des Kindbettfiebers durchgegangen haben,
wird es leichter werden zu einer Darlegung des Weſentli-
chen
dieſer Krankheit zu gelangen, worauf dann noch uͤber
urſaͤchliche Momente und Prognoſe das Weitere beizufuͤgen
ſeyn wird.


§. 1622.

Es iſt aber nicht moͤglich zur klaren Einſicht des Weſent-
lichen hierbei zu gelangen, dafern man nicht die Eigenthuͤmlichkeit
der Wochenperiode uͤberhaupt ſcharf aufgefaßt hat, weßhalb
zunaͤchſt auf das was §. 849 bis 871 angegeben wurde,
zuruͤckgewieſen werden muß. Ferner iſt es noͤthig die innige
Verwandſchaft feſt zu halten welche zwiſchen Bildungsproceß
und Entzuͤndung beſteht, wodurch es erklaͤrlich wird wenn
[580] hier an die Stelle eines ploͤtzlich aufgehobenen Bildungsproceſſes
ein entzuͤndlicher Proceß eintritt, da die Neigung zur Entzuͤndung
in allen Lebenszuſtaͤnden, welche (wie z. B. das Kindesalter)
durch beſonders lebhafte Bildungskraft ausgezeichnet ſind,
am meiſten hervortritt u. ſ. w. (vergl. 1 Thl. S. 255.).
Dieſes alles nun recht erwogen, und mit dem im Vorhergehenden
geſchilderten Verlaufe der Krankheit verglichen, ſo halten wir
uns berechtigt das Weſentliche des Kindbettfiebers zu ſetzen:
in eine von heftigem Fieber begleitete Stoͤrung
der fuͤr die Wochenperiode naturgemaͤßen Revo-
lution im Innern des Organismus, welche ſich
zu erkennen giebt durch eine an abnormen Stel-
len hervortretende, krankhafterhoͤhte, mit Ent-
zuͤndung und großer Neigung zu Ausſcheidungen
bezeichnete Gefaͤßthaͤtigkeit
.


§. 1623.

Es ſind nun vorzuͤglich die Gebilde, welche den Sitz
dieſer krankhaft erhoͤhten Gefaͤßthaͤtigkeit ausmachen, etwas
naͤher zu betrachten, und wir werden darin noch mannigfaltige
Beſtaͤtigung der aufgeſtellten Anſicht finden. Schon aus der
Schilderung des Verlaufs der Krankheit ergab es ſich aber,
daß die Bauchhoͤhle ſelbſt der gewoͤhnliche Heerd des Uebels
iſt; forſchen wir nun nach der Urſache dieſer Erſcheinung, ſo
koͤnnen wir ſie nicht fuͤglich in etwas anderes ſetzen, als da-
rein daß eben hier die kraͤftigſte Bildungsthaͤtigkeit jetzt anhal-
tend gewirkt habe, und daß es ganz natuͤrlich ſey, in Faͤllen,
wo die Uebertragung derſelben auf andere Organe geſioͤrt wird,
meiſtens ein Hervortreten der, nunmehr allerdings krankhaften
Bildungsthaͤtigkeit an dem gewohnten Orte wahrzunehmen.
Beſondere Beruͤckſichtigung verdient auch hier die in pathologiſcher
Hinſicht noch gar nicht beachtete Continuitaͤt der innern
Flaͤche von Uterus und Muttertrompeten mit
dem Peritonaeum,
und es wird anſchaulich warum gerade
das Peritonaeum ſo gewoͤhnlich der Heerd der Entzuͤndung
und Ausſcheidung im Kindbettfieber wird, da es als Fortſetzung
[581] der die innern Genitalien auskleidenden, bei der Ernaͤhrung
des Kindes vorzuͤglich thaͤtigen Haut anzuſehen iſt *) Merk-
wuͤrdig iſt es uͤbrigens noch, daß vorzuͤglich die Gegend der
Ovarien den Punkt darzuſtellen pflegt, von welchem Entzuͤn-
dung und Ausſcheidung beginnen. Man kann dieß entweder
davon ableiten, daß die Ovarien uͤberhaupt der primaͤre Sitz
weiblicher Zeugungskraft ſind, oder davon daß, wie man
neuerlich angenommen, ein gewiſſer Antagonismus zwiſchen
Uterus und Ovarien Statt findet, welches groͤßere Erregung
der letztern verurſacht, wenn der erſtere in ſeiner Thaͤtigkeit
zuruͤcktritt.


§. 1624.

Außerdem wird es klar, warum gerade die Neigung
im Kindbettfieber zu ſolchen Entzuͤndungen, welche alsbald
das ergriffene Organ in ein ausſcheidendes verwandeln, ſo
groß iſt, und ſo leicht und ſchnell nicht nur die betraͤchtlichſten
Ablagerungen von Fluͤßigkeiten, ſondern auch die bedeutendſten
Degenerationen, Verwachſungen u. ſ. w. ſich entwickeln, naͤm-
lich eben weil 1) der Koͤrper an ſich jetzt noch an plaſtiſchen
Stoffen vorzuͤglich reich iſt **), 2) ein ſo kraͤftiger Bildungs-
proceß wie die Ernaͤhrung des Kindes im Innern, ploͤtzlich
aufgehoͤrt hat, aber nothwendig die Neigung zuruͤcklaͤßt, ab-
normer Gefaͤßthaͤtigkeit den Charakter regelwidriger Bildung
zu uͤbertragen.


§. 1625.

Wie aber wird es nun moͤglich, daß auch andere Or-
gane, wie Pleura oder Hirnhaͤute zum Heerde der Krankheit
werden? — Ich glaube daß man auch hierbei theils den
[582] Zuſammenhang zwiſchen Reſpirationsorganen und Geſchlechts-
organen, aus welchem die Herſtellung des Gleichgewichts der
Saͤftemaſſe nach der Geburt ſich erklaͤrte (§. 866. 867.),
theils die Ruͤckwirkung geſtoͤrter Gefaͤßthaͤtigkeit in Bruſt- und
Bauchhoͤhle auf die Gefaͤße des Gehirns zu beachten habe;
ſo wie man denn endlich auch nicht uͤberſehen darf, daß die
oͤrtlich leidende Stelle oft vorzuͤglich von fruͤherer krankhafter
Dispoſition dieſes Theils oder von der Richtung aͤußerer
Schaͤdlichkeiten abhaͤngt.


§. 1626.

Wir kommen nun zu den entferntern Urſachen des
Kindbettfiebers und unterſcheiden hierbei 1) die disponirenden:
wohin alles gehoͤrt, was die Reitzbarkeit des Koͤrpers erhoͤht,
was zu Stoͤrungen naturgemaͤßer organiſcher Revolution durch
Beeintraͤchtigung der Bildung oder Thaͤtigkeit geneigt macht,
z. B. Fehler der Bruſteingeweide, krankhafte Zuſtaͤnde der
Unterleibsorgane, gereitzte Zuſtaͤnde des Darmkanals, Diar-
rhoͤen u. ſ. w. oder Verletzungen der Genitalien ſelbſt, unter-
laſſenes Saͤugen des Kindes, und im Allgemeinen alles,
wodurch die Produktivitaͤt des Koͤrpers erhoͤht und Gelegenheit
zu Entzuͤndungskrankheiten gegeben wird (als zu reichliche
Diaͤt, Witterungsverhaͤltniſſe u. ſ. w.). 2) Gelegenheitsurſa-
chen ſind ebenfalls theils ſolche wodurch Organe, in dieſer
Periode zur Ruhe und Ruͤckbildung beſtimmt, heftig aufgereitzt
werden, als: draſtiſche Abfuͤhrmittel, erhitzende Speiſen und
Getraͤnke, heftige Nachwehen, unvollkommne Contraktion des
Uterus, Gemuͤthsbewegungen u. ſ. w.; theils ſolche wodurch
Organe, welche ſich jetzt thaͤtig zeigen ſollen, in dieſer Thaͤtig-
keit gehemmt werden, wohin ploͤtzliches Abbrechen des Stil-
lungsgeſchaͤfts, die durch Erkaͤltung gehemmte Ausſcheidung
des Lochienfluſſes und der Milch, oder des Schweißes gehoͤren.


§. 1627.

Was die Prognoſe betrifft, ſo muß ſie, wie ſich aus
Schilderung des Krankheitsverlaufs ergab, im Allgemeinen
[583] ſtets unguͤnſtig genannt werden, da die Krankheit theils, ſich
ſelbſt uͤberlaſſen, durch Brand, Putreſcenz, Ausſchwitzung,
ja ſelbſt ſchon durch heftige Entzuͤndung leicht unmittelbar den
Tod herbeifuͤhren kann, theils oft, eben weil ſie ſo große
Neigung zur Bildung eines krankhaften Produkts zeigt, ent-
weder mittelbar durch Nachkrankheiten toͤdtlich werden, oder
eine ſchwaͤchliche Geſundheit fuͤr die ganze Folgezeit zuruͤcklaſſen,
oder endlich nur eine langwierige Geneſung geſtatten wird.
Die ſpeciellern Momente der Prognoſe richten ſich 1) nach
der Conſtitution: bei ſchwaͤchlichen, kachektiſchen Koͤrpern, vor-
zuͤglich bei ſolchen welche bereits an innern Verbildungen, oder
wohl gar ſchon vor der Geburt begonnenen Zerſtoͤrungen auf
der innern Uterinflaͤche leiden, iſt die Prognoſe immer mißli-
cher, eben ſo giebt der hoͤchſt akute, ſchnelle Ablagerung eines
Depots, oder Uebergang in Brand befuͤrchten laſſende Verlauf,
bei ſehr vollſaftigen irritabeln Koͤrpern eine uͤbele Vorherſagung.
2) Nach dem Zeitpunkte der Entſtehung der Krankheit. Je
naͤher an der Periode der Geburt, deſto acuter pflegt der
Verlauf zu ſeyn, und deſto ſchneller die Bildung eines Depots
von Statten zu gehen.


§. 1628.

3) Nach den Urſachen: bei heftig einwirkenden, vorzuͤglich
die bei dieſer Periode nahe intereſſiirten Theile treffenden Schaͤd-
lichkeiten, muß nothwendig die Prognoſe uͤbeler ausfallen, ſo
z. B. wo ſtarke Verletzungen in den Genitalien vorhanden ſind.
4) Nach dem Zeitpunkte der Krankheit und dem eigenthuͤmlichen
Charakter derſelben in dem jedesmaligen Falle. Vorzuͤglich
wichtig iſt in dieſer Hinſicht, ob bereits das Stadium exsu-
dationis
eingetreten iſt, durch Aufgetriebenheit des Leibes,
heftigen Durſt mit brauner trockner Zunge, klebrige Schweiße,
truͤben milchigen Urin, bereits die Bildung des Depots ſich
anzeigt, welches natuͤrlich unguͤnſtige Prognoſe geben muß,
dahingegen, ſo lange das Uebel ſich rein entzuͤndlicher Natur
zeigt, auch eine gluͤckliche Zertheilung mit mehr Wahrſchein-
lichkeit zu hoffen ſteht. — Eben ſo muß es auf die Prognoſe
[584] den groͤßten Einfluß haben, mit welchem Charakter das Fieber
auftrete, und es iſt an ſich klar, daß bei dem typhoͤſen Cha-
rakter, welcher auch meiſtens nur bei Neigung oder beceits
erfolgtem Uebergang des oͤrtlichen Leidens in Putreſcenz, Brand,
Exſudation eintritt, eine unguͤnſtige Prognoſe Statt finden muͤſſe.


§. 1629.

5) Muß die Prognoſe das Organ beruͤck ſichtigen welches
oͤrtlich ergriffen iſt, und die Affektion der Hirnhaͤute wird z.
B. als vorzuͤglich gefahrdrohend angeſehen werden muͤſſen.
6) Iſt auf die Wochenfunktionen zu achten, und jemehr die
Bruͤſte ihre Thaͤtigkeit vermindern, die Lochien ſtocken und
abnorme Qualitaͤt zeigen, je rigider, brennender die Haut iſt,
um ſo unguͤnſtiger fuͤr die Kranke. 7) Koͤnnen denn auch ver-
ſchiedene Complicationen des Kindbettfiebers mit anderweitigen
Zuſtaͤnden, gaſtriſchen Unreinigkeiten, Obſtruktionen, chroniſchen
Diarrhoͤen, Wuͤrmern, Gicht, aſthmatiſchen Zufaͤllen, hyſteri-
ſchen Beſchwerden u. ſ. w. vorkommen, wodurch die Prog-
noſe verſchlimmert wird.


§. 1630.

Wir kommen nun zur naͤhern Eroͤrterung der Behand-
lung des Kindbettfiebers
, welche ſich aus dem Vor-
hergehenden nun leicht ableiten laſſen wird. — Aus den
verſchiedenen Stadien aber, welche dieſe Krankheit durchlaͤuft,
ſo wie aus dem verſchiedenen Charakter und den mannigfal-
tigen Complicationen mit welchen wir ſie auftreten ſehen,
ergiebt ſich zunaͤchſt, daß durchaus nicht blos eine ſpeci-
fiſche Heilmethode, noch weniger irgend ein ſpecifiſches Mittel
unbedingt hierbei empfohlen werden kann, und daß es eben
ſo wenig fruchten wuͤrde, die rein antiphlogiſtiſche, oder
gaſtriſche, oder incitirende, oder irgend eine andere Methode
allen Faͤllen dieſer Krankheit entgegenſetzen zu wollen. —
Wir werden deßhalb die Behandlung nach den einzelnen Stadien
durchgehen, und bei einem jeden auf die Weſentlichſten der
dabei vorkommenden Modificationen Ruͤckſicht nehmen.


[585]
§. 1631.

Behandlung im erſten Stadium der Krank-
heit
. Sie iſt ganz vorzuͤglich wichtig, und muß ſich zur
Hauptaufgabe machen das zu Stande kommen einer innern
Ablagerung als Produkt der Krankheit, zu hindern. Es er-
geben ſich hieraus folgende drei Heilanzeigen: die Gefaͤßthaͤtig-
keit des oͤrtlich ergriffenen innern Organs zu vermindern, die
peripheriſche Thaͤtigkeit und die normalen Ausſcheidungen dieſer
Periode zu befoͤrdern, das Fieber, ſeinem Charakter nach, durch
eine zweckmaͤßige Anordnung aͤußerer Verhaͤltniße und Heil-
mittel zu leiten.


§. 1632.

Was die ſpecielle Erfuͤllung dieſer Indicationen betrifft,
ſo iſt wieder vorzuͤglich die erſte und zweite wichtig, denn
das Fieber iſt das Barometer der Lokalaffektion, ſteigt und
faͤllt mit dieſer. Die Behandlung der leidenden Stelle nun,
muß vorzuͤglich darauf gerichtet ſeyn, wo moͤglich den erſten
Anfang des Uebels zu unterdruͤcken. Iſt naͤmlich die Lokalaſ-
fektion noch auf der Stufe bloßer Reitzung, der Puls noch nicht
heftig aufgeregt, der Schmerz noch gelind, und mehr ein
hoher Grad von Empfindlichkeit als entwickelter heftiger Ent-
zuͤndungsſchmerz, ſo koͤnnen haͤufig beruhigende, ableitende Mittel
das Uebel in der Wurzel erſticken. Daher bei beginnendem
Lokalleiden des Unterleibes der große Nutzen warmer trockner
Kraͤuterfomentationen, der Einreibungen vom Oleo Hyoscyami,
der Injektionen von Aufguͤſſen der Cicuta, der Valeriana,
der Flor. Chamom. in die Vagina, der Mohnſamenemulſionen,
der erweichenden Lavements und eines ruhigen warmen Ver-
haltens bei hoͤchſt ſparſamer Diaͤt. Daher bei beginnender
Affektion des Kopfs (wo indeß oft die heftigſte Entzuͤndung
weit ploͤtzlicher eintritt) der Nutzen kuͤhlender Eſſigfomentationen
auf die Stirn, ſaͤuerlicher, kuͤhlender Getraͤnke, der Befoͤrderung
der Hautthaͤtigkeit und der Entleerung des Darmkanals. Daher
endlich bei dem Ergriffenſeyn der Reſpirationsorgane der
Nutzen warmer Kataplaſma’s uͤber die Bruſt, der Inhalationen
[586] reitzmindernder Daͤmpfe, der Einreibungen, der gelind
diaphoretiſchen Methode u. ſ. w.


§. 1633.

Iſt indeß die abnorm aufgeregte Gefaͤßthaͤtigkeit bis zum
wahren Entzuͤndungszuſtande geſteigert, der Schmerz bohrend,
ſtechend, ein heftiger Froſt vorausgegangen, die Empfindlichkeit
auf das aͤußerſte geſteigert, das Fieber bedeutend, ſo muß eine
kraͤftig antiphlogiſtiſche Methode ſchleunigſt in Anwendung
gebracht werden. Bei dem Ergriffenſeyn des Bauchfells und
der innern Genitalien werden dann oͤrtliche Blutentziehungen
eines der Hauptmittel, und es iſt haͤufig genug zu bemerken,
wie unter der Anwendung von 8 — 10 — 12 Blutigeln auf
die leidende Stelle faſt augenblicklich die Schmerzen ſich vermindern.
Bei ſehr heftigem Fieber zwar und vollſaftigen Koͤrpern wird
es zuweilen uͤberdieß noͤthig, eine allgemeine Blutentziehung
zu veranſtalten, allein ich habe immer bemerkt, daß zur Min-
derung der Lokalaffektion die letztere weit weniger als die er-
ſtere beitraͤgt. Außerdem verbindet man mit den erwaͤhnten
Emulſionen jetzt eine angemeſſene Quantitaͤt Nitrum, macht
Gebrauch vom Calomel in kleinern Doſen (ſtaͤrkere verurſachen
hier allzuleicht heftige Durchfaͤlle) und faͤhrt dabei mit den
zertheilenden Mitteln, den trocknen warmen Kraͤuterfomentatio-
nen, (naſſe Breiumſchlaͤge fuͤhren zu leicht zur Befoͤrderung
der Bildung eines Depots) den narkotiſchen Injektionen fort,
wendet als Ableitungen reitzende Fomentationen um die Fuͤße
oder warme Breiumſchlaͤge an, und ſieht ſich wohl oͤfters
auch veranlaßt, bei wiederkehrender Heftigkeit der Entzuͤndung
die oͤrtlichen Blutausleerungen zu wiederholen.


§. 1634.

Um der zweiten Indication Genuͤge zu leiſten, (ſ. §. 1628),
iſt vorzuͤglich auf die Erhaltung der Milchſekretion durch oͤfteres
Anlegen des Kindes, Aufſetzen trockner Schroͤpfkoͤpfe auf die
Bruͤſte, und Warmhalten derſelben, Ruͤckſicht zu nehmen.
Eben ſo iſt der Wochenfluß zu beruͤckſichtigen, und gewoͤhnlich
[587] wirken ſchon die erwaͤhnten Injektionen zu ſeiner Befoͤrderung.
Auch fuͤr Erhaltung der Hautfunktion muß anhaltend durch hin-
laͤngliche Bedeckung, den Genuß vom Fliederblumenaufguß mit
etwas Liq. Mind. u. ſ. w. geſorgt werden. — Iſt dieſes
befolgt, ſo iſt dadurch auch bereits der dritten Indication,
welche auf Behandlung des Fiebers ſich bezieht, Genuͤge ge-
leiſtet, und es macht ſich in dieſer Hinſicht nur noch die
Anordnung eines fuͤr Fieberkranke uͤberhaupt noͤthigen Verhaltens,
paſſender aͤußerer Umgebungen, leichtere Diaͤt, (Suppen Waſ-
ſerkalteſchalen u. ſ. w.), ſo wie die angemeſſene Behandlung
etwaiger gaſtriſcher Complication, vorhandener krankhafter
Zuſtaͤnde der Genitalien (Verletzungen, Entzuͤndungsgeſchwuͤlſte)
aſthmatiſcher Beſchwerden, rheumatiſcher Zuſtaͤnde u. ſ. w.
nothwendig.


§. 1635.

Hat der Heerd der Krankheit ſich in andern Organen gebil-
det, ſo kann zwar, was uͤber Erfuͤllung der zweiten und dritten
Indication im vorigen §. geſagt wurde, abermals Anwendung
finden, allein die Lokalbehandlung muß nothwendig abweichen.
Beim Ergriffenſeyn der Hirnhaͤute ſind allgemeine Blutentzie-
hungen vorzuͤglich nothwendig, obwohl auch oͤrtliche nicht unter-
laſſen werden duͤrfen. Kuͤhle Fomentationen werden uͤber
die Stirn gelegt, das Calomel wird in reichlicher Doſis
angewendet, und leiſtet hier vorzuͤglich trefliche Dienſte, ja
man wird ſich oͤfters veranlaßt ſehen, noch Abfuͤhrungen und
reitzende Lavements als Ableitungen damit zu verbinden.
Auch hier wird ferner von den Emulſionen, dem Nitrum,
den diaphoretiſchen Mitteln u. ſ. w. Gebrauch gemacht werden
koͤnnen, und bei Uebergaͤngen in mehr nervoͤſe Zuſtaͤnde iſt
der Camphor, Moſchus, die Valeriana mit vorzuͤglichem Nu-
tzen anzuwenden. Auch die ſtaͤrker ableitenden Mittel, die
Fomentationen der Unterſchenkel durch Flanelltuͤcher in Senf-
aufguß getaucht, durch Sinapismen, Veſikatorien u. ſ. w.
duͤrfen nicht uͤbergangen werden, und vorzuͤglich iſt fuͤr ſorg-
faͤltige Wartung und Bewachung der Kranken zu ſorgen, da
[588] hierbei nicht ſelten die heftigſten Delirien, Anfaͤlle von Manie,
oder von Convulſionen bemerkt werden, weßhalb denn auch
beſondere Ruhe in den Umgebungen der Kranken, Abhaltung
aller lebhaften ſinnlichen oder Gemuͤthsreitze anzuordnen iſt, —
Lokalaffektion der Pleura (an und fuͤr ſich ziemlich ſelten vor-
kommend) macht, naͤchſt dem was fruͤher uͤber Beruͤckſichtigung
des normalen Ganges der Ausſcheidungen der Wochenperiode
und Behandlung des Fiebers und ſeiner Complicationen geſagt
worden iſt, voͤllig die antiphlogiſtiſche Cur der Pneumonie
nothwendig.


§. 1636.

War nun der Arzt zeitig genug hinzugerufen worden,
und gelang es ihm durch Befolgung der angegebenen Methode
die Heftigkeit der Entzuͤndung zu mindern, und ſie zur Zer-
theilung zu leiten, ſo wird er bei Abnahme der Krankheits-
ſymptome auch mit der Anwendung der Mittel zuruͤckgehen,
das Eintreten der Kriſen beachten, und ſich hier in Acht
nehmen nicht durch zu vieles Eingreifen, vorſchnelles Anwenden
der ſogenannten ſtaͤrkenden Mittel u. ſ. w. den wohlthaͤtigen
Gang der Natur zu ſtoͤren. Treten hingegen bald mit er-
neuerter Heftigkeit Entzuͤndungsſymptome wieder hervor, wie
dieß ſo haͤufig geſchieht, ſo darf man durch zu aͤngſtliche
Ruͤckſicht auf ſcheinbare Kraftloſigkeit ſich nie abhalten laſſen,
auch das antiphlogiſtiſche Verfahren zu erneuern, denn immer
iſt hier die Seite welche die meiſte Gefahr droht *).


§. 1637.

Die Behandlung im zweiten Stadium des
Kindbettfiebers
hat folgende Indicationen zu erfuͤllen: 1)
dem fortgehenden Entzuͤndungszuſtande entgegen zu arbeiten und
[589] durch Herabſtimmung der oͤrtlich aufgeregten, abnormen Gefaͤß-
thaͤtigkeit, auch der Vermehrung der Ausſchwitzung Schranken
zu ſetzen; 2) die Wiederaufſaugung der abgelagerten Stoffe
und Entleerung derſelben auf andern Wegen zu befoͤrdern;
3) den Charakter des Fiebers, Stand der Lebenskraͤfte und
etwaige Complicationen zu beruͤckſichtigen. Was die Erfuͤllung
der erſten Indication betrifft, ſo iſt hier vorzuͤglich diejenige
Methode welche wir gegen chroniſche, in der Tiefe fortſchlei-
chende Entzuͤndungen empfohlen haben, in Anwendung zu bringen.
Kleine anhaltend gegebene Doſen des verſuͤßten Queckſilbers
mit Antimonialien und narkotiſchen Stoffen z. B. mit der
Cicuta, der Digitalis u. ſ. w. verbunden, fortgeſetzte Fomen-
tationen durch trockne Kraͤuterkiſſen, oder Cataplaſma’s mit
aromatiſchen reſolvirenden Kraͤutern vermiſcht, Einreibungen
mit dem Linim. vol. und Unguent. mercur. in die ſchmerz-
hafte Stelle, bei heftigerem Wiederaufflammen der Entzuͤndung
auch wohl die wiederholte Anwendung einiger Blutigel, und
vorzuͤglich der fortgeſetzte Gebrauch der reitzenden, ableitenden
Mittel, ſind dann von bewaͤhrtem Nutzen.


§. 1638.

Iſt der erſten Indication Genuͤge geleiſtet, ſo macht
ferner die Erfuͤllung der zweiten es noͤthig zu beachten, ob
nicht im Gange der Krankheit ſelbſt eine Neigung zu vermehrten
Ausſcheidungen abgelagerter Stoffe, und in welchem Organe
ſie ſich zeige; welches dann ein Wink fuͤr den Arzt ſeyn
muß, das heilſame Beſtreben der Natur zu unterſtuͤtzen.
Vorzuͤglich oft bemerkt man aber erhoͤhte Thaͤtigkeit der Nieren,
und ſieht eiterartige Sedimente im Harm ſich bilden, wobei
dann die Anwendung der Digitalis, der diuretiſchen Linimente,
der Molken, ſehr wohlthaͤtig wirkt. Eben ſo muͤſſen vermehrte
Darmausleerungen, welche eiterartige milchige Stoffe mit Er-
leichterung fortſchaffen, durch blande Abfuͤhrungen, Tamarinden-
aufguͤſſe oder Tamarindenmolken, Lavements u. ſ. w. befoͤrdert,
ein vermehrter Lochienfluß ſo wie ſtaͤrkere Hautthaͤtigkeit durch
angemeſſene Mittel unterhalten werden. (Als die Hautthaͤtigkeit
[590] erhoͤhend und zugleich als die Reſorption befoͤrdernd, ſind, auch
Fomentationen mit Flanelltuͤchern in Infus. Flor. Arnicae
Hb. serpilli, Meliss. etc.
mit Wein vermiſcht getaucht, ſehr
zu empfehlen). Zuweilen aber bilden ſich auch wohl Abſceſſe,
die Stoffe ſuchen ſich einen Weg nach dem Darmkanal oder
nach den Muſkeln der Extremitaͤten u. ſ. w. — und hier
muß der Arzt in der Regel ein ganz paſſives Verfahren ein-
ſchlagen, ſich darauf beſchraͤnken durch erweichende Umſchlaͤge,
auch wohl allgemeine Baͤder, erweichende Lavements, milde
Getraͤnke (Selterwaſſer, Molken, Eibiſchdekokt u. ſ. w.) eine
gluͤckliche Entſcheidung zu befoͤrdern. Aufbrechende Abſceſſe
muͤſſen dann nach den Regeln der Chirurgie behandelt, dabei
jedoch die Unterſtuͤtzung der Reproduction durch China u. ſ. w.
beruͤckſichtigt werden. Betraͤchtliche Anhaͤufung waͤſſeriger Fluͤſ-
ſigkeiten in der Bauchhoͤhle kann ſogar bei Uebergaͤngen in chro-
niſche Zuſtaͤnde das Vornehmen der Paracenteſe noͤthig machen.


§. 1639.

Was die dritte Indication betrifft, ſo iſt zwar auch
hier im Auge zu behalten, daß der Charakter des Fiebers
und die Schwaͤche welche im Allgemeinbefinden ſich aͤußert,
vorzuͤglich von dem Lokalleiden abhaͤngig ſind, demungeachtet
aber auch nicht zu uͤberſehen, daß der Geſammtorganismus
ein gewiſſes Maaß von Kraft beduͤrfe, um die oͤrtlich krankhaften
Zuſtaͤnde zu einer gluͤcklichen Entſcheidung zu leiten. Oefters
ſehen wir uns daher genoͤthigt, ſtatt der kuͤhlenden Emulſionen
u. ſ. w., hier zu den Aufguͤſſen der Valeriana, Senega,
Serpentaria
uͤberzugehen, einen Zuſatz von Spirit. Nitri
dulcis, Liq. C. C., Naphtha
u. ſ. w. damit zu verbinden,
den Kampher (ein vorzuͤglich wichtiges Mittel fuͤr viele Faͤlle)
in Gebrauch zu ziehen, das Extractum cortic. peruv. oder
das Dekokt ſelbſt anzuwenden, etwas Wein der Kranken zu
reichen, bei Neigung zu putriden Zuſtaͤnden das Elix. acid.
Haller.
oder Elix. vitriol. Mynsicht. anzuwenden, ja ſelbſt
bei hinzutretenden Zuckungen, ſtillen Delirien u. ſ. w. (aller-
dings in den meiſten Faͤllen Todesboten) den Moschus zu
[591] Huͤlfe zu rufen. — Immer aber wird hier das Abwaͤgen
des Punktes bis zu welchem mit Anwendung dieſer Mittel
vorgeſchritten werden kann, ohne der Gefahr einer Steigerung
des oͤrtlichen Leidens ſich auszuſetzen, das Talent des Arztes
zu individualiſiren in vorzuͤglichen Anſpruch nehmen.
Eben ſo laſſen ſich auch uͤber die Behandlung der hierbei
moͤglichen Complicationen durchaus nicht allgemeine Geſetze
aufſtellen, da die Faͤlle welche in dieſer Hinſicht vorkommen
koͤnnen, ins Unendliche gehen, und jeder gewoͤhnlich eine eigen-
thuͤmliche Modification noͤthig macht, welche aufzufinden jedoch,
wenn man die allgemeinen Heilregeln ſcharf aufgefaßt hat,
nicht allzuſchwer ſeyn wird.


§. 1640.

Wir haben uͤbrigens bei obiger Schilderung der fuͤr das
zweite Stadium paſſenden Behandlung wiederum vorzuͤglich
die Ausſchwitzungen auf dem Peritonaͤum (als den haͤufigſten
Fall) im Auge gehabt, und was nun noch die Einleitung
der Behandlung in Faͤllen wo der Heerd der Krankheit in
andern Organen ſich gebildet hatte, anbetrifft, ſo ſind auch
fuͤr dieſe nur dieſelben Behandlungsregeln, welche in den vo-
rigen §§. aufgeſtellt wurden, mit wenigen durch die Natur
des ergriffenen Organs diktirten Veraͤnderungen zu befolgen. —
So z. B. die Exſudationen auf den Hirnhaͤuten betreffend,
ſo kann oft nur noch kurze Zeit nach Eintritt derſelben, die
Kranke durch Anwendung der kraͤftigſten ableitenden Mittel,
die ſtarken Gaben des Calomels, der Veſikatorien im Nacken,
der Eisumſchlaͤge uͤber den beſchorenen Kopf, des Aufgießens
von Naphtha auf denſelben, des Moschus, Kamphers u. ſ. w.
gerettet werden. Ruͤckbleibende melancholiſche Zuſtaͤnde, Laͤh-
mungen, Sinnenfehler u. ſ. w. muͤßen dann ihrer beſondern
Natur nach behandelt werden. Eben ſo machen Ausſchwitzungen
in der Bruſthoͤhle die diuretiſche Methode, das Anwenden der
Veſikatorien, und bei Uebergaͤngen in chroniſche Zuſtaͤnde der
Waſſeranhaͤufung oder Eiterung, die Behandlung des Hydro-
thorax
oder der Schwindſucht nothwendig. Sind dagegen
[592] die innern Genitalien ſelbſt Focus der Krankheit geweſen, ſo
erfordert der Uebergang in Putrescenz die bei dieſem Uebel
fruͤher (§. 1067.) erwaͤhnte Behandlung, ſo wie auch die
Ausartungen in der Subſtanz der innern Genitalien, die Waſ-
ſerſuchten des Uterus und der Ovarien, die Schleimfluͤſſe,
Unordnungen der Menſtruation u. ſ. w., welche ſo oft als
Folgen des Kindbettfiebers erſcheinen, bereits im erſten Theile
ihrer Natur und Cur nach betrachtet worden ſind.


§. 1641.

Hat man nun die uͤber Behandlung des erſten und
zweiten Stadiums zu bemerkenden Regeln ſich hinlaͤnglich zu
eigen gemacht, ſo wird, was uͤber die Behandlung des
dritten Stadiums
noch zu bemerken ſeyn moͤchte, ſich
faſt von ſelbſt ergeben. — Sie wird aber vornehmlich ver-
ſchieden ſeyn, je nachdem die Krankheit entweder durch eine
Kriſis ſich vollſtaͤndig entſchieden hat, oder nur langſame
Geneſung erfolgt, weil bereits irgend ein Produkt der Krank-
heit (Ablagerung, Verwachſung u. ſ. w.) zu Stande gekom-
men war. Im erſtern Falle hat die Kunſt wenig zu thun,
und die Leitung der Geneſung iſt von der, einer nach andern
akuten Krankheiten eintretenden, nicht weſentlich verſchieden,
nur daß man hierbei vorzuͤglich vor Diaͤtfehlern oder Gemuͤths-
bewegungen und Erkaͤltungen warne, welche oft ploͤtzlich die
Krankheit, und dann nothwendig mit groͤßerer Gefahr, erneuern.
Was aber die Faͤlle mit unvollkommner Entſcheidung betrifft,
ſo muß hierbei vorzuͤglich das primaͤr ergriffene Organ im
Auge behalten werden, und eine vorſichtige Verbindung des
reſolvirenden mit dem roborirenden Heilplan, und als Nach-
kur das Beſuchen von Baͤdern, der Aufenthalt auf dem Lande,
und eine ſehr gewaͤhlte Diaͤt muͤſſen noch hinzukommen, wenn
voͤllige Geſundheit endlich herbeigefuͤhrt werden ſoll.


[593]
III. Von den Krankheiten, welche, obwohl
der Wochenperiode nicht eigenthuͤmlich
angehoͤrend, Woͤchnerinnen befallen
.

§. 1642.

Hierher gehoͤrt nun ein großer Theil ſaͤmmtlicher Krank-
heiten, denen das menſchliche Geſchlecht uͤberhaupt ausgeſetzt
iſt, deren ausfuͤhrlichere Betrachtung der ſpeciellen Noſologie
und Therapie angehoͤrt, und von denen ſonach nur einige
oͤfters bei Woͤchnerinnen beobachtete, obwohl auch ſonſt vor-
kommende Krankheiten hier zu erwaͤhnen, und zugleich einige
allgemeine Regeln uͤber Behandlung dieſer Krankheiten uͤber-
haupt beizubringen ſind.


§. 1643.

Was zunaͤchſt die ſpeciellen Regeln uͤber Behandlung der
an gewiſſen, der Wochenperiode nicht eigenthuͤmlichen, Krank-
heiten leidenden Woͤchnerinnen betrifft, ſo ſind ſie folgende:
1) bei einer jeden ſchweren, vorzuͤglich heftig fieberhaften,
oder wohl gar anſteckenden Krankheit, iſt es fuͤr Mutter und
Kind rathſam, das Anlegen des Kindes zu unterſagen, jedoch
darauf zu ſehen, daß, beſonders wenn die Krankheit in fruͤ-
hern Tagen der Wochenperiode eintritt, die Milch nicht durch
ihr Stocken die Krankheit verſchlimmere, weßhalb auf Befoͤr-
derung des Ausfluſſes durch Baͤhungen, Ziehglaͤſer u. ſ. w.
noch geſehen werden muß *). 2) Bei der Behandlung einer
jeden Krankheit der Woͤchnerin iſt auf Unterhaltung des re-
gelmaͤßigen Ganges in den hier vorgehenden Umbildungen,
II. Theil. 38
[594] vorzuͤglich in der des Uterus Ruͤckſicht zu nehmen, und unter
den anzuwendenden Mitteln alles dasjenige zu vermeiden, was
hierauf nachtheiligen Einfluß haben muͤßte. Es gehoͤren da-
hin z. B. bei reizbaren, neuen Woͤchnerinnen die Veſikatorien,
die draſtiſchen Abfuͤhrmittel und die harzigen Stoffe, die war-
men Baͤder und Fußbaͤder (wegen Gefahr der Blutungen),
die Brechmittel u. ſ. w. — 3) Endlich iſt darauf zu ach-
ten, daß bei irgend bedeutendem Erkranken einer Woͤchnerin
auch immer die Neigung zum Uebergange in Puerperalfieber
nicht fehlen werde, weßhalb denn ſtets auf beginnendes Lo-
kalleiden innerer Gebilde, hauptſaͤchtlich des Bauchfells, be-
ſondere Ruͤckſicht genommen, und dieſe, wo ſie ſich zeigt,
durch die augezeigte Behandlung beſeitigt werden muß.


§. 1644.

Zu den beſondern Krankheitsformen, welche bei Woͤch-
nerinnen oͤfters vorkommen, gehoͤren aber zunaͤchſt mancherlei
Gattungen von Fiebern, als exanthematiſche, Wechſelfieber,
gaſtriſche Fieber, nervoͤſe Fieber u. ſ. w. deren Behandlung
im Allgemeinen, mit Beruͤckſichtigung der im vorigen §. an-
gegebenen Modificationen, ganz nach den in der ſpeciellen
Therapie hieruͤber vorgeſchriebenen Geſetzen geleitet werden
muß. — Ferner ſind Entzuͤndungskrankheiten, Roſe, Lungen-
entzuͤndung u. ſ. w., ferner Rheumatismen, Gicht, Laͤhmun-
gen, Kraͤmpfe, Diarrhoͤen, Catarrhe u. ſ. w. nicht ſelten bei
Woͤchnerinnen, wovon jedoch gleichfalls die ausfuͤhrlichere Be-
handlung anzugeben hier nicht der Ort ſeyn kann. Beſondere
Erwaͤhnung verdienen dagegen noch die Krankheiten der Au-
gen, welche bei Woͤchnerinnen gar nicht ſelten ſind, und ſehr
leicht bleibende Nachtheile zuruͤcklaſſen. — Zu dieſen Augen-
krankheiten gehoͤren vorzuͤglich 1) Augenlidentzuͤndung (Ble-
pharophthalmia),
welche vorzuͤglich durch Anſtrengen der
Augen, zu helles Licht, Erkaͤltungen, katarrhaliſche Affektionen,
zu ſtarke Milchausſonderung u. ſ. w. verurſacht wird, und
beſonders oͤfteres Reinigen der Augenlider durch Fliederblu-
menaufguß oder Mohnkopfabſud mit Milch, die trocknen
[595] Kraͤuterkiſſen, Collyria mit Lapis divinus, Sacchar. saturn.
Opium
u. ſ. w., die ableitenden Mittel, ſo wie die Beſei-
tigung der entfernten Urſachen (gaſtriſcher Zuſtaͤnde, unzweck-
maͤßigen Verhaltens, des zu angreifenden Stillungsgeſchaͤfts
u. ſ. w.) noͤthig machen.


§. 1645.

2) Gehoͤrt hierher das Doppeltſehen und aͤhnliche Stoͤ-
rungen in der Wirkſamkeit des Geſichtsſinnes, welche meiſtens
entweder die Folge von Congeſtionen nach dem Kopfe oder
conſenſuellen Urſprungs ſind, von gaſtriſchen Zuſtaͤnden, Wuͤr-
meru u. ſ. w. abhangen, und hiernach behandelt werden muͤſ-
ſen. 3) Amaurotiſche Zuſtaͤnde, welche entweder ſchon bei
der Geburt entſtanden ſind, dann oft von Stoͤrungen der
Organiſation des Auges in Folge heftiger Congeſtionen waͤh-
rend eines uͤbermaͤßigen Verarbeitens der Wehen u. ſ. w. ih-
ren Urſprung ableiten und dann nicht ſelten unheilbar bleiben;
oder welche erſt in den ſpaͤteren Tagen des Wochenbetts vor-
kommen und dann von zu grell einfallendem Lichte, bei an
und fuͤr ſich abnorm erhoͤhter Senſibilitaͤt, auch wohl vom
Conſenſus mit andern afficirten Gebilden abhaͤngen, und nach
dieſen Urſachen, vorzuͤglich aber mit den die Thaͤtigkeit des
Sehuerven erregenden, fluͤchtig reitzenden Mitteln behandelt
werden muͤſſen.


[596]
Von den Krankheiten, welche an neugebornen
Kindern vorkommen.

§. 1646.

Wir haben von Krankheiten, welche an Kindern gleich
nach der Geburt ſowohl, als waͤhrend des Saͤuglingsalters
beobachtet werden, vorzuͤglich dreierlei Klaſſen zu unterſcheiden:
1) krankhafte Zuſtaͤnde welche als Produkte des geſtoͤrten Le-
bens innerhalb der Gebaͤrmutter angeſehen werden muͤſſen,
wohin vorzuͤglich Mißbildungen und manche von der Mutter
auf das Kind uͤbertragene Krankheiten gehoͤren; Zuſtaͤnde uͤber
deren Entſtehung wir ſchon in der Pathologie des Fetus (§.
1116 u. f.) das Naͤhere beigebracht haben, und von welchen
hier nur diejenigen noch beſonders aufgefuͤhrt werden muͤſſen,
welche bei dem neugebornen Kinde noch eine aͤrztliche Be-
handlung geſtatten. — 2) Krankheitszuſtaͤnde welche als un-
mittelbare Folgen des Geburtsaktes ſelbſt anzuſehen ſind. —
3) Krankheiten welche erſt nach der Geburt am Kinde ſich
entwickeln, von denen wir jedoch hier die Krankheiten, welche
Kinder am haͤufigſten nach dem erſten Lebensjahre be-
fallen, ausſchließen, ruͤckſichtlich derſelben auf die beſondern
Schriften uͤber Paͤdiatrik verweiſend.


Anmerkung. Als einige der wichtigſten hierher gehoͤrigen
Schriften bemerken wir folgende:


  • Roſen v. Roſenſtein Anweiſung zur Kenntniß und Kur
    der Kinderkrankheiten, a. d. Schwed. uͤberſ. neueſte (6.)
    Auflage 1798.
  • H. Girtanner Abhandlung uͤber die Krankheiten der Kin-
    der u. uͤber die phyſiſche Erziehung derſelben, Berlin 1794.
  • F. Jahn neues Syſtem der Kinderkrankheiten, nach Brown’ſchen
    Grundſaͤtzen und Erfahrung ausgearbeitet 1807.
  • K. B. Fleiſch Handbuch uͤber die Krankheiten der Kinder
    u. uͤber die mediciniſch-phyſiſche Erziehung derſelben, 3.
  • B. 1803 — 7. (ein vierter Bd. enthaͤlt Krankheiten des
    mannbaren Alters.)
  • J. J. d. Plenk doctrina de cognoscendis et curandis
    morbis infantum,
    Wien 1807. (auch deutſch.)
  • Ad. Henke Handbuch der Erkenntniß und Heilung der Kin-
    derkrankheiten. 1809.
  • J. Feiler Paͤdiatrik oder Anleitung zur Erkennung und Hei-
    lung der Kinderkrankheiten. 1814.
  • C. A. Goͤlis Abhandlung von den vorzuͤglichſten Krankhei-
    ten des kindlichen Alters, 1. Bd. Wieu 1815.

§. 1647.

Ehe wir nun zur ſpeciellen Betrachtung der einzelnen
Regelwidrigkeiten ſelbſt uͤbergehen, wird es nothwendig ſeyn,
uͤber Entſtehung, Erkenntniß und Behandlung, vorzuͤglich der
erſt nach der Geburt entſtehenden Krankheiten, einige Bemer-
kungen vorauszuſchicken. So wie ſich indeß die pathologi-
ſchen Zuſtaͤnde des Kindes vor der Geburt nur aus Beruͤck-
ſichtigung der phyſiologiſchen Eigenthuͤmlichkeiten deſſelben ver-
ſtehen ließen, ſo iſt es klar, daß die phyſiologiſche Eigen-
thuͤmlichkeit des Saͤuglingsalters, welche wir oben §. 875
u. f. bezeichnet haben, den Schluͤſſel wird liefern muͤſſen zur
Verſtaͤndniß der Krankheiten welche bei Neugebornen vorkommen.


§. 1648.

Eine vorzuͤgliche Quelle der Krankheitserſcheinungen Neu-
geborener iſt aber im Allgemeinen die ſo bedeutende Umaͤnde-
rung faſt in allen Syſtemen des Koͤrpers, welche durch die
Geburt bedingt iſt, und den Koͤrper fuͤr aͤußere Schaͤdlichkei-
ten hoͤchſt empfaͤnglich macht. Im Speciellen iſt noch die
Umaͤnderung im Blutlaufe als Veranlaſſung zu ſuffokatoriſchen
und apoplektiſchen Zufaͤllen, die vorwaltende produktive Thaͤ-
tigkeit als disponirend zu Entzuͤndungs-, fieberhaften Krank-
helten und krankhaften Bildungen und Ausſcheidungen, die
ſehr erhoͤhte Senſibilitaͤt als Veranlaſſung zu krampfhaften
Erſcheinungen und zum Erkranken uͤberhaupt, die umgeaͤn-
[598] derte Ernaͤhrungsweiſe endlich als Veranlaſſung zu mannig-
faltigen Digeſtionsbeſchwerden, zu erwaͤhnen; ja ſelbſt daß
durch die erſte Haͤutung nach der Geburt (§. 881.) die
Neigung zu mehrfachen Hautkrankheiten, durch die Zartheit
der Theile die Neigung zu mechaniſch entſtehenden Verbil-
dungen (Bruͤchen, Verkruͤmmungen u. ſ. w.) gegeben werde,
iſt nicht zu uͤberſehen. Aus allen dieſen wird ſich uͤbrigens
ergeben, daß ſonach auch in pathologiſcher Hinſicht, nament-
lich was die vorherrſchende Neigung zu Krankheiten der re-
produktiven Sphaͤre betrifft, das Saͤuglingsalter dem Fetus-
zuſtande ſehr verwandt ſeyn muͤſſe, und daß ſelbſt eben hin-
ſichtlich der vorwaltenden Reproduktion und Senſibilitaͤt, ſo
wie der minder entwickelten Reſpiration, eine Annaͤherung zwi-
ſchen der Pathogenie des Saͤuglings und der pathologiſchen
Eigenthuͤmlichkeit des geſammten weiblichen Geſchlechts auf
dieſelbe Art ſich nachweiſen laſſe, wie wir fruͤher die phyſio-
logiſche Verwandſchaft weiblicher und kindlicher Individualitaͤt
bemerken mußten (§. 17 u. f. f.)


§. 1649.

Was die Erkenntniß der Krankheiten Neugeborener be-
trifft, ſo iſt ſie im Allgemeinen mit nicht geringen Schwie-
rigkeiten begleitet, da namentlich uͤber die Art der Krankheits-
gefuͤhle das Naͤhere mehr vermuthet als unmittelbar erfahren
werden kann. Folgende Regeln koͤnnen indeß zur richtigern
Auffaſſung dieſer Krankheitszuſtaͤnde vorzuͤglich leiten: — 1)
Man habe die phyſiologiſchen Eigenthuͤmlichkeiten dieſer Pe-
riode ſtets im Auge und huͤte ſich, Erſcheinungen welche hier-
her
gehoͤren, fuͤr pathologiſche Zuſtaͤnde zu nehmen, ſo z. B.
den ſchnellen Herzſchlag, das ſehr ſchnelle Athemholen, die
oͤftern Ausleerungen, das leichte Erbrechen u. ſ. w. 2) Man
beruͤckſichtige vorzuͤglich genau die aͤußern Umgebungen, Nah-
rungsmittel, Beſchaffenheit der Eltern, insbeſondere der ſtil-
lenden Mutter oder Amme, und man wird oft uͤber unge-
woͤhnliche Erſcheinungen ſogleich Licht erhalten. Ich erwaͤhne
nur das blutige Erbrechen und die blutigen Ausleerungen bei
[599] Kindern, welche an wunden Warzen geſaugt haben, Schreien
und anhaltende Unruhe welche durch zu feſtes Binden, Wik-
keln, ſtechende Nadeln u. dergl. verurſacht werden, ferner ſy-
philitiſche Exantheme u. ſ. w. 3) Man beruͤckſichtige genau
den geſammten Habitus des Kindes, unterſuche genau den gan-
zen Koͤrper deſſelben, um aufzufinden ob irgendwo die natuͤr-
liche Beſchaffenheit veraͤndert ſey, das Kind Schmerz bei ſtaͤr-
kerer Beruͤhrung zeige u. ſ. w., uͤbergehe nicht die Tempera-
tur der Haut, das Verhalten der Naͤthe und Fontanellen
(deren Einſinken vorzuͤglich als Zeichen von Atrophie oder
ſchnellem Sinken der Lebensthaͤtigkeit in akuten Krankheiten
bedeutend iſt), die Beſchaffenheit des Nabels, der Mundhoͤhle u.
ſ. w. 4) Man beachte genau die Quantitaͤt und Qualitaͤt
der natuͤrlichen Ausleerungen und vergleiche ſie mit der Quan-
titaͤt und Qualitaͤt der aufgenommenen Nahrungsmittel.


§. 1650.

Ruͤckſichtlich der aͤrztlichen Behandlung endlich muß
vorzuͤglich beachtet werden, daß gerade in dieſer Periode, wo
der Stoffwechſel noch ſo raſch von Statten geht, auch die
Natur vorzuͤglich thaͤtig ſey in ſelbſtthaͤtiger Beſeitigung krank-
hafter Zuſtaͤnde, und oft nur eine geringe Unterſtuͤtzung von
Seiten der Kunſt fordere, wohl aber durch gewaltſames Ein-
greifen derſelben in ihrem heilſamen Beſtreben gaͤnzlich geſtoͤrt
werden koͤnne. Ferner iſt bei dem Kinde vorzuͤgliche Sorg-
falt auf Anordnung einer zweckmaͤßigen Pflege zu verwenden,
da hier oft ſchon die Entfernung ſchlechter Verpflegung, un-
zweckmaͤßiger Ernaͤhrung u. ſ. w. hinlaͤnglich iſt, um Krank-
heiten zu heben, ohne genaue Befolgung der paſſenden Diaͤt
und ſonſtigen Pflege aber durchaus die aͤrztlichen Bemuͤhun-
gen fruchtlos bleiben werden. — Bedarf man nun aber der
Anwendung aͤrztlicher Mittel, ſo waͤhle man ſtets die mildern
und gebe die ſtaͤrker wirkenden nur in kleinen Doſen. Hef-
tige Gifte, wie Opium, gebe man entweder gar nicht oder
unr mit der groͤßten Vorſicht. Vorzuͤglich iſt bei Neugebor-
nen viel durch aͤußere Mittel (auch wegen der groͤßern Thaͤ-
[600] tigkeit des Hautorgans) auszurichten und beſonders Baͤder,
Umſchlaͤge, Einreibungen, Rubefacientia, Lavements, ſind
haͤufig mit ausgezeichnetem Nutzen anzuwenden. Blutentzie-
hungen koͤnnen nur ſelten bei ganz kleinen Kindern, und dann
vorzuͤglich durch einen oder einige Blutigel bewerkſtelligt wer-
den, und zwar beſonders deßhalb iſt ihre Anwendung ſchwie-
riger, weil die große Fluͤßigkeit und der Mangel an Gerinn-
barkeit der Blutmaſſe das Stillen der Blutungen ſo außeror-
dentlich erſchwert. Endlich ſind bei der großen Zartheit und
Reitzbarkeit chirurgiſche Operationen (ſelbſt die leichteſten, wie
z. B. Einimpfen der Kuhpocken) in den fruͤhern Lebenswochen
zu vermeiden, indem man nicht ſelten Trismus, Fieber, atro-
phiſche Zuſtaͤnde und ſelbſt den Tod darauf erfolgen ſah.
Ausnahme von dieſer Regel machen natuͤrlich diejenigen Ope-
rationen, welche Behufs der Erhaltung des Kindes nicht ver-
ſchoben werden duͤrfen, wie z. B. Loͤſung des Zungenbaͤnd-
chens, Beſeitigung der Atreſien u. ſ. w.


I.Von den krankhaften Zuſtaͤnden neugebor-
ner Kinder, welche ſie, als Produkte ab-
normer Entwicklung innerhalb des muͤtter-
lichen Koͤrpers, mit zur Welt bringen
.

1.
Angeborne Mißbildungen.

§. 1651.

Wir haben fruͤher ſchon die verſchiedenen angebornen
Monſtroſitaͤten ihrer Entſtehung nach betrachtet und ſie als
Produkte von Bildungs- und Entwicklungskrankheiten erklaͤrt
(ſ. §. 1116). Viele derſelben, als geradezu das Fortleben
außerhalb der Mutter unmoͤglich machend, ſind nur Gegen-
ſtand der pathologiſchen Anatomie, andere kleinere Verbildun-
gen, z. B. Verwachſungen einzelner Finger oder Zehen, Ru-
[601] dimente uͤberzaͤhliger Finger oder Zehen, kleinere oder groͤßere
Balggeſchwuͤlſte, machen eine ſo einfache chirurgiſche Huͤlfs-
leiſtung nothwendig, daß weitere Eroͤrterungen daruͤber uͤber-
fluͤſſig werden. Hingegen erfordern einige andere etwas aus-
fuͤhrlichere Betrachtung.


1. Waſſerkopf (Hydrocephalus.)

§. 1652.

Man unterſcheidet den innern und aͤußern Waſſerkopf;
bei dem erſtern, gewoͤhnlichern, ſind die oft ausgedehnten Hirn-
hoͤhlen, bei haͤufig aͤußerſt verduͤnnter Gehirnſubſtanz, der Sitz
des Uebels, der Umfang des Kopfs iſt aͤußerſt groß (bis 30
Zoll) und die Fontanellen und Raͤthe ſind ſehr breit; bei
dem aͤußern (nach Meckel) iſt das Waſſer zwiſchen der Hirn-
ſubſtanz, den Haͤuten und der Schaͤdeldecke ergoſſen; Andere
(wie Henke, Feiler) nennen aͤußern Waſſerkopf die Waſ-
ſeranhaͤufung zwiſchen Schaͤdelknochen und Kopfhaut. — Oft
wird durch dieſe Abnormitaͤt, wie oben erwaͤhnt wurde, ſchon
die Geburt gehindert, ja ſchon hier die kuͤnſtliche Eroͤffnung
des Kopfs nothwendig und das Kind todt geboren. Werden
aber auch Kinder mit nicht allzugroßem Waſſerkopfe lebend
geboren, ſo ſterben ſie gewoͤhnlich bald, oder, wenn ſie wirk-
lich aͤlter werden (und man hat Beiſpiele wo ſolche Indivi-
duen ein Alter von 13, 20, ja 50 Jahren erreichten), ſo
iſt es mehr ein pflanzenartiges oder thieriſches als ein wahr-
haft menſchliches Daſeyn, ja ſelbſt wo Geiſteskraͤfte ſich her-
vorthun, leidet doch die Ernaͤhrung des uͤbrigen Koͤrpers ſtets.


§. 1653.

Die Behandlung gewaͤhrt hierbei faſt nie guͤnſtige Re-
ſultate. Bei betraͤchlichen innern Waſſeranhaͤufungen
koͤnnte wohl von der Paracenteſe mittelſt einer feinen Nadel
Gebrauch gemacht werden, da wenigſtens ein Fall wo dieſe
Methode einen gluͤcklichen Erfolg hatte (er iſt §. 1249. an-
[602] gefuͤhrt) bekannt iſt, und im ſchlimmſten Fall doch nur das
Ende einer hoͤchſt traurigen Exiſtenz dadurch befoͤrdert wuͤrde.
Außerdem wuͤrden Einreibungen von Spirituosis und Naph-
tha
auf den Kopf, Ableitungen durch vermehrte Excretionen,
Lavements mit Oxymel squillit., Vesicatoria u. ſ. w. die
einzigen Verſuche zur Heilung geſtatten.


2. Bauchwaſſerſucht (Hydrops ascites.)

§. 1654.

Sie iſt fuͤr die Geburt bei betraͤchtlicher Waſſeranhaͤufung
faſt eben ſo hindernd als die Kopfwaſſerſucht, kann demnach
wie jene die Entleerung des Waſſers durch den Troikart ſchon
waͤhrend der Entbindung noͤthig machen, und wird auch wie
jene bald nach der Geburt gewoͤhnlich toͤdtlich. Die Thera-
pie wuͤrde hier allerdings auch nach der Geburt theils auf
die unmittelbare theils mittelbare Ausleerung des Waſſers
abzwecken muͤſſen, verſpricht indeß hier nie einen beſondern
Erfolg.


3. Ruͤckgratswaſſerſucht oder Wirbelſpalte.
(Spina bifida, Hydrorhachitis.)

§. 1655.

Eine unvollkommne Entwicklung der hintern Gegend der
Wirbelſaͤule, wobei die Wirbelboͤgen geoͤffnet bleiben, verbun-
den mit Waſſeranhaͤufung in der harten Haut des Ruͤcken-
marks und oft auch mit Mißbildungen des Ruͤckenmarks ſelbſt.
Sie kommt am haͤufigſten in der Gegend der Lendenwirbel
vor, erſtreckt ſich aber auch zuweilen auf mehrere Wirbel ja
auf das ganze Ruͤckgrat, ſetzt ſich dann nach oben in Man-
gel der Schaͤdeldecken (Hemicephalia) fort und wird vom
Waſſerkopfe begleitet. Iſt ſie von großem Umfange, ſo wird
das Kind ſchon waͤhrend der Geburt oder bald nach derſelben
[603] ſterben. Iſt ſie von geringerem Umfange, ſo kann dabei das
Leben erhalten werden, ja man hat in ſolchen Faͤllen ſelbſt
die voͤllige Heilung beobachtet. [Ohne] daß wir nun an die-
ſem Orte die mannigfaltigen intereſſanten phyſiologiſchen und
pathologiſchen Reflexionen beruͤckſichtigen duͤrfen, zu denen
dieſe merkwuͤrdige Mißbildung Veranlaſſung giebt *), iſt nur
noch, in wiefern hierbei eine aͤrztliche Behandlung moͤglich
ſey, zu erwaͤhnen.


§. 1656.

Iſt die geſpaltete Stelle von kleinem Umfange (denn
nur unter dieſer Bedingung iſt an Behandlung zu denken), ſo
kommt es wieder darauf an, ob noch die harte Haut des
Ruͤckenmarks als ein mit Waſſer gefuͤllter Sack hervorragt,
oder ob dieſe Haut fruͤher ſchon geborſten iſt, und die Stelle
eine ſchwammige, blutige Maſſe darbietet. — Im erſtern
Fall iſt die ſorgfaͤltige Schonung des Sackes, Bedecken mit
Compreſſen welche mit Wein oder Spirit. serpilli befeuchtet
ſind, am zweckmaͤßigſten. (Die neuerlich wieder empfohlene
Eroͤffnung iſt offenbar ein ſehr zweideutiges Mittel und iſt
mehreremale toͤdtlich geweſen). — Im letztern Falle iſt wohl
noch weniger zu hoffen, indeß doch aber ſo, wie im erſtern
zu verfahren, auch das Zuſammenziehen der Hautraͤnder durch
Heftpflaſter zweckmaͤßig. — Uebrigens kommen dabei haͤufig
noch andere Zufaͤlle, Laͤhmungen der Harnblaſenfibern, Ob-
ſtruktionen, Klumpfuͤße u. ſ. w. vor, welche dann ihre beſon-
dere Behandlung erfordern.


§. 1657.

Wie dieſe Abnormitaͤt nun eine Spaltung, oder viel-
mehr gehemmte Vereinigung auf der hintern Koͤrperflaͤche war,
ſo kommen auch mehrere aͤhnliche Spaltungen an der vordern
[604] Koͤrperflaͤche vor, wohin die geſpaltenen Schambeine, die Spal-
tungen der Oberlippe, des Oberkiefers und Gaumens, die
Spaltung der Bruſt und die Bauchſpalte gehoͤren: —


4. Schambeinſpalte und vorgefallene Harnblaſe.
(Diastasis ossium pubis.)

§. 1658.

Die Symphyſe der Schamknochen maͤngelt, die Harn-
blaſe liegt ohne vordere Wand mit ihrer innern Flaͤche blos,
die Geſchlechtstheile ſind mißgebildet und zwitterhaft, uͤber-
haupt wenig entwickelt, der Urin ſickert aus den Oeffnungen
der Uretheren fortwaͤhrend aus, und ercoriirt die ſchwammige
rothe Geſchwulſt; das Leben kann uͤbrigens dabei ſehr wohl
beſtehen. Die Behandlung kann nur Bedacht nehmen, die
nothwendig entſtehende Unreinlichkeit, Excoriation u. ſ. w. zu
vermindern, und es geſchieht dieß anfaͤnglich durch Bedecken
der Geſchwulſt mit weichen, feuchten Schwaͤmmen, ſpaͤterhin
durch den Urinhalter welchen Stark*) angegeben hat.


5. Spaltung der Oberkiefergegend, Haſenſcharte,
Wolfsrachen
(Labium Leporinum, Lagostoma,
Lykostoma
).

§. 1659.

Vorzuͤglich die Stelle wo das Os intermaxillare ſich
mit den ossibus maxillaribus super. verbindet, zeigt
ſich nicht ſelten unvollkommen vereinigt, und zwar entweder
blos in der Haut, wo die Mißbildung den Namen der Ha-
ſenſcharte, welche entweder einfach oder doppelt iſt, bekommt,
oder auch im Knochen, wo man ſie als Wolfsrachen bezeich-
[605] net. Auch dieſe Mißbildung iſt nicht lebensgefaͤhrlich, außer
daß ſie die Ernaͤhrung, vorzuͤglich das Saugen erſchwert. Die
Behandlung kann nur auf Vereinigung der getrennten Ober-
lippe hinwirken, die Vereinigung des Knochens in der Gau-
mendecke iſt Werk der Natur, und erfolgt gewoͤhnlich nach
und nach, wenn die Oberlippe geſchloſſen iſt. Die Art wie
die Operation der Haſenſcharte zu machen iſt, lehrt die Chi-
rurgie, und es iſt nur hierbei noch zu bemerken, daß man die
Operation nie zu zeitig (vor dem vierten oder fuͤnften Mo-
nate) unternehme. Zuweilen kann es uͤbrigens bei Wolfs-
rachen nicht umgangen werden, den Theil des Zwiſchenkiefer-
knochens, welcher zu weit vorſteht und die Vereinigung der
Oberlippe hindert, hinwegzunehmen.


6. Seitliche Lippenſpalte und Gaumenſpalte.

§. 1660.

Eine ſeltene Art von Spaltungen der Mundgegend iſt
diejenige, wo die Mundwinkel nach der Wange zu aufgeſchlitzt
ſind (noch ſeltner ſind Spaltungen drr Unterlippe); es gilt
von ihrer Behandlung ganz daſſelbe, wie von der Haſen-
ſcharte. — Als Gegenſatz zur Haſenſcharte endlich iſt es zu
betrachten, wenn das Zapfchen und Gaumenſegel von hinten
nach vorn geſpalten ſind. Auch hier iſt durch die Gaumen-
nath die Heilung zu bewerkſtelligen, nur daß dieſe Operation
wohl nie im Saͤuglingsalter unternommen werden duͤrfte, da
in ſolchem Falle wahrſcheinlich ſchon durch gehinderte Ernaͤh-
rung das Kind umkommen wuͤrde.


7. Spaltung der Bruſt und blosliegendes Herz.

§. 1661.

Man darf auch dieſe Regelwidrigkeit nicht ſo betrach-
ten, als habe ſie das Herz durch eine Spalte nach Art ei-
nes Bruchs hervorgedraͤngt, ſondern es iſt hier ein Stehen-
[606] bleiben auf einer fruͤhern Bildungsſtufe, wo das Herz noch
nicht vom Thorar umſchloſſen wird, vorhanden. Dieſe Miß-
bildung iſt immer toͤdtlich, hindert oft ſchon die voͤllige Reife
des Kindes, oder toͤdtet es waͤhrend, oder wenige Stunden
nach der Geburt.


8. Bauchſpalte oder angeborner Nabelbruch.

§. 1662.

Von der Entſtehung dieſer Regelwidrigkeit gilt voͤllig
daſſelbe was bei der vorhergehenden bemerkt wurde; es iſt
ein unvollkommnes Zuruͤckziehen der fuͤr die Bauchhoͤhle be-
ſtimmten Organe in dieſelbe. Zu unterſcheiden von dem ſpaͤ-
ter entſtehenden Nabelbruche iſt der angeborene dadurch, daß
hier die vorliegenden Baucheingeweide (oft ein großer Theil
der Darmwindungen und ſelbſt die ganze Leber) blos mit dem
Peritonaeum uͤberzogen ſind, ja zuweilen, wenn dieſe Haut
ſchon fruͤher obliterirt oder zerriſſen iſt, voͤllig frei liegen, da-
hingegen beim ſpaͤter entſtandenen Nabelbruche die Bauchge-
ſchwulſt mit der Bauchhaut bekleidet iſt. — Auch dieſe Miß-
bildung pflegt in kurzem toͤdtlich zu werden, nur bei ſehr klei-
nen Spaltungen waͤre durch Ueberdecken von Compreſſen, mit
Spirituosis befeuchtet, und durch Zuſammenziehen der Hautraͤn-
der ein Verſuch zur Heilung zu machen.


Auch einige wirkliche Bruͤche (Herniae) gruͤnden ſich
auf das nicht erfolgende Vereinigen gewiſſer Gebilde, dahin
gehoͤren der angeborene Leiſtenbruch und der Hirnbruch.


9. Angeborener Leiſtenbruch.

§. 1663.

Wenn um die Zeit des ſiebenten Monats beim Fetus
maͤnnlichen Geſchlechts ſich die Hoden am Gubernaculo Hun-
teri
herabſenken und durch das Bauchfell ein Kanal, durch
welchen ſie hindurch gehen, gebildet wird, ſo bemerkt man
[607] zuweilen daß Darmwindungen zugleich mit herabtreten, der
Kanal des Bauchfells ſich zu ſchließen verhindert und
aͤußerlich am geborenen Kinde eine Bruchgeſchwulſt bemerkt
wird, welche von dem ſpaͤter entſtandenen Leiſtenbruche theils
durch das Vorhandenſeyn gleich bei der Geburt, theils dadurch
ſich unterſcheidet, daß man, ſobald der Bruch bis in das
Scrotum herabtritt, den Hoden nicht zu fuͤhlen im Stande
iſt, weil er unmittelbar von den Darmwindungen umgeben
iſt. — Selten kommen aͤhnliche Leiſtenbruͤche in Fortſetzungen
des Bauchfells an den runden Mutterbaͤndern bei neugebor-
nen Maͤdchen vor. — Es ſind dieſes Mißbildungen welche
uͤbrigens die Natur, wenn ſie nur einigermaaßen unterſtuͤtzt
wird, durch allmaͤhliges Verengern und endliches Verwachſen
dieſer regelwidrigen Kanaͤle meiſtens voͤllig beſeitigt und wel-
che ſonach in den meiſten Faͤllen eine guͤnſtige Prognoſe ge-
ſtatten. Als aͤußere Mittel koͤnnen hierbei aufgelegte Com-
preſſen und Charpiebauſchen, mit Spirit. serpilli, . Ca-
techu,
rothem Wein u. ſ. w. befeuchtet, und durch eine leichte
Binde unterſtuͤtzt, angewendet werden.


§. 1664.

Von dieſen Leiſtenbruͤchen muß uͤbrigens ſehr wohl ein
Zuſtand unterſchieden werden, welcher, obwohl aͤußerlich jenen
ziemlich aͤhnlich, doch eine ganz verſchiedene Behandlung for-
dert, es iſt dieß der ſogenannte Leiſtenhode(Parochidium),
wo ein Hode auf dem Wege durch den Bauchring aufgehal-
ten, dort feſtſitzen bleibt. Man erkennt dieß am Gefuͤhl ei-
nes feſten Koͤrpers in der Bubonen aͤhnlichen Geſchwulſt, wel-
che beim Drucke ſchmerzt, und an der Leerheit der der Ge-
ſchwulſt entſprechenden Seite des Hodenſacks. Ruhe, Baͤder,
und Vermeidung alles Druckes, bei Einklemmung aber erwei-
chende Mittel, Einreibungen vom Ol. Hyoscyami u. ſ. w.
ſind hier allein angezeigt, und allmaͤhlig kommt gewoͤhnlich
der Hode in das Scrotum herab. Daß in einzelnen Faͤllen
indeß auch ein Hode oder ſelbſt beide (Monorchis und Tes-
ticondus
) in der Bauchhoͤhle voͤllig zuruͤckbleiben koͤnnen, iſt
hierbei zu erwaͤhnen.


[608]
10. Angeborener Hirnbruch(Encephalocele).

§. 1665.

In ſeltnen Faͤllen bemerkt man, daß durch regelwidrig
offen gebliebene Stellen des Schaͤdels entweder in den Naͤ-
then oder Fontanellen, oder auch in den groͤßern Kopfknochen
(vorzuͤglich den Scheitelbeinen) ein Theil der Hirnmaſſe ſich
hervordraͤngt und eine Geſchwulſt am Kopfe verurſacht, bei
welcher, je groͤßer ſie iſt, um ſo kleiner der Umfang des Kopfs
gefunden wird. Der Hirnbruch charakteriſirt ſich durch das teigige
Gefuͤhl der Geſchwulſt, durch ihre Pulſation, durch die wenig oder
nicht veraͤnderte Beſchaffenheit der Hautbedeckungen und vor-
zuͤglich dadurch, daß er durch gelinden fortgeſetzten Druck ent-
weder zum Theil oder voͤllig zuruͤckgebracht werden kann, auch
an der Basis deſſelben der Rand der Oeffnung deutlich ge-
fuͤhlt wird. Beſonders groß iſt die Aehnlichkeit der Blutge-
ſchwulſt, welche nach ſchweren Geburten entſieht, mit dem
Hirnbruche, da das Pericranium hierbei gewoͤhnlich ſo ring-
foͤrmig aufgetrieben wird, daß man den Rand der Knochen-
oͤffnung zu fuͤhlen glaubt; allein die Fluktuation, und daß ſie
nicht zuruͤckgebracht werden kann, ſo wie daß ſie erſt ſpaͤter
entſteht, unterſcheiden ſie hinlaͤnglich.


§. 1666.

Der Hirnbruch von bedeutendem Umfange wird ſtets
unter Zufaͤllen von Sopor, Zuckungen, Laͤhmungen u. ſ. w.
in Kurzem toͤdtlich, und laͤßt eine beſondere Behandlung folg-
lich nicht zu, außer daß man die Geſchwulſt behutſam un-
terſtuͤtzt und warm haͤlt. Kleinere Geſchwuͤlſte machen einen
Verſuch zur Heilung moͤglich, welcher durch Compreſſen mit
ſpirituoͤſen Mitteln befeuchtet und Anwendung gelinden fort-
waͤhrenden Druckes von einer der Groͤße des Bruchs ange-
meſſenen, ausgehoͤhlten, hoͤrnernen oder bleiernen Blatte auszu-
fuͤhren iſt.


Wir haben ferner mehrere abnorme Verſchließungen und
Verwachſungen zu betrachten: —


[609]
11. Angewachſene Zunge(Ankyloglossum).

§. 1667.

Wird begruͤndet durch abnorme Groͤße und Derbheit des
Zungenbaͤndchens, hindert das Kind am Saugen und ſpaͤter-
hin am Sprechen, und wird entdeckt, indem man den geoͤff-
neten Mund des Kindes unterſucht und wahrnimmt, daß es
weder die Zunge vom Mundhoͤhlenboden erheben, noch uͤber
das Zahnfleiſch vorwaͤrts ausſtrecken kann. Die Abhuͤlfe ge-
ſchieht durch Einſchneiden des Zungenbaͤndchens mittelſt einer
im Blatt gebogenen Schere, wobei nur darauf zu ſehen, daß
nicht ein zu tiefer Schnitt Blutungen (welche hier ſchwer zu
ſtillen ſind) oder zu große Beweglichkeit der Zunge veranlaſſe.


12. Verwachſung des Maſtdarms(Atresia ani).

§. 1668.

Sie iſt entweder unvollkommen oder vollkommen: im
erſtern Falle iſt die Afteroͤffnung nur ungewoͤhnlich klein und
enge, und laͤßt ſich dann durch eingebrachte Darmſaiten,
Wieken oder ſelbſt durch kleine Einſchnitte mehr eroͤffnen, im
letztern Falle iſt die Oeffnung voͤllig verſchloſſen, und zwar
entweder nur durch Haut, oder indem ein Stuͤck des Maſt-
darms verwachſen iſt, ja wohl ſelbſt dieſer Kanal an unge-
woͤhnlichen Stellen einmuͤndet, z. B. in die Harnroͤhre oder
in die Mutterſcheide. Dieſe vollkommnen Verwachſungen wer-
den, wenn der Maſtdarm in groͤßern Strecken verwachſen iſt,
oder wenn er in Organe, welche, wie die Harnroͤhre *), zur
Ausleerung des Darmkothes nicht geeignet ſind, einmuͤndet,
gewoͤhnlich bald toͤdtlich, ohne daß hierbei eine Huͤlfe der Kunſt
moͤglich waͤre. Blos haͤutige Verſchließungen fordern die Er-
oͤffnung durch das Meſſer, und die Einbringung von Wieken.
II. Theil. 39
[610] Einmuͤndungen in die Vagina ſind zwar unheilbar, jedoch
kann dabei das Leben beſtehen.


13. Verſchließung der Harnroͤhre(Atresia urethrae).

§. 1669.

Sie koͤmmt vorzuͤglich bei maͤnnlichen Individuen vor,
und auch hierbei iſt, wie bei der vorigen Abnormitaͤt, entwe-
der nur die aͤußerſte Muͤndung der Harnroͤhre verſchloſſen,
oder der Kanal iſt in einer weitern Strecke verwachſen, oder
der Harn fließt durch widernatuͤrliche Oeffnungen. Der letz-
tere Fall kommt an dem maͤnnlichen Gliede nicht ſelten vor,
wo dann die Harnroͤhrenoͤffnung ſich unterhalb der Eichel be-
findet, oft dadurch zwitterhafte Bildungen entſtehen und ſpaͤ-
terhin bei ſolchen Individuen, wegen gehinderter Ejakulation
des Samens, Zeugungsunfaͤhigkeit eintritt (Hypospadiaei).
Waͤhrend des Saͤuglingsalters koͤnnen nun blos die haͤutigen
Verſchließungen der Harnroͤhrenmuͤndung oder Vorhaut durch
Operation gehoben werden; tiefe Verwachſungen ſind unheil-
bar und toͤdtlich, ungewoͤhnliche Oeffnungen der Harnroͤhre
laſſen zuweilen (jedoch nur erſt ſpaͤterhin) eine operative Be-
handlung zu, welche der der Harnfiſteln aͤhnlich iſt. — Von
der Atresia vaginae, den Verſchließungen des Muttermundes
u. ſ. w. iſt ſchon im erſten Theile gehandelt worden.


14. Zwitterbildungen.

§. 1670.

Es ſind dieß Mißbildungen in welchen ſich entweder eine ſo
unvollkommne [Entwicklung] der Geſchlechtstheile zeigt, daß gar
kein Geſchlechtscharakter entſchieden hervortritt, und es daher,
fuͤr den erſten Anblick wenigſtens, zweifelhaft bleibt, zu wel-
chem Geſchlecht das Individuum zu zaͤhlen ſey; oder aber
ein wirklicher Anfang zum Doppeltwerden der Geſchlechtstheile,
wie es manchen Thieren z. B. Schnecken, Blutigeln, eigenthuͤm-
[611] lich iſt) ſich darſtellt, obwohl voͤlliges gleichzeitiges Ausbilden
maͤnnlicher und weiblicher Geſchlechtsorgane in einem Indivi-
duo nie vorgekommen iſt. — So wichtig dieſe Abweichungen
fuͤr Phyſiologie und insbeſondre fuͤr Entwicklungsgeſchichte der
Geſchlechtstheile ſind, ſo wenig bietet hierbei aͤrztlicher Be-
handlung ſich dar, und ſie koͤnnen daher hier auch nur kurz
aufgefuͤhrt werden *) inſoweit der Arzt die Eintheilung der-
ſelben kennen muß, um in zweifelhaften Faͤllen zu beſtimmen,
welchem Geſchlecht vorzuͤglich ein ſolches verbildetes Kind an-
gehoͤre.


§. 1671.

Man pflegt aber die Zwitterbildungen einzutheilen in
1) Androgyni, maͤnnliche Individuen bei welchen durch Spal-
dung des Hodenſacks, Zuruͤckbleiben der Hoden, Kleinheit und
nicht Durchbohrtſeyn der Ruthe, und Oeffnung der Harnroͤhre
unterhalb der Ruthe, Aehnlichkeit mit den weiblichen Ge-
ſchlechtstheilen entſteht. 2) Androgynae, weibliche Indivi-
duen bei welchen durch Verengerung oder Verwachſung der
Vagina und durch vergroͤßerte Clitoris eine Aehnlichkeit mit
den maͤnnlichen Geſchlechtstheilen entſteht. 3) Hermaphroditi,
wo ein wahrhaftes Doppeltwerden der Geſchlechtstheile z. B. durch
Entſtehung eines Scheidenkanals und Rudiments vom Uterus
bei entwickelten Hoden und Ruthe erſcheint. 4. Neutri, wo
die Geſchlechtsorgane ſo mangelhaft oder uͤberhaupt gar nicht
entwickelt ſind, daß das Individuum als voͤllig geſchlechtslos
zu betrachten iſt. — Nur in ſeltnen Faͤllen kann hier die
Kunſt fuͤr Umaͤnderung ſolcher Deformitaͤten etwas ausrichten
(wie etwa eine Atreſie heben, zu große Clitoris durch Ab-
bindung beſeitigen u. ſ. w.), in der Regel muͤſſen ſie als un-
heilbar, uͤbrigens dem Leben nicht gefaͤhrlich, zuruͤckbleiben.


[612]
15. Muttermaͤler(Naevi).

§. 1672.

Beſtehen in einer oͤrtlich veraͤnderten Struktur der Haut,
wobei entweder die Derbheit, Farbe, Vehaarung der Haut,
oder die Hautgefaͤße ſich veraͤndert und erweitert zeigen. Dieſe
Mißbildungen ſind gewoͤhnlich ohne Einwirkung auf das All-
gemeinbefinden *) und werden deßhalb, wenn ſie nicht zu ſehr
verunſtalten, am beſten unberuͤhrt gelaſſen. Kleine Mutter-
maͤler verlieren ſich zuweilen von ſelbſt. Sehr verunſtaltende
Muttermaͤler koͤnnen mitunter, wenn ſie von abnormer Farbe
und Derbheit der Haut abhaͤngen, durch Aetzmittel (Batyrum
antimonii,
oder eine Pasta aus gleichen Theilen lebendigen
Kalk’s und venetiſcher Seife u. dergl.) zerſtoͤrt werden. Mut-
termaͤler von erweiterten Gefaͤßen, vermindern ſich oft nach
der aͤußern Anwendung ſtark adſtringirender Mittel z. B. der
. Catechu. Bei allen dieſen Verbildungen der Haut iſt
uͤbrigens Vorſicht wegen Vermeidung mechaniſcher Reitzung
zu empfehlen, da außerdem nicht ſelten boͤsartige Geſchwuͤre
entſtehen.


16. Kruͤmmung der Fuͤße oder Haͤnde.

§. 1673.

Durch geſtoͤrtes Gleichgewicht zwiſchen den beugenden
und ſtreckenden, anziehenden und abziehenden Muſkeln, zeigen
ſich zuweilen Fuͤße oder Haͤnde auf mannigfaltige Weiſe ver-
unſtaltet, und vorzuͤglich haͤufig kommen die einwaͤrtsgedrehten
Fuͤße (Klumpfuͤße, Vari) vor. Die Behandlung muß
hierbei namentlich darauf gerichtet ſeyn, die Reproduktion in
dieſen gewoͤhnlich zugleich etwas atrophiſchen Theilen zu he-
[613] ben und das Gleichgewicht der Muſkelpartien wiederherzuſtel-
len. Es wird dieß theils durch mechaniſche, theils durch dy-
namiſche Mittel erreicht. Zu den letztern gehoͤrt das haͤufige
Baden der kranken Glieder in Aufguͤſſen aromatiſcher Kraͤuter,
nach welchen Baͤdern dann die erſchlaffte, zu ſehr ausge-
dehnte Muſkelpartie (bei einwaͤrts gedrehten Klumpfuͤßen die
aͤußere Seite) mit ſpirituoͤſen Mitteln, die abnorm zuſammen-
gezogenen und verkuͤrzten Muſkeln (bei einwaͤrts gedrehten
Klumpfuͤßen die innere Seite und Achillesſehne) mit erwei-
ehenden, milden Fettigkeiten (Mandeloͤhle, Unguent. d. Al-
thaea
u. dergl.) ſogleich eingerieben werden muͤſſen. Zu den
mechaniſchen Mitteln gehoͤrt eine zweckmaͤßige, taͤglich einige-
mal vorgenommene Manipulation des Fußes, wobei man ihn
immer mehr in die rechte Lage zu bringen ſucht, und das
Anlegen der Bruͤckner’ſchen Binde. Schienen und Ma-
ſchinen ſind im erſten Lebensjahre durchaus unbrauchbar *),
und uͤberhaupt darf man bei dieſen und aͤhnlichen Verkruͤm-
mungen **) ſehr viel von gelinder und anhaltend einwirken-
der Kraft, nichts von roher Gewalt und heftigem Druck er-
warten.


§. 1674.

Außer den im Vorhergehenden aufgezaͤhlten Mißbildun-
gen koͤnnen uͤbrigens Kinder auch Stoͤrungen oder unvollkom-
mene Entwicklungen ihrer Organiſation mit zur Welt bringen,
welche erſt ſpaͤterhin zur Entfaltung aͤußerlich wahrnehmbarer
Krankheiten den Grund enthalten. Krankheiten welche auf
[614] dieſe Weiſe entſtehen, ſind die Blauſucht, Blutſucht*)
und der Cretinismus, beide indeß wenig, und zum Theil
erſt in den folgenden Jahren Anwendung aͤrztlicher Behand-
lung geſtattend; als bloße Varietaͤt menſchlicher Bildung und
auch durch keine Art von Behandlung zu beſeitigen, iſt fer-
ner die Bildung der Albino’s oder Kakerlaken zu erwaͤhnen.
Von dieſen ſowohl als von den durch die Mutter auf das
Kind uͤbertragenen Krankheiten, wie Pocken, Syphilis, Aus-
ſatz, als welche (mit den fuͤr das Kindesalter ſtets zu beob-
achtenden Modificationen) nur daſſelbe Verfahren wie bei Er-
wachſenen fordern, kann daher hier nicht beſonders gehandelt
werden.


II. Krankheitszuſtaͤnde des Neugeborenen,
als Folge der Geburt
.

§. 1675.

Von der Aſphyrie neugeborner Kinder iſt bereits fruͤher,
in wiefern ſie durch zu lang dauernden und zu heftigen Druck
auf das Gehirn, zu ploͤtzliche Unterbrechung des Blutlaufs
durch den Nabelſtrang und in der Placenta entſtehen kann,
und auf welche Weiſe ſie behandelt werden muͤſſe (ſ. §. 938.)
die Rede geweſen. Es bleiben uns daher hier nur noch fol-
gende Zuſtaͤnde zu betrachten uͤbrig: —


1. Convulſionen des Kindes unter der Geburt.

§. 1676.

Daß das Kind noch vor ſeinem Austritt aus dem Bek-
ken von Zuckungen ergriffen werden koͤnne, wie Herr Fei-
[615] ler
*) anfuͤhrt, unterliegt keinem Zweifel, da ich gleichfalls
einen ausgezeichneten Fall dieſer Art beobachtete. Wahrſchein-
lich iſt vorzuͤglich ein heftiger Druck welchen der Kindeskopf
im Becken erleidet, oder es ſind Stoͤrungen im Kreislaufe
mit Congeſtionen nach dem Gehirn die Veranlaſſung dazu.
Man bemerkt dann, oft ſichtbar, die heftigſten Bewegungen
des Kindes im Uterus, welche der Mutter hoͤchſt ſchmerzhaft
werden **), und bei laͤngerer Dauer oft mit dem Tode des
Kindes endigen. Die Behandlung wird hierbei zunaͤchſt auf
ſchleunige Beendigung der Entbindung (z. B. durch behut-
ſame Anlegung der Zange) gerichtet ſeyn muͤſſen, und zugleich
wuͤrden narkotiſche und aromatiſche Fomentationen uͤber den
Unterleib der Kreiſenden mit Nutzen angewendet werden, um
die Erregung des Uterus zu mindern. Nach beendigter Ge-
burt hoͤren die Convulſionen gewoͤhnlich auf; fortgehende Con-
vulſionen wuͤrden eine aͤhnliche Behandlung, wie wir ſie noch
bei den ſpaͤter entſtehenden Kraͤmpfen neugeborener Kinder ab-
handeln werden, noͤthig machen.


2. Abreißen der Nabelſchnul.

§. 1677.

Sehr ſelten kann es bei zweckmaͤßiger Leitung des Ge-
burtsgeſchaͤfts vorkommen, daß bevor noch der Austritt des
Kindes aus dem muͤtterlichen Koͤrper beendigt iſt, eine Zerreiſ-
ſung der Nabelſchnur Statt findet; es iſt dieß nur bei ab-
ſoluter Kuͤrze derſelben, oder bei ſehr betraͤchtlichen Umſchlin-
gungen moͤglich. Außerdem aber kann auch allerdings bei
einer roh vollfuͤhrten Wendung die Zerreißung des Nabelſtran-
ges erfolgen. Immer entſteht hieraus die hoͤchſte Lebensge-
fahr durch Verblutung fuͤr das Kind, und es ergiebt ſich
[616] demnach als Hauptaufgabe fuͤr die Behandlung, die Entbin-
dung ſchleunigſt zu beendigen, worauf ſich dann, eben ſo wie
in den Faͤllen wo das Hervorſtuͤrzen des Kindes auf den
Boden die Zerreißung hervorgebracht hat, die Blutung ent-
weder durch Unterbindung des Nabelſchnurreſtes ſtillen laͤßt,
oder, wenn im ſchlimmſten Falle der Nabelſtrang dicht am
Leibe abgeriſſen iſt, die Stillung des Blutfluſſes durch adſtrin-
girende Mittel (Agaricus, Pulvis colophonii, Gummi
kino, Gumm. arabici
u. ſ. w.) und moͤglichſte Befoͤrderung
kraͤftiger Reſpiration bewerkſtelligt werden muß.


3. Anſchwellungen einzelner Kindestheile bei
oder nach ſchweren Geburten
.

§. 1678.

Sie kommen vorzuͤglich am Kopfe vor und zwar am
haͤufigſten in der Geſtalt des ſchon fruͤher erwaͤhnten Vor-
kopfs, welcher als oͤdematoͤſe Geſchwulſt gleich bei der Ge-
burt bemerkt wird, gewoͤhnlich bald ſich vermindert, und in
hartnaͤckigen Faͤllen doch gewoͤhnlich durch Auflegen einer in
aromatiſchen mit Wein vermiſchten Kraͤuteraufguß getauchten
Compreſſe beſeitigt wird. Außerdem aber bilden ſich auch
zuweilen Blutgeſchuͤlſte (Ecchymoma Capitis), welche ſich in
mehrerer Hinſicht auszeichnen und auch eine verſchiedene Be-
handlung erfordern. Dieſe Blutgeſchwuͤlſte ſind gewoͤhnlich
bei der Geburt noch nicht vorhanden, ſondern bilden ſich (ganz
wie die Blutgeſchwuͤſte des Dammes und der Schamlippen
bei Woͤchnerinnen) erſt nach und nach, indem das Blut aus
einem zerriſſenen Gefaͤßchen in das Zellgewebe unter der Kopf-
haut ſich ausbreitet. Sie werden charakteriſirt durch das Ge-
fuͤhl von Fluktion und die bald ſich entwickelnden aufgewor-
fenen Raͤnder das Pericranii, welche dieſen Geſchwuͤlſten zu-
weilen Aehnlichkeit mit einem Hirnbruch geben.


[617]
§. 1679.

Die Behandlung muß hierbei zunaͤchſt auf Entleerung
des angehaͤnften Blutes Bedacht nehmen, da außerdem leicht
Entzuͤndung, Eiterung und Caries des Kopfknochen eintreten
koͤnnte. Man macht daher an der tiefern Stelle der ſchwap-
penden Geſchwulſt einen Einſtich mit der Lanzette, druͤckt be-
hutſam die Geſchwulſt aus, legt einige Faͤden Charpie in die
Oeffnung und laͤßt nun anhaltend warme Fomentationen von
den aufgebruͤhten Flor. Arnicae mit etwas Wein beſprengt,
machen, worauf die voͤllige Zertheilung gewoͤhnlich in kurzem
erfolgt. — Zuweilen entſtehen uͤbrigens auch Geſchwuͤlſte an
andern Theilen, z. B. bei Steisgeburten an den Geſchlechts-
theilen, oder bei Armlagen und vorgefallenen Armen, an den
Haͤnden: dieſe machen jedoch blos oͤftere aromatiſche Baͤder,
die Geſchwuͤlſte der Geſchlechtstheile noch insbeſondere das
Auflegen von Baumwolle mit dem Pulver der Kamillenblumen
nothwendig.


4. Knochenbruͤche, Eindruͤcke der Hirnſchale, Ver-
renkungen und andere Verletzungen
.

§. 1680.

Meiſtens ſind dieſe Abnormitaͤten Folge einer ungeſchick-
ten, oder ſehr gewaltſamen kuͤnſtlichen Entbindung, obwohl
fruͤher ſchon bemerkt worden iſt, daß Eindruͤcke der Hirnſchale
und ſelbſt Fiſſuren und Bruͤche der Kopfknochen nicht allzu-
ſelten auch durch die bloße Geburtskraft bei einem verenger-
ten Becken, oder bei Schiefſtaͤnden des Kopfes entſtehen koͤn-
nen. — Was die Behandlung dieſer Kopfverletzungen betrifft
(dafern ſie nicht, was freilich wenn ſie bedeutend ſind, mei-
ſtens erfolgen wird, bei oder bald nach der Geburt toͤhtlich
werden) ſo muß ſie, dem zarten Alter dem Kindes angemeſ-
ſen, hoͤchſt einfach ſeyn. — Gewaltſames Aufheben der Ein-
druͤcke, z. B. durch die Mittel welche die Chirurgie fuͤr dieſe
Zwecke darbietet, iſt hier nicht anwendbar, ſondern die all-
[618] maͤhlige Ausgleichung muß der Natur uͤberlaſſen bleiben, in-
dem man blos durch Fomentationen u. ſ. w. die Geſchwulſt,
und die Entzuͤndungszufaͤlle behandelt. — Fuͤr die Behand-
lung der uͤbrigen Verletzungen hingegen, als der Bruͤche der
langen Knochen, der Verrenkungen und aͤußern Verwundungen,
findet das Verfahren welches die Chirurgie fuͤr aͤhnliche Krank-
heitszuſtaͤnde Erwachſener vorſchreibt, mit wenigen Modifica-
tionen Anwendung, wobei nur zu bemerken iſt, daß auch hier
(z. B. bei Heilung der Knochenbruͤche) der Wundarzt ſich durch
die aͤußerſt thaͤtige Reproduktion ſehr gefoͤrdert und unter-
ſtuͤtzt ſieht.


III. Krankheitszuſtaͤnde welche bei neugebor-
nen Kindern erſt nach der Geburt bis zu
Ende des Saͤuglingsalters ſich entwickeln
.

a. Entzuͤndliche Krankheiten.

1) Hirnentzuͤndung. (Encephalitis.)

§. 1681.

Bei dem außerordentlichen Blutreichthum des Gehirns
neugeborener Kinder muß nothwendig Entzuͤndungszuſtand die-
ſes Organs ſehr leicht ſich entwickeln koͤnnen, und entwickelt
ſich in Wahrheit haͤufiger als man, durch die Schwierigkeit
richtiger Erkenntniß der Krankheit irre geleitet, gewoͤhnlich
glaubt. Die Symptome durch welche der Eintritt der Krank-
heit bezeichnet wird, ſind nach dem Alter des Kindes verſchie-
den. In den erſten Lebenswochen charakteriſirt ſie ſich durch
Hitze, beſonders des Kopfs, Trockenheit der Haut und des
Mundes, geroͤthete Augen, eingefallenes Geſicht, ſchwaches
Schreien, große Unruhe, Nichtannehmen der Bruſt, Erbrechen
von gruͤnem Schleim und aͤhnliche Ausleerungen, oder auch durch
Obſtruktion, krampfhaftes Zucken, Triſmus und ſoporoͤſe Zu-
ſtaͤnce mit roͤchelndem Athemholen. Kinder welche bereits
mehrere Monate alt ſind, bekommen zu Anfange der Krankheit
[619] oft einen deutlich bemerkbaren Froſt, und geben das Leiden
des Kopfs durch Greifen nach demſelben, Ruͤckwaͤrtsbohren mit
dem Hinterhaupte, ſchon etwas beſtimmter zu erkennen. —
Viele dieſer Zeichen hat zwar die Hirnentzuͤndung mit an-
dern akuten Krankheiten gemein, wodurch die Diagnoſe er-
ſchwert wird; allein theils aus der Beruͤckſichtigung der vor-
ausgegangenen urſaͤchlichen Verhaͤltniſſe, theils durch genauere
Beachtung der ſich hinzugeſellenden krampfhaften Erſcheinun-
gen, wird demungeachtet die richtige Wuͤrdigung dieſes Krank-
heitszuſtandes dem geuͤbten Blicke bald moͤglich. Ja es iſt
uͤberhaupt mir ſehr wahrſcheinlich, daß bei den meiſten hefti-
gen fieberhaften Krankheiten neugeborener Kinder und Saͤug-
linge, ein gewiſſer Grad von Hirnentzuͤndung nicht fehlen koͤnne.


§. 1682.

Der Verlauf der Krankheit iſt ſehr akut, und die Prog-
noſe im Allgemeinen hoͤchſt mißlich, da entweder durch die
Heftigkeit der Entzuͤndung an und fuͤr ſich, bereits zwiſchen
dem dritten und ſiebenten Tage, der Tod herbeigefuͤhrt wird,
oder Uebergang in Eiterung oder Waſſerſucht der Hirnhoͤhlen
erfolgt, von welchen dann die erſtere ebenfalls in kurzem toͤdtlich
wird, wenn dagegen die letztere zuweilen in chroniſche Zu-
ſtaͤnde uͤbergehen kann, fruͤher oder ſpaͤter indeß ebenfalls toͤdt-
lich werden muß. Im Falle des Ueberganges in Gehirnhoͤh-
len-Waſſerſucht bemerkt man zwar Abnahme des Flebers,
aber die ſoporoͤſen Zuſtaͤnde werden anhaltender, ploͤtzliches
Aufſchrecken im Schlafe, Erweiterung der Pupillen, ſtierer
Blick, Frieſalausſchlaͤge auf der Bruſt geſellen ſich hinzu, die
Verdauungsfunktion bleibt unvollkommen, und Krampfzufaͤlle
mancherlei Art aͤußern ſich fortwaͤhrend. Seltner erfolgt bei
zeitig angewendeter zweckmaͤßiger Huͤlfe die Zertheilung, wel-
ches ſich dann durch Nachlaß des Fiebers, kritiſchen Durch-
fall, Wiedereinfinden des Appetits, beſſern Ausſehens, und
ruhigern Schlafs zu erkennen giebt. — Der Sektionsbefund
iſt nach dem Grade der Krankheit, bei welchem das Kind ver-
ſtarb, verſchieden. Theils findet man die Hirngefaͤße außer-
[620] ordentlich blutreich, die Hirnſubſtanz ſehr geroͤthet und abnorm
feſt oder weich, ja ſelbſt die Schaͤdelknochen wie injicirt und
durchaus roth gefaͤrbt, theils findet man die Hirnhoͤhlenwaͤnde
von Eiterung angegriffen oder mit Waſſer angefuͤllt.


§. 1683.

Die veranlaſſenden Urſachen der Gehirnentzuͤndung neu-
geborener Kinder und Saͤuglinge ſind (abgeſehen von der durch
den Blutreichthum des Kopfs ſchon an ſich gegebenen Dispo-
ſition) theils mechaniſche Schaͤdlichkeiten, Knochenverletzungen
und Hirnerſchuͤtterungen bei ſchweren Geburten, oder durch
Sturz auf den Boden, oder Unvorſichtigkeiten der Waͤrterin,
theils zu heißes Verhalten, ſtarke geiſtige Umſchlaͤge uͤber den
Kopf, Erkaͤltungen, unzweckmaͤßige Nahrung, langdauernde
Obſtruktionen u. ſ. w.


§. 1684.

Die Behandlung iſt gewoͤhnlich nur dann mit einiger
Hoffnung eines gluͤcklichen Erfolgs einzuleiten, wenn die Krank-
heit zeitig genug erkannt wird. Die anzuwendende Methode
iſt die antiphlogiſtiſche: man legt bei neugeborenen Kindern
1 bis 2, bei einige Monate alten Kindern 3 bis 4 Blutigel
an die Schlaͤfe, bringt das Kind in ein laues Bad und laͤßt
den Kopf mit kuͤhlem Waſſer und Eſſig fomentiren, legt
Fomentationen von Flanelltuͤchern in Senfabſud getaucht um
die Fuͤße, kleine Veſikatorien in den Nacken, giebt innerlich
kuͤhlende abfuͤhrende Mittel, wie Manna, Tamaridenaufguß u.
ſ. w. und vorzuͤglich das Calomel zu ¼ oder ½ Gran, laͤßt
oͤfters Lavements anwenden, das Kind nicht zu warm halten
und die Einwirkung des Lichts auf die Augen vermeiden. Zeigen
ſich die Symptome der Zertheilung, ſo werden die Gaben
dieſer Mittel beſchraͤnkt, die kritiſchen Ausleerungen befoͤrdert,
und die Convaleſcenz vorſichtig geleitet. — Zeichen vom Ueber-
gange in Waſſerſucht der Hirnhoͤhlen rauben meiſtens die Hoff-
nung eines gluͤcklichen Ausgangs; die Verſuche zur Heilung
koͤnnen indeß auch hier nur in fortgeſetzter Aufregung ander-
[621] weitiger Ausſcheidung und in gelinder Erregung des lympha-
tiſchen Syſtems beſtehen. Man laͤßt deßhalb die warmen
Baͤder fortſetzen, in und außer denſelben den Kopf oͤfters mit
Naphtha begießen, benutzt Veſikatorien und fluͤchtig reitzende
Einreibungen, verbindet mit dem Gebrauche des Calomel
die Anwendung des Moschus, der Digitalis, der Antimonia-
lien, und befoͤrdert die Darmausleerungen.


2. Augenentzuͤndung(Ophthalmia neonatorum).

§. 1685.

Ein Uebel welches bei der Zartheit der Sehorgane neu-
geborener Kinder, und der Neuheit ihrer Funktion ſehr haͤu-
fig und auf ſehr leichte Veranlaſſungen entſteht. Anfaͤnglich
laufen die Augenlider an, ihre Raͤnder roͤthen ſich, die Mei-
bomiſchen Druͤſen ſondern mehr ab, die Augenlider kleben
zuſammen, ſpaͤterhin entſteht auch Entzuͤndung der den Aug-
apfel uͤberziehenden Conjunctiva, die Conjunctiva der
Augenlider, endlich auch die des Augapfels, fangen an eine
Menge von eiterartigem Schleim abzuſondern, dieſer iſt zuwei-
len ſelbſt mit Blut vermiſcht, und es bilden ſich nun, ſobald
auch die Conjunctiva der Cornea an der Abſonderung Antheil
nimmt, Geſchwuͤre und Verdunkelungen auf derſelben, ja ſelbſt
Eiterergießungen in der vordern Augenkammer und ſogar Zer-
ſtoͤrung oder gaͤnzliche Degeneration des Augapfels erfolgen
ſpaͤterhin zuweilen.


§. 1686.

Die veranlaſſenden Urſachen koͤnnen ſehr verſchiedener
Art ſeyn: Anſteckung waͤhrend der Geburt durch boͤsartigen
Schleim in der Vagina der Mutter, Unreinlichkeit, Eindrin-
gen von Staub oder Seife in das Auge, heftig einfallendes
[622] Licht *), catarrhaliſche Dispoſition, gaſtriſche Unordnungen,
und Erkaͤltungen gehoͤren vorzuͤglich hierher. Die Prognoſe
iſt vorzuͤglich nach dem Stadium in welchem man die Krank-
heit findet, verſchieden: — Im Beginn des Uebels iſt es ge-
woͤhnlich nicht ſchwer, durch Sorgfalt der Behandlung die
weitere Entwickelung derſelben zu hindern; hat es hingegen
bereits zu weit um ſich gegriffen, ſo iſt es haͤufig mit großen
Schwierigkeiten verbunden, die Ruͤckkehr in den Normalzuſtand
zu bewirken, ja es bleiben oft unheilbare Verbildungen und
voͤllige Erblindung zuruͤck.


§. 1687.

Was die Behandlung betrifft, ſo iſt aͤuch dieſe nach den
verſchiedenen Stadien verſchieden. Abgeſehen davon daß man
zuvoͤrderſt die etwa noch einwirkenden veranlaſſenden Urſachen
(unvorſichtige Wartung, Obſtruktionen u. ſ. w.) beruͤckſichtige
und entferne, ſo muß man im erſten Stadium der Krankheit
die ſtrengſte Reinlichkeit empfehlen, ſehr oft mit milden war-
men Fluͤßigkeiten, (Fliederaufguß, Kamillenthee mit Milch u.
ſ. w.) das Auge reinigen laſſen, die zuſammengeklebten Au-
gen beim Erwachen des Kindes mit einigen Tropfen Mutter-
milch aufweichen, und wenn die Augenlider bereits geſchwol-
len ſind, zertheilende Kraͤuterkiſſen uͤberlegen laſſen. Wird
dieſes Verfahren zeitig und puͤnktlich angewendet, ſo kann
man meiſtens des guten Erfolgs gewiß ſeyn. Iſt bereits
die Conjunctiva mit ergriffen und hat die eiterige Abſonde-
rung begonnen, ſo macht man von ableitenden, und die
Sekretion beſchraͤnkenden Mitteln Gebrauch. Man legt kleine
[623] Veſikatorien hinter die Ohren *), giebt einige Abfuͤhrungen,
und wendet oͤrtlich ein Augenwaſſer an, aus der Aufloͤſung
von 1 bis 2 Gran Saccharum saturni, Vitriolum album,
oder 3 bis 4 Gran Lapis divinus in einer Unze deſtillirten
Waſſer, nach Befinden mit einem Zuſatz vom Laudanum
liq. S.
Die zertheilenden Kraͤuterkiſſen werden dabei beibe-
halten, aber ſtatt des Fliederaufguſſes ein ſtaͤrkeres Mittel z.
B. des Infus. serpilli zum Reinigen der Augen benutzt.


§. 1688.

Faſt nie wird dieſem zweckmaͤßig ausgefuͤhrten Heilplane
die Krankheit lange Zeit Widerſtand leiſten, und folglich auch
der Uebergang in weitere Degenerationen nicht zu befuͤrchten
ſtehen; wo hingegen das letztere in Folge einer allgemeinen
ſchlechten Conſtitution, oder weil der Arzt zu ſpaͤt hinzugeru-
fen wurde, wirklich Statt gefunden hat, iſt ſelten unmittel-
bare voͤllige Herſtellung moͤglich. Man ſucht in dieſem Falle
zunaͤchſt durch Anwendung der erwaͤhnten ableitenden Mittel,
durch oͤrtliche Anwendung von Unguenten mit rothem Queck-
ſilberpraͤcipitat, Bleizucker, Opium u. ſ. w. ſo wie durch
zweckmaͤßige, die Fehler der geſammten Conſtitution in An-
ſpruch nehmende innere Mittel, die fortdauernde Entzuͤndung
zu maͤßigen, und behandelt dann die ruͤckbleibenden Flecken
oder Geſchwuͤre der Hornhaut, Lichtſcheue, Augenſchwaͤche u. ſ.
w. mit den Mitteln welche die Augenheilkunde fuͤr dieſen
Zweck empfiehlt, unter welchen denn vorzuͤglich gegen Horn-
hautverdunkelungen der Nutzen des rothen Queckſilberpraͤci-
pitats als Unguent, ſelten, aber anhaltend gebraucht, hervor-
gehoben werden muß.


[624]
3. Entzuͤndung der Bruͤſtchen neugeborener
Kinder
.

§. 1689.

Eine Krankheit welche gewoͤhnlich nur durch unzweck-
maͤßige Behandlung entſteht, indem man das an ſich voͤllig
uͤberfluͤßige und nachtheilige Ausdruͤcken des Milchſaftes, wel-
chen die Bruͤſtchen neugeborener Kinder enthalten *), mit Ro-
heit bewerkſtelligt. Seltner entſteht die Entzuͤndung durch
Erkaͤltung. — Sie zertheilt ſich gewoͤhnlich leicht, kann indeß
auch zuweilen gleich der Entzuͤndung der Bruͤſte bei Schwan-
gern und Woͤchnerinnen in Eiterung uͤbergehen. — Die Be-
handlung muß ganz der der Behandlung jener Entzuͤndungen
analog ſeyn. Man bedeckt die entzuͤndeten Bruͤſtchen mit
warmen trocknen Kraͤuterkiſſen oder Baumvolle und aufgeſtreu-
ten Kamillenpulver, ſorgt fuͤr Unterhaltung der Darmauslee-
rungen, haͤlt das Kind warm, und bewirkt auf dieſe Weiſe
gewoͤhnlich bald die Zertheilung. — Zeigt ſich demungeachtet
Eiterung, ſo bringt man ſie durch Cataplasmata zur Reife
und behandelt ſie ferner voͤllig wie die Eiterbruſt einer Woͤch-
nerin. Der kleine Abſceß ſchließt ſich gewoͤhnlich in einigen
Tagen, und die Heilung iſt beendigt.


4. Roſenentzuͤndung(Erysipelas neonatorum.)

§. 1690.

Bei der großen Zartheit des Hautorgans entſteht bald
auf leichtere bald ſchwerere Veranlaſſung, als ſchlechte Ab-
wartung, Erkaͤltung, Naͤße, Indigeſtionen u. ſ. w., eine ro-
ſenartige Entzuͤndung, welche vorzuͤglich gern in der Gegend
der Geſchlechtstheile oder am Unterleibe zuerſt ſich entwickelt,
[625] und theils wegen des ſich hinzugeſellenden Fiebers, theils we-
gen der Gefahr der Uebertragung des Entzuͤndungszuſtandes
auf edlere innere Organe, die Sorgfalt des Arztes beſonders
in Anſpruch nimmt. Die Erſcheinung der Roſe ſelbſt, ſo wie
ihr Verlauf und ihre Ausgaͤnge, ſind uͤbrigens nicht weſent-
lich von dem was man bei dieſer Krankheit, auch wenn ſie
an Erwachſenen vorkommt, bemerkt, unterſchieden. — Im Be-
treff der Behandlung, ſo muß dieſe vorzuͤglich das Bewerk-
ſtelligen der Zertheilung ſich zum Zweck machen. Man be-
deckt daher die entzuͤndete Stelle mit gewaͤrmtem Rockenmehl
oder Kamillenpulver, oder mit weichen nicht zu dicken Kraͤu-
terkiſſen, wirkt durch innere Mittel (Aqua florum Sambuci,
Liquor Mindereri, Vinum antimonii
u. ſ. w.) auf Ver-
mehrung der Hautthaͤtigkeit und unterhaͤlt durch Lavements
und gelinde Abfuͤhrungen (aus Manna, Syrupus e Cichorio
c. Rheo,
auch kleine Gaben Calomel) vermehrte Thaͤtigkeit
des Darmkanals. Will die entzuͤndete Stelle ſich verhaͤrten,
oder wird ſie oͤdematoͤs, ſo muͤſſen mehr erregende Dinge,
Bedecken mit camphorirtem Flanell, aromatiſche Baͤder u. ſ.
w. angewendet werden. Entſtehende Blaſen machen Vorſicht
in der manuellen Behandlung des Kindes noͤthig, damit ſie
nicht vor der Zeit aufgedruͤckt, und die Entzuͤndung durch
Reitzung der empfindlichen wunden Flaͤche unter derſelben, ver-
mehrt werde. — Zeigt ſich endlich Uebergang der Entzuͤndung
auf innere Organe, ſo muß ſie hier ihrem Charakter gemaͤß
behandelt werden, und vorzuͤglich die Minderung derſelben
durch Erregung des Hautorgans mittelſt der Veſikatorien u.
ſ. w., bezweckt werden.


b. Hautkrankheiten.

1. Frieſel und Schaͤlblaſen(Pemphygus.)

§. 1691.

Frieſelausſchlaͤge ſind bei neugeborenen Kindern, vorzuͤg-
lich in heißer Jahreszeit oder bei zu warmem Verhalten, eine
II. Theil. 40
[626] ziemlich haͤufige Erſcheinung, und, an und fuͤr ſich, faſt nie
mit ſonſtigen gefaͤhrlichen Zufaͤllen verbunden, weßhalb denn
auch auſſer fleißig fort geſetzten nicht zu warmen Baͤdern, ſorg-
faͤltiger Unterhaltung eines regelmaͤßigen Ganges der Unter-
leibsfunktionen und Vermeidung von Erkaͤltungen, eine be-
ſondere Behandlung nicht weiter noͤthig wird. Iſt das
Frieſel voruͤber, ſo ſind gewoͤhnlich einige ſtaͤrkende Baͤder
mit dem Infus. serpilli, Flor. Chamom., Hb. Menth.
crisp.
u. ſ. w. ſehr wohlthaͤtig. — Kein anderes Verfahren
wird noͤthig, wenn ſich hie und da einzelne groͤßere Blaſen
(Schaͤlblaſen, Pemphygus neonatorum) zeigen; allein wo
dieſe Blaſen in groͤßerer Menge vorhanden ſind, wohl ſchon
von dem Kinde mit zur Welt gebracht werden, da liegen ge-
woͤhnlich fehlerhafte Zuſtaͤnde im Allgemeinbefinden, ſcrofuloͤſe,
arthritiſche, ſyphilitiſche Schaͤrfen zum Grunde, ja ich habe
ſie nicht ſelten als Zeichen voͤlliger Colliquation und carioͤſer
Zuſtaͤnde darunter liegender Knochen bemerkt, in welchen Faͤl-
len dann natuͤrlich die aͤrztliche Behandlung blos gegen jene
primaͤren Krankheiten gerichtet ſeyn muß. Daſſelbe gilt von
anderen zuweilen ſich entwickelnden Geſchwuͤren, Furunkeln
u. ſ. w.


Anmerkung. Daß die Geneigtheit zu dieſen und aͤhn-
lichen Krankheiten vorzuͤglich durch den beim neugebo-
renen Kinde vor ſich gehenden Abſchuppungsprozeß der
Oberhaut gegeben ſey, iſt fruͤher ſchon erwaͤhnt worden.


2. Gelbſucht(Icterus neonatorum).

§. 1692.

Auch zu dieſer Krankheit iſt dem Kinde durch die Zart-
heit des Hautorgans und das Uebergewicht der Leber uͤber
die andern Unterleibseingeweide, ſo wie durch das kohlenſtoff-
reichere Blut und die ſchwaͤchere Reſpiration eine große Dis-
poſition angeboren, und die meiſten ſchaͤdlichen Einfluͤſſe wel-
che auf ein neugeborenes Kind wirken, bringen, oft in Ver-
bindung mit andern Krankheiten, vorzuͤglich die Gelbſucht
[627] hervor. Es gehoͤren zu dieſen Gelegenheitsurſachen Erkaͤltung,
unzweckmaͤßige Nahrung, Diaͤtfehler der Mutter oder Amme,
Verſtopfung, Unreinlichkeit u. ſ. w.


§. 1693.

Der Verlauf dieſer Gelbſuchten iſt gewoͤhnlich ſehr gut-
artig, das Wohlbefinden des Kindes iſt nicht ſehr geſtoͤrt,
die Ausleerungen erfolgen nicht (wie bei Erwachſenen) von
weißer Farbe, das Kind ſchlaͤft und trinkt oft wie gewoͤhnlich,
und in Zeit von 6 oder 9 bis 12 Tagen kehrt die natuͤrliche
Farbe wieder zuruͤck. Mitunter kann indeß die Krankheit auch
mit andern Regelwidrigkeiten ſich verbinden, es koͤnnen Fie-
berkrankheiten, Ausſchlaͤge, Aphthen, Unterleibsbeſchwerden zu-
gleich mit derſelben vorkommen, zumal bei an ſich ſchwaͤchli-
chen, ſchlecht genaͤhrten oder zu fruͤhzeitig geborenen Kindern;
in welchem Falle dann allerdings die ſonſt ſehr guͤnſtige Pro-
gnoſe weniger guͤnſtig ausfallen muß.


§. 1694.

Die Behandlung muß zunaͤchſt auf Beſeitigung der Ge-
legenheitsurſachen und auf Herſtellung einer regelmaͤßigen Diaͤt
und Pflege des Kindes gerichtet ſeyn. Außerdem ſind oͤftere
warme Baͤder mit zugeſetztem Aufguſſe der Kamillenblumen,
der Hb. serpilli u. ſ. w. vorzuͤglich nuͤtzlich *), ſo wie uͤber-
hnupt ein hinlaͤnglich warmes Verhalten empfohlen werden
muß. Wo endlich fehlerhafte Verdauung, mißfarbige Stuͤhle,
faures Erbrechen u. ſ. w. vorhanden ſind, wird es noͤthig
von innern reſolvirenden abfuͤhrenden Mitteln Gebrauch zu
machen. Die  rhei aquosa, verduͤnnt durch Aqua foe-
niculi
und mit etwas Magnesia verbunden, die Aufguͤſſe der
Manna und Tamarinden mit Mittelſalzen, oͤftere Lavements,
[628] bei Aufgetriebenheit und Empfindlichkeit der Lebergegend kleine
Doſen Calomel und warme Cataplasmata uͤber den Unter-
leib, ſo wie das Hufelandiſche Ammenpulver der Stillenden
gereicht, ſind dann zweckmaͤßig.


3. Schwaͤmmchen(Aphthae).

§. 1695.

Eine Ausſchlagskrankheit der Mundhoͤhle, welche ſich in
ſeltnern Faͤllen ſelbſt uͤber die Speiſeroͤhre bis zum Darmkanal
ansbreitet. Die Haut erhebt ſich in weißen Blaͤschen, wel-
che am dritten Tage abfallen, denen jedoch oft neue nachfol-
gen, ſo daß die Dauer der Krankheit ſich zuweilen auf 1 bis
2 Wochen ausdehnt. An ſich iſt die Krankheit weder boͤs-
artig noch gefaͤhrlich zu nehmen, obwohl ſie es durch Com-
plication mit Fiebern und andern Krankheiten werden kann;
in dieſem Falle zeigen ſich die Aphthen mißfarbig, die Aus-
leerungen ſind gruͤn, ſehr copioͤs, das Kind nimmt keine Nah-
rung, faͤllt ab und ſtirbt. — Dieſe Krankheit entſteht vor-
zuͤglich durch Unreinlichkeit, unordentliche, unzweckmaͤßige Nah-
rung, Zulpe u. dergl., und kann daher faſt immer verhuͤtet
werden, obwohl zuweilen auch innere Bedingungen vorhanden
ſind, wie ſie denn beſonders bei fruͤhzeitigen Kindern, oder
wo durch andere akute Krankheiten Neigung zu Trockenheit
und Entzuͤndung der Mundhoͤhlenoberflaͤche gegeben iſt, haͤufig
bemerkt wird. — Die Behandlung muß theils auf die innern
Krankheiten (Fieber, gaſtriſche Zuſtaͤnde u. ſ. w.), wenn der-
gleichen vorhanden ſind, Ruͤckſicht nehmen, theils die Gele-
genheitsurſachen (unzweckmaͤßige Nahrung und Pflege) ent-
fernen. Oertlich iſt durchaus nichts noͤthig als ſehr haͤufige
Reinigung der Mundhoͤhle (etwa durch einen in Infus. Sal-
viae
getauchten Charpiepinſel) und Anwendung gelind erre-
gender ſtaͤrkender Mittel, wozu eine Aufloͤſung des Borax in
einem Infus. salviae mit dem Syrup. mororum, oder eine
Miſchung von etwas Wein mit dem Infus. serpilli, zum
Auspinſeln des Mundes am zweckmaͤßigſten iſt.


[629]
4. Das Wundſeyn(Intertrigo).

§. 1696.

Die Oberhaut des neugeborenen Kindes iſt ſo zart, daß
man ſie fuͤglich als einen kaum geronnenen Malpighi’ſchen
Schleim bezeichnen kann. Es iſt daher erklaͤrlich, wie bei
Einwirkung von Naͤſſe und Waͤrme leicht wieder die Aufloͤ-
ſung in dieſen Schleim vor ſich gehen und eine wunde
Flaͤche ſich zeigen kann. Auf dieſe Weiſe nun, und nicht
durch Erhebung der Epidermis zu Blaſen, oder durch mecha-
niſche Zerſtoͤrung wie bei Erwachſenen, entſteht das Wund-
ſeyn der Kinder, und zwar vorzuͤglich da, wo Hautfalten
dicht aneinander liegen, bei fetten Kindern, bei boͤsartigen
Fiebern, oder wo Fehler der Saͤfte von ungeſunden Aeltern
auf das Kind uͤbergegangen ſind, oder endlich (und am haͤu-
figſten) bei ſchlechter Pflege, Unreinlichkeit und Naͤſſe. —
Die aͤrztliche Behandlung muß hautſaͤchtlich auf Beſeitigung
dieſer Gelegenheitsurſachen gerichtet ſeyn; oͤrtlich iſt nichts
als ſtrenge Reinlichkeit, erlangt durch oͤftere, mit dem Infus.
Hb. serpilli, absinthii
u. ſ. w. verſtaͤrkte Baͤder, und flei-
ßiges Auswaſchen der wunden Stelle mit aͤhnlichen Aufguͤſſen,
worauf ſtets die Stelle ſorgfaͤltig abgetrocknet und mit Semen
lycopodii
eingeſtreut werden muß, anzuordnen, auch darauf
zu achten, daß keine ſchaͤdlichen Mittel als Bleiweiß oder
Bleiwaſſer, angewendet werden.


5. Verhaͤrtung des Zellgewebes.

§. 1697.

Eine der ſeltenſten Krankheiten neugeborener Kinder, bei
welcher die Hautflaͤche erſt an einzelnen Stellen, z. B. an
den Schenkeln, auf den Wangen u. ſ. w., ſpaͤterhin aber am
ganzen Koͤrper ſich holzig, hart und kalt anfuͤhlt; dabei iſt
die Haut blaulich roth, wenig geſchwollen, das Kind nimmt
keine Nahrung, die Ausleerungen erfolgen unordentlich, und
[630] meiſtens ſtirbt das Kind in kurzer Zeit. — Ueber die naͤchſte
Urſache hat man verſchiedene Meinungen: man hat die Krank-
heit bald als einen Ausgang roſenartiger Entzuͤndung, bald
als Krampf, bald als ſyphilitiſch betrachtet; ich habe ſie hin-
gegen fruͤher ſchon *) vielmehr als Folge eines Geſunkenſeyns
der Lebensthaͤtigkeit im Allgemeinen und im Hautſyſtem ins-
beſondre dargeſtellt, und ſie dem Marasmus senilis oder dem
ſogenannten Abſterben der Finger verglichen; — eine Mei-
nung in welcher mich noch die ſeitdem oft gemachte Beob-
achtung beſtaͤrkt hat, daß bei fruͤhzeitig geborenen, atrophiſch
ſterbenden Kindern, faſt ſtets dieſe holzartige Feſtigkeit der
Hautflaͤche, verbunden mit einem Sinken der Temperatur,
mehrere Tage vor dem Tode bemerkbar wurde, wenn auch
nicht in ſo hohem Grade als bei der ausgebildeten Krankheit.
Gelegenheitsurſachen ſind vorzuͤglich ſchlechte Pflege, Erkaͤl-
tung, und beſonders die zu fruͤhe Geburt. — Wegen der
erſtern Schaͤdlichkeiten hat man ſie immer vorzuͤglich in Fin-
delhaͤuſern beobachtet. — Die Prognoſe iſt aͤußerſt unguͤnſtig.
— Ruͤckſichtlich der Behandlung hat man von den die
Funktion der Haut kraͤftiger hervorrufenden Mitteln, als aro-
matiſchen Baͤdern, fluͤchtig reitzenden Einreibungen und beſonders
Veſikatorien den meiſten Erfolg geſehen; innerlich wuͤrden
Liq. Mindereri, Liq. C. C., Spiritus nitri dulc., Vin.
antim.
und aͤhnliche Mittel vorzuͤglich empfohlen werden
muͤſſen.


c. Unterleibskrankheiten.

Koliken, Indigeſtionen, Obſtruktionen, Durchfall.

§. 1698.

Die veraͤnderte Ernaͤhrungsweiſe des Kindes und die
Reizbarkeit des Darmkanals disponiren Neugeborene vorzuͤg-
[631] lich zu den genannten Zufaͤllen, fuͤr welche ſodann Erkaͤltun-
gen, unordentliche Darreichung der Nahrung, ungeſunde Mut-
ter- oder Ammenmilch, Genuß ſchwerer, unverdaulicher Speiſen
(Mehlbrei, Kaffee u. ſ. w.), unnoͤthigerweiſe angewendete Arz-
neimittel (wohin die ohne) Unterſchied gegebenen abfuͤhrenden
Saͤftchen mit gerechnet werden muͤſſen) Unreinlichkeit u. ſ. w.
die Gelegenheitsurſachen abgeben. — Indigeſtionen und Ko-
liken charakteriſiren ſich vorzuͤglich durch Aufblaͤhung des Lei-
bes, anhaltendes Schreien und Unruhigſeyn, ſaures Erbrechen,
gruͤne, ſchleimige, ſaure Ausleerungen, oft ſich hinzugeſellende
Aphthen, Gelbſucht, Verſtopfung, Heraufziehen der Schenkel
an den Leib und andere krampfhafte Erſcheinungen. — Die
Behandlung muß hierbei vorzuͤglich auf Entfernung der Ge-
legenheitsurſachen gerichtet ſeyn; eine beſſere Diaͤt und Pflege
ſind anzuordnen, die Milch der Stillenden iſt zu unterſuchen,
und der letztern nach den Umſtaͤnden eine Gabe des genann-
ten Ammenpulvers oder ein anderes zweckmaͤßiges Mittel zu
reichen. — Bei dem Kinde ſind theils Lavements und leichte
abfuͤhrende Mittel, theils Kamillenbaͤder, Cataplasmata mit
den Specieb. resolvent. uͤber den Unterleib, einige Theeloͤffel
von Infus. flor. chamom. rom. oder Hb. menth. pip.
u. ſ. w. mit Nutzen anzuwenden. Immer hat man uͤbrigens
Urſache mit der Beſeitigung dieſer Zufaͤlle zu eilen, da ſie
bei laͤngerer Dauer ſo leicht atrophiſche Zuſtaͤnde hervorrufen.


§. 1699.

Was ferner die Obſtruktionen betrifft, ſo ſind ſie bei
neugeborenen Kindern beſonders nachtheilig, bewirken Gelb-
ſucht, apoplektiſche Anfaͤlle, krampfhafte Zufaͤlle u. ſ. w. —
Auch die Obſtruktion iſt vorzuͤglich die Folge unzweckmaͤßiger
Pflege und Nahrung, und ſtellt ſich daher namentlich bei
Kindern welche ohne Bruſt aufgezogen werden, leicht ein,
kann indeß zuweilen auch die Folge vorhergegangener Gewoͤh-
nung an Lavements oder Abfuͤhrmittel, oder die Folge gewiſ-
ſer entweder im Fetusalter oder erſt nach der Geburt entſtan-
dener organiſcher Fehler, als Darmverengerungen, Intusſuscep-
[632] tionen u. ſ. w. ſeyn. — Im letztern Falle iſt gewoͤhnlich nur
eine palliative Behandlung moͤglich, und das Uebel wird mei-
ſtens in kurzem toͤdtlich. Bei anderweitigen Urſachen muͤſſen
dieſe genau beachtet und beſeitigt, eine zweckmaͤßigere Diaͤt
und mehr verduͤnnende Getraͤnke (Zuckerwaſſer, Tamarinden-
molken u. ſ. w.) angeordnet werden; fuͤr den Moment aber
iſt die Entleerung des Darmkanals alsbald durch Abfuͤhrmit-
tel oder Lavements zu bewerkſtelligen.


§. 1700.

Ruͤchſichtlich der Diarrhoͤe neugeborener Kinder, ſo iſt
dieſe, dafern ſie nicht zu heftig erſcheint, kein gefaͤhrlicher Zu-
fall, vielmehr in vielen Faͤllen, z. B. bei Erkaͤltungen, beim
Zahndurchbruch, nach Indigeſtionen u. ſ. w. ein heilſames, von
der Natur ergriffenes Erleichterungsmittel. Bei der Behand-
lung dieſes Zufalls iſt daher zunachſt darauf, daß dieſe oͤf-
tern Ausleerungen nicht zu ploͤtzlich unterdruͤckt, und vielleicht
gefaͤhrlichere Krankheitszuſtaͤnde dadurch erſt veranlaßt werden,
Ruͤckſicht zu nehmen, weßhalb denn ſtets die gelindern Mittel
den Vorzug verdienen, und hauptſaͤchlich vor der unvorſichtigen
Anwendung des Opium dringend gewarnet werden muß. —
Auch hier muß daher zunaͤchſt die Beruͤckſichtigung der Gele-
genheitsurſachen, und Verbeſſerung der Diaͤt und Pflege, Haupt-
augenmerk des Arztes ſeyn. Um den zu haͤufigen Ausleerun-
gen ſelbſt Schranken zu ſetzen, empfehlen ſich vorzuͤglich die
warmen Umſchlaͤge uͤber den Leib, oder das Emplastrum
aromaticum,
einige Loͤffel Zimmtthee, oder eine Miſchung
von aromatiſchen Waͤſſern, Gummiſchleim mit einigen Tropfen
der Essentia macis oder des Liq. C. C.


§. 1701.

Entwickeln ſich endlich von dieſen oder aͤhnlichen Unter-
leibskrankheiten atrophiſche Zuſtaͤnde, magert das Kind
ab, nimmt es ſeine Nahrung nicht ordentlich, ſchlaͤft es wenig
u. ſ. w. ohne daß doch ein beſtimmtes Lokalleiden mehr vor-
handen waͤre, ſo muß man der Reproduktion auf alle Weiſe
[633] zu Huͤlfe kommen: die Anwendung der leichtern bittern Mittel
mit aromatiſchen Waͤſſern, die Laͤndluft, die Baͤder mit dem
Aufguſſe der Hb. melissae, serpilli u. ſ. w., die Milch- oder
Malzbaͤder, das Waſchen mit Wein, die Sorge fuͤr eine gute
Amme oder ſonſtige moͤglichſt zweckmaͤßige Nahrung, wird
dann Hauptaugenmerk des Arztes ſeyn muͤſſen.


d. Krankheiten der Harnwege.

Harnloſigkeit und Harnſtrenge(Anuria, Stranguria).

§. 1702.

Die von Feiler ſogenannte Harnloſigkeit bezeichnet ei-
nen Zuſtand wo das Kind durchaus keinen Urin laͤßt. Er
iſt entweder abhaͤngig von Atreſien (ſiehe davon oben das
Naͤhere), oder Fortſetzung des Fetuszuſtandes ruͤckſichtlich noch
nicht eingetretener Ausſcheidung der Nieren. Ich habe dieſes
letztere mehrfach beobachtet, und es ganz gefahrlos gefunden,
auch immer geſehen, daß am zweiten oder dritten Tage nach
der Geburt doch das Uriniren erfolgte. Iſt man daher uͤber-
zeugt, daß keine Atreſie vorhanden ſey, ſo kann man dieſen
Zuſtand ruhig der Natur uͤberlaſſen. Anders iſt es wenn bei
aͤltern Kindern, durch Krampf oder Entzuͤndung, Urinverhal-
tung eintritt, die Blaſe aufgetrieben gefuͤhlt wird, nur wenige
Tropfen Urin abgehen, und das Kind durch anhaltendes
Schreien heftige Schmerzen zu erkennen giebt. Dieſer Zu-
ſtand iſt allerdings gefahrdrohend, und muß ſonach durch aͤhn-
liches Verfahren wie z. B. bei Woͤchnerinnen baldigſt beſei-
tigt werden. Man giebt lauwarme Baͤder, erweichende Lave-
ments, macht erweichende, antiſpaſtiſche Umſchlaͤge und Einrei-
bungen auf die regio hypogastrica, und wendet innerlich das
Semen lycopodii (z. B. nach Hufeland zu Ӡii mit ℥iß
Syrup. Althaeae und ℥ii Waſſer) an.


[634]
e. Krankheitszuſtaͤnde des Nabels.

1. Wundſeyn.

§. 1703.

Vorzuͤglich bei unzweckmaͤßiger Behandlung, zu zeitigem
Abreißen und unzweckmaͤßigem Verbande des Nabelſtranges
und ſeiner Inſertionsſtelle, bilden ſich an letzterer oͤfters ober-
flaͤchliche Eiterungen, ſchwammige Auswuͤchſe und groͤßere ex-
coriirte Stellen. — Iſt es blos eine oberflaͤchliche Eiterung
oder Excoriation, ſo hebt ſie fich bald, wenn man eine Com-
preſſe mit rothem Wein oder Infus. absinthii oder Spiritus
serpilli
befeuchtet, an eine breite Nabelbbinde heftet und auf
dem Nabel befeſtigt. Reſte des Nabesſtranges oder groͤßere
ſchwammige Auswuͤchſe machen das Abbinden durch einen
gewichſten Seidenfaden noͤthig; kleinere Schwammgewaͤchſe for-
dern das Aufſtreuen eines Pulvers von drei Theilen Amy-
lum
und einem Theile Mereur. praecipit. rub., oder das
Betupfen mit Lapis infernal. — Uebrigens iſt auch in die-
ſen Faͤllen ſtrenge Reinlichkeit, oͤfteres Baden und Aufdecken
einer aͤhnlichen Compreſſe nothwendig. —


2. Nabelbruͤche.

§. 1704.

In Folge des Zuges am Nabelſchnurreſte, des anhalten-
den Wundſeyns, des zu feſten Wickelns, des haͤufigen Schreiens
u. ſ. w. entwickeln ſich zuweilen auch ſpaͤterhin bei neugebo-
renen Kindern Nabelbruͤche, wobei die Bruchgeſchwulſt durch
den erweiterten Nabelring oft ½ Zoll bis 1 Zoll und daruͤ-
ber ſich hervorhebt. Die einfachſte und ſtets baldige Heilung
bewirkende Behandlung kleiner Nabelbruͤche neugeborner Kin-
der iſt aber, daß man eine kleine in ein Leinwandſtuͤckchen
geſchlagene Muͤnze auf den ſorgfaͤltig zuruͤckgebrachten Nabel-
bruch durch ein groͤßeres auf Leder geſtrichenes, gut klebendes
Heftpflaſter befeſtigt. Bei ſehr verlaͤngerten Nabelbruͤchen hat
man auch das Abbinden des Nabelbruchs mit gutem Erfolg
angewendet, obwohl man hierbei immer (da die Erweiterung
[635] des Nabelringes dadurch nicht augenblicklich mit gehoben
werden kann) noch nach abgeloͤßtem Bruchſacke die Nabel-
ſtelle durch Compreſſen, mit ſpirituoͤſen Mitteln befeuchtet, un-
terſtuͤtzen muß. — Das Verfahren bei dieſer Abbindung be-
ſchreibt Richter*) ſehr kurz und zweckmaͤßig in folgenden
Worten: „Nachdem der Bruch ſorgfaͤltig zuruͤckgebracht iſt,
legt man einen gewaͤchſten Faden um die Grundflaͤche der
Geſchwulſt, jedoch nur maͤßig feſt, ſo daß er zwar Entzuͤndung,
und mittelſt derſelben eine Cohaͤſion erregt, ſich aber nicht ab-
ſondert. Dieſer erſte Faden erregt gewoͤhnlich wenig Schmer-
zen. Wenn dieſer Faden locker wird, gemeiniglich den dritten
Tag, legt man einen zweiten etwas feſter an, worauf die
Schmerzen etwas lebhafter werden. Den vierten Tag werden
die unterbundenen Theile gewoͤhnlich ſchwarz, und den achten
ſondern ſie ſich ab. Die kleine Exulceration, welche zuruͤck-
bleibt, trocknet in wenig Tagen.“ **)


f. Krampfhafte Krankheiten.

1. Allgemeine Zuckungen.

§. 1705.

Dieſe bei Saͤuglingen nicht allzuſelten vorkommende Krank-
heit aͤußert ſich durch heftige krampfhafte Bewegungen aller
Gliedmaaßen, Verdrehen der Augen, Aechzen u. ſ. w. und
macht entweder periodiſche Anfaͤlle, iſt wohl von der Mutter
auf das Kind uͤbertragen und kann als wahre Epilepſie be-
trachtet werden, oder ſie wird erſt durch beſtimmte ſchaͤdliche
Einwirkungen hervorgerufen, ohne Neigung zu periodiſcher Wie-
derkehr und bekommt den Namen der Eklampſie. — Das
Weſentliche dieſer Krankheit beruht wohl vorzuͤglich in Stoͤrung
der Funktion des Gehirns und Ruͤckenmarks, welche entweder
idiopathiſch (bei dem angeerbten Uebel z. B.), oder in Folge
krankhafter Stimmungen des Gefaͤßſyſtems, oder durch Erre-
gungen des Ganglienſyſtems bei Unterleibskrankheiten hervor-
[636] gerufen worden, oder endlich auch blos ſymptomatiſch zu an-
dern Krankheiten, Fiebern, Hirnentzuͤndungen, atrophiſchen
Zuſtaͤnden hinzugetreten ſeyn kann. — Die Gelegenheitsurſachen
koͤnnen, wie aus dem Angefuͤhrten hervorgeht, aͤußerſt vielfach
ſeyn: fruͤhzeitige Geburt, ſchlechte Pflege, Erkaͤltungen u. ſ.
w. — Die Prognoſe iſt im Durchſchnitt ſehr mißlich, und
wiederholten heftigen Anfaͤllen unterliegt gewoͤhnlich das Kind
ſehr bald.


§. 1706.

Was die Behandlung betrifft, ſo kann durchaus kein
Mittel oder Verfahren genannt werden, welches als unbedingt
ſpecifiſch huͤlfreich in dieſem Zuſtande anzuſehen waͤre, ſondern
der Arzt muß auch hier auf die naͤchſten Bedingungen des
Krankſeyns Ruͤckſicht nehmen, und wird darnach bald ein an-
tiphlogiſtiſches, bald ein gaſtriſches, bald ein rein antiſpas-
modiſches Heilverfahren anzuwenden ſich genoͤthigt finden, wel-
che Faͤlle ſaͤmmtlich einzeln zu eroͤrtern uns hier zu weit fuͤh-
ren wuͤrde. Als allgemeinguͤltige Behandlungsregeln ſind da-
her nur zu erwaͤhnen: daß man die Anfaͤlle durch Anwen-
dung aͤußerer beruhigender Mittel, als der warmen Baͤder
mit dem Infus. Flor. Chamom. oder R. Valerianae, der Fo-
mentationen, Einreibungen vom Ol. Hyoscyami, der beruhi-
genden Lavements u. ſ. w. zu mindern und abzukuͤrzen ſuche,
die freien Zwiſchenraͤume aber vorzuͤglich zur Anwendung der
kraͤftig und ſchnell wirkenden angezeigten Mittel benutze, un-
ter welchen als Antispasmodica, nach beruͤckſichtigten anti-
phlogiſtiſchen oder gaſtriſchen Indicationen, namentlich 1 bis
2 Tropfen von dem Laud. liq. S. oder Liq. C. C. mit einem concen-
trirten Infus. Valerian. und dem Moschus oben an ſtehen.


2. Kinnbackenkrampf.

§. 1707.

Man bemerkt hierbei eine ploͤtzlich eintretende, anfaͤng-
lich oft nur periodiſch erſcheinende, ſpaͤterhin anhaltende Un-
[637] beweglichkeit der Kinnladen, wobei ſie theils dicht, theils in
einiget Entfernung von einander, fixirt ſind. Das Kind wird
verhindert zu ſaugen und zu ſchlucken, und ſtirbt gewoͤhnlich,
wenn das Uebel nicht ſchnell gehoben werden kann, in kur-
zem. — Auch dieſes Uebel, obwohl zunaͤchſt durch Stoͤrun-
gen im Nervenſyſteme bedingt, hat ſehr verſchiedene entferntere
Veranlaſſungen, denn es kann eben ſowohl als Symptom in-
nerer Entzuͤndungen, vorzuͤglich der Hirnentzuͤndungen, vorkom-
men, als es in andern Faͤllen Folge aͤußerer, vielleicht waͤh-
[rend] der Geburt erlittener Verletzungen, oder krankhafter Er-
regungen des Ganglienſyſtems iſt. — Die Prognoſe muß
hierbei im Allgemeinen noch unguͤnſtiger als bei den vorher
betrachteten Convulſionen genannt werden. Ruͤckſichtlich der
Behandlung endlich muͤſſen vollkommen dieſelben Regeln, wel-
che im vorhergehenden §. dargelegt worden ſind, auch fuͤr
dieſes Leiden befolgt werden. Rathſam iſt es hierbei, nur
theils die aͤußerlich anzuwendenden Mittel (innerliche koͤnnen
ſo, außer durch Lavements, faſt nie beigebracht werden) mehr
gegen den leidenden Theil zu dirigiren (z. B. Einreibungen
einer Opiatſalbe, [Fomentationen] u. ſ. w.), theils ableitende Reitze,
als Veſikatorien im Nacken, nicht zu uͤbergehen, und [endlich],
bei laͤnger anhaltendem Trismus, auf Unterſtuͤtzung der Repro-
duktion durch naͤhrende Baͤder aus Milch, Malzdekokt oder
Fleiſchbruͤhe, Ruͤckſicht zu nehmen.


[638]

Appendix A Erklaͤrung
der zum zweiten Theile gehoͤrigen 2ten und 3ten Tafel.


TafelII.


Erſte Entwicklungsgeſchichte der menſchlichen Frucht in idea-
len
, auf die Lehren der menſchlichen und vergleichenden
Anatomie gegruͤndeten (ſehr vergroͤßerten), Abbildungen.


Fig. I. erſter Eikeim nach geſchehenem Eintritt in den
Uterus. a Dotterblaſe (Darmblaſe, Nabelblaſe). b Aeußere Huͤlle
(Chorion), an welcher die aufſaugenden Faͤſerchen ſich zeigen.
c Keimpunkt des Embryo.


Fig. II. Derſelbe ohngefaͤhr aus der zweiten Schwan-
gerſchaftswoche. a Darmblaſe. b Chorion, an deſſen Faſern
die aufſaugenden Bulbi ſichtbar werden. c Die auf der Darm-
blaſe ſichtbar werdenden Gefaͤßchen (Vasa omphalo-mese-
raica
und zwar zunaͤchſt Vena omphalo-mes. als Wurzel
der Pfortader). d Das, um das Rudiment des der Darmblaſe noch
dicht anliegenden Embrios (die Wirbelſaͤule, Carina), ſich bil-
dende Amnion.


Fig. III. Derſelbe ohngefaͤhr aus dem Beginn der
vierten Schwangerſchaftswoche. a Darmblaſe, jetzt ſchon in
den unter dem Herzpunkte verlaufenden Magendarm (h) und
den Afterdarm (g) uͤbergehend. b Vena und Arteria om-
phalo-meseraica. e
Die aus der Beckengegend hervorkei-
mende Allantois mit den Nabelſchlagadern. d Embryo. e Am-
nion. f Chorion, an welchem ſich die Saugfaſern in der Ge-
gend der Darmblaſe (gleichſam der Wurzel des Embryo) ſtaͤr-
ker entwickeln (f').


Fig. IV. Dieſelbe Frucht ſtaͤrker vergroͤßert, ohnge-
faͤhr aus der ſechsten Schwangerſchaftswoche.


a Chorion. b Groͤßere Saugfaſern deſſelben (die Stelle
der kuͤnftigen Placenta andeutend). c Allantois, welche den
ganzen Raum zwiſchen Chorion und Amnion ausfuͤllt. d Am-
nion. e Urachus. e' Harnblaſe. f Darmblaſe. g Verbin-
[639] dungskanal derſelben mit dem Darm (Ductus vitello-intes-
tinalis,
welcher nach Oken zum Processus vermiformis
obliterirt) h Vena umbilicalis. ii Arteriae umbilicales.
(Dieſe Gefaͤße welche zunaͤchſt an der Allantois gegen das
Chorion herauf wuchſen, verbreiten ſich nun ganz in Chorion).
l Vena omphalo-meseraica (Pfortader). k Arteria om-
phalo-meseraica
(beide Gefaͤße beginnen nun, ſo weit ſie auſ-
ſerhalb des Leibes verlaufen, zu obliteriren, was mit den ei-
gentlichen Nabelgefaͤßen erſt nach der Geburt geſchieht). m
Magendarm. m' Afterdarm. n Herz. o Keim der obern,
p Keim der untern Extremitaͤt.


Tafel III.


Fig. I. a Mein gewoͤhnliches auch fuͤr die Hebammen
eingefuͤhrtes Geburtskiſſen. Es wird in der Mitte mit Stroh
ausgeſtopft, oben mit Kaͤlberhaar bedeckt, am Rande des Aus-
ſchnittes (b) mit Roßhaar belegt, und mit derbem Zwillich
uͤberzogen. — c Gepolſterter Lederring, durch eine lederne ver-
ſchiebbare Schlinge (d) an den zuſammenzuſchnallenden Rie-
men e befeſtigt. — Das untere Ende dieſer Riemen (f) wird
um den Bettpfoſten geſchlungen.


Fig. II. a Oſiander’sDilatatorium mit meiner
Abaͤnderung ruͤckſichtlich der Feder zwiſchen den Griffen. (von
vorn geſehen). b Zeigt einen Arm deſſelben von der Seite.


Fig. III. Ein einfaches unſchaͤdliches Werkzeug bei un-
gewoͤhnlichen Faͤllen zum Sprengen der Eihaͤute zu gebrauchen.
a Daſſelbe von vorn, b die kleinen horizontalen Scheerenblaͤt-
ter in natuͤrlicher Groͤße, c die Beckenkruͤmmung deſſelben.


*) Fig. IV. a. Roonhuyſen’s Hebel, durch de Bruin
beſchrieben.


*) Fig. IV. b. Lowder’s Hebel.


*) Fig. V. Palfyn’s Zange aus zwei zuſammengebun-
denen Hebeln.


*) Fig. VI. Smellie’s Zange (die Loͤffel mit Leder
umwickelt). (Beide ohne Beckenkruͤmmung).


[640]

Fig. VII. a. Boër’s etwas vergroͤßerte Zange mit
elliptiſchen Fenſtern. Man wird wohl thun, zu den zwei Zan-
gen mit denen das obſtetriciſche Beſteck verſehen ſeyn wuß,
eine von dieſer Laͤnge (15 Zoll) fuͤr ungewoͤhnliche Faͤlle, und
eine um 1 ½ Zoll kuͤrzere (wo das zwiſchen den * * einge-
klammerte Stuͤck wegfaͤllt) zum gewoͤhnlichen Gebrauche zu
waͤhlen. b Der weibliche Arm, um die Beckenkruͤmmung zu
zeigen.


Fig. VIII. Das Levret’ſche Perforatorium mit zu-
ſammenſchließenden Griffen.


** Fig. IX. Das Joͤrg’ſche Perforatorium; a die
Scheide, b die Spindel mit der Trepankrone und dem an die
Scheide zu ſchraubenden Stuͤck.


Fig. X. a Boër’s Excerebrationspincette. b Ein Loͤf-
fel derſelben von außen, c von innen.


Fig. XI. Smellie’s ſtumpfer Haken.


Fig. XII. Ende von Smellie’s ſcharfem Haken; a
von der Seite, b von vorn.


Der beigefuͤgte Zollſtab iſt fuͤr Fig. II. III. VII. VIII.
X.
und XI. guͤltig.


Die in der Erklaͤrung mit * bezeichneten Abbildungen
ſind aus Mulder’s Geſchichte der Zangen und Hebel. Die
Fig. mit ** aus Joͤrg’s Schriften zur Befoͤrderung der
Kenntniß des Weibes. Thl. II. Tafel 2 entlehnt.


[641]

Appendix B Druckfehler.


  • Seite 14 Zeile 7 u. 8 von oben ſtatt Gravitas u. Gravidas lies Graviditas
  • — 32 — 1 v. unten ſtatt welchem l. welcher
  • — 72 — 7 — oben — ſten l. feſten
  • — 93 — 1 — oben — duͤnnen l. duͤnne
  • — 116 — 15 — unten — rechten l. linken
  • — 141 — 18 — oben — hervorgeſtellt l. hergeſtellt
  • — 150 — 15 — oben — ) l. (
  • — 166 — 12 — unten — unterwerfen l. unterworfen
  • — 181 — 15 — oben — Uringefaͤße l. Uteringefaͤße
  • — 207 — 1 — unten — zuruͤcklaſſen l. zuruͤckzulaſſen
  • — 227 — 12 — oben — Ichurie l. Iſchurie
  • — 240 — 15 — oben — Sinapiesmen l. Sinapismen
  • — — — 7 — unten — Stuͤlz l. Stuͤtz
  • — 288 — 12 — oben — hale l. habe
  • — 341 — 6 — unten — Zagengriffe l. Zangengriffe
  • — 352 — 12 — oben — Kreuzbeinss l. Kreuzbeins
  • — 404 — 6 — unten — 1. l. 2.
  • — 451 — 5 — — — die Aufſpringens, und des lies des
    Aufſpringens, und die
  • — 452 — 6 — oben — Perinde l. Periode
  • — 462 — 16 — oben — kuͤnnen l. koͤnnen
  • — 466 — 14 — unten — aͤußern l. der aͤußern
  • — 495 — 5 — oben — III l. 2
  • — 528 — 2 — unten — Entzuͤndurg l. Entzuͤndung
  • — 538 — 11 — — — Laukorrhoͤe l. Leukorrhoͤe
  • — 554 — 8 — oben — des deſſelben — deſſelben
  • — 565 — 8 — unten — Acetabalo l. Acetabulo
  • — 578 — 10 — oben — Flecken l. Flocken
  • — 616 — 7 — unten — Blutgeſchwuͤſte l. Blutgeſchwuͤlſte
  • — 616 — 3 — — — Fluktion l. Fluktuation
  • — 624 — 13 — oben — Baumvolle l. Baumwolle
  • — 629 — 15 — — — hauptſaͤchtlich l. hauptſaͤchlich

Noch leſe man in der Vorrede zum erſten Theil Seite IV Zeile 4 von
unten ſtatt Schmidmuͤller — Schmidtmuͤller.



[642]
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[figure]
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Notes
*)
Im Texte irrig mit III. bezeichnet.
*)
Hierbei iſt S. 537. das angefuͤhrte Citat alſo zu vervollſtaͤndigen:
J. G. Walter Betrachtungen uͤber d. Geburtstheile des weibli-
chen Geſchlechts. Berlin 1776. S. 11.
*)
von deſſen Handbuche der Entbindungskunſt nunmehr
3 Abtheilungen erſchienen ſind.
**)
von deſſen Handbuche d. Geburtshuͤlfe 1820 eine neue ganz um-
gearbeitete Auflage erſchienen iſt, welche auch den Titel fuͤhrt:
Ueber das phyſiologiſche und pathologiſche Leben des Weibes 1. Th.
*)
Man waͤhlt dieß allgemeine Wort wohl richtiger als das ſchon
eine beſtimmte Anſicht des Herganges ausdruͤckende Befruch-
tung
oder Erzeugung.
*)
S. ein Beyſpiel dieſer Art in der Salzb. med. chir. Zeitung 1804
Nr. 94. — Das Weitere davon ſ. unten in der Pathologie des
Foͤtus.
*)
Sehr vollſtaͤndig iſt die Ueberſicht der Zeugungstheorien, welche
in Pierer’s anatom. phyſiol. Real-Woͤrterbuche Th. III. S. 802.
gegeben wird.
*)
S. mein Lehrb. der Zoot. S. 611. und Kieſer’s Grundzuͤge
der Anatomie der Pflanzen S. 192.
*)
S. hieruͤber den I. Th. S. 105 und 225. Auch fuͤhrt Champion
(Journal universel des sciences medicales Mai 1819. p. 241.)
einen merkwuͤrdigen Fall an, wo eine Frau, deren Hymen bis auf
eine kleine kaum eine Sonde ſchief durchlaſſende Oeffnung verwachſen
war, dennoch ſchwanger wurde.
*)
[Oſiander’s] Hantbuch der Entbindungskunſt Th. I. S. 252.
Ein Fall, welcher [als] Beſtaͤtigung dieſer Meinung dienen ſoll, iſt
von Wendelſtadt in Hufeland’s Journal 1818. 2s Stuͤck
mitgetheilt.
*)
Von dieſen falſchen gelben Koͤrpern gelten auch H. Joͤrg’s Bemer-
kungen in d. Grundlinien zur Phyſiologie des M[e]nſchen I. Thl.
S. 151. — Selbſt die Blaſenwaſſerſucht, an welche zuweilen die
Eierſtoͤcke leiden kann, als durch An[h]aͤufung und Vergroͤßerung
ſolcher Eiblaſen entſtanden, betrachten werden. S. 1r Theil
S. 406.
*)
S. z. B. Friedlinder’s (uͤber die koͤrperliche Erziehung d. Men-
ſchen, uͤberſ. Leipzig 1819. S. 16.) Tabellen uͤber die Geburten in
Paris.
**)
Annalen der Entbindungs-Lehranſtalt, 2r Bd.
*)
Man ſehe hieruͤber die intereſſanten Beobachtungen von Teſſier
(im Auszuge im 3. Heſte der Iſis 1818. S. 421). — Bei 575
Kuͤhen, deren mittlere Traͤchtigkeitszeit 303 Tage ausmachte, war
doch die Verſchiedenheit ſo groß, daß ſie bis 81 Tage betrug. Von
277 Stuten waren 390 Tage die mittlere Dauer, und zwiſchen
laͤngſter und kuͤrzeſter Tragezeit ein Unterſchied von 97 Tagen. Bei
912 Schafen war die mittlere Tragezeit 152 Tage, und der Un-
terſchied zwiſchen laͤngſter und kuͤrzeſter Tragezeit betraͤgt nur 15
Tage u. ſ. w.
**)
Die Tabellen, welche ich in unſerer Entbindungsanſtalt uͤber
Dauer der Schwangerſchaft fuͤhren laſſe, enthalten hiervon zahl-
reiche Beiſpiele.
*)
Hierher die Fabel von der Graͤfin von Henneberg, welche einmal
365 Kinder geboren haben ſollte.
**)
Handb. d. Enth. 1r Thl. S. 320.
***)
S. deſſen Bemerkungen uͤber franzoͤſiſche Geburtshuͤlfe u. ſ. w.
1813.
*)
M. ſ. Roose de superfetatione nonnulla Brem. 1801. — Var-
rentrapp
Commentarius in Roose de superfecundatione. — La-
chausse
de superfetatione in utero duplici. Argent.
1756.
*)
S. [Baudelocque] Anleit. z. Entbindungskunſt II. Thl. S. 313.
Beiſpiel einer Frau in Guadeloupe, und Lpz. polit. Zeit. vom 15
Mai 1819. Beiſpiel einer Frau in Paris.
*)
Ein ſehr merkwuͤrdiges Praͤparat dieſer Art findet ſich in der
Sammlung der hieſigen Entbindungsanſtalt.
**)
Baudeloque’s Entbindungskunſt v. MeckelII. Thl. 316.
*)
So von H. Joͤrg Grundlinien der Phyſiologie. 1r Theil,
S. 242.
*)
Wegen ſeiner Aehnlichkeit mit einer kleinen Made, oft Galba genannt.
*)
So hat Hunter es abgebildet (Anatomia uteri humani gravidi. Fol.
XXXIV. f. VI
folgd. und ſo Home es neuerlich beſchrieben, ſ.
Meckel’s deutſches Archiv f. Phyſ. IV. Bd. II. Heft.
*)
S. den letzten Abſchnitt in meinem Lehrbuche der Zootomie.
**)
Das Nabelblaͤschen wird auch von Doͤllinger (Meckels Archiv
II. Bd. S. 401. als eins mit dem Graaf’ſchen Blaͤschen betrachtet.
Doch ſcheinen mir die uͤbrigen an jenem Orte dargelegten Annah-
men dieſes trefflichen Phyſiologen uͤber die Bildung des Embryo’s
allzuwillkuͤhrlich. Daß uͤbrigens der Dotterſack und die Nabelblaſe
wirklich Uranfang des Darmkanals iſt, das laͤßt ſich beſonders bei
Salamanderlarven mit unwiderleglicher Deutlichkeit darthun (ſ.
Zeitſchrift fuͤr Natur und Heilkunde herausgegeben v. d. chir. med.
Akademie zu Dresden I. Bd. I. Heft S. 138.); eben ſo iſt es
beim Vogel anerkannt und fuͤr Saͤugethiere von Bojanus zu-
erſt entſchieden nachgewieſen worden (Meckel’s Archiv f. Phyſ[.]
IV. Bd. I. Heft.).
*)
So z. B. H. Froriep Handbuch der Geburtshuͤlfe S. 143. und
Andere mehr.
**)
Wenn man hier die Anweſenheit der Blutgefaͤße auch analogiſch
durch Vorhandenſeyn der Adern in dem ſogenannten Chorion
des Vogeleies erweiſen will, ſo iſt dieß darum irrig, weil dieſes
Chorion des Vogels eigentlich blos die Allantois der Saͤugthiere iſt.
*)
S. m. Lehrb. d. Zootomie S. 462 u. f.
**)
Die Nabelarterien, welche neben dem Urachus an der Allantois
ſich herauf bilden, ſtehen ſonach gleich der Pulmonararterie des
durch die Lungen athmenden Kindes, und es ſcheint als wenn eben
der Verdampfungsproceß von Waſſer, welcher ſpaͤterhin durch die
Lungen geſchieht, hier ſich als Ausſcheidung von wirklichen Waſſer
in der Allantois darſtellt, wodurch dieſer Proceß der Abſonderung
der Nieren einigermaßen aͤhnlich wird (m. ſ. hieruͤber auch H. Joͤrg,
(die Zeugung §. 181.).
*)
Auf einen ſolchen Fall von gaͤnzlich mangelnder Nabelſchnur gruͤndet
*)
Salzburg. med. Zeitung 1817. Nr. 52. S. 431.
*)
H. Oſiander die Meinung vom Ernaͤhrtwerden durch die Haut.
S. Goͤtting. gel. Anz. 1818. Nr. 132. Dahingegen H. Meckel
Patholog. Anat. I. Thl. S. 91) die Faͤlle von ganz frei liegenden
Fruͤchten zu den Fabeln zaͤhlt und unter Mangel der Nabelſchnur
nur den hoͤchſten Grad von Kuͤrze verſteht.
*)
Wir kommen auf dieſen Gegenſtand weiter unten zuruͤck.
*)
Anatomia uteri hum. gravid. T. XXXIV. p. VII.
**)
Handb. d. Entbindun[g]sk. II. Thl. S. 488. 489.
*)
H. Oſiander betrachtet das Nabelblaͤschen im Menſchen, wo er
es findet, immer als krankhafte Bildung (Handbuch d. Entbin-
dungsk. II. Thl. S. 503. und an vielen andern Stellen.)
*)
Ioh. Samuel de ovorum mammalium velamentis. Wirzb. 1808.
p. 32.
**)
Ueber die Gruͤnde, nach welchen dieſe außerordentliche Thaͤtigkeit
der Reproduktion zu erklaͤren ſeyn duͤrfte, ſ. meinen Aufſatz uͤber
Reproduktion u. ſ. w. in Meckels Archiv f. Phyſiologie II. Bd.
II. Heft.
*)
Ocken (ſ. Lucina v. SieboldIII. Bd. S. 295.) vergleicht dieſe
Bulbos auch den Darmzotten, glaubt aber, daß ſie blos den Chylus
ins Amnion fuͤhren.
**)
Man hat allerdings oͤfters das Daſeyn von lymphatiſchen Gefaͤßen
im Nabelſtrange, dem Mutterkuchen und den Eihaͤuten vermuthet,
allein nie dieſelben wirklich nachweiſen koͤnnen.
*)
De incremento ossium embryonum Hal. 1802. p. 14.
*)
Bei denen es nur noch nicht mit voͤlliger Beſtimmtheit zu ent-
ſcheiden iſt, ob ſie ihren Chylus in die Nabelvenen oder ins
Amnion und Fruchtwaſſer fuͤhren.
*)
Man ſ. hieruͤber Oken’s Abhandlung im III. Bde. der Lucina
S. 295.
*)
Zuerſt naͤmlich exiſtirt nur linke Vorkammer und Kammer und
ſpaͤterhin bildet ſich erſt das rechte Herz an. Daher iſt das was
ſpaͤterhin foramen ovale wird, anfaͤnglich ein Kanal.
*)
Es iſt ſicher zu weit gegangen, wenn man mit H. Oſiander
dieſen Unterſchied ganz laͤugnet.
**)
Es erhaͤlt dieſen Namen deshalb, weil ſein Abfließen unter der
Geburt zuweilen Veranlaſſung geben kann, daſſelbe fuͤr das eigent-
iche Fruchr- oder Schafwaſſer zu halten.
*)
Zu dem Glauben an dieſes Stuͤrzen ſcheint vorzuͤglich das aller-
dings richtige und merkwuͤrdige Faktum veranlaßt zu haben, daß
die meiſten unzeitigen Geburten als Steis- oder Fußgeburten ver-
laufen. Allein es fragt ſich, ob nicht vielmehr anzunehmen iſt, daß
regelwidrig liegende Fruͤchte leichter zu zeitig ausgeſtoßen werden?
*)
Woher ruͤhrt wohl dieß Winden der Nabelſchnur? bei Zwillingen
in einer Hoͤhle fand man ſogar beide Nabelſchnuren zuſammen ge-
dreht. Hat etwa der menſchliche Embryo eine gewiſſe rotirende
Bewegung? —
*)
S. Smellie Tabulae anat. fol. T. X.
**)
S. v. Siebold’s Lucina III. Bd. I. Stck. S. 19.
*)
Aufſaͤtze uͤber phyſiologiſche und praktiſche Gegenſtaͤnde der Ge-
burtshuͤlfe S. 109.
*)
S. einen Fall dieſer Art bei WrisbergCommentationes medici
physiologici, anatomici etc. argumenti Gotting. 1800. Vol. I. p.
50)
**)
Im Jahr 1818 kamen ſechsmal dergleichen Knoten ohne Nachtheil
zu veranlaſſen in meiner Anſtalt vor.
*)
Außer mehrern Anatomien (z. B. Hildebrandts Lehrb. d. Anat.
IV. 10 Buch 55. Kap. II.) und Phyſiologien verweiſe ich vorzuͤglich
auf E. G. Danz Grundriß der Zergliederungskunde des neugebor-
nen Kindes 2r Bd. 1792. u. 93. — Auch ſ. m. hieruͤber S.
Ch. Lucaͤ Grundriß einer Entwickelungsgeſchichte des menſchlichen
Koͤrpers. 1819.
*)
Es iſt merkwuͤrdig, daß dieß ungefaͤhr der linken Arteria subclavia
gegenuͤber geſchieht, wenn man bedenkt, daß der linke Arm meiſt
ſchwaͤcher als der rechte iſt.
*)
a. a. O. S. 80.
**)
S. in Meckel’s Archiv f. Phyſiol. I. Bd. 1s Heft, S. 154.
Leclard’s angebliche Beobachtungen hieruͤber.
***)
Hierauf gruͤndet ſich die gewoͤhnliche Lungenprobe, da Lungen,
welche geathmet haben, im Waſſer ſchwimmen, jedoch darf davon
nur mit gehoͤriger Umſicht Gebrauch gemacht werden, da z. B.
faule Lungen auch zuweilen ſchwimmen u. ſ. w.
****)
Hierauf gruͤndet ſich Ploucquet’s Lungenprobe, indem im
Durchſchnitt (nach Schmitt) die Schwere von Lungen welche ge-
athmet haben, zum Koͤrpergewicht ſich verhaͤlt wie 1: 38; hin-
gegen Lungen, welche noch nicht geathmet haben ſich verhalten
wie 1: 51. Allein fuͤr einzelne Faͤlle iſt dieſe Lungenprobe noch
weit truͤglicher als die erſtere.
*)
Daß uͤbrigens dieſe Flockenhaut nicht zum Ei gehoͤrt, beweiſt der
Umſtand, daß ſie auch bei Schwangerſchaften außer der Gebaͤr-
mutter im Uterus ſich bildet.
*)
Dieſe Gegenſtaͤnde ſind auch vorzuͤglich wichtig, um uͤber die Me-
trorrhagien bei der Geburt eine naturgemaͤße Vorſtellung zu er-
halten. Uebrigens waren auch die Muͤndungen dieſer Venenzellen
ſchon aͤltern Forſchern bekannt; man findet ſie unter andern ſehr
gut abgebildet in B. Müller Uterus gravidus physiologice et pa-
thologice consideratus. Gotting.
1725. 4.
*)
Gewoͤhnlich wird ſie unrein, indeß hat man ſelbſt Faͤlle beobachtet,
wo in der Schwangerſchaft gelbe, ja ſchwarzgelbe Farbe zum Vor-
ſchein kam.
*)
Eine vorzuͤgliche Schrift uͤber die Erkennung der Schwangerſchaft
iſt W. J. Schmitt’s Sammlung zweifelhafter Schwangerſchafts-
faͤlle. Wien 1818.
*)
Man ſehe hieruͤber Reil’s Ideen im VII. Bde. ſeines Archivs
fuͤr Phyſiol. S. 402.
*)
Der eigentliche Hergang der Eroͤffnung des Muttermundes hat
viel Raͤthſelhaftes. Galen ſagt ſchon: Quod os matricis eo us-
que aperiatur, ut possit fetibus facilem praebere exitum, nemo
ignorat; sed quo pacto id accidat, mirari possumus, intelligere
non possumus.
Boͤer ſelbſt (Abhandlungen und Verſ. III. Bd.
S. 208.) welcher obige Stelle als Motto einer Abhandlung aufge-
nommen hat, haͤlt die Wehen mehr fuͤr Veranlaſſungen, als fuͤr
wirkliche Urſachen der Muttermundseroͤffnung. Mit ihm betrachten
mehrere andere Geburtshelfer die allmaͤhlige Muttermundseroͤffnung
fuͤr eine uns noch nicht erklaͤrliche Erſcheinung (faſt wie manche
Phyſiologen die Erweiterung der Pupille). — Bedenkt man aber
recht, welche Wirkungen die Laͤngenfibern im Uterus ausuͤben muͤſ-
ſen, ſo ſcheint dieſe Erweiterung eben ſo wenig unbegreiflich als die
der Magenoͤffnungen oder des Harnblaſenausgangs. Indeß iſt es
allerdings richtig, daß man ſich die Muttermundseroͤffnung
nicht als ein bloßes mechaniſches Auseinandergezerrt-
werden, ſondern als eine durch Mitwirkung der
Contraktionen vor ſich gehende organiſche Bildungs-
aͤnderung der Gebaͤrmutterſubſtanz und Form ſelbſt
vorſtellen muͤſſe
.
*)
Unter 100 natuͤrlichen in unſrer Endbindungsanſtalt nach einander
beobachteten Geburten dauerte z. B. bei 70 Faͤllen die dritte und
vierte Periode zuſammen nur ½ bis 2 Stunden.
*)
Home in Lectures on comparat. Anatomy erzaͤhlt Faͤlle, wo Glied-
maßen nach Verkuͤrzung der Knochen durch Bruͤche erſt gelaͤhmt
waren, aber nachdem ſich die Muskeln an ihre Verkuͤrzung ge-
woͤhnt hatten, ihre Kraft wieder erhielten.
*)
S. auch Hunter Anatomia uteri gravidi T. X. f. III.
**)
Auch fuͤr das Kind ſelbſt iſt uͤbrigens die Geburt der Beginn
wichtiger innerer Umaͤnderungen, welche wir in der Geſchichte des
Wochenbettes, indem wir den Zuſtand des Saͤuglings mit dem des
Fetus vergleichen, naͤher erwaͤgen werden.
*)
Unter 100 Hinterhauptsgeburten z. B. welche nacheinander im
hieſigen Entbindungsinſtitut beobachtet wurden, verliefen 79 als
erſte, 21 als zweite Lage.
*)
Mehrere Geburtshelfer nennen die hier beſchriebene vierte Lage
die dritte, und unſere dritte Lage die vierte; wir glauben hier der
uͤberhaupt an ſich ganz gleichguͤltigen Benennungsart, wie ſie von
H. Joͤrg gewaͤhlt worden iſt, ſchon deshalb folgen zu muͤſſen, weil
deſſen Hebammenbuch fuͤr Sachſen geſetzlich eingefuͤhrt worden iſt.
*)
S. Salzburg. med. chir. Zeitung 1817. Nr. 57.
*)
Wenn man fruͤher blos die Scheitellagen fuͤr die regelmaͤßigen
erklaͤrte, ſo kam dieß wohl daher, daß man jede Geburt, wo ſich
die Pfeilnath zu unterſt fuͤhlen ließ, Scheitelgeburt nannte,
welchen Namen jedoch blos die Geburten, wo die große Fontanelle
zu unterſt ſteht, verdienen.
**)
Vorzuͤglich durch Boër’s trefflichen Aufſatz uͤber Geſichtsgebur-
ten (in. ſ. Verſuchen u. Abhandi. III. Buch) iſt dieſes Vorurtheil
widerlegt worden.
***)
In der Pariſer Maternité verhielt ſich nach J. Fr. Oſiander’s
Mittheilung die Zahl der Geſichtsgeburten zur Zahl der Geburten
uͤberhaupt wie 1 zu 296 ½.
*)
Das Durchſchneiden iſt bei Scheitellagen und Geſichtslagen, indem
ſich der lange Durchmeſſer des Kopfs durch die rima genitalium be-
wegt, immer ſchwieriger, und kann leichter Einriſſe des Dam-
mes veranlaſſen.
*)
Dieſe Wendung ſowohl als der oben erwaͤhnte Sitz der Kopfge-
ſchwulſt, kann demnach als Criterium fuͤr die anfaͤngliche Lage des
*)
Kopfs gelten in Faͤllen, wo der Geburtshelfer vielleicht erſt in der
vierten Periode gerufen worden war, und den Kopf ſchon im gera-
den Durchmeſſer gefunden hatte.
*)
Wir koͤnnen die Geſchichte der natuͤrlichen Geburt nicht verlaſſen,
ohne darauf aufmerkſam zu machen, wie viel haͤufiger Geburten
in die Nacht als in die Tageszeit fallen (unter 200 hinterein-
ander beobachteten natuͤrlichen Geburten fielen z. B. 116 in die
Nacht, 84 in die Tageszeit), und uͤberhaupt iſt das Staͤrkerwerden der
Wehen zur Nachtzeit ſehr haͤufig zu beobachten; welches alles phy-
ſiologiſch
nicht unwichtig iſt.
*)
Verſuche und Abhandlungen. III. Thl. E. 211.
*)
Merkwuͤrdig iſt, daß nach D.Schuͤbler (ſ. Meckel’s Archiv
f. Phyſiol. IV. Bd. 4. Heft.) das Colostrum der Kuͤhe ſtatt wahrer
Butter eine mehr Eigelb- aͤhnliche Subſtanz liefert.
**)
Dieſer Schauer iſt mehr ein in dem Hautorgan ſich verbreitender
krampfhafter, bald voruͤbergehender Zuſtand (ungefaͤhr dem bei Ent-
leerung der Blaſe ſich oͤfters einſtellenden fluͤchtigen Schauer, oder
*)
D.Schuͤbler a. a. O. bemerkte, daß die Kuhmilch gegen Ende
jedes Melkens ſtets auffallend mehr Butter gab, als zu An-
fange, ſo auch die Morgenmilch mehr Rahm als die Abend-
milch.
**)
Hautkrampf aͤhnlich, welcher auch wohl mit bedingt wird vom Ab-
ſondern der hinfaͤlligen Haut im Uterus, indem dergleichen Pro-
zeſſe (man denke an den Froſt bei eintretender Eiterung oder Gan-
graͤn) ſehr haͤufig von aͤhnlichen Symptomen im Hautorgan beglei-
tet werden.
*)
Dieſes iſt es, welches durch Araͤometer beſtimmt werden kann (ob-
wohl Milch einer Frau dazu faſt nie in hinlaͤnglicher Quantitaͤt zu
erhalten iſt), eine Meſſung, welche jedoch uͤber Guͤte der Milch
noch nicht hinlaͤnglich Aufſchluß geben koͤnnte.
*)
Daß die Stillung nicht ganz willkuͤhrlich verlaͤngert werden kann,
ergiebt ſich vorzuͤglich auch daraus, daß offenbar ein gewiſſer Rap-
port zwiſchen der Stillenden und dem Saͤugling Statt finden muß,
um die Milchabſonderung zu unterhalten, wofuͤr die von Home
und Emmert geſammelten Beobachtungen, ſo wie die Erfahrung
ſprechen, daß Ammen zuweilen ploͤtzlich die Milch verlieren, ſobald
ſie ſtatt ihres Kindes, ein anderes einige Zeit geſtillt haben.
**)
Ueber die Daner der Stillungsperiode, Leipzig 1808.
*)
S. Portal’s Bemerkungen in Meckel’s Archiv fuͤr Phyſiol.
IV. Bd. 4. Heft.
*)
Th. Thomson Annals of Philosophy. 1817. Jan. p. 88.
*)
Meckel’s Archiv f. Phyſiol. IV. Bd. 4. Heft. S. 538.
*)
Abhandlungen und Verſuche. I. Bd. — Von der Geſundheit
der Schwangern. S. 56.
*)
Auf die Lehre vom ſogenannten Verſehen werden wir in der
Pathologie des Fetus zuruͤckkommen.
*)
Von der Behandlung der Varices und anderer Beſchwerden der
Schwangern ſ. d. Pathologie und Therapie.
*)
Unter den vielen empfohlnen Leibbinden fuͤr Schwangere iſt die
vom Hrn. D. Joͤrg (Handb. d. Krankheiten des Weibes) abge-
bildete, gewiß eine der zweckmaͤßigſten.
*)
S. P. Weidmann de officio artis obstetriciae concedendo solis
viris.
Maynz 1809.
*)
Als ſolches empfiehlt ſich eine verkleinerte Nachbildung des von
J. A. Ehrlich (chirurgiſche Beobachtungen I. Bd.) beſchriebenen
und abgebildeten Inſtruments fuͤr Scheintodte.
*)
Eine vollſtaͤndigere Aufzaͤhlung, namentlich der aͤltern Apparate
dieſer Art findet man in El. Siebold Commentatio de cubili-
bus sedilibusque usui obstetricio inservientibus. Gott.
1790. Auch
ſ. m. Schreger Ueberſicht der geburtshuͤlflichen Werkzeuge und
Apparate. Erlangen 1810.
*)
El. v. Siebold uͤber ein bequemes und einfaches Kiſſen zur
Erleichterung der Geburt. Berlin 1817.
**)
Lucina. 6. Bd. 1. St.
***)
Guter Rath an Frauen uͤber das Gebaͤren. Hannover 1811.
****)
Beſchreibung eines zweckmaͤßigen Geburtslagers fuͤr alle Staͤnde.
1809.
*)
M. ſ. deſſen Abhandlung uͤber einen neuen von ihm empfohlenen
Geburtsſtuhl. Weimar 1804.
*)
S. daruͤber M. H. Mendelde cura porinaei in partu. Vratisl. 1812.
*)
Bei einem jeden großen bis an oder in den After ſich fortſetzen-
den Einriſſe kann man zuverſichtlich annehmen, daß ein Ver-
ſehen
beim Unterſtuͤtzen Statt gefunden habe, welches indeß
allerdings zuweilen ohne Verſchulden des Geburtshelfers Statt
finden kann, wenn naͤmlich die Kreiſende etwa durch eine ploͤtzliche
Bewegung ſich der unterſtuͤtzenden Hand entzieht, u. ſ. w.
*)
Abhaudl. u. Verſuche. Bd. I. S. 75.
*)
H. D.Kluge, welcher in der Charité zu Berlin bei einer Reihe
von Kindern den Nabelſtrang nicht unterbinden ließ, hatte im
Jahr 1818 allein 12 Faͤlle von nachher entſtandenen Blutun-
gen bemerkt, ſ. Hufeland’s Journal d. prakt. Heilkunde 1819
Januar. S. 118.
*)
Eine Mutter welche ihr Kind wirklich liebt, wird es uͤbrigens
gewiß auch des Nachts und im Schlafe nicht beſchaͤdigen, Einer
Amme freilich darf man ſo viel nicht zutrauen.
*)
Ebendeshalb finde ich das unmittelbare Saͤugen des Kindes durch
Thiere, vorzuͤglich durch die ſo fette Milch gebende Ziege, nicht
angemeſſen.
*)
S. daruͤber Dr.Ziermann. Die Naturgemaͤße Geburt des
Menſchen oder Betrachtungen uͤber zu fruͤhe Durchſchneidung und
uͤber Unterbindung der Nabelſchnur des neugebornen Kindes, als
Urgrund der haͤufigſten und gefaͤhrlichſten Krankheiten des
Menſchengeſchlechts. Nebſt einer Vorrede vom Prof. Wolfart
Berlin 1817.
*)
Prof. Naͤgele. (Salzb. med. chir. Zeitung 1819 Novbr. No. 88)
hat einen Fall wo ein Kind ſich auf dieſe Weiſe verblutete, bekannt
gemacht. Man ſehe uͤbrigens eine ausfuͤhrliche Kritik der Zier-
manniſchen Schrift in H. Joͤrg’s Schriften zur Befoͤrderung der
Kenntniß des Weibes 2ter Theil.
**)
in ſeiner oben angefuͤhrten Schrift uͤber das Geburtskiſſen.
*)
In einem Falle ſolcher Verwachſung ſah z. B. Weidmann
durch heftiges Erbrechen und andere Beſchwerden zuletzt den Tod
der Schwangern herbeigefuͤhrt werden.
*)
A. Winter Beſchreibung eines Harnrecipienten fuͤr Frauen. Hei-
delberg 1817.
*)
C. Caſp. Creve vom Metallreitz. Leipzig 1796. 8.
*)
Verſuche und Abhandlungen. 3. Thl. S. 195.
*)
Von den Urſachen und der Behandlung der Nachgeburtszoͤgerun-
gen. Hamburg 1803.
*)
Abhandlungen und Verſuche. 1. Band, S. 181.
**)
Schriften zur Befoͤrderung der Kenntniß des Weibes und Kindes
im Allgemeinen, und zur Bereicherung der Geburtshuͤlfe insbeſon-
dere. Leipzig 1818. 2. Thl. S. 1.
*)
a. a. O. S. 201.
**)
a. a. O.
*)
Vergl. z. B. v. Siebold Journ. f. Geburtshuͤlfe u. ſ. w. Bd. I.
*)
Dr. J. Chr. Stark’s neues Archiv f. Geburtshuͤlfe. 1. Bd. 1. Heft.
**)
W. J. Muͤllner ſeltne Wahrnehmung einer vorgefallenen Ge-
baͤrmutter. Nuͤrnberg 1771.
*)
Dieſe wuchernde Fortbildung iſt nicht ſelten waͤhrend der Schwan-
gerſchaft auch an den aͤußern Schamtheilen bemerkbar, wie ich
denn z. B. die Nymphen zuweilen auf 3 bis 4 Zoll lang bei
Schwangern gefunden habe.
*)
Viele Faͤlle dieſer Art ſ. m. bei Meckel pathol. Anat. I. Thl. S. 15.
*)
Mir iſt ein Beiſpiel bekannt, wo eine Frau welche laͤngere Zeit,
und ſo auch in ihrer Schwangerſchaft an Gicht litt, dieſe endlich
waͤhrend der Schwangerſchaft voͤllig verlor, dagegen ein Kind gebar
welches von einem Ausſatz-aͤhnlichen Ausſchlage ſtets bedeckt
blieb. Eben ſo habe ich einigemal geſehen daß die Evilepſie an
welcher Schwangere litten, auch ihre Kinder bald nach der Ge-
hurt befiel; daſſelbe gilt auch von Gicht.
*)
M. ſ. einen Fall dieſer Art in Kauſch Memorabilien der Heil-
kunde 1818 2. Bd. Ferner in Kopp Jahrbuch der Staatsarz-
neikunde 10. Jahrg. 1817, und von Percy in d. Salzburg. med.
chir. Zeitung 1815. Nro. 59.
*)
Einen ſolchen Fall beobachtete ich z. B. bei einer Schwangern,
welche durch einen ſchweren Fall den Schenkel brach, und noch
auffallender iſt das im Lond. medic. Repostory Vol. VII. p.
IV.
erzaͤhlte Beiſpiel einer ohne Stoͤrung der Schwangerſchaft
vorgenommenen Schenkelamputation.
*)
[Beſonders] iſt hier die wiſſenſchaftlich geordnete Ueberſicht der ur-
ſpruͤnglichen Mißbildungen in F. Meckels Handbuche der patho-
logiſchen Anatomie. 2 Thle. Leipz. 1812 — 16 zu empfehlen.
**)
Prolegomena in embryonis humani pathologiam. Lips.
*)
S. ein mehreres uͤber dieſe Gegenſtaͤnde bei W. J. Schmitt
uͤber obſtetriciſche Kunſt und Kuͤnſtelei, (Siebolds Journal f.
Geburtsh. 2. Bd. 1. St.) und bei Nolde uͤber die Graͤnzen der
Natur und Kunſt in der Geburtshuͤlfe; in deſſen Beitraͤgen zur
Geburtshuͤlfe 3. Bd. 1811. (Beide Abhandlungen ſind auch be-
ſonders gedruckt.)
*)
Daß dieſe werkzeuge zu den entbehrlichſten gehoͤren, wird ſich ſpaͤ-
terhin zeigen.
*)
Zu dieſem Endzwecke dienen auch die Oſiander’ſchen nach
Siebold innerlich mit Leder zu uͤberziehenden Handringe oder
Cylinder. (Chirometer).
*)
Schreger. Die Werkzeuge der aͤltern und neuern Entbindungskunſt.
Erlangen 1799. Fol. Thl. I.
*)
Dieſe Operation iſt vorzuͤglich von Burns, Denmann, Barlow, Mar-
ahall
empfohlen und ausgeuͤbt worden, ſ. Froriep theoret.
prakt. Handbuch d. Geburtshuͤlfe. 6te Aufl. S. 473.
**)
Dafuͤr erklaͤrt ſ. Hr. v. Wenzel in ſ. allgem. geburtsh. Be-
merkungen u. ſ. w. 1819. — Dawider erklaͤrt ſich Hr. Joͤrg im
2. Thle ſeiner Schriften zur Kenntniß des Weibes.
*)
Grundriß d. Entbindungsk. 2. Thl. S. 36.
*)
Wie man oft auch mit dieſem Werkzeug die groͤßte Charlatanerie
getrieben hat, davon erzaͤhlt Schweighaͤuſer (Auſſaͤtze uͤber
phyſiologiſche und praktiſche Gegenſtaͤnde der Geburtshuͤlfe. 1817.
S. 226.) ein Beiſpiel.
*)
J. H. Wiegand drei geburtshuͤlfliche Abhandlungen. Ham-
burg 1812.
*)
Ueberhaupt haben an dem leichten Abſterben des Kindes bei Fuß-
geburten außer dieſen Urſachen, gewiß noch vorzuͤglich die unvoll-
kommenen Reſpirationsverſuche des Kindes, waͤhrend der Kopf
noch im Becken ſteckt, und der Druck welchen die Placenta erleidet,
indem ſie vom Uterus gegen den Kopf gepreßt wird, Antheil.
*)
Weitlaͤufiger abgehandelt ſehe man dieſen Gegenſtand in: J. Mul-
der
Geſchichte der Zangen und Hebel, uͤberſetzt von Schlegel.
Leipz. 1798. und
Hinze Verſuch einer chronologiſchen Ueberſicht aller fuͤr die
Geburtshuͤlfe erfundener Werkzeuge. Liegnitz u. Leipzig 1794.
**)
In d. Salzburg. med. chir. Zeitung 1809. I. Nro. 7. wird aus
den Medico-chirurgical Transactions publ. by. the Lond. M. ch.
Soc. Vol. IX. p. I.
die Nachricht mitgetheilt, daß man in einem
ehemals von P. Chamberlaine beſeſſenen Hauſe, in einem verbor-
genen Fache mehrere Hebel und Zangen vorgefunden habe.
*)
H. Oſiander in ſeiner lit. Geſchichte d. Entbindungsk. rechnet
von dieſem Jahre die neueſte Periode der Ausbildung der Ge-
burtshuͤlfe.
*)
S. die Abbildung einer ſolchen in Joͤrg ſyſtemat. Handbuch
d. Geburtshuͤlfe. Leipz. 1807.
**)
v. Siebold’s Lucina. 1. Bd. 2. Heft.
***)
Oſiander neue Denkwuͤrdigkeiten, I. Bd. 2. Hft. Taf. 4.
*)
Unter ohngefaͤhr 1000 Geburten, welche nacheinander in 5½ Jah-
ren in meiner Entbindungsanſtalt vorkamen, war ſie nur einmal
unvermeidlich nothwendig.
*)
Wo immer ich dieſe Operation zu machen genoͤthigt geweſen bin,
habe ich ſtets die Woͤchnerinnen ſehr bald und vollſtaͤndig ſich wie-
der erholen ſehen.
**)
ſ. Schreger Ueberſicht der geburtshuͤlflichen Werkzeuge und Ap-
parate. Erlangen 1810. S. 88.
*)
Annalen d. Entbindungs-Lehranſtalt. 2. Thl. Goͤttingen 1801.
Seite 53.
*)
S. einen Fall dieſer Art in der Salzb. med. chir. Zeitung. Dechr.
Nr.
96. 1819. aus den Lond. medic. chirurg. Transact. Vol. IX.
*)
Die roͤmiſche Familie Caesar trug dieſen Namen, nach Plinius,
a caeso matris utero
(wahrſcheinlich war einer derſelben durch den
Gebaͤrmutterſchnitt geboren), daher die ſpaͤtere Benennung der
Operation ſelbſt: sectio caesarea und bei Umwandlung des Wortes
Caesar in Kaiſer, auch der deutſche Name.
*)
Obwohl hinwiederum Beiſpiele nicht fehlen, wo ſogar an einer
Frau der Kaiſerſchnitt zweimal gluͤcklich verrichtet worden iſt (ſ.
d. neueſte Beiſpiel dieſer Art in v. Siebolds Journal ſ. Ge-
burtſh. III. Bd. 1. Heft).
*)
So Hr. Michaelis ſiehe v. Siebold’s Lucina. 5. Band.
S. 92. 1. Stuͤck.
*)
ſ. daruͤber die erſte von Wiegand’s drei geburtshuͤlflichen Ab-
handlungen. Hamburg 1812.
*)
ſo in dem oben erwaͤhnten Falle wo an einer Frau die Opera-
tion zweimal gemacht wurde.
**)
Darſtell. blutig. heilkundiger Operationen. III. Thl. 1. Abth. S. 344.
*)
C. F. Deutsch de graviditate abdominali. Halae 1792.
**)
Auf dieſe Weiſe wurde von Weinhardt (Beſchreibung einer
merkwuͤrdigen Operation durch den Kaiſerſchnitt. Bautzen 1802.)
gluͤcklich operirt.
*)
M. ſ. uͤb. d. Geſchichte dieſer Operation vorzuͤglich J. P. Mi-
chells
ausfuͤhrliche Abhandlung uͤber die Schambeintrennung, a.
d. latein. v. Dr.Ch. F. Ludwig. Leipzig 1784.
*)
Man leſe z. B. die abſchenliche Entbindungsgeſchichte von B.
Guerard in dem Anhange zur 2. Aufl. ſeiner Anfangsgruͤnde
der Geburtshuͤlfe. Muͤnſter 1781.
*)
Fuͤr die natuͤrliche Geburt iſt dieſe Lage beſonders wegen der durch
das Heraufziehen der Schenkel verurſachten Anſpannung des Pa-
rinaei
nicht vortheilhaft.
*)
Einzig in ſeiner Art iſt wohl der von Sartorph beobachtete
Fall, wo die Geburt (und zwar natuͤrlich) erfolgte, obgleich die ganze
Gebaͤrmutter in einem großen Leiſten-Bruchſacke außerhalb der
Bauchhoͤhle lag. (ſ. Acta Reg. Societatis Med. Hafniens. Vol. V.)
*)
Ich habe hierauf, in wiefern es, beſonders nach dem erfolgten Ab-
gange der Placenta, Zuckungen veranlaſſen kann, aufmerkſam ge-
macht in Hufel. Journal f. pr. Heilk. 1816. Decbr.
**)
Hiervon machen nur Faͤlle Ausnahme, wo bedeutende organiſche
Fehler, namentlich in den Gefaͤßen die Urſache der Anfaͤlle waren;
ſo verlor ich einſt eine ſchon fruͤher mit Epilepſie behaftete Krei-
ſende bei einem Anfalle dieſer Art, und die Sektion zeigte Berſtung
eines aufgeſchwollenen krankhaften Plexus choroideus im Gehirn.
*)
Eben ſo wie Hr. v. Siebold (Lehrb. d. Frauenzkrhtn. 2. Bd. S.
406.) habe ich einigemal bei phthiſiſchen Perſonen ſehr große
Kinder entbunden; es ſcheint dieß auf demſelben Grunde zu be-
ruhen, welcher den ſtaͤrkern Sexualtrieb bei maͤnnlichen Schwind-
ſuͤchtigen bedingt.
*)
Man findet hierbei zuweilen eine (vorzuͤglich die vordere) Mut-
termundslippe ſo ſtark angeſchwollen, daß Ungeuͤbte ſie wohl mit
einer Blaſe verwechſeln koͤnnten.
*)
Wird bei dem fuͤr einige Zeit aufgehobenen Herzſchlage das Ein-
ſtroͤmen des Bluts in die Lungen verhindert, ſo kann dieß zur
Erhaltung des Lebens beitragen.
**)
Dem Borax welchen man auch hierher rechnet, kann ich keine be-
ſondere Wirkſamkeit zuſprechen.
*)
Ich beobachtete z. B. einſt eine Einſchnuͤrung eines Stuͤckes Placenta
im obern rechten Winkel des Gebaͤrmuttergrundes.
*)
ſ. einen Fall dieſer Art nebſt der Geſchichte der Operation von
Moscati im Journal universel des Sciences. Decbr. 1819.
p.
335.
**)
ſ. einen Fall dieſer Art in v. Siebold’s Lucina. 1. Bd. 1.
St. S. 87.
*)
So verwechſelte in dem §. 1382 angefuͤhrten Siebold’ſchen Falle,
die Hebamme das Steatom mit dem [Ellenbogen] des Kindes.
*)
So wurde die Frau gerettet, an welcher vom Dr.Svmmer nach-
dem ſchon fruͤher einmal der Kaiſerſchnitt an ihr gemacht worden
war, und die eine ruptura uteri in der alten Narbe erlitten hatte,
da das Kind ſchon in der Bauchhoͤhle lag, die Gaſtrotomie ge-
macht werden mußte. S. rußiſche Sammlung f. Naturwiſſenſchaft,
1. Bd. 4. Heft.
*)
Abhandlungen u. Verſ. 1. Thl. S. 84.
*)
Daß trotz ſolcher Verbildungen Schwangerſchaft eintreten koͤnne,
beweißt der in der Note zu §. 288. 1. Thl. angefuͤhrte Fall, ſo
*)
wie ein Fall welchen Champion (Journ. univ. d. Med. Mai 1819
p.
241.) anfuͤhrt, wo das Hymen kaum fuͤr eine feine Sonde den
Durchgang geſtattete. Zuweilen koͤnnen indeß dieſe Verſchließun-
gen ſich auch erſt nach der Conception bilden.
*)
M. ſ. z. B. in Boër’s Abhandlungen 1. Bd. S. 36. den von
Douglas beobachteten Fall.
*)
Hierher gehoͤrt der merkwuͤrdige Fall, wo nach neun leichten Nie-
derkunften ſich das Becken dergeſtalt verengerte, daß der Kaiſer-
ſchnitt noͤthig wurde; ſ. Stein Geſchichte einer Kaiſergeburt.
Caſſel 1783.
**)
Meiſtens wird in Lehrbuͤchern geſagt, man ſolle um das Becken
zu meſſen, den Zeigefinger an das Promontorium, den Daumen
an den Schambogen ſetzen, allein man fuͤgt nicht hinzu daß dieſes
Verfahren nur ſelten ausfuͤhrbar iſt.
*)
Hierauf hat vorzuͤglich aufmerkſam gemacht: Hr. Choulant in
ſeiner Decas pelvium spinarumque deformatarum. Lips. 1818. 4.
**)
Man findet deßhalb haͤufig in gebirgigen Gegenden wo das Tra-
gen auf Ruͤcken und Kopf gewoͤhnlich iſt, ſehr verbildete Becken.
Einige Doͤrfer in hieſiger Umgegend geben dazu die deutlich-
ſten Belege.
*)
S. daruͤber Hirt de Cranii neonatorum fissuris.
**)
Dieſe Eindruͤcke ſind uͤbrigens nicht immer toͤdtlich, wie mir vor-
zuͤglich ein ſehr bedeutender Fall dieſer Art bewieſen hat.
*)
H. J. Bruͤnninghauſen Etwas uͤber Erleichterung ſchwerer Ge-
burten. 1804.
**)
J. F. Ackermann uͤber die Erleichterung ſchwerer Geburten. 1804.
***)
Waͤhrend des Druckes kommt mir noch die Schrift von F. Rei-
ſinger
(die kuͤnſtliche [Fruͤhgeburt][Augsburg] u. Leipzig. 1820)
zur Hand welche ſich uͤber Geſchichte und Anwendbarkeit dieſer
Operation ausfuͤhrlich verbreitet.
*)
So in dem von Navara (Journal univers. des sciences módic. 1816.
Jul.
erzaͤhlten Falle.
*)
So z. B. in den Faͤllen welche Deutſch, Heim, Navara beobach-
teten.
*)
Acta Reg. Societat. med. Havniens. Vol. V.
**)
ſ. Horn’s Archiv fuͤr mediciniſche Erfahrung 1812. 1. Hft.
***)
In einem von mir beobachteten Falle einer nach 6 woͤchentlicher
Dauer durch Ruptur geendigten Graviditas tubaria hatte die Frau
durchaus bis zur Zerreißung keine beſondern Zufaͤlle erlitten.
*)
Observationes anatomicae fasc. 1.
**)
Dieſen hoͤchſt merkwuͤrdigen Fall beſitzt die hieſige Entbindungsan-
ſtalt durch die Guͤte des D. Hedrich zu Frauenſtein, welcher davon
in Horn’s Archiv 1817. 5 Hft. den naͤhern Bericht mitgetheilt hat.
Nur noch ein Fall dieſer Art, von Schmidt, iſt bisher bekannt.
***)
Einen Fall dieſer Art ſ. bey Böhmer observationes anatomicae
fasc. III.
*)
Ob eine Erklaͤrung als ſekundaͤre Bauchſchwangerſchaft wohl
der Fall von Fuchſius in Siebold’s Journal f. Geburtshuͤlfe
II. Bd. 2. St. zuließe? —
**)
Nach Zerreißung des Uterus iſt dieß vorgekommen in dem von
Eysson beſchriebenen Falle welchen Oſiander (Handb. d. Entbindkſt.
1. Thl. S. 361 anfuͤhrt).
***)
Es erinnert dieſe Ablagerung an die Schalenbildung um die
Eier mehrerer Eierlegenden Thiere.
****)
Wie H. Meckel (patholog. Anatomie II. Bd. S. 169) erinnert,
vegetiren ſolche Fruͤchte gewiß, ſo lange ſie nicht wirklich zerfallen,
immer noch fort, es wachſen ihnen die Zaͤhne fort u. ſ. w. —
Ueberhaupt leſe man die ganze intereſſante Abhandlung uͤber Ex-
trauterinalſchwangerſchaften nach.
†)
Einen merkwuͤrdigen Fall dieſer Art nebſt Aufzaͤhlung der aͤltern
Faͤlle ſ. vom Hofr. Seiler gegeben in d. Zeitſchrift f. Natur-
und Heilkunde der Profeſſ. d. med. chir. Akad. z. Dresden.
I. Bd. 2 Hft.
*)
So in dem von Meckel a. a. O. erwaͤhnten Falle Schmidt’s,
wo nach dreijaͤhriger Bauchſchwangerſchaft das Kind lebend durch
den Bauchſchnitt geboren worden ſeyn ſoll.
*)
So entband ſich eine Frau nach 5/4 jaͤhriger Schwangerſchaft, aus
einem Abſceß an den Bauchdecken ſelbſt von einem 18 Zoll langen
ziemlich erhaltenen todten Maͤdchen (Salzb. med. chir. Zeitung
1815. 2. Bd.)
**)
So in Bell’s Fall ſ. Richter’s chirurgiſche Bibliothek. 4 Bd.
S. 411.
***)
So in Marold’s Fall, welchen H. Oſiander (Handb. d.
Endbindungsk. Thl. 1. S. 337) anfuͤhrt.
****)
So in dem Falle von Morlane beſchrieben (ſ. Meckel’s Handb.
d. pathol. Anatomie Bd. 2. S. 175.)
*)
In dem oben angefuͤhrten Falle von Fuchſius ſollten dieſe
Contractionen ſogar das Zerreißen des nichtſchwangern Uterus
bewirkt haben.
*)
Handb. d. pathol. Anat. 2. Bd. S. 175.
*)
Ausfuͤhrliche Beſchreibung einer ſolchen Operation ſ. von Heim
gegeben in Ruſt’s Magazin f. geſ. Hlk. III. Bd. 1 Hft.
**)
ſ. Weinhardt Beſchr. einer merkw. Operation durch den Kai-
ſerſchnitt. Bautzen. 1802.
*)
Dieſes Gefuͤhl iſt phyſiologiſch merkwuͤrdig, und ſtimmt mit dem
Gefuͤhl ſcheinbar vermehrter Schwere von Kranken welche dem
Tode nahe ſind, uͤberein.
*)
So hatte z. B. Baudeloque nach dem Springen eines Pulverma-
gazins in Paris 62 unzeitige Geburten zu behandeln. ſ. Salzburg.
med. chir. Zeitung. 1815. No. 59.
*)
Da an den fruͤherwachenden Wehen oͤfters rheumatiſche Zuſtaͤnde
des Uterus Antheil haben, ſo muß an die Behandlung des Rheu-
matismus uteri (§. 1061)
hier erinnert werden.
*)
Medico-chirurgical Transactions, published by the medical and
chirurgical society of London. Vol. V.
1814.
*)
ſ. hieruͤber Metzger kurzgefaßtes Syſtem der gerichtlichen Arz-
neiwiſſenſchaft, herausgeg. v. Gruner. 4. Aufl. 1814. III. Abſchn.
3. Kap.
**)
ſ. Handbuch d. Entbindungskunſt v. Oſiander 1. Thl. S. 345.
u. ſ. u. Murſinna neuſtes Journ. f. d. Chirurgie, Arzneik. u.
Geburtshlfe. I. Bd. 3. St. S. 424. u. f.
*)
H. Oſiander fuͤhrt unter den Molen auch die betruͤgeriſchen
auf, wo ſich Frauen oder Maͤdchen fremde Koͤrper (Fleiſch, Knochen
u. ſ. w.) beigebracht, und dann zu gebaͤren vorgegeben hatten,
allein ſtreng genommen gehoͤren dieſe Dinge hierher nicht, ſondern
in die gerichtliche Medicin.
*)
Bei weitem die meiſten Fehlgeburten in den fruͤheſten Schwanger-
ſchaftsmonaten werden durch Mißbildung der Frucht veranlaßt, und es
iſt gewoͤhnlich, hierbei ſtatt einem geſunden Ovulo eine Mola zu finden.
*)
Nach Bremſer ſind unter dieſen Waſſerblaſen oft wahre
Blaſenwuͤrmer.
*)
S. d. Naͤhere uͤber das Geſchichtliche bei C. F. Hefter de Placenta
praevia Lips.
1804. und in Stark’s neuen Archiv f. Gebh.
I. Bd. 2 St. bei Oberteuffer.
*)
M. ſ. hieruͤber D. Henſchel Kann und darf die Nachgeburt
unbedingt zuruͤckgelaſſen werden? Breslau 1805. — u. derſelbe in
Nuſt’s Magazin f. d. geſ. Hlk. VII. Bd. 1 Hft.
Wiegand Von d. Urſachen u. d. Behandlung der Nachgeburts-
zogerungen. Hamburg 1803.
*)
Vergl. F. Meckel pathologiſche Anatomie. 1. Bd. S. 92.
*)
Walther
*)
Darſtellung blutiger heilkundiger Operationen. 3. Thl. 2. Abthei-
lung. S. 351 u. f.
**)
Will man zu dieſem Behuf, den von H. Schmitt (geſammelte
obſtetriciſche Schriften S. 105 u. 348) neuerlich wieder empfoh-
lenen fetten Eierkuchen, welchen Mauriceau (Traité des Maladies
des femmes grosses. T. I. p. 400)
beſchreibt, anwenden, ſo iſt
dieß ganz zweckmaͤßig.
*)
Beſonders bei chroniſcher Entzuͤndung und Geſchwulſt des Blaſen-
halſes, welche oft hartnaͤckige und langwierige Iſchurie veranlaßt,
habe ich das auch von P. Frank empfohlene Colomel (ſ. Epit. d.
hom. morbis cur. L. VI. P. I. p.
530.) mit großem Nutzen an-
gewendet.
**)
S. dieſe Methode ausfuͤhrlich beſchrieben in F. C. Naͤgele Er-
fahrungen und Abhandlungen uͤber Krankheiten des weiblichen
Geſchlechts. Manheim 1812.; auch abgedruckt in Zang Darſtel-
lung blutiger heilk. Operationen. 3. Thl. 2. Abth. S. 333 u. f.
*)
Journal univers. des Sciences médic. Septbr. 1819.
**)
Ueber Verrenkungen und Beinbruͤche. 1802. S. 102.
*)
De pronatione uteri post partum, morbo atroci, nondum de-
scripto. Marburg
1803. Im Auszuge in v. Siebold’s Lucina
4. Bd. 1. Heft.
*)
Journal fuͤr Geburtshuͤlfe, Frauenzimmer- und Kinderkrankheiten
v. E. v. Siebold. III. Bd. 101. S. 59.
*)
So habe ich bei atrabilariſchen Conſtitutionen mit brauner, derber
Haut oft die Wochenſchweiße gar nicht eintreten ſehen.
*)
Beſonders ſind Laͤhmungen und anſcheinend rheumatiſche Schmer-
zen der untern Extremitaͤten oͤfters nur die Folge von innern
Anſchwellungen und Abſceſſen in der Lendengegend.
*)
Das von Muͤller im Chiron 2. St. S. 334. empfohlene Mit-
tel aus Pulv. Gin. arab. Ӡij Balsam peruv. Ӡj Ol. amygdal. Ӡjß
u. Aq. 10sar. ℥j, dem man auch noch etwas ſpirituoͤſes beimi-
ſchen kann, iſt hierzu ſehr zweckmaͤßig.
*)
Es iſt dieß eine merkwuͤrdige, der nicht eintretenden Faͤulniß des
zuruͤckgehaltenen Monatsflußes (1. Thl. §. 159.) zu vergleichende
Erſcheinung.
*)
Sehr treffend ſagt P. Frank de cur. hom. m. Lib. VI. P. II.
p. 162: „Tristissimos insana carnificum chirurgorum abscessus
mammarum, necdum perfectematuros aperiendi — libido, innumeras
jam puerperas—hoc fonte, e quo primam vitam sugimus, spoliavit.
*)
Die beßte der bisherigen Monographien iſt: K. White Unterſu-
chung der Geſchwulſt bei Kindbetterinnen an den untern Glied-
maßen. A. d. Engl. v. B. W. Seiler Wien 1802. — Neuere
Beobachtungen nachgetragen ſ. in I. L. Casper Commentarius de
Phlegmatia alba dolente. Hal.
1819.
*)
ſ. Casper. Commenlar. p. 54.
**)
Man ſ. die in Horn’s Archiv 1819. 4. Hft. S. 183 zuſammen-
geſtellten Beobachtungen von Simmons, Wyer, Moore, Sankey.
*)
Vergl. z. B. Gittermanns Beobachtung in Hufeland’s
Journ. f. pr. Heilk. 1820. 1 St.
*)
M. ſ. die verſchiedenen Anſichten aͤlterer Aerzte ſehr zweckmaͤßig zu-
ſammengeſtellt bei Schmidtmuͤller (mediciniſche Geburtshuͤlfe
2 Thl. S. 102 u. ſ.)
*)
Verſuche fuͤr die prakt. Heilkunde 1 Bd. 1 Hft. S. 136.
**)
Handb. d. Krankheiten d. menſchl. Weibes 1809. S. 394.
***)
Archiv f. med. Erfahrung Mai 1809. Novbr. 1810.
****)
Theoret. prakt. Handb. d. Geburtshuͤlfe 1818. S. 275.
*)
Abhandlungen u. Verſuche 1 Bd. S. 204.
*)
Daß eben daher ſelbſt das Bauchfell die Ernaͤhrung der Frucht
in Extrauterinſchwangerſchaften uͤbernehmen koͤnne, iſt fruͤher be-
merkt worden.
**)
Man erinnere ſich der oben §. 893. angefuͤhrten Worte Boër’s.
*)
Man gehe nur die Sektionsberichte der am Kindbettfieber Ver-
ſtorbenen durch, ob nicht faſt uͤberall die Spuren einer durch Kunſt
nicht bewaͤltigten Entzuͤndung mit ihren Folgen, als den Tod
vorzuͤglich veranlaſſende Urſache beobachtet worden ſind. —
*)
Es iſt uͤbrigens merkwuͤrdig, daß man zuweilen, ſelbſt bei hoͤchſt
akuten und anſteckenden Krankheiten ſtillender Muͤtter, keine
Uebertragung auf das Kind beobachtete. So ſah man z. B. in
der Peſt zu Noja, daß eine Mutter ihr Kind bis zum Tode ſtillte
und dieſes geſund blieb (ſ. Schoͤnberg uͤb. d. Peſt zu Noja
1815 und 1816. Herausgeg. v. Harles).
*)
Am ausfuͤhrlichſten und wiſſenſchaftlichſten ſehe man dieſe und
aͤhnliche Regelwidrigkeiten in Meckel’s Handbuch der patholo-
giſchen Anatomie abgehandelt.
*)
ſ. deſſen neues Archiv f. Geburtshuͤlfe 1. Bd. 1. St.
*)
Ein merkwuͤrdiges Beiſpiel dieſer Art ſ. m. bei Wrisberg Com-
mentationum med. physiol. act. argum. Vol. I.
149.
*)
M. ſ. dieſen Gegenſtand ausfuͤhrlich eroͤrtert von F. Meckel im
XI. Bd. 3. Heft von Reil’s Archiv fuͤr Phpſiol. und im 2. Bd.
der pathol. Anatomie.
*)
Merkwuͤrdig iſt der von Ruggiere beſchriebene Fall (ſ. Horn’s
Archiv 1819. 4. Heft. S. 170.) wo die große Deformitaͤt der
Haut auch auf Neigungen des Kindes Einfluß zeigte.
*)
M. ſ. das Ausfuͤhrlichere uͤber dieſen Gegenſtand in Joͤrg uͤber
Klumpfuͤße und eine leichte und zweckmaͤßige Heilung derſelben;
mit 3 Kupfern. 1806.
**)
Selbſt Skolioſen und Kyphoſen auf dieſe Weiſe entſtanden, habe
ich bei neugebornen Kindern beobachtet, und auch dieſe muͤſſen
nach aͤhnlichen Grundſaͤtzen behandelt werden.
*)
Ich bezeichne mit dieſem Namen die einigemal als erbliche Ab-
normitaͤt beobachtete Neigung zu Blutungen, wo die geringſten
Verletzungen toͤdtliche Verblutungen veranlaßten (m. ſ. ein Bei-
ſpiel dieſer Art in the new England Journal of Medicine and
Surgery. Vol. II. Jul.
)
*)
Paͤdiatrik S. 19.
**)
In dem von mir beobachteten Falle war dieſe Reitzung die erſte
Veranlaſſung eines heftigen Kindbettfiebers.
*)
Hr. Oſiander hat neulich den Satz aufgeſtellt, daß das helle
Licht, weit entfernt den Augen neugeborener Kinder zu ſchaden,
ihnen vielmehr nuͤtze; allein unpartheiiſche Beobachter werden
ſich leicht uͤberzeugen, daß der heftige Lichtreitz, der ja in dem
Auge des Erwachſenen ſchmerzhafte Reitzung bewirkt, fuͤr ein
Kind ſtets doppelt nachtheilig wirke.
*)
Ein vorzuͤglich wirkſames Mittel, wodurch, in Verbindung mit
dem uͤbrigen Verfahren, dieſe Krankheit immer in 3 bis 6 Tagen
gehoben wird.
*)
Dieſer Milchſaft findet ſich bei Knaben und Maͤdchen, und hat
veranlaßt, die Bruͤſtchen als Ernaͤhrungsorgane des Fetus zu
betrachten, indeß ſaugen ſie wohl nicht mehr ein, als jeder an-
dere Punkt der Hautflaͤche.
*)
Die von Boër einmal empfohlenen kalten Baͤder (Abh. u.
Verſuche. I. S. 147.) ſcheinen mir hierbei doch keineswegs an-
wendbar.
*)
Hufeland’s Journ. f. pr. Heilkunde 1816. Febr.
*)
Anfangsgr. d. Wundarzneik. 5. Thl. S. 465.
**)
ſ. uͤber dieß Verfahren auch B. v. Siebolds Chiron. II. S. 596.

Dieses Werk ist gemeinfrei.


Rechtsinhaber*in
Kolimo+

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2025). Collection 1. Lehrbuch der Gynäkologie. Lehrbuch der Gynäkologie. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bjh6.0