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Des Chriſtlichen Teutſchen
Groſz-Fuͤrſten
HERKVLES
Und
Der Boͤhmiſchen Koͤniglichen
Fraͤulein
VALJSKA
Wunder-Geſchichte.
Jn acht Buͤcher und zween
Teile abgefaſſet
Und allen
Gott- und Tugendliebenden Seelen zur
Chriſt- und ehrlichen Ergezligkeit ans
Licht geſtellet.

Braunſchweig/:
Gedruckt durch Chriſtoff-Friederich Zilliger/ Buchhaͤndlern allda.

Anno M DC LIX.
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Des Chriſtlichen Teutſchen
Groß-Fuͤrſten
Herkules/
Und
Der Boͤhmiſchen Koͤniglichen
Fraͤulein
Valiska
Wunder-Geſchichte.
Erſter Teil.


[][]

Dem Aller Durchleuchtigſten/
Großmaͤchtigſten und Vnuͤberwind-
lichſten Fuͤrſten und Herrn/
Herrn Leovold
Erwaͤhletem Roͤmiſchen Kaͤyſer/
zu allen Zeiten Mehrern des Reichs/ In Germa-
nien/ zu Hungarn/ Boͤheim/ Dalmatien/ Croatien und Scla-
vonien/ etc. Koͤnige; Erz Hertzogen zu Oeſterreich; Herzogen zu
Burgund/ zu Braband/ zu Steyer/ zu Caͤrnten/ zu Crain/ zu Luͤ-
tzenburg/ zu Wuͤrtemberg/ Ober- und Nider-Schleſien; Fuͤrſten
zu Schwaben; Marggrafen des Heil. Roͤmiſchen Reichs/ zu
Burggaw/ zu Maͤhren/ Ober- und Nider Laußnitz; Gefuͤrſteten
Grafen zu Habſpurg/ zu Tyrol/ zu Pfirdt/ zu Kyburg und zu
Goͤrtz; Land Grafen im Elſaß; Herrn auf der Win-
diſchen Mark/ zu Portenau und zu
Salins/ etc.
GOttes gnaͤdigen Schutz/ nebeſt langem
Leben/ Geſundheit/ gluͤklicher Herſchung/
Friede/ Sieg/ und allem Kaͤyſerli-
chen Wolergehen.



[]
Allergnaͤdigſter
Kaͤyſer und Herr.

ZV Eurer Kaͤyſerl. Majeſtaͤt wirdig-
ſten Fuͤſſen leget gegenwaͤrtiger/ der
Teutſchen angefuͤhrter Groß Fuͤrſt
Herkules/ ſampt ſeiner ihm vertraueten Koͤ-
nigl. Boͤhmiſchen Fraͤulein Valiſken ſich
allerdemuͤtigſt nieder; uñ ſolches aus tiefſtſchul-
diger dank barkeit; nach dem von Kaͤyſerl. Ma-
jeſt. hoͤchſtmildeſt-gewogener Hand/ ſie ehmals
einen Gnaden-Reichs-Stab und Krohn (im
ſechſten Buche dieſer Geſchichten zu ſehen) em-
pfangen haben.


Wolte der Himmel! daß mit Eurer Kaͤyſerl.
Majeſt: allergnaͤdigſter einwilligung und ge-
fallen
[] fallen die ſe ihre Darſtellung moͤchte geſchehen
ſeyn; als dann wuͤrden ſie den Zwegk ihres hoͤch-
ſten wunſches ſchon erreichet haben; und wuͤrde
ihr getraͤueſter Bruder/ der Boͤhmiſche Koͤnig
Ladiſla ſich deſſen zugleich innigſt erfreuen.


Zwar es iſt auſſeꝛ allem zweifel geſezt/ dz al-
les/ was vor Eurer Kaͤyſeꝛl. Majeſt. preiß wuͤr-
digſten Reichs Stuel zutreten ſich unterneh-
mē darf/ nit allein rein und lauter/ ſondern auch
ganz vortreft ich uñ allerdinge volkommen ſeyn
muͤſſe; und ſolches nicht allein nach dem Weſen/
ſondeꝛn auch nach dem aͤuſſerlichen Schmucke.


Maſſen Kaͤyſerl. Majeſt: ohn jemandes ein-
rede/ vor die aller hoͤchſte Heilige Wuͤrde in der
ganzen Chriſten-Welt geehret wird; welche als
Gottes Stathalter/ der aller heiligſten Gerech-
)( ijtigkeit
[] tigkeit vorſtehet; welchem nach/ vor derẽ ruhm-
wirdigſtẽ Augen ſich niemand wird ſtellen duͤrf-
fẽ/ der durch iñerliche oder aͤuſſerliche unſauber-
keit dieſelbe etwa betꝛuͤben odeꝛ beleidigẽ moͤchte.


Vnd weil nit ſo bald ichtwas durch ſich ſelbſt
ſich alhier vor duͤchtig wird melden koͤnnen/ ſon-
dern nur/ was Kaͤyſeꝛl. Majeſt. allergnaͤdigſter
Macht Spruch davor erklaͤren wird.


Als ſuchet gegenwaͤrtiger Teutſcher Herku-
les uñ ſeine Boͤhmiſche Valiſka in dieſeꝛ irdiſchẽ
Welt nichts hoͤhers/ dann daß Eure Kaͤy ſ. Maj.
mit allergnaͤdigſten Augen ſie anſehen/ und die
wirdigkeit/ ſo ſie bey ihnen ſelbſt nit wiſſen noch
finden/ ihnen mitzuteilen/ allergnaͤdigſt geruhẽ
wollẽ welches zuerlangen ſie untertaͤhnigſt hof-
fen/ in betrachtung/ dz dieſe ihre Geſchichte nie-
mand zubeleidigen/ noch mit Stachel-Reden zu
verwun-
[] verwunden/ ſondern bloß zur geiſtlichẽ und ehꝛ-
liebenden Gemuͤhts-ergetzligkeit angeſehen iſt.


Der groſſe Gott/ welcher ſich gegen Abraham
den Almaͤchtigen neñet/ ließ zeit des Alten Bundes
ihm nit nur der wolbeguͤterten ihre feiſte aus gemaͤ-
ſtete Ochſen uñ gewaltige groſſe Feld Zehenden/ ſon-
deꝛn auch die leichten Taͤubelein und einzelne Gaꝛbẽ
der aꝛmen Leute wolgefallẽ/ wañ ſie von guteꝛ Seele
in rechtſchaffener andacht geopfert wurdẽ. Und ebẽ
dieſes war die urſach/ daß Abels kleiner Heerd/ mit
dem wenigẽ Fette ſeiner Erſtlinge betropfet/ ungleich
heller und anmuhtiger vor Gottes Angeſicht bren-
nete/ als wann der freche Kain tauſend auf geban-
ſete Garben angezuͤndet haͤtte/ deren Lohe ſich hoͤheꝛ
in die Lufft erheben moͤgen/ als daß Menſchen Au-
gen ſie haͤtten koͤnnen abmaͤſſen.


Im Neuen Gnaden-Bunde hat Gott in ange-
nom̃ener Menſcheit uns eben deſſen verſichern wol-
)( iijlen/
[] len/ da er ſeine lieben Juͤnger vergewiſſerte/ daß der
armen Wittiben eingelegte zwey Scherflein/ vor
Gottes Ohren einen viel hellern und angenehmern
Klang von ſich gaben/ als die ſchweꝛen guͤldenen uñ
ſilbernen Opferſtuͤcke/ welche von den Reichen ohn
Andacht/ und aus Hochmut in den Gottes Kaſten
geworffen wurden.


Die hohe Obrigkeit hat die Ehre in der Heiligen
Schrift/ daß ſie Goͤtter genennet werden; anzudeu-
ten/ daß in vielen ſtuͤcken ſie ſich dem wahren einigẽ
Gotte gleich zubezeigen pflegen; inſonderheit in die-
ſem/ daß der unvermoͤgenden Gehorſamen ergebe-
ner Wille ihnen angenehmer iſt/ als was von haab-
ſeligen durch Zwang heraus gekeltert/ oder aus
Furcht geliefert wird.


Welches dann unſern Teutſchen Herkules/ und
ſeine Boͤhmiſche Valiſken muhtiget/ und in volle
hofnung ſetzet/ ihre gutwilligkeit/ Eurer Kaͤyſ. Maj.
ſich
[] ſich vor eigen zuergebẽ/ werde den abgang ihres un-
vermoͤgens erſtattẽ/ ohn welches veꝛtrauen ſie nim-
mermehr wuͤrden geherzt geweſen ſeyn/ voꝛ dero al-
lergroßmaͤchtigſtem Stuel ſich finden zulaſſen.


Dafern nun deren Gegenwart und allerunter-
taͤhnigſte Darſtellung allergnaͤdigſt wird koͤnnen
geduldet werden/ muͤſſen ſie ſich billich vor gluͤkſelig
ſchaͤtzen/ und die Stunde geſegnen/ an welcher ſie
dieſer Welt bekant worden ſind. Dann ſie werden
unter dieſen maͤchtigen Adlersfluͤgeln/ Schuz und
gnugſame Sicherheit antreffen/ wider alle Freveler
und verwaͤgene Geizhaͤlſe/ welche ſonſten ſich nicht
moͤchten ſcheuhen duͤrffen/ dieſe Geſchichte/ wider
das ſiebende Geboht des Heil. Goͤttlichen Geſetzes
unter geſtohlner Kleidung in die Welt aus zuſtreuẽ;
mit welchen ſchlimmen Diebs-Naͤgeln in dieſen lez-
ten Zeiten ſich ihrer viel kratzen. Ja es werden zu-
gleich auch andeꝛe mißguͤnſtige abgeſchꝛecket weꝛdẽ/
ihren
[] ihren unbefugten Geifer und Neid-bittere Galle/
wider dieſes wolgemeinete Werk aus zuſpeiẽ/ wann
ihnen zu Ohren kommen ſolte/ der unuͤberwindli-
che Adler (HErr Gott/ gib du ihm Krafft/ verjunge
und erhalte ihn/ daß er ſein vermoͤgen nicht/ als am
lezten Tage dieſer Welt verliere) habe unter ſeine
ſichere Schuz-Fluͤgel angenommen


Eurer Roͤmiſchen Kaͤyſerlichen Majeſtaͤt
alleruntertaͤhnigſte/
allergehorſambſte
Diener und Die-
nerin
Herkules
und
Valiſken.


Freund-
[1]

Freundliche Erinnerung
An den Chriſtlichen Tugendliebenden
Leſer
des Teutſchen Herkules/

Welcher gebeten wird/ dieſe Geſchichte nicht vorzunehmen/
ehe und bevor er folgende kurtze Vermahnung durch-
geleſen und vernommen hat.


ES hat der Uhr Schreiber dieſes Buchs vor eine Nohtwendigkeit erachtet/ dem
gewogenen Leſer/ bald im erſten Eingange/ den Zweg ſeines Vorhabens vorzuſtellen/ was
geſtalt ſeine Andacht in dieſem ganzen Wercke eigentlich dahin gerichtet ſey/ daß des Ge-
muͤhts Erfriſchung/ ſo man im durchleſen an muhtiger Geſchichte ſuchet/ allemahl mit got-
fuͤrchtigen Gedanken vermiſchet ſeyn moͤge/ und die Erkaͤntnis der himliſchen Warheit
auch daſelbſt befodert werde/ da man ſichs nicht vermuhten wahr; maſſen dadurch andaͤchtige Seelen oft
veranlaſſet werden/ jhre Seufzer mitten in ſolcher Leſung gen Himmel zu ſchicken/ damit die irdiſche Ge-
ſonnenheit am Zeitlichen ſich nicht zu heftig vergaffen/ noch den Luͤſten zu viel Raum geben moͤge.


Das ſchandſuͤchtige Amadis Buch hat mañichen Liebhaber/ auch unter dem Frauenzim̃er/ deren noch
keine daduꝛch gebeſſert/ aber wol unteꝛſchiedliche zur unziemlichẽ Frecheit angeſpoꝛnet ſind/ wañ ſie ſolche
Begebniſſen vor Augen gemahlet ſehen/ welche wol die unverſchaͤmteſten vor der Sonnen zu verrichten
ſcheu tragen. Daß ich alhier nicht allein der handgreiflichen Contradictionen und Widerſprechungen/
womit der Tichter ſich ſelbſt zum oftern in die Backen haͤuet; ſamt den unglaͤub-ſcheinlichen Faͤllen und
mehr als kindiſchen Zeitverwirrungen/ deren das ganze Buch durchgehend vol iſt; ſondern auch der teils
naͤrriſchen/ teils gotloſen Bezaͤuberungen geſchweige/ deren ſo vielfaͤltige Meldung geſchiehet/ und doch
ſo wenig Geſchmak als Glaubwuͤrdigkeit haben/ nicht deſto weniger aber dieſe teufliſche Kunſt nit allein
vor gut uñzugelaſſen/ ſondern wol gar vor Chriſt- und goͤtlich wil gehalten werden/ als deren ſich Chriſt-
liche Kaͤyſer/ Koͤnige und Ritter ohn Gewiſſens-Anſtoß gebrauchet/ und dadurch mannichem Ungluͤk/ aus
ſonderbahrer Schickung Gottes entriſſen/ auch viel Gutes zu volfuͤhren geſtaͤrket ſeyn ſollen. Wil nicht
ſagen/ wie leicht unbeſonnene luͤſterne Weibesbilder hiedurch/ der Zaͤuberey ſich zu ergeben/ moͤchten ver-
anlaſſet werden. Woraus dann zur gnuͤge erſcheinet/ daß der leicht bewaͤglichen Jugend mit obgedach-
tem Buche nicht beſſer gedienet waͤhre/ als wann es nur den Schaben und Motten durchzublaͤttern/ und
der ewigen Vergeſſenheit uͤbergeben wuͤrde.


Ob dann einiger Amadis-Schuͤtzer einwerffen wolte/ die luſtbringende Erfindungen macheten
dieſem Buche ſein Anſehen/ und entriſſen es der Verweſung; ſo mag ehrliebenden Herzen dieſes noch lan-
ge nicht gnug ſeyn. Dann die Leichtfertigkeiten hecheln gar zu grob/ und die unziemliche Betreibungen
zwiſchen jungen verliebeten hohen Standes-Leuten brechen ſo unverſchaͤmt loß/ daß von keuſchen Herzen
es ohn aͤrgernis nicht wol kan geleſen werden; was wolte dann von frech-wilden geſchehen? Zwar ein
gefuſſeter ehrliebender Geiſt achtet deſſen wenig; aber wer vermuhtet ſich eines ſolchen bey der luſtſuͤch-
tigen Jugend? wird demnach keine Entſchuldigung uͤbrig ſeyn/ und wer ohn verdacht leichtſinniges Ge-
muͤhts und Lebens bleiben wil/ enthaͤlt ſich billich von ſolchen uñ dergleichen Buͤchern/ welche die unzuͤch-
tige Kitzelungen mit der Hoͤfligkeit gar zu merckern durcheinander flechten/ uñ den Stachel der unbillichen
Begierden raͤgen und haͤgen; dann menſchliche Boßheit iſt ſchon mehr als zu heftig/ und bedarfs nicht/
daß man Waſſer ins Meer trage/ oder Oel ans Feur ſchuͤtte. Ob auch dem Koͤnigl. und Fuͤrſtl. Frauen-
zimmer/ durch Tichtung ſo mannicherley unzuͤchtigen Buhlereien nicht gar zu nahe getreten ſey/ gebe ich
allen Vernuͤnftigen zu betrachten.


(o)Mir
[2]Erinnerung

Mir zweifelt nicht/ der trefliche Barklaius mit ſeiner beruͤmten Argenis, Herꝛ Sidnet mit ſeiner
Arkadia; Herꝛ Marets mit ſeiner Ariana/ und andere dergleichen zuͤchtige ehrliebende Geſchicht Schrei-
ber/ haben/ der Jugend den Amadis aus den Haͤnden zureiſſen/ nicht die geringſte Urſach genom̃en/ jhre
Schriften hervorzugeben/ Und muß ein jeder geſtehen/ daß jezt gedachte Buͤcher ohn Anſtoß uñ aͤrgerniß
wol koͤnnen geleſen werden; aber die wahre Gottesfurcht iſt in denſelben nicht eingefuͤhret/ viel weniger
des Chriſtlichen Glaubens einige Meldung geſchehen; daher mein Siñ uñ vielleicht anderer mehr/ durch
ſolche nicht vergnuͤget iſt; Wiewol obgedachte ſinreiche Koͤpfe zu tadeln/ ich nicht gemeinet bin/ ſondern
ſie vielmehr preiſe/ und gerne geſtehe/ daß ſie jhres Lobes wert ſind; Nur allein hoffe ich bey dem Leſer die-
ſen Ruhm zu erhalten/ daß er zeugen wird/ er finde in fleiſſiger Leſung dieſes Werks was nicht allein ſein
Welt wallendes/ ſondern zugleich auch ſein Geiſthimliſches Gemuͤht erquicken/ und jhn auff der Bahn der
rechtſchaffenen Gotſeligkeit erhalten koͤnne; geſtaltſam der Chriſtliche Herkules jhm gnug ſam zeiget/
wie man weder durch irdiſche Gluͤkſeligkeit noch durch Ungluͤksfaͤlle ſich von Gott und vom Chriſtlichen
Wandel abziehen laſſen/ ſondern allemahl ſeinen Heiland im Herzen haben/ Chriſtlich leben/ die Welt
verachten/ Fleiſch- und Blutes Bewegung und die reitzende Luͤſte daͤmpfen/ der Untugend abſagen/ den
wahren Gott vor der Welt bekennen/ der Tugend nachſetzen/ und aͤuſſerſten Vermoͤgens ſeines Naͤheſten
Beſſerung und Rettung jhm angelegen ſeyn laſſen muͤſſe. Dann jezterwehneter Großfuͤrſt Herkules iſt
uns als ein Ebenbilde eines nach vermoͤgen volkommenen Chriſten der im weltlichen Stande lebet/ vor-
geſtellet und der durch getrieb ſeiner vernuͤnftigen Seele zu allen loͤblichen Tugenden/ auch nach empfan-
genergnaͤdigen Erleuchtung/ zur Gottesfurcht ſich ernſtlich hinwendet/ wie imgleichen auch ſeine unver-
gleichliche tapffere und gottfuͤrchtige Valiſka/ zu ehren dem weiblichen Geſchlechte/ und zu behaͤupten/
daß auch bey jhnen wahre Tugend ſtat und raum finde. Ladiſla/ Fabius/ und andere/ zeigen auch Tu-
gend und nach jhrer Bekehrung Chriſtergebene Herzen; jedoch/ welche/ wegen zu heftiger Fleiſches und
Blutes Bewaͤgung/ an die hoͤchſte volkommenheit nicht gelangen. Phraortes/ Pharnabazus/ Arta-
xerxes/ Mazeus/
und andere jhres gleichen/ ſtellen ſich zum Beiſpiel deren/ die auſſer der Erkaͤntnis des
wahren GOttes/ dannoch der Tugend folge leiſten/ und gleichwol der ewigen Seligkeit wenig nachden-
ken/ viel weniger der Gelegenheit wahrnehmen/ die jhnen durch Gottes Guͤtigkeit zur Bekehrung darge-
bohten wird. Hergegen ſtehen Arbianes/ Fabius/ Leches/ Neda und andere/ als Ebenbilder deren/
die ſich von Gott/ etliche leichter/ etliche langſamer ziehen laſſen; und zwar unter dieſen iſt Ladiſla der
hartnaͤckeſten einer/ mit denen es viel zu thun hat/ ehe ſie den alten eingewurzelten Wahn des falſchen
Gottesdienſtes jhrer Voreltern ablegen koͤnnen.


Gleich wie aber eines Dinges Eigenſchafft und Art am beſten und volkommenſten erkennet wird/
wann man ſein wiederwertiges zugleich betrachtet und dagegen ſtellet/ alſo hat der Meiſter dieſes Werks
an unterſchiedlichen Mannes- und Weibesbildern die ſchnoͤdeſten Untugenden/ wiewol unter Zuchtlie-
bender Rede-Art/ einfuͤhren wollen; Als da der verſtokte Geta/ ein Muſter ſolcher Boßheit iſt/ die nicht
all ein weder durch Draͤuung noch Streichen nicht kan außgetrieben werden/ ſondern uͤber das noch ein
ſonderliches Lob ſuchet/ daß ſie von allem Guten ganz abgefernet iſt. Artabanus der Parther melder
ſich an Wuͤtrichsſtat/ der ſeinen ſchaͤndlichen Luͤſten nicht/ als durch Furcht oder Zwang einreden darff.
Orſillos gibt dir die Unbarmherzigkeit zu erkennen/ welche ungeſtrafft nicht bleiben kan. Gamaxus uñ
Pines/ die weder Gott noch Menſchen achten/ muͤſſen jhres Hochmuhts billiche Straffe uͤber ſich neh-
men/ biß ſie durch ſchwere Zuͤchtigung ſich ſelbſt lernen kennen/ und daß jhre viehiſche Leibeskrafft durch-
aus nicht zuachten ſey/ wann Gott ſtraffen wil. Einen ganz unbeſonnenen und verwaͤgenen Boͤſewicht/
dem ſein Frevel eine Zeitlang hingehet/ wirſt du an dem Boͤhmiſchen Nimſla erkennen/ welchen doch
Gottes Gericht noch endlich trifft. Wiederumb ſiheſt du ein Vorbilde hoher Leute ſchweres Unfals an
Koͤnig Noteſterich/ deſſen ſich Gott endlich wieder erbarmet/ und jhn zu ehren bringet Bagophanes/
Bagoas
und Dropion/ ſind der Koͤnige und Fuͤrſten allerſchaͤdlichſte Peſtilenz; dieſer/ in dem er durch
verwaͤgene Kuͤnheit ſich unterwindet/ ſeinen Koͤnig ſelbſt aus dem Sattel zuheben/ welcher behueff er die
vornehmſten Ehren- und Krieges-aͤmter ſeinen Geſchoͤpffen und Verbundenen austeilet/ und hingegen
andere redliche und getraͤue Diener zu unterdruͤcken ſuchet; jene/ in dem ſie als liebkoſende Schmeichler
durch
[3]an den Leſer.
durch jhr Fuchsſchwaͤnzen und alles-gut heiſſen/ eines Fuͤrſten Leumut verderben und zunichte machen/
wann ſie demſelben das hoͤchſt-ſchaͤdliche quod libet licet,Thue was dir gefaͤlt/ einbilden/ und jhn be-
reden/ ſein Wille ſey frey und von allen Geſetzen ungebunden/ ſo daß er nach Belieben machen moͤge;
worauff nichts anders als Landesverderb/ und aller Tugend Untergang folgen kan; welches ob es ohn
des Fuͤrſten ſelbſt eigene Gefahr und Schaden geſchehen moͤge/ wird Artabanus und Gobares ſchwe-
rer Fall Zeugnis geben. Hingegen kan Agiß dir einen getraͤuen Diener ſeines Herꝛn darſtellen/ der weder
durch Gluͤck noch Gefahr von redlicher Auffrichtigkeit ſich abziehen laͤſſet/ ſo hohes Ruhmes wirdig/ als
wenig ſeines gleichen an Herrn Hoͤfen moͤge gefunden werden. Koͤnig Mnata warnet durch ſeinen Un-
fal alle hohe Haͤupter/ daß ſie keinem Bedieneten zu groſſe Gewalt einraͤumen ſollen/ damit ſie nicht jhre
Verderbens Schlang in jhrem eigenen Buſem naͤhren. Vor allen Dingen aber wird der Leſer gebehten/
die Darſtellung der geilen Statiren/ und jhren gedoppelten Ehebruch ohn boͤſe Gedanken zu leſen/ auch
daneben Kleons Ungluͤk zu beklagen/ welcher der Unkeuſcheit vor ſich ſelbſt nicht zugethan/ aus Furcht
des Todes als ein Heyde/ in ſolches Laſter eingewilliget/ welches er gleichwol nach gehends in ſeiner Frey-
heit nicht allein vor ſich meidet/ ſondern auch die unzuͤchtige Statiren zur Buſſe und Tugend leitet. Vo-
logeſes
der aͤlter/ und Pakorus legen an den Tag/ daß man die Tugend auch an ſeinem Feinde loben/
aber doch ſich durchaus zu keiner Untraͤu oder Verraͤhterey wenden/ jedoch auch an ſeinem eigenen Her-
ren die Boßheit und Untugend haſſen/ und ſolche/ als viel moͤglich/ hintertreiben und abwenden muͤſſe.
Anderer Anfuͤhrungen/ deren dieſes Buch vol iſt/ geliebter Kuͤrze halben zu geſchweigen/ weil der Leſer
in Verfolg dieſer Geſchichte ſie ohn ſchwer wird anmerken koͤnnen; wie dann dieſe Schrifft eigentlich
zu dem Ende auffgeſetzt iſt/ daß nebeſt der Ergezligkeit man auch nuͤzlich moͤge erbauet werdẽ; wobey man
gleichwol zu Zeiten einen und andern kurzweiligen Auffzug hat wollen einmiſchen/ weil ſolche Verende-
ruͤng vielen annehmlich iſt. Jedoch ſol der Leſer hiemit Chriſtlich vermahnet ſeyn/ dieſes Buch nicht
dergeſtelt zu leſen/ daß er nur die weltlichen Begebniſſen zur ſinlichen Ergezligkeit heraus nehmen/ und
die eingemiſcheten geiſtlichen Sachen vorbey gehen wolte; ſondern vor allen Dingen die Chriſtlichen
Unterrichtungen wol beobachte/ ſie ins Herz ſchreibe/ und darnach ſein Leben zurichten/ jhm laſſe angele-
gen ſeyn/ inſonderheit den zum Ende geſezten Begrieff des algemeinen Chriſtlichen Glaubens nach allen
ſeinen Stuͤcken recht faſſe/ als welcher jhm zur Richtſchnuhr ſeines Chriſtentuhms dienen/ und die Er-
kaͤntnis der Chriſtlichen Lehre wol beybringen kan. Solte aber jemand ſich geluͤſten laſſen/ meinen wol-
gemeynten Vorſaz zu tadeln/ und die in aller Einfalt durchgeſetzete geiſtliche Unterrichtungen zu verwerf-
fen/ als ob ſie von ſchlechter Wichtigkeit/ oder an ungehoͤrige Oerter eingeflochten waͤhren/ der ſol wiſ-
ſen/ daß ich jhn nicht als vom guten Geiſt getrieben/ achten kan/ weil er unguͤtlich mit mir uͤmgehet/ und
meine gute Andacht (uͤber welche ich den einigen Herzenkuͤndiger zum Zeugen ruffe) zu verargen ſuchet/
die doch einig nur des Naͤheſten Beſſerung/ auch daſelbſt jhr laͤſſet angelegen ſeyn/ und zwar zur himli-
ſchen Seligkeit/ wo vor dieſem noch kein ander (als viel mir bewuſt) ſich darumb groß bemuͤhet hat; und
ich zu dem Ende mich der lieben Einfalt b[e]fliſſen/ auch keine Streitigkeiten der Lehre (als welche zu jenen
Zeiten noch ſchlieffen) einmengen wollen/ auff daß auch die Ungelehrten es begreiffen/ und friedliebende
Herzen es zu leſen nicht ſcheu tragen moͤgen; deßwegen wird Gott das Gedeyen geben/ wie ich der un-
gezweifelten Hoffnung bin/ daß noch mannicher Leſer/ wann ers ſelber nicht meynet/ zur geiſtlichen
Beſſerung wird geruͤhret werdē; welches zu erfahren/ dem Uhr Schreiber die groͤſſeſte Vergnuͤgung ſeyn
wird. Solten auch hohe Leute und Fuͤrſten Standes diß mein Buch zuleſen wirdigen/ wird jhnen viel-
leicht ein ziemlicher Abriß vorgeſtellet ſeyn/ daher ſie jhre gebuͤhrliche Vollkommenheit anzumercken/ und
jhr Lobwuͤrdiges fortzuſetzen/ das Unſtaͤndige aber abzulegen Anlaß nehmen koͤnnen.


Zum ſchließlichen Nachricht ahne ich/ daß die Liebe zu meinem Vaterlande dieſen Chriſtlichen Teut-
ſchen Herkules
in meiner Seele gebildet und außgebruͤtet/ wie dann ohn zweifel unſer Teutſchland
mannichen tapffern Held und Fuͤrſten auch zu jenen Zeiten gezeuget/ deren Lob der Unteutſchen N[e]id/
und Mangel der Geſchicht Schreiber unterdruͤcket/ und der Vergeſſenheit gewidmet hat. So haben auch
die Boͤhmen/ Gothen/ Schweden/ Daͤnen/ und andere Nordiſche Voͤlcker nicht lauter wilde Saͤue und
Baͤhren/ ſondern mannichen trefflichen Fuͤrſten und Ritter unter ſich gehabt/ deren loͤblichen Tahten den
(o) ijGrie-
[4]Erinnerung an den Leſer.
Griechen und Roͤmern nichts bevor geben wuͤrden/ wañ ſie auffgezeichnet waͤhren. Wer wolte mirs dañ
verargen/ daß aus dieſen Landſchafften ich etliche wenige hervor geſuchet/ die uns an ſtatt einer Entwerf-
fung dienen koͤnnen/ Ungeachtet der Spaniſche Hochtrab/ die Italiaͤniſche Ruhmraͤhtigkeit und der Fran-
zoͤſiſche eingebildete Vorzug (ich rede nicht von allen/ viel weniger einigen zu verunglimpfen) die Naſe
druͤber rumpfen/ und den groben Laͤndern/ wie fie meynen/ ſolches Lob nit goͤnnen moͤchten/ da ſie doch wi-
der jhren Willen geſtehen muͤſſen/ daß dieſer ſtreitbaren Voͤlcker Einigkeit gnug waͤhre/ des Tuͤrken/ Tar-
tern und Perſen Hochmuht und Gewalt zu daͤmpfen; Und wolte Gott/ daß die Teutſche und Schwediſche
Macht/ von ſo viel Jahren her zu unſerm eigenen Verderben angewand/ die Unglaͤubigen getroffen haͤtte;
Konſtantinopel/ Griechen Land uñ ganz Natolien ſolte/ menſchlicher weiſe davon zu reden/ wider Chriſt-
lich/ und der Erbfeind daraus vertilget ſeyn. Was wuͤrde dann werden/ wañ ich die angewendete Macht
von der erſten Weiſſen-Berges-Schlacht her rechnen wolte?


Aber den begierigen Leſer nicht laͤnger auffzuhalten/ noch deſſen Gedult zu mißbrauchen/ wird der-
ſelbe gebuͤhrlich erſuchet und gebehten/ keinen Verdruß an dieſes Werkes Weitlaͤufftigkeit zu tragen/
weil es außdruͤklich die Geſtalt einer außfuͤhrlichen Geſchichte hat haben ſollen.


Ich wil mich hieſelbſt nicht mit vielen Worten entſchuldigen/ warum̃ ich an ſtatt des unteutſchen
Wortes Majeſtaͤt/ das Wort Hochheit gebrauchet habe/ noch mit denen mich zanken/ welche meynẽ/ daß
dieſes Wort der groſſen Koͤnige Vortrefligkeit zu melden gar zu geringe ſey. Wer ein beſſeres und beque-
meres hat/ kan es anzeigen/ obs etwa in Ubung gebracht werden wolte; Ich nehme dieſes eben ſo hoch als
jenes Unteutſche/ haͤtte auch lieber die uͤmſchweiffende Benennungen/ Eure Koͤnigl. Hochheit; Eure
Groß Fuͤrſtl. Durchleuchtigkeit/
und dergleichen/ gar gemieden/ wañ ſie bey uns Teutſchen nicht ſo gar
die Oberhand genommen haͤtten; welches mit wenigem anzudeuten/ ich vor noͤhtig erachtet habe.


Solte aber ſonſten etwas verſehen ſeyn/ welches menſchlicher Schwach heit/ ſonderlich denen leicht
begegnen kan/ die noͤhtigere Sachen zu treiben haben/ und ein ſo groſſes Weck nur bey einzelnen Ruhe-
Stunden auff ſetzen/ zweifele ich nicht an des gutherzigen Leſers guͤnſtiger Verzeihung/ welchen ich dem
Schuz Gottes zu aller Leibes und Seelen Wolfahrt hiemit empfele/ ꝛc.



An den Naſe-Kluͤgling.
Was wolgemeynt/ und zur Erbauung dienet/

Das fichte nicht mit Laͤſter-Reden an.

Wer ſich ſo leicht zum Tadeln entkuͤhnet/

Und keine Schrifft ohn Schmaͤhung laſſen kan;

Der wiſſe/ daß ſein Straffe-Lohn ſchon gruͤnet/

Sein Geifer wird verflucht von jederman.


Kurtzer Inhalt des Chriſtlichen Teutſchen Herkules.


  • Demnach nicht gezweifelt wird/ es werde der Leſer den kurzen Begrieff dieſer weitlaͤufftigen Geſchichte gerne wiſſen wollen/
    umb einen Vorſchmak deſſen zu haben/ was in dieſen Acht Buͤchern eigentlich gehandelt wird/ und aber ſolches durch
    das ganze Werk verſtecket iſt; als hat man deſſen Begierde ganz gerne ein Genuͤgen thun/ und den Inhalt auffs kuͤrzeſte-
    anhero ſetzen wollen/ wie folget.

HErkules ſehr zierlicher Geſtalt/ ein Ebenbild der wahren Herzhaftigkeit/ Tugend uñ Gottes furcht/
im Jahr nach unſers Heylandes Geburt CCIV, am XV Tage des April Monats/ von dem Groß-
Fuͤrſten der Freyen Teutſchen Herren Henrich/ und Frau Gertrud/ Koͤnig Ragwalds in Schweden
Tochter ehelich gezeuget/ gibt in ſeinen kindlichen Jahren durch Erleg- und Fahung etlicher Woͤlffe/ ſei-
ne Herzhaftigkeit an den Tag. (Wird im dritten Buch erzehlet)


Als er VII Jahr und XIX Wochen alt iſt/ wird jhm ſeines Herꝛ Vaters Schweſter Sohn Ladiſla
der junge Fuͤrſt aus Boͤhmen (welcher dazumal X Jahr und XIV Wochen alt) zugeſellet/ welcher nach-
gebends von jhm durch kein Mittel hat koͤnnen lebendig abgetrennet werden/ daher man ſie zuſam̃en ge-
laſſen/ und ſind in fleiſſiger Lernung der Sprachen und allerhand Fuͤrſtlichen Ubungen aufferzogen wor-
den. Herkules da er XV Jahr alt/ erleget vor der Fauſt einen Teutſchen Ritter Nahmens Ingevon/ wel-
cher ein armes Bauren Maͤgdlein nohtzuͤchtigen wolte/ geraͤht daruͤber (weil alles Balgen verbohten
wahr)
[5]Kurzer Inhalt.
wahr) in ſeines Vaters Großfuͤrſt Henrichs Hafft/ und wird von Ladiſla mit gewaltſamer Hand der ver-
ſamleten Bauren erlediget. (Wird im vierden Buch erzaͤhlet.)


Sie reiſen beyde nach Schweden in den Krieg/ als Herkules XVII Jahr/ Ladiſla XX Jahr alt iſt/
und nach zweyen Jahren ziehen ſie mit einander nach Boͤhmen zu Ladiſla Eltern/ woſelbſt Herkules ſich
mit Ladiſla Fraͤulein Schweſter/ Fraͤulein Valiſka heimlich verliebet und verlobet/ da er XIX Jahr/ ſie
aber XIII Jahr und III Monat alt iſt; ein Fraͤulein/ an Helden muht/ Schoͤnheit/ Tugend und Gottes-
furcht unvergleichlich/ als ein vollkommenes Muſter und Außbund weibliches Geſchlechtes/ jhrem Her-
kules ſehr gleich und aͤhnlich. Zu Prag geraͤht dazumal Herkules mit einem Pannoniſchen Geſandten/
Nahmens Bato in Zwieſpalt/ haͤlt nacket einen Kampff mit jhm/ und ſieget ob; wird bald darauff von
Pannoniſchen Raͤubern in einem Walde gefangen/ aber durch Roͤmiſche Frei Beuter denen wieder ab-
genommen und zu Rom vor Leibeigen an Herren Zinna verkaufft/ deſſen Tochter Zezilia anfangs/ bald
auch deſſen Gemahl Fr. Sulpizia ſeiner zu unziemlicher Liebe begehret/ welches er durch Liſt ablehnet/ in
jhrer Gunſt dannoch verbleibet/ und hernach das Chriſtenthum annimt. Ladiſla ſuchet ſeinen verlohrnen
Freund Herkules (in der Knechtſchafft Oedemeier genennet/) gibt ſich deßwegen in Roͤmiſche Kriegs-
Dieuſte unter dem Nahmen Winnibald/ jhm deſto beſſer nach zu fragen/ weil er ſo viel Nachricht hatte/
daß er in der Roͤmer Haͤnde gefallen wahr/ und nach Verlauff eines Jahrs und XI Wochen/ erfaͤhret er
deſſen Zuſtand/ als er bald darauff mit einem Pannoniſchen Strunzer einen Kampff haͤlt/ und jhm an-
gewinnet. Er wil Herkules durch bedrauliche Schreiben von ſeinem Chriſtenthum abſchrecken/ weil es
aber vergeblich/ reiſet er hin zu jhm nach Rom/ machet jhn der Leibeigenſchafft loß/ und verbindet ſich
mit jhm auffs neue in feſter Freundſchafft/ ungeachtet jhres Glaubens Ungleichheit. (Dieſes wird teils
im fuͤnfften/ und teils im ſechſten Buch erzehlet.)


Inhalt des erſten Buchs.


ALs ſie beyde des Vorhabens ſind/ bald von Rom zu ziehen/ und die Welt zu beſehen/ bekoͤmt Ladiſla
durch den alten Boͤhmiſchen Außreiter Wenzeſla/ von ſeiner Fr. Mutter Koͤnigin Hedewig traurt-
ge Schreiben/ daß ſein Herꝛ Vater (wie ſie gaͤnzlich meyneten) auff der Jagt umkommen ſey/ und wer-
den beyde Helden bald darauff in jhrer Herberge von XVI Raͤubern moͤrdlich uͤberfallen/ welche ſie alle
erlegen/ aber daruͤber hart verwundet werden. Nach jhrer Heilung ſchreibet Ladiſla an ſeine Fr. Mut-
ter/ Herkules an das Fraͤulein/ und durchreiſen Italien/ gerahten vor Padua in einem Walde an drey
von fuͤnff Raͤubern entfuͤhrete vornehme Roͤmiſche Fraͤulein/ erlegen die Menſchen Diebe/ und erloͤſen
die Geraubeten/ in deren eine und vornehmſte Frl. Sophia/ Herꝛn O. Fabius/ Roͤmiſchen Stadthal-
ters zu Padua Tochter/ fich Ladiſla hefftig verliebet/ gerahten mit dieſer Fraͤulein Bruder K. Fabius
(der die Raͤuber verfolgete) und ſeinen Leuten/ aus Unwiſſenheit in Streit/ werden wieder verglichen/
und ziehen mit einander nach Padua/ woſelbſt Ladiſla ſich dem Fraͤulein offenbahret/ und ſeine Liebes-
Bande feſt leget. Sein Mitduhler Fulvius koͤmt daſelbſt an/ dem der Vater ſeine Tochter (jedoch jhr un-
wiſſend) verſprochen hatte/ dieſelbe haͤlt es mit Ladiſla/ der Vater mit keinem; Fulvius gibt Ladiſlaen Ur-
ſach zum Kampff in welchem jener erleget wird. Der Stadthalter ſtuͤrzet darauf Ladiſlaen uñ ſeine Toch-
ter auf unterſchiedliche weiſe in eine vermeynete groſſe Lebens gefahr/ macht auch durch liſtigen Anſchlag/
daß das Frl. Ladiſlaen Reden als eine waͤgerung jhreꝛ Heyrabt annehmen muß/ uñ bald darauf verſpricht
er ſie jhm/ ſo daß ſie noch dieſen Abend muͤſſen das Beylager halten/ welches dem jungen Fabius mit Frl.
Urſul auff ſeiner Schweſter Getrieb auch gegoͤnnet wird/ da unterdeſſen Herkules an der von einem Raͤu-
ber empfangenen Wunde betlaͤgerig iſt. Nach deſſen Genaͤſung reiten ſie zur Luſt nach einem Vorwerke/
da Herkules mit ſeinem ritterlichen Diener Klodius allein auff die Jagt reitet/ und des Stadthalters
Bruders Tochter von Rom/ Fraͤulein Stbylla Fabia aus des Raͤubers Silvans Haͤnden erloͤſet. Wor-
auff ſie des folgenden Tages ohngefaͤhr an eine gefaͤhrliche Raͤuber-Hoͤhle von 194. Raͤubern beſetzet/ ge-
rahten/ und dieſelbe (da ſie uͤberal nur 42 Mann ſtark ſind) beſtreiten/ erobern und uͤberaus groſſe Schaͤ
tze darinnen antreffen; werden deßwegen von dem damahligen Roͤmiſchen Kaͤyſer Alexander Severus
treflich geehret und begabet. Ladiſla Hochzeitfeſt wird beſtimmet/ und ſendet Herkules ſeinem vertrauten
Fraͤulein Valiſken koͤſtliche Geſchenke nach Prag; woſelbſt des Franken und Sikambern jungen Groß-
(o) iijFuͤr-
[6]Kurzer Inhalt.
Fuͤrſten Markomirs Geſandten ſich anfinden/ und uͤmb Frl. Valiſken werben/ welches freundlich ange-
nommen wird/ und das Fraͤulein einwendet/ ſie muͤſſe jhrem ſonderlich gethanen Verheiſſen nach/ ſolches
jhrem Herꝛn Bruder zuvor anmelden/ wo mit der Geſandter abge fertiget wird. Die Boͤhmiſchen Staͤnde
ſenden jhre Abgeordenten nach Padua/ jhrem Koͤnige Reiſe-Gelder uͤberzubringen/ welche daſelbſt kurz
vor deſſen Hochzeitfeſt ankommen. Des Tages nach deren Abzug von Prag/ gelanget daſelbſt Ladiſla
Bohte an/ und ladet die Koͤnigin und das Fraͤulein zur Hochzeit/ gleich als das Fraͤulein durch heimliche
Nachſtellung auff der Jagt in groſſe Lebensgefahr geraͤht/ und ſich noch durch Schwimmen loßreiſſet.
Herkules Geſchenke an das Fraͤulein kommen des folgenden Tages zu Prag an da ſie bey jhrer Fr. Mut-
ter und den Landſtaͤnden ſo lange anſuchet/ daß jhr endlich erlaubet wird/ nach Padua auff jhres Herꝛn
Bruders Hochzeitfeſt zu reiſen/ und machet ſie ſich geſchwinde fort. Zu Padua wird bey der Hochzeit ein
Freyſtechen gehalten/ worbey ein vornehmer Perſiſcher Herꝛ/ Nahmens Pharnabazus ſich findet/ wel-
cher mit Herkules Freundſchafft machet. In Herkules Mahrſtalle richten die Geſpenſter ein greuliches
Weſen an/ und geraͤht Herkules in ungewoͤhnliche Schwermuͤhtigkeit/ welche durch ungluͤkliche Traͤume
vermehret wird/ und alles daher ruͤhrete/ das Frl. Valiſka von etlichen Raͤubern vor Padua gefangen/
und davon gefuͤhret wahr.


Inhalt des andern Buchs.


DIe ungluͤkliche Gefaͤngnis der Fraͤulein/ wird durch jhrer Reuter einen/ Nahmens Neklam/ unſern
Helden kund gethan/ welche daruͤber in ohmaͤchtige Traurigkeit gerahten/ und ſich mit einer Reuter-
Geſelſchafft nach dem Flecken machen/ da das Ungluͤk ſich zugetragen hatte/ erfahren daſelbſt etlicher
maſſen/ wohin die Raͤuber mit dem Fraͤulein (die in Juͤnglings Geſtalt mit jhren zwo Leib-Jungfern/ Li-
buſſen und Brelen wẽggefuͤhret worden) ſich gewendet haben. In der Nachfolge treffen ſie einen Theil
dieſer Raͤuber an/ deren Fuͤhrer Gallus/ die eine Jungfer Libuſſen bey ſich hatte; dieſer Gallus erlan-
get Guade bey den unſern/ verpflichtet ſich zu jhren getraͤuen Dienſten/ und gehet mit Herkules in den
Wald nach jhrer heimlichen Raͤuberhoͤhle (nach dem Sie ihre Angeſichter mit einer Kunſt farbe verſtel-
let hatten) da auff dieſem Wege Gallus den ehemahls verleugneten Chriſtlichen Glauben wieder an-
nimt/ finden das Fraͤulein nicht in der Hoͤhle/ weil fremde Meer-Råuber ohngefaͤhr daſelbſt angelanget
wahren/ welche gleich dieſen Morgen alle Raͤuber erſchlagen/ und den ver meinten Juͤngling/ der ſich Her-
kuliſkus nennete/ mit ſamt ſeiner Jungfer Brelen mit ſich nach jhrem Schiffe genommen hatten. Her-
kules entbeut ſolches ſeinem Ladiſla/ und gehet mit Gallus zu Schiffe/ das Fraͤulein zu ſuchen/ welche
noch in Juͤnglings Geſtalt nach Kreta/ und von dar ab weiter nach Tyrus gefuͤhret wird/ von dannen ſie
nach Charas ſol gebracht/ und dem Parther Koͤnige Artabanus geſchenket werden. Zu Padua ent-
ſtehet ein falſches Geſchrey von unſerer Helden Niederlage/ woruͤber ſich Ladiſla Gemahl Fr. Sophia
ſchier aus Ungeduld erſtochen haͤtte; Herkuliſkus ſteiget in Kreta aus/ ſchneidet in einen Nußbaum/
wohin ſie gefuͤhret werde/ und langet von darab zu Tyrus an. Herkules (der ſich Valikules nennet)
ſchiffet nach Korinth/ kehret bey einem moͤrderiſchen Wirt ein/ der jhm nach dem Leben trachtet/ verlaͤſſet
die Herberge/ und geraͤht an einen frommen Chriſtlichen Wirt/ bey welchem er etliche Juͤnglinge antrift/
welche nach Elis auff die Olympiſche Spiele wollen. Gallus zeiget dieſem frommen Wirte an/ mit was
Boßheit ſein voriger Wirt uͤmgehe; welcher darauff eingeſetzt wird/ und muß Herkules mit zween Rit-
tern deßwegen kaͤmpffen/ die er auch erleget. Reiſet darauff mit nach den Olympiſchen Spielen/ wird auff
dem Wege von vier Rittern beſchimpffet/ und bricht jhren Hochmuht. Zu Elis in der Herberge koͤmt er
aber mit einem gewaltigen Grichiſchen Herꝛn/ Nahmens Parmenio zu platze/ und erſchlaͤgt jhn im
Kampffe/ worauff er ſich wieder auff den Weg nach Korinth begiebt. Ladiſla und der junge Fabius ma-
chen ſich zu Padua fertig/ Herkules und das verlohrne Fraͤulein zu ſuchen/ und ruͤſten darzu zwey Schif-
fe aus/ da Fabius mit Leches und Markus (Ladiſlaen ritterlichen Dienern) Ladiſla aber mit Klodius
(Herkules edlem Diener) zu ſchiffe gehen/ ſamt jhrer Mannſchafft/ werden von dreyen Pannoniſchen
Schiffen angegriffen/ und erhalten die Uberwindung/ hernach waͤhlen ſie zween unterſchiedliche Wege.
Zu Prag geben ſich abermal Fraͤnkiſche Heyrahts Werber an/ bey denen der junge Fuͤrſt in Geſtalt eines
geheimen Schreibers ſich befindet/ haben in der naͤhe ein groſſes Kriegsheer/ und gedencken Gewalt zu ge
brau-
[7]Kurzer Inhalt.
brauchen/ welchem vorgebauet wird. Der junge Fuͤrſt entſetzet ſich uͤber der Zeitung/ daß das Fraͤulein
ſolte geraubet ſeyn/ wil es anfangs nicht glauben; reiſet hernach betruͤbt wieder zu ſeinen Eltern/ und
haͤlt uͤmb Verguͤnſtigung an/ das Fraͤulein zu ſuchen/ welches jhm abgeſchlagen/ uñ ein Ritter/ Namens
Farabert/ nach Padua geſchicket wird/ erwas Gewißheit von dem geraubeten Fraͤulein einzuziehen; wel-
cher dem Franken Koͤnige Hilderich von Herkules trauriger Bezeigung und Nachfolgung Bericht thut;
woruͤber ſein Sohn Markomir der junge Fuͤrſt/ Anfangs in groſſe Traurigkeit und Zweiffel muht/ bald
darauff gar in Wahnwiz geraͤht/ daß er muß eingeſchloſſen und verwahret werden. Herkules (jetzo
Valikules genant) wird von einem falſchen Ritter auff einen Gefahrweg verleitet/ da er wegen deß von
jhm erlegeten Parmenions/ von deſſen Bruders Charidemus Leuten gefangen genommen/ und mit ſei-
nem Diener Gallus zum Tode verurteilet wird/ aber bey der Außfuͤhrung erſchlaͤgt er die Schergen/ und
koͤmt ſamt Gallus durch die Flucht zu Fuſſe davon. Er ſchicket ſeinen Gallus nach Korinth/ weiters nach
Padua/ uͤmb Gelder abzuholen/ fortzugehen/ welcher am Meers-Geſtade den jungen Fabius antrifft/ ſich
(weil er durch die Kunſt farbe verſtellet wahr) vor einen Kauffman bey jhm angiebt/ und Herkules Unfal
anzeiget/ welcher ſamt Leches/ Markus und ſeinen Leuten dahin gehet/ den alten Charide mus deßwegen
toͤdten laͤſſet/ und deſſen junges Gemahl Fr. Euphroſynen/ dem Markus freyet; welche Frau unſerm
Herkules bey Gallus in geheim gnugſame Gelder uͤbermachet; und er darauff nach Korinth reiſet von
Ells ab/ woſelbſt er Markus und Frau Euphroſynen antrifft/ und dieſelbe anſpricht. Hieſelbſt fin-
den ſich acht Griechiſche Ritter/ welche Frau Euphroſynen verleumden/ und von Herkules gezaͤh-
met werden. Klodius koͤmt ſehr verwundet zu Herkules/ und zeiget jhm an/ was Geſtalt ſein
Freund Ladiſla bey Patræ mit einem Griechiſchen Herrn/ Nahmens Perdickas gekaͤmpffet/ und nach
erhaltenem Siege von dem alten Kleander gefangen hinweg geſchleppet waͤhre. Derſelbe nun wolte jhn
laſſen enthaͤupten/ weil er ſeinen Sohn Ariſton im Kampff erleget hatte/ und als ſein Gemahl die junge
Agatha jhm heimlich davon helffen wolte/ wahr der Alte willens ſie deßwegen lebendig zu verbrennen;
aber Herkules mit Markus und ſeinen Kriegsknechten zeuhet hin/ und erloͤſet Ladiſla aus des Henkers
Hand/ giebt ſich nicht zu erkennen/ und reitet heimlich davon. Klodius heyrahtet die nachgelaſſene Fr.
Agathen. Herkules ſchiffet nach Kreta/ wird auff dem Schiffe von etlichen Moͤrdern angeſprenget/ und
erleget dieſelben. Steiget in Kreta aus/ und trifft der Fraͤulein Schrifft an dem Nußbaume an/ erfaͤh-
ret alſo jhren Weg; findet in der Stadt Gnoſſus zween Betrieger/ die ſich vor Herkules und Ladiſla auß-
geben/ und machet ſie zu ſchanden. Ladiſla und Fabius mit jhrer Geſelſchafft halten ſich etliche Zeit auff
zu Korinth bey Markus/ da eine kurzweilige Heyraht abgehandelt wird. Ladiſla Leibknabe von Patræ
entrunnen/ koͤmt zu Padua an/ und erwecket daſelbſt groſſe Traurigkeit/ welche Klodius Ankunfft da-
ſelbſt/ auffhebet/ und der Stadthalter denſelben zum Oberſten der Beſatzung machet. Ein verwaͤgener
Bube Volumnius ſtellet Klodius Eheliebeſten Fr. Agathen nach jhrer Ehre/ und verwundet jhn ſelbſt
meuchliſcher Weiſe/ deß wegen er nach erlangeter Geſundheit denſelben im Kampf erleget.


Inhalt des dritten Buchs.


INzwiſchen wird der vermum̃te Herkuliſkus zu Tyrus eingebracht/ verlobet jhre Jungfer Brelen an
jhrer Meer Raͤuber einen/ Nahmens Alexander von Griechiſchem Adel/ und ſendet ſie beyde zuruͤk
nach Padua. Er ſelbſt muß mit den Parthern fort nach Damaſkus und ſo weiters. Alexander und Brela
treffen Herkules in Kreta an/ thun jhm der Fraͤulein Zuſtand zuwiſſen/ worauff er nach dem judiſchen
Lande ſchiffet/ nach Jeruſalem reiſet/ und zu Bethabara ſich taͤuffen laͤſſet/ geraͤht mit einem frechen Ju-
diſchen Ritter Ben-Levi in Streit/ erſchlaͤgt jhn/ uñ macht mit dem Roͤmiſchẽ Stadthalter zu Jeruſalem/
Herꝛn Pompeius gute Freundſchafft/ deſſen einige Frl. Tochter/ Frl. Lukrezie jhm hohe Gewogenheit
zuwendet. Er wird von etlichen Juden verwundet/ welche gefangen genommen werden/ und hernach ge-
buͤhrlich abgeſtraffet/ ohn die den Chriſtlichen Glauben annehmen. Ladiſla/ der junge Fabius uñ Leches
nehmen jhren Weg von Korinth nach Zypern/ und foͤrder nach Seleuzien. Alexander und Brela kom̃en
zu Padua an/ der Stadthalter daſelbſt machet jhn zum Stadt Hauptmann/ wird aber nach wenig Ta-
gen von ſeinem Spießgeſellen erſtochen/ uñ nimt Brela jhren erſten Braͤutigam Ritter Neda aus Boͤh-
men
[8]Kurzer Inhalt.
men wieder an/ der von der Boͤhmiſchen Koͤnigin nach Padua geſendet wahr. Herkules bricht von Je-
ruſalem auff/ und reiſet nach Tyrus/ woſelbſt er ſeiner Fraͤulein ſonderliches Zeichen angemahlet findet/
welche mit jhrer Geſell ſchafft uͤber den Eufrat/ und Tygerfluß gehet (und allenthalben jezt gemeldetes
Zeichen ankreitet) biß in Aſſyrien/ da ſie in einem Walde von einer Raͤuber-Schar uͤberfallen/ und biß
auff Herkuliſkus und ſeinen Dolmetſcher Timokles alle erſchlagen werden. Von dieſen Raͤubern wer-
den dieſe beyde nach Meden gefuͤhret biß zu Herren Mazeus/ welcher die Raͤuber niedermachen laͤſſet/
und Herkuliſkus ſamt Timokles gnaͤdig annimt/ woſelbſt dieſer verſtellete Juͤngling Wunder mit ſchieſ-
ſen treibet. Dieſer Herꝛ ſendet jhn nach Ekbatana dem Mediſchen Groß Fuͤrſten Phraortes zu/ deſſen
Sohn Fuͤrſt Arbianes jhm Bruͤderliche Hulde zuwendet/ und uͤbet er ſich auch daſelbſt im Schieſſen.
Herꝛ Mazeus folget nach Ekbatana/ deſſen Gemahlin Schweſter Fraͤulein Barſene ſich hefftig in Her-
kuliſkus verliebet. Herꝛ Pharnabazus der Mediſchen Groß-Fuͤrſtin Frauen Saptinen Bruder/ koͤmt
von ſeiner Italiaͤniſchen Reiſe zu Ekbatana an/ ſihet/ daß dieſer Herkuliſkus dem Herkules ſo aͤhn-
lich iſt/ und erhaͤlt/ daß dieſer vermummeter Juͤngling (der ſich vor Herkules Vaters Schwe-
ſter Sohn außgab) dieſes ſeines Oheims Verhaltung in ſeiner Jugend erzaͤhlet. Ladiſla reiſet
mit ſeinen Geſellen und Dienern uͤber den Tygerfluß/ gerahten mit VI. Rittern in Kampff/ erlegen
dieſelben/ und bekommen gute Beute. Valikules gehet auch uͤber den Eufrat/ hernach uͤber den Tyger-
fluß/ nach dem er und ſeine Kauffmans. Geſelſchaft ein hartes Treffen mit einer Rauber Schaar in Me-
ſopotamien gehalten. Herkuliſkus zaͤhmet zu Ekbatana ein unbendiges aͤdles Pferd/ und wird dem
groſſen Partiſchen Koͤnige Artabanus von Phraortes/ Pharnabazus und Mazeus endlich zugefuͤhret
nach der Stadt Charas/ da ſie zuvor Herꝛn Mazeus ſeinem Gemahl Fr. Roxanen ſich zuerkennen giebt.
Ladiſla gehet mit ſeiner Geſelſchafft fort biß an die Perſiſchen Grenzen/ woſelbſt Fabius von etlichen
Raͤubern liſtig gefangen/ und an einen unbarmherzigen Herꝛn/ Nahmens Orſillos/ verkaufft wird/
welcher jhn ſehr uͤbel haͤlt/ und jhn endlich an einen Freyherꝛn/ Nahmens Nabarzanes verkaufft/ deſſen
Gemahl Fr. Statira jhm ungebuͤhrliche Liebe zuwendet. Herkuliſkus koͤmt zu Charas an/ und wird
dem groſſen Konige vorgeſtellet/ welcher ſich durch keine Rede wil bewaͤgen laſſen/ jhn ſeiner Mutter
wieder zuzuſenden/ ſondern befihlet/ daß er hingefuͤhret und verſchnitten werde/ er aber erſchlaͤgt die/ ſo
es verrichten wollen/ gibt ſein weibliches Geſchlechte zu erkennen/ nennet ſich Herkuliſka/ und wird von
dem Koͤnige vor ſeine Braut und kuͤnfftiges Gemahl angenommen/ da er jhr zuvor verſprechen muß/
ſie in Jahrs friſt und laͤnger/ nicht zu beruͤhren/ weil jhrem ertichteten vorgeben nach/ ſie biß dahin der
Goͤttin Veſta verlobet waͤhre; daher ſie auff ein abſonderliches Schloß daſelbſt mit einem Frauen zim-
mer verwahrlich gebracht wird; und jhr Timokles ſich in einer Herberge auffhalten muß. Valikules
koͤmt von ſeiner Fraͤulein Spuhr ab/ weil er jhr Zeichen nirgend mehr angemahlet ſihet/ doch einem
naͤchtlichen Geſichte folgend trifft er den rechten Weg wieder an/ entgehet der Gefahr durch Liſt/ uñ koͤmt
bey Mazeus an/ von welchem er der Fraͤulein Zuſtand erfaͤhret/ zeuht nach Ekbatana/ und geraͤht auff
dem Wege mit einem verwaͤgenen Skythen in harten Streit/ den er niederleget/ und wird zu Ekbatana
wol empfangen/ da er ſich ziemlich lange auffhalten muß. Ladiſla/ in dem er den verlohrnen Fabius em-
ſig/ aber vergebens ſuchet/ koͤmt mit etlichen Perſiſchen Herren in Streit/ denen er anſieget/ wird von jh-
ren Verwanten verfolget/ und machet ſich durch einen herben Kampff loß/ da er von den Feinden den
ritterlichen Tyriotes zum getraͤuen Diener bekoͤmt. Fabius/ jezt Kleon genant/ wird von ſeines Herꝛn
Gemahl Fr. Statiren zur unbilligen Liebe genoͤhtiget/ und hernach wolgehalten; ſein Herꝛ merket ſol-
ches/ und wil jhn beurlauben/ worin ſie aber nicht willigen wil. Fuͤrſt Gobares von Suſa findet ſich bey
dieſer Frauen/ als ſeiner alten Buhlen/ und ſchenket dem Kleon ſeinen ehemahligen Herꝛn Orſillos vor
leibeigen/ dem er ſeine Unbarmherzigkeit hart einbringet. Zu Ekbatana wird ein Freyſtechen gehalten/
bey welchem ſich Ladiſla einſtellet/ und unwiſſend mit ſeinem Herkules ſticht/ erkennen ſich mit Freu-
den/ und nimt Ladiſla den Chriſtlichen Glauben an. Ein Jude wird von dreyen Hunden/ wegen ſeiner
Laͤſterung wider den Sohn Gottes/ zuriſſen/ woruͤber etliche Juden wider einen Chriſten ſich verbinden/
und geſtrafft werden. Leches wird auch ein Chriſt/ und die unſern waͤhren gerne bald auffgebrochen nach
Charas/ woſelbſt uͤm die Zeit Fraͤulein Herkuliſka aus Verlangen nach jhrem Herkules in eine Krankheit
geraͤht/
[9]Kurzer Inhalt.
geraͤht/ befeſtiget jhr Getichte wegen Verlobung an die Goͤttin Veſta bey dem Koͤnige/ und genaͤſet
wieder. Die Boͤhmiſchen Geſanten bringen der alten Koͤnigin nach Praag von Padua ab/ Zeitung von
dem geraubeten Fraͤulein; Frau Sophia reiſet mit Frl. Sibylla nach Rom/ werden von dem Kaͤyſer und
ſeiner Mutter Fr. Mammea wol empfangen/ ziehen wieder nach Padua und bekommen daſelbſt Schrei-
ben von unſern Helden; dieſe aber brechen von Ekbatana auf nach Charas.


Inhalt des vierdten Buchs.


Fuͤrſt Gobares von Suſa merket Fr. Statiren buhlerey mit Kleon/ und trachtet jhm deßwegen nach
dem Leben; aber ſie verbirget jhn bey ſich auf einem Gemache/ vorgebend/ Er ſey auff der Jagt erſchla-
gen. Zu Padua genaͤſet ſein Gemahl eines jungen Soͤhnleins. Ladiſla und Herkules mit jhrer kleinen Ge-
ſelſchafft gerahten vor Charas mit des groſſen Koͤniges Sohn und deſſen Leuten/ unwiſſend in Streit/
und erlegt Herkules denſelben/ wenden ſich auff einen andern Weg/ und ziehen zur Stadt ein/ beſchauen
der Fraͤulein Schloß/ und ſehen ſie am Fenſter ſtehen. Timokles der Fraͤulein Dolmetſcher/ koͤmpt mit jh-
nen in kundſchafft/ tuht jhr deren Ankunfft durch Zeichen zu wiſſen/ und ſchieſſen Herkules und ſie einem
andern Brieffe zu in hohlen Pfeilen. Der Morgen laͤndiſchen Fuͤrſten Verbuͤndniß wieder Koͤnig Arta-
banus/ wird zu Charas ruchtbar. Phraortes Großfuͤrſt von Ekbatana kompt an zu Charas/ fuͤhret Her-
kules in angeſtrichener Farbe als einen teutſchen ritterlichen Diener mit auff des Koͤniges Schloß/ da er
dem Koͤnige der Fraͤulein Herkommen und Tahten erzaͤhlet/ unter dem Vorgeben/ er habe an jhres Herꝛn
Vaters Hofe auf gewartet/ und von demſelben den ritterlichen Orden empfangen. Koͤnig Artabanus er-
laͤubet jhnen beiden das Fraͤulein zu beſuchen/ da Herkules mit jhr die Liebe erneuert und ſie zum Chriſten-
tuhm bekehret. Der Koͤnig nimt Herkules (bey jhm Valikules genennet) in Dienſte/ jhn nach der Fraͤu-
lein Fr. Mutter zu verſchicken. Herkules beſuchet das Fraͤulein zum andernmahl und ſtaͤrcket ſie im Glau-
ben. Etliche Hoffdiener der Parthiſchen Fuͤrſten reiben ſich an jhm/ die er zu Fuſſe fechtend erleget; mit
einem andern Nahmens Mithrenes haͤlt er den Kampf zu Pferde unter der Fraͤulein Schloſſe/ ſieget/
und wird von deſſen Herꝛn/ dem juͤngern Vologeſes moͤrdlich uͤberfallen/ welchen das Fraͤulein vom
Schloſſe erſcheuſt. Herkules beſuchet darauf ſein Fraͤulein zum dritten mahle/ und volſtrecket mit jhr die
Ehe; Er ſendet Leches nach Padua und Prag/ mit vielen Schaͤtzen/ uͤmb etliche Voͤlcker zu werben/ und
nach Perſepolis zubringen; und reiten die unſern mit Phraortes nach Perſepolis zu Großfuͤrſt
Artaxerxes/ welcher das Haͤupt der Verbuͤndniß war/ dem Kriegsraht daſelbſt beyzuwohnen; ſchicken
auch alsbald an Artabanus einen freundlichen Brieff/ in welchem ſie uͤmb jhrer Fraͤulein Schwe-
ſter Erloͤſung anhalten. Sie kommen zu Perſepolis an/ und werden von der Fuͤrſtlichen Verbuͤnd-
niß wolempfangen/ ohn allein Fuͤrſt Gobares wirfft einen Unwillen auff ſie. Artabanus erklaͤret
ſich auff die getahne anfoderung/ das er das Fraͤulein nicht laſſen koͤnne/ ſondern ehelichen wolle/ ladet
unſer beide Helden ein zum Hochzeit Feſt/ und ſendet jhnen ſtatliche Geſchenke. Die unſern ſchicken die Ge-
ſchenke wieder zu ruͤcke/ und fodern das Fraͤulein ernſtlich und unter Bedraͤuung. Zu Perſepolis wird
Kriegsraht gehalten/ wo bey Gobares unſere Helden nicht zulaſſẽ wil/ die Sache wird endlich beygelegt;
Herkules ſchicket ſeinen Dolmetſcher Plautus nach Jeruſalem/ und bey jhm groſſe Verehrungen an Frl.
Lukrezien. Artabanus beginnet um ſchleunige Heiraht bey dem Fraͤulein anzuhalten/ welches ſie jhrem
Herkules zuſchreibet. Die andere Anfoderung unſereꝛ Helden wird von dem Koͤnige ungnaͤdig aufgenom-
men/ und draͤuet dieſelben mit Ruhten ſtreichen zu laſſen. Das Fraͤulein aber erhaͤlt bey jhm durch liſtige
Erfindung/ XV. Wochen aufſchub zum Beilager; welches ſie Herkules zuſchreibet. Kleon kan wegen Go-
bares nachſtellung ſich bey Fr. Statiren nicht laͤnger heimlich aufhalten/ erhaͤlt von jhr Urlaub davon zu
ziehen/ und gehet nach Armuzia. Unſere Helden auf angehoͤrete Draͤuung wegen des Ruhtenſtreichens/
fallen mit 16 [...]. Reutern/ in des Parthers Land/ brennen uñ wuͤrgen/ halten mit dem Koͤniglichen Feld-
Herꝛn Spitamenes eine Schlacht/ erlegen von 24000. Feinden/ 21000. Mann/ und nehmen 3000. ſampt
den Feldherꝛn gefangen; welche aberalle ohn entgelt loßgelaſſen werden. Die unſern kommen mit groſſen
Beute zu Perſepolis an. Gotarzes/ Koͤniges Artabanus unehlicher Sohn ſtellet dem Fraͤulein auff jh-
rem Schloſſe nach jhrer Ehre bey Nachtzeit/ und wird daruͤber von jhr erſtochen. Spitamenes meldet
ſeinem Koͤnige die erlittene Niderlage an/ welcher daruͤber erzuͤrnet/ einen andern verwaͤgenen Feldherꝛn
Madates mit 40000. Mann wieder die unſern auß ſendet/ mit Befehl/ unſere Helden durch XX. beſtellete
(o) (o)Rit-
[10]Kurtzer Inhalt.
Ritter zu greiffẽ/ und ſeiner Staͤup Ruhten zuzufuͤhren/ welches Vologeſes der aͤlter/ wiederaͤht. Die un-
ſern gehen dieſem Feinde mit 26000. Mann entgegen aber etwas ſpaͤte/ daher jene dem Perſen zimlichen
Schaden im Lande tuhn/ werden noch geſtutzet/ ritterlich angegriffen und aufs Haͤupt erleget/ ohn Ma-
dates und ſeine XX. Ritter werden lebendig gefangen/ und mit Ruhten geſtrichen/ weil jhr Vorhaben
den unſern verrahten wahr. Herkules in Valikules Geſtalt und Nahmen/ machet ſich mit kleiner Geſel-
ſchaft nach Charas/ das Fraͤulein durch Liſt zuerloͤſen. Leches kompt zu Padua an/ haͤlt daſelbſt mit Libuſ-
ſen/ auch Neda mit Brelen das Beilager/ erzehlet der unſern Zuſtand/ und erhaͤlt bey Fr. Sophien (die
eines jungen Soͤhnleins Herku Ladiſla geneſen wahr) das ſie gleich jhren Gemahl/ den Chriſtlichen
Glauben annimt. Zu Padua werden 7000. Mann vor unſere Helden geworben; Leches und Neda ſampt
jhren jungẽ Frauen reiſen eilig nach Prag/ uͤberliefern die Briefe uñ Geſchencke/ da gleich der alte Groß-
Fuͤrſt/ Herkules Herꝛ Vater/ ſamt ſeinem Gemahl und Frl Tochter/ Frl Klaren daſelbſt anlangen/ und
der Ehe zwiſchen Herkules und Valißken berichtet werden/ woruͤber die Muͤttere beiderſeits ſich hoch er-
freuen/ und der Vater ſeinem Sohn 6000. auſerleſene Teutſche Voͤlcker ſchencket/ worzu der Boͤmiſche
Ritter Prinſla 6000. Boͤhmen wirbet/ da 300. aͤdle juͤnglinge aus Boͤhmen/ jhrem Koͤnige in der frem-
de aufzuwarten ſich zu jhm ſchlagen/ gehen ingeſamt nach Padua/ empfangen daſelbſt jhre Faͤhnlein/ tre-
ten ſamt den Roͤmiſchen Voͤlckern zu Schiffe/ machen auff der See gute Beute/ und zihen durch Syrien
nach dem Eufrat. Herkules koͤmt zu Charas an/ gibt dem Fraͤulein ſein Vorhaben durch Schreiben im
hohlen Pfeile zu wiſſen; meldet ſich bey dem Koͤnige ob ſey er von ſeinen ungetraͤuen Mediſchen Beglei-
tern beraubet/ und mit Noht lebendig entrunnen. Das Fraͤulein teilet Gelder aus unter jhren Frauen-
Zimmer/ davor ſie folgendes Tages von zwo fremden Kraͤmerinnen ſollen Waaren kaͤuffen; dieſe Kraͤme-
rinnen (wahren Perſiſche verkleidete aͤdle Juͤnglinge) fuͤhret Herkules mit ſich auf jhr Schloß/ ſie ſelbſt
aber in Kramer Kleidern/ und mit verſtelletem Angeſicht/ mit ſich vom Schloſſe nach ſeiner Herberge/
leget jhr Ritterliche Kleider an/ und kommen zu Pferde gluͤcklich davon. Gleichwol laͤſſet das Fraͤulein
einen Brief auf jhrem Zimmer/ in welchem ſie jhrer Hofmeiſterin Syſigambis jhre Flucht entdecket/ uñ
ſie auch zur Flucht vermahnet/ welche ſich warnen laͤſſet/ und jhr Leben rettet. Des folgendes Tages erfaͤh-
ret der Koͤnig der Fraͤulein Flucht/ erſchricket daruͤber heftig/ und entſtehet groſſe Unruhe in der gantzen
Stadt. Sein Hofmeiſter Bagophanes muß ſie mit einem Heer 18000. ſtarck verfolgen/ und gibt jhm der
Koͤnig ein freundliches Schreiben mit an ſie. Herkules hat etwas Anfall auf dem Wege/ komt aber mit
den ſeinen wol durch. Madates koͤmt zu Charas an/ mildet ſeine Niderlage/ und ſetzen Pakorus und Vo-
logeſes den Koͤnig zu rede wegen ſeines unbillichen Vornehmens gegen die fremden Fuͤrſten. Herkules
koͤmt in einer Perſiſchen Grenze Stadt wol an/ und nimt Voͤlcker dahinein zu ſeinem Schutze. Bagopha-
nes findet ſich daſelbſt mit ſeinem Heer/ fodert das Fraͤulein von jhm und auf Verwegerung faͤllet er die
Stad feindlich an/ wird aber geſchlagen/ gefangen/ und endlich wieder loß gegeben. Herkules bricht mit
dem Fraͤulein/ und gefangenen Voͤlckern auff nach Perſepolis Ladiſla wartet daſelbſt mit Verlangen
auf jhn/ und erzehlet Artaxerxes ſeines Herkules Lebens Lauff in der jugend. Fuͤrſt Gobares komt mit ſei-
nem Heer zu Perſepolis an; Ladiſla und Arbianes gehen mit etlichen Voͤlckern aus/ Herkules entgegẽ/ wel-
cher jhnẽ mit Frl. Valißken begegnet/ da ſie einander freundlich empfangen. Als ſie zu Perſepolis anlan-
gen/ ſuchet Gobares bey dem Frl. uͤm unbilliche Liebe an/ worauf ſie jhm harte Antwort erteilet. Fabius
wirbet in Armuzia 1000. Reuter/ des Vorſatzes Ladiſla zu ſuchen. Bagophanes koͤmt zu Charas an/ und
iſt ein Zeuge ſeiner Niderlage. Artabanus ſchicket ſich zu ſeinem groſſen Feldzuge/ uñ wird vor gut angeſe-
hẽ das Fuͤrſt Vologeſes noch mahls mit einem Heer 36000. ſtarck an die Perſiſchen Grenzen gehen muß/ die
Art zu kriegen unſern Helden abzumercken; Unſere Helden neben Pharnabazus und Arbianes gehen ihm
mit 31000 Reutern entgegen/ unter denen 9000. Suſianer auf Gobares anſtiften mit Ve[rr]aͤhterey um-
gehen/ werden aber gedaͤmpfet/ und endlich der Sieg wieder Vologeſes/ wiewol mit zimlichen Verluſt er-
halten. Leches und Neda/ auch Klodius und Markus kommen mit jhren Voͤlckern etliche Meile von Ver-
ſepolis an/ da Fabius auf ſie ſtoſſet/ und von jhnen zum Groß-Feldherꝛn geſetzet wird; bald treffen ſie auf
Gobares und ſein Heer/ welcher Frl Valißken verraͤhteriſcher Weiſe von Perſepolis gefangen mit ſich
fuͤhrete/ aus toller Liebe darzu verleitet/ ſein Heer wird von Fabius geſchlagen/ er ſelber gefangen/ uñ das
Fraͤu-
[11]Kurzer Inhalt.
Fraͤulein ſamt jhrem Zimmer/ aller Ehren unverletzet/ erloͤſet/ welche ſich uͤber Libuſſen/ Brelen/ Euphro-
ſynen und Agathen Ankunfft ſehr erfr euet.


Ende des kurtzen Inhalts des erſten Theils.



Inhalt des fuͤnfften Buchs.


HErkules und Ladiſla kommen zu Perſepolis an/ erfahren die buͤbiſche Entfuͤhrung/ welche gleich die-
ſen Morgen in Artaxerxes abweſenheit geſchehen/ ſetzen Gobares nach/ erfreuen ſich der ſchon geſche-
henen Erloſung/ empfangen jhre tapferen Voͤlcker/ und wird Gobares enthaͤuptet/ Frl. Valißken aber deſ-
ſen Fuͤrſtenthum geſchenket/ welches ſie Pharnabazus wieder zuwendet. Vologeſes meldet ſeine Niderla-
ge zu Charas an. Pharnabazus wird mit Frl. Barſenen verſprochen/ als Phraortes mit ſeinen Voͤlckern
zu Perſepolis ankomt/ und wird zu dieſer/ wie auch zu Herkules und Valißken Hochzeit Feſte anſtalt ge-
macht. Des Tages vor der Hochzeit meldet ſich Artabanus Geſanter Syſimithres zu Perſepolis an/ brin-
get dem Fraͤulein und unſern Helden falſche freundliche Schreiben und Geſchencke von dem Koͤnige/ muß
auf der Hochzeit ſich finden laſſen/ uñ wird damit weggewieſen. Libuſſa verleurt Frl. Klaren aus Teutſch-
land Bruſtbildichen/ welches Arbianes findet/ und ſich heftig daran verliebet. Orſillos erhaͤlt durch Fr.
Valißken Vorbitte/ Freilaſſung bey Fabius/ reiſet nach Fr. Statiren und erzaͤhlet jhr Fabius Zuſtand;
Nabarzanes jhr Ehherꝛ wird auf der Jagt von einem Loͤuen getoͤdtet. An beiden Seiten bereitet man ſich
zu der Feld Schlacht/ im Perſiſchen Heer findẽ ſich 204000. Reuter; 161000. zu Fuß; jngeſamt 365000.
Mann. An Parthiſcher Seiten 296000. zu Roß/ 194000. zu Fuß; ingeſamt 490000. Mann. Valißka
erfaͤhret Arbianes Verliebung/ und ſendet Neklam nach Teutſchland/ eine Heiraht zwiſchen jhm und Frl.
Klaren/ zu befodern. Fabius gehet mit 24000 Reutern vor dem Heer aus/ trift auf den Parthiſchen vor-
trab/ welchen Dorylaus 40000. ſtarck fuͤhret/ erleget das ganze Heer auf wenig nahe/ ſchneidet allen er-
ſchlagenen die Zunge ab/ weil ſie den Perſen ein ſolches gedraͤuet hatten/ und wird von unſern Helden
nach erhaltenem Siege froͤlich empfangen. Die wenige Gefangene werden Artabanus mit allen abge-
ſchnittenen Zungen zugeſchicket/ woruͤber er ſich ſehr eifert. Die Haupt Schlacht wird gehalten und aller-
ſeits zu Pferde heftig gefochten/ biß ein groſſes Ungewitter entſtehet/ und ſie trennet/ nach dem an Par-
thiſcher Seiten 145000 erſchlagen und 21800. verwundet worden; an Perſiſcher nur 47154. Tod/ uñ 11755.
beſchaͤdiget ſind. Des andern Tages ſtaͤrcken ſie beiderſeits jhre Reuterey mit groſſem neuen Zuſaz von
den beſten Fuß Voͤlkern/ und trift erſtlich die Reuterey/ hernach die Elefanten/ endlich das Fuß Volk/ da
nach langem ernſtlichen Gefechte der Sieg den Perſen zu teile wird/ die Parther das Feld raͤumen/ und
den Abzug in jhr Lager nehmen muͤſſẽ/ nach dem jhrer Reuterey an dieſem Tage 117000. erſchlagen/ 15000.
hart verwundet/ und 21500. gefangen/ von den Fuß Voͤlkern aber 82450. niedergemacht/ 1420. hart be-
ſchaͤdiget/ und 12000. gefangen wahren. Da hingegen an Perſiſcher Seite 43150 Reuter und 58225. Fuß-
knechte erleget, 49850. Reuter und 20275 Fußknecht verwundet wahren. Die Unſern ruͤcken alsbald vor
das Parthiſche Hauptlager/ nehmen alle Elefanten und Wagen/ mit Speiſen und Waffen aus jhrem ne-
ben Lager/ und bringen ſolches in gute ſicherheit. Des Nachts gehet Artabanus mit allen ſeinen Voͤlkern
fluͤchtig davon/ in groſſer Furcht biß nach Charas/ und bekommen die unſern uͤberaus groſſe Beute. Arta-
banus kan dennoch der Liebe nicht vergeſſen/ ruͤſtet ſich aufs neue/ und gibt ſich ein ungeheurer groſſer In-
diſcher Kaͤmpfer/ Gamaxus ſeines herkom̃ens ein Baur bey jhm an/ welchen er unſere Helden zu beſtrei-
ten beſtellet/ wie auch vier Hirkaniſche aͤdle Juͤnglinge/ welche dieſelben mit Gift hinrichten ſollen; dieſe
ſtellen ſich bald ein/ und werden von Herkules in Dienſte genommen. Gamaxus gehet unter der beglei-
tung 40000. Reuter an die Perſiſchen Grentzen/ fodert durch einen Heerhold unſere Helden aus zum ab-
ſonderlichen Kampfe/ und wird als ein Baur abgewieſen/ welches jhn ſehr verdreuſt/ und es an den Koͤ-
nig gelangen laͤſſet/ der jhn fuͤr einen Fuͤrſten in Ober Meden erklaͤret. Die Hirkaniſche aͤdel Knaben/ als
ſie die Vergiftung wollen verrichten/ gereuet es deren einen/ Nahmens Bazaentes/ und zeiget es Fr Va-
lißken an; die andern verrichten die Vergiftung an der Fuͤrſten Handſchuhen/ werden daruͤber ertappet/
eingezogen/ mit jhrem eigenen Gift beſchmiret und lebendig verbrennet/ doch noch einer jhres Mittels/
weil er willig bekennete/ im Gefaͤngnuͤß behalten. Gamaxus fodert die unſern abermahl aus/ und wird
(o) (o) ijder
[12]Kurtzer Inhalt.
der Kampf von Herkules angenommen/ der Heerhold aber ſchimpflich gehalten. Unſere Helden ſamt Ar-
taxerxes und Phraortes brechen mit einem Heer auf nach den Grenzen/ Herkules trit den Kampf an/ Gott
ſtehet jhm wunderlich bey/ und verleihet jhm Sieg/ das er den ungeheuren Gamaxus lebendig gefangen
bekomt/ woruͤber noch das Parthiſche Heer geſchlagen/ gefangen/ und drey Grenze Staͤdte eingenom̃en
werden. Gamaxus wird krum und lahm geheilet/ auch/ weil er ſchmaͤhet/ mit Ruhten geſtrichen/ biß er ge-
bendiget wird. Zu Charas entſtehet deß wegen groſſes Leid/ und komt die Fuͤrſtliche Verbuͤndniß zu Per-
ſepolis zuſammen auf das Freuden Feſt. Fr. Statira komt auch daſelbſt an/ Fabius zu beſuchen/ welcher
jhr bey Pharnabazus Gnade erwirbet/ und ſie an einen vornehmen Herꝛn wieder ehelich verſpricht/ da ſie
hernach jhr Leben gebeſſert. Ladiſla erzaͤhlet Artaxerxes vollends Herkules Wunder-Begebniſſen; Unſere
Helden werden von der Verbuͤndniß uͤberaus hoch beſchencket/ uñ brechen die unſern auf nach jhrem Va-
terlande zugehen; auf der Reiſe bey dem Tygerfluß treffen ſie 8000. Parthiſche neugeworbene Voͤlcker an/
welche ſie gefangen nehmen/ und nach Perſepolis ſchicken/ bey deren Oberſten Syſimithres Fr. Valißka
an Artabanus ſchreibet; bekommen noch 50 Reuter-Werber gefangen/ mit XX. Tonnen Goldes baar-
ſchafft/ und gehen auf Damaſkus. Fr. Valißken Abgeſanten nach Teutſchland kommen zu Magdeburg an/
uͤberliefern die Briefe und Kleinot dem Fraͤulein und jhren Eltern/ und bekommen zimliche Erklaͤrung.
Zu Damaſkus nimt Fabius den Chriſtlichen Glauben an/ von dannen die unſern aufbrechen/ das heilige
Land beſehen/ und zu Bethabara ſich tauffen laſſen/ zihen in aller ſtille nach Jeruſalem/ und werden von
Herꝛn Pompeius Stadthalter daſelbſt wol empfangen/ woſelbſt Fr-Valißken Abgeſanten aus Teutſch-
land anlangen/ und vor Arbianes (der daſelbſt bey den unſern wahr/ und mit in Teutſchland reiſen wolte)
gute Zeitung wegen der Heiraht bringen Fr. Valißka geneſet alhie eines jungen Soͤhnleins/ welcher in
der Tauffe Herkulißkus genennet wird/ und nehmen ſie nach geendigten ſechs Wochen jhre Reiſe uͤber
Meer nach Padua vor/ da Frl. Lukrezie mit jhnen fortſchiffet. Syſimithres bringet die Zeitung von Fr.
Valißken abreife nach Teutſchland/ nach Charas/ woruͤber Artabanus ſich anfangs betruͤbet/ nachgehens
vol Eifers wird. Die unſern laͤnden froͤlich in Kreta an/ finden die ingeſchnittene Schrifft am Nußbaume/
ſchiffen nach Korinth/ und weiters nach Padua.


Inhalt des ſechſten Buchs.


Fuͤrſt Baldrich/ Herkules Bruder/ und Fuͤrſt Siegward aus Schweden/ kommen bey Padua an/ und er-
loͤſen Fr. Sophien/ Fr Urſulen/ und Frl. Sybillen aus Raͤubers Haͤnden/ welche ſie in einer hoͤhle ge-
fangen hielten/ da Siegward ſich in das Fraͤulein ſehr verliebet. Herkules/ Ladiſla/ und Fabius kommen
zu Padua einſam an/ erfahren dieſes Frauenzimmers entfuͤhrung/ reiten hinaus uñ begegnen obgedach-
ten beiden Fuͤrſten/ von denen ſie zum Kampf außgefodert werden/ treffen mit einander und erkennen ſich
endlich/ da Ladiſla ſein Gemahl froͤlich empfaͤhet/ machen ſich ingeſamt nach Padua/ und zihen Fr. Valiß-
ken entgegen/ welche von den Paduaniſchen Frauenzim̃er freundlich empfangẽ wird. Die Stadt-Obꝛig-
keit daſelbſt bewirten die unſern auf jhrer neu-erbauten Burg/ und verliebet ſich Baldrich in Frl-Lukre-
zien. Die gefangenen Raͤuber werden des folgenden Tages bey Padua gekreuziget/ wobey die beiden Fuͤr-
ſten jhren Fraͤulein jhre Liebe antragen/ und zimlich Gehoͤr erlangen/ biß endlich durch Fr. Sophien un-
terhandlung die beiden Fraͤulein ſich noch beſſer erklaͤren/ und freiet dieſelbe Galluſſen jhre aͤdle Leibdiene-
rin jungfer Beaten zu. Die beiden Fraͤulein zeigen jhren Buhlen an/ das ſie Chriſten ſeyn/ und keine an-
dere als Chriſten heirahten wollen/ welches jhnen anfangs etwas hart eingehet/ und ſich doch bald zim-
lich erklaͤren. Frr. Valißka und Sophia erlangen der beiden Fraͤulein einwilligung zur Heiraht. Die bei-
den Fuͤrſten haben dieſe Nacht uͤberaus ſchwere Anfechtung von den Teufeln in geſtalt der falſchen Goͤ-
zen/ wodurch ſie furchtſam gemacht/ und vom Chriſtentuhm zimlich abgeſchrecket werden/ aber Valißka
troͤſtet ſie/ das ſie ein Herz faſſen/ und durch ein anmuhtiger Geſichte in jhrem guten Vorſaz geſtaͤrcket
werden/ daher ſie Valißka in der Lehre unterrichtet/ welche ſie begierig annehmen/ und darauf zu den bei-
den Frl. auf jhr Schlafgemach gefuͤhret werden/ woſelbſt die voͤllige Zuſage vor ſich gehet. Die Fuͤrſtli-
che Geſelſchaft faͤhret hinaus das Raub Neſt zu verſtoͤren/ da Baldrich und Frl. Lukrezie/ als ſie im Wal-
de miteinander gehen/ von zween Baͤren angefallen werden/ welche er zwar erleget/ aber zugleich das Frl.
zimlich hart verwundet/ nach deren heilung Gallus mit ſeiner Beaten (deren Vater er Zeit ſeines Rau-
ber-
[13]Kurtzer Inhalt.
berſtandes heftig beleidiget hatte) Hochzeit machet/ und die beiden Fuͤrſten das Beilager halten/ wobey
Arbianes ein Freiſtechen anſtellet. Ein Roͤmiſcher Herꝛ/ Nahmens Skaurus heirahtet Frl. Helenen Va-
lißka erzehlet auf begehren Fr. Sybillen/ wie es mit jhrer Verliebung und Verlobung mit Herkules zu-
gangen ſey. Farabert der Frankiſche Ritter/ welcher bißher zu Padua ſich aufgehaltẽ/ gibt ſich an bey Va-
lißken/ klaget jhr ſeines jungẽ Fuͤrſten Markomirslingluͤck/ uñ haͤlt bitlich an/ das ſie an jhn einenfꝛeund-
lichen Brief wolle abgehen laſſen/ welches ſie gerne leiſtet/ auch ſchoͤne Kleinot und andere koͤſtliche Sa-
chen dem Fuͤrſten und ſeiner Fr. Mutter uͤberſendet/ welche Farabert ſelbſt uͤberbringet. Herkules und La-
diſla ſchickten dem Kaͤyſer und ſeiner Fr. Mutter nach Rom einen koͤſtlichen Beutpfennig/ da ſie beide ſich
erklaͤren zu Padua bey der jungen Fuͤrſten jhrem Hochzeitfeſte zuerſcheinẽ/ werden auch daſelbſt praͤchtig
empfangen/ und leget der Kaͤyſer mit unſern Helden groſſe Freundſchaft zu. Fr. Sibylla treibet es bey
dieſer Hochzeit/ das die Heiraht zwiſchen Herꝛ Pupienus und Frl. Virginia von Rom vor ſich gehet/ bey
welcher Handelung zimliche Verwirrungen vorlauffen. Prokulus ein Roͤmiſcher Ritter fodert Baldrich
aus/ voꝛgebend eꝛ habe jhm Frl. Lukrezien abgeſpenſtiget/ deſſẽ er auch Siegwarden beſchuldiget/ legt dar-
uͤber ertichtete Briefe auf/ durch welche er von andern aufgetrieben war/ und wird im Kampfe verletzet.
Fr. Lukrezie erhaͤlt bey dem Kaͤyſer/ das jhr Vater Stathalter wird zu Koͤlln am Rein. Valißka in Ama-
zoniſcher Geſtalt mit angeſtrichenem Angeſicht ſtellet ein vierfaches Ritter Spiel in des Kaͤyſers gegen-
wart an/ in welchem ſie und Herkules den hoͤchſten Preiß davon tragen. Ein Pannoniſcher Geſanter/ nah-
mens Pines mit etlichen Rittern komt zu Padua an/ beut einen Kampf aus nach habender Volmacht von
ſeinem Koͤnige/ das auf dem fall ſeines Verluſts das Pannoniſche Reich den Roͤmern X. Jahr lang die
Schatzung entrichten wolle; Herkules nimt ſolches mit jhm an/ uͤberwindet jhn/ und nimt jhn vor leibei-
gen/ wie auch deſſen Mit Ritter von Ladiſla und andern uͤberwunden werden. Die Gefangene ſtellen ſich
unbendig/ und werden mit Ruhten gezaͤhmet. Der Kaͤyſer zur Danckſagung/ kroͤnet Herkules und Ladiſla/
auch jhre Gemahlinnen als freie Koͤnige der Teutſchen und Boͤhmen/ und tuht ihnen ſtatliche Geſchenke.
Herkules und Ladiſla Parthiſche Leibeigene halten an uͤm die verſprochene Freiheit/ eꝛhalten dieſelbe/ weꝛ-
den mit ritterlichem Gewehr verſehen/ uñ Arbianes untergeben; uñ ſchicken ſich die unſern zur Reiſe nach
Prag. Die gefangenen Pannonier werden auf die Ruder Schiffe geſchmiedet Endlich brechen die unſern
von Padua auf/ halten das erſte Nachtlager in dem ungluͤcklichen Flecken/ woſelbſt ein Kuͤhhirt jhnẽ von
den ehemaligen Verfolgungen wieder die Chriſten etwas erzaͤhlet. Die Pannonier warten den Unſern an
den Grenzen auf/ ſie zu berauben und niderzumachen/ daher ein hartes Treffen entſtehet/ und werden die
Pannonier faſt alle erſchlagen. Worauf die unſern ſicher die Boͤhmiſchen Grentzen erlangẽ/ den alten Pri-
biſla in jhre Geſelſchaft bekom̃en/ jhre Voͤlcker uñ Wagen zuruͤck laſſen/ uñ in aller ſtille nach Prag fahrẽ/
da ſie die alte Koͤnigin durch jhre unvermuhtliche Ankunft hoch erfreuen/ uñ dem ganzen Lande groſſe freu-
de erwecken/ uñ wird gegen Ladiſla angeſetzete Kroͤnung gute anſtalt gemachet. Ritter Farabeꝛt aus Fran-
ken komt bey ſeinem Koͤnige an/ bringet das Schreiben und die Schenkungen wol uͤber; worauf der junge
Fuͤrſt Markomir wieder zur voͤlligen Geſundheit gelanget.


Inhalt des ſiebenden Buchs.


ZU Prag koͤmt unverhoffete Zeitung/ das Herkules Eltern und Frl Schweſter von dem Wendiſchen
Fuͤrſten Krito und ſeinem Sohn Gotſchalk geraubet und gefangen nach Frießland gefuͤhret ſind/ wel-
ches die unſern aufmuntert/ daß ſie nach moͤgligkeit Voͤlker zuſammen bringen/ von Prag eilend durch
Teutſchland nach Frieſland gehen/ und die Raͤuber mit jhrem Heer erreichen/ da Vater uñ Sohn uͤber dem
Fraͤulein uneins worden ſind; vergleichen ſich aus Noht/ und treten mit den unſern die Schlacht an/ aus
welcher Gotſchalk mit einer Schaar hinweg reitet/ das Fraͤulein mit ſich uͤber die Iſel fuͤhret/ und ſie nach
Daͤnenmarck bringen wil/ uͤm ſie daſelbſt zu heirahten/ aber Arbianes/ der ſie liebete/ ſetzet jhm nach/ er-
ſchlaͤgt den Raͤuber und rettet ſie/ da er kurz zuvor jhre Eltern frey gemacht/ und nach jhrem Lager fortge-
ſchikt hatte. Krito wird in der Schlacht gefangen. Arbianes kan wegen der verſchlagenen Voͤlker mit dem
Fraͤulein nicht nach jhrem Lager ſicher durchkommen/ begibt ſich mit jhr auf einen Abweg/ uñ gibt ſich ihr
zuerkennen. Groß Fuͤrſt Henrich mit ſeinem Gemahl komt zu ſeinem Sohn Baldrich/ den er bißher vor
tod geſchaͤtzet hatte/ erfreuet ſich uͤber jhn/ wird aber betruͤbt als er vernimt das er auch ein Chriſt worden
(o) (o) iijſey/
[14]Kurtzer Inhalt
ſey/ doch gibt er ſich bald zu frieden/ und erklaͤret ſich/ ſeinen Soͤhnen das Chriſtentuhm frey zu goͤnnen;
worauf Herkules (der ſich bißher verborgen gehalten) ſich ſeinen Eltern zuerkennen gibt/ uñ mit Freuden
angenommen wird. Krito machet ſich in ſeiner haft unnuͤtze. Arbianes/ um Gefahr zu meiden/ fuͤhret das
Fraͤulein nach einem abgelegenen Dorffe/ da er ſich wegẽ moͤrdlicher Nachſtellung in eines Bauren haͤus-
lein nebeſt dem Fraͤulein verſtecket/ welcher Wittho hieſſe/ daſelbſt ſind ſie auf dem Haͤu ſicher/ erquicken
ſich mit Speiſe und Tranck/ und haͤlt er bey dem Fraͤulein ſo inſtaͤndig an/ das ſie jhm endlich die Ehe ver-
ſpricht. Etliche Reuter fragen vor dem Haͤußlein nach jhnen/ laſſen ſich aber aus furcht/ es moͤchten Fein-
de ſeyn/ verleugnen/ da ſie doch zu jhrem beſten ausgeſchickt wahren. Herkules erzehlet ſeinen Eltern/ wie
er zum Chriſtentuhm kommen ſey/ und bewaͤget ſie/ daſſelbe anzunehmen. Die beyden verliebeten muͤſſen
wegen der verſchlagenen Voͤlcker des andeꝛn Tages biß gegen den Abend auf dem Haͤu zubringen/ da ſie
jhre beredung halten. Des folgenden Morgens nach der Schlacht gibt Herkules ſich jhrem Heer zuerken-
nen/ und wird mit Freuden angenommen Der Wendiſche Verraͤhter Niklot wird lebendig geſpieſſet/ und
hernach Krito wie heftig er ſich gleich ſtraͤubet/ mit dem Schwerte gerichtet/ und gehen die unſern fort/
Frieſland einzunehmen. Arbianes bringet dem Frl. auf dem Haͤu den Chriſtlichen Glauben bey. Hernach
verſtellet er jhr Angeſicht mit deꝛ Kunſt Faꝛbe/ legen baͤuꝛiſche Kleider an/ ſagen dem alten Bauren Wittho
groſſe Vergeltung zu/ und mit deſſen Bruder Sohn den jungen Wolfgang gehen ſie nach dem naͤheſten
Staͤdtlein/ werden auf dem Wege von verlauffenen Wenden angriffen/ und erlegen dieſelben. Das Frl.
wird von etlichen trunkenen Bauren zum Tantz genoͤhtiget/ und gelangen endlich im Stadtlein an/ da ſie
bey Wolfganges Haußherren die Herberge nehmen/ und jhnen neue ſchlechte Kleider machen laſſen/ des
Willens nach jhrem Lager zuzihen/ ſie gerahten aber in Feuers noht/ lauffen zum Staͤdtlein hinaus mit
Wolfgangen/ und werden von vier Buͤrgern verfolget/ als waͤhren ſie Mordbrenner/ welche Arbianes
erleget/ das Fraͤulein aber inzwiſchen aus Angſt mit Wolfgang davon laͤuft/ und alſo von jhren lieben
Fuͤrſten abgeſchieden wird. Unſere Helden nehmen ganz Frieſland ein/ biß auf eine Feſtung/ welche Fuͤrſt
Olaf aus Daͤnenmarck inne hatte/ der dañ/ weil der letzt verſtorbene Frieſen Koͤnig jhn zum Erben erklaͤ-
ret/ anſprach an das Koͤnigreich zu haben vermeinete/ aber Herkules uͤberwindet jhn im Kampfe/ machet
mit jhm Vertrauliche Freundſchaft/ und ſchencket jhm Wendland/ wohin alsbald ein Heer geſchicket wird/
es einzunehmen/ welches Fuͤrſt Siegward fuͤhretꝛ. Baldrich wird zum Koͤnige in Frieſland willig ange-
nommen und gekroͤnet. Der alte Baur Wittho komt zu unſer Fuͤrſtlichen Geſelſchaft/ und bringet Zeitung
von Arbianes und den Fraͤulein/ ſie ſenden etliche aus/ nach dem Staͤdtlein/ von jhnen beſſere Kundſchaft
einzuzihen/ uñ erfahren ſo viel das ſie im Feur nicht aufgangen/ ſondern davon kommen ſeyn. Die Fuͤrſt-
liche Geſelſchaft bricht aus Frieſland auf nach Teutſchland; Ein Teutſcher Pfaffe vom Teufel angetrie-
ben/ wiegelt Teutſchland auf wieder jhre Fuͤrſten wegen des Chriſtlichen Glaubens/ das ſie in groſſer
Menge jhnen entgegen zihen/ umb ſie zuzwingen/ den Chriſtlichen Glauben zu verleugnen/ und wird das
Teutſche und Boͤhmiſche Heer ſo bey den Fuͤrſten wahr/ zugleich mit aufruͤhriſch gemacht/ welche aber
befriediget und zum Gehorſam gebracht werden/ und ob zwar zimlich Blut vergoſſen wird/ legen endlich
unſere Fuͤrſten die Streitigkeit bey/ nach dem allen Inwohnern jhres Aberglaubens Freiheit beſtaͤtiget
wird. Worauf beides Großfuͤrſt Henrich/ und ſein Sohn Herkules/ vor der freien Teutſchen Koͤnige von
dem Volck aus geruffen und beſtaͤtiget werden/ reiſen nach Magdeburg und laſſen ſich da ſelbſt kroͤnen/ ſind
aber ſehr betruͤbt/ daß ſie daſelbſt nichts von dem verlohrnen Fraͤulein erfahren moͤgẽ. Das Fraͤulein mit
Wolfgang laͤuft durch ein Waſſer aus Angſt davon/ und ermuͤdet gar/ haͤlt Arbianes vor erſchlagen/ uñ
wil ſich nicht troͤſten laſſen/ gerahten unter dreyer Diebe Haͤnde/ und werden beraubet/ wandeln ganz er-
muͤdet fort/ und kommen endlich auf eine Heerſtraſſe/ da Wolfgang einen Fuhrman wegen ſeines an dem
Fraͤulein veruͤbeten frevels erſchlaͤget und bey deſſen Weibe einkehret/ wil auf einer Karre das Fraͤulein
nach der Elbe bringen/ werden abermahl beraubt/ gehen nach einem Flecken/ woſelbſt ſie ſich etliche Tage
bey einer Witwen aufhaͤlt// uñ jhr Kinderzeug naͤhet, Arbianes ſuchet jhr nach/ findet zwar durch Gottes
Schickung den rechten Weg/ kan ſie aber nicht antreffen/ und geraͤht in manniche Noht/ welches er im ach-
ten Buche erzehlet. Das Fraͤulein wird von einer aͤdlen Frauen hintergangen und uͤber Rein gefuͤhret
vor eine Magd/ da ſie ſich vor Wolfgangs Ehefrau angibt/ muß etliche Wochen bey jhr dienen/ und wird
gar
[15]Kurtzer Inhalt.
gar hart und elend gehalten/ welches alles ſie in Chriſtlicher Gedult uͤberwindet. Fuͤrſt Siegward nimt
Wendland ein/ und beſtaͤtigt die alte Fuͤrſtin/ welche Olaf zum Erben annimt; Siegward komt zu Mag-
deburg an/ und reiſet mit der Geſelſchaft nach Prag/ wie auch Fuͤrſt Olaf. Farabert komt zu Prag an/ mit
groſſen Geſchencken von dem Francken Koͤnige Hilderich/ an Koͤnigin Valiſken/ und meldet des jungen
Fuͤrſten Markomirs volkommene Geſundheit. Wolfgang leget mit einem/ Nahmens Reichard an/ das
Fraͤulein durch Gewalt zu erloͤſen/ und nach der Elbe zu bringen/ welche von jhrem Haußherren zur
Unzucht angeſuchet/ und von jhrer Frauen uͤbel geſchlagen ward. Der Anſchlag geraͤht wol/ aber auf der
Reiſe nach Magdeburg/ wil Reichard ſelbſt das Fraͤulein ſchaͤnden/ wird druͤber gefangen genommen/ uñ
komt ſie Geſund zu Magdeburg an. Auf der Reiſe von Magdeburg nach Prag/ trift ſie jhren Arbianes
in Betlers Kleidern an/ erfreuen ſich hertzlich in rechtſchaffener Danckſagung zu Gott; gehen als Kraͤmer
zur Fuͤrſtlichen Geſelſchaft und verkaufen jhnen etliche Waaren; Hernach kleiden ſie ſich fuͤrſtlich/ legen
die angeſtrichene Farbe ab/ treten unvermercket zum Fuͤrſtlichen Saal hinein/ und erwecken groſſe Freu-
de/ da ſie miteinander verſprochen werden. Wolfgang und die IIX. Reuter/ welche das Fraͤulein hatten
loßgemacht/ werden hoch begnadet/ Reichart vor Gericht geſtellet/ verurteilet/ und wieder begnadet/ reiſet
nach ſeiner Heimat/ und ſendet das Fraͤulein jhrer geweſenen Frauen dreyen Toͤchtern Geſchenke. Die
Roͤmiſche Herren von Padua kommen zu Prag an/ und haͤlt Arbianes mit Frl Klaren das Beylager.


Inhalt des achten Buchs.


AUf dem Wall zu Prag machen die Geſpenſter viel Unruhe uñ komt als bald darauf die leidige Zeitung/
daß des Pannoniſchen Koͤniges Mnata ſein Feld Marſchalk Dropion (des ehmaligen Bato/ und des
Pines Bꝛuder) mit einem groſſen Heer in Boͤhmen eingefallen ſey/ uñ alles mit Raub/ Mord uñ Brand
erfuͤlle/ Baldrich und Siegward gehen demſelben entgegen mit einem zimlichen Heer/ und faͤlt dieſer dem
Feind gluͤcklich ein/ Herkules machet ſich hin zu ſeinem Bruder/ findet deſſen Lager wolbeſchaffen/ und laͤſ-
ſet denſelben nebeſt Siegward dem Feind entgegen zihen/ welche in Gefahr gerahten/ aber von Fabius
entſetzet werden und den feindlichen Vortrab aufs Haͤupt erlegen. Leches gehet des andern Tages wieder
auf Kundſchafft auß/ und wird jhm ein Reuter Grozemiſla abgefangen/ welcher durch Luͤgen ſich von den
Pannoniern loßwirket; Dropion belaͤgert der unſern Lager/ woruͤber das ledige Pannoniſche Lager durch
Grozemiſla anſtiftung angezuͤndet wird/ welches Dropion nicht groß achtet/ und der unſern Lager auf-
fodert/ welche jhn dieſen Tag mit guten Worten hinhalten. Ladiſla komt ins Lager/ und auf abermahlige
aufffoderung gibt er bedraͤuliche Antwort/ worauf der Feind den Sturm eiferig antrit/ wird abgeſchlagẽ/
und gehet wegen Speiſemangels wieder zuruͤck nach den Pannoniſchen Grenzen. Die unſern verfolgen
jhn/ halten jhn in ſeinem Lager feſt eingeſchloſſen/ fallen in Pannonien/ und machen ſehr groſſe Beute.
Mnata zeuhet ſeinem Dropion mit 150000. Mann zu Huͤlfe/ deßwegen gehen die unſern wieder zuruͤck
nach jhrem vorigen wolbefeſtigten Lager. Mnata und Dropion belageꝛn die unſern zum andernmahl/ laſ-
ſen jhnen zum Schrecken einen Galgen aufrichten/ fodern das Lager auf zur Ubergabe/ bekom̃en ſchimpfli-
che Antwort/ und tuhn darauf einen grauſamen Sturm/ da ſie mit groſſem Verluſt abgeſchlagen werden;
darauf geſchihet ein treffen zu Pferde mit zimlichen Verluſt an beiden ſeiten. Mnata und Dropion zweien
ſich in etwas/ und erfaͤhret Mnata/ das Dropion mit Verraͤhterey uͤmgehet/ dagegen er ſich verwahret
durch beyſtand ſeines getraͤuen Agiß. Es wird ein fuͤnftaͤgiger Anſtand gemacht/ in welchem doch ein klei-
nes treffen von 120. Mann an beyden ſeiten gehalten wird/ da die unſern obſiegen. Mnata bekoͤmt heim-
lich einen groſſen Entſaz/ fodert die unſern zur Schlacht aus/ welche gehalten wird/ und fuͤgen die unſern
dem Feinde groſſen Schaden zu/ biß ein groſſes Ungewitter ſie von einander trennet/ und inzwiſchen den
Feinden der groſſe Entſatz 80000. ſtark/ zukomt. Die unſern erſchrecken daruͤber/ treten doch die Schlacht
wieder an/ und thun anfangs gute Gegenwehr/ biß jhre Voͤlker algemach nachlaſſen und ausreiſſen/ wor-
uͤber Koͤnig Ladiſla/ Henrich uñ andere Fuͤrſten mehr gefangen werden; Herkules nimt den Pannoniſchen
Koͤnig gefangen/ und ſendet jhn nach Prag/ wird hernach ſelbſt gefangen/ und die Schlacht an der unſern
ſeite verlohren/ da von allen Fuͤrſten nur Arbianes aus der Schlacht entrinnet. Dropion wil unſere Koͤ-
nige und Fuͤrſten henken laſſen/ werden auch ſchon nach dem Galgen gefuͤhret/ aber von etlichen Panno-
niſchen Oberſten (die jhres Koͤniges Heil betrachteten) beym Leben erhalten. Des folgenden Morgens
komt
[16]Kurtzer Inhalt.
komt durch Gottes Schickung Valißka/ Baldrich und Arbianes mit einem groſſen Heer an/ auch zugleich
von Suͤden her der Frankiſche Großfuͤrſt Markomir mit 50000. Reutern/ uñ bald darauf noch ein Huͤlf-
heer von Norden 60000. ſtark aus Wendland/ da allenthalben die Schlacht tapfer angehet/ Valißka
aber inzwiſchen der Feinde Lager einnimt und die gefangenen Fuͤrſten erloͤſet/ welche ſich verteilen/ und
der Schlacht allenthalben bey wohnen/ in welcheꝛ viel merkliches vorgehet/ biß endlich die unſern den voͤl-
ligen Sieg behaͤupten/ viel Feinde erlegen/ und das ganze feindliche Heer gefangen bekommen/ welche
alle zu Leibeigene gemacht werden. Koͤnig Mnata und Dropion mit ſeinem Anhange werden vor Gericht
geſtellet/ da Koͤnig Mnata unter ſchwerer Bedingung das Leben und Koͤnigreich erhaͤlt/ Dropion aber
und ſein Anhang zur abſcheulichen Straſſe verdammet werden. Der ehmalige Reichard hatte Arbianes
Leben in der Schlacht gerettet/ und bekomt voͤllige Gnade/ auch groſſe Vergeltung. Fuͤrſt Olaf gehet mit
einem Heer nach Pannonien/ da die Inwohner ſich ergeben. Gallus muß nach Rom dem Kaͤyſer den Pan-
noniſchen Beutpfennig bringen. Mnata erlanget der unſern gute Gunſt je laͤnger je mehr/ und werden in
Pannonien die begehrete Leibeigene frey gelaſſen. Arbianes erzehlet wie wunder-gefaͤhrlich es jhm bey
dem Nach ſuchen ſeiner Fraͤulein ergangen ſey. Der alte Frieſiſche Baur Wittho komt zu Prag an/ und
wird wol empfangen. Reichard heyrahtet in ſeiner Heimat zum andern mahl/ uñ nimt jungfer Adelheid/
komt mit jhr zu Prag an/ und werden wol angenommen. Die eingeladenen Koͤnige aus Schweden/ Daͤ-
nenmarck und Gallien kommen nach Prag. Der alte Boͤhmiſche Koͤnig Noteſterich/ den jederman vor tod
hielt/ komt aus der Pannoniſchen Leibeigenſchaft wieder zu Prag an/ und wird mit groſſen Freuden von
den ſeinen empfangen/ Er laͤſſet Niniſla uñ Uriſla ſeine Untertahnen (die jhn in diß Ungluͤck geſtuͤrzet hat-
ten) gefangen einhohlen. Koͤnig Mnata verliebet ſich mit dem Wendiſchen Fraͤulein Vanda/ und Fuͤrſt
Olaf (der ſeine Ungluͤksfaͤlle erzehlet) mit dem Schwediſchen Fraͤulein Schulda/ welche heyrahten Va-
lißka befodert. Arbianes erzehlet eine ſonderliche Anfechtung/ ſo er von dem Teufel in der Einoͤde erlitten.
Niniſta und Uriſla werden herzu gebracht/ und bekennen jhre Boßheit/ worauf Koͤnig Noteſterich erzaͤh-
let/ wie elendig ſie jhn drey viertel jahr im engen Gefaͤngniß gehalten/ biß etliche Pannoniſche Raͤuber
jhn daraus gezogen/ und vor Leibeigen mit ſich in Pannonien gefuͤhret. Die beyden Ubelthaͤter werden
verurteilet und geſtraffet. Koͤnig Noteſterich nimt den Chriſtlichen Glauben an; Mnata und Olaf halten
Beylager/ und bald hernach das Hochzeit Feſt/ wobey allerhand Ritterliche Ubungen vorgenommen wer-
den/ inſonderheit ein denkwirdiges Freyſtechen. Fuͤrſt Pharnabazus mit ſeiner Geſelſchaft komt aus
Perſen zu Prag an/ bringet groſſe Geſchenke/ uñ den ungeheuren Gamaxus mit ſich/ dem Herkules Gna-
de erzeiget. Der verwaͤgene Pines machet ſich von den Ruder Baͤnken loß komt in Pannonien/ wird von
Maſtyes ſeinem Koͤnige nach Prag zugeſchikt/ und erlanget gleicher geſtalt Gnade bey Herkules. Koͤnig
Noteſterich erzaͤhlet/ wie hart es jhm in ſeiner Leibeigen ſchaft ergangen/ biß er endlich ſamt andern Boͤh-
miſchen Leuten der Knechtſchaft erlaſſen/ in freyen Stand geſetzet/ und wieder in ſein Koͤnigreich kom̃en
iſt Valißka ſtellet ein vierfaches Freyſchieſſen an; Herkules ehmaliger Tibullus komt aus ſeiner Pañoni-
ſchẽ Leibeigenſchaft zu Prag an/ wird vor Koͤnigin Sophien Baſtard Bruder erkeñet/ uñ vor ehelich erklaͤ-
ret. Die viele Leibeigene Pannonier werden auf erlegung groſſer Loͤſegelder von Herkules und Ladiſla
frey gegeben. Etliche junge Koͤniginnen uñ Fuͤrſtiñen geneſen etlicher junger Herꝛlein und Fraͤulein. Ar-
bianes reiſet mit ſeinem Gemahl und Kriegsheer nach Perſen/ und wird das ganze Werk mit einfuͤhrung
der ganzen Chriſtlichen Glaubens Lehre beſchloſſen.


Ende des kurzen Inhalts
des Chriſtlichen Teutſchen
Herkules.


Pag. 4. lin. 29. Der Vorrede: Vor/ tadeln/ entkuͤhnet; lieſe: tadelen erkuͤhnet.

Des Chriſt-
[1]

Des Chriſtlichen
Teutſchen Herkules
Erſter Theil.
Erſtes Buch.


DIe wunderſchoͤne Morgenroͤhte/ welche dem Silberbleichen
Monde ſeinen Schein zu raubẽ ſich bemuͤhete/ war aus ihrem Lager kaum her-
vor gekrochen/ da erwachete Herkules vom Schlaffe/ ſtieg ſeiner gewonheit
nach/ ſanfte aus dem Bette/ daß ſein Freund Ladiſla deſſen nicht gewahr wur-
de/ legte ſich auf die Knie/ und betete in herzlicher andacht ſeinen Chriſtlichen
Morgen-Segen. Du groſſer Gott (ſagte er mit leiſer ſtimme und erhobenen
Haͤnden) mit was inbrunſt ſol ich deiner Barmherzigkeit mein ſchuldiges Danckopffer leiſten? daß du
mich dieſe Nacht und die gantze Zeit meines Lebens ſo gnaͤdig und vaͤterlich bewahret haſt/ vor des Teufels
Liſt und Gewalt/ vor boͤſem ſchnellen Tode/ vor Kranckheit und andern ſchaͤdlichen faͤllen/ durch welche ich
ohn wahre Buſſe meiner vielfaͤltigen Suͤnden ploͤzlich haͤtte untergehen und ewig verderben koͤnnen. Dir
ſey Dank in Ewigkeit/ mein Schoͤpfer/ vor dieſen gnaͤdigen Schuz meiner Seelen und Leibes. Geſeg-
ne und heilige alles mein tuhn/ heut und die folgende Zeit meines Lebens; Verzeihe mir alle begangene
Suͤnde/ und bewahre mich heut dieſen Tag/ daß ich nicht in muhtwillige Unthaten falle/ die wider das
Gewiſſen ſtreiten/ und deines Geiſtes Einwohnung von uns treiben. Nim̃ mich unter die Beſchirmung
deiner Fluͤgel/ daß mich kein Unfall erlege; gib daß dir alles mein tuhn gefallen moge/ und wende von
mir/ was mir an Leib und Seel ſchaden kan. Herr mein Gott/ dir befehle ich meine liebe Eltern/ Bruder/
Schweſter und Anverwandten; bekehre ſie von dem heydniſchen Irthum; und wie du mich aus lauter
Guͤte und Barmherzigkeit aus der ſchnoͤden Unwiſſenheit geriſſen/ und in die Klarheit der Erkaͤntniß
deines Sohns meines Heylandes verſetzet haſt/ alſo handele auch mit jhnen allen/ nicht nach jhren Suͤn-
den/ ſondern nach deiner Guͤte/ daß jhnen/ HErr Gott/ dein heiliger Nahme/ und den du uns zum Heil
geſand haſt/ Jeſus Chriſt kund werde/ Amen. Hierauff ſprach er das heilige Vater Unſer/ den
Chriſtlichen allgemeinen Glauben/ und etliche Buß Gebeht Davids; und als er ſeine Andacht
mit dieſen Worten endigte: O mein HErr JEſus Chriſt/ dir lebe ich/ dir ſterbe ich/ dein bin ich todt
und lebendig; Da erwachete ſein Freund Ladiſla; und wie derſelbe gewohnt war ſein Gebet uñ
Gottes dienſt gering zu achten/ ſagte er zu jhm: Herzlieber Bruder/ wann dein Jeſus ſo maͤch-
tig waͤhre/ wie du und andere Chriſten jhn halten/ alsdann koͤnte es nicht fehlen/ er muͤſte an
ſtatt deines verſcherzeten Groß Fuͤrſtentuhms/ wo nicht ein groͤſſeres/ zum wenigſten gleich-
maͤſſiges Koͤnigreich dir ſchenckẽ/ weil du bloß uͤm ſeinet willen deines Vaterlandes muͤſſig
gehen/ und deines angebohrnen Erbes muſt entſetzet ſeyn; ſehe aber noch zur zeit nicht/ daß
ſichs im wenigſten darzu ſchicken ſolte. Herkules/ nach ſeiner Chriſtlichen Sanftmuht/
antwortete jhm: Liebſter Bruder/ ich bin deines Geſpoͤttes nunmehr faſt gewohnt/ welches
mich zwar ſchmerzet/ und doch aus Hoffnung/ dich der eins zu gewinnen/ es gerne gedulde;
Zweiffele aber nicht/ da in meinem Gebet bey meinem HErrn Jeſus ich uͤm mein angebor-
Anes Groß-
[2]Erſtes Buch.
nes Groß Fuͤrſtentuhm oder andere weltliche Herrſchafften anhielte/ wuͤrde er mir ſolches
nicht wegern/ bevorab/ wann es mir und ſeiner Chriſtlichen Kirchen heilſam und erſprieß-
lich waͤhre. Aber mein Heyland weiß/ daß ein ſolches bey ihm ich durchaus nicht ſuche/ ſon-
dern jhm von grund meiner Seele danke/ daß er einen ſo treflichen Tauſch mit mir gehaltẽ/
und vor einen engen Winkel dieſer unſaubern Welt/ mir das groſſe heilige Reich ſeiner
Gnaden geſchenket/ und durch ſein vollguͤltiges Blut mich von Suͤnden abgewaſchen hat;
Ja mein Bruder/ wann du die Herꝛligkeit/ deren ich ſchon in feſter Hofnung genieſſe/ mit den
Augen des Glaubens erkennen und betrachten koͤnteſt/ bin ich ſchon verſicheꝛt/ du wuͤꝛdeſt zu-
gleich mit mir alle Irdiſcheit dieſer Welt vor ſtinckenden Koht/ und was du Herrſchafften
nenneſt/ vor eine ſchlimme Dienſtbarkeit halten; dann ſo viel das groſſe Sonnen-Liecht eine
angezuͤndete Kerzen uͤbertrifft/ iſt die himliſche Seeligkeit hoͤher/ als alles koͤſtliche dieſer
Welt zu ſchaͤtzen; Warumb ſolte ich dann nach meinem verlohrnen Groß Fuͤrſtentuhm ei-
niges Verlangen tragen/ wann umb dieſer faulen Erdſchollen willen/ ich die aller koͤſtlichſte
Perle des Himmelreichs ſolte in die Schanze ſetzen. O nein/ mein Freund/ Gottes Gnade
iſt groͤſſer bey uns Chriſten/ als daß wir dieſelbe uͤmb daſſelbe vertauſchen wolten/ was auch
wol vernuͤnfftige Heyden vor nichtig gehalten haben. Er wolte weiter reden/ aber Ladiſla fiel
ihm alſo ein: Genug mein Bruder/ genug vor dißmahl/ ich weiß ſchon wol/ daß von deiner
eingebildeten Pfafferey ich dich heut nicht abbringen werde. So wirſtu aber/ antwortete er/
deinem geſtrigen Verſprechen gnug tuhn/ uñ mit mir die Chriſtliche Verſamlung beſuchen/
uͤm zu vernehmen/ und mit Augen anzuſehen/ wie faͤlſchlich wiꝛ unſchuldige Chriſten von den
heidniſchen Verfolgern verleumbdet/ und/ weiß nicht/ welcher abſcheulichen Suͤnden be-
ſchuldiget werden. Ja wol/ ſagte Ladiſla/ es iſt mir zwar mein verbrechen (wolte ſagen mein
verſprechen) ſchon halb leid/ als der ich fuͤrchte/ meine Goͤtter/ durch Beywohnung ſolcher a-
berglaͤubiſchen Sachen/ hoͤchlich zu beleidigen; jedoch/ weil geſchehene Zuſage auffzuruffen/
einem Bidermanne nicht anſtehet/ und ich aus Liebe zu dir/ wol ehe wider meine Goͤtter ge-
handelt habe/ wil ich mich fertig machen/ mit dir zu gehen; wiewol mit dem Bedinge/ daß we-
der du/ noch einiger Chriſt mich noͤhtige/ euren Sitten und Andachten mich gleich zu ſtellen/
auſſer dem/ was die Erbarkeit mich heiſſen wird/ als dann wil ich hinwiederumb in aller ſtille/
und ohn gegebene aͤrgerniß euren Gottes dienſt anſehen/ als lange ich hoͤren werde/ dznichts
Gotteslaͤſterliches wider meine Goͤtter geredet wird; dann ſonſt wuͤrde ichs nicht lange ma-
chen/ ſondern dieſe Herberge bald ſuchen. Daß deiner vermeinten Goͤtter keine Meldung
geſchehen ſol/ ſagte Herkules/ habe ich bey dem Ehrwuͤrdigen Lehrer bittsweiſe erhalten;
und pfleget man ohn das deren in Predigten wenig zu gedencken/ weil faſt alle mal heimliche
Aufmercker ſich finden/ ob ſie etwas erſchnappen moͤgen/ wo durch wir Chriſten in Noht und
Gefahr/ ja umb Leib und Leben koͤnnen gebracht werden. Wann aber unſere Lehrer uͤmbher
gehen/ die Glaͤubigen zu beſuchen/ und ſie in ihrem Chriſtentuhm zu ſtaͤrcken/ als dañ werden
wir zu aller gnuͤge unterrichtet/ was vor ohnmaͤchtige Goͤtzen euer Jupiter/ Mars/ Vulkahn/
Neptun/ und andere jhres gleichẽ ſeyn/ weil ſie kein wahres lebendiges Weſen/ viel weniger
eine allmaͤchtige Krafft/ ſondern nur der luͤgenreichen Fantaſten ihre Tichtereyen ſind/ nach
deren Traͤumen man ſie nachgehends aus groben Holz und Steinen geſchnitzet uñ gehauen/
und mit weiß und roht/ welches endlich Maͤuſe uñ Ratzen abnagen/ zierlich angeſtrichen hat.
O der
[3]Erſtes Buch.
O der elenden/ O der naͤrriſchen Gottheit! Mir zweifelt nicht/ wann das Arkadiſche Thier
nur vom Saktragen muhs hette/ und ein Kruͤhmlein Verſtandes/ wolte ich jhm dieſe heyd-
niſche Thorheit mit leichter Muͤhe zu erkennen geben. Aber damit wir uns nicht auffhalten/
noch ich deinen Goͤtzeneiver reize/ meines Heylandes zu ſpotten/ wollen wir uns auf den Weg
machen/ dann ich weiß/ daß dem Gottes dienſt der Anfang ſchon gemacht iſt/ uñ ich mich ſchaͤ-
men muß/ einer von den letzten zu ſeyn/ der ich billich der erſte bin/ umb/ meinem Gott vor ſei-
ne unaußſprechliche Gnade zu danken/ die er mir armen Suͤnder in meiner Bekehrung er-
zeiget hat. Ladiſla hatte ſich ſchon geſpitzet/ ſeinen Goͤtzen das Wort zu ſprechen; aber Her-
kules faſſete jhn bey der Hand/ und fuͤhrete jhn zur Kammer hinaus. Alſo giengen ſie beyde
dem Orte zu/ wo Herkules wuſte/ daß ſich die Glaͤubigen zu verſamlen/ und jhres Gottesdien-
ſtes in aller ſtille abzuwarten pflegeten. Sie waren nicht weit gangen/ da ſahen ſie einen
fremb den Reuter jhnen entgegen reiten/ welcher als in tieffen Gedancken in die Hoͤhe ſahe/
und wenig acht hatte/ was auff der Gaſſe vorgieng. Ladiſla kennete jhn als bald und ſagte:
O Bruder/ dort komt Wenzeſla her/ meines Hn. Vaters alter Leib diener; O daß wir uns
verbergen koͤnten! Lieber laß uns das Ange ſicht mit dem Mantel verhuͤllen/ daß er uns nicht
kenne/ warumb ich nicht ein groſſes nehmen wolte. Aber es war ſchier zu lange geharret/ und
der Reuter jhnen auff den Fuͤſſen/ der ſie freundlich gruͤſſete/ mit Bitte/ ihm einen Gaſthoff
zu zeigen/ da man nach allerhand Zeitungen ſich am beſten befragen koͤnte. Ladiſla blieb ohn
einiges Wortſprechen/ und gieng allgemach fort. Herkules wolte ſich auch nicht kund gebẽ/
weil er wuſte/ daß ſein Freund wolte ungemeldet ſeyn/ und zweiffelte/ ob er antworten ſolte.
Der fremde verwunderte ſich ihres ſtillſchweigens/ wuſte nicht/ ob es aus Furcht/ oder Hoch-
muht/ oder Unverſtand geſchahe/ weil ſie als mit fleiß das Angeſicht verborgen hielten; Er
ſahe/ daß ſie adelich gnug gekleidet waren/ und zwar nach Roͤmiſcher art/ ſchwieg ein wenig/
und ſagte bald darauff zu jhnen: Ihr junge Herren werdet gewißlich nicht Roͤmiſch ſeyn/ o-
der es muß ſich hieſelbſt von XXX Jahren her/ als viel die Sitten betrifft/ ſehr verendert ha-
ben. Herkules ſchaͤmete ſich des verweißlichen Auffruͤckens/ und weil er meynete/ nicht ſo
leicht erkennet zu werden/ taht er den Mantel ein wenig beyſeit/ und gab dieſe ernſtliche ant-
wort: Mein Freund/ jhr ſolt dannoch wiſſen/ daß wir der Unhoͤfligkeit nicht ſo gar ergeben
ſind/ wie jhr uns beſchuldigen moͤchtet/ nur weil wir kaum vor dreyen Tagen Rom erſt geſe-
hen/ werdet jhr uns verzeihen/ daß wir eurem begehren nicht gnuͤge tuhn koͤnnen. Nun ſahe
Wenzeſla unſern Herkules/ weil er antwortete/ ſteiff an/ und gedauchte jhn/ denſelben mehr
geſehen haben; kunte ſich doch ſo ſchleunig nicht beſinnen/ lauſchete jhnen aber/ weil ſie davon
eileten/ mit unverruͤckten Augen nach/ biß ſie etwa LXXX Schritte von ihm hinweg wahrẽ/
da ſagte er in ſich ſelbſt: O ihr Goͤtter/ redete nicht der trefliche Fuͤrſt Herkules mit mir? und
wer weiß/ ob nicht Fuͤrſt Ladiſla ſein Gefaͤrte iſt? der ſein Angeſicht ſo fleiſſig verhuͤllete/ daß
er von mir nicht erkennet wuͤrde; rante jhnen auch Sporenſtreichs nach/ umb zu erfahren/
ob er recht waͤhnete. Ladiſla hoͤrete die Huef Eiſen und ſagete zu Herkules: Gilt Bruder/ wir
ſind erkennet/ laß uns in diß enge Gaͤſchen ſtreichen/ da man zu Pferde uns nicht verfolgen
kan/ unſer Vorſatz duͤrffte ſonſt gebrochen werden. Sie tahten hiemit einen Sprung/ und
lieffen geſchwinde fort/ dem Alten zu entwiſchen; der jhrer Flucht bald innen ward/ und biß
vor das Gaͤſchen jhnen nach ſetzete/ da er vom Pferde ſtieg/ und aͤuſſerſten Vermoͤgens hin-
A ijter ih-
[4]Erſtes Buch.
ter ihnen her lief; wahr doch ſo fertig nicht/ dieſe hatten ſich ſchon verſtecket/ und ſeinen Au-
gen ſich entriſſen; Welches nicht allein ihm ſehr leid wahr/ ſondern zugleich hohes verwun-
dern brachte/ aus was urſachen ſie vor jhm fliehen moͤchten/ weil ſie durchaus nichts arges
ſich von jhm zu befahren haͤtten; Doch weil bey ſo fruͤher Tages zeit die Haͤuſer noch ver-
ſchloſſen wahren hoffete er/ ſie wuͤrden jhm ſo leicht nicht entgehen; Lieff alſo immer fort/
biß er vor ein Huͤttchen kam/ deſſen Unter Tuͤhr offen ſtund/ und gedachte bald/ ſie wuͤrden da-
hinein geſchloffen ſeyn; trat hinein und fahe ſich fleiſſig uͤmb/ biß er jhrer im finſtern Win-
kel/ hinter einem groſſen Weinfaſſe gewahr ward. Dieſe verwunderten ſich/ wie ſie jhn ſa-
hen/ und fing Ladiſla mit ertichtetem Zorn und abgekehrtem Angeſicht an: Alter/ jhr moͤget
wol ein unhoͤflicher Geſelle ſeyn/ daß jhr fremde dergeſtalt verfolget/ die umb gewiſſer Urſach
zu Rom nicht erkennet ſeyn wollen. So gehet nun eures weges/ und laſſet uns des unſern ab-
warten/ ſonſt werdet jhr empfinden/ daß meine Faͤuſte nicht wichtloß ſind; oder gedencket jhr
etwa/ Rom ſey eine Freyſtadt alles Vorwitzes? Er wolte in ſeiner Draͤurede fortfahren/ a-
ber Wezeſla/ der jhn an der Stimme keñete fiel vor jhm in die Knie und ſagete: Durchleuch-
tigſter Fuͤrſt/ weß zeihen ſich eure Gnaden? kennen die jhren alten Diener Wenzeſla nit mehr/
der ich mannichen beſchwerlichen Weg/ dieſelbe außzuk und ſchaffen/ geritten habe? Dieſer
kunte ſich weiter nicht verſtellen/ faſſete jhn beym Arme/ hieß jhn auffſtehen/ und fragete/ was
er neues aus Boͤhmen braͤchte/ auch/ ob ſeine Eltern und Frl. Schweſter annoch friſch und
geſund waͤhren. Wenzeſla wolte ihm keinen ſchleunigen Schrecken einjagen/ und gab zur
Antwort. Er wuͤſte nicht anders/ ohn daß der Koͤnig bey ſeiner Abreiſe ziemlich ſchwach ge-
weſen; koͤnte nicht eigentlich ſagen/ wie es umb jhn ſtuͤnde. Ich muhtmaſſete wol/ ſagte La-
diſla zu Herkules/ daß mein geſtriges Naſebluten mir nichts gutes bedeuten wuͤrde; aber
was ſtehen wir in dieſer Huͤtten? Du ſiheſt/ lieber Bruder/ daß wir an unſerm Kirchgange
verſtoͤret werden; wird demnach das beſte ſeyn/ daß wir umbkehren nach unſer Herberge. So
werde ich vorhin lauffen/ ſagte Wenzeſla/ umb mein Pferd zu ſuchen/ welches ich unferne
von hinnen habe ſtehen laſſen. Er eilete geſchwinde fort/ und als er des Gaͤſchen ende errei-
chet hatte/ und nach ſeinem Pferde ſich umſahe/ ward er zweer Buben gewahr/ welche daſſel-
be vor ſich hintrieben/ wiewol es ſich hefftig ſtraͤubete/ und mit allen vieren von ſich ſchlug.
Erſt bedachte der Alte ſeine Thorheit/ durch hinterlaſſung des Pferdes begangen; lief/ ſo faſt
er mochte/ hinten nach/ und ſchrihe die Diebe an/ wohin ſie mit ſeinem Pferde gedaͤchten;
welche ſich doch daran wenig kehreten/ und jmmerzu bemuͤhet wahren/ den auffgebundenen
Wetſcher vom Pferde zu reiſſen/ der ſie wol beſpickt ſeyn dauchte; geriet auch endlich dem
einen/ daß er ſich in den Sattel ſchwang/ und die Beute abloͤſete/ welche auf die Erde fiel. Der
ander war nicht faul bey der Auffhebung; doch ſaß jhm Wenzeſla zu fruͤh auff der Haube/
riß ihm den Wetſcher unterm Arme hinweg/ und ſagte: Du wirſt mir gleichwol dieſen liebẽ
Schatz nicht ohn alle Einſprach entfuͤhren; Zum wenigſten werde ich das Luder mit dir drum
ziehen. Inzwiſchen ſchlug das Pferd hinten aus/ und traff dieſen Buben auff die Hufft/ dz
er niederſtuͤrzete/ und der Ohnmacht nicht ferne war; Sein Geſelle aber ſetzte ſich im Sattel
feſte/ ſtieß das Pferd an/ und rante in aller eile davon/ jhm ſelbſt fluchend/ daß er den Wetſcher
mit ſo groſſer Muͤhe loßgemacht/ und ſein Gluͤck/ wie er meynete/ auff die Erde geworffen
hatte. Herkules und Ladiſla ſahen der Kurtzweil von ferne zu/ traten endlich naͤher/ und er-
innerten
[5]Erſtes Buch.
innerten Wenzeſla/ er ſolte ſich des Pferdes begeben/ und den geſchlagenen Knecht liegen
laſſen/ ſie wolten ihm ſchon zu einem andern verhelffen. Er aber/ wie ſehr er ſich wegen des
geretteten Wetſchers freuete/ ſo war er doch uͤber der kuͤhnen Dieberey ſo hart ergrimmet/
daß er den beſchaͤdigten Dieb zwang ſich zu erheben/ damit er durch jhn ſeines Pferdes wie-
der habhafft werden moͤchte; muſte alſo dieſer arme Tropff mit zuſchlagener Hufft fortkrie-
chen biß in Herkules Herberge/ da jhn Wenzeſla band/ und in eine finſtere Kammer verſper-
rete; folgete hernach den beyden Fuͤrſten auff jhr Gemach/ oͤffnete den Wetſcher/ und nahm
ein Schreiben herauß/ welches er Ladiſla mit dieſen Worten einhaͤndigte: Durchleuchtig-
ſter Fuͤrſt; was maſſen wir Menſchen ohn Standes unterſcheid der Gebrechligkeit des flei-
ſches/ ja dem Tode ſelbſt unterworffen ſind/ erfahren wir taͤglich in allen Staͤnden. Nun iſt
mir leid/ daß ich der Ungluͤcks Bohte ſeyn/ und Euer Durchl. melden muß/ was maſſen
durch einen klaͤglichen Fall/ die Goͤtter nach jhrem unerforſchlichen Raht und willen/ den
Großmåchtigſten Unuͤberwindlichſten Fuͤrſten und Herrn/ Herrn Noteſterich/ unſern wei-
land herrſchenden Koͤnig/ Euer Durchl. Herrn Vater/ zu ſich abgefodert haben/ wo durch
unſer gantzes Koͤnigreich in einen ſehr leidigen Stand geſetzet iſt/ inſonderheit/ weil Eure
Gn. auſſer Landes in der frembde ſich ſchon eine geraume Zeit aufgehalten/ uñ kein Menſch
erfahren koͤnnen/ an was Ort oder Enden dieſelben anzutreffen ſeyn; Da dañ unterſchiedli-
che Diener von Euer Gn. Fr. Mutter/ unſer gnaͤdigſten Koͤnigin uñ den Landſtaͤnden aus-
geſchicket ſind/ umb zu erforſchen/ in was Landſchafften Eure Gn. zu ſuchen waͤhre/ nach dem
ſchon etliche ſich unterſtanden/ allerhand Zeitungen von deren Tode außzuſprengen/ und
Euer Erb Koͤnigreich zu verunruhen/ welches aber bißher von Euer Gn. Fr. Mutter und we-
nig anderer Vorſichtigkeit iſt verhindert worden/ ſonſt moͤchte das Land durch iñerliche Auf-
ruhr wol ſchon in vollem Ungluͤcks-brande ſtehen. Wie hohes Verlagen nun das ganze
Reich nach Euer Gn. Ankunfft trage/ wird dieſes Schreiben in etwas vermelden. Ladiſla
erſeufftzete uͤber dieſer Zeitung/ und laſe folgenden Inhalt mit traͤhnenden Augen:


Hedewig/ verwittibte Koͤnigin in Boͤhmen/ gebohrne Groß Fuͤrſtin aus Teutſchland/ entbeut jhrem
Sohn Fuͤrſt Ladiſla/ muͤtterlichen Gruß: Der grimmige Todt/ welcher weder Tugend noch Froͤmmig-
keit ſchonet/ hat leider meinen liebſten Koͤnig und Gemahl von meiner Seiten geriſſen/ und mich in den
leidigen Witwenſtand/ dich aber und deine Fraͤulein Schweſter ins Waͤyſen-Buch eingeſchrieben. Du
kanſt nicht glaͤuben/ lieber Sohn/ mit was heiſſen Traͤhnen das gantze Reich jhren verlohrnen frommen
Herrn und liebreichen Vater beweinen; und vermehret dieſe Traurigkeit nicht umb ein geringes/ daß ſie
dein/ als jhres Erb Koͤniges nicht allein entbehren/ ſondern nicht eins wiſſen muͤſſen/ in was Stand oder
Land du deine Jugend zubringeſt. Ich habe hin uñ wieder nach dir außgeſchicket/ hoffe es werde dich end-
lich einer außfragen/ wo du ſonſt noch lebeſt. Sey ja nicht traͤge/ ſo bald du dieſes inne wirſt/ dich auff die
Fahrt zu machen/ damit ich und dieſes Land erſtes Tages die Krone auff deinem Haͤupte ſehen moͤgen;
ſonſt duͤrffte einem andern/ der ſich in ſie verliebet/ die Lunge darnach haͤngen/ welcher dir in wenig Tagen
ſo viel ungelegenheit einſtreuen koͤnte/ daß du es in geraumer Zeit abzukehren Muͤhe haben muͤſteſt. Und
damit dirs an Zehrungskoſten nicht gebreche/ haſtu bey Zeigern Wenzeſla eine Anzahl Kleinot/ auff
30000 Kronen/ und einen offenen Wechſel biß auff 100000 Kronen zu empfahen. Gehabe dich wol/ und
erfreue deiner betruͤbten Mutter Seele durch deine froͤliche Wiederkunfft Gegeben auff dem Koͤnigli-
chen Schloſſe zu Prag/ von deiner getreuen Mutter. Hedwig. Nach Verleſung reichte ers ſeinem
Herkules hin und ſagte: Geliebter Bruder/ ich find alhie ſehr leidige Zeitung; wolleſt/ bitte
ich/ den Brief leſen/ und mir deine Meynung daruͤber eroͤffnen. Dieſer laſe es mit groſſer
A iijTraurig-
[6]Erſtes Buch.
Traurigkeit behende durch/ und antwortete ihm: Herzlieber Bruder; Gott iſt mein Zeuge/
wie hefftig der klaͤgliche Tod deines Herr Vaters mir zu herzen gehet; und mag Boͤhmen
wol mit Warheit klagen/ daß es den gerechteſten und gnaͤdigſten Koͤnig an jhm verlohrẽ hat.
Wann wir aber betrachten/ daß jedweder dieſen Weg alles Fleiſches gehen/ und das irdiſche
dereins ablegen muß/ ſollen wir unſere Traurigkeit billich maͤſſigen/ und gedenken/ daß an
den unſern nichts neues geſchiehet/ wann ihnen die Nohtwendigkeit zuſtoſſet/ die uns allen
gemein iſt. Zwar es gehet uns ſaur ein/ dieſen Troſt ſtracks anfangs zu ergreiffen; Dann wer
wolte ſeiner lieben Eltern Abſcheid aus dieſer Welt/ mit Traͤhnen unbegleitet laſſen? jedoch/
weil durch dieſelben nichts wiederzubringen iſt/ muß man billich im Leide maſſe halten/ in-
ſonder heit wann wir verſichert ſind/ daß die Veſtorbenen bey allen Bekandten einen guten
Namen/ und ſtete Gedaͤchtniß jhrer Tugend hinterlaſſen/ welches Lob dem weiland Groß-
maͤchtigſten Herrn und Koͤnige/ Herrn Noteſterich keine Vergaͤngligkeit hemmen/ viel we-
niger rauben wird. Er wolte in dieſer Troſtrede fortfahren/ ward aber iñen/ daß die Hauß-
Tuͤhr mit Gewalt auffgebrochen ward/ daher ſie beyde als bald den Helm auff ſetzeten/ Schild
und Schwert zun Haͤnden nahmen/ und hinunter vom Gemache ins Hauß traten/ da ſie
gleich funden/ daß ſechzehn freche/ zum theil uͤbel gekleidete/ aber mit Schwertern alle wol-
verſehene Wagehaͤlſe zur Tuͤhr eindrungen/ und durch ein ander rieffen/ wo der Gefangene/
den das Pferd geſchlagen/ hinkommen waͤhre. Unſere Helden traten gehertzt zu jhnen ein/ uñ
fragete ſie Herkules/ wer ſie ſo kuͤhn gemacht haͤtte/ jhre Herberge unabgeſagt zu uͤberfallen.
Der Rottmeiſter eine Helle Barte in der Hand haltend/ laͤchelte jhn an und ſagte: Es wehre
immer und ewig ſchade/ daß der Himmel ſich an jhm geirret/ und jhn nicht zum Weibsbilde
gemacht haͤtte/ auff welchen fall er jhn vor ſeine Meiſterin anzunehmen willens waͤhre. Her-
kules war ungewohnet/ dergleichen Reden gedultig anzuhoͤren/ und gab jhm zur Antwort; Er
ſolte ſich nur bald zur Tuͤhr hinauß packen/ ehe jhm der Abzug verlegt wuͤrde/ haͤtte er aber uͤ-
ber ichtwas zu ſprechen/ ſolte ers mit recht thun/ da man ſich zur Antwort erboͤte. Ja ſchoͤner
Herr/ antwortete dieſer/ ich wil euer Erinnerung ſtatt geben/ wiewol mit dem bedinge/ daß
jhr und euer Geſelle mit uns gehet; griff mit dieſem Worte nach jhm/ in meynung jhn zu fa-
hen; aber Herkules trat zuruͤcke/ zog das Schwerd/ und hieb von der Seiten her jhm das An-
ge ſicht vor dem Kopffe hinweg/ daß es wie eine Vorhaube auff die Erde fiel/ und er zugleich
mit niederſtuͤrzete. Nun fahre hin/ ſagte Herkules/ du wirſt fort mehr keiner Meiſterin be-
duͤrffen. Als ſeine Diebs Rotte ſolches ſahe/ drungen ſie einmuͤhtig auff unſere Helden zu/
die ſich aber auch nicht ſeumeten/ ſondern ein ſolches Spiel unter jhnen anfiengen/ daß ehe ſie
XX Streiche fuͤhreten/ ſchon achte/ theils erſchlagen/ theils zur Gegenwehr unduͤchtig ge-
macht wahren; wie wol auch Ladiſla eine tieffe Wunde in die rechte Seite bekam/ woraus
das Blut auff Herkules Kleider ſpruͤtzete/ und er gezwungen ward/ einen Abtritt zu nehmen/
in dem Herkules ſich unter die acht uͤbrigen miſchete/ und wie ein ergrimmeter Loͤwe um ſich
ſchlug und ſtach/ daß noch drey erlegt wurden/ und die andern nicht an jhn durfften/ ungeach-
tet er auch an unter ſchiedlichen Orten ſeines Leibes verwundet wahr. Als er ein wenig Lufft
empfand/ kehrete er ſich nach Ladiſla/ und fragete/ wie es umb jhn ſtuͤnde/ welcher mit ſchwa-
cher Stimme antwortete: Sehr wol mein Bruder/ wann die Goͤtter dich nur erhalten. Mit
welchen Worten er ſanfft zur Erden nieder ſanck; Woruͤber ſein Freund als ein Loͤwe auffs
neue
[7]Erſtes Buch.
neue loßgieng/ des gaͤntzlichen Vorſatzes/ mit Ladiſla zu ſterben/ oder ſeinen Todt zu raͤchen;
ſchlug demnach ſo eiferig unter ſie/ daß ſein Schwert auch durch die Pantzer gieng/ mit wel-
chen jhrer etliche ſich unter den Kleidern verwahret hatten/ biß ſie/ auſſer zween/ zuꝛ Erde ſtuͤr-
tzeten/ und er hingegen auch anfing krafftloß zu werden. Der alte Wenzeſla hatte ſich bißher
nicht gereget/ ſtund auff dem Gemache als ein Verzukter/ und ſahe dieſem Wunder-handel
zu; endlich trat er zuruͤck in die Kammer/ machte mit den auffgehengeten Harniſchen ein
groſſes Geraͤuſche/ kam bald wieder/ und rieff mit ſtarker Stimme hinter ſich: Ihr meine
getraͤue Diener komt/ und fahet mir die Schelmen lebendig/ daß ſie nicht entrinnẽ; wo durch
dieſe hoͤchlich erſchrecket/ das Gewehr von ſich warffen/ und der Tuͤhr zulieffen. Aber Her-
kules ermannete ſich/ trat jhnen entgegen/ und ſtieß jhnen das Schwerd durch die Gurgel;
rieff darauff den alten Wenzeſla zu ſich/ und befahl/ daß er alsbald den Wund Arzt/ ſo gegen
uͤber wohnete/ herzu holen ſolte. Derſelbe war mit zween Geſellen bald verhanden/ ſahe den
jungen Held mit blutigem Schwerd und Kleidern zwiſchen ſo vielen Erſchlagenen ſtehen/
und kunte vor verwunderung kein Wort ſprechẽ; Da Herkules zu jhm ſagte: Mein Freund/
da lieget mein Bruder hart verwundet/ wo nicht gar erſchlagen; ſehet ob noch Leben in jhm
ſey/ ich wil euch der Muͤhe redlich lohnen. Wenzeſla gehub ſich als ein Verzweiffelter/ und
wolte viel ruͤttels an jhm machen; Aber Galehn der Artzt redete jhm ein; Er ſolte ihm den
Verwundeten helffen ſanffte auffheben/ und auffs Gemach tragen; Zohe jhm das Wam̃es
als einem Todten ab/ und beſtrich die Schlag Adern und Naſeloͤcher mit kraͤfftigem Waſſer/
daß er endlich noch ein Lebenszeichen von ſich gab; deßwegen er jhm allerhand Blutſtillung
gebrauchte/ und inſonderheit die gefaͤhrlichſte Seiten wunde wol in acht nam. Herkules/
wie ſchwach er gleich war/ wolte ſich nicht verbinden laſſen/ ſeufzete/ und gehub ſich klaͤglich/
biß jhm Galehn zurief; Sein Bruder lebete noch/ und ſolte guter Hoffnung nach/ geheilet
werden; Worauff er zuließ/ daß der eine Geſelle ihm die Kleider abzohe/ und ſeine Wunden/
deren er XXIV hatte/ verband/ woruͤber er gleich wol etliche mahl in Ohnmacht fiel/ weil jhm
faſt kein Blut mehr im Leibe uͤbrig war. Als Ladiſla zu ſich ſelbſt kam/ ſchlug er die Augen
ſchwaͤchlich auff/ und fragete mit liegender Zunge/ ob ſein Herkules lebete; und weil der Arzt
ſeine Rede nicht verſtund/ noch jhm Antwort gab/ entwarff er ſich und ſagete: Wer hat euch
befohlen/ mich zu verbinden/ weil mein einig geliebter Bruder tod iſt/ und ich keine Stunde
nach ihm uͤberbleiben wil? Wenzeſla kam zu allem Gluͤck darzu und antwortete: Gnaͤdiger
Herr/ euer Herkules iſt nicht todt/ ſondern nach erhaltenem Siege ſtaͤrcker als jhr. Wol! ſo
laſt mich jhn ſehen/ ſagte er/ oder meinen Geiſt ohn ferner auffhalten ihm nachreifen. Herku-
les war drunten im Hauſe verbunden/ hatte ſich ſchon ziemlich erhohlet/ uñ ließ ſich die Stei-
ge hinauff leiten. So bald jhn Ladiſla ſahe/ ſagte er mit blinzenden Augen zu jhm: Mein Bruͤ-
derchen/ lebe/ ſo wil ich auch bald geneſen. O meiner Seelen Liebe/ antwortete er/ bekuͤmmere
dich nur meinet wegen nicht im geringſten/ ſondern laß dir helffen/ ich bin GOtt Lob/ auſſer
To des Gefahr. Der Arzt warnete ſie beyder ſeits traͤulich/ ſie ſolten den Liebes-bewaͤgungen
nicht zuſehr nachhaͤngen/ ſonſt wuͤrden ſie uͤbel aͤrger machen/ welches faſt ſchon auffs hoͤch-
ſte kommen waͤhre; Die Gedanken muͤſten ſo wol als der Leib ruhen/ ſolte jhnen ſonſt geholf-
fen ſeyn. Daher Herkules ſeinen Ladiſla erinnerte/ dem Arzt folge zu leiſten/ wo er ſonſt durch
ſeinen Tod jhn nicht zugleich mit hinreiſſen wolte. Alſo wurden ſie beyde befriediget/ lagen
gegen
[8]Erſtes Buch.
gegen einander uͤber auff Bankpolſtern/ uñ wurdẽ von des Arztes Geſellen fleißig gewartet.
Inzwiſchen hatte jhr Haußwirt Sabihn ſich mit ſeinem Geſinde wieder hervor gemacht/
welche im anfange des blutigen Kampffs davon geflohen waren/ und in Winkeln ſich hin
und wieder verſtecket hatten/ wo ſie meynetẽ am ſicherſten zu ſeyn. Sie kunten ſich nicht gnug
verwundern/ daß das Hauß voll Blutes ſtund/ und mit Erſchlagenen angefuͤllet war; und
wolte der Wirt von Wenzeſla faſt mit Gewalt wiſſen/ was die Urſach dieſes moͤrdlichen uͤ-
berfalles ſeyn moͤchte; wovon er jhm doch keinen beſcheid zu geben wuſte/ und gleich in dem
gewahr ward/ daß ein Raͤuber noch nicht verſchieden war/ ließ ihn durch kraͤfftige ſachen er-
quicken/ und mit Draͤuung ſchwerer Peinigung befragen; welcher aber wegen ſeiner Wun-
den Schmerzen nicht viel reden kunte/ baht ſehr/ jhm ſeine Pein durch ſchleunigen Todt zu
verkuͤrzen/ und den Gefangenen vorzunehmen/ der umb alles Wiſſenſchafft truͤge; worauff
dieſem die Seele außfuhr. Wenzeſla ſchleppete ſeinen Gefangenen auß der finſtern Kam̃er
hervor/ der alles angehoͤret/ und ſo viel ſeine Schmertzen zulieſſen/ ſich daruͤber gnug beluſti-
get hatte; ſagte auch/ wie er die Erfchlagenen ſahe: O jhr nichts werte verzagte Hudler; bil-
lich muͤſſet jhr da geſtreckt liegen/ weil jhr euch vor zween jungen Kerlen nicht habet ſchuͤtzen
koͤnnen/ denen ich/ wann ich geſund und frey waͤhre/ allein Mannes gnug ſeyn wolte. Indem
er aber den Haußwirt unvermutlich erblickete/ hielt er die Arme vor das Ange ſicht/ um nicht
erkennet zu werden. Wenzeſla draͤuete jhm den abſcheulichſten Todt/ wo er auff ſeine Frage
nicht gleich zu antworten wuͤrde. Er aber ſagte: Laſſet zuvor euren Haußwirt abtreten/ als-
dann gelebe ich eures willens. Sab ihn gedauchte die Stimme zu kennen/ reiß jhm die Arme
vom Geſichte hinweg/ und nach fleiſſiger Beſichtigung/ erkennete er jhn vor ſeinen Knecht
Geta/ der jhm vor zwey Jahren/ da er in einem andern Hauſe wohnete/ entlauffen war/ und
einen Zehrpfennig auff 200 Kronen mit genommmen hatte; erblaſſete demnach vor Zorn/
und ſagte: O du abgefeimter Bube/ geraͤhteſtu alſo wieder unter meine Haͤnde? gewiß wird
dir das Gluͤck nicht ſo guͤnſtig ſeyn/ daß du ungefoltert verſcheideſt. Erzaͤhlete darauff Wen-
zeſlaen/ wie er vor ungefehꝛ drittehalb Jahren dieſen leibeigenen getauſchet/ der ſich anfangs
ſehr wol gehalten/ endlich aber der Gelegenheit wahr genommen/ ihm die Laden auffgebro-
chen/ und was er an Baarſchafften funden/ mit weg genommen haͤtte. Der verwaͤgene Geta
antwortete ihm: Herr/ jetzt betreffe ich euch auff einer gedoppelten Luͤgen; dann vorerſt habe
ich eure Lade nicht auffgebrochẽ/ ſondern mit meinem Nach ſchluͤſſel/ der zu allen eurẽ Schloͤſ-
ſern gerecht war/ auffgeſchloſſen. Vors ander/ habe ich mich an eurer Seiten nie wol gehal-
ten/ ſondern allemahl abgeknappet/ wie und was ich gekunt; und haͤtte ich gewuſt/ daß hier eu-
re Wohnung waͤhre/ ſolte mich der alte Krum Reuter wol nicht uͤber eure Schwelle gebracht
haben. Mir genuͤget an deiner gutwilligen Bekaͤntniß/ ſagte Sabihn/ werde auch deſto mehr
urſach haben/ dir nach Verdienſte abzulohnen. Aber ſage mir/ wer hat dißuͤbel in meinem
Hauſe geſtifftet? Je wer anders antwortete er/ als die/ ſo dieſe meine feige Geſellen erſchla-
gen haben? Wer ſind aber dieſe deine ehrliche Geſellen? fragte Sabihn. Beſehet ſie/ ant-
wortete der Bube/ wie jhr mir getahn/ ſo werdet ihr eigentlich befinden/ daß ſie eben dieſe
ſind/ welche da todt liegen. Sabihn ergrimmete des Spottes/ und ſagte: Ey ſo muſtu mir
heut noch anders reden/ es waͤre dann/ daß dein Fleiſch ja ſo ſteiff als dein Sinn ſeyn moͤch-
te. Tuht euer beſtes/ antwoꝛtete dieſer/ dz weꝛde ich auch tuhn/ und dieſen Saz halten muͤſſen.
Die
[9]Erſtes Buch.
Die anweſenden Knechte entbloͤſſeten ihn am gantzen Leibe/ und mit ſcharffen Geiſſeln ſtri-
chen ſie ihn allenthalben/ daß das Blut von ihm floſſe; Er aber ſtund an der Saͤule als ein
unempfindlicher Kloz/ biß eꝛ von Schmerzen in Ohnmacht fiel. Sie labeten ihn bald mit
kraͤfftigen Sachen/ und draͤueten ihn weiter zu geiſſeln/ wo er nicht bekennen wuͤrde/ durch
weſſen Anſtifftung der moͤrdliche uͤberfall geſchehen waͤhre; kunten abeꝛ nicht das gering-
ſte auß ihm bringen/ ohn daß er ein bitteres Gelaͤchter anfing/ und zur Antwort gab; Er
muͤſte wol ein verzagter Menſch ſeyn/ wann er ſeine eigene Zunge nicht bendigen/ und gute
Freunde zu verrahten abhalten koͤnte; moͤchten ſich derhalben umb nichts bekuͤmmeꝛn/ als
wie ſie das wenige uͤbrige ſeines Lebens mit neuen Geiſſeln vollends herauß peitſcheten/
dem er von herzen feind waͤhre/ weil es ihm ſo ungehorſam/ und auff ſein begehren nicht
willig außweichen wolte. Niemand kunte ſich des Frevels gnug verwundern/ und ſagte
Wenzeſla: Ich weiß nicht/ ob ich heut groͤſſere Tugend an unſern Helden/ oder an dieſem
verwaͤgenen Tropff ſteiffere Hartnaͤckigkeit geſehen habe; und wann ich wiſſen ſolte/ daß
die Bosheit in ihm koͤnte gedaͤmpffet werden/ wolte ich ihm das Leben helffen verbitten.
Worauff der verſtokte Geta zur Antwort gab: Ich habe mir bißher ſteiff vorgenommen/
nimmermehr zu tuhn/ was die/ ſo man Tugendhaffte nennet/ gut heiſſen/ glaͤube auch noch
dieſe Stunde nicht/ daß ich meine Flecken oder Haut endern werde. Die Haut/ ſagte Sa-
bihn/ wirſtu ohn Zweiffel endern/ da du leben ſolt/ ſintemahl die alte dir dergeſtalt zukerbet
iſt/ das davon nicht viel mehr ůbrig ſcheinet. Ey ſo reibet mich fein mit Salz/ antwortete
er/ und waſchet mich mit Allaunwaſſer/ damit das alte gar hinweg gebeizet werde; alsdañ
moͤchte ich mich vielleicht etwas beſſern; aber die Bosheit/ wie jhrs nennet/ welche gar zu
tieff bey mir eingewurzelt iſt/ wird der Tugend in meiner Seele nimmermehr Raum goͤn-
nen; dann ich fuͤhle/ daß mein innerſtes nichts als abgeſchaͤumeter Frevel und begierige
Widerſpenſtigkeit iſt/ dabey ichs dann werde bewenden laſſen. Hierauff ruhete er ein we-
nig/ ob ſchlieffe er/ dann des Fleiſches Schmerzen wahr uͤberauß groß; ermunterte ſich
aber bald wieder/ und ſagte mit ſchwacher ſtimme: gute Nacht/ ich ſcheide von hinnen; ſo
erfuͤllet nun/ bitte ich/ meinen lezten Willen/ und ſchreibet mir dieſen Grabe-Reim zu ewi-
ger Gedaͤchtniß/ gilt gleich/ an die Galgen-Saͤule/ welches ich lieber wolte/ oder auff einen
Marmelſtein:

Hier liegt Geta/ deſſen Geiſt

Allen Frevel Tugend heiſt/

Der ihm Bosheit hat erkohren;

Der nie gutes hat gewolt/

Darumb iſt/ O ſchoͤnſter Sold!

Sein Gedaͤchtniß unverlohren.

Mit dieſer Rede gieng das lezte ſeiner Seele auß jhm/ alſo daß kein Zeichen einiger Unge-
baͤrde an ihm geſehen ward. Wenzeſla nam ſein fleiſſig wahr/ meynete nicht/ daß ihm der
Todt ſo nahe geweſen waͤhre/ als er jhn aber keinen Finger mehr regen ſahe/ fieng er zu den
Anweſenden an: Immer ſchade iſt es/ daß dieſer Menſch in ſeiner erſten Jugend nicht un-
ter die Hand guter Lehrmeiſter gerahten iſt/ welche das zarte Gemuͤht bald anfangs zur
Erbarkeit haͤtten angehalten; Dann waͤhre dieſes Reiß recht gewehnet/ was vor herrli-
che Fruͤchte ſolte der Baum zu ſeiner Zeit getragen haben. Ja/ ſagte Sabihn/ haͤtte jhn
mein Herr damahls gekennet/ wie ich jhn bekam/ wuͤrde er ihn vor den ausrichtigſten Men-
ſchen gehalten haben; dann nebeſt den Fleiß und Wachſamkeit wuſte er ſich demuͤhtig uñ
Bdienſt-
[10]Erſtes Buch.
dienſthafft zu halten/ daß ich mich gluͤkſelig ſchaͤtzete/ einen ſolchen Knecht angetroffen zu
haben; wahr auch geſinnet/ ihm ſeine Dienſte dereins mit der Freyheit zu belohnen/ und
die Verwaltung meines Landguts zu vertrauen. Ihr wuͤrdet euch aber im Außkehrich
heßlich betrogen funden haben/ ſagte Wenzeſla/ wo ſonſt ſeiner lezten Beichte/ die er mit
ſeinem Tode bekraͤfftiget hat/ einiger Glaube beyzumaͤſſen iſt. Deß wil ich jhm auch eine
wirdige Urtel ſprechen/ antwortete Sabihn; hieß ihn damit neben den andern Leichen auf
die Schindgrube ſchleppen/ und den Hunden und Raben vorwerffen.


Unſere hart verwundete Helden wuſten dieſen Tag wenig umb ſich ſelbſt/ in ſonder-
heit Ladiſla/ welcher gewißlich des Todes haͤtte ſeyn muͤſſen/ wann des Arztes groſſe Er-
fahrenheit und Traͤue nicht geweſen waͤhre; dann es gieng ihm eine Ohmacht uͤber die
andere zu/ daß er kaum den Odem zihen kunte; und nicht deſto weniger wolte er immer ſei-
nes Herkules Zuſtandes berichtet ſeyn/ welcher gegen Abend etwas Speiſe genoß/ und auf
ſeinem Lager ſich auffrichtete; welches Ladiſla erſehend/ eine lebendige Farbe unter dem
Angeſichte bekam/ ſich auch mit gutem Willen handeln und verbinden ließ. Des folgen-
den Tages beſahe der Arzt Herkules Wunden/ und zeigete an; er muͤſte ohn zweifel bey den
Goͤttern in groſſen Gnaden ſeyn/ maſſen unterſchiedliche Hiebe ſo gar gefaͤhrlich gangen/
und doch wunderlich abgeglitſchet wehren/ da er ſonſt ohn alle Huͤlffe haͤtte ſterben muͤſ-
ſen; Wolte jhn aber ſchon verſichern/ daß auff gebuͤhrliches Verhalten/ er innerhalb drey
Wochen/ ſeine voͤllige Geſundheit wieder haben ſolte; Welches Ladiſla mit ſonderlicher
Beluſtigung auhoͤrete/ der nur acht Wunden hatte/ die nicht ſonderlich zu bedeuten/ ohn
die in der rechten Seite/ welche Galehn noch nicht oͤffnen wolte/ weil er ſich einer neuen
Verblutung befahrete; doch weil die uͤbrigen ſich wol anlieſſen/ faſſete er auch wegen die-
ſer eine gute Hoffnung. Nun hatte er aber noch keinen Heller/ ſo wenig wegen des erſten
Bandes/ als auff das kuͤnfftige empfangen/ wuſte auch nicht/ woher jhm feine teure Arz-
ney-koſten/ und die groſſe Muͤhe- und Kunſt-anwendung ſolte belohnet werden; maſſen
ſie in dieſem Wirtshauſe etwa IX Tage ſich auffgehalten/ und weder Knecht noch Diener/
auſſer einen Leibknaben hatten/ der ihnen noch des vorigen Tages entlauffen wahr/ und
des Wirths Haußknecht jhnen die Pferde warten muſte. Daß nun Galehn gleichwol im
gewiſſeſten ſeyn moͤchte/ erinnerte er den alten Wenzeſla/ die Kranken zu fragen/ ob ſie die
Arzneyen ſelbſt einkaͤuffen/ oder jhm ſolche bezahlen wolten. Sie hetten ſehr zarte Leiber/
dergleichen ihm nie vorkommen; ſo wehre die Verwundung/ wie ſie ſelbſt wuͤſten/ groß
und gefaͤhrlich/ welche mit Haußkraͤutern ſich nicht wolte heilen laſſen; moͤchte alſo gerne
wiſſen/ weſſen er ſich hinfuͤro verhalten ſolte. Wenzeſla gab ſolches Herkuleſſen auf teutſch
zu verſtehen/ der ihm befahl/ einen rohten Wetſcher auß der verſchloſſenen Lade zu holen;
redete inzwiſchen mit Galehn/ und ſagte: Mein Freund/ verzeihet/ bitte ich/ unſer geſtri-
gen Schwachheit/ welche verhindert hat/ daß wir unſer ſchuldigen Dankbarkeit nicht ha-
ben koͤnnen eingedenke ſeyn/ und laſſet eure beyde Geſellen herzuruffen. Dieſer holete ſie
ſelber/ daß Herkules Zeit hatte/ etliche Sachen zu ſich zu nehmen; und als ſie alle drey ſich
einſtelleten/ gab Herkules dem Meiſter einen ſchoͤnen Ring von 50 Kronen/ und ſo viel
Baarſchafft/ zu jhm ſagend; Sehet da mein Freund/ hiemit ſey euch der erſte Band und
der ſchon angewandte Fleiß vergolten/ ſo es gnug ſeyn wird/ und begehret jhr ein mehrers/
ſol
[11]Erſtes Buch.
ſol es euch zu allem Danke werden. Dieſer war jhm ſolcher Freygebigkeit nicht vermuh-
ten/ wegerte ſich/ alles zu nehmen/ und auff Noͤhtigung erbot er ſich/ es in kuͤnfftig mit ſei-
nen getraͤuen Dienſten zu erkennen/ und allerhand noͤhtige Arzneyen davon einzuk auffen/
boht auch jedem Geſellen eine Krone von dem empfangenen; Da Herkules ihm einrede-
te/ er ſolte dieſes vor ſich behalten/ und gab ihnen XXIV Kronen/ unter ſich gebuͤhrlich zu
teilen; Wodurch ſie ingeſamt dermaſſen zum fleiß auffgemuntert wurden/ daß ſie ſtets
auffwarteten/ und zu allen Dienſten ſich willig einſtelleten. Bey ſpaͤtem Abend machte ſich
Galehn an Ladiſlaen Seitenſchaden/ loͤſete jhn ſorgfaͤltig auf/ und nach fleiſſiger Beſichti-
gung ſagte er zu Herkules: Mein Herr/ euer Bruder ſol mit der Goͤtter Huͤlffe an dieſer
Wunde nicht ſterben/ daſern er ſich nur aller Sorge und Schwermuͤhtigkeit entſchlagen/
und meiner getraͤuen Warnung folgen wird. Davor ſey Gott im Himmel Dank/ antwor-
tete er; vermahnete hernach ſeinen lieben Freund/ ſein ſelbſt acht zu haben/ damit er nicht
Moͤrder an ſeinem Leibe wuͤrde; welches Ladiſla alſo beantwortete: Mein Bruder/ be-
kuͤmmere dich nur meinet wegen nicht; ich wil/ wie bißher geſchehen/ deines Willens ger-
ne leben/ unter der Hoffnung/ die Goͤtter werden unſere/ kaum vor neun Wochen wieder
erneuerte Freundſchafft nicht ſo ſchleunig zureiſſen. Aber deine Geſundheit wird das heil-
ſamſte Pflaſter zu meinen Wunden ſeyn/ deßwegen/ ihr mein getraͤuer Arzt/ ſagte er zu Ga-
lehn/ leget nur Fleis an meines lieben Bruders Heilung/ und ſeyd verſichert/ daß ich euch
nicht doppelt/ ſondern vielfach lohnen werde. Mein Herr/ antwortete dieſer; ob ich wol zu
euer Geſundheit ſehr gute Anzeigung ſpuͤre/ moͤchte ich doch von herzen wuͤndſchen/ daß
ihr erſt in dem Stande waͤhret/ darin euer Bruder ſich befindet/ als dann wolte ich euch
beyde inwendig XIV Tagen gehen und reiten laſſen/ wohin euchs geluͤſten moͤchte; wolle
demnach mein Herr wegen ſeines Bruders ſich nicht bekuͤmmern/ der in fuͤnff Tagen vor
ihm ſtehen und ſitzen ſol. Dieſes erfolgete auch in der taht/ maſſen nach ſolcher Zeit Her-
kules ſich des Tages etliche Stunden von ſeinem Lager auffmachete/ da hingegen Ladiſla
annoch groſſe Gefahr hatte; biß nach Verlauff eilff Tagen/ da Herkules ſchon gehen kun-
te/ der Arzt nach Beſichtigung des gefaͤhrlichſten Schadens ſagete; Nunmehr habe ich/
dem Himmel ſey Dank/ die unfehlbaren Zeichen/ daß am Eingeweyde durchaus nichts
verletzet/ oder doch ſchon alles wieder geheilet iſt; Wann nun mein Herr ſich mehr wird
zur Speiſe halten/ damit Leib und Geiſt Krafft bekommen/ und der angewandten Kunſt zu
Huͤlffe treten/ ſol durch der Goͤtter Segen und meinen Fleiß/ heut uͤber drey Wochen die-
ſe ſchaͤdliche Wunde keines verbindens mehr beduͤrffen. Deſſen nicht allein Herkules/ ſon-
dern auch Wenzeſla froh ward/ ſo daß dieſer ſchon außrechnen durffte/ auff welchen Tag
er mit ſeinem Herrn ſich auff dem Prager Schloſſe finden wolte. Am ſiebenzehenden Ta-
ge nach der Verwundung/ legte Herkules ſeine Kleider an/ und ob gleich Ladiſla der groͤſ-
ſeſten Gefahr entrunnen war/ hielt doch ſeine Schwachheit ſehr an/ daher Wenzeſla ſich
eines langwierigen Lagers befuͤrchtend/ ihn dieſen Tag erinnerte/ es wuͤrde die Koͤnigin
ſeine Fr. Mutter ſonder Zweifel ſich hefftig bekuͤmmern/ daß ſie ſo gar keine Zeitung von
ihm haͤtte; wolte deßwegen/ da es ſeiner Gn. gefaͤllig/ eine ſchnelle Botſchafft ablauffen
laſſen/ damit ſie in ihrem Truͤbſal getroͤſtet wuͤrde. Aber Ladiſla wehrete ihm ſolches/ ein-
wendend/ er haͤtte Schwachheit halber noch nicht Zeit gehabt/ darauff zu ſinnen/ weſſen er
B ijſich
[12]Erſtes Buch.
ſich erklaͤren wolte; ſo beduͤrffte es keines andern Bohten; Er wenzeſta ſelbſt ſolte fort-
gehen/ ſo bald er ſchwachheit halben ſchreiben koͤnte. Dem Alten kam dieſe Antwort ver-
daͤchtig vor/ und hielt noch mahl an/ da Ihre Durchl. es zugeben koͤnte/ wolte er deren Ge-
ſundheit abwarten/ und Ihr in kuͤnfftig auff der Reiſe auffwaͤrtig ſeyn; Aber Ladiſla wolte
ihm nicht Wiederſpiel halten/ weil er ſeinen Schluß bey ſich ſchon gemacht hatte.


Des folgenden Tages/ da er mit ſeinem Herkules allein wahr/ und derſelbe vor ſeinem
Bette ſaß/ redete er ihn alſo an: Herzlieber Bruder/ ich halte vor unnoͤhtig/ unſer hoͤchſt-
vertrauliche Freundſchafft und Liebe/ die von dem erſten Tage unſer Kundſchafft her/ auſ-
ſer dem neulich ertichteten Unwillen/ allemahl zwiſchen uns ſteiff und feſt beſtanden/ dich
weitlaͤufftig zu erinnern; eines meyne ich/ dir allerdinge unverborgen zu ſeyn/ daß ich lieber
ſterben/ als deiner angenehmen Gegenwart beraubet ſeyn wolte/ daher du keines weges
gedenken darffſt/ ich werde mein Koͤnigreich antreten/ und dich von mir laſſen; So iſt dir
gnug bekant/ daß mir der Odem nach der Reichs Kron nicht ſtinket/ ſondern geſonnen bin/
meine bluͤhende Jugend in ritterlichen uͤbungen/ und Erfahrung fremder Sitten/ auch be-
ſuchung abgelegener Laͤnder anzuwenden; iedoch moͤchte ich gerne hieruͤber deine Mey-
nung vernehmen/ ob du lieber mit mir zugleich gewaltiger Koͤnig in Boͤhmen ſeyn/ und
nach deines Herrn Vaters Abſterben/ meiner Laͤnder Macht/ zur Eroberung deines
Groß Fuͤrſtentuhms anwenden; oder aber/ welches ich lieber wolte/ unſer genommenen
Abrede nach/ die Welt verſuchen/ und deine Mannheit/ der ich keine zuvergleichen weiß/
in ritterlichen Tahten eine zeitlang neben mir uͤben und pruͤfen wolteſt. Hertules kunte
ihm nicht laͤnger zuhoͤren/ und antwortete: Davor behuͤte mich mein Gott/ daß dein Erb-
Koͤnigreich zugleich neben dir einen andern Koͤnig haben und ernehren; oder ich wider
meines Vaters und des Landes Willen/ einen Fuß/ geſchweige groſſe feindliche Krieges-
heere in mein Vaterland bringen ſolte. O nein/ O nein! Herkules hat ſo viel Gnade und
Vergnuͤgung von Gott/ daß er mit gutem Gewiſſen lieber im Elende/ ja in aͤuſſerſter Ar-
mut und Dienſtbarkeit ſein Leben zubringen/ als wider Gewiſſen ichtwas beſitzen und be-
herſchen wil/ wie ich deſſen ſchon anderthalb Jahr einen guten Beweiſtuhm abgelegt ha-
be. So kanſtu nicht glaͤuben/ geliebter Bruder/ wie hoͤchlich ich mich freue/ daß ich dich
erſter Zeit einen gewaltigen herſchenden Koͤnig wiſſen ſol; gelebe auch der gaͤnzlichen Zu-
verſicht/ du werdeſt durch ſolche Erhoͤhung/ und auff deinem ſtolzen Schloſſe deines ge-
traͤuen Herkules nicht allerdinge vergeſſen/ ſondern unſer geſchwornen Freundſchafft ein-
gedencke ſeyn; Ich hingegen verſpreche dir/ daß mein Herz und Gemuͤht nimmermehr
von dir abſetzen ſol/ ſondern in allen Laͤndern/ da ich ſeyn und ehrlich leben werde (dann oh-
ne Ehre verderbe ich lieber)/ ich zu deiner Gedaͤchtniß deinen und meinen Nahmen in ei-
ner fuͤglichen Vermiſchung fuͤhren wil. Inzwiſchen wolleſtu/ bitte ich/ deiner Heilung
durch widrige Gedanken keine Hinderung geben/ ſondern des Arztes vorgeſchriebenen
Satzungen dich gemaͤß verhalten/ auff daß du deſto zeitiger in dein Koͤnigreich zihen koͤn-
neſt; mich wird mein Gott und Heyland ſchon fuͤhren/ wie ers gnaͤdig verſehen hat. Hie-
mit fiel er ſeinem liebſten Freunde umb den Halß/ und kuͤſſete ihn auß herzlicher Gewogen-
heit/ als einen/ mit dem er ſich ſchier letzen wuͤrde. Ladiſla empfand ſein Herz vor Liebe
auffwallen/ daß zu befuͤrchten wahr/ es moͤchte die gefaͤhrliche Seiten wunde/ die ſich ein
wenig zugeſezt hatte/ wieder auffbrechen; ſahe doch ſeinen allerliebſten Freund gar lieblich
an/
[13]Erſtes Buch.
an/ und ſagte mit ſanffter Stimme: So merke ich wol/ Herkules ſtecket in dem Wahn/ als
ob Ladiſla ohn jhn Koͤnig ſeyn/ oder jhn ohne ſeine Geſellſchafft koͤnne reiſen laſſen? Ja/
wann Boͤhmen die ganze Welt waͤhre/ dann koͤnte ich meinem Herkules folgen mit dem
Hoſſtabe/ und meinen Stuel ſetzen/ wo jhn zu ſeyn beliebete. Herkules wiederantwortete:
So ſolte Boͤhmen meinetwegen unſelig und ihres Koͤniges beraubet ſeyn? Ladiſla: So
ſolte Ladiſla umb der Boͤhmiſchen Krone willen unſelig/ und ſeines lieben Herkules berau-
bet ſeyn? Herkules: Ich bleibe der Deine nicht deſto weniger; oder meyneſt du/ Herkules
koͤnne eines Koͤniges Freund nicht ſeyn? Lieber rede mir hievon nichts mehr/ ſagte Ladiſla;
ich ſchwoͤre bey dem Gott aller Goͤtter/ daß ich mit willen mich von dir nicht trennen wer-
de; wuͤrdeſtu aber beſchworne Traͤue brechen/ und Zeit meiner Schwachheit heimlich von
mir ſcheiden; ſihe ſo wil ich mich/ wie krank ich bin/ zu Pferde ſetzen/ und nicht auffhoͤren in
der Welt umbzureiten/ biß ich dich außſpuͤre; ſterbe ich dañ ſolcher geſtalt/ ſo ſol mein Geiſt
dich allenthalben verunruhen/ und deine Traͤuloſigkeit dir vorhalten. Dieſe Worte rede-
te er mit ſolcher Bewaͤgung/ daß jhm das Blut auß der Naſen hervor ſchwitzete/ ſahe auch
Herkules mit verwendetẽ Augẽ an/ als einer/ der leztzuͤgig ligt; deſſen er hoͤchlich erſchrak/
ihn umfing/ und ſagete: Herzallerliebſter Bruder/ was verurſachet dich zu dieſer hefftigen
Verenderung? haͤlteſtu mich fuͤr einen meineydigen Boͤſewicht/ der ſich von dir ohn Ab-
ſcheid hinweg ſtehlen wil/ ſo verzeihe dirs mein Gott. Hiedurch erſetzete Ladiſla alsbald
ſeine Sinnen/ druͤckete ihm die Hand aus innerlicher Hertzensliebe/ und antwortete ihm:
Habe ich mich an dir zu hoch vergiffen/ ſo raͤche dich ohn ſchonen; kanſtu aber den Fehler
verzeihen/ welcher auß der allerlauterſten Liebe entſtehet/ ſo bleibe mein Herkules/ wie ich
dein Ladiſla bleiben werde; und hoͤre meines Herzen unbewaͤglichen Schluß: Mein Koͤ-
nigreich ſol mich durchaus nicht ſehen/ du geleiteſt mich denn dahin mit freyem und aller
dinge ungezwungenen Willen und Vorſaz. So iſt meine Fr. Mutter verſtaͤndig gnug/ die
Herſchafft zu verwalten/ weil ich auſſer Landes bin. Wuͤrde nun der Himmel es ſchicken/
daß ich auff unſer Reiſe etwa durch unfall das Leben einbuͤſſen ſolte/ und du mein Koͤnig-
reich anzunehmen dich wegern wolteſt/ ſo iſt meine Meynung/ daß dein Bruder Baldrich
meine Frl. Schweſter Valiſken (die nunmehr von XIV Jahren) heirahten/ und Sie Ihm
meine Koͤnigreich zur Heimſteur zubringen ſol. Herkules wolte jhm hierauff Antwort ge-
ben; aber Ladiſla kam ihm zuvor/ und ſagte; Ehe ich dir einige Antwort goͤnne/ beſchwoͤre
ich dich zuvor bey dem wahren Gott Himmels und Erden/ und bey deinem Jeſus/ den du
taͤglich anbehteſt/ daß du dich nicht unterſteheſt/ mich von meiner vorgenom̃enen Reiſe ab-
zumahnen; Du we iſt/ daß mein Koͤnigreich dein iſt/ und du mir keinen groͤſſern Dienſt tuhn
koͤnteſt/ als daſſelbe mit mir gemein zu haben; ſintemahl dir aber nicht gefaͤllig iſt/ deine
Jugend daſelbſt in Muͤſſigang und uͤppigkeit zuzubringen/ ich dir auch ſolches nicht
rahten kan/ wil ich dich forthin nicht mehr darzu reizen/ ſondern habe nun ſelbſt diß
mein Land auff gewiſſe Zeit in meinem Herzen verſchworen; deßwegen ſol und muß un-
ſer gemachter Schluß feſt bleiben/ und ſo bald ich geneſe/ ins Werk gerichtet werden.
Herkules ſagte: Boͤhmen moͤchte wuͤndſchen/ daß ich nie gebohren waͤhre/ oder du mich
niemahls mit Augen geſehen haͤtteſt; dann ſo viel ich mercke/ wird ſolches Land meinetwe-
gen ohn ſeinen Koͤnig ſeyn muͤſſen/ welches ich auff ein oder ander Jahr noch ſo groß nicht
achten wolte; Wie aber/ wann mir mein Gott in weit abgelegener Ferne etwa Kriegs-
B iijdienſte
[14]Erſtes Buch.
dienſte/ oder wol gar eine Herrſchafft verſehen haͤtte/ wolteſtu als dann dein Reich ange-
ben/ und bey mir bleiben? Lieber bedenke doch/ mein Bruder/ was unbilliche Sache du vor-
nimſt/ und verſchwoͤre nicht in deinem Herzen/ wozu dich Gott ſelbſt beruffen und verord-
net hat. So wil ich nun/ angeſehen deine hohe Beteurung/ dich in meiner Geſellſchafft
herzlich gerne eine zeitlang wiſſen/ allein beſchwoͤre mich nach dieſem nicht mehr ſo hoch/
auf daß ich nicht gehindert werde/ mein getraͤues Bedenken dir anzudeuten. Was endlich
meinen lieben Bruder Baldrich betrift/ ſo hat derſelbe durch GOttes Gnade in kuͤnfftig
(weil ich ja enterbet ſeyn ſol) ſo viel Laͤnder zu beherrſchen/ daß er ein mehres weder verwal-
ten noch begehren kan; Zweifele auch ſehr/ ob die Land Staͤnde deines Reichs damit wuͤr-
den friedlich ſeyn; Und warumb wolteſtu mit Schlieſſung ſolcher Heyraht zwiſchen dei-
ner Frl. Schweſter und meinem Bruder ſo ſchleunig verfahren? nach dem mahl dieſer
erſt von XIIX Jahren iſt/ und man nicht wiſſen kan/ ob eins dem andern von Gott verſehen
ſey; welche lezten Worte er mit ſonderlicher Bewaͤgung vorbrachte. Ich wil alles nach
deinem Gutduͤnken machen/ ſagte Ladiſla/ nur daß unſer abgefaſſeter Schluß nicht gebro-
chen werde/ ohn daß wir uns mit mehr Dienern verſehen/ als wir ſonſt willens wahren/
weil auß Boͤhmen ich nun Mittel gnug haben kan/ ſie zu unterhalten. Wie es dir gefaͤlt/
mein Bruder/ antwortete er; doch ſehe jch nicht/ wie wir uns nur vor umſchweiffende Rit-
ter außgeben koͤnnen/ wann wir mit zu groſſer Menge reitender Diener einher prangen;
haͤtte ein jedweder einen Handfeſten aͤdlen Diener/ der uns ein gutes Leib-Roß nachfuͤh-
rete/ und einen Knaben/ auff unſern Leib zu warten/ waͤhre meines ermaͤſſens/ uͤbrig gnug;
und ſolche zu unterhalten/ wie es dir ein geringes/ alſo kan mir auch nicht mangeln/ weil
meine Fr. Mutter mir im neulichſten Schreiben Hoch Ritterliche Zehrungskoſten ver-
ſprochen hat; und wer weiß/ was vor Gluͤk uns durch Abenteur zuſtoſſen moͤchte/ daß wir
in der Fremde mehr Gelder uͤberkaͤhmen/ als wir auß unſerm Vaterlande zugewarten ha-
ben? O daß ich nur erſt recht geſund waͤhre/ ſagte Ladiſla/ damit an Verhinderung unſers
loͤblichen Vorſatzes ich nicht laͤnger ſchuld truͤge. Wir ſind ja/ weiß nicht wie/ zu dieſen
Wunden kommen/ antwortete Herkules/ und was haͤtten wir vor Ruhm davon/ wenn die-
ſe heilloſen Diebe uns haͤtten gar erſchlagen? Ich hatte mich meines Lebens gar zeitig er-
wogen/ ſagte Ladiſla/ als ich ſahe/ daß die frechen Buben ſo muhtig in unſere Schwerdter
lieffen; Zweifele auch nicht/ da der verwaͤgene Geta ſeine Faͤuſte mit gebrauchen koͤnnen/
wuͤrde es noch gefaͤhrlicher umb uns geſtanden ſeyn; jedoch geſchehene Dinge ſind nicht
zu wieder bringen/ nur daß ſie uns zur Lehre dienen/ dergleichen unloͤbliche Streite/ ſo viel
moͤglich zu meiden/ welche viel Wunden und wenig Ehre geben; Wann ich nun wiſſen
moͤchte/ wie bald ich voͤllig geneſen ſolte/ haͤtten wir unſere Sachen darnach anzuſtellen.
Wenzeſla ſaß im Neben-gemache/ und hoͤrete alle vermahnungen/ damit Herkules Ladiſ-
laen zur reiſe nach Boͤhmen bewaͤgen wolte/ aber weil derſelbe wegen ſchwachheit zu ſanf-
te redete/ kunte er deſſen antwort nicht vernehmen; meinete auch/ Herkules unwillige re-
den gingen auff etwas anders als auff eine verwegerung/ nach Boͤhmen zu ziehen. Galehn
ſtoͤrete ihr Geſpraͤch durch ſeine ankunfft/ zu welchem Herkules ſagete; Gewißlich/ mein
Freund/ wird mein Bruder ſchlimmer Haut zu heilen haben als ich. Ja mein Herr/ ant-
wortete er; Herr Ladiſla iſt fluͤſſiger und ſchwermuͤhtiger art; wiewol des Herrn wunden
gegen
[15]Erſtes Buch.
gegen dieſen Seiten-Schaden nicht zu rechnen ſind; doch haben wir das gefaͤhrligſte
ſchon vorbey gebracht. Er loͤſete hiemit die Binde auff/ und als er das Pflaſter hinweg
taht/ drang ein zimlich teil Blut hervor; deſſen er ſich uͤbel gehuhb/ fing an zu ſchelten/ und
verwies ihm mit harten worten/ warumb er ſich ſo heftig bewaͤget/ daß die Wunde einen
Bruch bekommen; es duͤrffte leicht geſchehen/ daß das lezte aͤrger wuͤrde als das erſte/ und
er ſein lebelang ein krummer Menſch bliebe; truͤge demnach bedenken/ die heilung allein
uͤber ſich zu nehmen/ wan er ſeinem getraͤuen Raht nicht folgen wolte/ damit man ihn her-
naͤhſt nit der verſaͤumnis oder des Unverſtandes zu beſchuldigen haͤtte. Herkules hatte
ihm ſeine Geldliebe ſchon abgemerket/ ſahe gleichwol/ daß eine groſſe Verenderung an der
Wunde wahr/ deſſen Urſach er wol wuſte/ und ſagte zu ihm; haͤtte ſein Bruder ſich viel-
leicht uͤberſehen/ ſolte es hin fort nicht mehr geſchehen/ und moͤchte er gebeten ſeyn/ allen
fleiß an zuwenden/ daß die heilung in kurzer zeit verrichtet wuͤrde/ des wolten ſie ſich dank-
barlich einzuſtellen wiſſen. Galehn wuſte wol/ daß er ein mehres nicht fodern durfte/ weil
er vor ſich ſchon uͤber 160 Kronen baar empfangen hatte; wolte ſich gleichwol dieſes erbie-
tens gebrauchen/ und fragete/ ob ihnen dañeben an der eile ſo groß gelegen waͤhre/ ſo wolte
er inwendig drey wochen/ von heut an zurechnen/ den Schaden ganz heile ſchaffen; und
ob ſie ihm noch etwas vor ſeine muͤhe zuwenden wolten/ ſtellete er ihrer hohen Freigebig-
keit anheim. Warumb ſolte euch eure muͤhe unvergolten bleiben? ſagte Herkules; thut
ihr nur fleiß/ daß die Wunde von grundaus geheilet werde/ als dan ſolt ihr vor dieſe drey
Wochen noch XL Kronen haben. Wie aber/ ſagte Galehn/ wann ich den Kranken vor auß-
gang der drey Wochen geſund ſchaffete? Ladiſla wahr dieſes eine angenehme rede/ und
antwortete ihm: So mannichen Tag ihr mir an dieſer Zeit verkuͤrzet/ ſo manniche Sechs
Kronen ſolt ihr uͤber die verſprochenen haben/ und wuͤrde mir nichts lieber ſeyn/ als daß
ich dieſen Tag voͤllig geſund wuͤrde/ das Geld wolte ich euch willig zahlen/ und noch wol
ein neues Kleid zum uͤberſchuſſe. Ich bedanke mich des milden erbietens/ ſagte Galehn;
ging hin/ hohlete ein neues Pflaſter/ und vermaß ſich/ dafern dieſes nach ſeinem Willen/
wie er hoffete/ wirken wuͤrde/ wolte er ſich morgen einer kuͤrzern Zeit erklaͤren; Wie dann
wirklich erfolgete; maſſen dieſes ſo gute Huͤlffe taht/ daß des neun den Tages hernach La-
diſla geſund wahr/ und das verſprochene gerne erlegete. Da kunte nun Wenzeſla/ der mit
Schmerzen dieſe Tage geharret/ jhm keine andere Rechnung machen/ als daß Ladiſla mit
ihm nach Boͤhmen reiſen wuͤꝛde; Deßwegen er/ wie unſere Helden dieſen Abend im Bre-
te ſpieleten/ zu ihm ſagete: Uber drey Wochen/ geliebts den Goͤttern/ ſpielen Eure Gn. mit
Ihrer Frl. Schweſter/ welche/ wie ich mir ſagen laſſen/ in dieſem Spiel ſehr ſchlauh und er-
fahren ſeyn ſol; ſo habe ich noch zur Zeit/ wegen Traurigkeit und Kummer/ meiner Gnaͤd.
Fraͤulein Befehl nicht verrichten koͤnnen/ da ſie ſelbſt zu mir ans Pferd kam/ und mich ih-
ren Durchl. Oheim und Bruder Groß Fuͤrſt Herkules ſchweſterlich gruͤſſen hieß/ dafern
ich ihn bey ihrem Hn. Bruder Ladiſla vermuhtlich antreffen wuͤrde; Das Wahrzeichen
meiner Schweſterlichen Traͤue und Auffrichtigkeit/ ſagte ſie/ gebet ihm bey dem mir ge-
raubeten Bande/ welches er als ein Gedaͤchtnis wieder meinen willen zu ſich genommen/
und ſo hoher Ehr nicht wirdig iſt/ deßwegen ſeine Liebe ich bitten laſſe/ das unter den Klei-
noten eingewickelte Armband von XXV Demanten zuſammen geſezt/ von mir anzunehmẽ/
und
[16]Erſtes Buch.
und es mir zu gefallen ſtets am rechten Arme zutragen. Ging hiemit zu dem Wetſcher/ hoh-
lete es her/ und lieferte es mit dieſen Worten: Durchleuchtigſter Fuͤrſt/ ich wuͤnſche daß
mein Gn. Fraͤulein keinem Unwirdigern etwas ſchenken moͤge. Ladiſla lachete des Wun-
ſches/ und ſagte: Wie ſo mein Wenzeſla? wollet ihr dañ nicht auch etwas von meiner Frl.
Schweſter geſchenket haben? Ja/ Gnaͤdiger Herr/ antwortete er/ ich nehme trauen lieber
als ich gebe; aber meine Reden halten eine ſonderliche Heimligkeit in ſich/ die ich dereins
deutlicher außlegen werde. Herkules ward nicht allein des uͤbergeſchikten Armbandes/
ſondern auch des entbohtenen unfehlbaren Warzeichens ihrer unbruͤchigen traͤue hoͤchſt
erfreuet/ dann er hatte bißdaher in aͤngſtiger Furcht gelebet/ ſie wuͤrde wegen ſeines langen
auſſenbleibens/ und daß er nie keinmahl an ſie geſchrieben/ ſein ſchon vorlaͤngſt vergeſſen
haben/ oder da ſie ſeines Chriſtenthums innen wuͤrde/ ihm deßwegen nicht weniger als ſein
leiblicher Vater ſelbſt/ Haß und Wiederwillen zulegen; nach dem er aber dieſer Furcht
gaͤnzlich enthoben ward/ nam er das Armband mit ſonderlicher Ehrerbietigkeit an/ zog ein
kleines Ringelein hohes Werts vom Finger/ und uͤberreichte es Wenzeſla mit dieſen Wor-
ten: Es iſt mir ſehr lieb/ daß meine Durchl. Frl. Waſe und Schweſter/ ihres ſo lange Zeit
abweſenden Dieners eingedenke iſt; wollet ihr demnach naͤhſt Anmeldung meines Gruſ-
ſes und meiner bereitwilligſten Dienſte/ dieſen ſchlechten Ring hinwieder zuſtellen/ und
daß ich mich erbiete/ ihrer Liebe der eins mich mit wirdigerer bezeigung der ſchuldigen
Dankbarkeit finden zulaſſen/ welches mir vor dißmahl nicht der wille/ ſondern bloß das
unvermoͤgen verbeut. Wenzeſla nam den Ring zu ſich/ mit dem verſprechen/ ihn gebuͤhr-
lich einzulieffern/ bekam aber ſehr fremde gedanken/ daß er nicht vielmehr Ladiſla als ihm
den Ring zuſtellete. So bald ſich Ladiſla zur ruhe gelegt hatte/ verfertigte Herkules in aller
ſtille ein Schreiben an das Fraͤulein/ und gab es Wenzeſla noch deſſelben Abends mit die-
ſem befehl: Sehet/ dieſes Schreiben/ in welchem ich meine Frl. Waſe umb eine mir noͤh-
tige Werbung an meine Fr. Mutter die Koͤnigin bitte/ wollet ihr in gute verwahrung
nehmen/ und es hochge dachtem Fraͤule in in hoͤchſter geheim zuſtellen/ daß deſſen kein eini-
ger Menſch innen werde/ weil auch die Fr. Koͤnigin ſelbſt nicht wiſſen darff/ daß ich ein
ſolches ſuche; hilfft mir Gott der eins/ wie ich hoffe/ wieder in mein Vaterland/ ſol euch
dieſer dienſt wol vergolten werden. Meldet ſonſt dem Fraͤul. wegẽ des angefoderten Ban-
des/ es werde keines andern/ als des Raͤubers Hand ihr ſolches einliefern/ biß dahin ſie ihr
die Zeit nit wolte lange wehren laſſen/ und inzwiſchen mit verſprochener Schweſterlicher
hulde mir gewogen verbleiben. Des folgenden Morgens machte Ladiſla auch zwey Schrei-
ben an ſeine Fr. Mutter fertig/ deren das eine zugleich mit an die Landſtaͤnde gerichtet
wahr/ als in welchem er anzeigete/ wie es Zeit ſeines abweſens mit des Reichs verwal-
tung ſolte gehalten werden; Im andern baht er von ihr vertraulich/ was ihm jaͤhrlich zum
unterhalt ſolte nach Rom durch Wechſel uͤbergemacht werden. Und nach dem er ſie wol
verſiegelt hatte/ haͤndigte er ſie Wenzeſla ſolcher Geſtalt ein: Hier ſind zween Brieffe an
meine Fr. Mutter/ die ſollet ihr auff ſchneller eile uͤberbringen/ und nichts als dieſes wenige
vermelden; Ich verbleibe ihr gehorſamer Sohn/ als lange ich lebe; dafern ſie aber ein
Muͤtterliches Herz zu mir traͤget/ wolle ſie ihr den Inhalt/ wo nicht beyder/ doch des groͤſ-
ſeren Schreibens gnaͤdigſt gefallen laſſen; und wann deren keines ſeyn koͤnne/ habe ſie
macht/
[17]Erſtes Buch.
macht/ nicht allein als eine Mutter/ ſondern auch als eine gebietende Koͤnigin mit mir zu
ſchalten. Wenzeſla antwortete: wie dann gnaͤdigſter Herr/ ſol ich das Gluͤk und die Ehre
nicht haben/ Ihre Durchl. nach Prag zubegleiten? was wird meine allergnaͤdigſte Koͤni-
gin ſagen/ daß von euer Durchl. ich geſchieden bin/ und derſelben nicht auffwarte? Be-
kuͤmmert euch umb nichts/ ſagte Ladiſla/ meine Fr. Mutter wird nach verleſung meiner
Schreiben mit mir und euch ſchon zufrieden ſeyn; nur gruͤſſet mir daneben meine geliebt-
ſte Frl. Schweſter/ und andere gute Freunde. Alſo muſte Wenzeſla von Rom hin weg voll
Unmuht und mißligkeit/ daß er ſeinen Herren nicht mit bringen ſolte; wie wol er noch der
guten zuverſicht lebete/ er wuͤrde bald nachfolgen/ und die Herrſchafft antreten.


Nach ſeinem Abzuge bereiteten ſich unſere Helden/ ihren Ritterzug vorzunehmen. Sie
hatten ſchon drey gute Pferde/ zu denen kaufften ſie noch fuͤnffe/ und vier Ritter Harniſche
von ſchlechtem an ſehen/ aber ſehr feſte/ uñ in Sizilien geſchmiedet/ nahmen zween Leibkna-
ben an/ gutes Roͤmiſchen Adels/ welche Sie in roht Scharlaken mit einer guͤldenen Borte
kleideten; Vor ſich ſelbſt aber jeder drey koͤſtliche Kleider machen lieſſen/ beſtelleten auch
zween ritterliche Diener/ in Waffen wol geuͤbet/ und von den Roͤmiſchen Geſchlechtern/
die aber in tieffen Schulden ſtecketen/ daß ſie uͤmb Sold dienen muſten/ weil ſie von ihren
Glaͤubigern hart gedraͤnget wurden/ daß ſie von jhren Guͤtern wenig zu genieſſen hatten.
Sab ihn ihr Wirt verwunderte ſich/ woher ihnen ſo viel Mittel kaͤhmen/ angeſehen ſie vor
ihrer Verwundung gar kaͤrglich gelebet/ und ſich keines uͤberfluſſes hatten merken laſſen.
Weil ihm nun alles/ was verzehret wahr/ auff einem Bredte bezahlet wurde/ haͤtte er ſol-
che Gaͤſte gerne laͤnger behalten/ daher er ihnen nach Moͤgligkeit vorging. Des ſechſten
Tages nach Wenzeſla Abſchied/ erhielt Herkules bey ſeinem Ladiſla/ daß er mit ihm in die
Chriſtliche Verſamlung ging/ und jhrem Gottes dienſte beywohnete/ ſo viel einem Unge-
taufften zugelaſſen wahr; und ob er gleich alles vor Aberglauben und Kindiſche Gebraͤu-
che hielt/ ſo begunte er doch den Chriſten etwas geneigter zu werden/ weil er ſahe und hoͤre-
te/ daß jhr Gottes dienſt viel anders beſchaffen wahr/ und der Gottloſigkeiten ſich keine be-
funden/ deren ſie von den Weltweiſen und Heydniſchen Pfaffen beſchuldiget wurden.
Nach vollendetem Gottes dienſte trat Herkules zu dem damahligen Biſchoff Urban/ und
lieferte jhm 100. Kronen/ unter die nohtleidende Chriſten außzutheilen/ mit dem Verſpre-
chen/ daß/ wann ihm Gott zu ſeiner Reiſe Gluͤk geben wuͤrde/ wolte er hernaͤhſt ein mehres
bey den Armen tuhn; begehrete daneben/ daß er jhn ins gemeine Gebeht einſchlieſſen/ und
vor ſeinen lieben Geſellen zu Gott bitten wolte/ daß er zum Chriſtentuhm erleuchtet wuͤr-
de; ging mit Ladiſla wieder nach der Herberge/ und ließ daſelbſt zwoͤlff lahme gebrechliche
Chriſten ſpeiſen/ und Tuch zu Kleidern geben/ hernach beſahe er den Ort/ wo die beyden
vortreflichſten Bohten und Juͤnger des Herrn/ Peter und Paul/ jhr Leben durch willigen
Todt umb des Nahmen Jeſus willen zugeſezt hatten/ da der heilige Peter gekreuziget/ und
Paul enthauptet wahr/ da dann Ladiſla ſich in ſeiner Geſelſchafft befand. Endlich beſtel-
leten ſie ihren Wirt Sabihn zum Verweſer und Auffheber aller kuͤnfftigen Wechſel Gel-
der und Briefen/ bey des dieſte von anderwerz bekommen/ und die ſie an gewiſſe oͤrter ſchrei-
ben und uͤbermachen wuͤrden/ davor ſie ihm jaͤhrlich 150 Kronen vermacheten/ und auff
ein Jahr vorauß bezahleten. Dem Arzt ſchenketen ſie zum Abzuge XX Kronen/ und bey-
Cden
[18]Erſtes Buch.
den Geſellen X; kaufften auch umb XX Kronen eine koͤſtliche Wund Salbe von jhm/ wo-
mit man alle friſche Wunden in kurzer friſt heilen kunte/ und nahmen des folgenden Tages
gar fruͤh Abſcheid/ in hoffnung/ Gott wuͤrde ſie an ort und ende fuͤhren/ woſelbſt ſie Ruhm
und Preiß erwerben koͤnten. Als ſie uͤber die Gaſſe vor Herr Zinna/ Herkules geweſenen
Herrn Wohnung vorbey ritten/ ward deſſen Tochter/ Fr. Zezilia jhrer gewahr/ winkete
ihrem lieben Herkules/ auff ein Wort ſtille zu halten/ verwieß ihm hoͤchlich/ daß er ſich ſo
lange noch zu Rom auffgehalten/ und ihr kein mahl zugeſprochen haͤtte. Er aber entſchul-
digte ſich ſehr/ daß er und ſein Freund vor etlichen Wochen gefaͤhrlich verwundet/ und
kaum vor wenig Tagen erſt geneſen waͤhren; haͤtte geſtriges Tages Zeitung von Hauſe
gehabt/ ſich eilend daſelbſt einzuſtellen/ weil ſeine Fr. Mutter to des verblichen/ und er die
Haußhaltung wider ſeinen Willen antreten muͤſte; baͤhte demnach dienſtlich/ ihm zu ver-
zeihen/ daß er ihr laͤnger Geſelſchaft nicht leiſten koͤnte. Ich habe wol gewuſt/ ſagte ſie/ daß
ihr noch ſtets zu Rom ſeyd geweſen/ aber eure Herberge nicht erfahren koͤnnen/ ſonſt haͤt-
te ich euch dieſen Denkring meiner guten Gewogenheit/ durch meine Leib dienerin zuge-
ſchikt/ welchen ich euch nun ſelbſt liefern wil/ mit Bitte/ jhn eurer ergebenen Freundin Ze-
zilien wegen zu tragen/ und bey demſelben der Engellaͤndiſchẽ Geſchichte (dieſe iſt im fuͤnf-
ten Buche zu leſen) ſtets eingedenke zu ſeyn. Hochwerte wahre Freundin/ antwortete er;
ich bedanke mich der annoch ferner bezeigeten Gutwilligkeit/ die ich/ wo ich leben ſol/ zu er-
ſetzen/ unvergeſſen ſeyn werde; Die Erinnerung aber der Geſchichte wird ſie ohn Zweifel
mit ſolchem Herzen vorbringen/ als ich ſie auffnehme; und wolle/ bitte ich ſehr/ ihre gelieb-
te Eltern unſer beyder wegen dienſtlich gruͤſſen; vielleicht gibt es die Gelegenheit/ daß wir
uns dereins wieder ſprechen. Hieb damit ſein Roß an/ und rante mit ſeiner Geſelſchafft
eilig fort/ weil er ſich befuͤrchtete/ von Herrn Zinna auffgehalten zu werden. Als er zum
aͤuſſerſten Tohr außritte/ ſeufzete er/ und ſagte zu Ladiſka: Nimmermehr werde ich das al-
lerliebſte Rom auß meinem Gedaͤchtniß kommen laſſen/ ob ich gleich noch hundert Jahr
leben ſolte; Dann ungeachtet ich hieſelbſt anderthalbjaͤhrige Leibeigenſchafft und harte
Dienſtbarkeit außgeſtanden/ muß ich doch geſtehen/ daß naͤhſt Gott/ ich dieſem Orte allein
meiner Seelen Wolfahrt/ und Gewiſſensvergnuͤgung zu danken habe; weil ich hieſelbſt
endlich funden/ was meinen Verſtand erleuchtet/ meinen Willen ſaͤttiget/ mich in Trau-
rigkeit freudig machet/ und wider alle Unfaͤlle mich kraͤfftiget und ſtaͤrket. O gluͤkſeliger
Tag/ da ich im Boͤhmerwalde von den Pannoniſchen Raͤubern gefangen; noch gluͤkſeli-
ger/ da ich von den Roͤmiſchen jhnen wieder geraubet/ und in dieſer Stadt verkauft ward;
Dann durch dieſe gelegenheit bin ich zur Erkaͤntniß meines Gottes und Heylandes kom-
men/ ohn welche ich ungezweifelt haͤtte ewig muͤſſen verdamt und verlohren ſeyn. Ich weiß
nicht/ antwortete Ladiſla/ was ſonderliches du doch in dieſem Glauben funden haſt/ ohn ei-
nen vermeynten neuen Gott/ der etwa vor 225 Jahren/ wie du ſelbſt geſteheſt/ von ſchlech-
ten armen Eltern im Viehſtalle gebohren/ in Mangel und Armut auferzogen/ von ſeinen
eigenen Freunden und Blutsverwandten verachtet/ verfolget/ endlich gar als ein Ubeltaͤh-
ter zwiſchen zween Moͤrdern aus Kreuz auffgehenket iſt. Nun betrachte dagegen unſere
Goͤtter; wie von groſſen Leuten/ ja von Goͤttern ſelbſt ſind ſie entſproſſen; wie herꝛliche
Tahten haben ſie verrichtet/ und umb die ganze Welt ſich ſo hoch verdient gemacht/ dz man
ſie
[19]Erſtes Buch.
ſie daher nach ihrem Tode billich geehret/ und unter der Goͤtter Zahl auffgenommen hat.
Herkules antwortete ihm: Mich jam̃ert dein von Herzen/ lieber Bruder/ daß du von geiſt-
lichen und goͤttlichen Sachen ſo gar fleiſchlich/ und da ichs ſagen darff/ kindiſch redeſt; wil
demnach dir alles beydes/ ſo wol/ was du von meinem HErrn JEſus/ als von deiner ver-
meynten Goͤtzen Geburt/ Leben und Tahten meldeſt/ in aller Kuͤrze und Einfalt beantwor-
ten. Und zwar vor erſt geſtehe ich/ daß meines lieben Heylandes Geburt/ ſeinem Fleiſche
nach/ aͤuſſerlich ſehr armſelig und geringe vor der Welt ſcheinet/ weil ſein Pflege-Vater
Joſeph nur ein Zimmerman/ und ſeine liebe Mutter/ die keuſche Jungfer Maria ein ver-
laſſenes Waͤyſelein wahr; aber dagegen waren ſie dannoch beyderſeits von dem allervor-
trefflichſten Koͤniglichen Gebluͤt und Artſtamme/ welches jemahl in der Welt geweſen;
muſten aber aus Furcht des Todes ihr Herkommen vertuſchen/ weil Herodes alle Nach-
kommen des Koͤnigs David ſuchte außzurotten. Betrachte aber meines HErrn JEſus
Geburt nach jhrer innerlichen Treffligkeit und Wirde/ dann wird mir kein Menſch der-
ſelben gleichen zeigen koͤnnen; maſſen einmahl wahr iſt/ daß er ohn Zuthun eines Mannes/
bloß nur durch Krafft und Wirkung des Almaͤchtigen Gottes/ von hochgedachter Jung-
fer Marien empfangen/ und ihre Jungfrauſchafft durch einigen Menſchen niemahls iſt
verletzet worden. Sie gebahr jhr Soͤhnlein zwar im Viehſtalle/ aber zu Troſt allen armſe-
ligen Menſchen/ daß Er/ dieſer Himmels Koͤnig/ auch der allergeringſten ſich annehmen/
und ſie zum ewigen Leben befodern wolte. Je doch muſte ſeine Geburt gleichwol nicht ohn
alles Gepraͤnge ſeyn/ ſondern von dem groſſen Engel und Himmels-Bohten Gabriel/ den
Hirten auf dem Felde angekuͤndiget/ und von der unzahlbaren menge der himliſchẽ Heer-
ſcharen beſungen werden; Zugeſchweigen/ daß auch die Weiſen Weltgelehrten auß Mor-
genlande ihn zu verehren/ ſich bald nach ſeiner Geburt eingeſtellet/ und mit Golde/ Weih-
rauch und Myrrhen jhn beſchenket haben. Nun wirffeſtu mir ein ſeine armſelige Auffer-
ziehung/ und ſchmaͤhlichen Todt; aber wann du mit mir erkennen koͤnteſt/ daß dieſer unſer
Heyland/ wann es ihm umb gute Tage/ und treflichen Pracht waͤhre zu tuhn geweſen/ wol
haͤtte in ſeiner himliſchen Hocheit bleiben moͤgen; waͤhre dieſem Zweifel ſchon abgeholf-
fen; es iſt dir aber noch zu hoch und ſchwer in deiner heydniſchen Blindheit; Dann ſein
Vorſaz wahr/ uns ſuͤnd haffte Menſchen bey ſeinem erzoͤrneten Vater wiederumb außzu-
ſoͤhnen; und weil deſſen Gerechtigkeit vor das Verbrechen auch Gnugtuhung erfoderte/
ja auch vor die begangene Suͤnde und Miſſetaht Straffe erteilen wolte; und aber wir
nicht-werte Menſchen weder ſeinem heiligen Willen gnug tuhn/ noch die Straffen des
ſtarken Armes unſers Gottes ertragen kunten; Als ſtellete ſich unſer Heyland zwiſchen
Gott und uns/ erfuͤllete durch ſein unſtraͤfliches Leben den Willen Gottes/ und in aller ver-
folgung und Todesangſt fuͤhlete er an unſer ſtat die harten Schlaͤge Gottes/ wo durch wir
dem himliſchen Vater hinwie derumb verſoͤhnet/ und zu Gnaden auffgenommen ſind/ da-
fern wir nur auff dieſen unſern Heyland uns verlaſſend/ uns vor mutwilligen Suͤnden
huͤten/ und nach dem Willen Gottes unſer Leben anſtellen. Du wirſt dich aber auch erin-
nern/ was ich dir ehmahls zu wiſſen getahn/ wie daß dieſer unſer Helffer Jeſus nicht lange
im Tode und Grabe verblieben/ ſondern am dritten Tage als ein gewaltiger Siegsheld le-
bendig ſich hervor gemacht/ und am vierzigſten Tage hernach/ ſichtbarlich auf gen Himmel
C ijgefah-
[20]Erſtes Buch.
gefahren iſt/ da Er ſich zur Rechten Hand Gottes geſezt hat/ auch von dañen am lieben juͤng-
ſten Tage kommen wird/ zu richten alle Menſchen/ die vom Anfange der Welt biß auff die
lezte Zeit gelebet haben/ und noch leben werden. Und wann du fragen wolteſt/ wie ich ſol-
ches gedenke zubeweiſen/ wil ich dir vor dißmahl nur zu bedenken vorſtellen/ daß die/ ſo mit
dem HErren Jeſus auff Erden gewandelt/ und ſeine Lehre angenommen/ nachgehends
weder durch Pein noch Todt haben koͤnnen gezwungen werden/ dieſes zu verleugnen/
welches ſie ja nimmermehr als vernuͤnfftige Menſchen wuͤrden gelitten haben/ dafern ſie
nicht waͤhren verſichert geweſen alles deſſen/ warumb ſie den Todt vor das Leben erwåhlet.
Du aber/ mein Bruder/ zeige mir einen Heyden/ der die Meynung von ſeinen Goͤtzen mit
ſeinem Blute jemahls beſtetiget und verſiegelt habe. Ladiſla gab hier auff zur antwort; Ich
hoͤre deinen Reden zu/ und zwar mit gutem willen/ aber nicht anders gedeucht michs/ als
da meine Fr. Mutter mir in der zarten Kindheit ein Mehrlein zu erzaͤhlen pflegte. Ja mein
Bruder/ ſagte Herkules/ das aͤuſſerliche hoͤren ſtehet in unſerm wilkuͤhr und freyen Willen/
aber es innerlich annehmen/ und den Glauben daran haben/ koͤnnen wir ſelbſt in uns nicht
wirken/ ſondern ſolches muß von Gott kommen; Zu dem ich der troͤſtlichen Hoffnung ge-
lebe/ Er weꝛde mein taͤgliches Gebet und inbruͤnſtige Seuffzer der eins erhoͤren/ und duꝛch
Krafft des Heiligen Geiſtes den Glauben in dir wirken. Ladiſla antwortete; du weiſt/ mein
Bruder/ wie inniglich ich dich liebe/ aber doch biß an die Goͤtter/ die ich umb Menſchen
willen nicht verleugnen kan; ſo wirſtu dich auch unſer Abrede erinnern/ und mich ſo we-
nig/ als ich dich/ des Glaubens wegen noͤhtigen. Davor behuͤte dich und mich der All-
maͤchtige Gott/ ſagte Herkules/ daß wir ja keinem Menſchen zugefallen ichtwas in unſerm
Glauben endern; O nein/ dieſe Meynung hats durchaus nicht; vielmehr rahte ich dir ſel-
ber/ daß du ehe nicht abtreteſt von deinen Goͤtzen/ biß der wahre Gott dir den Willen darzu
verleyhet; denn ſonſt waͤhreſtu ein Heuchler und Spoͤtter unſers Gottes. Ich muß aber
das andere Stuͤk deines Einwurffs dir nicht unbeantwortet laſſen/ woſelbſt du deiner
Goͤtter ſtatliches Herkommen/ groſſe Tahten/ und herliche Verrichtungen ans Bret ſtel-
leſt/ wodurch ſie ſollen verdienet haben/ daß man ſie unter die Zahl der Goͤtter auffgenom-
men. O Ladiſla/ betrachte/ bitte ich/ was du redeſt; Sind deine Goͤtter von Menſchen ge-
zeuget/ je ſo ſind ſie ia keine Goͤtter; Deñ wie koͤnten Menſchen/ die ſterblich ſind/ unſterb-
liche Goͤtter außhecken? Hat auch wol der Ochſe jemahls einen wahren Menſchen zum
Sohn gehabt? Haben aber deine Goͤtzen/ zeit ihrer Menſcheit/ loͤbliche Tahten verrichtet/
darzu verbindet ſie die Erbarkeit/ wie uns Menſchen alle miteinander. Du weiſt aber dan-
noch/ wie viel Untahten ſie zugleich daneben begangen/ und dadurch ſich ſelbſt geſchaͤndet.
Jupiter/ der beſte unter allen/ vertrieb ſeinen leiblichen Vater den Saturn/ und legte jhm
ſolche Schande an/ welche ich nicht melden mag; Ja er nam ſeine Schweſter Juno zum
Weibe/ wider die weltkuͤndigen eingepflanzeten Rechte; trieb auch Unzucht/ Ehebruch uñ
andere abſcheuliche Boßheiten. Dein Bacchus wahr ein Saͤuffer und Schwelger: Mer-
kuhr/ aller Diebe und Raͤuber Schuzherr; Herkules tahten ſind dir bekant/ beydes die
ruhmwirdigen und laſterreichen. Venus wahr einer gemeinen Metzen/ die mit jhrem Lei-
be Geld verdienet/ aͤhnlicher/ als einer tugendhaften Frauen. Noch darff man ſie vor Goͤt-
ter angeben/ ja vor Himmels Goͤtter. O der ſchaͤndlichen Gottheit/ die mit Laſter und Un-
zucht
[21]Erſtes Buch.
zucht ſich beſudelt/ wovor auch die gebrechliche Menſchen abſcheu tragen. Eure Gelehrtẽ
wiſſen und behaͤupten/ daß der Himmel ein reines Weſen ſey/ von allem Unflat geſaubert;
Und in ſolchem reinen Hauſe ſolten ſo unreine Herren wohnẽ? Sie wiſſen und behaͤuptẽ/
daß die Gottheit alles gute/ alle Vollkommenheit in ſich begreiffe; und die Goͤtter ſolten
ſolche tugendloſe Untiehre ſeyn? Aber ich weiß deine Entſchuldigung wol/ welche du noch
ſelber nicht weiſſeſt. Man muͤſſe der Heydniſchen Tichter uñ Buͤcherſchreiber Reden von
den Goͤttern nicht nach dem Buchſtaben/ ſondern nach dem innerlichen Verſtande anſe-
hen und außdeuten; man muͤſſe durch Saturn die Unvergaͤngligkeit; durch Jupiter die
weit/ breite Lufft; durch ſein Weib und Schweſter Juno die Erde verſtehen/ und durch ih-
ren Beyſchlaff oder Vermiſchung/ die Befruchtung/ welche die Erde von der warmen
Lufft empfaͤhet/ und was dergleichen Auffzuͤge mehr ſind. Hoͤre aber/ mein Bruder/ iſt die
Lufft dein Gott? iſt die Erde deine Goͤttin? ie warumb flucheſt und ſpeyeſtu dann alles in
die Lufft hin? je warumb tritteſtu die Erde mit Fuͤſſen/ und beſudelſt ſie mit deinem unflaͤ-
tigen Kote? Ich ſage mehr; wann die Lufft vergifftet iſt/ daß ſie dir die anklebenden Seu-
chen verurſachet/ iſt dann auch dein hoͤchſter Gott vergifftet? Und wann du die Erde mit
dem Pfluge oder Grabeiſen umbkehreſt/ ſchneideſtu dann der vornehmſten Ober-Goͤttin
ſo manniche Wunden? Zum Beſchluß/ daß ich dich nicht zu lange auffhalte/ gibſtu vor/
die Menſchen haben jhnen die Gottheit nach ihrem Tode zugeleget. Ey der ſchoͤnen Goͤt-
ter/ die von Menſchen darzu gemacht werden! Kan auch der Menſch einem Lebendigen die
unſterbligkeit und Almacht ſchencken/ die er ſelber nicht hat? Mein Bruder/ fodere/ bitte ich/
von dieſen Goͤttermachern zum Beweißtuhm ihrer Kunſt/ daß ſie mir auß einem Baum
einen lebendigen Ochſen/ aus einem Eſel einen vernuͤnftigen Menſchen/ ja daß ſie nur aus
einem vierwoͤchigem Kalbe/ inwendig ſolcher Zeit eine erwachſene Kuh machen; fehlen ſie
aber hierin/ ſo glaͤube ihnen doch nicht/ wann ſie ruͤhmen/ ſie haben einen verſtorbenẽ Men-
ſchen mit der Gottheit uͤberkleidet/ und ihn ohn Leitern in den oberſten Himmel bracht. Uñ
gedenkeſtu/ derſelbe ſey als bald ein Gott/ der von Menſchen davor erklaͤret wird? Ladiſla
antwortete: Du muſt zu Rom fleiſſig in die Schuel gangen ſeyn/ und einen ſpitzigen Mei-
ſter gehabt haben. Ich laſſe aber alle deine Einwendungen die Pfaffheit verantworten/ de-
nen ſolches oblieget/ und koͤnte inzwiſchẽ auch ſehr viel von deinem Jeſus beybringen/ wel-
ches gnug waͤhre/ darzutuhn/ daß derſelbe kein Gott ſey: Streue immerhin ein/ und brin-
ge alles bey/ was du kanſt/ ſagte Herkules/ wann es nur nicht mit Unwarheit und Laͤſterung
geſchihet. Jedoch weiß ich vor erſt/ daß du ihn keiner Suͤnde/ oder einiges Unrechts zeihen
kanſt. Vors ander geſtehe ich/ daß ſeiner menſchlichen Art und Weſen nach/ er nicht ein
Gott und Geiſt iſt/ auch nicht ewig/ noch durch Eigenſchafft der Menſcheit allmaͤchtig o-
der allenthalben gegenwaͤrtig: ſon dern/ weil die Goͤttliche Art oder Natur mit der menſch-
lichen in einem ſelbſtaͤndigen vernuͤnfftigen Weſen/ oder/ wie die Gelehrten reden/ in einer
Perſon verknuͤpffet und unausſprechlicher unaufloͤßlicher weiſe vereiniget iſt/ ſo iſt eꝛ Gott
und Menſch zugleich/ ſo daß die Gottheit gleichwol der Menſchheit ihre Eigenſchafften/
ſo viel ſie derẽ kan faͤhig ſeyn/ mitgeteilet hat; wie diß hohe geheimniß ich vor dieſem dir ein-
faͤltig erklaͤret habe/ als viel menſchliche ſchwachheit begreiffen/ uñ in dieſem tunkeln Lichte
der gebrechlichen Vernunft faſſen kan. Behalte dir deinẽ tunkelen uñ uͤberverſtaͤndlichen
C iijGlau-
[22]Erſtes Buch.
Glaubẽ/ ſagte Ladiſla/ ich vor mein Haͤupt kan mir das Gehirn nit damit verwirren/ uñ wil
viel lieber von dir vernehmen/ wie wir unſern Weg am fuͤglichſten fortſetzen koͤnnen/ dz wir
die vornehmſten Staͤdte und Landſchafften in Italien und Griechenland beſehen moͤgen/
ehe wir uͤber das Syriſche Meer nach dem verſtoͤreten Judenreich zu gehen/ welches du
umb deines JEſus willen ſo gerne beſuchen/ und im Jordan die Tauffe empfangen wilt.
Herkules wolte ihm antworten/ aber ſein Leibknabe Publius zeigete an/ wie eine zimliche
Anzahl Reuter mit verhaͤngetem Zaum hinter ihnen her jageten/ wornach unſere Helden
ſich umb ſahen/ und ſich verwunderten/ warumb ſie ihre blanken Schwerter uͤmb den Kopff
gehen lieſſen/ und dabey ein wuͤſtes Geſchrey anſtelleten. Herkules ſagte: Dieſe haben we-
nig gutes im Sinne; muͤſſen demnach fortreiten/ das wir eine Enge vor uns einnehmen/
und vor uͤmringung ſicher bleiben. Alſo muſten die Leibknaben vorhin/ ihre Ritterliche
Diener aber Klodius und Markus (denen ſie nicht allerdinge traueten) folgen/ und blie-
ben ſie ſelbſt zuhinterſt/ da ſie ihrer Verfolger geſchrey endlich verſtunden/ daß ſie halten/
und ſehen laſſen ſolten/ ob ſie ſo wol ritterlich zu Kaͤmpffen/ als unbewehrte Knechte nider-
zumachen das Herz haͤtten. Worauff Ladiſla zu Herkules ſagte; Schicke dich mein Bruder
zum Klingen Spiel; wir hoͤren was vor leute wir beſtehen ſollen/ ich zweiffele nicht/ unſere
gute Sache ſol oberhand behalten. Sie foderten ihre beyden Diener vor ſich/ und frage-
ten/ ob ſie bedacht waͤhren als ehrliche von Adel ſich zuhalten/ und ihrem geleiſteten Hand-
ſchlage nach zukommen; Worauff ſie antworteten/ daß ſie ihren redlichen Nahmen nim-
mermehr ſchaͤnden/ und heut dieſen Tag wolten ſehen laſſen/ was vor redliche Traͤue ſie
zu ihren Herren truͤgen. Unſere Helden hoͤreten ſolches gerne/ hieſſen ſie neben ſich hal-
ten/ und ſchicketen ſich unerſchrocken zum Streit. Ihre Verfolger/ ſechszehen an der
Zahl/ renneten eiferig herzu/ und als ſie ſahen/ daß ſie die unſern nicht nach willen umge-
ben kunten/ ſtutzeten ſie/ und ritten die vier anſehnlichſten zuſammen/ einen Raht zuhalten/
ſchikten bald darauff einen Diener ab/ welcher den unſern dieſe Anmuhtung vortrug:
Meine vier Gnaͤdige Herren/ ſo dort mit ihren ritterlichen Leuten halten/ erinnern ſich bil-
lich/ was geſtalt ihr mit eurer gewafneten Geſelſchafft vor etlichen wochen ihre unſchuldi-
gen Knechte erſchlagen/ welches ſie/ als ihnen ſelbſt geſchehen/ ſich zu gemuͤht ziehen; ge-
denken es auch mit ihren Schwertern an eurem Leben zuraͤchen/ dafern ihr nicht vor jeden
Erſchlagenen ihnen 300 Kronen zahlen/ eure Pferde/ Harniſch und Gewehr ihnen lie-
fern/ und wegen des begangenen Frevels/ demuͤtige abbitte tuhn werdet. Wer ſind aber
deine Herren? ſragte Herkules. Vier ſtreitbahre Roͤmiſche Ritter/ antwortete er/ vor
deren Schwerter Schaͤrffe/ Stahl und Eiſen brechen muß. So ſage du ihnen hinwie-
der/ ſagte Herkules/ daß ich und meine Geſellen/ in betrachtung ihrer Anmuhtung/ ſie
mehr vor Raͤuber und Straſſen Diebe halten/ biß ſie beſſere ritterliche tahten werden ſehen
laſſen/ als durch uͤberfall ihrer die biſchen Buben geſchehen; dann was muͤſſen dieſes vor
unnuͤtze Herren ſeyn/ die oͤffentliche Diebe auff der Straͤu halten? Ladiſla kunte ſeinen
Zorn laͤnger nicht meiſtern/ und taht hinzu: ſage jenen Straſſen Raͤubern/ da ſie die abge-
foderte Kronen empfangen wollen/ muͤſſenſie uns naͤher kom̃en; aber hiemit (das Schweꝛd
zeigend) wollen wir ihnen die Zahlung vergnuͤgen/ und ihnen die Haͤuptkronen dergeſtalt
ſtriegeln/ daß ſie der Geldkronen nicht mehr gedenken ſollen. Der Abgeſchikte wunderte
ſich dieſer Kuͤhnheit/ und hinterbrachte die Antwort ſeinen Herren/ welche darauff ihre
Knech-
[23]Erſtes Buch.
Knechte (die zum Pferdeſtreit nicht geſchikt wahren) zum friſchen gefechte Auffmunter-
ten: Sie ſolten nur geherzt von ſich hauen/ und guͤlte gleich/ ob ſie Mann oder Pferd ver-
wundeten; dieſe viere/ ſo einen groſſen Schaz mit ſich fuͤhreten/ ſolten ihnen nur eine
Handvoll ſeyn. Klodius wolte ſeinem lieben Herꝛen den erſten Beweiß ſeiner Ritterſchafft
ſehen laſſen/ und baht inſtendig/ ihm zu goͤnnen/ daß er der Raͤuber einen zum abſonderli-
chen Kampff außfodern moͤchte; der ihm aber antwortete: Mein Freund/ deine Tapffer-
keit gefaͤlt mir wol/ koͤnte dir auch ſolches zu deiner Ehre Auffnahme wol goͤnnen; aber ſi-
heſtu nicht/ daß ſie Raͤuber und keine redliche Ritter ſind? wer wil dich verſichern/ daß nur
einer/ und nicht vielmehr die ganze Rotte ſich an dich machen werde? ſolten wir dich dann/
wie billich/ entſetzen/ ſo begaͤben wir uns aus unſerm Vortel. Aber hoͤre meine Meinung;
du ſiheſt Handgreifflich/ daß die zwoͤlff Diener des Ritterſtreits unerfahren ſind; unter
dieſelben ſoltu und Marx dich miſchen/ und mehr mit draͤuen als Wunden ſie umtreiben;
ſo wil ich und mein Bruder die vier Ritter beſtehen/ und ſehen was hinter ihnen ſtecket.
Hiemit legten Herkules und Ladiſla ihre Speere ein/ und ranten auff die viere hin/ die ſich
nur mit Schwertern verſehen hatten; huben deren als bald zween aus dem Sattel/ ſo daß
der von Herkules getroffene/ das Genik abſtuͤrzete. Bald darauff griffen unſere Helden zu
den Schwertern/ nahmen jeder einen vor ſich/ und putzeten ſie in wenig ſtreichen dergeſtalt/
daß das Blut von allen Orten hervor drang/ und ſie endlich todt niederfielen. Inzwiſchen
hatten Klodius und Marx mit ihren Speeren zween Knechte durch und durch gerennet/
zogen von Leder/ und fingen an ſcharffe Stoͤſſe außzuteilen/ deren dieſe nicht gewohnt wah-
ren/ worffen das Gewehr von ſich/ und bahten mit gefaltenen Haͤndẽ umb Lebensfriſtung/
welches ſie mit dieſem Bedinge erhielten/ dz ſie allen jhren Pferden die Span Ader abhauẽ/
und die Waffen von ſich legen ſolten/ welches ſie willig verrichteten. Unter deſſen ſahe Klo-
dius/ daß der von Ladiſla abgeſtochene/ weil der Schwertſtreit wehrete/ ſich wieder zu pfer-
de machete/ in Meynung/ davon zu rennen; deßwegen er ihm eiferig nach ſetzete/ und eines
von hinten zu uͤber die Schulder gab/ daß der rohte Schweiß folgete/ faſſete ihn hernach
bey dem Arme/ daß er ſich ergeben/ und mit ihm fortreiten muſte/ da derweile Markus der
erſchrockenen Diener huͤtete. Klodius brachte ſeinen Gefangenen herzu/ gleich da unſere
Helden mit ihren Feinden fertig wahren/ und ſagte zu Herkules: Gnaͤdiger Herr/ hie ſtel-
le ich den Außreiſſer wieder/ der ſeiner Geburt nach zwar Roͤmiſches Adels/ und mir leider
in etwas verwand iſt; nach dem er aber ſich und ſein Geſchlecht durch Straſſenraub ge-
ſchaͤndet/ iſt er ferneres Lebens unwirdig; bitte demnach/ jhn mir zur ſtraffe zu uͤbergeben.
Der Gefangene hatte gehoffet/ Klodius wuͤrde wegen der Verwandſchafft vor ihn bitten/
vernam aber das Widerſpiel/ und hielt bey Ladiſla an/ umb Lebensfriſtung; welcher ihm
antwortete: Du wirſt ſehen/ wie du mit deinem Befreundten handeln kanſt; aber zeige mir
zuvor die Urſach an dieſes moͤrderiſchen uͤberfalles. Dieſer ward froh/ meynete durch die
warhaffte Auſſage das Leben zu erhalten/ und meldete an/ er und ſeine erſchlagene Geſellen
waͤhren durch Wolleben in Armut gerahten/ und haͤtten jhren Stand ohn dieſes Mittel
nicht fuͤhren koͤnnen/ daher ſie ihren Knechten freye Beute/ wo ſie anzutreffen waͤhre/ ver-
goͤnnet. Nun haͤtte vor wenig Wochen jhrer Knechte einer ein ſehr gutes Pferd einge-
bracht/ mit Vermeldung/ ſein Geſelle Geta/ der einen wolbeſpikten Wetſcher ergriffen/
waͤhre
[24]Erſtes Buch.
waͤhre vom Pferde geſchlagen/ und gefangen hinweg gefuͤhret/ und weil derſelbe in Frech-
heit und kuͤhnen Anſchlaͤgen ſeines gleichen nicht gehabt/ haͤtten ſeine Mitgeſellen ihn un-
gerettet nicht laſſen wollen/ damit er nicht vor die Obrigkeit geſtellet/ und ſeine verſchwor-
ne zuverrahten gezwungen wuͤrde. Zwar er muͤſte geſtehen/ daß den Wetſcher zugleich
mit davon zubringen/ ſie außgangen waͤhren/ nicht aber/ den blutigen Kampff anzufahen.
O du meynaͤidiger Bube/ antwortete Ladiſla; iſt daß der Weg/ worauff aͤdle Ritter wan-
deln ſollen? Gnaͤdiger Herr/ ſagte Klodius/ man hat von dieſer verſchwornẽ Geſellſchafft
etliche Zeit her geargwohnet/ und die rechtſchuldigen doch nicht erfahren koͤnnen/ deren
gleichwol eine zimliche Anzahl ſein ſol/ und unter ihnen etliche vornehme Herren. Ich mei-
nes theils bin von unterſchiedlichen etliche mahl erinnert/ und von dieſem gegenwaͤrtigen
ſelbſt/ warumb ich von meinen Glaͤubigern mich ſo viel plagen/ und ihnen meine Guͤter
zuverzehren frey lieſſe; man haͤtte ja Mittel/ Geld zu erwerben/ und die verſchuldeten Guͤteꝛ
frey zu machen/ welches mir da ich nur wolte/ ja ſo zulaͤſſig als andern waͤhre; weil ich aber
eines ungebuͤhrlichen Vorſchlages mich beſorgete/ habe ich nie weiter nachfragen wollen;
und haben meine Gnaͤdige Herren zu bedenken/ obs rahtſam ſey/ dieſem mit unſer augen-
ſcheinlichen Gefahr/ das Leben zu ſchenken/ da er ohn zweiffel durch ſeine verſchworne ſich
zu raͤchen/ allen fleiß anlegen wuͤrde. Ladiſla ſtellete ihm frey/ nach belieben zu handeln/ deß-
wegen er dem Raͤuber das Schwert durch den Leib ſties/ daß er zu boden ſtuͤrzete. Sein
Geſelle trieb die neun uͤbrigen Knechte auch herzu/ welche endlich angeloben muſten/ die-
ſen Tag aus Rom zu bleiben/ und des naͤhſt folgenden nach Herren Sab ihn Behauſung
zu gehen/ ihm allen Verlauff anzuzeigen. Klodius und Markus hielten pluͤnderung/ nah-
men den erſchlagenen Rittern ihre Ringe/ Armbaͤnder und baaren Gelder/ auff 1200
Kronen gerechnet/ und wolten ſie gar entkleiden; aber Herkules wehrete ihnen; es waͤh-
re nicht ritterlich/ daß man todte Leichnam ſo beſchimpffete; ſie haͤtten ihre zeitliche Straf-
fe hinweg/ und durch den Todt uͤberſtanden. Unſere Helden nahmen hierauff ihren Weg
nach der Landſchafft Etrurien/ welche die aͤdleſte in ganz Italia iſt/ reiſeten ſelbe von Suͤdẽ
nach Norden durch/ und beſahen/ was daſelbſt denkwirdig wahr. Aus dieſer kahmen ſie in
Flaminien/ und lagen in der Stadt Ravenna wenig tage ſtllle. Von dannen begaben ſie
ſich gen Mantua/ eine ſehr alte Stadt/ 670 Jahr/ wie man meinet/ vor Rom erbauet/ und
60 Jahr aͤlter als Troja. Von hierab gingen ſie nach Verohn/ und endlich nach Padua/ in
meynung/ von dannen nach Aquileja zu reiten/ und aus dem naͤheſten Hafen nach Korinth
in Griechenland zu ſchiffen. Sie traffen auff der ganzen Reiſe keine ritterliche Ubung an/
ohn in den groſſen Staͤdten ſahen ſie viel Fechter/ die ihre ertichtete Feindſchafft mit tro-
ckenen Schlaͤgen außfuͤhreten. Als ſie von Verohn nach Padua in einem Walde etwas
irre ritten/ hoͤreten ſie gar von ferne ein geſchrey etlicher Weiber/ die ſich klaͤglich hielten/ ob
wolte man ihrer Keuſchheit Gewalt anlegen; daher Herkules zu Ladiſla ſagte: Mir zweif-
felt nicht/ dieſe ſchreyende werden unſer Huͤlffe hart benoͤhtiget ſeyn/ wann wir nur mit un-
ſern Pferden zu ihnen gelangen koͤnten; Aber ihre bemuͤhung durch das Reiſich zu brechen/
war umſonſt/ ſtiegen deßwegen ab/ gaben ihren Dienern die Pferde zu halten/ und gingen
im vollen Harniſch mit Schild und Schwert dem jaͤmmerlichen Geſchrey nach/ welches
ſich ſtets mehrete/ nach dem es ein wenig auffgehoͤret hatte. Als ſie nun die dornichten
Hecken
[25]Erſtes Buch.
Hecken nicht ohn Muͤhe durchgekrochen/ kamen ſie auff einen luſtigen gruͤnen Plaz/ mit ho-
hen Baͤumen zimlich weit von einander beſezt/ daſelbſt erblicketen ſie fuͤnff ſtarke groſſe
Maͤnner mit bloſſen Schwertern/ welche drey ſehr ſchoͤne Weibesbilder vor ſich auff der
Erden liegen hatten/ die ſich mit Haͤnden und Fuͤſſen umklemmeten/ und wie Schlangen
ſich zuſammen wickelten; Die juͤngſte unter ihnen wahr mutternacket/ die zwo uͤbrigen nur
mit einem zarten Hemde bekleidet/ und lagen ihre bunte Seidene mit Gold geſtickete Klei-
der halb zuriſſen/ etliche Schritte von ihnen. So bald unſere Helden von dieſen Raͤubern
geſehen wurden muſten ſie ihr anſchreihen hoͤren/ daß ſie ſtille ſtehen/ uñ ihrer Ankunfft ur-
ſach melden ſolten; auch traten ihrer viere (deren drey gepanzert wahren) als bald zu ihnen
ein/ in Meynung/ ſie durch pochen zu erſchrecken/ bruͤlleten mit ſcheußlicher Stimme/ was
vor ungluͤk ſie daher fuͤhrete/ ihren lezten Odem hie zu endigen. Unſere Helden hatten jhre
Helme unter dem Arme/ daß man ihre Geſichter erkennen kunte/ und verwunderten ſich
die Raͤuber uͤber Herkules treflicher Schoͤnheit dermaſſen/ daß der anſehnlichſte unter jh-
nen zu ſeiner Geſelſchaft ſagete: Ihr Bruͤder/ ich laſſe euch jenen unſern Raub zu eurem
Willen uͤber/ wann ich nur dieſe (auff Herkules zeigend) zu meinem Buhlen haben mag/
welche auſſer Zweifel von guter Kuͤhnheit ſeyn/ und ſich meiner Art viel vergleichen muß/
weil ſie ſich im Harniſche darff finden laſſen; und wie koͤnte ſo trefliche Schoͤnheit einem
andern/ als Weibesbilde beywohnen? Herkules gab jhm zur Antwort: Als viel ich merke/
duͤrffte ich ſchier in dieſer Wildniß einen zahmen Buhlen bekommen; aber du muſt mir
meine weiſe nicht veruͤbeln/ daß ich keinen Liebhaber annehme/ der nicht zuvor einen ſcharf-
fen Streit mit mir verſucht hat; ſetzete hiemit/ wie auch Ladiſla/ den Helm auff/ und berei-
teten ſich zum Ernſte. Dieſer aber rief ihnen zu/ ſie ſolten ſich nichts widriges zu ihnen ver-
ſehen; ſteckete ſein Schwert ein/ und trat ihnen naͤher/ umb ein Liebes Geſpraͤch mit Her-
kules zu halten; der ihm aber/ angeſehen ſeiner viehiſchen Leibesſtaͤrke nicht trauen wolte/
ſondern hieß jhn zuruͤk bleiben/ oder des Angriffs gewaͤrtig ſeyn. Der Raͤuber ſchaͤtzete die-
ſe Draͤuung geringe/ und in dem er auff jhn zugieng/ ſagte er: Schoͤnes Lieb/ leget euren
ſchweren Harniſch ab/ und werdet mir in der Liebe zuwillen/ weil es anders doch nicht ſeyn
kan/ ich wil mich verſichert gar freundlich zu euch halten/ und meine Kuͤſſe anzubringen
wiſſen/ daß euch nach mehren verlangen ſol; griff auch mit der rechten Hand nach jhm/ in
Meynung/ ſein als bald maͤchtig zu werden; aber Herkules ſchlug ihn mit ſeines Schwer-
tes Flaͤche (dann er jhn vorſezlich nicht verwunden wolte) uͤber die Fauſt/ daß er ſie ſaurſich-
tig nach ſich ziehen muſte/ und ſagte zugleich: Du unflaͤtiger Schelm/ wiltn auch noch Ge-
walt brauchen? bald nim dein Schwert in die Fauſt/ oder ich werde dich dannoch nieder-
machen. Der Wuͤterich zog hierauff von Leder/ und nam nur Herkules Hiebe aus (der un-
geſeumet zu jhm einſtuͤrmete)/ vermahnete ihn auch noch immerzu/ einzuhalten/ und jhm
zuvor ſeine Begierden zu vergnuͤgen/ als dañ wolte er ihm hernach Streits nicht verſagẽ/
wann es anders nicht ſeyn koͤnte. Aber Herkules achtete ſeiner Rede nicht/ ſondern traff
jhn/ weil er ungepanzert wahr/ in die ſeite/ daß das Blut haͤuffig hervor ſpruͤtzete; wodurch
dieſer ſeine Liebes gedanken aufgeben/ und rechtmaͤſſige Gegenwehr/ mit Schwert und
Schild vornehmen muſte/ ſagte auch mit grauſamer Stimme: O du elende/ ob ich gleich
nie kein Schwert uͤber ein Weibesbild gezuͤcket/ ſo verdienet doch deine Verwaͤgenheit/ dz
Ddu
[26]Erſtes Buch.
du gezuͤchtiget werdeſt; fiel auch mit ſolchem Ungeſtuͤm auff jhn/ daß er ſeiner Wuht drey
Schritte weichen muſte/ deſſen er ſich vor Ladiſla nicht wenig ſchaͤmete; faſſete doch bald
wieder Stand/ und nam ſeiner Schanze fleiſſig wahr; Sie trieben das Gefechte uͤber eine
viertelſtunde ohn auffhoͤren/ daß die anweſende ſich deſſen verwunderten. Der Raͤuber hat-
te zeit ſeines Lebens ſolchen Widerſtand nicht er fahren/ weil er nicht allein ein Baumſtar-
ker Mann/ uͤber vier dehalb Ellen lang/ ſondern auch der beruffenſte Fechter wahꝛ/ und nie-
mand/ der ihn kennete/ ihn beſtehen durffte; Daher nam ihn wunder/ daß in Weibes Ar-
men/ wie er ihm gaͤnzlich eingebildet/ ſolche Krafft ſeyn ſolte/ und ſagte zu jhm: Jungfrau/
ich weiß nicht/ ob ich euch vor ein Geſpenſt halten ſol/ daß ihr euch meiner Gewalt ſo lange
erwehret. So haͤlteſtu mich nun vor ein Geſpenſt? antwortete er; ich dich aber vor einen
Raͤuber und Jungferndieb; werde dir auch meine Faͤuſte noch etwas beſſer zu erkennen
geben. Damit gieng der Kampff wieder an/ und ward Herkules oben am Halſe verwun-
det; welches jhm aber ſein gutes Herz nicht minderte/ ſondern trieb den Feind ſo lange um/
biß ihm ein Unterhieb geriet/ mit welchem er ihm dẽ Ellenbogẽ ſpaltete/ dz er das Schwerd
aus der Fauſt fallen ließ/ und vor Schmerzen laut ſchrihe; aber Herkules doppelte den
Streich/ und loͤſete jhm damit den ganzen Arm von der Schulder/ daß ihm derſelbe nur
an der Haut hangen blieb/ womit er zu Bodem ſtuͤrzete/ wie ein Ochs bruͤllete/ und ſich auf
dem Graſe walzete/ biß er die gottloſe Seele mit dem lezten Blute außbließ. Die drey ge-
panzerte Raͤuber entſetzeten ſich hoͤchlich uͤber dieſen unfall/ und uͤberfielen Herkules inge-
ſamt/ daher Ladiſla auch nicht feyrete/ mit eintrat/ und zu ihnen ſagete: Ihr Ertzdiebe/ duͤrf-
fen euer drey ſich zugleich wol an eine Jungfer machen? faſſete ſein Schwert mit aller
Krafft/ und ſpaltete dem einen den Kopff von ander/ daß nunmehr der Streit gleich getei-
let wahr. Die erſchrockenen nacketen Weibesbilder hoͤreten zwar den harten Kampff/ a-
ber wegen des fuͤnfften Raͤubers/ der ihrer huͤtete/ durfften ſie kein Wort reden/ noch ſich
umſehen/ weil er das Schwert in der Hand hielt/ und ſie zu erſtechen draͤuete/ wo ſie ſich re-
gen wuͤrden; nicht deſto weniger faſſete die juͤngſte ganz nackete einen Muht/ ſahe ſich um/
und ward gewahr/ daß ſchon zween Raͤuber geſtrekt lagen/ und die uͤbrigẽ beyden ſich kaum
mehr ſchuͤtzen kunten/ daher ſie zu ihren Geſpielen ſagte: Die Goͤtter/ geliebte Schweſtern/
wollen uns vor dißmaͤhl gnaͤdig retten. Ihr Huͤter hatte ſich auffgemacht/ ſeinen Geſellen
Beyſtand zu leiſten/ und als er dieſe Wort hoͤrete/ ſtund er/ und bedachte ſich/ ob er ſie alle
drey zuvor erwuͤrgen ſolte/ haͤtte auch ohn Zweifel dieſe Mordtaht vollzogen/ wann nicht
Ladiſla gleich mit ſeinem Manne waͤhre fertig worden/ daß er ſich gegen jhn haͤtte wenden
muͤſſen/ als welcher ſich dieſes Bubenſtuͤks beſorgete/ und jhm zurieff; dafern er ſich an die-
ſen Weibesbildern vergreiffen wuͤrde/ muͤſte er durch alle Pein ſterben. Hiedurch wurden
dieſe elende dem Tode entriſſen/ dann Ladifla trieb den Raͤuber dergeſtalt umb/ weil er ihn
zu erſchlagen noch nicht willens wahr/ daß er jhn von den Weibern abzog/ und er hingegen
jhnen naͤher kam/ da er ſie fragete/ ob jhnen auch an jhren Ehren Abbruch geſchehen waͤhꝛe;
die juͤngſte aber zur Antwort gab; es waͤhre ihnen die Schande zwar ſehr nahe geweſen/ a-
ber durch der Goͤtter Schuz/ und ihrer beyder Huͤlffe abgekehret und hintertrieben. Der
Raͤuber ſelbſt fing zu ihm an: Ich weiß nicht/ was vor Unſelde euch beyde lebendige Teuffel
daher gefuͤhret/ uns in unſerm vorhaben zu ſtoͤren/ gleich da wir meyneten/ am ſicherſten zu
ſeyn/
[27]Erſtes Buch.
ſeyn/ und unſer Liebe wirklich zu genieſſen; faſſete damit alle ſeine Kraͤffte zuſammen/ und
wagete den aͤuſſerſten Fall/ ob er jhm den Harniſch durch hauen koͤnte. Immittels dieſes
hefftigen Streits er ſahe die ganz nackete ihr zuriſſenes Hemdlein/ lieff hin/ wickelte ſich
drein als beſt ſie mochte/ und ſetzte ſich wieder zu jhren Geſpielen/ gleich als Ladiſla ſeinen
Feind mit einem Stoſſe in den Unterleib zur Erden fellete/ daß er mit einem Geboͤlke die
unreine Seele ſamt den Miſt außſchuͤttete. Herkules wahr auch ſeines Gegeners Meiſter
worden/ dann weil jhm die beyden ſtaͤrkeſten und erfahrenſten auffgeſtoſſen wahren/ hielt
der Kampff ziemlich an/ und mattete ſich ſehr ab/ daß nach des Raͤubers Faͤllung er ge-
zwungẽ ward/ ſich nider zuſetzen. Ladiſla aber ging nach erhaltenem Siege zu dem Frauẽ-
zimmer/ taht ſeinen Helm ab/ und nach freundlicher Begruͤſſung zeigete er ſein Mitleiden
wegen ihres Unfalles an/ ſie daneben troͤſtend/ weil ihre Zucht und Ehre unverlezt blieben
waͤhre/ moͤchten ſie das uͤbrige mit Geduld uͤberwinden. Dieſe verwunderten ſich ſeiner
guten Geſtalt und Jugend uͤber die maſſe/ und bahten dienſtlich umb Verzeihung/ daß we-
gen ihrer Bloͤſſe ſie nicht auffſtehen/ noch jhn gebuͤhrlich ehren koͤnten/ wie er ſolches umb
ſie verdienet haͤtte; inſonderheit ſahe jhn die zuvor ganz nackete/ nunmehr halb eingewickel-
te mit ſchamhafftigen Augen an/ und baht ſehr/ er moͤchte ſich ſo hoch verdient umb ſie ma-
chen/ und der Roͤcke einen ihr unbeſchweret zuwerffen/ damit ſie ſich bedecken koͤnte; wel-
ches er jhr nicht verſagen wolte; legte ihr auch denſelben ganz hoͤflich umb die Schuldern/
unterdeſſen die andern einen Abtrit nahmen/ und wie beſt ſie mochten/ ſich in der Eile be-
kleideten. Ladiſla vergaffete ſich an der entbloͤſſeten ſo gar/ daß er ſein ſelbſt druͤber vergaß/
fragete ſie doch/ ob ſie auch meyneten/ daß noch etwas Gefahr vorhanden waͤhre; und als
er vernam/ daß ohn die fuͤnff erſchlagene ſie keinen Menſchẽ gemerket/ loͤſete er ſeinen Har-
niſch auff/ etwas Kuͤhlung einzunehmen/ da dieſes Fraͤulein/ ihren dankbaren Willen zu
erzeigen/ jhm die huͤlfliche Hand boht/ und dauchte ſie/ nie keinen ſo wolgeſtalten Ritter ge-
ſehen zu haben/ ſetzete auch auff ſein inſtaͤndiges anhalten ſich zu ihm in den Schatten des
Baums nider/ da der gute Ladiſla durch Gelegenheit und Liebe verleitet/ ſie freundlich kuͤſ-
ſete/ und mit allerhand Liebesreden ſich gegen ſie zu allen Dienſten anerboht; woruͤber das
Jungfraͤulein verurſachet ward/ ihn flehlich zu bitten/ er wolte doch jhrer Ehren wider ſich
ſelbſt Beſchuͤtzer ſeyn/ die er auß den Haͤnden der boßhafften Raͤuber ſo ritterlich erloͤſet
haͤtte. Und ob er gleich/ ſagte ſie/ mit alle meinem Vermoͤgen mich jhm verbunden hat/
zweifele ich doch an ſeiner hohen Tugend nicht/ die mich alles deſſen verſichern muß/ was
zu Beſchuͤtzung meiner Zucht erfodert wird; ich muͤſte ſonſt dem Himmel klagen/ dz er mir
eine kurze Freude zugeſchicket/ und dieſelbe mir bald darauff mit der allerbitterſtẽ Wermut
verſalzen haͤtte/ die nichts als den gewiſſen Todt in mir verurſachen wuͤrde/ geſtaltſam
meinem Herrn ich zu allen Goͤttern ſchwoͤre/ daß/ dafern mir einige Gewalt ſolte angelegt
werden/ ich nach dem keine Stunde mehr leben wil. Ladiſla erhohlete ſich hierauff/ lobete
jhre Keuſcheit in ſeinem vernuͤnfftigen Herzen/ und antwortete ihr: Schoͤnſtes Jungfraͤu-
lein/ ich bitte ſehr/ mir zuverzeihen/ daß durch Liebe uͤbernommen/ ich mich zu viel unterſte-
hen duͤrffen/ da ich ſie doch verſichere/ daß ich keinen Gedancken zu jhrer Ehrenkraͤnckung
gefaſſet/ wie dann ſolches keinem redlichen Ritter zuſtehen wil/ nur iſt mir ſelbſt leid/ dz eure
außbuͤndige Schoͤnheit mich dahin entzuͤcket/ wohin ich vor dieſem nie kommen bin. Dieſe
D ijward
[28]Erſtes Buch.
ward nicht allein der Ehren verſicherung ſehr froh/ ſondern lies ihr die anmuhtige Zunei-
gung auch gefallen/ daß ſie viel freundlicher uñ kuͤhner mit ihm ſprachte als vorhin/ inſon-
derheit/ weil durch Ehren bezeigung er ſein keuſches Herz ihr gnug zu erkennen gab. Her-
kules hatte ſich auch wieder erhoben/ zu welchem die andern beyden Fraͤulein traten/ und
ihm groſſe Ehr und hoͤffligkeit erzeigeten/ mit Bitte/ ihnen zu verguͤnſtigen/ daß ſie ihm als
ihrem Erloͤſer die Ruͤſtung abzihen/ und da er beſchaͤdiget waͤhre/ ſeine Wunden verbinden
moͤchten. Zwar er wegerte ſich deſſen etwas/ aber weil ſie ſahen/ daß er der Kuͤhlung be-
noͤhtigt wahr/ nahmen ſie jhm ein Stuͤck nach dem andern ab/ wiewol anfangs nur den
Helm; da ſie uͤber ſeiner zarten Schoͤnheit ſich faſt entſetzeten/ auch der Hals wunde ge-
wahr wurden/ welche ſie bey ſanffter Reinigung nicht ſo gar gefaͤhrlich befunden/ und ſie
mit moͤglichem Fleiß verbunden. Es verwunderte ſich Herkules nicht wenig/ was Ladiſla
bey der einen ſich hinter dem Baum ſo lange auffhielte/ meynete anfangs/ er wuͤrde etwa
verwundet ſeyn/ und wahr willens zu ihm hin zugehen; weil er aber von dem Frauenzim-
mer berichtet ward/ daß er keinen Schaden genommen/ ſondern ſich des Baums zur Kuͤh-
lung gebrauchte/ und von ihrer Waſen mit Geſpraͤch unterhalten wuͤrde/ blieb eꝛ an ſeinem
Orte. Nun haͤtte Ladiſla in ſeiner Verliebung wol den ganzen Tag auff ſolche weiſe zu-
gebracht/ dafern er von dem Fraͤulein nicht erinnert waͤhre/ ſeinen ritterlichen Geſellen zu
beſuchen/ ob er vielleicht verwundet waͤhre/ da ſie jhn bey der Hand faſſete/ und zugleich
baht/ er moͤchte der ſchon geleiſteten Woltaht noch dieſe hinzu tuhn/ und ſie nach jhres Va-
ters Wohnung begleiten/ damit ſie neben den jhren Gelegenheit haͤtte/ die gebuͤhrliche
Dankbarkeit ſehen zu laſſen. Zum erſten wahr er willig/ weil er ſelbſt fuͤrchtete/ es moͤch-
te ſeinem Herkules etwas widriges zugeſtoſſen ſeyn. Das andere haͤtte er gerne verſpro-
chen/ wann ihm nur Herkules Meynung waͤhre bewuſt geweſen/ dem er nicht vorgreiffen
wolte; deßwegen er zur Antwort gab: Wann ſein Geſelle/ der ihm zu gebieten haͤtte/ mit
nach jhren Eltern zu reiſen einwilligen wuͤrde/ ſolte es an jhm nicht mangeln; aber meine
geliebte Freundin/ ſagte er/ woſelbſt ſind dann ihre Eltern anzutreffen? Sophia (ſo hieß
dieſes Fraͤulein) antwortete: Ihr Herr Vater/ von dem uhralten Fabier Geſchlechte/ waͤh-
re zu Padua uͤber dieſe ganze Landſchafft Roͤmiſcher Kaͤyſerl. Stadthalter. Nun wuſte
Ladiſla wol/ was vor ein hohes Ampt dieſes wahr/ ſo daß auch Koͤnige ſich vor ihnen demuͤ-
tigen muſten/ deß wegen er ſich tieff gegen ſie neigete/ und alſo anfing: Hochgebohrnes
Fraͤulein; ich bitte ganz dienſtlich/ meiner Grobheit zu verzeihen/ daß derſelben ich die ge-
buͤhrliche Ehre nicht geleiſtet/ in dem ich ihres Standes allerdinge unberichtet geweſen/ ſo
daß wegen meines Frevels ich ohn Zweifel jhrer Vortrefligkeit mehr widriges/ als durch
beſchehene Erloͤſung/ Dienſt und Freundſchafft erzeiget habe; wegere mich daher nicht/
die Straffe/ welche ſie mir aufflegen wird/ geduldig uͤber mich zu nehmen/ wiewol ich bey
Ritterlichen Ehren beteuren kan/ daß mich keine Frecheit/ ſondern eine auffrichtige Zunei-
gung ſo kuͤhn gemacht hat; nahm damit ihre Hand/ dieſelbe ehrerbietig zu kuͤſſen; deſſen
ſie ſich doch wegerte/ und jhm dieſe Antwort gab: Mein Herr/ es ſey/ daß mein Herr Va-
ter dieſes Orts zu gebieten habe/ und vielleicht wegen Kaͤyſerl. hohen Gnade noch viel ein
groͤſſeres vermoͤchte/ ſo wird er doch/ ſeiner/ ohn Ruhm beywohnenden Klugheit nach wiſ-
ſen und erkennen/ wie viel er meinem Hochwerten Herrn und ſeinem tapfferen Geſellen
ſchuldig
[29]Erſtes Buch.
ſchuldig iſt. Daß aber mein Herr ſich bey meiner Wenigkeit uͤber die Gebuͤhr entſchuldi-
get/ weiß ich nicht zu beantworten/ ohn daß ich denſelben wol verſichern kan/ daß mir die
hoͤchſte Vergnuͤgung dieſer Welt jezt dieſe Stunde begegnet iſt/ in dem die guͤtigen Goͤt-
ter mir gegoͤnnet/ den Erloͤſer meiner Ehr und Lebens in etwas zu erkennen/ deſſen beſſere
Kundſchafft mir der Himmel/ wie ich hoffe/ zugeben wird. Ladiſla machte ihm aus dieſer
Antwort gute Hoffnung eines gluͤklichen Fortganges ſeiner vorgenommenen Liebe; kuͤſſe-
te jhr die Hand mit hoher Ehrerbietung/ und im fortgehen gab er zur Wiederantwort:
Durchleuchtiges Fraͤulein/ die von mir beſchehene Rettung iſt gedenkens nicht wert/ wuͤr-
de auch der Himmel nimmermehr zugegeben haben/ daß einem ſolchen vollkom̃enen Fraͤu-
lein von dieſen ſchaͤndlichen Raͤubern einige Gewaltſamkeit haͤtte ſollen angelegt werden/
ſondern vielmehr haͤtten die Baͤume ſelbſt ſich auß der Erde reiſſen/ und dieſe Buben er-
ſchlagen muͤſſen; daß alſo ich nur bloß vor eine Gluͤkſeligkeit rechnen muß/ daß die Goͤtter
meiner ſchlechten Dienſte hieſelbſt gebrauchen wollen/ deſſen ich mich zeit meines Lebens
mehr/ als aller meiner vorigen Gluͤkſeligkeiten ruͤhmen werde. Mein Herr/ ſagete ſie; ſei-
ne groſſe Hoͤfligkeit machet ihn alſo reden/ welche ihre eigene Tahten zu preiſen ungewohnt
iſt; mir aber wil gebuͤhren/ die empfangene Woltaht zu erkennen/ deſſen ich mich aͤuſſerſt
bemuͤhen werde; Vor dißmahl bitte ich/ meiner unwitzigen Jugend hochguͤnſtig zu verzei-
hen/ daß anfangs ohn gegebene Urſach/ ſein tugend-ergebenes Herz/ welches aus ſeinen
Worten und Tahten eben ſo klar/ als aus ſeiner Tapferkeit hervor ſtrahlet/ ich in Zweifel
zihen duͤrffen; welches wie ich hoffe/ mein Herr/ in Betrachtung der Jungfraͤulichen Zucht
und Vorſorge/ mir wol uͤberſehen wird. Ladiſla verwunderte ſich uͤber jhre vernuͤnfftige
Reden/ und wahr willens/ es zu beantworten; hielt aber zuruͤk/ da er hoͤrete/ daß ſie alſo fort
fuhr; Ich wil aber die gebuͤhrliche Abbite meines Fehlers biß auff gelegenere Zeit ver-
ſchieben/ und mein erſtes wiederhohlen/ daß mein Herr mir zu ehren ſich mit mir nach Pa-
dua erheben wolle/ umb/ ſein hochgeltendes Zeugniß/ meiner/ dem Himmel ſey Dank/ er-
haltenen Keuſcheit/ bey meinen Eltern abzulegen; faſſete hiemit ſeine Hand und ſagete:
Mein Herr/ dieſe ſtreitbahre Hand/ wie kraͤfftig ſie gleich iſt/ wil ich gefangen halten/
biß ſie durch des Mundes Zuſage ſich frey machen wird. So wuͤrde ich viel lieber ein
ſolches nimmermehr zuſagen/ antwortete er/ daß meine unwirdige Hand von ſo zarten
allerſchoͤnſten Haͤndichen immer und ewig moͤchte gehalten werden. Das Fraͤulein
erroͤhtete vor dieſer Rede/ fand ſich doch bald/ und ſagete: Meinen Herren beliebet der-
gleichen hoͤfflichen Scherz mit mir zutreiben/ und dafern er gedenket/ mit ſolcher Ant-
wort mich von meinem bittlichen Anſuchen abwendig zu machen/ wird es eine vergebli-
che Muͤhe ſeyn/ weil die ſchon empfangene Wolthat mich zimlich kuͤhn gemacht/ nach
Art aller unverſchaͤmten und geizigen immerhin in der Anfoderung zu bleiben; deßwegen
ichs dan nicht allein wil erwiedert haben/ ſondeꝛn auch angenehmer Antwort mich ohn
ferners wegern verſehen. Mein Fraͤulein/ ſagete er/ ich verſpreche alles/ was in meinem
aͤuſſerſten vermoͤgen/ und ienem meinem Geſellen nicht zu wieder iſt. Je mein Herr/ ſagte
ſie/ iſt iener dan zugleich euer Geſelle und Gebieter? Ja mein Fraͤulein/ antwortete er/ dar-
zu habe ich ihn erwaͤhlet/ ungeachtet wir gleiches Standes/ und ich in etwas aͤlter bin. So
mus eures Geſellen Stolz ja ſo groß/ als eure Demuht ſeyn/ ſagte ſie/ wann er ſich uͤber ſei-
D iijnes
[30]Erſtes Buch.
nes gleichen/ und zwar aͤlterern/ der Botmaͤſſigkeit annimt. Ich habe ihm dieſe Gewalt ſo
willig uͤbergeben/ ſagte er/ als gerne er mir ein gleichmaͤſſiges goͤnnet/ da ich michs nur ge-
brauchen wolte. Wol/ ſagte ſie/ ſo hat mein Herr ſeiner bedingung den Kauff ſelber auffge-
ſagt/ und dafern er guͤnſtig und gewogen iſt/ wird er ſich auffs minſte in dieſem Stuͤk/ ſeiner
Freyheit gebrauchen. Mit dieſem Worte gelangeten ſie bey Herkules an/ dem Frl. Sophia
ſehr tieffe Ehrerbietung erzeigete/ und ſeine Geſtalt faſt vor uͤbermenſchlich hielt/ ſo daß ſie
ſchier auff des erſten Raͤubers Wahn gerahten waͤhre/ und redete ihn alſo an: Vortreff-
licher Ritter und Herr/ wann wir die Heldentahten nicht geſehen haͤtten/ die euer unuͤber-
windlicher Arm gluͤklich vollenbracht hat/ koͤnten wir dem ſcheine nach/ anders nicht Ur-
teilen/ als daß ihr mit uns eines Geſchlechtes waͤhret; weil aber nicht vermuhtlich iſt/ daß
unter einer weiblichen Bruſt ſolche Krafft und ſtaͤrke wohnen ſolte/ muͤſſen wir eure Man-
heit nicht in zweiffel ziehen; Ich und meine Geſpielen ſchreiben es billich der himliſchen
Allmacht zu/ welche euch meine hochwerte Herren zu unſer Ehren- und lebens rettung hie-
her geſand hat/ die unkeuſche boßheit der Raͤuber abzuſtraffen; welches zu erkennen/ die
Erbarkeit und die eingepflanzeten Rechte ſelbſt uns zu ruffen/ dafern unſer vermoͤgen nur
ſo weit reichen wolte; da wir dann nicht zweiffeln/ die goͤtter ſelbſt werden unſere Stete
vertreten helffen/ damit dieſe hochruͤhmliche Taht mit gebuͤhrlichem preyſe durch die gan-
ze Welt verehret werde/ nach dem eines Ritters hoͤchſtes Lob in dem beſtehet/ daß er den
ſchwachen beyſtand/ den unſchuldigen huͤlffe/ und den nohtleidenden rettung geleiſtet/ wel-
ches von meinen Herren vor dißmal uns allerdinge unbekanten/ ſo uͤberfluͤſſig begegnet iſt/
daß niemand als die unbeſcheidene Undankbarkeit ein wiedriges reden und zeugen wird.
Aber mein Herr/ ſagte ſie zu Ladiſla/ werde ich auch dieſe Kuͤhnheit nehmen duͤrffen eine
gleichmaͤſſige Bitte an euren Freund/ wie an euch/ zu legen? Durchleuchtiges Fraͤulein/
antwortete er/ demnach ſie nicht allein in betrachtung ihres Herrn Vaters/ des Hochmoͤ-
genden Herrn Stadthalters zu Padua/ ſondern auch wegen ihrer ſelbſt eigenen wirdigkeit
uns zu befehlen hat/ wird ſie dieſe Frage vor einen uͤberflus erkennen. Herkules/ da er aus
dieſer Rede die Hocheit dieſer Fraͤulein vernam/ erzeigete ihr groſſe Ehre/ und fing an:
Durchl. Fraͤulein/ ihre vernuͤnfftige reden zeigen leicht an/ von was vortrefflichen Leuten
ſie muͤſſe gezeuget und erzogen ſeyn; das hohe Lob aber/ welches meiner geringfuͤgig-
keit zuzulegen/ ihr gefallen wollen/ reichet bey weitem noch nicht an meine ſchlechte Tahtẽ/
daher dieſelben weit uͤber Verdienſt ſind erhoben/ in dem mit ihren zierlichen reden ſie ſich
haben ſchmuͤcken laſſen/ gleich wie man ein unwirdiges Hoͤlzlein mit guͤldenen Kleidern
behaͤnget/ daß eine anſehnliche Tocke draus wird; woſelbſt meinem Fraͤulein einzureden/
ich die Kuͤhnheit noch nicht ergreiffen kan. Daß aber dannoch der Gnaͤdige Gott als Be-
ſchuͤtzer aller unſchuld/ und Raͤcher aller Boßheit/ meinen lieben Freund und mich/ zu ſo
heil ſamer Stunde in dieſe Gegend gefuͤhret/ daß wir unſer hochwerten Fraͤulein klaͤgli-
ches Geſchrey ohn gefehr vernehmen/ und wider die verfluchten Raͤuber/ ihnen Beyſtand
leiſten koͤnnen/ rechnen wir billig unter unſere Gluͤkſeligkeiten mit; geſtaltſam ein redlicher
Ritter das Schwert zu dem Ende gebrauchen ſol/ daß den unter druͤkten Huͤlffe/ und der
Boßheit eintrag geſchehe; daher leicht erhellet/ daß unſere jetzige Verrichtung aus bloſ-
ſer ſchuldigkeit/ damit wir der Erbarkeit und allen redlichen Menſchen verhafftet ſind/
herruͤh-
[31]Erſtes Buch.
herruͤhret/ und umb ſo viel weniger Dank und vergeltung verdienet/ die dannoch durch
meiner Fraͤulein hochgeneigte Lobreden uns in ſo haͤuffiger menge ſchon wirklich eingelie-
fert iſt/ daß wir uns derſelben zu allem ſchuldigen Gehorſam darſtellen muͤſſen/ und daher
ſie neben ihren hochaͤdlen Geſpielen bey uns nichts durch Bitte zu ſuchen/ ſondern durch
Befehl alles auffzulegen berechtiget ſind; iſt alſo meiner Fraͤulein an mich getahne Fode-
rung/ die mein Geſelle wiſſen wird/ meines theils eine Schuld/ wann ſie dem nicht zu wiedeꝛ
iſt/ der mir zubefehlen hat. Mein Herr und Erretter/ antwortete das Fraͤulein/ ich bin viel
zu ungeſchikt/ ſeine reden zu beantworten/ biß ich eine geraume Zeit von ſehr vernuͤnfftigẽ
Lehrmeiſtern daruͤber werde unterrichtet ſeyn; aber daß ich den Zweg meines vorhabens
umb ſo viel zeitiger erreichen moͤge/ bitte meinen Herren ich Ehrenfreundlich/ mir an zu
zeigen/ woſelbſt ich ſeinen Gebieter/ auff den er ſich berufft/ antreffen ſolle. Dieſer iſt es/
ſagte er (auff Ladiſla zeigend)/ der mein Fraͤulein aus Raͤubers Haͤnden errettet hat. Ich
weiß nicht mein Herr/ antwortete ſie mit einem holdſeligen Laͤcheln/ ob dieſer euer Freund
ſich einiges Befehls uͤber euch annehmen werde/ als welcher meine Bitte mit eben der Be-
dingung eingewilliget hat; daher dann ihrem uͤber dieſer Frage vermuhtlichen Streite
vorzukommen/ wer unter euch beyden einer dem andern zu gebieten habe/ iſt mein ehren-
gebuͤhrliches Anſuchen/ dieſe meine beyde Fraͤulein Waſen vor duͤchtige Richterinnen zu
erkennen/ ob meine Bitte der billigkeit gemaͤß/ und meine Herren/ ſelbe abzuſchlagen be-
fuget ſeyn werden oder nicht. Die aͤlteſte/ ſo von XIIX Jahren wahr/ nahmens Urſula Kor-
nelia/ fiel ihr in die Rede und ſagte: Frl. Waſe/ wie beſchimpffet ihr uns beyde ſo gar hoch/
durch dieſen euren gar zu kuͤhnen Vorſchlag? meynet ihr den Nahmen einer dankbahren
allein davon zu tragen/ und aus uns ſo verwaͤgene zu machen/ daß wir uns dieſen vortref-
lichen Rittern und Herren ſolten zu Richterinnen ſetzen und beſtellen laſſen/ die uns zur aͤuſ-
ſerſten Schande ſchon verurteilete/ jezt dieſe Stunde/ durch die kraͤfftige ſieghaffte gegen-
urtel ihres unuͤberwin dlichen Schwerts davon loß gearbeitet? O nein! wir verſagen euch
allen gehorſam/ und wollen uns vjel lieber von dieſen Herren vor Richterinnen wieder
euch beſtellen laſſen/ da ihr trauen eines harten Spruchs euch werdet befahren muͤſſen/
umb daß ihr unſerer Erloͤſer willens Freyheit durch beſtellete Richter einzuziehen/ euch
duͤrffet geluͤſten laſſen; und wer hat euch doch in ſo kurzer Zeit ſo kuͤhn uñ beherzt gemacht/
da ihr ſonſten wie ein Eſpinlaub zittertet/ uñ ſo bloß an Blut uñ Kuͤhnheit/ als an Kleideꝛn
wahret? Wer mit kuͤhnen Leuten umgehet/ antwortete Frl. Sophia/ der gewehnet ſich zu
gleicher Tugend. Verſichert euch aber/ meine Schweſter/ daß ich dieſe mir angelegte be-
ſchimpfung zu eivern/ nicht in vergeß ſtellen werde. Habe ich nicht ſchon urſach gnug/ und
mehr als euer keine/ meine Augen ſchamhafftig niederzuſchlagen? Und ihr duͤrffet mir ſol-
ches durch Aufruͤckung noch verzweyfachen/ gerade als wann ich ſchuld dran truͤge? Nun/
nun; wer borget/ dergedenke/ daß die Zahlwoche folgen muͤſſe. Ich wil mich aber mit euch
nicht weiter zanken/ ſondern zu meinen Herren mich wenden/ und durch Vortragung mei-
ner Bitte/ mich eurer unguͤtlichen Auflage loßwircken/ erinnere dieſelben demnach bey der
hohen und ſchon geleiſteten Bedienung/ ſie wollen ſich großehrenguͤnſtig gefallen laſſen/
mit uns nach Padua zu kehren/ nicht allein/ daß ihre kraͤfftige Hand uns biß dahin ſichern
Schuz halte/ ſondern uns auch Gelegenheit goͤnnen/ unſere Danckſchuldigkeit ſehen zu
laſſen/
[32]Erſtes Buch.
laſſen/ nach dem wir mit hoͤchſten Freuden anhoͤren werden/ daß ſie wegen unſer unbeflek-
ten Zucht und Keuſchheit/ bey unſern Eltern gnugſame Zeugnis ablegen; wie dann mein
Herr (auff Ladiſla zeigend) aus des lezten Raͤubers eigener Bekaͤntnis/ deſſen ich mich ſehꝛ
freue/ verſtanden hat. Herkules befand eine ungewoͤhnliche Verenderung an Ladiſla/ und
daß er ohn unterlaß dieſes Fraͤulein mit unverwendeten Augen anſahe/ woraus er bald
ſchloß/ das er muͤſte getroffen ſeyn; ließ ſichs doch nicht merken/ und gab auff der Fraͤulein
vorbringen zur Antwort: Wann ich haͤtte wiſſen ſollen/ daß ihrer Durchl. begehren alſo
beſchaffen/ wolte ich mich darzu unwaͤgerlich erbohten haben/ maſſen mein Freund und
ich/ uns ſchuldig erachten/ ſie nach Padua zu begleiten/ und nach aller moͤgligkeit ihnen
Schuz zu leiſten; nur allein zeigete er an/ daß ihre Reiſe der eile unterworffen/ keine Ver-
zoͤgerung leyden wolte/ und daher dienſtlich baht/ ſie durch noͤhtigung daſelbſt nicht auff zu-
halten: auch/ wo moͤglich/ bey ihren Eltern ihrer nicht zu gedenken. Mein Herr/ ſagte Frl.
Sophia/ ich verſpreche alles zu leiſten/ was mir moͤglich/ und der Erbarkeit nicht zu wieder
iſt. Aber mein Herr (redete ſie zu Ladiſla)/ wird er ſich dann nicht mit belieben laſſen/ daß in
ſeiner ſichern Geſelſchafft ich mit fortreiſen moͤge? vor meine Geſpielen ein Wort mehr
zu verlieren/ halte ich vergeblich ſeyn/ weil ſie dieſe meine Bitte als eine groſſe und ſtraff-
wirdige Unbilligkeit angeklaget haben/ und ſie/ wie ich muhtmaſſe/ bey dieſen erſchlagenen/
trauer- und Schildwache halten wollen/ biß ſie von andern ihres gleichen abgelanget wer-
den. Verzeihet uns/ geliebte Schweſter/ ſagte Frl. Urſula/ daß wir eure Bitte nicht riechẽ
koͤnnen/ und noch wol unſer guten Sache ſo viel trauen/ ſie wieder euch/ jedoch vor unver-
daͤchtigen Richtern (wobey ſie ſchmuzerlachete) auß zufuͤhren. Ob wir auff dieſem Platze
lange verweilen/ und dieſe Raͤuber bewachen wollen/ wird ſich bey dem Auffbruche dieſer
Ritter außweiſen/ deren willen euch allein zu erwerben/ und uns Abzuſpenſtigen/ ihr bemuͤ-
het gnug ſeid. Wir unſers teils zweiffeln gar nicht/ es werden dieſe Herren zu außfuͤhrung
ihrer preißwirdigen Ehren/ uns den Weg neben herzulauffen/ und unter ihrem Schatten
die angenehme ſicherheits Kuͤhlung gerne geſtatten; wobey ſich dann außfuͤndig machen
wird/ welche unter uns die friſcheſte zu Fuß ſeyn/ oder am liebeſten zuruͤk bleiben wird. O
nein herzgeliebte Schweſter/ antwortete Frl. Sophia/ ich wil meines Anſpruchs wieder
euch/ mich gerne begeben/ nur allein laſſet mich nicht dahinden/ weil euch bewuſt iſt/ daß
meine Beine mich einen ſo fernen Weg nicht tragen koͤnnen/ wo ich nicht bißweilen ruhe
nehme. Aber ihr meine Herren/ verzeihet unſerm kindiſchen Zanke/ der ſich umb eine Beu-
te zweiet/ ehe ſie erlanget iſt/ und ich doch hoffe/ mein Herr (auff Ladiſla zeigend) werde nun-
mehr ſeine gewogene Einwilligung uns erfreulich anhoͤren laſſen. Ladiſla wahr nicht allein
durch ihre allerdinge vollkommene Schoͤnheit/ ſondern auch nunmehr durch ihren freund-
lichen Verſtand und vernuͤnfftige Freundligkeit dermaſſen in liebe entzuͤndet/ daß/ wo
Herkules gegenwart nicht geweſen/ er ſeinen begierden den Zaum ſo feſt nicht halten koͤñen;
aber die furchtſame Ehrerbietigkeit/ die er von jugend auff gegen dieſen Tugendvollen
Helden trug/ feſſelte ſeines herzen Inbrunſt/ damit ja ſein Herkules ihn keines Frevels
moͤchte zu beſchuldigen haben. Jedoch dem Fraͤulein ſeine Ergebenheit zu erzeigen/ kuͤſſete
er ihr die Hand und ſagte: Er befuͤnde durch ihre hohe Tugend ſich verbunden/ ihr zuge-
horſamen/ auch mit williger vergieſſung ſeines Bluts und Lebens ihr Verfechter zu ſeyn/
da-
[33]Erſtes Buch.
damit er dem ſchweren Laſter der Undankbarkeit entginge/ welches ihm billich muͤſte zuge-
legt werden/ wann er ſich ihrem Befehl wieder ſpenſtig erzeigen wuͤrde; baͤhte demnach/
ihm kuͤhnlich zubefehlen/ ob er vielleicht einiges Geboht zu verrichten/ tuͤchtig und beſtand
waͤhre. Das Fraͤulein hatte ſeiner Liebes-blicke in guter Auffmerkung wahrgenommen/ die
durch dieſe reden ihꝛ ſo viel annehmlicher gemacht wurden/ daß nicht allein Herkules/ ſon-
dern auch die beyden Fraͤule in den Schuß merketen/ und Herkules ſeinem Freund zu ge-
fallen bemuͤhet wahr/ dieſer beyder Auffmerkung von den verliebeten abzuwenden/ deßwe-
gen er mit ihnen ein ſonderliches Geſpraͤch anfing/ welches dieſen liebes-Arbeitern nicht
ungenehme wahr/ maſſen ſie daher Luft bekahmen/ ſich durch unterredung in beſſere Kund-
ſchafft zu ſetzen; wie wol das Fraͤulein nach ihrer Verſchlagenheit und Zucht/ ihre ſchon
entzuͤndete Flammen ihm nicht ſo leicht ſcheinen laſſen wolte/ und die vorige Rede ihm al-
ſo beantwortete: Mein Herr ſeine Hoͤffligkeit/ deren er ſich im Erbieten gebrauchet/ iſt viel
zu groß/ daß ſie von mir unerzogenen Schuͤlerin/ durch gleichwirdige Antwort ſolte koͤñen
erwiedert werden. Ich habe demſelben ja die allergeringſte Dankbarkeit zu erzeigen/ ſo-
wol wegen meiner Armut an dieſem Orte/ als kuͤrze der Zeit/ und mangel der Gelegenheit/
nicht maͤchtig ſeyn koͤnnen; So iſt meinem Herrn biß daher/ nicht nur mein Unvermoͤgen/
ſondern auch die Willigkeit allerdinge unbekant geweſen/ darff auch wol ſagen/ mein ſtand
und Weſen/ weil meinen Herrn jemahls vor dieſem geſehen zu haben/ mich nicht zuerin-
nern weiß; Wie ſolte er mir dann ſo hoch/ wie ſeine Reden gehen/ verbunden ſeyn koͤnnen/
da ich ſchon mehꝛ gutes von ſeinem mitleidigẽ herzen in dieſer einigẽ Stunde eingenom̃en/
als ich zeit meines Lebens nit bezahlẽ kan/ und noch den allergeringſten anfang darzu nicht
gemacht habe/ wo nicht mein Herr meinen guten Willen vor den erſten Grund der kuͤnff-
tigen Folge/ da einige Moͤgligkeit bey mir iſt/ rechnen wird. Wolle demnach mein Herr
der Undankbarkeit ſich zu beſchuldigen auffhoͤren/ als welche bey ihm/ da ers gleich ſuchete/
keine ſtat haben kan; Das hohe Erbieten/ ſich meiner nach wie vor/ getraͤulich anzuneh-
men/ macht wegen kuͤnfftigen Ungluͤks mich ſchon aller Furchtloß/ weil unter dieſen un-
uͤberwindlichen Haͤnden/ den Tugendliebenden nur Sicherheit und Schuz/ den Boßhaff-
ten aber billiche Straffen begegnen koͤnnen; Wie ſolte ich dann einigen Befehl uͤber dieſen
mich anmaſſen/ deſſen Gunſt und Guͤte meiner Ehre noch laͤnger zu leben gebohten hat/ uñ
ich deßwegen ihm zur ſchuldigen Dankbarkeit billich in Ehren auffwaͤrtig bin. Verzeihet/
mein Fraͤulein/ wiederantwortete er/ eurem dienſtergebenen Knechte/ daß derſelbe ihrem
Vorbringen einzureden ſich unterſtehet/ da im uͤbrigen er in allem biß zum Tode willig und
gehorſam iſt. Ich wil nicht einfuͤhren/ wie ein unverdientes Lob ihre holdreiche Zunge
mir zuleget; nur daß ich meine gedoppelte Schuldigkeit/ welche mein Fraͤulein auffzuhe-
ben bemuͤhet iſt/ feſt ſetzen moͤge/ die vor erſt in dem beſtehet/ daß als lange ich der Tugend er-
gebener ſeyn wil/ nohtwendig der Unſchuld mich nach allen Kraͤfften annehmen muß/ und
wann ich ſolches unterlieſſe/ mich als bald gegen den Himmel undankbar erzeigen wuͤrde/
als welcher mir zu dem Ende vor aller Gefahr biß daher Schuz gehalten hat/ daß ich ihm
nach meiner Wenigkeit folge leiſten/ und ſo weit ichs vermag/ nacheivern ſolle; jedoch die-
ſes aus der acht geſezt/ bin ich doch nicht minder gehalten/ meiner Fraͤulein als ihren Ver-
ſchuldeten mich darzuſtellẽ/ wuͤrde auch in deſſen Unterlaſſung/ unter dz Faͤhnlein der unver-
Eſchaͤm-
[34]Erſtes Buch.
ſchaͤmteſten undankbahren mich ſchreiben laſſen muͤſſen/ geſtaltſam mein Fraͤulein mir ein
Loblied/ ehe ichs verdienet/ auß Gewogenheit geſungen/ uñ einen Ruhm mir bey der Welt
zu erwerben ſich guͤnſtig anerbeut/ deſſen ich nicht faͤhig bin; ich darff mich weiter nicht er-
kuͤhnen/ mein Fraͤulein/ eine noch viel groͤſſere Gewalt aus zudruͤcken/ welche zu jhren dien-
ſten mich ſo heftig antreibet/ daß ich ſanffter ſterben/ als deſſen mich entbrechen werde; und
wuͤrde ich die hoͤchſte Stuhffe meines Gluͤckes fchon erſtiegen haben/ wann der Himmel
mich nur duͤchtigen wolte/ deſſen durch Verdienſt und Tugend wirdig zu ſeyn/ was ich Ge-
bluͤts halben wol ſuchen duͤrffte; auch das guͤnſtige Gluͤk meiner gehorſamſten Auffwar-
tung eine unabloͤſchliche Grundfarbe anſtreichen moͤchte/ welche ihrer Vortrefligkeit die
Ergebenheit meines Willens in etwas zu entwerffen ſcheinlich waͤhre. Das gute Fraͤu-
lein/ die dergleichen hefftigen Anlauff niemahls erfahren/ ſintemahl ſie mit Mannesbil-
dern ſehr wenig umgangen/ und ihres Alters ſechzehnde Jahr kaum geendiget hatte/ wuſte
in der Eile keine Antwort zu finden/ wahr ihr doch ſehr angenehm/ daß ſie ihn hohes Ge-
ſchlechtes zu ſeyn/ vermerkete/ wolte auch ſeine Rede nur auff eine gemeine Gutwilligkeit zi-
hen/ und dannoch ſo viel verdeckete Merkzeichen einſtreuen/ daß an ihrer Gewogenheit zu
verzweifeln er nicht urſach haben ſolte. In dem ſie aber alſo anfing: Treflicher Ritter/ mei-
ner Jugend Unverſtand und Unerfahrenheit/ weiß die gebuͤhrliche Antwort keines weges
zu erſinnen; Da hoͤrete Ladiſla ein helſchallendes Hoͤrnlein/ je laͤnger je heftiger blaſen/ wie
ers dann mit ſeinem Markus abgeredet hatte/ daß wann er etwas wichtiges vernehmen
wuͤrde/ er ſolches durch dieſes Zeichen anmelden ſolte; machte ihm deßwegẽ bald die Rech-
nung/ es wuͤrde was neues vorhanden ſeyn/ daher er etliche Schritte nach Herkules tre-
tend/ ſagete: Mein Bruder/ wir werden uns in die Waffen begeben muͤſſen. Ja/ antwor-
tete er/ ich gehe gleich mit den Gedanken uͤm; baht auch das Frauenzimmer/ ſich hinter den
Baum zu ſtellen/ gegen welchen ſie den Ruͤcken kehren wolten/ und einen guten Muht zu
haben. Guter Raht war hie ſehr theur/ weil die ohndas erſchrockene gaͤnzlich meyneten/ es
wuͤrde eine friſche Raͤuber Schaar verhanden ſeyn/ der jezt erſchlagenen Tod zu raͤchen/
daher ſie voller Furcht und Schrecken in einander fielen/ und ihr ungluͤk mit Traͤhnen be-
klageten. Nun hatte gleichwol Markus urſach gnug/ dieſes Zeichen zu geben/ weil er in die
XL Reuter zuſtreuet von der rechten ſeiten uͤber das querfeld daheꝛ rennen ſahe/ welches eꝛ
unangezeiget nicht laſſen wolte; wiewol er mit ſeinem pfeiffen ſchier ein unwiederbringli-
ches uͤbel verurſachet haͤtte. Dann dieſe Reuter folgeten der Spuhr eines Wagen/ auff
welchem die drey Fraͤulein von den Raͤubern hinweg gefuͤhret wahren. Als nun jhr Fuͤh-
rer das Hoͤrnlein hoͤrete/ rieff er den ſeinen zu: Auff/ auff/ ihr Bruͤder auff: die raͤuberiſchẽ
Diebe haben ihre Wachten außgeſezt/ und halten dort vor uns im Puſch; Laſſet uns dem-
nach jhnen den Lohn ihrer Boßheit geben. Rante hiemit in groſſem Eiver dahin/ woſelbſt
Klodius und Markus in vollem Harniſche mit beyden aͤdelknaben und vier ledigen Pfer-
den hielten/ welche/ da ſie merketen/ daß jhnen feindlich wolte zugeſezt werden/ gedachten ſie
ihr Leben teur gnug zu verkauffen/ und begaben ſich in die enge/ ſo daß die aͤdelknaben mit
den ledigen Pferden hinter ihnen halten muſten. Der Befehlichshaber jagete eines ſtein-
wurffs vor ſeinen Leuten her/ rieff auch/ die unſern ſolten ſich ergeben/ oder in Stuͤcken ge-
hauen werden. Klodius gab zur Antwort: Ritter/ wer mich gleichwol in Stuͤcken hauen
wil/
[35]Erſtes Buch.
wil/ muß meiner Faͤuſte Gewicht zuvor auch empfinden; aber was Raſerey treibet euch/
Fremde alſo anzufallen? Dieſer gedachte/ er wolte ihn mit vergeblichen Worten/ und liſti-
ger Verſtellung/ biß zu ſeiner Mitgehuͤlffen Ankunfft aufhalten/ meynete alſo/ er haͤtte die
Raͤuber gewiß antroffen/ und ſagete: Ihr Diebe und Raͤuber/ wohin habt ihr die entfuͤhr-
ten Fraͤulein geſchleppet? Klodius antwortete: Vor dieſen Schimpff ſoltu mir gerecht
ſeyn; Ich bin ein ehrlicher Roͤmer/ komme gleich von Verohn mit meiner Geſellſchafft/
und weiß von den nachgefrageten Fraͤulein nichts zu ſagen/ es moͤchten dann dieſe ſeyn/ die
wir vor etwa einer Stunde klaͤglich genug ruffen gehoͤret. Dieſer ſchaͤmete ſich/ daß er
durch Zorn ſich ſo weit vergangen hatte/ wolte doch allerdinge nicht trauen/ ſondern ſagte:
Dafern ihr mich werdet dahin fuͤhren/ woſelbſt ihr meynet/ das Geſchrey geweſen ſeyn/ hal-
te ich euch vor entſchuldiget/ und wil mich bemuͤhen/ meinen Fehler zu verbeſſern. Weil
nun Klodius ſahe/ daß er uͤbermannet wahr/ und doch dieſe Schmach zu raͤchen ihm vor-
behielt/ ſtieg er ab vom Pferde/ und ſagete: Wer mir folgen wil/ mag ſich auf die Fuͤſſe wa-
gen/ weil man reitend nicht hindurch brechen kan. Worauf dieſer mit ſeiner halbẽ Schaar
ſich zu Fuſſe begab/ und die andere Helffte bey Markus warten hieß/ biß ſie weitern Befehl
vernehmen wuͤrden. Es wolte Klodius jhn gleichwol unterrichten/ daß zween Ritter zu deꝛ
Schreyenden Rettung hingangen waͤhren/ und er nicht wiſſen koͤnte/ ob ſie geſieget oder
verlohren haͤtten/ weil der Streit als von weitem eine zeitlang gehoͤret worden/ und nach-
gehends alle Zeichen des weitern ergehens ſich verlohren haͤtten. Aber dieſer wahr von
Zorn taub und blind/ und eilete nur fort/ den Ort zuerreichen/ da er die begangene Untaht
raͤchen koͤnte; ward auch endlich unſerer Helden in vollem Harniſch gewahr/ faſſete ſein
Schwerd und Schild/ dann andere Waffen hatten er und ſeine Leute wegen der eile nicht
angelegt/ und lieff auff die unſern mit dieſen Worten zu: Haha ihr Fraͤulein-Raͤuber/ jezt
ſollet jhr den Frevelmuht teur genug bezahlen. Klodius trabete neben ihn her/ und wolte
ihn noch ſeines Irtums unterrichten; aber da halff alles nichts; Er gieng wie ein erzoͤrne-
ter Eber hinzu/ und ſchlug hefftig gnug von ſich. Nun merketen unſere Helden ſeinen Ir-
tuhm leicht/ deßwegen ſie der Anfallenden Hiebe nur mit den Schilden außnahmen/ und
anfangs niemand beſchaͤdigten/ weil ihnen aber gar zu hefftig zugeſetzet waꝛd/ und Klodius
ſich neben ſie an den Baum ſtellete/ daß ſie nicht kunten von hinten zu angegriffen werden/
wolten ſie jhnen gleichwol zu erkennen geben/ mit was Leuten ſie es zu tuhn haͤtten/ und aus
hoͤchſtem Nohtzwange hieben ſie jhrer ſechſen die Koͤpffe vonander/ daß ſie todt zur Erde
ſtuͤrzeten. Ihr Fuͤhrer wolte ſolches raͤchen/ und ſetzete auff Herkules hefftig an/ der auß
ſeiner Geſtalt urteilete/ daß er was vornehmes ſeyn muͤſte/ daher er jhn nicht beſchaͤdigen
wolte/ ſondern ſchlug ihn mit der Flaͤche ſeines Schwerts uͤber den Kopff/ daß er taumlich
ward/ gleich da Ladiſla zu den Fraͤulein trat/ und ihnen zurieff: Lieber bemuͤhet euch dieſe
eure ohn Zweifel bekante zu befriedigen/ daß wir nicht zu mehrer Blutſtuͤrzung gezwungen
werden. Erſt gedachten dieſe/ es wuͤrden ihre Leute/ und wegen jhrer Rettung außgezogen
ſeyn/ deßwegen Frl. Sophia ungeſcheuhet hinzu lief/ wie der von Herkules geſchlagene ſich
wieder erhohlet hatte/ und einen behuetſamern Kampff mit ihm angetreten wahr/ ſo daß
wenig fehlete/ er haͤtte jhn gezwungen niderſchlagen muͤſſen/ weil er mit gar zu hefftigem
wuͤten auff ihn drang/ und die bißher geſchehene Verſchonung der Unerfahrenheit ſeines
E ijBeſtrei-
[36]Erſtes Buch.
Beſtreiters zulegete. So bald ihn das Fraͤulein erblickete/ rieff ſie uͤberlaut; herzliebſter
Bruder/ wiltu unſern beſten Freunden keinen beſſern Dank ſehen laſſen? thue gemach
thue gemach/ du haſt keine Feinde vor dir. Als ihr Bruder Kajus Fabius ſolches hoͤrete/
zohe er ſich zuruͤk/ gab auch ſeinen leuten einen Wink einzuhalten/ und antwortete ihr; wie
dann/ Schweſter/ iſt dir durch die gewaltſame entfuͤhrung eine Freundſchafft erwieſen/ ſo
huͤte dich/ daß du nimmermehr deinen Eltern unter die Augen kommeſt; und wolte hiemit
den Kampff wieder anheben. Aber das Fraͤulein/ nebeſt ihren Geſpielen/ ſtelleten ſich
zwiſchen die bloſſen Schwerter/ und fiel dieſe ihrem Bruder in die Arme/ mit heiſſen traͤh-
nen ſagend: O Bruder oͤffne doch die Augen deiner Vernunfft und leibes/ und ſihe dort
die erſchlagene boßhaffte Raͤuber/ welche von dieſen beyden tapfferen Helden erlegt/ und
wirdadurch bey Ehren erhalten ſind. So bald er dieſes hoͤrete/ warff er den Schild nider/
nahete ſich zu Herkules/ und boht ihm ſein Schwert mit dieſen Worten: Gewaltigeꝛ Rit-
ter/ wer ihr ſeyd/ ich bezeuge mit uͤbergabe meines Schwerts/ daß ich wider Rittergebuͤhr
mich an euch vergriffen/ indem vor eure Woltaht ich euch unabgeſagt und feindlich uͤber-
fallen; Welches/ da es von mir lebendig kan gebuͤſſet werden/ ſol mein aͤuſſerſtes Vermoͤ-
gen zu euren Dienſten ſeyn; wo nicht; ſo nehmet von mir die gebuͤhrliche Rache/ nach mei-
ner eigenen Urtel. Hiemit boht er ihm ſein Haͤupt dar/ und ſagete: Weil dieſes Gehirn ſo
unwitzig verfahren/ muß es der Straffe ſich nicht entbrechen. Fraͤulein Sophia waͤhre
hieruͤber ſchier in Ohmacht gerahten/ nur die vermeynete Gefahr ihres Bruders erhielt
ihre Krafft/ daß ſie Ladiſla zun Fuͤſſen fiel/ und hefftig weinend zu ihm ſagete: Ach mein
Herr/ dieſer iſt mein leiblicher und einiger Bruder/ die ganze Hoffnung ſeiner Eltern; bit-
te deßwegen demuͤhtigſt/ ihm von meinetwegen zu verzeihen/ deß wil ich zeit meines Lebens
mich zu allen euren Dienſten ſchuldig erkennen. Durchl. Fraͤulein/ antwortete er/ ſie zu-
vor auffhebend; ich verbleibe ihr gehorſamer Knecht/ und verſichere ſie/ dz ſie meines Ge-
ſellen Hoͤfligkeit weder in dieſem noch andern Stuͤcken wird zu beſchuldigen haben. Wie
dann Herkules ſolches in der Taht er wieß/ da er dem jungen Fabius dieſe Antwort gab:
Mein Herr/ ihr beweiſet mir mit dieſem zumuhten mehr Verdrießligkeit/ als vorhin mit
eurem uͤberfall/ nach dem ich euch nicht verdenken muß/ daß ihr wegen Entfuͤhrung dieſes
treflichen Frauenzimmers entruͤſtet ſeyd; aber nicht abſehen kan/ was geſtalt ich das uͤbri-
ge entſchuldigen ſol; nur iſt mir ſehr leid/ daß durch dieſen Irtuhm Menſchenblut hat
muͤſſen vergoſſen/ und ſechs Seelen eurer Reuter auffgeopffert werden/ als deren mein
Geſelle und ich uns aus gezwungener Noht erwehren muͤſſen. Mein Herr/ antwortete er/
meine Reuter haben nicht auff Roͤmiſch gehandelt/ daß ihrer ſo viel ohn mein Geheiß drey
Ritter angegriffen; iſt ihnen darob etwz zugeſtanden/ haben ſie es jhrem Frevel zuzuſchrei-
ben; ich aber bin wol vergnuͤget/ daß eure Leiber von mir und den meinen unverlezt blieben
ſind; werde mich auch befleiſſigen/ eurem guten Willen Abtrag zu machen/ ſo viel mein un-
vermoͤgen zulaͤſſet. Er kunte ſich aber uͤber Herkules Schoͤnheit und Staͤrke in dieſer ſei-
ner Jugend nicht gnug verwundern/ daher er ihn mit unverwendeten Augen anſahe. Hin-
gegen wahr das Frauenzimmer von Herzen froh/ daß es zum Vertrage kommen/ und ein
ſo gefaͤhrlicher Streit beygelegt wahr/ und vermahnete Frl. Sophia ihren Bruder/ er
moͤchte dieſe fremde noͤhtigen/ mit nach Padua zu kehren; Worauff er antwortete: Du
haſt
[37]Erſtes Buch.
haſt der gebuͤhrlichen Beſcheidenheit mich billich erinnert; dañ an ſtat des erſten Schwert-
ſchlages haͤtte ich ſolches verrichten ſollen. Hierauff hielt er bey jhnen gar inſtaͤndig an/
ſie moͤchten neben jhren Dienern mit ihm reiten/ und der ganzen Freundſchafft goͤnnen/
wegen geleiſteter Rettung ihre Dankbarkeit abzulegen. Die Fraͤulein traten mit herbey/
und erhielten ihr Begehren. Fabius gieng vor ſeinem Abzuge hin/ die erſchlagenen Raͤu-
ber zu beſichtigen/ die er als bald/ inſonderheit den erſten/ vor die beſchrihenſte Fechter er-
kennete/ und zu ſeinen Leuten ſagete; Er hielte faſt vor unmenſchlich/ daß dieſe zween junge
Ritter ſolche ausgeuͤbete Fechter vor der Fauſt erlegt haͤtten. Aber Frl. Sophia/ die mit
jhm gieng/ wuſte ihm das Gefechte ſo zu beſchreiben/ daß eroͤffentlich ſagete: Dafern er
wiſſen ſolte/ daß dieſe Helden Goͤttliches Herkommens waͤhren/ wolte er ſie davor gerne
erkennen und ehren; Kehrete wieder umb/ und zeigete ihnen an/ ſie wuͤrdẽ ſchwerlich glaͤu-
ben/ was vor einen ruhmwirdigen Sieg ſie an den Erſchlagenen behaͤuptet/ als welche XX
Geharniſchten nicht wuͤrden entlauffen ſeyn/ ſondern die uͤberwindung ihnen zweifelhaftig
gnug gemacht haben. Worauff Ladiſla antwortete; Es koͤnte wol ſeyn/ daß in einer an ih-
rer Seiten ſo gerechten Sache/ ſie ihnen viel zu ſchwach geweſen waͤhren; Weil aber die
Billigkeit/ ſagte er/ unſere Schwerter ſelbſt fuͤhrete/ auch dieſe trefliche Fraͤulein mit jhrem
andaͤchtigen Wunſch uns zu huͤlffe kahmen/ und Krafft erteileten/ haben ſie dem Tode nit
entgehen koͤnnen; maſſen ſolche leicht fertige Buben durch Goͤttliche Rache fallen muͤſſen/
als auff die jhr eigenes Gewiſſen ſelbſt tapffer zuſchlagen hilfft. Fabius ſchaͤtzete ſeine
hoͤfliche Demuht ſehr hoch/ ließ ſeine erſchlagene Reuter in die Erde verſcharren/ und ſahe/
daß noch fuͤnfe ziemliche Wunden davon getragen hatten. Inzwiſchen trat Klodius zu ſei-
nem Herrn/ andeutend/ es haͤtte ihn einer dieſes Hauffens vor unredlich geſcholten/ baͤhte/
daß zu erſter Gelegenheit er ſolches ritterlich außzutragen/ Freyheit haben moͤchte; welches
er ihm einwilligte; und ließ Ladiſla der fuͤnff Raͤuber groſſe Schwerter und Schilde/ auff
welchen ſie ihre Nahmen eingeetzet hatten/ zum Siegszeichen mit nehmen; machten ſich
wieder durch das dicke Geſtraͤuch zu jhrer Geſellſchafft/ und hinterlaſſenen Pferden/ da La-
diſla ſein geliebtes Fraͤulein/ Herkules Frl. Helenen/ und Fabius ſeine heimlich verlobete
Urſul bey der Hand hindurch fuͤhreten/ Ladiſla aber mit gutem Willen etwas dahinten
blieb/ ſich durch freundliches Geſpraͤch bey dem Fraͤulein beſſer einzudingen; fand auch al-
len freundlichen Willen/ ohn daß auff Vortragung ſeiner Liebe ſie allemahl eine Scherz-
antwort gab/ oder doch ſich deſſen ſo gar fremde ſtellete/ als haͤtte ſie es nicht verſtanden;
wodurch ſeine erhitzete Begierden je mehr und mehr entzuͤndet wurden. Als ſie endlich
mit Muͤhe die Hecken hinter ſich gelegt/ noͤhtigte Fabius unſere Helden im erſten Gliede
vorne an zu reiten/ ſo wolte er als ihr Verbundener ihnen folgen; welches ſie aber nicht
geſtatten wolten/ ſondern es gebrauchte ſich Ladiſla dieſer Gelegenheit/ und ordente/ daß
Herkules und Fabius im erſten; Er und Frl. Sophia im andern; und die andern beyden
Fraͤulein im dritten Gliede reiten ſolten/ weil man weder Gutſchen noch Saͤnfften vor
das Frauenzimmer haben kunte/ und ſie deßwegen ſich mit zu Pferde ſetzen muſten. Nun
ritte Fraͤulein Sophia Ladiſlaen Handpferd/ welches aber von dieſem leichten Reuter
ſich nicht wolte zwingen laſſen/ ſondern/ wie es ohn das etwas unbendig wahr/ begunte
es gleich im auffſteigen mit jhr außzureiſſen. Ladiſla erwiſchete ſie bald wieder/ ſuch-
E iijte hie-
[38]Erſtes Buch.
te hiedurch gelegenheit/ ſie naͤher zu bekommen/ und weil er den mehrenteil ſeiner Ruͤ-
ſtung abgelegt hatte/ erboht er ſich/ ſie auff ſeinem Pferde vor ſich zu fuͤhren/ deſſen ſie
ſich anfangs wegerte/ einwendend/ ſie wuͤrde jhm gar zu beſchwerlich ſeyn; aber auff jhres
Bruders/ und der bey den Fraͤulein (welche alle ihr Liebes feur merketen) Zuredung/ ließ ſie
ſich zu ihm hinauff heben/ da zur anzeige ſeiner vergnuͤgung/ die er hiedurch empfing/ er ih-
re Haͤnde freundlich druͤckete/ und ſie es mit einem freundlichen Anblik erſetzete. Es
kunte Fabius unſern Herkules nicht gnug anſchauen/ und empfand ſolche neigung in
ſeiner Seele gegen ihn/ daß ihm unmoͤglich wahr/ ſelbe weiter zu verbergen/ daher er dieſe
Rede an ihn abgehen lies: Mein Herr/ der von mir aus Unvorſichtigkeit begangene Fre-
vel/ haͤlt mit der begierde zu ſeiner Freundſchafft einen hefftigen Streit in meinen Her-
zen/ daß/ ſo viel dieſe mich zu ihm hintraͤget/ mich jener hingegen zuruͤk zeuhet/ weil ich des
gar zu groben Fehlers mich wol erinnern kan; nach dem aber auff ſeine freundliche ver-
zeihung ich mich verlaſſe/ und dieſelbe meinem Verbrechen entgegen ſetze/ hat endlich
mein vertrauen der Zungen anbefohlen/ die Furcht hinter ſich zu legen/ und des Herzen
Wunſch außzudrucken. Herkules fiel ihm in die Rede/ und zeigete an/ daß wann er des im
Gehoͤlze auß bloſſer Unwiſſenheit begangenen/ nicht in vergeß ſtellen/ ſondern mehr geden-
ken wuͤrde/ koͤnte er keinen Schrit weiter mit ihm reiten/ dann ich verſichere ihn/ ſagte er/
daß/ in ſeine Kund- und Freundſchafft auffgenommen zu ſeyn/ ich mir vor eine ſonderli-
che Ehr und Gluͤkſeligkeit rechne. Fabius/ nach gebehtener Verzeihung/ fuhr in ſeiner Re-
de alſo fort: Es pflegen die Sternkuͤndiger dem Himmel zuzuſchreiben/ was dem Men-
ſchen vor Gluͤk und Ungluͤk zuſtoſſet; ja wann etliche Gemuͤhter ſich mit einander Ver-
binden/ muß dieſer oder jener Stern ſolches verurſachet haben. Ich vor meine Wenigkeit
wolte vielmehr halten/ daß eine jnnerliche Krafft der Seelen uns reize und zwinge/ dieſem
an zuhangen und jenes gehaͤſſig zu meyden/ oder wol gar feindſelig zu verfolgen; und wol
denen/ die der Tugend-liebe nach ſetzen/ und durch den aͤuſſer lichen falſchen Schein der
Sinnen-ſuͤſſen Uppigkeit ſich zur verderblichen Wolluſt nicht verleiten laſſen. Freund-
ſchafft und Liebe iſt heut zu tage auff der Zungen ſehr gemein/ daß nichts wolfeilers mag
gefunden werden/ und hat die leichtfertige Jugend den bekanten ſchnoͤden Brauch/ daß
wann ſie zuſammen kommen/ und einer von dem andern weder gutes noch boͤſes nie geſe-
hen/ oder gehoͤret hat/ ſie als bald bruͤderliche Freundſchafft unter ſich auffrichten/ ſo bald
der Wein ihre Herzen mit einem Tropffen uͤber Durſt anfeuchtet; und meynen/ es flieſſe
aus dem Glaſe alles her/ was den Nahmen wahrer Freundſchafft gebieret. Mein Sinn iſt
dieſer Leichtfertigkeit nie hold/ viel weniger zugethan und ergeben geweſen/ ſondern ſo ſel-
zam und wenig ich die Tugend bey meines gleichen jungen leuten antreffe/ ſo geringe iſt
auch die Anzahl meiner erkieſeten freunde; aber daß kan ich ſonder ſparung der Warheit
wol beteuren/ daß nie kein Fremder/ als mein Herr/ mich zu ſeiner Hulde ſo ſehr gezogen
hat. Zwar es moͤchte mañicher mich vor unbeſoñen ſchelten/ daß ich ſo leichtbewaͤgig bin/
einem zu wahrer Freundſchafft mich zu verbinden/ deſſen Nahmen ich kaum zweymahl nen-
nen hoͤren/ und gar nicht weiß/ wer oder weß ſtandes er ſey. Ich aber halte vielmehr/ daß
mir ſolches zum beſten Außgedeutet werden muͤſſe/ inbetrachtung/ ich kein aͤuſſerliches an
ihm/ und was daß unbeſtaͤndige Gluͤk verleyhet/ ſondern ſeine hochbegabte Art und Tugend
liebe
[39]Erſtes Buch.
liebe und ehre/ die er heut auff einmahl durch Barmherzigkeit und mitleiden gegen daß ge-
fangene Frauenzimmer/ durch Herzhafftigkeit und ſtaͤrke gegen die Raͤuber/ und durch guͤ-
tige Hoͤffligkeit und vergebung gegen mich/ mit vollem Strohme außgeſchuͤttet und zuer-
kennen gegeben hat. Nun kan wol ſeyn/ daß mein Herr von gebluͤte hoͤher iſt als ich und
die meinen; aber ſolte er gleich eines Hirten Sohn ſeyn/ wuͤrde doch ſeine Tugend bey mir
nicht umb ein Haar weniger gelten/ als wann er der maͤchtigſte Koͤnig der unuͤberwindli-
chen Teutſchen waͤhre. Dieſem nach Bitte ich dienſtlich/ weil mein begangener Fehler miꝛ
ſchon gaͤnzlich nachgelaſſen iſt/ es wolle mein Herr mich unter die Zahl ſeiner getraͤuen
Freunde auffnehmen/ und zwar unter dieſe/ welche ſich durch aus nicht wegern/ Leib und
Blut vor ihn in die Schanze zu ſchlagen/ und vor ſeine Wolfahrt gutwillig auffzuopffern.
Herkules gab eben acht auff ſeine reden/ ſpuͤrete auch aus allen ſeinen geberden/ daß ſeine
Zunge nicht vermochte ſo viel außzuſprechen/ als die Seele ihr vorzubringen befahl/ weil
unter den reden er ſeine Geſtalt offt verenderte/ und nach Eigenſchafft der worte bald er-
roͤhtete/ bald anbleichete/ auch bißweilen im außſprechen etwas anſties und halten blieb.
Antwortete ihm deßwegen ganz freundlich und ſagete: Mein Herr/ es iſt freylich ein naͤr-
riſches Getichte/ daß man den himliſchen Lichtern eine ſolche Wirkung in unſere Seele
aufflegen wil/ und damit zugleich unſern Mutwillen ſchmuͤcken und entſchuldigen/ wann
er in der Buͤberey ſich vertieffet; geſtaltſam auff dieſe Weiſe mein Geſelle und ich/ den
boßhafften Raͤubern die unverantwortlichſte Gewalt muͤſten angethan haben/ als die nit
aus getrieb ihrer eigenen wilkuͤhr/ ſondern durch unvermeidliche Wirkung des Himmels
dieſe zuͤchtige Fraͤulein geraubet zu haben ſich entſchuldigen koͤnten. Und wer ſiehet nicht/
daß durch dieſen Unweg nicht allein den Laſtern Tuͤhr und Tohr geoͤffnet/ ſondern auch die
Straffe gehemmet/ ja der Tugend ihr gebuͤhrliches Lob entzogen wuͤrde? Freylich mein
Herr/ ſtecket es in unſer Seele/ ſo wol was lob- als was ſcheltwuͤrdig iſt/ nicht weniger/ als
eben derſelben Kraͤffte die Gemuͤhter verbinden/ und gemeiniglich gleich zu gleichen geſel-
len. Wer nun auſſer dieſer Meynung der Freundſchafft Band und Guͤltigkeit ſuchet/ gibt
ſcheinbahr an den Tag/ wie wenig er derſelben Art und Eigenſchafft verſtehe. Die vollen
Becher/ wie leicht ſie zur Kundſchafft anlocken/ ſo leicht brechen ſie auch dieſelbe wieder-
umb/ und iſt nichts gemeiners/ als daß ſolche Wein Bruͤder ſich in einer Stunde dutzen uñ
mutzen/ ſchmatzen und kratzen/ da dann die Wirkung auff beyden Blaͤttern uns leſen laͤſſet/
was von dieſer art Freundſchafft zu halten ſey. Daß ich nun aber etwas naͤher trete/ ſo kan
mit meinen Gedanken ich nicht abſehen/ was mein Herr an meiner Geringfuͤgigkeit mag
geſpuͤret haben/ welches eine ſo hohe Neigung gegen mich einen ſchlechten außlaͤndiſchen
umſchweiffenden Ritter und unbekanten Menſchen erwecken koͤnte. Zwar einen Liebha-
ber und Anbehter aller auffrichtigen Tugend gebe ich mich an; wiewol auch dieſes mir zur
Ruhmretigkeit moͤchte gedeyen/ angeſehen der groſſen Gebrechligkeit/ die ich taͤglich bey
mir verſpuͤre/ daß alſo mich ein jeder billich/ wo nicht auß anderm Grunde/ zum wenigſten
meiner Jugend halben vor frevelmuͤhtig ſchelten muͤſte/ dafern ich mich groſſer Geſchik-
ligkeit und Tugend ruͤhmen wolte; weil zu Erweiſung eines ſo volkommenen gutes/ lange
Zeit erfodert wird; jedoch wie dem allen/ Bitte ich freundlich/ mein Herr wolle/ als lan-
ge er einige Liebe und begierde gutes zu thun/ an mir ſpuͤret/ mich in dem Gedaͤchtnis-Bu-
che
[40]Erſtes Buch.
che ſeiner Diener und Freunde angezeichnet ſtehen laſſen; iſt dann gleich mein vermoͤgen
zu ſchwach/ groſſe bedienungen zuleiſten/ ſol doch mein ergebener Wille keine Gelegenheit
durch Vorſaz verſeumen/ ſich meinem Herrn als Freunde zu aller moͤgligkeit darzulegen.
Weil Herkules dieſes vorbrachte/ ſahe ihn Fabius mit ſtarrem Geſichte an/ und nach ſei-
ner Rede endigung ſagete er: Mein Herr/ mir genuͤget an ſeinem Erbieten/ wegen ange-
nommener Freundſchafft daß uͤbrige ſey zu ſeinem Wolgefallen geſprochen; ohn daß ich
unberuͤhret nicht laſſen kan/ daß ein Verſtaͤndiger die Tugend nicht aus dem Alter/ ſon-
dern bloß aus der guͤltigen Volkommenheit urteilet; wie dann mannicher junger Baum
viel geſundere und ſchoͤnere Frucht bringet/ als der mit moſſigten aͤſten ſich zwanzig Ellen
außbreitet; und wil nicht ſagen daß die Tugend ſich allemahl ſcheinbahrer in jungen/ als
in alten erzeiget/ weil in dieſen daß loͤbliche aus Mangel und Abgang der Bewaͤgungen viel
leichter/ als in der hitzigen Jugend/ ſtat findet/ und daher/ was ſo gemein nicht iſt/ uns viel
aͤdler als das taͤgliche ſeyn duͤnket; Alte Roſen ſind auch roht/ aber die ſich erſt von einandeꝛ
tuhn/ ungleich lieblicher/ auch beſſeren Geruchs und Krafft/ welches niemand/ als vielleicht
zum ſcherze leugnen wird. Alſo fuͤhreten dieſe neuen Freunde ihr ſinnreiches Geſpraͤch/ biß
ſie vor Padua anlangeten/ und verbunden ſich ihre Herzen auff ſo kurzem Wege in wenig
Stunden dermaſſen feſt zuſammen/ daß ſolches Band nim̃ermehr kunte auffgeloͤſet noch
zuriſſen werden. Ladiſla uͤberſahe unterdeſſen ſeine Schanze auch nicht; dann weil er
ſein liebſtes Fraͤule in vorſich fuͤhrete/ und ihr in geheim alles reden kunte/ ſuchete er alle
Gelegenheit/ eine genehme Erklaͤrung von ihr zu erlangen; da ſie dann allemahl ſieh gar
hoͤfflich und gewogen/ doch nicht nach ſeinem Willen vernehmen lies/ deßwegen er ihr ſol-
ches unter verbluͤmten reden abzugehen/ zu ihr ſagete: Mein Fraͤulein/ es faͤllet mir eine
Geſchichte ein/ die ſich in meinem Vaterlande zugetragen/ und wann es ihr nicht zu wie-
der waͤhre/ ich ſelbige/ die Zeit zu vertreiben/ und des unſanfften ſitzens ſie vergeſſen zu ma-
chen/ gerne erzaͤhlen wolte. Mein Herr/ antwortete ſie/ ſider dem ich aus Raͤubers Haͤndẽ
errettet bin/ habe ich uͤber lange Zeit nicht zuklagen gehabt/ und iſt mir leid/ daß mein Herr
wegen des unſanfften ſitzens ſich beſchweren muß/ deſſen ich die einzige Urſach bin/ und ihm
alle dieſe Ungelegenheit zuzihe. Ich verſichere viel mehr mein Fraͤulein/ ſagte er/ daß Zeit
meines lebens ich nie auff keinem Pferde bequemer geſeſſen; wuͤrde mich auch nicht we-
gern/ auff ſolche Weiſe die ganze Welt durchzureiten. Das Fraͤulein ſahe ihn an mit lieb-
lichen blicken und ſagte; Seine Hoͤffligkeit mein Herr/ iſt ſo groß/ und die mir erzeigete
Woltahten ſo haͤuffig/ daß ich mich erkenne in alle dem ihm ſchuldig und verbunden zu
ſeyn/ was ihm belieben kan und mag; meine Ehr außzunehmen halte ich unvonnoͤhten/ weil
ein ſo ehrliebender Menſch wider Ehre nichts begehren wird/ der mit Darſtreckung ſeines
Leib und Lebens mir dieſelbe beſchuͤtzet/ und als ſie gleich ſolte geraubet werden/ erloͤſet und
frey gemacht hat. Aber ich bitte ſehr/ mein Herr wolle ſeinem Erbieten nachkommen/ und
die erwaͤhnete Geſchichte ſeines Vaterlandes mir zuerzaͤhlen unbefchweret ſeyn/ weil von
Kindesbeinen auff/ ich meine beſte Luft in Leſ- und Anhoͤrung loͤblicher und denkwirdiger
Geſchichten ſuche und empfinde. Ladiſla bedankete ſich anfangs des hohen Erbietens/ wel-
ches er zwar nicht verdienet haͤtte/ und doch vor den gluͤkſeligſten Ritter ſich ſchaͤtzen wuͤr-
de/ dafern ſie ihn deſſen wirdig hielte. Sagte hernach; die Geſchichte waͤhre kurz und viel-
leicht
[41]Erſtes Buch.
leicht unlieblich/ abeꝛ die Urſach ſeiner Erinnerung unterſchiedlich/ moͤchte auch Wuͤnſchẽ/
daß uͤber die Menſchen/ deren er gedenken wuͤrde/ ſie ihre Urtel ohn einige Gunſt oder Un-
gunſt zu ſprechen/ ihr koͤnte gefallen laſſen/ und zwar ſolcher Geſtalt/ als ſie uͤber ſich ſelbſt
in gleichen faͤllen wolte geſprochen haben. Mein Verſtand im Urtelſprechen/ ſagte ſie/ iſt
ſehr ſchlecht und kindiſch/ doch meine unmaßgebliche Meynung daruͤber anzudeuten/ bin
ich meinem Herren gerne Gehorſam. Hierauff nun fing Ladiſla alſo an: In meinem Va-
terlande lag eine wunderſchoͤne Jungfer in einem tieffen Turm gefangen/ woſelbſt ſie von
gifftigen Schlangen und allerhand ſchaͤdlichem Ungezieffer gar uͤmringet wahr/ daß
Menſchlichem Anſehen nach/ unmoͤglich ſchien/ ſie daraus haͤtte koͤnnen errettet werden.
Sie wahr aller ihrer Kleider beraubet/ mit Haͤnden und Fuͤſſen angeſchloſſen/ daß ſie we-
der weichen noch ſich wehren kunte/ und erwartete alle Augenblik/ wann daß Ungezieffer/
welches mit dem vergiffteten anhauchen ihr ſchon draͤuete/ ſie anfallen und verzehren wuͤr-
de. Nun fuͤgeten es die Goͤtter/ daß ein Ritter ohngefehr voruͤber ging/ ihr klaͤgliches Ge-
ſchrey hoͤrete/ und zu allem Gluͤk einen loſen Stein in der Untermauer des Turmes an-
traff/ welchen er außhub/ und ſich in die Gefaͤngnis hinunter ließ/ machte ſich an das giff-
tige Gewuͤrm/ zutrat ſie/ und fuͤhrete die Jungfer frey und geſund heraus/ ſo gar/ daß ſie
nachgehends niemand weiter beſprechen durffte/ weil ihre Unſchuld ans Licht kam. Die
Jungfer bedankete ſich mit worten hoͤchlich gegen den Ritter/ verſprach auch die geleiſtete
Rettung in der Taht zu vergelten/ und noͤhtigete ihn mit zu gehen/ damit ſie ihm ſeine
Dienſte belohnen koͤnte. Dieſer wahr hierzu willig und folgete nach/ biß ſie zu einem ver-
borgenen tieffen Loche kahmen/ dahinein ſties ſie dieſen frommen gutherzigen Ritter/ legte
einen Stein vor das Loch/ daß es kein Menſch erfahren ſolte/ ging davon/ und lies ihn elen-
dig ſterben und verſchmachten. Hieſelbſt wolle nun mein Fraͤulein/ gethanem Verſpre-
chen nach/ ohn alles anſehen Urteilen/ was der Ritter wegen geleiſteter Rettung; die Jung-
fer aber vor ihre Dankbezeigung verdienet habe. Frl. Sophia antwortete; Mein Herr/
ich entſetze mich uͤber dieſer Erzaͤhlung/ und haͤtte nicht gemeinet/ daß ſo groſſe Boßheit
bey einigem Menſchen/ geſchweige bey einem Weibesbilde ſolte gefunden werden; da auch
meine Urtel gelten ſolte/ ſpreche ich ohn Gunſt und Ungunſt/ wie ich uͤber mich ſelbſt wolte
ſprechen laſſen/ daß dieſe ſchnoͤde Jungfer verdienet/ vor erſt in die vorige Gefaͤngnis ge-
worffen/ und mit zehenfachen Unzieffer geplaget zu werden; jedoch/ dafern mein Herr mich
berichten wird/ ob auch der Ritter dieſe Jungfer nach geſchehener Erloͤſung an ihren Eh-
ren gekraͤnket habe; wo nicht/ muß die Urtel billig guͤltig ſeyn/ wie geſagt; der Ritter aber
ſolte nicht allein errettet/ ſondern zum Herren uͤber alle ihre guͤter eingeſezt werden; ſolte
uͤber daß taͤglich viermahl hingehen/ und an der Straffe ſeiner Feindin ſich ergetzen; auch
das Gewuͤrm reizen/ daß es dieſer grauſamen und Undankbaren die aller empfindlichſten
Schmerzen anlegete. O mein Fraͤulein/ antwortete Ladiſla; der guͤtige Himmel wende ja
dieſe Urtel/ und laſſe vielmehr alles uͤber mich ergehen. Sie erblaſſete vor ſchrecken uͤber
dieſe Worte/ und ſagete zu ihm; Wie ſo mein Herr? habe ich ihm zum Verdries geur-
teilet/ warumb hat er mich dann ſo hoch da zu vermahnet? Ach ach/ ſagte er/ ich kan dieſer
Urtel nicht beypflichten/ weil die Jungfer mir lieber/ als mein eigen Herz; der Ritter aber
mir ſehr verwand iſt. Jezt merkete ſie ſein Raͤzel/ wohin es zielete/ taht aber nicht deßglei-
Fchen/
[42]Erſtes Buch.
chen/ ſondern gab zur Antwort: Eure Liebe und Freundſchafft mein Herr/ iſt mir aller-
dinge unwiſſend; unter deſſen aber halte ich meine Urtel den Rechten noch gemaͤß. O
mein Fraͤulein/ ſagte er/ viel zu ſtraͤnge viel zu ſtraͤnge[!] warumb aber zu ſtraͤnge? fragte
ſie; ich meine/ der Himmel ſelbſt werde meinen Schluß billichen/ als welcher nichts ſo ſehꝛ/
als die Undankbarkeit haſſet; moͤchte doch gerne von ihm hoͤren/ wie ich die Urtel anders
faſſen ſolte. Meine Meynung waͤhre/ antwortete er/ es ſolte dieſe Jungfer vor erſt gehal-
ten ſeyn/ den unſchuldigen frommen Ritter aus dem Loche zu ziehen/ und ihm eine beſſere
Dankbarkeit zu erweiſen; wuͤrde hernach der Ritter zugeben koͤnnen/ welches ich doch nit
glaͤube/ daß ſie in vorige Gefaͤngniß gelegt wuͤrde/ ſtuͤnde davon zu rahtſchlagen/ wie/ wel-
cher geſtalt/ und wie lange; ja wuͤrde der Ritter nicht klagen/ ſo beduͤrffte es keines weitern
Spruchs. Bey meiner Traͤue/ ſagte ſie/ es waͤhre eine wolbedachte/ aber gar gelinde Ur-
tel an der Jungfern Seite/ und geſchaͤhe uͤber das dem Ritter kein Genuͤgen. Meiner
Fraͤulein Spruch aber/ ſagte er/ wuͤrde gar zu ſcharff ſeyn/ nicht minder wider den Ritter/
als die Jungfer ſelbſt/ ungeachtet der Ritter ihr zuvor kein Leid angetahn. Gegen den Rit-
ter zu ſcharff; Dann es moͤchte ſeyn/ daß nach ſeiner Erledigung er ſeine Liebe zu jhr/ nicht
ablegen koͤnte/ und wol lieber ſterben/ als ſie unter den Wuͤrmen verderben laſſen wolte.
Alſo wuͤrde die geſprochene Urtel den unſchuldigen mit dem ſchuldigen treffen. Gegen
die Jungfer zu ſcharff; dann es moͤchte ihr das uͤbel nachgehends leid werden; haͤtte uͤber
das/ weil der Ritter ja erlediget waͤhre/ den Tod nicht verdienet/ ſondern ſtuͤnde vielleicht
in deſſen ferner Wilkuͤhr/ mit jhr zu handeln. Mein Herr/ ſagte ſie hierauff/ ich bin viel zu
ſchlecht und unverſtaͤndig/ dieſen wichtigen Einwurff zu loͤſen; erlerne auch daher/ wie ein
ſchweres Werck das Richter Amt ſey/ welchem Unerfahrne keines weges ſollen vorgeſezt
werden; Daher auch mein Herr uͤbel getahn/ daß er mich vor eine Richterin auffgeworf-
fen hat. Wann mir aber keine Frage verarget wuͤrde/ moͤchte ich wol wiſſen/ ob auch jez-
gedachter Ritter ſo wol Standes als Tugend halber wirdig geweſen/ von dieſer Jungfer
nicht allein loßgelaſſen/ ſondern auch geliebet zu werden. Ladiſla merkete ihre Verſchla-
genheit/ daß ſie ſeinen Vorſaz errahten hatte/ und zugleich ſich ſeines Standes erkuͤndigẽ
wolte/ und gab zur Antwort: So viel mir bewuſt/ hat dieſer Ritter ſtets nach Ehr und Tu-
gend geſtrebet/ ſich aber aͤuſſerlich uñ vor den Leuten aus hoͤchſtwichtigẽ Urſachen ſchlecht
und geringe gehalten/ ungeachtet er von hohem/ ja von dem hoͤchſten Stande ſeines Vater-
landes wahr. Vielleicht hat dann die Jungfer/ ſagte ſie/ ſeines Herkom̃ens keine Wiſſen-
ſchafft gehabt/ ſonſt wuͤrde ſie ohn zweifel ſich ſo unfreundlich gegen ihn nicht verhalten
haben; und dafern dem alſo/ haͤtte der Ritter/ meiner Einfalt nach/ ſehr wol getahn/ wann
er bald anfangs ſich ihr haͤtte zu erkennen gegeden. Es ſtund wegen eines ſchweren Geluͤb-
des in ſeiner Macht nicht/ antwortete er/ ſonſt haͤtte er vielleicht der Jungfer ohn einiges
Bedenken ſein ganzes Herz vertrauet; Und was meinem hochwerten Fraͤulein ich anjezt
voꝛgetragen/ kan ich anders nicht rechnen/ als ein lebendiges Vorbilde meines jetzigen un-
ſals. Sie hoͤrete den Fuchs wol ſchleichen/ weil er ohn das nicht ſo gar leiſe niedertrat/ ließ
ſichs doch nicht merken/ ſondern fragete als mit Verwunderung; Wie mein Herr? iſt ihm
dann ehmahls deßgleichen auch begegnet/ ſo erfreue ich mich ſeiner erꝛettung von ganzem
Herzen/ weil ohn dieſelbe ich nicht wuͤrde errettet ſeyn; Und hat er daher ſich wol vorzu-
ſehen/
[43]Erſtes Buch.
ſehen/ daß er nicht allem aͤuſſerlichen Schein traue/ inſonderheit/ weil ſein Verluſt vielen
Nohtleidenden zum Verderben gereichen wuͤrde/ die ſich ſeiner Rettung/ als lange er le-
bet/ zu getroͤſten haben. Ich vor meine Wenigkeit/ werde die mir erwieſene zu preiſen wiſ-
ſen/ ſo lange ich mich ſelbſt kennen kan/ und daneben bemuͤhet ſeyn/ meinem Ehren- und Le-
bens Schuͤtzer eine beſſere Dankbarkeit/ als gedachte ſeine Landmaͤnnin/ zu erzeigen. Ladiſla
wolte nun laͤnger nicht unter dem Huͤtlein ſpielen/ ſondern fing mit bewaͤglicher Rede an:
O mein außerwaͤhltes Fraͤulein/ wie ſo hohe Vergnuͤgung iſt es meiner Seele/ daß mit
meinen geringen Dienſten ich ihrer Vortrefligkeit einigen beyſtand getahn und tuhn koͤn-
nen; wird auch/ weil ich lebe/ und deſſen gedenken kan/ meinem Herzen die allergroͤſſeſte
Freude ſchaffen/ in ſonderheit/ weil derſelben/ es zu gedenken/ behaͤglich iſt. Aber O daß ent-
weder ich blind/ oder mein Fraͤulein unſichtbar geweſen/ und noch waͤhre/ daß ihre auß-
buͤndige Schoͤnheit mir unwiſſend ſeyn moͤchte/ weil durch dieſelbe ich leider in die grund-
loſe Liebes-Grube geſtuͤrzet bin/ in welcher ohn jhre Rettung/ die allem anſehen nach/ ich
nicht eins zu hoffen habe/ ich gewißlich umbkommen und verderben muß. Aber du gefan-
gener Ladiſla/ nim den Lohn deiner Verwaͤgenheit nur gutwillig an/ weil du liebeſt/ da du
deiner Liebe keinen Grund findeſt/ und daſelbſt zu lieben begehreſt/ wo deine Seele nicht
hafften kan; jedoch verſuche noch einmahl zu guter lezt/ ob das vortrefliche Fraͤulein zur
Erbarmung und Mitleiden koͤnne erweichet werden/ und ſie dich auß dieſem Verderbens-
loche loßreiſſen wolle/ dahinein dich jhre Schoͤnheit geſtoſſen; wo nicht/ ſo bitte die Goͤtteꝛ/
daß ihre ſelbſt geſprochene Urtel ſie ja nicht treffen moͤge/ du lebeſt gleich mit ihr/ oder ſtir-
beſt ihretwegen. Hiemit endete er ſeine Rede/ und hing auff dem Pferde als in halber Oh-
macht; Welche Verenderung das Fraͤulein aus ſeiner Stille und Farbe merkend uͤber-
auß hoch erfchrak/ druͤckete ihm die Hand und ſagete: Begreiffet euch/ mein hochwerter
Herr und Freund/ oder beſſer zu ſagen/ mein Ritter und Erretter von den boͤſen Wuͤrmẽ
und gifftigen Schlangen/ welche freylich mich gefangene und nackete ſchon anhaucheten/
und zu erwuͤrgen draͤueten. Ich erkenne ja die hohe Woltaht eurer Erloͤſung/ und billich/
wolte auch lieber eines boͤſen Todes ſterben/ als einen ſo hochver dienten Freund in einiges
Ungluͤks Loch ſtoſſen/ oder zu ſeinem Verderben die allergeringſte Urſach geben. Ich bitte
aber ganz freundlich/ mir ein widriges nicht anzutichten/ welches mir/ bey des Himmels
Zeugniß/ nie in den Sinn kommen iſt. Ich verſtehe zwar in etwas/ wohin er mit ſeiner Er-
zaͤhlung gezielet/ aber nimmermehr werde ich leiden/ daß die Außdeutung auff mich koͤnne
gerichtet werden; So iſt auch meine Schoͤnheit bey weitem noch der Vortrefligkeit nicht/
daß ein ſolcher volkommener Ritter durch dieſelbe ſolte koͤnnen eingenommen oder gefan-
gen werden; Iſt aber etwas an mir/ welches ihm gefallen moͤchte/ erachte durch ſeine Wol-
tahten ich mich verbunden/ ſolches vielmehr zu ſeiner Vergnuͤgung als Verderben an zu-
wenden; Nur bitte ich inſtaͤndig und von herzen/ mein Freund und Erloͤſer wolle in eine
annoch Unbekante nicht weiter dringen/ als dieſelbe ſich zu erklaͤren/ Macht und Gewalt
hat/ auch Jungfraͤuliche Zucht und Scham ihr zulaſſen wil. Ja mein Fraͤulein/ antwor-
tete er: Wann hungerige Magen und durſtige Herzen mit Worten koͤnten erſaͤttiget und
gelabet werden; Was hilfft mir hungerigen die Farbe und Geruch eines ſchoͤnen wol-
ſchmeckenden Apffels/ wann ich jhn nur auff dem Baume ſehen/ und nicht genieſſen ſol;
F ijwird
[44]Erſtes Buch.
wird nicht meine Begierde nur dadurch gepeiniget? Mein Herr/ antwortete ſie/ was wuͤr-
de er dann des ſchoͤnen Apffels achten/ wann er jhn zuvor in den Koht getreten haͤtte/ daß
er durch und durch beſudelt wuͤrde? wuͤrde er denſelben nicht als bald verfluchen/ und einen
Abſcheu daran haben? Verflucht ſeyn alle/ ſagte er/ die ſolchen unbillichen Vorſaz haben!
und wie ſolte ich den lieben Apfel in Koht werffen/ deſſen Nieſſung ich umb alles mein Gut
loͤſen wolte/ meinen dringenden Hunger zu ſtillen? Das Fraͤulein antwortete: Mannicher
Luſthunger iſt ſo unordentlich und boͤſe/ daß er auch die Speiſe verdirbet/ die durch deſſen
Antrieb genoſſen wird. Ey ſo ſey auch der verflucht/ ſagte er/ welcher ſolchen ungebuͤhrli-
chen Luſthunger bey ſich hat; Ich beteure es/ mein Fraͤulein/ ſo hoch ein Ritter kan und ſol/
daß mit keiner anderen/ als auffrichtiger getraͤuer und keuſcher Liebe ich derſelben zuge-
tahn bin/ ſo daß ich lieber eines grauſamen Todes ſterben/ als einige Unbilligkeit ihr zu-
muhten wolte; hat aber mein Fraͤulein etwa ſchon einem andern ſich ſelbſt zugedacht und
ergeben/ bitte ich/ mich ſolches wiſſen zu laſſen/ damit auff ſolchen Ungluͤksfall ich zeit mei-
nes Lebens beklagen moͤge/ daß ich ſo ein liebes Taͤubelein einem andern zum beſten/ aus
des Geiers Klauen habe helffen loßreiſſen. Nein mein Herr/ fiel ſie ihm in die Rede/ er hat
ſich zu verſichern/ daß wie ich zeit meines Lebens von keinem Mannes bilde/ als heut dieſen
Tag bin angeſucht/ alſo habe ich auch noch keinen zu meiner Liebe erkieſet; jedoch ſein Er-
bieten/ mein Freund/ nehme ich mit gutem Herzen auf; Daß ich aber ihm voͤllige Antwoꝛ[t]
nicht folgen laſſe/ wird er mir ja nicht verargen/ angeſehen/ ihm mein und der meinigen zu-
ſtand annoch allerdinge unbekant iſt/ und ich nicht wiſſen kan/ ob er mit ſolchem hernaͤhſt
werde friedlich ſeyn; bin auch verſichert/ daß mein Herr mirs dereins auffruͤcken wuͤrde/
wann in ſo weniger Kundſchafft ich mich ſo weit vergehen/ und nach ſeiner Anſuchung
ohn meiner lieben Eltern Bewilligung/ die ein ſolches umb mich nicht verſchuldet/ mich
in unſtaͤndiger Frecheit außdruͤklich erklaͤren ſolte. Laſſet euch/ bitte ich/ ein Zeichen mei-
nes guten Willens ſeyn/ daß wie er der erſte iſt/ von dem ich dergleichen Anmuhtungen
bekommen/ ich von Herzen wuͤnſche/ daß ichs von keinem in der Welt mehr hoͤren moͤge;
welche lezte Worte ſie zu ſeinem Troſte nicht ohn ſtarke Schamroͤhte mit leiſer Stimme
hervorbrachte. Ladiſla merkete aus dieſer Antwort/ daß ſie nicht willens wahr/ ihm ihre
Liebe unbedinget zu verſprechen/ ehe ſie ſeines Standes unterrichtet waͤhre; hatte ſich auch
ſchon auff eine vernuͤnfftige Antwort geſchicket; Aber ſie naheten dem Stad Tohr/ daß das
Fraͤulein abſteigen/ und ſich auff ein Pferd ſetzen/ auch boͤſe Nachrede zu meiden/ von ſei-
ner Seiten ab/ ſich zu ihren Geſpielen begeben muſte/ welches ſie mit ſolcher Freundligkeit
taht/ daß er ihre gute Gewogenheit wol verſpuͤrete. Ladiſla und Fabius nahmen Herkules
wider ſeinen Willen in die Mitte/ und wolten gleich zur Stadt einreiten/ da Klodius aus
der Ordnung ſich vor ſeinem Herrn ſtellete/ und jhn ſeines heutigen Verſprechens erin-
nerte/ auch von jhm Erlaͤubniß bekam/ ſein Anliegen vorzutragen; Worauff er Herrn Ka-
jus Fabius alſo anredete: Ihr werdet euch beſinnen/ Ritter/ was geſtalt ihr bey eurer er-
ſten Ankunfft/ meine Ritterliche Ehr zu kraͤnken euch unterſtanden/ und mich vor einen
Dieb und Raͤuber außgeruffen; Weil ich aber ſolcher Untaht mich allerdinge frey weiß/
und ſo wol ein Roͤmiſcher aͤdelman bin als ihr/ ob gleich wegen Abgang zeitlicher Guͤter/
uñ etwas zu erfahren/ ich mich/ meines Adels ungeſchaͤndet/ in meines Gn. Herrn Dien-
ſte be-
[45]Erſtes Buch.
ſte begeben/ ſo bin ich bereit und erboͤtig/ meine Ehe mit der Faſt zu handhaben/ umb zu er-
weiſen/ daß ihr mit Unwarheit mich vor ſolchen Unmann außgeruffen; ſage euch deß we-
gen ab/ und fodere euch zum Kampff/ es ſey mit dem Speer oder Schwert/ oder bey des.
Herkules ward auff ſeinen Diener zornig/ und ſagte zu ihm: Nimmermehr haͤtte ich ge-
dacht/ daß du mir dieſen Schimpff machen wuͤrdeſt; ſo haſtu mir auch den Mann nicht
genennet/ mit dem du es zu tuhn haͤtteſt/ ich wolte dieſen Span ſonſt leicht entſchieden ha-
ben. Fabius hielt bey Herkules umb Verzeihung an/ und gab ſeinem Außforderer zur
Antwort: Ritter/ ich meyne nicht anders/ als daß ich meines Irtums wegen einen Wie-
deruff getahn/ ſo bald ich deſſen inne worden bin; weiß auch von euch nichts unehrliches/
ſondern halte euch vor den ihr euch außgebet; Weil ihr aber damit nicht koͤnnet friedlich
ſeyn/ und Luſt habt/ euch mit mir zu verſuchen/ wil ich euch gerne zu willen ſeyn/ damit jhr
hernach moͤget auffhoͤren euch weiters uͤber mich zu beſchweren. Herkules wolte ſeinem
Diener den Kampff verbieten; derſelbe aber wante ein/ ihre Gn. moͤchten bedenken/ was
jhm hierauß vor ein Schimpff entſtehen wuͤrde/ und muͤſte er eines ſolchen Herrn unwir-
dig ſeyn/ wann er ſeiner Ehren keine gebuͤhrliche Obacht haͤtte. So hielt Fabius ſelbſt bey
Herkules an/ nicht weiter darzwiſchen zu reden/ weil ja auff geſchehene Außfoderung Rit-
ters gebuͤhr muͤſte geleiſtet werden. Alſo muſte ers endlich/ wiewol mit hoͤchſtem Unwillen
geſchehen laſſen. So bald Fabius ſeinen Harniſch und etliche Speer hatte herzu hoh-
len laſſen/ reichete er Klodius eines/ und zeigete jhm den Kampffplaz/ wohin er ihm bald
folgen wolte; Wie dann auff deſſen Ankunfft der Ernſt ohn verweilen vorgenom̃en ward/
da ſie behutſam auff einander ranten/ daß die Speere Splitterweiſe in die Lufft flogen/
und keiner gefellet ward; deßwegen ſie andere Speere foderten/ die man jhnen mit unwil-
len gab/ weil die Zuſeher ſagten; ſie haͤtten ihren Ehren beyderſeits ein Genuͤgen getahn;
welches ſie aber nicht achteten/ und Fabius zur Antwort gab: Die Goͤtter behuͤten mich
vor dieſen Schimpf/ daß ich ſo ſchlecht vom Platze reiten ſolte; viel beſſer/ ich werde davon
getragen. Wageten darauff den andern Saz/ daß ſie beyde hint er ſich bogen; aber noch un-
verwendet den Lauff zu ende brachten; muſte alſo der dritte Fall mit neuen Speeren ge-
waget ſeyn/ und hielten bey derſeits ihren Gegener vor einen handfeſten Ritter. Sie nah-
men jhnen vor/ in dieſem Treffen Biſchoff oder Bader zu ſpielen/ ranten auch ſo ungeſtuͤm
auff einander/ daß nach Brechung der Speere Roß und Mann mit den Leibern zuſam̃en
ſtieſſen/ und Fabius ſamt dem Pferde uͤbern hauffen fiel/ Klodius aber eine Splitterwun-
de in den Arm bekam/ und vom Pferde ſtuͤrzete; wahren doch beyde geſchwinde auff/ grif-
fen zu den Schwertern/ und wolten damit erſetzen/ was die Speere nicht verrichten moͤgẽ.
Herkules aber ſetzete ſich zwiſchen ſie/ uñ hielt bey Fabius durch bitte an/ ſich des Schwert-
ſtreits zubegeben. Zu Klodius aber ſagte er bedraulich; dafern er nicht einhalten wuͤrde/
ſolte ers mit ihm zu tuhn habẽ; welcher darauf zur antwort gab: Gn. Herr/ ich gelebe eures
befehls; aber Fabius wird mich vor einen redlichen Ritter erkennen. Ich habe euch nie an-
ders gehalten/ ſagte dieſer; haͤttet auch wenig uꝛſach zu dieſem Streite gehabt/ angeſehẽ ich
eine gedoppelte Verzeihungsbitte bey euch abgelegt. Ja Herr Fabius/ antwortete er/ ihr
wiſſet ſehr wol/ dz ſichs dergeſtalt mit Ritters Ehr nit ſcheꝛzen odeꝛ ſpielẽ laͤſſet. Die Schelt-
worte wahren oͤffentlich geſprochen/ aber nit oͤffentlich widerruffen/ welches ich euch auch
nicht an muhten wollen/ nunmehr aber bin ich vergnuͤget/ und gelebe hinfort euer Diener.
F iijNicht
[46]Erſtes Buch.
Nicht mein Diener/ ſagte Fabius/ ſondern mein Freund und Mit-Roͤmer; und daß ihr
meines Irtuhms wirkliche Erkaͤntniß habt/ wil ich euch mit einem guten Pferde/ volſtaͤn-
diger Ruͤſtung/ und 500 Kronen verfallen ſeyn. Zeit wehrendes Kampffes/ wahr Frl.
Sophia wegen ihres Bruders ſehr leidig/ aus furcht/ ihm moͤchte ein Unfall begegnen/
weil ſolche Spiele groſſen teils in Gluͤkshaͤnden ſtehen; fing auch an/ vor angſt laut zu ruf-
fen/ da ſie jhn mit dem Pferde ſtuͤrzen ſahe; und kunte Frl. Urſula ihre Liebe ja ſo wenig ber-
gen/ ſo daß wenig fehlete/ ſie aus Ohmacht vom Pferde geſtuͤrzet waͤhre. Nach dem aber
der Streit geendiget/ und Fabius ohn allen Mangel blieben wahr/ ohn daß er im falle die
lincke Hand verſtoſſen hatte/ die ihm als bald wiedeꝛ eingerichtet ward/ legten ſie jhre Angſt
und Sorge ab/ bekahmen jhre gewoͤhnliche Farbe wieder/ und ritten ingeſampt der Stadt
zu/ da ſie von der Buͤrgerſchaft mit einem Freudengeſchrey empfangen wurden/ jhre Froͤ-
ligkeit an den Tag zu geben/ daß der vornehmſten Herren Toͤchter/ unverlezt jhrer Ehren
wieder erlediget wahren/ wie man jhnen durch einen Reuter hatte laſſen andeuten. Her-
kules/ Ladiſla und Fabius ritten forne an/ denen die drey Fraͤulein mit ihren zuriſſenen
Kleidern folgeten/ und wunderten ſich alle Zuſeher/ wer die beyden junge Herren waͤh-
ren/ denen Fabius (welcher ſchon ein Roͤmiſcher Rittmeiſter wahr) ſo groſſe Ehre
taht/ und ihnen die Oberſtelle gab. Etliche ſageten/ es waͤhren vornehme Roͤmiſche
Herren/ des Stathalters nahe Anverwanten/ welche nur zum Poſſen die Fraͤulein ent-
fuͤhret haͤtten/ ihnen einen kurzweiligen Schrecken einzujagen. Andere gaben vor;
die Fraͤulein haͤtten es mit ihnen alſo angelegt/ ſie heimlich zu entfuͤhren/ weil ſie ſich
mit ihnen wieder der Eltern Willen verliebet/ und dieſelben nunmehr Gott danken wuͤr-
den/ daß ſie einwilligten/ nach dem ſie etliche Stunden mit ihnen im Puſche allein geweſẽ.
Andere brachten ein anders auff die Bahn/ nach dem ein jeder ſeinen eigenen Gedanken
nachhaͤngete/ und dieſelben vor Warheit angeben duͤrffte. Als ſie vor des Stathalters
Herren Quintus Fabius herlichen Hoff kahmen/ und derſelbe mit ſeinem Gemahl Fr.
Sabina Pompeja biß vor das aͤuſſerſte Tohr an der Gaſſen hervor gangen wahr/ ſahe der
junge Fabius ſie ſtehen/ zeigete ſie ſeinen Gefaͤrten und ſagete: Dorten warten meine El-
tern auff uns/ daß ſie uns empfangen moͤgen; und als er naͤher kam/ ſtieg er ab vom Pferde/
trat zu ihnen hin und ſagete: Dieſe beyde Helden haben unſere Fraͤulein aus den Faͤuſten
der fuͤnff aller verwaͤgenſten Raͤuber maͤchtig er rettet/ uñ bey ihren jungfraͤulichen Ehren
ſie erhalten/ die ohn ihre Huͤlffe nicht haͤtte koͤnnen geſchuͤtzet werden; davor wir dann
ſchuldig ſind/ Zeit unſers lebens ein dankbares Herz gegen ſie zu tragen. Unſere Helden
wahren auch ſchon abgeſtiegen/ und verwunderten ſich uͤber daß herliche Anſehen des
Stathalters/ der ein Herr ohngefehr von 52 Jahren wahr; Er hatte einen ſchoͤnen breiten
Bart/ welcher Anfing ſich grau zu faͤrben; hielt einen Helffenbeinen Stab in der Hand/
und ſtunden ſechs Diener hinter ihm in roht gekleidet. Er wahr mittelmaͤſſiger laͤnge/
ſtark von Leibe/ eines kaͤſten braunen Haars mit etwas grau vermiſchet/ und braͤunlich
von Angeſicht/ groſſer Stirn/ und ſcharffſichtiger Augen. Sein Gemahl vom Gebluͤte des
groſſen Pompeius/ welcher ehemahls mit Kajus Julius Kaͤyſer umb der Welt Herſchaft
ſtritte/ ſtund ihm zur linken; eine gar ſchoͤne Frau/ zimlicher laͤnge und etwas feiſt/ ihres
Alters XLI Jahr/ hatte ſich ihrem Gemahl gleich in ſchwarzen Sammet mit guͤldenen
Blu-
[47]Erſtes Buch.
Blumen gekleidet/ welches ihr ein treffliches Anſehen gab. Sie wahr lebhaffter Farbe/
doch mehr weiß als roht/ und nach ihrem Alter ſehr jung anzuſehen; eingezogener und ſtil-
ler Sitten/ und dabey zu zeiten etwas ſchwermuͤhtig; begegnete ihrem Gemahl mit ge-
buͤhrlichem Gehorſam und lies ihr die Haußſorge inſonderheit angelegen ſeyn/ umb wel-
che ſich ihr Herr wenig bekuͤmmerte. Als dieſe beyde ihres Sohns Rede vernahmen/ wie
wol ihnen ſchon vorhin die geſchehene Rettung angemeldet wahr/ erfreueten ſie ſich doch
von neuen/ und redete der Stathalter unſere Helden/ gleich da ſie ihm den demuͤhtigen
Handkuß leiſten wolten/ alſo an: Hochaͤdle mannhaffte Ritter/ daß eure Tugend euch auf-
gemahnet hat/ meine einige Tochter/ und ihre Geſpielen/ meine Baͤßlein/ von den un-
zuͤchtigen Raͤubern zu erloͤſen/ und ſie vor Schande zu bewahren/ davor bedanken wir uns
billig/ und von Herzen/ werden auch/ ſo weit unſer Vermoͤgen ſich erſtrecken wird/ die wirk-
liche Dankbarkeit ſehen zu laſſen/ unvergeſſen ſeyn/ in hoffnung/ den Abgang an unſer Sei-
te/ werden die reichen Goͤtter erſetzen. Vor dißmahl halte ich bey jhnen bitlich an/ meine
Wohnung durch jhr einkehren zubeſeligen/ und mit dem/ was das Hauß in der eile Ver-
moͤgen wird/ freundlich vor lieb und gut zunehmen/ wie in betrachtung ihres ſehr geneige-
ten willens/ ich mich deſſen zu ihnen ungezweiffelt verſehe. Unſere Helden tahten ihm und
ſeinem Gemahl groſſe Ehre/ entſchuldigten ſich mit ihrer unwirdigkeit/ und daß ſie ſo ho-
hes Erbieten/ Zeit ihres lebens mit keinem Wort zuerſetzen vermoͤchten/ viel weniger waͤh-
ten ſie der wirde/ daß ſo ein maͤchtiger Roͤmiſcher Herr und Kaͤyſerl. Stathalter ihnen
biß auff die Gaſſe entgegen treten/ und ſie daſelbſt muͤndlich Einladen und empfangen ſol-
te; bahten ſehr/ ihre Gn. wolten in ihren Hoff einkehren; ſie als gehorſame Diener waͤhren
demſelben auffzuwarten bereit und ſchuldig. In deſſen hatte man den Fraͤulein ingeſamt
von den Pferden geholffen/ da Frl. Sophia ſich zu ihrer Fr. Mutter nahete/ und von ihr
mit freuden traͤhnen empfangen und geherzet ward/ weil ſie dieſe Tochter mehr als ſich
ſelbſt liebete. Herr Kornelius/ Frl. Urſulen; und Herr Emilus/ Frl. Helenen Vater/ bey-
de ſehr maͤchtige und reiche Stadjunkern und Rahts Herren von Rom/ die zu Padua ih-
re Hoͤffe und ſtatliche Landguͤter hatten/ und daſelbſt lieber als in Rom lebeten/ kahmen
darzu/ und funden ihre geliebete Toͤchter und einige Kinder friſch und geſund wieder/ deſ-
ſen ſie ſich herzlich freueten/ und vor beſchehene Rettung ſich ſehr hoch erbohten; zu denen
der Stathalter ſagete: Geliebte Herren Schwaͤgere und Bruͤder/ ſie werden ſich gefallen
laſſen/ mit mir einzukehren/ und dieſen Erloͤſern unſerer Kinder annehmliche Geſelſchafft
leiſten/ wie ſie daſſelbe nicht weniger umb euch/ als mich verdienet haben/ und wir demnach
durch die erbare Billigkeit gehalten ſind/ ihnen eine moͤgliche Wiederkehr zu thun. Hie-
ſelbſt wolten nun die Fraͤulein auff der Gaſſe ihren Eltern erzaͤhlen/ in was groſſer Gefahꝛ
ſie geweſen/ und durch dieſer Ritter Mannheit erlediget waͤhren; aber der Stathalter ſag-
te zu ihnen: Geliebte Kinder/ eure zuriſſene Kleider ſind Gefahrszeichen gnug; aber daß
einſame Luſtfahren/ hat wol ehemahl einer Jungfer den teureſten Kranz gekoſtet; und wuͤꝛ-
de ich euch ein ſolches wol nicht eingewilliget haben/ da ichs zeitiger erfahren haͤtte; je-
doch/ geſchehene Dinge ſind nicht zu endern/ wie wol ihr eine rechtſchaffene Straffe ver-
dienet/ und mein Gemahl nicht weniger/ die den Toͤchterchen dieſen leichten Willen ſo
bald/ und ohn mein Vorwiſſen geſtattet hat. Ich mag euch aber vor dieſen fremden Her-
ren
[48]Erſtes Buch.
ren weiters nicht beſchaͤmen/ noch mit mehrer Zuͤchtigung auffhalten/ weil eure leere Ma-
gen ohn zweiffel rechtſchaffen murren/ und wird Zeit ſeyn/ die Mahlzeit zuhalten/ wo mit
wir biß auff eure Wiederkunfft gewartet. Wann ihr nun den Madenſak werdet gefuͤllet
haben/ wird noch Zeit uͤbrig ſeyn/ den Verlauff eurer Entfuͤhrung/ und erfolgeten gluͤkli-
chen Rettung zuerzaͤhlen. Hierauff nam er Herkules/ ſein Gemahl aber Ladiſla bey der
Hand und fuͤhreten ſie in den Vorhoff/ deſſen Hintergebaͤu von Marmel und Alabaſter
ſehr koͤſtlich auffgebauet/ und Koͤniglich gezieret wahr. Da ſahe man an den waͤnden die
alten Roͤmiſchen Geſchichte ſo eigentlich und Kunſtreich abgemahlet/ daß es Wunder
wahr. Gar zu foderſt im Eingange ſtund eine ſehr groſſe aus Korintiſchen Erz gegoſſene
Woͤlffin auff einer Saͤule/ zehen Ellen hoch/ die hatte von ihren Haaren ein Neſt ge-
macht/ worinnen zwey kleine ganz nackete Knaͤblein lagen/ und an der Woͤlffin Euter hin-
gen/ die mit den hinter- und foͤrder Fuͤſſen ſich in artiger Stellung hielt/ das die Kinder-
chen hinzu reichen kunten. Frl. Sophia/ die mit ihren Geſpielen allernaͤheſt hinter ihren
Eltern herging/ trat hervor/ und ſagte zu unſern Helden; Ihr meine Herren/ geliebt euch
zu ſehen die erſten Erbauer unſer Stadt Rom/ den Romulus und Remus/ wie ſie von der
Woͤlffin ſind geſaͤuget worden/ ſo koͤnnen ſie ein wenig ſich nach der Rechten umſehen. Ja
mein Fraͤulein/ antwortete Herkules/ wir bedanken uns der Ehren; und iſt dieſer trauen
nicht ein ſchlimmer Meiſter geweſen/ der die Geſchichte ſo lebhafft hat abgieſſen koͤnnen/
deßgleichen mir zu Rom ſelbſt nicht vorkommen iſt. Sie gingen weiter durch den andern
Schwibogen in den innern Hoff/ da Romulus und Remus in ihren Waffen ſtunden/ und
mit erhobenen Angeſichtern acht gaben/ welchem unter ihnen die Voͤgel daß erſte Gluͤk-
zeichen der Herſchafft geben wolten; und fing das Fraͤulein aber an; Sehet da/ mein Herr
Ladiſla/ zween leibliche Zwilling-Bruͤder; unter denen aber bey weitem ſo veſte Vertrau-
ligkeit und Liebe nicht wahr/ als zwiſchen meinem Herren und ſeinem Freunde Herkules
ſich findet; maſſen dieſe ſich umb die Herſchafft zanken und gar erſchlagen/ da hingegen
ihr nur ſuchet/ wie einer dem andern ſich unterwerffen/ und von ihm befehliget werden
moͤge. Frau Pompeja hoͤrete ihren Reden zu/ und gefiel ihr der Tochter Geſpraͤch nicht uͤ-
bel; ſagte demnach zu ihr; Geliebtes Kind/ du redeſt mit dieſen beyden Herren/ als ob du ſie
von langer Zeit her kenneteſt/ und ihres ganzen lebens voͤllige Wiſſenſchafft truͤgeſt/ da ich
mich doch nicht zuerinnern weiß/ daß ich Zeit meines Lebens ſie geſehen haͤtte. Herzliebe
Fr. Mutter/ antwortete ſie/ ſo iſt auch heut gewiß der erſte Tag/ daß zu meinem hoͤchſten
Gluͤk ich ihre Kundſchafft erlanget; weil aber wahre Tugend nicht lange verborgen blei-
ben kan/ welche in dieſen Helden ſo klar als die Sonne im Mittage leuchtet/ habe ich ſelbe
aus ihren tahten und reden unſchwer vernehmen koͤnnen. Herkules hoͤrete dieſes/ kehrete
ſich nach ihr umb/ und antwortete: Durchleuchtiges Fraͤulein/ ich Bitte ſehr/ ſie wolle
uns nicht gar zu ſchamroht machen/ als die wir durch ihre hohe Vernunfft ſchon uͤbrig
gelehret ſind/ wie wir billig beſchaffen ſeyn muͤſten/ da wir einiger Volkommenheit wolten
geruͤhmet werden; weil aber eine ſolche unſtraͤfliche Bildung der Tugend/ welche ſie in ih-
rem Verſtande abgeriſſen/ an menſchliche ſchwachheit nicht bald reichen wird/ hoffen wir/
ſie werde mit unſerm Unvermoͤgen geduld tragen/ angeſehen wir noch in den Lehrjahren
uns befinden/ und der Unterweiſung faͤhig ſind: Worauff das Fraͤulein antwortete: Herr
Her-
[49]Erſtes Buch.
Herkules/ ich kan ſo gar kein Recht mit jhm bekom̃en/ wie ichs auch anfahe/ es waͤhre dann/
daß ich euch und eure ruhmwirdige Tahten laͤſterte/ welches ich vor eine Todtſuͤnde halte;
deßwegen wil ich nichts mehr mit euch reden/ ich werde dann von euch befraget/ oder dat-
zu erbehten. Mein Fraͤulein/ antwortete er; ſo bitte ich eins vor alles/ ſie wolle dann mein
ſtilſchweigen voꝛ ein ſtetes fragen/ und meine Redẽ vor ein unaufhoͤrliches bitten halten uñ
auffnehmen. Je mein Herr/ ſagte ſie mit einem holdſeligen lachen; ſo muͤſte ich ja immer zu
uñ ohn aufhoͤren in die Lufft hinein ſchwatzen/ da ich dann entweder viel muͤſte wiſſen/ oder
ſehr wol tichten koͤnnen. Ihre ſuͤß kluge Zunge/ antwortete er/ wird gewiß ſo viel nicht re-
den/ daß ich nicht ſtets begierig ſeyn ſolte/ ihren vernuͤnfftigen Worten zuzuhoͤren. Mei-
nem Herrn beliebet nach ſeiner Hoͤfligkeit alſo zu reden/ ſagte ſie/ aber mein ungeſchiktes
Geplauder wuͤrde ſeinen Ohren in kurzem ſo beſchwerlichen Verdruß erwecken/ daß er
wuͤnſchen ſolte/ mich nie gehoͤret zu haben. Der Stathalter ſahe/ daß dieſes Geſpraͤch
ſich lange verzihen duͤrffte/ wann niemand darzwiſchen kaͤhme/ drumb/ ſolches zu ſtoͤren/ er
der Tochter alſo einredete: Ich weiß ſchon wol/ zweifele auch nicht/ dieſe Herren werden
es zeitig an dir gemerket haben/ daß dein Mund zur Klapper unverdorben iſt; uñ halte ich/
du wolleſt dieſe Herren mit leeren Worten ſpeiſen; gedenkeſtu nicht/ daß ſie deinetwegen
viel Muͤhe und Arbeit außgeſtanden/ und der Labung beduͤrffen? Das Fråulein erroͤhtete
ſehr/ daß ihr Vater/ der ſie allemahl hart und unter dem Zwange hielt/ ſie auch in beyſeyn
dieſer Fremden alſo beſchaͤmete. Herkules aber vertrat ihre Stelle mit dieſen Worten:
Hochmoͤgender Herr Stathalter; es muͤſte mir immer und ewig leid ſeyn/ daß ein ſo
zuͤchtiges und verſtaͤndiges Fraͤulein/ durch meine Veranlaſſung einigen Unwillen von ih-
rem Hn. Vater einnehmen wuͤrde/ da viel mehr ich ſelbſt ſtrafbahrer waͤhre/ angeſehen ich
ihrer Rede die einige Urſach bin. Mein Herr verzeihe mir/ antwortete der Stathalter/
und beſorge ſich durch auß keines Unwillens bey mir gegen mein Kind. Wir Roͤmer hal-
ten es mit unſern Kindern alſo/ daß ſie uns zugleich lieben und fuͤrchten/ auch ohn Anzeige
einiges Unwillens von uns annehmen muͤſſen/ was uns gefaͤlt ihnen einzureden/ wann ſie
gleich im geringſten nichts verſchuldet haͤtten; dann hiedurch wird mannicher Tochter
ihr ſteiffer Sinn gebrochen/ die ſonſt durch Zaͤrtligkeit nur geſtaͤrket wuͤrde/ welches her-
naͤhſt im Eheſtande ihnen als eine gefundene Beute iſt/ daß ſie ihrem Ehegatten zu gehor-
ſamen/ und deſſen Willen zu gelebẽ/ ſchon gewaͤhnet ſind. Herkules wunderte ſich der ſtraͤn-
gen Zucht/ inſonderheit/ da das Fråulein hin zu jhrem Vater trat/ und ihm als vor eine
ſonderliche empfangene Gunſt die Hand kuͤſſete/ ſich ihres Frevels ſchuldig gab/ und ganz
demuͤhtig umb Verzeihung anhielt; aber doch keine andere Antwort erlangete/ als; Sie
ſolte hingehen und ſich beſſern. Gleichwol wolte die Mutter ihrer lieben Tochter Anſehen
bey den Fremden gerne wieder in Auffnahme bringen/ und wahr unwillig/ daß dieſelbe ohn
Urſach ſolte verhoͤnet werden; durffte doch jhrem Gemahl/ deſſen Ernſt ſie fuͤrchtete/ nicht
kuͤhnlich einreden/ daher ſie mit glimpflichen Worten ſagete: Geliebter Herr/ ich wil nicht
hoffen/ daß ihr Urſach haben ſollet/ auff unſer Kind unwillig zu ſeyn; maſſen euch nicht
unbewuſt iſt/ wie wenig ſie ſonſt in unſer Gegenwart zu Reden pfleget; und halte ich/ ſie
thue es vor dißmahl bloß euch zu erfreuen/ und zugleich andern anzuzeigen/ daß in ihrer
aufferzihung wir unſern fleiß nicht geſparet haben. Der Vater ſchuͤttelte hieruͤber den
GKopff/
[50]Erſtes Buch.
Kopff/ und ſagete mit einem lachen: Frau/ ledige Magen und muͤde Glieder ſind mit woꝛ-
ten nicht auffzuhalten; ſonſt klage ich noch ſo groß nicht uͤber unſere Tochter/ und mag
ſie nach gehaltener Mahlzeit/ dieſen Herren zu Liebe und Gefallen immerhin reden/ biß ſie
von ihr ſelbſt auffhoͤren wird; ſol mir auch umb ſo viel lieber ſeyn/ wann ihr guten fleiß bey
ihrer Aufferzihung angewand habet. Die Mutter befahrete ſich/ er wuͤrde mehr zur heim-
lichen Beſchimpfung/ ſo wol ihrer ſelbſt/ als der Tochter/ fliegen laſſen/ welches zu verhuͤ-
ten/ ſie Gelegenheit ſuchte/ wegzugehen/ baht Ladiſla/ ihren Abtrit/ wegen noͤhtiger Anord-
nung/ nicht ungleich auffzunehmen/ und befahl der Tochter/ ihn zubegleiten; deſſen dieſe
beyderſeits wol zu friede wahren/ dann es dauchte ſie/ ſie waͤhren ſchon viel zu lange von
einander geweſen. Alſo gingen ſie durch den innerſten Plaz nach der Steige auff den groſ-
ſen Saal/ der ſo koͤſtlich er bauet und geſchmuͤcket wahr/ daß ſichs Anſehen lies/ es waͤhren
des reichen Roͤmers Kraſſus Schaͤtze ein groſſer Teil daran verwendet; dann wo die
Schildereyen auffhoͤreten/ da glaͤnzeten die koſtbahreſten Steine mit eingeſchnitzten kuͤnſt-
lichen Bildern hervor. An der rechten Seite wahr die Belagerung der Stadt Troja ſo
artig gemahlet/ daß jedes Lager der Griechen nach gutem Unterſcheid kunte geſehen wer-
den. Dorten hielt der hochmuhtige Obriſte Feldherr/ Agamemnon/ und ſein Bruder
Menelaus; dorten der liſtige Vlyſſes; hie der ſtarcke Ajax; Am andern Orte der ſteinalte
Neſtor; das betriegliche hoͤlzerne Pferd ſtund auff Raͤdern/ und lieffen Jung und Alt aus
der Stadt/ es als eine ſonderliche Gabe/ an Stricken in die Stadt zuzihen/ zu welchem
Ende eine groſſe Luͤcke in die Stadmaur gebrochen wahr/ weil mans wegen ſeiner groͤſſe
in das Tohr nicht bringen kunte. Der Trojaniſchen Helden/ und ihreꝛ Bundgenoſſen/ wahr
dabey nicht vergeſſen. Hektor/ Sarpedon/ Paris (dieſes Uugluͤks Stiffter) und neben ihn
die beruͤchtigte Helena (umb deren willen an Griechiſcher Seite in die 880000; an Tro-
janiſcher/ 686000/ alſo ingeſamt 1566000 Seelen Auffgeopffert ſind)/ Eneas/ Antenor/
Memnon/ und der Alte Priamus/ hielten außwendig umb der Stadmaur her/ und wahr
des Kriegeriſchen Weibes Pentheſilea Schlacht mit Achilles gar zierlich abgemahlet/
da ſie von ihm vom Pferde herunter geſchlagen/ und halb Tod ins Waſſer geworffen und
ertraͤnket ward. Kurz davon zu reden/ ſo wahr kein denkwirdiger Kampff der Griechiſchẽ
und Trojaniſchen Helden außgelaſſen; aber Eneas Bildnis wahr das Anſehnlichſte/ uͤber
welchem dieſe Worte ſtunden: Huic parenti originem debet Roma. Das iſt: Dieſen hat Rom
zum Vater. An der andern Seite des Saals wahr die Stadt Rom abgebildet/ nach dem
Pracht/ wie ſie ohngefehr vor 240 Jahren/ zun zeiten Kaͤyſers Auguſtus in hoͤchſter Vol-
kommenheit geſtanden. Oben auff der Stadmaur umher lieſſen ſich Romulus/ Numa/
Brutus der Koͤnige Feind; unterſchiedliche Fabier/ Kokles/ Skevola/ Kamillus/ Regu-
lus/ Skipio/ Pompeius/ Auguſtus Kaͤyſer/ und viel andere Roͤmiſche Helden als Schuz-
Goͤtter ſehen; hatten ihre Pfeile und Schwerter in den Haͤnden/ und draͤueten damit den
Feinden der Stad Rom. Die erſchroͤkliche Niederlagen/ welche die Roͤmer von den Gal-
liern/ Hannibal und Zimbern erlitten/ wahren hin und wieder abgeriſſen/ inſonder heit/ da
die 300 Fabier von den Veienten liſtig hintergangen/ und alle erſchlagen worden. Unſere
Helden beſahen dieſe treffliche Gemaͤlde fleiſſig/ und erinnerten ſich aller dieſer Geſchich-
ten/ welche ſie in der Kindheit beim Homerus/ Livius und anderen geleſen/ und ſchien/
als
[51]Erſtes Buch.
als ob ſie ihrer ſelbſt druͤber vergeſſen haͤtten/ biß endlich Frl. Urſula ſagete: Herr Herku-
les/ ich meine es waͤhre faſt Zeit/ die Waffen abzulegen/ und der außgeſtandenen Muͤhe
ſich zu ergetzen/ inſonderheit aber bitte ich/ mir zu verzeihen/ daß ohn geheiß ich dem
Wund Arzt Botſchafft gethan/ ihm ſeine Halßwunde beſſer/ als von mir geſchehen/ zuver-
binden. Die Anweſende/ wie ſie ſolches hoͤreten/ ſtelleten ſich leidig wegen ſeiner Ver-
wundung/ welches durch beteurung/ daß gar keine Gefahr dabey waͤhre/ er ihnen bald auß-
redete/ doch in einem Nebengemache ſich verbinden ließ/ da ihn der Arzt warnete/ den
Schaden nicht zu verachten/ als welcher ſich ſchon in etwas entzuͤndet haͤtte/ und er deß-
wegen vor ſtarker bewaͤgung und ſchaͤdlichen Speiſen ſich huͤten muͤſte/ welches aber er
wenig achtete. Nach geſchehener Verbindung legten er und Ladiſla ihre Sommerkleider
an/ die von Sittichgruͤnen Atlaß mit ſilbern Blumen durchwirket// und mit aͤdlen Stei-
nen reichlich beſezt wahren/ Struͤmpffe und Federbuͤſche wahren gleicher Farbe; Knie-
baͤnder und Schuchroſen mit ſilbern Spitzen beſetzet/ ſo daß ihre Kleider gleich/ und ohn
einigen Unterſcheid/ die Einigkeit ihrer Gemuͤhter wol zuerkennen gaben. In dieſer
Gleichheit traten ſie zum Saal hinein/ und muhtmaſſeten die Anweſenden daher/ daß ſie
mehr als aͤdle Ritter ſeyn muͤſten. Es hatten die drey Fraͤulein nicht minder ſich zierlich
angelegt/ ſo viel in der eile geſchehen moͤgen/ und bemuͤhete ſich Frl. Sophia inſonderheit/
ihrem liebſten Ladiſla ſehen zu laſſen/ wie ihr die Kleider ſtuͤnden. Als nun dieſe drey Engel-
chen in den Saal traten/ fehlete wenig/ es haͤtten weder unſere Helden dieſe/ noch ſie jene
gekennet/ und traff ein/ das Frl. Sophia eben die Sittich gruͤne Farbe gewaͤhlet hatte.
Keiner wahr zugegen/ der ſich an Herkules Schoͤnheit und Ladiſla anmuhtiger Lieblig-
keit nicht verwunderte. Sie wahren beyde zimlicher/ und faſt gleicher laͤnge/ ſchwank von
Leibe und feſter wolgeſetzter Gliedmaſſen. Herkules hatte ein ſchoͤn gelbes Haar/ welches
ihm wie krauſe Locken uͤber die Schultern hing; ſeine Haͤnde wahren pluͤßlich und ſchne-
weiß/ mit blaulichten Adern/ das Angeſicht weiß-zart/ mit rohtem vermiſchet/ daß wer ihn
ſahe/ nicht anders gedenken kunte/ er waͤhre ein Weibesbild in Manneskleidern/ weil noch
kein Haͤaͤrlein an ſeinem Kinn erſchien; die Augen ſtunden ihm wie den Falken/ doch vol-
ler Liebligkeit und blaulicht. Die Stirne glat/ und ein Zeichen ſeines auffrichtigen Her-
zen; die Naſe etwas erhaben und gerade zu/ faſt laͤnglicher dann kurzlecht/ und ſtrahlete
aus allen ſeinen Blicken eine ſo anmuhtige Freundligkeit hervor/ daß wer ihn ſahe/ zu ſei-
ner Liebe und Gewogenheit angereizet ward/ weil alle ſeine Geberden in ſonderlicher De-
muht und mannlicher freier Ernſthafftigkeit beſtunden. Ladiſla wahr etwas braͤunlicher/
doch zugleich zart/ hatte ein braun kraus Haar/ in zimlicher dicke/ und einen kleinen Bart
gleicher Farbe; am Leibe wahr er etwas ſtaͤrcker anzuſehen als Herkules. Sein Gebluͤt
wallete ihm in allen Adern auff/ da er ſein geliebtes Fraͤulein ſo zierlich herein treten ſahe;
wie auch ihre Liebesreizungen nicht weniger auffgetrieben wurden/ daß er in ſolcher koſt-
bahren Kleidung ſich ſtellete/ und ſie daher beſtaͤndig muhtmaſſete/ er muͤſte auffs wenig-
ſte Fuͤrſten Standes ſeyn; ihr auch gaͤnzlich vornam/ auff ſein weiters Anhalten ihm be-
haͤgliche Antwort zu geben/ da ſie ſeines Weſens nur in etwas Bericht haben koͤnte/ dann
ſeine Anſtraͤngungen hatten ſie dermaſſen eingenommen/ und die empfangene Woltaht ſie
bezwungen/ daß ſie entſchloſſen wahr/ keinem Menſchen als ihm ihr Herz einzuraͤumen:
G ijſo
[52]Erſtes Buch.
ſo beredete ſie auch ihre angebohrne Keuſcheit uñ Zucht/ dz weil er ſie ganz nacket antꝛoffen
uñ geſehen/ ſie ſich deſſen zeit ihres lebens ſchaͤmen muͤſte/ wañ ſie nit ſein Ehegemahl wuͤr-
de. So bald die erſten ſpeiſen aufgeſetzt wurdẽ/ ging dz noͤhtigen wegẽ des oberſitzes an/ biß
der Stathalter bey ſeinen Gaͤſten/ alles nach gefallen zuordnen/ Freyheit erhielt; worauf er
Frl. Urſulen hinter am Tiſche die Oberſtelle nehmen hieß; welches ſie vor einen ſcherz auf-
nam/ bald aber/ den ernſt ſehend/ gerne gehorſamete. Den andern Plaz muſte Herkules; dẽ
dritten Frl. Helena; den vierden Ladiſla bekleidẽ/ der ſchon in der angſt ſtund/ ſein Frl. wuͤꝛ-
de ihm entfernet werden; als er aber von ihrem Vater den befehl hoͤrete/ ſich zu ihm nider-
zulaſſen/ hielt ers vor ein zeichen eines gluͤklichen außganges ſeiner Liebe. Dieſe Bank wahr
nun mit den fuͤnffen beſetzet/ uñ wolte deꝛ Stathalter gleichwol ſeinẽ Sohn von dieſer liebẽ
Geſelſchaft nit abtreñen/ daher er zu ihm ſagete: weil dich das gute Gluͤk zu ihnen hin in dẽ
Wald gefuͤhret hat/ magſtu ihres naͤhern Beyſitzens auch allhier genieſſen: weiſete ihn hin
vor den Tiſch auf einen Stuel ſich nideꝛzuſetzẽ/ da er ſeiner vertrauetẽ Frl. an die ſeite kam.
Dieſer junge Fabius war ſonſt ein wolgeſtalter anſehnlicher Ritter ſeines alters von XXIV
Jahren/ in adelichen Sitten und ritterlichen uͤbungen von jugend auff wol unterwieſen/
worauf ſein Vater deſto mehr fleiß wendete/ weil ihm von einẽ Geburtskuͤndiger geweiſ-
ſaget wahr/ er wuͤrde in ſeinem erſten mannlichen Alter uͤberauß groſſe Muͤhe und Gefahr
uͤber ſich zu nehmen haben; Es wahr auch an ihm nichts zu tadeln/ ohn daß er ſeinen Zorn
nicht wol meiſtern kunte. Der Stathalter ſahe dieſe junge Leute hinter dem Tiſche an/ uñ
ſagte zu den andern Anweſenden: Verzeihet mir/ geliebte Freunde/ daß vor dißmahl ich
unſere Kinder ſo hoch ehre/ und ſie uͤber uns Eltern zu dieſen fremden Herren ſetze; dann
ich habe billich ſeyn erachtet/ daß welche heut in der Gefahr ſo nahe bey einander geweſen/
jezt in der Sicherheit nicht ſo ſchleunig getrennet werden/ weil alle ſchnelle verenderung/
wie man ſaget/ gefaͤhrlich ſeyn ſol. Ladiſla gedachte/ diß waͤhre ſchon das andere Zeichen
ſeines gehofften gutẽ Fortganges. Aber Herꝛ Kornelius antwortete dem Stathalter; es
waͤhre ſolches von jhm ſehr wol geordnet; welcher dañ auf begehrẽ ſich zu dem jungen Fa-
bius ſetzete/ und ſein Gemahl Frau Fauſta/ des Stathalters Mutter-Schweſter Tochter/
der Skipionen Geſchlechts/ neben jhn/ gegen ihre Tochter Frl. Urſulen uͤber. Herr Emi-
lius folgete ihr/ und ſein Gemahl Fr. Julia/ eine Pollionin/ der Stathalterin Halbſchwe-
ſter von der Mutter her/ welche neben ihr die Stelle nam/ ſo daß der Stathalter zu unterſt
vor dem Tiſche alleine ſaß/ und an der rechten Hand ſeine Tochter hatte/ welche wegen ſei-
ner nahen Gegenwart mit ihrem Ladiſla nicht reden durffte. Der junge Fabius verrichte-
te das Vorſchneider-Amt/ und noͤhtigte die anweſenden hoͤflich/ ſo mangelte es zeit weh-
render Mahlzeit am guten Seitenſpiele nicht/ welches Herkules und Ladiſla/ als die darin
wol geuͤbet/ ſehr liebeten. Bey dem Eſſen fiel mannicherley Geſpraͤch/ biß nach aufgehobe-
nen Speiſen die Stathalterin an ihren Gemahl begehrete/ ihr ein Viertelſtuͤndichen ih-
ren Willen zu goͤnnen; wolte hoffen/ den Anweſenden ingeſamt wuͤrde es nicht zuwider
ſeyn. Der Stathalter ließ es gerne geſchehen/ der ihr Vorhaben ſchon merkete; Worauf
ſie die drey Fraͤulein anredete/ und ihnen eins zu werden befahl/ welche unter ihnen gleich
jezt oͤffentlich erzaͤhlen ſolte/ auff was weiſe ſie geraubet/ und von dieſen Herren wieder er-
rettet waͤhren; wuͤrden ſie aber ſich deſſen wegern/ dann ſolten ſie dieſen Tag auff keinen
Tanz hoffen. Frl. Urſula/ als die aͤlteſte antwortete: ſie wuͤſte niemand/ die ſolchem Befehl
beſſer
[53]Erſtes Buch.
beſſer gehorſamen koͤnte/ als Frl. Sophia; dann ſie waͤhre unter ihnen die geherzeſte gewe-
ſen/ und haͤtte den grauſamen Kampff guten teils angeſehen. Frl. Helena ſtimmete mit
ein/ und baht/ daß ſie die Muͤhe uͤber ſich nehmen moͤchte; welche aber zur Antwort gab:
Ich erinnere mich billich/ daß heut vor Eſſens mein Herr Vater wegen meines unnuͤtzen
Gewaͤſches mich geſtraffet/ und ihr wollet mich noch in weitere Ungelegenheit ſetzen/ daß
ichs immerzu groͤber mache? Auff dieſe weiſe/ ſagte Frl. Urſula darff unſer keine redẽ/ weil
auch unſere geliebte Eltern zugegen ſind. Der Stathalter ſagte lachend: wiewol mein
Baͤßlein Urſul/ als die aͤlteſte billich das Wort fuͤhren ſolte/ ſo moͤgen ſie ſich doch daruͤber
vergleichen. So muß/ antwortete dieſe/ nit die aͤlteſte/ ſondeꝛn beretſte ſolchs uͤbeꝛ ſich neh-
men; daher meine Schweſter Frl. Sophia ſich deſſen nicht entbrechen wird. So hoͤre ich
wol/ fing dieſe an/ ihr ruffet mich vor die ſchwazhafteſte aus. Ihr Vater ſagte mit einem
Gelaͤchter: dz du wolgeloͤſeter Zunge biſt/ kunteſtu in deiner dreyjaͤhrigen Kindheit ſchon
zimliche anzeige tuhn. Je Herzen Herꝛ Vater/ antwortete ſie/ ich bitte kindlich/ mich in die-
ſer Geſelſchaft nit ſo hoch zu beſchaͤmẽ. Was haſtu dich mit mir zu zankẽ ſagte er; ich heiſſe
dich ja weder reden noch ſchweigen; uñ haſtu an deiner Wafen ſchon Widerhalts gnug; je-
doch hat meine Pompeja ein luſtiges Spiel angerichtet/ und gelebe ich der Hoffnung/ wir
werden ein acht taͤgiges zanken anzuhoͤren haben/ ehe uñ bevor dieſe jhres dinges eins weꝛ-
den. Fr. Pompeja wolte dieſen ſtreit aufruffen/ und ſagete; ob ſie gleich des Verlaufs ger-
ne moͤchte berichtet ſeyn/ wuͤrde ſie doch jhre begierde muͤſſen auffſchieben/ biß ſie mit jhrer
Tochter allein waͤhre. Aber der Stathalter antwortete: durch aus nicht/ ſondern weil das
ſpiel angefangen iſt/ muß es auch geendiget werden/ dann mich verlanget ſelbſt nach umb-
ſtaͤndlicher erzaͤhlung. Weil dañ der Hahne auf ſeinem Miſte am kuͤhnlichſten kraͤhet/ uñ
ich meineꝛ Tochter zu gebieten habe/ ſol ſie uns deſſen bericht gebẽ/ ſo gut ſie kan. Ich gelebe
meines H. Vaters gebohts billich/ ſagte das Fraͤulein/ wie ungeſchikt ichmich auch hierzu
befinde/ uñ ſchon weiß/ dz meine verwirrete reden den zweg ihres begehrens nit tꝛeffen koͤn-
nen; aber unter der hoffnung/ dz meine Jugend ſich ohn mein Vorwort entſchuldiget/ uñ
meine Frll. Schweſtere meinem mangel zu huͤlffe kom̃en werden/ wil ich zum verſuch mich
erkuͤhnen. Anfangs wird meine Fr. Mutter ſich eriñern/ dz wie meine Frll. Schweſtere zu-
gleich mit mir fleiſſig um̃ erlaͤubnis anhieltẽ/ uns dẽ Luſtweg nach unſerm Vorwerke/ eine
gꝛoſſe Meile von hiñen gelegen/ zu goͤñen/ umb dieſer erſten lieblichen Fruͤhlingszeit in etwz
zugenieſſen/ und die ſchoͤnen Merzenblumen unſers neu-angelegten Garten zubeſichtigen/
wir ſolchs endlich erhielten/ und um 7 uhr ohn gefehr davon fuhren. Wir hielten uns vier
ſtunden daſelbſt auf/ uñ machten unterſchiedliche Kraͤnze/ die wir unſern Eltern mitbringẽ
wolten; lieſſen uns Milch und Eyer zur ſpeiſe kochen/ uñ wahren fertig/ nach gelegter Hitze
uns wieder auf den Ruͤkweg zubegebẽ; woran wir anfangs durch dz ſchwere Doñerwetter/
welches in einen groſſen Baum unſers Garten einſchlug/ uñ ohn zweiffel unſers bevorſte-
henden Ungluͤks Vorbotte wahr/ verhindert wurden/ weil der hefftige Regen drey ſtunde
lang anhielt; nach deſſen endigung wir uns auf den weg machetẽ/ die Stadt vor dem Tohr-
ſchlieſſen zuerreichen; aber uͤber der gar zu groſſen eile/ rennete der Gutſcher mit der vor-
der Axe wieder einen im Holwege hervorſtehenden Stein/ dz die Stellung in ſtuͤcken ging/
und die Gutſche daſelbſt zu brochen ſtehen bleiben muſte; Wir aber vors beſte hielten/ nach
dem Vorwerke wieder zukehren/ da wir eine Viertelmeile im glatten Koht und tieffen
G iijpfuͤtzen
[54]Erſtes Buch.
pfuͤtzen mit groſſem Ungemache zu ende brachten/ eine friſche Buttermilch/ und was das
Hauß beſcherete/ zur Abendſpeiſe vor lieb nahmen/ und in der Vorſtuben eine gemeine
Straͤu machten/ darauff wir uns zur ruhe legeten/ auch unſern Gutſcher und andere des
Vorwerks jeden an ſeinen Ort verwieſen/ weil wir allein ſeyn wolten/ und uns keiner Wie-
derwertigkeit bey dieſen friedſamen Zeiten befuͤrchteten. Unſere ermuͤdete Fuͤſſe mach-
ten uns die Nacht hindurch ſchlaffen; aber als die Morgenroͤhte hervorbrach/ ſchlug ich
meine Augen auff/ und ſahe mit herzbrechendem Schrecken drey groſſe gepanzerte Maͤn-
ner/ deren Angeſichter mich dauchte/ mehrmahl geſehen haben/ mit bloſſen Schwertern
in die Stube tretten/ da der voͤrderſte mit leiſer Stimme zu mir ſagete: Fraͤulein/ werdet
ihr ein Geſchrey machen/ umb das Geſinde aufzuwecken/ wollen wir ſtraks Angeſichts euch
alle drey erwuͤrgen; ſonſten ſind wir nicht willens/ euch einiges Leid anzuthun/ ſondern
werden euch in guter Gewarſam und Schuz eurer Ehr und Lebens halten/ biß eure reiche
Eltern/ welche wir wol kennen/ ein Stuͤk Geldes vor eure Erloͤſung uns zuſtellen. In die-
ſer aͤuſſerſten Angſt begriff ich mich nach Vermoͤgen/ und gedachte bey mir ſelbſt: Iſt es
jhnen nur umbs Geld zu tuhn/ ſo werden unſere Eltern hierzu Raht ſchaffen/ und uns loͤ-
ſen koͤnnen; antwortete ihnen auch/ ſie moͤchten mich und meine Geſpielen unbetruͤbt laſ-
ſen; ich wolte ihnen aͤidlich angeloben/ ihnen ſolte das begehrte Loͤſegeld an ort und ende
ſie es haben wolten/ außgezahlet werden/ ſo bald wir nur zu Padua anlangen wuͤrden; deſ-
ſen dieſe Buben lacheten/ vorwendend/ ich ſolte ſie nicht ſo albern anſehen/ ſondern meine
Geſpielen/ die ſie bey Namen zu nennen wuſten/ auffwecken/ oder die angebohtene Gnade
wuͤrde in ſchwere Straffe Ehr und Lebens verwandelt werden. Es wahr zu verwundern/
daß meine Schweſtern von dieſem Gepoche nicht erwacheten/ und muſte in meiner aller-
groͤſſeſten Seelenangſt ich ſie mit ruͤtteln uñ ſchuͤtteln munter machen/ da ſie nach oͤffnung
ihrer Augen/ vor den bloſſen Schwertern ſich ſo hefftig entſetzeten/ daß ihnen die Ohmacht
nicht ferne wahr; Die erſchroͤklichen Draͤuungen aber/ die wir hoͤreten/ machten uns ge-
ſchwinde fertig/ die Kleider in aller Eile anzulegen; Worauff ſie uns unter die Arme faſſe-
ten/ und wie Laͤmmer zum Hauſe hinaus trugen/ legten uns auff einen ſtinkenden Wagen
in rauhe Ochſenhaͤute/ warffen eine koͤtigte Decke uͤber uns/ und jageten/ als viel ſie nach-
lauffen kunten/ mit uns davon. Als wir auff den Wagen gehoben wurden/ ſahe ſolches
ein Hirt nahe bey der Trinkrennen/ und machte ein Geſchrey/ welches ihm ſein unſchuldi-
ges Lebenkoſtete; maſſen noch zween andere verhandẽ wahren/ die ihn alsbald niderſchlu-
gen/ daß wir zuſahen/ und von unſern Raͤubern dieſes zur Lehre und Warnung bekahmen/
dafern wir das Maul nicht halten wuͤrden/ ſolten wir auff eben dieſe weiſe geſtillet werden.
Mit was betruͤbtem Herzen wir nun die vier Stunden/ wie uns dauchte/ in den ſtinkenden
Fellenlagen/ wird der Himmel uns Zeugniß geben; Dieſes einige troͤſtete mich/ dz ſie uns
unſer Ehren Verſicherung/ wie ich meynete/ getahn haͤtten. Ich empfand ſonſt an den
harten Stoͤſſen wol/ daß der Wagen nicht im gebahneten Wege/ ſondern uͤber Stein und
Blok ginge/ auch die Hecken offt umb die Felle herſchlugen; hoͤrete auch endlich die Raͤu-
ber/ ſo bald hinter/ bald neben dem Wagen her lieffen/ etliche unzuͤchtige Reden fuͤhren/ da
unter andern der allergroͤſſeſte/ ſo von Herrn Herkules zu erſt erlegt worden/ zu denuͤbrigen
ſagete: Ich als euer Fuͤrſt und Herzog behalte mir des Stadthalters Tochter dieſen Tag
zur
[55]Erſtes Buch.
zur Luſt; an den beyden uͤbrigen habet jhr beyde Obriſten die erſtenieſſung/ als lange es euch
gefaͤllig; hernach werdet ihr dieſen euren Spießgeſellen und Hauptleuten auch guten wil-
len goͤnnen. Was vor Herzleid mir dieſes brachte/ iſt unmuͤglich auszuſprechen/ und ſuch-
te ich ſchon mein kleines Meſſerchen hervor/ dieſer Schande vorzukommen; aber es wahr
(welches ich damahls beklagete) des vorigen Abends auff dem Tiſche liegen blieben; doch
ward ich noch in etwas getroͤſtet/ da ich den einen alſo antworten hoͤrete: Ich riehte/ daß
man dieſer Fraͤulein Ehre unangefochten lieſſe; es duͤrffte uns daher nichts gutes ent-
ſtehen/ und iſt zu fuͤrchten/ nicht allein unſere Fuͤrſten/ ſondern auch die ganze Bruͤderſchaft
moͤchte druͤber entruͤſtet werden/ weil es wieder erteileten Befehl ſtreitet. Was ihm nun
zur Antwort gegeben ward/ kunte ich nicht vernehmen/ wiewol ichs nach meiner Hoff-
nung auffs beſte deutete. Endlich nahmen ſie die Decke von uns hinweg/ huben uns her-
unter/ da es voller Hecken ſtund/ und leiteten uns zu Fuſſe ohn einiges Geſpraͤch durch
Puͤſche und Dornen/ faſt eine halbe Stunde/ biß wir auff einen luſtigen Plaz kahmen/ auff
welchem ſehr hohe Baͤume zimlich weit von einander ſtunden/ woſelbſt auch dieſe beyde
Herren uns angetroffen haben. Fr: Pompeja kunte des Endes nicht abwarten/ ſondern
fragete/ wie dann unſere Helden dieſen verborgenen Ort zu ſo gelegener Zeit haͤtten finden
und antreffen koͤnnen; Aber der Stathalter redete ihr ein; ſie moͤchte ſich biß dahin ge-
dulden/ und ihrer Tochter wolgefaſſete Gedanken nichtſtoͤren. Alſo fuhr ſie weiters ſort:
So bald wir auff dieſen Plaz kahmen/ lieſſen ſich unterſchiedliche ſcheußliche Raben/ oben
von den Baͤumen mit greßlichem Geſchrey hoͤren/ daß auch die Raͤuber ſelbſt ſich davor
entſetzeten/ und jhr Fuͤhrer/ in die Hoͤhe ſehend/ ihnen zurieff/ ſie ſolten uͤber ihren eigenen
Halß ſchreihen; Da bald ein Rabe/ (ich halte gaͤnzlich/ es ſey meines Hochloͤblichen
Anherren M. Valerius Korvinus Schuz-Rabe geweſen) vom Baum herunter
flog/ und ſchlug einen Kreiß umb dieſes Raͤubers Haͤupt ſo niedrig/ daß mann ihn mit
dem Schwert haͤtte abreichen moͤgen; welches er vor ein ſonderliches Gluͤkszeichen hielt/
dadurch die Goͤtter ihm ſeines Vorhabens guten Verfolg anzeigeten. Mitten auff dem
Platze ſetzeten ſie uns bey einem hohen Baum nider/ und trugen uns vor; Unſere Eltern
muͤſten ihnen drey Tonnen Schaz vor unſere Erloͤſung zuſtellen/ und im naͤheſtem Dorffe/
auff einen bezeichneten freyen Plaz niederſetzen laſſen/ ſo daß kein Menſch ſich dabey fin-
den lieſſe/ der einige Rache vornehmen koͤnte/ ſonſt wuͤrden wir nicht wieder loß kommen.
Wir hoͤreten zwar/ daß es viel und groſſe Gelder betraff/ tahten ihnen doch aus Furcht
und Angſt alle Verſicherung/ es ſolte nach ihrem Willen gelieffert werden/ dafern wir
nur Gelegenheit haͤtten/ es nach Padua zuberichten. Dieſe Anfoderung/ ſagte ihr Fuͤhrer/
ſol Morgen zeitig gnug den euren zuentbohten werden/ und muͤſſet ihr bißdahin euch un-
ſere liebe Geſelſchafft an dieſem Orte ſo gefallen laſſen; habet auch wegen Speiſe und
Trank nicht zu ſorgen/ deſſen wir euch allen Uberfluß verſchaffen wollen. Ich ſahe eigent-
lich/ daß dieſer nichts gutes mit mir im Sinne hatte/ wolte ſich auch gar zutaͤppiſch ma-
chen/ und mit hervorgeſuchten gnug unzuͤchtigen reden mir ſeine ſonderliche Neigung zu
verſtehen geben; er waͤhre/ ſagte er/ ein erwaͤhlter. Fuͤrſt und Herzog uͤber viel Voͤlker/ und
ſolte ich in kurzer Zeit ſeine Macht und Herligkeit ſchon erfahren; baͤhte/ ich moͤchte ihm
meine Liebe verſprechen/ ſo wolte er inwendig viertel Jahrs ungezweiffelt das offentliche
Bey-
[56]Erſtes Buch.
Beylager mit mir zu Padua auff dem Kaͤyſerlichen Schloſſe halten/ und mich zur Fuͤr-
ſtin einer groſſen Landſchafft/ daß ich nicht vermeynete/ einſetzen. Ich faſſete wegen der
ihm gegebenen Antwort/ die ich auff dem Wagen gehoͤret hatte/ einen Muht/ da ich keinen
hatte/ und ſagte: Er wuͤrde mich mit dieſer Anmuhtung verſchonen/ ich wuͤſte mich nicht
zuerinnern/ daß zwiſchen Padua und Rom dergleichen Fuͤrſtenlebeten/ davor er ſich auß-
gaͤbe; waͤhre auch kein Fuͤrſtlicher Auffzug/ unſchuldige Weibesbilder zu rauben/ und ums
Geld zu ſchaͤtzen; ich lebete in meiner lieben Eltern Gewalt/ bey denen muͤſte ein ſolches/
und zwar auff weit andere Weiſe geſucht werden; ich vor mich ſelbſt/ wuͤrde mich keinem
Unbekanten unter dem bloſſen Himmel verſprechen. Dieſe entſchuldigung achtete er aber
wenig/ hielt mir vor/ ich koͤnte wegen meiner Jugend Unverſtand nicht erkennen/ in was
Gefahr ich ſteckete/ wann ich durch Schimpff- und veraͤchtliche reden ihn ſchmaͤhen/ oder
ſeinen Fuͤrſten Stand/ welcher ſich bald melden ſolte/ in zweiffel zihen wuͤrde; muͤſte mich
demnach eines andern bedenken/ und einen ſolchen Freyer/ der noch wol ein beſſers tuhn
koͤnte/ nicht mit ſo hoͤniſchen Worten abſpeiſen. Zwar mein Herz ſchlug mir im Leibe/ als
wolte es zerbrechen/ aber die Furcht meiner Ehre unterwieß mich doch/ was ich Antwor-
ten ſolte/ da ich ſagte: Ich bin nicht der Meynung/ euren Fuͤrſten Stand zu ſchmaͤlern; er-
kenne auch/ daß ich unter euer Hand und Gewalt bin; doch ſehe ich euch ingeſamt vor ſo
redlich an/ daß ihr die mir getahne Verſicherung/ wegen meiner und dieſer meiner Wa-
ſen Ehre/ auffrichtig halten werdet. habt ihr aber/ (ſagte ich zu dem erſten) einen redlichen
und keuſchen Willen zu mir/ und ſeid des Standes/ wie ihr euch außgebet/ ſo machet euch
an meine Eltern/ die ihr/ aller anzeige nach/ wol kennet/ und was dieſelben hierin thun und
laſſen werden/ muͤſſen billich ihr und ich zu frieden ſeyn; ein weiters wird kein Menſch aus
mich bringen/ noch von mir begehren/ daß ich wieder der Goͤlter und eingepflanzeten Rech-
te Verbot/ meinen Eltern den gebuͤhrlichen Gehorſam verſagen ſolte. Dieſer/ als er ſol-
ches von mir hoͤrete/ und aus ſeiner Geſellen bezeigung ihren Mißfallen merkete; ſtund er
auff/ und foderte die zween vornehmſten abſonderlich/ hielt mit ihnen anfangs ein Gezaͤn-
ke; bald darauff eine freundliche Unterredung; kehreten wieder zu uns/ und brachten ihr
begehren durch ihren Fuͤhrer meines Behalts/ mit dieſen Worten vor: Aedle ſchoͤne Fraͤu-
lein; ob wir zwar zu dem Ende euch an dieſen Ort gefuͤhret/ daß eure Eltern uns daß be-
ſtimte Loͤſegeld außreichen ſolten; ſo hat doch eure Schoͤnheit dergeſtalt uns eingenom̃en/
daß wir anjezt mit euch beydes die Verloͤbnis der ehelichen Gemahlſchafft unter dem frei-
en Himmel aͤidlich abreden/ und das Beylager volziehen/ uͤber ein viertel Jahr aber das
Hochzeitfeſt Fuͤrſtlich halten/ und euch freyſtellen wollen/ ob ihr dieſe Zeit uͤber lieber bey
uns bleiben/ oder bißdahin in euer Eltern Gewahrſam ſeyn wollet/ mit dem bedinge/ daß
ihr unſer Heyraht ihnen inzwiſchen nicht die allergeringſte Meldung thut; und werden
wir alſo nicht allein die angemuhtete Schatzung euch gaͤnzlich erlaſſen/ ſondern unſer
Herz und treffliche Schaͤtze die wir beſitzen/ in eure Gewalt einliefern; Hierauff werdet ihr
euch in der guͤte zuerklaͤren wiſſen/ damit wir nicht verurſachet werden/ durch Gewalt zu-
erhalten/ welches wir von euch ungleich lieber aus eigener Bewaͤgung und gutwilliger
gegen Liebe annehmen wolten. Als wir dieſen Antrag mit zittern und zagen angehoͤret hat-
ten/ fielen wir auffs flehen; ſie moͤchten ſo gewaltaͤhtig mit uns nicht verfahren/ ſondern
un-
[57]Erſtes Buch.
unſern Stand und Eltern betrachten; wir waͤhren/ die Warheit zu ſagen/ ſchon alle drey
verlobete Braͤute/ daher wir ihnen nicht koͤnten zuteil werden. Hier ſolten wir ihnen nun
unſere Braͤutigamb nahmhafftig machen/ deſſen ich mich nicht wegerte/ und die drey er-
ſten Roͤmiſchen Herren/ ſo mir einfielen/ angab/ aber zum Beſcheide bekam; ſie wolten uns
verſichern/ ehe dann drey Wochen verlieffen/ ſolten dieſe drey erſchlagen und hingerich-
tet ſeyn; muͤſten deßwegen ihnen nicht weiters wiederſprechen/ ſondern ſo gluͤkliche Hey-
rahte gerne annehmen/ und den Goͤttern davor danken/ alſo wuͤrden wir ihnen Anlaß ge-
ben/ daß ſie in kuͤnfftig uns deſto herzlicher liebeten. Hiemit legten ſie ihre Schwerter ab/
und wolten die beyde (dann der Fuͤhrer hatte keinen an) ihre Panzer von ſich tuhn/ uñ ſich
zu uns niderſetzen; welches wir merkend/ das allerklaͤglichſte Geſchrey anfingen/ welches
unter dem Himmel je mag erhoͤret ſeyn; und ruͤcketen wir ſo feſt zuſammen/ daß wir uns
mit Haͤnden und Fuͤſſen umklemmeten; daher ſie das Panzer-außzihen vergaſſen/ und ſich
an uns macheten/ uns von einander zu reiſſen. Da lieſſen wir uns nun zauſen und trecken/
hielten ſo feſt zuſammen/ daß uns die Haͤnde ſchmerzeten/ und ſchrihen inzwiſchen/ daß
es einen Widerſchall gab; woruͤber die Raͤuber endlich von uns abzulaſſen bewogen wur-
den/ und auffs neue uns guͤtlich erinnerten/ alle Widerſezligkeit einzuſtellen/ ſonſten wol-
ten ſie uns nach angelegter Schande ihren Knechten zum Muhtwillen untergeben/ mit
denen wir unſere Lebenszeit im hoͤchſten Elende zubringen ſolten. Wir toͤhrichte Kinder
wolten uns auff die Fleheſeite legen/ und bahten mit gefaltenen Haͤnden/ ſo uͤbel mit uns
nicht zu verfahren; unſere Eltern ſolten jhnen geben/ was ſie begehren wuͤrden. Sie hin-
gegen gebrauchten ſich dieſer Gelegenheit/ und trenneten uns mit leichter Muͤhe/ riſſen
uns die Kleider vom Leibe ganz grimmig hinweg/ und meyneten ſchon gewonnen zu habẽ;
aber wir huben das Geſchrey hefftiger an als zuvor; fielen ihnen umb die Beine/ daß ſie
nach willen mit uns nicht ſchaffen kunten; und als wir uns ſo nahe wieder beyſam̃en fun-
den/ lieſſen wir von ihnen/ und umbgaben uns ſtaͤrker denn vorhin. Ich kan wol ſagen/ daß
Angſt und Noht Kraͤffte verleihet/ maſſen was ich faſſete/ dergeſtalt beklaͤmmet ward/ daß
ich mich lieber in ſtuͤcken zureiſſen laſſen/ als die Haͤnde abzihen wollen. Wir ſchlungen
uns durch einander/ wie man die Erdwuͤrmlein ſihet ſich verwickeln/ und hielten an mit
ſchreihen/ ſo offt ſie hand an uns legeten. Aber endlich wuͤrde es den Stich nicht gehalten
haben/ zumahl ſie durch Eifer und Begierde uͤbernommen/ alle Sanfftmuht beyſeit legtẽ/
und durch Erbrechung unſer Finger uns gar leicht trenneten/ wir auch ohn alle Barm-
hertzigkeit und Huͤlffe uns der Schande untergeben muͤſſen/ dafern dieſer unſer Erretter
gluͤkliche/ und von den Goͤttern ſelbſt verſehene Ankunfft den Willen der Raͤuber nicht ge-
ſtoͤret haͤtte. Dann wir hoͤreten anfangs das raſſeln ihrer Harniſche zwiſchen den Straͤu-
chen/ und bald darauff ſahen wir ſie in zimlicher Eile herzu treten; deſſen ſich die Raͤuber
nicht verſehen haͤtten/ und vorerſt meyneten/ ihrer wuͤrde eine zimliche Menge ſeyn/ dz ich
eigentlich ihren Schrecken merken kunte/ welcher ſich doch bald verlohr/ und ſie gewiſſe
Hoffnung eines ſchleunigen Sieges faſſeten. Hierauff baht ſie ihren Ladiſla/ er moͤchte
den erſten Anfang ihres Kampffs zu erzaͤhlen unbeſchweret ſeyn; welches er einwilligte/
und biß dahin ausfuͤhrete/ wie Herkules ſeinen erſten Anſprenger gefaͤllet/ und darauf von
dreyen zugleich angefallen worden; woſelbſt das Fraͤulein ihre Erzaͤhlung fortſetzete/ ein-
Hwendend/
[58]Erſtes Buch.
wendend/ ſie wuͤrde/ umb die Warheit anzuzeigen/ gezwungen/ ihm in die Rede zu fallen/
weil er ihren Sieg gar zu geringe machete; beſchrieb demnach ſo beſt ſie kunte/ die Helden-
taht/ und wie Ladiſla ihrer aller Leben vor dem letzten Raͤuber ihrem Huͤter gerettet/ da ſie
ſonſt ohn alle Gnade haͤtten ſterben muͤſſen/ welches ihnen doch ertraͤglicher als ihrer Eh-
ren Verluſt ſolte geweſen ſeyn. Als ſie nun hiemit ihrer Erzaͤhlung ein Ende gab/ ſagte der
junge Fabius; es moͤchte vielleicht dieſer ruhmwirdige Sieg von denen nicht ſo hoch ge-
achtet werden/ welchen der Raͤuber Krafft und Erfahrenheit unbekant waͤhre; Wer aber
den Meiſter aller Fechter/ den hochbeſchrihenen Orgetorix/ und ſeine Geſellen Dumnorix
und Ambiorix vor etlichen Jahren gekennet/ und ſie fechten geſehen/ der wuͤrde die Vor-
trefligkeit dieſer uͤberwindung wol urteilen; dann dieſe haͤtte er alle drey auf dem platze tod
angetroffen/ und noch zween andere anſehnliche groſſe Raͤuber/ die ihm unbekant waͤhrẽ/
ihre Namen aber auff ihren Schwertern/ als Fimbria und Sergius/ eingeetzet ſtuͤnden.
Der Stathalter erſchrak dieſer Rede/ und ſagte: Ich glaͤube ja nimmermehr/ daß dieſe
drey unvergleichliche Fechter ſich in Raͤuber Geſelſchafft begeben/ angeſehen/ ſie durch
ihre Kunſt und Staͤrke viel tauſend Kronen erworben/ und allein durch meine beſoderung
ein groſſes Gut bekommen. Zwar man hat faſt zwey Jahr nicht erfahren koͤnnen/ wo ſie
geſtecket/ und iſt man in dem Wahn geweſen/ daß ſie nach Gallien in jhr Vaterland gezo-
gen/ oder in den Morgenlaͤndern Geld zu verdienen/ ſich auffhielten/ ſo hoͤre ich nun mit
Beſtuͤrzung/ daß ſie zu Raͤuber gedien ſind. Den Fimbria und Sergius betreffend/ ſind
mir dieſelben nit unbekant/ ſondern dieſer ein Mantuaniſcher/ jener ein Ravenniſcher vom
Adel/ beyde umb Untaht willen aus dem Reiche verbannet. Die groͤſte Verwaͤgenheit a-
ber/ die hierunter ſtecket/ iſt daß der unbendige Orgetorix ſich vor einen Fuͤrſten hat ange-
ben/ und nicht allein nach meiner Tochter freien/ ſondern das Hochzeitfeſt auff dem Kaͤy-
ſerlichen Schloſſe hieſelbſt zu halten/ ſich duͤrffen verlauten laſſen; Nun wahr er zu jener
Zeit gar kein Auff ſchneider/ ſondern jederman hielt jhn vor warhafft/ und von Tahten fe-
ſter/ als ruhmr aͤhtig; muß alſo die Hoffnung mein Kind zu bereden/ ihm dieſe Liebesluͤgẽ
eingeblaſen haben. Es ſey aber wie ihm wolle/ ſo duͤrfte hierunter was gefaͤhrlichers ſteckẽ/
als man gedenken moͤchte; welches ich dißmahl beyſeit ſetze; muß mich aber uͤber euch bey-
den/ Herr Herkules und Herr Ladiſla/ verwundern/ daß eure Schwerter ſo kraͤfftig/ und
die Haͤnde ſo erfahren geweſen ſind/ dieſe freche Raͤuber auffzureiben/ welches auſſer allem
Zweiffel durch ſonderlichen Beyſtand der Goͤtter hat geſchehen muͤſſen. Alle anweſen-
de fingen an dieſe Taht dergeſtalt zu erheben/ daß das Frauenzimmer (außgenommen die
Stathalterin/ die eine Chriſtin wahr) in den Wahn gerieten/ ob nicht etwa Herkules der
Gott Apollo/ und Ladiſla Merkur oder Romulus ſelbſt waͤhre. Dieſe beyde aber hatten
groſſen Verdruß an der haͤuffigen Lobrede/ daß endlich Herkules ſie ingeſamt mit entbloͤſ-
ſetem Haͤupte baht/ dieſe ſchlechte Taht nicht ſo hoch zu erheben/ zumahl er billich zweifeln
muͤſte/ ob der Streit mit Moͤrdern/ Dieben und Menſchen Raͤubern/ mit unter die Zahl
der ruhmwirdigen zu ſetzen waͤhre. Sie vor ihr Haͤupt wuͤrden ſich deſſen umb keiner an-
dern Urſach willen erfreuen/ als daß ſie Gelegenheit gehabt/ ſo vortreflichen Fraͤulein/ als
Kleinoten der Welt/ Dienſte/ und ihren hochanſehnlichen Eltern Freundſchafft zu leiſtẽ.
Das iſt aller Helden Eigenſchafft/ antwortete der junge Fabius; nicht deſto weniger aber
muß
[59]Erſtes Buch.
muß derſelbe die Guttaht erkennen/ der ſie empfangen hat; wiewol ich einen ſchlim̃en An-
fang darzu gemacht habe. Wie ſo? fiel ihm ſein Vateꝛ in die Rede; ich hoffe ja nicht/ daß
du wider Roͤmiſche Sitten gehandelt/ uñ durch Undankbarkeit dir und deinem Geſchlecht
einen Schandflek angeworffen habeſt. Davor behuͤten mich die Goͤtter/ antwortete der
Sohn; Viellieber wolte ich mich ohn Leben/ als ohn Ehre wiſſen. Das Fraͤulein wolte
den Vater des Argwohns benehmen/ und zeigete an/ was vor ein Streit zwiſchen jhnen
ſich aus Irtuhm erhoben; Worauf der Vater den Sohn erinnerte/ den blinden Zorn hin-
fuͤro zu maͤſſigen/ als welcher ein Zeichen eines groſſen Vernunfftmangels waͤhre.


Die mitleidige Muͤtter ſaſſen und kunten ihre Traͤhnen nicht ſtillen/ in betrachtung
der groſſen Gefahr ihrer Toͤchter/ biß ſie von ihren Gemahlen auffgefodert wurden/ ei-
nen kurzen Abtrit mit ihnen zu nehmen/ da ſie ſich miteinander berahtfrageten; auff was
Weiſe ſie unſern Helden ihre Dankbarkeit erzeigen und beybringen wolten; lieſſen her-
nach Frl. Sophien zu ſich ruffen/ und nach gemachtem Schluſſe/ ſetzete ſich jedweder an
ſeine Stelle/ ohn daß die Muͤttere nach Hauſe gingen/ und nach Verlauff einer halben
Stunde ſich wieder einſtelleten. Nicht lange hernach traten drey wolgeputzete Dirnen
ins Gemach/ deren jede ein treffliches Laͤdichen trug von Hebenholz mit guͤldenem Be-
ſchlage/ kuͤnſtlicher Arbeit/ welche ſie Frl. Sophien uͤberreicheten; ihnen folgeten zwoͤlff
in Scharlaken gekleidete Diener/ und hatte jeder ein ſehr groſſes guͤldenes Trinkgeſchir/
mit allerhand koͤſtlichen Steinen außgeſetzt/ die mit dem beſten gepregeten Arabiſchen
Golde gefuͤllet wahren/ welche ſie nach der reihe auff den Tiſch ſtelleten/ und lies keiner
ſich eines Worts verlauten/ biß Frl. Sophia die Laͤdichen oͤffnete/ einen koſtbahren Schaz
von guͤldenen Ringen/ Armbaͤndern Halßketten und anderm Zieraht/ auff 150000 Kro-
nen geſchaͤtzet/ daraus auff den Tiſch ſchuͤttete/ und alſo anfing: Ihr meine Hochwerte
Herren/ Herr Herkules und Herr Ladiſla/ die ihr billig meine uñ meiner geliebten Schwe-
ſtern Schuzgoͤtter zunennen ſeid/ nachdem wir und ihr ſelbſten ja bekennen muͤſſet/ daß
naͤhſt dem Himmel wir niemand als euren kraͤfftigen Armen und mitleidigen Herzen
unſere Ehr und Leben zudanken haben/ ſo laſſet/ bitten wir drey Erloͤſete/ euch dieſes
ſchlechte Opffer gefallen/ welches zur anzeige eines dankbaren Willens/ wir aus geheiß
unſer lieben Eltern euch uͤberreichen/ nicht unter der Hoffnung/ die uns erzeigete Wol-
taht hiedurch zuerſetzen/ ſintemahl Ehr und Leben mit keinem irdiſchen Schein zu ver-
gleichen iſt/ ſondern daß wir uns dem Laſter der abſcheulichen Undankbarkeit entreiſ-
ſen moͤgen iſt/ wie geſagt/ dieſes nicht anders/ als ein geringes Zeichen eines Herzen/ wel-
ches da wuͤnſchet/ ein gleiches legen zu koͤnnen/ aber wegen der lautern Unmoͤgligkeit zu-
gleich ſeuffzet/ das die reichen Goͤtter hieſelbſt unſere Stelle vertreten wollen/ da unſer
koͤnnen auffzuhoͤren gezwungen wird/ und doch allemahl tichtet/ mit der Zeit ein beſſer
Mittel zu erdenken/ welches den Schein dieſer ſchlechten Kleinot uͤbergehen moͤchte.


Unſere Helden erſtauneten uͤber dieſem Anmuhten/ und in dem einer den andern an-
ſahe/ und keiner wuſte/ was er dazu ſagen ſolte/ ſtund der Stathalter von ſeiner Stelle auf/
und redete ſie alſo an: Ihr ruhmwirdige/ und von den himliſchen Goͤttern hochbegabte
Ritter und Herren: Ob zwar mein Wunſch die Erkaͤntnis eures Standes gewaltig nach-
ſuchet/ damit denſelben ich die gebuͤhrliche Ehre bieten duͤrffte/ wil ich ſolches doch mit
H ijeurem
[60]Erſtes Buch.
eurem guten Willen lieber entrahten/ als demſelben zuwieder/ wiſſen/ und mir genuͤgen
laſſen an dem/ daß die guͤtigen Goͤtter euch nicht allein meinem Kinde und Baͤßlein/
ſondern viel tauſend anderen bedraͤngeten und durch Gewalt unterdruͤcketen zu huͤlffe und
Troſt an dieſe Welt kommen/ und in Herzhaffter Tapfferkeit vortrefflich werden laſſen.
Wahr iſt es/ daß wann Gefahr von uns abgekehret wird/ wir der Goͤtter Rettung ſol-
ches zuſchreiben muͤſſen; wer aber dem Werkzeuge/ durch welches ſie uns beyſpringen/
Undank zu Lohne legen/ oder auch ſolche Guttaht und Huͤlffe verachten und in den Wind
ſchlagen wolte/ derſelbe muͤſte billig in aller Goͤtter Ungnade fallen/ nicht anders/ als der
den Goͤttern vor des Tages Liecht danken/ und daneben der Sonnen alle Beſchimpfung
erweiſen wuͤrde. Daß ich und dieſe meine beyden Freunde Toͤchter haben/ dancken wir dem
goͤttlichen Segen/ welcher alle Geſchoͤpff durch Mittel außhecket; haͤtten wir ungerah-
tene Toͤchter/ muͤſten wirs dem Ungluͤk zuſchreiben. Daß ſie aber nicht grauſamer Weiſe
durch raͤuberiſche Unzucht genohtzwaͤnget/ und hernach gar in ſtuͤcken gehauen/ oder den
nichtigſten Hundsbuben zu aller Schande unter die Fuͤſſe geworffen ſind/ kan von uns
keinen andern Uhrhebern/ als bloß eurem recht Fuͤrſtlichen Mitley den und daher entſpꝛin-
gender kraͤfftigen Huͤlffe zugelegt werden/ als die ihr euer Leben in dieſer euer Jugend ge-
ringe geſchaͤtzet/ und dem Moͤrderiſchen Schwerte dargebohten/ nur daß ihr dieſe dazu-
mahl aller ungluͤkſeligſte Kinder retten/ und mit vergieſſung eures Blutes in die heutige
Wolfahrt verſetzen moͤchtet. Verſichert euch/ ihr meine Hochwerte Herren und Freunde/
daß wir des Unverſtandes nicht ſind/ dieſe eure Guttaht mit ſtillſchweigen zu begraben/
ſondern es ſol vielmehr durch das ganze Roͤmiſche Reich und benachbarte Herrſchaften
von uns außgebreitet werden/ daß nehmlich die Tugend/ was ſie wol in hundert Jah-
ren in mir und vielen andern ſchwerlich zeugen wuͤrde/ bey euch in dieſer eurer Jugend
ſchon ſo voͤllig wirken und ſcheinen laſſen/ als haͤttet ihr nach Ablegung der erſten grauen
Haare dieſe jezige Jugend auffs neue angenommen. Roͤmiſche Auffrichtigkeit/ deren ich
mich/ ohn unzeitigen Ruhm/ alle mahl befliſſen/ hat einen Abſcheuh an ſchmeichelhafften
Lobreden/ drumb wollen ſie/ bitte ich/ mich deſſen nicht zeihen. Was ich empfangen habe/
preiſe ich billich/ nachdem es deſſen wert iſt/ und preiſe es nicht allein mit Worten/ da ich
Werke empfangen habe/ ſondern ſuche mit allen dankbahren/ und vor dißmahl mit die-
ſen meinen Herren Schwaͤgern und deren Gemahlen/ moͤgliche gelegenheit/ ein wirkliches
zu erklaͤren/ welches wir euch auff dieſe weiſe darzulegen verabſcheidet haben; daß vor erſt
dieſe zwoͤlff Becher jhr von unſer Hand annehmen/ und nach unſerm Tode mit unſern
Kindern zu gleicher Teilung aller unſer Guͤter gehen wollet. Iſt dann ein mehres/ damit
ihnen koͤnte gedienet ſeyn/ und von uns zu leiſten moͤglich/ wollen ſie kuͤhnlich fodern/ und
des gewehrens ſich von uns verſichern.


Herkules und Ladiſla ſtunden als die Stummen/ ſchlugen die Augen vor ſich ni-
der/ und lieſſen aus jhren Geberden gnug ſehen/ daß ſie nicht geringe Bewaͤgung in ihrer
Seele empfunden; woruͤber das geſamte Frauenzimmer ſich hoch erfreuete/ in meynung/
es waͤhre ein Zeichen groſſer Freude/ wegen getahner Schenkung und kuͤnfftiger Erb-
ſchafft; biß Herkules/ nach dem er ſahe/ daß Ladiſla nicht wolte/ dieſes antwortete: Das
wolle Gottnimmer mehr/ daß das ungerechte Loͤſegeld/ welches die mein aͤidigen Raͤuber
geſu-
[61]Erſtes Buch.
geſuchet/ wir an jhrer ſtat empfangen; vielweniger das angebohrne Erbe dieſer Durchll.
Fraͤulein ſchwaͤchen und mindern ſolten. Hochmoͤgender Herr Stathalter/ auch Roͤmi-
ſche Herren/ Frauen und Fraͤulein; verzeihet uns/ bitten wir/ dieſe Frage/ ob ſie nicht un-
ſerer Ritterlichen Ehren beſchirmer jaſo willig ſeyn wolten/ als wir ihnen ſamt und ſon-
ders zu dienen/ hoͤchſtbegierig ſind; Verfluchet muͤſten ich und mein bruͤnderlicher Geſel-
le ſeyn/ wann wir andere Gedanken von ihnen faſſeten/ zumahl ihre hohe gewogenheit auff
der allerhoͤchſten Vergeltungs-Stuffe ſich ſichtbarlich erzeiget/ in dem wir wegen einer
Viertelſtunde Arbeit/ die ohn ſonderliche Gefahr geweſen/ als leiblichen Soͤhnen/ ſo groſ-
ſes Erbe uns angebohtẽ ſeyn/ hoͤren muͤſſen/ daß wir unſern Ohren kaum trauen duͤrffen.
Betrachtet aber/ bitten wir/ obs ohn Verletzung unſer Ritterlichen Ehre von uns koͤnne
angenommen werden/ weil wir nichts durchaus geleiſtet/ als wozu uns das eingepflanzete
Geſez verbindet: dann ſehet doch; wir haben gewaltleiden der Fraͤulein klaͤgliches geſchrey
vernommen; Wen ſolte das nicht zum mitleiden bewaͤgen? Wir haben geſucht/ deſſen
urſach zu erkennen/ wer wuͤrde ſolches ohn Nachrede einer Kleinmuͤhtigkeit unterlaſſen?
Wir haben uns der anlauffen den Raͤuber erwehret/ ehe und bevor wir einige wiſſenſchaft
gehabt/ ob ſie rechtmaͤſſige Richter der klagenden/ oder boßhaffte Anſprenger waͤhren; wer
koͤnte hier ſein Schwert in der Scheide behalten/ und ſich niderſchmeiſſen laſſen? Sehet/
hochwerte Herren/ Frauen und Fraͤulein/ was von uns vor Gegenwehr geleiſtet/ iſt bloß
zu unſerm beſten vorgenommen/ ja von uns erzwungen; Wir ſind nicht außgeritten/ den
Fraͤulein Huͤlffe zu leiſten; Wir haben ſie biß zu allerlezt ohn Rettung in ihres Huͤters
Hand ſtecken laſſen; Ja das ich ohn Anroͤhtung nicht ſagen kan/ ich bin ſo unhoͤflich gewe-
ſen/ und habe dieſes Durchl. Frauenzimmer nicht eins beſuchet/ ſondern ſie haben ſich ge-
demuͤhtiget/ ſeynd zu mir kommen/ meine Waffen mir abgezogen/ meine Wunde verbun-
den/ und/ mit einem Worte/ ſich ſo verdient umb mich gemacht/ dab ob ich gleich hundert
Jahr leben ſolte/ ich doch in ihrer Schuld ſterben muͤſte; und ich ſolte ihnen dieſen Dank
davor erzeigen/ und ſie ihres vaͤterlichen Erbes zum halben Theil helffen berauben? Die-
ſes Laſter wende Gott von mir ab und von meinem Geſellen/ damit wir nicht Erz Raͤuber
uͤber die heut erſchlagenen werden/ und morgen dem billichen Raͤcher in die Haͤnde fallen.
Ich ſage nicht/ Durchll. Herren/ Frauen und Fraͤulein/ daß ſie uns ein ſolches unter dem
ſchein einiges Laſters anmuhten/ aber/ weil ihr hohes erbieten nicht ohn Laſter von uns kan
angenommen werden/ ey ſo gebet unſer Entſchuldigung ſtat/ damit unſer Ritterſtand/ den
wir kaum vor drey Jahren angefangen/ nicht durch unverantwortlichen Geiz und Unbe-
ſcheidenheit im erſten Graſe erſticket werde/ ſondern wir von dieſem Laſter befreyet/ ſie uñ
andere Woltaͤhter frey anſehen/ und ſo grobes verbrechens uns nicht ſchaͤmen duͤrffen.
Ein Zeichen dieſer hohen ganz unverdieneten Ehre anzunehmen/ wegern wir uns nicht/
ſondern ſol uns vielmehr eine ſtete Erinnerung ſeyn/ wie feſt Euren Durchleuchtigkeiten
wir verbunden bleiben. Nam hiemit ein zierliches Ringelein von den außgeſchuͤttenẽ Klei-
noten/ ſteckete es auf den Goldfinger/ uñ taht ihm Ladjſla ein gleiches nach; hernach fuhr eꝛ
in ſeiner Rede alſo fort: Ja meine hochwerte Herren/ Frauen uñ Fraͤulein/ wir wollen uns
noch einer kuͤhneꝛn Freyheit unternehmen/ uñ dieſe aufgeſetzete koͤſtliche Geſchenke von ih-
rer gar zu freygebigen Hand empfahen; aber mit dieſem bedinge/ daß unſere gebietende
Frauen/ die drey Muͤttere ſie moͤgen in guter verwahrung bey ſich behalten/ damit wir der-
H iijmahl
[62]Erſtes Buch.
mahl eins ſolche alle/ dieſen dreyen Fraͤulein in kuͤnfftig zum Brautgeſchenke bey ihren
hochzeitlichen Ehrentagen einliefern koͤnnen. Den hohen Ruhm/ von unſerm gnaͤdigen
Herrn dem Stathalter uns zugelegt/ ſchreiben wir billich ſeiner ungezweifelten vaͤterlichẽ
Gewogenheit zu/ wollen uns auch befleiſſigen/ daß ob wir gleich keine gebohrne Soͤhne/ wir
dannoch keine andere Herzen/ ſo lange wir leben/ unſerm Herrn als Vater erzeigen. Nach
geendigter Rede raffeten ſie die Kleinoten wieder in die Laͤdichen/ und lieferten ſie nebeſt
obgedachten Bechern den dreyen Frauen ein/ mit bitte/ dieſelben in gute verwahrung an-
zunehmen. Die Anweſenden alle beantworteten dieſes anmuhten mit einem freundlichẽ
Lachen. Nur der Stathalter ſagte drauff: Ihr meine Herren und Freunde; wann eurer
Antwort auff meine gehaltene Rede ich mit einer neuen begegnen ſolte/ wuͤrde ſolches/ be-
kenne ich/ nicht ſonder Anwendung der wolgegruͤndeten Vernunfft geſchehen koͤnnen;
waͤhꝛe auch zu befahren/ dz entwedeꝛ meine entgegen geſtellete Urſachen zuruͤk prallen/ oder
ihre angefuͤhrete ausfluͤchte angegriffen werden muͤſten; geſtehe ſonſt gerne/ daß Herꝛ Heꝛ-
kules uns anjetzo nicht weniger jhrer beyder hohen Verſtand und wolgebildete Gering-
ſchaͤtzung zeitlicher Guͤter/ als unſern Kindern/ ja auch unſern Feinden jhre unuͤberwindli-
che Herzhafftigkeit zu erkennen gegeben. Ich wil vor dißmahl weder ihre getahne Vereh-
rung an unſere Toͤchter wiederruffen/ noch mich der geſchehenen wegerung beſchweren/
ſondern wie ihnen ich allen freyen Willen hierin laſſe/ alſo werden ſie/ ich muͤſte dann gar
ungluͤkſelig ſeyn/ mir dieſes mein an ſuchen weder ſtreitig noch abſchlaͤgig machen/ da ich
ſie freundlich erſuche/ nicht ſchleunig von uns hinweg zu zihen/ ſondern umb beſſere Kund-
ſchafft zu machen/ etliche Zeit bey uns zu verbleiben. Keine angenehmere Bitte haͤtte dem
verliebeten Ladiſla koͤnnen angelegt werden/ und kunte dannoch uͤber ſein Herz nicht brin-
gen/ ſie zu beantworten/ weil Herkules Wille ihm unbewuſt wahr; welcher aber zu ſeines
Freundes Vergnuͤgung dieſe Antwort gab: Hoͤchſtgewogener Herr als Vater/ wir muͤ-
ſten zumahl bauriſch und unbehoͤfelt ſeyn/ wann wir ohn Urlaub hinter der Tuͤhr Abſcheid
nehmen wuͤrden; erkennen uns ſchuldig/ unſern Herren/ Frauen und Fraͤnlein gehorſam
und ehrerbietig auffzuwarten/ und zweifeln im wenigſten nicht/ ſie werden auff geleiſtetes
begehren uns zu unſer noͤhtigen Reiſe hinwiederumb befoͤrderlich ſeyn.


Der Stathalter kunte ſich des jungen Herren unaußſinlicher Verſchlagenheit nicht
gnug wundern/ daß er im Augenblick ſo vortraͤgliche Antwort zufinden wuſte/ nicht allein
daß angebohtene hoͤfflich außzuſchlagen/ ſondern auch daß begehrete auff ſolche Weiſe
zu verheiſſen/ daß er immerzu unverbunden bleiben/ und ſein Verſprechen nach belieben
auffruffen kunte. Sein Gemahl aber wolte weil der Abend einbrach/ dieſes Geſpraͤch auf-
heben/ daher ſagete ſie: Unſere Toͤchter/ wie ich merke/ ſolten faſt mehr belieben nach ei-
nem Tanze als ferneren hoͤfflichen reden tragen; hieß demnach die Spielleute und Die-
ner (welche bißher einen Abtrit genommen) wieder herein gehen/ und nach etlichen kuͤnſtli-
chen ſtuͤcken einen Tanz auffmachen/ da Frl. Sophia mit Frl. Urſulen einen zierlichen
Reihen Tanz mit gefaſſeten Haͤnden; hernach jede einen abſonderlich vor ſich/ wiewol zu-
gleich/ und nahe bey einander hielt/ nach deſſen Endigung dieſe zujener ſagete: Betriegẽ
mich meine Augen nicht/ Herzen Schweſter/ ſo werden die eure von Herr Ladiſla nicht an-
gefeindet; und die Goͤtter geben euch ja nimmermehr keinen unwirdigern Buhlen. Heꝛz-
liebe
[63]Erſtes Buch.
liebe Schweſter/ antwortete Frl. Sophia/ ob Herr Ladiſla mich nicht anfeindet/ ſo habe
ich ihm darzu auch keine Urſach gegeben/ da es nicht durch Beſchwerung auff dem Pfer-
de geſchehen iſt. Es iſt mir aber lieb/ Gelegenheit zu haben/ euch eure groſſe Untraͤue vor-
zuhalten/ welche ihr mir heut in dem Ungluͤkswalde erzeigetet/ in dem ihr mich nacket und
bloß bey H. Ladiſla einem Wildfremden ſo gar allein lieſſet; nimmermehr koͤnte ich euch
ein ſolches Bubenſtuͤk anthun. Daß ihr mir aber keinen unwirdigern Buhlen wuͤnſchet
als dieſen/ kan ich anders nicht außdeuten/ als daß ich gar keinen haben ſol; dann wo wuͤr-
de mann ſein und ſeines Geſellen gleichen finden? Frl. Urſula ſagte hierauff; Ich ſahe uñ
merkete wol/ mein Schweſterchen/ daß euch beyderſeits geliebte allein zu ſeyn (dann ſonſt
waͤhret ihr wol mit uns zugleich davon gangen) darumb wolte ich euch einen Dienſt durch
unſer beyder abweichen thun/ wie mich dann eigen gedauchte/ ihr haͤttet mir deßwegen ei-
nen Wink gegeben. Sahe ſie hierauff traurig an/ und fuhr alſo fort: Es iſt aber iezt nicht
Zeit zuſcherzen/ ſondern wann ich bey euch der Verſchwiegenheit verſichert waͤhre/ muͤ-
ſte unſer Freundſchafft nach ich euch eine wichtige Heimligkeit offenbahren/ die ihr ſonſt
zuſpaͤt erfahren moͤchtet. Dieſe bekam groſſe Begierde ſolches zu vernehmen/ und lobete
an/ Hand und Mund zu halten. Worauff jene ſagte: Wiſſet ihr auch/ Schweſter/ daß ihr
ſchon eine verlobete Braut ſeyd? Was? antwortete dieſe; bin ich eine Verlobete? fing a-
ber bald an zulachen/ und ſagte: Haltet ihr mich dann vor ſo frech/ daß ich mich dieſem
Fremden ſolte ſo leicht und bald verſprochen haben? aber ich werde ſchon Gelegenheit fin-
den/ euch dieſes Auffzuges gereuen zu machen. Leget meine Reden nicht ungleich noch vor
einen Auffzug aus/ antwortete jene; und ſeyd ihr eures eigenen Zuſtandes noch unberich-
tet/ ſtehet es umb eure Sache ſo viel gefaͤhrlicher/ weil ich fuͤrchte/ der Braͤutigam moͤchte
euch ungenehmer als der Tod ſelbſt ſeyn; Ich verlaſſe mich aber auf eure Zuſage/ und fra-
ge in allem Ernſt/ wie euch der geizige Fulvius gefalle/ welchen ich trauen umb aller Welt
Gut nicht heyrahten wolte/ ungeachtet ich keines Stathalters Tochter bin wie ihr. Frl.
Sophia erinnerte ſich/ daß ihr Vater etliche Zeit her dieſen Roͤmiſchen Herren in ihrer
Gegenwart zun offtern trefflich geruͤhmet hatte/ mit vermeldung/ es waͤhre kein Roͤmi-
ſcher Herr/ der ihm eine Tochter verſagen wuͤrde; faſſete deßwegen traurige Gedanken/
und ſagte: Ach herzgeliebte Schweſter/ ich bitte zum allerhoͤchſten mir zu vertrauen/ von
wem ihr deſſen berichtet ſeid. Was gehet euch daß an? antwortete ſie/ iſts nicht gnug/
daß ich euch die Heimligkeit ſelbſt vertraue? die ſo gewiß iſt/ daß wo ich fehle/ ihr mir alle
Freundſchafft auffkuͤndigen ſollet. Ich ſage euch noch mehr; Fulvius iſt ſchon auff dem
Wege/ euch abzuhohlen/ weil euer H. Vater/ ungeachtet alles Wiederſprechens/ von
euer Fr. Mutter geſchehen/ ihm voͤllige uñ unbedingte Zuſage getahn hat; welches ich von
niemand anders habe/ als der mit dabey geweſen iſt. Werdet ihr mich nun verrahten/ ſo
bringet ihr mich in die groͤſte Ungelegenheit. Schweſter/ ich kan Gott Lob wol ſchweigen/
antwortete ſie/ aber von dieſer Heiraht werden mich die Goͤtter/ oder der Tod frey ſpre-
chen/ deſſen ſeyd ungezweifelt verſichert. Ich danke euch aber von herzẽ dieſer eurer traͤue/
die ich/ wo ich leben ſol/ unvergolten nicht laſſen wil. Aber wir ſtehen allhier zu lange/ und
moͤchte unſer Geſpraͤch etlichen einen Argwohn bringen. Seyd aber gebehten/ und fuͤhret
H. Ladiſla unſere Schweſter Helenen zu/ daß wir ſehen/ ob dieſe ſonſt ſo volkommene Rit-
ter
[64]Erſtes Buch.
ter auch den Tanzbodem beſuchet haben. Was habe ich vor Urſach/ ſagte Frl. Urſula/
ihm Helenen zuzufuͤhren? Ihr habt ſelbſt eines getraͤuen Freun des von noͤhten/ der euch
von Fulvius loßwirke/ und wiſſet nur/ daß ichs heut wol ſahe/ wie kek er ſich der guten Ge-
legenheit hinter dem Baum gebrauchete. Herzen Schweſter/ antwortete ſie/ das Geſicht
muß euch maͤchtig betrogen haben/ welches ich auff beſſere Gelegenheit verfechten wil/
mit dem Tanze aber moͤget ihrs nach eurem willen ordnen. Alſo beſtellete Frl. Urſula ei-
nen ſonderlichen neuen Tanz/ und foderte Ladiſla mit dieſen worten auff: Hochwerter
Herr/ da ich ſonder Unhoͤffligkeit ihm meine herzliebe Frl. Schweſter an die Hand bieten
darff/ nach belieben ſie bey ſich nieder zuſetzen oder zum Tanze zufuͤhren/ wil ich deſſen nicht
laͤnger Auffſchub nehmen. Ladiſla bedankete ſich der Ehren und fing nach Anleitung ſei-
ner Liebesbegierden einen ſehr zierlichen Tanz mit ihr an/ nach deſſen Endigung ſie zu ihm
ſagete: Mein Herr/ ihr wiſſet gewißlich nicht minder beym Tanze/ als bey dem Kampffe
euch ganz volkommen zu halten. Hoͤchſt geliebtes Fraͤulein/ antwortete er; daß mir dann
auch der Himmel dieſe Guͤtigkeit zuflieſſen laſſen wolte/ bey meinem Fraͤulein koͤnnen an-
genehm zu ſeyn/ weil ohn ihre Gunſt und Gegenliebe ich auſſer allem zweiffel untergehen
und verderben muß. Mein Herr/ ſagte ſie/ ich bitte ſehr/ mir dieſes Fraͤulein nahmhafft
zu machen/ deren Gewogenheit er ſo embſig ſuchet; kan ich ihm dann bey derſelben den ge-
wuͤnſchten Troſt erwerben/ als dann ſoler dabey pruͤffen/ ob ich nicht willig bin/ ihm vor
beſchehene Rettung traͤulich zu dienen. Nun merkete ſie/ daß er mit einer weitlaͤufftigen
Erklaͤrung loßzubrechen willens wahr/ welches/ weil vieler Augen auff ſie gekehret wah-
ren/ ſie mit dieſen worten abwendete: Mein Herr/ ich wil noch hinte ſeine mir vielleicht
nicht unbewuſte Außlegung ſehr willig anhoͤren; aber dafern ihm beliebet/ noch einen Tanz
mit mir zuhalten/ wird dieſes Orts ſolches niemand verdacht. Er gebrauchte ſich dieſer
Anfoderung/ beſtellete mit einer Handvol Kronen einen Tanz/ und befliß ſich aller Zierlig-
keit/ damit er ja ſeinem Fraͤulein gefallen moͤchte. Herkules hatte unvermerket gar genaue
acht auff alles ſein thun; er wuſte/ daß er von jugend auff dieſer Ubung wenig zugetahn
wahr/ und ſahe doch vor Augen/ daß die Liebe ihm die Fuͤſſe gleichſam befluͤgelte; gedach-
te demnach/ ihm nach allem vermoͤgen zum gewuͤnſchten Zweg zuverhelffen/ was ihm
auch druͤber zuſtoſſen moͤchte; nur lag ihm allermeiſt im Wege/ daß auff ſolche Weiſe ihr
Stand und Weſen muͤſte offenbahr werden/ weil ſo hohe leute mit unbekanten ſich zube-
freunden/ groſſes Bedenken tragen wuͤrden; jedoch/ weil ihm ſeines Freundes Wille lie-
ber als ſein eigener wahr/ ſetzete er alles uͤbrige zuruͤk/ und zu Gottes verſehung. Der jun-
ge Fabius ward auch vermahnet/ mit Frl. Urſulen einen Tanz zuverrichten/ dieſe aber/
weil ihre Kundſchafft und Vertrauligkeit ſchon von zwey Jahrenher viel heimlicher
wahr/ als die im Tanze beſtehet oder gilt/ luden ſich auff ein Abendgeſpraͤch/ nach geen-
digter Gaͤſterey. Herkules/ der im tanzen und ſpringen ſeines gleichen nicht hatte/ ſaß
dannoch lieber ſtille/ als daß er ſolcher Uppigkeit haͤtte nachtrachten ſollen; ſo wolte ihn
auch niemand wegen empfangener Wunde/ zum Tanze noͤhtigen; weil aber Ladiſla mer-
kete/ daß er den andern fleiſſig zuſahe/ gab er ſeinem Fraͤulein zuverſtehen/ Er ſaͤhe gerne/
daß Herkules ein Tanz gebracht wuͤrde; die ſolches zuleiſten ſich willig anerboht/ wann
ſie nur wiſſen ſolte/ daß ſie es wagen duͤrffte/ uñ es ihm wegen der Wunde nicht beſchwer-
lich
[65]Erſtes Buch.
lich waͤhre. Doch fuͤhrete ſie ihm Frl. Helenen zu/ da er anfangs ſich mit ſeiner Unwiſ-
ſenheit entſchuldigte/ und nicht deſtoweniger ſolche Schnitſpruͤnge/ ſchrenkungen und
andere Zierligkeiten mit ſeinen leichten und geraden Fuͤſſen verrichtete/ daß die Zuſeher
ſageten/ es muͤſte dieſer Herr in dem allergluͤklichſten Zeichen des himliſchen Geſtirns
gebohren ſeyn/ weil alle Leibes und Seelen Zierde in ſo groſſer Volkommenheit bey ihm
hervorglaͤnzeten. Aber niemand ruͤhmete ihn hoͤher im Herzen als eben ſeine Neben Taͤn-
zerin/ dann ſie hatte ſich dergeſtalt an ihm vergaffet/ daß ſie faſt ſich ſelber nicht kennete;
wie wol der Pfeil umbſonſt verſchoſſen wahr/ und die Karte an iener Seite ſchon derge-
ſtalt verſtecket/ daß der guten Fraͤulein Gedanken ſich in eine grundloſe See verſenketen.


Die ſchon halb verlauffene Nacht erinnerte nunmehr die Anweſenden/ daß es Zeit
ſeyn wuͤrde/ ſich dem Lager zu widmen/ daher der junge Fabius es Herkules frey ſtellete/ wie
ſruͤh oder ſpaͤht er Ruhe nehmen wolte; der aber ſeinem Freunde Raum zumachen ſuche-
te/ ſeiner Liebe in etwas nach zuhaͤngen/ weil er ſahe/ daß ihm nicht gefiel/ ſo zeitig Abſcheid
zunehmen; daher er ſich gegen Fabius vernehmen ließ/ da es ihm ſo geliebete/ wolte er
noch ein halb ſtuͤndichen mit ihm ſprachen. Dem Stathalter und andern Gaͤſten wahr
dieſes ſehr angenehm/ und begunte ein jeder ihm einen Sprachgeſellen außzuſehen. Die
drey Frauen traten zuſammen/ und uͤberlegeten das groſſe Elende ihrer Toͤchter/ welches
ſie unvermeidlich haͤtten angehen muͤſſen/ dafern dieſer Helden Huͤlffe nicht ſo ſchleunig
kommen waͤhre; und ſagte Fr. Pompeja; es waͤhre ſehr gefaͤhrlich/ eine mannbare Toch-
ter in der Eltern Wohnung/ und nichts ſicherer/ als daß man ihr einen Mann gaͤbe; Aber
ihre Schweſter Fr. Julia antwortete: Sie hielte davor/ daß die Toͤchter in der Eltern
Haͤuſern ſicherer waͤhren/ als wann man ſie nach jhren Willen ausfahren lieſſe. Der
Stathalter und ſeine Schwaͤger hatten ſich an einem andern Orte zur Unterredung ni-
dergeſezt; ſo nam Ladiſla dieſer guten Gelegenheit wahr/ wie imgleichen Frl. Sophia die-
ſelbe nicht verſeumen wolte; traten von den andern in einer zimlichẽ Abſonderung zuſam-
men/ und brachte er ſeine Werbung folgender geſtalt vor: Hochgebohrnes Fraͤulein/ dem-
nach ich ſchon zu unterſchiedlichen mahlen ihr meine ungefaͤrbte Liebe und herzergebene
Traͤue angemeldet/ und doch nicht die geringſte Gewißheit eines Ja oder Nein erhalten
moͤgen; mir aber unmoͤglich iſt/ die uͤber mich ſchlagenden Flammen ohn Kuͤhlung laͤn-
ger zu erdulden/ ſintemahl ich ungleich groͤſſere Angſt/ als mein Fraͤulein unter Raͤubers
Haͤnden/ in meiner Seele empfinde/ ſo daß den Schmerzen/ welchen die Erkaͤntniß durch
den Dienſt meiner Augen eingenommen/ in mir wirket/ und ihre außbuͤndige Schoͤnheit
einig verurſachet/ ich nicht ertragen mag; als bitte ich von Grund meines Hertzen/ ſie
wolle mich nicht ohn Mitleiden verderbenlaſſen/ noch zugeben/ daß derſelbe durch ihre
Granſamkeit getoͤdtet werde/ welcher vor jhre Wolfahrt zuſterben/ ſich nun und nimmer-
mehr wegern wird; jedoch/ dafern mit und bey ihr zu leben/ mir nicht kan zugelaſſen ſeyn/
ey ſo verweile ſie nur nicht/ mir die Urtel wegen meines Frevels zu ſprechen/ weil ich rund-
aus bekenne/ daß den ſelben ich niderzulegen/ weder willens noch vermoͤgens bin; ſolte a-
ber mein Fraͤulein ſich erklaͤren koͤnnen/ mich vor den ihren in ehelicher Verbindung aufzu-
nehmen/ alsdañ wolle ſie ihre gedanken miꝛ nicht laͤnger verbergen/ damit ich meine unru-
higen Geiſter ſtillen/ und inkuͤnfftig bedenken moͤge/ was zu Fortſetzung meines Wunſches
Jdienen
[66]Erſtes Buch.
dienen kan. Das Fraͤulein wahr nicht willens/ laͤnger unter der Decke zu ſpielen/ weil die
Gefahr mit Fulvius jhr zu hart anlag/ deßwegen ſie ihm mit dieſer Antwort begegnete:
Der Himmel iſt mein Zeuge/ mein Herr/ daß ich bißher keinen Liebes gedancken in mei-
nem Herzen empfunden/ ehe und bevor ich ſeiner Kundſchafft bekommen; habe auch noch
in dem unverſtaͤndigen Alter gelebet/ welches von dergleichen Sachen ſehr wenige Er-
kaͤntniß/ viel weniger Genieß hat; ſo bin ich uͤber das/ Zeit meines Lebens unter ſo ſtraͤn-
gem Zwange von meinen Eltern gehalten/ daß ich nirgend in Geſellſchafften mich duͤrffen
finden laſſen/ ohn wo ſie mit zugegen geweſen/ nur daß mir geſtern mit meinen Waſen auß-
zufahren gegoͤnnet ward/ welches/ dafern euer mitleidiges Herz nicht geweſen/ mir uͤbel
bekommen waͤhre. Ich laſſe mich aber beduͤnken/ mein Herr habe in ſeiner Rede mir mit
verdekten Worten/ den entbloͤſſeten zuſtand wollen zu Gemuͤht fuͤhren/ in welchem er mich
angetroffen; da ich dann bekennen muß/ daß/ wann es mit meinem guten Willen geſchehẽ
waͤhre/ ich billich vor das leichtfertigſte Weibesbild muͤſte gehalten werden/ die jemahls
gelebet; weil es aber durch unwidertriebliche Gewalt alſo ergangẽ/ welche doch/ den Goͤt-
tern ſey Dank/ auſſer dem ſehen nichts an mir gehabt/ hoffe ich gnug entſchuldigt zu ſeyn;
und kan ich mich ſo viel beſſer troͤſten/ daß die leichtfertigen Buben des an mir begangenen
Frevels ſich nicht ruͤhmen koͤnnen/ ſintemahl eure Ritterliche Fauſt jhnen ſolches wol ver-
bohten hat. Daß ich nun auff den Zweg ſeiner Reden komme/ ſo wundert mich ſehr/ daß
mein Herr ſich ſo verliebet anſtellet/ da er mich doch nicht wirdiget/ mir ſeines Weſens et-
was vertraulichere Kundſchafft zu goͤnnen. Er ſihet und kennet nunmehr meinen und
der meinigen Zuſtand; und ruffe ich die Warheit zum Zeugen/ daß an ſeinem gnugwirdi-
gen Adel und Herkommen ich vor mich nicht zweifele/ ſondern ihn ſo hoch ſchaͤtze als keinẽ
andern in ganz Rom; jedoch muͤſte mirs ohnfehlbar zur unbeſoñenſten Leichtfertigkeit auß-
gelegt werden/ wann ich vor dieſer gebuͤhrlichen Nachfrage/ mich auf getahne Anmuhtung
richtig erklaͤren wuͤrde; ja wann ich mein Herz demſelben ergaͤbe/ von welchem ich noch
nicht ſo viel weiß/ ob er mir eins ſeinen rechten Nahmen offenbahret habe. Mein Herr/
fuhr ſie fort/ ich geſtehe gerne/ daß ich ihm hoͤher verpflichtet bin/ als zeit meines Lebens ich
nicht vergelten kan; jedoch halte ich auch davor/ daß/ wie groſſe Woltaht gleich ein Ritter
einem Weibesbilde erzeiget/ er dannoch gehalten ſey/ ihrer Ehren und guten Leumuts acht
zu haben. Nicht rede ich ſolches/ ob truͤge ich einigen Zweifel an ſeiner Redligkeit/ ſondern
bloß zu erforſchen/ ob auff ihn mich verlaſſend/ ich auff feſten Grund oder auff Triebſand
bauen wuͤrde. Da nun mein Herr einige beſtaͤndige Antwort von mir erwartet/ uñ meines
Herzen erklaͤrung zu vernehmẽ/ belieben traͤget/ wird er mich ſeiner heimligkeiten etwz beſ-
ſere Kundſchafft goͤñen/ damit ich wiſſe/ wen ich lieben ſol/ uñ von wem ich geliebet werde;
alsdann verſichere ich ihn hinwiederumb bey meinen Jungfraͤulichen Ehren/ deren Ret-
ter er heut geweſen iſt/ daß alles heimliche zuverſchweigen/ ich mich ſo kraͤfftig befinde/ daß
weder Vater noch Mutter/ noch icht was in dieſer Welt durch einigerley weiſe deſſen das
allergeringſte auß mir erzwingen ſol. Wuͤrde aber mein Herr dieſes mein an muhten un-
gleich verſtehen/ als es von mir nicht gemeynet iſt/ ſo bedenke eꝛ doch/ ob auch einige Elteꝛn
in der Welt gefunden werden moͤchten/ die ihr liebes Kind einem allerdinge Unbekanten
goͤnnen wuͤrden/ geſchweige dann dieſe/ deren Macht ſo groß iſt/ daß ſie von ihren Kindern
nohtwendig muͤſſen gefuͤrchtet werden.


Ladiſla
[67]Erſtes Buch.

Ladiſla erkennete in ſeinem Herzen wol/ daß die Erbarkeit ſelbſt ſie zu die ſer Nach-
forſchung ſeines Standes antriebe/ und hielt die Libe zu dem Fraͤulein/ und die ſeinem Her-
kules geſchworne Verſchwiegenheit einen ſtarken Kampff in ſeiner Seele/ ob er ſich ihr
gaͤnzlich ſolte zuerkennen geben; doch ging er endlich in ſich/ gab der Vernunfft Plaz/ und
antwortete ihr folgen der Geſtalt: Hochgeliebtes Fraͤulein; ich erkenne euer rechtmaͤſſi-
ges Begehren/ und thut mir von Herzen leid/ daß durch Aidſchwur gehindert/ ich ihr
nicht bald anfangs meinen Stand wiſſen laſſen duͤrffen/ wie ich gerne gewolt haͤtte. Ich
geſtehe/ daß ich eine zeitlang meinen rechten Nahmen verendert/ und in nach ſuchung mei-
nes Herkules/ welchen ich vor wenig Monaten erſt wieder angetroffen/ mich Winn. bald
nennen laſſen; anjetzo aber meinen vorigen Nahmen wieder angenommen habe/ vielmehr
darff ich dieſe Stunde nicht von mir ſagen/ biß mein Herkules mich des getahnen aͤydes
erlaſſen wird/ welches ich leicht erhalten werde. Vor dißmahl nur ſchwoͤre ich bey meinen
ritterlichen Ehren/ daß ich ein gebohrner und Herſchender Koͤnig bin/ uͤber ein Reich/
welches weder dem Roͤmiſchen Kaͤyſer noch einigen andern/ Schatzung oder pflichtſchul-
digen Gehorſam geſtehet/ ſondern naͤheſt ſeinen Goͤttern mich allein vor die hoͤchſte O-
brigkeit erkennet und ehret; bitte aber/ mein herzgeliebtes Fraͤulein dieſe Geheimnis noch
zur Zeit vor ſich allein wiſſen/ und umb wichtiger Urſachen willen verſchwiegen halte wol-
le. Das Fraͤulein erbleichete vor dieſer Rede/ und antwortete gar furchtſam: O ihr Goͤt-
ter! warumb habt ihr heut einen maͤchtigen Koͤnig meinetwegen in Lebensgefahr ſtuͤrzen
wollen/ deſſen Verluſt tauſendmahl groͤſſer als der meine geweſen waͤhre? Ja ihr Goͤtter/
habt ihr mich eure Magd deßwegen in Raͤuber Haͤnde gerahten laſſen/ daß ein Koͤnig
mich nicht allein retten/ ſondern deſſen ich nicht faͤhig bin/ mir ſeine eheliche Liebe antra-
gen muͤſſen? Ladiſla baht ſehr/ ihn forthin weder heimlich noch oͤffentlich anders als einen
Herren Standes zuhalten/ und wo moͤglich/ auff ſein inbruͤnſtiges Anſuchen ihm gewiri-
ge Erklaͤrung wiederfahren zu laſſen; deſſen er von ihr mit dieſen Worten gewehret ward:
Ja mein Herr/ ſintemahl es ihm alſo gefaͤllig iſt/ wil ich noch zur Zeit ſelber nicht wiſſen/
wer er iſt/ und wie hoch ich ihn zu ehren ſchuldig bin. Wegen angetragener Liebe bedanke
ich mich von ganzer Seele/ und auff ſein inſtaͤndiges Anfodern verhieſſe ich in aller beſtaͤn-
digen Traͤue/ ſo viel in meiner Macht ſeyn kan/ als nehmlich/ daß entweder Herr Ladiſla
allein/ da ſonſt meiner Eltern bewilligung folgen kan/ oder doch kein ander Mannesbilde
eheliche Gewalt uͤber mich haben ſol; und ob durch vaͤterlichen Zwang zur brechung die-
ſes Geluͤb des ich ſolte genoͤhtiget werden/ wil ich entweder Herren Ladiſla/ wie ers begeh-
ren wird/ durch Noht und Gefahr folgen/ oder den Tod mit froͤlichem Herzen angehen.
Auff dieſe Antwort kuͤſſete ihr Ladiſla die Haͤnde/ und ſagte: So ſchwoͤre ich hinwieder-
umb bey den maͤchtigen Goͤttern/ daß ich ihr als meinem einig geliebten Fraͤulein die ver-
ſprochene Traͤue und eheliche liebe halten/ und durch kein Ding der Welt mich davon ab-
wendigen laſſen wil; ſo gar/ daß ob ſie mir durch jemand ſolte verſaget werden/ ich meines
Reichs ganze Macht dran wagen/ und lebendig mich ihrer nicht begeben wil. Da gingen
nun die herzvergnuͤgliche Reden erſt recht an/ und bemuͤhete ſich jeder Theil/ dem andern
ſich behaͤglich gnug zu machen. Als aber Ladiſla durch hitzige Liebesflammen uͤbernom̃en/
umb ſchleunigen wirklichen Verfolg anhielt/ wuſte ſie ihm dergeſtalt mit holdſeliger Ein-
J ijrede
[68]Erſtes Buch.
rede zu begegnen/ und ihn der gebuͤhrlichen Maͤſſigkeit zu erinnern/ daß eꝛ ſeiner anſuchung
ſich ſelbſt ſtraffen muſte. Mein Herr/ ſagte ſie zu ihm; wie ſolte er dem uͤberfluß ſeiner Lie-
besbegierden nicht koͤnnen die billiche Maſſe ſetzen/ da er doch in alle ſeinem Vornehmen
ſich der allergeringſten Ungebuͤhr nicht merken laͤſſet? Es weiß ja mein Herr/ und veꝛ-
trauter Freund/ daß ich numehr die ſeine bin und bleiben werde/ jedoch ſo lange in keuſcheꝛ
Zuſage/ biß die Goͤtter uns die eheliche Vermaͤhlung wiederfahren laſſen. Wird demnach
mein Seelen-Schaz ſelbſt verhuͤten helffen/ daß ſchier heut oder morgen uns kein Menſch
der Leichtfertigkeit mit Warheit zeihen koͤnne; Was aber auſſer dieſem iſt und beſtehet/
damit weiß meinem Herrn ich mich unwegerlich verbunden. Nun wird aber Zeit ſeyn/ dz
ich ihm eine heimliche Gefahr offenbahre/ deren ich kaum vor dreyen Stunden von einer
hochvertraueten Freundin berichtet bin; Daß nehmlich mein Herr Vater mich einem
Roͤmiſchen Ritter/ nahmens Fulvius/ ſol ehelich verſprochen haben/ welcher zwar reich
an Guͤtern/ aber an Wiz und Tugend nicht viel zu verlieren hat; denſelben nun an meine
Seite kommen zu laſſen/ weꝛde ich wol nim̃ermehr einwilligen/ es ſey dann/ dz mich groͤſſe-
re Gewalt/ als die heutige unter Raͤubers Haͤnden/ darzu unvermeidlich zwinge und ver-
gewaltſame; vernehme zugleich/ er duͤrffte ſich erſtes Tages einſtellen/ mich abzulangẽ/ wel-
ches ich mir doch nicht einbilden kan/ angeſehen meine Eltern noch jemand anders/ mich
davon kein einiges Woͤrtlein haben wiſſen laſſen. Ladifla verſprach ihr/ allen moͤglichen
Zwang ſeiner Begierden/ und ſagte: Es waͤhre jhm ſehr lieb/ daß er des Bulers zeitig inne
wuͤrde/ hielte/ in Betrachtung des ſtraͤngen Ernſtes ihres H. Vaters/ wol davor/ daß vor
geſchloſſener Heyraht er ihr wenig davon ſagen moͤchte/ wolte nur wuͤnſchen/ daß die Goͤt-
ter den vermeynten Braͤutigam ehiſt herzu fuͤhreten/ als dann wuͤrde ſich ſchon Gelegen-
heit an die Hand geben/ ſich durch einen rechtmaͤſſigen Kampff ſeiner zu entledigen/ ob es
gleich ihrem H. Vater nicht allerdinge mit waͤhre. Ach mein Herr/ antwortete ſie; ſolte
er ſich meinetwegen noch in weitere Gefahr einlaſſen? Ich meyne ja/ die heutige ſey ſchon
gar zu groß geweſen; meine meynung aber zu ſagen/ halte ich zwar wol etwas dran zuſeyn/
aber noch ungeſchloſſen/ welches ich zu muhtmaſſen groſſe Urſachen habe; und koͤn-
te mein Herr meinem getraͤuen Raht folgen/ ſolte ers kuͤhnlich wagen/ und erſtes Tages
mich an meine Eltern begehren; Ich hielte gaͤnzlich davor/ es wuͤrde ihm/ in Betrachtung
ſeiner mir erzeigeten Rettung/ nicht abgeſchlagen werden/ inſonderheit/ wann mein Herr
Vater ſeiner Koͤnigl. Wuͤrde ſolte berichtet ſeyn. Ich wil/ ſagte Ladiſla/ mich dieſe Nacht
eines endlichen Schluſſes mit meinem Herkules vergleichen/ und vor dißmahl dieſe Be-
redung abbrechen/ weil ich euren Bruder ſehe zu uns treten. Eben dieſer/ ſagte ſie/ kan
in unſerm Vorhaben uns ſehr behuͤlflich ſeyn/ deſſen wir uns bedienen werden.


Nun hatte aber der junge Fabius dieſer beyder Liebe ſich von Frl. Urſulen vertrau-
lich berichten laſſen/ deſſen er ſelbſt ſchon argwohn hatte/ wahꝛ ihm doch nicht ungenehm/
weil er nichts hoͤhers wuͤnſchete/ als ihm einen ſolchen Schwager mit ſeiner Schweſter
zu machen. Er wolte aber in H. Ladiſla Gemuͤht ſich unvermerkt hinein ſchlingen/ umb-
zu vernehmen/ ob die aͤuſſerlichen Geberden ihm von Herzen gingen; daher er ihn ſolcher
geſtalt anredete: Mein Herr/ ich ſpuͤre/ daß meine geliebte Schweſter in gebuͤhrlicher
danckbarkeit ſich gerne wolte finden laſſen/ wañs in ihrem vermoͤgen waͤre/ wird ſich aber
ihrer ſchwacheit leicht erinnern/ und deßwegen durch Bitte zu erhalten ſich bemuͤhen/ daß
mein
[69]Erſtes Buch.
mein Herr in mangel der Taht/ an ihrem guten Willen keinen Unwillen tragen wolle. La-
diſla wahr wegen tieffer Liebsgedanken faſt nicht bey ihm ſelber/ antwortete demnach ſo
ungereimet/ daß das Fraͤulein ſich deſſen ſchaͤmete/ und ihrem Bruder hernach zur Ant-
wort gab: Herzgeliebter Bruder/ mein Vermoͤgen iſt freylich viel zu geringe/ dieſem Her-
ren den wirdigen Dank darzulegen/ inſonderheit/ weil der unſern keiner noch abſehen kan/
durch was Mittel man ſolches vornehmen ſolte. Zwar die Ritter unſers Landes ſollẽ/ wie
ich mir ſagen laſſen/ keiner adelichen Jungfer ein Geſchenk/ aus Freundes Herzen herꝛuͤh-
rend/ außſchlagen/ wie mir und meinen Schweſtern heut begegnet iſt/ da wir mit zimlicheꝛ
Anroͤhtung haben abzihen/ und alles angebohtene auf kuͤnfftige Verheiratung wieder an-
nehmen muͤſſen. Ladifla wolte Fabius antwort nicht erwarten/ ſondern fing an; Ich wuͤr-
de auch das Buch der Unhoͤfligkeit gar durchblaͤttert haben/ wann einigem Fraͤulein ich
meine Gutwilligkeit/ in Annehmung eines Geſchenkes/ das als ein Warzeichen ſolcher
Gunſt koͤnte gerechnet werden/ entziehen wuͤrde; weil aber ein ſolches von meinem hoͤchſt-
werten Fraͤulein mir nicht gebohten iſt/ ſondern ich mir ganze Laden vol habe muͤſſen vor-
ſchuͤtten laſſen/ welches kein Zeichen/ ſondern eine uͤberwage zunennen/ hoffe ich gaͤnzlich/
es werde meiner Fraͤulein Beſchuldigung weder meinen Freund Herkules noch mich
treffen koͤnnen. So hoͤre ich wol/ ſagte ſie/ es duͤrffte der mangel endlich auff mich fallen/
als die ich ein Zeichen williger Dankbarkeit meinem Herrn zu bieten/ muß bekennen/ un-
terlaſſen habe. Wol dann/ ich geſtehe den Fehleꝛ/ und muͤſte mir leid ſeyn/ daß ich ihn nicht
ſtuͤndlich verbeſſerte/ weil in beyſeyn meines liebẽ Bruders ich ſolches noch wol leiſtẽ kan.
Nam hiemit einen koͤſtlichen Ring/ den ſie in eine Haarlocke uͤber der linken Achſel han-
gend/ eingeflochten hatte/ zog ihn heraus/ und ſteckete ihm denſelben an ſeinen Finger mit
dieſen Worten: Mein Herr/ laſſet/ bitte ich/ dieſes das erſte Zeichen der Willigkeit ſeyn/
damit wegen geſchehener kraͤfftigen Rettung meiner Ehren/ ich demſelben zeit meines Le-
bens verhafftet bleibe; iſt es dann gleich ſchlecht/ und viel zu geringe an dieſem Finger ge-
tragen zu werden/ wird der Wille deren/ die es liefert/ den Abgang der Wirdigkeit zu erſe-
tzen/ ſich nimmer faul und muͤſſig finden laſſen. Ladiſla gab durch einen freundlichẽ Hand-
kuß ſeine Vergnuͤgung zu verſtehen/ bedankete ſich der erzeigeten Ehre/ und daß er dieſes
empfangene umb das teureſte Kleinot der Welt nicht vertauſchen wolte; lieferte ihr dar-
auff hinwiederumb einen viel koͤſtlichern Ring/ deſſen Demant helle fuͤnkelte/ und baht ſehꝛ/
denſelben als ein Zeichen aller Ergebenheit anzunehmen. Das Fraͤulein wegerte ſich we-
gen ihres Bruders/ ein wenig/ nam ihn doch zu ſich/ und ſteckete ihn in ihren Buſem/ daß
er von andern nicht moͤchte geſehen werden. Sie wolte auch eine Antwort dabey geben/
ſahe aber/ daß ihr von ihrer Fr. Mutter gewinket ward/ zeigete ſolches an/ und wuͤnſchete
ihrem Vertraueten eine geruſame Nacht/ auch daß er des erſten Traums/ der ihm zu Pa-
dua vorkommen wuͤrde/ moͤchte unvergeſſen ſeyn. Alſo muſte er/ weil es hohe Zeit ſchlaf-
fens wahr/ von ihr ſcheiden/ da er mit Herkules in ein Gemach zur Ruhe gefuͤhret ward.


Der Stathalter legte ſich auch mit ſeinem Gemahl/ und ſchlieff das Fraͤulein/
ihreꝛ ſteten Gewohnheit nach/ im Rolbetlein zu ihren Fuͤſſen. Der Vater gedachte/ ſie wuͤr-
de wegen der heutigen Unruhe ſchon feſt eingeſchlaffen ſeyn/ ihn aber lieſſen die Gedanken
wegen ſeiner neuen Gaͤſte kein Auge zugehen. So wahr Fr. Pompeja auch unruhig/ wel-
ches er merkend/ zu ihr ſagete: Nun moͤchte ich herzlich gerne wiſſen/ was vor junge Her-
J iijren
[70]Erſtes Buch.
ren wir jetzo bey uns haben. Roͤmiſche ſind ſie nicht; Griechen auch nicht; und zeiget ihre
weiſſe Farbe/ daß das ſchwarze Afrika/ oder daß gelbangelauffene Aſia ſie nicht gezeuget
hat. Geringes Standes koͤnnen ſie nicht ſeyn/ weil ſie Roͤmiſche von Adel vor ihre Die-
ner haben beſtellen duͤrffen. Ihre Sitten und Geberden neben der praͤchtigen Kleidung
und hohen Rede/ geben ſie vor Fuͤrſt- und Koͤnigliche Herren an/ und ſolte ich rahten/ hiel-
te ich ſie vor Teutſche/ oder derſelben Grenz Nachbarn; wo ſie nicht gar aus den Mitter-
naͤchtigen Reichen/ Daͤnnemark oder Schweden kommen. Aber dieſe Voͤlker uͤbern
hauffen ſind von art grob und unſittig/ wie wol ich etliche Teutſchen zu Rom geſchẽ/ die von
ihrer Jugend an/ in Hoͤffligkeiten unterwieſen wahren/ welche ſie dergeſtalt begriffen hat-
ten/ daß ſie den trefflichſten Hofeleuten nichts bevor gaben. Es ſey aber wie ihm wolle/
ſo werde ich doch nicht ruhen/ biß ich ihrer beſſere Kundſchafft habe/ die unſerer Toͤchter
Ehr und Leben zu retten/ ſich ſo ritterlich gewaget/ und daß aͤuſſerſte dran gewendet/ wel-
ches kein ander haͤtte duͤrffen gedenken. Fr. Pompeja antwortete: Wann mein liebſter
Herr hierzu ſo groſſe Begierde traͤget/ koͤnnen wir in der Nachfrage niemand beſſer/ als
unſere Tochter gebrauchen/ und treuget mich mein Sinn nicht/ ſind H. Ladiſla und ſie
eins dem andern nicht ungewogen. Eben dieſes/ ſagte er/ haͤlt mich ſchlaffloß/ und kan ich
mich uͤber des Medchens Kuͤhnheit nicht gnug verwundern/ welche mit ihm nicht an-
ders umbgehet/ als waͤhre ſie mit ihm aufferzogen/ oder wol gar verſprochen. Ich habe an
ihr Beyſpiels gnug/ daß die eingepflanzete Regung uͤber die Lehr gehet/ maſſen ich weis/
daß ſie bißdaher mit Mannesbildern nicht umgangen iſt. O hohe Zeit hohe Zeit/ daß mit
der geſchloſſenen Heyraht ehiſt verfahren werde/ es duͤrfften ſonſt dieſe beyden wol gar ei-
nen neuen Kauff machen; jedoch haͤtte ich ſie nicht ſchon einem andern verſprochen/ und
dieſer ſie in Ehren meynete/ wie ich faſt nicht zweiffele/ wuͤſte ich ſie ihm nicht zu verſagen/
im falle ers alsdann an mich begehrete/ weil ſie ihm doch Ehr und Leben zu danken hat;
wovon aber nunmehr nicht zu ſagen iſt. Geliebter Herr/ antwortete ſie/ ihr wiſſet/ wie hart
mir euer Vornehmen zuwieder geweſen/ abſonderlich/ das unſer Kind biß auff dieſe
Stunde nichts darumb wiſſen muͤſſen/ und glaͤube ich nimmermehr/ daß ſie dieſe Hey-
raht mit gutem willen beſtaͤtigen werde; Solte ſie dann in gezwungener Ehe leben/ waͤhre
mir leid/ duͤrffte auch nichts gutes daraus erfolgen/ weil ihre angebohrne Großmuͤhtig-
keit mir viel zu wol bekant iſt. Schweiget/ ſagte er mit ſonderlichem Eyfer; ſie muß ihren
Vater nicht ſchaͤnden/ oder deſſen Maul zur Taſche machen; viellieber wolte ich/ ſie waͤh-
re ſchon tod. Es liegt mir aber allermeiſt im Sinne/ daß ich mit Fulvius Abrede genom-
men/ auf morgen dieſe Heyraht zu volzihen/ und zweifele nicht/ er werde ſich zeitig gnug ein-
ſtellen; weiß aber nicht/ wie ichs beſt anſchlage/ daß ich ihm unſere Tochter ohn der Frem-
den Vorwiſſen zufuͤhre und beylege; Ehrenhalben muß ich ſie dazu bitten/ wo ich nicht die
Geſetze der gebuͤhrlichen Dankbarkeit brechen wil. Ach mein Herr/ antwortete ſie; ſolte
Fulvius ſich morgen einſtellen/ fuͤrchte ich ſehr/ es werde ohn Lermen nicht abgehen; dann
wo ſonſt Herr Ladiſla unſer Kind von Herzen meynet/ wird er ſich ihrer in dieſem falle
mehr/ als heut im Walde/ annehmen/ und ſein Leben nicht ſparen/ umb zu beſitzen/ was er
mit Ritterlicher Faſt erworben hat. Wir wollen ein beſſers hoffen/ ſagte er/ und muͤſſet ihr
mit unſer Tochter reden/ etliche Zeichen einzuzihen/ umb daſſelbe/ was wir fuͤꝛchten/ eigent-
lich
[71]Erſtes Buch.
lich zu erkennen/ als dann werde ich meine Sachen darnach anzuſtellen haben/ damit ich
bey Ehren meiner Zuſage bleibe/ und alles Unheil vermieden werde; gaben hiemit ihrem
Geſpraͤch die Endſchafft/ und nahmen die Ruhe ein. Frl. Sophia hoͤrete alles an/ und
nam es vor eine ſonderliche Schickung der Goͤtter auff/ dann ſie haͤtte ihr nimmermehr
einbilden koͤnnen/ daß ihr Ungluͤk ſo nahe vor der Tuͤhr hielte; doch ließ ſie ſich nichts mer-
ken/ lag und dachte fleiſſig nach/ weſſen ſie gegen ihre Fr. Mutter ſich erklaͤren wolte/ wofeꝛn
ſie der Abrede nachkommen wuͤrde/ und als ſie ihres Schluſſes gewiß wahr/ ſchlieff ſie froͤ-
lich ein. Kurz vor der Sonnen Auffgang kam ihr im Schlaffe vor/ wie ein ſchaͤndlicher
Baͤhre ſie anftele und zureiſſen wolte; woruͤber ſie in ſolche Angſt geriet/ dz ſie im Schlaffe
uͤberlaut ſchrihe: O Herr Ladiſla/ errettet die eure von dem grauſamen Baͤhren/ und ver-
laſſet mich nicht in dieſer aͤuſſerſten Noht. Ihr Vater wahr gleich erwachet/ hoͤrete ihr
Gefchrey/ und ſtoͤrete ſie doch nicht/ biß ſie uͤber eine kurze weile ſagete: Ey Gott lob/ mein
Schaz/ daß der Baͤhre tod/ und ihr unbeſchaͤdiget ſeyd; da rieff er ſie mit Nahmen/ und
was ſie im Schlaffe zu plaudeꝛn haͤtte. Sie aber fuhr auf/ und dankete ſehr/ daß er ſie durch
Auffweckung aus der Angſt eines boͤſen Traums geriſſen haͤtte/ und hielte ſie davor/ es fiele
ihr der geſtrige Schrecken im Schlaffe wieder ein; wie wol ihr Vater an der rechten Deu-
tung nicht umb ein Haar fehlete.


Als Ladiſla des Morgens erwachte/ fragte er ſeinen Herkules/ wie er geruhet/ uñ
ſich wegen ſeiner Wunde befuͤnde; der ihm anzeigete/ es waͤhre zimlich ſchlecht beſtellet/
fuͤhlete nicht geringe Schmerzen/ und befahrete ſich eines Fiebers/ daß er dieſen und et-
liche Tage wol des Bettes wuͤrde huͤten muͤſſen. Ladiſla hatte ihm des Abends alles an-
gezeiget/ wie er ſich in das Fraͤulein verliebet/ und auff ſein hefftiges anhalten ihre Ein-
willigung zur kuͤnfftigen Ehe erhalten/ jedoch mit dem Bedinge/ daß ſie ſeines Standes
und Weſens zuvor wolte berichtet ſeyn/ haͤtte ihm doch aͤydlich angelobet/ ſolches keinem
Menſchen ohn ſeinen außdruͤklichen Befehl zu offenbahren. Welches ihm Herkules
nach getahner Gluͤkwunſchung gerne Einwilligte/ doch daß er von ihm nichts eigentli-
ches melden/ noch in ehelicher Anſuchung die Eltern vorbey gehen moͤchte. Dieſer da er
ſeines lieben Freundes Schwacheit vernommen/ lies er den Wund Arzt alsbald hohlen/
der aus Herkules Farbe ein ſchlimmes Zeichen nam/ auch nach beſichtigung des Scha-
dens/ ihm vorhielt; er haͤtte ohn zweiffel die geſtrige Erinnerung aus der acht gelaſſen;
machete nach Gewohnheit dieſer Leute den Schaden ſehr gefaͤhrlich; es waͤhre leicht ge-
ſchehen/ daß eine Sehnader anginge; die Halßwunden waͤhren ohn daß nicht zuverach-
ten/ und koͤnte mannicher durch eine geringe verſehrung an dieſem Orte umb ſeine Ge-
ſundheit/ ja umb Leib und Leben kommen. Ladiſla geriet hieduch in groͤſſere Angſt als er
ſelbſt/ und taht den Vorſchlag/ er wolte einen erfahrnen hochgelarten Meiſter der Arzney
herhohlen laſſen/ damit ja nichts verabſeumet wuͤrde. Aber dieſer/ ſich befuͤrchtend/ ſein
wort wuͤrde mehr vor einen andern als vor ſich ſelbſt geſprochen ſeyn/ wolte ungerne dar-
ein willigen/ wante vor/ dieſe hochgelarten Leute waͤhren den Wundaͤrzten gemeiniglich
in der Heilung zuwider/ braucheten koſtbahre ſachen/ die wenig nuͤtzeten/ und naͤhmen ihm
der Muͤhe Belohnung vor dem̃ Maule hinweg. Worauff Ladiſla ihm zur Antwort gab:
Er haͤtte ſich darumb nichts zu bekuͤmmern/ und ſolte nur alsbald ſagen/ was er vor ſeine
Muͤhe
[72]Erſtes Buch.
muͤhe und arztung haben wolte; gab ihm auch XXV Kronen/ da er X foderte/ und wolte
ſeinen Vorſchlag ins Werk richten; Aber der Stathalter/ der Herkules Schwacheit
ſchon erfahren hatte/ kam gleich darzu/ zeigete ſeyn Mitleyden an/ uñ eriñerte den Wund-
Arzt/ alles ſein Vermoͤgen anzuwenden; gab ihm auch alsbald eine Handvoll Kronen/
deren er hoch erfreuet ward/ alsbald beſſern Troſt gab/ und ſelber riet/ daß ein Gelehrter deꝛ
Arzney herzugeholet wuͤrde; welcher da er kam/ und die Wunde beſahe/ ſagte er: Mein
Herr/ nach getahner Arbeit ſol man ruhen/ und nach empfangener Wunde ſich ſtille und
maͤſſig halten; welches aber/ wie ich merke/ von meinem Herren inetwas uͤbergangen iſt;
doch ſol ihm ob Gott wil/ noch nichts toͤdliches gedraͤuet werden/ nur daß er ſich etliche Ta-
ge einhalte/ als dann wird dem uͤbel durch Mittel ſchon zurahten ſeyn. Lies ihm hier-
auff die Ader ſpringen/ uñ verordnete etliche Arzneyen/ die teils innerlich/ teils von auſſen
umb den Hals und Achſeln muſten geſchlagen werden/ damit den Zufaͤllen der Weg zu der
Wunde verlegt wuͤrde. Inzwiſchen lag Fr. Pompeja/ und ſinnete nach/ wie ſie der Toch-
ter hinter die Kuͤnſte kommen moͤchte; und als ſie dieſelbe merkete wache ſeyn/ fragete ſie/
ob ſie auff den geſtrigen Schrecken auch geſchlaffen haͤtte; und bald hernach; wie nahe die
Gefahr ihrer Keuſcheit geweſen waͤhre. Worauff ſie anfangs anzeigete/ dz Gottes Gna-
de und dieſer Helden Muht/ inſonderheit Herren Ladiſla eyfferiger Beyſtand ihre Ehre/
wie wol kuͤmmerlich/ geſchuͤtzet und errettet/ und wolte ſie ihrer Herzlieben Fr. Mutter al-
les erzaͤhlen/ welches bey anderer Anweſenheit vorzubringen ſie geſtriges Tages ſcheuh
getragen. So waͤhre nun die Schande ihr am aller naͤheſten geweſen/ in dem ſie nicht al-
lein der Kleider/ ſondern auch ihres Hemdes beraubet/ ſich des allermuhtwilligſten Bu-
bens/ welcher ſich ſehr unverſchaͤmt erzeiget/ nicht wuͤrde laͤnger haben erwehren koͤnnen/
dafern der Himmel dieſes Mittel ihrer Erloͤſung ihr nicht zugeſchikt haͤtte. Die Mutter
fragete weiter/ ob dañ Herr Ladiſla ſie in ſolcher Geſtalt angetroffen; welches zu ſagen ſie
ſich ſchaͤmete/ und doch gedachte/ es wuͤrde dieſes zu ihrem Vorhaben ſehr erſprießlich
ſeyn/ ob gleich die Eltern ſich ein mehres/ als wahr/ befahren wuͤrden; demnach deutete ſie
an/ daß er freylich ſie alſo gefunden/ jedoch/ als ihre Waſen ſchon davon gangen/ ſich zu-
bekleiden/ haͤtte ſie anfangs daß gar zuriſſene Hemde geholet/ und er hernach ihr die Klei-
der gebracht/ welche er ihr auch helffen anlegẽ/ deſſen ſie ſich zwar uͤber aus ſehr geſchaͤmet/
und ihm doch ſolches nicht verwehren koͤnnen/ inſonderheit/ weil ſie ihre bloͤſſe bey der Be-
kleidung noch haͤtte am meiſten ſehen laſſen muͤſſen; inzwiſchen haͤtte er gegen ſie ſehr ver-
liebte Reden gefuͤhret/ und ihr mit hochbewaͤglichen Worten ſeine Inbrunſt zuerkennen
gegeben/ jedoch auff ihr flehliches bitten ſich aller Ungebuͤhr enthalten/ und doch umb ver-
ſprechung der Gegenliebe immerzu angeſuchet; Welches er auch auff der Heimreiſe/ da
er ſie vor ſich auff dem Pferde gefuͤhret/ ſo vielfaͤltig/ und mit Seuffzen wiederhohlet/ daß
ſie nicht gewuſt was ſie antworten ſollen/ auch nicht wuͤſte/ was ſie geantwortet haͤtte. Die
Mutter nam alles gefaͤhrlicher auff/ als es an ihm ſelber wahr/ und fragete weiter) ob ſie
dann guten Willen zu ihm haͤtte; worauff ſie dieſe Antwort/ wie wol mit groſſer Scham-
hafftigkeit gab; Herzgeliebte Fr. Mutter/ es hat dieſer Held ſein Leben vor meine Ehr und
Leben gewaget und in die Schanze geſchlagen/ da er keine einige Guttaht von mir empfan-
gen hatte/ deßhalben ich ihm euer eigenen Bekaͤntnis nach/ biß in den Tod verbunden bin/
wer-
[73]Erſtes Buch.
werde mich auch nicht wegern/ ihm alle ehrenbillige Dankbarkeit zuleiſten/ ſo viel an mir
ſeyn wird; Zwar ich weiß ſehr wol/ was vor Gehorſam ich auch meinen lieben Eltern er-
zeigen muß/ und wieder derſelben Willen mich in keine Heyraht einlaſſen ſol; aber dieſes
habe ich dem Himmel angelobet/ daß dafern dieſer mein Erꝛetter durch deren Willen mir
zum Ehgemahl nicht werden kan/ ich unſer Goͤttin Veſta mich zur ewigen Jungfrau-
ſchafft uͤbergeben wil/ weil ich ſchon wol weis/ das meine liebe Eltern mich wieder meinẽ
Willen zu keiner Heyraht zwingen werden. Ich weiß nicht/ ſagte die Mutter/ was ge-
ſchehen doͤrffte/ aber daß weis ich wol/ daß dein Vater dich ſchier außzuſteuren Bedacht
iſt/ ſo daß du wol ſchon einem gnugwirdigen Roͤmiſchen Herren moͤchteſt verſprochen
ſeyn. Schon verſprochen? antwortete ſie; daß waͤhre ſehr Ungnaͤdig/ daß ſolches hinter
meinem Wiſſen und Willen geſchehen waͤhre/ und moͤchte ich auff ſolchen Fall wuͤnſchen/
daß die geſtrigen Raͤuber mich erwuͤrget haͤtten/ ſo duͤrffte ich nicht ſelbſt Moͤrder an mir
werden. Daß waͤhre wol ein ſchoͤner Gehorſam/ ſagte die Mutter/ und eben der/ welchen
du bißher deinen Eltern ſo artig haſt verheiſſen koͤnnen/ daß wann man den Toͤchterchen
ihren Willen nicht laſſen wil/ ſie mit der Veſten/ oder wol gar mit dem Mordmeſſer draͤu-
en duͤrffen. Dieſe Wort gingen dem Fraͤulein dergeſtalt durchs Herz/ daß ſie des Wei-
nens ſich nicht enthalten kunte; die Thraͤnen brachen ihr durch die Augen wie kleine
Baͤchlein/ und ſagete endlich zu ihrer Mutter: Fr. Mutter/ ich bin euer Kind/ daß geſtehe
und erkenne ich; aber ihr habt mich auch zur Dankbarkeit angewieſen/ deß bin ich einge-
denke geweſen/ welches ich nicht leugnen kan; zugeſchweigen/ daß ich davor gehalten habe/
es waͤhre beſſer/ mich ehelich an einen wirdigen zu verſprechen/ als Gewaltſamkeit zuer-
warten/ wovor anfangs ich mich nicht wenig fuͤrchtete/ weil ichs ja alles außbeichten muß;
haͤttet ihr mich aber verſagen wollen/ waͤhre nicht unbillig mir ſolches angedeutet/ damit
ich wiſſen moͤgen/ was ich tuhn oder laſſen ſollen. Nun aber habe ich meinem Erretter auf
ſein inbruͤnſtiges anhalten mich ſchon ergeben; ſolches wil ich auch halten/ wanns mit
meiner lieben Eltern Willen geſchehen kan/ oder aber mich ſterbens nicht wegern; und
wiſſet ihr/ Herzen Fr. Mutter/ keinen beſſern Troſt vor mich/ als den jeztgeſprochenen/ als-
dann ſollet ihr mit der Goͤtter huͤlffe nit XXIV Stunden an mir eine ungehorſame Toch-
ter haben/ als welche euch in dieſem fall allen Gehorſam auffzukuͤndigen gezwungen iſt/
doch nicht aus Widerſpenſtigkeit/ welches mein unſchuldiges Blut vor die Goͤtter kom-
men laſſen ſol/ ſondern weil ihrs durch euer ſtillſchweigen und hinterruͤkliches verſprechẽ
alſo verurſachet habet. Ihre Mutter entſetzete ſich zum hoͤchſten uͤber dieſer Erklaͤrung/
erinnerte ſich auch/ daß mit ihrer Heyraht es nicht viel anders ergangen wahr/ da ſie wi-
der ihren Willen einen alten Roͤmiſchen Herren durch Zwang ihrer Eltern nehmen ſol-
te/ und mit Quintus Fabius heimlich davon zog; Hieß demnach die Tochter gutes muhts
ſeyn/ mit angehaͤngtem Troſte/ Gott koͤnte es noch zum beſten ſchicken: Es waͤhre aber
gleichwol eine groſſe Unvorſichtigkeit von ihr/ daß ſie ſich einem zum Gemahl verſprechẽ
duͤrffen/ den ſie nicht kennete/ viel weniger wuͤſte/ ob er Standes halben ihrer auch wirdig
waͤhre; da ſie dann ihres Vaters Einwilligung nimmermehr erlangen wuͤrde/ wann er
nicht aͤdel gnug waͤhre. Aedel gnug? fragte das Fraͤulein; kommen wir biß an dieſe Fra-
ge/ haͤtte ich zu wuͤnſchen/ daß ich ihm nur aͤdel gnug ſeyn moͤchte; dann ob ich gleich nicht
Keigen
[74]Erſtes Buch.
eigen weiß/ wer er iſt/ moͤget ihr euch doch wol verſichern/ daß weder Koͤnig noch Kaͤyſer
ihm Standes halben ein Fraͤulein zum Gemahl verfagen wuͤrde; dann ich halte davor/
er erkenne keinen Oberherrn/ als den Him̃el und das Schwert. Behuͤte Gott mein Kind/
ſagte die Mutter/ was redeſtu da? auff dieſe weiſe duͤrffte er wol gar ein Feind des Roͤmi-
ſchen Reichs ſeyn. Ja warumb dann/ antwortete ſie/ was wuͤrde er dann in Italien um-
her zihen/ mit ſeinem Freunde Herkules? der ohn zweifel mit ihm gleiches Standes ſeyn
muß. Doch laſſet jhn feind ſeyn; koͤnte er nicht durch meine Heyraht zum Freunde und
Bundsgenoſſen gedeyen? welches auff ſolchen fall ich wol vorher zuſagen duͤrffte. Nun
ich merke wol/ ſagte die Mutter/ daß du dich ſchon zu tieff mit dieſem fremden Herrn ein-
gelaſſen haſt/ und kan ich nicht abſehen/ wie dein Vater hiemit wird einſtimmen koͤnnen;
dann ich melde dir in hoͤchſtem Vertrauen/ daß vielleicht heut dieſen Tag noch wol ein
Roͤmiſcher Herr/ nahmens Fulvius/ nicht weiß ich/ ob du je von ihm gehoͤret haſt/ uns zu
beſuchen kommen wird/ dem dein Vater deiner Heiraht halben mag etwas Hoffnung ge-
macht haben; Laß dich aber gegen niemand merken/ daß du wiſſenſchafft hierumb trageſt/
ſondern ſtelle dich/ wann er komt/ ernſtlich/ doch nicht ſtoͤrriſch gegen ihn; zu H. Ladiſla a-
ber halte dich freundlicher/ ob vielleicht ſein Gemuͤht hiedurch von dir koͤnte abgezogen
werden. O des elenden Fulvius/ antwortete ſie; ſolte ich dem Sudeler/ dem Unflaht zu
gute von meinen lieben Eltern ſo ſorgfaͤltig aufferzogen/ und von meinen Errettern aus
Raͤubers Haͤnden loßgeriſſen ſeyn? viellieber wolte ich mich dieſe Stunde dem Moͤr-
deriſchen Schwerte dieſer Raͤuber darſtellen/ wann ſie noch lebeten. Ja Fr. Mutter/ ich
ruffe deſſen alle Goͤtter zu Zeugen/ daß ich meines Herzen ernſtliche Meynung ſage. Und
wie koͤmt doch mein lieber hochweiſer H. Vater auff dieſen Unſin? fuͤrchtet er/ ich werde
keinen Freyer bekommen koͤnnen? oder meyner er/ ich ſey ſchon veraltet? Ich bin zugerin-
ge/ von meines H. Vaters Haͤndeln zu urteilen; aber ſolte dieſes unter die Leute kommen/
zweifele ich nicht/ es wuͤrde ſeinem herrlichen Anſehen keinen geringen Stoß geben; maſ-
ſen von dieſem vergeizigten Fulvius ich zwar viel/ aber durch aus nichts ruͤhmliches gehoͤ-
ret habe; Verſichere demnach ich meine Fr. Mutter/ dafern dieſer Unhold etwas taͤhtli-
ches anfahen/ oder ſteiff auff meine Heyraht beſtehen wuͤrde/ duͤꝛffte es ihm von H. Ladiſla
ſchwerlich zu gute gehalten werden. Ich bedanke mich aber der muͤtterlichen Warnung
und getraͤuen Rahts von Herzen/ uñ wil ſchon wiſſen/ den vermeynten Buhler alſo zu em-
pfahen/ daß er zwar mit fuge uͤber mich nicht klagen/ aber gleichwol auch meine Freundlig-
keit zu ruͤhmen/ wenig urſach haben ſol. Der Stathalter kam gleich in die Kammer getꝛe-
ten/ ermahnete ſie auffzuſtehen/ und die Kleider ohn ſonderliche Zier anzulegen/ weil Herr
Herkules an der empfangenen Wunde ſich zimlich ſchwach befuͤnde; uͤber das haͤtte eꝛ Zei-
tung/ daß der vortrefliche Roͤmiſche Ritter Herr Fulvius ihn zu beſuchen kommen waͤh-
re/ welcher von dir/ ſagte er zu der Tochter/ in Betrachtung ſeiner hohen Wirdigkeit/ auffs
beſte ſol gewilkommet/ und als mir ſelbſt/ Ehre erzeiget werden. Ja billich empfahe ich jhn
ehrerbietig/ Herzen Herr Vater/ ſagte ſie; aber meinen lieben Eltern ihn gleich zu rechnẽ/
wuͤſte ich keine urſach/ als bloß euren guten Willen/ weil ich niemand als meinen lieben El-
tern kindlichen Gehorſam ſchuldig bin/ es waͤhren dann meine allernaͤhefte Anverwantẽ.
Der Vater gab hierauff keine Antwort/ ging hinauß/ und hieß ſein Gemahl ihm folgen/
wel-
[75]Erſtes Buch.
welche ihm alles erzaͤhlete/ in was geſtalt H. Ladiſla ihr Kind angetroffen/ eheliche Zuſage
begehret/ und vielleicht hefftige Liebesbrunſt ſehen laſſen/ ſo daß das Fraͤulein in Betrach-
tung der empfangenen Woltaht/ biß auff der Eltern Einwilligung/ die Zuſage ohn zwei-
fel moͤchte geleiſtet haben/ welches ſie vermuhtlich nicht getahn haͤtte/ da ſie ihres Vaters
Vorhaben haͤtte wiſſen ſollen; uͤber das zweifelte ſie faſt nicht/ es waͤhre ihr dieſes Herrn
Stand wiſſend/ haͤtte aber aus jhr nichts weiters locken koͤñen/ als dz er ein groſſer maͤch-
tiger Herr/ ſein ſelbſt/ und keinem Oberherrn verpflichtet waͤhre. Dieſer Rede ward er uͤ-
berauß beſtuͤrzet/ ſtund ein wenig in gedanken/ und ſagte nachgehends; So iſt er gleichwol
zu Padua kein ſolcher/ ſondern zu gehorſamen ſchuldig/ und waͤhren ſeine gar zu hohe wol-
tahten nicht/ muͤſte das uͤbrige alles mir wenig Hinderung ſchaffen; aber in Betrachtung
derſelben/ muß ich ſaͤuberlich fahren/ und ſchier geſtehen/ daß ich ſie ihm zu ehren ſchul-
dig waͤhre/ wanns noch in meiner Gewalt ſtuͤnde; ich hoffe aber/ wann er vernimt/ dz ſie
von mir ſchon einem andern verſprochen ſey/ werde er ſich die Tugend laſſen meiſtern/ uñ
ein fremdes Gut nicht begehren. Ja lieber Herr/ antwortete ſie/ wann unſere Tochter ſich
ihm vor fremde/ oder einem andern vor verſprochen hielte/ und nicht vielmehr ſich dieſem
ergeben haͤtte/ wie ich nicht ohn urſach fuͤrchte/ daß wol ſchon ein feſteres Band ſie wirk-
lich verknuͤpffet/ welches weder Eltern noch Geſetze auffloͤſen koͤnnen. Be dencket mein
Herr/ bitte ich/ er hat ſie an ihren Ehren vor den abſcheuhlichen Raͤubern geſchuͤtzet/ die ſo
heßlicher geſtalt wahren/ daß kein Weibsbilde ſie anſehen/ geſchweige ehelichen/ oder ſonſt
deſſen etwas mit ihnen pflegen koͤnnen; ja er hat ſie von gegenwaͤrtigem Tode erloͤſet/ wel-
ches auch den aller und ankbarſten Menſchen zur Gutwilligkeit bewaͤgen ſolte. So hat er
ſie nacket angetroffen/ iſt eine gute Zeit mit ihr allein geweſen/ ſeine Liebe bey friſcher Ge-
daͤchtniß ſeiner Dienſte ihr vorgetragen/ und ihr ganz erſchrockenes Herz ſo zu reden/ in
ſeinen Haͤnden gehabt; Ob ſeine Geſtalt/ Sitten und Reden ein Fraͤulein in ſolchem Zu-
ſtande einnehmen/ und zu ſeinem Willen bringen koͤnnen/ laſſe ich euch ſelbſt urteilen; ja
ob ein Mannesbilde ſich bey ſolcher Gelegenheit zu enthalten/ maͤchtig gnug ſey. Ich mei-
nes teils halte davor/ waͤhre ſie von ihm noch unberuͤhret/ wuͤrde ſie vor Scham kein Au-
ge vor ihm auffſchlagen duͤrffen. Aber ich fuͤrchte ſehr/ das heimliche Geſpraͤch/ welches
ſie geſtern mit einander hielten/ ruͤhre auß viel vertraulicher Kundſchafft her. Dieſem al-
len nach wolle mein liebſter Herr die Nohtwendigkeit dem Willen vorziehen/ und in dieſeꝛ
hoch bedenklichen Sache ſich nicht uͤberſchnellen/ geſtaltſam ich ihre Erklaͤrung nicht ohn
entſetzen angehoͤret/ daß entweder ſie ihre Zuſage dieſem Herrn halten; oder da wirs nicht
nachgeben koͤnnen/ durch Verloͤbniß an eure Goͤttin Veſten/ oder ja durch einen denkwir-
digen Tod ſich von eines andern Heiraht loßwirken wolle; auff welche Begebniß ich vor
Herzleid in die Erde ſinken muͤſte; und wer weiß/ weſſen H. Ladiſla ſich hierinnen verhal-
ten werde? Meynet ihr/ mein Schaz/ daß weil er lebet/ er dieſes einem andern goͤnnen koͤn-
ne/ was er ſchon im Beſiz zu haben vermeynet/ oder wol gar hat? Liebet er Schoͤnheit/ ſo
kan er mit der ihren wol vergnuͤget ſeyn; ſucht er Freundligkeit/ die erzeiget ſie ihm haͤuf-
figer/ als ich mir von jhr einbilden moͤgen; trachtet er nach Stand und Adel/ ſo wird er
bey allen Roͤmern nicht hoͤher kommen; vielleicht mag ihr Verſtand ihn auch nicht we-
nig erfreuen. Welches alles/ wann ichs zuſammen faſſe/ gibt mirs dieſen traurigen gedan-
K ijken
[76]Erſtes Buch.
ken auch wider meinen Willen an die Hand; Er/ oder Fulvius werde dieſer Heyraht we-
gen das Leben einbuͤſſen/ wo nicht unſere Tochter mit ihm/ welches ja der barmherzige
Gott allergnaͤdigſt abwende/ und mich lieber aus dieſem Leben abfodere. Dieſe ihre Rede
beſchloß ſie mit haͤuffigen Traͤhnen/ nnd weil ſie ihren Gemahl ſehr verwirret ſahe/ erwar-
tete ſie mit verlangen ſeiner Antwort/ die er ſolcher geſtalt vorbrachte: Frau/ unſer Toͤch-
terchen haͤtte nie keinen beſſern Vorſprach als euch/ bekommen moͤgen/ zu deren Befrie-
digung zur Luͤſternheit jhr faſt lieber/ als zur Erhaltung meines Anſehens und Glaubens
duͤrfftet gefliſſen ſeyn; aber die Goͤtter werdens ſchon nach ihrer Verſehung ſchicken/ wo-
bey ich nicht unterlaſſen werde/ meinen Wiz zu gebrauchen. Eins gebiete ich euch vor al-
les/ daß ihr euch nicht unterſtehet/ mit ihr an einem Luder zu zihen/ ich wuͤrde ſonſt zur Er-
haltung meiner Ehren etwas tuhn/ das mir gar nicht lieb waͤhre.


Das Fraͤulein hatte ſich inzwiſchen von dem Schlaff Gemache hinweg begeben/ uñ
wehrete ihr die Zeit eben lange/ ehe ſie ihren Ladiſla ſahe/ weleher ebenmaͤſſig ſich bemuͤhe-
te zu jhr zu kommen; fuͤgete ſich auch von ungefehr/ daß ſie ſich einander auff dem Gange
oben unter dem Dache begegneten/ da das Fraͤulein zur Tuͤhr hinauß/ und er hinein treten
wolte; Weil er nun in tieffen Gedancken ging/ und nirgend auff acht hatte/ ſtieß er ſich an
ihren Leib/ ehe er ſie ſahe. Wie nun mein Herr/ ſagte ſie darauf; gehet man in ſo verwickel-
ten Gedanken? wuͤnſchete ihm hiemit einen guten Morgen/ und fragete/ wie er nach geſtri-
ger ſchwerer Arbeit geruhet haͤtte. Er aber ſchaͤmete ſich des Fehlers/ hielt demuͤtig umb
Verzeihung an/ mit angehaͤngter Bitte/ ſie wolte doch ſein Liebes Leiden beobachten/ und
die hochgewuͤnſchete Huͤlffe ihm nicht verſagen/ nachdem ſie in der Taht ſpuͤrete/ daß er
ſeiner Sinnen nicht mehr maͤchtig/ und vor Liebe blind waͤhre. Dieſes brachte er mit ſo
traurigen Geberden vor/ daß ſie ihren Troſt ihm nicht verſagen wolte/ und ihm zur Ant-
wort gab: Mein herzgeliebter Herr und Vertrauter; warum ſolte ich ihm einige gebuͤhr-
liche Huͤlffe verſagen/ da er deren benoͤhtiget waͤhre/ und ſolche von meiner Wenigkeit her-
ruͤhren koͤnte? angeſehen er mir viel eine groͤſſere wiederfahren laſſen/ als zu vergelten mir
nicht moͤglich ſeyn wird. Nicht wolle er/ bitte ich/ ein ſolches Mißtrauen in mich ſetzen/
ſondern nachdem ich ihm Herz und Willen uͤbergeben/ hat er alles mein Vermoͤgen in ſei-
ner Gewalt/ und zu ſeiner Vergnuͤgung/ ſo weit eine Braut ihrem Verlobeten ſchuldig
iſt oder ſeyn kan/ ſo gar/ daß an meinem ergebenen Gehorſam er nicht ohn Suͤnde zweifeln
wuͤrde. Solte aber mein hoͤchſtwerter Schaz/ wie ich nicht hoffen wil/ daſſelbe ſchon an
mich begehren wollen/ was jungſraͤuliche Zucht verletzen koͤnte/ als dañ bitte ich von grund
meiner ihm untergebener Seele/ er wolle ſeiner hohen Vernunfft die Meiſterſchafft uͤber
die Liebesreizungen und Begierden goͤnnen/ und nicht urſach geben/ daß man ſchier heut
oder morgen anders als keuſche Zucht von uns ſagen ſolte. Ich bin die Eure/ und ſonſt
keines andern/ es gehe mir druͤber wie es wolle; aber diß gelobe ich an dieſem nuͤchtern moꝛ-
gen/ daß in eheliche Volſtreckung ich nicht gehehlen wil/ biß entweder er meiner lieben
Eltern Willen erlanget/ oder mich in ſeiner Gewarſam auſſer meines Vaters Wohnung
hat. Verſpricht nun mein Herr/ hierin einzuwilligen/ und dieſem zuwider mich auf nichts
zu noͤhtigen/ ſo wil alsbald mit ihm ich mich an einen geheimen ort verfuͤgen/ in vertrauen
zu berichten/ was ich dieſe Nacht wunderbahrer weiſe erfahren/ und zu Fortſetzung unſers
Vorhabens ihm nicht laͤnger verſchweigen kan. Ladiſla erkennete hieraus ihr ehrlieben-
des keu-
[77]Erſtes Buch.
des keuſches Herz/ gab der Vernunfft Raum/ und verhieß ihr begehren ohn arge Liſt ein-
zugehen; deſſen ſie ſehr erfrewet ward/ weil ſie vor Liebes gewalt ſich befuͤrchtete; ging mit
ihm auff ein abgelegenes Gemach/ und begehrete voꝛerſt/ jhr die eheliche Traͤue zu ſchwoͤrẽ/
welches er willig leiſtete/ und mit abermahliger uͤbergabe eines ſehr koͤſtlichen Ringes be-
kraͤfftigte. Darauff taht ſie ein ſolches hinwiederum/ mit verſprechen/ ehe den Tod zu waͤh-
len/ als einen andern Braͤutigam anzunehmen. Erzaͤhlete hernach alles/ was ihre Eltern
mit einander auff dem Bette/ und hernach die Mutter mit ihr abſonderlich geredet/ auch
weſſen ſie ſich erklaͤret haͤtte. Aber/ ſagte ſie/ mein vermeynter Schaz Fulvius hat ſich ſchon
eingeſtellet/ die Eheverloͤbniß/ oder wol gar das Beylager zu volzihen/ welches ich aber mit
dieſer Hand abzuwenden entſchloſſen bin/ ich treffe dañ ſein oder mein eigen Herz mit dem
kalten Eiſen; jedoch vor Wagniß des aͤuſſerſten/ muͤſſen wir der Vernunfft gebrauchen/
und werde ich anfangs meine ſchlechte Liebe zu ihm/ und die lebhafftere zu euch/ jhm durch
Geberden und Worten zuerkennen geben/ ob die hoffnung ihm dadurch koͤnte abgeſchnit-
ten werden; wuͤrde er ſich aber deſſen uͤber mich beſchweren duͤrffen/ wil ich eine ſolche Er-
klaͤrung faſſẽ/ welche weder mir ſelbſt unehrlich/ noch ihm behaͤglich ſeyn ſol; nur eins tuht
mir leid/ daß mein Herr Vater/ dem anſehen nach/ ſchon zimlich weit mit ihm muß einge-
ſtiegen ſeyn/ und ich daher gezwungen werde/ in dieſem ſtuͤk mich ſeinem gehorſam zu ent-
brechen/ welches ohn ſonderliche beleidigung zu tuhn/ ich noch gute hofnung habe; zum we-
nigſten muß ſein angelegtes Beylager noch auf etliche Wochen verſchoben werdẽ/ da wir
dann inzwiſchen unſer beſtes in acht zu nehmen unvergeſſen ſeyn wollen. Ladiſla erſchrak
der Zeitung von herzen/ und fuͤrchtete nichts ſo ſehr/ als von der eile uͤberfallen zu werden;
dem uͤbrigen meynete er ſonſt wol vorzukommen; nur baht er/ ſie moͤchte ihm nichts ver-
ſchweigen/ wie gefaͤhrlich es gleich waͤhre/ damit man beyzeiten vorbauen koͤnte.


Unter dieſem ihrem Geſpraͤch lies der Vater die Tochter ſuchen/ da die Magd be-
richtete/ ſie haͤtte vor kurzem ſie mit H. Ladiſla auff dem Obergange ſehen ſprache halten/
und mit einander weg gehen; deſſen er ſich nicht wenig bekuͤmmerte/ und nicht anders
meinete/ als das ihr Band feſte gnug zu knuͤpffen ſie unvergeſſen feyn wuͤrden; wuſte doch
den ſachen nicht zu rahten/ weil ers in ſeiner Heyraht nicht viel anders getrieben hatte.
Sein ſchlimmeſtes wahr/ daß er ſeiner Anverwanten Raht nicht erſuchen durffte/ weil
er wieder deren Willen ſich mit Fulvius ſo weit eingelaſſen hatte/ und zwar auff deſſen
Vaters Bruder Getrieb/ der ſein guter Freund wahr/ und ihm dieſen Unwirdigẽ ſo hoch
geruͤhmet. Uber daß kunte ers Ladiſla nicht vor uͤbel halten/ als deſſen Liebe auff der Traͤue
gegruͤndet ſeyn/ er nicht zweiffelte. Nur gingen alle ſeine Gedanken dahin/ wie er entwe-
der dieſem durch vernuͤnfftige Urſachen die Liebe benehmen/ oder des Fulvius loß werden
moͤchte; und weil dieſes ihm unmoͤglich dauchte/ angeſehen er voͤllige Zuſage getahn/ ſin-
nete er jenem deſto fleiſſiger nach/ wozu er ſehr dienlich erachtete/ wann er zuvor ſeiner
Tochter Willen brechen/ oder ſie auffs wenigſte Zaghafft machen wuͤrde. Dieſe nun
fuͤrchtete ſich/ ihre Abweſenheit moͤchte ihr ungleich außgelegt werden/ daher ſie nach
kurzer Ergezligkeit ihrer zuͤchtigen Liebe Herren Ladiſla bey der Hand nam/ vom Gemache
fuͤhrete/ und ſehr baht/ ein gutes Herz zuhaben/ weil ſie nicht glaͤuben koͤnte/ daß ſie ohn ge-
ſehr/ und nicht vielmehr durch der Goͤtter ſchickung an einander gerahten waͤhren/ da er
ſie ihm erwerben muͤſſen/ ehe Er ſie jemahls geſehen haͤtte; ſie erkennete ſolches billig/ der
K iijHoffnung
[78]Erſtes Buch.
Hoffnung gelebend/ ob ſichs gleich im Anfange etwas ſtoſſen wuͤrde/ ſolte doch der Auß-
gang gluͤklich und gewuͤnſchet ſeyn. Ladiſla umbfing ſie lieblich/ und wahr ihm ſchwer/
ſchon abzuſcheiden; daß uͤbrige ſchlug er von der Hand/ vorgebend/ es koͤnten Ritter wol
hundert Gelegenheiten finden/ ſich an einander zu reiben/ ſaͤhe auch vor Augen/ daß er Ful-
vius wuͤrde durch einen Kampff abtreiben muͤſſen; auff welchen Fall er ſich der Goͤtter
huͤlffe/ und ſeiner guten Sache troͤſtete/ weil er wuͤſte/ daß ſie keinem andern als ihm allein/
eheliche Traͤue verheiſſen/ und in ihres Vaters Verſprechen nicht allein nicht eingewil-
liget/ ſondern auch davon daß allergeringſte nicht gewuſt haͤtte. Deſſen ruffe ich die Goͤt-
ter zu zeugen/ antwortete ſie/ daß mein Herz noch keinem Menſchen als euch mein Schaz
iſt ergeben geweſen/ und ich vor dieſer meiner Liebe Anfang/ von meines H. Vaters Vor-
haben nicht daß allergeringſte gewuſt/ wie wol ich nimmermehr in ſolche Ehewuͤrde ge-
hehlet haben. Es muͤſte mir aber ſchmerzlich leid ſeyn/ wann ihr meinet wegen euch noch
weiter in Gefahr ſetzen ſoltet/ und ich doch ſelbſt ein ſolches befuͤrchte; verſpreche aber hie-
mit/ daß wann der Unfall/ welches der Himmel abwende/ euch ja treffen ſolte/ ich alsdañ
keine Stunde euch uͤberleben wil/ damit unſere Seelen im Tode ungetrennet bleiben moͤ-
gen/ wann das herbe Gluͤk uns dieſes lebens Vergnuͤgung nicht goͤnnen wolte. Er baht
hoͤchlich/ ſie moͤchte dergleichen unluſtige Gedanken nicht faſſen; ihm waͤhren Fulvius
gleichen wol ehe auffgeſtoſſen/ denen der Himmel keinen Sieg uͤber ihn verhaͤnget haͤtte;
hoffete auch dieſen/ wann er ihn vor der Fauſt haͤtte/ redlich zubeſtehen/ daß er ſeiner un-
billigen Liebe druͤber vergeſſen/ und ſie nach dieſem ſchon unverunruhet laſſen ſolte; mach-
te ſich auff genom̃enen Abſcheid nach Herkules/ und ging ſie zwiſchen Furcht uñ Hoffnung
nach ihrer Fr. Mutter Gemache/ woſelbſt ihr Vater gleich ankommen wahr/ mit ihr zu-
reden/ weſſen er ſich gegen Fulvius erklaͤren wolte/ der ihm ſchon hatte laſſen anmelden/
dafern es ihm nicht zu wieder/ waͤhre er bereit ihm auffzuwarten/ und daß bewuſte ſchleu-
nigſt zuvolziehen/ weil in Kaͤyſerl. hochwichtigen Geſchaͤfften (welches doch ertichtet) er
ſtuͤndlich auffbrechen/ und eine anſehnliche Geſandſchafft uͤber ſich nehmen muͤſte; haͤtte
aber das Beylager zuvor halten/ und das Hochzeitfeſt zugleich beſtimmen wollen/ welches
auff ſeine wiederkunfft alsbald ſolte gefeiret/ und dabey ein Freyſtechen angeſtellet wer-
den. Als nun der Stathalter ſeine Tochter ſahe ins Gemach treten/ empfing er ſie mit
dieſen worten: Ich bin Herzlich erfreuet/ daß du geſtern vor Unehr beſchuͤtzet biſt; es ver-
huͤten aber die Goͤtter/ daß durch deine Rettung ich nicht hoͤher/ als durch die Entfuͤhrung
betruͤbet werde. Das Fraͤulein ſtellete ſich geherzt und antwortete: Sie koͤnte nicht abſe-
hen/ was ihr H. Vater ſich ihretwegen zubefahren haͤtte/ nachdem ſie ihm in ſeine Gewar-
ſam wieder gelieffert waͤhre; ſo waͤhren ihre Erretter ſo auffrichtige redliche Ritter und
Herren/ hielten auch ihren H. Vater in ſolcher Ehr und Wirde/ daß er ihretwegen keine
Sorge noch widrige Gedanken haben duͤrffte; ſolten aber die Goͤtter ein Ungluͤk/ das ihr
H. Vater zuvor ſaͤhe/ beſchloſſen haben/ moͤchten dieſelben alles uͤber ſie allein außſchuͤttẽ/
und ihrer herzlieben Eltern/ auch wanns moͤglich waͤhre/ jhrer guͤtigen Erretter ſchonen.
Ihr Vater befand ſich mit der aller ſchwereſten Traurigkeit beladen/ aber ſein Gemahl troͤ-
ſtete ihn mit dieſen Woꝛten: Mein herzgeliebter Herr/ was hermet ihr euch ſo? unſere
Tochter iſt Gott Lob/ ſo verſtaͤndig/ daß ſie wol erkennen wird/ wie ſie euch zu allem Gehor-
ſam
[79]Erſtes Buch.
ſam verbunden ſey; und nachdem es hohe Zeit iſt/ ihr das bißher verſchwiegene zu offen-
bahren/ ſol mans laͤnger nicht hinterhalten. Ja/ mein liebes Kind/ ſagte er hierauff zu dem
Fraͤulein; du weiſt/ mit was groſſer Vorſorge wir dich erzogen/ unter der hoffnung/ ſchieꝛ
Freude an dir zu erleben; koͤnnen dir auch kein ander zeugniß geben/ als daß du bißher uns
in allem biſt gehorſam geweſen/ wie einem frommen Kinde wol anſtehet; Nun biſtu zu den
Jahren kommen/ daß uns Zeit deucht/ dir ein Gemahl zu erſehen/ der am Stande/ Tu-
gend und Guͤtern dir gleich ſey; haben auch denſelben nach unſerm wunſch angetroffen/
und zweifeln nicht/ du werdeſt auch in dieſem Stuͤk/ welches der rechte Beweißluhm dei-
nes Gehorſams ſeyn wird/ uns gerne und willig folgen/ und denſelben vor deinen liebſten
Braͤutigam und kuͤnfftigen Gemahl mit Herzensluſt annehmen/ welchen wir mit reiffem
Raht und wolbedachter Vorſichtigkeit uns zum Sohn und Tochtermann erkohren ha-
ben/ der dich auch nach deinem Stande gebuͤhrlich wird zu halten/ lieben und ehrẽ wiſſen.
Das Fraͤulein antwortete hier auff: Gnaͤdige herzallerliebſte Eltern; ihre bißher getrage-
ne herzliche Vorſorge vor mich/ wird kein Menſch/ vielweniger/ die ichs genoſſen/ in zwei-
fel zihen; aber zu hoͤchſt erfreuet mich/ daß mein Gehorſam ſo beſchaffen iſt/ das er guͤltig
und gnugſam erkennet wird/ welchen dañ Zeit meines Lebens fortzuſetzen/ ich ſo willig als
ſchuldig bin; daß aber mein Herr Vater mir ſo gar unvermuhtlich eine Heyraht vortraͤ-
get/ weis in anſehung meiner einfaͤltigen Jugend/ ich ſo ſchleunig nicht zubeantworten;
bitte demnach/ mein H. Vater wolle mir den Freyer nennen/ und mir Bedenkzeit geben/
mich wol und gnugſam zubeſinnen; an welcher Verguͤnſtigung/ ich umb ſo viel weniger
zweiffeln darff/ weil ich ſchon weiß/ daß meine liebe Eltern mich weder verkaͤuffen noch
verſchenken/ noch wider meinen Willen verheyrathen werden/ und ich billig mit Wiſſen-
ſchafft darumb haben muß/ in Betrachtung dieſes/ den einigen Tod außgenommen/ mei-
ne wichtigſte und ſchwereſte Verenderung ſeyn wird/ da ich meinen herzallerliebſten El-
tern mich entzihen/ und mich einem andern untergeben ſol. Ihr Vater merkete wol/ daß
ſie auff dieſe Antwort fleiſſig bedacht geweſen wahr/ und auff ſolche weiſe ihr nicht wuͤrde
beyzukommen ſeyn; deßwegen er ihr aus einem ſtaͤrkern Faſſe einſchenken wolte/ und ſie
alſo anfuhr: Ich wil nicht hoffen/ daß du vorſichtiger und kluͤger ſeyn wilt/ als ich; oder
gedenkeſtu/ ich werde ohn Raht und Bedenken in ſo wichtiger Sache verfahren/ und dei-
nes rahtens beduͤrffen? O nein? wie unduͤchtig du hiezu biſt/ ſo wenig werde ich dir ein-
raͤumen. Du wolteſt aber vielleicht den Braͤutigam gerne eine Zeit zuvor genennet habẽ/
daß du ihn hernaͤhſt mit deines gleichen außmuſtern koͤnneſt/ ob er dir zu ſchwarz/ oder zu
weiß/ zu lang oder zu kurz/ zu feiſt oder zu mager/ zu alt oder zu jung ſey/ worzu etliche deiner
Geſpielen ſich weidlich ſolten gebrauchen laſſen/ und duͤrffte dergeſtalt noch erſt gebohrẽ/
oder wol gar gemahlet werden muͤſſen/ der dir und jederman gefallen ſolte; Deßwegen
antworte mir ohn Bedingung/ ob du meiner vaͤterlichen Vorſorge/ und bey andern Leu-
ten gnug geltendem Witze dich ergeben/ und meinem Willen folge leiſten wolleſt. Mein
Herr und Vater/ antwortete ſie/ ich gehorſame in aller Moͤgligkeit ſo lange ich lebe/ und
ohn Bedingung; aber mich einem allerdinge unbekanten und ungenanten zu verſprechẽ/
davor erwaͤhle ich den Tod/ weil ich in der Furcht ſtehe/ mein Gemuͤht koͤnne ſich mit dem-
ſelben nicht vereinigen; oder auch wol/ daß vielleicht derſelbe ein Ehrenkraͤnkliches Gebre-
chen
[80]Erſtes Buch.
chen an ſich haͤtte/ daß meinen lieben Eltern verborgen waͤhre. Wolle demnach mein H.
Vater/ zu bezeugung vaͤterlicher Hulde/ mir den Braͤutigam gnaͤdig nennen; nicht daß
ich ihn von allenthalben zu uͤberlegen/ uñ mit andern durch die Hechel zuzihen willens bin/
ſondern/ damit ich meiner Freyheit/ die mir Gott und das Gluͤk durch meine Eltern ge-
goͤnnet hat/ mich gebrauchen moͤge; ſonſt waͤhre heut der erſte Tag/ daß ich klagen muͤſte/
mein H. Vater handelte mit mir ſeiner einigen Tochter gar zuſtraͤnge/ wovor ich durch al-
le Goͤtter Bitte. Fiel hiemit vor ihm nieder/ kuͤſſete ihm die Haͤnde/ und netzete ſie derge-
ſtalt mit Traͤhnen/ daß ſie tropffeten; welches auch mehr als einiges ander Mittel bey ihm
wirkete/ daß er zur Erkaͤntnis kam/ und die Wichtigkeit ihrer Wegerung beobachtete.
Gleichwol hatte er noch Hoffnung/ ſie zugewinnen/ hieß ſie auffſtehen/ und ſagete: Er koͤn-
te nicht außſinnen/ aus was Urſachen ſie in dieſes Mißtrauen gerahten waͤhre; wolte nit
deſtoweniger es in Bedacht zihen/ und vor dißmahl ſie nur des heutigen befehls erinnern/
den vortrefflichen Roͤmiſchen Herren/ H. Fulvius auffs ehrlichſte zuempfahen. O ja
mein herzlieber H. Vater ganz gerne/ ſagte ſie/ ungeachtet ich ſein gar keine Kundſchaft
habe/ auch niemahls zuhaben begehre/ weil ſeine Ehre gar krank ſeyn ſol/ und ihm ein ſehr
ſchlechtes Loblied nachgeſungen wird; welches mich doch nicht angehet/ und ich einen
andern gerne ſeyn laſſe der er iſt. Den Vater ward wegen dieſer Rede ſchwinden/ und
fragete/ ob ſie naͤrriſch waͤhre; H. Fulvius gleichen lebete in ganz Rom nicht/ und wuͤrde
ſie vielleicht durch Irtuhm wegen des Nahmens betrogen ſeyn. Den ich meyne/ antwor-
tete ſie/ ſol Markus Aurelius Fulvius heiſſen/ zwar ein reicher/ aber filziger Menſch/ von
Jugend auf zu Luͤgen gewaͤhnet/ großſprecheꝛn und unreines Mauls/ der Unzucht ergebẽ/
und daneben frech und verwaͤgen; der durch viehiſche kraͤffte etliche Siege erſtritten/ weil
ihn vernuͤnftige Feinde noch nicht angegriffen; und ob er gleich von groſſen Guͤtern/ ſolle
er doch ſeine Diener in der Kleidung den Schmiedeknechten gleich halten/ weil er ſelbſt
kaum ſo viel Luſt habe/ renliche Kleider anzulegen. Nun wuſte ihr Vater wol/ daß nicht
alles von ihr ertichtet wahr/ wiewol das Geruͤchte immerzu ein Ding groͤſſer pflegt zu-
machen; wolte ihr aber durchaus nichts geſtehen/ dann ſein Reichtuhm hatte ihn verblen-
det/ und lebete der Hoffnung ein Tugendſames Weib wuͤrde ſeinen Gebrechen wol abhelf-
fen koͤnnen; ſtraffete ſie demnach mit harten worten; weſſen ſie ſich zeihen duͤrffte/ einen
Unſchuldigen zulaͤſtern; das Geruͤcht waͤhre falſch/ und H. Fulvius aller Roͤmer Zierde.
Sie aber antwortete unerſchrocken: meinetwegen bleibe er der er iſt/ wann ich nur mich
uͤber ihn nicht zu beſchweren habe; ich wil meinem Herrn Vater zugehorſamen/ ihm mehr
Ehre erzeigen als er wert iſt/ aber lieber tauſendmahl ſterben/ als nur ein Augenblik ſol-
chem Unhold geneiget ſeyn. Seine Gebrechen ſind kuͤndiger/ als daß ſie meines Beweiß-
tuhms beduͤrffen/ und bleibe nur mein H. Vater mir bißdahin vaͤterlich gewogen/ daß
mir an Zeugen in dieſer Sache gebrechen wird; ich bin/ dem Himmel ſey dank/ von mei-
nen lieben Eltern allemahl zur Tugend angehalten/ darumb wil ich Tugendhafften fol-
gen/ ſo daß keiner nimmer mehr Raum oder Gunſt bey mir finden ſol/ der Tugendloß iſt/
und ſo mannichen Laſtern ſich zueigen ergeben hat. Dieſer Außſchlag gab ihrem Vater
Nachricht gnug/ weſſen ſie gegen dieſem Freyer geſonnen wahr/ und daß alles ſein vorha-
ben durch aͤuſſerſten Zwang zu werke gerichtet/ oder gar zu Waſſer werden muͤſte/ daher be-
fahl
[81]Erſtes Buch.
fahl er den Goͤttern die Schickung/ weil ihm ſein Herz ſagete/ es wuͤrde viel anders als
nach ſeinen Gedanken gehen/ ließ die Tochter bey der Mutter/ und ging hin Herkules zu
beſuchen. So bald er hinweg wahr/ baht das Fraͤule in ihre Mutter mit heiſſen Traͤhnen/
dem Vater dieſen Vorſaz auß dem Sinne zu bringen/ maſſen ſie viel lieber den allergrau-
ſamſten Tod und alle Pein gedultig angehen/ als dieſem filzigen Luͤgener ſich ergeben/ oder
ihm ihr Herz zuwenden wolte. Die Mutter aber gab zur Antwort: Sie wuͤſte nicht viel
gutes Rahts; Ladiſla und ſie muͤſten ein gutes Herz uñ unbewaͤglichen vorſaz ergreiffen/
daß Fulvius Einbildung den Krebsgang gewuͤnne/ und wann es ja auffs aͤuſſerſte kom-
men ſolte/ moͤchte ſie verſuchen/ mit Ladiſla heimlich davon zuzihen; welches ſie vorbrach-
te/ umb zuerforſchen/ wie weit ſie ſich mit ihm eingelaſſen haͤtte. Und zwar hiedurch ward
das gute Fraͤulein gefangen; dann ſie fiel der Mutter umb den Halß/ herzete und kuͤſſete
ſie/ und baht/ in ſolcher Gewogenheit fortzufahren; daher die Mutter ſpuͤrete/ dz der Brey
ſchon verſalzen/ und das abmahnen viel zu ſpaͤte waͤhre; hieß ſie deßwegen gutes muhts
ſeyn/ und daß es alles noch gut werden koͤnte; nur muͤſte ſie ihre heutige Lehre in acht neh-
men/ den ohn das argwoͤhniſchen Fulvius zum Widerwillen anzuſpornen; wuͤrde dann
hiedurch Ladiſla mit ins Spiel kommen/ daß es zum Streit geriete/ welches ſie doch un-
gerne wolte/ muͤſte er trauen ſein beſtes wiſſen/ nachdem ſie kein ander Mittel ſaͤhe/ und ihr
Vater vor ſein Haͤupt/ wegen getahner Zuſage nicht anders koͤnte/ als ſeiner Ehre durch
die Leiſtung ein Genuͤgen tuhn. Ey ſo wollen wir die Sache der himliſchen Verſehung be-
fehlen/ ſagte das Fraͤulein nach deren Schluß muß es doch den Außſchlag nehmen/ wir
ſinnen und tichten was wir wollen und koͤnnen; ſetzete ſich nider/ ließ von der Mutter ihr
die Haar etwas zierlicher auffbinden/ und redete von den hohen Tugenden der beyden
Helden/ mit dieſem Schluß/ daß ſie ſich vor die gluͤkſeligſte ſchaͤtzen wuͤrde/ wann ſie mit
derer einem ſolte vermaͤhlet werden. Ladiſla hatte ſich zu ſeinem Herkules verfuͤget/ zei-
gete ihm Fulvius anſuchen an/ und dz allem anſehen nach er ihn mit dem Schwerte wuͤr-
de abweiſen muͤſſen; welches er ihm hefftig wiederriet; er ſolte der Vernunfft gebrauchẽ/
und durch morden und todſchlagen ein Gemahl zu erwerben ſich nicht unterfangen; Es
waͤhre wider die Erbarkeit/ welches Gott nicht gut heiſſen/ viel weniger Gluͤk und Segen
darzu verleihen koͤnte/ in ſonderheit/ wo Fulvius mit ihr ſchon ſolte verſprochen ſeyn. La-
diſla taht ihm der Fraͤulein Widerwillen zu wiſſen/ und daß ſie dieſem ihr Herz zuzuwen-
den nie waͤhre bedacht geweſen/ noch ihres Vaters Vorhaben gewuſt haͤtte. Worauff
ihm Herkules antworten wolte/ ſahe aber den Stathalter zur Tuͤhr hinein treten/ und ga-
ben dieſem Geſpraͤch Anſtand/ weil ohn das derſelbe ſie erinnerte/ daß des Arztes wolmei-
nung muͤſte in Obacht genommen/ und H. Herkules in der Ruhe gelaſſen werden. Alſo
muſte nur ſein Leibknabe bey ihm bleiben/ da im hingehen der Stathalter zu Ladiſla ſage-
te: es tuht mir ſehr leid/ mein Herꝛ/ dz ſein Freund meiner Tochter wegẽ in dieſe ſchwacheit
gerahten iſt; iedoch hoffe ich zu den Goͤttern/ es werde ſich mit ihm bald zur Beſſerung
ſchicken; bitte unter deſſen fleiſſig/ ſie wollen bey mir ſich aller Freyheit gebrauchen/ als
ob ſie bey den ihren daheim waͤhren. Und weil mir heut ein fremder Gaſt von Rom/ Herꝛ
Fulvius zuſprechen wird/ ich aber wegen einer Unpaͤßligkeit/ und daß wegen eines ent-
ſtandenen Eckels vor der Fleiſchſpeiſe/ der Mahlzeit nicht beywohnẽ kan/ wolle mein Herr
Lneben
[82]Erſtes Buch.
neben andern Eingeladenen ſich bey derſelben froͤlich erzeigen/ ich wil nach abgetragenen
Speiſen mich bey ihnen einſtellen/ und gebuͤhrliche Geſelſchafft leiſten. Angenehmere
Zeitung haͤtte unſerm Ladiſla nicht vorkommen moͤgen/ und gedauchte ihn/ als ſaͤhe er ſei-
nen Mitbuhler ſchon zu ſeinen Fuͤſſen liegen/ welches doch zu verhehlen/ er antwortete:
Hochwerter Herr/ als Vater; ob zwar wegen ſchwacheit meines Freundes ich nicht we-
nig beſtuͤrtzt bin/ und ſchlechte Luſt habe zu froͤlicher Geſelſchafft/ wil ich doch in dieſem uñ
allem/ was mir moͤglich ſeyn wird/ meinem Herrn gerne und willig gehorſamen/ wuͤnſche
nicht mehr/ als daß meine geringe Dienſte meinem Herrn nur koͤnten behaͤglich ſeyn/ und
mit ſolchem vaͤterlichen Herzen angenommen werden/ als ſie aus kindlichem herruͤhren.
Mein Herr/ und geliebter Freund als Sohn/ antwortete er/ ich nehme diß hohe Erbieten
mit ſolchem Herzen auff/ welches ſich uͤberall vergnuͤget befindet/ erinnere mich wol/ wie
hoch ich ihm verpflichtet bin/ uñ bitte die Goͤtter/ mir Krafft und Freyheit zu verleihen/ ſein
gutes Herz und gewogenheit erſetzen zu koͤnnen. Der junge Fabius kam darzu/ uñ nam der
Alte einen Abtrit nach ſeinem geheimen Zimmer/ woſelbſt er ſein Ungluͤk und die inſte-
hende Gefahr beweinete/ und dz durch Unbedachtſamkeit er ſich ſo ſchlim verwickelt hatte.


Kaum wahr er hinweg gangen/ da ſtellete Fulvius ſich ein/ hatte ſich ſtatlich herauß
geputzet/ und ſechs wolbekleidete Diener hinter ſich her treten/ deren Mantel mit Sam-
met durchfuͤttert wahren/ wiewol er leyden muſte/ er haͤtte ſie von andern entlehnet. Er
wahr groß und ſtarker Gliedmaſſen/ hatte ein ſchwaz dicke Kraußhaar/ welches er ſelten
zu kaͤmmen pflegete/ ſchwarzgelbe Farbe/ magere Backen und lange Habichsnaſe/ wuſte
ſich zimlich hoͤfflich anzuſtellen/ aber man merkete/ daß es gezwungen Ding wahr. Als dem
Stathalter ſeine Ankunfft vermeldet ward/ ging er ihm entgegen/ nam ein froͤliches Ge-
ſicht an/ und hies ihn wilkommen ſeyn. Ladiſla und der junge Fabius traten auch zu ihm
hin/ und empfingen ihn nach wirdigkeit/ wiewol Ladiſla uͤber Gewohnheit ſich gar ernſt-
hafft und mit kurzen Worten vernehmen lies. Die Stathalterin kam mit ihrer Tochter/
den Gaſt zu wilkommen/ welches die Mutter mit guter Freundligkeit/ die Tochter aber ſo
kaltſinnig und mit gezwungenem Hochmuht verrichtete/ daß ihr Bruder bald merkete/
es muͤſte ein angelegtes Spiel ſeyn/ ſonderlich/ weil er vor wenig Tagen in erfahrung kom-
men wahr/ daß ſein Vater mit dieſer Heyraht umbginge/ in welchem Wahn er durch
deſſen Rede geſtaͤrket ward/ da derſelbe/ wie er der Tochter Entfuͤhrung vernahm/ alſo loß-
brach: O daß nun H. Fulvius verhanden waͤhre/ und die Rettung ſelbſt verrichten moͤch-
te. Nun wahr dieſem das Geſchrey ſeiner Untugend wol bewuſt/ nahm ihm auch vor/ die
Heyraht nach allen Kraͤfften zuhindern/ inſonderheit als er zu der Schwaͤgerſchafft mit
Ladiſla Hoffnung hatte. Fulvins/ ſo bald er das Fraͤulein ſahe/ befand er ſich verliebet/ re-
dete/ ungeachtet ihrer Ernſthafftigkeit ſie freundlich an/ und gab ihr ſein groſſes Mitley-
den wegen geſtriger Gefahr zu vernehmen/ mit bezeugung/ wie bereit und willig er ſeyn
wollen/ ſie loßzumachen/ da er deſſen einige Wiſſenſchafft gehabt haͤtte. Sie bedankete
ſich des Erbietens gar nicht/ ſondern ſagete: Die Goͤtter behuͤten mich voꝛ dergleichen
Gefahr/ und daß ich ja nimmermehr wieder in Tugendloſer Leute Gewalt fallen moͤge;
Daß ich aber bey Ehr und Leben erhalten bin/ habe ich dieſem meinem hoͤchſtwerten Her-
ren und unvergleichlichen Helde zu danken/ dem ich mich daher in ehren ganz verpflichtet
weiß
[83]Erſtes Buch.
weiß und wiſſen muß. Fulvius ſahe Ladiſla an/ lachete in ſeinem Herzen dieſer hohen Be-
nahmung/ und ſagte zu ihm: Herr und unbekanter Freund/ daß er dieſer treflichen Fraͤu-
lein in ihren noͤhten zu Huͤlffe getreten iſt/ deſſen bedancke ich mich gegen ihn/ und erkenne
mich demſelben hinwiederumb mit einem Ritterdienſte verbunden. Herr und unbekan-
ter Freund/ antwortete Ladiſla/ daß wenige ſo etwa in Rettung dieſer Durchl. Fraͤulein
ich verrichten moͤgen/ darzu hat mich die Pflicht meiner ſelbſteigenen Ehre verbunden/
gebuͤhret mir alſo von keinem Menſchen dank davor/ wiewol ich Unwirdiger von meinem
Gnaͤdigen Fraͤulein ſo hohe Vergeltung ihrer Gutwilligkeit wieder meinen Willen an-
nehmen muͤſſen/ daß ich mich ſchuldig erkenne/ derſelben Zeit meines Lebens als ein
verpflichteter Knecht und Diener ohn einige Außrede auffzuwarten. Ach mein Herr/ ant-
wortete ſie/ ich bitte ſehr/ meine geringfuͤgige Dankbarkeit nicht ſo hoch zuerheben/ weil die-
ſelbe viel zu ſchwach iſt/ an daß minſte ſeiner hohen Verdienſte zu reichen; dann weil ja uͤ-
ber Ehr und Leben kein Ding in der Welt mag geſchaͤtzet werden/ und aber dieſes beydes
euer ſiegreiches Schwert mir erhalten hat/ muß ich die allmoͤgenden Goͤtter bitten/ den
Abgang meines unvermoͤgens zuerſetzen/ und wird mir Vergnuͤgungs gnug ſeyn/ wann
ich ſehen werde/ daß mein dankbegieriger Wille meinem Herren nicht wird unangeneh-
me ſeyn. Mein Fraͤulein/ wieder antwortete er; was erhebet ſie ihres unwerten Dieners
gar zu ſchlechte Dienſte uͤber allen Verdienſt/ daß ich vor anderen deßwegen ſchamroht
ſtehen muß? Ihre ja ihre Krafft/ ſo in ihrer Tugend und Volkommenheit beſtehet/ wahr
nicht allein meines leichtẽ Schwertes Nachdruk/ ſondern benam den Raͤubern allẽ Muht
und ſtaͤrke/ und ſtuͤrzete ſie zur Erden/ daß ihnen weder Vermoͤgen mich zubeſchaͤdigen/
noch ſich zubeſchuͤtzen uͤbrig blieb. Das Fraͤulein blickete ihn hierauff mit liebreizenden
Augelein an/ und ſagete: Mein Herr und wahrer Freund; es beliebet ihn alſo/ mich leich-
tes Federchen zu ſchmuͤcken/ die ich Unguͤltigkeit halben wol haͤtte verſtaͤuben muͤſſen;
Dann O weh mir elenden/ wann ſonſt keine maͤchtigere/ als meine eigene Krafft ſich mei-
ner angenommen haͤtte/ ſo wuͤrde ich ſchon entehret/ und kein Menſch mehr ſeyn; Wolle
demnach mein Erretter mir goͤnnen/ ſeinen hochverdienten Preiß außzutragen/ und bey-
des Freunden und Feinden bekant zu machen/ daß wie ich ihm alles was ich bin/ zu danken
habe/ alſo auch ſolches zu bekennen nicht moͤge gehindert werden. Fulvius hoͤrete dieſen
ihren freundlichen Reden zu/ als ein Entzuͤkter/ kunte ſie nicht gnug anſchauen/ die ihm
doch kein Auge zuwendete/ ſondern/ als waͤhre er nicht zugegen/ ſich nach Ladiſla kehrete;
woruͤber der Stathalter ſchier in die Erde geſunken waͤhre/ weil er ſahe/ dz dieſes Trauer-
ſpiel ſich ſchon bey nuͤchterm Munde anſpinnen wolte; ſuchte deßhalben Urſach davon zu
ſcheiden/ und baht Fulvius hoͤchlich umb Verzeihung/ daß er ihm/ Schwachheit halber/
bey der Mahlzeit nicht koͤnte Geſelſchafft leiſten; hoffete doch/ ſein Gemahl/ Sohn und
Tochter/ neben andern erbehtenen Freunden/ wuͤrden ſeine ſtelle biß nach abgetragenem
Tiſche vertreten/ da er ſich willig bey ihnen wolte finden laſſen. Herzlieber H. Vater/ ſag-
te das Fraͤulein zu ihm: Ich bitte kindlich/ mir zu goͤnnen/ daß ich euch in euer Unpaßlig-
keit auffwarten moͤge. Nein/ geliebtes Kind/ antwortete er/ gehe du mit dieſen beyden
Herren zum eſſen/ und leiſte jhnen als eine Hauß Tochter gebuͤhrliche Geſellſchafft/ ich
werde mich hernach ſchon finden. Es haͤtte Fulvius mit dem Vater gerne noch vor der
L ijMahl-
[84]Erſtes Buch.
Mahlzeit die Ehe abgeredet/ damit er ſie bey Tiſche als eine Braut neben ſich haben/ und
hiemit Ladiſla/ den er ſchon neidete/ hoͤhnen moͤchte; weil aber der Stathalter eilig davon
ging/ muſte er ſich gedulden/ und nahm ihn Fr. Pompeja bey der Hand/ das Fraͤulein a-
ber ihren liebſten Ladiſla/ biß ſie den Eſſeſaal erreicheten. Ehe die Speiſen auffgeſetzt wur-
den/ ſpracheten ſie ſtehend miteinander/ da der junge Fabius ſeineꝛ Schweſter winkete/ und
zu jhr ſagete: Weiſtu auch/ daß man dir dieſen Filz und Luͤgener zufreyen wil? mich wuͤr-
de deines Elendes jam̃ern/ wann du in dieſer Ungluͤkspfuͤtze ſolteſt verfinken; ſo ſihe dich
nun vor/ nim deine Vernunfft zu huͤlffe/ und halte feſte/ was mich duͤnket ſchon in deiner
Hand zu ſeyn. Das Fraͤulein ward hiedurch herzlich erfreuet/ und antwortete: Herzalleꝛ-
liebſter Bruder/ ich habe gleich dieſen morgen mein ungluͤk erfahrẽ/ aber der Tod ſol mich
davon befreyen/ wann ichs lebendig nicht meiden kan. Ich untergebe mich deinem willen/
wil auch deinem Raht getraͤulich nachkom̃en/ nur biß gebehten/ und leiſte im fall der noht
Herꝛn Ladiſla beyſtand. Zweifele daran nicht/ ſagte er/ ich habe ſchon anordnung gemacht/
daß es nicht noht haben ſol. Es hatte aber Fulvius/ ſeinen Pracht ſehen zu laſſen/ 120
Reuter auff einen Monat in Dienſte genommen/ mit denen er zu Padua eingerittẽ wahr.
Dieſes wuſte der junge Fabius/ gedachte deßwegen/ wann ſich etwa ein Aufflauff erregen
ſolte/ muͤſte man auch Leute umb ſich haben; und ließ ſeine bey ihm habende Ritterſchaff?
ſich ſchleunig/ doch in aller ſtille wapnen/ mahnete darzu 80 junge vom Adel in der Stadt
heimlich auff/ und gab ihnen das Zeichen/ wann ſie vor ſeines Vaters Hofe wuͤrden hoͤ-
ren in die Tromete ſtoſſen/ ſolten ſie zur Hinter Tuͤhr hinein dringen/ und fernerer Anord-
nung gewaͤrtig ſeyn. Fulvius wahr ſo grobes Verſtandes nicht/ daß er der Fraͤulein gute
Gewogenheit gegen Ladiſla nicht ſolte gemerket haben; Er verließ ſich aber auf des Alten
ſo muͤnd- als ſchrifftliche Verheiſſung/ und entſchuldigte ſie in etwas/ daß ſie ihn als ihren
Erretter zu ehren gehalten waͤhre; daß ſie aber gegen ihn ſo freundlich ſich nicht bezeigete/
haͤtte er jungfraͤulicher bloͤdigkeit gerne zugelegt/ und daß ſie ſo gar ſeiner keine Kundſchaft
hatte; blieb alſo anfangs ohn ſonderlichen Eifer/ welchen ihm doch ſein argwoͤhniſches
Herz alle Augenblik mehrete/ daß er bald hernach vornam/ ihr dieſes/ ſo bald er ſie in ſeineꝛ
Gewalt haben wuͤrde/ rechtſchaffen einzukerben. Die noͤhtigung ſich zu ſetzen/ ging an/ und
ſtellete der junge Fabius/ dieſen beyden Herren frey/ einen Siz nach belieben zu erwaͤhlen.
Ladiſla wolte keine Unhoͤfligkeit gebrauchen/ und noͤhtigte den fremden/ die Oberſtelle zu
nehmen/ der gleichwol auch ſcheinen laſſen wolte/ daß er nicht unter den Bauren auffge-
wachſen waͤhre/ wegerte ſich faſt/ uñ baht endlich/ daß H. Ladiſla ihm zugefallen den Ober-
ſiz bekleiden moͤchte/ welches er dann/ unter der Vorſchuͤtzung eines willigen Gehorſams
hoͤflich annahm/ da dieſer doch einer weiteren Wegerung ihm vermuhten wahr/ und jhn
nicht wenig verdroß/ daß er dieſes Streichs ſich ſelber nicht gebrauchet haͤtte; ließ auch ſei-
nen Stolz in dem ſehen/ daß er Ladiſla nicht folgen wolte/ ſondern umb Freyheit/ einen an-
nehmlichen Siz zu waͤhlen/ anhielt/ auch bald darauff ſich auff des Stathalters ſeinem
Wirtsſtuel/ gerade gegen Ladiſla uͤber ſetzete. Herr Kornelius ermahnete Frl. Sophien/
ſich zu Fulvius niderzuſetzen; und dieſer ſelbſt hielt darumb beſtaͤndig an/ mit Einwen-
dung/ daß er eigentlich dieſe Reiſe getahn/ umb ihre beſſere Kundſchafft zu erlangen/ und
naͤhme
[85]Erſtes Buch.
naͤhme ihn wunder/ da ſie ſolches annoch nicht wiſſen ſolte. Sie aber brachte hoͤflich vor:
es wolte einer Tochter des Hauſes nicht gebuͤhren/ uͤber erbehtene Herren und Gaͤſte ſich
zuſetzen/ ſondern gar vom Tiſche zu bleiben oder den unterſten Plaz zunehmen; das uͤbrige
waͤhre nach ſeinem Gefallen/ wie wol in ſehr handgreiflichem Scherze geredet/ und waͤh-
re nichts neues/ daß die einfaͤltigen Paduaniſchen Medchen ſich von den Roͤmiſchen Her-
ren zur Kurzweil muͤſten auffzihen laſſen/ als deren Unachtſamkeit nicht verdienete/ daß
man ihretwegen einen Schrit/ geſchweige/ zehn und mehr taͤgige Reiſen tuhn ſolte/ wie-
wol ſie ihres teils ſolches in hoͤchſter Warheit nicht begehrte/ ſondern ihrer geringfuͤgigkeit
ſich wol erinnerte/ welches Herr Fulvius/ wie ſie baͤhte/ eins vor alle mahl wolte laſſen ge-
antwortet ſeyn. Dieſer wolte ſolches beantworten/ und umb das beyſitzen weiters an-
halten; aber Frl. Urſul und Helehntraten gleich in den Saal/ die von Frl. Sophien em-
pfangen und zum Tiſche gefuͤhret wurden; da Ladiſla von ſeiner Stelle hervor ſprang/ uñ
dieſen beyden Fraͤulein ſelbige einraͤumete/ ſich aber neben ſie niederließ/ da Frl. Sophia
ihm ungenoͤhtiget folgete/ als an den unterſten Ort; woruͤber Fulvius ſchier waͤhre raſend
worden; meynete/ es haͤtte Ladiſla ein ſolches mit ihr angelegt/ und ſchwuhr bey ſich ſelbſt/
es ungerochen nicht zu verdaͤuen. Ladiſla merkete aus ſeiner Geſichtsverenderung/ dz ihm
das Herz geruͤhret wahr/ ließ ſich doch nichts anfechtẽ/ ſondern erzeigete ſich gar freymuh-
tig. Der junge Fabius ſetzete ſich wieder an ſeiner Urſulen ſeite; Herr Kornelius blieb
bey Fulvius/ dem H. Emilius/ und zulezt die Stathalterin folgete. Frl. Sophia nam auf
ihres Bruders Vermahnung das Vorſchneideramt uͤber ſich/ und reichete Ladiſla das
erſte; welches er der Stadthalterin gab. Sie boht ihm das ander und dritte/ aber die bey-
den Fraͤulein muſten es von ihm nehmen. Als ſie ihm nun das vierde zuhielt/ baht ſie ihn/
es ohn fernere Wegerung zu behalten; worauff er gehorſamete. Das fuͤnffte uͤbergab ſie
Frl. Helenen/ mit Bitte/ es H. Fulvius zu reichen. Dieſer hatte ſich inzwiſchen eines an-
dern bedacht/ und den aͤuſſerlichen Zorn finken laſſen/ weil er Ladiſlaen freymuͤhtigkeit ſa-
he/ und ward die halbe Mahlzeit ohn denkwirdiges verrichtet/ nur/ da Fulvius Frl. Urſu-
len ein Glaß mit Wein einreichen/ und die zierliche Hoͤfligkeit gar zu groß machen wolte/
ſchuͤttete er ihr ſolches unverſehens in den Buſem/ daß ihr der Wein am Leibe gar hinun-
ter biß auff die Knie lief/ und ſie ſich des Schrekſchreyens nicht enthalten kunte. Frl. So-
phia hatte dieſes Plumpſtuͤkchen nicht geſehen/ erſchrak daher uͤber ihrem ruffen/ und fra-
gete aͤngſtig/ was ihr gebraͤche? Sie aber antwortete: mir gebricht nichts/ Herzen Schwe-
ſter/ nur daß ich gar zu viel bekomme. Ladiſla haͤtte dieſen Grobrunk nicht umb viel ge-
miſſet/ taht doch/ als ſaͤhe ers nicht/ und blieb in ſeinem Geſpraͤch mit Frl. Helenen/ welche
fleiſſig nachfragete/ warumb Herr Herkules nicht zu Tiſch kommen waͤhre/ und als ſie ſei-
ner Unpaͤßligkeit bericht einnahm/ ward ſie deſſen leidig. Der junge Fabius nam hieſelbſt
gelegenheit/ deſſen Tugend zuruͤhmen/ wuͤnſchend/ dz er den Kampf mit Orgetorix haͤtte
moͤgen anſehen; welches Fulvius alſo beantwortete: Zwar den beſten ſihet man nicht/ maſ-
ſen ein jeder/ wañ er in der Welt umſuchet/ allemal ſeines gleichen findet; jedoch moͤchte ich
eines ſolchen Ritters Kundſchafft/ wie dieſer beſchrieben wird/ wol haben/ dem das Gluͤk
ſehr guͤnſtig muß geweſen ſeyn/ daß er dem jeztgedachten guten Fechter hat anſiegen koͤn-
L iijnen/
[86]Erſtes Buch.
nen/ welches ich mit ruͤhmen wil/ weil ich nicht zweifele/ es werde im Kampffe auffrichtig
zugangen ſeyn. Ladiſla hoͤrete den Spot und Beſchimpffung mit groſſer Empfindligkeit/
begriff ſich aber/ und antwortete: Herr/ dieſes Ritters Kundſchafft/ der nie als auffrich-
tig gekaͤmpffet/ und ſich mehr auffſeine Tugend als auff das blinde Gluͤk verlaſſen hat/
wird euch unverſaget ſeyn/ ſo bald er Schwachheit halber das Lager wird angeben koͤñen.
Dieſer aber/ weil er Ladiſlaen biß auff den Tod gehaͤſſig wahr/ ſagte nichts darauf/ ſondeꝛn
ſtellete ſich/ als hoͤrete ers nicht; welches jener zwar mit brennendem Zorn auffnam/ und
es doch verſchmerzete/ weil er bequemere Gelegenheit ſich zu raͤchen hoffete. Herr Kor-
nelius/ der Fulviuſſen am naͤheſten ſaß/ wolte ihn mit freundlichem Geſpraͤch unterhaltẽ;
bekahm aber allemahl kurze hochmuhtige Antwort/ welches ihn nicht wenig verdroß/ weil
er in der Jugend auch Ritterſchafft getrieben/ und in mannichem Schimpf und Ernſt gu-
ten Preiß erworben hatte; doch uͤberſahe er ihm nach ſeiner Sanfftmuht/ und ließ nicht
ab mit ihm zu reden/ weil das Frauenzimmer ſich an ihn gar nicht kehren wolte/ die nur
mit Ladiſla und Fabius ihr Geſpraͤch fortſetzeten/ da Frl. Sophia nicht unterließ/ den
groſſen Unterſcheid der Ritter einzufuͤhren/ und daß dieſen Stand nichts ſo ſehr zierete/
als die Hoͤfligkeit und Demuht/ ſo daß ein Ritter mit dieſen beyden ſtuͤcken begabet/ inſon-
derheit des Frauenzimmers Gewogenheit wirdig waͤhre/ weil dieſelben mehr hierauf/ als
auff ſcharffe Schwerter und ſpitze Speere hielten. Fulvius/ daß er Kundſchafft mit ihr
machen moͤchte/ beantwortete dieſes alſo: Ja mein Fraͤulein/ die jezteꝛzaͤhleten Stuͤcke ſte-
hen einem Ritter in Wirtſchafften nichtuͤbel an/ wann ſie bey gebuͤhrlichen Leuten ange-
wendet werden; aber ihrer viel (ich ſchlieſſe meiner Fraͤulein gleichen auß) wollen dieſen
Bogen gar zu ſtraͤnge ſpannen/ daß er zu zeiten druͤber brechen muß; weil der ritterliche
Muht die unterſte Stuffe ohn Verletzung ſeines Anſehens nicht betreten kan. Frl. So-
phia aber wolte ſich hieruͤber mit ihm nicht einlaſſen/ welches Urſul merkend/ mit dieſer re-
de ihre ſtelle vertrat: Ich halte davor/ Herr Fulvius/ meine Frl. Schweſter rede nicht von
den unvernuͤnfftigen/ die Ritters Hocheit nicht beobachten/ und ſie biß an die unverant-
wortliche beſchimpfliche Demuht herunter ziehen wollen/ ſondern ihre Meynung iſt bloß
auff dieſen Zweg gerichtet/ daß die ungefaͤrbete Freundligkeit eine ſonderliche Zier an ei-
nem Ritter/ wie die Sonne am Himmel ſey. Herr Kornelius fuͤrchtete ſich/ es moͤchte
dieſe Verantwortung von ihm ungleich auffgenommen werden/ miſchete ſich deßwegen
mit ein/ und ſagete: Beyderſeits Meynung waͤhre recht und gut/ als die nicht wider ein-
ander ſtritten. Welches Frl. Sophia alſo beantwortete: Herr Vetter Kornelius/ ſtreitẽ
ſie nicht/ ſo reimen ſie ſich auch nicht. Aber der hoͤlzerne Bock Fulvius merkete nicht/ daß
ſeine ungereimete Antwort hiedurch verlachet ward. H. Kornelius veꝛanlaſſete ihn zum
weitern Geſpraͤch/ in dem er ihn fragete/ ob nicht neulicher Zeit zu Rom ſich etwas denk-
wirdiges zugetragen haͤtte; wodurch er ihm die Tuͤhr zu ſeinen Luͤgen auffſperrete/ daß er
bald von hier/ bald von dar/ ohn Ordnung und Außfuͤhrung etwas hervor brachte/ und al-
lemahl ſeinen eigenen Ruhm einmiſchete/ wiewol mit ſo handgreiflichen Luͤgen/ daß Ladiſla/
der von vielen/ guten beſcheid wuſte/ ſich der unwarheit ſehr verwunderte. Endlich nam
Fulvius ihm vor/ Frl. Sophien einen verdekten ſtreich zu verſetzen/ welches eꝛ duꝛch dieſes
Getichte ſehr artig zuverrichten meinete/ da er alſo anfing: Es faͤlt mir gleich iezt ein laͤ-
cherli-
[87]Erſtes Buch.
cherlicher Poſſen ein/ der ohngefehr vor XVI Tagen ſich zu Rom begeben; nehmlich/ ein
vermeintes zuͤchtiges Fraͤulein ward einem trefflichen Roͤmiſchen Herrn/ meinem ver-
traueten Freunde/ von ihren Eltern zugefreyet/ deren Nahmen ich nicht nennen wil. Als
nun der Ritter ſich einſtellete/ die Heyraht zu volfuͤhren/ kam er dieſer guten Jungfer un-
vermuhtlich/ und fand ſie bey einem unachtſamen jungen Aedelman ſitzen/ mit dem ſie al-
lerhand naͤrriſcher Kurzweil und Affenwerk trieb/ welches dieſem ernſthafften Ritter an-
zuſehen ungelegen wahr; hies derhalben den jungen Laffen auffſtehen; und als er ſichs we-
gerte/ trieb er ihn mit pruͤgeln auß/ gab hernach der Jungfer einen guten Außwiſcher/ und
lies ſie ungeheyrahtet ſitzen/ womit ihre Eltern zwar uͤbel zufriede wahren/ aber doch den
Schimpff hinnehmen muſten/ weil ſie der frechen Tochter gar zuviel Willen gegoͤnnet
hatten. Hiemit brach er die ungeſchikte Erzaͤhlung ab/ und wahr niemand zugegen/ der ſei-
nen Zweg nicht verſtanden haͤtte/ nur daß ſichs niemand wolte annehmen/ ohn Frl. So-
phia ſchrieb ihm gar zuviel Witzes zu/ ob haͤtte er ihre vorige Stachelrede hiemit erſetzen
wollen; gedachte endlich/ es muͤſte ihm dieſes Wagſtuͤk nicht ſo hingehen/ und fing zu den
beydẽ Fraͤulein alſo an: Herzgeliebete Schweſtern/ es hat H. Fulvius uns eine Geſchicht
erzaͤhlet/ ohn zweiffel/ unſere geringe Urtel daruͤber zuvernehmen/ und wol auch/ daß ſie
uns zum Beyſpiel diene/ uns beydes vor Affenwerk/ und vor ſolche ernſthaffte Freyer wol
zuhuͤhten; bitte demnach ſchweſterlich/ ſie wollen/ die lange Zeit zuvertreiben/ ſich unbe-
ſchwert heraus laſſen/ was ſie von dieſes Freyers ritterlicher Taht halten. Die beyden
Fraͤulein beredeten ſich kuͤrzlich/ und gaben ihr zur Antwort: Herzgeliebte Frl. Schweſter/
wir haben die erzaͤlete Geſchicht nicht ſo eigentlich mit allen ihren umbſtaͤnden in acht ge-
nommen/ wollen deßwegen ihre Meynung zuvor hoͤren/ und nachgehends/ wo es uns ge-
goͤnnet iſt/ unſere Gedanken auch daruͤber vernehmen laſſen. Ich muß euch wol zugefal-
len ſeyn/ ſagte das Fraͤulein/ dann womit wolten wir ſonſt die Zeit hinbringen? Jedoch/
wann ich zuvor wiſſen ſolte ob Herr Fulvius uns dieſe Kurzweil goͤnnen koͤnne. Ey wa-
rumb nicht/ mein Fraͤulein/ antwortete er/ maſſen ich ſolche Begebnis zu dem Ende vor-
getragen habe. Daß muß mir lieb ſeyn/ ſagte ſie; kehrete ſich zu ihren Geſpielen/ und fuhr
alſo fort: Ob ihr/ meine Schweſterchen daß erzaͤhlete vor eine Geſchichte/ oder Getichte
haltet/ kan ich nicht wiſſen; doch ſtehet uns allerſeits frey/ unſere Gedanken davon zu ha-
ben; aber auff den fall der Warheit/ ſage ich/ daß dieſer Ritter ſich als ein ungeſchliffener
grober Flegel hat ſehen laſſen/ indem er dieſem Fraͤulein ein ſolches zur Unzimligkeit auß-
geleget/ welches ſie zweiffels ohn auß Hoͤfligkeit getahn/ und dieſer Buͤffelsochſe wol aller
Zucht mag entfernet ſeyn/ welches er gar zu merklich an den Tag gegeben/ in dem er den
jungen Aedelmann nicht als ein Ritter/ ſondern als ein Steckenknecht uͤberfiel/ welches
ich ihm nicht wuͤrde geſchenket haben/ waͤhre ich in deſſen ſtelle geweſen. Es hat ſich aber
das gute Fraͤulein nebeſt ihren Eltern billich zu erfreuen/ daß ſie eines ſolchen ungehoͤfeltẽ
Klotzes abkommen; dann ſie moͤchte lieber tauſendmal ſterben/ als eine Stunde ſein Eh-
gatte ſeyn. Dafern ihr nun herzliebe Schweſtern/ mit mir eines ſeyn koͤnnet/ wollen wir
dieſem nichtwerten Ritter die Urtel ſprechen/ daß er vorerſt des Ritterſtandes ſol entſetzet/
und unfaͤhig ſeyn/ ſich neben einem ehrliebenden Fraͤulein niderzuſetzen; ja er ſol auß allem
adelichen Frauenzimmer in Ewigkeit verbannet ſeyn und bleiben. Die anweſenden lache-
ten/
[88]Erſtes Buch.
ten/ daß ſie dieſes mit ſolchem Eyfer vorbrachte/ ohn Fulvius begunte den Auffzug zumer-
ken/ und ſchwur im Herzen/ ihr ſolches bald erſten tages ſeiner Heyraht mit ſchwerem
Wucher einzubringen. Herr Emilius fuͤrchtete ſehr/ es duͤrffte dieſer Scherz einen gro-
ben ungluͤklichen Ernſt verurſachen/ welchem vorzubauen/ er Fulvius zuredete; Er zwei-
felte nicht/ ſeine hohe Vernunfft wuͤrde des Frauenzimmers kurzweilige Scherzreden im
beſten vermerken; fragete darauff/ ob die Ritterlichen Ubungen zu Rom ſtark im ſchwan-
ge gingen/ und die Straſſen ſicher zu reiſen waͤhren. Welches er beantwortete: Man haͤt-
te eine Zeither nichts von Mordtahten vernom̃en/ ohn daß ohngefehr vor acht oder neun
Wochen vier ſtatliche Ritter gutes Roͤmiſchen Adels/ von vier verwaͤgenen Straſſenraͤu-
bern uͤber fallen/ ermordet/ und nacket außgezogen waͤhren; nennete ſie auch bey nahmen/
daß Ladiſla eigendlich hoͤrete/ er redete von denen/ welche er und Herkules im Kampff ni-
dergelegt hatten/ gedachte demnach/ dieſes fuͤgen die Goͤtter alſo zu des luͤgeners Straffe;
gab ihm auch dieſe Antwort: Der Herr verzeihe mir; ich komme auch von Rom/ und
weiß ſehr wol umb dieſe Begebnis/ daß gedachte vier Ritter nicht von vier Raͤubern oder
Moͤrdern/ ſondern von zween fremden Rittern im auffrichtigen Kampffe/ durch eine
rechtmaͤſſige Nohtwehr erleget ſind/ weil ſie dieſe mit raͤuberiſcher Fauſt angriffen/ und
ihnen eine Beute abzujagen ſich unterſtunden. Fulvius antwoꝛtete: Er waͤhre ganz un-
recht berichtet; die Sache waͤhre ihm gar zuwol bewuſt/ haͤtte auch der Ermordeten gute
Kundſchafft gehabt/ und wuͤrde es nimmer mehr gutheiſſen/ ſo jemand/ wer der auch
waͤhre/ ſolche ehrliche Ritter vor Straſſenraͤuber außruffen wolte; wuͤſte aber ungezwei-
felt/ daß ſie von ſolchen unredlichen Buben ſchelmiſcher Weiſe ermordet waͤhren. Herr
bedenket euch was ihr redet/ ſagte Ladiſla/ es koͤnte etwa einer in dieſer ehrlichen Geſel-
ſchafft ſeyn/ der von dieſen vier Raͤubern angefallen/ und ihnen ihren Lohn erteilet haͤtte.
Wann ich ſolches wiſſen koͤnte/ antwortete Fulvius/ muͤſte der buͤbiſche Moͤrdeꝛ den See-
len der erſchlagenen zum Verſoͤhnopffer mit meinem Schwerte abgeſchlachtet werden.
Ladiſla kunte den Zorn nicht laͤnger verbergen/ und ſagte: Hoͤret Fulvius/ gedenket ihr
dieſes zuhandhaben? ja/ antwortete er/ gegen jederman den es geluͤſtet. Ey wolan/ ſagte
jener; ſo geſtehe ich vor dieſer loͤblichen Geſelſchafft/ daß mein Freund Herkules und ich/
von dieſen vier Raͤubern auff freier Straſſe ohn alle gegebene Urſach uͤberfallen ſind/ und
wir ihnen den Lohn ihres Frevels in einem offenen Kampffe zugeſtellet haben/ welchen ſie
billiger von des Buͤttels Hand empfangen haͤtten. Weil ihr dañ Fulvius meinen Freund
und mich ohn alle Urſach vor Raͤuber/ Schelmen und Buben ſcheltet/ wil ich unſer bey-
der Ehre/ dafern ihr keinen Wiederruff thut/ wieder euch handhabẽ/ ſchiebe die Schmach
in euren eigenen Buſem/ ſage euch auff Leib und Leben ab/ und fodere euch zum offentlichẽ
Kampff aus/ auff daß ihr ſehen laſſet/ ob ihr ſo wol fechten als ſchaͤnden koͤnnet. Das an-
weſende Frauenzimmer erſchrak uͤber die maſſe/ als ſie Ladiſla ſo reden hoͤreten/ und ſeine
feurige Augen ſahen/ die ihm im Haͤupte funkelten; keiner aber von den Anweſenden kun-
te ihm ſolches vor uͤbel halten/ daß auch der junge Fabius zu Fulvius ſagete: Herr ihr han-
delt nicht ritterlich an dieſem Helden/ welches ich mit meinem Schwerte behaͤupten wil.
Dieſer antwortete mit greßlichem Geſichte: Ey ſo wapnet euch ihr junge Bratvoͤgel/ daß
ich bald pruͤfen moͤge was ihr auff der Schuele gelernet habet/ nur iſt mir leid/ das mein
ſieg-
[89]Erſtes Buch.
ſteghafftes Schwert ich auff ſolche Laffen zuͤcken ſol. Hunde koͤnnen nichts als raſen; und
Narren/ als großſprechen/ ſagte Ladiſla; biß aber verſichert/ daß ich deſſen eine Reue in
dich bringen werde. Frl. Sophia redete mit ein/ und ſagte zu Fulvius; O ihr boßhaffter
ehrendiebiſcher Ritter/ was vor Ungluͤk richtet ihr mit eurem Luͤgenmaule an. Der Stat-
halter hatte ſich in ſeinem nahen Zimmer biß daher ſtille gehalten/ und alles angehoͤret/
als er aber den Aufflauff vernam/ ſprang er in den Saal/ und geboht Friede zuhalten/ oder
er wuͤrde ſich ſeines Haußrechts nebeſt haben der Roͤmiſcher Gewalt zugebrauchen wiſ-
ſen. Ladiſla lieff ihm entgegen/ und gab zur Antwort: Mein hochwerter Herr als Vater/
ich beruffe mich auff dieſe ehrliche Geſelſchafft/ daß ich gezwungen werde/ mit der Goͤtter
Huͤlffe darzuthun/ daß mein Geſelle und ich des Laſters unſchuldig ſeyn/ deß uns dieſer
Verleumder zeihet/ oder eines ehrlichen todes zuſterben. Ihr koͤnnet nicht wol anders
ſagte der Stathalter/ demnach ichs ſelber angehoͤret/ wie nahe mans euch geleget hat/
zweiffele nicht/ die Goͤtter werden der Unſchuld beyſtehen.


Inzwiſchen wahr Fulvius hinunter gelauffen/ ſeine Reuter zuſamlen/ und lies der
junge Fabius das verabredete Zeichen mit der Tromete geben/ da ſeine Leute faſt im Au-
genblik beyſammen wahren/ und zum Hintertohr hinein drungen. Ladiſla aber machte
ſich hin zu Herkules und gab ihm daß verlauffene kuͤrzlich zuverſtehen; der ſich unluſtig
befand/ daß er dem Streit nicht beywohnen/ noch ſeine Ehre ſelberretten kunte. Der jun-
ge Fabius folgete ihm auff dem Fuſſe nach/ und erboht ſich gegen Herkules/ vor ihm die
Stelle zu vertreten; aber Ladiſla gab zur antwort: Er moͤchte ſich gedulden/ den Schaͤn-
der wuͤrde der Frevel in kurzem gereuen. Nun wahr ihm des vorigen Tages ſein Schild
und Harniſch von den Raͤubern uͤbel zugerichtet/ daher ließ der junge Fabius ihm trefliche
gute Waffen bringen/ mit welchener ſich fertig machete. Er ward aber der Reuter im
Platze gewahr/ und fragete/ was dieſe wolten? da ihn Fabius berichtete: weil Fulvius mit
einer ſtarken Reuter Schaar ankommen/ und ihm bald anfangs nichts gutes getraͤumet/
haͤtte er auch eine Mannſchafft auffgebohten/ daß man im ſall der noht beſtand ſeyn koͤn-
te/ wie ers waͤhlen wuͤrde. Ladiſla ſprang deſſen vor freuden auff/ weil er buͤbiſcher hinter-
liſt ſich nicht zu befuͤrchten hatte. Sein Fraͤulein kam auch darzu/ und klagete/ wie der
Schaͤnder zum Abzuge ſie vor eine leichtfertige junge Metze geſcholten/ und moͤchte ſie
wuͤnſchen/ daß dieſer Schimpf zugleich mit koͤnte gerochen werden; Worauf er antwor-
tete: Mein Fraͤulein/ traget nur ein wenig Geduld/ ich wil meiner eigenen Schmach ver-
geſſen/ biß die ihre wird gerochen ſeyn; nur bitte ich/ mir eine Gunſt mitzuteilen/ unter de-
ren Krafft und Wirkung ich deſto geherzter fechten moͤge. Sie ſahe umb ſich/ uud als ſie
merkete/ daß ſie viere nur daſelbſt wahren/ trat ſie zu ihm/ kuͤſſete ihn freundlich/ und ſa-
gete: Ich hoffe nicht/ daß H. Herkules und mein Bruder mir dieſes zur Leichtfertigkeit
auß deuten werden. Fabius antwortete: So werde aber ich dirs nicht zugute halten/ es
ſey dann/ daß du deinem Liebſten noch einen Kuß/ und aͤuſſerliches Gunſtzeichen mitteileſt/
welches er ſeinem feinde aufm Helme zeigen koͤnne. Meinem Liebſten? ſagte ſie; ſo muͤſte
ich ja meinen H. Vater kuͤſſen; jedoch/ weil derſelbe abweſend/ mag H. Ladiſla/ da es ihm
gefaͤllig/ deſſen ſtelle vor dißmahl vertreten; alſo verrichtete ſie ihres Bruders Befehl zu
dreyen mahlen/ und empfing gleiche Muͤnze zur Bezahlung. Hernach ſpannete ſie eine
MHalß-
[90]Erſtes Buch.
Halßkette von den reineſten Demanten ab/ wickelte ſie umb den Adler/ der auff ſeinem
Helme ſtund/ und baht die Goͤtter/ dafern ſie unſchuldig/ moͤchten ſie dieſem Ketchen die
Krafft verleyhen daß des frechen Schaͤnders Gewiſſen/ wann Ers ſehen wuͤrde/ ge-
ruͤhret und zaghafft gemacht wuͤrde. So bald er und Fabius gewapnet wahren/ nahmẽ
ſie feſte Speere zu ſich/ zeigeten ihren Reutern die Urſach ihres Streites an/ und bah-
ten im fall der Noht ihnen beyzuſtehen/ welches von ihnen mit darbietung Leib und Le-
bens verſprochen ward. Frl. Sophia wolte dieſem Streit zuſehen/ ſetzete ſich mit den
beyden Fraͤulein auff eine Gutſche/ und fuhr hin nach einem hohen Zwaͤnger/ von wel-
chem ſie die Streitbahn uͤberſe hen kunten/ da das Fraͤulein ſich gaͤnzlich ergab/ im fall
ihr Ladiſla das Leben verlieren wuͤrde/ ſich da herunter zu ſtuͤrzen/ und ihm im Tode Ge-
ſelſchafft zu leiſten. Fulvius hielt ſchon drauſſen vor dem Tohr mit ſeinen leuten/ und be-
fand ſich ſo gar erbittert/ daß er vor Rachgier faſt blind wahr. Ladiſla und Fabius folge-
ten ihm bald mit ihren Reutern in zierlicher Ordnung/ da Ladiſla aͤdler Knecht Markus
vorhin reiten/ und Fulvius in ſeines Herren nahmen auff Speer und Schwert außfodern
muſte; oder da er ſo kuͤhn nicht ſeyn wuͤrde/ ſich Mann an Mann zuwagen/ ſtuͤnde ihm frey
ſich ſeiner Leute zugebrauchen/ denen gebuͤhrlich ſolte begegnet werden; die Wahlſtat
waͤhre der gruͤne Anger/ recht an dem Stadgraben/ woſelbſt die Tugend den frevel abſtraf-
fen ſolte. Fulvius gab ihm zur Antwort: Reite hin und ſage den beyden Laffen/ daß ſie ſich
nur gefaſſet halten/ ich werde jezt da ſeyn/ uñ ihnen die Milchzaͤhne beklopffen. Du ſchaͤn-
deſt dieſe Ritter/ ſagte Marx/ als ein Verleumder/ welches ich an dir behaͤupten wolte/ da
ich meinem Herrn vorgreiffen duͤrffte. Dieſer ſahe ſich nach ſeinen Leuten umb/ und fra-
gete; ob nicht einer Luſt haͤtte XX Kronen zu verdienen/ und dieſem elenden das fell zu
krauen. Bald taht ſich einer hervor/ rante und rieff Markus nach (weil er ſchon hinritte/
die Antwort zu bringen) er ſolte die Antwort zuvor recht einnehmen. Nun meynete die-
ſer/ es wuͤrde Fulvius etwas nachbieten wollen/ hielt ſtille/ und ließ ihn naͤher kommen; der
aber an ſtat der Worte ihn mit dem Schwerte uͤberfiel/ daß er kaum zeit hatte/ das ſeine zu
entbloͤſſen; da er dann/ wie er zum Gewehr kam/ einen hefftigen Kampff mit ihm hielt/
ſchlugen verwaͤgen auff einander loß/ und gaben mit wenig Streichen ihrem erhitzten
Blute Lufft/ daß ſie beyderſeits hart verwundet wurden/ biß endlich Marx mit einem ſtoſ-
ſe/ den er ſeinem Feinde durch die Gurgel gab/ den vollen Sieg davon brachte/ und ſeinen
Weg mit verhaͤngtem Zaume vornam/ weil er merkete/ daß etliche ſich loß gaben/ ihn an-
zugreiffen. Ladiſla ſahe ihn ſo blutig daher rennen/ und ſagte zu Fabius: das muß ein ver-
waͤgener Schelm ſeyn/ der eines Abgeſandten Werbung ſolcher geſtalt beantwortet/ wel-
ches ich ihm wieder hoffe einzubringen. Als er aber von ihm alles Verlauffs berichtet
ward/ lobete er ſeine Mannheit/ die er unvergolten nicht laſſen wolte; ſtellete ſeine Leute in
eine zierliche Ordnung/ mit Befehl/ kein Gewehr zu zuͤcken/ biß Fulvius Hauffe ſich regen
wuͤrde/ und ſetzete er ſich auff die Bahn/ ſeines feindes mit verlangen erwartend; welcher
auff einem groſſen ſchwarzen Hengſte daher trabete/ und ſeinen Reutern geboht/ ſich des
Streits nicht anzunehmen/ es waͤhre dann/ daß ſie darzu gefodert oder gezwungen wuͤr-
den. Er aber ſchickete ſich zum Treffen/ und begegnete ihm Ladiſla ſehr eiſrig; hielten doch
ſo feſte/ dz keiner den andern im Sattel bewaͤgen mochte/ ungeachtet die Speere in ſtuͤcken
zerſprun-
[91]Erſtes Buch.
zerſprungen/ und Fulvius ſchon erkennete/ daß er kein Kind vor ſich hatte. Sie nahmen
neue Speere zur hand/ wie wol Fulvius das Schwert lieber gebraucht haͤtte/ mit welchem
er rechtſchaffen zu wuͤten pflegete/ weil es ihm weder an Verwaͤgenheit noch Leibeskraͤff-
ten mangelte. Aber der andere Rit muſte gewaget ſeyn/ da ſie als blinde allerſeits nebẽ hin
ſtachen/ und doch mit Pferden und Leibern einander dergeſtalt ruͤreten/ daß Roß und Mañ
beyderſeits uͤbern hauffen fiel/ und alle Zuſeher meyneten/ es waͤhre unmoͤglich/ daß ſie un-
beſchaͤdiget blieben waͤhren/ dann ihre Pferde zappelten und verſchieden in weniger zeit.
Sie aber arbeiteten ſich ungeſeumet hervor/ dann ſie wahren unverletzt blieben/ wiewol
ſie des harten falles beyde wol empfunden/ nahmen Schwert und Schild zur Hand/ und
hoffeten beyde den Sieg zu erſtreiten/ der nur einem zu teil werden kunte. Es wahr ein
grauſamer Kampf anzuſehen/ maſſen ſie einandeꝛ zuhaͤmmeꝛten/ daß es funken bey hellem
Tage gab; dann Fulvius wahr in Waffen lange Zeit geuͤbet/ und wolte ſeinem feinde kei-
nen fuß weichen/ ſondern da er uͤber vermuhten deſſen feſten Stand ſahe/ mehrete er ſeine
Wuht je laͤnger je hefftiger. Ladiſla hingegen ging im anfange behuhtſamer/ dann er mer-
kete/ daß hinter ſeinem feinde kraͤffte ſtecketen/ auf welche er die ſeinen ſparẽ muſte; ſchuͤtze-
te deßwegen ſich mehr/ als er ſeinen feind verletzete/ der ihm folches vor eine Zagheit auß-
legte/ da er zu ihm ſagete: Gilt mein Kerl/ es iſt ſicherer ſpielen unter den Metzen/ als unter
dem Schwerte; uͤber welchen Schimpf er ſich dergeſtalt eiferte/ daß er ſeiner behuhtſam-
keit vergaß/ und ſo hefftig auff ihn ging/ daß wie ungerne Fulvius wolte/ er ihm etliche
Schritte weichen muſte/ und daruͤber eine zimliche Wunde in die linke Schulder bekam.
Das Fraͤulein wahr anfangs ſehr traurig auff der Zinnen; als ſie aber Ladiſla vermehre-
te Kraͤffte ſpuͤrete/ ward ſie von herzen froh/ und empfing Hoffnung zum Siege; wiewol
Fulvius/ ungeachtet ſeiner Wunde/ ſich bald wieder erhohlete/ und mit ſolchem nachdruk
anfiel/ daß Ladiſla hernach offt geſtund/ ihm waͤhren ſeines gleichen wenig vorkommen.
Sie trieben dieſes eiferige Gefechte eine halbe Stunde ohn auffhoͤren/ biß ſie genoͤhtiget
wurden Odem zu ſchoͤpffen; ſtunden und ſahen einander mit verwunderung an/ und wie
hefftig Fulvius die Wunde ſchmaͤhete/ ſo hoͤchlich freuete ſich Ladiſladerſelben. Nach
kurzer Erhohlung munterten ſie ihre faͤuſte wieder auff/ und ſagte Fulvius: Mein Kerl/
was wird die Metze ſagen/ wann ſie dich tod vor ihren fuͤſſen ſehen wird? Je du Schaͤnder/
antwortete er/ haſtu dann ſchon ſo groſſen fortel erſtritten/ daß du mir den Tod anſagen
darffſt? fielen hiemit auffs neue an einander/ ob haͤtten ſie noch keine Arbeit verrichtet; a-
ber Ladiſla brauchte ſich der Vorſichtigkeit/ und ließ jenen ſich abmatten/ deſſen unerhoͤr-
tes wuͤten doch ſo viel durchdrang/ daß jener eine fleiſchwunde ins rechte Oberbein bekam/
welches das Fraͤulein erſehend/ vor angſt den Nahmen Ladiſla uͤberlaut rieff. Er vernam
ihre ſtimme gar eigen/ ſchaͤmete ſich faſt/ und in dem er ſeine Hiebe verdoppelte/ ſagte er:
Ich werde ja dein raſen noch endlich brechen/ wo mir ſonſt die Goͤtteꝛ nicht ungnaͤdig ſind/
brachte ihm auch mit dem Worte einen ſtreich uͤber das linke Bein/ daß er ſtrauchelte/ und
keinen feſten Trit mehr ſetzen kunte; woruͤber niemand ſo hoch/ als das Frl. erfreuet ward.
Fulvius ſahe nunmehr/ daß er dem Tode nicht entgehẽ wuͤrde/ worin er ſich unwillig gab/
meynete auch/ auffs wenigſte ſeinen Beſtreiter mitzunehmen/ und warff ihm ſeinẽ Schild
wider die Bruſt/ daß er ſtrauchelte/ und des falles ſich kaum enthalten kunte; jedoch er-
M ijhohlet
[92]Erſtes Buch.
hohlete er ſich/ und ſagte: Biſtu Boͤſewicht ein Ritter/ und wirffſt den Schild mutwillig
von dir? trat ihm ein/ und nach etlichen Hieben/ deren er keinen anßnehmen kunte/ ſchlug
er ihn mit vollen Kraͤfften uͤber das Helmgeſichte/ daß es ſich aufftaht/ fuͤhrete darauff ei-
nen an dern ſtreich/ und hieb ihm die Zunge im Maul hinweg/ daß zugleich beyde Kinne-
backen abgeloͤſet wurden/ und der Unterteil des Angeſichtes nur an der Haut behangen
blieb/ daß er alsbald tod zur Erden ſtuͤrzete/ da ihm Ladiſla mit einem bittern Spotte zu-
rieff: Hoͤre nun auff zu raſen und zu buhlen. Das Fraͤulein/ ſolchen fall erſehend/ ſprang
vor freuden auff/ und ſagte: Ey dem Himmel ſey Dank/ daß ich von dieſem grimmigen
Baͤhren erloͤſet bin/ der mich hinte im Schlaf zureiſſen wolte; ließ auch alsbald einen
Diener hin lauffen/ ihren Eltern des Kampfs außgang anzumelden.


Der junge Fabius rennete hin zu Ladiſla/ wuͤnſchete im Gluͤk zum Siege/ und mey-
nete/ er wuͤrde alsbald nach der Stat zureiten/ deſſen er aber nicht willens wahr/ ſondern
ihm ſein ander Leibroß zu fuͤhren lies/ zu Fulvius hauffen ritte/ und mit ſtarcker Stimme
ſie alſo anredete: Ihr Ritter/ ſagte er/ deren jeden ich ehrlicher als euren geweſenen Her-
ren den Ehrenſchaͤnder halte; ich habe nun an dieſem Trotzer ein hohes Fraͤulein gerochen/
die er in hoͤchſter Unſchuld geſchmaͤhet hat; bin aber an ihm noch nicht vergnuͤget/ ſon-
dern weil er noch eines redlichen Ritters/ und meine ſelbſt eigene Ehre boßhaffter Weyſe
angegriffen/ ſuche ich einen unter euch/ der etwa ſolche ſchaͤndung gut heiſſen wolte/ auff
daß derſelbe des erſchlagenen Stelle wieder mich vertrete/ und ich Gelegenheit habe/
meines Freundes/ und meine ſelbſt eigene Ehre zu ſchuͤtzen; dem ich auff den fall meines
Sieges/ Lebens Freyheit verſpreche/ wann er Fulvius Boßheit bekennen wird. Dieſer
ganze Hauffe hatte ſeine Krafft und Erfahrenheit geſehen/ meineten/ er wuͤrde ſich ſo gar
abgemattet haben/ daß er weitere Bemuͤhung nicht ſuchen duͤrffte; als ſie aber ihn noch ſo
friſch reden hoͤreten/ wolte ihm niemand Antwort geben; biß endlich ein junger friſcher
Ritter/ nahmens Meſſala/ des ertoͤdteten Anverwanter aus der Ordnung hervor ſpren-
gete/ und zu ihm ſagte: Ritter/ ob ihr redlich ſeid/ weil ich nicht wiederfechten/ weil ich euer
keine Kundſchafft habe; daß ihr aber den redlichen Herren Fulvius vor unredlich ſcheltet/
dem wiederſpreche ich ſo weit/ daß ich deſſen von ihm nie ichtwas vernommen; nehme
demnach/ ſeine Ehre zuverfechten auff mich/ weil er bißher den Ritterſtand nicht geſchaͤn-
det/ ſondern gezieret/ auch durch feindes Hand ſein Leben unerſchrocken geendet hat. So
biſtu der Mann/ ſagte Ladiſla/ der boͤſe Buben from ſprechen wil? kehrete damit umb/ und
erwartete ſeines feindes mit dem Speer/ da ſie bald unmenſchlich ſtraͤnge auffeinander
zuſetzeten/ auch zu beyden ſeiten tꝛaffen/ wiewol mit ungleicheꝛ Wirkung/ maſſen dem Meſ-
ſala daß rechte Bein durchſtochen ward/ das daß halbe Speer drinnen ſtecken blieb/ und er
halb ohmaͤchtig vom Pferde ſtuͤrzete. Ladiſla ſprang ihm nach/ reiß ihm den Helm ab/
und ſagete: Nun erkenne Fulvius Boßheit/ oder ſtirb. Dieſer ſchlug die Augen auff/ und
antwortete: Mein Leben ſtehet in deiner Hand/ und ſage noch wie vorhin/ daß ich von Ful-
vius nichts unredliches weis/ ohn daß du ihn deſſen jetzo zeiheſt/ welches wegen meiner Un-
wiſſenheit/ ich weder bejahen noch leugnenkan/ und da dem alſo iſt/ alsdann werde ich kei-
ne Warheit zu luͤgen machen; Ihr ſeid kein unhoͤfflicher Ritter/ ſagte Ladiſla/ deßwegen
laſſet euch heilen und lebet; ſchwang ſich bald auffs Pferd/ und wolte nach Fabius reiten;
welcher
[93]Erſtes Buch.
welcher aber nach Fulvius leuten ſich hin begeben hatte/ und ihnen dieſes andeutete: Er
haͤtte einen lieben Freund/ deſſen Ehre ihr Fuͤhrer unredlicher Weiſe geſcholten/ und da
einer ihres mittels des erſchlagenen Stelle behaͤupten wolte/ ſolte er ſich melden/ und ſein
Leben an ſeines wagen. Bald ritte ein kurzer unanſehnlicher Ritter hervor/ und antwor-
tete: Mein Herr/ ich laſſe euren Freund ſo redlich als er iſt/ aber wann mir jemand wie-
derſprechen wolte/ da ich geſtehe/ das Fulvius ein Großpraler geweſen/ waͤhre ich geſoñen/
es mit meinem Speer zuerhalten. Was biſtu dann vor ein Ritter ſagte Fabius/ daß du in
eines ſolchen Dienſte dich begeben haſt? dieſer antwortete: Ich habe es erſt erfahren/
nachdem ich mich beſtellen laſſen/ ſonſten wolte ich wol einen andern Herren gefunden ha-
ben. Aber ich ſehe/ daß ihr gerne ein Speer brechen wollet/ drum bin ich euch zugefallen/
nicht aus Feindſchaft/ ſondern meine Mañheit gegen die eure zuverſuchen/ ſage euch auch
weiter nicht ab/ als auff ein Schimpffſpiel. Dieſer wahr froh/ daß er nicht gar ohn Streit
abzihen ſolte/ ranten beyde auffeinander/ daß die Speer in die Lufft flogen/ und doch kei-
ner beſchaͤdiget noch im Sattel bewaͤget ward/ deſſen Fabius ſich faſt ſchaͤmete. Sie leg-
ten zum andern mahle ein/ mit gleichem Außgange; aber im dritten Satze gingen ihre
Pferde beyderſeits uͤbern hauffen. Fabius machte ſich bald loß/ und erinnerte ſeinen Ge-
gener/ welcher Kurzius genennet ward/ er ſolte ſich auff die Fuͤſſe machen/ und den Streit
verfolgen; aber er gab zur Antwort: Mein Herr/ alles was moͤglich iſt/ bin ich euch gerne
zuwillen/ aber dieſes iſt unmoͤglich; begehrete auch/ daß man ihm auffhelffen moͤchte/ da
alsbald erſchien das er nur einen Fuß hatte/ und das eine unter Bein ihm biß zur helffte
mangelte/ welches er im Streit wieder die Parther verlohren hatte; ſagte demnach zu
Fabius; da ſehet ihr mein Gebrechen; ich ſol auf die fuͤſſe treten/ und habe nur einen; uͤber-
das bin ich euch/ krafft meiner Bedingung mehr ſtreitens nicht geſtaͤndig; begehret ihr
aber meiner Dienſte/ ſintemahl ich vernehme/ daß ihr ein Roͤmiſcher Ritmeiſter ſeyd/ ſol-
let ihr mich nach eurem Willen und nach meinem Verdienſte haben/ der ich ſchon vor
acht Jahren ein Unter Ritmeiſter geweſen bin. Fabius ließ ihm ſolches gefallen/ und gab
ihm Beſtallung/ welches die andern ſehend/ alle umb Dienſte anhielten/ deſſen er ſich ſehr
freuete/ weil ſeine Reuter Schaar neulicher zeit durch ſeindes uͤberfall ſehr geſchwaͤchet
wahr; ließ ſie alle ſeinem Faͤhnlein ſchwoͤren/ und unter Kurzius befehl nach dem Lager
zihen/ da er ihnen ein Monat Sold vergnuͤget hatte/ und Meſſala ſich verpflichten muſte/
ihnen 2500 Kronen zu ſchaffen/ welche Fulvius ihnen hatte verſprochen.


Die unſern kehreten wieder umb mit dem hocherfreueten Frauenzimmer nach des
Stathalters Hofe/ welcher von Herzen betruͤbt wahr/ daß wegen ſeiner unbedachtſamen
Zuſage Fulvius das Leben einbuͤſſen muͤſſen; erkennete doch Gottes Verſehung/ und ſag-
te zu ſeinem Gemahl: Dieſer Roͤmiſche Herr und erſter Braͤutigam unſer Tochter iſt
nun dahin/ und hat umb ihret willen/ man kehre es wie man wil/ unter feindes hand erlie-
gen muͤſſen/ da hingegen ich gemeynet wahr/ ihm mein Kind dieſen Abend beyzulegen. Je-
doch wil ich gleichwol in dieſem ſtuͤk meinen freyen Willen haben/ und ihr noch vor mor-
gen einen/ den ich mir dieſes Augenblik in meinem Herzen erkohren/ an die hand geben/ und
ehelich zufuͤhren/ damit ich des Unweſens abkomme/ und weitere Unluſt verhuͤtet werde;
Ich erinnere euch aber/ ſo lieb euch meine Huld iſt/ daß ihr mir im geringſten nicht dawi-
M iijder
[94]Erſtes Buch.
der redet/ dann ich wil/ wie geſagt/ durchauß meinen Willen haben. Sie er ſchrak zwar
dieſer Rede auffs hefftigſte/ durffte aber nicht widerſprechen/ nur daß ſie zur antwort gab:
das Fraͤulein waͤhre ſeine Tochter/ und wuͤrde er nach ſeiner Weißheit und angebehrnen
Guͤte wol mit ihr verfahren. Ja/ ſagte er; ſie hat ein trotziges halsſtarriges Gemuͤht/ wie
ich heut zum erſten mahl erfahren; aber ich werde verſuchen/ ob das Reiß mir ſchon ent-
wachſen ſey/ daß ichs nicht mehr beugen koͤnne. Der Diener meldete ihm H. Ladiſla wie-
derkunfft an/ der auch ungefoderthinauff trat/ und nach beſchehener Ehrerbietung zu dem
Stathalter ſagete: Mein Herr/ nach dem ich Ehrenhalben anders nicht gekunt/ als dem
Schaͤnder Fulvius das Haupt zubieten/ die Goͤtter auch der Unſchuld ſich angenom̃en/
uñ mir den ſieg verlihen; als bitte dienſtlich/ mich des ungebuͤhꝛlichẽ Aufflaufs gꝛoßgeneigt
entſchuldiget zu nehmẽ. Mein Herꝛ/ antwortete er/ ich habe euren harten Kampf durch ein
klares Durchſicht/ oben auf meinem Turm gar eben angeſehen; kan wegẽ geſchehener Eh-
renrettung ihm nichts veruͤbeln/ nur daß mir leid iſt/ daß Fulvius ſich ſo mutwillig in ſein
Verderben geſtuͤrzet/ an dem gleichwol Rom nicht einen verzagten Ritter verlohren hat.
Baht hierauff Herrn Kornelius und Emilius/ ſie moͤchten ein halb ſtuͤndichen allein zu
ſeyn/ ſich nicht verdrieſſen laſſen/ weil Ladiſla nach Herkules ging/ und er mit ſeinen Kin-
dern und Gemahl etwas zu reden haͤtte/ daß ihm gleich jetzo unter die Hand gefallen waͤh-
re; ging alsbald mit denſelben auf ein beſonderes Gemach/ und nam die Tochter alſo vor:
Liebes Kind/ du haſt dieſe beyden Tage ſehr groſſe Widerwertigkeit und Anfechtung aus-
ſtehen muͤſſen/ und ſolches doch nicht umb Miſſetaht/ ſondern um deiner Tugend und Ga-
ben willen. Geſtern haben dich die Raͤuber in ihren haͤnden gehabt; heut iſt der treflichſte
Ritter aus Rom/ Herr Fulvius deinet/ ja bloß deinet wegen erſchlagen. Nun bin ich aber
nicht bedacht/ ſolcher gefahr hinfuͤro mehr gewaͤrtig zu ſeyn; viel weniger noch/ meinen
einmahl gefaſſeten Schluß zu endern/ ſondern was ich in meinem Herzen geſchworen ha-
be/ ſol und muß dieſen Tag erfuͤllet werden/ nehmlich daß du dieſen Abend einem/ den ich
mir alsbald nach geendigtem Kampffe außerſehen/ ehelich beygeleget werdeſt; iſt dann deꝛ
Braͤutigam gleich nicht auß Rom/ ſo finden ſich auch noch zu Padua gnug-aͤdle Herren/
die dein wert ſind/ und ich denſelben ſchon weiß/ welcher dir gefallen ſol und muß; huͤte dich
aber bey ſtraffe meiner Ungnade/ daß du mir mit deiner heutigen Leir nicht wieder aufge-
zogen kommeſt/ mit welcher du dir ſelbſt dieſen Tanz gefidelt haſt/ und ich ſonſt ſo eilig mit
dir zu verfahren nicht gemeynet war. Hier befand ſich das Frl. in den hoͤchſten noͤhten/
dariñen ſie jemals geweſen war/ und kunte vor Herzenspraſt kein Wort ſagen/ deßwegẽ er
alſo fort fuhr: jezt wir ich in demer Mutter uñ deines Bruders gegenwart kuꝛzum von diꝛ
wiſſen/ ob du gehorſamen wolleſt; wo nicht/ werde ich ſchon mein Vaterrecht mit zu huͤlffe
nehmen. Nicht viel fehlete/ ihr waͤre vor Angſt geſchwundẽ; ſie ſtund zitternd vor ihm/ weil
er ſie ohn unterlaß zur antwoꝛt antꝛieb/ da ſie endlich ihren Brudeꝛ klaͤglich anſahe/ uñ mit
einem Wink zuverſtehen gab/ er moͤchte ihre Stelle zur Antwort vertreten; wie er dann
von ihm ſelber ſchon des willens wahr. Aber der Vater hies ihn ſchweigen/ und ſagete:
Was haſtu dich weiter einzumiſchen/ als ich dichs heiſſe? hat ſie ſelber nicht Mauls gnug?
heut uͤber Tiſche kunte ſie ja den anſehnlichen Herrn Fulvius trotzig gnug/ und mit hoͤhni-
ſchen reden uͤber das Maul fahren/ daß mich deſſen Geduld groß Wunder nahm; wie iſt
ſie
[95]Erſtes Buch.
ſie dann nun ſo ſprachloß/ da ſie ihrem Vater den ſchuldigen Gehorſam verſprechen ſol?
Als das Fraͤulein dieſen hartnaͤckigen Vorſaz ſahe/ uͤberging ſie der kalte Schweiß/ ſetzete
ſich nieder auff die Bank/ und fiel in tieffe Ohmacht/ daß die Mutter ſie ſchon vor Tod hielt.
Aber der Vater riſſe ihr die Kleider auff/ ruͤttelte ſie/ und befahl der Mutter Krafftwaſſer
zu hohlen/ welches ſie im Augenblik verrichtete/ daß alſo das Fraͤulein wieder zu rechte ge-
bracht ward; die aber ihre Mutter baht/ ſie moͤchte doch den angenehmen Tod ihr nicht
hindern/ weil ſie unter keinem gnaͤdigen Vater mehr Leben koͤnte. Er aber ſagte/ was heiſ-
ſeſtu einen gnaͤdigen Vater? einen ſolchen/ der dir allen eigenen Willen goͤnnen/ und dei-
ne Wolfahrt nicht betrachten ſol? O nein/ daß heiſſet nicht ein gnaͤdiger/ ſondern ein un-
vernuͤnfftiger Vater. Oder meyneſtu/ ich habe nicht hoͤchſtwichtige Urſachen dieſes mei-
nes vornehmens? traue mir/ dein Vater bedenket wol dieſes/ was dir nicht eins zu ſinne
ſteigen mag; deßwegen ſihe dieſes mein beginnen nicht anders an/ als welches die dringen-
de Noht erfodert und haben wil. Ach mein allerliebſter Herr und Vater/ antwortete ſie/
ich wil folge leiſten/ wanns nur nicht ſo eilig iſt. Ey wanne/ ſagte er; ſo wiltu mir gehorchẽ/
aber nicht wanns mir/ ſondern dir gelegen iſt? ſehet doch die gehorſame Tochter/ von der
alle Paduaniſche billich ein Beyſpiel nehmen ſolten. Ach ihr Goͤtter/ fuhr ſie fort/ benehmet
meinen H. Vater dieſen gefaſſeten Zorn/ oder gebet meiner Seele den gewuͤnſchten Ab-
ſcheid von ihrem Leibe. Du antworteſt mir hiemit auff meine frage nicht/ ſagte er; und
was gedenkeſtu mich mit leeren Worten abzuſpeiſen? geſchwinde/ und ſage mir/ weſſen du
geſonnen ſeyſt/ und erinnere dich/ daß nicht allein Vaters Recht/ ſondern auch Roͤmiſcher
habender Gewalt dich zwingen kan. Ach mein Herr und Vater/ antwortete ſie/ iſt dañ euer
vaͤterliches Herz nicht zu bewaͤgen/ daß mir nur ein einziger Tag Bedenkzeit gegoͤñet wuͤr-
de? Was Bedenk zeit/ ſagte er; nicht ein halb viertel ſtuͤndichen; dann was haſtu noͤhtig
dich zu bedenken/ ob du mir wolleſt gehorſam ſeyn? oder haſtu etwa einen Ruͤkhalter ohn
meinen Willen erkieſet/ auff welchen du dich ſteureſt? O der vergeblichen Gedanken! A-
ber auch O des elenden Roͤmiſchen Stathalters/ der ſich dieſer geſtalt von ſeinen eigenen
Kindern hintergehen lieſſe! Nur noch eins/ mein Herr Vater/ ſagte ſie; betrachtet bitte
ich/ ob ihr euer liebes Kind in einer gezwungenen Ehe werdet koͤnnen ſehen auß verzweife-
lung dahin ſterben. Dahin ſterben? antwortete er; ich wil dz du es nit vor eine gezwunge-
ne/ ſondern gutwillige Ehe halteſt. Doch was zanke ich mich lange mit dir? ſprich bald ohn
ferner bedenken/ ob du gehorſamen wolleſt oder nicht. Hieraus merkete ſie/ daß alle ihre
Hoffnung vergebens/ uñ ihr die Zuflucht zu Ladiſla vor der fauſt abgeſchnitten wahr; da-
her erwog ſie ſich zuſterben/ und gab dieſe Antwort: Nun dann mein Herr Vater/ ihr habt
euch ſchon gar zu lange uͤber den Ungehorſam eurer Tochter beſchweret/ welches keinem
Menſchen hefftiger als mir ſelbſt zuherzen gehet; wil demnach mich dieſer beſchuldigung
entbrechen/ und euch eben den Gehorſam leiſten/ der keinen hoͤhern zulaͤſſet/ auch die Goͤtter
ſelbſt keinen groͤſſeren erflnden koͤnnen; als nehmlich/ ich wil eures willens geleben/ oder
da ich nicht kan/ durch willige Todesſtraffe der Anklage des ungehorſams entnom̃en ſeyn.
Recht ſo/ antwortete er; daß wil ich auch haben von allen meinen Kindern/ wann ich ih-
rer gleich tauſend haͤtte/ daß ſie mir entweder gehorſamen/ oder den Tod drum leyden ſol-
len; und ſolches hat mich mein Uhr Anherr T. Manlius Torquatus ſchon vor 562 Jah-
ren
[96]Erſtes Buch.
ren gelehret. Dann ſo wenig dieſer ſeinem Sohn den freyen willen zu ſtreiten goͤnnen wol-
te/ eben ſo wenig werde ich zugeben/ daß du deines gefallens einen Braͤutigam waͤhlen/ ſon-
dern den ich dir geben werde/ annehmen ſolt/ ob er gleich in deinen Augen der allerveraͤcht-
lichſte ſeyn wuͤrde. Ja ja mein Herꝛ Vater/ ſagte ſie/ ich bin viel zugeringe/ eurem Willen
zu widerſtreben/ wovor auch ohn das die Goͤtter mich wol behuͤten werden; deßwegen oꝛd-
netes mit miꝛ/ wie es euch beſt duͤnket. Der Vateꝛ ſtellete ſich/ als verſtuͤnde eꝛ ihre redẽ nit/
und ſagte: Warumb kunteſtu mir nicht bald anfangs dieſe einwilligung in die Heyraht ge-
ben/ daß ich mich mit dir zuvor uͤberwerffen muß? Ihr aber/ ſagte er zu ſeinem Gemahl/
gehet hin/ und machet die Kleider fertig; der Braͤutigam wird bald verhanden ſeyn/ und
in unſer dreyen einſamen Gegenwart meiner Tochter verehlichet werden/ nach dem ſie miꝛ
nunmehr den gebuͤhrlichen Gehorſam verſpricht/ daß ichs ordnen moͤge/ wie michs beſt
duͤnket. Ja Herr Vater/ ſagte das Fraͤulein/ ich bleibe beſtaͤndig dabey/ machets nach eu-
rem Gutduͤnken/ ich wil mich der zugelaſſenen Wahl nicht begeben/ ſondern weil ich nicht
gehorſamen kan/ gerne ſterben. Ihr Vater kunte ſich dieſer Beſtaͤndigkeit nicht gnug ver-
wundern/ meynete gleichwol noch/ ſie zu beugen/ und ſagte: So viel ich hoͤre/ geheſtu wie-
der hinter dich wie der Krebs; und meyneſt du etwa ein Scherzſpiel drauß zu machen?
Nein O nein/ ſondern wiltu waͤhlen ſo waͤhle; dann ehe eine Stunde vergehet/ ſoltu ver-
heyrahtet/ oder kein Menſch mehr ſeyn; alsdann kan ich erſt ruͤhmen/ daß ich eine gehor-
ſame Tochter gehabt habe. Die Mutter kunte den Jam̃er laͤnger nicht anſehen/ begab ſich
auffs weinen und flehen/ und muſte auff ernſtlichen befehl ihres Gemahls weg gehen. Er
aber kehrete ſich nach der Wand/ und beſahe etliche Schwerter/ die daſelbſt bloß aufgehen-
ket wahren; daher das Fraͤulein ihr keine andere Rechnung/ als zum gewiſſen und ſchleu-
nigen Tode machete/ und ihrem Herzen nichts ſo wehe taht/ als daß ſie von ihrem Ladiſla
nicht eins Abſcheid nehmen ſolte. Da nun ihr Vater zu ihr trat/ und ſie abereins erinner-
te/ ſich im Augenblik zu bedenken/ weil nach einmahl geſchehener Wahl er die Enderung
ſchwerlich zulaſſen wuͤrde; ſetzete ſie ſich vor ihm auff die Knie/ kuͤſſete und netzete ihm die
Haͤnde mit Traͤhnen/ dz ſie auf die Erde flelen/ begriff ſich bald darauf/ und fing dieſe Rede
an: Herzallerliebſter Herꝛ uñ Vater; die Goͤtter habẽ mich ungluͤklich gemacht/ dz ich euꝛes
vaͤterlichen begehrens/ wie ich billig ſolte/ nicht geleben kan; aber dannoch mir dieſen Gna-
denblik dagegen verlihen dz ich meinen Ungehorſam mit meinem Blute buͤſſen und bezah-
len mag. Ich erkenne die hohe vaͤterliche Gnade/ Liebe und Vorſorge/ deren ich Zeit mei-
nes lebens ſo uͤberfluͤſſig genoſſen/ daß ich derſelben weiters nicht wert bin; uñ ob ich zwar
mir gaͤnzlich vorgenommen hatte/ nimmermehr ichtwas wieder meines Herrn Vaters
Willen zu wollen oder waͤgern/ ſo hat doch der kleinſte Gott von allen mich davon abgelei-
tet/ welches ich/ viel einen groͤſſern zu koͤnnen/ nicht getrauete. Ich erkenne meine Schuld/
mein Herr Vater/ und iſt mir/ ſage ich nochmahl/ Lieb/ daß ſie kan gebuͤſſet werden; be-
danke mich (eure Guͤtigkeit nicht laͤnger zumißbrauchen) der mir bißher erzeigeten Liebe
und Hulde/ wuͤnſche meinen Eltern langes Leben/ beſtaͤndige Geſundheit und immerweh-
rendes wolergehen/ inſonder heit/ daß die Goͤtter ihnen eine gehorſamere Tochter an mei-
nes lieben Bruders kuͤnfftigem Gemahl geben moͤgen/ als ich leyder nicht ſeyn kan; bitte/
meinen Errettern; O ja meinem hoͤchſtverdienten Ladiſla/ den lezten Gꝛuß meiner un-
bruͤchi-
[97]Erſtes Buch.
bruͤchigen Gewogenheit und Traͤue anzumelden/ welches mein Bruder mir nicht ab-
ſchlagen wird/ und waͤhle mir hiemit einen ſchleunigen Tod/ aber von deſſen Haͤnden/ der
mir das Leben gegeben hat. Hierauff rieff ſie den Himmel an/ er moͤchte ihrer Seele die
Geſelſchafft der ſeligen nicht mißgoͤnnen. Der Vater lies ſie gar außreden/ und ſagte her-
nach: So waͤhleſtu dir den Tod? haſtu dann etwa verredet/ ehelich zu werden? dieſes
nicht Herr Vater/ antwortete ſie. Wie kanſtu dann/ fragete er/ dir den Tod ſchlechter
Dinge waͤhlen/ ehe und bevor du vernimſt/ welchen ich dir außerſehen habe; jedoch/ da-
mit ich weder dich noch mich laͤnger auffhalte/ ſondern die Volſtreckung/ wie ich geſchwo-
ren ehiſtes leiſte/ wil ich dir den Braͤutigam zuvor nahmhafft machen/ dem du dieſen A-
bend haͤtteſt ſollen beygelegt werden/ wie wol ich anfangs nicht bedacht wahr/ dir ihn wiſ-
ſen zu laſſen/ welcher gleichwol/ ſo bald du wegen deines Ungehorſams abgetahn biſt/ den
gebuͤhrlichen Brautſchaz/ und nach meinem Tode die helffte aller meiner Guͤter heben ſol;
dieſer nun/ gib acht/ iſt eben der/ welcher geſtern und heut deiner ehren verfechter geweſen/
Herr Ladiſla; trat hiemit nach der Wand/ nam ein Schwert in die Hand/ und ſtellete ſich/
als wolte er ohn Wortſprechen ihr das Haͤupt herunter ſchlagen. Das Fraͤulein/ ihres
Vaters letzten Worte hoͤrend/ fiel vor freuden in Ohmacht/ und lag geſtrektauff ihrem An-
geſicht. Der Sohn trat zwiſchen den Vater und die Schweſter/ und ſagete: Herr Va-
ter/ iſt euch mit meiner Schweſter Blute dann ſo wol gedienet/ wann es durch eure ſelbſt
eigene Hand auff die Erde geſchuͤttet wird/ ſo vermiſchet das meine mit dem ihren/ ob eure
Vergnuͤgung hie durch koͤnte vermehret werden; dann ich verſchwoͤre deſſen Vaters le-
bendiger Sohn laͤnger zu ſeyn/ der eine ſo gehorſame Tochter toͤdten wil/ und mir viel un-
gehorſamern das Leben laͤſſet; iſts aber moͤglich/ daß meine kindliche Bitte mag angenom-
men werden/ ſo verzeihet doch mir und ihr dieſen fehler/ deſſen urſach ich die bloſſe Unwiſ-
ſenheit halte/ weil ich nicht zweifele/ ſie werde nunmehr ſich dem fchuldigen Gehorſam nit
entbrechen. Der Vater legte das Schwert von ſich/ und ſagete: So merke ich wol/ daß du
umb ihre Heimligkeit mit weiſſeſt/ und haſt mir ſolches verſchweigen koͤnnen? Herr Va-
ter/ antwortete er; ich beruffe mich auch die Goͤtter/ daß ich auſſer ungewiſſer Muhtmaſ-
ſung nicht das allergeringſte habe/ wie vielleicht mein Herr Vater auch nicht/ daher ich
wol entſchuldiget ſeyn werde. Das Fraͤulein lag noch in tieffer Ohmacht/ aber ihr Bru-
der ruͤttelte ſie/ daß ſie wieder Lufft bekam/ richtete ſich gemehlich auff/ und ſtritte Schahm
und freude dergeſtalt in ihrem Herzen/ daß ihr Wiz und Vernunfft/ ja alle Gedanken ſte-
hen blieben; endlich/ da der Bruder ſie der Dankbarkeit erinnerte/ fiel ſie dem Vater mit
unzaͤhligen Kuͤſſen und Traͤhnen umb den Halß/ und fing alſo an: O mein herzgeliebter
Herr und Vater/ jezt komme ich zur Erkaͤntniß/ wie hoch ich mich verſuͤndiget/ indem ohn
euer Vorwiſſen ich mir einen zum Braͤutigam belieben laſſen; ich ſchwoͤre aber bey den
himliſchen Goͤttern/ daß weder Vermaͤſſenheit noch leichtfertige Bewaͤgungen/ ſondern
bloß die vermeynte Schuld der Dankbarkeit mich darzu verleitet hat/ und zwar zu keiner
weiteren Verheiſſung/ als biß auff das vaͤterliche bewilligen; auff welche Verwegerung
zwar Herrn Ladiſla zu meiden/ aber auch keinen andern nim̃ermehr anzunehmen/ ich mich
bey der Goͤtter Ungnade verlobet habe; Dieſes iſt meine begangene Suͤnde/ die hernaͤhſt
mit allem kindlichen Gehorſam zu erſetzen/ mich befleiſſigen wil. Ich koͤnte zwar Herrn
NLadiſlaen
[98]Erſtes Buch.
Ladiſlaen uͤberauß hefftiges anhalten/ und meine Unwiſſenheit/ ſchon verlobet zu ſeyn/ zu
meiner Entſchuldigung anfuͤhren/ wann ich mich nicht ganz gerne vor allerdinge ſchuldig
angeben wolte. Ich verzeihe dir dein Verbrechen/ ſagte der Vater/ und bekraͤfftige dein
Verſprechen/ doch daß du zuvor hingeheſt/ und dich bey H. Ladiſla ſelbſt ſeines eigemlichẽ
Standes und Weſens erkuͤndigeſt/ damit ich wiſſe/ wovor ich ihn halten ſol/ und ob er vor
der Heyraht Kaͤyſerlicher Gnade beduͤrffe; aber mit dieſer ernſtlichen Verwarung/ daß
wo du ihm auch nur den allergeringſten Wink dieſer meiner Einwilligung geben wirſt/
ehe ich dichs heiſſe/ du bey mir verfluchet/ und von aller meiner Hulde verbannet ſeyn ſol-
leſt; wil auch alles wiederruffen/ uñ dich als eine mutwillige ungehorſame zu ſtraffen wiſ-
ſen. Das Fraͤulein lobete beſtaͤndig an/ alles nach ſeinem Willen zu verrichten/ ließ Ladiſla
von der Geſellſchafft fodern/ unter dem ſchein/ als wolte der Vater ſelbſt ihn ſprechen;
Als er nun kam/ und ſie mit ihm gar allein wahr/ ſagte ſie zu ihm: Mein Herr und wahrer
Freund/ mir zweifelt nicht/ ſeine mir hochbeteurete Liebe ſtehe auf unwankelbahren fuͤſſen/
und habe er das veꝛtrauen zu mir/ ob ich eine verborgene frage/ aus hoͤchſtzwingender noht
an ihn wuͤrde abgehen laſſen/ die ihm (welches ich aͤidlich angelobe) nit ſol ſchaͤdlich ſeyn/
er werde ſolches von mir nicht ungleich auffnehmen. Er durch Liebe bezwungen willigte
ihr alles ein; Und fuhr ſie weiter alſo fort: So iſt nun meine herzliche Bitte/ mir in Ver-
trauen zu ſagen/ wer/ und auß was Landſchaft er eigentlich entſproſſen ſey; ſonſt iſt unmoͤg-
lich/ daß ich euer Liebe trauen/ oder auff geſchehene Zuſage mich verlaſſen kan. Nun hatte
er mit Herkules ſchon abgeredet/ wie weit er ſich herauß laſſen ſolte; wunderte ſich aber
nicht wenig des ernſtlichen nachforſchens/ und gab zur Antwort: Sie wuͤſte ja/ daß ſie ſein
Herz und Seele in ihrer Gewalt zu ihrem Willen haͤtte/ deßwegen wolte er ihr/ als ſeiner
Vertraueten dieſe Heimligkeit gerne offenbahren/ wie auch zum teil ſchon geſchehen/ da-
fern ſie nur ſolches verſchwiegen halten koͤnte. Was zweifelt mein Schaz an meineꝛ traͤue/
ſagte ſie/ meinet er/ ich werde urſach ſeiner Ungelegenheit ſeyn wollen? doch nehme ich die-
ſes auß/ wann mein Herr Vater von euch dereins wegen meiner Heyraht beſprochẽ wer-
den ſolte/ meynet er alsdann/ demſelben dieſes zu verbergen/ und gleichwol ſeinen Willen
zuerhalten? Nein/ ſagte er/ auff ſolchen fall werde ich mich ihm eben ſo kund geben/ wie ich
anjezt meinem hoͤchſtgeliebeten Fraͤulein in reiner Warheit zu wiſſen tuhe/ daß mein Herr
Vater vor neun Monat ohngefehr/ todes verblichen/ der ein herſchender Koͤnig in Boͤh-
men wahr/ uñ hat durch dieſen ſeinen Todesfall mir ſeinem einigen Sohn das ganze Reich
verlaſſen/ welches ich meiner Fr. Mutter/ Herkules Vaters Schweſter biß auff meine
Wiederkunfft zu getraͤuen Haͤnden befohlen; Ja mein Schaz/ ich habe unter dem Nah-
men Winnibald in Roͤmiſchen Kaͤyſerl. Dienſten mich in die anderthalb Jahr zu Felde
gegen die Pannonier gebrauchen laſſen/ und durch Niederlegung eines Pannoniſchen
Kaͤmpfers verdienet/ daß man mir das Roͤmiſche Buͤrger Recht angebohten. Sonſt ha-
be ich eine einzige Schweſter von ohngefehr XV Jahren/ mit welcher mein Schaz dereins
Schweſterliche Liebe wol wird halten koͤnnen. Das Fraͤulein bedankete ſich herzlich/ und
zum Zeichen ihrer Vergnuͤgung kuͤſſete ſie ihn etliche mahl/ deſſen er ſich in hoher Beluͤſti-
gung verwunderte/ maſſen ſie noch nie in der Einſamkeit ſich gegen ihn dergeſtalt bezeiget
hatte. Nachgehends fragete ſie/ wie es mit ſeiner Wunde beſchaffen waͤhre; und da ſie
vernam/
[99]Erſtes Buch.
rernam/ daß er ſelbſt koͤſtliche Salbe mit von Rom gebracht/ uñ ſie damit verbunden/ auch
keine Schmerzen noch einige Hinderniß daher empfuͤnde/ baht ſie umb Verzeihung ihres
noͤhtigen Abſcheidens/ und brachte ihrem Vater die Antwort; welcher zu ihr ſagte: Nun
den Goͤttern ſey Dank/ daß du dergeſtalt verſorget biſt/ wiewol ich lieber ſehen moͤchte/ daß
er eines Koͤniges Bruder/ als ein herſchender Koͤnig waͤhre. Befahl hierauff/ daß Mut-
ter/ Sohn und Tochter auff ein Gemach gehen/ und was ſie auch vernehmen wuͤrden/ von
dannen nit weichen ſolten/ biß er ſie wuͤrde fodern laſſen; dem ſie auch gehorſamlich nach-
kahmẽ. Er verfuͤgete ſich darauf nach einem andern/ von dieſem weit abgelegenẽ Zim̃er/
in welchem nichts als die vier Waͤnde/ und oben in der Hoͤhe/ kleine vergitterte Fenſter
zu ſehen wahren. Auff dieſes lies er Ladiſla zu ſich fodern/ welcher willig erſchien/ fand den
Stathalter in tieffen Gedanken gehen/ und in der Hand zwey groſſe Schreiben halten mit
dem Kaͤyſerlichen Pitſchafft. Auff ſeine Befragung/ was der Herr Stathalter ſo tieff
nachſinnete/ bekam er zur Antwort: Es waͤhren ihm von ſeinem allergnaͤdigſten Kaͤyſer
Alexander/ etliche Schreiben/ unterſchiedliches Inhalts zukommen/ welches er teils ger-
ne/ teils mit hoͤchſter Wiederwertigkeit verrichtete/ weil er fuͤrchtete/ es moͤchte groſſe
Unruhe verurſachen. O mein Herr/ taht er hinzu/ es iſt hoͤchlich zubeklagen/ daß mein al-
lergnaͤdigſter Kaͤyſer nicht nach ſeinem Willen ſchaffen darff/ ſondernofftmahl ſich von
andern gezwungen muß beherſchen und noͤtigen laſſen. Er hatte dieſe Worte kaum gere-
det/ da erhub ſich ein groſſes Getuͤmmel auff der Gaſſen/ und im Plaze des Hoffes/ auch
zugleich ein Geſchrey; es hielten ſich Roͤmiſche Feinde in der Stat auff/ welche gegriffen/
und nach Rom zu gebuͤhrlicher Straffe ſolten hingefuͤhret werden. Sie hoͤreten dieſes
eigendlich/ aber der Stathalter nam ſich deſſen gar nicht an/ ſondern baht Ladiſla umb
verzeihung wegen eines geringen Abtrittes/ daß er vernehmen moͤchte/ auß was Urſachen
ſie bey ihrem Vorhaben ſo unbendig ſchriehen; ging hiemit von ihm/ und zog die eiſerne
Thuͤr nach ſich zu. Nun hoͤrete Ladiſla das Geruffe ſich ſtets vermehren/ auch endlich ei-
nen mit harter Stimme ſagen; ſuchet fleiſſig ihr redlichen Soldaten/ daß wir den an-
dern Schelmen und verraͤhteriſchen Boͤſewicht auch fahen moͤgen; der eine iſt ſchon auff
dem Bette in ſeiner ertichteten Krankheit ergriffen/ und ſolſein Geſelle allhie vor einer
Viertelſtunde auch geſehen ſeyn/ daher er ohn zweiffel dieſes Orts ſich muß verborgen
halten. Hieruͤber erſchrak er ſo hefftig/ daß ihm das Gebluͤt zum Herzen lieff: Roͤmiſche
Feinde? ſagte er bey ſich ſelbſt; Roͤmiſche Feinde? und derſelben zween? vielleicht bin ich
und Herkules verrahten/ daß man uns wegen der Verſtellung vor Feinde oder Kund-
ſchaffter haͤlt; ja vielleicht iſt mein Herkules wol ſchon gefangen. Lieff hiemit zur Thuͤr/
zu ſehen/ wie es ſeinem Freunde ginge; aber er fand dieſelbe ſo feſt verſperret/ daß ihm un-
moͤglich wahr/ ſie zu oͤffnen. Jezt gedachte er/ der Stathalter haͤtte ihn in dieſe Gefaͤngnis
gelocket/ daß er ihn den Außſpehern lieffern moͤchte/ und fiel ihm ein/ wie beſchweret er ſich
befunden/ dem Kaͤyſerl. Befehl nachzukommen. Bald hoͤrete er einen zum andern mahl
ruffen; und dauchte ihn des Stathalters Stimme ſeyn; man ſolte nur fleiſſig ſuchen/ als-
dann wuͤrde ſich der Verraͤhter ſchon finden/ weil ſein Geſelle ſelbſt Anzeige getahn/ daß er
noch auff dem Hofe ſeyn muͤſte. Hierauff ſchlug er allen Zweifel auß/ und machete ihm die
unfehlbare Rechnung/ er und kein ander wuͤrde geſuchet; und wie er etwas jachzornig
N ijwahr/
[100]Erſtes Buch.
wahr/ lieff er voll Galle/ und fieng an ſein Ungluͤk zu verfluchen; durffte auch die Ge-
danken faſſen/ ob jhm etwa durch Fraͤulein Sophien nachgeſtellet wuͤrde/ und ſie zu
ſeinem Ungluͤk mit liſtigen Worten ſeinen Zuſtand außgeforſchet haͤtte. O ich Un-
gluͤkſeliger ſagte er/ nun muß ich entwender mein Leben verlieren/ oder den Roͤmern
mein Koͤnigreich zinßbar machen/ wo nicht gar in die Haͤnde liefern; doch wil ich lieber
ſterben/ als mein liebes Vaterland verrahten/ oder deſſen Freyheit uͤbergeben. Aber
ruͤhme dich nun/ Ladiſla/ du habeſt zu Padua Heyraht geſucht/ und dein Leben druͤber
zugeſetzet. O Fraͤulein Sophia/ iſt dieſes die Liebe und Traͤue/ welche ihr mir ver-
ſprochen? Iſt diß der Lohn/ daß ich euret wegen mein Leben ſo liderlich geſchaͤtzet/
und zu euer Rettung gewaget? doch ergehe mirs nach der Goͤtter Schluß; Dieſel-
ben erhalten nur meinen lieben Herkules/ der wird mich ſchon raͤchen/ und nicht un-
terlaſſen/ mein Reich zu ſchuͤtzen/ auch wann er ſeines wieder erlanget hat/ den Roͤmern
ein ſolches Blutbad anrichten/ daß mein Tod ihnen teur ſtehen ſol/ wo ſie nicht gar druͤ-
ber zu grunde gehen muͤſſen. Nun dann mein Herkules/ ſo bewahre dich dein GOTT/
und laſſe diß Ungewitter uͤber mich allein ergehen. Aber was rede ich? habe ich doch
mit meinen Ohren angehoͤret/ daß man dich gefangen/ und wie ſie meynen/ in ertichteter
Krankheit angetroffen hat. O was gedenkeſtu/ wo ich ſtecken moͤge? daß ich dich in deiner
aͤuſſerſten Noht verlaſſe? und wie wird dein unuͤberwindliches Herz dieſe Schmach im-
mermehr erdulden koͤnnen? daß du von den Schergen dich muſt ſchleppen und ſtoſſen laſ-
ſen. Ich fuͤrchte/ ja ich fuͤrchte/ deine Großfuͤrſtliche Seele habe den alleraͤdleſten Leib ſchon
verlaſſen/ und ſolches vor groſſem Unmuht. Nun mein Herkules/ Geduld/ Geduld! biſtu
dahin/ ſo wil ich dir bald folgen/ es ſey dann/ daß ich mein Leben/ dich zu raͤchen friſten koͤn-
ne; alsdann wil ich dieſe Stadt ſchleiffen/ und ein Erbfeind des Roͤmiſchen Nahmens le-
ben und ſterben; ja ich wil alle meine Nachbarn umb mich her/ ſamt den Nordiſchen Rei-
chen auffwiegeln/ und ganz Italien als eine fluht uͤberſchwemmen/ biß dein unſchazbares
Blut durch ganze Blutſtroͤme gerochẽ ſey. Es rief aber zum dritten mahle einer im Platze/
an der Stimme Herrn Kornelius nicht ungleich: Habt ihr dann den Boͤſewicht noch nit
ertappet? Er liegt ohn zweifel dieſes Orts verborgen; ſo bemuͤhet euch nun/ daß wir ſein
maͤchtig werden/ als dann ſol es jhm ergehen gleich wie ſeinem ſchelmichten Geſellen. Ey
ſagte er hierauff; ſo gnade dir dein Gott/ liebe Seele/ du unvergleichlicher Held in Ver-
ſtand und Tugend; aber pfui mich/ daß ich mein Schwert von der ſeite geguͤrtet habe;
koͤnte dann dieſer Buben ich mich nicht laͤnger erwehren/ ſo haͤtte ich ja zum wenigſten/
damit ich mich ſelbſt entleiben/ und dieſer Schmach entgehen koͤnte/ daß ich dir/ O
mein getraͤueſter Freund und Bruder im Tode Geſelſchafft leiſtete/ weil das feindſe-
lige Gluͤk uns dieſe Lufft laͤnger nicht goͤnnen wil. Aber O ihr unſinnigen Roͤmer/ iſt
das euer hochberuͤhmter Verſtand/ daß jhr dieſelben alsbald wegen ihres Herkom-
mens vor Feinde haltet/ die euch nie kein Leid getahn/ ſondern alles gutes gewuͤnſchet
haben? Hier hoͤꝛete eꝛ endlich die Trommete blaſen/ und alles Volk verlauffen/ welches
ihn wunder nahm.


Nun wahr der Stathalter allemahl hauſſen vor der Tuͤhr ſtehen blieben/ und hatte
ſeine
[101]Erſtes Buch.
ſeine Reden vernommen/ wornach ihn nur einig verlangete; als er aber hoͤrete/ daß er mit
wuͤtigen Gedanken umbging/ und der Verzweifelung nicht ferne wahr/ fiel ihm ein/ er
moͤchte in Mangel des Schwerts etwa mit dem Kopffe wider die eiſerne Tuͤhr lauffen/
oder das Brodmeſſer hervor ſuchen/ ſich zuentleiben; oͤfnete deßwegen die Tuͤhr gar ſanft-
muͤhtig/ nam ſich durchauß keines dinges an/ ſondern trat mit gewoͤhnlichen Geberden zu
jhm hinein/ und ſagte: Verzeihet mir. Ladiſla aber fiel ihm alsbald in die Rede/ ſahe ihn
mit uͤberauß greßlichen Augen an/ und ſagte: Was verzeihen; ſaget mir Herr Stathal-
ter/ wie es meinem Bruder Herkules gehe/ und gedenket nicht/ daß ich ſeinen Schimpf le-
bendig werde ungerochen laſſen. Ey wie ſo mein Herr/ antwortete er gar ſanfftmuͤhtig; es
gehet ja dem frommen Helden nicht anders als wol/ ohn was die empfangene Wunde be-
trifft. Was vor Wunde/ fragete er; wer hat dañ das unſchuldige Herz verwundet? Mein
Herr begreiffe ſich/ antwortete der Stathalter/ es iſt ja Herr Herkules wegen geſtriger
Wunde etwas ſchwach. Wie? ſagte dieſer; traͤumet mir dann/ oder iſt mir das Gehirn
verruͤkt? Ich meyne ja nicht anders/ es haben ſich etliche hoͤren laſſen/ wie ſie ihn auff dem
Bette in ertichteter Krankheit ergriffen. Da begunte nun der Stathalter ſich uͤber auß
leidig anzuſtellen/ und antwortete: O mein lieber Herr und Freund/ es iſt mir ſehr leid/ dz
durch die unvorſichtige Tuͤhr verſperrung ich ihm ſo ungenehme Gedanken erwecket ha-
be. Aber dieſer ſtund annoch im zweifel/ lieff nach der Tuͤhr/ und kuckete hinauß/ ob eini-
ge Verraͤhterey verhanden waͤhre; und wie ſtille er gleich alles ſahe/ lag ihm doch die Ein-
bildung ſo ſtark im Gehirn/ daß er ſagete: Mein Herr/ wie unſchuldig ich mich gleich aller
Untaht weiß/ kan ich mich doch nicht wol bereden/ daß ich weit irre/ es werde mir dann an-
gezeiget/ was vor ein Getuͤmmel unten im Hofe geweſen/ und was vor verſtekte man geſu-
chet. O meinwerter Herr/ antwortete er/ iſts wol moͤglich/ daß er daher einige widrige Ge-
danken ſchoͤpffen moͤgen? ſo muß ich mich ſelbſt anklagen/ daß durch meine Unvorſichtig-
keit er darzu veranlaſſet iſt. Er weiß/ daß ich zweyer Kaͤyſerl. Schreiben gedacht/ deren
wichtigſtes eine ungewoͤhnliche durchgehende Schatzung fodert/ welche/ wie ich fuͤrchte/
groſſe Unruhe verurſachen wird. Das andere betrifft das jezt ergangene/ und werde ich be-
fehlichet/ fleiſſige Nach ſuchung auff dem Lande und in den Staͤdten zu tuhn/ ob nicht etli-
che Auffruͤhrer von der Beſatzung zu Rom/ welche außgeriſſen/ ſich hieherumb auffhalten
moͤchten/ auff dieſelben ſolte ich ein gewiſſes Geld ſchlagen/ und wann ſie ergriffen wuͤr-
den/ lebendig gen Rom liefern laſſen. Als ſolches durch den Schreiher kund worden/
hat man alsbald einen Feldwebel und Faͤhndrich außgeſpuͤret/ die zwar angepacket/ aber
bald wieder außgeriſſen/ und ſich auff meinem Hofe verſtecket hatten/ ſind doch/ einer im
Pferdeſtalle auff meines Reit Knechts Bette/ der ander gleich hierunter im Waſchhauſe
wieder ergiffen worden.


Ladiſla erhohlete ſich hier auff/ ſtund als waͤhre er vom Schlaffe erwachet/ und
wolte das Mißtrauen noch nicht allerdinge weichen/ ſondern hielt an/ dz ihm moͤchte ver-
goͤnnet ſeyn/ nach ſeinem lieben Herkules zu gehen. Je warum nicht/ ſagte der Stathalter/
nur allein bitte ich/ mein Herr wolle ihm ja nichts widriges von mir einbilden/ oder meine
Traͤue in Zweifel zihen. Davor behuͤten mich die Goͤtter/ antwortete er/ dz ſolche Gedankẽ
N iijmeinen
[102]Erſtes Buch
meinen Siñ einnehmen ſolten; aber ich bin die zeit meines Lebens in ſo groſſer Angſt nicht
geweſen/ als dieſe halbe Stunde/ und iſt mein beſtes/ daß ich kein Schwert bey mir gehabt/
ich haͤtte ſonſt vielleicht/ Schimpf zu meiden/ mir das Leben abgekuͤrzet/ da ich ruffen hoͤre-
te/ der eine waͤhre ſchon gefangen/ und nach Verdienſt zugerichtet/ und hielte ſich der andeꝛ
auch dieſes Orts auff. Ob nun wol ich mir durchauß nichts boͤſes bewuſt bin/ deſſen ich
meinem eigenen Gewiſſen Zeugniß abfodere/ iſt doch die Verraͤhterey und Hinterliſt ſo
groß/ daß man der Welt nicht trauen darff; und machte ich mir die Gedanken/ ob nicht et-
wa Fulvius Freunde ſolchen Lerm erwecketen/ und durch unbillige Rache mein Verderbẽ
ſucheten; welches unter falſchem ſcheine/ daß ich ein fremder bin/ ſie leicht haͤtten zu werk
richten moͤgen. Als der Stathalter dieſes hoͤrete/ ließ er ſein betruͤbtes Angeſicht ſehen/ uñ
ſagte: Es moͤchte eine bloſſe Unvorſichtigkeit niemahls ſo groſſen ſchꝛecken erwecket haben/
als anjezt leider geſchehen waͤhre/ welchen aber durch ein angenehmers zuerſetzen er ihm
wolte laſſen angelegen ſeyn. Fuͤhrete ihn auch mit ſich uͤber den Plaz nach einem koͤſtlichen
Gemache/ da ihm Herkules Leibknabe begegnete/ und von demſelben ſeiner uͤbrigen
Sorge gaͤnzlich entlediget ward.


Inzwiſchen hatte die Mutter ihre Tochter als eine Fuͤrſtl. Braut außgeputzet/ da
ſie wie ein gemahletes Bildichen glaͤnzete. Ihr langes gelbes Haar hing ihr auff dem
Ruͤcken nieder; oben auff dem Haͤupte hatte ſie einen gruͤnen Kranz mit ſchoͤnen Blu-
men und koͤſtlichen Kleinoten durchſetzet; jhr Oberkleid wahr ein ſchneweiſſes Silber-
ſtuͤk/ mit eingewirketen Blumen; der Unterrok ein Tyriſcher Purpur mit einer Perlen-
ſchweiff/ und forne herab mit vierdoppelten Reihen Demanten verbremet; aber dz ſchein-
bahreſte an ihr wahren die verliebeten Auͤgelein/ welche die uͤbermachte herzens Freude
dañoch ſo voͤllig nit entwerffen kunten/ wie ſehr auch die lebhaffte Farbe des nach wunſch
gebildeten zarten Angeſichts ſich bemuͤhete/ ihnen die huͤlffliche Hand zu bieten. In beyden
Ohren hatte ſie zwo Perlen hangen als eine groſſe Haſelnus/ die auff 6000 Kronen ge-
ſchaͤtzet wurden. Ihr Halßketchen wahr von eingefaſſeten Demanten fuͤnffdoppelt umb
den Halß/ und hing zu unterſt dran recht zwiſchen ihren Bruͤſten ein Kleinot in Geſtalt
des kleinen Liebegottes/ groſſes werds. Auff dem Daumen trug ſie einen groſſen guͤldenen
Ring mit einem Demant/ der ſeiner groͤſſe und reinigkeit wegen hoch geſchaͤtzet wahr/ mit
welchem ſie ihrem liebſten ſolte vermaͤhlet werden. Der Stathalter wahr kaum mit Ladiſ-
la auff das zierliche Gemach getreten/ da kam ein kleines Maͤgdelein/ und zeigete an/ man
wartete auff nichts/ als auff ſeinen Befehl; da er alsbald Ladiſla alſo anredete: Mein
hochgeliebter Herr und Freund; billig muͤſte ich von den Goͤttern gehaſſet/ und von allen
redlichen Menſchen geſchaͤndet werden/ wann ich unbemuͤhet bliebe/ etwa eine Gelegen-
heit zu ergreiffen/ wodurch die treflichen Dienſte/ unter Lebensgefahr mir und den meinen
erzeiget/ in etwas erkennet wuͤrden. Nun weiß ich ſchon vorhin wol/ daß mein Geld und
Gut/ ob ich deſſen gleich/ den Goͤttern ſey Dank/ zur zeitlichen Notturfft uͤbrig habe/ der
Guͤltigkeit eurer Woltahten die Wage nicht halten kan; ja von meinen Herren uñ Freun-
den nicht eins wil angenommen werden/ wie inſonderheit ſein Freund Herr Herkules ſich
deſſen am meiſten wegert; ſo habe ich doch unter andern ein mir ſehr beliebtes/ bißher wol
verwahrtes/ und meinem beduͤnken nach/ zimlichen werdes Kleinot/ welches ich vielleicht
aus
[103]Erſtes Buch.
auß ſonderlicher Neigung hoͤher als ein ander ſchaͤtzen mag; Dieſes meinem Herrn/ als
der inſonderheit ſich meiner Tochter angenommen/ einzuliefern/ habe ich mir gaͤnzlich vor-
geſetzet/ der Hoffnung gelebend/ er werde mir ſolches nicht/ wie das geſtrige/ veraͤchtlich
außſchlagen/ ſondern von meiner Hand unwegerlich annehmen. Ladiſla antwortete ihm:
Mein hochwerter Herr; ich bitte ſehr/ meine geringſchaͤtzigen Dienſte nicht ſo gar uͤber
ihre Wirdigkeit zu erheben/ als die geſtriges Tages mit wenigen Schwertſchlaͤgen ver-
richtet ſind/ und mein Freund Herkules mehr als ich dabey geleiſtet hat. Wie ſolte dann
mit gutem Gewiſſen/ uñ Verletzung meines Ritterſtandes ich davor ſo hohe Belohnung
annehmen/ und ein ſo liebes hochwertes Kleinot ihm abhaͤndig machen koͤnnen? gnug iſt
mirs/ und uͤber gnug/ daß ich die Ehre gehabt/ den unſchuldigen hochbetruͤbten Fraͤulein
in ihrer gefahr beyzuſpringen/ als durch welches mittel ich in meines Herꝛn kundſchaft ge-
rahten bin. Dafern nun mein Herr einigen guten willen zu mir traͤget/ bitte ich von herzẽ/
mich mit weiterer noͤhtigung/ das Kleinot anzunehmen/ guͤnſtig zuverſchonen. Nun mein
Herr/ ſagte der Stathalter/ ſo ſchlaget ihr mir auch dieſes mein Erbieten voꝛ deꝛ Fauſt rein
abe? wol dañ/ ſo muß ich gleichwol verſuchen/ ob meiner Tochter haͤnde geſchikter uñ gluͤk-
ſeliger ſind/ euch ſolches beyzubꝛingen. Ladiſla wolte nochmahls umb verzeihung ſeines
wegerns anhalten; aber das Fraͤulein trat gleich zur Tuͤhr hinein/ welche dieſen Weg mit
ſo erſchrockenem Herzen ging/ als ſolte ſie einem ganz unbekanten zugefuͤhret werden/ daß
ſie ſchier nicht wuſte/ ob ſie gehen oder verzihen ſolte; endlich ſtraffete ſie ſich ſelbſt/ daß ſie
Urſach der Verzoͤgerung ihrer Vergnuͤgung waͤhre/ machte ſich mit geraden Fuͤſſen fort/
und trat nach ihres Vaters Anordnung ein kleines Maͤgdlein mit einem kleinen verguͤl-
deten Schrein hinter ihr her. Es ſchwebeten aber ſo viel und mannicherley Gedanken in
ihrem Gehirn umbher/ daß ſie als eine trunckene wankete/ und mit dem Fuſſe/ da ſie ins
Gemach trat/ wieder die Unterſchwelle ſties/ daß der Kranz auff ihrem Haͤupte loß ward/
und ſie denſelben herunter nehmen/ und in der Hand tragen muſte. Ihr Vater aber ſtelle-
te das kleine Maͤgdlein ihr an die Seite/ und redete ſie alſo an: Geliebtes Kind; die Ver-
geltung/ ſo ich Herren Ladiſla heut/ wie du weiſt/ vor ſeine hohe Dienſte zugedacht habe/
kan ich ihn nicht bereden/ daß ers annehme/ wie fleiſſig ich auch bey ihm anhalte/ und mich
deſſen doch nicht wuͤrde unterſtanden haben/ wann du mich nicht viel eines andern berich-
tet haͤtteſt. Sie aber ward dieſer Rede ſchamroht/ und laͤchelte/ in Meynung/ ihr H. Va-
ter wolte ſie noch weiter auffzihen/ daher ſie nichts antwortete. Ladiſla wahr ſehr betruͤbet/
daß er ſo hart genoͤhtiget ward/ haͤtte auch ſchier Eingewilliget/ in Betrachtung/ daß er
das Geſchenke in andere wege mit gleichem Werd erſetzen koͤnte; aber Herkules Wider-
wille/ und der uͤbelſtand fiel ihm zu ſtark ein/ daß jhm unmuͤglich wahr/ ſich zu erklaͤren/ uñ
ja ſo ſtille als das Fraͤulein ſchwieg; die jhn mit hoͤchſter Verwunderung anſahe/ und nit
wuſte/ weſſen ſie ſich verhalten ſolte; endlich aber antwortete ſie ihrem Vater alſo: Sol-
te Herrn Ladiſla ſein ſtilleſchweigen oder Verwegerung ungetichtet ſeyn/ alsdann wuͤrde
ich mich in die Welt nicht zuſchicken wiſſen/ ſondern haͤtte urſach/ mich deſſen zubeſchwe-
ren. Durch dieſe Hefftigkeit ward Ladiſla bewogen in des Stathalters Begehren einzu-
willigen; welches derſelbe merkend/ ihm mit dieſer Rede zuvor kam. Nun wolan Herr
Ladiſla/ es haben gewißlich ihrer wenig ſich zu ruͤhmen/ daß ich ihnen gegenwaͤrtiges mein
liebſtes
[104]Erſtes Buch.
liebſtes Kleinot angebohten; weil er mir aber ſolches lieber/ als ihm ſelber goͤnnet/ wil ich
ihn weiters nicht bemuͤhen/ ſondern es einem andern vorbehalten/ und doch auff andere
Mittel bedacht ſeyn/ ihm ſeine Freundſchafft und Dienſte zuvergelten; aber dein wunde-
re ich mich/ ſagte er zu der Tochter/ daß du mich viel eines andern berichtet haſt. Wem
wahr lieber als Ladiſla/ daß er wieder ſeinen Willen nichts nehmen ſolte? er fing an ſich
zu bedanken/ daß er der Anmuhtung mit gutem Willen uͤberhoben waͤhre/ hoffete auch/
ſein hochgewogenes Fraͤulein/ welche vielleicht ſeine Gedanken nicht recht moͤchte ge-
faſſet haben/ wuͤrde ihm ſolches zum aͤrgeſten nicht auß deuten/ weil er ſich einer ſo teuren
Vergeltung unwirdig ſchaͤtzete/ er auch ſeine Dienſte nicht in ſolchem Vorſatze angewen-
det haͤtte; und waͤhre ihm lieb daß dieſelbe einem wirdigern vorbehalten wuͤrde/ er haͤtte
an der bloſſen Gutwilligkeit und angebohtenen Ehre uͤbrig gnug; jedoch/ wann er die
Kuͤhnheit brauchen duͤrffte; wolte er umb die freye Wahl eines Geſchenks bitten/ da es
ſonſt zugleich mit der Fraͤulein Willen geſchehen koͤnte. Der Stathalter haͤtte der Ant-
wort gerne gelachet/ da er ſeiner Tochter braungefaͤrbeten Eyfer ſahe/ der ſich bald in eine
bleiche verenderte/ und ſie ihn ſchon von der Seiten ſehr ſaurſichtig anblickete/ ihr gaͤnz-
lich einbildend/ Er wuͤrde wegen daß ihr Vater ſie ihm angebohten/ wiedrige Gedanken
jhrer Ehren und guten Leumuts geſchoͤpffet/ und des Kauffs Reue bekommen haben. La-
diſla harrete inzwiſchen auff des Stathalters Einwilligung wegen ſeines anmuhtens/
welcher zu ihm ſagete; Mein Herr/ er weiß ja ohn daß/ welche Freyheit ich ihm zugeſtellet/
nach ſeinem Willen zu fodern und zubegehren; daher mir nichts liebers ſeyn kan/ als wañ
er ſich deſſen kuͤhnlich gebrauchen wuͤrde; weil ich aber befuͤrchten muß/ daß er umb ein
ſo geringes anhalten moͤchte/ welches ohn meine Beſchimpffung den nahmen eines Ge-
ſchenks nicht haben koͤnte/ wird er mir verzeihen/ daß ich biß auff daß ergangene Anhei-
ſchen/ die Einwilligung auffſchiebe. Ich wil nicht hoffen/ antwortete er/ daß ich meinem
Herren zuwieder etwas waͤhlen werde/ ſondern meine Bitte reichet nur biß an daß koͤſt-
liche Kraͤnzlein/ welches mein Fraͤulein auff ihrer Hand traͤget/ und ich auff Einwilli-
gung vor eine mehr als uͤberfluͤſſige Belohnung meiner geringfuͤgigen Dienſte rechnen
wuͤrde; trat hiemit zu ihr hin/ in hoffnung/ den Kranz ohn Wegerung von ihr zu empfan-
gen. Aber er ward heßlich betrogen; maſſen ſie auff ſeine naͤherung zu ruͤk trat/ nnd mit
veraͤchtlicher Rede ſagete: O nein ihr falſcher Ladiſla/ iſt es euch ſo ein geringes/ Goͤtter
und Menſchen zu taͤuſchen/ und eine Kunſt/ ein einfaͤltiges Fraͤulein auffzuzihen/ werdet
ihr trauen von mir unwirdig geſchaͤtzet/ die geringſte Blume/ ich geſchweige dieſen Kranz
zuerhalten. Der arme Ladiſla erſchrak uͤber ihren unfreundlichen Anblicken und ſauerer
Rede ſo hart/ daß ihm unmoͤglich wahr/ ein woͤrtlein vorzubringen/ oder einen Fuß aus
der Stelle zuſetzen; endlich fing er an: Nun nun mein Fraͤulein/ hat euer gehorſamſter
Knecht/ welches er doch nicht weiß/ ſich an euch verſuͤndiget/ ſo nehmet/ zur bezeugung
ſeiner Unſchuld dieſe letzte entſchuldigung von ihm an. Er wolte weiter reden/ aber die
Zunge verſagete dem Willen weitern Gehorſam/ und ſuchte die Ohmacht das uͤbrige zu
volſtrecken; welches der Stathalter erſehend/ ihn bey dem Arme ſchuͤttelte/ und zu ihm
ſagte: Nicht alſo mein geliebter Herr/ nicht meiner Tochter Kranz/ ſondern wer denſel-
ben/ weil es ihr Brautkranz iſt/ von ihr begehret/ muß ſie darzu nehmen; und zwar dieſe
mei-
[105]Erſtes Buch.
meine liebſte einige Tochter iſt eben das Kleinot und Geſchenk/ welches ich ihm zu lieffern
willens bin/ und er mir ſolches/ ohn zweiffel auß Irtuhm und Unwiſſenheit außſchlaͤget/
und nichts mehr als dieſen elenden Kranz an ihre Stat fodert. Dieſes nun brachte ihm
eine ſo gelinge Verenderung/ daß er vor freuden ſein ſelbſt vergaß. O mein hochgeneigter
Herr und Vater/ ſagte er; ich verfluche meiner Jugend Tohrheit/ in dem ich unbedacht-
ſamer Weyſe mich eines dinges wegere/ daß mir lieber als meine Seele iſt; kuͤſſete ihm die
Haͤnde aus groſſer Liebe/ und fuhr alſo fort; Ich haͤtte nimmermehr gedacht/ daß ſo groſ-
ſe Hulde euer Vaterherz eingenommen/ die dieſes volkommene Frl. mir zur Vergeltung
wuͤrde folgen laſſen; ſonſten muͤſte ich ſchandwirdig ſeyn/ wann ich mich hierzu ſolte laſ-
ſen bitten/ warumb ich ſo inſtaͤndige Anſuchung getahn; Es iſt aber meine Vergnuͤgung
viel groͤſſer/ als daß ich ſie mit Worten oder Geberden ſolte koͤnnen an den Tag geben/ da-
her mein Herr und Vater keiner andern Dankſagung gewaͤrtig ſeyn wolle/ als welche in
ſteter Bereitwilligkeit ſtehet/ deſſen Gebohten und Befehlen Tag und Nacht zugehorſamẽ/
als lange meine Seele in mir wird rege ſeyn. Geliebter Herr und Sohn/ antwortete er;
mein Wort iſt geſprochen/ weil ich in heimliche Erfahrung/ nicht ohn ſonderbahre Her-
zensfreude kommen bin/ daß mit dieſer Vergeltung ich euch den angenehmſten Willen eꝛ-
zeigen wuͤrde/ wie ihr deſſen nicht allein wirdig ſeyd/ ſondern ich auch erkennen muß/ daß
jhr ſie gedoppelt mit dem Schwerte gewonnen/ jhre Ehre und Leben gerettet/ und durch
eure herrliche Tugend ſie euch verbunden gemacht; daher mirs billich zum hoͤchſten Un-
glimpf muͤſte außgeleget werden/ wann ich ſie ſeinem Willen eine Stunde vorenthielte;
Iſt demnach mein ganzer Vorſaz/ daß ſie dieſen Abend meinem Herrn Sohn ehelich ver-
trauet und beygelegt werde/ welches die Goͤtter mir zur freude auf meinen Geburstag alſo
ſchicken; und kan das Hochzeit Feſt nach ſeinem belieben eꝛſtes Tages folgen/ ſo bald Herꝛ
Herkules voͤllig wird geneſen ſeyn. Da ging nun Ladiſla verliebte Seele in vollen ſpruͤn-
gen/ als er hoͤrete/ daß er ſeiner Liebe den freyen Zaum duͤrffte ſchieſſen laſſen.


Das Fraͤulein hatte ſehr ungleiche Gedanken von ihm geſchoͤpffet/ vernam aber
nunmehr den Irtuhm/ und hermete ſich uͤberauß ſehr/ wegen der außgeſtoſſenen Reden/
daß ſie weder jhren Vater noch Liebſten anſehen durffte. So hatte auch Ladiſla das Herz
nicht/ zu ihr hinzutreten/ biß der Vater zu ihm ſagete: Ich weiß nicht/ Herr Sohn/ war-
umb er anjetzo weniger/ als vorhin ſich zu meiner Tochter nahet/ da ſie doch ſchon ſeine iſt?
Worauff er antwortete: Seine Liebe waͤhre zwar im hoͤchſten Gipfel/ aber die Gluͤkſelig-
keit ſo groß/ daß ſie von ſeinen Gedanken nicht koͤnte abgefaſſet werden. Ey/ ſagte der Va-
ter/ ſo wil ich durch meinen Abtrit euch Raum geben/ eure Gedanken recht zu ſamlen. Du
aber/ ſagte er zu der Tochter/ ſchicke dich auff eine gebuͤhrliche Abbitte/ deiner begangenen
Grobheit; ging alſo davon/ und ließ H. Kornelius und H. Emilius mit ihren Gemahlen
und Toͤchtern anfodern/ auff ſein Geburts Tages-Feſt in feyerlicher Kleidung zu erſchei-
nen/ wie ſie darzu ſchon erbehten waͤhren. Nach ſeinem Abtrit umbfing Ladiſla ſein Fraͤu-
lein gar lieblich/ und ruͤhmete ſein Gluͤk/ daß er nunmehr die Freyheit haben wuͤrde/ ſich an
ſeiner Hochgeliebten zu ergetzen/ wiewol er nicht abſehen koͤnte/ was vor Bewaͤgung den
Vater zu ſo hoher Beguͤnſtigung angetrieben haͤtte. Sie aber fing mit demuͤhtiger Rede
an/ den begangenen frevel jhr nicht zu verargen/ deſſen urſach er ſelbſt erkennen wuͤrde/ er-
Oboht
[106]Erſtes Buch.
boht ſich nach dieſem zu allem Gehorſam/ als viel einem Gemahl zu leiſten moͤglich waͤh-
re/ und ſagte hernach: Wir haben den Goͤttern hoch zu danken/ vor ihre uns erzeigete
Gnade/ aber die jetzige freude iſt mir vor einer Stunde dergeſtalt beſalzen/ dz ich des ſchree-
kens in einem Monat nicht vergeſſen werde/ angeſehen ich mich dem Tode ſchon ergeben/
und den Halß dem Richtſchwerte willig dargebohten hatte; erzaͤhlete hiemit kuͤrzlich/ wie
der Vater mit ihr geberdet/ und nach Anzeige ihreꝛ Frau Mutter/ bloß allein zur ſtraffe/
daß ſie ohn der Eltern Vorwiſſen und Bewilligung ſo kuͤhn geweſen/ ſich ehelich mit ihm
zu verſprechen. Ladiſla klagete ihr ſein uͤbergeſtandenes auch/ welches ohn zweifel jhm auß
eben der Urſach begegnet waͤhre/ und er doch gerne verſchmerzen wolte/ ungeachtet er dem
Tode ſich nie ſo aͤngſtig als dißmahl ergeben haͤtte; aber/ ſagte er/ diß ſind gar zu traurige
Geſpraͤche/ und reimen ſich nicht zu unſer Wolluſt. Das Fraͤulein erinnerte ihn/ ſie wuͤr-
den vor dißmahl nicht lange zeit zum Geſpraͤch haben/ ſondern er wuͤrde ſich gefallen laſ-
ſen/ die taͤglichen Kleider abzulegen/ weil ihre Verwanten ſich bald zur Vermaͤhlung ein-
ſtellen wuͤrden; daher er nach freundlich genommenem Abſcheide hin zu Herkules ging/
und ihm ſeinen Zuſtand zuwiſſen taht/ der ihm Gluͤk und Gottes Segen darzu wuͤnſchete.
In zwiſchen waͤhlete er aus ſeinen vier Kleidern eines von Silberſtuͤk gemacht/ daß er dem
Fraͤulein moͤchte gleich gekleidet ſeyn; ſteckete einen langen ſchneweiſſen Federbuſch auff
den Huet/ an dem ein Kleinot in Geſtalt eines Loͤuen der ein Schaͤfflein im Rachen trug/
gehefftet wahr. Das Feldzeichen/ in welchem er einen leichten verguͤldeten Degen trug/
wahr purpurfarbe/ mit ſchoͤnen morgenlaͤndiſchen Perlen hin und wieder als mit Traͤh-
nen behefftet. Er legte auch eine koͤſtliche Demant Kette umb den Huet/ und ein par Arm-
baͤnder/ von gleicher Art umb die Arme; wickelte zwoͤlff ſtuͤcke der zierlichſten Kleinot in
ein ſchneweiſſes ſeidenes Tuͤchlein/ und ſendete ſie dem Fraͤulein bey Tullius ſeinem Leib-
knaben/ welche ſie in Gegenwart ihrer Eltern empfing/ und ſich ſaͤmptlich verwunderten/
daß ein umbſchweiffender Ritter ſolche ſachen bey ſich fuͤhrete. Bald darauff ſtelleten ſich
die erbehtenen Anverwanten ein/ denen es fremde wahr/ daß in ihren beſten Kleidern zu
erſcheinen ſie erſuchet wahren.


Der junge Fabius baht ſeine Schweſter/ daß ſie mit Frl. Urſulen auff ein Nebenge-
mach gehen moͤchte/ woſelbſt er mit ihr abſonderlich zureden haͤtte; Wie er dann folgen-
der geſtalt ſich daſelbſt herauß ließ: Herzliebe Schweſter/ wie hefftig mir deine heutige
Angſt zu Herzen gangen/ ſo hoch erfreue ich mich deines jetzigen Gluͤckes/ worauß ich die-
ſes zur Lehre faſſe/ daß die Goͤtter uns Menſchen wunderſelten eine Vergnuͤgung goͤnnen/
bevor ſie uns den bittern Leidensbecher zu trincken geben; wuͤnſche dir aber Gluͤk und den
himliſchen Segen zu deiner inſtehenden Heyraht/ und kan nicht umb hin/ dir meine biß-
her verſchwiegene Heimligkeit zu entdecken/ wie ich nunmehr in die zwey Jahr mit mei-
nem herzgeliebten Fraͤulein gegenwaͤrtig/ in vertraulicher Liebe gelebet/ ſo daß wir nicht als
durch den Tod moͤgen geſcheiden werden; Wann du nun bey unfern Eltern durch deine
Vorbitte erhalten koͤnteſt/ daß unſer Beylager zugleich mit deinem fortginge muͤſten wir
dir deßwegen hoͤchlich verpflichtet ſeyn. Frl. Sophia fahe ihre Waſen an uñ laͤchelte; wel-
che Fabius Reden gerne geleugnet haͤtte; weil ſie aber keine Zeit zum langen Geſpraͤch uͤ-
brig hatten/ bekam der Bruder die Verheiſſung von der Schweſter/ ſie wolte ſein Beyla-
ger
[107]Erſtes Buch.
ger ihr eben ſo hoch als ihr eigenes laſſen angelegen ſeyn/ hoffete auch/ durch Ladiſla Vor-
bitte wol durchzudringen. Sie verfuͤgeten ſich alſo wieder nach dem Saal/ gleich wie der
Braͤutigam durch eine andere Tuͤhr hinein trat/ und der Stathalter jhn nach freundli-
chem empfahen dem Fraͤulein zufuͤhrete; welches die anweſende nicht wenig befremdete/
aber durch des Stathalters Vorbringen bald unterrichtet wurden/ welcher alſo anfing:
Geliebte Herren und Freunde; da ſehet ihr den vor treflichen Ritter und Herꝛn/ Herꝛn La-
diſla/ dem zwar viel ein hoͤher Ehren Nahme zuſtehet/ welchen ich doch/ weil es ihm alſo ge-
faͤllet/ gerne ungemeldet laſſe. Dieſer Herr/ was maſſen er meiner liebſten einigen Tochter
Ehr und Leben geſtern und heut geſchuͤtzet/ iſt niemand unter euch unwiſſend. Als ich nun
gemerket/ daß eine bruͤnſtige wiewol zuͤchtige Liebesflam̃e ſich zwiſchen ihnen angezuͤndet/
daß ſie lieber allein/ als in anderer Gegenwart mit einander ſchwatzen wollen/ und aber in
meiner Jugend an mir ſelbſt und meiner Pompejen erfahren/ daß wann die Vogel begin-
nen zu niſten/ ſie ſich ſchon vergeſellet haben/ und auff weiteres gedenken/ ſo habe ich das
rahtſamſte zu ſeyn gemeynet/ jhnen den Zweg umb ſo viel naͤher zu ſtecken/ damit allerhand
Ungelegenheit und Verdacht moͤge abgewendet werden; bin demnach entſchloſſen/ ihnen
dieſen Abend das Beylager zu machen/ damit nicht morgen ein ander kom̃e/ der/ wie heut
geſchehen/ meiner Tochter halben des Lebens ohn werde/ oder es einem andern nehme.
Was dieſen Ritter und Herren betrifft/ dafern ich nicht wuͤſte/ ihn meiner Tochter gnug
wirdig zu ſeyn/ haͤtte ich ein ſo wichtiges Werck in langwieriges Bedenken gezogen/ ohn-
geachtet er meine Tochter ihm ſelbſt erſtritten hat; Wollen demnach meine Herren und
Freunde dieſer Schleunigkeit ſich nicht verwundern/ oder einige ungleiche Gedanken dar-
auß ſchoͤpffen/ nach dem ich ſie bey meinen Ehren verſichern kan/ daß der H. Braͤutigam
und die Braut dieſes mein Vorhaben kaum vor anderthalb Stunden ſelbſt erfahren.
Die Anweſende gaben ihm recht/ nur daß H. Kornelius/ der ihm am naͤheſten ſtund/ ihm
heimlich ins Ohr raunete; Er wuͤnſchete von herzen Gluͤk und Heil zu der Heyraht/ haͤtte
daran durch auß nichts zu tadeln/ wann es nur von andern im beſten auffgenommen wuͤr-
de/ daß man ſo geſchwinde verfuͤhre/ und gleichwol fein ſtuͤnde/ daß man Herrn Ladiſla ehe
vor einen Freyer als Braͤutigam erkennete. Aber der Stathalter gab zur Antwort: Es
hinderten ihn boͤſer Leute Maͤuler nicht/ die viel zu geringe waͤhren/ ſeinen heiligen Vor-
ſaz wanken zu machen. In deſſen fing Ladiſla alſo an: Hochmoͤgender Herr und Vater/
auch Gn. Fr. Mutter/ und ſaͤmtliche werte Herren/ Frauen/ Fraͤulein und Freunde: Das
eigenwillige Gluͤk/ welches mir/ ungeachtet meiner Jugend/ manniche Tuͤk erwieſen/ hat
ſich heut ſo uͤbeꝛfluͤſſig guͤnſtig erzeigt/ dz ich alles vorige hiedurch tauſendfach erſetzet halte/
indem es meinen Herrn Vater beredet/ das Durchleuchtige mit allen jungfraͤulichen Ga-
ben und Tugenden außgezierte Fraͤulein/ ſeine herzvielgeliebte Frl. Tochter mir nicht al-
lein zu verſprechen/ ſondern alsbald darauff an die eheliche Hand zu geben. Wie ich nun
hiedurch den inniglichen Wunſch meiner Seele erhalten/ alſo befinde ich mich ſchuldig/
vorerſt meinem Herr Vater und Fr. Mutter/ Dank und kindlichen Gehorſam/ meiner
herzgeliebten Frl. Braut eheliche Traͤue und Ergebenheit; und der geſamten hochanſehn-
lichen Freundſchafft/ gebuͤhrliche Ehre zu leiſten. Weil aber ſolches in einem oder wenig
Tagen von mir gebuͤhrlich nicht verrichtet werden kan/ bitte ich ſehr/ mir die Zeit zu goͤn-
O ijnen/
[108]Erſtes Buch.
nen/ welche mein Gemuͤht allerwerts erzeigen/ und mich ihren nicht allerdinge unwirdigẽ
Sohn/ Ehegemahl/ Schwager und Freund erweiſen koͤnne. Der Stathalter antwortete:
Geehrter Herr und Sohn/ es iſt ſein Gemuͤht und Wille uns durch eine ſolche Taht erzei-
get und kund getahn/ daß man an dem kuͤnfftigen durchauß nicht zu zweifeln hat. Wir an
unſer ſeite erklaͤren uns hinwieder zu aller Elterlichen und Schwaͤgerlichen Freundſchaft
und Liebedienſten/ hoffen daneben/ mein geliebtes Kind werde von uns dergeſtalt auffer-
zogen und unterrichtet ſeyn/ daß ſie jhren Herrn und Ehegemahl wird gebuͤhrlich zu ehren
und lieben wiſſen/ wor zu ſie nochmahls in Gegenwart dieſer Geſellſchafft ven mir vaͤter-
lich ermahnet wird. Hierauff befahl er/ den Roͤmiſchen Vermaͤhlungs gebraͤuchen den
Anfang zu machen. Aber die Braut trat hin zu ihrem Vater/ vorgebend/ ehe alles vorgin-
ge/ haͤtte ſie mit ihren lieben Eltern ingeheim zu reden/ wobey ſie Herrn Ladiſla/ auch H.
Kornelius und deſſen Ehegemahl als Zeugen erbaͤhte; und als ihr ſolches eingewilliget
ward/ gingen ſie in das naͤheſte Gemach/ da ſie alſo anfing: Herzgeliebete Eltern; es muͤ-
ſte mir ſehr leid ſeyn/ daß nach meiner Verheyrahtung/ mein allerliebſter und einiger Bru-
der noch ferner im ledigen Stande leben/ und meiner Eltern Hoffnung/ wegen der nach-
kommenden Fabier/ weiter außſetzen ſolte; moͤchte demnach von herzen wuͤnſchen/ dz mei-
ne Eltern ſeine Heyraht gleich dieſen Abend mit fortſetzen wolten/ weil ich in gewiſſe Er-
fahrung kommen bin/ daß er vor zweyen Jahren ſich mit einem ehrlichen/ ſchoͤnen und ſei-
nes Standes gemaͤſſen Fraͤulein verbunden/ auch vielleicht mit derſelben ſchon weiter
eingetreten iſt/ als daß ſie koͤñen getrennet werden/ daher dann auß fernerer Auffſchiebung
ihres oͤffentlichen Beylagers nichts als Ungelegenheit erfolgen moͤchte. Der Vater gab
ihr zur Antwort: Ich merke wol/ nun dir geholffen iſt/ wiltu deinem Bruder wieder helf-
fen; Du ſolt aber gemach tuhn/ und nicht alles nach deinem Willen und Gefallen ordnen;
oder meyneſtu etwa/ es wuͤrden auff zwo unterſchiedliche Hochzeiten gar zu viel Koſten ge-
hen/ und wilt demnach mit einem Feurzwo Stuben hitzen? nim du vor dißmahl dein gluͤ [...]
vorlieb/ und laß dir genuͤgen; ich werde Zeit nehmen/ mich hierauff zu bedenken. Ach Her-
zen H. Vater/ ſagte ſie/ euer Verſtand fodert ſo lange Bedenkzeit nicht/ welches an dieſer
meiner Heyraht gnug erſcheinet; die andere Entſchuldigung iſt nur zum Scherze vorge-
bracht. Kehrete ſich hernach zu H. Kornelius und deſſen Gemahl/ ſie hoͤchlich bittend/ ihꝛ
bey ihren Eltern zu huͤlffe zu kommen/ daß ihrem Bruder gerahten wuͤrde/ welches ſie ne-
ben ihn zu verſchulden/ ſtets wolte gefliſſen ſeyn; Sie haͤtte zwar ihren Herrn und Braͤuti-
gam mit herzu gebehten/ aber deſſen Unterhandlung wolte ſie zum lezten Stichblade behal-
ten/ wann ihres Herrn Vettern Vorbitte nicht wuͤrde zureichen koͤnnen/ welches ſie doch
nicht meynen wolte; Daß ſie aber ihr Vorſprach Amt deſto kuͤhner auff ſich nehmen koͤn-
ten/ wolte ſie ihren Glauben verpfaͤnden/ dz ein es des andern wert waͤhre. H. Kornelius
gab ihr zur Antwort: Herzliebe Frl. Waſe und Tochter/ ich bitte/ mich mit dieſer anmuh-
tung zu verſchonen/ daß ich heimliche Verloͤbniſſen/ ſo hinter den Eltern her geſchehen/
billichen/ ja befodern ſolte; Ich habe nie dergleichen Winkelheyrahten gut geheiſſen/ bin
auch noch nicht willens/ mich dabey gebrauchen zu laſſen. Zwar euer H. Bruder iſt ein
Ritter und Kriegs Beampter/ der ſeine maͤnliche Jahr erreichet/ und mit gutem fuge ſol-
che Ehrenſachen vornehmen/ auch ſeiner Eltern Meynung daruͤber hoͤren kan; aber dem
Fraͤu-
[109]Erſtes Buch.
Fraͤulein halte ich ſehr vor uͤbel/ daß dieſelbe ſich von ihm bereden laſſen/ und nicht zuvor
Nachforſchung getahn/ ob ſeine Eltern auch einwilligen wuͤrden; Und da auch ihre Elteꝛn
oder Anverwandten keine Wiſſenſchafft drum haben/ waͤhre ſie andern zum Beyſpiel haꝛ-
ter Straffe wirdig/ daß ſie eurem Bruder/ wie eure Reden faſt gehen/ ſich ſo leicht gegoͤñet
hat. Mein Herr Vetter/ antwortete ſie; das Alter hat leider dieſen gebrechen an ſich/ daß
es der Jugend Tohrheit nit erkennen kan/ welcher in den friſchen Jahren/ alle jetzige graue
Haͤupter ſind unterworffen geweſen/ und nach ihrer feſtgegruͤndeten Weißheit/ die der Ju-
gend doch nicht beywohnet/ alle Menſchen wollen gerichtet haben. Mein Herr und Vet-
ter rede doch/ bitte ich/ von meinem Bruder/ und ſeinem ganz geheimen Fraͤulein/ wie ihr
euch dazumahl wuͤnſchetet/ da ihr meine hochgeliebte Waſe Fr. Fauſten zum erſten mah-
le mit Liebes-Augen anblicketet; alsdann werdet ihr dieſen verliebten beyden/ viel eine bil-
lichere Urtel ſprechen; Wegert ihr euch aber ferner/ ſo wil ich meinen Liebſten bitten/ daß
er ſolches an euch begehre/ dem ihr/ in betrachtung ſeiner geleiſteten Dienſte/ es nicht wer-
det abſchlagen koͤñen. Frl. Waſe/ ſagte er hierauf, Ihr duͤrfftet auf ſolche weiſe alles leicht
erhalten/ was euch geluͤſtet/ und uns zu leiſten moͤglich waͤhre; aber iſt eures H. Vaters
Sinn dadurch ſchon erſtritten? doch wil ich euch endlich zu willen ſeyn; fing damit an/
dem Stathalter zu gemuͤhte zufuͤhren/ was vor Unraht aus verzoͤgerung dieſer Heyraht
entſtehen koͤnte/ die allem anſehen nach ſchwerlich wuͤrde zu hintertreiben ſeyn/ in Betrach-
tung/ daß ſein Sohn ſchon in Roͤmiſchen Dienſten waͤhre/ und ſeines willens geleben koͤn-
te/ ob gleich die Eltern Hinderung machen wolten/ inſonderheit/ weil ſeine Tochter dieſen
Grund ſetzete/ daß er ein Standes maͤſſiges Fraͤulein liebete. Fr. Fauſta kam mit darzu/
und redete das beſte zur Sache; es haͤtten ſich wol ehe junge Leute hinter der Eltern Wiſ-
ſen eingelaſſen/ und eine gute Ehe gehabt. Der Stathalter merkete ſeiner Tochter Auff-
zug/ deſſen er gleichwol gewiß ſeyn wolte/ und fragete ſie/ ob ſeinem heutigen Befehl gelebet
waͤhre; und als ſie ſich keines Befehls zuerinnern wnſte/ rief er ſie abſonderlich/ und ſagte
zu jhr: Offenbahre mir mit wenigem/ ob du nicht von Fraͤulein Urſulen redeſt. Ja Herr
Vater/ ſagte ſie; aber ich bitte kindlich/ euren vaͤterlichen Willen drein zu geben; ſonſt hat
mein Bruder mirs etwa vor einer Viertelſtunde geoffenbahret/ und mich zu dieſer Unter-
handlung vermocht. Gnug/ ſagte der Vater/ ich habe dieſe Heyraht ſelbſt vorgehabt. Sie
traten wieder hin zu der andern Geſelſchafft/ und gab der Vater Herrn Kornelius dieſe
Antwort: Es befremdet mich eure Vorbilte in etwas/ weil ihr von dieſer Sache redet/ als
muͤſte ich nohtwendig einwilligen/ und euch die vermeynte Braut gnug bekant waͤhre;
Werdet demnach mir dieſelbe auch nennen/ daß ich mich zuerklaͤren wiſſe. Dieſes Ver-
dachtes antwortete er/ befahrete ich mich gleich anfangs/ und iſt mir leid/ daß ich meiner
Frl. Waſen gehorſamet; kan aber bey meinen Ehren erhalten/ daß ich von der angemelde-
ten Braut nicht das geringſte weiß. Der Stathalter fragete ſein Gemahl: Was gebet ihꝛ
aber vor eine Stimme? koͤnnet ihr ein Fraͤulein zur Tochter annehmen/ ehe ihr ſie kennet?
Mein Raht iſt der geringſte/ antwortete ſie/ doch waͤhre ſie ein ſolches Fraͤulein/ wie mein
Kind ſie beſchreibet/ und ſie unſerm Sohn gefiele/ der verhoffentlich keine unwirdige zum
Gemahl außſehen wird/ muͤſte ich mirs mit gefallen laſſen. Ich aber nicht alſo/ ſagte der
Vater/ ſondern wil zuvor etwas mehr drumb wiſſen/ und zwar/ ob ſie unter andern auch
von guten Mitteln ſey/ welches ich mir nicht einbilden kan. Zwar vor ſich/ ſagte Frl. So-
O iijphia/
[110]Erſtes Buch.
phia/ hat ſie einen gar geringen Brautſchaz/ aber ich hoffe Herrn Kornelius zuerbitten/
daß er ſeine milde Hand aufftuhe/ und als ihr Unterhaͤndler ein par Tonnen Schatzes zu-
ſchiſſe/ weil er groſſes Vermoͤgens iſt/ und nur eine einzige Tochter hat. Nein geliebte
Waſe/ antwortete er; daß wird Kornelius wol nicht tuhn/ welcher mit dieſer Anmuh-
tung wil verſchonet ſeyn. Ey/ ſagte das Fraͤulein; die Braut iſt dem Herrn Vetter ver-
wand/ drumb wird er ihr ſeine Huͤlffe nicht ſo gar verſagen. Verwand? ſagte er; daß iſt
kein ander Menſch/ als Kajus Salvius Tochter/ die ſpringfuͤſſige Agnes. O du leichtfer-
tiges Tihrichen/ haſtu ſchon zwey Jahr her dich der Liebe befliſſen/ und biſt kaum XVI Jahꝛ
alt? ich habe nicht erſinnen koͤnnen/ worauff dein Vater und du ſo pocheſt in der aͤuſſerſten
Armut/ ſo iſts dieſes/ daß ihr Herren Fabius und Kornelius guͤter miteinander verpraſ-
ſen wollet? aber geliebte Waſe/ wer hat doch euren Bruder an dteſe Heyraht gebracht?
zwar unehrliches weis ich nicht von ihr/ iſt auch ſchoͤn genug und gutes Standes/ aber
wie wird man doch ihren auffgeblaſenen Geiſt vergnuͤgen koͤnnen? Ach mein H. Vetter/
ſagte ſie/ mein Bruder iſt des viel zuwitzig/ mit dieſem Fraͤulein ſich einzulaſſen; Aber H.
Vater/ wann ihr nun an dem Fraͤulein nichts zu tadeln wuͤſtet/ und ihre Eltern auch ein-
willigten/ koͤnte es dann nicht alsbald fortgeſetzet werden? Der Vater antwortete; tadele
ich ſonſt nichts an ihr/ ſo tadele ich doch mit H. Kornelius/ daß ſie ohn ihrer Eltern Vor-
wiſſen ſich meinem Sohn weiter/ als einer Fraͤulein gebuͤhret/ gegoͤnnet hat; doch wil ich
mich vaͤterlich heraus laſſen/ wann du mir das Fraͤulein nunmehr nennen wirſt. Ich be-
danke mich kindlich der genehmen Antwort/ ſagte ſie/ und muß gar ein Wunderding ſeyn/
daß meine geliebte Eltern meines Herrn Braͤutigams und meine Liebe/ ſo zurechnen/ im
Augenblik außgeſpuͤret/ aber durchaus nicht merken koͤnnen/ daß mein Bruder nicht ohn
Urſach abends ſpaͤt und morgens fruͤh/ zwey ganzer Jahr her/ wann er daheim geweſen/
ſein geliebtes wirdiges Fraͤulein/ meine herzallerliebſte Schweſter/ Frl. Urſul Korneliin
beſuchet hat. Kornelius und Fauſta erſchraken/ daß ihnen die Sprache verging/ und als
ſie ſich erhohlet hatten/ draͤueten ſie der guten Tochter/ weiß nicht was vor laͤcherliche
Straffen/ welches ſie mit ſonderlichem Ernſte vorbrachtẽ/ und die Anweſende ſich deſſen
wol zulacheten; biß der Stathalter ſagete: Wie nun Schwager Kornelius/ iſt meine
Tochter Urſul noch eine ſolche/ bey welcher ihr eurem taͤglichen Vorgeben nach/ ſo gar
keine eheliche Begierde merken koͤnnet/ daß ihr euch befuͤrchtet/ ſie habe ſich etwa unſer
Veſten verlobet? gewißlich hat mein Kind euch jezt redlich vergolten/ was ihr mir vorhin
ins Ohr raunetet. Aber daß wir zur Sache ſchreiten/ hoffe ich ja/ mein lieber Sohn habe
bißher ſich alſo verhalten/ daß er dem Roͤmiſchen Adel und ſeiner Freundſchafft kein
Schandflek ſey; und gelebe daher der Zuverſicht/ ihr werdet meiner Bitte Plaz geben/
und euch unſer Kinder Heyraht gefallen laſſen/ mit welcher mein Gemuͤht uͤber ein Jahr
ſchon umbgangen iſt/ und ich daher auff ihr tuhn und laſſen ſo viel weniger acht gegeben.
Kornelius antwortete: Hochwerter Herr Schwager; ich bedanke mich der hohen Ge-
wogenheit gegen mich und meine Tochter/ und weil ich mir einen liebern Sohn nicht
wuͤnſchen kan/ ſtelle ichs zu ſeinen Haͤnden/ und vermache dem Braͤutigam zur Heimſteur
die Helffte aller meiner liegenden und fahrenden Haabe/ und nach meinem Tode das uͤ-
brige alles. So recht mein Herr Vetter/ ſagte Frl. Sophia/ ich wuſte vorhin wol/ daß ihr
dem
[111]Erſtes Buch.
dem Fraͤulein die Außſteur nicht verſagen wuͤrdet. Alſo wahr dieſer Kauff geſchloſſen/ und
wurden die junge Leute nach Roͤmiſchem Gebrauch ehelich vermaͤhlet. Bey der Abend-
mahlzeit gingen allerhand kurzweilige Unterredungen vor/ da Frl. Urſul ſich rechtſchaffen
leiden muſte; dann Frl. Sophia/ umb ein Gelaͤchter zu machen/ ſagte zu ihr: Herzliebe
Schweſter/ ihr meynet nun aller Gefahr entrunnen ſeyn/ weil ihr mit eurem Liebſten ver-
maͤhlet ſeyd/ aber die euch von den Eltern angedraͤuete Straffen werden euch den Kitzel
rechtſchaffen vertreiben/ maſſen euer H. Vater euch friſche Ruhten gebunden/ und die
unbarmherzige Mutter euch in die finſtere Kammer ſperren wil/ daß euch in vier Wochen
kein Tagesliecht beſcheinen ſol; den Brodkorb wird ſie euch ſo hoch haͤngen/ daß ihr taͤg-
lich nur einmahl eſſen/ und die ganze Zeit uͤber das klare Waſſer trinken/ auch kein weiß
leinen Geraͤhte anlegen ſollet. Was gebet ihr mir nun/ daß ich meinen Bruder bitte/ euch
in der Finſterniß Geſelſchafft zu leiſten? Ich kenne ohn das euer furchtſames Herz/ und
daß ihr vor grauen in der Einſamkeit wuͤrdet muͤſſen des Todes ſeyn. Frl. Urſul hatte ei-
nen breiten Ruͤcken/ achtete des Geſpoͤttes und entſtandenen Gelaͤchters nicht groß/ ſon-
dern gab mit hoͤflicher Antwort ſo viel zu verſtehen/ daß ſie ihr Gluͤk und Heil zu verſchlaf-
fen nicht waͤhre geſinnet geweſen; dann/ ſagte ſie/ meine Fr. Mutter haͤtte mein ſechzig-
ſtes Jahr abgewartet/ ehe ſie mir von heyrahten das allergeringſte geſaget. Muß ich nun
die Schuld tragen? antwortete ihre Mutter/ die etwas einfaͤltig wahr; haſtu dich doch
kein mahl nicht verlauten laſſen/ daß du zu heyrahten willens waͤhreſt; Welches noch vor
das kurzweiligſte auffgenommen ward/ und der Stathalter es alſo beantwortete: So hat
mein Sohn wol getahn/ daß wie er der Mutter verſeumniß/ und der Tochter Bloͤdigkeit
verſpuͤret/ er durch ſeine gutwillige Anbietung nicht allein den Mutterplatz vertreten/ ſon-
dern auch der Tochter Anſuchen zuvor kommen iſt; gleich wie aber H. Kornelius und ſein
Gemahl ſich heut als Vorbitter meines Sohns haben gebrauchen laſſen; alſo wil ich hin-
wiederumb mich ihrer Frl. Tochter annehmen/ und die ſcharffen Ruhten und ſtokfinſtere
Kammter von ihr abzuwenden/ geflieſſen ſeyn.


Nach abgehobenen Speiſen erklang das Seitenſpiel in drey unterſchiedlichen Ver-
teilungen/ und fehlete nichts bey dieſer Luſt/ als Herkules Gegenwart/ umb deſſen Abwe-
ſenheit Frl. Helena ſehr traurig wahr/ weil ſie ſahe/ daß ihre Geſpielen den Zweg ihres
Wunſches erreichet/ ſie aber ohn allen Troſt in ihrem verborgenen Feur ſich ſelbſt verzeh-
ren muſte. Hingegen wahr Frl. Sophia ſo voller Luſt/ daß ſie meynete/ alles Ungluͤk waͤhre
nun uͤberwunden/ und haͤtte niemand mehr Urſach traurig zu ſeyn; doch wahr Helenen
Unmuht ihr unverborgen/ welchen zu vertreiben ſie ſchon alle gedanken anwendete; ſetzete
ſich vor dißmahl zu ihr nieder/ und fragete nach der Urſach ihrer ſchwermuͤhtigen Trau-
rigkeit/ ob derſelben nicht raht zu ſchaffen waͤhre. Dieſe/ nachdem ſie einen tieffen
Seuffzer aus dem verborgenſtẽ ihres Herzen her vorgeſucht/ gab zur Antwort: Ach herz-
liebe Schweſter/ die Urſach meiner Traurigkeit iſt wichtiger/ als daß ihr durch andere
Mittel ohn durch den Tod ſolte koͤnnen abgeholffen werden; Bitte deßwegen/ dieſer Nach-
frage euch zubegeben/ und meine Bekuͤmmernis ungeſtoͤret zulaſſen. Ey daß waͤhre Wun-
der/ ſagte Sophia/ daß mein Vermoͤgen ſo ſchlecht/ undener Ubel ſo unheilbar ſeyn ſolte;
laſſet mich/ bitte ich/ euer Anliegen wiſſen/ vielleicht habe ich noch ein Kunſtſtuͤkchen in
meinem
[112]Erſtes Buch.
meinem Arzney Buche/ deſſen ihr mir zudanken haͤttet. Ach nein/ antwortete ſie; Unmoͤg-
ligkeit iſt viel zuſchwer; eure Arzneykunſt mit allen ihren Kraͤutern und Wurzeln reichet
noch lange nicht ſo weit. Es kan ſeyn/ ſagte jene/ daß mein Vermoͤgen geringe iſt/ aber der
Wille ſol mir nimmer mangeln/ euch zu dienen; und wann ihr mirs nicht vor uͤbel hieltet/
wolte ich euer Gebrechẽ noch wol errahten. So muͤſtet ihr/ antwortete dieſe/ ſehr geſcheid
ſeyn/ wann ihr wiſſen koͤntet/ was ich meinem Herzen ſelbſt nicht offenbahren darff. Da-
her erkenne ichs deſto leichter/ ſagte Frl. Sophia; und hoͤret nur die rechte reine War-
heit; ihr liebet/ ja ihr liebet was vortreffliches. Ja ſagte jene/ den Himmel liebe ich/ oder
vielmehr den allerſchoͤnſten Stern des Himmels/ die mit aller klar- und Volkommenheit
angefuͤllete Sonne; dieſe behte ich in meinem Herzen an/ und verehre ſie mit unablaͤſſi-
gem Seuffzen. Ach nein/ antwortete dieſe; es iſt die Sonne nicht; es iſt ein vortrefflicher
mit aller Tugend und Schoͤnheit hochbegabter Ritter; der hat euer Herz eingenommen/
mit den Strahlen ſeiner Volkom̃enheit mit dem Schein ſeiner unvergleichlichen Strah-
len. Wie entſetzet ihr euch ſo/ herzliebe Schweſter? was wil die Verenderung eurer Far-
be? habe ich euch am rechten Orte getroffen/ ſo leugnet mirs nicht/ daß ich Raht ſchaffe;
wonicht/ ſo verzeihet meinem wolgemeinten Irthum. O weit weit gefehlet/ herzliebe
Schweſter/ antwortete ſie; Mannes Liebe hat bißher mein Herz wol muͤſſen unbelaͤſtiget
laſſen/ an welcher ich mir nichts anmuhtiges einbilden kan. Nein o nein du gifftige Tod-
ſeuche/ dich wil ich gerne meiden; und was ſolte mir Mannes Joch? O die Freiheit die
Freiheit iſt der Knechtſchafft weit weit vorzuzihen; jezt lebe ich meines gefallens; jezt ſte-
he ich auff und lege mich nieder/ wie und wann ich wil. Solte ich mich binden laſſen/ da
mir aller Wille vergoͤnnet iſt? dieſen Unſin wird mir kein Menſch beybringen; Frl. So-
phia mag immerhin ſich unter das Joch zwingen laſſen; Helena wil ihr eigen Herr ſeyn
und bleiben. Verſchonet mich deßwegen herzen Schweſter mit dieſer Aufflage/ und ver-
ſichert euch/ daß Helena viel witziger iſt/ als daß ſie muhtwillig ins Feuer lauffen/ oder ſich
ins Meer ſtuͤrzen wolte. O Schweſter Schweſter/ ſagte Sophia hierauff; wie kan doch
das Herz der Zungen ſolchen Muhtwillen uͤberſehen/ daß ſie wieder Wiſſen und Gewiſſen
reden darff? bedenket/ bitte ich/ wie offt ich und andere an euch dieſes Laſter geſtraffet/ daß
ihr ſtets widrige Gedanken und reden fuͤhret. Meine Laſt wil ich mit der Goͤtter Huͤlffe
noch wol tragen/ koͤnte auch vielleicht helffen/ daß eure Seele eben ſo wol befriediget wuͤr-
de; aber wer ſeine Krankheit halßſtarrig verhehlet/ dem kan nimmermehr geholffen wer-
den. Sie wolte mit dieſer Verweißrede fortfahren/ ward aber von Ladiſla zum Tanze auſ-
gefodert/ nach deſſen endigung ſie ihm anzeigete/ wie verliebet Frl. Helena ſich gegen Her-
kules befuͤnde/ und es gleichwol aus Scham nicht geſtehen duͤrffte; deſſen er nicht wenig
betruͤbt ward/ und ſie nach kurzem Bedenken fleiſſig baht/ ihr dieſe Gedanken zubenehmen/
dann es wuͤde zu keiner Wirkung gelangen/ maſſen ein wichtiges (er verſtund aber ſein
Chriſtentuhm) im wege laͤge/ welches ſolche Heyraht nicht zulaſſen wuͤrde. Worauff ſie
auch ihr Vorh aben enderte/ und doch groß Mitleyden mit dem Fraͤulein hatte. Als nun
die Zeit zur Ruhe verhanden wahr/ wurden die neuen Eheleute zu Bette gefuͤhret/ da La-
diſla den mehrenteil der Nacht mit ſeinem Fraͤulein in freundlichem Geſpraͤch zubrachte/
biß ſie gegen den Morgen einſchlieffen. Umb ſieben Uhr/ da die Sonne ihre helle Strahlen
auff
[113]Erſtes Buch.
auff ihr Bette warff/ ermunterten ſie ſich/ und wahren mit dieſem Himmes Lichte nicht
aller dinge zufrieden/ das es nicht etwas laͤnger mit ſeinem Anbruch verweilete; ſtunden
auff/ und nahmen ihre Kleider zuꝛ Hand/ da das Fraͤulein einen zierlich geſchriebenẽ Brief
unter ihrem Bruſttuche fand/ welchen ſie oͤffnete/ und folgendes Hochzeit Geticht laut dar-
aus her laſe:

Herzlicher Gluͤckes-Wunſch
An
Fraͤulein Sophia Fabia.
1
O Fraͤulein! deren Tugendſchein

So wenig kan verborgen ſeyn/

Als im Mittage Sonnenſtrahlen/

Wann alle Lufft iſt Wolken-loß/

Und ſich daß Himmel blau laͤſt bloß

Ohn alle ſchwarze Striemen mahlen.

2
O Fraͤulein! euren klugen Wiz/

Der ſeinen unverruͤkten Siz

In euer Seel’ hat wollen waͤhlen/

Kan mein geringes Reimgeticht

In dieſer Sterbligkeit gar nicht

Nach wirdiger Gebuͤhr erzaͤhlen.

3
Ja wann des Gluͤckes falſcher Neid

Von eurem Leben ſich ſo weit

Abhielt’/ als Tugenden beywohnen;

Dan wuͤrd euch dieſe groſſe Welt/

Und was darin ſich Erbar haͤlt/

Mit allen Gluͤckes Gaben lohnen.

4
Euer’ allerſchoͤnſten Augelein/

Die wol zwo klare Sonnen ſeyn/

Der Roſen-Mund/ die vollen Wagen/

Des wolgeſchaffnen Leibes Zier

Bricht alles dergeſtalt herfuͤr/

Daß ichs und keiner wird ablangen.

5
Wann euer ſuͤſſes Zuͤnglein ſpricht/

Schafft ſie/ daß Feindes wuͤten bricht/

Sie kan die Helden niderſchmeiſſen;

Sie kan dem ſchwarzen Zornes Grim

Und allem groben Ungeſtuͤm

Die Waffen auß den Haͤnden reiſſen.

6
Gluͤkſelig lebet dieſer Held/

Dem eure Gunſt wird zugeſtelt/

Dem ihr euch ehlich habt ergeben;

Ich ſpreche/ daß derſelbe Mann

Ihm beſſer Gluͤk nicht wuͤnſchen kan/

Wie hoch ihn Ehr auch mag erheben.

7
Mein teurer Wunſch iſt diß allein/

Daß ihr moͤgt beyde froͤlich ſeyn/

Als lang in euch das Blut kan wehren;

Was aber eurer Tugendpracht

Betrifft/ weiß ich/ daß keine Macht

Des Alters ſolche wird verzehren.


Das Fraͤulein lobete der Reimen (dann ſie wahren in Lateiniſcher Sprache geſchrieben)
Anmuhtigkeit/ aber der Juhalt/ ſagte ſie/ iſt auff eine viel volkommenere angeſehen; halte
mich doch dieſem Tichter hoch verpflichtet ſeyn/ daß er mich ſo wol unterrichtet/ wie ich ge-
artet ſeyn muͤſte/ wann ich ſeines Lobes faͤhig/ und euer Liebe/ mein Schaz/ wirdig ſeyn wol-
te. Aber ich kan nicht wiſſen/ auff was weiſe dieſer Brief mir hieher geliefertiſt/ es waͤhre
dann/ daß meine Leibdienerin ihn ſchon geſtern Abend mit den Kleidern herein getragen
haͤtte. Ladiſla beſahe die Hand gar eigen/ kunte aber nichts darauß erkennen/ und erboht
ſich/ da er den Tichter erfahren wuͤrde/ ihm die Kunſt und Muͤhe mit ein paar hundert Kru-
nen zu erſetzen; Dann/ ſagte er/ ob die Arbeit ſich gleich gering anſehen laͤſſet/ auch der
Meiſter es in weniger Zeit mag auffgeſetzet haben/ iſt doch zubetrachten/ wie lange Zeit/
Koſten und fleiß er angewendet/ ehe er zu dieſer fertigkeit kommen iſt. Als ſie nun ihre
Kleider gar angelegt hatten/ und Ladiſla den Huet auffſetzen wolte/ fiel ihm eine gleichmaͤſ-
ſige Schrifft herauß/ welche er auffhuhb/ und dem Fraͤulein vorlaſe.


PHerzli-
[114]Erſtes Buch.
Herzlicher Gluͤckes-Wunſch
An Herꝛn Ladiſla.
1
WAnn ſich Gluͤk uns wil verbinden/

Muͤſſen wir in Straͤuchen auch

Unſers Herzen Labſaal finden.

Seht Herr Braͤutigam/ der Rauch

Der Euch geſtern angewehet/

Iſt in lauter Luſt verdrehet.

2
Eures feſten Herzen Staͤrke
Traͤget euch zur Weißheit hin/
(Sophia
heiſſet
Weißheit)

Deren Tugend/ wie ich merke/

Euren unbeſtritnen Sin

Ihr ganz eigen hat gemachet/

Deſſen ihr vor Freuden lachet.

3
Wann der ſchoͤnen Weißheit Flammen

Und ein ungezwungner Muht

Sich ohn arge Liſt zuſammen

Halten/ muß des Unfals Wuht

Seinen Neid vergeblich tragen/

Und ſich durch ſich ſelber ſchlagen.

4
Ladiſla Eur blanker Degen

Welchen ihr ſo herzhafft fuͤhrt/

Hat der Weißheit Gunſt und Segen/

Wie ein jeder gnugſam ſpuͤrt/

Durch die Tugend eurer Sitten

Im Puſch und Gehoͤlz’ erſtritten.

5
Jezt genieſt ihr aller Luͤſte/

Welche Weißheit ſchaffen kan/

Ihre nimmer-leere Bruͤſte

Naͤhren euch jezt umb und an/

Die durch ihrer Milch außflieſſen

Eur Herz durch und durch begieſſen.

6
Nehmet es zu gutem Danke/

Daß die Weißheit Euch ſo wol

Iſt gewogen; Wann der Kranke

Wird geneſen; alsdann ſol

Seine Stimm’ und Lautenklingen

Euer Gluͤk noch mehr beſingen.

Nach verleſung lachete Ladiſla vor freuden und ſagete: Hoͤret ihr den Tichter/ herzgelieb-
ter Schaz/ den kranken Tichter nicht? kein Menſch als mein beſter Herkules hat dieſe Rei-
men auffgeſezt/ und durch einen fremden abſchreiben laſſẽ? dann ſeine Art iſt mir ohn daß
mehr als zuwol bekant; hat auch ohnzweiffel ſie in allerſtille herein geſchafft/ da mein Tul-
lius geſtern Abend mir das Kleid nachbrachte. Ey ſo muͤſſen wir den allerliebſten Freund
in ſeiner Schwacheit beſuchen/ und ihm vor dieſe Ehre gebuͤhrlich danken/ ſagte ſie; gin-
gen mit einander hin/ und funden den Stathalter ſchon bey ihm vor dem Bette ſitzen/ und
die beyden Aerzte zur Seite ſtehen/ die nach auffgeloͤſetem Schaden guten Troſt gaben/
daß inwendig zehen Tagen er voͤllig ſolte geneſen/ dafern er ſich nicht mit ſchwermuͤhtigen
Gedanken plagen/ ſondern der Heilung in ungeſtoͤreter Ruhe auff ſeinem Lager fein ab-
warten wuͤrde; welches ihnen allen ſehr angenehm zu hoͤren wahr. Der junge Fabius kam
auch zu ihnen/ und als ſie ingeſamt von ihm Abſcheid nahmen/ baht er Ladiſla und den jun-
gen Fabius/ ihm noch ein Stuͤndichen Geſelſchafft zutuhn/ worzu ſie willig wahren.


Nun hatte ihm der Stathalter des vorigen tages auff ſein Begehren etliche Buͤcheꝛ
zuſtellen laſſen/ vor die lange Weile darin zuleſen/ unter welchen des Plinius Schrifften
wahren von der Welt Geſchichten; aus deſſen andern Buche hatte Herkules die Gottes-
laͤſterlichen Worte angemerket/ welche er fuͤhret von Gottes Allmacht/ die er außdruͤklich
leugnet. Es fielen ihm gleich dazumahl ſolche laͤſterungen ein/ ſchlug den Ort auf/ und gab
ihn Ladiſla zu leſen/ mit Bitte/ ihm ungeſcheuet zu ſagen/ was er von dieſes hochgelahrten
Mannes meynung hielte. Dieſer nahm das Buch/ und laſe dieſe Worte laut uñ deutlich:
Die vornehmeſten Troͤſtungen der Unvolkommenheit am Menſchen ſind dieſe: daß auch Gott ſelbſt
nicht alles koͤnne; dann er kan ihm ſelbſt den Tod nicht antuhn/ ob er gleich wolte/ welches er doch dem
Menſchen als ſein beſtes/ in den ſo groſſen Lebensſtraffen mitgeteilet hat. Daß er auch nicht koͤnne die
Sterblichen mit der Ewigkeit begaben/ noch die Verſtorbenen wieder zum Leben hervor ruffen; noch
machen/
[115]Erſtes Buch.
machen/ daß der gelebet hat/ nicht ſolte gelebet haben/ der Ehrenaͤmpter verwaltet hat/ ſie nicht ſolte
verwaltet haben. Habe auch uͤber vergangene Dinge kein Recht/ als das Recht der Vergeſſenheit;
koͤnne endlich auch nicht machen/ daß zweymahl zehne nicht zwanzig waͤhren.


Nach verleſung bedachte er ſich ein wenig/ und bald darauff ſagete er: Gilt Bruder/
dieſer hochgelehrte Man wird dich in die Schule fuͤhren/ und dir deinen Glauben (er re-
dete aber Boͤmiſch/ daß Fabius es nicht verſtehen ſolte) zur Tohrheit machen; maſſen ich
mit aller meiner Vernunfft nicht begreiffen kan/ wie dieſes zu wiederlegẽ ſey. Lieber Bru-
der/ antwortete er auff Lateiniſch/ es iſt mir lieb/ daß du mir deine Blindheit fein gerade
zu bekenneſt/ und mit dieſem Laͤſterer Gottes Allmacht in zweiffel zuzihen geſteheſt/ welches
mir doch nicht lieb iſt. Aber Herr Fabius/ was haltet ihr von dieſer Meynung? Ich halte
meine Urtel hieſelbſt billig zuruͤk/ ſagte er/ weil es uͤber meinen Verſtand gehet/ habe auch
wol ehemahls etliche davon reden hoͤren/ die am Ende ihres Geſpraͤchs weniger wuſten/
als im Anfange. Sie ſind darin zuentſchuldigen geweſen/ ſagte Herkules; Urſach; ſie ha-
ben den Felſen nicht erkennet/ auff welchem Gottes Almacht unbewaͤglich gegruͤndet iſt/
und wider das toben dieſes wuͤtigen Hundes auch wol in Ewigkeit feſt bleiben wird. Ich
wuͤrde mich vor gluͤkſelig ſchaͤtzen/ ſagte Fabius/ wann ich dieſes Felſens Erkaͤntniß haͤtte/
und des Plinius angefuͤhrte Worte auß dem Grunde zuwiderlegen wuͤſte. Mein Herr/
antwortete er; Er gebrauche ſich nur der geſunden Vernunfft/ ſo wird er beydes die un-
gezweifelte Allmacht Gottes erkennen/ und des Plinius kindiſche/ ja viehiſche Einwuͤrffe
mit leichter Muͤhe umſtoſſen. Weil ſie nun beyde von jhm gute Anleitung hierzu begehre-
ten/ fing er alſo an: Demnach der Menſch auß dem groſſen Weltbuche ſehen und lernen
kan/ daß ein Gott ſey/ und nohtwendig ein Gott ſeyn muͤſſe/ ſo wird er zugleich auch daher
erkennen/ die Allmacht Gottes des HErꝛn/ als des groſſen Schoͤpffers/ oder nur Erhal-
ters der Welt. Ja beſinnen wir uns ein wenig/ ſo gibt uns die Vernunfft alsbald an die
Hand/ daß Gott ein Allmaͤchtiges Weſen ſey. Dann ſolte es ihm an einiger Krafft oder
Macht mangeln/ ſo wuͤrde er nicht Gott/ das iſt/ er wuͤrde nicht der kraͤfftigſte noch mach-
tigſte ſeyn/ ſondern einen noch kraͤfftigern und maͤchtigern uͤbeꝛ ſich haben/ und alſo waͤhꝛe
er nicht Gott/ dann uͤber Gott kan und muß nichts ſeyn. Wer dann nun erkennet/ dz Gott
Gott iſt/ der ſihet und erkeñet zugleich/ daß er allmaͤchtig iſt/ und alles tuhn kan/ was er wil/
im Himmel/ auff Erden/ im Meer und in allen Tieffen; ja daß durchaus kein ding bey ihm
unmoͤglich iſt. Dann alſo ſchleuſt unſere Vernunfft ohn Anſtoß und Zweifel/ da ſie rich-
tig zugehet. Alle vernuͤnfftige Heyden haben einen Gott geglaͤubet/ und die denſelben ge-
glaͤubet haben/ die habẽ ihm zugleich auch die Allmacht zugelegt; Daher ſpricht Homerus
(Odyſ. XIV.) Gott kan alles. Und was iſt bey den Lateiniſchen Tichtern/ Virgilius/ Hora-
tius/ Ovidius und andern mehr/ gebraͤuchlicher/ als eben ihr Jupiter omnipotens, daß ſie jh-
ren hoͤchſten Gott den Allmaͤchtigen nennen? Zizero bekennet Gottes Allmacht mit klaren
Worten/ wann er im dritten Buch von der Goͤtter Art ſpricht: Nichts iſt/ das Gott nicht ſol-
te tuhn koͤnnen/ und zwar ohn alle Muͤhe. Der uhr alte Linus/ des Orpheus Lehrmeiſter hat ſol-
ches mit dieſen Worten geſtanden: Gotte iſt alles leicht zu tuhn/ und nichts iſt ihm unmoͤglich.
O ja/ wer nur das einige Geſchoͤpff Gottes/ das unvergleichliche Sonnenliecht anſihet uñ
betrachtet/ muß ſich freylich uͤber des Schoͤpffers Allmacht zum hoͤchſten verwundern.
P ijDie
[116]Erſtes Buch.
Die Himmelsverſtaͤndige haben durch ihre Rechnung abgemaͤſſen/ daß die Sonnenkugel
CLXVI mahl groͤſſer/ als die ganze Meer- und Erdenkugel iſt. Hat nun die Erde in ihrem
Umkreiß 5400 Teutſche Meilen/ ſo muß ja die Sonnenkugel in ihrem Umkreiß 896400
Teutſcher Meilen haben; welches zwar den Ungelehrten allerdinge unglaͤublich vorkomn
weil ſie ihnen/ dem anſehen nach kaum ſo groß als eine Klaffter ſcheinet; aber wer da be-
trachtet ihre ſehr weit abgelegene Hoͤhe von der Erden/ als von deren mitteltippelichen
ſie 1039500/ das iſt/ tauſend mahl tauſend/ neun und dreyſſig tauſend und fuͤnffhundert
Meilen entfernet iſt/ der wird ihm der Sonnen Groͤſſe nicht unmoͤglich vorkommen laſ-
ſen. Bey welcher Groͤſſe/ wann wir zugleich ihren ſchnellen Lauff erwaͤgen/ haben wir wol
urſach mit dem weiſen Juͤdiſchen Lehrer Syrach zu ſprechen: Das muß ein groſſer HErr
ſeyn/ der ſie gemacht hat/ und hat ſie heiſſen ſo ſchnell lauffen. Doch zu unfem Zweg naͤ-
her zu zielen/ wann wir Gottes Allmacht eigentlich erkennen wollen/ muͤſſen wir zuvor wiſ-
ſen und verſtehen/ was Allmaͤchtig ſey und heiſſe. Allmaͤchtig ſeyn/ heiſſet nicht/ beydes das
gute und boͤſe verrichten koͤnnen. Allmaͤchtig ſeyn/ heiſſet nicht/ ſich ſelbſt nicht allein erhal-
ten/ ſondern auch verderben und vernichten koͤnnen. Allmaͤchtig ſeyn/ heiſſet nicht/ die ewi-
ge/ bey Gott ſelbſt beſtehende/ und dem Geſchoͤpff nach ſeiner maſſe mitgeteilete weſentli-
che Warheit auffheben; oder daß ichs kurz ſage/ was einmahl wahr geweſen iſt/ zu falſch
und Luͤgen machen koͤnnen. Maſſen/ wer boͤſes tuhn kan/ der iſt nicht allerdinge Gut/ viel-
weniger wird er Gott ſeyn. Verſtoͤrete er dann ſein Weſen/ ſo waͤhre er nichts mehr. Lei-
ſtete er aber das lezte/ ſo machte er falſch/ was er zuvor ſelbſt wahr gemacht hat/ uñ ſuͤndig-
te alſo wider ſich ſelbſt. Was heiſſet dann/ Allmaͤchtig ſeyn? Gutes/ und lauter gutes/ auch
alles gute/ nichts aber wider ſich ſelbſt tuhn koͤnnen/ und zugleich von aller Zuneigung uñ
Gefahr des boͤſen/ des Schaden/ der Suͤnde/ und des Verderbens aller Dinge/ und durch
ſich ſelbſt befreyet ſeyn. Sehet/ das heiſſet Allmaͤchtig ſeyn. Haͤtte nun der in dieſem
Stuͤk unverſtaͤndige Plinius dieſem etwas beſſeꝛ nach gedacht/ wuͤrde er/ in Veꝛleugnung
der Allmacht Gottes ſeinen mehr als kindiſchen Unverſtand nicht mit eigener Feder ver-
rahten haben. Betrachten wir aber ſeine obangezogene Worte/ ſo iſt dabey anzumer-
ken/ daß er ſie in dieſer Andacht vortraͤget/ umb zu behaͤupten/ daß Gott nicht ein ſelbſtaͤndi-
ges Weſen auſſer der Welt/ ſondern eben die Krafft ſey/ die im Weſen/ oder (wie die Ge-
lehrten reden) in der Natur Himmels/ Erden und anderer Geſchoͤpffen iſt und ſtecket/ wie
er ſolches außdruͤklich hinzuſetzet. Aber O der verwaͤgenen/ O der blinden Tohrheit.
Hier muß trauen Plinius/ einer von den Allerweltweiſeſten/ mit ſeinem Beyſpiel bekraͤff-
tigen/ daßes wahr ſey/ was ein Chriſtlicher Lehrer ſaget: GOtt habe die Weißheit dieſer
Welt zur Tohrheit gemacht. Und abermahl: Die Welt habe durch ihre Weißheit Gott
in ſeiner Weißheit nicht erkennet. Er iſt ja in ſeinem tichten eitel worden/ und ſein un-
verſtaͤndiges Herz iſt verfinſtert; Da er ſich vor weiſe hielt/ iſt er zum Narren worden.
Dann vorerſt zweifelt er auff gut Epicuriſch/ ob auch ein Gott ſey; was ſolte er dann wol
geſundes von Gottes Weſen und Allmacht vorbringen? jedoch laſſet uns vernehmen/ obs
gleich der Muͤhe nicht wert iſt/ was hinter ſeiner vermeyneten Weißheit ſonderliches ſtec-
ke/ damit dieſer ohmaͤchtige Erdwurm den allmaͤchtigen Gott anhauchen darff. Anfangs
meynet er; Es gereiche den Menſchen zum ſonderlichen Troſte/ daß Gott nicht allmaͤchtig ſey. Aue
des
[117]Erſtes Buch.
des elenden/ des faulen und nichtigen Troſtes! ſolte es auch wol einem Kinde Troſt brin-
gen/ daß ſein Vater ihm weder rahten noch helffen kan/ wañ es in ſchwerer Krankheit dar-
nieder lieget? Kein Witziger redet ſo unwitzig. Oder ſolte einem Untertahnen es troͤſt-
lich ſeyn/ daß ſeine Obrigkeit ihn vor ſeinen Feinden/ die fein Verderben ſuchen/ nicht
ſchuͤtzen kan? das muß auff gut Pliniſch freylich ein ſonderbahrer Troſt ſeyn. Wer aber
den Sachen vernuͤnfftig nachſiñet/ wird ohn zweifel gerade das Gegenſpiel vor wahr hal-
ten; nehmlich/ der vornehmſte Troſt des Menſchen in allen ſeinen Noͤhten ſey/ daß ſein
liebreicher Gott alles koͤnne/ und ihm durchauß kein Ding unmoͤglich ſey. Dann wer an
Gottes Allmacht zweifelt/ wie kan derſelbe ichtwas vertraulich von Gott bitten? muß er
nicht auff gut beraht behten/ unter der Furcht/ obs auch in Gottes Macht ſtehe/ ihm zuge-
ben was er bittet? Alſo hat dieſer elende Menſch ihm einen Troſt gemacht auß eitelem
Schrecken/ und wie ein alter Juͤdiſcher Koͤnig von den Gottloſen ſpricht: Sie fuͤrchten ſich
da nichts zu fuͤrchtẽ iſt; Alſo troͤſtet ſich dieſer/ da nichts weniger als Troſt ſich eraͤuget. Zwar
ein gottloſes Weltkind/ moͤchte vielleicht auß Gottes Unmacht einen Troſt faſſen/ und ſa-
gen: Was ſchadet mirs dann endlich/ oder was ſol ich mich groß drum bekuͤmmern/ daß
ich dieſes oder jenes gute/ welches mir zwar wol anſtuͤnde/ nicht leiſten kan? Kan doch Gott
ſelbſt nicht alles/ wie ſolte ich dann alles koͤnnen? Aber was dieſer Troſt ihm nuͤtzen werde/
wird ſein kuͤnfftiges Ach und Weh offenbahr machen/ in welches er durch dieſen greuli-
chen Laͤſterungstroſt ſich ſelbſt ſtuͤrzet. Hoͤretnun weiter/ auß was Gruͤnden der Laͤſterer
Gottes Allmacht beſtuͤrme: Gott kan ihm ſelbſt den Tod nicht antuhn/ ob er gleich wolte; ſpricht
er vorerſt: Iſt eben ſo viel geſagt: Der Demant verbrennet nicht im Feur/ wie Stoppeln;
ſchmelzet nicht/ wie Butter an der Sonnen; vergehet nicht/ wie der Rauch; derwegen iſt
er nicht ſo ſtandfeſt/ hart und daurhafft als dieſe Dinge. Ja ein tieferſinneter Schluß!
Oder/ als wann ich ſagen wolte: Die Sonne verleuret ſich nicht wie der Staub/ darumb
iſt ſie nicht ſo kraͤfftig. Wer ſolte dieſe Blindheit nicht beklagen/ daß eben auß der groͤſſeſten
Macht Gottes/ dieſer unwitziger/ Gottes Unmacht und Gebrechen erzwingen wil? Je koͤn-
te Gott ſterben/ ſo waͤhre er nicht Gott/ ſo waͤhre er nicht allmaͤchtig/ ſondern der Tod waͤ-
re maͤchtiger dann er/ waͤhre ſein Gott und ſein Meiſter. Weil es nun eine allerdinge
lautere Unmoͤgligkeit iſt/ daß Gott ſterben koͤnne/ ſo ſolte Plinius vielmehr alſo geſchloſſen
haben: Gott kan nicht ſterben/ deßwegen iſt er allmaͤchtig; nehmlich/ es iſt keine aͤuſſerliche
noch innerliche Macht/ welche Gott den HErrn koͤnte zu nichte machen. Das Drachen-
ſchwaͤnzlein/ ſo er hinan haͤnget/ da er ſpricht: Ob Gott gleich wolte/ koͤnne er ihm doch den
Tod nicht antuhn; Iſt nicht eine geringe Laͤſterung; Dann wie wolte das allerhoͤchſte
und vollkommenſte Gut wollen/ daß es ſtuͤrbe; und wie kan das ſterben wollen/ das von E-
wigkeit her/ und das Leben ſelber iſt? Es iſt aber dem Plinius noch nicht gnug an dieſem
Unwitze/ ſondern tuht noch hinzu: Der Menſch in ſeinem groſſen Lebensungluͤk habe diß/
als das beſte Mittel von GOTT/ bekommen/ daß er ſich ſelbſt entleiben kan. O der Gottlo-
figkeit! Hat dann GOTT dem Menſchen die wirkliche Sterbligkeit anerſchaffen/
oder ihm gut geheiſſen und befohlen/ ſich ſelbſt des Lebens zuberauben? Nein/ O Nein!
Die Suͤnde/ die Suͤnde hat ihm dieſes Leid zur harten Straffe zu wegen gebracht.
P iijDann
[118]Erſtes Buch.
Dann haͤtte der erſte Menſch nicht geſuͤndiget/ ſondern an Gottes Gebot ſich feſt gehaltẽ/
wuͤrde er nimmermehr in den Tod gerahten ſeyn/ ſondern ſo lange in dieſer jrdiſchen Welt
gelebet haben/ biß ihn Gott nach ſeinem gnaͤdigen Willen in die Ewigkeit auffgenommen
haͤtte. Iſt demnach die Unſterbligkeit den Menſchen von dem leidigen Teufel durch die
Suͤnde geraubet und der Tod beygebracht. Doch hat man dieſes mit Plinius als einem
Heyden nicht zu ſtreiten/ als welchem dieſe geoffenbahrete Glaubenslehre/ von des erſten
Menſchen anerſchaffener Unſterbligkeit unbekant iſt. Aber auch/ wann der Menſch den
Vorſatz und Willen nimt/ ſich ſelbſt zuermorden/ das ruͤhret trauen nicht her von GOtt/
ſondern von des Teuffels eingeben/ als der von Anfang ein Moͤrder iſt. GOtt ſetzet ja
in ſeinen heiligen zehen Gebohten/ hat es auch den Menſchen ins Herz gepflanzet/
Du ſolt nicht toͤdten; ſo wenig dich ſelbſt als einen andern. Wie ſolte dann Gott den Men-
ſchen das heiſſen oder eingeben/ was Er ihm ſo ernſtlich verbohten hat? Kan die Obrig-
keit ihren Untertahnen auch wol gebieten/ wieder die Geſetze zu ſuͤndigen/ welche ſie durch-
aus wil gehalten haben? was haben wir dann vor Urſach/ dem allergerechteſten und hei-
ligſten Gott mehr Ungerechtigkeit und Suͤnde/ als den Menſchen anzutichten? Nun
waͤhre es aber Suͤnde/ wann Gott dem Menſchen gaͤbe was Suͤnde iſt. Aber O nein!
kein witziger Menſch wird Gott einiger Suͤnde zeihen. Andere vernuͤnfftige Heyden haben
viel heiligere Gedankẽ von Gott gefuͤhret: Plato ſpricht in ſeinem Buche von den Geſetzẽ:
Gott ſey eine Urſach alles guten/ und keines boͤſen. Ariſtoteles ſpricht im neunden Buch Meta-
phyſ:
Bey dem ewigen Weſen iſt weder boͤſes/ noch Verderbung/ noch Suͤnde; Und in ſeinem ſie-
benden Sitten Buche an Nikomachus ſchreibet er: Gleich wie dem unvernuͤnfftigen Vieh
kein Laſter beywohnet/ alſo auch Gotte nicht. Ja ſprichſtu; Es hat aber Plinius nach Stoi-
ſcher Meynung die anſich ſelbſt-Handanlegung vor eine Helden Tugend gehalten/ und da-
her Gott keiner Suͤnde geziehen/ oder daß er an der Suͤnde Wolgefallen haͤtte. Antwort:
Er hat aber daran ſehr geirret/ welches er aus anderer Heyden Schrifften/ inſonderheit
des Ariſtoteles herlichen Sittenbuche erlernen ſollen/ da er im fuͤnfften Buche ſchreibet:
Die Geſetze verbieten/ daß jemand ſich ſelbſt toͤdte; dann ſpricht er; Daß Gemeine Beſte werde da-
durch beleidiget/ und werde demnach ein ſolcher nach ſeinem Tode billig durch Schmach gezeichnet/
und vor Ehrloß gehalten. Zum wenigſten haͤtte Plinius von dieſem ſchaͤndlichen Irtuhm
durch die abſcheuliche Folge/ ſo dannenhero entſtehet/ ſich ſollen abſchrecken laſſen; dann
iſt/ ſich-ſelbſt-entleiben-koͤnnen/ eine Krafft/ ein ſonderliches Vermoͤgen/ und ein gutes
Ding/ und zwar ein ſolches/ welches Gott dem Menſchen verlihen/ und ers doch ſelber
nicht hat; je ſo wird ja folgen muͤſſen 1 das Gott dem Menſchen einige Krafft gegeben/
die er ſelber nicht hat; und alſo 2 Gott den Menſchen maͤchtiger gemacht habe/ als er ſel-
ber iſt/ zum wenigſten in dieſem Stuͤcke. Worzu 3 noch dieſes koͤmt/ daß des Menſchen
Gluͤkſeligkeit auch wol in ſeinem Verderben/ in ſeinem tode und Untergange beſtehen kan.
Wer hat ſolche unbeſonnene Tohrheiten von einem vernuͤnfftigen Menſchen je gehoͤret?
Noch dannoch faͤhret er fort/ Gottes Allmacht aus einem andern faulen Grunde anzu-
fechten/ nehmlich das er die Sterblichen mit der Ewigkeit nicht begaben koͤnne. Dieſen eiteln
Wahn zu hintertreiben/ iſt zu merken/ daß die Ewigkeit auff zweyerley Art verſtanden wer-
de. Erſtlich heiſſet Ewig; daß ohn Anfang geweſen iſt/ und ohn auffhoͤren bleiben wird.
Hernach;
[119]Erſtes Buch.
Hernach; daß zwar in der Zeit/ oder ja mit der Zeit einen Anfang genommen/ aber doch
kein Ende nehmen wird. Nach dem erſten Verſtande iſt allein Gott/ und kein ander Ding
Ewig; nach dem andern/ iſt die Ewigkeit allen Engeln uñ vernuͤnfftigen Seelen von Gott
mitgeteilet/ wird auch nach dieſer Sterbligkeit in der Aufferſtehung von den Todten/ un-
ſern Leibern zugeleget werden. Von den Engeln iſt unnoͤhtig/ alhier zu handeln/ weil deren
Erkaͤntnis aus dem Lichte der Vernunfft ſehr geringe iſt. Der Seelen Ewigkeit wird von
den verſtaͤndigen Heyden gerne geglaͤubet und vor wahr gehalten/ welches auch von Pla-
to und Ariſtoteles durch wolgeſezte Gruͤnde bewehret iſt. Der trefliche Roͤmiſche Buͤrge-
meiſter M. Tullius in ſeinem Buche von den Geſetzen ſchleuſt alſo: Weil die (heydniſche)
Geſetze wollen/ daß etliche von den Menſchen/ als Herkules und andere/ ſollen vor Goͤtter
geehret werden/ ſey ſolches ja eine Anzeigung/ daß die Seelen unſterblich ſeyn. Und ob die-
ſes gleich kein buͤndiger Beweißtuhm iſt/ ſo folget doch daher/ daß der Seelen Unſterblig-
keit ſey von den Geſezgebern vor gewiß gehalten worden. Am andern Orte (lib. 1 tuſculan.
quæſtion.)
beweiſet er der Seelen Unſterbligkeit daher/ daß alle Menſchen/ was ſich nach
dem Tode zutragen werde/ ihnen laſſen angelegen ſeyn. Ovidius ſagets rund und duͤrre
heraus/ und ſpricht im XV Buche ſeiner Verwandelungen: Morte carent animæ. Die See-
len ſterbẽ nicht. Daß aber unſere Leiber nach dieſem Leben auß dem Staube der Erden der-
eins wiederumb werden hervor kom̃en/ iſt zwar der Vernunfft ein verborgenes Geheim-
niß/ und allein den Glaͤubigen auß Gottes Worte offenbahr; jedoch hat Plinius noch lan-
ge nicht urſach gnug/ ſo verwaͤgen zu leugnen/ daß Gott die Sterblichen mit der Ewigkeit
nicht begaben koͤnne/ ober gleich deſſen kein Beyſpiel geſehen hatte; dann was ſolte Gott
verhindern/ daſſelbe ewig zuerhalten/ was er aus nichts erſchaffen hat/ wann es nur ſein
Wille waͤhre? Ja moͤchte jemand zu Plinius ſeiner Entſchuldigung einwenden; ſo kan
gleichwol Gott keinem Geſchoͤpffe die erſte Art der Ewigkeit mitteilen. Iſt gar ein unge-
reimter Einwurff. Dann iſt dieſes oder jenes ein Geſchoͤpff; das heiſſet; iſt es gemacht
worden/ ſo muß es ja einen Anfang genommen haben; hat es aber einen Anfang genom-
men/ ſo kans ja nicht von Ewigkeit ſtets geweſen ſeyn. Daß nun GOtt nicht kan machen/
daß ein Geſchoͤpf von Ewigkeit her ſey; ſolches gibt ſeiner Allmacht keinen Abbruch/ ſon-
dern weil es/ wie die Gelehrten reden/ Contradictoria, widerſprechige Dinge ſind; Von E-
wigkeit her ſeyn. Und: Nicht von Ewigkeit her ſeyn; oder einen Anfang gehabt haben; ſo waͤh-
re es wider Gottes ewige Warheit/ auß dem einen das andere/ nemlich auß dem Ja/ Nein;
und auß dem Nein/ Ja machen; und wuͤrde alſo Gott ſeine Warheit ſelbſt auffheben; wel-
ches an ihm keine Almacht ſondern groſſe Unbeſtendigkeit und Falſcheit ſeyn wuͤrde. Was
Plinius weiter her auß koͤcket: Gott koͤnne die Abgelebeten nicht wieder zuruͤk ruffen; das iſt: Er
koͤnne die Todten nicht wieder zum Leben aufferwecken/ ſolches wird er dereins am juͤngſtẽ
Tage viel anders/ wiewol mit ſeinem groſſen Schaden/ ja mit Ach und Weh erfahren/ da
er wegen dieſer Verkleinerung der Allmacht Gottes/ ſehr ſchwere Hellenſtraffen wird uͤ-
ber ſich nehmen muͤſſen/ deren Vorſchmak er ſchon in dieſem Leben empfunden/ als ihn deꝛ
Dampff des Feur und Schwefels/ welches der Berg Veſuvius außwarff/ erſtickete/ wie
hefftig er ſich auch bemuͤhete/ demſelben zuentgehen. O haͤtte er nur ein wenig nachgefra-
get/ was etwa XLIV Jahr zuvor/ als er dieſe ſeine Geſchicht Buͤcher dem Roͤmiſchen Buͤr-
gemei-
[120]Erſtes Buch.
gemeiſter Titus Veſpaſianus zuſchrieb/ ſich im judiſchen Lande hatte zugetragen/ da der
welt Heyland Jeſus/ etliche verſtorbene zum Leben aufferweckete/ alsdann wuͤrde er ſeine
gar zu verwaͤgene Feder nicht ſo leichtfertig wieder Gottes Allmacht geſchaͤrffet haben.
Seine uͤbrigen Einwuͤrffe/ da er vorgibt/ Gott koͤnne nicht machen. Daß der gelebet hat/
nicht ſolte gelebet haben; der Ehrenaͤmter bedienet hat/ ſie nicht ſolte bedienet haben; oder; das
zweymahl zehn nicht zwanzig machten; ſind auß obigem leicht zu entſcheiden. Dann
machte GOTT ſolches/ ſo machte er aus der Warheit Luͤgen und Unwarheit. Daß
muͤſte aber wol ein feiner GOTT ſeyn/ der ſich in ſeiner Warheit ſelbſt zum Luͤgner
machte! So wenig nun Gottes Almacht dadurch verletzet wird/ daß er ſich ſelbſt nicht
wuͤrgen kan; eben ſo wenig tuht es ſeiner Allmacht ſchaden/ daß er ſich ſelbſt nicht zum luͤg-
ner machet; noch was einmahl wahr geweſen/ heiſſet eine Luͤgen uñ Unwarheit ſeyn; noch
die nohtwendige Folge (zweymahl zehn ſind zwanzig)/ welche er der Vernunfft als eine
unvermeidliche Warheit eingepflanzet/ auffhebet und faͤlſchet. Eines iſt noch uͤbrig zube-
ruͤhren/ daß er hinzu kuht: Gott habe nullum in præterita jus, præterquam oblivionis. Kein
Recht uͤber die vergangenen Dinge/ als das Recht der Vergeſſenheit; iſt etwas dunkel geredet;
Und heiſſet entweder ſo viel/ daß Gott die vergangenen Dinge vergeſſen koͤnne/ oder daß er
ſie nicht vergeſſen koͤnne. Verſtehet er daß lezte/ ſo laſſe ichs in ſo weit lauffen/ daß Gotte
die vergangenen Dinge freylich ſtets vor Augen ſtehen/ aber er dannoch viel ein groͤſſer
Recht uͤber dieſelben habe/ als nur allein/ daß er ſie nicht vergeſſen koͤnne. Nimt er daß er-
ſte; ſo iſt er gedoppelt gottloß; maſſen die Vergeſſenheit keine Stat noch Raum findet bey
Gott/ als welchem nichts vergangen/ nichts zukuͤnfftig/ ſondern alles gegenwaͤrtig iſt/ wel-
ches Ariſtoteles bekennet/ (lib. de bon. fortun.) da er ſpricht: Gott ſihet gar wol das Gegen-
waͤrtige/ vergangene und Zukuͤnfftige. Und Homerus (Odysſ. IV) Die Goͤtter wiſſen alles Und
was wolte das wol vor ein Gott ſeyn/ deſſen Gedaͤchtnis die Vergeſſenheit beſchleichen
koͤnte? Es iſt faſt eine unnuͤtze muͤhe/ und vergebliche Arbeit/ ſich in Wiederlegung eines
ſo handgreifflichen Irtuhms laͤnger auffzuhalten/ inſonderheit/ weil meine Herren und
Bruͤderliche Freunde ohn zweiffel ihre gedanken am andern Orte haben; zu beklagen abeꝛ
iſt es/ daß in andern Kuͤnſten und Wiſſenſchafften ein ſo hocherfahrner faſt unvergleich-
licher Man/ in dieſe tieffe und unſinnige Finſternis gerahten iſt/ daß er die augenſcheinli-
che Allmacht Gottes anzufechten/ und ein groͤſſer Himmelsſtuͤrmer/ als des Ovidius ſei-
ne/ zu werden/ ſich nicht geſcheuhet hat; da andere verſtaͤndige Heyden nie gebilliget ha-
ben/ was Gott zur Beſchimpffung gereichen kan; dz dem nach des vorgedachten M. Tul-
lius Warnung ihn von ſolcher gottloſigkeit haͤtte billig abhalten ſollen/ welcher im andern
Buche von der Goͤtter Art/ alſo ſchreibet: Es iſt eine boͤſe und Gottloſe Gewohnheit/ wieder die
Goͤtter zureden/ es geſchehe gleich aus Ernſt/ oder nur zum Scherze. Hiemit gab er ſeiner rede
die Endſchafft/ und weil der junge Fabius alle ſeine Worte in ſein Handbuͤchlein ſchrieb/
ſagte er zu ihm: Mein Herr/ ich bitte ſehr/ er wolle meine Reden keinem verſtaͤndigen zei-
gen/ damit ſeine Schrifft nicht ein Zeuge ſey meines geringen Verſtandes. Ich werde
dieſe Unterrichtung vielmehr taͤglich durchleſen/ ſagte er/ damit ich mich befleiſſige/ den
Goͤttern ihre gebuͤhrliche Ehre zugeben/ und mich vor deren Laͤſter- und Beſchimpffung
zu huͤten. Herkules wolte ſie nicht laͤnger aufhalten/ baht nochmals/ daß ſie es/ als unteꝛ der
Ro-
[121]Erſtes Buch.
Roſe geredet/ verſchweigen moͤchten/ und lies ſie damit von ſich; da auff dem Wege Fa-
bius zu Ladiſla ſagte: Er hielte vor gewiß/ daß wo nach etlicher Meynung die Seelen der
verſtorbenen in andere Leiber gegoſſen wuͤrden/ muͤſten die Goͤtter drey unterſchiedliche/
als die verſtaͤndigſte/ herzhaffteſte und freundligſte zuſammen verknuͤpffet/ und dieſen Hel-
den damit volkommen gemacht haben; und duͤrffte ich faſt waͤhnen/ ſagte er/ es ſey Herr
Herkules dem Chriſtlichen Glauben zugetahn. Iſt mein Herr Schwager und Bruder
der Meynung/ ſagte Ladiſla/ ſo iſt mein fleiſſiges Anſuchen/ er wolle ſolches vorſich allein
meinen; welches er dañ gerne verſprach. Die zehen Tage uͤber/ daß Herkules ſich in ſeiner
Kammer halten muſte/ dauchten der Geſelſchafft laͤnger als ihm ſelbſt/ weil er ihrer al-
ler Herzen ihm faſt eigen gemacht hatte. Am eylfften Tage legte er ſeine Kleider an/ und
ging mit den andern zu Tiſche/ da der Stathalter eine froͤliche Gaͤſterey/ und dabey ein her-
liches Seytenſpiel anſtellete. Weil dann Ladiſla ſeiner liebſten/ Herkules anmuhtige
Spiel- und Singekunſt geruͤhmet hatte/ ſuchte dieſelbe alle Gelegenheit/ wie ſie ihn hoͤren
moͤchte/ merkete aber/ daß er bey ſo groſſer Geſelſchafft kein belieben darzu trug/ daher ſie
ſolches bey ſpaͤtem Abend/ als die Fremden alle hinweg wahren/ von ihm erbaht/ da er die
Laute nahm/ und weil es zwiſchen Oſtern und Himmelfahr wahr/ dieſes Teutſche Oſter-
lied/ welches er ſelbſt geſezt hatte/ ſang und ſpielete:


1
Nun hat das heilge Gottes Lam/

Dem man am Kreuz das Leben nam/

Den ſchoͤnen Sieg an Hell’ und Tod

Behaͤuptet als ein wahrer Gott.

2
Sein Ferßenſtich gibt nicht mehr Blut/

Verſchwunden iſt der Schlangen Muht;

Ihr Haͤupt iſt nun zerknirſchet gar/

Das bey dem Kreuz ſo freche wahr-

3
Der Drache hat ſich eingehuͤlt/

Sein Troz und Frevel iſt geſtilt/

Sein Gifft macht ihm ſelbſt angſt und Pein/

Und dringet auff ſein Herz hinein.

4
Wo iſt O Tod/ dein Stachel jez?

Wo habt ihr Teuffel euren Wiz?

Wo iſt der Hellen Macht und Sieg?

Wer fuͤhret wieder uns den Krieg?

5
Das Lam/ daß der Welt Suͤnde traͤgt/

Hat eure Macht in Koht gelegt.

Es herſchet kraͤfftig dort und hier/

Und eur Leid wehret fuͤr und fuͤr.

6
Ja liebſter Heyland/ deine Krafft

Hat uns nun Fried und Ruh geſchafft;

Die Feinde die uns draͤngten ſehr/

Sind mat und gelten fort nicht mehr.

7
Was murret ihr/ ihr Teuffel noch?

Was ſperret ſich der Hellen Loch?

Und duͤrffen Gottes ſeiner Schaar

Noch Marter draͤuen und Gefahr.

8
Das Laͤmlein daß erwuͤrget wahr

Bricht eure Wuht und Rachgier gar.

Der Loͤu’ aus Juda ſteht uns bey/

Und macht von eurem Zorn uns frey.

9
Der Simſon bricht der Hellen Tuͤhr/

Der kühne David trit herfuͤr.

Der Goliath liegt ſchon geſtrekt/

Und die Philiſter ſind erſchrekt.

10
Du Heyland/ du geherzter Held

Haſt aller Feinde Macht gefelt/

In dem du aus dem Grab auffſtehſt/

Und wieder ein zum Leben gehſt.

11
Was wolten wir dann fuͤrchten ſehr

Des Todes Macht/ das helliſch’ Heer?

Las toben was da wil und kan/

Trit nur den Kampff mit ihnen an.

12
Iſt deine Macht O Menſch/ gleich ſchwach/

So hebt dein Heyland hinten nach.

Durch deſſen Krafft wirſtu beſtehn/

Und dein Feind muß zu Bodem gehn.

13
O Heyland hilff zu aller Friſt/

Der du vom Tod erſtanden biſt;

Trit her zu uns in aller noht/

Fuͤhr’ uns ins Leben durch den Tod.

QDie
[122]Erſtes Buch.

Die Anweſenden hoͤreten der lieblichen Geſangs-weiſe zu/ weil ſie von den Worten nichts
verſtunden/ ohn allein Ladiſla/ der es aber wenig achtete; Und weil ſie wuſten/ daß Herku-
les alles gegenwaͤrtige Lob ſehr zuwider wahr/ ſagten ſie nichts darzu/ ohn daß Frau So-
phia ſich der geſchehenen Ehre hoͤchlich bedankete/ nebeſt dem Wunſche/ daß ſie deßgleichẽ
offt zu hoͤren moͤchte gewirdiget werden; welches doch ſelten geſchahe. Dieſen Abend be-
ſtimmete er mit Ladiſla die Zeit zum Hochzeitfeſte/ und daß er ſeiner Fr. Mutter die Hey-
raht durch eigene Botſchaft zu wiſſen tuhn wolte/ damit ſie ihm noͤhtige Gelder zu ſeinem
Vorhaben uͤbermachen/ und er der anſehnlichen Freundſchafft ſein Vermoͤgen und Her-
ligkeit ſehen laſſen koͤnte.


Am ein und zwanzigſten Tage nach ſeiner Verwundung/ da er allerdinge gefund uñ
ſtark wahr/ bekam er Luſt ein wenig außzureiten/ und erbohten ſich Ladiſla und Fabius/ ihm
Geferten zu geben. Der Stathalter ſolches hoͤrend/ ſagete: So laſſet uns mit einander
nach meinem Vorwerke reiten/ und den Ort in Augenſchein nehmen/ woſelbſt meine Toͤch-
ter von den Raͤubern auffgefangen und hinweg geſchleppet ſind. Die Stathalterin wol-
te mit/ und ihre beyden Toͤchter bey ſich haben/ deßwegen eine Gutſche vor ſie zugerichtet
ward; aber die Herren ſetzeten ſich ingeſamt zu Pferde/ und lieſſen Klodius uñ Marx ſamt
andern XXXVI wolbewapneten Reutern mit zur Begleitung zihen. Sie ergetzeten ſich
den Tag uͤber im gruͤnen/ und hatte das Frauenzimmer ihre Kurzweil bey der flieſſenden
Bach/ die durch den Luſt Garten lief/ und voll herlicher Fiſche wahr/ deren ſie mannichen
mit dem Angel her auß fingen/ und auff die Abendmahlzeit ſpareten/ genoſſen auch ſonſt deꝛ
ſchoͤnen Sommerzeit (maſſen es der erſte Tag des Maͤi Monats wahr) mit guter Froͤlig-
keit. Herkules kunte nicht lange ſtille ſeyn/ hieß Klodius/ ſein Pferd und Bruſt Harniſch
ſamt Schild und Helm herbringen/ nam ein Strik Winde zu ſich/ die Klodius fuͤhren
muſte/ und ritte hinauß auffs Feld/ etwa einen Haſen/ oder (wo das Gluͤk wolte) Hirſch
auffzutreiben. Er wahr kaum eine Viertelmeile vom Vorwerke/ da ſahe er von ferne eine
Gutſche von Violenbraunen Sammet/ mit breiten guͤldenen Schnuͤren beſetzet/ welche
umbher zugemacht wahr; ritte naͤher hinzu/ und fragete den Gutſcher/ ob er nicht wiſſen
duͤrffte/ wer in der unbegleiteten Gutſche ſaͤſſe? der jhm zur Antwort gab: Wann er vor
einer Viertelſtunde kommen waͤhre/ wuͤrde er eines vornehmen Roͤmiſchen Herrn Toch-
ter drinnen angetroffen haben/ die von dreyen vermummeten Raͤubern mit gewalt davon
geriſſen/ und hinweg getragen waͤhre/ daß er nicht wiſſen koͤnte/ wohin man ſie geſchleppet
haͤtte. Wie faͤhreſtu dann mit dem Wagen davon/ antwortete er/ und laͤſſeſt die Geraube-
te im ſtiche? Was kan ich ihr helffen? ſagte dieſer; es iſt mir noch lieb/ daß ich Pferde und
Wagen gerettet habe/ als welche mir anvertrauet ſind. Das waͤhre ein ſchlechter Verluſt/
ſagte Herkules; Du muſt aber ein Pferd außſpannen/ und mich des Weges fuͤhren/ ob
ich auff die Spuhr kommen/ und dem Fraͤule in Huͤlffe tuhn koͤnte. Darauff ſtehet groſſe
Gefahr/ ſagte dieſer; doch weil ihr michs heiſſet/ wil ich gehorſamen; ritte alſo mit ihm
fort/ und funden nach Verlauff einer halben Viertelſtunde/ einen mit Gold und Perlen
geſtikten Schuch/ welchen Klodius auffheben muſte/ und ſie leicht urteileten/ die Geran-
bete wuͤrde ihn vor angſt haben fallen laſſen; und weil ſie der Spuhr eigentlich nachſehen
kunten/ lieſſen ſie den Gutſcher zuruͤk reiten/ und nach Padua fahren; Sie aber renneten
noch
[123]Erſtes Buch.
noch eine Viertelmeile weiter fort/ und merketen an der Raͤuber Fußſtapffen/ daß ſie vom
gemeinen Wege abgewichen/ und nach der Rechten zu ſich in einen Puſch begeben hatten/
ſahen auch/ daß auff ihre Ankunfft ein Ungewapneter von einem Baume ſtieg/ uñ die Hecke
ſuchte/ eileten ihm nach/ und vernahmen auß ihrer Hunde bellen/ daß etwas wachſames
verhanden wahr. Herkules/ ſo bald er den Puſch erreichete/ rief mit ſtarker Stimme hin-
ein/ dafern einiger Menſch daſelbſt verborgen laͤge/ und ſich nicht melden wuͤrde/ ſolte es
ihm ſein Leben koſten; aber niemand wolte ſich kund geben; biß Klodius auff fleiſſiges um-
ſuchen/ einen geharnifchten Ritter hinter einer Nebenhecke daher traben ſahe/ und es ſei-
nem Herrn anzeigete/ welcher ihm gerade entgegen ritte. Dieſer ſolches ſehend/ rief ihm
mit ſtarker Stimme zu/ was er hie ſuchete oder begehrete. Herkules merkend/ daß er ſei-
nen Mann gefunden hatte/ gab zur Antwort: Es haͤtten etliche boßhaffte Schelmen ein
Roͤmiſches Fraͤulein auß ihrem Wagen hinweg gefuͤhret/ die er zu retten willens waͤhre.
Der Ritter/ welcher Silvan hieß/ fragete weiter/ was ihn dieſes Fraͤulein anginge? Er
meynete ja nicht/ daß er Anſprache an ſie haͤtte. Es ſey wie ihm wolle/ antwortete er/ ſo bin
ich dannoch willens/ jhr in Noͤhten beyzuſpringen/ wie alle redliche Ritter dem ehrlichen
Frauenzimmer verbunden ſind. Beyſpringen? ſagte dieſer; hat ſie euch doch keinen Boh-
ten geſchikt; und was wiſſet ihr/ ob ſie nicht mit gutem Willen/ oder auffs wenigſte zu jh-
rem guten Gluͤk entfuͤhret iſt? Zankens iſt hier nicht Zeit/ ſagte Herkules; ob ſie mir aber
gleich keinẽ Bohten geſchicket/ ſo hat ſie ohn zweifel die Raͤuber zu dieſem Bubenſtuͤk auch
nicht eingeladen; und habt ihr Wiſſenſchafft hierumb/ ſo ſaget mirs/ dz ich mich darnach
zu richten habe. Silvan antwortete: Ob ich Wiſſenſchafft drum haͤtte/ wer wolte mich
zwingen es zu ſagen? Auff welchen Troz er antwortete: trauen Ritter/ eure Hoͤfligkeit iſt
klein/ wie groß jhr ſonſt von Leibe und Hochmuht ſeyd; wann ich aber wiſſen ſolte/ daß ihr
an dieſem Raube ſchuldig waͤret/ wuͤrde ich verſuchen/ des uͤbels eine Reue in euch zubrin-
gen. O du elender/ ſagte Silvan/ darffſtu mir noch darzu draͤuen/ und waͤhreſt eines Un-
terhaͤndlers und Vorbitters ſo hoch benoͤhtiget/ wann du ohn Straffe entgehen wolteſt?
faſſete alsbald ſein Schwert/ und ran[t]e mit vollem Grim auff ihn zu/ der meynung/ ihn ei-
nes Hiebes zu fellen. Aber Herkules/ der des Schimpffs auch gewohnet/ weich ihm auß
dem Streiche/ ſetzete ihm nach/ daß er ſich wenden muſte/ und fingen einen ſo heftigen ſtreit
mit einander an/ daß Silvan ſich daruͤber entſetzete/ und zu ſeinem Gegener ſagte: Du
muſt gewißlich in einer guten Schuele gelernet haben/ und jammert mich dein/ daß du ſo
fruͤh ſterben muſt. Ja wann du mich mit dem Maule uͤberwinden koͤnteſt/ antwortete er/
wuͤrde es an deinem Willen nicht mangeln/ wie aber/ wann du Rechnung ohn den Wirt
gemacht haͤtteſt? doppelte hiemit ſeine Hiebe/ daß jener zu weichen gedrungen ward/ weil
er ſchon etliche Wunden empfangen hatte. Herkules aber ließ nicht nach/ ſondern trieb
jhn/ biß er ihm endlich unter das Schwert kam/ ihm den Helm vom Haͤupte riß/ und den
Tod draͤuete/ wo er ſich nicht ergeben wuͤrde; Weil er nun merkete/ daß er außzureiſſen wil-
lens wahr/ warff er jhn vom Pferde/ ſprang ihm nach/ ſezte ihm das Schwert an die Gur-
gel/ und ſagte: Bald laß mir das Fraͤulein kommen/ oder du muſt ſterben. Ritter/ ihr ſeyd
der erſte/ antwortete er/ vor dem ich mich demuͤhtigen muß; Ihr fodert aber einen Schatz
von mir/ welcher mir eben ſo lieb als mein Leben iſt. Daran lieget nichts/ ſagte er/ und haſtu
Q ijRecht
[124]Erſtes Buch.
Recht darzu ſol ſie dir ſchon bleiben/ aber du muſt durch auß und ohn verweilen ſchaffer/
daß ich mit ihr rede. Ja/ antwortete Silvan/ ihr ſolt ſie ſprechen; ließ ſich auch von Klo-
dius biß an den Puſch leiten/ und rief uͤberlaut: So ſius fuͤhre das Fraͤulein her. Dieſer
kennete die Stimme/ und trat mit ihr daher/ die einer Leiche aͤhnlicher als einem lebendi-
gen Menſchen wahr; doch wie ſie Silvan wehrloß ſahe/ fiel ſie vor Herkules nieder/ und
ſagte: O aͤdler Ritter und Herr/ rettet mich elende auß dieſes verfluchten Raͤubers Haͤn-
den/ deß wil ich euch zeit meines Lebens verpflichtet ſeyn. Stehet auff mein Fraͤulein/ ant-
wortete er/ und beſchimpffet mich nicht ſolcher geſtalt/ ſondern zeiget an/ ob euren Ehren
Gewalt angelegt ſey. Nein mein Herr/ ſagte ſie/ eure Zukunfft hat die Schande von mir
abgekehret. Silvan/ der vor Liebe brante/ ſahe/ daß er dieſe Beute ſolte fahren laſſen/ wolte
aber lieber ſterben/ und da er Gelegenheit ſahe/ ruͤckete er Klodius das Schwert aus der
Fauſt/ und ſetzete mit groſſem wuͤten auff Herkules an; der ihm aber kuͤhnlich begegnete/
und weil jener ohn Schild und Helm wahr/ zerſpillete er ihm das Haͤupt biß auff die Zaͤh-
ne/ womit der Kampff ſein Ende nahm. Das Fraͤulein ward deſſen hoch erfreuet/ em-
pfing ihren Schuch von Klodius/ und baht Herkules mit uͤberauß bewaͤglichen Worten/
er moͤchte ihrer Ehren Huͤhter ſeyn/ und ſie nach Padua bringen/ wo ſelbſt jhm ſeine Dien-
ſte ſolten vergolten werden. Er erboht ſich darzu willig/ und fragte Silvans Knecht/ ob
noch Ritter in dieſem Puſche waͤhren/ davon er bey ſtraffe des Todes die Warheit ſagen
ſolte; welcher durch die Gefahr geſchrecket/ gutwillig bekennete: Es hielten eine geringe
halbe Meile XL Reuter und XXX Fußknechte von hinnen/ zu welchen ſeine Mitknechte
ſchon hingelauffen waͤhren/ ſie zu hohlen. Herkules befahl/ es ſolte Klodius auffs ge-
ſchwindeſte hinreiten/ umb Ladiſla anzumelden/ daß er mit ſeinen Voͤlkern ihm zum Ent-
ſatz eilete. Setzete ſich nach deſſen Abſchied auch zu Pferde/ und das Fraͤulein vor ſich/
weil ruhens zeit nicht ſeyn wolte.


Nun hatte Herkules ſeinen Helm biß daher noch nicht geoͤffnet/ betrachtete doch die-
fer Fraͤulein Schoͤnheit vor ſich auff dem Pferde/ und weil ihn dauchte/ daß ihr Angeſicht
mit ſeiner herzgeliebten Fraͤulein Valißken Geſtalt in etwas uͤberein kaͤhme/ ließ er auß
herzlichem Verlangen einen tieffen Seuffzer gehen/ ſetzete den Helm ab/ und druͤckete ihr
die zarte Hand mit dieſen Worten: Hochgebohrnes Fraͤulein/ ich habe heut ein unſchatz-
bares Gluͤk gehabt/ indem ich von Gott gewirdiget bin/ ein ſo trefliches Fraͤulein zuretten/
und ob derſelben ich gleich unbekant bin/ hoffe ich doch/ ſie werde meine geringe Geſell-
ſchafft ihr nicht laſſen zuwider ſeyn/ und mit mir auff das naͤheſte Doͤrfle in reiten/ weil wir
Padua heut nicht erreichen moͤgen; Ich wil ſie/ wils Gott/ zu einer Geſellſchafft bringen/
deren ſie wird ſehr wilkommen ſeyn. Das Fraͤulein/ ſo noch voller Schrecken wahr/ ver-
wunderte ſich uͤber ſeiner Schoͤnheit und Jugend/ baht/ umb der Gefahr willen/ ſehr zu ei-
len/ und weil er ſich ſo freundlich gegen ſie mit Reden/ Geberden und Handdruͤcken erzei-
gete/ geriet ſie in furcht einer unbillichen Liebe/ und gab ihm dieſe Antwort: Vortreflicher
Ritter/ und hochwerter Herr; mein Vermoͤgen wird nimmer mehr beſtand ſeyn/ ihm die
gebuͤhrliche Vergeltung vor geleiſtete Huͤlffe abzulegen; weil einig und allein durch ſeine
Tapfferkeit ich vor dem graͤulichen Silvan geſchuͤtzet/ und der Unehr entriſſen bin; gelebe
auch zu meinem Herrn der troͤſtlichen Zuverſicht/ er werde ſich meiner Ehre ferner anneh-
men/
[125]Erſtes Buch.
men/ damit ich unbeflekt bey meinen Verwanten zu Padua anlangen moͤge; alsdann wil
ich nicht allein ſeine Mañheit/ ſondern auch ſein Tugendergebenes keuſches Herz zu ruͤh-
men nicht unterlaſſen; und da jhm mit einer guten Anzahl Gelder gedienet iſt/ ſol er deſſen
nach ſeinem Willen von den Meinen empfangen. Herkules wolte ihre Zucht etwas beſ-
ſer pruͤfen/ welches ihn hernach offt gereuete/ und gab zur Wiederantwort: Schoͤnſtes
Fraͤulein/ ich wundere mich nicht/ daß jhretwegen die Ritter ſich vergehen/ und zu Straſ-
ſen Raͤuber werden/ inſonderheit/ wann ſie Standeshalben ihrer Hulde und Liebe koͤnnen
faͤhig ſeyn; maſſen die Strahlen ihrer anzuͤndenden Augelein/ dergeſtalt kraͤfftig und
durchdringend ſind/ daß auch das allerhaͤrteſte Herz dadurch ſolte erweichet/ und zu ihrer
Liebe angeſtraͤnget werden; bitte demnach dienſtlich/ mir nicht zu verdencken/ daß ich nichts
mehr wuͤnſche/ als ihr Knecht und Diener genennet zu werden; ob ich dann gleich in jhren
Dienſten ſterben und untergehen ſolte/ wuͤrde ich dieſen ſanfften Tod vor ihre Ungunſt er-
waͤhlen; deßwegen wolle ſie an meiner Wenigkeit nicht zweifeln/ daß ich nicht alles mein
Vermoͤgen dran ſtrecken werde/ ſie in gute ſicherheit zu fuͤhren. Mit welchen Worten er
ihr die Hand freundlich kuͤſſete/ uñ zugleich von der Heerſtraſſen ab/ das quer Feld einnam/
nach einer Grund zu/ da ihn dauchte es der naͤheſte Weg nach dem Vorwerke waͤhre.
Das Fraͤulein aber urteilete darauß/ er wolte ſie gaꝛ entfuͤhren/ und zu ſeinem Willen noͤh-
tigen/ daher ſie alſo anfing: Ach mein Herr/ warumb meidet er doch die rechte Straſſe?
Ich bitte und ermahne ihn bey ſeiner Ritterlichen Krafft/ die er heut in Rettung meiner
angewendet/ er wolle nichts ungebuͤhrliches wider mich vornehmen/ noch durch eine ſol-
che Taht ſeine ſelbſt eigene Ehre beſchimpffen/ welches ihm kein Meer abwaſchen koͤnte.
Uber das bin ich von ſolchen Leuten/ welche ihm nicht allein die erzeigete Rettung/ nach ſei-
nem Willen vergelten/ ſondern auch/ da er einigen Mißbrauch an mich legen wuͤrde/ eine
ſehr ſchwere Rache wider ihn außzufuͤhren maͤchtig gnug ſind; doch wie dem allen/ ſo re-
de ich ſolches nicht aus Hochmuht oder Ruhmraͤtigkeit/ ſondern bitte demuͤhtig/ er wolle
mit mir dergeſtalt verfahren/ daß ich urſach haben moͤge/ ihn zeit meines Lebens/ als mei-
nen Erretter zu ehren und lieben/ ſonſten da ſeine Gedanken mit anderm Begiñen ſolten
ſchwanger gehen/ muͤſte ich ſeine Rettung nur vor einen Raub halten/ deſſen ich mich zu
ſeiner Auffrichtigkeit nicht verſehen wil. Trefliches Fraͤulein/ antwortete er/ ſie hat ſich
meinetwegen nichts arges zubefahren; aber wuͤrden ihre Eltern und Anverwanden mirs
auch verargen koͤnnen/ da ich meiner erſtrittenen Beute beſſere Kundſchafft mir
wuͤnſchete? ich bin ja unverheyrahtet/ und ſie lebet auch ohn Gemahl. Ach mein Herr/
ſagte ſie/ er wolle ſeinen Begierden nicht ſelber ſehmeicheln/ noch vor zulaͤſſig halten/ was
in aller Welt vor unbillich geſcholten wird; ſolte er aber ſeinen worten nach/ nichts als
beſſere Kundſchafft begehren/ kan ihm darinnen wol gewilfahret werden/ nur wolle er
von dieſem verdaͤchtigen Wege abkehren/ und der Straſſe folgen/ damit ich meinem Hn.
Vetter/ dem Roͤmiſchen Kaͤyſerl. Stathalter zu Padua ohn Schmaͤlerung meiner jung-
fraͤulichen Zucht und Ehre moͤge geliefert werden; alsdann wird dieſe ſeine Taht zu Rom
nicht geringer geſchaͤtzet ſeyn/ als der vortreflichen fremden Herren/ die meine herz-
geliebte Waſe und Schweſter Frl. Sophia Fabia aus Raͤuber haͤnden erlediget/ und
ihrer einer dieſelbe auff gebuͤhrliches Anſuchen zum Gemahl erhalten hat; ich auch mich
Q iijauß-
[126]Erſtes Buch.
außdruͤklich zu dem Ende auff dieſe Reiſe begeben/ daß ich meiner Frl. Schweſter bey ih-
rem Hochzeitfeſt moͤge auffwaͤrtig und bedienet ſeyn. Hier bekam nun Herkules groſſe
Reue/ ſeiner ertichteten Anmuhtung/ kuͤſſete ihr die Hand und ſagete: Durchleuchtiges
Fraͤulein/ iſt dann Fr. Sophia Fabia ihre ſo nahe Anverwantin? Ja mein Herr/ antwor-
tete ſie; Wir ſind zweer Bruͤder Kinder/ und iſt mein Nahme Sibylla Fabia. Hochge-
bohrnes Fraͤulein/ ſagte hierauff Herkules: Der wahre Gott Him̃els und Erden iſt mein
Zeuge/ daß Zeit meines Lebens ich keinem einigen Weibsbilde Ungebuͤhr zugemuhtet/ auch
gegen ihre Durchl. deſſen im allergeringſten nicht geſinnet bin/ ſondern meine Reden ſind
eines teils zum Scherze/ andern teils dahin gemeinet/ daß weil ich lebe/ ich euer Vortreflig-
keit ergebener Knecht und Diener ſeyn und bleiben wil; und iſt mir herzlich leid/ daß ſie
meine Worte ungleich auffgenommen/ oder wegen dieſes Abweges Argwohn gefaſſet hat/
welchen ich aber bloß/ der Gefahr zuentgehen/ und ſie in Sicherheit zu angenehmer Ge-
ſelſchaft hinzufuͤhren/ vorgenommen habe/ weil ich befuͤrchte/ des erſchlagenen Mitraͤuber
duͤrfften dem gemeinen Wege bald folgen; weil ich mich auch unwirdig erkenne/ ein ſo
hohes Fraͤulein vor mir auff dem Pferde zu fuͤhren/ wil ich willig abſteigen/ und neben ihr
zu fuſſe herlauffen. Ach nein/ mein Herr/ antwortete ſie; ſo waͤhre ich das unhoͤflichſte Wei-
besbild/ wann ich meinen Erloͤſer vom Pferde ſtoſſen/ und an ſeine ſtelle mich drauff ſetzen
wuͤrde. Ich bedanke mich aber von herzen vor das hoheerbieten/ vernehme daher ſein ehr-
liebendes Gemuͤht/ welches ich weit hoͤher als ſeine Tapfferkeit ſchaͤtze/ und ich die meinen
auch dahin vermahnen wil/ ihm alle moͤgliche Dankbarkeit zu erzeigen. Aber mein Herr/
vielleicht iſt er ſelbſt deren einer/ die meine Fr. Schweſter von den Raͤubern erloͤſet habẽ.
Ich bin meiner Fraͤulein/ wie auch ihrer Fr. Schweſter ſtets ergebener Knecht/ antwor-
tete er; uñ jenes Gebaͤu/ welches dort vor uns liget/ iſt der ort/ woſelbſt mein Frl. in Geſel-
ſchaft eines hochaͤdlen Frauenzim̃ers zur Nachtherberge großguͤnſtig vorlieb nehmẽ wird.


Frr. Urſul und Sophia gingen hauſſen vor dem Vorwerke/ umb zu ſehen/ ob Her-
kules mit dem fremden Fraͤulein/ wovon ihnen Klodius geſagt hatte/ bald kommen wuͤrde;
Und als ſie ihn von ferne erblicketen/ lieffen ſie ihm froͤlich entgegen/ da ihm Fr. Sophia
zurieff: Mein Herr Bruder/ Herr Herkules/ was vor ein ſchoͤnes zahmes habt ihr ge-
fangen/ und ſeid nur dem Wilde nach gerittẽ? Das Fraͤulein erkeñete alsbald ihre Stim-
me/ und ſagte zu Herkules: Ach mein Herr/ warumb hat er ſich mir nicht wollen zuerken-
nen geben/ daß ich ihm die gebuͤhrliche Ehre geleiſtet haͤtte/ nachdem ſein hochberuͤmter
Nahme aus meiner Fr. Schweſter Schreiben mir wolbekant iſt? Er aber ſtieg vom Pfer-
de/ und huhb ſie herab/ uͤber welche die beyde Frauen ſich zum hoͤchſten verwunderten/ ſie
freundlich umbfingen/ und zu ihr ſageten: O Herzen Schweſterchen/ wie ſehen wir euch
ſo unvermuhtlich/ und ohn Geſelſchafft? dieſe antwortete: Sie waͤhre vor wenig ſtunden
von dem ſchnoͤden Silvan geraubet/ haͤtte auch ohn zweiffel Ehr und Leben einbuͤſſen muͤſ-
ſen/ wann dieſer tapffere Ritter und Herr ſie nicht errettet und den Raͤuber erſchlagen
haͤtte. Worauff Fr. Sophia ſagte: Muß dann Herr Herkules den Fabier Toͤchtern zum
Heyl und ihrer ehren Rettung gebohren ſeyn? O wie hoch iſt ihm Herr M. Fabius hier-
umb verbunden/ weiler nur dieſes einige Kind hat/ durch deren Verluſt alle ſeine Freude
zugleich mit wuͤrde verſchwundẽ ſeyn. Herkules antwortete; ſeine ſchlechte Dienſte waͤh-
ren
[127]Erſtes Buch.
ren deſſen nichts wirdig; aber hat mein Klodius/ ſagte er/ ſich noch nicht eingeſtellet? O ja/
ſagte ſie/ er hat meinen Gemahl und Bruder mit der ganzen Reuterey auffgemahnet/ ſind
auch biß auff meinen H. Vater und IV Reuter alle fortgangen. Herkules hoͤrete ſolches
gerne/ lies ihm ein geruhetes Pferd und das hinterſtellige ſeines Harniſches geben/
und ſetzete ihnen friſch nach. Der Stathalter und ſein Gemahl empfingen das Fraͤulein/
als ihr eigen Kind/ und frageten/ wie ihre Eltern ſie ſo einſam haͤtten reiſen laſſen/ freueten
ſich nicht minder ihrer Zukunfft/ dann ihr Vater H. Markus Fabius wahr des Stathal-
ters einiger Bruder/ ein trefflicher Herr zu Rom/ der die hoͤchſten Ehrenaͤmter bedienete/
und am Kaͤyſerlichen Hoffe viel vermochte/ auch bey des Kaͤyſers Mutter Fr. Mammea
in ſonderlichem Anſehen wahr. Ihre Mutter Fr. Plazida/ Herren Caſſius Apronianus/
geweſenen Roͤmiſchen Buͤrgemeiſters Tochter/ hatte ſie zu allen jungfraͤulichen Tugendẽ
erzogen/ daß ihres gleichen zu Rom wenig gefunden ward. Als nun die Geſelſchafft zu
wiſſen begehrete/ wie ſie von Herkules gerettet worden/ der vor wenig ſtunden von ihnen
geritten waͤhre; antwortete ſie. Hochwerter Herr Vetter; nachdem mein H. Vater der
gluͤklichen Heyraht meiner Fr. Schweſter iſt berichtet worden/ und daß das Hochzeitfeſt
in weniger Zeit folgen wuͤrde; habe ich der Zeit nicht koͤnnen erwarten/ ſondern bey mei-
nen Eltern bitlich angehalten/ daß ich alsbald heruͤber reiſen/ und meiner Fr. Schweſter
Geſelſchafft und auffwartung leiſten moͤchte/ welches ſie mir endlich bewilliget/ und mit
XVI Reutern mich auff meiner Gutſche begleiten laſſen; wie ich nun in guter Sicherheit
fortgezogen bin/ hat ein Hetruriſcher Herr/ nahmens Silvan mit ſeiner groſſẽ Geſelſchaft
mich heut uͤberfallen/ meine Reuter alle erſchlagen/ und mich noch eine Stunde fortfah-
ren laſſen/ jedoch mir etliche Raͤuber nach geſchicket/ welche mich und meine Dienerin
aus der Gutſche in einen Puſch getragen/ und mich dem Silvan/ welcher ſich daſelbſt al-
lein befand/ eingelieffert. Dieſer Raͤuber hat vor ſechs wochen bey meinen Eltern umb
mich angehalten/ und als er abſchlaͤgige Antwort bekommen/ ſich hefftiger Draͤuungẽ veꝛ-
nehmen laſſen/ wie hart er dieſen vermeinten Schimpff zuraͤchen/ und dannoch meiner/
wo nicht zu ehren/ doch zu ſeinem Willen maͤchtig zuwerden/ Raht wuͤſte; haͤtte auch ohn
zweiffel ſeine Boßheit an mir volſtrecket/ wo nicht Herr Herkules durch maͤchtige Erloͤ-
ſung mich von ihm loßgemacht haͤtte. Der Stathalter troͤſtete ſie/ wegen uͤberſtandener
Gefahr/ und daß ſie dieſen Unfal nicht zu ſehr ſolte zu herzen nehmen/ weil noch alles duꝛch
der Goͤtter ſchickung wol abgelauffen/ und ihre Ehr und Geſundheit unverletzet blieben
waͤhre. Inzwiſchen hatten Silvans abgelauffene Knechte ſeinen Voͤlkern angedeutet/
daß ihr Herr von einem Ritter angeſprenget/ und ſchon ſo weit gezwungen waͤhre/
daß er ihm das Fraͤulein zuſtellen muͤſſen/ duͤrffte auch wol gar Lebensgefahr außſtehen/
wo man ihm nicht zu Huͤlffe kaͤhme. Worauff Silvans Schweſter Sohn/ nahmens Vi-
nius/ ein verwaͤgener frecher Menſch/ mit der ganzen Reuterey ſich auffmachete/ und den
Fußknechten zu folgen/ Befehl erteilete. Er kam bald bey Silvans Leichnam an/ und ver-
ſtund von Soſius/ wie ſichs begeben hatte; bekuͤmmerte ſich doch wenig wegen des Un-
fals/ weil er ihm alsbald Hoffnung machte/ das Fraͤulein vor ſich wieder zuerſtreiten/ ging
alſo fort/ und folgete Klodius ſeiner Spuhr nach/ da er der Fraͤulein Magd antraff/ und
ſie bey ſich behielt/ umb/ wie er ſagte/ ſie dem Fraͤulein wieder zuzufuͤhren. Ladiſla ſetzete mit
ſeinen
[128]Erſtes Buch.
ſeinen Leuten auch friſch fort/ und wahr kaum bey der Heerſtraſſe angelanget/ da er von
ferne den Staub vor ſich ſahe; hielt darauff ſtille/ und ſtellete die ſeinen in Ordnung da-
fern man ihn rechtfertigen wuͤrde. Vinius ſtach vor ſeinen Reutern her/ und ſo bald er
der unſern gewahr wurde/ rante er zu ihnen hin/ und fragete; ob ihnen nicht ein Ritter auf-
geſtoſſen waͤhre mit einem Fraͤulein in lichtrohter Kleidung. Klodius muſte ihm auff Be-
fehl antworten/ und fragen/ was er auff das Fraͤulein zu ſprechen haͤtte; es waͤhre ihnen ja
ein ſolcher Ritter begegnet/ dem ſie Schuz und Beyſtand auff allen Fall leiſten wolten.
Dieſer gab hoͤniſch zur Antwort: Er haͤtte anjezo nicht Zeit/ ſich bey ihnen auffzuhalten/
damit ihm das Fraͤulein nicht entfuͤhret wuͤrde/ moͤchten ſich deßwegen gedulden/ biß auf
ſeine Zuruͤkkunfft/ als dann wolte er ihnen Fuß halten; auff was Weiſe ſie es begehren
wuͤrden. Schwenkete hiemit ſeine Schaar/ und wolte neben ihnen weg reiten; aber Ladiſla
ſtellete ſich ihm in außgebreiteter Ordnung entgegẽ/ und fragete nochmal/ was vor Recht
er zu dem Fraͤulein haͤtte/ nebeſt der Bedrauung/ er ſolte ſich der Nachfolge begeben/ oder
ihn zum Feinde haben. Dieſer ſahe daß ihm der Weg verleget wahr/ zweiffelte zwar am
Siege nicht/ weil er die unſern an Mannſchaft uͤbertraff; nur beſorgete er/ dz auf dieſe wei-
ſe das Fraͤulein ihm moͤchte entruͤcket werden/ verſuchte deßwegen noch einmahl/ in guͤte
zuerhalten/ daß er ſeinen Weg ungehindert moͤchte fortſetzen/ mit aͤidlichem Verſprechen/
er wolte hernach den unſern gedoppelt zuwillen ſeyn; dafern ſie ihm aber ſein Gluͤk wuͤr-
den verhindern/ muͤſten ſie es alle mit dem Halſe bezahlen. Ladiſla wolte ihm darauff nicht
antworten/ ſondern beredete ſich mit Fabius/ weſſen er ſich zu ſeinen Reutern zuverſehen
haͤtte/ es taͤhten ihm die ſchmaͤhliche Dꝛaͤuworte ſehr wehe/ die er auff ſich nicht koͤnte erſitzẽ
laſſen/ und haͤtten ſie ſich billich zuſchaͤmen/ daß ſie ſolchen Troz erdulden muͤſten/ da ſie an
der Zahl ihm beynahe gleich waͤhren. Fabius redete hierauff ſeine Reuter an/ und als ſie
ſich erbohten/ ihrer Pflicht biß in den Tod eingedenk zu ſeyn/ ſagte Ladiſla zu Vinius/ er
ſolte des Nachjagens/ oder ſeiner Freundſchafft ſich begebẽ/ man haͤtte ſeinẽ/ ſtolzen Draͤu-
ungen ſchon viel zuviel uͤberſehen. Wolan/ antwortete dieſer; dein lezter Tag iſt kommen/
welcher dir ſo viel unertraͤglicher fallen ſol/ weil du mir an meiner hoͤchſterwuͤnſcheten
Gluͤkſeligkeit verhinderlich biſt. Womit ſie von einander zogen/ und die ihren zum Treffen
ordneten. Herkules kam gleich hinzu gerennet/ vernam von Ladiſla allen Verlauff/ und
wahr des gaͤnzlichen vorhabens/ die Blutſtuͤrzung abzuwenden/ ſchickete alsbald ſeinen
Klodius an Vinius/ und lies ihm ſagen; der ſo das Fraͤulein gerettet/ und ſchon in Si-
cherheit gebracht/ waͤhre gleich jezo wiederkommen/ und lieſſe ihm ſagen/ daß wann er et-
was auff ihn zuſprechen haͤtte/ ſolte er ſolches mit ſeinem Schwerte wieder ihn außfechten/
und zu weiterm Mord keine Urſach geben/ und ſtuͤnde ihm frey/ mit ihm oder Ladiſla den
Kampff anzutreten. Der Raͤuber ſol wilkommen ſeyn/ antwortete Vinius/ und ſage ihm/
das er ſich fertig halte. Klodius hies ihn einen Luͤgener/ und das er auff ſeine Schanze acht
gaͤbe; hinterbrachte die Antwort/ und machete Ladiſla traurig/ daß er ohn Streit abzihen
ſolte/ muſte doch einwilligen/ und fielen die beyde ganz eiferig mit den Schwertern auf-
einander/ da Vinius durch ſeine erſte Wuht zimlich Stand hielt; aber Herkules ward
bald ſein Meiſter/ laͤhmete ihm vor erſt den rechten Arm/ und gab ihm alſo fort einen Stoß
in die Gurgel/ daß er Tod niderſtuͤꝛzete. Seine Reuter erſchraken der ſchleunigen Niderla-
ge/
[129]Erſtes Buch.
ge/ und auff Ladiſla Befragung/ ob ſie umbkehren/ oder gleicher Belohnung wolten ge-
waͤrtig ſeyn/ bahten ſie umb ſchoͤn Wetter/ gaben der Fraͤulein Magd von ſich/ uñ auf Ver-
guͤnſtigung ſuͤhreten ſie den Erſchlagenen mit ſich davon. Herkules dankete Gott/ daß ohn
weiteres Blutvergiſſen der Streit geendiget wahr/ und befragete die feindlichen Reuter/
auff was vor einen Anſchlag ſie eigendlich außgezogen waͤhren; welche zur Antwort gaben;
es haͤtten ihre beyde Erſchlagene Herrẽ nebeſt andern gewaltigen Rittern ſich verſchwo-
ren/ Herren Fulvius Tod an den beyden fremden Herren zu Padua zu raͤchen; weil nun
Silvan von Rom vertrauliche Nachricht bekommen/ daß das Fraͤule in auff dem Wege
nach Padua waͤhre/ haͤtte er ſolche auff fangen/ und ſie ihm ehelichen wollen. Herkules
gab zur Antwort: Ich bin einer von den fremden zu Padua; weil dann eure beyde Herrẽ
eine unverdiente Feindſchaft mir zugeworffen/ haben ſie durch Gottes Rache den Lohn
ſchon hinweg; Kehrete mit ſeiner Geſelſchafft wieder um nach dem Vorwerke/ und wuꝛ-
den daſelbſt froͤlich empfangen.


Bey der Abendmahlzeit ſaß Herkules auff Fr. Sophien Anordnung bey dem Fraͤu-
lein/ redete aber wenig mit ihr/ weil er ſich ſeines gebrauchten Frevels nicht wenig ſchaͤme-
te. Die Nacht ruheten ſie auff zwey gemeinen Lagern/ und wahren fruͤh morgens mit dem
Tage wache/ da Fr. Sophien eine ſonderliche Luſt ankam/ den Platz im Walde zu beſichti-
gen/ da ſie auß Raͤubershaͤnden erloͤſet/ in ihres lieben Ladiſla erſte Kundſchafft gerahten
wahr/ welches ihr ſo hefftig anlag/ daß ſie nicht ruhen kunte/ ihn zu bitten/ daß er die Ge-
ſelſchafft vermoͤgen moͤchte/ mit zureiten/ dann ſie waͤhre willens/ an dem Orte eine ſonder-
liche Gedaͤchtniß zu ſtifſten/ welcher ſie ſeiner Liebe zu allererſt wirdig gemacht haͤtte. La-
diſla kunte ihr ohn das nichts verſagen; ſo wahr es auch ein kurtzer Weg/ der in zwo Stun-
den mit ihren ſchnellen Pferden kunte erreichet werden; begruͤſſete demnach ſeinen Her-
kules und den jungen Fabius/ ihm Geſelſchafft zu leiſten. Der Stathalter erboht ſich/
ſelbſt mitzuzihen; auch wolte ſeine Gemahl den Ort beſichtigen/ daß alſo ſie ingeſamt in
den erſten Fruͤhſtunden ſich auffmachten/ und den Weg vor ſich nahmen; wolten zwar
anfangs ohn Waffen reiten/ aber auff des Stathalters anmahnen/ legten ſie dieſelben an/
weil man nicht wiſſen koͤnte/ was vor Unfall ſich zutragen moͤchte. Als ſie den Puſch errei-
cheten/ muſten ſie die Pferde unter der Verwahrung etlicher Reuter Jungen hinter ſich
laſſen/ und zu fuſſe durch die Hecken brechen/ welches dem Frauenzim̃er nicht eine geringe
Beſchwerung gab; wiewol ſie gute Gehuͤlffen bey ſich hatten; maſſen der Stathalter ſein
Gemahl/ wie auch Ladiſla und Fabius die ihren mehrenteils ſchleppeten und trugen. Her-
kules fuͤhrete Frl. Sibyllen mit ihrer guten Vergnuͤgung/ der ſich doch noch immerzu
fuͤrchtete/ ſie wuͤrde wegen ſeiner geſtrigen Reden einen heimlichen Unwillen auff ihn ge-
worffen haben/ daher er auch vor dißmahl zu ihr ſagete: Durchl. Fraͤulein/ wann ich an
mein geſtriges Verbrechen gedenke/ da ich ſo ungebuͤhrlichen Schertz mit ihr treiben duͤꝛf-
fen/ ſchaͤme ich mich faſt/ ſie kuͤhnlich anzuſehen/ und wundere mich ihrer hohen Guͤtigkeit/
daß ſie meinem Muhtwillen ſo leicht verzeihen koͤnnen/ und mich ihrer Gefaͤhrtſchaft noch
wirdiget; verſichere ſie aber/ daß zeit meines Lebens ich mich aͤuſſerſt bemuͤhen wil/ dieſen
Frevel durch ein bereitwilliges Herz jhr zudienen/ abzutragen/ und wuͤnſche nicht mehr/ als
daß ich des beſchehenen voͤllige Verzeihung bitten duͤrffte. Das Fraͤulein/ die an ſeiner
RZucht
[130]Erſtes Buch.
Zucht und Schoͤnheit uͤberauß groſſes Gefallen trug/ antwortete ihm: Ach mein Herr/
ich bitte freundlich/ er wolle ſich allerdinge Unſchuldigen nicht anklagen/ geſtaltſam ich von
jhm ja nichts als alles gutes empfangen; haͤtte auch vielmehr umb Verzeihung zu bitten/
daß ich ſein ehrliebendes Gemuͤht in zweifel zihen/ und mich uͤber ihn beſchweren duͤrffen/
wovor ich gerne Abtrag machen wolte/ wann ich nur des Vermoͤgens waͤhre. Er hinge-
gen wendete ein/ es waͤhre ſeine hoͤchſte Vergnuͤgung/ wann ſie ſein Verbrechen uͤberſehen
und vergeſſen wolte; huhb ſie auch uͤber alles Geſtraͤuche mit anmuhtigen Bezeugungen
ſeines ergebenen Willens/ deſſen ſie mit guter Auffmerkung wahꝛ nam/ weil ſie ohn das ei-
ne Schuldigkeit der Vergeltung vor geleiſtete hohe Dienſte in ihrem Herzen empfand/ da-
her ſie ihm alles gutes/ wie ihr ſelbſt/ goͤnnete; betrachtete auch nicht allein ſeine Tugend
mit den Gedanken ihrer hochvernuͤnfftigen Seele/ ſondern ſahe ſein liebreiches Angeſicht
ohn alle Einbildung der Genießwilligen Liebe zum oftern an/ und huͤtete ſich nicht vor dem
Gifft/ welcher durch der Augen und Zungen Bedienung ſich biß in das innerſte des Her-
zen hinein zu ſenken pfleget/ weil ſie nicht allein noch jung/ und im XVI Jahre ihres Alters/
ſondern auch von ihren Eltern in hoͤchſter Zucht aufferzogen/ und von aller leichtfertigen
Geſelſchafft abgehalten wahr/ welche offters der zarten Jugend viel ſchaͤdlicher/ als die
gifftigſten Schlangen ſind. Die holdſeligen Unterredungen kuͤrzeten ihnen des Weges
Laͤnge/ und machten ſie des muͤhſeligen gehens wenig empfinden/ daß ehe ſie ſichs verſa-
hen/ ſie ſich ſchon auff dem Platze befunden/ und nicht ohn Beſtuͤrzung ſechs auffgerichte-
ter herlicher Mahlzeichen gewahr wurden/ daher ſie anfangs meynetẽ/ ſie haͤtten den rech-
ten Ort nicht angetroffen/ eileten doch nicht deſtoweniger/ die erhabenen außgehauenen
Steine zubeſichtigen/ unter denen der eine ſechs Ellen lang und dꝛittehalb Ellen breit/ ganz
glat gehauen wahr/ an dem ſie dieſe Meſſinges kuͤnſtlich eingegoſſene Schrifft laſen:
Stetswehrendes Ehren Gedaͤchtniß der treflichen Helden/ welche auff dieſem unſeligen Platze von
vierzig Roͤmiſchen Rittern unredlicher weiſe angegriffen/ und nach langem ernſtlichen Gefechte
uͤber mannet und erſchlagen ſind; deren Todt an den Moͤrdern und ihren Helffers-Helffern zu raͤchen/
die loͤbliche verſchworne Geſellſchafft ihr vorbehalten hat.


Unten am Steine wahr die Jahr-Monat und Tagezahl ſolcher Niederlage abge-
hauen. Der Stein ſo dieſem am naͤheſten ſtund/ wahr ein groſſes Mannesbilde/ welches
in der Rechten ein Schwert/ und in der Linken einen Schild hielte/ und laſe man zu oberſt
auff einem Getaͤffel dieſe Schrifft: Orgetorix der groſſe von Leibe/ Gemuͤht/ Kunſt und Kraͤff-
ten/ aller Fechter Ehr und uͤberwinder/ beſtalter Herzog uͤber 38000 Mann/ lieget unter dieſem Stei-
ne begraben/ von XV geharniſchten Rittern ſchelmiſch uͤberfallen/ deren er vor ſeinem Tode zwey ni-
dergehauen; deſſen Blut umb Rache ſchreyhet. Naͤheſt ihm ſtund ein gepanzertes Bilde mit
gleichem Gewehr/ und mit dieſer Uberſchrifft: Herr Dumnorix Obriſter uͤber 4000 lieget
unter dieſem Steine/ von acht Rittern unredlicher Weiſe erſchlagen. Das folgende Bild glei-
cher Geſtalt/ wahr unter dieſer Schrifft zuerkennen: Herr Ambiorix/ Obriſter uͤber 3000/ hat
allhier ſeinen kuͤhnen Geiſt aufgegeben/ von acht Rittern nidergemacht. An den zweyen uͤbrigen
auffgerichteten Steinen/ in nicht ſo hoher groͤſſe/ laſen ſie dieſe Worte; als am erſten:
Fimbria/ Herren Dumnorix Obriſter Wachtmeiſter/ von fuͤnff Rittern ermordet/ hat ſeinem Obri-
ſten im Tode Geſelſchafft leiſten wollen. An dem lezten: Sergius/ Herren Ambiorix Haͤuptman
uͤber ein Freyfaͤhnlein/ iſt alhie von vier Rittern erleget worden. Sie verwunderten ſich dieſer
Begeb-
[131]Erſtes Buch.
Begebniß zum hoͤchſten/ und ſagte Herkules. Die Nahmen und Zeit benennungen geben
gnug an den Tag/ daß den von uns erfchlagenen Raͤubern dieſe vermeynete Ehren Ge-
daͤchtnis auffgerichtet worden; warumb man aber ſolche Taht XL Rittern zuſchreiben
wollen/ iſt mir unwiſſend/ es geſchaͤhe dann aus großpralerey/ den Buben ein ſo viel groͤſ-
ſer Anſehen zu machen/ welches ich doch wenig achte/ und nur nachſinne/ wer immer und
ewig ſo verwaͤgen ſeyn duͤrffen/ dieſe Steine herzuſetzen/ und zwar ohn Vorwiſſen der
Landes Obrigkeit; muhtmaſſe daher/ es muͤſſe eine groſſe Menge der verſchwornen Raͤu-
ber obhanden/ und vielleicht wol gar in der naͤhe ſeyn; angeſehen/ daß in ſo kurzer Zeit die-
ſes alles nicht allein geſchwinde verfertiget/ ſondern auch auffgerichtet iſt. Ich weiß nicht/
antwortete der Stathalter/ ob dieſes ein verzaubertes oder wahrhafftes Werk iſt; dann
Roͤmiſche Untertahnen haben dieſe Bilder ja nit oͤffentlich hauen/ vielweniger die Draͤu-
ung der Rache hinzuſetzen duͤrffen; daher ich waͤhne/ dem Roͤmiſchen Reiche ſtehe eine
groſſe annoch verdeckete Gefahr vor/ welches etlicher maſſen aus des Orgetorix reden ge-
gen meine Tochter/ erſcheinet. Der junge Fabius ſahe ohngefehr an einem groſſen Bau-
me eine weiſſe ſteinerne Taffel blaͤnken/ ging hinzu/ und laſe daran folgenden Inhalt: Diß
ſind die ſechs unehrliche Ritter/ welche durch die Haͤnde der Helden vor ihrem Tode auffgeopffert ſind.
Er rief die andern herzu/ es zu leſen/ ſahe uͤber ſich/ und ward ſechs auffgehenkter Leichnam
gewahr/ die endlich vor ſeine Reuter erkennet wurden/ welche Herkules und Ladiſla bey
ſeinem unvorſichtigen Anfall erſchlagen hatten/ und nachgehends in die Erde verſcharꝛen
laſſen/ welche wieder außgegraben/ und an dieſen Baum geknuͤpffet wahren. Als Ladiſla
ſie beſahe/ ſagte er: Ohn zweifel haben die Uhrheber dieſes Werks ihre Auffmerker in Pa-
dua/ welche ihnen alle Beſchaffenheit wol werden eingebracht haben/ daß alſo der bloſſe
Hochmuht ihnen dieſe Luͤgen eingeblaſen hat. Niemand wahr beſtuͤrzter hieruͤber/ als Fr.
Sophia/ und gedauchte ſie/ die Steine muͤſten in der Naͤhe gearbeitet/ und heimlich herzu-
gebracht ſeyn/ woruͤber ſie zu ihrem Vater ſagete: Jezt erkenne ich erſt meine groſſe Ge-
fahr/ in welcher ich dazumahl geſtecket; dann ſolte ein groͤſſer Hauffe Raͤuber den damah-
ligen Verlauff erfahren haben/ und ihnen Huͤlffe geleiſtet/ haͤtten wir alle das Leben einbuͤſ-
ſen muͤſſen. Sie ging aber fleiſſig umher/ ob ſie nicht irgendwo ein Merkmahl antreffen
moͤchte/ wodurch man der Sache beſſere Kundſchafft einzoͤge; nnd ward endlich nach
fleiſſiger Nachſpuͤrung gewahr/ daß nach der linken ſeite des Gehoͤlzes inwarz/ das Graß
ſehr zutreten wahr/ und eine Wagenleiſe/ die faſt gar zugeſcharret/ ſich etlicher maſſen ver-
nehmen ließ; welches ſie jhrem Ladiſla anzeigete/ und bey ihm anhielt/ etliche von den Reu-
tern außzuſenden/ die dem Wege nachgingen/ und bericht einhohleten. Aber Herkules/ deꝛ
mit gleichmaͤſſigen Gedanken umging/ ſagte: der Sinn truͤge ihm etwas ſonderliches zu;
wolte demnach die ganze ritterliche Geſelſchafft freundlich ermahnet haben/ ihr Gewehr
zu beobachten/ und redete den Stathalter alſo an: Hochmoͤgender Herr/ mir zweifelt nit/
dieſe ganze Landſchafft/ wo nicht der Kaͤyſerliche Stuel ſelbſt/ ſey einer groſſen raͤuberiſchẽ
Geſelſchafft zur Beute außerkohren/ ſo daß erſter Zeit/ ehe und bevor der Rauch auffgehet/
ein hellbrennendes Feur Staͤdte und Doͤrffer verzehren moͤchte; und wer weiß/ ob daſſelbe
nicht alhier in der Naͤhe unter der Aſche glimmet/ daß mans durch gute Vorſicht daͤmpf-
fen koͤnte/ ehe es hervor geſcharret wuͤrde; und ob gleich unſeꝛe Geſelſchaft klein und gerin-
R ijge iſt/
[132]Erſtes Buch.
ge iſt/ ſind wir doch mit Waffen ſo wol verſehen/ daß wir uns eines raͤuberiſchen Sturmes
mit der Huͤlffe des Allmaͤchtigen Gottes wol erwehren koͤnnen; deßwegen auff des Herꝛn
Stathalters Verguͤnſtigung/ ich wol der Meynung waͤhre/ einen kurzen Weg ins Gehoͤlz
zu nehmen/ ob ſich einiger Raͤuberhauffe wolte blicken laſſen. Der Stathalter ließ ihm
ſolches wolgefallen/ und erboht ſich/ ſelbſt mitzugehen/ nahmen das Frauenzimmer zwi-
ſchen ſich/ und gingen in guter Ordnung den getretenen ungleichen Weg eine ganze ſtun-
delang/ ehe ſie etwas gewahr wurden; Daher Fr. Pompeja wegen Muͤdigkeit anhielt/
wieder umzukehren; Ihre Tochter aber hingegen ſie baht/ noch ein wenig fortzugehen/ weil
der Weg je laͤnger je gebahneter fiele. Der junge Fabius trat eines guten Steinwurffs
vorauß/ nnd ward dreyer gepanzerter groſſer Maͤnner innen/ die unter einem ſchattichten
Puſche ſchlieffen/ und ihr Gewehr neben ſich liegen hatten. Er wendete ſich umb/ winkete
der Geſelſchafftſtille zu ſeyn/ ging mit groſſen Schritten dem Puſche zu/ ſtieß den einen
mit dem Fuſſe in die ſeite/ daß er erwachete/ und fragete ihn/ wie er den rechten Weg nach
Padua wieder antreffen moͤchte/ weil er im Walde irre ginge. Dieſer verwunderte ſich
neben ſeinen Geſellen/ woher dieſer gewapnete Ritter ſo einig zu fuſſe herkaͤhme/ und gab
ihm zur Antwort: Du geheſt nicht irre/ guter Geſelle/ ſondern biſt auff dem Wege deines
guten Gluͤks; ſtund hiemit auff/ und griff nach ſeinem Schwerte; Fabius aber/ der ſeinen
moͤrderiſchen Vorſaz merkete/ ließ ihm ſo viel Zeit nicht/ ſondern wie er ſich buͤckete/ das
Gewehr auffzuheben/ verſetzte er ihm eines in den Nacken/ daß ihm der Kopff vor ſeine ei-
gene Fuͤſſe fiel; wodurch die uͤbrigen beyde auffgemuntert/ ihn mit groſſem wuͤten anfielen,
deren er ſich ritterlich erwehrete/ biß Herkules und Ladiſla ihm zu huͤlffe eileten/ und den
ganzen Hauffen folgen lieſſen; daher die Raͤuber als ungeharniſchte mit leichten Spruͤn-
gen ſich davon machten/ und zueilen nicht auffhoͤreten/ biß ſie vor einer mit Dornhecken
umgebenen Hoͤhle anlangeten/ und ſich daſelbſt verkrochen.


Die unſeren verfolgeten ſie/ ſo viel wegen Verhinderung der Waffen geſche-
hen kunte/ biß ſie bey dieſem Orte ankahmen/ des verdeckten Loches ſich verwunderten/
und naͤher hinzu traten/ auch ein groſſes Getuͤmmel und Waffen-geraͤuſche unter der
Erden vernahmen/ woruͤber Herkules ſich hoch erfreuete/ rieff die ganze Geſellſchafft
herbey/ und fuͤgete ihnen zu wiſſen; hie waͤhre ohn Zweifel das gefaͤhrliche Raubneſt/
welches ſie durch GOTtes Huͤlffe gedaͤchten zuſtoͤren/ dafern ſie als ehrliche Ritters-
lente getraͤuen Beyſtand leiſten/ ihre Schwerter friſch gebrauchen/ und dieſer unſterb-
lichen Ehre mit teilhafftig ſeyn wolten; welches ſie ihm alle ſchwuren. Wie geherzt
ſich nun unſere Helden erzeigeten/ ſo erſchrocken ſtellete ſich das kleinmuͤhtige Frauen-
zimmer/ inſonderheit Fraͤulein Sibylla/ ungeachtet Herkules ſie troͤſtete/ und ihnen
drey Huͤter vor einen ungewarneten uͤberfall zuordnete. Frau Pompeja begunte mit
ihrer Tochter zu ſchelten/ daß ſie die einige Urſach dieſer Gefahr waͤhre/ in welcher ſie
vielleicht alle umkommen muͤſten/ die ſich aber beſter maſſen entſchuldigte; es waͤhre
ja alles ohn jhr wiſſen geſchehen/ und moͤchte die Mutter ſich zu frieden geben. Der
Stathalter wahr ohn Waffen/ und hatte nur ſein leichtes Seiten-Gewehr bey ſich/ da-
her Ladiſla ihn vermahnete/ bey dem Frauenzimmer zu bleiben/ biß man beſſere Kund-
ſchafft eingezogen haͤtte. Welches er alſo beantwortete: Wie mein geliebter Herr
Sohn/
[133]Erſtes Buch.
Sohn/ ſeyd ihr dann dieſem Lande mehr ſchuldig als ich/ daß ihr fechten/ und ich in der Si-
cherheit verborgen liegen ſolte? fing hierauff an/ die anweſende Reuter alſo anzureden:
Nun laſſet ſehen/ ihr meine Soͤhne/ wie traͤulich ihrs mit dem Vaterlande meynet. Hier
iſt Ehre/ Ruhm und Belohnung zu erſtreiten/ ſo daß euch das Gluͤk mit beyden Haͤnden
zur Nieſſung ihrer Gaben herzuwinket; Laſſet euch nur eine geringe Gefahr nicht ab-
ſchrecken/ noch eine kurtze Arbeit verdrießlich ſeyn; Ich verſpreche euch bey meiner Red-
ligkeit/ hoͤhere Vergeltung als ihr ſelbſt nicht gedenken moͤget; tuht nur die Augen und
Ohren auff/ und folget euren Fuͤhrern/ welche/ ungeachtet ſie Fremdlinge ſind/ dannoch
ſich willig vor die Wolfahrt unſers Landes darbieten/ in welchem ſie nicht einen fußbreit
eigenes haben. Dafern nun die feindſelige Raͤuber ſich werden hervormachen duͤrffen/
ſo greiffet ſie friſch und tapffer an/ ich wil vor eines jeden Feindes Haͤupt hundert Kronen
erlegen. Uber dieſes erbieten wurden ſie dergeſtalt beherzt gemacht/ daß ſie verſprachen/
ritterlich zu ſiegen oder ruͤhmlich zu ſterben.


Herkules blieb inzwiſchen immer fleiſſig vor der Hoͤhle ſtehen/ und nach tiefſinniger
Horchung merkete er/ daß das Getuͤmmel ſich immer weiter hinein zohe/ deßwegen er X
Reuter waͤhlete welche den Harniſch ablegen/ und umbher gehẽ muſten/ zuvernehmen/ ob
die Hoͤhle etwa mehr Eingaͤnge haͤtte; beſetzete dieſes Loch mit drey Mann/ und ſtellete
die Voͤlker in gute Ordnung/ mit Befehl/ weſſen ſie auff Begebenheit ſich verhalten ſol-
ten. Es ſtund nicht lange an/ da kahmen die außgeſchikten wieder herzu/ und brachten
Kundſchafft ein/ daß ſie noch eines Loches gewahr worden/ aus welchem ſich gepanzerte
Maͤnner hervor taͤhten/ und zum Streit fertig macheten. Nun dann geſchwinde auff/
ſagte Herkules; trat zwiſchen Ladiſla und den jungen Fabius vorne an/ und hies Klodius
mit XIV Mann folgen; die uͤbrigen aber unter Markus Befehl ſich gefaſſet halten. Sie
funden/ daß ſich ſchon XX Raͤuber aus der Hoͤhle hervorgemacht/ und das Loch ringsum-
her beſetzet hatten/ daher Herkules ſagte; man muͤſte allen Fleis anwenden/ daß nur der
Eingang erſtritten/ und die Feinde davon abgetrieben wuͤrden; tahten hiemit den An-
griff/ und funden wieder vermuhten ſtarke Gegenwehr/ weil jene den aͤuſſerſten Fleiß
anwendeten/ des Lochs Meiſter zubleiben; dann alſo ward ihr Hauffe immer gemeh-
ret/ ſo lange ſie Freyheit hatten heraus zu ſteigen. Herkules lies Markus mit XII Mann
zu ſich fodern/ gieng neben Ladiſla mit unglaͤublicher Krafft auff die Raͤuber/ und kunte
doch ihrer keinen weichen machen/ ſondern auff dem Platze ihres erſten Standes lieſ-
ſen ſie ſich niederhauen; welchen Verluſt die lebendigen nichts achteten/ weil ihr Hauf-
ſe ſtets gemehret ward. Klodius merkete daß auff der andern Seite des Loches der
Feind ſo feſten Stand nicht faſſen kunte/ deßwegen er ſelbſt ſechſe durch die Hecken brach/
und nach kurzem Gefechte das Loch dieſes Orts erſtritte/ deſſen Herkules ſich freuete/
und ſeine Tapfferkeit ruͤhmete/ weil dem Feinde das Außſteigen hiedurch ſchon benom-
men wahr; muhtigte daher ſeine Leute auff/ und das mit Abſchneidung der Raͤuber-
Koͤpffe ſie ſich nicht hindern ſolten/ er wolte ihres wolverhaltens ihnen ſchon Zeugnis
geben/ und ihnen das verſprochene Geld zehnfach verſchaffen. Darauf ging das ſchlach-
ten grauſam fort/ und wurden XXXVI Raͤuber hieſelbſt erſchlagen/ das nur ein einziger
R iijdavon
[134]Erſtes Buch.
davon außreiß/ welchen ſie zwar leicht haͤtten nidermachen koͤnnen/ aber Herkules wehrete
ſolches/ und befahl/ ihn lauffen zu laſſen/ jedoch zu verfolgen/ daß man ſaͤhe/ wohin er ſich
wendete/ wuͤrde alsdann ohn zweifel ihnen an ſtat eines Spuͤrhundes dienen koͤnnen. Er
aber beſetzete dieſes Loch mit drey Mann/ und vernam nicht ohn ſchmertzen/ daß er bey die-
ſer Schlacht drey Reuter eingebuͤſſet hatte. Seine Voͤlker muſten alle zuſammen treten/
ohn die das Frauenzimmer und die beyden Loͤcher bewahreten/ und befand/ daß ſie noch
drey und dreiſſig Mann ſtark fechten kunten; hielt eine kurze Vermahnung/ in welcher er
ihre ſchon erzeigete Tapfferkeit ruͤhmete/ und zur Standhafftigkeit ſie ermahnete/ welches
ihnen mit ſtatlichen Schenkungen ſolte vergolten werden. Der Stathalter nahm eines
entleibeten Raͤubers Schild und Schwert zur hand/ hatte bißher nur mit worten geholf-
fen/ und wolte nunmehr ſelbſt mit fechten/ dann er hoͤrete/ daß die/ ſo dem fluͤchtigen gefol-
get wahren/ die Zeitung brachten/ ſie haͤtten noch ein Loch angetroffẽ/ wobey ſich etwa XVI
Mann/ und zween im vollen Ritterharniſche ſehen lieſſen. Da wolte nun nicht lange har-
rens Zeit ſeyn/ gingen alſo friſch fort/ und funden/ daß ſchon XXIV Raͤuber in feſter Ord-
nung ſtunden/ und teils mit langen Spieſſen umb das Loch hielten/ daß ſie keinen Schrit
ſich von ihrer Stelle begaben/ ſondern das Loch zubeſchirmen/ willens wahren. Ein groſſer
anſehnlicher Raͤuber aber trat aus ihrem Mittel in vollem Harniſche hervor/ und rieff uͤ-
ber laut; ob ein redlicher beherzter Ritter unter den unſern waͤhre/ ſolte derſelbe mit ihm
einen abſonderlichen Kampff annehmen; und duͤrfte einer es nicht wagen/ moͤchte er ſelb
ander kommen. Herkules aber ſagte zu Ladiſla; mein Bruder; dieſer ſuchet nichts/ als
Zeit zugewinnen/ daß ſein Hauffe vermehret werde/ deßwegen greiff nur die Raͤuber friſch
an/ mit der ganzen Macht/ ich wil mit Gottes Huͤlffe dieſem verwaͤgenen den Troz bald
legen/ und dir hernach beyſpringen. Der junge Fabius wolte ihm den einzelnen Kampff
wiederrahten/ und als ſolches nicht hafftete/ boht er ſich ihm zu beyſtand an/ weil das Un-
geheuer es ſelbſt alſo begehret haͤtte. Aber Herkules ſagte zu ihm: Mein Freund/ dort wird
eure Huͤlffe noͤhtiger ſeyn/ hier gilt nicht noͤhtigens/ gehet hin/ ich wil geliebts Gott ſchier
folgen. Trat hiemit unerſchrocken auff ſeinen Außfoderer ein/ nach dem er ſich mit ſeinem
gewoͤhnlichen Gebet Gott alſo befohlen hatte: HErr Gott/ du ſtarker Schuz aller/ die auff dich
hoffen; ſtehe mir ſchwachen bey mit deiner Krafft/ und gib gnaͤdig/ daß dieſes verwaͤgenen Menſchen
ſein Frevel gebrochen/ und ſeine Boßheit geſtraffet werde; mir aber verleyhe den Sieg/ weil ich nicht
aus Liebe/ Menſchenblut zuvergieſſen/ ſondern auß unvermeidlicher Noht/ dieſes Kampffs mich un-
ternehmen muß. Sein Feind ging mit Wuht und raſen auff ihn loß/ dann er hatte faſt Rie-
ſenſtaͤrke/ daher Herkules ihn ſich anfangs abarbeiten ließ/ weich ihm mehr aus/ als daß er
die Hiebe mit dem Schilde abgewendet haͤtte; endlich da er ſich ſehr verhauen hatte/ lieff
er ihm ein und verwundete ihn am linken Arme/ daß er vor Schmerzen den Schild fallen
ließ/ jedoch auß groſſem Eifer im̃er hefftiger von ſich ſchlug/ woruͤber er aller Beſchuͤtzung
vergeſſend/ ſich in der Bemuͤhung gar bloß gab/ daß ihm Herkules einen geraden Stich
in das rechte Auge anbrachte/ und bald darauff einen unter dem Bruſtharniſche in den
Leib/ einer halben Ellen tieff; worauff er zuruͤk trat/ und ſich in ein wolgemaͤſſenes Lager
ſtellete. Der groſſe Ruland fuͤhlete/ daß er toͤdlich verwundet wahr/ wolte doch ſeinẽ Feind
gerne mit in den Tod nehmen/ lieff unſinnig ein/ und taht einen ſolchen kraͤfftigen ſtreich/
welchen
[135]Erſtes Buch.
welchen kein Stahl haͤtte moͤgen auffhalten/ aber er fiel zu kurz/ und traff ihm doch etwas
an der ſeite auff den Helm/ daß ihm das ſtraucheln nicht ferne wahr; erholete ſich doch
bald/ und ſahe ſeinen Feind vor Ohnmacht wanken/ und bald darauf in die Knie ſchieſſen;
trat zu ihm und ſagte: Nun wirſtu mir den Meiſter Satz halten/ riß ihm den Helm hinweg/
und ſchlug ihm das Haupt von der Schulder. Der andere geharniſchte Raͤuber/ ſo bald
er ſeinen Geſellen ſtraucheln ſahe/ gab ſich auß der gemeinen Schlacht/ und rieff Herkules
zu gleich da er den lezten Hieb taht: Ritter halt ein/ oder du muſt ſterben; welches er aber
nicht achtete/ ſondern nach vollbrachtem Schlage antwortete: Dieſer hat ſeinen Lohn hin-
weg/ und wird Gottes Hand dich auch bald finden. Sie hielten kein langes Geſpraͤch/ ſon-
dern fingen an ſo grauſam auff einander zu ſchlagen/ daß die Zuſeher ſich darob entſetzetẽ;
und ob zwar der Raͤuber an Leibeskrafft den Vorzug hatte/ ſo ging ihm Herkules doch mit
ſeiner Geſchikligkeit weit vor/ indem er jhn von allen ſeiten anfiel/ den ſchweren Hiebẽ auß-
trat/ und im Augenblik wieder loßging/ wann jener ſich verhauen hatte/ daß er ihn daher in
kurzer Zeit an vier Orten verwundete. Der Stathalter hatte bißher ſeinem Gefechte mit
hoͤchſter Verwunderung zugeſehen/ und fing an zuruffen: Ihr Goͤtter haltet dieſem Hel-
den Schutz/ wie ers durch ſeine Froͤmmigkeit verdienet. So bald Herkules ſeine Stimme
hoͤrete/ dauchte ihn/ er empfinge neue Krafft/ wolte die Zeit mit dieſem nicht ſo lange zu-
bringen/ ſondern warff ſein eigen Schwert von ſich/ und riß dem Raͤuber ſeines aus der
Fauſt; welcher ſich des Schimpfs ſchaͤmete/ warff den Schild hinweg/ uñ ſuchte Gelegen-
heit mit ihm zu ringen/ fuͤhlete aber ſein eigen Schwert gar zu bald in den Rippen/ dz er zu
bodem fiel/ mit haͤnden und fuͤſſen zappelte/ uñ kein wort mehr ſprach. Herkules riß jhm dẽ
Helm herunter/ ſchlug ihm dz Haͤupt ab/ und reichte dem Stathalter den Helm mit dieſen
worten: Da mein Herꝛ/ ſetzet um gefahr willẽ dieſen auf/ dz ihr beſſern ſchirm habẽ moͤget.
Dieſer nam ſolches mit Dank an/ uñ traten mit einander den ihren zu huͤlffe/ da inzwiſchẽ
Ladiſla ſeine Leute geherzt anfuͤhꝛete/ und eine heftige Schlacht gehaltẽ hatte/ ſo dz deꝛ feinde
ſchon XX an dieſem Ort erlegt waren/ uñ kunten doch den Eingang nit erſtreitẽ. Herkules
rieff uͤberlaut; man muͤſte durchdringen/ ſonſt waͤhre alle Arbeit vergebens; dann er ſahe
daß der Feinde Anzahl ſich immerzu mehrete/ uñ eines erſchlagenen Plaz geſchwinde wie-
der erſetzet ward. Die Raͤuber empfunden Herkules Faͤuſte bald/ und hatten mit groſſer
Beſtuͤrzung angeſehen/ was Geſtalt er ihre beyde Oberſte Vorſteher hingerichtet; deßwe-
gen ſie auff ihn als eine Fluht ſtuͤrmeten; aber Ladiſla und Fabius leiſteten ihm redlichen
Beyſtand/ biß er aus dieſem Gedraͤnge ſich loß arbeitete/ und mit acht Mann/ unter denen
Klodius wahr/ auff der ander Seite einbrach/ woſelbſt er in kurzerzeit IX Raͤuber mit ſei-
ner Fauſt erlegete. Die andern feireten auch nicht/ weil der Feinde Geſchrey in der hoͤhle
ſich nur immer zu hoͤren lies/ beſchuͤtzet den Außgang; ja ſie drungen ſo haͤuffig hervor/ dz
ihrer etliche der Schilde vergaſſen/ und nur mit den Schwertern/ auff ihre Fe[ch]tkunſt ſich
verlaſſend/ den Streit auffnahmen/ daher ſie weidlich einbuͤſſeten/ daß das Loch umbher
mit den erſchlagenen umbſchanzet ward/ und die Feinde ſich des Gewehrs nicht mehr ge-
brauchen kunten/ weil die unſern ohn Ruhe auff ſie angingen. Ein anſehnlicher Raͤuber/
da er den Stathalter/ den er wol kennete/ gegenwertig ſahe/ uͤberlieff er ihn ganz verwaͤgẽ
und ſagte: So muſtu dich dañoch nicht ruͤhmen/ daß du die bißher ſo gluͤkliche Geſelſchaft
zuſtoͤ-
[136]Erſtes Buch.
zuſtoͤret/ und ihren Schaz erſtritten haſt; fuͤhrete damit einen gewaltigen Hieb/ in Mey-
nung/ ihn in der mitte von einander zuſchlagen; er aber weich ihm aus/ trat wieder nach/
und ſchlug ihm das Haͤupt faſt gar herunter; doch wahr ihm die Gefahr ſo nahe/ daß ihm
nicht allein das Wammes vorne auffgehauen/ ſondern auch der Bauch geritzet wahr; La-
diſla und ſeyn Sohn ſahen dieſes erſt nach verrichteter Taht/ wolten ihn nicht weiter allein
laſſen/ ſondern nahmen ihn zwiſchen ſich/ und hielten ihm kraͤftigen Schuz/ weil ſie ſahẽ/
dz ſchon mehr Raͤuber ſich an ihm reiben wolten. Herkules unuͤberwindliche Fauſt drang
endlich Sieghafft durch/ das er einen freien Gang zu der Hoͤhle machte/ die er vieren zu-
verwahren gab; er aber mit den uͤbrigen ſchlug von hinten zu in die Feinde/ daß ſie endlich
verzageten/ und ſich wie das Vieh hinmaͤtſchen lieſſen; ohn ein junger friſcher Raͤuber hielt
ſich wol/ dem Herkules Gnade anboht/ wo er ſich willig geben wuͤrde; deſſen er ſich nicht
lange bedachte/ Schwert und Schild von ſich warff/ und ſich erboht/ alles was er koͤnte/
willig zu leiſten. Herkules fragete ihn alsbald/ ob die Hoͤhle noch mehr als drey Außgaͤnge
haͤtte. Nein antwortete er/ ſie ſind ihnen nun alle verſperret/ und waͤhret ihr nicht ſo gluͤk-
ſelig geweſen/ ſie ſo zeittig außzuforſchen/ wuͤrde euer uͤbel gewartet ſeyn; dann ich verſi-
chere euch/ daß bey eurer Ankunfft unſere Geſelſchafft 194 Mann ſtark geweſen. Mich be-
treffend/ bin ich erſt vor zehen tagen durch Liſt und Gewalt von meiner Anverwanten ei-
nem hieher gebracht/ und zu einem Haͤuptman uͤber 400 Mann geſetzet; iſt mir aber ſehr
lieb/ daß dieſe Raͤuber vor erfuͤllung ihrer angelegten Grauſamkeit den verdienten Lohn
empfahen; und muß eine ſonderliche ſchickung Gottes ſeyn/ daß ihr gleich jezo kommet/ da
alle ihre Kriegsamten bey einander ſind/ welches ſonſt ſelten geſchihet; zweiffele nicht/ die
auffgerichtete Ehrengedaͤchtnis werde euch darzu veranlaſſet haben/ welches die Verſten-
digſten befuͤrchteten/ und doch/ als uͤberſtimmet/ nicht abwehren koͤnnen. Ladiſla lies in-
zwiſchen die erſchlagenen Raͤuber zaͤhlen/ deren bey dieſem Loche LVI wahren/ und ſie daheꝛ
außrechneten daß noch C in der Hoͤhle ſeyn muſten; woruber der Stathalter nicht wenig
erſchrak/ aber durch Herkules Freihmutigkeit getroͤſtet ward/ der ſeine Geſelſchafft alſo
anredete: Ihr redlichen Bruͤder/ ſehet wie eine Menge der Schelmen wir ſchon abge-
ſchlachtet/ und deren gleichwol noch ſo viel in der Hoͤhle ſich auffhalten; aber laſſet euch
vor denſelben nicht grauen; die ſtaͤrkeſtẽ ſind erleget; ihre beyde Fuͤhrer duͤrffẽ vor Haͤupt-
weh nichts mehr gebrauchen/ die Gottes Allmacht durch meine ſchwache Hand abgeſtraf-
fet hat. Freuet euch aber/ daß wir der Hoͤhle Meiſter ſind/ und ſie ohn unſere Verguͤnſti-
gung nicht heraus kriechen koͤnnen. Wiewol ich willens bin/ ihnen ein Loch zu machen/ daß
wir ſie locken/ und zur gebuͤhrlichen Straffe zihen; dann ich bin des gaͤnzlichen vorſatzes/
dieſen Ort nicht zuverlaſſen/ biß der herliche Sieg voͤllig wird erſtritten ſeyn. Seine Leute
rieffen/ er moͤchte nach ſeiner Weißheit ordnen/ ſie wolten alles gerne bey ihm und bey ih-
rem Ritmeiſter auffſetzen. Darauff lies er ſie Odem ſchoͤpffen/ zaͤhlete ſie/ und befand/ daß
er bey dieſem andern treffen vier gute Kerle zugeſetzet hatte/ und ihrer ſechſe zimlich ver-
wundet wahren/ welche er nach dem Frauenzimmer ſchickete/ da man ſie verbunden hat-
te/ und die außgeruheten von dannen abfoderte/ das ſein Haͤufflein noch in dreiſſig bewehr-
ten beſtund/ dieſelben mitgerechnet/ welche die Außgaͤnge verwahren muſten.


Es lieff aber ein Reuter herzu von der erſten Hoͤhle/ und ſchrey uͤber laut/ Waffen
Waf-
[137]Erſtes Buch.
Waffen! Herkulesging ihm mit den ſeinen entgegen/ und vernam daß ſeine beyde Geſel-
len mit pfeilen aus der Hoͤhle verwundet/ und dieſer entrunnen waͤhre/ der Feinde außſtei-
gen anzumelden; eilete deßwegen fort/ und ſahe/ daß ſchon drey und zwanzig hervorgekro-
chen wahren/ denen das Gewehr auß der Hoͤhle zugerichtet ward. Er uͤberfiel ſie mit gan-
zer Macht/ und wuͤrgete mit den ſeinen immer vor ſich weg/ daß ſie auff den Erſchlagenen
ſtehen und fechten muſten. Der junge gefangene Raͤuber wolte ſein Leben wieder verdie-
nen/ ſtritte gewaltig/ und erlegte drey Feinde in kurzer Zeit; welches Herkules ſehend/ zu
ihm ſagete: Halte dich wol mein Kerl/ du ſolt deſſen genieſſen/ davor wil ich dir Buͤrge
und Schuldmann ſeyn. Die gewapneten Reuter ſahen dieſes Tapfferkeit zu ihrer Erin-
nerung an/ daß ſie ſich ſelbſt auffmunterten/ und eiferiger als vorhin fochten/ daher ſie in
einer halben Stunde LII Raͤuber dieſes Orts erlegeten/ hingegen an ihrer Seite drey ni-
der gehauen/ und viere verwundet wurden; und kam den unſern ſonderlich zu ſtatten/ daß
Ladiſla den Feind gar zeitig vom Loche trieb/ und ſie ſich weiters nicht herauß wagen durf-
ten. Nun hielten ſich doch nach des Raͤubers Anzeige/ noch XLII darinnen auff/ da hinge-
gen ihrer nur zwey und zwanzig geſunde uͤbrig/ und zwar zimlich mat wahren/ weil ſie des
Tages weder Speiſe noch Trank genoſſen hatten. Ladiſla gab acht/ daß die Außgaͤnge fleiſ-
ſig beſezt wuͤrden/ und als er zimliche Sicherheit vernam/ ging er zu dem Frauenzimmer/
die vor Angſt ſchier verſchmachteten/ weil ſie hinter dem Gepuͤſche das klappern der Waf-
fen/ das ſchreihen der kaͤmpfenden/ und das Geheule der ſterbenden hoͤreten. Seine An-
kunfft gab ihnen groſſen Troſt/ inſonderheit/ weil ſie vernahmen/ daß eꝛ ohn wunden war.
Sie fragten alle zugleich/ ob der grauſame Streit ſich nicht ſchier geendiget/ und die Raͤu-
ber erſchlagen waͤhren. Denen er zur Antwort gab: wann ſie ein anderthalb hundert tod-
ter Leichnam ſehen/ und die annoch uͤbrigen Raͤuber erwuͤrgen helffen wolten/ muͤſten ſie
nicht lange ſeumen; troͤſtete ſie in ihrem zagen/ uñ machte ſich wieder zu ſeineꝛ Geſelſchaft/
welche durch des jungen Raͤubers Anleitung einen luſtigen Brunnen antraffen/ und ſich
zimlich labeten/ weil es ein heiſſer Tag wahr. Unſere Helden aber hielten Raht/ wie es wei-
ter anzugreiffen ſeyn wuͤrde; Sie wahren an Mannſchafft ſchwach/ und faſt ermuͤdet;
hingegen die in der Hoͤhle friſch und in groſſer menge; daher wolte der Stathalter/ daß
man auff die naͤheſten Doͤrffer ſchickete/ und Bauren herzu ruffen lieſſe. Aber Herkules
wendete dagegen ein/ die Doͤrffer waͤhren zimlich weit abgelegen/ und wuͤrde ihre ohn das
geringe Mannſchafft dadurch geſchwaͤchet; wie bald koͤnte ſichs zutragen/ daß die in der
Hoͤhle ſich auß Verzweifelung ermanneten/ und einen verwaͤgenen Außfall hielten: Sei-
ne Meynung waͤhre/ daß man bey einander bliebe/ und in Gottes Namen das Werk zum
Ende braͤchte; ſetzete den Helm auff/ und redete ſein Haͤuflein alſo an: Wie wollen wirs
nun weiter halten/ ihr lieben Bruͤder? ſollen wir den Lauff einſtellen/ da wir den Zweg auf
einen Sprung nahe ergriffen? ja ſollen wir als die fluͤchtigen zuruͤk lauffen/ und etwa den
ſchlimmen Bauren die Ehre und den Ruhm des Sieges abtreten/ den wir biß auf wenig
Hieben in der Fauſt haben? ich meines teils bin viel anders geſinnet; bedenket/ wie treflich
Kaͤyſerl. Hocheit/ und die Stad Rom/ ja das ganze Roͤmiſche Reich euch ruͤhmen wer-
den/ euch Segen und Wolfahrt zuruffen; und denen unter euch mit Gelde gedienet iſt/ ſol-
len deſſen volauff empfangen; ja wer weiß/ was vor ein treflicher Schatz hieſelbſt verbor-
Sgen
[138]Erſtes Buch.
gen iſt/ deſſen ihr billich mit genieſſen muͤſſet; bloͤſſet nur die Schwerter zu guter letzt noch
dißmahl/ und fechtet behutſam/ ich hoffe euer keinen mehr zu verlieren; und jene unſere
Bruͤder/ die dort erſchlagen liegen/ haben hoͤhern Preiß durch ihren ruhmwuͤrdigen Tod
erworben/ als die groͤſſeſten Hauptleute/ die in der Schlacht wider einen oͤffentlichen Feind
ihr Leben einbuͤſſen. So erklaͤret euch nun/ weſſen ihr geſonnen ſeyd/ ich weiß/ daß ihr
ſchon alle an meiner Seiten ſtehet. Ja/ rieffen ſie einhellig/ wir wollen ſterben oder ſiegen/
da wir nur die Feinde herauß locken koͤnnen.


Die in der Hoͤhe hielten auch Raht/ ob ſie ſich ergeben/ oder den Streit fortſetzen
ſolten; weil ſie aber meiſtentheil Roͤmiſche/ und wegen Miſſetaht verbannete wahren/ hat-
ten ſie durchaus keine andere Hoffnung/ als daß ſie alle muͤſten gekreuziget werden; wolten
alſo lieber im Kampff als durch ſchwere Pein ſterben; daher ſie durch einen guten Trunk
Wein ſich beherzt macheten/ und im andern Außgange dergeſtalt mit Pfeilen von ſich
heraus ſchoſſen/ daß die Huͤhter zuweichen gezwungen wurden. Herkules bekam deſſen
fruͤhe Nachricht/ ging mit der geſamten Mannſchafft dahin/ wie ſchon zwey und zwanzig
mit ihrem Gewehr ſich umb daß Loch geſtellet hatten/ und mit verwaͤgenem Trotze ſeiner
Ankunfft erwarteten. Ladiſla taht mit neun Mann den erſten Angriff/ aber es wahr ihm
unmoͤglich durchzubrechen/ ob ſie gleich viel Blut vergoſſen. Fabius trat ihm ſelb viere zu/
da ging es noch ſchaͤrffer daher. Aber ein Raͤuber von groſſer Krafft/ muhtigte die ſeinen/
und rieff uͤberlaut: Stehet feſt ihr Bruͤder/ was weichet ihr/ fechtet getroſt; was folte uns
dieſe elende handvol Reuter angewinnen? bedenket eure Wolfahrt/ welche im Siege o-
der Tode beſtehet/ und laſſet euch nicht von dem Loche abtreibẽ. Ladiſla trat dieſem Schrei-
er naͤher/ und traff ihn dergeſtalt/ daß er im dritten Hiebe zur Erden ſtuͤrzete. Herkules uñ
der Stathalter ſetzeten mit den uͤbrigen an/ da ging es uͤber die Raͤuber/ welche als halb-
trunkene ganz verzweiffelt fochten/ und ſich ſelbſt wenig beſchuͤtzeten/ wann ſie nur den un-
ſern eine Wunde anbringen kunten; daher wahr dieſes daß allerhefftigſte treffen/ in wel-
chem die unſern meiſt verwundet/ aber nur zween erſchlagen wurden. Endlich drang unſer
Helden Schwert noch durch/ das die Feinde abgetrieben/ die Hoͤhle außwendig wieder
beſezt/ und die drauſſen ſich befunden/ alle erlegt wurden/ ohn daß vier verwundete ſich ins
Geſtraͤuche verſtecketen/ und ihr leben retteten/ die nachgehends Frau Sophien und ihre
Geſelſchafft in groſſe Angſt brachten/ wie im anfange des ſechſten Buches wird zuverneh-
men ſeyn. Der Raͤuber kahmen in dieſem Treffen XX umb ihr Leben. Hingegen wahr
Ladiſla/ der junge Fabius/ Klodius/ Markus und die anderen alle verwundet/ ohn Herku-
les/ der Stathalter uñ drey Reuter; wiewol Ladiſla uñ Fabius jedweder nur zwo Fleiſch-
wunden an Armen und Beinen empfingen. Herkules wahr uͤber die maſſe betruͤbt/ als er
die ſeinen dergeſtalt zugerichtet ſahe/ ging deßwegen vor das Loch/ umb zuverſuchen/ ober
die uͤbrigen/ an der Zahl XIIX zu williger Ergebung bewegen moͤchte/ und rieff hinein/ da-
fern ſie ſich auff Gnade ſtellen/ und ohn Gewehr hervorgehen wuͤrden/ ſolte ihnen das Le-
ben geſchenket/ und ſie auffs hoͤchſte mit der Landesverweiſung geſtraffet werden; deſſen
ſie ſehr froh wurden; dann ihre Haͤupter wahren erſchlagen/ und wuſten dieſe nicht/ wie
ſtark ſie drauſſen wahren; ergaben ſich alſo mit gutem Willen/ und ſtiegen ihrer zehne nach
einander heraus. Herkules hies die uͤbrigen in der Hoͤhle verharren/ biß dieſe gebunden
waͤhren/
[139]Erſtes Buch.
waͤhren/ dann er wolte ſich ihrer verſichern/ daß ſie nicht ruͤkfaͤllig wuͤrden/ und ſeine Leute
in ihrer Schwacheit erwuͤrgeten; dieſe aber bedingeten ſich deſſen anfangs/ und als Her-
kules ſie wolte angreiffen laſſen/ gingen ſie von einander/ ergriffen der ertoͤdteten Schwer-
ter/ und uͤberfielen die unſern mit groſſer Verwaͤgenheit; ſchriehen auch den uͤbrigen in
der Hoͤhle zu/ ſie ſolten hervor ſteigen/ und den Sieg erſtreiten helffen. Aber ihre Freude
wehrete nicht lange/ dann Herkules und Ladiſla hieben alsbald ihrer fuͤnffe danieder; der
Stathalter und ſein Sohn neben den dreyen geſunden Reutern traten auch herzu/ daher
die annoch lebendige zum teil verwundete das Herz fallen lieſſen/ ſich ergaben/ und gebun-
den angenommen wurden; welches die uͤbrigen achte in der Hoͤhle erſehend/ die ſchon er-
griffene Schwerter von ſich legten/ und ſich der vorigen Gnade ergeben wolten; Aber
Herkules ſagte; ſie ſolten hervor gehen und ſich keiner Bedingung verlauten laſſen/ wo ſ[i]e
nicht alsbald ſterben wolten. Die geringe Hoffnung der gnade beredete ſie/ daß ſie einwil-
ligten/ und ſich binden lieſſen/ wahren alſo XIII gefangene/ uñ der begnadete junge Raͤuber
von der ganzen Menge uͤbrig/ und erfreueten die unſern ſich des herlichen Sieges/ weil
nur zwoͤlffe von ihrer Anzahl erſchlagen/ und XXV verwundet wahren. Herkules ging
darauff ein wenig beyſeit/ taht ſeinen Helm ab/ und mit gefaltenen Haͤnden und traͤhnen-
den Augen richtete er dieſes Gebeht kniend zu Gott. Mein Helffer Jeſus Chriſt/ wie kan ich
dir gnug danken vor deinen Schutz und maͤchtigen Beyſtand/ uͤber welchen ſich alle Welt verwundern
wird; moͤchte wuͤnſchen/ daß ſie ihn nur erkenneten. O ſtehe mir ferner bey/ du mein getraͤuer Hey-
land/ und gib/ daß ich ja nicht unſchuldig Blut vergieſſe/ ſondern die Boßheit ſtraffen/ und die Gerech-
tigkeit beſchützen helffen moͤge. Dir mein Gott ſey Lob/ Ehr/ Preiß und Herligkeit/ von nun an biß
in Ewigkeit/ Amen.


Nachgehends befahl er/ daß die Reuter ſich alle entwapnen und Lufft ſchoͤpffen ſol-
ten; ging zu den Gefangenen/ und fragete/ ob nicht Wundſalbe in der Hoͤhle zubekom̃en.
Der aͤlteſte Raͤubersgenoſſe/ nahmens Servilius/ ein Mann von LXV Jahren/ antworte-
te: Mein Herr/ ſchenket mir Leben und Freyheit/ ich bin ein Wundarzt/ und habe allerhand
koͤſtliche Wundſalben in der Hoͤhle/ wil auch allen getraͤuen fleiß anwenden/ daß nicht al-
lein euren Wunden raht geſchaffet/ ſondern auch uͤberfluß an Speiſe und Trank aufgetra-
gen werden ſol. Ja Alter/ ſagte Herkules/ ihr ſolt Leben und Freyheit/ darzu eine ſonderli-
che Gnade haben/ da ihr eurem verſprechen redlich nachkommet. Hieß ihn alsbald loßbin-
den/ und ſprach ihn der Stathalter frey; wofuͤr dieſer auff den Knien und mit Traͤhnen
dankete; hohlete bald ſein Bindezeug hervor/ und baht/ daß dem einen Gefangenen auch
Gnade wiederfahren moͤchte/ weil er nichts uͤbels getahn/ und ihr Koch waͤhre/ wuͤrde jh-
nen auch Speiſe gnug ſchaffen. Dieſem ward gefolget/ und Ladiſla ſamt Fabius/ Klodius
und Markus vorerſt/ hernach auch die andern alle verbunden/ deren XXI wahren. Servi-
lius vertroͤſtete ſie alle der folgenden Geſundheit/ ohn dz ihrer vierehinkend/ einer an bey-
den Beinen/ und fuͤnffe an einer Hand lahm bleiben wuͤrden/ welches auch erfolgete; der
Stathalter aber ihnen die Verheiſſung taht/ daß ſie zeit ihres Lebens reichlichen Unterhalt
haben ſolten. Herkules ging unterdeß ungewapnet nach dem Frauenzimmer/ die wegen
des lezten Streites ſich mehr als vorhin entſetzet hatten; dann die halbtrunkenen fuͤhreten
ein grauſames Geſchrey/ daher ſie durch ſeine Ankunfft ſehr erfreuet wurden/ und wahr
ihre erſte frage/ ob die ihren noch alle lebeten/ und das blutvergieſſen ſchier ein ende genom-
S ijmen
[140]Erſtes Buch.
men haͤtte. Ja/ ſagte er/ dem ewigen allmaͤchtigen Gott ſey Lob und Preiß; die geſchwor-
nen Feinde dieſer ganzen Landſchafft ſind gedaͤmpffet/ und viel tauſend unſchuldige See-
len von dem Verderben befreyet; und ob ſchon von unſer Geſelſchafft etliche das Leben
ritterlich zugeſetzet/ haben ſie doch einen unſterblichen Nahmen erſtritten/ der ihnen/ weil
Padua ſtehet/ bleiben muß. Er wolte weiter reden/ aber Fr. Urſul hielt gaͤnzlich davor/ jhr
Fabius wuͤrde drauff gangen ſeyn/ fiel ihm in die Rede/ und ſagete: O Herr Herkules/ hat
etwa mein Gemahl das Leben verlohren? O ihr Goͤtter! Behuͤte Gott/ antwortete er/
warumb gedenket meine Freundin ein ſo ungluͤkliches? ich komme zu dem ende/ daß ich ſie
abhohlen/ und auff eine Feldmahlzeit einladen wil/ womit ſie vor dißmahl vorlieb nehmen
werden. Dem Allerhoͤchſten ſey hievor Lob und Dank geſaget/ antwortete die Stathalte-
rin/ der wolle umb ſeines lieben Sohns willen die meinen ferner ſchuͤtzen und bewahren.
Sophia/ Urſula und Sibylla faſſeten ſich bey den Haͤnden/ und gingen voran/ Herkules
aber begleitete die Stathalterin mit ſonderlicher Herzens frende/ und ſagte zu ihr: Hoch-
werte Fr. Mutter; groͤſſere Vergnuͤgung habe ich zu Padua nicht funden/ als daß ich an-
jezt mit ſonderlicher freude vernehme/ daß ſie eine Chriſtin iſt/ dann dieſem Glauben bin
ich auch/ Gott Lob/ von herzen zugetahn und ergeben. Mein geliebter Sohn/ antwortete
ſie/ ich habe es zu unterſchiedenen mahlen aus ſeinen Reden gemuhtmaſſet/ und erfreue
mich ſeines Chriſtentuhms ſehr/ moͤchte wuͤnſchen/ daß mein Sohn H. Ladiſla auch dar-
zu koͤnte gebracht werden/ alsdann wuͤrde meine Tochter ſich leicht bereden laſſen/ ihm zu
folgen. Ich gelebe der troͤſtlichen Zuverſicht zu Gott/ ſagte er/ daß ich ihn mit der Zeit ge-
winnen werde/ aber ſo ſchleunig wird es nicht geſchehen/ weil er der Abgoͤtterey gar zu ſehr
anhanget. Gott wird es nach ſeinem gnaͤdigen Willen ſchicken/ ſagte ſie/ wann nur einige
Hoffnung uͤbrig iſt; Ich aber wil nicht unterlaſſen/ in meinem taͤglichen Gebeht bey Gott
anzuhalten/ daß der Heilige Geiſt der meinigen Herz erleuchten wolle. Herkules frage-
te/ ob nicht ein Chriſtlicher Lehrer ſich zu Padua auffhielte; und als er von ihr vernam/ dz
die Chriſtliche Gemeine des Orts uͤber 1500 Getauffte/ und 3000 Ungetauffte ſtark waͤh-
re/ auch ein treflicher Lehrer alle Woche den Glauben außlegete/ verhieß er ihr/ in erſter
Verſamlung mit zuerſcheinen. Als ſie bey der Hoͤhle anlangeten/ und das Frauenzim-
mer das geronnene Blut auff der Erden ſtehen/ auch die abſcheuhlichen Todten ſahen/
welche das bedrauliche Geſicht noch nicht abgelegt hatten; erſchraken ſie uͤber alle maſſe/
inſonderheit/ da ſie Ladiſla und Fabius Wunden inne wurden. Der alte Servilius trug
ihnen die kalte Kuͤche auf von allerhand Gebratens und anderen niedlichen Speiſen/ ſchen-
kete ihnen daneben einen Wein ein/ deßgleichen der Stathalter ſelbſt im Keller nicht hat-
te/ wodurch ſie alleſamt er quicket und gelabet wurden.


Nach gehaltener kurzen Mahlzeit foderte Servilius Herrn Herkules auff einen
Ort allein/ und fagete zu ihm: Gn. Herr/ nach dem Eure Gn. mir Leben und Freyheit
gnaͤdig verſprochen/ wolte derſelben ich mich gerne dankbar erzeigen/ und ihr ingeheim
ſolchen Schatz in die Hand ſpielen/ der einen Fuͤrſten vor Armut wol befreyen ſol. Er
aber wolte ihm hier auff nicht antworten/ ſondern ſo derte Ladiſla und den jungen Fabius
herzu/ und in deren gegenwart ſagete er zu jhm: Hoͤret Alter/ was ihr jezt mir alle in zuwen-
den woltet/ das zeiget uns zugleich an/ dann ich trage bedenken/ mit euch abſonderlich hie-
von
[141]Erſtes Buch.
von zuhandeln. Servilius taht ſolches ungerne/ hielt auch zuruͤk/ nur daß er bat/ ſie moͤch-
ten mit ihm in die Hoͤhle ſteigen/ da koͤnte er ſeine worte wirklich leiſten. Sie gingen ſamt
den Stathalter und Frauenzimmer hinein/ und verwunderten ſich zum hoͤchſten uͤber der
Zierligkeit dieſes verborgenen Gebaͤues/ in welchem alles ſo renlich und ſauber wahr. Zu
unterſt wahr es mit Steinen uͤberſetzet/ und ganz durch und durch gewoͤlbet; der gemeine
Platz drinnen war ſo weit begriffen/ daß 500 Mann ſich daſelbſt auffhalten kunten. Das
Gewoͤlbe lag auff herlichen Pfeilern/ welche fuͤnff Ellen lang/ und wahr mit dicker Erde uͤ-
berſchuͤttet/ und mit dornichten Hecken/ welche mit fleiß darauff gepflantzet/ ſo dichte be-
wachſen/ daß kein Haſe hindurch kriechen moͤgen/ daher man die runden Klaffter-weiten
Loͤcher/ durch welche von oben herab das Liecht hinein fiel/ von auſſen gaꝛ nicht ſehen kunte.
Die drey Eingaͤnge wahren rund und zwo Klaffter weit/ in welchen ſtarke Leitern ſtundẽ/
darauff man ein und auß ſteigen kunte. Inwendig wahr ein gegrabener Brunnen von kla-
rem lieblichen Waſſer/ worauß man mit der Hand ſchoͤpffen kunte. Vorne im erſten Ein-
gange hing eine Meſſinges Taffel/ deren eingegoſſene Schrift meldete dieſes Gebaͤues Al-
ter/ daß es vor etliche und dreyſſig Jahr/ nemlich im zwoͤlfften Jahre Kaͤyſers L. Aurelius
Commodus/ da zu Rom die Friedes-wie auch die Veſten-Kirchen abgebrant war/ erbauet
waͤhre. Die unſern beſahen alles gar genaue/ verwunderten ſich/ daß dieſes Gebaͤu in ſol-
cher ſtille haͤtte koͤnnen verfertiget werden/ daß kein Menſch deſſen inne worden. Da Ser-
vilius ihnen anzeigete/ es waͤhre uͤber Menſchengedenken eine Moͤrdergrube/ aber nit der-
geſtalt außgefuͤhret geweſen/ biß man ſich nach Außſage der Taffel unterwunden/ das Ge-
maͤuer zu legen; die Steine waͤhren mehrenteils mit haͤnden bey Nachtzeit herzugetragẽ;
Bauleute haͤtte man hin und wieder auffgefangen/ mit verbundenen Augen herbey gefuͤh-
ret/ und zeit wehrender Arbeit ſie mit guter Speiſe und groſſen Verheiſſungen auffgehal-
ten/ aber nachgehends ſie alle im Schlaffe erwuͤrget. Ich/ ſagte Servilius/ bin nun mehr
38 Jahr in dieſer Geſelſchafft geweſen/ und drey Jahr vor Außfuͤhrung dieſes Gebaͤues
zum Wund Arzt/ vor XX Jahren aber zum Schazmeiſter von ihnen beſtellet; habe zwar
ihrer Beute/ ſo viel das Maul verzehret/ mit genoſſen/ aber nie keinen Mord oder Raub
volbringen oder befodern helffen/ deſſen ich die Goͤtter zu Zeugen ruffe. Herkules fragete
ihn/ ob nicht Nebengemaͤcher waͤhren/ in welchen die Raͤuber ihre Waffen und Speiſen
haͤtten/ weil man in dieſem groſſen Platze deſſen nichts fuͤnde. Ja mein Herr/ antwortete
er/ wir wollen alles beſichtigẽ; fuͤhrete ſie an die ſeite oſtwerz/ und oͤfnete eine Tuͤhr zu einem
langen und weiten Gemache/ woſelbſt ein ſolcher Vorraht an Fruͤchten/ Meel/ geſalzenem
Fleiſch und gedorreten Fiſchen/ auch an Wein uñ eingewuͤrzeten koͤſtlichen ſachen war/ dz
4000 Mañ etliche Jahr damit zu aller Notturft waͤren verſorgt geweſen/ ſintemal er auß
den Rechnungẽ darlegete/ dz dieſer Vorraht ſich auf 5 Toñen Goldes belief. Hernach fuͤh-
rete er ſie nach der ſeite gegen Weſten; oͤfnete ein Gemach gleicheꝛ gꝛoͤſſe/ uñ zeigete ihnẽ die
treflichſten Harniſche und Schwerter in ſo uͤberfluͤſſiger menge ſchim̃ern/ dz ſie ein entſetzẽ
darob hattẽ; dañ ein Kriegs heer von 6000 Reutern uñ 44000 zu fuſſe kunte alhieꝛ außge-
ruͤſtet werden; uñ erſtꝛeckete ſich ſeiner anzeige nach/ dieſer Waffen ihr wert auf IX Toñen
Goldes. Nun mein Gott/ ſagte Herkules/ wer hat jemahls eine ſolche Ruͤſtung in Raͤuber-
hoͤlẽ geſuchet? aber iſt man auch willens geweſen/ ſolche unteꝛ einer Mañſchaft außzuteilẽ?
S iijJa
[142]Erſtes Buch.
Ja mein Herr/ antwortete Servilius; waͤhre dieſe Hoͤhle noch ein viertel Jahr verborgen
blieben/ wuͤrden 50000 Mann ſich in einer Woche eingeſtellet/ und das Gewehr empfan-
gen haben; und werden eure Gefangene unter ſcharffer frage wol bekennen muͤſſen/ was
vor ein Anſchlag uͤber ganz Italien gemacht worden. Der Stathalter foderte Dinten und
Papier/ ſchrieb einen Brieff nach Padua/ und begehrete an den Raht/ daß ſie 1500 Mañ
mit 200 oder mehr Wagen/ ſtraks Angeſichts herſchicken ſolten/ und muſte der eine un-
verwundete Reuter nach eingenommener gnugſamer Labung das Schreiben uͤberbrin-
gen/ da Servilius ihm anleitung gab/ er würde im naͤheſtẽ Dorffe ein Pferd in der Schen-
ke mit allem Zubehoͤr finden/ das ſolte er nur im Namen Klaudius Beſſus (welches ein
ertichteter Nahme waͤhre) abfodern/ und auffs ſchnelleſte fort reiten; Er aber ging mit un-
ſer Geſelſchafft in der Hoͤhle ſudwarz/ oͤffnete ihnen eine groſſe Kammer/ die mit ſeidenen
Waaren/ Purpur/ Silber und Guͤldenen Stuͤcken dermaſſen erfuͤllet wahr/ daß man eine
kleine Meſſe damit haͤtte auffſchlagen moͤgen. Sehet meine Herren/ ſagte er/ hie werdet
ihr auff zwanzig Tonnen Goldes die allerkoͤſtlichſten Waaren finden/ die von allen Ecken
her zuſammen geraubet und geſtohlen ſind. Das Frauenzimmer entſetzete ſich uͤber dieſer
Menge/ aber Herkules befahl Servilius von den ſchoͤnſten Sachen alles vieꝛdoppelt auß-
zuſuchen/ welches dem Frauenzimmer zur erſten Außbeute eingeliefert ward/ ſo daß ein je-
der ſeinem Gemahl/ Herkules aber Frl. Sibyllen ſolches einhaͤndigte/ die ſich deſſen aller-
ſeits bedanketen. Hier machte ſich nun der Alte abermahl an Herkules allein/ und ſagte:
Mein Herr/ ich erachte das bißher gelieferte gnug zu ſeyn/ wobey eure Geſellen zu gleicher
Teilung gehen/ deßwegen/ da es euch geliebet/ ſo gehet mit mir unvermerket an einen Ort/
woſelbſt euer Gluͤk vorbehalten wird. Er aber antwortete: Eure Gewogenheit/ mein
Freund/ habe ich gnug verſpuͤret/ iſt aber noch etwas uͤbrig/ ſo laſſets dieſe Herren zugleich
mit wiſſen; dann ich werde hinter ihnen her mir nichts zuwenden laſſen. Mein Herr be-
denke ſich/ ſagte er; rieff die andern herzu/ und baht/ mit ihm Nordwerz zugehen/ und ihm
eine Tuͤhr helffen zu oͤffnen/ welche mit acht dicken eiſern Staͤben verriegelt/ mit ſo viel ſtaꝛ-
ken Mahl Schloͤſſern verwahret/ und mit groben Brettern außwendig uͤberzogen wahr/
daß kein Menſch ſich daſelbſt eines Gemaches haͤtte koͤnnen vermuhten ſeyn. Sie hatten
Muͤhe gnug/ dieſelbe auffzumachen/ und da ſie hinein traten/ funden ſie zwoͤlff mit grobem
Eiſen beſchlagene Kaſten/ die mit gemuͤnzetem Silber und Golde gefuͤllet waren/ und trug
dieſer Schatz ſechzig Tonnen Goldes auß; wobey Servilius berichtete/ daß vor zwoͤlff
Wochen den Werbern zehn Tonnen Goldes zugeſtellet waͤhren/ die anjezt in Teutſchland/
Pannonien/ Gallien/ Spanien und Griechenland Reuter und Fußvolk beſtelleten. O ihr
Goͤtter/ rieff der Stathalter/ wie kan das Roͤmiſche Reich euch vor dieſe gnaͤdige Rettung
gnug danken/ oder dieſen Helden gebuͤhrliche Vergeltung legen? Freylich gebuͤhret den
Goͤttern Dank/ antwortete Ladiſla/ aber unſer Vermoͤgen iſt zu geringe/ daß man ſich deß-
wegen umb einige Vergeltung bekuͤmmern wolte. Ja meine Herren/ ſagte der Stathal-
ter/ ich zweifele nicht/ Rom werde noch Leute vom Verſtande haben/ davon wir dißmahl
weiters nicht reden wollen.


Nach dieſer Beſichtigung ſetzeten ſie ſich nieder zum Trunke/ hielten mannicherley
Unterredung von dem grauſamen Vornehmen dieſer Raͤuber/ und verfuͤgete ſich Servi-
lius
[143]Erſtes Buch.
lius zu Frl. Sibyllen/ zu ihr ſagend: Gn. Fraͤulein/ wo ich nicht irre/ ſo iſt der junge Herr
entweder ihr naher Anverwanter/ oder ihr liebſter/ dem ich gerne ein Gluͤk vor andern goͤn-
nen moͤchte/ aber bißher ſolches von ihm nicht erhalten koͤnnen/ daß ers annehme; ſeid
demnach gebehten/ und beredet ihn hierzu/ welches ohn zweiffel zu eurem beſten mit gerei-
chen wird. Frl. Sibylla antwortete ihm ſchamhafftig; es waͤhre dieſer Herr zwar ihr gu-
ter Freund von geſtern her/ aber nicht weiters/ jedoch wolte ſie ſein Begehren durch ande-
re verſuchen; ging zu Fr. Sophien/ und taht es ihr zu wiſſen. Dieſelbe nun baht Herku-
les in Ladiſlaen Gegenwart/ er moͤchte ſich deſſen ferner nicht wegern/ damit kein Schaz
untergeſchlagen wuͤrde; zu geſchweigen/ daß ſie als die einige wahre Uhrheber dieſes faſt
unglaͤublichen Sieges/ der Beute von rechts wegen zu genieſſen haͤtten. Er aber ent-
ſchuldigte ſich/ um Geizes Verdacht zu meiden/ wolte auch nicht antwortẽ/ biß der Stat-
halter und ſein Sohn zuvor Wiſſenſchafft drumb haͤtten. Hernach ging er hin zu Servi-
lius/ und ſagte; Alter/ ihr habt euch wol vorzuſehen/ daß ihr ja durch aus kein verborgenes
oder beygelegtes verſchweiget/ unter der Hoffnung/ ihr wollet ſolches ſchier heut oder
Morgen nachhohlen; dann ich verſichere euch/ daß nicht allein dieſes Raubneſt erſtes ta-
ges aus dem Grunde verſtoͤret/ und ihr nicht wieder hieher gelaſſen werden ſollet; ſondern
da ſich ichtwas finden wird/ duͤrffte euch ſolches zu groſſer Gefahr gereichen/ welches mir
dann euret wegen Leid ſeyn wuͤrde/ und ich euch doch im geringſten nicht retten koͤnte. Gn.
Herr/ antwortete er/ dieſe Rechnung habe ich mir leicht zu machen/ uñ muͤſte meiner Sin-
nen wol beraubet ſeyn/ wann ich etwas zuverhehlen mich unterſtuͤnde; ſondern ich ſuche
Gelegenheit/ daß annoch ungemeldete euer Gn. abſonderlich einzuhaͤndigen. Euer Wil-
le mag wol gut ſeyn/ ſagte Herkules/ mir aber iſt er nicht angenehm/ weil ich nichts in die-
ſer Welt habe/ welches ich mit dieſen meinen Freunden nicht gerne teilen wolte. So mag
ich euch/ ſagte Servilius/ in dieſem Stuͤcke mit unſern geweſenen dreyen Fuͤrſten/ Orge-
torix/ und den beyden/ ſo im Ritterharniſche geſtritten/ wol vergleichen; maſſen dieſelben
ihres dinges ſo einig wahren/ daß keiner vor dem andern Gewalt/ Reichtuhm oder Ehre
begehrete/ ſondern alles gemein hatten/ auch vor einen Mann ſtunden. Aber doch folgen ih-
re Gn. mir allein/ bitte ich ſehr/ ob nicht ein oder etliche Stuͤcke ſeyn moͤchten/ die er zu ſich
nehmen/ und einem guten Freunde oder Freundin zum Beutpfennige liefern koͤnte. Gin-
gen alſo beyde hin/ oͤffneten ein verborgenes Tuͤhrlein/ welches außwendig mit Brettern
wunderlich vermacht wahr/ daß kein Menſch deſſen inne werden moͤgen. Sehet/ ſagte
Servilius/ heut lebet kein Menſch als ich/ der dieſes heimliche Gemach weiß; Ja unſere
drey Fuͤrſten und ich haben nur Wiſſenſchafft darumb gehabt; fuͤhrete ihn hinein/ uñ zei-
gete ihm zwanzig Laden/ mit Kleinoten ſo reichlich außgefuͤllet daß ein Koͤnig zu dieſen zei-
ten es nicht wuͤrde bezahlen koͤnnen/ und fuhr er in ſeiner Rede alſo fort: Hier liefere meinẽ
Herrn ich vorerſt die gemeinen Kleinot/ vor Ritmeiſtere/ Haͤuptleute uñ Faͤhndriche hin-
gelegt/ als 680 par Armbaͤnder/ jedes par zu 140 Kronen am Wert; gleich ſo viel Halß-
ketten/ jede von 125 Kronen; und ſo viel Ringe/ jeder zu 60 Kronen; auch 680 Kleinot auf
dem Hute zu tragen/ jedes von 150 Kronen. Dabey liefere ich vor ihre Weiber dergleichen
Sachen/ in eben der Zahl und dem Wert. Welches alles ſechs Toñen Goldes uñ 46000
Kronen außtraͤget. Vors ander vor XII Obriſten zu Roß/ deren jeder 1000 Reuter; und
vor
[144]Erſtes Buch.
vor XXII Obriſten zu Fuß/ deren jeder 4000 Knechte; unter X Faͤhnlein fuͤhren ſolte/ ſtel-
le ich meinem Herrn zu 34 Degen Gefaͤß mit Demanten außgeſezt/ jedes zu 4000 Kro-
nen; ſo viel Ringe/ jedẽ zu 2000; ſo viel par Armbaͤn der/ jedes paꝛ zu 3000 Kronẽ; ſo viel
Demanten Halsketten/ jede von 6000 Kronen; und gleich ſo viel Kleinot an Huͤten zutra-
gen/ jedes auff 4000 Kronen; ſchließlich ſo viel Kleinot an die Halsketten zu hefften/ jedes
auch 4000 Kronen gerechnet; Und dann vor ihre Gemahlen in gleicher Anzahl und Koſt-
barkeit eben ſo viel weibliche Stuͤcke/ da an Stat der Gefaͤß/ Leibguͤrtel geleget ſind/ tragen
XV Tonnen Schatzes und daruͤber 64000 Kronen aus. Drittens ſind alhie zu empfahen
drey Degen Gefaͤß und drey Weiberguͤrtel/ jedes Stuͤk in guter geltung eine Tonne Schaz;
ſechs Kleinot/ halb Weibliche und halb Maͤnliche/ jedes Stuͤk 50000 Kronen; ſo viel
Halsketten von Demanten/ jede eine Tonne Schaz; ſechs par Armbaͤnder von Deman-
ten/ jedes par eine Tonne Schaz; ſo viel Ringe; jeder 34000 Kronen; ſo viel par Ohren
gehaͤnge/ jedes par 20000 Kronen; drey Meſſerſcheiden/ und Demantketchen dran/ jede
zu 12000 Kronẽ; traͤget XXIV Tonnen Goldes 60000 Kronen aus/ welches nur unſern
dreyen Fuͤrſten und ihren Gemahlen hingeleget iſt. Uber das finden ſich noch allerhand
ungefaſſete aͤdelgeſteine und Perlen vor VI Tonnen Goldes/ und endlich allerhand gemei-
ne Ringe/ Ketten/ Armbaͤnder und Kleinoten zum Pferdeſchmuk/ in die IV Tonnen Gol-
des am wert; daß alſo mein Herr in dieſem einzigen Gemache faſt LVI Tonnen Goldes
an Kleinoten findet; und daß bißher gezeigete ingeſamt uͤber CL Tonnen Goldes/ oder XV
Millionen außtraͤget/ welche dem Roͤmiſchen Kaͤyſer ſo bald auffzubringen/ ſchwer genug
fallen wuͤrde. Hernach nam er einen vollen Schmuk Fuͤrſtlicher Weiberkleinot/ und einer
Obriſtin ganzes Gepraͤnge/ wickelte es in zwey Buͤndle in zuſammen/ und hielt es ihm mit
dieſen Worten zu: Gn. Herr/ wer weis ob des Kaͤyſers/ oder ja ſeiner Mutter Geiz euer
Gn. von dieſen koſtbahren Sachen viel zuwenden wird? deßwegen nehme er auffs min-
ſte doch dieſe wenigen Stuͤcke zu ſich/ ob er etwa dermahleins ſeiner liebſten etwas ſchen-
ken wolte/ umb deretwillen ich umb gnaͤdige Einwilligung anhalte. Herkules gedachte/ es
moͤchte vielleicht alſo ergehen/ haͤtte doch deſſen nichts genom̃en/ aber weil er ſeiner hoͤchſt-
geliebeten Frl. Valiſken eingedenke ward/ ſagte er: Wolan; daß ihr gleichwol meinen gu-
ten Willen ſehet/ wil ich euch ſolches nicht abſchlagen/ und hernaͤhſt eures beſten einge-
denke ſeyn. Es hat ſich aber der guͤnſtige Leſer uͤber der groſſen Menge dieſer Schaͤtze nit
zuverwundern/ wann er vor erſt betrachtet/ das Italien zu der Zeit mit Reichtuhm faſt uͤ-
ber ſchwemmet wahr/ als dahin alle Laͤnder ihre Schatzungen ſo geraume Zeit hatten ein-
lieffern muͤſſen/ daher man aͤdle Buͤrger zu Rom fand/ die vor ſich mehr als Koͤnigliche
Schaͤtze beſaſſen; dann daß ich des uͤberaus reichen Kraſſus geſchweige/ ſo meldet der
Roͤmiſche Geſchichtſchreiber Kaſſius Dio/ welcher Zeit dieſer Begebnis gelebet/ daß etli-
che zwanzig Jahr vor dieſer Geſchichte/ ein Roͤmiſcher Buͤrgemeiſter/ nahmens L. Sep-
timius Plautianus/ dem Antoninus Karakalla (welcher nachgehends an ſeines Vaters/
Kaͤyſers Severus Stelle/ das Reich bekommen) ſeine Tochter verheyrahtet/ und ihr ſol-
che Außſteuer mit gegeben/ welche funffzig Koͤniginnen waͤhre gnug geweſen. Nun aber
hatten die Raͤuber nicht allein ſo lange Jahr her geraubet und geſtohlen/ ſondern mehr als
hundert vertribene reiche Buͤrger aus Rom und andern groſſen Staͤdten hatten ſich zu
ihnen geſchlagen/ und ihre Gelder mit ſich genommen.


Klo-
[145]Erſtes Buch.

Klodius/ wie verwundet er auch wahr/ gedachte ohn Beute nicht zu ſcheiden; dann
als er einen erſchlagenen beſuchte/ ward er nicht allein geldes/ ſondern auch Ringe und
Armbaͤnder bey ihm gewahr/ zeigete ſolches ſeinem Geſellen Markus an/ und erſuchten
ſie ihre Herren/ ob ihnen koͤnte gegoͤnnet werden die erſchlagenen zupluͤndern/ da ihn Her-
kules an den Stathalter verwies/ welcher zu ihm ſagte: Mein guter Freund Klodius;
ihr und euer Geſelle Markus habt vor eures Vaterlandes Wolfahrt redlich gefochten/
und euer Blut nicht geſparet/ deſſen ihr unfehlbare Vergeltung zu hoffen habet; gehet a-
ber hin mit eurem Geſellen/ und ſuchet euch den vierdenteil aller erſchlagenen aus; was
ihr bey denſelben findet/ ſol euer ſeyn; ohn das eurem Herren Herkules die beyde Gehar-
niſchte vorbehalten werden; die uͤbrigen drey Teile ſollen meines Sohns Reuter zur Beu-
te haben. Dieſe ſagten davor groſſen dank/ nahmen den jungen Raͤuber zu ſich der ihnen die
vornehmſten zeigen muſte/ und ſchleppeten der erſchlagenen XLIII auff einen Ort allein/
bey denen ſie XIV Halßketten/ ingeſamt 5000 Kronen am wert; XXXII par Armbaͤnder/
auff 4500 Kronen geſchaͤtzet; C Ringe auff 8000 Kronen; und an Baarſchafft 15000
Kronen erſchnappeten/ welches ſie aller Schmerzen vergeſſen machte/ und ſie meineten/
ihre Muͤhe waͤhre ihnen ſchon zehnfach erſetzet. Bey den uͤbrigen erſchlagenen/ deren
CXXXII wahren/ funden die Reuter an Geſchmeyde und Baarſchafft 66400 Kronen
wert. Und weil die unſern ſich verwunderten warumb dieſe Raͤuber ſo groſſe Baarſchaf-
ten an Gold bey ſich haͤtten; zeigete Servilius ihnen an/ weil es alle/ Obriſten und vorneh-
me Hauptleute waͤhren/ haͤtten ſie ſolches Geſchmeyde taͤglich am Leibe; die Baarſchaf-
ten aber waͤhren nichts als Spielgelder/ weil ſie mit Wuͤrffeln und Karten die Zeit pflege-
zen zuzubringen; Und ob zwar viel unzuͤchtige Buben mit drunter geweſen/ haͤtten doch
ihre Fuͤrſten nie zugeben wollen/ dz einiges Weibesbilde herein gebracht wuͤrde. Nun hielt
Herkules ſich viel zu aͤdel/ die erſchlagenen zuentwapnen/ und ließ Fabius ſolches durch
den jungen Raͤuber thun/ welcher ihre Kleider von guͤldenen Stuͤcken gemacht/ und mit
1000 Zahlperlen (deren jedes Stuͤk 100 Kronen koſtete/) geſtikt/ herzu brachte/ nebeſt zwo
Demanten Halsketten und ſo viel par Armbaͤnder gleicher gattung/ auff zwo Tonnen
Goldes an wert. Sechs Ringe wurden von ihren Fingern gezogen/ gleicher Schatzbar-
keit/ daß alſo dieſe ſtolze Raͤuber V Tonnen Goldes koſtbarkeiten an ihrem nichtwerten Lei-
be trugen. Dieſes alles lieferte Fabius ſeinem Vater/ welcher es Herkules mit dieſen
Worten einreichete: Hier iſt das Zeichen eures herlichen Sieges/ da der Himmel euch
die Ehre gegoͤnnet hat/ die groͤſſeſten Feinde des Roͤmiſchen Reichs mit eurer ſiegreichen
Fauſt zuerlegen/ welches Kaͤyſerl. Hochwuͤrde/ und der Raht zu Rom ſchon erkeñen wird.
Was nun dieſe Buben vor hohe Gedanken gefuͤhret haben/ iſt auß dieſem Pracht in etwz
abzunehmen/ und wird mein geliebter Herr ſich nicht wegern/ dieſes Siegzeichen anzu-
nehmen/ da ihm ſonſt ſeine angewante Muͤhe nicht gereuet/ welches ich nimmermehr hof-
fen wil. Herkules/ nachdem ers zu ſich genommen hatte/ antwortete hierauff: Hochwerter
Herr und Vater; dem groſſen Gott ſey Dank vor ſeine unaußſprechliche gnade und kraͤf-
tigen Beyſtand/ durch welchen ich dieſe Wuͤteriche hingerichtet/ dann ſonſt wuͤrde meine
geringe Krafft viel zu ſchwach geweſen ſeyn/ ihren Streichen zuentgehen; der Allmaͤchti-
ge wolle meinen Wunſch beſtaͤtigen/ daß an ihren Haͤuptern aller mitverſchwornen Fre-
Tvel
[146]Erſtes Buch.
vel zugleich mit abgehauen ſey; und ob dieſes Kleinot-gepraͤnge gleich mehr vor eine Be-
lohnung als Gedenkzeichen koͤnte gerechnet werden/ wil ichs doch unter beyderley Bene[n]-
nung annehmen; jedoch daß meinen lieben Freun den auch ein Stuͤk davon werde/ wobey
ſie ſich dieſes unſers Gluͤks erinnern koͤnnen. Hiemit teilete er die vier Armbaͤnder unter
das Frauenzimmer aus; dem Stathalter und ſeinem Sohn ſteckete er einen Ring an/ uñ
warff Ladiſla eine Kette umb den Halß; das uͤbrige ſamt den abgeſchnittenen 1000 Per-
len/ nahm er zu ſich/ und mahnete die Geſelſchafft an/ den Abzug zubeſchleunigen/ weil man
der verſchriebenen Wagen Ankunfft vernahm. Servilius trat hervor/ und zeigete an; Es
waͤhre noch das ſilberne und guͤldene Geſchir/ ſamt den gearbeiteten Kleidern (welches er
vergeſſen) nicht gezeiget; ſchloß einen groſſen Kleiderkaſten auff/ in welchem XXX Fuͤrſtli-
che Mannes- und Frauenkleider hingen/ die nicht unter V Tonnen Schaz gezeuget wah-
ren; Allernaͤheſt dabey wahr die Silberkammer/ in welcher auf drey Fuͤrſtliche lange Spei-
ſetiſche alles beyeinander wahr; und hieruͤber viel ander ſilber und guͤlden Geſchir/ inge-
ſamt auf zwo Tonnen Goldes gerechnet. Der Stathalter nahm vier kleine koͤſtliche Gold-
becher davon/ und ſtellete ſie dem Frauenzimmer zu; zeigete daneben an/ daß er geſinnet
waͤhre/ alle eroberte Sachen nach Padua zu ſchaffen/ und biß auff Kaͤyſerl. Hocheit ferne-
re Anordnung in Verwahrung zu nehmen; welches ihnen allen wolgefiel. Wurden dem-
nach LXXX Wagen mit gemuͤnzetem Silber/ XXV mit gemuͤnzetem Golde; XVI mit
Kleinoten und Geſchirren/ und LXXIIX mit koͤſtlichen Waaren beladen; und weil man
die groſſen Geldkaſten nicht erheben mochte/ ward das Meel auß den Tonnen und ledern
Saͤckengeſchuͤttet/ und das Geld dahinein gepacket. Jedem angekommenen Soldaten
und Wagenknecht wurden durch die Bank hin zwo Kronen verehret/ und muſten 500
Kriegsknechte dieſe Nacht die Hoͤhle bewachen/ auff daß man folgender Tage die Eſſe-
waaren und Gewehr abfuͤhren koͤnte/ da dann bey Lebensſtraffe keiner in die Hoͤhle ſolte ge-
laſſen werden/ ohn Servilius und etliche ihm zugegebene/ den Voͤlckern Speiſeuñ Trank
nach Notturfft außzureichen. Die Verwundeten und Gefangenen wurden mit auffgela-
den/ und des naͤheſten Weges nach der Stad gefuͤhret. Auf V Wagen fuhren die Unſern/
unter der Begleitung 50 Kriegsknechte/ daher ſie kommen wahren/ da ſie die auffgerich-
teten Steine zerſchlugen/ die erhenketen in die Erde ſcharreten/ und den beſchwerlichen
Weg durchs Gepuͤſche nach ihren Pferden zu fuſſe vor ſich nahmen. Ladiſla und Fabius
hatten wegen ihrer Wunden mit ſich ſelbſt zu tuhn/ daher ſie etlichen Kriegsleuten befah-
len/ ihren Gemahlen durchs Gehecke zu helffen/ und Herkules ehrenhalber nicht voruͤber
kunte/ ſich der Fraͤulein wieder anzunehmen/ und ſie uͤber Puͤſche und Straͤucher zu heben/
welches ſie zwar vor lieb nahm/ jedoch ſchamhafftig zu ihm ſagete: Mein Herr/ es tuht miꝛ
ſehr leid/ daß ich leider ihm zu nichts diene/ als nur Ungelegenheit zu machen; Geſtern war
ich ihm beſchwerlich auff dem Pferde; jezt muß er mich gar tragen und ſchleppen/ wo ich
ſonſt mit fort ſol; nur moͤchte ich von Herzen wuͤnſchen/ daß meine Eltern Gelegenheit
finden koͤnten/ ſeine mir bezeigete hohe Dienſte wirdig zu vergelten/ welches doch nimmer-
mehr geſchehen wird/ weil ich ſehen und erfahren muß/ daß/ da ich ſchuldig bin/ er noch zum
uͤberfluß ein ſo koͤſtliches Kleinot mir umb den Arm geſpannet/ welches gnug waͤhre/ der
Kaͤyſerin ſelbſt vor ein wirdiges Geſchenk darzulegen. Alſo ſperret mein Herr mir nur
den
[147]Erſtes Buch.
den Weg/ daß ich ja nur immer tieffer in die Schuld gerahten/ und alle Gedanken zu einer
Wiederkehr ablegen muß. Herkules gab zur Antwort: Hochgebohrnes Fraͤulein; es ge-
faͤlt ihr ja ſo/ meine ſchlechte Bezeigungen dergeſtalt zu erheben/ da doch ich und jederman
die Geringfuͤgigkeit derſelben laͤngſt erkennet; Dann was etwa geſtern mag vorgangen
ſeyn/ ſo hat mein Frevel das gute weit uͤberwogen/ daß ich mehr umb Verzeihung zubittẽ/
als Vergeltung zugewarten habe; des heutigen weiß ich mich nichts zuerinnern/ als wo-
vor ich doppelt und dreyfach danken muß/ in dem mein Fraͤulein mir unwirdigen die Ehre
ihrer Begleitung gegoͤnnet/ und die ſchlechte Gedaͤchtniß des heutigen Streits von mir
annimt; erkenne uͤberdas noch meine Schuld/ daß von Rechtswegen ich gehalten bin/
großgeneigete Verzeihung des bey ihr erwecketen Schreckens zu bitten/ welche/ da ich ſie
nebeſt der geſtrigen gebehtenen erhalten werde/ habe ich tauſend Urſachen ſchon/ Eurer
Durchl. zeit meines Lebens davor in allem Gehorſam auffzuwarten. Ach mein Herr/ ant-
wortete ſie/ wie gar weit uͤberwieget doch ſeine Hoͤfligkeit die Erkaͤntniß/ und ſein erbieten
mein Unvermoͤgen; Kan dann einem Fraͤulein hoͤhere Woltaht begegnen/ als daß ſie auß
Raͤubers Haͤnden geriſſen/ und bey Ehren erhalten wird? Ich bitte aber ſehr/ ſich einiger
Unbilligkeit nicht anzuklagen/ deren ich ja nicht die allergeringſte von ihm eingenommen/
ohn was ſeiner angebohrnen Freundligkeit zu reden beliebet/ und mir durchauß nit ſchaͤd-
lich; ja/ nachdem ich ſein ehrliebendes Gemuͤht verſpuͤret/ durchauß nicht zuwider geweſen;
deßwegen/ wo mein bitliches anſuchen etwas bey ihm zuerhalten wirdig iſt/ wolle er deſſen
nicht gedenken/ ſondern mir nicht weniger das nachſinnen einer gebuͤhrlichen Dankbar-
keit/ als die Betrachtung der empfangenen Rettung und Guttaht frey und ungehindert
goͤnnen; alsdann werde ich in der Taht erkennen/ daß ſein guter Wille ohn Tichtung/ und
ſeine Hoͤfligkeit ohn eitele Entſchuldigung mir zugetahn und in Ehren gewogen iſt. Ich
weiß nicht/ antwortete er/ warum mein Fraͤulein meine Erkaͤntniß zu binden/ uñ die wah-
re Erzaͤhlung meines Verbrechens auffzuheben/ ſo bemuͤhet iſt/ es ſey dann/ daß hie durch
der helle Strahl ihrer treflichen Tugend/ mein verſuchen der Nachfolge/ durch den erſten
Anſchein ſtraks uͤberleuchten und verfinſtern ſol/ welches ohn das wol geſchiehet/ angeſe-
hen meine Unmacht mich ſchon gnug hindert/ hoͤflich zu ſeyn/ und der ſchwere Stein der
baͤuriſchen Ungeſchikligkeit mir an den Fuͤſſen hanget/ der mein bemuͤhen nicht uͤber ſich
ſteigen/ viel weniger ihrer Volkommenheit zur ſeiten ſchweben laͤſſet; jedoch/ weil auß jh-
rem Verboht ich die Vergebung meiner Unbeſcheidenheit hervorblicken ſehe/ wil ich/ da-
fern ſie nur kan/ ſolches der Vergeſſenheit mit ſtets dankbegierigem Herzen gerne uͤberge-
ben/ demuͤhtig bittend/ meinem ſchlechten Vermoͤgen mit ihrem uͤberfluß außzuhelffen/ als
lange ſie mich Tugendbegierig kennen und halten wiꝛd/ welches/ da ichs ſelbſt nicht kan/ wil
ich ſuchen/ durch meiner Fr. Schweſter Fr. Sophien kraͤfftige Vorbitte es zuerhalten.
Ja mein Herr/ ſagte ſie; eben diß ſind die Beweißtumsreden/ die ihn mehr hoͤflich als (um
Vergebung zu ſagen) warhafftig angeben; dann vor erſt wil er durch eine Arbeit zugleich
den Glanz ſeiner Sonnen mit den Wolken der nichtigen Beſchuldigung verbergen/ und
die kaum glimmende Funken meiner unruͤhmlichen Aſche uͤber alle Himmel erheben; wie-
wol mit keinem gluͤklichern Verfolg/ als daß er mich erſtlich an ſeinem guten willen zwei-
feln machet/ und hernach/ weil ich ſtets ſchamroht vor ihm ſtehen muß/ mich von ſeinem
T ijGe-
[148]Erſtes Buch.
Geſpraͤch gar abſchrecket/ welches dañ nohtwendig folgen muß/ weil ich wedeꝛ die waꝛheit
zubekennen/ noch die Gebuͤhr zubeobachten freyheit haben ſol; Sehet mein Herr/ wie ger-
ne wolte er mir einbilden/ er waͤhre in meine Schuld durch ſeine mir erzeigete Woltaht ge-
rahten/ und weil er meiner Dienſte keine zu finden weiß/ tichtet er/ daß ichs recht ſage/ eine
Finſterniß/ da nicht ein Schatten iſt; nehmlich/ er wil ſich als ein Verbrecher beſchuldi-
gen/ und hat deſſen nicht den allergeringſten Schein/ oder hat er den Schein/ ſo iſt es mein
falſcher/ welchen er mir durch ſeine aͤidliche Entſchuldigung/ deren ich mich wol erinnere/
ſo gar benommen hat/ daß ich mich meines baͤuriſchen Irtuhms recht ſchaͤmen muß; alſo/
mein Herr/ habe ich vor dißmahl auß dringender Noht unhoͤflich ſeyn/ und ihn erinnern
muͤſſen/ mit mir hernaͤhſt dergeſtalt nicht zuſpielen/ und vielleicht durch gar zu groſſe Hoͤf-
ligkeit in den Mund zu fuͤhlen/ ob der Hoffart Zaͤhne mir außgebrochen oder eingeſenket
ſeyn; moͤchte zwar mit einem ſo Tugendlieben den Herrn gerne umgehen/ wann ich nur
durch den unverdienten Ruhm davon nicht abgeſchrecket wuͤrde. Herkules kuͤſſete ihr die
Hand auß ehrliebender Gewogenheit/ und gab zur Antwort: Ich geſtehe mein Verbre-
chen/ hochgebohrnes Fraͤulein/ daß ich derſelben zuwider geredet habe/ welches doch von
mir nicht kan wiederruffen werden/ nur daß ichs in ihrer Gegenwart nicht haͤtte alles vor-
bringen ſollen/ weil ich dadurch einiger Schmeicheley/ derẽ ich doch ferne bin/ kan beſchul-
diget werden; bitte demnach demuͤhtig umb Vergebung/ und verſpreche hiemit/ daß ich
hernaͤhſt des ſicherſten ſpielen/ und nach dem ich jhren Willen erkennet/ demſelben wiſſent-
lich nicht zuwider reden wil.


Sie brachten ihren gang mit ſolchen hoͤfflichen geſchwaͤtzen zu/ biß ſie bey ihren Pfeꝛ-
den anlangeten/ da der Fraͤulein Gutſcher ſich eingeſtellet hatte/ weil er von dem abgeſchik-
ten Reuter ihre Rettung vernommen/ und daß ſie bey dieſer Geſelſchafft waͤhre/ daher ſie
ſich auff ihre Gutſche ſetzete/ und Fr. Sophien baht/ ihr Geſelſchafft zu leiſten; welche ihr
gerne zu Willen wahr/ weil ſie ohn daß Beliebung trug/ etwas vertraulich mit ihr zu redẽ/
nachdem ſie in jahresfriſt einander nicht geſprochen hatten. Es fiel ihr aber das Liebes-
geſpraͤch ein/ welches Ladiſla mit ihr auff dieſem Wege nach geſchehener Erloͤſung ge-
fuͤhret/ welches ſie dem Fraͤulein nach der laͤnge erzaͤhlete/ und bald earauff der beyden Hel-
den Tugend/ Froͤmmigkeit und hoͤffliche Zucht dergeſtalt ruͤhmete/ daß das Fraͤulein ſich
nicht enthalten kunte zu fragen/ wer doch dann eigentlich dieſe Herren/ und aus was Land-
ſchafft ſie waͤhren; bekam aber zur Antwort/ ſie muͤſten ohnzweiffel ſehr hohes Standes
ſeyn/ ungeachtet ſie ſich davor nicht außgaͤben/ und doch aus allen ihren Werken erſchiene/
inſonderheit/ weil ſie groſſe Gelder und ſtatliche Kleinoten bey ſich fuͤhreten/ und alles was
man ihnen ſchenken wolte/ veraͤchtlich außſchluͤgen; man haͤtte aber gemerket/ daß ſie noch
zur Zeit nicht wolten erkennet ſeyn/ daher man ſie mit vieler Nachfrage gerne verſchonete.
Das Fraͤulein merkete/ daß ihre Frage zukuͤhn geweſen/ baht deſſen verzeihung/ und ge-
dachte doch in ihrem unbetrieglichen Herzen/ es waͤhre nicht min der kuͤhn/ ſich einem al-
lerdinge unbekanten ſo gar ſchleunig in ehelicher Liebe zuergeben/ wie wol ſie muhtmaſſete/
daß ſie mehr wuͤſte als zu bekennen willens waͤhre. Als ſie mit dem ſpaͤteſten Abend zu Pa-
dua anlangeten/ nahmen ſie eine kurze Mahlzeit ein/ und legten ſich zur Ruhe/ da Herkules
und Ladiſla bey einander blieben/ und Frl. Sibyila Fr. Sophien Schlaffgeſellin ſeyn mu-
ſte;
[149]Erſtes Buch.
ſte; der Stathalter aber gieng nach ſeinem abſonderlichen Gemache/ und verfertigte an
den Kaͤyſer folgendes Schreiben:


Allergroßmaͤchtigſter unuͤberwindlichſter Kaͤyſer/ alzeit mehrer des Reichs/ allergnaͤdigſter
Herr; Ihrer Kaͤyſerl. Hoheit berichte ich hiemit in untertaͤhnigſtem Gehorſam/ was Geſtalt zween
fremde Ritter und Herren/ nahmens Herkules und Ladiſla/ deren Herkommen und Vaterland uns
von ihnen verſchwiegen wird/ vor drey wochen alhier bey mir angelanget/ und meine Tochter neben
andern Roͤmiſchen Fraͤulein auß der allerfrecheſten fuͤnff Raͤuber Haͤnden durch die Krafft ihrer ein-
zelnen Schwerter erloͤſet/ auch bald darauff der eine/ nehmlich Herr Ladiſla/ meine Tochter geheyrah-
tet. Als wir nun heut fruͤh XLII bewehrter Reuter ſtark/ mit wenigem Frauenzimmer hinauß zogen/
den Ort der geſchehenen Rittung zu beſichtigen/ werden wir daſelbſt fuͤnff aus Steinen gehauener/
und den erſchlagenen Raͤubern zum Gedaͤchtniß auffgerichteter Bilder gewahr/ deren vornehmſter/
Fuͤrſt Orgetorix (der ehmahls beſchriehene Fechter)/ Herzog uͤber 38000 Mann genennet ward/ da-
her wir muhtmaſſeten/ es muͤſte ohn zweifel eine ſehr gefaͤhrliche Buͤndniß vieler Raͤuber wider das
Roͤmiſche Reich obhanden ſeyn/ welche auszuſpuͤren unſer einiger Wunſch wahr/ da meine Tochter
Sophia unterdeſſen eines heimlichen Weges durch fleiſſige Nachſuchung gewahr ward/ und deßwegẽ
anhielt/ denſelben zugehen/ welches unter dem Getrieb und Anfuͤhrung obgedachter beyden Ritter
ſtuͤndlich zu fuſſe verrichtet ward/ deren hochruͤhmliche Klugheit ein gefaͤhrliches wolerbautes Raub-
neſt unter der Erden außkundſchaffete/ mit 194 Mann beſetzet/ deren keiner geringer als eine Haͤupt-
manſchafft bedienete/ und durchgehend außgeuͤbete Fechter wahren/ aber durch der Goͤtter Huͤlffe und
obgedachter fremder Ritter preißwuͤrdigen Heldenmuht/ ſind ſie mit ſo geringem Beyſtande meines
Sohns und XXXIIX Reuter/ biß auff XIV ſo gefangen/ und IV ſo außgeriſſen/ alle mit einander in
oͤffentlicher Schlacht vor freyer Fauſt erleget/ ihre beyde Fuͤrſten Kajus Azerius und Markus Tre-
bellius in vollem Ritterharniſche von Herkules in abſonderlichem Kampfe nidergeſchlagen/ und end-
lich der Sieg voͤllig erhalten/ wie Zeiger dieſes/ ſo mit gefochten/ weitlaͤufftig erzaͤhlen kan. Waͤhre
nun dieſe ſchaͤdliche Verbuͤndniß uns noch XII Wochen verborgen blieben/ wuͤrden wir ganz Italien
mit 100000 Feinden uͤberſchwemmet geſehen haben/ welche in Teutſchland/ Pannonten und andern
Laͤndern ſchon auff den Beinen ſtehen/ und die helffte auß gebachter Hoͤle ſolte bewaffnet worden ſeyn.
Denn Roͤmiſchen Schutz Goͤttern ſey Danck vor dieſe Errettung/ welche auſſer zweiffel dieſe beyden
Helden (alſo mag ich ſie/ ungeachtet ihrer Jugend/ mit Recht nennen) uns zu huͤlffe geſand haben/ die
werden wie bißher/ ihnen unſere Wolfahrt ferner laſſen befohlen ſeyn/ uñ wird Ihre Kaͤyſerl. Hocheit
mir allergnaͤdigſt anzeigen/ wie ichs mit der groſſen erſtrittenen Beute halten/ auch was ſonſt obge-
dachten beyden Herren/ die ſich umb uns ſo hoch verdient gemacht/ ich anmelden ſol. Befehle mich de-
ro Kaͤyſerl. beharlichen Gnaden/ verbleibend/ weil ich lebe/ meines Allergnaͤdigſten Herrn und Kaͤy-
ſers alleruntertaͤhnigſter Knecht Quintus Fabius.


Hiebey ward aller Geſangenen beſtaͤndige Urgicht/ welche man inzwiſchen von jhnen
nam/ geleget/ und machte er ein kurzes Denkzettel an ſeinen Bruder M. Fabius/ bey Kaͤy-
ſerl. Hocheit zuvernehmen/ wie es mit den Gefangenen/ deren Beſchaffenheit und unter-
ſchiedlichen Zuſtand der Bohte berichten wuͤrde/ auch mit der tꝛeflich uñ kaum voꝛ XXXV
Jahren erbaueten Raͤuberhoͤhle ſolte gehalten werden. Abſonderlich ſchrieb er ihm/ was
geſtalt Herkules des Tages zuvor ſeine Tochter Sibyllen auß des Raͤubers Silvans haͤn-
den geriſſen/ und ihre Ehr errettet/ baͤhte demnach/ er moͤchte fleiſſig befodern helffen/ daß
dieſen beyden unvergleichlichen Helden gebuͤhrlicher Dank moͤchte bezeiget werden/ deren
Tapfferkeit mit ſeiner Feder nicht koͤnte beſchrieben werden/ und wuͤrde ſeines ermaͤſſens
loͤblich ſeyn/ wann man ihnen die erſtrittene Beute zuſpraͤche/ wodurch andere fremde an-
gelocket werden koͤnten/ dem Roͤmiſchen Reiche Dienſt und Huͤlffe zuleiſten. Dieſes alles
T iijſtellete
[150]Erſtes Buch.
ſtellete er dem einen unbeſchaͤdigten Reuter zu/ mit Befehl/ allenthalben auf ſein Freybrief-
lein friſche Pferde zu fodern/ uñ aufs allerſchnelleſte nach Rom zu reiten/ damit er der erſte
Zeitungs-bringer waͤre/ welches ihm kein geringes Geſchenk eintragen wuͤrde; den wah-
ren Verlauff ſolte er nach allen Umſtaͤnden erzaͤhlen/ und inſonderheit der beyden fremden
Herren gebuͤhrliches Lob kuͤhnlich und wirdig vortragen. Alſo muſte dieſer in der Nacht
auffbrechen/ ſeumete ſich auch nicht/ biß er das anbefohlene verrichtet hatte/ deſſen ihm zu
Rom von dem Kaͤyſer und andern groſſen Herren an die 12000 Kronen zum Botenbrod
geſchenket wurden. Umb Mitternacht kahmen die beladene Wagen an/ welche biß an den
Morgen bewachet wurden/ uñ vertroͤſtete der Stathalter die verwundeten Reuter/ ſie ſoltẽ
ſich wenig Tage gedulden/ ihre wunden fleiſſig verbinden/ und ſich aufs beſte ſpeiſen laſſen/
welches er alles bezahlen/ und ihnen von Kaͤyſ. Hocheit reiche belohnung verſchaffẽ wolte.


Des Morgens ging Herkules in die Chriſtliche Verſamlung/ und hoͤrete den zehn-
den Saz des XXVII Pſalms: Mein Vater und Mutter verlaſſen mich/ aber der Herr nimt mich
auff; ſehr troͤſtlich außlegen/ welches der Lehrer ſo artig deutete/ als haͤtte ers eigentlich auf
ihn gerichtet; dann weil etliche unter den zuhoͤrern junge Leute wahren/ die den Glauben
wieder ihrer Eltern Willen angenommen/ und deßwegen von denſelben ſehr gehaſſet wur-
den/ troͤſtete er ſie; man muͤſte Gott mehr als den Menſchen gehorchen/ und wegen der
Eltern Unwillen die Wahrheit nicht verlaſſen/ noch die Seligkeit in die Schantze ſchlagẽ;
es haͤtte zwar Gott gebohten/ die Eltern zu ehrẽ und ihnen zu gehorchen/ aber Gottes Ehr
und Gehorſam ginge noch weit vor/ der waͤhre der hoͤchſte Vater/ ſo daß man die leibli-
chen Eltern auch haſſen muͤſte/ wann dieſelben uns von Gott abwendig machen wolten;
ja wann wir umb der himliſchen Warheit willen der Eltern und Anverwanten Hulde uñ
Gunſt verloͤhren/ traͤte Gott zu/ und erſetzete alles tauſendfach an deren Stat. Herkules
hielt es vor ein ſonderliches Zeichen goͤttlicher Gnade/ daß er ohn gefehr/ dieſe Predigt
anzuhoͤren kommen wahr/ trat nach verrichtetem Gottesdienſte zu dem Lehrer (der ſchon
wuſte/ was vor Tahten er geſtriges tages verrichtet) und ſtellete ihm 500 Kronen zu/ un-
ter die Armen zuverteilen/ nebeſt dem Verſprechen/ nach dieſem ein mehres zu tuhn; ging
wieder hin nach Ladiſla/ und ſagte; wir ſind freylich ſchuldig/ dem wahren Gott zu danken/
daß er uns geſtern ſo groſſen Sieg verlihen/ und vor ſonderliche Gefahr beſchirmet hat;
zweiffele nicht/ wir werden ohn hohe Vergeltung nicht bleiben/ ſo wol an ſeiten Kaͤyſerl.
Hocheit als auch dieſer umbliegenden Landſchafft. Fr. Sophia kam auch darzu gangen/
zu ſehen/ wie es mit ihres Gemahls Verwundung beſchaffen waͤhre/ und vernam mit
freuden/ daß nicht allein Servilius ihm erlaͤubete zu gehen wie er wolte/ ſondern auch in-
wendig neun tagen voͤllige Heilung verſprach. Sie ſagete aber zu Herkules; mein Herr
Bruder/ ich freue mich von Herzen/ daß er von dem Raͤuberiſchen Schwerte dißmahl un-
verletzet blieben/ und moͤchte dannoch zugleich mit wuͤnſchen/ daß er auch ein Wuͤndichen
in Geſelſchafft empfangen haͤtte. Ladiſla fragete ſie/ warumb ſie ihm uͤbels anwuͤnſchen
koͤnte/ welches ihm trauen wenig freude braͤchte/ und ob ſie meinete/ der Sieg waͤhre nicht
ruͤhmlich gnug/ wann man ungeſchlagen davon kaͤhme. Sie aber gab zur Antwort: Ver-
ſichert euch/ mein Schaz/ ob ihr euren Herkules als einen getraͤuen Bruder liebet/ daß ich
ihn nicht weniger als eine ergebene Schweſter meyne und Ehre: aus welchen Worten er
ihr
[151]Erſtes Buch.
ihr Raͤzel bald verſtund/ daß ſie von einer Liebes-Wunde redete/ und auff Frl. Sibyllen zie-
lete; ſo wahr auch Herkules nicht ſo einfaͤltig/ daß er eines Dolmetſchers bedurfft haͤtte/
wie wol er ſichs nicht merken lies/ ſondern antwortete; Ich gebe meiner herzgeliebten Fr.
Schweſter nicht unrecht/ geſtaltſam ich wol bekennen muß/ daß ich mit meinem taͤglichen
Muhtwillen Straffe gnug verdiene/ weil mich aber mein Gott vor Wunden und Wuͤn-
dichen bewahret hat/ werde ich ſchuldig ſeyn/ ihm davor zu danken. Sie waͤhre ihm gerne
naͤher getreten/ aber weil Ladiſla ihr einen heimlichen Wink gab/ zohe ſie die Pfeiffe ein/ da-
mit ſie ihm nicht zuwieder handelte/ und zeigete an/ der Schneideꝛ haͤtte ihꝛe weiſſe atlaſſen
Sommer-Kleider fertig gemacht/ da ſie dieſelben in dieſer Hitze anlegen wolten; welches
ſie nach ihrem Abtrit verrichteten/ und bald darauff von dem Stathalter nach dem Saal
erbehten wurden/ da die vornehmſten Herren der Stat bey ihm wahren/ die mit groſſer
Ehrerbietung ihnen entgegen traten/ und nach verrichteter gewoͤhnlicher Hoͤffligkeit Herr
Fabius anfing: Hochtapffere Herren und hochgeliebte Soͤhne Herr Herkules und Herr
Ladiſla/ billich bedanke wegen Roͤmiſcher Kaͤyſerl. Hocheit/ und des Roͤmiſchen Rahts uñ
Volkes ich mich gegen euch gebuͤhrlich/ daß ihr geſtriges tages zu eurem unſterblichen
Preiß und Ruhm/ nicht allein dieſer Stad/ ſondern ganz Italien/ bloß aus liebe zur Ge-
rechtigkeit/ ſo groſſe Dienſte erwieſen/ in dem ihr durch eure ritterliche Klugheit und un-
verzagte Helden Krafft/ Brand/ Mord/ und verwuͤſtung/ und mit einem Worte/ daß un-
vermeidliche algemeine Verderben abgekehret/ und gluͤklich hintertrieben habet/ welches
wir und unſere Nachkom̃en/ weil die Welt ſtehet/ ruͤhmen muͤſſen. Ich bedenke mit hoͤch-
ſter Erſchutterung/ was vor ein Jammer in dieſer Stad und Gegne/ uͤber XII wochen/ iſt
eine geringe Zeit/ ſich wuͤrde zugetragen haben/ wan eure Vorſichtigkeit nicht geweſen/ ja
wann nicht der Himmel aus ſonderlicher Gnade euch zu uns hergeſchicket haͤtte/ gleich an
dem Tage/ da die Raͤuber an meiner lieben Tochter und ihren Geſpielen den Anfang ma-
cheten. Vor dißmahl habe ich nicht mehr vorzubringen/ als daß meine hochgeliebte Her-
ren und Freunde/ eine kleine Verzoͤgerung nicht verunwilligen wollen/ welche zwiſchen eu-
ren Verdienſt und billiche Erkaͤntnis nur biß dahin eingeſchoben wird/ daß mein aller-
gnaͤdigſter Kaͤyſer und die Stad Rom mir Befehl erteilen/ ihre Dankbarkeit euch wiſſen
zu laſſen. Als der Stathalter dieſe Rede geendiget hatte/ fing ein anſehnlicher Paduani-
ſcher Herr/ nahmens Zezilius Antenor/ der vortreflichſte unter dem Adel ſelbigen Ortes/
und der Stad oberſter Vorſteher/ jm Nahmen der Stad alſo an: Durchl. Herren/ Herr
Herkules und Ladiſla (vielmehr Theſeus zunennen)/ ihr warhaffte Schuͤtzer und Erret-
ter unſers Vaterlandes; Was maſſen unſere Stad Padua und ihre Einwohner/ ja alle
umliegende Landſchafften und Staͤdte euch naͤhſt Gott alle Wolfahrt und das Leben ſelbſt
zu danken haben/ als die ihr das augenſcheinliche Verderben von uns allen abgewendet/
ſolches hat der hochanſehnliche Roͤmiſche Stathalter Herr Fabius anjetzo nicht ohn ur-
ſach eingefuͤhret; weil aber Euren Durchll. der eigentliche Bericht des moͤrderiſchen vor-
habens noch ſo außfuͤhrlich nicht entdecket iſt/ gebe denſelben ich zu vernehmen/ daß nach
angeſtelleter peinlicher Frage/ wir von ihren Gefangenen dieſen einhelligen Bericht ein-
gezogen/ womit Servilius gutwillige Bekaͤntniß allerdinge einſtimmet/ daß nehmlich
M. Trebellius/ K. Azerius/ beyde verbannete Roͤmiſche Herren/ und Orgetorix ein Gal-
lier/
[152]Erſtes Buch.
lier/ jener beyden Drittes-Mañ/ mit ihrem grauſamen vorhaben ſchon drey Jahr ſchwan-
ger gangen/ und inwendig vieꝛ Monat auffs hoͤchſte ſolches ins werk zu richten/ entſchloſ-
ſen geweſen; Sie wolten mit 100000 Mann in dreyen unterſchiedlichen Kriegsheeren
dieſe Stad Padua/ Mantua und Ravenna zugleich anfallen/ den ganzen Adel und alle veꝛ-
heyrahtete/ auch unmanbahre Toͤchter ohn einige Verſchonung erwuͤrgen/ die mannbah-
ren Fraͤulein und Jungfern zu ihrer Heyraht und unkeuſchen Willen behalten/ ja alle fꝛeye
Menſchen erwuͤrgen/ den Leibeigenen von allenhalben her/ Freyheit und das Buͤrgerrecht
ſchenken/ und nach dem Vorbilde Romulus und Remus ein neues Reich anrichten/ da
dann jeztgenante drey Staͤdte ihre drey Fuͤrſtlichen Sitze haͤtten ſeyn ſollen; Ihre gewor-
bene blutduͤrſtige Voͤlker haͤtten die Anreitsgelder ſchon empfangen/ laͤgen hin und wieder
in Feindes Laͤndern verſtreuet/ und warteten nur auff Befehl ihrer Fuͤrſten/ wann ſie auf-
brechen und die Waffen empfangen ſolten; Es iſt vor Menſchen Augen unmoͤglich/ daß
man die Gefahr haͤtte koͤnnen abwenden/ geſtaltſam ſie uns wuͤrden uͤber den Halß kom̃en
ſeyn/ ehe wirs inne werden moͤgen/ und wahr der eine Sammelplatz uns ſo nahe/ nehmlich
die erſtrittene Hoͤhle/ daß viel 1000 Mann in einer Nacht daſelbſt die Waffen haͤtten er-
greiffen/ und mit dem fruͤhzeitigen Tohrauffſchlieſſen uns in den Betten uͤberfallen koͤn-
nen. Sehet ihr Durchll. Herren/ dieſes Verderben hat eure gluͤkliche Außforſchung und
herlicher Sieg von unſern Haͤlſen hinweg geriſſen/ unſer Leben beſtehet durch eure Hand/
unſere Weiber und Kinder ruffen und frohlocken/ daß die unvergleichliche Helden Herr
Ladiſla und Herr Herkules zu ihrer Rettung erſchienen ſind; Unſere manbahre Toͤchter
ruͤhmen/ daß ſie nicht duͤrffen den Raͤubern auffwarten und zu dienſte ſtehen/ ja daß ſie jh-
rer Eltern leibeigene Knechte zu heyrahten nicht gezwungen werden; So ſind wir ja nun
ſchuldig/ ſo vielfaͤltige Guttaht zuerkennen; ſo muͤſſen wir ja billich ein williges Herz dar-
bieten zur Dankbarkeit. Und deßwegen ſind wir von dem Raht und Gemeine dieſer Stad
abgeordnet/ ſie als unſere ſonders geehrte Herren und Schuͤtzer freund- und dienſtfleiſſig
zu bitten/ daß ſie auß dieſer Stad nicht weichen wollen/ ehe uñ bevor ſie an Roͤmiſche Kaͤy-
ſerl. Hocheit dieſe ihre hoͤchſtruͤmliche Taht eilig gelangen laſſen/ und weſſen ſie ſich hierin
verhalten ſollen/ unterrichtet ſind; inzwiſchen ſtehet alle unſere Haabe und Vermoͤgen/ ja
unſer Leib und Leben zu ihrem Dienſte/ werden auch nicht unterlaſſen/ uns zubemuͤhen/ da-
mit unſer guter Wille in der Taht moͤge erſcheinen koͤnnen.


Unſere Helden hatten dieſer hohen Ehr ſich nicht verſehen/ denen ohn daß kein Ehr-
geiz beywohnete/ uñ antwortete Herkules folgender Geſtalt: Durchleuchtiger Herr Stat-
halter/ Hochanſehnliche Herren Abgeordnete/ ſonders gnaͤdiger Herr Vater und genei-
gete Herren; Mein Bruͤderlicher Geſelle und ich ſchaͤtzen uns vielzugeringe die von eu-
rer Gn. und Herrligkeiten jezt gehaltene Lob- und Dankreden auff uns zuzihen; ja wann
unſere Nahmen von ihnen nicht außdruͤklich gemeldet waͤhren/ wuͤrden wir der Antwort
uns nicht erkuͤhnen/ angeſehen/ wir ſo hohen Ruhm und Dank zuverdienen uns gar zu un-
beſtand und geringe achten/ daß wir vor Schuͤtzer dieſer maͤchtigen Stad uns ſolten ange-
ben laſſen/ ohn deren Ankunfft ihre Wolfahrt nicht haͤtte koͤnnen erhalten werden. O wer
weis nicht/ daß Padua durch der Inwohner Vernunfft und Vermoͤgen wol koͤniglichen
Gewalt und Anlauff hintertreiben/ geſchweige/ eine Handvol Raͤuber daͤmpffen ſolte/ in-
ſonder-
[153]Erſtes Buch.
ſonderheit/ da ſie unter den Schuzfluͤgeln des Allergroßmaͤchtigſten Roͤmiſchen Kaͤyſers/
unſers allerſeits gnaͤdigſten Herren/ Sicherheit und Schirm gnug haben kan und hat,
muͤſten demnach der unſinnigen Verwaͤgenheit in- und außwendig uns gewidmet haben/
wann wir ſolches nicht erkennen/ oder nur in zweiffel zihen wolten. Zwar wir danken es
der gnaͤdigen himliſchen Verſehung/ daß wir das Gluͤk gehabt/ nicht allein durch des Or-
getorix und ſeiner boßhafften Geſellen Beſtreitung die erſte Urſach dem geſtrigen Siege
zugeben/ ſondern daß wir auch dieſem ohn zweiffel herlichen Werke beyzuwohnen beſeli-
get geweſen/ weil dannoch der Raͤuberiſche Frevel viel Ungelegenheit machen koͤnnen/ da
er nicht in der Aſchen wuͤrde gedaͤmpffet ſeyn; aber/ hochanſehnliche Herren/ was ſchreibet
man uns beyden einzelnen/ die gluͤkliche Verrichtung allein zu? warumb hinterhaͤlt der
hochmoͤgende Herr Stathalter ſeine eigene Tahten/ die nicht geringer/ ſondern groͤſſer als
die unſern zu ſchaͤtzen ſind? dann ſeine geleiſtete Gegenwehr iſt den Raͤubern ſo ſchaͤdlich/
als ſeyn heilſamer kluger Raht uns nuͤzlich geweſen; zu geſchweigen/ daß ſeine bloſſe Ge-
genwart jene zu ſchrecken und uns zu muhtigen kraͤfftig gnug wahr/ daß alſo demſelben
der hoͤchſte Preiß und Dank/ da ſonſt einiger erſtritten iſt/ von Gott- und Rechts wegen
gebuͤhret. Aber Durchleuchtiger und Wolgebohrne Herren/ warumb muß der tapffere
Held/ Herr K. Fabius/ des Herrn Stathalters an Muht und Tugend gleich gerahtener
Sohn/ ſeines verdienten Lobes beraubet ſeyn/ und uns alles gar abtreten/ der trauen ſeine
Sinne und Faͤuſte hiebey nicht umb daß geringſte weniger geſparet als wir? Ja wo blei-
bet ſeiner Reuter loͤbliches Wolverhalten/ ohn deren Huͤlffe und Beyſtand wir unſer Le-
ben nicht haͤtten moͤgen davon bringen/ und wir ihnen deßwegen Dank und Vergeltung
ſchuldig ſind. Muß alſo dieſe Taht dem Herrn Stathalter und ſeinem Sohn billig beyge-
maͤſſen werden/ weil dieſelben nicht allein das Amt unverzageter Streiter/ ſondern auch
vorſichtiger Befehlhaber geleiſtet/ uñ die Mañſchafft hinzugefuͤhret/ durch derẽ Schweꝛ-
ter ſchaͤrffe die Feinde hingerichtet/ und dem Henker entwichen ſind; uns beyden aber iſt
es gnug/ wann unſere ſchlechte Nebenhuͤlffe und Beyſtand hat angenehm und erſprißlich
ſeyn koͤnnen; wodurch aber die uns angebohtene Ehre wir ſo gar nicht verdienen moͤgen/
daß auch ohn unſere Gegenwart der voͤllige Sieg ihnen haͤtte bleiben muͤſſen. In erwaͤ-
gung deſſen alles bitten wir ſehr/ uns uͤber unſer Verdienſt und Wirdigkeit nicht zuehren/
damit uns nicht mehr Urſach/ uns zu ſchaͤmen/ als ſie zu lieben/ gegeben werde; unſer ſtets
begieriger Wille/ ihnen ſamt und ſonders moͤgliche Dienſte zu leiſten/ ſol auff alle Bege-
benheit ſich bereit halten und finden laſſen/ deren gute Gewogenheit unſere Verrich-
tungen ſchon mehr als zu viel vergolten hat/ wovor wir zugleich uns hoͤchlich bedanken/
und/ wie geſagt/ hinwie derumb zu aller Moͤgligkeit uns verbinden. Der Stathalter gab
zur Antwort: Ihr meine hochgeliebete Herren und Freunde/ was habe ich doch bey dieſem
grimmigen Kampffe mehr tuhn/ als euch gluͤklichen Fortgang und Sieg wuͤnſchen koͤn-
nen? bin ich nicht als ein uͤberfluͤſſiger Stummer in dieſem Spiel geweſen? hingegen ha-
bet ihr/ Herr Herkules/ nicht geordnet/ verſehen/ die unſern angefuͤhret/ geſtaͤrket/ entſetzet/
ja die beyden Fuͤrſten und Fuͤhrer der Raͤuberiſchen Verbuͤndniß/ einen nach dem andern
mit eurem Schwerte im abſonderlichen Kampffe erleget/ und mich hernach mit ihren
Waffen außgeruͤſtet? Mein Herr Schwieger Sohn aber mit ſeiner Hand beſchuͤtzet/ und
Vden
[154]Erſtes Buch.
den feindlichen Anfall von mir auff ſich ſelbſt gezogen/ daß ich unbeleidiget bliebe? Meinen
Sohn betreffend/ was koͤnte mir ergetzlicher ſeyn/ als daß er die Ehre gehabt/ euch in die-
ſem ruͤhmlichen Werke beyſtand zu leiſten/ und unter eurer Anfuͤhrung das ſeine zu tuhn/
welches aber an eure Verrichtungen bey weitem nicht reichet. Hat er dann gleich mit ge-
fochtẽ/ ſo habt doch ihr die ſtaͤrkeſte Feindesmacht gebrochen; hat er den Raͤubeꝛn ſich ent-
gegen geſezt/ ſo iſt ers als einheimiſcher dem Vaterlande ſchuldig. Ihr aber als fremde/
und uns allerdinge unverbundene habt euch nit gewegert/ eure Leiber unter ſo groſſe menge
der Raͤuber zuſtellen/ und allen ihren Anfall auff euch hinzurichten/ nur daß deren uͤbeꝛ uns
beſchloſſener Mord auffgehaben/ Landesverwuͤſtung abgewendet/ und wir alleſamt der
Sicherheit und Ruhe genieſſen moͤchten. Dieſer euer Ruhm/ ihr unvergleichliche Heldẽ
muß nicht verſchwiegen werdẽ/ dafern wir nicht durch Undankbarkeit der Goͤtter Ungna-
de und gebuͤhrliche Straffen uͤber unſern Halß zihen wolten/ wovor die Erbarkeit ſelbſt
uns bewahren wird. Hernach wendete er ſich zu den Abgeordneten/ und baht ſie/ nach dem
ſie unſerer Helden Antwort wuͤr den hinterbracht haben/ ſich bey ihm zur Mahlzeit einzu-
ſtellen/ und jhnen Geſelſchafft zu leiſten. Es hatte aber der Raht zu Padua allen Verlauf
nach Mantua und Ravenna/ auch andern Staͤdten geſchrieben/ und der gebuͤhrlichen
Dankbarkeit ſie erinnert/ welche ſich alsbald bemuͤheten/ eine moͤgliche Vergeltung ſehen
zu laſſen. Fr. Sophien wehrete inzwiſchen die zeit lange/ ehe ſie mit jhrem Ladiſla allein
zu reden kam/ ließ jhn nach der Abgeordneten Abtritt zu ſich in den Garten fodern/ und
nach kurzer Unterredung fragete ſie/ wie ihm jhre Waſe Frl. Sibylla gefiele; und als er
ſich vernehmen ließ/ daß ſie gar ein zuͤchtiges und ſchoͤnes Fraͤulein waͤhre/ dergleichen er
wenig geſehen; antwortete ſie/ jezt laͤſſet ſie ſich auff ihr Roͤmiſch ſchmuͤcken/ weil ihre Klei-
der ihr auff der Gutſche unverruͤcket blieben ſind; Ich aber habe dieſe Nacht wenig ge-
ſchlaffen/ ſondern an ihrem anmuhtigem Geſpraͤch mich erluſtiget; ſonſten gefiel mir ge-
ſtern ſehr wol/ daß Herr Herkules ſich ihrer im Gepuͤſche ſo fleiſſig annam/ dann anfangs
befurchte ich/ er wuͤrde ohn Freundligkeit mit ihr fortgehen/ wie vor dieſem mit Frl. He-
lenen/ aber ich merke wol/ daß er ein guter Erkenner in Unterſcheid der Schoͤnheit iſt; dañ
ob ich gleich an dieſer wenig zu tadeln habe/ kan ich ſie doch mit jener nicht vergleichen. La-
diſla merkete jhr Vorhaben/ und antwortete: Euer Vorſaz/ mein Herz/ waͤhre wol gut/ a-
ber ſehet zu/ und machet euch nicht Ungunſt an der andern Seite. Ey/ ſagte ſie/ ich handele
nach Recht und Warheit/ und nicht nach Gunſt/ drum werde ich nicht ſuͤndigen; Aber ſe-
het dorten Herr Herkules hertreten/ welcher ſchon meynet/ gar zu lange von euch geweſen
ſeyn; Lieber goͤnnet mirs/ ein wenig mit ihm zu ſcherzen/ ich weiß wol/ wo ich zukehren ſol;
Sie gingen mit einander ihm entgegen/ und ſagte ſie zu ihm: Mein Herr Bruder/ wie ge-
het ſeine Liebe ſo einſam und ohn alle Geſelſchafft? Darumb/ antwortet er/ daß niemand
mit mir gehen wil/ und ich daher Geſellſchafft ſuchen muß. Ja/ ſagte ſie/ vielleicht wollet
ihr niemand bey euch haben/ ſonſten fuͤnde ſich die Geſelſchafft wol ungeſucht. Meine An-
muhtigkeit iſt ſo ſchlecht/ ſagte er/ daß meiner wenig begehren/ weiß auch faſt ſelber nicht/
woher meine Schwermuht entſtehen mag. Sie antwortete: Mancher kan auch in der
Demuht ſtoltz ſeyn/ welches ich vor den groͤſſeſten Stoltz halte; und daß dieſes auff euch
geredet ſey/ wil ich nicht leugnen/ dann ihr meidet die froͤliche Geſelſchafft mit fleiß/ und
leget
[155]Erſtes Buch.
leget hernach die Urſach eurer Einſamkeit auff andere/ die doch gerne mit euch umgingen.
Ob die Schuld an mir liege/ ſagte er/ daß ich gemieden weꝛde/ kan wol ſeyn/ geſtehe es auch
ſelber/ wann mir nur zugelaſſen iſt/ des beſchuldigten Stoltzes mich zuentledigen/ deſſen ich
ungerne wolte teilhaftig ſeyn; findet aber meine Fr. Schweſter dieſes oder andere unzim-
liche Laſter an mir/ wolle ſie meiner nur nicht verſchonen/ weil ich meine Gebrechen nicht
allemahl von mir ſelbſt erkennen kan; deßwegen ſind dieſelben meine allerliebeſten Freun-
de/ welche ſich meiner Beſſerung annehmen/ und ſelbe fortzuſetzen bemuͤhet ſind/ zweifele
auch nicht/ da meine Fr. Schweſter taͤglich mit ihr em Verweißtuhm fortfahren wird/
ſolle es ſehr viel bey mir fruchten. Ach ja freylich/ antwortete ſie/ mit dergleichen ſpitzigen
Pfeilen muß man auff traͤuherzige Freunde zuſchieſſen/ damit man abgeſchrecket wird/ dz
man kein Schertzwort mit euch reden darff. Ladiſla lachcte/ daß ihr gefiderter Bolzen ſo
zeitig zuruͤk prallete/ wie ſie dann weiters nicht vorzubꝛingen wuſte/ und Heꝛkules ſchon auf
eine Antwort bedacht wahr; aber ſie fiel jhm ein/ und ſagte: Nun ſehet euch umb/ Herr
Herkules/ jhr ſeyd ſchon taͤhtlich wiederleget/ als wolte niemand eure Geſelſchafft haben/
dann dort laͤſſet meine Frl. Schweſter Frl. Sibylla ſich von meiner Fr. Mutrer herleitẽ/
damit ſie eure Einſamkeit breche/ deren ſie ohn zweifel wird wahr genommen haben. Es
gingen aber dieſe beyden friſch fort/ dann ſie nahmen jener hinter dem Roſenpuſche nicht
wahr/ biß ſie in den offenen Weg traten/ welches das Fraͤulein erſehend/ alsbald ſtutzete/
dann ſie kennete unſere Helden nicht ſo bald. Aber Fr. Sophia rieff ihr zu: Geliebte Frl.
Schweſter/ komt mir doch zum Beyſtande/ dann ich bin zu wenig und ſchwach/ dieſen bey-
den Herren allein zu antworten. Herkules trat ihr hoͤflich entgegen/ empfing ſie mit einem
Handkuſſe/ und nach Wuͤnſchung eines froͤlichen Morgen fragete er/ ob ſie nach dem ein-
genommenẽ Schrecken wolgeruhet haͤtte. Sie hingegen baht um Verzeihung/ dz ſie durch
ihre Ankunfft ihre Unterredung ſtoͤrete/ ſahe jhn unterdeſſen in dieſem duͤnnen Kleide an/
und verwunderte ſich ſo gar uͤber die volkommene Zierligkeit ſeines Leibes und aller Glied-
maſſen/ daß ſie faſt erſtummete; und als Fr. Sophia jhre Verenderung ſahe/ kam ſie ihr
zu Huͤlffe/ und ſagete: Herzgeliebete Frl. Schweſter/ meynet ſie wol/ daß dieſer Herꝛ noch
eben derſelbe ſey/ welcher geſtriges Tages ein ſolches Gemetze unter den Raͤubern hielt/ dz
wir Ohren und Augen zudruͤcken muſten? Ach nein/ ſagte Frl. Sibylla/ wann mir das
Angeſicht nicht bekant waͤhre/ wuͤrde ichs ſchwerlich glaͤuben. So geliebet meiner Frau
Schweſter es gar offt/ ſagte Herkules/ mich bey fremden ſtum zu machen. Bey fremden?
fragete ſie; je wer iſt dann alhie fremde? Meine Fr. Mutter/ euren Ladiſla und mich/ wer-
det ihr ja nicht vor fremde ſchelten; iſt euch dann meine Frl. Schweſter ſo frembde/ und
habet ſchon unterſchiedliche Reiſen zu Pferde und zu fuſſe mit ihr gehalten? da werdet
ihr ja mit einander etwas Kundſchafft gemacht haben. Es iſt mir leid gnug/ antwortete
er/ daß das Durchl. Fraͤulein ich vom gehen ſo ermuͤdet ſehen muſte; weil ichs aber nicht
endern kunte/ hoffe ich deßwegen entſchuldiget zu ſeyn. Mein Herꝛ/ antwortete das Fraͤu-
lein/ weil mein eigener Vorwitz mich zu dieſer Reiſe getrieben/ habe ich das ritzen und ſte-
chen der Dornen billich erlitten/ und halte/ meine Frau Schweſter werde das ihre auch
empfunden haben. Ich? ſagte Fr. Sophia; trauet mir ſicher/ herzgeliebtes Schweſter-
chen/ daß dieſe Dornen mich ſo gar nicht gereuen/ daß ich ſie vielmehr liebe/ weil unter den-
V ijſelben
[156]Erſtes Buch.
ſelben ich meine allerliebſte Roſe (auff Ladiſla zeigend) gebrochen/ und moͤchte in Warheit
euch wol ein gleiches Dornen- oder vielmehr Roſengluͤk wuͤndſchen und goͤnnen. Das
Fraͤulein ward hieruͤber ſchamroht/ begriff ſich aber bald/ und gab zur Antwort: Ich be-
danke mich alles guten/ und daß meine Fr. Schweſter ſo groſſe vergnuͤgung zwiſchen den
Dornen empfangen/ erfreue ich mich ihretwegen billich; mich aber betreffend/ habe ich nie
groͤſſere Angſt als in den Dornen gehabt/ aus welchen Hn. Herkules ſieghaftes Schwert
mich vorgeſtern loßgewirket/ wovor meine geliebte Eltern dankſchuldige Gemuͤhter erzei-
gen werden/ weil ichs nicht als mit gefliſſener Ehrerbietung zuerſetzen weiß. Herkules
hatte groſſes gefallen an den zuͤchtigen Reden dieſer uͤber ausfrommen Fraͤulein/ und ant-
wortete hierauff: Durchl. Fraͤulein/ ich bitte Gott/ daß er euer Wir digkeit gleichmaͤſſi-
ges Gluͤk zuſchicken/ und wahre Tugend mit erwuͤnſcheter Erſtattung beſeligen wolle; be-
treffend meine geringe/ und des gedenkens nicht werte Dienſte/ ſind ſolche tauſendfach in
dem erſetzet/ daß ſie mit ihrem belieben und vergnuͤgen geſchehen/ und wer mit ſo reicher
Erſtattung nicht friedlich ſeyn kan/ waͤhre meiner Urtel nach unwirdig/ von redlichen Leu-
ten geliebet zu werden. Hiemit kan vielleicht mein Herr ſich befriedigen/ antwortete ſie/ a-
ber meine Schuld ſich nicht loßwirken/ dann das empfangene fodere mehr Pflicht/ als die
Worte Leiſtung/ und waͤhre trauen gar eine ſchlechte Dankbarkeit/ die ſich nur unter die-
ſem erbieten finden lieſſe/ daß die Woltahten angenehm waͤhren; O nein/ mir iſt gar zu
haͤuffige Gutwilligkeit erzeiget/ welche mit Worten nicht kan abgetragen werden/ ſondeꝛn
auffs minſte den ſteten Willen verdienet/ ſo weit das Unvermoͤgen keinen wirklichen Ab-
trag zulaſſen wil. So muͤſte ich ein gluͤkſeliger Menſch ſeyn/ ſagte Herkules/ wann mit ei-
nem Schwertſchlage ich ſolchen Dank erfechten koͤnte; jedoch weil mein Fraͤulein ja ei-
nige Schuld und Verhafftung alhie an ihrer Seiten fodert/ und ich Unhoͤfligkeit zu mei-
den/ ihr nicht widerſprechen darff/ ſo bitte ich dienſtlich/ die ſelbe wolle ihre Schuld ſeyn
laſſen/ daß ſie mir befehle/ und in ihren Dienſten mich gebrauche/ damit in der Zahl ihrer
minſten Diener zuverbleiben/ ich die groſſe Ehre haben moͤge; welche lezten Worte nicht
allein bey Fr. Sophien/ und ihrer Fr. Mutter/ ſondern bey Ladiſla ſelbſt einen Argwohn
entſtandener Liebe verurſacheten. Und die Warheit zu ſagen/ empfand Herkules groſſe zu-
neigung in ſeinem Herzen gegen dieſes Fraͤulein/ daß/ dafern ſolches noch frey und unbe-
wohnet geweſen/ er vielleicht dieſtete unverruͤckete Wohnung derſelben darinnen gegoͤn-
net haͤtte; aber ſeiner Beſtaͤndigkeit und Traͤue/ die er einmahl von ſich gegeben/ wahr viel
ein feſter Schloß vorgehenket/ als daß es durch einigen Menſchen haͤtte koͤnnen gebrochẽ
werden/ inſonderheit/ weil er noch an keiner andern ſahe/ daß ſeines Herzens Schatz in et-
wa einer Volkommenheit uͤber troffen haͤtte/ nur daß ſeine Erndte noch nicht in reiffer
Saat ſchnitte/ ſondern annoch im bluͤhenden Graſe wahr/ welches aber doch ſo unfehlba-
re Hoffnung der allervolkommenſtẽ Fruͤchte zeigete/ daß weder ein beſſeres haͤtte koͤnnen
gewuͤnſchet/ noch dieſes von einigem andern hinter trieben werden; daher Fr. Sophien
Hoffnung bloß in der Einbildung ſich kitzelte/ indem ſie eine Eheſtifftung zwiſchen ihm uñ
dieſem Fraͤulein anzurichten vorhabens wahr. Als ſie nun dißmahl ſahe/ daß das Fraͤulein
auff Herkules lezte Reden zuantworten zuͤckete/ wolte ſie etwas darzwiſchen einſchieſſen/
und ſagete zu ihm: H. Herkules/ meynet Eure Liebe dann/ daß meine Frl. Waſe eine gantze
Stad
[157]Erſtes Buch.
Stad voll Diener halte/ daß er nur unter die geringſten wil eingeſchrieben ſeyn? O nein/
ich halte nicht/ daß ſie jemahl einen einzigen in Beſtallung genommen habe. Ich wider-
ſpreche dieſem gar nicht/ antwortete er/ uñ merke dañoch mit freuden/ daß/ ob das Frauen-
zimmer gleich keine Diener beſtellet/ ſie doch getraͤue Dienſte nicht ausſchlagen/ die aus
gutem Herzen flieſſen. Ein ſolches erfodert die Erbarkeit und unſere Notturfft/ die vieler
Huͤlffe und Beyſtandes benoͤhtiget iſt/ ſagte Fr. Sophia/ aber dannoch glaͤube ich nicht/
daß meine Frl. Schweſter ſich von vielen bedienen laſſe. Sibylla wolte die angebohtene
Dienſtwilligkeit ſelber beantworten/ und fing alſo an: Tapferer Herr Herkules/ ſeine mir
erzeigete Woltaht iſt ſo beſchaffen/ daß ich deren weniger als meiner ſelbſt vergeſſen wer-
de/ ich auch keine andere Urſach habe/ als ihn an die ſeite meiner allernaͤheſten Blutsver-
wanten hinbey zuſetzen; dann weil Ehr und Leben in gleichem Gewicht hangen/ weiß ich
ſchon/ daß ich jhm naͤhſt meinen Eltern verpflichtet bin. Er nam dieſe Antwort mit ſon-
derlicher Ehrerbietung auff/ und wuͤnſchete/ das Vermoͤgen der Erkaͤntniß ſo hohes er-
bietens von Gott zuerlangen. In dem wurden ſie zur Mahlzeit gefodert/ da im hingehen
Fr. Sophia jhre Waſen fragete/ wie jhr Herkules nach ſeiner Art und Leben gefiele; ſie a-
ber ſeine freundliche Geberden/ artige Geſchikligkeit und demuͤhtige Reden ſo hoch ruͤh-
mete/ daß ſie auch wuͤnſchete/ die Goͤtter ihr einen ſolchen Bruder haͤtten goͤnnen moͤgen.


Dieſe und folgende Tage wurden mit froͤligkeit zugebracht/ biß am ſechſten nach be-
ſtuͤrmung des Raubneſtes ſich der obgedachten dreyen Staͤdte abgeordente angeben lieſ-
ſen/ eine ſchoͤne Dank- und Lobrede an unſere Helden ablegeten/ und hernach bahten/ ſie
moͤchten ſich hochguͤnſtig gefallen laſſen mit ihnen in den Unter Plaz zugehen/ woſelbſt drey
treffliche Gutſchen von Blauen/ Gruͤnen und Purpur Sammet mit guͤldenen Borten
verbremet hielten/ und vor jeder acht muhtige Pferde in gleichem Zeuge/ wie die Gutſchẽ/
beſpannet wahren/ hinter denen hielten XXIV treffliche Reit Pferde mit koͤſtlich geſticketẽ
Satteln und Silbern Gebiß/ deren jedes von zween freygegebenen Leibeigenen/ in Blau-
en/ Gruͤnen/ und Purpur Sammet gekleidet/ geleitet ward; welches alles Herr Zezilius
Antenor im nahmen der zehn nachbar Staͤdte alſo uͤberliefferte: Hochberuͤhmte Herren
und groſſe Freunde/ Herr Herkules und Herr Ladiſla; vorerwaͤhneter Staͤdte Raht und
Buͤrgerſchafft haben ſich geſcheuhet/ mit bloſſen uñ leeren Worten die gebuͤhꝛliche Dank-
ſagung/ wegen des zu ſtoͤreten Raubneſtes abzuſtatten; uͤberſenden dieſe Gutſchen/ Pfer-
de und LIV Teutſche Leibeigene freygekauffte Knechte/ mit dem was dabey mag gefunden
werden/ zum Zeichen ihrer Dankbegierigkeit/ unter der ungezweiffelten Zuverſicht/ ſie
werden ſolches von ihrer Hand gutwillig annehmen/ da ihnen zugleich alhie zu Padua/
Mantua und Ravenna eine Herren Wohnung ſol erbauet/ und inwendig jahresfriſt fertig
uͤberlieffert werden/ mit dieſem Anhange/ daß ſie vor die hoͤchſten Geſchlechter dieſer
Staͤdte/ und naͤheſten Beyſitzer des herſchenden Buͤrgemeiſters oͤffentlich erklaͤret/ und
außgeruffen werden ſollen; auch/ ſo bald Roͤmiſche Kaͤyſerl. Hocheit ihre weitere anord-
nung allergnaͤdigſt einkommen laſſen wird/ werden die Staͤdte ein mehres von ihnen als
hochgewogenen Herren zu bitten/ Kuͤhnheit nehmen. Unſere Helden entſetzeten ſich der
Liefferung nicht ſo viel/ als des angeheffteten Erbietens/ und gab ihnen Ladiſla zur Ant-
wort; Hochanſehnliche Herren; die gar zu ſtarke Uberladung ihrer Freygebigkeit/ benimt
V iijuns
[158]Erſtes Buch.
uns dz Vermoͤgen zu antworten/ nachdem uns unverdienten ſo groſſe Fuͤrſtliche Schen-
kungen auffgedrungen werden/ denen dz allergeringſte zuerwiedern wir gar zu wenig ſind.
Ob wir nun gleich ſehen/ daß wir das Gegenwaͤrtige anzunehmen uns nicht werden ent-
reiſſen koͤnnen/ damit wir keine Unhoͤffligkeit uͤber uns laden/ ſo bitten wir dech von Her-
zen/ ſie wollen das uͤbrige gar zu unmaͤſſige Erbieten nur auff den Willen beruhen laſſen/
und ſol uns mehr als gnug ſeyn/ daß wir in die Buͤcher ihrer aͤdlen Geſchlechter verzeich-
net werden. Groſſe praͤchtige Gebaͤu und Wohnungen bey ihnen zu beſitzen ſtehet uns nit
an/ die wir des Vorhabens ſind/ die Welt zu verſuchen/ vielweniger/ daß wir junge uner-
fahrne Ritter in ihres hochweiſen Rahts Verſamlungen nieder ſitzen ſolten. Bedanken
uns demnach nicht weniger vor das hohe erbieten/ als vor die herzugefuͤhrete Geſchenke
ganz dienſtlich/ und verpflichten uns hinwiederumb zu ihren Dienſten ingeſamt und in-
ſonderheit; die Anweſende unſere hochwerte Herren gebuͤhrlich erſuchend/ ſie wollen die-
ſen und folgenden Tag uns hieſelbſt Geſelſchafft leiſten/ und ihre beſſere ſehr angenehme
Kundſchafft uns ungewegert goͤnnen. Hierauff muſten die beſtelleten Diener zwo groſſe
und ein kleines Laͤdichen von jeder Gutſche abheben/ die auff den Saal getragen wurden/
und unſere Helden ſich ſehr ungeduldig bezeigeten/ daß ihnen noch ein ſo verborgenes ge-
liefert ward/ dann in den ſechs groſſen Laden wahren drey Tonnen Schaz gemuͤntzet Gold
eingehaͤmmert/ und die Kleinot in den dreyen kleinen Laden/ trugen auch ſo viel auß. Die
Gutſchen Wagen- und Reitpferde ſamt dem Zeuge und erkaͤufften Leibeigenen/ wahr al-
les mit einer Tonne Schaz bezahlet/ und wurden inſonderheit die Gutſchen (doch nicht
der Schaz darauff) im nahmen der offtgeneñeten dreyen Staͤdte eingelieffert. Zu lezt kah-
men zween anſehnliche frey erkauffte Teutſchẽ auff zwey ſchneweiſſen wolgeputzeten Pfeꝛ-
den/ fuͤhreten auff dem linken Schenkel ein gruͤngemahltes Ritterſpeer mit ganz guͤldenẽ
Spitzen/ in der rechter Hand ein Schwert/ deſſen Gefaͤß von Demanten glaͤnzete/ Sattel
und Zeug ſchimmerte von Gold und Perlen/ und der ganze Ritterharniſch wahr ſtark uͤ-
berguͤldet; den Schild hatten ſie auff dem Ruͤcken hangen/ in deren jedem ein Loͤue ſtund/
welcher in der rechten ein Schwert/ in der linken Tatzen einen Schild hielt mit dieſer Um-
ſchrifft: Peregrini Leones Aquilam liberarunt prudenter et fortiter ab Urſorum rabie. Das iſt:
Die fremden Loͤuen haben den Adler von der Baͤhren Wuht kluͤglich und herzhafft erloͤſet. Auff ihrẽ
Helmen ſtund ein Adler und Loͤue/ die ſich mit Tatzen und Klauen freundlich umbfingen/
und laſe man an einem Taͤfflein dieſe Schrifft: Quam benè conveniunt! Das iſt: Wie ver-
tragen ſich dieſe ſo wol miteinander! Als dieſe Geharniſchte zu unſern Helden naheten/ tahten
ſie beyde den Helm ab/ und weil ſie Teutſche Herren Standes/ und vor ſieben jahren auf
einem Streiff gefangen und Leibeigen verkaufft wahren/ wuſten ſie ſich wol zuſchicken/
hatten auch die Sprache wolgefaſſet/ und fing der eine dieſe Rede an: Hochberuͤhmte
Helden; wir ehemahs gefangene/ der Geburt Teutſche aͤdle/ ſind von unſern Ober Her-
ren der dreyen Staͤdte gnaͤdig befehlichet/ ihnen uns mit Pferd und Gewehr untertaͤhnig
einzulieffern/ hoffen auch/ angenommen zu werden/ und durch getreue Dienſte dereins
die Freyheit wieder zuerlangen. Unſere Helden kenneten diefe alsbald/ dañ ſie wahren in
ihrer jugend am Großfuͤrſtlichen Hofe in Teutſchland ſchon erwachſene Hoffjunkern ge-
weſen/ deren einer Lutter/ der ander Friedrich hieß/ und gab ihnen Herkules zur Antwort;
Sie
[159]Erſtes Buch.
Sie bedanketen ſich gegen die hochloͤblichen Staͤdte ihrer gar zumilden Guͤte/ koͤnten ei-
nes ſo Rittermaͤſſigen Geſchenkes ſich nicht wegern/ und wolten ihr voriges erbieten hie-
ſelbſt wiederholet haben. Als Friedrich ſeine Sprache hoͤrete/ uñ beyder Geſichte erwog/
ſagte er zu ſeinem Geſellen auff Teutſch: Bruder ich habe nit geirret/ es ſind in Warheit
die Koͤnigliche Fuͤrſten; ſtiegen hiemit voller freude von den Pferden/ und wolten ſich vor
ihnen niderlegen; aber Herkules der ſolches merkete/ ſagte mit Teutſchen worten zu ihnẽ;
ſehet ihr uns vor bekante an/ ſo laſſet uns ungemeldet; daher dieſe zwar ihr Vorhaben en-
derten/ aber die Sache wahr ſchon verrahten/ dann weil ſie zu Ravenna beyde dieneten/
und unter den Nahmen Herkules und Ladiſla ihre Heldentaht ruͤhmen hoͤreten/ ſagte
Friedrich zu ſeinem Herren daſelbſt/ er hielte gaͤnzlich davor/ ſein Landes Fuͤrſt und deſ-
ſen Verwanter der Koͤnigliche Fuͤrſt auß Boͤhmen wuͤrden dieſe Helden ſeyn/ welche nit
allein dieſe Nahmen fuͤhreten/ ſondern ſchon in der kindlichen Jugend gewiſſe anzeige ih-
res unvergleichlichen Helden Muhts haͤtten ſehen laſſen. Dieſer machete dem ganzen
Raht daſelbſt ſolches zuwiſſen/ die es weiter außtrugen/ das ein gemeines Geſchrey ſich er-
hub/ die Teutſchen Koͤnige waͤhren kommen/ und haͤtten Italien von den Raͤubern erloͤ-
ſet. Den andern Staͤdten wahr eben dieſes zugeſchrieben/ daher man aus ſolcher Mut-
maſſung die obgedachten Schilde und Helme gebildet hatte. Als ſie nun ſahen/ wie die bey-
de geharniſchte das abgeredete Wahrzeichen der Ehrerbietung unterlieſſen/ geriet der
meiſte teil in zweiffel/ ob ſie die Fuͤrſten waͤhren; aber Friedrich berichtete ſeinen Herren/
der zugegen wahr/ er haͤtte nicht gefehlet/ aber ſie wolten noch zur Zeit durchauß nicht er-
kant ſeyn/ daher ward in allen Staͤdten bey Leibesſtraffe verbohten/ von den fremden Hel-
den/ was ihren Stand uñ Vaterland betraͤffe/ einige Meldung und Nachfrage zutuhn.


Dieſe beyde Tage nun wurden in froͤligkeit verzehret/ und bekam Herkules hohe Be-
gierde/ an ſein herzgeliebtes Fraͤulein zuſchreiben/ ſagte deßwegen zu Ladiſla; dafern es ihm
gefaͤllig/ wolte er alle ihnen geſchenkte Teutſchen nicht allein frey laſſen/ ſondern ſie wolbe-
gabet nach Haus ſchicken/ die jhm heut oder morgen groſſen Vorſchub/ ſein Groß Fuͤr-
ſtentuhm zuerhalten/ tuhn koͤnten; welches er nicht allein gerne bewilligte/ ſondeꝛn zugleich
anhielt/ daß ſie jhren Weg auff Prag nehmen moͤchten/ dann er waͤhre geſonnen dahin zu
ſchreiben/ ungeachtet er ſchon/ wie er wuͤſte/ vor eilff Tagen einen eigenen Bohten dahin
geſendet; machten alſo jhre Schreiben fertig/ und foderten jhre Leibeigene/ an der zahl LVI
Mann/ unter denen XXX gutes Adels/ die uͤbrigen verſuchte teutſche Reuter wahren/ vor
ſich/ welche Herkules auff teutſch alſo anredete: Gewißlich habt jhr euch meines Geſellen
und meines Gluͤckes mit zuerfreuen/ weil jhr durch dieſes Mittel uns uͤberliefert/ und von
eurer vorigen Knechtſchafft loßgemacht ſeyd/ dann jhr ſollet wiſſen/ daß gegenwaͤrtiger
mein Herr Bruder/ der Großmaͤchtigſte Koͤnig aus Boͤhmen/ und ich/ eures herſchendẽ
Groß Fuͤrſten/ Herꝛn Henrichs Erſtgebohrner Sohn Herkules bin/ welches jhr gleichwol
in dieſen Laͤndern bey Leibesſtraffe nicht melden ſollet. Wir wollen euch nach angebohrneꝛ
milden Guͤte/ nicht allein in vorige Freyheit ſetzen/ ſondern mit noͤhtigen Zehrungskoſten
verſehen/ daß ihr wieder in unſer Vaterland zihen/ und des euren abwarten koͤnnet/ wovor
ich von euch weiters nichts heiſche/ als dz ihr dereins deſſen eingedenke ſeyd/ und bey mei-
nen Eltern und angebohrnen Unter tahnen meiner im beſten gedenket; ſollet auch nicht
ver-
[160]Erſtes Buch.
verſchweigen/ was jhr alhie geſehen und erfahren habet. Hernach rief er Friederich und
Lutter abſonderlich zu ſich/ und ſagete: Wann ich an euer Traͤue zweiffel truͤge/ wuͤrde ich
euch dieſe eingemachte koſtbahre Kleinot nicht anvertrauen; gab hiemit Friedrichen ein
Schreiben an ſeine Fr. Mutter/ dieſes Inhalts:


Herzall erliebſte Fr. Mutter; Ich euer gehorſamer Sohn Herkules/ fuͤge Euer Gn. zu wiſſen/
was geſtalt mein gnaͤdiger allein wahrer Gott mich nicht allein meiner anderthalbjaͤhrigen Knecht-
ſchaft entriſſen/ ſondern ſo hoch begnadet/ daß ich in meinem vertriebenẽ Stande mehr Ehr und Gelder
erſtritten/ als ich mir in Teutſchland vermuhten ſeyn koͤnte/ wie Zeiger dieſes berichten wird. Was
ihre verteufelte Luͤgen Pfaffen von mir laͤſtern/ wollen ſie ja nicht glaͤuben/ ſondern ſich verſichern/ daß
ich einem ſo heiligen und reinen Gott diene/ welcher durchaus keine uͤppigkeit und Unzucht/ oder was
dem anhanget/ dulden noch ungeſtraffet laſſen kan. Bitte kindlich/ meinen allerliebſten/ wiewol/ als
ich vernehme/ ungnaͤdigen Herrn Vater/ zugruͤſſen/ deſſen abgeneigter Wille mich mehr als andere
Unluſt ſchmertzet; Meinem geliebeten Bruder Baldrich uͤberſchicke ich ſechs Reitpferde mit allem
Zubehoͤr/ auch einen koͤſtlichen Harniſch/ und nebeſt ſechs Kleinoten 20000 Kronen gemuͤnztes Goldes
zum Beutpfennige/ hoffe/ er werde all er Fuͤrſtlichen Tugend und der loͤblichen Ritterſchafft eiferig
nachſetzen/ und ſich durch falſche Verleumdungen von Bruͤderlicher Gewogenheit und Traͤue nicht ab-
wenden laſſen. Was meiner herzlieben Frl. Schweſter abſonderlich verſiegelt iſt (dieſes wahren
acht herliche Kleinot
) wird meine Gn. Frau Mutter derſelben ſchon einliefern laſſen. Befehle ſie
hiermit alle meines wahren Gottes und Heylandes Obacht getraͤulich/ lebe auch und ſterbe Ihr biß
an Gott gehorſamer Sohn Herkules.


Nach Einhaͤndigung dieſes Briefes ſtellete er jhm die Kleinot in einem ledernen
Beutel zu/ und wurden die Baarſchafftẽ auff die ſechs Pferde gebunden/ mit erteiletem
gnugſamen Bericht/ wie es mit allem und jedem ſolte gehalten werden. Hernach ging er
mit Luttern auff ſein Schlaffgemach/ und ſagete zu ihm: Sihe da/ erinnere dich der Gna-
den/ die ich dir heut erzeige/ uñ reiſe nicht von Prag hinweg/ biß du dieſes Schreiben ſamt
beygefuͤgeten Sachen ſelbſt/ uñ in moͤglicher Geheim dem Koͤniglichen Fraͤulein daſelbſt/
zu ſicheren Haͤnden wirſt geſtellet haben/ als welches alles jhr von Fr. Sophien ihrer
Schwaͤgerin zugeſchicket wird; Was du aber zu liefern haſt/ iſt ein ſtoltzes Handpferd mit
koͤſtlichem Zeuge/ eine Gutſche mit ſechs Pferden/ (wahr die geſchenkete blaue) und eine
verſchloſſene Lade auff derſelben. Dieſer verſprach/ alles getraͤu und fleiſſig in acht zuneh-
men und zu beſtellen. Darauff teileten Herkules und Ladiſla unter den XXX aͤdelgebohrnẽ
21000 Kronen aus/ und den uͤbrigen XXVI gen/ 7800 Kronen/ daß ſie ſich davon ruͤſten uñ
beritten machen ſolten; aber Friedrich und Lutter bekahmen jeder ein wolgeruͤſtetes Pfeꝛd/
guten Ritterharniſch/ und noch 1500 Kronen uͤber das vorige/ und als ſie von Ladiſla ein
Schreiben an ſeine Fr. Mutter empfangen hatten/ gingen ſie in aller Eile fort.


Es wahr dieſer der ander Tag/ an welchem unſere Helden der Staͤdte Abgeordnetẽ
zu Gaſte hatten/ und ſich gar fꝛoͤlich erzeigeten/ in ſonderheit Herkules/ welcher viel uñ offt
an ſein Fraͤulein gedenkend eine ſonderliche Vergnuͤgung ſpuͤren ließ/ und daher mit Frl.
Sibyllen ſo viel freundlicher umging; woruͤber Frl. Helena einen ſtarken Eifer in ihrer
Seele empfand/ weil ſie in der furcht ſtund/ ſie wuͤrde von jener außgeſtochen werden; ja/
ſagete ſie in ihrem Herzen/ wer weiß/ was unter ihnen ſchon abgeredet iſt/ oder ſonſt vor-
gangen/ weil er ſie im freyen Felde allein gefunden/ und einen guten Weg mit ſich gefuͤhret
hat;
[161]Erſtes Buch.
hat; kunte demnach vor dißmahl ihren Mißgunſt nicht bergen/ ſondern da ſie mit Frau
Sophten nach dem Garten/ die angenehme Kuͤhlung zu empfahen/ gangen wahr/ ſagte
ſie zu ihr: Es wuͤrde ihr beſtes ſeyn/ daß nach dieſem ſie daheim bliebe/ weil ihre Helleꝛchen
hieſelbſt nicht mehr geltẽ wolten. Dieſe hatte nun ſchon etliche Zeichen ihrer Unwilligkeit
angemerket/ weil ſie nicht allein Frl. Sibyllen wenig Freundſchafft erzeigete/ ſondern zu-
zeiten ihr auch gnug gramſelige Anblicke verlihe/ deſſen urſach ſie leicht erriet/ aber ſichs
nicht merken ließ/ ſondern zur Antwortgab; Sie wolte nicht hoffen/ daß ſie urſach haͤtte/
dergleichen von jhr zu argwohnen; waͤhre jhr aber etwas zuwider geſchehen/ baͤhte ſie/ jhr
ſolches zuoffenbahren/ alsdann wolte ſie an ihrer Bemuͤhung nichts erwinden laſſen/ daß
es nicht allein abgeſtellet/ ſondern auch verbeſſert wuͤrde. Frl. Helena wahr ſchon leidig/
daß durch Eiverſucht verleitet/ ſie ſich ſo weit bloß gegeben hatte/ wolte gleichwol nicht an-
geſehen ſeyn/ als klagete ſie ohn urſach/ und fuhr alſo fort: Es kaͤhme jhr zu Ohren und
Geſicht/ daß zuzeiten ſie von Frl. Sibyllen veraͤchtlich und hoͤniſch gehalten wuͤrde/ wuͤſte
doch deſſen ja keine Urſach/ es waͤhre dann/ daß die von Rom ſo friſch ankaͤhmen und neue
Kleiderart mitbraͤchten/ ſich vor andern was ſonderliches einbildeten; doch baͤhte ſie/ hie-
von nichts zugedenken/ dann ſie wolte nicht gerne ihre Feindſchaft haben/ ſondern ungleich
lieber nachgeben/ und die geringſte ſeyn. Ach nein/ antwortete Fr. Sophia/ warumb ſoltet
ihr ohn urſach nachgeben/ und unbilligkeit verſchmerzen/ ſintemal ihr ja beyde eines Stan-
des und Wirden ſeyd/ und euch Alters halben noch ein Vorzug gebuͤhret; ſaget mir nur/
bitte ich/ in welcher Sache jhr euch beleidiget haltet/ und laſſet mich vor das uͤbrige ſorgen
und antworten. Dieſe bedankete ſich des guten willens/ und gab vor/ ſie haͤtte jhr ſteiff vor-
genommen das ergangene zu verſchmerzen/ und keinem Menſchen zu melden/ nur daß ſie
gleichwol ſo einfaͤltig nicht angeſehen wuͤrde/ ob waͤhre ſie allerdinge merkloß/ wolte ſie nit
unterlaſſen/ die erſtkuͤnfftige Beleidigung jhr anzudeuten. Fr. Sophia wolte dieſes feur
lieber daͤmpffen als ſchuͤren/ und ſagte zu jhr; es koͤnte ſeyn/ daß falſche Maͤuler ſucheten/
einiges Mistrauen zwiſchen jhnen anzurichten/ oder eine ungegruͤndete Einbildung koͤnte
ſie verleiten; und wann ich nicht wiſſen darff/ ſagte ſie/ weſſen ſich meine Frl. Schweſter ei-
gentlich zubeſchweren hat/ waͤhre viel beſſer geſchwiegen/ als nichts gewiſſes ſagen; ſonſtẽ
kan ich wol aͤidlich bekraͤfftigen/ daß Frl. Sibylla der Art nicht iſt/ einigen Menſchen/ ge-
ſchweige jhre ſo nahe Anverwantin zuverhoͤhnen; ja Herꝛ Herkules ſelber verwundert ſich
jhrer frommen unbetrieglichen Einfalt/ daher er auch mit jhr mehr als mit einiger andeꝛn
gerne umgehet/ welches doch nicht aus Liebe zu jhrer Schoͤn heit/ ſondern wegen jhrer auf-
richtigkeit geſchihet/ als der ſchon an einem andern ſehr hohen Orte verbunden iſt. Helena
waͤhre dieſer lezten Rede ſchier zur Erden nider geſunken/ ſie verlohr alles jhr Gebluͤt unter
dem Angeſichte/ daß ſie einer neulich verſchiedenen Leiche nicht unaͤhnlich wahr/ und Frau
Sophia ſie fragete/ was dieſer gelingen Verenderung urſach waͤhre; worauff ſie antwor-
tete: Ich weiß ſelber nicht wie mir geſchihet/ es muͤſte mich dann ein gifftiger Wurm aus
dieſem Roſenpuſche anhauchen. Fr. Sophia merkete jhr Anliegen/ taht doch nicht deßglei-
chen/ ſondern faſſete ſie beym Arme/ und fuͤhrete ſie in die Laͤube/ da ſie bald wieder zurech-
te kam/ und jhr voriges Geſpraͤch folgender geſtalt wie der anfing: Es kan ſeyn/ daß von
meiner Waſen Sibyllen ich mir ein mehres eingebildet/ als an ſich ſelbſt iſt/ und da ſol-
Xches
[162]Erſtes Buch.
ches aus jhrer folgenden Bezeigung erſcheinen wird/ wil ich allen Unwillen ablegen/ und
als eine Freundin jhr Ungluͤk beklagen helffen. Ungluͤk? ſagte Fr. Sophia; ſtehet jhr dann
ein Ungluͤk vor/ ſo helffets nicht beklagen/ ſondern abwenden/ und offenbahret es mir/ daß
man demſelben vorbaue/ ehe es loßbricht. Ja wann ſichs nur wolte laſſen vorbauen/ ant-
wortete ſie; die Liebe iſt blind und eigenſinnig/ wo nicht wol gar unſinnig/ und laͤſſet jhr nit
rahten wie die geuͤbten zu klagen pflegen; nun kan ich aber aus allen jhren Geberden und
Vornehmen nicht anders ſchlieſſen/ als daß ſie wegen Herrn Herkules Heyraht nicht ge-
ringe Hofnung gefaſſet/ worin ſie ohn zweifel ſich wird heßlich betrogen finden/ als viel ich
auß eurer jetzigen Erzaͤhlung verſtehe. Ach nein/ ſagte Fr. Sophia/ jhr jrret in eurer Urtel
ſehr weit/ und kan ich euch deſſen wol verſichern/ maſſen ich weiß/ daß ſie jhren Anteil zu
Rom ſchon hat/ ob ſie mir gleich ſolches nicht geſtehen wil. Ja/ Fr. Schweſter/ antworte-
te ſie/ warumb wil ſie es aber nicht geſtehen? Je/ daß ſie deſſen gerne wieder abſeyn wolte/
weil jhr dieſes Leckerbißlein ungleich beſſer gefaͤlt. Ey ey/ geliebte Schweſter/ ſagte ſie/ wie
habt jhr ſo unehrbare Gedanken von dieſem uͤberauß frommen und keuſchen Fraͤulein; ich
habe euch ja nie von einer fremden viel geringern ſo veraͤchtlich reden hoͤren/ und wolte nit
ein groſſes drumb nehmen/ daß ſie ſolches erfahren ſolte; darumb verſchonet ſie mit der-
gleichen ungebuͤhrlichen Aufflagen/ weil ſie deſſen gantz unſchuldig iſt/ und gebet nicht ur-
ſach/ daß ſie ſich gegen meine und eure Eltern uͤber euch zubeſchweren habe. Dieſe fing an
ſich zuſchaͤmen/ und es vor einen halben Schertz außzugeben; aber Fr. Sophia wolte ſie
von ſolchem Unwege abfuͤhren/ und ſagete; es waͤhre dieſe Entſchuldigung zumahl uner-
heblich/ und muͤſte man trauen von ſolchen hohen Standes Fraͤulein dergleichen ſchlim-
men und ehrenverkleinerlichen Schertz nicht tichten/ vielweniger uͤber die Zunge lauffen
laſſen; Sie vor jhr Haͤupt wolte die urſach jhres Widerwillens zum teil ſchier errahten/
welches aber alles in einem falſchen Wahn beſtuͤnde/ wolten demnach dieſes Geſpraͤch
auffruffen/ und deſſen nimmermehr wieder gedenken. Gingen darauff wieder nach der
Geſelſchaft/ uñ funden Herkules mit dem Fraͤulein ein liebliches Geſpꝛaͤch halten/ welches
in dieſem Herzen den Eiver auffs neue anzuͤndete/ ſo dz ſie aus Mißmuht nach hauſe ging.


Des folgenden tages wurden auff Fr. Sophien Angeben/ die vornehmſten jungen
von Adel/ nebeſt den aͤdlen Jungfern/ jene im nahmen Herkules/ dieſe im namen Frll. Si-
byllen/ und Helenen auff eine Maalzeit und Tanz eingeladen/ deren eine zimliche Menge
faſt in gleicher Anzahl erſchiene. Herkules muſte auff Fr. Sophien Anhalten ſich zu dem
Frauenzimmer ſetzen/ da er ſeine ſtelle bey Frl. Luzilla Antenoria nam/ und ſie ingeſamt ne-
beſt fleiſſiger noͤhtigung zum eſſen/ mit einem freundlichen Geſpraͤch ergetzete/ durch wel-
ches ihrer viel/ ungleich vergnuͤglicher/ als mit den Speiſen geſaͤttiget wurden. Nach der
Mahlzeit gieng der Tantz an/ und ward dadurch ein bundter Reihen-Sitz veraulaſſet/ da
ein Paduaniſcher aͤdler Juͤngling/ Nahmens Avonius Priſcus ſich zu Frl. Helenen
fand; er wahr gutes herkommens/ reich/ und in ritterlichen Ubungen wol unterwieſen/ der
auch ſeinen Mann wol ſtehen durffte/ nur das er von Geſicht etwas Ungeſtalt/ und in der
Welt wenig verſucht wahr/ wovon ſeine Eltern ihn als ihren einzigen Sohn durch
Zwang abgehalten hatten. Er hatte durch ſeinen Vater bey der Fraͤulein Eltern ſchon
unterſchiedliche mahl Anſuchung getahn/ auch biß auff der Tochter Erklaͤrung gute ver-
troͤſtung
[163]Erſtes Buch.
troͤſtung erhalten/ jedoch allemahl unter der Verwahrung/ daß ſie ihrer Tochter allen
freyen Willen in Heyrahtſachen laſſen wolten/ deren Einwilligung zuerlangen er ſich zu-
bemuͤhen haͤtte. Sie aber wahr ihm ſpinne feind/ daß ſie ihn nicht anſehen mochte/ ver-
droß ihr auch hoͤchlich/ daß er noch weiter ſich bey ihr angeben durffte/ da ſie doch bey ſei-
ner eigenen Schweſter/ Jungfer Pulcheria ihm außdruͤklich hatte ſagen laſſen/ ſie bedan-
kete ſich gegen ihn wegen der zu ihr tragenden guten Gewogenheit/ und baͤhte daneben
ſehr/ er wolte nach dieſem ſie mit ſolchen Anmuhtungen verſchonen/ uñ ſonſt ſeines freyen
gefallens ſich nach einer liebſten umbtuhn/ weil kein einiges troͤpflein der liebes Neigung
ſich in ihrem Herzen befuͤnde. Als er vor dißmal ſich zu ihr niderſetzete/ baht er anfangs um
verzeihung uñ lies aus ſeinen Worten gnug ſpuͤren/ dz ob ſie ihm gleich bey ſeiner Schwe-
ſter eine ſolche Antwort zuentbohten/ die nichts als Abweiſung nach ſich fuͤhrete/ ſo erin-
nerte er ſich dannoch/ daß einem getreuen Liebhaber oblaͤge/ auff erſtmahlige Verwaͤge-
rung inſtaͤndiger anzuhalten/ auff daß daher erſchiene/ daß die Liebe nicht nur auff der aͤuſ-
ſerſten Borke/ ſondern in dem tieffeſtẽ des Herzen hafftete; baͤhte demnach dienſtlich/ ihm
ſein kuͤhnes Vornehmen hochguͤnſtig zuverzeihen/ und mit ſeinem uͤbel ein Mitleiden zu
tragen. Dieſer ſtund ohn der Kopff nicht recht/ weil Herkules ſich zu Frl. Sibyllen nider-
geſezt hatte/ und verdroß ſie hefftig/ daß ſie einen ſo ungleichen Auffwarter haben ſolte/ da-
her ſagete ſie zu ihm; nach dem er den Worten ſeiner Schweſter nicht trauen wolte/ muͤſte
ſie/ ſeiner auff einmahl abzukommen/ eine Erklaͤrung faſſen/ deren ſie ſonſt gerne moͤchte
uͤberhoben ſeyn/ und ſolte er demnach wiſſen/ daß ſeine Auffwartung ihr aller dinge unan-
genehm waͤhre/ auch unmoͤglich/ daß ſie in ſeinen Willen gehehlen koͤnte/ ſolte deßwegen
ihrer hinfuͤro allerdinge muͤſſig gehen/ und ihm eine andere Beyſitzerin erwaͤhlen/ damit
ſie nicht gezwungen wuͤrde/ ihre Stelle zuverlaſſen/ und nach hauſe zugehen. Der gute
Menſch entſetzete ſich zum hoͤchſten/ und fragete ſie/ ob ihr dann mit ſeinem Tode gedienet
waͤhre; wor auff ſie zur Antwort gab: Er moͤchte ihret halben immerhin leben/ ſo lange
es den Goͤttern gefiele/ nur ſolte er feſtiglich glaͤuben/ daß wann ſie auff andere Weiſe ſich
ſeiner nicht entbrechen koͤnte/ wolte ſie ihr den Tod wuͤnſchen/ wie lieb ihr ſonſt das leben
waͤhre. Wol mein Fraͤulein/ antwortete er/ ſo ſehe ich nunmehr/ das mein Herz Feur/ und
das eure Waſſer iſt; daß auch meine Neigung weiß und die ihre ſchwarz iſt/ welche nim-
mermehr vereiniget werden koͤnnen/ muß alſo ihr als einem Fraͤulein die freye Zunge un-
gehem̃et laſſen/ und mich bemuͤhen/ daſſelbe zuverachten was mich vor nichts haͤlt; ſtund
hiemit von ihr auff/ und taht einen zierlichen Tanz mit einer recht ſchoͤnen und wolerzo-
genen aͤdlen Jungfer/ nahmens Urbina. Es hatte aber Fraͤulein Luzilla Antenoria/ des
Avonius Mutter Schweſter Tochter das obgeſetzete Geſpraͤch alles angehoͤret/ taht es
auch Avonius Schweſter alsbald zuwiſſen/ welche ohn daß hitzig vor der Stirne wahr/
und auff Gelegenheit tichtete/ ihres Bruders Schimpff zu raͤchen/ welches ſie alſo ins
Werk richtete: Als ſie mit einem Paduaniſchen aͤdlen Juͤngling/ nahmens Fulzinus/ der
ihr heimlicher Buhle wahr/ einen Tanz hielt/ und bey Helenen hertanzete/ trat ſie derſel-
ben vorſezlich/ doch als ohngefehr auff den Fuß/ daß ihr ſolches hefftig ſchmerzete/ und ſie
deßwegen vor eine grobe unvorſichtige außſchalt/ welche dieſes biß nach geendetem Tanze
unbeantwortet ließ; hernach aber ſich zn ihr niderſetzete/ und daß das beyſitzende Frauen-
X ijzimmer
[164]Erſtes Buch.
zimmer es eigentlich vernehmen kunte/ ſie alſo anredete: Helena Emilia von Rom/ wz vor
eine freche Freyheit bildet ihr euch ein/ daß wann ihr unter dem Tanze die Fuͤſſe weiter auß-
ſtrecket/ als unſers gleichen geziemet/ und man als dann unverſehens dieſelbe beruͤhret/ ihr
eine ehrliche Jungfer/ die allerdinge eures gleichen iſt/ und ja ſo gut als ihr/ vor eine grobe
unvorſichtige dirne/ vor einer ſolchen adelichen Geſelſchafft außſchelten duͤrffet? trauen
ihr habt hiedurch eure Roͤmiſche Hoͤffligkeit wenig blicken laſſen/ und beduͤrfſtets beſſer als
ich/ daß man euch das grobe abhoͤfelte; wil euch aber dieſen ſchlimmen Streich auff diß-
mahl zu gute halten/ und werdet mir zu danken haben/ daß ich euch hiedurch anlaß gebe/
eure Fuͤſſe hernaͤhſt etwas zuͤchtiger einzuzihen. Die ſo es hoͤreten/ erſchraken dieſer re-
de/ und Helena ſelbſt erſtarrete vor Zorn und Eyver; endlich da ihr die Vernunfft und
Sprache wieder kam/ ſagte ſie: Wer Pech angreifft der beſudelt ſich damit. Und wer auff
Koht trit/ antwortete jene/ der macht in fliſſen und ſpruͤtzen; ſind euch aber die Paduani-
ſche aͤdlen Jungfern als Pech/ ſo koͤnnet ihr euch ja derſelben enthalten/ daß von ihrer gro-
ben unvor ſichtigkeit ihr unbeſudelt bleibet; wiſſet aber/ daß wir unſere vier Viertel ja ſo
lang rechnen als ihr eure Elle. Fr. Sophia ward dieſes Zankes inne/ trat hinzu/ und ſagte
als im ſcherze; Sie wolte nicht hoffen/ daß man dieſen Jungfern Streit mit ſcharffen
Schwertern beylegen muͤſte. Nein/ antwortete Avonius Schweſter/ nur wolle ihre Gn.
meine Beyſitzerin abmahnen/ daß ſie hernaͤhſt nicht mehr ehrliche aͤdle Jungfern in ſol-
chen hochauſehnlichen Geſelſchafften vor grobe unvorſichtige Dirnen außſchelte/ oder
man wird ihr ſolche vorſichtige Hoͤffligkeit nicht allemahl zu gute halten; vor dißmahl a-
ber/ weil ich Gelegenheit gehabt mich gebuͤhrlich zuverantworten/ ſol ihr verzihen ſeyn.
Fr. Sophia wolte keinem Teil zu oder abfallen/ ſondern erinnerte ſie beyderſeits/ ihren
Jungfꝛaͤulichen Wolftand zubeobachten/ damit nicht die anweſende junge Aedelleute einen
Spot mit ihnen trieben; welches die Paduaniſche mit einer ſonderlichen Freymuͤhtig-
keit auffnam/ und ſich davor bedankete/ mit der Beteurung/ daß wann dieſe Erinnerung
ihr zeitiger waͤhre vorgehalten/ wolte ſie die hohe Beſchimpffung verſchmerzet haben. He-
lena aber/ welche meynete/ es ſolte Fr. Sophia mit jener anlegen und ſie vertreten/ ward
hieruͤber ſo entruͤſtet/ daß ſie zur Antwort gab/ wann ihre Fr. Waſe ſie noch weiters haͤtte
beſchimpffen wollen/ waͤhre ſolches am fuͤg- und leidlichſten ohn anderer beyſein geſchehẽ;
ſtund damit auff und ging mit ihrer Leibdienerin davon/ welche ſchon mit der andern ihrer
folge Magd angebunden hatte/ und wenig fehlete/ daß ſie ihrer Jungfern Anſehen zu ſchuͤ-
tzen/ ein artiges Haarzauſen angefangen haͤttẽ/ dem einig nur hiedurch vorgebauet ward.
Die Fehde wahr gleichwol hiemit geſtillet/ und machte der gute Avonius ſo gute Kund-
ſchafft mit gedachter Jungfer Urbinichen/ daß er Helenen der Vergeſſenheit uͤbergab/
und bald hernach mit dieſer Verloͤbnis hielt.


Es wurden die uͤbrigen Tage mit allerhand ehrlieben der Kurzweile zugebracht/ biß
der Stathalter von ſeinem Bruder durch ſchnelle Botſchafft berichtet ward/ dz die Kaͤy-
ſerlichen Schreiben/ nach allem Wunſch auffgeſetzet/ ihm des folgenden tages wuͤrden
eingelieffert werden; und haͤtte zwar Kaͤyſerl. Hocheit dieſelben mit zuzihung des Roͤmi-
ſchen Rahts verfertigen laſſen/ aber von allen Anweſenden den Aid genommen/ nichts
davon anders wohin zuberichten/ biß die Volſtreckung zu Padua geſchehen waͤhre. Die-
ſe Zei-
[165]Erſtes Buch.
ſe Zeitung hielt er in geheim/ und ſtellete auff denſelben Tag eine weitlaͤufftige Gaͤſterey
an/ worzu alle Rahtsherren und aͤdle/ ſamt ihren Frauen und Toͤchtern eingeladen wur-
den. Nach abgetragenen Speiſen ſtund der Stathalter an ſeiner ſtelle auff/ entbloͤſſete ſein
Haͤupt/ nam einen groſſen Brieff in die Hand (welchen er vor einer Stunde empfangen)
und redete unſere Helden alſo an: Durchleuchtige Herren/ hochgeliebete Freunde/ Herr
Herkules und Herr Ladiſla; Mein allergnaͤdigſter Kaͤyſer/ Herr Aurelius Alexander Se-
verus/ dann auch der Raht und Gemeine der Stad Rom/ laſſen meinen Herꝛen durch
mich jhren Gruß/ geneigten Willen und Freundſchafft anmelden. Dieſe ſtunden alsbald
an jhrem Orte gantz ehrerbietig auff/ neigeten die Haͤupter biß zum Tiſche nider/ und be-
danketen ſich der hohen Kaͤyſerlichen Gnade/ imgleichen der groſſen Gewogenheit der
Stad Rom/ deren keines ſie faͤhig waͤhren/ noch zuerſetzen wuͤſten. Ihr meine Herꝛen/ fuhr
der Stathalter fort; es iſt mir jetzt dieſe Stunde eine Kaͤyſerliche und Roͤmiſche Verſe-
hung allergnaͤdigſt in dieſem Schreiben auffgetragen/ welches eigentlich ſie beyde betrifft/
und mir der Inhalt annoch verborgen iſt/ hoffe/ ſie werden mir verwilligen/ ſolche alhie
oͤffentlich zu verleſen/ und durch guͤnſtige Einwilligung alles gut heiſſen. Herkules ant-
wortete/ jhr Allergnaͤdigſter Kaͤyſer haͤtte mit jhnen zuſchaffen volkommene Gewalt/ deſ-
ſen Hocheit ſie in aller Untertaͤhnigkeit zu gehorſamen bereit ſtuͤnden; Worauff er das
Siegel brach/ und folgende Worte laſe:


Dein/ und der Stadt Padua Schreiben/ lieber Quintus Fadius/ ſind bevorab Kaͤyſerl. Hocheit/
hernach dem Raht und Gemeine der Stad Rom wol eingeliefert/ in welchem Bericht getahn wird/
was maſſen die Roͤmiſchen guͤtigen Schutz Goͤtter durch Klug- und Hertzhafftigkeit der beyden teuren
fremden Ritter und Helden/ Herrn Herkules und Herrn Ladiſla/ das vor Augen ſchwebende Verder-
ben/ dem gantzen Roͤmiſchen Reiche/ in ſonderheit den Staͤdten Padua/ Mantua und Ravenna/ von
der boßhafften Raͤuberiſchen Verbuͤndniß angedraͤuet/ gnaͤdig abgewendet/ den verborgenen Ort der
ſchnoͤden Verſamlung wunder bahrer weiſe kund gemacht/ und eine ſo groſſe Menge der Redlensfuͤh-
rer abgeſtraffet/ welche/ da ſie wenig Wochen haͤtten leben ſollen/ die Wolfahrt des Roͤmiſchen Reichs
ungezweifelt wuͤrden zuruͤttet/ Italien verheeret/ und ein groſſes Blutbad vieler unſchuldigen ange-
richtet haben. Wann dann Kaͤyſerl. Hocheit/ als auch der Raht und Gemeine der Stadt Rom/
dieſen augenſcheinlichen Beyſtand der Goͤtter er kennen/ und die Heldentaht obgedachter guten Ritter
hoch preiſen/ Als haben ſie ſchuldiger Dankbarkeit zu folge/ beydes Goͤttern und Menſchen/ davor ge-
buͤhrlichen Abtrag zumachen/ ernſtlich nachgeſinnet/ auch jene alsbald durch ein dreytaͤgiges Dank-
feſt und vielfaͤltige Opffer verhoffentlich begnuͤget/ nachgehends einhellig beliebet/ und auff Kaͤyſerl.
Hocheit allergnaͤdigſten Vortrag beſchloſſen/ geſetzet/ und beſtaͤtiget; ſchlieſſen/ ſetzen und beſtaͤtigen
auch hiemit und krafft dieſes oͤffentlich/ daß wolgedachten Heldmuhtigen Rittern und Freunden des
Roͤmiſchen Reichs folgender geſtalt dankbarlich ſol begegnet werden: Als vorerſt wird ihnen und al-
len ihren Niderſteigenden- und Seiten-verwanten das Roͤmiſche Buͤrgerrecht mit allen Freyheiten
geſchenket/ und werden ſie II. in den hoͤchſten Adelſtand auffgenommen. Folgends wird jhnen III. jed-
wedem eine guͤldene Kron/ als ſieghafften Uberwindern zugeſand; und ſol IV. jedwedem eine Ehren-
Seule zu Rom auff dem Marſplatze mit der uͤberſchrifft: Liberatores Antenoridum, Protectores I-
taliæ, \& Imperii amiciſſimi,
(das iſt: Dieſe ſind der Stad Padua Erretter/ des Italienlandes
Schuͤtzer/ und des Roͤmiſchen Reichs liebeſte Freunde); auffgerichtet werden. V. Dafern ſie freye
Herrſchafften beſitzen/ oder in Erbſchafft zu gewarten haben/ ſol ihnen ſolche Freyheit beſtaͤttget/ und
alle deren Inwohner/ wann ſie es begehren/ Freunde des Roͤmiſchen Reichs genennet werden. VI.
Wuͤrden aber ihre Herſchafften verpflichtet ſeyn/ ſol ihnen zehnjaͤhrige Schatzung erlaſſen werden.
X iijVII.
[166]Erſtes Buch.
VII. Haͤtten obgedachte Ritter Luſt/ Roͤmiſche Kriegsbeſtallung anzunehmen/ ſollen jedem ſechs Le-
gionen (36000 Mann) untergeben/ und ihnen vor ihr Haͤupt/ als lange ſie dienen/ doppelter Sold
vermachet werden/ neben freyer Wahl/ wider was Feinde des Roͤmiſchen Reichs zu kriegen/ ihnen
belieben wuͤrde. IIX. Haben ſie Krieg wider ihre eigene Feinde/ ſo nicht Roͤmiſche Bundgenoſſen oder
Untertahnen ſind/ ſol ihnen die Roͤmiſche Reichshuͤlffe biß auff 120000 Mann zuzihen. IX. Ihre aus
dem beſten Korinthiſchen Ertz gegoſſene Bildniſſen zu fuſſe/ und ihre Pferde hinter ihnen ſtehend
(welches die Ehre iſt/ daß ſie zu fuſſe geſieget) ſollen zu Padua/ Mantua und Ravenna vor dem Raht-
hauſe/ mitten auff den Marktplaz geſetzet werden/ mit dieſer ſchrifftlichen Ehrengedaͤchtniß: Hercules
\& Ladislaus, peregrini, nunc cives \& amici, Rempublicam noſtram ab interitu vindicarunt.
Dz iſt:
Herkules und Ladiſla die fremden/ jezt Buͤrger und Freunde/ haben unſere Herſchaft vom
Verderben errettet.
X. Die in der Hoͤhle eroberte Beute/ Silber/ Gold/ Kleinot/ aͤdelgeſtein/
Waaren/ Waffen/ Speiſe/ Trank/ alles groß und klein/ nichts ausgenommen/ ſol ihnen als ihr Eigen-
tuhm eingeliefert werden/ daß ohn jemands Einrede ſie damit ſchalten und walten moͤgen nach freyen
belieben. XI. Die vorgenommene Dankbarkeit der Staͤdte wird gut geheiſſen/ auch daß die Fuͤrſtli-
che Haͤuſer auffgerichtet/ und jedes/ mit einem vor ſelben Staͤdten belegenen Landgute eigentuͤhmlich
verſehen werde/ deren jedes zum wenigſten jaͤhrlich 6000 Kronen auffbringen kan/ und ſollen dieſelbẽ
halb aus der Staͤdte gemeinen Seckel/ halb aus unſer Rentkammer daſelbſt erkaufft werden. XII.
Alwo ſie im Roͤmiſchen Gebiete reiſen wuͤrden/ ſol jeder auff XII Diener oder Gefaͤrten und XXIV
Pferde koſtfrey gehalten werden. XIII. Geliebet ihnen endlich in der Stad Rom zu wohnen/ wird ih-
nen eine Rahtsſtelle/ und freyer Zutrit zu allen Ehrenaͤmtern angebohten/ und ſollen ſie bey Kaͤyſerl.
Hocheit ihren taͤglichen Speiſetiſch auch allernaͤheſt der Burg ihre wirdige Wohnungen haben/ dann
ſie werdẽ von nun an geheiſſen Imperij filij \& Imperatoris fratres;Das iſt/ des Roͤmiſchen Reichs
Soͤhne/ und des Kaͤyſers Bruͤder.
Sonſten da ihnen mit etwas annehmlichers ſolte koͤnnen
an die hand gegangen werden/ es ſey zu Waſſer oder zu Lande/ wird ihnen ſolches freywilliger geleiſtet
werden/ als ſie es fodern oder begehren koͤnnen.


Nach endigung dieſes Vortrages bedanketen ſich unſere Helden der uͤber aus hohen
Gnade untertaͤhnigſt/ wuͤnſcheten Kaͤyſerlicher Hocheit gluͤckliche Herſchung/ der Stad
Rom dem Haͤupte der Welt ſtetes auffnehmen/ dem ganzen Roͤmiſchen Reich Gottes
Schuz wieder ihre unbillichen Feinde/ allen Inwohnern gluͤkliches Gedeien/ und dem H.
Stathalter zeitliche und ewige Wolfahrt/ mit dem erbieten/ der Roͤmiſchen Kaͤyſerl. Ho-
cheit und des Roͤmiſchen Reichs getraͤueſte Diener und Freunde/ biß an ihre und der ih-
ren Freyheit zu ſeyn und bleiben. Der Stathalter ſetzete ihnen die uͤbergeſchicketen Kro-
nen auff ihre Haͤupter/ und hieß alsbald kuͤnſtliche Mahler kommen/ welche ſie nach Lebens
groͤſſe eigentlich abreiſſen muſten; wornach Gießzeug gemachet werden ſolte/ in welchem
ſie von aus oberwaͤhnetem koſtbahren Zeuge ganz geharniſcht/ doch mit bloſſem Angeſicht
abgegoſſen wurden. Bald nach geſchehener Bekroͤnung liefferte er ihnen die Schluͤſſel
zu den Gemaͤchern/ auff welchen die Raͤuberbeute verwahret ward/ welche ſie auch wieder
ihren Willen zu ſich nehmen muſten. Die anweſende Gaͤſte wuͤnſcheten ihnen Gluͤk und
ſtete Vermehrung ihrer ehren/ wovor ſie ſich hoͤflich bedanketen. Der Stathalter hoͤrete/
daß ſeine Tochter bey dem Kunſtmahler beſtellete/ ihr Angeſicht abzubilden/ und in ihres
Gemahls Abriſſes linke Seite zuſetzen/ mit dieſer umbſchrifft: Hoc in corde quieſcit Sophia
Fabia.
Das iſt: in dieſem Herzen ruhet Sophia Fabius Tochter/ welches er ſich zwar nicht uͤbel
gefallen lies/ und doch zu ihr ſagete: Ich merke wol/ du waͤhreſt auch alhie zu Padua gerne
mit
[167]Erſtes Buch.
mit im Spiel/ laͤſſet ſichs aber auch verantworten? und iſt dirs nicht gnug/ daß zu Rom
deine Ehren Seule neben deinem Gemahl auffgerichtet iſt? Worauff ſie antwortete: Gn.
Herr Vater/ iſt dieſes euer Ernſt/ ſo laſſets mich/ bitte ich/ recht wiſſen. Er ſtreich ihr uͤber
das Haͤupt und ſagete; Ich weis ſchon wol/ daß du angebohtene Ehre nicht außſchlaͤgeſt;
nam den Brieff wieder hervor/ und laſe uͤberlaut folgende Worte daraus: Die erſte Raht-
geberin Sophia Fabia welche ohn zweiffel durch eingeben der Goͤtter getrieben/ die Nach ſuchung der
Raͤuber befodert hat/ ſol vor erſt/ ihrem Gemahlauff dem Marßplatze zur linken ſtehen/ mit dieſer
Gedaͤchtnis-Schrifft: Romanarum mulicrum decus, SOPHIA FABIA, das iſt: Sophia Fa-
bius Tochter iſt die Zierde der Roͤmiſchen Fꝛauen. Vors ander wird ihr ein guͤldenes Kroͤni-
chen geſand/ und Zeit ihres lebens zutragen erlaͤubet. Wird dann drittens geheiſſen eine Schweſter
des Roͤmiſchen Kaͤyſers. Als ihr nun das Kroͤnichen auffgeſetzet ward/ ging ſie auff die Knie
ſitzen/ bedankete ſich alleruntertaͤhnigſt gegen Roͤmiſche Kaͤyſerliche Hocheit/ Raht und
Gemeine der Stad Rom/ wuͤnſchend/ die Goͤtter wolten ihr liebes Vaterland hinfuͤro
mit ſolcher Gefahr gnaͤdig verſchonen/ und deſſen Auffnehmen ihnen laſſen anbefohlen
ſeyn; ſtund wieder auff/ und baht ihren Vater/ er moͤchte der Geſelſchafft ohn weiteres
Auffſchieben anzeigen/ was vor ein Ehrengedaͤchtnis ihm ſelbſt zugeſprochen waͤhre;
worauff er zur Antwort gab; es iſt mir Ehre gnug/ daß dem rechtſchuldigen alles nach
meinem Wunſch begegnet iſt/ und hat man dannoch meiner hiebey nicht vergeſſen wollen/
ſondern mir zwiſchen Herren Herkules und Ladiſla eine Ehrenſeule zu Rom erkennet/ an
welcher dieſe loͤbliche Taht zum ſtetswehrenden Gedaͤchnis geſchrieben worden/ und zu
oberſt dieſe Worte:

Q: FABIVS, FELIX, PIVS, VICTOR, GLORIOSVS. ()

Das iſt:
Q. Fabius der Gluͤkſelige/ Gottfuͤrchtige/ Sieghaffte/ Preißwirdige. Hier wartete nun Fr. Ur-
ſul mit Verlangen/ was jhr liebſter K. Fabius doch zu hoffen haͤtte/ weil er ja im Streite
nicht geſchlaffen/ ſondern ſein aͤuſſerſtes biß auff Vergieſſung ſeines Bluts mit angewen-
det. Der Schwiegervater merkete ihren Ehrgeitz/ uñ ſtellete ſich/ als ob nichts mehr uͤbrig
waͤhre/ woruͤber ſie faſt betruͤbet ward/ daß ſie zu ſagen ſich nicht enthalten kunte: Gnaͤdi-
ger Herr und Vater/ mein Liebſter hat ſich zwar des Sieges mit zuerfreuen/ aber vielleicht
keinen Teil an der ausgeteileten Roͤmiſchen Gnade. Woruͤber er lachete/ und zur Antwort
gab: Es iſt der Weiber gemeine Krankheit/ daß ſie ihre Maͤnner gerne geehret ſehen. Hieß
damit ſeinen Sohn auffſtehen/ und Kaͤyſerl. Gnade und Willen vernehmen; Zohe das
Schreiben wieder hervor/ und laſe daraus: Den jungen K. Fabius/ Roͤmiſchen beſtalten Rit-
meiſter/ ſol I auff dem Marſplaze eine etwas nidrigere Seule vor des Vaters Fuͤſſen geſetzet werden/
mit eben der Uberſchrifft/ die den Helden gegeben iſt. II Sol er zum Obriſten uͤber eine Roͤmiſche
groſſe Geſchwade oder Legion beſtellet werden/ und III uͤber den gewoͤhnlichen Sold auß der Rent-
kammer jaͤhrlich als lange erlebet/ 6000 Kronẽ heben/ auch IV In der erſten Wahl zum Rahtsherren
in Rom gekieſet werden Dieſer erbleichete vor ſolcher Ehre/ ſagte vorerſt Roͤmiſcher Kaͤy-
ſerl. Hocheit und der Stad Rom in tieffſter Untertaͤhnigkeit Dank/ erinnerte ſich gerne/
daß es eine bloſſe freygebigkeit waͤhre/ zu welcher er durchaus nicht haͤtte Anlaß geben koͤn-
nen/ rechnete es dahin/ daß man ihm hiemit anzeigen wolte/ was er dem Vaterlande ſchul-
dig/ und er alle Belohnung vorher einnehmen muͤſte/ ehe er einige verdienet.


Des folgenden Morgens ließ der Stathalter alle Reuter/ ſo dem Streite beygewoh-
net hatten/ vor ſich ruffen/ erzaͤhlete ihnen/ wie er ihr Wolverhalten nach Rom berichtet/
und
[168]Erſtes Buch.
und darauff eine Kaͤyſerliche Gnade einkommen waͤhre/ welche er ihnen vorleſen wolte/
und alſo lautete: Die ſo dem Streite wieder die Raͤuber beygewohnet/ uñ zu Beſchuͤtzung des Va-
terlandes ihr Blut und Leben nicht geſchonet haben/ ſollen jedweder ohn unter ſcheid 8000 Kronen auß
der Rentkammer empfahen/ nebeſt einem Ritterharniſch/ Pferde/ und allem Zubehoͤr/ auff 400 Kro-
nen geſchaͤtzet/ und ſo etliche von ihnen das Roͤmiſche Buͤrger Recht nicht haben/ ſollen ſie ſelbſt er-
ſcheinen/ oder ihre Namen einſchicken/ und ins Stad Buch eingeſchrieben werden; auch da ſie weiter
begehren zu dienen/ ſollen ſie nach belieben/ zu Roß oder zu Fuß/ alle miteinander vor Unterhaͤuptleu-
te hiemit beſtellet und angenommen ſeyn/ und ſolchen Platz zuerlangen ſich zu Rom anſinden. Die a-
ber/ ſo in dem Gefechte ihre Geſundheit eingebuͤſſet/ und eintge Laͤhmniß an Haͤnden oder Fuͤſſen be-
kommen/ ſollen uͤber obgeſetzete Verehrung jaͤhrlich/ ſo lange ſie leben 300 Kronen zu ihres Lebens un-
terhalt/ von den dreyen Staͤdten Padua/ Mantua und Ravenna zuempfangen haben. Die ſo ihr Le-
ben vor das Vaterland in dieſem denkwirdigen Kampffe eingebuͤſſet/ weil ſie vor ſich ſelbſt der Ver-
geltung nicht genieſſen koͤnnen/ ſollen zu Padua an dem ehrlichſten Orte begraben/ und ihnen gehaue-
ne Grabe Steine auffgerichtet/ ihren naͤheſten Erben aber 6400 Kronen aus gemeinen Reichs Auf-
kunfften abgefolget werden. Und weil die beyde Roͤmiſche vom Adel/ Klodius und Markus ihres tapf-
feren wolverhaltens/ vor andern geruͤhmet werden/ ſol ihnen alles dreyfach gegeben werden/ auch/
dafern ſie ihrer jetzigen Herren Dienſte mit gutem Willen koͤnnen erlaſſen ſeyn/ vor Roͤmiſche Rit-
meiſter alsbald beſtellet werden. Nach Verleſung ließer jhnen die Gelder baar außzahlen/
und die verſprochene Waffen und Pferde einhaͤndigen/ neben der Erinnerung/ es wuͤrde
jhnen zum beſten gereichen/ wann ſie alle mit einander nach Rom reiten/ und Kaͤyſerlicher
Hocheit alleruntertaͤhnigſt danken wuͤrdẽ/ worzu ſie dann alle ſehr willig waren. Schließ-
lich wurden alle Gefangene herzu gefuͤhret/ und ihnen dieſes vorgeleſen: Die erſchlagene
vermeynete Raͤuber-Fuͤrſten/ auch der außgegrabene Orgetorix ſollen gevierteilet/ und umb Padua/
Mantua und Ravenna auff freyer Heerſtraſſe auffgehenket/ die andere getoͤdtete an Kreuze umb die
Raͤuberhoͤhle gehefftet werden. Die annoch lebendige Raͤuber ſtehen in ihrer Uberwinder freyen Haͤu-
den/ und moͤgen ſie nach belieben deren etliche begnaden/ und die andern entweder ſelbſt ſtraffen/ oder
hieher nach Rom ſenden. Weil nun unſere Helden deßwegen mit dem Stathalter ſchon
Abrede genommen hatten/ daß der junge Raͤuber/ welcher ſich im Gefecht ergeben/ ſamt
Servilius und dem Koche nur allein ſolten begnadet ſeyn/ wurden die uͤbrigen eilfe auff
Wagen geſchmiedet und nach Rom fortgeſchicket.


Es foderten Herkules und Ladiſla ihre beyden Ritterlichen Diener Klodius und
Markus vor ſich/ und zeigeten ihnen an/ daß ſie nicht gemeynet waͤhren/ ihnen ihr Gluͤk uñ
Befoderung zu hemmen/ ſondern ſolten hiemit jhrer Dienſte erlaſſen ſeyn/ nach belieben
hinzureiſen/ und die angebohtene Ritmeiſterſchafft zu behaͤupten/ wolten nicht hoffen/ daß
ſie einiger ungebuͤhr ſich uͤber ſie wuͤrden mit fuge beſchweren koͤnnen/ und waͤhren ſie er-
boͤhtig/ jhnen allerhand Befoderung bey Kaͤyſerl. Hocheit zubeweiſen. Klodius aber fing
mit betruͤbeter Rede vor ſich alſo an: Durchleuchtiger Gnaͤdiger Herr/ Ihre Gn. haben
mich auff zwey Jahr in Dienſte genommen/ ſo lange dero ich mich auch verbunden/ und
ruffe ich mein Gewiſſen zum Zeugen/ dz ich biß daher in dieſer Welt nichts mehr gewuͤn-
ſchet/ als Ihrer Gn. in meiner untertaͤhnig-gehorſamſten Auffwartung gefallen zu koͤn-
nen; gelebe demnach der troͤſtlichen Zuverſicht/ Eure Gn. werden mich nicht ſo ſchleunig
aus ihrem Dienſte verſtoſſen/ ſondern die verſprochene Zeit mich aushalten laſſen/ dann
ich bin des gaͤnzlichen vorhabens/ in Euer Gn. Lehr Schuele erſt recht zu faſſen/ wie ich
dermahl-
[169]Erſtes Buch.
dermahleins eine Haͤuptmanſchafft mit Ruhm verwalten koͤnne. Markus gab eben dieſes
vor/ und hielten an/ daß ihnen nur gnaͤdig vergoͤnnet werden moͤchte/ mit der Reuter Ge-
ſelſchafft nach Rom zureiten/ umb/ jhre erworbene Gelder uͤberzubringen/ und ihre ver-
pfaͤndeten Guͤter damit groͤſten teils frey zu machen/ welche von den geitzigen Glaͤubigern
durch gar zu ſchweren Wucher außgeſogen/ wuͤrden. Sie verwunderten ſich dieſer Er-
klaͤrung/ ſpuͤreten daher ihre Traͤue und Liebe/ und vermacheten ihnen wegen der kuͤnffti-
gen Dienſte dreyfachen Sold/ hielten auch jedem einen Leibknecht/ der jhnen die Pferde
verſehen muſte/ daß ſie faſt wie Spießgeſellen von jhnen gehalten wurden; Die Reiſe nach
Rom/ ſageten ſie/ koͤnte ihnen nicht gehindert werden/ ſolten nur zuvor alle Reuter/ ſo dem
Streite beygewohnet/ herzu fodern; und als dieſelben ankahmen/ redete Herkules ſie alſo
an: Ihr redliche Spießgeſellen/ wir erinnern uns billich eures ritterlichen Beyſtandes
und gutwilligen Gehorſambs/ welchen jhr in neulicher Beſtuͤrmung des Raub Neſtes
uns geleiſtet/ und weder Blut noch Muͤhe geſparet/ ſondern durch ſolche Tapfferkeit uns
die empfangene hohe Ehre erſtreiten helffen; Hievor erkennen wir uns in eurer Schuld
ſeyn/ wollen uns auch bemuͤhen/ euch deßwegen in etwas zu ergetzen/ nicht zweifelnd/ jhr
werdet unſere Gutwilligkeit annehmen/ und ſo bald jhr zu Rom ankommet/ Roͤmiſcher
Kaͤyſerl. Hocheit und dem Raht unſere alleruntertaͤhnigſte Dienſte/ Gehorſam und Gruß
anmelden/ auch/ daß wir inwendig eines Monden friſt uns ſelbſt einſtellen wollen/ vor
empfangene Gnade zu danken. Die Reuter wuͤnſcheten jhnen zu jhren Ehren Gluͤk/ wen-
deten ein/ Roͤmiſche Kaͤyſerl. Hocheit haͤtte jhre Muͤhe und Wunden ſatſam vergolten/
waͤhre alſo unvonnoͤhten/ daß Ihre Gnn. ſich deßwegen einige Gedanken macheten; Je-
doch/ da dieſelbe jhnen ein geringes Gedaͤchtniß hinterlaſſen wolten/ wobey ſie ſich der Eh-
re erinnern koͤnten/ daß unter ihrer gluͤklichen Anfuͤhrung ſie geſtritten/ ſolte jhnen ſolches
von hertzen lieb und angenehm ſeyn; erboͤhten ſich ſonſten zu allen moͤglichen Dienſten uñ
Gehorſam/ und ſolte jhr Befehl nicht auß der acht gelaſſen werden. Darauff muſten Klo-
dius und Markus jhrer jedem 4000 Kronen zur Verehrung/ und 200 Kronen zum neuẽ
Kleide austeilen/ welches anzunehmẽ ſie ſich anfangs ſehr wegerten/ aber doch durch Noͤh-
tigung ſichs nicht entbrechen kunten; da dann die drey Staͤdte ſie auch nicht wolten un-
begabet laſſen/ ſondern einem jeden Reuter 2000 Kronen/ Klodius und Markus aber/ je-
dem 8000 Kronen einreicheten. Als nun dieſe beyde auff Abfaͤrtigung nach Rom war-
teten/ fragete Herkules ſeinen Klodius/ wie es mit ſeinen Guͤtern zu Rom beſchaffen waͤh-
re/ und ob er davon etwas zu heben haͤtte. Er ſchaͤmete ſich anfangs ſolches zu ſagen; Da-
her begehrete Ladiſla von Markus zu wiſſen/ was vor einen Zuſtandes mit ſeinen Guͤtern
haͤtte; welcher ohn weiters bedenken anzeigete/ ſeine liegende Gruͤnde/ Hauß und Hoff/
waͤhren auff 85000 Kronen angeſchlagen/ und hafftete wenig uͤber die helffte/ als 46000
Kronen Schulden darauff/ welche aber nicht allein alle jaͤhrliche Auffkuͤnffte verzehretẽ/
ſondern den Schuld Hauptſtuel ſtets groͤſſer macheten; Die Gelder waͤhren nicht aus
uͤppigkeit oder Mutwillen erborget/ ſondern von ſeinen Eltern/ die vor zwey Jahren geſtor-
ben/ und zwoͤlff Jahr beyde krank gelegen/ auff Arzte gewendet; Weil er aber dieſe wenige
Zeit ſo groſſes Gluͤk gehabt/ und ſchon ein mehres/ als er ſchuldig waͤhre/ erworben haͤtte/
wolte er ſie frey machen/ und ſeinen Anverwanten auff etliche Jahr austuhn. Klodius
Ylegete
[170]Erſtes Buch.
legete die unzeitige Scham auch ab/ und deutete auff abermahlige Erinnerung an/ ſeine
Guͤter waͤhren 112000 Kronen an Wert; Nun haͤtte ſich aber ſein Vater Seel. vor ſei-
ner Mutter Bruder (welcher durch Ungluͤk hernach umb alles ſeine kommen) auf 40000
Kronen in Buͤrgſchafft eingelaſſen/ und ſeine drey verheyrahtete Schweſtern haͤtten jede
wegen 6000 Kronen Hauptſtuel/ die uͤbrigen beſten Stuͤcke zugenieſſen/ daß er jaͤhrlich
kaum 150 Kronen einnehmen koͤnte; wolte nun gleich wie Markus ſich von der Buͤrg-
ſchafft loßwirken und mit jhm ſich auffs geſchwindeſte wieder einſtellen. Herkules ant-
wortete ihm: es iſt dir nicht zurahten/ daß du aller deiner Baarſchafften dich entbloͤſſeſt; le-
ge ſie hin/ daß du ſie dereins findeſt/ wann du zu heyrahten gedenkeſt; ſihe da/ weil du aus
Luſt/ in meinen Dienſten laͤnger zuſeyn/ deine Befoderung außſchlaͤgeſt/ wil ich dir meinen
guten Willen wiederumb ſehen laſſen/ und ſtrecke dir 40000 Kronen vier Jahr ohn Zin-
ſen vor/ ſo biſtu nach deinem Stande dein lebelang geborgen/ und lebe nur der Zuverſicht/
daß nach Befindung deiner kuͤnfftigen Dienſte ich ſie dir gar ſchenken kan. Ladiſla bezei-
gete ſich gegen Markus desgleichen/ und empfingen dagegen auffs neue Verheiſſung in
jhren Dienſten weder Blut noch Leben zuſparen. Sie ſchicketen aber jhrem Arzt Galenus
400/ ſeinen beyden Geſellen ingeſamt 100 Kronen zum Beutpfennige. Dem Roͤmiſchen
Biſchoffe machte Herkules 12000 Kronen uͤber/ auff Rente zulegen/ und die Auffkuͤnffte
in dreyen gleichen Teilen auff Armen/ Kirchendiener/ und Schuel Lehrer zu verwenden.
Die in der Raͤuber Hoͤhle gefundene Waffen ſchichteten ſie gleich/ und ſendeten dem Kaͤy-
fer die Halbſcheid nach Rom zum Gedaͤchtniß/ nebeſt allem Pracht von Kleinoten/ Sil-
bern und Guͤlden-Geſchir auch zierlicher Ruͤſtung/ die einem Raͤuber Fuͤrſten beygelegt
wahr; daneben 50 Wagen mit Meel/ 20 mit Wein/ 24 mit eingeſalzenem Fleiſch uñ Fiſch-
werk/ und drey Tonnen Schaz an gepregetem Golde und Silber. Weil jhnen auch Frau
Mammeen des Kaͤyſers Mutter Geitz wol bekant wahr/ ſchicketen ſie derſelben zwo Ton-
nen Schaz an Gold und Silber; Eine Tonne an allerhand Kleinot/ vier ſchwerbeladene
Wagen von Purpur/ Seiden/ Silbeꝛn und Guͤlden-Stuͤcken/ und den ganzen Schmuck
auff eine Raͤuber Fuͤrſtin beygelegt/ ſchrieben daneben an den Kaͤyſer und ſeine Fr. Mut-
ter hohe Dankſagungs Briefe/ und erbohten ſich/ nach Verlauff vier oder fuͤnff Wochen
ſich einzuſtellen/ woran ſie doch durch einen merklichen Unfall verhindert wurden.


Des fuͤnfften tages nach ſolcher Abfaͤrtigung ſtelleten ſie eine groſſe Gaͤſterey an/
worauff 670 Rahts Herren und Aedle/ aus Padua/ den umbliegenden Staͤdten/ und vom
Lande; und uͤber dieſelben noch 30 Herren Standes/ mit ihren Gemahlen und Mannba-
ren Toͤchtern eingeladen wurden/ die ſich alle willig einſtelleten. Die Speiſen und herlich-
ſten Weine wurden in groſſem uͤberſtuſſe auffgeſetzet/ und alles Fuͤrſtlich angerichtet/ dann
ſie ſpareten weder Koſten noch Muͤhe/ uñ hatten auff dem weiten ſchoͤnen Anger/ woſelbſt
Fulvius erleget wahr/ eine ſehr groſſe Laͤube machen laſſen in welcher 2300 Menſchen/ als
700 Maͤnner/ und 1600 Weibesbilder an 130 langen Tiſchen geſpeiſet wurden. Nach ge-
haltener Mahlzeitward von dem Frauenzimmer ein zierlicher Tanz gehalten/ wobey un-
ſere Helden und andere junge Herren ſich finden lieſſen/ biß umb ein niderſitzen angehal-
ten ward/ da Herkules und Ladiſla aufftraten/ und etliche Laden bey ſich niderſetzen lieſſen/
auch Ladiſla alſo anfing: Hochmoͤgender Herr Stathalter und Fr. Stathalterin/ Wol-
gebohr-
[171]Erſtes Buch.
gebohrne Herren/ Frauen und Fraͤulein/ Hochaͤdle Herꝛen/ Frauen und Jungfern: Mein
bruͤderlicher Freund Herr Herkules und ich/ bedanken uns ſehr dienſt und freundlich/ daß
auff unſeꝛe einladung ſie alhier erſchinen/ und ihre angenehme Kundſchafft uns goͤnnen
wollen/ welches Zeit unſers lebens zu ruͤhmen wir Urſach haben werden. Es wiſſen ſich
aber unſere anweſende Herren und Freunde/ ohn unſere Anzeige zuerinnern/ was Geſtalt
Roͤmiſche Kaͤyſerl. Hocheit/ unſer allerſeits allergnaͤdigſter Herr/ uns beyde dermaſſen
hoch begnadet/ daß wir ſolches nicht eins recht begreiffen/ geſchweige erſetzen werden/ uñ
deßwegen uns in ſtaͤter Verwunderung ſtillſchweigend bezeigen/ weil wirs mit wirdigen
Worten nicht außreden koͤnnen; dann nicht allein die angetahne Ehr iſt zu groß und uͤber-
ſchwaͤnglich/ ſondern auch die gelieferten Schaͤtze und Reichtuhm mehr als Koͤniglich.
Wir unſers teils ſind nicht Willens/ ſo hohe Gnade zuverſchweigen/ ſondern davon mit
Mund/ Herzen und bezeigungen zu reden/ auch denen die es nicht recht wiſſen/ anlaß zuge-
ben/ daß ſie es etlicher maſſen begreiffen und neben uns ruͤhmen moͤgen; geleben demnach
der gaͤnzlichen Zuverſicht/ unſere ſaͤmtlich Anweſende hochgeneigete Herren/ Frauen/
Fraͤulein und Jungfern werden ohn Wiederrede unſer Vornehmen ſich gefallen laſſen/
und ein geringes Dankzeichen/ welches wir einliefeꝛn wollen/ mit guͤnſtigem Willen/ als ein
ſchlechtes Pfand unſers bereitwilligen Herzen zu ihren Dienſten/ von uns auff und an-
nehmen. Niemand wahr/ der hierauff antworten wolte/ biß der Stathalter auffſtund/ und
dieſes vorbrachte: Durchll. Herren/ Freunde und Schwigerſohn; es hat Roͤmiſche Kaͤy-
ſerl. Hocheit und der Raht zu Rom ſich noch allemahl wol vorgeſehen/ daß ſie weder die
empfangene Woltahten und ankbarlich vergeſſen/ noch Unwirdige groß ehren/ daher dañ
kein Menſch an eurer Wirdigkeit zweiffeln muß noch kan/ welche durch ſo klare Zeugniſſe
uns vor Augen leuchtet/ daß ein Maulwurff-blinder ſie ſehen und Fuͤhlloſer ſie greiffen
ſolte; gnug aber iſt es Kaͤyſerl. Hocheit und dem Raht zu Rom/ auch uns allen Herzer-
freulich/ daß eure Liebden die beſchehene Dank-ehre vor wichtig und genehm halten/ und
ſich der ſtaͤten Gedaͤchtnis anerbieten/ welche auch an dieſer Seite nicht ſol in vergeß ge-
ſtellet werden. Das Denkzeichen/ welches unſere allerſeits hochwerte Herren uns anbietẽ/
waͤhre ganz unvonnoͤhten/ maſſen viel ein kraͤfftigers ſchon in unſern Herzen ſtecket/ wel-
ches nur der Tod heraus reiſſen/ die Dankbarkeit aber auff die Nachkommen fortſetzen uñ
unſterblich machen wird; jedoch/ daß wir nicht vor unhoͤfliche moͤgen angeſehen werden/
laſſen wir uns ihr Vornehmen nohtwendig gefallen/ aber mit dem bedinge/ daß es vor erſt
nicht einem Geſchenke als Denkmahl aͤhnlicher ſey; vors ander/ daß es wegen der groſſen
Menge dieſer Anweſenden/ nicht auff einzelne Haͤupter/ ſondern Staͤdte und oͤrter moͤge
angeſchlagen werden. Durchl. Herr Stathalter/ Gn. Herr als Vater/ antwortete Herku-
les/ wie auch Wolgebohrne und hochaͤdle anweſende Herren/ Frauen und Jungfrauen;
mein geliebter Bruder Ladiſla und ich bedanken uns Dienſtlich ihrer hohen Gewogenheit/
und beſchehener Einwilligung/ wollen auch des Herrn Stathalters erſte Bedingung
gerne in acht nehmen/ und daneben hoffen/ die andere koͤnne uns wol erlaſſen werden/ wañ
ſie unſers Vorhabens werden berichtet ſeyn; Als nemlich/ es haben die vermeinte Raͤuber-
Fuͤrſten auff XXXIV Obriſten und deren Weiber/ dañ vor 680 Haͤuptleute und ihre Wei-
ber etliche Kleinot unterſchidlicher Gattung beygelegt/ von denen wir nur etliche dieſer
Y ijhoch-
[172]Erſtes Buch.
hochloͤblichen Geſelſchafft außteilen wollen/ nit als ein Geſchenke/ ſondern bloſſes Denk-
zeichen des ergangenen. Als nun niemand dawieder redete/ wurden vor erſt den Anwe-
ſenden 540 aͤdlen Frauen ſo viel Haͤuptmans Weiber Ringe außgeteilet/ deren jeder 60
Kronen galt; den aͤdel Jungfern an der Zahl 850 wurden ſo viel Haupmans Weiber
Armbaͤnder gegeben/ jedes zu 70 Kronen. Darnach wendeten ſie ſich zu den Herrẽ Stan-
des Frauen/ deren 100 wahren/ nnd lieferten ihnen ſo viel Haͤupmans Weiber Halsket-
ten/ jede zu 125 Kronen; den Frey Fraͤulein aber/ deren 106 anweſend/ jeder ein Hauptman-
Weiblich Kleinot/ jedes zu 150 Kronen. Nach dieſem legte Ladiſla Frl. Helenen eine O-
briſtin- Halskette mit angeheffteten Kleinot umb den Halß/ am gewehr 10000 Kronen.
Herkules gab Frl. Sibyllen ein gleichmaͤſſiges/ und uͤberdaß einen Ring und par Arm-
baͤnder/ jener 2000 dieſe 3000 Kronen wert. Fr. Urſul aber ward von Ladiſla mit einem
vollen Obriſtin-Schmuk/ auff 23000 Kronen/ und die Stathalterin mit gleichmaͤſſigem/
uͤberdaß noch mit einer Hauptmannin ganzem Zieraht von Herkules beleget; welches al-
les zuſammen gerechnet 176705 Kronen außtrug. Nach ſolcher Verrichtung wurden
560 Rahtsherren und aͤdlen Rittern ſo viel Hauptmans Ringe; noch 130 Rahtsherren/
ſo Herren Standes/ Hauptmans Ketten; Herren Kornelius/ Emilius/ und Zezilius An-
tenor auch den beyden Burgemeiſtern von Mantua uñ Raveña/ jedem ein ganzer Haupt-
mansſchmuk; dem jungen Fabius eines Obriſten volſtaͤndiges/ und endlich dem Stathal-
ter eines Obriſten und Hauptmans Zieraht gegeben; daß alles unter die Maͤnneꝛ verteilete
ſich auf 101130 Kronen belief. Alle Anweſende namen dieſe groſſe Freygebigkeit mit hoͤch-
ſtem Unwillen auff/ daß auch der Stathalter ſich daruͤber ungeduldig erzeigete; muſten
es doch geſchehen laſſen/ und erbohten ſich/ Gelegenheit zuſuchen/ daß es verſchuldet wuͤr-
de. Es wahr aber hiemit noch nicht geendet/ ſondern unſere Helden lieſſen 150 Reuter
Harniſche und 3000 Ruͤſtungen zu fuſſe auff den Platz fuͤhren/ welche ſie in drey gleiche
Teile legeten/ und den drey Staͤdten ſolche zum ſtetswehrenden Gedaͤchtniß zuſtelleten/
mit Bitte/ eigene kleine Zeughaͤuſer auffzubauen (dero behuef bey jedem Teil 6000 Kro-
nen gelegt wahren) und es alle darin verwahrlich zubehalten; bey jedem Teil wurden V
Fuder Meel/ IV Fuder Wein/ und VI Fuder Fleiſch und Fiſche/ nebeſt 6000 Kronen wert
ſilbern Muͤnze geleget/ ſolches alles unter die Armut in den dreyen Staͤdten/ weß Glau-
bens ſie auch ſeyn moͤchten/ außzuteilen. Dem Stathalter und ſeinem Sohn ſtelleten ſie
jedem 20 Ritterwaffen und 50 Fußknechte Gewehr zu/ und fing darauff Herkules an/ die-
ſen beyden folgende Anmuhtung zu tuhn: Durchll. Herren/ Herr Vater/ und Herr Bru-
der; iſt es/ daß dieſelben meinen Bruder Ladiſla und mich/ wie wir dann nicht zweiffeln/
Vaͤter- und Bruͤderlich lieben/ werden ſie nicht allein unſere Bitte in gutem auffnehmen/
ſondern auch gelten laſſen/ ſo daß ſie alle uͤbrige Beute mit uns gleich teilen/ und willig zu
ſich nehmen wollen/ welches wir Zeit unſers Lebens Kind- und Bruͤderlich ruͤhmen/ und
daher ihre ungefaͤrbete Neigung verſpuͤren wollen; weil ihnen ja ſolches von rechtswegen
ſchon zugehoͤret/ als welche gleiche Arbeit mit uns uͤberſtanden haben. Niemand kunte ſich
dieſes Erbietens gnug verwundern/ aber der Stathalter gab darauff dieſe Antwort:
Durchll. Herren/ hochgeliebte Freunde als Soͤhne; ihr gewogenes Freunde-herz gegen
mich und meinen Sohn/ iſt durch ſo hohe Bezeigungen ſchon kund gemacht/ daß wir ohn
Suͤn-
[173]Erſtes Buch.
Suͤnde daran nicht zweiffeln koͤñen/ daher wir in allẽ moͤgligkeiten ihrem begehren nach-
zuſetzen/ hinwiederumb ſchuldig und verbunden ſind; betreffend die geſchehene Anmuh-
tung/ ob ſie gleich ihnen nicht anders als zur ruͤhmlichſten Tugend der hohen-Freygebig-
keit außgeleget werden kan/ muͤſten wir an unſer Seiten dagegen vor die unbeſonneſten
Menſchen geſcholten werdẽ/ dafeꝛn wir dieſelbe eingingen; dañ voreꝛſt wollen ſie bitte ich/
ihrer mir ehmahls gegebenen Antwort ſich erinnern/ als vor ihre hohe Bedienungen/ ich
nebeſt meinen Anverwanten ihnen gleiche Erbſchafft mit unſern Kindern anboht/ und ich
dieſe ihre Entſchuldigung muſte gelten laſſen/ Gott moͤchte ja verhuͤten/ daß unſer Kinder
Erbteil durch ſie nicht geſchwaͤchet wuͤrde; warumb ſolte dann ihr Gut durch uns gemin-
dert werden? Daß ihr aber meinen an Kayſerl. Hocheit getahnen Bericht (wie ich in Er-
fahrung komme) beſchuldiget/ ob haͤtte ich euer verhalten zu groß/ mein uñ meines Sohns
aber zu geringe gemacht/ und das waͤhre die urſach/ daß man euch die Beute allein zuge-
ſprochen/ welches ich hie nohtwendig erwaͤhnen muß/ ſo kan ſolcher Auflage ich mich ge-
doppelt entbrechen: Vorerſt/ bin ich und mein Sohn Roͤmer/ und in Roͤmiſchen Dienſtẽ/
und ob wir gleich allein dieſen Schatz erſtritten haͤtten/ welches doch gar nicht iſt/ waͤhre
ſolcher nicht uns/ ſondern der hoͤchſten Obrigkeit heimgefallen; welches ſie unbeſchwert
bedenken wollen; Hernach iſt der abgefaͤrtigte Reuter vor dem verſamleten Roͤmiſchen
Rahtuͤber den wahren Verlauff aͤidlich abgehoͤret/ und mir ein zimlich harter Verweiß
zugeſchrieben/ den ich aufflegen kan/ warumb ich dieſe herliche Taht nicht mit mehren uͤm-
ſtaͤnden in meinem Briefe erzaͤhlet haͤtte; daß alſo dieſes Verdachtes ich mich gnug ent-
ſchuldiget weiß/ und ſie daher nit gedenken duͤrffen/ als wuͤrde Kaͤyſerl. Hocheit ein anders
in der Sache geſchloſſen haben/ wañ ich ſchon eure und unfere Tahten (das mit unwarheit
geſchehen muͤſſen) gleich gehalten haͤtte. Jedoch/ damit unſer Streit auffgehoben werde/
und wir ja ſo wenig unhoͤflich ſeyn moͤgẽ/ als ſie bey Annehmung unſers erſten anmuhtens
wahren/ ſehet da/ meine liebe Herren Soͤhne/ ſo nehmen wir die richtige Halbſcheid aller
annoch unverſchenketer Beute an/ aber folcher geſtalt/ daß ich verfluchet ſeyn wil/ wofern
ich nicht alles/ klein und groß/ derſelben Fraͤulein zum beſten verwahre/ die meinem hoch-
werten Herrn Sohn/ Herrn Herkules/ nach des Himmels Verſehung dereins ehelich ſol
zugefuͤhret werden. Ich aber/ fing der junge Fabius an/ bedanke mich zufoderſt der gar zu
groſſen Ehr und Schenkung/ wovor ich meinen beyden Herren und bruͤderlichen Freun-
den ohn einige Bedingung zu dienſte verbunden bleibe/ ſchlage das angebohtene nicht
auß/ dafern meine Fr. Schweſter Sophia/ es mit dieſem Vorbehalt wieder von mir an-
nimt/ daß ſie deſſen meinem Gemahl nicht eines Hellers wert zuwende/ deren ich hiemit
alles annehmens ernſtlich unterſagen wil/ und da ich ſolches nicht erhalten ſolte/ werden
meine Herren eine ganz abſchlaͤgige Antwort mir nicht verdenken/ und nicht deſto wenigeꝛ
mich vor ihren getraͤuen Knecht und Diener halten; Dann warumb ſolte ich mich mit
der ſchon viel zu groſſen von Kaͤyſerl. Hocheit empfangenen Gnade nicht begnuͤgen laſſen?
Ja/ warumb ſolte ich ohn einigen Verdienſt/ da meine Herren felbſt keine urſach anzeigen
koͤnnen/ ein ſolches mir zuwenden laſſen/ welches zeit meines Lebens ich nicht allein nicht
vergelten/ ſondern auch vor ehrliebende/ inſonderheit vor Kaͤyſerl. Hocheit nicht verant-
worten koͤnte? Dieſem nach bitte ich dienſtlich/ meine Herren wollen ihre hohe Neigungen
Y iijmir
[174]Erſtes Buch.
mir dergeſtalt ſehen laſſen/ daß ohn Verletzung meiner Gebuͤhr ich dieſelbe zulaſſen und
annehmen koͤnne/ und wiederhohle hiemit mein voriges auffrichtiges Erbieten. Unſere
Helden ſtelleten ſich uͤber dieſe Wegerung traurig/ aber der Stathalter ſagte mit einem
ſcherzhafften Lachen: Sehet ihr nun/ meine Herꝛen/ daß man zuzeiten den Kauffman mit
ſeiner Waare bezahlen kan? Ihr habt mir vor dieſem den Peltz auch gewaſchen/ und nicht
naß gemachet/ deßwegen verdenket mirs ja nicht/ dz mein Huͤndichen-Gedenks/ ein gleich-
maͤſſiges Gebelle von ſich giebet; dann ich beteure hoch/ daß ichs von niemand anders/ als
von euch Herren gelernet/ und meiner Meynung nach dieſe Kunſt gar zu gelegener Zeit
angebracht habe; ſolte jhnen ſolches nun unangenehme ſeyn/ da ich doch das gar zu hohe
Erbieten in keine wege verdienet/ ſo werden ſie nun erſt erkennen/ wie hefftig mich ihre eh-
mahlige Wegerung muß geſchmerzet haben; wollens aber zugleich auffruffen/ und Zeit
unſers Lebens einander Traͤue und Freundſchafft/ ja alles koͤnnen und vermoͤgen ſchuldig
bleiben/ je laͤnger wirs leiſten und ſehen laſſen/ welches die Volkommenheit der auffrichti-
gen Freundſchafft iſt. Hier auff hieß er die Spielleute friſch auffmachen/ und fing Herku-
les Roͤmiſcher Kaͤyſerl. Hocheit Geſundheit/ Ladiſla aber des Roͤmiſchen Reichs Auff-
nehmen an zu trincken/ welches mit entbloͤſſeten Haͤuptern ſtehend verrichtet/ und zur ſon-
derlichen Ehrerbietigkeit auffgenommen/ auch nachgehends dem Kaͤyſer mit ſeiner hohẽ
Vergnuͤgung erzaͤhlet ward. Fr. Urſul/ da ſie dieſes ſahe/ trat ſie mit Frl. Sibyllen zu un-
ſern Helden/ bedanketen ſich im Nahmen des ganzen Frauenzimmers/ wegen der ausge-
teileten Kleinot/ und wuͤnſcheten ihnen ſtaͤte Auffnahme ihrer Ehren/ langes Leben und
beſtaͤndiges Wolergehen/ damit ſie noch mannichem bedraͤngeten zur Huͤlffe und Rettung
ſich gebrauchen laſſen koͤnten; lieſſen hernach zwey guͤldene Becherlein mit Wein fuͤllen/
welche das ganze Frauenzimmer auff der teuren Helden Geſundheit außtrunken. Es
wehrete dieſe Gaͤſterey biß in die ſinkende Nacht/ und wahr von unſern Helden beſtellet/ dz
auff dieſen Tag alle Arbeiter an den dreyen Fuͤrſtlichen Gebaͤuen in den dreyen Staͤdten/
auff ihre angerichtete Koſten muſten geſpeiſet und mit gutem Wein beraͤuſchet werden;
lieſſen auch aller geladenen Gaͤſte Dienern und Maͤgden/ jedem eine Krone/ und des Stat-
halters ſeinem Geſinde/ jedem X Kronen zum Beutpfennige zuſtellen/ wor auf 4000 Kro-
nen verwendet wurden. Des folgenden Morgens foderte Herkules von dem Chriſtli-
chen Lehrer des Ortes die Zahl der armen Chriſten/ deren ſich 400 alte unvermoͤgende/
200 Waͤiſelein/ 150 Lahme und Kruͤppel/ und 300 arme Schuͤler angaben/ welche er alle
mit Kleidern und Schuhen verſehen ließ/ auch den Vorſtehern 150000 Kronen zuſtelle-
te/ daß ſie beleget/ und die Auffkuͤnffte zum Unterhalt der Armen angewendet wuͤrden. Die
Staͤdte Padua/ Mantua und Ravenna ſtelleten auch trefliche Gaͤſteteyen an/ nur unſern
Helden zu ehren/ welche dahin ritten/ und mit Fuͤrſtlichem Gepraͤnge empfangen wurdẽ.


Des zwoͤlfften Tages nach dem Kaͤyſerlichen angelangeten Befehl/ wurden die ge-
goſſene Bilder auff eine Stunde in allen dreyen Staͤdten auffgerichtet/ da alle Einwoh-
ner hinzudrungen/ und gerne Hand mit anlegen wolten. Alle Haͤuſer umb den Markt
her/ wahren mit Menſchen angefuͤllet/ biß endlich einer herzu trat/ der mit ſeiner Geſel-
ſchafft einen runden leeren Kreiß umb die Bilder machete/ in welchem zwanzig Spiellen-
te mit Pauken und Trometen ein luſtig Feldſtuͤk hoͤren lieſſen/ daß die ganze Stad erſchal-
lete/
[175]Erſtes Buch.
lete/ nach deſſen endigung kahmen zwanzig andere an ihre ſtelle mit ſanfftem Seitenſpiel/
groſſen und kleinen Lauten/ Geigen und Harffen/ ſtimmeten ſehr artig mit einander ein/
biß nach Verlauff einer halben Stunde drey zierliche Knaben zu ihnẽ traten/ und mit un-
terſchidlichen Stimmen nach der Singe-kunſt geſetzet/ folgendes Lob- und Danklied in dz
Seitenſpiel erſchallen lieſſen.


1
LAſt die Helden uns beſingen/

Ja die Helden/ deren Preiß

Keiner gnug zu ruͤhmen weiß/

Die uns Heyl und Leben bringen;

Ja die Helden/ denen wir

Schuldig bleiben fuͤr und fuͤr.

2
Ihre Klugheit/ die den Jahren

Trefflich vor gewachſen iſt/

Hat der frechen Raͤuber Liſt/

Und verfluchten Bund erfahren;

Ihre Klugheit/ deren wir

Schuldig bleiben fuͤr und fuͤr.

3
Ihre Kuͤhnheit/ zu beſchuͤtzen/

Die in Noht und Truͤbſal ſtehn/

Hat uns Rettung laſſen ſehn/

So daß wir noch ſicher ſitzen;

Ihre Kuͤhnheit/ denen wir

Schuldig bleiben fuͤr und für.

4
Herkules iſt unſer Leben/

Ladiſla iſt unſer Geiſt/

Die man billich Schuͤtzer heiſt/

Denen/ weil ſie vor uns ſtreben/

Unſre Kinder und auch wir

Schuldig bleiben fuͤr und fuͤr.

5
O ihr Goͤtter unſrer Mauren/

O vergeltet dieſe Taht/

Laſſet ſie nach eurem Raht

Dieſer W[el]t noch lange tauren/

Biß ihr ſie durch freye Wahl

Uberſchreibt in eure Zahl.

Nach Endigung dieſes Liedes nahmen die drey Saͤnger Abtrit/ und ſtelleten ſich ſechs
Paduaniſche Frauen/ halb Adel/ halb Buͤrgerſtandes/ auch drey aͤdle Jungfern (unter de-
nen ein Frey Fraͤulein wahr) und ſo viel Buͤrgers Toͤchter an ihre ſtaͤte/ ſchlugen einen en-
gen Kreiß umb die auffgerichteten Bilder/ und hielten einen zierlichen Tanz; hernach fin-
gen ſie mit einander bey dem Lautenſpiel dieſes Lied mit ſehr anmuhtiger Stimme an:


1
KOmpt ihr Paduanſche Frauen/

Und ihr Fraͤulein komt herbey/

Daß wir uns zum Lobe zauen

Derer/ die uns wieder frey

Und von neuen Leben machen/

Komt ihr Jungfern/ ſingt zugleich/

Dann die vor den Ehſtand wachen/

Sorgen eben wol vor euch.

2
Unſer’ Ehr und Leben ſtunden

Schon in frecher Raͤuber Hand/

Die ſich dort zuſammen funden;

Ihr Grim/ uͤber uns entbrand/

Wahr ſchon an der Schwerter Spitzen/

An den Spieſſen auffgeſtekt/

Da wir ſolten Blut nur ſchwitzen/

Biß wir laͤgen außgeſtrekt.

3
Herkules der Uberwinder/

Ladiſla/ der Sieges Held/

Wolten nicht daß unſre Kinder/

Eltern/ Maͤnner/ Haͤuſer/ Feld/

Gar zu ſcheitern ſolten gehen/

Ihr unuͤberwindlich Schwert

Ließ ſo ſchleunig Straffe ſehen/

Wie der Bliz vom Himmel faͤhrt.

4
Sie verwehten das Gewitter/

Eh man deſſen Wuht empfand/

Eine kleine Hand vol Ritter

Hielt den Fechtern Wiederſtand/

Sie beſtuͤrmten ihre Gaͤnge/

Sie zubrachen ihren Schluß/

Daß ſie lagen nach der laͤnge/

Recht wie Boßheit ſterben muß.

5
Schreibet dieſes an die Waͤnde/

Schreibet dieſes in das Herz/

Herkules Siegreichen Haͤnde

Treiben alles hinterwerz

Was uns ſuchet zu verhehren/

Ladiſla haͤlt unſern Geiſt/

Daß er noch muß lange wehren/

Und nicht wie der Strohm verſcheuſt.

6 Nun
[176]Erſtes Buch.
6
Nun ihr Helden/ laſt euch preyſen/

Wie ihr ſolches wol verdient/

Euer Lol ſol nicht vergreiſen/

Weil die hohe Tanne gruͤnt/

Weil die Hirſch’ in Auen weiden/

Maſſen eure Siegeshand/

Hat Raub/ Mord/ Angſt/ Noht und Leyden

Von uns allenabgewand.

Nach dem Geſange hielten ſie den andern Tanz umb die Bilder/ und nahmen mit tieffen
Neigungen einen hoͤflichen Abtrit; darauff kahmen allerhand Blaſe-Trommel und Sei-
tenſpiel in groſſer Anzahl in dem Kreiſſe beyeinander/ und macheten ein Stuͤk/ welches
zwar in ungleichem Klange/ aber Singe-kuͤnſtlicher Gleicheit einſtimmete/ die Pauker
hatten wie auch die Blaſer und Pfeiffer ihr Zeug ſo viel moͤglich/ gedaͤmpffet/ welches a-
ber doch das Seitenſpiel zimlich uͤberſchallete/ und dannoch nicht unlieblich anzuhoͤren
wahr/ inſonderheit daß die Heerpauker die kuͤſtlichen Abteilungen der Schlaͤge/ ſo artig in
acht nahmen/ uñ nicht allein nach Gelegenheit bald hart bald ſanffte/ ſondern bey den gan-
zen und halben Schlaͤgen ein zierlich-buntes Gehacke macheten/ und hingegen/ wann die
Trometer zuͤngelten/ die Pfeiffer und Seitenſpieler auch ihre kuͤnſtlichen Laͤuffchen ver-
bluͤmeten/ ſie ſich langſam/ als ob ſie die Maſſe hielten/ vernehmen lieſſen. Als dieſes eine
Stunde gewehret/ kahmen drey unterſchiedliche Hauffen von zwoͤlff Maͤnnern/ zwoͤlff
Knaben und Maͤgdlein gleicher Teilung/ und zwoͤlff Frauen und Jungfern/ auch jedes
zur Halbſcheid in den Plaz/ ſtelleten ſich in die drey Ecken des Kreiſſes/ und in dem alles
Spielzeug auff das ſanffteſte ging/ fingen ſie ihr Pindariſches Lied an/ in welchem der
Manneshauffe den erſten Saz alſo anſtimmete:


1
SO muͤſſen wir der teuren Helden Preiß

Gebuͤhrlich und mit vollem Munde ſingen

Auff auff! und laſt das Seitenſpiel erklingen/

Wer Pauken nach der Kunſt zu ruͤhren weiß/

Muß ſeinen Dank mit geben; blaſet friſch

Auff Zinken/ auf Poſaunen und Schalmeyen/

Das Orgelwerk beſtimmet wol und riſch/

Trometer auff! mit her an dieſen Reihen;

Ihr Saͤnger ihr/ verbluͤmlets krauß und bund/

Ihr Maͤnner komt/ laſt hoͤren Herz und Mund;

Ihr Kinder ſolt die zarte Stimm’ erheben;.

Ihr Weiber auch/ und reine jungfern Zucht/

Dann eure Ehr ſtund ſchon auff Windesflucht/

Daß nur ein Schrit wahr zwiſchen Tod und Lebẽ.

Dieſe Außfoderung beantworteten die Knaben und Maͤgdlein im Gegenſatze mit ſo
erbaͤrmlicher und zugleich anmuhtiger bewaͤglicheꝛ Stimme/ daß allen zuhoͤrern die Traͤh-
nen auß den Augen hervor drungen/ indem ſie alſo ſungen:


HErr Herkules/ der groſſe Sieges Held/

Herr Ladiſla der trefftlich’ Uberwinder/

Beſchuͤtzen uns arm’ und elende Kinder/

Ihr blankes Schwert beſichert Bieh und Feld.

Drum nehmen wir noch ſuͤſſe Nahrung ein;

Sie haben ſich vor dieſen Riß geſtellet/

Durch welchen wir ermordet ſolten ſeyn/

Die freche Schaar iſt bloß durch ſie gefellet.

O Padua! wo waͤhreſtu wol iez/

Wann Herkules und Ladiſlaen Wiz

Das heimltche Gebaͤu nicht haͤtte funden?

Du waͤhreſt ſchon Aſch’ und ein Loͤſche-brand/

Und deine Mark ein durchauß Wuͤſtesland;

Wem ſind wir dann als dieſen/ mehr verbunden?

Den Nachſaz hielten die Frauen und Jungfern/ ſo daß das ſanffte Floͤht- und Seitẽ-
ſpiel auff Geigen und Harffen mit einſtimmete/ wie folget:


Herr Herkules/ Herr Ladiſla/

Wir Frauenzimmer ſind jetzt da/

Eur teurerworbnes Lob nach Moͤgligkeit zu preiſen.

Eur Ehr und Nahme ſol alhier

Bey Jung- und Alten fuͤr und fuͤr

Voll bluͤhen/ und zu keiner Zeit vergreiſen.

Ihr Helden/ diß Geticht

Verſchmaͤhet uns doch nicht/

Goͤnnt uns das freye ruͤhmen;

Ob unſer Mund

Es gleich ſo bund

Nicht kan noch mag verbluͤmen;

So
[177]Erſtes Buch.
So opfern wir an koͤnnen-ſtat

Das wollen/ das euch zuerheben

Noch niemahls ſich gewegert hat/

Dann ihr ſeyd unſer’ Ehr und Leben.

Als dieſes ausgeſungen/ und der Kinder/ auch Frauen und Jungfern Tantz gehalten/ und
zulezt noch ein mahl mit volſtimmenden Zeuge auffgeſpielet wahr/ trat ein Redener auff/
und meldete den Anweſenden an/ was geſtalt Roͤmiſche Kaͤyſerl. Hocheit die Auffricht-
und Einweihung dieſer Bildniſſen der Durchll. Herren und unuͤberwindlichen Ritter/
Herrn Herkules und Herrn Ladiſla/ allergnaͤdigſt befohlen und angeordnet haͤtte; zeigete
daneben die urſach an/ ruͤhmete die Weißheit/ Tapferkeit und freundliche Demuht unſereꝛ
Helden/ wuͤnſchete ihnen Gluͤk/ Heil/ Geſundheit/ langes Leben/ und ſtaͤte Auffnahme jh-
rer Ehren und Preiſes/ ſtellete ſie zum Vorbilde der Roͤmiſchen Jugend vor/ uñ vermah-
nete dieſelbe zur moͤglichen Nachfolge. Fr. Sophia und Urſul/ mit Frl. Sibyllen/ ſtunden
oben auff dem Rahthauſe/ ſahen die Auffrichtung der Bilder/ und was dabey vorging/ al-
les an/ lieſſen ſich auch der Geſaͤnge Abſchrifft geben/ und brachten ſie den unſern hin; wel-
che ſolches alles mit groſſer Ungeduld laſen und erzaͤhlen hoͤreten/ daß auch Herkules ſag-
te; wann er haͤtte wiſſen ſollen/ daß man ihn ſolcher geſtalt ſchier zu einem Abgott machen
wollen/ wolte er nach erhaltenem Siege keinen Tag in Italien blieben ſeyn; dann wer wol-
te ſich nicht ſchaͤmen/ ſagte er/ eine ſolche ganz unverdienete und uͤbermenſchliche Ehr an-
zunehmen/ inſonderheit/ wann ſie durch gemeinen Schluß geleiſtet wird. Aber der Stat-
halter redete ihm ſolches auffs beſte aus dem Sinne; es koͤnten dankwillige Gemuͤhter ja
nicht anders/ als ihre Freude wegen geſchehener Rettung an den Tag geben/ vornemlich/
weil ſie verſichert waͤhren/ daß Kaͤyſerl. Hocheit daran ein gnaͤdigſtes Gefallen tragen
wuͤrde/ welche/ ſagte er/ groſſe Begierde haben ſol/ euch gegenwaͤrtig zu ſehen/ allermeiſt/
weil er vernommen/ daß ihr/ Herr Herkules/ mit ihm faſt eines Alters ſeyd. Unter dieſem
Geſpraͤch trat ein Diener in den Saal/ und meldete an/ daß eine groſſe Menge Spielleute
und Saͤnger/ klein und groß/ Mannes und Weibesbilder/ umb Erlaͤubniß anhielten/ daß
ſie in den innerſten Platz des Hofes moͤchten gelaſſen werden/ woſelbſt ſie den beyden Hel-
den zu ehren auch wolten hoͤren laſſen/ wie ihre auffgerichtete Bilder eingeweihet waͤren.
Herkules durffte nicht widerſprechen weil der Stathalter alsbald ja ſagete/ fuͤꝛchtete ſich
auch/ es moͤchte ihm ſein Mißfallen ungleich ausgeleget werden/ uñ ſtellete ſich mit Ladiſla
vor ein verſperretes Fenſter/ durch welches ſie alles ſehen/ aber nicht wieder kunten geſehẽ
werden; als auch alles in gleicher Art und Stellung/ wie vorhin auff dem Marktplatze
verrichtet wahr/ lieſſen ſie den Spielleuten/ deren an der Zahl 80 wahren/ 4000 Kronen
austeilen/ den Frauen/ Jungfern/ Knaben und Maͤgdlein aber/ wie auch den Maͤnnern/ ſo
das ſingen mit einander verrichteten/ ward Seiden Gewand zu Kleidern/ und jedem klein
und groß durch die Bank hin 50 Kronen dabey gegeben/ auch uͤber das dem Frauenzim̃er
guͤldene Ringe/ jeder 50 Kronen wert. So ließ Ladiſla den Spielleuten in ein Wirtshauß
zwey Faß Wein bringen/ und Mahlzeit anrichten/ bekahmen aber des folgenden Morgens
die Zeitung/ der Wein waͤhre gar zu kraͤfftig geweſen/ welcher die ohndas halbnaͤrriſchen
Spielleute vollends der Sinne beraubet/ daß ſie ſich wol abgeſchmiſſen/ und vor etliche
hundert Kronen Spielzeug zuſchlagen haͤtten. Der Chriſtliche Lehrer aber zu Padua/
ſchickete dieſen Morgen ein Schreiben an Herkules/ in welchem er den XXXIII und XLVI
ZPſalm
[178]Erſtes Buch.
Pſalm des Geiſtreichen Koͤniges David nach Tichterkunſt in Griechiſcher Sprache ge-
ſchrieben hatte/ alſo auff teutſch lautend:


DerXXXIIIPſalm.
1
IHr Gerechten freuet euch

Uber GOttes hohe Guͤte/

Preiſt ihr Frommen ihn zugleich/

Und erhebet eur Gemuͤhte;

Laſſet eure Harff’ erklingen;

Laſſet uns ſein Lob beſingen.

2
Stimmet ſtimmet freudig an

Alle zehen Pſalter-Seiten/

Laſſet uns bey jederman

Singend GOttes Lob ausbreiten/

Machets gut ihm zu gefallen/

Daß die Seiten friſch erſchallen.

3
GOttes Wort das treuget nicht/

Amen iſt was er verheiſſet;

Rechte liebt er und Gericht/

Und den der ſich deß befleiſſet;

Seht wie ſeine Guͤte quillet/

Die den Erden Kreiß erfuͤllet.

4
Alles was man Himmel heiſt/

Iſt durch Gottes Wort gemachet/

Und durch ſeines Mundes Geiſt

Das Heer das am Himmel wachet/

Das der Welt in dieſem Leben

Klarheit muß und Waͤrme geben.

5
Er hat aller Waſſer Macht/

Die wir in den Meeren ſehen/

Als in einen Schlauch gebracht/

Daraus ſie nicht muͤſſen gehen

Und der Abgrund hohe Tieffen

Sind ungreiflich einbegrieffen.

6
Fuͤrchte Gott du gantze Welt/

Richte hin zu ihm dein Schreyen/

Und was ſich auff Erden haͤlt/

Muͤſſe ſeine Hocheit ſcheuhen/

Dann ſein Wort kan alle Sachen

Durch Gebieten fertig machen.

7
Aller ſtoltzen Heyden Raht

Stuͤrzet unſer Gott in Schanden/

Was das freche Volk vorhat

Iſt aus und nicht mehr verhanden/

Aber Gottes Raht muß bleiben

Und ſein Vorſatz wol bekleiben.

8
Wol dem Volk und aber wol/

Das in Gott recht kan geneſen/

Und ſein Eigentuhm ſeyn ſol/

Wie ers ihm hat auserleſen/

So daß er durch Glaubens werben

Sol den Himmels Saal beerben.

9
GOtt beſiht von oben her

Aller Menſchen Kinder tichten/

Was auff Erden der und der

Sich vermiſſet auszurichten/

Kan vom Stuel an ihren Werken

Alles boͤß’ und gute merken.

10
Was des Reichs Vermoͤgen ſchafft

Kan den Koͤnig nicht vom boͤſen/

Noch der Glieder ſtarke Krafft

Keinen Rieſen nicht erloͤſen;

Starke Roſſe/ wie ſie ſpringen/

Koͤnnen doch nicht Huͤlffe bringen.

11
Sihe GOttes Augeſchaut

Hin auff dieſe die ihn ehren/

Deren Hoffnung auff ihn baut/

Die zu ſeiner Guͤte kehren/

Auff daß er dem Tode wehre/

Und in Teuxung ſie ernehre.

12
Drumb wil unſre Seel an Gott

Feſt ohn alles wanken hangen/

Weil von ihm in aller Noht

Wir gewiſſen Troſt erlangen/

Als der unſern Schild ſich nennet/

Und uns ſeine Huͤlffe goͤnnet.

13
Unſer Herz iſt voller Luſt/

Weil wir ſeiner Gunſt genieſſen/

Und ſein Nahm iſt uns bewuſt

Dem wir zu vertrauen wiſſen

O laß deine Guͤt uns offen/

Wie wir HErr Gott auff dich hoffen,

DerXLVIPſalm.
GOtt iſt unſer feſtes Schloß/

Unſer Huͤlff’ und gantze Staͤrke/

Ob die Noht noch eins ſo groß

Waͤhr’/ als ich ſie jetzund merke/

Das ſie uns ſchon troffen hat/

Iſt doch unſre Furcht geringe/

Ob die Welt gleich unterginge/

Dann wir wiſſen Troſt und Raht.

2 Solten
[179]Erſtes Buch.
2
Solten auch die Berg’ hinein

In der Fluten Abgrund ſinken/

Wolte das Meer raſend ſeyn/

Und von eitel Wellen blinken/

So daß ſeine Macht und Wuht

Nichts als hohe Buͤlgen waͤhren/

Tahl und Berge zu verheeren/

Bleibt uns doch der freye Muht.

3
Dann des groſſen GOttes Stad

Muß friſch/ feſt und luſtig bleiben/

Und die Bruͤnlein die ſie hat/

Immer ſuͤſſes Waſſer treiben/

Da der Heilgen Huͤtten Bau

Des Allmaͤchtigen beſtehet/

Welcher nimmer untergehet/

Nimmer ſchwach wird oder grau.

4
GOtt hat drinnen das Gezelt

Seiner Wohnung auffgeſchlagen/

Der ſie immerzu erhaͤlt/

Drumb bleibt ſie ohn Furcht und Zagen/

Dann bey fruͤher Tages Zeit

Wil ihr Gott Heil laſſen ſpuͤren/

Sie aus Ungewitter fuͤhren

Unters Dach der Sicherheit.

5
Heyden muͤſſen Herz und Sinn/

Haͤnd’ und Fuͤſſe ſinken laſſen/

Koͤnigreiche fallen hin/

Wiſſen keinen Stand zu faſſen/

Ja die gantze weite Welt

Muß in einem Nuh vergehen/

Wann er ſeinen Zorn laͤſt ſehen/

Und gerichtlich Sprache haͤlt.

6
Dieſer HErr und ſtarcke Gott

Ein Beherſcher der Heerſchare[n]

Trit zu uns her in der Noht/

Jakobs Gott wil uns bewahren.

Komt und ſchauet wie er faͤhrt/

Der die Erd’ erſchreklich zwinget/

Und in groſſes Schrecken bringet/

Ja das oberſt unterſt kehrt.

7
Der die Krieger niderſticht/

Und macht Fried an allen Enden/

Der die Bogen gar zubricht/

Daß ſie nicht mehr Pfeile ſenden/

Der des Spieſſes Schafft zuſchlaͤgt/

Der die groſſen Heereswagen/

Wann er ſie nicht kan vertragen/

Durchs Feur in die Aſche legt.

8
Stille ſeyd/ und denket dran/

Daß ich Gott ſtark bin von Tahten/

Dann ich wil bey jederman

Meiner Ehr ſchon ſelber rahten/

Und auff Erden weit und breit.

Mit uns iſt der HErr der Schaaren/

Jakobs Gott wil uns bewahren/

Der uns ſchuͤtzet jeder Zeit.

Herkules lies dieſe geiſtreiche Getichte ihm wol gefallen/ laſe ſie mit ſonderlicher Andacht/
und unterlies nicht/ ſo offt die Chriſten zuſammen kahmen/ ſich bey ihnen anzufinden/ wie
wol in ſolcher Geheim/ daß der Stathalter deſſen nicht gewahr ward/ welcher doch aus
ſeinen reden wol merkete/ daß er dem Chriſtlichen Glauben zugetahn wahr/ und ſich deſ-
ſen doch nicht vernehmen lies. Sonſten brachten ſie die uͤbrigen Tage biß zu der angeſetze-
ten Hochzeit in allerhand zugelaſſener Kurzweil zu/ und entſtund durch die taͤgliche Bey-
wohnung eine wahre bruͤderliche Freundſchafft zwiſchen Herkules und Frl. Sibyllen/
daß ſie nicht wol kunten lange vonander ſeyn/ ſo daß der Stathalter und Ladiſla ſelbſt in
den wahn gerieten/ ſie muͤſten ſich ehelich verſprochen haben/ welches ſie umb ſo viel mehr
glaͤubeten/ weil Herkules einesmahls uͤber Tiſche ſich bey ihr anmeldete/ dafern ſie willens
waͤhre/ ihre liebe Eltern ſchier zubeſuchen/ wolte er ſie nach Rom begeiten/ deſſen ſie dann
wol zufrieden wahr. Inzwiſchen quaͤlete ſich Frl. Helena mit ihrem heimlichen liebes Ley-
den/ das ihr Fleiſch und Farbe entging/ worzu der Eyver wieder Frl. Sibyllen nicht we-
nig halff/ und ob ſie gleich durch mannichen tieffen Seuffzer gnug zuerkennen gab/ wie un-
ruhig ihre Geiſter wahren/ wolte ſie doch deſſen nicht daß allergeringſte gegen einigen
Menſchen geſtehen/ ſondern wendete allemahl ein/ es laͤge ihr der eingenom̃ene Schimpff
von Avonius Schweſter ſo hefftig an/ daß ſie eine ſtetswehrende Unruhe in ihrem Herzen
Z ijempfuͤn-
[180]Erſtes Buch.
empfuͤnde/ welche ihr ohn zweiffel in kurzem den Lebensſadem brechen wuͤrde. Fr. Sophia
fragete ſie/ wodurch ſie dann meynete/ daß ihre Seele in Ruhe koͤnte geſetzet werden; wor-
auff ſie antwortete: Durch ſuͤſſe Vergnuͤgung/ oder durch den Tod. Sehet ſo/ mein
Schweſterchen/ gab ſie zur wiederantwort; alſo habt ihr freilich ein ander heimliches
Leyden als daß aus Beſchimpffung entſtehet/ maſſen dieſes nicht durch ſuͤſſe Vergnuͤ-
gung/ ſondern durch andere Mittel muͤſte vertrieben werden. Jene hatte ſich verhauen/
und ſagte: Man muͤſte einem geaͤngſteten Herzen nicht veruͤbeln/ wann es zu zeiten unge-
reimete reden fuͤhrete/ und waͤhre ihr nichts angenehmer/ als daß man Sie uͤber ihr An-
liegen nicht zu ſcharff befragete/ inſonderheit/ wann man nicht wolte oder nicht koͤnte raht
und Enderung ſchaffen. So muß ich mich dann nach eurem Willen richten/ ſagte Fr.
Sophia/ wann ihr mich aber in dem Verdacht habet/ daß ich zu eurem beſten mich nicht
wolle gebrauchen laſſen/ tuht ihr mir daß groͤſſeſte Unrecht von der Welt/ welches ich doch
auff den unverhoffeten Fall gerne verſchmerzen/ und nicht deſtoweniger eure getraͤueſte
Freundin und Schweſter ſeyn und bleiben wil; womit ſie zu dieſemmahle beſchloſſen/ weil
Fr. Urſul zu ihnen trat/ und anmeldete/ daß der morgende Tag zur Luſtfahrt berahmet
waͤhre; welches Frl. Helena beantwortete; ſo muͤſten nur die Luſt-vollen ihre Geſelſchaft
vermehren uñ die Angſt-traurigen daheim bleiben; wie man ſie auch darzu nicht vermoͤgẽ
kunte/ daß ſie mit gefahren waͤhre; Und wann Herkules abſcheid (davon im anderen Bu-
che) ſich nicht haͤtte zugetragen/ wuͤrde ſie auſſer allem zweiffel ihr Leben eingebuͤſſet haben.


Es wird nunmehr Zeit ſeyn/ daß wir dem Alten Wenzeſla dereins nachfragen/ wie
es ihm auff der Ruͤkreiſe von Rom nach Prag ergangen/ auff welcher er XV wochen zu
brachte; eilete zwar anfangs/ ſo viel ſein Pferd ertragen kunte/ aber da er in einem Dorffe
nicht weit von Salzburg benachtete/ und nach dem Heu auff einer alten Leiter ſtiege/ fiel er
oben herunter/ und taht einen ſo ſchweren Fall auff das Hinterhaͤupt/ daß er als ein Tod-
ter Menſch liegen blieb/ ward doch von den frommen Leuthen endlich wieder erquicket/
aber er lag als ein Vernunfft-loſer/ und kunte ſich durchaus nicht begreiffen/ ſo gar/ daß
er zehn Wochen ohn Verſtand wahr/ haͤtte auch in ſolchem Elende ſterben muͤſſen/ wann
ihm nicht von einem alten Weibe Raht geſchaffet waͤhre/ welche ihn mit Kraͤutern auß-
und inwendig heilete/ daß er algemach wieder zu ſich ſelber kam/ und ſeinen Wirt vor ra-
ſend hielt/ wie derſelbe jhm die lange Zeit ſeiner Schwacheit zu wiſſen taht; deſſen der gu-
te Mann lachete/ und ihm zum unfehlbaren Zeichen gab/ er moͤchte nur ſein Haar/ Bart
und Naͤgel an Haͤnden und Fuͤſſen beobachten/ die wuͤrden ihm anſagen/ wie neulich ohn-
gefehr er ſich haͤtte putzen laſſen. Er hermete ſich hieruͤber gewaltig/ meynete vor gewiß/ ſein
Koͤnig wuͤrde zu Prag ſchon gekroͤnet ſeyn/ und wolte ſich alsbald auff den Weg machen/
aber auff Raht ſeiner Artztin muſte er noch acht Tage außhalten. Nun hatte ihm ſein
Wirt alle Sachen fleiſſig verwahret/ ohn daß er ſein Pferd im Pfluge und vor dem Wa-
gen gebraucht/ daß es nunmehꝛ beſſer zum zihen als reiten wahr; welches er aber nicht ach-
tete/ ſondern weil er Zehr Gelder gnug bey ſich hatte/ machte er alles richtig/ und kam XV
Wochen nach ſeinem Abzuge aus Rom im Koͤnigreich Boͤhmen wieder an/ da er allent-
halben nach ſeines Koͤniges Wiederkunfft fragete/ und mit Schmerzen vernam/ daß kein
Menſch die allergeringſte Zeitung von ihm wuͤſte; woruͤber er deſto hefftiger nach Prag
eilte/
[181]Erſtes Buch.
eilete/ wahr auch der Koͤnigin ſehr angenehm/ da er ſich bey jhr angeben ließ/ ſo daß ſie ihn
ſtraks angeſichts anredete: Wie mein guter Wenzeſla? was bringet ihr mir vor Zeitung
von meinem Sohn curem Koͤnige? die uͤbrigen Ausreiter ſind ſchon vorlaͤngſt mit keiner
Antwoꝛt wieder kommen/ und hat meine Hofnung ſich einzig und allein auf euch gegruͤn-
det; ſo ſaget mir nur bald/ ob ich noch eines Sohnes Mutter bin. Ich weiß nicht anders/
ſagte er; dann wie ich meinen Gn. Herrn leztmahl geſprochen/ wahr er friſch und geſund.
Ey ſo ſey den Goͤttern dank/ antwortete ſie; aber warumb bringet ihr jhn nicht mit euch?
Dieſer wuſte nicht/ was er vor erſt anzeigen ſolte/ weil ſein Haͤupt ohn das noch nicht aller-
dinge richtig wahr/ ſagete endlich: Eure Hocheit wollen mir gnaͤdigſt verzeihen/ wann der-
ſelben wegen ausgeſtandener langwierigen Krankheit und Haͤuptes Verwirrung/ ich al-
les der gebuͤhr nicht vortragen kan; ich bin vor XV Wochen bey meinem Gn. Herrn La-
diſla zu Rom geweſen/ habe auch fleiſſig bey jhm geworben/ mit uͤberzukommen/ aber ſol-
ches keinerley weiſe erhalten/ ja nicht eins erfahren koͤnnen/ ob er willens waͤhre zu folgen
oder nicht; aber ſo viel merkete ich an beyden/ daß ſie eilfertig wahren zu einer Reiſe/ wo-
hin/ kan ich gar nicht wiſſen/ nur daß ich nach wiedererlangeter Geſundheit die Hoffnung
faſſete/ mein Gn. Herr wuͤrde vorlaͤngſt ſich ſchon eingeſtellet haben. Wie ſeyd jhr naͤrriſch
Wenzeſla? fragete die Koͤnigin; ihr ſchwaͤtzet mir ja Sachen vor/ die weder gehauen noch
geſtochen ſind. Ja was ſol ich anders melden/ antwortete er/ weil ich ſelber nichts gewiſſes
weiß/ als daß ſeine Ankunfft gar ungewiß iſt. Wiſſet jhr mir dann keinen beſſern Troſt zu
geben/ als dieſen/ ſagete ſie/ ſo habe ich an euch den rechten abgefaͤrtiget. Ach/ gnaͤdigſte Koͤ-
nigin/ antwortete er/ die Goͤtter ſind meine Zeugen/ daß aus ſeinem Munde ich keine ande-
re Antwort bringen moͤgen/ als daß Eure Hocheit mit jhm und mit mir wol friedlich ſeyn
wuͤrde/ ſo bald ſie nur ſeine Schreiben wuͤrde geleſen haben. Nun ſehe ich eigen/ ſagte ſie/
daß euer Witz zuruͤk blieben ſey/ dann ihr ſaget mir von Briefe-leſen/ und habt mir noch
keinen gezeiget. Er ſchaͤmete ſich deſſen ſehr/ baht umb Verzeihung/ und gab ihr beyde
Schreiben gebuͤhrlich ein/ deren groͤſſeren ſie alsbald oͤffnete/ und ihn mit fleiß durchlaſe/
aber der Inhalt wahr ihr allerdinge zuwider/ wie hoͤchlich ſie gleich ſeiner Geſundheit ſich
erfreuete. Frl. Valißka kam gleich von der Jagt zu hauſe/ da ihre Fr. Mutter dem Briefe
nachſinnete; Als ſie nun den alten Wenzeſla neben ihr ſtehen/ und das Schreiben in ihren
Haͤnden ſahe/ fragete ſie ihn alsbald/ ob er ihren lieben Bruder angetroffen haͤtte; da die
Mutter ihr zur Antwort gab: Er haͤtte ihn zwar gefunden/ braͤchte aber nichts als lauter
ungewiſſes von ihm. Das kan nicht wol ſeyn/ antwortete ſie; ob gleich ſeine Ankunfft mag
ungewiſſe ſeyn/ deſſen urſach ohn zweifel ſeines Herkules Verluſt ſeyn wird. Den hat er
ſchon wieder funden/ antwortete die Koͤnigin/ welches ich vorhin aus meines Bruders
Schreiben wol habe muhtmaſſen koͤnnen/ wann er nur auch ſein Koͤnigreich wieder finden
koͤnte. Wie dann mein guter Wenzeſla/ ſagte das Fraͤulein/ wiſſet ihr uns dann nicht zu
berichten/ wie es eigentlich umb meinen Herr Bruder beſchaffen ſey? Dieſer gab zur ant-
wort: Er waͤhre nach ſeinem Abſcheide von Rom in eine Haͤuptverſtoͤrung gerahten/ er-
zaͤhlete auch ſolchen Unfal gar umſtaͤndlich/ und ſagete hernach; der Koͤnigin ſtarkes nach-
fragen haͤtte ihn ſo verwirret gemacht/ weil er den Schaden noch nit allerdinge uͤberwun-
den haͤtte/ wann ihm aber etwa ein halb ſtuͤndichen Bedenkzeit gegoͤnnet wuͤrde/ wolte er
Z iijſich
[182]Erſtes Buch.
ſich wol wieder erhohlen. Das Fraͤulein hatte/ weiß nit was vor Hoffnung guter Zeitung
von ihrem Herkules/ daher ſie zu ihm ſagete: Ey ſo gehet mit mir auff mein Gemach/ und
erhohlet daſelbſt eure verſtoͤrete Gedanken; ging mit ihm hin/ uñ wie ſie allein wahren/ fra-
gete ſie/ wie es dann eigentlich umb ihres Bruders Wolergehen beſchaffen waͤhre. Er
aber antwortete; Durchleuchtigſtes Fraͤulein/ ich bitte untertaͤhnigſt mir etwas Bedenk-
zeit zu goͤnnen; nam hiermit Herkules Schreiben hervor/ und lieferte es mit dieſen Wor-
ten ein: An Ihre Durchl. habe ich nicht allein von ihrem Herr Bruder/ ſondern auch von
dem tapferſten und ſchoͤnſten Fuͤrſten der Welt/ Herꝛn Herkules/ einen bruͤdeꝛlichen Gruß
anzumelden/ und von dieſem zugleich ein ſehr geheimes Schreiben/ welches Ihrer Gn. in
hoͤchſter geheim einzuliefern ich befehlichet bin/ nebeſt Anzeigung/ Ihre Gn. wuͤrde/ unge-
meldet/ daß ſie dieſes Schreiben bekom̃en/ den Inhalt bey ihrer Fr. Mutter wol verrichtẽ.
Es iſt miꝛ ſehr lieb/ ſagte ſie/ daß ich ſolches allen unwiſſend empfangen/ dann ich kan ohn
das ſchon errahten/ was der Inhalt ſeyn wird/ welches zwar nicht heimlich iſt/ oder icht-
was ſonderliches auff ſich hat/ nur daß es gleichwol von keinem als von mir kan verrichtet
werden/ und dannoch meine Fr. Mutter nicht wiſſen darff/ daß ichs auff ſein Vorwiſſen
treibe; ſteckete hiemit das Briefelein in ihren Buſem/ und fragete weiter/ ob er ihrem O-
heim auch das uͤbergeſchikte Armband eingeliefert/ und das abgenommene Baͤndichen
gefodert haͤtte. Er aber antwortete: das Schreiben wuͤrde vielleicht anzeigen/ daß es von
jhm fleiſſig verrichtet waͤhre/ und haͤtte Herr Herkules ihm dieſes Ringelein hinwieder
zugeſtellet/ Ihrer Durchl. ſeinetwegen es einzuhaͤndigen/ aber das Baͤndichen nicht von
ſich geben wollen/ vorwendend/ er waͤre willens ſein verſprechen zu halten/ und Ihrer Gn.
es ſelbſten wieder einzuliefern. Sie nam den Ring mit groſſer Herzensbewaͤgung zu ſich/
und ſagete zu ihm: Verunruhet euch weiter nicht in euren Gedanken/ damit ihr die Er-
zaͤhlung eures Verrichtens bey meiner Fr. Mutter gebuͤhrlich leiſten moͤget/ ich wil in-
zwiſchen in mein Nebenkaͤmmerlein treten/ und des Briefes Inhalt durchſehen; Denſel-
ben fand ſie nun dieſer geſtalt: Durchleuchtigſtes Fraͤulein/ die groͤſte Pein meines bißher außge-
ſtandenen Ungluͤks iſt das langwierige Abweſen von der vergnuͤglichẽ Gegenwart eurer untadelhaftẽ
Volkommenheit/ welche je laͤnger je mehr ſich in meine Sinnen einwickelt/ und ohn durch den Tod
nicht verjaget werden kan. O wolte Gott/ daß meine Frl. Schweſter ihres ergebenen Knechtes auch
zuzeiten eingedenk waͤhre/ deſſen/ der nunmehr anderthalb Jahr ſich als ein verkauffter Leibeigener hat
muͤſſen zu Rom druͤcken und ſchmiegen/ nur daß er des pruͤgelns und anderer Straffen moͤchte entho-
ben ſeyn/ und dannoch in dieſer ſchweren Dienſtbarkeit etwas funden hat/ welches ihm lieber als El-
tern und alle Welt iſt/ nehmlich die Erkaͤntniß des einigen wahren Gottes/ die nach dieſem ſterblichen
Leben uns allein allein zur himliſchen Seligkeit bringen kan. Alſo iſt meine geiſtliche Liebe zu Rom/
meine leibliche zu Prag unverruͤcket geweſen/ und kan jene nunmehr allenthalben frey/ dieſe aber nur
auff dem Koͤniglichen Boͤhmiſchen Schloſſe ſeyn/ als lange jhre Liebe ſolches nicht verlaͤſſet; verlaͤſſet
ſie es aber/ ſo wird meine Seele folgen/ und verlaͤſſet ſie es umb Liebe willen zu einem andern/ werde ich
dannoch nicht zuruͤk bleiben/ ſondern zum wentgſten dem Geliebeten mißgoͤnnen/ daß er den unver-
gleichlichen Schatz erlanget/ welcher meiner Seele ſo gar eingebildet/ und in das innerſte meines Her-
zen gegraben iſt. Verzeihet eurem unwirdigſten Knechte/ mein Fraͤulein/ daß er als geweſener Skla-
ve eines Sklaven der Untugend/ noch hoffen darff/ was ihm kindliche Kuͤhnheit einbilden duͤrffen/ uñ
verſichert euch daneben/ daß er der Welt und allen Fuͤrſtlichen Gedanken anderthalb Jahr abgeſtor-
ben/ bloß ihretwegen ſolche wieder annimpt/ ſonſt/ da ihre Vortrefligkeit nicht waͤhre/ er kein Fuͤrſtli-
ches
[183]Erſtes Buch.
ches Blutstroͤpflein behalten wuͤrde/ welches er dann in künfftig noch alles auf zuſchuͤtten/ gaͤnzlich be-
vacht iſt ſo bald ihm die Zeitung kommen ſolte/ daß er ſey außgetahn bey derſelben/ die er wett uͤber
ſich ſelbſt liebet/ und vor allen jrdtſchen Menſchen der Welt erhebet. Es erhaͤlt jhn aber bißher noch/
ihre ihm bekante auffrichtige Tugend und Redligkeit/ welches umb ein groſſes vermehret hat der uͤber-
geſchikte Gruß und das hoͤchſtangenehme Armband/ welches von ſeinem Arme nicht kommen wird/
es ſey dann/ daß er noch weitere und feſtere Verſicherung habe deſſen das da hoffet und inniglich wuͤn-
ſchet/ Ihrer unvergleichlichen Volkommenheit untergebenſter Knecht/ bißher Oedemeier/ jetzt wieder
genant Herkules. Geſchrieben aus Rom am XXII Tage des Jenners/ im Jahr nach meines Hey-
landes Geburt CCXXVI.


Das verliebete Fraͤulein ward uͤberauß hoch erfreuet/ da ſie dieſer Beſtendigkeit in-
nen ward/ vermerkete aber doch zugleich zweyerley; als daß vor erſt er dieſe Zeit uͤber in
ſchlimmer Dienſtbarkeit muͤſte zugebracht haben/ welches ihre Seele zum traͤhnenden
Mitleyden bewaͤgete; hernach/ daß er gleichwol ein ſehr angenehmes Laabſal in dieſem
Ungluͤk/ in Erkaͤntnis Gottes beſtehend/ funden/ woruͤber ſie ſich herzlich erfreuete; dann
ob zwar ſein Herr Vater ihrer Fr. Mutter hatte zugeſchrieben/ wie ſein Sohn Herkules
nicht allein ſeine alten Goͤtter ſchaͤndete/ ſondern einen neuen gekreuzigten angenommen/
und in eine abſcheuhliche Geſelſchafft/ die Chriſten genennet/ ſich begeben/ welche aller
Keuſcheit und Tugend abgeſagete Feinde/ in heimlichen Suͤnden uñ Schanden ſich waͤl-
zeten/ und daher von der Obrigkeit allenthalben durchaͤchtet und geſtraffet wuͤrden/ kunte
doch weder ſie noch ihre Fr. Mutter ein folches dem zuͤchtigen from̃en Herkules zutrauẽ/
inſonderheit/ weil nur die Teutſchen Pfaffen ſolches ohn Grund redeten/ die in dergleichen
Sachen ſich ohn daß wieder andere Goͤtter gerne gebrauchen lieſſen/ daß ſie die ihren deſto
hoͤher erheben/ und ſich ſelbſt dadurch ein Anſehen machen moͤchten; doch dachte ſie diß-
mahl dieſem lezten gar wenig nach/ ſondern trug ſehnliches Verlangen/ des widrigen
außgeſtandenen Ungluͤks Wiſſenſchafft zuhaben/ ging demnach wieder hinzu Wenzeſla/
der ſich unterdeſſen fein bedacht hatte/ wie er alles ordentlich vorbringen wolte welches er
ihr ruͤhmete/ und nach der Koͤnigin mitzugehen anhielt; ſie aber zuvor von ihm zu wiſſen
begehrete/ ob ihm Herkules Begebniſſen/ in was Stande er bißher gelebet/ nicht bewuſt
waͤren; welches er ihr alles anmeldete/ wie er von Pannoniſchen Raͤubern im Boͤmiſchen
Walde weggefuͤhret/ durch andere Roͤmiſche denen abgenommen/ und nach Rom ge-
bracht/ woſelbſt er einem Geizigen Herren/ vor Leibeigen verkaufft worden/ dem er die
Pferde putzen und abrichten/ auch andere ſchwere Arbeit uͤber ſich nehmen muͤſſen/ und
dannoch davon frey zu werden nicht begehret/ weil er ſich in eine neue Lehre verliebet ge-
habt/ davon er weder mit guͤte noch bedraͤnung des aller ſchaͤndlichſten Todes koͤnte abge-
bracht werden/ ſondern hielte ſich noch vor gluͤkſelig/ wann er umb ſolcher Lehre willen ſein
Blut zuvergieſſen ſolte gewirdiget ſeyn; wie ich dann/ ſagete er/ ſolche Leute auff meiner
hinreiſe in Italien ſelbſt geſehen/ welche ſich lieber lebendig auffs Feur ſetzen lieſſen/ als dz
ſie den Roͤmiſchen Goͤttern ein wenig Weirauch haͤtten auff die Kohlen ſtreuen wollen.
Das uͤbrige wuſte er nun aus Ladiſla Munde zuerzaͤhlen/ der ihm ſolches alles umbſtaͤnd-
lich kundgetahn/ auch wie er nach fleiſſiger Nachforſchung/ ſeiner Leibeigenſchafft endlich
waͤhre inne worden/ und ihn wieder loßgemacht. Sie fragete/ ob dann ihr Herr Bruder
nicht allezeit bey Herkules zu Rom geweſen? Nein ſagte er; er hat ſich/ weiß nicht wo/ in
Kriegs-
[184]Erſtes Buch.
Kriegsdienſten auffgehalten/ da er vermeynet/ ſeinem Herkules am beſten nachfragen zu
koͤnnen/ auch daſelbſt endlich ſo viel außgekundſchaffet/ daß er ſeines zuſtandes berichtet
worden/ ſelbſt nach ihm gereiſet/ und durch ſeines Feldherren Vorſchrifft ihn loßgemacht
haͤtte. Ey/ antwortete ſie/ ſo werden ſie noch wol an ihr Vaterland gedenken/ und zu rech-
ter Zeit ſich einſtellen; aber wir wollen nach meiner Fr. Mutter kehren/ und meines Her-
ren Bruders Erklaͤrung vernehmen. Dieſe aber ſaß in ſchweren Gedanken/ uͤberlegte den
geleſenen groͤſſeren Brieff auffs genaueſte/ biß ſie endlich an den andern auch gedachte/
welchen ſie eben durchſahe/ als das Fraͤulein wieder zu ihr kam/ und dieſen Inhalt laſe:
Gnaͤdigſte Fr. Mutter und Koͤnigin; daß mir eine lautere unmoͤgligkeit ſey/ die ſchwere Laſt der Kron
und Herſchafft in dieſer meiner Jugend uͤber mich zu nehmen/ ehe und bevor ich ein Koͤnigreich zuver-
walten gelernet/ welches aber nicht hinter dem Ofen/ ſondern durch Erfahrung muß gefaſſet werden/
hat mein groͤſſeres Schreiben gemeldet; wann dann ſolche Schuelen zimliche Koſten erfodern/ zwei-
felt mir nicht/ ſie werde aus muͤtterlicher Bewaͤgung gegen meinen Herkules und mich/ hierzu gerne
Raht ſchaffen/ daß aus meinem Erb Reiche ich ohn ſonderliche Beſchwerung der Untertahnen/ noͤhtige
Lebens Mittel haben moͤge; wie viel oder wenig/ ſtelle ihrer muͤtterlichen Anlage ich anheim/ als wel-
che meinen Stand wol beobachten/ und mich nicht ſchimpfflich ſtecken laſſen wird. Wir werden ehiſt
auffbrechen/ unſere Reiſe vorzunehmen/ und zu Padua uns umb ein Schiff bemuͤhen/ woſelbſt/ die nach
Rom an Herren Sabinus/ bey Janus Kirche wohnend uns etwa Schreiben oder Wechſel uͤberbrin-
gen wuͤrden/ unter dem Tohre nachfragen koͤnnen/ ob wir vielleicht unſern Verwalter daſelbſt beſtellẽ
moͤchten/ daß nicht noͤhtig waͤhre nach Rom zuzihen. Verlaſſe mich hierzu Kindlich/ und nach vermel-
dung eines herzlich gemeyneten Gruſſes an meine Fr. Mutter und Frl. Schweſter von meinem Her-
kules und mir/ empfehle ich ſie der getraͤuen Obacht aller frommen guͤrigen Goͤtter/ verbleibend/ weil
ich Lebe/ meiner herzgeliebten Fr. Mutter und Koͤnigin gehorſamſter Sohn Ladiſla/ bißher Winni-
bald geheiſſen.


Als ſie den Brieff verleſen hatten/ hielt ihr das Fraͤulein ihren Goldfinger zu/ und
ſagete: Sehet gnaͤdige Fr. Mutter/ wie ein artiges Ringelein hat mein Oheim und Bru-
der Fuͤrſt Herkules mir zugeſchicket; ja liebes Kind/ antwortete ſie/ er ſchenket dir einen
Ring/ und raubet dir deinen einzigen Bruder. Ich wil dem nicht wiederſprechen/ gab ſie
zur wiederantwort; dann kunte Ladiſla in der Kindheit ſeine Eltern hindan ſetzen/ nur daß
er ſeinen Herkules haben moͤchte/ wird er nach befeſtigter Freundſchafft ſchwerlich von
ihm abzubringen ſeyn. Was abzubringen/ ſagte die Koͤnigin/ ſie moͤchten immer hin ben-
ſammen ſeyn/ wann nur Herkules ihn nicht in die weit abgelegenen Laͤnder/ umb Ritter-
ſchafft zu uͤben/ verlockete/ ſondern mit ihm ſich hieher machete/ damit wir nicht zuklagen
haͤtten/ daß er unſers Waͤyſentuhms Urſach waͤhre. Aber Wenzeſla/ habt ihr euer Gehirn
ſchier wieder geſamlet/ daß euch entfloſſen wahr? Ja/ allergnaͤdigſte Koͤnigin/ antwortete
er/ ich weis iezt wiederumb/ daß ich zu Prag auff dem Schloſſe bin/ und werde doch von
neuen wieder wankelmuͤhtig und irre gemacht/ in dem eure Hocheit ich uͤber Fuͤrſt Herku-
les klagen hoͤre/ und gleichwol nimmermehr nicht glaͤuben kan/ daß die uͤbergebrachten
Schreiben ſolches verurſachen ſolten/ angeſehen ich mit meinen Ohren gehoͤret/ wie herz-
lich er meinen Gn. Herꝛn anmahnete/ ſich auff den Weg zumachen/ und ſein Koͤnigreich
anzutreten/ deſſen Antwort aber wegen Schwacheit ſeiner Sprache ich nicht vernehmen
kunte/ dann er lag damahls noch an ſeinen Wunden hart danieder; Ja ich habe des Fuͤr-
ſten freywilliges Erbieten lauſchend gehoͤret/ daß er mit ihm ziehen/ und eine zeitlang ſich
bey
[185]Erſtes Buch.
bey ihm zu Prag auffhalten wolte. Die Koͤnigin kunte ihm laͤnger nicht zuhoͤren/ ſondern
fiel ihm alſo ein: Was ſaget ihr mir von Wunden? Iſt dann mein Sohn verwundet ge-
weſen? Ja freylich/ antwortete er/ und zwar ſo hart/ daß wir ihn ſchon vor todt handelten.
Und ſein Herkules kunte zugeben/ ſagte die Koͤnigin/ daß er ſolcher geſtalt verwundet wuͤꝛ-
de? O der getraͤue Herkules/ antwortete er; Haͤtte ſein unvergleichlicher Muht nicht ge-
tahn/ wuͤrden wir keinen lebendigen Koͤnig haben/ wiewol er auch XXIV/ aber nicht ſo ge-
faͤhrliche Wunden bekam. Erzaͤhlete hierauff von anfange/ wie er ſie ohngefehr auff der
Gaſſen angetroffen/ das Pferd verlohren/ und ſie nachgehends von den Dieben im Hauſe
uͤberfallen waͤhren/ ſo daß er deſſen nichts vorbey ging/ was Zeit ſeiner Anweſenheit ſich zu
Rom zugetragen hatte. Nach Endigung ſeines vorbringens ſagete das Fraͤulein laͤchelnd
zu jhm: Als viel ich aus eurer Erzaͤhlung vernehme/ habt ihr meinen Herren Bruͤdern im
Gefechte wider die gottloſen Diebe tapfern Beyſtand geleiſtet. Was ſolte ich geleiſtet ha-
ben/ antwortete er/ mit lachendem Munde; Mein ſtumpffes Schwert galt an dem Orte
nichts/ ſo wuͤrden die tapfferſten Helden der Welt meine Huͤlffe nicht haben angenom̃en;
ja mich zubeſchuͤtzen/ haͤtten ſie nicht laſſen wuͤrden; und hatte endlich meine Gnaͤdigſte
Koͤnigin mich nicht außgeſand zu fechten/ ſondern ihrem Herr Sohn nachzufragen/ daß
alſo Euer Gn. ich vier Entſchuldigungen vor eine anmelden kan/ da ich noch die fuͤnffte uñ
wichtigſte verſchweige. Die wolte ich leicht errahten/ ſagte das Fraͤulein/ wann ihrs von
mir begehretet. Nimmermehr/ antwortete er/ reichen Euer Gn. Gedanken ſo weit. So
weit? ſagte ſie; gilt Wenzeſla/ ihr habt euch euer Haut gefuͤrchtet. Nein/ antwortete er/
Eure Gn. ſchieſſen zwar ſehr nahe/ aber ſie treffen das Ziel nicht; ich furchte noch mehr
meines Fleiſches und meiner Knochen/ als der Haut. Deſſen die Koͤnigin ſamt dem
Fraͤulein hefftig lachen muſten. Dieſe nun kunte nicht laͤnger harren/ ihrer vertraueten
Leibjungfer Libuſſen ſolche froͤliche Zeitung mitzuteilen/ foderte dieſelbe nach ihrem abſon-
derlichen Gemache/ fiel ihr froͤlich umb den Halß/ und ſagte zu ihr: Herzliebes Kind/ was
habe ich hinte dieſe Nacht einen uͤberaus erfreulichen Traum gehabt/ welchen ich dir nicht
muchte nuͤchtern anſagen. Ja/ ja/ antwortete ſie; gilt Gnaͤdigſtes Fraͤulein/ wo nicht der
alte Wenzeſla/ welchen ich gleich jetzt geſehen/ ſolchen Traum mit ſich als eine ſicher war-
heit hergebracht hat. Du haſts recht errahten/ ſagte ſie/ und hoͤre; Mein Herkules/ mein
allerſchoͤnſter Herkules lebet noch/ und bleibet in meiner Liebe feſt und beſtaͤndig. Die
Jungfer zohe jhrer Art nach/ ſie auff jhre Schoß/ herzete und druͤckete ſie/ und antwortete:
Mein herzallerliebſtes Fraͤulein/ wird Ihre Gn. mir dann nun ſchier danken/ daßich ſie
von dem hartnaͤckigten Vornehmen zu ſterben/ abgehalten/ und ihren ſteiffen Unſin nach
Moͤgligkeit gebrochen habe? ſehet/ ſehet/ bitte ich/ was Eure Gn. dieſem ihren ergebenen
Fuͤrſten vor ein Herzleid wuͤrde gemacht haben/ wann ſie in ihrer Meynung fort gefah-
ren waͤhre; haͤtte ers auch erdulden koͤnnen/ wann er vernommen/ daß umb ſeinet willen
die unvergleichliche Valißka ihr den Tod angetahn? Schweige mit deiner unvergleichli-
chen/ ſagte das Fraͤulein/ ſie ſanffte auff die Backen ſchlagend/ du weiſt/ wie abhold ich die-
ſem Nahmen und deiner Schmeicheley bin. Das gewaͤhnet Ihre Gn. mir nimmermehr
ab/ antwortete ſie/ biß dieſelbe mir zuvor ihres gleichen zeigen wird; daß ich mich aber der
Schmeicheley muß beſchuldigen laſſen/ ſolches geſchihet wider Euer Gn. Wiſſen und
A aGewiſ-
[186]Erſtes Buch.
Gewiſſen; dann Schmeichler und Fuchsſchwaͤntzer ſind keinem Menſchen traͤue/ ſagen
auch niemand unter Augen/ was ſie meynen unangenehm zu ſeyn; Ob nun mit Euer Gn.
ichs bißher auch alſo gehalten habe/ werden ſie am beſten wiſſen. O wie viel ſind wol mei-
nes gleichen zu finden/ ſagte das Fraͤulein/ ob ich ſie dir gleich nicht zunennen weiß; und
hoͤre nur einen; uͤbergehet mein Herkules/ der volkommene Herkules mich nicht in allen
Stuͤcken? Ich vermiſche Eure Gn. mit Fuͤrſt Herkules nicht/ antwortete jene: Er iſt der
unvergleichliche/ und ſie die unvergleichliche/ die ſich/ O des Gluͤks! mit einander auffs
alleraͤhnlichſte vergleichen werden. Und O daß der unvergleichliche jetzt an meiner Stelle
ſitzen/ und die unvergleichliche ſolcher geſtalt/ wie ich/ auff ſeiner Schoß erſt halten moͤch-
te/ oder daß zum wenigſten er nur Euer Gn. erwachſener Manbarkeit ſolte berichtet ſeyn/
als dann wuͤrde ohn zweifel er nicht lange ſeumen/ dieſelbe zubeſuchen. Er wird ſchon zu
rechter Zeit kommen/ da er leben ſol/ ſagte ſie/ und da ihm dieſes ſolte geraubet werden/ wil
ich meiner einmahl gefaſſeten Beſtaͤndigkeit nach/ ihm im Tode folgen; aber mein Kind/
ſihe/ das iſt (auff den Ring zeigend) die Gedaͤchtniß meines Herkules/ und dieſes (ihr den
Brieffreichend) die Verſicherung ſeiner beſtaͤndigen Liebe. Libuſſa laſe jhn alsbald durch/
und ſagte: betrachtet nun/ Gn. Fraͤulein/ wie hoch jhr euch an eurem ergebenen Schatze
vergriffen/ indem jhr wegen ſeines Nicht-ſchreibens/ ſeine Traͤue und Beſtaͤndigkeit in
zweiffel gezogen/ und tuht deſſen alsbald gebuͤhꝛliche abbitte/ welche an ſeine ſtat ich anneh-
men/ und weil ich ſeinen Sinn wol weiß (dann ich habe auch ein Schreiben von ihm em-
pfangen) Euer Gn. die von ihm beſtimmete Buſſe aufflegen wil. Das Fraͤulein meynete
nicht anders/ ſie haͤtte wahr geredet/ und fing an gantz inniglich zu begehren/ daß ihr das
Schreiben gezeiget/ oder zum wenigſten nur der Inhalt geſaget wuͤrde; Aber Libuſſa ſaß
und lachete der Liebe Leichtglaͤubigkeit/ zohe ſie auch noch beſſer auff/ und gab vor/ Herkules
begehrete von ihr/ ſie moͤchte unvermerkt befodern/ daß ihm das Fraͤulein mutter-nacket
abgemahlet uͤberſchicket wuͤrde; wodurch ſie ſich etwas beleidiget befand/ daher Libuſſa jhr
dieſen Irtuhm bald wieder benam/ und daß alles ihr ertichteter Schertz waͤhre; Herkules
Zucht waͤhre jhr ja bekant/ welche ſie nicht in zweifel zihen wuͤrde; Aber/ ſagte ſie/ wolte o-
der koͤnte Ihre Gn. ihm nicht goͤnnen/ euer nacketes Bildniß zuſehen/ da ſie ihn doch nicht
allein nacket beſchauet/ ſondern des ſchaͤndlichen Pannoniers Blut von ſeinem bloſſen Lei-
be abwaſchen helffen? Solches geſchahe/ antwortete ſie/ aus kindlicher Einfalt uñ ſchwe-
ſterlicher Liebe/ weil ichs vor ſein ſelbſt eigen Blut hielt/ und die vermeynete Wunde ſuche-
te. Meyneſtu Naͤrrin aber wol/ daß ich mich einem ſchlimmen Mahler wuͤrde nacket vor-
ſtellen/ mich abzubilden. Ich kan die Kunſt ſelber/ ſagte Libuſſa/ drum komme Eure Gn.
mit mir/ ſo wil ich den Pinſel alsbald anſetzen. Halt ein mit deiner Thorheit/ antwortete
ſie/ und wiltu ein abgemahletes Weibesbild haben/ ſo laß dich abſchildern/ und oͤffentlich
aushaͤngen/ ob einer waͤhre dem du gefallen koͤnteſt; Hoͤre aber liebes Kind/ ich wil nun
meine Klage- und Traurlieder alle mit einander verbrennen/ und nach dieſem der Hofnung
und Beſtaͤndigkeit Geſaͤnge tichten/ wañ ich nur bald Gelegenheit haͤtte/ ihm ſein Schrei-
ben zu beantworten. Es wahr dieſes Fraͤule in vor ohngefehr einem Viertel Jahre in
das ſechszehende Jahr jhres Alters getreten/ aber ſchon ſo manbar/ daß man ſie vor ſieben-
zehnjaͤhrig ſchaͤtzete; ihrem großmuͤhtigen Hertzen und geſchiklicher Vernunfft taht kein
ander
[187]Erſtes Buch.
ander ich twas bevor/ daß jederman ſie vor ein Wunder der Welt/ uñ volkommenes Mei-
ſterſtuͤck des Himmels hielt/ ward auch nach jhres Herrn Vaters Hintrit nicht viel min-
der von den Landſtaͤnden/ als eine herſchende Koͤnigin geehret. Der Himmel hatte ſie mit
einer uͤberſchwenglichen Schoͤnheit begabet/ daß wer ſie ſahe/ ſich an jhr vergaffete/ als an
dem volkommenſten Kunſtwerk dieſer Irdiſcheit. Von Art und angebohrneꝛ Eigenſchaft
wahr ſie friſch und ohn Schwermuͤhtigkeit/ aber ſider Herkules Entfuͤhrung ganz umge-
kehret/ daß man ſie immerzu traurig ſahe/ und zu keiner froͤlichen Geſelſchafft bringen kun-
te. Ihre einige Vergnuͤgung wahr Jungfer Libuſſa/ welche jhr Herz in Haͤnden hatte/ uñ
aller ihrer Heimligkeit Wiſſenſchafft trug/ ſo gar/ daß das Fraͤulein die allerinnerſten Ge-
danken ihr nicht verbergen kunte/ und waͤhre dieſe nicht geweſen/ wuͤrde ſie ohn Zweiffel
drauff gangen ſeyn. Ihrer Fr. Mutter zu gefallen/ muſte ſie bißweilen ſich froͤlich erzeigẽ/
aber ſo gezwungen ding es wahr/ ſo ſelten geſchahe es auch/ da dañ die Trauertraͤhnen ſich
gemeiniglich mit einmiſcheten/ deſſen zwar die Mutter offt wahr nam/ aber deren eigene
Urſach aus ihr nicht bringen kunte/ ſondern da wante ſie anfangs ihres lieben Bruders
Abweſenheit/ nachgehends auch des Vaters el [...]den fall und Untergang ein; Ja/ wann
ſie ihre Mutter traurig und betruͤbt ſahe/ wuſte ſie ſolches als eine quelle ihrer Traͤhnen
anzugeben/ weil ihre Schwermuht nicht abe- ſondern biß an Wenzeſla Ankunfft taͤglich
zunam/ welche ſie zuzeiten durch Tichtung allerhand Klage Lieder ſuchte zuvertreiben/
und wahr doch nicht anders als wann man Oel ins Feur ſchuͤttet. Auſſer dieſem einigen
Verluſt ihres liebeſten Herkules/ wahr nicht leicht etwas/ welches ſie zur ſonderlichen Ge-
muͤhtesbewaͤgung haͤtte antreiben koͤnnen/ dann ihr Herz wahr ſo friſch/ ihre Seele ſo gar
ohn Furcht/ ihre Geiſter ſo munter und zageloß/ dz ſchon in der Kindheit bey eiteler Nacht
ohn alle Geſelſchafft ſie von einem Gemache auff das ander ging/ und dieſelben verlache-
te/ welche vor Geſpenſten ſich ſo hart fuͤrchteten; dann ob ſie wol zugab/ daß ſolche gefunden
wuͤrden/ und zu Nacht zeiten ihr Weſen und Gepoͤlter trieben/ muͤſte doch ein Menſch ſich
vielmehr auff der Goͤtter Schutz und ſein gutes Gewiſſen verlaſſen/ als dergleichen Be-
gebniſſen fuͤrchten. Sie wahr ſo großmuͤhtig/ daß ſie offt ſich verlauten ließ/ wann ſie der-
eins eines herſchen den Fuͤrſten Gemahl werden ſolte/ wolte ſie nit zugeben/ daß die Toͤch-
ter nur bloß zur Hausarbeit gewaͤhnet wuͤrden/ ſondern anordnen/ daß ſie taͤglich etliche
Stunden ſich im ſchieſſen/ werffen und andern Waffen uͤbeten/ daß in zeit der Noht ſie ſich
nicht in Kellern verſtecketen/ ſondern dem Vaterlande zu huͤlffe kaͤmen/ und ihre Ehemaͤn-
ner nicht im ſtiche lieſſen. Weher aber kunte ihr niemand tuhn/ als wann man ihr in die-
ſem das Wiederſpiel hielt/ und weibliches Geſchlechts Untuͤchtigkeit einwendete/ deſſen
auſſer ihren Eltern ſich keiner durffte unterſtehen. Ihres Leibes beſchaffenheit betreffend/
hat wol kein Menſch ein volkommener Liebreitzungs-Bilde in dieſer Welt geſehen; an ih-
rem gantzen Leibe wahr nicht ein ungeſtaltes Flecklein/ die Gliedmaſſen zart und gelenke/ die
Haut Milchweiß/ das Fleiſch weich aber nicht welk oder hangend/ die Knochen klein aber
feſt/ und jhre Sehnadern ſo ſtark und rege/ daß ſie im vierzehnden Jahr jhres Alters den
arbeitſamſten Maͤgden den Arm mit einer Hand ſo feſt halten kunte/ daß jhnen unmoͤglich
wahr/ denſelben ohn jhre willige Erlaſſung loßzureiſſen. In jhrer zarten Jugend wolte
man ſie in weiblichen Kuͤnſten/ als naͤhen/ ſtricken/ Kloͤppeln/ Goldſpinnen und dergleichẽ
A a ijunter-
[188]Erſtes Buch.
unterrichten/ aber ſie verachtete ſolches/ vorgebend/ es waͤhre Maͤgde Arbeit/ die ſich da-
mit ernehren muͤſten; ging viel lieber nach der Schule/ dann ihr Herr Vater hielt ihr einẽ
gelehrten Roͤmer zum Lehrmeiſter; doch da ſie etwas aͤlter ward/ ſahe ſie bißweilen den
Kunſtlerinnen zu/ die mit der Nadel und zarter Seide das zierliche Mahlwerk nicht allein
nachmacheten/ ſondern wol uͤbertraffen/ nam auch wol das Werk ſelbſt zur hand/ und nach
kurtzer Unterweiſung gab ſie den Meiſterinnen nichts bevor. Die Lateiniſche und Griechi-
ſche Sprache faſſete ſie ſehr wol/ daß im dreyzehnden Jahre ihres Alters ſie den Roͤmiſchẽ
Livius und Griechiſchen Herodotus fertig leſen und verſtehen/ auch ohn Huͤlffe einiges
Wort-Buches auslegen/ die Griechiſchẽ Geſchichte Lateiniſch/ dieſe hinwieder Gꝛiechiſch/
und beydes auff gut Teutſch und Boͤhmiſch erzaͤhlen kunte/ welches in ihrem folgenden
Ungluͤk ihr beſter behelff und Vortel wahr. Ihre beyden Leib Jungfern Libuſſen und Bre-
len fuͤhrete ſie zur Luſt mit an/ daß ſie ſolche beyde Sprachen lernen muſten. Ovidius
Schrifften ruͤhmete ſie wegen des anmuhtigen ſehr artigen Lateins und flieſſender Tich-
ter Kunſt/ aber weil er zu unzuͤchtig von Goͤttern und Menſchen ſchrieb/ meidete ſie alle ſei-
ne verdaͤchtige Buͤcher; uͤber Hora [...] Flackus kurzgezwungener Art verwunderte ſie
ſich/ und laſe ſeine Oden- oder Lieder-buͤcher gerne/ aber Virgilius Maro/ ſagte ſie/ iſt der
Lateiniſchen Tichter Adler/ dem der Griechen Ruhm Homerus es lange noch nicht gleich
tuht/ dann er iſt gar zu luͤgenreich/ und weiß ihm die Farbe nicht ſo wol als jener anzuſtrei-
chen/ hat auch den Goͤttern gar zu ungereimete Sachen zugelegt/ als ob dieſelben umb der
Menſchen willen unter ſich Krieg und Streitigkeiten anfingen/ und Gottloſer meinaͤidi-
ger Leute Buͤbereyen verfechten wolten; ſonſten hielt ſie die Geſchichte von der Griechiſchẽ
Helenen Entfuͤhrung/ von Alexander Pariß geſchehen/ vor ein Getichte; dann/ ſagte ſie/
wie ſolte ein ehrliches Weib ihren Gemahl verlaſſen/ und ſo weit uͤber Meer ſich mit Wil-
len als eine Ehebrecherin entfuͤhren laſſen? Iſt ſie aber ſo ehren-vergeſſig geweſen/ und
hat ihr Koͤnigliches Herkommen dergeſtalt geſchaͤndet/ was haͤtten dann die Gerecht- uñ
Froͤmmigkeit-liebende Griechen nach dieſem ſchaͤndlichen Weibe gefraget/ es waͤhre dañ/
daß ſie/ Rache zu uͤben/ und ihre Unkeuſcheit zu ſtraffen/ den Zug in Aſien vorgenommen
haͤtten; aber hiemit ſtimmen die Schreiber nicht zu/ ſondern Menelaus habe ſie als ein
Gemahl wieder gefodert/ ja ſie nach erhaltenem herben Siege als ein frommes Weib wie-
der zu ſich genommen/ welche Narren-Liebe ich ſtraffbahrer als Helenen Leichtfertigkeit
achte/ und ruͤhme des ſtreitbaren Helden Ajax Raht weit vor des Ulyſſes/ da er dieſer Ehe-
brecherin den Tod ſol zugeſprochen haben/ woruͤber er dann ſein Leben durch Verraͤhterey
und Meuchelmord einbuͤſſen muͤſſen. Wann man ſie dann fragete/ wovor ſie ſolche Tich-
tereyen hielte/ wendete ſie ein/ wann es nicht gar erlogen waͤhre/ wolte ſie unter der Hele-
nen Nahmen etwa ein ſchoͤnes fruchtbahres Eiland in dem Egeiſchen Meer verſtehen/
welches die Trojaner den Griechen in des Beherſchers Abweſenheit durch der Inwoh-
ner Verraͤhterey und Gutwilligkeit entwendet/ und daruͤber in dieſen ſchweren Krieg ſich
geſtuͤrtzet haͤtten; pflag ſich gleichwol dabey zu bedingen/ ein jeder moͤchte hierin ſeines
Glaubens leben/ ſie haͤtte ihre Meynung vor ſich. Solcher geſtalt ſinnete ſie den Sachen
ſchon in der Jugend nach/ welche ſie bey den alten Schreibern laſe/ und verfluchete der
Teutſchen und Boͤhmen Unverſtand/ daß ſie ihrer Vorfahren Heldentahten aufzuſchrei-
ben
[189]Erſtes Buch.
ben ſo gar nicht achteten. Jedoch wahren die Buͤcher nicht ihre gantze Luſt/ ſondern
Wafſen und Ruͤſtung/ Schwerter und Bogen/ Pferde und Sturmzeug liebete ſie uͤber-
aus ſehr/ aber in nichts uͤbete ſie ſich ſo hefftig/ als im ſchieſſen und reiten/ wiewol die
Pferde/ als lange ihr Herr Vater lebete/ ihr nicht allemahl bewilliget wurden. Im
zwoͤlfften Jahr ihres alters lies ſie leichte Fechtſchwerter machen/ und in ſolcher Kunſt
ſich unterrichten/ welches neben dem ſchieſſen ihr von den Eltern wol gegoͤnnet wahr/ und
ſie daher in beyderley uͤberauß fertig ward. Als ihr Herr Vater ſein Reich geſegnet/ ge-
brauchte ſie ſich des reitens freier/ daß man ſie ſelten auff der Gutſche fahren ſahe/ wann
ſie es nicht ihrer Fr. Mutter zur Geſelſchafft tuhn muſte. Im jagen uͤbete ſie ſich faſt taͤg-
lich/ fuͤhꝛete ihre Pfeil und Bogen zu Pferde/ und befliß ſich nur das Wild reittend zu fel-
len/ woruͤber ſie ſo gewiß von freier Fauſt ziehlen lernete/ daß ſie auch in vollem rennen die
Haſen niederſchoß/ und ſelten fehlete. Zu Pferde ſaß ſie ſo geſchikt und feſte/ daß ihres glei-
chen im ganzen Koͤnigreiche nicht wahr; die Muhtigen ritte ſie am liebeſten/ dann ſagete
ſie/ das Herz nimt bey mir zu/ wann ich ſehe das Tihr/ welches ich beſchreite/ einen ſondeꝛ-
lichen Geiſt haben. So lange lag ſie ihrer Fr. Mutter an/ da ſie XIV Jahr alt wahr/ daß
ſie ihr endlich goͤnnete einen Reitharniſch machen zu laſſen/ welchen ſie taͤglich anlegete/
und etliche Stunden darin auff dem Gemache umbher ging/ auch wol inwendig in dem
verſchloſſenen Burgplatze alſo bewapnet ihr Pferd tummelte/ das Schwert an der Seite/
und das Ritter Speer auf dem Schenkel fuͤhrend/ daß ihre Fr Mutter offt zu fagen pflag;
bildeſtu dir ein/ liebes Kind/ durch dieſe Ubungen vielleicht ein Mannesbilde zu werden?
Sie aber allemahl zur Antwort gab; ſie moͤchte wuͤnſchen/ daß ſolches moͤglich waͤhre/
oder doch zum wenigſten der Brauch ſeyn moͤchte/ daß das Weibliche Geſchlecht den
Ritterlichen Ubungen nachzoͤge; ſo gar hatte die Tapfferkeit ihr Gemuͤht eingenom̃en/
und wahr doch daneben ohn alle blutgierig- und grauſamkeit. In Sitten und Geberden
bezeigete ſie ſich nach aller Menſchen Wunſch; man hoͤrete ſie weder fluchen/ noch ſchel-
ten/ man ſahe weder leichtfertig Ding noch uͤppigkeiten an ihr/ darumb liebete und ehrete
ſie jederman; dem Stolz und der Unfreundligkeit wahr ſie von Herzen feind/ und wan ſie
ſich gegen jewand von Herzen freundlich und gewogen ſtellete/ als dan wahren ihre Auͤge-
lein und ganzes Angeſicht ſo voller Reizungen/ daß auch das Frauenzimmer ſelbſt ſich in
ſie verliebete/ daher es kam/ daß ihre Eltern/ wann ſie recht bewaͤglich umb etwas anhielt/
ihr ſolches nicht bald abſchlagen kunten. Im Tanzen uͤbete ſie ſich gerne/ aber nach Herku-
les Verluſt lies die Bekuͤmmernis ihr dieſe Luſtuͤbung nicht zu/ nur wann Jungfer Libuſ-
ſa ihr zuzeiten die Schwermuͤhtigkeit außredete/ und ſie nicht weniger ſeines Lebens als
ſtandhaffter Traͤue durch allerhand bewaͤgliche muhtmaſſungen verſicherte/ dann lies ſie
ſich bereden/ inſonderheit/ wann dieſe Jungfer nach ihrer beywohnenden Anmuhtigkeit
ſie baht/ auff des allerliebſten Fuͤrſten Herkules Geſundheit dieſen oder jenen Tanz zutuhn/
welchen die Jungfer auff der Laute dann zuſpielen pflegte: Sie liebete uͤber daß die Singe-
kunſt und das Seitenſpiel uͤberaus hoch/ dann ihr Stimmichen wahr ſo rein/ helle und
hoch/ auch die Kehle der allerkrauſeſten verbluͤmlungen und bald gebrochenen bald uͤber-
huͤpffenden ſchnellen laͤuffchen dermaſſen gelernig/ daß keine Fauſt ihr ſolches auff Geigen
oder Floͤhten nachmachen kunte; doch hatte die durchdringende Art/ langſam und mit
A a iijbeben-
[190]Erſtes Buch.
beben der Verweilung die wichtigen Woͤrter außzudruͤcken/ noch die allerlieblich ſie An-
muhtigkeit in ihrem Geſinge. Die Stimme allein lies ſie nicht gerne hoͤren/ ſondern ſchlug
ſelbſt entweder die Laute oder Harffe/ und lies alsdan die Liederchen erſchallen/ deren Rei-
men und Singeweiſen ſie ſelbſt ſetzete/ maſſen ſie nicht allein zierliche Teutſche/ ſondern
auch Griechiſche und Lateinſche Verſe ſchrieb. Ob nun gleich alle ehrbare Menſchen die-
ſer Tugendergebenen Fraͤulein hold und guͤnſtig wahren/ lies doch das boßhaffte Gluͤk
ihr in der Jugend zu unterſchiedlichen mahlen ſehen/ dz es weder Schoͤnheit noch Froͤm-
migkeit achtet/ wie ihr dann ſehr fruͤh geweiſſaget ward/ daß ſie Gluͤckes Tuͤcke wuͤrde er-
fahren muͤſſen; Acht Stunden vor ihrer Geburt/ taht ihre Fr. Mutter einen gefaͤhrlichen
Fall/ daß man in groſſen furchtenſtund/ es moͤchte die Frucht ſchaden genommen haben;
und gleich da ſie gebohren ward/ ritte der Koͤnig ihr Herr Vater von der Jagt nach ſeinem
Schloſſe/ da ihm ein Balke von einem alt verfallenen Hauſe auff der Burgſtraſſe ſeinen
Leibdiener/ welcher allernaͤheſt hinter ihm her ritte/ erſchlug; welches beydes alſo außgele-
get ward/ daß das liebe Fraͤulein nicht ohn wunderſelzame und lebensgefaͤhrliche Faͤlle
bleiben wuͤrde; welches dann zimlich fruͤh an ihr erfuͤllet ward; maſſen als ſie kaum neun
Wochen alt wahr/ nam ein Affe (der auff dem Schloſſe/ als gezaͤhmet umbher lieff)/ ſie un-
vermerket aus der Wiege/ und trug ſie auff ein hohes Gebaͤu/ ſo daß/ wann Gottes Engel
nicht ihr Schuz geweſen waͤhre/ ſie ohn zweiffel das Leben haͤtte einbuͤſſen muͤſſen/ uñ ward
ſie mit groſſer Muͤhe wieder herunter gelaſſen/ woruͤber doch zween Dachdecker den Hals
abſtuͤrzeten. Wann ihre Fr. Mutter ſie des nachtes an der Bruſt liegen hatte/ und ſie druͤ-
ber einſchlieff/ traͤumete ihr unterſchiedliche mahl/ als wann ſie eine Schlange neben ſich
haͤtte/ woruͤber ſie erwachend/ das liebe Kind zu dreyen mahlen von ſich weg aus dem Bet-
te warff/ welches doch immer ohn Schaden blieb. Als ſie im zehnden Jahr ihres alters
wahr/ und mit etlichen des Frauenzimmers nach der Stadkirchen ging/ den gemeinen
Opffern beyzuwohnen/ worzu ſie dann ſonderliche Luſt hatte/ da lieff ein ergrimmeter wuͤ-
tiger Ochſe in vollen ſpruͤngen und mit außgeſtrecketem Halſe ihr entgegen. Ihre zugege-
bene Geſelſchafft ſahen ihn zeitig daher kommen/ rieffen dem Fraͤulein/ die ein wenig vor
ihnen herging/ ſtohen davon/ und verſtecketen ſich im naͤheſten Hauſe/ in meynung ſie wuͤr-
de/ ihrer geradigkeit nach/ mit lauffen/ und ihrer Rettung ſelbſt acht haben; aber ſie weich
nicht umb einen Schrit/ ſondern/ wie er mit allermacht auff ſie zuſtuͤrmete/ ſprang ſie ihm
gerade auff den Halß/ hielt ſich mit der Linken am Horne/ wie ſie beſt kunte/ und mit der
Rechten zohe ſie ihr Meſſerlein hervor/ welches ſie an der Seite in einer ſilbern Scheide
trug/ uñ als ſie ihn nirgend beſſer zuverwunden wuſte/ ſties ſie ihm ſolches ins Auge ſo tief
ſie kunte/ machte ſich ringfertig wieder herunter/ und lies ihn immerhin raſen/ dañ er keh-
rete ſich nicht mehr an ſie/ ſondern lief wegen empfinden der Schmerzen die quere uñ brei-
te/ und in dem er das Meſſer an einem hervorſtehenden Holze außreiben wolte/ ſties ers
nur tieffer hinein/ biß er endlich mit hefftigem gebruͤlle zur Erden ſtuͤrzete/ und mit allen
vieren von ſich ſchlug. Ihr Frauenzimmer hoͤreten ſolches und miſſeten das Fraͤulein/
durfften doch nicht aus der Tuͤhr hervor gehen/ ſondern kucketen durch ein Loch/ und ſa-
hen ſie mit ſchimmernden Augen und zornigem Angeſicht ſtehen/ daß die rechte Hand und
Ermel ihr mit Blute gar beſpruͤtzet wahr; fingen deßwegen ein klaͤgliches geheule an/ daß
die
[191]Erſtes Buch.
die Leute des Hauſes herzu gelauffen kahmen/ und ihres Geſchreies Urſach nachfrageten.
Das Fraͤulein trat zu ihnen hinein/ ſtraffete ſie wegen ihres weglauffens/ und ſagete: So
viel ich merke/ duͤrfftet ihr mich leicht im Stiche laſſen/ und nur eures Heils warnehmen/
wann ſich die Gefahr eraͤugete/ daß nach dieſem ich nicht Maͤdchen/ ſondern Kerle zu mei-
ner Auffſicht haben muͤſte; erzaͤhlete ihnen hernach/ wie es ihr mit dem Ochſen ergangen
waͤhre. Der Koͤnig erfuhr ſolches zeitig/ foderte ſie vor ſich/ und mit halbnaſſen Augen
ſagte er zu ihr: Mein Herzen Valißken/ wie daß du nicht vor dem wuͤtigen Ochſen dich
ſcheuheteſt/ und ihm gar auff den Hals ſpringen durffteſt? Gnaͤdigſter Herꝛ Vater/ ant-
wortete ſie/ freilich ſcheuete ich mich vor ihm/ aber weil ich der Flucht nicht trauete/ muſte
ich mich ja retten/ als beſt ich kunte/ ſonſt haͤtte er mich gar zu Tode geſtoſſen. Er aber ſtraf-
ſete ſie/ neben der erinnerung/ die jungen Fraͤulein muͤſten ſich ſo verwaͤgener Kuͤhnheit
nicht gebrauchen/ die wol den herzhafften Maͤnnern miſgluͤcketen. Sie hingegen wante
ein/ ſie waͤhre ſo wol geſinnet/ ihr Leben durch allerhand Mittel zu retten/ als ein Mann;
und wer weis/ ſagete ſie/ ob ich nicht habe ſollen ein Knabe werden/ weil meine Seele viel
lieber mit maͤnnlichen als weiblichen Sachen umbgehet; haͤtte ich nur meinen Bogen
bey mir gehabt/ ich wolte ihm die Augen beyde auß dem Kopffe geſchoſſen haben/ ehe er
mir ſo nahe kommen waͤhre/ dz er mich mit den Hoͤrnern erreichen koͤnnen; wil mich auch
hernaͤhſt wol beſſer vorſehen/ daß ich meine Rettung nicht mit einem Brodmeſſer vor-
nehmen duͤrffe. Ihr Herr Vater kunte vor verwunderung ihr keine Antwort gebẽ/ ſtreich
ihr etlichemahl uͤber das Haͤuxt und ſagete: Die guͤtigen Goͤtter ſteuren allen wiedrigen
Faͤllen/ und behuͤten dich/ dz ihre Verſehung an dir zu allem guten vollendet werde. Sonſt
taht ſie mannichen hohen Fall/ welches doch immer ohn ſonderlichen Schaden abging;
inſonderheit hatte ſie kein Gluͤk auff dem Waſſer/ daher ſie auch ſelten ſich der Schiffart
vertrauete. Drey Tage vor ihres Herr Vaters Verluſt/ ging ſie mit einer kleinen Dirne
abermahl hin/ dem Gottesdienſt in der Stad und den gewoͤhnlichen Opffern beyzuwohnẽ/
da lieff ihr ein ſehr groſſer toller Hund entgegen/ vor dem ſie zu ruͤcke hinter eine Brun-
nenſeule weich/ und da ſie ihn eigentlich auff ſich zu ſpringen ſahe/ faſſete ſie mit der Linken
einen zimlichen Stein/ mit der Rechten aber ihren Dolch/ welchen ſie nach erlegung des
Ochſen ſtets/ wo ſie auch ging/ zu ſich nam; als nun der Hund ihr nach dem Geſichte
ſprang/ ſties ſie ihm den Stein in den Rachen/ und ſtach ihm zugleich die Kehle ab/ daß er
zu ihren Fuͤſſen nieder fiel; lies ſich doch hiedurch von der Beywohnung des Gottesdien-
ſtes nicht abſchrecken/ ſondern hielt bey den Pfaffen an/ daß ſie vor ihres Herren Vaters
Wolfahrt ein Opffer ſchlachten moͤchten/ welches auch geſchahe/ da nach fleiſſiger Be-
ſichtigung der Leber und des Herzen ein alter Pfaffe ihr zuſchrie: Durchleuchtigſtes Frl.
meldet/ bitte ich/ eurem Herr Vater/ unſerm allergnaͤdigſten Koͤnige an/ dz ſeine Koͤnigl.
Hocheit ſich in VI Tagen nicht von ihrem Schloſſe begebe/ noch falſcher Lockung folge/ dañ
es ſtehe deroſelben ein nahes Ungluͤk bevor/ welches viel unleidlicher als der Tod/ oder
auffs wenigſte der Tod ſeyn wird; Euer Gnaden wil das gute Gluͤk auch noch nicht ge-
traͤulich beyſtehen/ ſondern draͤuet derſelben unſaͤgliche Noht und Gefahr/ welches aber
noch weiter zuruͤcke ſtehet. Das Fraͤulein hielt viel auff dergleichen Opfferzeichen/ da hin-
gegen ihr Herr Vater ſich nicht ſonderlich dran zu kehren pflegete/ ſchlug auch vor dißmal
alles
[192]Erſtes Buch.
alles in den Wind/ wie bewaͤglich gleich das Fraͤulein ihm ſolches vortrug/ auch zugleich
den Unfall mit dem wuͤtigen Hunde hinzuſetzete; da dann der elende Verluſt bald drauff
erfolgete/ wodurch das gantze Koͤnigreich in groſſes Hertzleid geſetzet ward/ und ſein Ge-
mahl die fromme Koͤnigin ſeinen ungluͤklichen Tod eine geraume Zeit beklagete.


Wir wenden uns aber wieder hin zu dem Fraͤulein/ ſie in ihrer hohen Vergnuͤgung
anzuſchauen/ welche ſie aus Herkules Schreiben empfing/ und ihrer Seele unmoͤglich
wahr/ die innigliche Freude recht außzu druͤcken; deſſen Libuſſa wol wahr nam/ und ihr Herz
durch ein anmuhtiges Liebesgeſpraͤch je mehr und mehr auffwallete/ daß ſie endlich eine
Schreibfeder ergriff/ und von freyer Hand ein Liedlein auffſetzete/ auch demſelben eine fri-
ſche anmuhtige weiſe gab/ da inzwiſchen Libuſſa ihr die Laute (welche in guter Zeit nicht
gebrauchet wahr) ganz neu bezog/ die begehrete Stimmung einrichtete/ und mit Verlan-
gen erwartete/ was vor Einfaͤlle dem Fraͤulein vor dißmahl fugen wolten; welche bald dar-
auff dieſes ſang und ſpielete:


1
NUn Seele/ nim nun ſanffte raſt/

Nachdem du wieder funden haſt/

Den du vorlaͤngſt erkohren;

Mein Herz/ nim die erquickung an/

Dann der dich voͤllig troͤſten kan/

Iſt nicht ſo gar verlohren.

2
Der allerſchoͤnſte dieſer Welt/

Der dich vor ſeine ſchoͤnſte haͤlt/

Bleibt nach wie vor dein eigen;

Wie weit er dir entriſſen iſt/

Wird er dannoch zu keiner friſt

Sein Seelchen von dir neigen.

3
Du ſchoͤnſter Stern am Himmels Saal/

Hab’ ich das Gluͤk zu deiner Wahl?

Sol ich dein noch genieſſen?

Du Strahlen-helles Sonnen-licht/

Vor deſſen Schein der meine bricht/

Und faͤlt zu deinen Fuͤſſen.

4
Wann wirſtu meine wolken dann

Vertreiben/ daß ich ſehen kan/

Wie deine Tugend ſpielet?

Die bloß nur auff Volkommenheit/

Mehr als die Jugend deiner Zeit

Ertragen kan/ hinzielet.

5
Du Ebenbild der keuſchen Zucht/

Betrachte deiner Jahre flucht/

Sey nicht ſo gar vermaͤſſen

Im Streiten wieder Frevelmuht/

Dann wer im Treffen alles tuht/

Wird endlich doch gefreſſen.

6
Faͤlſt aber du/ ſo fall’ ich auch/

Dich wehe Lufft an oder Rauch/

Ich wil mit dir nur ſtehen/

Nicht ohne dich/ du biſt allein/

Was meinem Leibe Geiſt kan ſeyn/

Dein Tod iſt mein vergehen.

7
Solt’ aber meine Seele noch

Mit deiner daß gewuͤnſchte Joch

Der keuſchen Liebe tragen;

So hab ich was mein Herz begehrt/

Und wann mir ſolches wiederfaͤhrt/

Wil ich nicht weiters klagen.

Ach mein tauſend ſchoͤnſtes Fraͤulein/ ſagte Libuſſa nach des Geſanges endigung; daß
doch der allerliebſte Fuͤrſt dieſes Liedchen von ſo anmuhtiger Stimme geſungen/ anhoͤren
moͤchte; aber eure Gn. tuhe ihm dieſe Gunſt/ und ſende ihm deſſen Abſchrifft zu/ ich weis/
es wird die Krafft haben/ ihn von dem ende der Welt nach Prage zu treiben. Bey leibe
ſchweig mein herzen Kind/ antwortete das Fraͤulein/ wuͤrde er mich nicht vor eine leicht-
finnige halten/ wann er deſſen inne wuͤrde? ich naͤhme nicht daß halbe Rom drum/ daß ein
ander Menſch als du/ dieſes Lied ſaͤhe oder hoͤrete; dann ob ich gleich wol leyden kan/ daß
er meiner getraͤuen Liebe inne werde/ muß es doch weder durch mich noch durch meine
Reimen dergeſtalt geſchehen/ dz michs einiger weiſe in ungleiche Nachrede ſtuͤrzen koͤnte;
ein
[193]Erſtes Buch.
ein freundliches Brieflein an ihn zu ſchreiben wil ich mich nicht wegern/ aber von ſolcher
worten Gattung muß es trauen nicht geſtellet ſeyn. Ja ja/ ſagte Libuſſa/ liebet eure Gn. ſo
bedachtſam/ ſo liebet ſie noch in ſo flammichter Hitze nit/ als ihre Schwermuͤtigkeit michs
eine zeitlang hat bereden wollen/ doch ruͤhme ich dieſes an euer Gn. billich/ und bitte die
guͤtigen Goͤtter/ daß ſie ihre Gedanken vor außgang eines Monats befriedigen. Befriedi-
gen? antwortete das Fraͤulein; doch ja/ es heiſſe alſo/ dañ ich bin noch zur Zeit befriediget/
wann ich nur offt Schreiben von ihm haben/ oder (ach Gluͤk erfreue Hoffnung) ſeine lieb-
reiche Augen gegenwaͤrtig ſchauen moͤchte. Dieſen Wunſch wird der Himmel bald er-
fuͤllen/ ſagete Libuſſa; aber eure Gn. wuͤnſchet ſchon mehr Schreiben/ uñ hat dieſes durch-
zuleſen kaum Zeit gehabt; wer weiß was folgen kan? geduldet euch mein Fraͤulein/ nichts
waͤchſet und reiffet auff einen Tag; gebet dem lieben Fuͤrſten Ruhe/ daß er die Schreibfe-
der aus der Hand legen/ und andere Nohtwendigkeiten verrichten moͤge. Auff dieſe Weiſe
reizete ſie das Fraͤulein/ biß ſie zur Mahlzeit gefodert ward/ da ihre Fr. Mutter mit ihr ab-
redete/ daß ſie alsbald einen Landtag außſchreiben/ und den Reichsſtaͤnden ihres Koͤniges
Geſundheit und Vorhaben aus ſeinem eigenen Schreiben anzeigen wolte.


Des folgenden tages gab ſich vor dem Stadtohr ein Koͤniglicher Geſanter aus Gal-
lien oder Frankreich an/ 120 Pferde ſtark/ und begehrete von der Koͤnigin und dem Koͤ-
niglichen Fraͤulein/ im Nahmen und von wegen ſeines Koͤniges/ gehoͤret zu werden. Die
Koͤnigin ließ ihn in der Stad mit ſeinen Leuten verlegen/ und ſetzete ihm den dritten Tag
zur Verhoͤrung an/ unter welcher Zeit er nicht allein ſich der Fraͤulein Weſens und Ei-
genſchafften erforſchete/ ſondern ſie einsmahls auff die Jagt ausreiten ſahe/ und in ſeinem
Hertzen geſtund/ daß er nie etwas volkommeners geſehen haͤtte. Es ließ aber die Koͤnigin
alsbald etliche vornehme Herren/ als den Reichs Kantzler/ Herrn Bretiſla/ Herrn Pri-
biſla/ Herrn Krokus/ Herrn Staniſla und Herrn Bugeſla zu ſich nacher Prage fodern/
in deren Gegenwart die Koͤnigliche Geſandſchafft ſolte abgelegt werden. Dem verliebe-
ten Fraͤulein ſchwanete nichts gutes/ maſſen ſie wuſte/ daß der Sikamber Koͤnig in Gal-
lien (welches ein Teutſches Volck wahr) zimlich ſchwach war/ und einen tapfferen hoch-
beruͤhmten Sohn hatte/ ſo noch unverheyrahtet/ uñ nach des Vaters Hintrit in der Her-
ſchafft folgen wuͤrde; foderte demnach ihre Libuſſen zu fich/ und ſagete zu ihr: Mein Kind/
was ſol ich nun beginnen? gilt wo dieſe Geſandſchafft nicht bloß meinet wegen angeſtellet
iſt? Wie aber/ wann meiner Fr. Mutter dieſe Heyraht gefiele/ und die Reichs Saſſen mit
zurieten? Ich weiß nicht/ wodurch ich das leidige Gluͤk dergeſtalt mag wider mich erzuͤr-
net haben/ daß mirs ſo gar keinen froͤlichen Tag goͤnnet/ der nicht mit Unruhe und Angſt
ſolte verſalzen ſeyn? Jedoch mag dieſer Geſandter bringen was er wil und kan/ ſo ſol und
muß ich meinem Herkules vorbehalten ſeyn/ oder allein durch einen ſchmerzhafften Tod
von ihm abgeſchieden werden. Ich ſtehe mit Eurer Gn. in gleichen Gedanken/ ſagte Li-
buſſa/ wil auch nimmermehr rahten/ daß dieſelbe ichtwas eingehe/ welches dem allerge-
traͤueſten Liebhaber Fuͤrſt Herkules koͤnte nachteilig ſeyn/ weil ich ohndas wol weiß/ daß
mein Gn. Fraͤulein in dieſem Stuͤk keinen Wechſel oder Tauſch nimmermehr bewilligen
wird; nur allein muß die Sache auffs vorſichtigſte und kluͤglichſte gehandelt/ und entwe-
der abgelehnet/ oder unter lauter Ungewißheit auffgeſchoben werden/ auff daß die Zeit
B bver-
[194]Erſtes Buch.
verlauffe/ und wir Fuͤrſt Herkules von allem gute Nachricht geben koͤnnen/ welcher auff
ſolchen fall ſchon wiſſen wird/ wie er ſeine Baͤnde feſt legen/ und dieſen Mit Buhler abwei-
ſen ſol. Das Fraͤulein ſtund in tieffen Gedanken/ und gab zur Antwort: Je laͤnger ich dem
dinge nachſinne/ je gefaͤhrlicher mir alles vorkomt; Dann vorerſt muß nohtwendig meineꝛ
Fr. Mutter/ und allen andern/ meine Fuͤrſt Herkules geſchehene Verheiſſung verborgen
bleiben/ und darff ich mich im geringſten nicht verlauten laſſen/ daß ich nicht mehr frey bin.
Hernach werde ich ſolche Urſachen muͤſſen einfuͤhren/ durch welche des ſchlauhen Kantz-
lers Raht und Meynung (dann vor dieſem fuͤrchte ich mich am meiſten) hintertrieben
werde; und ſchließlich muß ich dannoch gegen den Geſandten mich alſo bezeigen/ daß ich
weder vor eine ſtoltze/ noch unfreundliche/ noch verwaͤgene in ſeines Koͤniges Lande außge-
ruffen werde. Wie aber/ ſagete Libuſſa/ wann dieſer in andern Geſchaͤfften abgeſchikt/ und
alle unſere Furcht und Sorge umſonſt und vergebens waͤhre? wie dann ſehr offt geſchie-
het/ daß wann ein Koͤnig etwa willens iſt/ einen andern zu bekriegen/ verſichert er zuvor
durch Geſandten ſich anderer Landſchafften/ damit dieſelben ſich nicht einmiſchen/ und
an ſeinem Vorhaben ihm hinderlich ſeyn moͤgen. Nein/ mein Libuſchen/ ſagte ſie/ dz Hertz
ſaget mir eigen/ daß eine Freywerbung vorhanden iſt/ ſolte ich aber ſolches umſonſt fuͤrch-
ten/ werde ich deſſen froher als kein ander ſeyn. Weil es nun der naͤheſte Tag wahr vor der
Verhoͤrung/ nam ſie jhre Zuflucht zu der inſtehenden Nacht/ welche ihr einen heilſamen
Fund an die Hand geben wuͤrde. Des Morgens da ſie auffſtund/ war ſie ziemlich froͤlich/
und zeigete Libuſſen an/ weſſen ſie ſich in ihrem Hertzen erklaͤret haͤtte/ nicht zweifelnd/ es
ſolte ſolches von Einheimiſchen und Fremden wichtig gnug geachtet werden/ daß man
den Geſanten gleich ſo klug wieder hinzihen lieſſe/ als er kommen wahr. Sie ließ ſich auch
von Libuſſen treflich ausputzen/ und ſolte dieſe ihr bey der Geſandſchafft auffwarten. Die
Koͤnigin hatte jhre Traurkleider angelegt/ zu ihrer Rechten ſtund ein Koͤniglicher Stuel/
mit einer guͤldenen Decke behaͤnget/ auff welchem die Koͤnigliche Kron/ der Reichs Apfel
und ein bloſſes Schwert lage; Allernaͤheſt ſaß ſie/ uñ zu ihrer linken das Koͤnigliche Fraͤu-
lein. An der linken Seite des Gemachs ſaſſen obgedachter Kantzler und die vier Boͤhmi-
ſche Herren/ und wahr zur Rechten des Gemachs ein ſchoͤner Stuel vor den fremden Ge-
ſandten hingeſetzet; welcher/ als er zur Tuͤhr hinein trat/ ehrete er die Koͤnigin und das
Fraͤulein gebuͤhrlich/ und ließ anfangs der Koͤnigin einen Beglaͤubigungs Schein einhaͤn-
digen/ welchen ſie erbrach/ und folgenden Inhalt laſe: Hilderich/ der alten Teutſchen Sikam-
brer Groß Fuͤrſt/ Koͤnig der Franken in Gallien/ wuͤnſchet der Großmaͤchtigſten unuͤberwindlichſten
Koͤnigin und Frauen/ Frauen Heidewieg/ gebohrner Groß Fuͤrſtin der Teutſchen/ anjetzo herſchender
Koͤnigin in Boͤhmen/ ſeinen Gruß und alles Liebes; Dero Liebe hiemit anzeigend/ daß der Einbringer
dieſes/ der aͤdle Klogio/ von uns und unſerm freundlichen lieben Herr Sohn/ Groß Fuͤrſt markomir/
unſers Reichs und Stuels kuͤnfftigen Beſitzer/ ausdruͤklich aus unſerm Reich nach Prage an Eure
Liebe geſand ſey/ eine unter Koͤnigl. und Groß Fuͤrſtlicher Traͤue und Glauben gemeynete Werbung
bey Euer Liebe und dem Durchleuchtigſten Koͤniglichen Fraͤulein in Boͤhmen/ Fraͤulein Valißken an-
zutragen/ und bitten Eure Liebden freundlich/ dieſelben wollen geneñeten unſerm Geſanten Freyheit
geben/ die Werbung abzulegen/ auch demſelben/ als uns ſelbſt/ vollkommenen Glauben zuſtellen.
Hilderich der Koͤnig.


Nach Verleſung ſahe die Koͤnigin/ daß ihr muhtmaſſen (welches ſie bißher nieman-
de
[195]Erſtes Buch.
de offenbahret hatte) ſie nicht triegen wuͤrde/ meynete aber/ das Fraͤulein wuͤrde deſſen
nicht die geringſten Gedanken tragen/ und gab ihr den Brief zuleſen; welche ihrem Vor-
ſatze nach/ ſich noch aller dinge frey und unwiſſend ſtellete. Dem Kantzler ward darauf der
Brieff von der Koͤnigin zugeſchikt/ und befohlen/ mit dem Geſanten in ihrem Nahmen
gebuͤhrlich zu reden; welcher auch nach Verleſung den Geſanten fragete/ wie ſein Nahme
waͤhre; und als derſelbe ſich Klogio/ einen Ritter und Koͤniglichen geheimen Raht und
Oberkammer-Herrn nennete; fuhr der Kantzler alſo fort: Wolgebohrner Herr Klogio;
es hat euer allergnaͤdigſter Koͤnig/ und deſſen Herr Sohn/ der Großmaͤchtigſte Unuͤber-
windlichſte Koͤnig und Groß Fuͤrſt der Sikambrer uñ Franken in Gallien/ uñ der Durch-
leuchtigſte Koͤnigliche Fuͤrſt und gebohrner Großfuͤrſt Herr Markomir/ an die auch Groß-
maͤchtigſte Unuͤberwindlichſte Koͤnigin der Boͤhmen/ gebohrne Groß Fuͤrſtin der Teut-
ſchen/ meine allergnaͤdigſte Koͤnigin/ und an das Durchleuchtigſte Koͤnigliche Fraͤulein/
beyde gegenwaͤrtig/ euch abgefertiget/ Ihrer Koͤniglichen Hocheit und dero Frl. Tochter
einige Werbung vorzutragen; und weil Ihre Hocheit und Durchleuchtigkeit dieſelbe
freun dlich anzuhoͤren bereit und willig ſind/ iſt von allerhoͤchſtgemelter Koͤnigin euch hie-
mit Freyheit gegeben/ daſſelbe/ warumb ihr geſendet worden ſeyd/ anzumelden/ und darauf
freundlicher Antwort gewaͤrtig zu ſeyn. Der Geſandte neigete ſich hierauff ſehr tieff und
ehrerbietig/ und fing alſo an: Großmaͤchtigſte Unuͤberwindlichſte Koͤnigin/ auch Durch-
leuchtigſtes Fraͤulein; Der auch Großmaͤchtigſte Unuͤberwindlichſte Koͤnig und Groß-
fuͤrſt der Sikambrer und der Franken in Gallien/ und Ihrer Koͤnigl. Hocheit Herꝛ Sohn/
der Durchleuchtigſte Groß Fuͤrſt Herr Markomir/ entbieten Eurer Koͤnigl. Hocheit und
Durchleuchtigkeit/ jhren freundlichen Gruß und alles Liebes/ durch mich unwirdigen/ ih-
ren gevolmaͤchtigten Geſanten, und geben Ihrer Hocheit und Durchl. Oheimb- und
freundlich zuvernehmen/ was geſtalt hoͤchſtgedachter mein allergnaͤdigſter Koͤnig wegen
allerhand Leibesſchwacheiten/ aller gnaͤdigſt gewilliget ſey/ die Herſchafft abzulegen/ und
ſelbe ſeinem freundl. lieben Herrn Sohn voͤllig auffzutragen; Weil nun deſſen Durch-
leuchtigkeit annoch unverheyrahtet iſt/ und Koͤnigl. Hocheit nichts ſo hefftig wuͤnſchet uñ
begehret/ als daß hoͤchſtgedachter ſein Herr Sohn mit einem wolwuͤrdigen Koͤniglichen
Gemahl moͤchte verſehen ſeyn/ welche mit demſelben zugleich gekroͤnet und eingefuͤhret
wuͤrde/ und aber Ihrer Koͤnigl. Hocheit Fraͤulein Tochter/ die Durchleuchtigſte Frl. Va-
lißka/ meinem Koͤnige und deſſen Herrn Sohn/ als die allerpreißwirdigſte und vortreflich-
ſte Fuͤrſtin dieſes Erdbodems/ von unterſchie dlichen Orten her geruͤhmet wird/ als wuͤn-
ſchet und begehret mein Koͤnig in dieſer Welt nichts hoͤhers und liebers/ als einer ſolchen
mit Koͤniglichen Tugenden volbegabten Fraͤulein Vater; deſſen Herr Sohn aber/ dero-
ſelben Braͤutigam und Gemahl zu werden; Da auch ſolcher ihr Wunſch und Begehren
zur gluͤklichen Endſchafft ſolte koͤnnen gebracht werden/ erbieten ſich Ihre Koͤnigliche
Hocheit und Großfuͤrſtl. Durchleuchtigkeit/ gegen das Durchl. Koͤnigl. Fraͤulein/ Fraͤu-
lein Valißka ſich dergeſtalt zuerzeigen/ daß groͤſſere vaͤterliche Liebe und Hulde/ als bey dem
Koͤnige/ und mehr ergebene eheliche Traͤue/ als bey dem Durchl. Großfuͤrſten/ Herrn
Markomir/ dero Durchleuchtigkeit in dieſer gantzen weiten Welt nicht antreffen noch fin-
den werden. Die Koͤnigin nam dieſe Werbung mit groſſer Ehrerbietung an/ foderte den
B b ijKantzler
[196]Erſtes Buch.
Kantzler zu ſich/ und nach kurtzer Beredung mit dem Fraͤulein (welche ſich ſo garohn alle
Bewaͤgung und Verenderung bezeigete/ als ginge ſie ſolches nicht an) ſagte die Koͤnigin
dem Kantzler/ was er antworten folte; wie dann derſelbe alsbald alſo anfing: Gegen den
Großmaͤchtigſten Koͤnig der Sikambrer und Franken/ als auch deſſen Herr Sohn den
Durchleuchtigſten Großfuͤrſten Herrn Markomir/ bedanket jhre Koͤnigl. Hocheit und dz
Durchleuchtigſte Fraͤulein ſich Waſe- und freundlich/ wegen der geſchehenẽ huldreichen
Anwerbung/ erklaͤren ſich auch gegen den Herꝛn Geſanten gnaͤdigſt/ demſelben ihrer jetzi-
gen gelegenheit nach/ auff morgen umb dieſe Zeit/ eine auffrichtige wolgemeynete Antwort
zuerteilen; und wird der Herr Geſanter gnaͤdigſt erſuchet/ auff den Mittag ſich bey Koͤ-
niglicher Mahlzeit anzufinden. Alſo nam Klogio hiemit ſeinen Abtrit/ voller Hoffnung/ er
wuͤrde ſeinem Koͤnige und dem verliebeten Fuͤrſten eine behaͤgliche Antwort uͤberbringen/
inſonderheit/ weil er auff ſehr fleiſſige Nachfrage/ ob das Fraͤulein ſchon Freywerber ge-
habt/ einerley Antwort bekam/ daß man davon noch zur Zeit nicht das allergeringſte ver-
nommen haͤtte. So bald dieſer Geſante weg gangen wahr/ begehreten der Kanzler und
die andere Boͤhmiſche Herren/ es moͤchte die Koͤnigin und das Fraͤulein ſich gnaͤdigſt her-
aus laſſen/ weſſen in dieſer hochwichtigen Sache ſie geſonnen waͤhren. Das Fraͤulein gab
ihrer Fr. Mutter an/ ſie moͤchte nach des fremden und ihr gantz unbekanten Koͤniges und
ſeines Sohns Weſen Nachfrage tuhn/ damit man vor allen dingen wiſſen koͤnte/ ob ſie
auch der Wirdigkeit waͤhren/ ſich mit ihnen einzulaſſen. Dieſe Frage ſtellete die Koͤnigin
den anweſen den vor/ worauff der Kanzler antwortete; es waͤhre ihm dieſer Franken Koͤ-
nige Zuſtand zimlicher maſſen bekant/ und haͤtte er in ſeiner Jugend vor XXX Jahren ſich
eine zeitlang an des jetzigen Koͤniges Herꝛn Vaters Hofe auffgehalten/ welcher Hunno
geheiſſen/ ein vortreflicher beruͤhmter Herꝛ/ der unterſchiedliche herliche Siege von den
Roͤmern/ wie auch von den Galliern erhaltẽ/ uñ ſeine Herſchaft ſtatlich erweitert; der jetzi-
ge Koͤnig Hilderich/ waͤre zu der Zeit ein junger Herꝛ von X Jahꝛen geweſen/ an dem man
eine hohe Geburtsart verſpuͤret haͤtte; doch wuͤrde Herꝛ Bugeſla ohn zweifel von demſel-
ben ein mehres erzaͤhlen koͤnnen/ weil deſſen Sohn/ wie ihm geſagt waͤhre/ vor etlichen
Wochen aus demſelben Koͤnigreich zu Hauſe kommen. Ja/ fing Bugeſla an/ mein Sohn
Noſtriz/ welcher nunmehr VI Jahr in fremden Landen ſich auffgehalten/ und Ritterſchaff[t]
gepflogen auch vor wenig Tagen wieder fortgezogen iſt/ hat mir von dieſem Koͤnige viel
lobwirdiges geſaget/ als welcher ein ſehr Weltweiſer verſtaͤndiger Herꝛ ſey/ unerſchrocken
und gluͤkhafftig/ ein Schrecken aller ſeiner Feinde/ werde auch von ſeinen Untertahnen
wegen ſeiner ſanfftmuͤhtigen Herſchung dergeſtalt geliebet/ daß ſie alle bereit und willig
ſind vor ihn zuſterben; Er hat ſchon XII Jahr nach ſeines Vaters/ Koͤniges Hunno Ab-
ſterben das Reich loͤblich verwaltet/ und ſol einen ſchlimmen Schaden bekommen haben/
daꝛan er befuͤrchtet/ das Leben einzubuͤſſen/ wiewol die Aerzte gutẽ Troſt zur Geſundheit ge-
ben ſollen; Er hat ein junges Gemahl/ welche ihm ſchon IIX Soͤhne gezeuget/ die aber auf
den einzigen Markomir alle hingeſtorben ſind; dieſer junge Herꝛ iſt erſt von XIIX Jahren/
aber ſehr tapffer und ſtreitbar/ deſſen er beydes in- nnd auſſerhalb Reichs einen groſſen
Nahmen erwoꝛben hat/ ſol vor einem halben Jahre ſtillſchweigend mit wenig getraͤuen
Dieneꝛn aus dem Lande gezogen/ und nach Verlauff XV Wochen wieder kommen ſeyn/
aber
[197]Erſtes Buch.
aber volleꝛ Traur- und Schwermuͤhtigkeit/ ſo daß er weder bey fꝛoͤlichẽ Geſelſchaften noch
bey ritterlichen uͤbungen ſich findẽ laͤſſet/ welches doch ſider deꝛ Zeit er wiedeꝛum mag geen-
dert habẽ. Mutter uñ Tochter hoͤreten dieſer Erzaͤhlung fleiſſig zu/ uñ begehrete darauf die
Koͤnigin/ das Fraͤulein ſolte ſich vernehmen laſſen/ weſſen ſie in dieſer Sache geſiñet waͤre;
welches ſie aber zuͤchtig von ſich ablehnete; es wolte ihr als einer jungen Tochter nicht ge-
buͤhren/ ihrer gnaͤdigſten Frau Mutter hierin vorzugreiffen/ zweiffelte nicht/ dieſelbe wuͤr-
de mit den gegenwaͤrtigen Herren es reifflich uͤberlegẽ/ damit ſie wuͤſte/ was in dieſer Sa-
che ſie weiters vornehmen/ und ihrem Herr Bruder/ der nunmehr auch ihr gebietender
Koͤnig waͤhre/ davon uͤberſchreiben ſolte/ maſſen ſie nunmehr gezwungen wuͤrde/ ihrer Gn.
Fr. Mutter/ uñ anderen guten Freunden zu offenbahren/ was Geſtalt ihr Herr Bruder/
da er haͤtte hinreiſen wollen/ ſeinem verlornen Herkules nach zu forſchen/ er ſie des Abends
zuvor zu ſich allein in den Koͤniglichen Luſtgarten gefodert/ und mit hoͤchſtbewaͤglichen/
teils freundlichẽ/ teils bedraulichen worten von ihr begehret/ ſie ſolte ihm als eine getraͤue
Schweſter aͤidlich angeloben/ daß als lange er lebete/ ſie in keine Heyraht gehehlen/ vielwe-
niger dieſelbe ſchlieſſen wolte/ ehe und bevor ſie ihn deſſen berichtet/ und von ihm bruͤderli-
che Einwilligung erhalten haͤtte. Nun haͤtte ſie zwar anfangs ſich gegen denſelben gewe-
gert/ icht was von Heyrahtſachen zu reden/ weil ſie noch ein Kind/ und daran nie gedacht
haͤtte/ aber weil er ſie ſolcher Anfoderung nicht erlaſſen wollen/ haͤtte ſie ſeinem Willen ein
Genuͤgen getahn/ welches ſie auch/ umb Meynaͤid und der Goͤtter Ungnade zuverhuͤten/
auffrichtig halten und leiſten wolte. Ihre Fr. Mutter/ welche nicht wuſte/ ob dieſes ertich-
tet/ oder wahr waͤhre/ hatte daran ein gutes Wolgefallen/ wie wol/ ſich deſſen nicht merken
zu laſſen/ ſie zu ihr ſagete; ſie haͤtte nicht wol getahn/ daß ſie mit ſolcher Verheiſſung ſich
uͤberſchnellet/ und es nicht alsbald ihren Eltern angezeiget/ welche damahls ſolche Zuſage
und aͤidliche Verbindung haͤtten auffruffen und abſchaffen koͤnnen/ welches nunmehr nit
wuͤrde geſchehen duͤrffen/ zweiffelte auch ſehr/ ob einiger von den gegenwaͤrtigen Herren
darzu rahten/ uud ihres Koͤniges Ungnade wuͤrde auff ſich laden wollen. Dieſes wahr
alles das rechte Waſſer auff der Fraͤulein Muͤhle/ ſtellete ſich doch/ als waͤhre ihr die ge-
tahne aidliche Verheiſſung leid/ und ſagte; Es wuͤrde gleichwol nicht deſtoweniger ihrer
Gn. Fr. Mutter frey ſtehen/ es mit den anweſenden Herren zu berahtſchlagẽ/ ob dieſe Hey-
raht anzunehmen waͤhre oder nicht/ welches ſie alsdan ihrem Herr Bruder zuſchreiben
wolte/ deſſen Sin und Meynung ihr allerdinge unbewuſt waͤhre/ ob er dieſe Werbung
wuͤrde belieben oder verbieten; und da es ihnẽ ingeſamt alſo gefiele/ wolte ſie mit ihrer ver-
traueten und verſchwiegenen Leib-Jungfer Libuſſen gerne einen Abtrit nehmen/ und ih-
nen freyheit geben/ nach belieben zu handeln. So bald ſie in ein abgelegenes Gemach ſich
begeben hatte/ fing die Koͤnigin zu den anweſenden an; liebe getraͤue; ob ich zwar bald an-
fangs der Meynung geweſen bin/ dieſem jungen Fuͤrſten der Sikambrer und Franken
mein liebes Kind zuverſprechen/ inſonderheit/ weil Herr Bugeſla demſelben ein ſo gutes
Zeugnis nachredet/ welches ich weder vor ertichtet noch vor falſch halten kan/ ſo ſtoſſet
mich doch daß jetzige Vorbringen meines Kindes gewaltig vor den Kopff/ daß ich dem-
ſelben durchaus nichts gewiſſes zuzuſagen weiß/ ſondern ihn hinweiſen muß/ biß mein lie-
ber Herr Sohn ſeinen Willen hieruͤber erklaͤren wird. Der Kanzler Herr Bretiſla ant-
B b iijworte-
[198]Erſtes Buch.
wortete; er muͤſte bekennen/ daß der Fraͤulein Vorbringen ihm uͤber alle maſſe fremd vor-
kaͤhme/ dem er zuwiederſprechen ſich wol nimmermehr erkuͤhnen wuͤrde; nur allein be-
fuͤrchtete er ſehr/ es moͤchte der Franken Koͤnig/ ein ſehr gewalkiger und maͤchtiger Herr
dieſe Einwendung vor ein Getichte und verdeckete abſchlaͤgige Antwort halten/ woraus
dem ganzen Koͤnigreiche nichts gutes erwachſen koͤnte. Die Koͤnigin/ der dieſe Heyraht
im hertzen allerdinge zuwieder wahr/ weil ſie mit viel andern Gedanken umbgieng/ ant-
wortete ihm darauff; ſie vor ihr Haͤupt wuͤſte ihre Frl. Tochter von allen luͤgenhafften
Tichtereyen ſehr ferne ſeyn/ haͤtte auch ein kraͤfftiges Zeichen/ dz ſichs alſo verhielte; maſſẽ
als ihr Herr Sohn von ihr und dem Fraͤulein heimlichen Abſcheid genommen/ haͤtte er
dieſelbe einer getahnen Verheiſſung erinnert/ worauff ſie zur Antwort gegeben/ daß ſie lie-
ber ſterben als aidbruͤchig werden wolte. Ob aber der Franken Koͤnig ſolches vor ein Ge-
ticht achten wolte oder nicht/ ſtuͤnde nicht bey ihr/ es zu verhindern/ als durch ein aufrich-
tiges bejahen; doch wie dem allen/ ſo hoffete ſie ja nicht/ daß ſie eben ſchuldig waͤhꝛe dieſem
Koͤnige zum Gehor ſam zu ſtehen; Und was wolte er machen/ ſagte ſie/ wann mein Kind
dieſe Heyraht/ ihrer Freyheit nach/ gar abſchluͤge/ wanns mit gebuͤhrlicher Hoͤfligkeit ge-
ſchaͤhe? Der Kanzler/ dem vielleicht groſſe Verheiſſungen mochten geſchehẽ ſeyn/ be dach-
te ſich hierauff eines andern/ brachte vor/ es waͤhre ſeine Rede nicht ſo gemeynet/ auch nit
ſo weit bedacht/ wolte auch hernaͤhſt es dergeſtalt wiſſen zu uͤberlegen/ daß ſeine gnaͤdigſte
Koͤnigin daran ein gnugſam[e]s Wolgefallen haben wuͤrde. Herꝛ Pribiſla/ welcher unſeꝛm
Herkules das Fraͤulein in ſeinem Herzen ſchon zugedacht hatte/ gab dieſe Stimme: Die
geſchehene Werbung waͤhre ehrlich und dankens wert/ aber dem Fraͤulein durch brechung
ihres getahnen aͤides/ ihr Gewiſſen zu verunruhen/ wolte er nun und nimmermehr rahten;
Ja/ ſagte er/ wer weiß/ was vor hoch wichtige und dringende Urſachen unſer gnaͤdigſteꝛ Koͤ-
nig gehabt/ dieſe hochbeteurliche Verheiſſung von ſeiner Frl. Schweſter zunehmen/ wel-
che ich/ weil ich ſie ohndas nur muhtmaſſe/ in meines Hertzen innerſten lieber vertuſchen
als loßdruͤcken wil. Die Koͤnigin merkete/ daß dieſer mit ihr einerley Gedanken fuͤhrete/
wolte doch kein Wort darzu reden/ ſondern der uͤbrigen Meynung auch vernehmen; wel-
che aber mit Pribiſta gantz einig wahren/ auch einen feſten Sehluß macheten/ was vor ei-
ne Antwort dem Geſandten ſolte mitgeteilet werden/ welche dem Fraͤulein vorher anzu-
melden/ ihre Fr. Mutter auff ſich nam. Unterdeſſen erfreuete ſich das Fraͤulein mit jhrer
Libuſſen/ daß jhr dieſe Erfindung ſo wol gerahten war/ und/ wie ſichs auſehen lieſſe/ der Fr.
Mutter Herz ſchon gewonnen haͤtte; da endlich die Jungfer zu ihr ſagete: Gn. Fraͤulein/
wie komt es doch/ daß ein Warheit liebender Menſch zeit der Noht ſo gluͤklich liegen kan?
Ich halte/ es komme daher/ weil man ſich der Uuwarheit zu einem ſolchen nicht verſiehet.
Du loſer Balg/ antwortete ſie/ ſchilteſtu mich ſo kuͤhnlich vor eine Luͤgnerin? Weiſtu nit/
daß man die Nohtluͤgen mit unter die Warheiten rechnet? Doch ſihe/ habe ich nicht die
lautere reine Warheit/ ja noch viel zu wenig geredet/ nur daß vor Herkules ich meinẽ Bꝛu-
der genennet habe/ welcher aber ja auch mein Bruder/ ach ja mein herzallerliebſtes Bruͤ-
derchen und Tauſend Schaͤtzchen iſt/ mit welchem zehnmahl hundert tauſend mal tauſend
mahl tauſend Markomiren/ und wann ihr gleich noch eins ſo viel waͤhren/ ich mit nichten
vergleichen vielweniger vertauſchen kan? Die Koͤnigin trat gleich zu jhr in das Zimmer/
mache-
[199]Erſtes Buch.
machete jhr den Schluß zuwiſſen/ und befahl jhr/ daß gegen den Geſandten ſie ſich freund-
lich bezeigen ſolte/ deſſen ſie ſich willig erboht. Bey der Mahlzeit geſchahe dem ſelben nun
alle Ehre/ und wahr er gleich als verzukt uͤber der Fraͤulein Volkommenheiten/ kitzelte ſich
auch dergeſtalt in ſeiner Hoffnung/ daß er ſchon feſtiglich glaͤubete/ er wuͤrde ſeinem jungen
Großfuͤrſten die rechte Arzney mitbringen. Nach geendigtem Mahle hielt er bey dem Frl.
an/ ihm die Gnade eines abſonderlichen Geſpraͤchs zu verleihen; welches ſie mit freundli-
cher Hoͤfligkeit ablehnete/ biß die Antwort auff ſeine Werbung ihm wuͤrde erteilet ſeyn.
Des folgenden Morgens ward er wieder vor gefodert/ da der Kanzler im nahmen der Koͤ-
nigin die Dankſagung vor geſchehene ehrliebende Anwerbung wiederhohlete; und dar-
auff anzeigete/ ob zwar ihre Koͤnigl. Hocheit nichts liebers wuͤnſchete/ als dz ihꝛem freund-
lichen lieben Oheimben/ dem Großmaͤchtigſten Koͤnige der Franken und Sikambern/ uñ
deſſen Herrn Sohn dem Durchleuchtigſten Groß Fuͤrſten Herrn Markomir/ ſie eine voͤl-
lig klare Antwort erteilen und zuentbieten koͤnte/ ſo verurſachete doch ihres freundlichen
lieben Herrn Sohns Herren Ladiſlaen Abweſenheit ein wiedriges/ und zwar aus dieſem
Haͤuptgrunde/ daß das Fraͤulein demſelben/ als ihrem Herrn Bruder/ vor mehr als an-
derhalb Jahren die aͤidliche Verheiſſung tuhn muͤſſen/ daß ohn deſſen bewuſt und Einwil-
ligung ſie keine Heyrahtshandelung anſtellen/ vielweniger beſtaͤtigen oder ſchlieſſen wolte;
Krafft deren aͤidesleiſtung man nun gehalten waͤhre/ die getahne wirdige Anwerbung
demſelben in fremde Lande eiligſt zuzuſchreiben/ und gelebete man der gaͤnzlichen Zuver-
ſicht es wuͤrde an anderer Seiten nicht allein ſolche verzoͤgerung nit ungleich auffgenom-
men/ ſondern auch geduldet werden/ wann etwa uͤber verhoffen (wovon man doch daß al-
lergeringſte nicht wuͤſte) der Großmaͤchtigſte Koͤnig in Boͤhmen/ Herr Ladiſla/ ſeine gelie-
bete Fraͤulein Schweſter ſchon anderwerts ſolte verſprochen haben. Dem Geſanten
wahr dieſes eine unvermuhtliche Erklaͤrung/ ward auch ſo dutzig/ daß er nicht ein Wort
darauff antworten kunte; endlich zeigete er an/ daß er alles wol verſtanden/ haͤtte doch ge-
hoffet/ eine gluͤklichere Verrichtung zu leiſten/ und mit einer hoͤchſtannehmlichen Gewiß-
heit ſeine gnaͤdigſte Herren zuerfreuen. Worauff die Koͤnigin ſelbſt zur Antwort gab; Ge-
leiſtete aͤide verknuͤpfeten gar zu hart/ welches vor dißmahl eine naͤhere Erklaͤrung ganz nit
zulaſſen wolte/ ſolten aber die guͤtigen Goͤtter dieſe Heyraht verſehen haben/ an welcher ſie
ihres teils auff ihres Herrn Sohns Einwilligung ein gutes Genuͤgen haben koͤnte/ waͤhre
hernaͤhſt weiters hieruͤber zuhandeln/ welches ihm vordiſmahl zur ſchlißlichen Antwort
muͤſte angemeldet ſeyn/ wuͤrde es ſeinen Gnaͤdigſten Herren beſcheidentlich zuhinterbrin-
gen/ vor geſchehene gewogene Werbung zu danken/ und ihren Gruß hinwie derumb anzu-
melden wiſſen. Hierauff muſte Jungfer Libuſſa ihm eine ſtatliche ſchwere Kette/ mit ange-
bundenen Kleinot einreichen und an den Hals legen/ welche er mit untertaͤhnigſter Dank-
ſagung annam/ hoͤrete auch gegenwaͤꝛtig an/ daß die Koͤnigin ihrem Reichs Kanzler befahl
eine gehoͤrige Antwort auff den eingelieferten Beglaͤubigungs-Brieff auffzuſetzeu/ und
dem Herꝛn Geſanten nach Verlauff einer Stunde einhaͤndigen zulaſſen/ damit derſelbe
an ſeiner Reiſe nicht gehindert noch auffgehalten wuͤrde. Klogio hoͤrete ſolches ungerne/
und zeigete an/ es beſtuͤnde ſeine Reiſe nicht auff ſolcher Eilfertigkeit/ und baht umb Frey-
heit/ noch etliche Tage ſich hieſelbſt auffzuhalten; welches jhm dann ganz willig gegoͤnnet
ward.
[200]Erſtes Buch.
ward. Dieſen ganzen Tag ſchlug dieſer ſich mit Grillen/ lies ſich auch entſchuldigen/ bey
der Koͤniglichen Mahlzeit zuerſcheinen/ aber des folgenden Morgens hielt er abermahl
umb ein abſonderliches Geſpraͤch bey dem Fraͤulein an/ welches auff ihrer Fr. Mutter
Bewilligung ſie ihm goͤnnete. Da er nun auf ihr eigenes Zimmer zu jhr kam/ und daſelbſt
keinen weiblichen Zierꝛaht/ ſondern Bogen/ Pfeile/ Schwerter/ Harniſch und allerhand
Pfer dezeug ſahe/ wundeꝛte er ſich deſſen nicht wenig/ nam auch daher urſach/ das Fraͤulein
alſo anzureden; Wann ich nicht ſo eigen wuͤſte/ Durchleuchtigſtes Fraͤulein/ daß ich auff
dem Koͤniglichen Boͤhmiſchen Schloſſe zu Prage bin/ wuͤrde ich dieſes Zimmer vor mei-
nes gnaͤdigſten Großfuͤrſten des unvergleichlichen Helden Markomir ſeine Gewehrkam-
mer halten/ auff welcher von ſeiner Durchl. ich Abſcheid nam/ als er mich hieher ſendete/
umb dieſelbe Arzney jhm zuſuchen/ ohn welche ſeine faſt ausgehellichte Seele auſſer allem
Zweiffel den wolgebildeten Leib bald verlaſſen wird; Ja/ Durchl. Fraͤulein/ glaͤubet/ bitte
ich/ meiner Rede/ welche derſelben vorzutragen ich ſtark befehlichet bin/ daß nemlich hoͤchſt-
gedachter mein gnaͤdigſter Großfuͤrſt durch das aller durch dringendeſte Feur eureꝛ wun-
derſchoͤnen Auͤgelein in ſeiner Seele und allen Empfindligkeiten dergeſtalt entzuͤndet iſt/
daß die hitzige Glut ihn bald verzehren und zu Aſche verbrennen wird/ dafern ihm nicht
durch eben daſſelbe raht geſchaffet werden ſolte/ was ihn ſo hart verletzet hat. Ach gnaͤdig-
ſtes Fraͤulein/ gebet/ bitte ich/ nicht zu/ daß derſelbe der Wuͤrmer Speiſe werde/ der ſich zu
ihren gehorſamſten Dienſten verlobet hat/ und gebrauchet euch eurer angebohrnen Frey-
heit/ welche eurem Herꝛ Bruder keine Herꝛſchafft uͤber Eure Durchl. gegeben hat; ob
dann gleich mein gnaͤdigſtes Fraͤulein in ihren kindlichen Jahren demſelben aus Unver-
ſtande einen ſolchen aͤid geleiſtet haben moͤchte/ ſo iſt doch dieſelbe meines ermaͤſſens daꝛan
mit nichten gebunden/ inſonderheit/ da derſelbe in fremden abgelegenen Landen ſich auff-
haͤlt/ ſo daß man nicht eins weiß/ an was Ort und Enden deſſen Durchl. mag anzutreffen
ſeyn. Er hatte dieſe Worte kaum ausgeredet/ da klopffte eine des Frauenzimmers an die
Tuͤhr/ welche das Fraͤulein/ weil ſie gar allein bey jhm wahr/ aufmachete/ und etliche fꝛem-
de Diener ſtehen ſahe/ ſo vier ſchwere Laden herzu getragen hatten/ lieferten auch dieſelben/
als haͤtten ſie deſſen gute Freyheit/ gar auff das Gemach; welche Kuͤhnheit jhr nicht wenig
zu hertzen ging/ ſo daß ſie ſich nicht enthalten kunte/ zu fragen/ auff weſſen Geheiß ſie ſolches
zu tuhn ſich unterſtuͤnden. Welches Klogio der Geſandte alſo beantwortete: Durchl. Frl.
es uͤberſendet mein gnaͤdigſter Großfuͤrſt/ Herꝛ Markomir deroſelben ein geringes Zeichẽ
ſeiner Ergebenheit/ untertaͤhnig bittend/ dieſelbe ſolches mit gnaͤdiger Gewogenheit an-
nehmen/ und dadurch ſein nohtleiden des Hertzetwas beruhigẽ wolle. Herꝛ Geſanter/ ant-
wortete ſie mit einem Ernſte/ ſeyd ihr auff euer erſtes Anbringen einer Antwort von mir
gewaͤrtig/ ſo laſſet alsbald dieſe eure unhoͤflichen Diener alle herzugetragene Sachen wie-
der hinweg in eure Herberge bringen biß auff weiteren Beſcheid/ dann es muͤſſen ſolche
unhoͤfliche Geſellen wiſſen/ dz jhnen nicht erlaͤubet ſey/ ohn meine ausdruͤkliche Zulaſſung/
dieſes mein Zimmer zubetreten/ vielweniger mich ſo veraͤchtlich zuhalten/ daß auff meine
Frage ſie mich nicht eins einer Antwort gewirdiget; Werdet ihr aber ſolches nicht ſchaf-
fen/ werde ich ſchon die rechte Zeit wiſſen/ mich deſſen bey eurem Großfuͤrſten zu beſchwe-
ren. Klogio entſetzete ſich hieruͤber/ und mit einem Wink gab er ſeinen Dienern zuverſte-
hen/
[201]Erſtes Buch.
hen/ daß ſie ohn Auffſchub mit allen Sachen wieder hingehen muſten/ daher ſie kommen
wahren. Hernach fiel er in die flehe/ und baht mit einem Fußfalle umb gnaͤdige Verge-
bung/ einwen dend/ daß er den groben Toͤlpeln ſolche Frecheit nicht befohlen haͤtte/ er auch
dieſelben/ da Ihre Durchl. es begehreten/ deswegen am Leben ſtraffen wolte. Das Fraͤu-
lein richtete ihn freundlich auff/ und antwortete ihm: Aus ſeinen Reden erkennete ſie ſeine
Unſchuld/ und ſolte hiemit alles vergeben und vergeſſen ſeyn; bald hernach gab ſie ihm zu
vernehmen/ wie ſie nicht unwillig waͤhre ſein Vorbringen zubeantworten/ nur moͤchte ſie
zuvor von ihm gerne berichtet ſeyn/ ob ſein Großfuͤrſt Herꝛ Markomir ſie dann geſehen
haͤtte/ wie aus ſeinen Reden ſie nicht anders muhtmaſſen koͤnte. Ja/ gnaͤdigſtes Fraͤulein/
antwortete er/ es wolle/ bitte ich/ Eure Durchl. ſich gn. erinnern/ daß vor ungefehr neun
Wochen deroſelben ein junger Ritter mit einem Purpur Reit Rocke und langem weiſſen
Federpuſche im Gehoͤltze auff der Jagt ohngefehr begegnet/ ſie freundlich gegruͤſſet/ und
gefraget/ ob ſein Weg recht nach Prag zuginge; Worauff ſie jhm mit einem kurtzen Ja
geantwortet/ und ohn verweilen dem Wilde nachgeeilet. Es kan ſeyn/ antwortete ſie/ wie-
wol ich mich deſſen kaum erinnere. Iſt aber derſelbe euer Großfuͤrſt geweſen? Ja/ ſagte
er; und hat deſſen Durchl. ſich darauff XII Tage in Prag als ein ſchlechter Ritter auffge-
halten/ auch taͤglich Gelegenheit geſucht/ ihr allerliebreizendeſte Angeſicht zuſehen/ woruͤ-
ber eꝛ vor unleidlicher Liebeshitze in eine gefaͤhrliche Krankheit gerahten iſt/ daß er ſich alſo
ſchwach hat muͤſſen laſſen nach ſeiner Heymat hinfuͤhren/ iſt auch ſider dem nicht geneſen/
ſondern des ſteiffen Vorſatzes verblieben/ ſeinem Kummer durch den Tod die Endſchaft
zugeben; biß der Koͤnig ſein Herꝛ Vater durch einen jungen aͤdelman/ welchen der junge
Großfuͤrſt hefftig liebet/ die Urſach ſeiner Schwacheit in Erfahrung gebracht/ und ihn
heiſſen gutes muhts ſeyn/ unter der verheiſſung/ durchaus nichts zu ſparen/ biß er ihm die-
ſe wirdige Heyraht haͤtte zuwege gebracht/ ob er gleich ſeingantzes Vermoͤgen dran ſetzen
ſolte. Sehet/ Gnaͤdigſtes Fraͤulein/ einen ſolchen inbruͤnſtigen Liebhaber hat dieſelbe an
meinem Gnaͤdigſten Großfuͤrſten/ welcher meines ermaͤſſens verdienet/ daß durch Euer
Gn. Beguͤnſtigung ſein Leben gerettet und dem fruͤhzeitigen Tode entriſſen werde. Es
muͤſte mir ſehr leid ſeyn/ antwortete das Fraͤulein/ daß ein ſo ruhmwirdiger Fuͤrſt meinet
wegen einiges Ungemach erleiden ſolte/ weiß auch wol/ daß meine ganz geringe Schoͤn-
heit der Wirkung nicht iſt/ einen ſolchen Fuͤrſten in Liebes Leyden zu ſtuͤrzen/ ſondern eine
falſche Einbildung/ oder ſonſten ein ſchaͤdlicher Zufal muß dieſes bey ihm verurſachet ha-
ben. Doch wie dem allen/ ſo vernehmet/ Herꝛ Geſanter/ meine Gewiſſens-noͤhtige Ant-
wort auff euer erſtes vorbringen. Ihr rahtet mir/ ich ſolle meiner angebohrnen Freyheit
mich gebrauchen/ und wollet mir zugleich einbilden/ der meinem Herꝛ Bruder von mir ge-
leiſtete aͤid verbinde mich nicht zum gehorſam deſſen/ was ich ſo teur verſprochen habe.
Zwar es mag der Herꝛ Geſandter/ angeſehen meine Jugend und weibliches Geſchlecht/
mich vor ſo unverſtaͤndig halten/ als wuͤſte ich dieſem ſeinen Vorbringen nicht mit guͤlti-
ger Wiederlegung zu begegnen; und geſtehe ich gerne/ daß meine Einfalt vielleicht nicht
ſihet/ was verſtaͤndigere ſehen; aber daß ich gleichwol nicht gar in der Maulwurffs-blind-
heit liege/ wird verhoffentlich meine kurtze Antwort in etwas Anzeige tuhn. Der Herꝛ Ge-
ſanter erinnert mich meiner Freyheit/ die ich Gott Lob von meiner Geburtsart habe; Ja
C cich
[202]Erſtes Buch.
ich erinnere mich derſelben ohndas ſelbſten/ wolte ſie auch nicht umb aller Welt Gut ver-
tauſchen/ aber dieſelbe heiſſet mich nicht/ meines Herꝛn Bruders (welcher nunmehr auch
mein gebietender Koͤnig iſt) wolgemeyneten recht bruͤderlichen Willen (deſſen ich gantz
gewiß bin) zuverachten/ oder vor nichts zu ſchaͤtzen/ ſondern meine Vernunfft heiſſet mich
vielmehꝛ meine angebohrne Freyheit allemahl mit dem Zucht- und Tugendſtabe zu maͤſ-
ſen/ und auſſer derſelben keine freyheit zu begehren. Ja Herꝛ Geſanter/ ich gebrauche mich
meiner freyheit recht und gebuͤhrlich/ indem ich mich von demſelben nicht bereden laſſen
wil/ etwas zubegehren/ das nicht aus freyheit/ ſondern aus frecheit entſpꝛingen wuͤrde/ wañ
ichs taͤhte. Dann ſehet weiter/ ihr woltet mir gerne/ weiß nicht durch was vor einen nichti-
gen blauen Dunſt/ einbilden/ ich waͤhre nicht ſchuldig meinen geleiſteten hoch beſchwornen
aͤid zu halten; dann es waͤhre in kindlichen Jahren geſchehen/ es waͤhre aus Unverſtande
geſchehen/ und mein Herꝛ Bruder und Koͤnig waͤhre nicht anheimiſch/ ſondern in frem-
den Landen. Gnug laſſet ihr euch dadurch vernehmen/ daß ihr mich vor eine unverſtaͤndi-
ge haltet/ davor ihr mich ausdruͤklich ſcheltet/ und ich eurem Verſtande zu gute halte; A-
ber heiſſet nach dieſem eure Kinder die aͤide brechen/ welche man Goͤttern aus wolbedach-
tem Muhte ſchwoͤret/ und nicht mich/ die ich von Jugend auff von meinen lieben Eltern
zur Gottesfurcht angewieſen bin/ keiner Goͤtter zu ſpotten/ ſondern lieber zu ſterben/ als wi-
der dieſelben zu ſuͤnoͤigen; Ja wagets vor euch ſelbſt/ und brechet die Geluͤbde den Goͤttern
getahn/ ich werde euch in dieſer Lehre nimmermehr folge leiſten; Habe ich dann in kindli-
cher Jugend den aͤid abgeſtattet/ ſo habe ichs doch/ ohn Ruhm zu melden/ wol verſtanden/
was ein aͤid nach ſich fuͤhret/ und haͤtte ichs aus Unverſtande getahn/ ſo wuͤrde gleichwol
dieſe Zeit her derſelbe in etwas verringert ſeyn/ da ich jhn noch dieſe Stunde vor verbind-
lich halte/ und biß an meines Lebens Ende halten wil. Daß aber mein Herꝛ Bruder nicht
hier bey uns iſt/ ſo wuͤrde mich ein ſolches von dem Meinaͤide nicht befreyen/ ſo lange ihr
mir nicht dartuhn koͤnnet/ daß die Goͤtter auch nicht bey uns ſeyn/ bey welchen ich geſchwe-
ren habe. Klogio wahr durch dieſe Antwort dergeſtalt beſchaͤmet/ daß er kein Wort dawi-
der reden kunte; endlich noch fing er an: Durchl. Fraͤulein/ iſt etwa ein verflogen unbe-
dachtſam Wort aus meinem Munde mir entwiſchet/ daß ich aus Kummer uͤber meines
Durchl. Großfuͤrſten elenden Zuſtand nicht alles ſo genaue uͤberlegen kan/ bitte ich unter-
taͤhnigſt/ mir ſolches gnaͤdigſt zu verzeihen; Und nachdem ich einen ſolchen hohen Ver-
ſtand bey Eurer Durchl. Jugend finde/ welcher in wenig grauen Haͤuptern zu ſuchen iſt/
ſo flehe dieſelbe ich durch alle Goͤtter an/ vor meinen faſt leztzuͤgigen Großfuͤrſten eine heil-
ſame Arztney mir gnaͤdigſt mitzuteilen. Solte euer Großfuͤrſt meinet wegen in einige Un-
gelegenheit gerahten ſeyn/ ſolches wuͤrde mich nicht wenig bekuͤmmern/ ſagte ſie; und iſt
es euch ein Ernſt/ bey mir Raht zu ſuchen/ ſo wil nach meinem geringen Verſtande ich
euch einen ſolchen mitteilen/ welchen verhoffentlich kein Verſtaͤndiger tadeln/ und kein
Menſch verbeſſern wird. Unterrichtet euren Fuͤrſten/ oder fuͤhret jhm zu Gedaͤchtniß/ daß
ein jeder/ er ſey Fuͤrſt oder Baur/ ſeinen Willen in der Goͤtter Willen hinſtellen/ und mit
deren Schickung allemahl friedlich ſeyn muͤſſe/ ſo daß wider deren Verſehung er nichts
begehren ſol; Hat nun der Himmel mich dieſem euren Großfuͤrſten zum Gemahl auser-
ſehen/ alsdann werden die Goͤtter es fuͤgen/ daß mein Herr Bruder ſich dagegen nit ſper-
re;
[203]Erſtes Buch.
re; wuͤrden aber die Goͤtter mit eurem Großfuͤrſten/ wie auch mit mir ein anders vorha-
ben/ als dann wird unſer keiner den Himmel ſtuͤrmen/ noch den Schluß der allwaltigen
Verſehung brechen koͤnnen; ich meines teils verſichere den Herrn Geſanten/ daß kraft
meines getahnen aͤides ich nicht anders fahren kan noch wil/ ſondern lieber tauſend See-
len/ wann ich ſie haͤtte/ mit meinem Blute außſpeyen/ als mich in der Goͤtter ſchwere und
unvermeidliche Ungnade ſtuͤrtzen. O ein guter und heilſamer Raht vor einen vernunfft-
maͤchtigen Menſchen/ antwortete Klogio/ aber wo die Liebesbegierden die Herſchaft fuͤh-
ren/ da hilfft er zu nichts/ als zum ſchleunigen Verderben. So muß auch ein Menſch lie-
ber verderben/ als wider die Goͤtter ſich aufflehnen/ antwortete ſie/ und iſt dieſer Raht eu-
rem Großfuͤrſten nicht behaͤglich/ muͤſſet ihr euch nach einem beſſern umtuhn/ aber danebẽ
wiſſen/ daß wann eures Koͤniges von euch angefuͤhrete Reden/ zur Bedraͤuung ſolten ge-
meynet ſeyn/ nehmlich/ er wolle ſein gantzes Vermoͤgen dran ſetzen/ mich ſeinem Sohn zu
liefern; ſage ich euch zu/ daß eures Koͤniges Vermoͤgen/ ja der ganzen Welt Macht nicht
ſtark gnug ſey/ mich von der Goͤtter gehorſam abzuſchrecken/ als lange ich ſolcher Gottlo-
ſigkeit durch einen ruhmwirdigen ehrlichen Tod vorkommen kan; und wil auff ſolchen un-
verhoffeten fall euch gewißlich nicht bergen/ daß gleichwol hinter dem Berge auch Leute
wohnen. Wil nun euer Koͤnig weißlich handeln/ wie er ja wegen ſeiner vorſichtigen Klug-
heit hochberuͤhmet iſt/ ſo wird er meines Herꝛn Bruders Erklaͤrung erwarten/ ob gleich
dieſelbe ſich in etwas verweilen duͤrffte/ inſonderheit/ weil wir beyderſeits noch ſo zu rech-
nen Kinder ſind/ und zu heyrahten Zeit genug vor uns haben; Dieſes iſt meine Erklaͤrung/
dabey bleibe ich beſtaͤndig biß in den Tod. Ich muß mich damit befriedigen laſſen/ antwor-
tete er/ wie wenig Troſt auch mein Fuͤrſt daraus zuſchoͤpffen hat/ nur wolle Eure Gn. mei-
nes Koͤniges erbieten gegen ſeinen lieben Sohn nicht gefaͤhrlich ausdeuten. Eines aber
hoffe ich noch zuerhalteu/ daß Eure Durchl. dieſes von dero ergebenem Knechte geſchrie-
bene Brieflein gnaͤdig anzunehmen jhr werde gefallen laſſen; mit welchem Worte er ſol-
ches einzuliefern bedacht wahr; deſſen ſie ſich aber alſo wegerte: Es wil einem zuͤchtigen
Fraͤulein nicht anſtehen/ hinter ihrer Fr. Mutter Wiſſen von jungen verliebeten Fuͤrſten/
Briefe zu nehmen/ aber wann er mir ſolchen in dero Gegenwart darbeut/ und ihr Befehl
mit zuſtimmet/ bin ich darzu willig. Muſte alſo der gute Klogio auch hieſelbſt einen bloſſen
ſchlagen/ und das Schreiben zuruͤk halten/ weil er ausdruͤklichen Befehl hatte/ es ihr in
geheim beyzubringen; Und als er ſahe/ daß durch weitere Anſtraͤngung er die Sache nur
verderben wuͤrde/ brach er nach kurzgenommenem Abſcheid des folgen den Tages auff/ voll
Unmuht/ daß er weniger als nichts verrichtet hatte. Sein Abzug wahr allen angenehm/
und geboht die Koͤnigin auf der Fraͤulein begehren/ den Boͤhmiſchen Herren/ welche hieꝛ-
umb Wiſſenſchafft trugen/ ganz ernſtlich/ daß ſie keinen Menſchen davon ſagen ſolten.
Auff den angeſetzeten Reichstag erſchienen die Staͤnde willig/ denen die Koͤnigin durch
Herr Bretiſla ihren Kanzler vortragen ließ: es haͤtte ihr lieber getraͤuer Wenzeſla ihren
Sohn Herꝛ Ladiſla ohngefehr zu Rom angetroffen/ da er deſſelben Tages neben ſeinem
bruͤderlichen Freunde Fuͤrſt Herkules einen gefaͤhrlichen Kampff wieder XVI Raͤuber an-
getreten/ aber durch ihre Mannheit/ wiewol nicht ohn empfangene Wunden ſich loßgear-
beitet. Zwar ſie haͤtte an ihren Herꝛ Sohn inſtaͤndig begehret/ daß er ſich ehiſt einſtellen/
C c ijund
[204]Erſtes Buch.
und die Herſchafft antreten moͤchte/ aber die Urſach ſeines auſſenbleibens wuͤrden ſie aus
ſeinem Schreiben ſelbſt vernehmen. Hierauff zohe die Koͤnigin das groͤſſere Schreiben
hervor/ und reichte es dem Kanzler/ welcher es uͤberlaut laſe/ daß alle Anweſende es deut-
lich vernehmen kunten:


Ladiſla/ Erbkoͤnig in Boͤhmen/ entbeut der Großmaͤchtigſten Fuͤrſtin und Frauen/ Frauen Hei-
dewieg/ gebohrner Groß-Fuͤrſtin aus Teutſchland/ gekroͤneter verwittibter Koͤnigin in Boͤhmen/ ſei-
ner Gn. Fr. Mutter/ Kindliche Liebe und Traͤue bevor. Herzgeliebte Fr. Mutter/ euer Schreiben ne-
ben uͤbergeſchtkten Kleinoten und Wechſelbriefen habe ich von Zeigern Wenzeſla wol empfangen/ be-
danke mich kindlich der geleiſteten muͤtterlichen Traͤue/ und iſt mir herzlich leid/ daß mein Gn. Herr
Vater/ Herr Noteſterich/ Koͤnig in Boͤhmen/ dieſe Welt geſegnet/ und durch einen leidigen Unfall ſei-
nen Untertahnen/ Gemahl und Kindern von der Seite hinweg geriſſen iſt/ empfinde doch daneben ei-
nen ſonderlichen Troſt aus obgedachtem Schreiben/ daß das gantze Koͤnigreich der Woltahten mei-
nes Herꝛn Vaters hoͤchſtſeel. eingedenke/ mich ihren angebohrnen Reichs Erben von Herzen wuͤnſchẽ/
und zu ihren Koͤnig zu kroͤnen begierig ſind/ welches zeit meines Lebens mit ſonderlichen Gnaden zu
erkennen ich mich ſchuldig befinde. Als ich aber ein hartverbindliches Geluͤbde in meinen aͤuſſerſten
Noͤhten dem hoͤchſten Gott Jupiter geleiſtet/ daß zur Dankbarkeit vor die erwieſene Huͤlffe ich ſeine
Kirche in Libyen zum Jupiter Hammon genennet/ beſuchen wolte/ und daher in meinem Gewiſſen
nicht ruhig ſeyn kan/ biß ich mein verſprochenes Opffer daſelbſt gegenwaͤrtig geleiſtet/ ſo zweiffelt mir
nicht/ es werde meine Fr. Mutter und die ſaͤmtlichen loͤblichen Staͤnde meines Erb Koͤnigreichs ihnẽ
ſolches gefallen laſſen/ inſonderheit/ weil der Durchl. Großfuͤrſt Herkules auff mein bittliches Anſu-
chen mich dahin begleiten wird. Weil ich dann nicht wiſſen kan/ wie bald meine Reiſe moͤchte geendi-
get werden/ und dannoch inzwiſchen das Koͤnigreich ein gegenwaͤrtiges Haͤupt haben muß/ als wird
meine Fr. Mutter mit Zuzihung der groͤſſeſten Landes Herren (die im eingeſchloſſenẽ Zettel nahmhaf-
tig gemacht) die Reichsverwaltung biß dahin getraͤulich handhaben/ daß auff meine (ſo die Goͤtter
wollen) Wiederkunfft/ dem gantzen Reiche deßwegen gebuͤhrliche Rechenſchafft koͤnne gegeben wer-
den; im fall aber der Tod mich uͤbereilen ſolte/ iſt meine geliebte Frl. Schweſter/ Frl. Valißka/ die naͤ-
heſte Erbin/ deſſen ſie mit keinem Rechte mag beraubet werden. Jedoch getraue ich den gütigen Goͤt-
tern/ ſie werden inwendig zweyer Jahre friſt mich wiederumb nach Hauſe bringen. Die maͤchtigen
Ruͤkhalter unſers Koͤnigreichs (da innerliche Empoͤrung oder aͤuſſerlicher Krieg entſtehen wuͤrde)
weiß meine Fr. Mutter ohn mein erinnern/ nehmlich den Großmaͤchtigſten Groß Fuͤrſten der Teut-
ſchen/ Herrn Henrich/ wie auch den Großmaͤchtigſten Koͤnig in Schweden Herrn Haron/ welche auff
begehren ihnen keine Huͤlffe verſagen werden. Empfehle hiemit mein geliebtes Reich/ Fr. Mutter
und Frl. Schweſter dem Schutz aller Goͤtter. Gegeben in Rom am XXIX Tage des Jenners/ an
welchem Tage vor XXV Jahren meine Eltern ihr Koͤnigliches Verloͤbniß auff dem Schloſſe zu
Prag gehalten. Ladiſla.


Nach verleſung lies die Koͤnigin den Brieff in der Verſamlung umbher reichen/
nicht allein die Hand und das Pitſchafft/ zuerkennen/ ſondern es auch ſelbſt durch zuleſen/
deſſen ſie ſich alle wegerten/ als welche an der Koͤnigin Aufrichtigkeit nicht zweiffelten/ auf-
ſer einer/ nahmens Herr Niniſla/ beſahe es hinten und fornen/ laſe und wiederlaſe es/ und
ſtellete ſich dabey zimlich ungeberdig/ welches den meiſten Anweſenden ſehr uͤbel gefiel/ daß
endlich Herr Krokus/ der ihm am naͤheſten ſaß/ zu ihm ſagete; Ob er etwas Zweiffel haͤtte/
moͤchte ers ihm nur in vertrauen andeuten. Dieſer antwortete/ es koͤnte ſolches hernach
geſchehen/ nur moͤchte man den Nebenzettel ſehen laſſen/ auff welchem die Reichs Raͤhte
verzeichnet ſtuͤnden. Es ward ſolches alsbald geleiſtet/ und befunden ſich dieſe Nahmen:
Herr Bretiſla wiederbeſtaͤtigter Reichskanzler/ Herr Zeches/ Herr Wlodimir/ Herr
Vorich
[205]Erſtes Buch.
Vorich/ Herr Bela/ beſtaͤtigte Land-Kriegs- und Schaz Raͤhte; Herr Krokus/ Herr Bu-
geſla/ Herr Staniſla/ Beyſitzer. Niniſla hatte gehoffet/ mit unter dieſer Anzahl zu ſeyn/
und als er ein wiedriges befand/ hielt er an/ daß etliche von der Ritterſchafft/ welche er
mit Nahmen nennete/ einen Abtrit mit ihm nehmen moͤchten. Es ward ihm ſolches gerne
erlaͤubet/ weil die benenneten ſich nur auff XIV Haͤupter erſtraͤcketen/ unter welchen ſeyn
Sohn Uriſla mit wahr. Als dieſe von den andern abgeſondert ſtunden/ fing Niniſla alſo
an: Ihr meine liebe Herren und Anverwanten/ was duͤnket euch bey dem abgeleſenen
Schreiben? Es iſt zu Rom geſchrieben/ bey unſern und aller freien Koͤnigreichen abgeſa-
geten Feinden; es iſt ein Befehlſchreiben an alle Staͤnde von einem der noch nicht zur
Kron befodert iſt; der Urſchreiber ſetzet nach freiem Willen Vorſteher des Landes/ und
fraget die Staͤnde nicht eins/ da er ſelbſt noch zur Zeit weder Stand noch Haͤupt iſt. Uber
daß komt mir das Schreiben an ſich ſelbſt ſehr verdaͤchtig vor/ und klinget in meinen Oh-
ren nicht anders als haͤtte Bretiſla der ſtoltze Mann es ſelbſt auffgeſetzet; welches ich umb
ſo viel mehr vor wahr halte/ weil vor wenig Tagen mir ein reitender Bohte auß Rom be-
gegnet/ welcher auff meine Nachfrage nach neuen zeitungen/ mich unter anderen berichte-
te/ es waͤhren zween junge fremde Ritter vor weniger Zeit in Rom von XVI Haͤſchern ni-
dergemacht/ welche von dem Kaͤyſer befehlichet geweſen/ dieſelben als feindliche Kund-
ſchaffter gefaͤnglich anzunehmen/ weil ſie aber ſich nicht ergeben wollen/ waͤhren ſie alſo ni-
dergeſtoſſen. Was wollen wir nun tuhn/ ihr meine Freunde/ wollen wir ſchweigen oder
reden? wollen wir das Vaterland verrahten oder retten? Zwar unſere Macht iſt gerin-
ge/ aber gebet mir Volmacht zu reden/ und ſtehet feſt bey mir/ was gilts/ wir wollen den
Strik zureiſſen/ damit man uns feſſeln wil. Niniſla wahr bey dieſer Rotte in groſſem
Anſehen/ und daͤuchte ſie ſein Vorbringen der Wahrheit gemaͤß/ daher ſie ihm allen Bey-
ſtand verhieſſen; er aber alsbald Freyheit zu reden von der Koͤnigin begehrete. Der Kanz-
ler wuſte daß er ein Unruhiger und Ehrgeiziger Menſch wahr/ redete mit der Koͤnigin/
und auff deren Gutheiſſen antwortete er alſo: Ihr begehret gehoͤret zu werden/ Herr
Niniſla/ und ſeid ſo kuͤhn geweſen/ in gegenwart unſer allergnaͤdigſten Koͤnigin und der
Durchl. Fraͤulein/ etliche eurer Anverwanten auffzufodern/ und mit denen einen abſon-
derlichen Rahtſchlag zu halten/ noch ehe dann unſere allerſeits hoͤchſtgebietende Koͤnigin
alle Notturfft vorgetragen hat. O ſehet euch ja vor und machet euch nicht ſelbſt Ungele-
genheit; habt ihr aber etwas anzumelden/ ſo laſſet zuvor alles ungeſtoͤret geſchehen/ was
unſere gnaͤdigſte Koͤnigin zu handeln willens iſt. Alſo muſte dieſer ruhen/ und zuvor an-
hoͤren was der Alte wenzeſla auff der Koͤnigin Befehl muͤndlich vortrug; er haͤtte auff
gut Gluͤk ſeinen Weg auff Rom genommen/ weil ihm ſein Herz zugetragen/ ſein Koͤnig
wuͤrde daſelbſt anzutreffen ſeyn/ welcher ihm auch bey ſeinem Einzuge in der Stad/ auff
der Gaſſen nebeſt Fuͤrſt Herkules begegnet/ und ihn mit ſich in ihre Herberge gefuͤhret/ da
ſie bald darauff von XVI Dieben mit Schwertern uͤberfallen waͤhren/ haͤtten ſie aber duꝛch
ihre Krafft alle nidergeſchlagen/ und durch fleiß eines beruͤhmten Arztes nahmens Gale-
nus/ waͤhren ſie an ihren Wunden geheilet/ welche ganze Zeit uͤber er ihnen auffgewartet/
biß ſie thre voͤllige Geſundheit erlanget/ und zu einer weiten Reiſe ſich fertig gemacht haͤt-
ten; ihr damahliger Roͤmiſcher Wirt hieſſe Sabinus/ wohnete nicht weit von der Kirche
C c iijPantheon/
[206]Erſtes Buch.
Pantheon/ woſelbſt alles vorgelauffen waͤhre; bey dem koͤnte man ſich erkunden/ und ſtuͤn-
de er hieſelbſt/ den abſcheuhlichſten Tod zu leiden/ wo ſichs anders verhielte. Niniſla be-
gunte von ſeinem Gewiſſen geaͤngſtet zu werden/ welches ihm Krokus ruͤhrete/ da nach
Wenzeſla gehaltener Rede er ihn traͤulich warnete/ ſich wol vorzuſehen/ um weitern Ver-
dacht zu meyden; er wuͤſte daß ihm ſchon ungleiche Nachrede erwachſen waͤhre/ darumb
daß er den Koͤnig auff die Jagt gelocket/ woſelbſt er erſchlagen worden. Niniſla ſagte zu
ihm/ er wolte ihm bald Genuͤgen tuhn; ſtund auff und meldete dem Kanzler an/ er und an-
dere mit ihm/ waͤhren ihres zweiffels durch des alten Außreiters Erzaͤhlung entnommen/
daß er nichts vorzutragen haͤtte/ nur dz er hoffen wolte/ man wuͤrde einen redlichen Freund
des Vaterlandes ſeiner Freyheit nicht berauben/ bey Reichsverſamlungen etwas vorzu-
tragen/ dann ob er gleich in keinen Reichsamteꝛn ſaͤſſe/ lieſſe er dannoch ohn Ruhm zumel-
den/ ihm des Landes Wolfahrt ja ſo eiferig/ als ein ander/ angelegen ſeyn. Daran handelt
ihr recht und loͤblich antwortete der Kanzler/ und wann mit etliche tauſend Kronen ich
mich von meinem muͤhſeligen Ampte loßkaͤuffen koͤnte/ wolte ich ſolches mit freuden tuhn.
Jener taht/ als ginge ihn dieſe Rede nicht an/ ſondern wendete ſich zu Krokus/ und gab
vor; daß er ſeinen Weyland gnaͤdigſten Koͤnig auff die Jagt geruffen/ waͤhre auff deſſen
außdruͤklichen Geheiß geſchehen/ und da jemand deßwegen ichtwas auff ihn zu ſprechen
haͤtte/ ſolte er ſolches mit recht tuhn/ alsdan wolte er demſelben redlich zubegegnen wiſſẽ;
koͤnte aber dannoch nicht unterlaſſen/ es ſeuffzend zu beklagen/ daß das Reich einen/ und
doch keinen Koͤnig haͤtte; doch was die geſamten Staͤnde vor gut achten wuͤrde/ ſolte ihm
mit gefallen. Dieſelben nun/ nach kurzer beredung/ befahlen der Koͤnigin die oberſte Auff-
ſicht/ und den acht genenneten Herren die Mitherſchafft; als ſie auch vernahmen/ daß viel-
leicht ihr Koͤnig noch wol zu Padua ſeyn moͤchte/ oder zum wenigſten daſelbſt unter den
Tohren Nachricht verlaſſen haͤtte/ welchen Weg er eigentlich genommen/ beſchloſſen ſie/
etliche ihres mittels dahin zu ſenden; zu welcher Reiſe dann Herr Niniſla ſich gutwillig
anerboht/ aber den Beſcheid bekam/ die Koͤnigin mit zuziehung der Herren Reichs Raͤhte
wuͤrden ſchon waͤhlen/ welche ſie darzu duͤchtig erkenneten da es ihn ſo bald als einen an-
dern treffen koͤnte. Als nun die ganze Verſamlung vonein ander gehen wolte/ deutete ein
alter vornehmer Herr/ nahmens Pribiſla an/ er haͤtte der hochanſehnlichen Verſamlung
etwas guter Meynung vorzutragen/ da er ſonſt koͤnte gehoͤret werden; und auff erlaͤubnis
fing er alſo an: Hochaͤdle Herren und Freunde/ wir tuhn recht und wol/ daß wir unſerm
Erbkoͤnige/ dem Durchleuchtigſten Fuͤrſten und Herren/ Herren Ladiſla/ durch Abgeſan-
ten unſern Gehorſam und untertaͤhnigſte Dienſte anmelden wollen/ welches auch ſeine
Durchl. ohn zweiffel gnaͤdigſt annehmen und außdeuten wird; aber ihr meine Herren/
auff was Art und Weiſe wollen wir ſolches verrichten? iſts etwan gnug/ daß die kuͤnfftige
Herren Abgeſanten/ wer ſie dann ſeyn werden/ ihre Werbung muͤndlich vortragen/ oder
etwa ein Schreiben/ von unſer allerſeits gnaͤdigſten Koͤnigin/ und den hochanſehnlichen
Herren Reichs Raͤthen verſiegelt und unterzeichnet/ zum Beweißtuhm mit ſich nehmen?
Solches wird ja niemand vor gut halten/ der nur bedenket/ daß unſer Herr und Koͤnig nit
zu Prag auff dem Schloſſe/ noch in Teutſchland bey ſeiner Fr. Mutter Herr Bruder dem
Großmaͤchtigſten Großfuͤrſten/ ſondern in der Wildfremde ſich auffhaͤlt/ wo ſelbſt ſeine
Durchl.
[207]Erſtes Buch.
Durchl. eben ſo viel eigenes hat/ als der geringſte von unſern Dienern; warumb wolten
wir ihn dann huͤlffloß laſſen/ und nicht mit gebuͤhrlichen Koͤniglichen Lebensmitteln ver-
ſehen? Waͤhre es anderſt zurechnen/ ihr meine Herren/ als daß er ſich mit unſerm guten
Willen aus ſeinem Eygentuhm verbannete/ und deſſen nicht eins zu ſeiner Notturfft zu
genieſſen haͤtte? Die Vernunfftloſen Bienen unterhalten ja ihren Koͤnig/ fliegen auß/ uñ
hohlen ihm daß aller ſuͤſſeſte ein; und wir wolten unſern Koͤnig/ da er/ dem Boͤhmiſchen
Nahmen Ruhm zuerwerben außfleuget/ und uns als faule Hummeln im Stocke zehren
laͤſſet/ ohn Mittel/ ohn Gelder/ und noͤhtige zehrungskoſten/ darben und verderben laſſen?
Ich ſchaͤme mich/ das Beyſpiel der unflaͤtigen Ratzen einzufuͤhren/ von denen die Maͤuſe-
faͤnger melden/ daß ſie ihrem Koͤnige den beſten uͤberfluß zuſchleppen. So laſſet uns nun
die unvernuͤnfftigen Tihre fragen/ was Geſtalt unſere Abgeſanten vor unſerm Koͤnige er-
ſcheinen muͤſſen/ die werdens uns ſchon ſagen/ die werden uns dieſes in die Ohren ruffen;
eurem Konige iſt weder mit ſuͤſſen worten/ noch bundgemahleten Brieffen/ noch darſtel-
lung etlicher Boͤmiſchen Untertahnen gedienet; ſchaffet ihm/ daß er ſeinem Stande ge-
maͤß leben koͤnne/ alsdan werdet ihr als rechtſchaffene Untertahnen bey eurem Koͤnige
handeln. Damit ich aber nicht vor einen Großſprecher angeſehen werde/ der viel rede/
und wenig tuhe/ wolan/ ſo habe ich zwar zween Erben/ einen Sohn und eine Tochter/ aber
dieſelben wil ich vor erſt alſo verſorgen/ meinen Sohn Leches vermache ich meinem gnaͤ-
digſten Koͤnige zum Leibdiener/ und meine Tochter untergebe ich meinem gnaͤdigſten Koͤ-
niglichen Fraͤulein zur Magd und auffwaͤrterin; hernach biete ich alle meine fahr- und
liegende Haabe/ Lehn und Erbe aus zukauffe/ daß die Herrn Abgeſanten das Geld davor
meinem gnaͤdigſten Koͤnige mit uͤbernehmen/ damit ſeine Durchl. in der fremde nicht
mangel leyde/ ſondern ſich noch Boͤmiſcher Zuſteuer zuerfreuen habe/ und warte ich auff
nichts anders/ als daß ſich ein Kaͤuffeꝛ angebe/ die lieferung ſol auff erlegung der Gelder
ſtuͤndlich folgen. Die Verſamlung ſchaͤmete ſich nicht wenig/ daß ſie dieſes nicht zuvor
bedacht/ ruͤhmeten Herren Pribiſla Vermahnung/ und erkenneten/ ſich ihm deßwegen
verbunden ſeyn/ traten zuſammen/ beredeten ſich einer freywilligen Steuer/ und wie hoch
dieſelbe ſich erſtrecken ſolte. Niniſla gab ſein Bedenken/ es moͤchten die Untertahnen ſehr
uͤbel empfinden/ daß man dergleichen ungewoͤhnliche Nebenſchatzung anſetzen wolte/ die
Koͤnigliche Kammer wuͤrde auſſer zweiffel wol mit ſo vielem verſehen ſeyn/ als ihr kuͤnff-
tiger Koͤnig mit etlichẽ wenig Dienern verzehren wuͤrde/ der vielleicht nur als ein ſchweif-
fender Ritter zu reiſen geſonnen waͤhre; jedoch koͤnte er ihrem Gutduͤnken ſich nicht wie-
derſetzen/ nur dz er hoffete/ man wuͤrde ihn damit verſchonen/ weil die Pannoniſchen Raͤu-
ber ihn nit allein abgepluͤndert/ ſondern ſein Gut reinweg gebrand/ auch ſein Weib/ Kin-
der (ohn den aͤlteſten Sohn) und alles Geſinde nidergeſchlagen/ ja ihm nichts als ſeine
liegende Guͤter und außſtehende Gelder/ uͤbrig gelaſſen/ davon er mit genauer Noht ſeinen
Stand fuͤhren koͤnte. Herr Bugeſla gab ihm zur Antwort; es waͤhre auff keine gezwun-
gene Schatzung angeſehen/ ſondern es ſolte Herrẽ/ Aedlen/ Buͤrger und Bauer frey geſtel-
let werden/ was ſie tuhn oder nicht tuhn wolten; und ſolten redliche Leute aus allen Staͤn-
den erwaͤhlet werden/ die alles/ was eingebracht wuͤrde/ auffheben/ und dagegen einen
Schein von ſich geben ſolten. Hiemit wahr dieſem wie derwertigen das Maul/ aber nicht
der
[208]Erſtes Buch.
der Unſin geſtopffet/ und ſchloſſen ſie/ daß ihrem Koͤnige/ als lange er auſſerhalb Landes
ſeyn wuͤrde/ jaͤhrlich 100000 Kronen/ dieſes erſte Jahr aber alsbald eins ſo viel nach
Padua ſolte uͤbergemachet werden/ auff daß er ſich zur Reiſe deſto beſſer außruͤſten koͤn-
te; macheten auch die drey erwaͤhleten Beyſitzer/ als Herren Krokus/ Bugeſla und Sta-
niſla aus/ der Koͤnigin und dem Fraͤulein ſolches anzudeuten/ doch daß Herr Pribiſla als
der erſte nachſinnige Rahtgeber mit ihnen ginge. Die Koͤnigin erfreuete ſich des erbie-
tens hoͤchlich/ und verſprach Pribiſlaen/ ihr Herr Sohn ſolte es/ wo nicht an ihm ſelbſt/
zum wenigſten an ſeinen Kindern zu verſchulden wiſſen/ dz er nicht allein den erſten Vor-
ſchlag getahn/ ſondern alle ſeine Guͤter dieſer Behueff freywillig zukauffe außgebohten/
und wolte ſie ihn hiemit vor ihren geheimen Raht und Droſten erklaͤret/ angenommen uñ
beſtaͤtiget haben. Dieſer aber antwortete hierauff: Allergnaͤdigſte Koͤnigin/ ich wil nim-
mermehr hoffen/ daß ihre Hocheit im ſechs und ſiebentzigſten Jahre meines alters mich
mit dieſer unertraͤglichen Buͤrde belegen wird; ich habe nunmehr XLVI Jahr aneinan-
der dem Vaterlande unter bedienungen auffgewartet/ uñ mir die unfehlbahre Hoffnung
gemacht/ ihre Hocheit wuͤrden mich anjezt aller ſolchen beſchwerden gnaͤdigſt erlaſſen/
weil ich mir gaͤnzlich vorgenommen/ hierumb untertaͤhnigſt anzuhalten; dann meine
Schuldern ſind nunmehr unvermoͤgen/ die Beine wanken/ und iſt nichts an mir/ als der
bloſſe Wille/ welches nicht der Ruhe begehren ſolte. Ich habe aber einen Sohn/ wie eure
Hocheit weiß/ der iſt jung und ſtark/ und hat fuͤnff Jahr lang den ritterlichen uͤbungẽ nach-
geſetzet/ denſelben wil ich meinem Koͤnige zuſenden/ ihm auff der Reiſe auffwaͤrtig zu
ſeyn/ oder da er ſchon fortgezogen iſt/ ihm zu folgen/ auff daß er in der fremde einen ange-
bohrnen Untertahnen zum Diener habe/ dem er kuͤhnlich trauen duͤrffe. Mein guter Pri-
biſla/ antwortete die Koͤnigin/ ich erlaſſe euch/ weil ihr lebet/ meiner Dienſte nicht/ jedoch
trage ich ſie euch auch nicht auff/ ob ſoltet ihr mit ungemach hieſelbſt arbeiten und aufwar-
ten/ ſondeꝛn ihr ſollet alle eure freyheit haben/ und nach belieben/ wie und wann ihr wollet/
zu Hofe ſeyn/ aber nicht deſto minder eure Beſtallung haben; und ob ihr ſolches nicht ger-
ne annehmen woltet/ muͤſſet und koͤnnet ihr mirs doch nicht verſagen. Als die Koͤnigin
ausgeredet hatte/ trat das Fraͤulein mit der allerbewaͤglichſten freundligkeit zu ihm/ hatte
ein ſchoͤnes Kleinot vorne an der Bruſt auffgehefftet/ welches ſie abreiß/ und es ihm mit
dieſen Worten einreichete: Mein guter Freund Pribiſla/ hie wil ich euch dieſes Pfand zu
verwahren geben/ als eine Handſchrifft dieſer Verheiſſung/ daß wo mein Herꝛ Bruder die
Vergeltung eurer heutigen Traͤue zu leiſten nicht erleben ſolte/ ich an deſſen ſtat treten/ und
das von meiner Fr. Mutter verſprochene erfuͤllen wil. Der Alte bedankete ſich der hohen
Gnade/ nam das Kleinot willig zu ſich/ und gab zur Antwort: O jhr Goͤtter/ laſſet mich
nur ſo lange leben/ daß ich mit meinen dunkelen Augen dieſes unvergleichliche Fraͤulein
mag ſehen zur Traue fuͤhren/ und ſchicket ihr den wirdigen Braͤutigam zu/ alsdann wil ich
nicht allein dieſes Kleinot gebuͤhrlich wieder einliefern/ ſondern auff Ihrer Durchl. Ber-
lager zwanzig Fuder Wein mit meinen Koſten aus Italien herbeyſchaffen. Wie nun Pri-
biſla? ſagte ſie hierauf/ meynet jhr/ daß ich euch dieſes geringe auff ſo ſchweren Zinß leihen
wolle? O nein/ mein Freund/ ſolchen Schacher-Handel treibe ich trauen nicht. Behuͤten
mich
[209]Erſtes Buch.
mich ja die Goͤtter vor ſolche Gedanken/ antwortete er; es iſt Euer Durchl. freygebigſtes
Herz mir gar zu wol bekant/ nur bitte ich untertaͤhnigſt/ dieſelbe wolle ihres unwirdigen al-
ten Knechtes Erbieten nicht verſtoſſen/ wie zu deren Gn. ich in aller Untertaͤhnigkeit die
feſte Zuverſicht trage. Wolan/ ſagte ſie/ ſo nehme ichs auff meiner Fr. Mutter Bewilli-
gung gerne an/ aber mit dem bedinge/ daß wann nach der Goͤtter Willen ich dereins ver-
heyrahtet ſeyn werde/ ich eure Tochter/ wo ſie noch ledig ſeyn wird/ von dem meinen auß-
ſteuren/ und ſie nach Standes Wirde mit einem Gemahl verſehen wil/ deſſen euer Adel uñ
Freundſchafft ſich nicht ſchaͤmen ſol/ dann mir iſt nicht unwiſſend/ daß ſie ihrer Mutter
wegen mir noch etwas verwand iſt; ſolte ſie aber ſchon verheyrahtet ſeyn/ ſol ihrem Liebſtẽ
das erſte groſſe Lehn in dem Lande verfallen ſeyn/ in welchem ich wohnen werde. Pribiſla
bedankete ſich untertaͤhnigſt dieſes hohen Erbietens/ und ſagete: Jezt erfahre ich des alten
Sprichwortes Guͤltigkeit/ daß wer auff fruchtbaren Acker ſaͤet/ zehnfachen Gewin zuer-
warten habe. Euer Gn. aber ergebe ich mich ſamt allen den meinen zur beſtaͤndigen Ge-
wogenheit/ als lange ſie uns untertaͤhnig-getraͤu ſpuͤren werden. Weil dieſe ſo redete/ hielt
die Koͤnigin Raht mit den geſamten Reichs Raͤhten/ was vor Geſanten zuerwaͤhlen waͤ-
ren/ und hielt gaͤnzlich davor/ es wuͤrde den Staͤnden angenehm ſeyn/ wañ man dieſe drey
Herren darzu verordnete/ nehmlich Krokus/ Bugeſla und Staniſla/ welche ſie als jetzige
ihre Abgeſchikten darzu gleichſam vorgeſchlagen haͤtten; wie ſie dann ſolches vor ein Zei-
chen ſonderlicher Gnade auslegeten/ und ihnen Volmacht gaben/ hin und wieder zuſchꝛei-
ben/ daß die gewilligte Geldhuͤlffe auffs ſchleunigſte bey einander gebracht wuͤrde/ weil
man nohtwendig damit eilen muͤſte/ und auffs hoͤchſte nach Verlauff XII Tagen die Reiſe
geſchehen ſolte. Inzwiſchen verfertigte die Koͤnigin ſamt den Landſtaͤnden ein Schreiben
an Ladiſla/ wobey ſie als Mutter noch ein abſonderliches legete. Frl. Valißka wolte dieſe
Gelegenheit nicht verſaͤumen/ ſetzete ſich mit jhrer vertraueten Libuſſen auff ihr verriegel-
tes Gemach/ daſelbſt muſte ſie ihr etliche Haar von ihrem Haͤupte ſchneiden/ und weil ſie
mit dergleichen Arbeit wol umbzugehen wuſte/ ein mit Perlen durchſeztes Armband ma-
chen; unterdeſſen nam ſie die Feder zur hand/ und ſetzete ein Brieſlein an ihren Herkules
auff/ welches ihr nimmer gut genug dauchte/ daher ſie es wol dreymahl enderte/ und end-
lich auff dieſe weiſe abſchrieb.


Durchleuchtigſter Groß Fuͤrſt/ hochwerter Herr Oheim und Bruder; wie ſchmerzlich euer
Liebe außgeſtandenes Ungluͤk mich gequaͤlet/ ſo hoch bin ich durch deſſen Endigung ergetzet worden/
inſonderheit/ daß dieſelbe dannoch mitten in dem Leyden der unverſchuldeten Knechtſchafft einige
Vergnuͤgung durch die Erkaͤntnis des einigen wahren Gottes eingenommen/ welche zu faſſen/ ich ho-
hes Verlangen trage. Der von zeigern dieſes Wenzeſla/ uͤbergebrachte ſchoͤne und ſehr angenehme
Ring iſt mir wol eingelieffert/ werde mich durch deſſen ſtaͤtiges anſchauen euer Liebe getraͤues auffrich-
tiges Herz taͤglich vorſtellen/ und daß zur gebuͤhrlichen Dankbarkeit derſelben ich mich ſchuldig halten
muß/ ſo daß/ wie geſchehener teurer Verpflichtung an meiner Seite noch kein Haͤaͤrlein entgangen/
ich hinfuͤro auff ſo feſt beſchwornen Grund/ weder Werke noch Worte/ noch Gedanken baue/ als die
euer Liebe koͤnnen behaͤglich ſeyn. Dieſes zu leiſten/ deſſen mein Gewiſſen mir Zeugnis gibt/ habe ich
mich bißher befliſſen/ und wird ſein einiger wahrer Gott/ der auch mein Gott ſeyn ſol/ mir die Krafft
verleyhen/ dieſem beſtendigen Vorſatze ſo wenig Abbruch zu tuhn/ als wenig ich mich ſelbſt zu haſſen
oder zu ſchaͤnden geſonnen bin. Die Kuͤhnheit meines Schreibens wird eure Liebe durch meine Ju-
gend entſchuldigen laſſen/ welche ohndaß frevelkuͤhn iſt/ wie deſſen daß geringſchaͤtzige beygefuͤgete
D d(welches
[210]Erſtes Buch.
(welches angenehm zu ſeyn ich wuͤnſche) noch ſtaͤrker bekraͤfftigen kan. Daß ich mich aber hierzu ſelbſt
bereden koͤnnen/ machet einig/ daß ich ſeyn und bleiben muß/ meinem hoͤchſtwerten Herkules/ dem teu-
ren Groß Fuͤrſten/ zu ehren ſtets verbundene Valißka.


Dieſes ſtellete ſie dem alten Wenzeſla in groſſer Geheim mit dieſen Worten zu: jhr
wiſſet mein Freund/ daß jhr mir neulich ein vertrauliches Schreiben von Fuͤrſt Herku-
les uͤbergebracht/ und habe ich ſeinem Begehren/ ſo viel ich gekunt/ gnug getahn/ wie er
aus dieſem Brieffe ſehen wird/ welchen jhr jhm ohn einiges Menſchen Beyſeyn oder An-
merkung einhaͤndigen ſollet. In dieſem verſiegelten Buͤchslein aber iſt ein Ring der in
Blutſtillung oft bewehret iſt/ welchen jhr jhm/ alſo vermachet/ einreichen/ und meinetwegẽ
jhn erinnern werdet/ daß wo moͤglich/ er meinen Herꝛn Bruder von der gefaͤhrlichen wei-
ten Reiſe abmahne; dafern ſie aber ſchon wuͤrden fortgangen ſeyn/ alsdann ſtellet dieſes al-
les Ritter Leches zu/ daß ers in ſeineꝛ Nachfolge mit uͤbernehme. Nun hatte ſie aber nicht
allein gedachten Ring/ ſondern auch das koͤſtliche Armband mit hinein vermachet/ deswe-
gen ſie jhm ſolches ſo fleiſſig zu getraͤuen Haͤnden befahl; nam hernach ein eingewickeltes
ſehr koͤſtliches Bruſt Kleinot hervor/ von 48. Demanten in geſtalt eines Habichts ge-
macht/ welcher in der rechten Klaue ein Taͤublein/ in der linken/ ein Zettel hielt/ mit dieſen
Buchſtaben: S. F. C. welche bedeuteten: Secura facilè capitur. Eine ſichere wird leicht gefangen.
Dieſes ſolte jhrem Bruder H. Ladiſla mit uͤbergebracht werden/ und daß ers wirdigen
moͤchte/ nicht allein bruͤderlich anzunehmen/ ſondern auch dereins ſchier ſeiner Liebeſten zu
ſchenken/ welches/ daß es bald geſchehen moͤchte/ jhr hoͤchſter Wunſch waͤhre. Wenzeſla
bedankete ſich der hohen Gnade/ daß jhre Durchl. jhn ſolches zu verrichten wirdigte/ ver-
ſprach allen untertaͤhnigen Gehorſam und Fleiß/ und wie er nicht allein kurzweilig wahr/
ſondern ſich einer heimlichen Liebe zwiſchen Herkules und dem Fraͤulein vermuhtete/ fing
er an denſelben der geſtalt zu ruͤhmen/ und nicht allein ſeine Tapferkeit/ ſondern auch ſeine
Freundligkeit und Geſtalt zu erheben/ daß ſie leicht merkete/ zu was Ende dieſes angeſehen
waͤhre/ ließ ſich aber nichts vernehmen/ ſondern gab zur Antwort; es iſt mir lieb/ daß mein
Herꝛ Oheim und Bruder lobwirdig iſt/ moͤchte nur wuͤnſchen/ daß er die weiten Reiſen
einſtellete/ und vielmehr ſich nach Schweden erhoͤbe/ damit ſein verlobetes Koͤnigliches
Fraͤulein/ Frl. Schulda jhn ſchier wieder zuſehen bekaͤhme; welches ſie ſo ernſtlich vorzu-
bringen wuſte/ daß dieſem ſeine vorige Muhtmaſſung gaͤnzlich benommen ward.


Es hatten die ſaͤmtlichen Landſtaͤnde ſich zimlich angegriffen/ und drey Tonnen Schaz
zuſammen gelegt/ welche auff Wagen geladen/ und des folgenden Morgens/ nach dem das
Fraͤulein dem Alten das Schreiben eingehaͤndiget/ in Begleitung 500 Reuter/ biß an die
Roͤmiſchen Grenzen fortgebracht wurden/ und folgeten die drey Geſanten nebeſt Leches
und Wenzeſla/ mit acht Dienern bald hernach. Gleich da ſie das Roͤmiſche Gebiet errei-
cheten/ lieſſen ſie jhre Manſchaft wieder zu ruͤcke gehen/ zeigeten jhren Schein Brieff von
der Koͤnigin auf/ in welchem gebehten ward/ dieſe jhre Leute ſamt bey ſich habenden Wa-
gen und Sachen frey und ſicher nach Padua ziehen zu laſſen/ und gingen ohn Hinderung
mit groſſen Tagereiſen fort/ biß ſie in einem Doͤrfflein/ eine Meile von Padua gelegen/ an-
langeten/ woſelbſt ſie in ein Wirtshauß einkehreten/ ſich von Koht und Staub zureinigen/
auff daß ſie in gutem Anſehen den Einzug in die Stadt halten moͤchten. Sie frageten die-
ſe
[211]Erſtes Buch.
ſe einfaͤltigen Leute nach neuen Zeitungen/ und empfingen Bericht/ es wuͤrde folgendes
Tages des Roͤmiſchen Stathalters Tochter zu Padua mit einem fremden Herꝛn Hoch-
zeit machen/ wobey ein Ritterliches Stechen ſolte gehalten werden/ und allen/ ſo wol frem-
den als jnheimiſchen Rittern die Rennebahn erlaͤubet ſeyn; den Dank wuͤrde die Braut
ſelbſt neben anderen Roͤmiſchen Fraͤulein austeilen/ doch hielte es jederman davor/ wann
der Braͤutigam und ſein Bruder mit ſtechen ſolten/ haͤtte kein ander Hoffnung/ den Preiß
zuerwerben, erzaͤhleten daneben/ was wegen Zerſtoͤrung des Raub Neſtes ſich zugetragen/
nur daß ſie unſerer Helden Nahmen dabey nicht meldeten. Hieraus verſtunden die Geſan-
ten/ daß jhnen an der Eile wuͤrde gelegen ſeyn/ damit jhnen die Herbergen nicht berennet
werden moͤchten. Unter dem Tohr frageten ſie nach der Koͤnigin geheiß/ ob nicht fremde
Ritter bey dem Tohrhuͤter verlaſſen haͤtten/ daß/ wann etliche Schreiben oder andere Sa-
chen ankaͤhmen/ ſie an beſtimmete oͤrter abgeleget werden ſolten; weil aber unſere Helden
dieſes aus der acht geſchlagen/ ward jhnen mit einem kurzen Nein geantwortet/ womit ſie
auch zu frieden wahren/ in Hoffnung/ unter andern Tohren beſſere Nachricht zu finden;
ritten alſo die Gaſſe hin/ biß ſie auff den Markt kahmen/ und der aufgerichteten Bilder ge-
wahr wurden/ uͤmb welche die kleinen Knaben und Maͤgdlein von drey biß zu ſieben Jah-
ren in groſſer Menge als an einem Reihen tanzeten/ und dieſes Kinderliedlein ſungen:


DIe Helden haben Troſt und Leben

Uns armen Kinderlein gegeben/

Und Raͤubers Frevel abgekehrt,

Drum wollen wir ſie ſtets beſingen/

Und laſſen unſer Lied er klingen

So lange Welt und Himmel wehrt.

Herꝛ Krokus befahl Wenzeſla naͤher zu reiten/ uͤmb dieſe Bilder recht zu beſchauen/ wel-
cher nicht allein aus der uͤberſchrift/ ſondern auch aus den bekanten Angeſichtern die War-
heit bald faſſete/ aber wegen Verwunderung hielt er als ein gehauenes Bild ſtokſtille/ wie-
wol ſein Pferd anfing zuſpringen/ woruͤber die Kinder erſchrecket wurden/ daß ſie mit ei-
nem Geſchrey davon flohen. Etliche vornehme Buͤrger ſtunden auf dem Platze/ und ſtel-
leten jhn zu rede/ waruͤmb er die Kinder ſo verjagete/ uñ von jhrem wolzugelaſſenen Spie-
le abſchreckete; woran er ſich aber wenig kehrete/ ſprengete hinter ſich nach ſeiner Geſel-
ſchafft/ und ſagte zu jhnen: Ihr meine Herꝛen/ ich bringe euch das groͤſſeſte Wunder zur
neuen Zeitung/ dann entweder iſt unſer Koͤnig und der junge Teutſche Großfuͤrſt in jene
Bilder verwandelt/ oder ſie ſind jhnen zu ſonderlichen und unſterblichen Ehren auffge-
richtet/ dañ ſie heiſſen Herkules und Ladiſla die Fremden. Sie ritten ingeſamt dahin/ fundens
alſo/ und frageten die Anweſenden mit ſonderlicher Freundligkeit/ ob die Ritter/ von denen
dieſe Bildniſſen genom̃en waͤhren/ ſich in der naͤhe auffhielten. Ward jhnen aber geant-
wortet; dieſelben muͤſten aus abgelegener fremde kommen/ denen ſolches unbewuſt waͤhre;
das groſſe angelegete Werk gegen dem Stadhauſe uͤber/ wuͤrde auff Kaͤyſerliche Anord-
nung jhnen zur erblichen Burg erbauet/ biß zu deren Verfertigung ſie vieleicht bey dem
Roͤmiſchen Stathalter Herꝛn Fabius ſich auffhalten wuͤrden; gaben jhnen auch Nach-
richt/ welche Gaſſe ſie reiten muͤſten. Aber Wenzefla hielt nicht vor rahtſam/ unangemel-
det bey jhnen einzukehren/ weil ſie vielleicht unerkennet ſeyn wolten/ welches er muhtmaſ-
ſete/ weil jhres Standes und Vaterlandes bey der Oberſchrifft nicht gedacht ward zogen
demnach dieſe Gaſſe zwar hin/ aber ſie wolten in eine Herberge nicht weit von des Stat-
D d ijhalters
[212]Erſtes Buch.
halters Wohnung einkehren/ da jhnen doch der Einzug/ mit vorwenden/ das Hauß waͤh-
re von andern Rittern beſprochen/ abgeſchlagen ward; doch ſo bald Wenzeſla anzeigete/ ſie
waͤhren Herꝛn Ladiſla Diener/ wurden ſie mit ſonderlicher Ehrerbietung auffgenommen.
Ehe ſie jhre Ankunfft anmeldeten/ erſuchete Leches die Geſelſchafft/ ſie moͤchten feine Ge-
genwart verhehlen/ er waͤhre willens/ ſich als ein Unbekanter auf der Morgenden Steche-
Bahn finden zu laſſẽ/ ob er etwa in ſeines Koͤniges Gegenwart ſeine Ritterſchafft zu pruͤ-
fen Gelegenheit haben koͤnte; welches ſie jhm nicht allein gerne zu lieſſen/ ſondern auch
Mittel zur noͤhtigen Außruͤſtung gaben/ mit Ermahnung/ alles ſein Vermoͤgen anzuwen-
den/ damit ſein ganzes Vaterland durch jhn geehret wuͤrde/ worauff er Abſcheid von jhnẽ
nam/ und in eine abgelegene Herberge ſich legete. Wenzefla aber ritte nach des Stathal-
ters Hoff/ ob er ſeinem Koͤnige jhre Ankunfft in geheim andeuten koͤnte/ traf einen praͤch-
tig-gekleideten aͤdel Knaben vor der Pforten an/ welcher Tullius wahr/ denſelben baht er/
die Muͤhe auff ſich zu nehmen/ daß er Herꝛn Ladiſla eigenen Diener koͤnte zuſprechen be-
kommen; Derſelbe/ mein Herꝛ/ bin ich/ ſagte er/ und wann bey ſeiner Gn. jhr etwas wollet
beſtellet haben/ moͤget jhr mir ſolches befehlen. Es iſt mir ſehr lieb/ antwortete er/ und zeiget
nur eurem Gn. Herꝛn in hoͤchſter geheim an/ es ſey einer/ Nahmens Wenzeſla/ der jhn geꝛ-
ne ſprechen wolte. Dieſer lief geſchwinde hin/ fand jhn bey dem Frauenzimmer/ uñ mache-
te jhm das anbefohlne zu wiſſen; woruͤber er ſich entfaͤrbete/ in meinung/ er wuͤrde ſo ein-
ſam von ſeiner Fr. Mutter und den Landſtaͤnden auff das Hochzeitfeſt abgeſchicket ſeyn;
nam einen Abtrit/ einwendend/ Herꝛ Herkules lieſſe jhn fodern/ zu welchem er ging/ und
mit jhm abredete/ daß ſie Wenzeſla einen Wink geben wolten/ in etwa eine Herberge zu
reiten/ welches auch geſchahe/ und ſie jhm auf dem Hueffſchlage zu Fuſſe nachfolgeten.
Die Geſanten hatten ſich auff ein abſonderliches Gemach gelegt/ und wahr Wenzeſla al-
lein unten im Hauſe/ der ſie ehrerbietig empfing. Ladiſla fragete jhn/ wie er ſo einſam kaͤh-
me/ und ob niemand von den Staͤnden abgeſchicket waͤhre/ auf ſeinem Hochzeitfeſte zuer-
ſcheinen. Hochzeitfeſt? ſagete dieſer: ich verſichere eure Gn. daß weder deren Fr. Mutter/
noch einiger Menſch des allergeringſtẽ von dieſer hocherfreulichen Zeitung ichtwas ver-
nommen; beklagete hernach ſein Ungluͤk/ daß er ſo lange Zeit auff der Reiſe von Rom nach
Prage zubringen muͤſſen/ und meldete der dreyeꝛ Geſanten gegenwart an/ welche ſich als-
bald wuͤrden einſtellen/ wann ſie nur wuͤſten/ wovor jhre Durchl. ſie bey andern ehren ſol-
ten. Sie ſollen/ antwortete Ladiſla/ uns beyde gleich ehren; dann wer ich bin/ iſt nunmehr
den Vornehmſten bewuſt/ aber Herkules Vaterland ſol aus gewiſſen Urſachen verſchwie-
gen bleiben. Der Alte meldete jhnen ſolches an/ daher ſie alsbald mit gebuͤhrender unter-
taͤhniger Ehrerbietung zu jhnen traten/ und freundlich empfangen wurden/ da Krokus
alſo anfing: Unſere allergnaͤdigſte Koͤnigin/ und gnaͤdigſtes Fraͤulein entbieten jhren
Durchll. beyderſeits Muͤtter- und Schweſterlichen Gruß/ die ſaͤmtlichen Landſtaͤnde aber
untertaͤhnigſten Gehorſam; haben jhreꝛ Durchl. hoͤchſtbeliebtes Schreiben/ wiewol etwas
ſpaͤte empfangen/ dero Geſundheit auch mit Freudenthraͤnen vernom̃en; und als die Land-
ſtaͤnde berichtet ſind/ daß jhr Gnaͤdigſter Koͤnig willens/ ſich eine Zeitlang in der Fremde
aufzuhaltẽ/ haben ſie in unteꝛtaͤhnigſtem gehoꝛſam damit fꝛiedlich ſeyn muͤſſe/ ob uns gleich
in dieſer Welt nicht liebers/ als unſers Koͤniges leibliche Gegenwart waͤhre. Dieſes jhrer
Durchl.
[213]Erſtes Buch.
Durchl. anzudeuten/ ſind wir von hoͤchſtgedachten/ unfer Fr. Koͤnigin und dem Koͤnigl.
Fraͤulein/ dann auch den ſaͤmtlichen Landſtaͤnden abgefeꝛtiget/ und daneben dieſes Schrei-
ben nebeſt 300000 Kronen freywilliger Landſteur/ behuef jhrer Durchl. Koͤniglicher aus-
ruͤſtung zu vorgenommener Reiſe/ unterthaͤnigſt einzulieffern. Ladiſla bedankete ſich des
uͤbergebrachten Gruſſes/ nebeſt angedeuteter Fxeude uͤber der Landſtaͤnde Gutwilligkeit/
erkennete daraus jhre gewogene Herzen/ welche zu vergelten/ er ſtets wolte geflieſſen ſeyn;
brach das Schreiben/ und fand dariñen/ was geſtalt ſie alle mit einander ſeiner vorgenom-
menen ſehr beſchwer- und gefaͤhrlichen Reiſe halber gantz unmuhtig waͤhren/ und die Koͤ-
nigin vor andern inſtaͤndig anhielt/ ſich deren zu begeben/ und durch abgeordnete das Ge-
luͤbde abzulegen/ damit ſie der muͤhſeligen Reichsverwaltung benommen/ ihꝛ angehen des
Alter in Ruhe ſetzen/ und den angebohrnen Erbherren erſtes Tages moͤchte die Herſchaft
fuͤhren ſehen. Nachgehends ruͤhmete ſie der Untertahnen Gutwilligkeit wegen der aufge-
brachten Gelder/ in ſonderheit was der alte getraͤue Pribiſla dabey verichtet/ und zu ſeines
Koͤniges Unterhalt alle ſeine Guͤter loßſchlagen wollen/ welches die Staͤnde nur verhin-
dert/ und ihrem Koͤnige/ als lange er in der fremde ſeyn wuͤrde/ jaͤhrlich 100000 Kronen
uͤberzumachen ſich anerboͤhten. Die vorgeſchlagene Reichs Raͤhte waͤhren alle beliebet/ die
Herſchafft in gutem Wolſtande/ und ſo wol innerlich als aͤuſſerlich Friede und Ruhe. Als
er alles geleſen/ lieferte ihm Wenzeſla wegen der Fraͤulein das Bruſt Kleinot mit eben den
befohlenen Worten; Worauf er zur Antwort gab: Meine Frl. Schweſter wird vielleicht
einen Warſager Geiſt haben/ daß gleich dieſen lezten Tag vor der Hochzeit ſie mir ſolches
anbefihlet/ welches nach jhrem Begehren fleiſſig ſol verrichtet werden. Inzwiſchen war-
tete Herkules mit groſſem Verlangen/ was vor Zeitung er von ſeinem Fraͤulein haben
wuͤrde/ und ob er ſchrifftlicher Antwort gewirdiget waͤhre; hatte aber noch keine Gelegen-
heit/ Wenzeſla abzufodern/ dann es wahr Ladiſla in voller Erzaͤhlung ſeiner Heyraht be-
griffen/ dem ſie alle fleiſſig zuhoͤreten/ und ihm darzu Gluͤk und Segen wuͤnſcheten. Nun
wolte gleichwol der Alte ſeine Werbung bey Herkules gerne ablegen/ darumb gab er vor/
er waͤhre von der Koͤnigin befehlichet/ etwas abſonderlich mit jhm zureden; ging auch mit
ihm aus dem Gemache/ nam das Schreiben nebeſt dem verſiegelten Schaͤchtelchen her-
vor/ und ſagete zu ihm: Durchl. Fuͤrſt/ das mir anvertrauete Schreiben habe ich an ge-
buͤhrlichen Ort nebeſt beygefuͤgetem Ringe getraͤulich eingeliefert/ und wird ohn zweiffel
das Fraͤulein alles ſeinem begehren nach/ verꝛichtet haben/ krafft dieſes Schreibens An-
zeige; ſonſten habe ich gnaͤdigſten Befehl/ ihre Durchl. von meinem Gn. Fꝛaͤulein freund-
lich zugruͤſſen/ und daneben anzudeuten/ daß ſie in dieſem verſiegelten Buͤchslein derſelben
einen Ring uͤberſende/ deſſen Krafft in der Blutſtillung treflich bewaͤhret ſey; ſchließlich
auch/ daß das Durchl. Koͤnigl. Fraͤulein in Schweden hoͤchlich wuͤnſchen ſolle/ ihren veꝛ-
lobeten Fuͤrſten/ Herꝛn Herkules ſchier zu ſehen; moͤchte daher ſeine Reiſe auffſchieben/ uñ
dieſelbe vorher zu beſuchẽ unbeſchweret ſeyn. Wie erfreulich ihm das empfangene Schꝛei-
ben wahr/ ſo fremde kahmen ihm die lezten Reden vor/ merkete doch bald/ daß ſie ſelbſt un-
ter dieſer Bemaͤntelung jhre eigene Begierde ihn zu ſehen/ haͤtte anzeigen wollen/ daher er
ſich ihrer Beſtaͤndigkeit uͤbrig ſchon verſicherte/ ſtellete ſich doch allein in einen Winkel/ uñ
nach Verleſung des Brieſes/ als mit inniglichſter Vergnuͤgung uͤberhaͤuffet/ gab er zur
D d iijAnt-
[214]Erſtes Buch.
Antwort: Mein Freund Wenzeſla/ eure fleiſſige Verrichtung hat meine Frl. Schweſter
mir geruͤhmet/ welche zu ſeiner Zeit ich unvergolten nicht laſſen werde; der meiſte Inhalt
dieſes Briefes iſt/ daß die Fr. Koͤnigin ſamt dem Fraͤulein mich hart anſtraͤngen/ ich moͤge
meinen Bruder Herꝛn Ladiſla von der gefaͤhrlichen Reiſe abwendig machen/ welches ich
ſchon auff einen guten fuß geſetzet/ und ſeine Heyraht zu dem ende aus allen Kraͤfften be-
fodert habe; zweifele auch nicht/ ich werde ihn endlich bereden/ meinem anſuchen ſtat zu
geben. Eben dieſes bey Euer Durchl. zuwerben/ ſagte er/ hat mein Gn. Fraͤulein/ und Koͤ-
nigl. Hocheit ſelbſt mir anbefohlen/ unter welchem Scheine Eure Durchl. ich auch abge-
fodert habe. Gingen hiemit wieder hin zu den andern/ und hielten mannicherley Unterre-
dung/ da die Geſandten/ Herkules/ der Koͤnigin/ der Fraͤulein/ und geſamten Landſtaͤnde
Gruß und untertaͤhnigſte Dienſte anmeldeten/ uñ dz er in ihres Koͤniges getraͤuer freund-
ſchafft wie bißher/ beſtaͤndig verbleiben moͤchte/ dann wuͤrden ſie dereins bey Beheꝛſchung
ihrer Reiche keine auslaͤndiſche Macht zu fuͤrchten haben. Auff welches Vorbringen er
wegen des beſchehenen Gruſſes ſich anfangs kind-bruͤder- und freundlich bedankete/ her-
nach anzeigete/ wie er ſeinem geliebeten Bruder Herꝛn Ladiſla durch ſo unzaͤhliche bruͤdeꝛ-
liche Bezeigungen dergeſtalt verpflichtet waͤhre/ daß er Gottes Straffen billich zubefuͤrch-
ten haͤtte/ wann durch einige Widerwaͤrtigkeit oder Furcht er ſich von ſeiner Freundſchaft
anwendig machen lieſſe. Aber/ ſagte er/ es wundert mich hoͤchlich/ daß unſere Fr. Mutter
die Koͤnigin meines Bruders Heyraht noch allerdinge unberichtet iſt/ angeſehen vor ſie-
ben Wochen ſchon deroſelben es bey eigener reitender Botſchafft zuwiſſen gemacht wor-
den/ und wir uͤberdas zum andern mahl geſchrieben/ welches/ da es recht zugienge/ auch
ſchon bey eurem abreiſen muͤſte eingeliefert ſeyn. Wenzeſla antwortete/ ſein eigen Beyſpiel
lehrete/ wie leicht einem einzelnen Bohten auff ſo weiten Reiſen/ langwierige Verhinder-
niſſen einfallen koͤnten/ und moͤchte vielleicht wol alsbald nach ihrem Abzuge der Bote an-
gelanget ſeyn; wie er auch hieran nicht fehlete; dann Ladiſla erſter Abgeſchikter wahr mit
dem Pferde auff der Reiſe geſtuͤrzet/ und hatte ein Bein und einen Arm zubrochen/ daß er
ſich etliche Wochen verbinden laſſen muͤſſen; jedoch kam er des andeꝛn Nachmittages nach
der Geſanten Abreiſe/ zu Prag an/ ließ ſich bey der Koͤnigin angeben/ nnd lieferte ihr dieſen
Brief von ihrem Sohn Ladiſla ein:


Herzgeliebte Fr. Mutter; ich kan nicht uͤmhin/ euch mit froͤlichem Herzen zu vermelden/ was
geſtalt durch ſonderbahre Schickung unſer guͤtigen Goͤtter mit dem Durchleuchtigen Hochgebohrnen
Fraͤulein/ Frl. Sophia Fabiin/ des Hochmoͤgenden Herꝛn/ Herꝛn Q. Fabius/ Roͤmiſchen Stathal-
ters zu Padua Frl. Tochter/ auff jhrer Hochanſehnlichen Eltern und meines lieben Bruders Herku-
les Bewilligung ich mich ehelich eingelaſſen und verſprochen/ auch willens bin/ auff ſchier kuͤnfftigen
XVII Tag des Brachmonats/ das Hochzei[t]feſt Fuͤrſt- und gebuͤhrlich anzuſtellen; wann denn ich nicht
zweifele/ eure Muͤtterliche Hulde werde hierin gerne einwilligen/ und dieſes Fraͤulein/ in betrachtung
jhrer Tugend und ſehr hohen Roͤmiſchen Gebluͤtes/ vor eine kuͤnfftige Schwieger Tochter unwegerlich
auff und annehmen/ und aber zu bevorſtehendem Ehrenwerke nicht geringe Koſten erfodert werden/
als gelanget an die Fr. Mutter mein Kindliches erſuchen/ mir mit etwa 150000 Kronen beyraͤhtig zu
ſeyn/ damit ich mein Vermoͤgen der hochanſehnlichen Freundſchafft meiner herzgeliebeten Fraͤulein/
dartuhn/ und nicht noͤtig haben moͤge/ daß aus derſelben Beutel (deren Heyrahtsgelder ſich uͤber
1200000 Kronen erſtrecken) alles bezahlet werden duͤrffe; koͤnte ich dann daneben das Gluͤk haben/ daß
meine herzgeliebte Fr. Mutter/ oder auffs wenigſte (woran ich nicht zweifeln wil) meine Frl. Schwe-
ſter
[215]Erſtes Buch.
ſter auff angeſetzetes Heyrahtkeſt allhier erſcheinen wuͤrde/ ſolte mir ein ſolches die hoͤchſte Vergnuͤ-
gung bringen. Ich gelebe der Zuver ſicht/ meine Fr. Mutter werde mich keine Fehlbitte/ wo im̃er moͤg-
lich/ tuhn laſſen/ welche nebeſt meiner auch herzgeliebeten Frl. Schweſter von meinem Herkules Kind-
und Bruͤderlich gegruͤſſet wird; deſſen Vergnuͤgung uͤber meine Heyraht/ aus beygelegeten Beylager-
Getichten (wahren die/ welche am 113 und folgendem Blade ſtehen) kan erkennet werden.
Geſchrieben zu Padua am XXII. Tage des April Monats/ von Eurer Muͤtterlichen Gnaden gehor-
ſamſtem Sohn Ladiſla.


Die Koͤnigin ward dieſer Zeitung uͤber auß hoch erfreuet/ ließ die Reichs Raͤhte und
Herren Pribiſla voꝛ ſich ruffen/ und ſagete zu ihnen: Geliebte Freunde/ ich habe von eurem
kuͤnfftigen Koͤnige meinem herzlieben Sohne ein beliebtes Schreiben empfangẽ/ welches
allen Schrecken des kaum vergangenen grauſamen Donnerwetters mir benommen hat/
moͤchte zwar wuͤnſchen/ daß unſere Geſanten noch alhie waͤhꝛen/ doch werden wir ſie nicht
duͤrffen zuruͤk fodern/ wann ſie nur der verſpochenen Eyle ſich erinnern moͤchten; reichete
ihnen hiemit das Schreiben/ deſſen Inhalt ihnen groſſe Vergnuͤgung brachte/ und frage-
te Pribiſla/ warumb das Fraͤulein nicht gegenwaͤrtig waͤhre. Ach/ ſagete die Koͤnigin/ ih-
re Abweſenheit machet/ daß meine Freude nicht recht loßbrechen kan/ maſſen ſie heut fruͤh
mit etlichen Jaͤgerknechten und Reutern hinaus auff die Jagt geritten/ und noch nicht zu
Hauſe kommen iſt; fuͤrchte ſehr/ daß ſie etwa von dem Gewitter beſchaͤdiget/ oder ſonſt zu
Unfal kommen ſey; das leidige Jagen iſt ihr ja von ihrem hoͤchſt Seel. Herr Vater leyder
angeerbet/ wovon ſie nicht kan abgehalten werden/ deſſen ich mich nicht wenig bekuͤm̃ere.
Niemand wolte ſie mißtroͤſten/ nur daß ſie alle wuͤnſcheten/ ein Mittel zu erfinden/ daß das
Fraͤulein von dieſer Ubung koͤnte abgezogen werden/ und hielt der Kanzler vor rahtſam/ dz
etliche außgeſchickt wuͤrden/ ihr nachzuforſchen/ ob ſie irgend wegen des harten Donner-
wetters ſich in einem Dorffe verſpaͤtet haben moͤchte. Als ſie noch hievon redeten/ trat ſie
mit ihren pfuͤtzenaſſen Kleidern ins Gemach/ und gab durch ihre todten-bleiche Farbe
gnug zu verſtehen/ daß es nach ihrem behagen nicht ergangen wahr. Die Mutter empfing
ſie mit zimlich harten worten/ und ſagte; Geliebtes Kind/ wie macheſtu mir doch ſo man-
nichley Angſt und herzleyd mit deinem verfluchten Jagen; bedenke doch daß mein gelieb-
ter Sohn Herkules auff der Jagt gefangen/ ja dein Herr Vater gar drauff umbkommen/
und ſein Leben elendig eingebuͤſſet hat; drumb ſo laß doch ab von dieſer/ meines erachtens/
unluſtigen und gefaͤhrlichen Luſt/ damit ich nicht mehr Bekuͤmmernis daher einnehmen
duͤrffe. Das Fraͤulein ward beſtuͤrtzet/ daß in der Reichs Raͤhte gegenwart die Mutter ihr
ſo hart zuredete/ daher ſie anfangs bedenken trug/ ihre außgeſtandene groſſe Gefahr zuer-
zaͤhlen; die Koͤnigin aber fuhr alſo fort: Wie ſehe ich dich ſo bleich/ naß und Ungeſtalt/
mein Kind? gilt wo du nicht in Lebensgefahr geſtecket haſt/ und mit groſſer Muͤhe erhal-
ten biſt? davor ich dann den Goͤttern billich danke. Ich weiß faſt ſelber nicht/ herzliebe Fr.
Mutter/ antwortete ſie/ ob ich den heutigen Tag/ unter die Gluͤklichen oder Ungluͤklichen
ſchreiben ſol; ſonſt muß ich wol geſtehen/ daß mir Zeit meines Lebens/ Wetter und Men-
ſchen nie ſo hefftig/ als eben heut zugeſetzet/ ſo daß ich mich wundere/ wie ich der grauſamẽ
Verfolgung habe entgehen koͤnnen. Die Koͤnigin entſetzete ſich vor ſolcher Rede/ hub
die Haͤnde auff gen Himmel und ſagete; Nun ihr huͤlffreichen guͤtigen Goͤtter/ ich danke
euch vor dieſe heutige Rettung/ und daß ihr der unbedachtſamen Jugend eure kraͤfftige
Hand
[216]Erſtes Buch.
Hand habt bieten wollen; wirſtu mir aber nach dieſem das Reiten und Jagen ſo hefftig
treiben/ ſoltu nicht ſagen/ daß du mein Kind ſeiſt/ dann du goͤnn eſt mir ja faſt keinen ruhigẽ
Tag/ daß ich deinet wegen nicht in Sorgen ſtehen muͤſte. Ach/ Gn. Fr. Mutter/ ſagte ſie/
eyfert euch nicht ſo ſehr/ und verzeihet mir die bißher begangene Fehler; ich wil nach die-
ſem ſchon wiſſen mich zumaͤſſigen/ zweiffele auch nicht/ der Himmel ſelbſt/ und meine aͤr-
geſten Feinde zugleich/ haben mich hievon heut dieſen Tag abſchrecken wollen. Die Anwe-
ſende ſaͤmptlich bahten ſolches zuerzaͤhlen/ ſie aber ging zuvor nach ihrem Zimmer/ und
muſte Libuſſa ihr ganz andere Kleider anzihen/ welche auff ihrem zarten Leibe noch zimlich
viel Koht ſehend/ zu ihr ſagte; wie gehet diß zu Gn. Fraͤulein? hat dieſelbe ſich mit den
Saͤuen im Miſtlachen gewaͤlzet? O mein liebes Kind/ antwortete ſie/ was vor einem un-
ſaͤglichen Ungluͤk und verderben bin ich heut entgangen! Himmel/ Erde und Waſſer ha-
ben mich vertilgen wollen/ ſo daß ichs vor ein Wunder rechne/ und mir ſelbſt kaum trauen
darff/ daß ich leben dig alhier wieder angelanget bin. Dieſe wolte alsbald alles verlauffs
berichtet ſeyn; aber ſie befahl ihr mit nach ihrer Fr. Mutter Zimmer zugehen/ da ſie alles
vernehmen wuͤrde/ wo ſonſt der Schrecken ihr ſo viel Verſtand und Worte uͤbrig gelaſſen
haͤtte/ daß ſie alles in die Nachdanken faſſen und außreden koͤnte. Als ſie nun zu ihrer Fr.
Mutter ſich nidergeſetzet hatte/ fing ſie alſo an: Hat der Himmel mich heut gerettet/ ſo hat
er mich nicht weniger geſchrecket daß ich gaͤnzlich davor halte/ die Goͤttliche Verſehung
habe mir zeigen wollen/ wie hart ſie die ſelben angreiffe/ die ihrem Grimme unterworffen
ſind. Als ich heut fruͤh mit meiner Geſelſchafft außritte/ warnete mich ein alter Pfaffe/ ich
ſolte zwar Haſenart nicht hindan ſetzen/ aber doch der Entvogel Weiſe fleiſſig in acht neh-
men; welches ich nicht verſtund noch groß achtete/ biß die Noht michs rechtſchaffen ge-
lehret/ und an die Hand gegeben hat. Vor erſt wolte mein Pferd ſich weder ſatteln noch
zaͤumen laſſen/ biß ichs zum Gehorſam pruͤgelte; und als ichs uͤber die Bruͤcke ritte (hie
warnete mich der Pfaffe) ſtraͤubete es ſich hefftig/ ſtund als ein verſchuͤchtertes Rehe/ und
hielt ſich nicht anders/ als ob es uͤber ein Feur haͤtte gehen ſollen; ich hatte faſt immer an
ihm zu ſtoſſen und ſchelten/ biß ichs ihm endlich muͤde machete/ daß es Gehorſam leiſtete.
Etwa eine halbe Meile von der Stad ſties ich auff ein artiges Rehe/ dem ich mannichen
Pfeil nachſchikte/ ehe ſichs legen wolte/ und wie es den Tod im Herzen fuͤhlete/ fiel es mit
ſo erbaͤrmlichen Geberden nider/ daß michs hoͤchlich jammeꝛte. Bald darauff ward ich et-
licher Reuter gewahr/ die mit verbundenen Maul und Wangen/ daß man ſie nicht keñen
ſolte/ zerſtreuet umbher ritten/ woruͤber ich in Argwohn eines Auffſatzes geriet; wie auch
meinen Reutern und Jaͤgerknechten nicht wol dabey wahr/ und mich warneten/ ich ſolte
mich wieder zuruͤk zihen/ weil ſichs ohn daß zum ſchweren Wetter anſehen lieſſe; taht ih-
nen auch folge/ hies das Rehe auff den mitgefuͤhrten Karren legen/ und nach der Stad ei-
len; aber ehe ich michs verſahe/ wahr ich umbgeben/ und zaͤhlete XII auff vorgemeldete
Weiſe vermummete Reuter/ welche mir nach ſchrihen/ ich moͤchte ſtille halten/ und ſo hart
nicht eilen/ ſie wolten meine getraͤue Begleitsleute ſeyn/ und mich an Ort und Ende fuͤh-
ren/ da mir beſſer bey einem jungen Braͤutigam/ als bey der altẽ Mutter ſeyn wuͤrde. Mei-
nes lachens wahr hie nicht viel uͤbrig/ inſonderheit/ als ich ſahe/ daß ihrer ſechſe auff meine
Leute zuſetzeten/ und ſie alle in ſtuͤcken hieben. O mein herzen Kind rief die Koͤnigin/ ſchwei-
ge
[217]Erſtes Buch.
ge ſchweige/ und laß mich ja bey leibe kein groͤſſer Ungluͤk hoͤren. Aber Pribiſla redete ihr
ein/ Ihre Hocheit moͤchte ſichs gefallen laſſen/ daß das Fraͤulein alles anzeigete/ weil ſie
durch der Goͤtter Huͤlffe entrunnen/ und alhie friſch und geſund wieder ankommen waͤh-
re. Meine Reuter und Jaͤgerknechte/ fuhr das Fraͤulein fort/ wahren hiemit auffgeopfert/
und hatte ich noch drey Pfeile im Vorraht/ deren ich mich zugebrauchen bedacht wahr;
weil ſie aber den Weg nach der Stad zu/ gar verlegeten/ und zugleich mir auff den Leib
ruͤcketen/ zog ich von Leder/ und ſuchete mit Gewalt durchzubrechen/ wie ich dann ihrer
drey alſo zurichtete/ daß ſie es nicht nachſagen werden/ bekam auch hiedurch ſo viel Lufft/
daß ich aus ihrem Gedraͤnge mich loßwickelte/ und das freye Feld einnam/ der Hoffnung/
ich wuͤrde nunmehr gewonnen/ und meine Seele gerettet haben/ und ob gleich das grauſa-
me Donnerwetter ſchon angangen wahr/ daß der Blitz alles feurig ſcheinen machete/
lieſſen doch jene ſo wenig nach/ mich zuverfolgen/ als ich mich bemuͤhete auszureiſſen;
doch hatte ich dieſen Vorzug/ daß mein Pferd ſchneller von Schenkeln wahr/ und einen
guten Vorſprung in kurtzer Zeit gewan. Aber umb Verzeihung/ ſagte ſie/ daß ich mein
mattes Hertz zulaben genoͤhtiget werde; ſtund auff/ und taht einen guten Trunk aus ihrer
Fr. Mutter Becher/ da die Koͤnigin unter deſſen ſagete: O Kind/ Kind/ wann der Him̃el
ſich dein nicht erbarmet haͤtte/ wuͤr deſtu ohn zweifel ſchon tod oder geſchaͤndet ſeyn/ und
hat wol niemand als dein Schutz Gott deinem Pferde ſo gerade Fuͤſſe gemacht. O nein
Herzen Fr. Mutter/ antwortete ſie/ der Himmel hat mich in das groͤſſeſte Ungluͤk geſtuͤr-
zet/ maſſen wie ich in vollem rennen wahr/ und mein gutes Pferd nicht anders als ein Vo-
gel daher flohe/ taht der Himmel einen hefftigen Doñerſchlag/ daß der feurſtrahlende Keil
in eine hohe Eiche fuhr/ und dieſelbe mitten voneinander ſpaltete/ wandte ſich hernach zur
ſeiten/ und ging dergeſtalt unter meinem Pferde her/ daß ihm das rechte Voͤrder- und lin-
ke Hinter-Bein ober dem Knie glat abgeſchlagen ward/ und ich mit ihm zur Erden ſtuͤr-
zete/ deſſen meine Verfolger ſich hoͤchlich freueten/ uͤberfielen mich auch/ weil ich unter dem
Pferde mich nicht loßarbeiten kunte/ und nahmen mich/ wiewol mit zimlich freundlichen
Worten gefangen. Mein Schwert/ Bogen und Koͤcher ward einem zur Verwahrung
eingeliefert/ mich aber nam ein ander vor ſich auffs Pferd/ und begunten mit mir ſortzuzi-
hen/ da wir inwendig einer Stunde an die Molda kahmen/ und ich auff meine frage/ wo-
hin ſie mich dann zu fuͤhren willens waͤhren/ keine andere Antwort bekam/ als mein Braͤu-
tigam (welches ſie aus auffrichtiger Einfalt erzaͤhlete) wuͤrde dieſe Nacht ſich ſo freund-
lich gegen mich erzeigen/ daß ich mich von ihm zu ſcheiden kein Verlangen tragen wuͤrde.
Es wahr mir ſolches eine verdaͤchtige Rede/ daher ich alle meine Gedanken anwendete/
wie ich mich loßmachen koͤnte. Nun ſahe ich von ferne VI ledige Baurenpferde in der
Weide gehen/ und ritten wir in einem tieffen Wege/ da nur zween bey einander her zihen
kunten/ hatten uns auch ſchon von der Molda hinweg gewand und die Heerſtraſſe errei-
chet/ da mein Fuͤhrer ſtille hielt/ und von ſeinem Geſellen ein Leilach foderte/ in welches er
mich ganz einhuͤllen wolte/ damit ich unerkaͤntlich waͤhre; ich aber ward meines heimlichẽ
Dolches eingedenk/ zog ihn unvermerket aus/ druͤckete ihm denſelben ins Herz/ daß er
ohn Wortſprechen vom Pferde ſtuͤrzete/ und ſchwang ich mich gluͤklich auff das hohe
Ufer des engen Fahrweges/ daß mir kein Pferd folgen kunte/ lief daꝛauf/ ſo ſchnel ich much-
E ete/
[218]Erſtes Buch.
te/ nach den obgedachten Bauren Pferden/ ſetzete mich auf deren eines/ und rante Sporn-
ſtreichs gleich auf die Molda zu. Die hinterſten Reuter wahren meiner Flucht zeitig inne
worden/ hatten ſich uͤmgewand/ und bearbeiteten ſich/ mir den Weg abzuſchneiden; mir
aber fiel zwar zum gefaͤhrlichen/ aber doch gutem Gluͤcke des alten Pfaffen warnung ein;
und da ich nach der Haſen art durch das Feld davon zufliehen keine moͤgligkeitſahe/ nam
ich der Entvogel gebrauch an mich und ſetzete gerade auf die Molda zu. Am Ufer kam mir
ein erſchrekliches grauſen an/ dann der ſchnelle Stꝛohm bildete mir nicht allein den gewiſ-
ſen Tod vor die Augen/ ſondern das hohe Ufer/ von welchem ich etliche klafter hinab ſahe/
machte mich verzaget/ daß ich den Sprung nicht wagen durffte/ hielt alſo ſtille/ biß die lei-
digen Verfolger ſich naheten/ denen ich zurief/ ſie ſolten mich meines weges ziehen laſſen/
oder ich wolte mich ins Waſſer ſtuͤrzen; welches ſie auch ein wenig ſtutzen machte/ daß ſie
anfingen mir gute Worte zu geben/ vorwendend/ ſie ſucheten ja mein Verderben nicht/ ich
haͤtte mich des aller geringſten nicht zu befuͤrchten/ meine Wolfahrt beſtuͤnde in dieſem/
wann ich mit jhnen unwegerlich fortzihen wuͤrde; aber dieſes wahr noch lange die rechte
Lokpfeiffe nicht/ ſondeꝛn ich fragete beſſer nach/ was vor einen Braͤutigam ſie mir dqñ voꝛ-
ſchluͤgen/ ſolten ſie mich wiſſen laſſen/ alsdañ wuͤrde ich mich erklaͤren koͤnnen. Dieſes an-
zudeuten wahr jhnen ungelegẽ/ uͤmſetzeten mir meinen Weg/ daß ich weder zur ſeiten noch
hinterwarz fliehen kunte/ ſondern bloß nur der tieffe Fluß mir offen ſtund. Die uͤbrigen
Reuter kahmen auch angeſtiegen/ deꝛen eineꝛ von feꝛne rief/ ſie ſolten mich anfaſſen/ es haͤt-
te nichts zu bedeuten/ daß ich mich in das Waſſer ſtuͤrzen wuͤrde. Nun muß ich bekennen/
daß ich ſehr zweiffelmuͤhtig wahr/ dann weil ich des Schwimmens aller dinge unerfah-
ren/ ſahe ich auff ſolchen Fal/ daß ich mich in den Tod ſtuͤrzen wuͤrde/ jedoch/ weil jhrer vie-
re zugleich von den Pferden ſtiegen/ und auf mich zudrungen/ faſſete ich eine kurze Erklaͤ-
rung/ ſahe gen Himmel und rief mit andaͤchtigem Herzen; du warhaftiger Gott/ wie du
auch heiſſeſt/ hilf mir aus der Waſſers Noht/ wie du mich von dem Donnerkeil und dieſen
Raͤubern haſt erloͤſet; und als dieſe Buben gleich nach mir griffen/ wagete ich den ſprung
friſch zum Ufer hinab/ da der Wind unter meine Kleider mich faſſete/ und mich wol VI
groſſer Schritte hinein fuͤhrete/ daß ich ſchon daher ſchwam wie ein Entvogel/ wiewol die
augenblikliche Waſſeꝛkaͤlte auf den heiſſen ſchweiß miꝛ gar ungewohne taht. Es dauchte
mich ein Spielwerk ſeyn/ ſo lange meine Kleider trocken wahren/ und der Strohm mich
nicht faſſete/ aber hernach galt es tꝛauen todes Angſt; ich hatte wol ehmals ſchwimmen ge-
ſehen/ aber es wolte mir nicht fugen/ maſſen wann ich mit den Fuͤſſen zuſchlagen anfing/
zogen ſich meine durchnetzeten Kleider zuſammen/ daß ich nur drinnen verwickelt ward.
Bald darauf geriet ich in den Stꝛohm/ der mich uͤber und uͤber purzelte/ und ich mich dem
Tode gutwillig ergab/ nur daß ich mich ſcheuhete/ das unreine Waſſer zu trinken/ und da-
her meinen Mund feſte zuhielt/ biß ich das Haͤupt auſſerhalb Waſſers merkete/ dañ ſchoͤp-
fete ich Lufft/ und durch dieſes Mittel entging ich dem hefftigſten Strom/ in dem ich mit
den Fuͤſſen unterwarts/ und mit den Haͤnden nach dem andern Ufer zu arbeitete/ biß ich
an einen Sandhuͤgel geriet/ da mir das Waſſer naͤhrlich an den Leib reichete/ und ich fein
aufrecht ſtund mich auszuruhen. Meine Verfolger hielten am Ufer und rieffen mir zu/
ich ſolte mich ja nicht durch die Flucht von dem gefaſſeten Stande laſſen abtreiben/ das
Waſſer
[219]Erſtes Buch.
Waſſer waͤhre an der noch uͤbrigen ſeiten unergruͤndlich/ darinnen ich ohn alle Huͤlfe er-
ſauffen muͤſte; es haͤtten jhrer etliche ſich faſt ausgezogen/ die mir nach ſchwimmen/ und
mich retten ſolten. Als ich dieſen unangenehmen Troſt hoͤrete/ rief ich die himliſche Huͤlfe
zum andern mahle an und ſagete du Gott/ der du bißher mein Schiff/ Ruder und Steur-
man geweſen biſt/ gib nicht zu/ daß die mehr als halb geleiſtete Rettung an mir vergeblich
ſey. Wagete mich alſo mit Troſt vollem Herzen wieder fort/ arbeitete auch auf die vorige
weiſe/ daß mir der Mund ſtets auſſerhalb Waſſers blieb/ daher ich Gottes unfehlbaren
Beyſtand ſpuͤrete/ und nichts hoͤhers wuͤnſchete/ als daß dieſer mein huͤlfreicher Gott mir
bekant ſeyn moͤchte/ uͤmb jhm meine Dankbarkeit ſehen zu laſſen. Es wehrete mein after
ſchwimmen zwar noch eine gute weile/ doch ehe ich michs verſahe/ ſtieß ich mit einem
Fuſſe wieder den Grund/ daß ich den uͤbrigen Weg im Waſſer gehend endigte/ und Ge-
ſund ans trokne Ufer trat. Hie ſahe ich mich erſt kuͤhnlich umb/ und ward gewahr/ daß die
langen naſſen Kleider mir am Lauffe ſehr hinderlich ſeyn wuͤrden/ und ich doch einen wei-
ten Weg zu Fuſſe wandern muſte/ warf deswegen das Oberkleid gar hinweg/ ruhete ein
wenig auf die Schwimme-Muͤdigkeit/ und dankete dem Gott inniglich/ der mir ſo weit
in ſicherheit geholffen hatte. Bald naheten ſich zween Buben/ welche weit obenwertz des
Fluſſes ſich ganz nacket hinein gewaget/ und die Schwerter ins Maul gefaſſet/ ohn zweifel
des Vorhabens/ mich zuerſchlagen/ da ſie mich lebendig nicht wuͤrden uͤber bringen koͤn-
nen; weil mich aber Gott vor dißmahl retten wolte/ traf ich VI bequeme Werfſteine an/ de-
ren ich mich getroͤſtete/ ließ den foͤrderſten zu mir ankommen/ welchem ich/ da er das Ufer
faſt erreichet hatte/ die Stirne mit einem/ und bald darauf das Maul mit dem ander ſtein
dergeſtalt kuͤſſete/ daß er niderſtuͤrzete; ich behende zu jhm hin/ nam ſein Schwert zu mir/
und erwartete des andern ohn alle Furcht/ nur daß ich abſcheuh an dem nacketen und un-
flaͤtigen Buben hatte/ welcher ganz veꝛwaͤgen auf mich anging/ ruͤffend; weil jhr/ ſchoͤnſtes
Fraͤulein/ nicht habt gluͤklich leben wollen/ muͤſſet jhr ungluͤklich ſterben; ich ſchaͤtzete ſein
Draͤuen gar liederlich/ mich naͤhſt Gott auff meine zimliche Fechter-Erfahrenheit ver-
laſſend/ ſtellete mich in ein bequemes Lager/ und ſahe der Unflat daraus/ daß ich mich mei-
ner Haut erwehren wuͤrde/ welcher von der Fechtkunſt wenig vergeſſen hatte/ daß ich vor
jhm mich leicht beſchuͤtzete/ jhm auch Gnade und Leben anboht/ dafern er ſich mir er geben/
und die Anſtiffter dieſer Freveltaht nahmhafft machen wolte; weil er deſſen ſich aber we-
gerte/ und endlich als ein raſender anfiel/ ließ ich jhn in mein Schwert lauffen/ daß jhm
das Herz durchbohret ward. Nicht deſto weniger ritten die uͤbrigen jenſeit des Ufers auff
und nider/ ob ſie mit den Pferden durchſetzen koͤnten/ daher ich mich eines neuen uͤberfalls
befuͤrchtend/ meine Fuͤſſe auffmunterte/ und mit riſchen Spruͤngen das blutige Schwert
auff allen Nohtfall in der Fauſt haltend/ mich nach der Stad kehrete/ da ich mein Nider-
kleid biß an die Knie auffheben muſte/ dz ich am lauffen nicht verhindert wuͤrde; es dauch-
te mich nicht raht ſeyn/ am Ufer hinzulauffen/ damit ich den Schelmen nicht allemahl im
Geſichte bliebe/ ſahe von ferne eine Hecke/ hinter dieſelbe begab ich mich/ und lauſchete/ wz
ſie an fahen wuͤrden/ merkete auch/ daß ſie ſich unter einander nidermacheten; doch wolte
ich ihr leztes nicht abwarten/ ſondern nach andenrthalbſtuͤndigem irrelauffen traf ich ein
[al]tes Weib an/ die ihrer Sage nach/ Graß vor ihre Kuh ſamlete/ und fragete ſie/ ob ich den
E e ijnaͤhe-
[220]Erſtes Buch.
naͤheſten Weg zur Stad vor mir haͤtte; welche mich ſehend/ beyde Haͤnde zuſam̃en ſchlug/
und zu mir ſagete; O allerſchoͤnſte Jungfer/ wie kommet ihr an dieſen Ort? Ich gab ihr
zur Antwort/ ſie ſolte hiernach nicht fragen/ ſondern mir Anleitung geben/ wie ich hinweg
kommen moͤchte. Ja wol/ ſagte ſie/ der Weg iſt viel zuweit/ welchen euch eure zarten Beine
nicht tragen koͤnnen. Ich aber haͤtte mich ſchier uͤber der Vettel erzuͤrnet/ bekam doch end-
lich noch einen ſo verwirreten Beſcheid/ daß ich ungewiſſer von ihr ging als ich kommen
wahr/ dann ſie beſchrieb mirs ſo kunterbund durch einander/ ich muͤſte erſt Hotte/ hernach
wieder Schwade/ dann etwas gleich vor mich hin/ den ungebahneten Weg gehen/ ſonſt
wuͤrde ich in die Pfuͤtzen biß uͤber die Ohren gerahten; welches ich zwar mit einem Gelaͤch-
ter beantwortete/ aber rechtſchaffen zufunde kam/ indem ich biß an den Leib durch dẽ weich-
gefahrnen Koht waden/ und hernach mich in einer Bach dabey wieder abwaſchen muſte.
Kaum wahr ſolches geſchehen/ da ſtieß ein Reuter auff mich/ den ich vor einen verwaͤge-
nen Puſchkloͤpffer hielt/ ſahe mich von ferne kommen/ ſtieg ab von ſeinem Pferde/ band es
an eine Staude/ und blieb ſtille ſtehen/ als er merkete/ daß ich gerade und ungeſcheuh[e]t auff
ihn zuging/ ihn auch fragete/ ob diß der rechte und naͤheſte Weg nach der Stad waͤhre;
worauff er mir zur antwort gab/ es naͤhme ihn groß wunder/ wie ſo eine aͤdle ſchoͤne Jung-
fer mit bloſſem Schwerte in dieſem weiten Felde ſo einſam ginge/ griff auch nach mir/ uñ
ſagete zugleich/ er haͤtte nie das Gluͤk gehabt daſſelbe anzutreffen/ was ihn vergnuͤgete/ ohn
vor dißmahl; Ich wiche hinterwarz/ boht ihm die Spitze und warnete ihn/ ſich wol vorzu-
ſehen/ und nicht weiter zu gedenken als mein guter Wille waͤhre; woran er ſich doch wenig
kehrete/ ſondern mich baht/ ſeine Liebe mir gefallen zu laſſen/ und mich hinter die Hecke zu
ihm niderzuſetzen; ſuchete auch/ wie er mir das Schwert ausſchlagen/ und ſich meiner be-
maͤchtigen koͤnte; wor auff ich zu ihm ſagete: Du ſchaͤndlicher Bube/ weiche und laß mir
dein Roß/ oder wehre dich meiner; ſchlug ihn auch flaͤchlings uͤber die Ohren/ daß er deſ-
ſen wol empfand; noch wolte er ſich nicht warnen laſſen/ und drang immer hefftiger zu mir
ein/ woruͤber ich ihm eine Wunde uͤber die linke Fauſt gab/ daß er ſchrihe/ und ſich ſeines
Schwerts zugebrauchen anfing/ da ich ihm nach kurtzem Gefechte das Eiſen durch die
Gurgel ſtieß/ und mir hiedurch ein Pferd erſtritten hatte/ auff welches ich mich ſetzete/ des
Ertoͤdteten Schwert an meine Seite hing/ und von einem Bauren auf den rechten Weg
gefuͤhret ward/ welchen ich bald kennete/ und auffs ſchnelleſte fortjagete/ die Stad ſchier zu
erreichen. Es begegneten mir aber zween andere/ die mich frageten/ wie ich zu dem Pfer-
de und Schwerte kommen waͤhre; denen ich gleich zu antwortete/ wie es ergangen wahr.
Dieſe aber darauff ſagten/ ich wuͤrde meine Leute bey mir gehabt haben/ welche ihren red-
lichen Geſellen abgeſetzet/ oder wol gar ermordet haͤtten/ und begunte der eine ſchon ſein
Schwert zu zuͤcken/ dem ich doch/ ehe er ſichs verſahe/ einen Schnit uͤber die Kehle gab/ dz
er die Erde ſuchete/ auch den andern/ wie er ſich an mich machte/ dergeſtalt abfertigte/ daß
ſein Pferd/ wie des vorigen/ ohn ſeinen Re[u]ter davon lief/ ich aber nach eilferley Gefahr/
und Niederſchlagung neun gottloſer Schelmen/ (dem Himmel und dem wahren Gott/ der
drinnen herrſchet/ ſey dank) geſund und friſch dieſes Schloß wieder erreichet habe/ und iſt
mir nicht unangenehm/ daß ich die Zubereitung des Abendeſſens ſehe/ wobey ich mein
Fruͤhſtuͤcke einnehmen wil. Es hatten ihre Fr. Mutter und alle anweſende die Erzaͤhlung
mit
[221]Erſtes Buch.
mit Verwunderung angehoͤret/ daß die Koͤnigin zu unterſchiedlichen mahlen daruͤber er-
ſtarrete/ und alle lebendige Farbe verlohr/ fingen auch an zu uͤberlegen/ wer doch im̃ermehr
des erſten uͤberfalles Stiffter ſeyn moͤchte/ da etlicher Muhtmaſſung recht zutraff/ wiewol
ſie es nicht durfften melden/ und erſt lange hernach an Tageslicht kam. Bey der Mahlzeit
ſagete die Koͤnigin zu dem Fraͤulein: Herzallerliebſtes Kind/ ſol ich dich nach abgelegetem
Schrecken mit einer gewuͤnſcheten Zeitung erfreuen? O ja/ Gn. Fr. Mutter/ antwortete
ſie/ habt ihr etwa von meinem Herr Bruder etwas gutes/ ſo teilet mirs mit. Siehe da/
ſagte ſie/ liſe dieſes/ ſo weiſtu ſo viel als ich und wir alle mit einander. Aber die gute Mutter
wuſte nicht/ wie hoch ſie ihre Tochter hiedurch erfreuete/ welche auch jhre Hertzensvergnuͤ-
gung nicht verbergen kunte/ da ſie nach Verleſung ſaget: Ach mein Gott/ der du mir heut
ſo gantz gnaͤdig geholffen haſt/ gib doch/ daß ich dieſe meine Fr. Schwaͤgerin und Schwe-
ſter ja ehiſt ſehen und umfahen moͤge/ weil ich ſchon wol weiß/ daß mein Herr Bruder kein
unwirdiges Fraͤulein heyrahten wird; faſſete auch alsbald die Gedanken/ wie ſie erhalten
moͤchte/ die Reiſe auff das Hochzeit feſt erſtes Tages vorzunehmen/ und wahr ihr ſehr leid/
daß ſie ihr heutiges Ungluͤk ſo umſtaͤndig erzaͤhlet/ und dadurch ihrer Mutter Sorge und
Bekuͤmmerniß rege gemacht hatte. Nach der Mahlzeit ging ſie mit Libuſſen ein halb-
ſtuͤndichen auff ihr Zimmer/ da ſie mit betruͤbeten Worten zu jhr ſagete: Ich habe heut uͤ-
beraus groſſe Angſt in meiner Seele empfunden/ aber wann mein Herkules mich mit ei-
nem Briefelein begruͤſſet und erfreuet haͤtte/ wolte ichs alles vor gedoppelt erſetzet rechnen;
meyneſtu aber nicht/ geliebetes Kind/ daß ich nicht urſach gnug habe/ mich uͤber ihn zube-
ſchweren/ weil er bey meines Bruders eigenem Bohten mir nicht ſchreiben wollen? O wie
koͤnte ich doch ein ſolches uͤber mein Herz bringen/ daß ich ſo gute Gelegenheit verab-
ſeumete? Libuſſa lachete deß/ und gab zur Antwort: Gn. Fraͤulein/ ich haͤtte nicht gemey-
net/ daß der Liebe eine ſolche Vergeſſenheit ſolte beywohnen; bedenket Eure Gn. nicht/ dz
ihr Antwort-Schreiben geſtern fruͤh erſt fortgeſchicket/ und dem lieben Fuͤrſten noch nicht
geliefert iſt? oder meynet ſie/ er habe ſolches ſo lange vorher riechen koͤnnen? muß er nicht
zuvor wiſſen/ ob ſeine Schreiben auch angenommen werden oder nicht? Was wuͤrde ſie
doch von jhm halten oder urteilen/ wann er ſie mit ſeinen taͤglichen Briefen uͤberſtuͤrmete/
ehe und bevor er einige Antwort bekommen? Wolle demnach Eure Gn. dieſer Bezichti-
gung ihn ſchweſterlich erlaſſen/ biß er jhrer Antwort kan habhafft ſeyn/ und verabſeumet eꝛ
alsdann einige Gelegenheit/ iſts doch noch fruͤh genug ihn anzuklagen. Mein Herkules
muß dir ohn zweifel Jahrs beſtallung geben/ ſagte ſie/ daß du allemal wider mich ſein wort
redeſt/ oder haſtu etwa ſo gute Kundſchafft mit ihm gepflogen/ ſo ſage mirs/ daß ich dich
wegen ſeiner gewirdigten Liebe gebuͤhrlich ehren moͤge. So muſte die Geige geſtimmet
werden/ antwortete jene/ wo ſie ſonſt ſcharff klingen ſol/ und hat der Eifer mein Gn. Fraͤu-
lein ſchon eingenommen/ ſo iſt mirs halb leid/ dz ich mich nicht zutaͤhtiger bey ihm gemacht
habe/ vielleicht haͤtte ich auch noch eine beſſere/ als gemeine Gunſt von ihm erhalten/ dann
ich getraue durch meine Geſtalt und Freundligkeit noch wol einen Fuͤrſten zu meiner Ne-
benliebe zubewaͤgen/ ob er mir gleich nicht werden kan. Dem Fraͤulein wahren ihre luſtige
Schwaͤnke und ehrliebendes Herz bekant/ ſonſt wuͤrde ſie ihr dieſen Streich ſchwerlich zu
gute gehalten haben; doch ſagte ſie zu ihr; Kind Kind/ fidelſtu nicht zu groh auff kleinen
E e iijSei-
[222]Erſtes Buch.
Seiten? wie wuͤrde dir ſolches ein ander als ich/ zum beſten auß deuten koͤñen? Sihe dich
aber wol vor/ daß du ja nicht aus unbedacht in anderer Leute Gegenwart dergleichen
Scherz treibeſt/ du duͤrfteſt dir ſonſt Ungelegenheit ohn dein Verbrechen verurſachen. Ja
mein Fraͤulein ja/ antwortete ſie/ da Scherz keinen Kaͤuffer hat/ laſſe ich ihn wol unaußge-
bohten; ihre Gn. haben mich ja viel anders gepruͤfet; daß aber bey derſelben ich ſolche
Kuͤhnheit gebrauche/ iſt die einige Urſach/ daß vor uͤbermaͤſſiger herzens Liebe ich nicht
weiß/ auff was Art euer Gn. ich Luſt und anmuht erwecken wil/ und wann ich wiſſen ſolte/
daß dieſelbe ich hiedurch verunwilligte/ wolte ich mir lieber die Zunge abbeiſſen/ als ein
Woͤrtlein ihr zu wieder reden. So magſtu immerhin plaudern/ ſagte ſie/ wann wir allein
ſind. Dieſe Erlaͤubnis/ fuhr jene fort/ wolte ich gerne haben/ und kan nunmehr nicht ver-
bergen/ wie lieb mirs iſt/ daß eure Gn. heut mit zween nacketen hat fechten muͤſſen. Je/ ant-
wortete ſie/ du wirſt ja nicht gar aus der Erbarkeit Schranken loßbrechen. Laſſet michs
doch zuvor alles ausſagen/ wieder antwortete jene; dann haͤtten die frechen Buben volle
Ritterharniſche angehabt/ ſamt Schild und Helm/ duͤrffte umb Eure Gn. es gefaͤhrlich
geſtanden ſeyn. Ich aber/ ſagte das Fraͤulein/ moͤchte wuͤnſchen/ daß ein ieder drey Harni-
ſche angehabt haͤtte. Wie ſo? fragte iene. Biſtu nicht eine Naͤrrin? ſagte ſie/ dann unter
ſolcher Laſt haͤtten ſie ja im Waſſer erſauffen muͤſſen. Libuſſa ſchaͤmete ſich der Fehlfrage/
und fing an: Was habe ich mich dann auch groß umb dieſe Buben zu bekuͤmmern? viel-
lieber fahre ich fort in des allertrefflichſten Fuͤrſten Verteidigung/ und wage eine Wette/
ob nicht innerhalb kurtzer Zeit Eure Gn. Schreiben von ihm hat; und nicht allein nur
Schreiben/ ſondern wegen des Haaren Armbandes zehnfache Erſtattung; aber wie dann
Gn. Fraͤulein/ wann ich Arbeitslohn ihm angefodert/ und zuwiſſen getahn haͤtte/ daß ich
die Kuͤnſtlerin geweſen bin? O du dumkuͤhnes Tihr/ antwortete ſie/ du wirſt ja ſo unver-
ſchaͤmt nicht ſeyn. Unverſchaͤmt? ſagte Libuſſa; heiſſet man das unverſchaͤmt/ wann der
Arbeiter ſeinen Lohn fodert? Du loſer Sak/ antwortete ſie mit einem lachen/ ich habe noch
nicht viel Briefe geſehen/ in welchen er deine Arbeit angefodert; wiltu aber Arbeitslohn
haben/ ſo fodere ihn von mir/ und nicht von meinem Herkules. Ich wil ſchon wiſſen/ ihn
von beyden auff einmahl zufodern/ ſagte ſie/ aber daß euchs ſchwer gnug fallen ſol/ mich zu
befriedigen. Ey draͤue ſo hart nicht/ antwortete das Fraͤule in/ koͤnnen wir dañ den Haͤupt-
ſtuel ſo geſchwinde und auff ein mahl nicht abtragen/ wollen wir die Zinſen richtig machẽ/
Gott gebe nur/ daß die Zeit ſchier komme/ daß du uns beyde in einem Gemache mahnen
koͤnneſt. Alſo fuͤhreten ſie ihr ehrliebendes Geſpraͤch/ und wuſte dieſe Jungfer dem Fraͤu-
lein ſo genehm vorzuſchwaͤtzen/ daß ſie offt ja ſo befrie diget ſich befand/ als wann ſie auff ih-
res Herkules Schoſſe geſeſſen waͤhre.


Des naͤhſtfolgenden Morgens ward auff dem Koͤniglichen Schloſſe angemeldet/ es
waͤhre eine Geſelſchafft von LVI Reutern/ in lauter Sammet gekleidet vor dem Stadtohr/
welche vorgaͤben/ ſie kaͤhmen von jhrem Koͤnige Ladiſla aus Italien. Die Koͤnigin ließ das
Fraͤulein ſolches wiſſen/ daß ſie nach angelegetem Schmuk zu jhr kaͤhme/ und der Geſan-
ten Werbung mit anhoͤrete/ welche dann alle eingelaſſen/ und in die beſten Herbergen ver-
legt wurden/ von denen Friederich und Lutter allein ſich nach Hofe verfuͤgeten/ und nach
abgelegetem Kind- und Bruͤderlichen Gꝛuß von Ladiſla und Herkules an die Koͤnigin und
das
[223]Erſtes Buch.
das Fraͤulein/ reicheten ſie Ladiſla Schreiben ein alſo lautend: Gnaͤdigſte Fr. Mutter; ich wil
nicht zweiffeln/ jhr werde mein Schreiben/ in welchem ich meine ſehr gluͤkllche Heyraht angemeldet/
wol eingelieffert ſeyn; Mein Hochzeitliches Freudenfeſt wird auff beſtimmete Zeit/ da ich lebe/ vor ſich
gehen/ moͤchte meiner Fr. Mutter und Frl. Schweſter gegenwart von Herzen wuͤnſchen/ damit nicht
allein ich jhnen mein allerliebſtes und mit allen Fuͤrſtlichen Tugenden begabtes Fraͤulein/ ſondern zu-
gleich auch andere Ehren-Begebniſſen zeigen moͤchte/ deren wir von Kaͤyſerl Hocheit noch viel mehr
gewaͤrtig ſind/ wie zeigere dieſes/ Friederich und Lutter werden berichten koͤnnẽ/ denen ſie vollen Glau-
ben zuſtellen wollen; und weil ich willig geſtehen muß/ daß mein Herkules aller meiner Ehren die einige
Urſach iſt/ deſſen Heldenmuht und Tugend zubeſchreiben ich unduͤchtig bin/ wird meine Fr. Mutter
leicht erkennen/ wie hoch wir demſelben veꝛpflichtet ſind. Die begehreten Gelder wolle meine Fr. Mut-
ter nur zuruͤk behalten: weil deren ich uͤber Notturfft habe/ und in kurzem eines groͤſſeren Schatzes mir
vermuhten bin; moͤchte nochmahls von Herzen gerne jhre und meiner Frl. Schweſter Anweſenheit/
wo moͤglich/ hieſelbſt wiſſen und ſehen. Gegeben zu Padua am XII. Tage des Mey Monats/ von ihrem
gehorſamen Sohn Ladiſla.


Mutter und Tochter laſen es zugleich mit einander/ und ging dieſer ihres Herkules
Ruhm dergeſtalt durchs Herz daß ſie ſich/ von ihm geliebet zuwerden/ viel zugeringe ſchaͤt-
zete Weil ſie dann verlangen trugen Ladiſlaen Gluͤk zu erfahren/ muſte Friederich ſolches
mit allen umbſtaͤnden erzaͤhlen/ welcher dabey vermeldete/ es zweiffelte niemand/ die er-
oberte Beute in der Raͤuber Hoͤhle wuͤrde Herkules und Ladiſla von dem Roͤmiſchen
Kaͤyſer ganz und gar geſchenket werden/ ungeachtet dieſelbe ſich uͤber die CL Tonnen Gol-
des belieffe/ welches die Koͤnigin vor unglaͤublich hielt. Lutter wahr vielfaͤltig drauff be-
dacht/ wie er dem Fraͤulein die Sachen neben dem Schreiben heimlich beybringen wolte/
daß er von ſeiner Geſelſchafft ſich nicht trennen/ ſondern zugleich mit ihnen nach Teutſch-
land gehen moͤchte/ hatte nun ſchon vernommen/ wie gute Luft ſie zu ſchoͤnen Pferden truͤ-
ge/ daher er die/ ſo Herkules ſeinem Bruder ſchickete/ hoch zuruͤhmen anfing/ nebeſt an-
zeige/ daß dem Durchl. Fraͤulein von Fuͤrſt Herkules er auch eines zu liefern haͤtte/ dafern
dieſelbe ihm gnaͤdigſt befehlen wolte es herzuhohlen. das Fraͤulein verſtund alsbald/ daß
er ſie allein zuſprechen Gelegenheit ſuchete/ ſagte demnach zu ihm/ er moͤchte ſie alle bringẽ/
daß ſie dieſelben beſchauete/ als dann wolte ſie biß in den groͤſten Vorplaz folgen; welches
dann alsbald geſchahe/ da die ſechs nach Teutſchland uͤbermachte zur Seite geſtellet wur-
den/ deren mit Gold und Perlen geſtickete Saͤttel und Zeug nach abgezogenen rohten le-
dernen uͤberzuͤgen ſtatlich hervor blicketen; der Fraͤulein ſchneweiſſes/ mit langer liecht-
rohter Maͤhne und Schwantze ward von zween Teutſchen abſonderlich geleitet. Lutter
hatte die zu Padua empfangene ganz guͤldene Huefeiſen ihm zu Prag mit ſilbern Naͤgeln
unterlegen laſſen. Naſeband/ Gebiß/ Stangen Steiffbuͤgel und Spangen wahr alles
klammer Gold mit aͤdlen Steinen außgeſezt/ vor dem Haͤupte hatte es ein Kleinot hangen
in geſtalt eines halben Monden/ welches von Demanten ſchimmerte; Zaum/ Sattel/
Vor- und hinderzeug wahr mit Gold und Perlen auffs reichlichſte geſticket/ uñ die Decke
ſo auff dem Pferdelag/ und an beyden Seiten den Steiffbuͤgeln gleich hing/ wahr ein guͤl-
den Stuͤk in gruͤn/ daß desgleichen Pracht daſelbſt nie geſehen wahr. Ober dem Kleinot
vor der Stirn wahr ein zartes weiſſes Leder angehefftet/ und auff demſelben der Nahme
VALISCA, mit guͤldenen Buchſtaben. Hinter dem Pferde folgete die blaue Sammete
Gutſche mit ſechs muhtigen Blaͤnken im guͤldenen Zeuge/ welches alles das Fraͤulein mit
Verwun-
[224]Erſtes Buch.
Verwunderung anſahe/ und Lutter ihr ſolches alſo einlieferte: Durchleuchtigſtes Koͤnig-
liches Fraͤulein/ der auch Durchleuchtigſte Fuͤrſt und ſiegreiche Held/ Großfuͤrſt Herku-
les/ hat mir gnaͤdigſt anbefohlen/ ihrer Durchl. dieſes Pferd/ welches in dem Eilande Si-
zilien geworffen und abgerichtet iſt/ in ſeiner Durchl. Nahmen untertaͤhnigſt einzuhaͤn-
digen/ mit Bitte/ ſolches an Stat eines geraubeten Bandes unbeſchwert anzunehmen/
und mit ſchweſterlicher Gewogenheit im ſtets zugetahn zu verbleiben. Die Gutſche ſamt
auffgeſetzeter Lade wird gleicher Geſtalt euer Durchl. von hoͤchſtgedachtem Fuͤrſten zuge-
ſchicket/ wobey ich den Befehl habe/ deroſelben dieſes Schreiben/ und dabey gefuͤgeten/ zu
der Lade gehoͤrigen verſiegelten Schluͤſſel/ ohn anderer auffmerkung zuzuſtellen/ welches
ich hiemit an dieſem bequemen Orte wil geleiſtet haben/ und wird eure Durchl. mir goͤñen/
daß die Lade alsbald auff ihr eigenes Zimmer getragen werde. Mein Herr Oheim und
Bruder/ der Durchl. Großfuͤrſt/ antwortete ſie/ hat gar zu uͤbrige Koſten an den Pferde-
ſchmuk geleget/ welches ich nit zu vergelten weiß/ als nur mit einem ſchweſterlichen Wil-
len/ der zu keiner taht gelangen kan. Die Lade werdet ihr hintragen laſſen wie ihr befehli-
chet ſeid/ und wil ich ſchon ſehen wohin dieſelbe etwa weiters ſol fortgeſchicket werden.
Ihrer andern Leib Jungfer Brelen befahl ſie nach ihrem Zimmer mit Luttern zu gehen/
denſelben biß auff ihre Ankunfft mit unterredung auffzuhalten/ und die Lade in ihr abſon-
derliches Kaͤmmeꝛlein niderzuſetzen. Sie aber ging mit Libuſſen nach der Koͤnigin/ ruͤh-
mete den uͤberauß koſtbahren Schmuk des von Herkules geſchikten Pferdes/ und die wol-
gemachte Gutſche/ zeigete daneben an/ der Uberbringer wolte von wegen ihres Herrn
Bruders und deſſen Frl. Braut ſie gerne abſonderlich ſprechen/ wolte ihn deßwegen auff
ihr Zimmer fuͤhren/ dafern es die Fr. Mutter vor gut hilte; machte ſich auff Bewilligung
mit Libuſſen dahin/ hieß Brelen einen Abtrit nehmen und bey der Koͤnigin auffwarten/
aber in Libuſſen Gegenwart taht ſie bey Luttern allerhand Nachfrage/ und merkete/ daß
ihm ihre und Herkules Liebe unbewuſt wahr/ daher ſie ihn abfertigte/ mit dem Verſpre-
chen/ daß ſie ſeine fleiſſige Verrichtung dereins zu ſeiner Befoderung wolte zu ruͤhmen
wiſſen; gab ihm damit urlaub/ ging mit der Jungfer in die abſonderliche kleine Neben-
kammer/ in welcher die Lade nidergeſetzet wahr/ machte den Schluͤſſel loß/ und wolte als-
bald auffſchlieſſen/ da ſie von der Jungfer erinnert ward/ den Brieff erſt zu leſen. Ach/
ſagte ſie/ aus uͤbermaͤſſigen freuden habe ich deſſen gar vergeſſen; zog ihn hervor/ und ſa-
gete weiter: Kom doch mein Kind/ und hilff mir meines Herkules Schreiben leſen/ ich
darffs allein nicht erbrechen/ aus furcht/ es moͤchte etwas wiedriges darinnen ſtehen. Et-
was wiedriges? antwortete ſie; wiſſet ihr auch mein Fraͤulein/ warumb er euer Gn. daß
koͤſtliche Pferd und die ſchoͤne Gutſche geſchicket hat? nirgend umb/ als daß ihr darauff
ſollet zu ihm nach Padua reiten oder fahren. O meine Herzen Libuſſa/ ſagte das Fraͤulein/
nun liebe ich dich erſt recht/ weil du ſo gar meine Gedanken ſehen kanſt/ welche mich dieſe
ganze Nacht ſchlaffloß gehalten/ ob ich nicht ein Mittel/ dieſe reiſe bey meiner Fr. Mutter
zuerhalten/ außſinnen moͤchte/ iſt aber alles vergeblich geweſen/ biß das Gluͤk mir ſolches
ohngefehr jezt dieſen Morgen an die Hand gegeben/ und ich darzu ſchon den erſten Anfang
gemacht. O behuͤte Gott behuͤte Gott/ ſagte die Jungfer: Eure Gn. werden ja dieſe meine
Scherzrede nicht in ernſt auffnehmen; dann wer wolte zu dieſer gefaͤhrlichen Reiſe rah-
ten
[225]Erſtes Buch.
ten koͤnnen/ angeſehen ihre Gn. kaum vorm Stadtohr ſicher iſt/ und ihrer Schoͤnheit we-
gen ſo hefftige Nachſtellung erfahren muß? Was? antwortete ſie/ wolteſtu mir nicht beſ-
ſern Troſt geben/ und in meinem Vorhaben mir hinderlich ſeyn? glaͤube mir bey meinen
Ehren/ daß ich dir mein Lebelang nicht trauen/ noch dich lieben wil/ wo du mir ein Woͤrt-
lein hierin zuwieder redeſt; mein Schluß ſtehet feſte/ ich muß auff meines Herren Bru-
ders Hochzeitfeſt/ es gehe auch wie es wolle. Libuſſa ſahe ihren Ernſt/ und gab zur Antwort;
ihre Gn. wuͤſte ja wol/ daß ſie mit willen ihr nicht zuwieder tuhn noch reden koͤnte/ und wañ
ſie meynete ſicher durchzukommen/ wolte ſie es nicht allein gar nicht hindern/ ſondern un-
tertaͤhnigſt anſuchen/ daß ſie in ihrer Geſelſchafft bleiben moͤchte. Ja meyneſtu/ ſagte das
Fraͤulein/ ich werde ohn dich fortzihen? ich muß ja einen getraͤuen Menſchen bey mir ha-
ben/ und wen wolte ich zwiſchen Herkules und mich gebrauchen koͤnnen/ als dich meine
andere Hand? Dieſe kunte ihren Scherz noch nicht einzihen/ uñ ſagte; ich wundere mich
uͤber euch/ Gn. Fraͤulein/ daß ſie den Wagen ſchon anſpannet/ ja daß in Gedanken ſie ſich
ſchon zu Padua befindet/ willens/ mich an den Fuͤrſten hinzuſchicken/ da ſie doch noch nit
eins weiß/ ob auch Fuͤrſt Herkules ſie des Orts/ wiſſen wil; eure Gn. leſe doch zu vor das
Schreiben/ dann hat ſie noch Zeit gnug uͤbrig/ ſich zuerklaͤren. Sie erbrach daſſelbe zwi-
ſchen Furcht und Freude/ und fand dieſen beliebten Inhalt: Mein Schoͤpffer/ der allerhoͤch-
ſte und einige Gott/ gibt meinem Gewiſſen und dieſem Schreiben Zeugnis/ daß in dieſem jrdiſchen
mich nach nichts ſo ſehr verlanget/ als zu erfahren meiner Durchl. Frl. Schweſter Wolergehen/ und
ob ſie ihres unwirdigen/ doch Herz- und Seelen- ergebenen Knechtes Herkules in Schweſterlicher
Gewogenheit und verſprochener Liebe zuzeiten koͤnne eingedenke ſeyn. Das Fraͤulein brach hie-
ſelbſt ab/ uñ ſagte; O du mein hoͤchſtgeliebtes allerwirdigſtes Herz/ warumb magſtu doch
an meiner traͤue zweiffeln/ oder dich ſelbſt vor unwirdig ſchaͤtzen uñ ſchelten/ da doch mein
unvolkommenes Weſen an deinen Ehrenpreiß noch lange und bey weitem nicht reichet?
Getraͤue Liebe wanket zwar nicht/ antwortete Libuſſa/ aber in langer Abweſenheit und wei-
ter Ferne fuͤrchtet oder eifert ſie noch wol/ inſonderheit/ wann man von dem ſo gar keine
Zeitung hat/ daß man ſo hefftig liebet. Wie leicht kan euer Herkules ihm dieſe Gedanken
machen; daß treflichſte Koͤnigliche Fraͤulein der Welt/ iſt nunmehr in die mannbahren
Jahre getreten; ihre Schoͤnheit leuchtet allen andern vor; Daͤnnenmark/ Schweden/
Wenden/ und andere Koͤnigreiche (des neulichen Markomirs haͤtte ich ſchier vergeſſen)
haben ihre junge erwachſene Fuͤrſten/ deren keiner ſich wegern ſolte/ ein ſolches Kleinot
der Welt mit ſeinem Blute zuerſtreiten. Iſts dann Wunder/ mein Fraͤulein/ daß der teure
Liebhaber/ der beſtaͤndige Anbehter eurer Vortrefligkeit/ die wahrhaffte Wiſſenſchafft eu-
rer Gegenliebe wuͤnſchet? Ich ſage vielmehr/ taͤhte ers nicht/ ja fuͤrchtete er das oberwaͤh-
nete nicht/ ſo waͤhre er entweder kein Erkenner eurer Schoͤnheit/ oder liebete nur oben hin
auff ein gut beraht. Laſſet ihn demnach/ Gn. Fraͤulein/ wuͤnſchen und wiederwuͤnſchen/ biß
er nach erhaltener Beſitzung nicht mehr wuͤnſchen noch fuͤrchten/ ſondern nur trauen und
genieſſen darff. Es mangelt mir jezt am kleinen Gelde/ ſagte das Fraͤulein/ ſonſt muͤſte ich
dir einen Heller ſchencken/ welchen das in Gegenwart geſprochene Lob verdienet; aber ich
wil durch dein Geplauder mich im leſen ferner nicht ſtoͤren laſſen; fuhr auch alſo aus dem
Schreiben fort. Verzeihet/ Durchl. Fraͤulein/ meiner Verwaͤgenheit/ und ſchreibet ſie/ bitte ich/
F fderſel-
[226]Erſtes Buch.
derſelben Krafft zu/ die ſolche in mir wirket; eurem volkommenen Geiſte/ der nichts als Tugend blaͤſet;
euren durch brechenden Augelein/ die alle Hertzen durchdringen; eurer unvergleichlichen Schoͤnheit/
die ſich bemuͤhet/ den Leib zur wirdigen Herberge einer ſo auserleſenen koͤſtlichen Seele zu machen.


Recht ſo/ Fuͤrſt Herkules/ recht ſo/ fing Libuſſa an; ſtraffet mich nun nach dieſem mehr/
mein Fraͤulein/ wann ich eure Wirdigkeit preiſe; ſehet/ euer Herkules/ dem jhr vielmehr
trauen muͤſſet/ ſagets nicht allein in die vergengliche Lufft/ ſondern er ſchreibets aus wolbe-
dachtem Vorſaz auff ewigwehrende Blaͤtter/ daß es bekleiben und bleiben ſol. O Fuͤrſt
Herkules/ wie einen breiten Schild gebet jhr mir in die Hand/ welchen ich allen Straff-
pfeilen meiner Gn. Fraͤulein vorwerffen/ und ſie unbeſchaͤdiget auffangen kan. Sprechet
nun auch/ mein Fraͤulein; Herkules du Fuchs Schwaͤnzer/ du Schmeichler/ du Liebkoſer;
Ja ſuchet eure kleine Gelderchen hervor/ und bietet ihm einen Schaͤrf zum Schreibelohn/
oder iſt Schreiberey koſtbahrer als muͤndliches Vorbringen/ ſo bietet ihm zween. Ey ey/
ſagte ſie mit einem Handklitſchen/ wie einen bewehrten Zeugen habe ich nun ohn alles ge-
fehr bekommen/ den ich um viel nicht miſſen wolte. Frl. Valißka muſte des Vorbringens
laut lachen/ ſagte endlich: es iſt mir leid/ daß ich den Brief nicht allein geleſen/ und dich nit
davon gelaſſen habe; Nun koͤnte ich dir deine Ruhmraͤtigkeit mit einem Worte umbſtoſ-
ſen/ wann ich bloß allein ſagete; Mein Herkules wiſſe aller unverſtaͤndigen Kinder art uñ
weiſe/ daß ſie niemand guͤnſtiger ſeyn/ als der ſie lobet; aber ich wil mich nicht immerfort
mit dir katz-balgen/ und gebiete dir/ daß du mich vor Verleſung dieſes allerliebſten und
herzerquiklichen Briefes ungeſtoͤret laſſeſt. Nur noch ein Wort/ mein Fraͤulein/ ſagte ſie/
iſt es der allerliebſte und herzerquikliche Brief/ ſo iſt er auch mit lauter Warheit angefuͤl-
let/ dann Luͤgen und Unwarheit haben Euer Gn. noch nie gefallen. Unterſcheide die Luͤgen
vom hoͤflichen Scherze/ antwortete ſie/ ſo wirſtu bald hinter die rechte Meynung kommen;
laſe damit weiter folgenden Anhang: Dieſe Volkommenheiten/ beteure ich/ wirken allein/ daß ich
wuͤnſchen darff/ deſſen ich nicht faͤhig bin/ und doch auff ihre beywohnende Guͤte mich verlaſſend/ noch
nicht gar von der Hoffnung abtrete/ des ſo koͤſtlichen Gutes/ welches die Welt kaum wert iſt/ und dem
der eins voͤllig genteſſenden mehr Neider als Goͤnner machen wird. O Wunder dieſer Welt! ſetzet/
bitte ich/ meiner flatternden Seele einen feſten Grund/ welches nur mit dieſen Worten geſchehen koͤn-
te/ wann ihre holdſelige Zunge ihrer Feder diß zu ſchreiben anbefehlen wolte: Frl. Valißka erinnert
ſich des verſprochenen unwiderſprechlich.
O des ſuͤſſen Klanges/ O des erquiklichen Troſtes!
Nun mein Fraͤulein/ werde ichs ſchier erhalten/ ſo bin ich geneſen; verfehle ich aber des Wunſches/ ſo
genieſſe ein wirdiger und gluͤkſeliger als ich nicht bin/ wanns nur ohn meinen Willen geſchihet/ der
ſich unterſtehen wird (wo moͤglich ohn meiner Fraͤulein Verletzung) ihm ſo hohe Veꝛgnuͤgung zu miß-
goͤnnen; umb deſſen Abwendung ich meinen Gott taͤglich anruffe/ und bey demſelben nicht minder Er-
hoͤrung/ als bey meinem Fraͤulein Beſtaͤndigkeit zu finden hoffe. Beygefuͤgetes Reitpferd nebeſt be-
ſpanneter Gutſche und auffgeſetzeter Lade/ wolle mein Fraͤulein von ihrem Diener Herkules als ein
moͤgliches Zeichen ſeiner unbewaͤglichen Untergebenheit auffzunehmen unbeſchweret ſeyn/ und ver-
bleibe ich Zeit meines Lebens/ Meiner gebietenden Fraͤulein gehorſamſter und ganz eigen-ergebener
Knecht Herkules.


O Fuͤrſt Herkules Fuͤrſt Herkules/ ſagte ſie hier auff/ warumb mag eure gar zu zwei-
fel ſpitzige Feder mir die Seele ſo durchſtechen; oder was vor Urſach habt jhr/ mich vor
traͤuloß und unbeſtendig zu argwohnen. Nichts/ durchaus nichts/ antwortete Libuſſa/ als
nur/ was dieſer Brieff anzeiget/ eure Volkommenheit/ deren zugenieſſen er ſo hoch wuͤn-
ſchet/
[227]Erſtes Buch.
ſchet/ und ſie zu verlieren ſich befuͤrchtet: wie er dann wol gedenken mag/ daß mehr junge
Fuͤrſten als er und Markomir das ſchoͤnſte waͤhlen. Und bedenket nur/ mein Fraͤulein/ ob
jhr dieſer Steknadel ſo acht habet/ als eures koſtbahreſten Kleinots; jene ſtecket jhr in ein
Nadelkuͤſſen/ bleibet ſie; gut; wo nicht/ macht jhr euch weiter keine Gedanken; dieſes aber
verſchlieſſet jhr nicht allein in feſte/ mit eiſen beſchlagene Truhen/ ſondern ſetzet es auff das
wolverwahrteſte Gemach/ und dannoch fuͤrchtet jhr euch noch wol vor Dieben. Warumb
goͤnner jhr eurem Herkules nicht eben dieſe gebuͤhrliche Freiheit/ ſich der Diebe zu beſor-
gen/ die euch ſo heftig nachſtellen? Dieſer Vorſorge verdenke ich jhn nicht/ antwortete das
Fraͤulein/ wann er nur meine Traͤuenicht in zweifel zoͤge/ die ich bey Markomirs anwer-
bung/ und noch geſtern/ meiner Meynung nach/ voͤllig dargelegt/ in dem ich ſeinet/ ja bloß
ſeinetwegen mich dem wuͤtigen Strohm anvertrauet/ ob ich jhm zu gute uñ zu ſeiner Veꝛ-
gnuͤgung mein Leben retten koͤnte/ welches ich mir ſonſt im troknen lieber haͤtte durchs
Schwert kuͤrzen laſſen/ ſolte es auch mein eigenes verrichtet haben/ da mirs zur Hand ge-
weſen waͤhre. Wol/ ſehr wol getahn/ ſagte die Jungfer; eure unvergleichliche Seele/ eu-
re getraͤueſte Beſtendigkeit flammet aus dieſer Taht Sonnen-klar hervor: aber goͤnnet
doch/ mein Fraͤulein/ goͤnnet dem durchhin verliebeten Fuͤrſten deſſen zuvor Wiſſenſchaft/
ehe jhr ſeinen Zweifel/ der doch ſo gar Zweiffelmuhtig nicht iſt/ anklaget und entgegen fein-
det Aber wil dann jhre Gn. die gelieferte Lade auch unbeſehen wieder hinweg tragen laſ-
ſen/ wie des Markomirs ſeinen geſchahe? das wirſtu bald erfahren/ antwortete ſie/ ergreif
den Schluͤſſel/ oͤfnete das wol verwahrete Schloß/ und fand anfangs ein ſeidenes Tuch/
als eine Huͤlle; nahm daſſelbe hinweg/ und zohe etliche Stuͤk der beſten Guͤldenen Stuͤk
Tuͤcher hervor dreyerley Gattung/ jhr zu Kleidern; Unter dieſen ſtund eine helffenbeinen
Schachtel in welcher zwoͤlf trefliche Stuͤk allerhand Haͤupt- und Bruſt-Kleinote lagen;
noch ein ſchwarzes Schaͤchtelchen mit Gold belegt/ welches da es geoͤfnet ward/ blitzeten
die Strahlen von den koſtbahreſten Demanten hervor/ dann es wahr der ganze Raͤuber-
Fuͤrſtin Schmuk/ welchen Servilius jhm in der Hoͤhle unvermerket eingehaͤndiget hatte.
In beyden Schachteln lag ein kleines Brieflein/ welches andeutete/ daß ſolches alles dem
Fraͤulein von Herkules geſchicket wuͤrde/ zur Vergeltung der jhm ehmals erzeigeten ab-
waſchung des unſaubern Pannoniſchen Blutes. Die dritte und vierde Schachtel fand
ſich auch/ da in der einen eine koͤſtliche Halßkette von Rubinen und Smaragden uͤms an-
der geheftet/ gedoppelt drey Ellen lang/ ein par Armbaͤnder fuͤnffdoppelt gleicher Art/ ein
Leib Guͤrtel und Meſſerketchen eben derſelben Arbeit/ zwey Ohrengehaͤnge und ſechs Rin-
ge mit groſſen Rubinen/ gelegt wahren/ auch ein beygefuͤgetes Zettel anzeige taht/ daß es
als ein Beutpfennig der Koͤnigin von Herkules ſolte eingereichet werden. In der lezten
lagen zehn par guͤldene Armbaͤnder und zehn Ringe/ vor das adeliche Frauenzimmer der
Koͤniglichen Fraͤulein/ ſo daß jene ſchwarz und weiß verbluͤmet/ und auff jedem Schloſſe
ein ſchoͤner Rubin eingefaſſet wahr/ dieſe aber drey Rubinen in geſtalt eines Kleeblades
hatten; noch zwey par Armbaͤnder von Rubinen und Schmaragden/ und zween Ringe
von koͤſtlichen Demanten/ vor der Fraͤulein zwo Leib Jungfern; und endlich XII koͤſtliche
Ringe von allerhand Steinen vor das Fraͤuleiu ſelbſt/ welches alles auch ein Zettel anzei-
gete. Als Libuſſa nun die ſchoͤnen Tuͤcher zu den Kleideꝛn beſahe/ fiel ein kleineꝛ praller Beu-
F f ijtel
[228]Erſtes Buch.
tel heraus/ von filbern Stuͤk gemacht/ uñ oben darauf zwo ſehr ſchoͤne Korallen an ſtat deꝛ
Knoͤpfe/ welchen ſie ofnete/ und tauſend Stuͤk Zahl Perlen darinnen fand/ (welche von der
Raͤuber Fuͤrſten jhren Kleidern abgeſchnitten wahren) uͤber deren volkommener Reinig-
keit/ Groͤſſe und Runde ſie ſich verwunderte/ und den uͤberſchlag machete/ daß ſie uͤber eine
Tonne Schaz austrugen. Hiemit wahr die Lade/ dem Anſehen nach/ ledig/ und doch ſehr
ſchwer zu heben/ merketen auch das ein Mißſcheid in der Lade wahr/ weil ſie den Bodem
faſt in der Mitte ſahen/ funden bald/ daß derſelbe kunte hinweg getahn werden/ und traffen
unter demſelben 15000 eingepackete Kronen an/ dabey dieſes Zettel lag: Der Koͤniglichen
Fraͤulein Valißka Handpfennig auff ein Jahr 15000 Kronen. Nach kurzer Betrachtung ſagete
das Fraͤulein; iezt klage ich meines Herkules Verſchwendung mehr an/ als ſeinen vorigen
Zweifel; dann lebet er ohn Gewißheit meiner Liebe/ warum ſchenket er mir dann mehr als
mein ganzes Heiraht Gut antraͤget? Sie ſtellete Libuſſen jhrẽ Anteil zu/ welche davor dan-
kete/ legte jhren ganzen Schmuk an/ und nam der Koͤnigin uͤberſchiktes mit ſich in der
Schachtel. Als dieſelbe nun jhre Tochter mit ſolcher Koſtbarkeit zu jhr treten ſahe/ entſetze-
te ſie ſich daruͤber/ und ſagte: Hatte der fremde dieſes bey dir zu werben? Sage mir doch/
liebes Kind/ von wannen komt dir ein ſolcher fuͤnkelnder Schaz? Ich wil meiner Gn. Fr.
Mutter den jhren zuvor auch anlegen/ ſagte ſie/ und hernach die Zettel zeigen/ welche uns
den milden Geber kund machen ſollen. Die Koͤnigin ſtund als im Traum/ als jhr ſo viel
Stuͤcke von dem Fraͤulein gelieffert wurden/ ſahe auch aus den Bey Brieffen Herkules
Freygebigkeit/ und gingen jhr die Augen vor Freude uͤber/ da ſie zu jhrer Tochter ſagte:
Du biſt wol eine teure Bademagd; doch die Goͤtter geben dir keinen unwirdigern zu wa-
ſchen/ als meinen Sohn Herkules/ und weil derſelbe dich mit einem ſo reichen Handpfen-
nige verſehen/ wirſtu mir nichts mehr abfodern. Dieſe Worte durchgingen der Fraͤulein
Mark und Seele/ daß ihr unmoͤglich wahr/ ihre Liebesveraͤnderung zu verhehlen/ deſſen
auch die Mutter wahr nam/ und die Gedanken zufaſſen begunte/ dieſe beyde wuͤrden ſchon
ein mehres als Bruͤderſchafft gemacht haben/ welches dann ihr einiger Wunſch wahr/ uñ
ſichs doch nicht merken ließ. Libuſſa muſte der Fraͤulein adeliches Zimmer herzu hohlen/
denen die uͤbergeſchikte Sachen eingereichet wurden/ und Jungfer Brela als die andere/
und naͤhſt Libuſſen die geheimeſte Leib Jungfer/ den andern Teil des vornehmſten bekam;
nach deren Abtrit fing das Fraͤulein alſo an: Herzallerliebſte Fr. Mutter/ ob gleich der heu-
tige fremde mir im Nahmen Fuͤrſt Herkules alle erwaͤhnete Sachen eingeliefert hat/ iſt
doch dieſes nicht ſeine Haͤupt- ſondern nur Nebenwerbung geweſen/ dann er wahr eigent-
lich von meinem Herr Bruder Ladiſla und deſſen Frl. Braut befehlichet/ mir anzudeuten/
daß wo einige Schweſter- und Schwaͤgerliche Liebe ich gegen ſie truͤge/ wuͤrde ich nicht
unterlaſſen/ auff ihrem Hochzeitfeyr zuerſcheinen/ da ſie mir den wolverwahrten Beut-
pfennig ſelbſt einliefern wolten/ der nicht geringer als der uͤbermachte ſeyn ſolte; und haͤtte
Fuͤrſt Herkules bey dieſer Gelegenheit ſolches verrichten wollen/ weil er noͤhtiger Geſchaͤf-
te wegen nach Rom reiſen muͤſte/ und dem Beylager nicht beywohnen koͤnte; Zwar ſie
wuͤnſcheten beyderſeits nichts liebers/ als zugleich auch der Fr. Mutter Gegenwart; weil
aber die Landſchafft unſer beyder Reiſe ſchwerlich einwilligen wuͤrde/ haͤtten ſie darauff ſo
hart nicht dringen duͤrffen. Nun wolte ich meiner herzgeliebten kuͤnfftigen Fr. Schweſter
ihr
[229]Erſtes Buch.
ihr erſtes Begehren nicht gerne abſchlagen/ wanns immer menſch- und moͤglich bey der
Fr. Mutter zuerhalten waͤhre/ warumb ich dann kindlich und demuͤhtig bitte. Die Koͤni-
gin erſchrak der Werbung/ und gedachte ſie eins vor alles abzuweiſen/ gab ihr demnach
dieſe Antwort: Herzliebes Kind/ ſage mir davon ja kein Wort mehr; ich bin ſchon dieſe
Nacht in ſo groſſer Angſt wegen deines geſtrigen Ungluͤks geweſen/ daß mich alle mahl ge-
dauchte/ du waͤhreſt mir von der Seite geriſſen; Ja wann du hinaus vor das Tohr reiteſt/
verlanget mich/ daß ich dein Angeſicht wieder ſehe/ uñ ich ſolte dich einen ſo langen gefaͤhr-
lichen Weg reiſen laſſen? bedenke/ ob ich ſolches vor dem Himmel und der Welt verant-
worten koͤnte/ wann durch dieſe Zulaſſung ich dein Ungluͤk und Verderben befoderte?
Dein Bruder wird ohn zweiffel mit ſeinem Gemahl hieſelbſt bald ankommen/ dañ haſtu
noch Zeit genug/ dein Schweſterliches Hertz jhnen zu erzeigen; daß ſie dir aber ſolches zu-
muhten/ geſchihet nur Ehrenhalben/ dann ſie ſelbſt wuͤrden mirs verdenken/ wann ich dich
dergeſtalt hinzihen lieſſe. So entſchlage dich nun ſolcher Gedanken/ und betrachte dein ge-
ſtriges Ungluͤk/ als dañ wird dir dieſer Vorſaz ſelbſt miß fallen. Dieſe abſchlaͤgige Antwort
trieb dem Fraͤulein die Traͤhnen aus den Augen/ welches die Koͤnigin ſehr befremdete/ und
daher in ihren vorigẽ Gedanken/ wegen jhrer Verliebung gegen Herkules geſtaͤrket ward/
dann ſie kennete jhren feſten Sinn/ und daß jhr Herz zuvor bluten muſte/ ehe das Augen-
waſſer hervor brach/ hoͤrete auch dieſe Rede der Fraͤulein mit ſonderlicher bewaͤgung an:
Gnaͤdigſte Fr. Mutter/ es tuht meiner innigen Seele leid/ und iſt ihr faſt unertraͤglich/ daß
ich meinem einigen Herr Bruder auff ſein[e]m gewuͤnſcheten Beylager nicht Geſelſchafft
leiſten ſol; Ja wann etwa Kriege oder an dere Unruhe waͤhren/ die mich hievon abhielten/
dann haͤtte ich Entſchuldigung einzuwenden; ſol ich aber mein nicht-erſcheinen bloß hie-
mit beſchoͤnen/ daß meine Fr. Mutter mir ſolches nicht goͤnnen wollen/ weiß ich nicht/ ob
redliche Leute daran ein genuͤgen haben werden. Mein Herr Bruder iſt gleichwol ein be-
ruͤhmter und maͤchtiger Koͤnig/ aber auff ſeinem eigenen Beylager wird er ein verlaſſener
ohn-freund ſeyn/ abſonderlich/ weil ſein Herkules ihm keinen Beyſtand leiſten kan; jedoch
muß ich meiner Fr. Mutter billich gehorſamen/ wie ſchwer mirs auch in dieſem Stuͤcke
faͤllet/ wiewol ich noch der feſten Zuver ſicht gelebe/ ſie wede ſich eines andern bedenken/ uñ
in einer ſo ſchlechten Sache meinen Herrn Bruder nicht ſchimpflich ſtecken laſſen. Ein
Baur folget ja feinen Verwanten von einem Dorffe zum andern; ein Buͤrger von einer
Stad zur andern/ warumb ſolten dann Koͤnigliches Standes Schweſter uñ Bruͤder ein-
ander dieſe Freundſchafft nicht leiſten? Ich habe ja des Meers wuͤten nicht zubefuͤrchten/
dann die Gutſche kan mich dahin tragen; ſo ſind auch noch ſo viel Reuter wol in Boͤh-
men/ die mich ſicher begleiten koͤnnen/ wann es nur meiner herzaller liebſten Fr. Mu[t]ter ge-
fallen wolte/ welche noch dieſes bedenken wird/ wie ungleich die Frl. Braut/ und jhre El-
tern es ausdeuten werden/ daß kein Anverwanter auff dem Beylager erſcheinet. Freylich
werden ſie argwohnen/ als achte man dieſe Roͤmiſche Braut/ und ihre Eltern zu geringe;
welches wol immerzu ein ſchlimmes Mißtrauen verurſachen duͤrffte. Die Koͤnigin hatte
ſie uͤberaus lieb/ hoͤrete nicht allein ihre wehmuͤhtige Reden und nachdenkliche Urſachen/
ſondern ſahe daneben ihre Traͤhnen herunter flieſſen/ welche ſie laͤnger nicht reitzen kunte/
daher ſie antwortete: Gedulde dich liebes Kind/ ich wil noch weder ja noch nein geſagt ha-
F f iijben/
[230]Erſtes Buch.
ben/ ſondern es vorhin mit den Reichs Raͤhten in bedacht zihen/ dann es iſt nicht ſo ein ge-
ringes/ wie deiner Jugend nach du es von der Hand ſchlaͤgeſt; Wann du noch ein unman-
bahres Fraͤulein waͤhreſt/ haͤtte ich ſo viel wenigeꝛ zubedenken; nun du aber ſchon anſehn-
licher biſt/ als dein Alter mit ſich zubringen pfleget/ muß ich ſo viel mehr und groͤſſere ſorge
vor dich tragen. Ey herzen Fr. Mutter/ ſagte ſie/ hindert mich ſonſt nichts an der Reiſe/ ſo
koͤnte ich mich leicht mit einem Mañeskleide verſtellen/ uñ euch dieſer angſt mit einem par
Hoſen benehmẽ. Die Koͤnigin lachete des anſchlags/ uñ gab zur antwort: O mein Schaͤtz-
gen/ meineſtu dz dich iemand wegẽ eines par Hoſen vor einen Jungling haltẽ werde? Nein
o nein! deine Zartheit/ uñ dz du zimlich ſchon gebruͤſtet biſt/ wuͤrde dich viel zu bald verrah-
ten. Meinen Buſem/ ſagte ſie weiß ich wol zuvermachen; ſo war jensmal meines Bruders
Fuͤrſt Herkules Zartheit nicht viel geringer als die meine. Seine Sitten und Geberden/
ſagte die Koͤnigin/ auch die Gliedmaſſen/ gingen der Mannheit naͤher als deine. Ich wil
mich in ſolchem allen auch wol zwingen/ antwortete das Fraͤulein/ und ob ihr meine Haar
mir vorwerffen wuͤrdet/ ſol ein leichter Helm dieſelben bald unſichtbar machen. Du haſt
es ſchon gar fleiſſig uͤbergeleget/ ſagte die Mutter/ gehe hin und heiß mir den Kanzler her-
kommen/ daß ich ſeine Gedanken hieruͤber vernehme. Das Fraͤulein ſeumete ſich nicht/
redete ihn mit hoͤchſter Freundligkeit an/ er moͤchte ſich vor dißmahl als ein rechtſchaffeneꝛ
Freund ſehen laſſen/ und ihre Reiſe befodern/ welches nicht allein ſie/ ſondern auch ihr H.
Bruder verſchulden ſolte; wer ihr aber hierin zuwieder ſeyn wuͤrde/ nachdem ſie ihre Fr.
Mutter ſchon gewoñen haͤtte/ an dem wolte ſie ſich ſchier heut oder Morgen/ als an ihrem
aͤrgeſten Feinde raͤchen; welche Draͤuung er nicht unbillich zu herzen zog. Sie hingegen
wahr ſo ſchlauch/ daß ſie die verſamleten Reichs Raͤhte/ bey denen auch Pribiſla wahr/
ſtehendes Fuſſes beſuchete/ und eben die Verheiſſung und bedraulichen Trozworte ihnen
vorbrachte/ worauff dieſelben ungefodert nach der Koͤnigin gingen/ es mit ihr zu beraht-
ſchlagen/ da das Fraͤulein vorher Pribiſlaen ſeiner getahnen Zuſage erinnerte/ und mit
dieſen Worten beſchloß: In dieſem Stuͤk wil ich euch redlich pruͤfen/ ob ihr ein Werk- odeꝛ
Mund-Freund ſeid. Sie alle aber/ wie auch zuvor der Kanzler verſprachen ihr alle Be-
foderung ihrer Reiſe/ und lieſſen ihr doch die Gefahr nicht unangezeiget; welches ſie mit
einem Gelaͤchter und dieſer Rede beantwortete: Gott hat mich geſtern nicht zu dem Ende
im Waſſer erhalten/ daß ich Morgen oder uͤbermorgen zwiſchen hie und Padua ſol erſchla-
gen werden. Vielmehr ſollen die Herren Reichs Raͤhte betrachten/ daß ich durch dieſe Ge-
legenheit ſie der ſchweren Laſt groſſenteils entheben/ und ihren Koͤnig mit mir uͤberbrin-
gen werde. Als die Reichs Raͤhte bey der Koͤnigin anlangeten/ und dieſelbe ihnen ihrer
Frl. Tochter heftiges und mit Traͤhnen vermiſchetes begehren vorgetragen hatte/ antwor-
tete Herr Bretiſla als Reichskanzler alſo: Ihrer Koͤnigl. Hocheit Vorbringen iſt von
uns unteraͤhnigſt angehoͤret/ und ſchon von dem Durchl. Fraͤulein an uns faſt hefftig be-
gehret worden/ daß wir in dieſe Reiſe einwilligen moͤchten. Meine Meynung nun hieruͤber
zu eroͤffnen/ ſo geſtehe ich/ daß ich zwiſchen Tuͤhr und Angel ſo klam nie geſtecket/ als e-
ben jezt; dann dieſe gefaͤhrliche Reiſe zu rahten/ und die Verantwortung auff mich zu neh-
men/ da ihrer Gn. einiger Unfal zuſtoſſen ſolte/ iſt mir nicht tuhnlich/ dann es wuͤrde/ wie
billich/ bey mir geſucht werden; dem Fraͤulein aber ſteiff zuwiederſtehen/ wil ich lieber die
Kanzley
[231]Erſtes Buch.
Kanzley Bedienung auffruffen/ weil ihren gewiſſen Zorn und ſchwere Rache ich uͤber
mich zihen wuͤrde. Die andern wahren alle der Meynung/ aber niemand betruͤbeter als
Pribiſla/ daß er auff ſich ſelbſt ungehalten wahr/ umb/ dz er nicht von Hoffe gezogen waͤh-
re. Endlich ward der Schluß gemacht/ die Koͤnigin moͤchte das Fraͤulein abſonderlich
vornehmen/ ob ſie von der Reiſe koͤnte abgebracht werden/ wo nicht/ ſolte man ſie auff
der ſaͤmtlichen Landſtaͤnde Bewilligung hin weiſen/ ſo verfloͤſſe inzwiſchen die Zeit/ und
wuͤrde das Beylager oder Hochzeit feſt gehalten. Die Koͤnigin ließ ſich alles wolgefallen/
ohn daß ſie der Reichs Raͤhte Gegenwart dabey wiſſen wolte; foderte das Fraͤulein vor/
und nach wiederhohlung der groſſen Gefahr/ vermahnete ſie dieſelben mit guͤtigen Wor-
ten/ von dieſem Vornehmen abzuſtehen/ dann/ ſagte ſie/ es koͤnte kein verſtaͤndiger ſolches
gut heiſſen. Als ſie dieſen unbedingeten Abſchlag hoͤrete/ uͤberging ſie zugleich ein Herzbre-
chendes Leyden und rachgieriger Eyfer/ und gab mit gebrochener Rede dieſe Antwort;
Nun wolan/ du liebe Geduld/ ergib dich deiner Fr. Mutter Gebot in gehorſam/ nach dem
deren Wille/ meinem Herr Bruder dem Koͤnige/ und mir des Koͤniges Schweſter/ zu
wieder gemacht iſt; ſihe dich aber nach dieſem vor/ Valiſka/ wem du traueſt. Kehrete hie-
mit umb/ und wolte davon gehen/ aber der Zorn uͤbermeiſterte ſie/ daß alles ihr rohtes in
eine braͤune verendert ward/ und ſie im hingehen mit einem bitteren Lachen anfing; Ich
haͤtte der gebuͤhrlichen Dankbarkeit ſchier vergeſſen/ damit ich den Herren Raͤhten ſamt
und ſonders verbunden bin/ umb daß ihr verſprechen ſie ſo fleiſſig ins Werk gerichtet; ſie
ſollen aber dannoch wiſſen/ daß wann ſie keinen andern Vorſaz gehabt/ ſie ihr reiches Er-
bieten wol ſparen/ und andere als ein Koͤnigliches Fraͤulein mit leeren Worten ſpeiſen
moͤchten. Nun nun/ die Geduld/ wie ſchon erwaͤhnet/ muß hie Meiſter ſpielen/ aber biß da-
hin. Unmoͤglich wahr ihr/ ein mehres vorzubringen/ oder weiter fortzugehen/ ſetzete ſich
deßwegen auff den naͤheſten Stuel nider/ der Hoffnung/ ſie wuͤrde beſſern Beſcheid er-
halten. Es erſchraken aber die Raͤhte dergeſtalt uͤber ihre ſpitzige Reden/ daß ſie nicht
umbhin kunten/ durch den Kanzler ihr alſo zu antworten. Durchleuchtigſtes Fraͤulein/
unſere untertaͤhnigſte Bitte iſt/ uns des Argwohns gnaͤdigſt zuerlaſſen/ und ihren Zorn
von uns abzuwenden/ die Goͤtter wiſſen das wir bereit und erboͤtig ſind/ auch unſer Blut
vor ihrer Durchl. Wolfahrt auffzuopffern; iſt dann ihre Gn. mit der Frau Koͤnigin Ant-
wort nicht friedlich/ ſo geruhe ſie doch gnaͤdigſt/ es den verſamleten Landſtaͤnden vortragen
zu laſſen/ damit hernaͤhſt uns wenigen es nicht in die Schuch moͤge gegoſſen werden/ und
man/ welches ja der Himmel abwende/ uns nicht vor Verraͤhter des Koͤniglichen Ge-
bluͤts angeben und ſtraffen moͤge. Die Koͤnigin redete ihr auch ein/ was dieſe Verwaͤ-
genheit ſolte/ daß ſie denen draͤuen duͤrfte/ die an Stat des Koͤniges herſcheten; ſie haͤtte
ſich vorzuſehen/ und des ergangenen Abtrag zu machen. Gn. Fr. Mutter/ antwortete ſie/
wann die Herren Reichs Raͤhte alſo anſtat des Koͤniges herſcheten/ daß ſie deſſen redli-
chem willen ſich gemaͤß bezeigeten/ waͤhre ich ſtraffwirdig; weil ſie aber wieder ihren Koͤ-
nig und deſſen willen (der ihnen aus des Koͤniges einladungs Schreiben bekant iſt) her-
ſchen wollen/ werde ich ihnen nimmermehr gut heiſſen/ viel weniger der Koͤnig; doch ha-
be euer Muͤtterlichen Gn. ich zu hefftig geredet/ ſo bitte ich deſſen herzliche verzeihung; dz
aber der Kanzler ſich unterſtehen darff/ mich uͤber dz noch auffzuzihen/ ſage ich nochmahls/
ich
[232]Erſtes Buch.
ich muͤſſe es biß dahin der Gebuld befehlen. Dieſer wuſte vor Angſt nicht zuantworten/
endlich entſchuldigte er ſich mit groſſen verfluchungen/ daß ihm ſolch buͤbiſches Vorneh-
men nie in den Sin geſtigen waͤhre. Worauff ſie zur Antwort gab: Herr Reichskanzler/
ich nehme eure Entſchuldigung an/ wann ihr mir dagegen den Wahn abnehmet/ daß eu-
er Vorſchlag wegen der Landſtaͤnde Verſamlung auff nichts anders gemeinet iſt/ als mir
ein Naͤſichen anzudrehen/ und durch dieſe Verzoͤgerung die Zeit des Beylagers vorbey
zuſpielen; wiſſet ihr nicht/ daß am XVII dieſes/ das Feſt beſtimmet iſt? oder meinet ihr/ ich
koͤnne ohn federn hinuͤber fliegen? Doch/ ich wil dieſes alles nicht ſo hoch treiben/ ſondern
ſage nur ſo viel: Iſt eure Entſchuldigung euch ernſtlicher/ als daß heutige Verſprechen/
ſo machets alſo: Gebet unterſchiedlichen Außreitern einen offenen Brieff; traget in dem-
ſelben den vornehmſten Staͤnden des Koͤniges Willen und mein Anſuchen redlich vor/
und hohlet alſo ihre Stimmen ein/ als dann wil ich euch vor unſchuldig halten/ und ſonſt
keines weges. Dieſen Vorſchlag/ deſſen ſie ſich wunderten/ muſten ſie eingehen/ und wie-
derhohlete der Kanzler ſeine Abbitte und Entſchuldigung/ welche das Fraͤulein mit hohem
Erbieten annam. Ihre Mutter merkete wol/ was vor ein Hake ſie ſo hefftig nach Padua
zohe/ lies ſichs aber nicht vernehmen/ und fragete doch/ was ſie bewoͤge/ dieſe Reiſe ſo un-
ablaͤſſig zu begehren; welches ſie beantwortete; Vor erſt waͤhre daß groſſe Verlangen/
ihrem Herrn Bruder und kuͤnfftiger Fr. Schweſter zu gehorſamen; hernach bildete ſie
ſich gaͤnzlich ein/ wer ihr die Reiſe hemmen wolte/ wuͤrde ihres Gluͤks verhinderung ſeyn/
weil vor einem viertel Jahre ihr im Traume vorkommen/ als ob ſie in Italien in der Stad
Padua (welche ſie nicht als aus den Geſchicht Buͤchern kennete) aus einem groſſen Dorn-
puſche/ eine treffliche guͤldene Kron/ wie wol nicht ohn Muͤhe hervorgezogen/ da zwar die
Dornen ſie geſtochen/ und doch nicht blutig gemacht; die gifftigen Schlangen unter dem
Puſche ſie vielfaͤltig angehauchet/ und doch nicht vergifftet haͤtten. Die Koͤnigin gab zur
Antwort; Ob ſie ſich dann vor ſolchen Dornen und Schlangen nicht fuͤr chtete? es waͤhre
ja leicht geſchehen/ daß ein Fraͤulein zuſchaden und ſchanden kaͤhme; ſolte demnach viel-
mehr ſich durch dieſen Traum von ſolcher Reiſe abſchrecken laſſen. Nein Gn. Fr. Mut-
ter/ ſagte ſie; wer den Kern eſſen wil/ muß zuvor die Schale zubrechen; die Kirſchen oben
im Gipffel werden zwar mit Gefahr abgebrochen/ aber ſie ſchmecken doch am ſuͤſſeſten; ſo
laſts nun ſeyn/ ob mich Dornen ſtechen/ wann ſie mich nur nicht verwunden; daß mich
Schlangen anhauchen/ wann ſie mich nur nicht vergifften. Biß zu frieden/ antwortete
die Koͤnigin/ die Außreiter ſollen Tag uñ Nacht mit ſchnellen Pferden eilen/ und der Land-
ſtaͤnde Meynung einhohlen/ aber deren Schluß ſoltu dich unterwerffen. Alſo wurden die
Schreiben ſchleunigſt verfertiget/ in welchen alles nach der Fraͤulein begehren angefuͤhret
ward/ neben angehengter Frage/ in wie ſtarker Bekleitung ſie fortgehen ſolte/ dañ es wol-
te der Kanzler ſich alles verdachts entbrechen. Nun wolte aber Frl. Valiſka des gewiſſe-
ſten ſpielen/ machte in aller ſtille ein kurzes Nebenſchreiben/ darin ſie umb Verguͤnſtigung/
und des Koͤniges Willen zu geleben anhielt/ auch ſich aller Dankbarkeit erboht; welches
dann ſo wol wirkete/ daß ſie alle einwilligten/ und die Anzahl der Begleitung den Reichs-
Raͤhten heimſtelleten/ ohn allein Herr Niniſla lobete nicht allein der Fraͤulein Vornehmẽ/
ſondern taht hinzu/ es wuͤrde ein ſonderlicher Wolſtand ſeyn/ wann ſie als ein friſches Frl.
etwa
[233]Erſtes Buch.
etwa mit V oder VI Reutern fortzoͤge/ gleich ob ſie eine Amazonin waͤhre. Die Reichs-
Raͤhte gaben ihr biß an die Roͤmiſchen Grenzen 250 Reuter zu/ deren hernach 110 umb-
kehren/ und 40 gar mit ihr fortgehen ſolten. Frl. Valiſka ſeumete ſich nicht/ ſondern/
nachdem ſie umb der Braut anverwanten willen eine Tonne Goldes an Baarſchafft/ uñ
treffliche Kleider vor ſich und den Braͤutigam/ wie auch eine gute Anzahl Kleinot in
Wetſcher gepacket und auff Maul Eſel geladen hatte/ ſetzete ſie ſich mit Libuſſen und Bre-
len auf eine Gutſche/ lies ihr gewoͤhnliches Prunk Roß ihr nach fuͤhren/ uñ eilete den Weg
in guter Sicherheit froͤlich fort/ biß ſie an einem Abend zimlich ſpaͤte in einem offenen Fle-
cken vier kleine Teutſche Meile von Padua einkehrete/ der Meynung/ am folgenden Mor-
gen unbekanter weiſe den Einzug zu halten/ und anfangs keinen/ ohn den alten Wenzeſla
ihre Ankunfft wiſſen zu laſſen. Weil ſie aber zu dem Hochzeitfeſt zu ſpaͤte/ und zu ihrem Un-
gluͤk viel zu fruͤh kahmen/ ſparen wir ihre Begebniß biß dahin/ und wenden uns nach Pa-
bua ins Wirtshauß/ woſelbſt Herkules und Ladiſla/ wie oberwaͤhnet/ bey den Boͤhmiſchẽ
Geſanten ſich etliche Stunden auffhielten/ hernach Abſcheid von ihnen nahmen/ und dem
Stathalter ihre Ankunfft zuwiſſen macheten/ der deſſen froh wahr/ und ſie auff ſeiner Leib-
Gutſche zum Abendeſſen einhohlen ließ/ verwunderte ſich ihres herlichen Anſehens/ und
ehrete ſie als Koͤnigliche Geſanten. Die uͤbergebrachten Gelder ließ Ladiſla von des Stat-
halters Rentſchreiber annehmen/ uñ ſeinem Gemahl Fr. Sophien einliefern/ ob ſie gleich
nicht zur Hochzeit/ ſondern zur Reiſe geordnet wahren. Dieſen Abend feyrete Ritter Le-
ches auch nicht/ ſondern kauffte eine gute Ruͤſtung nach ſeinem Willen/ damit er auff der
Stechebahn erſcheinen wolte.


Es trug ſich aber des Abends gar ſpaͤte zu/ daß der Stathalter/ indem er die Steige
hinunter ging/ einen Brief mit dem Wiſchtuche unverſehens auswarff/ welchen Fr. So-
phia/ die hinter ihn herging/ auffhub/ und unwiſſend des Inhalts ihn in den Buſemſtec-
kete; Weil auch unſere Helden die Vornacht bemuͤhet wahren/ zum morgenden ſtechen
alles anzuordnen/ muſte Frl. Sibylla bey ihr ſchlaffen/ da/ indem ſie die Kleider von ſich
legeten/ der gefundene Brief/ an welchen ſie nicht mehr gedachte/ ihr aus dem Buſen auff
die Erde fiel; deſſen das Fraͤulein inne ward/ und ſie fragete/ von wannen er kaͤhme. Jene
aber zur Antwort gab: ſie haͤtte ihn ohngefehr gefunden/ wuͤſte nicht/ wer ihn verlohren/
oder was er meldete. Ey ſo laſſet uns zuſehen/ ſagte das Fraͤulein/ ob vielleicht etwas dran
gelegen waͤhre/ daß mans ſeinem rechten Herrn wieder zuſtellen moͤge. Als ſie ihn nun auf-
falzeten/ ſahen ſie/ daß Herr M. Fabius der Fraͤulein Vater ihn von Rom an den Stat-
halter geſchrieben hatte/ legeten ihn deswegen wieder zuſammen/ weil ſie nicht begehreten
ihrer Eltern Heimligkeiten nachzuforſchen; aber das Fraͤulein machte ſich allerhand ge-
dancken/ daß ihr Vater nicht an ſie geſchrieben/ auch ihr Vetter ihr nicht eins den Elterli-
chen Gruß angemeldet; daher ſie ſagete: Ich wil ja nicht hoffen/ daß etwa boͤſe Zeitung
in dieſem Schreiben begriffen ſey; meine Fr. Mutter wahr nicht zum beſten auf/ uñ wird
mein H. Vater an ſeiner Zipperleinsplage niderliegen/ ſonſt waͤhre er ſchon hie; einmahl
weiß ich wol/ daß Klodius und Markus die Botſchafft brachten/ er waͤhre etwas unpaß
geweſen. Fr. Sophien ſelbſt wahr nicht gar wol dabey/ wolte ſie doch nit mißtroͤſten/ ſon-
dern gab vor/ ſie wuͤrde ja auch etwas drum wiſſen/ wann ein ſonderliches Ungluͤk ſich zu-
G ggetra-
[234]Erſtes Buch.
getragen haͤtte; aber dieſe ward nur in ihrer furcht geſtaͤrket/ daß ſie endlich nicht umhin
kunte/ ſie zu bitten/ den Inhalt ein wenig nachzuſehen; worin ſie ihr gern zuwillen wahr/
und dieſe Worte heimlich laſe:


Herzlieber Bruder/ aller der deinen gutes Wolergehen habe ich beydes aus jetzigem und vori-
gem Schreiben erſehen; und wirſtu Kaͤyſerlicher Hocheit ſonders-gnaͤdigſte Gewogenheit gegen die
beyden fremden Helden wol erfahren haben/ deren ehiſte Ankunfft man ſich dieſes Orts mit Freuden
vermuhtet. Wann dann deiner Meynung nach/ der Ritterliche Held Herr Herkules eine zuͤchtige ehr-
liche Liebe zu meinem Kinde tragen ſolte/ wolleſtu unbeſchweret ſeyn/ mit ihnen uͤberzukommen/ und
unſere beyden Toͤchter mitzubringen/ da dann wolgedachter Herr ohn zweifel die gebuͤhrliche Anwer-
bung vor die Hand nehmen/ und alles nach Standes Erheiſchung vollenzihen wird. Daß aber meine
Sibylla ihm ſo geheim ſeyn/ und vielfaͤltige Unterredung mit ihm pflegen ſol/ ungeachtet ich an bey-
derſeits Zucht/ krafft deiner Vergewiſſerung nicht zweifele/ ſo nimt michs dannoch nicht wenig wun-
der/ weil bißdaher man ſie/ mit Mannesbildern umzugehen/ nicht hat bereden koͤnnen; doch iſt ſie
Fleiſch und Blut/ hat auch eine dankbare Seele/ die ohn zweifel eine Gegenliebe in ihr wirket/ weil ſie
von dieſem Helden Ehr und Leben hat. Wolleſt mich demnach eure Ankunfft etliche Tage zuvor wiſſen
laſſen/ daß ich auff ſo wirdige Gaͤſte/ unangeſehen meines Zipperlein/ mich in etwas ſchicken moͤge.
Gehabe dich wol/ und biß neben den deinen gegruͤſſet von deinem Bruder M. Fabius.


Das Fraͤulein kunte des Endes kaum erwarten/ aber auff ihre Frage gab Fr. Sophia
ihr zur antwort: Es kaͤhme ihr die Hand unleſerlich vor/ deswegen ſie ihr einhelffen moͤch-
te. Meines Herr Vaters Hand/ ſagte ſie/ iſt mir gar leicht zu leſen/ trat hinzu/ uñ laſe friſch
weg/ biß ſie an die geſchriebene Liebe kam/ da die Schamhafftigkeit ſie dergeſtalt uͤberfiel/ dz
ſie kein Auge auffſchlagen durffte/ ſondern zu Fr. Sophien ſagete: Geliebete Fr. Schwe-
ſter/ was vor Luſt hat ſie doch an dieſer Aufftreiberey? ich habe ja ſolches um euch wiſſent-
lich nicht verſchuldet. Sie hingegen beteurete ihre Unſchuld hoch/ daß ſie weder umb dieſe
Sache noch des Schreibens Inhalt ichtwas gewuſt haͤtte/ biß auff ihr Anhalten ſie deſſen
inne worden; und was werffet ihr mir Aufftreiberey vor? ſagte ſie/ iſt es eures Vaters
Hand/ werdet ihr wiſſen. Ach ja/ antwortete das Fraͤulein/ es iſt freylich deſſen Hand/ aber
wie mag er doch immermehr auff ſolche Gedanken gerahten ſeyn? Laſſet uns den Brief
vollends durchleſen/ ſagte Fr. Sophia/ ſo finden wir vielleicht/ das uns aus dem Zweifel
helffen kan. Weil ſich aber das Fraͤulein weiteres leſens wegerte/ laſe ſie ihr das uͤbrige fein
deutlich vor/ woruͤber ſie vor Scham nicht mehr bey ihr bleiben kunte/ ſondern legete ihre
Niderkleider ab/ und machte ſich nach dem Bette; und als Fr. Sophia ihr alsbald folge-
te/ fing jene an: Ach herzgeliebte Fr. Schweſter/ was vor Ungluͤk doch/ hat euch dieſen Brief
in die Haͤnde gebracht? nun ſind ja die Goͤtter meine unfehlbare Zeugen/ daß weder Herr
Herkules dergleichen Liebe je an mich geſoñen/ noch ich gegen einigen Menſchen mich deſ-
ſen verlauten laſſen; aber das Schreiben gibt mir ausdruͤklich ſo viel an die Hand/ daß
mein Herr Vetter der Stathalter uns beyde in Verdacht halten muß/ worin er uns gewiß
das groͤſte Unrecht tuht/ weil wir deſſen aller dinge unſchuldig ſind; aber dieſes geſtehe ich
euch/ daß auff ſein ehrliebendes Anhalten ich ihm Schweſterliche Liebe und Traͤue verheiſ-
ſen/ welches ich umb ſo viel lieber getahn/ weil ich des Vorſatzes bin/ daß/ wann mir der
Himmel einen ſolchen leiblichen Bruder gegeben haͤtte/ ich an andere Mannes-als Vater-
und Bruder-Liebe nimmermehr gedenken wolte. Fr. Sophia antwortete: Herzen Schwe-
ſter/ warumb machet ihr euch deßwegen ſo bekuͤm̃erte Gedanken? Dann vorerſt iſt ja nichts
im
[235]Erſtes Buch.
im Schreiben/ das euch zu Schimpff oder Unehr koͤnte ausgedeutet werden/ und waͤhre
uͤber das dieſe Ehe ja ſo uneben noch nicht angeleget/ in Betrachtung/ mein Herr Bruder
Herr Herkules hohes Fuͤrſtenſtandes iſt/ wie ihr wol glaͤuben moͤget/ und ihr eins des an-
dern wol wert waͤhret; Iſt nun mein Herr Vater durch eure freundliche Unterredung uñ
ſonſt bißher gepflogene Freundſchafft in dieſe Gedanken gerahten/ das laſſet euch ja nicht
wundern/ dann ich wil euch bekennen/ daß ich eben der Meynung geweſen bin/ aber deſſen
mich gegen niemand verlauten laſſen/ weil euer keiner mir deſſen ichtwas vertrauet hat.
Saget mir aber eure herzliche Meynung/ wann Herr Herkules umb Heyraht anhielte/
woltet ihr ihm ſolches abſchlagen? Darzu iſt er viel zu verſtaͤndig/ antwortete ſie/ daß er
ſolches nicht bey mir/ ſondern bey denen/ die uͤber mich zugebieten haben/ ſuchen wuͤrde,
bitte deßwegen/ die Fr. Schweſter wolle dieſes Faß zuſchlagen/ und von ungefangenen
Fiſchen keine Mahlzeit anrichten; ich habe ihr ſchon mehr/ als meine Scham ertragen
kan/ zugehoͤret. Fr. Sophia ſolte aus der Fraͤulein Reden billich gemuhtmaſſet haben/ daß
Herkules keine eheliche Liebe gegen dieſelbe truͤge/ aber ihre Einbildung wahr ſo ſtarck auff
dieſe Ehe gerichtet/ daß ſie noch immerzu einen guten Ausſchlag hoffete; brach doch vor
dißmahl ab/ und begab ſich zur Ruhe. So bald der Sonnen Vorbohte den Him̃el Bleich-
roht/ und die Erde ſuͤß-feuchte gemacht/ wahren dieſe beyde ſchon wache/ und lieſſen ſich
auffs allerbeſte ausputzen. Fr. Sophia merkete/ daß das Fraͤulein nie ſo groſſen fleiß auff
ihren Schmuk/ als dißmahl angewendet/ uñ daß ihr einfaͤltiges frommes Herz immer zu-
taͤhtiger ward/ daher ſie umb ſo viel mehr ihr Vorhaben ins werk zurichten ſich entſchloß/
ſo bald einige Gelegenheit ſich eraͤugen wuͤrde. Es wahr gar ein ſchoͤner luſtiger Tag/
und weil die Stechebahn nahe vor der Stad wahr/ wolten ſie ſich der Gutſchen nicht ge-
brauchen/ ſondern zu fuſſe hinaus gehen/ da der Stathalter und ſein Gemahl voraus tra-
ten/ und folgeten nach der Ordnung/ Ladiſla mit ſeinem Gemahl/ Herkules mit Frl. Si-
byllen; der junge Fabius mit Fr. Urſulen/ und hinter ihnen die Boͤhmiſchen Geſandten.
Herkules wahr wegen verſicherter Liebe ſeiner Frl. Valißken ſo voller Vergnuͤgung/ daß
er ſich nicht maͤſſigen kunte; und weil er Frl. Sibyllen in ſo treflicher Zierde neben ſich ſa-
he/ lag ihm die andere ſo viel ſtaͤrker im Gedaͤchtniß/ daher er mit dieſer ſich deſto freundli-
cher geberdete/ deſſen Fr. Sophia fleiſſig wahr nam. Auff der Schau Buͤhne nahmen ſie
den Sitz nach der Ordnung des Ganges/ aber Frl. Helena/ da ſie Herkules nicht zum Be-
gleiter haben ſolte/ ſondern Frl. Sibylla ihr vorgezogen ward/ ſtellete ſie ſich krank und
ging nach Hauſe. Die drey Geſchenke/ ſo den Uberwindern ſolten eingereichet werden/
wahren ein Halßband am Wert 3000; ein Armband 1600; und ein Ring 1000 Kronẽ;
welche Fr. Sophia/ Frl. Sibylla und Fr. Urſul austeilen ſolten; auch waren ſo viel gruͤ-
ne/ mit treflichen Perlen durchzogene Kraͤnze dabey gelegt. Die Geſetze wurden abgele-
ſen/ und offentlich auffgehenkt; als I ſolte weder ſcharff noch feindſelig/ ſondern mit ſtumpffen
Speeren geſtochen werden. II Der Gefellete ſolte ſeinen Gegener nicht weiter bemuͤhen. III Schwert-
ſtreit waͤhre allerdinge verbohten. Hierauff hielten die Ritter ihren Einzug in die Schran-
ken/ CXXV an der Zahl; Der erſte wahr ein anſehnlicher Herr/ der auff ſeinem Helm einẽ
Engel fuͤhrete/ in deſſen Rechten ein Schildlein hing mit dieſer Schrifft[:]Benè ſi honeſtè.
Gut genug/ wanns erbar iſt. In ſeinem Schilde ſtund ein Ritter/ der einen Rieſen umbrach-
G g ijte/
[236]Erſtes Buch.
te/ und dieſe Worte dabey: Robur cedat fortitudini. Leibeskrafft muß der Hertzhaftigkeit weichẽ.
Seine Feldbinde wahr Karmeſihn roht mit treflichen Perlen durch und durch geſticket/
und die Pferdedecke gleicher Farbe mit Silber durchwircket; ſein Harniſch blau angelauf-
fen/ mit ſilbern Sternichen/ und ſein Pferd weiß mit braunen Flecken/ als mit Aepffeln be-
worffen. Wie er auff die Bahn ritte/ ſchlug er den Helm auff/ und erwieß den Zuſehern
groſſe Ehr und Hoͤfligkeit im gruͤſſen/ daß niemand zweiffelte/ er muͤſte ein groſſer Herr
ſeyn/ wie er dann ſechs wolgeputzete reitende Diener hatte; unter dem Angeſicht wahr er
ſchwarzbraun/ doch lieblicher Geſtalt/ ſeines Alters ohngefehr von XXIIX Jahren.


Nach ihm kam ein Ritter in ſchwarzem Harniſche/ und uͤberal ſchwarzem Zeuge/ wel-
ches ſo artig gemacht wahr/ als kroͤche es vol kleiner Wuͤrmlein. Im Schilde ſtund eine
Jungfer/ die einen Ritter umbfangen hielt/ und ein ander zohe ſie/ wie [w]ol vergebens und
wieder ihren Willen zu ſich; die Umbſchrifft wahr: Aut tu meus, aut ego vetmium cibus;
Du muſt meine/ oder ich der Wuͤrmer Speiſe ſeyn. Auff dem Helm hatte er den Tod mit der
Sichel/ der dieſen Spruch in der Linken fuͤhrete: Præſtat mori quam ſperni: Beſſer Tod als
verachtet ſeyn. Es wahr dieſer ein vornehmer Roͤmiſcher Herr/ gegen Frl. Sibyllen mit Lie-
be verhafftet/ daher trug er gegen Herkules einen ſtarken Eyfer/ weil er ihn vor ihren
Braͤutigam hielt/ dz wo er ſich vor dem Kaͤyſer nicht gefuͤrchtet/ er ihn gewiß zum Kampf
außgefodert haͤtte. Der dritte wahr mit einer lichtblanken Ruſtung gezieret/ mit ſchwar-
zem Blumwerk; Feldzeichen und Pferdedecke wahren auch weiß/ mit ſchwarzen Koral-
len geſticket/ und das Pferd glaͤnzend ſchwarz. Im Schilde ſtund ein Uberwundener mit
froͤlichem Angeſicht/ ungeachtet ihm Helm/ Schild und Harniſch zuſchlagen/ und das
Blut im aus den Wunden floß/ mit dieſen Worten rings umbher: Victus ſæpè Victore for-
tior.
Der Uberwundene iſt offt herzhaffter als der Uberwinder. Auff dem Helme lies ſich ein ni-
dergelegter Loͤue ſehen/ und dieſe Worte auff einem Nebentaͤflein; Succumbo Sorti. Ich
unterwerffe mich dem Gluͤcke. Nach ihm folgeten die uͤbrigen in feiner Ordnung; aber der
lezte hatte die meiſten Anſchauer/ deſſen Harniſch mit fleiß geetzet wahr/ als ob er ganz re-
ſtig waͤhre. Feldbinde und Pferde decke wahr Himmelblau/ aber mit Seide artig durch-
wircket/ als obs mit Koht hin und wieder bewoꝛffen waͤhre/ daher etliche ihn den Kotigten/
andere den roſtigen Ritter nenneten. Im Schilde fuͤhrete er einen Hinkenden mit dieſen
Worten; Pedis vitium me fecit ultimum. Meines Fuſſes Mangel macht daß ich der lezte bin.
Auff dem Helm ſtund ein heßlicher Mann/ welcher die linke Hand vor die Augen hielt/
und in der Rechten ein Taͤflein mit dieſem Spruche: Nocte latent mendæ. Bey Nachtzeit
ſihet man den Mangel nicht. Als die Schranken geſchloſſen wahren/ ſtellete ſich ein unbe-
wapneter Reuter vor die Schanbuͤhne/ und fragete: Ob von dem Roͤmiſchen Stathalter
ihm verguͤnſtiget waͤhre/ eine Frage vorzubringen. Und als ihm von demſelben mit ja ge-
antwortet ward/ ſagte er: Es waͤhre ein vornehmer Herr unweit von hinnen/ welcher vor
etlichen Wochen einen ſehr lieben Freud/ nahmens Silvan der Großtaͤhtige/ durch un-
ſal verlohren haͤtte; weil dann derſelbe willens waͤhre/ den Tod ſeines Freundes an dem
Taͤhter zuraͤchen/ und aber er denſelben nicht ausforſchen koͤnte/ als baͤhte er dieſe hoch-
loͤbliche Verſamlung durch Rittersehre/ da ihrer einem ſolcher Taͤhter kund waͤhre/ und
wo er anzutreffen/ ihn deſſen zuverſtaͤndigen/ damit er ſeinem Vorſaz ein genuͤgen tuhn
koͤnte.
[237]Erſtes Buch.
koͤnte. Herkules hoͤrete bald/ daß es eine ertichtete Frage wahr/ baht den Stathalter umb
urlaub zu antworten/ und ſagete zu dem Abgeſchikten: Mein Freund/ ich erinnere mich/
mit einem Silvan Haͤndel gehabt zu haben/ welcher aber kein Großtaͤhtiger/ ſendern
ein Straſſen Raͤuber und gewalttaͤhtiger Menſchen Dieb wahr/ auch beſſer des Buͤttels
als eines Ritters Schwert verdienet hatte/ welchen demnach kein redlicher Ritter zuraͤ-
chen vornehmen wird; jedoch/ wann dein Herr gleichwol ſolch unſauber Blut ſeiner Ra-
che wirdig achten ſolte/ kan er ſich melden/ und ſein Heyl verſuchen/ welches in ſolchen un-
gerechten Sachen ſehr geringe pfleget zu ſeyn. Dieſer gab zur Antwort; es wuͤrde ſeinem
Herren ſehr lieb ſeyn/ daß er ſeinen Mann angetroffen/ und wann derſelbe bey dem Stat-
halter koͤnte erhalten/ daß er ſich weder vor noch nach dem Kampffe nennen und ſein Ange-
ſicht zeigen duͤrfte (es waͤhre dann daß ſein Feind ihn dazuzwuͤnge) wolte erſich inwendig
zwo Stunden einſtellen/ und ſeiner Verpflichtung ein Genuͤgen tuhn. Herkules antwor-
tete: Er koͤnte ſich mit keinem Ungenanten ſchlagen/ es waͤhre dann daß ein Buͤrge ſich
ſtellete/ welcher bezeugete/ daß ſein Außfoderer kein Ubeltaͤhter oder Unmann/ ſondern ein
redlicher Ritter waͤhre. Jener wiederantwortete darauff; Sein Herr waͤhre hohes A-
dels und ritterlicher Redligkeit/ aber daß er nicht wolte erkennet ſeyn/ waͤhre bloß die Ur-
ſach/ daß er ſeines Feindes gar zu groſſen Freund den Roͤmiſchen Kaͤyſer fuͤrchten muͤſte;
waͤhre doch des ſteiffen vorſatzes auff unverhoffete abſchlaͤgige Antwort nicht zuruhen/
biß er den Todſchlaͤger ſeines allerbeſten Freundes/ auff was Weife es auch geſchehen
moͤchte/ nidergeworffen haͤtte. Herkules lachete deſſen und ſagte; Mein Kerl/ wann ich
vor dieſem Trotzer mich fuͤrchtete/ wuͤrde ich dich mit gutem Recht und fuge laſſen auff die
Folter legen/ biß du mir deines Herrn Schlupffwinkel meldeteſt/ welcher mir vor Kaͤyſl.
Hocheit Rede und Antwort geben muͤſte; aber daß ich in ſeiner Vermaͤſſenheit ihn nicht
ſteiffe/ ſo nehme ich den Kampff an mit ſamt der bedingung/ welche ihm redlich ſol gehal-
ten werden. Zwar der Stathalter wolte einſperrung machen/ mit beteurung/ es ſolte die-
ſer Bube/ weiler eine gewaltſame Raͤubertaht verfechten wolte/ am Leben geſtraffet wer-
den; aber Herkules Wille ging vor/ und muſte ihm Klodius ſein Pferd und Ruſtung/ die
er ihm bezeichnete/ aus der Stad hohlen/ da Ladiſla und Fabius die ihre auch bringen lieſ-
ſen. Inzwiſchen ging das Stechen in den Schranken an/ da die vornehmſten ruhig wah-
ren/ und die Unachtſamere ſich dergeſtalt tummelten/ daß ſie mehrenteils die Erde kuͤſſe-
ten. Silvans Raͤcher blieb nicht gar eine Stunde aus/ und hatte Herkules ſich kaum mit
Ladiſla und Fabius ins Feld geſetzet/ da er einen ſehr groſſen Ritter in ganz ſchwarzer Ru-
ſtung ſahe uͤber das quer Feld mit ſanfftmuͤhtigem Schritte daher kommen. Derſelbe
wahr von ſeinem Abgeſchikten berichtet/ mit was vor einem unbaͤrtigen ſchwanken Juͤng-
ling ers wuͤrde zutuhn haben; deſſen er dann ſo unmuhtig wahr/ daß er vermeinete/ lauter
Schande an demfelben zu erſtreitten. Nun wolte Herkules vor dem Kampff mit ſeinem
Wiederſacher ſprache halten/ und als er ſolches einwilligte/ ritten ſie gegen einander/ da
Herkules ſeinen Helm auffſchlug/ und zu ihm ſagete: Ritter/ ehe ich mit euch Kaͤmpffe/
moͤchte ich von euch gerne berichtet ſeyn/ ob ihr eigentlich wiſſet/ in was vor ſchaͤndlicher
Taht ich den Silvan ertappet/ und nidergelegt habe. Silvan der Großtaͤhtige/ antworte-
te dieſer/ hat nie was ſchaͤndliches begangen/ ſondern er als ein Außbund der loͤblichẽ Rit-
G g iijter-
[238]Erſtes Buch.
terſchafft verdienet/ daß hundert tauſend Ritter ſein aͤdles Blut raͤchen/ welches ohn allen
zweiffel unredlicher Weiſe muß vergoſſen ſeyn; kan auch nimmermehr glaͤuben daß von
eurer Feder leichten Hand er auff Ritters Weiſe im wenigſten habe koͤnnen beſchaͤdiget
werden/ wovon ich weiters nicht reden noch hoͤren/ ſondern alſo mit euch handeln wil/ daß
ihr dem tapffern Silvan zum Opffer geſchlachtet werdet. Mein Kerl/ ſagte Herkules/ ich
hoͤre ſchon das ein Raͤuber den andern lobet/ moͤchte aber wuͤnſchen daß du dein draͤuen
einſtelleteſt/ damit ich Urſach haͤtte/ mit dir etwas freundlich umbzugehen; weil du aber
nur ſchlachten wilt/ ob waͤhreſtu ein Metſcher und ich ein Schaff/ ſo muß ich mich bemuͤ-
hen/ deſſen eine Reue in dich zubringen. Ja antwortete dieſer/ wann deiner ein par Dutzet
waͤhren/ moͤchteſtu draͤuen; daß du aber mit wenigem wiſſeſt/ wornach du dich zu richten
habeſt/ zeige ich dir hiemit an/ daß dieſer Streit ſeyn ſol ein Kampff ohn Gnade. Wolan/
ſagte Herkules/ ihm ſey alſo/ wo du nicht bald dich eines beſſern bedenkeſt; kehreten hiemit
beyde umb/ und auff den erſten Trometen Schal renneten ſie mit eingelegten Speeren ſo
grimmig auffeinander/ daß die ganze verſamlete Ritterſchafft und alle andere Zuſeher
deſſen ſich entſetzeten/ auch ins gemein dem Fremden den Sieg zulegeten. Sie traffen bey-
derſeits wol/ doch weil Herkules groſſe Krafft anwendete/ muſte der Fremde im Sattel
ſchwanken/ daß ihm der Fal ſehr nahe wahr/ und er hingegen unbewaͤgt vorbey rennete.
Weil auch die Speere gar zuſplittert wahren/ griffen ſie zu den Schwertern/ wiewol der
Fremde ſich nicht wenig entſetzete/ daß ſein Feind ungefellet blieben wahr/ und noch den
Vortel erhalten hatte. Ihr Schwertgefechte ging an/ ſo bald ſie ſich erreichen kunten/ und
meinete der Raͤcher añoch/ mit Herkules bald fertig zu werden/ deßwegen er als ein Ra-
ſender auff ihn anfiel/ daß er anfangs gnug zutuhn hatte/ ſeine grimmigen Streiche teils
auszunehmen/ teils durch außweichen abzulehnen/ wozu dann ſein Pferd wol abgerichtet
wahr. Endlich/ wie dieſer ohn auffhoͤren fortſtuͤrmete/ brach Herkules weidlich loß mit
ſeinen Doppelhieben/ daß der vor erſt nur wuͤtete/ nunmehr ſich ſchuͤtzen muſte/ und wehre-
te dieſer Kampff uͤber eine halbe Stunde/ ehe man an ihnen einige muͤdigkeit vernam; a-
ber endlich gingen des Raͤchers Hiebe langſamer und ſchwaͤcher/ deſſen ſich Herkules zum
Vortel gebrauchete/ und ihm dergeſtalt zuſetzete/ daß ihm das Blut an unterſchiedlichen
Orten ſeines Leibes hervor ſpruͤtzete/ uñ er ſelbſt zweiffelte/ ob er unſerm Helden in die Har-
re wuͤrde koͤnnen zu Pferde außhalten. Weil er dann/ angeſehen ſeiner gewaltigen Leibes
groͤſſe/ den Sieg zu Fuſſe ihm gaͤnzlich einbildete/ gab er Herkules Pferde eins in die linke
Seite/ daß es ganz unduͤchtig zum Gefechte ward. Dieſer ergrimmete uͤber ſolchem
Schelmſtuͤcke/ ſprang geſchwinde herunter/ hieb ſeines Feindes Pferde das Maul en-
zwey/ und zwang ihn/ gleichergeſtalt herunter zu ſteigen; worauff der Kampff von neuen/
und gar auff eine andere Art anging; dann hier wolte Herkules weder weichen/ noch ei-
nigen Schlag unbezahlt laſſen/ ſondern taht ſeinem Feinde ſo gedrange/ daß er etliche
Schrit hinter ſich zuweichen gezwungen ward. Es wolte aber Herkules demſelben kein
Wort/ weder boͤſes noch gutes zu reden/ ſondern je mehr derſelbe an Kraͤfften abnam/ je
hefftiger er ihm zuſetzete; woruͤber er ihm mit dem Schwert hinter den Schild kam/ und
ihn am linken Arm ſo hart verwundete/ daß er den Schild fallen lies/ daher dieſer ihm die
Rechnung einer kurzen Niderlage leicht zu machen hatte/ verwunderte ſich aber/ als er ſa-
he/
[239]Erſtes Buch.
he/ daß ſein Feind den Schild auch von ſich legete/ und zwar bloß nur darumb/ daß er kei-
nen Vortel vor ihn haben wolte; noch dannoch wahr der Raͤcher ſo frevelmuͤhtig/ daß
er kein Wort reden wolte/ weßwegen Herkules ihm dergeſtalt umb die Ohren ging/ daß
ihm geſchwand/ welches er merkend/ zu ihm trat/ ihm den Helm vom Kopffe reiß/ und zu
ihm ſagete: Nun habe ich dich gezwungen/ mir dein Angeſicht ſehen zulaſſen/ und melde
mir ja bald deinen Nahmen/ oder unſer Streit muß ein Kampff ohn Gnade ſeyn. Der
Raͤcher biſſe die Zaͤhne im Kopffe/ und weil er bey dem Kaͤyſer keine Gnade zuhoffen hat-
te/ ſetzete er ſtilſchweigens auff Herkules mit hoͤchſter Wuht/ welches aber einen kurzen
Lauff hatte/ maſſen er gar bald einen Stoß ins rechte Auge bekam/ daß er zu Bodem fiel.
Er fragete ihn alſo liegend/ ob er lieber ſeinen Nahmen von ſich geben/ oder den Kopff ver-
lieren wolte; Und als dieſer an ſtat der Demuht noch ſchmaͤhe worte vernehmẽ lies/ ſchlug
er ihm das Haͤupt mit einem Streiche herunter/ wiſchete ſein Schwert/ und ging ganz
unverwundet nach ſeinem Ladiſla zu/ welcher ihm mit einem ledigen Pferde entgegen ran-
te/ worauff er ſich ſetzete/ und den Stathalter baht/ daß er den Reutern ihres todten Her-
ren Leichnam wegzufuͤhren goͤnnen moͤchte; welches er leicht erhielt. Die Anweſende
Ritterſchafft verwunderte ſich zum hoͤchſten uͤber Herkules Tapfferkeit/ und rieffen ihm
alle Gluͤk zum Siege zu/ denen er mit bloſſem Haͤupte/ und friſchen freundlichen Angeſicht
dankete; baht auch den Stathalter/ daß das Stechen alsbald ſeinen Fortgang wieder ge-
winnen moͤchte/ nachdem er ſeine uͤbung geendiget/ deren er ſich nicht vermuhten geweſt
waͤhre. Der Einrit in die Schranken geſchahe nach der erſtgehaltenen Ordnung/ und
verſuchten ſich noch etliche Ritter/ die kein ſonderliches Zeichen loͤſeten; biß der zum er-
ſten eingerittene ſich auff die Bahn ſetzete/ ſeinen Helm auffſchlug/ und ins gemein re-
dete: da einer oder der ander ihn eines Rittes wirdigen wolte/ waͤhre er ſolches zuer-
kennen willig. Der ſchwarze Ritter gewehrete jhn des Anſuchens/ traffen zu beyden
ſeiten wol/ uñ lieſſen ſich keines Wanks meꝛken; im and’n Ritte entwiſchete dem Schwaꝛ-
zen der rechte Stegreif/ aber im dritten muſte er gar herunter/ da doch jener ſtets feſt ſitzen
blieb/ auch bald uͤmkehrete/ und den gefelleten uͤm Verzeihung baht/ indem er zugleich deſ-
ſen Manheit preiſete/ und den Fall bloß auff das Gluk legete; welche Hoͤffligkeit unſeren
Helden wolgefiel. Nach dieſem Verlauf ſtellete ſich der blanke Ritter ein/ und baht uͤmb ei-
nen Verſuch; worauff ein ſtarker anſehnlicher aus dem Hauffen hervorſprengete/ und die-
ſe Antwort gab: Ritter ich bin euch zugefallen/ dafern ich nicht zu dem andern treffen ge-
noͤhtiget weꝛde. Dem Blanken dauchte dieſe Anmuhtung etwas ſtolz ſeyn/ und ſagete: Rit-
ter/ wir wollen zuvor den erſten Gang verſuchen/ und den andern auff gut Gluͤk ausſetzen.
Es fuͤhrete ſein Gegener einen Uhr Ochſen im Schilde/ welcher mit den Hoͤrnern wieder
einen groſſen Baum lief/ mit dieſer uͤmbſchrifft: Ne quid nimis. Vermiß dich nicht zu viel. Auf
dem Helme ſtund das Gluͤckes-Bilde/ und dieſe Worte dabey: Per me ſuccumbit fortior.
Wañ ich wil muß der Staͤrkere unterliegen Sie nahmen beyde einen langen Lauff/ traffen nicht
allein mit den Speeren/ ſondeꝛn auch mit den Pferden und Leibern dergeſtalt/ daß ſie uͤbeꝛn
hauffen fielen/ und jederman gedachte/ ſie haͤtten unter jhren Pferden das Herz im Leibe
zubrochen; arbeiteten ſich doch loß/ und ſahen mit Verwunderung/ wie jhre Pferde alle
viere von ſich ſtrecketen und verſchieden/ daß man ſie muſte hinweg ſchleppen laſſen; bekah-
men
[240]Erſtes Buch.
men aber von den Zuſehern ein gutes Lob jhrer Manheit/ und ward jhnen gegoͤnnet/ ande-
re Pfeꝛde hohlen zu laſſen. Nachgehends renneten noch mannicht zuſammen/ und empfin-
gen einander zimlich rauch; da Frl. Sophia Gelegenheit nam/ mit jhrem Ladiſla zu reden
wegen Herkules und Sibyllen Heyraht/ nachdem ſie aus jhren freundlichen Geſpraͤchen
eine heimliche Liebe/ jhrem Vorgeben nach/ muhtmaſſete; worauf er zur Antwort gab; er
wuͤſte nicht/ was er in dieſem Stuͤk von jhm gedenken ſolte; ſie wuͤꝛde aber von dem Fraͤu-
lein zu vernehmen haben/ ob er bey jhr deſſen etwas geworben haͤtte/ dann wo ſolches nicht
ſolte geſchehen ſeyn/ haͤtte man kein Wort deswegen zu verlieren; welche Antwort ſie faſt
aller Hoffnung beraubete. Der erſte Ritter mit dem Rieſen ward von einem anſehnlichen
Herꝛn ausgefodert/ welches jhn doch bald gereuete/ weil er im eꝛſten Ritte ſpringen muſte.
Der Kotigte wolte ſich biß daher an nichts kehren/ hielt gar am Ende/ ob waͤhre er uͤmb
zuſehens ankommen/ daß man ſchon einen gemeinen Spot aus jhm machete/ und ein ſtol-
zer Ritter/ welcher im Schilde einen Sperber fuͤhrete/ d[e]r eine gefangene Taube hielt/ ſich
offentlich verlauten lies/ er muͤſte mit dieſem Roſtigen eine kurzweil anrichten; ritte auch
zu jhm/ und ſagte: Ritter/ ich meine/ jhr ſeyd auch erſchienen/ ein Speer zu bꝛechen/ welches
ich mit euch gerne verſuchen wolte. Dieſer hatte gleich ſeine Gedanken am anderen Orte/
und betrachtete Herkules tapferes Gefechte/ desgleichen er nie mit Augen angeſehen hatte/
daher gab er auff ſolche Rede keine Antwort; welches jener jhm vor eine Furchtſamkeit
auslegete/ und in dem er jhn beym Arme faſſete/ alſo fort fuhr: Ritter jhr haltet in tieffen
Gedanken; oder wegert jhr euch meines Anſuchens/ ſo muß ich weiter gehen. Dieſer ſchaͤ-
mete ſich des Fehlers/ und gab zur Antwort: Gewißlich Herꝛ Ritter/ ich habe nicht gemet-
net/ daß ſeine ehꝛliche Anfoderung an mich gerichtet waͤhꝛe/ ſonſt wuͤꝛde ich gebuͤhꝛlich ge-
antwortet haben. Es iſt noch Zeitig gnug/ ſagte jener/ wañ ichs nur gewehret werde. Ganz
gerne/ antwortete dieſer; dann wer einen Rit ſcheuhet/ muß warlich auſſerhalb Schranken
bleiben. Nahmen hierauf ohn ferner Wortwechſeln die Bahn ein/ und warteten alle An-
weſende mit Verlangen/ was dieſer Kotigte gutes verrichten wuͤrde. Sie ſahen daß er im
Sattel ſich ſehr wol hielt/ das Pferd aꝛtig zu tummeln uñ ſein Speer geſchiklich zu ſchwen-
ken wuſte; aber ſein Gegenteil verſprach jhm ſelbſt dẽ Sieg ſo gewiß/ als haͤtte er jhn ſchon
in Faͤuſten gehabt; wiewol das Treffen viel einanders auswieß; dañ er ward von dem Ko-
tigten ſo unſanft auff die Erde geſetzt/ daß jhm ſehen und hoͤren veꝛging/ und man jhn mit
zubrochenem Arme von der Bahn hinweg tragen muſte/ da doch jener ſich im geringſten
nicht bewaͤgete/ und aller Zuſeher Gunſt bekam/ welche ſageten/ dem Hochmuht waͤhre
recht gelohnet. Des herabgeſtochenen Bruder wolte dieſen Schimpfraͤchen/ welcher im
Eifer zu jhm ritte und alſo redete; Roſtiger; das Ungluͤk hat meinen Bruder durch eure
unwirdige Hand abgeſezt/ der ſonſt eurer dreyen ſolte Fuß gehalten haben; ich aber werde
nach endigung dieſes Schimpffſpiels wiſſen/ euch deswegẽ zu beſprechen. Dieſer gab jhm
zur Antwort; Glaͤnzender und Wolgepuzter/ ich habe eurer Zungenkraft ſchon erfahren/
was aber euer Arm vermag/ muß ich biß dahin ausſetzen/ und ſollet jhr mich nach alle eu-
rem Begehren finden. Der Stathalter und unſere Helden hoͤreten dieſen Zank und ver-
droß ſie nicht wenig/ daß der Außfoderer ſolchen Frevel gebrauchen durfte/ daher jhm der
Stathalter ſelbſt geboht/ ſich als ein Schaͤnder ſeiner Geſetze bald zupacken/ odeꝛ der ſtraffe
gewaͤr-
[241]Erſtes Buch.
gewaͤrtig zu ſeyn; Aber der Roſtige antwortete darauff; Gnaͤdigſter Herꝛ Stathalter; es
geliebe eurer Durchl. dieſem Ritter gn. zu verzeihen/ und uns beyden zu erlaͤuben/ daß wir
alsbald unſern Span auſſer den Schranken mit Speer und Schwert ſchlichten moͤgen.
Der Stathalter beredete es kuͤrzlich mit unſern Helden/ und gab jhm zur Antwort: wolan
Tugendhafter Ritter/ ich willige in euer Begehren. Sie wurdẽ des beyderſeits froh/ mach-
ten ſich hinweg und nahmen jhre ſcharffen Speere zur Hand/ da der Ausfoderer an der
rechten Schulder hart verwundet/ zur Erde geworffen ward; daher der Obſieger abſtieg/
den Schwertſtreit zu Fuſſe mit jhm antrat/ jener aber wegen empfangeneꝛ Wunde ſchlech-
ten Wiedeꝛſtand taht/ daß dieſer jhn leicht haͤtte niderſchlagen koͤnnẽ; Er wolte aber nicht/
ſondern ſagte zu jhm: Mein Freund/ koͤnnet jhr von der ganz unbillichen Rache abſtehen/
wil ich euch des Streits gerne erlaſſen/ weil ich ſehe/ daß die empfangene Wunde euch an
weiterm Gefechte ſehr hinderlich iſt. Dieſer wolte ſolches ehrliche Erbieten nicht ausſchla-
gen/ und gab zur Antwort: Ritter ich erkeñe eure Hoͤfligkeit/ die mich euch zu aller freund-
ſchaft verbindet; gaben darauff einander die Haͤnde/ und ſchieden wol vergnuͤget wiewol
der Roſtige ſich wieder in die Schranken begab/ da ſich alsbald fuͤnff Ritter nach einander
an jhm rieben/ welche alle ſpringen muſten/ daß ſeine vorige Verachtung in den hoͤchſten
Ruhm verwandelt ward. Nun meinete der Schwarze Ritter an dieſem zuerlangen/ was
er an dem erſten verlohren hatte/ traffen auch zweymahl mit gleicher Standhaftigkeit/ abeꝛ
im dritten Satze ging es mit jhm wie vorhin. So hatte der Blanke auch ein Pferd wiedeꝛ
bekommen/ und verſuchte ſich mit jhm/ hielt auch zween harte Puͤffe aus/ aber im dritten
ging er uͤber und uͤber. Der mit dem Uhr Ochſen wagete ſich an den erſten/ und ward glei-
cher geſtalt im dritten Treffen nidergeleget. Es huͤtete ſich aber der Roſtige mit fleiß/ dieſem
erſten kein Anlaß zum ausfoderen zu geben/ und tummelte ſich mit andern weidlich heꝛum/
die ihm alle denunwilligen Fußfall tahten; wie gleicher weiſe jener erſte ſich auch nicht ſaͤu-
mete/ und ebenmaͤſſige Krafft ſehen ließ/ daher alle wuͤnſcheten/ daß dieſe beydẽ es mit ein-
ander auffnehmen moͤchten/ damit man den beſten kennete; uñ hoffete zwar dieſer/ es wuͤꝛ-
de der Roſtige ihm die Spitze bieten; weil es aber nicht geſchahe/ machte er ſich zu ihm/ uñ
ſagte: Ritter/ ihr ſeyd in dieſem Spiel offt ausgefodert/ aber allemahl zu euren Ehren/ wel-
ches ich eurer Tapfferkeit wol goͤnne/ und ſchier nicht wagen darff/ euch ein mehres anzu-
muhten; haͤtte demnach wuͤnſchen moͤgen/ daß unſere Speere ſich einander auch gegruͤſ-
ſet haͤtten/ welches zwar das meine noch gerne leiſten wolte/ wann ichs ohn Unhoͤfligkeit
bitten duͤrffte. Der ander merkte wol/ daß dieſer ein groſſer Herr ſeyn muͤſte/ und antworte-
te ihm mit demuͤhtigen Worten: Er achtete ſich dieſer Ehr unwirdig/ mit dem weiter
noch zuſtechen/ welcher auſſer allem Zweiffel den hoͤchſten Preiß ſchon erworben/ wolte
auch ſein begehren/ wann es ohn Verletzung Ritterlicher Ehr geſchehen koͤnte/ gerne von
ſich lehnen/ weil er aber hoffete/ ihm durch Wilfaͤhrigkeit einen Dienſt zu tuhn/ waͤhre er
bereit ihm zugehorſamen. Herkules hoͤrete ihn reden/ und ſagte zu Ladiſla: Dieſer Ritter
zeiget inner- und aͤuſſerlich ſeine Demuht an/ haͤlt ſich vor Roſt- und koͤtig/ und iſt der wol-
geputzeten einer/ deſſen Kundſchafft ich wol haben moͤchte. Dem Ausfoderer gefiel ſeine
Hoͤfligkeit nicht weniger/ baht/ mit dem unverdienten Lobe ſein zu verſchonen/ und wuͤrde
ihm/ ſich mit jhm zuverſuchen/ angenehmer ſeyn/ als alles uͤbrige ſchon geleiſtete. Wor-
H hauff
[242]Erſtes Buch.
auff jener abermahl ſeine Willigkeit anboht. Sie foderten feſte Speer/ begegneten einan-
der zierlich und herzhafft/ daß die Speere ſplittersweiſe in die Lufft flogen/ und keiner im
Sattel bewaͤget ward. Dieſe beyde ſtechen umb den erſten Preiß/ ſagte der Stathalter zu
Ladiſla/ wo ſie ihn nicht beyde gewinnen. Ich fuͤrchte eben daſſelbe/ antwortete dieſer/ ſchik-
te deßwegen nach der Stad/ ein Halsband/ dem erſten gleich/ herzuhohlen. Die Stecher
foderten neue Speere/ und wurden auff ſich ſelbſt unwillig/ daß ſie im andern Ritte beyder-
ſeits fehleten/ weil jeder ſich bemuͤhete/ dem andern aus dem Stoſſe zuweichen/ und ſeinen
anzubringen; tahten darauff den dritten ſo viel hefftiger und gerade zu/ da ſie beyde hinter
ſich bogen/ auch der Roſtige einen Stegreiff verlohr/ deſſen doch niemand innen ward; und
weil die Speere abermahl zubrochen wahren/ nahmen ſie nochmahls andere/ ranten als
blindling/ und traffen ſehr wol/ auch ohn alles wanken; im voruͤbertraben aber griffen ſie ei-
ner nach dem andern/ zogen ſich von ihren Pferden/ ſprungen bald auff/ und fingen an mit
einander zu ringen/ in welchem der Roſtige ſchier ſolte Meiſter worden ſeyn; weil aber die
Richter auffklopffen und ſie warnen lieſſen/ traten ſie voneinander/ und lieffen ihren Pfeꝛ-
den zu. Bald darauff ward das Stechen auffgeruffen/ und den Rittern ins gemein Dank
geſagt/ welche auff den folgenden Tag wieder eingeladen wurden. Die Richter/ Herren
Kornelius und Emilius traten mit Fr. Sophien/ Frl. Sibyllen und Fr. Urſulen zuſam-
men/ und urteileten/ daß der erſte und lezte in gleichem Wert den hoͤchſten Preiß verdienet
haͤtten; den andern legten ſie dem Blanken/ und den dritten dem Schwarzen zu. Da ließ
nun Fr. Sophia die erſten beyden vor ſich fodern/ und redete ſie alſo an: Manhaffte/ hoch-
aͤdle Ritter/ wie ſelten es geſchihet/ daß zween zugleich den hoͤchſten Preiß verdienen/ ſo
hoch verwundert man ſich uͤber euer beyder gleichmaͤſſigem Wolverhalten/ und daß man
ihre Tapfferkeit ſo gar nicht zu unterſcheiden weiß/ ohn daß der eine hat muͤſſen ſcharff fech-
ten. Der erſte entſchuldigte ſich der Ehren/ und legete dem Roſtigen das hoͤchſte Lob zu; die-
ſer gab dagegen vor/ ſein Stechen waͤhre mit dieſes ſeinem nicht zuvergleichen/ welches al-
le anweſende wuͤrden bezeugen muͤſſen. Aber Fr. Sophia ſagte: Ihr Herren Ritter/ wer-
det ja unſerer Herren Richter Urtel nicht unguͤltig machen/ ſondern dieſes unwaͤgerlich als
einen wolverdienten Gewin annehmen; reichte damit einem jeden das Halsband ein/ und
daß ſie dabey ſich ihres Wolverhaltens allemahl zuerinnern haͤtten. Der Roſtige aber taht
ſeinen Helm ab/ dann er wahr der Boͤhmiſche Ritter Leches/ ging ungefodert nach Ladiſla
auff die Schau Buͤhne/ ſetzete ſich vor ihm auf die Knie/ und ſagete uͤberlaut: Durchleuch-
tigſter/ gnaͤdigſter Herꝛ; daß geſtriges Tages Euer Durchl. ich die Haͤnde untertaͤhnigſt
zukuͤſſen unterlaſſen/ bitte ich umb gnaͤdigſte Verzeihung/ bin ſonſt mit den Koͤniglichen
Herꝛen Geſanten heruͤber kommen/ keiner andern Urſach wegen/ als Ihrer Durchl. un-
tertaͤhnigſt auffzuwarten/ und in meines Koͤniges Dienſten zu ſterben; Zog ſein Schrei-
ben hervor/ und uͤbergab es ſeinem Herꝛn/ welches die Koͤnigin ihm abſonderlich mitgege-
ben/ und darinnen ſeines Vaters des alten Pribiſla Traͤue uͤberſchrieben hatte; begehrete
auch/ dieſen guten Ritter in geheime Dienſte zunehmen/ und als einen Koͤniglichen Ver-
wanten zu halten. Ladiſla wahr nicht allein ſeiner Ankunfft froh/ ſondern freuete ſich inſon-
derheit/ daß er ſich im Kampff und Stechen ſo ritterlich verhalten hatte/ hieß ihn auffſte-
hen/ boht ihm die Hand (welche er kuͤſſete) und verſprach ihm alle Gnade und Gewogen-
heit/
[243]Erſtes Buch.
heit. Inzwiſchen ſtellete Frl. Sidylla dem Blanken/ und Fr. Urſul dem Schwarzen Rit-
ter das andere und dritte Geſchenk zu/ und gingen nach Vollendung wieder hin nach des
Stathalters Hof. Bey dem Abendtanze ging alles luſtig zu/ wobey Frl. Helena Ehrenhal-
ben ſich muſte finden laſſen/ deren Eiſer gegen Frl. Sibyllen Herkules gemerket hatte/ und
jhm uͤbel gefiel/ inſonderheit/ weil er ſchon andere Unarten an ihr ſpuͤrete/ welche nirgends
als aus ihrer Eltern Nachlaͤſſigkeit herruͤhreten/ maſſen dieſelben wegen gar zu groſſer Lie-
be jhre Gebrechen nicht ſahen/ viel weniger abgewehneten; Weil dann Herkules derglei-
chen Unvolkommenheiten nicht kunte zugetahn ſeyn/ enthielt er ſich ihrer mit fleiß/ und
naͤherte ſich Frl. Sibyllen umb ſo viel mehr/ weil er ſonſt keine Geſelſchafft hatte/ und
Fr. Sophien ihren Ladiſla goͤnnen muſte. Dieſes verurſachete/ daß man ihn vor verliebet
ſchaͤtzete/ welches doch in ſein Herz nicht kommen wahr/ huͤtete ſich auch fleiſſig/ kein Liebes-
Geſpraͤch mit ihr zuhalten/ weil er merkete/ daß ihr Herz eines mehren/ als der bruͤderli-
chen Freundſchafft ſich gerne haͤtte bereden laſſen/ wann er Anlaß darzu geben wollen.
Frau Sophia hermete ſich ſehr/ daß ſie nichts gewiſſes von ihm erfahren kunte/ taht ihr
auch leid/ daß das liebe Fraͤulein bey ihren Eltern ſelbſt in dieſem Verdacht ſeyn/ und
vielleicht durch vergebliche Hoffnung auff Herkules/ alles andere Gluͤk verſcherzen ſolte;
zu geſchweigen/ daß ihr ſolche Kundſchafft mit ihm/ uͤbel ausgedeutet/ und von andern ge-
meidet werden moͤchte/ daß ſie wol gar daruͤber duͤrffte ſitzen bleiben. Dieſes wo moͤglich/
abzukehren/ ſetzete ſie ſich zu Herkules an die ander Seite/ und fragete/ ob ſie den dritten
Spꝛachmann geben duͤrffte; baht ihn hernach/ er moͤchte helffen die heutigen Ritter beob-
achten/ unter welchen etliche vornehme Roͤmiſche Herren waͤhren/ aus denen ſie die Wir-
digſten hervor ſuchen/ und ſie ihren beyden Frll. Waſen/ als Frl. Helenen und Fcl. Si-
byllen freyen wolte. Sibylla aber die ſolches hoͤrete/ auch ihren Vorſaz wol verſtund/ deſ-
ſen ſie ſich doch nicht merken lies/ gab zur Antwort; ſie gedaͤchte noch auff kein heyrahten/
wolte auch nicht hoffen/ daß man Urſach haͤtte/ ſie ſo freygebig außzubieten; zweiffelte da-
neben/ ob ſonderliche vornehme Roͤmiſche Herren bey dem heutigen Ritterſpiel ſich an-
gefunden/ maſſen ſie kein ſonderliches Wolverhalten von ihnen geſehen haͤtte. Herkules
gab ihr Beyfal/ und ruͤhmete an ihr/ daß ſie ihres Gluͤks abzuwarten willens waͤhre. Deſ-
ſen Fr. Sophia lachete/ und zu ihm ſagete; wie wann dann etliche ſich bemuͤheten/ dem
Herr Bruder auch eine an die Hand zubringen? was gilt/ wo er alsdan einen ſo getraͤuen
Beyſtand an meiner Frl. Schweſter haben wuͤrde? Daß hat mit mir nichts zu bedeuten/
antwortete er/ maſſen meine Sachen noch zur Zeit alſo beſchaffen ſind/ daß ich an heyrah-
ten oder Liebe nicht gedenken muß/ wann gleich meine Jugend nicht waͤhre; mit ernſt aber
von meiner hochgebohrnen Frl. Schweſter zu reden/ moͤchte ich wuͤnſchen/ Gelegenheit zu
haben/ ihr dereins auff ihren hochzeitlichen Ehrentagen auffzuwarten/ und ſehe ich dieſelbe
vor ſo verſtaͤndig an/ daß ſie ſich nicht wird uͤberſchnellen laſſen; meines teils muß ich mit
derſelben bekennen/ daß ſonderlicher Herren Gegenwart ich heut nicht verſpuͤret/ und ob
mir gleich nicht geziemen wil einigen Menſchen veraͤchtlich zu ſchaͤtzen/ ſo kan ich doch
nicht umbhin/ meines Herzen Gedanken zu offenbahren/ daß unter der heutigen Ritter-
ſchafft (wann ihrer gleich XII in einander geſchmolzen wuͤrden) ich keinen geſehen/ der mei-
ner Frl. Schweſter Liebe zur Heyraht wirdig waͤhre. Ach mein Herr/ antwortete das Frl.
ich haͤtte ſolches Lobes mich billich zubedanken/ wanns nicht gar zu hoch waͤhre/ nachdem
H h ijmeine
[244]Erſtes Buch.
meine geringfuͤgigkeit mir wol bewuſt iſt/ und ich von den hohen Tugend-volkommenen
Rittern und Herren mir keine Hoffnung zu machen habe. Der Tanz verſtoͤrete dieſes Ge-
ſpraͤch/ weil Herkules ein vornehmes Paduaniſches Fraͤulein zugefuͤhret ward/ mit wel-
cher er einen zierlichen Tanz hielt/ kam hernach mit dem Stathalter ins Geſpraͤch/ wel-
cher von ihm zu wiſſen begehrete/ wie bald er die Reiſe nach Rom fortſetzen wuͤrde; dem
er zur Antwort gab; er wolte inwendig acht Tagen mit ſchnellen Pferden fortgehen/ Kaͤy-
ſerl. Hocheit untertaͤhnigſt auffzuwarten/ und bald darauff eine hoͤchſtnoͤtige Reiſe vor-
nehmen; welche Antwort den Stathalter nicht wenig befremdete/ als welcher ihm viel
andere Gedanken eingebildet hatte. Herkules redete ihm zwar die Warheit ſeines Vor-
ſatzes/ welchẽ er dieſe Nacht bey ſich beſchloſſen hatte/ dz nach abgel[e]gter Reife nach Rom/
er Ladiſla (unter dem Schein einen Chriſtlichen Ort ſeinem Geluͤbde nach/ allein zubeſu-
chen) zu Padua verlaſſen/ und in geheim nach Boͤhmen reiten wolte/ in dem naͤheſten
Staͤdlein bey Prag ſich auffhalten/ ſeine Anweſenheit dem Fraͤulein zuwiſſen machen/ und
durch ſeine Gegenwart uñ muͤndliche Unterredung einen feſten Schluß ihrer kuͤnfftigen
Ehe ſetzen/ welche er nach zweier Jahre verlauff (die er in den Morgenlaͤndern durch Rit-
terſchafft zubringen wolte) zu volzihen Hoffnung faſſete. Aber Gott ſchikte es viel anders/
wie in folgenden Buͤchern wir werden zuvernehmen haben.


Dieſe Nacht erhub in unſerer Helden Marſtalle ſich ein graͤuliches gepoͤlter/ daß die
Pferde vor Angſt ſtrampfeten/ und die Knechte aus Furcht ſich verbergeten; welches des
folgenden Morgens angemeldet/ und daraus gemuhtmaſſet ward/ es wuͤrde heut beym
Stechen ſcharff daher gehen; welches aber nicht erfolgete/ ſondern gelinder als das vori-
ge wahr/ ohn das zween Ritter im herunter fallen das Genik abſtuͤrzeten/ und einer von ſei-
nem Pferde geſchleiffet ward/ daß er des dritten Tages hernach die Seele ausbließ. Die
Preißtraͤger des vorigen Tages/ lieſſen ſich heut nicht gebrauchen/ daher jener mit dem
Uhr Ochſen den erſten Dank/ eine Huhtſchnur von Demanten auf 1000 Kronen; Klodi-
us den andern/ einen Federpuſch mit einem Kleinot/ auf 800 Kronen; Und Markus den
dritten/ ein Kaͤyſerl: Bruſtbilde mit Demanten eingefaſſet/ auf 600 Kronen/ davon brach-
ten. Dieſe Nacht hielt die Spuͤkerey in dem Marſtalle an/ und wahr heftiger dann vorhin
ſo daß die Pferde ſprungen/ ſchlugen uñ wrinſcheten/ daß kein Diener hinzu nahen durfte/
welches Herkules anfangs vor ein ſolches Werk des Teufels hielt/ durch welches derſelbe
jhm eine mißglaͤubige Furcht einjagen wolte; Verfuͤgete ſich auch zimlich fruͤh nach dem
Obriſten Chriſtlichen Lehrer daſelbſt/ es mit jhm zu bereden/ welcher es auf gleiche Weiſe
auslegete/ und ſich erbot/ mit der ganzen Chriſtlichen Gemeine es in ſein andaͤchtiges Ge-
beht zu nehmen/ und Gott den Herꝛn inbruͤnſtig anzuruffen/ daß er des Teufels Werk zer-
ſtoͤren/ nnd alles Ungluͤk gnaͤdig abwenden wolte. Ladiſla nam es auch ſehr zu Herzen/ und
durch Fr. Sophien lies er die heidniſchen Pfaffen erſuchen/ den Goͤttern Opfer zu ſchlach-
ten/ welche nicht allein ſolches uͤber ſich nahmen/ ſondern auch ohn Herkules Vorbewuſt
(der es ſonſt nicht wuͤrde eingewilliget haben) allerhand Raͤuchwerk und andeꝛe abeꝛglaͤu-
biſche Dinge in dem Stalle verrichteten/ mit dem vorgeben/ dafern dieſe Nacht ſichs nicht
enderte/ muͤſte man auff vier Wochen den Stal raͤumen/ das Pflaſter uͤmkehren und das
Dach mit neuen Steinen belegen.


An dieſem dritten Tage ward ein Ringel rennen gehalten/ bey welchem ſich Herku-
les
[245]Erſtes Buch.
les in praͤchtiger Kleidung finden lies/ tummelte ſein Pferddermaſſen/ daß aller anweſen-
den Augen ſich nach jhm kehreten. Bey dem Rennen bedingete er ſich/ zwar zur Luſt und
in Geſelſchaft mit zumachen/ aber keinen Teil am Gewinn zu haben. Weil ers dann allen
andern weit zuvor taht/ ſchikte jhm das Frauenzimmer einen ſchoͤnen Blumen Kranz mit
koͤſtlichen Perlen und aͤdlenſteinen uͤmbwunden/ welchen er mit hoͤflicher Ehrerbietung
an den rechten Arm ſteckete. Der ordentliche Siegesdanck ward dem fremden zuerkennet/
welcher des erſten Tages nebeſt Leches den hoͤchſten Gewinn erhalten hatte; nehmlich/ ei-
ne guͤldene Speer Spitze mit Rubinen eingelegt/ ein par guͤldener Sporen/ und ein par
Steig Buͤgel auff gleiche art gezieret/ ingeſamt am Wert 4000 Kronen. Dieſer haͤtte un-
ſers Herkules Kundſchafft gerne gehabt/ weil er jhm uͤber die maſſe gewogen wahr; nach-
dem er aber eine ſchleunige Reiſe fortzuſetzen hatte/ ritte er nach geendigter uͤbung zu jhm
hin/ und redete jhn alſo an: Hochberuͤmter Ritter und Herꝛ; ich dieſes Orts ein Fremder
auch Auslaͤndiſcher/ moͤchte wuͤnſchen/ die Gelegenheit zu haben/ mit demſelben in beſſere
Kundſchafft/ und da ichs wert ſeyn koͤnte/ vertraulichere Freundſchafft einzutreten/ als
welcher vor Ritters Ehr und Zier nicht unbillich von jederman geſchaͤtzet wird; weil aber
die Nohtwendigkeit mir befihlet/ meine Reiſe ſtraks Angeſichts fortzuſetzen/ bitte ich ſehr/
mein Herꝛ wolle mich/ Nahmens Pharnabazus aus Perſen/ unter die Zahl ſeiner auff-
richtigen Diener und getraͤuen Freunde auffnehmen/ und bey dieſem ſchlechten Ringe
(welchen er jhm reichete/ uñ uͤber 3000 Kronen wert wahr) meiner ſtets eingedenke ſeyn/
da dañ meine hoͤchſte Veꝛgnuͤgung ſeyn wuͤrde/ meinem Herꝛn deꝛ eins angenehme Dien-
ſte leiſten zu koͤnnen. Herkules bedankete ſich deſſen mit ſonderlicher Freundligkeit/ und ſa-
gete: Mein Herꝛ/ ich ſchaͤtze mich ganz unwirdig des geſprochenen Lobes; Die verheiſſe-
ne Freundſchafft iſt mir tauſendmahl angenehmer/ trage meinem Herꝛn ein gleichmaͤſſi-
ges aus redlichem Herzen auff/ uñ moͤchte ſich wol begeben/ daß ich die abgelegenen Mor-
genlaͤnder beſuchete/ da ſeinem lieben Nahmen nachzufragen/ ich unvergeſſen ſeyn werde/
wann ich nur des Orts etwas genauere Nachricht haben koͤnte; reichete jhm auch einen
Ring ein/ koͤſtlicher als der empfangene/ und noͤhtigte ihn/ bey dem Stathalter mit einzu-
kehren. Dieſer nam die Gedaͤchtniß mit hohem Dank zu ſich/ dabey anzeigend/ ſein Nah-
me waͤhre bey den Fuͤrſten Hoͤfen in Aſſyrien/ Suſiana/ Perſen/ Meden/ uñ andern mehꝛ/
auch in der Parthiſchen Hauptſtad ſelbſt zimlicher maſſen bekant/ wann man nur fragete
nach Pharnabazus des Perſen Artaxerxes Oheim. Nachgehends meldete er ihm vertrau-
lich an/ es wuͤrden in kurzer Zeit ſolche Verenderungen und Begebniſſen in den Morgen-
laͤndern vorgehen/ dergleichen in mehr als 400 Jahren nicht erhoͤret waͤhren/ und dafern
er/ Herkules/ belieben truͤge/ in fremden Kriegen/ Lob/ Ehr und Gut zuerſtreiten/ wuͤrde in
der ganzen Welt ihm beſſere Gelegenheit nicht zuſtoſſen/ wolte ihn auch bey ſeiner Redlig-
keit verſichern/ daß an Perſiſcher ſeiten ihm ſeine Kriegsdienſte dergeſtalt ſolten erſetzet
werden/ als er wuͤrde wuͤnſchen koͤnnen. Daß er aber nach ſeinem begehren mit ihm vor
dißmahl nicht einkehrete/ verhinderte ſeine hoͤchſte Eile/ worauff vieler tauſend Seelen
Wolfahrt hafftete/ und er ſich hieſelbſt/ bloß aus Begierde feiner Kundſchafft/ ſchon zu
lange auffgehalten haͤtte/ welches er mit Nachtreiſen einbringen muͤſte; nam hiemit Ab-
ſcheid/ baht/ das eroͤffnete ingeheim zuhalten/ und den Durchleuchtigſten Fuͤrſten Herrn
Ladiſla untertaͤhnig zu gruͤſſen. Herkules kunte ihn wider ſeinen Willen nicht auffhalten/
H h iijwuͤn-
[246]Erſtes Buch.
wuͤnſchete ihm Gluͤk zu alle ſeinem wichtigen Vorhaben/ verſprach auch/ inwendig Jahrs
friſt/ da er lebete/ mit einer kleinen Ritterlichen Schaar/ bey welcher er vor Raͤuber Anfall
geſichert ſeyn koͤnte/ ſich in Perſen finden zu laſſen/ welches dieſem Herrn uͤberaus ange-
nehm wahr/ auch zuvernehmen gab/ je ſtaͤrker er kommen wuͤrde/ je angenehmer wuͤrde er
ſeyn/ ungeachtet man auff allen fall zum uͤberfluß Voͤlcker haͤtte. Alſo begab ſich Herkules
nach Hofe/ woſelbſt uͤber Tiſche von dieſem fremden Herrn viel geredet ward/ und ſchaͤtze-
te ihn der Stathalter vor einen Parthiſchen Geſanten/ der irgend bey dem Kaͤyſer noͤhti-
ge Werbung zuverrichten haͤtte/ worin er doch irrete/ maſſen er von andern Morgenlaͤn-
diſchen Fuͤrſten abgeſendet wahr. Des Abends nach der Mahlzeit bey dem Tanze/ uͤber-
fiel Herkules eine ungewoͤhnliche Traurigkeit/ deren er ſich durchaus nicht entſchlagen
kunte/ wie ſehr er ſich gleich der Froͤligkeit annahm. Ladiſla merkete ſolches an ihm/ und
fragete/ ob er ſich nicht wol befuͤnde; dem er antwortete: Ich weiß faſt ſelber nicht/ wie miꝛ
iſt; mein Gemuͤht in mir iſt als zerſchlagen/ mein Herz ligt mir im Leibe als ein Kiſelſtein/
und weiß deſſen doch nicht die allergeringeſte Urſach; darumb bitte ich meinen Gott/ dz er
von uns alles ſchaͤdliche gnaͤdig abwenden wolle. Mir iſt nicht viel beſſer zu ſinne/ ſagte La-
diſla/ weiß nicht/ ob etwa die vielfaͤltigen Gaͤſtereyen ſolchen Ekel und Widrigkeit erwec-
ken moͤgen; ſaͤhe demnach gerne/ daß du dich zur ruhe legteſt/ ſo wil ich dir bald folgen. Ich
bin gleich des willens/ antwortete er; rief Klodius zu ſich/ und befahl ihm/ daß er 1000
Kronen morgen gar fruͤh dem Chriſtlichen Lehrer bringen ſolte/ dieſelben unter die Armẽ
auszuteilen; ſchrieb auch/ da er in ſeiner Schlaffkammer angelanget wahr/ ein Brieflein
an denſelben/ offenbahrete ihm ſein trauriges Anliegen/ und begehrete/ daß gegen morgen
fruͤh er ſich auff eine Troſtpredigt ſchicken moͤchte/ nach deren Anhoͤrung er willens waͤhre
etwas auszureiten. Richtete hiemit ſeine herzliche Andacht zu Gott/ und ſprach unter an-
dern dieſes Gebeht: Gnaͤdiger Helffer! mein Heyland JEſus Chriſt; verzeihe mir gnaͤdig die
bißher begangene groſſe uͤppigkeit/ und daß ich ſchier ohn einigen rechtſchaffenen Gottesdienſt/ dieſe
Tage in der Weltpracht und nichtigen Fleiſcheswerken zugebracht habe; Du weiſt/ HErr mein Gott/
daß ich wider meinen Willen mich dabey finden laſſen muß/ und viel lieber in ſtiller Einſamkeit dir
dienete/ dein heiliges Wort zubetrachten; allein ich lebe ja leider in der Welt/ in der heydniſchen Welt/
da ich manniche Abgoͤtterey und Boßheit anzuhoͤren gezwungen werde/ und mich ſolchem unbillichen
Weſen nicht widerſetzen darff. HErr ſihe mich an mit den Augen deiner vaͤterlichen Barmhertzigkeit;
wende von mir des Herzen Traurigkeit/ uñ gib mir einen ruhigen Freuden Geiſt/ welcher von der welt
ſich abzihen und dir in beharlicher furcht dienen moͤge. Solte aber etwa ein ſchweres Ungluͤk wegen
meiner vielfaͤltigen Suͤnde mir bevor ſtehen; O HErr ſo wende es in Gnaden von mir/ und ſtehe mir
zur Rechten/ daß ich darunter nicht erliegen moͤge; alsdann wil ichs durch deine Huͤlffe gerne tragen/
und deine Zuͤchtigung zur heilſamen Beſſerung annehmen; dann ich weiß HErr/ daß des Fleiſches
Wolergehen mich auff dem Wege zum Himmel nicht erhalten kan/ ſondern deine Glaͤubigen dir durch
viel Truͤbſal nachfolgen muͤſſen. Erhoͤre mich HErr mein Gott umb deiner Barmherzigkeit willen/
und laß deine Guͤte uͤber mich walten/ wie ich auff dich hoffe.


Nach geendigtem Gebeht legte er ſich und ſchlug alle weltliche Gedanken auß dem Sin-
ne. Ladiſla wolte ſamt ſeinem Gemahl mit Herkules in einem Gemache ſchlaffen/ weil er
ſeine Traurigkeit ſahe; folgete ihm auch bald nach/ und funden ihn ſchon in voller Ruhe/
da er einem Engel Gottes aͤhnlicher als einem Menſchen ſahe. Die Arme hatte er nacket
aus dem Bette liegen/ und die Haͤnde gefalzet/ dann uͤber dem Gebeht (welches ſtets ſeine
Gewonheit) wahr er eingeſchlaffen. Sie wolten ihn in ſeiner Ruhe nicht ſtoͤren/ legten
ſich
[247]Erſtes Buch.
ſich auch ſo ſanffte nider/ daß er ihrer Anweſenheit nicht inne ward. Als es gegen den Mor-
gen ging/ ließ er einen ſchweren Seufzen im Slaffe hoͤren/ woruͤber Ladiſla erwachete/
und ihn bewaͤglich fragte/ ob er ſich nit wol befuͤnde. Er vernam nun erſt/ daß er mit ihm
auff einem Gemache ſchlieff/ und gab zur Antwort; Ey dz Gott walte/ wie ſchrecken mich
die leidigen Traͤume und einbildungen; Gott behuͤte mich und alle die meinen vor ſchwe-
rem und unertraͤglichem Ungluͤk. Fr. Sophia baht ihn/ ſein Anliegen zu melden; welches
er ihr nicht verſagen wolte/ und zeigete an/ es waͤhre ihm vorkommen/ als haͤtte ein liſtiger
Fuchs einen groſſen hauffen hungeringer Woͤlffe auff ihn gehetzet/ welche ihn grimmig
angefallen/ und das Herz ihm aus dem Leibe geriſſen/ welches er zwar endlich/ aber mit un-
außſprechlicher Muͤhe und Lebensgefahr wieder bekommen/ da er ſich zu Waſſer und Lan-
de darnach wagen muͤſſen. Ladiſla ſagete darauff; alle boͤſe Deutungen gehen uͤber unſere
Feinde; aber Fr. Sophia/ welche ihnen die traurigen Gedanken benehmen wolte/ machte
einen Scherz daraus/ gab vor/ ſie koͤnte daher anders nichts ſchlieſſen/ als das ein ſchoͤ-
nes verſtaͤndiges Fraͤulein ihn verliebet machen/ und der Liebes Gott ſeine Pfeile mit
hauffen auff ſein Herz zuſchieſſen wuͤrde/ biß er ſein ander Herz erlangete und in ſeine Ge-
walt braͤchte; welches er mit wenigem beantwortete/ uñ ſie darauff/ weil es noch ſehr fruͤh
wahr/ bald wieder einſchlieffen/ ohn Herkules/ der ohn unterlaß in ſeinem herzlichen Ge-
beht zu Gott anhielt/ daß er doch die allerſchaͤrffeſten Straffruhten ihn nicht wolte fuͤhlen
laſſẽ/ ſondern als ein gnaͤdiger Vater mit ihm handeln. Behtete darauff den XXV, XXXI,
CXXI, CXXX,
und andere Pſalmen Davids mehr/ und verrichtete ſeine Chriſteiferige
Andacht nicht ohn Traͤhnen. Als er nun eine Stunde alſo mit Gott geredet hatte/ fuhr
Ladiſla aus dem Schlaffe und ſagte; Die Goͤtter behuͤten dich vor allem uͤbel. Wen mein
Schaz/ wen ſollen die Goͤtter behuͤten/ fragete ihn Fr. Sophia. Ich rede es wegen meiner
Frl. Schweſter/ antwortete er/ die mich dauchte in groſſer Ohmacht liegen/ an Haͤnden
und Fuͤſſen gebunden/ da ſie zu mir ſagte: Mein Bruder/ wilt dann weder du noch Herku-
les eure Schweſter Valißken retten/ die umb euret willen dem grimmigen Drachen ſol
vorgeworffen werden? Sein Gemahl redete ihm ein/ man muͤſte auff Traͤume nicht ach-
ten/ als durch welche die Menſchen gemeinlich betoͤhret wuͤrden. Aber Herkules ward hie-
durch noch leidiger; dañ er deutete ſein geraubetes Herz ſchon auff nichts anders aus auf
ſein allerliebſtes Fraͤulein; daher baht er Gott inſtaͤndig/ er moͤchte ſie gnaͤdigſt bewahren/
daß ſie nicht im Heydentuhm unterginge; hernach ſagte er zu Ladiſla: Mein Bruder/ ich
fuͤrchte ſehr/ es werde zu Prag nicht am beſten zugehen/ oder doch ein feindlicher Anfal nit
weit ſeyn/ welchen zu hindern uns ohnzweiffel die Traͤume anreizen wollen; und wer weiß/
was der Pannonier im Schilde fuͤhret/ welcher ſchon bey deines H. Vaters Lebzeiten Ur-
ſach und Gelegenheit zum Kriege ſuchete; waͤhre demnach nicht undienlich/ dz du mit dei-
nem Gemahl dich nach deinem Koͤnigreiche erhoͤbeſt/ und deines Heyls wahr naͤhmeſt.
Ja mein Bruder/ antwortete er; Mein Gemahl und ich ſind darzu bereit und fertig/ nur
mangelts bloß an dir/ ob du dich erklaͤren koͤnneſt/ mit uns fortzuzihen/ als dañ ſol der erſte
Tag mir der liebeſte ſeyn. Herkules erſeufzete uͤber dieſem anmuhten/ nnd ſagte; wann ich
dir ſonderlich nuͤtze in deinem Koͤnigreiche waͤhre/ wolte ich dir ein ſolches nicht verſagen.
Er wolte weiter in der Rede fortfahren/ aber Klodius klopfete an/ uñ als ihm Herkules be-
fahl hinein zu tꝛetẽ/ meldete er an/ es waͤhꝛe dieſe Nacht ein ſolches Unweſen in ihꝛem Maꝛ-
ſtalle
[248]Erſtes Buch.
ſtalle geweſen/ dz das vorige nur ein Kinderſpiel dagegen zu rechnẽ waͤhre/ und wañ ſie die
wirkung des ergangenen uͤbels ſehen wolten/ ſtuͤnde ſolche zu jhꝛem belieben/ nachdemnun
mehr vor einer halben Stunde ſich alles geſtillet haͤtte. Herkules wuſte nicht/ was er dar-
aus machen ſolte; und Ladiſla fing an ungeduldig druͤber zu werden; ob dann der Teufel
auff jhren Pferden Ritter werden wolte. Sie machten ſich bald dahin in den aͤuſſerſten
Vorhoff/ da jhr Maꝛſtal wahr/ und ſahen nicht allein/ daß XXIV ſtatliche/ teils Gutſch-teils
Reit Pferde daſelbſt im Platze tod lagen/ ſondern auch acht uͤbel zugerichtete Pferdeknech-
te/ denen Arm uñ Beine entzwey geſchlagen wahren. Das ganze Dach war uͤber die Stat-
maur hinweg gefuͤhret/ und das Pflaſter des Stalles wahr dergeſtalt uͤmbgewuͤhlet/ daß
kein Stein an ſeinem vorigen Orte lag. Ladiſla rief einen Gutſcher herzu/ und fragete/ wie
es zugangen waͤhre; welcher dieſe Erzaͤhlung vorbrachte: Gleich uͤm die Mitternacht
ging das vorige Un\&w̃eſen an da die Pferde prauſteten und tꝛampfeten/ biß ein heftiges peit-
ſchen gehoͤret ward/ worauff die Pferde jhre Halfter zuriſſen/ loß wurden/ und ein ſolches
wrinſchen/ ſchlagen und beiſſen unter ſich anfingen/ daß wir alle miteinander nicht anders
gedenken kunten/ als das ſie alle drauf gehen wuͤrden; Unſer etliche machten ſich auf/ uͤmb
den Stal zu oͤffnen/ woruͤber jene arme Kerle von den Pferden ſo elendig zugerichtet ſind;
mir aber fugete das Gluͤk daß ich zu der Stal Tuͤhr nahete/ und ſie auffſtieß/ worauff die
Pferde als wild und tol hinaus ſprungen/ auch ſo bald ſie unter den bloſſen Himmel kah-
men/ ganz ſtille und ruhig wurden/ als waͤhren ſie auff der Weide gangen. Im Stalle aber
wahr ein ſolches Weſen/ als haͤtte man jhn gar uͤmwerffen wollen/ biß endlich ein ſtarker
Sturmwind das Dach faſſete/ und es in einem Stuͤcke durch die Luft hinweg fuͤhrete/ da
dann dieſe XXIV Pferde druͤber zu nicht kommen/ die uͤbrigen aber/ ohn vier verwundete/
Geſund blieben ſind. Herkules ſagte zu Ladißla; wir wollen dem Teufel zu Troz dieſes al-
les verachten/ verlachen/ und kein Wort davon reden/ er mag im̃erhin ſich in dem ſtinken-
den Pferdeſtal luſtig machen; ging mit jhm hin in den Luſt Garten/ und als ſie vor einem
Roſenſtocke vorbey traten/ ward Herkules gewahr/ daß unter den weiſſen Roſen eine roh-
te oben im Gipfel ſaß/ deſſen er ſich wunderte/ und es Ladiſla zeigete. Frl. Sibylla machte
ſich zeitig nach Fr. Sophien/ und wahr jhre erſte Frage/ warumb Herꝛ Herkules des voꝛi-
gen Abends ſo ſchwermuͤhtig geweſen/ uñ wieder ſeine Gewonheit ſtilſchweigens Abſcheid
genommen haͤtte; worauff ſie antwortete: Er haͤtte ſich etwas uͤbel befunden/ waͤhre aber
ſchon beſſer mit jhm. Als ſie gekleidet wahren gingen ſie nach dem Garten/ da jhnen Herku-
les die Blutrohte Roſe unter den Schneweiſſen zeigete/ welches Fr. Sophia vor ein ſon-
derliches Ungluͤks-Zeichen hielt/ und das noͤhtig waͤhre/ durch Opfer die zornigen Goͤtter
zu verſoͤhnen. Aber Herkules/ der ſolche Abgoͤtterey nicht ſtaͤrken wolte/ gab zur Antwort:
man muͤſte kein aberglaͤubiſch Ding aus den Gewaͤchſen machen; es truͤge ſich desglei-
chen an den Zwiebel gewaͤchſen zu/ daß ſie wol alle Jahr jhre Farbe enderten. Dieſes brach-
te er zwar mit dem Munde vor/ aber ſein Herz legte es viel anders aus/ und baht Gott um̃
abwendung alles uͤbels. Sie hatten abgeredet/ heut zur Luſt auszufahren/ aber Fr. Sophia
wiederriet es bey dem Fruͤhſtuͤcke/ welches ſie zu dem Ende hatten zurichten laſſen/ dann ſie
befuͤrchtete ſich/ es moͤchte jhnen auf ſo mancherley Zeichen etwa ein Ungluͤk zuſtoſſen.


Ende des Erſten Buchs.


Des
[249]

Des Chriſtlichen Teutſchen
Herkules
Anderes Buch.


DIe Boͤhmiſchen Geſanten hatten gleich dieſen Morgen unter ſich abgeredet/ ih-
ren Herrn und Koͤnig umb gnaͤdigſte Erlaſſung zur Heimreiſe untertaͤhnigſt
zubegruͤſſen/ und wo moͤglich/ ſolgendes Tages ihren Ruͤkweg vorzunehmen/ der
ungezweifelten Hoffnung/ es wuͤrde ihr Koͤnig nunmehr ſeine Gedanken und
Vorſaz geendert/ und der fernen Reiſe ſich begeben haben/ ſo daß er entweder mit ſeinem
Gemahl eine zeitlang zu Padua verbleiben/ oder in kurzen nach Boͤhmen folgen/ und die
vollige Beherſchung antreten wuͤrde. Herkules wahr die Mahlzeit uͤber mit gleichmaͤſſi-
gen Gedanken beladen/ und wuſte nicht/ weſſen er ſich hinfuͤro zuverhalten haͤtte. Zwar er
kunte ihm nicht einbilden/ daß ſein lieber Ladiſla weiteꝛs noch mit ihm zureiſen ſolte geſon-
nen ſeyn/ nachdem er ſein herzgeliebtes Fraͤulein ſich hatte trauen und ehelich beylegen laſ-
ſen; jedoch weil er ſahe/ daß dieſe Verenderung ihm nicht das allergeringeſte von der alten
eingewurzelten Freundſchafft benam/ kunte er nichts gewiſſes ſchlieſſen/ vielweniger er-
ſinnen/ auff was weiſe er ſich wuͤrde von ihm trennen koͤnnen/ daß es mit ſeinem guten wil-
len geſchaͤhe; dann er wahr des ſteiffen Vorſatzes/ keines weges zu Padua oder in Boͤh-
men ſeine Jugend zuzubringẽ/ ehe er die Welt/ inſonderheit die beſchrihenen Reiche/ Grie-
chenland und Aſia/ auch wo moͤglich/ Egypten beſucht/ und daſelbſt Ritterſchafft geuͤbet
haͤtte. Weil er aber hierin ſo bald keinen gewiſſen Schluß machen kunte/ befahl er ſeinem
Gotte die Sache/ der ungezweifelten Hoffnung/ er wuͤrde alles nach ſeinem gnaͤdigen wil-
len ſchaffen und zum beſten ſchicken. Als er in dieſen Gedanken begriffen wahr/ trat ſein
Leibknabe Publius vor den Tiſch/ und meldete an/ es waͤhre ein verwundeter blutiger Reu-
ter in fremder Kleidung hauſſen vor dem Hof-Tohr/ deſſen Reden und Seufzen niemand
verſtehen koͤnte/ ohn daß er die Nahmen Wenzeſla und Ladiſla offt widerhohlete. Der
Stathalter hatte dem Wenzeſla die Ehre angetahn/ und ihn mit zur Mahlzeit gefodert/
und ſagte Herkules zu ihm: Lieber gehet doch hin/ und vernehmet/ obs etwan der Herren
Geſanten Diener einer ſey; dann ich mache mir die Gedanken/ ſie werden entweder unter
ſich ſelbſt/ oder mit andern in Zaͤnkerey Wunden gewechſelt haben. Der Knabe antwor-
tete: es waͤhren ihm der Herren Geſanten Diener alle miteinander ſehr wol bekant/ dieſer
aber waͤhre gar ein fremder/ und ſuͤhrete zween zimlich ſchwer beladene Maul Eſel an der
Hand. Wenzeſla ging eilends hinaus/ umb die eigentliche Warheit zuvernehmen/ und ſa-
he uͤber alles vermuhten in hoͤchſter Verwunderung ſeines Bruders Sohn Neklam vor
dem Tohr halten/ ganz blutig/ ſchwach und erſchrocken/ welchen er alsbald fragete/ wie die-
ſes zuginge/ und was vor Ungluͤk ihn alſo zugerichtet haͤtte. Dieſer ließ einen tieffen ſeuf-
zer aus ſeinem Herzen/ ſchlug die Haͤnde zuſammen/ und ſagete: O Verluſt uͤbeꝛ Verluſt/
Elend uͤber Elend! fing hiemit an ſo bitterlich zu weinen und ſich zu geberden/ daß er kein
Wort ausſprechen kunte. Wenzeſla erzitterte hieruͤber/ dann es wahr ihm Neklams feſter
Muht und ſteiffe Hartnaͤckigkeit wol bekant/ redete ihm dannoch ein/ das weibiſche weinen
zumaͤſſigen/ und den ſchweren unfall zuerzaͤhlen; Welcher darauff dieſe Worte als mit ei-
J iner
[250]Anderes Buch.
ner ſtuͤrmenden Fluht heraus brach: Ach ach! ach des Jammers! unſer Fraͤulein Va-
lißka! ach unſer Fraͤulein Valißka iſt dieſen Morgen gefangen hinweg gefuͤhret/ und alle
ihre Leute erſchlagen. Kein Donnerſchlag haͤtte den Alten haͤrter treffen moͤgen/ als dieſe
elende Zeitung/ geſtaltſam er im Augenblik auff ſein Angeſicht zur Erden ſtuͤrzete/ und in
harter Ohmacht liegen blieb. Der Thorhuͤter erſahe dieſes/ hohlete eine Schale mit kal-
tem Waſſer/ legte ihn auff den Ruͤcken/ und netzete ihn unter dem Angeſichte; wodurch eꝛ
ſich wieder ermunterte/ ſtund auff/ und fragete Neklam/ ob er irgend ſeinen Wiz verlohren
haͤtte. Ja wol verlohren/ lieber Vetter/ ſagte dieſer; was ich leider nicht allein mit meinen
Augen angeſehen/ ſondern dabey drey zimliche Wunden empfangen habe/ kan ich wol be-
zeugen; und wolte Gott/ ich redete aus Aberwitz. Der Alte wuſte nicht/ was er vor Trau-
rigkeit und Herzensangſt taht oder redete/ und fragte weiter/ wo dann das Fraͤulein waͤh-
re. Ach/ ſagte er/ wann ich wuͤſte/ wohin ſie von den Raͤubern gefuͤhret worden/ koͤnte man
umb ſo viel beſſer jhnen nachſetzen. Wo aber/ und wann iſt dieſes geſchehen? fragete Wen-
zeſla weiter. Heut morgen ſehr fruͤh/ antwortete er/ in einem offenen Flecken/ vier Meile
von hinnen. Wie komt dann das Fraͤulein daher? ſagte der Alte; und antwortete ihm Ne-
klam: Sie iſt in Begleitung XL Reuter heruͤber gereiſet/ dem Hochzeit Feſte ihres Herrn
Bruders beyzuwohnen. O ihr Goͤtter/ ſagte Wenzeſla/ warum laſſet ihr uͤber die volkom-
menſte Blume dieſer Welt ein ſolches Ungluͤk aus? die euch doch nie mit keinem Worte
zuwider gelebet. Befahl hierauf dem Tohrhuͤter alsbald einen Arzt herzuhohlen/ damit die-
ſer Reuter/ welcher Herrn Ladiſla Diener/ verbunden/ und mit Speiſe und Trank gelabet
wuͤrde; Er aber faſſete ſelbſt ſein Pferd beym Zuͤgel/ fuͤhrete ihn ſamt den Maul Eſeln in
den Vorhof/ und ließ etliche anweſende Diener die Wetſcher abheben und auff den Eſſe-
Saal ihm nachtragen/ da er vorhin ging tod-bleich und zitternd/ als ein verurteileter
Menſch/ dem der Scharff Richter das Schwert uͤber dem Kopffe haͤlt. Ladiſla ſahe ihn hin-
ein treten/ und ſagte: Was Zeitung bringt ihr Wenzeſla? wie ſehe ich euer Angeſicht ſo
bleich und erſchrocken? nimmermehr gehet dieſes recht zu. O gnaͤdigſter; antwortete er;
mit welchem Worte er abermahl in Ohmacht fiel/ und alle viere von ſich ſtreckete. Die
Fraͤulein und andere anweſende entſetzeten ſich uͤber alle maſſe/ hieſſen die Diener ihn auff-
heben/ und Erquickung beybringen; welche allen fleiß anwendeten/ biß ſie jhn wieder zu-
rechte brachten. Herkules empfand unſaͤgliche Angſt in ſeiner Seele/ und ſagte zu Ladiſla
in Teutſcher Sprache: Mein Herz hat mir ohn zweifel vorher angedeutet/ welches wir
ſchier vernehmen werden/ und fehlet nicht/ es muß ſich ein ſehr ſchweres Ungluͤk zugetra-
gen haben/ welches eigentlich uns angehet; deßwegen lieber Bruder Ladiſla/ faſſe ein
ſtandfeſtes Herz/ und laß deinen Muht nicht ſinken. Herzlieber Bruder/ antwortete er/ ich
fuͤrchte ſehr boͤſe Zeitung von Hauſe/ wo die unſern nicht wol gar von unvermuhtlichen
Reichs Feinden/ Pannoniern oder andern/ gefaͤnglich hinweg gefuͤhret/ oder erſchlagen
ſind. Wir wollen ſo gar ein ungluͤkliches nicht hoffen/ ſagete Herkules/ wie wol es nicht
viel beſſer ſeyn moͤchte. Wenzeſla kam wieder zu ſich ſelbſt/ wrang die Haͤnde/ rauffte das
Haar/ und rieff alle Goͤtter umb Rettung an. Herkules kunte auff ſeiner Stelle nicht blei-
ben/ trat hin zu ihm/ und erinnerte ihn/ anzudeuten/ aus was Urſachen er ſich ſo klaͤglich
geberdete. O ſo erbarme es die Goͤtter/ ſagte er darauff/ daß ich dieſer leidigen Zeitung an-
bringer
[251]Anderes Buch.
bringer ſeyn muß; ſahe hiemit Herkules ſehr traurig an/ und auff Teutſch ſagte er mit lei-
ſer Stimme zu ihm: Ach Fuͤrſt Herkules/ unſer Fraͤulein Valißka/ unſer Frl. Valißka!
damit verging ihm die Rede und der Odem zugleich. Als Herkules dieſen allerliebſten
Nahmen hoͤrete/ erſtarreten alle ſeine Gliedmaſſen/ das Gebluͤt aus allen Adern lieff ihm
zum Herzen/ daß ihm ein kalter Schweiß außbrach/ und er nur dieſe Worte ſagte: O du
allerliebſtes Seelichen! o wo biſtu/ wo biſtu? womit er ſanfftiglich zur Erden niderfiel/ uñ
unbewaͤglich liegen blieb. Frl. Sibylla ſtund ihm allernaͤheſt/ ſahe ihn ſinken/ und ward
dadurch ſo beſtuͤrzet/ daß ihr gleiche Ohmacht uͤberging/ und ſie auff ihn dahin fiel. Der
Stathalter ſahe den groſſen Jammer/ ſchlug die Haͤnde zuſammen/ und wuͤnſchete ihm
ſelber den Tod. Ladiſlaſtund wie ein Stein/ kunte weder reden noch ſchweigen/ biß ihm
ber groſſe Herzenspraſt dieſe Worte heraus draͤngete: Sol es dann alſo aus Angſt und
Truͤbnis geſtorben ſeyn/ werde ich gewißlich nicht der lezte uͤberbleiben. Der junge Fabius
troͤſtete ihn/ er ſolte ſich ſeines unuͤberwindlichen Gemuͤhts erinnern/ dem Ungluͤk geherzt
das Haͤupt bieten/ und nicht mit todes Gedanken umbgehen/ ſondern anordnen helffen/
daß ſein Freund gelabet wuͤrde. Damit trat die Stathalterin hinzu/ riſſe Frl. Sibyllen
den Buſem auff/ und beſpruͤtzete ſie mit kuͤhlem Waſſer. Ladiſla ruͤttelte und ſchuͤttelte ſei-
nen Herkules/ wiſchete ihm den Angſtſchweiß ab/ und beſtreich ihn mit Krafftwaſſer/ zu
ihm ſagend: Mein Bruder/ haſtu Urſach gnug zuſterben/ ſo nim deinen Ladiſla mit/ der
dich nimmermehr uͤberleben wird. Fabius taht ihm getraͤuen Beyſtand/ daß er endlich zu
ihm ſelber kam/ und mit einem tieffen Seuffzer und halb verſchloſſenen Augen wieder zu
Teutſch anfing: O du allerliebſtes Seelichen? o du unvergleichlicher Weltſchaz! ſol ich
dich dann in der ewigen Seligkeit nicht ſehen? O du allerliebſtes Seelichen/ o wo biſtu?
Ladiſla trat hin zu Wenzeſla/ (der wieder zun Fuͤſſen kommen wahr/ und neben den Geſan-
ten diß groſſe Ungluͤk beklagete) und fragete ihn/ ob dann ſeine Frl. Schweſter todes ver-
blichen waͤhre. Nein Gn. Herr/ antwortete er/ aber ſie iſt gefangen und in Raͤuber Haͤn-
den. Nun dann ſagete er/ ſo ſtehet ihr ja noch zu helffen; ging wieder zu Herkules/ und ſag-
te zu ihm: Mein allerliebſter Bruder/ unſere Schweſter Valiſka lebet. O Bruder o Bru-
der/ antwortete er/ ertichtete Hoffnung zergehet bald; und ſagte weiter: O du aͤdle Seele/
du außbund menſchliches Geſchlechts/ waͤhreſtu doch nur vor deinem Ende zur erkaͤnt-
nis deines Heylandes kommen; o ſo duͤrfteſtu die ewige Verdamnis nit ertragen. Wen-
zeſla trat auch zu ihm/ ſprechend: Gewißlich Gn. Herr/ eure Frl. Sweſter lebet und iſt
geſund/ nur daß ſie von etlichen Raͤubern gefangen gehalten wird. Hierauff beſan er ſich/
fuͤrchtend/ er haͤtte etwa in dieſer Angſt ſich etlicher Reden vernehmen laſſen/ wodurch ſei-
ne Liebe koͤnte geargwohnet werden; ſtund auff und ſagte: Ich bin meiner Frl. Waſen uñ
Schweſter ohnzweiffel mein Leben ſchuldig/ welches zu raͤchen/ ſie vor zwey jahren ſo be-
reit und willig wahr/ da es die Noht erfodert haͤtte; in betrachtung deſſen/ muß ihre Ge-
faͤngnis oder meines Lebensfadem gebrochen werden/ welches ich in keinem wirdigern
Dienſte anzuwenden weiß. Er nahete ſich zum Tiſche/ mit einem Trunk Wein ſeine matten
Geiſter zu laben/ ſahe aber das Fr. Sophia/ deren niemand acht hatte/ auff ihres H. Va-
ters Stuele in der tieffſten Ohmacht ſaß/ und kein Lebenszeichen ſehen lies/ welches vor
ſeinem Ladiſla zu verbergen/ er ihr den Buſem oͤffnete/ und den Wein unter das Angeſicht
J i ijſtreich/
[252]Anderes Buch.
ſtreich/ daß ſie zur empfindnis kam/ und zu ihm ſagete: Herzgeliebeter Herr Bruder/ ich
gedachte/ wir waͤhren alle mit einander verſchieden; O ſaget mir doch/ was vor eine helli-
ſche Unholdin hat uns unſchuldige ſo hefftig erſchrecket? Ach meine Fr. Schweſter/ ant-
wortete er; meine Fraͤulein Waſe und Schweſter/ Frl. Valißka iſt gefangen und in Raͤu-
ber Haͤnde gerahten. O ihr Goͤtter! o du bitteres Verhaͤngnis! ſagte ſie; verlohr die leben-
digen Geiſter zum andernmahle/ und hatte Fr. Urſul mit ihrer erquickung gnug zu tuhn.
Herkules rieff ſeinem Knaben/ befahl ſein Pferd und Ruſtung ungeſeumet zubringen/
und fragete Wenzeſla/ woher er doch eigentlich wuͤſte/ daß ſie noch im Leben/ und nur ge-
fangen waͤhre. Der Bohte/ ſagte er/ welcher mir die leidige Zeitung bringet/ hat mirs alſo
erzaͤhlet. Und wo iſt dann dieſer unſelige Bohte? fragete Herkules. Drauſſen im Vorhe-
ſe/ antwortete er/ da ihm ſeine Wunden verbunden werden/ die er bey dem groſſen Ungluͤk
empfangen hat; dann wie ich vernehme/ iſt er von XL allein uͤbrig blieben. Wie? fragte
Herkules/ iſt es dann in der naͤhe geſchehen? Ja/ ſagte er/ es hat der elende Ungluͤksfal ſich
drey oder vier Meile von hinnen in einem Flecken zu getragen. Ladiſla fiel ihm in die Rede/
und ſagte zu ihm: Wie raſet ihr etwa Wenzeſla/ oder habt ihr euch von einem Poſſenreiſ-
ſer aufftreiben laſſen? O daß ich biß an mein Ende immerhin raſete/ antwortete er und
nur dieſes Ungluͤk erlogen waͤhre! Das Fraͤulein hat euer Gn. auff ihrem hochzeitlichen
Ehrenfeſte Geſelſchafft zu leiſten/ ſich heruͤber gewaget/ und iſt druͤber gefangen/ deſſen
jene Wetſcher Zeugnis gnug geben/ die mit dem Boͤmiſchen Reichswapen bezeichnet
ſind/ uñ vor den Raͤubeꝛn erhalten worden/ weꝛden ohn zweiffel mit der Fraͤulein Schmuk
und Kleidern angefuͤllet ſeyn. Ey Gott lob/ ſagte Herkules/ daß es dannoch in der naͤhe
geſchehen iſt/ und wir verhoffentlich ihr deſto ehe koͤnnen zu Huͤlffe kommen.


Die Geſanten ſtunden in hoͤchſter Betruͤbnis als die ausgehauene Bilder/ und wahr
jhrer keiner der eines Woͤrtleins haͤtte maͤchtig ſeyn koͤnnen; biß endlich Herꝛ Staniſla
ſagete: Es iſt meiner Meinung/ ein liderliches beginnen/ daß man dem jungen friſchen
Fraͤulein dieſe Reiſe entweder angemuhtet oder gegoͤnnet hat/ da man weiß/ daß jhr un-
terſchiedliche mahl ſolche Unfaͤlle aufgeſtoſſen ſind/ die man vor rauberiſche Nachſtellung
hat halten muͤſſen. Der Stathalter lies alle junge Manſchafft auffbieten/ mit jhrem Ge-
wehr alsbald fertig zu ſeyn/ wohin man ſie ſeinem Schwieger Sohn zu Dienſte fuͤhren
wuͤrde; die ſich dann hiezu willig finden lieſſen/ und ſchwuhr Herkules allen Anweſenden/
in Padua nicht wieder zukommen/ noch ſeine Seele zu befriedigen/ biß das Fraͤulein erloͤ-
ſet waͤhre/ da ſie ſonſt noch lebete; ſolte ſie aber verſchieden ſeyn/ wolte er jhren Tod an den
Raͤubern deꝛ geſtalt raͤchen/ daß die ganze uͤmliegende Gegend davon ſolte zu ſagen wiſſen.
Die Pferde wahren geſattelt/ Herkules/ Ladiſla und der junge Fabius mit jhren ritterli-
chen Dienern ſaſſen auf/ und lieſſen dem verwundeten Zeitungs bringer/ nachdem er ver-
bunden und gelabet wahr/ ein geruhetes Pferd geben/ umb jhnen den Weg zu zeigen. Es
folgeten jhnen 200 Reuter und 2000 zu Fuſſe nach/ aber weil Herkules die geringe Zahl
der annoch uͤbrigen Raͤuber von Neklam verſtund/ hieß er die Voͤlker uͤmkehren/ und be-
hielt nur 50 wolberittene/ die jhm folgen muſten. Sie ranten aus allen Kraͤften fort/ was
die Pferde lauffen kunten/ biß Fabius zu jhnen ſagete; jhr Herꝛen bedenket/ bitte ich/ daß
wir vier Meile vor uns haben/ ſolten wir nun alſo fort fahren/ wuͤrdẽ die Pferde zeitig uͤm-
fallen;
[253]Anderes Buch.
fallen; ihr ſehet ſchon wie unſere Reuter dahinden bleiben. Herkules merkete wol/ daß jhm
alles an der Eile wuͤrde gelegen ſeyn/ muſte doch den Pferden luft goͤnnen/ damit ſie deren
laͤnger gebrauchen koͤnten/ und rieff Neklam zu ſich/ daß er ausfuͤhrlich erzaͤhlete/ wie es in
raubung des Frauleins ergangen waͤhre; welcher darzu willig wahr/ und alſo anfing:
Gnaͤdigſte Herꝛen/ als unſer gnaͤdigſten Frauen der Koͤnigin/ jhres Herꝛn Sohns Hei-
raht zu wiſſen gemacht ward/ hielt das Fraͤulein ganz inſtaͤndig uͤmb Erlaͤubnis an/ derſel-
ben beyzuwohnen/ welches doch jhre Hocheit vor jhr Haͤupt/ wie auch die Herꝛen Reichs-
Raͤhte nicht einwilligen wolten/ biß endlich die geſamten Landſtaͤnde mit darzu gezogen/
und von dem Fraͤulein auf jhre Seite gebracht wurden/ welche jhr 40 Reuter zur Beglei-
tung mitgaben. Das Fraͤulein hatte jhre zwo vertrauete aͤdle Leibjungfern/ Libuſſen und
Brelen bey ſich in der Gutſche/ und etliche Wetſcher auff zween Maul Eſeln/ welche ich/
auſſer einen/ gerettet/ und zu Padua unverſehret uͤberlieffert habe. Unſere Reiſe ging nach
allem Wunſch ſchnelle und gluͤklich fort/ biß wir in dem unſeligen Flecken ankahmen/ und
in zwey nahe beyeinander gelegene Wirtshaͤuſer einkehreten/ die Speiſe einnahmen/ und
uns zeitig an die Ruhe legeten/ weil das Fraͤulein Anordnung machete/ folgendes Tages
ſehr fruͤh auffzuſeyn. Sie wolte anfangs ſich zu Padua ungemeldet auffhalten/ und nie-
mand als meinem alten Vetter Wezeſla ihre Anweſenheit zuwiſſen tuhn; hatte einen ſon-
derlichen kurzweiligen Auffzug vor/ in welchem ich des Narren ſpielen ſolte; Sie mit ih-
ren beyden Jungfrauen wolten die drey Goͤttinnen der Freundligkeit ſeyn; ihr angemaſſe-
ter Name wahr Aglaia/ Libuſſa ſolte Thalia/ Brela aber Euphroſyne heiſſen/ und ſolte die-
ſen Abend ſolche Mummenſchanze ihrem Herr Bruder und deſſen Gemahl gebracht woꝛ-
den ſeyn/ neben einem ſonderlichen von ihrer Gn. ſelbſt erſundenem neuen Tanze/ in wel-
chem ſie ſich alle Abend und Morgen auff den Herbergen dieſer gantzen Reiſe fleiſſig uͤbe-
ten. Ihre Durchl. ſelbſt hatte einen kleinen zierlichen Handbogen mit einem Koͤcher voll
kleiner guͤldenen Pfeilichen/ an denen fornen eine kleberige Salbe geſchmieret wahr/ daß
ſie hafften blieben/ worauff man ſie ſchoß. Mit dieſen/ ſagte ſie/ wil ich allem Frauenzimmeꝛ
auff der Hochzeit eine furcht einjagen/ und ihnen die Pfeilichen in den Buſem ſchieſſen/ da
man ein luſtiges Schreckgeruffe hoͤren ſol; und wer weiß/ ob nicht etliche gar ſchreyen uñ
klagen werden/ daß ſie verwundet ſeyn; befahl auch ihren beyden Jungfern ihre kleine mit
rohter Farbe gefuͤllete Spritzichen friſch zugebrauchen/ und ihnen den Buſem damit zu
netzen/ damit ſie in den Wahn gerieten/ es waͤhre ihr eigen Blut. Herkules wie betruͤbt er
wahr/ muſte der luſtigen Erfindung lachen/ und ſagte: Wolte Gott/ daß ihr dieſer Poſſen
angangen waͤhre/ ſie ſolte deſſen ſchleunige Vergebung erhalten haben; Aber wie bezeigete
ſich das Fraͤulein ſonſt auff der Reiſe? Gnaͤdigſter Fuͤrſt/ antwortete er; Ihr Herz wahr
mit freuden erfuͤllet/ weil ſie ſchon alle Gefahr meynete uͤberwunden haben/ und hatte/ weiß
nicht wz vor ein heimliches Geſpraͤch mit Jungfer Libuſſen/ die ihr uͤberaus geheim war/
daß ſie ſich auch mannichmahl mit ihr herzete; ſie hatten einen kleinen Brief/ welcher
kreuzweiſe zuſammen gefalzet wahr/ denſelben laſen ſie offt durch mit ſonderlicher Beluſti-
gung. Herkules hoͤrete an dieſem Zeichen/ daß es ſein leztgeſchriebenes Brieflein wahr/
und erkennete daher unfehlbar/ ſie waͤhre eigentlich durch die herzliche Liebe gegen ihn zu
dieſer Reiſe bewogen worden/ welches er in ſeinem Hertzen aͤngſtiglich beklagete. Neklam
J i iijfuhr
[254]Anderes Buch.
fuhr inzwiſchen in ſeiner Erzaͤhlung fort/ und ſagete: Als wir die letzte Tagesreiſe nach dem
Flecken fortſetzeten/ ging es uns etliche mahl gar ſelzam: Ihre Gutſche ſchlug auff ebener
Erde umb/ daß kein Menſch die Urſach ſolches Unfals ergruͤnden kunte; und ob gleich dz
Fraͤulein ſamt den beyden Jungfern aus dem Wagen uͤber und uͤber tummelten/ bekam
doch ihrer keine einigen Schaden. Kaum hatten ſie ſich mit lachendem Munde wieder
auffgeſetzet/ da wolte unſers Fuͤhrers Pferd nicht aus der Stelle gehen/ und als es recht-
ſchaffen geſtriegelt ward/ geriet es in ein raſen/ daß es mit ihm querfeld einlieff/ und ers
durchaus nicht zwingen kunte; bald darauff erging es uns ingeſamt gleich alſo/ da wir im
Felde ſo wunderlich durch einander herſprengeten/ als waͤhren wir alle mit einander toll
geweſen/ und waͤhrete ſolches ohngefehr eine gute Viertelſtunde/ da lieſſen ſich die Pferde
wieder nach unſern Willen lenken. Das Fraͤulein ward froh/ da ſie ſahe/ daß wir wieder-
umb eine richtige Ordnung ſchloſſen/ und fragete uns/ ob wir oder unſere Pferde vom Tol-
kraut gefreſſen haͤtten; aber ein Reuter unſers Mittels rieff uͤberlaut: Ihr Bruͤder/ ſchie-
ket euch auff eine redliche Abendteur/ die ohn Blut und Wunden nicht abgehen wird. Wiꝛ
gedachten ein jeder das ſeine/ und zogen fort/ biß wir den Flecken erreicheten/ und wie ob-
erwaͤhnet/ uns daſelbſt einlegeten. Es wahr die ganze Nacht zimlich ſtille/ ohn dz die Hun-
de ein erſchrekliches Geheule trieben/ wobey ſich die Eulen weidlich mit hoͤren lieſſen/ daß
auch etliche an das Kam̃erfenſter geflogen kahmen/ wo dz Frl. ſchlief/ und war uns trauen
hiebey nit ſo gar wol/ dz wir auch die ganze Nacht gewaffnet blieben/ uñ die Schildwachtẽ
außſetzeten/ welche kurz vor Morgens ein Geſchrey machtẽ/ der Flecken waͤhre erſtiegen/ uñ
voller Feinde. So bald das Frl. deſſen gewahr ward/ rief ſie mir/ weil ich auf ihrer Kam̃er
wachen muſte/ und ſagete: Geſchwinde auff Neklam/ und trage mir dieſe Wetſcher etwa in
einen Kuͤhe- oder Schweinſtall/ verbirge ſie unter die Streu oder ſonſt in heimlichen Win-
keln/ und wann ſichs ja zutragen ſolte/ daß alles uͤber und uͤber ginge/ ſo bemuͤhe dich/ dieſe
Sachen nach Padua zu bringen. Gnaͤdigſtes Fraͤulein/ antwortete ich/ die Goͤtter werden
uns behuͤten/ und alle Feindſeligkeit von uns abwenden. Nach weniger Zeit hoͤreten wir
ein maͤchtiges geſtuͤrme und brechen an der Haußtuͤhr/ welche endlich mit Gewalt auffge-
treten ward/ unterdeſſen ich empfangenem Befehl nach/ die Wetſcher hinweg trug/ ohn
einen ſehr ſchweren/ den ich wegen des ſtarken gefechtes im Hauſe/ nicht fortbringen kunte.
Es funden ſich zu unſerm Ungluͤk nur XIIX unſer Geſelſchafft bey dem Fraͤulein/ die uͤbri-
gen wahren in der andern Herberge zur naͤheſten Wand; noch ſtritten wir mit den Raͤu-
bern eine gute Stunde/ und erlegten ihrer etliche und zwanzig/ biß ich ſahe daß meine Ge-
ſelſchafft faſt alle erſchlagen/ und die wenige uͤbrige biß auff den Tod verwundet wahren/
empfing auch meine Wunden in dieſem Gefechte/ und hatte mich erklaͤret/ mit meinen
Bruͤdern ehrlich zuſterben/ biß mir endlich der Fraͤulein Befehl zu Gedaͤchtnis kam/ da
ich aus der Hintertuͤhr in den Hoff ſprang/ nach dem Kuhſtalle (in welchẽ ich mein Pferd
und beyde Maul Eſel gezogen hatte) mich zu verbergen/ eilete/ und daſelbſt alles verneh-
men kunte. Unſere Geſelſchafft in der naͤheſten Herberge/ waͤhren dem Fraͤulein gerne
zu huͤlffe kommen/ wurden aber von den Raͤubern ſo warm gehalten/ daß ihnen unmoͤglich
wahr durch zubrechen/ und hoͤrete ich ein ſolches gemaͤtſche und Winſeln der Sterbendẽ/
daß mir die Haar zu berge ſtunden. Das Fraͤulein lies ihr anfangs ein Schwert und
Schild/
[255]Anderes Buch.
Schild/ neben ihren ſcharffen Pfeilen und Bogen auff die Kammer reichen/ und zohe
nachgehends die angeſezte Leiter zu ſich hinauff. Die ganze Reiſe hatte ſie Mannskleider
unter ihrem Rok angeleget/ welche ſie auch zu Nachtzeit gar ſelten abzohe. Endlich ſahe
ich mit groſſem Schrecken/ daß in ſolchen Manneskleidern ſie mit ihren beyden Jungfeꝛn
zugleich auff die Gutſche geſetzet und zum Flecken hinaus gefuͤhret ward/ nach dem die
Raͤuber alle unſere Pferde aus den Staͤllen gezogen/ und mit ſich hinweg nahmen. Als
ich nun in meiner Gewarſam merkete/ daß alles ſtille wahr/ wie ſie dann gewaltig hinweg
eileten/ kroch ich hervor/ und hatte mich zimlich verblutet/ wagete mich ins Hauß/ und ſa-
he den abſcheulichen Anblik der Erſchlagenen/ unter denen die unſern mutternacket auß-
gezogen wahren/ welche aber ſo redlich gefochten hatten/ daß die Raͤuber etliche ſiebenzig
in beyden Haͤuſern eingebuͤſſet/ dagegen auch die unſern ſaͤmtlich dz Leben zugeſetzet hatten.
Zu meinem ſonderlichen Gluͤcke wahr ein Pannoniſcher Knecht in unſerm Wirtshauſe/
mit welchem ich reden kunte/ der zeigete mir an/ daß die Raͤuber uͤber 100 Mann anfangs
ſtark/ kaum mit etlichen und zwanzigen wieder abgezogen waͤhren/ zu denen auſſerhalb
des Flecken noch XX geſtoſſen/ welche denſelben außwendig beſetzet gehalten/ haͤtten den
Einwohnern kein Leid getahn/ noch ihnen einigen Hellerswert entwendet/ und vorgeben/
Sie haͤtten ihre und des Reichs Feinde zuerſchlagen von der Obrigkeit Befehl/ da ſie ſich
nicht gutwillig ergeben wuͤrden; waͤhren ſehr betruͤbet/ wegen des groſſen verluſtes der
ihrig[e]n/ davon gezogen/ ohn daß uͤber die Gefangene und einen groſſen Wetſcher/ in dem
viel Gold und etliche Kleider geweſen/ ſie ſich hoͤchlich erfreuet haͤtten. Auff mein fleiſſiges
nachfragen berichtete er mich ferner/ daß wie alle die unſern erſchlagen/ waͤhre das Fraͤu-
lein in Manneskleidern an die Kammertuͤhr getreten/ und mit ihren Pfeilen dermaſſen
von ſich geſchoſſen/ daß fuͤnffe davon niedergefallen und umbkommen/ welche ich auch lie-
gen ſahe/ und die Pfeile in ihren Leibern ſtecken. Die Raͤuber hierdurch hoͤchlich erzuͤrnet/
haͤtten eine Leiter angeſchlagen/ und zu ihr hinauff klimmen wollen; ſie haͤtte aber dem er-
ſten und andern den Weg mit dem Schwerte dergeſtalt zuruͤk gewieſen/ daß ſie Tod hin-
unter gepurzelt/ uñ ſich keiner mehr zu ihr machen duͤrffen; ja es waͤhre eine ſolche furcht
unter ihnen entſtanden/ da ſie die uͤbertrefliche Schoͤnheit dieſes vermeyneten Juͤnglings/
und deſſen feur brennende Augen erblicket/ daß der groͤſte Teil in dem Wahn geſtanden/
er waͤhre etwa ein Gott/ biß endlich einer unter ihnen geruffen/ man ſolte feur herbringen/
und die Kammer anzuͤnden/ dafern er ſich nicht ergeben wuͤrde; wolte er aber mit ſeiner
Geſelſchafft herunter ſteigen/ ſolte ihnen ſaͤmtlich/ Lebens- und ehren- ſicherheit aͤidlich
verſprochen werden. Hierauff waͤhre der trefliche Juͤngling in die Kammertuͤhr getre-
ten/ und ſie mit herzhafften Worten angeredet; er koͤnte nicht außſinnen/ was Feindſelig-
keit man ihm und den ſeinen angelegt/ und ſo viel unſchuldig Blut vergoſſen haͤtte/ da er
doch keine Urſach oder Anlaß darzugegeben/ noch einigen Menſchen beleidiget; ſo waͤhre
er ja kein Feind noch verraͤhter/ vielweniger ein verurteileter/ ſondern ein groſſer Herr/
und des Roͤmiſchen Kaͤyſers Anverwanter/ moͤchten ſich demnach wol verſichern/ dafern
ihm oder dem bey ſich habenden aͤdlen Frauenzimmer Schimpff angeleget wuͤrde/ es an
ihnen ſehr ſchwehr wuͤrde gerochen werden. Koͤnte es nun ſeyn/ daß man ihn mit den ſei-
nen nach Padua frey und ungehindert abzihen lieſſe/ wolte er ihnen hiemit eine hohe An-
zahl
[256]Anderes Buch.
zahl Geldes aͤidlich verſprechen/ und ohn Liſt und gefaͤhrde ehiſtes einliefern laſſen; meine-
ten ſie aber/ hiedurch noch nicht gnug verſichert zu ſeyn/ wolte er ſamt ſeinen Jungfern ſich
ihnen ergeben/ und mit ihnen in ihre Gewahrſam zihen/ biß ihnen die Loͤſegelder gezaͤhlet
waͤhren/ auch zugleich verheiſſen/ daß es an ihrer keinem ſolte geeifert noch gerochen wer-
den; jedoch ſolten ſie zuvor ihm einen leiblichen aͤid ſchwoͤren/ und zuhalten angeloben/ dz
ihm und den ſeinen/ wie ſie ſich anjezt erbohten haͤtten/ an Ehr und Leben nichts widriges
ſolte angelegt werden; wo nicht/ waͤhre er gaͤnzlich entſchloſſen/ ſich viel ehe mit Feur ver-
brennen zulaſſen; alsdann habt ihr nicht allein unſerer euch gar nicht bemaͤchtiget/
hatte er geſagt/ ſondern werdet keinen Heller Loͤſegeld zugenieſſen haben/ da ich euch
aus freyem Willen hundert tauſend Kronen zugeben/ mich hiemit anerbiete. Fabius
der weder Boͤhmiſch noch Teutſch verſtund/ haͤtte auch gerne den Verlauff gewuſt/
deswegen Herkules jhm alles kuͤrzlich erzaͤhlete/ und darauff von jhm gefraget ward/ wie
alt dann dieſes Fraͤulein waͤhre; er aber zur Antwort gab: Den Jahren nach kan ſie ſich
keines hohen Alters ruͤhmen/ geſtaltſam ſie vor wenig Monaten ins ſechzehnde Jahr jhres
Alters getreten iſt; jhre Tugend aber leuchtet der Welt ſchon dergeſtalt vor/ daß wann ſie
bereit graues Haar truͤge/ man ſchwerlich ein mehres von jhr fodern koͤnte. Aber berich-
tet uns nun weiter/ ſagte er zu Neklam/ ob die Raͤuber den gefoderten aͤid auch geleiſtet ha-
ben. Ja gn. Herꝛ/ antwortete er/ ſie ſind eintraͤchtig vor die Kammer getreten/ und haben
ſolchen aͤid/ wie er jhnen von dem Fraͤulein vorgeſprochen worden/ mit ausgerekten Armẽ
und erhobenen Fingern nachgeſaget/ worauf das Frl. ganz beherzt/ die beyden Jungfern
aber ſehr betruͤbt und mit weinenden Augen herunter geſtiegen wahren/ und verwunder-
te ich mich/ ſagte der Pannoniſche Knecht zu mir/ wie maͤnlich es dem ertichteten juͤngling
anſtund/ welchen ich zwar des vorigen Abends in weiblichen Kleideꝛn und langen ſchoͤnen
Haaren geſehen hatte/ die jhr aber jezt als einem jungen Geſellen abgeſchnitten wahren.
Ich bat den Knecht/ daß er mir vergoͤnnete auf die Kammer zuſteigen/ woſelbſt ich unter
der Betteſtet ein zuſammen gewickeltes Buͤndlein jhrer Haar/ uñ dieſe vier guldene Rin-
ge daneben fand/ welches alles ich zu mir nam/ uͤm meinem gn. Koͤnige es einzuliefern. La-
diſla nam es zu ſich/ uñ als Fabius das Haar ſo glaͤnzender Goldfaꝛbe ſahe/ ſagte er: Koͤmt
die uͤbrige ſchoͤnheit dieſer Fraͤulein mit dieſem Haar uͤberein; ſo muß ſie keine gleichen
haben. Herkules ſahe daſſelbe mit betruͤbten Augen an/ und fehlete wenig/ er waͤhre vom
Pferde geſunken/ erhohlete ſich doch/ und baht Ladiſla/ jhm des Haars ein wenig zum Ge-
daͤchtnis zu verehren/ der jhm das ganze Buͤndlein reichete/ welches er alsbald von ander
machete/ und ſeinen an das Fraͤulein geſchriebenen Brief darinnen fand/ den er allen un-
vermerket zu ſich nam/ nachgehends das Haar in drey Teile legete/ gab deren zween Ladiſ-
la und Fabius/ den dritten und groͤſten behielt er vor ſich/ und mit ſonderlichem Eifer ſagte
er: Gebe mir Gott das Gluͤk/ dieſer Schelmen maͤchtig zu werden/ welche das Fraͤulein
in die aͤuſſerſte Noht/ jhr ſchoͤnſtes Haar abzuſchneiden/ geſtuͤrzet haben/ ſie ſollens gewiß-
lich mit dem Halſe/ und zwar nicht ohn Pein bezahlen. Von den Ringen behielt Ladiſla
der Fraͤulein kleines Pitſchier/ in deſſen ſchwarzen Stein ein Loͤue mit einem zweyfachen
Herzen geſchnitten wahr/ und umher der Nahme VALISCA. Die uͤbrigen drey uͤberliefeꝛ-
te er Herkules/ welcher nach Beſchauung alsbald denſelben darunter fand/ den er ihr bey
Wen-
[257]Anderes Buch.
Wenzeſla geſchicket hatte. Der anſehnlichſte/ ihr Daumen Ring hatte einen groſſen
feurrohten Stein/ worauff zwo zuſammen geſchlagene Haͤnde ſtunden/ zwiſchen deren
Fingern ein Pfeil durchflochten war; innerhalb des Ringes laſe er dieſe Buchſtaben:
HVEARLCIVSLCEAS; die er etliche mahl beſahe/ und nach ſeiner Spizfindigkeit bald in-
nen ward/ daß ſein und der Fraͤulein Nahme durch einander verſetzet wahr/ ſo daß die un-
geraden/ HERCVLES, die geraden aber VALISCA muſten geleſen werden. Im dritten
Ringe wahr ein trefflicher Rubin/ und in demſelben ein Greif geſchnitten/ der ein Laͤmlein
zwiſchen den Klauen fuͤhrete/ mit dieſer uͤmſchrifft: LVBENSFEROR. Ich laſſe mich gerne
alſo fuͤhren. Er haͤtte ſie gerne alle drey behalten/ muſte aber ehren halben Fabius einen bie-
ten/ zu welchem er/ den lezten hinreichend/ ſagete: Mein Herꝛ Bruder/ jhr werdet dem
Fraͤulein zu Liebe dieſen Finger Reiff tragen/ und jhn nicht von euch laſſen kommen/ biß ſie
ſelbſt jhn wied’ abfoderen moͤchte. Dieſer bedankete ſich hoch/ uñ gelobete/ daß kein Menſch/
ohn das Fraͤulein ſelbſt dieſe allerliebeſte Gedaͤchmis von jhm bekommen ſolte. Herkules
redete Neklam an/ und ſagete: Guter Geſelle/ nachdem jhr dieſe eure Traͤue erwieſen/ und
diß Haar neben den Ringen uns eingehaͤndiget/ auch ſonſt als ein redlicher Diener euch
in dieſer Gefaͤhrligkeit bezeiget habt/ wil ich euch deſſen dergeſtalt zuergetzen wiſſen/ daß jhr
euch Armut nicht ſollet zu befuͤrchten haben/ und wird mein Bruder euer Herꝛ und Koͤnig
Ladiſla ſich auf meine Vorbitte nicht wegern/ euch wegẽ eures wolverhaltens in den Boͤh-
miſchen Adel- und Ritterſtand aufzunehmen. Ladiſla antwortete: Sey du nur geflieſſen
Neklam/ daß wir die Raͤuber antreffen moͤgen/ was ohn meines Bruders Vorbitte/ ich die
zugedacht habe/ ſol dir nicht entwiſchen/ deſſen du dich wol verſichern magſt. Dieſer wuſte
nicht/ weſſen auff ſo hohe angebohtene Gnade er ſich verhalten ſolte/ und antwortete: Ihr
meine gnaͤdigſte Herꝛen/ ich bin ja euer Durchll. gar zu unwirdiger Knecht/ habe auch
nicht das minſte der uͤberfluͤſſigen Gnade Verdienen moͤgen/ und wolte Gott/ daß ich die
moͤrderiſchen Raͤuber ausſpuͤren koͤnte/ wolte ich mein Leben gerne dabey zuſetzen/ nur daß
mein gn. Fraͤulein geꝛettet wuͤrde; uñ ſehet da vor uns den unſeligen Flecken dieſes ſo gꝛoſ-
ſen Verluſtes. Herkules wallete das Blut in allen Adern auff/ hoffete noch/ das liebe Fraͤu-
lein loßzumachen/ weil ja faſt unmoͤglich waͤhre/ daß man einem ſo groſſen Hauffen zu
Pferde nicht ſolte nach ſpuͤren koͤnnen/ und begehrete von Neklam/ er ſolte in ſeiner Erzaͤh-
lung fort fahren/ da ers bey Einlieferung der Ringe gelaſſen haͤtte. Ja Gn. Fuͤrſt/ antwor-
tete er; es berichtete mich der Pannoniſche Knecht endlich/ daß wie unſer vermummeter
Juͤngling ſamt den Jungfern herunter geſtiegen/ er die Raͤuber/ als waͤhre er ihr Befeh-
lichs haber geweſen/ ermahnet haͤtte/ ſich an ſeinen Jungfern nicht zuvergreiffen/ und ihres
aͤides eingedenke zu ſeyn; welches ſie ihm auffs neue verſprochen/ und mit ihnen alſo da-
von gezogen waͤhren. Herkules er ſeuffzete hieruͤber/ und ſagte: Erbarme es Gott/ daß die-
ſe alleraͤdleſte Seele/ welche/ ſo viel ihre Vernunfft und Wiſſenſchafft vermag/ ſich aller
Tugend befleiſſiget/ unter den Haͤnden dieſer ſchnoͤden Raͤuber ſich muß zwingen laſſen!
Ladiſla ſagte: Ich hoffe/ es ſol ihre Ehr und Leben des Himmels ungezweifelten Schutzes
genieſſen/ inſonderheit/ weil ſie ſich vor einen Juͤngling ausgibt/ und ihren angenommenẽ
Stand wol wird zu ſpielen wiſſen. Unter dieſem Geſpraͤch langeten ſie in dem Flecken an/
und funden die Inwohner bemuͤhet/ Gruben zu machen/ in welche ſie die Eꝛſchlagenen ohn
K kUnter-
[258]Anderes Buch.
Unterſcheid verſcharren wolten; aber Fabius/ den ſie wol kenneten/ verboht ihnen ſolches/
hieß die Boͤhmiſchen ehrlich begraben/ und die Raͤuber alle an Kreuze hefften. Stiegen
von ihren Pferden/ denen ſie Futter geben lieſſen/ und forſcheten fleiſſig nach/ wer dieſe
Raͤuber ſeyn moͤchten/ und wohin ſie ſich gewendet haͤtten; wovon ihnen anfangs niemand
Bericht zugeben wuſte/ nur daß der Wirt anzeigete/ es waͤhre ein fremder unanſehn-
licher Mann/ welcher Wuͤrffel und Karten feil truͤge/ und ſich offters bey ihm finden
lieſſe/ kurz vor der fremden Ankunfft bey ihm eingekehret/ die Nachtherberge zunehmẽ/ haͤt-
te ſich aber/ da er dieſe fremden geſehen/ und genaue acht auff alles ihr Tuhn gegeben/ faſt
im Augenblik verlohren/ moͤchte wol ſeyn/ daß er ein Kundſchaffer und Verraͤhter waͤhre/
und alles dieſes Ungluͤks Stiffter; wuͤrde er ſich nun ſchier heut oder morgen wieder hie-
ſelbſt finden laſſen/ ſolte er handfeſte gemacht/ und der Obrigkeit eingeliefert werden; viel-
leicht erfuͤhre man von jhm/ an was Ort und enden dieſe boͤſe Rotte ſich auffhielte; es mu-
ſten aber etliche bekante unter dieſen Raͤubern ſeyn/ ſagte der Wirt/ weil ihrer ſechſe ſich
vermummet hatten/ und ihre Geſichter nicht wolten ſehen laſſen; und dieſe/ wie ſie gnug zu
verſtehen gaben/ hatten den andern zugebieten/ nahmen auch die Beute zu ſich/ und halte
ich gaͤnzlich davor/ es muͤſſe zu ihrem Verderben ausſchlagen/ daß ſie ſo viel Pferde mit
genommen haben/ dann der Huefſchlag wird ſie nohtwendig verrahten. Zum gutes gluͤk
kam gleich ein Baur in dieſes Wirtshaus/ und begehrete einen Trunk Wein umb Geld.
Herkules ſahe ihn/ und fragete alsbald/ woher er kaͤhme/ und was neues er wuͤſte. Dieſer
antwortete/ er kaͤhme von einem Dorffe zwo Meile von hinnen/ und waͤhre ihm eine rei-
tende Schaar auffgeſtoſſen/ welche drey ſchoͤne junge Leute/ als einen faſt Goͤttlichen Juͤng-
ling/ und zwo Jungfern mit garſtigen Lumpen behaͤnget/ zwiſchen ſich auf Pferden gefuͤh-
ret/ und da ich nicht weit von ihnen gangen wahr/ ſagte er/ fand ich eine gar ſchoͤne Gutſche
im Felde ledig ſtehen/ welche ſie zweifels ohn abgepluͤndert und verlaſſen haben; ich meines
teils moͤchte wuͤnſchen/ daß die Raͤder davon auff meinem Hofe ſtuͤnden/ und ich ſie bezah-
let haͤtte. Die unſern vernahmen aus des Bauren Rede/ daß das liebe Fraͤulein annoch le-
bete/ verſpuͤreten auch der Raͤuber Liſt/ daß ſie Argwohn uñ Erkaͤntniß/ oder Nachforſchung
zu meiden/ ihre Gefangene ſo elendig behaͤnget hatten. Herkules fragete fleiſſig nach/ ob er
den Gefangenen nahe geweſen/ und ihres tuhns wahr genommen haͤtte. Ja/ ſagte dieſer/
ich hatte einen alten lumpichten Rock an/ den kaufften ſie mir abe umb IIX Groſchen/ legtẽ
ihn dem Juͤnglinge uͤber die Schulder/ und bedecketen damit in etwas ſein Angeſicht/ deſ-
ſen er ſich uͤbel gehuhb/ und ſich etlicher Draͤuworte vernehmen ließ/ ſahe auch ſo friſch uñ
unverzaget aus/ als haͤtte er ſie alle gehoͤhnet/ da hingegen den Jungfern es an Traͤhnen
nicht mangelte/ und wahren ihnen die Augen roht von vielem weinen. O du furchtloſe
Seele/ ſagte Herkules/ der Almaͤchtige Gott bewahre dich/ daß dein unuͤberwindlicher
Muht dir ja nicht ſchaden moͤge; begehrete darauff weiter zu wiſſen/ ob ſie dem Juͤngling
etwa leid angetahn/ und wie bald man ſie wol erreichen koͤnte. Der Baur antwortete/ auſ-
ſer daß man ihn mit Lumpen behaͤnget/ haͤtte er nicht gemerket/ daß ihm leid ſolte geſchehen
ſeyn; ob man ſie auch vor Abends erreichen wuͤrde/ zweifelte er ſehr/ maſſen er vernom̃en/
daß die meiſten von ihren Pferden abgeſtiegen/ und ſich dermaſſen verteilet haͤtten/ daß nit
uͤber fuͤnffe bey einander blieben waͤhren/ ohn daß etwa jhrer zehne die geſamten Pferde ge-
koppelt/
[259]Anderes Buch.
koppelt/ und mit der anſehnlichſten Jungfer die Heerſtraſſe gezogen/ der Juͤngling und die
andere Jungfer aber waͤhren zu fuſſe mit in das Gehoͤlz gefuͤhret; als er ihn nun nachſehẽ
wollen/ haͤtten ſie ihm zugeruffen/ er ſolte ſeines weges ohn umſehen fortgehen/ od’ deꝛ Hals
wuͤrde ihm gebrochẽ werdẽ. Herkules ward hieruͤber ſehr betruͤbt/ bedachte ſich ein wenig/
uñ hielt nit vor rahtſam/ dz ſeine ganze Geſelſchaft mit ritte. Aber Ladiſla redete ihm ein/ er
moͤchte ſie auf allen fall mit zihen laſſen/ ob man ihrer zugebrauchen haͤtte; wo nit/ koͤntẽ ſie
allezeit fruͤhe gnug wieder umbkehren; die Begebniſſen waͤhren ſelzam/ und nim̃er alſo be-
ſchaffen wie man ſie ihm ſelbſt einbildete. Alſo lies ſichs Herkules gefallen/ hies den Bau-
ren ein geruhetes Pferd auß dem Flecken nehmen/ gab ihm zwo Kronen/ uñ ſagte zu ihm; er
wuͤrde ſich gefallen laſſen/ mit ihm an den Ort zu reiten/ wo er dieſen hauffen zulezt geſehẽ/
dann er muͤſte wo moͤglich/ den geraubeten Jungling ſprechen/ woran ihm viel gelegen
waͤhre. Der Baur wahr des Geldes froh/ und willig mit zu reiten/ verſprach auch inwen-
dig einer Stunde friſt/ ſie an den Ort zubringen; ritten ingeſamt eilig fort/ und kahmen
vor erſt nach des Bauren außſage an die leere Gutſche/ hernach in das Gehoͤlze/ da der
Baur ihnen anzeigete/ diß waͤhre die Stelle/ da er die Reuter leztmahls geſehen/ wuͤrden
ſich demnach bemuͤhen/ bey ihnen anzulangen/ weil er ſeinem Verſprechen gnug getahn/
und ein mehres nicht zu leiſten wuͤſte. Herkules hies den Bauren etwas warten/ weil er
zweiffelte/ ob ihm auch zutrauen ſtuͤnde/ ſendete Leches/ Klodius und Markus mit der mei-
ſten Reuterey den geraubeten Pferden nach/ mit dem Befehl/ alle wiederſpenſtigen nider-
zuhauen/ und die uͤbrigen gefangen zunehmen/ inſonderheit ſich zu bemuͤhen/ daß ſie den
Fuͤhrer lebendig bekaͤhmen/ welcher nachricht wuͤrde geben koͤnnen/ wohin die uͤbrigen ſich
gewendet haͤtten. Dieſe ritten alsbald fort und folgeten dem friſchen Hueffſchlage/ unter
der Hoffnung etwas nuͤzliches außzurichtẽ. Nachgehends ermahnete Herkules den Bau-
ren/ er muͤſte etwas beſſer außbeichten/ wie und wo er die Raͤuber geſehen ſich verteilen;
welcher aber mit hohen Schwuͤren bekraͤfftigte/ daß er davon nicht daß geringſte zu ſagẽ
wuͤſte/ weil ſie ihm gar zu hart verbohten/ zuzuſehen; jedoch gedaͤuchte ihn/ man haͤtte den
ſchoͤnen Juͤngling ſamt der Jungfer nach der rechten Hand hingefuͤhret/ und duͤrffte ich
ſchwoͤren/ ſagte er/ eben der Juͤngling waͤhre euer leiblicher Bruder/ ſo gar aͤhnlich iſt er
euch. Herkules antwortete ihm: Freund/ ihr habt vielleicht ſo gar unrecht nicht geſehen;
lies ihn von ſich/ und hielt mit den andern Raht/ wie es forthin anzugreiffen. Dieſe wah-
ren ſehr betruͤbt und ſtunden ihnen die Augen vol Waſſer/ daß Herkules ſagete: O wolte
Gott daß ich mich mit den Raͤubern drum ſchlagen ſolte/ aber mit der Unwiſſenheit zu
kaͤmpffen/ daß iſt uͤber mein vermoͤgen. Doch ich wil meinem Gott trauen/ und nicht zwei-
feln/ er werde mich leiten und fuͤhren/ daß ich erfahre/ und finde/ was ich ſuche. Stieg
hiemit vom Pferde/ und wolte von Ladiſla und Fabius abſchied nehmen/ umb allein in den
Wald zugehen/ und zu vernehmen/ wohin die Raͤuber ſich gewendet haͤtten. Aber Ladiſla
zohe ihn zuruͤk/ ſprechend: Liebſter Bruder/ meineſtu ich werde dich allein laſſen? es iſt mei-
ne leibliche Schweſter/ der ich ſo wol und mehr nachzuſuchen ſchuldig bin/ als ſonſten nie-
mand. Doch waͤhre mein Raht/ wir ſendetẽ zuvor unſers mittels etliche durch dẽ Wald/
etwas Kundſchafft einzuhohlen/ und erwarteten alhie Leches Ankunfft/ ob er uns Zeitung
braͤchte/ worauff wir ohn Irtuhm fortgingen; dann die Zeit unnuͤzlich verzehren/ wird
K k ijmeiner
[260]Anderes Buch.
meiner Frl. Schweſter am ſchaͤdlichſten ſeyn. Fabius ſagte; auff euer verbeſſern ihr Her-
ren/ waͤhre meine Meynung daß wir Leches nachfolgeten/ das Werk deſto gluͤklicher zube-
ſchleunigen/ dann haͤtten wir nur einen gefangenen von den Raͤubern/ wolten wir ſchon
erfahren/ wohin man ſich wenden muͤſte. Herkules wahr ſo verwirret/ daß er ſeiner Ver-
nunfft faſt nicht maͤchtig wahr/ hielt endlich dieſen Raht vor den beſten/ und in dem er ſich
wieder auff das Pferd ſetzete/ ſagte er: Nun ſo laſſet uns in dem Nahmen des Almaͤchti-
gen Gottes reiten und Leches folgen/ vielleicht beduͤrffen ſie unſers rahts und Huͤlffe; or-
dente doch zuvor zehne aus ihrer Geſelſchafft/ welche den Wald hin uñ wiedeꝛ durch reiten
ſolten/ ob ſie etwas außforſchen moͤchten; er mit den uͤbrigen folgete Leches Spuhr/ kunten
ihn doch nicht erreichen/ weil er einen groſſen Vorſprung vor ihnen hatte; dann er jagete
mit ſeinen leuten immer fort biß an den ſpaͤten Abend/ da ſahe er ein Doͤrflein vor ihm lie-
gen/ worauff die Raͤuber nach außweiſung des Hueffſchlages/ zugezogen wahren. Er
baht Klodius voraus zuſetzen/ und in der Stille nachzuforſchen/ ob ſie in dieſem Dorffe
blieben/ oder weiter fortgezogen waͤhren; welcher dann ſchnelle forteilete/ und die andern
der weil ſich hinter einer Hecken verborgen hielten/ traff eine erwachſene Bauren Dirne
an/ welche der Kaͤlber huͤtete/ und fragete ſie/ ob nicht Reuter mit ledigen Pferden daher
geritten waͤhren. Ja ſagte ſie/ es waͤhren Reuter und ledige Pferde dahergezogen/ ob ſie
aber alle geritlen/ oder etliche zu fuſſe gangen/ haͤtte ſie ſo eigentlich nicht acht gehabt. Klo-
dius wie betruͤbt er wahr/ muſte doch der Einfalt lachen/ und fragete ihn die Dirne/ ob er
zu den andern gehoͤrete/ und ſie gedaͤchte zuerreichen/ muͤſte er nicht lange Gefatternſpra-
che halten/ dann ſie waͤhren ſehr eilig fortgezogen/ und haͤtte ſie im voruͤber reiten von ihnẽ
gehoͤret/ daß ſie in dem Flecken/ welcher eine Meile von hinnen laͤge/ ihr Nachtlager hal-
ten wolten. Klodius winkete ſeinen Geſellen/ welche bald herbey ruͤcketen/ nahmen einen
Bauren aus dem Dorffe mit ſich ums Lohn/ ihnen den rechten Weg zuzeigen. Zwiſchen
einer guten Viertelſtunde kam Herkules mit den ſeinen eben bey demſelben Dorffe an/
rieff einem Bauren zu/ ob nicht eine zimliche Schaar Reuter hieſelbſt durch gezogen waͤh-
re. Ja/ antwortete dieſer/ ſie ſind kurz vor euch hinweg/ und haben meinen Nachbar ge-
dinget/ ihnen den Weg zum naͤheſten Flecken zuzeigen/ vorgebend/ ſie folgeten ihrer Ge-
ſelſchafft/ die vor drittehalb Stunden mit vielen ledigen Pferden hindurch gezogen ſind/
und daſelbſt benachten werden. Er ward der Zeitung froh/ uñ ſagte zu ihm: Mein Freund/
da habt ihr eine halbe Krone; lieber ſeid gebehten/ und fuͤhret uns auch dahin/ daß wir zu
unſern Leuten kommen moͤgen/ weil uns daran gelegen iſt. Behuͤte Gott/ antwortete der
Bauer; ſolte ich ſo viel Geld davor nehmen? ich bin euch gerne zu dienſt/ aber umb die ge-
buͤhrliche Billigkeit/ als drey Groſchen/ ein mehres nehme ich nicht. Lieber Gott/ ſagte
Herkules/ daß alle Welt dieſer Genuͤgſamkeit moͤchte ergeben ſeyn/ wie mannicher unnuͤ-
tzer Streit wuͤrde alsdann unterwegen bleiben; hieß den Bauren ein Pferd hohlen/ und
vor ihnen her reiten/ weil ſie eilen muͤſten; die Belohnung ſolte ihm nach ſeinem Willen
werden. Sie ſeumeten ſich nicht lange/ und traffen Leches mit den ſeinen an/ da ſie gleich
von den Pferden geſtiegen/ und den Flecken zuerſteigen ſich fertig gemacht hatten. Als ſie
nun der Reuter hinter ihnen gewahr wurden/ meyneten ſie/ es waͤhren Raͤuber/ lieffen
ihren Pferden zu/ und wolten auffſitzen; welchen Irtuhm Fabius merkend/ allein zu ihnen
hin
[261]Anderes Buch.
hin ritte/ und dieſe Worte redete: Herkules iſt verhanden; Worauff ſie alsbald ſtille wurdẽ.
Der Flecken ward außwendig mit XV Mann beſetzet/ mit den uͤbrigen ging Herkules zu
fuſſe nach dem Tohr/ und ſpuͤrete/ daß es inwendig nicht ſonderlich feſt verriegelt wahr/
ſetzeten deswegen ihre Schuldern ingeſamt dagegen/ und ſchoben es auff/ gingen hin/ und
traffen einen alten Mann auff der Gaſſen an/ welchen Herkules mit freundlichen Worten
fragete/ in was Herberge die Geſelſchafft mit den ledigẽ Pferden eingekehret waͤhre. Die-
ſer gab zur Antwort: Herr/ ſie liegen dort gleich vor euch in jenem Hauſe/ da ihr die Liech-
ter ſcheinen ſehet. Ladiſla fragete weiter/ ob ſie alle bey einander in einem Hauſe waͤhren/
auch wie viel ihrer wol ſeyn moͤchten. Mich deucht/ antwortete er/ ich habe ihrer zehne ge-
zaͤhlet/ haben wol 50 Pferde bey ſich/ und gar ein ſchoͤnes Weibesbilde/ welche ſie ohn zwei-
fel geraubet haben/ nachdem ſie ſich ſehr troſtloß bezeiget. Ja ſagte Herkules/ freylich habẽ
ſie das gute Menſch gewaltſam entfuͤhret/ welches ihnen uͤbel bekommen ſol. Wol wol ihr
Herren/ ſagte er/ ſie werden reiff ſeyn zur Straffe/ wiewol ſie hieran wenig gedenken/ ſon-
dern mit ihrem Wirte/ der nicht umb ein Haar beſſer ſeyn mag als ſie/ ſich luſtig machen/
teilen auch einen treflichen hauffen ſchoͤnes Goldes unter ſich/ wie ich jezt geſehen/ da ich
vor dem Fenſter hergangen bin/ und gebe euch Gott das Gluͤk/ dieſe Buben zuertappen/
welches durch eure Vorſichtigkeit leicht geſchehen kan. Gebet euch zu ſrieden/ ſagte Her-
kules/ wir ſind von dem Roͤmiſchen Stathalter zu Padua ausgeſchikt/ ſie zu fahen/ uñ zur
gebuͤhrlichen Straffe zu zihen/ deßwegen/ da ſich etwa uͤber vermuhten ein Aufflauff erre-
gen ſolte/ ſo machet es den Inwohnern zuwiſſen/ daß ſie ruhig und ohn furcht ſeyn/ auch
ſich keines dinges annehmen/ damit ſie nicht in Ungelegenheit gerahten/ dañ hauſſen vorm
Tohr haben wir eine gute Anzahl Voͤlcker ſtehen. Ging hierauf mit den ſeinen gerade fort
und in aller ſtille/ beſetzete das Haus rings umher/ trat hernach ſelb viere hinein/ oͤffnete die
Stubentuͤhr/ und wuͤnſchete der Geſelſchafft einen gluͤklichen Abend. Die Raͤuber ſaſſen
am Tiſche/ hatten ſchon Mahlzeit gehalten/ und zecheten weidlich herumb: Der vornehm-
ſte unter ihnen/ den ſie vor ihren Haͤuptman ſcholten/ ſaß oben an/ hatte die Jungfer neben
ſich/ und ſuchte durch allerhand freundliche Reden ſie zur Froͤligkeit zubewaͤgen/ welche ih-
re Zeit mit ſtetem ſeuffzen und weinen zubrachte/ und ihr nur den Tod wuͤnſchete/ weil ſie
wuſte/ daß ſie dieſes frechen Raͤubers boßhafften Willen zuerſaͤttigen/ vorbehalten ward.
Herkules ſahe die Jungfer/ und erkennete ſie alsbald vor dieſelbe/ welche er ſtets dey dem
Fraͤulein zu Prag geſehen hatte/ wolte ſich aber ihr nicht alsbald offenbaren/ noch die Raͤu-
ber uͤberfallen/ ſondern redete ſie freundlich an; er ſaͤhe/ daß eine erbare Geſelſchaft bey ein-
ander waͤhre/ uñ weil er ſamt ſeinen Gefaͤrten von der Reiſe ermuͤdet/ uñ unter dem ſchwe-
ren Reuter harniſche/ welches er zu fuſſe truͤge/ etwas matt worden/ haͤtte er luſt ein Stuͤn-
dichen froͤlich und guter dinge mit ihnen zu ſeyn/ inſonderheit/ weil es hie ſo ſchoͤnes Frau-
enzimmer gaͤbe. Die Raͤuber hatten ihr Gewehr neben ſich liegen/ verwunderten ſich ihreꝛ
ſtillen Ankunfft/ da ſie doch von fuß auff gewapnet wahren/ und ungeachtet ihres widrigen
vorgebens/ auſſer Zweifel zu Pferde muͤſten ankommen ſeyn; ſtutzeten daher anfangs/ end-
lich antwortete der vornehmſte: er und die ſeinen haͤtten in dieſem Hauſe nicht zu gebietẽ/
und wann ſie dem Wirte wilkommen waͤhren/ muͤſten ſie auch friedlich feyn. Der Wirt a-
ber redete alsbald darzwiſchen/ er haͤtte ſein Haus voll Gaͤſte/ welche alle reiſende Kauff-
K k iijleute
[262]Anderes Buch.
leute waͤhren/ und ſie umb anderer willen nicht ausweiſen koͤnte; wer ehe kaͤhme der mah-
lete ehe; muͤſten alſo nach einer andern Herberge ſich umſehen/ deren es im Flecken gnug
gaͤbe. Herkules aber ſagte zu ihm: Gebet euch zufrieden/ guter Freund/ ich kan hinte nicht
weiter gehen/ und wollen wir noch vorſchlaffens gut Geſchir machen; zeigete ihm hiemit
eine Hand vol Kronen/ und ſagete weiter: Dieſe muͤſſen verzehret ſeyn/ ehe ich aus dieſer
Herberge gehe/ doch mit dem bedinge/ daß mir Raum bey der ſchoͤnen Jungfer gemacht
werde; dann ich ſehe ſchon/ ihr Buhler gefaͤllet ihr nicht/ ob ich mich etwa zutaͤhtiger ma-
chen/ und ihr Herz beſſer gewinnen koͤnte. Zu dem Raͤuber aber ſagete er: Guter Freund/
ſtehet nicht mit euch zuhandeln/ daß mir die Jungfer zu teil wuͤrde/ nachdem/ wie ich mer-
ke/ ſie euch ihre Gunſt nicht geben wil. Dieſer merkete unraht/ und ſtellete ſich gleichwol
zornig; was er ihm die Jungfer anzufodern haͤtte? dieſelbe waͤhre ſein/ und haͤtte ſonſt nie-
mand Anſprache auff ſie/ hoffete auch vor ſich allein Freude mit ihr zu haben. Herkules
antwortete: wie aber/ meine liebe Jungfer/ wollet ihr nicht lieber mir beywohnen? Se-
het da/ ich verſichere euch Ehr und Leben/ und alles was ihr wuͤnſchet/ das in meinen Haͤn-
den ſtehet. Die Jungfer ward inniglich ſeuffzen/ empfing doch etwas Hoffnung aus die-
ſer Rede/ und durffte gleichwol vor Angſt kein Wort ſprechen; dann ihr naͤheſter Beyſit-
zer machte ſich ſchon zum Gefechte bereit/ greiff zum Degen/ und ermahnete die ſeinen/ ge-
herzt und friſch drauff zuſchlagen. Aber Herkules zog von Leder ſamt die bey ihm wahren/
und ſagte: Ihr meinaͤidigen ehrvergeſſenen Boͤſewichter/ bald ergebet euch dem Roͤmi-
ſchen Stathalter zu Padua/ oder ihr ſollet alsbald in ſtuͤcken zerhauen werden; rief auch
zur Tuͤhr hinaus: Herein/ und packet mir dieſe leichtfertigen Schelmen an/ daß ihrer kei-
ner entrinne. Worauff Leches mit etlichen ungeſtuͤm zur Tuͤhr hinein drang/ welches die
Raͤuber ſehend/ ſich nach den Fenſtern kehreten/ in Meynung hinaus zuſpringen/ ſahen a-
ber nach Eroͤffnung/ daß alles mit Bewapneten beſetzet wahr. Herkules foderte ihnen die
Schwerter ab/ welche ſie willig von ſich gaben/ und vor Angſt kein Wort ſprechen kunten.
Leches/ ſo bald er die Jungfer ſahe/ deren er ſein Herz ſchon etliche Jahr/ aber bißher umb-
ſonſt angebohten hatte/ kunte ſeine Flammen laͤnger nicht bergen/ trat mit entbloͤſſetem
Haͤupte vor den Tiſch/ damit ſie ihn kennen moͤchte/ und ſagte: Jungfer Libuſſa/ hochge-
liebte Waſe/ wie gehets euch alhier? habt ihr auch irgend Schande und Schmach von
dieſen Buben erleiden muͤſſen? Die geaͤngſtete Jungfer kennete ihn alsbald/ und antwor-
tete: O herzlieber Vetter Leches/ wie kommet ihr mir zu ſo gelegener Zeit zuhuͤlffe! ſprang
hiemit uͤber den Tiſch zu ihm/ und ſagte weiter: Meine Ehre iſt Gott Lob añoch unverletzet/
wañ nur unſer Gn. Frl. moͤchte gerettet ſeyn. Herkules befahl/ dz man die Raͤubeꝛ ſamt dẽ
Wirte feſtbinden ſolte/ zohe den Helm ab/ und uͤmfing die Jungfer gar freundlich/ boht jhr
auch einen Kuß/ und ſagte zu jhr: Ich freue mich ſehr/ daß ich meine geliebete Freundin
geſund und ungeſchmaͤhet antreffe/ und an jhr einen guten Anfang der Erloͤſung gemacht
habe. O Durchl. Fuͤrſt/ antwortete ſie/ hat jhre Gn. uͤm mich unwirdige ſo groſſe Muͤhe
uͤber ſich genommen? Nun nun/ die Goͤtter retten nur unſer allerliebſtes Fraͤulein; was
ich dann zu vergelten zu unvermoͤgen bin/ werden andere zuverſchulden jhnen laſſen ange-
legen ſeyn. Wolte jhm hiemit die Hand kuͤſſen/ welches er doch nicht zugebẽ wolte/ ſondeꝛn
zeigete jhr Ladiſla/ zu dem ſie ganz ehrerbietig nahete/ und von jhm wol empfangen ward.
In-
[263]Anderes Buch.
Inzwiſchen kehrete Herkules ſich zu den Gefangenen/ und ſagete zu dem Vornehmeſten:
Geſchwinde/ und ſage mir/ wo ſind deine Geſellen mit dem gefangenen Junglinge und der
andern Jungfer blieben? Dieſer antwortete: Mein Herꝛ/ ſchenket mir das Leben/ ſo wil
ich euch dahin fuͤhren/ und den Juͤngling wieder liefern/ ſonſt wird euch unmoͤglich ſeyn
jhn anzutreffen/ viel weniger zu erretten. Wiſſen dann dieſe deine Mitgeſellen auch/ ſagte
Herkules/ wo ſie ſich auffhalten? Ja/ antwortete er/ wo ſie hinte dieſe Nacht bleiben wer-
den/ iſt jhnen bewuſt/ aber nicht/ wohin man ſie morgen fuͤhren wird. Nun dann/ ſagte Her-
kules zu Fabius/ ſo wird mein Herꝛ Brudeꝛ wiſſen/ ſie nach Roͤmiſchen Recht abzuſtraffen
als gewaltſame Raͤuber und Moͤrder. Dieſer nam ſie an/ uͤbergab ſie ſeinen Reutern wol
zuverwahren/ und ſchwuhr/ er wolte ſie in dem Flecken lebendig kreuzigen laſſen/ woſelbſt ſie
den Mord und Raub veruͤbet haͤtten; uͤber welcher Urtel ſie dermaſſen erſchracken/ daß ſie
jhre Geſellen gluͤkſelig preiſeten/ die im Streit uͤmkommen wahren. Der Wirt durfte viel
Entſchuldigung einwenden/ aber die Raͤuber begunten ſchon daruͤber zu murren/ und re-
dete Herkules den Vornehmeſten unter jhnen/ welcher Gallus hies/ alſo an: Ob du wol
dein Leben ſo wol/ und vielleicht mehr als dieſe anderen verwirket haſt/ ſol es dir dannoch
geſchenket ſeyn/ deſſen du mir wol trauen magſt/ dafern du mich zu dem Juͤnglinge fuͤhreſt/
wo er iſt/ damit ich denſelben meinen geliebten Bruder wieder uͤberkommen moͤge; aber
ſage mir ohn einige Falſcheit: traͤget der Wirt auch Wiſſenſchafft uͤmb dieſe Taht? Herꝛ/
ſagte Gallus/ die groͤſte Schuld dieſer uͤbeltaht haftet auff jhm/ geſtaltſam er den Anſchlag
gemacht/ und uns auf getrieb eines fremden unbekanten Ritters/ Nahmens Victor/ faſt
wieder unſern Willen darzu verleitet hat/ maſſen unſer Frevel vor dieſem nie ſo groß ge-
weſen iſt/ die Leute in beſchloſſenen Flecken zu uͤberfallen; ja ſein ganzes tuhn iſt anders
nichts/ als daß er uns bißher ausgeſpuͤret hat/ wo in der naͤhe ein Raub zuerhaſchen iſt.
Biſtu dann derſelbe/ fragete jhn Herkules/ der geſtern Abend in jener unſeligen Herberge
die Wuͤrffel und Karten feil getragen hat? Ja eben derſelbe iſt er/ ſagte Gallus/ welches
ſich leicht ausfuͤndig machen wird/ wañ meine Herꝛen jhn nur werden dahin bringen laſ-
ſen. Hierauff ſagte der Wirt zu jhm; O du meinaͤidiger Verraͤhter/ iſt das mein Dank
und Lohn/ daß ich dir ſo mannichen Dienſt zu Tag und Nacht geleiſtet habe? Fabius la-
chete des/ und ſagte: Gib dich zu frieden du gotloſer Schelm/ ich werde dir ſchon davor
lohnen/ und in Padua eine ſolche Rache von dir nehmen/ daß andere deines gleichen ſich
daran zu ſpiegeln haben. Heꝛkules wahr willens/ alsbald wieder auffzuſitzen/ und ſein alleꝛ-
liebſtes Fraͤulein zuretten; weil er aber ſahe dz ſeine Leute mat und muͤde wahren/ uͤberdas
auch von Gallus vernam/ daß die Eile ihnen zu nichts dienen/ und die helle Tageszeit ih-
nen vortraͤglicher ſeyn wuͤrde/ den Anſchlag ins Werk zurichten/ hieß er die Wirtin eſſen
aufftragen/ ſo gut ſie es zuſchaffen wuͤſte/ und einen Trunk Wein dabey/ welches ihr richtig
ſolte bezahlet werden. Die gemachte Beute brachte Gallus alles wieder bey/ ſo wol an
Gelde als Kleidern/ welches Ladiſla geliefert ward/ und funden ſich an Baarſchafft etliche
tauſend Kronen/ auch koͤſtliche Weiberkleider/ die dem Fraͤulein zuſtunden. Des Goldes
teileten ſie etwas unter ihre Reuter aus/ daß jeder XII Kronen bekam/ wodurch ſie ſo gut-
willig gemacht wurden/ daß ſie alle ſich erbohten/ das Leben vor ſie zu laſſen. Die Wirtin
ſchaffete Wein gnung/ der ſehr gut wahr/ aber die Speiſe wolte anfangs nicht zureichen/
biß
[264]Anderes Buch.
biß ſie aus der Nachbarſchafft ſo viel zuſammen brachte/ daß ſie alle geſaͤttiget wurden.
Nach gehaltener Mahlzeit begehrete Herkules die Rechnung von der Wirtin/ und weil
dieſelbe gar leidlich geſtellet wahr/ zahlete er ihr ein uͤbriges; welche Freygebigkeit ihr gar
wol gefiel/ und ſie immerzu fleiſſig auffwartete. Sie wahr feiner Geſtalt/ und etwa ihres
Alters von XXVI Jahren/ taht als bekuͤmmerte ſie ſich um nichts/ ſo daß ſie auch anfangs
ſich ihres Mannes im wenigſten nicht annam/ biß ſie mit Herkules etwas Kundſchafft
gemacht hatte/ da fragete ſie denſelben mit halblachenden Worten: Ob dann nicht gnade
vor ihren Mann uͤbrig waͤhre. Er aber antwortete ihr/ es waͤhre davon nichts zu reden/
weil es in ſeiner Macht nicht ſtuͤnde; in andern dingen wolte er ihr gerne zu gefallen ſeyn.
Ey mein Herr/ fuhr ſie fort/ und zwar mit gleichmaͤſſigen froͤlichen Geberden: Ihr koͤntet
gleichwol noch ein gut Wort vor ihn einlegen/ weil er ſelber nicht gemordet oder geraubet
hat. Hehler und Staͤhler ſind gleiche gut/ antwortete er/ und iſt dieſe Taht viel zu boͤſe/
welche keines weges ungeſtraffet hingehen kan/ ſondern muß mit dem Leben bezahlet und
gebuͤſſet werden; ihr aber habt euch nicht zubefuͤrchten/ ſondern ſollet bey dem euren ge-
ſchuͤtzet werden/ es ſey dann/ daß einer oder ander kommen/ und ſein geraubetes Gut wie-
der fodern wuͤrde. Die Frau wendete ſich zu ihrem Manne/ und ſagte: Da ſehet ihr noch
mein gutes Herz/ welches ich zu euch trage/ indem ich vor euer Leben bitte/ welches ihr
nimmermehr tuhn wuͤrdet/ da ich in eurer ſtelle ſtehen ſolte. Ja/ antwortete ihr Mann/ dz
moͤgen die Goͤtter wiſſen/ wie deine Vorbitte von Herzen gehe/ welches dein leichtfertiges
Lache-Maul ſchon mehr als zu viel verraͤht/ und behuͤte mich nur der Himmel/ daß ich dei-
ner Gnade oder Vorbitte nicht beduͤrffe. Dieſe taht/ als hoͤrete ſie ſolches nicht/ ſondern
fragete mit etwas betruͤbtem Angeſicht/ ob dann ihr Mann gewißlich ſterben muͤſte; und
als ihr mit beſtaͤndigem Ja geantwortet ward/ dz ſie daran nit mehr zu zweifeln hatte/ keh-
rete ſie ſich abermal nach demſelben um/ und fing mit erblaſſetem Geſicht alſo an: Nun ſo
gebe Gott/ dz dich der Henker vor deinem Ende ſo peinigen und quaͤlen moͤge/ wie du boß-
haffter Moͤrder/ Dieb uñ Ehebrecher mich armes unſchuldiges Weib dieſe zwey Jahr ge-
aͤngſtet haſt/ und ich erfahre/ dz dir mit vollem maſſe gelohnet ſey. Dieſer beiß vor Eifer die
Zaͤhne im Kopfe zuſam̃en/ uñ deutete an/ er waͤhre ihm gar keine andere Vorbitte bey ſeinẽ
frechen gottloſen Weibe vermuhten geweſen/ wolte auch gerne ſierben/ wañ er ihr nur den
Lohn ihres verdienſtes geben ſolte; bekeñete daneben er waͤhre des vorigen tages daran ver-
hindert worden/ ſonſt ſolte ſie ſein Ungluͤk nit erlebet haben. Herkules uñ ſeine Gefaͤrtẽ hoͤ-
reten mit Verwunderung zu/ und begehreten von dem Weibe die Urſach ihrer ſo hefftigen
Feindſchafft/ und unverſoͤhnlichen Widerwillens zu wiſſen; worauff ſie antwortete: Mein
Herr/ wañ ich mein Ungluͤk und Widerwaͤrtigkeit alles erzaͤhlen ſolte/ welches ich von die-
ſem Gottloſen ehrvergeſſenẽ Buben habe annehmen und außſtehen muͤſſen/ wuͤrde ichs im
Sommerlangen Tage nit koͤnnen zum Ende bringen. Der Mann wolte ihr einreden/ und
ſeine entſchuldigung tuhn; aber ſie ſagte zu ihm; ſchweig du Verraͤhter/ du haſt keine Eh-
re zuſprechen. Es merketen die unſern was vor ein Kraut ſie vor ſich haͤtten/ und lieſſen ſie
immerhin waſchen/ da ſie alſo fortfuhr; Meine Herren; zwey Jahr habe ich mit dieſem
Laußhunde in der Ehe gelebet/ aber keine friedliche noch froͤliche Stunde bey ihm gehabt/
da er mir doch alle ſeine Wohlfahrt zu danken hat; er wahr nacket und bloß/ und wann
ichs
[265]Anderes Buch.
ichs ja ſagen ſol/ vol Unziefer/ da ich mich ſein erbarmete/ und ihn zu mir nam. Ach was
hatte ich vorhin einen feinen frommen Mann/ ſagte ſie mit erdichteten Traͤhnen; des A-
bends brachte er mich zu Bette/ und verrichtete noch etliche Stunden die noͤhtige Arbeit;
des morgens ſtund er auff und lies mich ſchlaffen. Dieſer leidige boͤſe Schelm ging nach
meines Mannes Tode mir ſo liſtig nach/ daß ich mich ſein nicht laͤnger erwehren kunte/
und ihm die Ehe verſprach; und als ich ihm bald darauff mehr goͤnnete/ als mir jezt lieb
iſt/ muſte ich hernach ſtets ſeines Willens Leben/ welches ich dann taht/ umb einen guten
Grund zur friedſamen Ehe zulegen; aber ich meine er hat mirs vergolten; er ging mit
meinen Guͤtern umb als die Praſſer pflegen; vor muſte er mit Waſſer und Brod vor lieb
nehmen/ jezt wahr ihm der Landwein zu herbe/ und die Haußſpeiſe zu unverdaͤulich; doch
haͤtte ichs noch alles verſchmerzet/ und fuͤnffe gerade ſeyn laſſen/ nach Art meiner ange-
bohrnen Froͤmmigkeit (welches ruhms die ganze Geſelſchafft lachete) wann er mir nur
waͤhre getraͤu geweſen/ aber ungeachtet ich/ ohn Ruhm zu melden die ſchoͤnſte Frau des
ganzen Flecken bin/ mitete er doch allemahl die huͤbſcheſten Maͤgde/ die zubekommen wah-
ren/ hohlete ſie uͤber etliche Meileweges her/ hielt mit ihnen als ein Ehebrecher zu/ und lies
mich armes Weib gehen/ als haͤtte er mich etwa hinter dem Zaune auffgeraffet. Wañ ich
mich dann deſſen beklagete/ und mich an den leichtfaͤrtigen Ehebrecheriſchen Huren raͤ-
chen wolte/ ſo muſte ich mich ſo elendig von ihm ſtoſſen und pruͤgeln laſſen/ daß es einen
Stein in der Erden haͤtte erbarmen moͤgen; aber ich hoffe/ es ſol ihm ſchier vergolten wer-
den/ dann der Himmel hat mein Elend nicht laͤnger anſehen koͤnnen/ die Erde iſt zu muͤde
ſolchen Unflaht zu tragen/ und die Lufft ſehnet ſich daß er in ihr erhoͤhet/ das Angſt-waſſer
ſchwitze/ und das Angſt-feur im Herzen fuͤhle. Kehrete ſich hiemit zu ihrem Manne/ und
ſagte: Kanſtu noch nicht erkennen/ daß die Goͤtter muͤde ſind meinen Jammer zuerdulden/
welchen du Wuͤterich und greulicher Bluthund mir zugefuͤget haſt? fahre hin an den Gal-
gen und an das Rad; ich wil wol einen Kerl haben/ wann du ſchon am Kreuze verdorret
biſt/ der mich beſſer in ehren halten/ und meine Wirdigkeit erkennen ſol/ als du nacketer
Bettelbube nie getahn haſt! Sie wolte in ihrer rede fortfahrẽ/ aber Ladiſla hies ſie ſchwei-
gen/ und fragete den Wirt/ warumb er ſich ſo hart und undankbar gegen ſein Weib ver-
halten/ die Zeit ſeines elendes ihn auffgenommen haͤtte. Ach mein Herr/ antwortete er/
gut iſts/ daß ihr das ſchwaͤzhaffte Weib habt ſchweigen heiſſen/ es wuͤrde ihr ſonſt unmoͤg-
lich ſeyn das Ende ihrer Rede zu finden/ und duͤrffte ihr gehen wie einer Art Vogel/ davon
man ſaget/ daß ſie ſich zu tode ſingen ſollen. Sie wolte dieſes nicht unbeantwortet laſſen/
aber Herkules hielt vors beſte/ daß man ſie hinaus ſchaffete; welches abzuwenden/ ſie ver-
ſprach ſtille zu ſeyn. Worauff ihr Mann alſo fortfuhr: Ob ich gleich weiß/ daß ich zu ei-
nem grauſamen Tode behalten werde/ glaͤube ich doch nicht/ daß des Henkers Peinigung
ſchwerer ſeyn koͤnne/ als dieſes heilloſen Weibes. Ich kan wol ſagen/ daß ich die zweijaͤh-
rige Helle ſchon an ihr verſucht/ aber auch mit ihr gebauet habe; Ich habe dieſe ganze zeit
uͤber nicht ein gutes Wort von ihr gehabt/ ſondern lauter ſchnarchen/ murren uñ ſchelten/
und kunte ichs ihr nimmer zu danke machen/ ich griffe es gleich link oder recht/ oben oder
unten an; trunk ich ein Maaß Wein mit meinem Nachbar/ oder einem andern/ dabey ich
wol fuͤnffe verdienete/ ſo muſte ich ihr Verbringer ſeyn; lag ich bey ihr auff dem Bette/ ſo
L lmuſte
[266]Anderes Buch.
muſte ich ihr fauler Schluͤngel ſeyn; ſtund ich dann auf/ ſo hieß es/ ich ſchleppete mich mit
den Maͤgden; Dieſes ſtieg mir endlich zu Kopffe/ daß ich auff Mittel bedacht wahr/ ſie zu
zwingen/ und den boͤſen Teufel aus ihr zu treiben; und muß bekennen/ daß ich ſie offt gar
uͤbel zugerichtet habe/ inſonderheit/ wann ſie die jungen friſchen Gaͤſte in ihrer Voͤllerey
durch unzuͤchtige Schandreden zu allerhand Unzimligkeit reizete/ und ohn ſcheuh ſich mit
ihnen herzete und zauſete/ einwendend/ die Wirtinnen muͤſten freundlich ſeyn/ wann die
Gaͤſte das Geld bey ihnen verzehren ſolten; und was mir endlich daran abginge/ behielte
ich doch alles was ich ſchon haͤtte; Ja ich darff vor zuͤchtigen Ohren nicht erzaͤhlen/ wie ſie
in Reden und Geberden ſich offt erzeiget hat; darauff legete ich dann wol die ſchwere
Hand/ aber alles umbſonſt und vergebens/ daher ich mir endlich vornam/ ſie im Schlaffe
zu erwuͤrgen/ und ſolte mein groͤſter Troſt ſeyn/ wann es nur geſchehen waͤhre. Ladiſla ant-
wortete: als viel ich aus euer beyden Rede vermerke/ iſt garſtiger Spek umb ſtinkende
Butter vertauſchet/ und beduͤrffte ein Richter guter Leute Raht/ umb zu entſcheiden/ wer
unter euch mit der groͤſten Schuld behafftet waͤhre. Die Wirtin ſagte: O ihr lieben Her-
ren/ helffet ja/ dz er nicht wieder loß koͤmt/ ſonſt muͤſte ich elendes Weib es verlauffen. Her-
kules verdroß bey ſo geſtalten Sachen dieſes langwierige Narrenwerk/ geboht der Frauẽ
ruhig zu ſeyn; es wuͤrde dieſer ihr Mann ſie foͤrder nicht weiter belaͤſtigen; Er wolte ihr
aber dieſe Lehre geben wann ſie den dritten nehmẽ wuͤrde/ ſolte ſie ſich ſein demuͤhtig zuͤch-
tig und gehorſam gegen ihn verhalten/ und nicht urſach zu Zorn und Widerwillen geben.
Ja mein Herr/ ſagte ſie/ bedenket aber/ daß ich gleichwol Frau des Hauſes bin/ und dieſen
Schluͤngel aus Erbarmung zu mir eingenommen habe/ ſolte ich dann mein Recht und
Herſchafft ſo gar abtreten/ und mich ihm zur Magd geliefert haben? doch wann dieſem
die Raben nur erſt die Augen moͤchten ausgehacket/ und ſein faules Fleiſch verzehret habẽ/
ſolte der dritte Braͤutigam ſich wol bald finden. Herkules ſahe/ was vor ein Unkraut in
ihr ſteckte/ wolte ihr nicht zu fernerem Geſchwaͤtze Gelegenheit geben/ ſondern befahl ſeinen
Leuten/ die Ruhe zu nehmen/ und gegen fruͤhzeitigen Auffbruch ſich gefaſſet uhalten/ vor
allen Dingen aber die Gefangenen wol zu verwahren/ daß ihrer keiner entwiſchete/ der ih-
nen den ganzen Handel durch Verraht leicht verderben wuͤrde. Den Wirt/ ſagete Ladiſla/
wollen wir der Wirtin zu huͤten geben/ die wird ihn nicht entlauffen laſſen. Das Weib hoͤ-
rete es/ und ſagete: Wol meine Herren/ gebet mir Gewalt uͤber ihn/ ſo wil ich ihm die
Daumen und groſſe Zee kreuzweiſe zuſammen binden/ uñ ihn dieſe Nacht in meiner Kam-
mer auff die bloſſe Erde legen/ mit welcher Peinigung er mich wol zwanzig mahl beleget
hat/ auff daß er nur empfinden moͤge/ wie mir ein ſolches bekommen iſt/ und ich noch zu gu-
ter lezt meine Augenweide und Herzensluſt an ihm haben moͤge. Fabius ſagte zu Ladiſla:
behuͤte der Himmel einen jeden redlichen Mann vor ſolchen Ehegatten; ich halte nicht/ dz
dieſes Weibes gleichen je gebohren ſey. Sie ſtund nicht weit davon/ hoͤrete es/ und gab zuꝛ
Antwort: Ja wol mein Herr/ ſo muͤſten meine beyde Nachbariñen/ oben und unten/ nicht
ſeyn/ welche mir offt verweißlich gnug vorwerffen/ was ich mich von ſo einem lauſichten
Hunde dermaſſen verachten und ſchmaͤhen laſſe; dann ihre Maͤnner/ die ungleich groͤſſer/
ſtaͤrker und anſehnlicher ſind/ als mein Hudler/ muͤſſen ihnen in allem Gehorſam ſeyn/ und
tanzen/ wann ſie nur die Pfeiffe ſtimmen/ wollen ſie aber nicht/ ſo treiben ſie die Eſel aus
dem
[267]Anderes Buch.
dem Hauſe/ ſchlagen ihnen die Tuͤhr vor der Naſen zu/ und laſſen ſie lange gnug um ſchoͤn
Wetter bitten; aber dahin habe ichs mit dieſem Aur Ochſen nicht bringen koͤnnen. Her-
kules ſagte zu Fabius: Geliebter Bruder; je mehr man den Zunder blaͤſet/ je weiter er glim-
met. Freylich mein Herr/ ſagte das Weib/ und haͤtte ich meinem Kerl nicht bald anfangs
ſo viel Wind gegeben/ ſolte er ſo ſtark nicht geglimmet haben; aber geſchehene Dinge ſind
zu beklagen/ nicht zu verbeſſern. Niemand wolte ihr antworten/ weil ihr Blaſebalg da-
durch nur gefuͤllet ward. Dem Wirte aber taht ſeine Gefaͤngniß nicht ſo weh/ als die ver-
aͤchtliche Reden ſeines frechen Weibes/ gedachte aber fleiſſig nach/ ob er nicht vor ſeinem
Abſcheide ſich an ihr raͤchen koͤnte; ſprach ſie an umb einen Trunk Wein/ ſein mattes Herz
zu laben/ ſtellete ſich auch/ als waͤhre ihm herzlich leid/ was er ihr bißher zu leide getahn/ uñ
baht ſehr umb Verzeihung/ weil er doch nun ſterben muͤſte; wuͤnſchete ihr langes Leben uñ
allen gluͤklichen Fortgang in ihrer Nahrung/ und hielt an/ ſie moͤchte alles vergeſſen/ und
guten Abſcheid von ihm nehmen/ auch gedenken/ daß ſie gleichwol Eheleute mit einander
waͤhren. Das Weib nahete ſich zu ihm/ und begunte ſich mitleidig zu ſtellen/ da er ſie eriñer-
te/ etwas weiter mit ihm von der Geſelſchafft zu treten/ weil er ihr vertrauen und offenbah-
ren wolte/ was vor anſehnliche Schulden er in dem Flecken hin und wieder ausſtehen haͤt-
te/ davon er ihr bißher nichts ſagen wollen. Sie wahr ihm gerne zu willen/ und ging mit
ihm in den Winkel hinter die Tuͤhr ſtehen/ da er ſie fein an die Wand draͤngete/ daß ſie ihm
nicht entweichen kunte/ und weil ihm die Haͤnde auff dem Ruͤcken gebunden wahren/ druͤc-
kete er ſie mit ſeinen Knien und dem Leibe feſt an die Wand/ fiel ſie mit den Zaͤhnen an/ uñ
biſſe ihr/ Naſen/ Ohren und beyde Lippen abe/ zureiß ihr auch die Wangen dergeſtalt/ daß
ſie keinem Menſchen aͤhnlich ſahe. Das Weib ſtraͤubete ſich zwar mit den Haͤnden und
ſchriehe jaͤmmerlich/ aber er zauete ſich ſo eilig mit ſeiner Rache/ daß ehe jemand zu ihrer
Errettung nahete/ er ſie ſchon alſo zugerichtet hatte/ daß ihn ſelbſt dauchte/ es koͤnte gnug
ſeyn; ließ auch von ihr ab/ und ſagte: Nun meine Herren/ ich wil nun gerne ſterben/ nach-
dem ich den Schimpff etlicher maſſen erſetzet und gerochen habe/ den ich von ihr einnehmẽ
muͤſſen/ hoffe auch/ dieſes ſchandloſe Weib ſey nunmehr unter ihrem Geſicht dergeſtalt zu-
gerichtet/ dz ihre ehebrecheriſche Buhler/ deren ſie nicht wenig hat/ forthin ſo haͤuffig nach
ihr nicht mehr lauffen ſollen. Das Weib lag in tieffſter Ohmacht/ biß ihre Magd ſie er-
quickete/ fand ſie aber dermaſſen zerbiſſen/ daß jederman abſcheuh daran hatte. Herkules
gab Befehl/ ſie nach dem Arzt zubringen/ und ſtraffete den Wirt mit harten Worten we-
gen des begangenen Frevels; weil aber geſchehene Dinge nicht zu endern ſtunden/ muſtẽ
ſie damit zu frieden ſeyn; dann ſie ingeſamt bekenneten/ es haͤtte das Weib mit jhrem fre-
chen Maul ihr dteſes Ungluͤk ſelbſt muhtwillig zu wege gebracht. Jungfer Libuſſa haͤtte
mit Herkules gerne alle in geredet/ und ihm der Fraͤulein lezten Willen angezeiget/ weil es
aber ſehr ſpaͤte wahr/ und jeder die Ruhe begehrete/ muſte ſie es biß auff naͤheſte beſſere Ge-
legenheit auffſchieben.


Die meiſte Zeit der Nacht brachte Herkules mit behten zu/ und rieff Gottes Barm-
herzigkeit an/ jhm die Gnade zu verleihen/ daß er das Fraͤulein aus der Raͤuber Haͤnden er-
loͤſen moͤchte/ inſonderheit/ daß Gott jhre Ehr und Zucht in ſeinen Schuz nehmen/ und ſie
vor allem unfal bewahren wolte; befahl ſich endlich ſelbſt ſeinem Erloͤſer/ und ſchlieff ruhig
L l ijein.
[268]Anderes Buch.
ein. Kurz vor Tage erſchien jhm im Schlaffe ein Geſichte/ nehmlich ein ſehr anſehnliches
ſchoͤnes Weibesbilde zeigete jhm eine koͤſtliche guͤldene Kron/ mit dieſer uͤmſchrifft: Hoc
Emolumentum Redimit Chriſtiana Virtus Labore Et Spe
Zu Teutſch: Dieſen Nutzen loͤſet die
Chriſtliche Tugend durch Arbeit und Hoffnung. In der anderen Hand fuͤhrete ſie eine Fahne/
in welcher die Wolluſt wieder die Gottesfurcht ſtreitend gemahlet wahr/ und ſtunden dieſe
Worte uͤber jhren Haͤuptern: Volentibus Adeſt Levamen Jehovæ, Siſtitq́; Coronam Aeterni-
ratis.
Das iſt: Gottes Huͤlffe ſtehet den Willigen bey/ und ſtellet jhnen die Kron der Ewigkeit zu.
Unten zu den Fuͤſſen der Gottesfurcht laſe er dieſe Teutſche Reimen:


1
LAß das Ungluͤk immer wuͤten/

Laß die Weltergrimmet ſeyn;

Gott wird Unſchuld wol behuͤten/

Was ſchafft dir dann Gluͤckes ſchein?

Wer den boͤſen wil gefallen/

Hat durchaus nicht feſten Fuß/

Er bleibt wol des Gluͤckes Ballen/

Biß er gar verderben muß.

2
Einer iſt/ der wird dich fuͤhren/

Du kennſt ſeinen Nahmen ſchon;

Deſſen Rettung wirſtu ſpuͤren/

Biß er dir den Gnaden-Lohn

Der Unſterbligkeit wird ſchenken.

Ey ſo brich durch Noht und Pein/

JESUS wird an dich gedenken/

Drum muſtu gerettet ſeyn.

An der Gottloſigkeit oder Wolluſt ſeite/ wahr dieſer Reim mit rohten (die vorigen aber mit
guͤldenen) Buchſtaben geſetzet:


Fleiſches Luſt kan Gott nicht ehren

Tuͤgend faͤlt durch Fleiſches Luſt;

Was die Straffen ſol abkehren

Komt aus einer reinen Bruſt.

Neben der Gottesfurcht ſtunden dieſe Worte:


Wann der Teufel noch ſo wuͤtet/

Wann gleich alles uns gebricht/

Und die Welt nur Ungluͤk bruͤtet/

Laͤſt doch Gott die ſeinen nicht.

Sonſt gedauchte jhn/ das trefliche Bilde haͤtte ihn etlichemahl ganz fꝛeundlich angelachet/
und dieſe Worte jhm zum drittenmahl zugeruffen/ da ſie die beyden voͤrderſten Finger jh-
rer rechten Hand aufrecht hielt:


Was du ſucheſt ſoltu finden/

Doch muſtu im Glauben feſt

Dich auff Gottes Beyſtand gruͤnden/

Der die ſeinen nicht verlaͤſt.

Als dieſes Geſichte hierauff verſchwand/ erwachete Herkules/ empfand einen ſonderlichen
Troſt uñ geiſtliche Freude in ſeinem Herzen/ und ſprach dieſes Gebeht zu Gott: O du Schoͤp-
fer und Erloͤſer des menſchlichen Geſchlechtes/ gib mir wahre Beſtaͤndigkeit/ deinem heiligen Willen
folge zu leiſten/ und die ſchnoͤde Wolluſt der uͤppigen geilen Welt zufliehen/ auff daß ich durch wahren
Glauben auff dein Verdienſt gerechtfaͤrtiget/ die himliſche Kron der Gerechtigkeit/ welche du allen
Auserwaͤhlten von Ewigkeit bereitet haſt/ aus deiner Gnaden Hand empfahen/ und durch keine Boß-
heit mich deren verluſtig machen moͤge. Er verrichtete ferner ſein gewoͤhnliches Morgen Ge-
beht/ und ſo bald die Sonne die hohen Berges-Spitzen der Finſterniß entreiß/ befahl er die
Pferde zu ſatteln/ und ſo wol die von den Raͤubern entfuͤhrete/ als ihre eigene fertig zuhal-
ten/ des gewiſſen Vorſatzes/ ſein herzgeliebtes Fraͤulein auffs fleiſſigſte zu ſuchen/ ob jhm
gleich Ketten und Bande/ ja der Tod ſelbſt druͤber zuſtoſſen ſolte. Fabius lies die Gefan-
genen feſt binden und auff Pferde ſetzen/ macheten ſich auff und nahmen den Ruͤkweg nach
dem Gehoͤlze wieder vor ſich/ da die Jungfer zwiſchen Herkules und Ladiſla reiten/ und ih-
nen erzaͤhlen muſte/ was ſich irgend zu Prag ſieder jhrem Abweſen denkwirdiges zugetra-
gen hatte/ biß Ladiſla wegen enge des Weges hinter ſich zu Fabius ritte/ und ſie Gelegen-
heit
[269]Anderes Buch.
heit hatte mit Herkules in geheim zureden/ an deſſen Finger ſie ohngeſehr den obgedachten
Ring mit den eingeſchloſſenen Haͤnden ſahe/ und zu jhm ſagete: Durchl. Fuͤrſt/ ich erinne-
re mich/ dieſen Ring mehr geſehen haben/ und nimt mich wunder woher er euer Durchl.
ſey zu teil worden. Nach dem ſie aber von jhm Bericht empfing/ was geſtalt Neklam den-
ſelben nebeſt anderen Sachen uͤberbracht haͤtte/ nam ſie daraus gute Hoffnung/ es wuͤrde
das Fꝛaͤulein dieſer Gefahr entrinnen/ und mit dem Fuͤrſten veꝛehelichet werden; fing dem-
nach an/ und ſagete zu jhm: Ich habe von geſtern Abend her Gelegenheit geſuchet/ mit euer
Gn. in geheim zu reden/ hoffe zuerſt dieſelbe werden mir gnaͤdigſt veꝛzeihen/ daß uͤmb deren
heimligkeit ich gute Wiſſenſchafft von anfang her getragen/ auch die einige Urſach geweſt
bin/ daß mein gn. Fraͤulein euer Gn. Brieff bey Wenzeſla beantwortet/ halte auch/ dafern
meinem gn. Fraͤulein ich zu Zeiten mit Troſt nicht beygeſprungen waͤhre/ ſie wuͤꝛde ſchweꝛ-
lich euer Gn. Verluſt lange uͤberlebet haben; wolle demnach mein gn. Fuͤrſt ſich vor mir
nicht verbergen; ich wegen Pflicht und Schuld/ damit meinem gn. Fraͤulein verhafftet
bin/ kan nicht unterlaſſen/ euer Gn. jhren lezten willen zu eroͤffnen/ nehmlich/ als im Gehoͤlz
ſie hat muͤſſen von mir ſcheiden/ wahr ſie mehr auf jhres allerliebſten Fuͤrſten als auff jhre
eigene Wolfahrt bedacht/ befahl mir deswegen/ alle Moͤgligkeit anzuwenden/ daß jhrer
Gn. ich jhren Verluſt/ durch alle Mittel alsbald zu wiſſen taͤhte/ und dabey andeutete/ daß
ja dieſelbe ſich jhretwegen in keinerley Gefahr einlieſſe/ ſie waͤhre dann mit ſolcher Huͤlffe
verſehẽ/ daß ſie den Raͤubern beſtand gnug ſeyn koͤnte. Herkules antwortete: es iſt mir ſehꝛ
lieb/ aͤdle Jungfer/ daß ich ſolches alles von jhr vernehme/ wil auch/ da mir das Leben uͤbrig
bleibet/ allen Fleiß anwenden/ die Dienſte/ welche ſie meinem Fraͤulein uñ mir getahn/ nach
Vermoͤgen zuverſchuldẽ; betreffend aber deren Warnung/ werde nach geſtalten Sachen
ich mich ſchicken und verhalten muͤſſen/ auch meinem Gott trauen/ er werde mir in Ungluͤk
und Gefahr beyſtehen. Ich moͤchte aber gerne ſehen/ daß ſie zu Padua verbliebe/ und von
dannen nicht wieche/ biß ſie von dem Fraͤulein oder von mir gewiſſe Zeitung haͤtte/ muͤſte
ich ihr dann in fremde Laͤnder folgen/ dahin ſie gefuͤhret wuͤrde/ wie ich doch nicht hoffen
wil/ werde ich an euch nach Padua zuſchreiben/ nicht unterlaſſen; erfahret ihr aber wo ich
bin/ und gehet etwas/ mir noͤhtig zu wiſſen/ vor/ kan ſie bey eigenem Bohten ſolches ver-
richtẽ; doch als lange ich meinem Fraͤulein nachſuche/ wird mein Name nicht Herkules/
ſondern Valikules ſeyn; ſonſten daß unſere Liebe noch zur Zeit gegen jedermaͤnnig muͤſſe
verſchwiegen gehalten werden/ wird unnoͤhtig ſeyn/ euch zuerinnern. Aber lieber ſaget miꝛ/
da ichs wiſſen darff/ was doch mein hoͤchſtgeliebetes Fraͤulein eigentlich bewogen/ dieſe
ſchleunige Reiſe auff ſich zunehmen? Ach mein Durchl. Fuͤrſt/ antwortete ſie/ wie hat mein
Gn. Fraͤulein Tag und Nacht auf Gelegenheit getichtet/ Eure Gn. zu ſehen/ und etwa nur
ein Stuͤndichen mit derſelben zu ſprachen/ umb zuerfahren/ ob dieſelbe dann ihre hochloͤb-
liche Art durch den neuen Glauben ſo gar verendert/ wie man in Teutſchland hat vorgebẽ
duͤrffen; mag demnach Eure Gn. ſich kuͤhnlich verſichern/ dz weder ihr Herr Bruder noch
deſſen Gemahl ſie von Prag nach Padua wuͤrde gelocket haben/ wann Eure Durchl. nit
daſelbſt geweſen waͤre. Ach ach mein Frl. ſagte Herkules/ das leidige Gluͤk hat uns biß da-
her dieſe Ergezligkeit nicht goͤñen wollen/ dz wir durch muͤndliche Unterredung unſere Lie-
be erneuert haͤtten; einmahl iſt es ein Schwert in meinem Herzen/ dz ein ſolches Fraͤulein
Ll iijmeinet-
[270]Anderes Buch.
meinetwegen in dieſe Angſt und Gefahr gerahten iſt; doch/ hilfft mir der allmaͤchtige Gott/
wil ich nicht ruhen/ biß ſie gerettet/ und die Bosheit geſtraffet ſey; vor dißmal wil ich euch
den Brieff in Verwahrung geben/ welchen ich in ihren allerſchoͤnſten Haaren funden/ ob
mein Fraͤulein ihn wieder fodern wuͤrde. Libuſſa nahm ihn zu ſich/ mit Erbietung/ ihn wol
auffzuheben/ ungeachtet das Fraͤulein ihn ſo offt geleſen haͤtte/ daß ſie ihn fertig herzuſagẽ
wuͤſte. Indem ſie alſo fort ritten/ erſahe Herkules etliche Reuter ſtark auff ſie anſetzen/ uñ
ward bald innen/ daß es die außgeſchikte Speher wahren/ welche Zeitung brachten/ daß ſie
zwar etliche Maͤñer mit Holzaxten im Walde hin und wieder zerſtreuet angetroffen/ wel-
che aber von keinen Raͤubern zuſagen gewuſt. Gallus zeigete ihnen an/ eben diß waͤhren
die rechten/ und moͤchte wuͤnſchen/ daß ſie entweder ihr Nachſuchen gar unterlaſſen/ oder
deren einen gefangen mit ſich gebracht haͤtten/ alsdann wuͤrde man einige Nachricht von
ihnen haben einnehmen koͤnnen/ welches nun ſchwer zugehen duͤrffte/ dafern man ihnen
nicht biß in ihre heimliche zimlich-abgelegene Schluͤpff-winkel nachſuchen wuͤrde. Her-
kules ſahe wol/ daß ihm kein Menſch als dieſer Raͤuber zu ſeinem Vorhaben koͤnte behuͤlf-
lich ſeyn/ und fragete ihn/ ob er dann ihrer abgelegenen Hoͤhlen Wiſſenſchafft haͤtte. Ja/
bekennete dieſer/ er waͤhre ihrer vornehmſten Haͤuptleute einer/ und haͤtte aller Heimlig-
keiten durchgehende Kundſchafft/ wolte es auch mit Worten dahin bringen/ daß der ge-
fangene Juͤngling neben der Jungfer ſolte loßgelaſſen werden; zwar die verſamlete Her-
ren moͤchten wol gedenken/ er redete ſolches/ ſich etwa loßzuwirken/ und hernach davon
zulauffen; aber ſeyn Vorſaz waͤhre nicht alſo beſchaffen welches ſie ihm wol trauen moͤch-
ten. Herkules nam ihn darauff abſonderlich vor und redete ihn alſo an: Hoͤre Gallus/ uñ
erinnere dich der Gnaden daß ich dich vom Kreuz loßgewirket/ an welchem du ſonſt in
groͤſſeſter Peinſterben muͤſteſt/ und betrachte/ daß du mir davor verhaffteſt ſeiſt; wiltu mir
nun traͤue und redligkeit beweiſen/ dein Leben hinfuͤro in beſſerung ſtellen/ und in meinem
Vorhaben mir nach aller moͤgligkeit beyraͤhtig ſeyn/ ſo verſpreche ich dir hinwiederumb/
bey meinen ritterlichen Ehren/ welche zu ſchaͤnden ich nicht bedacht bin/ daß ich dich her-
naͤhſt dergeſtalt beguͤtern und erheben wil/ mehr als du jemahls haͤtteſt hoffen oder dir ein-
bilden koͤnnen. Gallus antwortete mit einfaͤltigen Geberden: Gn. Herr/ der Gott der uͤ-
ber alles herſchet/ iſt mein Zeuge/ daß aus hoͤchſtdringender Noht/ und mein Leben zu ret-
ten/ ich mich in die Raͤuber Geſelſchafft begeben/ maſſen ich fuͤnff Jahr ein Roͤmiſcher
Feldwebel geweſen/ biß ich beim Trunke wegen eines Spieles/ darin mir Unrecht geſcha-
he/ meinen Faͤhndrich erſtochen/ und deßwegen außreiſſen muͤſſen; und weil ich nirgend
ſicher wahr/ habe ich mich drey Jahr in den Wildniſſen auffgehalten/ und zu Zeiten ge-
raubet/ wovon ich das Leben erhalten/ biß vor vier Jahren ich in dieſe Raͤubergeſelſchafft
gerahten bin; ich gelobe aber ihrer Gn. bey dem hoͤchſten Gott/ dz dero getreueſter Knecht
biß an meines lebens Ende ich ſeyn und bleiben wil/ nicht ſo viel wegen jeziger gar zu hoher
Zuſage/ deren ich nicht faͤhig bin/ als daß dieſelbe mich der Kreuzespein enthoben/ und miꝛ
dz Leben geſchenket/ welches durch meine Untahten ich hundertfach verwirket habe. Her-
kules ſagte zu ihm: Nun/ du beruffeſt dich auff den wahren Gott/ der wuͤrde dich auch mit
harter Straff-hand angreiffen/ wann denſelben zu taͤuſchen du geſinnet waͤhreſt/ welches
ich dir doch nicht zutraue/ ſondern nehme dein Erbieten als feſt und redlich gemeinet an/
und
[271]Anderes Buch.
und verſichere dich hinwiederumb/ daß deine kunfftige Dienſte ich dir nach getahnen ver-
ſprechen vergelten wil; kehrete ſich hiemit nach Fabius/ und begehrete von ihm/ er moͤchte
als ein von dem Roͤmiſchen Stathalter gevolmaͤchtigter/ ihm zu Liebe und Freundſchafft
dieſen ſeinen neuen Diener Gallus frey und ehrlich/ auch aller Straffe loß und ledig ſpre-
chen. Dieſer wahr hirzu willig/ lies ihm die Bande an Haͤnden uñ Armen entzwey ſchnei-
den/ und erklaͤrete ihn ehrlich/ frey/ uñ aller Anklage enthoben; woruͤber der recht buͤſſende
Menſch hoͤchſt erfreuet/ auff ſeine Knie niderfiel/ und mit traͤhnenden Augen vor beſchehe-
ne Gnade dankete; ſagete; er waͤhre nun reich und gluͤkſelig genug/ und wolte in ihren
Dienſten gerne und mit freuden ſterben. Sie ritten feiſch fort/ biß ſie endlich an die Stelle
kahmen/ da die Raͤuber ſich geteilet hatten/ woſelbſt Herkules ſeine lieben Freunde allein
zu ſich foderte/ umb zu bereden/ wie die Sachen am tuhnlichſten anzugreiffen ſeyn moͤch-
ten; aber da wahr mancherley und keine beſtaͤndige Meynung/ weil niemand etwas ge-
wiſſes hatte/ darauff er fuſſen kunte/ daher Herkules zu ihnen ſagete; Ich merke wol/ daß
mein Gallus hierin der beſte Rahtgeber ſeyn wird/ rieff ihn herzu/ und befahl ihm ſeine Ge-
danken hieruͤber frey und ungeſcheuhet zueroͤffnen. Dieſer aber baht ſehr/ ſeine Gñ. Her-
ren wolten doch nach belieben rahten/ er wolte alles nach Vermoͤgen ins Werk richten
helffen/ ob er gleich das aͤuſſerſte daruͤber außſtehen ſolte; dann wuͤrde ich einen Anſchlag
machen/ ſagte er/ und es geriete zum aͤrgeſten/ wie ich doch nicht hoffen wolte/ moͤchte ich
einiger Verraͤhterey verdacht werden. Mein Gallus/ antwortete Herkules/ wann ich dieſe
Gedanken von euch haͤtte/ wuͤrde ich euch ſo ledig und loß neben mir nicht reiten laſſen/
drumb laſſet hoͤren was euch duͤnket. Gn. Herr/ ſagte er/ ſo bitte ich untertaͤhnig/ mir zu
verzeihen/ wann irgend mein Vorſchlag nicht beliebet ſeyn koͤnte/ auſſer dem wir aber un-
ſer Vorhaben ſchwerlich erreichen werden/ dann die außſpehung eurer Reuter hat mir
die Sache ſehr verwirret/ und die Raͤuber aus der naͤhe in ihre heimliche Gewahrſam ge-
trieben; dahin/ waͤhre ich der Meynung/ mich zu begeben/ und einen getraͤuen Menſchen
eures mittels zu mir zunehmen/ welcher ſichs nicht wuͤrde muͤſſen verdrieſſen laſſen/ mit
mir durch Hecken und Puͤſche zu fuſſe zu krichen/ und ſich zu ſtellen/ als waͤhre er von mir
vor einen Raͤuber-Landsknecht geworben; ſolte man dann nach ſeinem zuſtande fragen/
koͤnte er irgend vorgeben/ er haͤtte einen Todſchlag hie oder da begangen/ daß er fluͤchtig
ſeyn muͤſte/ und ſich im verborgenen zuhalten gezwungen wuͤrde; waͤhre uns dann Gott
beyſtaͤndig/ wie ich gaͤnzlich hoffe/ daß wir den geraubeten Juͤngling antraͤffen/ ſolte er
euch Zeit/ Ort/ und Weiſe eurer Ankunfft und uͤberfals berichten/ wie ichs finden wuͤrde/
am ſicherſten und bequemeſten zu ſeyn/ im falle ich ſie in der Guͤte nicht bereden koͤnte/ die
Gefangenen neben der Beute von ſich zugeben. Sie hielten dieſen Raht alle vor gut/ lobe-
ten ſeine vernuͤnfftigen Anſchlaͤge/ und reizeten ihn mit groſſen verheiſſungen zur beſten-
digkeit. Und als man daruͤber rahtſchlagete/ wer Gallus zugegeben werden ſolte/ ſchlug
Ladiſla ſeinen Leches vor/ Fabius ſtimmete auff Klodius; Herkules aber baht/ man moͤchte
ihm die Wahl goͤnnen/ weichen er darzu wuͤrde duͤchtig erachten/ und nach bewilligung
ſtieg er vom Pferde/ ſprechend: Ich werde mich zu dieſer Abenteur ſelbſt gebrauchen laſ-
ſen/ und traue meinem Gott ungezweiffelt/ er werde mir Gluͤk und guten fortgang verley-
hen. Ladiſla und Fabius bahten ihn ſehr/ von ſolchem Vorhaben abzuſtehen/ angeſehen der
groſſen
[272]Anderes Buch.
groſſen Gefahr/ wann er erkennet wuͤrde. Gallus ſelbſt riet ihn traͤulich ab/ allermeiſt/ daß
die andern nicht in ungleiche Gedanken gerahten moͤchten/ ob ſuchete er an dieſem Her-
ren einige Verraͤhterey zu uͤben. Herkules aber fragete ihn/ ob neulich etliche von den
Raͤubern zu Padua geweſen/ und als er dz Wiederſpiel vernam/ ſagte er; ſo bringet mich
niemand als Gottes Gewalt von dieſem Vorſatze; legte ſein Harniſch abe/ ging mit Klo-
dius hinter eine Hecke und nam deſſen ledernes Kleid vor ſein Scharlaken/ ſuchte die koſt-
bahren Kleinot/ die darin vermacht wahren/ zuſammen/ und nach kurz genommener Ab-
rede/ lies er ſich als einen geworbenen Raͤuber hinleiten. Ladiſla aber kehrete mit der Ge-
ſelſchafft umb nach dem Flecken/ da das Ungluͤk ſich zugetragen hatte/ und erwartete da-
ſelbſt ſeines lieben Herkules Wiederkunfft. Derſelbe nun eilete geſchwinde fort/ damit er
ſein geliebtes Fraͤulein ſchier aus Raͤuberhaͤnden frey machen moͤchte/ ſo dz Gallus kaum
mit ihm fortkommen kunte/ welcher ihn aber baht/ er moͤchte gemachſam fahren/ es waͤhre
das Schlupffloch nicht ſo nahe/ daß mans mit einem lauffe erreichen wuͤrde/ hielte auch
vor ſicherer/ ſpaͤte als fruͤh bey ihnen anzulangen/ dann ſie wuͤrden ohn zweiffel ſehr ver-
ſchuͤchtert ſeyn/ und wegen ſeiner unvermuhtlichen Ankunfft ſich nicht ein geringes ver-
wundern/ welches er ihnen doch bald benehmen wolte. Herkules lies ſich weiſen/ befahl
ſich Gott ſeinem Erloͤſer in groſſer Andacht/ und lies Gallus vorhingehen/ weil er ſeiner
Traͤue noch nicht aller dinge verſichert wahr/ ob er ihm gleich zimlichen Glauben zuſtellete.
Sie kahmen an eine Bach/ bey welcher ein dickes Geſlꝛaͤuche ſtund/ in welches Gallus ohn
Verzug hinein kroch/ und bey einer Viertelſtunde darinnen verzog/ daß Herkules nicht
wuſte/ ob er verrahten oder verlaſſen wahr; als er nun wieder hervor kam/ hatte er ſein An-
geſicht dermaſſen unkaͤntlich gemacht/ daß Herkules anfangs meynete/ es waͤhre ein ander.
Gallus merkete ſolches/ und ſagte zu ihm: Gnaͤdiger Herr/ Eure Gn. kennen mich zweif-
fels ohn wegen dieſer Verſtellung nicht mehr. Die Kleider/ antwortete er/ ſind mir neben
der Rede nicht unbekant/ aber ſeyd jhr der vorige Gallus/ ſo werdet ihr etwa euren Kopff
in dieſem Puſche vertauſchet haben. Dieſes ſagte er nicht ohn urſach/ dann er wahr ganz
anders geſtalt als vorhin; Sein Haar und Bart wahren ſonſt gelbroͤhtlich/ das Angeſicht
weißroht und wolgebildet; jezt aber wahr ſein ganzes Haar ſchwarzbraun/ und ſein Ge-
ſicht als waͤhre es von der Sonnen ſchwarzgelb gebrant. Gallus lachete der Rede/ und
ſagte zu ihm: Gnaͤdiger Herr/ eben dieſe Kunſt ſol ob Gott wil Eure Gn. eben ſo unkaͤnt-
lich als mich ſelbſt machen/ und wann mir dieſes Mittel nicht bewuſt waͤhre/ haͤtte Eure
Gn. ich nimmermehr mit mir genommen/ maſſen euer Angeſicht der gewiſſe Verraͤhter
ſeyn/ und des Juͤnglings Bruder kund machen wuͤrde. Bey leibe/ ſagte Herkules/ laſſet
dieſe hohe Ehren Nahmen/ mich Eure Gn. zu heiſſen/ unterwegen/ und nennet mich bey
meinem Nahmen ſchlecht hin/ und ob euch derſelbe unwiſſend iſt/ ſo heiſſe ich Valikules.
Unterdeſſen/ als er dieſes redete/ greiff er ihm nach dem Haͤupte und Angeſicht/ dann er
meynete gaͤnzlich/ er haͤtte eine Haarhaube und falſches Geſicht angeleget/ nachdem er aber
die bloſſe Haut fuͤhlete/ entſetzete er ſich in etwas/ und hielt es vor eine Zaͤuberey; welches
Gallus merkend/ ein Wandlaͤplein nahm/ und damit ſein Angeſicht rieb/ wie auch Haar
und Bart/ da ward alles wie vorhin/ daß auch nicht das geringſte Fleklein uͤbrig blieb; ſage-
te darauff: Mein hochgeehrter Herr/ hier offenbare ich ihm die erſte Heimligkeit der Raͤu-
ber/
[273]Anderes Buch.
ber/ welche nur unſer dreyen wiſſend iſt; nam ein Buͤchslein mit graugelblichem Staube
gefuͤllet/ ſchuͤttete es in ein Gefaͤß/ und deſſen gar wenig/ ruͤhrete es mit Waſſer uͤmb/ netze-
te jhm damit ſein Geſichte/ Haar und Haͤnde/ und lies es an der Sonnen trocken werden/
da bekam er angeſichts die ſchwaͤrzlichte Farbe/ und weil er einen alten Spiegel mit aus
der Hoͤhle gebracht hatte/ hielt er ihm denſelben vor/ und ſagte: Wann meines Herrn ſei-
ne Geſellen jhn jetzo ſehen ſolten/ wuͤrden ſie ihn ſchwerlich kennen. Herkules beſahe ſich
ſelbſt mit Verwunderung/ und wahr ihm zu dieſer Verſtellung ſehr liebe/ begehrete auch
an Gallus/ wo des Kunſt-Staubes mehr verhanden waͤhre/ moͤchte er einen guten Anten
zu ſich nehmen/ ob ſie dieſes Weges nicht wieder gehen wuͤrden/ dann er wolte deſſen her-
naͤhſt zu ſeiner Luſt gebrauchen. Aber/ ſagte er/ laͤſſet ſichs nicht mit Waſſer oder Lauge ab-
waſchen? Nein/ antwortete er/ je mehr mans waͤſchet/ je mehr es faͤrbet/ aber ſonſt verleu-
ret ſichs innerhalb zwoͤlff Wochen allgemach/ kan doch/ wie mein Herr geſehẽ/ mit einem
geringen Laͤplein/ welches mit einem gemeinen Dinge beſtrichen wird/ und man deſſen al-
lenthalben habhafft ſeyn kan/ leicht abgerieben werden/ ſo daß die Haut klaͤrer wird dann
vorhin. Kroch darauff zum andern mahl in das Gepuͤſche/ nam des Kunſt-Staubes einẽ
zimlichen ledern Beutel voll zu ſich/ brachte auch Brod uñ Kaͤſe zum Fruͤhſtuͤcke mit/ wel-
ches ſie aſſen/ und einen Trunk aus der klaren Bach darzu tahten. Nach gehaltenem kurzẽ
Inbiß begab er ſich abermal ins Geſtraͤuche/ und hohlete zween unanſehnliche zimlich lan-
ge Springſtecken hervor/ deren einen er Herkules mit dieſen Worten reichete: Sehet da
mein Herr/ dieſes wird ihm hinfuͤro eine zeitlang an ſtat des Schwerts vor ein Gewehr
dienen muͤſſen/ wollen derweile ſein Schwert in dieſem Puſche wol verwahren/ hilfft uns
dann Gott wieder zuruͤk/ wie ich hoffe/ ſol mein Herr daſſelbe unverſehret wieder nehmen.
Herkules wahr nicht bedacht das Schwert von ſich zu legen/ und ſagete: Ich folgete euch
zwar gerne/ aber womit wehren wir uns/ wann wir irgend Anfechtung haben ſolten/ nam
gleichwol den angebohtenen Stab zu ſich/ und dauchte ihn derſelbe viel ſchwerer ſeyn/ als
deſſen groͤſſe mit ſich brachte. Gallus ſagte zu ihm: Dieſe Staͤbe werdẽ uns ſchon Schweꝛt
und Spieß verſchaffen; zohe unten am Stabe ein kleines Haͤklein loß/ da ſprang ein vier-
ecketes ſpitziges Eiſen einer Ellenlang hervor/ welches einer Hellebarten nicht ungleich
ſahe. Mein Gott/ ſagete Herkules/ gehet doch die Bosheit heimlich zu ſchaden/ mit mehreꝛ
Verſchlagenheit umb/ als auffrichtige Gegenwehr Klugheit anwenden mag. Ja mein
Herr/ ſagte Gallus/ diß iſt das erſte Gewehr/ da man ſich frey wenden kan/ ſolte dieſes aber
unnuͤzlich zugebrauchen ſeyn/ dann werffe ich den ganzen Stab hinweg/ und behalte nur dẽ
oberſten Handgriff. Indem er dieſes ſagete/ zohe er ein trefliches Schwert heraus/ hatte
eine runde Plate bey ſich/ die er mit aus dem Puſche gebracht/ ſteckete ſie anſtat eines Ge-
faͤſſes daran/ daß die Hand dahinter ſicher und beſchirmet wahr/ und reichete Herkules ei-
ne gleichmaͤſſige. Der beſahe nun ſeinen Stab eigentlich/ fand ihn auff gleiche Art zuge-
richtet/ und legte das Schwert willig ab; Sie gingẽ miteinander die Raͤuber-Bahn fort/
da ſie offt durch verwachſene Hecken kriechen muſten/ welche Zeit uͤber Herkules ohn unteꝛ-
laß mit ſeinem Gott redete/ und mit vielen Seuffzen baht/ ihm die Gnade zu verleihen/ dz
er ſein geliebtes Fraͤulein zum Chriſtlichen Glauben bringen moͤchte. Gallus ſahe ihm un-
vermerket fleiſſig zu/ und ſpuͤrete/ daß er in ſeiner Andacht den Nahmen Jeſus offters nen-
M mnete/
[274]Anderes Buch.
nete/ woraus er erkennete/ daß er ein Chriſt wahr/ ſeuffzete daher inniglich und ſagete: O
mein Herr/ es ſtoſſet mir gleich jezo meine allergroͤbeſte Suͤnde ans Herz/ die ich ehmal be-
gangen/ und fuͤrchte ſehr/ ſie werde mir nimmermehr vergeben werden. Herkules antwor-
tete: iſt ſie euch von Herzen leid/ ſo bittet den wahren Gott um Verzeihung/ und huͤtet euch
hinfuͤro vor dergleichen. Wie gerne taͤhte ich ſolches/ ſagte er/ wañ ich nur wuͤſte/ wie ichs
anfahen ſolte. Dafern ihr nicht beſchweret ſeyd/ mir die Suͤnde wiſſen zu laſſen/ ſagte
Herkules/ wil ich euch meinen getraͤuen Raht gerne mitteilen. Ach mein Herꝛ/ antwortete
er/ ich bin in der Jugend von meinen Eltern fleiſſig zur Schuel gehalten/ und habe einen
frommen Lehrmeiſter gehabt/ der mich traͤulich in der Gottesfurcht unterwieſe/ unter an-
dern mich einen Gott anbehten lehrete/ welcher JEſus Chriſtus heiſſet/ und vor der Welt
Suͤnde im Judiſchen Lande ſol geſtorben ſeyn; in dem Glauben blieb ich etliche Zeit/ biß
Kaͤyſer Septimius Severus vor XXIV Jahren die grauſame Verfolgung wider die
Chriſten anſtellete/ und alles was dieſen Glauben bekennete/ peinigen und toͤdten ließ: Ich
wahr dazumahl von ungefehr XIV Jahren/ und verrieten mich meine geweſene Mitſchuͤ-
ler/ daß ich ein Chriſt waͤhre/ ward deßwegen hingefuͤhret/ entweder lebendig verbrennet zu
werden/ oder den heydniſchen Goͤttern zu opffern/ und den Chriſten Gott zu verleugnen.
Zwar eines gelindern Todes waͤhre ich umb des Chriſtlichen Glaubens willen gerne ge-
ſtorben/ aber vor des Feuers Hitze erſchrak ich ſo hefftig/ daß ich mich durch Fleiſch und
Blut verfuͤhren ließ/ den HErrn JEſus verleugnete/ nnd dem heydniſchen Gott Juxiter
Weyrauch auff die Kohlen ſchuͤttete. Dieſes halte ich vor die einzige Urſach alles meines
Ungluͤks/ und peniget mein erſchrockenes Gewiſſen ſo hefftig/ daß ichs keinem Menſchen
klagen kan. O wolte Gott/ ich haͤtte meines Heylandes Gnade wieder/ welchen ich boͤßlich
verleugnet habe/ wie gerne wolte ich mich zehn und mehr mahl verbrennen laſſen. Dieſes/
mein Herr/ habe zu offenbahren ich nicht umhin koͤñen/ weil aus feiner Andacht ich geſpuͤ-
ret/ daß er ein Chriſt ſeyn muß/ dann wir elende Heyden haben ein ſolches Vertrauen nicht
zu Gott/ daß wir in Noͤhten uns ſolcher geſtalt begreiffen/ und mit GOttes Barmhertzig-
keit uns troͤſten koͤnten. Herkules ſahe ihn freundlich an/ und ſagte zu ihm: Mein Gallus/
iſt dieſe Buſſe euch ein rechter Ernſt/ und gedenket ihr euch wieder zu dem Heylande der
ſuͤndlichen Welt zubekehren/ ſo danket vor erſt Gott/ daß ihr anfangs in meine Hafft/ her-
nach in meine Geſellſchafft kommen ſeyd/ dann ich bin ein Chriſt/ und gehe gleich jetzo in
meiner Andacht/ welche ich zu dieſem meinem Heylande gerichtet. Ich habe ſolches da-
bey vermerket/ ſagte Gallus/ daß mein Herꝛ den ſuͤſſen Nahmen JEſus ſo offt nennete/ vor
welchen ich mich bißher ungleich mehr/ als vor alle Waffen gefuͤrchtet habe; dann mein
Herz weiß und muß geſtehen/ daß er der warhafftige Gottes Sohn iſt; Was mir nun
daſſelbe vor eine Seelen-Angſt gebieret/ ſo offt ich drangedenke/ iſt der Zunge unmoͤglich
auszuſprechen. Ja mein Gallus/ ſagte er/ ihr habt in Warheit eine erſchrekliche Suͤnde
begangen/ nicht allein/ in dem ihr euren Heyland verleugnet/ welcher euch zu gute Menſch
worden/ und umb eurer Seligkeit willen ſein heiliges unſchuldiges Blut am Stamme des
Kreuzes vergoſſen hat/ und ihr habt euch geſcheuhet/ umb ſeines Nahmens willen das eu-
re wieder zuvergieſſen/ oder im Feur verzehren zu laſſen; Dieſes/ ſage ich/ iſt nicht allein ei-
ne uͤberaus ſchwere Suͤnde/ ſondern daß ihr uͤberdas noch eine ſo geraume Zeit/ XXIV
Jahr
[275]Anderes Buch.
Jahr lang in ſolcher Gottloſigkeit verblieben/ und euch nicht wieder durch herzliche Reu
angemeldet/ und zur Chriſtlichen Kirchen begeben habt; trauet mir/ daß alle eure Boß-
heit/ die ihr mit Stehlen/ Rauben/ Morden oder ſonſten begangen/ gegen dieſe
Suͤnde nicht eins zurechnen ſey/ dann jenes beleidiget eigentlich die Menſchen/ dieſes
aber iſt ſchnuhrgerade wieder GOtt im Himmel ſelbſt gerichtet. Jedoch; iſt es euch
von Herzen leid/ und habt jhr den ſteifen Vorſaz/ dieſe Suͤnde der Verleugnung nimmer-
mehr wieder zu begehen/ ſondern bey eurem Heylande in Schande und Ehre/ in Gluͤk uñ
Wiederwaͤrtigkeit feſt zu halten/ ſo das weder Feur noch Schwert/ Waſſer noch Strik/
Angſt noch Pein euch davon ſcheiden ſol; daneben auch aller Boßheit/ ſo viel menſch-uñ
moͤglich/ euch hinfuͤro zuenthalten/ und mit wahrem Glauben dem Sohn Gottes anzu-
hangen/ auch ein Chriſtliches Gottſeliges Leben zu fuͤhren geſonnen ſeyd/ ſo verſpreche ich
euch/ daß Chriſtus ſolche und alle andere Suͤnde/ keine ausgenommen/ euch gnaͤdig verzi-
hen/ und in die tieffe des Meers verſenket hat. O wolte Gott/ ſagte Gallus/ daß ich dieſes
glaͤuben/ und in mein Herz faſſen koͤnte/ wie gerne wolte ich mich ſelber bey den Richtern
vor einen Chriſten angeben/ und zu aller zeitlichen Pein und Straffe meinen Leib froͤlich
darbieten. Dieſes muͤſſet jhr glaͤuben ſagte Heꝛkules/ und was haͤlt euch abe/ daß jhrs nicht
in euer Herz bringen koͤnnet? Gallus antwortete: O der ſchwere Stein meiner Suͤnden/
welcher mich hinunter biß in die unterſte Helle druͤcket! Eure Suͤnde? ſagte Herkules/
wiſſet jhr nicht/ das Jeſus in die Welt kommen iſt/ nicht uͤm der Frommen oder Gerech-
ten/ ſondern uͤmb der Suͤnder willen? Spricht er nicht ſelber/ er ſey kommen/ zu ſuchen
was verlohren wahr? Ja/ laͤſſet er nicht uͤmb eines einzigen verlohrnen Schaffes willen
die ganze Herde in der Wuͤſten/ und gehet dieſem nach/ biß ers finde/ leget es hernach auff
ſeine Achſeln mit Freudẽ/ und traͤget es wieder hin in ſeinen Schaffſtal/ da es das Leben uñ
volle Gnuͤge habẽ muß? Was ſaget jhr mir dañ von euren Suͤnden? Solte die den Gna-
denbrun der Barmherzigkeit Gottes wol ausgetroknet haben? Laſſet jhr nur abe vom boͤ-
ſen/ bereuet eure uͤbertretung/ euꝛe verleugnung und uͤbeltahten/ und kehret euch wieder hin
zu dem/ welchen jhr aus Fleiſches Schwacheit/ nicht aus frevelmuͤhtiger Boßheit veꝛleug-
net habet; Wann dann eure Suͤnde gleich Blutroht ſind/ ſollen ſie doch Schneweis wer-
den/ wann ſie ſind wie Roſinfarbe/ ſollen ſie wie die weiſſe Wolle werden. Dieſes ſpricht
Gott ſelber/ der Mund der unſtraͤflichen Warheit/ der nicht liegen kan/ und unmoͤglich iſt/
daß er liegen ſolte. Hoͤret hoͤret/ wie Chriſtus Jeſus euch und eures gleichen ruffet: Kom-
met her zu mir alle die jhr muͤhſelig uñ beladen ſeyd/ ich wil/ nicht allein ich kan/ ſondern ich
wil/ ich wil euch erquicken. Zweifelt jhr ferner/ ob der Sohn Gottes eine ſolche Suͤnde/ ei-
ne ſolche Verleugnung euch vergeben wolle? Sehet an die den HErꝛn ſelbſtgekreuziget
haben/ wie hart ſuͤndigeten die? Noch dannoch vergab eꝛ jhnen nicht allein gerne und wil-
lig/ noch ehe ſie jhn darumb erſucheten/ ſondern er baht auch vor ſie zu Gott ſeinem himli-
ſchen Vater. Und deucht euch auch dieſes noch nicht gnug? Ey ſo nehmet vor euch den
Apoſtel und Juͤnger des HErꝛn den Petrus: wahr derſelbe nicht etliche Jahr mit dem
HErꝛn uͤmher gereiſet? Hatte er nicht ſeine Zeichen und Wunder geſehen? Ja hatte er
nicht bekennet/ du biſt Chriſt der Sohn des lebendigen Gottes? Vermaß er endlich ſich
nicht gar/ mit jhm in Gefaͤngnis und in den Tod zu gehen? Gallus ſagete: Mein Herꝛ/ ich
M m ijerinne-
[276]Anderes Buch.
erinnere mich ſehr wol/ dieſes alles in meiner Jugend gehoͤret zu haben. Je wiſſet jhr dañ
nicht/ fuhr Herkules fort/ daß eben dieſer Petrus ſeinen HErꝛn und Meiſter verleugnete?
Nicht aus furcht vor dem Feur/ wie jhr getahn/ ſondern da er durch einer armen Magd
ſtimme vom Feur/ dabey er ſich waͤrmete/ hinweg getrieben/ und nur bloß gefraget ward/
ob er deren einer waͤhre/ die dem JEſus von Nazareth zu folgen pflegeten; ſehet was vor
ein Fall wahr dieſer. Nicht deſto weniger nam jhn der HErꝛ ſtuͤndlich wieder zu Gnaden
an/ da er ſeine Suͤnde herzlich beweinete; ja noch ehe dann er ſie beweinete. O du grund-
guͤtiger Gott/ ſagte hierauff Gallus/ ſo biß doch auch mir armen Suͤnder/ mir boßhaftigen
Verleugner/ mir Raͤuber und Moͤrder/ gnaͤdig und barmherzig/ und laß meine Beichte
und Buſſe dir zu herzen gehen/ wie du des Moͤrdeꝛs ſeine/ welcheꝛ mit dir gekreuziget waꝛd/
dir zu herzen gehen lieſſeſt; fing damit an ſo bitterlich zu weinen/ daß Herkules ein groſſes
Mitleiden mit jhm trug/ und zu jhm ſagete: Seyd verſichert/ mein Gallus/ daß JEſus der
Sohn Gottes dieſe eure Traͤhnen durch den heiligen Geiſt in euch wirket/ uñ trauet Ihm
nur gewiß/ daß Er euch alle eure Suͤnde aus Gnaden verzihen uñ vergeben hat/ laut Sei-
ner teuren Verheiſſung/ Er wolle deren keinen hinaus ſtoſſen/ die durch wahre Reu und
Buſſe in wahrem Glauben zu Ihm kommen. O ja mein Herꝛ/ antwortete er/ mein Herz
empfindet ſchon die Gegenwart der Barmherzigkeit Gottes/ daher mir eine ſolche Freu-
digkeit entſtehet/ als ob ich von neuen gebohren waͤhre/ und in der allergroͤſten Himmels-
Freude ſchon ſaͤſſe. Dieſes/ ſagte Herkules/ iſt eben das Zeugnis/ daß wir Gottes Kinder
ſind/ wann unſer Geiſt durch den Geiſt Gottes alſo auffgerichtet/ und aus dem Sumpfe
der Verzweifelung hervorgeriſſen wird/ dann ein jeder der wirklich in den Bund Gottes
auffgenommen iſt/ uñ in wahrem Glauben ſeinem Eꝛloͤſer anhanget/ deſſen Herz kan duꝛch-
aus/ auch in der allergroͤſſeſten Wiederwertigkeit/ der geiſtlichen Freude nicht beraubet
werden/ maſſen alles was die Weltweiſen oder Irdiſch-Gelehrten von dem hoͤchſten Gu-
te ſchꝛeiben/ und deſſen doch das alleꝛgeringſte nicht genieſſen/ daß findet ſich alles bey eines
Chriſten Seele/ die in Gott geſtaͤrket iſt/ welches aber nicht aus unſer Krafft und Erwer-
bung/ ſondern einzig und allein aus dem Gnadenſchaz Gottes herruͤhret. O das muß ein
uͤberaus gnaͤdiger Gott ſeyn/ ſagete Gallus/ der die groben mutwilligen Suͤnder uͤmſonſt
wieder zu Gnaden annimt; ja antwortete Herkules/ wann es an unſer ſeite nicht uͤmſonſt
geſchaͤhe/ ſo geſchaͤhe es nimmermehr; geſtaltſam nichts duͤchtiges an uns iſt/ welches
Gottes Guͤte erwerben koͤnte; daher meldet auch die Heilige Schrifft/ der Sohn Gottes
ſey vor uns geſtorben/ da wir noch Suͤnder/ ja da wir noch ſeine Feinde wahren/ anzudeu-
ten/ daß das Werk unſer Begnadigung ohn alles unſer Zutuhn geſchehen ſey. Gallus ſage-
te; mein Herꝛ/ ich habe mich nach meiner Verleugnung allemahl vor Gottes geſtraͤngem
Recht gefuͤrchtet/ und nicht gewuſt/ daß ſeine Barmherzigkeit demſelben begegnen und ſel-
biges ſtillẽ koͤnte. Billich fuͤꝛchtet ſich ein Menſch vor Gottes Geꝛechtigkeit/ ſagete Herku-
les/ als oft er ſeine unwirdigkeit betꝛachtet; aber daß jhꝛ euch daꝛein recht zuſchicken wiſſet/
ſo nehmet dieſen kurzen Bericht ein/ der euch nun in einer kindlichen Furcht ſtaͤrken/ uñ die
knechtiſche ſchuͤchternheit abnehmẽ wird; es iſt freylich Gott der HErꝛ beydes eingerechteꝛ
und zugleich ein barmherziger Gott/ bleibet auch in alle Ewigkeit ſo wol gerecht als barm-
herzig; Und weil wir Menſchẽ alle miteinander die Gerechtigkeit Gottes mit unſern Suͤn-
den
[277]Anderes Buch.
den hoch beleidiget und zu Zorn gereizet hatten/ muſte trauen derſelben Gerechtigkeit Got-
tes ein genuͤgen/ und zwar ein voͤlliges Genuͤgen geſchehen/ ſonſten waͤhre Gott nicht ge-
recht; als aber in keines Menſchen Vermoͤgen wahr/ dieſe Gerechtigkeit durch ſeine
Werke zubeguͤtigen/ und dannoch die barmherzigkeit Gottes aller Menſchen Verdamnis
nicht zugeben kunte/ da erweckete dieſe Barmherzigkeit den ewigen Sohn Gottes/ die an-
dere Perſon des einigen ewigen goͤttlichen Weſens/ daß dieſelbe ſich freywillig erboht/ der
Gerechtigkeit gnuͤge zuleiſten/ und zwar in unſerm menſchlichen Fleiſche/ als welches dem
Zorn unterworffen wahr; ſolches zuerfuͤllen/ nam dieſer ewige Sohn Gottes vor 227
Jahren (nach der wahren Rechnung) unſern menſchlichen Leib und Seele in dem Leibe
der keuſchen Jungfrauen Marien an ſich/ lag/ wie andere Menſchen/ XL Wochen unter
dem gereinigten Herzen ſeiner lieben Mutter/ lies ſich hernach von derſelben als einan-
der Menſch in armſeliger kindlicher Geſtalt an dieſe Welt gebehren/ ſich mit ſeiner Mut-
ter Bruͤſten ſpeiſen/ mit Eſſen und Trank aufferzihen/ unterwarff ſich allen menſchlichen
Gebrechligkeiten/ auſſer der Suͤnde/ lebete allerdinge heilig und nach allen Gebohten Got-
tes unſtraͤfflich/ wie es die Gerechtigkeit Gottes ſchnurgleich und nach der hoͤchſten ſtraͤn-
ge erfodeꝛt/ uñ alser das maͤnnliche Alter erlanget hatte/ trat er in ſein Meſſias- oder Erloͤ-
ſungs Amt/ lehrete und predigte/ verrichtete allerhand goͤttliche Wunder/ in dem er die
Blinden ſehen/ die Tauben hoͤren/ die Lahmen gehen/ die Auſſaͤtzigen rein/ die Kranken ge-
ſund/ ja die Todten lebendig machte/ biß die Zeit kam/ daß er vor unſere Ubertretung ley-
den uñ ſterben muſte/ da lies er ſich von ſeinem eigenen Volke den Juden/ fahen/ verſpeyen/
hoͤhnen/ geiſſeln/ kreuzigen uñ toͤdten. Sehet nun Gallus/ alles was der ewige Sohn Got-
tes in ſeinem angenommenen Fleiſche gutes taht und boͤſes litte/ daß geſchahe einzig und
allein zu dem Ende/ daß er der Gerechtigkeit Gottes ein Genuͤgen tuhn moͤchte/ damit die-
ſelbe geſtillet/ der Barmherzigkeit hinfuͤro uͤber uns die Herſchafft und freie Huͤlffe goͤn-
nete. Weil dann nun unſer Heyland an unſer Stelle Gottes Gerechtigkeit erfuͤllet/ und
uns bey derſelben außgeſoͤhnet hat/ koͤnnen und duͤrffen wir getroſt und freydig vor ſeinen
Gnadenſtuel treten/ und auff Chriſtus Gnugtuhung uns verlaſſend/ ja dieſelbe Gott dem
Vater vorſtellend/ umb vergebung aller unſer Suͤnde kuͤhnlich und in feſter Zuverſicht
anhalten/ dann ſo wil er/ in anſehung dieſes voͤlligen Gehorſams uns ſeine Barmherzig-
keit und daß ewige Leben nicht verſagen. Ja er ruffet uns ſelber zu ſich/ wir ſollen durch
wahre Buſſe uns zu ihm bekehren/ dann wolle er ſich unſer erbarmen/ wie grob wirs auch
mit unſern Suͤnden gemacht haben. Gedenket deßwegen ja nicht/ als fodere Gott etwa
einige Gnugtuhung von euch; Nein/ nichts mehr als ein williges Herz/ daß wir der Wir-
kung Gottes des Heiligen Geiſtes nicht wiederſtreben/ ſondern uns von ihm zihen und
lenken laſſen/ und unſere Gerechtigkeit auff Jeſus den Sohn Gottes bauen. Daher lehret
uns Paulus/ daß derſelbe ſchon vor Gott gerecht ſey/ der an den Sohn Gottes glaͤubet;
ein ſolcher habe ſchon das ewige Leben/ nemlich in der Hoffnung/ zur unfehlbahren kuͤnff-
tigen Erteilung/ ſpricht unſer Heyland ſelber/ und er wolle ihm am juͤngſten Tage zu deſſel-
ben volkommener Nieſſung aufferwecken/ dafern er ſonſt ſeinem Willen/ weil er alhie auff
Erden wallet/ folge leiſtet/ den Kampff wieder den Teuffel/ die Welt/ und ſein eigen
Fleiſch und Blut antrit und außfuͤhret/ ſo daß er nach der heiligen Lehre in guten
M m iijWer-
[278]Anderes Buch.
Werken der Chriſtlichen Liebe ſich fleiſſig uͤbet. In dieſem Vorſatze muͤſſet ihr nun fort-
hin beſtaͤndig verbleiben/ alsdann werdet ihr erfahren/ wiegnaͤdig ſich Gott wird finden
laſſen; und ob wegen begangener Suͤnde er euch etwa hier zeitlich mit dem lieben Kreuz
heimſuchen/ daß iſt/ mit ſeiner vaͤterlichen Zuchtruhte ſtaͤupen wuͤꝛde/ daß ihr in Krankheit/
Gefaͤngnis/ Armut/ ja in den zeitlichen Tod ſelbſt gerahten ſoltet/ wird euer Herz doch
immer freudig bleiben/ und alle Pein und Angſt dieſes Lebens verachten. So komt nun
her/ ſetzet euch mit mir auff die Knie/ und ſprechet mit herzlicher Andacht mir folgen des
Gebeht nach. Gallus wahr darzu willig/ fiel auff die Erde ganz nider/ lehnete ſich auff die
Arme/ und mit gefaltenen Haͤnden und heiſſen Traͤhnen ſagte er ihm dieſes Gebeht nach:
O du barmherziger HErr JEſus Chriſt/ du Liebhaber der Menſchen/ du Erloͤſer der Suͤnder/ du Be-
kehrer der Unbußfertigen/ du Heyland aller Welt; ich bitte dich durch deine heilſame Menſchwerdung
und Geburt/ durch dein Leyden/ Kreuz und Tod/ ja durch deine ſiegreiche Aufferſtehung und Himmel-
fahrt/ du wolleſt mich armen elenden Suͤnder mit den Augen deiner grundloſen Barmherzigkeit an-
ſehen/ wie du angeſehen haſt die bußfertige groſſe Suͤnderin/ den Verleugner Petrus/ den Raͤuber uñ
Moͤrder am Kreuz. HErr mein Gott/ ich bin nicht wert/ daß ich vor dir erſcheine/ noch meine Augen
und Stimme zu dir erhebe/ weil ich dich meinen Heyland mutwillig verleugnet/ auch nachgehends in
ſolcher Verleugnung viel Jahr ohn Wiederkehrung zugebracht/ da ich unterdeſſen durch des boͤſen
Feindes Verleitung und meines eigenen Willens Getrieb/ mein ganzes Leben in allerhand Suͤnden
und groben Laſtern zugebracht habe. Dannoch aber/ weil du grundguͤtiger HErr allen Suͤndern ohn
Unterſcheid zur Buſſe ruffeſt/ und ihnen Vergebung umbſonſt/ und himliſche Freude ohn Entgeltniß
anbeuteſt/ O HErr/ ſo halte ich dir dein Wort vor/ ich erinnere dich HErr deiner Einladung; komme
in ſolcher Zuverſicht zu dir/ erkenne und bekenne meine Suͤnde/ und kehre mich zu deiner troͤſtlichen
Gnade und Barmherzigkeit. O Gott Vater/ und HErr meines Lebens/ biß mir armen elenden Suͤn-
der gnaͤdig und barmherzig umb deines lieben Sohns JEſus Chriſt willen/ ach heilige und reinige
mich mit deinem Heiligen Geiſte in meinem ganzen Leben/ mache aus mir ein heilſam und nuͤzliches
Werkzeug zu Lobe deinem Nahmen/ und zu meiner Seelen Seligkeit erhalte mich zum ewigen Leben;
Dann ſihe O Gott mein Heil/ ich komme ja zu dir/ nicht auff meine Gerechtigkeit/ welche auch nichts
als Unflaht iſt/ ſondern auff deine grundloſe Barmherz[i]gkeit mich verlaſſend/ deß wegen handele doch
mit mir nicht nach meiner Sünden/ und vergilt mir nicht nach meiner Miſſetaht/ ſondern wie ſich ein
Vater erbarmet uͤber ſeine Kinder/ ſo erbarme dich HErr uͤber mich/ auff daß ich deiner Gnade teil-
hafftig werde/ und ſo wol hier zeitlich als dort ewig dich davor loben/ ruͤhmen und preiſen moͤge/ Amẽ.


Nach endigung dieſes Gebehts/ ſprachen ſie den Algemeinen Chriſtlichen Glauben
und das heilige Vater Unſer/ ſtunden hernach von der Erden wieder auff/ und ruͤhmete
Gallus mit freudigem Angeſicht/ wie er ſo einen kraͤfftigen Troſt in ſeiner Seele empfuͤn-
de/ und Gottes Barn herzigkeit eigentlich ſpuͤrete. Herkules antwortete/ es iſt mir ſehr
lieb/ daß ihr durch meine Anleitung/ die Gott gewirker hat/ wiederumb ein wahres Glied-
maß der algemeinen Chriſtlichen Kirchen worden ſeid; aber bittet Gott/ daß durch ſei-
nen guten Geiſt er euch in dieſem wolangefangenen Werke ſtaͤrke und erhalte; und ſehet
zu/ laſſet euch durch Fleiſch und Blut ja nicht verfuͤhren/ daß ihrs wieder anfangen woltet/
wo ihrs gelaſſen habt. Unterrichtete ihn hernach weiter in den Haͤuptſtuͤcken des Chriſt-
lichen Glaubens/ deren er ſich alle wieder erinnern kunte/ wie er ohn daß einen ſcharffen
Verſtand uñ gutes Gedaͤchtnis hatte. Schlißlich ermahnete er ihn/ er ſolte bey des Glau-
bens Einfalt bleiben/ und durch die vorwitzig-Gelehrten ſich nicht irre machen laſſen/ in-
ſonder-
[279]Anderes Buch.
ſonderheit muͤſte er der Ketzer Gift meiden/ welchen der leidige Teuffel in Simon dem
Zaͤuberer außgehecket/ und der Chriſtlichen Kirchen zu groſſem Schaden erwecket; als da
waͤhren/ die des Menander/ Zerinthus/ Ebions/ Baſilides/ Karpokrates/ Zerdon/ Marzi-
on/ Tazianus/ Montanus und dergleichen ungereimten Schwarm in der Kirchen Gottes
außzubreiten ſich bemuͤheten. Gallus gelobete traͤulich an/ dieſem allen nach vermoͤgen
nachzuſetzen; und da es meinem Herrn geliebet/ ſagte er/ werden wir etwas ſtiller gehen/
maſſen wir unſern muͤhſeligen Wegſchier zum Ende bracht/ und bald daſelbſt anlangen
werden/ wo die gottloſe Geſelſchafft ihre verborgene Hoͤhle hat. Wie gar vergeblich aber
aller eurer Reuter Nachſuchung wuͤrde geweſen ſeyn/ hat mein Herr gnug abzunehmen/
weil unmoͤglich iſt/ daß ein unbewanderter dieſen Weg finden/ vielweniger zu Pferde hin-
durch kommen ſolte. Herkules erkennete ſolches wol/ und ging in aller ſtille mit ihm fort/
biß ſie unter einen groſſen Baum kahmen/ zwiſchen deſſen dicken Aeſten Gallus hinauff in
die hoͤhe ſahe/ und als er niemand darauff ſitzen fand/ nam ihnſolches wunder/ und ſagte:
Mein Herr/ es gehet alhie nicht recht zu/ ſonſt ſaͤſſe eine Schildwache auff dieſem Baume.
Valikules (alſo werden wir Herkules eine Zeitlang nennen) fragete/ obs dann ein boͤſes
oder gutes Zeichen waͤhre. Ich kan mich nicht drein ſchicken/ antwortete er/ und glaͤube
ja nicht/ daß nach empfangener ſo groſſer Schlappe/ ſie ſich von dem vorigen Ritter zu ei-
nem andern Wagſtuͤcke haben verleiten laſſen/ welcher uns mit groſſen Verheiſſungen
zu dem geſtrigen angetrieben hat/ unter dem Vorgeben/ der Juͤngling waͤhre des Roͤmi-
ſchen Kaͤyſers Feind/ und haͤtte ſtatliche Gelder und Kleinot bey ſich/ welche wir alle zum
Raube behalten ſolten/ wann wir nur den Juͤngling zu ſeinen Haͤnden liefern wuͤrden.
Doch/ waͤhren ſie gleich außgezogen/ ſo haͤtten ſie dannoch die Schildwache unbeſetzet
nicht gelaſſen. Sie gingen weiter fort/ und pfiffe Gallus dreymahl in ein helles Pfeifchen
die Loſe/ ſtund und horchete/ vernam aber nichts als eine ungewoͤhnliche ſtille; worauff er
ſagete: Nun weis ich nicht was ich gedenken ſol/ daß mir nicht geantwortet wird; es muß
ſich in Warheit etwas ſonderliches zugetragen haben/ welches wir bald erfahren werden.
Sie gingen ein wenig fort/ da funden ſie drey tode Leichnam in ihrem Blut ligen. Gallus
beſahe ſie und ſagete: Diß ſind Raͤuberburſche/ wer mag dieſes Neſt immermehr verſtoͤ-
ret haben? Und als ſie etwas weiter gingen/ ſahen ſie bald hie bald da/ bey die hundert er-
ſchlagene zerſtreuet liegen/ woruͤber ſie ſich hoͤchlich entſetzeten/ und ſagte Gallus; als viel
ich merke/ muß eine Raͤuber Zunft uͤber die andere bekommen ſeyn/ dann ich ſehe unſer Volk
und Fremde durch einander liegen. O ſo ſey es Gott geklaget/ ſagte Valikules mit einem
tieffen Seuffzen; ich fuͤrchte ſehr/ mein geliebter Bruder ſey mit erſchlagen/ oder von an-
dern Raͤubern gefangen hinweg geſchleppet; O wo ſol ich dich nun ſuchen/ O du meiner
Seelen werdeſter Freund? O mein Bruder/ wolte Gott/ ich ſolte an deine Stat die Ket-
ten und Banden tragen/ weil du ſie nur meinetwegen tragen muſt. Gallus ſtund als ein
Verzucketer/ wuſte nicht was er antworten ſolte/ endlich ſagete er: Komt mein Herꝛ/ laſſet
uns die Todten durchgehen/ vielleicht finden wir noch einen Lebendigen unter jhnen; pfiffe
auch noch einmahl uͤberlaut/ da wehrete es nicht lange/ daß ein verwundeter aus dem Pu-
ſche hervorkroch welcher zu Gallus ſagete: O Herꝛ Haͤuptmann/ wo kommet jhr her/ die-
ſes groſſe Ungluͤk anzuſehen? Geſchwinde/ ſagte Gallus/ und zeige mir an/ was dieſes vor
eine
[280]Anderes Buch.
eine Niederlage ſey? Ach/ antwortete dieſer/ es iſt vor ohngefehr acht Stunden eine ſtarke
Geſelſchafft See Raͤuber uns unvermuhtlich uͤber den Hals kom̃en/ welche wir anfangs
etwa XX Mann ſtark ſchaͤtzeten/ funden ihrer aber uͤber hundert; Dieſe haben unſer Volk
in die 50 Mann alles niedergehauen/ wiewol ſie nicht ungerochen geſtorben ſind. Gallus
fragete/ wo dann der geſtriges Tages gefangene Juͤngling waͤhre. Ja ſagete er; Dieſer/
dieſer Juͤngling/ der rechte Wunder-menſch? davon moͤchte ich euch wunder uͤber wun-
der erzaͤhlen: Als die See Raͤuber mit uns ſtritten/ gedachte dieſer anfangs/ es waͤhren
Leute zu ſeiner Rettung ausgeſchicket/ ſaß demnach mit ſeiner Jungfer ſtille in der Hoͤhle/
uñ nam ſich keines dinges an; da er aber eines andern berichtet ward/ foderte eꝛ Schwert/
Schild und Helm/ gab ſich mit ins Gefechte/ und trieb durch ſeine Behaͤndigkeit ſolch
Wunder/ daß/ wo ſeiner zehne bey uns geweſen/ der Sieg uns nicht ſolte entnom̃en ſeyn.
Die See Raͤuber verwunderten ſich des ſchoͤnen ſtreitbaren Juͤnglings und bohten ihm
Leben und Sicherheit an/ dafern er ſich ergeben wuͤrde/ im widrigen ſolte er auffs aͤuſſer-
ſte gehoͤhnet werden/ und eines grauſamen Todes ſterben. Als er nun ſahe/ daß zuentkom-
men jhm unmoͤglich wahr/ antwortete er jhnen; wann jhr mir euer verſprechen redlich zu
halten geſiñet ſeyd/ wil ich mich euch ergeben/ weil die Goͤtter es alſo fuͤgen; ſeyd aber hoͤch-
lich gebehten/ und nehmet meine Waſe mit in dieſen Schluß/ welche neben mir gefangen
iſt/ und durch der Goͤtter Schuz jhre Ehre bißher erhalten hat; dieſes alles verhieſſen ſie
jhm/ nahmen ſie beyde mit ſich/ und gingen davon. Valikules fragete/ ob ſie irgend dem
Juͤnglinge Leid angetahn/ nachdem er ſich ergeben haͤtte. Nein ſagte dieſer verwundete
Raͤuber/ ſie nahmen ihn ungebunden mit ſich/ weil er aͤidlich angelobete/ nicht von jhnen
zuweichen/ es waͤhre dann/ das Staͤrkere uͤber ſie kaͤhmen/ und jhn zum drittenmahl ge-
fangen naͤhmen. Gallus wolte wiſſen/ was vor Sprache dieſe Meer Raͤuber ſich
gebraucht haͤtten; und berichtete jener/ es haͤtte niemand kein einziges Wort von jh-
nen vernehmen moͤgen/ ohn daß ſie einen Dolmetſcher bey ſich gehabt/ der mit dem Juͤng-
linge bald Latein bald Griechiſch geredet. Valikules wahr in zwiſchen in tauſend aͤng-
ſten/ welche durch dieſe Zeitung nur vermehret wurden/ weil er nicht wiſſen kunte/ in
was Landſchafft ſein geliebtes Fraͤulein gefuͤhret wuͤrde/ fragete endlich/ welchen Weg dañ
dieſe Raͤuber vor ſich genommen; deſſen jhn der Verwundete nicht berichten kunte/ ohn
daß der Dolmetſcher dem Juͤnglinge geſagt/ ſie haͤtten jhr Schiff nicht weit von hinnen
ſtehen/ wohin ſie mit einander gehen wuͤrden/ biß ſie jhre Wagen antraͤffen/ welche den
Raub zuſammen fuhreten/ worauff er jhn ſamt der Jungfer ſetzen/ und nach dem Meer
bringen wolte. Ach mein Gott/ ſagte Valikules/ iezt habe ich deiner Huͤlffe mehr von noͤh-
ten/ als vorhin/ deswegen ſtehe mir gnaͤdig bey/ daß ich die Unſchuldigen erretten/ und zur
Erkaͤntnis deiner Warheit bringen moͤge; nun nun du mein Gott/ wirſt mich leiten und
fuͤhren/ ich wil folgen durch Arbeit und Ungemach/ und nicht auffhoͤren/ biß ich beſſere
kundſchafft habe/ ſolte ich auch graue Haar druͤber zeugen. Sagte hernach zu Gallus/ da-
fern jhm der Weg nach dem Meer bekant waͤhre/ moͤchte er jhn dahin bꝛingen/ uñ hernach
ſeines gefallens gehen wo er wolte/ doch daß er zu Padua bey ſeinem Freunde Ladiſla ſich
angaͤbe/ und von jhm 6000 Kronen abfoderte/ die er jhm unfehlbar auszaͤhlen wuͤrde/ und
koͤnte er ſich mit ſolchem Gelde wol ernaͤhren/ biß er etwa wiederkaͤhme/ dann ſolte jhm ein
mehres
[281]Anderes Buch.
mehres gefolget werden. Als Gallus ſolches hoͤrete/ fiel er vor jhm in die Knie/ und baht
uͤmb Chriſtus willen/ er moͤchte jhn nicht von ſich ſtoſſen/ dann ſein hoͤchſter Wunſch waͤh-
re/ bey jhm zu leben und zuſterben; er wolte ſich in ſeinen Dienſten dergeſtalt verhalten/ daß
er ob Gott wil/ damit koͤnte begnuͤget ſeyn. Valikules hatte Zeugnis gnug ſeiner Traͤue/
weil er ungeachtet des groſſen Geldes jhn nicht laſſen wolte/ uñ ſagete zu jhm: Mein Gal-
lus/ ich habe gezweiffelt/ ob jhr mir uͤber Meer zu folgen bedacht waͤhret/ weil ich nun eure
Meinung verſtanden/ ſol mir zu dieſer Reiſe kein Menſch lieber ſeyn als jhr/ weil ich euch
als einem Chriſten am ſicherſten Trauen kan; alſo wil ich euch nun meiner Heimligkeitẽ
mehr vertrauen/ als ich meinen allerbeſten Freunden nicht tuhn wuͤrde/ und wiſſet dem-
nach/ daß der gefangene Juͤngling inwarheit ein gebohrnes Koͤnigliches Fraͤulein/ mir
nicht allein mit Blutfreundſchafft verwand/ ſondern auch meine verlobete Braut iſt/ und
Herꝛn Ladiſla/ von dem ich heut geſchieden bin/ leibliche Schweſter; die Jungfer welche
bey jhr iſt/ wie auch die erloͤſete/ ſind zwar hohes Adels/ aber nur jhre Leibdieneꝛinnen; woꝛ-
aus jhr abnehmen moͤget/ ob ich nicht Urſach habe/ mich jhreꝛ Erloͤſung anzunehmen. Gal-
lus erſchrak doſſen/ verſtund hieraus/ wes Standes ſein Herꝛ wahr/ und ſagte: Durch-
leuchtigſter Fuͤrſt/ eure Durchl. bitte ich untertaͤhnigſt uͤmb verzeihung/ daß derſelben die
gebuͤhrliche Ehre nicht geleiſtet habe; betreffend die anvertrauete Heimligkeit/ ſol dieſelbe
bey mir ſterben. Ich bin mit eurem Erbieten gnug zu frieden/ antwortete er/ ſol euch auch
zu ſeiner zeit vielfaͤltig vergolten werden; ich befehle euch aber vor dißmahl/ daß jhr mich
durchaus nicht hoͤher ehret/ als einen ſchlechten Herꝛn Standes/ und weil es euch gefaͤlt
in meinen Dienſten zubleiben/ weꝛden wir uns im Namen unſers Gottes/ uñ deſſen Schuz
und Anfuͤhrung auff den Weg begeben. Wie es euer Gn. beliebet/ ſagte er/ wiewol mein
geringer Raht waͤhre/ wir gingen zuvor in die Hoͤhle/ und naͤhmen etwas Speiſe zu uns/
unſere Kraͤfte zuſtaͤrken/ uͤmb/ den bevorſtehenden Weg deſto friſcher wanderen zukoͤnnen.
Er lies ſich hierzu bereden/ weil es ſchon weit nach Mittag wahr/ funden etliche gebratene
kalte Speiſen/ davon ſie mit guter Begierde aſſen; hernach durchſuchete Gallus alle be-
kante Winkel/ ſahe wol daß ſie rechtſchaffen ausgepluͤndert wahren/ fand aber doch noch
ein verborgẽ Loch/ in welchem er 800 Kronen antraff/ welches Zehrpfenniges er ſich nicht
wenig freuete/ brachte alles ſeinem Herꝛn/ und ſagte: Eꝛ zweiffelte nicht/ Gott haͤtte jhnen
dieſes auff die bevorſtehende Reiſe beſcheret. Herkules aber verſicherte jhn/ er ſolte wegen
der Zehrungs koſten jhm keine Gedanken machen/ ſein heimlicher Schaz den er an Klei-
noten bey ſich fuͤhrete/ waͤhre zehnmal groͤſſer/ als dieſes gefundene/ wiewol es jhnen auch
zuſtatten kommen koͤnte; ſolte jhnen aber ein mehres noͤhtig ſeyn/ koͤnte er durch Wechſel
von Padua haben/ ſo viel er wuͤnſchete/ obs gleich etliche Tonnen Goldes austruͤge. Hieꝛ-
auff rief er den verwundeten Raͤuber zu ſich/ hieß jhn Speiſe nehmen/ ſtillete jhm das Blut
mit ſeinem koͤſtlichen Steine/ veꝛband jhm ſeine Wunden/ uñ ſagte zu jhm: Guteꝛ Freund/
nim jezt deines Gluͤckes wahr/ welches dir bluͤhet/ und verrichte mir einen kleinen Dienſt/
der ſol dir zu ſtatten kommen; Laß dich deine Schwacheit nicht aufhalten/ und gehe nach
dem Flecken/ woſelbſt der Juͤngling geſtern geraubet iſt/ da wirſtu etliche Herꝛen antreffen/
denen bringe Bericht zu/ alles was ſich hieſelbſt zugetragen hat/ und daß Gallus mit ſei-
nem Gefaͤrten alhie wol ankommen/ auch albereit nach dem Meer gangen ſey/ da ſie auf ein
N nSchiff
[282]Anderes Buch.
Schiff ſich ſetzen und den Seeraͤubern folgen/ auch nicht uͤmkehren werden/ biß ſie gewiſſe
Kundſchafft wegen des Juͤnglings eingezogen haben. Dem Vornehmſten aber unter ih-
nen ſoltu ſagen/ mein Begehren an ihn ſey vor erſt/ daß/ wo er mein Freund iſt/ eꝛ mir nicht
folge/ biß ich ihm ſchreibe/ welches geliebts Gott/ in weniger Zeit geſchehen ſol; dieſes ſolt
du keines weges in Vergeßſtellen. Hernach/ daß ich dir Leben/ Freyheit und ſo viel Gelder
verſprochen/ als mein aͤdler Diener Vierteljahrs Beſtallung hat/ welches er dir alsbald
einreichen wird; und ſihe da/ nim dieſes Trinkgeld mit auf den Weg/ und laß dich an deineꝛ
Moͤgligkeit nichts irren; doch ſoltu eben nicht eilen/ ſondern koͤmſt morgẽ noch zeitig gnug
daſelbſt an. Hiemit reichte er ihm X Kronen/ und nam von ihm aͤidliche Zuſage/ daß er al-
les auffs traͤulichſte verrichten wolte. Nach dieſes Abfertigung begaben ſie ſich auff den
Weg nach dem Meere zu/ und hatten mancherley Geſpraͤch von geiſtlichen Sachen/ gin-
gen faſt biß Mitternacht/ ehe ſie Leute antraffen/ weil ſie wegen der See Raͤuber ausgewi-
chen wahren; endlich hoͤreten ſie ein Gemurmel hinter einem Gehaͤge/ wohin ſie ſich in al-
ler ſtille wendeten/ und eine zimliche Rotte Bauren anſichtig wurden/ welche ihren Ver-
luſt hoͤchlich beklageten/ daß ihnen alle Speiſe und Baarſchafft ſamt dem beſten leinẽ Ge-
raͤhte hinweg geraubet waͤhre. Valikules trat hin zu ihnen/ gruͤſſete ſie freundlich/ uñ fra-
gete/ warumb ſie bey ſo ſpaͤter Nacht in ſolcher Verſamlung unter dem freyen Himmel laͤ-
gen? Dieſe Leute ſahen ihn ſtillſchweigens an/ und hielten ihn anfangs vor einen Ausſpeheꝛ
und Raͤubergenoſſen; welchen Argwohn ihnen zubenehmen/ er ſich unerſchrocken bezei-
gete/ und gab vor/ er waͤhre neben dieſem ſeinen Gefaͤrten von dem Roͤmiſchen Stathal-
ter zu Padua ausgeſchicket/ umb zuerforſchen/ wohin die See Raͤuber ſich gewendet haͤt-
ten/ von deren Einfall das Geſchrey ſchon erſchollen waͤhre/ und wuͤrde man nicht unter-
laſſen/ ihnen nachzuſetzen/ es geſchaͤhe gleich zu Lande oder uͤber Meer. Der aͤlteſte unter
dieſem Hauffen antwortete: Ach ja! ſo pfleget mans ins gemein zumachen/ daß man den
Brunnen zuleget/ wann das Kind erſoffen iſt; Hielte man gebuͤhrliche Auffſicht bey dem
Meer/ ſo kaͤhmen wir armen Leute nicht ſo ſchlimlich umb das unſere. Valikules ſtellete
ſich ernſthafftig/ und gab zur Antwort: Ey mein Freund kan dann die Obrigkeit von ſol-
chen und dergleichen unvermuhtlichen faͤllen Rechenſchafft geben? muͤſten nicht vielmehꝛ
des Meers Anwohner acht haben/ nicht zu ſicher ſeyn/ ſondern der Obꝛigkeit es andeuten/
wann etwa Gefahr zubefuͤrchten waͤhre? Ihr ſprechet aber/ es ſey ohn euer vermuhten ge-
ſchehen. Aber hats dann die Obrigkeit koͤnnen riechen? oder kan dieſelbe allenthalben ge-
genwaͤrtig ſeyn? Sol man aber den ganzen Meerſtrand beſetzen/ und zwar in Friedeszeitẽ?
das wuͤrde euch guten Leuten erſt verdrießlich ſeyn; dann hie wuͤrdet ihr durch ſo uner-
traͤgliche Dienſte oder Unkoſten gar zu hart belaſtet werden. Doch hievon haben wir mit
einander nicht zu zanken/ ſondern man muß darauff bedacht ſeyn/ wie man ſich an den ver-
waͤgenen Buben am beſten raͤchen moͤge; da ihr nun getraͤue Leute und Untertahnen eu-
rer Obrigkeit ſeyd/ werdet ihr mir unwegerlich zuwiſſen tuhn/ wohin die See Raͤuber ſich
gewendet/ welche zuverfolgen alsbald Anordnung ſol gemacht werden. Vorgedachter
Baur entſchuldigte ſich/ wegen ſeiner unvorſichtig-ausgelaſſenen Reden/ und haͤtte er aus
Betruͤbniß wegen ſeines nicht geringen Verluſtes etwas ungebuͤhrliches vorgebracht/
moͤchte es nicht im argen auffgenommen werden. Ein ander frecher Baur redete darzwi-
ſchen;
[283]Anderes Buch.
ſchen; was er ſich vielzuentſchuldigen haͤtte; wer das ſeine verlieren und zuſetzen muͤſte/ em-
pfuͤnde des uͤbels/ und haͤtte noch wol ſo viel Freyheit/ daß er ſein Ungluͤk beklagete. Und
wer weiß/ ſagete er/ ob dieſer junge Kerl nebeſt ſeinem Geſellen nicht ſuchet/ uns noch wei-
ters Ungelegenheit zumachen? Der mehrerteil begunten mit zu grießgramen/ und lieſſen
ſich vernehmen/ ſie ſolten ſich bald packen/ oder man wuͤrde ihnen Fuͤſſe machen. Valiku-
les hielt nicht vor rahtſam/ ſich mit dieſem Lumpengeſindle in Handgemenge einzulaſſen/
wo er ſich ſonſt auff andere weiſe vor ihnen retten koͤnte/ ſagte demnach zu ihnen: Ihr gu-
ten Leute/ huͤtet euch ja vor weitere Ungelegenheit/ das rahte ich als ein Freund; es liegen
dort im Puſche uͤber 300 bewehreter Mann/ denen ich mit einer Pfeiffe bald ein Zeichen
geben wolte/ euch alle mit einander niderzumachen. Gallus nam bald ſein Pfeiffchen her-
vor/ und begunte es ſchallen zu laſſen; worauff die Bauren ingeſamt/ auſſer den erſten Al-
ten/ davon lieffen/ als haͤtte ihnen der Kopff gebrant/ daß er druͤber lachen muſte/ befahl
auch Gallus/ alsbald zuruͤcke zulauffen/ und der Voͤlcker Auffbruch zu verhindern; wen-
dete ſich zu dem Alten/ und begehrete von ihm weiteren Bericht wegen des Abzuges der
Meer Raͤuber. Welcher zur Antwort gab: Er haͤtte es mit Augen angeſehen/ daß ſie mit
ſamt ihrem Raube waͤhren zu Schiffe gangen/ und auff das hohe Meer gefahren; haͤtten
ein treflich feſtgebauetes Schiff gehabt/ darauff in die 200 bewehreter Mann ſich ſehen
laſſen. Valikules fragete/ ob ſie auch Menſchen geraubet haͤtten? Ja/ antwortete er; ſie
nahmẽ XII ſtarcke Baurknechte mit ſich/ an den Rudern zuzihen/ fuͤhreten auch einen ſehr
ſchoͤnen Juͤngling nebeſt einer wolgeſtalten Jungfer mit ſich auff einem Wagen/ welche ſie
ohn zweiffel geraubet hatten/ muſte ihnen aber Blut gekoſtet haben/ weil nicht allein viel
unter ihnen verwundet wahren/ ſondern uͤberdas auch nicht mit ſo ſtarker Manſchafft zu-
ruͤk kahmen/ als ſie hingezogen wahren. Die Gefangenen/ ſagete Valikules/ werden nicht
gelaſſen werden/ weil ſie dem Stathalter zu Paduanahe befreundet ſind; Aber koͤnnet ihr
mir nicht ſagen/ wohin ſie ihren Lauff genommen haben? So gar eigentlich weiß ich davon
nicht zuberichten/ antwortete er/ nur daß ſie gewaltig fort ruderten/ biß ſie unteꝛ den Wind
kahmen/ und man ſie in kurzer Zeit nicht mehr ſehen kunte; meinem beduͤnken nach gingẽ
ſie nach Griechenland/ dann ihr Lauff wahr Sud Oſt/ wiewol ich ſie nicht vor Griechen/
ſondern vor Barbaren halte/ aus den Aſiatiſchen Morgenlaͤndern; dann ich hoͤrete etliche
die Parthiſche Sprache reden/ die mir von XXX Jahren her bekant iſt/ da ich unter dem
Kaͤyſer Severus als ein Frey Reuter die Parther und Adiabener beſtreiten/ und unter dz
Joch bringen helffen. Valikules wunderte ſich/ daß ſolche von dem Mittel Meer ſo weit
abgelegene Voͤlker ſich auff See Raͤuberey begeben ſolten; verſtund doch aus dieſem Be-
richt/ wie gefaͤhrlich es umb ſein Fraͤulein ſtuͤnde/ und wie unmoͤglich es waͤhre/ ihr zu helf-
fen/ wo nicht Gottes Barmherzigkeit ihm den rechten Weg zeigen wuͤrde. Inſonderheit
bekuͤmmerte er ſich hefftig/ daß kein Schiff verhanden wahr/ worauf er ſich ſetzen und den
Raͤubern folgen koͤnte; Wie er aber in den groͤſten Gefaͤhrligkeiten ſich allemahl auf Got-
tes Huͤlffe und Beyſtand verließ/ alſo gelebete er der Chriſtlichen Hoffnung/ ſein Heyland
wuͤrde ſein Vorhaben noch beſeligen/ und alles nach ſeinem gnaͤdigen Willen ordnen und
ſchicken. Weil er dann durch das ungewoͤhnliche ſtraͤnge gehen ſehr ermuͤdet wahr/ legte
er ſich unter einen Baum/ und ruhete etliche Stunden gar ſanffte/ biß die helle Sonne uͤ-
N n ijber
[284]Anderes Buch.
ber dem Erdboden ſtund/ da inzwiſchen Gallus immeꝛzu wache blieb/ und ein wenig davon
mit dem Alten ſein Geſpraͤch hielt/ welchen Valikules durch verheiſſung eines Geſchen-
kes darzu vermocht hatte. Nachdem er wieder erwachet wahr/ ruͤhmete er/ wiewol er ge-
ſchlaffen haͤtte/ und von der geſtrigen Ungelegenheit des gehens ausgeruhet/ redete mit
dem Alten/ und baht ihn/ ein Schiff im naͤheſten Hafen auszuhoͤren/ wovor er ihm ein gu-
tes Trinkgeld vergnuͤgen wolte. Der Baur berichtete ihn/ er waͤhre vor zween Tagen bey
einem Hafen/ zwo Meile von hinnen/ voruͤbergangen/ da er zwey Kauffmansſchiffe geſe-
hen/ Wein und andere Waaren einladen/ deren das eine zweiffelsohn abgefahren; das an-
dere haͤtte noch auff Ladung gewartet/ und da er nit irrete/ wuͤrde daſſelbe nach Griechen-
land fahren. Mein Freund/ ſagete Valikules/ dahin muͤſſet ihr mich geleiten; gab ihm VI
Kronen/ und macheten ſich ohn ferner Auffhalten fort/ traffen auch das Schiff an/ wel-
ches ſchon fertig wahr abzulauffen/ da der Schiffherr anzeigete/ daß er in unter ſchiedlichẽ
Hafen Griechenlandes anhalten/ etliche Waaren ausladen/ und dagegen andere wieder
einnehmen wuͤrde. Weil nun dieſes ihm ſehr gewuͤndſchet fiel/ dingete er ſich neben Gal-
lus auff das Schiff/ und fuhren in Gottes Nahmen davon/ der gewiſſen Hoffnung/ jhr
Helffer wuͤrde ſeinen Beyſtand ihnen ſcheinlich ſehen laſſen.


Dieſes Tages/ wiewol gegen den ſpaͤten Abend/ gelangete der verwundete Raͤuber bey
dem unſeligen Flecken an/ woſelbſt er eine groſſe Menge nacketer Maͤnner an Kreuze ge-
hefftet ſahe/ deren annoch etliche lebeten/ und uͤberaus groſſen Jammer trieben/ und da er
jhnen naͤher kam/ ward er gewahr/ daß ſie alle ſeiner vorigen Geſelſchaft wahren; deſſen
er ſo hart erſchrak/ daß er nicht wuſte/ ob er foͤrder gehen/ oder zuruͤk weichen ſolte; endlich
wagete ers in ſeiner Mattigkeit/ und ging der Herberge gleich zu. Ladiſla und Fabius wah-
ren in groſſem Kummer/ daß jhnen von Herkules keine Zeitung zukam/ und gerieten auff
die Gedanken/ er moͤchte von ſeinem Fuͤhrer hintergangen/ den Raͤubern uͤberliefert/ oder
wol gar erſchlagen ſeyn; biß dieſer ſich angab/ uñ alles berichtete was jhm befohlen wahr;
deſſen ſie nicht wenig erſchraken/ und fleiſſig nachfrageten/ wie zeitig er meinete/ daß Her-
kules bey dem Meer anlangen wuͤrde; als ſie nun vernahmen/ daß er ſolches ſchon dieſen
Morgen wuͤrde erreichet haben/ ward Ladiſla uͤber die maſſe betruͤbet/ daß jhm die Augen
uͤbergingen/ und zu ſich ſelber ſagete: So hat Herkules ohn ſeinen Ladiſla ſich auff das
Meer begeben/ und jhn verlaſſen koͤnnen? O du mein allerbeſter Freund/ O du mein aller-
liebeſter Bruder/ wo ſuche ich dich dann nun? Wo finde ich dich wol wieder? Fabius
wahr nicht viel anders zu muhte/ dann er liebete Herkules mehr als ſich ſelbſt/ hatte auch
bey ſich beſchloſſen/ da es moͤglich waͤhre/ ſeiner Geſelſchaft ſich nimmermehr zu aͤuſſern.
Ladiſla/ wie ſpaͤt es gleich wahr/ befahl eilends ſein Pferd zuſatteln/ daher Klodius/ Mar-
kus und Leches ſich auch fertig machten/ wiewol es dieſem ſehr hart einging/ daß er Jung-
ſer Libuſſen ſo bald laſſen ſolte/ nachdem er in Hoffnung ſtund/ die ſo lange geſuchte Liebe
nunmehr zubefeſtigen/ uͤmb welche er am Boͤmiſchen Hofe ſchon ins drirte Jahr angehal-
ten hatte/ aber mit ſchlechter Hoffnung geſpeiſet wahr/ nicht; daß ſie ihm ſo ungewogen
waͤhre/ ſondn weil ſie ſich von ſeiner Schweſter durch ſchimpfliche Reden beleidiget fand/
welche dieſe Heyraht zu hindern/ alle Muͤhe anwendete. Hier in der Fremde aber ſtellete
ſie ſich geneigter/ und nam Leches die Gelegenheit in acht/ daß er dieſen und vorigen Tag
ſehr
[285]Anderes Buch.
ſehr hart an ſie ſetzete/ und ſich vernehmen lies/ dafern ſie ſeine ihr bißher erzeigete Liebe und
Traͤue nicht erkennen wolte/ haͤtte er noch ein Mittel vor ſich/ wodurch er ſeinen Wunſch
hoffete zuerhalten. Die Jungfer begehrete ſolches von ihm zu wiſſen/ ſagte im Scherz
(maſſen ſie jhr ſchon vorgenommen hatte/ ſich mit jhm zuverſprechen) ſie koͤnte nicht eꝛſin-
nen/ was mittel dieſes waͤhre/ ſintemahl ſie ja frey und jhres eigenen willens lebete. Leches
antwortete: Er gedaͤchte auch auff keinen Zwang/ oder was dem aͤhnlich waͤhre/ nur vor
erſt wuͤſte ſie/ in was groſſen Gnaden ſein Vater bey der Fr. Koͤnigin ſtuͤnde; ſo haͤtte er
auch einen ganz gnaͤdigen Herꝛn an ſeinem Koͤnige Ladiſla/ und gleicher geſtalt eine gnaͤ-
dige Frau an deſſen Gemahl/ welche ihm nach geendigtem Speerbrechen eine guͤldene
Kette/ und ein Kleinot auff 6000 Kronen wert geſchenket. Libuſſa hoͤrete ſchon wo er hin-
aus wolte/ taht doch nicht desgleichen/ ſondern mit einem Gelaͤchter ſagte ſie; es waͤhꝛe jhr
ſeinetwegen lieb/ daß er in dieſen Gnaden ſtuͤnde; aber ſagte ſie/ was tuht ſolches bey dieſer
Sache/ die in meinem freyen Wilkuͤhr ſtehet/ ſo viel das laſſen betrift? Ich hoͤre aus dieſer
eurer Rede/ mein Vetter/ daß jhr etliche Nachte wenig muͤſſet geſchlaffen haben/ weil eur
Gehirn ſich etwas verwirret befindet. Dem guten Leches wahren jhre Schwaͤnke wol be-
kant/ und daß in ſolchem ſcherzen jhr am beſten beyzukommen wahr/ antwortete jhr dem-
nach: Er geſtuͤnde gerne/ daß er bißher nun etliche Jahr ſchon/ mannicher ungereimter
Reden ſich gebraucht haͤtte/ die aus Unruhe des Gemuͤhts herruͤhreten/ nicht wegẽn man-
gel des Schlaffes/ ſondern daß ſein hoͤchſtes Gut je laͤnger je mehr vor ihm floͤhe/ und aller
nieſſung jhn beraubete. Vetter/ antwortete ſie/ jhr gerahtet aus dem Tropfen gar in den
Schlagregen; dann wie reimet ſich euer vorbringen? Ihr beruͤhmet euch eines hoͤchſten
Gutes/ welches ihr das eure nennet/ und gleichwol klaget ihr/ es fliehe vor euch/ ja ihr ſeyd
deſſen Nieſſung gar beraubet; kan es aber wol das eure ſeyn/ wann ihrs weder beſitzet noch
genieſſet? Meine hoͤchſtgeliebete Jungfer ſagte er; es iſt mein hoͤchſtes Gut im wuͤnſchen/
aber nicht im genieſſen. Auff ſolche weiſe/ ſagte ſie/ wird es keinem Menſchen an ſeinem
hoͤchſten Gute mangeln/ weil ein jeder ihm ſolches wuͤnſchet; doch laſſe ich euch dieſes hin-
gehen/ ob ich gleich nicht weiß/ von was groſſem Gute eure Rede eigentlich zuverſtehen
ſey; aber ich merke wol/ ihr fuchet ausfluͤchte/ mir auff das vorige beſcheid zugeben. Dem
guten Leches wahr ſchon entfallen/ was ſeine vorige Rede wahr/ baht auch jhn deren zuer-
innern; woruͤber die Jungfer lachens ſich nicht enthalten kunte/ und zu ihm ſagte: Habe
ich nun nicht wol und wahr geredet/ daß mein Vetter noch nicht ausgeſchlaffen/ weil er
ohn Verſtand und im Schlaffe geredet hat? Wollet ihrs aber ja wiſſen/ ſo frage ich zum
andern mahle/ was die großgeruͤhmete Gnade/ die ich euch doch gerne goͤnne/ zu dieſer Sa-
che tuhn koͤnne. Meine wahre Freundin/ antwortete er; die Goͤtter wiſſen/ daß ihre Liebe
und deren Nieſſung/ ich nicht gerne einem andern/ als ihr allein danken wolte. Die bißher
geleiſtete/ ſagte ſie/ iſt nicht ſonderliches dankens wert; aber antwortet/ bitte ich/ auff meine
Frage; ich werde ſonſt gedenken muͤſſen/ ihr ſchlaffet noch immerhin. Leches antwortete:
Weil ihr mir dann gebietet/ daß ichs ſagen ſol/ muß ichs nach gebehtener Veꝛzeihung aus-
druͤcken/ daß ich des gaͤnzlichen Vorhabens bin/ an meinen Vater zuſchreiben/ daß er umb
unſere Heyraht bey unſer gnaͤdigſten Koͤnigin anwerben moͤge; inzwiſchen werde ich nit
ſchlaffen/ bey meinem Koͤnige und deſſen Gemahl umb eben daſſelbe inſtaͤndigſt anzuhal-
N n iijten.
[286]Anderes Buch.
ten. Nun/ ſagte ſie/ gehet mein Vetter mit ſolchen Gedanken ſchwanger/ werden ihm die-
ſelben kein hoͤchſtes Gut/ wie ers ja taͤuffet/ zuwege bringen; dann was waͤhre ihm mit ei-
ner gezwungenen Liebe gedienet? Gezwungene? ſagte er; davor wolte ich eines ſchnoͤden
Todes ſterben; Ich ſuche ja keinen Zwang/ ſondern nur eine kraͤfftige Vorbitte. Ach ja
doch/ ſagte ſie; gleich als wann ihr nicht wuͤſtet/ daß der Koͤnige Bitte an ihre Untertah-
nen ein lauter Zwang iſt; wil demnach nimmermehr hoffen/ daß ihr ſolcher geſtalt/ und
zwar in der Fremde mit mir verfahren werdet/ da ich gar keinen Beyſtand habe. Hier
fing nun Leches an/ alle ſeine Wolredenheit außzuſchuͤtten/ und ihr ſo viel liebliches din-
ges voꝛzuſchwatzen/ wie er ihr ſo traͤulich dienen/ auch niemand als ſie in ſein Herz auff-
nehmen wolte; daß ſie endlich ſich erklaͤrete/ er moͤchte ſich gedulden/ biß auff ihrer Gn.
Fraͤulein Wiederkunfft; wann dann dieſelbe gnaͤdigſt darein gehehlen koͤnte/ ſolte ihm
ſeine bißher erzeigete Gewogenheit und Traͤue ehrengebuͤhrlich vergolten werden. Le-
ches nam dieſes vor eine unbedingete Erklaͤrung an/ bedankete ſich hoͤchlich/ und ſteckete
ihr einen ſchoͤnen Ring an den Finger/ welchen anzunehmen ſie ſich anfangs wegerte/ und
ihn endlich noch behielt/ wiewol mit vor angezogenem Bedinge/ welches ſie doch ſelbſt nit
in zweiffel zog/ weil das Fraͤulein/ deren Leches Liebe bewuſt wahr/ ſie ſchon etlichemahl
vermahnet hatte/ dieſe gute Heyraht nicht außzuſchlagen/ als wodurch ſie in Koͤnigliche
Verwandſchafft auffgenommen wuͤrde. Gleich als dieſe Beredung geſchehen wahr/ er-
ging Ladiſla Befehl zum Auffſatteln; muſte alſo Leches von dem liebes Geſpraͤch abbre-
chen/ und ſich umb ander ding bekuͤmmern. Fabius aber redete Ladiſlaen ein/ in dieſer
Spaͤte nicht ſo eilig auffzubrechen/ ſondern zuvor eine kurze Bedenkzeit zu nehmen zu ei-
ner beſtaͤndigen Erklaͤrung; und wohin wollen wir reiten? ſagte er/ da wir keinen Weg
wiſſen/ auch Herr Herkules/ in betrachtung ſeiner eile nach dem Meer/ ſich zweiffels ohn
ſchon wird auff ein Schiff begeben haben. Ladiſla gab zur Antwort; er hoffete nicht/ daß
einiger Menſch ihm an der Nachfolge ſeines Freundes wuͤrde hinderlich ſeyn. Eben des
ſinnes bin ich auch/ ſagte Fabius; aber die finſtere Nacht/ der unbekante Weg/ und daß ich
zum erſten melden ſol/ die Unbeſonnenheit/ werden uns zu unſerm Vorhaben wenig die-
nen. Und ob wir den Zeitungsbringer zu uns nehmen wolten/ ſo weis er ja ſo wenig/ wo
Herr Herkules zu ſuchen iſt/ als wir ſelbſt; zu geſchweigen/ daß er wegen ſeiner Wunden
und toͤdlichen Schwacheit auff der Streu lieget/ und nicht weiter fort kan. Libuſſa kam
darzu/ mit vermeldẽ/ der ſehr ſchwache Bote haͤtte an Koͤnig Ladiſla eine ſonderliche Wer-
bung abzulegen; deßwegen er bald zu ihm ging/ und fragete/ was ſein Anliegen waͤhre.
Mein Herr/ ſagte dieſer; der ſo mich hergeſchicket/ hat mir ſehr ernſtlich eingebunden/
dem Herren anzumelden/ daß wo er ihn liebe/ er ihm ja nicht folge/ biß er Schreiben von
ihm haben wird/ welches in kurzen geſchehen ſolle/ und weil ich leider bekennen muß/ daß
ich von der Raͤuber Geſelſchafft bin/ hat euer Freund mir Leben und Freyheit/ auch von
euch eine Viertel Jahrs Beſtallung ſeines aͤdlen ritterlichen Dieners verſprochen/ da ich
dieſe Werbung abzulegen fleiß anwenden wuͤrde. Ladiſla fragete den Wund Arzt/ der ihn
gleich verbunden hatte/ ob er geneſen wuͤrde; Und als derſelbe guten Troſt gab/ ſagte er
weiter zu dem Kranken: Guter Geſelle laß dein wolpflegen/ wozu ich dir alsbald XXX
Kronen einreichen wil; und nach erlangeter Geſundheit gib dich zu Padua bey mir an/
da
[287]Anderes Buch.
da ſoltu das Veꝛſprochene ſchon finden. Kehrete ſich drauff zu Fabius und ſagte: Ich
werde meinem Herkules muͤſſen gehorſamen/ und die Nachfolge etliche Tage einſtellen/
wil inzwiſchen mich bedenken/ wie ichs beſt anzugreiffen habe; und halte vor gut/ daß wir
ſtuͤndlich uns nach Padua erheben/ den unſern Zeitung zubringen. Fabius ließ alsbald
den Reutern anſagen/ ſich fertig zuhalten/ deſſen ſich niemand ſo ſehr freuete als Leches/
welcher ſeiner geliebeten ſo viel in den Ohren lag/ daß ſie ihm eine Stelle auff der Fraͤu-
lein Gutſche neben ſich goͤnnete/ und ward ſehr geeilet/ weil ſie gegen Mitternacht zu Pa-
dua bey den ihren zu ſeyn bedacht wahren; woſelbſt eine uͤberaus groſſe Traurigkeit und
Angſt entſtund/ ſo daß wenig fehlete/ Fr. Sophia haͤtte ſich ſelbſt umbs Leben gebracht;
Dann es ward deſſelben Tages eine fliegende Zeitung/ die aus Irtuhm herruͤhrete/ in der
Stad außgeſprenget/ wie eine Reuter Schaar/ welche ſie meineten aus Padua geritten
ſeyn/ in einem Flecken angegriffen/ und alle miteinander erſchlagen waͤhren/ ohn daß ein
einziger junger Ritter/ mit gelben Haaren und zartem Angeſicht/ durch ſeine unglaͤubliche
Mannheit ſich ſo lange gewehret/ biß ihm Lebensfreyheit zugeſaget waͤhre; woꝛauff er end-
lich ſich gefangen hinweg fuͤhren laſſen. Dieſes erzaͤhlete Herren Emilius Haußhalter in
beyſein Frl. Helenen/ wie ers auff der Gaſſe gehoͤret hatte. Selbe hinterbrachte es ihrem
Vater/ welcher den Haußhalter eigentlich befragete/ und ging bald hernach zu dem Stat-
halter/ ihm anzeigend/ es gingen boͤſe Zeitungen umb/ und fuͤrchtete/ die Außgerittenen haͤt-
ten einen Anſal erlitten; wolte ihn zwar ungerne betruͤben/ koͤnte aber nicht umbhin/ es zu
melden/ daß eine Schaar Reuter von XL Pferden in einem Flecken gaͤnzlich/ auff einen
einzigen nahe/ ſolten erſchlagen ſeyn. Herr Fabius entſetzete ſich daruͤber zum hefftigſten/
fragete nach dem Zeitungs-bringer/ und ſendete alsbald etliche Diener aus/ dem Geſchrey
nachzuforſchen; welche bald wieder kahmen/ und berichteten/ daß die ganze Stad davon
redete. Inzwiſchen ging Frl. Helena hin/ ihre Waſe Fr. Sophien zu beſuchen/ und da ihr
dieſe Zeitung zukommen waͤhre/ ſie in ihrem Ungluͤk zu troͤſten; fand aber/ daß ſie deſſen
noch unberichtet wahr/ biß Herr Fabius in das Frauenzimmer trat/ und mit gelinder
Stimme anfing; lieben Kinder/ ich finde/ das ein Geſchrey in der Stad erſchollen/ ob ſol-
ten unſere Leute angegriffen ſeyn/ und etwas Niderlage erlitten haben; wird demnach
rahtſam ſeyn/ daß man Reuter außſchicke/ umb eigentlich nachzuforſchen/ ob ſichs alſo ver-
halte oder nicht. O Herzlieber Herr Vater/ ſagete Fr. Sophia mit zitternden Gliedern;
vielleicht ſind ſie alle miteinander erſchlagen. Solches wollen wir nicht hoffen/ antworte-
te er/ vielweniger ohn Urſach muhtmaſſen; dann das Geſchrey pfleget ſolche und derglei-
chen Luͤgen offtmahl auff die Beine zuſetzen. Ging damit hinweg/ und lies ſtuͤndlich 500
zu Pferde auffbieten/ vermochte auch Herren Kornelius/ daß er ihr Fuͤhrer ward/ welcher
mit ſeinen Leuten ſchleunig auffbrach/ und die gemeine Landſtraſſe nach dem Flecken vor
ſich nam. Fr. Urſula wahr damahls auff ihrem Zimmer allein/ und hatte ihre Leibdiene-
rin außgeſand/ ihr etliche Goldfaͤdem einzukaͤuffen; dieſe vernam das Geſchrey auff der
Gaſſen/ lieff ganz unbeſonnen zu ihrer Frauen mit groſſem geheule/ und ſagte; es waͤhre
ihr Gemahl ſamt Herren Ladiſla und allen Reutern erſchlagen/ und Herr Herkules ge-
fangen; woruͤber ſie dermaſſen erſchrak daß ſie in ſtarke Ohmacht niderfiel/ und weder
Hand noch Fuß mehr regete. Die Magd entſetzete ſich hieruͤber/ lieff nach Fr. Pompeien
und
[288]Anderes Buch.
und taht ihr ſolches zuwiſſen/ welche alsbald kraͤfftige Sachen zur Hand nam/ und mit Fr.
Sophien und Frl. Sibyllen zu ihr ging/ funden ſie als eine Todtenleiche/ und beſtrichen
ſie ſo lange/ biß ſie wieder zu ſich kam/ und mit gar ſchwacher Stimme und traͤhnenden
Augen ſagte. Ach warumb laſſet ihr mich meinem allerliebſten Fabius nicht folgen! oder
gedenket ihr/ daß ich nach ſeinem Tode luſt habe laͤnger zu leben? Fr. Sophia ward hier-
uͤber aͤngſtig zittern/ daß ſie ſich nieder auff die Erde ſetzen muſte/ und ſagte: O Herz liebe
Schweſter/ was habt ihr dann neues von meinem Bruder? Ich hoffe ja nimmermehr/
daß ihr traurigere Zeitung wiſſet/ als wir alle mit einander; Fr. Urſula aber fuhr fort mit
ihrer Klage; Ach mein Fabius! ach Herr Ladiſla! was vor grauſame Faͤuſte haben euch
erſchlagen koͤnnen? und was vor Gewalt hat den Handfeſten unuͤberwindlichen Herkules
gefangen? Als Sophia diß hoͤrete/ rieff ſie mit hartweinender Stimme, O iſt dann mein
liebſter Ladiſla ſchon dahin? O iſt meine einige Freude und Wolluſt ermordet? Mein Er-
retter! mein allerbeſter Schaz! mein einiges-Al? O du allerliebſte Seele/ warumb biſtu
nicht alsbald nach deinem Abſchiede hieher geflogen/ daß du mich auffgemuntert haͤtteſt/
mit dir zuzihen? Ja warumb koͤmſtu noch nicht/ und foderſt die meine ab/ zu dir/ nach dem
ſie mit dir unauffloͤßlich verknuͤpffet iſt? Nun nun/ unſere Freude iſt dahin/ unſere Wol-
luſt iſt zum Ende gelauffen/ aber leichter als der Wind/ ſchneller als der Schein eines auß-
geloͤſcheten Lichtes; geſchwinder als die Gedanken ſelber. O du liebreiche Seele/ haſtu
deine ſchoͤne Herberge/ den wolgeſtalten Leib ſchon außgezogen? Biſtu dieſes Lebens bereit
muͤde geweſen/ und haſt mir ſo offt beteuret/ es daͤuchte dich ſolches in unſer Liebe erſt recht
angehen? Zwar du haſt die Eitelkeit abgelegt/ und biſt wol ohn zweiffel ſchon in der Goͤt-
ter Zahl angeſchrieben; was ſolte dich dann bewaͤgen/ dieſe Gebrechligkeit laͤnger zu tra-
gen? Aber biß eingedenke/ bitte ich/ biß eingedenke der inniglichen Liebe und Gewogenheit/
womit meine Geiſter dir verbunden ſind/ und laß mich in deinem Himmels Stolze doch
nur zu deinen Fuͤſſen ruhen/ und mich an deiner allerliebſten Gegenwart ergetzen. Biſtu
noch eine Menſchen Seele/ ſo wirſtu die meine nicht beſchaͤmen/ wann ſie zu dir nahet;
biſtu eine goͤttliche Krafft worden/ O ſo nim die meine als deine getraͤueſte Dienerin an/
die dich anzubehten nicht wird unwillig ſeyn/ dann ich kan durchaus nicht von dir geſchie-
den bleiben/ ſo wenig jezt im Tode/ als vorhin im Leben/ nachdem ich dich einmahl geken-
net habe. Schließlich hoffe ich/ man werde unſern Leibern dieſe Freundſchafft tuhn/ und
ſie in einen Sarg beyeinander legen. Hiemit nam ſie ihr kleines Meſſerchen von der Sei-
ten/ und ſties es gleich auff ihre Kehle zu/ des gaͤnzlichen Vorſatzes/ ihrer Seele daſelbſt
den leichteſten Weg zu oͤffnen. Aber Frl. Sibylla/ welche neben ihr auff der Erden ſaß/ uñ
aus ihren Reden ihr Vorhaben leicht abnahm/ gab eben acht auff ihre Haͤnde/ ſahe den
Stich/ und warff mit einem groſſen Geſchrey ihre zarte Hand vor/ welche ſie ihr nicht al-
lein gar durchſtach/ ſondern auch noch ein zimliches Loͤchlein ihr ſelbſt neben der Kehle
machte. Das Fraͤulein empfand der Wunde/ und riß die Hand mit Gewalt zu ſich/ daß
das Meſſer drinnen ſtecken blieb. Der Stathalter trat gleich ins Zimmer/ ſahe ihre bluti-
ge Hand/ und der Tochter den rohten Schweiß vom Halſe die Bruſt hinab lauffen/ auch
ſie zugleich nebeſt ihrer Mutter und Fr. Urſulen in tieffer Ohmacht liegen/ zog vorerſt
dem Fraͤulein das Meſſer heraus/ ließ alsbald einen Wund Arzt hohlen/ und fragete/ was
dieſes
[289]Anderes Buch.
dieſes Unweſen bedeutete. Ach Gott/ ſagete das Fraͤulein/ ich merkete/ daß meine Frau
Schweſter ihr ſelbſt aus Unmuht die Kehle abſtechen wolte/ welches Ungluͤk abzuwenden/
ich meine Hand vorwarff/ und den Stich aufffing/ ſehe aber leider/ daß ſie auch noch eine
Wunde bekommen hat. Fabius verfluchte ſein Ungluͤk/ und nachdem Fr. Urſula ſich er-
hohlete/ auch Frl. Helena darzu kam/ brachten ſie die Stathalterin/ und endlich Fr. So-
phien wieder in etwz zurechte/ welche ihres Blutes im Buſem/ aber keiner toͤdlichen wun-
de empfindend/ zu dem verwundeten Fraͤulein ſagte: Ihr unbarmherzige Feindin/ und
Hinderung meines billichen Vorhabens; warum mißgoͤnnet ihr mir meinẽ Ladiſla/ bey
dem meine Seele nun bereit ſchweben wuͤrde/ wann eure grauſame Hand nicht waͤhre;
ſahe ſich hiemit nach ihrem Meſſer umb/ und gedachte den Mord noch zu vollenden. Abeꝛ
der Vater ſetzete ihr mit harter Rede zu; weſſen ſie ſich zeihete/ daß ſie ſo unbeſonnen wuͤ-
tete/ uñ den Tod ſuchte? man haͤtte ja noch keine gewiſſe Zeitung ihrer Niderlage/ ſondeꝛn
das bloſſe luͤgenhaffte Geſchrey waͤhre nur da; jedoch/ geſezt/ daß ihm alſo waͤhre/ ſolte
man dann alsbald Moͤrder an ſeinem eigenen Leibe werden? waͤhre es aber erlogen/ wie
ers gaͤnzlich davor hielte/ was wuͤrde ſie dann ihren Eltern und Verwanten/ ja ihrem La-
biſla ſelbſt vor Herzleid machen; ſolte ſich demnach zur Ruhe begeben/ biß man Gewißheit
haͤtte. Fr. Sophia antwortete ihm: O mein herzallerliebſter Herr Vater/ ohn allen zwei-
ſel habt ihr hievon gewiſſere Zeitung/ als euch lieb iſt/ und gedencket mich nur mit leeren
Worten zuunterhalten. Fing darauff an/ ſich von neuen uͤber den vermeynten Verluſt
ihres Ladiſla ſo klaͤglich zuſtellen/ daß ſie alle anweſende zu weinen bewaͤgete. O mein aller-
ſuͤſſeſter Schatz/ ſagte ſie/ deſſen volkommene Zucht und Tugend auszuſprechen mir un-
moͤglich iſt; muſtu dann deinen Lauff ſo ſchleunig zum Ende bringen/ uñ in der erſten Bluͤ-
te ſchon untergehen? Aber weder ich noch dte Welt ſind deiner reiffen Fruͤchte wuͤrdig ge-
weſen; der Himmel der Himmel ſucht das ſeine/ und goͤnnet der undankbaren Welt ſolche
Volkommenheit nicht. Gewißlich wird die klare Seele ein neuer Stern am Him̃el ſeyn/
welchen die Sternſeher bald ſpuͤren werden. O Ladiſla Ladiſla/ ſollen wir uns mit deinem
Bildniß/ dir zu Ehren auffgerichtet/ vergnuͤgen laſſen? Ja das wird uns nicht ſchuͤtzen;
Ja das wird uns nicht erfreuen/ noch den Raͤubern erſchreklich ſeyn. Fraget nun nach/
was das Geſpenſt in meines Ladiſlaen Marſtalle bedeutet habe; das Dach iſt weg geriſ-
ſen/ die Seele meine ich; das Pflaſter iſt umgewuͤhlet/ den Leib verſtehe ich. Die Pferde
ſind erſchlagen/ ſeine Kraͤffte/ O ſeine Kraͤffte haben muͤſſen erliegen unter der wuͤtenden
Raͤuber Haͤnden. Fraget nach/ was die einige blutrohte Roſe unter ſo v[i]elen weiſſen bedeu-
tet habe; Ach ihr Goͤtter/ ſchicket es ja/ daß niemand anders/ als ich/ dadurch moͤge bezeich-
net ſeyn. Drey Nachte hat das Geſpenſt angehaltẽ/ frageſtu/ wie dieſe drey Nachte heiſſen?
Fabius/ Ladiſla/ Herkules! O ihr drey klare Lichter/ ſeyd ihr ſo geſchwinde Nacht worden?
dann wer wird michs uͤberreden/ daß Herkules noch im Leben ſey/ oder nach Ladiſlaen To-
de noch laͤnger darinnen zubleiben begehre? So ſeyd ihr nun verſchwunden/ ihr Lichter;
ſo hat uns nun uͤberfallen eine dreifache Nacht! O du ſtokfinſtere Nacht/ wer wil deine
Dunkelheit vertreiben? O ihr hellen Lichter/ wann wird eures gleichen wieder angezuͤndet
werden? Der Vater ließ ſie ihre Klage ausfuͤhren/ und ward Frl. Sibylla inzwiſchen veꝛ-
bunden/ welche nachgehends ſich wieder zu ihr ſetzete/ und ſie freundlich ermahnete/ ſie
O omoͤch-
[290]Anderes Buch.
moͤchte doch gemach tuhn/ und ihres Lebens ſchonen; dann ſolte es gleich wahr ſeyn/ muͤſte
man ja mit den Goͤttern nicht ſtreiten/ welche durchaus ihren Willen haben wolten/ wie
hart wir uns auch dawider ſtraͤuben moͤchten; waͤhre es aber nicht wahr/ wie dann ihr
Sinn ihr ein ſolches allerdinge zutruͤge/ was ſtellete ſie ſich dann einer Unſinnigen aͤhnli-
cher als einer Witzigen? Ja ihr habet wol urſach mich zu troͤſten/ ſagte Fr. Sophia/ da ich
bald Moͤrderin an euch worden bin/ daß ihr Zeit eures Lebens bey dieſer Narbe an mich ge-
denken koͤnnet/ welches mir doch herzlich leid iſt. Und O haͤttet ihr doch dem Stich ſeinen
Weg gegoͤnnet/ ſo waͤhre ich nun aller Pein ab/ und ginge meine Seele ſuchen/ wie ſie mit
ihrem Ladiſla entweder umherſchweben/ oder in Ruhe ſitzen moͤchte. Das Fraͤulein/ un-
geachtet der Schmerzen/ zeigete ihr mit einem froͤlichen Angeſicht die verbundene Hand/
und ſagete: O wie ſol Herr Ladiſla noch dieſer meiner Hand danken/ daß ſie ſeiner herzge-
liebeten Sophien das Leben erhalten hat. Ach mein Schweſterchen/ antwortete ſie/ mey-
net ihr/ daß mein Ladiſla noch leben ſolte? O ihr Goͤtter/ wie wol waͤhre mir dann! aber
leider leider! die Zeitung gibt es viel anders; dein Leben iſt gebrochen/ O du unvergleich-
licher Held! O du allerfreundlichſter Liebhaber! Was vor Unſiñigkeit treibet euch dann/
ſagte das Fraͤulein/ daß ihr euren Ladiſla mit Gewalt tod wollet haben? Ich halte/ ſtuͤnde
er hie vor euch/ ihr legetet Hand an ihn/ daß nur euer widerſinniger Kopff recht haben
moͤchte; ſehet da/ ich gebiete euch im Nahmen und von wegen eures Ladiſla/ der ohn zweifel
noch friſch und geſund lebet/ daß ihr nicht allein eure Klage maͤſſiget/ ſondern euch ſtraks
angeſichts verbinden laſſet; dañ was meynet ihr wol/ das er gedenken wuͤrde/ wann er die-
ſe Wunde an eurem Halſe/ und das geronnene Blut in eurem Buſem ſehen ſolte? Rieff
hiemit dem Arzte/ uñ hießihn die wunde beſichtigen. Fr. Sophia ward hiruͤber dermaſſen
beſtuͤrzet/ daß ſie vor Furcht kein Wort reden kunte/ ſaß nur und ſahe ſie an/ weil der Arzt
die Wunde betrachtete/ endlich ſagte ſie zu ihr: O ihr harte Zuchtmeiſterin! traget jhr dañ
gar kein Mitleiden mit mir elenden? Ich wil euch nicht hoͤren/ antwortete ſie/ biß die wun-
de verbunden iſt/ und gebiete euch nochmahl/ von wegen Herrn/ Ladiſla/ daß ihr euch ver-
binden laſſet. Ach ja mein Schweſterchen/ antwortete ſie/ ich bin ja gehorſam; hielt auch
dem Arzt die Kehle zu/ und ließ ihn nach allem Willen machen. Der Stathalterverwun-
derte ſich der Fraͤulein treflicher Vernunfft/ daß ſie dieſes Mittel/ ſie zubereden/ ſo kluͤglich
haͤtte erfinden koͤnnen. Aber ſo bald die Verbindung geſchehen wahr/ da ging der Jam̃er
von neuen wieder an; die Traͤhnen ſchoſſen ihr dermaſſen haͤuffig aus den Augen/ daß ſie
in ihre Schoß fielen. O ihr Goͤtter/ ſagte ſie/ kan auch der Baum gruͤnen/ wañ er die Wuꝛ-
zel verlohren hat? Ja ja/ man ſtellet ihn ins Waſſer/ und erhaͤlt ſeine Blaͤtter etliche Tage
auff mit ſolcher gewaltſamen Anfeuchtung; aber es beſtehet nicht lange/ dann fallen ſie a-
be/ und vergehen/ ehe mans inne wird. Gleich alſo kan man mich durch falſche Hoffnung
auch ein wenig laben/ auch ein wenig erhalten; aber unmoͤglich iſt es/ daß es lange beſtehen
ſolte; dann die Wurzel/ auff welche ich gegruͤndet wahr/ iſt abgehauen; Ach ihr Goͤtter/ ſie
iſt abgehauen und dem Stam entzogen/ der von ihr allen Safft und das Leben ſelbſt hatte.
Frl. Sibylla kunte wegen Mitleiden und Empfindligkeit der Wundenſchmerzen/ ihr nit
zureden/ deswegen fing der Vater an zuverſuchen/ ob er durch Gelindigkeit etwas bey ihr
ausrichten koͤnte/ und ſagte zu ihr: Herzgeliebtes Kind; du weiſt/ mit was groſſem fleiß ich
und
[291]Anderes Buch.
und deine Mutter dich aufferzogen/ und uns deiner angenommen haben/ weil wir deinen
Gehorſam gegen uns allemahl geſpuͤret/ und du dir ſehr wol haſt koͤnnen rahten laſſen;
Warumb entſageſtu mir dann jezt alle folge/ und kuͤndigeſt mir den Gehorſam gar auff/
deſſen ich mich zu dir nimmermehr verſehen haͤtte? O mein Gn. herzallerliebeſter Herr
und Vater/ antwortete ſie; mein Unfal iſt ungleich ſchwerer/ als daß er von mir ſchwachem
Kinde ſolte geduldig koͤnnen ertragen werden; und wann ihr empfinden moͤchtet/ was vor
Pein und Angſt meine hochbetruͤbete Seele in ihrem Fleiſche leidet/ nachdem mir derſelbe
durch den Tod geraubet iſt/ welcher mein Leben wahr/ zweifele ich nicht/ ihr wuͤrdet mir
willig goͤnnen/ mich der Qual loßzumachen/ und aus dieſem Kummer meine Seele auß-
zuſpannen. O Ladiſla! O mein Schaz! haͤtte eure Freundligkeit mir doch unbekant bleibẽ
moͤgen; waͤhre ich dann gleich nimmermehr gluͤkſelig worden/ ſo wuͤrde ich dannoch zum
wenigſten ohn-ungluͤkſelig blieben ſeyn. Mein Kind/ ſagte der Vater/ haſtu dann etwa ge-
wiſſe Zeitung von deines Gemahls Tode/ ſo mache es mir auch kund/ ob ich zum wenigſten
ſeinen Tod raͤchen moͤchte/ wie er dann auff ſolchen fall ungerochen nicht bleiben wuͤrde;
traueſtu aber nur dem bloſſen Geruͤchte/ ſo hoͤre mich doch in ſo weit/ und enthalte dich al-
ler Taͤhtligkeit/ biß wir unbetriegliche Zeitung haben werden; muß es dann hernach geſtor-
ben ſeyn; wolan/ ich wil dir Schwert und Meſſer ſelbſt in die Hand geben; beſinne dich
nur inzwiſchen/ wie du es vor den Goͤttern/ ja vor Ladiſlaen Seele/ wann er tod ſeyn wuͤr-
de/ verantworten wolleſt/ daß du mit einem Stiche/ dich und deine Eltern zugleich/ als eine
Erzmoͤrderin umbringeſt. Dieſe Worte durchdrungen ihr Herz dermaſſen/ weil ſie dabey
ihres Vaters Traͤhnen ſahe/ welche ihr bißher unbekant wahren/ daß ſie angelobete/ ſich
einzuhalten/ und ihrer Seele Auffloͤſung anderer geſtalt zuerwarten; woruͤber ihr Vater
hoͤchlich erfreuet ward/ unter der Hoffnung/ die Zeit wuͤrde den Schmerzen lindern/ wañ
nur der erſte Sturm in etwas geſtillet waͤhre. Ihre Fr. Mutter wahr zeitig hinweg gangẽ
in ihr Kaͤm̃erlein/ woſelbſt ſie als eine gottfuͤꝛchtige Chriſtin ihꝛ andaͤchtiges Gebet zu Gott
auf ihren Knien verꝛichtete/ daß derſelbe das ſchwere Ungluͤk in gnaden von ihrẽ Kind’n ab-
wenden/ uñ ſie nit im Heydentuhm wolte hinſterbẽ laſſen; ging hernach in zimlicher Frei-
digkeit zu ihnen hin/ da ſie ihre Tochter etwz beruhiget fand/ zu welcher ſie ſagete; vertraue
dem wahren Gott/ mein Kind/ ob du ihn gleich nit keñeſt/ und zweiffele nit/ mein Gott wiꝛd
dich meiner Vorbitte genieſſen laſſen/ uñ in kurzen dein Leid in freude verkehren; dañ mein
Herzſaget mirs/ ohn zweiffel aus Gottes Wirkung/ dz meine Soͤhne alle drey noch im Le-
ben/ und das Geruͤcht allerdinge falſch ſey. Aber der Troſt welchen ſie daher ſchoͤpffete/ war
ſehr geringe/ doch verſprach ſie ihrer Mutter/ ſie wolte alle moͤgliche Geduld ergreiffen/
biß die Goͤtter dem Leyden wuͤrden ein Ende machen/ und verblieben ſie in dieſem leidigen
Stande/ biß umb Mitternacht/ daß ſie weder an Eſſen noch Ruhe gedachten. Der Tohr-
huͤter vernam umb dieſe Zeit ein hartes Geklopffe vor dem aͤuſſerſten Tohr des Hoffes/
und fragete/ wer ſich ſo ungeſtuͤm erzeigete. Was frageſtu viel/ antwortete der junge Fa-
bius/ bald oͤffne mir das Tohr. Dieſer kennete die Stimme/ und ſagte; Ach Gn. Herr/
ſeid ihrs ſelber/ oder iſts euer Geiſt? Er aber begunte unwillig zu werden/ und draͤuete ihn
zu pruͤgeln/ wo er nicht bald auffmachen wuͤrde. Worauff jener ſagete; ja wie gerne wolte
ich mich biß auff den Tod pruͤgeln laſſen/ wann nur eure Gn. noch im Leben waͤhren. La-
O o ijdiſla
[292]Anderes Buch.
dlſla lachete der Rede/ und meinete/ dieſer Menſch waͤhre aberwitzig/ redete ihm deßwegen
guͤtlich zu/ und ſagte; Ja mein guter Pfoͤrtner/ dein Herr Fabius lebet noch/ wie du ja
hoͤreſt/ mache uns nur auff. Helfft ihr Goͤtter/ rieff dieſeꝛ vor freuden/ da hoͤre ich ja Her-
ren Ladiſlaen Stimme auch noch; machete geſchwinde auff/ und ſagete: O ihre Gnn. ſein
wilkommen; wie hoch und ſchmerzlich wird deren Tod von dem Frauenzimmer beweinet.
Ladiſla fragete/ was die Urſach waͤhre. Die ganze Stad iſt des geſchreies vol/ antwortete
er/ als ob ſie alle Tod/ und Herr Herkules gefangen ſey; daß wol keine Gaſſe oder Hauß in
der Stad iſt/ darinnen euer Tod nicht ſolte beweinet ſeyn; aber eure Gn. halten mich laͤn-
ger nicht auff/ daß ich die gute Zeitung anmelde/ wovor ich ein reiches Botenbrod gewaͤr-
tig bin. Daß ſoltu ohn daß wol haben/ ſagte Ladiſla/ aber weil es alſo beſchaffen iſt/ wollen
wir uns ſelbſt melden; ſtieg auch mit Fabius/ Leches/ und Libuſſen im Vorhoffe ab/ und
gingen in allerſtille durch den Hoff die Stiege hinauff nach dem Eſſe Saal/ woſelbſt der
Stathalter mit den ſeinen gar allein wahr/ und untereinander allerhand Geſpraͤch fuͤhre-
ten; da Fr. Sophia des Kato Tochter Fr. Porzia/ Herren Brutus Gemahl hoch ruͤh-
mete/ daß nach ihres Ehe Herren Tode ſie nicht laͤnger im Leben bleiben wollen/ uñ ob man
ihr gleich alle Mittel des Todes aus dem Wege geraͤumet/ haͤtte ſie auff eine zuvor uner-
hoͤrete Weiſe durch verſchluckung gluͤender Kohlen/ ihre Seele aus dem Leibe getrieben/
und ſie ihrem allerliebſten Brutus nachgeſchicket. Worauff ihre Fr. Mutter antwortete;
Ob gleich ſolche und dergleichen Gewalttaͤhtigkeit an ſich ſelbſt begangen/ von etlichen
Weltgelehrten gebilliget und geruͤhmet wuͤrde/ ſo haͤtten doch andere aus der Vernunft
ſehr wol geurteilet/ daß ſolches Unrecht waͤhre/ und der wahren Tugend allerdinge zuwie-
der lieffe/ daher auch ſolche Geſetze gefunden wuͤrden/ Krafft deren alle ſo ſich ſelbſt er-
morden/ vor unehrlich erklaͤret werden/ und daß man ihren todten Leichnam mit einem
Schandmahle zeichnen ſolle. Hat dann die keuſche Lukrezie des Kollatinus Gemahl auch
unrecht gehandelt/ ſagte Fr. Sophia/ als ſie von Sextus Tarquinius dem frechen Buben
genoht zuͤchtiget/ ihr keuſches Gemuͤht durch einen freywilligen Tod zuerkennen gab?
Daß wahr eine andere Sache/ antwortete ihre Mutter/ welche nach deinem Vernunfft-
Glauben etwas ſcheinlicher kan behaͤuptet werden/ wie wol ichs leicht dartuhn wolte/ daß
ihre Taht mehr aus verzweiffeltem Unmuht/ als rechtſchaffener Tugend geleiſtet iſt/ dañ
ein Menſch hat von Gott nicht Gewalt bekommen uͤber ſein eigen Leben/ ſondern er muß
ſolches ſo lange behalten/ biß Gott daſſelbe von ihm ſodert. Der Stathalter gab ſeinem
Gemahl recht/ und daß er in dieſer Frage mehr dem Ariſtoteles als den Stoiſchen Lehreꝛn
beypflichtete/ wolte auch nicht/ daß man davon weiters reden ſolte/ daher Frl. Sibylla
(welche zum hefftigſten bemuͤhet wahr/ ihre Waſe zu beguͤtigen) das tieffe ihres verſtan-
des hervorſuchete/ mehr als vor nie/ und fing an zu reden/ von des Gluͤckes unbeſtaͤndigem
Wechſel/ und wie man deſſen Wuͤtereien begegnen muͤſte/ da ſte zu Fr. Sophien alſo an-
hub: Herzgeliebte Fr. Schweſter/ ich halte vor ganz gewiß/ euch nicht unbewuſt zu ſeyn/
was vor Beſchaffenheit es umb uns Menſchen in dieſer Welt habe/ da das umbwalzige
Gluͤk nicht anders/ als das Gewitter ſich erzeiget. Fruͤh Morgens blicket das allerſchoͤnſte
Himmel-roht nach hoͤchſter Luſt hervor/ und darff der Sonnen ſelbſt troz bieten; deſſen
der Wandersman wahrnehmend/ ihm die Rechnung machet/ er wolle noch dieſen Tag
ſeine
[293]Anderes Buch.
ſeine Reiſe gar leicht enden; ehe aber der Sonnen Rad ſich mit allen ſeinen Speichen uͤ-
ber der Erde ſehen laͤſſet/ koͤmt ein Sturmwind/ und treibet die Wolken zuſammen/ aus
welchen ein groſſer Plazregen faͤllet/ daß der Wandersman gezwungen wird/ unter eine
Schaurhuͤtte zutreten/ und des folgenden Tages zuerwarten; iſt er aber ſo naͤrriſch/ und
laͤufft unbeſonnen im Regenfort; dann wird er nicht allein durch und durch naß/ ſondern
er geraͤht an eine Bach/ woruͤber ein ſchmaler Steg lieget/ eilet hinuͤber/ und weil er ſchlip-
ferig worden iſt/ glitſchet er hinab/ faͤlt in daß auffgelauffene waſſer/ und erſaͤufft gar drin-
nen. Was hat dieſer Unbeſoñener nun vor nutzen/ meine Fr. Schweſter/ als ein muht-
williges verderben? Ja was hat er vor Ehre davon/ als Spot und Hohn vor aller Welt?
Sehet/ das Ungewitter hat uns leider auch getroffen/ wie ihr davor haltet/ da doch des
Tages Anfang in eurer Heyraht ſich nach allem Wunſche ſehen lies. O erzeiget euch doch
dem naͤrriſchen Wandersmanne nicht gleich/ damit ihr nicht umb Lob und Leben auff ein-
mahl kommet. Iſt dieſe das Fraͤulein/ wuͤrde jederman ſprechen/ welche wir auff dem
Marsplatze zu Rom/ als einen Spiegel und Außbund der Weiblichen Klugheit ſehen muͤſ-
ſen/ und kunte das Ungewitter (ja vielleicht nur ein bloßvermeinetes) nicht uͤber ſich hin-
wehen laſſen/ ſondern ſtuͤrzete ſich muhtwillig ſelbſt in den Sumpff des verderbens? wir
haben ihren Wiz hoͤher geachtet/ als er wert iſt. Dieſem Ubel vorzubauen/ meine Fr.
Schweſter/ laſſet uns doch hinte etwas Schirm nehmen; vielleicht wird Morgen Sturm
und Hagel gelinder/ oder verſchwindet wol gar. Ein friſches Herz in guten Tagen/ kan
auch der feigeſte erzeigen; ja ich getraue mir/ ein Schiff wol zu ſteuren/ wann der Wind
mich fuͤhret/ wohin ich gedenke; und wer koͤnte ſolches nicht? Wann man aber zwiſchen
Schwertern uñ Spieſſen ſtecket/ da hinten und fornen die Pfeile umb uns her fliegen/ dañ
zeiget ſich der Furchtſame ſchon ſelber/ und ſtuͤrzet zur Erden ehe er getroffen wird; und
ich im Sturme muͤſte als eine unerfahrne gewiſlich mit ſamt dem Schiffe verderben. Ey
ſo ergreiffet ein Herz meine Fr. Schweſter/ und laſſet blicken/ daß euer Muht nicht nur
auff der Zungen/ ſondern viel tieffer und feſter ſitze/ als daß ein falſches Geſchrey ihn ſtuͤr-
zen und fellen koͤnne; und trauet mir/ daß keine Laſt ſo ſchwer ſey/ welche durch Vernunfft
nicht ſolte koͤnnen gehoben und fortgebracht werden. Fr. Sophia antwortete ihr; Herz-
liebſte Schweſterchen; ihr ſeid bey meiner traͤue auß der Zunfft dieſer Kriegs Oberſten/
welche ihren Soldaten zwar einen Muht einſprechen/ und des feindes Macht mit Wor-
ten zuverkleinern wol abgerichtet ſind/ aber in die Schlacht kommen ſie nicht/ ſondern ſte-
hen nur von ferne/ und fechten in Gedanken/ da wo ihnen weder Pfeil noch Schwert ſcha-
den kan; meinet ihr aber/ daß Reden und Tuhn ein Ding ſey? O wie wolte ich einem ſo
geherzt zuſprechen/ wann ich ſelbſt auſſer der Gefahr waͤhre! O wie wolte ich einemder
ans Kreuz gehefftet iſt/ die Geduld einpredigen/ wann die Schmerzen mich nicht ruͤhre-
ten! Iſt dann der Menſch ein unverſtaͤndiges Tihr/ welches ihm nichts zu Gemuͤht zeu-
het? oder iſt ein ſchwaches Weibsbild ein unempfindliches Holz/ wann ihr daß genom̃en
wird/ welches ſie ungleich hoͤher liebet als ſich ſelbſt? Ich weiß zwar wol/ daß meiner Tap-
ferkeit wegen ich nicht auff den Marsplaz geſetzet bin/ ſondern auß bloſſer Gnade; aber
verſuchet zuvor/ was es ſey/ ein mehres als ſich ſelbſt verlieren/ ehe ihr mich richtet uñ ver-
dammet; doch die Goͤtter behuͤten euch davor. Frl. Sibylla wolte ihr nicht zu hart wie-
O o iijder-
[294]Anderes Buch.
derſprechen/ ſondern dieſes ſchmerzliche Geſchwer auffs ſanffteſte außdruͤcken/ und ant-
wortete alſo: Meiner Schwacheit/ hochgeliebte Fr. Schweſter/ habe ich ſehr gute Kund-
ſchafft/ und wie leicht mich Ungluͤk niderdruͤcken kan; weil mir aber eure Großmuͤhtigkeit
bekant iſt/ nimt mich wunder/ daß dieſelbe ſo ſchleunig/ und durch ein bloſſes Geſchrey er-
lieget; habe demnach verſuchen wollen/ ob mirs gluͤcken wuͤrde/ daß wie ein kleiner recht
angeſchlagener Hebebaum einen groſſen Block leicht umbwaͤlzet/ ich durch mein gering-
fuͤgiges Einreden euer Herz bewaͤgen moͤchte/ daß ſichs an den gewoͤhnlichen Ort ſetzete/
daraus es getreten iſt/ und der Wiederwertigkeit troz boͤhte/ welche die Herſchafft ſuchet.
Ach mein teures Schweſterchen/ ſagte jene; meinet ihr dann/ daß mein Herz nur aus ſei-
ner Stelle geſetzet/ uñ noch in mir ſey? Ach nein! ich habe es gar verlohꝛẽ/ es iſt verſchwun-
den und erloſchen wie eine Flamme vom Waſſer; dann alles was muhtig in mir wahr/
iſt mit meinem Ladiſla ſchon Tod und erſtorben; ja derſelbe wahr mein Muht und mein
Herz. Mit welchem Worte ihr eine Oh macht zuſtieß/ daß man gnug mit ihr zuſchaffen
hatte/ ſie wieder zuerquicken; da ſie auffs neue anfing/ eine ſolche Traͤhnenbach zuvergieſſẽ/
daß allen anweſenden die Augen uͤbergingen; und endlich das Fraͤulein abermahl anfing:
Hilff Gott/ was wird dann endlich draus werden? wollet ihr dann dem Lebendigen die
Leichbegaͤngniß halten? ſehet da/ eine naͤrriſche Magd hat euch eine ungegruͤndete Zei-
tung gebracht/ und die muß bey euch mehr gelten/ als eure Eltern/ und alle die es gut mit
euch meynen; In Warheit/ ihr verdienet hiemit/ daß Herꝛ Ladiſla auf ſeine gluͤkliche Wie-
derkunfft euch hart genug angreiffe/ weil ihrs doch nicht beſſer haben wollet. Ich meyne/
ihr haͤttet uns verſprochen/ biß auff eingebrachte gewiſſe Zeitung ruhig zu ſeyn/ und uͤber-
haͤuffet das Klageleid je laͤnger je hefftiger. Nun nun/ antwortete ſie/ ich muß geduldig
ſeyn; aber wie habt ihrs doch mit mir im Sinne? ruhe ich durch Ohmacht (dann anders
weiß ich nicht zu ruhen) ſo ruͤttelt/ ſchuͤttelt und begieſſet ihr mich ſo lange/ daß ich wieder
unruhig werden muß/ und alſo ſol ich wider mein Vermoͤgen/ und eure Bemuͤhung ruhig
ſeyn; ſo goͤnnet mir nun die Ruhe/ die meinem elenden Zuſtande gleichmaͤſſig iſt/ ſo laſſet
mich (in der Unruhe/ welche ich weder einzwingen noch verjagen kan) wolte ſie ſagen/ aber
Ladiſla mit ſeiner Geſelſchafft trat gleich zur Saal Tuͤhre hinein/ gegen welche Fr. Sophia
gerade uͤber ſaß/ daß ſie ſeiner alsbald gewahr wurde/ und mit lauter Stimme rief: O mein
Ladiſla komt daher! fiel auch vor groſſer Freude auff den Tiſch mit dem Haͤupt/ und blieb
unbewaͤglich liegen. Die andern ſtunden alle auff/ da Fr. Urſul ihrem Fabius/ die Stat-
halter in ihrem Schwieger Sohn umb den Hals fiel/ das Fraͤulein aber zu Frau Sophien
nahete/ und ihr einen groſſen Becher vol kuͤhles Weins in den Buſem ſchuͤttete. Ladiſla
lieff zu ihr hin/ und fragete die Anweſenden/ warumb ſein Gemahl uͤber ſeiner Ankunft ſich
dergeſtalt bewaͤgete/ daß ihr alle lebendige Geiſter entgingen; ſie aber erhohlete ſich bald/
umfing ihn mit beyden Armen/ und ſagte: O mein trauten Schatz/ haben euch die Goͤtter
mir vor dißmahl noch wieder goͤnnen wollen? O ich erkenne meinen groſſen Fehler/ welchẽ
ich begangen/ indem ich umb ein Haar durch die Wunde meiner Kehle euch nidergeſtochẽ
haͤtte. Ladiſla verſtund dieſe Rede nicht/ biß Fr. Urſul ihn des ergangenen berichtete/ uñ
das Frl. Sibylla ihr das Leben erhalten/ aber auch daruͤber eine zimliche Wunde bekom̃en
haͤtte. Ladiſla hatte bißdaher ſeinem liebẽ Gemahl noch nie hart zugeredet/ abeꝛ dißmal kun-
te er
[295]Anderes Buch.
te er ſich nicht enthalten/ jhr einen zimlichen Filz zu leſen; es ſtuͤnde trauen zumahl verwaͤ-
gen/ daß ein vernuͤnftiger Menſch wegen zufallenden Ungluͤks jhm ſelber gewaltſame
Hand anzulegen fertig waͤhre/ geſtaltſam dieſes einen frechen Mutwillen wieder die Goͤt-
ter und ihre Verſehung anzeigete; dann niemand koͤnte dieſes anders auslegen/ als ſuche-
te man hiedurch/ an den Goͤttern Rache zu uͤben/ uñ wo moͤglich/ ſie ſelbſt zueꝛmorden/ weil
es aus bloſſer Wiederſpenſtigkeit gegen jhre Verhaͤngnis voꝛgenommen wuͤrde. Sie hin-
gegen ſahe jhn mit etwas Schamhaftigkeit an/ mehr willens/ ihre untertaͤhnigkeit blicken
zu laſſen/ als weitlaͤuftige Entſchuldigung einzufuͤhren; bekennete demnach/ daß ſie geſuͤn-
diget/ und jhren heftigen Bewaͤgungen die Herſchaft uͤber die Vernunfft gegoͤnnet haͤtte;
weil es aber aus Liebe gegen jhn geſchehẽ waͤhꝛe/ hoffete ſie deſto leichtere Verzeihung; wel-
che er jhr aber ſo leicht zu geben nicht willens wahr/ damit ſie auff einandermahl von der-
gleichen vornehmen abgeſchꝛecket wuͤꝛde/ daher antwortete er ihr: Ob ſie dieſes ſo ſchlecht
von der Hand ſchlagen koͤnte? Sie moͤchte nur bedenken/ was vor eine Wunde ſie zuma-
chen vorgehabt/ wodurch jhre und ſeine/ vielleicht auch wol jhrer lieben Eltern Seele zu-
gleich ausgangen waͤre; er vor ſein Haͤupt hielte es nicht vor eine Liebeswirkung/ ſondern
vor eine verzweifelte Raſerey/ welches jhre Seele dermaſſen unwert und abſcheuhlich
wuͤrde gemacht haben/ daß die ſeine in jener Welt ſich nimmer zu ihr genahet haͤtte. Das
verliebete Herz empfand dieſe Zuͤchtigung faſt todes maſſe; gefiel aber den Eltern ſehr wol/
inſonderheit/ daß/ wie ſie ſich zu jhm nahete/ ihn zu uͤmfangen/ eꝛ ſich deſſen ausdꝛuͤklich we-
gerte/ dafern ſie jhm nicht an aͤidesſtat verſprechen wuͤrde/ ſolcher unmenſchlichen Gedan-
ken forthin allerdinge muͤſſig zugehen/ ob gleich ſein ertoͤdteter Leib vor jhren Fuͤſſen laͤge;
dann/ ſagte er/ ich bin kein Gott/ daß ihr euch mir zum Opfer daꝛſtellen woltet; uͤberdas ſeyd
jhr mir Traͤue und Beywohnung ſchuldig (wie ich euch im gleichen); aber im Tode ſol-
let ihr mir trauen keine Geſelſchafft leiſten/ biß ſo lange es den Goͤttern gefaͤlt; Und moͤget
ihr wol den Goͤttern und dieſer eurer heutigen Schuz Goͤttin (auf Frl. Sibyllen zeigend)
danken/ die ein ſo grobes Laſter uñ unverantwortliche uͤbeltaht von euch abgekehret habẽ.
Iſts nicht uͤberal leichtſinnig/ fuhr er fort/ daß man auff ein bloſſes Geſchꝛey/ da kaum icht-
was nichtigers in der Welt ſeyn kan/ man ihm ſelbſt den Todesweg mit dem Meſſer oͤfnen
wil? In der warheit/ wann euch dieſer Sinn waͤhre vor dem Kopf geſchrieben geweſen/
wuͤrde es kraͤftig genug geweſen ſeyn/ mich von eurer Liebe abzuſchrecken; dañ/ koͤnte man-
nicher gedenken/ weſſen ſolte ein ſolches erzuͤrnetes Weibsbilde verſchonen/ die mit ihr ſel-
ber kein Mitleiden traͤget? Er wolte weiter fortfahren/ ſahe aber/ daß ſie mit thraͤhnenden
Augen ſich zum Fußfalle zubereitete/ daher er ihr aus einem gelinderen Faſſe einſchenkete/
und nachdem er ſie bey der Hand gefaſſet hatte/ zu ihr ſagete: Nun ich trage dieſes Ver-
trauen zu euch/ ihr werdet meinem Begehren nach/ miꝛ eine aͤidmaͤſſige Veꝛheiſſung tuhn/
daß zeit eures Lebens ihr deſſen euch nit mehr unternehmẽ wollet/ aber wo ich lebe/ ſollet ihr
meiner Frl. Schweſter geſtochene Handwunde ſchwer gnug buͤſſen. Sie kam hieſelbſt erſt
recht zur Erkaͤntnis ihres groben Irtuhms/ gelobete traͤulich an ſich ſolcher Untaht her-
naͤhſt alleꝛdinge zuenthalten/ und empfing daꝛauff voͤllige Vergebung; nach welchem Veꝛ-
gleich er zu dem Fraͤulein trat/ kuͤſſete ſie freundlich/ und baht ſeines Gemahls wegen uͤmb
Verzeihung/ neben dem Verſprechen/ er wolte es dereins auff ihrem Beilager dergeſtalt
zuer-
[296]Anderes Buch.
zuerkennen wiſſen/ daß ſeine Dankbarkeit daher ſolte geſpuͤret werden. Fr. Sophia ſelbſt
fiel ihr uͤm den Halß/ herzete und kuͤſſete ſie/ und ſchwuhr/ dieſe ihre groſſe und uͤberſchwe-
ſterliche Traͤue nun und nimmermehr aus jhrem Gedaͤchtnis kommen zulaſſen. Inzwi-
ſchen fragete der Stathalter ſeinen Sohn/ ob nicht Herꝛ Kornelius auff ſie geſtoſſen waͤh-
re; und vernam/ daß ſie denſelben nicht angetroffen/ weil ſie nicht die Heerſtraſſe/ ſondern
einen richtigern Nebenweg genommen haͤtten. Ich danke den Goͤttern/ ſagte der Vater
weiter/ daß eure Niderlage bloß ertichtet iſt; aber wer mag doch luſt haben/ dergleichen
ſchaͤndliche Luͤgen auszuſprengen? Ladiſla antwortete; ſeines Erachtens waͤhre es ein Ir-
tuhm/ und ruͤhrete daher/ daß ſeine Frl. Schweſter in Geſtalt und Kleidung eines Juͤng-
linges ſich haͤtte laſſen gefangen nehmen/ welchen etliche vor Herkules moͤchten gehalten
haben. Erſtward Fr. Sophia durch Frl. Helenen anzeige/ der fremden Jungfer gewahr/
und fragete Ladiſla/ wer ſie waͤhre. Er gab zur Antwort; Sie waͤhre hohes Adels aus ſei-
nem Koͤnigreiche/ und die Vornehmſte des Frauenzimmers ſeiner Frl. Schweſter/ welche
ſie vorgeſtriges Tages aus etlicher Raͤuber Haͤnden erloͤſet haͤtten. Darauff trat ſie zu ihꝛ
hin/ uͤmbfing ſie freundlich/ und hieß ſie ſehr wilkommen ſeyn/ baht auch uͤm Verzeihung/
daß man ſie ſo lange unangeredet ſtehen laſſen; deſſen die ergangene Verwirrung Urſach
waͤhre. Dieſe bedankete ſich untertaͤhnigſt/ wiewol mit etwas anderen Geberden und Lei-
besneigungen/ als in Italien bꝛaͤuchlich wahr/ ſchaͤtzete ſich unfaͤhig der hohen Ehre/ die ihr
einer unwirdigen angetahn wuͤrde/ ſintemahl ſie ſich bloß vor ihrer Gn. Dienerin eꝛkeñen
muͤſte; moͤchte aber von Herzen wuͤnſchen/ daß ihr gnaͤdigſtes Frl. ſelber gluͤklich ankom-
men/ und ihre geliebte Fr. Schweſter und Schwaͤgerin kuͤſſen und uͤmfangen moͤgen;
baht hierauff/ uͤmb Verzeihung ihrer ungeſchikten Rede/ weil ſie die lateiniſche Sprache
zureden ungeuͤbet waͤhre/ und ihr weniges durch Unterrichtung ihrer gnaͤdigſten Fraͤulein
gefaſſet haͤtte. Fr. Sophia bezeugete mit ihren Traͤnen/ wie herzlich leid ihr der Fraͤulein
Verluſt waͤhre/ hoffete doch zu den Goͤttern/ ſie wuͤrden ſich ihrer gnaͤdig annehmen/ und
ſie vor Lebens- und ehren-Gefahr beſchuͤtzen. Die Boͤmiſchen Geſanten wahren nicht al-
lein wegen der Fraͤulein Verluſt ſehr betruͤbet/ ſondern weil ihnen auch die Zeitung von
ihres Koͤniges Tode zu Ohren kommen wahr/ hielten ſie ſich nicht anderſt als verzweiffel-
te Leute/ und hatten ſich kurz vor Ladiſla Ankunfft ungeſſen und ungetrunken zur Ruhe ge-
legt. Der Stathalter aber lies ihnen andeuten/ ſie moͤchten ihren groſſen Kummer maͤſ-
ſigen/ nach dem ihr Koͤniggeſund und ohn alle zugeſtoſſene Gefahr wieder angelanget waͤh-
re; Worauff Bugeſla ſagete: Ey Gott lob/ ſo ſind wir ja noch nicht gar zu Waͤyſen woꝛ-
den/ weil unſer Koͤnig noch im Lebẽ iſt. Die Verwirrung und Freude der Geſelſchafft war
ſo groß/ daß ſie nach Herkules zufragen eine gute Zeit vergaſſen/ biß Sibylla ahnete/ wo
ſie ihn gelaſſen haͤtten; Und Fabius darauff anzeigete/ er waͤhre auff gut Gluͤk mit einem
gefangenen Raͤuber Haͤuptmann als ein neugeworbener Raͤuber Burſche von ihnen ge-
ſchieden/ das verlohrne Fraͤulein außzukundſchaffen/ und nachdem er vernommen/ daß
ſie ſchon in ander Raͤuber Haͤnden/ und nach dem Meere auff ein Schiff gebracht waͤhre/
haͤtte er ſich mit dem Raͤuber Haͤuptmann auch zu Schiffe geſetzet/ ihꝛ zu folgen. Alle An-
weſende hatten Herkules Liebe gegen das Fraͤulein aus ſeinen damahligen Geberden zur
Gnuͤge verſpuͤret/ ob ſie gleich deſſen ſich nicht merken lieſſen. Und als der Stathalter hoͤ-
rete/
[297]Anderes Buch.
rete/ daß er allein der geraubeten nachgezogen waͤhre/ ſagete er: es gibt dieſer Heldgnug-
ſam an den Tag/ wie hoch er dieſes Fraͤulein ſchaͤtze; und weil er in allen ſtuͤcken ſo gar
volkommen iſt/ auch nichts unvolkommenes hoch achtet/ muß auſſer zweiffel dieſelbe uͤbeꝛ
viel andere mittreflichen Gaben des guͤnſtigen Himmels gezieret ſeyn. Libuſſa/ aus getrieb
uͤbermaͤſſiger Liebe gegen ihr Fraͤulein/ kunte nicht umbhin/ derſelben Ruhm zuſprechen/
und gab dem Stathalter dieſe Antwort: Ja Gnaͤdiger Herr; mein gnaͤdigſtes Koͤnigli-
ches Fraͤulein/ Frl. Valißka/ mag ich wol mit hoͤchſtem Fuge die treflichſte Zucht der Welt
nennen/ welchen Ehren-Nahmen ihr kein bekanter Menſch mißgoͤnnen wird; dann ihre
Tugend/ Verſtand und Schoͤnheit uͤberſteiget die gemeine Art ſehr hoch; ihre Fertigkeit
im ſchieſſen hat noch keiner uͤbertroffen; ihr Herz iſt ſo gar ohn Furcht/ daß ſie lieber ſtuͤr-
be/ als deſſen einiges Zeichen blicken lieſſe/ da ſie doch vor weniger Zeit das funffzehnde
Jahr erſt hinter ſich geleget hat. Mein Herꝛ Fabius wird zeugen/ daß ſie ſieben ſtreitbah-
re Raͤuber/ teils mit Pfeilen/ teils mit dem Schwert erleget hat/ uñ jhren ganzen Hauffen
getrotzet/ als ob ſie jhre Gebieterin waͤhre. Mein gnaͤdigſter Koͤnig weiß ſelber/ das Ver-
halten ihrer kindlichen Jugend/ welches nicht kindiſch wahr/ da ſie einen grimmigen Och-
ſen mit ihrem Brotmeſſerchen beſtanden uñ ertoͤdtet hat; wil aniezt geſchweigen/ was voꝛ
unausſprechliche Gefahr ſie neulicher Zeit nach der Herꝛn Geſanten Abzug ausgeſtandẽ/
und ſich aus den Haͤnden vieler Raͤuber nicht ohn groſſes Blutvergieſſen und erſchrekli-
che Waſſersgefahr loßgearbeitet hat. Das Vornehmſte aber/ welches alle ſo ſie kennen/
am hoͤchſten an ihr lieben und loben/ iſt jhre uͤberaus demuͤhtige Freundligkeit und keuſche
Zucht/ wodurch ſie aller Menſchen Herz dermaſſen an ſich zeuhet/ daß jederman ihr biß in
den Tod muß gewogen ſeyn; daher auch der Durchl. Fuͤrſt Herꝛ Herkules/ als ein naͤ-
heſter Blutfreund bewogen iſt/ ſie bruͤderlich zulieben/ wiewol ihre Kundſchaft ſehr gerin-
ge/ ſie auch in langer Zeit eines von dem andern nichts gewuſt noch erfahren haben. Allen
Anweſenden kamen die lezten Worte fremde vor. Der junge Fabius antwortete darauff:
Ich hoffe zu den Goͤttern/ das Gluͤk der Kundſchafft dieſer Koͤnigl. Fraͤulein zuerlangen/
die ohn allen zweifel ganz unvergleichlich ſeyn muß; und iſt mir ſchon dieſes Gluͤk zuge-
ſtoſſen/ daß ich ein gedoppeltes Gedechtnis von ihr habe. Zohe damit ſeinen Anteil Haar
hervor/ wickelte ſie von ander/ und im hinreichen ſagte er zu ſeiner Schweſter; ſihe da/ diß
allerſchoͤnſte Haar/ desgleichen ich nie geſehen/ iſt auff dieſer Fraͤulein Haͤupte gewachſen/
welches ſie ihr ſelber abgeſchnitten/ damit ſie vor ein Mannesbilde moͤge angeſehen wer-
den; und iſt dieſes kaum der vierde Teil. Ladiſla gab ihr ſeines darzu/ welches ſie alle mit
Verwunderung beſahen/ Fr. Sophia es auch kuͤſſete/ und dieſen Wunſch hinzu taht; O
ihr Goͤtter/ ſeyd gnaͤdig dieſem euren treflichen Geſchoͤpf/ und goͤnnet mir dieſe Vergnuͤ-
gung/ daß ich meine hoͤchſtwirdige Frl. Schweſter ehiſt uͤmfahen/ und an ihrer lieben Ge-
genwart mich ergetzen moͤge. Sie ſaſſen faſt biß an den Morgen beyeinander/ lieſſen ihnen
kalte Kuͤche auftragen/ und legten ſich darauff zur Ruhe/ da Frl. Sibylla Jungfer Libuſ-
ſen zur Schlaffgeſellin waͤhlete/ welche ſolches gerne bewilligte. Des folgenden Tages lies
der Stathalter die Urtel wider den raͤuberiſchen Wirt ergehen/ daß er erſtlich mit Ruhten
ſolte geſtrichen/ hernach ans Kreuz gehenket werden; doch ehe ſolches volzogen ward/ trat
der alte Fabius mit ſeinem Schwieger Sohn und Sohn zuſammen/ umb zubetrachten/
P pwie
[298]Anderes Buch.
wie man in der Fraͤulein Nachſuchung Herkules am beſten beyſpringen koͤnte. Ladiſla waꝛ
willens/ eine zimliche Schifffart auszuruͤſten; aber der Stathalter gab ſein bedenken/ es
waͤhre ſehr gut/ wann man Nachricht haben koͤnte/ an was ort uñ enden ſie zuſuchen waͤh-
re/ dann biß dahin wuͤrde alles vergeblich ſeyn/ wie fleiſſig man auch das Meer durchſtri-
che; zugeſchweigen/ daß die Raͤuber nicht ſeumen wuͤrden/ ſie in Sicherheit zubringen;
wuͤſte man nun/ ſagte er/ aus was Landſchafft ſie waͤhren/ alsdann haͤtte man vorerſt ſich
zuerklaͤren/ was vor Hafen zubeſuchen ſeyn wuͤrden. Ladiſla antwortete: Ja wann aber
inzwiſchen mein Herkules ſelbſt in Ungluͤk geriete/ und keine Gelegenheit haͤtte/ an uns zu
ſchreiben? Und zwar kenne ich ſeinen Sinn aus der Erfahrung gar zu wol; maſſen als voꝛ
ohngefehr zwey Jahren und drey Monaten er gefangen/ und als ein Leibeigener zu Rom
verkaufft ward/ haͤtte erleicht an mich ſchreiben/ und mir ſeinen Zuſtand berichten koͤñen/
daß ich mich bemuͤhet haͤtte/ ihn frey zu machen; aber da ließ er ſich lieber anderthalb Jahr
als ein Sklave halten/ daß er ſeinen Eltern und mir keinen Unmuht machen moͤchte; wie-
wol eine andere Neben-urſach darzu kam; daher weiß ich/ wann er gleich in Ketten und
Banden laͤge/ wuͤrde er michs unberichtet laſſen/ wie gute Gelegenheit er auch haben
moͤchte/ an mich zuſchreiben/ weil er immerzu fuͤrchtet/ mich zu hoch zuerſchrecken/ oder dz
ſeinetwegen ich mich etwa in Gefahr wagen wuͤrde. Ja ich mache mir faſt die Gedanken/
er habe mich/ ihm zufolgen/ bloß deßwegen abmahnen laſſen/ damit ich nicht in Ungelegen-
heit gerahten moͤge. Mein geliebter Herr Sohn/ ſagte der Stathalter; es iſt nicht ohne/
daß/ die wenige Zeit ihr bey mir geweſen/ ich euer beyder tuhn und laſſen zimlich angemer-
ket und erfahren/ daß wie ihr euren Herkules liebet und ehret/ alſo laͤſſet er ihm eure Wol-
fahrt und Vergnuͤgung von Herzen angelegen ſeyn. Herr Vater/ antwortete er; Ich
weiß ſelber nicht/ wie ihm eigentlich iſt; dann wie geheim und bekant wir gleich einander
ſind/ ſo treibet mich doch eine innerliche Krafft/ ihn zu ehren/ ungeachtet er ſich deſſen taͤg-
lich gegen mich beſchweret. Vor dißmahl fuͤrchte ich/ er werde durch dieſe Gelegenheit/
meine Frl. Schweſter zu ſuchen/ mich gar verlaſſen; Dann weil er weiß/ daß zeit meines
Lebens ich mit willen mich von ihm nicht ſcheide/ und er aber mir nicht goͤnnen wird/ mit
ihm umher zureiſen/ haͤtte er beſſere Gelegenheit nicht haben moͤgen/ ſich von mir abzuzi-
hen; Und O wie mag er wol etliche Zeit ſchon darauff geſinnet haben/ wie er ſich heimlich
hinweg machen koͤnte/ wiewol er vor dißmahl nicht unterlaſſen wird/ meiner Frl. Schwe-
ſter fleiſſig nachzuforſchen. Auſſer allem zweiffel wird er alles Vermoͤgen dran ſtrecken/
ſagte der Stathalter/ in Betrachtung ſeiner hohen Neigung gegen dieſes Fraͤulein/ wo-
von aber zu reden/ mir vielleicht nicht gebuͤhren wil. Ladiſla lachete deß/ und verſicherte ihn/
daß ſeines wiſſens keine andere Gewogenheit zwiſchen ihnen beyden waͤhre/ als die aus deꝛ
nahen Verwandſchafft herruͤhrete/ in Betrachtung/ ſie in zwey Jahren und laͤnger/ einan-
der nicht geſehen/ und die erſte Jugend ihnen jensmahl keine Liebe einbilden moͤgen/ da Her-
kules mit mir nur VI Wochen zu Prage wahr/ ſagte er/ und mit ihr wenig und ſelten um-
ging/ auch er nur XIX Jahr/ ſie aber kaum XIII Jahr alt wahr/ und mag mein Herr Vater
mir wol glaͤuben/ daß mein Herkules erſt vor zween Monat in das XXIIſte Jahr eingetre-
ten iſt. Was ſaget ihr mir von XXII Jahren? ſagte der Stathalter/ iſt es dann moͤglich dz
bey ſolcher Jugend ein ſo treflicher Verſtand/ eine ſolche Staͤrke/ Erfahrenheit/ Vorſich-
tig-
[299]Anderes Buch.
tig- und Hoͤfligkeit gefunden werde? Und als Ladiſla ſolches beſtendig bejahete/ mit dem
Anhange/ daß er drey Jahr weniger vier Wochen und vier Tage aͤlter als Herkules waͤh-
re; ſagte Herr Fabius: O ihr Goͤtter/ ſo erhaltet doch dieſes Wunder der Welt/ daß es
nicht in der erſten Bluͤte vergehen/ ſondern der Erdbodem ſeiner herlichen Fruͤchte noch
manniche Zeit genieſſen moͤge. Ladiſla kam auff ſein voriges/ und ließ ſich heraus/ daß er
auff Herkules verſprochenes Schreiben zum laͤngſten noch zehn Tage warten wolte. Weil
ſolches dieſes Orts vorging/ wolte Libuſſa ihrer/ Herkules getahnen Zuſage nachkommen/
welches ſie durch Frl. Sibyllen Vorſchub hoffete ins Werk zurichten/ deren ſie ſich gar
dienſthafft und ehrerbietig erzeigete/ und aus allen ihren Reden ſpuͤrete/ daß ſie eine ſondeꝛ-
liche Neigung gegen ihn trug; gab ihr demnach zuvernehmen/ wie dieſer Fuͤrſt es vor gut
angeſehen/ daß ſie zu Padua verbliebe/ biß ſie von ſeiner Durchl. oder von dem Koͤnigl.
Fraͤulein ſchrifftliche Zeitung haͤtte; nur wuͤſte ſie nicht/ ob ihre gnaͤdigſte Koͤnigin Frau
Sophia darein gehehlen wuͤrde. Aber dieſe gab zur Antwort: Machet ihr euch deswegen
wol einige Gedanken? ich verſichere euch/ meine Freundin/ daß meiner Frau Schweſter
nichts angenehmers begegnen wird/ als wann ſie hoͤren ſol/ dz ſie euch in ihrer Geſelſchaft
mag behalten/ umb von der Koͤnigl. Fraͤulein beſſern Bericht einzunehmen.


Die Boͤhmiſchen Geſanten/ als ſie deſſelben Morgens mit ihrem Koͤnige viel und
mannicherley geredet hatten/ hielten untertaͤhnigſt umb Abfertigung an/ mit Bitte/ ihre
Gn. gegen ihre Fr. Mutter ſich ſchrifftlich erklaͤren moͤchte/ wie es mit des Reichs Be-
herſchung ferner ſolte gehalten werden. Ladiſla willigte in ihren Abzug/ und berichtete die
Koͤnigin im Briefe auffs glimpflichſte/ wz geſtalt ſeine Frl. Schweſter durch etliche Raͤu-
ber entfuͤhret waͤhre/ denen aber Herkulesſchon gefolget/ ſie zu retten; und daß ſolches um
ſo viel gewiſſer geſchehen moͤchte/ waͤhre er willens/ mit einer anſehnlichen Manſchafft
auch fortzugehen/ weil ſie gewiſſe Kundſchafft haͤtten/ daß ſie nicht allein annoch im Lebẽ/
ſond’n auch alsein verſtelleteꝛ Juͤngling auſſe Gefahr ihrer Ehren waͤhre. Endlich meldete
er/ daß bey Zeigern Ihren Geſanten er 600000 Kronen uͤberſchickete/ wovon 400000
Kronen denen/ welche aus gutem Herzen die zu ſeiner Reiſe verordneten Gelder zuſam̃en
geſchoſſen/ ſolten ausgeteilet werden/ ſo daß ein jeder den vierden Pfennig uͤberſchuß zu-
genieſſen haͤtte; dz uͤbrige wuͤrde ſie zur Beſſerung der Feſtungen anzuwenden wiſſen. Ehe
er den Brieff endigte/ gaben die Geſanten ſich bey ihm an/ und brachten vor/ was geſtalt
vor weniger Zeit der junge Koͤnigliche Großfuͤrſt der Franken und Sikambern in Galliẽ/
umb Frl. Valiſken Heyraht ſehr inſtaͤndige Anwerbung getahn/ worin ſie aber durchaus
nicht einwilligen/ noch einige Geſchenke von dem Geſanten annehmen wollen/ alles unter
dem Vorſchutz/ ſie haͤtte ihrem Herr Bruder aͤidliche Verheiſſung getahn/ ohn ſein Vor-
wiſſen und ausdruͤkliche Bewilligung ſich weder zuverheyrahten noch zuverloben/ dz dem-
nach der Geſanter mit ſolcher Antwort haͤtte muͤſſen abzihẽ/ welcher ohn zweiffel ſich bald
wieder einſtellen wuͤrde/ umb beſſere Erklaͤrung zu hohlen. Ladiſla verwunderte ſich uͤber
dieſer Erzaͤhlung/ und weil das Fraͤulein ſolche Verheiſſung nicht getahn/ er ſie auch von
ihr nie begehret hatte/ muhtmaſſete er daher gaͤnzlich/ ſie wuͤrde mit Herkules in heimlicheꝛ
Liebe ſtehen/ und ſich zu ihm verſehen/ daß er ſie demſelben am liebſten goͤñete; ſagete dem-
nach zu den Geſanten: Meine Frl. Schweſter hat loͤblich gehandelt/ daß ſie ihꝛes mir teur
P p ijgelei-
[300]Anderes Buch.
geleiſteten aͤides eingedenk geweſen/ und ſolcher Heyraht ſich noch zur Zeit entbrochẽ hat;
ſolte nun deswegen in ihrer Abweſenheit weitere Anwerbung erfolgen/ muͤſte er mit lauter
zweifelhafftiger Antwort abgeſpeiſet werden/ biß auff ſeine und der Fraͤulein Gegenwart
zu Prage/ maſſen er gleicher geſtalt ſeiner Frl. Schweſter beteurlich verheiſſen haͤtte/ ſie an
niemand wider ihren Willen zuverheyrahten. Und daß ſolches nicht aus der acht gelaſſen
wuͤrde/ taht er deſſen in ſeinem Briefe an die Koͤnigin/ Erwaͤhnung. Wahr ſonſt aus hoſ-
nung kuͤnfftiger Heyraht zwiſchen ihr und Herkules ſo vergnuͤget/ daß er aller Traurigkeit
vergaß. Nach Schlieſſung des Schreibens fuͤhrete er die Geſanten mit ſich zu Tiſche/ uñ
da ſie im Eſſe Saal verſamlet wahren/ ſahe Libuſſa ihrer Fraͤulein annoch verſchloſſene
Wetſcher ſtehen/ und fragete/ ob ſie nicht waͤhren befichtiget worden. Fr. Sophia antwoꝛ-
tete/ ſie waͤhren zeit wehrender angſt wegen der Fraͤulein Verluſt herauff getragen/ und
haͤtte ſider dem kein Menſch weiter dran gedacht/ wie ſich dann ohn das nicht gebuͤhrete/
anderer Leute verſchloſſene Sachen zuoͤffnen. Ladiſla hieß ſie auff Libuſſen anhalten auff-
machen/ auch das Seiden Gewand/ welches den Raͤubern wieder abgenommen wahr/
herbey bringen/ und funden ſie allerhand koͤſtliche Kleinot/ damit er beydes ſich und ſein
Gemahl ausſchmuͤcken ſolte. Die guͤldene und ſilberne Tuͤcher zur Kleidung wahren gar
fremder Art/ mit allerhand ſchoͤnen Blumwerk/ auch Bildern mancherley Tihren durch-
wirket/ welches alles er ſeiner Liebſten mit betruͤbtem Herzen einreichete/ wuͤnſchend/ dz ſol-
ches alles nebeſt den in der Raͤuber Hoͤhle gefundenen Schaͤtzen in Abgrund des Meers
moͤchte verſenket/ und hingegen nur das Fraͤulein gerettet ſeyn. Fr. Sophia nam es mit
weinenden Augen an/ und ſagete: Ach wer weiß/ in was wilder Fluht das allerliebſte Herz-
chen jetzo unter den See Raͤubern daher faͤhret? Sie fehlete auch hieran gar nicht; dann
ſo bald die Raͤuber mit ihr zu Schiffe gangen wahren/ ſeumeten ſie ſich nicht/ ſondern ge-
braucheten ſich des guten Windes/ und ſegelten Tag und Nacht auff dem Adriatiſchen
Meer Sudoſt werz/ ſtrichen an Griechenland her/ und legten zuerſt bey dem Eylande Kre-
ta an/ welches jezt Candia genennet wird. Sie hielten aber dieſen ihrẽ vermeynten Juͤng-
ling/ welcher ſich Herkuliſkus nennete/ neben Jungfer Brelen ſehr wol/ und durffte ſich
niemand an ihnen vergreiffen/ meyneten auch/ es waͤhre groſſer Schade/ daß der Himmel
nicht ein Weibsbild aus ihm gemacht haͤtte/ nachdem er mit ſo volkommener Schoͤnheit
begabet waͤhre; inſonderheit wahr der Dolmetſcher den beyden Geſangenen ſehr gewo-
gen/ hatte ſich auch in Brelen hefftig verliebet/ uñ hoffete durch Herkuliſkus Befoderung
ſein Vornehmen zum gewuͤnſcheten Ende auszufuͤhren/ und ſie endlich zu ehelichen. Er
wahr ein gebohrner Grieche/ hohes Adels von Athen/ nahmens Alexander/ und hatte in
ſeinem Vaterlande ſchon unterſchiedliche Ehrenaͤmpter bedienet; weil eꝛ aber einẽ Rahts-
herren daſelbſt/ der ihm den meiſten Teil ſeiner Guͤter wider Recht vorenthielt/ aus Zorn
entleibet hatte/ muſte er die Flucht ergreiffen/ da er umb deſto mehrer Sicherheit willen in
die abgelegenen Morgenlaͤnder auſſer Roͤmiſche Grenzen ſich begeben/ und in Kundſchaft
dreyer vornehmer ſtreitbahrer Parthiſchen Herren gerahten war/ welche in ihrer Jugend
ihr vaͤterliches Erbe unnuͤzlich verſchwendet hatten/ daß ihnen an Standes Unterhalt
ſchon begunte abzugehen. Alexander ſahe/ daß ſie beherzt und guter Faͤuſte waren/ deshal-
ben ſchlug er ihnen beym Trunke ein Mittel vor/ daß wann ſie etwa eine Tonne Schaz baaꝛ
wuͤſten
[301]Anderes Buch.
wuͤſten auffzubringen/ wovor man ein feſtes Schiff kaͤuffen/ auch Schiffleute und Sold-
ner beſtellen koͤnte/ wolte er neben ihnen ſich auff das Mittelmeer begeben/ und in kurzer
Zeit einen ſolchen Schaz erwerben/ daß ſie forthin ſich der Armut nicht zubeſorgen haͤt-
ten; maſſen des Orts umbher guter Friede waͤhre/ und die Kauffhandelung ſtark zur See
fortginge/ daß wann das Gluͤk es fuͤgete/ man offt auff einem Schiffe etliche Tonnen Gol-
des wert antraͤffe. Dieſe drey lieſſen ihnen den Vorſchlag wol gefallen/ richteten auch mit
ihm einen ſchrifftlichen Verbuͤndniß-Schluß auff/ daß ihm der vierde Teil aller Beute/
nach Abzug ihres vorſchuſſes und angewanden Koſten/ und was die beſtelleten Voͤlker
nehmen wuͤrden/ getraͤulich ſolte außgefolget werden; verſchwurẽ ſich mit einander auffs
allerhoͤchſte/ bruͤderliche Traͤue und einigkeit feſt und unbruͤchig zuhalten; einer den an-
dern in keiner Noht zuverlaſſen/ noch wegen kuͤnfftiger Teilung Streit oder uneinigkeit
anzurichten; ſolte auch niemand unter ihnen macht haben/ die Verbuͤndnis oder Geſel-
ſchafft zuverlaſſen oder auffzuruffen/ biß nach vollendeter Schiffart ſie wieder zu Lande
getreten/ und die Parthiſchen Grenzen erreichet haͤtten/ es geſchehe dann mit ihrer aller
guten Bewilligung/ und ſolten hieſelbſt nicht die meiſten Stimmen gelten/ ſondern ohn
arge Liſt alles gehalten werden. Dieſem nach richteten ſie ihr Vorhaben eiferig ins Werk/
kaufften zu Seleuzien in Syrien ein feſt-gebauetes Schiff/ nahmen bey 300 Boßknechte
und Soldaten an/ vorgebend/ ſie waͤhren Kauffleute/ und gedaͤchten umb Affrika hin nach
dem Indiſchen reichen Eylande Taprobana zu ſaͤgeln/ und daſelbſt ihre Handelung fort-
zuſetzen. Als ſie das Fraͤulein raubeten/ hatten ſie ihre Seeplackerey ſchon anderthalb Jahr
getrieben und manniches Schiff geplundert/ in den Grund gebohret/ und einen groſſen
Schaz zuſammen gelegt/ daß ſie ſchon auff der Wiederkehr wahren/ und nach Parthen
zugedachten/ weil ſie ſo wol in Afrika als Spanien und der Ends es ſo grob gemacht hat-
ten/ daß man ihnen begunte nachzutrachten. Sie hatten aber beſchloſſen/ unſern Herku-
liſkus und Brelen wegen ihrer vortreflichen Schoͤnheit dem groſſen Parther Koͤnige Ar-
tabanus zum ſonderlichen Geſchenk einzuliefern/ als welcher von allenthalben her ſchoͤne
Jungfern außſpuͤren/ und in ſein Frauenzimmer verſperren ließ/ ſeinen geilen Mutwillen
zuerſaͤttigen/ uñ wurden die ſchoͤnẽ Knaben nach abſcheuhlichem heidniſchem Gebrauch/
ihrer Mannheit beraubet/ und des Frauenzimmers zu huͤten abgerichtet/ und daß ich mich
zumelden ſcheuhe/ zur Sodomitiſchen Unzucht gebrauchet. Alexander hatte dieſen Vor-
ſchlag der Verſchenkung ſelber getahn; nachdem er aber ſeine Liebe auff Brelen geworf-
fen/ gereuete ihn ſolches/ trachtete auch nach Gelegenheit/ ſie entweder mit ſeiner Geſellen
gutem Willen zuerhalten/ oder nach gemachter Teilung ſie an einem Orte heimlich zuver-
ſtecken/ da er nur hierzu der Jungfer Willen erhalten koͤnte. Herkuliſkus merkete ſeine gu-
te Zuneigung gegen ſie/ ließ ihm ſolches wolgefallen/ und hoffete/ es ſolte zu ſeiner Erloͤ-
ſung guten Vorſchub tuhn; maſſen er gnugſam ſpuͤrete/ daß allein durch ſe ine anordnung
ihnen ſo viel gutes wie derfuhr. Als ſie/ wie obgemeldet/ bey Kreta anlangeten/ uñ er mer-
kete/ daß ſie daſelbſt außſteigen wuͤrden/ baht er Alexander umb Urlaub/ mit an Land zutre-
ten: er waͤhre des Meeres ganz ungewohnet und befuͤnde ſich nicht allerdinge wolauff;
doch ſolte er nicht argwohnen/ als ſuchete er Gelegenheit zuꝛ Flucht; dañ er wolte ſich aͤid-
lich verbinden/ nicht von ihnen zuweichen noch einige Ungelegenheit zuerwecken/ ſondern
P p iijſich
[302]Anderes Buch.
ſich etwa ein Stuͤndichen unter dem Schatten jener luſtigen Baͤume zuerquicken. Alexan-
der wolte ihm ſolches nicht abſchlagen/ und warb es bey ſeiner Geſelſchafft auffs beſte;
welche es aber nicht vor rahtſam hielten/ angeſehen es ſich leicht begeben moͤchte/ daß ei-
ner ſeiner bekanten ihnen auffſtieſſe/ woruͤber ſie umb Gut und Leben kommen duͤrfften.
Dieſer antwortete; es waͤhre dieſe Furcht vergeblich/ maſſen die Gefangene dieſes Orts
ganz unbekant/ und aus weit abgelegenen Weſtnordiſchen Laͤndern waͤhren; wuͤrden auch
nur unter den naͤheſtẽ Baͤumen ſich ein wenig aufhaltẽ/ da man ihnen gnugſame Huht uñ
Wache zu geben koͤnte; man muͤſte ihnen ein wenig Willen und Freyheit goͤnnen/ und ihre
zarten Leiber betrachten; wie leicht koͤnte es geſchehen/ daß ihnen wegen Unmuhts und des
Meers Ungewohnheit/ einige Krankheiten/ ja der Tod ſelber zuſtieſſe; was ihnen alsdañ
mit den todten Leichnamben wuͤrde gedienet ſeyn; hielte demnach vor rahtſam/ ihnen die-
ſes begehren einzuwilligen. Hiemit bewaͤgete er ſie/ daß ſie endlich zu frieden wahren/ und
ſie mit ſich auffs Land fuͤhreten; gaben ihnen doch zehn Huͤter zu/ und lieſſen ſie an der
Heerſtraſſe eine halbe Welſche Meile vom Meer/ unter etlichen Nußbaͤumen ihre Ruhe
halten. Herkuliſkus ſahe der Baͤume einen am Wege ſtehen/ ſo noch jung wahr/ ging
hinzu/ und ſchnitte mit einem kleinen Meſſer folgende Lateiniſche Worte mit Boͤhmiſcheꝛ
Schrifft gar zierlich hinein: Valiſca, nunc Herculiscus, in Parthiam ducta. Das iſt: Valiſ-
ka/ lezt Herkuliſkus genennet/ iſt nach Parthen gefuͤhret. Und ob man gleich dieſe Buchſtaben
nicht leſen kunte/ zweiffelte ſie doch nicht/ daß ſie in wenig Tagen ſich oͤffnen undgnug auß-
wachſen wuͤrden. Weil er nun mit Jungfer Brelen allein/ und von den Huͤtern zimlich
abgeſondert wahr/ daß ſie ihr Geſpraͤch nicht vernehmen kunten/ welches ſie ohn daß nit
wuͤrden verſtanden haben/ wolte er dieſe Gelegenheit nicht laſſen vorbey gehen/ und ſagete
zu ihr: Herzliebes Kind/ ich ſehe aus Alexanders beginnen/ daß er eine ſonderliche Liebe
zu euch traͤget/ welches auch die einige Urſach iſt/ daß man uns ſo ſchoͤn tuht; ſo haltet euch
nun nicht unfreundlich oder ſtoͤrriſch gegen ihn/ damit uns nicht aͤrgers wiederfahre. Er
hat mir ſeinen Stand zuwiſſen gemacht/ und iſt von gutem Adel; dafern nun ſeine Liebe
gegen euch auff Ehre und Treue gegruͤnder waͤhre/ wie ich nicht zweiffele/ und ihr mit ihm
koͤntet friedlich ſeyn/ wuͤrde ſolches zu unſerm beſten erſprieſſen. Ihr habt vernommen/
wie man willens iſt/ uns dem Parther Koͤnige zuzufuͤhren/ welches trauen auff Ehre nicht
kan angeſehen ſeyn; dann die groben Morgenvoͤlker ſind vor anderen der Unkeuſcheit er-
geben; offenbahret mir derwegen euer Herz und Willen/ daß ich wiſſe/ wie ich auff allen
Fal mich gegen Alexander zu verhalten habe. Brela wahr eines vornehmen Boͤmiſchen
Herren Tochter/ wiewol Elterlos/ und von Jugend auff im Koͤniglichen Frauenzimmer
erzogen/ hatte nunmehr das XIIX de Jahr erreichet/ und wahr eine ſitſame ſchoͤne Jung-
fer. Als ſie das Fraͤulein alſo reden hoͤrete/ lachete ſie anfangs daruͤber/ und zeigete an; al-
lem muhtmaſſen nach wuͤrden ihre Gn. ſich in dieſen Gedanken irren/ und fuͤrchtete ſie
gar ſehr/ Alexander haͤtte ihre Verſtellung etwa gemerket/ und in ſie ſelbſt ſich verliebet/
welches daher zuſchlieſſen/ daß er ſich ungleich mehr ihrer Gn. als ihrer geringfuͤgigkeit
nahete. Herkuliſkus bedachte ſich hierauff ein wenig/ uñ bald ſagete er zu ihr; Nein mein
Kind/ du biſt ganz unrecht dran/ und erinnere ich mich anjezt etlicher Reden/ ſo ich von
ihm gehoͤret/ und daraus verſichert bin/ daß er ſein ganzes Abſehen allein auff dich hat.
Die
[303]Anderes Buch.
Die Jungfer ſolches hoͤrend/ fing an inniglich zu weinen/ und gab zur Antwort. Solte die-
ſem alſo ſeyn/ wolte ich wuͤnſchen/ ich waͤhre entweder von den erſten Raͤubern im Fleckẽ/
oder von den andern im Walde erſchlagen/ oder wuͤrde noch von ihnen ins Meer geſtuͤr-
zet. Herkuliſkus antwortete: O du meine liebe und getraͤue Brela/ du ſiheſt ja/ daß weinen
und wuͤnſchen uns zu nichts helffen kan/ ſonſt wolte ich auch noch wol Traͤhnen und Wor-
te finden; ſondern weil Gott uns in dieſe Noht hat fallen laſſen/ muͤſſen wirs gedultig er-
tragen/ und unſern Wiz gebrauchen/ inſonderheit unſern Willen zwingen/ und annehmẽ/
was uns werden kan/ wann wir nit haben moͤgen/ was wir begehren; ich vor mein Haͤupt
ſehe trauen nicht/ was an Alexandern zu tadeln waͤhre/ ohn daß ihn Ungluͤk zum Seeraͤu-
ber gemacht hat. Ach mein Fraͤulein/ antwortete ſie/ ich bitte/ mir gn. zuverzeihen/ daß der-
ſelben ich meine Heimligkeit offenbahre; Es weiß ihre Gn. daß Ritter Neda/ Herr Kro-
kus Sohn ſich eine zeitlang zu Prag am Koͤniglichen Hofe/ wider ſeine Gewohnheit hat
finden laſſen, mit demſelben bin ich in vertrauliche Freundſchafft gerahten/ weil ich mich
ſeiner ſtraͤngen Anlaͤuffe laͤnger nicht erwehren moͤgen/ und endlich/ da meine Verwanten
und ſeine Eltern es bewilligen wuͤrden/ ich ihm eheliche Traͤue verſprochen habe/ welche
ich nicht werde brechen koͤnnen. Du haſt recht getahn/ antwortete ſie/ dz du dieſes getraͤuẽ
Liebhabers Neigung haſt erkennet/ und erſetzen wollen/ uñ bin ich ſelbſt mit dieſer Heyraht
ſchon etliche Zeit umgangen; wann es dir nun frey ſtehet/ ihm das verheiſſene zu halten/
tuhſtu recht und wol; aber/ ſo viel ich merke/ gedenkeſtu/ du ſitzeſt zu Prag in meinem Zim-
mer; weiſt du nicht/ daß wir gefangene Leute ſind? weiſtu nicht/ wohin man uns fuͤhret?
wird auch der Parther Koͤnig nach Boͤhmen ſenden/ und dir deinen Ritter Neda hohlen
laſſen? oder wird Neda mit zehnmahl hundert tauſend Mann kommen/ dich abzuhohlen?
O nein/ dieſes iſt vor dißmahl die Frage nicht/ ob du lieber Ritter Neda als Alexander hey-
rahten wolleſt; ſondern/ ob du/ da es dir ſo gut werden kan/ lieber eines Griechiſchen reichẽ
aͤdelmans eheliches Weib ſeyn/ und mit ihm in Boͤhmen/ oder wo es dir geliebet/ ein freyes
Leben fuͤhren; oder aber des Koͤniges der Parthen Kebsweib/ und da er deiner muͤde/ der
andern Magd ſeyn/ ja auch wol gar einem unflaͤtigen Stallbuben zum Mißbrauch dich
verſchenken laſſen wolleſt. Brela antwortete: Ach ihr Goͤtter! jezt ſehe ich erſt/ in was un-
gluͤk ich gerahten bin; und wolte Gott/ dz ich unter dieſem Baume mein Leben endẽ ſolte!
O haͤtte ich doch ſo viel herzens/ miꝛ ſelbſt den Tod anzutuhn! weil aber meiner ſchwacheit
ſolches unmoͤglich iſt/ muß ich aus der Noht eine Tugend machen/ und wil Euer Gn. al-
les heimſtellen/ nur daß ich mag Gelegenheit haben/ mich in euren Dienſten gebrauchen
zulaſſen/ und eure Freyheit und Erloͤſung zubefodern. Wolan/ ſagte das Fraͤulein/ ſo iſt
uns ſchon mehr als halb gerahten; aber eines erinnere ich euch/ dz ob wir ſchon allein bey-
ſammen ſeyn wuͤrdẽ/ ihr mit mir/ auch in unſer Sprache/ nicht anders reden ſollet/ als mit
einem Mannesbilde/ und eures Vaters Bruder Sohne. Brela gelobete ſolches/ und
baht/ daß wann Alexander ſich zu ihr nahete/ ſie nicht weit von ihr ſeyn wolte/ daß er nicht
etwa Gewalt an ſie legete/ und nachgehends der Ehe vergaͤſſe. Davor laſſet mich ſorgen/
ſagete Herkuliſkus; Er iſt eines ehrliebenden freyen Gemuͤhtes/ und wird ſeine Begier-
den wol in den Schrankẽ der billichẽ Zucht zu halten wiſſen. Die Seeraͤuber brachten zim-
lich lange in der Stad zu/ da ſie einẽ teil ihrer geraubetẽ Waaren zu gelde machtẽ/ noͤhtige
Spei-
[304]Anderes Buch.
Speiſen uñ viel koͤſtliche Weine einkauften/ weil ſie im Lande nit ꝛaubẽ duꝛften/ demnach ſie
im veꝛwahreten Hafen lagen. Nach verrichtung ihrer geſchaͤfte gingẽ ſie wied’ zu Schiffe/
und ſegelten gegen Oſten nach Zypern zu/ da ſie auf halbẽ Wege eines Raub Schiffes ge-
wahr wurden/ auff welchem in die hundert wolbewehrte Griechen ſich mit ihren Waffen
ſehen lieſſen. Die unſern machten ſich alsbald gute Hoffnung zur Beute/ ſtelleten ſich an-
fangs furchtſam/ als wolten ſie die Flucht nehmen/ die ihnen durch brechung des Steuers
gehindert wuͤrde; lieſſen auch niemand oben auff dem Schiffe ſehen/ als etliche wenige in
Kauffmans Kleidung. Den Griechen gefiel das ſtarke groſſe Schiff/ merketen/ daß es
ſchwer geladen wahr/ und eileten mit groſſer Unſinnigkeit auff daſſelbe zu/ in meinung/ es
alsbald zuuͤberwaͤltigen/ und die Beute ohn ſtreit zuerhalten; ſchrihen ihnen demnach zu/
ſie ſolten ſich ergeben/ oder alle in das Meer geſtuͤrzet werden. Dieſe hingegen bahten uͤm̃
Gnade/ wolten ihnen alles gutwillig einliefern/ wann jhnen nur Leben und Freyheit uͤbrig
bleiben moͤchte; worffen auch ihre Anker aus/ und legten das Schiff feſte. Bald wahren
die Griechen fertig/ hefteten die Schiffe zuſammen/ legten das Gewehr nider/ nnd wolten
das andere beſteigen; dieſe abeꝛ/ da ihnen Zeit dauchte/ dꝛungen wolgewapnet heꝛvor/ fielen
mit aller Macht in das Griechſche Schiff/ und weil ſie an Manſchafft uñ guter Ordnung
ihnen viel uͤberlegen wahren/ erhielten ſie den Sieg mit leichter Muͤhe in kurzer Zeit/ er-
ſchlugen alles was lebendig wahr/ und funden ſo uͤberaus groſſe Schaͤtze an aͤdlen Stei-
nen/ Gold/ Silber/ und koͤſtlichen Kauffmans Waaren/ daß ſie einen ganzen Tag gnug
hatten auszuladen; dann es wahren dieſe Griechen lange Zeit ausgeweſen/ und hatten in
den reichen Indiſchen Morgenlaͤndern allerhand koͤſtliche Sachen/ teils durch Hande-
lung/ teils durch Raub an ſich gebracht. Als das Schiff ganz ausgeleeret wahr/ ſenketen
ſie es in den Grund/ uͤbeꝛſchlugen den Reichtuhm/ und funden/ daß er etliche viel Tonnen
Goldes austrug/ und ihr Geiz voͤllig erſaͤttiget ward; wolten demnach auff Zypern nicht
fahren/ daher ſie ſonſt noch den lezten Raub zuhohlen willens wahren/ ſondern gingen in
das Syriſche Meer/ und lendeten zu Tyrus an/ woſelbſt ſie ihr Schiff und Waaren zu Gel-
de macheten/ ihren Knechten doppelten Sold zahleten/ und auff Gelegenheit warteten/ daß
ſie in Sicherheit biß an den Eufrat kommen moͤchten.


Der verliebete Valikules wahr/ wie oberwaͤhnet/ mit Gallus zu Schiffe getreten/
uͤmb ſein verlohrnes Fraͤulein [zuſuchen]/ wuſte doch nicht eigentlich/ wohin die See Raͤu-
ber ihren Lauff genommen hatten; nur daß er ſeinem Got vertrauete/ welcher ihn leiten/
und ſein Vornehmen begluͤkſeligen wuͤrde. Ihr Schiff laͤndete in unterſchiedliche Hafen
Griechenlandes an/ aber niemand wuſte ihnen von den See Raͤubern einige Nachricht
zugeben. Als ſie nun nicht weit von Peloponneſus ſchiffeten/ vernam Valikules/ daß ſie
willens waͤhren voruͤber zuſegeln/ und den Lauff gerade nach Zypern zunehmẽ/ trat zu dem
Schiffherꝛn und fragete/ ob ihm nicht gefallen koͤnte/ ihn in dem naͤheſten Hafen bey Ko-
rinth auszuſetzen/ wovor er ihm geꝛecht ſeyn wolte. Der Schiffherꝛ gedachte/ er koͤnte da-
ſelbſt vielleicht Handelung antreffen/ ließ ſich bereden/ und gegen Zahlung XX Kronen
wahr er ihm zuwillen. Er wahr deſſen froh/ maſſen er wuſte/ daß die Chriſtliche Lehre da-
ſelbſt von den Bohten Gottes Paulus feſt gepflanzet/ und eine herliche Gemeine Gottes
anzutꝛeffen waͤhꝛe; ſtieg in dem naͤheſten Hafen aus/ uñ begab ſich mit Gallus in die Stad.
Sie
[305]Anderes Buch.
Sie kehreten bey einem Wirte ein/ welcher ſich gar freundlich bezeigete/ und ihnen allen
guten Willen anboht/ fragete auch fleiſſig nach woher ſie kaͤhmen/ ob ſie hieſelbſt bekant
waͤhren/ und was vor Geſelſchafft ſie mit ſich gebracht haͤtten. Valikules trauete ihm viel/
blieb des erſten Tages zu Hauſe/ und ruhete von der Schiffart ungelegenheit aus. Des
andern Morgens zohe er in des Wirts gegenwart ein Kleinot auff 1500 Kronen wert
hervor/ und gab es Gallus zuverkauffen/ welcher bald wieder kam/ und die baaren Gelder
auff ihre Kammer niederſetzte. Bald vernam er ein Getuͤmmel auff der Steige/ trat der
Tuͤhr naͤher/ und hoͤrete den Wirt zu ſeinem Haußknecht ſagen; biß luſtig/ Kallias/ der
Braten wird hinte ſtatlich truͤpfen/ wann jhm nur das Feur recht geſchuͤret wird; ich ha-
be dieſen Morgen gut Schmehr bey ihm geſehen/ welches mir zwar entfloſſen iſt/ er aber
deſſen ohn zweifel mehr bey ſich haben muß; erzaͤhlete hiemit/ was vor ein koͤſtlich Kleinot
eꝛ heut fruͤh aus ſeinen Kleidern hervor gezogen haͤtte. Der Knecht antwortete ihm: Herꝛ
es waͤhre immer und ewig ſchade/ daß ein ſo ſchoͤner junger Menſch ſolte ermordet werdẽ.
Was ſchade/ was ſchade/ ſagte er; was haben wir von der Schoͤnheit! Das Weib im
Keller wahr auch nicht heßlich/ und hat doch herhalten muͤſſen. Biß du nur fertig; uͤmb
Mitternacht ſoltu gute Beute haben/ als vor nie. Gallus entſetzete ſich uͤber dieſen moͤr-
deriſcher Anſchlag/ und hatte nicht lange nachzudenken/ auff wen er eigentlich gerichtet
waͤhre/ ließ ſich doch nichts merken/ ſondern nach des Wirts abtrit machte er ſich zu ſei-
nem Herꝛn/ uud vermeldete ihm/ was er gehoͤret hatte/ welcher nicht wenig erſchrak/ nach-
gehends ſagete: So muß ich des gemeinen Sprichworts guͤltigkeit gar zeitig erfahren/
daß Griechiſche Traͤue nicht weit reichet; wir wollen uns aber nichts merken laſſen/ ſon-
dern Mahlzeit mit ihm halten/ wie ſie dann taͤhten. Der Wirt wahr ſehr geſchaͤfftig/ ging
ſeinen Gaͤſten guͤtlich vor/ und baht/ vorlieb zunehmen/ es ſolte gegen Abend ein beſſers er-
folgen. Nach genommenen Speiſen ging Valikules mir Gallus hin und kaufte zween gu-
te Reitharniſche/ glinzend Schwarz/ und mit guͤldenen Striemen eingelegt; auff ſeinen
Helm ließ er einen erzoͤrneten Loͤuen ſetzen/ und in deſſen Tatze ein Schildlein mit dieſen
Worten; Donec invenero, non conguieſcam. das iſt; Ehe ich werde wiederfinden/ wil ich nicht
ruhen. Auff ſeinem Schilde ſtunden dieſe fuͤnff Wort mit ſilbeꝛnen Buchſtaben/ deren fuͤnff
erſte Buchſtaben guͤlden wahren: Inops Eſt Solatium Virtus Simulata. Ertichtete Tngend iſt
ein armſeliger Troſt. Hierzu kaufte er zwey trefliche Pferde zu Agrigent in Sizilien geworf-
fen und abgerichtet/ beyde ſchwarz und gar ſtarkes Leibes; kehrete nachgehends wieder in
ſeine Herberge/ und foderte von dem Wirte mit freundlichen Worten die Rechnung/ daß
er wiſſen moͤchte/ was er geſtern und heut verzehret haͤtte/ wolte auch die bevorſtehende
Mahlzeit mit eingeſchloſſen haben. Dieſer wolte zum erſtenmahle Beſcheidenheit gebrau-
chen/ weil er ohn das die Hoffnung hatte/ in wenig Stunden aller ſeiner Gelder Herꝛ zu
ſeyn/ da ihm dann Gallus auff Befehl ein uͤbriges zahlete/ und ihm anzeigete/ ſein Herꝛ haͤt-
te an einem Orte noͤhtig zuverrichten/ daß man mit der Mahlzeit auff ihn nicht warten
duͤrfte/ wann er etwa nicht zu rechter Zeit ſich einſtellen wuͤrde; welches ihm/ als dem das
Gewiſſen druͤckete/ verdaͤchtig vorkam/ uñ doch nicht dawieder reden durfte; verdroß ihn
gleichwol/ daß er die Rechnung nicht hoͤher angeſchlagen hatte. Im hingehen begegnete
ihm ein alter Erbarer Mann/ welchen er nach freundlicher Begruͤſſung baht/ ihm eine gu-
Q qte
[306]Anderes Buch.
te Herberge zuzeigen/ da er um ſein baares Geld zehren/ und mit zwey Pferden und einem
Diener Unterhalt haben koͤnte. Mein Herr/ antwortete dieſer/ ich nehme ſelber gerne gute
Leute ein/ wann ich weiß/ aus was Landes Art ſie ſind/ und die mit vorlieb nehmen koͤnnen.
Und als Valikules hierauff anzeigete/ daß ſie Roͤmiſch/ und etliche Tage ſich hieſelbſt auff-
zuhalten bedacht waͤhren/ ſagete er zu ihnen: So kehren die Herren nur kuͤhnlich bey mir
ein/ und nehmen mit andern Gaͤſten vor gut/ da es ihnen beliebet. Fuͤhrete ſie ſelbſt mit ſich
in ſein Hauß/ und hieß ſie wilkommen ſeyn. Es wahren zwoͤlff huͤbſche Juͤnglinge alda bey
einander/ die in koͤſtlichen Kleidern auffzogen/ und in Hoͤfligkeit wol abgerichtet wahren;
Dieſe verwunderten ſich des fremden Gaſtes/ und woher ein ſo uͤberaus ſchoͤner auſehnli-
cher Juͤngling kaͤhme; Daß er kein gebohrner Grieche wahr/ gab die Zunge an den Tag;
Dann ob er zwar die Sprache fertig und ohn Anſtoß redete/ nach Art und Renligkeit der
Gelehrten/ ſo dauchte ſie doch die Ausrede etwas ſchaͤrffer ſeyn als des Landes Art mit ſich
brachte. Aus ſeinen Sitten urteileten ſie bald/ daß er nicht unter gemeinen Leuten auffer-
zogen wahr/ wiewol ſeine Kleider etwz geringer/ doch ritterlich ſchienen; eh[r]eten ihn auch
daher nicht umb das geringſte minder. Valikules ſtellete ſich gegen ſie alle gleiche freund-
lich; und gewan ihre Herzen/ daß ein jeder mit ihm ſprachen/ und der naͤheſte um ihn ſeyn
wolte. Bey der Mahlzeit huben ſie eine gelehrte Unterredung an/ maſſen ſie zu Athen etli-
che Jahr den freyen Kuͤnſten obgelegen wahren/ und brachte einer dieſe Frage vor: wie es
die Vernunfft-Geiſter (welche ſie intelligentias nenneten) anſchluͤgen/ wann ſie die groſſe
Himmels Kugel umtrieben. Bald ließ ein ander hoͤren/ ob drey unterſchiedliche/ oder nur
eine einzige Seele in des Menſchen Leibe waͤhre. Ein ander ſtieg mit hoͤhern Sachen auf;
Worinnen des Menſchen hoͤchſtes Gut beſtuͤnde; Obs in wolzugelaſſener Seelen Wol-
luſt; oder in der Ehre; oder in der Wiſſenſchafft und Fertigkeit/ oder Beſitz der Tugend;
oder aber im Gebrauch der Tugend zu gruͤnden waͤhre; Und hatten ſie von ſolchen Fragen
ein weitlaͤufftiges Geplauder; Dieſer foderte von ſeinem Gegener eine gewiſſe Schluß-
rede; Jener brachte ſie auff die Bahn/ und ließ ſich verlauten/ ſie ſtuͤnde auff allerdinge ge-
wiſſen Fuͤſſen/ ſo daß ſie unhintertrieblich waͤhre. Valikules ſaß und hoͤrete ihrer Zaͤnke-
rey geduldig zu/ ſahe wol/ daß ſie geſchikter wahren von der Tugend zu reden/ als nach de-
ren Anweiſung zu leben; biß endlich der eine ihn in ſeiner Streitigkeit zum Scheidsman
waͤhlete/ und alſo anfing: Mein Herr/ ich bitte freundlich/ er wolle ſich belieben laſſen/ unſe-
re Uneinigkeit durch einen Vernunfft-Machtſpruch beyzulegen/ weil mir nicht zweifelt/ er
darzu gnugſam gelehret ſey. Mein Herr/ antwortete er; hierzu befinde ich mich nicht ge-
ſchikt genug/ maſſen ich meine Jugend in dergleichen Sachen nicht angewendet/ ſondern/
nachdem ich das XVI de Jahr erreichet/ habe ich das Pferd beſchritten und die Waffen an-
gelegt/ auch darinnen ſchon zimliche Puͤffe ausgehalten; jedoch waͤhre mirs ſehr leid ge-
weſen/ daß ich die Buͤcher ſolte unter die Bank geworffen haben/ ob mir gleich viel Hin-
derniß vorgefallen iſt/ dieſelbe nach willen zugebrauchen; Wann nun meine Herrenleiden
koͤnnen/ daß ich als eine Gans unter den Schwanen/ oder wie ein Sperling bey den Ler-
chen mit ſchnattere oder zwitzere/ wil ich/ umb die Zeit zuvertreiben/ ihnen gerne zu willen
ſeyn. Drey vorgebrachte Fragen habe ich/ wo mir recht iſt/ angehoͤret; Vorerſt/ auff was
weiſe die Engel ſich mit der Himmelskugel geberden/ wann ſie dieſelbe umzutreiben bemuͤ-
het
[307]Anderes Buch.
het ſind; Vors ander/ ob der Menſch nur eine/ oder mehr Seelen habe; ſchließlich/ wor-
innen des Menſchen hoͤchſtes Gut in dieſem Leben eigentlich beſtehe. Betreffend die erſte
Frage/ habe ich mich ehmahls berichten laſſen/ wie mannicherley Meynungen bey den ge-
lehrten Himmelskuͤndigern hievon gefunden werden. Die ſo dem Pythagoras und Plato
folgen/ bilden ihnen einen ſonderlichen ſehr anmuhtigẽ Klang ein/ welchẽ die unterſchied-
liche Himmels Raͤder oder Kreiſſe durch ihre Bewaͤgung anſtimmen ſollen; ob ihrer
einer nun dieſe groſſe Leir jemahls habe ſpielen hoͤren/ ſtelle ich dahin/ und muß derſelbe
wol rechtſchaffen duͤnne Ohren gehabt haben. Andere/ dieſem durchaus zuwider/ haben
vorgeben duͤrffen/ der Himmel und die ſaͤmtliche Sternen bleiben unbewaͤglich ſtehen/ uñ
lauffe hingegen die Erde mit uns geſchwinde herumb/ wie man etwa einen Keuſel umb-
drehen moͤchte; deren Meynung mir gar ungereimet vorkoͤmt. Ariſtoteles tichtet etwas
zierlicher; Er ſahe daß der Himmel oder vielmehr die Sternen in gleichlauffender Bewaͤ-
gung bleiben/ und ohn unterlaß ſich ringsumb drehen; da kunte er ihm nun nicht einbildẽ/
daß eine ſolche Bewaͤgung der Himmel von ihm ſelbſt treiben ſolte; ſtellete daher demſel-
ben eine vernuͤnfftige Krafft neben zu/ welche durch GOttes Ordnung dieſes verrichten
muͤſte. Aber O wir vermaͤſſene Menſchen! warumb tichten wir etwas in Sachen/ die un-
ſer Vernunfft gar zu hoch und entſeſſen ſind? warumb leugnen wir/ daß der Himmel ſich
ſelbſt bewaͤgen ſolte/ als ob dem allmaͤchtigen Gott unmoͤglich waͤhre/ ihm ſolche Kraft uñ
Art einzugieſſen? Muß darumb einer ſtehen und waͤlzen den Himmel umb/ weil Ariſtote-
les nicht glaͤuben kan/ daß Gott durch ein einziges Wortſprechen ihm ſolches zugebieten
hat? Aber ich moͤchte nur gerne wiſſen/ warumb ein ander/ und nicht Gott ſelbſt den Him-
mel umtreibe? fuͤrchtet man ſich etwa/ es gebe zu groſſe Muͤhe? das ſind elende kindiſche
Gedanken; Oder ſtehet es der Goͤttlichen Hocheit beſſer an/ daß er hierzu ſeine Diener
halte? Ey dieſes ganze Rund und alles was drinnen ſchwebet und lebet/ dienet ihm ja. So
muͤſſen wir auch von Gott nicht ſolche nichtige Einbildungen faſſen/ als ſchlage er Hand
an/ und arbeite uns Menſchen gleich; Nein O nein! ſondern mit einem Winke kan er al-
les verrichten was er wil; Und trauet mir/ meine Herren/ wann Gott nur ſpraͤche: Him̃el
und Erden ſollen einen zierlichen Tanz mit einander halten/ und das Meer darzu auffſpie-
len/ muͤſte ſolches alsbald geſchehen/ ſo gar muß alles der Allmacht Gottes gehorſam ſeyn.
Warumb ſol ich dann einen Engel tichten ohn Noht/ da mir weder Gott/ noch die Ver-
nunfft/ noch die Sinne denſelben zeigen? Alles was mir nun Ariſtoteles hieſelbſt einwirft/
kan ich mit ſchlechter Muͤhe aufloͤſen/ als lange er mir denſelben nicht zeigen kan/ welchen
er dem Himmel als einen ſtaͤten Umtreiber durch eitele Spitzfindigkeiten angebannet hat.
Fraget aber einer/ woher Ariſtoteles der hochgelehrte Mann in dieſer Vernunfftfrage ſo
groͤblich geirret; gebe ich ihm zur Antwort: Seines Irtuhms Urſach iſt die Unwiſſen-
heit von Gott und deſſen Wirkungen. Er gedachte; gleich wie ein Koͤnig in ſeinem Rei-
che die mannicherley Geſchaͤffte durch unterſchiedliche Bedieneten verrichten muß/ alſo
auch Gott dort oben im Himmel. Aber haͤtte er ſich nur beſonnen/ was Gottes Allmacht
heiſſet und vermag/ wuͤrde er ſolche Umtreib-Geiſter nicht vor eine Nohtwendigkeit er-
achtet haben; dann Gott vor ſich allein iſt genug darzu/ daß Himmel/ Erde/ Meer und al-
les in ſeinem Weſen/ Bewaͤgung/ und Eigenſchafften erhalten werde/ und bedarff darzu
Q q ijganz
[308]Anderes Buch.
ganz keines Gehuͤlffen. So ſage ich nun; Die Sonne/ der Monde/ die Sternen alle mit
einander halten ihren Lauff in gewiſſer maſſe und unfehlbarem Schritte/ weil es Gott alſo
haben wil/ und derſelbe ihnen dieſes eingepflantzet hat/ gleich wie die Baͤume von ſich ſelbſt
muͤſſen zu ihrer Zeit gruͤnen/ bluͤhen/ und Fruͤchte bringen. Aber ich halte mich in dieſer
Frage gar zu lange auff/ und beruͤhre mit wenigen/ was des Menſchen Seele ſey; iſt ſie
ſchlecht oder dreyfach? Zwar die unterſchiedlichen Wirkungen zeigen uͤberfluͤſſig an/ daß
ihre Kraͤffte mannicherley ſind; dann eine andere Krafft iſt/ wodurch ich lebe und wachſe;
eine andere/ wodurch ich fuͤhle/ ſehe uñ hoͤre; eine andere/ wodurch ich verſtehe/ uñ von einẽ
dinge Urtel abfaſſen kan. Dieſes wird mir nit bald einer leugnẽ; Ob aber dieſes drey unteꝛ-
ſchiedliche Seelẽ/ od’ drey unterſchiedliche kraͤfte einer einigẽ Seelẽ in mir wirken/ warum
zanken wir daruͤber ſo eiferig? laſſet uns vielmehr zuſehen und fleiß anwenden/ dz wir dieſe
Kꝛaͤfte recht/ nemlich zu Gottes Lob uñ Ehren/ auch zu unſers Naͤheſtẽ Beſſerung uñ unſer
ſelbſt eigenen Erbauung gebrauchen/ dann haben wir die rechte Weißheit ſchon ergriffen.
Zwar ich kan wol leiden/ daß ein und ander davon ſo lange katzebalget als er wil; wann er
aber ſich ſo muͤde geplaudert hat/ daß ihm der Odem ſtehen bleibet/ was hat er mehr da-
von/ er wird nicht umb ein Haar beſſer dadurch. Die lezte Frage gefaͤlt mir noch am be-
ſten/ dann deren Erkaͤntniß lehret mich/ was Tugend oder Schande/ gut oder boͤſe/ erbar
oder laſterhafft iſt. Nun habe ich eines jedweden Meynung vielleicht nicht recht einge-
nommen/ und deßwegen mir keine Urtel daruͤber anmaſſe; jedoch meine Gedanken davon
zueroͤffnen/ ſpreche ich/ daß freilich die ehrliche Seelenwolluſt ein treffliches Gut ſey/ als
welche nirgends ſeyn kan/ wo nicht die Tugend die Herſchafft fuͤhret; aber ſie duͤnket mich
mehr der Gluͤkſeligkeit Begleiterin/ als die Gluͤkſeligkeit ſelber ſeyn; maſſen ein Tugend-
haffter ihm die Wolluſt nicht zum Ziel ſtecket/ ſondern ein tugendhafftes Leben und Wan-
del/ welches dieſe Wolluſt ohn das ſchon geben wird/ als die Gott zu dem ende der Gluͤkſe-
ligkeit zugeordnet hat/ daß ſie uns reizen ſol/ dem guten deſto hitziger nachzuſtreben. Se-
het; die Nieſſung der Speiſen/ iſt wegen des Leibes Erhaltung/ und hat unſer Gott ſolcheꝛ
Nieſſung deswegen eine angenehme Wolluſt beygefuͤget/ daß wir dadurch gereitzet wer-
den/ unſere Leiber durch Speiſen zuerhalten; nicht/ dz wir umb dieſer Wolluſt zugenieſſen/
eſſen oder trincken ſolten. Daß aber die bloſſe Beſitzung der Tugend/ da nemlich einer weiß
uñ gelernet hat gutes zu tuhn/ noch die groͤſſeſte gluͤkſeligkeit nit ſey/ moͤchte ein Kind urtei-
len; maſſen auch der Schlaffende ſolches bey ihm hat/ aber im Schlaffe der wahrẽ Gluͤkſe-
ligkeit nit genieſſẽmag. Bleibet demnach eins vor alles/ dz die zeitliche odeꝛ weltliche Gluͤk-
ſeligkeit in der uͤbung und gebrauch deꝛ Tugend beſtehe/ uñ niemand ſeligeꝛ moͤge geſchaͤtzet
werden/ als wann er von den Laſtern abgeſondert/ ſich der herlichẽ Tugend beſteiſſiget/ und
nach derſelben ſein Leben anſtellet. Hier haͤtte ich nun wol von einer weitbeſſeren Gluͤkſe-
ligkeit zu reden/ welche einem Menſchen in dieſer Welt kan zu teile werden/ und durch wel-
che er zu der kuͤnftigen ewigen und himliſchen Gluͤkſeligkeit befodert wird; weil aber ich
damit meinen Herren und lieben Freunden nur moͤchte verdrißlich ſeyn/ und ohn daß an-
lezt keine gute einfaͤlle habe/ meinen Reden eine Zierligkeit anzubringen/ bitte ich ſehr/ ſo
wol ins gemein/ als einen jedẽ inſonderheit/ mir meine Kuͤhnheit uñ grobe Einfalt freund-
lich zuverzeihen. Die ganze Geſelſchafft zeigete an/ ſein Geſpraͤch waͤhre ihnen ſehr an-
genehm
[309]Anderes Buch.
genehm geweſen/ moͤchten wuͤnſchen/ daß ſie Gelegenheit haͤtten/ von dergleichen Fragen
ſich offt mit ihm zu bereden/ weil ſie gar eine andere Art der Aufloͤſung und Beantwor-
tung bey ihm merketen/ als in ihren Schuelen uͤblich waͤhre. Nach endigung dieſes/ ma-
chete Gallus drauſſen mit dem Wirt beſſere Kundſchaft/ bezeichnete ihm ihre vorige Her-
berge und fragete nach deſſelben wirts Gelegenheit. Dieſer antwortete ihm; es waͤhre
vor wenig Jahren daß vornemſte Wirtshauß geweſen/ aber eine Zeit her haͤtte man dem
guten Manne etwas nachgeredet/ deſſen er verhoffentlich unſchuldig waͤhre; nicht deſto-
weniger taͤhte es ihm nicht geringen Schaden/ und wolte faſt niemand bey ihm einkehꝛen.
Herr Wirt/ ſagte Gallus/ ich halte euch vor einen Bidermann/ und hoffe/ da ich euch et-
was vertraue/ werdet ihr mich nicht in Ungluͤk bringen; mag euch alſo nicht bergen/ daß
ich heut dieſen Morgen angehoͤret/ wie derſelbe Wirt mit ſeinem Knechte anlegte/ meinen
Herren dieſe Nacht zuermorden; vernam auch ſo viel/ daß ſie noch eine erſchlagene Frau
im Keller liegen haͤtten; wollet deßwegen redliche Leute vor dieſer Herberge warnen helf-
fen. Der Wirt erſchrak deſſen hoͤchlich/ und erinnerte ihn/ ob er irgend aus alter Feind-
ſchafft ihm ſolches nachredete; Und als er vernam/ daß er vor dieſem ihn niemahls geſe-
hen noch ichtwas von ihm gehoͤret haͤtte/ baht er ihn/ ſolches niemand mehr zuvertrauen;
ſuchte auch Gelegenheit von ihm zu gehen/ weil ſolche Taht zu verſchweigen wieder ſein
Gewiſſen lieff/ nachdem er ein Rahtsverwanter wahr; machte ſich demnach/ ungeach-
tet es ſchon gegen den Abend ging/ nach dem Rahtsmeiſter/ ihm anzeigend/ was er gehoͤ-
ret hatte. Derſelbe ſendete als bald etliche ſeines Mittels zu dem traͤuloſen Wirte/ mit be-
gehren/ er moͤchte dem Raht ſeinen Keller auff wenige Zeit verheuren/ ſie wolten etliche
Weine dahin legen/ welche in kurzer friſt ſolten weiter fortgeſchiffet werden. Dieſer we-
gerte ſich/ den Keller zu oͤffnen/ weil er ihn/ ſeinem vorgeben nach/ ſchon an etliche Kauff-
leute vermietet/ und Gelder darauff empfangen haͤtte. Nachdem aber dieſe der Gemeinen
Stad vorzug ihm vorhielten/ kunte er ſich laͤnger nicht wegern/ und baht ſie/ nur ein we-
nig zuverzihen/ biß er ihn durch ſeinen Haußknecht haͤtte außraͤumen laſſen; Und weil
dieſe Außflucht auch nicht helffen wolte/ ging er nach dem Hintergebaͤu/ vorgebend/ den
Schluͤſſel zu hohlen; da ihm zween gleich auff dem Fuſſe nachfolgeten/ und inzwiſchen
der dritte einen Schloͤſſer gleich gegen uͤber wohnend herein rieff/ den Keller zu oͤffnen;
ging mit ſeinem Gefaͤrten hinein/ und funden eines nacket außgezogenen Weibes Leich-
nam/ traten bald wieder heraus/ und lieſſen die Bewehrete/ ſo hauſſen auffwarteten her-
ein ruffen/ folgeten dem Wirt/ der in nachſuchung der unverlohrnen Schluͤſſel noch be-
muͤhet wahr/ und ſageten; es waͤhre ihnen eilig/ und weil die Schluͤſſel verlegt/ moͤchte er
ſeinem Haußknecht ruffen/ daß derſelbe ihnen in der Nachbarſchafft einen andern Keller
verhoͤrete. Dieſer ward deſſen froh/ ließ ſeinen Kallias bald kommen/ und erzeigete ſich
froͤlich; aber die Gewapneten traten zu ihm/ und redete der Vornehmſte von den Abge-
ordenten ihn alſo an: Akuſilaus/ ihr muͤſſet euch ſamt eurem Knecht der Obrigkeit ſtellen/
nachdem man mit euch etlicher Sachen halber zu reden hat/ die ſehr wichtig ſind. Dieſer
fuͤhlete ſein nagendes Gewiſſen/ ſtellete ſich doch geherzt/ nur daß er zuwiſſen begehrete/
was man mit ihm ſo ſpaͤt und eilig wolte/ uud was ſolche Gewapnete Schaar zu bedeuten
haͤtte; warum man ihm nicht nach Stad Gebrauch einen Rahtsdiener geſchikt/ und ihn
Q q iijals
[310]Anderes Buch.
als einen Buͤrger/ welcher allemahl ſich gehorſam bezeiget/ aufffodern laſſen? Dieſer be-
antwortete es mit wenigem; er wuͤrde deſſen alles vor dem gemeinen Raht gnugſame
Urſachen zuvernehmen haben; worauff er ganz vewaͤgen mit ging/ und ſich nicht dran
kehrete/ daß ſein Knecht gefangen gefuͤhret/ und in den Turm geleget ward. So bald er
vor den Raht trat/ gruͤſſete er ſie nicht ſonderlich/ ſtund und ſchwieg ſtille/ umb zuverneh-
men was man ihm vortragen wuͤrde; da der Rahtsmeiſter ihn freundlich anredete/ ſich
uͤber ſo ſpaͤter Vorfoderung nicht zu verwundern/ und nur ein kurzes zu beiten/ biß noch
ein oder ander ſich einſtellen wuͤrde/ ſo der Beredung mit beywohnen muͤſte; worauff er
zur Antwort gab; es nehme ihn hoͤchſt wunder/ daß man ihm das Verwundern uͤber ſol-
cher ungewoͤhnlichen gewaltſamen Vorfoderung noch verbieten wolte; ja daß man uͤ-
berdaß noch ſeinen Knecht gefaͤnglich hinweg ſchleppete/ ehe man ihm als deſſen Herren
einige Urſach anzeigete; doch muͤſte er ſolches dahin laſſen geſtellet ſeyn/ koͤnte auch noch
zur Zeit nichts dawieder vornehmen/ als daß er ſich durch nohtwendige Bedingung aufs
allerbeſte verwahrete. Bald ward das ermordete Weib mit Tuͤchern bedecket/ ihm vor
die Fuͤſſe gelegt/ welche der Rahtsmeiſter zuentbloͤſſen befahl/ und zu Akuſilaus ſagete;
Guter Freund/ ihr habt euch nicht ſo hoch zu beſchweren/ noch wieder eurer Obrigkeit
Vornehmen euch groß zubedingen/ ſondern ſehet dieſen Stummen und Blinden an/ wel-
cher ob er gleich kein Wort mehr zu machen weiß/ klaget er euch doch auff Leib und Leben
an. Dieſer ſtellete ſich ganz fremde/ wuͤſte nit/ was dieſes Schauſpiel bedeutete/ daß man
todte Leichnam daher ſchleppete; ob er ſich mit todten zanken ſolte oder koͤnte: Aber der
Richter redete ihm haͤrter zu; er ſolte das erſchlagene Weibsbild etwas eigentlicher be-
trachten/ die aus ſeinem Keller daher getragen wuͤrde/ wovon er ja billich rede und Ant-
wort geben muͤſte. Dieſer hielt ſich noch/ als wolte er vor verwunderung aus der Haut
fahren; da jener fortfuhr in ſeiner rede; es waͤhre umſonſt/ dergleichen blinde auffzuͤge zu-
machen/ und viel beſſer/ die Warheit zu bekeñen: Und was wollet ihr viel leugnẽ/ ſagte er;
dieſer Diener gegenwaͤrtig bringet bericht ein/ daß euer Knecht die moͤrdliche Taht ſchon
gutwillig bekennet hat; wird euch demnach viel zutraͤglicher ſeyn/ Gnade zu bitten/ als die
Richter zuverbittern. Was hoͤre ich/ ihr meine Herren/ ſagte dieſer; ſolte mein Kalli-
as wol einen ſolchen ſchaͤndlichen Mord begangen haben? Ich habe ja dergleichen Boß-
heit noch nie an ihm geſpuͤret; bedachte ſich ein wenig/ und ſagte weiter; doch ich duͤrffte
ſchier in den Argwohn gerahten/ maſſen ich mich erinnere/ daß vor wenig Tagen ich
ein frembdes Weib beherberget/ von welcher mein Knecht vorgab/ wie ſie des folgen-
den Tages ſehr fruͤh/ ehe ich auffgeſtanden/ davon gezogen/ und ihm das verzehrete Geld
zugeſtellet haͤtte/ welches er mir auch geliefert hat; fuhr darauff fort; es moͤchten die
Herꝛen fleiſſig nachforſchen/ und wann ſein Knecht gemordet/ ſolte man ihn nur ge-
ſchwinde am Leben ſtraffen/ wann man ihn nur aus ſolchem Laſter-Spiele lieſſe; Er haͤtte
von Jugend auff ſich aller Tugend und auffrichtigkeit beflieſſen/ wie ihm deſſen die ganze
Stad wuͤrde Zeugnis geben muͤſſen; baͤhte demnach/ ihn des Argwohns zuerlaſſen/ viel
weniger zuglaͤuben/ da etwa uͤber verhoffen ſein Knecht zum doppelten Schelm werden/
und wañ er ſchuldig waͤhre/ ihn als einen Mitſchuldigen aus Hoffnung gelinderer Straf-
fe angeben wuͤrde. Die Rahtsherꝛen hieſſen ihn darauff einen Abtrit nehmen/ verwundeꝛ-
ten
[311]Anderes Buch.
ten ſich uͤber des liſtigen Fuchſes Boßheit/ und beſchloſſen/ ihn in eine ehrliche Gefaͤngnis
zulegen; biß man ihm den Mord beſſer uͤberbringen koͤnte. Ward auch der Knecht aber
eins befraget/ welcher dann beſtaͤndig dabey verblieb/ daß ſein Herꝛ den Todſchlag mit ei-
gener Fauſt verrichtet/ nachdem er ſie vorher mit hoher Bedraͤuung zu ſeinem ſchnoͤden
Willen genoͤhtiget/ und ihr bald darauff ſolchen Lohn gegeben; Sie haͤtte am Gelde und
Kleinoten einen guten Vorraht bey ſich gehabt/ welches eꝛ alles zu ſich genommen/ uñ ihm
jhre Kleider ſamt XXX Kronen davon gegeben haͤtte; geſtund uͤber das auch/ daß er den
Anſchlag uͤber Valikules gemacht/ wie es Gallus ſeinem andern Wirte erzaͤhlet hatte;
welcher nach ſolcher Befragung bey ſpaͤtem Abend wieder nach Hauſe ging/ ſeine Gaͤſte
noch beyſammen fand/ und bey dem Schlafftrunke mit ihnen allerhand Unterredung pfle-
gete/ da er auff die Boßheit etlicher Wirte zureden kam/ und ihnen anzeigete/ was geſtalt
gleich dieſen Abend ein Wirt eingezogen waͤhre/ dem ſchuld gegeben wuͤrde/ als haͤtte er
ein fremdes/ ohn zweifel vornehmes Weib nach angelegter Schaͤndung auff dem Bette
ermordet/ deren Leichnam man auch in ſeinem Keller gefunden haͤtte/ und wuͤrde darauff
das Recht zur abſcheuhlichen Straffe billich ergehen muͤſſen. Valikules erſchrak der Re-
de/ und ſagte zu ihm: Herꝛ Amyntas (ſo hieß dieſer Wirt) vielleicht iſt es mein geweſener
Hauswirt/ von dem ich ſolche uͤbeltaht durch ſonderliche Schickung Gottes erfahren/ uñ
uͤmb deswillen dieſe Herberge verlaſſen habe. Ja mein Herꝛ/ antwortete er/ eben derſelbe
iſt es; wil aber durchaus nicht geſtehen/ daß er einige Wiſſenſchafft davon habe/ ſondern
legt es alles auff ſeinen Knecht/ dafern die Taht wahr ſeyn ſolte. Ich danke meinem Gott/
ſagte er/ welcher mich dieſe Nacht ſo Vaͤterlich behuͤtet hat/ da ich uͤber meine Gewonheit
feſt geſchlaffen/ und bitte denſelben/ er wolle dieſem Suͤnder ſeine uͤbeltaht vergeben/ unge-
achtet er ſchon den Anſchlag gemacht hatte/ mich dieſe inſtehende Nacht zuerwuͤrgen/ wie
mein Diener angehoͤret. Amyntas wahr ein Chriſt/ wiewol nach Nikodemiſcher Art/
heimlich/ damit er ſeines Ehrenſtandes nicht entſetzet wuͤrde/ merkete auch aus Valikules
Reden/ daß er kein Heide wahr/ welches beſſer zuerfahren/ er zu ihm ſagete: Mein Herꝛ;
wolte Gott/ daß alle Menſchen alſo geſinnet waͤhren/ ihren Beleidigern und Feinden ſo
gerne und leicht zuverzeihen; aber nicht alle Geſez lehren uns dieſe Tugend/ und da ſie es
gleich lehreten/ ſtecket doch der Nachdruk nicht dahinter/ daß ſie in uns den Gehorſam wiꝛ-
ken moͤchten. Valikules verſtund ſeine Chriſtliche Rede bald/ und gab ihm zur Antwort;
Er haͤtte recht geredet/ wolte auch daher Urſach nehmen/ beſſere Kundſchafft mit ihm zu-
machen. Ein aͤdler Juͤngling aus Sizilien ſaß jhm am naͤheſten/ und fragete ihn/ ob er
vielleicht eben der Urſachen hie waͤhre/ welche ſie nach Elis zureiſen auffgemahnet haͤtte;
dem er antwortete; jhm waͤhre jhrer Reiſe Urſach allerdinge unbewuſt; ſeine betreffend/
haͤtte er jhm vorgenommen/ das hochbeſchrihene Griechenland in etwas zu beſehen/ und
nachgehends ſeinen Weg weiters vorzunehmen/ welcher weit uͤber Meer und Land ginge;
dafern es jhnen aber nicht zu wieder/ baͤhte er/ jhm zumelden/ warumb eine ſo anſehnliche
Geſelſchafft aͤdler Juͤnglinge ſich hie beyeinander hielten. Dieſer ſahe jhn an/ und laͤchel-
te/ ſagte bald darauff: Er hielte nicht/ daß die Urſach ihrer Gegenwart jemand dieſes Orts
unwiſſend ſeyn koͤnte. Ja antwoꝛtete er/ ſolches kan wol ſeyn; mir aber der ich geſtern die-
ſer oͤrter erſt angelanget bin/ und Griechenland ſonſten nie geſehen habe/ wird ſolche Un-
wiſſen-
[312]Anderes Buch.
wiſſenheit wol koͤnnen verzihen werden. Warumb nicht? ſagte dieſer; berichtete ihn dar-
auff/ es wuͤrden uͤber acht Tage/ die Olympiſchen Spiele hochfeyrlich gehalten/ auff wel-
chen ſie ſich zu uͤben willens waͤhren. Nun hatte Valikules von dieſen Spielen viel gele-
ſen/ und wahr froh/ daß er denen zuzuſehen Gelegenheit bekam; baht demnach/ da es ihnen
nicht zuwieder/ jhn mit in jhre Geſelſchaft zunehmen; und ob er gleich als ein Spieler ſich
dabey finden zulaſſen nicht geuͤbet waͤhre/ haͤtte er doch Luſt/ einen Zuſeher zugeben; wel-
ches ſie jhm dann gerne bewilligten/ und zur Nachtruhe freundlich voneinander ſchieden.
Des folgenden Morgens ſehr fruͤh/ foderte Valikules den Wirt zu ſich/ und gab ihm zu-
vernehmen/ wie er aus geſtrigem Geſpraͤch verſtanden/ daß er des Chriſtlichen Glaubens
nicht unberichtet waͤhre; baͤhte daher/ jhm anzudeutẽ/ wo/ uñ zu welcher Zeit die Chriſtliche
Verſamlung zum Gottesdienſte angeſtellet wuͤrde/ weil er ſolche zubeſuchẽ willens waͤhre.
Amyntas hatte ſein auffrichtiges Herz ſchon geſpuͤret/ woͤlte ſich deswegen vor jhm nicht
verbergen/ ſondern bekennete/ er waͤhre ein Chriſt/ wiewol heimlich; und da es jhm gefiele/
koͤnte er gleich jezt mit jhm gehen/ eine Chriſtliche Predigt anzuhoͤren. Er wahr deſſen ſehꝛ
froh/ gingen miteinander/ und traff er eine groſſe Gemeine an/ welche den Gottesdienſt in
herzlicher Andacht verrichteten. Er hoͤrete der Predigt fleiſſig zu/ und blieb bey dem Got-
tesdienſt/ biß das heilige Abendmahl ſolte gehalten werden/ ging hernach zu dem Chriſtli-
chen Lehrer/ gab jhm 50 Kronen/ unter die Armen auszuteilen/ und baht/ daß man ſeiner im
gemeinen Gebeht wolte eingedenke ſeyn/ daß ihm Gott beyſtehen moͤchte/ ein Weibsbild
ſeines Gebluͤtes von den Raͤubern entfuͤhret/ wieder zuerloͤſen; mit dem Verſprechen/ da-
fern er ſolches von Gott wuͤrde erhalten/ ſolte die Chriſtliche Kirche zu Korinth von jhm ſo
viel belegte Baarſchafft haben/ davon jaͤhrlich 3000 Kronen Zinſe/ zur unterhaltung der
Lehrer und Armen koͤnte gehoben werden. Der Lehrer bedankete ſich ſehr/ beydes wegen
des empfangenen und verſprochenen/ und ſagte zu jhm: Chriſtlicher Juͤngling/ eure An-
dacht bey dem heutigen Gottesdienſte/ iſt mir nicht verborgen geweſen/ wodurch ihr euer
Herz dem allerhoͤchſten Gott in wahrem Glauben und rechtſchaffenem Gehorſam geopfeꝛt
habet; jetzo aber laſſet jhr euren lebendigen Glauben durch groſſe Almoſen/ deren wir alhie
ungewohnet ſind/ vor den Menſchen erſcheinen/ wodurch euer Vater im Himmel geprei-
ſet wird/ welcher euer unvergaͤnglicher Lohn/ und kraͤftiger Schild ſeyn wil. Unſer Gebeht
ſol euer nicht vergeſſen/ ob uns gleich euer Stand und nahme unbekant iſt. Mein Nahme/
antwortete er/ iſt anjetzo Valikules/ ſonſt in Verkrauen geſagt/ bin ich Fuͤrſten Standes/ uñ
durch ſonderliche Gnade zum Chriſtentuhm bekehret/ woruͤber meine Eltern mich enter-
bet; deſſen ich doch wenig achte/ und vielmehr es vor einen Gewinn rechne/ weil ichs uͤmb
meines Herꝛn Chriſtus willen leide; wollet mir demnach verzeihen/ daß ich mich nicht al-
lerdinge offenbahre. Der Lehrer wuͤnſchete jhm Beſtaͤndigkeit im Glauben/ und Gottes
gnaͤdigen Beyſtand/ mit Verheiſſung/ es wuͤrde der Sohn Gottes jhm ohn allen Zweifel
in jenem Reiche hundertfaͤltig vergelten/ daß er uͤmb ſeines Nahmens willen ein irdiſches
Fuͤrſtentuhm hindanſetzete/ und ſeinen Heyland uͤber Vater uñ Mutter liebete; die Chriſt-
liche Gemeine hier/ und in anderen uͤmliegenden Orten ſolten ihn in allen Verſamlungen/
auch die verlohrne Fuͤrſtin/ in das gemeine Gebeht gerne und willig einſchlieſſen. Nach
getahner Dankſagung vor ſolches erbieten/ nam Valikules abſcheid/ und ging mit ſeinem
Wirte
[313]Anderes Buch.
Wirte nach Hauſe/ da derſelbe bald darauff von ſeinen Mitherꝛen zu Rahthauſe gefodert
ward/ woſelbſt er zween groſſe anſehnliche Ritter fand/ welche bey dem Raht uͤmb Gehoͤr
anhielten; Und als ſie vorgelaſſen wurdẽ/ redete der Anſehnlichſte/ und brachte vor/ wie ſie
geſtern bey ſpaͤtem Abend hieſelbſt zu Korinth angelanget waͤhren/ unter andern Be-
freundeten/ ihren naͤheſten Blutverwanten und Mutter Bruder/ Herꝛn Akuſilaus zu be-
ſuchen/ vernaͤhmen aber mit Schmerzen/ daß derſelbe einer Mordtaht faͤlſchlich angege-
ben waͤhre/ die ſein Hausknecht/ ihm unwiſſend/ aus anderer eingeben und getrieb moͤchte
begangen haben. Nun waͤhren ſie Ritter/ uñ keine Zungendroͤſcher/ koͤnten demnach nicht
viel Zaͤnkerey machen/ aber mit dem/ was ſie an der Seite fuͤhreten/ wolten ſie behaͤupten/
daß jhr Vetter unbillich und mit hoͤchſter Unwarheit angeklaget waͤhre. Der Raht achte-
te ihr anbringen nicht groß/ antwortete: Sie moͤchten jhre Ritterſchafft und gutes Herz
ausbieten und anwenden da es gelten wolte/ ſo gut ſie immer koͤnten/ und jhnen rechtswe-
gen frey ſtuͤnde; ſie ihres teils wuͤrden als eine beſtalte Obrigkeit ſich durch ihre Schwer-
ter gar nicht abſchrecken laſſen/ Recht und Gerechtigkeit zuhandhaben; So waͤhre jhr An-
verwanter von keinem eigentlich angegeben/ ſondern die himliſche Rache haͤtte ſeine Boß-
heit an den Tag gelegt/ und waͤhre die erſchlagene Frau ohngefehr in ſeinem Keller gefun-
den; auch haͤtte man groſſe Muhtmaſſung aus des Knechts freywilliger Bekaͤntnis/ daß
er Wiſſenſchafft darumb truͤge. Der ander Ritter fing an; es moͤchten die Herꝛen wol zu-
ſehen/ was ſie taͤhten/ dann er haͤtte gute Nachricht/ daß in jhres Vetteꝛn Hauſe zween frem-
de Kerle eingekehret/ deren einer ein roͤtliches Haar/ der ander ein zartes Angeſicht gehabt/
und noch jung von Jahren geweſen/ auff deren Anreizung haͤtte der Knecht das Weib er-
ſchlagen/ welches er beweiſen wolte/ wann er nur erfahren koͤnte/ in was Herberge dieſelbe
anzutreffen waͤhrẽ; maſſen er wuͤſte/ daß ſie ſich noch in dieſeꝛ Ringmaur befuͤnden. Amyn-
tas ſtund im Rahte auff/ und baht uͤmb Verguͤnſtigung/ einen Abtrit zunehmen/ weil er zu
Hauſe etwas noͤhtiges zuverrichten/ aus der acht gelaſſen/ wolte ſich bald wieder einſtellen.
Ging hin und erzaͤhlete Gallus dieſes alles/ welcher es ſeinem Herꝛn hinterbrachte in Bey-
ſeyn der Griechiſchen Juͤnglinge. Der verwunderte ſich nun hoͤchlich uͤber ſolche Luͤgen/
ließ den Wirt herein fodern/ und als derſelbe jhm ſolches aufs neue erzaͤhlet hatte/ ſagte er
ihm Dank; kehrete ſich zu der anweſenden Geſelſchaft/ und baht ſie/ mit jhm vor den Raht
zutreten/ uͤmb ſeine Zeugen zu ſeyn/ deſſen/ was er mit dieſen ehrendiebiſchen Verleumdern
und falſchen Rittern handeln wuͤrde. Sie gingen miteinander fort/ und zeigete Amyntas
dem Raht an/ daß die beyden fremden/ deren dieſe Ritter meldung getahn/ verhandẽ waͤh-
ren/ und/ uͤmb gehoͤret zuwerden/ fleiſſig anhielten. Sie wurden durch den Rahtsdiener
bald vorgefodert/ und folgeten die Griechiſchen Juͤnglinge mit hinein; da Valikules nach
freundlicher Begruͤſſung alſo redete: Hochweiſe/ anſehnliche Herꝛen; jch/ Nahmens Va-
likules/ ein Roͤmiſcher Ritter/ neben gegenwaͤrtigen meinen Diener Gallus/ bin vorgeſteꝛn
uͤmb den Mittag bey dem gefangenen Akuſilaus zur Herberge eingekehret/ und haben wir
beyde ſonſt keinen Menſchen bey uns gehabt/ auch niemand fremdes/ weder Mannes noch
Weibesbilder in der Herberge angetroffen/ wie ſolches alles der mitgefangene Knecht uñ
das andere Geſinde werden bezeugen muͤſſen; als ich nun meinete/ ich waͤhre bey einem
ehrlichen Manne/ und in guter Sicherheit/ ſo hat zu meinem ſonderlichen Gluͤcke dieſer
R rmein
[314]Anderes Buch.
mein Diener ohngefehr angehoͤret/ wie daß geſtern derſelbe mein Wirt mit ſeinem Knech-
te einen gefaͤhrlichen Anſchlag auff mein Leben gemacht/ mich in folgender Nacht zuer-
wuͤrgen/ damit er der Kleinot/ deren er bey mir vermuhten wahr/ habhafft werden moͤch-
te. Zwar ich habe davon gar kein Weſen machen wollẽ/ ſondern es Gott befohlen/ bin auch
deswegẽ nach geſchehener uͤbrigen Bezahlung in ein ander Wirtshaus eingekehret. Ich
vernehme aber mit hoͤchſter Verwunderung/ daß ein und ander ſich ſol finden laſſen/ und
mir als Uhrhebern einen begangenen Mord zumaͤſſen duͤrfen. Nun koͤnte ich dieſe ſchaͤnd-
liche Luͤge und ehrendiebiſche Verleumdung mit unbewaͤglichen Gruͤnden gar leicht hin-
teꝛtreiben/ uñ ſolche mutwillige Laͤſterer ſchamroht machẽ; nachgehends bey der Obrigkeit
es treiben/ daß ſie mit eben der Straffe beleget werden muͤſten/ welche ſie mir zuzurichten
bedacht und bemuͤhet ſind; weil ich aber veꝛnehme/ daß dieſelben ſo ſtark auf jhꝛ Fauſtrecht
pochen/ und ihres Seiten Gewehrs ſich getroͤſten/ bin ich bereit/ meine Unſchuld nach Rit-
ters-art zuverfechten/ und des gerechten Gottes ſeiner Urtel gerne zuerwarten. Der gan-
ze Raht ſahe ihn ſtarre an/ kunten ſich ſeiner Schoͤne/ Hoͤfligkeit und unerſchrockenen Her-
zens nicht gnung verwundern/ und befahlen den beyden Klaͤgern/ ihre zuvor angebrachte
Beſchuldigung in des Beklagten gegenwart zuwiederhohlen/ uñ mit gebuͤhrlichem recht-
maͤſſigem Beweißtuhm ſich gefaſſet zuhalten; wie ſie deſſen ſich anerbohten haͤtten. Der
erſte Ritter aber gab mit hochmuͤhtigen Geberden zur Antwort: Weil dieſer Knabe (ſo
nennete er Valikules) die Klage albereit wuͤſte/ waͤhre die Wiederhohlung unnoͤhtig/ viel-
weniger ein wortreicher Beweißtuhm/ nachdem ſich dieſer ohn das lieber dem Ritter- als
Henker-Schwerte zur Straffe untergeben wolte/ welches ein unhintertꝛeiblicheꝛ Beweiß-
tuhm waͤhre/ daß er oͤffentlich geſtuͤnde/ den Tod verdienet zu haben; nur waͤhre ihm ſehr
leid/ und faſt ſchimpflich/ daß ers/ ſo zu rechnen mit einem Kinde ſolte zutuhn haben/ und
waͤhre wol zu frieden/ daß er ſeinen Diener zu Huͤlffe naͤhme/ der ihm den Schild vorwerf-
fen koͤnte/ dafern er ſo beherzt waͤhre/ morgen fruͤh auff dem Platze zuerſcheinen/ da das
Gericht ſolte gehalten werden/ woſelbſt ſich bald ausfuͤndig machen wuͤrde/ wer die War-
heit oder Luͤgen geredet haͤtte. Der verſamlete Raht wolte ſich darzwiſchen legen/ uñ Va-
likules vom Kampffe abmahnen/ weil ſie nit zweifelten/ erwuͤrde ohn das ſeine Unſchuld
mit gnugſamen Gruͤnden behaͤupten koͤnnen; Er aber antwortete: Er waͤhre ein Ritter/
und koͤnte dieſe ehrenruͤhrige Beſchuldigung des Mords nicht auff ſich erſitzen laſſen;
langwieriges Rechten gaͤbe ſeiner Reiſe Eilfertigkeit auch nicht zu; und daß er vor ein
Kind/ und vor einen Knaben von dieſem hochmuhtigen Verleumder und Ehren Diebe
gehalten wuͤrde/ muͤſte er dahin laſſen geſtellet ſeyn/ wolte nicht deſto weniger lieber mit ih-
nen beyden zugleich den Kampf antreten/ als vor einen Moͤrder ſich ausruffen laſſen; baͤh-
te daher inſtendig/ ein Hochweiſer Raht wolte ohn fernere weigerung ihnen des Kampfes
Freyheit goͤnnen/ welches ihm als einem Roͤmiſchen Buͤrger und Freyen Ritter ohn das
nicht koͤnte gehindert werden; Dieſes alles brachte er mit ſo ernſtlicher Rede vor/ daß alle
anweſende es wunder nam; wiewol es den beyden Klaͤgern maͤchtig verdroß/ daß er ſie ſo
veraͤchtlich hielt/ und ſo kuͤhnlich ausſchalt; daher ſagete der aͤltere/ Nahmens Demetrius
mit einem Gelaͤchter: es meynete dieſer Knabe etwa/ man wuͤrde mit Stecken oder Brad-
wuͤrſten ſechten/ welche zuverſchlucken er vielleicht moͤchte gelehret ſeyn; Aber er antwor-
tete
[315]Anderes Buch.
tete ohn Bewaͤgung: man muͤſte unbendigen Zungen uͤberſehen/ biß es Zeit waͤhre ſie zu
hemmen/ dann er haͤtte in dieſer ſeiner Jugend ſchon die Erfahrung/ daß eine ruhmraͤtige
Zunge allemahl von einem feigen Herzen angetrieben wuͤrde; Woruͤber dieſe beyde ſich
dergeſtalt entruͤſteten/ daß ſie auff der Rahtſtuben ſich ſchier an ihm vergriffen haͤtten/ da
ihnen ſolches nicht bey Leibesſtraffe waͤhre verbohten worden. Der Rahtsmeiſter ſuchte
nochmahls/ unſern Valikules von dem Kampffe abzumahnen/ aber als er merkete/ daß al-
les vergebens und umſonſt wahr/ goͤnneten ſie ihm endlich ſeine Freyheit/ welches er mit
hoͤflichem Dank annam/ und ſeine Klaͤger erinnerte/ ſich gegen Morgen fruͤh zum taͤhtli-
chen Beweißtuhm ihrer Schandluͤgen gefaſſet zu halten; Welches ſie vor Eifer nicht
beantworten kunten/ ſich auch nicht anders als wahnwitze Untihre bezeigeten/ daß ihnen
der Geifer zum Maule ausfloß. Amyntas und alle ſeine Gaͤſte waren ſehr leidig wegen der
getahnen Ausfoderung; auch Gallus ſelbſt bekuͤmmerte ſich dermaſſen/ daß erweder eſſen
noch trinken wolte/ dann er hatte ſeinen Herrn noch nie kaͤmpffen geſehen; welcher ihm ge-
boht/ er ſolte ſchaffen/ daß ſein Harniſch auff beſtimmete Zeit zum Kampffe fertig waͤhre;
erzeigete ſich ſonſt den ganzen Tag durch immerzu froͤlich/ als wuͤſte er nichts von dem
morgenden Kampffe; und wann die Geſelſchafft deſſen Erwaͤhnung taht/ und wegen der
kuͤnfftigen Gefahr ſich leidig bezeigete/ baht er ſie/ nicht daran zugedenken/ wanns ihnen
ſonſt einige Bekuͤmmerniß machete; ja er vermahnete ſie/ gutes muhts zu ſeyn/ und ſage-
te: Man muͤſte nicht allein von der Tugend reden und ſinreiche Geſpraͤch fuͤhren/ ſondeꝛn
ſich auch befleiſſigen/ ſie Zeit der Noht in rechtſchaffene uͤbung zu bringen/ und der wirkli-
chen Gluͤkſeligkeit beyzeiten einen Anfang zu machen; ſo haͤtte ers biß daher gehalten/ und
wie jung er waͤhre/ ſchon mannichen harten Streit mit angeſehen/ auch wol gute Stoͤſſe
mit nach Hauſe getragen. Einer von der Geſelſchafft antwortete darauff; es waͤhre zwar
alles ſehr wol und weißlich geredet; jedoch muͤſte man die Herzhaftigkeit allemal der Ver-
nunfft zur Einzaͤum- und Beherſchung unterwerffen/ und nichts uͤber Vermoͤgen oder
Alters Kraͤffte vornehmen/ damit dieſelbe nicht uͤber die Schnuhr hiebe/ die Tugend-art
verloͤhre/ und in eine verwaͤgene Kuͤhnheit verwandelt wuͤrde/ welches er doch auff ihn nit
wolte geredet haben. Mein Freund Urteilet recht und wol/ antwortete er; und iſt freilich
dieſes die rechte Klugheit und Vernunfft/ daß unſere Handelungen in der Mittelwage
bleiben/ ſo daß ſie weder nach der Linken/ nach dem Mangel; noch nach der Rechten/ das
iſt/ nach der uͤbermaſſe außſchlagen; nicht deſto weniger aber muß unſer ehrlicher Nahme
und guter Leumut uns lieber als das Leben ſeyn/ und wird niemand die Schranken der
Tugendhafften Kuͤhn- und Herzhafftigkeit uͤberſchreiten/ wann er ſein Blut zur vertei-
digung ſeiner Redligkeit vorſichtig anwendet/ da er dann eben nicht ſeinen Leibeskraͤfften
oder ſeiner Erfahrenheit/ ſondern vielmehr ſeiner guten Sache/ am meiſten aber dem ge-
rechten Gott vertrauen muß/ welcher die Stolzen und Gewalttaͤhter ſtuͤrzet/ und dagegen
die Demuͤhtigen und Nohtleidenden kraͤfftiget und erhaͤlt. Mein Herr/ gab ihm ein ander
zur Antwort; es muͤſſen die guͤtigen Goͤtter demſelben Menſchen hoͤchſt gewogen ſeyn/
welchen ſie ſo fruͤhzeitig in dieſe Tugendſchuele ſchicken/ in welcher mein Herr aufferzo-
gen und unterrichtet iſt/ woſelbſt er nicht allein die Erkaͤntnis/ ſondern zugleich die Erfah-
rung uñ fertigkeit tugendhaft zu handeln bekom̃en hat. Meine Erfahrung/ ſagte Valikules
R r ijiſt
[316]Anderes Buch.
iſt viel geringer/ als daß ſie einiges Lobes wert waͤhre/ aber damit ich die Erfahrung mir
durch mañiche Ubung zuwege bringen moͤge/ muß ich deren keine verſeumẽ/ welche icho hn
verletzung meiner Ehre nicht unterlaſſen kan; aber auch fleiſſig zuſehen/ daß ich nicht Ur-
ſach zum Streit und Kampff ſuche/ weil ſolchen Blutgierigen und Zankſuͤchtigen der Al-
maͤchtige Gott ſeinen Beyſtand enttzeuhet/ und ſie anlauffen laͤſſet/ daß ſie fallen muͤſſen
ehe ſie recht ſtehen. Sie brachten dieſen Tag mit ſolchen Geſpraͤchen zu/ daß dieſe Juͤng-
linge außdruͤklich bekenneten/ aller ihrer Lehrmeiſter Unterweiſung zur Tugend/ waͤhre
lauter Waſſer gegen dieſes jungen Ritters koͤſtlichſten Wein/ von welchem ſie ſtaͤrckere
anreizungen zum guten anhoͤreten/ als ihre Lehrer ſelbſt noch nicht begriffen haͤtten. Des
folgenden Tages wapnete ſich Valikules nach ſeinem Willen/ ſahe ſelber zu dz ſein Hengſt
recht geſattelt ward/ und ritte in begleitung aller Juͤnglinge hinauß/ da Gallus inſtendig
bey ihm anhielt/ er moͤchte ihm den Kampff wieder dieſe ſtarke hochmuhtige Ritter goͤn-
nen; er ihm aber anzeigete/ daß/ weil ſeiner eigenen Bekaͤntnis nach/ er in ſolchen Strei-
ten ungeuͤbt waͤhre/ koͤnte er ihn nicht ſo leicht in die Schanze ſchlagen. Als er auff den
Kampffplaz kam/ traff er keinen von ſeinen Wiederſachern an/ erwartete ihrer aber ganz
freudig mit auffgeſchlagenem Helme. Die ganze Stad hatte in erfahrung bracht/ daß ein
friſcher Juͤngling mit zween ſtarken Rittern umb Leib und Leben kaͤmpffen wuͤrde/ lieffen
demnach groß und klein hinaus/ dem Streite zuzuſehen. Der Raht hatte eine Schaubuͤh-
ne auffſchlagen laſſen/ darauff ſie ſtiegen/ und nachdem die beyden Ritter gebruͤdere auff
groſſen Pferden erſchienen/ teileten die Richter des Kampffes ihnen Wind und Sonne
gleich/ und gaben ihnen die Macht zu treffen/ weil ſie ſahen/ daß Valikules nicht nachlaſſen
wolte/ ſondern ſich auff ſeine Roͤmiſche Freyheit berieff. Darauff ſendeten die hochmuh-
tigen Ritter einen Diener an ihn/ uñ lieſſen fragen/ wem unter ihnen er die Ehre des Sie-
ges am liebſten goͤnnen wolte/ wie ſchlecht auch dieſelbe waͤhre/ die man an Kindern erlan-
gete/ deß wolten ſie ihm die Wahl geben/ weil ſie ſich ſelbſt nicht wol daruͤber vergleichen
koͤnten. Der gefangene Akuſilaus wahr auff ſeiner beyden Oheime hefftiges anhalten un-
ter ſtarker Huht mit herauß gelaſſen/ welcher dann mit ſolcher Frecheit zuſahe/ daß er oͤf-
fentlich rieff/ daß/ wo einer von ſeinen Oheimen unterliegen wuͤrde/ wolte er ſich ſelbſt vor
ſchuldig anklagen und uͤber ſich Straffe fodern; Valikules aber erzuͤrnete ſich uͤber der
Ritter ſchimpflichen Worten dergeſtalt/ daß er uͤberlaut zur Antwort gab; packe dich bald
und ſage den ſchlimmen Tropfen/ es ſey mir eben eins/ ob ihrer einer allein/ oder ſie alle bey-
de mir zugleich begegnen; und fuͤrchten ſie ihrer Haut/ ſo nehmen ſie nur den dritten auch
zu ſich; welche Außfoderung ihm alle Anweſende vor einen Wahnwiz außlegeten. Er
aber ſchloß den Helm zu/ und tummelte ſein Pferd ſehr art- und freidig/ biß er ſahe/ daß
der Juͤngere/ nahmens Dionyſius ſich zum Treffen ſchickete; da begegnete er demſelben
mit ſolcher Krafft/ daß er ihm den Arm durchbohrete/ und ihn als einen Strohwiſch auß
dem Sattel warff/ daß er alle viere von ſich ſtreckete. Sein Bruder erſchrack des Falles/
da hingegen die Zuſeher ein froͤliches Geſchrey ergehen lieſſen/ deſſen doch Valikules we-
nig achtete/ ſondern kehrete bald umb/ und winckete dieſem/ daß er auch treffen ſolte; der
ſich dann zwar bemuͤhete ſeines Bruders Unfal zu raͤchen/ aber da ſie mit den Speeren
aneinander gerieten/ traff ihn Valikules wieder die Bruſt/ daß er ein lautes Geſchrey ge-
hen
[317]Anderes Buch.
hen ließ und mit ſamt dem Pferde uͤbern hauffen fiel. Da haͤtte man ein Frolocken der Zu-
ſeher hoͤren ſollen; die Goͤtter koͤnten wedeꝛ Unrecht noch Frevel dulden/ und wuͤꝛden die
Unſchuld bald an den Tag bringen. Valikules ſahe dz der erſte ſich auff die Fuͤſſe gemacht/
und der andere noch unter dem Pferde zappelte/ rennete mit verhengetem Zuͤgel zu jenem
hin/ ſprang herunter auff die Erde/ und in dem er zu ihm trat/ ſagete er; du frecher Tropf/
wirſtu dich noch weiter umb daß erſte Treffen zweien/ oder ſiheſtu ſchier/ daß dein Leben
in meiner Hand ſtehet? doch ich wil dirs ſo lange ſchenken/ biß ich ſehe/ wie du das trotzige
Schwert zugebrauchen gelernet haſt; damit fuͤhrete er ſo gewaltige Hiebe gegen ihn/ daß
er gar fruͤh Blutruſtig ward; ließ ihn deßwegen ſtehen/ ging zu dem andern/ riß ihn unter
dem Pferde loß/ und ſagte; auff du lange Schlaͤffer und erwaͤhre dich des Kindes/ wel-
chen dein Bruder ſchon vor keinen Knaben mehr haͤlt. Dieſer ſchaͤmete ſich ſo hefftig/ daß
ihm das Blut vor die Augen ſchoß/ ſtellete ſich zwar zur Gegenwehr/ aber die Blut-zeichẽ
erſchienen bald an ihm/ und trieb ihn Valikules ohn auffhoͤren/ daß er gar Athem-loß
ward/ rieff auch dem andern herzu und ſagte; wie laͤſſeſtu deinen Bruder ſo im ſtiche/ da
ich euch doch beyde zugleich außgefodert habe? Dieſer ſahe ſeines Bruders Noht/ und
wolte ihn nicht laͤnger darinnen ſtecken laſſen/ weil es ihm frey geſtellet war; aber da Vali-
kules zween Feinde uͤber den Halß bekam/ die ſich trauen aͤuſſerſt bemuͤhetẽ/ ihr Leben teur
gnug zuverkaͤuffen/ wañ ſie es nicht retten koͤntẽ/ wuchs ihm nur ſein gutes Herz dadurch/
verdoppelte ſeine Streiche/ und ſchlug in kurzer Zeit dem aͤltern das Haͤupt von der
Schulter hinweg/ dz es ihm zun Fuͤſſen fiel; trat hernach dem and’n ein/ reiß ihm Schwert
und Schild aus den Faͤuſten/ und warff ihn wider die Erde/ da er ihm den Tod draͤuete/
wo er ſeines Vettern Mord nicht bekennen/ und ſeine ertichtete Luͤgen wiederruffen wuͤr-
de. Dieſer baht/ er moͤchte nur bald mit ihm verfahren/ ſintemahl er in ſolcher Schande
nicht laͤnger zuleben begehrete. Aber er antwortete ihm: O nein/ ſo koͤmſt du Verleumder
nicht davon/ ſondern du muſt oͤffentlich meine Unſchuld bekennen/ oder mit der Folter daꝛ-
zu gezwungen werden. Dieſer fuͤrchtete ſich vor ſolcher Draͤuung/ und bekennete willig/
daß er ſolches bloß ſeinen Vettern zuretten/ aus deſſen Eingeben vorgeſchuͤtzet haͤtte. In-
dem nun Valikules die umſtehende baht/ ihm deſſen Zeugniß zugeben/ ergreiff dieſer ſeines
Bruders Schwert/ und meynete unſern Held an den Beinen zu verletzen/ dann es hatte
ſich dieſer Meuchelmoͤrder auff die Knie gerichtet/ jener aber weich ihm aus mit einem
Sprunge/ trat bald wieder ein/ und ſtieß ihm das Schwert durch die Gurgel/ da er ſagete:
Ich merke wol/ daß du eines laͤngern Lebens unwirdig biſt/ welches ich dir ſonſt wolgegoͤn-
net haͤtte/ und wird Zeit ſeyn/ daß der loͤbliche Ritterſtand von einem ſo unwirdigen Bu-
ben befreyet werde. Zog hernach ſeinen Helm ab/ legete das Schwerd und den Schild
nider/ trat vor die Buͤhne/ und redete mit heller und leichter Stimme/ als ob er ſich durch-
aus nicht bemuͤhet haͤtte: Hochweiſe Herren/ ſagte er/ ich bedanke mich gegen dieſelben
ſamt und ſonders/ daß auff mein Anhalten ſie mir dieſen Plaz gegoͤnnet/ meine Unſchuld
zuverfechten/ und die Bosheit meiner Verleumder an den Tag zubringen/ damit ich mei-
nen Ehren alhie zu Korinth keinen Schaudfleck anſchmitzen laſſe/ welche ich bißher/ ohn
Ruhmzumelden/ vor uͤbeltahten bewahret/ aber auch vor unbefugten Feinden geſchuͤtzet
habe. Solte ich nun bey meinen Herren mich meiner Kuͤhnheit gebrauchen duͤrffen/ an
R r iijdie-
[318]Anderes Buch.
dieſelben etwas zugeſinnen/ ſo iſt meine fleiſſige Vorbitte/ dieſelben wollen den beyden ar-
men Suͤndern Akuſilaus und ſeinem Knechte ſo viel Gnade erzeigen/ und da ſie ihre uͤbel-
taht erkennen werden/ ihnen den gelindeſtẽ Tod antuhn/ von welchem ſie durch kein Recht
werden koͤnnen loßgeſprochen werden. Der Raht trat auff der Schau Buͤhne zuſammen/
unter welcher Zeit Akuſilaus zu guten Gedanken greiff/ ſeine begangene Mordtaht oͤffent-
lich bekennete/ und mit einem wehmuͤhtigen Fußfalle umb Gnade baht; da der Rahtsmei-
ſter unſerm Valikules mit entbloͤſſetem Haͤupte antwortete: Trefflicher Ritter/ wir alle
mit einander muͤſſen bekennen/ daß bey Menſchen Gedenken eine ſolche Heldentaht zu Ko-
rinth und in ganz Griechenland nicht begangen iſt/ welche wir ſo hoch ſchaͤtzen/ daß wir un-
ſern Augen kaum trauen duͤrffen. Eure Ehr/ aͤdler Ritter/ wird vor dergleichen Laͤſterer
wol ungekraͤnket bleiben/ welche zuerheben wir nicht unterlaſſen ſollen. Betreffend die Ge-
fangenen/ muͤſſen ſie euer kraͤfftigen Vorbitte genieſſen/ wie wenig ſie es auch umb euch
verdienet haben/ und da ihnen ſonſt die Kreuzigung erkennet wahr/ ſollen ſie mit dem
Schwerte begnadet werden. Valikules bedankete ſich der hohen Gewogenheit/ und ver-
pflichtete ſich zu jhren Dienſten/ nam ſein Schwert und Schild zu ſich/ und ſchwaͤnkete
ſich in vollem Harniſche ſo ringfertig auff ſein Pferd/ daß die Zuſeher ſprachen: es waͤhre
des Ritters gleichen in aller Welt nicht zufinden. Gleich da er auffgeſtiegen wahr/ erſahe
er unter den Umſtehenden einen anſehnlichen Mann/ welchen er aus ſeinen Geberden
vor einen Chriſten hielt/ wie er auch wahr; denſelben baht er/ die beyden Pferde der Er-
ſchlagenen zu ſich zunehmen/ ſie zu verkauffen/ und das Geld unter die Armen auszu-
teilen/ welcher/ wegen der Armut dankend/ ihm ſolches verhieß. Seines Sieges aber
freuete ſich niemand ſo herzlich/ als ſein ergebener Gallus/ welcher nunmehr ſahe/ was
vor einem Herꝛn er aufwartete. Die Juͤnglinge kahmen auch zu jhm geritten/ wuͤn-
ſcheten jhm des erhaltenen treflichen Sieges wegen Gluͤk/ und verbunden ſich/ jhm willig
zudienen. Valikules gebrauchete ſich ſeiner gewoͤhnlichen Freundligkeit gegen ſie/ baht
uͤmb jhre gute Gewogenheit/ und verpflichtete ſich nach Vermoͤgen zu jhrem guten Willẽ.
Nach jhrem Abzuge erging alsbald das Gerichte uͤber die armen Suͤnder/ da der Knecht
Kallias ſich anfangs vor die Begnadung bedankete/ und anzeigete/ er haͤtte nie den Willen
gehabt/ ſolche Mordtaht zubegehen/ aber ſein Herꝛ/ dem es die Goͤtter vergeben moͤchten/
haͤtte jhn mit Gewalt und durch Bedraͤuung darzu gezwungen/ daß er haͤtte muͤſſen mit
Hand anlegen/ und jhm an die zwanzig fremde Gaͤſte helffen uͤmbringen. Die Rahtsher-
ren entſetzeten ſich uͤber ſolcher Bekaͤntnis/ und wahr jhnen die erteilete Begnadigung
ſchon leyd/ welche ſie doch Valikules zu Ehren nicht wieder auffruffen wolten/ ward alſo
dieſer zu erſt hingerichtet. Akuſilaus geſtund deſſen Bekaͤntnis/ baht ſehr/ daß die erteilete
Gnade in jhrer Kraft verbleiben moͤchte/ und fing zu der uͤmſtehenden Buͤrgerſchaft dieſe
Rede an: Ihr Buͤrger von Korinth/ die jhr zugegen/ und abweſend ſeyd/ wendet eure Au-
gen her auf mich/ und ſtellet euch den boßhaften moͤrderiſchen Wirt Akuſilaus vor zum
Beyſpiel/ daß jhr nicht dermahleins/ wie er/ des Henkers Schwert/ als eine ſonderliche
Gnade euch ſelbſt bitten duͤrfet. Die erſte Grund Urſach aller meiner begangenen Boß-
heit iſt/ Hoffart/ Wolluſt/ und Faulheit; Meine Guͤter hatte ich in der Jugend verpraſſet/
welche meine Eltern durch Muͤhe und Schweiß/ ja auch wol durch Betrug und Vervoꝛ-
teilung
[319]Anderes Buch.
teilung zuſammen getrieben hatten/ damit ich Lebensmittel haben moͤchte; jch wahr des
Wollebens gewohnet/ und hatte nichts geleꝛnet wodurch ich mein Brod gewiñen moͤgen;
ſo wahr ich auch guter Tage begierig/ hatte aber den Beutel ausgeleeret/ und wolte doch
nicht Mangel leiden/ daher ſuchte ich eine Raͤuber-Geſelſchaft/ fand ſie auch in dieſer
Stad an etlichen meines gleichen/ und erhielt mich eine Zeitlang durch ſolche Untugend;
endlich gedauchte mich dieſe Hantihrung zu groſſe Gefahr auff ſich haben/ brachte auch
nicht allemahl ſo viel ein als ich mir wol Hoffnung gemacht hatte/ deswegen zog ich mich
davon abe/ und ward ein Gaſtwirt/ nirgends anders uͤmb/ als daß ich nicht mehr duͤrffte
nach dem Raube ausgehen/ ſondern fremde Gaͤſte mir denſelben ins Hauß bringẽ moͤchtẽ.
Dieſes hat mir etliche Jahr gegluͤcket/ aber endlich ſind meine Haus Goͤtter ſolcher Un-
taht muͤde worden/ und haben mich in dieſer meiner Boßheit an das Tage-Liecht herge-
ſtellet. So ſehet nun auff mich/ Junge und Alte/ damit jhr nicht mit mir vor der Welt zu
Spot und Schanden werdet. Ihr Jungen/ lernet beyzeiten etwas redliches/ daher ihr
euch ernaͤhren koͤnnet/ und gewaͤhnet euch nicht zum Muͤſſiggange. Ihr Alten verzehret
nicht mehr als jhr erwerbet/ und laſſet euch genuͤgen an der Notturft. Ich weiß wol das
es meines gleichen unterſchiedliche in Korinth gibt/ ſo wol nach meiner lezten als erſten
Betreibung/ und moͤchte wuͤnſchen/ daß ſie alle hie bey mir ſtuͤnden den Lohn zuempfahen/
damit die Stad von ſolchem Unflaht geſaubert wuͤrde; weil ſolches aber ein vergeblicher
Wunſch iſt/ hoffe ich dannoch durch dieſe meine Vermahnung etliche von ſolcher Boß-
heit abzuzihen/ und an meines Lebens Ende dem lieben Vaterlande einen guten Dienſt zu-
tuhn/ vor die mir anjezt erzeigete Gnade. Das erſchlagene fromme Weib liegt mir gewal-
tig auff der Seele/ dann ich habe ſie anfangs uͤmb die Ehre/ hernach uͤmbs Leben gebracht/
und hat ſie mir es geweiſſaget/ der almaͤchtige Gott/ der ſie uͤmb jhrer Suͤnde willen in die-
ſe Noht gerahten laſſen/ wuͤrde meine Ubeltaht in kurzer friſt an den Tag bringen/ ſo daß
mein eigen Maul mich verrahten wuͤrde; welches ich auch halte geſchehen ſeyn/ und Herꝛ
Amyntas leicht erfahren kan. Ich ſage nochmahl/ daß dieſer Moꝛd mir das Herz gewal-
tig druͤcke; aber mein lezter noch vielmehr/ welcher dreyfach iſt; dann wer kan es leugnen/
daß ich nicht ſolte dieſe meine beyden Oheimbe/ und dieſen meinen frommen Knecht Kal-
lias ermordet haben. Ich ich bin eine Urſach jhres Todes; jene beyden habe ich durch mei-
ne Luͤgen verleitet; dieſen habe ich gezwungen uͤbel zutuhn/ dagegen er mich von anfang her
getraͤulich von ſolcher Boßheit abgerahten/ mir auch Mittel vorgeſchlagen hat/ wodurch
ich mich ehrlich ernaͤhren moͤchte; weil ich aber nicht habe folge leiſten wollen/ ſo trit her
du Henker und erteile mir den Lohn/ welchen ich doch vor die hoͤchſte Gnade erkeñe/ ſo Zeit
meines Lebens mir wiederfahren iſt/ dann ich habe uͤber die 50 Menſchen teils ſelbſt er-
mordet/ teils Raht und Taht darzu geleget. Wie es nach dem tode meiner armen Seele er-
gehen werde/ muß ich gewaͤrtig ſeyn/ und wann alle von mir ermordete ſich an mir raͤchen
wolten/ wie ich fuͤrchten muß/ werde ich des Leidens ſo viel finden/ daß mir die Haar davor
zu Berge ſtehen. Hiemit endigte er/ ſetzete ſich auff die Knie/ und ließ ſich einer Spanne
kuͤrzer machen. Amyntas ging nach gehaltenem Gericht nach Hauſe/ und erzaͤhlete ſeinen
Gaͤſten allen Verlauff; woruͤber Valikules ſeuffzete/ und zur Antwort gab: O weh o weh
dieſer armen Seele des verzweiffelten Akuſilaus! er hat ſich vor die Seelen der von ihm
erſchla-
[320]Anderes Buch.
erſchlagenen gefuͤrchtet/ welche ihn wol ungepeiniget laſſen werden/ aber der Gerechte
Gott/ mit welchem ihm das fromme/ ohn zweiffel Chꝛiſtliche Gottſelige Weib gedraͤuet/
hat ihm andere Peiniger/ die boͤſen Teuffel in der Helle zugegeben/ welche ihm groͤſſere
Angſt werden zubereiten/ als Menſchen Verſtand nicht ergruͤnden/ und keine Zunge auß-
ſprechen kan. Des folgenden Tages bereiteten ſich die Juͤnglinge zu der Reiſe nach der
Stad Eliß/ weil die Olympiſchen Spiele in derſelben gegend gehalten wurden. Dieſe
ſind mit unter den aͤlteſten ritterlichen Ubungen/ deren bey den Geſchichtſchreibern mel-
dung geſchihet. Pelops/ des Phrygiſchen Koͤniges Tantalus Sohn/ hat ſie dem Jupiter
Olympius zu ehren gewidmet/ im Jahr nach erſchaffung der Welt 2634/ da Ehud die
Kinder Iſrael richtete; vor Koͤnig Davids herſchung 256 Jahr; vor zerſtoͤrung der Stad
Troja 133 Jahr; vor erbauung der Stad Rom 564 Jahr; vor Chriſtus unſers Heylan-
des Geburt 1314 Jahr. Und als ſie mit der Zeit in abgang kahmen/ erneuerten ſie die Ge-
bruͤder Atreus und Thyeſtes/ zum ehrengedaͤchtnis des erſten Stifters Pelops/ nachdem
ſie vor 95 Jahren den erſten Anfang genommen hatten. Uber 19 Jahr hernach erſetzete
und beſtaͤtigte ſie der Griechiſche Herkules Alkmenen Sohn/ abermahl/ wie vor ihm A-
treus; ſie fielen aber wieder/ biß endlich im 427ſten Jahr nach Herkules (wahr das andere
Jahr nach Romulus Geburt) Iphitus ſie dem Herkules zu ehren wieder anrichtete/ von
welcher Zeit her ſie in ſteter Ubung geblieben ſind. Sie wurden aber allezeit nach verlauff
vier ganzer Jahr gehalten/ und zaͤhleten die Griechen ihre Zeit nach dieſen Spielen in ih-
ren Geſchicht Buͤchern. Daſſelbe/ welches vor dißmahl ſolte gehalten werden/ wahr von
Iphitus her zurechnen/ das 251ſte Olympiſche Spiel. Die verſamleten Juͤnglinge ehretẽ
unſern Valikules auff der Reiſe nach vermoͤgen/ und hielten bey ihm an/ daß er bey den
Spieluͤbungẽ ſich mit findenlaſſen moͤchte; welches aber wieder ſein Gewiſſen und Glau-
ben lieff/ maſſen er wuſte/ daß es den Heidniſchen Goͤtzen zu ehren angefangen wahr; ent-
ſchuldigte ſich demnach hoͤfflich/ einwendend/ er waͤhre in ſolchen Spielen nicht unterꝛich-
tet/ haͤtte auch derſelben teils wenig/ teils gar nicht verſuchet/ daher wolte er dieſen Plaz
denen gerne goͤnnen/ welche hoffeten daſelbſt Ehre zuerwerben; jedoch wegerte er ſich nit/
die Zeit des Feiers uͤber/ alda zuverbleiben/ und der Luſt zuzuſehen/ dann er vorlaͤngſt ge-
wuͤnſchet haͤtte/ des Spiels eigenliche Erkaͤntnis zu haben. Auff der Reiſe nach Elis ſties
ihnen nichts ſonderliches zu/ ohn als ſie etwa noch anderhalb Meile dahin hatten/ begeg-
neten ihnen vier geharniſchte Ritter/ welche Valikules/ ihn ſo zart und jung in ſeinem Haꝛ-
niſche reiten ſehend/ mit hoͤhniſchen Worten zu Rede ſetzeten/ wer ihn ſo kuͤhn gemacht
haͤtte/ daß er einen Ritter Harniſch anlegen duͤrffen/ und nicht/ wie die andern Juͤnglinge
in ſeinen Kleidern ritte. Denen er zur Antwort gab: Er haͤtte noch bißher ſeine Waffen
mit Ehren getragen/ vermeynete auch nicht/ daß einiger Menſch in der Welt lebete/ wel-
cher Anſprach darzuhaͤtte; und kaͤhme ihm zumahl fremde vor/ daß ſie ihn als einen unbe-
kanten dergeſtalt auff freyer Landſtraſſe rechtfertigten. Dieſe macheten ſich naͤher zu ihm/
und ſageten mit ſpoͤttiſcher Rede: Sie wolten ihm die ſchwere Ruͤſtung abnehmen/ daß
er nicht drinnen erſtickete. Als auch einer ihm nach dem Helme griff/ ihm denſelben abzu-
loͤſen/ traff er ihn mit dem Schilde dergeſtalt vor das Maul/ daß ihm die Zaͤhne knirreten/
und das Blut aus den Lippen hervor floß; ergriff darauff ſein Speer von Gallus/ und fra-
gete
[321]Anderes Buch.
gete ſie/ ob ſie Ritter oder Raͤuber waͤhren; und da ſie ihn keiner Antwort wirdigten/ ſetze-
te er ſich ins Feld/ und rieff ihnen zu; dafern ſie ihm wegen des angelegten Schimpffs nit
wolten abtrag machen/ ſolten ſie ſich vor ihm huͤten. Dieſe hatten ihre Speer von den
Dienern auch ſchon zur Hand genommen/ und nach kurzem Zank/ welcher unter ihnen
den erſten Angriff tuhn ſolte/ machte ſich der dritte in der Ordnung hervor/ traff mit Va-
likules/ und ward von ihm dergeſtalt auff die Erde geſetzet/ daß er im Falle das linke Bein
entzwey brach. Der andere ſolches ſehend/ erſchrak uͤber ſeines nahen Anverwanten Un-
fall/ und wolte ihn raͤchen; aber Valikules/ der ſein Speer annoch unzerbrochen hatte/ be-
gegnete ihm mit groſſem Eifer/ traff ihn auch ſo unſauber/ daß ihm das Speereiſen zur
Helffte in den Leib ging/ und er toͤdlich verwundet in den Sand ſtuͤrzete. Als die beyden
uͤbrigen ſolches ſahen/ wahr ihnen das zittern nicht weit/ ſonderlich dem/ welcher die erſte
Maulſchelle davon getragen/ und ſich im Haͤupte nicht gar wol befand/ ſetzeten deswegen
zuſammen/ und wolten auff Valikules zurennen/ welches Gallus zuverhindern bedacht
wahr/ und ſich mit einmiſchen wolte/ bekam aber von ſeinem Herrn Befehl/ er ſolte ſich an
nichts kehren/ und ging derſelbe nach zubrochenem Speer mit entbloͤſſetem Degen ihnen
entgegen/ huͤtete ſich auch/ daß ſie beyde fehl ſtechen muſten/ hingegen traff er den blutigen
im voruͤberhauen auf die rechte Schulder/ daß derſelbe Arm biß auff den Knochen abge-
hauen ward/ und er ſelbſt aus Ohmacht niderſtuͤrzete. Den lezten ermahnete er/ ſich zuer-
geben/ oder des Todes zuerwarten. Weil nun derſelbe der wehrhaffteſte unter allen wahr/
dauchte ihn die Bedingung zu herbe/ zog von Leder/ und erwehrete ſich ſeiner Haut
nach Vermoͤgen/ bekam aber nach kurzem Gefechte etliche tieffe Wunden/ welche ihm an
fernerer Gegenwehr hinderlich wahren/ deſſen Valikules doch nichts achtete/ ſondern ohn
aufhoͤren ihm ſo gedrange taht/ daß er endlich ſuchete auszureiſſen/ waͤhre auch ſchier ent-
wiſchet/ wann nicht ſein Pferd unter ihm geſtrauchelt haͤtte/ daß er druͤber gar abſatteln
muſte/ da ihm Valikules ſo nahe auf der Haube wahr/ daß er ihm den linken Arm faſt gar
vom Leibe abloͤſete/ und der Verwundete mit einem harten Geſchrey niderſtuͤrzete. Alſo
lagen dieſe vier freche Trotzer im Felde/ als waͤhren ſie mit der Schleuder dahin geworf-
fen/ und kunte ihrer keiner/ weder ſich ſelbſt/ noch den andern helffen/ da dann Valikules
ſich weiter nicht an ſie kehren wolte/ ſondern ſeine Geſelſchafft/ welche XXXI Mann ſtark
wahr/ freundlich baht/ ſie moͤchten auff den fall/ da es noͤhtig ſeyn wuͤrde/ ihm das Zeugniß
geben/ daß er aus Noht gezwungen waͤhre/ dieſen Kampff anzugehen/ deſſen er viellieber
haͤtte wollen geuͤbriget ſeyn. Dieſe alle hatten ſein Gefechte mit hoͤchſter Verwunderung
angeſehen/ wuͤnſcheten ihm Gluͤk zu ſeinem heldtaͤhtigen Siege/ und verfluchten den uͤber-
muht der nider gelegeten Ritter/ ermahneten jhn zugleich/ ſie vollends hinzurichten/ damit
ſie nicht ſchier heut oder morgen ihm moͤrdlich nachſtelleten; er aber gab zur Antwort:
waͤhren ſie des Lebens wirdig/ wolte ers ihnen goͤnnen/ wo nicht/ wuͤrde ihnen Gottes hand
ſchon den Tod zuſchicken/ und zogen darauf ihres Weges fort. Nach verlauf einer guten
halben Stunde ſtieſſen ihnen drey andere Ritter auff/ welche frageten/ ob ihnen nicht vier
Ritter mit ſo viel reitenden Dienern begegnet waͤhren; Valikules antwortete freundlich:
Ja/ ſie waͤhren ihnen unlaͤngſt begegnet/ und da es ihnẽ nit zuwider/ moͤchten ſie ihm unbe-
ſchweret anzeigen/ was ſie ihnen wolten. Es ſind vier hochmuͤhtige Trotzer/ antwortete der
S ſeine/
[322]Anderes Buch.
eine/ und haben mir einen ſolchen Schimpff bewieſen/ welchen ich mit dieſen meinen Ge-
huͤlffen ſuche zu raͤchen. Dieſer Rache wird mein Herr nicht beduͤrffen/ ſagte Valikules/
maſſen ich ihm darinnen zuvor kommen muͤſſen/ nachdem ſie mir als einem unwirdigen
meine Waffen abnehmen wollen. Was vor Huͤlffe hat dann mein Herr gehabt? fragete
der vorige. Waͤhren meine Herren ſo viel zeitiger kommen/ antwortete er/ haͤtte deren
Beyſtandes ich mich hoͤchlich zuerfreuen gehabt/ weil ich aber gar allein in dieſem Kampf
geweſen/ habe ich dem lieben Gott und meiner guten Sache trauen muͤſſen/ da mein Speer
mich an den beyden erſten/ und mein Schwert mich an den beyden lezten gerochen/ daß ſie
uͤbel verwundet und zubrochen im Sande liegen blieben ſind/ wo ſonſt ihre Diener ſie nit
in Gewahrſam fuͤhren. Die ganze Geſelſchafft bezeugete/ daß es alſo ergangen waͤhre;
Worauff dieſer zu Valikules ſagete: Gott nehme euch/ tapfferer Ritter in ſeinen Schuz/
und muͤſſen dieſe ſehr gluͤkſelige und tugendhaffte Eltern ſeyn/ welche einen ſolchen Held
an dieſe Welt gezeuget haben; Jene freche Buben aber muͤſſen mit dem Leben nicht davon
kommen wo ich ſie ſonſten noch ertappen kan/ nachdem ſie mich an meiner Liebeſten und
an mich ſelbſt dergeſtalt beleidiget haben/ daß ſie mir nicht anders als mik dem Leben be-
zahlen koͤnnen. Mein Herr/ antwortete Valikules/ ich bedanke mich beydes des Gottſeli-
gen Wunſches und des unverdienten Lobes/ und verpflichte mich zu ſeiner Freundſchafft
und Dienſten. Alſo ritten ſie von einander/ und renneten dieſe drey hin/ die ihnen bezeich-
nete Wahlſtatt zubeſehen/ funden die vier Diener in voller Bemuͤhung/ wie ſie ihre hart
verwundete Herren fortbringen moͤchten/ welche in groſſen Schmerzen lagen/ inſonder-
heit der ander/ ſo mit dem Speer im Leibe verwundet wahr/ als welcher ſchon mit dem To-
de rang. Die drey Ritter jaͤcheten alle Diener/ dz ſie mit blutigen Koͤpfen das Haſen-panier
auffwurffen/ macheten ſich hernach zu den Verwundeten/ und fragete ſie der Beleidigte:
was vor ein redlicher Zuchtmeiſter hat euch verlogenen gottloſen Schelmen den ſchaͤnd-
lichen Hochmuht und Frevel ſo ſtatlich eingetrieben. O verzeihet uns/ mein Herr/ ant-
wortete der zum erſten mahl verwundete/ ſo wir euch heut und eure verſprochene Liebſte be-
leidiget haben/ wovor wir dann Abtrag zumachen uns willig anerbieten/ uñ erbarmet euch
uͤber uns/ die wir von zehn Rittern ungewarnet uͤberfallen und ſchelmiſcher weiſe alſo zu-
gerichtet ſind. O du verwaͤgener Luͤgener/ antwortete dieſer; kanſtu noch nicht auffhoͤren
großzuſprechen/ daß du dich uͤber zehne beklageſt/ und ein einziger junger Ritter euch nach
Verdienſt geputzet hat/ welchen du noch vor einen Schelmen ausruffen darffſt/ da er ge-
zwungen hat muͤſſen eine Nohtwehre tuhn. Jedoch haͤtteſtu geſtriges Tages ſamt deinen
Geſellen dich an meiner Beſchimpffung begnuͤgen laſſen/ und der ehrlichen aͤdlen Jungfer
geſchonet/ wolte in dieſem euren Elende ich euch Huͤlffe zubeweiſen/ mich nicht wegern/ a-
ber der Geiſtliche und Jungfern ſchaͤndet/ iſt beydes des Ritterordens und des Lebens un-
wirdig. Hieß darauff ſeinen Diener abſteigen und die Rache volſtrecken/ welcher ihnen al-
len die Gurgel abſtach/ und ſie alſo liegen ließ. Die eigentliche Urſach/ daß dieſer Ritter ſo
eiferig verfuhr/ wahr dieſe: Es reiſete derſelbe auff jenſeit Elis gar allein/ ſo daß er ſeine
verlobete Braut eine Hochaͤdle Tugendhaffte und ſchoͤne Jungfer neben ſich auff einem
Zelter fuͤhrete/ da er ſeine beyden Diener voraus nach der Stad hatte reiten laſſen/ ihm gu-
te Herberge auszurichten. Dieſe vier Freveler begegneten ihm in einem luſtigen Walde/
und
[323]Anderes Buch.
und gebohten der Jungfer/ ihre Angeſichts Verhuͤllung hinweg zu tuhn/ und ſehen zu laſ-
ſen/ ob dann ihre Haut ſo zart waͤhre/ daß ſie vor der Sonnen Hitze muͤſte verdecket wer-
den; Ihr Braͤutigam vermahnete ſie/ ſich aller Taͤhtligkeit und Beſchimpffung zuenthal-
ten/ und ehrliebende Jungfern ihres Weges reiten zu laſſen; aber ehe er ſichs verſahe/ ma-
cheten ſich drey uͤber ihn her/ nahmen ihm Schild/ Schwert und Helm/ warffen ihn vom
Pferde/ und bunden ihm Haͤnde und Fuͤſſe feſt zuſammen. Der vierde hatte ſich inzwiſchẽ
an die Jungfer gemacht/ ſie vom Zelter vor ſich auff ſein Pferd gezogen/ das Angeſicht ihr
entbloͤſſet/ und als er ſie ſo zart und ſchoͤn ſahe/ ſich ungebuͤhrlich gnug gegen ſie bezeiget;
weil ſie dann ſich ſtraͤubete/ und ein hefftiges Geſchrey trieb/ naheten die andern auch her-
zu/ riſſen ihr alle ihre Kleider biß auffs Hemde vom Leibe/ legeten ſie auff die Erde/ und
ſtaͤupeten ſie mit friſchen Ruhten/ daß das Blut begunte hernach zufolgen/ hernach ſchlep-
peten ſie dieſelbe feſt gebunden ſamt dem Ritter ins Gehoͤlze/ und ritten der Stad zu. Nach
ihrem Abſchiede wirkete ſich der Ritter loß/ entband ſeine Liebſte desgleichen/ und dankete
nebeſt ihr den frommen Gott/ daß ihre Ehre noch unverletzet blieben wahr/ funden ihre zer-
riſſene Kleider am Wege/ in welche ſie ſich verhuͤllete ſo beſt ſie kunte/ traffen ihre Pferde
auch im Gehoͤlze graſend an/ denen die Zuͤgel abgeſtreiffet wahren/ die ſie auch wieder fun-
den/ ſich beritten macheten und nach der Stad zueileten. Ihre beyde Diener daͤuchte ihr
auſſenbleiben lange ſeyn/ ritten nach beſtelleter Herberge ihnen entgegen/ und erfuhren/
wie es ihnen ergangen wahr; worauff ſie anzeigeten/ daß ſie ſolche vier Ritter haͤtten ſehẽ
zur Stad Elis einreiten. Alſo bemuͤhete ſich nun der Beleidigte nach Huͤlffe/ traff zween
bekante Ritter an/ denen er den Schimpff klagete/ und ſie zum Beyſtand vermochte/ da er
dann die Rache/ wie zuvor gemeldet/ vollſtreckete. Valikules ritte inzwiſchen mit ſeiner
Geſellſchafft fort/ und als ſie zu Elis ankahmen/ muſten ſie ſich in unter ſchiedliche Herbeꝛ-
gen verteilen/ weil ſie mehrenteils ſchon bezogen wahren. Die Blume der Griechiſchen
Ritterſchafft wahr hieſelbſt verſamlet/ welche dem Spiele teils als Einverleibete/ teils als
Zuſeher beyzuwohnen bedacht wahren. Es gingen aber daſelbſt mannicherley uͤbungen
vor; Etliche hielten einen Wette-lauff/ welches nicht unlieblich zu ſehen wahr; Andere be-
flieſſen ſich die weiteſten Spruͤnge zu tuhn. Dort wolte einer dem andern mit dem jaͤhen
Stein- und eiſern Ballenwurff uͤberlegen ſeyn. Hie traten unterſchiedliche Kaͤmpffer/ wie
ſie das Loß gefuͤget hatte/ mit Schwertern; dort mit Streitkolben zuſammen/ und teileten
gute Puͤffe aus. Etliche wolten mit Ringen ſonderlichen Preiß erwerben; andere rungen
und fochten zugleich/ die man Pankratiſten nennete/ weil ſie alle Kraͤffte anwendeten/ die ſie
hervor zuſuchen wuſten. Und dieſe uͤbungen geſchahen alle zu fuſſe/ welche dann ihre gewiſ-
ſe Tage hatten. Nachgehends ſahe man das Renneſpiel anſtellen/ da man teils mit zwey/
teils mit vier vorgeſpanneten Pferden den Wagen nicht allein ſchleunig fortzurollen/ ſon-
dern auch artig zu wenden fleiß anlegete. Es funden ſich uͤber das Reuter/ die den Pferdẽ
den Zuͤgel ſchieſſen/ und ſie mit moͤglichſter Schnelligkeit dem geſtekten Zweg zulauffen
lieſſen. Nach welchen Leibesuͤbungen/ andere ihrer Zungen Beredſamkeit hoͤren zulaſſen
aufftraten/ welches Valikules dann inſonderheit wolgefiel/ weil ihn dauchte/ er haͤtte aus
dieſer uͤbung dißmahl den beſten Nutzen gehabt. Der Preiß/ welcher den Uberwindern
ausgeteilet ward/ wahr weder Silber noch Gold/ noch einiges Kleinot/ ſondern nur ein
S ſ ijKranz
[324]Anderes Buch.
Kranz von gruͤnen Oelzweigen/ eines ſonderlich darzu gewidmeten Baumes/ deſſen Blaͤt-
ter viel anders/ als der andern Oelbaͤume/ geſtaltet waren; welche Vergeltung ihres wol-
verhaltens ſie hoͤher als allen Reichtuhm ſchaͤtzeten/ und ward des Siegers Nahme in ein
Gedaͤchtnis-Buch eingeſchrieben/ und ihm auch wol eine Ehren Seule auffgerichtet.
Nach geendigten Spieltagen/ wahr Valikules willens/ ſich auff die Reiſe zubegeben/ und
ſagete zu Gallus: Was rahtet ihr? gehen wir zu Lande nach Biſanz fort/ oder ſetzen wir
uns zu Korinth auff ein Schiff/ und fahren alsbald den Morgenlaͤndern zu? Gallus ant-
wortete: Mein Gn. Herr hat meines Rahts hierin nicht von noͤhten; doch meine unvor-
greiffliche Meynung waͤhre/ daß wir uͤber Meer gingen/ weil die Reiſen zu Lande viel und
mannicherley Verhinderungen geben koͤnnen/ und ein Ritter offt Anfall hat/ wie ſolches
Eure Gn. dieſe kurze Zeit her ſchon zur gnuͤge erfahren. Eben dieſes/ ſagte Valikules/
liegt mir auch im Kopffe/ und ſehe ich/ daß die Rittersleute hier zu Lande ihnen die Freyheit
ſuchen/ ſremde zubeſchimpfen/ deßwegen ich mich noch heut erklaͤren werde/ was ich tuhn
wil. Es lag aber ein vornehmer Griechiſcher Herr/ Nahmens Parmenio mit ihm in ei-
ner Herberge/ welcher in des Perſiſchen Groß Fuͤrſten Artaxerxes Kriegsbeſtallung war/
von dem er groſſe Gelder gehobẽ hatte/ etliche Geſchwader Griechiſch Kriegsvolk zuwer-
ben. Mit dieſem waͤhre er zwar ſehr gerne fortgezogen/ merkete aber an ihm eine ſonder-
liche Ungewogenheit/ und hatte albereit unterſchiedliche Stachelreden bey der Mahlzeit
von ihm eingefreſſen; doch/ Ungel egenheit zuverhuͤten/ ſie allemahl neben ſich hinſtreichen
laſſen/ weil er nicht mit Nahmen genennet wahr. Dieſer Parmenio wahr ſonſt ein
ſehr verwaͤgener handfeſter Ritter/ und wolverſuchter Kriegs Obriſter/ aber uͤberaus
ruhmraͤtig und ſtolz/ der ſich von ſeinen Dienern mehr als Fuͤrſtlich auffwarten und
ehren ließ/ und wahr uͤbel zu frieden/ daß ihm von Valikules/ ſeiner Meynung nach/ nicht
Ehre gnug angetahn ward/ welcher ihm doch mehr Hoͤffligkeit erzeigete als er ſchuldig
wahr/ ohn/ daß er ihn nicht ſeinen Gn. Herren nennete/ noch ihm nach Willen redete/ weil
ſein Gemuͤht viel zu aͤdel wahr/ einem Tugendloſen Menſchen zuſchmeicheln. Als ſie dieſes
Tages ſich zu Tiſche ſetzeten/ nam Parmenio ſeiner Gewonheit nach/ ohn einige noͤhtigung
die Oberſtelle ein/ durffte auch die andern anfodern/ wie ſie ſitzen ſolten. Es wahr ein an-
ſehnlicher Rahtsverwanter/ von Athen mit am Tiſche/ dem gefiel Valikules ſitſames Le-
ben ſehr wol/ trachtete auch allemahl/ ihm am naͤheſten zu ſitzen/ und durch vielfaͤltiges fra-
gen/ gab er ihm offt Urſach zu antworten/ welches er doch allemahl mit kurzen Worten
taht. Parmenio fuͤhrete ſtets das groſſe Wort uͤber Tiſche/ und ſuchte allerhand Gelegen-
heit/ ihn zubeſchimpffen/ welches er merkend/ ſich fleiſſig vorſahe/ daß er ſeinen Willen nit
fuͤglich zu werke richten kunte; endlich fing jener eine Rede an von der jetzigen Jugend ver-
waͤgener Kuͤhn- und Grobheit/ wie dieſelben alte und hocherſahrne Leute wenig ehreten;
meineten/ ihr glatter Schnabel und unbaͤrtiges Maul duͤrffte ſich ſo wol hoͤren laſſen/ als
andere; uñ waͤhre nunmehr ſo weit kom̃en/ daß wann einer den Sattel beſchreiten/ und in
ein Stuͤk Harniſch ſich verſtecken laſſen koͤnte/ er alsbald in den Ritterſtand wolte auffge-
nommen ſeyn/ welchen er entweder mit Gelde/ oder unzuͤchtiger Freundſchafft erlangete/
und koͤnte mannicher zum feinen Manne und guten Landsknecht gedeien/ wañ er der Jah-
re erwartete; weil man aber ſo zart und jung ſich unter die ſcharffen Schwerter wagete/
wuͤrde
[325]Anderes Buch.
wuͤrde ihnen das gelbe Haar daruͤber alſo geſtraͤhlet/ daß ſie vor grauen befreiet/ ſterben
muͤſten/ ehe ſie recht angefangen zu leben. Niemand wahr uͤber Tiſche/ der nicht hand gꝛeif-
lich merkete/ daß Valikules damit geſtochen wahr/ der ſich doch nicht anders ſtellete/ als
ging es ihn im wenigſten nicht an/ und deßwegen mit ſeinem Beyſitzer von Athen immer-
fort redete. Parmenio legete ihm ſolches vor eine bloͤde Furcht auß/ ſahe auch/ daß keiner
von den Anweſenden ſich daran kehrete/ ſondern durch ſtille ſchweigen und ernſthafftiges
Geſicht merken lieſſen/ daß ſie an ſeinen Reden gar keinen gefallen trugen; und dannoch
wolte er nicht ablaſſen/ ſondern redete Valikules an/ und ſagete; junger Herr/ von wañen
ſeid ihr? Dieſer ſahe ihn zwar nicht ſaur/ jedoch ernſthafftig an/ und ſagete: Mein Herr/
ich bin vor weniger Zeit uͤber Meer aus fremden Landen alhier angelanget/ umb einen gu-
ten Freund zu ſuchen/ welcher/ wie ich berichtet worden/ ſich dieſer oͤrter auffhalten ſol.
Mein/ antwortete Parmenio/ ihr ſeid noch jung/ und duͤrffet euch ſchon uͤber Meer wagen/
uñ unbekante Landſchafften durchzihen? fuͤrchtet ihr euch nicht/ daß ihr euch in der Frem-
de verlieren moͤchtet? aber ſaget mir/ da ichs wirdig bin/ was vor eine Landſchafft iſt es/ in
welcher ſo herzhaffte und zierliche Juͤnglinge erzogen werden? Valikules ſahe/ daß er ſich
in die Harre mit Hoͤfligkeit nicht wuͤrde ſchuͤtzen koͤnnen/ wolte doch ſo viel moͤglich/ uͤber
ſich gehen laſſen/ und antwortete auff ſolchen groben Spot: Mein Herr/ ob ich irre ritte/
muͤſte ich des Weges bey andern nachfragen; meine Zierligkeit betreffend/ iſt dieſelbe gar
ſchlecht; jedoch bitte/ wo moͤglich/ mein zuverſchonen/ als der ich ihn im wenigſten nicht
beleidiget/ auch ſehr ungerne mit jemand unwillen haben moͤchte. Dieſer rede entruͤſtete
ſich jener/ und ſagte; feiner Herr/ da ihr mein Diener waͤhret; muͤſtet ihr etwas mehr
Hoͤfligkeit lernen/ ſonſten wuͤrde ichs euch ſchwerlich zu gute haͤlten. Ja/ antwortete er/
alsdann muͤſte ich mich freilich nach ſeinem Willen ſchicken/ wozu ich ohn daß mich erbie-
ke/ ſo viel ohn Nachteil und Verkleinerung meiner Ritterlichen ehren geſchehen mag.
Parmenio fragete; ob er dañ ſich wegerte/ ihm zu dienen. Freundſchafft Dienſte/ antwor-
tete er/ bin ich einem jeden ſchuldig/ aber in Knechtſchafft mich einzulaſſen/ noch zur Zeit
nit willens. Ich bin deſſen zu friedẽ/ ſagte jener/ dañ ich begere ſolches ſtolzen Dieners nit.
Wol dann/ antwortete er/ ſo werden wir geſchiedene Leute ſeyn/ weil ich ſolchen Herren
noch nie geſucht habe; daß er mich aber vor einen ſtolzen angibt/ darinnen irret er weit.
Hiemit wahr dem hochmuhtigen Freveler viel zu nahe getreten/ bruͤſtete ſich demnach wie
ein Pfau/ und hies ihn die Pfeiffe einhalten/ oder er muͤſte ſie ihm mit dem Pruͤgel ſtopffẽ
laſſen. Welchen Schimpf er nicht anders empfand/ als ob ihm ein Schwert durchs Herz
geſtoſſen waͤhre; maͤſſigte doch ſeinen Zorn/ wegen der anſehnlichen gegenwaͤrtigen Ge-
ſelſchafft/ die er mit folgenden Worten anredete; Ihr meine Herren und werte Freunde;
ich halte ja/ daß Roͤmiſche Kaͤyſerl. Hocheit dieſes Orts gebuͤhrlich beobachtet werde;
Und als ſie ſolches mit Ehrerbietung bejaheten/ fuhr er alſo fort: Nun bin ich aber ein
Roͤmiſcher Ritter/ und von meinem allergnaͤdigſten Kaͤyſer unter die hoͤchſten Geſchlech-
ter zu Rom angenommen/ darzu aͤdel/ und rittermaͤſſig gebohren/ habe auch/ als lange ich
das Schwert fuͤhren koͤnnen/ mich fleiſſig gehuͤtet/ niemand vorſezlich zubeleidigen. Was
mir aber dieſe Mahlzeit uͤber vor ſchmaͤhlicher Schimpf wiederfahren/ beruffe ich mich
auff meiner Herren Zeugnis. Zwar ich hatte mir ſteiff vorgenommen/ alles voruͤber ge-
S ſ iijhen
[326]Anderes Buch.
hen zulaſſen/ ſo viel immer tuhnlich waͤhre; weil ihr aber (euch rede ich an Parmenio)
weil ihr mich als einen Sklaven mit Pruͤgeln draͤuet/ ungeachtet ihr meines Standes
und Weſens ganz unberichtet ſeid/ ich euch auch durchauß nicht beleidiget habe/ ſo ſchiebe
ich alle eure außgelaſſene Schmaͤhungen in euren Buſem/ begehre von euch Abtrag/ und
in deſſẽ Wegerung fodere ich euch aus zum Kampffe/ es ſey in Kleidern oder im Harniſch;
es ſey zu Roß oder zu Fuſſe; daß ihr alsbald auff dem Plaze erſcheinet/ wo dieſe Tage die
Spiele ſind gehalten worden; daſelbſt wil ich euer wahr nehmen/ wo ihr mir ſonſt nicht
zuvor kommet/ umb zuvernehmen/ ob eure Tugend ſo groß als euer Hochmuht ſey. Par-
menio Laͤchelte hieruͤber/ und fragete ihn/ obs dann ſein Ernſt waͤhre; er wolte nimmer
hoffen/ daß er ſo ſtraͤnge mit ihm verfahren wuͤrde. Die Anweſende Herren bahten ihn/ er
moͤchte dieſen jungen Herren nicht ſo gar hoͤniſch halten/ zumahl er Roͤmiſch waͤhre/ und
ſein Geld gleich andern verzehrete; es koͤnte ihnen dermahleins zum nachteil gereichẽ/ wañ
ſie darzu allerdinge wuͤrden ſtille ſchweigẽ. Gallus der mit zu Tiſche faß/ hatte bißher noch
kein Wort darzu geredet; als er aber vernam/ daß andere ſich mit einmiſcheten/ kunte er
laͤnger nicht einhalten/ und ſagte zu Parmenio; hoͤret ihr Großſprecher/ ich bin ſchon vor
XII Jahren ein Roͤmiſcher Beſehlichshaber unter einer Legion geweſen/ und habe ohn
Ruhm zu melden zehn Feldſchlachten beygewohnet/ noch ſchaͤme ich mich nicht/ dieſem
meinen Gn. Herren aus freien Willen als ein Diener auffzuwarten/ dem ihr dz Schwert
nachzutragen nicht wirdig ſeid; und wolte Gott daß ich meinem Gn. Herren vorgreiffen
duͤrffte/ ihr muͤſtet mir dieſen euren tolpiſchen Frevelmuht mit dem Leben bezahlen/ oder
mir daß meine nehmen. Valikules redete ihm ein; er ſolte ſich des Streits nicht anneh-
men/ uñ wuͤrde Parmenio ihn deſſen kaum wirdigen/ weil er kein Ritter waͤhre; er ſelbſt
wolte ſich ſchon bemuͤhen/ ſeine Ehre zu handhaben. Aber Parmenio nam Gallus erbie-
ten willig an/ und ſagte; er ſelbſt wolte ihn hiemit vor einen Ritter erklaͤret haben/ und ihn
vor einen duͤchtigen Kaͤmpffer halten/ weil er ſich vielmehr ſchaͤmen muͤſte/ daß er ſich mit
einen Unbaͤrtigen jungen in Streit einlieſſe; waͤhre ihm alſo lieb/ daß ers mit einem Man-
ne ſolte zu tuhn haben. Valikules nam dieſe Rede mit einer ſonderlichen Freimuhtigkeit
auff/ und ſagete; Parmenio/ gebrauchet euch eures zungendroͤſchens frey uͤber Tiſche/ ſeid
ihr aber ſo kek/ daß ihr euch auff dem Platze finden laſſet/ werde ich ſchon euch ſo nahe tre-
ten/ daß ihr Urſach haben ſollet beyder Faͤuſte zugebrauchen. Dieſer Rede meinete Par-
menio zu berſten/ ſprang hinter dem Tiſche auff und ſagete; weil du junger Lecker dañ nit
anders wilt/ muß ich dich nach verdienſt ſtraffen; zohe gleich damit die Fauſt/ und wolte
ihn ins Geſicht ſchlagen. Er aber wiche ihm aus/ daß er ſehl ſchlug/ und druͤber hinter dem
Tiſche etwas ausglitſchete/ deſſen Valikules wahr nam/ und ihm mit der lincken Hand
eine Ohrfeige reichete/ daß es im Gemache erſchallete/ und dieſem der rohte Schweiß aus
der Naſe floß/ daher er ſich hinter dem Tiſche nicht anders geberdete als ein wilder Ochſe/
faſſete das Meſſer/ und warff es ihm nach/ da er ſchon vom Tiſche auffgeſtanden wahr/
fehlete aber/ daß es nebenhin in die Stubenthuͤr fuhr; woruͤber er ſich hefftig eiferte/ daß
er zu ihm ſagete; Du unbehoͤfelter Ochſe/ iſt dieſes dein ri[t]terliches Fechten/ daß du mit
bloſſen Faͤuſten und Brodmeſſern umb dich ſchlaͤgeſt und wirffeſt? zwar mir ſtuͤnde frey/
dir dein Meſſer durch den Wurff wieder zuzuſenden/ da ich dein gewißlich nicht fehlen
wolte/
[327]Anderes Buch.
wolte/ aber damit in ſochem moͤrdlichen Vorhaben ich mich dir nicht gleich ſtelle/ ſoltu
mir dieſen Schimpff vor freier Fauſt bezahlen/ wo ich lebe; ging hiemit nach ſeiner Kam-
mer/ und ließ ihm von Gallus die Waffen anlegen/ aber das Pferd beſchickete er ſelber/
damit nichts daran verſehen wuͤrde. Der Unhold tobete nach ſeinem Abtrit noch immer-
fort/ und draͤuete/ daß er ihn durch ſeine Landsknechte in Stuͤcken wolte zerhacken laſſen;
welches zween aͤdle Juͤnglinge/ die mit ihm von Korinth kommen wahren/ hoͤreten/ ge-
ſchwinde hinlieffen/ und es den andern ihren Geſellen ſageten; welche dann alsbald aus-
gingen/ einen bewehreten Hauffen zu Pferde zuverſamlen/ damit ein ſolcher uͤberfall abge-
kehret wuͤrde. Etliche von denen wahren in einer Herberge/ vor welcher Valikules voruͤ-
ber reiten muſte/ ſahen ihn mit Gallus daher kommen/ und frageten/ wohin er ſo eilig ge-
daͤchte. Ihr meine liebe Herren und Freunde antwortete er; es iſt ein verwaͤgener hoch-
muhtiger Ritter in meiner Herberge/ der mich ohn alle Urſach zupruͤgeln draͤuet; mit dem
werde ichs verſuchen/ ob ihm ſolcher Frevel in eine Reue koͤnne verkehret werden. Dieſe
bahten ihn ſehr/ ein wenig zuverzihen; ihnen waͤhre bewuſt/ daß Parmenio uͤber LX neuge-
worbene Knechte in dieſer Stad haͤtte; daß ihm nun von denſelben keine Unredligkeit be-
wieſen wuͤrde/ waͤhren ſie ſchon bemuͤhet eine Schaar zuverſamlen/ die auf ſolchen fall ihm
ſchutz halten koͤnte. Er bedankete ſich dieſer Vorſorge/ ſtieg derweile ab/ uñ kehrete bey ihnẽ
ein/ da inzwiſchen die anderen nicht feireten/ ihnen einen Anhang zumachen. Es wehrete
nicht lange/ daß Parmenio voruͤber ritte/ welchen Valikules durchs Fenſter erſehend/ zu
den Anweſenden ſagete: Was dieſer hochmuhtige Ritter mir heut und etliche Tage
vor Schimpff erwieſen/ kan ich nicht ſagen/ und da ichs ungerochen lieſſe/ duͤrfte ich mein
Vaterland nimmer wieder betreten. Etliche ſo zugegen wahren/ kenneten Parmenio/
ſahen Valikules traurig an/ und gaben zur Antwort: Sie moͤchten wuͤnſchen daß ers
mit einem andern zutuhn haͤtte/ ruͤhmeten zwar ſein gutes Herz/ aber dafern er dieſen Rit-
ter beſſer kennen ſolte/ wuͤrde er zweifels ohn auff andere Wege ſich mit ihm vergleichen.
Der jungen aͤdelleute einer/ der ihn zu Korinth und auff dieſer Reiſe hatte kaͤmpfen ſehen/
antwortete; Er vor ſein Haͤupt kennete zwar den Parmenio nicht/ doch zweifelte er an
Herꝛn Valikules Siege ſo wenig/ daß er 500 Kronen verwetten wolte/ jener gleichete die-
ſem weder an Kraͤften/ noch an Erfahrenheit zu kaͤmpfen. Der Wirt wahr ein haabſeliger
Mann/ und ſagte: wann Herꝛ Valikules ſichs nicht zum Schimpffe zoͤge/ waͤhre er wil-
lens die Wette in ſo weit anzunehmen/ daß jener dieſem in beyden Stuͤcken zum wenigſten
nicht ungleich waͤhre. Valikules baht ſehr/ der erſte moͤchte ſein erbieten wiederruffen/
mit anzeigung/ wie ſehr jhm ſolches zu wider waͤhre; welcher aber ſich daran ſo wenig keh-
rete/ daß ers auff ein doppeltes ſetzete. Der Wirth nam es an/ mit der Bedingung/ daß er
jhm Verſicherung der Bezahlung ſchaffete/ im falle er unten ligen wuͤrde; da Valikules zu
dem Wetteſetzer ſagete; weil jhr dann ſo gute Hofnung zu mir traget/ ob ich gleich weniger
bin als jhr mich haltet/ ich mich auch bloß nur auff GOtt und meine gute Sache verlaſſen
muß/ wil ich doch nicht/ daß ihr meinetwegen in Schaden gerahtet/ und ſetze euch daher
ein Pfand vor/ womit ihr auff mein Unverhalten werdet bezahlen koͤnnen. Zohe hiemit
ein koͤſtliches Kleinot hervor/ welches die Anweſende uͤber 2000. Kronen ſchaͤtzeten/ und
ſtellete es dem Wirt zu. Die gantze Geſellſchafft wunderten ſich ſein/ wuͤnſcheten jhm Heyl
und
[328]Anderes Buch.
und Sieg/ auch ſelbſt der/ welcher die Wette wieder jhn auffgenommen hatte/ und beteu-
rete hoch/ daß er lieber eins ſo viel verlieren/ als jhm Lebens Unfall goͤnnen wolte; und die
Goͤtter/ ſagte er/ wollen meinem Herren Gluͤck verleihen/ auff welchen fall er mir verſpre-
chen wird/ heut mein Gaſt zu ſeyn. Valikules bedanckete ſich deſſen/ und gab zur Antwort;
es moͤchte Gott ſeinen gnaͤdigen Willen ſchaffen. Weil auch die Juͤnglinge mit jhrer an-
ſehnlichen bewehreten Geſellſchafft verhanden wahren/ ſetzete er ſich zu Pferde/ dankete jh-
nen hoͤfflich wegen jhrer Gewogenheit/ und folgete ſeinem Feinde gantz gehertzet nach. Als
er nun mit Gallus auff das Feld kam/ fand er ſo eine groſſe Menge der Zuſeher/ dz er Muͤhe
hatte hindurch zu brechen/ dann es war die Fehde in der gantzen Stadt erſchollen/ und hat-
ten ſich nicht allein Maͤnner und Knaben/ ſondern auch Weiber und Jungfern hinaus ge-
macht/ die ſonſt bey den Olympiſchen Schauſpielen/ vermoͤge der Geſetzen/ ſich nicht durf-
ten finden laſſen. Parmenio ſahe jhn herzu nahen/ ſchlug ſeinen Helm auff/ uñ ſagete uͤbeꝛ-
laut: O jhr Goͤtter/ muß ich nun zu m̃einem ewigen Schimpfe mit einem Jungen ſtreitẽ/
der mir ſeinen Frevel nicht bezahlen kan/ ob er gleich zehn Haͤlſe haͤtte! doch der Roͤmi-
ſche Nahme/ welchen er vorwirft/ machet/ daß ich jhn meinen Stalbuben nicht unter die
Haͤnde geben kan. Sendete alsbald ſeinen Reitknecht ab/ uñ ließ jhm anſagen; weil er ſich
wirdig hielte/ den Tod von eines Ritters und Kriegs Obriſten Hand zuempfahen/ deſſen
er doch zugering waͤhre/ wolte er ihm denſelben bald mitteilen/ durchaus aber zuvor mit
Gallus ein Treffen tuhn. Wolan/ ſagte Valikules/ reitet hin/ und ſaget dem ſtolzen Narꝛn/
mein Gallus ſolle jhm zuwillen ſeyn/ das uͤbrige wil ich mit der Fauſt beantworten. Gal-
lus ward deſſen froh/ und hoffete groſſe Ehr einzulegen/ welches er ihm nicht zutrauete/
maſſen er wol ſahe/ daß er zu Pferde wenig geuͤbet wahr; unterrichtete ihn deswegen in
aller kuͤrze/ wie er ſich verwahren und im rennen ſich verhalten ſolte; welches er fleiſſig in
acht nahm/ ſtellete ſich mit friſchem Muht gegen Parmenio/ den er ſchon daher ſprengen
ſahe/ und brachte ſeinen Stoß wolan/ vermochte ihn aber im Sattel nicht zubewaͤgen/ da eꝛ
doch hingegen unſanft ausgehoben ward/ daß er im Falle einen Arm verrenkete/ und an
der Schulter etwas verwundet ward. Parmenio trabete hochmuhtig vorbey/ nicht an-
ders als haͤtte er mit einem Stoſſe ſie alle beyde nidergeworffen/ nahete ſich zu Valikules/
und ſagete; Schelm/ was gaͤbeſtu iezt druͤm/ daß ich dir Lebensfriſtung verhieſſe/ uñ wegen
deines Verbrechens dich taͤglich zweymahl peitſchen lieſſe. O du Hund/ ſagte Valikules/
kunte vor Zorn kein Wort mehr ſprechen/ ſondern warf das Speer von ſich/ weil er der
Zeit nicht erwarten kunte/ grif zum Schwert/ und ſchlug mit ſolchen Kraͤften auff ihn loß/
daß alle Zuſeher ſich der ungeheuren Streiche verwunderten. Dieſeꝛ hatte ſich des ſchnel-
len Angrifs nicht verſehen/ weil er aber ein ſtreitbahrer Ritter wahr/ verlohr er ſo bald das
Herz nicht/ ſondern brauchte ſein beſtes/ daß ſie eine geraume Zeit einander uͤmtrieben/
biß endlich Parmenio aus Muͤdigkeit etwas nachließ/ und zu jhm ſagete: Ich bekenne/
daß ich dir ungleich getahn/ in dem ich deine Manheit ſo liederlich geſchaͤtzet. Er aber ant-
wortete: Trift dich die Furcht ſchon ſo zeitig/ und iſt kaum der Anfang gemacht! O nein!
bitten iſt zu fruͤh/ und reue zu ſpaͤt. Darauff ſchlug er von neuen mit ſolchen Kraͤfften auff
jhn loß/ daß er mehr/ ſich zu ſchuͤtzen/ als ſeinen Feind zuverletzen/ fleiß anwenden muſte/ weil
ihm ſchon etliche/ wiewol geringe Wunden geſchlagen/ aber der Schild faſt gar zerhauen
wahr/
[329]Anderes Buch.
wahr/ und nachdem er ſich nicht getꝛauete/ in die laͤnge auszuharren/ ſchwaͤnkete er ſich/ uñ
hieb ſeines Beſtreiters Pferde die Sehne ab/ am linken Hinterſchenkel/ daß es zur Erden
ſtuͤrzete/ ſein Reuter aber gleich damit herunter ſprang/ und zu ihm ſagete: Du heilloſer
Tropf/ da begeheſtu keine Ritterliche/ ſondern Meucheltaht/ daß du mir das Pferd muht-
willig erlegeſt. Gallus hatte ſich erhohlet/ ſtund und hielt ſein Pferd beym Zuͤgel/ und fuͤh-
rete es ſeinem Herꝛn zu/ welcher ſich darauf ſetzete/ und den Feind mit einem froͤlichen Ge-
ſchrey angrif. Dieſer ſahe ihn kommen/ getrauete ſich nicht mit dem Schwert laͤnger zu-
ſchuͤtzen/ ſondern ließ ihm ſein Speer reichen/ und ſagete: Hoͤre Ritter (wo vor ich dich
nunmehr erkenne) ich muß dich mit dem Speer auch pruͤfen/ nachdem ich halte/ wir die
Schwerter einer dem andern gnug haben zuerkennen geben. O du feiger Großſprecher/
antwortete er/ was vor einiges Zeichen hat dein Schwert dann wol geloͤſet? ſucheſtu etwa
ein wenig friſt/ daß wird dich gar nicht ſchuͤtzen. Jedoch daß du nicht gedenkeſt/ ich fuͤrchte
mich vor deinem Speer/ ſo halte dich nur wol damit/ und gedenke nicht/ daß wir beyde le-
bendig von dieſem Platze kehren werden. Dieſem kam die Reue gar ſtark/ daß er ihn ſo
ſchimpflich gehalten hatte; Weil es aber nicht kunte wiederbracht werden/ muſte er das
aͤuſſerſte dran ſetzen/ legte das Speer ein/ und hoffete damit ſeinen Feind zu fellen/ weil er
den Ruhm hatte/ daß er nie aus dem Sattel geworffen wahr. Valikules begegnete ihm
unerſchrocken/ da dann die Zuſeher ſich immerzu mehreten/ und doch eine ſolche Stille bey
jhnen wahr/ daß jhrer keiner einigen Laut von ſich gab. Unſere Kaͤmpfer ranten aufeinand’/
und ward Valikules auf die Bruſt getroffen/ nahm aber keinen Schaden/ weil der Stoß
abglitſchete; hingegen faſſete er jenen gleich oben am Sattelknauffe/ und warff ihn ſo un-
geſtuͤm zuboden/ daß er muͤhe hatte/ wieder aufzuſtehen. Der Sieger ſahe ſich umb und
ward gewahr/ daß jener auf der Erden geſtrekt lag/ ſprang auch vom Pferde/ uñ weil Par-
menio ſich inzwiſchen auffrichtete/ und zum Fußſtreite ſich fertig machete/ trat er jhm nahe
gnug/ uñ ſagete: Nun wirſtu mir das Pferd nicht zum andernmahle niderhauen; fuͤrchte
auch nicht/ dz du mir entlauffeſt. Damit ſchlug er ſo hurtig auf ihn/ als haͤtte er noch keinẽ
Streich gefuͤhret/ und den Zuſehern unſchwer wahr/ von dem Ausgange dieſes Kampfs
zuuꝛteilẽ. Paꝛmenio wendete allen fleiß an zuwiedeꝛſtehẽ/ aber es fiel ihm endlich zu ſchweꝛ/
weil er empfand/ daß ſeines Feindes Kraͤfte je laͤnger je mehr zunahmen. Weil er dann
nicht wolte vor uͤberwunden angeſehen ſeyn/ und gleichwol den Kampf gerne aufgeruffen
haͤtte/ ſagte er zu jhm: Ritter/ ich meine/ ihr habt nicht Urſach/ euch weiter in Lebensgefahr
zuwagen/ ſondern nachdem jhr eure Manheit gnugſam erwieſen/ ſpreche ich euch frey von
dieſem Streite/ und nehme euch auff in die Zahl meiner guten Freunde. Haha du ruhm-
raͤtiger Narꝛ/ antwortete er; meineſtu mir ſo zuentwiſchen? Schlug unterdes im̃er friſch
auff ihn zu/ daß er endlich gezwungen ward/ hinter ſich zuweichen/ eilete auch mit gutem
Willen hin/ woſelbſt er den groͤſten Teil ſeiner geworbenen Knechte beyeinander ſahe; uñ
als er nahe zu ihnen kam/ rief er; rettet euren Obriſten von dieſem Teufel/ und hauet ihn
kuͤhnlich zuſtuͤcken. Dieſe wahren nicht faul/ traten auff den Kampfplaz/ und wolten ihn
uͤberfallen; aber die Griechiſchen Juͤnglinge mit ihrem Beyſtande ſprungen von ihren
Pferden/ miſcheten ſich mitein/ und draͤueten allen den Tod/ die ſich unterſtehen wuͤrden
dieſen Kampf zutrennen; wodurch dieſe Knechte mit leichter Muͤhe abgetrieben wurden/
T tderen
[330]Anderes Buch.
deren Valikules ſchon zween mit ſo viel Streichen nidergehauen hatte. Als Parmenio
ſolchen Beyſtand ſeines Feindes ſahe/ merkete er/ daß ſein letztes Ende nicht ferne wahr/
doch weil er ſein Leben ſehr lieb/ und vor dem Tode ein groſſes Schrecken hatte/ ſagte er:
Trefflicher Ritter/ ich meyne nicht daß unſere Feindſchafft weiter als auff die Ehre des
Sieges gehe; weil dann ſolche ich euch ſelber zuſpreche/ ſo laſſet/ bitte ich/ euch damit be-
gnuͤgen/ und ruͤhmet/ daß ihr den bißher ſteten Uberwinder uͤberwunden habet. O du ver-
zagete Memme/ antwortete er/ hat dich mein Schwert nunmehr ein wenig Beſcheiden-
heit gelehret? jezt erzeigeſtu/ wie wenig rechtſchaffener Tugend dir beywohne/ und dz dein
ruhmraͤtiges Maul und bloͤdes Herz nicht aus einerley Fleiſch gemacht ſey/ ſonſten ſtuͤr-
beſtu lieber redlich/ als daß du ſchaͤndlich zuleben ſucheſt. Jedoch/ haͤtteſtu noch zulezt nicht
ſo gar buͤbiſch gehandelt/ indem du deine Schelmen-Knechte auff mich gehetzet/ moͤchte ich
aller vorigen Schmach vergeſſen/ und mich uͤber dich erbarmen/ deſſen ich nun keine Ur-
ſach habe/ inſonderheit wann ich bedenke/ daß du nur zu meinem Verderben leben/ und nit
ruhen wuͤrdeſt/ biß du mich meuchliſcher weiſe haͤtteſt ermorden laſſen. Parmenio ver-
zweifelte wegen dieſer Rede an ſeines Feindes Gnade/ ſamlete alle ſeine Kraͤffte zuſam̃en/
und uͤberfiel ihn mit ſolchem Wuͤten/ daß ſeine gewogene etwas Hoffnung ſchoͤpften; abeꝛ
es wehrete kurze Zeit/ weil ſeiner Glieder Krafft durch das hefftige bluten hinweg gefloſſen
wahr. Valikules hatte Verdruß/ ſo lange Zeit mit ihm zuzubringen/ lief ihm unter/ faſſete
ihn beym Leibe/ und warff ihn als einen Klotz zur Erden; und als er ihm den Helm vom
Haͤupte geriſſen/ ſagte er: Hinfort ſoltu keinen redlichen Ritter mehr beſchimpfen. Die-
ſer warff ſein Schwert hinweg/ und baht mit gefaltenen Haͤnden umb Gnade/ weil er ſich
uͤber alle maſſe vor dem Tode entſetzete/ und dabey feſt angelobete/ ihn nimmermehr zu be-
leidigen oder verfolgen; wodurch er ſich bewaͤgen ließ/ daß er willens wahr/ ihm das Leben
zuſchenken/ ſchlug ſeinen Helm auff/ und ſagete zu ihm: Weil du dann den Tod hoͤher als
die Schande fuͤrchteſt. Indem er dieſes redete/ ward er gewahr/ daß Parmenio einen klei-
nen Dolch heimlich hervor zuͤckete/ welchen er bey der Spitze faſſete/ und ihn denſelben ins
Geſicht werffen wolte; aber er kam ihn mit einem Streiche zuvor/ mit welchen er ihm das
Haͤupt von der Schulder ſchlug/ und dieſe Worte hinzu taht; Wer ſolche Buben und
Meuchelmoͤrder leben laͤſſet/ verſuͤndiget ſich an der Welt. Ihr aber/ ſagte er zu ſeinen ge-
worbenen Knechten/ da habt ihr eures Obriſten Leichnam/ dann nach dem Tode ſuche ich
keine Rache mehr; darumb verſcharret ihn in den Sand/ weil ſeine verwaͤgene Zunge ihn
in Gefahr/ und ſein meuchelmoͤrderiſches Herz in den Tod geſtuͤrzet hat; ſehet aber zu/ dz
ihr nach dieſem ehrlicher handelt/ als ihr bey mir zuhandeln willens geweſen ſeyd. Der
groͤſſeſte Teil der Zuſeher/ inſonderheit das Weibervolk/ die ſich uͤber ſeiner Geſtalt ver-
wunderten/ fingen ein Freudengeſchrey an/ wuͤnſcheten dem Uberwinder Gluͤk/ und freue-
ten ſich/ daß die Goͤtter den Hochmuht zu ſtuͤrzen/ ſich offt ſelber im Streit finden lieſſen.
Valikules bedankete ſich des guten Willen gegen alle Anweſende/ mit tiefgebogenem
Haͤupte/ ſetzete ſich auff Gallus Pferd/ und hies ihn Parmenions reiten; baht auch die
Griechiſchen Juͤnglinge/ mit ihm in ſeine Herberge einzukehren/ und dieſen Abend ſeine
Gaͤſte zu ſeyn. Aber der ſo die 1000 Kronen verwettet hatte/ erinnerte ihn ſeiner getahnen
Zuſage/ und fuͤhrete ihn ſamt den Juͤnglingen in ſein Haus/ taht ihnen guͤtlich/ und zahle-
te die
[331]Anderes Buch.
te die Wette willig aus/ ſprechend/ es waͤhre ihm leid/ daß er eines ſolchen Helden Mann-
heit aus Unwiſſenheit in Zweifel gezogen haͤtte. Des andern Tages/ weil er wegen Gallus
Verwundung ohn das nicht reiſen kunte/ lud er dieſen Mann neben den Juͤnglingen zu
ſich/ und ließ nichts mangeln/ kauffte hernach ein Pferd wieder/ dem vorigen gleich/ und
ſchikte ſich zum Auffbruche/ da die aͤdlen Juͤnglinge/ in der Stunde ſeines Abzuges einen
ihres Mittels an ihn ſendeten/ und ihm folgendes Ehrengeticht einliefern lieſſen.


Pindariſches Lied.
Zum unſterblichen Ruhm der mannhafften Tugend des treflichen Ritters
und Helden/ Herrn Valikules.
Erſter Saz.
IHr Muſen/ die ihr auff dem Helikon

Der wahren Tugend Ruhm und Lohn

Zu tichten pfleget.

Beſinget unſern Held/

Den das Olympſche Feld

Zun Wolken traͤget.

Laſt eure Seiten klingen/

Stimt eure Lauten an/

Die unſern Sinn durchdringen

Mehr als die Trummel kan.

Erkennet ihm den Dank

Der allerſchoͤnſten Tugend/

In welcher ſeine Jugend

Feſt ſteht ohn allen Wank.

Erſter Gegen Saz.
JA freylich! dem gebuͤhret Lob und Preiß/

Der Tugendhafft zu leben weiß.

Ihm ſol gelingen.

Dir O du Gluͤckes-Sohn

Sol auff dem Helikon

Ein Ruhm-Lied klingen.

Wer uͤppigkeiten liebet

Empfaͤhet dieſes nicht/

Was unſer Lob dem giebet/

Der in der Tugend Pflicht

Ohn Eitelkeit beſteht;

Dann wer boßhafftig faͤhret/

Macht/ daß er ungeehret

In Schanden untergeht.

Erſter Nach Saz.
WEr kan O Tugend dann

Dein Lob dir nach gebühr

Mitteilen? Jederman

Such’ alle Krafft herfuͤr.

O Tugend! O dein klarer Schein

Laͤſt ſeine Strahlen

Viel tauſendmahl noch heller ſeyn/

Als Sonnen Pracht/

Die alles klarweiß kan bemahlen,

Dein wird gedacht

Selbſt in der Goͤtter Raht/

Die nichts als Tugend nur belohnen.

Ja wer die Tugend hat/

Koͤmt in der Goͤtter Schaar zu wohnen.

Nun dann/ ſo wollen wir dein ſtolzes Lob erheben/

Als lang uns unſer Geiſt vermoͤgen gibt uñ Lebẽ.

Anderer Saz.
VAlikules/ des Ritterſtandes Ehr/

Fuͤhrt ſeinen Degen/ Schild und Speer/

Zu Troz den boͤſen.

Sein Vorſaz faͤhret friſch/

Daß er die Unſchuld riſch

Nur mag erloͤſen.

Er hat bißher der Frommen

Und ihrer Schwacheit ſich

Getraͤulich angenommen.

Auff daß der Bosheit Stich

Sie nicht erwuͤrge gar.

Des muß ihm hie auff Erden

Der ſchuldige Dank werden

Und bleiben immerdar.

Anderer Gegen Saz.
VAlikules/ der teure Muſen Sohn

Empfaͤhet billich dieſen Lohn

Von Phoͤbus Haͤnden.

Den wird das falſche Gluͤk

Ihm wol kein Augenblik

Mit recht entwenden.

T t ijSein
[332]Anderes Buch.
Sein Nahme ſol ſtets bluͤhen/

Sein Lob nicht untergehn/

Weil Muſen Soͤhne zihen/

Er ſol den Kranz ſchier ſehn/

Der ihm bereitet iſt/

Der ewiglich ſol wehren/

Weil Vogel Koͤrner zehren/

Und der Wolff Schaffe friſſt.

Anderer Nach Saz.
SO recht! damit die Welt

Auch noch erkennen mag/

Daß Kunſt auff Tugend haͤlt/

Daß ihr ein lieber Tag

Gewidmet wird. Valikules

Hat wol geſieget/

Drum lebet er/ da unterdeß

Der Praler faͤlt/

Und hat ſich in den Sand geſchmieget.

O teurer Held/

Wir ſingen euren Ruhm/

Den ihr erſtritten

Zu eurem Eigentuhm;

Habt ihr dann gleich den Hohn erlitten/

So iſt er tauſendfach durch eure Rach’ erſetzet/

Dañ eure Tugend wird durch Pochers falergetzet.

Nach Verleſung dieſes/ bedankete er ſich der unverdienten Ehre und gar zu hohen Lobes/
das an ſeine Wenigkeit nimmermehr wuͤrde reichen koͤnnen; befuͤnde ſich demnach gar zu
hart verbunden/ daß er nicht ſaͤhe/ wie er ſo groſſer Schuld ſich loßwirken ſolte/ inſonder-
heit zu dieſem mahle/ da er gleich auffſitzen/ und ſeinen noͤhtigen Weg vor ſich nehmen
muͤſte; Dafern ihm aber das Gluͤk ſo guͤnſtig ſeyn wuͤrde/ daß bey ſeiner Ruͤkreife er ſie an-
treffen moͤchte/ wolte er ſeine Dankbarkeit nach vermoͤgen ſehen laſſen. So bald dieſer ab-
gefertiget wahr/ fetzete er ſich mit Gallus zu Pferde/ nam ſeinen Weg nach Korinth zu/
und hatte ſich ſeinem GOtt dieſen Morgen in fleiſſiger Andacht befohlen/ weil ihm eine
Schwermuͤhtigkeit zugeſtoſſen wahr/ deren urſach er doch nicht erſinnen kunte. Des A-
bends zuvor/ ehe er ſich auff den Weg machete/ kam ein unbekanter Ritter in ſeine Herber-
ge/ und fragete den Wirt weitlaͤufftig/ ob ihm nicht bewuſt waͤhre/ wohin Valikules zurei-
ſen willens/ und als er vernahm/ daß er nach Korinth gedaͤchte/ ſagte er: Weil ſein Weg
auch dahin ginge/ waͤhre ihm lieb/ in dieſes beruͤmten Ritters Geſelſchafft zu reiſen/ und
ſeine angenehme Kundſchafft zuerlangen. Dieſer nun/ der ſich von den unſern nicht hatte
ſehen laſſen/ nam des Morgens ihres ausreitens wahr/ und folgete ihnen von ferne; errei-
chete ſie doch zeitig/ und indem er ſich ſtellete/ als wolte er voruͤber hauen/ gruͤſſete er ſie
freundlich/ ward ihm auch von Valikules gebuͤhrlich gedanket/ der ihn fragete/ wohin er ſo
eilig gedaͤchte. Er zeigete an/ daß er zu Korinth noͤhtig zu verrichten haͤtte/ und wann er
wiſſen ſolte/ daß ſie einen Weg reiſen wolten/ bliebe er gerne bey guter Geſellſchafft/ da es
ihnen nicht zuwider. Geſellſchafft iſt mir allemahl angenehm/ ſagte Valikules/ und koͤn-
nen wir alſo mit einander reiten.


Wir wollen ſie aber zihen laſſen/ weil ſie zu ihrem Ungluͤk noch viel zu fruͤh kommen/
und uns nach Padua kehren/ woſelbſt Ladiſla mit ſchmerzen ſeines lieben Herkules Schrei-
ben erwartete/ und wehreten ihm die zehn Tage/ die er dem Stathalter zu harren verſpro-
chen hatte/ laͤnger/ als nie keine voꝛhin/ ungeachtet ſein liebes Gemahl ihm allerhand Kurz-
weil zumachen/ und die Traurigkeit zu benehmen/ ſich aͤuſſerſt bemuͤhete. Als der zehnde
und lezt verſprochene Tag herbey kam/ verfuͤgete er ſich zu ſeinem Schwager Fabius/ und
ſagte zu ihm; Geliebter Bruder/ ihr wiſſet/ wie ihr mir verheiſſen/ allen Vorſchub zu tuhn/
daß ich meinen lieben Herkules ſuchen/ und wohin er ſeine Reiſe genommen/ erfahren moͤ-
ge;
[333]Anderes Buch.
ge; nun iſt heut der lezte Tag unſers verzuges/ und zweifele nicht/ ſo viel laͤnger wir uns
auffhalten/ ſo viel beſchwerlicher unſere verrichtung fallen wird; Wann euch nun gut
daͤuchte/ wolten wir zwey ſtarke Schiffe mit gutẽ Kriegsknechten beſetzen/ uñ unterſchied-
liche Wege vor uns nehmen; ich begehre vor mich kein groͤſſeres/ als welches 50 Kriegs-
knechte auffnehmen kan/ dann hiemit werde ich das Meer deſto geſchwinder durchſtrei-
chen/ und gleichwol in der Noht mich gnugſam zur Gegenwehr gebrauchen koͤnnen. Fa-
bius antwortete; Hochwerter Herr Bruder/ unſerer Abrede erinnere ich mich ſehr wol/
und hat mich die Zeit eben lange gedaucht/ ehe ſie verfloſſen iſt. Der Vorſchlag iſt mir
ſehr angenehm/ und bin ich willens/ ein Schiff mit 100 Kriegsknechten außzuruͤften/ da-
mit ich mich umb ſo viel ſicherer in die wilde See wagen mag. Ich habe ſchon vor etlichen
Tagen ans Meer geſchikt/ und koͤnnen wir unter XXV gen die freie Wahl haben; ſonſt
waͤhren ſie alle zu unſern Dienſten. Nur eines beſorge ich/ wie eure Liebe von ihrem Ge-
mahl wird Abſchied erhalten/ und werde ich mit meiner Urſul auch gnug zu ſchaffen ha-
ben. Mein liebes Gemahl/ ſagt Ladiſla/ wird ſich hierin ſchon zu ſchicken wiſſen; werde
demnach zuvor hingehen/ und unſerm Herren Vater ferner anzeigen/ weſſen wir geſinnet
ſeyn; machten ſich auch ſtuͤndlich zu ihm hin/ erinnerten ihn der genommenen Abrede/ uñ
bahten umb befoderung ihrer Reiſe. Dieſer erſchrak deſſen; er wuͤſte ſich ſolcher Abrede
durchaus nicht zuentſinnen/ ſondern haͤtte ſtets gemeinet/ Leches und andere getraͤue Leute
ſolten dem Fraͤulein mit einer Anzahl Schiffe nachforſchen/ und Herren Herkules zu-
huͤlffe geſchicket werden. Ladiſla aber antwortete; O mein Herr Vater/ habt ihr dann die
Gedanken faſſen koͤnnen/ daß ich meinen Herkules von wegen meiner Frl. Schweſter wuͤꝛ-
de in der Irre herumb zihen laſſen/ und unbemuͤhet bleiben/ ſie zu ſuchen/ und ihnen moͤg-
liche Huͤlffe zuleiſten? Solches kan ich euch nicht gaͤnzlich verbieten/ ſagte er/ nur daß zu-
vor von anderen Kundſchafft eingehohlet werde/ wo ſie moͤchten anzutreffen ſeyn. Ja
mein Herr Vater/ antwortete er/ wann jemand zu finden waͤhre/ der in Herkules Nachſu-
chung gedaͤchte groͤſſern fleiß anzuwenden/ als ich/ dañ ſo wolte ich mir dieſen Vorſchlag
willig gefallen laſſen; weil ich aber hieran ſehr zweiffele/ habe ich Dienſt- und Kindlich
zubitten/ mich in meinem Vorhaben nicht laͤnger auffzuhalten. Der Stathalter dieſen
Ernſt ſehend/ und uͤber die maſſe ſehr betruͤbt/ ſagte zu ihm; O mein geliebter Sohn/ wollet
ihr dann von eurem Gemahl und von mir ſo ſchleuͤnigen Abſcheid nehmen? Herzlieber
Herr und Vater/ antwortete er; nicht Abſcheid/ als nur auff wenig Monat/ welches er
mir ſchon goͤnnen wird/ weil ich lieber ſterben/ als meinen Herkules laſſen wil. Ja mein
geliebter Herr Sohn/ ſagte er; Schiffarten und Feldzuͤge ſtehen nicht in unſer Macht/
wie ſie gerahten ſollen. Ich leugne dieſes nicht/ antwortete er; aber hingegen haben die
Goͤtter in den groͤſten Noͤhten auch die groͤſte Obacht uͤber uns; ſo nehme ich ja dieſe
Schiffart nit aus Leichtfertigkeit/ ſondern hoͤchſtgezwungener Noht vor/ uñ dafern mein
Herr Vater mich liebet/ wird er ohn ferner einreden mein Vorhaben bewilligen. Wie
aber/ ſagte der Alte/ wann mein Sohn Kajus dieſe Muͤhe auff ſich genommen haͤtte? Ich
bedanke mich dieſer vaͤterlichen Bewilligung/ ſagte der Sohn/ weil ich ohn daß Herren
Ladiſla verſprochen habe/ ihm in dieſer Nachſuchung Geſelſchafft zu leiſten. Der Vater
waͤhre hieruͤber faſt niedergeſunken und ſagte mit traurigen geberden; ſol ich dann mei-
T t iijner
[334]Anderes Buch.
ner beyden Soͤhne auff einmahl beraubet werden/ ſo erbarme es die Goͤtter. Aber Ladiſla
troͤſtete ihn/ mit bitte/ ſolche unſelige Gedanken ihm nicht einzubilden; es haͤtten die Goͤt-
ter ihn nicht deßwegen aus ſo mannicher Noht und Gefahr gerettet/ daß er in dieſer ge-
ringeren verderben ſolte; waͤhre demnach ſein Vorſaz/ ſo bald ein Schiff außzuruͤſten;
ſo wuͤrde ſein geliebter Bruder auch eines nehmen; wolten ihre Fahrt teilen/ und mit der
Goͤtter Huͤlffe ihr Vorhaben bald zum Ende bringen. Ja wann es nicht anders ſeyn kan/
ſagte der Alte/ muß ich mich wol gedulden; ihr werdet aber es noch acht Tage anſehen/
weil die Schiffe vorher außgebeſſert/ und alle Notturfft zum fuͤgligſten muß herbey ge-
ſchaffet werden; inzwiſchen moͤget ihr euch bemuͤhen/ eure Gemahlen zu bereden/ daß ſie
damit friedlich ſeyn/ oder nehmet ſie lieber gar mit; dann ich wil die Gefahr zum andern-
mahl nicht ſtehen/ die mir ſchon begegnet iſt. Daß ſey ferne/ ſagte Ladiſla/ daß mein liebes
Gemahl dieſer Gefaͤhrligkeit ſolte teilhafftig werden; viel lieber wil ich ſie in mein Koͤnig-
reich ſenden/ woſelbſt ihr nicht anders/ als einer herſchenden Koͤnigin ſol auffgewartet/
und von meiner Fr. Mutter alles liebes uñ gutes erzeiget werden. Ich ſtelle meiner Toch-
ter frey/ ſagte der Stathalter/ zu waͤhlen was ihr gefaͤlt/ nur daß ſie mir dergleichen Auff-
zuͤge nicht mehr mache/ wie bereit geſchehen/ da etwa eine wiedrige Zeitung entſtehẽ wuͤr-
de. Ladiſla bedachte ſich/ wie er von ſeinem Gemahl gute Einwilligung erlangen moͤchte/
wolte ſie doch deſſelben Abends nicht verunruhen noch betruͤben/ ſondern da er fruͤh Mor-
gens mit ihr vom Schlaff erwachete/ ſagte er zu ihr: O mein allerſuͤſſeſter Schaz/ bey wel-
chem ich zu Leben und ſterben begehre; ich habe eine Bitte bey euch abzulegen/ welche mei-
ner gaͤnzlichen Hoffnung nach/ ihr mir nicht verſagen werdet. Fr. Sophia ſahe ihn gar
lieblich an/ und begehrete/ ihr mit ſolchem bitten zuverſchonen/ dann weil ſie ſein ehelich
Gemahl waͤhre/ erkennete ſie ſich ſchuldig/ ihm zugehorſamen. Ich nehme dieſes Erbietẽ
von ganzem Herzen an/ ſagte er/ und zweiffele nicht/ ihr werdet eine kurze Reiſe/ die ich
nohtwendig tuhn muß/ euch nicht laſſen zuwieder ſeyn/ weil mir unmoͤglich iſt/ dieſelbe zu-
ruͤk zuſetzen. Mein allerliebſtes Herz/ antwortete ſie; meinet ihr/ daß nicht vor acht und
mehr Tagen ſchon/ ich mich dieſer Reiſe vermuhtet? ich weiß mehr als zu wol/ daß ihr nit
unterlaſſen werdet/ euren Herkules zuſuchen/ koͤnnet auch/ vermoͤge eurer Freundſchafft
nicht wol anders/ angeſehen er ohn daß umb eurer Frl. Schweſter willen auſſen iſt; deß-
wegen/ wie herzlich gerne ichs gleich anders ſaͤhe/ muͤſte ich wol grob ſeyn/ wann hierin ich
euch wiederſprechen ſolte; reiſet ihr nur in dem Nahmen aller Goͤtter/ und bringet euren
Herkules neben dem lieben Fraͤulein bald wieder her; ja bin ich euch nicht hinderlich/ ſo
nehmet mich mit euch/ es ſey zu Waſſer oder zu Land/ es ſey zum Leben oder zum tode/ weil
ich nunmehr mich alſo geſchicket habe/ daß ich der Goͤtter Gunſt und Gluͤk nicht außſchla-
gen/ und ihre ſtraffen/ auch den Tod ſelbſt geduldig leiden/ und dawieder nicht murren
wil. Ladiſla hatte ſich ſolcher angenehmen Erklaͤrung nicht verſehen/ nam es vor ein Zei-
chen kuͤnfftigen gluͤklichen außſchlages auff/ und umbfing ſie/ ſprechend: Mein außerwaͤhl-
tes Herz; niemahls habe ich einen groͤſſeren Beweißtuhm eurer Liebe und traͤue gegen
mich verſpuͤret/ als jetzo; daher verſpreche ich euch/ daß nach vollendeter dieſer Reiſe ich
mit willen nim̃ermehr von euch ſcheiden wil/ biß der Tod den Riß machet: Mein Schaͤtz-
chen/ antwortete ſie/ ich nehme ſolches Verſprechen an/ uñ wil euch nicht verhehlen/ war-
umb
[335]Anderes Buch.
umb ich in dieſe Reiſe ſo leicht willige; vor erſt weiß ich/ dz euch unmoͤglich iſt/ euren Her-
kules zu verlaſſen/ der auch mir/ nach euch/ der liebſte Freund in der Welt iſt. Hernach wuͤr-
de ich mit meinen Traͤhnen und wiederſpenſtigen Bezeigungen euch nur betruͤben/ wo
nicht gar erzuͤrnen/ welches ich nimmermehr zu tuhn gedenke. Endlich habe ich bey den
Sternſehern mich des außganges dieſer vermuhtlichen Reiſe erkuͤndiget/ und daneben
die Goͤtter nicht vorbey gehen wollen. Wiſſet ihr euch nicht zuerinnern/ daß heut vor ſechs
Tagen ich einen fremden Mann/ mit einem langen Rocke und Barte bey mir hatte/ und
durch Bitte bey euch ſo viel vermochte/ daß ihr ihm eure Hand zeigetet/ womit faſt eine
halbe Stunde hinging/ und ihr ſchier unwillig waͤhret druͤber worden. Dieſer hocherfahꝛ-
ne Handdeuter berichtete mich eures kuͤnfftigen ergehens in etwas/ zeigete an/ daß euch
eine Reiſe zu Waſſer und Lande bevorſtuͤnde/ mit wunderbahrem Gluͤk und Ungluͤk ver-
miſchet/ wuͤrde doch endlich zum gewuͤnſchten Ende außſchlagen/ und waͤren inſonderheit
die Ehren- und Gluͤckes-Striche in euren Haͤnden dermaſſen beſchaffen/ daß er deßglei-
chen nie geſehen/ koͤnte auch nicht fehlen/ ihr muͤſtet ein Koͤnig ſeyn/ oder ſchier kuͤnfftig ein
Reich erlangen/ weil er eine gedoppelte Kron in eurer Hand fuͤnde. Ladiſla gab auf ſolche
Alfanzerey ſehr wenig; weil aber ſein Gemahl daher ſo gute Hoffnung geſchoͤpfet hatte/
wolte er nicht dawieder reden/ ſondern zu ihrem Troſt ruͤhmete er die Kunſt/ nam auch Ge-
legenheit daher/ ſie zuvermahnen/ da ein falſches Geſchrey ſeines Todes oder Unfalles ent-
ſtehen wuͤꝛde/ ſich daran nit zukehꝛen/ ſond’n Gott und ſeinem Gluͤk zutrauen; ja weil er veꝛ-
ſtuͤnde/ daß ſie auch die Goͤtter mit ihrem Opfer verſohnet haͤtte/ moͤchte er gerne wiſſen/ wz
hofnung ihꝛ dañenhero gemacht waͤhꝛe. Ich habe/ antwoꝛtete ſie/ an unteꝛſchiedlichen oꝛten
gr oſſe feiſte Ochſen zum Opfer gegebẽ/ uñ die Waꝛſager-Pꝛieſter bittẽ laſſẽ/ aus dem Einge-
weide uñ andeꝛen zeichẽ zuerforſchẽ/ ob eine wichtige reiſe/ welche ſchier duͤrfte voꝛgenom̃en
werdẽ/ gluͤklich ausſchlagen/ uñ das begehrte wieder gefunden/ uñ erhalten werden ſolte;
da ich dann von allen einerley Antwort bekommen; man haͤtte nach fleiſſiger Forſchung er-
lernet/ daß zwar ohn Gefahr und groſſe Muͤhe dieſe Reiſe nicht ſeyn/ aber doch einen ge-
wuͤnſchten Ausſchlag nehmen wuͤrde; und damit ihr ſehet/ ſagteſie weiter/ daß ichs nach
Moͤgligkeit getrieben/ wil ich augenſcheinlich Zeugniß bringen; ſtieg hiemit aus dem Bet-
te/ und hohlete ein Zettel aus ihrem Handlaͤdichen/ legte ſich wieder nieder/ und ſagete: hieꝛ-
innen ſtehet ein Oraculum oder Goͤttliche Antwort/ welche ich mit ſchweren Koſten zuwege
gebracht; weil mirs aber zuverſtehen noch zur Zeit unmoͤglich iſt/ wil ichs fleiſſig/ biß zum
Ausgange verwahren/ ob ich alsdann beſſere Erkaͤntniß daher nehmen moͤchte; gab es La-
diſla/ und baht/ es bedachtſam und nachdenklich duꝛchzuleſen/ weil ihrem vermuhten nach
etwas wichtiges darinnen begriffen waͤhre/ welches zum wenigſten die Zeit entdecken wuͤꝛ-
de. Ladiſlanam es zu ſich/ und fand dieſe Worte:


DEr miſchte Nahme wird an beyden Seiten muͤſſen/

Eh daß er einfach ſteht/ im Vngluͤk zimlich buͤſſen/

Doch Ehr und Leben bleibt/ nur daß ſich Gluͤk und Stand

Gar krauß und bund verkehrt/ eh das gewũnſchte Band

Vnd Rettung folgen kan. Die Sucher ſind geſchaͤfftig/

Gehn uͤber Meer und Land/ bemuͤhen ſich ſehr hefftig

Durch Leiden und Gefahr, Der Himmel iſt ihr Schild/

Da wo ihr Herz und Fauſt nicht wirket oder gilt.

Wie geht es hie ſo ſcharff! Wie manches Blut muß rinnẽ/

Wie mancher ſtolzer Held verleuret Krafft und Sinnen/

Eh alles wird volbracht! eh daß der groſſe Schaz

Wird voͤllig ausgeteilt/ und der genehme Plaz

Nach Wunſch erſtritten iſt; Das lezte dieſer Sachen

Mag ich vor unmuht nicht den fragenden kund machen/

Weil es mir ſchaͤdlich iſt; nur dieſes meng ich ein/

Sie werden nach der Angſt und Arbeit froͤlich ſeyn.

Ladiſla
[336]Anderes Buch.

Ladiſla ſahe dieſe dunkele Reimen etlichemahl gar fleiſſig durch/ kunte aber den eigentlichẽ
Verſtand nicht faſſen/ und ſagte zu ihr; was inſonderheit alhie gemeldet wird/ werden we-
der ich noch ihr/ noch jemand anders errahten; abeꝛ dieſes ſehe ich gleichwol/ daß wir/ zwaꝛ
nicht ohn Muͤhe und Gefahr/ aber doch gleichwol hindurchkommen werden/ welches mir
auch gnug iſt; es ſey dann dieſes alles ertichtet/ wie man deſſen wol Begebniſſen hat/ daß
die geizigen Pfaffen ſich eines Dinges ingeheim erkuͤndiget/ uñ hernach ſolche verſchrau-
bete Worte geſetzet haben/ die einander nicht errahten/ ſie aber ſolche hernach ihres gefal-
lens drehen und deuten koͤnnen; jedoch kehre ich mich nicht groß daran; dann wie ich die
Goͤtter nicht verachte/ alſo glaͤube ich nicht leicht/ was in Goͤttlichen Sachen mit Gelde
erkaufft wird. So wil ichs aber glaͤuben/ ſagte ſie/ weil es mich zum wenigſtẽ in guter Hof-
nung erhalten kan. Ich muß euch aber/ ehe wir die Federn verlaſſen/ noch eins erzaͤhlen;
ohngefehr vor zwo Wochen/ hat ſich ein treflicher Sternſeher bey mir angeben laſſen/ mir
meines Lebens-Laufs-Beſchreibung/ aus des Himmelswirkung herruͤhrend/ nach anlei-
tung des Geſtirns zuſtellen/ und mein vergangenes und zukuͤnfftiges Gluͤk und Ungluͤk
anzudeuten. Ich hatte von dieſen Leuten unterſchiedlichemahl reden hoͤren/ da etliche ihre
Kunſt lobeten und vor gewiß hielten; andere aber ſie verachteten und verlacheten; ließ ihn
deswegen zu mir fodern/ und begehrete/ er ſolte nicht allein mir/ ſondern euch/ Herꝛn Her-
kules/ und Frl. Sibyllen dieſelbe ſtellen/ wovor ich ihm wolte gerecht ſeyn. Er verhieß mir
ſolches/ begehrete aber zuvor unſer aller Geburt-ſtunde/ und den Ort zu wiſſen/ da wir ge-
zeuget waͤhren; und als ich ihm ſolches nicht von allen ſagen kunte/ nam er einen Stab/
machte einen Kreiß uͤmb ſich/ und murrete viel Dinges/ kritzelte auch ſelzame Zuͤge in den
Sand. Bald ſtund er auff dem linken/ bald auf dem rechten Fuſſe; hing den Kopff/ rieb die
Stirn; zopffete das Haar/ und hielt ſich einem Narren nicht ungleich; endlich daͤuchte
mich/ wie ich einen mit ihm reden hoͤrete/ deſſen Worte er in ein Schreibtaͤfflein fleiſſig
auffzeichnete/ und ſahe ich aus allen ſeinen Geberden/ dz eꝛ ein Schwaꝛzkuͤnſtler ſeyn muſte.
Da nun ſein Affenſpiel geendiget wahr/ ſagte er zu mir: Gn. Frau; ihr fodert auff vier
Menſchen/ ihres Gluͤks und Lebens Bericht von mir: nun wil ich euch in dreyen gerne zu
willen ſeyn/ dafern mir die Muͤhe vergolten wird; aber mit dem vierden haben weder ich
noch die Goͤtter zuſchaffen. Ich gab ihm zur Antwort: Der Zahlung halben ſolte er un-
bekuͤmmert ſeyn/ weil mein Geldbeutel zimlich gꝛoß und ſchwer waͤhre; hoffete aber nicht/
daß unter uns vieren einer ſolte gefunden werden/ auf welchen die Goͤtter einen Unwillen
und feindlichen Zorn gefaſſet haͤtten; muͤſte demnach wiſſen/ weꝛ unter uns gemeinet waͤh-
re/ ſonſt koͤnte ich mich mit ihm in keine weitere Handlung einlaſſen. Dieſer wahr willig
es anzuzeigen/ da ich ihm verſprechen wuͤrde/ es inwendig XII Tagen nicht zuoffenbahren:
Und als ich ihm ſolches veꝛhieß/ berichtete er mich; Herꝛ Herkules waͤhre deꝛſelbe/ von dem
ſeine Goͤtter ihm weder gutes noch boͤſes anzeigen wolten. Ich ward hieruͤber ſehr beſtuͤr-
zet/ und baht ihn/ mich zuberichten/ auff was weiſe doch dieſer fromme und meines wiſſens
unſchuldige Herꝛ/ den Goͤttern koͤnte verſoͤhnet werden; vermochte aber ein mehres aus
ihm nicht zubringen/ als daß er ſeinen Goͤttern hart angelegen/ haͤtte doch nichts erhalten/
ohn daß Herkules die Urſach ſchon wuͤſte/ uñ niemand beſſer als er ſelbſt/ es anzeigen koͤn-
te/ wuͤrde auch den ernſtlichen Nachfragern es nicht verhehlen. Ladiſla antwortete ihr mit
einem
[337]Anderes Buch.
einem Laͤcheln; geliebtes Herz; ihr ſollet euch in dieſem falle wegen Herkules durchaus kei-
ne Gedanken machen; dann ich verſichere euch/ daß wie er dieſes Sternguckers und Zaͤu-
berers Goͤtter nichts achtet/ ſie ihm hingegen auch keinen ſchaden tuhn werden; dann er le-
bet nicht ohn Gottesfurcht/ wie ihr wolgeſpuͤret/ und ob er gleich alle andere Goͤtter ver-
achten wuͤrde/ die wir ehren/ halte ich doch/ es ſey ein ander Gott/ der ihm Schuz haͤlt/ und
ſich ſeiner gewaltig annimt; dañ ſonſt koͤnte es nicht moͤglich ſeyn/ eꝛ muͤſte ſchon vorlaͤngſt
unter der Erde ſtecken. So irret auch mein Herꝛ Vater nicht ſagte ſie/ von dem ich neulich
lauſchend vernommen/ daß er zu meiner Fr. Mutter ſagete; es ſtuͤnde ihm klaͤrlich vor
Augen/ daß Herꝛ Herkules ein Chriſt waͤhre/ maſſen man von ihm keine leichtfertige ſcheꝛz-
rede hoͤrete/ ginge oft und viel in andaͤchtigen Gedanken/ hoͤbe ſeine Haͤnde auff gen Him-
mel/ ſchluͤge an ſeine Bruſt/ und lieſſe ſich in allem ſehr Gottfuͤrchtig merken; inſonderheit
waͤhre er ſeinen Feinden zuverzeihen ſo willig/ meidete allen uͤberfluß in eſſen und trinken/
und/ welches allein Beweißtuhms gnug waͤhre/ hoͤrete man ihn niemahls von Goͤttern/
als von vielen reden/ ſondern nur von einem einzigen/ welchen er den Allmaͤchtigen nenne-
te; nun iſt mein Herꝛ Vater der Chriſtlichen Lehre eben nicht auffſaͤtzig/ ſagte ſie/ wie ins
gemein die Roͤmiſchen Beamten ſonſt zuſeyn pflegen/ ſondern kan ſie wol leiden; verhin-
dert auch ihre Verfolgung/ als viel ihm moͤglich iſt/ weil er wiſſe/ ſagt er/ daß die heimliche
Unzucht und Schande/ welche ſie in ihren Verſamlungen treiben ſollen/ von ihren wider-
wertigen ihnen aus Haß und Neid faͤlſchlich auffgedrungen/ und mit hoͤchſter Unwarheit
nachgelogen werde. Ich wil euch auch unverhalten ſeyn laſſen/ daß meine Fr. Mut-
ter in der Chriſtlichen Lehre von jugend auff erzogen iſt/ und kam ſie auff keinerley wejſe da-
von gebracht werden/ wie bund und wunderlich es mein H. Vater auch vor dieſem ver-
ſuchet hat; laͤſſet ihr aber nunmehr ihren freyen Willen. Doch wird es in groͤſter Geheim
gehalten; dann ſolte es auskommen/ duͤrſten bald etliche hinter meinem H. Vater her ſeyn/
und ihm als einem Chriſten Freunde zuſetzen/ daß er wol gar aus ſeinem Ehrenſtande ge-
hoben wuͤrde; maſſen die hoͤchſten Nebenhaͤupter des Reichs dieſem Glauben ſehr zuwie-
der ſind/ und manniche Verfolgung/ bald hie bald da anrichten/ ob ſie gleich der ietzige Kaͤy-
ſer wol leiden kan. Ladiſla antwortete ihr; Euer Herꝛ Vater mag vielleicht es ſchier errah-
ten haben/ welches ich doch eigentlich nicht ſagen kan; ſeine Eltern weiß ich wol/ ſind kei-
ne Chriſten/ ſondern dieſem Glauben ſehr zuwieder; wir beyde aber achten ſolches nicht
unter uns/ dann weil man des Glaubens halber nur den Goͤttern rechenſchafft geben darf/
ſol es unſere Freundſchafft nicht brechen; und halte ichs nach meiner Einfalt davor/ die
Goͤtter werden ſich aller deren ohn des Glaubens unterſcheid erbarmen/ die ein frommes
unſtraͤfliches Leben fuͤhren; wiewol mein Herkules gar einer wiedrigen Meinung iſt. Abeꝛ
daß ich auff eure vorige Reden komme; hat euch dann der Sterngucker den begehreten
Bericht erteilet? Nein/ ſagte ſie/ er hat acht Wochen zeit beſtimmet/ und mir daneben an-
gedeutet/ daß inwendig ſolcher Zeit eine wunderſame Verenderung bey uns ſich zutra-
gen wuͤrde/ woran er dann nicht gelogen hat. Der Narꝛ wird euch viel Fratzen bringen/
ſagte Ladiſla/ dem ihr ja nicht trauen duͤrfet; es iſt aber Zeit/ daß wir uns von dem Lager er-
heben/ und ich anordnung zu meiner Reiſe mache. Nach eurem belieben/ ſagte ſie; aber
nachdem ich dieſelbe ſo gerne bewilliget habe/ wird mein Schaz mir dieſe Gunſt erzeigen/
V nund
[338]Anderes Buch.
und etwa noch acht oder X Tage bey mir verharren/ damit der gar zu ſchleunige Abſcheid
mich nicht zu ſehr betruͤben moͤge. Ladiſla wuſte wol/ daß die Schiffe ſo geſchwinde nicht
kunten zugerichtet werden; verſprach deswegen noch IIX Tage zubleiben; deſſen ſie ſich
hoͤchlich bedankete. Gleich nun/ da ſie ſich bekleideten/ und ihr Geſpraͤch hievon hatten; trat
der junge Fabius zu ihnen ins Gemach/ umb zuvernehmen/ weſſen ſeine Schweſter ſich
wegen der Reiſe erklaͤret haͤtte. Ladiſla fragete die Urſach ſeiner ſo fruͤhzeitigen Ankunft/ die
er wegen der Schweſter gegenwart nicht melden wolte; welches jener meꝛkend/ zu ihm ſa-
gete; da es etwa ihre Reiſe betraͤffe/ moͤchte er kuͤhnlich reden/ nachdem ſein liebes Gemahl
ſchon gerne darein gewilliget haͤtte. Fabius ward deſſen froh/ und ſagte: Ey ſo muß mir
meine Urſul auch heute noch anders reden/ und meiner lieben Schweſter den Gehorſam
ablernen; erzaͤhlete darauff/ was Muͤhe er dieſe Nacht mit ihr gehabt/ daß er ſchier naͤr-
riſch druͤber worden; inſonderheit haͤtte ſie ihre Waſe Sophien beklaget/ als welche keine
Stunde leben wuͤrde/ da ſie vernehmen ſolte/ daß Herꝛ Ladiſla eine ſolche Reiſe auf ſich zu-
nehmen geſinner waͤhre; und habe ich mich ſelber deſſen nicht ein geringes befahret; weil
ich aber deren guten Willen vernehme/ wolle dieſelbe ihr nur hart gnug zureden/ dann ſie
wird ſich hieſelbſt bald anfinden. Kaum wahr dieſes geredet/ da trat ſie zur Tuͤhr hinein/
und da ſie ihrer Waſen nahete/ ſchoſſen ihr die Traͤhnen in die Augen; welche alsbald fra-
gete/ was ihr kuͤmmerliches anliegen waͤhre; Und als ſie es nicht bekennen wolte/ ſagte ſie;
Ich zweifele nicht/ ihr weinet daruͤmb/ daß mein lieber Bruder eine zeitlang von euch hin-
weg zihe wird/ und ihr etliche Wochen oder Monat allein ſchlaffen ſollet; ſeyd ihr dann in
ſo kurzer Zeit verwaͤhnet/ daß ihr nicht mehr koͤnnet ohn einen Beyſchlaͤffer ſeyn? Aber dz
ich ernſtlich mit euch rede; Ich haͤtte/ geliebte Schweſter/ wol ſo viel/ wo nicht eine gute
Hand vol mehr Urſachen zu weinen/ als ihr; Wann ich mich aber erinnere/ daß ich mei-
nem allerliebſten Gemahl zu gehorſamen ſchuldig bin/ muß ich meinen Willen wol in den
ſeinen ſchlieſſen/ unter der Hoffnung/ die Goͤtter werden uns dereins wieder zuſammen fuͤ-
gen/ nachdem ſie ihrer Verſehung nach/ uns gnug werden gepruͤfet und im Gehorſam be-
wehret haben; inzwiſchen wollen wir mit den Gedanken und ſtaͤtem gluͤkwuͤnſchen ihnen
alle Tage folgen/ ja ohn unterlaß umb und bey ihnen ſeyn/ biß wir ſie mit den Haͤnden wie-
der erreichen/ und mit beyden Armen umfaſſen koͤnnen. Fr. Urſul hoͤrete ihr mit Ver-
wunderung zu/ und entfielen ihr alle Reden/ welche ſie (unter der Hoffnung/ dieſe wuͤrde
mit ihr einſtimmen) ihr vorgenommen hatte/ ohn alle Scheuh heraus zuſtoſſen; endlich
fing ſie alſo an: Geliebte Schweſter; ich bin von Jugend auff mit euch umgangen/ aber
in euren Sinn weiß ich mich ſo wenig zuſchicken/ als haͤtte ich euer gar keine Kundſchaft;
Vor X Tagen woltet ihr gar verzweifeln/ daß ihr euren Ladiſla in XXIV Stunden nicht
geſehen; jetzo mahnet ihr ihn faſt ſelber an/ daß er von euch zihen ſol/ und wiſſet doch nicht/
ob ihr ihn jemahls werdet wieder zuſehen bekommen. Ach Schweſter/ antwortete ſie/ die
Goͤtter kennen mein Herz/ und wie hoch ich wuͤnſche/ nimmermehr von meinem Liebſten
getrennet zuwerden; aber was ſeyn muß/ und von dem unwandelbahren Raht der Goͤtter
ſelbſt beſchloſſen iſt/ dawider hilfft alles mein beginnen weniger/ als wolte ich das uͤbeꝛlauf-
fende Meer mit einem Strohalm zuruͤcke ſchlagen; geſchweige/ daß ich meinen Liebſten
nur unwillig und betruͤbt machen wuͤrde. Fr. Urſul antwortete: Seyd ihr dann/ Frau
Schwe-
[339]Anderes Buch.
Schweſter/ in der Goͤtter Rahtſtube geweſen/ und habt daſelbſt ihren unwandelbahren
Schluß von ihnen gehoͤret? Was ſaget ihr mir von der Goͤtter ihrem Raht? Es iſt eures
Ladiſla und meines Fabius freygewaͤhlter Wille/ ſind vielleicht ihrer Weiber ſchon muͤde/
und ſuchen eine Verenderung; ſehet/ das nennet ihr den Goͤtter-Raht. Ihr Fabius gab
ihr einen Wink/ ſich im reden zumaͤſſigen; aber ſie ſagte durre heraus/ ſie wolte und muͤſte
Herrn Ladiſla die Warheit ſagen/ damit er ſie nicht vor gar zu einfaͤltig hielte; Dann ihr/
ihr Herr Ladiſla/ ſagte ſie/ ſeyd die einige Urſach/ daß ich von meinem Liebſten mich muß
trennen laſſen; woruͤber ſie hefftig anfing zuweinen. Er hingegen wahr ſo beſtuͤrzt/ daß er
ihr ſo bald nicht zuantworten wuſte; Endlich ſagte er: Die Goͤtter wiſſen/ daß ich euren
Liebſten zu dieſer Reiſe nicht beredet habe/ ſondern es iſt ſein freyer Wille/ mit mir fort-
zugehen/ wil auch gerne ſehen/ daß er ſeinen Vorſaz endere; mich aber betreffend/ muͤſte ich
Ritters-Ehre unwirdig ſeyn/ wann ich meine Frl. Schweſter/ ſo umb meinet willen in
Raͤuber Haͤnde gefallen iſt/ ungeſuchet lieſſe/ und mich gegen dieſelbe traͤger und verzag-
ter als mein Herkules/ der nur ihr Oheim iſt/ bezeigete. Fabius ward auch ungehalten/ uñ
ſagte zu ihr: dafern ſie gedaͤchte in ſeiner ehelichen Hulde zubleiben/ ſolte ſie ſich in ſolchen
Reden maͤſſigen/ ſie wuͤrde ſonſt eines groͤſſern uͤbels Urſach ſeyn; dann koͤnte ſie ſich nicht
in guͤte laſſen bereden/ wie ſeine geliebete Schweſter/ wuͤrde er gezwungen/ mit Unwil-
len von ihr Abſcheid zu nehmen; ſagte hernach zu Ladiſla: Er wolte hingehen/ und ihre
Pferde ſatteln laſſen. Als er hinweg wahr/ fing Sophia an/ ihre Waſe zuſtraffen; es waͤh-
re nicht das rechte Mittel/ eines Ehegatten Huld und Liebe zuerhalten/ wann man deſſen
ſteiffen Vorſaz durch noch ſteiffere Hartnaͤckigkeit zu brechen ſich unterſtehen wolte; ſo
wuͤrden die Ritter offt durch Ehre gezwungen/ etwas vorzunehmen/ daß ſie ſonſt wol un-
terlieſſen/ und koͤnte ſie wol erkennen/ daß ihr Gemahl ſchuldig waͤhre/ nicht allein ſeiner
Frl. Schweſter/ ſondern auch ſeinem getraͤuen und liebſten Freunde Herkules zu folgen.
Da treffet ihr den rechten Zweg/ antwortete ſie/ und haͤttet ihr ungleich beſſer getahn/ ſag-
te ſie zu Ladiſla/ daß ihr euch mit eurem Herkules/ als mit meiner Fr. Schweſter haͤttet
ehelich trauen laſſen/ weil ihr ſo gar von demſelben nicht koͤnnet geſchieden ſein/ daß mich
auch wunder nimt/ daß ihr nicht mit Herkules und eurem Gemahl ſtets auff einem Bette
ſchlaffet. Ladiſla lachete daruͤber/ wie ernſtlich ſie gleich ſolches vorbrachte/ und ſahe wol
dz mit dieſer aus Liebeseifer erzoͤrneten Frauen nicht zu handeln wahr/ biß der erſte Schie-
fer wuͤrde voruͤber ſeyn/ daher gab er zur Antwort/ er wolte ſeiner herzlieben Fr. Schwe-
ſter dieſes auff gelegenere Zeit beantworten/ jetzo aber ſeinem Bruder Herr Fabius folgen.
So gehet hin/ ſagte ſie/ und benehmet ihm den Unwillẽ/ welchen er uͤber mich gefaſſet hat.
Ja gar gerne/ antwortete er/ wann ſie nur den ihren von mir abwenden wil. Der wird euch
zu nichts ſchaden/ ſagte ſie/ weil ihr ohn daß nur euren Spot damit treibet. Er entſchuldig-
te ſich deſſen/ boht ihr einen freundlichen Kuß/ und ging hin/ ſeine Waffen anzulegen/ ritte
mit Fabius nach dem naͤheſten Hafen des Adriatiſchen Meers/ in welchem eine gute An-
zahl Roͤmiſcher Kriegsſchiffe lagen/ waͤhleten jeder eines daraus/ welches ihm am gefaͤl-
ligſten wahr/ und lieſſen ſie iñerhalb ſechs Tagen mit aller Notturfft verſehen. Die Kꝛiegs-
und Ruderknechte wurden unter den verſuchteſten ausgeleſen/ und wolte ein jeder dieſen
ritterlichen Zug mit tuhn. Des dritten Tages vor ihrem Abſcheide/ ritten ſie aber hin/ die
V u ijSchiff-
[340]Anderes Buch.
Schiffruͤſtung zubeſichtigen/ und da ſie einen zimlichen Weg bey dem Meeres Ufer ſich
mit reiten erluſtigten/ begegnete ihnen ein alter Mann/ welchen ſie frageten/ was er neues
wuͤſte. Dieſer antwortete: es waͤhre ſider dem naͤheſten uͤberfall der Meer Raͤuber ſtille uñ
ſicher geweſen. Was iſt das vor ein uͤberfall davon ihr redet? fragete Ladiſla. Welcher vor
XVI Tagen ohngefehr/ von den Meer Raͤubern uns leider begegnet iſt/ antwortete der Al-
te. Ladiſla ſagte zu Fabius: gilt Bruder/ dieſer iſt uns von den Goͤttern zugeſchikt/ uns etwz
Nachricht zugeben/ und hoffe/ er ſolle uns ein beſſer Wahrſager ſeyn/ als auff deſſen An-
kunfft mein Gemahl ſo groſſe Hoffnung geſetzet hat; fuhr gegen den Alten fort/ und for-
ſchete/ ob dieſer Raͤuberhauffe nicht gefangene Leute mit ſich gefuͤhret haͤtte. Ja/ ſagte er/ ei-
nen ſehr ſchoͤnen Juͤngling und eine adeliche Jungfer; denen des folgenden Tages ein jun-
ger Herr im ledern Kleide/ mit einem anſehnlichen Diener/ der ein roͤhtliches Haar hat-
te/ nachfolgete. Ladiſla ſprang vor Freuden vom Pferde/ und ſagte: Guter Freund/ ihr
muͤſſet uns hievon etwas mehr ſagen; dann dieſes zuerforſchen/ ſind wir ausdruͤklich hie-
her kom̃en ſo laſſet uns nun wiſſen/ wohin ſegelten dieſe Raͤuber? Meiner Meynung nach/
ſagte er/ richteten ſie ihren Lauff ſtraks in das Meer hinein/ etwa an die aͤuſſerſten Ende
Griechenlandes/ oder wol gar vorbey zu fahrẽ/ welches ich daher muhtmaſſe/ weil ſie Bar-
baren/ und aus den Aſiatiſchen Morgenlaͤndern/ ja wo ich recht habe/ gar aus Parthen
wahren. Freund/ ſagte Ladiſla/ koͤnnet ihr dann die Parthiſche Sprache? Nicht gar/ mein
Herr antwortete er/ ſondern ich verſtehe ſie nur zimlich/ weil ich vor dieſem im Parthiſchen
Kriege gedienet habe. Was vor Gelegenheit aber hatte der junge Herr/ den Raͤubern zu
folgen? fragete Ladiſla weiter. Ich brachte ihn/ ſagte jener/ auff ein Kauffmans Schiff/
deſſen er mich ehrlich lohnete; und dieſes nam ſeinen Weg nach Griechenland/ Handlung
daſelbſt zu treiben. Ladiſla gab ihm VI Kronen/ und ſagte: Mein Alter/ waͤhret ihr alsbald
nach Padua kommen/ und haͤttet dieſes bey dem Stathalter gemeldet/ wolte ich euch das
beſte Meiergut vor der Stad geſchenket haben. Sie kehreten hierauff bald wieder umb/
und berichteten den Stathalter/ was ſie erfahren hatten; Welcher daraus leicht abnam/
was vor eine beſchwerliche Nachſuchung dieſe ſeyn wuͤrde; Dann ſagte er/ wofern Her-
kules vorſezlicher weiſe ſich heimlich halten wird/ ſollet ihr etliche Jahr zubringen/ ehe ihr
ihn auskundſchaffet; dann Griechenland iſt ſehr weitlaͤufftig/ und die umbligende Eylan-
de mannigfaltig. Die Goͤtter moͤgen euch ſonderlich fuͤhren/ ſonſt ſehe ich kein außkom̃en.
Uberdas hoͤre ich/ er ſey gewohnet/ fremde Nahmen an ſich zunehmen darumb fraget nit
ſo viel nach/ wie er heiſſe/ als wie er geſtalt ſey/ und ſein Diener genennet werde. Jungfer
Libuſſa wolte Herren Ladiſla vor ſeinem Abſcheide etwas Nachricht geben/ und zeigete
an/ Fraͤulein Valiſka lieſſe ſich Herkuliſkus nennen. Bey meiner traͤue/ ſagte hierauff La-
diſla zu ſeinem Gemahl; dieſe Jungfer duͤrffte eine gute Dolmetſcherin eurer verborge-
nen Reimen ſein/ und mich den Goͤtter-Spruch inetwas treffen lehren; dann ſehet den
Anfang deſſelben/ welcher alſo lautet: Der miſchte Nahme; das iſt/ der vermiſchete; dañ aus
Herkules und Valißka/ iſt der Nahme Herkuliſkus gemacht; und wird er gewißlich es
mit ſeinem Nahmen auch alſo ſpielen. Und zwar hieraus nahm er noch den groͤſten Arg-
wohn/ es muͤſte eine vertrauliche Liebe zwiſchen ihnen beyden ſeyn/ davon er nichts wuͤſte.
Vor ſeinem Abſcheide redete er ſonſt mannicherley mit ſeinem Gemahl/ ſchrieb auch an
ſei-
[341]Anderes Buch.
ſeine Fr. Mutter und die ſaͤmtlichen Landſtaͤnde; zeigete ihnen ſeine Reiſe an/ und weil er
nicht wiſſen koͤnte/ wie bald er dieſelbe zum Ende bringen/ und was ihm begegnen moͤch-
te/ verordnete er/ da die Goͤtter verhoffentlich ſein Gemahl mit Leibesfrucht geſegnet
haͤtten/ daß ſie ſolchen kůnfftigen Erben ihnen ſolten laſſen befohlen ſeyn/ als dem nach
ſeinem ableiben die Krohn Boͤhmen unſtreitig zu ſtehen wuͤrde. Sein Gemahl ſolte
auff dieſen Fal in das Koͤnigreich nicht mit lediger Hand kom̃en/ ſondern uͤber LXX Ton-
nen Goldes hinein bringen; woraußſie gnug urteilen koͤnten/ daß er von der Krohn keines
Unterhalts beduͤrffte. Als er dieſen Brieff gleich verſiegelt hatte/ trat ſein Gemahl zu ihm
ins Gemach/ und lieſerte ihm ein Schreiben/ welches von Roman Herkules haltend/ ge-
bꝛacht wuͤrde. Ladiſla ſahe des umſchlages Aufſchrifft/ uñ erkeñete/ dz ihn Sabinus ihꝛ al-
ter Wirt daſelbſt/ geſchrieben hatte; reiß den Umſchlag davon/ und laſe die Auffſchrift des
ingelegten Briefes: Dem Durchleuhtigſten Fuͤrſten und Herrn/ Herrn Herkules/ gebornẽ Groß-
fuͤrſten/ meinem herzlieben Sohne. Er bedachte ſich/ ob ers brechen/ oder ungeleſen verſchloſ-
ſen laſſen ſolte; endlich/ weil er fuͤrchtete/ es moͤchte einer Antwort beduͤrffen/ oͤffnete ers/
und laſe folgenden Inhalt: Herzlieber Sohn; dein Schreiben/ neben dem uͤbergemachten Beut-
pfennige/ Pferden und Harniſch an deinen Bruder Baldrich/ und Frl. Schweſter Klaren/ iſt alles ge-
traͤulich eingeliefert/ und erfreuen wir uns deiner Ehr und Wolergehens; wundert auch deinen Herꝛn
Vater nicht wenig/ daß unſere Goͤtter/ die du ſo veraͤchtlich haͤlteſt/ dich ſo weit uͤberſehen/ und nach
unſer Pfaffen Draͤuung nicht alsbald in die tieffſte Pfuͤtze alles Ungluͤks ſtuͤrzen. O wie hermet ſich
dein Herr Vater/ daß er dein/ mit hoͤchſtem Schaden des ganzen Vaterlandes/ entbehren/ und ſeinen
aͤrgeſten Feinden/ den Roͤmern zum beſten/ dich ſo fleiſſig muß auferzogen haben. Sey ja vorſichtig/
und laß dich von ihnen nicht auff dein Vaterland hetzen/ deſſen Verderben ſie mehr als einigem Din-
ge nachtrachten. Dein Bruder und Frl. Schweſter gruͤſſen dich herzlich/ nebeſt freundlicher Dankſa-
gung vor das uͤbergeſchickete. Unſers Sohns Ladiſla Heyraht komt uns allen ſehr verdaͤchtig vor/ ſe-
het zu/ und vertieffet euch nicht zuweit mit den liſtigen Roͤmern/ welche unſer Freyheit Stricke zulegẽ/
nimmer auffhoͤren werden/ damit Kindeskinder nicht urſach haben/ euch nach dem Tode zuverfluchẽ.
Lebe wol/ und gruͤſſe deinen Ladiſla. Geſchrieben von deiner getraͤuen Mutter Gertrud/ Groß Fuͤrſtin
der Freyen Teutſchen.


Nach verleſung legte er den Brieff in ſeiner Gemahl Gegenwart wieder zuſam̃en/
und damit er ihr keinen boͤſen Argwohn machete/ ſagte er; es wuͤrde bloß nur vor dz uͤber-
geſchikte nach Teutſchland/ gedanket/ und waͤhre von Herkules Fr. Mutter geſchrieben;
redete nachgehends mit ihr von unterſchiedlichen Sachen/ und verſprach ihr/ innerhalb
ſechs Monaten auffs laͤngſte/ ſich zu Padua wieder einzuſtellen/ oder wegen ſeines außblei-
bens ſchriftliche Anzeige zu tuhn; wuͤrde ſie dañ unterdeſſen von Herkules oder ſeiner Frl.
Schweſter/ Zeitung haben/ folte ſie ſolches an Sabinus nach Rom ſchrifftlich gelangẽ laſ-
ſen/ der ihm ſolches auff Begebenheit zuſenden wuͤrde; dann weil von allenthalben her
nach Rom Botſchafften gingen/ wolte er dahin an obgedachten Sabinus offt ſchreiben/
da er nicht inzwiſchen ſeinen Herkules ſolte außforſchen koͤnnen. Sie verhieß ihm alles
fleiſſig in Obacht zu nehmen/ und hoffete zu den Goͤttern/ es wuͤrde auff jetzige traurige
Scheidung eine abermahlige/ und zwar beſtendige zuſammen fuͤgung erfolgen. Aber eines
Bitte ich ſehr/ ſagte ſie/ mir in Vertrauen zu offenbahren; hat Herr Herkules ſich mit
euer Frl. Schweſter ehelich verſprochen/ ſo verberget es nicht vor mir/ weil ich nicht ohn
Urſach darnach frage. Gewißlich mein Schaz/ antwortete er/ ich weiß hiervon durchauß
V u iijnichts
[342]Anderes Buch.
nichts mehr/ als was ich beginne zu muhtmaſſen; moͤchte auch von herzen wuͤnſchen/ daß
etwas daran waͤhre/ deſſen ich doch keinen Grund zu finden weiß; es waͤhre dann/ daß vor
zwey Jahren ſie ihre Sachen mit einander abgeredet haͤtten/ wovon aber meine Fr. Mut-
ter eben ſo wenig weiß als ich und ihr; ſo hat mein Herkules mir deſſen nicht die geringſte
Anzeigung getahn/ welches mir den groͤſten Zweiffel verurſachet/ inbetrachtung/ er ſehr
wol weiß/ das beydes ich und meine Fr. Mutter ſie niemand in der ganzen Welt lieber
goͤnnen/ als ihm; doch habe ich numehr Muhtmaſſung gnug/ dz meine Frl. Schweſter eine
Liebe zu ihm trage/ und ihr nicht geringe Hoffnung mache/ ihn zum Gemahl zubekom̃en.
Aber mein Herz/ ſaget mir doch/ warumb ihr ſo fleiſſig hiernach fraget. Fr. Sophia lache-
te/ und gab zur Antwort; mir ſolte gleich ſo wol als euch nichts liebers ſeyn/ wann dieſe
Heyraht vorwaͤhre; jm widrigen goͤnnete ich ihm keine lieber/ als meine geliebte Schwe-
ſter Frl. Sibyllen. Mein liebſter Schaz/ ſagte er/ ſo bald uns das Gluͤk zuſammen brin-
get/ wil ich mich deſſen bey ihm erkuͤndigen/ auch auff wiedrigen Fal allen fleiß anwenden/
euer Vorhaben zubefodern/ wie wol dem lieben Fraͤulein keine Hoffnung zu machen iſt/
dann ich gar nicht zweiffele/ daß wo er meine Frl. Schweſter in der Wilden fremde erret-
ten/ und in ſeine Gewarſam uͤberkommen wird/ duͤrfften ſie noch wol ſchlieſſen/ was an-
noch ungeſchloſſen iſt. Der junge Fabius kam gleich darzu/ und meldete/ daß die Schiffe
fertig ſtuͤnden/ und ein ſehr guter Wind ihrer wartete; deßwegen ließ Ladiſla ſeine Leib-
gutſche bringen/ auff welche er ſich mit ſeinem Gemahl ſetzete; Fabius wahr mit ſeiner
Urſul auch auff einer allein/ die ſich nunmehr eines beſſern bedacht/ und in ſein Vorhaben
eingewilliget hatte; auff der dritten wahr der Stathalter und ſein Gemahl/ und auff der
vierden Frl. Sibylla und Jungfer Libuſſa/ als welche ihnen das Geleite biß an die Schiffe
gaben. Klodius ritte zu Ladiſla an die Gutſche/ uñ bat ſehr/ ihre Gn. moͤchte ihn mit auf ſein
Schiff nehmen/ dann da er mit Herr Fabius fahren ſolte/ fuͤrchtete er ſich/ es moͤchte ihm
dereins zu Haͤupte ſteigen/ daß er ihn ehemahls ſo unbedachtſam außgefodert; verſprach
auch/ ſein Leib und Leben bey ihm willig auffzuſetzen; bekam aber zur Antwort; er ſolte ſich
deßwegen gar nicht bekuͤmmern/ weil er ſo wol ihn als Markus der Dienſte zu erlaſſen ge-
ſinnet waͤhre/ daß ſie hinfuͤro ihres Willens leben ſolten/ und nicht deſtoweniger vier Jahr-
lang ihren volkommenen Sold empfangen/ als ob ſie wirklich dieneten; befahl auch ſei-
nem Gemahl/ deſſen eingedenke zu ſeyn. Er aber ward wegen ſolcher Antwort ſehr betruͤ-
bet/ und zeigete mit traurigen Geberden an; er und ſein Spießgeſelle Markus wolten nit
hoffen/ ſo untraͤulich gedienet zuhaben/ daß ſie dergeſtalt auff ſtehen dem Fuſſe ſolten beur-
laubet werden; baͤhten demnach untertaͤhnigſt/ da ſie in vorigen Dienſten nicht koͤnten ge-
laſſen werden/ ſie nur vor Schiffſoldaten zubeſtellẽ/ weil ſie durch aus nicht bedacht waͤh-
ren/ ihre Herren vor Außgang der verſprochenen Jahre zuverlaſſen/ es waͤhre dann/ daß
dieſelbe ſich vor der Zeit in ſicherem Stande befuͤnden/ und ihre Herſchafften antraͤten.
Wolan/ ſagte Ladiſla/ weil ihr ſo redlich ſeid; und euren Herren zu Liebe/ viel lieber die
Gefahr waͤhlen/ als auff euren Guͤtern in guter Ruhe ſitzen wollet/ ſo ſol euch hinfuͤro eu-
er Monatlicher Sold doppelt außgezaͤhlet werden; und wer weiß/ womit ihrs verdienet/
daß euch alle vorgeſchoſſene Gelder gar geſchenket werden? Klodius entſchuldigte ſich/
es haͤtte dieſe Meynung nicht; die ſchon erzeigete Gnade und Woltahten waͤhren ohn dz
viel
[343]Anderes Buch.
viel wichtiger/ als ſie Zeit ihres Lebens erſetzen koͤnten; Und weil Ladiſla wol erkennete/
daß dieſer gnugſame Urſach hatte/ ſich Fabius Geſelſchafft zu entaͤuſſern/ wiewol ihm der-
ſelbe von herzen gewogen wahr/ behielt er ihn bey ſich/ und ordente Leches und Markus auf
Fabius Schiff/ der ſie willig und mit Dank annam/ auch alsbald Leches zum Befehlichs-
haber uͤber das ganze Schiff/ und Markus zum Haͤuptman uͤber die Kriegsknechte ernen-
nete/ jedoch dz dieſer Leches Befehl gehorſamen ſolte. Ladiſla gab Klodius auch die Haͤupt-
manſchafft uͤber ſein Schiff/ und wahr ihm ſonderlich liebe/ daß er ſchon vor dieſer Zeit
zur See gefahren/ und ihm die Griechiſchen Meerhaffen und vornehmſten Eylaͤnder be-
kand wahren. Als ſie dem Meer naheten/ und die auff dem Schiffe ihrer anſichtig wurden/
lieſſen die Boßknechte ſamt den Soldaten einſtarkes Freudengeſchrey gehen/ und hieſſen
ihre Herren mit den Trometen wilkommen. Der Stathalter lies alle Schiffknechte und
Soldaten ſchwoͤren/ dem Roͤmiſchen Reich getraͤue zu ſeyn/ und dieſen ihren bey den O-
berſten allen Gehorſam biß in den Tod zu leiſten. Es wahren alle außerleſene Knechte/
und des Meers uͤberal erfahren/ unter denen eine zimliche Anzahl aͤdler wahren/ welche
ſich unterhalten lieſſen/ in dieſem loͤblichen Zuge etwas zu ſehen. Am Ufer des Meers nah-
men die Soͤhne vor erſt Abſcheid von ihren Eltern/ und befahlen ſich ihrer ſteten Gunſt
und Liebe. Fr. Pompeja kunte vor betruͤbnis kein Wort reden/ ſagete endlich mit vielen
Traͤhnen; der almaͤchtige Gott Himmels Erden und Meers ſey euch gnaͤdig; der ſchuͤtze/
leite und fuͤhre euch/ daß ihr nach wol verrichtetem Vorhaben friſch und geſund wieder-
kommet/ und nach dieſer Bekuͤmmernis die euren wieder erfreuet. Hernach trat Ladiſla
zu ſeinem Gemahl/ uñ in dem er ſie anreden wolte/ belieff ihm das Hertz/ daß er kein Wort
ſprechen kunte; ermannete ſich doch bald/ und mit einem lieblichen umbfahen ſagete er;
Mein außerleſenes Herz/ ich hoffe euch ehe wieder zu ſehen/ als ihr moͤget Glauben haben;
unterdeſſen befehle ich euch dem Schuz aller Goͤtter/ zweiffele nicht/ ihr werdet meine ge-
traͤue Liebe allemahl im friſchen Gedaͤchnis fuͤhren und verwahren. Sie hingegen em-
pfand ſolche innigliche Schmerzen in ihrer Seele/ daß ihr nicht anders zu muhte wahr/
als ſolte ihr das Herz im Leibe berſten; endlich brachen die Traͤhnen haͤuffig loß/ wodurch
ſie etwas Lufft bekam/ daß ſie antwortete: O mein außerwaͤhlter Schaz/ an dem ich alle
meine Wolluſt und Ergezligkeit habe; ich bitte euch herzlich und umb unſer Liebe willen/
waget euch nicht zu kuͤhn in Gefahr/ und ohn Beyſtand; und da euch andere umb Huͤlffe
anſuchen/ ſo entbrechet euch deſſen/ als viel ritterliche Ehre immermehr zulaſſen kan/ in be-
tracht/ daß ihr nicht allein der eure/ ſondern auch der meine ſeid. Schreibet mir ja bald/
wann ihr an Land kommet/ oder euch ein Schiff auffſtoſſet welches dieſes Orts anlaͤnden
wolte/ und ſeid dem Schuz aller Goͤtter befohlen. Sehe ich euch wieder/ ſo bin ich vergnuͤ-
get; wo nicht/ muß ich gedenken/ ich bin eines ſo groſſen Gluͤks nicht wirdig geweſen. Mit
dieſem Wort fiel ſie in Ohmacht nieder zur Erden/ daß das Frauenzimmer herbey zu tre-
ten/ und ſie zuerquicken genoͤhtiget ward. Ladiſla erinnerte ſie ihrer bißher erzeigeten und
ſo teur angelobeten Beſtaͤndigkeit/ welche ſie nicht beyſeit ſetzen/ ſondern eine geringe Wie-
derwertigkeit geduldig außhalten moͤchte; worauff ſie ſich erhohlete/ kuͤſſete ihn freundlich
zur Gluͤkwuͤnſchung einer guten Reiſe/ und ſagte; Nun ſo fahret unter Gluͤcks begleitung/
und eilet mit eurer Wiederkunfft/ damit dieſelbe groͤſſere Vergnuͤgung/ als der Abſcheid
Schmer-
[344]Anderes Buch.
Schmerzen bringe. Stieg hiemit auff ihren Wagen/ und nam Sibyllen ſamt Libuſſen zu
ſich. Dieſe lezte nun wahr dieſe Tage uͤber von ihrem liebſtẽ Leches ſo wol bedienet/ daß ſie
etlichemahl vornam/ ſich mit ihm auff den Weg zubegeben/ unter dem Schein/ als wolte
ſie dem Fraͤulein folgen; dann es ging ihr hart ein/ ihn ſo bald von ſich zihen zu laſſen; je-
doch umb verdachts willen zohe ſie ſich allemahl wiederzuruͤcke. Leches hielt unterſchied-
lich bey ihr an/ das Beylager vor ihrer Reiſe zuvolſtrecken/ kunte es aber nicht erhalten/
ſondern bekam dieſe Zuſage: ſo bald ihn die Goͤtter gluͤklich wieder zu Lande bringen wuͤr-
den/ ſolte in ſein Begehren unwegerlich eingewilliget werden; womit er fich ſehr ungern
abſpeiſen ließ. Der junge Fabius/ da er von ſeinem Gemahl/ die ſich kaum wolte troͤſten
laſſen/ Abſcheid genommen hatte/ trat hin zu ſeiner Schweſter an die Gutſche/ geſegne-
te ſie/ und befahl ſich ihrer Schweſterlichen Gewogenheit/ mit Bitte/ ſie moͤchte ſein Ge-
mahl nicht verlaſſen/ ſondern ſie in ihre Geſelſchafft auffnehmen. Sie hingegen vermah-
nete ihn traͤulich/ der guten Vorſichtigkeit ſich zugebrauchen/ und allerunnoͤhtigen Ge-
fahr muͤſſig zu gehen/ damit er durch ſeine geſunde Wiederkunfft die ſeinen ingeſamt wie-
der erfreuen moͤchte. Darauff lieſſen ſie ihre Pferde zu Schiffe bringen/ und weil das
Weinen Zeit ihrer Gegenwart bey dem Frauenzimmer nicht nachlaſſen wolte/ eileten ſie
nach den Schiffen/ hieſſen die Anker lichten/ und die Segel auffſpannen/ wuͤnſcheten allen
hinterbleibenden gluͤkliches Wolergehen/ und fuhren froͤlich davon/ lieſſen auch die Tro-
mete blaſen/ als lange ſie die ihren am Ufer ſehen kunten; welche die Seekante auch nicht
verlaſſen wolten/ ſo lange ſie die Schiffe im Geſichte hatten; hernach kehreten ſie umb/
und fuhren in groſſer Traurigkeit nach Padua/ da Fr. Sophia erſt bereuete/ daß ſie bey
ihrem Gemahl nicht fleiſſiger angehalten/ ſie mit zunehmen; und haͤtte ſie ohn zweiffel ihr
Leben durch graͤmnis geendet/ dafern die ſtete Geſelſchafft Frl. Sibyllen und Jungfer Li-
buſſen nicht geweſen waͤhre; dann dieſe inſonderheit kunte ihr ſo luſtige Schwaͤnke vor-
machen/ daß ſie darob ſonderlichen Gefallen trug/ und ihr vornahm/ ſie nimmermehr zu
verlaſſen. Ladiſla hatte mit Fabius Abrede genommen/ er wolte etwas nidriger Nord-
warz an Griechenland fahren/ und moͤchte er ſich beſſer nach Suden in einem Hafen des
Landes Peloponneſus anfinden. Sie hatten beyderſeits ungemaͤſſigte ſchrifftliche Vol-
macht/ als Roͤmiſche Geſanten bey ſich/ denen allenthalben/ wo Roͤmiſcher Nahme guͤl-
tig/ auff begehren ſolte gewilfahrt werden/ welches vor Roͤmiſcher Kaͤyſerl. Hocheit alle-
mahl zuverantworten/ ſich H. Q. Fabius als Stathalter/ in ſolchen Briefen erboht. Ehe
und bevor dieſe beyden Schiffe ſich ſcheideten/ ſahen ſie von ferne drey auff dem Meer hin
und wieder ſchwebende Schiffe/ welches ihren Steurmannen verdaͤchtig vorkam/ in ſon-
derheit/ weil ſie keine Flaggen bey ihnen ſahen/ aus welchen ſie haͤtten urteilen moͤgen/ was
vor Leute oder Landesart ſie waͤhren/ daher ſie ſolches ihren beyden Herren anzeigeten/ wel-
che ihre Kriegsknechte hieſſen das Gewehr fertig halten/ und auf Begebenheit ihren Fuͤh-
rern friſch nachſetzen; ſie hielten vor gut/ daß ihre Schiffe nahe bey einander bliebẽ/ damit
nit etwa eines von jener zweien zugleich angetaſtet wuͤrde. Als ſie naͤher zuſam̃en kahmen/
ſagte Fabius Schifman; ohn Streit werden wir dieſen nit entweichen/ dañ ich ſehe/ daß es
Pañoniſche Schiffe ſind/ welche uns Roͤmeꝛn mañichen ſchadẽ auf dem Meeꝛ tuhn/ wañ
ſie gelegẽ heit darzu haben. Ladiſla ward deſſen auch berichtet/ daher ſie ihrer Schanze um
ſo viel
[345]Anderes Buch.
ſo viel fleiſſiger wahr nahmen. Nu hatten jene nicht allein die unſern ſehr fruͤh ins Geſicht
bekommen/ ſondern auch oben von den Maſtkoͤrben ihre Flaggen/ daß ſie Roͤmiſch wah-
ren erkennet/ und weil ſie auf jedem Schiffe 80 bewehreter Mann hatten/ auch bald inne
wurden daß die unſern bey weitem nicht ſo ſtark waͤhren/ nahmen ſie ihnen vor/ ſich ihrer
zubemaͤchtigen/ nicht allein daß ſie ihren damahligen oͤffentlichen Feinden abbruch tuhn/
ſondern auch verhoffentlich gute Beute erſtreiten moͤchten; und damit den unſern bald
anfangs eine Furcht eingejaget wuͤrde/ ſtelleten ſie alle ihre Volker oben auff die Schiffe
in gute Ordnung mit vollem Gewehr/ ſendeten bald darauff in einem Jagtſchiffe an ſie/
mit befehl/ ihr Gewehr niderzulegen/ alle Guͤter ſo ſie bey ſich fuͤhreten/ ihnen als ihr eigen
Gut zuliefern/ und ſich ſelbſt ihnen auff Gnade und Ungnade zuergeben. Ladiſla ließ den
Abgeſchikten anhalten/ und nach kurzem Kriegsraht ſendete er einen verſtendigen Boots-
knecht ihnen wieder zu/ welcher nach kurzer Wiederhohlung/ was an ſie geworben wahr/
dieſe Antwoꝛt geben muſte. Meine Herꝛen in jenen beyden Schiffen/ ſo aͤdle Roͤmiſche Rit-
ter ſind/ des Vorhabens ohn einiges Menſchen Beleidigung nach Griechenland zuſegeln/
begehren von euch zuwiſſen/ was vor Leute ihr ſeyd/ von wannen ihr kommet/ und welcher
ſchaͤndliche Frevel euch muhtige/ ein ſolches Begehren an ſie abgehen zulaſſen/ welches
nicht menſchlich/ ſondern viehiſch/ ja recht teufliſch iſt/ behalten ihnen auch vor/ es gebuͤhr-
lich an den Redlensfuͤhrern zuraͤchen. Der Haͤuptmann des erſten Schiffes ſagte darauf
mit einem Gelaͤchter; die Antwort wollen wir ihnen geben/ doch nicht/ daß ſie dieſelbe hoͤ-
ren/ ſondern mit betruͤbeten Augen ſehen ſollen; hieß auch ohn ferneres Bedenken dieſen
Bohten an den Maſtbaum aufhenken/ und zwar mit dieſer Troſtrede; weil ſeine ganze
Geſelſchaft doch ſterben muͤſte/ ſolte er die Ehre haben/ der erſte zuſeyn. Dieſer Schifknecht
ſehend/ daß er ſein Leben nicht retten kunte/ reiß ſich loß von denen die ihn hielten/ ſtieß dem
Haͤupmann ſein Brodmeſſer ins Herz/ ſprang aus dem Schiffe ins Meer/ und weil er ein
ſehr guter Schimmer wahr/ gluͤckete es ihm/ daß er davon kam/ maſſen die unſern ſeinen
Sprung in das Meer erſehend/ ihm alsbald ein Boͤtchen entgegen ſchicketen/ in welches
er trat/ und den unſern ſeine Verrichtung meldete. Woruͤber hoch und nidrig ſo entruͤſtet
wurden/ daß ſie ſich aͤidlich verbundẽ/ die Schmach zuraͤchen oder zuſterben/ nahmen auch
den Pannoniſchen Abgeordenten/ und knuͤpfeten ihn alsbald auf/ welches die Feinde wol
ſahen/ und ſich des Frevels/ wie ſie es nenneten/ nicht gnug verwundern kunten/ ſetzeten ſich
alsbald zuſammen/ und verfluchten ſich hoch/ den Tod ihres Abgeſchikten grauſam zuraͤ-
chen; Es wahren an Feindes ſeite in jedem Schiffe X Geharniſchte/ die uͤbrigen alle Ge-
panzert; aber bey den unſern wahren nicht allein die Haͤupter/ als Ladiſla/ Fabius/ Leches/
Klodius und Markus/ ſondern auch alle aͤdle ſo unter ihnen wahren/ an der Zahl XLV mit
guten Harniſchen/ die uͤbrigen mit Panzerhemden/ Sturmhauben und Bruſt ſtuͤcken odeꝛ
Krebſen wol verſehen. So bald ſie ſich erreicheten/ wahren ſie von beyden ſeiten bemuͤhet/
wie ſie der Feinde Schiffe an die ihren mit ſtarken Haken feſt anheften moͤchten. Der un-
ſern Schiffknechte hielten an/ daß jhnen erlaͤubet wuͤrde mit zufechten/ welches ihnen La-
diſla verhieß/ daß ſie zum Entſaz ſolten gebraucht werden/ daher ihrer XXXVI ſich mit ih-
ren Waffen fertig hielten. Der erſte Angrif wahr uͤber allemaſſe ernſtlich und herbe/ dann
die Pañonier meineten es ſolte ihnen nicht fehlen mit ihrer erſten Wuht durchzud’ringen/
X xund
[346]Anderes Buch.
und dieſem Spiele eine kurze Endſchafft zugeben/ aber ſie funden uͤber verhoffen Schuch
vor ihre Fuͤſſe; dann Fabius/ Leches und Markus/ in dem einen/ Ladiſla aber und Klodius
im andern Schiffe drungen dergeſtalt zu ihnen ein/ daß ſie keinen Fußbreit gewinnen kun-
ten. Weil auch Fabius Schiff das groͤſte/ und mit der meiſten Manſchaft beſetzet wahr/
machten ſich zwey Feindes-Schiffe an daſſelbe/ eines von fornen her/ das ander von der
ſeite/ deswegen Fabius mit 50 Mann den Voͤrderteil/ Leches aber und Markus die ſeite
mit gleicher Manſchafft ſchuͤtzeten. Ladiſla munterte die ſeinen anfangs mit freidigen woꝛ-
ten/ hernach mit tapferem Gefechte auf/ dann er wuͤtete nicht anders als ein Loͤue/ und rieff
uͤberlaut; ihr Raͤuber und Moͤrder/ gedenket ihr dañ/ das redliche Ritter ſich von euch als
zur ſonderlichen Gnade alsbald wollen henken laſſen? Es ging an allen dreyen Orten zim-
lich fruͤh uͤber des Feindes geharniſchte/ nach deren Erlegung die Zeichen des Sieges ſich
an der unſern ſeite ſpuͤren lieſſen; dann Ladiſla drang dergeſtalt durch/ daß er in des Fein-
des Schiff uͤberſprang/ und folgete ihm Klodius ſamt XII ſtreitbahren aͤdlen friſch nach/
denen immerzu mehr folgeten/ daß endlich Freund und Feind alle in dem einen Schiffe
wahren; Die Pannonier hieſelbſt wahren uͤbermannet/ und begunten ſchon das Gewehr
von ſich zuwerffen/ rieffen umb Gnade/ und begehrten Lebensfriſtung; welches ihnen aber
nicht verheiſſen ward/ ſondern Klodius muſte mit XX Mann hie bleiben/ und den Gefan-
genen/ deren XLV wahren/ Ketten anlegen/ wozu die angeſchmiedete Bootsknechte/ welche
gefangene Roͤmiſche wahren/ tapffer holffen; Mit den uͤbrigen ging Ladiſla fort nach Fa-
bius/ der einen harten Stand hielt/ und dem Feinde ſchier haͤtte weichen muͤſſen/ dann die
allertapfferſten fochten gegen ihn; Auf Ladiſla Ankunfft aber enderte ſichs bald/ maſſen
derſelbe ſich an den Haͤuptman einen ſtarken verwaͤgenen Kaͤmpffeꝛ machete/ und ihm den
rechten Arm laͤhmete/ daß er muſte ruhig ſeyn; Fabius ſchaͤmete ſich/ daß er ſeiner Huͤlffe
bedurffte/ und ging daher ſo eiferig loß/ daß er zu den Feinden uͤberſprang/ da ihm Ladiſla
und Markus folgeten; Die Feinde aber wolten nicht ſo leicht hinter ſich weichen/ daß ſie
den ihren Raum gemacht haͤtten/ nachzuſetzen/ daher ſie immer ſchlagen und ſtechen mu-
ſten/ daß ſie nach gerade etliche wenige Helffer bekamen/ welche auch ſo friſch hinein drun-
gen/ daß die Feinde ihnen Raum genug geben muſten/ und endlich/ als uͤbermannet/ das
Gewehr niderlegen; Daher auch Markus hieſelbſt mit XXX Kriegsleuten blieb/ die ange-
ſchmiedeten losmachte/ und die freien in Bande legete. Da drungen nun Ladiſla uñ Fabius
mit ihrer ganzen Macht auff das dritte Schiff/ auff welches Leches ſchon ſelb zwoͤlfen fe-
ſten Fuß geſetzet hatte; Dieſe der ihren Niderlage erſehend/ haͤtten ſich gerne durch die
Flucht gerettet/ aber ſie kunten das Schiff nicht losmachen; ſo kam ihnen auch der Ent-
ſatz gar zu zeitig uͤber den Hals/ daß ſie ſich gleich den andern ergaben/ und die Bande an-
nahmen. Es wahren an Feindes Seiten in allen dreyen Schiffen LX erſchlagen/ und 180
gefangen; Da hingegen an unſer Seite nur V aͤdle IIX unaͤdle tod; auch XVI aͤdle uñ XXII
unaͤdle verwundet wahren. Bald nach erhaltenem Siege wurden die Pannoniſchen
Haͤuptleute und alle Befehlichshaber auf Fabius Schiff gebracht/ welche Ladiſla in Pan-
noniſcher Sprache alſo anredete: Finde ich euch nun in ſolcher geſtalt/ ihr trotzige uñ ver-
waͤgene Schelme und Moͤrder/ die ihr mir und meinen redlichen Geſellen und Kriegs-
leuten den Strang zur hoͤchſten Begnadung anbieten duͤrffen/ da unſer keiner euch jemal
belei-
[347]Anderes Buch.
beleidiget hat; Ja/ waret ſo gottlos/ daß ihr wider aller Voͤlker Rechte meinen Abgeſchik-
ten zur Kurzweil woltet henken/ welchen doch der Him̃el augenſcheinlich aus euren Haͤn-
den errettet und lebendig erhalten hat? Da ſehet ihr (nach dem Maſtbaum zeigend) euren
Abgeſchikten am Strange bammeln/ weil ihrs mit Gewalt alſo habt haben wollen; Und
ſollet mir ſtraks angeſichts anzeigen/ ob der mir und den meinen angebohtene Tꝛoz nur von
etlichen/ oder aus algemeiner Bewilligung herruͤhre. Es wolte anfangs keiner vor dem
andern antworten/ biß Fabius einen beym Arme faſſete/ und zu ihm ſagete: Bald gib Be-
ſcheid auff die Frage/ oder du ſolt die Folter beſcheiſſen. Dieſer durch die Warheit Gnade
zuerlangen hoffend/ bekennete: es waͤhre von den dreyen Oberhaͤuptleuten alſo angeſtifftet
und von ihnen allen hoch und nidrig alſo beliebet worden. Wolan/ antwortete Ladiſla/ ſo
ſol euch allen widerfahren/ was ihr andern unſchuldigen habt tuhn wollen. Klodius und
Markus wahren inzwiſchen an die zuvor angeſchmidete/ nunmehr freygemachte Ruder-
knechte abgeſchikt/ bey jhnen zu erkuͤndigen/ weſſen ſich dieſe Pannonier bißher auff dem
Meer verhalten haͤtten; Da ihrer etliche andeuteten: ſie haͤtten inwendig eines halben
Jahrs friſt XIIX Roͤmiſche Kauffmans Schiffe uͤberwaͤltiget/ alle Guͤter zur freyen Beu-
te gemacht/ und die Menſchen ohn Unterſcheid/ ob ſie ſich gleich willig er geben/ dannoch
nach hefftiger Pruͤgelung an ihre eigene Maſtbaͤume aufgeknuͤpffet/ und nachgehends die
Schiffe treiben laſſen/ wie ſie der Wind gefuͤhret. Die unſern entſetzeten ſich vor ſolcher
unmenſchlichen Grauſamkeit/ und ſprachen ihnen die Urtel/ daß ihnen allen ein gleiches
ſolte angeleget werden; Wurden demnach anfangs die Haͤuptleute und Befehlichshaber
von den Ruderknechten aus allen fuͤnff Schiffen ohn alle Barmherzigkeit biß auf den Tod
epruͤgelt/ und nachgehends an ihre eigene Maſten/ weil ſie noch lebeten/ angeknuͤpffet.
Weil ſolches die Pannoniſchen gemeinen Knechte anſahen/ trieben ſie ein jaͤmmerliches
Geheule/ weil ſie wuſten/ daß es ihnen gar bald gleich alſo ergehen wuͤrde/ wie dañ geſcha-
he/ biß ſie alle mit einander auff ſolche weiſe hingerichtet wahren/ und die drey Maſtbaͤume
von unten auff mit ſolchen Buben behaͤnget wurden. Die Beute/ welche ſie bey ihnen an-
traffen/ wahr uͤberaus groß/ wovon den Kriegsleuten und Schiffknechten in gleicher Tei-
lung/ doch nach Unterſcheid der Aempter ein ſtatlicher Beutpfennig gegeben ward/ ſo daß
jeder gemeiner Knecht 800 Kronen bekam/ die erloͤſeten aber/ deren uͤber hundert wahren/
jeder 400 Kronen. Es ward von Fabius ein groſſer Brief gemacht/ und an den groͤſten
Maſtbaum des erſten Schiffes geſchlagen/ worin aller Verlauff kuͤrzlich berichtet ward/
uñ muſten die erloͤſeten Ruderknechte aͤidlich angeloben/ dz ſie die Schiffe uͤberbringen/ uñ
ſich zu Padua bey dem Stathalter angeben ſolten. Weil auch XXVI unter dieſen wahren/
welche umb Kriegsbeſtallung bey den unſern anhielten/ wurden ſie willig angenommen/
und dadurch der erſchlagenen Stelle gnug erſetzet. Des andern Tages ſchieden Ladiſla uñ
Fabius/ gemachtem Schluſſe nach/ von einander/ und eilete Ladiſla ſehr/ dann ſein Hertz
wahr ihm ſchwer/ daß er zu Klodius ſagete: Mir muß etwa ein Ungluͤk bevorſtehen/ oder
meiner beſten Freunde einer leidet noht. Dieſer baht ihn/ nicht zu ſtraͤnge zu ſegeln/ dann
es gaͤbe alhie viel verborgene Klippen/ welche mannichen Schiffbruch verurſacheten. Deꝛ
Steurman trat auch hinzu/ und meldete: man muͤſte ſich wenden/ und die Hoͤhe wie der er-
greiffen/ damit das Schiff und ihr aller Leben nicht in Gefahr kaͤhme; welches ihm Ladiſla
X x ijnicht
[348]Anderes Buch.
nicht wehren durffte/ dann er ſahe ſelbſt/ daß man zu weit gangen wahr; Daher ſie etliche
Tage zwiſchen den Klippen zubrachten/ und nicht geringe Gefahr ausſtunden/ biß ſie end-
lich in einen Hafen/ gegen Korzyra uͤber/ einlieffen/ woſelbſt er ſein Schiff ausbeſſern ließ/
und ſich wieder auffs Meer begab/ da er wegen Windes Widerwertigkeit hin und wieder
ſchwebete/ biß er in den naͤheſten Hafen bey der Stad Patræ in Peloponneſus einlieff/ und
alſo fein erſtes Vorhaben nicht erreichen kunte. Fabius hatte nicht viel beſſer Gluͤk/ dann
er lieff wider den Wind/ und brachte faſt drey Wochen zu/ ehe er Peloponneſus erreichen
kunte; und da er umb die Gegend dieſer Landſchafft ankam/ wahr er zweifelhafftig/ ob er
einlaͤnden/ oder weiter nach dem Eylande Kreta ſchiffen ſolte; endlich beſchloß er/ nach
Korinth zu ſegeln/ ob er daſelbſt Ladiſla antreffen/ oder ſonſt etwas zu ſeinem Vorhaben
dienlich erforſchen koͤnte.


Umb dieſe Zeit/ als die drey Boͤhmiſche Herren von Padua wieder zu Prag ange-
langet wahren/ und etwa vor zween Tagen der Koͤnigin den Verluſt ihrer liebſten Frl.
Tochter auffs glimpflichſte vorgetragen hatten/ woruͤber ſie ſich uͤber alle maſſe hermete/
ließ ſich daſelbſt vor dem Stad Tohr eine ſtarcke Reuter Schaar 1600 Pferde ſtark/ anmel-
den/ daß ſie von einem groſſen Herrn abgeſand waͤhren/ bey der Großmaͤchtigſten Koͤnigin
in Boͤhmen etwas in aller Freundſchafft zuwerben. Die Reichs Raͤhte/ welche wegen deꝛ
Fraͤulein Verluſt uͤberaus betruͤbt wahren/ inſonderheit/ weil die Koͤnigin ſich ſo gar nicht
wolte troͤſten laſſen/ hielten nicht vor rahtſam/ daß auff ſolches ungewiſſe Angeben der
Geſante ſolte eingelaſſen werden/ und lieſſen ihm in der Koͤnigin Nahmen andeuten: Er
ſolte wiſſen/ daß er in einem freyen Koͤnigreich waͤhre/ und ſchuldig/ ſich zuvor mit ſo vie-
len Reutern von ferne anmelden zulaſſen/ ehe und bevor er vor dem Stad Tohr anklopf-
fete; wuͤrde ihm alſo kraft dieſes ernſtlich gebohten/ ſeine ganze Reuterey biß auf XII Mañ/
ſtraks angeſichts zuruͤk gehẽ zulaſſen biß auf eine halbe Meile von der Stad/ oder man wuͤꝛ-
de ihnen bald Fuͤſſe machen. Der Geſante wolte dieſen Befehl unwillig empfinden/ und
mit groſſen Bedingungen aufftreten/ aber ihm ward zum endlichen Schluſſe geſagt/ die
Voͤlker hinter ſich zu ſchicken/ oder eines Angriffs gewaͤrtig zuſeyn/ weil man ohndas nicht
wuͤſte/ ob er von Freunden oder Feinden abgeſchikt waͤhre; Welcher Ernſt ihn bewog/ dz
er naͤhern Kauff gab/ die Reuter ſchleunig von ſich gehen ließ/ und von neuen anmeldete/
er waͤhre ein Gevollmaͤchtigter Geſanter des gewaltigen Koͤniges der Franken und Si-
kambrer/ uñ zweifelte nit/ man wuͤrde ihn von wegẽ ſeines Koͤniges unbeſchimpffet laſſen.
Herr Geſanter/ antwortete ihm H. Staniſla/ welcher an ihn geſchicketwar: Euer Koͤnig
bleibt an dieſem Orte wol unbeſchimpfet/ meinet ihr aber/ man koͤñe es in Boͤhmen riechẽ/
oder den Leuten vor dem Kopffe leſen/ von wannen ſie kommen/ uñ wem ſie zuſtehẽ? warum
habt ihr ſolches nit bald anfangs gemeldet? habt ihr daſſelbe aus Koͤnigl. befehl verſchwie-
gen/ ſo hat man euch nit allerdinge zu trauen; habt ihrs aber vor euch ſelbſt getahn/ muͤſſet
ihr einẽ ſchlechten Geſanten Verſtand haben; wie wol ich ſolches mit euch nit ſtreiten/ ſon-
dern hoͤchſtgedachtem Koͤnige zu ehren euch gebuͤhrlich empfangen und in die Stad beglei-
ten wil. Der unbeſonnene Menſch wuſte dieſes nicht zubeantworten/ nur dz er vorgab/ er
meinete nicht anders/ als daß er bald anfangs ſeines Koͤniges Meldung getahn haͤtte; wo
nicht/ waͤhre es ohn verſehens unterlaſſen. Welches aber Staniſla mit einem ſtilſchwei-
gen
[349]Anderes Buch.
gen beantwortete. Es hatte der erſte Geſante des Koͤniges Hilderich aus Franken (wie im
erſten Buche gemeldet) nahmens Klogio/ einen bloſſen zu Prag geſchlagen/ als er vor ſei-
nes Koͤniges Sohn dem jungen Fuͤrſten Markomir umb eine Heyraht mit Frl. Valiß-
ken Anwerbung taht; Als er nun von ſolcher Reiſe bey ſeinem Koͤnige und dem jungen
Fuͤrſten wieder anlangete/ und die gegebene Erklaͤrung zuruͤk brachte/ ward er ſchlecht ge-
wilkommet/ infonderheit/ daß er dem Fraͤulein weder die Geſchenke noch das geheime
Schreiben hatte gewuſt fuͤglich beyzubringen; endlich/ als ſie die Antwort recht bey ſich
erwogen/ hielten ſie es gaͤnzlich davor/ es waͤhre nichts/ als eine hoͤfliche Abweiſung; und
ob gleich die Reichs Raͤhte dagegen vorbrachten/ daß ſolche Antwort eine groſſe Wichtig-
keit hinter ſich haͤtte/ inſonderheit weil der Fraͤulein Herr Bruder zugleich nunmehr ihr
gebietender Koͤnig waͤhre/ uñ ſie ohn deſſen Einwilligung nicht wuͤrde eine Heyraht ſchlieſ-
ſen duͤrffen; ſo wolte doch ſolches bey dem Koͤnige nicht hafften/ wie ein kluger und ver-
nuͤnfftiger Herr er auch wahr. Vielweniger wolte der junge Fuͤrſt ſich damit befriedigen
laſſen/ und warff derſelbe einen ſolchen Unwillen auff ſeinen ſonſt ſo angenehmen Klogio/
daß derſelbe ſich heimlich davon machen/ und als verborgen Leben muſte. Inzwiſchen
ging der junge Fuͤrſt in ſteter Schwermuͤhtigkeit/ daß ihm Faꝛbe und Fleiſch/ endlich auch
alle Luſt zur Speiſe eniging; woruͤber ſein Herr Vater/ welcher ihn uͤberaus liebete/ ſich
hart graͤmete; und mannicherley Mittel bey ſich uͤberlegte/ wie er die hefftigen Begierden
ſeines Sohns befriedigen moͤchte/ und beſchloß endlich auff ſeiner Raͤhte gutheiſſen; er
wolte eine abermahlige Geſelſchafft nach Prage abgehen laſſen/ umb das Fraͤulein zuwer-
ben/ alſo und dergeſtalt/ daß wañ man ſich nicht offenherzig mit ja erklaͤren/ ſondern ent-
weder unter einer Vermum̃ung ſpielen/ oder abſchlaͤgige Antwort geben wuͤrde/ man als-
bald einen Ernſt zur Sache tuhn/ und das Fraͤulein mit gewaltſamer Hand wegnehmen
ſolte/ dero behueff man auff allen Fal ein ſtarkes Kriegsheer zu Roß und Fuß ſo nahe es
geſchehen koͤnte hin an Boͤhmen fuͤhren/ und in der Bundsverwanten Land ſo ſtiller/ ſo beſ-
ſer/ einlegen muͤſte/ welche auff empfangenen Befehl in zween Tagen und Nachten gar hin-
an ruͤcken/ die Stad Prag erſteigen/ und das Fraͤulein davon fuͤhren koͤnten. Niemand
gefiel dieſer Anſchlag beſſer/ als dem jungen Fuͤrſten Markomir/ welcher emſig wahr/ daß
in wenig Wochen 40000 zu Roß/ uñ 80000 wolverſuchte Fußknechte/ welche mañichen
Sieg von den Roͤmern und Galliern erhalten hatten/ zuſammen gebracht und auß Gal-
lien nach dem alten Frankenlande geſchikt wurden. Der Koͤnig haͤtte zwar gerne geſehen/
daß der junge Fuͤrſt daheim blieben waͤhre/ aber derſelbe hielt ſo inſtaͤndig umb erlaͤubnis
an/ als ein Unbekanter und Auffwarter des Geſanten mit zuzihen/ daß der Vater ihm
ſolches nicht wegern kunte; jedoch ihm und allen hohen Kriegs Beamten ganz ernſtlich
einband/ keine Gewalt zugebrauchen/ wann keine Hoffnung waͤhre/ das Fraͤulein dadurch
zuerlangen; ſolten auch keinen Inwohner deßſelben Landes beleidigen/ als die ſich ihnen
taͤhtlich wiederſetzen/ und ihr Vorhaben zuhindern ſich unterſtehen wuͤrden. Mit dem ob-
gedachten ſtarken und wolgewapneten Heer ging nun beydes der junge Fuͤrſt Markomir/
doch in unbekanter Geſtalt/ und des Koͤniges Geſanter/ nahmens Herr Dagobert fort/
nahmen auch 1600 Pferde mit ſich biß nach Prag/ und hatten auff dem ganzen Wege/
biß an den Ort/ da ihr Heer liegen blieb/ etliche hundert einzelne Reuͤter verleget/ welche
X x iijmit
[350]Anderes Buch.
mit ſchnellen Pferden (die ſtets geſattelt ſtehen muſten) einer zum andern rennen/ und auff
den Fal/ das Heer herzu fodern ſolten; welcher Anſchlag dann ſo weißlich angelegt wahr/
daß wann das Fraͤulein daheim waͤhre geweſen/ wuͤrde ſie unmoͤglich ihren Haͤnden ent-
gangen ſeyn. Der Geſanter wahr vor ſich ſelbſt ſo unvernuͤnfftig nicht/ als er obgedachter
Art ſich vor dem Tohr zu Prag anmeldete/ ſondern der junge Fuͤrſt/ welcher als ſein Rit-
terlicher Diener hinter ihm her ritte/ ordente es ſo/ wieder deſſen Willen und gutheiſſen/
daher er ihm auch hernach ſolches in der Herberge verweißlich vorhielt/ mit Bitte/ hinfuͤ-
ro ſolcher anſchlaͤge muͤſſig zugehen/ durch welche man dem Koͤnige boͤſe Nachrede/ und
ihm ſelbſt einen ſchlimmen Nahmen zuzoͤge; welches er ihm auch angelobete. Auff Befehl
der Koͤnigin ward dieſer Geſanter in der Herberge wolgehalten/ und muſten ihm Staniſ-
la und Krokus Geſelſchafft leiſten/ welche dann auß ſeinen Reden befunden/ daß er ver-
ſtaͤndiger wahr/ als ſie ihn an fangs geſchaͤtzet hatten; ſie huͤteten ſich aber/ ihn zu fragen/
was ſeine Anwerbung waͤhre/ gedachten auch der verlohrnen Fraͤulein mit keinem Wor-
te/ ſondern erbohten ſich/ da es ihm alſo gefallen wuͤrde/ bey der Koͤnigin anzuhalten/ daß
er des folgenden Tages vor ihre Hocheit zutreten Freyheit haben ſolte. Herr Krokus Sohn/
ein tapfer Ritter/ und neulich beſtelleter Haupman uͤber die Schloß-beſatzung/ auch Ver-
weſer der Koͤniglichen Ruͤſtkammer/ nahmens Neda/ ward mit 60 Reutern hinaus ge-
ſchikt/ die mitgebrachten Reuter auff die umbliegende Doͤrffer zuverlegen/ welcher ſolches
fleiſſig verrichtete. Er traff unter dieſen Franken einen Ritter an/ welcher ein gebohrner
Daͤhne wahr/ und vor dreyen Jahren mit ihm/ da er in Daͤnnemark Ritterſchafft uͤbete/
gute Kundſchafft gemacht hatte/ derſelbe gab ihm in geheim vertraulich zu vernehmen/
was vor eine groſſe Macht die Franken in bereitſchafft haͤtten/ und daß wol gnug gefaͤhr-
liche Anſchlaͤge moͤchten obhanden ſeyn/ denen man nicht als durch Macht wuͤrde begeg-
nen koͤnnen. Neda dankete ihm im Nahmen ſeiner Koͤnigin vor ſolche Warnung/ hinter-
brachte es alsbald und ward darauff in beyſeyn der Koͤnigin geheimer Raht gehalten/
auch nach kurzer Unterredung den Außreitern ſchrifftlicher Befehl erteilet/ durch das gan-
ze Koͤnigreich die Ritterſchafft auffzumahnen/ welche ſich nach den Grenzen/ daher die
Franken kommen wahren erheben/ und auff alles gute acht haben/ auch die außgeſetzeten
Poſtreuter (dann von denen hatte der Daͤhne auch meldung getahn) ohn unfreundligkeit
auffhalten/ und ſie nicht allein fortreiten laſſen ſolten. Uberdaß ward in Prage dieſe Nacht
eine ſolche Menge wolgewapneter Voͤlker eingelegt/ daß ſie nicht alle Raum darinnen
hatten/ ſondern ein Lager vor der Stad vor 6000 Mann abſtechen/ und darinnen wol ver-
ſchanzet ſich auffhalten muſten. Der Frankiſche Geſanter drang nicht auff eine ſchleuni-
ge Verhoͤrung/ ſondern meinete/ noch etliche Tage es auffzuſchieben/ und alle Gelegen-
heit/ wie man die Stad am beſten uͤberrumpeln koͤnte/ abzuſehen/ welcher Vorſaz ihm aber
des folgenden Morgens aus zweien Urſachen verging; erſtlich/ weil die ſeinen ihm auff
dem Lager die Zeittung brachten/ daß dieſe ganze Nacht ein Getuͤmmel in der Stad auff
allen Gaſſen geweſen/ uñ man allenthalben nichts als bewehrete Soldaten ſaͤhe; hernach/
weil die Koͤnigin fruͤhzeitig zu ihm ſchickete/ und anſagen ließ/ wann er Verhoͤrung be-
gehrete/ ſolte er ſich in vier Stunden darzu gefaſſet halten; wo nicht/ wuͤrde ſie umb noͤhti-
ger Geſchaͤffte willen/ auff ihn laͤnger nicht warten koͤnnen/ nach dem ſie eine Reiſe nacher
Teutſch-
[351]Anderes Buch.
Teutſchland zu ihrem Herr Bruder dem Großmaͤchtigſten Groß Fuͤrſten der Sachſen
und anderer Freien Teutſchen/ vorhaͤtte/ umb hoͤchſtwichtige Sachen/ die Beſchuͤtzung
ihres Reichs wieder alle meuchel Feinde betreffend/ mit demſelben abzuhandeln. Auß die-
ſen beyden Urſachen muhtmaſſete ſo wol der Geſanter/ als der junge Fuͤrſt ſelbſt/ ihr vor-
haben muͤſte verrahten ſeyn/ hatten doch nicht Zeit ſich lange zu bedenken/ ſondern gaben
zur Antwort; Ob zwar der Gefante von der zimlich langen Reiſe/ welche er Tag und Nacht
fortgeſetzet/ noch muͤde waͤhre/ und auff eine zierliche Rede ſich nicht geſchicket haͤtte/ muͤſte
er doch billich Koͤniglicher Hocheit untertaͤhnigſt gehorſamen/ und auff angeſetzte Stun-
de erſcheinen/ vor ſein Haͤupt untertaͤhnigſt geſinnend/ daß er Freyheit haben moͤcht/ mit
ſeinem geheimen Schreiber (welcher alle Handlung in die Feder nehmen wuͤrde) vorzu-
treten. Dieſes ward ihm gerne eingewilliget/ und ſchickete ſich Dagobert der Geſante
auffs beſte darzu/ wie er dann ſchon vor der Reiſe ſeinen Vortrag wol gefaſſet hatte. Es
ſahe aber die Koͤnigin vor gut an/ daß die Zeitung von der Fraͤulein Raubung/ wie wol
ohn Benennung/ wo ſolches geſchehen/ in der Stadt/ ſonderlich in der Herberge/ wo der
Geſante lag/ kund gemacht wuͤrde/ welche man bißher allerdinge hatte verborgen gehaltẽ.
Der Frankiſchen Diener einer hoͤrete bald davon reden/ uñ brachte es dem Geſanten vor/
welcher nebeſt den jungen Fuͤrſten (dieſer wahr der angegebene geheime Schreiber) es
vor ein Getichte hielt/ auß groben Unverſtand herruͤhrend/ weil mans eben ſo auff den
Stuz außſprengete/ kehreten ſich auch nichts daran/ ſich ſtellend als ob ſie davon nichts er-
fahren haͤtten. Herr Krokus hielt mit der Koͤniglichen Leibgutſche vor der Herberge/ auf
welche ſich Herr Dagobert ſamt ſeinen verſtelleten Secretarius oder geheimen Schrei-
ber ſetzete/ und eine lange Gaſſe/ die mit anſehnlichen Kriegsleuten angefuͤllet wahr/ hin-
fuhr/ welches ihn nicht wenig irre machete/ inſonderheit/ da er auff dem Schloſſe uͤber ei-
nen hohen Luſtgang gefuͤhret ward/ von welchem er hinaus ins freye Feld ſehen kunte/ und
daſelbſt gewahr ward/ daß uͤber die 12000 junger Mannſchafft getrillet und im Gewehr
geuͤbet wurden. Doch lag ihm dieſes nicht ſo hart an/ als die ausgeſprengete Zeitung von
dem verlohrnen Fraͤulein/ wie wol er ſich deſſen auch begab/ weil ihm Krokus auff dieſer
Fahrt nichts davon gemeldet hatte. Die Koͤnigin/ welche dieſe Tage uͤber in ſtetem
klagen und weinen zugebracht/ ergriff ſich auff der Raͤhte bewaͤgliche Ermahnung/
ſich gegen den Geſanten keiner uͤbermaͤſſigen Traurigkeit vernehmen zu laſſen/ daher
ſie ein gezwungenes freymuhtiges Geſicht annahm/ als Herr Dagobert mit ſeinem
Schreiber in die Verhoͤr Stube trat/ und dieſer nach geleiſteter demuͤhtiger Neigung
ſich an ein Neben-Tiſchlein ſetzete/ fertig/ alles was geredet wuͤrde/ auffzuzeichnen; daher
drey Boͤhmiſche geheime Schreiber an einem andern Tiſche ein gleiches vornahmen.
Dagobert/ nachdem eꝛ ſeine Koͤnigliche Glaubens-Beſcheinigung ſchrifftlich eingereichet
hatte/ und ſolche von dem Herꝛn Reichs Kanzler vor gnugſam eꝛklaͤret wahr/ brachte dar-
aufvor; Es wuͤꝛde die Gꝛoßmaͤchtigſte Koͤnigin in Boͤhmen ungezweiffelt añoch in unver-
ruktem Andenken haben/ was geſtalt unlaͤngſt der auch Großmaͤchtigſte Koͤnig der freyen
Franken und Sikambrer in Gallien/ Herꝛ Hilderich/ an vorhoͤchſtgedachte ihre Koͤnigl.
Hocheit eine anſehnliche Geſandſchafft abgehen laſſen/ und ſolches aus aufrichtigem Her-
zen/ uͤmb durch eine wirdige Heyraht zwiſchen ſeinem Herꝛ Sohn dem Durchleuchtig-
ſten
[352]Anderes Buch.
ſten Koͤniglichen Großfuͤrſten und kuͤnfftigen Kron-Erben ſeines freyen Reichs/ Herꝛn
Markomir/ und der auch Durchleuchtigſten Koͤniglichen Fraͤulein aus Boͤhmen/ Frl.
Valiſken/ eine nahe Verbuͤndnis und ewigwehrende Freundſchafft zuſtifften; wie dann
gedachter Koͤniglicher Geſanter/ Klogio/ ſolches gebuhrlich geworben zuhaben/ man die
Hofnung truͤge/ welches er ja mit gegebener ſchriftlicheꝛ Antwoꝛt beſcheiniget haͤtte. Weil
aber die Erklaͤrung auff vorgetragene Anwerbung/ an Koͤnigl. Boͤhmiſchen ſeiten ſehr
tunkel und ungewiß waͤhre/ und aber Koͤnigl. und Großfuͤrſtl. Hocheit an Fraͤnkiſcher ſei-
ten gerne den gewiſſen und unwandelbahren Schluß dieſer ſo hochbegehreten wirdigen
Heyraht wiſſen und haben moͤchten/ als waͤhre im Nahmen und von wegen ſeines Aller-
gnaͤdigſten Koͤniges/ und Gnaͤdigſten jungen Großfuͤrſten/ ſein freund-inniglichſtes Anſu-
chen und Geſinnen/ daß an Koͤnigl. Boͤhmiſcher ſeite ſolche aus ſonderlicher Gewogen-
heit/ Freundſchafft und Liebe herruͤhrende Heyrahtswerbung freundlich moͤchte beliebet/
gut geheiſſen/ und geſchloſſen werden/ wie man an Koͤnigl. Frankiſcher ſeiten das feſte Veꝛ-
trauen haͤtte/ man wuͤrde deſſen kuͤnftigen Kron-Erben nicht unwirdig ſolcher Heyraht
ſchåtzen/ inſonderheit/ weil deſſen Durchleuchtigkeit dem vortreflichen Boͤhmiſchen Koͤ-
nigl. Fraͤulein mit Herz/ Seele/ und allem Vermoͤgen ſich ſo gar zu eigen eꝛgeben haͤtte/ daß
ihm ungleich leichter ſeyn wuͤrde/ ſich ſeines Lebens/ als dieſer Seelenfeſten Liebe zuverzei-
hen; und daher leicht zuermaͤſſen waͤhre/ was vor ein hochſchaͤdliches und beiden Voͤlkern
grundveꝛderbliches Unheil aus deꝛ unveꝛhoffeten Heirahts Verweigerung entſtehen duͤꝛf-
te/ welches zuverhuͤten/ die Koͤnigliche Boͤhmiſche Kron ihr ſchon wuͤrde laſſen angelegen
ſeyn/ worzu das frey Frank-Sikambriſche Reich ſich mit auffrichtigem Herzen anerboͤh-
te. Schließlich hielt Dagobert bittlich an/ daß das Koͤnigliche Fraͤulein/ wie bey voriger
Geſandſchaffts-Verhoͤrung geſchehen/ ſelbſt gegenwaͤrtig ſeyn/ und die Koͤnigl. Boͤhmi-
ſche Erklaͤrung hiedurch ſo viel angenehmer/ ſuͤſſer und guͤltiger machen moͤchte. Die Koͤ-
nigin ließ auff die letzten Worte einen tieffen Seufzer aus/ daß ihr ſchwer fiel/ ſich des wei-
nens und klagens zuenthalten/ nur der Koͤnigliche Wolſtand/ welchen ſie uͤber [alles ſchaͤtze-]
te/ hielt ſie davon abe; Sie redete aber kein Wort/ ſondern Herr Bretiſla als Reichskantz-
ler/ gab dem Geſanten mit entbloͤſſetem Haͤupte (dann alſo bezeigete ſich dieſer auch) zur
Antwort: Es haͤtte die Großmaͤchtigſte Koͤnigin in Boͤhmen/ die/ im Nahmen des auch
Großmaͤchtigſten Koͤnigs der Freyen Franken und Sikambrer in Gallien/ abermahlige
Anwerbung/ eine wirdige Heyraht zwiſchen dem Koͤnigl. Groß Fuͤrſten und der Koͤnigl.
Fraͤulein betreffend/ wol verſtanden/ und dafern dem Herrn Geſanten nebeſt ſeinem ge-
heimen Schreiber gefallen wuͤrde/ einen kurzen Abtrit zunehmen/ wolte man ſich an dieſer
Seiten ohn Verzug alſo herauslaſſen/ daß hoͤchſtgedachter Koͤnig und der Durchl. Koͤ-
nigliche Großfuͤrſt daran ein ſatſames Genuͤgen wuͤrden haben koͤnnen. Dieſe leiſteten
ſolches gerne/ unter der Hoffnung/ es wuͤrde alles nach ihrem Wunſch ergehen/ bildeten
ihnen auch ein/ das Geſchrey von der Fraͤulein Entfuͤhrung/ waͤhre ihnen zum hoͤfflichen
Auffzuge getichtet/ nachdem ihr Vorhaben der Raubung ihnen moͤchte verkundſchaffet
ſeyn; Alſo pflegen des Menſchen Begierde ſich allemahl zu kitzeln/ als lange ſie durch Hof-
nung unterhalten werden. Die Koͤnigin und der Reichs Raht hatten vorhin ſchon die
Muhtmaſſung gefaſſet/ was das Frankiſche Vorbringen ſeyn wuͤrde/ und ſich einer Erklaͤ-
rung
[353]Anderes Buch.
rung beredet/ wobey es auch vor dißmahl ſchlechter dinge gelaſſen ward/ daher Krokus
nach Verlauf einer halben Stunde/ den Geſanten mit freundlicher Bezeigung wieder
einfoderte/ welcher von Herꝛn Bretiſla alſo beantwortet ward: Hochanſehnlicher Herꝛ
Geſanter; die im Nahmen und von wegen des Großmåchtigſten Koͤniges der Franken
und Sikambrer in Gallien/ und deſſen Hochheit Herꝛn Sohns des Durchleuchtigſten
Koͤniglichen Großfuͤrſten/ Herꝛn Markomirs/ angetragene/ und aus ſonderlicher Gewo-
genheit/ Freundſchafft und Liebe herruͤhrende Heyrahts werbung/ hat die auch Großmaͤch-
tigſte Koͤnigin in Boͤhmen/ allergnaͤdigſt gegenwaͤrtig/ teils mit hocherfreulichem/ teils
auch mit inniglichſtbetruͤbetem Herzen angehoͤret und wol verſtanden/ erkennet daraus
den recht freundlichen hohen Willen hoͤchſtgedachten Koͤniges und deſſen Herꝛ n Sohns
Liebden gegen ſie und ihre herzgeliebte Fråulein Tochter/ welchen an dieſer ſeite zuerſetzen/
weder Fleiß noch Auffrichtigkeit/ ja weder Muͤhe noch Koſten zuerſparen/ man ſich red-
lich und Koͤniglich anerbeut; in betrachtung/ daß eine naͤhere und ſicherere Freundſchafft
und Verbuͤndnis nicht kan noch mag zwiſchen Koͤnigen erdacht werden/ als die durch
Heyraht geſtiftet uñ befeſtiget wird. Daß man nun zu der vorgeſchlagenen wirdigen Hey-
raht (dann wem iſt die Macht und Hocheit des Frankiſch-Sikambriſchen Reichs nicht
bewuſt?) an dieſer ſeite bald anfangs ein ſatſames genuͤgen/ und darzu einen ganz guten
Willen getragen/ iſt dem vorigen Koͤniglichen Herꝛn Geſanten Herꝛn Klogio/ nicht durch
eine tunkele und ungewiſſe/ ſondern klare und offenherzige Erklaͤrung zu aller moͤglichen
Gnuͤge angezeiget worden/ und beſtehet dieſelbe hierinnen/ daß/ weil das Koͤnigliche Fraͤu-
lein ihrem Herꝛ Bruder und nunmehr gebietenden Koͤnige/ dem Großmaͤchtigſten Koͤni-
ge in Boͤhmen/ Herꝛn Ladiſla/ auff deſſen Hocheit ſtraͤnges und bruͤderliches Anſuchen/
dieſe aͤidliche/ und alſo hoͤchſtverbindliche Zuſage getahn/ ohn deſſen Vorwiſſen und Ein-
willigung/ ſich ſchier heut oder morgen in kein eheliches Geluͤbde einzulaſſen/ koͤnte auf Koͤ-
nigliche Frankiſche Anwerbung/ die wiꝛdige Heyraht betreffend/ nichts ſchließliches geant-
wortet werden/ ehe und bevor hoͤchſtgedachtem unſeꝛm Erbkoͤnige ſolches vorgetragen/ uñ
ſeine beſtaͤndige Meinung daruͤber vernommen waͤhre; wobey man ſich aber zugleich hat
erbohten/ unſerm Koͤnige dieſe Anwerbung eiligſt zuzuſchreiben; endlich auch angezeiget/
man gelebete der gedoppelten Zuverſicht an dieſer Seiten/ daß an anderer Seite ſolche
Verzoͤgerung nicht allein nicht ungleich wuͤrde auffgenom̃en/ ſondern auch geduldet wer-
den/ wañ etwa uͤber verhoffen (wovon man doch das allergeringſte nicht wuͤſte) das Fraͤu-
lein von ihrem Herr Bruder und Koͤnige ſchon anderwerts ſolte verſprochen ſeyn. Se-
het Herr Geſanter/ das iſt die erſte redliche und auffrichtige Erklaͤrung geweſen/ und eine
naͤhere hat man wegen verbindlichen Gewiſſens an der Fraͤulein Seite nicht geben koͤn-
nen/ wie ſolches ein jeder Biderman gerne geſtehen wird; und zweifelt man nicht/ dafern
dieſelbe eurem Koͤnige und deſſen Herꝛn Sohn getraͤulich hinterbracht iſt/ werde der Herꝛ
Geſanter durchaus nicht urſach haben/ ſie vor eine dunkele uñ ungewiſſe anzugeben. Daß
man aber der gegebenen Erklaͤrung an dieſer ſeiten redlich nach geſezt habe/ wolle der Herꝛ
Geſanter ſich weiters berichten laſſen. Es hat unſere Allergnaͤdigſte Koͤnigin kurz nach
Herꝛn Klogio Abreiſe von ihrem hoͤchſtgemeldeten Herꝛ Sohn die erfreuliche Zeitung be-
kommen/ daß deſſen Hochheit ſich zu Padua in Italien mit des Hochmoͤgenden Kaͤyſerl.
Y yStat-
[354]Anderes Buch.
Stathalters daſelbſt/ Herꝛn Q. Fabius Fraͤulein Tochter ehelich verſprochen/ und daduꝛch
mit Roͤmiſcher Kaͤyſerl. Hocheit (diß ſagte er den Franken zum Schrecken) ſich in ein
feſtes Verbuͤndnis eingelaſſen; worauff das Durchl. Fraͤulein ſich unter gnugſamer Be-
gleitung ſtraks auffgemacht/ dem Beylager ihres Herꝛn Bruders daſelbſt Schweſterlich
beyzuwohnen/ da dann nicht die geringſte Urſach geweſen iſt/ daß mit oft hoͤchſtgedachtem
ihrem Herꝛ Bruder ſie von der angetragenen Frankiſchen wirdigen Werbung muͤndlich
reden/ und mit deſſen Liebe einen Schluß daruͤber faſſen wolte; Aber das leidige Gluͤk (hier
fing die Koͤnigin an zuweinen) hat ihrer Durchl. ſolches leider leider! nicht goͤñen wollen/
maſſen ſie in einem Flecken vor Padua von einer groſſen Raͤuber Schaar bey der erſten
Morgenſchimmerung uͤberfallen/ alle ihre Reuter/ auſſer einen einzigen erſchlagen/ und ſie
ſelbſt in verſtelleter Juͤnglings Geſtalt ſamt ihren beyden Leibjungfern gefangen hinweg
gefuͤhret iſt; uͤber welche Raͤu berſchaar des andern Tags eine ſtaͤrkere anzahl Meer Raͤu-
ber kom̃en ſind/ welche jene erſchlagen/ und das Fraͤulein in ihrer beharlichen Juͤnglings-
Verſtellung neben einer Leibjungfer/ nach dem Adriatiſchen Meer gefuͤhret/ ſie auff ihr
groſſes Raubſchiff geſetzet/ und mit ihr davon geſegelt ſind/ uns allen unwiſſend/ wohin ſie
gebracht worden ſey; nur allein/ daß wir die Zuverſicht zu den guͤtigen Himmels Goͤtteꝛn
tragen/ dieſelben werden ſie vor Ehren- und Lebensgefahr gnaͤdiglich bewahren/ und ihr
kraͤftige Rettung zuſenden/ wie ſie dañ alsbald den vortreflichen und hochberuͤhmten Held
Herꝛn Herkules/ gebohrnen Großfuͤrſten und Erbnehmen des Teutſchen Reichs/ auffge-
mahnet haben/ daß er dem geraubeten Fraͤulein nachgeſegelt iſt/ und ihꝛ Herꝛ Bruder nun-
mehr auch ſchon wird gefolget ſeyn. Aus welcher Erzaͤhlung nun der Herꝛ Geſanter zur
gnuͤge wird verſtaͤndiget ſeyn/ warumb das Durchl. Fraͤulein ſich vor dißmahl bey dieſer
Verhoͤrung nicht anfinde/ welches dero Durchl. ſonſten keines weges wuͤrde unterlaſſen
habẽ. Es wird derſelbe weiters hieraus/ ſeiner beywohnenden ruͤhmlichen Weißheit nach/
ſchon merken/ wie und warumb man auff die vorgetragene abermahlige/ und der Groß-
maͤchtigſtẽ Koͤnigin in Boͤhmen ſehr angenehme und gnug wirdig geachtete Anwerbung/
ſich mit weniger Gewißheit/ als bey erſter Geſandſchafft heraus laſſen koͤnne/ weil man
nicht allein unſers Gnaͤdigſten Koͤniges Meinung hieruͤber ganz unberichtet iſt/ ſondern
auch das Durchl. Fraͤulein ſelbſt in der Irre (Gott mag wiſſen/ wo) herumb ſchwebet.


Der Geſante verwunderte ſich zum hoͤchſten/ wie man einem (ſeiner Meynung nach)
falſchem Getichte/ ſolches zierliche Faͤrblein anſtreichen koͤnte/ begehrete mit ſeinem
Schreiber einen kurzen Abtrit uñ beredete ſich mit demſelben/ was doch auf ſolches Vor-
bringen wuͤrde zu antworten ſeyn. Derſelbe nun wahr uͤber die maſſe betruͤbt/ ging auch
aus groſſer Liebeswuht mit lauter gefaͤhrlichen weit außſehenden Vorſchlaͤgen umb/ wel-
che doch unmoͤglich wahren ins Werk zu richten. Dagobert aber zeigete ihm Augen-
ſcheinlich/ daß dergleichen Vornehmen zu keiner Wirkung gelangen moͤchten/ und gab
ihm zu bedenken/ obs nicht eine Sache waͤhre/ daß man ſich merken lieſſe/ man trauete ſol-
chem Vorbringen nicht/ auch daneben baͤhte/ ſolche ſtellungen fahren zulaſſen/ und ſich
ſein Teutſch zuerklaͤren. Weil dann Markomir nichts beſſers zuerſinnen wuſte/ hielt er
ſolches vor gut und nuͤzlich. Nun hatte Herr Krokus dieſe beyden Zeit ihrer Beredung
von ferne belauret/ ihre Reden zwar nicht verſtanden/ aber doch aus den aͤuſſerlichen Ge-
berden
[359[355]]Anderes Buch.
berden geſehen/ daß der juͤngling mehr als der Geſante ſelbſt waͤhre/ welches er alsbald der
Koͤnigin und den andern Raͤhten anmeldete/ die daher vor gewiß ſchloſſen/ es wuͤrde dieſer
Schreiber der junge Groß Fuͤrſt ſelber ſeyn; worauff Krokus zu ſagen ſich nicht enthalten
kunte; Es ſcheinet wol auß dieſes ertichteten Schreibers Geberden/ daß er muhtig und
verſchlagen ſey/ aber wann ich meines herzen Meynung ſagen ſolte/ halte ich gaͤnzlich da-
vor/ aus tauſend Markomiren koͤnne man nicht einen einzigen Herkules ſchmieden/ wel-
ches ich zu dem Ende andeute/ weil aus Groß Fuͤrſt Herkules wehemuͤhtiger bezeigung
wegen des verluſtes der Fraͤulein/ ich einer ſtarcken Liebe vermuhten bin; worin mich ſei-
ne ungeſeumete Nachfolge bekraͤfftiget/ und gebe der Himmel/ daß er ſie antreffe/ rette/ uñ
heyrahte/ dann beſſer kan ſie in dieſer Welt nicht verſorget werden. Die Koͤnigin/ wie be-
truͤbt ſie auch wahr/ kunte ſich nicht enthalten/ hieruͤber zu lachen/ wolte doch ihre Gedan-
ken ſo klar nicht an den Tag legen/ ſondern ſagte zu ihm. Mein Krokus/ es iſt euch mein
lieber Sohn Herkules wegen des geſprochenen Lobes verpflichtet/ und da ihr recht waͤhnẽ
ſoltet/ waͤhre er euch zwiefach ſchuldig/ was wolte es dan werden/ wañ euer lezter Wunſch
wahr wuͤrde? Je was wolte es werden/ gnaͤdigſte Koͤnigin? ſagte er/ lauter Freude und
Vergnuͤgung an allen Seiten. Ey ſo beſtaͤtigen die Goͤtter euren Wunſch/ antwortete
Staniſla/ und haben wir dieſen Franken ſchon mehr als zuviel geheuchelt. Es hat aber
mein Sohn Herkules mich hierumb noch nicht begruͤſſet/ ſagte die Koͤnigin/ und gedenke
ja nicht/ daß wann er mein Kind antreffen ſolte/ er mit ihr heimliche Verloͤbniß machen
werde. Krokus wahr zu zeiten kurzweilig/ und antwortete darauf; Ich taͤhte es/ gnaͤdigſte
Koͤnigin/ wann ich Herkules waͤhre. Die andern alle mit der Koͤnigin lacheten/ und dieſe
ſagte: Seyd ihr noch ſo arg/ mein Krokus/ was wiſſet ihr aber/ ob ichs euch gut heiſſen
wuͤrde? Gnaͤdigſte Koͤnigin/ antwortete er; Wer der Tochter Herz gewoñen hat/ bekomt
der Mutter Hand auch wol. Wir wollen hiervon zu gelegener Zeit mehr handeln/ ſagte
die Koͤnigin/ und vor dißmahl des Geſanten Vortrag vernehmen/ da eurer etliche fleiſſige
acht haben werden/ auff des verſtelleten Schreibers Geberden/ in welchem/ wann er das
Alter erreichet/ noch wol ein guter Koͤnig ſtecket. Jene beyden traten wieder ins Gemach/
da der Schreiber ſeine vorige Stelle bekleidete/ und Dagobert alſo anfing: Großmaͤchtig-
ſte Koͤnigin/ die Erklaͤrung/ daß meine vorgetragene Anwerbung beliebet ſey/ wird meinen
allergnaͤdigſten Koͤnig/ und den Durchl. jungen Groß Fuͤrſten hoͤchſt erfreuen/ aber auch
zugleich dero Hocheiten in die allertieffeſte Verwunderung/ wil nicht ſagen Nachdenklig-
keit ſtuͤrzen/ daß gleich in der Stunde meiner Verhoͤrung (welches mir vor Ohren kom-
men/ ich aber vor ein Getichte geachtet) ſolcher Verluſt der Koͤniglichen Fraͤulein in der
Stad erſchollen iſt/ welches mir uͤber das auch hieſelbſt als eine unfehlbare Warheit wil
vorgetragen werden; Großmaͤchtigſte Koͤnigin/ Ihre Hocheit/ bitte ich/ glaͤuben ja ſolchẽ
fliegenden falſchen Geruͤchte nicht; ſondern trauen den Goͤttern/ daß dero Frl. Tochter
auſſer Zweifel in ſolchem gefaͤhrlichem Stande nicht begriffen iſt/ und wird dero Durchl.
von Padua/ nach gehaltenem Beylager ſich ſchon wieder einſtellen; wiewol ich ganz nit
gemeynet haͤtte/ daß dieſelbe auſſer Landes ſolte verreiſet ſeyn/ nach dem vorgeſtꝛiges Tages
mir unterſchiedliche zu Pferde und zu Fuß begegnet/ welche auff meine Nachfrage anzei-
geten/ ſie kaͤhmen von Prag/ und lebete Ihr Gn. Koͤnigin ſamt der Koͤnigl. Fraͤulein an-
Y y ijnoch
[356]Anderes Buch.
noch in guter Geſundheit/ lieſſe ſich auch dieſe taͤglich in den offenen Feldern ſehen/ uñ ſtel-
lete dem Wilde nach mit ihren Pfeilen; Da nun dieſes ſich alſo verhalten ſolte/ getraue
Eurer Koͤnigl. Hocheit ich untertaͤhnigſt und zuverlaͤſſig/ dieſelbe werde allergnaͤdigſt ge-
ruhen/ mir eine beſtendigere Erklårung mitzuteilen/ und zwo Koͤnigliche Seelen durch ei-
nen kraͤfftigen Heyraht-Schluß zuerfreuen; welches ſo wol zu des einen als zu des andern
Wolfahrt gereichen wird; und mag Ihre Koͤnigl. Hocheit ich wol verſichern/ ihr jeztge-
ſprochenes Wort von uͤberaus groſſer Wichtigkeit und Wirkung ſeyn werde; Und da-
mit ſolches zuvernehmen ich das gute Gluͤk haben moͤge/ wil ich mit meinem Gefaͤrten zu-
vor gerne einen abermahligen Abtrit nehmen/ und ihnen eine Unterredung zur erfreuli-
chern Erklaͤrung goͤnnen. Die Koͤnigin winkete dem Reichs Kanzler/ welcher den Ge-
ſanten warten hieß/ empfing darauff einen kurzen Befehl mit wenig Worten/ und fing her-
nach alſo an: Herr Geſanter; Er hat ſeine Rede mit einem zierlichen Mantel der ſchein-
bahren Hoͤfligkeit bedecket/ welche/ da ſie etwa ein ander vorgebracht haͤtte/ wuͤrde er geſagt
haben/ meine Allergnaͤdigſte Koͤnigin tichtete ihrer Frl. Tochter Rauberey zum Schein/
damit ſie des Herrn Geſanten loßwerden moͤchte; dann eben dieſes traͤget deſſen Re-
de auff ihrem Ruͤcken. Stehet ihr aber in den unzimlichẽ gedanken/ ſo hat man euch ſchon
viel zu viel uͤberſehen; und wuͤrdet ihr mehr zuverantworten bekommen/ als in allen euren
Kraͤfften nicht iſt. Das unſer Durchl. Fraͤulein in Warheit/ auff erzaͤhlete Art und wei-
ſe geraubet ſey/ verhaͤlt ſich leider viel zu gewiß alſo/ maſſen in dieſer Verſamlung drey
Reichs Raͤhte ſitzen/ welche gleich dazumahl in Padua geweſen/ als der einige uͤberbliebene
hart verwundete Reuter daſelbſt die hochbetruͤbte Zeitung angemeldet/ ſie auch hernach
das Haus ſelbſt beſichtiget/ in welchem ſolches Ungluͤk ſich zugetragen hat; und wer dieſes
nicht glaͤuben wil/ der reite hin und frage nach/ wird ers dann nicht alſo finden/ ſo hat er uꝛ-
ſach zu ſagen/ die Großmaͤchtigſte Koͤnigin in Boͤhmen gehe mit Getichten umb. Luͤgener
ſind es geweſen/ welche geſagt haben/ das Fraͤulein ſey neulich in dieſer Feldmark herumb
geritten/ und Schelme ſind es/ die ſolches tichten. Enchaltet euch deswegen Herr Geſan-
ter/ ſolcher unverantwortlichen Auflagen/ und befleiſſiget euch/ einer herſchenden Koͤnigin
auff ihrem Schloſſe beſſere Ehre anzutuhn/ damit man ſich nicht bey eurem Koͤnige uͤber
eure Unvernunfft zubeſchweren habe. Und weil euch die lautere und klare Warheit iſt vor-
getragen/ ſo werdet ihr mit der wolgemeyneten Erklaͤrung friedlich ſeyn/ oder euch heraus
laſſen/ was vor eine andere ihr bey ſo geſtalten Sachen begehren koͤntet. Der Geſante er-
ſchrak der harten Rede/ begunte das vorgebrachte vor die Warheit zuhalten/ und baht um̃
gnaͤdigſte Vergebung deſſen/ was er nicht aus Bosheit/ ſondern ihm gemachten Argwohn
vorgebracht haͤtte; wolte vor dißmahl an gnaͤdigſter Verhoͤr und Antwort ein genuͤgen
haben/ nur daß Ihre Koͤnigl. Hocheit ihn morgendes Tages noch einmahl hoͤren moͤchte.
Welches ihm dann gerne eingewilliget war. Als er nun hiemit einen Abtrit nehmen wol-
te/ und nach ſeinem Schreiber ſich umſahe/ ward er gewahr/ dz derſelbe in ſteiffeꝛ Ohmacht
ſaß/ und in einem Winkel ſich angelehnet hatte; deſſen er zitternd erſchrak/ ging zu ihm hin/
und ruͤttelte ihn/ daß er endlich wieder erwachete/ und mit einem tieffen Seufzen ſagete:
O du elender und troſtloſer Markomir; nun liget ja alle deine Hoffnung gar in des Mee-
res Tieffen! Dagobert raunete ihm ins Ohr/ ſich nicht zuverrahten/ da gleich Herr Kro-
kus
[357]Anderes Buch.
kus zu ihnen hin trat/ und den Geſanten fragete/ was ſeinem Schreiber vor ein Unfall be-
gegnet waͤhre? Welcher zur Antwort gab: Er haͤtte dieſe Schwacheit an ſich/ daß wann
er uͤber die gewoͤhnliche Zeit faſtete/ er daruͤber in Ohmacht geriete/ wuͤrde ſich aber bald
wieder ſtillen. Wie er ſich dann ſtark machete/ und mit Dagobert davon ging/ welcher ihn
mehrenteils beym Arme fuͤhrete; Die unſeren aber ſich bezeigeten/ als ob ſie deſſen nit acht
haͤtten; wiewol die Koͤnigin ihnen alsbald allerhand kraͤfftige und koſtbahre Stårkungen
nachſchickete/ und muſte Herr Vorich der Reichs Raht mit ihnen nach der Herberge fah-
ren/ und mit ihnen Mahlzeit halten/ da ihnen Koͤniglich aufgewartet ward. Vor dem Eſ-
ſen nahm Dagobert mit Markomir einen Abtrit/ und ward dieſer von jenem gemuhtiget/
ſich wegen der Fraͤulein Entfuͤhrung nicht zu hart zubekuͤmmern/ nachdem ſie ja noch im
Leben/ und ihm unverſaget waͤhre. Worauf er ſich in etwas erhohlete/ und die Unterſtelle
am Tiſche nam. Bey dem Eſſen ſiel wenig wichtiges vor/ und nach abgetragenen Spei-
ſen hielt Dagobert an/ daß der Herren einer/ ſo neulich von Padua kommen/ und die leidi-
ge Zeitung mitgebracht/ ſie beſuchen/ und beſſern Bericht ihnen mitteilen moͤchte; welches
Herr Vorich bey der Koͤnigin warb/ und Krokus darauff befehlichet ward/ zu ihnen zu
fahren/ und alles getraͤulich zuberichten/ ohn daß er ſeine Gedanken wegen Groß Fuͤrſt
Herkules bey ſich behielte/ und vielmehr dem jungen Fuͤrſten eine geringe Hoffnung ma-
chete/ damit er in der uͤbermaͤſſigen Liebe nicht gar verginge. Krokus haͤtte dieſes lieber ei-
nen andern verrichten laſſen/ dann er wahr den Franken nicht ſonderlich gewogen/ muſte
doch den Befehl uͤber ſich nehmen/ und ſolches leiſten/ da er dann an Dagobert einen fleiſ-
ſigen/ an ſeinem Schreiber aber einen nachgruͤblenden Zuhoͤrer hatte/ welcher nicht
unterließ/ das vornehmſte in ſein Hand-Buͤchlein auffzuzeichnen. Nach geendigter
Erzaͤhlung gab Krokus ihnen den Raht/ daß ſie uͤber wenige Zeit etliche ihrer Leute
nach Padua ſchicketen/ ob etwa gewiſſere Zeitung von dem geraubeten Fraͤulein ein-
kommen waͤhre/ wohin man ſie gefuͤhret/ und auff was Weiſe ſie beſt koͤnte erloͤſet wer-
den. Welches ſie ihnen ſehr wol gefallen lieſſen/ und ihr Zweiffel hiedurch ihnen aller-
dinge benommen ward. Nun kunte doch Markomir ſich nicht einzwingen/ ſeine Gedan-
ken zu eroͤffnen/ und ſagte in beyſein Herren Krokus zu Dagobert; Wie meinet ihr Herr
Geſanter/ ſolte unſer Koͤnig und ſein Sohn der junge Fuͤrſt nicht wol auff die Gedanken
gerahten/ bald nach erforſchung/ wo dieſes unvergleichliche Fraͤulein auffgehalten wird/
ein Kriegsheer von etlichen hundert tauſenden dahin zuſchicken/ und durch die allergroͤſte
Reichsmacht einen ſolchen koͤſtlichen Schaz frey zu machen? Ich halte wol/ antwortete
er/ daß ihre Koͤnigl. Hocheit ſich darzu verſtehen duͤrffte/ wann der junge tapffere Held/ der
Koͤnigl. Groß Fuͤrſt ihn dazu anreizen wuͤrde. Deſſen feurbrennende Liebe gegen dieſes
Koͤnigl. Fraͤulein/ iſt mir zum teil bewuſt/ ſagte der verſtellete Schreiber/ und zweiffele ich
nicht/ deſſen Durchl. werde Tag und Nacht/ ohn Raſt und Ruhe darauff ſinnen/ wie ſolche
Rettung zum fuͤglich- und heilſamſten ins Werk gerichtet werde. Worauff Krokus ant-
wortete: Wir an unſerm Orte wollen hoffen/ es ſolle ſolcher weitlaͤufftigkeit nicht beduͤr-
fen/ ſondern der Himmel werde unſerm Koͤnig und ſeinem Oheim Groß Fuͤrſt Herkules
das Gluͤk verleyhen/ unſer allerliebſtes Fraͤulein (welche ihr aller Untertahnen Herz ver-
bunden hat) anzutreffen/ und in freien Stand zu ſetzen. So wolte ich unſerm jungen Groß-
Y y iijFuͤrſten
[358]Anderes Buch.
Fuͤrſten wuͤnſchen/ ſagete der Schreiber/ daß deſſen Durchl. bey eurem Koͤnige ſein moͤch-
te/ nicht allein deſſen gewuͤnſchete Kundſchafft zuerlangen/ ſondern nebeſt deſſen Hocheit
in erloͤſung der Koͤnigl. Fraͤulein ſein Blut und Leben anzuwenden/ welches/ weiß ich/ ſei-
ne allerhoͤchſte Vergnuͤgung ſeyn wuͤrde. Mit ſolchen und dergleichen Unterredungen
ward der Tag zugebracht/ und befand ſich der junge Fuͤrſt der Sachen Gelegenheit nach/
zimlich getroͤſtet. Des folgenden tages ward dem Geſanten erlaͤubet/ wieder vorzutreten/
und was er annoch zuſuchen haben moͤchte/ kuͤhnlich anzudeuten; welcher dann nicht un-
terließ mit ſeinem Schreiber/ welcher den geſtrigen Tiſch bekleidete/ ſich einzuſtellen; ließ
ſich vor dißmahl ſehr demuͤhtig vernehmen/ baht umb allergnaͤdigſte Vergebung ſeiner
geſtrigen Unbeſonnenheit/ und hielt inſtaͤndig an/ ihre Koͤnigl. Hocheit wolten der geſche-
henen Anwerbung gnaͤdigſt eingedenke ſeyn/ auff gluͤkliche Wiederkunfft der Koͤnigl.
Fraͤulein die ſo hochgewuͤnſchte Heyraht durch ihre muͤrterliche Gewalt und kraͤfftig-gel-
tende Unterhandlung zubefodern und in Richtigkeit zu ſtellen/ ſolches wuͤrde der junge
Groß Fuͤrſt Zeit ſeines Lebens mit kindlichem Gehorſam erkennen/ und nach ihrer Hocheit
Willen ſich verhalten. Die Koͤnigin wahr froh/ daß ein ſo guter Abſcheid vor dißmahl
ſolte genommen werden/ und gab durch den Kanzler zur Antwort; Sie bedankete ſich
nochmahls ſehr/ beydes gegen den Koͤnig/ und den jungen Groß Fuͤrſten/ des guten wil-
lens/ welchen ihre Liebden gegen ſie und ihre Frl. Tochter truͤgen/ baͤhte/ in ſolcher Gewo-
genheit zu verbleiben/ und nicht zuzweiffeln/ daß ſie alles dz vornehmen und leiſten wolte/
was zu der angetragenen wirdigen Heyraht koͤnte gedeilich ſeyn/ dafern nur die Goͤtter
ihre Frl. Tochter wieder zu Lande braͤchte/ und ihr Herꝛ Sohn dieſelbe nicht unterdeſſen
etwa einem andern verheyrahtet haͤtte/ welches ſie dann nicht hoffen wolte; befahl/ den
Koͤnig und Groß Fuͤrſten zugruͤſſen/ und zeigete an/ daß nach verlauff zwo Stunden der
Kanzler ihm ein Schreibẽ an ſeinen Koͤnig zuſtellen wuͤrde. Hiemit nahmen ſie abſcheid/
und zeigeten an/ ſie haͤtten beydes von dem Koͤnige und dem jungen Groß Fuͤrſten Geſchen-
ke bey ſich an das Koͤnigliche Fraͤulein/ welche ſie aber wegen des leidigen Unfalles wuͤr-
den muͤſſen mit ſich wieder zuruͤk nehmen/ es waͤhre dann/ daß ihre Koͤnigl. Hocheit dieſel-
ben verwahrlich bey ſich behalten/ und auff gluͤkliche Wiederkunfft ſie dem Fraͤulein einlie-
fern wolte; ward aber geantwortet/ weil der Fraͤulein Wiederkunfft in der Goͤtter Haͤn-
den und Gewalt ſtuͤnde/ wuͤrde daß beſte ſeyn/ daß der Herr Geſanter ſolche Sachen bey
ſich behielte. Ward ihnen alſo Gluͤk auff die Reiſe gewuͤnſchet/ und ſo wol dem Geſanten
als Schreiber eine ſtatliche guͤldene Kette mit angehengetem Kleinot verehret; welche ſie
mit Dankſagung annahmen/ und Markomir dabey blicken ließ/ daß viel eine groͤſſere Hoͤf-
ligkeit/ als eines Schreibers/ bey ihm waͤhre. Sie eileten ſelbſt fort zuzihen/ legeten allen
Vorſaz des feindlichen uͤberfalles ab/ und gingen in moͤglicher eile fort/ unter der Hoff-
nung/ es wuͤrde dieſe Heyraht noch einen Fortgang gewinnen. Als ſie bey dem groſſen
Kriegsheer anlangeten/ muſte die Reuterey mit ihnen geſchwinde fort/ und die Fußvoͤlker
nach moͤgligkeit folgen/ ruheten auch keinen Tag/ biß ſie bey dem Koͤnige ankahmen. Der
junge Groß Fuͤrſt hatte auff der Reiſe mannicherley einfaͤlle welche auff der Fraͤulein Er-
loͤſung gerichtet wahren/ und zieleten alle dahin/ wie er ſolche mit ſeiner Fauſt und Voͤlkeꝛn
verrichten/ und durch ſolchen Dienſt ihre Liebe erwerben moͤchte/ ſo daß ſie ſprechen muͤ-
ſte/
[359]Anderes Buch.
ſte/ ſie waͤhre ſich ihm ſchuldig; aber wann er ſich erinnerte/ daß ihm der Teutſche Groß-
Fuͤrſt Herkules (deſſen Tapfferkeit ihm Herr Krokus ſo hoch geruͤhmet hatte)/ wie auch
der Fraͤulein Bruder ſelbſt im Vorfange wahren/ und ſie antreffen moͤchten/ ehe er erfuͤh-
re/ wo ſie auffgehalten wuͤrde/ gab ihm ſolches lauter Schwermuͤhtigkeit/ ſo daß er wuͤn-
ſchete/ ſie moͤchten ihr Nachſuchen vergebens tuhn/ oder gar im Meeꝛ erſauffen/ damit ihm
die Ehr und das Gluͤk dieſer Rettung von ihnen nicht entriſſen wuͤrde. Zu zeiten traff ei-
ne hefftige Verzweiffelung ſein Herz mit ſcharffen Anfechtungspfeilen/ ob ſie auch noch
lebete/ und ihre Ehre annoch unverletzet haͤtte; Und wann ihm Dagobeꝛt (welcher viel bey
ihm vermochte) dieſe Zagheit benommen hatte/ brach eine andere loß/ ob er ihr auch ge-
fallen wuͤrde/ weil ſie ſein ſo gar nicht geachtet hatte/ als er ſie vor Prag im Walde an-
geredet/ und alle ſeine Freundligkeit hervorgeſucht. Wann dann die erinnerung darzu
kam/ daß ſie weder ſein geheimes Liebe Schreiben/ noch die uͤbergeſchikten Geſchenke
von Klogio hatte annehmen wollen/ brachte ihm ſolches eine ſolche Raſerey/ das er
ſich nicht anders geberdete/ als wolte er vor Zweiffelmuht vergehen; und muſte hieſelbſt
Dagobert allen Wiz zuſammen ſuchen/ ihn wie der in Ruhe und Hoffnung zuſtellen; uͤber
welche Herz-freſſende Einbildungen er ſehr von Leibe/ und kraͤfften kam/ daß ſeine Eltern/
da er zu Hauſe anlangete/ ſich daruͤber entſetzeten/ uñ ſeine Fr. Mutter zu ihm ſagete: Den
Goͤttern ſey dank/ mein Sohn/ daß ſie dich ſo bald wieder hieher begleitet haben/ zum Troſt
deinen Eltern und dem ganzen Lande; und ob dich gleich die Liebe in etwas an deinem Flei-
ſche gemindert hat/ hoffe ich doch/ deine Goͤttin (wie du ſie nenneſt uñ ſchaͤtzeſt) werde dein
Gemuͤht gelabet und erquicket haben. Markomir ließ auff ſolche Rede einen herzbrechen-
den Seufzer aus/ und gab damit den Anweſenden ſchon zuverſtehen/ daß ſeine Reiſe uͤm-
ſonſt geweſen waͤhre; fing auch bald darauff an: Gnaͤdigſte Fr. Mutter/ ich moͤchte von
Herzen wuͤnſchen daß ihr Raͤtzel eintreffen ſolte; aber ich muß ihr aus betruͤbter Seele
klagen/ daß meine ehemalige Wald Goͤttin leider leider zur Meer Goͤttin worden iſt. Ich
verſtehe dein Raͤtzel nicht/ lieber Sohn/ ſagte ſie. Darumb laſt uns ſchweigen/ ſagte Koͤnig
Hilderich/ damit wir wiſſen moͤgen/ was vor eine Wirkung dieſe andermahlige Geſand-
ſchafft gehabt habe/ nach welcher wir unſere Anſchlaͤge richten werden; dann ſolte an Boͤh-
miſcher ſeite Beſchimpfung mit unterlauffen/ wuͤrde ich gezwungen ihnen ſehẽ laſſen muͤſ-
ſen was die zuſammen geſetzete Frankiſche Sikambriſche Macht kan und vermag; wird
demnach mein Geſanter Dagobert anzeige tuhn alles deſſen/ was vorgangen iſt. Dieſer
wahr darzu bereit/ erzaͤhlete alles mit volkommenen Umſtaͤnden/ und legte der junge Fuͤrſt
ſeine traͤulich gehaltene Schrifft dabey. Worauff der Koͤnig dieſes antwortete: Der An-
ſchlag das Fraͤulein durch Kriegsmacht zuerhalten/ iſt auſſer zweifel gleich bey eurer An-
kunfft zu Prag verrahten; darauff haben ſie ihre Grenzen mit Reuterey/ und die Feſtung
mit Fußvolk kluͤglich veꝛwahret. Daß man ſich bey Ankunfft voꝛ deꝛ Stad nicht hat teutſch
und auffrichtig melden wollen/ iſt ein ſchlimmes Verſehen// unloͤblich/ und eine gnugſame
Urſach zum hochſtſchaͤdlichen Mißtrauen/ welche zugeben/ ein jeder Vernuͤnfftiger ſich huͤ-
ten muß. Redliche Erklaͤrung hat die loͤbliche Koͤnigin gegeben/ aber eine unverantwort-
liche Grobheit iſt es/ daß Dagobert dieſelbe aus eigener Einbildung hat duͤrfen luͤgen ſtraf-
fen/ ehe uñ bevor er einigen gewiſſen Fuß falſcher ſtellung gehabt/ daher er billich von Boͤh-
miſcher
[360]Anderes Buch.
miſcher ſeite ausgehechelt iſt/ woſelbſt man doch mehr Hoͤfligkeit gebrauchet hat/ als man
ſchuldig geweſen. Der Fraͤulein raͤuberiſche Entfuͤhrung iſt ein Werk der Goͤtter/ die ſol-
ches nicht ohn Urſach verhaͤnget haben/ und iſt ein wolgemeinter Voꝛſchlag/ mit der Nach-
fragung zu Padua/ woſelbſt ich einen heimlichen Kundſchaffer halten wil/ welcheꝛ von dan-
nen nicht weichen ſol/ ehe und bevor er von dem verlohrnen Fraͤulein gewiſſe Zeitung hat/
wo ſie ſey/ und wie ſie gehalten werde; ſtehets dañ in Frankiſcher Macht/ ſie loßzumachen/
und zur Heyraht zuerhalten/ ſollen weder Koſten/ noch Muͤhe noch Blut daran geſparet
werden. Nur liegt mir des jungen Teutſchen einzige Nachſuchung mehr im Sinne als ihr
Verluſt ſelber; und da die Goͤtter ihm das Gluͤk wuͤrden verleihen/ ſie anzutreffen uñ loß-
zumachen/ bedarff man keines Dolmetſchers darzu/ was zur Dankbarkeit ihm auff ſein
inſtendiges begehren duͤrfte geliefert werden. Ich wil aber den Goͤttern vertrauen/ ſie wer-
den es dahin nicht laſſen kommen; jedoch/ wann ihr Schluß alſo gehen ſolte/ wird an unſeꝛ
Seiten nichts uͤbrig ſeyn/ als in deren Willen ſich zuergeben/ und wil nimmermehr hoffen/
daß ich einen Sohn werde gezeuget haben/ der ſo verwaͤgen/ unvernuͤnfftig und gottloß
ſeyn wolte/ ſich dem Himmel ſelbſt zuwiderſetzen/ oder der groſſen Krafft/ deren ſich die
ganze Welt willig unterwirfft/ entgegen zuſtuͤrmen; Doch/ wie geſagt/ ſtehe ich annoch feſt
in der Zuverſicht/ die guͤtigen Goͤtter/ welche bißher noch allemahl mein Vornehmen ge-
ſegnet/ werden uns einen angenehmen Ausſchlag erleben laſſen/ als welche in dieſer kurzen
Zeit mich von meiner/ aͤuſſerlichem Anſehen nach/ unheilſamen Krankheit uͤber alles ver-
hoffen befreyet/ und beſſere Geſundheit verliehen/ als ich vor nie gehabt. Alſo redete dieſer
hochvernuͤnftige Koͤnig/ welcher zu ſeiner Zeit an Tapferkeit/ kluger Weißheit und auff-
richtiger Gerechtigkeit ſehr wenig ſeines gleichen hatte. Aber ſein Sohn/ welchen die uͤber-
maͤſſige Einbildung der allervolkommenſten Schoͤnheit der Boͤhmiſchen Koͤniglichen
Fraͤulein/ zu der unbezwinglichen Begierde der wirklichen Nieſſung/ je laͤnger je mehr an-
hetzete/ kunte ſolche wolgegruͤndete Urſachen nicht zuherzen nehmen/ weil die ſtarke Liebes-
Bewaͤgung ſeine Vernunft ganz uͤbermeiſtert und nider geworffen hatte; deswegen eꝛ daꝛ-
auf ſinnete/ wie er den Vater/ der ihn mehr als ſich ſelbſt liebete/ auff andere Gedanken brin-
gen moͤchte; wie er dann vor dißmahl deſſen Vortrag alſo beantwortete: Gnaͤdigſter Herꝛ
und Vater; ich bin von Kindesbeinen auff von ihrer Gn. darzu angehalten/ daß der Goͤt-
ter Schickung ich mir gefallen laſſen/ und denen nicht wiederſtreben ſol; welches ich auch
ſo feſt in meine Seele gedrukt/ daß/ wo es nicht eine groͤſſere Kraft heraus treibet/ als die es
hinein geſenket hat/ mir wol biß an mein Ende unverruͤkt verbleiben wird. Ich halte aber
davor/ die himliſchen Goͤtter wann ſie uns ein uͤberkoͤſtliches Gut zeigen/ wie mir geſchehen
iſt/ fuͤgen ſie alsbald eine gꝛoſſe und wichtige Schwerheit zur aͤuſſeꝛſten Bemuͤhung dabey/
uͤmb uns zuverſuchen und pruͤfen/ ob wir auch ſo viel Muht und Herz haben die Muͤhe
anzutreten/ und unſere Nachſtrebung ihrer Guͤtigkeit beyzulegen. Werden wir dañ dieſem
nach/ an unſer ſeiten muͤſſig ſitzen/ uñ lauren/ ob die Goͤtter uns dieſes Kleinot in die Schoß
hinein ſchuͤtten/ werden wirs mit unſerm unwiederbringlichen Schaden erfahren/ daß ſol-
ches nicht anders ſey/ als ſeine Wolfahrt verſeumen. Mein Gn. Herꝛ Vater erinnere ſich/
bitte ich/ ſeines gedoppelten Lebens-Spruches/ deſſen zwar der erſte iſt; Alles nach der Goͤtter
Willen und Schickung; der andere aber: Die Goͤtter verkauffen uns ihre Guͤter uͤm̃ unſere Arbeit.
Das
[361]Anderes Buch.
Das allerkoſtbahreſte Gut der Goͤtter vor mich/ iſt die himliſche Valiſka/ welche ich billich
die Sonne der Unterwelt nenne; Was iſts dann Wunder/ daß ſie auch anjezt in ihrem
Lauffe nach der Goͤtter Willen begriffen iſt/ nach dem die Sonne nimmer ſtille ſtehet? wer
ihr nachlaͤufft/ wird ſie ohn Zweiffel erlangen; wer aber ſtille ſitzet/ und wartet biß ſie von
ihr ſelbſt zu ihm lauffe/ wird einen bloſſen ſchlagen. Dieſem nach/ goͤnne mir mein Gn.
Herr Vater/ daß ich ihr nachlauffe/ damit nicht der Sachſiſche Laͤuffer mir gar zu einen
groſſen Vorſprung abgewinne. Du traͤgeſt gute Speiſen auff/ mein Sohn/ antwortete
der Vater/ aber das Salz mangelt/ welches ich daran ſchuͤtten muß; nehmlich die vorſich-
tige Klugheit. Du wilt lauffen/ aber wohin? Du wilt ſuchen/ aber an welchem Orte? Du
wilt einem andern vorkommen/ aber auff welcher Bahn? Siheſtu was dir fehlet? Dein
Seiger iſt verrukt/ der muß geſtellet werden; aber durch Vernunfft/ nicht durch blindes
zuplatzen. Der Teutſche junge Groß Fuͤrſt Herkules laͤufft; wir wollen auch lauffen/ ja wiꝛ
wollen lauffen. Herkules laͤufft ohn zweifel auffs ungewiß; das wird ihn nicht zum Ziele
bringen; Markomir ſol gewiſſer lauffen/ ſo wird er dem Herkules vorkommẽ. Und ſchaͤtze
dich nicht geringer/ mein Sohn/ als jenen Herkules; dann was bey den Sachſen Herku-
les heiſſet/ das heiſſet bey den Sikambern Markomir. Mein Uhr Anherr der allererſte Koͤ-
nig der Sikambrer fuͤhrete dieſen Nahmen/ und wahr des hochberuͤhmten Trojaners des
Antenors Sohn/ welcher vor 673 Jahren den erſten Grund dieſes Reichs geleget hat/ uñ
wir denſelben unter der Zahl unſer Goͤtter verehren. 216 Jahr nach ſeinem Tode herſche-
te/ der Neunde in der Ordnung/ der Ander Markomir/ und zwar eben ſo viel Jahr lang
als der erſte/ nehmlich XXIIX Jahr/ welchen wir als ein Wunder halten wegẽ ſeiner hoch-
gelehrten Klugheit und Wiſſenſchafft in den freyen Kuͤnſten. Der dritte Markomir kam
335 Jahr nach ihm/ hat vor 97 Jahren das Reich angenommen/ und demſelben XXI Jahr
lang uͤberaus loͤblich vorgeſtanden; maſſen die Franken unter ihm an Reichtuhm und
Kraͤfften mehr zugenommen/ als unter keinem andern vor ihm; und da es den Goͤttern nit
zuwider iſt/ gelebe ich der Hoffnung/ du werdeſt der Vierde Markomir von unſern Nach-
kommen gezaͤhlet werden; Helffe der Himmel/ daß du nicht geringer noch unbenahmter
werdeſt als der vorigen einer. Aber mein Sohn/ wollen wir in dieſer Hoffnung unbetrogẽ
ſeyn/ muͤſſen wir in alle unſerm Vornehmen die Vernunfft vorne an ſetzen/ als eine voll-
kommene Beherſcherin aller unſer Begierden; und wo wir uns in dieſem Stuͤk uͤberſe-
hen/ wird die folgende Zeit uns entweder in das Buch der Vergeſſenheit/ oder (welches
noch ſchlimmer) der Verachtung einſchreiben. Drumb ehe und bevor wir lauffen/ wollen
wir uns zuvor des Weges erkundigen/ daß wir nicht nach Weſten zurennen/ wann wir ge-
gen Oſten ſollen. Muß demnach ein getraͤuer und verſtaͤndiger Diener zu Padua verneh-
men/ ob er daſelbſt/ unſer Wegweiſer zu ſeyn/ koͤnne geſchikt gemacht werden; ſonſten wo
ich dich zeitiger lauffen lieſſe/ wuͤrde ich dich meinen einigen Sohn und gewiſſen Reichs-
Erben ins Verderben jagen/ deſſen ich vor der gantzen Welt muͤſte verachtet/ und von al-
len meinen Untertahnen verfluchet ſeyn. Wie aber/ mein Herr Vater/ ſagte Markomir/
wann mir der Herkules vorlieffe? So ruht ers durch der Goͤtter Willen und ihrer ſondeꝛ-
lichen Schickung/ antwortete er/ denen wir durchaus nicht koͤnnen widerſtreben; Drum
ſo du mich und dich/ ja wo du die koͤſtliche Welt Perle Frl. Valiſken recht und vernuͤnff-
Z ztig lie-
[362]Anderes Buch.
tig liebeſt/ ſo gehorche mir/ ſtehe in Geduld/ als einem tapffern Herzen gebuͤhret/ und laß
uns vernuͤnfftig fahren/ welches nicht ſeumen heiſſet/ als dann wird das Gluͤk uns beyraͤh-
tig/ und der Himmel uns behuͤlfflich ſeyn. Dieſes wahr zwar der Beſchluß dieſer Unter-
redung/ aber gar kein Loͤſchewaſſer auff Markomirs flammichte Brunſt. Ein verſtaͤndi-
ger Frankiſcher Ritter/ in der Lateiniſchen und Griechiſchen Sprache wol erfahren/ nah-
mens Farabert/ ward alsbald erwaͤhlet/ ſelb dritte nach Padua zureiten/ ſich daſelbſt als
ein ſchweiffender Ritter auffzuhalten/ und an des Roͤmiſchen Stathalters Hofe daſelbſt
Kundſchafft zuſuchen/ damit er ſich beydes des geraubeten Fraͤulein und des Groß Fuͤr-
ſten Herkules Zuſtandes erkuͤndigte/ und alle Wochẽ fleiſſigen ſchrifftlichen Bericht taͤh-
te. Dieſer/ als er daſelbſt ankam/ und den Ruhm der unvergleichlichen Tapfferkeit des
Teutſchen Herkules von jungen und alten hoͤrete/ dann auch/ daß derſelbe uͤber der Fraͤu-
lein Verluſt ſich mehr/ als uͤber kein Ding in deꝛ Welt entſetzet haͤtte/ und ohn alles ſeumen
ihr als ein geworbener Raͤuberknecht gefolget waͤhre/ auch wie man davor hielt/ ſchon in
Erfahrung gebracht/ an was Ort und Enden er das geraubete Fraͤulein antreffen koͤnte;
uͤberſchrieber dieſes an den Koͤnig/ wie es an ſich wahr/ und ſchickete es bey ſeiner Diener
einem uͤber; welcher zwar von Farabert befehlichet wahr/ es niemand als dem Koͤnige ein-
zuliefern/ aber Markomir hatte ſeine Leute beſtellet/ welche ihm des Klodimirs (alſo hieß
dieſer Diener) Ankunfft zuwiſſen tahten/ noch ehe er zu dem Koͤnige kam; begehrete dem-
nach/ er ſolte ſich ſtraks angeſichts zu ihm auff ſein Gemach verfuͤgen. Dieſer/ den jungen
Fuͤrſten ſo ungeſtalt/ bleich und mager ſehend/ als welcher in ſteter Wehmuht ſein Leben
zubrachte/ entſetzete ſich daruͤber/ und wolte ihm allerhand Troſt einſprechen; Er aber fra-
gete alſo bald nach/ ob er ein Schreiben an ſeinen Herr Vater haͤtte? Ja/ antwortete er;
bin aber ſchuldig/ ſolches niemand als dem Koͤnige ſelbſt zuliefern. Umb ſo viel ſchlimmer
vor mich/ antwortete er; doch wolte er ihm das Schreiben nicht mit Gewalt abnehmen/
ſondern ging mit ihm hin nach dem Koͤnige/ umb/ den Inhalt deſſelben zuvernehmen. Deꝛ
Koͤnig ſahe ihn ungerne dabey/ merkete auch ſchon aus Klodimirs Geſichte/ daß noch zur
Zeit wenig Troſtes vor ſeinen Sohn wuͤrde verhanden ſeyn/ und durffte ihm doch das uͤ-
bergeſchriebene nicht hinterhalten. Welches ſie beyde mit einander laſen/ und der Koͤnig
alles zum guten auszudeuten bemuͤhet wahr/ aber die Muhtmaſſung wahr viel zuſtark vor
den ſo hochgeruͤhmten Herkules; daher Markomir alſo mit betruͤbetem Herzen anfing:
Nun ihr Goͤtter/ dann euch allein muß ichs zuſchreiben; Ihr habet mich vor unwirdig er-
kant/ dieſen Schatz zubeſitzen/ der uͤber eines Menſchen Wirdigkeit gehet/ dann ſonſt haͤt-
tet ihr meinem Herr Vater die Gedanken eingeblaſen/ daß er mir gegoͤnnet haͤtte nachzu-
folgen/ da vielleicht auch noch ein mitleidiger Gott mir den Weg zu dem Fraͤulein gezeiget
haͤtte/ daß ich ehe als Herkules/ oder mit ihm zugleich angelanget waͤhre/ und auffs minſte
aus ihrem Munde meine lezte Urtel angehoͤret haͤtte; Weil aber nun ein ſolches verſeumet/
und unwiderbringlich iſt/ wuͤrdet ihr Goͤtter dem elenden Markomir keine hoͤhere noch
angenehmere Gnade erzeigen koͤnnen/ als daß ihr ſeine muͤhſelige troſtloſe Seele aus der
ungenehmen Herberge des ſchon abgematteten Leibes abfodertet; fuͤrchte aber ſehr/ ihr
werdet ihn noch laͤnger zuquaͤlen Luſt tragen. Der Vater wolte ihm Troſt einreden/ aber
er baht denſelben/ ſein zuverſchonen/ weil ſeinem Herzen unmoͤglich waͤhre/ deſſen ichtwz
anzu-
[363]Anderes Buch.
anzunehmen/ und waͤhre ihm nichts liebers als die Einſamkeit. Es brachte dieſes dem Koͤ-
nige die Traͤhnen aus den Augen/ und hielt vor rahtſam/ ihn vorerſt ihm ſelber zu goͤnnen/
nur fuͤrchtete er am meiſten/ er moͤchte aus Verzweifelung ſich ſelbſt entleiben/ welches ab-
zuwenden/ er allerhand Gewehr und Meſſer von ihm abnehmen ließ/ welches er geduldig
erlitte/ unter der Hoffnung/ man wuͤrde daher deſto weniger Aufſicht auff ihn haben/ dann
ſein ganzer Varſatz wahr/ ſeinem Leben ein Ende zumachen. Zween aͤdle Frankiſche Juͤng-
linge/ welche mit ihm aufferzogen/ und von ihm ſehr geliebet wurden/ muſten auff des Koͤ-
niges Befehl ihm auff ſeinem Gemache Geſelſchafft leiſten/ welches ihm der groͤſte Troſt
wahr/ weil er keinen andern Menſchen umb ſich leiden mochte. Nach eingenommenen we-
nig Speiſen und ſtarken Trunk gewaͤſſerten Weins/ legte er ſich dieſen Abend fruͤh zur
Ruhe/ lag etwa ein halb ſtuͤndichen ganz ſtillſchweigens auff dem Bette/ trieb etliche Gaͤu-
keley mit den Haͤnden/ und laͤchelte zuzeiten dabey ein wenig. Der eine aͤdelknabe wolte
mit ihm reden/ und ihm von ſeiner Stuterey (wozu er ſonderliches belieben trug) etwas
vorſagen; Er aber ſagte zu ihm: Mein Walther (alſo hieß dieſer) was haſtu dich zwiſchen
zwey verliebete Fuͤrſten-bilder einzumiſchen? meyneſtu daß meine Gnade gegen dich groͤſ-
ſer ſey als daß ſie koͤnte gebrochen werden? Sihe da/ ich gebiete dir/ wo du mich noch ein-
mahl verſtoͤreſt mit der zu reden/ deren ich ganz eigen bin/ wil ich dich laſſen an den lichten
Galgen hencken. Ach ihr Goͤtter/ fing dieſer mit Traͤhnen an/ was wird hieraus werden?
Der andere Juͤngling/ Nahmens Anther/ trat zu ihm/ und ſagete: Durchleuchtigſter
Groß Fuͤrſt/ kan mir dann wol erlaubet ſeyn/ mit euch zuſchwaͤtzen? Ja/ ſagte er/ wann du
weiſt wer ich bin. Wie ſolte ich ſolches nicht wiſſen? antwortete dieſer; Eure Durchl. iſt ja
unſer Groß Fuͤrſt Markomir. Was? ſagte er/ bin ich der verfluchte Markomir? Wie ſolte
ich mich wuͤnſchen ein ſolcher ungluͤklicher Liebhaber zuſeyn; Mein Nahme iſt Herkules/
gebohrner Groß Fuͤrſt der unuͤberwindlichen Sachſen Voͤlker; und werde ich nach Ver-
lauff vier Monat das Beylager mit meinem vertrauten Fraͤulein halten. Walther lieff
auff ſolche Rede hin nach dem Koͤnige/ und zeigete ihm ſolches wahnwitzige Vorbringen
mit Traͤhnen an; Welcher ihm zur Antwort gab: Dieſes iſt ſpaͤter kommen als ich michs
befuͤrchtet habe; Die Goͤtter wollen ſich mein und meines lieben Sohns erbarmen; gehe
du aber wieder hin/ und gib nebeſt deinem Geſellen gute acht auff deinen Herrn/ dz ich bald
erfahre/ wie ſichs weiter mit ihm ſchicket/ dann ich fuͤrchte noch viel ein ſchlimmers. In-
zwiſchen wolte Anther ihm einreden/ und ſolche Einbildung ihm benehmen; aber er ſahe
denſelben mit verwendeten Augen und greßlichem Geſichte an/ und draͤuete ihn zu freſſen/
wo durch er geſchrecket/ ganz ſtille ſchwieg. Der Koͤnig ließ ſeinen Leib Arzt zu ſich fodern/
gab ihm das Ungluͤk zuverſtehen/ und fragete/ was vor Raht hie ſeyn wuͤrde/ des jungen
Fuͤrſten Witz zuretten. Dieſer machte ſich alsbald fertig zu ihm zugehen/ und wo moͤglich/
ihm die Ader ſpringen zulaſſen/ fand ihn aber im harten unruhigen Schlaffe ligen/ welcher
ihn als im Augenblicke uͤberfallen hatte; und ſahe er aus allen Zeichen/ daß ihm das Ge-
hirn ſchon verruͤcket wahr/ auch nach geendigtem Schlaffe er eine tobende Wuht wuͤrde
ſehen laſſen; daher riet er dem Koͤnige/ welcher ihm gefolget wahr/ daß man ihn alſo ſchlaf-
fend mit dem Bette auff ein feſtes Gemach braͤchte/ damit er nicht loßbrechen koͤnte/ wel-
ches ohn ſeumen geſchahe. Gegen den Morgen erwachete er/ fing ein hartes Geſchrey an/
Z z ijwelches
[364]Anderes Buch.
welches einer Ochſen- als Menſchen-Stimme aͤhnlicher wahr/ ſprang aus dem Bette/
und zureiß ſein Hemde in kleine Laͤplein/ ſtund ohn alle Schahm ganz mutternacket/ und
rief/ man ſolte ihm ſeine ritterliche Ruͤſtung bringen/ es muͤſte ſein Erzfeind der Frankiſche
Markomir dieſe Stunde von ſeinen Haͤnden ſterben/ als welcher ihm ſeine vertrauete un-
redlicher weiſe abſpenſtigen wolte. Walther und Anther waren bey ihm auff dem Gema-
che/ und hatten ſich aus Furcht verſtecket/ dann ſie gedachten nicht anders/ er wuͤrde ſie er-
wuͤrgen; endlich ſchliech der erſtgedachte heimlich nach der Tuͤhr/ und klopffete leiſe an/
daß die hauſſen ſtehende Diener ihm auffmachen ſolten/ welches zwar geſchahe/ aber Maꝛ-
komir ward deſſen zu fruͤh innen/ ſprang ſo nacket hinter ihm her wie ein Hirſch/ daß er zu-
gleich mit ihm aus der Tuͤhr kam/ erhaſchete ihn im Platze/ und haͤtte ihn auſſer Zweiffel
erwuͤrget/ wann nicht ſechs ſtarke Knechte herzugelauffen waͤhren/ und ihn gerettet haͤttẽ/
welche auch des jungen Fuͤrſten endlich/ wiewol mit groſſer Muͤhe und Arbeit/ maͤchtig
wurden/ und ihn bey Armen und Beinen wieder nach ſeinem Gemache ſchleppeten. Sei-
ne Eltern ſahen an ihm ſehr groſſes Herzleid/ und kunte ſeine from̃e Mutter ſich anfangs
nicht zufrieden geben; dann er blieb in ſolchem Wahnwitz eine geraume Zeit/ biß ihm noch
endlich durch einen erfahrnen Arzt raht geſchaffet ward/ wovon zu ſeiner Zeit Meldung
geſchehen wird.


Unſer Valikules/ wie droben geſagt/ reiſete mit Gallus in der Landſchafft Achaja/ in
willens nach Korinth ſich zu begeben/ und ſtellete ſich der fremde Ritter ſehr freundlich ge-
gen ihn/ welchen er meinete ohn gefehr in ſeine Geſelſchafft kommen ſeyn. Sie redeten
miteinan der von neuen Zeitungen/ und wuſte dieſer von ſo mañicherley Sachen zu ſchwaͤ-
zen/ daß Valikules ihm ſehr gewogen wahr; unter andern trug er ihm dieſe Geſchichte
vor/ welche ſich vor etwa X Wochen zugetragen haͤtte; Es wohneten nicht weit von Ko-
rinth/ ſagte er/ zween Ritter in einem Flecken/ einer ſchon zimliches Alters/ von LVI Jah-
ren/ welcher nie Luſt zum Frauenzimmer gehabt/ und ſeine Anverwanten ihn zur Heyraht
nimmer haben bewaͤgen koͤnnen; der ander XXX Jahr juͤnger als dieſer/ hat ſchon vor IV
Jahren eine adeliche friſche/ wie wol ehrliebende Jungfer geehelichet/ aber mit ihr nie kei-
nen Erben gezeuget/ ohn daß ſie vor XIIX Wochen eines jungen Soͤhnleins geneſen/ wel-
cher nicht allein dem vorgemeldeten alten Ritter ſehr aͤhnlich wahr/ ſondern hatte auff der
linken Hand ein Schwert-mahl/ gleich wie derſelbe Ritter auch; wodurch der Juͤngere in
hefftigen Argwohn gerahten iſt/ es habe ſein Weib dieſen Sohn mit jenem im Ehebruch
gezeuget/ welches ihm auch kein Menſch hat koͤnnen aus dem Sinne bringen/ dann er alle-
mahl beſtaͤndig vorgegeben/ die Goͤtter haͤtten durch ſolches Zeichen ſeines Weibes Un-
traͤu wollen offenbahr machen; und wuͤrde er ſie ſchon ermordet haben/ wann nicht ihre
Eltern ſie in den Sechswochen heimlich entfuͤhret und in Gewarſam gebracht haͤtten/
welches doch wieder der Frauen Willen geſchahe/ ſich befuͤrchtend/ ſie wuͤrde ſich dadurch
der Schuld verdaͤchtig machen. Ihr Ehe Junker/ als er ſahe/ daß die Gelegenheit ſich an
ihr zuraͤchen/ ihm benommen wahr/ nahm ihm vor ſich an dem Ehebrecher zuerhohlen/
welches er alſo anſchlug; Es hatte derſelbe ſeinen Reitenden Diener/ umb einer Untraͤu
willen abgeſchaffet/ welchem er allemahl viel vertrauet hatte/ nunmehr aber in erfahrung
brachte/ daß er ihn vielfaͤltig betrogen; dieſen nahm der juͤngere Ritter/ nahmens Timo-
leon
[365]Anderes Buch.
leon/ in Dienſte an/ hielt ihn wol und fragete ihn/ warumb ſein voriger Herr von XLIV
Wochen her/ ſich weder von anderen haͤtte wollen laſſen beſuchẽ/ noch andere anſprechen.
Dieſer gab zur Antwort; er moͤchte die Urſach nicht melden/ weil derſelbe es ſehr heimlich
hielte/ und nunmehr ſich bald wiederumb wuͤrde unter die Leute machen. Dieſer aber hielt
ſo hart bey ihm an/ daß er endlich es offenbahrete; nemlich/ als dieſer ſein voriger Herr da-
zumahl bey ihme waͤhre zu gaſte geweſen/ waͤhre er nach Mitternacht zu hauſe kommen/
und haͤtte gar nichts mehr von ſeinem Barte gehabt/ welchen er ſonſten zimlich lang zu-
tragen pflegete/ haͤtte vorgeben/ es waͤhren ihm etliche vermum̃ete Buben auf der Straſ-
ſe begegnet/ welche ihn angefaſſet/ und mit einer Scheren ihm den Bart reine hinweg ge-
ſchnitten; und weil er ſich in ſolcher Geſtalt nicht moͤchte ſehen laſſen/ wolte er daheim blei-
ben/ auch wann mann nach ihm fragete/ ſich laſſen verleugnen/ biß der Bart ihm guten
teils wuͤrde wieder gewachſen ſeyn. Timoleon dachte dieſem ernſtlich nach/ und erinnerte
ſich daß Phorbas/ (ſo hieß der alte Ritter) ihn dazumahl gewaltig zum Trunk genoͤhtiget/
und von ihm erhalten/ dz ſein junges Weib haͤtte mit zechen muͤſſen; weil dann Timoleon
noch ſehr wenig vom Bart hatte/ gedachte er; was gilts/ wo nicht dieſer alte haberſtolz von
unbilliger Luſt gereizet/ durch abſchneidung des Barts ſich mir hat etwas aͤhnlich machen
wollen/ daß er dadurch mein unſchuldiges Weib hintergangen/ und ihr unwiſſend ſolche
Schande angefuͤget hat; und dieſes bildete er ihm ſo feſt ein/ daß er gar nicht mehr daran
zweiffelte/ inſonderheit/ weil er ſich erinnerte/ daß er in der Trunkenheit jensmahl/ wuͤſte
nicht wie/ wahre entkleidet/ und in das Nebenbette gelegt worden. Sein groſſer Eifer
trieb ihn/ nicht lange zuruhen/ taht ſeinem neuen Diener groſſe Verheiſſung/ da er ihm
helffen koͤnte zu Phorbas auff ſein Gemach zukommen/ wann er alle in waͤhre/ weil er ihm
etwas anzuzeigen haͤtte/ daran ihnen beyden viel gelegen. Dieſer gedachte nicht/ daß Ti-
moleon mit gefaͤhrlichen Sachen umbginge/ wahr ihm zu Willen/ und ging mit ihm hin
nach Phorbas Hoffgleich umb die Zeit/ wann derſelbe in ſeinem Luſtgarten pflegte allein
umbher zugehen/ und an den mañicherley ſelzamen Gewaͤchſen ſich zuerluſtigen; woſelbſt
ihn auch Timoleon antraff/ da er in der Sommerlaube ſaß/ und in des Homerus Schriff-
ten laſe. Phorbas entſetzete ſich/ als er ihn fahe/ und meldete ihm ſein Gewiſſen alsbald/
was die Urſach ſeiner Ankunfft ſeyn wuͤrde/ gleich da er ihn hoͤrete alſo reden: Du Erz-
verraͤhter und buͤbiſcher Ehebrecher/ warumb haſtu mir mein Weib geſchaͤndet/ als du
unter dem Schein redlicher Freundſchafft mich beſucheteſt? leugne nur nicht warumb
du den Bart ſelbſt abgeſchnitten/ dann es iſt mir viel zukund worden/ und ſchicke dich zum
tode/ dann du muſt ſterben. Phorbas gab zur Antwort: Mein Freund/ ich habe mich an
euch und eurem ehrliebenden Gemahl durch antreibung unziemlicher begierden hart ver-
gangen/ und bin willig den Tod davor zu leiden/ nur ſchonet eures Gemahls/ welche aller-
dinge unſchuldig iſt/ und von dieſer meiner Untaht nicht das allergeringſte weiß. Timo-
leon hatte auff ſolche Bereuung ſich bedacht/ was er mit ihm vornehmen wolte/ doch end-
lich durch Eiferſucht uͤbermeiſtert/ hat er ihm das Schwert durchs Herz geſtoſſen und iſt
davon gangen. Es wahr aber des Phorbas Leibdiener gleich darzu kommen/ umb ſeinem
Herren anzumelden/ daß ſein Bruder Philotas nebeſt ſeiner zwo Schweſter Maͤnnern
Jaſon und Hyllus kommen waͤhren ihn zubeſuchen; Dieſer als er den Timoleon geſehen
Z z iijſein
[366]Anderes Buch.
ſein blutiges Schwert abwiſchen/ hat er gleich die Wahrheit gewaͤhnet/ und den dreyen
jeztgemeldeten es weinend geklaget/ welche alsbald zu ihm hin ein gedrungen/ und mit vie-
len Stichen und hieben ihn nidergemacht haben; ſind darauff davon geritten/ und haben
die Sache uͤberdz anhaͤngig gemacht/ da Timoleons/ ſonſt ehemahls des Phorbas Knecht
alles hat muͤſſen auß ſagen/ welcher auch darauff des Landes verwieſen iſt. Timoleons tu-
gendreiches Weib/ als ſie allen Verlauff erfahren/ hat ſie ihres Ehe Junkern Tod heftig
beweinet/ iſt bald hernach auffgefahren/ und hat anfangs ihrem eigenen Kinde/ aus Eifer
wie der den Betrieger Phorbas/ den Hals umbgedrehet/ und hernach ſich ſelbſt von der
Hoͤhe herunter zu tode geſtuͤrzet; welches ihrer Mutter ſo ſehr zuherzen gangen/ daß ſie
in der Ohmacht verſchieden iſt. Aber hiemit hat dieſe Streitigkeit noch kein aufhoͤren/ ſon-
dern Timoleons Schwiegervater hat ſich mit einer Gegenklage wieder die Moͤrder ſeines
Schwiegerſohns geſetzet/ und gibt dieſe Sache den Richtern nicht wenig zuſchaffen/ wie
ſie darin ſprechen ſollen/ daß der heiligen Gerechtigkeit ein Genuͤgen geſchehe. Valikules
gab zur Antwort/ es waͤhre ein zumahl klaͤglicher Fal/ und dafern nicht kluge Richter den-
ſelben zueroͤrtern bekaͤhmen/ koͤnte der Gerechtigkeit leicht eintrag geſchehen. Da es umb
den Mittag kam/ ſahen ſie einen Weg nach der Rechten zu/ von der Landſtraſſe auff ein Ge-
hoͤlze gehen/ welchen der Ritter vor ſich nam/ vorgebend/ er ginge viel richtiger nach Ko-
rinth/ und laͤge ein kleiner Flecken hinter dem gehoͤlze/ in welchem ſie Mahlzeit halten/ und
die Hitze etwas vorbey gehen laſſen koͤnten. Valikules ſagete; er hielte ſich allemahl lieber
auff der Heerſtraſſe/ weil die Nebenwege von Moͤrdern und Raͤubern nicht ſo gar ſicher
waͤhren/ je doch wolte er ihm folgen. Als ſie vor das Gehoͤlze kahmen/ ſtraͤube te ſich ſein
Pferd mit ganzer Gewalt/ und wolte nicht hinein; uñ wie ein guter Reuter er ſonſt wahr/
muſte er doch dem Pferde vordiſmahl ſeinen Lauff goͤnnen/ biß ers mit Sanfftmuht len-
kete. Das Pferd wegerte ſich abermahl/ aber er gab ihm die Sporn und zwang es mit
Macht fortzugehen/ ſagte auch zu ihm: Harre biſtu da zubrochen/ daß du dich vor den
Baͤumen entſetzeſt/ werde ich dich bald abſchaffen und ein anders an deine Stelle kauffen.
Aber es wahr des Pferdes Schuld nicht/ ſondern ein Zeichen des bevorſtehenden Un-
gluͤks. Sie ritten unter den luſtigen Baͤumen im gewuͤnſchten Schatten fort/ uñ gedach-
te Valikules an keine Verraͤhterey/ ſondern hielten ihr Geſpraͤch immer fort/ und da ſie
des Waldes Ende ſchier erreichet hatten/ ſahen ſie einen Bauren mit einem fuder Holz
quehr durch den Wald daher fahren/ und ihnen nachfolgen/ da ſie in einem engen Fahrwe-
ge ritten/ welcher an beyden Seiten hohe Ufer hatte. Valikules ſagte zu dem Ritter; hie
iſt gar ein ſchlimmer Ort/ und wann noch ein Wagen auff uns zu ſtoſſen ſolte/ koͤnten wir
weder hinter noch vor uns kommen. Der Ritter gab ihm zuverſtehen/ es waͤhre ein kurzer
Weg/ da dieſe Enge auffhoͤrete/ und weil es ein ſchattigter Ort wahr taht er den Helm ab/
ſich zuerkuͤhlen/ vermahnete auch Valikules der friſchen Lufft ſich zu bloͤſſen; deſſen er ſich
wegerte/ weil man in ſolchẽ Schlupfloͤchern nicht zu ſicher ſeyn duͤrffte. Er hatte die Wor-
te kaum außgeredet/ da hoͤrete er ein geklapper der Waffen/ und ſahe bald darauff in die 50
Mann/ teils geharniſcht/ teils gepantzert/ mit Hellebarten und Schlacht Schwertern in
zimlicher Ordnung gegen ſie daher treten. Valikules fragete den Ritter/ was dieſes be-
deutete; es ginge ja keine oͤffentliche Fehde in dieſer Landſchafft vor; bekam aber ſo kalte
Ant-
[367]Anderes Buch.
Antwort/ daß er an des Ritters Auffrichtigkeit zweifeln ward. Hierzu kam/ daß der Baur
ſeinen Holzwagen forne im Wege ſtehen ließ/ die Pferde abſtrickete/ und mit denſelben da-
von rennete; ſagete des wegen zu Gallus: Wir ſind gewißlich verrahten; kehrete ſich her-
nach zu dem Ritter/ und fragete/ warumb er ihn an dieſen gefaͤhrlichen Ort gefuͤhret haͤt-
te; welcher ſich aber gar trotzig erzeigete/ und mit hoͤhniſchem Gelaͤchter fragete: warum
er ihm gefolget waͤhre? Er haͤtte ihn ja nicht gezwungen noch genoͤhtiget; wolte er aber gu-
ten Raht erkennen/ ſolte er ſich ja ſonder Sperrung ergeben/ ſonſten duͤrffte ers nicht lan-
ge machen. Ey du ſchaͤndlicher Verraͤhter/ ſagte Valikules; wie lange ichs machen werde/
ſtehet bloß allein bey Gott; du abeꝛ ſolt dich deiner Veꝛraͤhterey nit lange ruͤhmẽ; zog hiemit
ſein Schweꝛt aus/ uñ ſpaltete ihm das Haͤupt mittẽ von andeꝛ. Das heꝛzudringende bewaf-
nete Geſinde ſahen dieſes/ uñ ſchrihen ihm zu: Ey du meinaͤidiger Ritter/ warum̃ toͤdteſtu
dieſen vornehmen Herꝛn? Mit welchen Worten ſie feindlich auff ihn zulieffen. Valikules
ſahe/ daß es ihm gelten ſolte/ weil aber daſelbſt kein Ort zum Pferdeſtreit wahr/ und ſie zu
Fuß auff ihn anſetzeten/ ſtieg er ſamt Gallus ab/ uñ ſtelleten ſich vor den Wagen an beyden
ſeiten der Deichſel/ daß man weder von hinten noch von der ſeite her ihnen beykom̃en kun-
te. Bald traten zween mit Hellebarten vor dem Hauffen her/ und begehreten mit trotzigen
Worten/ ſie ſolten ſich gefangen geben. Valikules fragete ihn/ in weſſen Nahmen er ſolches
an ihn begehrete. Du wirſt es noch mehr als zu fruͤh erfahren/ ſagte dieſer/ und jemehr du
dich wiederſetzeſt/ je haͤrter wird die Straffe ſeyn. Ich weiß mich keiner uͤbeltaht ſchuldig/
antwortete er/ daher mir kein Menſch ſtraffe zudraͤuen hat. Dieſer meinete ihn zugreiffen/
und rief/ man ſolte ihm einen Strik reichen; aber Valikules ſchlug ihm die Hellebarte zur
ſeite aus/ und ſtieß jhm das Schwert durchs Gerippe/ daß er ungeredet zur Erden ſtuͤrzete.
Die anderen dieſes ſehend/ ſtuͤrmeten einmuͤhtig auff ihn zu/ daß ſie ihn mit ihren Leibern zu
bodem ſtieſſen/ faſſeten ihn bey Haͤnden und Fuͤſſen/ und bunden ihn/ daß er kein Gliedmaß
regen kunte; woruͤber er ſich dermaſſen erzuͤꝛnete/ daß ihm das Blut aus den Lippen ſpꝛang.
Gallus ward auf gleiche Weiſe gefeſſelt/ welches er anſahe/ uñ dieſen verwaͤgenen Hauffen
nochmahls fragete/ was vor Urſach oder Befehl ſie haͤtten/ ihn dergeſtalt zu uͤberfallen. Sie
moͤchten ihm ſein Leben bißdahin friſten/ daß er vor die Obrigkeit dieſes Orts treten/ und
ſeine Unſchuld dartuhn koͤnte. Ja/ antwortete ihm der Fuͤhr er; vor die Obrigkeit ſoltu
freylich geſtellet werden/ uñ begehrete dieſelbe dich nicht lebendig/ wuͤrdeſtu ſchon kalt ſeyn.
Er kunte ihm nicht einbilden/ was man dieſes Orts auf ihn zuſprechen haͤtte/ biß ihm ein-
fiel/ es muͤſte entweder wegen der beyden zu Korinth erlegeten Ritter/ oder wegen des auff
dem Wege nach Elis gehaltenen Kampfs/ oder wegen Parmenions ſeyn; ward doch froh/
daß ihm Lebens Sicherheit biß dahin verſprochen wahr/ und redete dieſes Geſinde gar be-
herzt an/ da er zu ihnen ſagete: Weil es dann Gott alſo ſchicket/ daß ich euer Gefangener
ſeyn muß/ ſo gehet mit mir uͤmb als mit einem hochaͤdlen Roͤmiſchen Ritter/ und machet
die Bande loß/ damit ihr mich gefeſſelt habet. Ja/ ſageten ſie/ die Beine ſollen dir geloͤſet
werdẽ/ daß du aber keinen Mord mehr begeheſt/ werden wir dir die Faͤuſte ſchon verwahrẽ;
bunden ihm auch dieſelben ganz unbarmherzig auf den Ruͤcken/ daß die Stricke ins Fleiſch
ſchnitten/ welches er geduldig erlitte/ und geſchwinde mit ihnen fortging/ nachdem ſie ihm
den Harniſch und alles Gewehr abgenommen hatten. Als ſie in dem Flecken anlangeten/
fuͤhre-
[368]Anderes Buch.
fuͤhreten ſie ihn auf das Schloß/ welches gar zierlich gebauet wahr/ und in dem er in das
Thor hinein trat/ begegnete ihm ein Diener/ und ſagte zu ihm: Biſtu da du Verraͤhter uñ
Moͤrder? Ey das leugeſtu/ antwortete er/ ich bin ein ehrlicher Ritter. Der Bube zohe die
Fauſt/ ſchlug ihn ins Geſichte und ſagete: Darfſtu noch viel trotzen? Jedoch gib der Zun-
gen urlaub/ weil du ſie gebrauchen kanſt/ iñerhalb wenig Stunden ſol ſie ſchon ruhig ſeyn.
Valikules litte dieſe Schmach geduldig/ ſahe gen Himmel/ und baht ſeinen Erloͤſer innig-
lich/ daß er ihm wolte gnaͤdig ſeyn/ und da es ſein Vaͤterlicher Wille waͤhre/ ihn nicht ſo
ſchaͤndlich uͤmkommen laſſen/ damit die teufliſchen Pfaffen in Teutſchland nicht Urſach zu
laͤſtern håtten/ ob waͤhre ihm ſolches wegen Verleugnung der falſchen Goͤtzen begegnet.
Etliche von dem Hauffen gingen zu dem Herꝛn des Schloſſes/ welcher Charidemus hieß/
und zeigeten an daß der Verraͤhter gefaͤnglich hergebracht waͤhre/ welcher/ ehe er gegriffen
worden/ ſeinen Oheim/ Ritter Rikokles erſchlagen haͤtte; woruͤber er ſich von neuen eifer-
te/ und hinunter ſagen ließ/ man ſolte den gefangenen Doppelt-Moͤrder herauf ſchleppen;
welches alsbald geſchahe/ und Valikules verlangen trug/ zuvernehmen/ was vor Mord-
tahten man ihm vorhaltẽ wuͤrde. Er ward auff ein zierliches Gemach gefuͤhret/ in welchem
ein alter anſehnlicher Herꝛ auf einem ſchwarzen Sam̃eten Stuele ſaß/ und neben ihm ein
ſchoͤnes junges adeliches Weib. Dieſer empfing ihn mit einem grimmigen Angeſichte/ uñ
redete ihn alſo an: Biſtu da/ du moͤrderiſcher Boͤſewicht/ der du den treflichen Held und
Kriegs Obeꝛſten/ Herꝛn Parmenio/ meinen leiblichen und einigen Bruder ſo veꝛraͤhterlich
ermordet haſt? Valikules ſahe ihn wiederumb ganz feurig an/ und antwortete: Herꝛ ſeyd
ihr Ritterſtandes/ und haltet etwas auff Ritterliche Hocheit/ ſo laſſet mich ungebunden
mit euch reden/ dann ich bin ein Roͤmiſcher Ritter von hohem Adel/ und habe durchaus
nicht verdienet/ daß ich ſo ſchaͤndlich gebunden/ und als ein uͤbeltaͤhter geſchleppet werde.
Die Frau ſahe ihn mitleidig an/ kunte ſich ſeiner vortreflichen Schoͤnheit nicht gnug ver-
wundern/ empfand auch eine ſolche Erbarmung gegen ihn in ihrem Herzen/ daß ihr die
Traͤhnen aus den Augen ſtiegen/ deſſen ſie ſich doch nicht durfte merkẽ laſſen. Charidemus
antwortete ihm gar hoͤhniſch: Biſtu ein Roͤmiſcher Ritter? Ja/ ſagte er/ als lange mir
Gott das Leben goͤñet. So ſolteſtu auch Roͤmiſche Ritterliche Tahten begehen/ antwortete
er/ wañ du nicht wolteſt gebunden ſeyn. Ich weiß mich durchaus keiner unredlichen Tah-
ten ſchuldig/ antwortete er/ welches ich vor allen uñ jeden redlichen Richtern dartuhn wil;
aber ſeyd ihr Ritterlichem Stande iemahls hold geweſen/ ſo erlaſſet mich der Bande/ biß
ich mich verantwortet habe. Die Frau wagete es/ und baht ihren Herꝛn/ ihn nur bißdahin
aufloͤſen zulaſſen/ welches er endlich verwilligte/ ſprechend: Ob du gleich billich dieſe Ban-
de traͤgeſt/ biß dir nach Verdienſt gelohnet werde/ wil ich dannoch aus lauter Barmheꝛzig-
keit dir ſo viel Gnade erzeigen/ deren du doch nicht wirdig biſt. Als ihm die Stricke abge-
loͤſet wahren/ und er ſahe/ wie ihm die Arme zugerichtet/ ging ihm dieſe Schmach mehr als
der Tod zuherzen/ fing ſeine Rede mit hoͤflichen unerſchrockenen Geberden an/ und ſagete:
Herꝛ; euer Stand uñ Nahme iſt miꝛ unbekand/ daher wird mir leicht zuverzeihen ſeyn/ daß
ich mit euch/ als mit einem Unbekanten rede. Ihꝛ habt mir voꝛgeworffen/ als haͤtte ich eurẽ
Bruder verraͤhterlich ermordet; nun ſind ja ſo viel tauſend Menſchen zugegen geweſen/
die unſern Kampf angeſehen/ daß ich mich nicht unbillich verwundere/ wie ich einiger Ver-
raͤthe-
[369]Anderes Buch.
raͤhterey koͤnte beſchuldiget werden; ich habe ja mit ihm in offenem Felde geſtritten/ ohn
alle Liſt und Verraͤhterey/ wozu er mich durch unerhoͤrete Schmach genoͤhtiget hat. Kan
dieſen meinen Worten nicht geglaͤubet werden/ ſo haltet mich in gnugſamer Verwah-
rung/ und fraget die ganze Stad Elis. Sonſt ſehe ich euch als einen trefflichen Herꝛn/ vor
einen redlichen Rittersmann an/ und mache mir die gaͤnzliche Hoffnung/ ihr werdet mit
mir ritterlich und ohn Gewalt verfahren; iſt aber einer oder ander zu gegen/ welcher mich
einiger Verraͤhterey beſchuldigẽ wolte/ wideꝛ denſelbẽ erbiete ich mich/ bloß ohn Harniſch/
mit dem Schwert zu ſtreitẽ/ ja wañ ihrer gleich drey oder vier waͤren; dañ ich getꝛoͤſte mich
meiner Unſchuld/ und bin verſichert/ mein Gott werde dieſelbe retten. Charidemus ant-
wortete; Ich habe dich nicht fahen laſſen/ daß du alhier mit mir zanken/ oder mir zur Luſt
einen Kampff halten ſolleſt/ ſondern daß du meinen Bruder ermordet haſt/ der ungleich
beſſer wahr als du/ davor iſt mir dein Leben verfallen/ wann du auch zehn Haͤlſe haͤtteſt;
und was wiltu dich viel entſchuldigen und durch Luͤgen weiß brennen? Haſtu nicht gleich
jetzt eine moͤrdliche Taht an meinem Oheim einen trefflichen Ritter begangen/ woruͤber
du von meinem Volk ertappet biſt? ſprich auch/ das dieſes nicht moͤrdlich gehandelt ſey.
Valikules antwortete; Ich geſtehe/ daß ich dieſen Ritter aus gerechtem Eifer niderge-
hauen/ weil er mir ungeſcheuhet ins Geſichte ſagete/ daß er mich verrahten/ uñ euren Die-
nern liſtiger Weiſe uͤberliefert haͤtte/ da er doch anfangs als ein ſonderlicher Freund ſich
anſtellete; und als er hieruͤber noch willens wahr mich anzugreiffen/ bin ich ihm mit mei-
nem Schwerte zuvorkommen; habe alſo nach aller Voͤlker Recht gehandelt/ welches un-
ſer ſelbſt verteidigung zur Nohtwehr nicht unrecht heiſſet: jedoch/ kan dieſes/ weil es euch
zuwieder/ mit Gelde gebuͤſſet werden/ ſo fodert getroſt; ich wil nicht von hinnen begehren/
biß ſolches erleget ſey. Charidemus ſagete; ich bedarff deines Geldes nicht/ deſſen ich
mehr habe als du/ ſondern dein Haͤupt iſt mir die rechte Bezahlung/ das muß vor mir auf
der Schuͤſſel ſtehen/ ehe und bevor drey Stunden vorbey gangen ſind/ wovor dich kein
Gott ſchuͤtzen ſol. Valikules hoͤrete dieſe Gotteslaͤſterung viel ungeduldiger/ als die Draͤu-
ung an/ erinnerte ihn gleichwol/ er ſolte ſehr wol bedenken was er taͤhte; er waͤhre ein Roͤ-
miſcher Herr/ und des Kaͤyſers naher anverwanter/ welcher ohn allen zweiffel ſeinen Tod
an ihm und ſeinem ganzen Geſchlechte ſehr hart und ſchwer raͤchen wuͤrde. Gut gut/ ſagte
Charidemus/ das du mir ſolches anzeigeſt/ dañ deſtoweniger werde ich dich loß geben/ da-
mit du hernaͤhſt der Rache entuͤbriget ſeiſt. Rieff hie mit ſeinen vier Schergen/ die vorm
Gemache anffwarteten/ und ſagete: Nehmet dieſen gefangenen Buben/ uñ fuͤhret ihn an
die Staͤtte/ wo er heut meinen lieben Oheim erſchlagen hat/ daſelbſt hauet ihm das Haͤupt
von den Schultern/ reiſſet ihm das ſchelmiſche Herz aus dem Leibe/ und zerſtuͤcket ihn in
XXIV teile/ deren eines jedwedem meiner Freundſchafft zur billigen Rache uͤber meines
Bruders Tod ſolzugeſtellet werden; hernach enthaͤuptet auch ſeinen Diener/ und weil er
nichts boͤſes getahn/ ſo verſcharret ſeinen Leib in die Erde. Die vier Henkers Buben wah-
ren von Leibe ſehr ſtark; jeder hatte ein groſſes Richtſchwert an der Seite/ uñ einen Strik
in der Hand/ welche mit einem Haͤuptwink ihren Gehorſam zur Volſtreckung anzeigeten.
Valikules entſetzete ſich vor dieſer Urtel nicht/ enderte ſeine Farbe nicht im geringeſten/
ſondern ſtund wie ein Engel mit froͤlichem Gemuͤht und ſagete: Herr; euer Recht muß
A a awarlich
[370]Anderes Buch.
warlich mit Menſchen Blut geſchrieben ſeyn; und haͤtte ich nie geglaͤubet/ daß groͤſſere un-
barmherzigkeit und Grauſamkeit in Griechenland als in der Skytiſchen Barbarey ſolte
geuͤbet werden; jedoch/ dafern dieſe Urtel unwiederrufflich iſt/ wil ich mich willig drein ge-
ben; Bittet ihr aber Gott/ daß er mein unſchuldiges Blut an euch nicht in kurzen raͤche;
Ich verzeihe euch von Herzen alles/ was ihr durch Gewaltſamkeit an mir tuht; nur eines
bitte ich euch: laſſet mich ungebunden hinfuͤhren/ daß man gleichwol dieſen geringen Un-
terſcheid zwiſchen Rittern und gemeinen verurteileten Leuten halte; Ich bin ja ohn alle
Waffen/ und haben ſich dieſe vier ſtarke Maͤnner meinetwegen im geringſten nicht zube-
fuͤrchten. Ihr aber/ wolgebohrne Frau/ ſagte er zu Charidemus Gemahl/ ſeyd von mir eh-
rendienſtlich gebehten/ und erhaltet mir dieſes bey eurem Herrn; kan ichs ſonſt nicht ver-
gelten/ weil mein Leben daran muß/ und ich mich dem Tode ergeben habe/ ſo nehmet dieſes
ſchlechte von mir an ſtat einer geringen Vergeltung. Mit welchem Worte eꝛ ein koͤſtli-
ches Kleinot hervor zohe/ und ließ es der Frauen durch einen anweſenden aͤdelknaben ein-
reichen. Die Frau fragete ihren Herrn demuͤhtig/ ob ihr erlaubet waͤhre ſolches anzuneh-
men; welcher antwortete: Was ſolte der Bettelbube vor koͤſtliche Kleinot haben? neh-
met hin und beſehet es. Der Frauen gefiel daſſelbe ſehr wol/ und weil ſie davon guten ver-
ſtand hatte/ ſagte ſie ihm heimlich: es waͤhre ein Fuͤrſtliches Kleinot von hohem Wert;
ſing hernach an/ ihꝛen Herrn mit furchtſamer Rede zubitten/ wann es ihm gnaͤdig gefallen
koͤnte/ moͤchte er ihn ungebunden hinfuͤhren laſſen/ nachdem er unbewehret waͤhre/ und die
Schergen ihn wol wuͤrden verwahren koͤnnen. Charidemus ſagete zu Valikules: nicht
allein du/ ſondern dieſes Kleinot/ welches du etwa magſt geſtohlen haben/ ja alles was in
deiner Gewalt ſeyn mag/ iſt mir heimgefallen/ daher du es nicht verſchenken kanſt; jedoch
weil mein Weib vor dich eine Bitte einleget/ ſoltu deſſen zu genieſſen haben/ und ungebun-
den hingefuͤhret/ auch alſo abgetahn werden. Ihr aber/ ſagete er zu den Henkern; ſehet zu/
daß er euch nicht entwiſche/ und verrichtet an ihm was euch befohlen iſt/ oder ihr ſollet an
ſeiner ſtelle ſtehen. Der groͤſte unter ihnen antwortete: Gnaͤdiger Herr/ ich wil euch ſein
Haͤupt liefern/ welches ich wie eine Stek Ruͤbe hinweg hauen wil; und gefaͤlt es Euer Gn.
ſo uͤbergebe ſie mir dieſes Buͤbichen allein; Er muͤſte mir warlich nicht entrinnen/ wann
ſeiner gleich ein halb dutzet waͤhre; dann mein kleineſter Finger iſt kraͤfftig gnung ihn zu
erwuͤrgen. Valikules hatte ſchon dieſe Erklaͤrung gefaſſet/ daß da man ihm die Freyheit
der Haͤnde wuͤrde gewegert haben/ einem Schergen das Schwert zunehmen/ und im Ge-
mache ſich mit ihnen herumb zuhauen; weil er aber Charidemus Einwilligung mit Her-
zensfreuden vernam/ enderte er ſein Vorhaben/ und rieff ſeinen Heyland in hoͤchſter An-
dacht an/ Er moͤchte ihm Staͤrke und Krafft verleihen/ ſein Vorhaben zuvolbringen/ ge-
dauchte ihn auch/ nach ausgelaſſenen Seuffzen/ ihm wuͤrde ein ſonderlicher Troſt und in-
nigliche Freudigkeit ins Herz gegoſſen. Als er zur Tuͤhr hinaus treten ſolte/ ſagte er: Hoch-
aͤdle Frau/ ich bin ſchuldig/ euch vor die erzeigete Gunſt und Vorbitte demuͤhtig zu dan-
ken/ zweifele auch nicht/ der allerhoͤchſte Gott werde es euch reichlich vergelten/ daß ihr ei-
nem ehrlichen Ritter die ſchimpflichen Bande abgenommen habt/ welche ich in Warheit
mehr als die geſprochene Urtel geſcheuhet habe/ weil in meinem Vaterlande Ketten und
Bande ungleich mehr ſchaͤnden als das Richt Schwert. Der Frauen ſtunden die Augen
voll
[371]Anderes Buch.
voll Waſſer/ kunte vor mitleiden kein Wort ſprechen/ durffte auch wegen Charidemus ge-
genwart nicht/ welcher ſie hart und veraͤchtlich hielt; Wiewol ſie nicht unterließ/ ihm eine
ſehr freundlichen Blik zuverleihen/ und hiemit zuverſtehen gab/ wie geneiget ſie ihm waͤh-
re. Alſo ward er zwiſchen zween Henkersbuben hingeleitet/ welche viel Geſpoͤttes und un-
keuſche Reden gegen ihn trieben/ daß ihm das Herz im Leibe blutete. Charidemus ließ im
ganzen Flecken bey Lebensſtraffe verbieten/ daß kein Menſch mit hinaus gehen/ uñ die Vol-
ſtreckung des Gerichtes anſehen ſolte/ ohn die darzu verordnet waͤhren; dann ihm wahr
leide/ Valikules wuͤrde ihnen anzeigen wer er waͤhre/ da einer oder ander aus Hoffnung
eines Geſchenkes es nach Rom an den Kaͤyſer berichten duͤrffte/ und er daruͤber in Unge-
legenheit kaͤhme. Als ſie von der Steige in den Schloßplatz kahmen/ nahmen die beyde uͤ-
brige Schergen den gebundenen Gallus zwiſchen ſich/ welcher bißher in ſeinem Gebeht zu
Gott geſtanden wahr/ und denſelben mehr umb Herkules als ſeine eigene Erloͤſung an-
rief/ weil er bekennete/ eine ſolche Straffe durch ſein voriges uͤbeltuhn wol verdienet zu ha-
ben; jetzund aber fragete er/ wohin man mit ihnen wolte; da ſein Herr ihm antwortete:
Mein frommer getraͤuer Knecht/ unſere Zeit iſt kommen/ derhalben laß uns ein Herz faſ-
ſen/ daß wir willig und gerne ſterben; Wir haben ja noch die Ehre/ daß wir von dieſen vier
tapfferen geherzten Maͤnnern/ und nicht von ſchlimmen ſchwachen Buben den Tod an-
nehmen werden. Dieſe vier Schelmen dauchten ſich groß/ da er ihnen dieſes Lob erteilete/
und ſagte der vornehmſte zu ihm: Nun junger/ du ſolt dieſes Worts genieſſen/ daß ich dich
nicht lange peinigen/ ſondern ſo bald wir auff den Platz kommen/ dir im Augenblik davon
helffen wil/ daß du Todesſchmertzen nicht empfinden ſolt. Charidemus hatte IIX Dienern
befohlen/ mit hinaus zugehen/ und dem Gerichte zuzuſehen/ unter denen auch dieſer wahr/
welcher unſern Held ins Angeſicht geſchlagen hatte; Sie gingen aber auff die 50 Schrit-
te hinter ihnen her/ daß ſie nicht hoͤren kunten/ was er mit den Schergen redete/ da er zu ih-
nen ſagete: Ihr guten Leute habt mir verſprochen/ ohn Peinigung mich niderzuhauen/
davor ich mich dankbar erzeigen wil/ maſſen ich ein geldreicher Herr bin/ und groſſe Baar-
ſchafften habe; Vor dißmahl iſt mir aber nichts uͤbrig blieben/ als dieſer koͤſtliche Ring/
welchen ich euch ſchenke/ und zu allem Danke vor 800 Kronen verkaufft werden kan/ wel-
che Gelder ihr unter euch bruͤderlich teilen ſollet; laſſet aber bald nach meinem Tode ent-
weder einen eures Mittels/ oder ſonſt einen getraͤuen Menſchen nach Padua an den Stat-
halter ablauffen/ und ihm nur muͤndlich ſagen: Der junge Ritter mit den gelben Haaren/
welcher ſich eine zeitlang bey ihm aufgehalten/ liege bey etlichen Raͤubern gefangen/ die ihn
ohn Erlegung 6000 Kronen nicht loßgeben wollen; habe deswegen dieſen abgeſchikt/ ſol-
che Gelder alsbald zuhohlen; Zum Wahrzeichen; daß er ihm bey ſeinem lezten Abſcheide
einen koͤſtlichen Ring verehret haͤtte; ich verſichere euch/ ſagte er/ es wird auff dieſes Wort
das Geld ſtuͤndlich ausgezahlet werden. Die Schergen wahren arme Bettel Buben/ hat-
ten bey ihrem Herrn kaum das liebe Brod; Sie ſahen den glaͤnzenden Ring/ und gefiel ih-
nen derſelbe wol/ wurden auch der uͤbrigen Verheiſſung ſo froh/ daß ſie vor Freuden auff-
ſprungen. Sie traten zu ihm/ bohten ihm die Hand/ und bahten/ er moͤchte ihnen
verzeihen/ daß ſie gezwungen wuͤrden/ ihn und ſeinen Diener hinzurichten. Ich verge-
be es euch gerne/ ſagte er/ wann es nicht anders ſeyn kan; doch moͤchte ich euch wol einen
A a a ijVor-
[372]Anderes Buch.
Vorſchlag tuhn/ wann er euch gefallen koͤnte: Hoͤret/ wie duͤnket euch/ wann ihr mir das
Leben geſchenket/ und in aller Eile mit mir nach Eliß gelauffen waͤhret/ da wolten wir vor
eurem unbarmherzigen Herrn ſchon ſicher ſeyn/ und daß er unſer Flucht nicht ſo bald inne
wuͤrde/ wolten wir unſere acht Nachfolger durch Zwang vor uns hintreiben/ daß ſie mehr
als den halben Weg mit uns lauffen ſolten; waͤhren wir dann zu Elis/ ſo waͤhrẽ wir ſchon
ſicher/ und wolte ich darauff euch zu reichen Herren machen/ deſſen ihꝛ mir wol trauen moͤ-
get. O nein/ ſagte der anſehnlichſte/ das ſind Dinge von nichts/ wir koͤnnen ſo nicht davon
lauffen/ und unſere Weiber und Kinder zur Straffe hinter uns laſſen; uͤberdas iſt unſer
Herr ſo maͤchtig/ daß er nicht ruhen wuͤrde/ biß er dich und uns durch den ſchaͤndlichſten
Tod hingerichtet haͤtte; muſt demnach ſolche Gedanken nicht faſſen/ ſondern bey deiner
freimuͤhtigen Erklaͤrung zum bevorſtehenden Tode verbleiben. Er gedachte in ſeinem heꝛ-
zen: Wolan/ ich habe dein Leben zu retten gnug getahn; wolte auch umb Verdachts willẽ
nicht weiter darum anhalten/ ſondern ſagete: Ihr guten Leute ſehet wol/ dz das Leben lieb
iſt; wann euch aber mein Anſchlag nicht gefallen wil/ muß ich wol zufrieden ſeyn/ und den
Tod annehmen/ wie ich mich demſelben ſchon ergeben habe; Vergeſſet nur nicht die ver-
ſprochenen Gelder zu Padua abzufodern/ und tuht mir noch dieſen Gefallen/ dz mein Die-
ner auch auffgeloͤſet werde/ und ohn gebunden ſterben moͤge; ich wil euch gut davor ſeyn/
daß er euch nicht entlauffen ſol/ dann er iſt ohn das uͤbel zu fuſſe. Es ſol die Einfoderung
nicht vergeſſen werden/ ſagete der vorige Scherge/ und daß du ſeheſt/ wie guͤnſtig ich dir
bin/ wil ich deinen Diener alsbald aufloͤſen; ſeines entlauffens befuͤrchte ich mich ganz nit/
maſſen ich dergeſtalt hinter ihm anklopffen wuͤꝛde/ daß ihm das lauffen ſchon veꝛgehen ſol-
te; dann wie groß und ſchwer ich bin/ habe ich doch mannichem guten Pferde mit lauffen
angewonnen/ und mannichen Groſchen damit verdienet; ſchnitte unter dieſen Reden die
Stricke von Gallus Armen loß/ und ließ ihn alſo frey zwiſchen den bey den andern Scher-
gen gehen. Dieſer merkete ſchon/ mit was Vorſatz ſein Herꝛ umging/ empfand eine groſſe
Freude in ſeinem Herzen/ und gab genaue acht/ wie ers angreiffen wuͤrde. Hingegen ließ
Valikules ſich im geringſten nichts merken/ ſahe ſich etliche mahl nach den folgen den Die-
nern umb/ und ward gewahr/ daß nur ihrer zween Seiten Gewehr/ die uͤbrigen weiſſe Staͤ-
be hatten. Er ſahe die ſtelle/ da er den Ritter erſchlagen hatte/ nicht weit mehr ſeyn/ uñ ſag-
te zu den Schergen: Ich merke wol/ je naͤher man dem Tode iſt/ je mehr man ſich vor ihm
fuͤrchtet. Dieſer wolte ihm ein Herz einſprechen/ und ſagte: Ey der Tod iſt ſo bitter nicht;
bleibe du nur fein beſtaͤndig in deiner Herzhaftigkeit/ ich wil dir geſchwinde davon helffen/
daß du des Todes nicht mehr als eines geringen Dornſtiches empfinden ſolt. Das wil ich
tuhn/ ſagete er/ und meinen einmahl genom̃enen Vorſaz nicht brechen; aber wie mag es
kommen/ daß euer Herr ſo wenig Zuſeher verordnet hat? Das koͤnnen wir nicht wiſſen/
antwortete der Scherge/ es moͤchte dann ſeyn/ daß er dieſes Gerichte nicht wolle ausge-
breitet/ ſondern verſchwiegen haben. Ich bin deſſen auch zufrieden/ ſagte Valikules; keh-
rete ſich damit umb nach Gallus/ welcher hinter ihm her geleitet ward/ und ſagete zu ihm:
Mein ehrlicher Diener/ entſetze dich nicht vor des Schwertes Schaͤrffe/ ſondern nim
von mir ein Beyſpiel/ weil es mir doch zum erſten gelten ſol. Sie gingen hierauf etwa noch
XXX Schritte fort/ da erſahe Valikules ſeine Gelegenheit/ und ſagte: Nun ihr guten Ge-
ſellen;
[373]Anderes Buch.
ſellen; hie wird die ſtaͤdte ſeyn/ da man ohn blutvergieſſen nit bleiben kan; aber was wollen
dorten unſere Zuſeher anfangen? Dieſes ſagte er zu dem Ende/ daß die Schergen ſich da[r]-
nach umbſehen ſolten/ wie auch geſchahe/ daher Herkules einen freien Griff hatte/ reiß
dem vornehmſten/ der ihm zur rechten Hand ging/ das Schwert von der Seite/ und hieb
den andern/ der ſeines zuzuͤcken anfing/ im Augenblik nider; ergreiff deſſen Schwert/ und
machte ſich nach Gallus Gleitsleuten/ deren einem er den Kopff ſpaltete/ und ſeinem Gal-
lus das ander Schwert reichete. Der vornehmſte Scherge entſetzete ſich hieruͤber/ daß er
ſich nit beſiñen kunte/ der vierte aber taht einen Sprung zu ruͤcke/ entbloͤſſete dz Schwert/
und ſagete; O ihr Schelmen/ ſind daß eure gut. Worte? fing hierauff an/ mit Valikules
ſich umbzutreiben/ und bekam der vornehmſte des andern ertoͤdteten Schwert auch/ da-
mit er auff Gallus ganz grim̃ig und verwaͤgen anſetzete; es erſchraken aber die acht Nach-
folger uͤber dieſem Gefechte dergeſtalt/ daß ſie weder hinter ſich lauffen noch vor ſich gehen
kunten. Valikules ſahe/ daß Gallus ſeinem Manne nicht gewachſen wahr/ und demſelben
nur ſtets außweichen muſte/ ward mit ſeinem aber bald fertig/ und trat dem vierden ent-
gegen/ da er Gallus befahl/ die acht Diener wol in acht zunehmen/ dz ihrer keiner entruͤñe.
Dieſer wahr gehorſam/ ging zu ihnen hin/ und rieff ihnen zu/ da ihrer einer fliehen/ oder
ſich regen wuͤrde/ ſolten ſie alle ſterben. Wodurch ſie geſchrecket/ ſtille ſtunden/ und auf ſei-
nen Befehl ſich nider auff die Erde legeten. Der uͤbrige Scherge hatte einen Muht ge-
faſſet/ und ging mit unmenſchlichen Hieben auff Valikules loß/ der ihm anfangs nicht be-
ſchaͤdigen wolte/ ſondern nur außweich/ und ihm Gnade anboht; wovon aber dieſer duꝛch-
aus nicht hoͤren wolte/ ſondern ihn erſchreklich ſchmaͤhete/ nebeſt Draͤuung/ wie grauſam
er mit ſeinem Leichnam geberden wolte; welches er aber wenig achtete/ und ihm zur Ant-
wort gab; ich ſehe wol/ daß dich Gott nicht laͤnger wil leben haben/ noch dir goͤnnen/ daß
du dich beruͤhmen ſolleſt/ einen Fuͤrſten unter deiner Gewalt gehabt zu haben; Und als er-
ſahe/ daß dieſer mit einem quehrhiebe ſich verhauen/ und allerdinge ſich bloß gegeben hat-
te/ taht er einen Schlag mit aller Macht auff ihn/ und hieb ihn mitten im Leibe ab. Gallus
ſahe dieſen Streich mit hoͤchſter Verwunderung an/ zu dem ſich Valikules alsbald ver-
fuͤgete/ und die acht Diener unter harter Bedraͤuung befragete/ zu was Ende ſie mit her-
außgangen/ uñ ob ſie von ihrem Herren eigentlich darzu befehlichet waͤhren. Der furcht-
ſameſte unter ihnen fing an: Mein Herr/ es hat H. Charidemus dieſem im ledern Kleide
befohlen/ ſelb achte mit heraus zugehen/ welcher uns darzu beruffen/ daß wir uns an die-
ſem Schauſpiele ergetzen ſolten. Valikules kennete den gezeigeten/ daß er eben von dem-
ſelben ins Geſicht geſchlagen wahr/ ergrimmete uͤber ihn/ und ſagte: Du ehrvergeſſener
Schelm/ warumb ſchlugeſtu mich/ da ich gebunden wahr/ und ich dich doch im geringſten
nicht beleidiget hatte? ich hoffe aber nicht/ daß du dich deſſen lange beruͤhmen ſolt/ du ha-
beſt einen Fuͤrſten ſo hoch beſchimpfet. Trat mit Gallus ein wenig abſeit/ und ſagte: Laſſen
wir dieſe Buben leben/ ſo lauffen ſie alsbald hin/ und verrahten uns/ da wir von Reutern
bald moͤchten eingehohlet und ergrieffen werden; iſt alſo beſſer daß ſie ſterben/ als unſers
todes eine neue Urſache ſeyn; tuht demnach zur Sache/ und richtet ſie hin/ meinẽ ſchlim-
men Zuchtmeiſter aber am erſten/ und die zween bloͤdeſten laſſet Leben. Gallus verrichtete
dieſes in kurzer Zeit/ und ließ ſich durch kein bitten bewaͤgen/ dann er trug die groͤſte Erbar-
A a a iijmung
[374]Anderes Buch.
mung mit ihm ſelbſt. Zu den beyden uͤbrigen aber ſagete Valikules; geſchwinde auff/ und
lauffet mit uns/ ſonſt muͤſſet ihr ſterben. Dieſe wahren hierzu willig/ uñ huͤpffeten vor ihm
her des Weges nach Eliß zu. Gallus ſahe ſeines Herren Ring an des abgehauenen
Schergen Finger ſtecken/ nahm ihn zu ſich/ und folgete nach; ſie hatten ſich aber mit der
erſchlagenen Diener ihrem Seitengewehr verſehen/ weil ſie bequemer wahren/ ſich im
nohtfalle damit zu ſchuͤtzen/ und lieffen das Gehoͤlze auffs ſchnelleſte hindurch/ daß die bey-
den Knechte endlich aus groſſer Mattigkeit niderfielen. Gallus ſties ſie an/ noch weiter zu
lauffen; aber Valikules ſagte/ laſſet ſie immerhin liegen/ ich ſpuͤre es an meinen Beinen
wol/ daß ſie ſo geſch winde nicht ſollen zuruͤk eilen. Wir aber haben Gott unſerm Heylande
wol zu danken/ welcher uns vor dißmahl ſo ganz gnaͤdig und wunderlich errettet hat. Sie
hoͤreten nicht auff zu lauffen/ als lange ſie des vermoͤgens wahren/ biß ſie an eine Bach
kahmen/ in welcher ſie die Haͤnde abkuͤhleten/ und nachgehends einen Trunk daraus tah-
ten. Gallus riet/ ſie wolten ſich mit ihrem Kunſtſtaube verſtellen/ daß man ſie nicht kenne-
te/ welches er ihm wol gefallen ließ/ ſtrichen ihre Haͤnde/ Haar und Angeſicht an/ und die
weil ſolches trocken ward/ und die Farbe von der Lufft und Sonne empfing/ verrichteten
ſie ihre herzliche Dankſagung zu Gott/ und bahten/ daß er ihnen ferner behuͤlfflich ſeyn wol-
te. Nach geendigtem Gebeht traten ſie wieder auff ihre ermuͤdeten Fuͤſſe/ und hoͤreten nicht
auff zu gehen/ biß ſie in ihrer Verſtellung bey einem unbekanten Wirt einkehreten/ und
durch Speiſe und Trank ihre matten Geiſter labeten. Den mehrenteil der Nacht brachte
Valikules mit Gebeht und Dankſagung zu Gott hin/ legte hernach fleiſſig uͤber/ wie ers
weiter anzuſchlagen haͤtte. Zwar ſein Vorſaz/ das Fraͤulein zu ſuchen/ kunte nicht gebro-
chen werden; hingegen wahren die Lebensmittel faſt vergriffen/ und wuͤrde nicht viel uͤ-
brig blieben ſeyn/ wann zwey gute Ritterpferde und andere gebuͤhrliche Ruſtung ſolte ein-
gekaufft werden; daher ward er zu Raht/ ſeinen Gallus in angeſtrichener Geſtalt alsbald
nach Padua zu ſenden und etwa 10000 Kronen von Libuſſen ingeheim abzuhohlen/ wel-
che Herr Kornelius auff ſein Schreiben wol verſchieſſen wuͤrde. Dieſes ward deſſelben
Morgens ins Werk gerichtet/ da Gallus in Kauffmans Kleidung auff einem Kloͤpper
ſich nach Korinth machete/ daſelbſt mit dem erſten Schiffe foꝛtzugehen/ oder eines vor ſich
zu dingen. Als er nun daſelbſt ſich am Hafen befand/ ſahe er ohngefehr Fabius und Leches
am Ufer gehen/ deſſen er erſchrak/ und ſich zuverbergen ſuchete; weil ihm aber einfiel/ daß
er verſtellet wahr/ ritte er kuͤhnlich zu ihnen hin/ und nach gebehtener Verzeihung fragete
er/ ob das Schiff bald nach Italien fahren wuͤrde. Fabius antwortete: wann es ihm eilig
waͤhre/ muſte er nach anderer Gelegenheit ſich umbtuhn; fragete ihn hernach/ woher er
kaͤhme/ und was gutes neues er haͤtte. Dieſer antwortete: Er kaͤhme gleich her aus der
Landſchafft Eliß/ jenſeit der Hauptſtad deſſelben Landes/ welche auch Eliß geneñet wuͤrde/
und haͤtte wegen ſeiner Handelung in Italien hochnoͤhtig zuverrichten/ da ihm auff der
Eile alle ſeine Wolfahrt ſtuͤnde; Neues waͤhre nichts ſonderliches/ ohn dz neulich die O-
lympiſchen Spiele gehalten/ und er vor wenig Tagen ein elendes Gericht geſehen/ etliche
wenig Meilẽ diſſeit der Stad Eliß/ woſelbſt ein uͤberaus ſchoͤner junger Menſch mit langẽ
gelben Haaren im Ritterlichen Kleide/ nebeſt noch einem Manne der ein roͤhtliches Haar
gehabt/ zum Tode waͤhren hinaus gefuͤhret worden/ deſſen er noch dieſe Stunde nicht ver-
geſſen
[375]Anderes Buch.
geſſen koͤnte; die Urſach haͤtte er nicht erfahren moͤgen/ als daß ihm geſagt waͤhre; der jun-
ge Ritter haͤtte einen uͤberaus ſtreitbahren Griechſchen Herꝛn im offentlichen Kampfe er-
leget/ und waͤhre nachgehends durch Liſt gefangen worden. Fabius erſchrak hieruͤber daß
er zitterte/ und ſagete zu Leches: Die Goͤtter verhuͤten gnaͤdig/ daß es nicht Herꝛ Herkules
geweſen ſey/ dann Gallus wahr ſolcher Farbe/ wie ſein Geſelle beſchrieben wird. Er fragete
alsbald dieſen vermeinten Kauffmann/ woher er dieſes wuͤſte/ und wovor er dieſen jungen
Ritteꝛ hielte. Wer er eigentlich geweſen/ antwortete er/ weiß ich nicht/ nur daß geſagt wiꝛd/
er waͤhre vor weniger Zeit aus Italien mit einem Kaufmanns Schiffe kommen/ haͤtte
auch einer weiten Reiſe gedacht die er vorhaͤtte/ uͤmb einen verlohrnen ſehr lieben Freund
zuſuchen; Daß ich aber die Warheit ſage/ duͤrfen meine Herꝛen nicht zweifeln/ weil ichs
mit Augen angeſehen/ daß ſie von vier Schergen zur Gerichtsſtat gefuͤhret wurden/ wahr
auch willens des Endes zuerwarten/ welches mir aber von den Schergen mit hoͤchſteꝛ Be-
draͤuung verbohten ward/ und durffte kein Menſch/ als etliche darzu beſtellete Diener zu-
ſehen. Fabius gehub ſich als ein verzweifelter Menſch/ ließ einen ſchweren Seuffzen aus/
und floſſen ihm die Traͤhnen uͤber die Backen herunter. O ihr Goͤtter/ ſagte er/ es iſt bey
meinem aͤyde niemand anders geweſen/ als Herꝛ Heꝛkules. O du Ausbund des ganzen
menſchlichen Geſchlechtes! hat dich ein nichtiger Henkersbube toͤdten/ uñ dein Hochfuͤrſt-
liches Blut auff die Erde ſchuͤtten muͤſſen? ſo erbarme es die Goͤtter! die ich ſchier der
Ungerechtigkeit anklagen duͤrfte. Ich wil aber deinen Tod/ du unvergleichlicher Held/ mit
ſolchem Grimme raͤchen/ daß ganz Griechenland davon ſol zuſagen uñ ſingen wiſſen. Gal-
lus kehrete Zeit ſolcher Klage ſich von ihm/ und wolte hinweg reiten; aber er rieff ihm
nach uñ ſagete: Guter Freund/ ich werde euch nicht von miꝛ zihen laſſen; ihr muͤſſet noht-
wendig mit mir uͤmkehren/ und mir den Ort dieſes unſeligen und verfluchten Gerichts zei-
gen/ auff welchem ein mehres haftet/ als ihr nicht gedenken moͤget. Dieſer entſchuldigete
ſich hoch/ ſeine Wolfahrt wolte ein ſolches nicht leiden; es waͤhre ein Kauffmann zu Ra-
venna ihm und andern/ viel tauſend Kronen ſchuldig/ von dem geſagt wuͤrde/ daß er ein
Baͤnkchen machen wolte. Vor dieſen Verluſt wil ich haften/ ſagte Fabius; und das ihr
wiſſet/ mit wem ihr redet; Ich bin ein Roͤmiſcher Geſanter/ mit habender Volmacht/ nach
gut Befindung/ nicht allein einzelne Leute/ ſondern ganze Gemeinen auffzufodern; weil
nun dieſer ermordete Ritter mir nahe verwand iſt/ werde ich gebuͤhrliche Straffe uͤber ſei-
nen unſchuldigen und hochbetraurlichen Tod ergehen zulaſſen/ nicht uͤmhin koͤnnen. Gn.
Herꝛ ſagte Gallus/ ich befinde mich ſchuldig zugehorſamen/ bitte nur/ daß die Reiſe nicht
lange auffgeſchoben werde. Hieran wird nichts mangeln/ ſagte er; befahl auch/ daß Leches
und Markus alle Kriegsknechte ſtuͤndlich mit ihrem Gewehr und dreytaͤgiger Speiſe aus
dem Schiffe fuͤhren ſolten; welches ungeſeumet geſchahe/ und ſich auff den Weg mache-
ten/ weil Fabius und ſeine Geſelſchaft mit unglaͤublicher Betruͤbnis und vorgenommenen
Eifer der Rache eilig fortzohẽ. Gallus wuſte den eigentlichen Weg nicht/ fuͤhrete ſie gleich
nach Elis zu/ biß ſie an den Nebenweg kahmen/ wohin der Ritter unſern Held in den Wald
gefuͤhret hatte/ denfelben nahmen ſie vor ſich/ zogẽ durchs Gehoͤlze/ biß ſie an die Stelle kah-
men/ wo die Schergen wahren nidergehauen/ uñ etliche blutige Zeichen ſich noch merken
lieſſen; da Gallus zu Fabius ſagete: Gn. Herꝛ/ dis iſt der Ort/ da die Henkersbuben den
jungen
[376]Anderes Buch.
jungen Ritter fuͤhreten. Dieſer ward des Bluts auff der Erden gewahr/ daher ihm die hel-
len Zehren aus den Augen ſchoſſen/ und des lauten Weinens nebeſt Leches und Markus
ſich nicht enthalten kunte; nachgehends mit wehemuͤhtigeꝛ Stimme klagete: O du aͤdles/
frommes und keuſches Blut/ haſtu an dieſem verfluchten Orte durch Henkers Schwert
muͤſſen vergoſſen werden? Nun du biſt leider dahin/ und laͤſſeſt allen deinen Freunden ein
immerwehrendes Trauren dahinten; aber ich wil dir alle dieſelben zum Opfer ſchlachten/
die Urſach und Huͤlffe zu deinem Tode gegeben haben; und muͤſſe dieſe Gegend ewig ver-
fluchet ſeyn/ in welcher der ruhmwirdigſte Held/ den iemahls die Sonne beſchienen/ ſein
Leben ſo elendig hat zu ſetzen muͤſſen/ deſſen die ganze Welt kaum wirdig wahr. Hernach
fing er an/ Ladiſla zubeklagen/ und wie derſelbe immermehr den Tod ſeines einiggeliebteſten
Freundes wuͤrde erdulden koͤnnen/ den er weit uͤber ſeine Seele ſchaͤtzete.


Charidemus dauchte die Zeit lange/ da ſeine Schergen uͤber die angeſetzete Stunde
auſſe blieben/ klagete ſeinem jungen Gemahl/ wie ihm ſo angſt uͤmb das Herz waͤhre/ und
befahl/ daß ein Diener hinauslauffen/ und wie es mit dem Gerichte ergangen/ Zeitung ein-
hohlen ſolte; welcher/ als er anfangs die ſechs erſchlagenen Diener/ und bald darauff die
vier Schergen entleibet ſahe/ bey denen ihre Schwerter lagen; entſetzete er ſich/ und wuſte
nicht was er gedenken ſolte; kehrete doch bald wieder uͤmb/ ſolches anzumelden; aber wie
er den halben Weg ſchon zuruͤk gelauffen wahr/ fiel ihm ein/ eꝛ wolte wieder uͤmkehren/
und zuſehen/ ob er nicht etliche Gelderchen zur Beute bey den Erſchlagenen finden moͤch-
te/ da er kaum etliche Groſchen bekam; in dem er nun fortgehen wolte/ ward er der beyden
Diener von ferne gewahr/ welche nach Valikules Abzug ſich nach Moͤgligkeit erhoben/
und geeilet hatten/ aus Furcht/ es moͤchte Gallus uͤmkehren/ und ſie erſchlagen/ wie er dañ
willens geweſen wahr. Der ausgeſchikte erwartete ihrer/ machten ſich nach Charidemus
Schloſſe/ und kahmen uͤm Abendeſſenszeit an/ da ſie alles uͤmſtaͤndlich berichteten/ und wie
ſie mit lauffen muͤſſen/ damit ihre Flucht nicht ſo bald angemeldet wuͤrde. Hieruͤber entſet-
zete ſich Charidemus ſo hart/ daß er das Meſſer aus der Hand fallen ließ/ und den halbge-
ſchlukten Biſſen aus dem Maule ſpeiete/ zu der Frauen ſprechend: Nun muß ich mich in
kurzer friſt aus dem Staube machen/ oder eines ſchaͤndlichen Todes ſterben/ dafern der
junge Moͤrder derſelbe iſt/ vor welchen er ſich angegeben hat; O des verfluchten Kleinots/
welches ihm die moͤꝛderiſchen Faͤuſte hat frey gemacht! Die Frau ſtellete ſich ſehr traurig/
aber ihr Herz wahr voller Freude/ als ſie vernam/ daß dieſer unſchuldige Herꝛ das Leben
davon gebracht; daß aber ſolches an ihr nicht gemerket wuͤrde/ fragete ſie/ als mit ſonderli-
chem Eifer/ wie es dann moͤglich waͤhre/ daß der junge wehrloſe Menſch ein ſolches haͤtte
verrichten moͤgen. Mich dauchte/ antwortete dieſer/ daß ich ſahe/ wie er den Schergen et-
was ſchenkete; dann daß ſie ihm mit gegebenen Haͤnden danketen/ ſahe ich eigentlich. Sie
loͤſeten auch dem andern die Haͤnde auff ſein begehren auff/ ehe ſie an den Richtplaz kah-
men/ woſelbſt der Juͤngling dem groͤſten Schergen das Schwert von der ſeite reiß/ und ſie
alle niederhieb/ wie ich ſchon gemeldet habe. Ja Gn. Frau/ ſagte er weiter/ haͤtten eure Gn.
geſehen/ wie dem jungen Menſchen die Augen vor Zorn und Rachgier im Haͤupte fuͤnkel-
ten/ ſie haͤtte vor Furcht ſterben moͤgen; ich zwar habe mir gaͤnzlich eingebildet/ er muͤſſe ein
Gott/ oder doch ihres Geſchlechtes ſeyn. Die Frau nam aus dieſer Erzaͤhlung ihr beſtes/
und
[377]Anderes Buch.
und ſagete: Hieraus erſcheinet/ daß ob mein geliebter Herꝛ gleich den Schergen nicht zu-
gelaſſen haͤtte/ ihm der haͤnde freiheit zu goͤnnen/ wuͤrde er ſolches doch durch ſeine liſtige
Schmeichelreden leicht bey ihnen eꝛhalten haben/ weil ers ſo gar vor ſeinen Diener hat er-
langen koͤnnen. Charidemus fragete den Diener/ ob man ihnen mit ſchnellen Pferden nit
nachſetzen/ und ſie ereilen koͤnte; und als er vernam daß ſie ſchon zu Elis wuͤrden angelan-
get ſeyn/ ſagte er zu Fr. Euphroſynen (ſo hieß ſein junges Gemahl); hier iſt weder Raht
noch Rettung/ dafern wir uns nicht in wenig Tagen von hinnen machen/ und dem Ungluͤk
aus dem Wege zihen. Mein herzgeliebter Herꝛ/ antwortete ſie/ ich glaͤube nimmermehr/
und der Sinn traͤget mirs nicht zu/ daß es mit uns ſo groſſe Noht habe; Dann wie wolte
ein ſo groſſer Herꝛ nur mit einem Diener in fremden Landen umher reiſen? Laſſets aber
geſchehen/ daß er ein ſolcher ſey; Er muß ja zuvor nam Rom/ und daſelbſt umb Huͤlffe an-
ſuchen; inzwiſchen koͤnnen wir unſere ſachen darnach richten/ wie uns beſt daͤucht; jedoch
waͤhre mein unvorgreifflicher Raht/ man ſendete einen Diener nach Eliß/ umb in geheim
nachzuforſchen/ ob er bey der Stad umb Huͤlffe und Rache anhalte/ daß man durch gute
Freunde (deren wir daſelbſt unterſchiedliche haben) vorbauete/ und zum wenigſtẽ nur auf-
ſchoͤbe/ biß wir unſere Baarſchafften in Sicherheit gebracht haͤtten. Der Unhold pflag der
Frauen ſonſt wenig Gehoͤr zugeben/ aber in dieſer Angſt dauchte ihn ihr Raht der beſte
ſeyn; daher er nicht ſtark eilete/ inſonderheit/ weil er erfuhr/ daß zu Elis alles ſtille/ und kein
Menſch von den entlauffenen zuſagen wuſte; wiewol er dannoch bey der Sache nit ſchlief/
ſondern ſich bemuͤhete/ Parmenions Gelder (die er bey ſich hatte) nebeſt den ſeinen nach
Perſen auff Wechſel uͤberzumachen/ und daſelbſt die Werbungen ſeines Bruders fortzu-
ſetzen/ weil er noch ſtark an Leibeskraͤfften wahr; Daher er auch in voller Bereitſchafft
wahr zum Auffbruch/ als Fabius den Flecken mit 70 Mañ beſetzete/ und gleich unter dem
Mittagsmahl mit den uͤbrigen dreiſſigen auff das Schloß drang/ und den Tohrhuͤter fra-
gete/ ob der Herr daheim waͤhre; welcher ihm zur Antwort gab: Er hielte Mahlzeit/ und
wuͤrde alsbald verreiſen. So kommen wir noch zu rechter Zeit an/ ſagte er/ dann wir ge-
denken ihn auf deꝛ Reiſe zubegleiten; Ließ ſich den Eſſe Saal zeigen/ uñ ging mit ſeiner wol-
bewehreten Schaar die Steige eilend hinauf. Charidemus hoͤrete das Getuͤmmel/ lieff
ſelbſt zur Tuͤhr/ und fragete/ was vor ein Aufflauff da waͤhre? Aber Fabius ſetzete ihm das
Schwert auff die Bruſt/ und ſagete mit ſtarker Stimme: Gib dich gefangen/ du ſchaͤnd-
licher Bluthund und verraͤhteriſcher Erzboͤſewicht! Dieſer wolte zur Seite neben aus
dringen/ da Leches auff ihn ſprang/ und ihn alsbald zur Erden niderreiß/ uͤbergab ihn her-
nach den Kriegsknechten zuverwahren und zu binden/ und ging mit Fabius auff den Eſ-
ſe Saal/ da ſie das gute Weibichen in harter Ohmacht auf dem Boden ligen funden/ wel-
che von ihnen ſo viel geruͤttelt und mit Wein beſpruͤtzet ward/ daß ſie ſich erhohlete/ uñ Fa-
bius ganz grimmig zu ihr ſagete: Frau/ habt ihr in eures Mannes Mordtaht gehehlet/ uñ
ſeine Verraͤhterey gebillichet/ ſo muͤſſet ihr ohn alle Gnade mit ihm eines ſchaͤndlichen To-
des ſterben. Ach mein Herr/ ſagete ſie/ wie hefftig iſt mir dieſe boͤſe Taht zuwider geweſen/
welches die Goͤtter wiſſen/ und dieſer liebe junge Herr ſelbſt bezeugen wird/ daß ich ſchier
die einige Urſach ſeiner Errettung geweſen bin. Ach meine liebe Frau/ ſagte Fabius mit
freudigem Herzen: Iſt dann dieſer junge Herr gerettet/ und annoch im Leben? Ja mein
B b bHerr
[378]Anderes Buch.
Herr/ antwortete ſie/ er iſt/ den Goͤttern ſey Dank/ friſch und geſund davon kommen/ wie-
wol zu meines Eheherrn åuſſerſtem Verderben; doch wolte ich lieber ſterben/ als erfahrẽ/
daß dieſes aͤdle und unſchuldige Blut umkommen waͤhre; Wollen aber meine Herren
mir nicht trauen/ goͤnnen ſie mir nur/ einem Diener zuruffen/ der mit dabey geweſen/ und
von allem gute Nachricht geben kan. Ey ſo bin ich voͤllig geneſen/ ſagte Fabius; ließ den
Knecht alsbald herkommen/ der ihm getraͤulich erzaͤhlete/ wie es ergangen wahr. Charide-
mus hoͤrete drauſſen ſeiner Frauen Entſchuldigung/ und daß ſie vor eine Erretterin des
entlauffenen ſich ruͤhmete/ welches ihm ſehr zu Herzen ging/ und betaurete/ daß eꝛ ſie nicht
erwuͤrget haͤtte/ wie er willens geweſen wahr/ ſie auch ſchon etliche mahl jaͤmmerlich dar-
umb geſchlagen hatte/ daß ſie ſeiner Haͤnde Freyheit verurſachet; und weil er merkete/ daß
er der Todesſtraffe nicht entgehen wuͤrde/ ſtellete er ſich als ein unſinniger Menſch: Ob dz
redlich gefochten waͤhre/ daß man freye Herren in ihrem Gewarſam und unabgeſaget/
moͤrderiſch- und raͤuberiſcher weiſe uͤberfiele. Fabius hoͤrete ſolches/ und gab zur Antwort:
O du meinaͤidiger Schelm und Boͤſewicht/ ſtund dir dañ ſolches zu/ daß du einen Roͤmi-
ſchen Ritter und gebohrnen Groß Fuͤrſten/ welchen Kaͤyſerl. Hocheit als ihren Bruder
liebet/ ungewarnet und verraͤhterlich fahen/ und den Henkers Buben ohn eingehohlete Ur-
tel/ ja ohn uͤberbrachte einige Untaht uͤbergeben/ und zum allerſchaͤndlichſten Tode hinaus
fuͤhren laͤſſeſt? Haͤtte ich aber Luſt mit dir zurechten/ koͤnte ich dich nach Rom auff den
Marsplaz/ oder nur nach Padua auf den Markt hinweiſen/ wo du dieſes unvergleichlichẽ
Helden trefliche Ehrengedaͤchtnis und aufgerichtete Seulen finden wuͤrdeſt/ als welcher
dem Roͤmiſchen Reiche mehr Dienſte getahn/ als deiner zwanzig tauſend nicht tuhn koͤn-
ten. Dieſer wolte ſein Leben in etwas friſten/ und berief ſich auf den Kaͤyſer/ aus Hofnung/
auff der Reiſe nach Rom/ Gelegenheit zur Flucht zufinden; Aber Fabius gab ihm zur
Antwort: Ja ich meyne/ mein Allergnaͤdigſter Kaͤyſer wuͤrde mirs Dank wiſſen/ wann
Seiner Hocheit ich einen ſolchen Verraͤhter/ der ſeine Schelmſtuͤcken nicht leugnen kan/
zuſenden wuͤrde. Ich bin ein Kaͤyſerlicher Geſanter/ und wil in deſſen Nahmen/ nach em-
pfangener Volmacht/ dich ſchon abzuſtraffen wiſſen/ weil du denſelben/ und alle Roͤmiſche
Ehre/ in dieſem Ritter/ ſo viel an dir iſt/ geſchaͤndet haſt. Machte darauff die Urtel/ daß der
Verraͤhter Charidemus wegen ſeiner begangenen Ubeltaht auff dem Platze/ woſelbſt er
den unſchuldigen Ritter niderhauen laſſen wollen/ von ſeinen bey den Dienern/ denen der-
ſelbe das Leben geſchenket/ ſolte hingerichtet/ das Herz ihm aus dem Leibe geriſſen/ und der
Leib in XXIV Stuͤcken zerteilet werden/ wie ers uͤber den unſchuldigen jungen Helden alſo
beſtimmet haͤtte. Dieſer entſetzete ſich uͤber dieſer Urtel dermaſſen/ daß er ſein Gemahl/ die
neben ihm ſtund/ bitlich erſuchete/ ſie moͤchte ihm ihr Brodmeſſer ins Herz ſtoſſen. Wor-
auff ſie antwortete: Wie koͤnte ich immer und ewig ſolchen Mord an meinem Gemahl
volbringen? uͤberdas muͤſte ich ohn Zweifel eines boͤſen Todes ſterben/ wann wider dieſes
gewaltigen Herrn Willen ich mich deſſen unternehmen wuͤrde. Wie? ſagte er zu ihr; be-
gehreſtu dann nach meinem Tode laͤnger zuleben? Nicht laͤnger/ ſagete ſie/ als der Goͤtter
Wille iſt/ denen ich ja nicht verſprochen habe/ mit euch zuſterben. Die gute Frau hatte we-
nig urſach ihn zulieben/ weil er ſie ſehr uͤbel hielt/ und ſie uͤberdas ihn wider ihꝛen Willen uñ
aus Zwang hatte nehmen muͤſſen; aber in dieſer Noht trug ſie ein ſo herzliches mitleiden
mit
[379]Anderes Buch.
mit ihm/ daß wanns moͤglich geweſen/ ſie ihm mit alle ihrem Gute das Leben gerne erkaufft
haͤtte. Er hingegen ſuchete nur einig/ da er ſterben ſolte/ ſie mit ſich in den Tod zunehmen/
ſolte er auch ſelbſt den Mord an ihr volbringen; Weil ihm nun die Haͤnde auf den Ruͤckẽ
gebunden wahren/ rief er ſie zu ſich/ vorgebend/ er haͤtte ihr in geheim etwas zuſagen; Und
als ſie ihm gehorſamete/ und auff nichts widriges gedachte/ ſtieß er mit dem Fuſſe nach ihr/
in Meynung/ ſie toͤdlich zubeſchaͤdigen; weil aber ein Kriegsknecht deſſen zeitig wahꝛ nam/
bauete derſelbe vor/ daß der Stoß ſeine volle Wirkung nicht erreichete/ ob ſie wol zimlich
hart getroffen ward. Die Frau zuͤrnete daruͤber gar nicht/ ſondern fragete mit trauriger
Rede/ warumb er doch ſo groſſes Verlangen nach ihrem Tode haͤtte/ da ſie/ wañs moͤglich
waͤhre/ ihm das Leben gerne erhalten wolte. Darumb/ ſagete er/ daß du deinen ſchoͤnen Leib
nicht etwa einem andern williger goͤnnen moͤgeſt/ als mir mag geſchehen ſeyn; und wer
weiß/ ob du nicht noch heute den gemeinen Knechten zu teile wirſt? Davor wird mich der
Tod befreyen/ antwortete ſie. Leches hoͤrete ſolches/ und ſagte zu ihr: Fuͤrchtet euch deſſen
nicht/ geliebte Freundin/ und verſichert euch nur/ daß man eure/ dem unſchuldigen fremden
Herren erteilete Redligkeit mit beſſerem Dank belohnen werde; auch daß unter uns duꝛch-
aus keine Ehrenkraͤnker redlicher Weiber ſind/ noch die eure die allergeringſte Gefahr hat/
deſſen gebe ich euch meine Traͤue zum Pfande. Geliebete Frau? Traͤue? ſagte Charide-
mus zu unterſchiedlichen mahlen; iſts mit euch beyden ſchon ſo weit kommen/ da ich noch
im Leben bin? In meinem Herzen biſtu Boͤſewicht ſchon tod/ ſagte Leches; und wann wir
beyde von den Goͤttern einander ſonſt verſehen waͤhren/ wuͤrdeſtu es wol nicht gar lange
hindern koͤnnen. Dieſer ſtellete ſich hieruͤber ſehr zornig/ und foderte ihn aus zum Kampffe
auff Leib und Leben. Er aber antwortete ihm: Ja wie ſo herzlich gerne wolte ſich dieſe mei-
ne Hand/ wegen deines/ an meinem gnaͤdigſten Herꝛn begangenen Frevels/ an dir raͤchen/
wann du nicht ein Roͤmiſcher Gefangener/ und zum Tode verurteileter waͤhreſt/ da nicht
ein Ritter/ ſondern der Henker die Urtel an dir volſtrecken muß. Die gute Frau wahr uͤ-
beꝛaus betruͤbet/ fiel Leches zu fuſſe/ und baht durch alle Goͤtter/ ihrem Eheherrn das Leben
zuſchencken/ weil ja der junge Herr mit dem Leben davon kommen waͤhre; ſie wolte gerne
ſich aller ihrer Guͤter begeben/ und mit ihm/ da er ſie bey ſich leiden koͤnte/ das Elend bauẽ/
oder ſich bey ihren Freunden auffhalten. Leches hub ſie freundlich auf/ und ſagete: Ein ſol-
ches muͤſte nicht bey ihm geſucht werden/ weil er nicht deꝛ Roͤmiſche Geſanter waͤhre; wol-
te ihr doch gerne allen moͤglichen Vorſchub tuhn/ wañ er einige Moͤgligkeit ſaͤhe; Er keñe-
te aber des Herrn Geſanten Eifer/ inſonderheit/ weil der ſo hoch beſchimpffete junge Herr
ihm lieber als ſeine eigene Seele waͤhre. Fabius kam darzu/ und befahl die Urtel zu volzi-
hen/ wobey er ſich ſelbſt wolte finden laſſen. Der Gefangene aber bedingete ſich nochmals
wegen der unbefugeten Gewalt/ und als er ſahe/ daß alles nichts helffen wolte; begehrete
er ſo viel Zeit/ daß er ſeinen lezten Willen auffſetzen/ und gebuͤhrlich bekraͤfftigen koͤnte/ wie
ers nach ſeinem Tode mit ſeiner zeitlichen Verlaſſenſchafft wolte gehalten haben. Aber
Fabius antwortete ihm: Ein Ubeltaͤhter/ der ſchon unter Buͤttels Haͤnden iſt/ hat keinen
lezten Willen mehr/ noch einige Freyheit uͤber ſeine geweſene ehmahlige Guͤter zubeſtellẽ/
ſondern dieſelben ſtehen in ſeines Richters Haͤnden/ inſonderheit/ da man an der hoͤchſten
Obrigkeit ſich verſuͤndiget hat. Alſo beſetzete er das Schloß mit 50 Mann/ unter Markus
B b b ijBefehl;
[380]Anderes Buch.
Befehl; die uͤbrigen 50 nam er zu ſich/ ließ den Gefangenen/ weil er nicht hinaus gehẽ wol-
te/ auff einer Karre hinſchleppen/ und muſten ſeine obgedachten beyden Diener ſamt ſei-
nem Schiffs-Nachrichter neben her gehen. Die ganze Menge des Flecken kahmen zuſam-
men/ und ſchrihen Ach und Rache uͤber Charidemus: Er haͤtte dieſe Straffe laͤngſt wol
verdienet/ weil er ſie mit Schatzungen und Frohn dienſten unbarmhertzig gedruͤcket/ und
ſolchen Muhtwillen an den ihren veruͤbet/ daß keines redlichen Mannes Weib oder mañ-
bahre Tochter vor ihm ſicher ſeyn koͤnnen/ ungeachtet er ſo ein ſchoͤnes und Tugendreiches
Gemahl/ ſo wol vor dieſem als jetzo gehabt. Fabius redete ihnen troͤſtlich zu/ es ſolte ihm
dieſe Boßheit auff einmahl bezahlet/ und hingegen ſie von aller ungebuͤhrlichen Beſchwe-
rung befreyet werden. Als ſie auff den Richtplatz kahmen/ foderte Fabius die bey den Die-
ner allein vor ſich/ und draͤuete ihnen den Tod/ dafern ſie nicht andeuten wuͤrden/ wer mit
dem jungen Herrn ſo unbarmherzig umgangen/ und ihn ſo elendig gebunden haͤtte. Dieſe
gingen alsbald unter den Hauffen der Zuſeher/ und rieffen drey boßhaffte Schelmen her-
vor/ welche ſie uͤberzeugeten/ wie ſie mit Herr Valikules geber det; Und als ſie nicht dar-
tuhn kunten/ daß ſie deſſen ausdruͤklichen Befehl gehabt/ ließ ihnen Fabius als bald den
Grind herunter ſchlagen/ daß Charidemus zuſehen muſte; welcher daruͤber hefftig er-
zitterte/ und alle ſeine Guͤter zum Loͤſegeld ſeines Lebens darboht. Es ward ihm befohlen
von dem Karren zuſteigen/ und als er nicht wolte/ zogen ſeine beyden Diener ihn beym
Kopff herunter. Fabius geboht ihnen die Urtel zuvollſtrecken/ daher ſie ihren Herrn
umb Verzeihung bahten/ und daß er niederknien moͤchte/ damit er ohn ſonderliche
Schmerzen koͤnte abgetahn werden; Weil er ſich nun auch deſſen wegerte/ riſſen ihn
die Kriegsknechte zur Erden/ und richteten ihn die beyden elendig zu/ daß er nach empfan-
genen XXIV Wunden erſt die boßhaffte Seele außbließ. Nach gehaltenem Gerichte keh-
reten ſie wiedeꝛ umb nach dem Schloſſe/ und muſten die Gerichts volſtreckeꝛ den Leichnam
bey den Fuͤſſen mit ſich fort ſchleppen. Fr. Euphroſyne hielt ſich inzwiſchen auff dem
Schloſſe uͤber alle maſſen klaͤglich/ daß Markus groſſes Mitleiden mit ihr hatte/ und nach
allem Vermoͤgen ſie auffs freundlichſte troͤſtete; ſie moͤchte ſich doch in der Goͤtter Willen
ergeben/ nach dem es nicht anders ſeyn koͤnte; ihre Woltaht dem jungen Herren erzeiget/
wuͤrde ihr nicht unvergolten bleiben; aber es mochte dieſes alles bey dem traurigen Weib-
lein wenig ſchaffen. Als Fabius mit Leches wieder auffs Schloß trat/ kunte ſie ihr die
Rechnung leicht machen/ wie es ihrem Alten wuͤrde ergangẽ ſeyn; wolte aber nach ſeinem
Tode ihre eheliche Liebe und Traͤue ſpuͤren laſſen/ fiel vor Fabius nider/ und kunte ſie kein
Menſch von der Erden auffbringen/ biß ihr verſprochen wahr/ daß Charidemus Leib zur
Erden ſolte beſtattet werden. Folgends traten Fabius/ Leches und Markus zuſammen/
und befrageten ſich/ wie es mit der Frauen und ihren Guͤtern ſolte gehalten werden; zwar
in betrachtung ihres Mannes/ waͤhre alles der Obrigkeit verfallen; weil aber die Frau in
die Boßheit nicht eingewilliget haͤtte/ ſondern vielmehr bemuͤhet geweſen/ dieſelbe zu hin-
dern/ wuͤrde es unverantwortlich ſeyn/ daß man ihr nicht vielmehr vor Herkules Lebens-
erhaltung danken/ als durch Armuht und beraubung ſie betruͤben wolte. Der gute Mar-
kus hatte ſich ſchon an ihrer Schoͤnheit vergaffet/ ſcheuete ſich doch/ es zu bekennen/ bekla-
gete ihr Ungluͤk/ und daß vor ihre Dienſte ſie nichts als Truͤbſeligkeit empfuͤnde; da Fa-
bius
[381]Anderes Buch.
bius zu ihm ſagete; Mein lieber Freund; ihr wiſſet daß ich euch alles gutes goͤnne; und
taͤhte ich euch einen Dienſt daran/ wolte ich euch dieſes ſchoͤne junge Weibichen freien/ ſo
wuͤrde euch und ihr geholffen. Markus bedankete ſich dienſtlich vor die hohe Gewogen-
heit/ und da ihm dieſe gewuͤnſchte Heyraht werden koͤnte/ wolte er ſich gluͤkſelig ſchaͤtzen.
Die ſol und kan euch nit entſtehen/ ſagte Fabius; gehet nur hin/ und leget den erſten Stein
zu dieſem Liebesgebaͤu ſelbſt/ auff daß eure Neigung ſie aus eurem eigenen Munde hoͤre;
hernach wil ich ſchon wiſſen/ euch Beyſtand zuleiſten. Markus wagete die Schanze/ ging
hin zu ihr/ und ſagete; es haͤtte der Roͤmiſche Geſanter groſſes Mißfallen an ihrem unab-
laͤſſigen Weinen/ da er doch ihr zur ſonderlichen Freundſchafft ſeine Urtel geendert/ und
dem Leichnam die Erde gegoͤnnet; wolte ſie demnach vor ſich gar Freund- und traͤulich
erinnern/ ihr gar zu groſſes klagen zu maͤſſigen; ſie haͤtte ja alles ihr Ungluͤk ihrem geweſe-
nen Eh Herren zu danken/ welcher/ unangeſehen ihres groſſen mitleidens/ ſie zu ermorden
willens geweſen; und ob ihr vielleicht noch nicht alles kund waͤhre/ was durch ihren Ehe-
gatten verwirket/ koͤnte er ihr unangemeldet nicht laſſen/ daß in ſolchen Faͤllen nicht allein
Leib und Leben/ ſondern auch Haabe und Gut ſamt der Freyheit verfallen waͤhre; ſolches
Ungluͤk aber an euch zuverhindern/ ſagte er/ erbiete ich mich nach aͤuſſerſtem Vermoͤgen;
maſſen mein Herz in meiner hochgeehrten Freundin Zucht und Schoͤnheit ſich dergeſtalt
verliebet hat/ daß wann ich als ein Roͤmiſcher Ritter und aͤdelman aus Rom von ihr nicht
verſchmaͤhet werde/ ich dieſelbe mir zu einem Ehegemahl in kuͤnfftig/ aus rechter Traͤue
und Beſtaͤndigkeit wuͤnſche und begehre/ dienſtlich bittend/ mir mein geſchwindes ehrlie-
bendes Anmuhten nicht zu veruͤbeln/ und auff daſſelbe mir eine gunſtfreundliche Antwort
zuerteilen. Die gute Frau wahr von ganzer Seele traurig und betruͤbt/ wie wol ſie ihr an-
noch nicht einbilden koͤnnen/ daß ihre Guͤter und Freyheit ſolten Gefahr haben; doch ſich
erinnernd/ daß ihre Haabſeligkeit von Charidemus herruͤhrete/ fuͤrchtete ſie ſich darumb
zukommen. Sie ſahe Markus mit traͤhnenden Augen an/ hatte aus ſeinen Reden ſchon
gemerket/ daß er ein geſchikter aͤdelman wahr/ auch an Leib und Leben untadelhafft; aber
das bildete ſie ihr nicht ein/ daß er ſo duͤrre ſie umb eheliche Liebe anſprengen wuͤrde. Nun
durffte ſie ihn nicht vor den Kopff ſtoſſen/ weil er ſich ſo hoch gegen ſie erboht; ſolte ſie a-
ber einwilligen/ da ihr Ehherr noch vor wenig Stunden gelebet/ muͤſte ihr billig zur groſ-
ſen Leichtfertigkeit außgelegt werden; antwortete ihm demnach/ ſie bedankete ſich ehren-
dienſtlich des mitleidens/ welches er mit ihr in ihrem groſſen Ungluͤk truͤge/ ſich auch er-
boͤhte/ alles kuͤnfftige nach Vermoͤgen abzuwenden; nun waͤhre ſie in des Herrn Geſan-
ten Macht und Gewalt/ und wie derſelbe mit ihr ſchalten wuͤrde/ muͤſte ihr wehe und wol
tuhn; einmahl waͤhre ihr lieb/ daß ihr Lebens- und ehrenſicherheit ſchon hoch verſprochen
worden; daß uͤbrige vorgebrachte betreffend/ erkennete ſie billich ſeine gute Gewogenheit/
wuͤrde auch ſelbe zu ruͤhmen/ Zeit ihres Lebens Urſach haben; weil aber die erſte Ehe ihr
ſo ungluͤklich gerahten/ und uͤberdaß mit ſo ſchmerzlichem Unfal verſalzen waͤhre/ haͤtte ſie
billiche Urſach/ ſich des Eheſtandes hinfuͤro zuenthalten/ und den uͤbrigen Teil ihres Le-
bens in ſtetem Witwenſtande zu enden. Markus gedauchte/ die lezten Reden waͤhren aus
ſo tieffen herzen nicht gangen; wolte ſich deßwegẽ nicht abſchrecken laſſen/ ſondern ſagete:
Sie haͤtte nicht unbillig zu zweiffeln/ ob ſie jemahls in der Ehe gelebet/ nachdem Charide-
B b b iijmus
[382]Anderes Buch.
mus mit ihr dergeſtalt geberdet/ und durchaus keine Redligkeit noch Traͤue ihr erwieſen;
baͤhte nochmahl/ ſein auffrichtiges Herz zuerkennen/ und ſeine inbruͤnſtige Liebe ihr beſter
maſſen laſſen befohlen ſeyn; nam/ inzwiſchen er dieſes redete/ ſein Wiſchtuch/ troknete da-
mit die Traͤnen von ihren Augen und Wangen/ und beteurete hoch/ mit was beſtaͤndiger
Traͤue er biß an ſein Ende ihr auffwarten/ und alle ſchuldige Liebe erweiſen wolte/ hielt
auch ſo inſtaͤndig umb beſſere Erklaͤrung an/ daß ſie endlich zu ihm ſagete; Sie erkennete
ſich vor ein ungluͤkſeliges verlaſſenes Weib/ bedankete ſich ſehr dienſtlich/ daß er ſich ihrer
in ſo groſſem elende anzunehmẽ/ ſo gar willig anerboͤhte/ wolte auch/ da die Zeit ihrer traueꝛ
voruͤber waͤhre/ ſich gegen ihn ſolchergeſtalt heraus laſſen/ daß er ſie nicht undankbar ſpuͤ-
ren ſolte. Markus hielt dieſes vor eine volkommene Zuſage/ ging zu Fabius und ſagete:
Er hoffete das Schloß zu gewinnẽ/ dafern er mit zutreten/ uñ durch ſe in anſehen den feſte-
ſten Ort ſtuͤrmen wuͤrde; woran dieſer es nicht wolte ermangeln laſſen/ ging neben Mar-
kus zu ihr/ und baht ſehr/ dieſen Roͤmiſchen aͤdlen Ritter nicht abzuweiſen/ ſondern in ſein
ehrliebendes Anſuchen einzuwilligen/ alsdan ſolten alle ihres geweſenen Mannes hinter-
laſſene Guͤter/ bewaͤglich und unbewaͤglich ihr ohn einige ſchmaͤlerung verbleiben; und ob
ſie zwar einſtreuete/ daß ihr Ehegatte erſt heut to des verfahren/ moͤchte ſie daneben ihren
elenden Stand bedenken/ und wie alle Untertahnen ſo erbittert waͤhren/ daß Charidemus
ſie uͤber Billigkeit ſo gedruͤkt und faſt außgeſogen haͤtte; duͤrfften ſolches bey der hohen
Obrigkeit klagen/ und das ihrige mit zehnfachen Zinſen wieder fodern/ deſſen alles ſie be-
freiet ſeyn koͤnte/ wann ſie dieſen Ritter und aͤdlen Haͤuptman heyrahten wuͤrde/ welches
ihr nicht anders als zu Ehr und Nutzen außſchlagen ſolte. Fr. Euphroſyne antwortete
ihm gar demuͤhtig: Ach mein gebieten der Herr/ ich erkenne mich ihnen ja in allen dingen
verpflichtet und auffwaͤrtig/ muͤſte auch wol unbeſoñen ſeyn/ wann die angebohtene Ehr
ich außſchluͤge/ da ſie Macht haͤtten/ mich in die aͤuſſerſte Schande zuſetzen. Es wollen aber
meine hoch werte Herren vernuͤnfftig erwaͤgen/ ob dieſer Herr nicht ſchier heut oder Mor-
gen mich vor eine leichtfertige außzuruffen und zu haſſen/ gnug Urſach haͤtte/ wann ich/
noch ehe mein geweſener Eheherr zur Erden beſtattet iſt/ einem andern mich verſprechen
wuͤrde; er laſſe mich/ bitte ich/ die gebuͤhrliche Zeit meiner Trauer außhalten; endert er dann
inzwiſchen ſein Gemuͤht nit/ ſol ihm in ſeinem ehrliebendẽ Begehren gewilfahret werden.
Aedle Tugendſame Frau/ ſagte hierauff Fabius/ eure ehrliebende Zucht/ iſt heut von allen
Inwohnern dieſes Flecken oͤffentlich gepreiſet/ und zugleich Charidemus geile Frecheit
außgeruffen und verfluchet worden/ durch welche er ſich aller euer trauer unwerd und veꝛ-
luſtig gemacht hat. Sie fiel ihm in die Rede/ und ſagete: Ach mein Gott! hat man dann
nun alles muͤſſen hervorbringen/ welches ich doch nach beſtem Vermoͤgen bemaͤntelt/ und
willig uͤberſehen habe? Deſto klaͤrer ſcheinet eure Tugend/ ſagte Fabius/ und duͤrfet euch
deßwegen keine Gedanken machen/ daß man euch wegen eheliches verſprechens ichtwas
verargen ſolte. Kan nun meine wolgemeinete Vorbitte hafften und guͤltig ſeyn/ wird mei-
ne geliebte Freundin dieſen meinen lieben Freund und Mit Roͤmer durch eine angeneh-
me Erklaͤrung befriedigẽ/ welches ich vor eine ſonderliche mir erwieſene Ehre uñ Freund-
ſchafft rechnen werde; umpfing ſie hiemit freundlich/ und ſagete nochmahl zum Abtrit;
der ſie vorſezlich hat ermorden wollen/ iſt unwirdig/ daß ſie ſeiner Gedaͤchtnis eine Stun-
de in
[383]Anderes Buch.
de in ihrer Seele raum geben wolte. Markus fuhr fort da es Fabius gelaſſen hatte; ſie
moͤchte ſolche Gedanken von ihm nicht faſſen/ daß ers ihr vor eine Leichtfertigkeit außle-
gen wolte/ da ſie auff ſein inbruͤnſtiges Anſuchen ihm gewirige Antwort erteilete; wieder
hohlete ſein voriges erbieten/ und erwartete der Erklaͤrung/ welche ihm die Frau mit einer
ſonderlichen Schamhafftigkeit folgender Geſtalt gab. Mein hochwerter Hr. ich bin von
ihnen beyden dermaſſen verbunden/ dz ich nit ſehe/ wie ohn aͤuſſerſte undankbaꝛkeit ich mich
des begehretẽ entbrechẽ ſol; wil demnach meinem Herꝛẽ die angefod’te Antwort hiemit voͤl-
lig uñ nach ſeinem behagen gegebẽ haben/ jedoch/ dz er mir hinwiederum ritterlich verſpre-
che/ mich wieder meinẽ willen vor außgang einer gebuͤhrlichẽ Tꝛauerzeit zum Beylager nit
zunoͤhtigen/ damit ich von and’n redlichen Frauen nit angeſpeiet uñ verfluchet werde. Her-
nach und vors ander; daß dieſe unſere Verloͤbnis uͤmb eben der Uꝛſach willen eine zeitlang
moͤge in geheim gehalten/ und verſchwiegen weꝛden. Meine herzgeliebte Frau und Freun-
dinn/ antwortete er; vorerſt bedanke ich mich der hochguͤnſtigen Erklaͤrung von ganzem
Herzen; und ob das uͤbrige mir zwar ſehr ſchwer fallen wird/ wil ich doch meine Begier-
den unter den Gehorſam ihres ehrliebenden Vorſatzes zwingen/ jedoch daneben hoͤchlich
bitten/ die Traurzeit/ (wozu ſie gar keine Urſach hat) nicht zuweit auszuſetzen. Nam hiemit
einen ſchoͤnen Ring/ und vermåhlete ſie ihm damit; gingen auch miteinander nach Fabi-
us und Leches/ und nahmen von ihnen die Gluͤkwuͤnſchung an. Bey der Abendmahlzeit
erſchien der vermeinete Kauffmann Gallus/ auff Fabius Begehren/ welcher ſchon mer-
kete/ daß Markus ſich in Charidemus Stelle einflicken wuͤrde/ welches er ihm wol goͤnne-
te. Nach gehaltener Mahlzeit begehrete er mit der Frauen allein zureden/ welches ſie wun-
der nam; maſſen ſie ihn ihr Lebelang nicht geſehen hatte; wahr ihm doch zuwillen/ trat mit
ihm in ein Nebengemach/ daß ihr nur eine Leibdienerinn folgete/ und ſagete zu ihm: Guter
Freund/ habt ihr etwa bey mir wegen meines Seel. Herꝛn/ einige Schuldfoderung/ ſo ver-
ſchweiget ſie mir nicht; was dann mit gnugſamen Beweiß beſcheiniget wird/ ſol von mir
ehrlich bezahlet werden. Gallus neigete ſich vor ihr/ und antwortete: Hochaͤdle Frau; es
laͤſſet mein Gn. Herꝛ der junge entlauffene Ritter/ ſie zum allerfleiſſigſten gruͤſſen/ und vor
erwieſenes Mitleiden ihr von Herzen danken/ inſonderheit/ daß ſie ihm ſeiner Haͤnde Frey-
heit durch ihre kraͤftige Vorbitte erhalten/ ohn welches Mittel er ſonſt haͤtte muͤſſen des To-
des ſeyn. Es hat aber mein Gn. Herꝛ ohngefehr in Erfahrung gebracht/ daß Herꝛ Fabius
ſeines Unfals berichtet/ und dieſe Rache zuuͤben vorgenommen haͤtte/ darumb er mich als-
bald mitzihen geheiſſen/ uͤmb einig darnach zuarbeiten/ daß ihrer hochaͤdlen Tugend weder
Ehre/ noch Leben/ noch einige Haabſeligkeit gekraͤnket wuͤrde/ wie Gott lob alles verhuͤtet
iſt. Die gute Frau warvoller Freuden/ uñ ſagete: O den Goͤttern ſey ewig dank/ daß dieſes
unſchuldige Blut gerettet iſt/ dem ich mich mit alle meinem Vermoͤgen ſchuldig erkenne;
und wolte Gott/ daß ich ihm einige Dienſte leiſten koͤnte/ ſolte mir angenehmers nicht ſeyn.
Ja/ hochaͤdle Frau/ ſagte er/ ſie kan meinem Herꝛn groſſe Freundſchafft erzeigen/ welches
ich ihr anzeigen wil/ dafern ihr belieben kan/ mich ihrer Verſchwiegenheit zuverſichern. Uñ
als ſie ihm dieſelbe verhieß/ ſagte er weiter: Es hat mein Gn. Herꝛ eine ferne Reiſe vor/ uͤm̃
einen verlohrnen lieben Freund zuſuchen/ auff welcher ihm Herꝛ Fabius gerne Geſelſchaft
leiſten wolte/ er aber lieber allein fortzihen wil/ deswegen er ſich auch vor ihm verborgen
haͤlt;
[384]Anderes Buch.
haͤlt: Nun hat hochgedachter mein Herꝛ mich wollen nach Padua ſchicken ihm etwa 20
oder 30000 Kronen abzuhohlen; aber weil ihm ſolches mein reiſen an ſeiner Eilfaͤrtigkeit
ſehr verhinderlich iſt/ moͤchte ich wuͤnſchen die Gelegenheit zuhaben/ daß ich ſolche Gelder
hier oder in der naͤhe auff richtige Wechſel heben koͤnte/ ob ich gleich ein oder etliche tau-
ſend Kronen dabey zuſetzen ſolte/ waͤhre daran nichts gelegen. Wuͤrde nun meine hochaͤd-
le Frau etwa an der Bezahlung zweiffeln/ welches ihr kein Menſch veruͤbeln kan/ wolle ſie
nur vor geſchloſſenem Wechſel Herꝛn Fabius anmelden/ wie ſie meinem Herꝛn vor wenig
Tagen in geheim zu ſolchen Geldern ſchon verholffen habe/ und wann Herꝛ Fabius ſich
nicht alsbald erbieten wird/ es wieder richtig zumachen/ wil ich meinen Kopff verlohren
haben. Die Frau antwortete ihm: Mein Freund/ ich zweifele im geringſten nicht an eures
Herꝛn Auffrichtigkeit/ wann ihr mir nur einen ſchlechten Beweistuhm bringen koͤntet/
daß ihr dieſes Herꝛn Diener ſeyd. Hochaͤdle Frau/ ſagte er/ ich bin freylich ſein Diener/ uñ
zwar eben derſelbe/ welcher mit ihm hat ſollen enthaͤuptet werden. Ach nein/ ſagte ſie/ der
ſeyd ihꝛ nicht/ odeꝛ mein Geſinde muͤſte euch unꝛecht abgemahlet haben. Gallus lachete des/
und baht/ ſie moͤchte nur einen Diener kommen laſſen/ der ihn zeit ſeiner Gefaͤngnis geſe-
hen/ als dann ſolte ſie dieſes Zweifels bald benommen werden. Die Leibdienerinn ging bald
hin einen auffzufodeꝛn/ und fragete bey allen nach/ wer unter ihnen die beyden ehmals Ge-
fangenen/ inſonderheit den aͤlteſten geſehen haͤtte/ uñ als ſich etliche meldeten/ nam ſie einen
mit ſich/ welcher/ da er zu der Frauen hinein trat/ ward eꝛ von ihr gefraget/ ob er dieſen Mañ
kennete; Nein ſagte er/ ich habe ihn nie als heut geſehen. Er muſte auff Gallus bitte einen
kurzen Abtrit nehmen/ und ſagte dieſer darauff zu der Frauen; ich ſtehe anietzo vor eurer
hochaͤdl. Tugend mit angeſtrichenem Angeſicht und Haaren/ welche Verſtellung ich gleich
abtuhn wil/ nam ſein Laͤplein hervor und rieb damit alles ab/ deſſen ſie ſich nicht wenig ver-
wunderte; rief dem Diener wieder hinein/ und als derſelbe alsbald ſagete: Gn. Frau/ die-
ſer iſt eben der/ welcher mit dem jungen Ritter hat ſollen abgetahn werden; antwortete ſie:
Es iſt gut/ aber wo du einigem Menſchen ſagen wirſt/ daß du ihn alhie geſehen/ ſol es dir
dein Lebenkoſten. Nach ſeinem Abtrit machte Gallus ſeine Farbe wieder zurechte/ und be-
ſtrich ſich damit; da die Frau zu ihm ſagete: Mein Freund/ durch dieſes Mittel koͤntet ihr
mannichen ſchlim̃en Betrug anrichten/ wañ ihr nit redlich waͤhret. Sie ließ ihn aber da-
ſelbſt/ biß ſeine Verſtellung richtig wahr/ ging hin zu Parmenions Geldern und Kleinoten/
ſetzete ein kleines Schreiben auf/ uñ verfuͤgete ſich mit Gallus wiedeꝛ hin zu der Geſelſchaft/
da ſie als ohngefehr auf Herkules zureden kam/ und ſagete: Es taͤhte ihr leid/ daß ſie nicht
wiſſen moͤchte/ wo er geblieben waͤhre/ damit ſie etwa zur Anzeige eines guten Willen ihm
mit einem Stuͤk Geldes aushelffen koͤnte/ deſſen er vielleicht in der Fremde benoͤhtiget ſeyn
duͤrfte. Dieſes beklage ich am meiſten/ antwortete Fabius/ daß er bey ſeinem groſſen Reich-
tuhm ſolte Gebrech und Mangel leiden; jedoch zweifele ich nicht/ er werde auf Wechſel be-
dacht ſeyn/ welche zu Padua ſtuͤndlich ſollen bezahlen werden/ wanns gleich viel Tonnen
Goldes betꝛaͤffe. Aber weiß meine Freundin nicht ein wenig Nachricht/ wohin eꝛ ſich mag
gewendet haben? Eꝛ iſt geꝛade auf Elis zugelauffen/ ſagte ſie/ abeꝛ wie fleiſſig mein gewe-
ſeneꝛ Ehherꝛ ihm daſelbſt nachfragen laſſen/ hat man doch nicht das allergeringeſte von
ihm eꝛfahren moͤgẽ; daher ich nicht zweifele/ eꝛ habe ſich alsbald/ uͤmb Gefahr zumeidẽ/ hin-
weg gemacht. Sie baht daꝛauf von den Anweſenden Verzeihung/ mit veꝛmeldẽ/ daß dieſem
Kauff-
[385]Anderes Buch.
Kauffmann etwas wegen Charidentus handelung nachſtaͤndig waͤhre/ welches ſie richtig
machẽ/ uñ bald wiederkom̃en wolte. Verfuͤgete ſich mit demſelben auf ein groſſes Gemach/
uñ ſagte zu ihm: Wolte Gott/ daß einiges Mittel in der Welt waͤhre/ wodurch eurem Herꝛn
ich mein bereitwilliges Herz erklaͤrẽ koͤnte; ihr aber habt mir die groͤſſeſte freundſchaft erzei-
get/ daß ihr mir dieſe Gelegenheit an die Hand gegeben habt/ ihm zu dienẽ. So ſind nun die-
ſe zween Wetſcher mit gepregetem Golde und Kleinoten auff 20000 Kronen gefuͤllet;
darzu nehmet dieſen Wechſelbrieff auff 12000 Kronen haltend/ welcher der genennete
Mann euch zu Elis ſtuͤndlich erlegen wird/ und iſt hie noch eine kleine Handſchrifft auff
8000 Kronen/ welche Parmenio bey ſeinem Wirte daſelbſt nidergeleget/ und alsbald koͤn-
nen gehoben werden. Ich muß euch aber beydes euren vorigen ſchrecken in etwas ergetzen/
und zugleich anzeigen wieviel Freundſchafft ihr mir vor dißmahl erzeiget habet. Vereh-
rete ihm hiemit einen Beutel mit 4000 Kronen/ welche er/ ungeachtet aller Wegerung
annehmen muſte. Schlißlich ſagte ſie ihm; das Ubrige liefert eurem Herren von meinet-
wegen/ als eine Anzeigung meines dienſtwilligen Gemuͤhts/ und daß alle meine Guͤter zu
ſeinen dienſten ſeyn. Das mir geſchenkete Kleinot iſt mir ein unfehlbares Gedaͤchtnis ſei-
nes gnaͤdigen willens; und ſolte ihn die Gelegenheit nach Korinth fuͤhren/ wolle er ſeine
bereitwilligſte Magd daſelbſt zubeſuchen nicht unterlaſſen/ dann ich werde mich ehiſtes
tages dahin begeben. Gallus entſetzete ſich vor dieſer Freigebigkeit; es haͤtte durchaus die
Meynung nicht/ daß er einiges Geſchenk vor ſeinen Herren oder vor ſich ſuchete/ und wuͤꝛ-
de derſelbe ſchon Mittel ergreiffen/ es dankbarlich zu erſtatten. Gebet euch zu frieden/ ſagte
ſie; ich bin eurem Herren viel ein mehres ſchuldig/ als dieſes wenige/ und da euch Mor-
gen zu reiſen geliebet/ ſo nehmet eures Herren und euer Pferd ſamt Harniſch und anderem
zubehoͤr/ welches ihr bey einander vorne im Mahrſtalle finden ſollet/ und reitet in Gottes
Nahmen. Damit gingen ſie wieder hin zu der Geſelſchafft/ und hielt Gallus bey Herren
Fabius an umb erlaͤubnis zu ſeiner Reiſe/ nachdem er ihm zu nichts mehr nuͤtze ſeyn koͤn-
te. Aber die Frau noͤhtigete ihn die Nacht zu bleiben/ weil der Abend einfiele. Nach abge-
nommenen Speiſen redete ſie mit Markus/ daß er ſie mit nach Korinth fuͤhren moͤchte/
woſelbſt ſie in die 60000 Kronen Baarſchafft ſtehen haͤtte; ihr waͤhre unmoͤglich/ wegen
eingenommenen Schreckens an dieſem Orte laͤnger zuverbleiben/ moͤchte auch nach ver-
lauff einer geringen Zeit wol Anſprach von jungen Freiern bekommen duͤrfen; wolte er
nun dieſe ihre Herſchaft Erblich behalten/ ſtuͤnde zu ſeinem Belieben/ ſonſt koͤnte er ſie vor
fuͤnff Tonnen Goldes baar verkauffen. Markus wahr ohn daß dem Gelde zugetahn/ und
wie er dieſen ihren Reichtuhm vernam/ wunderte er ſich/ daß ihm das Gluͤk ohn alle ſeine
Sorge und Muͤhe im Augenblik ſo beguͤtert haͤtte; umbfing ſeine liebſte freundlich/ und
verſprach/ ſie an Ort und Ende zu fuͤhren/ wo ſie am ſicherſten waͤhre. Nach dieſem nam
ſie ihn mit ſich auff die Korn Spiker/ in die groſſen mit Wein belegete Keller/ auch zu den
Schaaff-Kuͤhe- und Pferd Staͤllen/ welches alles uͤber drey Tonnen Schaz außtrug.
Endlich muſte er mit ihr auff ein feſt verſchloſſenes enges Gemach gehen/ da ſie ihm ein
Kleinot Laͤdichen vorſetzete auff 40000 Kronẽ/ nachgehends vier Laden mit 80000 Kro-
nen baar/ und zu ihm ſagete; dieſes wil ich meinem geliebeten Herren zur Dankbarkeit des
mir heut erzeigeten mitleidens uͤberliefern/ mit Bitte/ es nit außzuſchlagen. Er aber nam
C c cnur
[386]Anderes Buch.
nur etliche Ringe daraus; das uͤbrige ſtellete er ihr wieder zu/ einwendend/ er wolte es ger-
ne in ſeine Verwahrung nehmen; weil es aber bey ihr ſicherer waͤhre/ koͤnte es biß auff ih-
ren Abzug ſtehen bleiben. Wie es euch geliebet/ ſagte ſie/ und befahl ihrer Dienerin/ Her-
ren Fabius und Leches herzubitten/ denen ſie etwas zu liefern haͤtte; zu denen ſie/ da ſie
herzutraten/ alſo redete: Ihr meine hochwerte Herren/ ob ich zwar etliche Schaͤtze in ſo ge-
heimer Verwahrung habe/ daß ich ſie mit leichter Muͤhe vor mich ſelbſt behalten koͤnte/ ſo
ſollen mich dannoch die Goͤtter wol davor behuͤten/ damit das unrechtmaͤſſige Gut nicht
mein Erbe zugleich mit verzehre; Dieſer Kaſten vermag einen ſtatlichen Vorraht/ und
gehoͤret dem erlegeten Parmenio teils eigen/ teils als empfangene Werbungs Gelder zu;
Stelle ſolches demnach zu des Herrn Geſanten Haͤnden/ ſeines Willens damit zuſchaltẽ;
ſchloß den Kaſten auff/ und zeigete ihnen eine groſſe Menge gemuͤnzetes Goldes/ auch in
einem Beylaͤdichen unterſchiedliche koͤſtliche Kleinot. Fabius gab ihr zuꝛ Antwort: Paꝛ-
menions eigenes Geld muͤſte ihr billich als der naͤheſten Erbin bleiben/ das uͤbrige wolte er
Herrn Herkules verwahrlich behalten; jedoch/ daß ſie von ſolchem Teil zur Vergeltung
ihrer Aufrichtigkeit 12000 Kronen haben ſolte. Fr. Euphroſyne bedankete ſich/ nachdem
ihr wegern nicht gelten wolte/ und empfing es mit dem bedinge/ daß ihr frey ſtuͤnde/ es nach
Belieben anzuwenden. Es wahren die eigenen Gelder von den Werbungsgeldern abge-
ſondert/ uñ zeigete eine hinzugelegete Rechnung/ daß der Werbe Gelder 300000 Kronen/
der eigenen aber 250000 Kronen wahren. Die 12000 verſprochene Kronen ſchichtete ſie/
und gab die eine Helfte ihrem Liebeſten/ die andere den 100 Roͤmiſchen Kriegsknechten/ je-
dem durch die Bank hin 60 Kronen; welches ihm Fabius ſo wol gefallen ließ/ daß er zu
ihr ſagete: Nun meine Freundin/ ich verſpuͤre hieraus ihren Verſtand und gute Gewo-
genheit/ werde mich auch bemuͤhen/ es unvergolten nicht zulaſſen. Von den eigenen Gel-
dern aber nam ſie 50000 Kronen/ und teilete dieſelben gleich unter Leches und Markus/
da jener ſich zwar wegerte/ aber auff ſeines Mitnehmers Noͤhtigung es ihm beybringen
ließ. Als ſie ſich nun wieder geſetzet hatten/ wolte ſie Gallus noch eine Verehrung zuſchan-
zen/ und ſagete zu Markus ingeheim: Iſt euch heut durch eines andern Unfall ein Gluͤk
zugeſtoſſen/ ſo laſſet den Urheber auch in etwas/ und ſo viel ſeine Wirdigkeit zugibt/ mit ge-
nieſſen. Dieſer kunte nicht erſinnen/ wen ſie damit meynete/ und baht/ ihm ſolches etwas
deutlicher anzuzeigen. Je/ ſagte ſie/ wer hat euch an dieſen Ort gefuͤhret? hats nicht jener
Kauffmann getahn? Ich erkenne mich ihm verbunden/ antwortete er/ redete ihn auch als-
bald mit dieſen Worten an: Guter Freund/ ich erinnere mich/ daß mit Verſeumung eu-
rer Geſchaͤfften ihr mit uns gereiſet ſeyd/ davor ich mich dankbar erzeigen wil; ſchenkete
ihm alſofort 600 Kronen/ und ſagte: Nehmet dieſes/ bitte ich/ zur Ergetzung vor euꝛe Muͤ-
he von mir an/ und da ich ſchier heut oder morgen euch mehr Dienſte werde leiſten koͤñen/
habt ihrs kuͤhnlich bey mir zufodern. Gallus ſahe/ daß es alles aus der Frauen Anſtifftung
herruͤhrete/ hielt vor unnoͤhtig/ ſich lange zuwegern/ und bedankete ſich deꝛ groſſen Schen-
kung. Ey ſo wolleñ wir beyde auch nicht ſo gar undankbar ſeyn/ ſagte Fabius zu Leches/ uñ
begehrete an Markus/ er ſolte 600 Kronen von Parmenions Geldern hohlen/ und ſie ihm
ihrer beyder wegen zuſtellen. Des folgenden Morgens ſehr fruͤh/ nam Gallus von der
Frauen freundlichen Abſcheid/ bedankete ſich nochmahls der hohen Ehr und Guttaht/ uñ
ver-
[387]Anderes Buch.
verſicherte ſie/ ſein Herr wuͤrde es ſtatlich zuvergelten nicht unterlaſſen; legte die Gelder
auf Maul Eſel/ ſattelte ſein und Herkules Pferd/ und ritte in Geſelſchafft vier Knechte des
nåheſten auff Eliß zu/ weil er nicht zweifelte/ ſein Herr wuͤrde ſich daſelbſt noch auffhalten.
Er hatte aber Valikules Waffen angelegt/ und ſeine eigene dem Diener zu fuͤhren gegebẽ/
ritte damit in die Herberge/ und fand ſeinen Herrn im Hauſe allein gehen/ und ſich mit ge-
danken ſchlagen/ wie ers am beſten machen koͤnte/ wann etwa Gallus wegen widerwaͤrtigẽ
Windes zu lange auſſenbleiben wuͤrde. Die Zeit hatte ihm ſider Gallus Abreiſe gar lange
gewehret/ welche er mit einem fremden Manne vertrieb/ der aus Mazedonien wahr/ und
ſich eine zeitlang in der Landſchafft Karia zu Laodizea auffgehalten hatte; Dieſer ließ ſich
anfangs vernehmen/ daß er ein Chriſt waͤhre/ da er merkete/ daß Valikules des Glaubens
wahr/ der ſich gleichwol nicht gegen ihn heraus ließ/ weil er ihm wenig trauete. Zween Ta-
ge vor Gallus Wiederkunfft fing dieſer fremder/ nahmens Agemachus/ etwas kuͤhner an
mit ihm zureden/ da er anfangs beklagete/ daß die Welt ſo mannicherley Glaubens waͤhre/
und ihrer viel/ ja der mehrer Teil ſich ſo plageten und peinigten/ zu der Volkommenheit zu
gelangen/ da doch kein luſtiger Weg waͤhre/ als eben dieſer/ auff welchem man dahin kaͤh-
me/ wiewol niemand/ als welche der wahren Erkaͤntniß ſich gewidmet haͤtten/ denſelben zu
finden wuͤſten/ welche daher Gnoſtici; das iſt/ die Erkennende oder Hochkluge geneñet wuͤr-
den. Valikules merkete alsbald/ was vor einen ſchaͤndlichen groben Ketzer er vor ſich haͤt-
te/ ließ ſich deſſen aber nit merken/ ſondern fragete/ ob dann dieſelbẽ Hochweiſen/ der Heyd-
niſchen/ oder Indiſchen/ oder Chriſtlichen Lehre zugetahn waͤhren/ und ob man ihrer ſo
hochgeruͤhmten Volkommenheit nicht koͤnte teilhafftig werden; Er waͤhre jung/ aber be-
gierig nach der Weißheit/ wolte auch ſolche Lehre leicht faſſen/ wann ſie ihm vorgetragen
wuͤrde/ und zwar ſo viel leichter/ weil ſie einen ſolchen luſtigen Weg zu der Volkommenheit
zeigete. Agemachus antwortete ihm: Es waͤhren dieſe Erkennende weder Heyden noch
Juden/ ſondern Chriſten/ wie wol nicht des gemeinen Schlages/ ſondern von ihnen/ bey des
in der Lehr und im Leben weit abgeſondert. Der erſte Stifter waͤhre Karpokrates/ welcheꝛ
vor 100 Jahren den Grund dieſer Lehre geleget/ und aus himmliſcher Offenbahrung die
Erkaͤntniß erlanget/ daß dieſe Welt/ Himmel/ Erde/ Meer/ und was drinnen iſt/ nicht von
dem einigen oberſten Gott/ welcher der ungezeugete Vater hieſſe/ erſchaffen waͤhre/ ſond’n
von einer gewiſſen Anzahl gewaltiger Engel/ welche doch viel geringer/ als jener oberſte
Gott waͤhren. So haͤtte er auch die Offenbahrung gehabt/ daß JEſus von Nazareth des
alten Joſephs warhafftiger Sohn waͤhre/ allen andern Menſchen gleich/ ohn allein/ daß
derſelbe eine reine und krafftfeſte Seele bekommen/ welche in ihrem Leibe ſich deſſen alles
haͤtte zuerinnern gewuſt/ wz ſie in dem Kreißlauffe (als ſie noch in dem ungezeugete Gotte
geweſen) geſehen hatte; und daß weiters ſeine Seele die Krafft und das Vermoͤgen von
vorgedachtem Gotte bekommen/ daß ſie der Engel oder Welt-Bauer Gewalt ſich entbro-
chen/ und durch alle 365 Himmel zu Gott hinauff geſtiegen/ auch duꝛch eben dieſelben wie-
der herunter kommen waͤhre. Und deren Seelen fuͤnden ſich bey andern mehr in gleicher
Volkommenheit/ ja die noch volkommener als des Jeſus ſeine waͤhren. Herkules hatte
von dieſer Ketzerey zwar etwas/ aber nichts inſonderheit gehoͤret/ nur daß ſie ganz neue
Lehre fuͤhreten/ und gar ein abſcheuhliches Leben trieben; wolte ſich aber nicht zur Antwoꝛt
C c c ijfinden
[388]Anderes Buch.
finden laſſen/ biß dieſer etwas beſſer gebeichtet haͤtte/ und ſagete zu ihm: Mein Freund/ ihr
traget mir eine Lehre vor/ von welcher ich/ muß bekennen/ bißher nicht gehoͤret habe/ und
ich daraus wol verſtehe/ wie weit die alſo genante Erkennende von den andern Chriſten/
die Lehre betreffend/ abgeſondert ſind; Abermag er mich nicht auch berichten/ wie dieſelbẽ
ihr Leben anſtellen und fuͤhren. Ja mein Herr/ antwortete er/ hat er Luſt darzu/ wil ich ihm
ſolches wol offenbahren/ ſehe ihn auch ſo redlich an/ daß er mich deswegen nicht in Ungele-
genheit ſtuͤrtzen werde. Es haben dieſe erleuchtete Leute noch weiter aus der himliſchen
Offenbahrung/ daß eines Menſchen Seele nicht ehe zur Seligkeit gelangen koͤnne/ ehe uñ
bevor ſie alle Arten der Betreibung verſuchet und geleiſtet habe/ welche beydes Chriſten uñ
Heyden vor boͤſe/ vor Schande/ Unreinigkeit und abſcheuhliche Laſter halten; ſolches al-
les/ ſage ich/ muß eine Seele zuvor betrieben haben/ ehe ſie in die Seligkeit auffgenommen
werden kan; Daher auch/ wann eine Seele durch den Tod aus einem Menſchen faͤhret/
welcher von ſolchen Luſthaͤndeln ſich enthalten/ oder ſie wenig getrieben/ wird ſolche Seele
in einen andern/ ja in den dritten/ vierden/ fuͤnfften/ und wol mehren Leib wieder hinein ge-
goſſen/ biß ſie alle ſolche Haͤndel in volkommener Anzahl verrichtet/ dann gelanget ſie erſt
zur himliſchen Seligkeit. Moͤchte jemand einwenden/ je haben dann wol ſo viel Leiber nur
eine einzige Seele nacheinander/ wie werden dann nach dieſem Leben ſich alle dieſe Leiber
umb die Seele vergleichen koͤnnen? aber diß iſt eine kindiſche und unnoͤhtige Frage/ maſ-
ſen die Aufferſtehung der Leiber nur ein Geticht iſt/ und dieſelben nach dem Tode biß in E-
wigkeit vergehen. Herkules kreuzigte uñ ſegnete ſich in ſeinem Herzen vor ſolcher abſcheu-
lichen Lehre; und ſagte zu ihm: Iſts aber wahr/ mein Freund/ daß die genandte Erkennen-
de dieſe Lehre vor gewiß halten? Es wuͤrde ja daher folgen/ daß ein Menſch ſeiner Seelen
Seligkeit durch nichts ſo wol befodern koͤnte/ als durch Unzucht/ Ehebruch/ Blutſchande/
Sodomiterey/ und anderen uͤbungen/ welche andere Menſchen vor boͤſe uñ ſuͤndlich ſchaͤt-
zen. Ja mein Herr/ antwortete Agemachus/ daher ſihet nun derſelbe/ daß es wahr ſey/ wz
ich anfangs geſagt habe/ daß kein luſtiger Weg ſey zu der Volkommenheit/ als eben dieſer.
Herkules kunte ſolcher Ungebuͤhr nicht laͤnger geduldig zuhoͤren/ wolte doch verſuchen/ ob
er dieſen elenden Menſchen von ſolchem ſchaͤndlichen Irtuhm loßreiſſen koͤnte; und redete
ihn alſo an: Mein Freund/ haben die Gnoſtici oder Erkennende eine ſolche Lehre/ war-
umb nennen ſie ſich dann Chriſten? Treten doch die Juden und Heyden den Chri-
ſten viel naͤher/ beydes im Leben und in der Lehre/ als dieſe Unmenſchen; Dann in
Warheit/ die unflaͤtigſte Art der Heyden/ welche man Epikurer nennet/ moͤchte ich gegen
dieſe zu rechnen/ vor heilige ſchaͤtzen. Laſſet uns aber beſehen/ was ihr alles vorgetragen
habt/ obs den Stich halten/ und ein vernuͤnfftiger Menſch/ welchen der Teuffel nicht gar
beklommen/ es vor wahr und gut ſchaͤtzen koͤnne. Eure erſte Lehre wahr von der Schoͤp-
fung der Welt/ da euer Karpokrates vorgeben/ ſolche ſey nicht von Gott ſelbſt ſondern von
Engeln verrichtet. Aber warumb ſolt ich dieſem Kerl ſeinen neuen Tand glaͤuben/ welchen
er weder durch Wunderzeichen/ noch durch Vernunfft-gruͤnde erwieſen hat? Moſes hat
mich vor 1600 und mehr Jahren viel ein anders gelehret/ und es durch ſeine goͤttliche
Wunder bekraͤfftiget. Alle die nach ihm gelebet/ und von Gott mit dem wundertaͤhtigen
Glauben ſind außgeruſtet worden/ haben ſolche Lehre des Moſe vor wahr gehalten. Mein
Hey-
[389]Anderes Buch.
Heyland/ welcher ſo viel Zeichen getahn/ daß ſie nicht alle wegen der Menge haben koͤñen
beſchrieben werden/ heiſſet die Schrifften des Moſe gut/ und weiſet uns an dieſelben hin/
wann er ſpricht: Sie haben Moſen uñ die Propheten/ laß ſie dieſelbigen hoͤren: Iſt nun dieſes
wahr/ was Moſe von der Welt erſchaffung ſchreibet/ daß Gott ſelber ſolche geleiſtet habe/
ſo muß nohtwendig falſch ſeyn/ daß euer Karpokrates ſaget: Nicht Gott ſelber/ ſondern
die Engel haben die Welt erſchaffen; dann unter ja und nein muß nohtwendig eines wahr
das ander falſch ſeyn. Euer ander vorgebrachtes iſt/ Gott vergebe es euch/ eine recht teuf-
liſche Laͤſterung wieder den Herren Jeſus/ aus welchen ihr nach der Lehre eures Verfuͤh-
rers Karpokrates einen bloſſen Menſchen/ und Joſephs warhafftigen Sohn machen wol-
let. Aber wie beweiſet ihr ſolches? ſagen iſt in Glaubensſachen nicht gnug/ ſondern Grund
Grund muß da ſeyn. Zwar daß mein Herr Jeſus ohn zutuhn eines Mannes durch Wir-
kung Gottes des heiligen Geiſtes von der Jungfrauen Maria empfangen ſey/ daß er auch
nicht ein bloſſer Menſch/ ſondern zugleich wahrer Gott ſey/ ſolches lehren uns die unge-
zweiffelten Schrifften der Evangeliſten Mattheus/ Lukas und Johannes; welche Lehre
alle Apoſtel und juͤnger des Herren angenommen/ vor wahr gehalten/ ſie duꝛch ihre viel-
faͤltige Zeichen bekraͤfftiget/ und durch ihren Tod/ welchen ſie wegen dieſer Lehre erlitten/
verſiegelt haben; ja darauff ſo viel tauſend glaͤubige Chriſten ſo feſt geſtanden ſind/ daß ſie
ſich viel lieber haben wollen laſſen brennen/ braten/ und auff allerhand erſchrekliche Weiſe
hinrichten/ als ſolche verleugnen oder auffs minſte in zweiffel zihen. Was vor Beweiß-
tuhm aber fuͤhret euer Karpokrates/ wodurch er das Wiederſpiel behaͤupten wil? ſolte
ich einem eintzigen Menſchen ohn Beweißtuhm mehr glauben zuſtellen/ als der ganzen
Chriſtlichen Kirchen und ihren unzaͤhlbahren Wunderzeichẽ/ ſo muͤſte ich wol aller Ver-
nunfft beraubet ſeyn. Erwaͤge ich nun euer drittes Lehrſtuͤk/ ſo muß ich bekennen daß ihr
damit dem Vernunfft- und Tugend-Faſſe auff ein mal den Bodem außſtoſſet. Dann an-
fangs ſaget ihr/ es koͤnne keines Menſchen Seele zur Volkommenheit/ verſtehe zur Se-
ligkeit dienlichen Volkom̃enheit gelangen/ wo dieſelbe nicht zuvor allerhand Laſter/ Suͤn-
de und Schande begangen habe/ und auff vollendung ſolcher boßheiten bekomme ſie die
himliſche Seligkeit/ ſonſt nicht. Mein/ wiſſet ihr auch was ihr redet? habet ihr der Ver-
nunfft abgedanket? ja habt ihr Wiz und Sinne gefreſſen? wer hat jemahs ſolche unver-
nuͤnfftige Meynungen und Gedanken in ſeyn Herz kommen laſſen; das boͤſe mache einen
Menſchen volkommen zum guten? hoͤret mein Freund/ wann ich zu euch ſprechen wuͤrde;
gehet zu Winterszeit hin/ ſetzet euch nacket auff das Eyß/ und waͤrmet euch alſo: Gehet zur
Sommerzeit in die heißbrennenden Sonnenſtralen ſitzen und kuͤhlet euch alſo; wuͤrdet
ihr mich nicht vor einen Narren und Unſinnigen halten? taͤhtet ihrs aber nicht/ ſo waͤhret
ihr ein ſolcher. Aber was iſt es anders/ wann ihr ſprechet: Gehe hin und treibe allerhand
Unzucht/ Boßheit/ abſcheuliche Ubeltaht/ und was Gott ſonſten haſſet und verbohten hat/
auff daß du im guten volkommen werdeſt/ auff daß du deine Seele befoderſt zur ſchleuni-
gen Seligkeit? Hilff Gott! hat der Teuffel auch wol jemahl die Menſchen heſlicher be-
ſchieſſen und verblendet als auff dieſe Weiſe? Moſe und die ganze heilige Schrifft durch
Zeichen und wunder bekraͤfftiget/ unterrichtet mich/ das Gott ein heiliger Gott ſey/ und
daß eꝛ von den Menſchen ernſtlich erfodere/ daß ſie auch heilig ſeyn ſollen. Sie unterichtet
C c c iijmich/
[390]Anderes Buch.
mich/ das Gott ein gerechter Gott ſey/ welcher alle Suͤnde und Fleiſches Unreinigkeit
ernſtlich verbohten/ und mit dem ewigen helliſchen Feuer ſtraffen wolle. Und euer Karpo-
krates ſaget; wiltu zu dem heiligen und gerechten Gott kommen/ wiltu der helliſchen Ver-
damnis entgehen/ und die himliſche Seligkeit erlangen/ ſo enthalte dich der Heiligkeit/ ſo
lebe in Unzucht und aller Fleiſches Unreinigkeit. Sind daß die Erkennende/ die Erleuchte-
te/ die Hochweiſen? Gewißlich ich weiß nicht was ich hierzu ſagen ſol/ als daß ich nim̃er
glaͤube/ daß der Teuffel ſelbſt ſo unverſchaͤmt ſey/ ein ſolches zu ſagen; den die Luͤge iſt zu
grob/ uñ wiederſpricht aller Vernunfft. Ich halte euch diß vor/ mein Freund/ daß betrach-
tet bitte ich; was alle vernuͤnfftige Menſchen/ Heiden/ Juden uñ Chꝛiſten eintraͤchtig vor
die nohtwendige Warheit halten/ daß muß nohtwendig wahr ſeyn. Daß aber niemand
durch Suͤnde und Boßheit Gott gefalle oder die Seligkeit erlange/ daß halten alle ver-
nuͤnfftige Menſchen vor die nohtwendige Warheit. Darumb muß es nohtwendig wahr
ſeyn. Ich koͤnte alhie tauſend und noch tauſend Gruͤnde einfuͤhren/ damit dieſe eures Kar-
pokrates Unvernunfft uͤbern hauffen geworffen wird; aber was bedarffs der Muͤhe?
Nur noch eins mein Freund: Wie deucht euch/ wann dieſe eure Lehre von der Welt an-
genommen wuͤrde/ wuͤrde ſie auch wol ſechs Tage beſtehen koͤnnen? wuͤrden nicht alle und
jede ſuchen/ die groͤſſeſte Boßheit gar zeitig vorzunehmen/ damit ſie deſto fruͤher in den
Himmel kaͤhmen? aber auß dieſem Grunde wuͤrde in kurzem nichts hervor quillen als ein
durchgehendes Morden und Wuͤrgen/ biß der einige lezte Menſch nur allein uͤbrig waͤhre/
welcher/ weil er keinen Mitſuͤndiger haͤtte/ wuͤrde er an ihm ſelbſt die ſchwereſte Suͤnde
begehen/ und ſich nidermachen. Gewiß mein Freund/ ich habe euch dieſe Tage vor einen
vernuͤnfftigen Mann angeſehen/ aber werdet ihr in dieſem Wahnwiz verbleiben/ ſo muß
ich euch vor einen leibhafftigen Teuffel halten/ und noch ſchlimmer. Derwegen ſtehet ab
von ſolcher Gotteslaͤſterlichen/ falſchen/ und unehrbahren Lehre/ oder machet euch als bald
aus dieſer Herberge/ wo ihr ſonſt nicht wollet/ daß ich euch eure Boßheit zuerkennen geben
ſol. Dieſer fing als bald an; er waͤhre dieſer Lehre nicht zugetahn/ ſondern haͤtte nur bloß
erzaͤhlet/ was dieſe Leute glaͤubeten. Dann es wahr mit in ihrer Lehre begriffen/ daß man/
Gefahr zu meiden/ ſeinen Glauben wol verleugnen duͤrffte. Aber er hatte ſich ſchon zu weit
verrahten/ daher wolte ihn Herkules nicht laͤnger umb ſich leiden/ daß er bey Sonnen-
ſchein die Herberge raͤumen muſte; inſonderheit/ weil er ſich wegerte/ ichtwas auff die
vorgebrachten Gruͤnde zu antworten.


Die folgende Nacht hatte Valikules aber ein neues Ungluͤk; nehmlich/ es hatte der
Haußknecht geſehen/ dz er zimlich viel gepregetes Gold bey ſich trug/ welches er aus einem
verkaufften Ringe geloͤſet hatte. Darauff machte nun jener einen Anſchlag/ ob er deſſen
nicht einen Teil haabhaft werden moͤchte/ und nam ihm vor/ bey Nacht ſchlaffen der Zeit
auff ſeine Schlaffkam̃er einzubrechen/ und ihm den Beutel zu fegen. Nun ſchlieff Vali-
kules gar allein auff einem Gemache/ verſperrete auch alle Tuͤhren und Fenſter gar wol
ehe er ſich legete/ und uͤber daß behielt er die Unterhoſen ſtets an/ hatte das Schwert zur
Rechten/ den Dolch zur Linken/ und ſchlieff/ ſo lange es finſter wahr mit ſorgen/ nur gegen
den Morgen hielt er ſich ſicher/ und ruhete alsdann aus. Der diebiſche Knecht huͤtete ſich
nicht davor/ ſtieg dieſe Nacht/ welche gar dunkel wahr/ auff einer Leiter auſſen am Hauſe
hin-
[391]Anderes Buch.
hinauff biß an das Fenſter/ und wuſte es ſo leiſe auffzumachen und hinein zu kriechen/ daß
er deſſen nicht gewahr ward. Nun hatte er aber ſeine Oberhofen/ in welchen die Gelder
wahren auff ſeinem Bette zun Fuͤſſen liegen/ welche der Dieb hin und wieder ſuchete/ auch
endlich fand/ grieff hinein/ und nam in die 30 Kronen zum erſtenmahle heraus/ gleich als
Valikules erwachete/ des Diebes Athem hoͤrete/ und zugleich ſeine Hoſen miſſete/ richtete
ſich deßwegen auff/ und faſſete den Degen/ zugleich fragend/ wer ihm bey Nachtſchaffen-
der Zeit auff der verſperreten Kammer umb ginge. Der Dieb ließ vor Angſt die ergriffe-
nen Hoſen fallen/ lieff mit der Handvol Kronen zum Fenſter zu und wahr ſehr gerade wie-
der hinaus; aber Valikules folgete ihm/ und gab ihm mit des Schwerts Knauffe einen
ſolchen Stoß oben auff den Schedel/ daß er betaͤubet hinunter fiel und recht auff den Kopf
ſtuͤrzete/ daß er das Genicke abbrach; blieb alſo liegen/ und lagen die geſtohlene Kronen
umb ihn her. Er ſahe ihm nach aus dem Fenſter/ merkete daß der Dieb Tod wahr/ und be-
dachte ſich/ ob er ein Geſchrey machen wolte oder nicht; endlich hielt er vor das beſte/ daß
erſtille ſchwiege/ faſſete doch die angeſchlagene Leiter/ und warff ſie umb/ welches ein zim-
liches Gepolter im Hofe verurſachete/ daß das andere Geſinde ſamt den Wirt davon er-
wacheten/ auff ſtunden/ und zuſahen was es waͤhre/ da ſie den Dieb funden daß er mit dem
Tode rang/ und das Geld umb ihn her geſtreuet lag/ auch die Leiter recht auff ihm. Sie
kunten leicht erſinnen/ wie es zugangen waͤhre/ meineten doch/ Valikules wuͤrde nichts
drum wiſſen/ und muͤſte die Leiter im abſteigen umbgeſchlagen ſeyn; daher ſie den Dieb
auff des Wirts Befehl hinweg trugen/ welcher inzwiſchen die Gelder aufflaſe/ und da-
von ging. Valikules ſtund und ſahe alles an/ ließ ſich doch nichts merken/ nur als er des
Morgens hinunter ging/ foderte er den Wirt vor ſich/ und zeigete ihm an; er haͤtte die-
ſen Morgen ſeine Oberhoſen mitten im Schlaffgemach auff der Erden gefunden/ und
etliche daraus geſtreuete Gelder dabey/ da er ſie doch des Abends auff ſein Bette gelegt
haͤtte; begehrete demnach/ daß er fleiſſig nach forſchete/ wer unter ſeinem Geſinde ſich ſol-
cher Dieberey unternehmen duͤrffte; uͤber das haͤtte er geſtern dem Hausknechte befohlen
(dieſer wahr eben der Dieb) etwas zubeſtellen/ moͤchte ihm ruffen laſſen/ um zuvernehmẽ/
ob ers verrichtet haͤtte. Nun wahr zwar der Wirt willens/ wo moͤglich/ es zuvertuſchen/
aber aus keiner andern urſach/ als daß dieſer fremde Gaſt nicht moͤchte von ihm zihen/ und
ein ſolches unter die Leute bringen/ welches ihm an ſeiner Nahrung ſchaden wuͤrde; Weil
er aber ſahe/ daß der Fuchß auff ſolche Nachfrage zum Loche aus muſte/ bekennete er/ daß
der Knecht unter dem Fenſter waͤhre tod gefunden/ da er mit ſamt der Leiter herunter ge-
fallen waͤhre; Doch der gefundenen Gelder gedachte er nicht/ und wolte ihn auch Valiku-
les wegen des wenigen noch zur Zeit nicht ſchamroht machen/ fondern beklagete vielmehr
des Knechtes Unfall/ und dz er duꝛch dẽ Geitz ſich zu ſolcher Untaht haͤtte verfuͤhren laſſen;
wiewol er bedacht wahr/ in wenig Tagen die Herberge zu endern; aber/ wie droben geſagt/
ſein Gallus traff ihn noch daſelbſt an/ als er in ſeiner Ruͤſtung und auff ſeinem Pfeꝛde zum
Hauſe hinein ritte/ da er auff dem Fluhr wandelte/ und ſich mit Gedanken ſchlug. Er er-
kennete aber beydes ſeine Waffen und ſein Pferd alsbald/ und gedachte/ es waͤhre ein Rit-
ter von Charidemus abgeſchikt/ der ihn auskundſchaffen ſolte/ weil er den Helm zugemacht
hatte. Dieſer aber ſtieg geſchwinde vom Pferde/ ſetzete den Helm ab/ und gab ſeinem Herꝛn
gnug
[392]Anderes Buch.
gnug urſach zur Verwunderung; Welcher zu ihm ſagete: Wie nun Gallus? Ich ſchaͤtze-
te euch ſchon zu Padua/ ſo habt ihr umb Pferd und Harniſch willen euch dieſer oͤrter ſo
lange auffgehalten/ und euch in Leib und Lebensgefahr gewaget. O nein/ Gn. Herr/ ant-
wortete er/ unſer Gott hat mich einen guten Weg gefuͤhret/ und ſeine Gnade uͤber uns ſo
reichlich ſehen laſſen/ daß ich mich deſſen nicht gnug verwundern kan; legete den Harniſch
ab/ fuͤhrete die Pferde in den Stall/ und nachdem er die Gelder von den Maul Eſeln abge-
laden und in Gewarſam gebracht hatte/ hieß er den Knecht nach Verehrung etlicher Kro-
nen mit den Eſeln hinweg zihen/ und ſeine Frau in geheim freundlich gruͤſſen. Valikules
wuſte nicht/ wie er mit ihm daran war/ und ſagte: Ich bin verwirreter uͤber eurer Ankunft/
als ich unter den Schergen im Holze wahr. Dieſer kehrete ſich nirgends an/ reichete ihm
anfangs einen ſehr koͤſtlichen Demant Ring/ mit dieſen Worten: Die hochaͤdle Frau Eu-
phroſyne/ des weiland ſchelmiſchen Charidemus nachgelaſſene Wittib/ entbeut ihrer Gn.
ihre untertaͤhnige bereitwilligſte Dienſte. Traͤumet euch Gallus? ſagte Valikules. Er a-
ber fuhr imer fort/ als hoͤrete ers nit; Sie bedanket ſich zum hoͤchſten wegẽ des damals ver-
ehreten Kleinots/ welches/ als lange ſie lebet/ zum Gedaͤchtniß bey ſich tragen wil/ deſſen
Lebensrettung ihr die allergroͤſte Freude gebracht/ weil ſein unverdienter Tod ihr unange-
nehmer als ihr eigener wuͤrde geweſen ſeyn; bittet krafft ſolcher Gewogenheit/ Eure Gn.
wolle hinwiederumb dieſes ſchlechte Ringlein als eine unwirdige Erinnerung ihres will-
faͤhrigen Gehorſams von ihr annehmen. Er empfing den Ring mit gutem Willen/ und
befahl ihm/ ohn Umbſchweiffe zuerzaͤhlen/ wie es ihm ergangen waͤhre. Gallus baht
umb Verzeihung/ gab vor/ er haͤtte vorerſt etwas noͤhtiges zu verrichten; hieß den
neuen Hausknecht mit ihm gehen/ und hohlete auff die beyden Wechſel Brieffe 20000
Kronen/ die ihm alsbald in verpitſchierten Beuteln zugeſtellet wurden; brachte ſie
ſeinem Herꝛn/ und lieferte ihm an Baarſchafft und Kleinoten 40000 Kronen; wel-
cher ihn fragete/ woher ihm dieſes unveꝛmuhtliche Geld kaͤhme. Es iſt eine geringe Ver-
ehrung/ ſagte er/ welche obgedachte Frau ihrer Gn. zum Zehrpfennige ſendet. Fing hier-
auff an alles nacheinander zuerzaͤhlen/ was geſtalter Herꝛen Fabius/ Leches und Markus
zu Korinth im Hafen angetroffen/ ihnen verdekter weiſe ſeinen Unfall erzaͤhlet/ und mit ih-
nen nach dem Flecken reiſen muͤſſen/ da Fabius aus ſonderlichem Eifer den boßhaften Cha-
ridemus von den beyden Dienern/ denen ſie das Leben geſchenkt/ niederhauen laſſen; und
haͤtte/ allem anſehen nach/ Markus ſich mit der jungen Witwen verliebet. Als er nun der-
ſelben gute Gewogenheit geſpuͤret/ haͤtte er ſich in geheim zuerkennen gegeben/ und uͤmb
Befoderung zu einem Wechſel angehalten; worauf ſie ihm dieſes alles eingehaͤndigt/ bloß
als ein Zeichen ihres dienſtbegierigen Herzens; ja ſie håtte einen groſſen Schaz des Par-
menions angegeben/ welcher ihrer Gn. zum beſten von Fabius verwahret wuͤrde. Uber das
haͤtte er aus ihrem Geſpraͤch verſtanden daß Herꝛ Ladiſla auch mit einem Schiffe auff der
Fahrt waͤhre/ ſeinen Freund Herkules zuſuchen/ und ihm zufolgen. Dieſer wahr ſehr un-
willig/ daß gegen Charidemus ſo ſcharff veꝛfahren waͤhre/ und verwies es Gallus hoͤchlich/
daß er Fabius darzu veranlaſſet/ wodurch er wieder ſein Chriſtliches Gewiſſen gehandelt/
und ſolche eigentaͤhtliche Rache vor Gott ſchwer zuverantworten haͤtte/ dañ ich hatte ihn/
ſagte er/ der Straffhand Gottes befohlen. Gallus entſchuldigte ſich/ berieff ſich auff Gott/
daß
[393]Anderes Buch.
daß er Herꝛ Fabius nicht im geringſten zu ſolcher Straffe angereitzet haͤtte/ und erkennete
er hieraus Gottes ſonderliche Verſehung; dann/ ſagte er/ wer hat dieſen eiferigen Raͤcher
aus geſchikt? ohn Zweiffel hat es Gott ſelber getahn/ welcher ihm ſeine ſchaͤndliche Boß-
heit und unerhoͤrete Grauſamkeit hat auff ſeinen Kopf vergelten wollen/ vielen andern ſei-
nes gleichen zum merklichen Beyſpiel/ ſich von ſolchem Frevel zuenthalten. Ich erkenne
es vor nichts anders/ antwortete er; aber man haͤtte gnaͤdiger mit ihm verfahren ſollen/ uñ
waͤhre ihm die Landesverweiſung Straffe gnug geweſen. Das wuͤrde dem guten Markus
wenig frommen und vergnuͤgung gebracht haben/ ſagte Gallus/ der aniezt in tauſend Freu-
den gehet/ wie ſehr ers gleich zuverbergen ſuchet. Eure Gn. aber zweifeln an dieſer Frauen
Verſchwiegenheit gar nit/ welche vielleicht noch heut nach Korinth ſich erhebẽ/ uñ daſelbſt
ihre Wohnung nehmen wird; hat mich auch ſehr inſtaͤndig gebehten/ ihre Gn. zuvermoͤ-
gen/ ſie daſelbſt auff ein Wort zuſprechen. Ich aber habe dieſe Reiſe auch nicht uͤmſonſt
getahn/ ſondern von der Franen 4000/ von Markus 600/ und von Fabius und Leches in-
geſamt auch 600 Kronen/ als ein unbekanter Kauffmann vor meinen Mitzug/ wieder mei-
nen Willen nehmen muͤſſen. Valikules verwunderte ſich der groſſen Zuneigung dieſer
ehrliebenden Frauen/ und ſagte: Ich bin verpflichtet/ dieſer Frauen/ als meiner Schwe-
ſter/ Zeit meines Lebens gutes zutuhn/ werde es auch wiſſen in acht zunehmen/ uñ wil nicht
unter laſſen ihr zu Korinth zuzuſprechẽ/ wohin wir/ geliebts Gott/ erſtes Tages unſern Weg
fortſetzen wollen/ nachdem ich mich ſchon uͤber die gebuͤhr in dieſen Laͤndern auffgehalten
habe. Als Gallus von Fr. Euphroſynen hinweg geſchieden wahr/ hielten Fabius/ Leches
und Markus miteinander Raht/ auff was weiſe ſie eigentlich erfahren koͤnten/ ob Herꝛ
Herkules dieſer oͤrter ſich noch auffhielte/ uñ wurden eins/ daß Markus den naͤheſten Weg
nach Korinth zihen/ Fabius aber und Leches zu Elis ſich etwas auffhalten/ und allerſeits
fleiſſige Nachfrage tuhn ſolten; ſendeten auch achzig ihrer Soldaten uͤmher in die Flecken
und Staͤdte/ auff zehn Meile weges/ ob ſie ihn ausforſchen moͤchten; wo nicht/ ſolten ſie
heut uͤber zwo Wochen ſich zu Korinth wieder einſtellen. Fr. Euphroſyne ließ inzwiſchen
das Fruͤhſtuͤk bereiten/ und alle ihre Baarſchaften und Kleider auff Wagen packen/ taht
ihres Vaters Bruder-Sohn das Schloß und die Herſchaft auff Rechnung ein/ uñ maͤſ-
ſigte der Untertahnen Frohndienſte und andere Beſchwerungen/ daß ſie uͤber die helfte
geringer wahren. Ihren Charidemus hatte ſie des erſten Abends ohn alles Gepraͤnge laſ-
ſen zur Erden beſtatten/ und zog mit ihrem Liebſten/ unter der Begleitung X Soldaten
nach Korinth/ woſelbſt ſie einen adelichen Hoff mietete/ und in demſelben biß auff Markus
Wiederkunfft (der mit Fabius die Reiſe zuvollenden willens wahr) ihre Trauerzeit ein-
ſam mit ihrem Geſinde zubringen wolte. Fabius und Leches aber blieben mit X Kriegs-
knechten zu Elis/ lieſſen ausſprengen/ ſie waͤhren nach Korinth gezogen/ und legten ſich in
Valikules erſte Herberge/ da ſie der Urſach des Kampfs mit Parmenio uͤmſtaͤndlich be-
richtet wurden. Unſerm Valikules wahr ihre Gegenwart unverborgen/ und daß man in
den Stadtohren auff ihn acht zugeben befohlen hatte. Er troͤſtete ſich aber ſeines Raͤuber-
Kuͤnſtleins/ ohn deſſen Huͤlffe er nicht leicht wuͤrde entgangen ſeyn/ und muſte wieder ſei-
nen Willen noch zween Tage zu Elis ſich auffhalten/ biß er ſeine Pferde/ Gelder und Waf-
fen heimlich hinaus bringen kunte; worauff er ſich eilig fort machete nach Korinth zurei-
D d dten/
[394]Anderes Buch.
ten/ und kehrete daſelbſt bey ſeinem Chriſtlichen Wirte ein/ von dem er ſchon als ein Er-
mordeter hoͤchlich beklaget wahr. Er meinete nicht/ daß Markus mit ſeiner Liebeſten da-
ſelbſt ſchon ſolte angelanget ſeyn/ deren Leibdienerin des andern Tages vor ſeiner Herberge
herging/ nnd ihn ohngefehr durchs Fenſter ſahe/ dann er hatte die angeſtrichene Farbe ab-
getahn/ und ſeinem Wirte ſich zuerkennen gegeben. Es wahr noch fruͤh morgens/ uñ zwei-
felte die Magd anfangs/ ob ſie recht ſåhe/ wolte die Gewißheit haben/ und machte eine fal-
ſche Werbung in das Haus/ da ſie ihn eigentlich beſahe/ uñ aus dem Hauſe wieder hinweg
eilete. Zum guten Gluͤk erſahe ſie Gallus/ kennete ſie alsbald/ und fragete/ ob ihre Frau die-
ſes Orts ſchon angelanget waͤhre/ und warumb ſie ſo eilete. Sie aber antwortete: Mein
Freund/ haltet mich nicht auff/ dañ ich werde groſſe Herꝛen erfreuen/ und ein reiches Boh-
tenbrod verdienen/ wann ich ihnen deſſen Zeitung bringe/ was ich in dieſem Hauſe geſehen
habe. Er hingegen fagete zu ihr: Bey Leib und Leben ſchweiget/ und tuht meines Herꝛn
Gegenwart niemand als eurer Frauen zuwiſſen/ die euch ſchon weiter unterrichten wird;
ging hin und vermeldete es ſeinem Herꝛn/ der ſich entſchloß/ des naͤheſten die Frau zubeſu-
chen. Markus ritte des folgenden Tages ſehr fruͤh nach dem Meerhafen vor ſeiner Herbeꝛ-
ge her/ welches eꝛ ſahe/ und alsbald ſeinen Gallus an die Frau ſchickete/ ihr anzumelden/ daß
er ſie gerne ſprechen wolte; welche alsbald ihre Dienerin mit Gallus zuruͤk ſendete/ uñ ihn
daruͤmb dienſtlich erſuchen ließ. Er machete ſich bald auff/ in einem gruͤnen Guͤldenſtuͤcke
(welches er zu Elis hatte machen laſſen) bekleidet/ und hatte einen groſſen blutroten Feder-
puſch auff dem Hute. Da er nun ſo Fuͤrſtlich zu ihr ins Gemach trat/ gruͤſſete er ſie hoͤflich
und ſagete: aͤdle und tugendreiche Frau/ hochwerte Freundin; ich kan wol mit Warheit
beteuren/ daß mir nie von keiner Frauen groͤſſere Dienſte/ als von ihr beſchehen ſind/ in be-
trachtung/ ich nicht allein durch ihren Vorſchub mein Leben erhalten/ ſondern/ nach dem ſie
hiedurch in groſſe Angſt gerahten/ ſie mir noch eine unverdiente Freygebigkeit erzeigen/ uñ
bey meinem Diener ſo viel tauſend Kronen zum Zehrpfennige uͤberſchicken wollen. Nun
meine wahre Freundin/ ich bin dieſes Orts des Vermoͤgens nicht/ ſo hohe Neigung zuveꝛ-
gelten/ hoffe aber ungezweifelt/ da mir Gott das Leben weiter friſtet/ Gelegenheit zuhaben/
daß mein dankbares Herz erkennet werde. Im uͤbrigen iſt der wahre Gott mein Zeuge/
daß die Unbarmherzigkeit an Charidemus ergangen/ mir hoͤchlich mißfaͤllet/ wolte auch
ſolche/ da mirs moͤglich geweſen/ gerne hintertrieben haben; wiewol ich gaͤnzlich glaͤube/
mein Gott habe es alſo geſchicket/ deſſen Gerichte/ ob ſie gleich zu zeiten verborgen/ doch nie-
mahls ungerecht ſind. Bitte demnach/ meine in Ehren hoͤchſtgeliebete Freundin wolle ih-
ren Willen in Gottes Willen ſtellen/ und mit deſſen Ordnung friedlich ſeyn/ und verſichere
ſie/ daß ihr jetziger Braͤutigam gegen ſie viel ehrerbietiger und hoͤflicher/ als Charidemus/
ſich bezeigen wird. Den uͤbergeſchikten Ring habe ich von meinem Diener empfangen/ uñ
alsbald an dieſen Finger geſtecket/ welcher mir an ſtat einer ſtetswehrenden Erinnerung
dienen ſol/ wie viel ich meiner aller liebſten Freundin und Lebens-Retterin ſchuldig bleibe.
Fr. Euphroſyne ſahe ihn mit hoͤchſter Verwunderung an/ kunte ſeiner freundlichen Bli-
cke und Reden ſich nicht erſaͤttigen/ und antwortete ihm gar zuͤchtig: Durchleuchtiger
Fuͤrſt; Gnaͤdiger Herr; ich moͤchte wuͤnſchen/ eigentlich zuwiſſen/ mit wem ich rede/ da-
mit ihm die gebuͤhrliche Ehre und Auffwartung von mir koͤnte geleiſtet werden; weil ich
aber
[395]Anderes Buch.
aber weiß/ daß Ihreꝛ Gn. nicht gefaͤllig iſt/ erkennet zuwerden/ gebuͤhret mir nicht/ hiernach
zuforſchen. Nun ſchreibet ihre Gn. mir dero Erloͤſung zu/ aber ich ſehe nicht/ warumb.
Zwar daß auff mein Anhalten/ dieſe krafftigen Arme (die ſie ihm zuͤchtig anruͤhrete) un-
gebunden blieben ſind/ rechne ich vor das beſte Werk/ welches ich je begangen; aber ihre
unglaͤubliche Staͤrke hat die Errettung ſelbſt zuwegen bracht. Die Grauſamkeit meines
geweſenen Eheherren (hier fing ſie an zu weinen) hat meiner Seelen unglaͤublichen
Schmerzen verurſachet/ und fehlete wenig/ ich waͤhre vor Angſt nidergeſunken/ daß ich
mein Mitleiden nicht durffte merken laſſen/ wie wol meine waͤſſerige Augen deſſen etwas
Anzeigung geben kunten; wuͤrde mir auch der Tod lieber/ als die Zeitung geweſen ſeyn/ dz
Charidemus Urtel waͤhre volſtrecket worden; und weil mir unmoͤglich wahr/ mich uͤber
euer Gn. Flucht ſo betruͤbt anzuſtellen/ als Charidemus es gerne geſehen haͤtte/ habe ich
deßwegen nicht allein viel Scheltworte und harte Schlaͤge in kurzer Zeit annehmen/ ſon-
dern/ welches mir ungleich mehr zu Herzen ging/ ſolche ſchmaͤhe- und ehren-ruͤrige Wor-
te einfreſſen muͤſſen/ deren ich noch dieſe Stunde nicht vergeſſẽ kan; habe ihm aber ſolches
Zeit des Ungluͤks nicht genieſſen laſſen/ ſondern haͤtte ihm das Leben gerne mit aller meiner
Haabſeligkeit erkaufft; wie wol ich nicht willens wahr/ bey ihm laͤnger zubleiben; dann er
haͤtte mich ohn zweiffel endlich ermordet; ſondern wolte mich zu meines Vaters Bruder
nach Athen erhoben/ und bey demſelben meine uͤbrige Zeit zugebracht haben/ welcher ein
frommer alter Herr/ uñ Chriſtlichen Glaubens iſt/ wozu er mich gerne gebracht haͤtte/ wañ
Charidemus es haͤtte zugeben wollen/ welcher mich auff ſolchen Fal oͤffentlich zuverbren-
nen draͤuete. Meine in ehren geliebete Freundin/ ſagte er/ iſt auff ſehr gutem Wege gewe-
ſen/ und moͤchte wuͤnſchen/ daß ſie des Vorſatzes annoch waͤhre/ maſſen ich ſie verſichere/
daß auſſer dieſem Chriſtlichen Glauben kein Menſch die Seligkeit erlangen kan; dann ich
bin auch ein Chriſt/ und wuͤnſche nichts mehr/ als das alle meine Freunde darzu gelangen
moͤchten. Die Frau hoͤrete ſolches gerne/ und verſprach/ nicht allein forthin als eine Chri-
ſtin zu leben/ ſondern auch ihren Markus eben deſſen auff Gelegenheit zubereden. Worauf
er ihr kurzen Unterricht des Chriſtentuhms gab/ und ſie ermahnete/ mit ſeinem Wirte
Kundſchafft zu machen/ der ein guter und fein gelehrter Chriſt waͤhre/ und ſie zu dem Leh-
rer daſelbſt fuͤhren koͤnte. Sie verſprach ihm ſolches alles zuverrichten/ bedankete ſich we-
gen der Befoderung ihrer Seligkeit/ und kam nachgehends wieder auff ihr voriges/ da ſie
baht/ ihre Gn. moͤchten des wenigen Geldes halben ſo groſſe Dankſagung nicht leiſten/
nachdem ſie ihm mit alle ihrem Vermoͤgen herzlich gerne verbunden bliebe. Er bedankete
ſich des Erbietens/ und begehrete von ihr/ dafern ſeine Freundſchafft ihr angenehm waͤhre/
moͤchte ſie alle hohe Benennungen unter laſſen/ und mit ihm als einen vertraueten Freund
und ihres gleichen umbgehen. Ich bin meinem Gn. Herren zugehorſamen ſchuldig/ ant-
wortete ſie/ dafern mir ſolches zu keiner unhoͤffligkeit außgeleget wird; Zohe hiemit eine
koͤſtliche Kette hervor/ in deren jedem Gliede etliche teure Demanten verſetzet wahren/
welche Fuͤrſt Artaxerxes in Perſen dem Parmenio geſchenket/ da er ihn zu einem Kriegs-
Obriſten beſtellet/ und auff 36000 Kronen geſchaͤtzet waꝛd. Parmenio hatte ſie ihr als ſei-
ner Schwaͤgerin vor wenig Wochen verehret/ wegen daß ſie ſeine geworbene Knechte (die
nun mehr alle verlauffen wahren) etliche Zeit geſpeiſet hatte. Dieſe Kette reichete ſie ihm
D d d ijin
[396]Anderes Buch.
in einem Seidenen Tuͤchlein/ und ſagete: Mein hochwerter Herr (weil eure Gn. von mir
keiner hoͤheren Benennung kan gewaͤrtig ſeyn); dieſes hat mir Parmenio ehemahls ge-
ſchenket/ welches ich niemande zugedacht habe als ihm/ und bitte ehren-dienſtlich/ es von
mir als einen Nohtpfennig anzunehmen; dann weil ich merke/ daß mein Herr ſich weit in
die Morgenlaͤnder zubegeben willens iſt/ und man allemahl in der Fremde keine Wechſel
haben mag/ moͤchte es dereins demſelben zu ſteuer kommen/ nach dem mans ohn alle hin-
dernis unter den Kleidern tragen und verbergen kan. Sie wolte ihm aber von Parme-
nions Geldern/ die bey ihr ſtunden/ nichts ſagen/ dann ſie befuͤrchtete ſich/ er moͤchte ihr deſ-
ſen gar zu viel ſchenken. Valikules wegerte ſich des annehmens nicht/ ſagete doch/ dafern
ers nicht zuvergelten haͤtte/ wuͤrde er ſolche Geizigkeit nicht ſpuͤren laſſen; ſteckete ihr nach-
gehends einen gar ſchoͤnen Ring an ihren Finger/ welchen er zu dem Ende eingekaufft hat-
te/ und ſagete: Er wolte ſie hiemit ihm als eine Chriſtliche Freundin verbinden/ daß ihre
ehrliebende Freundſchafft Zeit ihres Lebens nicht getrennet weꝛden ſolte: hoffete/ ſie wuͤr-
de ihm zum Gedaͤchtnis denſelben nicht laſſen von ſich kommen; gab ihr uͤberdaß auch dz
Ringelein zuverwahren/ welches er vor dieſem Frl. Valiſken zugeſchikt/ und von Neklam
wieder bekommen hatte/ und ſagete: Meine werte und geliebete Freundin; ich gebe ihr
dieſes auffzuheben/ welches einer gebohrnen Koͤniglichen Fraͤulein zuſtehet/ die ich zuerloͤ-
ſen ſuche; bitte gar ſehr/ es fo lange in obacht zu haben/ biß ichs mit einem viel beſſeren wie-
der außwechfeln werde. Sie kunte auß dieſer Rede leicht ſchlieſſen/ daß er ſehr hohes Fuͤr-
ſten Standes ſeyn muͤſte/ wolte ſichs aber nicht merken laſſen/ uñ verſpꝛach/ es bey ſich wol
auffzuheben/ biß ſie es entweder ihm/ oder dem Koͤnigl. Fraͤulein ſebſt wuͤrde einliefern
koͤnnen, wuͤnſchete ihm Gottes Huͤlffe und Gnade zu ſeinem Vorhaben/ und muſte er ihr
verſprechen/ neben dem Fraͤulein auff der Ruͤkreiſe ſie zubeſuchen. Sie hatten ſonſt ihr Ge-
ſpraͤch miteinander biß an den Mittag/ da er einen freundlichen Abſcheid von ihr nam/ ſie
umbfing/ und der Gnade ſeines Heylandes ſie befahl/ weil er nicht meinete/ daß er ſie wie-
der ſprechen wuͤrde. Markus kam bald hernach zu Hauſe/ und ward von ſeiner Liebſten
freundlich empfangen/ die er in mehrer Froͤligkeit antraff/ als bißher ihre Gewohnheit
wahr. Des folgenden Tages ritte Valikules mit Gallus nach dem Hafen/ umb zuerfor-
ſchen/ ob nicht Gelegenheit nach Syrien zu ſchiffen waͤhre; traff aber nur ein Schiff an/
welches uͤber ſechs Tage nach Kreta ſegeln wolte/ woſelbſt man/ des Schiffers Bericht
nach/ faſt taͤglich Gelegenheit nach Syrien haben koͤnte. Er beklagete ſehr/ daß er die Zeit
daſelbſt vergeblich zubringen/ uñ von ſeiner Reiſe abgehalten werden ſolte/ welches er doch
nicht endern kunte. Es funden ſich dieſen Morgen in ſeiner Heꝛberge acht Griechiſche
Ritter an/ welche XXIV wehrhaffte Diener bey ſich hatten/ Valikules aber blieb ſtets in ſei-
ner angeſtrichenen Farbe ſamt Gallus/ daher dieſe ihn vor einen ganz fremden und erſt
ankommenden hielten. Bey der Mahlzeit veruͤbeten ſie zimlichen Pracht/ daß ſie dem
Wirte faſt alle ſeine Speiſen/ die doch untadelich wahren/ verachteten/ und das beſte ihren
Hunden vorworffen/ welches ihnen der Wirt endlich nicht uͤberſehen kunte/ ſondern ihnen
duͤrre unter die Augen ſagete/ er haͤtte nunmehr XVI Jahr lang redliche Leute beherberget/
aber ſolchen Frevel haͤtte ihm noch kein Menſch gebohten/ und weil er ſolchen in ſeinem
Hauſe nicht erdulden wolte/ ſolten ſie ihm die auffgetragenen Speiſen bezahlen/ und ſich
nach
[397]Anderes Buch.
nach anderer Herberge umbtuhn. Der Vornehmſte unter ihnen wolte ihn mit Schelt-
wort angreiffen/ aber er gab ihm zur Antwort; dafern er ſich zu krauß machen wuͤrde/ muͤ-
ſte er bey der Stad Obrigkeit Schuz ſuchen; ſie ſolten ihnen ja nicht einbilden/ daß man
in Korinth ihnen Freyheit goͤnnen wuͤrde/ einigen Inwohner zubeleidigen. Worauff die-
ſe es naͤheren kauffs gaben/ aber zu Valikules Urſach ſucheten/ weil derſelbe nicht allein
von dem Wirte mehr als ſie geehret und genoͤhtiget ward/ ſondern auch ſo viel darzu ge-
redet hatte/ daß wan die Speiſen ihnen nicht gefielen/ moͤchten ſie es dem Herrn Wirt
guͤtlich anzeigen/ und die Gaben Gottes nicht den Hunden vorwerffen. Welche erinne-
rung ſie nicht wenig verdroß. Es fing aber einer von ihnen an/ den Wirt zu fragen/ ob er
ſie nicht berichten koͤnte/ auff welcher Gaſſe und in was behauſung man den Roͤmiſchen
Ritter antreffen moͤchte/ welcher des loͤblichen Herren Charidemus junge Wittib als ei-
nen freien Raub mit ſich genommen haͤtte/ und deren mit Gewalt mißbrauchete. Ich weiß
von einem ſolchen unredlichen Ritter nicht/ antwortete Amyntas der Wirt/ aber daß weiß
ich wol/ daß Charidemus aus erheblichen Urſachen von dem Roͤmiſchen Geſanten zur
Straffe gezogen/ auch deſſen Witbe ſich gutwillig unter deſſen Schuz und Gehorſam ge-
geben hat. Hieruͤber/ antwortete der Vornehmſte/ habt ihr nicht zurichten/ und werden
ſich deſſen ſchon andere als ihr/ annehmen; gebet uns nur Nachricht wo wir den rauberi-
ſchen Entfuͤhrer antreffen moͤgen. Valikules vernam hieraus/ daß ſie Rache an Markus
ſucheten/ und entſchloß bey ſich ſelbſt/ ſich ſeiner nach moͤgligkeit anzunehmen/ lies aber
ſich deſſen anfangs nicht merken/ ſondern ſich ſtellend ob blutete ihm die Naſe/ ging er hin-
aus/ und folgete ihm Gallus/ dem er befahl/ was er gleich alsbald Markus in ſeiner vori-
gen Kauffmans Geſtalt vortragen ſolte; er aber/ nach dem er ſich zum Schein gewaſchen
hatte/ ging wieder hinein zu der Geſelſchafft/ welche inzwiſchen von dem Wirt zu wiſſen
begehreten wer dieſer junge Kerl waͤhre; welches er mit wenigem beantwortete; er waͤh-
re ein Roͤmiſcher Herr und Ritter/ redlich und from/ welcher erſt geſtern angelanget/ und
bald wieder fortgehen wuͤrde. Als Valikules wieder hinein trat/ ſtellete er ſich ernſthafftig/
und baht den Wirt/ ob er etwa von einem Roͤmiſchen Ritter gehoͤret haͤtte/ welcher ſolche
Untaht begangen/ deſſen ihn dieſe Herren zeiheten/ moͤchte er ihm ſolches unbeſchweꝛt mel-
den; er vor ſein Haͤupt wolte nicht hoffen daß Roͤmiſche Ritter ſolche Bubenſtuͤk begingẽ/
doch wann es geſchehen waͤhre/ wolte ers vielmehr raͤchen als entſchuldigen/ ungeachtet
eꝛ ſelbſt ein Roͤmiſcher Ritter waͤhre. Der Vornehmſte unter den Griechen/ Nahmens
Ariſtodemus/ antwortete ihm; der Rache halben duͤrffte er unbekuͤmmert ſeyn/ nachdem
ſie dieſelbe auff ſich genommen haͤtten. Valikules aber taht anfangs/ als hoͤrete ers nicht/
und gab acht auff Amyntas Antwort/ welcher zu ihm ſagete; ja mein Herr/ ich weiß zwar/
daß ein Roͤmiſcher Ritter/ nahmens Herr Markus/ vor wenig Tagen hieſelbſt mit ge-
dachter Wittiben ankommen iſt/ welche bey dem Raht hieſelbſt angeſucht/ ihr zu goͤnnen/
daß ſie eine Zeitlang in ihrem gemieteten Hauſe bey uns wohnen moͤchte/ und ſol gedach-
ter Ritter bey ihr ſeyn/ nicht als ein gewalttaͤhter/ ſondern als ein Freund. Ja wol als
ein Freund/ redete der andere Grieche/ nahmens Eubulus darzwiſchen; nach dem ſie
geſchaͤndet iſt/ muß ſie wol auß der Noht eine Tugend machen/ damit ſie bey ehren bleibe.
Valikules wolte dieſes noch nicht beantwoten/ ſondern fragete den Wirt von wannen
D d d iijdie-
[398]Anderes Buch.
dieſer Ritter Markus moͤchte kommen ſeyn; Von Padua/ antwortete er/ mit Herrn
Fabius dem Roͤmiſchen Geſanten/ deſſen Schiffs-Hauptmann er ſeyn ſol. So iſt Herr
Fabius mein Freund/ und Ritter Markus mein guter Bekanter und Mit Roͤmer/ an-
jetzo in dieſer Landſchafft? ſagete Valikules/ als mit verwunderung; Gewißlich ihr Her-
ren/ redete er zu den Griechen/ ihr werdet von dieſem Ritter unrechten Bericht eingenom-
men haben/ dann zu ſolcher unverantwortlichen Untaht daß er aͤdle ehrliebende Weibes-
bilder ſchaͤnden und entfuͤhren ſolte/ iſt er viel zu redlich. Archidas der dritte fragete ihn/
was er ſich hierumb zugeheihen haͤtte/ ſie wolten dem Entfuͤhrer ſeine Untaht mit dem
Schwerte ſchon uͤberbringen. Einem redlichen Ritter/ antwortete er/ muß man von kei-
nem geheihen ſagen; und moͤchte er wol wiſſen/ daß er willens waͤhre ſich ſeines Freundes
und guten bekanten anzunehmẽ/ dafern er wuͤrde unſchuldig ſeyn; wo nicht ſollet nicht ihr/
ſondern ſeiner Obrigkeit Schwert die gebuͤhrliche Rache verrichten. Ich glaͤube/ ſagte
Theellus der vierde Grieche/ ihr werdet euch unterſtehen wollen/ der freien Griechiſchen
Ritterſchafft neue Geſaͤtze vorzuſchreiben/ uñ ihre loͤblichen Gebraͤuche auffzuheben. Mit
nichten/ antwortete er/ ſondern ich wil helffen arbeiten/ daß ein nicht minder freier Roͤmi-
ſcher Ritter vor Ungebuͤhr befreiet bleibe. Auff was Weiſe gedenket ihr ſolches ins werk
zurichten? fragete Speuſippus der fuͤnffte. Auff alle gebuͤhrliche und wol zulaͤſſige/ welche
dem Ritterſtande weder Schimpff-noch verkleinerlich ſind/ antwortete er. Iſt dann hier-
unter ein ritterliches Treffen mit verſtanden? fragete Philippus/ der ſechſte. Ja/ warumb
nicht? antwortete er/ wann ich auff guͤtlichere Weiſe nicht koͤnte davon kommen/ muͤſte
ich mich billich meiner ritterlichen Freyheit/ daß ich mich wehren darff/ erinnern. Es ge-
het aber in Griechenland mit dem ritterlichen Gefechte ſcharf daher/ ſagte Evagoras der
ſiebende. Wans nur redlich und ohn hinterliſt zugehet/ antwortete er/ ſo tuht billich ein je-
der ſein beſtes; habe aber von meinem Herꝛn Wirt verſtanden/ daß es mit dem Kampf zwi-
ſchen den fremden Ritter und Parmenio/ nicht gar zu redlich ſol zugangen ſeyn/ da dieſer
ſeine Knechte zu huͤlffe geruffen hat. Wie iſt euer Nahme/ der ihr dieſes reden duͤrffet?
fragete der achte und lezte/ Phayllus. Meinen Nahmen leugne ich nicht/ welcher Julius
Probus heiſſet/ und daß ich die Warheit rede/ wird mir kein Menſch veruͤbeln/ viel weni-
ger verbietẽ/ ſagte er. Ich moͤchte wuͤnſchen/ ſagte Ariſtodemus der erſte/ daß euer Freund
Markus bey euch waͤhre/ dañ koͤnte man euch beyden auff einmahl antwort geben. Iſt die
Antwort auf Billigkeit gegruͤndet/ ſo wil ich ſie in unſer bey der Nahmen anhoͤren/ antwor-
tete er/ und beſcheidentlich wieder antworten. Griechiſche Ritter gehen mit keiner Unbil-
ligkeit uͤmb/ ſagte Eubulus/ und wer ſie deſſen zeihen wolte/ muͤſte druͤber zuſchanden wer-
den. Ich ehre die Griechiſche Ritterſchaft gebuͤhrlich/ antwortete er/ uñ ſage beſtaͤndig/ wer
ſo frevel hafft ſeyn/ und eines ganzen Landes Ritterſchafft ſchelten wolte/ muͤſte bill ich in
ſtuͤcken zuriſſen werden. Daß aber unter eines ganzen Landes Ritterſchafft nicht zu zeiten
ein oder ander reudig Schaff ſolte gefunden werden/ wird kein Verſtaͤndiger leugnen/
dem die Welt nur ein wenig bekant iſt. Wann wir mit unter die Redlichen eingeſchloſſen
werden/ ſagte Archidas/ gehet uns das uͤbrige nichts an. Und weil von den anweſenden
Herꝛen ich weder gutes noch boͤſes weiß/ antwortete er/ nach dem ſie mir unbekant ſind/
halte ich ſie billich ſo lange vor redlich/ als mir nicht ein ſchlimmers vorkomt/ ja ich trage
zu
[399]Anderes Buch.
zu ihnen ſamt und ſonders das Vertrauen/ die meinem Freunde Markus und mir/ zuge-
dachte Antwort werde nicht unredlich ſeyn/ weil wir uns keiner Unredligkeit bewuſt ſind/
auſſer daß ich die ietzige Beſchuldigung meines Freun des biß dahin ausſetzen muß. Das
erſte iſt was ſcharff/ das andere wird ſich finden ſagte Theellus/ wann nur der Taͤhter an
Tages Liecht komt. Ein Hausdiener foderte hieſelbſt Valikules hinaus/ da ihm Gallus
von Markus antwort brachte; eꝛ bedankete ſich gegẽ ihn/ als einen Unbekanten ganz dienſt-
lich/ daß er ſeine Ehr als eines Abweſenden hatte retten/ und zugleich zu ſeinem Beyſtande
ſich anmelden wollen; die begehrete X Soldaten und XXVI gewapnete Schiffknechte wuͤꝛ-
den bald verhanden ſeyn/ als dañ er ſich einſtellen/ und ſeine Unſchuld ritterlich handhaben
wolte. Fr. Euphroſyne wahr hieruͤber ſehr bekuͤmmert/ merkete aber leicht/ daß Herkules
in unbekanter Geſtalt ſein Leben neben Markus zu ihrer Ehren-Rettung wagen wolte;
doch ſuchte ſie Gelegenheit/ es in der Guͤte beyzulegen/ und machte ſich fertig/ nach Herku-
les Herberge zufahren/ uͤmb zuvernehmen/ wer dieſer boßhafften Verleumdung Stiffter
waͤhre; welches ihr Markus nicht wehren durffte. Als ſie in die Eſſeſtuben trat/ und zwar
in ihren Traurkleidern/ wolten die Griechen auffſtehen/ und ſie empfahen; aber ſie redete
alſo zu ihnen; ihr Herꝛen Schwaͤgere/ bleibet ſtille an eurem Ort ſitzen/ wo ihr ſonſt nicht
wollet/ daß ich ungeredet wieder hinweg gehen ſol; ich werde veꝛtraulich berichtet/ ob finde
ſich einer oder ander unter euch/ der uͤber einige Gewalt und Ungebuͤhr klaget/ welche mir
an meinem Leibe und an meiner Ehre ſolte angefuͤget ſeyn. Dieſem wiederſpreche ich hie-
mit beſtaͤndigſt/ und ſage/ daß wer ſolches redet/ habe es als ein ſchaͤndlicher Verleumder
und gottloſer Ehrendieb voꝛgebracht/ der mir auch ſolches beweiſen/ oder davor leiden ſol.
Stille mit ſolcher Pfeiffe/ ſagte Ariſtodemus; ihr ſeyd hierzu abgerichtet/ ihr Ungetraͤue/
und wollet dadurch eure Untugend beſchoͤnẽ/ welche wir bißher vertuſchet/ uñ alle Schuld
auff den Taͤhter geleget haben. Ich kenne euch wol/ Ariſtodemus/ antwortete ſie/ aber ge-
denket nur nicht/ daß ich mich vor euch fuͤrchten werde/ nun ich zu Korinth bin; uͤmb euret/
und eures gleichen willen/ habe ich mich von meinem Schloſſe hinweg gemacht/ weil ich
nicht zweifelte/ ihr wuͤrdet daſſelbe vielmehr in meinem Witwenſtande bey mir ſuchen/
weſſen ihr euch ſchon/ da ich verheyrahtet wahr/ durfftet geluͤſten laſſen. Und ihr ehrlicher
Eubulus/ weꝛ hat euch ſo kuͤhn gemacht/ hieſelbſt zuerſcheinen/ und mich einiger Ungebuͤhr
zubeſchuldigen? Iſt euch die Ruͤckenwunde zugeheilet/ welche euch vor ſechs Wochen
Herꝛ Charidemus Seel. ſchlug/ da ihr euch gegen mich ſo unzuͤchtig bezeigetet? Frau/
Frau/ ſagte Archidas/ nicht zu groſſe Zungen Freyheit. Ja du biſt wol ein ehrlicher Geſelle/
antwortete ſie/ koͤnte dein Eheweib das fromme unſchuldige Herz wieder von den Todten
auferſtehen/ darin du ſie durch ſchaͤndlichen Meuchelmord geſtuͤrzet haſt/ ſolteſtu des Buͤt-
tels Hand nicht entlauffen. Was habt ihr dann auff mich zuſprechen? ſagte Theellus. Iſt
einer unter euch redlich/ ſo ſeyd ihrs wol alle/ antwortete ſie/ und wundere ich mich/ wie die-
ſer Drek ſich ſo ſchleunig wieder ein ehrliches hochbetruͤbtes Weib zuſammen geſchlagen
hat. Das iſt zuviel/ ſagte Speuſippus/ eine ganze ehrliche Geſelſchafft zuſchaͤnden. Jawol
eine ehrliche Geſelſchafft/ antwortete ſie/ goͤnne du mir nur Zeit/ ſo wil ich deine Mordtah-
ten dir leicht uͤberbringen; und eben du biſt derſelbe/ der meinen geweſenen Ehherꝛn wie-
der mich verhetzet/ und ihm den moͤrdlichen Anſchlag gegeben/ wie er durch des erſchlage-
nen
[400]Anderes Buch.
nen Nikokles Verraͤhterey/ des Parmenions uͤberwinder in ſeine Gewalt bekommen/ und
ſich an ihm raͤchen koͤnte. Aber was zanke ich mich mit einem ſo ſchlimmen Wuhſt; ihr
uͤbern Hauffen ſeyd meines Geſpraͤchs nicht wirdig/ noch daß ein redlicher Ritter ſein
Schwert gegen euch entbloͤſſen ſolte. Hernach wendete ſie ſich gegen Valikules/ erkennete
ſeine Verſtellung/ und redete ihn alſo an: Hochaͤdler und Veſter Ritter/ ob zwar der redli-
che Ritter Markus/ nicht erſinnen kan/ was vor ein groſſer Freund ſich gegen dieſe Ver-
leumder ſeiner ſo getraͤulich angenommen/ ſo erkennet er ſolches doch vor einen ſolchen
Dienſt/ welchen er nicht anders/ als mit ſeinem Blute zuerſetzẽ weiß. Ich vor mein Haupt
rede alhie als vor dem Angeſicht des allerhoͤchſten warhafftigen Gottes/ daß weder Ritter
Markus noch einiger ander Roͤmiſcher/ mir nicht die allergeringſte Kraͤnkung meiner
Ehren zugemuhtet habe/ ſondern nachdem ich von dem Roͤmiſchen Herrn Geſanten ver-
ſtaͤndiget worden bin/ wie hoch Roͤmiſche Kaͤyſerl. Hocheit/ unter deren Gebiet ganz Grie-
chenland iſt/ durch die Verurteilung des fremden jungen Ritters beleidiget ſey/ habe ich
mich unter deſſen Schutz ergeben/ damit ich beydes an Ehr und Guͤtern moͤchte unbelei-
diget bleiben/ denen beyden zum wenigſten viere unter dieſen Schelmen wuͤrden nachge-
trachtet haben. Hochaͤdle/ mir biß daher unbekante Frau und Freundin/ antwortete Va-
likules; Ich/ nahmens Julius Probus/ ein Roͤmiſcher Ritter/ vernehme ungerne die
ſchlimmen Benahmungen/ mit welchen gegenwaͤrtige acht Ritter von eurer aͤdlen Tu-
gend angeſehen werden; welches ich/ als der ich ihr Richteꝛ nicht bin/ dahin muß geſtellet
ſeyn laſſen; und hoffe ich/ es werden dieſelben/ von euch ſo uͤbel geneñete/ nunmehr ſich nicht
wegern/ die Antwort hoͤren zulaſſen/ welche ſie Ritteꝛ Markus und mir verſprochen/ ſo wil
ich mich in unſer beyder Nahmen darauff gebuͤhrlich heraus laſſen. Ariſtodemus winkete
Phayllus/ ſich zuerklaͤren; Welcher/ weil er das Maul wol zugebrauchen wuſte/ alſo an-
fing. Wann der frechen Weiber Art mir unbekant waͤhre/ ſonderlich deren/ die ihres alten
Ehherrn muͤde/ nach einem jungen ſich umſehen/ wuͤrde ich mich uͤber der Kakophroſynen
(alſo verkehrete er ihren guten Nahmen) Laͤſter Maul biß auff die Ohmacht entſetzet habẽ;
Weil aber die ganze Welt ſolcher Schandhuren Brauch kennet (O du Schelm! ſagte
Euphroſyne/ er aber fuhr fort)/ iſt unnoͤhtig dieſen garſtigen und uͤbelſtinkenden Drek zu-
treten/ damit er nicht noch weiter redlichen Rittersleutẽ unter das Angeſicht ſpruͤtze. Euch
aber Julius Probus wie ihr euch nennet/ und eurem unredlichen Geſellen Markus gebe
ich hiemit die begehrete Antwort/ daß wir acht ehrliche Ritter wider ihn und alle/ die ſich
ſein annehmen/ es mit unſerm Speer und Schwert nach wolhergebrachter Ritters-art/
behaͤupten/ und darlegen wollen/ daß er mit dieſem Schand-Balg/ unter der Zeit/ da ihr
ehrlicher und unſchuldiger alte Eh Herꝛ Charidemus zum unbillichen Tode iſt hinaus ge-
fuͤhret worden/ ſich in geiler Unzucht erluſtiget habe; Welches/ weil es zur hoͤchſten Be-
ſchimpffung des ganzen loͤblichen Griechiſchen Adels gereichet/ kan es von uns/ als des
Hochſeel. Herrn Charidemus nahen Anverwanten und Blutfꝛeunden/ ungerochen nicht
gelaſſen werden. Euphroſyne fing an: Und wann mir dieſer acht Schelmen Bosheit nit
ſo helle und klar vor Augen ſtuͤnde/ muͤſte ich vor Angſt vergehen; weiß aber/ Gott Lob/ daß
ich ſolcher Beſchuldigung ſo ferne bin/ als wahr der gerechte Gott lebet/ welcher auch/ wie
mir mein Herz es ſaget/ dieſe Gottloſe und Ehrvergeſſene Buben ungeſtraffet nicht laſſen
wil.
[401]Anderes Buch.
wil. Aedle Frau/ ſagte Valikules/ redet ihr dieſes mit reinem Gewiſſen? Ja mein Herꝛ/
ſagte ſie ganz freidig/ ſo wahr ich gedenke dereins vor des allerhoͤchſten Gottes Angeſicht
wol zu beſtehen; wil mich auch nicht wegern/ die alleꝛgrauſamſte Pein uͤber mich zunehmẽ/
wann ich von dieſen Ehrendiebẽ einiger Unzucht kan uͤberwieſen werden; die ietzige Ver-
leumdung betreffend/ kan ich meiner Leibjungfer und anderer Dienerinnen Zeugnis vor-
bringen/ daß biß an dieſe Stunde ich kein Augenblik mit Ritter Markus allein geweſen/
habe auch allemahl zum wenigſten drey oder vier Weibesbilder ſo wol bey Tage als Nach-
te umb mich gehabt. Wolan/ ſagte Valikules/ ich muß dieſer hohen Beteurung billich
glaͤuben/ biß das Widerſpiel hell und klar erwieſen werde. Wer hat euch aber zum Rich-
ter geſetzet? ſagte Ariſtodemus; ich glaͤube nicht/ daß der geringſte Bube ſich eurem grauen
Haͤupt unter geben werde. Ich begehre auch in dieſer Jugend noch keines grauẽ Haͤuptes/
werffe mich eben wenig zum Richter auff/ antwortete er; aber dieſer aͤdlen Frauen/ die ich
vor ehrlich und unſchuldig halte/ mich anzunehmen/ zwinget mich mein Ritterſtand/ bey
deſſen Antretung ich aͤidlich angelobet/ alle elende Weibesbilder unter meinen moͤglichen
Schutz zufaſſen; deswegen erbiete ich mich/ dafern ihr Achte/ die ausgeſtoſſene Verleum-
dung wider dieſe Tugendreiche Frau nicht wieder ruffen/ und derſelben gebuͤhrlichen Ab-
trag machen werdet/ wil ich mit meinem Schwert und Speer wider euch alle/ einen nach
dem andern/ behaͤupten/ daß ihr durch ſolche ſchaͤndliche Verleumdung euren Ritterſtand
verunehret/ und euch deſſelben allerdinge unwirdig gemacht habet. Und geſetzet/ ihr haͤttet
etwas unzimliches von ihr gewuſt/ haͤttet ihr doch ſollen auff andere/ als ſolche weiſe ver-
fahren. Erkennet ihr mich nun als einen Roͤmiſchen Ritter wirdig eures Speers und
Schwerts/ ſo ſtellet euch auff den fall eurer beharlichen Beſchuldigung/ gegen mich/ nach
der Ordnung/ wie ihr mit mir die erſte Rede gepflogen habet/ doch alſo/ daß der lezte/ wel-
cher auch vor dißmal der Worthalter in groſſer Kuͤhnheit geweſen iſt/ den Anfang mache;
Da es mir aber in dieſer vermeyneten guten Sache/ wider euer einem oder andern miß-
lingen ſolte/ als dann und nicht ehe/ ſol mein Freund Markus Macht haben/ ſeine Ehr und
Ritterlichen Leumut wider euch auch zuverfechten. Mein Herr/ ſagte Fr. Euphroſyne/
mit was vor Gehorſam kan ich unwirdige dieſes hohe Erbieten im wenigſten erſetzen?
Weil aber das Ritterliche Wort geſprochen iſt/ nehme ichs billich an/ nur das ich im Nah-
men Ritter Markus ſehr bitte/ ihm an ſolchem Kampffe auch Teil zugoͤnnen. Bekuͤm̃ert
euch nicht/ meine Freundin/ ſagete er; iſt eure Sache ſo gut/ als ihr ſaget und ich glaͤube/
alsdann wird mir Gott die Krafft verleihen/ nicht nur dieſen achten/ ſondern zwanzigen
ihres gleichen/ eine Reue ihrer Verleumdung anzubringen. Ich moͤchte auch gerne redẽ/
ſagete Ariſtodemus. Es iſt euch erlaͤubet/ antwortete Valikules. Dieſer eiferte ſich daruͤ-
ber und fing an: So hoͤret dann/ ihr ſtolzer Narr: Es iſt der Kampff auff begehrete wei-
ſe von uns angenommen/ wiewol michs verdreuſt/ daß ich der lezte in der Ordnung geſet-
zet/ und alſo alles Streitts enthoben bin. Dieſer waſchhafften unverſchaͤmten Huren und
Ehren Diebin Boßheit ſol bald an Tageslicht kommẽ/ und werdet ihr viel zu ſpaͤte beſeuff-
zen (dann zur Klage wird keine Zeit uͤbrig ſeyn) daß ihr dieſem Balg ſo leicht geglaͤubet/
und unſere Tapfferkeit ſo liederlich geſchaͤtzet habet. Mein/ ihr ſcheltet und draͤuet/ antwor-
tete Valikules; aber ich hoffe vor Abends noch ſehen zulaſſen/ ob ihr urſach habt/ mich vor
E e eeinen
[402]Anderes Buch.
einen ſtolzen Narren ausruffen; ſonſten eure Tapfferkeit/ wo die nit groͤſſer/ als eure Hoͤf-
ligkeit iſt/ wird ſie mir wenig ſchrecken bringen. Aber wz vor Bedingungen unſeꝛs Kampfs
ſetzet ihr? Keine gelindere/ antwortete Eubulus/ als daß der uͤberwundene den Tod/ oder
die Leibeigenſchafft willig annehme. Wol! ſagte Valikules/ ich gelebe eures Willens. Fr.
Euphroſyne ſagte zu jenem: Ich hoffe zu Gott/ du ſolt hie nicht ein Eubulus (heiſt ein gu-
ter Rahtgeber) ſondern ein Kakobulus (heiſſet ein boͤſer Rahtgeber) an deiner ſeite ſeyn.
Bekuͤm̃ert euch weiters nicht/ meine Freundin/ ſagte Valikules zu ihr/ ſondern zeiget mei-
nem Freunde/ Ritter Markus an/ ich habe urſach/ mich vor ihm zuverhehlen/ deßwegen ſey
mein begehren an ihn/ mich zur Offenbahrung meiner ſelbſt nicht zunoͤhtigen/ ſondern un-
ter gutem Schutze/ umb unredlichen uͤberfall zuverhuͤten/ vor dem Norden Tohre ſich fin-
den zulaſſen/ woſelbſt ich auch erſcheinen/ und meinem Worte nach Moͤgligkeit Krafft
geben wil. Ihr Ritter aber/ befahret ihr euch an meiner ſeiten ganz keiner Unredligkeit/
doch enthaltet euch deren auch nach Gebuͤhr. Mein Herr/ ſagte Amyntas der Wirt/ be-
ſorget euch deſſen gar nicht; ich habe dem Rahtmeiſter ſchon die Sache angedeutet/ wel-
cher 100 bewehreter Mann auffbieten laͤſſet/ den Kampffplaz vor aller Unbilligkeit zube-
wahren. Wolan/ antwortete er/ ſo gehe ich hin mich zuwapnen/ und mich auff Wunden zu
ſchicken. Haſtu genug/ rief ihm Archidas nach/ wann ein jeder dir eine einzige anbringet?
Werde ich recht getroffen/ ſagte er/ kan mich ein Stoß oder Hieb nideꝛlegen. Fr. Euphro-
ſyne wahr ſchon hinweg gangen nach ihrem Markus/ welcher auff angehoͤrete Erzaͤhlung
ſie herzlich baht/ ihm zuoffenbahren/ was vor ein Angeſicht der fremde redliche Ritter haͤt-
te; welches ſie getraͤulich verrichtete. Worauff er ſagete: es waͤhre ihm unmoͤglich/ aus-
zuſinnen/ wer dieſer Julius Probus waͤhre. Seine Soldaten und Schiffknechte kahmen
in groſſer Eile/ machten ſich mehrenteils beritten/ und geleiteten ihn hinaus. Es wahr a-
ber eben derſelbe Platz/ woſelbſt Valikules des moͤrderiſchen Akuſilaus Oheimben nider-
gelegt hatte. Bald darauff ſtelleten ſich die acht Ritter mit ihren Dienern auch/ und ritte
Valikules nahe hinter ihnen her/ von XL bewapneten Buͤrgern begleitet/ machte ſich hin
zu Markus/ und mit verſtelleter Heiſerigkeit und auffgeſchlagenem Helme redete er ihn al-
ſo an: Mein Herr/ er verwundere ſich nicht/ daß ich ihn/ und er mich nicht kennet/ zu ſeiner
Zeit werde ich mich melden/ und er ſolches zur Unzeit von mir nicht begehrẽ. Wir wollen
hieſelbſt die Zeit mit langem Geſpraͤche nicht zubringen/ uñ habt ihr dieſen Verleumdern
vor dem Gefechte etwas anzumelden/ werdet ihrs kuͤrzlich verrichten/ doch daß mir durch-
aus der erſte Kampff verbleibe/ damit ich nicht angeſehen werde/ ein mehres geredet zuha-
ben/ als ich zutuhn willens. Ich verbleibe meines Herrn Gehorſamer/ antwortete er/ und
ſage ihm mit einem Worte Herzens-Dank vor ſeinen Beyſtand; Ritte hierauff mit auf-
geſchlagenem Helme gegen die Griechiſchen Ritter/ und redete ſie alſo an: Ich bin berich-
tet/ daß ihr Achte/ mich einer Ungebuͤhr gezihen habt/ die ich mit der aͤdlen Fr. Euphroſy-
nen/ dort auff jenem verdecketen Wagen haltend/ ſol begangen haben. Ich widerſpreche
ſolcher ſchaͤndlich-erlogenen Verleumdung/ und weil meinem Beyſtand ich nicht vor-
greiffen darff/ erbiete ich mich/ nach deſſen Kampffs Endigung/ alles daſſelbe mit meinem
Speer und Schwert/ durch des reinen Himmels Beyſtand zuleiſten/ welches zuꝛ Rettung
meiner Redligkeit/ welche ihr ohn alle Urſach ſchaͤndet/ von mir erfodert wird. Gib dich
zufrie-
[403]Anderes Buch.
zufrieden/ du Ehebrecher/ ſagte Ariſtodemus/ es ſol dir nur gar zu fruͤh kommen/ was du
ſucheſt. Du Schaͤnder leugeſt/ antwortete er/ welches ich durch des Him̃els Huͤlffe offen-
bahr machen wil. Es wolte Valikules die Zeit zulange wehren/ deßwegen winkete er dem
Phayllus mit dem Speer/ welcher groſſe Ehre einzulegen hoffete/ aber da es zum treffen
kam/ flohe er uͤber den Sattel hinter ſich/ als haͤtte ihn der Wind herunter gewehet; doch
ehe ſein Feind den Lauff geendet hatte/ ſtund er auff den Fuͤſſen/ weil er unbeſchaͤdigt blie-
ben wahr. So bald Valikules bey ihm anlangete/ ſtieg er ab/ trat ihm entgegen/ und ſage-
te: Du biſt ein beſſerer Schaͤnder und Springer/ als Stecher; laß aber auch ſehen/ was
du vor ein Fechter ſeyſt. Damit ging er mit ſolcher Krafft auff ihn loß/ daß er alsbald hin-
ter ſich zu weichen gezwungen ward. Weil er dann nicht lange mit dieſem unerfahrnen zu-
bringen wolte/ betaͤubete er ihn mit wenig kraͤfftigen Schlaͤgen/ rennete ihn mit ſeinem
Schilde zu bodem/ beraubete ihn des Schwerts/ Schildes und Helmes/ und gab ihm mit
dem Knopffe ſeines Schwerts einen Stoß wider die Stirn/ daß ihm geſchwand; wor auf
er zween Schiffknechte zu ſich foderte/ welche ihn binden/ und an Fr. Euphroſynen Wa-
gen fuͤhren muſten. Sie hielt auff einer nahen Hoͤhe/ da ſie allen Verlauff ſehen kunte/ veꝛ-
wunderte ſich des ſchleunigen Sieges/ und ſagete zu dem gefangenen: Siheſtu nun Pha-
yllus/ vielmehr Phaulus (heiſſet ein Nichtiger) zunennen/ was geſtalt der gerechte GOtt
den falſchen Luͤgenern das Maul zu ſtopffen pfleget. Ich hoffe/ ſagte dieſer/ meine Geſellen
werden mich ſchon loßmachen/ und meinen Unfall/ der mir wegen meines Fiebers zuge-
ſtoſſen/ gebuͤhrlich raͤchen. Du kanſt noch nicht auffhoͤren zu luͤgen/ ſagte ſie; kehrete damit
ihr Geſicht nach der Streitbahn/ und ſahe den Evagoras ſich ſchon im Sande kruͤmmen;
maſſen als die Griechen ſahen/ daß der Anfang an ihrer Seite ſo ſchlecht und ungluͤklich
wahr/ ritten ſie zuſammen/ und ermahneten ſich unter einander zur vorſichtigen Tapffer-
keit/ welche jeztgedachter Evagoras bedacht wahr zuerweiſen/ aber Valikules traff ihn mit
dem Speer in den Unterbauch/ dz ihm das Eiſen gar hindurch ging/ uñ im Leibe ſteckẽ blieb/
welches dieſem einen geſchwinden Tod verurſachete/ ſo daß nach dreymal wiederholetem
Jam̃er- und Wehgeſchrey/ ihn der Todesrampf zu ihen begunte. Valikulus meynete nit/ dz
er ſo hart verwundet waͤre/ ritte zu ihm/ ſtieß ihn mit dem uͤberbliebnẽ ſtuͤcke ſeines Speeꝛs
an/ uñ fragete/ ob ihm nit gefallẽ koͤnte/ ſein Schwert zuergreiffen/ ſahe aber/ dz eꝛ ſchon mit
dem Tode rang/ uñ ließ ihn ligen. Philippus/ der dritte in der Ordnung/ entſetzete ſich uͤber
dieſen Unfal/ und als er loßbrechen wolte/ ſagte er zu ſeinen Geſellen: ich fuͤrchte/ der heuti-
ge Tag habe keinen Griechiſchen// ſondern einen Roͤmiſchen Gott zum Auffſeher/ daher
duͤrffte uns das Waſſer uͤber die Koͤrbe gehen; ſolte ich nun unten liegen/ wuͤrde ichs zu
ſpaͤt bereuen/ daß ich mich von dem jetzt ertoͤdteten Evagoras zu dieſem boͤſen Vornehmen
habe verleiten laſſen. Valikules traff ihn/ daß er mit ſamt dem Pferde uͤbern hauffen fiel/
und daß linke Bein rein abbrach/ daß es unter dem Knie bammelte/ daher er ein jaͤmmer-
liches Geheule trieb/ da ſein Obſieger zu ihm nahete und ihn zum Streit auffmahnete/
welcher als er ihn ſo beſchaͤdiget ſahe/ rieffer etliche Schiffer herzu/ die ihn weg tragen
muſten. Fr. Euphroſyne empfing ihn mit dieſen Worten; Euch Philipp habe ich vor
ehrlicher angeſehen/ als daß ihꝛ in ſolche Schelmſtuͤcken euch ſoltet haben eingemiſchet/
zweiffele auch nicht/ ihr ſeid von anderen darzu verleitet. Dieſer kunte wegen Schmerzen
E e e ijnicht
[404]Anderes Buch.
nicht antworten/ und ließ ſie einen Arzt herzuruffen/ welcher ihn verbinden muſte; der ihm
aber dieſen Troſt gab; es muͤſte ihm das Bein abgeſchnitten werden/ oder ungezweiffelt
wuͤrde er ſterben. Nach dieſes Niderlage ritte Markus hin zu Valikules/ wuͤnſchete ihm
Gluͤk zum dreyfachen Siege/ und baht ihn ſehr inſtaͤndig/ daß ihm gegoͤnnet ſeyn moͤchte
mit dem vierden ein treffen zutuhn; welches ihm endlich erlaͤubet ward. Dem Griechen
Speuſippus wahr hierzu ſehr liebe/ traffen auffeinander und hielten beyderſeits redlich
aus/ daß die Speere in ſtuͤcken brachen/ daher ſie zu den Schwertern griffen/ und beher-
zet gnug auffeinander ſchlugen; aber Markus gute Sache und Erfahrenheit behielt die
Oberhand/ daß er ohn Wunden blieb/ und ſein Feind dergeſtalt an unterſchiedlichen Or-
ten getroffen ward/ daß ihm alle Krafft entging/ daher er ihm im Falle nachſprang/ und
durch abſchneidung der Gurgel ihm das lezte Ende beybrachte. Die Reihe traff nunmehr
den hochtrabenden Theellus/ welcher ſich bey den erſten beyden Treffen befuͤrcht ete/ ihm
wuͤrde die Gelegenheit/ ſeine Mannheit zubeweiſen/ von den vorgehenden entriſſen wer-
den/ und nunmehr haͤtte er wol gewuͤnſchet mitten in Thrazien/ in der Stad Nikopolis zu
ſitzen/ von dannen ſein Vater entſproſſen wahr/ inſonderheit/ als er ſahe/ daß Valikules
mit ihm anlegen wolte; endlich verkehrete ſich die Furcht in ein Raſen/ und weil er dem
Speer gar nicht trauete/ warff er ſolches von ſich/ faſſete das Schwert/ und ſetzete eiferigſt
auff ſeinen Außfoderer an/ welcher ſich ihm gleich bezeigete/ und gar bald bey ihm anklop-
fete/ daß er die wichtigkeit ſeiner Arme empfinden muſte; er taht aber ſein aͤuſſerſtes/ ſich
zuwehren/ wiewol es ihm wenig halff/ weil Valikules ſeinem Blute durch unterſchiedli-
che Wunden Lufft machete/ daß ihm die Wuht geleget ward. Ihr Buben/ ſagte unſer
Held zu ihm/ wollet ihr Gott und der Warheit noch nicht die Ehre geben/ und eure Boß-
heit bereuhen/ muͤſſet ihr gewißlich am verſtande gar verblendet ſeyn. Dieſer hatte noch
gute Hoffnung auff Ariſtodemus geſetzet/ und gab zur Antwort: ich bin mir keiner Boßheit
bewuſt/ iſt auch nichts neues/ daß das blinde Gluͤk neben der guten Sache hinſihet. Wie
gut deine ſey/ ſagte Valikules/ ſol vor verlauff einer guten Stunde der Welt ſchon vor
Augen ſtehen; ſchlug ihn damit uͤber den Helm/ daß ihm das Gehirn im Kopff erzitterte/
und er vom Pferde ſtuͤrzete/ daher ihn drey Schiffknechte annahmen/ und nach Fr. Eu-
phroſynen hinleiteten/ welche zu ihm ſagete. Und du frecher Ehrenſchaͤnder muſteſt dich
auch in dieſe Noht ſtuͤrzen/ deſſen du ſehr wol haͤtteſt koͤnnen geuͤbriget ſeyn. Das Gluͤk iſt
rund/ und aller Tage Abend noch nicht kommen/ antwortete dieſer; wiewol ich mich nicht
zuerinnern weiß/ daß ich wieder eure Ehre ichtwas geredet habe. Dieſer Phaulus/ ſagte
ſie/ iſt eurer aller Mund geweſen/ deſſen kanſtu dich erinnern. Markus haͤtte gerne noch
einen gang mit dem folgenden Archidas gewaget/ aber Valikules baht ihn/ ſich zu maͤſſi-
gen/ traff auch den jezt genanten daß er vom Pferde als ein Klaͤuel purzelte/ behielt doch den
Zaum an der Hand/ und ſetzete ſich wieder auff/ daß er mit dem Schwerte ſchon fertig
wahr/ als Valikules zu ihm nahete/ welcher zu ihm ſagete: Biſtu ſchuldig an der Ubeltaht/
welche die redliche Fr. Euphroſyne dir unter die Naſe gerieben hat/ ſo gedenke nur daß
deines ermordeten Weibes Blut gleich jetzo Rache von dir haben wolle. Dieſer ward
durch ſolche Erinnerung ſo beſtuͤrzet/ daß ihm Muht und Krafft entging/ und ſich kaum
auffrecht in den Stegreiffen halten kunte; taht auch keinen Hieb/ ſondern ſaß als ein er-
ſtarre-
[405]Anderes Buch.
ſtarreter; welches Valikules ſehend/ ihn vom Pferde warf/ und zu ihm ſagete: Biſtu zum
andernmahle auffgeſtiegen/ dz du ſchimpflicher als vorhin abfallen wolteſt? Zween Schif-
knechte packetẽ ihn an/ und brachten ihn zu den andern/ da Fr. Euphroſyne zu ihm ſagete:
Komſtu ſchaͤndlicher Moͤrder deines eigenen redlichen Weibes? nun ſiheſtu wie Gott
endlich der Boßheit vergilt/ ob ſie gleich eine zeitlang frey durchlaͤufft. Ja antwortete er/
meines Weibes Geiſt ſchwebet mir vor Augen/ und hat mich aller dinge wehrloß gemacht/
drumb wuͤnſche ich nur bald bey ihr zu ſeyn/ damit ich mich an ihr raͤchen moͤge. Du wirſt
ſolcher Rache nach dem Tode wol vergeſſen/ antwortete ſie/ da Gott ſelbſt ſich an dir raͤ-
chen wird. Jezt muſte Eubulus vor ſeinen Meiſter/ welcher zu Ariſtodemus ſagete: Ich
bin leider nach Euphroſynen Wunſch und Weiſagung an unſern ſechs Geſellen zum Ka-
kobulus (boͤſen Rahtgeber) worden/ und traͤgt mir der Sinn vor mich ſelbſt nichts beſ-
ſers zu/ zweiffele auch ſehr/ ob dirs zum Siege gelingẽ werde; drumb ſage bald/ wollen wir
Gnade/ oder den Tod ſuchen. Verflucht ſey/ wer an Gnade gedenket/ gab jener zur Ant-
wort; ich wil und kan mein Maul nicht zur Taſchen machen/ und hoffe/ mein Blut ſol mit
des Feindes ſeinen vermiſchet werden/ ungeachtet derſelbe einem Teuffel aͤhnlicher als ei-
nem ſchwachen Menſchen ſcheinet: Und O haͤtte Ungluͤk uns nicht zu den ſelben gefuͤhret/
wolten wir des andern ſein Meiſter bald worden ſeyn. Nun ſo wil ich auch ſtehen oder fal-
len/ antwortete Eubulus/ legte das Speer ein und hilt ſich ſo feſt im Sattel/ daß/ wie hart
ihn gleich ſein Gegener traff/ er doch ſitzen blieb. Weil dann die Speere in ſtuͤcken gingen/
muſten die Schwerter deren Mangel erſetzen/ welches aber dem verzweiffelungs-nahen-
dem Eubulus zu ſchwer fiel/ ſo daß nach empfangenen dreyen Wunden/ deren lezte ihn
das Schwert zu fuͤhren unduͤchtig machete/ er vom Pferde geworffen und zu der anderen
Geſelſchafft gebracht ward. Ey Gott lob ſo empfing ihn Fr. Euphroſyne/ daß boͤſer Raht
den Rahtgeber ſelbſt mit getroffen hat. Er antwortete aber kein Wort/ ſondern ließ ſich
verbinden/ und erwartete des außganges. Valikules ritte hin zu Ariſtodemus/ und ſagete
zu ihm: Was deucht dich bey dem Narrenſpiel/ welches ich dir an deinen ſechs Geſellen
habe ſehen laſſen? meineſtu noch/ du werdeſt alles Streits befreiet ſeyn? Ja laß mich wiſ-
ſen ob du dich unter meine Gnade demuͤhtigen koͤnneſt/ ſo wil ich dich ſehen laſſen daß ich
ja ſo barmherzig bin/ als ſtolz du dich erzeiget haſt. Ich habe alle dieſelben verflucht/ ant-
wortete dieſer/ welche deiner Gnade begehren wuͤrden/ und ſolte nun der erſte ſeyn? ehe
muͤſten du und ich in ſtuͤcken zerhacket werden. Nun dañ ſagte er/ ſo muͤſſen meine Schel-
len ſich auch hoͤren laſſen/ weil du dich ſelbſt aller Gnade unwirdig macheſt. Alſo ſetzeten
ſie mit hinweg werffung ihrer Speere ſo grimmig auff einander/ daß ſie kaum Zeit hatten
ihre Schwerter zuentbloͤſſen/ da es dann ein ſehr herbes Treffen gab/ dann es wahr dieſer
einer von den vornehmſtẽ Rittern in ganz Griechenland/ er wehrete ſich auch ſeiner Haut
ſo emſig/ daß Valikules ſagte; Es iſt Jammer daß du deine Kraff nicht in ehrlicher red-
ligkeit anwenden ſolt/ und kanſtu noch demuͤhtig werden/ ſol dir Gnade wiederfahren.
Deine Gnade wuͤrde mir unleidlicher ſeyn/ als ein tauſendfacher Tod/ antwortete er/ und
muß Ariſtodemus ſiegen oder ſterben. Vielleicht deren keines/ ſagte Valikules/ ſetzete
auch viel eiferiger auff ihn an als vorhin/ und gluͤckete ihm/ daß er ihn mit dreien Hieben
an beyden Armen laͤhmete/ warf ihn vom Pferde/ uñ ließ ihn den uͤbrigen zufuͤhren/ welche
E e e iijihn
[406]Anderes Buch.
ihn erſehend/ vor Angſt vergehen wolten. Fr. Euphroſyne redete ihn an und ſagete; Du
ſchaͤndlicher Feind meiner Keuſcheit/ nun werde ich Gelegenheit finden dir zuvergelten/
was du an mir getahn haſt. Iſt dirs nicht gnug du buͤbiſche Hure/ antwortete er/ daß ich
gerne ſterben wolte/ und wieder meinen Willen Leben muß? Sie eiferte ſich uͤber ſolche
Schmaͤhung/ daß ihr die Traͤhnen auß den Augen hervor drungen. Valikules aber kam
zu ihr geſprenget/ und mit auffgeſchlagenem Helme ſagte er zu ihr: Aedle Tugendreiche
Frau/ da habt ihr eure buͤbiſche Verleumder/ ſo viel ihrer noch im Leben/ welche Krafft ih-
rer eigenen Urtel und wahl in den Stand der Leibeigenſchafft gerahten ſind; weil dann
der gerechte Gott eure gute Sache an den Tag gebracht/ und eure Laͤſterer zu ſchanden
gemacht hat/ ſind ſie euch hiemit vor eure Leibeigene uͤbergeben/ mit ihnen nach belieben zu
ſchalten. Ich bedanke mich von ganzem Herzen/ mein Herr/ antwortete ſie/ und bitte Gott/
daß er euren Waffen wieder alle eure Feinde kraͤfftigen wolle/ damit durch deren Vor-
ſchub manniche meines gleichen geſchuͤtzet/ und die boͤſen geſtraffet werden. Sie wolte
weiter reden/ aber er nam Abſcheid von ihr/ und ritte in Begleitung etlicher gewapneten
Buͤrger nach der Stad/ denen er vor ihre Gegenwart hoͤchlich dankete/ und ihnen etliche
Haͤnde vol Kronen reichete/ welche ſie ſeinetwegen in einer froͤlichen Wirtſchafft fein
friedlich verzehren ſolten; wovor ſie Dank ſageten. Markus durffte ihm nicht folgen aber
Gallus in ſeiner ehemahligen Kauffmansgeſtalt wahr bald bey ihm. Fr. Euphroſyne
ließ ihren liebſten zu ſich bitten/ welcher ihr zu ihrer Ehrenrettung Gluͤk wuͤnſchete; ſie
hingegen ihm klagete/ daß dieſe ihre Leibeigenen noch nicht auffhoͤreten/ ſie vor eine
Ehebrecherin außzuſchelten; worauff er/ als lachend zur Antwort gab; aͤdle Frau/
ſie gebe ſich zu frieden/ ich werde ihr ſchon helffen ein Mittel erdenken/ daß ihnen die
Schandzunge gehemmet und ihre Boßheit offenbahret werde. Die Schiffknechte
wolten ſie mit nach der Stad haben/ aber ſie wegerten ſich deſſen/ und rieffen/ hier wolten
ſie als freye Ritter ehrlich ſterben. Aber Markus gab zur Antwort; O nein/ die Freyheit
iſt dahin/ uñ weil ihr nicht willig gehen wollet/ ſollen euch ſchon andere Fuͤſſe gemacht wer-
den. Alſo band man ſie quehr uͤber auf Pferde/ und ſchleppete ſie mit fort. So bald ſie in
der Stad anlangeten/ muſten die Schiffknechte ihre Gefangenen mit ſich nach dem Schif-
fe nehmen/ woſelbſt ſie auff der Folter gekrecket/ einhellig bekenneten/ daß Ariſtodemus ſie
beredet håtte in ſeine Geſelſchafft zutreten/ uͤmb ſich beydes an Markus und Euphroſynen
zuraͤchen/ daß ſie mit demſelben davon gezogen waͤhre; ſie wuͤſten von ihrer Unzucht nicht
das geringſte/ als was ſchon gedachter ihr Anfuͤhrer und Verleiter ihnen vorgetragen haͤt-
te. Hingegen wolte Ariſtodemus nichts geſtehen/ ließ ſich auch zerren/ biß die Seele aus
ihm ging; worauff die anderen ingeſamt auch nideꝛgemacht wurden/ weil ſie ihnen ſolches
vor die Leibeigenſchafft waͤhleten. Und ob gleich etliche ihrer Anverwanten gute Luſt hat-
ten/ den Schimpff zuraͤchen/ wahr doch die Furcht der Straffe zu groß/ daß ſie zuruͤk hiel-
ten. Markus haͤtte ſeinen Beyſtand gerne gekennet/ aber ſeine Liebſte hielt ihn ab/ unter dem
Troſt/ daß er ſich erbohten hatte/ zu gelegeneꝛ Zeit ſich ſelbſt zumelden. Nun gingen Maꝛkus
Gedanken alle dahin/ es waͤhre Herꝛ Herkules/ weil alle ſeine Geberden und Waffen-Ge-
braͤuche demſelben gleich wahren/ aber das Angeſicht wolte nicht eintreffen/ welches ihn
im Zweifel erhielt. Zween Tage nach dieſem Kampfe ritte Valikules abermahl nach dem
Meer/
[407]Anderes Buch.
Meer/ fand aber nicht allein keine andere Gelegenheit/ ſondern daß der vorige Schifmann
ſeine Abfart noch auff etliche Tage weiter ausſetzete/ deswegen er zu Gallus ſagete: Ich
eile faſt/ meine Reiſe vorzunehmen/ und fallen doch immer mehr Veꝛhinderungen vor; hal-
te gaͤnzlich/ Gott ſelbſt werffe ſie mir in den Weg; dañ geſtern fruͤhmorgens/ da ich in mei-
ner Andacht lag/ und wieder eingeſchlummert wahr/ dauchte mich eigen/ es rieffe mir eineꝛ
zu; eile nicht/ eile nicht! Nun ich wil meinen Gott laſſen walten/ der wird alles nach ſei-
nem gnaͤdigen Wolgefallen ſchicken. Kehrete wieder uͤmb/ und eilete nach ſeiner Herber-
ge/ da er ſeinen Klodius in elender Geſtalt gegen ihn daher reiten ſahe/ deſſen Pferd kaum
mehr fortſchreiten kunte; woruͤber er nicht wenig erſchrak/ und zu Gallus ſagete: Sehet/
da komt mein Klodius her/ welcher mir gewißlich wenig gutes in dieſer traurigen Geſtalt
bringen wird. Ritte hin zu ihm/ und ward alsbald von ihm gefraget/ ob er ihm nicht anzei-
gen koͤnte/ in was Herberge der Roͤmiſche Geſante Herꝛ Fabius anzutreffen waͤhre. Va-
likules hieß ihn in ſeine Herberge folgen/ fuͤhrete ihn mit ſich auff ſeine Kammer/ und ſagte
zu ihm: Mein guter Klodius/ aͤrgere dich nit an meiner fremden Geſtalt uñ angeſtrichenẽ
Farbe/ du wirſt an der Rede vernehmen/ daß ich Herkules bin/ und ſage mir/ wie koͤmſtu ſo
verwundet und ſcheußlich auffgezogẽ? Dieſer erfreuete ſich hoͤchlich/ meldete aber alsbald
mit einem ſeuffzen an/ wz geſtalt H. Ladiſla/ nach dem er zween Ritter im oͤffentlichẽ Kampf
erleget/ durch ſchaͤndliche Verraͤhterey mehꝛ als von 80 Rittern uͤberfallẽ/ alle ſeine Diener
erſchlagen/ und er ſelbſt nach ritterlichem Gefechte gefangen worden. Er erſchrak hierob/
daß ihm die Rede ſtehen blieb/ und fragete alsbald/ ob er dañ noch lebete. Ich hoffe ſolches/
antwortete er/ dann ich ſahe/ daß ſie ihm mit Schlaͤgen ferner nicht zuſetzeten/ da ſie ihn ge-
bunden hatten. Nun wol an/ ſagte er/ ſo wird mir Gott beyſtehen/ daß ich ihn errette. Daß
du aber Herꝛn Fabius Huͤlffe alhie ſucheſt/ iſt uͤmſonſt/ dann er haͤlt ſich zu Elis verborgen/
nur daß er mich ausforſchen moͤge/ weil er muhtmaſſet/ ich ſey annoch daſelbſt. Aber was
duͤnket dich/ ſolte man ihm ohn Kriegsvolk nicht helffen koͤnnen? gar ſchwerlich/ antwor-
tete er; dann es haͤlt da uͤmher ein zimlicher Anteil des Adels wieder ihn zuſammen/ wel-
che des von euch ertoͤdteten Parmenions Freundſchafft ſind/ und zweifele nicht/ man ha-
be ihn irgend auff ein Schloß eines alten ådelmans/ deſſen Sohn er mit dem Speer erle-
get/ gefangen hingefuͤhret/ welches allem Vermuhten nach/ nicht weit von der Stad Patræ
ſeyn kan/ in deren Feldmark das Ungluͤk ſich zugetragen. Valikules uͤberlegete die Sache
fleiſſig/ ſagte hernach zu Gallus/ er ſolte ſchaffen/ daß Klodius gelabet und verbunden wuͤr-
de; machete ſich hin zu Markus/ uñ ließ ihm ſagen/ es waͤhre iezt Zeit/ daß ſein Mitkaͤmpfer
ſich ihm zuerkennen geben wolte. Dieſer ſaß gleich bey ſeiner Liebſten/ und erzaͤhlete ihr
von Herkules und Ladiſla tahten/ ging mit Freuden hinunter/ und hieß ihn als ſeinen aller-
liebſten Herꝛn und beſten Freund wilkommen ſeyn/ weil eꝛ ihn nunmehr durch ſeine hoͤchſt-
begehrete Kundſchafft beſeligen wolte. Er fuͤhrete ihn alsbald mit ſich die Steige hinauff
nach ſeiner Liebſten Gemach/ welche von ihrem Sitze auffſtund/ und ihn wegen ſeiner an-
noch verenderten Geſtalt als einen unbekanten wilkommen hieß; Da er nach kurtzem Ge-
ſpraͤch zu Markus ſagete: Mein Freund/ ehe ich mich gegen ihn weiter melde/ habe ich zu-
vor mit der aͤdlen Frauen Euphroſynen ein Wort in vertrauen allein zureden/ welches ihr
mir nicht werdet vor uͤbel halten. Ganz nicht/ antwortete er/ nahm einen willigen Abtrit/
und
[408]Anderes Buch.
und erwartete/ biß ihm wieder geruffen wuͤrde. Herkules aber ſagte zu ihr/ meine Freun-
din/ ob zwar ich des willens nicht geweſen bin/ mich ihrem Liebſten zuoffenbahren/ koͤmt miꝛ
doch gleich jetzo eine wichtige Urſach zuhanden/ daß ich meinen Vorſatz endern muß/ wil
auch hoffen/ er werde meine Anweſenheit verſchweigen koͤnnen. Sie bedankete ſich voꝛ die-
ſe Gnade/ verhoffete/ er wuͤrde ſeines Dieners Traͤue ſchon gepruͤfet haben. Worauff er
alsbald die Farbe beydes von Angeſicht/ Haar und Haͤnden hinweg taht/ und Markus zu
ſich hinein ruffen ließ/ welcher ihn ſehend/ ſich ſehr beſtuͤrtzet befand/ und wolte ſich vor ihm
in die Knie legen; da er alſo zugleich redete: Durchlaͤuchtigſter Fuͤrſt/ Gnaͤdigſter Herr;
hat Eure Durchl. vor ihren unwirdigſten Diener wider ſiebẽ Schelmen ſich wagen wol-
len/ nur daß derſelbe unbemuͤhet bliebe? Herkules wehrete ihm das niderknien/ und daß er
dergleichen unnoͤtiges Gepraͤnge einſtellen ſolte/ weil ihm ſein gutes Herz ohndas wol be-
kant waͤhre; Wolte ihn vorerſt erinnern/ daß bey Verluſt ſeiner Hulde er ihn bey Fabius
nicht meldete; hernach ſich ſchleunigſt fertig hielte/ ſeinen Herrn Ladiſla retten zu helffen/
welcher auff Leib und Leben gefangen laͤge/ wie er gleich jezt von dem hartverwundetẽ Klo-
dius Bericht eingenommen haͤtte. Markus erſchrak dieſer Zeitung/ daß er bebete/ erboht
ſich/ Gut und Leben willig zu ſeines Herrn Rettung anzuwenden/ wolte auch/ da es Ihre
Gn. gut befuͤnde/ ſtuͤndlich die Trummel ruͤhren laſſen/ und etliche hundert Mann werbẽ/
worzu er/ Gott Lob/ Mittel gnug haͤtte. Fr. Euphroſyne wahr bald fertig/ eine Lade mit
Golde herein tragen zu laſſen/ womit die Knechte ſolten beſtellet werden. Aber Valikules
hieß ſie ruhig ſeyn/ es beduͤrffte dieſer Weitlaͤufftigkeit nicht/ wuͤrde auch mehr Hinderniß
als Befoderung geben/ wann die boßhafften Widerſacher vernehmen ſolten/ daß man ſo
groſſe Bereitſchafft machete; Die Sache muͤſte eilig und in aller ſtille angegriffen werdẽ.
Er wuͤſte/ daß ſein Schiff noch etliche tapffere Kriegs- und Schiffknechte haͤtte/ deren
wolten ſie XXVI beritten machen/ und die Rettung vornehmen. Markus ſtellete es alles
zu ſeinem Befehl/ ließ ſeine Reit- und Wagenpferde/ deren er XXXVI hatte/ zur Reiſe wol
futtern/ und ritte Spornſtreichs nach dem Schiffe zu/ da inzwiſchen Fr. Euphroſyne al-
len Bericht von Herkules einnahm/ und mit ihm nach ſeiner Herberge ging/ beſſeren Ver-
ſtand von Klodius zufaſſen/ dem ſeine Wunden ſchon verbunden wahren/ und er von Gal-
lus vernam/ was vor eine trefliche Heyraht ſeinem Freund Markus zugeſtoſſen waͤhre;
gleich da dieſe Braut mit Herkules zu ihm hinein trat/ und ihn in groſſer Schwacheit auf
der Bank liegen funden/ woruͤber ſie ſich gar leidig ſtellete/ und ihn in ſeinem Ungluͤk troͤ-
ſtete/ begehrete auch der Ritter Nahmen zuwiſſen/ welche Herr Ladiſla erlegt haͤtte; und
als ſie hoͤrete/ daß es Perdickas und Ariſton wahren/ vergoß ſie ihre Traͤhnen/ und klagete/
daß ihre ſo nahe verſchwaͤgerte ſo groſſes Unheil anrichten muͤſten; maſſen Perdickas ihres
geweſenen Charidemus Vater-Bruder-Sohn; Ariſton aber ihrer Mutter Schweſter
Tochter ungehorſamer Stief Sohn waͤhre/ deſſen Vater Kleander ſie vorm halben Jah-
re ohngefehr/ wider ihren Willen geheyrahtet/ da ſie kaum von XVII; Er aber uͤber LXXIIX
Jahr alt geweſen. Eben dieſer Kleander/ ſagete Klodius/ hat meinen Gn. Herrn gefangẽ;
doch an was Ort er eigentlich wohne/ kan ich nicht wiſſen. Der Ort/ ſagete ſie/ iſt mir gnug
bekant/ und bin kaum vor IV Wochen daſelbſt geweſen/ und meine Waſe beſuchet; Sein
Schloß iſt zimlich feſt und wol verwahret/ eine geꝛinge Meile von Patræ gelegen/ in einem
ſehr
[409]Anderes Buch.
ſehr luſtigen Walde. So weiß ich Gott Lob/ ſagte Herkules/ wo ich meinen Freund ſuchen
ſol. Klodius wuſte nicht/ was vor ein freundliches ſchoͤnes Weibsbilde ſich gegen ihn ſo
gunſtwillig erzeigete/ biß ſie zu ihm ſagete: Mein Herr/ ich hoffe/ er werde mir und ſeinem
bruͤderlichen Freunde Markus die Freundſchaft erzeigen/ und auf einer Saͤnffte ſich nach
mein er Behauſung tragen laſſen/ weil ich nicht zugeben kan/ daß ſein anders wo/ als bey
mir gewartet werde. Verzeihet mir/ hochaͤdle Frau/ antwortete er/ daß ich bißher nicht ge-
wuſt/ mit wem ich geredet habe; wuͤnſche ihr zu der kuͤnfftigen Heyraht alle Wolfahrt/ und
verpflichte mich zu allen ehrliebenden Dienſten; wolte aber lieber in dieſeꝛ Herberge mich
auffhalten/ als ihr einige Ungelegenheit machen. Sie ſahe/ daß ihm Ruhe noͤhtig wahr/
ermahnete ihn deswegen eine Stunde zu ſchlaffen/ inzwiſchẽ wuͤrde Markus vom Schif-
fe wieder kommen/ und das uͤbrige ſchon ordnen. Baht hierauff Herkules ſehr freundlich/
ihr die Gnade zuerweiſen/ und auff hinte das Abendmahl mit ihr zuhalten/ als dann koͤnte
er mit ſeinem Diener Markus alles bequehm abreden/ und morgen fruͤh ſich mit dem Ta-
ge auffmachen. Ich bin meiner geliebten Freund in viel ein mehres ſchuldig/ ſagte er/ bitte
aber/ ja keine unnoͤhtige uͤppigkeit wegen der Speiſen anzuwenden/ weil ich mich ohndas
gerne zeitig zur Ruhe begeben/ und Morgen geliebts Gott/ deſto fruͤher wache ſeyn wolte;
befahl Gallus inzwiſchen acht auff Klodius zuhaben/ und geleitete Fr. Euphroſynen wie-
der nach ihrer Behauſung/ welche nach aller Moͤgligkeit zurichten ließ/ und ihn mit aller-
hand Geſpraͤch unterhielt/ ihm die Traurigkeit zubenehmen/ die wegen Ladiſla Unfall und
Gefahr er in ſeinem Gemuͤhte empfand. Markus kam mit ſeinen geharniſchtẽ Soldaten/
welche alle aͤdel wahren/ und wolgepanzerten Schiffknechten zeitig wieder/ hohlete ſeinen
lieben Spießgeſellen Klodius nach ſeiner Wohnung/ und erboht ſich/ ihm mit alle ſeinem
Vermoͤgen zudienen; welcher zu ihm ſagete: Geliebeter Bruder/ ihr koͤnnet den Goͤttern
nimmermehr gnug danken vor das unbegreifliche Gluͤk/ welches ſie euch als im Schlaffe
beſcheret haben/ worzu ich euch von ganzem Herzen Gluͤk und alle Wolfahrt wil gewuͤn-
ſchet haben. Dieſer bekennete ſolches gerne/ ſahe Gallus in ſeiner angeſtrichenen Farbe/
und fragete ihn/ ob er dann auch bey Herrn Herkules ſich auffhielte; deſſen er lachete/ und
zur Antwort gab: Mein Herr/ ich bedanke mich nochmahl vor erteilete Guttaht/ und freue
mich ſehr/ dz des unwerten Charidemus tugendſames Gemahl uñ ſaͤmtliche Guͤter in eure
Beſitzung kommen ſind; Er wolle ſich aber wegen meiner Verſtellung nicht verwundern/
dann ſonſt iſt mein Nahme Gallus. Nun mein geliebter Freund/ ſagete er/ ſo ſind wir
Spießgeſellen/ und dienen einem Herrn; daher werde ich hinfuͤhro ſchuldig ſeyn/ euch ei-
nen beſſeꝛn Dank ſehen zulaſſen. Hiemit geleiteten ſie Klodius biß an die Saͤnfte/ und gin-
gen nach Markus Behauſung. Bey der Mahlzeit wolte dieſer neben Gallus zu Tiſche die-
nen/ aber Herkules hieß ſie beyde ſich ſetzen/ und redete inſonderheit Markus zu/ er ſolte der-
gleichen Unnoͤhtigkeiten einſtellen/ und ſich bezeigen als der die Wirtsſtelle vertreten muͤ-
ſte; Seyd ihr etwa wenig Monat in meinem Dienſte geweſen/ ſagte er/ ſolches kan eurem
Adel durchaus keinen Schaden noch Abbruch tuhn/ und ſeyd Standes und Tugend hal-
ber wol wert bey mir niderzuſitzen. Sonſten wahr er gar unge duldig/ daß man ſo groſſen
uͤberfluß in Speiſen und allerhand koſtbahren verzuckerten Sachen aufftragen ließ/ und
ſagete: wann ſie nach dieſem ſolches mehr taͤhten/ wolte er nicht mehr Mahlzeit mit ihnen
F f fhalten/
[410]Anderes Buch.
halten/ weil durch ſolche gar zu groſſe Menge der Trachten nur GOtt im Himmel erzuͤr-
net wuͤrde. Fr. Euphroſyne aber wuſte ihm mit ſo hoͤflicher Entſchuldigung zubegegnen/
daß er umb Verzeihung baht ſeines kuͤhnen einredens. Als die Mahlzeit geendiget/ und
Gallus hin zu Klodius gangen/ auch das Geſinde abgeſchaffet wahr/ redete Fr. Euproſy-
ne ihren Markus an/ und ſagete zu ihm: Mein geliebter Herr/ ihr wiſſet/ wie weit ich mich
mit euch eingelaſſen/ und auff euer Begehren und unnachlaͤſſiges Anhalten/ inſonderheit
auff Herrn Fabius Noͤhtigung euch nach abgelegter Traur die eheliche Beywohnung ver-
ſprochen/ auch alsbald zum volkommenen Beſitzer aller meiner Guͤter gemacht habe. Nun
iſt noch etwas geheimes an mir/ welches ich euch noch zur Zeit nicht offenbahren wollen/
nunmehr aber långer nicht verhehlen kan; als nehmlich: Ich bin eine Chriſtin; Und wie
hart und ſtoͤrriſch gleich Charidemus ſich gegen mich erzeigete/ goͤñete er mir doch meines
Glaubens Freyheit/ welche ich biß in mein Grab zuerhalten/ ſteiff und unbewaͤglich geſon-
nen bin; dafern ich nun wiſſen ſolte/ daß euch ſolche Lehre zuwider/ und ihr vielleicht der
Urſach wegen euer Herz von mir abkehren/ und einigen Unwillen und Gramſeligkeit mir
zuwenden woltet/ wil ich anjetzo mit beſtendigem Vorſaz (meinem Gn. Herrn zum Zeugẽ
ruffend) euch alle meine Guͤter eigentuͤhmlich einraͤumen/ und mit 10 oder 12000 Kronẽ
davon gehen/ zu meiner nohtduͤrfftigen Unterhaltung/ weil ich meinen Gott umb Men-
ſchen willen nicht verleugnen kan noch wil; bitte demnach/ ihr wollet in beyſeyn unſers al-
lerſeits Gn. Herrn mir hierauff beſtendige Erklaͤrung geben/ und bey euren Ritterlichen
Ehren befeſtigen; habe ein ſolches in Gegenwart Herrn Herkules vortragen wollen/ weil
auß deſſen Reden ich gnugſam geſpuͤret/ daß er Chriſtliches Glaubens iſt. Ja/ ſagete Her-
kules hierauf: Meine Freundin irret in dieſem gar nicht; Ich bin freylich ein Chriſt; wel-
chen Glauben ich doch von meinen Eltern nicht geerbet/ ſondern durch Gottes Gnade zu
Rom gelernet habe/ und beſtehet in dieſer Erkaͤntniß des wahren GOttes mein hoͤchſtes
Gut und einige Wolluſt; moͤchte auch von Herzen wuͤnſchen/ daß nicht allein mein guter
Freund Markus/ ſondern alle meine Bekanten/ ja alle Menſchen deſſelben Glaubens ſeyn
moͤchten; weil ich ſo gewiß bin/ als wahr Gott lebet/ daß auſſer dieſem Glauben kein an-
der iſt/ dadurch wir Menſchen koͤnnen ſelig werden; Doch ſolte ihm nicht gefallen koͤñen/
ſich hierin zubequemen/ wie dann kein Menſch wider ſeinen Willen darzu ſol genoͤhtiget
werden/ halte ich ihn der Beſcheidenheit und Verſtandes/ daß umb eures Chriſtlichen
Glaubens willen er euch nicht anfeinden/ oder auff einigerley weiſe zuſetzen wird. Jedoch/
ſolte er eine Chriſtin zum Ehegatten inkuͤnfftig nicht dulden wollen/ wird er auff euer in-
ſtendiges Begehren ſelbſt anzeigen/ auff welchen fall ich meiner Freundin verſpreche/ und
bey meinen Ritterlichen Ehren beteure/ daß ich ſie mit groͤſſerem Reichtuhm verſehẽ wll/
als ſie umb Chriſtus Nahmen verlaſſen wuͤrde. Markus hatte alle Reden wol verſtanden/
erhub ſich/ nach dem Herkules auffgehoͤret hatte zureden/ von ſeiner Stelle/ und ſchwuhr
bey dem wahren Gott Himmels und Erden/ daß er nicht allein ſeiner herzgeliebten dieſen
Glauben frey goͤnnen/ ſondern auch denſelben hinfuͤro ſelbſt annehmen und bekennen wol-
te; wie ich dann/ ſagte er/ meiner Vor Eltern und Verwanten viel weiß/ welche teils umb
dieſes Glaubens willen ſich haben toͤdten laſſen/ teils denſelben noch dieſe Stunde bekeñen.
Auff ſolche Rede umfing ihn ſeine Liebeſte zum erſten mahl mit einem Kuſſe/ und ſagete:
Ey
[411]Anderes Buch
Ey Gott Lob/ nun werde ich erſt anfangen/ euch recht und von Herzen zu lieben/ nach dem
ich ſehe/ daß ich mit keinem Gottes Feinde zuſchaffen habe. Valikules wuͤnſchete ihm hieꝛ-
zu des Heiligen Geiſtes Beyſtand und wahre Beſtaͤndigkeit/ beſuchete Klodius auff ſeinẽ
Lager/ redete mit dem angenommenen Wegweiſer/ und gab ſich hernach zur Ruhe/ da ihm
ſein geliebter Ladiſla im Schlaffe erſchien ganz traurig und mit gebundenen Haͤnden auf
dem Ruͤcken/ und dauchte ihn/ daß er zu ihm ſagete: Mein Bruder Herkules/ laͤſſeſtu dei-
nen Ladiſla dann im Heydentuhm dahin ſterben/ daß er der kuͤnfftigen Seligkeit nicht kan
faͤhig ſeyn? Er erwachete druͤber; rieff ſeinen Gott ganz in bruͤnſtig um Ladiſla Errettung
an/ und machte ſich noch vor Tage fertig zur Reiſe/ hieß ſeine Leute auff drey Tage Speiſe
zu ſich nehmen/ und jagete friſch fort/ weil ſie alle geruhete Pferde hatten.


Inzwiſchen ward Klodius von Fr. Euphroſynen fleiſſig gewartet/ daß er in kurzer
friſt zu Kraͤfften kam/ wiewol er wegen einer Armwunde ſich maͤſſig und im Bette halten
muſte. Weil ſie dann ſahe/ daß er zu reden ſtark gnug wahr/ baht ſie ihn/ ausfuͤhrlich zuer-
zaͤhlen/ durch was Gelegenheit Herr Ladiſla in dieſes Ungluͤk gerahten waͤhre; Welches
er auff ſolches begehren willig leiſtete/ und alſo anhub: Hochaͤdle Frau; nachdem wir mit
unſerm Schiffe/ uͤber welches mein Gn. Herr mich zum Hauptmann geſetzet/ von Herrn
Fabius auff dem Meer geſchiedẽ/ gerieten wir nicht in geringe gefahr zwiſchen den Stein-
klippen/ biß wir endlich mit groſſer Muͤhe und Arbeit in einen Hafen des Landes Epirus
einlieffen/ woſelbſt wir unſer zubrochenes Schiff ausbeſſern lieſſen/ und weiter Sudwerz
gingen/ biß wir einen Hafen/ nicht weit von Patræ erreicheten. Hieſelbſt ſtiegen wir ſelb
zehne und einen aͤdelknaben zu Lande/ und ritten mit einander nach der Stad zu. Es hatte
ſich mein Herr koͤſtlich/ ſeinem Stande nach/ ausgeputzet/ daß ſein Harniſch und Pferde-
ſchmuk von aͤdelſteinen und Golde glaͤnzete/ und ich allernaͤheſt mit dem aͤdelknaben hin-
ter ihm her ritte/ die acht Reuter aber in vier Gliedern etwas von ferne folgeten. Auff ſei-
nem Helme fuͤhrete er einen Adler von lauterm Golde/ deſſen beyde Demanten Augen hel-
le fuͤnkelten/ wann die Sonne darauff ſchien/ uñ in der rechten Klaue einen ſchoͤnen Kranz
hielt. In ſeinem Schilde ſtunden zwo Fackeln/ deren eine fein helle brennete/ und ſich nach
der andern ausgeloͤſcheten lenkete/ dieſelbe wieder anzuzuͤnden/ mit dieſer Umbſchrifft:
Niſi concipies flammam, \& ego extinguar. Das iſt: Wirſtu nicht wieder breñen/ ſo werde ich auch
erloͤſchen. Da wir in die Stad kahmen/ muſten ich und der Leibknabe uns mit ihm in eine
Herberge legen/ die uͤbrigẽ aber ſich in unterſchiedliche andere verteilen/ damit wir unſerm
Vorhaben/ Herrn Herkules auszuforſchen/ deſto beſſer nachſetzen koͤnten. Wiꝛ hatten uns
kaum zur Mahlzeit geſetzet/ da etliche gegenwaͤrtige Griechiſche vom Adel ſich uͤber einen
Roͤmiſchen Geſanten ſehr beſchwereten/ welcher einen freyen Herrn nicht ohn aͤuſſerſte
Beſchimpffung des ganzen Griechiſchen hohen Adels/ als einen Ubeltaͤhteꝛ/ von deſſen ei-
genen Knechten haͤtte niderhauen laſſen/ deſſen Guͤter eingezogen/ und ſein nachgelaſſenes
Weib mit ſich hinweg gefuͤhret/ welches ungerochen nicht bleiben koͤnte/ zumahl der Ge-
toͤdtete durch den ganzẽ Adelſtand befreundet waͤhre. Hievon hatte nun mein Herr durch-
aus nichts vernommen/ fragete deswegen fleiſſig nach/ uñ muht maſſete aus allen Umſtaͤn-
den/ daß Herꝛ Fabius muͤſte gemeynet ſeyn; kunte doch die Urſach ſolcher ſtraͤngen Rache
nicht erfahren/ biß ich des Abends ſpaͤte alles von unſerm Wirte einnam/ welches ich fol-
F f f ijgenden
[412]Anderes Buch.
genden Morgens minem Herrn hinterbrachte/ der mir befahl/ beſſere Kundſchafft einzu-
zihen. Obgedachte vom Adel hatten meinen Herrn in verdacht/ er ſelbſt waͤhreder Roͤmi-
ſche Geſanter; uñ nachdem ſie von dem Leibdiener erforſchet/ dz wir neulich aus Italiẽ mit
einem Schiffe ankom̃en/ zweifelten ſie nit/ ſie haͤtten den rechten Fuchs gefangẽ. Des moꝛ-
gens etwa umb IX Uhr kam unſer Wirt zu mir in den Pferdeſtall/ mit bericht/ es waͤre ein
vornehmer Griechiſcher Herr/ nahmens Perdickas/ wieder ſeine Gewohnheit bey ihm ein-
gekehret/ welcher alsbald nachgefraget/ ob der ſtolze fremde Ritter noch verhanden waͤhre;
und nach bejahung haͤtte er zu den Anweſenden geſagt; wolan! ſo wil ich noch heut mein
Schart außwetzen/ und den Schimpff gebuͤhrlich raͤchen/ nachdem er nicht kan wieder-
bracht werden. Ich bedankte mich ſehr gegen ihn/ wegen der getraͤuen Warnung/ mit ver-
ſprechen/ da er ferner nachforſchen/ und hinterbringen wuͤrde/ was ihr Vorhaben wahre/
ſolte es ihm mit einem anſehnlichen Geſchenke vergolten werden; ging alsbald hin zu
meinem Herren/ und gab ihm von allem Bericht/ auch daß dieſer Perdickas des geſtrig-
gedachten ertoͤdteten Anverwanter/ und ein ſehr Wehrhaffter/ aber auch Großſprechiger
Ritter waͤhre; wobey ich meinen geringen Raht fuͤgete/ man moͤchte noch eine gute anzahl
Kriegsknechte auß dem Schiffe fodern/ deren man ſich auff allen Nohtfal zugebrauchen
haͤtte. Wir zweiffelten nicht/ dieſer Perdickas wuͤrde von den andern aͤdelleuten gefodert
ſeyn; welches doch mein Herr wenig achtete/ auch meinen Raht vor unnoͤhtig hielt/ ohn
daß er ſeine gegenwaͤrtige Reuter/ ihm auffzuwarten/ auß den Herbergen fodern ließ. Er
kleidete ſich praͤchtig/ und da er zum Eſſen ging/ hatte er ſein Schwert an der Seite/ hieß
mich folgen/ und die uͤbrigen/ ohn den Leibknaben/ drauſſen warten biß ihnen etwa geruf-
fen wuͤrde. Perdickas wahr ſchon auff dem Eſſeſaal/ welchen mein Herr mit einem anſehn-
lichen Ernſte gruͤſſete. Kehrete ſich hernach zu dem Wirte/ uñ begehrete/ ihm einen ſchleu-
nigen Bohten außzurichten/ der nach Eliß Schreiben bringen ſolte; welches ihm der
Wirt zubeſtellen verſprach. Es ſtunden zwoͤlff wolgeputzete ſtarke Diener/ die dem Per-
dickas auffwarteten/ und kahmen noch ſieben aͤdelleute zu Tiſche/ welche ihm groſſe Ehr er-
bohten/ und wie der Außgang bezeugete/ von ihm auff das kuͤnfftige Spiel erfodert wah-
ren. Bey wehrender Mahlzeit ging allerhand Geſpraͤch vor/ biß Perdickas ſich mit mei-
nem Herren einließ/ und ihn nach gebehtener Verzeihung fragete/ wie neulich er von Eliß
kommen waͤhre; worauff mein Herr gar beſcheidentlich antwortete/ er kaͤhme nicht von
Eliß/ waͤhre auch niemahls da geweſen; welches dieſen groß Wunder nam; mochte viel-
leicht ihm einbilden/ eꝛ ſcheuhete ſich/ ſolches zubekennen/ und redete mich an/ ſprechend/
da er nicht irrete/ meinete er/ mich gar neulich zu Eliß geſehen haben. Ich antwortete ihm
mit wenigen; es wuͤrde inwendig zwey Jahren nicht geſchehen ſeyn; ſonſt waͤhre ich vor
dieſem da geweſen. Weil er nun ſich zu keinem Irtuhm geſtehen wolte/ blieb er bey ſeinen
funff Augen; er haͤtte neulich einen/ mir gar aͤhnlichen/ bey dem geſehen/ welcher ſich vor
einen Roͤmiſchen Geſanten angeben/ und ſeinen Vetter den loͤblichen Herren Charide-
mus unredlicher Weiſe haͤtte ermorden laſſen/ welches/ ſintemahl es dem ganzen Grie-
chiſchen Adel zum unabwiſchlichen Schimpf und Hohn gereichete/ ungerochen nicht
bleiben koͤnte. Ich dagegen blieb bey meiner erſten Antwort; ich haͤtte in ſo kurzer Friſt
weder die Stad Eliß/ noch einen ſolchen Roͤmiſchen Geſanten geſehen/ der einiger Unred-
ligkeit
[413]Anderes Buch.
ligkeit oder moͤrderiſchen vornehmens koͤnte beſchuldiget werden. Mein Herr mengete
ſich alsbald mit ein/ und ſagte zu ihm: Herꝛ/ ihr moͤget euch wol verſichern/ daß wann die-
ſer mein Ritter und Schiffhaͤuptmann neulich zu Eliß geweſen/ er ſolches weder gegen
euch/ noch jemand anders leugnen ſolte oder wuͤrde. Was ihr ſonſten von unredlicher
Taht eines Roͤmiſchen Geſanten einfuͤhret/ deucht mich nicht wol getahn ſeyn/ daß man
abweſende Herren ſo hoch und ehrenruͤrig beſchuldiget; je doch ſolte ich wiſſen/ daß einigeꝛ
Roͤmiſcher Ritter/ ob er gleich eines Geſanten Amt fuͤhrete/ moͤrderiſch handelte/ wuͤrde
ich zum wenigſten ihn deßwegen zu Rede ſetzen/ da es die Gelegenheit gaͤbe: Es koͤmt aber
zu zetten/ daß ein Geſanter auß Befehl ſeiner Obrigkeit etwas zuverrichten gehalten iſt/
welches nicht jederman kan angenehm ſeyn; bitte demnach/ wo moͤglich/ er wolle in der-
gleichen verhaſſeten Reden ſich maͤſſigen; ich bin auch ein Roͤmiſcher Beamter/ und lief-
fe trauen wieder meine Pflicht/ daß ich Roͤmiſcher Geſanten Schaͤndung unbeantwor-
tet lieſſe/ ehe ſie der Laſter uͤberwieſen ſind; und wann mir ſolches nicht oblaͤge/ wolte ich
kein Wort darzu reden. Perdickas antwortete mit zornigem Angeſichte: Er wolte zwar
Roͤmiſchen Nahmen nicht ſchaͤnden/ als welchen man ja in Griechenland/ welches ehe-
mahls der Welt Haͤupt und Meiſter geweſen/ erkennen muͤſte. Daß er aber hoch ruͤhmen
ſolte/ wann die Roͤmer junge unerfahrne Leute vor Geſanten in fremde Laͤnder ſchicketen/
die ihre eigene Rache unter dem Deckel Roͤmiſcher Gewalt durchtrieben/ und mit dem
hochbefreieten Adel nicht anders/ als mit den ſchlimmeſten Buben und Leibeigenen umb-
gingen/ deſſen haͤtte er wenig Urſach; hoffete auch/ da er ſich an den vermeineten Geſan-
ten raͤchen wuͤrde/ der ſeinen Blutfreund/ einen freien Griechiſchen Herren durch ſeine
eigene Diener haͤtte ermorden/ und deſſen Weib mit allen Guͤtern als einen Raub (alſo
brachten ſiees allemahl vor) hinweg fuͤhren laſſen/ es ſolte zu Rom von den Verſtaͤndigen
mehr gebillichet als getadelt werden. Haͤtte ſein Vetter geſuͤndiget/ welches er doch nicht
wuͤſte/ ſolte man ihn vor dem Griechiſchen Recht angeklaget/ und deſſen Urtel erwartet
haben; die uͤbrige Vermahnung von abweſenden nichts uͤbels zureden/ lieſſe er dahin ge-
ſtellet ſeyn/ und koͤnte man die Ubeltaͤhter nicht allemahl gegenwaͤrtig haben/ wann man
ſich uͤber dieſelben zubeſchweren haͤtte/ vielweniger ſolche Mordtahten ruͤhmen und prei-
ſen/ wolte es auch lieber in des leichtfertigen Moͤrders Gegenwart als Abweſenheit reden/
und an demſelben ein Beyſpiel hinterlaſſen/ daß die Roͤmer hernaͤhſt kluge graue Haͤupter
und nicht frevelmuhtige junge laffen vor Geſanten außſchicketen; doch wie dieſem allen/
waͤhre ſeine Gelegenheit und Weiſe nicht/ nach der Weiber Art zuzanken; er haͤtte mehr
als XVI Jahr Waffen gefuͤhret/ und mannichem hochmuhtigen Ritter die Fauſt lieber als
das Maul gebohten; waͤhre er dann (mein Herr) ein Roͤmiſcher Bedieneter/ ſo waͤhre er
dagegen ein freier Griechiſcher Herr/ daher er ihn mit dergleichen Reden verſchonen
wuͤrde. Mein Herr wahr ſehr ungewohnet/ ſich dergeſtalt uͤber das Maul fahren zulaſſen;
doch maͤſſigete er ſich/ und gab zur Antwort: Ritter/ wie koͤnnet ihr ſolches vor Recht an-
geben/ wann ihr unter dem Vorſaz einer eigentaͤhtlichen Rache/ euch an einen Roͤmiſchen
Geſanten machen wuͤrdet? wiſſet ihr nicht/ daß derſelbe an der Stelle des Roͤmiſchen
Kaͤyſers ſtehet/ und von niemand/ als von ſeinem Oberherren allein kan gerichtet werden?
Oder ſolte ein Roͤmiſcher Geſanter nicht macht haben/ einen und andern nach befindung
F f f iijzu
[414]Anderes Buch.
zu ſtraffen; und ihr woltet euch daß Recht anmaſſen/ einen Geſanten anzugreiffen? Hier-
auff fragete mein Herr die Anweſenden/ ob niemand zugegen/ ihm des Roͤmiſchen Ge-
ſanten Nahmen melden koͤnte; und als einer ſagete/ er lieſſe ſich von den ſeinen Herr Fa-
bius nennen; antwortete mein Herr: Herr Fabius? der iſt trauen ein Roͤmiſcher und ein
redlicher Ritter/ der in ſeiner Jugend ſchon verdienet hat/ daß man ihm zu Rom eine
Ehrenſeule auffgerichtet; und derſelbe ſolte alhie in Griechenland ſich vor einen unred-
lichen Moͤrder und Ubeltaͤhter außſchreihen laſſen? Ritter/ ſagte er zu Perdickas/ ihr muͤſ-
ſet warlich dieſe Beſchuldigung gebuͤhrlich erweiſen/ oder euren Irtuhm bekennen/ ſonſt
wird euch ſolches ungeſtraffet nicht hingehen; ich vor mein Haͤupt bin dieſem Herren ver-
bunden/ mich ſeiner anzunehmen/ nit allein wegen unſer nahen Verwandſchafft/ ſondern
auch/ weil wir ein Amt tragen; ſo ſprechet nun/ ob ihr die auß Unbeſonnenheit außgeſtoſ-
ſene Reden wiederruffen/ oder daruͤber voꝛ Recht ſtehen wollet. Perdickas lief vol Zorn/
und ſagete: Es waͤhre ihm lieb/ da er nicht der Schelmichte Geſanter ſelber/ zum wenig-
ſten noch ſein Freund und Verwanter waͤhre; koͤnte auch gedachten Fabius nicht anders/
als vor einen boßhafftigen und des Ritterſtandes unwirdigen Buben halten/ weil er mit
einem ehrlichen freien Herren ſo graͤulich umbgangen waͤhre. Ey/ ſagete mein Herr/ ſo
halte ich dich vor einen ſolchen Schelmen/ biß du dieſe Boßheit meinem Freunde uͤber-
bringeſt; Und ob ich zwar nach tragendem Ampte dich mit Recht wol vornehmen koͤnte/
auch ſchon Mittel weiß/ dich darzu anzuhalten/ ſo wil ich mich doch vor dißmahl meines
Amptes begeben/ und es mit dir auff die Fauſt wagen; ſage dir deßwegen ab auff Leib und
Leben/ und mache dich nur bald fertig zum redlichen auffrichtigen Streite; maſſen die Goͤt-
ter ſchier werden ſehen laſſen/ ob du im ſchaͤnden/ oder ich im entſchuldigen beſſere Sache
und Faͤuſte haben werden; wil aber hierbey nicht unterlaſſen/ andere zuvermahnen/ daß ſie
ja ſo verwaͤgen nicht ſeyn/ ſich unſers Streites anzunehmen/ dafern ſie nicht dem Roͤmi-
ſchen Kaͤyſer mit Gut und Blut wollen verfallen ſeyn. Hier fing nun Perdickas ſein groß-
ſprechen an/ wie er ſo mannichen beruͤmten Ritter/ in und auſſer Griechenlandes beſtan-
den/ und ihren Hochmuht zu daͤmpffen gnug geweſen; und muͤſte noch erleben/ daß ſo ein
junger Sproͤßling ihn herauß fodern duͤrffte/ welcher vielleicht meinete/ ein Ritter koͤnte
mit zierlichen Kleidern und groſſen Federbuͤſchen zu Bodem gerennet werden. Es waͤh-
re ihm gleichwol lieb/ daß er ſich wolte finden laſſen; von ſeinem tragenden Ampte wuͤ-
ſte er nichts/ ginge ihn auch ſolches nicht an/ ſintemahl er ſich nicht vor einen Roͤmiſchen
Knecht/ ſondern freien Herꝛen zuhalten haͤtte; doch wolte er ihn ſchon verſichern/ daß kein
ander ſich in ihren Streit einmiſchen ſolte/ wañ ſeiner gleich ein halb dutzet waͤhre. Dein
Maul iſt gut/ ſagte mein Herr/ deſſen ich keinen Beweißtuhm mehr begehre/ nur iſt noch
uͤbrig/ daß ich die Faͤuſte und das Herz auch kennen lerne. Ein junger aͤdelman/ gutes
anſehens/ der Ariſton/ ſaß mit uͤber Tiſche/ gedachte dem Perdickas zuliebeln/ uñ baht ihn/
Er moͤchte ſeine ſo mannigfaͤltige Siege durch beſtreitung dieſes jungen Menſchen nicht
ſelbſt beſchimpffen/ ſondern ihn in die Stelle treten laſſen; er verhoffete dieſe geſchwin-
de Außfoderung in eine noch geſchwindere Reue zuverkehren. Ja mein Kerl/ ſagte mein
Herr mit einem Gelaͤchter/ du biſt ſchwerlich derſelbe/ welcher mich mit ſein[e]m Speer
oder Schwerte ſchrecken wird/ wiewol ich dir Streits nicht verſage; du aber Perdickas/
biſtu
[415]Anderes Buch.
biſtu ein redlicher Ritter/ und von ſolchen Tahten/ wie dein Maul ruͤhmet/ wirſt du dich
des Kampffs nicht entbrechen; mir gilt alles gleich/ wer unter euch beyden den Anfang
mache/ da du dann verhoffentlich empfinden wirſt/ daß ich dich mit ſchaͤrfferem Gewehr/
als mit Kleidern und Federbuͤſchen angreiffen werde. Ich redete hierauff mit ein/ und be-
gehrete/ der Ariſton moͤchte mich ſeinen Gegener ſeyn laſſen/ aber er wolte durchaus zuvor
mit meinem Herꝛn einen Verſuch tuhn. Hiemit lieff die ganze Geſelſchafft/ ein jeglicher zu
ſeinen Waffen. Perdickas hatte einen groſſen Anhang/ weil inwendig einer Stunde uͤber
die XX Griechiſche von Adel/ jeder mit drey oder vier Dienern ſich beyſam̃en funden/ des-
wegen ich meinen Herꝛn nochmahls erinnerte/ was Gefahr durch Verraͤhterey entſtehen
koͤnte/ dem annoch zubegegnen waͤhre/ wann man bey der Stad Schuz ſuchete; welches er
aber leider in den Wind ſchlug/ ſich auff Perdickas zuſage verließ/ und uns alle mit reiten
hieß; wiewol er mir geboht/ da uͤber alle Zuverſicht eine Verraͤhterey vorgehenſolte/ mich
loßzuwiꝛken/ und es Herꝛn Fabius zu Elis anzudeuten. Wir macheten uns geſchwinde
nach dem beſtimmeten Platz/ woſelbſt Perdickas ſchon mit LXXX Pferden hielt/ und mei-
nem Herꝛn den Tod ſchwuhr. Es lieff auch eine ſolche Menge Volkes mit hinaus/ daß ſie
den Kaͤmpffern die Bahn einnahmen/ weil ſie ſich uͤbern Hauffen draͤngeten. Mein Herꝛ
redete ihnen freundlich zu/ ſie moͤchten etwas zuruͤk treten/ und den Kaͤmpffern nicht hin-
derlich ſeyn; und dauchte mich/ wie der Großſprecher mit ſeinem Gefechte zeigete/ wie ers
mit meinem Herꝛn anfahen wolte. Ariſton hielt ſich zum erſten Angriff fertig/ wiewol ich
zu ihnen reiten/ uñ ſie fragen muſte/ wie ſie es ferner begehreten/ moͤchten ſie ihn wiſſen laſ-
ſen; da mir Perdickas zur Antwort gab: Weil dein frevelmuͤhtiger Herꝛ ſo ſchleunig zum
Tode eilet/ wollen wir ihm nicht unbarmherzig ſeyn/ noch wieder ſeinen Willen ihm das
Leben verlaͤngeren. Ich wiederſprach kurz ſeiner Schaͤndung/ und erinnerte ihn/ wie naͤr-
riſch es waͤhre/ ihm das Spiel und den Gewin zuzueignen/ da die Wuͤrffel noch auff dem
Tiſche laͤgen. Inzwiſchen winkete Ariſton mit dem Speer/ und legete ein/ aber ihm ward
der geſtalt begegnet/ daß da ſie traffen/ dieſer durch uñ durch gerennet ward/ daß er tod uͤber
ſein Pferd hinunter fiel. Ich ſahe eigentlich/ daß Perdickas ſich uͤber dieſen Fall entſetzete;
ließ doch ſeinen Muht nicht ſincken/ ſondern wie er ein ſtreitbahrer und bedachtſamer Rit-
ter wahr/ daß man meinete/ er haͤtte in Griechenland kaum ſeines gleichen/ alſo begegnete
er meinem Herꝛn mit gutem Herzen/ gingen auffeinander wie die Loͤuen/ und traffen zu
beyden ſeiten/ daß ſie der Stoͤſſe wol empfunden/ welches zwar ohn Wunden abging/ aber
der Fall doch Perdickas ſehr nahe wahr/ daß er ſich an ſeines Pferdes Maͤhne halten mu-
ſte. Mein Herꝛ wahr auff ſich ſelbſt ungehalten/ daß er ſeinen Feind nicht herunter geworf-
fen/ und gedachte den andern Rit beſſer anzulegen; deſſen aber jener nicht erwarten wolte/
ſondern nam das Schwert zur Fauſt/ und ſetzete damit auff meinen Herꝛn an/ welcher mit
gleichem Gewehr und Begierde ihm entgegen ſprengete/ da ſie dann ihr Gefechte eine gu-
te Zeit ganz ernſtlich trieben/ daß alle Zuſeher ſich verwunderten/ wie ſie ſo hefftige Strei-
che aushalten kunten/ biß es meinem Herꝛn geriet/ daß er ihm hinter den Schild kam/ und
in den linken Arm eine zimliche Wunde ſchlug/ wiewol der Streit damit noch kein Loch
gewan/ ſondern ſie triebens ſo lange/ daß beydes die Kaͤmpfer und ihre Pferde mat wurdẽ/
ſo daß dieſe nach ihrer Reuter Willen ſich nicht mehr lenken kunten; aber Zagheit ließ ſich
bey
[416]Anderes Buch.
bey ihnen nicht merken/ ſondern ſchlugen immer kraͤfftiger auffeinander/ daß mein Herꝛ
endlich ſagete: Mich jammert dein/ daß du in ſo unredlicher Sache dich ſchaͤnden/ und
dein Leben verlieren muſt. Perdickas antwortete: Du haſt mich ja noch nicht uͤberwun-
den/ ob ich gleich bekennen muß/ daß mir deines gleichen noch nicht auffgeſtoſſen iſt. Gut/
ſagete mein Herꝛ; alſo wirſtu meiner kein halb dutzet begehren. Das ſchlagen ging von
neuen wieder an/ und bekam Perdickas etliche Wunden/ da ihn mein Herꝛ vermahnete/ er
ſolte einen wiederruf tuhn/ und die Herꝛn Fabius angelegete Unbilligkeit erkennen/ alsdann
wolte er ihn ferneres Streits entheben. Dieſer wahr des nicht willens/ ſondern durffte
noch wol draͤuen/ mein Herꝛ ſolte und muͤſte von ſeinen Haͤnden ſterben; fuͤhrete auch ei-
nen ſo kraͤfftigen hieb/ daß wañ er ihn getroffen/ es ohn ſchaden nicht wuͤrde abgangen ſeyn.
Er ſchlug aber zukurz/ und traff meines Herꝛn Pferd zwiſchen die Ohren/ daß es alsbald
fluͤrzete/ und ſein Reuter muͤhe hatte/ ohn fallen abzuſteigen. Hier fing nun Perdickas an/
ihm Sieges-Hoffnung zumachen/ und wolte meinen Herꝛn uͤberreñen/ aber er trat ihm zu
Fuß entgegẽ/ hieb ſeinem Pferde die vorder Schenkel enzwey daß es fiel/ und ſein Reuter
darunter zuliegen kam. Darauff trat er zu ihm und ſagete; Nun iſt dein Leben in meiner
Gewalt/ aber daß du meine Redligkeit erkenneſt/ wil ich dich nicht angreiffen/ biß du auff
den Fuͤſſen ſteheſt/ und dich deines Schwerts gebrauchen kanſt. Perdickas ſtellete ſich als
hoͤrete ers nicht/ da mein Herꝛ ihn doch loß reiſſen half/ daß die Zuſeher meineten/ ſie wuͤr-
den verglichen ſeyn; abeꝛ da ging das Spiel erſt zu Fuſſe an/ wiewol man klaͤrlich ſahe/ daß
mein Herꝛ Gewinner ſeyn wuͤrde/ weil er faſt keinen hieb taht/ daß nicht das klare Blut
darauff folgete. Jener fuͤhlete/ daß er ſeinen Meiſter bekommen hatte/ und mochte ihm wol
leid ſeyn/ daß auff voriges anerbieten er ſich nicht bequemet; ſchande halber aber wolte er
ſich keiner Furcht merken laſſen/ wie ſchwer ihm auch fiel/ die gedoppelten Streiche auszu-
nehmen. Meinen Herꝛn verdroß auch nicht wenig/ daß er ſich nicht demuͤhtigen und uͤm̃
Erlaſſung anhalten wolte/ ſchlug deswegen immer fort auff ihn zu/ biß er ſahe/ daß ihm die
Krafft entging/ uñ er den Schild fallen ließ; worauff er zu ihm ſagete: Perdickas/ gereuet
dich dein Frevel noch nicht? Erklaͤre meinen Freund Fabius vor redlich/ ſo wil ich dem
Kampf die Endſchafft geben. Dieſer antwortete mit ſchwacher Stimme: Ein redlicher
Ritter leidet lieber den Tod als Schimpff. Mein Herꝛ wahr nicht deſtoweniger willens/
ihm das Leben zuſchenken; er ſahe aber/ daß ein groſſer Auffſtand ward/ und Perdickas Ge-
ſelſchafft zu ihm eindrang/ daher faſſete er das Schwert/ und richtete ihn mit einem Strei-
che zubodem. Die Urſach dieſes Aufflaufs wahr des ertoͤdteten Ariſtons Vater/ welcher
ohngefehr auff ſeiner Gutſche daher gefahren kam/ vielleicht/ daß er dem Kampf zuſehen
wolte; dieſer da er vernam/ daß ſein Sohn tod wahr/ gehub er ſich als ein verzweifelter
menſch/ raufte ſein Haar und Bart aus/ und ſtellete ſich ſo jaͤmmerlich/ daß alle anweſen-
de zum mitleiden bewaͤget wurden. O ich armer abgelebter Man/ rief er/ habe ich dich zu
dem Ende in meinem Alter gezeuget und von den Goͤttern erbehten/ daß du mir ſo unſelig
muſt ermordet werden/ gleich da du mein Stab und Troſt ſein ſolteſt/ und ich ſchier freu-
de an dir zuerleben hoffete? O daß ich vor dich haͤtte ſterben ſollen/ und du nach mir uͤber-
blieben waͤhreſt/ dañ alle meine hofnung iſt verſchwunden/ alle meine freude iſt dahin. O
mein Sohn Ariſton! O Ariſton mein Sohn mein Sohn! nachgehens kehrte er ſich zu Per-
dickas
[417]Anderes Buch.
dickas Geſelſchaft und rieff/ jhr meine liebe Herren und verwanten/ erbarmet euch meines
elendes; laſſet euch meinen Unfal zu herzen gehen/ und goͤnnet mir die Rache wieder dieſen
ſchaͤndlichen Moͤrder. Hiemit brachte er ſie auff/ daß ſie ihre Pferde anſporneten/ und auff
meinen Herꝛn einmuͤhtig zuſtuͤrmeten. Ich und die uͤbrigen meines Herꝛn Diener/ ſahen
dieſen Anfall/ gleich da Perdickas nidergehauen ward/ wolten ihn deswegen in dieſer Noht
nicht ſtecken laſſen/ ſprengeten hinzu/ und ließ ich meinen Herꝛn/ wie billich wahr/ auf mein
Pferd ſitzen/ welcher ungeachtet aller gehabten Arbeit/ rechtſchaffen uͤm ſich hieb/ und den
erſten/ der auff ihn zuritte/ ſtuͤrzen machete/ deſſen Pferd mir ſehr wol zuſtatten kam/ und
miſcheten wir uns dermaſſen unter ſie/ daß in die XX Mann an ihrer ſeiten erlegt wurden/
hingegen aber alle unſere Leute darauff gingen. Noch wolte mein Herꝛ ſich nicht ergeben/
biß ein ſchlimmer Schelm ihm das Pferd erſtach/ daß es mit ihm ſtuͤrzete/ da ich alsbald
ruffen hoͤrete/ nicht ſchlaget ihn tod/ ſondern nehmet ihn gefangen/ er muß viel eines ſchnoͤ-
dern Todes ſterben. Ich ſaß noch zu Pferde/ wiewol ich alle meine Wunden ſchon hinweg
hatte/ und wahr anfangs willens/ mein Leben daſelbſt auch zulaſſen; weil ich aber meinen
Herꝛn lebendig gefangen ſahe/ und mir ſein voriger Befehl zu gutem Gluͤk einfiel/ reiß ich
Spornſtreichs aus/ und kehrete mich des Weges nach Elis. Sie ſchicketen mir drey Die-
neꝛ nach/ mich nideꝛzuhauen/ abeꝛ weil mirs gluͤckete/ daß ich eines nach dem andern maͤch-
tig ward/ legte ich ihrer zween nider/ daß der dritte ſeiner Haut fuͤrchtend/ davon rennete.
Ich/ meiner Wunden ungeachtet/ hoͤrete nicht auff zureiten/ biß ich zu Elis anlangete/ da
ich ſchmerzlich vernam/ Herꝛ Fabius waͤhre nach Korinth gereiſet/ labete mich daſelbſt mit
wenig Speiſe uñ Trank/ ließ meine Wunden verbinden/ uñ kaufte vor einen ſchoͤnen Ring
ein ausgeruhetes Pferd/ welches mich zwar heꝛgetragẽ/ aber wie ich in Herꝛ Herkules Heꝛ-
berge abſtieg/ alsbald niderfiel und die Seele ausbließ. Fr. Euphroſyne hoͤrete dieſer Er-
zaͤhlung fleiſſig zu/ und ſagte: Mein geliebter Herꝛ und Freund/ ihr habt mir einen ſehr her-
ben Streit erzaͤhlet/ welchen ich ſehr fuͤrchte/ noch nicht geendiget ſeyn/ ſondern werde von
Herꝛ Herkules erſt recht fortgeſetzet werden; nur dieſes iſt mir leyd/ daß faſt alle dieſe aͤdel-
leute in meine Verwandſchafft gehoͤren; iedoch/ wer unbillich handelt/ der erwarte auch
der Straffe; Gott rette nur die Unſchuldigen/ und behuͤte meine geliebete Waſe vor Un-
gluͤk; ſchied hierauff von ihm/ uñ hieß ihn die Ruhe nehmẽ/ weil es ſchon zimlich ſpaͤte wahꝛ.


Valikules reiſete inzwiſchen mit ſeiner Geſelſchafft friſch fort/ nahmen die unwegſameſte
Bahn/ daß ſie nicht ausgeſpuͤret wuͤrden/ und ſeumeten ſich nicht/ biß ſie bey Patræ an-
langeten/ da die Reuter und Schiffknechte ſich in dem Walde verſtecken muſten. Eꝛ ritte
mit Markus uñ Gallus in die Stad/ fragete nach der Herberge/ in welcher deꝛ Roͤmiſche
Ritter gelegen/ uud forſchete daſelbſt nach allerhand Zeitung; erfuhr auch/ daß der Roͤmi-
ſche des naͤhſtfolgenden Morgens mit dem Schwerte gerichtet/ und Kleanders Gemahl
lebendig verbrennet werden ſolte/ weil man ihr Schuld gaͤbe/ daß ſie ihren Alten haͤtte er-
morden/ uñ mit dem fremden davon lauffen wollen. Dieſer Zeitung erſchrak er zwar ſehr/
und freuete ſich doch/ daß er noch lebete/ ſetzete auff Gott allen Troſt/ und forſchete/ wo des
Roͤmiſchen Herꝛn ſein Schiff blieben waͤhre; vernam abeꝛ/ daß weil ſie gewarnet worden/
ſich vorzuſehen/ haͤtten ſie ſich nach einem andern Hafen gemacht. Markus und Gallus
muſten Speiſe kaͤuffen/ als viel ſie auff ihren Pferden fortſchlep pen kunten/ damit die Voͤl-
G g gker
[418]Anderes Buch.
ker gelabet wuͤrden/ deren faſt die Helffte vergeſſen hatte Speiſe mitzunehmen. Valiku-
les aber kauffte vier Trometen/ nam ſie vor ſich auffs Pferd/ und folgete der Geſelſchaft.
Auff dem Wege begegnete ihm ein Baur/ welchen er fragete/ ob ihm Kleanders Schloß
bekand waͤhre/ und als er ſolches bejahete/ gab er ihm die Trometen zutragen/ deſſen er ihn
lohnen wolte. So bald ſeine Leute geſſen hatten/ hieß er ſie Ruhe nehmen/ und erfuhr von
dem Bauren/ was geſtalt folgendes Tages das Gericht zwiſchen IX und X uhr ſolte ge-
halten werden/ welches er daher wuͤſte/ weil er Kleanders Untertahn/ und das Holz gefuͤh-
ret haͤtte/ worauff ſein junges ſchoͤnes Weib ſolte verbrennet werden. Weil er nun bey dem
Bauren ein groſſes Mitleiden wegen der Frauẽ vernam/ ſagete er zu ihm: Guter Freund/
ich bin der guten Frauen naher Verwanter/ und komme/ ſie von dem Feur zuerloͤſen; haſt
du nun mit dem unſchuldigen Blute Mitleiden/ ſo gib mir Anleitung/ wo wir uns in der
naͤhe am beſten verbergen/ und ihr zu rechter Zeit helffen moͤgen; ſihe ich verſpreche dir bey
meinen Ehren/ daß dir der beſte Meierhoff in dieſer ganzen Herrſchafft davor ſol Erb-uñ
eigen geſchenket werden. Der Baur gelobete mit teuren Schwuͤren/ getraͤu zu ſeyn/ und
ſie an ſolchen Ort zufuͤhren/ da man ihrer nicht wahr nehmen ſolte/ biß ſie nur noch wenig
Schritte zu ihnen haͤtten. Er dankete ihm vor dieſes Erbieten/ und ſchenkete ihm X Kro-
nen/ ließ ihn aber doch binden/ und ſagete: Er muͤſte ſolches nicht vor uͤbel nehmen/ weil er
ſich ſein recht verſichern muͤſte; deſſen er dann wol zufrieden wahr. Nach Mitternacht
brachen ſie auff/ und lieſſen ſich an den beſtimten Ort fuͤhren/ woſelbſt das Gericht ſolte ge-
halten werden; da Valikules ſein andaͤchtiges Gebeht zu GOtt hielt/ und alle ſeine Leute
ſich auffs beſte wapnen hieß/ verſprach auch einem jeden Soldaten und Schiffknecht in
Korinth 40 Kronen zuerlegen/ dafern ſie ihm friſch folgen/ und den gefangenen Roͤmiſchẽ
Geſanten zuerledigen fleiß anwenden wuͤrden; welches ſie alle angelobeten. Hierauf laſe
er viere von ihnen aus/ denen gab er die Trometen/ behielt deren drey bey dem Volke/ wel-
che er in ſo viel Hauffen ſetzete/ den vierden aber ließ er allein/ zulezt einen falſchen Laͤrm zu
machen. Die beſtimmete Zeit des Gerichts kam herzu/ und ſahen ſie alsbald darauf zween
Gefangene an Stricken daher leiten/ welche mit ohngefehr 50 bewehreten Bauren umb-
geben wahren. Ihnen folgeten bey XXX Reuter/ deren nur IV gewapnet/ dann es wahren
aͤdelleute/ welche kommen wahren/ nicht zufechten/ ſondern dem Gerichte zuzuſehẽ. Der al-
te Kleander ließ ſich in einer Trauer Gutſche nachfuͤhren/ vor dem ſeines Sohns Leichnam
in einem Sarge hergetragen ward/ welchem Ladiſla als ein Opffer ſolte abgeſchlachtet
werden. Als Herkules ſeinen lieben Freund ſo ſchaͤndlich gebunden/ uñ von den Henkers-
Buben geſchleppet werden ſahe/ meynete er/ das Herz wuͤrde ihm vor Mitleiden und Zoꝛn
berſten/ und wahr doch noch zu fruͤh loßzubrechen/ biß der Kreiß geſchloſſen wahr/ und die
verurteileten hinein gefuͤhret wurden. Die elende Frau rief ſtets umb Gnade und Barm-
herzigkeit/ und beteurete ihre Unſchuld/ aber alles umſonſt und vergebens. Ladiſla wahr
viel zu großmuͤhtig/ ſeinen Feind zubitten/ ſondern als er ſahe/ dz es anders nicht ſeyn wol-
te/ ergab er ſich dem Tode geherzt/ und ſagete: Nun mein Herkules/ die Goͤtter erhalten
dich; Du verleureſt aber anjezt deinen getraͤueſten Bruder/ deſſen Tod du ſonder zweiffel
nicht ungerochen laſſen wirſt. Gleich da er dieſe Wort redete/ ging Valikules mit fuͤnff
geharniſchten und IX gepanzerten loß wie ein Sturm/ und muſte der eine tapffer blaſen/
fiel
[419]Anderes Buch.
fiel mit einem hefftigen Geſchrey an/ und ſetzete unter die gewapnetẽ Bauren hinein/ ſchlug
und hieb umb ſich als ob er unſinnig waͤhre/ daß hier ein Arm/ dort ein Kopff hinflohe/ rief
ihnen auch zu: ſie waͤhren alle des Todes/ dafern den Gefangenen einiges Leid wiederfuͤh-
re. So bald ſein Trometer auffhoͤrete zublaſen (dann alſo wahr es abgeredet) brach Mar-
kus an einer Seite ein/ mit dꝛey Geharniſchten und ſo viel Gepanzerten; Gallus aber mit
zween Geharniſchten und vier Gepanzerten zur andern Seite/ und lieſſen ihre Trometen
auchfriſch hoͤren/ da es dann an allen dreyen Orten weidlich uͤber die armen erſchrockenen
Bauren ging. Kleanders vier Geharniſchte wolten den ihren Beyſtand leiſten/ aber Va-
likules ſchikte ihnen ſeine fuͤnff Geharniſchte entgegen/ welche ihnen redlich Stand hieltẽ/
und in kurzer Zeit deren zween niderſchlugen die andern beyden aber hart verwundeten.
Unſere andere drey Hauffen drungen als in die Wette durch hin zu den Gefangenen/ und
wahr der Henker ſo verſtokt/ daß er/ deſſen alles ungeachtet/ ſein Amt an Ladiſla volſtrecken
wolte/ hatte auch ſchon das Schwert gezukt/ ihn niderzuhauen; aber Valikules wahr ihm
zur rechter Zeit auff der Haube/ und ſchlug ihn mit einem Streich den Arm hinweg/ damit
er das Schwert gefaſſet hatte. Markus draͤngete mit herzu/ ſprang von ſeinem Pferde/
ſchnitte die Bande von ſeines Herrn Armen hinweg/ ſetzete ihm eines erſchlagenen Bau-
ren Sturmhaube auff/ gab ihm das Henker-Schwert und ſeinen eigenen Schild/ und ſa-
gete: Geſchwinde mein Herr/ und ſetzet euch auf mein Pferd. Ladiſla dankete ihm ſehr/ ſtieg
auf/ und miſchete ſich mit in den Streit/ da Markus ſich auff eines Schiffknechtes Pferd
machte/ deren etliche abgeſtiegen waren/ uñ zu fuſſe die Bauren mit ihren groſſen Schwer-
tern in die Pfanne hieben. Das arme Weibichen wahr in den groͤſſeſten aͤngſten/ und noch
unter Buͤttels Haͤnden/ welcher ſie ſchon gefaſſet hatte/ lebendig ins Feur zuwerffen; doch
kam ihr Valikules zu rechter Zeit zu Huͤlffe/ ſchlug die Schergen nider/ und nam ſie vor
ſich auf ſein Pferd/ ſetzete auch mitten durch die Bauren/ welche ſich ſchon nach der Flucht
umſahen/ und legte ſie gebunden unter einen Baum nider/ gleich da der lezte Trometer an-
fing im Walde zu blaſen/ welchen Valikules zu ſich nahm/ und mit ihm auffs neue anfiel/
da ſchon die Unordnung unter den Bauren ſo groß wahr/ daß ſie ſich nicht wieder ſetzen
kunten. Der alte Kleander hatte ſich dieſes hefftigen uͤberfalls nicht verſehen/ ſahe die klei-
nen Haͤuflein der unſern/ und rieff den ſeinen zu/ nur geherzt zu ſeyn/ was ſie ſich von einer
Hand voll Volckes treiben lieſſen? aber es waͤhrete nicht lange/ da merkete er/ dz ſchon der
groͤſte Teil der Bauren geſtrecket lagen. Ladiſla ſetzete mit Markus und Gallus unter die
geputzeten aͤdelleute/ deren ſie achte niderhieben/ ehe die algemeine Flucht anging/ welche
dann nicht lange anſtund/ maſſen als Valikules wieder kam/ ſamlete er die Geharniſchten
umb ſich/ ſetzete damit unter die Bauren/ da ſie noch ſtand hielten/ und wirkete ſo wol/ daß
ſie alle ihr Gewehr von ſich worffen/ und ſich unter die groſſe Menge der Zuſeher verſtecke-
ten/ deren uͤber die 50 von den Pferden zutreten und ſonſt hart verwundet wurden/ der be-
wehreten Bauren aber 38 mit der Haut bezahleten. Kleander ſahe/ daß alles verlohren
wahr/ und wolte ſich durch die Flucht davon machen/ hieß auch ſchon ſeinen Gutſcheꝛ aus-
reiſſen; aber Ladiſla kam ihm gerade entgegen/ ſtieß dem Gutſcher das Schwert durch den
Leib/ faſſete den Alten beym Arme/ und zohe ihn vor ſich auff ſein Pferd/ zu ihm ſagend: Du
graͤulicher Bluthund und Erzſchaͤndigter Wuͤterich/ jezt werde ich deiner teufliſchen boß-
G g g ijheit
[420]Anderes Buch.
heit ein Ende machen/ wiewol ich keine Straffe ſehe/ welche derſelben gnug waͤhre. Dieſer
ſperrete und ſtraͤubete ſich ſehr vor ihm auff dem Pferde/ fing an umb Gnade zubitten/ und
daß er ſich mit viel tauſend Kronen loͤſen wolte. Aber ſein Verbrechen wahr zu groß/ und
Ladiſ[i]aen Zorn zu hefftig/ welcher ihn zu dem lohebrennenden Feur hinfuͤhrete/ und ihn da
hinein warff/ da er mit erſchreklichem bruͤllen und langwieriger Pein endlich ſeinen Geiſt
auffgab. Unterdeſſen hatten Markus und Gallus ſamt ihren Gehuͤlffen die aͤdelleute in ein
Gedraͤnge getrieben/ welche auff Ladiſlaen Ankunfft umb Gnade ſchrihen/ deꝛ ihnen ſtuͤnd-
lich von ihren Pferden zuſteigen befahl/ ließ ſie mit ihren Zaͤumen binden/ uñ fragete nach/
wer unter ihnen der ſchelmiſchen Verraͤhterey beygewohnet haͤtte/ da er ſo moͤrdlich uͤber-
fallen waͤhre? Deren funden ſich nun noch neune in dieſer Geſelſchaft/ und wurden ohn
weitere Urtel alsbald nidergehauen; die uͤbrigen dreyzehn aber/ biß zu weiterer Verord-
nung gefangen behalten. So bald Valikules ſahe/ daß die Gefahr vorbey war/ ritte er mit
Gallus hin zu der annoch gebundenen Frauen/ ſtieg vom Pferde und loͤſete ihr die Bande
auf; oͤfnete auch ſeinen Helm/ daß ſie ihn unter dem Geſichte ſehen kunte/ und ſagete zu ihꝛ:
Hochwerte Freundin/ ich bedanke mich gegen euch hoͤchlich/ daß ihr euch/ wie ich merke/
des Gefangenen nach Vermoͤgen angenommen. So gehet nun hin/ und ſaget ihm: Ein
unbekanter Freund/ den er ſein lebelang nie geſehen/ aber wol von ihm mag gehoͤret haben/
laſſe ihn erinnern/ ſich von Vergieſſung des unſchuldigen Blutes zuenthalten/ und daß ich
umb Verzeihung bitte/ wegen meines ſchleunigen Abſcheides; dann ich werde auf ein an-
dermahl mich ihm ſchon offenbahren. Die gute Frau fiel ihm zun Fuͤſſen/ und baht fleiſſig/
mit ihr auff das Schloß zu reiten; Er aber kehrete ſich ferner nichts an ſie/ ſtieg wieder zu
Pferde/ und rennete mit Gallus Spornſtreichs davon/ hoͤreten auch nicht auff zueilen/ biß
ſie zu Korinth bey Fr. Euphroſynen anlangeten. Ladiſla wuſte noch nit/ was vor Leute ihn
gerettet hattẽ/ wiewol er nit anders meynete/ es waͤren Herkules uñ Fabius; ſo hatte Mar-
kus bißher ſeinen Helm noch nit auffgeſchlagen/ ſondern nach Vollendung dieſes Streits/
ſtieg er ab vom Pferde/ taht ſeinẽ Helm hinweg/ uñ nachdem eꝛ ihm die Hand gekuͤſſet hatte/
ſagte er: Gn. Herr/ heut habe ich den Tag meiner hoͤchſtẽ Gluͤkſeligkeit erlebet/ indem Eureꝛ
Gn. angenehme dienſte zuerzeigẽ ich gelegenheit gehabt. Ja mein lieber Markus/ antwor-
tete er; du haͤtteſt auch kein Augenblik laͤnger außbleibẽ duͤꝛffen/ da mein Leben ſolte gerettet
ſeyn/ wirſt dich auch zuverſichern haben/ daß ich dir Zeit meines Lebens ſolches genieſſen
laſſen werde. Aber wo iſt mein Herkules/ welcher durch ſeine Faͤuſte faſt uͤbermenſchliche
Tahten gewirket hat? Von Herren Herkules/ ſagte Markus/ iſt mir nichts bewuſt; dieſer
grefliche Held aber muß ja euer Gn. durch ſonderliche ſchickung Gottes zugeſand ſeyn/
wie gleichergeſtalt auch mir vor wenig Tagen/ wovon zur beſſern Gelegenheit wird zu re-
den ſeyn. In dem ſahe Ladiſla die elende Frau dorther treten/ noch ſo voller Angſt/ daß alle
ihre Gliedmaſſen zitterten/ hub ſie vor ſich auff ſein Pferd/ und nam ſie freundlich mit ei-
nem Kuß in die Arme/ zu ihr ſagend: Herzgeliebete Freundin als Schweſter/ die Goͤtter
haben unſere Unſchuld angeſehen/ und nicht zugeben koͤnnen/ daß wir als Ehebrecher und
Moͤrder verderben ſolten; gebet euch demnach zufrieden/ weil der alte Bluthund ſein Le-
ben in eben demſelben Feur ſchon geendet hat/ welches er euch hatte anzuͤnden laſſen; fuͤh-
rete ſie damit nach der Gutſche/ und ſetzete ſie dahinein. Markus hatte ſeine Krieges- und
Schiff-
[421]Anderes Buch.
Schiffleute auch geſamlet/ deren nur drey verwundet und kein einziger Tod wahr/ und
nachdem Ladiſla ſich einer Verraͤhterey und neuen uͤberfalles von dem umher wohnen-
den Adel beſorgete/ ließ er die Gefangenen nach dem Schloſſe fuͤhren/ und machete ſich
mit den ſeinen ungeſeumet dahin/ ließ alle Tohre biß auff eines/ verſperren/ und muſten
Markus Leute daſſelbe beſetzen. Er wahr voller Gedanken/ wer dieſer ſeyn Erretter ſeyn
moͤchte/ uñ waꝛumb derſelbe ſo ſchleunig davon geritten waͤhre/ ſagte auch zu Markus; hat
dir irgend mein Herkules verbohten/ daß du ihn nicht melden ſolleſt/ ſo ſage mirs nur/ ich
wil ihm wieder ſeinen willen nicht folgen. Mein Herr/ antwortete ihm Fr. Agatha: Es
iſt dieſer treffliche Held zu mir kommen/ nachdem er mich ſchon zuvor erlediget hatte/ hat
mir die Bande ſelbſt auffgeloͤſet/ uñ mir befohlen/ ihm ſein Begehren anzumelden; brach-
te hiemit vor/ was er ihr unter dem Baum geſagt hatte. Ey meine Freundin/ ſagte er/
wie wahr er doch Geſtalt? Er iſt/ ſagte ſie/ braunlich von Haͤnden/ Haar/ und Angeſicht/
aber gar lieblich/ ſo daß ich ihn vor einen halte/ der auß den Aſiatiſchen Morgenlaͤndern/
entſproſſen iſt. Weil ſie dieſes erzaͤhlete/ ließ ſich ein Schiffknecht angeben/ und brachte
vor/ der unbekante Ritter haͤtte bey ſeinem Abzuge ihn zu ſich geruffen/ und anfangs ange-
zeiget/ wo ſie das von ihm verſprochene Geld empfangen ſolten; hernach befohlen/ Herꝛen
Ladiſla zuvermelden/ wie er aus ſonderlicher Gewogenheit/ durch himliſche Anreizung ihn
entſetzet/ und moͤchte er durch unzeitige Nachforſchung ihm keine vergebliche Muͤhe ma-
chen/ weil unmoͤglich waͤhre/ daß er ihn wuͤrde antreffen koͤnnen/ biß ihm ſelbſt geliebete
ſich zumelden. O ihr Goͤtter/ fagete er darauff; muß ich dann meinen Retter nicht keñen/
dem ich Leib und Leben ſchuldig bin? Kehrete ſich hernach zu Markus/ und fragete/ wie er
in ſeine Geſelſchafft kommen waͤhre. Worauff er antwortete; es iſt dieſer Held mit ſeinem
Diener/ einem anſehnlichen guten Ritter in Korinth zu mir kommen/ woſelbſt er ſieben
Ritter/ welche mir und Charidemus Wittiben mit falſchem Luͤgenmaul ungebuͤhrliche
Sachen nachredeten/ nacheinander in einem Kampf erleget; und als zween Tage hernach
euer Gn. Gefaͤngnis ich von Klodius berichtet worden/ hat er ſich bey mir angemeldet (wie
heimlich er ſonſt nach gehaltenem Kampff ſich vor mir hielt); eꝛ haͤtte vernommen daß ich
nach der Stad Patræ zu reiſen willens waͤhre; weil dann fein Weg auch dahin fiele/ ſuch-
te er gute Geſelſchafft umb Sicherheit willen. Als er nun mein Vorhaben vernam/ ei-
nem unſchuldig gefangenen Herren nach vermoͤgen Rettung zuleiſten/ erboht er ſich frei-
willig/ nicht von mir zu ſcheiden/ biß mein Vorſaz zum gewuͤnſchten Ende außgefuͤhret
waͤhre/ weil er/ wie er ſagete/ Herren Ladiſla wol kennete/ derſelbe aber ihn nicht. Er hielt
ſich bey uns/ als waͤhre er unſer Obriſter geweſen/ und bekenne ich meinesteils/ dz ich ihm
gerne gehorchet habe; maſſen er alle Dinge kluͤglich anordente/ dz ich mich ſein nicht gnug
verwundern kunte; inſonderheit mit den Trometen/ wahr ſein angeben/ welches uns wol
geholffen und die Feinde erſchrecket hat. Die naͤhſt vergangene Nacht muſten wir alle
ruhen/ aber in ſeine Augen kam kein Schlaff/ ſondern ging und ſinnete/ wie er ſein Vorha-
ben recht anfahen wolte/ wozu er ſich eines Baurẽ rahts gebrauchete/ dẽ er ohngefehr hat-
te angetroffen. Nun ihr Goͤtter/ ſagte Ladiſla/ euch ſage ich voraus Dank vor meine Erle-
digung/ und wuͤnſche zugleich/ daß ich dieſes Freundes Kundſchafft erhalten moͤge/ mit
dem ich alles mein Vermoͤgen und Haabſeligkeit gerne teilen wolte/ ſonſt werde ich nicht
G g g iijkoͤnnen
[422]Anderes Buch.
koͤnnen von Herzen froͤlich ſeyn. Wer hat dir aber meinen Unfal zu Korinth ſo ſchleunig
kund getahn? wie ich ſchon gemeldet habe/ ſagte er/ der hartverwundete Klodius/ der an-
noch in groſſer Schwacheit zu Korinth danider lieget. Erzaͤhlete hernach/ wie es Fabius
und ihm ergangen/ und was Geſtalt ihm Gott ſo groſſes Gluͤk zugefuͤget/ uñ eine Tugend-
reiche wolbeguͤterte Bꝛaut beſcheret haͤtte. Ladiſla erfreuete ſich deſſen/ und ſagete zu ihm:
Es waͤhre ihm lieb/ daß er ſein anteil ſchon funden/ ſonſt wolte er ihm die heut errettete zu
gefreiet haben; wovor er ſich untertaͤhnigſt bedankete/ und ihn baht/ ſeines getraͤuen Die-
ners Klodius eingedenke zu ſeyn; welches er ihm verhieß. Die Frau kam gleich wiedeꝛ
darzu gangen/ und hielt bey Markus an/ ihr zuverzeihen/ daß vor die geſchehene Erloͤſung
ſie ihm noch nicht gedanket. Er aber gruͤſſete ſie von wegen ihrer Fr. Waſen/ und befahl
ſich ihrer guten Freundſchafft und Gewogenheit/ der Hoffnung gelebend/ daß er noch ver-
traulichere Kundſchafft mit ihr zu machen/ Gelegenheit haben wuͤrde. Bald fragete ſie
ihn/ ob er vielleicht ihrer Waſen Fr. Euphroſynen Liebſter waͤhre; und da er ſolches be-
kennete/ erboht ſie ſich/ mit ihm nach Korinth zuzihen/ und ihre vertrauete Freundin zube-
ſuchen. Der Baur welcher dieſe Nacht bey Valikules geweſen/ trat hin zu Markus/ und
baht/ der geſtrigen Zuſage eingedenk zu ſeyn; es waͤhren unter den Erſchlagenen Bauren
unterſchiedliche/ welche groſſe Meierhoͤfe hinterlaſſen/ inſonderheit einer/ der weder Weib
noch Kind haͤtte/ und ſein Gut gar loßgeſtorben waͤhre. Markus erzaͤhlete dieſes Mañes
Fleiß und Traͤue/ wovor ihm nicht allein der begehrete Hoff mit allem vieh und zubehoͤr/
ſondern ſeinen vier Soͤhnen und fuͤnf Toͤchtern ſo viel Guͤter der Erſchlagenen Bauren
zugewendet wurden/ daß ihres gleichen an Reichtuhm in derſelben Gegend nicht wahr.
Nachgehends fo derte Ladiſla alle gefangene aͤdelleute vor ſich und die Frau/ und begehrete
von ihnen zuwiſſen/ warumb ſie an ihrem unſchuldigen Tode ſo groſſes Wolgefallen ge-
habt/ und bey dem unmenſchlichen Gerichte ſich eingeſtellet/ nicht anders/ als ob ſie zum
Hochzeit Feir geritten waͤhren? Dieſe wuſten ſich nicht zuentſchuldigen/ nur; es waͤhre ih-
nen ihre Unſchuld allerdinge unwiſſend geweſen/ und haͤtte ihr Anverwandter Kleander
ſie viel eines andern beredet/ als ob Fr. Agatha mit dem Gefangenen Abrede genommen/
ihn bey Nachtſchlaffender Zeit zuerwuͤrgen/ und den Gefangenen zum Beſitzer aller ſeineꝛ
Guͤter zumachen. Aber Ladiſla beantwortete ihnen dieſes alſo: O ihr frevelmuhtige Bu-
ben/ wie duͤrffet ihr mit dieſem nichtigen Behelff angeſtochen kommen? haben nicht ich uñ
dieſe Tugendſame Frau euch bey unſer ſchaͤndlichen Ausfuͤhrung unſere Unſchuld uͤber-
fluͤſſig vorgeſtellet/ aber wer iſt unter euch/ der ſich im geringſten daran gekehret/ ja der nur
einiges Zeichen des Mitleidens haͤtte ſehen laſſen? Daß auch des unbarmherzigen alten
Bluthundes Vorgeben nichts als eine ſchaͤndliche Luͤge und Verleumdung ſey/ ſollet ihr
daher erkennen/ daß vor erſt ich mein eheliches Gemahl zu Padua habe/ und daß ich her-
nach ein groͤſſer Reich erblich beſitze als gantz Pelopoñeſus kaum iſt; wird auch kein Menſch
erfahren/ daß ich eines Strohalmes wert von dieſer aͤdlen Frauen Guͤtern umſonſt zuge-
nieſſen begehre/ der ich euch alle leicht eigen kaͤuffen/ und aus meinem Schiffe euch uͤbeꝛ XII
Tonnen Schaz Zehrgelder vorlegen koͤnte. Alſo ſehet ihr nun/ wie boßhafftig der verfluch-
te Wuͤterich an mir und dieſer unſchuldigen Frauen gehandelt/ welche durchaus nichts
geſuͤndiget hat/ nur daß ſie ſeine teufliſche Boßheit wider mich nicht billichen koͤnnen/ und
mit
[423]Anderes Buch.
mit meinem Ungluͤk ein Mitleiden getragen/ welches ſie auch bewogen hat/ daß ſie anfangs
mich in meiner Gefaͤngniß geſpeiſet und getraͤnket/ darinnen ich ſonſt haͤtte muͤſſen Hun-
gers und Durſtes ſterben; nachgehends ſich bemuͤhet/ mich loßzumachen/ welches ihr
mißlungen. Damit ihr aber auch euer Verbrechen wiſſet/ ſo bedenket/ wie Roͤmiſche Kaͤy-
ſerl. Hocheit es empfinden werde/ daß ihr mich einen Roͤmiſchen gevollmaͤchtigten Ge-
ſanten dergeſtalt zum Tode begleitet/ und an meinem Verderben euch erluſtiget habet.
Zwar ich haͤtte Recht und Macht genug euch alle mit einander durch ſchaͤndlichen Tod
hinzurichten/ aber daß nicht eure Anverwanten ſich zubeſchweren haben/ ich verfahre nach
meinem eigenen Willen und angemaſſeter Rache/ ſo haltet euch fertig/ morgendes Tages
zu Schiffe zutreten/ daß ihr vor Kaͤyſerl. Hocheit erſcheinet/ umb daſelbſt eures Tuhns
Rechenſchafft zugeben; und dafern euch eine geringere Straffe auffgeleget wird/ als daß
ihr alle zum Tode verurteilet/ und eure liegende und fahrende Guͤter der Kaͤyſerl. Kam̃er
zugeſprochen werden/ ſo wil ich meinen Kopff verlohren haben. Wolte nu einer oder ander
dieſe meine Rede vor ein Schreckwerk haltẽ/ ſo ſehet da meine Roͤmiſche ſchrifftliche Voll-
macht/ und ſchicket euch/ daſſelbe auszuſtehen/ wz ihr verdienet habet/ welches auch an der
ſchon abgeſchlachteten ihren hinterbliebenẽ ſol ausgefuͤhret werdẽ. Als die Gefangenẽ ſol-
ches hoͤreten/ uñ ſeinen ſchriftlichen Beweißtuhm ſahen/ eꝛſchraken ſie uͤbeꝛ alle maſſe/ haͤttẽ
auch gerne alsbald eine Abbitte getahn/ wañ nit Ladiſla mit der Frauẽ gleich waͤhre davon
gangen; lieſſen doch durch einen Kriegsknecht/ der ſie bewachete/ um gnaͤdige Verhoͤrung
untertaͤhnig anhalten; worauff ſie wieder zu ihnen gingen/ und fing der Vornehmſte unter
den Gefangenen alſo an: Durchleuchtiger Gnaͤdiger Herr; wir koͤnnen nit umbhin/ zube-
kennen/ daß an eure Gn. wir uns ſehr grob und hart verſuͤndiget haben/ indem wir nicht
allein in die/ ihrer Gn. angelegete Unbilligkeit gehehlet/ ſondern uͤberdas dieſem unrecht-
maͤſſigen gottloſen Gerichte beyzuwohnen/ uns geluͤſten laſſen. Nun ſind aber deſſen die
Goͤtter unſere Zeugen/ daß vor erſt uns allerdinge unwiſſend geweſen/ daß eure Gn. ein
Roͤmiſcher Ritter; vielmehr/ daß ſie ein gewaltiger Geſanter Ihrer Roͤmiſchen Kaͤyſerl.
Hocheit iſt/ ſondern man hat uns dieſelbe als einen fremden Umbſchweiffendẽ vorgemah-
let/ von deſſen Stand und Weſen niemand einige Kundſchafft haͤtte. Doch ſey dieſem
wie ihm wolle/ wir haͤtten billich beffer nachfragen ſollen/ und wird dahero unſere Unwiſ-
ſenheit uns nicht entſchuldigen/ ſondern unſere einige Zuflucht iſt zu eurer Gn. Barm-
herzigkeit und Guͤte/ wie auch zu unſer hoͤchſt geehrten Fr. Waſen und Schwaͤgerin wol-
gelittener kraͤfftigen Vorbitte und Sanfftmuht/ untertaͤhnig und wehmuͤtig bittend und
flehend/ uns dieſen groben Fehler zuverzeihen und es vor Roͤmiſche Kaͤyſerl. Hocheit nicht
gelangen zulaſſen; dagegen erbieten wir uns/ ſo viel unſere Guͤter vermoͤgen/ Abtrag zu-
machen/ und unſere Suͤnde zu buͤſſen/ auch hernaͤhft ihnen mit Gut und Blut ſtets ver-
bunden zu ſeyn. Ladiſla wahr ſehr ernſthafftig; es wolte in ſo beſchaffenen Sachen ſich nit
alſo laſſen durch die Finger ſehen/ das Verbrechen waͤhre zu grob und uͤbermacht/ muͤſten
demnach in Hafft verbleiben/ biß ers mit ſeinem Mit-Geſanten Herrn Fabius wuͤrde in
Bedacht gezogen haben. Dieſe wuſten nun/ wie ſcharff derſelbe mit Charidemus verfah-
ren/ daher ſie ſich eines gleichen befuͤrchteten/ tahten deswegen einen wehmuͤhtigen Fuß-
fal/ und daß nach ſeiner Gn. er ſelbſt mit ihnen handeln moͤchte. Weil dann Ladiſla ihre
ernſt-
[424]Anderes Buch.
ernſtliche Reue ſahe/ nam er mit Fr. Agathen einen Abtrit/ und fragete/ weß ſie geſinnet
waͤhre; da ſie etwa in kuͤnfftig ſich vor ihnen zubefuͤrchten/ koͤnte man ſie anjezt daͤmpffen;
doch hielte ers davor/ ihr beydeꝛ Schimpff und Spot waͤhꝛe zur gnuͤge an den rechtſchul-
digen gerochen; daher waͤhre er bedacht/ nach ſeines Erloͤſers Raht und Willen mit ih-
nen zuhandeln/ jedoch/ daß ſie gnugſame aͤyd- und ſchrifftliche Verſicherung von ſich ge-
ben ſolten/ ſich hernaͤhſt auff keinerley Weiſe an ihr oder den Ihrigen zu raͤchen. Die Frau
wahr ohndas ſehr mitleidig/ und baht mit heiſſen Traͤhnen/ den Gefangenen zuverzeihen/
welches ſie wuͤrden zuerkennen wiſſen. Alſo gingen ſie wieder zu ihnen hin in den Saal/
da die Gefangene noch auff den Knien lagen/ welche er auffſtehen hieß/ und ſie alſo an-
redete: Ob zwar eure Verbuͤndnis wieder einen Roͤmiſchen Geſanten nit weniger als Le-
bensſtraffe und Verluſt aller Guͤter verdienet hat/ inſonderheit/ weil ich ja nit in dieſe Land-
ſchafft kom̃en bin/ einem einzigen Menſchẽ ein Haͤaͤrlein zukraͤnken; ſo hat doch gegenwaͤr-
tige eure F. Waſe und Schwaͤgerin bey mir mit ſo heftigen Zaͤhren um Begnadigung an-
gehalten/ dz ich ihr zu gefallen/ anders/ als ich willens geweſen/ mit euch verfahren wil; er-
biete mich demnach/ euch allẽ insgemein/ uñ jedem inſond’heit die verwirkete Stꝛaffe nach-
zulaſſen/ mit der Bedingung/ daß ihr gleich jetzo aͤidlich angelobet/ ſchier heut oder morgen
weder durch euch ſelbſt/ noch durch andere/ euch an dieſer Frauẽ/ oder wer es ſeyn moͤchte/
zuraͤchen/ ſondern ihr allen freundlichen Willen Zeit eures Lebens zuerweiſen/ ſonder arge
Liſt und Gefaͤhrde. Ob ihr nun dieſer Vorbitte wegẽ/ euer Fr. Waſen einige rechtſchaffene
Dankbarkeit ſchuldig ſeyd/ ſtelle ich eurem Gewiſſen anheim; doch ſollet und muͤſſet ihr
mir aller/ heut/ und Zeit meines Kampffs erſchlagenen Guͤter und Erben nahmhafft ma-
chen/ welche ich wegen der muhtwilligen Boßheit ſchon finden werde/ inſonderheit/ weil
ich ſie zu Patræ ſelbſt gewarnet/ ſich an mir als einem Roͤmiſchen Bedieneten nicht zuver-
greiffen. Dieſe bedanketen ſich der Gnade untertaͤhnig/ leiſteten den aͤid mit gutem Wil-
len/ und gaben deſſen ſchriftliche Zeugniß von ſich. Worauff ihnen Ladiſla ihre Pferde zu-
ſtelle/ uñ ſie hin auf ihre Guͤter zihen hieß. Dieſe beſucheten zuvor der erſchlagenen Frauen/
troͤſteten ſie/ und gaben ihnen ihr annoch bevorſtehendes Ungluͤk zuerkennen/ auch zugleich
den Raht/ daß ſie nach Fr. Agathen reiſeten/ ihr anſehnliche wichtige Geſchenke mitbraͤch-
ten/ und ſich ihrer Vorbitte gebr aucheten/ ſonſt wuͤrde der Roͤmiſche Geſante ihnen nicht
eines Hellers wert von allen ihren Guͤtern uͤbrig laſſen/ ia ſie alle miteinander vor Leibeige-
ne annehmen. Zwar es ging dieſen Frauen ihrer Maͤnner Tod ſehr zuherzen/ dañoch abeꝛ
fuͤrchteten ſie das kuͤnfftige noch mehr; wahren demnach willig/ dieſem Raht folge zuleiſtẽ;
da ſie dann ſtuͤndlich an Fr. Agathen ſchrieben/ daß/ wo ſie ihre gegenwart erleiden koͤnte/
wolten ſie dieſelbe gerne erſtes Tages beſuchẽ. Als ſie nun kahmen/ brachten ſie ihr an Klei-
noten/ Perlen und gemuͤnzetem Golde uͤber die 140000 Kronen wert; lieferten ihr dane-
ben auff 50000 Kronen Handſchrifften ein/ welche ſie ihrer Eltern wegen hatten/ uñ ſchen-
keten ihr ſolches alles. Darauf brachten ſie ihre Werbung vor/ uñ bahten mit heiſſen Traͤh-
nen/ ihnen bey dem Herꝛn Geſanten Gnade zu erlangen/ daß uͤmb ihrer Maͤnner Verbre-
chens willen ſie nicht von ihren Guͤtern moͤchten verſtoſſen/ noch uͤmb ihre Freyheit ge-
bracht werden. Fr. Agatha troͤſtete ſie alleſamt in ihrem Elende/ mit Bezeugung/ wie heꝛz-
lich leid jhr ſolches waͤhre/ und bemuͤhete ſich bey Ladiſla/ das jhnen ſamt und ſonders alle
Straffe
[425]Anderes Buch.
Straffe erlaſſen ward/ nur muſten ſie dagegẽ angelobẽ/ mit jhrer waſen und Schwaͤgerin
auffrichtige freund- und nachbarſchaft zuhaltẽ/ und wegen Kleanders Erbſchafft jhr durch-
auß keine anſprach zuzumuhten/ ſondern ihr beſtes zubefodern und ihren Schaden nach
Vermoͤgen abzuwenden. Perdickas nachgelaſſene Wittib/ eine anſehnliche ſtatliche Frau/
ohngefehr von XXX Jahren/ Nahmens Artonis/ kam auff ermahnen obgedachter aͤdelleu-
te auch dahin/ und erlangete durch ihre Freundligkeit bey Ladiſla voͤlligen Erlaß; ſie wahr
uͤberaus Geldreich/ uñ hatte ihrem Eheherꝛn viel Tonnen Goldes zur Heimſteur gebracht/
welcher ſie in Perſen geheyꝛahtet/ und weil ſie dem Perſiſchen Großfuͤrſten Artaxerxes na-
he verwand wahr/ hatte ſie jaͤhrlich daher groſſe Rente zuheben. Sie gewann eine ſolche
Zuneigung gegen Ladiſla/ daß ihr ſchwer fiel/ ſich von ihm zuſcheiden/ da ſie ihm ſechs treff-
liche Perſiſche Pferde mit geſtiktem Zeuge/ und einen Mediſchen Saͤbel groſſes Werts;
uͤberdas IIX Stuͤcke Kleinot auff 26000 Kronen geſchaͤtzet/ faſt wieder ſeinen Willen ver-
ehrete. Fr. Agathen lieferte ſie 16000 Kronen gemuͤnztes Goldes/ und eine Handſchrifft
auff 10000 Kronen/ wovor ſie einen groſſen Teil ihres Vaters Guͤter zum Unterpfande
hatte/ und ſagete zu ihr: Geliebete Fr. Schwaͤgerin/ ich erkenne gar wol/ daß all euer Un-
fal einig und allein von meinem geweſenen Ehherꝛn heꝛruͤhret/ welches miꝛ herzlich leyd iſt;
damit ich nun mein gutwilliges Gemuͤht etlicher maſſen bezeugen moͤge/ und ich des ihren
hinwieder verſichert ſeyn koͤnne/ hoffe ich/ ſie werde dieſe Gelder und Handſchrifft ſamt al-
ten den Guͤtern/ die von ihres Seel. Herꝛn Vaters wegen ich unter Haͤnden habe/ von mir
unwegerlich annehmen/ und weil ich lebe/ vertrauliche Freundſchafft mit mir halten. Fr.
Agatha bedankete ſich gar demuͤhtig/ haͤtte ja ein ſolches nicht verdienet/ und waͤhre ihr
unmoͤglich es zuvergelten/ wolte deswegen die Goͤtter bitten/ daß ſie es in andere Wege er-
ſtatten wolten. Es wahr Fr. Agatha zwar von gutem Griechiſchen Adel/ aber ihre Eltern
wahren ihr ſehr fruͤh abgangen/ und hatten wegen ſchwerer Buͤrgſchafften ihr nichts als
Schulden hinterlaſſen/ daß ſie auch von ihren Anverwanten aus Erbarmung aufferzogẽ
wahr/ biß ſie den alten Kleander wieder ihren Willen heyrahten muſte; derſelbe merkend/
daß ihre Guͤter faſt tieff verſchuldet wahren/ wolte damit keine Ungelegenheit noch muͤhe
haben/ und uͤbergab ſie den Glaͤubigern/ vermachte ihr dagegen auff ſeinen Todesfal ein
zimliches Leibgedinge/ deſſen Auffkuͤnffte ſie Zeit ihres Lebens genieſſen ſolte/ dafern ſie nit
wieder heyrahten wuͤrde. Weil nun ſein Sohn erſchlagen/ und ſie/ wie er vorgab/ von ihm
lauffen wollen/ hatte er ſeines Bruders Sohn zum Erben eingeſezt/ welcher bey Ladiſla Er-
loͤſung ſtrak anfangs mit nidergehauen wahr/ und keine nahe Erben an Kleanders ſeite
uͤbrig wahren/ die ihꝛ ſolche Erbſchafft haͤtten ſtreitig machen koͤñen/ welches ohn das leicht
koͤnnen verwehret werden. Sie wahr ſchoͤn und verſtaͤndig/ im achzehnden Jahre ihres
Alters/ und hatte mit ihrem Alten ohngefehr ein halbjahr im Eheſtande gelebet; anfangs
da ſie vom Feur erloͤſet wahr/ mochte ſie ſich Hoffnung machen/ daß Ladiſla ſie hernaͤhſt
heyrahten wuͤrde/ weil ſie ſeines Weſens und Eheſtandes unberichtet wahr/ aber dieſe Ge-
danken verlieffen bald bey ihr. Die XIII freygelaſſene aͤdelleute/ welche alle wolbeguͤtert
wahren/ ſchicketen VI ihres Mittels an Ladiſla/ uñ ſendeten ihm zwo uͤber aus trefliche Gut-
ſchen mit XVI Pferden in guͤldenem Zeuge/ daneben eine guͤldene Kette mit einem koͤſtli-
chen Kleinot/ welches alles er wieder ſeinen Willen annahm/ ohn des groſſen Alexanders
H h hBruſt-
[426]Anderes Buch.
Bruſtbilde auff einem Goldpfennige abgegoſſen/ welches mit uͤbergeſchicket ward/ wahr
ihm ſehr angenehm; nachgehends lieferten ſie Fr. Agathen an Kleinoten 20000 Kronen/
uñ an Baarſchafften 60000 Kronen/ auch dabey ihreꝛ Eltern Verbrieffungen auf 40000
Kronen Haͤuptſtuel. Die Guͤter/ welche ſie davor unterhatten/ wurden ihꝛ alle abgetreten/
daß ſie den groͤſten Teil ihres Vaͤterlichen Erbes uͤmſonſt wieder bekam/ und ihr Landgut
uͤm ein trefliches mehrete. Sie boht Markus 60000 Kronen zur Verehrung an/ weil La-
diſla nichts von ihr nehmen wolte; er aber antwortete ihr/ es wuͤrde ein ſchlechter Grund
kuͤnfftiger Verwand- und Schwaͤgerſchafft ſeyn/ wuͤſte es auch vor ſeiner Liebeſten durch-
aus nicht zuverantworten/ zugeſchweigen/ daß er ſchon ein uͤbriges haͤtte nehmen muͤſſen/
maſſen die geſamten Wittiben ihm 10000 Kronen/ die aͤdelleute 6000/ und Fr. Artonis
4000 Kronen geſchenket hatten. Nach Verrichtung aller Sachen/ machten ſie ſich zum
Auffbruch fertig/ da Fr. Agatha alle ihre Baarſchafften und Kleider auff Wagen lude/
ihre Guͤter einem ihrer Anverwanten umb gewiſſen Pacht eintaht/ und mit der Geſell-
ſchafft ſich nach Korinth erhuhb/ ihre Trauerzeit bey ihrer geliebten Waſe auszuhalten.
Als ſie von dem Schloſſe abzogen/ ſtellete ſie jedem Kriegsknechte 100 Kronen/ und jedem
Schiffknechte 80 Kronen zu/ welches ihm Ladiſla wolgefallen ließ/ welcher mit IIX Gehar-
niſchten auff Elis ritte/ Fabius abzuhohlen; Markus aber nam mit den uͤbrigen den naͤhe-
ſten Weg auff Korinth/ wiewol ſie nahe vor derſelben Stad wieder aneinander gerieten/
weil dieſe wegen der ſchwer beladenen Wagen gemaͤhlich zihen muſten. Es hatte Fabius
aus dem gemeinen Geſchrey vernommen/ was maſſen Ladiſla der groſſen Gefahr entgan-
gen/ deſſen er nun voͤllig berichtet ward/ kunte aber nicht ausſinnen/ was vor ein Ritter ſol-
che Errettung geleiſtet haͤtte; Sie wolten es Herkules gerne zulegen/ nur die Geſtalt traff
nicht ein. Zu Korinth wahren ſie bey Fr. Euphroſynen ſehr wilkommen/ deren gute Art
Ladiſlaen wolgefiel/ ging alsbald zu Klodius vor das Bette/ ruͤhmete ſeine Traͤue/ ohn wel-
che er ſein Leben nicht haͤtte erhalten koͤnnen/ und ermahnete ihn/ ſich des Arztes Befehl ge-
maͤß zuverhalten/ daß er bald geſund wuͤrde/ und den Lohn/ welchen er ihm zugedacht/ em-
pfahen koͤnte; worin Klodius ſich nicht zufinden wuſte/ meynete/ es wuͤrde etwa ein gut
Stuͤk Geldes ſeyn.


Unſer Valikules/ ſo bald er wieder zu Korinth anlangete/ fand er ein Schiff daſelbſt/
welches des folgenden Tages nach Kreta wolte/ ging des Abends zu Fr. Euphroſynen/
und hielt Mahlzeit mit ihr/ brachte ihr auch die gute Zeitung/ was maſſen er Fr. Agathen
dem Henker aus den Haͤnden geriſſen/ da ſie gleich haͤtte ſollen ins Feur geworffen werdẽ/
waͤhre aber von Ladiſla zur Wittiben gemacht/ und baht/ wann ſein Klodius dieſe Braut
vom Tantze fuͤhren koͤnte/ moͤchte er ihm ſolches wolgoͤnnen. Euphroſyne gab ihm die
Hand darauff/ nicht zuruhen/ biß ſie dieſe Heyraht ins Werk gerichtet/ wolte auch dero
behueff ihre Waſe nach Korinth hohlen laſſen/ dafern ſie Markus nicht mit bringen wuͤr-
de/ woran ſie doch nicht zweiffelte. Des folgenden Morgens/ als er zu Korinth alles nach
Willen beſtellet hatte/ ging er mit Gallus unter herzlicher Anruffung GOttes umb eine
gluͤkliche Reiſe/ zu Schiffe/ und fuhr nach dem Eilande Kreta mit gewuͤnſchetem Winde.
Des Tages/ als Markus zu Korinth wieder ankommen wahr/ ging Valikules Chriſtlicheꝛ
Wirt zu ihm/ erboht ſich anfangs zu allen moͤglichen Dienſten/ wie Herr Valikules mit
ihm
[427]Anderes Buch.
ihm vertraulich abgeredet haͤtte/ uñ reichete ihm nachgehends 1000 Kronen nebeſt einem
verſchloſſenen Briefelein/ des fremden Ritters wegen/ welches er brach/ und folgenden
Inhalt daraus laſe: Daß ich euch/ lieber Freund/ vor meinem Abſchiede nicht geſprochen/ werdet
ihr meiner Sachen Notturfft und groſſer Eile zuſchreiben/ als der ich bloß eures Herrn wegen meine
wichtige Reiſe nach Spanien auffgeſchoben/ welchen ich freundlich zugruͤſſen bitte/ und dz den Kriegs-
und Schiffknechten/ welche in Erloͤſung ihres Herrn tapffer und redlich gefochten/ das von mir ver-
ſprochene Geld ausgeteilet werde. Sonſten warte ich auff bequeme Gelegenheit/ mich dereins beſſer
kund zugeben. Inzwiſchen gehabt euch wol/ uñ ſeyd gegruͤſſet von eurem gutẽ Freunde. Jul. Probus.
Er brachte dieſes Schreiben alsbald Herrn Ladiſla zuverleſen/ welcher alle Gedanken auf
dieſen Ritter/ aber ganz vergeblich wendete/ nur erfreuete er ſich/ daß auch ſchriftlich er ſei-
ne Kundſchafft angelobete. Fr. Euphroſyne nam dazumahl auch ein Schreiben aus ihrer
Naͤhe Lade hervor/ und ſagete: Ich haͤtte ſchier aus der acht gelaſſen/ meinem Liebeſten ein
Schreiben einzuhaͤndigen/ welches vor dreyen Tagen mir ein Schiffknecht gebracht/ mit
vermelden/ es kaͤhme von einem ſehr guten Freunde/ welcher in dem Eilande Kreta zu
Schiffe gangen/ und nach Zypern geſegelt waͤhre; haͤtte ihm eine Krone Trinkgeld ver-
ſprochen/ da ers zurecht einliefern wuͤrde/ welche ich ihm auch gegeben. Markus nam den
Brief zu ſich/ ſahe nach Erbrechung den untergezeichneten Nahmen/ und ſagete/ als aus
Verwunderung: O Gn. Herr/ ein Schreiben von Herrn Herkules. Was? antwortete
er/ ſchreibet mein Herkules an euch/ und nicht an mich? da ſtecket was neues hinter/ und
merke ich ſchon/ mit was Anſchlaͤgen er umgehet; Aber leſet uns doch den Inhalt/ daß wir
ſeines ergehens Bericht einnehmen. Markus gehorſamete/ und laſe wie folget: Lieber
Freund Markus/ ich werde ohngefehr berichtet/ daß ihr zu Korinth mit einem Schiffe ſollet ankom̃en
ſeyn/ zweifele auch nicht/ mein herzlieber Bruder und Seelen-Freund Ladiſla habe euch ausgeſchickt/
oder finde ſich ſelbſt dabey/ welches ich doch nicht eigentlich erfahren koͤnnen. Lieber ſchreibet oder ver-
meldet ihm/ meine herzliche Bitte ſey/ daß er wegen meines Abſchiedes ſich nicht bekuͤmmere/ noch mir
zufolgen ſich unternehme/ ſondern bey ſeinem lieben Gemahl zu Padua verbleibe/ in Betrachtung/
ich viel zu einen weiten Weg/ beydes zu Waſſer und Lande reiſen muß/ ehe ich dahin gelange/ wohin
ſein Frl. Schweſter geführet wird; und iſt unmoͤglich/ daß jemand in Rittersgeſtalt ihr beykommen
ſolte/ ſondern werde mich in Weibeskleidern verſtellen muͤſſen/ da ich ſonſt ichtwas zu ihrer Rettung
wirken wil; Hoffe demnach/ dafern mein geliebter Bruder mich in ihm zu toͤdten nicht gemeynet iſt/
er werde mir hierin wilfahren/ und mit Gottes Huͤlffe/ meiner/ und ſeiner Frl. Schweſter Ankunfft/
inwendig halbjaͤhriger friſt gewaͤrtig ſeyn. Ich haͤtte ſelbſt an ihn geſchrieben/ da ich nicht gleich jezt
in ein Schiff treten muͤſte/ mit gutem Winde aus Kreta nach Zypern zufahren/ und von dar ab weiteꝛ
den abgelegenen Morgenlaͤndern zu/ durch Wellen und Wuͤſteneyen. Der Allmaͤchtige Gottſchuͤtze
mich und meinẽ getraͤuen Diener Gallus/ der aus einem boͤſen Raͤuber ein gewuͤnſcht-from̃er Menſch
worden iſt. Meinen Gruß an alle guten Freunde und Freundinnen unvergeſſen. Herkules


Ladiſla ſagete nach Verleſung mit ſeuffzen: O Herkules/ Herkules/ iſt das die geſchwoꝛ-
ne Traͤue? Warumb fleuheſtu ſo vor mir? Warumb iſt dir meine fernere Geſelſchafft ſo
verdrießlich? oder meyneſtu/ ich koͤnne nicht ſo wol ungemach leiden als du? ich ſcheuhe
mich mehr vor Wellen und Wuͤſteneyen/ als ich dich liebe? Fabius antwoꝛtete ihm: Mein
Herr Bruder/ mir zweifelt nicht/ eure Geſellſchafft ſey Herrn Herkules uͤberaus ange-
nehm; nur weil wir wegen des Barts unſer Geſchlecht nicht koͤnnen verbergen/ hat er/ als
viel ich muhtmaſſe/ uns warnen wollen/ alle Gefahr beſtes Fleiſſes zumeidẽ; kan uns dem-
H h h ijnach
[428]Anderes Buch.
nach dieſer Brief in ſo weit dienen/ dz wir auff unſer Reiſe deſto behutſamer gehen; moͤch-
te aber wuͤnſchen/ daß uns der Ort wiſſend waͤre/ wohin wir unſern Weg nehmen muͤſſen.
Ja antwortete Ladiſla/ wer weiß/ ob dieſem Schreiben ichtwas zutrauen ſtehet/ und nicht
vielmehr alles nur/ mich abzuſchrecken/ ertichtet iſt? Ich keñe meinen Herkules viel zu wol
in ſolchen Streichen/ und hat er mir dergleichen Poſſen in der Jugend ſchon mehr geriſ-
ſen. Ich erinnere mich anjetzo/ wie unſer Lehrmeiſter nach geendeten Unterweiſungs-ſtun-
den pflag mit uns zur Ergetzung ins Feld zugehen/ und bey ſolchem Urlaub uns doch am
meiſten lehrete; Dann alles/ was wir ſahen/ muſten wir ihm Lateiniſch und Griechiſch
nennen; ſahen wir dann nichts ſonderliches/ ſo ſagte er wol zu uns: Wañ uns dieſes oder
jenes wilde Tihr begegnete/ und lieffe mit grimmiger Wuht und auffgeſperretem Rachen
zu uns ein/ wie woltet ihr/ Herkules/ es auff Griechiſch; und ihr Ladiſla/ es auff Lateiniſch
geben? Nun trug ſich einsmahls zu/ daß unter ſolchem Luſtgehen mein Herkules eines
Neſtes mit jungen Woͤlffen (dann er hatte ſtets die Augen allenthalben) gewahr ward/
ſchwieg aber ſtille/ und taht es niemand zuwiſſen/ ſondern baht/ wir moͤchten wieder nach
Haufe umkehren. Als wir daheim wahren/ und er ſich des Lehrmeiſters auff ganz liſtige
weiſe entlediget hatte/ nam er ſeinen Handdogen/ etliche Pfeile/ und einen langen Strik zu
ſich/ ging bald hie bald da/ und ſuchte ſich von mir hinweg zuſtehlen/ weil ich ihm aber ſtets
nachging/ ſagte er: Mein Bruͤderchen/ hole doch deinen Bogen/ und laß uns wette fchieſ-
ſen. Ich wahr ſo einfaͤltig/ und ging hin; aber da ich wieder kam/ wahr mein Herkules hin-
weg und nach dem Puſche gelauffen/ da er die jungen Woͤlffe geſehen. Es waͤhre ihm aber
ſchier uͤbel bekommen; dann die Woͤlfin/ welche erſtmahl nicht da wahr/ hatte ſich inzwiſchẽ
wieder herbey gemacht/ und wie er in aller ſtille hinzu kreucht/ den Raub zufahen/ macht ſich
die Woͤlfin auff/ und ſpringet ihm mit offenem Rachen entgegen. Zwar es wahr ſein gluͤk/
daß er mit geſpannetem Bogen und aufgelegtem Pfeile gangen wahr; dann wie ihn die
Woͤlfin anfaͤlt/ ſcheuſt er ihr den Pfeil in den Rachen tieff hinein/ welcher/ weil er Wie-
der-haken hatte/ nicht kunte heraus geſchuͤttelt werden/ ſonſt waͤhre es umb ſein Leib und
Leben getahn geweſen; wahr alſo die Woͤlfin mit groſſem Geheule davon gelauffen/ welche
man des andern Tages tod/ und ihr den Pfeil im Rachen fand. Inzwiſchen hatte er ſich
nach der Hoͤhle gemacht/ und zween ſchon zimlich erwachſene junge Woͤlffe zuſammẽ ge-
feſſelt/ die er am Stricke als Hunde daher fuͤhrete; wie ich auch anders nicht meynete/ es
waͤhren junge Hunde geweſen; fragete ihn deswegen/ wo er dieſe ſcheußliche Hunde be-
kommen? deſſen er lachete/ nnd zu mir ſagete: Lieber Bruder/ kenneſtu noch keine Woͤlffe?
es ſind trauen keine Hunde. Ich fragete ihn/ warumb er mich hinweg geſchicket/ und mir
den Bogen befohlen zuhohlen. Ja/ antwortete er/ meyneſtn/ daß ich in ſolcher Gefahr dich
ſehen koͤnte/ in welcher ich gleich jezt geweſen bin/ ehe ich dieſen Raub erhalten/ uñ der Woͤl-
ſin die jungen entfuͤhret? Und wann ich dich gleich haͤtte mitgenom̃en/ wuͤrdeſtu mir duꝛch
deine Gegenwart nur ſchaͤd- und verhinderlich geweſen ſeyn; maſſen ich ſo ſtille nicht haͤt-
te koͤnnen hinzu ſchleichen/ noch mit meinem Bogen ſo frey ſeyn/ als da ich allein wahr.
Ich lief alsbald hin zu ſeinem Herr Vater/ und ruͤhmete Herkules gluͤkliche Kuͤhnheit/ dz
er einer Woͤlfin zween junge entfuͤhren duͤrffen; welcher anfangs lachete/ und zu mir ſage-
te; Lieber Sohn Ladiſla/ dein Herkules aͤffet dich/ er wird ein paar junger Baurhunde ha-
ben;
[429]Anderes Buch.
ben; Da er aber mit ſeinen Tihrichen auffgezogen kam/ erſchrak ſein Herr Vater/ und fra-
gete/ wie er bey die Woͤlfichen kaͤhme? Herr Vater/ antwortete er/ es iſt bey Traͤuen ſchan-
de/ daß unſere Jaͤger ihr Brod ſo gar umſonſt freſſen/ und beym Luder verzehren/ und laſ-
ſen dieſe ſchaͤdliche Raube Tihre in der Naͤhe ihre Jungen auffbringen/ da ſie einen unbe-
wehreten Menſchen aus Hunger leicht anfallen und zureiſſen folten; haͤtte ich dieſes Neſt
nicht verſtoͤret/ wie manniches Schaf wuͤrde es uns gekoſtet haben? Und iſt bey ſo geſtaltẽ
Sachen gar kein Wunder/ daß unſern Schaͤffern es ſo offt an der Zahl mangelt/ die ihnen
geliefert iſt. Sein Vater fragete ihn/ wie ers dann angefangen haͤtte/ und nachdem ers er-
zaͤhlet hatte/ ſtraffete er ihn hart mit Worten; Er ſolte hinfuͤro ſich ja nicht geluͤſten laſſen/
ſo verwaͤgen zu ſeyn/ oder der Lehrmeiſter wuͤrde ihn darum zuͤchtigen; ob er nicht wuͤſte/
daß ers ihm ſchon vor dieſem verbohten haͤtte/ da er den groſſen Wolff im Puſche erſtochẽ?
Mein Herkules durffte ſich wol beſchweren; ſo hoͤre ich wol/ ſagte er/ mein Herr Vater
zuͤrnet auff mich/ wann ich Schaden abkehre/ was haͤtte ich zugewarten/ wann ich uͤbels
tuhn wuͤrde? Dieſes erzaͤhle ich zu dem Ende/ daß ich euch geliebter Bruder/ ſeine Art uñ
weiſe zuerkennen gebe/ wie ers ſchon/ da er kaum von X Jahren wahr/ mit mir geſpielet/ uñ
ich demnach in ſolchen Begebniſſen ihm nicht zutrauen habe. Fabius erboht ſich/ er waͤhre
willig und bereit/ die Reiſe erſtes Tages mit fortzuſetzen/ wann man nur wuͤſte/ wie mans
am beſten anſtellen ſolte; Ich weiß/ ſagete er/ daß er noch in dieſer Gegend geweſen iſt/ als
ich ankommen bin/ noch hat er ſich aus dem Staube gemacht/ und nicht wollen erkennet
ſeyn; Daher iſt mein Raht/ doch auff Verbeſſerung/ daß wir mit geringer Geſelſchaft ihm
folgen/ ob wir ihn auff ſolche weiſe ausforſchen moͤchten; dann ſo wir ihn einmahl ertappet
haben/ wird er nicht von uns weichen. Ladiſla antwortete: Ich bin ſchon bedacht geweſen/
mein Schiff nach Hauſe zuſchicken/ und etwa ſelb dritte oder vierde ihm zufolgen; wel-
ches ihm Fabius mit gefallen ließ/ uñ wurden eins/ iñerhalb weniger Zeit/ ſo bald die aus-
geſchikte Soldaten wieder ankommen waͤhren/ ihm nachzuſetzen. Des naͤheſten Tages rit-
ten Ladiſla und ſeine Geſelſchafft nach dem Hafen/ weil ſie Zeitung hatten/ daß ſein Schiff
daſelbſt eingel auffen wahr/ und teilete Markus die 1000 Kronen unter ſeine Leute aus.
Inzwiſchen leiſtetẽ die beyden jungen Frauen dem añoch betlagerigẽ Klodius Geſelſchaft/
und hatten mancherley Geſpraͤch mit einander/ biß Fr. Euphroſyne ihre Waſe baht/ ihr zu
erzaͤhlen/ warum Kleander ſo grauſam mit ihr verfahren/ uñ ſie veꝛbreñen laſſen wollen/ da
er doch die ganze Zeit her/ und noch neulich ſich gegen ſie verlauten laſſen/ wie lieb er ſie/ uñ
in ſeinẽ hohẽ Alter alle ſeine Ergetzung an ihr haͤtte. Ach herzliebe Waſe/ antwortete ſie/ ihr
heiſſet mich nur meinen unſaͤglichen Jam̃er wiederhohlen/ deſſen ich bißher noch nicht ver-
geſſen koͤnnen/ und mir alle Nachte das erſchrekliche Feur vorkomt in welches ich ſolte ge-
worffen werden; doch wil ich euch wilfahren ſo gut ich kan. Ihr werdet zweiffels ohn be-
richtet ſeyn/ was harten Streit Herr Ladiſla mit Perdickas gehalten/ da er zuvor meinen
Stieffſohn Ariſton (der mir inner halben-Jahresfriſt manniche Traͤhnen heraus gelocket)
erſchlagen hatte. Ja fagete ſie/ es hat mir ſolches alles gegenwaͤrtiger Herr Klodius umb-
ſtaͤndlich kund getahn/ biß dahin man ihn hat wollen gefangen nehmen. Das uͤbrige/ ſagte
Fr. Agatha/ iſt mir gnug bewuſt/ und hat mirs meines alten Kleanders Leibknabe unter-
ſchiedlichemahl erzaͤhlet/ daß wie Herr Ladiſla mit dem Pferde geſtuͤrzet/ waͤhren ſie alle-
H h h iijſamt
[430]Anderes Buch.
ſamt auff ihn zugefallen/ daß er nicht anders gemeinet/ man haͤtte ihn gar erdrukt; nach-
dem er ſich aber auffgerichtet/ haͤtte Kleander denen die ihn erſtechen wollen/ zugeſchrien/
man moͤchte ihm den Gefangenen lebendig liefern/ er wolte ſchon wiſſen mit ihm zuver-
fahren/ daß Herr Perdickas und ſein lieber Sohn neben den andern Erſchlagenen ſeinen
lieben Freunden und Anverwanten/ gerochen wuͤrden: Ladiſla mochte hieraus leicht ab-
nehmen/ daß er nicht viel gutes im Sinne hatte/ doch hatte er gar nicht umb Gnade ge-
behten/ ſondern zu den Anweſenden geſagt; ich habe ehmahls Griechenland wegen auff-
richtiger Traͤue ruͤhmen hoͤren/ weiß aber nicht/ wie man daß verantworten kan/ daß man
mich ſo uͤberfallen/ und die meinen alleſamt erſchlagen hat. Er hatte aber zur Antwort be-
kommen/ er ſolte nur das Maul halten; es waͤhre ihm ſchon zu lange zugeſehen/ und nicht
zuverantworten/ daß Perdickas nicht gerettet waͤhre. Auff der Wahlſtat haͤtte man IIX
von Adel und XVI Diener Tod funden/ daneben alle die mit Herren Ladiſla kommen wah-
ren/ auſſer ſeinen Leibknaben und vornehmſten Ritter/ welcher außgeriſſen/ deſſen die gan-
ze Geſelſchafft erſchrocken/ H. Ladiſla aber erfreuet wahr/ der gleich dazumahl vor Klean-
der geſtanden/ und ihn alſo angeredet hatte. Alter Vater/ mir iſt Leid/ daß der junge aͤdel-
man/ welcher eue[r] Sohn ſeyn ſol/ ihm dieſes Ungluͤk ſelber zugerichtet/ und wieder meinen
Willen ſich in dieſen Streit eingemiſchet hat/ da ich doch durchauskeinen Wiederwillen
zu ihm trug/ er mich auch nicht beleidiget hatte/ nur daß er ſuchete/ ehre an mich zuerfechtẽ/
welches ihm mißlungen iſt; darumb ſollet ihr als ein alter verſtaͤndiger Herr mich hierin
nicht verdenken/ was durch zulaß aller Voͤlcker Rechte von mir begangen iſt/ und eure
vaͤterliche Neigungen einzwingen/ daß ſie nicht aus den Schranken der Erbarkeit und
vernuͤnfftigen Rache ſchreiten/ dann euer Sohn iſt ritterlich geſtorben/ ohn einiges Zei-
ſchen der Furchtſamkeit; ſo habe ich auch anders nicht gekunt/ als ihm zu willen ſeyn/ da-
fern ich mich nicht ſelbſt des Ritterſtandes unwirdig machen wolte. Hierauff hatte ihm
Kleander keine andere Antwort gegeben/ als daß er ihn vor einen verfluchten meinaͤidigen
Moͤrder geſcholten; welches er nicht ohn Zorn folgender Geſtalt beantwortet; Alter/ hal-
tet ein mit ſolcher Schmaͤhung; ich bin ein Roͤmiſcher aͤdler Ritter und Kaͤyſerl. hoher
Beampter/ und weiß mich alleꝛ Untahten unſchuldig/ deßwegen bedenket was ihr redet/
und ſtuͤrzet euch und alle Anweſende nicht in ein unvermeidliches Ungluͤk. Was? hatte
Kleander hierauff geſaget/ wiltu mir noch darzu trotzen/ und gebieten was ich tuhn oder
laſſen ſol? jedoch harre nur ein wenig/ biß meines lieben Sohns Begraͤbnis zugerichtet
wird/ alsdann ſoltu ihm zum Opffer geſchlachtet werden/ oder ich wil eines abſcheulichen
todes ſterben. Dieſe Urtel wahr von H. Ladiſla alſo beantwortet; Herr Alter/ ihr wandelt
nicht auff der Tugendbahn/ daß ihr ſo mit mir ſchalten wollet/ und verſichere euch und
alle Anweſende/ dafern ihr auff dieſem Vorſaz beſtehet/ wird mein Tod an euch allen viel
grauſamer gerochen werden/ als neulich der Roͤmiſche Geſante/ wie ich hoͤre/ mit Chari-
demus verfahren/ woruͤber ich auch in dieſe Ungelegenheit habe gerahten muͤſſen. Mein
Kleander hatte dieſe Rede mit einem Hohngelaͤchter erſetzet/ und zur Antwort gegeben;
Wolan/ wir wollen deines Trotzes erwarten/ und dafern die Roͤmer ſich unterſtehen wer-
den/ den Griechiſchen Adel zu unterdruͤcken/ muß man ſich nach Schuz und Huͤlffe umb-
tuhn. Darauff hatte man ihm den trefflichen Harniſch (welchen er hernach auff meinem
Schloſſe
[431]Anderes Buch.
Schloſſe wieder bekommen) abgezogen/ und hatte ſich mit gebundenen Haͤnden auff den
Ruͤcken neben Kleanders Gutſche durch Lachen und Pſuͤtzen herſchleppen laſſen muͤſſen/
da er groſſe Beſtaͤndigkeit und geduld erzeiget. Ach Gott/ ſagete Fr. Euphroſyne/ wie ge-
hets in der ſchnoͤden Welt her! wie muß die Tugend ſich von dem Frevelmuht ſo ſchaͤnd-
lich laſſen rechtfaͤrtigen! doch haben wir niedriegen Standes Leute hieraus zu lernen/ wie
auch wir das Ungluͤk geduldig ertragen ſollen/ wann es uns trifft/ weil wir ſehen/ daß ſo
vornehme Herren deſſen nicht moͤgen geuͤbriget ſeyn/ und ſie ſich uͤberdaß noch ſo fein da-
rein zu ſchicken wiſſen. Aber lieber fahret fort mit eurer Erzaͤhlung. Ja ſagete Fr. Aga-
tha/ das uͤbrige kan ich umb ſo viel beſſer ſagen/ weil ich ſelbſt dabey/ und ein vornehmes
Glied in dieſem Trauerſpiel geweſen bin/ wañ ichs nur vor Wehmuht verrichten koͤnte;
doch vielleicht helffet ihr mir noch wol etliche Schmerzen-Traͤhnen mit vergieſſen. Als
Herr Ladiſla alſo gebunden anff das Schloß gefuͤhret ward/ ging ich im voͤrder Platze/
meinem Geſinde etwas zubefehlen/ und hoͤrete/ daß gegenwaͤrtiger Gefangener meinem
Stieffſohn Ariſton/ dem ich ſehr gewogen wahr/ das Leben geraubet haͤtte/ gehueb mich
deßwegen auß herzlicher Traurigkeit ſehr uͤbel/ und geriet bald darauff in groſſen Zorn/
fiel den Gefangenen an/ und wahr willens ihm die Augen außzukratzen; da ich ihn aber ſo
praͤchtig gekleidet/ und von ſo guter Geſtalt ſahe/ gedachte ich alsbald/ dieſer wuͤrde nim-
mermehr kein Moͤrder ſeyn/ enderte auch meinen Vorſaz/ und gab mich auff das Weinen.
Herr Ladiſla ſahe mich freundlich an/ und ſagete; aͤdle Frau/ tuht nicht ſo uͤbel wegen des
ertoͤdteten aͤdelmans/ den er iſt oͤffentlich im Streit als ein mannlicher Ritter geſtorben/
und verſichert euch daneben/ daß ich kein Ubeltaͤhter/ ſondern ein ehrlicher Ritter hohes
Standes bin/ deßwegen traget mit mir ein mitleiden als mit eurem Gefangenen/ weil ich
in meiner guten Sache mich ohn das eurem auffrichtigen Herzen/ welches durch die Au-
gen hervor leuchtet/ gerne vertrauen wil. Ich taht als hoͤrete ich ſeine Reden nicht/ die
mir doch mehr Traͤhnen/ als meines Sohns Tod/ auß den Augen trieben; dann ich em-
pfand ſo groſſes Mitleiden uͤber ihn in meinem Herzen/ daß ichs nicht außſprechen kan;
durffte michs aber mit keinem Worte merken laſſen/ ohndaß ich ihn freundlich anſahe/
und doch zugleich mit ihm ſchalt/ warumb er ſich mit dem jungen Herren in Streit einge-
laſſen haͤtte. Er antwortete mir; es waͤhre ihm der Unfal nicht weniger ſelbſt leid/ koͤnte
aber nicht dawieder/ weil er zu dem Kampf genoͤhtiget waͤhre/ und die Zuſeher wol bezeu-
gen wuͤrden; nun waͤhre aber unmoͤglich in ſolchen Spielen die Hiebe und Stoͤſſe mit der
Goldſchale abzuwaͤgen/ inſonderheit/ wañ das Gluͤk uͤbel wolte. Ich ſprach ihn in meinem
Herzen nicht allein frey und loß/ ſondern auch allerdinge unſchuldig; aber als mein Alter
vom Wagen ſtieg/ befahl er/ den Gefangenen in den ſtaͤrkeſten Turm zu legen/ und ihn
weder mit Eſſen noch Trinken zulaben. Herr Ladiſla redete ihm ein/ er moͤchte ſich eines
andern bedenken/ und einen aͤdlen Roͤmiſchen Ritter nicht nach Sklafen Art einſperren/
ſondern auff ein Gemach einlegen/ ja/ bedenken/ was vor Freyheit ein Roͤmiſcher Buͤrger/
geſchweige Beamter haͤtte; er wolte bey rittelichen Ehren verſprechen/ nicht zu weichen/
ſondern der Urtel abzuwarten. Aber dawahr den Tauben geprediget; dann die Knechte
ſtieſſen ihn ohn ferner Wort ſprechen in den Turm/ der doch eigendlich zum Gefaͤngnis
nicht gebauet/ ſondern auff den Fall der Feuersnoht zugerichtet wahr/ daß man die beſten
Sachen
[432]Anderes Buch.
Sachen hinein floͤhen und erhalten moͤchte; ging auch nicht gar tieff in die Erde/ ſondern
wahr inwendig fein renlich/ und mit einer ſtarken eiſern Tuͤhr verwahret/ an welcher in-
wendig fuͤnff groſſe eiſerne Schloͤſſer ſaſſen/ die in einem umbdrehen/ und nur mit einem
Schluſſel zugleich auffgemacht wurden. Wie ſehr mich nun ſeiner im Gefaͤngnis jam̃er-
te/ nam ich michs doch aͤuſſerlich nicht an/ ſondern ging meinem Alten traurig nach/ troͤſte-
te ihn in ſeinem Ungluͤk/ und baht ihn mit Traͤhnen/ er moͤchte durch gar zuhefftiges Graͤ-
men und uͤbrigen Zorneifer ihm ſelber nicht das Leben verkuͤrzen; wuͤnſchete zwar von
Herzen/ daß ich vor ſeinen lieben Sohn geſtorben waͤhre/ damit der einige Erbe haͤtte moͤ-
gen uͤberbleiben; weil es aber den Goͤttern anders gefallen/ muͤſte ich nunmehr vorbauen/
daß nicht der Vater mit dem Sohn zugleich dahin fiele; machte ihm uͤberdaß Hoffnung/
weil er noch von zimlichen Leibeskraͤfften waͤhre/ koͤnte ſein Geſchlecht durch mich erbauet
werden. Nun muß ich bekennen/ daß auſſer des alters eigentuͤhmlicher Gramſeligkeit/ er
bißdaher mir allen guten Willen erzeiget hatte/ nam auch dieſes mein troͤften ſehr wol auf/
daß er mich umfing/ und verſprach/ er wolte ſich zufrie den geben/ nachdem er Gelegen-
heit haͤtte/ ſich an dem Taͤhter zu raͤchen; dem ich nicht wiederſprechen durffte. Umb Mit-
ternacht ſtund ich ſanffte von ihm auff/ und ließ dieſe meine Dirne ſich zu ihm legen/ ging
hin zu dem Turm/ und durch das Loch der eiſern Tuͤhr/ da man kaum eine Hand hindurch
ſtoſſen kunte/ redete ich dem Gefangenen zu/ und ſagete: Ritter ſchlaffet ihr? Er hoͤrete es
alsbald/ und fragete/ wer ihn in der Nacht zubeſuchen wirdigte? Ich bin die Frau des
Schloſſes/ antwortete ich/ deren ihr heut eure Unſchuld ſattſam habet dargetahn/ trage
auch groſſes Mitleiden mit eurem Unfall/ und daß ihr ſo elendig ſollet abgeſchlachtet wer-
nen. Wiſſet ihr nun gute Freunde/ die euch retten koͤnnen/ ſo tuht mir ſolches ſicherlich
kund/ daß ich alsbald nach ihnen ſende/ damit ihr dem grauſamen Tode entgehet/ mit wel-
chem mir nichts gedienet iſt/ nur daß ihr mir angelobet/ euch ſchier heut oder morgẽ an mei-
nem alten Eh Herꝛn nicht zuraͤchen. O ihr meine Herzen Freundin/ antwortete er/ die Goͤt-
ter muͤſſen euch dieſes mit ewiger Barmherzigkeit vergelten; aber ſeyd zuvor gebehten/ uñ
gebet mir einen Trunk Waſſer/ mein abgeduͤrſtetes Herz zu laben. Ach ihr Goͤtter/ ſagte
ich/ wie bin ich doch ſo unbeſonnen; lief geſchwinde hin/ und holete ihm eine Kañe Wein/
und etwas kalt Gebratens/ davon er des folgenden Tages gnug zu eſſen hatte; kam bald
wieder/ und ſchnitte die Speiſen in kleine ſtuͤklein/ die ich ihm durch das Loch reichen wol-
te; Er aber ſagete: Meine Freundin/ die Haͤnde ſind mir noch auff den Ruͤcken gebunden/
daß ich nichts zu mir nehmen kan; habt ihr nun irgend ein Meſſer/ ſo werfft mirs doch heꝛ-
ein/ ich wil ſehen/ wie ichs zur Hand bekomme/ und mich loßſchneide. Geſchwinde band
ich mein Meſſer an einen Fadem/ und hing es durchs Loch hinein/ daß ers ruͤklings faſſete/
und ſo lange ſich quaͤlete/ biß er einen Bruch in den Riemen machete. Weil er nun durſti-
ger/ als hungerig war/ hielt ich ihm den Wein vor das Loch/ da er auf ein Tuͤhr Schloß trat/
und den Mund gleich dem Loche hatte/ daß er durch ein Rohr fein trinken kunte/ und ſich
erquickete; hernach reichete ich ihm die Speiſen zu/ daß er ſich zimlich ſaͤttigte. Nun ihr
Goͤtter/ ſagte er/ helffet mir aus dieſer Gefaͤngniß/ daß ich mich gegen dieſe Tugendreiche
Frau dankbarlich koͤnne finden laſſen. Ich antwortete ihm: Es waͤhre mir ſchon Danks
genug/ wann ich ihm davon zuhelffen beſtand ſeyn wuͤrde; aber er muͤſte mir anzeigen/ auff
was
[433]Anderes Buch.
was weiſe es moͤglich waͤhre; dann Gewalt zugebrauchen/ ſtuͤnde in meiner Macht nicht/
ob es gleich an meinem Willen nicht mangelte. Solches begehre ich auch von meiner ge-
liebeten Freundin nicht/ ſagte er; nur daß ſie einen getraͤuen Menſchen nach Elis ſenden
wolle/ der meinem Diener Klodius daſelbſt/ oder dem Roͤmiſchen Geſanten Fabius den
Tag des Gerichts anzeige; dann werden ſie ſich ſchon bemuͤhen/ mich loßzumachen. Ich
ward deſſen von Herzen froh/ ließ auch folgenden morgens ſehr fruͤh einen ablauffen/ wel-
cher aber ſo wenig von Klodius als von Fabius erfragen koͤnnen/ und aller Sache unver-
richtet wieder kam. Deſſelben Tages muſte Herr Ladiſla ungetrunken bleiben/ biß ich ihn
zu Nachtzeit wieder beſuchte/ und ein langes ſchmales Gefaͤß von einer Kuͤh Haut zurich-
tete/ in welches etliche Maß Wein gingen/ ſteckete es ihm zu durch das Loch/ und hatte er
alſo des folgenden Tages gnug zu eſſen und trinken. Nach vollendeter dieſer Nacht erin-
nerte ich Kleander/ umb Argwohn zumeiden/ dafern dem Gefangenen ſo gar alles eſſen uñ
trinken abgeſchnitten wuͤrde/ muͤſte er ja Hungers oder doch durſtes ſterben; moͤchte dem-
nach Anordnung machen/ daß er noͤhtigen Unterhalt bekaͤhme; worauff ihm grob trocken
Hunde-Brod/ und ein Trunk Waſſer gereichet ward. Unteꝛdeſſen bemuͤhete ich mich aͤuſ-
ſerſt/ den Tag des Gerichts auffzuſchieben/ aber vergebens/ und weinete mir das Herz im
Leibe/ daß ich kein Mittel ſeiner Erloͤſung finden kunte; dann ich hatte mir gaͤnzlich vorge-
nommen/ entweder zuſterben/ oder ihn zuerloͤſen; ſtellete mich deswegen zween Tage vor
dem angeſezten Gerichte/ als ob mich bey der Mahlzeit gꝛoſſe Haͤupt- und Bauchſchmeꝛ-
zen anſtieſſen/ und ließ mich von den Maͤgden nach Bette tragen. Mein Alter hielt ſich ſehr
leidig/ fuhr doch nicht deſto weniger fort/ allerhand Anordnung zumachen/ daß ſein Vor-
haben ausgefuͤhret wuͤrde. Des folgenden Tages/ welcher deꝛ naͤheſte vor dem Gerichts-
Tage wahr/ baht ich meinen Alten ſehr/ die Volſtreckung ſo lange auffzuzihen/ biß ich die
Lufft ertragen koͤnte/ weil ich Verlangen haͤtte/ derſelben beyzuwohnen; und nach dem auch
dieſes nicht zuerhalten wahr/ bemaͤchligte ich mich des Schluͤſſels zum Turme/ ließ auch
Herrn Ladiſla durch meine vertrauete Dienerin andeuten: er ſolte ſich fertig halten/ wann
zu Mitternacht die Tuͤhr geoͤffnet wuͤrde/ und hernach auff dem Plaz hinter den ledigen
Faͤſſern ſich verbergen/ biß der Hiꝛt die Kuͤhe austreiben wuͤrde/ dann koͤnte er zugleich mit
hinaus wiſchen/ und im Gehoͤlze ſich verſtecken; ob dann ein Lermen daruͤber entſtehen
wuͤrde/ wolte ich die Nachfolge zuverhindern/ allen Fleiß anwenden. Mein Vorhaben ließ
ſich anfangs gluͤklich an/ dañ mein Kleander lag im tieffen Schlaffe/ da ich hinunteꝛ ging/
und den Schluͤſſel in die Tuͤhr ſteckete; weil aber meine Haͤnde viel zu ſchwach wahren/
denſelben umzudrehen/ ſuchte ich einen ſtarken Pruͤgel/ ſteckete ihn durch den Handgriff/
und wolte gleich auffſchlieſſen; Inzwiſchen mag mein Alter erwachen/ und vernehmen/ dz
bey dem Turm etwas reges iſt/ weil er gerade gegen der Schlaffkammer uͤber ſtehet/ und
ſchlug das Ungluͤk darzu/ daß er mich beym Mondenſchein alsbald erkeñete/ kam geſchwin-
de im bloſſen Hemde/ wiewol in aller ſtille herunter gelauffen/ und faſſete mich beym Halſe/
ehe ich ſein innen ward/ erſchrak auch von ganzem Herzen/ da er mit greßlicher Stimme zu
mir ſagete: O du falſches boshafftes und ehebrecheriſches Weib/ ſchaͤtzeſtu deine verſpro-
chene Traͤue ſo liederlich/ daß du zu dieſem Moͤrder dich in Unzucht finden/ und mit ihm
davon lauffen wilt? Ich faſſete ein Herz/ ſo gut ich mochte/ und antwortete ihm: Mein lie-
J iiber
[434]Anderes Buch.
ber Herr/ ich ſtehe keines weges alhie/ Unzucht zutreiben/ viel weniger davon zulauffen; voꝛ
beydes werden mich die Goͤtter ſchon bewahren; aber nachdem ich nicht allein von deꝛ un-
ſchuld dieſes gefangenen Ritters gnugſame Kundſchafft eingezogen/ ſondern auch in Er-
fahrung gebracht/ was vor groſſe Gefahr euch und mir auff deſſen Tode ſtehe/ ſo bekenne
ich/ daß zu eurem beſten ich ihm habe wollen davon helffen/ damit ihr nicht durch ſeinen
Tod/ euch und alle eure Zugehoͤrigen moͤchtet verderben; wie er mir dann aͤidlich verſpre-
chen hat/ ſich an euch und die euren durchaus nicht zu raͤchen; koͤnnet oder wollet ihr nun
euer eigen Gluͤk und Ungluͤk nicht erkennen/ wolan/ ſo wil ich entſchuldiget ſeyn/ und moͤ-
get ihrs hernaͤhſt verantworten/ wiewol ich euch nochmahl von Grund meines Heꝛzen bit-
ten wil/ eure eigene Wolfahrt nicht zuverſeumen/ noch eure ehrliche grauen Haar zu aller-
lezt mit Schanden und ſchaden unter die Erde zubringen. Kleander ſtund und ſahe mich
an/ kunte vor groſſem Zorn und Eifer nicht reden/ ſondern ergriff den Pruͤgel/ den ich zu
meinem eigenen Ungluͤk geſucht hatte/ und zuſchmierete mir die Rippen und Arme ſo jaͤm-
merlich/ daß ich die Zeichen noch auffzuweiſen habe/ und ob ihm Herꝛ Ladiſla gleich vielfaͤl-
tig zuſchrihe/ er moͤchte mit ſeinem frommen unſchuldigen Weibe ſo grauſam nicht ver-
fahren/ halff es doch im geringſten nicht/ ſondern ward nur unſiñiger dadurch/ und wecke-
te ſeine Knechte auff/ die mich in ein ſchlimmes Gefaͤngniß werffen muſten/ da er dann mit
hohen Schwuͤren beteurete/ nicht zuruhen/ biß er ſein ungetraͤues ehebrecheriſches Weib
haͤtte zu Aſchen und Staub verbrennen laſſen. In was vor Angſt und Pein dazumal mein
Herzſtund/ iſt mir unmoͤglich zu ſagen/ nicht allein meines Unfalls wegen/ ſondern dz duꝛch
meine Unvorſichtigkeit Herrn Ladiſla Rettung gar zu Waſſer worden wahr. Fruͤh mor-
gens ließ Kleander ſeine naͤheſten Anverwanten zu ſich fodern/ denen er klagend vorge-
bracht hatte/ daß ſein junges Weib/ die er faſt aus Mitleiden und Erbarmung geheyrah-
tet/ traͤuloß an ihm worden/ und mit ſeinem aͤrgeſten Feinde dem gefangenen Moͤrder da-
von lauffen wollen; waͤhre auſſer allem Zweiffel mein Vorſaz geweſen/ ihn zuerwuͤrgen/
u[n]d hernach ſeine beſten Schaͤtze mit hinweg zunehmen; baͤhte demnach/ ihm guten Raht
mitzuteilen/ damit ſie andern ihres gleichen zum Beyſpiel geſtraffet wuͤrde. Dieſes wahr
ſeinẽ Verwanten ein gewuͤnſchtes Freſſen/ als welche nach Ariſtons Tode nach der reichen
Erbſchafft ſchnappeten/ und ich ihnen hernaͤhſt keinen Eintrag tuhn moͤchte; rieten alſo
einhellig/ mich im Rauche gen Himmel zuſchicken; Aber Gott fuͤgete es/ dz indem ſie mich
wolten brennen ſehen/ ſie alleſamt erſchlagen wurden. Die Urtel erging darauff alsbald/
ich ſolte und muͤſte brennen/ Herr Ladiſla aber mit dem Schwerte abgetahn werden/ wel-
ches auch auff Kleanders begehren von allen anweſenden gebillichet/ und von dem naͤhe-
ſten Verwanten/ mir fruͤh morgens zwiſchen ſieben und achten angekuͤndiget ward/ wel-
chem ich meine Taht umſtaͤndlich erzaͤhlete/ und wie unſchuldig ich an der Beruͤchtigung
des Ehebruchs und vorgegebenen Mordes waͤhre; lieſſe demnach die ganze Freundſchaft
inſtaͤndig bitten/ ſich an meinem unſchuldigen Blute nicht zuverſuͤndigen oder ſolches zu
verdammen. Dieſer falſche Bube ſtellete ſich gegen mich ſehr mitleidig/ und ſagte: Er vor
ſein Haͤupt hielte nicht allein mich vor unſchuldig/ ſondern muͤſte mir uͤber das zuerkennen
geben/ wie hefftig er in mich verliebet waͤhre/ ſo daß er auf nichts/ als auff des alten Klean-
ders Tod laurete/ damit er mich wieder heyrahten koͤnte/ durffte mir auch in meiner hoͤch-
ſten
[435]Anderes Buch.
ſten Betruͤbniß Unzimligkeit zumuhten/ nebeſt dem verſprechen/ nicht zuruhen/ biß er mich
wuͤrde errettet haben. Als ich ihm aber zur Antwort gab: Ich wolte ihm hernaͤhſt in ſein
ehrliches Anmuhten einwilligen/ und die Erettung Zeit meines Lebens zuerkennen wiſſen/
aber das unzimliche keines weges begehen/ noch/ da ich bißher meine Zucht Ehre bewahret
haͤtte/ dieſelbe im Gefaͤngniß ſchaͤnden. Da ließ eꝛ ſich vernehmen/ er haͤtte daran ein gutes
Genuͤgen/ und wolte alle menſchliche Moͤgligkeit zu meiner Erhaltung anwenden/ aber
(wer ſolte bey einigem Menſchen ſolche teufliſche Boßheit ſuchen?) er hatte/ wie ich her-
nach berichtet bin/ nicht allein ſich meiner gaꝛ nicht angenommen/ ſondern der ganzen Veꝛ-
ſamlung zur Antwort von mir hinterbracht/ ich haͤtte auff ſein liſtiges nachforſchen und
vorgeben/ ihm nunmehr geſtanden/ daß der Moͤrder mit ſeinen verfuͤhriſchen Worten
und uͤberaus groſſen Verheiſſungen/ mich zu einer gewaltigen Frauen zu machen/ mich
darzu verleitet haͤtte/ meinen Alten helffen umzubringen/ und mit ihm davon zu lauffen. Al-
ſo ward der weiſſe Stab uͤber mein Leben gebrochen/ und traten nach einer Stunde zween
Henkers Buben zu mir in die Gefaͤngniß/ welche nach gebehtener Verzeihung/ mir die
Haͤnde auff den Ruͤcken bunden/ und mich nachgehends auff einen Karch ſetzen wolten;
deſſen ich mich aber wegerte/ und den herben Weg zu fuſſe zugehen mich anerboht. Herr
Ladiſla ward vor mir hergetrecket/ und muſten IIX gewapnete Bauren zwiſchen uns gehẽ/
daß wir nicht mit einander reden ſolten; jedoch hoͤrete ich/ daß er den neben her reitenden
aͤdelleuten zurief: Ihr Herren/ mit mir ſchicken es die Goͤtter nach ihrer Verſehung/ wañ
ja ein auffrichtiger Kampff in Griechenland als eine moͤrderiſche Taht ganz moͤrderiſcheꝛ
weiſe ſol geſtraffet werden/ wiewol das erſchrekliche Weh deßwegen alle eure und der euren
Haͤupter treffen wird/ wozu ihr euch nur gefaſſet halten moͤget; aber dieſem redlichen/
frommen und unſchuldigen Weibe geſchihet vor GOtt und der Welt Gewalt und un-
recht/ welches ich allein gegen euer zehne behaͤupten wil/ wann mirs kan zugelaſſen
werden. Aber ihm ward nichts als ein ſpoͤttliches Gelaͤchter zur Antwort; der Kaͤmpf-
fer traͤte hinter ihm her/ welcher ihm die ruhmraͤhtige Zunge ſchier laͤhmen und das Luͤ-
genmaul ſtillen wuͤrde. Ich empfand aus ſeiner Rede einen ſonderlichen Troſt in mei-
nem Herzen/ und rieff ihm zu: Frommer ehrlicher Ritter/ ey laſt uns getroſt in unſer un-
ſchuld ſterben/ und die gerechten Goͤtter zu Richter uͤber unſer Blut ſetzen/ die werden die-
ſen an uns vorgenommenen unbillichen Mord nicht ungerochen laſſen. Ja ihr Tugend-
krone/ antwortete er mir gar laut/ ich danke euch vor euer Mitleiden uͤber meine Unſchuld/
und bitte die Goͤtter/ daß ſie eine Verachtung dieſes irdiſchen Lebens/ und Herzhafften
Muht biß ans Ende in euch wircken wollen/ alsdann werdet ihr eurer Tugend und Froͤm-
migkeit Belohnung ohn allen zweiffel von ihnen erlangen. Wir wurden zimlich langſam
zwiſchen Spieſſen und Schwertern nach der Schlachtbank und dem Opfferheerde hin-
gefuͤhret/ biß ich endlich das groſſe Feur ſahe/ wovor ich ſchier in Ohmacht nidergefallen
waͤhre/ und erhielt mich nur die bloſſe Furcht/ und eine gar ſchlechte Hoffnung zur Barm-
herzigkeit/ welche mich am Ende vielfaͤltig umb Gnade ruffen machte/ wiewol allerdinge
vergebens und umbſonſt; biß die guͤtigen Goͤtter (die durch etliche Regentropffen/ welche
wie Traͤhnen bey klarem Sonnenſchein herunter fielen/ ihr Mitleiden gegen uns bezeuge-
ten) uñ unſere Erretter auß den Puſche uns unverſehens zuſchicketen/ welche die gar zu un-
J i i ijbarm-
[436]Anderes Buch.
barmherzige Boßheit mit vollem maſſe vergolten/ wie euer Liebſter euch zweiffels ohn
ſchon außfuͤhrlich wird berichtet haben. Als Fr. Agatha hiemit ihre Rede/ und zwar nit
ohn Traͤhnen endete/ ſagte Fr. Euphroſyne mit weinender Stimme zu ihr; herzgeliebete
Waſe; als mein Charidemus wegen ſeiner Unbilligkeit nidergehauen ward/ meinete ich
unmoͤglich ſeyn/ daß eines Menſchen Ungluͤk dem meinen gleichen koͤnte/ aber als viel ich
auß euren Reden vernehme/ iſt das eure noch umb ein gutes Teil haͤrter geweſen. Klodius
redete ſie auch an mit einem durch dringenden Troſt/ und gab ihr zuverſtehn/ ſie haͤtte ſich
zuverſichern/ daß durch dieſe mitleidige Taht ſie ihr ſo groſſe Freunde gemacht haͤtte/ wel-
ches ſie kaum wuͤrde glaͤuben koͤnnen/ daher wuͤrde ſie in kurzen zu hoͤheren Ehren erho-
ben werden/ als nie keiner ihr es ganzen Geſchlechtes/ ob gleich ſein gnaͤdigſter Herr da-
von wenig Worte machete/ haͤtte gleichwol zu ihm geſagt; dieſer aͤdlen Frauen bin ich
meine Seele ſchuldig/ und werde Muͤhe haben/ mich zubeſinnen/ wie ich meine Dankbar-
keit ſehen laſſe. Fr. Agatha entſchuldigte ſich/ es waͤhre ihr alles ſchon tauſendfach vergol-
ten/ nam mit ihrer Waſen Abſcheid von ihm/ und ward ihnen angeſagt/ daß Herr Ladiſla
wiederkommen waͤhre/ und auff ſie wartete. Im hingehen troͤſtete ſie Fr. Euphroſyne
auffs neue/ ſie ſolte ein froͤliches Herz faſſen/ und ſich verſichern/ daß alles zu ihrem beſten
geſchehen waͤhre; dann mir iſt/ ſagte ſie/ nicht unbewuſt/ wie gram und auffſaͤtzig euch
euer Stieffſohn Ariſton wahr/ der nach ſeines Vaters Tode euch kaum dz trockene Brod
auß den Guͤtern wuͤrde gegoͤnnet haben; nun aber ſeid ihr Erbin und Frau uͤber alle Schaͤ-
tze und Reichtuhm; und wer weiß/ waß vor ein beruͤhmter Ritter euch noch beſcheret iſt?
Fr. Agatha antwortete: Sie koͤnte nicht leugnen/ daß ihr Stieffſohn einen unverſoͤhnli-
chen Haß wieder ſie gefaſſet/ da ſie ihm doch als eine Magd auffgewartet/ und was er be-
gehret/ von dem Vaterloßgebehten haͤtte. Weil ich nun merkete/ ſagte ſie/ daß nach Klean-
ders Ableben/ er mir wenig wuͤrde abfolgen laſſen/ ſahe ich mich vor/ machete aus Korn/
Vieh/ und inſonderheit aus Linnewand/ daran ich meine Maͤgde ſteiff arbeiten ließ/ und
ſelbſt mit fleiſſig wahr/ einen zimlichen Nohtpfennig/ daß wann ich etwa vier Jahr friſt ge-
habt/ wolte ich ſeiner Gnade eben ſo groß nicht geachtet haben/ maſſen ich in dieſer gerin-
gen Zeit uͤber 1200 Kronen ſchon beygelegt/ die ich einer verarmeten aͤdel Jungfer zur auß-
ſteur ſchenken wil. Hieran tuht ihr wol/ ſagte Fr Euphroſyne/ und ſchlaget forthin allen
Unmuht aus/ ich wil mich bemuͤhen/ daß ihr bald/ wie ich/ mit einem Braͤutigam erfreuet
werdet. Herr Ladiſla trat gleich zu ihnen auff den Saal/ und hatte ſein freundliches Ge-
ſpraͤch mit ihnen/ dann er liebete Fr. Agathen nicht anders als eine leibliche Schweſter/
weil ſie ſeinetwegen ſich in ſo groſſe Gefahr gewaget hatte/ daher er vor dißmahl in Gegen-
wart ihrer Waſen zu ihr ſagete; er koͤnte nicht ruhen/ biß er ſeine geliebete Freundin des
leidigen Witwenſtandes entnommen ſaͤhe. Markus und Leches muſten alle ihre Schaͤtze/
deren nicht wenig wahren/ aus den Schiffen in die Stad bringen laſſen/ und ſtelleten La-
diſla und Fabius des folgenden Tages eine trefliche Gaͤſterery an/ auff welche ſie die vor-
nehmſten Herren des Rahts/ unter denen auch Amyntas wahr/ einluden/ auch zur beſſe-
rung der Stadmauren 6000 Kronen verehreten/ wodurch ſie ihnen die ganze Gemeine
guͤnſtig macheten. Inzwiſchen muſte Klodius noch immer hin des Bettes huͤten/ ob er
gleich die Gefahr Tage ſchon vorbey gebracht hatte; doch ward er von beyden Frauen taͤg-
lich
[437]Anderes Buch.
lich wol vergeſelſchafftet/ und ließ Markus ihn ſelten allein/ welcher ihn einsmahls frage-
te/ wie ihm Fr. Agatha geſtele/ und dafern er ein Herz zu ihr haͤtte/ ſolte ers ihm kuͤhnlich
offenbahren/ und vor das uͤbrige ihn ſorgen laſſen. Klodius wahr mit dieſen Gedanken
von Anfang ihrer Ankunfft ſchon umgangen/ weil er aber am wirklichem fortgange faſt
zweiffelte/ durffte er ſichs nicht merken laſſen/ biß er durch dieſe gemachte Hoffnung er-
muntert/ ein Herzfaſſete/ und nach geſchehener Dankſagung ihn baht/ dieſes ſeines Gluͤks
Befoderer zu ſeyn/ welches er Zeit ſeines Lebens erkennen wolte. Markus hies ihn gutes
muhts ſeyn/ und ſeiner Geſundheit pflegen/ ließ ihm auch alsbald ſchoͤne Kleider machen/
die er auff ſeinen erſten Außgang anlegen ſolte/ hielt nachgehends bey Ladiſla untertaͤh-
nigſt an/ er moͤchte ſeines getraͤuen Dieners Klodius gnaͤdigſt eingedenke ſeyn/ ob zwiſchẽ
ihn und Fr. Agathen eine Heyraht koͤnte geſchloſſen werden; der ihm mit lachender Rede
zur Antwort gab: Er moͤchte vielleicht hierauff ſchon mehr und fleiſſiger als er ſelbſt/ be-
dacht ſeyn; inzwiſchen ſolte er mit ſeiner liebeſten es anlegen/ daß ſie ihr einen Willen daꝛzu
machete; welches ſie aber vor unrahtſam hielt/ nicht zweiffelend/ es wuͤrde durch unver-
muhtliches Vorbringen Herrn Ladiſla/ leichter vor ſich gehen als ſonſt. Wenig Tage her-
nach erhielt Klodius bey dem Arzt/ daß er auffſtehen durffte/ wornach ihn ſehr verlangete;
Da ihn Fr. Euphroſyne auffs beſte mit alle dem außputzete/ was einen Buhler beliebet
machen kan; wie er dann ohndaß ein anſehnlicher wolgeſtalter Ritter wahr/ und von gu-
ter Hoͤffligkeit. Als er zu den Verſamleten ins Gemach trat/ und ſeinem Herrn Ladiſla
die gebuͤhrliche Ehrerbietung leiſtete/ empfing ihn derſelbe mit dieſen Worten; mein gu-
ter Klodius/ ich erfreue mich/ daß ihr der Wunden geneſen ſeid/ die ihr meinetwegen em-
pfangen/ und werde ich mich noch heut bemuͤhen/ euch derſelben zuergetzen. Dieſer zwei-
felte nicht/ es haͤtte Markus der Heyrahtwegen mit ihm geredet/ und gab zur Antwort:
Durchleuchtigſter Gnaͤbiger Herr/ mir hat nie etwas ſanfter getahn/ als eben dieſe Wun-
den/ nachdem ich vernommen/ daß ihre Gn. mit dem Leben davon kommen find; die Be-
lohnung habe ich vorlaͤngſt ſchon gehoben/ daher euer Durchl. gnaͤdiges Erbieten ein lau-
ter Uberfluß iſt; befehle mich dero ſtaͤtiger Gewogenheit/ und ergebe mein Leib und Seele
ohn einiges bedingen euer Gn. eigen. Hernach trat er zu Fr. Agathen/ kuͤſſete ihr die
Hand/ und bedankete ſich der hohen Gunſt/ die ſie ihm in taͤglicher Beſuchung geleiſtet/
moͤchte wuͤnſchen/ das ſeine Dienſte biß an ihre behaͤgligkeit zureichen beſtand waͤhren/
und erboht ſich zu aller moͤglichen Auffwartung. Die ſchoͤne junge Frau ſahe ihn an/ hatte
ſich ein ſolches Anſehen von ihm nicht eingebildet/ weil ſie ihn nur bißher im Bette geſe-
hen/ und antwortete ihm freundlich: Mein Herr/ ich erkenne ſehr wol/ daß ſein angewan-
ter Fleiß zu errettung ſeines Gn. Herrn/ mir gleich ſo wol zuſtatten kommen iſt/ wovor
mich ihm billich verhafftet erkenne/ bedarff demnach vor geſchehene Beſuchung gar kei-
nes Dank es; dann weil ich uͤberdaß wuſte/ daß ihm ſeine Wunden von meinen naͤheſten
Verwanten geſchlagen wahren/ muſte ich mich billich entſchuldigen/ daß es aus meinem
Geheiß nicht geſchehen ſey. Sie ſetzeten ſich hierauff zu Tiſche/ da unter anderm Geſpraͤ-
che Fabius zu Klodius ſagete: Mein lieber Freund und Mit Roͤmer/ die Traͤue/ ſo ihr zu
meines Herrn Bruders beſten/ ungeachtet eurer Wunden angewendet/ wird meine Fr.
Schweſter Sophia zu ſeiner Zeit erſetzen; vor dißmahl ernenne ich euch zum Obriſten-
J i i iijStad-
[438]Anderes Buch.
Stad-Verweſer meiner Roͤmiſchen Legion/ zur bezeugung meiner Dankbarkeit/ und ſol-
len eure Beſtallungs-Gelder von der Zeit angehen/ da von Kaͤyſerl. Hocheit ſie mir ge-
ſchenket worden. Dieſer hohen Gunſt haͤtte ſich Klodius zu ihm nicht verſehen/ ſtund auf/
und bedankete ſich der groſſen Ehre gar demuͤhtig/ deren er ſich unwirdig erkennete/ auch
keines weges verdienet haͤtte; wolte doch Zeit ſeines Lebens ſich gegen ihn nach aͤuſſerſtem
vermoͤgen dienſtwillig und Gehorſam erzeigen. Nach ſolchem kehrete ſich Ladiſla zu Fr.
Agatha/ und brachte vor/ er waͤhre noch wol eingedenk der groſſen Woltaht und Freund-
ſchafft welche ſie ihm Zeit ſeiner Gefaͤngnis erzeiget/ und ſich daruͤber in die hoͤchſte lebens
Gefahr/ ja beynahe in das Feur geſtuͤrzet/ nur daß ſie ihn/ einen wild-fremden Unbekan-
ten erretten/ und loßmachen moͤchte; er haͤtte ſich muͤſſen als ein Hund Speiſen laſſen/
mit gefeſſelten Haͤnden auff dem Ruͤcken die ganze Zeit uͤber/ ja des Durſtes haͤtte er in
der erſten Nacht muͤſſen verſchmachten/ wann ihre Vorſorge Barmherzigkeit und La-
bung es nicht verhuͤtet; alſo befunde er ſich dermaſſen ihr verbunden/ daß er Zeit ſeines
Lebens gnug zuvergelten haͤtte; erboͤte ſich demnach mit alle ſeinem Vermoͤgen zu ihrer
Freundſchafft und wilfaͤhrigkeit/ deſſen zur Anzeige wolte er vor erſt einen geringen Be-
weißtuhm ablegẽ; Ließ ihr hierauff ein Laͤdichen mit Kleinoten angefuͤllet/ auf 20000 Kro-
nen wert/ und zwoͤlff Beutel mit 80000 Kronen baar auff einen Neben Tiſch hinſtellen/
welches anzunehmen ſie ſich hefftig wegerte/ vorgebend/ was ſie etwa Zeit ſeiner Gefaͤng-
niß getahn/ haͤtte die Billigkeit ſelbſt erfodert/ nach dem ſie von Kleanders Leibdiener ſeiner
Unſchuld bericht eingenom̃en; ſolten aber ihre geringe Dienſte ja einiger Belohnung wert
ſeyn/ waͤhre es ſchon tauſendfach vergolten/ in dem bloß allein durch ſeine Huͤlffe und ſchuz
ſie nicht allein Erbin aller Kleandriſchen Guͤter bliebe/ ſondern ihr uͤber das von den Wit-
tiben uñ aͤdelleuten [ſo] trefliche Geſchenke eingereichet waͤhren/ daß ſie ſich unter die reiche-
ſten Frauen Griech enlandes wol zaͤhlen duͤrffte; baͤhte demnach untertaͤhnig/ ihre Gn.
moͤchten dieſes gar zu groſſe Geſchenk wiedeꝛ zu ſich nehmen; es waͤhre gar zu ſchweꝛ Koſt-
geld vor die kleinen Bißlein/ welche ſie ihm durch das enge Loch zugeworffen. Ladiſla ſage-
te: Er wolte nicht hoffen/ daß ſie die erſte ſeyn wolte/ die ſeinen guten Willen ausſchluͤge/
uñ duͤrffte ſie ſich nicht beſorgen/ daß ſeine Guͤter wegen dieſes ſchlechten Geſchenkes groß
gemindert wuͤrden. Er haͤtte aber in einem Stuͤk ſie hochbeleidiget und beraubet/ deſſen er
ſich wol erinnerte/ baͤhte demnach/ ihm zugoͤnnen/ daß ers wi[e]der gut machen und erſetzen
moͤchte. Fr. Agatha wuſte von keiner Beleidigung oder Beraubung/ meinete/ es waͤhre
im Scherze geredet/ und gab zur antwort: Ja wann ihre Gn. ſie beraubet haͤtte/ welches
ſie doch nit hoffete geſchehen ſeyn/ waͤhre es zumahl billich/ daß ihr ſolches wieder zugeſtellet
wuͤrde/ damit ſie nicht Urſach haͤtte/ ſich deſſen voꝛ Kaͤyſerl. Hocheit hoͤchſt zubeklagen. Deſ-
ſen ſol es nicht beduͤrffen/ ſagete er; baͤhte nur/ ihrer Erklaͤrung eingedenk zu ſeyn/ und rede-
te ſie weiter alſo an: Vielwerte/ in ehrer herzgeliebte Freundin als Schweſter/ daß durch
Auffopfferung des boßhafften Kleanders ich ihr ihren Ehegatten geraubet/ und ſie in den
leidigen Witwenſtand geſetzet/ wird ſie nicht leugnen koͤnnen. Nun iſt alhie gegenwaͤrtig
der aͤdle und veſte Roͤmiſche Ritter und aͤdelmann Klodius/ beſtalter Obriſter Statver-
weſer uͤber eine Legion/ und anjetzo mein Schiffhauptmann und lieber Freund/ der ſeinen
Ritter- und Adelſtand wol zubehaͤupten weiß; da ich nun bey meiner geliebeten Freundin
ein
[439]Anderes Buch.
ein gluͤklicher Werbesmann ſeyn koͤnte/ daß ſie denſelben vor ihren Braͤutigam und kuͤnf-
tigen Ehejunker auff und annehmen wolte/ wuͤrde mir dadurch Gelegenheit an die hand
gegeben/ es weiter zuverſchulden; ſteckete ihr damit einen ſehr koͤſtlichen Ring an den Fin-
ger/ und ſagete: Dieſen uͤbeꝛreiche ich meiner Freundin im Nahmen und von wegen Rit-
ter Klodius/ hoffe ſie werde ihn zubehalten ihr gefallen laſſen koͤnnen. Die gute Frau wahr
dieſes unvermuhtlichen Anmuhtens wegen ſehr beſtuͤrzet/ daß ihr das Gebluͤt unter die
Augen ſchoß/ durfte ſich doch nicht wegern den Ring zunehmen; ſtund eine zeitlang ohn
Antwort und ſahe ihre Waſe an/ nicht zweiffelnd/ ſie wuͤrde dieſes Anſchlages nicht allein
gute Wiſſenſchafft tragen/ ſondern es wol ſelbſt alſo gefidert haben/ uñ zuͤrnet faſt ſehr/ daß
ſie ihr den geringeſten Wink nicht davon gegeben haͤtte; inſonderheit ſchaͤmete ſie ſich/ daß
ihre ſcherzhaffte Antwort ihr als eine Anfoderung hierzu/ kunte ausgedeutet werden; end-
lich erhohlete ſie ſich/ und gab dieſe Antwort: Durchleuchtigſter Gn. Herꝛ; wie hoch eu-
re Gn. ſich meiner angenommen/ iſt allen gegenwaͤrtigen kuͤndiger/ als daß es weitlaͤufti-
ger Wiederhohlung beduͤrfte; bitte untertaͤhnig/ dieſelbe wollen in dieſer hohen gewogen-
heit gegen mich/ allemahl verbleiben/ deren als gehorſame Dienerin ich in ehren allemahl
verbunden bin; was die erwaͤhnete Heyraht betrifft/ wil euer Gn. ich untertaͤhnig ant-
worten/ nachdem mit meiner geliebten Waſen mich deſſen werde beredet haben; bitte die-
ſen geringen Verzug nicht ungnaͤdig auffzunehmen/ noch meine vorige/ aus unwiſſenheit
getahne Scherz-Foderung mir ungleich auszulegen. Frau Euphroſyne fiel ihꝛ in die rede;
ſie wuͤſte hierin nichts mit ihr zubereden/ weil ſie ihren freyen Willen haͤtte/ ſie auch nicht
zweifelte/ ihres Gn. Herꝛn Vorſchlag ihr nicht zuwieder ſeyn wuͤrde; uͤberdas erkennete
ſie Herꝛn Klodius vor einen redlichen auffrichtigen Ritter/ der ihrer wolwirdig/ ihr auch
als ein getraͤuer Ehegemahl allezeit gebuͤhrlich begegnen wuͤrde. Wann ich dann/ ſagte ſie/
aus allen uͤmſtaͤnden vermerke/ daß ihr nicht aus Unwillen/ ſondern ſchamhalber eure Ant-
wort hinterhaltet/ wil ichs an eure Stat herzlich gerne verrichten; bedanke mich demnach
gegen eure Gn. Herꝛ Ladiſla/ untertaͤhnig/ daß dieſelbe meine geliebete Waſe ſo wol verſe-
hen/ die Heyraht mit Ritter Klodius ſelbſt vortragen/ und die beyden Befoderer der ge-
ſchehenen Rettung miteinander verehelichen wil; jedoch/ weil mich deucht/ meine Waſe
moͤchte ihres Freyers worte gerne ſelbeꝛ hoͤren/ wil ich fernere Antwort biß dahin auffſchie-
ben. Klodius und Agatha ſaſſen beyde gleich beſtuͤrzet/ uñ fing dieſe an; Fr. Waſe/ ich haͤt-
te mich ſolcher Beſchimpffung zu euch nicht verſehen/ da ihꝛ mich durch eure Reden in die-
ſe Verwirrung ſtuͤrzet/ daß ich weder zuſchweigen noch zuantworten weiß; und was mag
dieſer Ritter (auff Klodius zeigend) gedenken/ daß ich ihn zureden auffmahnen ſolte? Hof-
fe demnach/ dieſe Hoch-Fuͤrſtl. und Ritterliche Geſelſchafft/ werde es euren kurzweiligen
Auffzuͤgen zuſchreiben. Ladiſla mengete ſich mit ein/ und ſagete zu Fr. Euphroſynen: Ge-
wißlich hat meine Freundin nicht unbillich Ritters Klodius eigene Worte ausgefodert/
welche ihm auch vorzutragen wol anſtehen wird; jedoch/ daß Fr. Agatha ihr hernach ge-
fallen laſſe/ ſelbſt zuantworten/ damit ſie (ſagete er mit einem Lachen) nicht urſach habe/ ih-
re Fr. Waſe zubeſchuldigen/ als haͤtte ſie zuviel oder zu wenig verſprochen. Klodius ließ
ſich hierauff bald finden/ und fing alſo an: Durchleuchtigſter Gn. Herꝛ/ daß eure Gn. ihr
meine Wolfahrt ſo hoch laͤſſet angelegen ſeyn/ daß die Frucht ihrer Gefaͤngniß zu meinem
Nutzen
[440]Anderes Buch.
Nutzen reichen ſol/ daher befinde zeit meines Lebens euer Gn. mich zu allem untertaͤhnigen
Gehorſam und Dienſten verbunden; und wann die hochaͤdle Fr. Agatha/ mich wirdigen
koͤnte und wolte/ voꝛ ihren ergebenen Diener uñ kuͤnfftigen Ehegatten mich auffzunehmẽ/
und meines Gn. Herꝛn Anwerbung gelten zulaſſen/ verpflichte ich mich hinwiederumb/ die-
ſelbe in ehelicher Traͤue zulieben und ehren/ wie ſolches von einem redlichen Ritter erfodert
wird/ der hoffnung gelebend/ ihre hochaͤdle Tugend werde mit einer genehmen Antwort
mich beſeligen/ und daduꝛch meine gewuͤnſchete Gluͤkſeligkeit in Volkommenheit ſetzen. Fr.
Agatha haͤtte gerne geſehen/ daß den Sachen in etwas Anſtand gegeben waͤhre; weil aber
ſie ſich der Erklaͤrung nicht entbrechen kunte/ auch ihre Waſe ſie alſo anredete: Herzliebe
Schweſter/ was ſeyd ihr ſo beſtuͤrzet? Ich meine ja nicht/ daß einiger Menſch zugegen ſey/
vor dem ihr euch zu ſcheuhen haͤttet/ in Ehrenſachen eine antwort zugeben; ſo ſeyd ihr ja
uͤberdas euer ſelbſt eigen/ und nicht gehalten/ jemands Willen einzuhohlen; wollet ihr aber
vorſchuͤtzen/ daß die geſchlagene Wunde noch zu ſehr ſchmerze/ duͤrffet ihr deſſen gar nicht;
maſſen Kleander nicht als euer Ehegatte/ ſondern als euer Erzfeind und Moͤrder geſtor-
ben iſt; derwegen gebet eure Antwort frey ungeſcheuhet/ doch alſo/ daß Herꝛ Ladiſla ſo we-
nig eure Undankbarkeit/ als Ritter Klodius die Unbarmherzigkeit anzuklagen/ uꝛſach ha-
ben moͤge. Es wahren ihr hiemit alle weitere Ansfluͤchte benommen/ daher ſie endlich ein
Herz ergrieff/ und dieſes vorbrachte; ſintemahl mein Gn. Herꝛ/ Herꝛ Ladiſla/ durch ſeine
ſchon gar zu hohe Woltahten/ mich ſeinem Gehorſam allerdinge unterwuͤrffig gemacht/
und uͤberdas noch meine Wolfahrt zubefodern/ gegenwaͤrtigen aͤdlen Roͤmiſchen Ritter/
Herꝛn Klodius mir zu einem kuͤnfftigen Braͤutigam zuzufuͤhren willens iſt/ erkenne ſeiner
Durchl. hohe Gnade ich billich/ und untergebe mich dero in gehorſamer Untertaͤhnigkeit;
habe auch nicht urſach/ Herꝛn Klodius jeztgetahnes Verſprechen/ wegen ſeiner auffrichti-
gen Traͤue und Liebe/ in zweiffel zuzihen/ und nehme hiemit ſelbe nach ſeinem Anſuchen eh-
ren-gebuͤhrlich an/ ſtelle ihm meinen Gehoꝛſam und alle meine Guͤter zu/ derſelben ſich nach
Willen zugebrauchen/ und wil nach abgelegter Trauer/ welche ich hieſelbſt bey meiner ge-
liebeten Waſen und Schweſter zuhalten entſchloſſen bin/ ihm an Ort und Ende folgen/
wohin es jhm gelieben wird. Ladiſla bedankete ſich der angenehmen Erklaͤrung; Klodius
aber trat hin zu ihr/ und ward die Ehe mit einem Handſchlage uñ freundlichen uͤmfangen
bekraͤfftiget. Die Anweſenden wuͤnſcheten hierzu Gluͤk/ und erfreuete ſich Markus ſeines
lieben Freundes Wolergehens hoͤchlich. Noch hielt dieſe neue Braut bey Herꝛn Ladiſla
an/ die groſſen Goldbeutel wieder zu ſich zunehmen/ da ſie ja die teuren Kleinot zubehalten
gezwungen waͤhre; aber Ladiſla ſagete zu Klodius: Lieber redet euer Braut ein/ daß ſie auf-
hoͤre ſich zuwegern; und daß auch ihr eine geringe Ergetzung der empfangenen Wunden
habt/ werdet ihr wegen des bewuſten geringen Vorſchuſſes von meinem Herkules keine
Anſprach haben; koͤnnet alſo euer Liebſten ein freyes Roͤmiſches Rittergut zubringen/ daß
ſie gleichwol ſihet/ daß ihr nicht Armut wegen/ ſondern etwas zuerfahren/ euch in meine
Dienſte begeben habt. Seinem Markus taht er gleichmaͤſſige Schenkung des verſchoſſe-
nen/ und ließ alles was verzehret ward von ſeinem Schatze nehmen; welche Freygebigkeit
den beyden Braͤuten ſehr zuwieder wahr. Am andern Tage nach der Verloͤbnis/ da die
Liebhaber ſchon vertrauliche Kundſchafft mit ihren Liebeſten gemacht hatten/ kam ein an-
ſehnlicher
[441]Anderes Buch.
ſehnlicher Griechiſcher Herꝛ/ Nahmens Attalus/ zu Korinth an/ und legete ſich bey Amyn-
tas zur Herberge; ließ folgendes Tages ſich bey ſeiner unbekanten Waſe Fr. Euphroſy-
nen anmelden/ und begehrete mit ihr in geheim zureden. Als ihm ſolches gerne zugelaſſen
ward/ und er zu ihr kam/ machete er ſeine Hoͤffligkeiten guter maſſen/ die doch ſehr gezwun-
gen und nach der Schuelart wahren/ ſtellete ſich dabey ernſthafftig/ und nachdem er mit
zuͤchtigen Geberden empfangen wahr/ zeigete er an/ die nahe Anverwandſchafft/ (davon
doch weder ſie noch er ichtwas wuſten) haͤtte ihn kuͤhn gemacht/ ſeine innigliche Begierden
vor ihr auszulaſſen/ zweiffelte nicht/ ſie wuͤrde in Anſehung deſſen/ ihm alle wolguͤltige Be-
foderung erzeigen/ ihn bey ſeiner hoͤchſtgeliebeten Freundin Fr. Agathen beſter maſſen be-
liebt zumachen/ und die Sache (daß ers in die kuͤrze zoͤge) dahin zubefodern/ daß nach abge-
legeter kurzen Trauer/ er deren Liebe im wirdigen Ehebette beſitzen und genieſſen moͤchte/
demnach er vor unſaͤglicher Liebe gegen dieſelbe brennete; er wolte ſolches aͤuſſerſt zuerken-
nen gefliſſen ſeyn/ und ſich ihrer nicht anders als ſeiner leiblichen Schweſter annehmen:
Zohe auch zween Ringe hervor/ den einen am Wert XX Kronen ihr ſelbſt zuſchenken/ als
eine Vergeltung kuͤnfftiger Befoderung; den andern von XL Kronen/ umb ſolchen ſeiner
Liebeſten (wie er Fr. Agathen ſchon nennen durffte) auf kuͤnfftige eheliche Liebe und Traͤue
einzuliefern. Den Vogel am Geſange/ den Topff am Klange/ gedachte Fr. Euphroſyne;
ſie hatte dieſes Menſchen gar keine Kundſchafft/ nur daß ſie ehmahls von ihm gehoͤret/ daß
er Leibes und Anſehens gnug/ aber wenig Wiz haͤtte; uͤber das auch reich an Guͤtern/ aber
dabey uͤberaus filzig und hundiſch waͤhre. Ihre Verwandſchafft betreffend/ wuͤrde es muͤ-
he gekoſtet haben/ ehe man des zehnden Gliedes inne werden moͤgen; Doch als eine ver-
ſtandige Frau ließ ſie ſich nichts widriges merken/ wegerte ſich doch die Ringe zunehmen/
und ſagete zu ihm: Sie bedankete ſich ſehr/ daß er ſie in ſolchen wichtigen Geſchaͤfften zu
gebrauchen wirdigte/ wolte ihm auch darinnen gerne bedienet ſeyn/ als viel ihr weniges
Vermoͤgen leiſten koͤnte/ welches aber noch zu zeitigſeyn wuͤrde/ angeſehen ihrer Waſen
ausgeſtandenen groſſen Elendes/ und daß ſie noch in groſſer Betruͤbniß waͤhre/ daher von
Heyrahtſachen nicht mit ihr zu handeln ſeyn wuͤrde. Attalus hatte ſeiner Einbildung nach
ſich dieſer Antwort nicht verſehen/ zog zwar die Ringe gerne wieder nach ſich/ weil er ſie
ohn das nicht gerne gemiſſet haͤtte/ wie geringe ſie auch wahren; aber mit dieſer ungewiſſẽ
Antwort ſich abſpeiſen zulaſſen/ ſagte er/ waͤhre ſeine Gelegenheit nicht/ in Betrachtung/ er
der Urſach halben einen gefaͤhrlichen Weg uͤber die ſechs Meile mit ſeinem Hofmeiſter o-
der Verwalter geritten/ und nicht geringe Koſten angewendet haͤtte; wolte demnach aber-
mahl gebehten haben/ dieſe Werbung bey ſeiner Liebeſten anzubringen/ die verhoffentlich/
da ſie ſeinen Namen hoͤren wuͤrde/ ſich/ ehe ſie meynete/ willig erklaͤren duͤrffte. Fr. Euphro-
ſynen gereuete ſchon/ daß ſie mit dem Gecken ſich ſo weit eingelaſſen hatte/ dann ſie ſahe nit/
auff was weiſe ſie ſich ſeiner wuͤrde entbrechen koͤnnen/ gedachte noch durch eine glimpffli-
che Veraͤchtligkeit ſein abzukommen/ und fragete ihn/ wer er dann waͤhre. Dieſer entruͤſte-
te ſich in etwas/ und ſagete: Ey meine Fr. Waſe/ ſolte ſie ihren ſo nahen Anverwanten nit
beſſer kennen/ den ohn Ruhm zumelden/ anſehnlichen reichen Freyherrn/ Herrn Attalus/
von deſſen gutem Geruͤcht Griechenland hin uñ wieder redet? deſſen Liebe und Holdſchaft
ſo manniches Frey Fraͤulein gewuͤnſchet hat/ daß er faſt taͤglich mit Anſuchungs-Briefen
K k kuͤber-
[442]Anderes Buch.
uͤberlauffen wird? Die gute Frau kunte lachens ſich nicht enthalten/ ſahe was vor einen
Ebenteur ſie vor ſich hatte/ und gedachte ihren guten Freunden noch heut einen kurzweili-
gen Auffzug zumachen fragete ihn deshalben/ ob er ihrer Waſen Kundſchaft haͤtte; und
da ſie vernam/ daß er ſie niemahls geſehen/ forſchete ſie weiter nach/ woher doch dann die
ſo hefftige Liebe ihre Urſach genommen haͤtte; welches er fein teutſch anzeigete/ er waͤhre in
Erfahrung gebracht/ daß ſie nicht allein ſchoͤn/ aͤdel und jung/ ſondern auch ſehr reich und
wol beguͤtert waͤhre/ welches in ihm die Begierde aufgemuntert/ es mit ihr zuwagen/ weil
er gegen ſeinen Reichtuhm einen gleichmaͤſſigen haben muͤſte. Auf dieſes Vorbringen er-
boht ſie ſich/ ihm zum ſonderbahren Gefallen die Werbung zuverrichten/ moͤchte gebehten
ſeyn/ ſich bey der Mahlzeit einzuſtellen/ dann koͤnte nicht allein dieſe Handelung vorgenom-
men werden/ ſondern wuͤrde uͤberdas Gelegenheit haben/ mit etlichen vornehmen Roͤmi-
ſchen Herren gute Kundſchafft zumachen; haͤtte er nun etwas koſtbahrere Kleinot/ als die
auffgezeigeten ſchlechten Ringe/ wuͤrde er ohn ihr erinnern ſolche mitbringen; dann im
fall die Heyraht ſolte geſchloſſen werden/ muͤſte er ſeiner Liebeſten dieſelbe darbieten/ wor-
an er nichts verlieren/ ſondern alles mit ihr wieder bekommen wuͤrde; Dieſes wolte ſie ihm
zu dem Ende rahten/ weil die Weibesbilder aus dem erſten Geſchenk von der Buhler Lie-
be gemeiniglich zu urteilen pflegeten. Dieſer ward froh/ und gab zur Antwort: Ob zwar
die Einkaͤuffung vieler Kleinot nichts anders als Geld-verſpillung waͤhre/ wolte er doch
wiſſen dem Dinge ſein Recht zutuhn; nahm von ihr hoͤflichen Abſcheid/ mit dem Er bieten
gegen die Mahlzeit ſich einzuſtellen/ und ſein Vorhaben ins Werk zurichten; ging nach
der Herberge/ und ſtellete es mit ſeinem duͤnne beſpunnenen Hofmeiſter/ welchen er auff-
zuwarten bey ſich hatte/ in Raht; meynete/ wann er etwa vor 100 Kronen Kleinot ein-
kauffen wuͤrde/ koͤnte er damit ſehr wol beſtehen; weil aber dieſer etwas witziger wahr als
ſein Herr/ gab er ihm einen guten Auswiſcher: ob er meynete/ dz er zu einer gemeinen Buͤr-
ger-Dirnen ginge? dieſe hochaͤdle Frau waͤhre dermaſſen beguͤtert/ daß ſie ihm ſo liderli-
che Sachen wuͤrde vor die Fuͤſſe werffen. Er haͤtte ihm ja/ ehe ſie ausgezogen waͤhren/ ſei-
ne Meynung geſagt/ daß er ihn als ſeinen Leibdiener muͤſte zierlich und nach ſeiner Leibfar-
be auskleiden/ wie andere ſeines gleichen wol taͤhten/ die nicht den zehnden Teil ſeiner Guͤ-
ter haͤtten; Er muͤſte nicht mit einem ſondern V oder VI reitenden Dienern auffzihen/ daß
man ſein Vermoͤgen daher erkennete; Er muͤſte beyde Schieb Saͤcke vol Kronen haben/
und den Spielleuten keine Silber Groſchen/ ſondern VII/IIX oder mehr Kronen auff ein-
mahl auffwe[r]ffen; Er muͤſte V oder VI Kleider/ auffs praͤchtigſte gemacht/ bey ſich haben/
damit er ſich alle Tage umkleiden koͤnte; Er muͤſte den Leibdienerinnen ſeiner Liebeſten ſol-
che Ringe ſchenken/ als er ihr ſelbſt zuge dacht haͤtte; Und alſo muͤſte er dieſes ſein Vorha-
ben entweder ganz laſſen bleiben/ oder zum wenigſten ſich auff 2000 Kronen wert Kleinot
ſchicken/ damit er nicht auff einen Stumpff lieffe. Dem filzigen Lauſer dauchte dieſes gar
zu viel ſeyn; jedoch in Hoffnung/ eine Speckſeite mit einem Ey herunter zuwerffen/ ließ er
ſichs endlich noch gefallen/ und wahr ihm leid/ daß er nicht etliche ſeiner Droͤſcherknechte
beritten gemacht/ und zum Prunk mit ſich genommen hatte. Inzwiſchen machte ſich Fr.
Euphroſyne hin zu ihren Gaͤſten/ zeigete ihnen in Gegenwart ihrer Waſen/ dieſes neuen
Buhlers duͤrre Werbung an/ und wie ſie ihn haͤtte auff die Mahlzeit beſcheiden; baͤhte/
man
[443]Anderes Buch.
man moͤchte ihr goͤnnen/ einen kurzweiligen Auffzug zumachen/ da ſonſt die Herren eines
toͤrichten Menſchen Ruhmraͤtigkeit geduldig anhoͤren koͤnten; weil ſie auch wuſte/ daß Le-
ches ſolchen Leuten fein zuſtellẽ/ uñ ſie poſſierlich auffzuzihen wuſte/ hielt ſie bey ihm an/ die-
ſen Kerls ein wenig in die Schule zufuͤhren. Die Unſern lieſſen ihnen ſolches gefallen/ uñ
wolten nach langwieriger Betruͤbniß gerne ein Affenſpiel ſehen/ daher Ladiſla ſeinem Le-
ches befahl/ alle ſeine Kurzweils Kuͤnſte hervor zuſuchen/ wozu er dann willig wahr. Frau
Agatha aber beſchwerete ſich/ warumb ſie mit dem Narren ſich auffnehmen/ und im Aus-
kehrich nur Spott zu Lohn haben ſolte; Sie erinnerte ſich/ daß er vorm Jahre bey ihren
Anverwanten umb ſie geworben/ aber weil die Heimſteur zu ſchlecht geweſen/ gar ſpoͤttiſch
auff ſie loßgezogen haͤtte. Geliebte Waſe/ antwortete Euphroſyne/ ihr habt nicht urſach/
euch eben ſo hart zuwegern; dann wer weiß noch/ ob ihr ihm in eurem Traurgewande auch
ſchoͤn und freundlich gnug ſeyn werdet? Nun hatte ſie eine arme adeliche Jungfer bey ſich/
die ihr auffwartete/ von guter Geſtalt/ und beſchwatzet/ aber daneben friſches Gemuͤhtes/
daß ſie einem bloͤden Kerle zum Fauſtrecht gnug gewachſen wahr; dieſelbe foderte ſie in
beyſeyn Fr. Agathen vor ſich/ und gab ihr zuverſtehen/ dafern ſie ihr eigen beſtes erkennen
koͤnte/ ſtuͤnde ihr ein gutes Gluͤk vor der Hand; nehmlich/ Junker Attalus/ zwar etwas
ſchwach am Verſtande/ aber gutes aͤuſſerlichen Anſehens/ und groſſes Vermoͤgens an
Baarſchafft und liegenden Guͤtern/ haͤtte ſich angeben/ nach Fr. Agathen zu heyrahten;
geliebete ihr nun/ ſeines Reichtuhms gebietende Frau zuwerden/ muͤſte ſie ſich bald erklaͤ-
ren/ und heut dieſen Tag ihm alle Tohrheit zugute halten/ alsdann wolte ſie es ſchon zukar-
ten wiſſen/ daß ihr ſolches nicht fehlen ſolte; zweifelte auch nicht/ ſie wuͤrde ihn von der Ei-
telkeit abzihen/ und mit der Zeit zum feinen Manne machen koͤnnen. Dieſe Jungfer/ nah-
mens Eurydize/ hatte von dieſem einfaͤltigen Tohren viel gehoͤret/ doch weil ihr Sinn nach
Reichtuhm ſtund/ erboht ſie ſich alsbald/ dieſes Gluͤk nicht auszuſchlagen/ dafern es ihr
werden koͤnte/ ſie hoffete ihn nachgehends verſtaͤndiger/ oder zu ihren Sklaven zumachen/
wolte ſich demnach ihrer Befoderung befohlen haben. Wolan/ ſagte Fr. Euphroſyne/ ſo
halte ich dieſe Heyraht ſchon vor geſchloſſen; unterrichtete ſie/ wie ſie ſich gegen ihn verhal-
ten ſolte/ legte ihr koͤſtliche Kleider und Kleinot an/ und gab ihr einen Ring/ den ſie ihm
auff Begebenheit als ihrem Braͤutigam verehren ſolte. Hiemit wahr dieſer Tantz gefi-
delt/ und ſtellete ſich Attalus zu rechter Zeit ein/ welchen die unſern anfangs vor einen ge-
ſchikten Ritter anſahen/ maſſen er ſich dannoch zimlich ausgeputzet/ und die erſten Geber-
den fein einrichtete/ ließ auch einen treflichen Rauff Degen hinter ſich her tragen/ den er
doch zufuͤhren wenig gelehret wahr. Seine Reden aber verrieten ihn bald/ maſſen er vor-
gab: Demnach ſeine Schuldigkeit erfoderte/ den Herren Roͤmiſchen Geſanten aufzuwar-
ten/ haͤtte er ſolches gerne leiſten wollen/ umb ſehen zulaſſen/ was vor Leute ſeine Fr. Waſe
in ihrer Blutfreundſchafft haͤtte. Ladiſla und Fabius hieſſen ihn wilkommen/ und lieſſen
ſich vernehmen/ weil er ein ſolcher tapffer Ritter waͤhre/ muͤſte er ihnen angenehm ſeyn.
Leches aber/ als die Ordnung an ihn kam/ ihn zuempfahen/ ſahe ihn ein wenig an/ bald dar-
auff demuͤhtigte er ſich vor ihm und fing an: Hilff Gluͤk! ſehe ich nicht vor mir den voll-
kommenſten unter aller Griechiſchen Ritterſchafft/ den großgepreiſeten Herrn Attalus?
Ja guter Herr und Freund/ antwortete er/ ich bin ohn unzeitigen Ruhm derſelbe; ob ſonſt
K k k ijder
[444]Anderes Buch.
der Herr meiner Kundſchafft hat? Nicht weiter/ mein hoͤchſtgeehrter Herr/ ſagte Leches/
als daß ich ſein Gemaͤhlde geſehen/ und als ich aus deſſen Angeſichts-Zuͤgen gemerket/ daß
ein ſonderlicher Geiſt in ihm waͤhre/ habe ich von vielen anweſenden vernommen/ daß er
nicht ohn urſach die Zier der loͤblichen Ritterſchafft genennet wuͤrde; aber mein Herr/ ich
bitte nochmahl/ mir meine Bitte nicht zuverargen/ daß ich recht moͤge berichtet werden/ ob
dann gleichwol Eure Gn. derſelbe Herr Attalus ſey/ welcher weder im Springen/ noch
Tantzen/ noch Fechten/ noch Reiten/ noch Gluͤk bey ſchoͤnen vornehmen Frauenzimmer/ je-
mahls ſeines gleichen ſol gehabt haben. Ich bin eben derſelbe/ guter Freund/ antwortete eꝛ/
koͤnte euch auch deſſen allen Beweißtuhms gnug ſehen laſſen/ wann es die Zeit und Orts
Gelegenheit goͤnnen wolte. Warumb nicht? Gnaͤdiger Herr/ antwortete Leches/ alle Zeit
iſt den Volkommenheiten/ und alle oͤrter deren uͤbung gewidmet. Worauff dieſer Narr
alsbald ſeine Tanz Kunſt ſehen zulaſſen/ fertig wahr/ und etliche Schnitſpruͤnge hermach-
te/ welche doch ſehr ſchlecht und baͤuriſch wahren; bald ſteckete ihm Leches ein Ziel/ ob er
auch einen ſo weiten Sprung tuhn koͤnte. Dieſer begehrete alsbald mit ihm in die Wette
zuſpringen/ welches Leches annam/ und den erſten gar kurzen Sprung taht. Jener hoffete
ihn umb ein weites zuuͤberwinden/ nam einen Zulauff/ und ſprang ſo unvorſichtig/ dz er mit
den Hacken ausgli[t]ſchete/ und ruͤklings niderſchlug/ daß ihm die Zaͤhne im Kopff knirre-
ten/ und die unſern ſich ſchier aus dem Odem lacheten/ ſo daß Ladiſla zu Leches ſagete:
Trauen ihr muͤſſet uns den Narren nicht zu fruͤh ſtellen/ es wird ſonſt kein auskom̃en ſeyn.
Er aber antwortete in Teutſcher Sprache/ darin er auch angeredet wahr: Gn. Herr/ der
Anfang muß gemacht ſeyn/ da mit ich ſehe/ wie groſſe Pillen er verſchlucken koͤnne. Als At-
talus gleich wieder auffgeſtanden wahr/ und ſtilſchweigens die ſtelle beſahe/ die er mit ſeinẽ
Leibe gemaͤſſen hatte/ Leches aber ihn fragete/ ob hinfuͤro das fallen im ſpringen allemal mit
geltẽ ſolte/ weil alsdañ die Fuͤſſe Mannes lang weiter vor ſich kaͤmen (deſſen die anweſende
noch am meiſtẽ lacheten); da trat gleich das Frauenzim̃er in den Saal/ ſo dz die beyde Frauẽ
in Trauerkleidern gingẽ/ uñ die ſtatlich geputzete Eurydize zwifchen ſich fuͤhreten/ gegẽ wel-
che Attalus ſich wendete/ uñ in die vielen Kleinot/ ſo er an ihr ſahe/ ſich dergeſtalt verliebte/
daß er eines nach dem andern beſchauete/ zu ihr hin trat/ ihꝛ die Hand kuͤſſete/ und nach Be-
klagung ihres unfals ihr ſeine willige Dienſte zu Tage uñ Nacht fertig uñ beꝛeit anmeldete;
baht ſehr/ ihn und ſein Vermoͤgen anzunehmen; und wolte nicht wieder von ihr hinweg
weichen. Die Anweſende wahren des Anſchlages ſchon berichtet/ empfingẽ Eurydize hoͤf-
lich/ und nahete Leches zu ihr/ ob haͤtte er auch den Narren an ihr gefreſſen/ welches Atta-
lus mit bitter-ſauren Augen anſahe; doch weil ſie ſich an Leches nichts kehrete/ ſondern
wieder zu ihm hin trat/ gab er ſich zufrieden/ inſonderheit/ da auff ſeine Rede ſie ihm dieſe
Antwort gab; Hochanſehnlicher Herr und Oheim/ ich danke billich den Goͤttern/ daß ſie
meines Herrn Kundſchafft mir heut goͤnnen wollen/ welches ich vor mein hoͤchſtes Gluͤk
ſchaͤtze; bitte ſehr/ mein Herr wolle ſeiner Dienerin nicht verargen/ daß ſie demſelben ſei-
ner hohen Wirdigkeit nach zubegegnen nicht geſchikt noch duͤchtig iſt/ wie wol am guten
Willen es ihr nicht ermangelt; meine geliebte Waſe Fr. Euphroſyne hat von meines
hoͤchſtgeehrten Herrn Oheims Gegenwart mir gar nichts gemeldet/ ſonſt wuͤrde ich mich
auff zierlicheren Schmuk und wilkommen-heiſſen geſchicket haben. Alle gut/ alle gut hoch-
geliebte
[445]Anderes Buch.
geliebte Fr. Waſe/ antwortete er/ ich freue mich nicht weniger das Gluͤk zuhaben zu ihrer
Kundſchafft/ hoffe daneben/ ſie werde mir dieſelbe gerne goͤnnen/ und zwar auff dieſe Wei-
ſe/ als ich deren zugenieſſen mir vorgenommen habe; faſſete hiemit Fr. Euphroſynen bey
der Hand/ fuͤhrete ſie in einen Winkel von den andern abgeſondert/ und baht ſehr/ ſie
moͤchte ihm behuͤlflich ſeyn/ daß er ſeiner inbruͤnſtigen Liebe bald koͤnte die hochbegehrete
Ergetzung geben. Sie antwortete ihm/ er muͤſte gemach tuhn/ dann ſo freundlich ihꝛe Wa-
ſe waͤhre/ ſo ungeduldig waͤhre ſie auch/ wann man ſo ſchleunig zuplatzen/ und ihr von lie-
bes Sachen ſagen wuͤrde; uͤberdaß moͤchte er ſich ſein bedenkẽ/ ob ſie ihm auch gnug ſchoͤn
und hoͤflich waͤhre/ dann nach einmahl geſchloſſener Heyraht/ koͤnte man den Kauff nicht
wiederruffen. Attalus fing an/ ſich zu verfluchen/ es waͤhre ihm nie keine ſchoͤnere vorkom-
men als dieſe/ und wann ja etwas an ihrer Schoͤnheit mangeln ſolte/ wolte er ſolches her-
nach mit ſeinen koͤſtlichen Kleinoten erſetzen; ſo wuͤſte er vor dem brennenden Feur der
peinigenden Liebe nicht zubleiben/ ſondern/ da ihm nicht bald gerahten wuͤrde/ muͤſte er ohn
zweiffel darin erſticken; die Furcht ſeiner Unbeſtaͤndigkeit waͤhre vergebens/ und haͤtte
er dieſe ſo feſt in ſein Herz geſchloſſen/ daß nichts als der Tod ſie daheraus reiſſen koͤnte.
Gebet euch ein wenig in Geduld/ mein Herr/ ſagete ſie/ biß die Maalzeit wird geſchehen
ſeyn/ alsdann wil ich ſchon Gelegenheit ſuchen/ hieruͤber gebuͤhrliche Handelung anzu-
ſtellen; unterdeſſen wird mein Herr Oheim die naͤheſte Stelle bey meiner Waſen zuneh-
men/ ſich gefallen laſſen. Ja/ ſagte er/ dieſes waͤhre ſein hoͤchſter Wunſch/ wann die Geſan-
ten ihm nur dieſe Ehre goͤnnen wolten. Sie faſſete ihn alsbald bey der Hand/ und fuͤhrete
ihn zu Tiſche/ ſetzete die Jungfer zu ihm/ und folgeten. die anderen nach/ da Leches ihm zur
andern Seite der naͤheſte ſein muſte/ und Fr. Agatha ſich zu aller unterſt bey Fr. Euphro-
ſynen nider ließ/ auch bey der Mahlzeit ſich traurig geberdete/ daher ihre Waſe genom̃ener
Abrede nach zu ihr ſagete: Geliebte Freundin/ warumb ſeid ihr ſo betruͤbt? ſtellet euch doch
froͤlich/ wie dorten meine Waſe/ dañ ich waͤhre ſchier bedacht/ euch meinen Herrn Oheim
Attalus zu freien/ wañ er noch unverſaget und unverliebet waͤhre. Ach/ antwortete ſie/ wer
wolte doch mich armes verlaſſenes Menſch haben? Dieſer treffliche Herr wuͤrde mich
kaum vor eine Magd/ geſchweige vor eine Braut wirdigen; jedoch wann mir ein ſolches
Gluͤk beſcheret waͤhre/ haͤtte ich dem Himmel hoch zu danken. Gute Frau und Freundin/
antwortete Attalus/ warumb ſolte ich ſie ſo veraͤchtlich halten/ nachdem ich vernehme/ daß
ſie meiner Fr. Waſen etwas verwand iſt/ ob mir gleich nicht gelegen ſeyn kan/ ſie zu hey-
rahten/ weil ich mein Herz ſchon an einem hohen Orte verpflichtet habe. Die Anweſende
kunten ſich des Lachens nicht erwehren/ daß dieſer mit ſeinem Koͤrbe-außteilen ſo fertig
wahr/ und ſagte Leches zu ihm; trefflicher Herr Attalus/ er handelt fein auffrichtig/ daß
er dieſer jungen Wittiben deutlich ſaget/ wo es geſchrieben ſtehet/ dann alſo muß man die
Bauren mit der Miſtgabel kitzeln/ ſonſt fuͤhlen fie es nit. Einem Ritter gebuͤhret ſolches/
antwortete Attalus/ daß er ſich frey rund loßherzige/ damit eine oder andere vergebliche
Hoffnung im erſten Graſe erſticket werde/ welche ſonſt/ da ſie zu groß wachſen wuͤrde/ aller-
hand Ungelegenheit erwecken duͤrffte. Daß wahr recht/ ſagte Leches; aber die andern wu-
ſten vor Lachen nicht zu bleiben; nur Fr. Agatha ſtellete ſich dumb/ und ſagete; es moͤchte
ſich dieſelbe wol gluͤkſelig ſchaͤtzen/ die eines ſolchen Herrn Liebe genieſſen wuͤrde. Ja frei-
K k k iijlich
[446]Anderes Buch.
lich werde ich dieſelbe gluͤkſelig machen/ antwortete er/ wann ſie es nur wird erkennen koͤn-
nen; baht hierauff Fr. Euphro ſynen/ ihrem Verſprechen/ da es ihr geliebete/ ein Genuͤgen
zu tuhn. Darzu bin ich willig/ antwortete ſie; aber ehe wir von andern Sachen reden/
muß ich meinen Herrn Oheim zuvor fragen/ wie ihm ſeine Beyſitzerin/ meine geliebete
Waſe gefalle; maſſen/ da ich wiſſen ſolte/ daß er ſie/ und ſie ihn hinwiederumb lieben koͤnte/
wuͤrde ich dieſe Heyraht zubefodern nicht umbhin koͤnnen. O nein/ meine Fr. Waſe/ ſagte
Eurydize/ ſo hohe Gedanken mache ich mir nicht/ und hat ſie ja ſchon gehoͤret/ daß dieſer
treffliche Herr am hohen Orte verliebet iſt/ daher ich das geringere Gluͤk werde nehmen
muͤſſen/ welches mir bevorſtehet. Attalus kunte laͤnger nicht zuhoͤren/ und fing an; Hoch-
aͤdle Frau/ ſehr geliebete Freundin; ſie verſichere ſich als vor gewiß/ daß ich zwar verliebet
bin/ aber in keine andere als in ſie/ hoffe demnach/ ſie werde meine Anwerbung nicht auß-
ſchlagen/ und mich vor ihren Braͤutigam auff und annehmen; ich habe ſo manniche Lade
mit Gold und Geld außgefuͤllet/ als Wochen im Jahre find; alle meine Kornboden ſind
beſchuͤttet/ meine Staͤlle vol Vieh/ mein Schloß wolbefeſtiget/ und kurz zuſagen/ weiß ich
gewiß/ daß mirs in Reichtuhm und alle dem was einem Ritter zuſtehet/ keiner in ganz
Griechenland bevor tuht; und da ſie mir ſolches etwa nicht zutrauen wuͤrde/ laſſe ſie nur
meinen Hoffmeiſter und Amtsverwalter herauff treten (dieſen hatte man bald anfangs
hinunter geſchaffet) welcher alles bekraͤfftigen wird; nam hiemit einen Ring/ ſties ihr den-
ſelben an ihren Finger/ und baht/ ſie moͤchte denſelben von ihm dieſergeſtalt annehmen/
daß ſie ihm dadurch vermaͤhlet wuͤrde. Dieſe/ wie ſie abgerichtet wahr/ gab ihm den Ring
wieder/ und ſagete; ſie wuͤſte nicht/ ob es ſein Scherz oder Ernſt waͤhre: Er als ein trefli-
cher Herr/ wuͤrde vielleicht ſie nur auffs Eyß leiten/ und auff eine oder andere Nacht freien
wollen/ welches gar nicht ſeyn koͤnte; wann es ihm aber umb eine rechtmaͤſſige Heyraht
zutuhn waͤhre/ moͤchte er ſolches fein deutlich anzeigen. Bald ſteckete er ihr den Ring zum
andernmahle an/ und verfluchete ſich hoch/ kein ander Menſch ſolte/ ohn ſie allein/ in ſein
Herz kommen/ und da er hierin fehlete/ oder jemahls anders redete/ wolte er dieſen anwe-
ſenden Roͤmiſchen Herrn Geſanten mit Leib und Gut verfallen ſeyn; begehrete darauff/
daß die Dienerin von ſeinem Hoffmeiſter ſeine ſtatlichen Kleinot hohlen ſolte/ oder daß er
vielmehr ſie ſelber braͤchte. Dieſer kam herzu/ hatte ſolche Sachen in einen beſchmitze-
ten heßlichen Lappen eingewickelt/ und uͤberreichete ſie in demſelben ſeinem Herꝛn/ der ihm
geboht/ zuzeugen/ ob nicht ſein außdruͤklicher Vorſaz waͤhre/ dieſe hochaͤdle Frau zu hey-
rahten; der ungeſchliffene beſtetigte ſolches mit hohen Schwuͤren/ und ward alsbald wie-
der hinunter gefuͤhret. Attalus ſchaͤmete ſich nicht das beſudelte Schnupftuch bey dem
Tiſche auffzuloͤſen/ und fing an/ als ein Kramer ein Stuͤk nach dem andern außzulegen/
nach der Seite/ da Leches ſaß/ meldete auch bey einem jeden/ wie viel es ihm koſtete/ und log
uͤber die helffte darzu: Als er viere hingelegt hatte und das fuͤnffte (es wahren aber inge-
ſamt XV Stucke) hervor ſuchete/ ruͤckete Leches ihm unverſehens eines von den vieꝛen hin-
weg/ und ſteckete es ihm in ſeinen eigenen Schiebſak; als er das ſiebende langete/ nam er
aber eins/ und bey außkramung des zehenden/ nam er das dritte darzu/ machte es auch mit
den beyden/ als mit dem vorigen/ daß dieſer es nicht merkete/ biß er nach gaͤnzlicher heꝛauß-
legung anfing ſie zu zaͤhlen/ da miſſete er drey Stuͤcke; er zaͤhlete ſie wol ſechsmahl uͤber/
und
[447]Anderes Buch.
und traf doch die begehrete Zahl nicht/ entfaͤrbete ſich daruͤber/ uñ kuckete unter den Tiſch/
ob ſie ihm entfallen waͤhren/ da inzwiſchen Leches noch zwey Stuͤcke hinweg nam/ und ſie
hinter ihm unter das Polſter ſteckete. Dieſer ſahe nichts unter dem Tiſche/ uͤberzaͤhlete
die Stuͤcke zum ſiebendenmahle/ und da er nur noch zehne fand/ fing er uͤberlaut an; Nein
ihr meine Herren und Freunde/ dieſes gehet nicht recht zu/ es werden mir die Kleinot un-
ter den Haͤnden hinweg geſtohlen/ und miſſe ich ſchon den dritten Teil/ welches kein ander
Menſch/ als mein naͤheſter Beyſitzer kan getahn haben. Da ging es nun an ein uͤbermaͤſſi-
ges algemeines Lachen/ nur Leches ſtellete ſich ernſthafftig/ und fragete/ ob er ihn Diebeꝛey
bezichtigte. Dieſer gab zur Antwort/ wann er nur ſeine fuͤnff Kleinot wieder bekaͤhme/ haͤt-
te er mit ihm weiters nicht zu ſchaffen; und weil er dieſes redete nam er ganz eiferig die uͤ-
brigen X hinweg/ und legte ſie an die andere Seite/ ſeine liebſte bittend/ auffſicht znhaben/
daß keine mehr abhaͤndig gemacht wuͤrden. Leches ſtellete ſich ungehalten/ und fragete we[i]-
ter/ ob er dann geſehen haͤtte/ daß er ihm etwas genommen? haͤtte ichs geſehen/ antwortete
dieſer/ wuͤrde ich bald darumb geſprochen haben. Ja wer hats euch dann geſagt? fragete
er weiter. Es kans kein ander getahn haben als ihr/ antwortete er; dann wer haͤtte koͤnnen
ſo weit herreichen? Nun ihr Herren und Freunde alle miteinander/ fing Leches an/ ihr hoͤ-
ret und vernehmet/ daß dieſer Ritter mich Dieberey zeihet/ welches ich nicht wol werde
koͤnnen auff mich erſitzen laſſen; und wann mich nicht drey wichtige Urſachen abhielten/
wuͤrde ich Hn. Attalus außfodetn/ ſich mit mir zu ſchmeiſſẽ; was ſind dz vor Urſachen? fra-
gete Fr. Euphrofyne. Die erſte iſt/ antwortete er/ dz ich weiß/ daß H. Attalus ſeines gleichẽ
im fechten nit hat; die andere/ daß ich unſchuldig bin; die dritte/ daß ich gar kein Blut/ ſon-
derlich mein eigenes nit ſehen kan. Es wahꝛ niemand zugegẽ/ der ſich im Lachen haͤtte maͤſ-
figẽ koͤñen/ nur Attalus ergriff dieſes zu ſeinem vortel/ uñ draͤuete ihm wo er die fuͤnff ſtuͤe-
ke Kleinot ihm nit alsbald wieder gebẽ wuͤꝛde/ ſolte uñ muͤſte er ſich mit ihm ſchmeiſſẽ. Ich
habe ſie nit ſagete Leches/ abeꝛ wañ ich ſie haͤtte odeꝛ noch bekom̃en koͤnte/ ſolte ich ſie dañ be-
halten/ wañ ich mich mit euch ſchmeiſſen wolte? Je/ antwortete Attalus/ ſo waͤhre ich wol
ein Narr/ wañ ich auff ſolche Bedingung foͤchte. Warumdañ ſol ich mich mit euch ſchla-
gen? fragete iener. Je darumb/ antwortete dieſer/ daß ich meine fuͤnff Kleinot wieder ha-
ben wil. Suchet nach/ ſagte Leches/ vielleicht habt ihr ſie noch wol bey euch/ dann ich habe
ſie nicht gefreſſen. Attalus griff in beyde Schiebſaͤcke/ fand alsbald in der linken die drey
Stuͤk/ entſetzete ſich daruͤber/ und ſagete: welcher Diebshenker hat dich dahinein gefuͤhret?
Es mangeln mir aber noch zwey/ ſo zuvor auff dem Tiſche gelegen. Leches ſtellete ſich zor-
nig und ſagte zu ihm: Wie ſtehen wir beyde nun miteinander? Alſo/ ſagte jeneꝛ/ daß ich die
uͤbrigen zwey Stuͤk auch wiederhaben wil. Suchet im andern Schiebſak fein fleiſſig/ ant-
wortete er/ ob ihr ſie euch auch ſelbſt geſtohlen habt. Ey das iſt ein unhoͤfflich Wort/ ſagte
Attalus. Eurydize ſahe hinter ihm die beyden Stuͤk liegen/ nam ſie hervor/ und reichete ſie
Attalus mit dieſen Worten hin; Mein Herꝛ ſehet/ ſie ſind euch entglitſchet/ da finde ich ſie.
Ey meine Freundin/ antwortete er/ hat ſie/ uͤmb eine Kurzweile zumachen/ ſolche verſtecket
gehabt? Inzwiſchen haͤtten die Anweſende/ ſich ſchier zum Schiefer gelachet/ nur Leches
begunte ſich nunmehr zornig zuſtellen/ und ſagte zu ihm: Herꝛ Attalus/ ob ihr gleich der be-
ſte Fechter von der Welt ſeyd/ ſo zwinget mich doch mein ehrlicher Nahme/ daß ich der be-
ſchul-
[448]Anderes Buch.
ſchuldigten Dieberey mich zuentbrechen/ einen Gang mit euch wagen muß/ doch nicht mit
ſcharffen Schwertern/ weil ich mein eigen Blut gaꝛ nit ſehen kan/ ſondern nur mit ſtumpf-
fen Fechtdegen. Dem Gekshaͤuſer wahr liebe zu ſolcher Ausfoderung/ dann weil er in
der Fechtkunſt unterrichtet wahr/ hoffete er groſſe Ehre einzulegen/ und gab zur antwort:
Ob er gleich ſeine Kleinot wieder haͤtte/ koͤnte er doch ſolche Ausfoderung nicht erdulden/
und wuͤrde ſchwerlich ohn Blut abgehen/ obs gleich nur mit ſtumpffen Degen geſchehen
ſolte. Der ganzen Geſelſchafft wahr liebe darzu/ dieſen Kampff anzuſehen/ ohn allein die
Braut begunte uͤber der Tohrheit in ihrem Heꝛzen leid zuempfinden/ muſte doch dieſen Tag
gemachter Anordnung nach/ alles gut heiſſen. Die Degen wurden gebracht/ da ſich dann
Attalus im erſten Angriff gar beherzt/ Leches hingegen ſich gar furchtſam merken ließ/ daß
er nur immer hinter ſich wiche/ biß er gar die Wand erreichete/ und weiter nicht austreten
kunte/ da gebrauchte er ſich ſeiner Kunſt und Staͤrke/ und reichete ihm etliche uͤber die Ar-
me/ daß ſie ſtriemicht wurden/ endlich verſetzete er ihm eins uͤber den Schedel/ haͤrter als
ers ſelbſt gemeinet haͤtte/ daß dem guten Attalus die rohte Suppe uͤber das Geſicht herun-
ter lieff/ den Fechtdegen von ſich warff/ und ſeinen Gegener beſchuldigte/ er haͤtte nicht ge-
ſochten/ ſondern als ein grober Baur auff ihn zugeſchlagen. Die anderen fielen ihm in ſol-
cher Anklage bey/ und legeten Leches zur ſtraffe auff/ daß er ein groſſes Weinglas vol aus-
trinken ſolte/ womit dieſer vergnuͤget wahr/ und durch einen Handſchlag ſich mit ihm ver-
trug; ging hernach hinab/ ließ ſich von ſeinem Hoffmeiſter waſchen und verbinden/ und
ſetzete ſich wieder hin zu ſeiner Braut/ ob haͤtte ers ſehr wol gemacht/ ſo daß er auch Leches
auffzihen durfte/ wie eꝛs immermehr haͤtte machen ſollen/ wañ er in der Feigheit ihm gleich
waͤhre/ und ſein eigen Blut nit ſehen koͤnte. Hiermit hatte dieſes Luſtſpiel ſeine Endigung/
und weil Attalus von niemand mehr angezapffet ward/ wendete er ſich zu ſeiner Liebſten/
deren eꝛ alle ſeine Kleinot/ wiewol ein Stuͤk nach dem andeꝛn/ einꝛeichete/ mit bitte/ ſie moͤch-
te ſich morgen ihm zugefallen damit ausputzen. Sie nam ſolches alles mit groſſer Ehrer-
bietung zu ſich/ ſteckete ihm ihren Ring wieder an/ und verſprach/ da er ſich gebuͤhrllch im
Leben und Wandel gegen ſie verhalten wuͤrde/ wolte ſie desgleichen tuhn/ und ihn hjemit
vor ihren Braͤutigam angenommen haben. Darauff ging das Gluͤkwuͤnſchen fort/ biß
Fr. Euphroſyne den Braͤutigamb allein foderte/ ihn fragend/ wie bald das Beylager ſolte
gehalten werdeñ/ und hernach das Hochzeitfeſt. Er ſaͤhe wie hoͤchlich ſeine Braut ihn lie-
bete/ moͤchte demnach das Ziel nicht zuweit hinaus ſetzen. Dieſer gab zuverſtehen/ er wolte
gerne alsbald dieſen Abend ihm die Braut zufuͤhren laſſen. Abeꝛ ſie beſchwerete ſich deſſen/
ſuͤrchtend/ die Braut/ wie ſie vorgab/ wuͤrde daꝛein nicht willigen; doch wolte ſie/ ihm zuge-
fallen/ allen fleiß anwenden/ daß ſeinem Willen ein genuͤge geſchaͤhe; ſetzeten ſich wieder zu
Tiſche/ und ſagete Fr. Euphroſyne zu der Braut: Sie hoffete gaͤnzlich/ man wuͤrde ihr
allerſeits volmacht geben/ die Zeit des Beylagers anzuſetzen; und auff williges Ja-wort
ſagte ſie: So muß die Braut dieſen Abend ihrem Braͤutigam zugebracht werden/ weil
ich ſchon weiß/ daß demſelben hiedurch ein ſonderlicher Gefallen geſchehen werde. Eurydi-
ze ſtellete ſich wiedrig/ baht ſehr/ es moͤchte noch etwa zehn oder eilff Monat ausgeſetzet wer-
den/ hernach wolte ſie nicht laͤnger auffſchub ſuchen. Attalus aber wiederſprach dem mit
groſſem Eifer; es waͤhre ihm ungelegen/ ſo lange hin zuwarten; ſeine Liebe brennete ihn
viel
[449]Anderes Buch.
viel zu hefſtig/ zweiffelte auch nicht/ weil ſie ihren Willen einmahl von ſich gegeben/ wuͤrde
ſie nicht wiederruff tuhn. Die gute Braut ließ ſich nach angelegter Karte noch etwas
noͤhtigen; aber da die Sonne untergangen wahr/ wegerte ſie ſich ferner nicht/ ſondern fol-
gete ihrer Frauen willig/ welche ſie dem Braͤutigam zufuͤhrete/ und ſie biß an den hellen
Morgen ungeſtoͤret beyſammen ließ. Als die unſern ingeſamt ſchon auffgeſtanden wah-
ren/ lag dieſer junge Ehmann mit ſeiner Liebeſten noch in den Federn/ und forſchete fleiſſig
nach ihren liegenden Guͤtern und Baarſchafften/ was vor eine Bewandnis es damit haͤt-
te; bekam aber zur antwort: Es wuͤrde ſich ſolches ſchon finden/ und haͤtte ſie ihm davon
keine Rechnung auff dem Bette zutuhn/ fing auch an/ ihn zu unterrichten/ dafern er fort-
hin in ehelichem Fꝛiede mit ihr leben/ und ihrer Liebe und Huld genieſſen wolte/ muͤſte er ſei-
ne alte Haut gar ablegen uñ in eine neue kriechen. Er fragete/ wie ſolches zuverſtehen waͤh-
re. Ich werde es euch fein deutlich ſagen/ antwortete ſie; euer Gehirn hat groſſen gebrech
am Verſtande/ und euer Herz an der Vorſichtigkeit/ ſolches muͤſſet ihr endern/ die kindi-
ſche Tohrheit/ und nichtige Großpralerey neben der eitelen Leichtglaͤubigkeit hinfuͤro mei-
den/ und euch von mir zu allem guten anweiſen laſſen; weꝛdet ihr ſolches tuhn/ wil ich noch
woleinen Menſchen und einen aͤdelmann aus euch machen; bedenket bitte ich/ die tauſend-
faͤltigen Tohrheiten die ihr geſtern in ſo wenig Stunden begangen habt/ mit tanzen/ ſprin-
gen/ Kleinot zaͤhlen/ ausfodern/ fechten/ und was ich noch nicht melden mag; ſolches alles
ſtehet keinem Manne/ ſondern unverſtaͤndigen kleinen Buͤbichen zu; doch wil ichs zum
Anfange hiebey gut ſeyn laſſen/ weil es hohe Zeit iſt/ daß wir uns in die Kleider machen. Es
verdroß den guten Kerle eine ſolche deutliche Aushechelung nicht ein geringes/ aber Zag-
heit halber durffte er kein Wort darauff antworten. Des vorigen Abends gar ſpaͤt/ da die
jungen Eheleute ſchon zu Bette wahren/ ging Fr. Agathen Leibdienerin hinunter in die
Geſindeſtube/ und ſagte: Der Poſſe iſt gleichwol ſehr artig angangen/ und habe ich heut
in der Taht erfahren/ was man im gemeinen Sprichwort ſaget: Wer das Gluͤck haben
ſol/ dem entlaufft es nicht; die gute Eurydize muſte geſtern auffwarten/ und ihrer Frauen
gnade leben/ und heut iſt ſie zur groſſen Frauen worden/ und einem reichen Herꝛn/ wiewol
auch einem groſſen Narren beygelegt/ der ihr dannoch manniches Kleinot geſchenket hat:
mich ſol immer und ewig geluͤſten/ weꝛ dieſe Heyraht mag ſo ſchleunig befodert haben. At-
talus Hoffmeiſter ſtund hauſſen vor dem Fenſter/ und hoͤrete alles an/ trat hernach hinein/
und nach kurzem Geſpraͤch fragete er/ ob die ſchoͤne ausgeſchmuͤckete Frau nicht Kleandeꝛs
nachgelaſſene Wittib waͤhre. Deren ieztgedachte Leibdienerin fing darauff an uͤberlaut zu
lachen/ und ſagte: Kleanders Wittib? Ja wol! meine Frau wuͤrde ſich mit eurem wizlo-
ſen Herꝛn beſudeln oder einlaſſen? Dieſelbe ſaß zu allerunteꝛſt bey Fr. Euphroſynen in ih-
ren ſchlechten Traurkleidern/ und die ausgeſchmuͤkte wahr geſtern uͤmb dieſe Zeit/ was ich
anjezt noch bin/ ohn daß ſie gleichwol aͤdles heꝛkommens iſt. Da ſchlage Ungluͤk und Hagel
drein/ antwortete dieſer/ ſo hat mein Herꝛ in Warheit geirret/ und wird dieſen Kauff nim-
mermehr halten. Als die Dirne ſolches hoͤrete/ lief ſie geſchwinde zu ihrer Frauen/ und zei-
gete ſolches an; Der Hoffmeiſter folgete bald hernach/ mit ungeſtuͤmen Begehren/ ihn als-
bald zu ſeinem Herꝛn zulaſſen/ er haͤtte demſelben etwas noͤhtiges anzudeuten/ welches
durchaus keinen Auffſchub leiden wolte. Klodius aber filzete ihn zimlich aus/ was er ſich
L l lunter-
[450]Anderes Buch.
unterſtehen duͤrffte ſeinen Herꝛn in der angenehmen Ruhe zuſtoͤren. Dieſer gab vor/ es ir-
rete alles nichts/ und wolte er ſolches ſchon zuverantworten wiſſen. Als aber Klodius
zu ihm ſagete; packe dich bald wo du ungepruͤgelt bleiben wilt/ und brennet deines Herꝛn
Fiſchteich ſo loͤſche ihn; da ging er aus Furcht hinter ſich/ und muſte des folgenden Tages
eꝛwarten. Dazumahl ſeumete er nun nicht/ ſondern/ ſo bald er merkete/ daß er aufgeſtanden
wahr/ ging er zu ihm/ da ſeine junge Frau annoch bey ihm auff der Kammer ſtund/ foderte
ihn in einen Winkel/ und ſagte zu ihm: Herꝛ/ habt ihr auch nachfrage getahn/ wer eure
Braut iſt/ bey der ihr hinte geſchlaffen? Sie iſt trauen nicht Kleanders Wittib/ ſondern
Fr. Euphroſynen Leibdienerin. Attalus meinete vor unmuht zu beſten/ trat zu ihr hin/ und
fragete/ wie ſie hieſſe/ uñ wer ſie waͤhre. Dieſe merkete daß ihn ſein Diener gewarnet haͤtte/
redete denſelben ganz zornig an/ und ſagete: Je du leichtfertiger Schelm/ wer hat dich ſo
kuͤhn gemacht/ zu deiner gebietenden Frauen ungefodert auff ihr Schlaffgemach zutreten?
ergreif hiemit einen Pruͤgel/ uñ zuſchmierete ihm die Rippen dergeſtalt/ daß er vor ſchmeꝛ-
zen nicht zubleiben wuſte/ und ſich hinter ſeinen Herꝛn zuverbeꝛgen ſuchete; aber ſie ſchlug
immer tapffer fort/ gab auch dem guten Attalus etliche Streiche mit/ als waͤhre es ohnge-
fehr geſchehen/ daß endlich der Herr ſamt dem Knechte anfing zu ſchreihen/ und davon zu
lauffen; wiewol ſie dieſen alsbald freundlich anredete/ mit Entſchuldigung/ daß es ohn voꝛ-
ſaz geſchehen waͤhre. Die beyden Frauen hatten allernaͤheſt ihr Gemach bey dieſeꝛ Kam̃eꝛ/
hoͤreten das Getuͤmmel/ und lieffen herzu/ dann ſie meyneten nicht anders/ die jungen Eh-
leute wuͤrden ihres dinges uneins worden ſeyn/ uñ haͤtten ſich unter einander ſo zerblaͤuet.
Als ſie nun naheten/ baht Eurydize dieſelben/ mit ihr hinein zugehen/ da ſie den guten Atta-
lus ſtehen ſahen als ein erſchrockenes Rehe/ und wuͤnſchete/ daß er nur bald ſterben moͤch-
te. Seine Braut trat mit freundlichen Geberden zu ihm/ und ſagete: Warumb fragete
mich mein Schatz kurz zuvor/ wer ich waͤhre/ und wie ich hieſſe? Weiß er ſolches nicht/ uñ
hat nicht allein ſich mit mir vermaͤhlet/ ſondern auch das Beylager ſchon gehalten? Das
iſt mir ja eine wunderliche Sache! Jedoch weil ich meinen Nahmen und ehrliches Her-
kommen noch nie verleugnet/ ſollet ihr wiſſen/ daß ich die Eurydize Parmeniſkus juͤngſte
Tochter bjn/ welcher zwar an zeitlichen Guͤtern nichts uͤberfluͤſſiges/ aber doch ſeinen voll-
kommenen Adel und ehrlichen Nahmen hat. Fr. Euphroſyne redete mit darzu: es naͤhme
ſie Wunder/ daß er ſo hefftig nach ihrer Waſen (wie ſie dann wahr) geworben/ ehe und be-
vor er ſie gekennet; ich meynete/ ſagte ſie/ ihr wuͤrdet umb ihr Weſen gute Wiſſenſchafft
gehabt haben/ ſonſten ſolte euch ſolches nicht verhehlet worden ſeyn. Fr. Agatha lachete/
daß ihr das Herz bebete/ lief hin und hohlete Ladiſla und die andern herzu/ die ſpaͤte Reue
nach gehabter Luſt anzuſehen. Als dieſelben kahmen/ funden ſie Attalus als einen Kloz un-
bewaͤglich ſtehen/ welchen ſie gruͤſſeten/ und ihn frageten/ ob die ungluͤklichen Traͤume ihn
dieſe Nacht ſo hefftig erſchrecket haͤtten. Worauff er zur Antwort gab: Ihr meine Herrẽ/
ich zwiffele nicht/ ſie werden an aller Betriegerey groſſes Mißfallen tragen/ damit ehrliche
Leute geaͤffet werden/ inſonderheit an dieſer/ durch welche ich ſo ſchaͤndlich hintergangen
bin/ und man mir an ſtatt Kleanders Wittiben/ etwa eine Dienerin von armen geringen
Adel beygelegethat. Niemand wahr zugegen/ der nicht von Herzen gelachet haͤtte/ ohn die
uͤber die Schmachworte hart ergrimmete Eurydize/ welche ihm naͤher trat/ und zu ihm ſa-
gete:
[451]Anderes Buch.
gete: Du ungeſchliffenes Holz/ wer hat dich betrogen? haſtu mich auch jemahls vor Kle-
anders Wittiben angeſprochen? oder habe ich und jemand anders mich davor ausgege-
ben? Es iſt mir leid/ daß ich mich mit dir eingelaſſen habe/ und haͤtte ich meine Jungfer-
ſchafft wieder/ ich wolte dich rechtſchaffen uͤber den Toͤlpel werffen. Dieſer erboht ſich/ vor
dieſe einige Nacht ihr das beſte Kleinot unter allen zulaſſen/ welche er ihr auff die vermey-
nete Ehe/ als Kleanders Wittiben geſchenket haͤtte/ alsdann wuͤrden ſie verhoffentlich
geſchiedene Leute ſeyn. Dieſe meynete vor Unmuht zuberſten/ und fiel ihr ſchwer/ ſich zu-
enthalten/ daß ſie ihm das Haar nicht ausrauffete. Fabius trat zwiſchen ſie ein/ und ſagete
zu Attalus: Hoͤret mein ſchoͤner Herr; wie iſt euch ſchon entfallen/ daß ihr uns mit Leib uñ
Gut woltet verfallen ſeyn/ wofern ihr in eurer Traͤue wanken wuͤrdet? geſchwinde/ und be-
denket euch eines beſſern/ oder euch duͤrffte ein wunderliches Bad zugerichtet werden. At-
talus erſeuffzete hoch/ und ſagete: Ey meine Herren/ es iſt alles auff Fr. Agathen/ nichts
auff dieſe von mir geredet worden; Zeigete weiter an/ wie er dieſe vor Kleanders Wittibẽ
gehalten/ und wuͤrde Fr. Euphroſyne ihm das Zeugniß geben/ daß er ja bald anfangs um
dieſelbe und umb keine andere die Anwerbung getahn haͤtte. Dieſe gab zur Antwort: Ja[/]
im Anfange iſt ſolches freylich geſchehen/ aber nachdem ich ſahe/ daß ihr nach dieſer andern
euch wendetet/ gedachte ich/ ihr wuͤrdet nach Art der wankelmuͤhtigen euren Sinn geen-
dert haben. Dieſer Streitigkeit iſt bald abzuhelffen/ ſagte Fabius; maſſen wann man euch
etwa vorgetragen haͤtte/ daß damahlige Jungfer Eurydize jeztgedachte Wittib waͤhre/ ſo
duͤrffte ſich eure Entſchuldigung in ſo weit hoͤren laſſen/ wo nicht/ ſo iſts euer bloſſer Muht-
wille/ der euch treibet/ dieſe eure junge Ehefrau zuverlaſſen/ nachdem ihr eure Begierde an
ihr erſaͤttiget habet; laſſet euch demnach nicht geluͤſten/ ein mehres hievon zu reden/ oder ihr
werdet den kuͤrzern zihen; und was wollet ihr immermehr einwenden? hat nicht Fr. Eu-
phroſyne euch Fr. Agathen in unſer aller gegenwart angebohten/ uñ ihr habt unverſchaͤmt
gnug ihr den Korb oͤffentlich geben duͤrffen/ einwendend/ wie euer Herz ſchon anderwerz
verliebet waͤhre. Der arme Attalus wahr in ſolcher Angſt/ daß er gerne geſtorben waͤhre/
wann es nichtweh getahn haͤtte/ gab naͤhern Kauff/ und begehrete mit ſeinem erbaren Hof-
meiſter ein wenig allein zureden/ darnach wolte er ſich erklaͤren. Erklaͤren? ſagte Eurydize;
haſtu dich nicht geſtern erklaͤret? Fr. Euphroſyne redete ihr ein/ ſie ſolte ihn nit ſo ſchimpf-
lich halten/ weil ſie ſich ſelbſt dadurch verunehrete; foderte den Hofmeiſter/ und trug ihm
alles vor/ was geſtern in ſeinem Abweſen vorgangen wahr; befahl ihm darauf/ ſeinẽ Herꝛn
eines beſſern zuerinnern/ alsdann ſolten ihm die empfangenen Streiche mit einer Hand
voll Kronen vergolten werden. Dieſer ſahe/ daß es ſein beſtes ſeyn wuͤrde/ und daß ſeines
Herrn Unvorſichtigkeit an allem ſchuld truͤge/ ging deswegen zu ihm/ und ſagete: Wie
Herr/ ſchaͤmet ihr euch nicht/ daß ihr ſo blind und unwitzig fahret/ uñ euch mit einer ehelich
einlaſſet/ ja das Beylager haltet/ ehe und bevor ihꝛ nach ihrem Nahmen und Stande fra-
get? Ach/ ach! ſagte er/ die ſchoͤnen Kleinot haben mich betrogen; zweifele auch nicht/ man
habe ſie einig und allein zu dem Ende alſo ausgeputzet. O weit gefehlet/ antwortete dieſer;
dem Ritter/ ſo euch zur Seite ſaß/ hat man ſie freyen wollen/ dem ſeyd ihr zuvor kommen;
deßwegen tuht gemach/ und wegert euch ferner nicht mehr/ ihr weꝛdet ſonſt in Ungluͤks Kuͤ-
che das Fruͤhſtuͤk eſſen; dann ihr muͤſſet entweder Eure Eheliebſte behalten/ oder Leib und
L l l iiGut
[452]Anderes Buch.
Gut hergeben; da waͤhlet nun was ihr wollet/ hier wird nichts anders aus; koͤnnet ihr a-
ber gutem Raht folgen/ ſo findet euch mit eurer Liebſten gebuͤhrlich abe; hat ſie dann nicht
groſſe Guͤter/ ſo iſt ſie dannoch ein ſchoͤnes Bild und eurem Stande gemaͤß/ und danket dẽ
Goͤttern/ daß man euch nicht gar eine Bauren-Dirne hat angeſchmieret. Ey ſo muß ich
ſie dann wol behalten/ ſagte er/ wann ſie mir nur nicht gar zu hart ſeyn/ und den Fehler ver-
geſſen wolte. Davor laſſet mich rahten/ antwortete der Hofmeiſter; ging hin/ und meldete
Fr. Euphroſynen an/ wie leid ſeinem Herrn der Verſtoß waͤhre/ er ſich auch mit ſeiner
Eheliebſten gerne abfinden wolte. Dieſer guten Verrichtung/ ſagte ſie/ muͤſſet ihr genieſſẽ,
gab ihm 30 Kronen/ neben anmahnung/ ſeinen Herꝛn in dieſer guten Meynung zu erhal-
ten; unterrichtete nachgehends die Braut/ wie ſie mit Attalus verfahren ſolte/ und ließ ſie
allein zu ihm hingehen. Sie fand ihn noch in groſſer Betruͤbnis/ dann der Spot wolte
[ih]hm/ wie einfaͤltig er ſonſt wahr/ auß dem Kopffe nicht/ daß man ihm die Magd an ſtat der
Frauen zugefuͤhret hatte; aber ſie redete ihm ſuͤſſe zu und ſagete: Mein allerliebſter/ nach-
dem ich verſtehe/ daß euch der Frevel leid iſt/ den ihr mir unverſchuldet angeleget/ wil ich
den ſchwereſten Stein mit euch nicht heben; dieſes aber ſollet ihr euch ſtets/ und weil ihr
lebet/ erinnern/ daß ich euch keinen Bothen geſchicket/ noch mich euch angetragen/ ſondern
mich vielmehr gewegert habe/ biß euer unablaͤſſiges Auhalten mich genoͤhtiget hat/ in eure
Heyraht einzuwilligen; wolte ſonſt ohn euch wol einen wirdigen Braͤutigam angetroffẽ
haben/ der mir ſchon nicht ferne wahr. Ihr ſollet mir hiebey verſprechen/ daß/ wie ich euch
heut fruͤh ſchon ermahnet/ ihr eure bißher gefuͤhrete Tohrheit und filzigen Geiz ablegen/
und eurem Stande euch gemaͤß verhalten wollet/ habe zu dem Ende ſchon eine feine Gut-
ſche mit vier Blaͤnken im Kauffe/ die ihr bezahlen ſollet. Wegen Verwaltung eurer Guͤ-
ter laſſet mich nur rahten und ſorgen/ die ſollen durch mich nicht gemindert ſondern ver-
beſſert werden. Wem wahr lieber als dem verſchuͤchterten Attalus/ daß ihm keine ſchwe-
rere Buſſe aufferleget ward/ er baht umb verzeihung des begangenen/ und verſprach hin-
fort ihres Willens zu leben. Damit wahr dieſe Fehde geendet/ und ſchaͤtzete er ſich nach dem
offt gluͤkſelig wegen dieſer Heyraht/ maſſen ſie ihn inwendig Jahre[s]friſt der Geſtalt un-
terrichtete/ daß er gar ein ander Menſch ward; dann es hatte ihm in der Jugend an der
Erzihung gemangelt/ weil ſeine Eltern ihn als ihren einigen Sohn verzertelten/ und hin-
ter dem Ofen auffwachſen lieſſen. Jedoch bekam er mit ihr noch 4000 Kronen Braut-
ſchaz; dann Fr. Agatha ſchenkete ihr die obgedacht 1200 Kronen/ worzu Ladiſla/ Fabius
und Fr. Euphroſyne ingeſamt 2800 Kronen legeten/ ihn weiters nicht mehr auffzogen/
weil er ſich ganz eingezogen und demuͤhtig bezeigete/ und des dritten tages dieſe jungen Eh-
leute nach ihren Guͤtern zihen lieſſen. Ihr Vater Parmeniſkus erfreuete ſich der Heyraht
ſehr/ und weil er ein Chriſt wahr/ brachte er ſie beyde nach verlauff zwey Jahr zum Chriſt-
lichen Glauben/ wozu Fr. Euproſyne bey ihrer Wiederkunfft auß Perſen ein groſſes ver-
richtete/ und dem Vater einen feinen Meierhoff ſchenkete/ worzu Groß Fuͤrſtin Valiſka
6000 Kronen baar legete. Am Tage des abzuges dieſer jungen Ehleute redete Agatha mit
ihrer Waſen; ſie moͤchte gerne wiſſen/ ob Herr Leches noch unbefreiet und ohn Liebe waͤh-
re/ auff welchen Fall ſie ihm Kleanders Brudern Tochter/ die ſehr ſchoͤn und von gewal-
tigen Mitteln wahr/ gedaͤchte zuzuſchanzen. Euphroſyne wolte nicht unterlaſſen/ dieſes zu-
ver-
[453]Anderes Buch.
vernehmen/ aber er bedankete ſich ihrer guten Gewogenheit/ und offenbahrete ihr in hohem
vertrauen/ daß er ſeinen Anteil ihm ſchon außerſehen/ und mit einer adelichen Jungfer ſei-
nes Vaterlandes/ anjetzo zu Padua anweſend/ ſich ehelich verſprochen haͤtte; wolte auch
ſeine Baarſchafften uñ Kleinot/ die er meiſtenteils von ihrer freygebigkeit empfangen/ bey
ihr verwahret ſtehen laſſen/ biß ſie etwa mit Gelegenheit ſeiner Liebeſten koͤnten uͤbermacht
werden. Die gute Frau ſchaͤmete ſich/ daß ſie einen bloſſen ſchlug/ baht ſehr/ ihr nichts zu-
verargen/ und ſpielete es dahin/ daß ihm von Parmenions Geldern 20000 Kronen zu-
gewendet wurden. Es blieben aber Ladiſla und Fabius zu Korinth beyeinander/ biß
die außgeſchikten Knechte/ ſo Herkules außſpuͤren ſolten/ wieder bey einander wahren/
deren etliche ſich uͤber die angeſetzete Zeit verſpaͤteten/ mehr dem Wolleben nachhaͤngend/
als Herkules nachfragend/ welcher auch ihrer Kundſchafft zu weit entfernet wahr/ maſ-
ſen/ wie ob erwaͤhnet/ er mit ſeinem Gallus ſich auff ein Kauffmans Schiff geſetzet hatte/
welches nach Kretafuhr. Es funden ſich IIX boßhaffte Raͤuber bey ihnen/ welche in der-
ſelbigen Gegend Beute zumachen geſonnen wahren. Sie ſahen Valikules in ſeinen ſchoͤ-
nen Kleidern/ und dz er bey tageszeit neben ſeinem Diener gemeiniglich geharniſcht wahr/
auch zu Nacht einer umb den andern wacheten/ und groſſe Wetſcher bey fich fuͤhreten/ in
denen ſie groſſen Reichtuhm vermuhten wahren; macheten daher ihren Anſchlag/ wie ſie
ihn als einen Fremdling uͤberfallen/ und mit ſamt ſeinem Diener erwuͤrgen moͤchten/ daß
fie der verhoffeten Beute teilhafftig wuͤrden. Sie naheten unterſchiedlichemahl zu ihnen/
hatten doch ſo viel herzens nicht/ ſie anzugreiffen/ weil ſie auſſer dem Seitengewehr keine
Waffen hatten/ ohn daß ihrer etliche/ kurze duͤnne Panzer unter den Kleideꝛn verborgen
trugen. Endlich/ da ſie nicht weit von Kreta wahren/ machten ihrer drey ein falſches Ge-
zaͤnke untereinander/ daß ſie auch zu den Schwertern griffen. Valikules ſtund dabey ganz
gewapnet/ und hieß ſie ruhig ſeyn/ haͤtten ſie was zu fechten/ ſo waͤhre das Ufer nicht weit/
da ihnen Raum gnug ſeyn wuͤrde/ den Zank außzutragen; worin die Kauffleute uñ Schif-
fer mit ihm eins wahren/ deren Einrede ſie auch gerne und willig auffnahmen/ aber zu Va-
likules ſagten ſie/ was er ſich umb ihr Tuhn zugeheien/ oder ihnen zugebieten haͤtte? Er
ſolte geſchwinde das Maul halten/ oder man wuͤrde ihm dz eiſerne Wammes beklopffen.
Daß waͤhre unguͤtlich gehandelt/ antwortete er/ da ich nur eur beſtes ſuche; es ſey aber wie
ihm wolle/ ſo gebet mir Zeit/ biß ich an Land ſteige/ und ſtoͤret den Schiff-friede nicht/ als-
dann wil ich eures klopffens ſchon wahr nehmen. Der anſehnlichſte Raͤuber gab ihm ſehr
hoͤhniſche worte/ griff auch zum Degen/ und ſchlug zu ihm ein; Valikules aber ſeumete
ſich auch nicht/ ſtellete ſich neben den Maſtbaum/ und nach des Raͤubers außgenommenen
Schlage/ hieb er ihm den Unterbauch auff/ daß ihm das verſehrete Gedaͤrmans dem Lei-
be ſprang/ und er Tod niederſtuͤrzete. Als die uͤbrigen dieſes ſahen/ fielen ſie einmuͤhtig auf
ihn ein; aber Gallus zog mit von Leder/ welcher zween/ Valikules noch vier in gar kurzer
friſt erlegete/ auch den Lezten hart verwundete/ welchen er beim Halſe ergriff/ und ihm alle
Pein draͤuete/ wo er nicht bekennen wuͤrde/ aus was Urſachen ſie ihn ſo moͤrdlich uͤberfallẽ.
Dieſen trieb die Furcht zur Bekaͤntnis/ daß es bloß aus Hoffnung reicher Beute geſche-
hen waͤhre/ woruͤber die Kauffleute/ ſo bißher mit hoͤchſter Verwunderung zugeſehen/ der-
geſtalt ergrimmeten/ dz ſie dieſen annoch lebendigen/ mit ſamt den erſchlagenen ins Meer
L l l iijſtuͤrze-
[454]Anderes Buch.
ſtuͤꝛtzten/ und dagegen Valikules hohe Ehr erbohten/ deſſen Heldentaht ſie uͤber die maſſe
hoch hielten. Es ſchickete aber Gott/ daß die Kauffleute wieder ihren Willen in den Hafen
einlauffen muſten/ woſelbſt Valiſka vor ohngefehr vier Wochen außgeſtiegen wahr; da-
ſelbſt lohnete er dem Schiffer/ ließ die Pferde und Sachen ans dem Schiffe bringen/ und
wahr willens mit Gallus Land ein zureiten/ und die vornehmſten Staͤdte zubeſehen; weil
er dann auff dem Meer zimlichen Unluſt wegen des Sturms eingenommen hatt/ legte er
ſich unter die ſchoͤnen Baͤume in den Schatten. Gallus geriht gleich unter den Baum/
in welchen das Fraͤulein die zierliche Schrifft eingeſchnitten hatte/ die ſich ſchon in etwas
von einander getahn/ daß man ſie auff etliche Schritte wol erkennen kunte. Valikules
fragete ihn/ was er an dem Baume ſo eigentlich beſaͤhe. Es findet ſich/ ſagte er/ eine fremde
Schrifft alhie/ die ich nicht leſen kan/ und ohn zweiffel eine gelehrte Hand muß hinein ge-
ſchnitten haben. Bin ich dann gelehrter als ihr/ ſagte Valikules/ ſo wil ich verſuchen/ ob
ichs verſtehen kan; ging hnzu/ und laſe dieſe Worte: Valiſca, nunc Herculiſcus, in Parthi-
am ducta
, daß iſt: Valiſka/ jezt Herkuliſkus genennet/ iſt nach Parthen gefuͤhret; woruͤber er
bey des vor freuden und Mitleiden niederfiel/ daß ihm alle Kraͤffte entgingen; deſſen Gal-
lus wahrnehmend/ ihn ſanfft niderſetzete/ uñ umb ſein Anliegẽ fragete; da er ihm antwor-
tete: O Gallus/ mein Gott hat mich dieſen Weg ſonderlich gefuͤhret/ dann mein gelieb-
tes Fraͤulein ſelbſt dieſe Schrifft hinterlaſſen/ und angezeiget hat/ daß ſie nach dem Par-
therlande hingefuͤhret werde; daher ich Gott Lob nunmehr weiß/ an was Ort der Welt ich
ſie ſuchen muͤſſe. Es iſt aber ein weitabgelegenes Reich/ woſelbſt der maͤchtigſte Herr der
Welt/ nach den Roͤmern/ die Herſchafft fuͤhret/ und muͤſſen wir uͤber das Syriſche Meeꝛ/
hernach uͤber den Eufrat und Tigerfluß/ dann gehen wir zu lande durch Aſſyrien und Per-
ſen/ und haben von Jeruſalem faſt 400 Meilen/ ehe wir die Parthiſche Haͤuptſtad Cha-
ras/ vor zeiten Hekatompylos genennet/ erreichen/ welchen aͤlteren Nahmen ſie gefuͤhret/
weil ſie hundert Stadtohre gehabt/ auch ſo groß iſt/ daß ſie von den Perſen eine kleine Welt
genennet wird. Ich wil aber/ ungeachtet aller bevorſtehenden muͤhſeligkeit/ meinemlieben
Gott vertrauen/ nicht zweiffelnd/ er werde unſer Gleitsman ſeyn/ und unſer Vorhaben
zum gewuͤnſchten Ende hinaus fuͤhren/ weil es ja zu ſeinen goͤttlichen Ehren/ und meines
naͤheſten Rettung und Wolfahrt angeſehen iſt; und freue mich nicht wenig/ daß ich Ge-
legenheit habe/ die oͤrter zubeſuchen/ da unſer Herr und Heyland JEſus Chriſt gebohren
iſt/ da er gelehret/ Wunder getahn/ und umb unſert willen den Tod gelitten hat; moͤchte
wuͤnſchen/ daß wir bald ein Schiff antraͤffen/ welches uns dahin braͤchte. Nam hiemit
ſein Meſſer/ und ſchnitte oberhalb der Fraͤulein Schrifft dieſe Worte hinein: Valicules
duce DEO ſequitut.
Daß iſt: Valikules folget unter Gottes begleitung nach; ſetzeten ſich her-
nach wieder zu Pferde/ luden ihre Sachen auff den Maul Eſel/ welchen Gallus an der
Hand fuͤhrete/ uñ beſahen die vornehmſten oͤrter in der naͤhe gelegẽ/ da ihnen nichts denk-
wirdiges begegnete/ ohn daß man in der Stad Gnoſſus ihn wolte zweiffeln machen/ ob er
auch der wahre Teutſche Herkules waͤhre. Dann als er daſelbſt ankam/ und in ſeinem
Wirtshauſe die Waffen kaum abgelegt hatte/ ritten zween ſtatlichgeputzete junge Ritter
voruͤber/ denen acht Diener folgeten; und als er den Wirt fragete/ was vor Herren dieſe
waͤhren/ antwortete er; es ſind die beyden trefflichen Helden/ Herr Ladiſla und Herr Her-
kules
[455]Anderes Buch.
kules/ denen Roͤmiſche Kaͤyſerl. Hocheit wegen ihrer loͤblichen Tahten/ herliche Ehren-
Seulen zu Rom auffrichten laſſen. Valikules ſahe ihn an/ meinete/ er wuͤrde ihn etwa
gekennet haben/ und durch dieſe Rede ſolches zuverſtehen geben wollen; fragete ihn dem-
nach/ ob er ehmahls der jetztgenanten Herren Kundſchafft gehabt haͤtte. Nein/ ſagte die-
ſer/ bevor ſie in dieſes Land ankommen ſind/ habe ich ſie niemahls geſehen; daß ihnen aber
obgedachte Ehre zu Rom/ Padua/ und anderswo begegnet/ iſt gar kein zweiffel/ ſintemahl
unterſchiedliche Schiffe ſolches einhellig bezeugen/ die des Orts herkommen. Was vor
Landes-Art aber moͤgen ſie ſeyn? fragete Valikules. Man haͤlt ſie vor Teutſche/ ſagte der
Wirt; wiewol man ſolche grobe ſprache nie von ihnen hoͤret/ ſondern deꝛ Juͤngſte mit dem
gelben Haar/ H. Herkules/ redet ſtets lateiniſch/ ſcheinet auch gar from und einfaͤltig ſeyn/
wie geuͤbet er ſonſt in Waffen iſt; H. Ladiſla aber gebrauchet ſich zuzeiten der Griechiſchen
Sprache mit/ iſt auch in aͤuſſerlichen Geberden viel muhtiger als ſein Geſelle. Valikules
lachete des/ und haͤtte ſich faſt zuviel verlauten laſſen/ ging mit Gallus von dem Wirte hin-
weg/ und ſagete zu ihm; Mein/ habt ihr vernommen/ was abenteurliche Zeittung uns der
Wirt erzaͤhlet? Ja mein Herr/ antwortete er/ und zwar mit groſſer Verwunderung/ daß
ich anfangs gedachte/ ob wir in eine andere Welt kommen waͤhren/ da man eben das fuͤn-
de/ was in Italien vorgehet. Ich aber zweiffele nichts an des Wirts Reden/ ſagte Valiku-
les; aber dieſe muͤſſen zween abgefeimete Buben ſeyn/ die ihnen anderer Leute Nahmen uñ
Ehre zueignen/ und dadurch bey deꝛ Welt ſich beſchrihen und anſehnlich machen duͤrffen;
nun wolte ichs zwar nicht groß achten/ dafern ſie ein wirdiges Leben dabey fuͤhren/ ſolte
ich aber vernehmen/ daß durch laſterhafften Wandel ſie meinem Ladiſla und mir Schimpf
und Unehr beweiſen/ werde ichs trauen raͤchen/ und ſie vor der Welt zuſchanden machen;
wil mich aber vor die Haußtuͤhr ſtellen/ daß ich ſie/ wann ſie wieder herein reiten/ unter dem
Geſichte ſehen und erkennen moͤge ob ſie uns aͤhnlich ſeyn; dañ es kan nicht fehlen/ ſie muͤſ-
ſen unſer Kundſchafft haben/ und daneben wiſſen/ daß wir in der fremde leben; oder ge-
denken vielleicht/ wir ſind gar umbkommen/ und wollen ſie der Fruͤchte unſerer Muͤhe und
Arbeit genieſſen/ iſt mir alſo lieb/ daß ich in fremder Geſtalt in diß Land ankommen bin.
Es ſtund nicht lange an/ da ſahe er ſie wiederumb daher reiten; er im voruͤberzihen taht
ſeinen huet tieff ab/ und gruͤſſete ſie ehrerbietig; die ihn doch keines danks wirdigten/ tah-
ten auch/ als haͤtten ſie ihn nicht geſehen/ und eileten ihrer Herberge zu: Woruͤber er ſich
faſt erzuͤrnete/ und zu Gallus ſagete; nimmermehr were ich zugeben/ daß dieſe Buben un-
ter unſerm Nahmen ihren auffgeblaſenen Stolz treiben/ wann ich nur wuͤſte es auffs be-
ſte anzuſchlagen. Endlich ſendete er Gallus umb den Abend in ihre Herberge/ ihres tuhns
etwas acht zu haben; welcher da er wieder kam/ berichtete/ daß dieſe vermummete Lecker/
jeder ein unzuͤchtiges Weib bey ſich gehabt/ und in Gegenwart des Wirts und der Wir-
tin/ ja aller Diener/ ſchaͤndliche uͤppigkeit getrieben haͤtten/ wiewol der vermeinete Ladiſla
mehr als ſein Geſelle. Valikules wahr keinem Laſter feinder/ als der Unzucht/ ergrimmete
daruͤber/ und aus Chriſtlichem Eyfer ſagete er; Solten dieſe leichtfertige Nahmen- und
Ehren Diebe/ meinem Ladiſla und mir ſolches Geruͤcht bey der erbaren Welt machen/ als
beflecketen wir uns mit dieſer Suͤnde? davor wolte ich alsbald mein Leben laſſen. Er legete
folgenden Morgens nach verrichtetem Gebeht die Waffen an/ ſtellete ſich/ als kaͤhme er
gleich
[456]Anderes Buch.
gleich jetzt aus der Fremde in dieſe Stad/ und kehrete mit Gallus in ihre Herberge ein.
Der Wirt wolte ihn anfangs nicht auff nehmen/ vorgebend/ er haͤtte ſchon ſein Hauß vol
Fremde/ daß er ſie nicht wol laſſen koͤnte; doch wie Valikules freundlich anhielt/ und daß eꝛ
umb gute Zahlung nur das Mittagmahl bey ihm halten wolte/ wahr er gerne zufrieden.
Die beyden vermeinete Herren ſtunden kurz vor der Malzeit von ihren unzuͤchtigen Wei-
bern auff/ traten in zierlicher Kleidung in den Eſſeſaal/ und frageten den Wirt/ wer dieſe
beyde ſchwarzbraune Ritter waͤhren. Dieſer antwortete nach Valikules Vorgeben/ ſie
kaͤhmen auß dem Eylande Sardinien/ und wolten nach den Syriſchen Landẽ. Der falſche
Ladiſla wahr ein ſehr vermaͤſſener Tropff/ und verwieß es dem Wirt/ daß er ſolche umb-
ſchweiffende auffnaͤhme/ es waͤhre ihm ungelegen/ ſich mit dergleichen Geſellen in Wirt-
ſchafft einzulaſſen; jedoch weil der Wirt ihn ſehr baht/ nur dieſe Mahlzeit friedlich zu ſeyn/
ließ ers geſchehen. Sie hatten einen zierlichen Leibknaben/ welcher ihnen vorſchneiden
muſte; derſelbe legete nur ſeinen Herꝛn vor/ und kehrete ſich an die unſern gar nicht/ haͤtte
ihnen auch nicht eins die Schuͤſſel zugeruͤkt/ wann er ſeinen Teil daraus genommen/ wel-
ches Valikules nicht wenig verdroß/ inſonderheit/ da dieſe Buben ihn nicht eins wirdig-
ten/ ihm zuzutrinken/ und ihr eigenes Geſchir ihnen geben lieſſen. Es ſtund ein herlicher
Braten auff dem Tiſche/ gleich vor dem vermeinten Ladiſla/ welchen Valikules ſeinem
Gallus vorſetzete/ mit befehl ihm etwas davonzuſchneiden; der das beſte davon abloͤſete/
welches jene verdroß/ daß ſie auch begunten mit Stichelworten umb ſich zu werffen/ aber
Valikules wolte es nicht verſtehen/ und hielt ſein Geſpraͤch mit dem Wirt/ kehrete ſich
auch ſo wenig an dieſe beyden/ als er von ihnen geachtet ward/ welches der Wirt ſeiner
Unwiſſenheit zuſchrieb/ und zu ihm ſagete: Mein Herꝛ/ weil ihr aus weit abgelegeneꝛ Land-
ſchafft erſt dieſer oͤrter ankommet/ halte ich euch nicht vor uͤbel/ daß dieſe beyde/ meine Gñ.
Herren/ euch unbekant ſind. Ja antwortete er/ ich wuͤſte nicht/ daß ich ſie vor mehr als in
dieſer Stad geſehen haͤtte. Der Wirt fuhr fort/ und erzaͤhlete ihm/ was vor tapffere Hel-
den ſie waͤhren/ und wie hohe Ehr man ihnen/ ihres Wolverhaltens halber in Italien an-
getahn haͤtte. Unter welcher Erzaͤhlung ſich der falſche Ladiſla gleich einer Kroͤten blehete/
und endlich zu dem Wirt ſagete; ich habe euch offt gebehten/ unſere Gegenwart mit ſol-
chem Ruhm zu veꝛſchonen/ damit nit jemand waͤhne/ man haͤtte es mit euch alſo angelegt;
Wer demnach uns und unſere Tahten zu wiſſen begehret/ kan ſich nach Padua/ Mantua/
Ravenna/ und Rom verfuͤgen/ und daſelbſt von allen ſatten Bericht einnehmen. Va-
likules kehrete ſich nichts an dieſe Rede/ dankete dem Wirt wegen genehmer Unterrich-
tung/ und begehrete/ ihm ihrer beyder Nahmen zu melden; worauff er hernach zur ant-
wort gab; es kan wol ſeyn/ daß ſich unterſchiedliche Menſchen eines Nahmens finden/
dann ich kenne ſonſt zween vornehme Herren eben dieſes Nahmens/ mit denen ich
mannichen Weg gereiſet bin. Als der falſche Ladiſla dieſes hoͤrete/ fuͤrchtete er ſehr/ die-
ſer wuͤrde ihn zuſchanden machen/ nam alsbald vor/ ſolchem Ubel durch einen Kampff
vorzukommen/ weil er guter Faͤuſte/ und in ritterlichen uͤbungen wol unterwieſen wahr;
maſſen ſein Vater ein Paduaniſcher vom Adel/ deſſen unehelicher Sohner wahr/ ihn an-
fangs zur Schule gehalten/ nachgehends in Ritterſpielen unterweiſen laſſen; fing dem-
nach an/ und ſagete: Ob etwa einer oder andeꝛ auſſer ihnen beyden ſich vor Ladiſla uñ Her-
kules
[457]Anderes Buch.
kules ausgeben duͤrften/ dieſelben muͤſten ohn zweiffel ſich faͤlſchlich alſo nennen/ uñ alle die
es bejaheten/ hielte er nicht anders. Valikules ſahe daß es zeit wahr loßzubꝛechen/ und ant-
wortete ihm: Er ſolte ja wol zuſehen was er redete/ koͤnte ihm auch goͤnnen/ daß er ſich bey
zeiten erkennete/ und auffhoͤrete ſich fremder Tahten zuruͤhmen/ an welchen er keinen Teil
haͤtte/ ſonſten muͤſte er ihm gewißlich einen Ritterſatz halten. O du Unſeliger/ ſagte dieſer/
was Ungluͤk hat dich hieher gefuͤhret/ deines Lebens Ende von meinem Schwerte zuneh-
men; mit welchem ich in einem Kampffe mehr dann XXX Fechter erſchlagen? Du? ſagte
Valikules/ haſtu Leutebeſcheiſſer ein ſolches getahn? und ſolteſtu der beruͤmte Ladiſla ſeyn?
ein Erz Bube und Luͤgener biſtu/ der anderer Leute Nahmen und Ehre ſtihlet; und bildeſtu
dir ganz umſonſt ein/ daß ich Herrn Ladiſla und Herkules nicht kennen ſolte. Kehrete ſich
hiemit zu dem Wirte/ und ſagete: Dafern ihr mir dieſen Boͤſewicht heimlich davon ſtrei-
chen laſſet/ ſollet ihr von eurer Obrigkeit an Leib und Leben geſtraffet werden/ darnach habt
euch zurichten; dann ich bin von dieſen beyden Herren abgeſand/ daß ich den Frevel dieſer
Luͤgener eintreibe. Stund hiemit auff/ ging in ſein Gemach/ und ließ von Gallus ſich die
Waffen anlegen. Inzwiſchen blieb dieſer Bube im Eſſe Saal/ und gehub ſich dermaſſen/
als wolte er vor Eifer berſten/ inſonderheit muſte der Wirt ſich rechtſchaffen leiden/ war-
umb er dieſen Luͤgener beherberget haͤtte. Gallus kam gleich darzu/ und hoͤrete dieſe Schelt-
worte/ faſſete einen Stecken/ der ihm zur Hand ſtund/ und ſchlug ihn damit etliche mahl uͤ-
ber die Ohren/ ſprechend: Du ehrvergeſſener Bube/ ſolteſtu meinen Herrn in ſeinem Ab-
weſen alſo ſchelten. Dieſer wolte ſolchen Schimpf auff ſich nicht erſitzen laſſen/ faſſete das
Brodmeſſer/ in Meynung ihm die Gurgel abzuſtechen/ fehlete aber neben hin/ und ſtieß es
ihm in die Schulder/ daß es in der Wunde abbrach/ da ers wieder heraus zihen/ und den
andern Stich fuͤhren wolte. Valikules folgete bald/ ſtellete ſich zwiſchẽ ſie mit entbloͤſſetem
Degen/ und hieß den Buben die Waffen anlegen/ umb ſehen zulaſſen/ ob er in Tapfferkeit
dem gleich waͤhre/ deſſen Nahmen er fuͤhrete; wuͤrde er ſich deſſen aber wegern/ ſolte der
Diebshenker ſeiner Schelmſtuͤcken Bekaͤntniß bald aus ihn peinigen. Dieſer blieb ver-
waͤgen nach wie vor/ ſagete/ er haͤtte dieſen Nahmen bißher mit Ehren gefuͤhret/ uñ ſo man-
nichen Sieg von Großſprechern erhalten/ daß alle Landſchaften/ die er durchgereiſet/ ſeines
Ruhms voll waͤhren; lief hiemit zur Tuͤhr hinaus/ und ruͤſtete ſich zum Streit. Deꝛ ertich-
tete Herkules folgete ihm zitternd nach/ dann er wahr mit Waffen nie umgangen/ ſondern
ſeiner Kunſt ein Mahler Geſelle/ und hatte ſich von dem andern verleiten laſſen/ Herkules
Nahmen anzunehmen/ den er doch niemahls geſehen; Weil er nun merkete/ dz ihr Betrug
offenbahr werden duͤrffte/ gab er ſeinem Geſellen zuverſtehen/ er waͤhre willens davon zu
lauffen/ und ſeine Kunſt zutreiben; aber dieſer wehrete ihm/ mit Bedraͤuung/ da er nit ein
Herz ergreiffen wuͤrde/ wolte er ihn ſtrak angeſichts erſtechen; ſolte nur friſch und unver-
zagt die Waffen anlegen/ und mit hinaus reiten/ er wolte dem Streitſchon wiſſen eine ſol-
che maſſe zugeben/ daß dieſer fremder auff dem Platze bleiben ſolte. Alſo ließ dieſer unſchul-
dige Herkules ſich halten und in Harniſch zwingen. Valikules ritte unterdeſſen nach dem
Stadmeiſter/ zeigete ihm die betriegliche Boßheit an/ und daß er ein Roͤmiſcher Ritter
waͤhre/ eigentlich derhalben zugegen/ daß er dieſen Luͤgen ihre Endſchafft gaͤbe; begehrete
demnach/ die Stad Tohr zubeſetzen/ daß die Buben nicht entreiten moͤchten. Dieſer hatte
M m mſchon
[458]Anderes Buch.
ſchon groſſen Argwohn auff die beyden/ und wahr ihm gerne zu willen. Sonſten ward die
ganze Stad hieruͤber rege/ inſonderheit das geringe Volk/ welches nicht wenig auff dieſe
vermeynete junge Herren hielt; daher faſt alle Einwohner mit hinaus lieffen/ dem Streite
zuzuſehen. Valikules ſpuͤrete alsbald/ daß der unſchuldige Herkules ſich in Waffen nicht
zuſchicken wuſte/ da der ander ſich hingegen dermaſſen unwuͤrſch erzeigete/ daß alle Zuſeher
ihm den Sieg zulegeten. Gallus hatte das abgebrochene Meſſer aus deꝛ Wunde zihen/ uñ
ſich verbinden laſſen; und wie groſſe ſchmertzen er gleich empfand/ wolte er doch den Streit
mit anſehen/ da Valikules ſich ſchon in gleichen Wind und Sonne geſetzet hatte/ und ſei-
nes Feindes erwartete/ der ſich auch bald finden ließ/ aber im erſten Ritte auff die Erde ge-
ſetzet ward/ richtete ſich doch geſchwinde auff/ wiewol er ſich vor ſeines Feindes Krafft ſehr
entſetzete/ und ſeines Lebens Ende vor Augen ſahe. Valikules ſtieg bald ab/ trat mit bloſſem
Schwert auff ihn zu/ und ſagete: Wolher du falſcher Bube/ und laß ſehen/ warum du des
Nahmens Ladiſla wert ſeyſt/ ſchlug auch dermaſſen auff ihn loß/ daß alle anweſende ſagetẽ:
es waͤhre unmoͤglich/ daß er lange gegen halten koͤnte. Indem verſetzete ihm Valikules ei-
nes auff den Helm/ daß er taumelte und das Schwert fallen ließ/ reiß ihm den Helm abe/
und draͤuete ihm mit angeſetzeter Spitze an die Gurgel/ dafern er nicht alsbald ſeinen Be-
trug bekennen wuͤrde. Dieſer aber/ weil er lieber im Kampff als durch Buͤttels Hand ſter-
ben wolte/ faſſete das angeſezte Schwert/ und ſtach ihm damit ſelbſt die Gurgel rein ab/ daß
er nider fiel/ und ſeinen Geiſt ausbließ. Jener arme Herkules ſahe dieſes mit betruͤbeten
Augen an/ und wahr willens auszureiſſen; aber Gallus machete ſich herzu/ ſtieß ihn vom
Pferde/ und draͤuete ihn zuerſchlagen/ wo er nicht fuß halten wuͤrde; Worauff er antwor-
tete: O mein Herr/ gebet mir Lebens Sicherheit/ ſo wil ich alles gerne und willig beken-
nen; legete auff Gallus Geheiß den Harniſch weg/ und ließ viel Traͤhnen fallen/ daß auch
jener zu ſeinem Herrn ſagete: Sehet dieſen geherzten Herkules/ und wie artig er ſich mit
weinen zuvertedigen weiß. Valikules trug Mitleiden mit ihm/ und ſagte: Mein/ wie biſtu
doch ſo unbeſonnen geweſen/ und haſt dich vor Herkules ausgeben duͤrffen/ dem du meines
ermaͤſſens/ ſehr ungleich biſt. Ach mein Herr/ antwortete er/ der boßhaffte Marius/ den ihꝛ
aniezt erſchlagen/ hat mich darzu faſt genoͤhtiget/ und moͤchte wuͤnſchen/ daß ich nie kein
Herkules worden/ ſondern ein fleiſſiger Mahler Geſelle blieben waͤhre; aber/ wie geſagt/
ich wahr zu einfaͤltig/ dem Verfuͤhrer zuwiderſtehen; dann wie ich bey ſeinem Vater/ un-
fern von Padua etliche Gemaͤhlde verfertigte/ kahm er zu mir/ und ſagte: Mein guter Au-
fidius/ was liegeſtu hier/ und arbeiteſt ums Brod? folge mir nur/ ich wil dich zum reichen
Herrn machen/ und ſolt doch nichts tuhn/ als freſſen/ ſauffen/ und mit dem vornehmſten
Frauenzimmer dich erluſtigen. Du biſt ein ſchoͤner Menſch/ und gleicheſt faſt Herrn Her-
kules/ deſſen Bilde zu Padua auffgerichtet iſt/ wann du nur ein gelbes Haar haͤtteſt. Nun
iſt aber derſelbe heimlich davon gezogen/ und weiß kein Menſch/ wo er geblieben; ſihe/ da
haſtu eine Haarhaube/ den ſeinen nicht ungleich; zohe mir dieſelbe uͤber den Kopff/ und ſag-
te weiter: Nun ſiheſtu Herrn Herkules ſo aͤhnlich/ daß wenig Leute einigen Unterſcheid
zwiſchen euch beyden machen ſolten; und wann ich meine Haar Haube auffſetze/ ſagte er/
bin ich Herrn Ladiſla auch nicht unaͤhnlich. Hiemit lag er mir zween Tage in den Ohren/
mit ſo haͤuffigen Verheiſſungen/ daß ich mich endlich uͤberreden ließ/ uñ mit ihm nach Ra-
venna
[459]Anderes Buch.
venna lieff/ da wir von dem Gelde/ welches er ſeinem Vater geſtohlen hatte/ uns trefflich
ruͤſteten/ und nach Sizilien ſchiffeten/ wo ſelbſt wir uns leider vor die Herren Ladiſla und
Herkules ausgaben/ allenthalben wol empfangen wurden/ und etliche tauſend Kronen auf
Wechſel zogen/ die wir nimmermehr bezahlen werden. Von dannen macheten wir uns
an dieſen Ort/ wuͤrden auch innerhalb weniger Zeit uns nach dem Eilande Rhodus fort-
gemacht haben/ da mein Herr uns nicht zuvor kommen waͤhre. Nach dieſer Erzaͤhlung fiel
er vor ihm nider in die Knie/ und baht umb Gnade/ weil alle Boßheit von ſeinem Geſellen
verrichtet/ und er nur deſſen Willens haͤtte leben muͤſſen/ wie ſolches ihre Diener bezeugen
wuͤrden. Valikules antwortete ihm: ich habe dich weder zu ſtraffen noch loßzuſprechen/
ſondern die Obrigkeit dieſes Orts wird mit dir zuverfahren wiſſen/ bey denen ich doch ei-
ne Vorbitte umb Linderung einlegen wil. Aber dieſe wolten ihn nicht geringeꝛ als mit dem
Staupbeſem beſtraffen/ und verwieſen ihn hernach des ganzen Landes/ da ihm Valikules
etliche Kronen Zehrgeld ſchenkete; Der Betrieger Pferde und andere Sachen wurden
verkaufft/ daß der Wirt/ die Diener/ und andere noch zu ihrer Bezahlung kahmen; aber
Valikules wahr leidig/ daß er wegen Gallus Verwundung ſich hieſelbſt ſo lange auffhal-
ten muſte.


Gleich umb dieſe Zeit entſtund zu Padua eine ſehr groſſe Unruhe und Traurigkeit/
deſſen Ladiſla Leibknabe Tullius Urſach wahr; dann wie dieſer ſeinen Herrn mit Perdickas
kaͤmpffen ſahe/ und daß alle ſeine Diener von der Menge uͤberfallen und erſchlagen wur-
den/ meynete er nicht anders/ ſein Herr wuͤrde das Leben eingebuͤſſet haben/ lieff vor Angſt
und Schrecken nach einem Hafen zu/ da er einen Kauffmann antraff/ welcher nach Italiẽ
ſchiffen wolte; denſelben baht er/ ihn mitzunehmen/ deſſen ihn der Stathalter zu Padua
lohnen ſolte. Als er nun in einem Hafen hinter Padua angelaͤndet wahr/ lief eꝛ zu fuſſe hin/
und wolte gleich zu dem Stathalter gehen/ da ihm Frl. Helena auff deꝛ Gaſſen begegnete/
die ſich ſeiner einſamen Ankunfft verwunderte/ und ihn fragete/ wie/ und woher er ſo gar
allein kaͤhme; deren er mit wehmuͤhtiger Stimme antwortete: ſeinem Gn. Herrn waͤhre
es nicht wol gangen/ und er allein zu fuſſe entrunnen; deſſen ſie hoͤchlich erſchrak/ hieß ihn
mit nach ihres Vaters Hofe gehen/ und verboht ihm ernſtlich/ keinem einigen Menſchen
hievon zuſagen. Herr Emilius entſetzete ſich nicht weniger uͤber dieſer traurigen Zeitung/
und wahr ihm ſehr leid/ ſeinen Schwager damit zubetruͤben/ ließ doch den Knaben in ſei-
nem Hauſe/ und ging allein hin zu Fabius/ vorgebend/ er haͤtte betruͤbte Zeitung/ daß
es Herꝛn Ladiſla nicht wol ergangen/ und er in Griechenland gefangen waͤhre. Fabius be-
ſtuͤrzete hieruͤber/ und als er nach dem Zeitungs-bringer fragete/ muſte Tullius alsbald zu
ihm kommen/ der mit klaͤglichem Weinen außfuͤhrlich erzaͤhlete/ wie es mit dem Streit
ergangen/ und ſeines Herꝛn Diener alle erſchlagen waͤhren. Fabius fragete ihn/ wie es
dann mit ſeinem Herꝛn abgelauffen; und als er hierauff erſtummete/ und der Luͤgen keine
Farbe anzuſtreichen wuſte/ weil ihm Emilius eingebunden hatte/ er ſolte ſich ſtellen/ als
wuͤſte er nicht darumb/ draͤuete ihm Fabius harte Straffe/ wo er nicht gleich zu bekennen
wuͤrde; worauff er ſagete. Ach Gn. Herr/ ich kan in Warheit nicht eigentlich wiſſen/ wie
es meinem Gn. Herrn endlich ergangen ſey; dañ wie alle ſeine Diener/ auch/ wo mir recht
iſt/ Klodius Tod wahren/ entſtund umb ihn her ein ſolches Getuͤm̃el/ daß er mit ſamt dem
M m m ijPferd
[460]Anderes Buch.
Pferde zur Erden ſtuͤrzete/ und der ganze Hauffe auff ihn zudrang/ daher ich nicht ſehen
kunte/ ob er auffſtund oder liegen blieb/ nur daß ich ein wuͤſtes Geſchrey hoͤrete/ da etliche
rieffen/ ſchlaget ihn Tod; andere aber/ fahet ihn lebendig/ daß man ihn gebuͤhrlich abſtraf-
fen koͤnne. Fabius erſeufzete hieruͤber/ muſte vor Angſt und Schrecken ſich niderſetzen/ und
ſagete; ſo ſey es den Goͤttern geklaget/ daß ein ſo redlicher Held in ſeiner bluͤhenden Ju-
gend hat muͤſſen umbkommen und ich eines ſo lieben und angenehmen Eidams beraubet
bin/ welchen ich mit meinem Leben gerne loͤſen wolte/ wans moͤglich waͤhre; und ach ach!
wie werde ich ſolches vor meiner Tochter verbergen koͤnnen/ die nunmehr/ genommener
Abrede nach/ alle Stunden angenehme Schreiben von ihm erwartet/ und ihr ſchon nicht
viel gutes traumen laͤſſet; hielt alſo vor rahtſam/ es noch zur Zeit keinem Menſchen zu
offenbahren/ ſondern wolte auffs ſchleunigſte ein Jagtſchiff außlauffen laſſen/ welches zu
Patræ eigentliche Nachfrage tuhn ſolte. Aber Fr. Urſul hatte von ihrer Magd ſchon er-
fahren/ ſie haͤtte Tullius bey dem Stathalter geſehen/ wolte eine ſo angenehme Zeitung/
wie ſie meinete/ nicht verſchweigen/ ſondern taht es Fr. Sophien zuwiſſen/ welche alsbald
argwohnete/ es muͤſte nicht recht zugehen/ weil der Knabe ſich nicht am erſten bey ihr mel-
dete; ſchickete auch ihre Dienerin ab/ umb zuerforſchen/ ob ſichs eigentlich alſo verhilte;
welche den Bericht einbrachte/ ſie haͤtte den Knaben bey dem Stathalter und Herrn Emi-
lius ſehen Weinend ſtehen; worauff Fr. Sophia ihre Haͤnde zuſammen ſchlug und uͤber-
laut rieff; O ihr Goͤtter! mein allerliebſter Ladiſla iſt Tod! Frl. Sibylla wahr bey ihr/ er-
mahnete ſie/ ſich ſo uͤbel nicht zuhalten/ wolte nicht hoffen/ daß es ſo ungluͤklich ſtehen ſolte;
befahl auch Fr. Urſulen/ acht auff ſie zu haben/ und lieff zu dem Stathalter/ ihm andeu-
tend/ ſeine Tochter haͤtte des Knaben Ankunfft und Traͤhnen erfahren/ daher ſie ſehr arge
Gedanken ſchoͤpffete; baͤhte demnach/ ihr einigen Troſt mitzuteilen/ da ſonſt noch einiger
uͤbrig waͤhre. Ich weiß nicht/ ſagete er/ wer meiner Tochter alles neue ſo bald anbringen
mag; lieber ſaget ihr/ es habe keine Gefahr/ als viel ſein Leben betrifft/ nur daß er umb ei-
nes Ritters willen/ welchen er im Kampff erleget/ gefangen ſey/ und ſich ehiſt wieder frey
machen werde. Als Fr. Sophia dieſes vernam/ gab ſie ſich anfangs zimlich zufrieden/
doch kunte ihr die ſchlimmere Zeitung nicht lange verſchwiegen bleiben/ weil Emilius Ge-
ſinde bey anderen ſchon davon geplaudert hatten/ daß in weniger Zeit in der Stad eine ge-
meine Sage wahr/ Herr Ladiſla waͤhre Tod; daher ihre Mutter und andere Anverwan-
ten allen Fleiß anlegeten/ ihr das aͤrgeſte auß dem Sinne zubringen; das leidige und ver-
logene Geſchrey/ ſagten ſie/ pflegete alle Dinge groͤſſer zumachen/ als es an ihm ſelbſt waͤh-
re/ und entſtuͤnde alle Muhtmaſſung bloß aus Tullius einſamer Ankunfft/ welches alles
ſie ſich nichts ſolte irren laſſen; ihr Vater haͤtte ſchon ein eigen Renneſchiff abgeordnet/
den eigentlichen Verlauff zuerforſchen/ hoffete demnach/ ſie wuͤrde inzwiſchen in Ge-
duld ſtehen; es koͤnte ihrem Gemahl beſſer gehen/ als man Glauben haͤtte. Aber Fr. So-
phia hatte den Knaben ſchon abſonderlich gefraget/ auch aus ſeinen unbeſtaͤndigen Reden
ſo viel gemerket/ daß ihr der ſchwerſte Knoten verſchwiegen wuͤrde; doch wolte ſie ihre ein-
mahl gefaſſete Beſtaͤndigkeit nicht brechen/ ſondern antwortete ihrer Mutter; ſie verſtuͤn-
de ihr Vorbringen ſehr wol/ und ſolten des Geſchreies Luͤgen in dieſem Stuͤk niemand
lieber ſeyn als ihr; koͤnte aber leicht gedenken/ daß ihre liebe Eltern ihrer ehmahligen Han-
delung
[461]Anderes Buch.
delung annoch ſich erinnerten/ und ihretwegen ſich ein gleichmaͤſſiges befuͤrchteten; baͤh-
te aber ſehr/ ein ſolches aus dem Sinne zuſchlagen; dann ſie haͤtte ihrem Liebſten verſpro-
chen/ nichts von ſeinem Tode zu glaͤuben/ biß ſie der ungezweiffelten Warheit gnug wuͤr-
de berichtet ſeyn; und alſo wolte ſie in Geduld ſtehen/ biß die Außgeſchikten/ Gewißheit
braͤchten/ alsdann hoffete ſie/ ihres liebſten Ladiſlaen Seele wuͤrde die ihre bald abfodern/
und mit ſich hinweg nehmen/ daß ſie auffs minſte im Tode ungeſchieden blieben/ wañ das
mißguͤnſtige Gluͤk ihnen dieſes lebens Freude laͤnger nicht zulaſſen wolte. Nun meinete
der Stathalter ſelbſt/ Ladiſla waͤhre gewißlich hingerichtet/ beſinnete ſich auch ſchon auff
eine ſchwere Rache; doch ward er froh/ daß ſeine Tochter ſich vor erſt zur Ruhe begab/
machte auch mit den andern den Schluß/ dafern das außgeſchikte Schiff die traurige Zei-
tung bringen wuͤrde/ ihr deſſen Wiederkunfft/ ſo lange moͤglich/ zuveꝛbergen/ auff das die
Zeit ihre hefftige Traurigkeit lindern/ und ſie ihres liebeſten moͤchte vergeſſend machen.
Libuſſa wahr nicht weniger betruͤbet/ da ſie dieſe leidige Maͤhre vernam/ und uͤberdaß we-
der von dem Fraͤulein noch Herkules einige Zeitung hatte. Sie bemuͤhete ſich aber/ Fr.
Sophien zu troͤſten/ und die Betruͤbniß ihr auß dem Sinne zuſchwatzen; wobey Frl. Si-
bylla ſich getraͤulich mit gebrauchete; aber da halff alles ſehr wenig; dann ſie aß und trank
des Tages kaum ſo viel/ als ein Kind/ daß erſt von der Bruſt entwehnet wird/ daß auch deꝛ
groͤſte teil ihrer Schoͤnheit gar verſchwand/ und ſie innerhalb zwo Wochen faſt von allen
Kraͤfften kam/ daß Libuſſa ſich nicht enthalten kunte/ ſie mit harten Worten zuſtraffen; wie
unguͤtlich ſie nicht allein an ihr ſelbſt/ ſondern auch an ihren Eltern und liebſtem Gemahl
handelte/ in dem ſie durch Betruͤbnis und Hunger ſich gedaͤchte umbs Leben zubringen;
wann ſie nun dahin waͤhre/ welches auff ſolche Weiſe nicht lange anſtehen koͤnte/ was haͤt-
te ſie dann vor eine ruhmwirdige Taht außgerichtet/ als daß ſie an ihrem eigenen Leibe
und Leben ſelbſt Moͤrderin werden/ und ihren Gemahl/ der ſie ſo hefftig liebete/ in den Tod
ſtuͤrzen wuͤrde; ſie moͤchte doch zu anderen Gedanken greiffen/ und nicht ſo gar die Goͤtter
ſelbſt mit ungeduld trotzen/ welche hiedurch vielmehr erzuͤrnet/ als zur Barmherzigkeit be-
waͤget wuͤrden. Dieſe und dergleichen vielfaͤltige Vermahnungen hoͤrete ſie zwar mit ge-
duldigen Ohren an/ aber ihre Meinung wahr nicht/ ſich zu endern/ ſondern antwortete end-
lich; Geliebete Freundin/ ich weiß nicht wie es koͤmt/ daß ich mich vor eure Straffreden
mehr/ als vor meine Eltern ſelbſt fuͤrchte; doch verſichert euch/ daß kein Menſch wieder
meine einmahl gefaſſete Meinung mich im Leben erhalten wird; ich koͤnte zwar mit einem
Stiche mich der Angſt leicht abhelffen/ aber meine Eltern nicht zubeleidigen/ habe ich ſol-
ches Mittel veꝛſchworen; mus demnach in dieſem langwierigen Kummer meine Kraͤfte
algemach verzehren/ biß ſie endlich brechen/ und der Betruͤbniß entriſſen werden. O mein
allerlieblichſter Freund/ welche grauſame Hand hat dich mir geraubet? O du holdſeliges
Angeſicht/ welcher Wuͤterich hat dir die ſchoͤnen Wangen-Roſen in ein Todtesbleich ver-
kehret? Aber auch du unbarmherzige Seele/ warumb ſucheſtu nicht Gelegenheit/ mich ab-
zufodern? Nun nun/ meines Lebens einiger Troſt iſt dahin; alle meine Vergnuͤgung iſt
verſchwunden; waͤhre nur mein Leib ſo halſtarrig nicht/ und lieſſe den betruͤbten Geiſt auß-
fahren/ der wieder ſeinen Willen verbleiben muß/ alsdann wuͤrde ich ja dereins zur ge-
wuͤnſchten Ruhe kom̃en. Fing hernach an/ und wuͤnſchete zuwiſſen/ wie es doch nach dem
M m m iijTode
[462]Anderes Buch.
Tode eine Beſchaffenheit umb die Seele haben moͤchte/ und ob die/ ſo im Leben verliebet
waͤhren/ auch in jener Welt ungetrennet blieben: Weil ſie ſich nun durch das Reden zim-
lich abgemattet hatte/ baht ſie Libuſſen/ ihr das Bette zu recht zumachen/ dann ſie muͤſte ein
wenig ruhen. Gleich da ſie dieſes begehrete/ trat Frl. Sibylla zu ihr ins Gemach/ hatte ein
Kleid von gruͤn Silberſtuͤcke angetahn/ und mit ſo viel Kleinoten ſich uͤberal geputzet/ ob
ſolte ſie Hochzeitliches Beylager halten; welches Fr. Sophia erſehend/ zu ihr ſagete:
Geliebtes Schweſterchen/ wie habt ihr euch ſo koͤſtlich geſchmuͤcket? Ich bin ja ſider der
unſern Abſcheid ſolches an euch nicht gewohnet; oder tuht ihrs vielleicht/ mich in meiner
Traurigkeit zuerluſtigen? Je warum ſolte ich mich noch betruͤben? antwortete ſie/ iſt es
nicht gnug an euch/ daß ihr ſo unklug ſeid/ und euch auß lauter Mutwillen das Leben kuͤr-
zen/ ja auch zugleich euren Ladiſla mit hinreiſſen wollet? welches ich hinfort durchaus nit
mehr leidẽ kan noch wil/ ſond’n dafern ihr miꝛ nicht verſprechet/ gleichmaͤſſige Fꝛoͤligkeit an
euch zunehmen/ wil ich mich ſtehendes Fuſſes nach Korinth machen/ ja zu Herrn Ladiſla
nach Korinth wil ich mich machen/ und demſelben klagen/ was vor Ungehorſam ihr euren
lieben Eltern und allen die euch gutes rahten/ erzeiget. Es hatte ſich diß liebe Fraͤulein biß-
her ſehr traurig gehalten/ und wegen ihrer Waſen troſtloſigkeit ſich dermaſſen gehermet/
daß ihre Schoͤnheit ſich gutenteils gemindert hatte. Fr. Sophia aber meinete nicht an-
ders/ ſie waͤhre wegen Mangel der Ruhe im Witze verſtoͤret/ daß ſie ſich alſo ſtellete; ließ
deßwegen einen ſchweren Seufzen gehen/ und ſagete: Ach ſo erbarme es den Himmel/ daß
ich eures Aberwitzes Urſach bin? Ach ach/ wie werde ich ſolches vor euren lieben Eltern
verantworten? Was? ſagte das Fraͤulein/ ſcheltet ihr mich vor eine Aberwitzige/ weil ich
euch draͤue? ſehet da/ ich ſchwoͤre es euch bey allen Goͤttern/ werdet ihr mir nit gehorſamẽ/
wil ich alsbald nach Korinth/ ja/ hoͤret ihrs/ nach Korinth wil ich ſchiffen/ und euch vor
Herꝛn Ladiſla dergeſtalt anzuklagen wiſſen/ daß er euch gaͤnzlich uͤbergeben/ und mich an
eure Stelle nehmen ſol. Durch dieſe Reden ward Fr. Sophia in ihrer Meinung noch
mehr geſtaͤrket/ und jammerte ſie des lieben Fraͤulein ſo hart/ daß ſie mit weinenden Augen
zu Libuſſen ſagete: Ach Gott/ tuht es doch eilends meinen Eltern zuwiſſen/ dz ſie ſich nach
Raht und Huͤlffe umbtuhn moͤgen. Ja/ ſagte das Fraͤulein/ ich halte/ ihr habt nicht gnug
daran/ daß ihr euch ſelbſt aͤffet/ ihr muͤſſet mich auch aufftreiben/ und wol gar vor eine Un-
ſinnige angeben; wie aber/ wann ich euch vor eine ſolche außſchoͤlte? haͤtte ich nit ungleich
mehr Urſach darzu? Ihr habt bißher euren Ladiſla mit Gewalt Tod haben wollen/ und iſt
doch friſch und geſund zu Korinth mit meinem Vetter Kajus Fabius/ eurem Bruder.
Nun haltet ihr mich vor eine Aberwitzige/ weil ich mich meinem Stande nach außgekleidet
habe; aber wovor ſeyd ihr zuhalten/ daß ihr als eine Wittib in Traurkleid ern lebet/ uñ doch
euer Gemahl geſund und wol auff iſt? Ich ſage euch noch einmahl/ euer lieber Ladiſla iſt zu
Korinth/ und hat dieſen Brief mit eigener Hand geſchrieben; welchen ihr aber nicht ſehen
ſollet/ biß ihr andere Kleider angelegt; dann es iſt zeit/ daß ihr dermahleins den Unmuht/
haͤtte ſchier geſagt die Unſinnigkeit fahren laſſet. Libuſſa zweiffelte ſelber/ was ſie von dem
Fraͤulein halten ſolte; weil ihr aber ihre luſtige Einfaͤlle bekant wahren/ ſagte ſie zu Fr. So-
phien: Ich bitte ſehr/ Eure Gn. gehorſamen doch dem liebẽ Fraͤulein/ dañ mein Herz traͤgt
mir
[463]Anderes Buch.
mir zu/ dz ſie gute uñ gewiſſe Zeitung von meinẽ gnaͤdigſtẽ Koͤnige habe. Gewiſſe Zeitung?
ſagte dz Fraͤulein; habe ich euch nit zum oftern gemeldet/ H. Ladiſla lebe zu Korinth froͤlich
uñ wolgemut? Ach haltet mich nit laͤnger auf/ herzliebſtes Schweſterchen/ ſagte Sophia/
auff daß ich urſach haben moͤge/ mich mit euch zufreuen/ da ihr mich ſonſt nicht auffzihet.
Hierauff trat das Fraͤulein naͤher zu ihr/ greiff ſie zimlich hart an/ daß mit ihrer Steiffſin-
nigkeit und Schwermuht ſie ihren Eltern ſo mañiches Herzleid machete/ welches ſie nim-
mermehr verantworten koͤnte; nun waͤhre ja ihr Gemahl friſch und geſund/ welcher zum
Warzeichen Ritter Klodius/ der mit ihm ſolte erſchlagen ſeyn/ neben ſeiner ſchoͤnen ade-
lichen Jungefrauen heruͤber geſchicket haͤtte. Noch wolte ſie nicht allerdinge glaͤuben/ ſon-
dern ſagete: Ich bitte euch umb unſer Freudſchafft willen/ ſaget mir die rechte ungefaͤrbe-
te Warheit/ daß ich wiſſe/ woran ich bin; Ja warumb nicht/ antwortete ſie/ alles was ich
geredet habe/ iſt die lautere Warheit/ und da nehmet nun euer Schreiben/ und brechet es
ſelber. Fr. Sophia erkennete aus der Auffſchrifft die Hand gar bald/ daher ſie voller Freu-
den ward/ fiel dem Fraͤulein umb den Hals/ und baht ſehr umb Verzeihung/ daß ſie ihr ſo
groſſen Schimpff angeleget/ und ſie vor unwitzig gehalten/ auch durch ihre Traurigkeit
ihrer vielfaͤltigen Unruhe Urſach geweſen/ neben Zuſage/ wie ſie hinfuͤro ſich beſſern wolte;
brach zugleich den Brief/ und laſe folgenden Inhalt: Herzallerliebſter Schatz; daß ein ſon-
derliches Ungluͤk mein Schreiben ſo lange auffgehalten/ wird Zeiger dieſes Obriſter Statverweſer
Klodius berichten koͤnnen/ deſſen Eheltebſte ohn zweiffel aus ſonderlicher Schickung der Goͤtter/ mein
Leben erhalten/ daß im Gefaͤngniß ich nicht Hungers und Durſtes umkommen bin/ wodurch ſie ſich
umb ein Haar ſelber in das Feur geſtuͤrzet haͤtte; Werdet ſie demnach als meine Erhalterin uñ wah-
re Freundin lieben. Mein Herkules iſt ſchon nach den Morgenlaͤndern hinzu/ und werde ich ſamt eu-
rem lieben Bruder ihm alsbald folgen/ hoffen unſer Vorhaben gluͤklich auszufuͤhren/ und euch froͤ-
lich wieder zuſehen. Inzwiſchen erinnert euch allemahl meiner herzlichen Traͤue/ und laſſet euch fal-
ſches Geſchrey von verſprochener Beſtaͤndigkeit zu leben nicht abſpenſtigen/ und ſolches dem zu kuͤnff-
tiger Vergnuͤgung/ der da iſt und bleibet/ euer biß in den Tod ergebener Ladiſla.


Nun dann hinweg alle Traurigkeit/ ſagte ſie nach Verleſung; ich werde mich aber ein
wenig zieren/ die fremde Freundin zuempfahen/ deren ich mich ſelbſt ſchuldig bin/ auch ver-
nehmen/ wie es meinem Ladiſla bißher ergangen/ und wie er der groſſen Gefaͤhrligkeit ent-
runnen ſey; werde mich auch/ mein Schweſterchen/ an euch zuraͤchen wiſſen/ daß ihr mich
dergeſtalt auffgeſetzet und verwirret habet. Sie ließ alsbald ihr Haar kraͤuſen/ und ande-
re Kleider hohlen/ und ging mit ihrer Geſelſchafft hin/ die fremde Frau zuempfahen. Als
ſie in den Saal trat/ ging ihr Klodius in ſtatlicher Kleidung (wie ihm ſein Herꝛ befohlen
hatte) entgegen/ kuͤſſete ihr die Hand/ neben Vermeldung eines herzlichen Gruſſes von ih-
rem Gemahl/ und von ihrem Bruder/ ſagte nachgehends: Als viel ihrer Gn. jaͤmmerliche
Geſtalt ausweiſet/ hat dieſelbe meines Gn. Herꝛn Gefaͤngnis mehr empfunden/ als er ſel-
ber. Ja mein geliebter Freund/ antwortete fie/ die traurige Zeitungen welche mir vorkom-
men ſind/ haben mir wenig Urſach zur Wolluſt gegeben. Sahe in dem Fr. Agathen gegen
ſie daher treten/ welche ſie mit einem freundlichen uͤmarmen/ und ſchweſterlichen Kuſſe
empfing/ zu ihr ſprechend: Herzgeliebete wiewol bißher unbekante Freundin; die Goͤtter
muͤſſen euch der Traͤue und Freundſchafft lohnen/ welche ihr meinem Gemahl in aͤuſſer-
ſter Gefahr eures Lebens erwieſen/ und er mir ſchrifftlich zuverſtehen gegeben/ nebeſt ernſt-
lichem
[464]Anderes Buch.
lichem Befehl/ es nach allem Vermoͤgen zuerkennen/ welches ich dann nimmermehr in
vergeß ſtellen wil. Dieſe verwunderte ſich der uͤberaus groſſen Freundligkeit/ entſchuldig-
te ſich ihrer Unwirdigkeit/ daß eines maͤchtigen Koͤniges Gemahl ſie dergeſtalt empfinge/
hoffete/ ihre Gn. wuͤrden ſie vor ihre Magd auffnehmen/ und an ihren ſchlechten Dienſten
ein gnaͤdiges gefallen tragen; meldete hernach ihres Gemahls und Bruders herzlichen
Gruß/ und endlich Leches/ Markus/ und Fr. Euphroſynen unteꝛtaͤhnigſte Dienſte an; wo-
bey ſie Fr. Sophien/ Fr. Urſulen und Frl. Sibyllen/ ieden drey koͤſtliche Kleinot/ einen
Teil von Ladiſla/ den andern von Fabius/ den dritten von Fr. Euphroſynen einhaͤndigte/
wovor ſie ſich ingeſamt hoͤchlich bedanketen/ inſonderheit wegen des dritten/ weil es von ei-
ner unbekanten Freundin herruͤhrete/ von welcher ſie bißher nichts mehr wuſten/ als daß
ſie Frau Agathen Waſe waͤhre. Es wahr gleich Zeit/ das Abendmahl einzunehmen/
ſetzeten ſich zu Tiſche/ und fuͤhreten mancherley Geſpraͤch/ inſonderheit verwunderten ſie
ſich uͤber Klodius hoͤfliche und vernuͤnfftige Reden/ weil er vor dem ſich gar nidrig und
ſtille gehalten hatte. Frau Pompeja begehrete an ihn/ er moͤchte doch kuͤrzlich erzaͤh-
len/ was den ihren vor Abenteur zugeſtoſſen waͤhren; wozu er willig wahr/ und anfangs
ihren Schiff-Streit mit den Pannoniern ausfuͤhrlich meldete/ ungeachtet dem Stat-
halter ſolche Schiffe ſchon geliefert/ und auff ſein Befehl alle Erhenkete ins Meer
geworffen wahren; hernach taht er Herkules Unfall/ und Charidemus Hinrichtung
hinzu/ auch daß ſein Geſelle Markus deſſen Nachgelaſſene mit groſſer Haabſeligkeit durch
Herrn Fabius Befoderung geheyrahtet. Ladiſlaen Streit mit Perdikas berichtete er
auch außfuͤhrlich/ aber ſeine Gefaͤugnis und Erloͤſung muſte Fr. Agatha umbſtaͤndlich
erzaͤhlen/ woruͤber ſie alle herzlich weineten/ und nach endigung Fr. Sophia ſich auffs neue
mit ihr herzete/ ſich teur verpflichtend/ es Zeit ihres Lebens zu erkennen/ ſagte nachgehends
zu Klodius; ſeid ihr mein Freund/ ſo werdet ihr alhie bey uns in meines H. Vaters Ho-
fe wohnen/ damit ich Gelegenheit habe/ eurer Liebſten ſehen zulaſſen/ wie angenehm mir ih-
re Freundſchafft ſey. Er bedankete ſich des hohen Erbietens/ einwendend/ wann ja etwas
ver[d]ienet waͤhre/ haͤtte ſein Gn. Herꝛ alles viel tauſendfach erſetzet/ waͤhre auch ſelbſt der
Eheſtiffter zwiſchen ihnen geweſen; im uͤbrigen haͤtte er von ſeinem Obriſten Herrn Fa-
bius Befehl/ zu Padua zuverbleiben/ dafern der Legion Nohtwendigkeit ſeine Gegenwart
nicht erfodern wuͤrde; wolte demnach ſich alsbald nach einer Wohnung umbtuhn/ ſo nahe
er ſie bey des H. Stathalters Hofe haben koͤnte. Aber H. Fabius ſagete/ es ſolten ihm auf
ſeinem Hofe gute Gemaͤcher eingeraͤumet/ und ſeine Pfeꝛde auff Herrn Herkules Mahr-
ſtalle gefuͤttert werden; wozu Fr. Sophia kam/ uñ ihm außdruͤklich wegen ihres Gemahls
geboht/ nicht von ihr zuzihen/ und da er nicht gehorſamen wuͤrde/ wolte fie doch ihre liebſte
Freundin Fr. Agathen nicht von ſich laſſen. Klodius gab zur Antwort; er waͤhre ihrer
Gn. zugehorchen ſchuldig/ und haͤtte ſie volkommene Gewalt ihm zubefehlen/ derhalben er
ohn ihren Willen keinen Fuß von dem Hofe ſetzen wolte. Die Urſach aber/ daß Klodius
zu Padua ankam/ wahr dieſe: Als Fabius außgeſchikte Kriegsknechte ganz keine Nach-
richt wegen Herkules mit ſich brachten/ ſahe Ladiſla vor gut an/ das groͤſte Schiff wieder
nach Italien zuſenden/ und mit dem andern nach Syrien zuſchiffen. Ehe ſie dieſe Reiſe
vor ſich nahmen/ begehreten ſie an die beyde junge Witwen/ vor ihrem Abzuge das Bey-
lager
[465]Anderes Buch.
lager zuhalten/ welches Ladiſla inſonderheit ſtark bey Fr. Agathen trieb/ und ihr zugemuͤht
fuͤhrete/ wie Unrecht ſie taͤhte/ daß ſie dem zugefallen ſich ihrem Braͤutigam verſagete/ der
ihr nach Ehr und Leben geſtanden. Fabius erinnerte Fr. Euphroſynen gleichergeſtalt was
vor ein Bubenſtuͤk Charidemus wieder ſie im Sinne gehabt/ und ſie ſelbſt toͤdten wollen/
wodurch er ſich aller ehelichen Liebe-Gedaͤchtnis unwirdig gemacht haͤtte. Klodius und
Markus lieſſens an ihrer Seiten auch nicht mangeln/ und wuſten ihren Braͤuten ſo lieb-
lich zuzuſprechen/ daß die gutẽ Weiberchen endlich uͤbermannet/ einwilligen muſten/ und
ihnen das Beylager wolgefallen lieſſen/ welches gar praͤchtig/ alles auf Ladiſla und Fabius
Koſten gehalten ward. Nach Endigung der Hochzeit Tage/ macheten die jungen Ehemaͤn-
ner ſich fertig/ mit ihren Herren fortzureiſen/ uñ troͤſteten ihre betruͤbeten Frauen/ mit ver-
heiſſung/ ſich bey ihnen ſchier wieder einzuſtellen/ und hernach von ihnen nimmermehr zu
ſcheiden. Als nun dieſe beyde nicht anders meyneten/ als erſtes Tages mit nach Syrien zu
ſegeln/ foderten Ladiſla und Fabius ſie in ihrer Frauen Gegenwart vor ſich/ und redete La-
diſla ſie folgender geſtalt an: Ihr werdet euch noch wol erinnern/ was maſſen ihr meinem
Herkules und mir auff eine gewiſſe Zeit euch verpflichtet habt; Wann ihr nun der Mey-
nung/ wie ich merke/ noch ſeyd und bleibet/ zweifele ich nicht/ ihꝛ werdet uns eure Dienſte an
Ort und Enden leiſten/ da ſie uns am erſprießlichſten ſind. Klodius und Markus verbun-
den ſich auffs neue zu aller Moͤgligkeit; Worauff er alſo fort fuhr: So muͤſſet ihr Klo-
dius/ euch mit eurer Liebeſten unwaͤgerlich nach Padua erheben/ und daſelbſt erwarten/ ob
wir Wechſel oder Manſchafft abzufodern benoͤhtiget waͤhren; Zehrungs-Koſten uñ wir-
dige Beſoldung werdet ihr von meinem Gemahl zuempfangen haben/ und wird meine
Freundin Fr. Agatha ihr gefallen laſſen/ meinem Gemahl eine zeitlang Geſellſchafft zulei-
ſten. Ihr aber Markus/ werdet vorerſt es allhie zu Korinth anſehen/ dann unſere Schrei-
ben ſollen an euch gerichtet werden/ welche ihr weiter fortzuſchicken nicht unterlaſſen wer-
det. Es hatten dieſe ſich zwar ſchon zur Reiſe fertig gemacht/ und auff viel tauſend Kronen
wert Kleinoter zum Nohtpfennige zu ſich genommen/ auch jeder ſich mit einem Leibdiener
verſehen; weil ihnen aber die Liebe zu ihren Frauen nicht wenig anlag/ lieſſen ſie ſich deſto
leichter beredẽ/ bey ihnẽ zu bleiben/ uñ merketen ihre Frauen wol/ dz alles ihnen zu liebe ge-
ſchahe/ welches ſie mit groſſem Dank erkeñeten/ und uͤberaus ſtark anhielten/ ihnen zugoͤn-
nen/ daß ſie von ihren eigenen Guͤtern leben moͤchten. Aber Ladiſla antwortete ihnen: Ihr
lieben Herzen/ gebet euch zufrieden; ſo lange unſere Bedienetẽ uns wirkliche Dienſte leiſtẽ/
muͤſſen ſie trauen unſern Sold heben; oder meynet ihr/ daß wir ſie euch zu dem Ende zu-
gefreyet haben/ daß ſie eure Guͤter verzehren/ uñ nicht vielmehr erſparen/ ja vermehren ſol-
ten? Die Frauen kuͤſſeten ihm die Haͤnde/ und bedanketen ſich aller gnaͤdigen Gewogen-
heit untertaͤhnig. Ihren guten Willen aber ſpuͤren zulaſſen/ zahleten ſie von ihren Baar-
ſchafften jedem Schiff Soldaten 80 Kronen/ und jedem Boßknechte 40 Kronen zur Veꝛ-
ehrung/ welches ganze ſich auff 15000 Kronen belief. Darauff ward Klodius das groͤſſe-
re Schiff mit dem meiſten Volk uͤbergeben/ es wieder nach Padua zubringen/ und behiel-
ten Ladiſla und Fabius nur XXX Soldaten auff dem kleineren Schiffeneben Leches/ als
welcher ſeinen Koͤnig durchaus nicht verlaſſen wolte/ deßwegen er von den beyden Frauẽ
mit allerhand Kleinoten und gemuͤnzetem Golde auff 16000 wert begabet ward/ worzu
N n nihm
[466]Anderes Buch.
ihm Fabius von Parmenions Geldern noch 12000 Kronen verehrete/ welches alles er
nebeſt dem ſchon erworbenen/ Fr. Agathen zuſtellete/ fleiſſig bittend/ es ſeiner geliebtẽ Jung-
fer Libuſſen mit uͤber zunehmen/ und ſeinetwegen in ſtiller geheim einzureichen. Dieſelbe
nun vergaß ihrer Zuſage nicht/ ſondern bald des andern Tages nach ihrer Ankunft zu Pa-
dua/ rief ſie die Jungfer allein zu ſich/ und baht anfangs/ Herrn Leches und ihr nicht zuveꝛ-
argen/ daß er ihrer Heimligkeit ſie gewuͤrdiget/ und ihre vertrauliche Liebe zuerkennen ge-
ben haͤtte/ von dem ſie weiter befehlichet waͤhre/ ihr neben Anmeldung ſeiner Dienſte und
Liebe/ beygefuͤgtes Schreiben und uͤbergeſendete Schaͤtze einzuliefern. Reichte ihr damit
die Kleinot/ auff 10000 Kronen/ und daneben in fuͤnff Laden 75000 Kronen gemuͤntzetes
Goldes. Die gute Jungfer ſchaͤmete ſich anfangs vor dieſer fremden/ aber nach Verle-
ſung des Schreibens ſagte ſie: Hochgeehrte Freundin/ ich bedanke mich der gehabten
Muͤhe/ und noch mehr ihrer Freygebigkeit/ ſintemahl ich aus dieſem Briefe erſehe/ daß die-
ſes alles groſſen teils von ihr und ihrer Fr. Waſen herruͤhret/ und weil ſolches zuerſetzen in
meinem Vermoͤgen nicht beſtehet/ wil an ſtat der Vergeltung ich ihr meinen getraͤuen wil-
len zu eigen geben/ auch ihre Dienerin/ als lange ich lebe/ verbleiben. Ich weiß von keinen
ſolchen Geſchenken/ antwortete dieſe/ welche von mir ſolten kommen/ und ſo groſſes dan-
kens wert ſeyn/ aber dieſe Armbaͤnder/ Halskette und fuͤnff Ringe/ wird meine hochgelieb-
te Freundin von ihrer bereitwilligen Dienerin anzunehmen ſich nicht wegern; taht ihr
dieſelben an ihre Arme/ Hals und Finger/ und umfing ſie mit einem freundlichen Kuſſe/ da
ſie zugleich einander alle ſchweſterliche Liebe und Traͤue ſchworen. Als nun die Jungfer
ihren Schatz nach ihrer Kammer hatte tragen laſſen/ gingen ſie mit einander nach dem
Frauenzimmer/ woſelbſt Fr. Agatha denſelben allen/ als der Stathalterin/ Fr. Sophien/
und Urſulen/ auch Frl. Sibyllen und Helenen koſtbahre Ringe ſchenkete/ welche anzuneh-
men ſie ſich anfangs beſchwereten/ weil ihnen ihr Wolvermoͤgen unwiſſend wahr; nach-
dem ſie aber von Libuſſen berichtet wurden/ daß ſie aͤdles Herren-Standes/ und ihre Her-
ſchafft drey Schloͤſſer/ zween Flecken/ und XXI Doͤrffer in ſich hielte/ wahren ſie willig/ und
erbohten ſich/ es zuerwiedern. Der Stathalter kam mit Klodius darzu/ das Frauenzim̃er
vor der Mahlzeit zubeſuchen/ und hatten mancherley Geſpraͤch/ da Fr. Sophia zu Klodius
ſagete: Gewißlich habt ihr und Ritter Markus euer reiſen nach Griechenland nicht ver-
gebens getahn/ und wuͤrdet in Italien ein ſolches Gluͤk ſchwerlich angetroffen haben/ ſchei-
net auch faſt/ ob haͤtten eure Herren in Ungluͤk gerahten muͤſſen/ nur daß der Goͤtter ſchluß
uͤber euch beyden gemacht/ erfuͤllet wuͤrde/ welcher ohn dieſes Mittel nicht leicht haͤtte koͤn-
nen volſtrecket werden. Er antwortete: Er erkennete gerne/ daß ihm ſeine Liebſte ja ſo an-
genehm ſeyn ſolte/ ob ſie gleich kein eigenes Baurhuͤtchen haͤtte/ ſchaͤtzete auch die an ſeinem
Gn. Herrn erwieſene Traͤue tauſendmahl hoͤher/ als alle ihre Haabſeligkeit; ſo haͤtte er
Gott Lob nach Befreyung ſeines Erbes/ Lebensmittel zur Gnuͤge/ wolte gefchweigen/ daß
ſeine Obriſt-Verwaltſchafft ihm mehr als ein uͤbriges bringen koͤnte. Der Stathalter ſa-
gete zu ihm: Es iſt mir lieb/ daß mein Sohn Fabius eure Wirdigkeit erkennet hat; ich
werde mich aber gleicher geſtalt bemuͤhen/ ſehen zulaſſen/ daß eure/ meinen Kindern erzei-
gete Traͤue bey mir in obacht iſt/ daher ich euch die Oberhauptmanſchafft hieſiger Beſat-
zung uͤber 6000 zu Fuß ſchenke/ welche ihr von dieſem Tage an zuverwalten auff euch neh-
men
[467]Anderes Buch.
men wollet. Klodius bedankete ſich der hohen Befoderung/ ließ ſich den Voͤlkern vorſtel-
len/ und verhielt ſich dermaſſen traͤufleiſſig in dieſem Amte/ daß die ganze Stad ihm ſehr
gewogen ward/ und ihm ein herliches Landgut zu Lehn aufftrugen/ davor er ſeine Dank-
barkeit zuerzeigen/ ein Stuͤk 40 Schritte lang/ an der alten Stadmaur niderreiſſen/ und
auff ſeinen Koſten neu machen ließ/ welches lange Zeit den Nahmen behielt/ daß es Klo-
dius-Werk genennet ward.


Als er nun hieſelbſt mit ſeiner Liebſten in guter Geſundheit und hohem Ehrenſtande
lebete/ wolte ihm das Gluͤk bald anfangs einen Tuͤck beweiſen/ woruͤber er ſchier das Leben
haͤtte einbuͤſſen muͤſſen. Es wahr ein junger reicher Paduaniſcher aͤdelmann/ Nahmens
Volumnius/ derſelbe befand ſich gegen Fr. Agathen hefftig verliebet/ und ſuchete alle Ge-
legenheit/ mit ihr zureden/ und ihr ſeine Liebe zuoffenbahren. Er hatte ſeinen Hof gegen den
Stathalter uͤber/ bey dem er zimlich gelitten wahr/ weil er ſich hoͤflich zu ſchicken/ und den
Schalk zubergen wuſte. Nachdem er nun dieſe Zeit ſich viel ſtatlicher hielt/ als er zuvor ge-
wohnet/ und in Fabius Hofe ſich taͤglich ſehen ließ/ merkete Fr. Sophia/ daß es umb Liebe
willen geſchahe/ wiewol ſie nicht finden kunte/ auff welche er ſein Abſehen haben moͤchte.
Nun ging ſie einsmahls mit Fr. Urſulen und Agathen/ auch Frl. Sibyllen und Libuſſen
hinaus vor das Tohr/ weil es ein luſtiger Herbſttag wahr/ und ſtund Volumnius gleich
vor ſeinem Hofe; wolte alſo dieſe Gelegenheit nicht verſaͤumen/ ſondern folgete nach/ und
baht wegen dieſer Kuͤhnheit umb Verzeihung. Fr. Sophia ſagete: weil ſie ingeſamt ſich
zu ihm aller Erbarkeit und Freundſchafft verſaͤhen/ ſolte es ihm erlaͤubet ſeyn. Nicht ferne
von der Stad wahr ein luſtiger Ort/ voller ſchattigter Baͤume/ da ſie ſich auff die Erde
niderlieſſen/ und hatte Fr. Sophia ſchon angemerket/ daß im hingehen er ſich Fr. Agathen
ſehr nahete; hier aber nam er ungenoͤhtiget die naͤheſte ſtelle bey ihr/ kunte auch ſeine unkeu-
ſche Begierden nicht verhehlen/ daß die Augen ihn nicht verrahten haͤtten/ wiewol deſſen
niemand als Fr. Sophia wahr nam/ welche beſſer dahinter zukommen/ auffſtund/ und mit
den andern etwas weiter unter die Baͤume ging/ da Fr. Agatha ihr zwar folgen wolte/ abeꝛ
von Volumnius auffgehalten ward/ weil er vorgab/ ihr ingeheim etwas zuvertrauen; fing
auch aus verwaͤgener Kuͤhnheit an/ ſeine unzimliche Liebe unter dem Deckel einer ſonder-
lichen Gewogenheit ihr beyzubringen/ daß ſie ſeiner Unbilligkeit nicht inne ward/ biß er um
dieſe und jene Gunſt bey ihr anhielt/ deſſen ſie nicht wenig erſchrak/ wolte ihm doch nicht
unhoͤflich begegnen/ ſondern entſchuldigte ſich/ daß ſie keine ſolche waͤhre/ die von Mannes-
bildern angebohtene Liebe auffnehmen/ und darauff ſich erklaͤren koͤnte/ angeſehen ſie im E-
heſtande lebete/ und er demnach ſeine Liebe an ort und ende verwenden wuͤrde/ da ſie haften
und Vergeltung erlangen koͤnte. Aber dieſer durch Liebe verblendet/ hielt es nur vor eine
Wort-Entſchuldigung/ weil ſie ſo gar ohne Bewaͤgung redete; fuhr demnach fort in ſei-
ner ſchaͤndlichen Werbung/ und ſuchte allerhand ſchoͤne Worte hervor/ ſich bey ihr beliebt
zumachen; Er haͤtte nicht gemeynet/ ſagte er/ daß Griechenland ſo zarte Engelchen zeuge-
te/ koͤnte ihm auch nicht einbilden/ daß ihres gleichen in derſelben ganzen Landſchafft zu fin-
den waͤhre/ daß daher ſelbiges Reich uͤber ihren Ehe Junker ſich wol beklagen moͤchte/ daß
er einen ſo treflichen Schatz von dannen gefuͤhret/ und Italien damit ausgezieret haͤtte;
jedoch wolte er ſich daruͤber vielmehr erfreuen/ als beſchweren/ der Hoffnung gelebend/ ihr
N n n ijHerz
[468]Anderes Buch.
Herz wuͤrde nicht weniger mitleidig/ als der Leib ſchoͤne ſey; er ſuchete nicht/ ſie ihꝛem Jun-
ker zuentfuͤhren/ weil er an ihrem Willen zweifelte/ dann ſonſten wuͤrde ihm nichts liebers
ſeyn/ als ſeine ganze Lebenszeit mit ihr zuzubringen; nur dieſes waͤhre vor dißmahl ſein
hoͤchſter Wunſch/ daß er gewirdiget werden moͤchte/ vor ihren Diener auffgenommen zu
werden; nam hiemit ihre Hand/ als ſolte hiedurch ſein Begehren ſchon geſchloſſen ſeyn.
Aber Fr. Agatha/ welche nie vorhin durch ſolche unehrliche Anſprengungen erſuchet waꝛ/
ohn in ihrem Gefaͤngniß/ empfand daher einen groſſen Unwillen/ reiß die Hand los/ und
antwortete mit erroͤhtetem Angeſicht: Herr/ ich weiß nicht/ mit was Worten ich ihm be-
gegnen ſol/ ohn daß ich mich hoͤchlich verwundere/ wie er mir darff Liebe anmuhten/ die ich
an meinen Ehegatten gebunden bin; hoffe demnach/ er werde mich hinfuͤro mit dergleichẽ
Anſuchen verſchonen/ und nicht vor eine ſolche mich anſehen/ dje von ihrem Ehe Junker zu
lauffen willens ſey/ er wuͤrde mir ſonſt urſach geben/ mich deſſen zubeſchweren; ſtund damit
auff/ und folgete den andern nach. Volumnius wolte ſie nicht allein gehen laſſen/ gab ihr
das Geleite/ und redete nicht minder freundlich mit ihr/ ſie hoͤchlich bittend/ daß ſie ja keinẽ
Haß auff ihn werffen/ ſondern ihm veꝛzeihen moͤchte/ wozu ihn die Liebe gezwungen/ welche
er nicht laͤnger zuverbergen gewuſt. Aber ſie begegnete ihm mit einer ſchaͤrfferen Antwoꝛt:
Sie haͤtte ihm ſchon viel zu lange zugehoͤret; es waͤhre zeit/ daß er ſeinem unehrlichen An-
ſuchen ein Ende machete/ und ſich von ihrer Seiten hinweg taͤhte; ſolche Freundſchafft/
die er ihr antruͤge/ ſolte er auff die wenden/ ſo auff Unerbarkeit ihre Wolluſt baueten; und
hierauff rief ſie: Schweſter Libuſſa/ wollet ihr mich nicht mitnehmen/ warumb eilet ihr ſo
ſehr? Fr. Sophia dieſes hoͤrend/ gedachte bald/ ihr wuͤrden ungenehme Sachen vorgetra-
gen ſeyn/ kehrete ſich um/ und ſahe ihr entgegen/ biß ſie zu ihr kam; Der verwaͤgene Menſch
aber ging deſſen ungeachtet/ neben ihr her/ und beſchloß hiemit: Vielleicht moͤchte ſie ſeineꝛ
redlichen Liebe Wirkung bald erfahren; fing auch drauff an von andern Dingen zuredẽ.
Sie wolte das ergangene lieber unter den Fuß treten/ als ausbreiten/ und auff ſeine unter-
ſchiedliche Fragen gab ſie ihm freundliche Antwort/ welches der Bube dahin deutete/ ihr
Zorn waͤhre nur ertichtet/ und lieſſe dieſes Schloß ſich leicht ſtuͤrmen/ wann ſichs nur we-
gen der drauff liegenden Beſatzung ergeben duͤrffte; oder deutlicher zu fagen/ weil mit ih-
rer Ehe ſie ſich am meiſten entſchuldigte/ meynete er nach Trennung dieſes Bandes nicht
zufehlen; daher er Klodius hinzurichten bedacht wahr. So bald ſie zu Hauſe anlangeten/
klagete ſie alles Fr. Sophien und Libuſſen mit Traͤhnen/ und daß ſie nicht wuͤſte/ weſſen ſie
ſich hernaͤhſt zu verhalten haͤtte/ daß ſie von ihm unangefochten bliebe; ob ſie nun ſchweigẽ/
oder ihrem Liebſten es offenbahren ſolte/ wolte ſie von ihnen vernehmen. Fr. Sophia ant-
wortete: es waͤhre gut/ daß der Schandvogel ſich an Ort und Ende haͤtte kund gegeben/ da
kein Frevel gegolten; man wuͤſte ſich hinfuͤro deſto beſſer vor ihm zuhuͤten/ koͤnte aber nicht
gut heiſſen/ daß Klodius es erfuͤhre/ weil darauff ein unvermeidlicher Kampff erfolgen
wuͤrde; Sie moͤchte das geſchehene verſchmerzen/ und ſich verſichern/ daß ſie ſchon Mittel
wuͤſte/ dieſem verwaͤgenen zuſteuren; gingen darauff mit einander zu Tiſche/ und hatten
allerhand Unterredung/ biß ſie ſich ſchlaffen legeten. Klodius hatte den Brauch/ daß er faſt
alle Nachte umher ging/ die Wachten zubeſuchen/ und ließ von ſeinem Leibknaben ihm das
Seiten Gewehr nachtragen. Dieſes wuſte Volumnius/ und wartete ihm eben dieſe Nacht
auff
[469]Anderes Buch.
auff den Dienſt/ da er von der Beſichtigung kam/ ſtieß ihm das Schwert durch den Leib/
und machte ſich in ſeiner vermummeten geſtalt im Augenblik davon/ daß ihn niemand ken-
nete. Nach empfangenem Stoſſe fiel Klodius nider zur Erde/ woruͤber ſein Knabe hart ruf-
fen ward/ welches ein Wund Arzt in der naͤhe wohnend/ vernam/ lief im bloſſen Hemde heꝛ-
zu/ und empfand an der Schlag Ader/ dz noch Leben in ihm war/ trug ihn mit huͤlffe etlicheꝛ
herzulauffenden Buͤrgeꝛ in ſein Hauß/ uñ fand/ dz der Stoß forne ein/ uñ hinten wiedeꝛ aus
ging. Er brauchte allen fleiß/ biß er ihn erquickete/ uñ verband ihm die Wunde/ mit dem veꝛ-
ſprechen/ dafern er am Eingeweide unverlezt waͤhre/ welches ſich bald außweiſen wuͤrde/
ſolte er vor dißmal gerettet ſeyn. Klodius antwoꝛtete ihm; iſt meine Zeit kom̃en/ ſo ſterbe ich
gerne/ wann ich nur vor meinem Tode erfahren mag/ was vor ein Bube mich ſo unredli-
cher Weiſe angefallen hat/ damit ihm ſein Lohn werden moͤge. Die Anweſende bahten
ihn/ Geduld zuhaben/ und durch Eiſer ſich nicht zubewaͤgen/ damit das Ubel nicht aͤrger
gemacht wuͤrde; nach dem Taͤhter ſolte fleiſſig geforſchet/ und ihm die Mordtaht nicht ge-
ſchenket werden/ es geriete gleich mit ihm zum Tod oder Leben. Inzwiſchẽ wahr ſein Kna-
be nach des Stathalters Hofe gelauffen/ und hatte ſeines Herꝛn Tod/ wie er meinete/
ruchtbar gemacht. Fr. Agatha lag im harten ſchlaffe/ und kam ihr vor/ wie ein Baͤhre ſie
haͤtte niederreiſſen wollen; weil er ihr aber nicht beykommen moͤgen/ waͤhre er an Klodius
gefallen/ und haͤtte ihn zur Erden geworffen/ deſſen ſie alſo erſchrak/ daß ſie ein lautes Ge-
ſchrey ergehen ließ/ gleich da Fr. Sophia mit einer Windkerze zu ihr kam/ und ſie ermah-
nete/ ſich uͤber ihrer Ankunfft nicht zu entſetzen; es kaͤhme ein Geſchrey/ als waͤhre ihr lieb-
ſter etwas verwundet/ welches ſie ihr lieber ſelber/ als durch andere anzeigen wollen/ damit
ſie durch unwarhaften Bericht nicht zu hart erſchrecket wuͤrde. Die gute Frau hoͤrete die
leidige Zeitung mit bebenden Gliedern/ gehub ſich uͤbel und ſagete; ſie zweiffelte nicht/ er
wuͤrde ſchon Todſeyn/ weil ihr ſolches im ſchlaffe vorkommen waͤhre; ſtieg gar ohmaͤch-
tig aus dem Bette/ und legte die Kleider an/ umb ſelbſt hinzugehen/ und dieſen Unfall in
Augenſchein zunehmen: Fr. Sophia hatte ſchon etliche Diener außgeſchikt/ deren einer
wiederkam/ und andeutete/ er waͤhre zwar hart verwundet/ aber ſchon verbunden/ und gaͤ-
be der Arzt guten Troſt. Hiedurch ward ſie in etwas geſtaͤrket/ und fragete/ wer doch der
ſchaͤndliche Taͤhter ſeyn moͤchte; kunte aber nichts erfahren biß der Leibknabe berichtete/
es waͤhre ein Verkappeter auß einem Nebengaͤſchen hervor gewiſchet/ und nach getah-
nem Stoſſe davon gelauffen. Alsbald muhtmaſſete ſie auff Volumnius/ und ſagete; Gn.
Frau/ ich wolte den Moͤrder leicht errahten; und was gilts/ wo es nicht der heutige Bube
iſt? Sie antwortete/ laſſet euch nichts merken/ ſo wollen wir noch wol dahinter kommen.
Libuſſa kam mit Frl. Sibyllen auch herzu/ lieſſen ſich ingeſamt von bewehreten Knechten
nach des Arztes Behauſung bringen/ und wolten gleich zu dem verwundeten in die Stube
gehen; aber der Arzt wehrete ihnen; man muͤſte ihn nicht verunruhen/ dz nicht die Wun-
de mit Lebens-gefahr auffſpruͤnge; welches Fr. Agatha annam/ als waͤhre er gewißlich
Tod/ und ſagete zu ihm: Mein Freund/ der Kranke gehoͤret mir am naͤheſten zu/ drumb
ſaget mir die Warheit/ uñ ſpeiſet mich nicht mit leerer Hoffnung/ damit ich die lezte traͤue
an ihm verrichte; mit welchem Worte ſie in Ohmacht fiel/ und ward ohn alle empfindlig-
keit auff ein ander Gemach getragen/ daß nicht Klodius durch ein Jammergeſchrey irre
N n n iijgemacht
[470]Anderes Buch.
gemacht wuͤrde; doch brachte ſie der Arzt bald wieder zurechte/ und ſagte zu ihr: Hochaͤdle
Frau/ ſie glaͤube bitte ich/ meinen Worten/ der Oberhauptman iſt in Warheit annoch am
Leben/ ſol auch durch der Goͤtter Huͤlffe und meinen Fleiß wieder geneſen; wil ſie mir aber
nicht trauen/ ſo verſpreche ſie mir/ daß ſie ihn durch nichts irre machen wolle/ ſo wil ich ſie
zu ihm fuͤhren/ daß ſie ihn ſehe und ſeinen Odem vernehme; Ach ja/ ſagte ſie/ nur bald bald/
ich werde keinen Unwiz gebrauchen/ wann ich nur ein geringes Zeichen ſeines Lebens ſehe.
Als ſie nun mit ihm in die Stube trat/ hub er gleich die rechte Hand etwas in die hoͤhe/ uñ
legete ſie ſanfft wiederumb nider/ welches ſie erſehend/ zuruͤcke trat/ und durch ihre Diene-
rin 200 Kronen hohlen ließ/ welche ſie ihm vor den erſten Band gab/ mit bitte/ alle moͤglig-
keit anzuwenden/ welches ſie zehnfach erſetzen wolte. Der Arzt/ welcher ſeiner Kunſt ge-
wiß wahr/ und doch/ weil er nicht auffſchneiden kunte/ wenig gebraucht ward/ bedankete
ſich der Mildigkeit/ und verſprach inwendig XXIV Stunden verhoffentlich gewiſſe Zei-
chen der kuͤnfftigen Geſundheit anzumelden. Darauff gingen ſie wieder nach Hauſe/ und
funden den Stathalter auff der Gaſſe/ welcher einem Hauptman befahl/ alle Tohre wol
zubeſetzen/ daß niemand hinaus kaͤhme/ er wolte nicht ruhen/ biß deꝛ Moͤrder ertappet/ und
zur abſcheuhlichen Straffe gezogen waͤhre; troͤſtete nachgehends Fr. Agathen/ und baht
ſie/ in geduld zuſtehen/ dann ob gleich geſchehene Dinge nicht koͤnten geendert werden/ ge-
buͤhrete doch Straffe darauff. Der Taͤhter Volumnius ſtund oben auff einem Gemache
ſeines Hofes/ und hoͤrete alles/ was auff der Gaſſe geredet ward/ hoffete/ Klodius wuͤrde
dem Tode/ und ihm Fr. Agatha zuteil werden. Fr. Sophia aber nam mit ihrem Vater
einen Abtrit/ und erzaͤhlete ihm/ wie es heut Fr. Agathen mit dem Buben ergangen waͤh-
re/ daher ſie feſt in den Gedanken ſtuͤnde/ er und kein ander waͤhre der Taͤhter. Er dagegen/
ob er gleich erſchrak/ erinnerte ſie doch/ man muͤſte emen hohen von Adel nicht aus bloſſem
Argwohn beſchuldigen/ es erfoderte ſtarken Beweißtuhm/ darauff man ſich ſchicken muͤ-
ſte. Den Beweißtuhm/ ſagte ſie/ wollen wir ſchon finden/ dann Klodius Knabe berichtet/
dem Taͤhter ſey Klodius Blut auff die Kleider geſpruͤtzet/ wann man nur Volumnius
bald koͤnte zu ſehen bekommen/ oder bey ihm nachſuchen laſſen/ ob was blutiges verhandẽ/
ſolte man ihn leicht ertappen. Ihr Vater bedachte ſich/ und nachdem er merkete/ das Fr.
Agathen Mutmaſſung ein hoͤfliches Nachforſchen entſchuldigen koͤnte/ ſchikte er einen
verſchlagenen Diener zu Volumnius/ mit begehren/ zu ihm auff die Gaſſe zukommen; be-
fahl ihm daneben in groſſer geheim/ fleiſſige acht zugeben/ wie er ſich hielte/ und ob er ver-
mummete oder blutige Kleider an haͤtte; und da er auff dem Bette laͤge/ ſolte er ſich umb-
ſehen nach ſeinen Kleidern/ ob irgend Merkzeichen daran zufinden waͤhren. Dieſer ging
alsbald mit einer Leuchte hin/ aber der Bube wolte ſich nirgend finden laſſen/ und gab ſein
Leibjung vor/ er laͤge in der Ruhe: Daher dieſer nach der bekanten Kammer lieff/ fand a-
ber das leere Neſt/ und ſchalt den Knaben aus/ warumb er ihn aͤffete; welcher doch mit
hohen Schwuͤren beteurete/ daß er nicht anders wuͤſte/ als daß ſein Herꝛ zu Bette gangen
waͤhre; koͤnte auch nicht gedenken/ wohin er ſich gemacht hatte; er vor ſein Haͤupt waͤhre
gleich auffgeſtanden/ weil er eines getuͤmmels auff der Gaſſe inne worden. Ey/ ſagte der
Knecht/ ſo gehe mit mir/ und gib mir deſſen Zeugnis bey meinem Herꝛn/ ſonſt glaͤubet er
mir nicht; lockete alſo den Knaben mit ſich hinweg/ berichtete ſeinen Herꝛn/ wie ers fun-
den/
[471]Anderes Buch.
deu/ ließ den Knaben zuͤruͤk/ und ging bald zum andernmahl hin/ wo moͤglich/ etwas beſſe-
re Kundſchafft einzunehmen. Volumnius hatte den Knecht zum erſtenmahl kom̃en und
hinweg gehen ſehen/ wuſte doch nicht/ daß er auff ſeiner Schlaffkammer geweſen wahr;
lieff nach ſeinem Wegſcheide gleich hin und legte ſich ans Bette/ daß er erſt hinein geſtie-
gen wahr/ da der Knecht zum andermahle kam/ welcher/ weil er niemand hoͤrete/ die Trep-
pe hinauff ſtieg. Welches Volumnius vernehmend/ hinunter rieff/ wer bey eileter Nacht
ihm im Hauſe umbginge. Der Knecht kehrete ſich nicht daran/ ging mit der Leuchte hin-
auff/ und brachte ſeine Werbung vor/ daß der Stathalter ihn gerne ſprechen wolte; deſ-
ſen ſich dieſer fremde ſtellete/ ob etwa dem Herrn Stathalter etwas wiedriges begegnet
waͤhre; er erkeñete ſich ſchuldig demſelben ſo bey Nacht als bey Tage auffzuwarten; ſprang
damit aus dem Bette/ und wolte ſich ankleiden/ daher der Knecht unter dem Schein eineꝛ
Dienſtwilligkeit zu den Kleidern lieff/ ihm dieſelben zuzutr agen/ fand auch einen blutigen
Strumpff/ an dem er die Hand faͤrbete/ deſſen er ſich doch nicht merken ließ/ ſondern ihm
die Kleider brachte/ welches er mit unwillen auffnam und ihm befahl/ dem Stathalter zu
vermelden/ dz er alsbald bey ihm ſeyn wolte/ muſte ihm aber ein wenig Licht aus der Leuch-
te geben/ damit er das ſeine anzuͤnden koͤnte/ welches dieſer taht/ und ihn doch bald gereue-
te/ maſſen Volumnius hiedurch gewahr ward/ das ihm Blut auff der Hand ſaß/ deſſen er
nicht wenig erſchrak/ und ſich fuͤrchtete/ der blutige Strumpf duͤꝛffte ihm Haͤndel machen:
faſſete doch bald einen Raht/ ritzete eine geringe Wunde in den Schenkel/ verband ihn her-
nach/ als er etwas blutes daraus auff die Fußbank lauffen laſſen/ und legete die Kleider an/
die er ſchon alsbald nach der Taht geendert hatte/ und ſicher wahr/ daß ſie ihn nicht ver-
rahten wuͤrden; ging darauff ganz verwaͤgen zu dem Stathalter/ welcher ſchon von dem
Knechte unterrichtet wahr/ wie ers funden haͤtte/ daher derſelbe ſelbſt meinete/ man wuͤr-
de hiedurch zur Kundſchafft gelangen koͤnnen/ und erwartete des Moͤrders im Vorhofe/
welcher ihm auffſtieß/ ſich wegen der Verzoͤgerung entſchuldigend/ er waͤhre vor etlichen
Stunden zu Bette gangen da er den Schenkel an der Tuͤhr entzwey geſtoſſen/ welche
Wunde bey ſeinem ſchleunigen auffſtehen ihm wieder auffgeſprungen/ daß er ſich auffs
neue verbinden muͤſſen. Nachgehends fragete er/ ob dem Stathalter einige Ungelegen-
heit begegnet/ daß er ſeine Nachtruhe braͤche. Herr Fabius verwunderte ſich uͤber den
ſchlauen Buben/ und merkete/ wie ſchwer es zugehen wuͤrde/ ihn der Untaht zu uͤberzeugen/
wo nicht beſſere Zeichen ſich eraͤugeten; ſtellete ſich doch nicht unfreundlich gegẽ ihn/ ſon-
dern klagete/ daß der Oberhauptman ſchelmiſcher Weiſe angefallen/ und toͤdlich verwun-
det waͤhre. Worauff dieſer antwortete: Ey mein Herr/ dieſe Zeitung wird verhoffentlich
falſch ſeyn/ maſſen ich ihn noch bey ſpaͤtem Abend gehen ſehen. Als nun der Stathalter
hierauff andeutete/ daß es etwa vor anderhalb Stunde geſchehen/ ſtellete er ſich ſehr mit-
leidig/ und ſagte; es muͤſte ein leichtfertiger Moͤrder ſeyn/ der redliche Leute bey Nacht-
ſchlaffender Zeit anfiele/ und waͤhre billich/ daß man ſleiſſige Nachfrage taͤhte/ damit der
Bube zum Abſcheuh geſtraffet wuͤrde. Der Stathalter ſahe ihn genaue bey dem Lichte an/
merkete aber weder Zeichen an den Kleidern/ noch Verenderung im Geſichte/ ſchieden
endlich voneinander/ und hatte man ſchlechteren Grund als vorhin/ daher man auch ſei-
nen Leibknaben lauffen ließ/ da der Stathalter zum Schein ſich unnuͤtze machete/ was man
bey
[472]Anderes Buch.
bey Nachtzeit anderer Leute Diener auffzuhalten haͤtte. Volumnius merkete handgreiff-
lich/ daß man ihn in verdacht hatte/ noch taht er nicht deßgleichen/ ſondern ging des folgen-
den Morgens bey ihm aus und ein/ welches Fr. Sophia nicht dulden kunte/ daher ſie zu
ihm ſagete; er ſolte ihres Vaters Wohnung muͤſſig gehen/ wann er mit unehrlichen Ge-
danken ſchwanger ginge/ und ehrlicher Weiber Leumut zuſchaͤnden ſuchete; woruͤber er
ſich leidig hielt/ und ſehr baht/ ihn mit ſolchen ehrenruͤhrigen aufflagen zuverſchonen; er
haͤtte nie im Sinne gehabt/ einiges verheyrahteten Weibes zu begehren/ und hoffete/ ſie
wuͤrde ihm den meinaͤidigen Verleumder vorſtellen/ daß er ſich rechtens an ihm erhohlen/
uñ ſeine Unſchuld der ganzen erbarẽ Welt vor Augen ſetzen koͤnte; Ich geſtehe euch nichts/
ſagte ſie/ dan ich ſehe/ was vor unergruͤndliche Boßheit in euch begraben lieget/ welche
durch der Goͤtter Huͤlffe zu ſeiner Zeit ans Licht wird gebracht werden. Was? ſagte Vo-
lumnius/ Boßheit? was? unergruͤndliche Boßheit? Ich bin ein redlicher gebohrner von
Adel/ und geſtehe weder ihr noch einigem Menſchen ſolche und dergleichen Beſchuldi-
gung; darumb wird ſie ſich nicht wegern/ mir deßwegen Rede und Antwort zu geben.
Durchaus nicht/ ſagte ſie/ biß zu ſeiner Zeit. Ging damit von ihm/ und verfuͤgete ſich hin
zu Fr. Agathen/ der ſie klagete/ wie es ihr mit dem Buben ergangen waͤhre; dieſe muſte
ſich mit ihr des durchtriebenen Fuchſes verwundern/ und ſagete; Gott waͤhre ihr Zeuge/
daß es anders nicht ergangen waͤhre/ als ſie ihr erzaͤhlet haͤtte/ und duͤrffte allem anſehen
nach noch wol daruͤber in Verleumdung gerahten. Nein/ antwortete ſie/ deſſen traget keine
Sorge/ dann ich habe euch nicht genennet; iſt er aber ſo kuͤhn/ ſo verrahte er ſich nur ſelber/
alsdann wollen wir ihn ſchon faſſen. Aber mich deucht/ wir taͤhten beſſer/ dz wir nach Klo-
dius gingen/ weil der Arzt mir zuentbohten hat/ ihn verlange ſehr/ euch zu ſehen. Ach ja/ ſag-
te ſie; Gott helffe nur meinem Liebſten wieder auff/ der Moͤrder wird ſeinem Richter nicht
entlauffen/ ob er ſich gleich eine zeitlang verbirget; gingen hiemit fort/ und funden ihn noch
in zimlicher Schwacheit liegen/ troͤſtete dannoch ſeine Liebſte/ ſie moͤchte ſich zu frieden ge-
ben/ dann er fuͤhlete keine Todesangſt/ ſondern nur gemeine Wundenſchmerzen. Weil er
dann auffs neue ſolte verbunden werden/ trat das Frauenzimmer hinaus/ und fand der
Arzt ſo gewiſſe Zeichen ſeiner kuͤnfftigen Beſſerung/ daß er vor Freuden auffſprang/ und
zu ihm ſagete: Mein Herr/ ihr ſeyd an eurem Eingeweide unverletzet/ woran ich bißher et-
was gezweifelt/ und ſolt mit Gottes Huͤlffe innerhalb drey Wochen mit dem Herrn Stat-
halter zu Tiſche gehen; welches er auch dem anweſenden Frauenzimmer vortrug/ die ſich
hoͤchlich daruͤber erfreueten. Inzwiſchen ließ Fr. Sophia von ihrem fleiſſe nicht ab/ den
boßhafften Taͤhter zu uͤberzeugen/ und fragete bey den Nachbarn hin und wieder vertrau-
lich nach/ ob nicht jemand deſſen Nachricht geben koͤnte/ erfuhr auch ſo viel/ daß gleich umb
die Zeit/ da man Klodius verwundung angezeiget/ Volumnius Hofheimlich aufgeſchloſ-
ſen/ und nicht wieder zugemacht waͤhre/ wie dann des Stathalters Knecht ihn offen gefun-
den hatte. Dieſe Zeugen/ derer drey waren/ ließ ſie gerichtlich abhoͤren/ und klagete darauf
Volumnius vor ihrem Vater an/ ihn dahin zuhalten/ daß er den Auffſchlieſſer ſeines Ho-
fes namhafftig machete/ weil er ja ſelbſt oder ſein Geſinde darumb wiſſen muͤſten. Fabius
ließ ihn vor fodern/ hielt ihn der Zeugen Auſſage vor/ und begehrete kurzum den Aufſchlieſ-
ſer zuwiſſen. Er aber ſtellete ſich hieruͤber unwillig/ beſchwerete ſich hoch/ daß man mit einẽ
Roͤmi-
[473]Anderes Buch.
Roͤmiſchen aͤdlen Buͤrger dergeſtalt gewaltſam verfahren wolte; dann wie koͤnte er uͤber
unbewuſte Dinge Rechenſchafft geben? Ob etwa ſein Geſinde heimliche Huren- oder
Diebeswinkel haͤtten/ oder aber unbekante Diebe ihm zu Nachtzeit den Hof oͤfneten/ ſolte
man deswegen billicher Mitleiden mit ihm tragen/ als ihn daruͤber vor Gericht fodern.
Schließlich baht er den Stathalter/ er moͤchte/ als ein hochverſtaͤndiger Herꝛ/ ſich an Wei-
ber Rede nicht kehren/ noch deren Nachſtellung achten/ deren Ungunſt man mit einem
ungenehmen Anblik verdienen koͤnte. Er waͤhre ein ehrlicher Ritter/ entſchuldigte zwar
den Stathalter/ aber da ſonſt jemand ſich fuͤnde/ der ihn einiger Untaht zeihete/ waͤhre er be-
reit/ es durch alle zugelaſſene Mittel zueifern. Noch zur Zeit kunte Herr Fabius nit mehr/
als ihn in freye Hafft nehmen/ deſſen er ſich hoͤchlich bedingete/ und doch endlich/ Argwohn
zumeiden/ ſich darein gab. Der Arzt legte allen moͤglichen fleiß an/ daß Klodius am XV den
Tage nach ſeiner Verwundung die Kleider anzog/ und IIX Tage hern ach mit dem Stat-
halter zur Mahlzeit ging/ da er berichtet ward/ wie unterſchiedliche Vermuhtungen man
ſeiner beſchehenen Verwundung auff Volumnius haͤtte; Ja/ ſagte Frau Sophia/ koͤnten
wir das ſchwereſte beweiſen/ welches an ſich ſelbſt wahr iſt/ und von dem Buben dannoch
geleugnet wird/ wolten wir ſchon wiſſen mit ihm zuverfahren. Klodius haͤtte folches gerne
gewuſt/ aber ſie hieß ihn biß nach gehaltener Mahlzeit ruhen/ und erzaͤhlete ihm hernach/
wie er bey Fr. Agathen umb unzimliche Sachen angehalten haͤtte/ welches er doch nicht
allein leugnen/ ſondern uͤberdas noch boͤßlich draͤuen duͤrffte. Worauff Klodius mit we-
nigen antwortete: Sie moͤchte ſich ein geringes gedulden/ biß er Waffen zufuͤhren wie-
der geſchikt waͤhre/ alsdann ſolte die Rache weiter nicht verſchoben werden; jedoch daß ſei-
ne Eheliebeſte es nicht erfuͤhre/ als welche daruͤber in traurige Gedanken gerahten koͤnte;
Wie er dann nach Verflieſſung fuͤnff Tage/ in Gegenwart etlicher Paduaniſcher Herꝛen/
bey dem Stathalter anhielt/ den boßhafften Volumnius vorzufodern/ uͤber welchen er et-
was zuklagen haͤtte; da ihm zur Antwort ward: dafern ſeine Klage gegruͤndet waͤre/ ſtuͤn-
de ihm der Weg Rechtens offen; Und als derſelbe auff Erfoderung willig erſchien/ trug
Klodius ſeine Anklage mit dieſen Worten vor: Hochmoͤgender Herr Stathalter/ auch
ihr Hochaͤdle Herren; Gegenwaͤrtiger Volumnius hat ſich unterwinden duͤrffen/ mein
liebes Weib auff Unehr anzufodern; woran er wider Ritters Ehr gehandelt; und als de-
ren Redligkeit ihm ſolches/ wie billich/ abgeſchlagen/ hat er bey tunkeler Nacht/ da ich meine
Wachte beſichtiget/ mich ſchelmiſch- und moͤrderiſcher weiſe uͤberfallen/ auſſeꝛ allem zwei-
fel in Hoffnung/ wann er mich aus dem Wege geraͤumet/ wuͤrde er ſein Anſuchen deſto
leichter erhalten/ und ſich an meine ſtat eindringen koͤnnen. Die erſte Untaht/ da es noͤhtig
iſt/ kan meine Eheliebſte mit einem aͤide bekraͤfftigen; der andern habe ich gute Zeugnis;
Dann vorerſt iſt kuͤndig/ daß ſein Hof umb eben die Zeit meiner Verwundung geoͤffnet
worden; Vors ander/ iſt er nicht auff ſeinem Bette gefunden/ ob gleich ſein Hausgeſinde
ſolches gemeynet; Vors dritte/ hat man an ſeinen Struͤmpfen Blut geſehen uñ gefuͤhlet/
welches nirgends anders her als aus meiner Wunde gefloſſen iſt; dañ haͤtte er ſeinem voꝛ-
geben und erlogenen Tichtungen nach/ ſich wund geſtoſſen/ wuͤrde er ja die Struͤmpffe nit
eben unter ſeine Kleider verſtecket haben; daß ich alſo im geringſten nicht zweifele/ ich habe
ihn ſeiner Mordtaht gnugſam uͤberzeuget; jedoch wil ich zum uͤberfluß dieſe meine Ankla-
O o oge wider
[474]Anderes Buch.
ge wider ihn mit einem oͤffentlichen Kampffe behaͤupten/ wie einem ehrlichen Ritter zuſte-
het und vergoͤnnet iſt. Volumnius hoͤrete alles mit ertichteter Freidigkeit an/ ruͤhmete ſich
gluͤkſelig/ daß dereins die mißguͤnſtigen Weiber einen Abtrit genommen/ und die erlogene
falſche Anklage von einem Ritter vorgetragen wuͤrde/ mit dem ers gebuͤhrlich ausfechten
koͤnte/ ſchob alle ſeine ausgegoſſene Schmach und Verleumdung in des unrechtmaͤſſigen
verlogenen Klaͤgers Buſem/ und koͤnte zwar mit leichter Muͤhe die an[gefuͤ]hreten nichtigẽ
Urſachen hintertreiben/ auch ſeine Unſchuld zurecht dartuhn/ weil aber die Bezichtigung
gar zu ehrenruͤrig waͤhre/ koͤnte er der Zeit des Rechtſpruchs aus ritterlichem Eifer nicht
erwarten/ noch ſo lange in der Hafftverbleiben/ ſondern foderte hiemit den Klaͤger als einẽ
Ehrendieb und Verleumder aus/ nicht zweifelnd/ die Goͤtter wuͤrden in dieſer ſache Rich-
ter ſeyn/ und durch ſeine gerechte Waffen den Luͤgener abſtraffen/ damit die Welt erkenne-
te/ daß der Himmel ſich auch deren annaͤhme/ welche auff der Erden belogen und unſchul-
dig verfolget wuͤrden. Klodius antwortete mit wenigem: Er haͤtte beydes das verſtellen
und ſchaͤnden wol ausgelernet/ was ſeine Waffen vermoͤchten/ hoffete er zuerſahren/ nach-
dem ſie nunmehr ſolten redlich und in offenem Kampff gebraucht werden; vor dem Him-
mel fuͤrchtete er ſich ſonſt in ſeiner gerechten Sache ganz nicht; gingen alſo beyde hin/ ſich
fertig zumachen. Volumnius vergifftete Speer und Schwert/ und ritte hinaus auff den
beſtimten Platz/ nehmlich woſelbſt er Fr. Agathen Unehr angemuhtet hatte. Klodius fol-
gete ihm bald/ und ſtelleten ſich viel vornehme Leute als Zuſeher ein/ unter denen Volum-
nius nicht wenig Goͤnner hatte/ weil ſie ihm verwand und verſchwaͤgert wahren. Erſtes
Anblickes renneten ſie ganz eiferig auff einander loß/ da Volumnius das Speer zu tief ſin-
ken ließ/ und ſeines Feindes Pferd ein wenig an der Stirn verletzete/ er aber dagegen aus
dem Sattel auff die Erde geworffen ward/ und wahr der Gifft ſo ſtraͤnge/ daß ehe Klodius
ſeinen Lauff vollfuͤhrete/ ſein Pferd raſend ward/ alles in die quere lief/ und ſich weder an
Sporn noch Zuͤgel kehrete/ auch am Haͤupte dicke geſchwal/ daß er groſſe muͤhe hatte/ ohn
Gefahr abzuſteigen/ und nicht wuſte/ wohin er dieſen Unfall rechnen ſolte; doch ließ er ſein
Pferd lauffen/ und trat mit unerſchrockenem Gemuͤhte auff ſeinen Feind/ welcher ſeiner
zwar mit entbloͤſſetem Schwert/ aber zuſchlagenem Gewiſſen erwartete/ daß ſichs gar zei-
tig ſehen ließ/ auff welche ſeite die uͤberwindung fallen wuͤrde; geſtaltſam Klodius in wenig
Streichen ihn zur Erden fellete/ ihm den Helm abriß/ und draͤuete/ dafern er ſeine Untah-
ten nicht bekennen/ und Abbitte tuhn wuͤrde/ ſolte er durch Henkers Hand darzu genoͤhti-
get werdẽ. Aber der Boͤſewicht gab ihm keine Antwort/ ſondern faſſete ſein eigẽ Schwert/
und ſchnitte ihm ſelbſt damit die Kehle ab/ wovon er zur ſtunde geſchwal/ und jederman deꝛ
Vergifftung innen ward/ weil auch Klodius Pferd ſchon alle viere von ſich ſtreckete. Nach
gehaltenem Kampfe/ ließ der Stathalter des Taͤhters Hauß fleiſſig durchſuchen/ da ſich
das blutige Kleid in einem Winkel fand/ und ſein Hausgeſinde bezeugete/ er haͤtte es des
Tages/ als er mit dem Frauenzimmer zu hauſe kommen/ ſehr ſpaͤt angelegt; kam alſo ſein
moͤrdliches Vornehmen an den Tag/ und ward ſein Leichnam dem Henker uͤbergeben/ ihn
auff die Schindgrube zuſchleppen; Klodius aber ward in alle ſeine Guͤter eigentuͤhmlich
eingeſetzet/ weil er keine nahe Erben hinterließ/ wie dann der Kaͤyſer ſelbſt eine ſolche Urtel
vor rechtmaͤſſig hielt und erkennete.


Ende des Andern Buchs.


[475]

Des Chriſtlichen Teutſchen
Herkules
Drittes Buch.


VNſer vermummeter Herkuliſkus wahr/ vorigen Buches meldung nach/ mir
ſeiner Jungfer Brelen/ die er vor ſeine Waſe angab/ von den See Raͤubern zu
Tyrus eingebracht/ woſelbſt ſie etliche Wochen ſtille zuliegen gezwungen wur-
den/ weil ſie umb mehrer Sicherheit willen zureiſen/ auf gewapnete Geſelſchaft
warten muſten/ damit ſie in den unſicheren Morgenlaͤndern nicht uͤberfallen und erſchlagẽ
wuͤrden/ nachdem ſie/ umb Koſten zumeiden/ keine eigene Leute beſtellen wolten. Inzwiſchẽ
befand ſich Alexander gegen gedachte Jungfer je mehr und mehr in Liebe entzuͤndet/ dz ihn
unmoͤglich dauchte/ den Flam̃en laͤnger zuwehren koͤnnen; wagete es demnach/ uñ mach-
te ſich mit freundlicher Rede an Herkuliſkus/ ganz innig bittend/ ihm in ſeinem Vorhaben
behuͤlflich zuſeyn; Er haͤtt dieſe zeit her eine ſolche Zuneigung gegen die aͤdle und tugend-
reiche Jungfer Brelen in ſeinem Herzen empfunden/ daß er nicht umhin koͤnte/ ihm ſol-
ches zuoffenbahren; ſein anmuhten gruͤndete ſich auff Ehre und eheliche Traͤue; ſo waͤh-
re er ſeiner Geburt und Herkommens von gutem uhralten Adel/ und zweifelte nit/ es wuͤr-
de der Jungfer tuhnlicher ſeyn/ mit ihm in beſtaͤndiger Ehe zuleben/ als einem Barbari-
ſchen Koͤnige wenige Zeit in Unzucht auffzuwarten/ und nachgehends entweder den fol-
genden juͤngern Weibern vor eine Magd/ oder wol gar den ſchlim̃en Knechten zum Miß-
brauche und Mutwillen zudienen. Lebensmittel haͤtte er uͤberſluͤſſig/ und wolte auff dieſen
fall ſich an Ort und Ende niderlaſſen/ wo es der Jungfer am liebſten ſeyn wuͤrde. Herku-
liſkus vernam dieſe Anwerbung ganz gerne/ hatte biß dahin mit Brelen ſchon abgeredet/
welche nunmehr dieſen Braͤutigam anzunehmen entſchloſſen war/ nachdem ſie keine Hof-
nung hatte/ ihren Liebſten Neda wieder zuſehen; doch ließ Herkuliſkus ſich deſſen gegen dẽ
Freyer nicht vermerken/ ſondern gab ihm als mit halber Beſtuͤrzung zur Antwort: Es
waͤhre eine ſchleunige und unvermuhtliche Werbung/ moͤchte wuͤnſchen/ daß er ihm dieſen
ſeinen Willen etwas zeitiger zuverſtehen geben haͤtte/ damit er ihm deſto beſſer hierin dienẽ
moͤgen; wolte doch nicht deſtoweniger alsbald mit ſeiner Waſen davon reden/ und hoffete/
ihm genehme Antwort zubringen. Ging auch gleich zu ihr hin meldete die getahne eheliche
Anſuchung/ und erinnerte ſie des ſchon gemachten Schluſſes; Worauff die Jungfer ſich
erklaͤrete: Die Goͤtter waͤhren ihre Zeugen/ daß ſie lieber ſterben/ als dieſe Heyraht eingehẽ
wolte; weil ſie aber vor Augen ſaͤhe/ daß ihre Ehre auff andere weiſe nicht koͤnte gerettet/
noch ihrem Gn. Fraͤulein durch ſie beſſer geholffen werden/ wolte ſie ſich ſelbſt und ihren
eigenen Willen uͤberwinden/ und keine Einſperrung machen/ inſonderheit/ weil ſie ohndas
ein ſchwaches Menſch waͤhre/ und da einiges Mittel zur Flucht ſich eraͤugen ſolte/ nicht
wuͤrde folgen/ noch des reitens oder gehens ungemach ausſtehen koͤnnen. Herkuliſkus lo-
bete ihre Vernunfft/ und daß ſie gutem Raht ſtatt gaͤbe/ zweifelte nicht/ er wuͤrde ihr alle ge-
buͤhrliche Zucht und Liebe beweiſen/ maſſen man dieſe ganze Zeit uͤber nichts laſterhafftes
an ihm geſpuͤret haͤtte. Machte ſich bald wieder nach Alexander/ der ſein mit ſchmerzẽ war-
O o o ijtete/
[476]Drittes Buch.
tete/ und brachte ihm zur Antwort: Er haͤtte ſeinet wegen mit der Jungfer gehandelt/ wel-
che zwar ſehr leidig waͤhre/ daß ſie in der fremde/ und ohn Vorwiſſen ihrer naͤheſten Anveꝛ-
wanten/ eine ſolche Enderung vornehmen/ und an einen kuͤnfftigen Ehe Junkern ſich ver-
ſprechen ſolte; jedoch/ weil ſie an ihm nichts als loͤbliche Zucht und Tugend geſpuͤret/ wol-
te ſie ſich ihm zu ehren ergeben/ dafern er ihr folgende drey Bedingungẽ goͤnnen/ und dieſel-
ben einzugehen aͤidlich angeloben wuͤrde: Als erſtlich/ daß er Zeit ſeines Lebens ſie nit laſ-
ſen/ ſondern als ſein Ehegemahl/ die von adelichem hohen Geſchlecht waͤhre/ gebuͤhrlich
halten; Vors ander/ ſich hinfuͤro des unloͤblichen Seeraubens begeben/ und ritterlichem
Stande gemaͤß leben; Und endlich drittens/ ſie unberuͤhret/ und an ihrer Jungfraͤulichen
Zucht allerdinge ungekraͤnket biß nach Padua bringen wolte; von dannen ſie alsdañ wei-
ters fortzihen/ und in Teutſchland oder Boͤhmen ſich niderlaſſen koͤnten. Alexander haͤtte/
ſeiner Liebe ein genuͤgen zutuhn/ das dritte gerne gemaͤſſiget geſehen/ durffte aber nicht wi-
derſprechen/ ging mit Herkuliſkus hin zu ihr/ und redete ſie alſo an: Hochaͤdle/ Großehren-
reiche Jungfer/ herzgeliebete Freundin; daß Ihre Hochaͤdle Tugend meinem inbruͤnſtigẽ
Anſuchen ſtat geben/ und auff Unterhandlung meines hochwerten Freundes Junkeꝛ Heꝛ-
kuliſkus/ vor ihren er gebenen Knecht und Diener mich aufnehmen wollen/ ſolches nehme
ich zu hohem Danke an; Meine Liebe und Traͤue/ die nur auff Ehre ruhet/ wil bey Verluſt
aller Goͤtter Hulde ich ihr teur verſprechen und unbruͤchig halten/ des leidigen Raubwe-
ſens/ dazu mich Unfall gezwungen/ mich gaͤnzlich abtuhn/ uñ meinem ritterlichen Herkom-
men mich gemaͤß verhalten; endlich auch/ wie ungenehm es gleich meinen Liebesbegierden
fallen mag/ ſie nach ihrem Willen biß nach Padua/ ohn einiges anmuhten/ wz wider jung-
fraͤuliche Zucht und Keuſcheit ſtreitet/ hinbegleiten/ daſelbſt mit ihr das Beylager hal-
ten/ und von darab weiters mit ihr hinreiſen/ und Wohnung nehmen/ da ſie es wuͤnſchet
und begehret; Zu deſſen auffrichtiger Bezeugung ich ihr hiemit alle meine Schaͤtze als ihr
Eigentuhm uͤberliefere/ auch ſonſten meinen willen unter ihren gehoꝛſam gebe. Die Jung-
fer bedankete ſich der Ehren und getahnen erbietens/ und taht ihm hinwiederumb Zuſage
aller kuͤnftigen ehelichen Traͤue; hielt nachgehends bey ihm an/ er moͤchte ihrem Oheim
Herkuliſkus etliche Kleinot zum Nohtpfennige zuſtellen/ welches ſeine Anverwanten dop-
pelt und dreyfach erſtatten folten/ nur daß er auff den fall einer gluͤklichen Flucht/ wegen
Mangel der Zehrung nicht Kummer leiden duͤrffte. Alexander freuete ſich/ Gelegen-
heit zu haben/ ſein gutwilliges Herz in etwas darzubieten/ hohlete eine zimliche Anzahl
groſſer Indianiſcher Perlen/ an eine feſte Schnuhr gereihet/ daneben ein Demant-Ket-
chen nebeſt ſechs Ringen/ alles auff 20000 Kronen nach liederlichem Wert angeſchla-
gen/ wickelte es in ein ſeidenes Tuͤchlein zuſammen/ und uͤberreichte es Herkuliſkus
mit dieſen Worten: Mein hochwerter Herr und Freund/ nehmet/ bitte ich/ dieſes ge-
ringe von mir an/ als einen heimlichen Schatz/ welcher anfangs in der fremde gnug ſeyn
kan/ Armutsnoht abzulehnen/ und verſichert euch/ daß mit alle meinem Vermoͤgen euch
zuhelffen ich willig bin; und wolte der Himmel/ daß mir einiges Mittel zuftoſſen moͤchte/
euch aus der Parther Haͤnde loßzuwirken/ wolte ich mich gerne darzu gebrauchen laſſen/
wiewol wegen ihrer wachſamen Augen/ es allerdinge unmoͤglich ſcheinet/ es auch meinem
geleiſteten ſehr hohen aͤidſchwur gar zuwieder iſt. Er hingegen bedankete ſich beydes vor
di[e]
[477]Drittes Buch.
die Kleinot und den guten Willen/ begehrete nicht daß er oder einiger Menſch ſeinetwe-
gen ſich in einige Gefahr ſtuͤrzen ſolte; haͤtten die Goͤtter ſeine Erloͤſung gnaͤdig verſehen/
zweiffelte er nicht am gluͤklichen Verfolg; die Kleinot wolte er anzunehmẽ ſich nicht we-
gern/ und da er leben wuͤrde/ die Vergeltung nicht hindan ſetzen; wiewol ſeine Fr. Mut-
ter/ ſo bald er in Teutſchland ankommen wuͤrde/ alles reichlich erſtatten ſolte. Aber/ ſagte
er weiter; wie ſtehet ihr mit euren dreyen Geſellen/ den Parthiſchen Herren? werden ſie
in diefe eure Heyraht auch einwilligen? Ich wil/ antwortete er/ alle moͤgligkeit anwenden/
ſie mit Gelde zubefriedigen; ſolte es aber nicht geſchehen koͤnnen/ welches ich doch nicht
fuͤrchte/ wil ich meinen Wiz gebrauchen/ ſie zu noͤhtigen/ daß ſie mir dieſes wol einwilligen
muͤſſen. Er machte ſich/ umb keine Zeit zuverlieren hin zu ihnen/ und redete ſie alſo an:
Ihr meine Hochwerte Herren/ uñ Bruͤderliche Freunde; billich danken wirs dem Gluͤk/
daß es zu unſerm Vorhaben uns ſo treflichen Fortgang verlihen/ und uns ein mehres be-
ſcheret hat/ als wir wuͤnſchen duͤrffen; wobey ich zwar gerne geſtehe/ daß in fleiſſiger Be-
muͤhung ich der geringſte geweſen/ ob ich gleich an meinem Vermoͤgen nichts erwinden
laſſen/ die Segel-fahrt zuſuchen/ welche uns am vortraͤglichſten waͤhre/ wovor mir dann/
vorgetroffenem vergleiche nach/ gnugſame Vergeltung wiederfahren/ daß ich mehr Ur-
ſach zudanken/ als ein mehres zufodern habe; weil aber meine Begierden mich faſt treiben
und draͤngen/ umb eine ſonderliche Gunſt/ bey meinen Hochwerten Herren/ doch ohn ih-
ren Schaden anzuhalten/ bitte ich ſehr dienſtlich/ ſolches mit Gewogenheit auffzunehmen/
und dafern moͤglich/ hochgeneigt einzuwilligen. Ich geſtehe/ fuhr er fort/ daß ein ſonder-
liches Feur/ durch die Augen unſer gefangenen aͤdlen Jungfer in meiner Seele angezuͤn-
det iſt/ daher ich mir ſie zu ehlichen allerdinge entſchloſſen bin/ wann von meinen Herren
ich ſie umb ein zimliches Geld erhalten kan. Die Einlieferung des gefangenen Herkuliſ-
kus kan bey eurem groſſen Koͤnige Artabanus euch angenchm gnug machen/ welcher ohn
daß in ſeinem Frauen Zimmer eine groſſe Anzahl ſchoͤner Weibsbilder hat/ ſo das nicht
mehr bey ihm wol empfangen ſind/ welche ſchoͤne/ ſondern nur die allerſchoͤnſten bringen.
Dieſes aber ſey wie ihm wolle/ ſo erbiete ich mich doch/ eine moͤgliche/ nicht gar zu ſchwere
Außloͤſung an Gold und Kleinot vor ſie anzuwenden/ damit ich meine Begierden befrie-
digen moͤge; bitte/ meine Hochwerte Herꝛen wollen mich einer genehmen Erklaͤrung wiꝛ-
digen. Die Parthiſchen Herꝛen ſahen ſich untereinander mit Verwunderung an/ hieſſen
ihn einen Abtrit nehmen/ und fing der vornehmſte unter ihnẽ/ nahmens Idarnes/ alſo an:
Geliebte Bruͤder und Oheimbe; euch iſt ohn mein erinnern bewuſt/ was vor Traͤue und
Fleiß dieſer fremdling Alexander uns erzeiget hat/ und auſſer allem zweiffel die vornehmſte
Urſach unſerer uns zugeſtoſſenen Gluͤkſeligkeit iſt/ maſſen wir ohn ſein Angeben und Auff-
munterung/ ein ſolches Mittel/ uns in Reichtuhm zuſetzen/ nimmermehr wuͤrden ergriffen
haben/ und wir demnach ſchuldig ſind/ ihm eine Freundſchafft hinwiederumb ſehen zu-
laſſen; ob aber einer oder ander einwenden wolte/ man waͤhre deſſen nicht benoͤhtiget/ in-
betrachtung/ er bey aller Beute mit zu gleicher Teilung gangen waͤhre; ſo haͤtte man doch/
ſagte er/ zubedenken/ daß ſie in der Roͤmer gebiet annoch waͤhren/ uñ er/ da er zum Schelm
und Verraͤhter werden wolte/ ſie umb Gut und Leben bringen koͤnte: Nun wuͤſte man aber
auch/ was die Liebe vor eine hefftige und blinde Anſtraͤngung waͤhre/ die weder Ehre noch
O o o iijeigene
[478]Drittes Buch.
eigene Wolfahrt achtete/ ſondern der Verzweiffelung alles in die Haͤnde gaͤbe; daß aber
Alexander darzu nicht gereizet wuͤrde/ koͤnte man nicht umbhin/ ihm zuwilfahren/ jedoch
daß er ein anſehnliches ſtuͤk Geldes davor erlegete. Der juͤngſte unter ihnen/ ein ſehr ver-
wegener Menſch/ nahmens Thymondas/ gab zur Antwort: Er ſelbſt befuͤnde ſich in dieſe
Jungfer uͤberaus verliebt/ waͤhre auch geſiñet geweſen/ ſie dieſen Tag von der Geſelſchaft
umb eine billiche Vergeltung zubegehren/ und hoffete/ daß man ihm vor dem Griechen
den Vorzug goͤnnen und geben wuͤrde. Der dritte mit nahmen Atizies redete ihm ſehr
guͤtlich ein/ er moͤchte ja nicht Urſach geben zu ſeinem und ihrer aller dreien Verderben/
welches auſſer allem zweiffel auß dieſer Liebes Zaͤnkerey entſtehen muͤſte; er haͤtte ja daheim
ſein Weib/ die ihm ſolches kaum goͤnnen wuͤrde; ſo duͤrfte auch Alexander ein ſo ſtatliches
Loͤſegeld vor die Jungfer bieten/ welches hingegen er wol nicht eins begehrete vor ſie zuer-
legen. Doch wie dem allen/ ſo muͤſte dieſem Unheil vorgebeuget werdẽ/ ſolte er auch gleich
hingehen und der Jungfer den Kopff abreiſſen. Idarnes fiel dieſem bey/ und beredeten
Thymondas dahin/ daß wo Alexander uͤber 20000 Kronen vor ſie erlegen wolte/ ſolte er
ſie davor haben; foderten alsbald Alexander wieder vor ſich/ und gab ihm Idarnes zube-
trachten/ daß ſein ſelbſt eigener Vorſchlag waͤhre/ die begehrete Jungfer dem Koͤnige zu-
liefern/ welches ja nach algemeiner Bewilligung unwiederruflich ſeyn muͤſte; uͤberdas
waͤhre ihm des Koͤniges Begierde nach ſchoͤnen unbeflekten/ ſonderlich/ außlaͤndiſchen
Jungfern wol bewuſt/ und hielten ſie davor/ ihres gleichen wuͤrden in Artabanus Frauen-
Zimmer ſehr wenig zu finden ſeyn/ und ſie daheꝛ nicht geringe Gnade und Vergeltung von
ſeiner Hocheit/ vor ſie zugewarten haben/ moͤchte daher ſich wol verſichern/ daß es ihm aus
ſonderlicher Freundſchafft wiederfuͤhre/ wann man ihm dieſelbe mit Gelde zu loͤſen/ goͤn-
nen wuͤrde; welches aber auff den Fall mit des Juͤnglings guter Bewilligung geſchehen
muͤſte/ und daß derſelbe aͤidlich angelobete/ deſſen bey Koͤnigl. Hocheit im geringſten nicht
zugedenken/ damit ſie nicht deßwegen in Ungelegenheit kaͤhmen. Hernach haͤ[t]ten ſie von
ihm zuvernehmen/ womit er ein ſo koͤſtliches Kleinot zu loͤſen ſich erboͤhte; alsden koͤnten
ſie ſich umb ſo viel weiter heraus laſſen. Alexander fuͤrchtete ſich/ ſie wuͤrden ihn umb den
groͤſten Teil ſeiner Beute ſchneuzen wollen/ weil ihm die Parthiſche ſehr ſchlechte Freyge-
bigkeit mehr als zu wol bekant wahr; ließ ſich doch keiner Furcht merken/ ſondern gab zur
Antwort; Er bedankete ſich vor erſt der gemachten Hoffnung uñ freundlichen erbietens/
und haͤtte es mit Bewilligung des Juͤnglings ſeine gute Richtigkeit/ als welcher ſeine
Waſe lieber in Freyheit als weitere Gefahr ſetzen wolte/ wuͤde auch den begehrten aͤid ab-
zuſtatten ſich nicht wegern; im uͤbrigen moͤchten ſie bedenken/ daß Krafft auffgerichteter
Verbuͤndnis/ ihm der vierdeteil ſo wol an der Jungfer/ als an dem Juͤnglinge zuſtuͤnde/
den wuͤrden ſie vor erſt guͤnſtig abrechnen/ und was ſie daruͤber begehreten/ ihm unverzuͤg-
lich melden. Dieſe hingegen wolten zuvor von ihm wiſſen/ wie hoch er den vierdenteil an
dem Juͤnglinge rechnete. Er aber wegerte ſich deſſen/ weil ihm/ ſagte er/ unbewuſt waͤhre/
was der Koͤnig vor ihn erlegen wuͤrde/ wiewol er wegen ſeiner unvergleichlichen Schoͤn-
heit/ umb ein groſſes hoͤher als die Jungfer muͤſte geſchaͤtzet werden; jedoch/ ſie weiter nit
auffzuhalten/ auch die hefftigkeit ſeiner Liebe ihnen ſehen zulaſſen/ wolte er ſie beyde gleich/
und jeden umb eine Tonne Goldes ſchaͤtzen/ nach welchem außſchlage er erboͤtig waͤhre
vor
[479]Drittes Buch.
vor die Jungfer gleich alſo baar 50000 Kronen zuerlegen/ und damit aller Anſprache an
den Juͤngling ſich zubegeben; trat wieder ab/ und baht ſehr/ ſie moͤchten ſich eines Schluſ-
ſes zu ſeiner Vergnuͤgung vergleichen. Die Parther verwunderten ſich des milden erbie-
tens/ und ſagte Idarnes zu Thymondas; mein Oheim/ ihr ſehet ja vor Augen/ dz ihr und
Alexandeꝛ nicht gleiche Kauffleute ſeid/ weꝛdet demnach mit uns beyden zuſtim̃en/ und um
verhuͤtung Guͤter- und Lebensgefahr ihm das Menſch folgen laſſen; ich vor mein Haͤupt
wil von meinem drittel des gebohtenen Geldes euch ſo viel zuwenden/ daß ihr 20000
Kronen vol/ zu eurem Anteil heben ſollet. Atizies redete ihm auch zu/ und ließ ſich verneh-
men/ er koͤnte wol leiden/ daß er die helffte des geloͤſeten Geldes/ als 25000 Kronen zu ſei-
ner Vergnuͤgung bekaͤhme: Worauff dieſer geizige unhold ſich endlich erklaͤrete/ Alexan-
der moͤchte ſie davor hinnehmen/ nur daß er bey der Lieferung nicht ſeyn/ und ſie ihm die
verſprochenen Gelder ſchaffen wolten; deſſen ſich dieſe willig erbohten/ und ihn von ſich
lieſſen. Nach ſeinem Abſcheide lieſſen ſie Alexander andeuten/ er ſolte die Gelder/ und zu-
gleich die Jungfer herzu hohlen/ inzwiſchen beredeten ſich dieſe beyde/ weſſen ſie ſich wei-
ters verhalten wolten. Der verliebete ließ ihnen alsbald ſolche Gelder in zehn gleichwichti-
gen Beuteln zuſtellen/ uñ folgete er mit Brelen bald hernach/ des behaͤglichẽ Außſpruchs
erwartend; da Idarnes/ nachdem er die Gelder in zween gleiche Teile geſetzet hatte/ alſo
anfing: Jungfer Brela; iſt es euer guter und freier Wille/ daß ihr von dem Juͤnglinge
eurem Oheim geſchieden/ und gegenwaͤrtigem aͤdlen Herꝛn/ Herꝛn Alexander als eine
Braut und kuͤnfftiges Ehegemahl zugeſprochen werdet? Ja/ meine Herꝛen/ antwortete
ſie. Wol dann/ fuhr jener fort/ ſo willige ich ſamt meinen beyden Geſellen in ſolches euer
Ehegeluͤbde/ und ſtellen euch eure Freyheit nach eurem Begehren hie mit voͤllig zu; wollen
auch unſern guten Willen gegen euch ſehen zu laſſen/ euch mit einer Heimſteur/ nemlich
mit der halbſcheid dieſer gelieferten Gelder begabẽ/ damit ihr nicht gar zu bloß eurem lieb-
ſten zugefuͤhret werdet/ welches aber auſſer uns vieren hiegegenwaͤrtig niemand wiſſen
fol. Atizies ſtellete ihr alsbald fuͤnff Beutel zu/ und bedanketen die verlobeten ſich davor
zum hoͤchſten/ wiewol Alexander leicht aus den lezten Worten ſchloß/ daß Thymondas
ihm dieſen Kauff nicht goͤnnete/ deſſen er ſich doch nicht merken ließ. Er meinete aber/ es
wuͤrde ihm nun nichts mehr uͤbrig ſeyn/ als daß er mit ſeiner Liebſten ſich zu Schiffe ſetze-
te/ und nach Padua zu ſegelte; Die Parther aber erinnerten ihn der Verbuͤndnis/ Kraft
deren er gehalten waͤhre mit ihnen biß nach Charas der Hauptſtad in Parthen/ ehmahls
Hekatompylos geheiſſen/ zu reiſen/ weil ihnen aus vielen Urſachen inſonderheit wegen des
gefangenen Juͤnglinges/ ein Dolmetſcher hoch noͤhtig waͤhre. Dieſ[e]r entſetzete ſich uͤber
dem Anmuhten/ und wendete ein; es hielte ſolches ihre gemachte Verbuͤndnis durchaus
nicht in ſich/ hoffete auch nicht/ daß ſie ihn zu ſolcher Reiſe noͤhtigen wuͤrden/ weil er nicht
abſehen koͤnte/ was Geſtalt er ohn ſehr groſſe Koſten wieder zuruͤk gehen koͤnte; jedoch ih-
ren guten Willen zuerhalten/ und alle Urſach boͤſer Nachrede ihnen zu benehmen/ waͤhre
er erboͤhtig/ ihnen einen guten Dolmetſcher von ſeinen eigenen Koſten zuſchaffen/ und biß
nach Charas frey zuhalten/ womit ſie verhoffentlich wuͤrden friedlich ſeyn. Den beyden
Parthern wahr dieſer Vorſchlag lieb/ weil ſie ſich auff der langen Reiſe einer Uneinigkeit
zwiſchen ihn und Thymondas befahreten/ nahmen deßwegen ſein erbieten an/ und hieſſen
ihn
[480]Drittes Buch.
ihn damit eilen; da ihm dann nach vielen umbfragen ein geraubeter Griechiſcher Juͤng-
ling von XXIV Jahren zuhanden ſties/ welcher in Lateinſcher und den vornehmſten Mor-
genlaͤndiſchen Sprachen ganz fertig wahr/ denſelben kauffte er umb 8000 Kronen/ und
befahl ihm in Herkuliſkus Gegenwart/ niemand als demſelben allein getraͤue zu ſeyn/ und
ihn taͤglich in Parthiſcher/ Mediſcher und Perſiſcher Sprache fleiſſig zuunterrichten/ ſtel-
lete ihm 800 Kronen zur ruͤkzehrung biß nach Padua zu/ mit dem teuren verſprechen/ daß
er ihm daſelbſt ſeine Freyheit ſchenken/ und ihm ſeine Muͤhe entweder mit 3000 Kronen
vergelten/ oder die Verwaltung ſeiner Guͤter in freier Bedienung uͤbergeben wolte. Als
nun dieſer alle moͤgliche Traͤue und Auffwartung verſprochen hatte/ ging er mit ihm hin
zu Idarnes/ und lieferte ihm zugleich 400 Kronen Zehrgeld biß nach Charas/ womit
dieſes ſeine gute Richtigkeit hatte. Weil dieſes vorging/ hatte Valiſka mit Brelen abge-
redet/ ſie ſolte Alexandern ihren Stand und Geſchlecht nicht zuwiſſen machen/ biß ſie mit
ihm uͤber das Syriſche Meer/ und zum wenigſten in Zipern waͤhre; hernach ſich bemuͤhen/
ihren Herkules oder Ladiſla in Kreta und Peloponneſus nachzufragen/ ob ſie vielleicht/
wie ſie gaͤnzlich hoffete/ ſchon auff der Fahrt waͤhren/ ſie zuerledigen; ſonſt muͤſten ſie nach
Padua ſchiffen/ woſelbſt ſie ohn daß abzulegen willens waͤhren/ und ſie daſelbſt von allem
gute Nachricht haben wuͤrden; koͤnten alsdann mit eigenem Bohten ihrer Fr. Mutter
zuwiſſen machen/ in was Stande ſie lebete/ jedoch daß ihr gute Hoffnung ihretwegen ge-
macht wuͤrde. Schließlich/ ſagte ſie/ da ihr Herkules oder meinen Bruder antreffet ſo zei-
get ihnen an/ daß ich/ als lange mein Geſchlecht kan verborgen gehalten werden/ Herku-
liſkus/ nachgehends aber Herkuliſka heiſſen wil/ und werde nicht unterlaſſen/ dieſes Zei-
chen [...] an die Waͤnde und Tuͤhren in Staͤdten und Doͤrffern zumahlen/ und an die
Baͤume zu ſchneiden/ weßweges ich reiſe/ auff daß meine Nachſucher iu etwas nachricht
haben/ und mir nachfragen koͤnnen. Jungfer Brela weinete ſehr/ daß ſie von ihrem Fraͤu-
lein hinweg ſcheiden ſolte/ verſprach alles auffs fleiſſigſte außzurichten/ und weder Muͤhe
noch Koſten zu ſparen/ damit ihr koͤnte gedienet ſeyn/ naͤhete auch das vorgemahlete Zei-
chen in ihre Kleider/ es deſto eigentlicher zu behalten. Alexander kam nach guter verrich-
tung wieder zu ihnen/ und redete mit Herkuliſkus/ weil er gaͤnzlich entſchloſſen waͤhre den
teur geleiſteten aͤid den Raͤubern zuhalten (welcher dieſer wahr/ dz ſie an keinem Orte Roͤ-
miſches Gebiets deſſen ichtwas melden oder anzeige tuhn wolte/ was ſie von den Raͤubern
wuͤſte/ damit ſie nicht in Ungelegenheit kaͤhmen) ſo wuͤſte er durchaus vor ſich kein Mittel/
ihn auß ihren Haͤnden loßzumachen/ duͤrffte ſich deſſen auch gegen ſie im allergeringſten
nicht verlauten laſſen; vermahnete ihn aber/ da ihm Gelegenheit zuſtoſſen wuͤrde außzu-
reiſſen/ ſolte er ſeine Flucht anfangs gegen Norden wenden/ uñ hernach immer der Son-
nen Untergang folgen/ biß etwa an das Euxiniſche Meer/ aus welchem man in das E-
geiſche biß gar nach Kreta ſchiffen koͤnte. Herkuliſkus antwortete ihm; der Goͤtter Gna-
de waͤhre ihm tauſendmahl lieber/ als ſein eigen Leben/ und was dem anhaͤngig waͤhre/
wolte deßwegen den geleiſteten aͤid nimmermehr brechen/ noch den Parthiſchen Herren
einige Ungelegenheit durch verraͤhterey zufuͤgen/ ſonſt koͤnte er leicht ein Mittel zu ſeiner
voͤlligen Freyheit finden/ wann er nur bey der Obrigkeit dieſes Orts ſich als ein Freund des
Roͤmiſchen Kaͤyſers anmeldẽ lieſſe; vor die Unterrichtung des Ruͤkweges auff den gluͤc-
kes
[481]Drittes Buch.
kes Fall ſeiner Flucht bedankete er ſich/ und taht Jungfer Brelen Befehl/ von Padua nicht
zuweichen/ biß ſie Zeitung ſeines beſſeren zuſtandes haben wuͤrde. Dieſe wahr ſo herzlich
betruͤbet/ daß ſie dem Fraͤulein kein Wort antworten kunte/ herzete und kuͤſſete ſich mit ihr
ganz innig/ daß Alexander daher ſchier argwoͤhniſche Gedanken haͤtte faſſen ſollen/ da daß
Fraͤulein ſie troͤſtete/ und endlich mit ihrem Braͤutigam zu Schiffe gehen hieß/ dann der
gute Wind und ihr Schiffman fo derte ſie an/ welcher ſie in kurzer zeit in Zipern brachte.


Die Parthiſchen Herren zogen des tages nach Alexanders Abſcheid in Geſelſchafft
100 Kauffleute auch fort/ und hatten ihre Schaͤtze auff Kamehl und Maul Eſel geladen.
Herkuliſkus muſte ſeinen Siz auff einem Kamehl unter einem breiten Schirm nehmen/
daß er weder von den Sonnenſtrahlen moͤchte getroffen/ noch von andern geſehen werden;
die uͤbrigen alle reiſeten zu Pferde/ mit Geſchoß und anderem Gewehr wol verſehen/ ohn
daß Timokles ſtets bey ihm auff dem Kamehl bleiben/ und ihn in den Morgenlaͤndiſchen
Sprachen zum fleiſſigſten unterweiſen muſte/ wozu er uͤbeꝛauß groſſe Begierde hatte/ und
in wenig tagen darinnen dergeſtalt zunam/ daß ſein Lehrmeiſter ſich deſſen verwunderte/
wie wol er deſſen ſich gegen die Parther nicht merken ließ. Ihren Weg nahmen ſie gerade
auff Damaſkus zu/ von darab ferner nach dem Eufrat/ da ſie durch Meſopotamien zogen/
biß ſie uͤber den Tigerfluß in Aſſyrien kahmen; wohin wir ſie wollen reiſen laſſen/ und Ale-
xanders gnte Verrichtung erzaͤhlen/ dem ſeine liebſte in Zypern ihrer Fraͤulein Valiſken
eigentlichen Zuſtand entdeckete/ woruͤber er ſich uͤberaus beſtuͤrzet befand/ von Herzen
wuͤnſchend/ daß er ſolches zu Tyrus haͤtte wiſſen moͤgen/ damit er ihrer Erloͤſung ſich be-
muͤhen koͤnnen/ welche in Anwendung aller ſeiner Beute/ ihm nicht leicht ſolte gefehlet ha-
ben/ wie wol den Parthen ungezweiffelte Lebensgefahr darauff ſtuͤnde/ wann ihr Koͤnig
deſſen ichtwas in Erfahrung bringen moͤgen. Eines betraurete er am meiſten/ daß ihres
Geſchlechtes Vertuſchung nicht lange beſtehen wuͤrde/ maſſen entweder ſeine vorige Ge-
ſollen ſelbſt/ oder zum wenigſten Artabanus Aerzte nicht umhin koͤnten/ ihn zubeſchauen/
wann er zum verſchnittenen ſolte gemacht werden. Hingegen trauete Brela den Goͤttern/
ſie wuͤrden daß liebe gottfuͤrchtige Fraͤulein in Schuz halten/ und alle Schande gnaͤdig
von ihr abwenden; ihr einiger Wunſch nur ging dahin/ daß ſie Herkules oder Ladiſla an-
treffen moͤchte; weil ſie dann in Zypern denen vergeblich nachfrageten/ fuhren ſie mit ſehr
gutem Winde nach Kreta/ und laͤndeten durch Gottes ſchickung bey Gnoſſus an/ woſelbſt
Valikules wegen Gallus Verwundung ſich bißdaher auffgehalten hatte/ und des folgen-
den tages abzuſegeln willens wahr. Daſelbſt kehꝛete nun Alexander in ein Wirtshauß ein/
welches vol Griechiſcher Kauffleute wahr/ deren etliche er kennete/ und daher ſich bald
hinweg machete/ damit er nicht erkennet/ und wegen ſeines verbrechens zu Athen/ in Haft
genommen wuͤrde; geriet zu gutem Gluͤk in Valikules Herberge/ gleich da man Mittags-
mahl halten wolte/ gruͤſſete die Anweſende freundlich/ und ward von ihnen hinwieder
wilkommen geheiſſen. Bey wehren der Mahlzeit ſahen Valikules und Gallus die Jung-
fer fleiſſig an/ und gedauchte ſie/ dieſelben mehr geſehen haben/ kunten ſich doch nicht erin-
nern/ wo und zu welcher Zeit/ biß endlich Gallus ſich beſan/ vom Tiſche/ als haͤtte er etwas
zubeſtellen/ auffſtund/ und nachgehends unter dem Schein/ als wolte ein fremder jhn ſpre-
chen/ ſeinen Herrn abfodern ließ/ zu dem er ſagete: Gn. Herr/ ich muß ſehr irren/ oder ebẽ
P p pdieſe
[482]Drittes Buch.
dieſe iſt die Jungfer/ welche wir nebeſt dem Fraͤulein im Flecken vor Padua gefangen
bekommen/ daher ich nicht unterlaſſen koͤnnen/ ihrer Gn. es anzudeuten. O ja/ mein
Gott/ antwortete er/ ſie iſt gewißlich Jungfer Brela/ die ich zu Prag offt geſehen/ und Li-
buſſa uͤberdas mich berichtet hat/ daß ſie mit dem Fraͤulein hingefuͤhret ſey. Aber ach Gott!
was bedeutet dieſes/ daß ich ſie/ und nicht auch das Fraͤulein alhie ſehe? Sie muß entwe-
der tod/ oder in ander Raͤuber Haͤnde gerahten ſeyn; ließ darauff einen ſchweren Seuff-
zer und ſagete: O du barmherziger Gott/ betruͤbe mich doch nicht zu ſehr/ mit ſo trauriger
Zeitung. Gallus troͤſtete ihn mit guter Hoffnung/ und koͤnte man nach gehaltener Mahl-
zeit gelegenheit gnug haben/ ſie deßwegen zubefragen; ſetzeten ſich wieder zu Tiſche/ uñ kun-
ten wegen Furcht und Hoffnung keiner Speiſe mehr genieſſen. Die Begierde aber/ wel-
che Valikules antrieb/ wolte der Mahlzeit Endſchafft nicht abwarten/ deswegen er nach
geb ehtener Verzeihung die Jungfer auff Griechiſch fragete/ von wannen ſie kaͤhme/ und
wohin ſie gedaͤchte; bekam aber von Alexandern zur Antwort: Sie verſtuͤnde die Grie-
chiſche Sprache faſt wenig/ weil ſie aus den Nordiſchen Laͤndern waͤhre/ und nur etwz La-
teiniſch zuſprechen wuͤſte. Er wiederhohlete darauff ſeine getahne Frage mit Lateiniſchen
Worten/ da ſie meldete/ ſie waͤhre neulich aus Zypern gefahren/ und gedaͤchte nach Italiẽ/
dahin ſie von ihren Freunden erfodert waͤhre. Hieraus verſtund er leicht/ daß ſie nicht wil-
lens wahr/ ſich einem Fremden erkennen zugeben/ uñ argwohnete zugleich aus ihrer Trau-
rigkeit/ es muͤſte nicht recht umb ſein Fraͤulein ſtehen; fing deswegen auf Teutſch zu ihr an/
und ſagte: Hochaͤdle Jungfer/ dafern meine Augen mich nicht betriegen/ habe ich ſie vor
wenig Monaten am Pragiſchen Hofe in Boͤhmen geſehen; iſt ſie nun dieſelbe/ und veꝛſte-
het meine Sprache/ wolle ſie mir ſolches nicht leugnen; dann ich bin ein Teutſcher/ und
nicht ohn gefehr dieſer oͤrter angelanget. Brela ward voller Freuden/ da ſie die Teutſche
Sprache hoͤrete/ und antwortet auff teutſch: Ja mein Herr/ ich bin warhafftig dieſelbe/
und erfreuet meine Seele ſonderlich/ daß in dieſen fremden Laͤndern ich einen bekanten
Menſchen antreffen ſol; aber ich bitte ſehr/ mein Herr wolle ohn verweilen mich verſtaͤn-
digen/ ob er etwan dem teuren Fuͤrſten Herrn Herkules bedienet ſey/ und ob deſſen Durch-
leuchtigkeit dieſer ends anzutreffen/ dann ſeinetwegen habe ich dieſe Reiſe eigentlich aus
Geheiß ſeines allerliebſten Freundes auff mich genommen. Hier aus erkennete er/ daß das
Fraͤulein annoch im Leben waͤhre/ und antwortete ihr: Sie moͤchte ſich biß nach gehalte-
ner Mahlzeit gedulden/ alsdann wolte er ihr von dieſem Fuͤrſten etwas Zeitung ſagen.
Kein Menſch wahr zugegen/ der dieſe Sprache verſtund/ wiewol Alexander alsbald waͤh-
nete/ er wuͤrde ein Teutſcher/ und Fuͤrſt Herkules Bedienter ſeyn; durffte doch nicht fra-
gen/ weil er hoͤrete/ daß er gut Griechiſch und Latein redete. Brela merkete ſeine Begierde/
und wolte ihm etwas Kundſchafft geben/ daher ſagete ſie zu ihm: Mein Herr/ dieſer wird
uns Unterricht erteilen/ woſelbſt wir unſerm Gluͤcke nachfragen ſollen. Worauff er ant-
wortete: So werde ich dieſem Herrn meine kuͤnfftige Gluͤkſeligkeit zudanken haben; fol-
gete bald hernach auff Valikules begehren/ auff ſein abſonderliches Gemach/ woſelbſt Gal-
lus mit ihm ſprachen muſte/ biß er in einem Neben Gemache die angeſtrichene Farbe von
Haaren/ Angeſicht und Haͤnden hinweg getahn hatte/ worauff er zu ihnen hinein trat/ und
von der Jungfer ſtraks angeſichts erkeñet ward/ die ihm ehrerbietig entgegen trat/ in mey-
nung/
[483]Drittes Buch.
nung/ ſich vor ihm auff die Knie zuſetzẽ; aber er faſſete ſie unter die Arme/ kuͤſſete ſie fꝛeund-
lich/ und ſagte: Meine vielwerte Freundin/ ich erfreue mich von Herzen ihres Wolerge-
hens/ und bitte/ mir zuſagen/ wie es dem Durchleuchtigſten Fraͤulein gehe/ ob ſie lebendig
oder tod ſey. Mein Durchleuchtigſter Groß Fuͤrſt/ antwortete ſie/ mein gnaͤdigſtes Fraͤu-
lein iſt Gott Lob annoch friſch und unverletzet an Geſundheit und Ehren/ aber in Raͤuber
Haͤnden; wendete ſich damit umb/ und ſagte zu Alexander: Da ſehet ihr den Durchleuch-
tigſten Groß Fuͤrſten/ Herrn Herkules/ den wir eigentlich ſuchen/ und von ihm meiner gn.
Fraͤulein Erloͤſung gewaͤrtig ſind. Alexander neigete ſich tieff vor ihm/ und baht untertaͤh-
nigſt umb Verzeihung/ daß Ihrer Durchl. er die gebuͤhrliche Ehre nicht angetahn haͤtte;
baht nachgehends/ ihn unter die Zahl ſeiner gehorſamſten Knechte anzunehmen/ wolte in
ſeiner Gn. Dienſten ſein Leben willig enden/ weil er der unſeligen Gefaͤngniß der Durchl.
Fraͤulein mit urſach waͤhre. Er aber boht ihm die Hand/ neben Erinnerung/ ihn mit der-
gleichen Fuͤrſtlicher Ehre noch zur Zeit zuverſchonen/ weil er unerkant ſeyn wolte; begeh-
rete nachgehends/ ihm kuͤrzlich zuerzaͤhlen/ wie es dem Fraͤulein von der Zeit ihrer lezten
Gefaͤngniß her ergangen waͤhre/ welches die Jungfer gerne leiſtete/ und da ſie gleich der
eingeſchnittenen Woͤrter in den Walnusbaum dieſes Eilandes Erwaͤhnung taht/ trat
Gallus nach abgelegter Farbe wieder zu ihnen hinein/ welchen ſie erſehend/ vor Zorn und
Eifer erroͤhtete/ und zu Herkules ſagete: Durchl. Fuͤrſt/ dieſer iſt der vornehmſten Raͤubeꝛ
einer/ die mein Fraͤulein zu allererſt geraubet haben/ und erinnere mich noch wol/ mit was
ſchnoͤden Lumpen uns dasmahl zubedecken/ er anordnete. Meine Freundin/ antwortete eꝛ/
es iſt ihm alſo/ aber er hat ſchon davor voͤllig gebuͤſſet/ und wie er ſchuld traͤget an ihrem
Verluſt/ alſo muß er ſie mir wiederumb ſuchen helffen. Das iſt wol eine wunderliche ſchic-
kung/ ſagte ſie; dann dieſer/ auff Alexander zeigend/ iſt auch deren einer/ die uns im Walde
geraubet/ und ich habe ihn/ meinem Gn. Fraͤulein zugehorſamen/ zum Braͤutigam anneh-
mẽ muͤſſen/ nachdem Ihrer Gn. er getraͤulich verheiſſen/ Eurer uñ Koͤnig Ladiſla Durchll.
nachzufragen/ und denen ihren Zuſtand zu hinterbringen; fuhr hernach in voriger Erzaͤh-
lung fort/ und was ihr ſonſt von dem Fraͤulein anbefohlen wahr/ da ſie endlich anzeigete/ dz
ſie nach dem Parther Lande zu/ ſchon vor XIV Tagen von Tyrus wuͤrde auffgebrochen
ſeyn. Endlich fragete ſie/ wo Libuſſa blieben waͤhre/ welche Gallus abſonderlich mit ſich hin-
weg gefuͤhret haͤtte/ und erfuhr von Herkules/ daß er ſie noch deſſelben Tages gerettet/ und
nach Padua zihen laſſen/ woſelbſt ſie ſeiner Anordnung nach noch eine zeitlang verweilen
duͤrffte/ baht demnach/ ſie moͤchte mit ihrem Liebeſten dahin reiſen/ und bey Libuſſen werbẽ/
daß ſie ihm einige Wechſel auff 60000 Kronen nach Tyrus uͤbermachete. Nein/ deſſen
bedarff es nicht/ antwortete ſie/ maſſen mein Liebſter eine zimliche Baarſchafft bey ſich fuͤh-
ret/ wovon Eure Gn. nach belieben nehmen mag. Wahr alſo Alexander bald fertig/ neben
Gallus die Gelder aus ſeinem Gemache zuhohlen/ mit erbieten/ da Ihre Gn. etliche Ton-
nen Goldes begehreten/ koͤnte ſie deren bemaͤchtiget ſeyn. Er aber bedankete ſich des guten
Willens/ haͤtte vor dißmahl genug an dieſem/ weil er ſchon eine zimliche Baarſchafft bey
ſich fuͤhrete; verfertigte nachgehends etliche Schreiben nach Padua/ und brachten den uͤ-
brigen Tag mit allerhand Geſpraͤche zu/ da ihm Alexander die Reiſe nach Charas/ ſo viel
moͤglich wahr/ beſchrieb/ und nachgehends ſeinen Unfall klagete/ welcher ihn aus ſeinem
P p p ijVater-
[484]Drittes Buch.
Vaterlande von Athen hinweg getrieben haͤtte/ moͤchte wuͤnſchen/ daß Ihꝛe Durl. bey dem
Kaͤyſerl. Stathalter zu Padua wolte befoderlich ſeyn/ daß er daſelbſt frey und unangefoch-
ten ſich auffhalten/ oder ſeine Landguͤter loßzuſchlagen bemaͤchtiget ſeyn koͤnte; Worinnen
er ihm gerne zu willen wahr/ endlich ihnen einband/ nirgends zumelden/ daß ſie ſo nahe in
Kreta bey ihm geweſen waͤhren/ ſondern ſolten davor Zypern nennen; moͤchten aber ihre
Reiſe auff Korinth nehmen/ und Markus ſeinen Zuſtand verſtaͤndigen/ inſonderheit den
Verlauff mit dem falſchen Ladiſla und Herkules. Des folgenden Morgens/ da er von A-
lexander eine ſchriftliche Unterrichtung genommen/ wes Weges die Parthen mit dem Frl.
nehmen wuͤrden/ ging er zu Schiffe/ und ſegelte froͤlich nach dem Judiſchen Lande/ fuhr in-
wendig zwoͤlff Tagen unter Gaza an/ welche Stad eine halbe Meile zu Lande ein von dem
Ufer gelegen iſt/ woſelbſt er bey einem Chriſtlichen Wirte einkehrete/ und den vornehmſten
Lehrer zu ſich bitten ließ/ welcher ihm eine Predigt halten/ und mit ihm ſpeiſen muſte/ nach-
dem er ihm 300 Kronen unter die Armen/ und 200 unter die Lehrer auszuteilen/ zugeſtellet
hatte; nam auch von ihm allen Bericht ein/ was vor eine Beſchaffenheit es dieſer Zeit im
Judiſchen Lande haͤtte/ daß nehmlich Kaͤyſer Elius Adrianus vor 93 Jahren eine Stad
auff einen Teil des Platzes der verſtoͤreten Stad Jeruſalem aufgebauet/ und nach ſeinem
und des Abgottes Jupiter Capitolinus Nahmen Ælia Capitolina genennet/ woſelbſt er ſo
wol auff der Stelle des Salomoniſchen Gottes Hauſes/ als auff dem Berge Golgatha/
heydniſche Kirchen erbauet/ woruͤber dazumahl die Juden dergeſtalt er grimmet waͤhren/
daß ſie unter ihrem betrieglichen falſchen Meſſias Bar-Kochba/ einen blutigen Krieg wi-
der die Roͤmer angefangen/ aber iñerhalb zwey Jahren gedaͤmpffet/ und ihrer viel tauſend
erſchlagen worden/ da nachgehends derſelbe Kaͤyſer vor den Tohren dieſer neuen Stad/
Saͤue/ und andere den Juden verbohtene Bilder einhauen laſſen/ auch alle Juden aus
dem gelobten Lande vertrieben/ daß nur Heyden und Chriſten ſich daſelbſt auffhalten duͤrf-
fen; Doch haͤtten die Juden mit groſſen Koſten ſo viel Freyheit zuwege bracht/ daß ihnen
erlaͤubet worden/ jaͤhrlich am X Tage des Augſt Monats nach Jeruſalem zukommen/ und
ihres Reichs Untergang zubeweinen/ biß ſie vor dreyen Jahren wiederumb die Freyheit
von dem jetzigen Kaͤyſer erhalten/ in dieſen Laͤndern unter einem Judiſchen Vorſteher zu-
wohnen/ der gleichwol des Roͤmiſchen Stathalters Botmaͤſſigkeit unteꝛworffen ſeyn muͤ-
ſte. Die Reiſe nach Tyrus koͤnte innerhalb ſechs Tagen abgeleget werden/ weil von Gaza
nach Jeruſalem XI Meilen/ und von dar ab nach Tyrus XXV Meilen waͤhren/ doch wañ
er die vornehmſten Oerter des Landes beſehen wolte/ wuͤrde mehꝛ Zeit darzu gehoͤren. Va-
likules hoͤrete alles mit Luſt an/ weil ihm wenig hievon bewuſt wahr/ und nach dem er mer-
kete/ daß dem guten Manne an Lebensmitteln gebrach/ ſchenkete er ihm noch 200 Kronen/
und baht/ ſein im gemeinen Gebeht zu gedenken/ daß ihm Gott zu ſeiner Reiſe/ wegen Er-
loͤſung einer unſchuldig gefangenen angeſtellet/ Gluͤk geben wolte; in ſeiner Ruͤkreiſe ſolt[e]
die Kirche dieſes Orts ſeine dankbare Mildigkeit weiter ſpuͤren; beſtellete des dritten A-
bends einen Chriſten/ dem die heiligen oͤrter zwiſchen Gaza und Jeruſalem wol bekant wa-
ren/ und reiſete folgendes Tages mit Gallus nach Bethlehem/ da ſie nicht ohn Traͤhnen
ſahen/ wie die Heyden das Haus der Abgoͤttin Venus beſuchten/ welches Kaͤyſeꝛ Adrianus
den Chriſten zur Schmach daſelbſt hatte auffrichten laſſen/ und in demſelben viel Unzucht
getrie-
[485]Drittes Buch.
getrieben ward. Sie kehreten ſich aber in herzlicher Andacht zu Gott/ und danketen ihm/
daß er ſeinen lieben Sohn alhie haͤtte wollen laſſen zur Welt gebohren werden; lieſſen ſich
hernach eine Viertelmeile von der Stad gegen Suden zu dem Turm Eder fuͤhren/ bey
welchem der groſſe Engel des HErrn den armen Hirten im Felde die freudenreiche Ge-
burt des lieben Jeſuleins verkuͤndiget hatte; hernach kehreten ſie wiederumb zuruͤk gegen
Norden/ da man ihnen auff der andern Seite der Stad eine Viertelmeile von dannen/ dz
Grab Rahel zeigete. In der Stad ſahen ſie des Jeſſe/ Davids Vaters Begraͤbniß/ und
nahmen von dar ab ihren Weg nit ſtraks gegen Norden auff Jerufalem zu/ ſondern wen-
deten ſich gegen Oſten/ Bethanien zubeſehen/ da ſie des von den Todten erwecketen Lazarus
Grab/ und Simon des Auſſaͤtzigen Haus ihnen zeigen lieſſen. Von dannen gingen ſie fol-
gendes Tages die halbe Meile biß nach Jeruſalem zu fuſſe gegen Weſten zu uͤber den Oel-
berg/ eben den Weg/ auff welchem der Herr Chriſtus ſeinen Koͤniglichen Einzug auff ei-
nem Eſel gehalten hatte/ da ſie allen Bericht fleiſſig einnahmen/ wo der Garte Gethſema-
ne gelegen/ in welchem Chriſtus Blut geſchwitzet und gefangen worden; an was Orte er
uͤber die Bach Kidron gefuͤhret; wo das Tempel- und Schaf Tohr geweſen; wo Hañas/
wo Kaiphas Wonung/ wo Pilatus Richthaus geſtanden/ da der HErr verſpottet/ gegeiſ-
ſelt/ und mit Dornen gekroͤnet wahr. Leztlich lieſſen ſie ſich auff den Berg Golgatha leiten/
da die heydniſche Kirche ſtund/ an welche ſie ſich doch nicht kehreten/ ſondern fielen auf ihre
Knie/ uñ verrichteten ihr Gebeht etliche Stunden/ da Valikules unter andern dieſes hielt.
O du Sohn des ewigen Gottes/ der du ſamt deinem Vater und Heiligem Geiſte eines Weſens biſt;
dir danke ich aus tieffeſtem Abgrunde meiner Seelen/ daß du mich armen Sünder ſo hoch geliebet/
und umb meiner Seligkeit willen dein unſchuldiges heiliges Blut am Stamme des Kreuzes auff die-
ſem Berge haſt vergieſſen wollen/ der ich ſonſt ewig verdamt und verlohren ſeyn muͤſſen. O du barm-
herziger Gottes Sohn/ ſihe nicht an meinen vorigen heydniſchen Unglauben/ noch was ich aus Flei-
ſches Schwach- und Boßheit jemahls wider deinen heiligen Willen begangen habe/ ſondern von alleꝛ
meiner Untugend waſche mich mit deinem teuren Blute/ und erhalte mich im beſtaͤndigen Glauben/
und beharlicher Gottſeligkeit/ daß ich durch Fleiſch und Blut mich nicht verfuͤhren laſſe/ deinem Wil-
len zuwiderſtreben/ und deines Verdienſtes mich unfaͤhig zumachen. Gib auch Gnade zu meiner vor-
genommenen Reiſe/ und erhalte mein geliebtes Fraͤulein beym Leben/ auff daß ſie aus den Haͤnden
der ſchnoͤden Raͤuber/ und des unzuͤchtigen Gottloſen Koͤniges erloͤſet werden/ und an ihren Ehren
unverlezt bleiben moͤge O du mein Heyland/ laß ſie doch zum wenigſten nur ſo lange im Leben/ biß ſie
durch deines Heil. Geiſtes Krafft im ſeligmachenden Glauben unterrichtet werde/ damit wegen der
heydniſchen Greuel ſie nicht in die helliſche Verdamniß falle/ ſondern ein Kind des ewigen Lebens ſey
und bleibe. Iſt es auch dein gnaͤdiger Goͤttlicher Wille/ ſo zeug meinen geliebten Ladiſla/ meine herz-
liebe Eltern/ Geſchwiſtere und Anverwanten/ daß ſie von Verachtung deines hochheiligen Nahmens
abſtehen/ und die allen Suͤndern angebohtene Gnade empfahen. Dieſes mein Gebeht wolleſt du O
mein Erloͤſer gnaͤdiglich erhoͤren/ umb deines Blutes und Todes willen/ Amen.


Nachdem er dieſes und dergleichen Gebehter mit haͤuffigen Traͤhnen und inbruͤnſti-
ger Andacht geſprochen hatte/ legte er ſich in eine geringe Herberge/ und nach zween Ta-
gen ließ er ſich bey dem Biſchoff daſelbſt anmelden/ der ihn bald zu ſich foderte/ uñ freund-
lich empfing; er hinwieder bezeigete ſich gegen ihn als einen Vorſteher der Kirchen Got-
tes ſehr ehrerbietig/ und offenbahrete ihm in vertrauen/ daß er von Fuͤrſtlichen Eltern in
Teutſchland gebohren/ und durch Unfal gefangen nach Rom gefuͤhret/ woſelbſt er durch
P p p iijGottes
[486]Drittes Buch.
Gottes ſonderliche ſchickung zum Chriſtlichen Glauben bekehret worden; und ob er gleich
damahls ihm vorgenom̃en/ nach dem heiligen Lande zu reiſen/ und ſich im Jordan taͤuffen
zu laſſen/ waͤhre ihm uͤberdas eine Urſach zuhanden geſtoſſen/ die ſolche Reiſe beſchleuni-
get haͤtte/ in dem eines Koͤniges Tochter/ ſeine nahe Anverwandtin von Parthiſchen Raͤu-
bern hinweg gefuͤhret waͤhre/ die er zu erloͤſen ſuchete; hoffete demnach/ ihre Ehrwuͤrden
ſolches ſein Chriſtliches Vorhaben befodern wuͤrden/ zu welchem ende er ſein Chriſtliches
Bekaͤntnis tuhn wolte; fing demn ach an von der Schoͤpffung/ vom Stande der Unſchuld
menſchliches Geſchlechtes/ und von dem elenden Suͤndenfalle zureden/ wie duꝛch des Teu-
fels Neid und Liſt der Menſch in die Suͤnde gerahten/ doch durch Gottes Barmherzig-
keit in ſeinem Falle getroͤſtet/ in dem der Meſſias und Heyland aller Welt/ der geſegnete
Weibesſame ihm verſprochen worden/ welcher der helliſchen Schlangen den Kopff zu-
treten/ und durch ſein Leyden und Tod vor unſere Suͤnde buͤſſen und bezahlen ſolte/ wie er
dann in der voͤlle der Zeit aus dem Leibe der keuſchen Jungfrauen Marien zu Bethlehem
an dieſe Welt gebohren waͤhre/ haͤtte durch ſeine goͤttliche Krafft viel Zeichen und Wun-
der ſehen laſſen/ und alles daß uͤberfluͤſſig geleiſtet/ wz von ihm duꝛch Moſe und die Prophe-
ten geweiſſaget worden/ da doch/ deſſen alles ungeachtet/ ſeine eigene Verwanten daß Ju-
diſche Volk ihn verworffen/ verfolget/ gelaͤſtert/ endlich gar ans Holz gehenket haͤtten/
waͤhre aber von Gott aufferwecket am dritten Tage/ und nach XL Tagen gen Himmel ge-
fahren/ da er ſich zur Rechten Gottes geſetzet/ und mit uns Menſchen den Bund gemacht/
daß wir durch den Glauben an ihn die ewige Seligkeit erlangen/ und nach ſeinem Wil-
len uns in guten heiligen Wercken der Chriſtlichen Liebe uͤben ſolten/ biß er am Juͤngſten
Tage wieder kom̃en wuͤrde/ zu richten die Lebendigen und die Todten/ alſo und dergeſtalt/
daß die Glaͤubigen und Frommen als Gottes liebe Kinder alsdann in die himliſche ewi-
ge Freude eingehen; die Unglaͤubigen und Gottloſen aber der unendlichen helliſchen Ver-
damnis ſolten zugeſprochen werden. Dieſe Stuͤcke alle miteinander wuſte er dermaſſen
auß der heiligen Schrifft darzutuhn und zuerweiſen/ daß der Biſchoff ſich deſſen zum
hoͤchſten verwunderte/ inſonderheit als er vernam/ daß vor anderthalb Jahren er von die-
ſem Glauben noch kein Wort gehoͤret haͤtte/ und gab ihm zur Antwort: Durchleuchtiger
Fuͤrſt/ und in unſerm Heylande geliebter Sohn; daß unſer Gott nach ſeiner unaußſprech-
lichen Gnade und Barmherzigkeit auß der graͤulichen Finſternis der heidniſchen Blind-
heit euch zur erkaͤntnis ſeines lieben Sohns/ und zum Lichte des Lebens gebracht hat/ ſol-
ches erwaͤget ihr billich mit dankbahrem Herzen/ maſſen euch ein groͤſſeres in dieſer Welt
nicht wiederfahren koͤnnen/ in betrachtung der erſchroͤklichen Hellenpein/ auß welcher ihr
durch dieſes einige Mittel zur himliſchen Seligkeit gebracht ſeid; dann weil ihr nunmehꝛ
Gott Lob eurem Heylande anhanget/ und durch den Glauben ihm einverleibet ſeid/ habt
ihr an der Seelen Wolfahrt foͤrder durchaus nicht zuzweiffeln/ weil er der Mund der
Warheit ſelber ſpricht; daß alle die an ihn glaͤuben/ nicht ſollen velohren werden/ ſondern
das ewige Leben haben; Und er zu dem Ende in dieſe Welt kommen ſey/ ſelig zu machen
was verlohren wahr. Als ich nun aus eueꝛ Chriſtlichen Bekaͤntnis wol vernommen/ daß
ihr in der reinen ſeligmachenden Lehre/ von den Rechtglaͤubigen zu Rom/ die mit uns einen
Glauben haben/ zur Gnuͤge unterrichtet ſeid/ waͤhre es unbillich/ und wieder mein Gewiſ-
ſen/
[487]Drittes Buch.
ſen/ da ich in euer Chriſtliches begehren nicht einwilligen/ und euch die heilige Tauffe ver-
ſagen wuͤrde; moͤget mir demnach die Zeit und den Ort beſtimmen zu dieſem Chriſtlichen
heilſamen Werke/ alsdann ich euch einen alten Gottfuͤrchtigen Lehrer zuordnen wil/ der
euch dieſes koͤſtliche Seelenbad mitteilen/ und in die voͤllige Gemeinſchafft der Chriſtli-
chen algemeinen Kirchen euch einfuͤhren ſol; worauff ich euch folgends mit dem wahren
Leibe und Blute eures Erloͤſers/ zur ſtaͤrkung eures Glaubens und zur vergewiſſerung der
Seligkeit ſpeiſen werde. Der Almaͤchtige Gott und Vater unſers Herꝛn JEſus Chriſt
verleihe euch ſeinen heiligen Geiſt/ daß ihr nach erhaltener Tauffe des fleiſches Werke und
die uͤppigen Weltluͤſte ſtiehen und meiden/ und dagegen die Fruͤchte des lebendigen Glau-
bens/ in der Gottſeligkeit/ Hoffnung/ Geduld und allen anderen Chriſtlichen Tugenden/
in eurem ganzen Leben hervor geben moͤget/ alsdañ werdet ihr das wolangefangene Werk
ritterlich und ſtandhafftig volfuͤhren/ und nach dieſer Vergaͤngligkeit die Krone der Ehren
empfahen/ da ihr erſt recht erkennen und empfinden werdet/ was Paulus ſaget: unſer Zeit
Leiden iſt der Herligkeit nicht wert/ die an uns ſol offenbahret werden. Valikules dankete
ihm ſehr/ und baht/ auff naͤhſt folgenden Tag Anordnung zur Tauffe zumachen/ welche er
gerne zu Bethabara empfangen wolte/ wie auch gegenwaͤrtiger ſein Diener Gallus. Der-
ſelbe trat nun auch herzu/ taht ſeines Glaubens Bekaͤntnis/ und in des Biſchoffs Gegen-
wart beichtete er Gott dem Herꝛn ſeine begangene ſchwere Suͤnden/ welche er ehemahls
durch Verleugnung ſeines Heylandes/ nachgehends durch Morden/ Rauben und ande-
ren vielfaͤltigen uͤbeltahten wieder die heiligen Geboht Gottes begangen/ welches alles er
mit heiſſen Traͤhnen beweinete/ auch Gott von Herzen dankete/ daß er ihn ganz wunder-
bahrer Weiſe davon abgezogen haͤtte/ uñ gelobete zugleich an/ durch Kraft und Beyſtand
des Heiligen Geiſtes/ ſolche Werke des Satans hinfuͤro zu meiden/ und durch keine Wie-
derwertigkeit/ wie die auch Nahmen haben moͤchte/ ſich von ſeinem grundguͤtigen Hey-
land und Erloͤſer treñen zulaſſen. Worauff ihn der Biſchoff mit herlichen Spruͤchen des
goͤttlichen Worts troͤſtete/ in welchen Gottes unendliche Gnade und Barmherzigkeit an-
gedeutet wird. Des andern Tages ſehr fruͤh/ machten ſie ſich zu Fuſſe nach Bethabara/
vier Meilen von Jeruſalem belegen/ dan ich wil/ ſagte Valikules/ nicht dahin reiten oder
fahren/ wohin mein Erloͤſer der Sohn Gottes umb meinet willen zu Fuſſe gangen iſt; weil
aber der Taͤuffer alt und unvermoͤgen wahr/ ritte er auff einem Eſel neben ihnen her. Als
ſie bey der Tauffſtaͤte anlangeten/ woſelbſt unſer Heyland vor 197 Jahren ſich hatte Taͤuf-
fen laſſen von Johannes Zacharias Sohn/ und Valikules hinein ſtieg/ die Tauffe zu em-
pfangen/ behtete er dieſe kurze andaͤchtige Worte: O du mein Heyland JEſus Chriſt/ ich dan-
ke dir von Herzen/ daß du mich dieſen heilſamen Tag haſt erleben laſſen/ an welchem ich durch daß Ba[d]
der Wiedergeburt erneuret/ und dir zugefuͤhret werde. Ach gib uñ verleyhe/ daß ich nach empfangeneꝛ
Tauffe mich ja nicht mit groben Laſtern wieder mein Gewiſſen beſudele/ ſondern beherſche mich mit
deinem Heiligen Geiſte in meinem ganzen Leben/ und erhalte mich im rechtſchaffenen Glauben und
Chriſtlichen Wandel zu der ewigen Seligkeit Amen. Recht ſo/ mein geliebter Sohn/ ſagte der
alte Taͤuffer/ ſo ſtellet ihr euch als ein wirdiger Gaſt zu dieſer heilſamen Gnade ein. Es iſt
zwar vor den Augen der Unglaͤubigen ein einfaͤltiger Gebrauch/ und kan Fleiſch uñ Blut
nicht begreiffen/ wie es zugehe/ das durch dieſes aͤuſſerliche Waſchen die Seele innerlich
gerei-
[488]Drittes Buch.
gereiniget werde; aber wer in Gottes Wort unterrichtet iſt/ und ſeine blinde Vernunfft
dem Gehorſam des Glaubens zu unterwerffen weis/ iſt der ſeligmachenden Krafft dieſes
Bades ſchon gnug verſichert/ weil uns Paulus lehret/ dz wir dadurch gerecht werden und
Erben des ewigen Lebens. Wañ ich nu dieſen ganzen Weg heꝛ ſolche gelehrte uñ andaͤch-
tige Glaubens Geſpraͤche von euch angehoͤret habe/ die mich eures Chriſtentums uͤbrig ver-
ſichern/ wil mir nicht gebuͤhren/ euch dieſes Bad zuverſagen; deßwegen ſo taͤuffe ich euch
auß Befehl meines lieben Heylandes JEſus Chriſt/ in dem Nahmen Gottes des Vaters/
und des Sohns/ und des Heiligen Geiſtes. Alsbald darauff empfing auch Gallus die hei-
lige Tauffe/ nachgehends hielten ſie ihr Gebeht eine gute Stunde am Ufer kniend/ kehre-
ten hernach zu Bethabara ein/ und blieben dieſelbe Nacht aldar. Des folgenden Morgens
machten ſie ſich zu Fuſſe wieder nach Jeruſalem/ und kunte der Taͤuffer des jungen Herꝛn
Andacht bey dem Biſchoff nicht gnug ruͤhmen/ der das H. Abendmahl des Herꝛn mit
ihnen hielt/ und von deſſen Einſetzung/ Wirdigkeit und Nutzen eine lehrreiche Predigt
anſtellete/ nach deren Endigung Valikules dieſe beyde Geiſtliche mit ſich in die Herberge
fuͤhrete/ und bey ſich zum Abendeſſen behielt/ da er ihnen erzaͤhlete/ was groſſe Schaͤtze ihm
ſein Gott in beſtuͤrmung eines Raubneſtes beſcheret/ davon er nach Chriſtus Befehl ſei-
nen Neben Chriſten gerne mitteilete; lieferte auch alsbald dem Biſchoffe 3000 Kronen/
halb unter die Armen/ und halb unter die lernende Jugend außzuteilen; dem Taͤuffer gab
er 300/ und dem Biſchoffe 700 Kronen; weil aber dieſer ſolches vor ſich gar nicht neh-
men wolte/ einwendend/ daß er unverheyrahtet waͤhre/ und Lebensmittel gnug haͤtte/ baht
Valikules/ es unter die uͤbrige Geiſtligkeit außzuteilen. Des folgenden Morgens beſuch-
te er den Biſchoff gethaner Verheiſſung nach/ in ſeinem Hauſe/ welcher ihm etliche ſchoͤ-
ne Buͤchlein verehrete/ ſo teils von Geminus/ damals hochberuͤmten Obriſten Lehrer zu
Antiochia/ teils von Origenes/ der auch zur ſelben Zeit lebete/ geſchrieben wahren/ und er-
luſtigte er ſich nicht wenig an den ſchoͤnen Geiſtlichen Schrifften/ welche er ſonſt bey ihm
ſahe; dann da fand er die herlichen Bucher des Dionyfius Areopagita/ des Ignatius/
des Polykarpus/ des Hermes/ des Maͤrterers Juſtinus/ unter welchen ihm dieſes Lezten
ſeine Schutz-Schrifften ſonderlich wolgefielen/ die er vor etliche funffzig Jahren hatte
ausgehen laſſen. Er ſahe des Athenagoras/ des Theophilus/ ſechſten Biſchoffs zu Antio-
chia nach Petrus; des Ireneus/ des Tertullianus/ des Alexandriniſchen Kirchen Lehrers
Klemens/ und vieler anderen mehr; In welche Buͤcher er ſich dergeſtalt verliebete/ daß
er dem Biſchoff 3000 Kronen zuſtellete/ ihm davor die vornehmſten abſchreiben zulaſſen/
welche er mit Gottes Huͤlffe bey ſeiner Ruͤkreiſe abfodern wolte; wuͤnſchete daneben/ der-
eins Mueß zuhaben/ daß er ſie durchleſen koͤnte; nam endlich von dem Biſchoffe freund-
lichen Abſcheid/ und befahl ſich in ſein andaͤchtiges Gebeht/ welcher ihn biß auff die Gaſſe
geleitete/ und vor die den Armen erzeigete Mildigkeit hoͤchlich dankete. Als ſie nun hauſſen
vor der Tuͤhr ein wenig mit einander ſprache hielten/ ſahe Valikules/ daß der Biſchoff als
vor Angſt erbleichete/ wolte auch ohn Ausfuͤhrung ſeiner Rede zuruͤk ins Haus treten;
woruͤber ſich Valikules bekuͤmmerte/ und ihn fragete/ warumb er ſich ſo geling uͤbel befuͤn-
de. Dieſer antwortete ihm halb zitternd: Er ſaͤhe dort einen ſehr frechen und verwaͤgenen
Juden herkommen/ einen Erzfeind des Chriſtlichen Nahmens/ welcher ihm zur Geiſſel
gegeben
[489]Drittes Buch.
gegeben waͤhre/ und von ihm/ ſo offt er ihm begegnete/ uͤbel geſcholten und angeſpeiet wuͤr-
de/ waͤhre auch wegen groſſer Erfahrenheit in Waffen/ ſo hochmuͤhtig/ daß er faſt jederman
hoͤhnete. Ehrwuͤrdiger Herꝛ/ ſagte Valikules/ ich bitte euch hoͤchlich/ weichet dieſem Hun-
de nicht/ ſtehet euch dann ein Spott zu umb des Glaubens willen/ ſo tragets mit Geduld;
doch hoffe ich/ wo ers tuhn wird/ es ſolle ihn bald gereuen. Der Biſchoff faſſete hiedurch
ein Herz/ und trat unerſchrocken etwas weiter hin auff die Gaſſe/ um zuerwarten/ wz ihm
begegnen wuͤrde; da der Jude/ ſo bald er ihm nahete/ auf ſeine Sprache zu ihm ſagte: Gott
chaͤnde dich Verfuͤhrer/ ſpie ihn auch ins Angeſicht; woruͤber Valikules ſich ſo hefftig ei-
ferte/ daß er ungeredet die Hand zog/ und ihn ins Geſichte ſchlug/ daß er taumelte/ ſagte heꝛ-
nach zu ihm: Je du Gottloſer Bube/ was haſtu dieſen frommen Herrn ſo ſchaͤndlich zu
verhoͤhnẽ/ der mir zu liebe biß hieher getretẽ iſt? Der Jude erhohlete ſich bald/ fiel auf Va-
likules zu/ in meynung/ ihn bey der Kehle zufaſſen und zuerwuͤrgen; aber er wahr ihm mit
ſeinem Schwerte zu behende/ hielt ihm ſolches auff die Bruſt/ und ſagete: bald packe dich/
und hohle deine Waffen/ wo du Streit begehreſt/ ſo wil ich dir deſſen ſatt geben. Es gehub
ſich der Jude nicht anders/ als waͤhre er von Sinnen kommen/ und ſchwuhr bey dem wah-
ren lebendigen Gott/ er muͤſte von ſeinen Haͤnden ſterben/ und in kleine Bißlein zerhacket
werden; weil er aber ſolcher Draͤuworte wenig achtete/ hieß er ihn fortmachen/ weil er nit
lange der weile haͤtte auff ihn zuwarten. Alſo muſte dieſer vor dißmahl die Ohrfeige ver-
ſchlucken/ die er doch ſchwer zuraͤchen geſinnet wahr/ und ihn deswegen hoch beſchwuhꝛ/ dz
er nicht ausreiſſen/ ſondern ihm die Ausfoderung halten ſolte/ ging auch alsbald hin/ ſich
zuwapnen. Dem Biſchoff wahr dieſe Begebniß herzlich leid/ und fuͤrchtete ſehr/ es wuͤrde
Valikules dem trotzigen Juden lange nicht gewachſen ſeyn/ daß er ihn ſchon ſo gut als er-
ſchlagen hielt. Er aber troͤſtete ihn/ mit Verſicherung/ es wuͤrde der gerechte Gott dieſem
Gotteslaͤſterer ſchier die verdiente Straffe auflegen; jedoch/ weil ihn der Biſchoff warne-
te/ daß ob er gleich dieſem anſiegen ſolte/ wuͤrden ihn doch die anderen Juden lebendig zer-
reiſſen/ da verfuͤgete er ſich alsbald hin nach dem Roͤmiſchen Stathalter deſſelbigen Or-
tes/ Herrn Kajus Pompejus/ meldete ihm Herꝛn Fabius zu Padua bruͤderlichen Gruß
an/ und gab ihm zuverſtehen/ er waͤhre ein Roͤmiſcher Ritter/ und von Roͤmiſcher Kaͤyſerl.
Hocheit in die aͤdleſten Geſchlechter zu Rom angenommen/ haͤtte aber gleich dieſe Stun-
de auff freyer Gaſſe einen Schimpff von einem verwaͤgenen Juden annehmen muͤſſen/
welches er mit einer Ohrfeige gerochen; Weil dann der Jude ſolches durch offentlichen
Kampff zueifern gemeynet waͤhre/ als baͤhte er den Hochanſehnlichen Herrn Stathalter/
als einen Großberuͤhmten Vorſteher der Gerechtigkeit dienſtlich/ die Anordnung zutuhn/
daß er nicht etwa von dem heilloſen Juden Geſindle/ unredlicher weiſe uͤberfallen wuͤrde/
ſondern wider unbillichen Gewalt Schutz haben moͤchte. Herr Pompejus ſahe unſern
Valikules an/ verwunderte ſich uͤber ſeiner ſchoͤnen Geſtalt/ hoͤflichen Geberden und groß-
geherzter Rede/ dankete ihm freundlich vor den uͤberbrachten angenehmen Gruß/ und hieß
ihn der ends ſehr wilkommen ſeyn/ mit dem verſprechen/ weil von Kaͤyſerl. Hocheit er ſo
hoch geehret/ mit ſeinem Bruͤderlichen Freunde Herr Fabius in guter Freundſchaft ſtuͤn-
de/ und wider einen Juden zukaͤmpffen willens waͤhre/ wolte er mit einer ſtarken Schaar
ſeiner Beſatzung ſelbſt dabey ſeyn/ und auff alles gebuͤhrliche Auffſicht haben; deſſen ihn
Q q qVali-
[490]Drittes Buch.
Valikules dienſtlich dank ſagete/ ging damit hinweg/ und verfuͤgete ſich wieder zu dem
Biſchoffe/ den er fleiſſig baht/ ihm die Freundſchafft zuleiſten/ und dem Streite zuzuſehen;
Er hoffete dieſem Schaͤnder dergeſtalt abzulohnen/ daß er nach dieſem ſich vor ihm nicht
mehr ſolte zubefuͤrchten haben. Dem Biſchoffe gingen vor Erbarmung und Mitleiden
die Augen uͤber/ zeigete ihm an/ wie herzlich er ſich bekuͤmmerte/ daß er mit dieſem Baum-
ſtarken Juden den ungleichen Kampff antreten ſolte/ der ſo mannichen redlichen und tapf-
feren Ritter nidergelegt haͤtte/ daß niemand/ der ihn kennete/ ſich an ihm reiben wolte. Er
hingegen troͤſtete ihn/ und daß man nicht allein im wolergehen/ ſondern auch in Gefaͤhrlig-
keiten ſich auff Gottes Schutz und Huͤlffe verlaſſen muͤſte; Er waͤhre zwar noch jung/ haͤt-
te aber doch dergleichen Wageſtuͤcken ſchon unterſchiedliche erlebet; ſetzete ſich damit auff
ſein gutes Pferd/ welches ihm Gallus zufuͤhrete/ und ritte dem Stathalter entgegen/ der
mit ſeinen Kriegsknechten ſchon daher kam. Kurz darauff ließ der Jude mit acht Gewap-
neten ſich auch ſehen/ und ward gewahr/ daß der Stathalter neben ſeinem Feinde hielt;
Dieſes einige ſchreckete ihn ab/ daß er ihn nicht auff der Gaſſe uͤberfiel. Herꝛ Pompejus ſa-
he den Juden/ und kante ihn/ ſagte deswegen zu Valikules: Herr Ritter/ Vorſichtigkeit
und Krafft wird euch noͤhtig ſeyn/ da ihrs mit dieſem antreten wollet/ desgleichen in Waf-
fen wenig zufinden iſt/ ſo daß unterſchiedliche anſehnliche Ritter/ lieber einen Schimpf von
ihm annehmen/ als mit ihm anbinden wollen. Mein Herr/ antwortete er/ ſolte in einem
Juden wol rechtſchaffene Tugend ſeyn/ deren hoͤchſtes nur in raſichter Wuht beſtehet?
Er mag biß daher mit ſeinem viehiſchen Trotze durchgedrungen haben/ obs aber wahre
Ritterſchaft oder tumme Verwaͤgenheit ſey/ ſol mit meines Gottes huͤlffe er mir noch heut
einen ſchaͤrfferen Beweißtuhm ſehen laſſen/ als der in Schaͤndung geiſtlicher Lehrer beſte-
het. Nun ſo helffe euch euer Gott/ ſagte er/ und hilfft er euch/ muß ich freylich ſagen/ daß er
kein unvermoͤgender Gott ſey; ſendete auch alsbald einen Haͤuptman an den Juden/ wel-
cher ſich Ben-Levi nennete/ uñ geboht ihm: da er ſtreiten wolte/ ſolte er ſich hinaus uͤbeꝛ die
Bach Kidron machen/ wohin ſein Ausfoderer ihm folgen wuͤrde. Dieſer biſſe die Zaͤhne
im Kopffe zuſammen/ ſendete einen Juden wieder hin zu dem Stathalter/ und gab durch
denſelben zur Antwort: Er muͤſte dem Herrn Stathalter billich gehorſamen/ baͤhte aber/
den verwaͤgenen Buben anzuhalten/ daß er ihm nicht entlieffe. Daß ich kein Bube/ er abeꝛ
ein ſchlimmer Schaͤnder iſt/ ſagte Valikules/ ſol ſich wils Gott ſchier ausfuͤndig machen/
und hat er ſich meines entlauffens nichts zubefahren; dann ich habe bißher meinen Faͤu-
ſten mehr als den Fuͤſſen getrauet. Soltet ihr wol derſelbe ſeyn/ antwortete der abgeſchikte
gewapnete Jude/ der Ritter Ben-Levi einen Trotz bieten duͤrffte? Wolte Gott/ ich moͤchte
als viel ein unerfahrner an ſeiner ſtelle ſtehẽ/ wie wuͤrdet ihr mir ſo gute Worte geben muͤſ-
ſen/ wann ihr den Kopff davon bringen woltet. Reite fort Jude/ ſagte Valikules/ und hin-
terbringe meine Antwort/ wozu du abgefertiget biſt/ vielleicht gibt es Gelegenheit/ daß du
deines Wunſches gewehret werdeſt. Das helffe mir Gott/ antwortete er; ging fort/ und
baht Ben-Levi/ daß er ihm den Streit goͤnnen moͤchte; welches er ihm aber abſchlug. Va-
likules baht den Stathalter/ daß gegenwaͤrtigem Chriſtlichen Lehrer moͤchte vergoͤnnet
ſeyn mit hinaus zugehen/ und den Kampff anzuſehen/ weil eꝛ von dieſem Juden ohn alle ge-
gebene Urſach zum hoͤchſten beleidiget waͤhre. Der Biſchoff waͤhre zwar lieber daheim
geblie-
[491]Drittes Buch.
geblieben/ weil ſeinem vorgeben nach/ er bey ſtreit- und kaͤmpffen nichts zuſchaffen haͤtte/
durffte es aber dem Stathalter nit abſchlagen/ welcher ſich nicht gnung verwundern kun-
te/ daß Valikules in ſolchem jungen Alter ſo friſch und unerſchrocken war/ welches er doch
alles ſeiner Unwiſſenheit zuſchrieb/ und daß er dieſes ſtreitbahren Juden keine Kundſchaft
hatte. Als ſie uͤber die Bach kahmen/ waͤhlete Valikules den Ort zum Kampffe/ da vorzei-
ten der Garte Gethſemane geweſen wahr/ ritte hin zu Ben-Levi/ ſchlug ſeinen Helm auff/
und redete ihn alſo an: Nun ſage mir Jude/ ob dich der Hohn gereue/ welchen du jenem
frommen Chriſtlichen Lehrer angetahn haſt/ ſo wil ich den gelindeꝛn Weg mit dir gehen/ wo
nicht/ ſo mache dich bald auff die Bahn. Dieſes ſeine Beyſteher fingen der Rede uͤberlaut
an zulachen/ und ſpien veraͤchtlich aus; der Ausgefoderte aber vermeynete des anmuhtens
vor Zorn zuberſten/ und antwortete mit grauſamer Stimme: O du elender Wurm/ wie
werde ich mich nur an dir einzigem gnug raͤchen? Ritte darauff ſelbſt zu dem Stathalter/
und ſagte: Er hoffete ja/ daß ihm als einem Ritter/ der ſich bißher in Roͤmiſchen Kriegen
ruͤhmlich gebrauchen laſſen/ vergoͤnnet ſeyn wuͤrde/ mit ſeinem Feinde nach Rittersbrauch
zuhandeln. Ja wol iſt ſolches zugelaſſen/ antwortete er/ aber nichts weiters/ ſintemahl euer
Beſtreiter ein aͤdler Roͤmiſcher Ritter iſt. Hiemit kehrete ſich der Jude gegen Valikules/
der feſten Einbildung/ ihn des erſten Rittes niderzulegen; Sie faſſeten beyde ihre Speere/
und wolten ſich des Schildes nicht gebrauchen; dann als Valikules ſahe/ daß jener den
ſeinen von ſich gab/ reichete er Gallus den ſeinẽ auch hin; Welches der Stathalter ſehend
zu ſeiner Geſelſchafft ſagete: Trauen dieſer junger Ritter hat wenig Furcht in ſeinem her-
zen/ und wil ſich gar keines Vortels gebrauchen/ welches ihm wol koͤnte zugelaſſen ſeyn;
waͤhre demnach immer ſchade/ daß er in dieſer bluͤhenden Jugend drauff gehenſolte/ und
in den erſten Lehr Jahren bleiben. Inzwiſchen ranten dieſe mit ſolchem Eifer zuſammen/
daß die Lufft ziſchete/ und im Treffen beyde Speere ſplittersweiſe in die Lufft flogen/ dz auch
Valikules hinter ſich zubeugen gezwungen ward/ welches ihm vor nie begegnet wahr. Deꝛ
Jude aber ward ſo unſanfft auff die Erde geworffen/ daß die Zuſeher nicht anders meyne-
ten/ er waͤhre ſchon tod. Herr Pompejus ſahe dieſes Wunder/ und ſagte: Dieſer junge
Held iſt wirdig/ daß er von aller Welt geehret werde. Es lief aber des Juden Pferd ſeineꝛ
Gewohnheit nach auff Valikules zu/ ſchlug und beiß nach ihm/ daß er muͤhe hatte/ ſich ſein
zuerwehren/ ſchaͤmete ſich doch das Schwert deswegen zuentbloͤſſen/ und gab ihm mit dem
uͤbrigen Speerſtuͤcke etliche Streiche hinter die Ohren/ daß es als raſend von dem Kampf-
platze hinweg lief. Unterdeſſen bekam der Jude Zeit ſich zuerhohlen/ ſtund auff/ und ſchaͤ-
mete ſich uͤber die maſſe/ daß er durch einen Stoß ſo ſchaͤndlich gefellet wahr; wolte doch
nicht gewonnen geben/ ſondern foderte ſeinen Schild wieder/ faſſete das Schwert/ und
ging auff Valikules zu/ welcher bald vom Pferde ſprang/ und ihm mit dieſen Worten ent-
gegen trat: Wie nun du unglaͤubiger Jude/ meyneſtu noch mit einem Buben zuſchaffen
zuhaben? Was nimſtu den Schild ſo bald wieder zur Hand? Noch iſt es Zeit/ Abtrag zu
machẽ/ hernach wird keine Gnade mehr uͤbrig ſeyn. Gallus wolte ſeinem Herrn dẽ Schild
auch darreichen/ aber er nam ihn nicht/ ſondern faſſete den Dolch in die linke/ und als der
Jude als ein ergrimmeter Loͤue auff ihn eindrang/ unterliefer ihm den Streich/ und ſtieß
ihm den Dolch in den linken Arm/ daß er den Schild nicht mehr halten kunte/ ſondern ihn
Q q q ijauff
[492]Drittes Buch.
auff die Erde fallen ließ. Dieſer ſahe/ daß ihm ſein Meiſter uͤber den Hals kommen wahr/
erwog ſich auch ſeines Lebens/ und bemuͤhete ſich nur/ ſeinen Feind mit in den Tod zuneh-
men/ daher er ihn mit ſolchem wuͤten uͤberfiel/ daß die Zuſeher etliche Zeit zweifelten/ wohin
der Sieg fallen wuͤrde. Valikules aber ließ ihn ſich wol abmatten/ gebrauchte hernach ſei-
ne Kraͤffte und Behendigkeit/ uñ ſprang ihm/ ehe er ſichs verſahe/ auf die Schulder/ ſchlug
ihm die Beine umb die Arme her/ daß er ſein Schwert nicht gebrauchen konte/ riß ihm den
Helm vom Haͤupte/ ſprang wieder von ihm/ und als er ſich in ſein Lager geſtellet hatte/ ſag-
te er: Wie nun Jude fuͤrchteſtu noch/ daß ich dir entlauffen werde? Wiltu noch Abbitte
tuhn wegen des angefuͤgten Schimpffs/ ſo erklaͤre dich kurz. Ich weiß nicht/ antwortete
dieſer/ ob du ein Menſch oder ein Teufel biſt; doch geſtehe ich mich zu nichts/ weil ich aller
Chriſten Feind leben und ſterben wil/ als deren ich ſchon mannichen erwuͤrget habe. Ich
hoͤre wol/ ſagte Valikules/ daß du kein Sadduzeer biſt/ weil du Teuffel ſeyn glaͤubeſt; und
weil du deine uͤbeltahten frey bekenneſt/ werde ich dich als einen Moͤrder abſtraffen; damit
ging der Scharmuͤtzel wieder an/ wehrete aber nicht lange/ maſſen dem Juden das Haͤupt
mit einem Streiche biß auff die Schulder von einander geſpaltet ward. Da ſolches der
Biſchoff ſahe/ hub er ſeine Haͤnde auf gen Himmel/ weinete vor Freuden/ uñ ſagete: HErꝛ
mein Gott/ dieſes iſt ja dein Werk. Valikules aber kehrete ſich umb zu den anweſenden Ju-
den/ und redete ſie alſo an: Ihr Juden/ laſſet euch dieſes ein Beyſpiel ſeyn/ und ſcheuhet
euch nach dieſem/ Chriſtliche fromme Lehrer zubeſchimpffen; Ihr wiſſet was vor Leibes-
Staͤrke und Erfahrenheit hinter dieſem geſtecket/ und dannoch hat mein JEſus ihn duꝛch
meine als eines Juͤnglings Hand nidergelegt. Ich moͤchte aber den vorigen abgeſchickten
wol abſonderlich ſprechen/ umb von ihm zuvernehmen/ ob ſein voriger Wunſch ihm noch
nicht entſunken ſey/ alsdann ſol er deſſen gewehret werden. Der freche Bube/ Nahmens
Benjamin gab ſich alsbald hervor/ und fing mit lauter Stimme an: Hoͤre du Unbeſchnit-
tener/ du haſt/ welches ich an deinen Waffen erkenne/ den Sieg wider den beſten Ritter deꝛ
Welt durch Zauberey erhalten/ maſſen man augenſcheinlich geſehen hat/ daß dieſelben mit
deines Feindes Schwerte nicht haben moͤgen verletzet werden/ woran du nicht ritterlich/
ſondern als ein Schelm gehandelt haſt. Wiltu nun/ daß ich dich beſtehen ſol/ ſo lege deine
Waffen ab/ und entlehne andere/ oder ſtelle dich ungewapnet mit Schild und Schwert/
dann ſol die Welt bald inne werden/ worin deine Krafft beſtehe. Ey du frecher Schaͤnder/
antwortete Valikules/ du komſt mir ja mit tollen Auffzuͤgen angeſtochen; meyneſtu etwa/
ich verrichte meinen Kampff durch den Schem Hamphoras/ dem ihr ſo groſſe Krafft zu-
ſchreibet? Und was ſageſtu? habe ich deinen ſo hochgeruͤhmten Ritter dann auch vom
Pferde gezaubert/ da er ſich im Sande umweltzete? Damit du aber ſeheſt/ daß mir dein
draͤuen nur ein hundiſches bellen ſey/ ſo lege bald deine Waffen abe; rief darauff Gallus zu
ſich/ welcher hinreiten muſte/ bey dem Stathalter umb weitere Erlaͤubniß zufechten anzu-
halten/ erlangete ſolche/ ließ ihm die Waffen abzihen/ und ging mit Schild und Schwert
auff ſeinen Feind loß/ welcher mit unerhoͤrter Verwaͤgenheit und blinder Wuht auff ihn
anfiel/ und mit lauter Kreuzhieben von ſich ſchlug/ welches ihm Valikules goͤnnete/ und
ihm ausweich/ aber hernach eintrat/ und ihm die rechte Fauſt im Gelenke ſo eben traff/ daß
ſie mit ſamt dem Schwerte auff die Erde fiel/ worauf er ſich nicht ſchaͤmete/ davon zu lauf-
fen/
[493]Drittes Buch.
fen/ und ſich unter einen hauffen Juden/ welche zuſahen/ ſich zuverſtecken. Aber der Stat-
halter ſchikte alsbald einen Haͤuptman ab/ und ließ/ die ihn zwiſchen ſich genommen hattẽ/
bedraͤuen/ dafern ſie den entlauffenen nicht alsbald darſtelleten/ ſolten ſie alle am Leben ge-
ſtraffet werden. Als der abgelauffene ſolches hoͤrete/ begehrte er von einẽ Juden ſein Bꝛod-
meſſer/ nam es in die linke Hand/ und ſchnitte ihm ſelber damit die Kehle ab; uͤber welchen
Wuht ſich Valikules und der Stathalter ſehr entſetzeten. Die uͤbrigen bewaffneten Judẽ
hielten einen Raht/ ob ſie alle zugleich auf Valikules einſtuͤrmen/ und ihn niderſchlagẽ wol-
ten/ ungeachtet ſie wieder ſterben muͤſten; wahren auch ſchon eins/ dieſen Mordfall zuwa-
gen/ aber der Stathalter befahrete ein ſolches/ und ſendete ihnen zehn geharniſchte Reuter
entgegen/ welches ihren Vorſatz brach/ und Valikules unangegriffen blieb. Derſelbe ging
nun zu fuſſe dem Stathalter entgegen/ welcher mit zimlicher eile zu ihm hin ritte/ dem er/ ſo
bald er zu ihm kam/ mit entbloͤſſetem Haͤupte vor ſeine Gegenwart dienſtlich dankete/ wel-
che auſſer allem zweifel ihm Schutz wider ſeines Feindes Anhang gehalten/ und ihr moͤrd-
liches Vorhaben gebrochen haͤtte. Er aber antwortete ihm: Treflicher Ritter/ ich bitte um
verzeihung/ dz anfangs ich an eurer gnugſamkeit habe gezweifelt/ nachdem euꝛe Tugend uñ
ſtaͤrke ich deꝛmaſſen beſchaffen ſehe/ dz ich ſchuldig bin euch zuehrẽ/ als welcheꝛ von meinem
allergnaͤdigſtẽ Kaͤyſer ſelbſt/ nit unbillich geehret iſt; Werdet demnach mir die freundſchaft
erweiſen/ uñ mit mir nach meiner Wohnung reiten. Valikules hingegẽ ſtellete ſich ſehr de-
muͤtig/ einwendend/ das unverdiente Lob machete ihn nur ſchamroht/ waͤre ſchuldig dem
Herrn Stathalter auffzuwarten/ und ihn biß an ſeinen Hof zubegleiten/ zweiffelte auch
nicht/ er wuͤrde darauff hochguͤnſtige Erlaſſung von ſeiner Durchl. erhalten/ weil ſeine
Reiſe ſehr eilig waͤhre. Herr Pompejus nam das Erbieten mit freundlicher Antwort an/
und ritten nach der Stad zu/ da er ihn baht/ ſeinen Nahmen unbeſchweret zumelden/ da-
mit er ihn als ſeinen Freund zu neñen wuͤſte. Hierin wolte er ihm nun gerne zuwillen ſeyn/
und ſagte: Mein Herꝛ/ aus gewiſſen Urſachen nenne ich mich dieſe Zeit Valikules/ ſonſt
iſt mein rechter Nahme Herkules. Herkules? ſagte der Stathalter/ umbfing ihn auch
mit dem linken Arme auff dem Pferde mit ſonderlicher Freundligkeit/ und fuhr alſo fort:
Euch danke ich ihr Goͤtter/ daß ich den trefflichen Helden und Erretter meines Vaterlan-
des kennen und ehren ſol/ maſſen ich durchaus nicht zweiffele/ er und kein ander Herkules
iſt es/ welcher durch gluͤkliche auffreibung der Raͤuber vor Padua/ ganz Italien vom ver-
derben befreiet hat. Dieſer wunderte ſich hoͤchlich/ daß dieſe Zeitung ſchon ſo weit uͤber
Meer erſchollen wahr/ gereuete ihn auch/ daß er ſeinen Nahmen genennet hatte/ und gab
zur Antwort; daß ich Italien vom Verderben befreien ſolte/ bin ich viel zu wenig; die Rau-
beriſche Rotte habe ich zwar nach meinem geringen Vermoͤgen helffen angreiffẽ/ wie auch
mein bruͤderliche Geſelle Ladiſla; aber dem Hochmoͤgenden Herrn Stathalter zu Padua
und ſeinem ritterlichen Sohne/ muß die Ehre dieſes Sieges billich vorbehalten werden.
Nein mein Herr/ ſagte Pompejus/ ſeine hoͤfliche Demuht heiſſet ihn ſo reden/ dann nicht
allein mein Schwager und bruͤderlicher Freund Herr Fabius/ ſondern Kaͤyſerl. Hocheit
ihr Hoffmeiſter ſelbſt hat mir alles außfuͤhrlich beſchrieben/ auch was vor Ehren-Gedaͤcht-
nis den beyden Fremden unvergleichlichen Helden auffgerichtet ſind. Freilich hat man
uns weit uͤber unſer Verdienſt und Wirdigkeit erhoben/ antwortete er/ aber uns dadurch
Q q q iijzu
[494]Drittes Buch.
zu ewigen Dienſten verbunden/ wann ſie nur von uns koͤnten geleiſtet werden. Damit lan-
geten ſie vor dem Hofe an/ ſtiegen ab/ und gingen ingeſamt hinein. Der Stathalter hatte
ſeinem Gemahl Fr. Terenzia/ und ſeinem einzigen Kinde/ Frl. Lukrezien ſchon zuentboh-
ten/ daß er einen vornehmen fremden Herꝛn mit ſich bringen wuͤrde/ daher ſie ſich in der
Eile außgeputzet hatten/ warteten auch ſchon im innerſten Platze auff/ denſelben zuempfa-
hen/ welcher dann mit entbloͤſſetem Haͤupte ihnen entgegen trat/ und ſeine Hoͤfligkeit in ge-
berden und Worten gnug ſpuͤren ließ/ daß ſie ſich uͤber ihn nicht gnug verwundern kunten;
weil er dañ ſahe/ daß dieſes tages auß ſeineꝛ Reiſe nichts werden wolte/ lies er ſich von Gal-
lus entwapnen/ legte ein zierliches Kleid an/ und befahl die Pferde nach der vorigen Her-
berge zubringen/ welches doch der Stathalter nicht zugab/ ſondern ließ ſie in ſeinen Mahꝛ-
ſtal zihen/ ſendete ſeine Diener mit Gallus nach ſeiner vorigen Herberge/ und ließ alle ſei-
ne Gelder und andere Sachen auff ſeinen Hoff tragen/ lhn aber fuͤhꝛete er mit ſich auff den
Eſſeſaal/ weil es hohe Zeit wahr Speiſe einzunehmen/ ſetzete ihn gegen Frl. Lukrezien uͤber/
die ohngefehr von XV Jahren wahr/ und erboht ſich/ den Chriſtlichen Biſchoff gerne zur
Mahlzeit zu fodern/ dafern es ihm lieb ſein koͤnte/ und ihre Geſelſchaft umb ſo viel groͤſſer
waͤhre. Herkules ſtellete es zu ſeinem gefallen/ ſagte/ er koͤnte nit laͤugnen/ daß er ein Chꝛiſt
waͤhre/ und dieſen Glauben zu Rom gefaſſet haͤtte/ im welchem er gedaͤchte Gottſellg zu
Leben uñ willig zuſterben/ deßwegen er mit dieſem frommen Lehrer vor zween Tagen Kund-
ſchafft gemacht/ und nach Chriſtlichen Satzungen ſich im Jordan haͤtte taͤuffen laſſen.
Pompejus antwortete ihm: Mein geliebter Herꝛ und Freund/ ob ich zwar Roͤmiſches
glaubens lebe/ wie meine Vor Eltern/ ſehe ich doch mehr auff Tugend als Glaubens un-
terſcheid/ und wird kein Chriſt Urſach haben/ uͤber mich zu klagen/ als ſolte ich ihnen ihrer
Lehre halben zuſetzen; daß ich aber den Juden in meinem Herzen niemahls hold geweſen/
geſtehe ich gerne/ und iſt die Vrſach/ daß ſie uns unwirdig achten/ mit denen ſie eſſen und
trinken ſolten. Sandte darauff alsbald hin/ und ließ den Biſchoff freundlich zur Mahlzeit
laden/ welcher dieſer Gnade nicht gewohnet wahr/ und leicht gedachte/ es geſchaͤhe dem
jungen Herrn zu ehren; ſtellete ſich willig ein/ wuͤnſchete dem Stathalter gluͤkliche Her-
ſchung/ und neben allen den ſeinen/ langes Leben; bedankete ſich untertaͤhnig der geſchehe-
nen Ehre und Einladung/ und baht/ ihm und der armen Chriſtenheit mit Gewogenheit
und Gnade zugetahn zuverbleiben. Der Stathalter wahr noch nie mit ihm umbgangen/
ſeine Gottfuͤrchtige Reden aber gefielen ihm wol/ und noͤhtigte ihn niederzuſitzen. Auch
Herkules ſtund auff/ und wolte ihm ſeinen Plaz geben/ welchen er doch nicht nehmen wol-
te/ einwendend/ es gebuͤhrete ihm nicht/ ſich hohen Fuͤrſtlichen Haͤuptern vorzuzihen; wel-
ches die Anweſende hoͤreten/ und nicht gedenken kunten/ auß was Landſchafft dieſer junge
Herꝛ ſeyn moͤchte. Herkules haͤtte lieber gewolt/ daß er dieſes Wort ſtecken laſſen moͤgen/
baht auch/ ihn mit uͤberfluͤſſiger Ehre zuverſchonen/ weil er nur als ein Umſchweiffender
Ritter/ den Abenteuren in der Welt nachzoͤge. Uber Mahlzeit gab es allerhand Geſpraͤch;
dann Pompejus wahr ein Weltkluger Mann/ und forſchete/ ob auch Weißheit hinter dem
jungen Herꝛn ſteckete/ deſſen er aber mehr fand als er hoffen moͤgen/ und ſich nicht enthal-
ten kunte/ zu dem Biſchoff in Syriſcher Sprache zuſagen; es muͤſte ein guͤnſtiger Him̃el
ſeyn/ und ſehr geſchlachtetes Land/ da Weißheit ſich bey ſolcher Jugend fuͤnde. Das ſchoͤ-
ne Fraͤu-
[495]Drittes Buch.
ne Fraͤulein aber ward gegen ihn ſo inbruͤnſtig verliebet/ daß ſie kein Auge von ihm abwen-
den kunte/ und uͤber ſeinen freundlichen Reden/ eſſens und trinkens vergaß/ welches ihr
Vater zeitig wahrnam/ und ſich eines mehren daher beſorgete. Fr. Terenzia ſuchte auch
Gelegenheit mit ihm zu ſchwaͤtzen/ und fragete/ wie es ihrem geliebeten Schwager H.Q.
Fabius ginge/ welches er kuͤrzlich beantwortete/ er wuͤſte nicht anders als wol/ wuͤrde von
jederman wert und in ehren gehalten/ und haͤtte neulich ſeine Tochter Frl. Sophien an
ſeinen nahen verwanten Herꝛn Ladiſla verheyrahtet/ weil er ſie aus etlicher Raͤuber Haͤn-
den ritterlich erloͤſet; ſo hielte ſich auch Herr. M. Fabius Tochter/ Frl. Sibylla vom Rom/
bey jetzt gedachter ihrer Waſen auff/ welche aus eines Raͤubers des ſtolzen Silvans Haͤn-
den loßzumachen er das hohe Gluͤk gehabt haͤtte. Ach mein Herr/ ſagte Fr. Terenzia/ deß
muͤſſen euch die Goͤtter lohnen/ dañ dieſes Fraͤulein iſt meiner leiblichen Schweſter Toch-
ter/ ſo iſt mein Herꝛ und Gemahl mit Fr. Pompejen zu Padua/ Gebruͤder Kind/ zweiffele
auch nicht/ mein Herꝛ Schwager wuͤrde ſeine einzige wolger ahtene Tochter einem frem-
den Herrn nicht geben haben/ dafern er deren nicht wirdig waͤhre. Nach dieſes Geſpraͤchs
Endigung kunte das liebe Fraͤulein ſich laͤnger nicht enthalten mit ihm zu ſprachen/ bedan-
kete ſich demnach gegen ihn/ daß er ihrer geliebten Waſen guten Zuſtand ihr haͤtte anmel-
den wollen/ moͤchte wuͤnſchen/ die Gelegenheit zu haben/ ſie dereins zu ſprechen/ haͤtte faſt
gemeinet/ ihre Frau Waſe/ Fr. Sophia wuͤrde ihr die Ehre getahn/ und ſie auff ihr hoch-
zeitliches Feſt eingeladen haben/ weil in der Kindheit ſie gar vertraulich umgangen/ und
mit einander aufferzogen waͤhren; daher ſie nicht anders als Schweſtern gelebet. Herku-
les antwortete ihr: Vortrefliches hochgebohrnes Fraͤulein/ ich wolte dieſes leicht errah-
ten haben/ da ich ſie erſtmahls ſahe/ inbetrachtung/ daß ſie mit Reden/ Sitten und Geber-
den ſehr gleich einſtimmen; erinnere mich auch/ das ſie ihrer Frl. Schweſter/ Frl. Lukre-
zien unterſchiedliche Erwaͤhnung getahn/ zweiffele nicht/ da die geſchwinde Eile es nicht
verhindert/ wuͤrde mein Fraͤulein vor allen andern zum Hochzeit Feſt erbehten ſeyn; ſonſt
geſtehe ich/ das Hochgedachte Frau und Fraͤulein mir in auffrichtiger keuſcher Liebe der-
maſſen zugetahn ſind/ das unſere Schweſter- und Bruͤderliche Freundſchafft nimmer-
mehr brechen wird. Solches iſt mir ſehr lieb zu hoͤren/ ſagte das Fraͤulein/ wundert mich
aber/ warumb mein Herr von ſo lieben Freunden und aus ſo luſtiger Landſchafft ſich an
dieſe durch Krieg verwuͤſtete oͤrter begeben koͤnnen. Mein Fraͤulein/ antwortete er/ es hat
mich trauen Wolluſt nicht uͤber Meer getrieben/ ſondern H. Ladiſlaen Schweſter/ meine
ſehr nahe Blutfreundin/ iſt von etlichen See Raͤubern hinweg nach dem Parther Lande
gefuͤhret/ welche ich zu retten ſuche/ hoffe auch zu meinem Gott/ er werde mir Krafft und
Gluͤk verleyhen/ es zum gewuͤnſchten Ende zubringen. Iſt ſie dann ein Roͤmiſches Fraͤu-
lein? fragete ſie. Nein/ ſagte er/ ſie iſt aus einer abgelegenen Landſchafft/ welche die Roͤmer
vor Barbariſch halten/ aber meiner geringen Urtel nach/ wirdig/ daß die Welt ſich ihrer
Erloͤſung annehme; iſt ihres alters von XV Jahren/ aber ſolcher Herzhafftigkeit/ daß ſie
ſich nicht hat wollen gefangen geben/ biß ſie ſieben Raͤuber/ teils mit Pfeilen teils mit dem
Schwerte nidergemacht; und weil ſie ſich vor einen Juͤngling außgegeben und verkleidet/
wird ſie auch in ſolchem Wahn fortgefuͤhret/ dem groſſen Parthiſchen Koͤnige Artaba-
nus zur ſonderlichen Verehrung/ wegen ihrer Schoͤnheit. So muß ſelbiges Land ritter-
liche
[496]Drittes Buch.
liche Leute zihen/ antwortete ſie/ weil die zarten Fraͤulein dergeſtalt mit ihren Feinden wiſ-
ſen umbzugehen/ uñ wird mein Herr derſelben ſehr hoch verbunden ſeyn/ daß er ihr durch
ſo manniche Gefahr ſo gar einſam folget. Ja mein Fraͤulein/ ſagte er/ ſie iſt mir ſo nahe
verwand/ daß wir einen Großvater gehabt// und da ich von meinem Gott das Gluͤk erhal-
ten werde/ ſie wieder zu finden/ wil euer Liebe ich verſprechen/ dieſes Orts mit ihr einzukeh-
ren. Es ſol mir ſehr lieb ſeyn/ ſagte ſie/ und wuͤnſche meinesteils daß es bald geſchehen
moͤge/ werde alsdan bey meinen herzlieben Eltern anſuchen/ ob mir koͤnte erlaubet ſeyn/ mit
ihnen nach Padua zu ſchiffen/ umb meine Verwanten daſelbſt zubeſuchen. Ihr Vater
lachete deſſen und ſagte zu ihr; Mein geliebtes Kind/ hievon werden wir hernaͤhſt zureden
haben/ iſt es dann ſache/ und dieſem Herrn nicht zuwieder/ kan ich leicht ein Schiff auß-
ruͤſten/ und euch nach Padua bringen laſſen. Herkules gab zur Antwort/ er waͤhre ſeiner
hochwerten Fraͤulein ſtets bereitwilligſter Knecht/ deren nach moͤgligkeit auffzuwarten/
er Zeit ſeines Lebens wolte gefliſſen ſeyn. Das gute Fraͤulein kunte ſeiner freundlichen
Reden nicht ſat werden/ baht daher nach gehaltener Mahlzeit/ ihr zuerzaͤhlen/ wie ſichs mit
ihrer beyden Waſen Raubung und Erloͤſung eigentlich zugetragen haͤtte; welches er ih-
nen außfuͤhrlich/ wie auch die Beſtuͤrmung des Raubneſtes beſchrieb/ und ſie/ bevorab deꝛ
Biſchoff es mit ſonderlicher Luſt und Begierde anhoͤreten/ auch ſich verwunderten/ wie
er ſo zierlich Latein redete/ da er doch auſſer Roͤmiſchen Gebiet gezeuget wahr. Nachge-
hends ſuchte er Gelegenheit/ bey dem Stathalter umb Schuz der armen Chriſtenheit des
Orts bitlich anzuhalten/ und redete ihn alſo an: Großmaͤchtiger Herr Stathalter/ dafern
mir frey ſtuͤnde/ eine bitte bey demſelben abzulegen/ wolte ich demuͤhtige Anſuchung tuhn/
daß er ihm die unſchuldige Chriſtenheit dieſes Orts beſtermaſſen moͤge laſſen anbefohlen
ſeyn/ als lange ſie im erbaren Leben verharren/ und ihrer von Gott ihnen vorgeſetzeter
Obrigkeit in allen Weltſachen gebuͤhrliche Ehr und Gehorſam leiſten/ damit ſie nicht we-
gen des Chriſtlichen Glaubens moͤgen geſchaͤndet und verfolget werden; da aber jemand
unter ihnen iſt/ welcher ſich der Boßheit und Laſter befleiſſiget/ wie dann leider auch ſolche
unter ihnen gefunden werden/ vor ſolche ſol meine bitte durchaus nicht gemeinet ſeyn; nur
daß umb etlicher weniger willen/ nicht die ganze Gemeine moͤge Noht und Gefahr leiden.
Der Stathalter antwortete ihm: Mein geliebter Herr und Freund/ was er an mich be-
gehret/ iſt der Billigkeit ohn daß Gemaͤß; er ſol ſich aber zuverſichern haben/ daß die Chri-
ſtenheit deſſen genieſſen wird/ als lange ich alhie das Stathalter Amt verwalte/ und da ich
meinen Nachfolger eben deſſen bereden kan/ ſol es von mir nicht aus der acht gelaſſen
werden/ dann es verdreuſt mich nicht wenig/ daß zu Rom und an anderen Orten den Chri-
ſten ſo unguͤtlich zugelegt wird/ als verehren ſie einen Eſelskopf an ſtat ihres Gottes/ deſ-
ſen ich viel anderen Beweißtuhm eingezogen habe; und damit meine Gutwilligkeit ich ei-
nesteils auch in der Taht ſpuͤren laſſe/ ſol der Biſchoff alhie gegenwaͤrtig von mir jaͤhr-
lich ſechs Fuder Korn/ zehn Ochſen/ 30 Schaffe/ und ein Fuder Wein zu der Lehrer un-
terhalt zuheben haben/ ſo lange ich dieſes Amt verwalte; dagegen ſollen ſie vor Roͤmiſche
Kaͤyſerl. Hocheit/ vor des Roͤmiſchen Reichs auffnehmen/ und vor meine und der meinen
Wolfahrt bitten. Der Biſchoff ſtund auff und dankete mit gebogenen Knien und flieſſen-
den Augen/ nebeſt dem verſprechen/ er und die ganze Chriſtliche Kirche ſeines Biſtuhms
wolten
[497]Drittes Buch.
wolten nicht nachlaſſen/ Gott im Himmel anzuruffen/ daß er ſolche milde Gnade hier zeit-
lich mit allem Segen/ und dort ewig mit himliſchen Freuden reichlich erſetzen wolte; ſon-
ſten unterlieſſen ſie ohndaß nicht/ vor Roͤmiſche Kaͤyſerl. Hocheit und ihre vorgeſezte O-
brigkeit in allen ihren Verſamlung[e]n zu behten. Es ward ſonſt dieſer Tag mit allerhand
Geſpraͤch zugebracht/ da unter andern der Stathalter unſerm Herkules anboht/ daß wañ
ihm damit gedienet waͤhre/ wolte er ihm einen offenen Befehl an alle Beamten dieſer Moꝛ-
genlaͤnder Roͤmiſches Gebiets/ gerne mitteilen/ daß ſie ihm mit Leuten/ Pferden und Gelde
allemahl ſolten behuͤlflich ſeyn; dann er hatte ſolche Zuneigung in ſo kurzer Zeit auff ihn
geworffen/ daß zwiſchen Vater und Sohn ſie nicht herzlicher ſeyn moͤgen. Herkules be-
dankete ſich der angebohtenen Huͤlffe/ wolte ſolches Schreiben zu allem Dank annehmen/
und doch acht haben/ niemande beſchwerlich zu ſeyn. Als der Tag verfloſſen/ un[d]
es Zeit zur Ruhe wahr/ nahm Herkules von dem Stathalter freundlichen Abſcheid/ weil
ſein Vorhaben die Eile erfoderte/ und er ſchon durch unterſchiedliche Hinderniſſen auf ſei-
ner Reiſe waͤhre auffgehalten worden; Aber Herr Pompejus verwieß ihn zuvor an ſein
Gemahl und Tochter/ bey denen er ſolches erſtlich ſuchen wuͤrde. Er hatte ihm vorgenom-
men/ ohn weiter verweilen fortzugehen/ fuͤrchtete aber ſehr/ auffgehalten zuwerden/ deßwe-
gen er mit bewaͤglicher Rede zu der Stathalterin ſagte: Hochgebohrne Frau; der Ehren
mir allhie begegnet/ erkenne ich mich unwirdig/ inſonderheit/ weil mirs an gelegenheit feh-
let es zuwiederkehren/ hoffe doch/ dereins das Gluͤk anzutreffen/ daß ich ein dankbegieriges
Herz/ wo nicht leiſten/ doch werde zeigen koͤnnen; Vor dißmahl aber iſt meine inſtaͤndige
Bitte/ mich großguͤnſtig zuerlaſſen/ damit durch Verſaͤumniß ich nicht ſchuld tragen moͤ-
ge an dem/ was dieſem Fraͤulein/ der ich folge/ arges zuſtoſſen kan; Im uͤbrigen verbleibe
ich meiner gebietenden Frauen ohn Einrede/ verbundener Knecht/ dienſtlich bittend/ ſie
wolle dieſes ſchlechte Ringelein (welches er ihr reichete) zum Gedaͤchtniß meiner Schuld
bey ihr behalten/ biß mir gelegenheit zuſtoſſet/ es mit einem wichtigern zuverbeſſern. Frau
Terenzia antwortete: Mein hochgeliebter Herr Sohn; wie ſolte ich dann nicht ſo bitſelig
ſeyn/ etwa eine Woche bey ihm zuerhalten/ damit ich nur Anzeige tuhn koͤnne/ wie genehme
Freundſchaft er mir in Rettung meiner Waſen geleiſtet? Zwar es muͤſte mir herzlich leid
ſeyn/ wann dem treflichen geraubten Fraͤulein ein mehres uͤber ihre Gefaͤngniß zuſtoſſen
ſolte; weil aber eine ſo geringe Zeit ihr verhoffentlich nicht ſchaden wird/ weiß ich ſchon/ dz
ein ſo hoͤflicher Ritter/ mir eine geringe friſt nicht kan verſagen/ wil auch wegen Gedaͤcht-
niß/ deren meiner gantzen Freundſchafft geleiſteten Dienſte dieſen Ring gerne annehmen/
dabey ich mich ſtets erinnern werde/ wie viel meinem Herrn Sohn ich ſchuldig verbleibe.
Herkules ſahe wol/ wohin es geſpielet wahr/ und weil er Ehrenhalben anders nicht kunte/
verſprach er/ den folgenden Tag gehorſamlich zubleiben; Trat hernach zu dem Fraͤulein
mit dieſen Worten: Hochgebohrnes Fraͤulein/ ich rechne es trauen unter meine hoͤchſte
irdiſche Gluͤkſeligkeiten/ die groſſe Ehrezuhaben/ und in ihre Kundſchafft gerahten zuſeyn;
Da ich nun foͤrder das Gluͤk haͤtte/ in die Zahl ihrer minſten Diener auffgenommen zu-
werden/ koͤnte mir angenehmers nicht wiederfahren/ maſſen uns die Erbarkeit treibet/ da-
hin zuſtreben/ was vor andern geehret zuſeyn wirdig iſt/ gebuͤhrlich zubedienen. Es tuht
mir aber ſehr leid/ daß ich keine gelegenheit habe/ deroſelben ſcheinen zulaſſen/ wie teur und
R r rhoch
[498]Drittes Buch.
hoch ich Zucht und Tugend an ihr und ihres gleichen achte/ getroͤſte mich dannoch zu Gott
der Gnade/ er mein Leben auch zu ihrem Dienſte und Gehorſam ſparen werde/ damit man
nicht ſage oder gedenke/ Herkules ſey williger Woltahten anzunehmẽ/ als zuvergeltẽ; zwar
wie ſchlecht mein Vermoͤgen ſey/ weiß vielleicht niemand beſſer als ich; jedoch hat mich
noch allemahl dieſes gemuhtiget/ daß Tugend und Witz nicht ſo viel auf Wichtigkeit der
Taht als des Willen haͤlt; und weil meiner geraubeten Frl. Waſe und Schweſter aͤuſſeꝛ-
ſte Noht mich zwinget/ Tag und Nacht zueilen/ gelebe ich der gaͤnzlichen Zuverſicht/ mein
gebietendes Fraͤulein werde meinen Abzug mehr befodern als verhindern helffen. Solte
ich aber durch Verguͤnſtigung ihrer lieben Eltern uñ ihrer ſelbſt/ ihr ein geringes gedaͤcht-
niß meiner aͤuſſerſten Schuldigkeit bieten duͤrffen/ waͤhre meine inſtaͤndige Bitte/ ſie dieſes
geringfuͤgige paar Armbaͤnder (welche von lauter Demanten ſchimmerten) ihrem Knecht
zu ehren annehmen wolle/ zum minſten/ von wegen der vertraulichen ſchweſterlichen Lie-
be/ mit welcher/ ohn unzeitigen Ruhm zumelden/ ihre hoͤchſtgeliebeten Frau und Fraͤulein
Waſen mir unwirdigem zugetahn ſind. Die Eltern hoͤreten dieſe Rede an/ und furchten
ſich/ ihre annoch junge Tochter wuͤrde nicht beſtand ſeyn/ hierauff zuantworten; welche a-
ber durch die in ihrem Herzen aufſteigende Liebe ſatſam unteꝛwieſen/ es alſo eꝛſetzete: Hoch-
beruͤmter Ritter uñ Herr/ da ſo wol mir als meinen geliebeten Waſen ſein Stand eigent-
lich bekant ſeyn wuͤrde/ wolte ich mich befleiſſigen/ ihn der gebuͤhr zuehren/ weil aber mein
Herꝛ noch zur Zeit ein umſchweiffender Ritter wil gehalten ſeyn/ muß nach ſeinem Willẽ
ich mich billich richten. Die erzeigete Ehre/ deren mein Herr ſich dermaſſen hoch bedanket/
iſt trauen viel zu ſchlecht/ daß ſie ſol genennet werden/ maſſen uns ja Zeit muͤſte vergoͤnnet
ſeyn/ da wir vor geleiſtete Dienſte und Rettung der unſern/ in etwas dankbar ſeyn ſolten;
Uberdas fodert mein Herꝛ an mich/ ihn unter meine Diener anzunehmen/ deren ich doch
keine habe/ und mir ſchwer fallen wuͤrde/ mich ſeines gutẽ Willens zuverſichern/ geſtaltſam
er nur eilet von uns zuſcheiden. Daß meine geliebte Waſen ihn in ſonderliche Vertrau-
ligkeit auffgenommen/ darzu ſind ſie gnugſam verbunden/ nachdem ſie ihm Ehr und Leben
zudanken haben; erkenne auch daher/ wie viel meinem Herrn ihretwegen ich ſchuldig bin.
Zwar ſeiner vortreflichen Fraͤulein Waſen Erloͤſung zuhemmẽ/ wil mir keines weges ge-
buͤhren; wie aber/ wann mein Herr/ etwa im heutigen Kampffe eine Wunde empfangen
haͤtte? muͤſte er derſelben nicht abwarten? Ich meines teils goͤnne ihm dieſelbe nicht; abeꝛ
er gedenke/ bitte ich/ als ob er ein acht oder zehn Tage betlaͤgerig ſeyn muͤſte/ und leiſte in-
zwiſchen uns alhie in Geſundheit ſo viel angenehmere Geſelſchafft/ alsdann werden wir
meines Herrn erbieten nicht vor ein bloſſes erbieten halten; Das angebohtene par Arm-
baͤnder iſt zu koͤſtlich/ einer unverdienten zuſchenken/ wann aber meine liebe Eltern nit wi-
derſprechen/ nehme ichs von ihm als einem in Ehren hochwerten Freunde an/ und wie es
das erſte iſt/ mir von einem fremden geſchenket/ ſol mirs nicht unangenehm ſeyn/ da ich nur
wiſſen moͤchte/ wie ein Fraͤulein es wieder zuverſchulden gehalten ſey; jedoch was hierin
meiner Jugend Unverſtande abgehet/ werden meine liebe Eltern zuerſtatten ihnen ange-
legen ſeyn laſſen. Herkules bedankete ſich der Ehren/ wendete ein/ er waͤhre in Hoffnung
geſtanden/ beſſere Gnade des abſcheidens bey ſeinem gebietenden Fraͤulein anzutreffen/ uñ
fuͤnde ſie noch viel geſtraͤnger als ihre Eltern ſelbſt; weil er dann ihrer Fr. Mutter einen
Tag
[499]Drittes Buch.
Tag gehorſamete/ wolte er ihrer Liebe des andern Tages auffwarten/ unter der Hofnung/
ſie wuͤrden ſeine Eile nicht der Grobheit/ ſondern der Noht zuſchreiben/ auſſer welcher er
manniche Jahr ohn einige Wegerung ſich in ihren Dienſten wolte finden laſſen. Herr
Pompejus merkete aus ſeiner Ernſthafftigkeit/ daß weiteres noͤhtigen ihm nur wuͤrde veꝛ-
drießlich ſeyn/ bedankete ſich demnach der beyden verſprochenen Tage/ jedoch mit dem be-
dinge/ daß auff ſchier folgende gluͤkliche Ruͤkreiſe er dergleichen Eilfertigkeit ſich begeben
wuͤrde/ und wuͤnſcheten ihm hier auff eine gluͤkſelige Nacht. So bald die Eltern Abſcheid
genommen hatten/ nahete ſich das Fraͤulein zu ihm/ und fragete mit gar anmuhtigeꝛ Rede/
wie und warumb er doch ſo ſchleunig hinweg eilete/ und ihr nicht goͤnnen wolte/ gleichmaͤſ-
ſige Kund- und Freundſchafft zumachen/ wie ihre Waſen; Sie haͤtte nun dieſe Armbaͤn-
der empfangen/ da ſie ihn kaum geſehen/ nnd wuͤrde ihr nicht Zeit gegoͤnnet/ ſich zubedenkẽ/
auf was weiſe ihre Dankbarkeit anzuſtellen waͤhr. Herkules ſpuͤrete ihre gute Gewogen-
heit gar wol/ wolte ihr aber keine Urſach einiger Hoffnung geben/ und nach gebohtenem
Handkuſſe antwortete er ihr alſo: Mein hochwertes Fraͤulein/ Gott iſt mein Zeuge/ daß
ich hoͤchſtwichtige Urſachen habe/ mit meiner Reiſe moͤglichſt zueilen/ ſonſten waͤhre ich ja
ſchuldig/ ihr und den lieben ihrigen/ als lange es ihnen belieben wuͤrde/ auffwaͤrtig zu ſeyn;
Ich verſichere aber mein Fraͤulein/ dafern Gott mein Leben ſparen wird/ ſie dieſes Orts
wieder zu ſprechen/ und alsdann ſo ſchleunig nicht hinweg zueilen. Das ſchlechte Geſchen-
ke iſt der Vergeltung viel zu unwirdig/ maſſen es nur zum Gedaͤchtniszeichen angeſehẽ iſt.
Ja mein Herr/ ſagte ſie/ er hat ſich wol zuverſichern/ daß kein Menſch dieſer Welt lebẽ ſol/
der mir dieſe angenehme Gedaͤchtniß mit meinem Willen entfremden wird/ werde es auch
von dieſem Tage an umb meinen Armen tragen/ und da er bey ſeiner gluͤklichen Wieder-
kunfft ſie an dieſer ſtelle (auf ihre Arme zeigend) nicht finden wird/ wil ich in ſeine wilkuͤhr-
liche Straffe verfallen ſeyn. Hiemit wuͤnſchete ſie ihm eine ruhige Nacht/ ging nach ihreꝛ
Eltern Kammer/ und legete ſich auff ihr gewoͤhnliches Bette. Das Feur aber/ welches ſie
in ihrem Herzen empfand/ machte ſie die Nacht uͤber ſehr unruhig/ und wie hefftig ſie ſich
auch zwang/ kunte ſie doch ihr anliegen ſo gar nicht verbergen/ daß ihre Eltern deſſen nicht
ſolten wahr genommen haben/ die doch/ ihrer Zucht gnug trauend/ ſich deſſen nicht merken
lieſſen. Dagegen wuͤnſchete Herkules/ daß die verſprochenen Tage ſchon moͤchten geendi-
get ſeyn/ und da er des Morgens fruͤh auffſtund/ befahl er Gallus die Pferde fertig zuma-
chen/ dann er waͤhre willens/ ein wenig zur Luſt auszureiten. Dieſer gehorſamete willig/ uñ
in dem er alles verfertigte/ erinnerte ihn des Stathalters Diener/ ſein Herr haͤtte ſich wol
vorzuſehen; dann es waͤhren geſtriges Abends etliche unbekante geweſen/ die fleiſſig nach
ſeinem Auffbruch gefraget/ und was Weges er reiſen wuͤrde. Gallus taht es ſeinem Herꝛn
bald zuwiſſen/ der hieraus unſchwer urteilete/ es muͤſtẽ etliche Juden ihm aufflauren/ ging
zu dem Stathalter/ und berichtete ihn deſſen/ baht auch/ er moͤchte ihm ſeinen Anſchlag ge-
fallen laſſen/ indem er zum ſchein gleich jezt auffbrechen/ und den Weg nach Emahus vor
ſich nehmen wolte; koͤnte er nun einer Anzahl Reuter bemaͤchtiget ſeyn/ die ihm von ferne
folgeten/ zweifelte er nicht/ er wuͤrde gar bald etliche Juden antreffen/ die einen moͤrdlichen
Anſchlag auff ſein Leben gemacht haͤtten. Herr Pompejus erſchrak deſſen/ ließ ihm doch
dieſe Meynung wolgefallen/ und gab einem ſeiner Ausreiter Befehl/ ſich des Weges un-
R r r ijvermer-
[500]Drittes Buch.
vermerket zuerkuͤndigen/ welcher bald wieder kam/ und berichtete/ daß ihm unterſchiedliche
Geſelſchafften/ von zehn und mehr Mannen auffgeſtoſſen waͤhren/ welche alle mit gutem
Gewehr wol verſehen/ und er ſie vor Juden hielte. Darauff ließ der Stath alter in aller
ſtille 80 Reuter fich ruͤſten/ uñ auf allen fall fertig ſeyn. So bald Herkules mit ſeinem Gal-
lus wolgewapnet hinaus ritte/ ſahe er vorm Tohr einen leichten Reuter/ welcher/ ſo bald er
ihrer anſichtig ward/ Spornſtreichs davon rante; deſſen Gallus inne ward/ und es ſeinem
Herrn zeigete/ der ſich doch nichts daran kehrete/ ſondern ſanftmuͤhtig fortritte/ biß er ſechs
Reuter hinter einem Puſche nach der Linken zu gewahr ward/ welche/ ſo bald ſie ihn ſahen/
auf ihn zuſetzeten/ daher Gallus von ſeinem Herrn eriñert ward/ das Gewehr fertig zu hal-
ten/ und jenen nach den Faͤuſten zuſehen; ritte alſo fort/ und taht/ als gingen dieſe ihn nicht
an; doch da ſie naheten/ gruͤſſete er ſie mit ernſthafften Geberden/ uñ fragete/ ob dieſer Weg
nach Emahus truͤge. Ihr Fuͤhrer fragete hinwieder/ was er da zuſchaffen haͤtte? Darauf
habe ich mich noch zubedenken/ antwortete er/ ob ich euch antworte/ maſſen ich mir nicht
einbilden kan/ daß ihꝛ von der Landes Obrigkeit hieher geſetzet ſeyd/ reiſende Leute zurechtfeꝛ-
tigen. Wol/ ſagte dieſer/ ſo werde ich dir antworten muͤſſen/ weil ich ſehe/ daß der Trotz dir
noch nicht vergangen iſt/ und verſichere dich demnach/ daß du nach Emahus nimmermehr
kommen wirſt/ fielen auch zugleich/ teils mit Streit Axten/ teils mit kurzẽ Schwertern ganz
grimmig und verwaͤgen zu ihm ein/ daß Gallus im erſten Scharmuͤtzel am linken Schen-
kel ſehr gefaͤhrlich verwundet waꝛd. Herkules ſeumete ſich nicht/ ſchlug ihrer zween von den
Pferden/ ehe die andern es recht inne wurden/ empfing aber auch eine tieffe Wunde in die
rechte Schulder von einer Streit Axt/ daß er wol empfand/ er das Schwert in die Harre
nicht wuͤrde fuͤhren koͤnnen. Gallus erlegte auch einen/ und machte ſich an den Fuͤhreꝛ/ wel-
chen er aufhielt/ ſo viel ſeine Verwundung es zulaſſen wolte. Sein Herr hatte ſich zweyer
zuerwehren/ und taht ihnen ſo gedrange/ dz ſie endlich beyde zu bodem ſtuͤrzten/ gleich da die
80 Reuter daher ſtuͤrmeten/ weil ſie des Gefechtes zeitig wahren inne woꝛden/ und nahmen
den Juden/ der Gallus Meiſter ſchier worden waͤhre/ gefangen/ welcher ſchon ſuchte/ ſich
ſelbſt zuentleiben. Er ward wegen des moͤrdlichen uͤberfalls befraget/ wolte aber nichts be-
kennen/ biß man ihm einen Strik umb den Kopff legete/ und mit einem Stecken zudrehete/
da verriet er den Anſchlag/ es haͤtten noch 112 Gewapnete Juden zu Fuſſe den Weg nach
Emahus beſetzet/ und ſich verſchworen/ keine Kleider abzulegẽ/ biß Ben-Levi tapferes Blut
an ſeinem Moͤrder gerochen waͤhre. Darauf gab ihnen Herkules den Raht/ es ſolten ihrer
40 umhin hauen/ und von Emahus her ſie ausſpuͤren/ auch die ſie lebendig bekommen koͤn-
ten/ gefangen nehmen/ und die uͤbrigen nidermachen; Die andern aber ſolten noch etwas
ſtille halten/ hernach des Weges nach Emahus langſam fortreiten/ und ſich gegen die be-
wehreten Juden gleich ſo bezeigen; Er vor ſein Haͤupt wolte ihnẽ gerne die huͤlfliche Hand
bieten/ muͤſte aber wegen harter Verwundung umkehren/ und neben ſeinen Dieneꝛ ſich veꝛ-
binden laſſen; nahm doch zween Reuter mit ſich/ welche den Gefangenẽ fortſchleppen mu-
ſten. Als er auff des Stathalters Hof ritte/ ſahe ihn das Fraͤulein ganz blutig daher kom-
men/ deſſen ſie ſehr erſchrak/ und ihm entgegen rief: O Herꝛ Herkules/ wie gehet diß zu? wie
ſeyd ihr ſo blutig? Es hat keine ſonderliche Gefahr/ mein Fraͤulein/ antwortete er/ wann ich
nur bald einen guten Wund Arzt haben kan. Es wahr bald einer verhanden/ und kam der
Stat-
[505[501]]Drittes Buch.
Stathalter auch herzu gelauffen/ welcher ihn vom Pferde heben ließ/ weil er zimlich kraft-
los wahr. Da man ihm den Harniſch und das Wammes abgezogen hatte/ ſahe der Arzt/
daß der Schade nicht zuverachten wahr/ und hatte anfangs groſſe Muͤhe/ das Blut zuſtil-
len/ biß er ſelbſt ſeinen/ ihm von Frl. Valiſken zugeſchikten koͤſtlichen Ring hervor ſuchen
ließ/ welcher noch das beſte taht/ wiewol er wenig Blut bey ſich uͤbrig hatte/ daher/ wie feſt
er ſich auch zuhalten meynete/ er endlich der Ohmacht weichen muſte; welches das liebe
Fraͤulein ſehend/ ihre Zuneigung nicht bergen kunte/ ſondeꝛn mit ihm zugleich dahin ſank/
daß kein Lebenszeichen an ihr erſchien; weil man aber allerhand kraͤfftige Waſſeꝛ zur hand
hatte/ wurden ſie endlich wieder erquicket/ und das Fraͤulein/ wiewolwider ihren Willen/
hinweg gefuͤhret. Nach geſchehener Verbindung legete man ihn auf ein Bette/ und wur-
den ihm etliche Diener zugegeben/ die ſein fleiſſig warten muſten. Inzwiſchen hatten die
Diener auch Gallus von einem unerfahrnen Arzt verbinden laſſen/ welcher ſich vernehmẽ
ließ/ der Schenkel muͤſte ihm gar abgenommen werden; deſſen er ſich nicht wenig herme-
te/ und begehrete/ dz ein ander Arzt herzu gehohlet wuͤrde/ daher/ ſo bald Herkules verbun-
den wahr/ ſein Arzt hergeruffen ward/ der auff Befehl den Schaden aufloͤſete/ und nach
wegwerffung aufgelegter Sachen/ die Wunde fein ſauber wuſch/ auch nachgehends aufs
neue verband/ dann/ ſagte er/ wo die auffgelegten Sachen zwoͤlff Stunden dꝛauff verblie-
ben waͤren/ wuͤrde er ſeines Schenkels ohn wordẽ ſeyn/ wolte ihn abernumehr verſichern/
daß derſelbe ihm ja ſo gerade und geſund werden ſolte als vorhin; welchẽ Troſt er ihm mit
12 Kronen vergalt/ und ſeines Herrn wegen ihm 30 Kronen vor den erſten Band lieferte.
Das Fraͤulein kunte nicht ruhẽ/ biß ſie erfuhr/ wie es Herkules erginge/ ließ ſeiner Aufwar-
ter einen zu ſich ruffen/ uñ befahl/ alsbald anzuzeigen/ da einige gefahr ſolte obhanden ſeyn.
Des Abends/ da die Wunde zum andern mahle verbunden ward/ fand der Arzt/ dz ſie ſich
fein geſetzet hatte/ und vermaß ſich naͤhſt goͤttlicher Huͤlffe/ ſie beyde in wenig Wochen voͤl-
lig auszuheilen/ woruͤber das Fraͤulein hoͤchlich ergetzet ward. Gleich dazumahl kam ein
Reuter/ und meldete an/ wie es den ausgeſchikten Schaaren ergangen waͤhre/ daß ſie un-
terſchiedliche harte Scharmuͤtzel mit den verwaͤgenen Juden gehalten/ und von den ihren
XII eingebuͤſſet/ dagegen XL erſchlagen/ und LXXII gefangen/ daß ihrer nicht ein einziger
waͤhre entrunnen/ woruͤber Herkules ſich herzlich erfreuete/ und Gottes augenſcheinlichen
Schutz ſpuͤrete/ dann menſchlicher weiſe zu urteilen/ waͤhre es unmoͤglich geweſen/ daß er
ihnen lebendig haͤtte entkommen koͤnnen/ da er recht unter ſie gefallen waͤhre. Der Stat-
halter ließ die Gefangenen alle wol verwahren/ daß ſie auff Herkules wieder erlangete Ge-
ſundheit verurteilet wuͤrden/ weil er/ ſie haͤrtiglich zu ſtraffen/ entſchloſſen wahr.


Alexander und Jungfer Brela verrichteten auffs fleiſſigſte/ was ihnen von Herku-
les befohlen wahr; dañ ſo bald ſie zu Korinth anlangeten/ gingen ſie nach Markus Woh-
nung/ und uͤberlieferten ihm ein Schreiben von Herkules/ worinnen er kuͤrzlich meldete/
wohin ſeine Reiſe ginge/ und was in dem Eylande Kreta ſich zugetragen haͤtte. Fr. Eu-
phroſyne machte mit Brelen gute Kundſchafft taht ihnen etliche Tage ſehr guͤtlich/ und
gab ihr ein Schreiben mit nach Padua an Fr. Agathen; ſo ſchrieb Markus an Fr. So-
phien/ was maſſen ſein Gn. Herꝛ Ladiſla nebeſt Fabius und Leches ihre Fahrt nach Zypern
gewendet/ von darab nach Syrien zuſchiffen. So bald Alexander in dem naͤheſten Hafen
R r r iijhinter
[502]Drittes Buch.
hinter Padua ankam/ ließ er ſeine Sachen auff Wagen laden/ und reiſete zu Lande nach
der Stad zu/ da er ſeine Liebſte mit bey ſich habenden Guͤtern in eine Herberge einkehren
ließ/ er aber gleich nach Herr Fabius Hoff ritte/ und ſich angab/ es haͤtte bey dem Herrn
Stathalter ein fremder Ritter/ ſo uͤber Meer kaͤhme/ einen Gruß und Werbung abzule-
gen. Nun wahr es gleich der andere Tag nach dem Kampfe/ welchen Klodius mit dem
boßhafften Volumnius gehalten/ und heut eine groſſe Gaͤſterey angeſtellet hatte/ auf wel-
che alle vornehmſte Rahtsherren und Kriegsbeamten ſamt ihren Frauen und Toͤchtern
eingeladen wahren. Herr Fabius lies den Fremden zu ſich auff den groſſen Saal fodern/
da die Geſelſchafft bey einander wahr/ welcher im hineintretẽ alle anweſende hoͤflich gruͤſ-
ſete/ und einen Diener baht/ ihm den Herꝛn Stathalter zu zeigen/ der ihm ſchon entgegen
trat/ und nach freundlicher empfahung fragete/ ob er in geheim mit ihm zu reden haͤtte/
wolten ſie in ein ſonderliches Gemach Abtrit nehmen. Er aber antwortete/ es waͤhre eben
ſo heimlich nicht/ ſondern haͤtte zuvor einen Gruß an den Herrn Stathalter und deſſen
Gemahl/ wie auch Fr. Tochter und andere Fraͤulein abzulegen/ denen allen ſamt und ſon-
ders ſein gnaͤdigſter Fuͤrſt Herr Herkules ſeine willigſte Dienſte und alles gutes anmelden
lieſſe. Fr. Sophia kunte auff gehoͤrte Meldung dieſes lieben Nahmen nicht laͤnger ruhen/
ſtund auff und ſagte zu Alexander: Mein Herr/ wie gehets dann doch dieſem teuren Fuͤr-
ſten/ uñ wo habt ihr ihn zu lezt geſprochẽ? Gn. Frau/ antwortete er/ es gehet ſeiner Durchl.
meines wiſſens noch ſehr wol/ und bin in dem Eylande Zypern von ihm geſchieden/ gleich
da er nach Syrien zu ſchiffen willens wahr. Wie ſagte ſie/ hat er dann nicht geſchrieben?
Ja Gn. Frau/ ſagte er/ hie habe ich Schreiben an meinen Gn. Herꝛn den Stathalter/ wie
auch eines an ihre Gn. abzugeben. Herꝛ Fabius bedankete ſich des uͤberbrachten angeneh-
men Gruſſes/ brach den Brieff/ und laſe unter andern/ was wegen Alexanders drinnen
enthalten wahr/ ſagte hernach zu ihm: Mein Freund/ ihr ſeid mir wilkommen wegen des
treflichen und lieben Fuͤrſten/ der euch abgefertiget hat/ deßwegen ſetzet euch in unſer Ge-
ſelſchafft nider; was euretwegen geſucht wird/ wil ich euch/ und noch viel einmehres mit
einem Worte alles verſprechen/ wie ihrs wuͤnſchen und begehren moͤget. Alexander be-
dankete ſich untertaͤhnig/ und erboht ſich zu allen moͤglichen Dienſten. Unterdeſſen beſahe
Fr. Sophia ihres Brieffes Auffſchrift/ alſo lautend: Denen Durchleuchtigen Hochgebohr-
nen Frauen und Fraͤulein/ Fr. Sophien und Frl. Sibyllen/ meinen Hochwerten Frau und Fraͤulein
Schweſtern. Sie ſteckete ihn darauff in ihren Buſem/ und rieff das Fraͤulein zu ihr/ ſpre-
chend: Herzgeliebtes Schweſterchen/ komt und helfft mir ein Schreiben leſen/ welches
an euch zugleich mit haͤlt. Das fromme Fraͤulein erroͤhtete anfangs davor/ und antwor-
tete: O nein geliebte Fr. Schweſter/ ich habe euch einmahl einen Brieff helffen leſen/ ihr
verleitet mich nicht ſo leicht wieder. So unwirdiget ihr Herr Herkules Schreiben anzu-
ſehen/ ſagte Fr. Sophia? Daß ſey ferne von mir/ antwortete ſie/ wann ich nur verſichert
bin/ das es von ſo redlicher frommer Hand herkomt; gingen miteinander in ein Neben-
gemach/ und laſen nach erbrechung folgenden Inhalt:


Durchleuchtigſte Frau und Fraͤulein Schweſtere/ in ehren herzgeliebete Freundinnen; das
hohe Mitleiden/ welches ſie letztmahls meiner Anweſenheit uͤber den traurigen Verluſt meiner auch
hochwerten Fraͤulein Schweſter/ Frl. Valiſken/ durch Ohmacht und Klage mir zuerkennen gegeben/
haͤlt mir taͤg- und ſtuͤndlich meine Un dankbarkeit vor/ daß ohn einzig genommenen Abſcheid Ihre
Liebden
[503]Drittes Buch.
Liebden ich verlaſſen/ und den Weg zur Rettung (wie ich hoffe) der geraubeten fortgeſetzet habe; weil
aber die aͤuſſerſte Noht und Gefahr/ welche der Hoͤfligkeit Satzungen zu uͤberſchreiten offt gezwun-
gen wird/ mich meiner Schuldigkeit entriſſen/ und nach dem Meer hingefuͤhret haben/ hoffe ich gaͤnz-
lich/ es werden Eure Liebden mir dieſen Fehler biß dahin ſchenken/ daß ich durch meines GOttes Lei-
tung mich wieder einſtellen/ und umb Verzeihung gebuͤhrlich anhalten werde/ da meiner Frl. Schwe-
ſter Frl. Valiſken Vorbitte ich mich kuͤhnlich gebrauchen werde/ welche dañ/ vermoͤge unſer Vertrau-
ligkeit/ mir ſolche nicht abſchlagen wird/ erwarte nur mit hoͤchſtem Verlangen/ was dieſelbe wird wir-
ken koͤnnen. Inzwiſchen befehle ich alle meine Freunde und Freundinnen dem Schuz des Allmaͤchtigen
wahren Gottes/ mit Bitte/ meine hochgeliebete Fr. Mutter/ die Fr. Stathalterin/ wie auch Fr. Ur-
ſulen/ Frl. Helenen/ und Jungfer Libuſſen herz- und dienſtlich zugruͤſſen/ und verbleibe Zeit meines
Lebens meiner Fr. und Frl. Schweſter dienſtſchuldiger Knecht Herkules.


Ich rechne mirs vor eine groſſe Ehre/ ſagte das Fraͤulein nach verleſung/ daß der trefli-
che Held dieſen Brieff an mich zugleich hat richten wollen/ und bitte ſehr/ ein ſolches in-
gehe im zuhalten/ damit nicht Frl. Helena daher neue Urſach bekomme/ ihren ganz naͤrri-
ſchen Eifer wieder auffzublaſen/ deſſen ich doch an meiner Seiten von Herzen lache/ wuͤn-
ſche nur von ganzer Seele/ daß er ſein ihm ohn zweiffel ſchon verlobetes Fraͤulein ehiſt ge-
ſund und ihrer Ehren unverlezt antreffen/ und zu uns heruͤber bringen moͤge/ biß dahin ich
nicht willens bin von hinnen zuſcheiden/ damit in dero Kundſchafft durch euren Vor-
ſchub ich angenom̄en werde. Sie antwortete: Ich werde auch mit meinem Willen euch
nicht von mir laſſen/ darumb gedenket ja auff kein wegzihen; was ich aber wegen Herrn
Herkules ſeiner Liebe zu dieſem Koͤnigl. Fraͤulein urteilen ſol/ weiß ich durch aus nicht;
zwar allem Anſehen nach kan es nicht wol anders ſeyn/ wann ich ſeine Ohmacht und ge-
fuͤhrete Klagen/ ja wann ich ſeine ſchleunige Nachfolge betrachte. Hingegen verſichert
mich mein Ladiſla/ daß ihm von nichts bewuſt ſey/ ja er haͤlt es vor unglaͤublich/ weil ſie in
ſo langer Zeit einander weder geſehen/ noch durch Schreiben gegruͤſſet haben. Aber ſaget
mir mein Schweſterchen/ welcher Meinung doch gebet ihr Beyfal? Beyfal? ſagte das
Fraͤulein; lieber leſet nur ſein Schreiben mit etwas Nachdenken/ und betrachtet zugleich
mit ſeine ſchon angefuͤhrete Ohmacht uñ Klage/ als dañ werdet ihr durch eures Gemahls
Einwuͤrffe euch wenig irren laſſen; dann kunten ſie ihre Liebe nicht ja ſo heimlich halten
vor ihm/ als euer Bruder und ſein Urſulchen vor euch? oder werden ſie ihre vertrauete
Schreiben in dieſer Heimligkeit geſchrieben/ eurem Gemahl erſt zuleſen eingeſchikt habẽ?
Was haͤlten ſie aber vor Urſach gehabt/ ihre Liebe vor meinem Ladiſla zuverbergen/ ant-
wortete Fr. Sophia/ als welcher nichts tadeln kan was ſeinem Herkules gefaͤlt? Tauſen-
derley Urſachen/ ſagte ſie/ haben ſich finden koͤnnen; und warumb hat euer Bruder ſeine
Liebe vor euch ſo verborgen gehaltẽ/ welcher eben wol eurer guten Einwilligung verſicheꝛt
gnug wahr? Es hat mit der Liebe nicht eine ſolche beſchaffenheit/ als mit andern Sachen;
alles offenbahret man guten vertraueten Freunden/ Gluͤk und Ungluͤk/ Freude und Leid;
aber die Liebe/ ſo lange ſie wuͤnſchet heimlich zu ſeyn/ wil ſie auch von dem beſten Freunde
nicht erkennet ſeyn. Ich wil euch dieſes laſſen gehen/ ſagte Fr. Sophia/ aber ich ſehe nicht/
warumb ich aus ſeiner Ohmacht und Klage ſeine Liebe ſchlieſſen ſolte. O ſo einfaͤltig/ Fr.
Schweſter/ ſeid ihr nicht/ antwortete das Fraͤulein/ daß ihr ſolches nicht vor ein unfehl-
bares Zeichen ſeiner Liebe ſchaͤtzen ſoltet. Da recht mein Schweſterchen/ da recht/ ſagte
Fr. So-
[504]Drittes Buch.
Fr. Sophia/ dieſe Bekaͤntnis habe ich ſchon lange geſuchet/ und ſie doch nicht heraus loc-
ken koͤnnen; dann mus ich aus ſeiner Ohmacht ein ſolches ſchlieſſen/ was verſichert mich
dann eure Ohmacht/ die nicht umb ein Haar geringer/ als die ſeine wahr; kan demnach
nicht fehlen/ ihr muͤſſet ihn lieben/ ja ihr muͤſſet ihn inbruͤnſtig lieben. Dieſer Boßheit haͤt-
te ich mich zu euch nicht verſehen/ antwortete das Fraͤulein; dann geſezt/ daß ich ihn Herz-
und Schweſterlich liebe/ wer hat mich dann mehr als eben ihr darzu angereitzet? Ja wie
habe inbetrachtung ſeiner hohen Woltahten ich anders gekont oder geſolt? Wollet ihrs
aber auff eine andere Liebe außdeuten/ ſolches geſtehe ich euch durch aus nicht/ nach dem
ich mein Herz davon gnug entfreiet weiß; es waͤhre dann daß eure Ohmacht ein gleich-
maͤſſiges Zeugen ſolte/ welches ich nicht eines gedenken darf. Wir werden uns aber wie-
der nach unſer Geſelſchafft machen/ damit andere nicht eben in dieſen euren nichtigen
Argwohn geſtuͤrzet werden. Fr Sophia umbfing und kuͤſſete ſie aus wahrer Liebe/ ſpre-
chend: O mein Schweſterchen/ die Goͤtter ſind meine Zeugen/ daß ich euch eben ſo viel
gutes als mir ſelbſt goͤnne/ habe auch mehr Gedanken auff euer bey der Heyraht gewendet/
als kein ander; ſolte es aber der Himmel nicht verſehen haben/ muß ich mich gedulden/
und inzwiſchen auff ein anders bedacht ſeyn; faſſete ſie hie mit bey der Hand/ und fuͤhrete
ſie mit ſich nach dem Saal/ da ſich gleich ein Diener bey Jungfer Libuſſen anmeldete/ es
waͤhre ein bekanter Freund in ſeines Herꝛn Wirtshaus eingekehret/ welcher etwas uͤbel
auff/ und daher baͤhte/ die Jungfer moͤchte ihn zu beſuchen unbeſchweret ſeyn. Sie gedach-
te alsbald/ ihre Koͤnigin wuͤrde von Prag einen abgeſchicket haben/ umb nach zuforſchen/
was Zeitung von dem verlohrnen Fraͤulein einkommen waͤhre/ deßwegen machte ſie ſich
ſtehendes Fuſſes dahin/ traff aber uͤber alles Vermuhten daſelbſt ihre geliebte Waſe und
Schweſter Jungfer Brelen an/ deſſen ſie bey nahe vor freuden in Ohmacht geſunken waͤh-
re/ umbfing ſie gar freundlich und ſagte: O herzliebſte Schweſter/ wo iſt unſer gnaͤdigſtes
Fraͤulein? In guter Geſundheit/ wie ich hoffe/ antwortete ſie/ aber weit von hinnen/ und
annoch unter der Raͤuber Gewalt/ ich aber/ wie ihr ſehet/ der Gefahr ſo weit entrunnen.
Wie? ſagte Libuſſa/ habt ihr dann das Fraͤulein in der Gefahr verlaſſen/ und von ihr hin-
weg zihen koͤnnen? Ich habe wol gemuſt/ ſagte Brela/ weil ſie michs geheiſſen; erzaͤhlete
ihr darauff kuͤrzlich/ was Geſtalt ſie auff der Fraͤulein Begehren ſich mit dem Griechiſchẽ
Ritter/ welcher von Herꝛn Herkules das Schreiben gebracht/ ehelich haͤtte verſprechen/
und ſich auff die Reiſe machen muͤſſen/ damit ſie ihrem Bruder/ oder Oheim/ oder beyden
hinterbringen moͤchte wohin ſie gefuͤhret wuͤrde; und zweiffele nicht/ ſagte ſie/ die Goͤtter
werden das allerliebſte Fraͤulen retten/ und ſie uns wieder ſehen laſſen. Machten ſich alſo
nach des Stathalters Hof/ da die Abendmahlzeit anging/ und da ſie in den Saal traten/
nam jederman wunder/ wer die fremde ſchoͤne Jungfer waͤhre/ biß Libuſſa das anweſende
Frauenzimmer alſo anredete: Gnaͤdige Frauen und Fraͤulein/ ich bitte demuͤhtig umver-
zeihung daß ohn gebehtene Urlaub ich dieſe fremde Jungfer/ meine geliebte Waſe mit mir
herein fuͤhre/ nach dem ich ſchon weiß/ ſie nicht gar unangenehm ſeyn werde/ in betrach-
tung daß von meiner gnaͤdigſten Fraͤulein/ Frl. Valiſken ſie hieher geſchikt iſt/ uns ihret
wegen Zeitung zu bringen. O ſo ſeid uns ſehr wilkommen/ ſagte Fr. Sophia/ und mus
der heutige wol ein gluͤklicher Tag ſeyn/ an welchem wir von zween ſo lieben Freunden auf
einmahl
[505]Drittes Buch.
einmahl Zeitung bekommen. Brela bedankete ſich gar tugendhafft/ mit angehengter Bit-
te/ ihrer unhoͤfligkeit zu verzeihen/ daß ſie dieſe hochanſehnliche Geſelſchafft durch ihre zu-
kunſſt verunruhete. Fr. Sophia meldete/ daß dieſer entſchuldigung es nicht beduͤrffte/
und fragete alsbald/ an was Ort und Enden das Koͤnigliche Fraͤulein ſich auffhielte/ und
was vor Beſchaffenheit es umb ſie haͤtte. Brela trug vor/ ſie haͤtte an den Herrn Stathal-
ter und deſſen Gemahl/ wie auch an ihre gnaͤdigſte Koͤnigin Fr. Sophien/ von ihrem gnaͤ-
digſtẽ Fraͤulein/ Frl. Valiſken/ wie auch von dem Durchl. Fuͤrſten und Herꝛn/ Herꝛn Her-
kules einen dienſtfreundlichen Gruß abzulegen. So merke ich wol/ ſagte Fr. Sophia/ nach
freundlicher Dankſagung/ die Jungfer werde mit dem fremden Griechiſchen Ritter an-
kommen ſeyn; welches ſie bejahete/ und alsbald/ weil die Speiſen ſchon auffgeſezt wah-
ren/ an den Tiſch genoͤhtiget ward/ da ſie wider ihren Willen zwiſchen Fr. Sophien und
Frl. Sybillen die Stelle nehmen muſte/ und nach gehaltener Mahlzeit den ganzẽ Verlauf
wegen der entfuͤhreten Fraͤulein zuerzaͤhlen gebehten ward/ welches ſie willig leiſtete/ und
endlich hinzu taht/ was maſſen/ umb Ihrer Gn. Fraͤulein Rettung zubefodern/ ſie mit ge-
genwaͤrtigem Griechiſchen Aedelman ſich zu Tyrus ehelich verſprochen/ da er zuvor åid-
lich angelobet/ ſie unberuͤhret nach Padua zubringen. Nun dann/ ſagte Fr. Sophia/ weil
euer Liebſter durch Geleitung der Goͤtter ſolches/ wie ich merke/ ehrlich gehalten/ werdet ihꝛ
euch forthin nicht wegern/ das Beylager ehiſt vor ſich gehen zulaſſen/ da dann ich/ neben
Jungfer Libuſſen/ wo es euch alſo gefallen kan/ eure naͤheſte Freund in ſeyn/ und die Mutteꝛ-
ſtelle bekleiden wil; beſtimmete darauff den vierzehnden Tag nach dieſem/ unter welcher
Zeit alles gegen die Hochzeit zubereitet ward. Brela uͤberlieferte gleichwol auch noch deſ-
ſelben Abends Markus und Euphroſynen Schreiben an gehoͤrigen Ort/ aus welchen die
Geſelſchafft auff ein neues erfreuet ward/ da ſie vernahmen/ was geſtalt Herr Ladiſla nebeſt
H. Fabius und Leches mit gutem Winde von Korinth ab nach Zypern geſegelt/ von dan-
nen ſie willens waͤhren nach Seleuzia in Syrien zufahren/ umb des naͤheſten nach Parthẽ
zureiſen/ weil ſie nicht zweifelten/ Fuͤrſt Herkules/ nebeſt dem geraubeten Koͤnigl. Fraͤulein
daſelbſt anzutreffen. Fr. Sophia und die andern anweſenden wuͤnſcheten ihnen alle Gluͤk-
ſeligkeit nach/ und daß ſie nach wolverrichtetem Vorhaben friſch und geſund wieder zu
Hauſe angelangen moͤchten. Nun hielt Ladiſla mit den ſeinen eben den Lauff/ welchen er
ihm zu Korinth vorgenommen/ kam auch in Zypern gluͤklich an/ woſelbſt er je zween und
zween umher ſchickete/ ob ſie etwas von einem Ritter/ nahmens Herkules oder Valikules
aus ſpuͤren koͤnten/ fand ſich aber niemand/ der ichtwas von ihm zuſagen wuſte/ daher La-
diſla zu Fabius ſagte: Ich wuſte vorhin wol/ daß der Brief an Markus von einem andeꝛn
Orte herkommen wuͤrde/ als die Unterſchrifft meldete/ iſt demnach mein Raht/ wir wendẽ
uns gleich hin nach der Parther Landſchafft zu/ und nehmen etwa Dienſte bey Koͤnig Ar-
tabanus/ da wir meiner Frl. Schweſter und Herkules Zuſtand am beſten erfahren werdẽ;
wann er dann unſere Gegenwart vernehmen wird/ wird er ſich weiters nit mehr vor uns
verbergen. Fabius ließ ihm ſolches wolgefallen/ und machten ſie die Ordnung/ wie ſie es
hernaͤhſt halten wolten/ da ſie vor rahtſam funden/ ihre Gelder an einen gewiſſen Ort in
Syrien niderzulegen/ auch ihr Schiff alsbald nach Padua wieder hin zuſenden/ weil un-
terſchiedliche Schiffe verhanden wahren/ welche nach Syrien lauffen wuͤrden/ erwaͤhletẽ
S ſ ſaus
[506]Drittes Buch.
aus ihren Schiff Soldaten drey Diener/ welche vor dem ſchon Harniſch gefuͤhret hatten/
die uͤbrigen ſchicketen ſie nach Hauß/ doch daß ſie erſt zu Korinth anfahren/ und Markus
ihr Schreiben uͤberbringen ſolten. Alſo ſetzeten ſie ſich auff ein Schiff/ und ſegelten nach
Seleuzia/ erlitten zimlichen Sturm/ und erhielt ſie Gott ſonderlich/ daß ſie nicht an einer
Klippen mit ſampt dem Schiffe zuſcheitern gingen/ erreichten endlich einen Hafen drey
Meilen von der Stad/ luden ihre Baarſchafften auff Wagen/ und reiſeten nach der Stad
zu/ woſelbſt ſie etliche Tage ſtille lagen/ ihre Baarſchafften meiſtenteils bey der Stad O-
brigkeit gegen einen gegebenen Schein niderſetzeten/ und einen Dolmetſcher/ Nahmens
Mardus/ in Beſtallung nahmen/ dem ſie monatlich 100 Kronen verſprachen/ dagegen er
ſie taͤglich etliche Stunden in den vornehmſten Morgenlaͤndiſchen Sprachen unterwei-
ſen ſolte. Zu Padua kam die beſtimte Zeit zu Alexanders und Brelen Beylager her-
an/ wornach den Braͤutigam uͤber aus hefftig verlangete/ und faſt die ganze Zeit uͤber/ ſehr
traurig und ſchwermuͤhtig wahr/ deſſen er ſelbſt keine Urſach wuſte. Der Stathalter hatte
ihm des folgenden Tages nach ſeiner Ankunfft einen Gewals Brief an die Obrigkeit der
Stad Athen mitgeteilet/ und darinnen bezeuget/ daß/ weil er dem Roͤmiſchen Reiche gute
Dienſte getahn/ und umb Vergebung ſeiner veruͤbten Gewalttaͤhtigkeit/ wozu er faſt ge-
noͤhtiget worden/ untertaͤhnigſt angehalten/ wåhꝛe ihm nicht allein ſolche Gnade widerfah-
ren/ ſondern er uͤber das in Roͤmiſche Kriegsbeſtallung angenommen/ daher man ihm/ mit
ſeinen Guͤtern nach Willen zuſchalten/ frey und ungehindert goͤnnen ſolte. Alexander
ſchickete dieſes alsbald fort/ und ſchrieb dabey an ſeine Verwanten/ daß er ihnen ſeine be-
waͤg- und unbewaͤgliche Guͤter gegen Erlegung zwo Tonnen Schatzes (da ſie den vierden
Teil mehr wert wahren) abtreten wolte/ und ſolten ſie ſolche Gelder inwendig XIV Tage
nach Empfahung dieſes/ nach Korinth an den daſelbſt wohnendẽ Roͤmiſchen Herꝛn Mar-
kus/ uͤbermachen/ welcher ſie deswegen gebuͤhrlich quitſch reiben wuͤrde/ welches auch un-
verzoͤglich geſchahe. Nun hatte Klodius mit belieben des Stathalters ihm des dritten Ta-
ges nach ſeiner Ankunfft die Hauptmanſchafft uͤber ein Faͤhnlein Knechte der Beſatzung
verlihen/ welchem Amte er mit ſonderlichem Lobe vorſtund/ daß Klodius willens wahr/
ihm die Ober Wachtmeiſter ſchafft dazu zugeben. Etliche Unter befehlichshabere verdroß
es ſehr/ daß dieſer fremder (und wie ſie ſchon munkelten/ geweſeneꝛ See Raͤuber) ihnen voꝛ-
gezogen wahr/ henketen einen verwaͤgenen Hauptman/ nahmens Florian (ſonſt der Mei-
lånder genant/ weil er von dannen buͤrtig wahr) an ſich/ dem ſie faͤlſchlich vorbrachten/ der
Grieche haͤtte ihn bey dem Oberhaͤuptman angetragen/ als verſaͤhe er ſeine Wachten nit
gebuͤhrlich/ goͤnnete auch ſeinen Knechten/ allerhand Plackerey auff den Doͤrffern zutrei-
ben/ und den armen Leuten/ was ſie auff die Wochenmarkte zuverkauffen braͤchten/ gewalt-
ſam abzunehmen. Woruͤber dieſer uͤber Alexandern dermaſſen ergrimmete/ daß er ſich veꝛ-
fluchte/ ihn/ ſo bald er ihn antraͤffe/ niderzuſtoſſen/ laurete ihm auch des Tages vor der an-
geſetzeten Hochzeit fleiſſig nach/ da er die Wache in den Auſſenwerkẽ zuverſehen hatte/ wo-
ſelbſt er ſich an ihn machte/ und mit greßlichem Angeſicht fragete/ wovor dieſelben zuhalten
waͤhren/ welche ihre redliche Spießgeſellen faͤlſchlich beloͤgen/ und hie durch eine ſonderli-
che Gewogenheit bey der Obrigkeit ſuchten. Alexander ſahe/ daß er nicht viel gutes
im Sinne hatte/ achtete es doch nicht groß/ und gab ihm zur Antwort/ aus was Urſa-
chen
[507]Drittes Buch.
chen er ihm eine ſo nachdenkliche weit ausſehende Frage/ und zwar auſſer der Kriegs-
Beampten Verſamblung vortruͤge; er waͤhre zwar nicht ſchuldig/ ihm darauff zu-
antworten/ jedoch/ an den Tag zulegen/ wie wenig er ſich vor ſeinem ſchnarchen fuͤrchtete/
und daß er ſolcher Boßheit vor ſein Haͤupt unſchuldig waͤhre/ hielte er dergleichen falſche
Angeber vor liderliche ehrloſe Buben/ aber auch dieſelben voꝛ ſolche/ die ihn deſſen etwa ge-
daͤchten zu zeihen. So biſtu doch ein ſolcher/ ſagte der Meilaͤnder/ und zuͤckete alsbald ſeine
Hellebarte. Dieſer wahr damit auch fertig/ und rief die anweſende zu Zeugen/ daß er eine
Nohtwehr zutuhn/ gezwungen wuͤrde/ widerſetzte ſich auch dergeſtalt/ daß jener ihm nicht
alle in nichts anhaben kunte/ ſondern ihm im Gefechte die Stange in der Mitte abbrach.
Alexander ward hiedurch ſein Meiſter/ wolte ihn aber nicht beſchaͤdigen/ ſondern ſagte zu
ihm: Sihe da du moͤrderiſcher Anſpraͤnger/ haͤtte ich nicht rechts genug/ dich gar nider zu
ſtoſſen/ wann ich mein ſelbſt nicht ſchonete? Jener trat zuruͤk/ entbloͤſſete das Schwert/ uñ
gab zur Antwort: Biſtu kein Verraͤhter/ wovor ich dich halte/ ſo kom heꝛ mit gleichem Ge-
wehr/ ſonſt wird man dich vor einen Moͤrder darzu ſchelten. Mein guter Kerl/ ſagte dieſeꝛ/
ich bliebe gleiche redlich/ wann ich dir gleich mit dieſem Gewehr den Lohn deines falſchen
Luͤgenmauls erteilete/ aber daß ich dir auch vor dißmahl noch ein genuͤgen tuhe/ wil ich dir
mein Schwert bieten. Weil ſie nun beyde uͤber aus gute Fechter wahren/ gab es einen ſehꝛ
ernſtlichen Kampff zwiſchen ihnen/ da ſie im erſten Gange einer dem andern nichts abge-
winnen/ noch einige Wunde bey bringen kunten; Im andern Satze bekam der Meilaͤnder
einen Stoß durch den linken Arm/ und Alexander einen Hieb in das rechte Ober Bein/
worauff ſie durch etliche anweſende Unterbefehlichshaber von ander geſchieden wurden/
mit Bezeugung/ ſie haͤtten bey derſeits ihren Ehren ein genuͤgen getahn/ und ſich als tapfe-
re Rittersleute erzeiget/ daher ſie ſich mit einander vergleichen/ und die Zwietracht beylegẽ
moͤchten. Alexander wahr hierzu nicht ungeneigt/ dafern der andere ſeine falſche Bezich-
tigung widerruffen wuͤrde; welcher aber von keinem andern Vertrage hoͤren wolte/ als
welcher vermittelſt des Schwerts geſchaͤhe/ daß alſo Alexander den dritten Gang mit ihm
antrat/ in welchem ſie nicht allein ſich hefftig abmatteten/ ſondern auch beyderſeits unter-
ſchiedliche/ wie wol untoͤdliche Wunden empfingen/ biß endlich der Meilaͤnder ſich bloß
gab/ daß ihm Alexander die Gurgelhalb abſchnitte/ jener aber zugleich von ſich ſtieß/ uñ ihm
das Herz im Leibe traf/ daß er alsbald niderfiel/ und ſeinen Geiſt auffgab/ da ſeine lezten
Worte wahren: O mein Brelichen ich ſterbe. Der Meilaͤnder fiel zwar auch zur Erden/
und gurgelte das Blut haͤuffig aus dem Halſe/ als haͤtte mans abgezapffet/ trieb aber bey
einer halben Stunde unſaͤglichen Jammeꝛ/ biß er endlich in ſeinem eigenen Blute erſticke-
te. Klodius kam gleich darzu gegangen/ ſahe Alexandern mit dem Tode ringen/ und ließ
ihn auffheben/ aber die Seele fuhr gleich dahin. Er forſchete fleiſſig nach der Urſach ihrer
Feindſchafft/ und mit was Worten ſie an einander gerahten waͤhren/ da des Meilaͤnders
Leibdiener zu ihm ſagete: Herr Ober Haͤuptman/ dieſes Elende iſt von etlichen Luͤgenmaͤu-
lern zugerichtet/ und laſſet dieſen Unter Haͤuptman (den er mit Fingern zeigete) nur ſcharf
fragen/ dann ſol die Warheit bald an Tages Liecht kommen; erzaͤhlete auch/ was vor Ver-
leumdungen dieſer und andere mehr/ ſeinem Hauptman vorgebracht haͤtten. Welches
Klodius alſo beantwortete: Ich kan bey meinen ritterlichen Ehren Zeugnis geben/ dz ſol-
ches nicht allein von Alexandern niemahls geſchehen/ ſondern er vielmehr den Meilaͤnder
S ſ ſ ijwegen
[508]Drittes Buch.
wegen fleiſſiger Auffſicht geruͤhmet hat; aber du leichtfertiger Verleumder ſolt mir zur
gnuͤge davor buͤſſen/ daß du durch dein Luͤgenmaul mich zweyer tapfferer Hauptleute/ und
eine aͤdle Jungfer ihres lieben Braͤutigams beraubet haſt. Dieſer wolte anfangs ſich aufs
leugnen begeben/ und als er ſahe/ daß etliche anweſende Kriegsknechte ihn uͤberzeugeten/
erſahe er ſeine Gelegenheit/ wagete einen Sprung/ und entran gluͤklich aus der Schantze/
und ob ihm gleich etliche nachgeſchikt wurden/ ihn zufahen/ wahr er doch ſo gerader Fuͤſſe/
daß er ihnen allen entkam/ haͤtte auch ſonder Zweifel ſein Leben gerettet/ wann nicht eine
Schaar Reuter aus Padua ihm begegnet waͤhren/ welche ihn kenneten/ und leicht muht-
maſſeten/ er wuͤrde wegen uͤbelthat davon geſtrichen ſeyn/ nahmen ihn deswegen gefangen/
und fuͤhreten ihn mit ſich zuruͤk/ da er dem Ober Hauptman eingeliefert ward/ welcher ihm
mit der Folter draͤuete/ worauff er alle Mitſchuldigen bekennete/ und daß es aus Haß und
Neid geſchehen waͤhre/ weil man ihnen dieſen fremden vorgezogen haͤtte. Die Schuldigen
wurden alle nach der Hauptwache gefuͤhret/ und ſagte Klodius: O der elenden Hochzeit/
da man die Braut mit Trauerkleidern behaͤnget/ und den Braͤutigam in einen Todten-
Sarg legen muß! Er ließ aber Alexanders Leichnam auff langen Spieſſen zur Stad hin-
ein tragen/ uñ ſeine Helle Barte und blutiges Schwert neben ihn her/ da er in eine anſehn-
liche Herberge nidergeſetzet/ der Meilaͤnder aber/ andern zum Abſcheuh biß gegen Abend
an den Galgen gehenket/ und nachgehends von dem Steckenknecht in die Erde verſchar-
ret ward. Er aber ging nach des Stathalters Hof/ und wahr wegen des Unfals ſehr betruͤ-
bet. Frl. Sibylla begegnete ihm im innerſten Platze/ und bald nach ihr Fr. Sophia/ welche
ihn frageten/ was er ſo traurig und ſchwermuͤhtig wåhre/ ob er nicht gedaͤchte/ daß er mor-
gen des Braͤutigams naͤheſter Beyſtand ſeyn ſolte. Ach ſagte er/ eben darumb bin ich von
Herzen betruͤbt/ daß die morgende Hochzeit uns durch einen klaͤglichen fall in ein groſſes
Herzleid verkehret iſt; Erzaͤhlete darauff kuͤrzlich/ was ſich zugetragen hatte; deſſen ſie ſehr
leidig wurden/ und alsbald Libuſſen beſuchten/ ihr ſolches anzudeuten; welche hiedurch uͤ-
beraus erfreuet ward/ und ſich doch nichts merken ließ/ ſondern ſich neben ihnen traurig
ſtellete/ und nicht minder als ſie/ das Ungluͤk beklagete/ ging auch auff ihre Bitte hin zu ih-
rer Waſen/ es auffs beſcheidenſte anzubringen/ damit ſie ſich nicht zu hoch entſetzete/ welche
ſie auff ihrem Gemache in zimlicher Verwirrung alleine fand/ und zu ihr ſagete: Herzge-
liebete Schweſter/ wie ſeyd ihr ſo voller Gedanken? Leget ihr etwa bey euch uͤber/ was vor
Kleidung und Schmuk ihr morgen gebrauchen wollet? Ich komme aber anjetzo zu euch/
ſolche erfreuliche Zeitung anzumelden/ wie ihr ſie wuͤnſchẽ moͤchtet. Ach herzliebe Schwe-
ſter/ antwortete ſie/ ſonderliches Gluͤks bin ich mir nicht vermuhten/ abeꝛ was iſt es/ dz mich
ſo hoch erfreuen ſol? Es ſind gleich dieſe Stunde/ ſagte ſie/ etliche Geſanten von Prage an-
kommen/ nehmlich Herr Staniſla und Herr Struniko eure Anverwanten/ nebeſt dem al-
ten Wenzeſla/ welcher mir in ſtiller geheim ihre Gegenwart anmeldẽ laſſen; ſehet/ die wer-
den auff morgenden Ehrentag euch anſehnlichen Beyſtand leiſten koͤnnen. Ja es iſt etwz/
antwortete ſie/ wañ ein betruͤbtes Herz dadurch koͤnte erfreuet werden/ wiewol es dannoch
einen Troſt bringet. Warumb ſolte euch ihre Anweſenheit nicht erfreuen? ſagte Libuſſa/
bin ich doch uͤber die maſſe froh/ daß ich ſie ſprechen ſol; aber ich habe ſie euch noch nicht al-
le genennet/ mein lieber Vetter Neda/ euer geweſener Schatz/ iſt mit in ihrer Geſelſchafft.
Hieruͤ-
[509]Drittes Buch.
Hieruͤber entſetzete ſich nun Brela/ daß ihr die Sprache und das Geſichte verging; ſchlug
die Haͤnde zuſammen/ wrang ſie/ daß ihr die Finger ſchmerzeten/ und ſetzete ſich nider auff
die Erde/ endlich fing ſie mit einem Geheule an: O ihr Goͤtter/ wie ſtraffet ihr mich ſo red-
lich wegen meines Verbrechens! O vollendet nur das wol angefangene Werk/ und laſſet
mich/ auff was weiſe es euch gefaͤllet/ dieſe Nacht meine ehr- und aͤidvergeſſene Seele aus-
blaſen/ damit ich dieſen Menſchen nimmermehr ſehen/ noch durch morgende Hochheit gar
zu ſehr betruͤben moͤge. Ich erkenne und bekenne/ O ihr Goͤtter/ daß ich mich an euch und
ihm haͤrtiglich verſuͤndiget habe/ daß ich dieſe Heyraht eingewilliget/ und nicht lieber bey
meinem Gn. Fraͤulein blieben bin; Ich haͤtte eurer Macht und Guͤte trauen/ und mein ge-
tahnes Geluͤbde beſſer beobachten ſollen/ und daß ihr ja ſo leicht mich bey Ehr und Leben/ als
das Fraͤulein/ haͤttet erhalten koͤnnen. Aber O ihr redlicher Neda/ mit was Augen werde
ich euch/ ja mit was Augen werdet ihr mich anſehen/ nachdem ich geſtehen muß/ daß ohn
alle Bedingung ich euch meine Traͤue verſprochen/ und ſie nun ſo ſchaͤndlich und leicht-
fertig gebrochen habe? O meine Herzen Schweſter/ was ſol ich machen/ was ſol ich begin-
nen? Frey/ ich habt ihr nicht zum beſten gehandelt/ ſagte Libuſſa/ daß ihr eure einmahl gege-
bene Traͤue dergeſtalt gebrochen/ und einen andern an ſeine ſtat angenommen habt/ ja einẽ
Raͤuber/ einen Raͤuber unſer Fraͤulein; weiß auch nicht/ ob es in Rechten koͤnne zugelaſ-
ſen oder entſchuldiget werden; Und ob ihr gleich unſer Gn. Fraͤulein Befehl/ und eure au-
genſcheinliche Noht vorſchuͤtzet/ ſage ich doch/ ihr haͤttet das aͤuſſerſte muͤſſen abwarten/ uñ
dem Fraͤulein vorhalten/ daß wie ihr nur ein Herz/ einen Leib/ eine Seele habet/ alſo koͤntet
ihr ein einziges nicht zween Herren verkaͤuffen oder verſchenken. Doch wil ich das geſche-
hene ſo genaue auff die Gold Schale nicht legen; aber bedenket/ bitte ich/ wie euer morgen-
des Hochzeit Feſt ablauffen werde; Ihr kennet euren Neda/ wolte ſagen/ euren geweſenen
Neda/ nunmehr aber euren verlaſſenen/ wo nicht verſtoſſenen Neda ſehr wol/ was aufrich-
tige und inbruͤnſtige Liebe er zu euch getragen; wie offt er ſich verfluchet/ er wolte ſich nicht
ſcheuhen/ mit zehnen den Streit auffzunehmen/ die ihm dieſen ſeinẽ teuren Schatz (ſo nan-
te er euch) abwendig zumachen/ ſich duͤrfften geluͤſten laſſen. Solte er nun wol erdulden
koͤnnen/ daß in ſeineꝛ Anweſenheit ihr einem andern vertrauet wuͤrdet/ da er von euch ſchon
Ringe und aͤndere Sachen auff beſtetigte wolbedachte Ehe empfangen hat? Ich fuͤrchte
ſehr/ er werde Alexandern das Braut-Bette dergeſtalt klopffen/ daß er ohn Lebens Verluſt
nicht davon kommen wird/ welches ich ihm nicht verdenken kan/ ob er gleich ein wildfrem-
der waͤhre/ und mir mit keinem Blutstropffen zugehoͤrete. Urſachen hat er uͤbrig gnug;
Er wil euch aus Raͤubers Hand erloͤſen/ der euer nicht werd iſt; Er wil den Schatz wiedeꝛ
erſtreiten/ der niemand als allein ihm zuſtehet. Sehet/ wer wil ihm ſolches wehren? Brela
fiel vor Angſt nider auff die Erde/ gehuhb ſich als eine Verzweifelte/ und ſagte: O meine
herzallerliebſte Schweſter/ ich bitte euch von Grund meiner Seelen/ helffet mir dieſer
Pein ab/ dann ich kan und wil nicht laͤnger leben; oͤffnete hiemit ihren Buſem/ und
fuhr alſo fort: Sehet/ da ligen meine Meſſer; traget ihr nun einiges Mitleiden mit
mir/ ſo ſtoſſet mir deren eines in mein ungetraͤues Herz/ dañ ich erkenne/ den Tod wol ver-
ſchuldet zu haben/ und iſt mir unmoͤglich/ des redlichen Neda Angeſicht zuerdulden/ nach-
dem ich ſo meinaͤidig an ihm worden bin. Hiemit ſties ſie eine ſtarke Ohmacht an/ daß ihr
S ſ ſ iijalle
[510]Drittes Buch.
alle Sinne entgingen. Nach dem aber Libuſſa ſie wiederum erquicket hatte/ ſagte ſie zu ihr:
Herzliebe Schweſter/ warumb laſſet ihr dieſe todes Gedanken in eurem Herzen auffſtei-
gen/ ehe es auff der aͤuſſerſten Spitze ſtehet? faſſet ein Herz/ und laſſet uns auff Mittel und
Wege bedacht ſeyn/ ob wir dieſe verworrene Sache durch der guͤtigen Goͤtter Huͤlffe und
unſere Vernunfft noch alſo loßwirken moͤchten/ daß beydes euch und dem getraͤuen Lieb-
haber Neda ein Genuͤgen geſchen koͤnte. Ach nein ach nein! ſagte Brela/ daß ſind vergeb-
liche Anſchlaͤge; dann Alexander laͤſſet mich nun und nimmer mehr fahrẽ; ſo moͤchte Ne-
da vielleicht demſelben/ als dem Raͤ[u]ber ſeiner geweſenen Braut zuſetzen/ aber was wird
er meiner als einer Traͤuloſen achten? Ich wolts ihm ſelber nicht rahten. Ich ſage euch/
faſſet einen Muht/ antwortete ſie/ ich bin gnugſam/ aller dieſer Schwuͤrigkeit abzuhelffen/
wie unmoͤglich es euch gleich vorkomt; aber ihr muͤſſet mir zuvor den Grund eurer Seele
oͤffnen/ und auff etliche Fragen richtigen Beſcheid geben; deßwegen ſaget mir/ wann euch
Zeitung kͤhme/ Alexander waͤhre ohngefehr erſtochen/ und Neda hͤtte aus Ungeduld ſei-
ner gegen euch tragenden Liebe ſich ſelbſt entleibet/ welches wuͤrde euch aufs haͤrteſte kraͤn-
ken. Ach meine Freundin/ antwortete ſie/ was kan man durch Frage und Antwort groß
außrichten? wuͤrde jener erſtochen/ ſo muͤſte mans ſchaͤtzen als einen wolverdienten Lohn
ſeines ehmahl gefuͤhrten Lebens; aber meinet ihr/ daß ich eine Stunde meine Seele in mir
leiden wuͤrde/ wann ich hoͤren ſolte/ daß der auffrichtige Liebhaber Neda die ſeine umb mei-
net willen außgeblaſen haͤtte? Darauff ging eine ſtarke Traͤhnenbach auß ihren Augen
hervor/ und baht durch alle Goͤtter/ ihr in dieſer verzweiffelten Sache/ guten Raht/ wo ei-
niger uͤbrig waͤhre/ mit zuteilen. Ihr Verbrechen waͤhre ihr herzlich leid/ und daß ſie mit
einem andern ſich verkoppelt haͤtte. Dieſe Buſſe iſt ſchon ein guter Anfang/ eure Sache
auff beſſern Fuß zuſetzen/ aber ſie wils noch nicht außmachen/ ſagte Libuſſa/ ſondern wann
ich meine Kunſthuͤlffe hervor ſuchen ſol/ muͤſſet ihꝛ mir bey eurem aͤide ſagen/ ob ihꝛ willens
ſeid/ dem frommen Neda die geſchehene Zuſage zu halten/ da es in eurer Macht ſtehen/
und Alexander nicht wiederſprechen wird; dann ſolten die Goͤtter es fuͤgen/ daß Alexan-
der nicht allein ſich euer begaͤbe/ ſondern noch wol einen groſſen Teil ſeiner Schaͤtze euch
zuwendete/ und ihr wuͤrd[e]t/ durch ſolchen Reichtuhm auffgeblaſen/ den guten Neda her-
nach verachten und zuruͤk ſetzen/ waͤhre meine angewante Muͤhe nicht allein umbſonſt/
ſondern duͤrffte dannenher noch viel ein groͤſſer Ungluͤk entſtehen. Ja meine Schweſter/
antwortete ſie/ waͤhre mein Gluͤk in dem Zuſtande/ wie ihrs entwerffet/ wuͤrde das uͤbrige
eine unnuͤtze Sorge ſeyn/ dann was koͤnte mir gewuͤnſchter ſeyn/ als daß mir frey ſtuͤnde/
meinem Neda/ ja ich ſage noch dieſe Stunde/ meinem Neda das verſprochene zu halten?
weil ja einzig und allein in dieſem Stuͤk meines zuſchlagenen Gewiſſens Ruhe und Befrie-
digung beſtehen wuͤrde. Darumb ſo tichtet und wirket was ihr koͤnnet und moͤget/ daß A-
lexander ſich meiner nur begebe/ und Neda meines Verbrechens wegen nicht auff mich
zuͤrne/ mit ſeinem Reichtuhm mag er zihen wohin es ihn geluͤſtet/ ich begehre davon nicht
einen Heller. Nicht alſo meine Schweſter/ nicht alſo/ ſagte Libuſſa/ ſondern ihr ſollet und
muͤſſet aller ſeiner Schaͤtze einige und warhafftige Beſitzer in ſeyn und bleiben; und hoͤret
weiter zu; ich ſpreche euch quit/ frey und loß von Alexander dem See Raͤuber/ und ſolches
auß Krafft und Befehl aller Goͤtter. Hiemit ſchwieg ſie ſtille/ und laͤchelte ein wenig/ daß
Brela
[511]Drittes Buch.
Brela ſie daher vor unwitzig ſchaͤtzete/ und zu ihr ſagete: Schweſter/ wie bezeiget ihr euch
ſo ſelzam? haben euch die Goͤtter einigen Befehl erteilet? Ja ich meine Alexander werde
ſich daran groß kehren. Er hat ſich ſchon daran gekehret/ antwortete ſie/ uñ ſich dem Wil-
len der Goͤtter unterworffen; fraget ihr aber wie? er hat vor einer Stunde mit dem Mei-
laͤnder welchen ihr kennet/ einen blutigen Kampff gehalten/ und ſind beyde auff dem Pla-
tze Tod blieben/ der eure/ Gott Lob mit Ehren/ und jener mit Schande. Brela erzitterte
hieruͤber/ und ſagete; ach was ſaget ihr mir/ geliebte Schweſter? verſichert euch auff mein
aͤid/ antwortete ſie/ daß ſichs anders nicht verhaͤlt/ und alſo ſeid ihr/ dem Himmel ſey dank/
dieſes Braͤutigams loß/ den ich euch noch niemals gegoͤnnet habe. Brela fing auffs neue
an ihre Traͤhnen zu vergieſſen/ und ſagte; Nun kan ich wol ſagen/ daß der gute Alexander
mich mit ungefaͤlſchter Liebe und Traͤue gemeinet hat/ und ſind die Goͤtter meine Zeugen/
daß umb ſolcher herzlichen Zuneigung willen ich ihm ſolchen Unfal nicht goͤnnen wolte/
da von dem gezwungenem Bande ich auff andere weiſe haͤtte koͤnnen loßgemacht werden.
Ich aber/ ſagte Libuſſa/ wil deßwegen wieder die Goͤtter nicht murren/ dann/ die Warheit
zuſagen/ hat michs nicht ein geringes verdroſſen/ daß der Grieche/ der gleichwol ein See-
Raͤuber geweſen/ und an meiner Gn. Fraͤulein entfuͤhrung groſſe Schuld traͤget/ daſſelbe
beſitzen ſolte/ was mein geliebter Vetter ihm vorhin mit groſſer Muͤhe erworben hat; dañ
ich erinnere mich noch gar wol/ was er umb euret willen getahn und erlitten/ ehe er euch
zur Gegenliebe bewaͤgen kunte. Bedenket den gefaͤhrlichen Kampff/ welchen er mit den
Nachtſchergen hielt/ da er euch in vermummeten Kleidern den anſehnlichen Auffzug
brachte; ja was hat er von ſeinen eigenen Leuten erdulden und außſtehen muͤſſen/ die ihn
mit aller Macht von euch abzutrennen/ ſich bemuͤheten/ und ihm Herr Vratiſlaen Toch-
ter wegen ihres treflichen Brautſchatzes anſchmieren wolten/ da hingegen ihr euren Vor-
muͤnderen/ umb daß ſie eure Guͤter verſchwendet/ nicht ſonderlich zu danken hattet; aber
er ließ euret wegen Vater/ Mutter/ Schweſter und Anverwanten immerhin murren und
machen/ und ſchaͤtzete bloß eure Tugend hoͤher als aller Welt Reichtuhm. Dieſe Traͤue ha-
ben ihm die Goͤtter nicht koͤñen unbelohnet laſſen/ ſondern ihn ſo hoch beſeliget/ daß er ſei-
nen unrechtmaͤſſigen Mit buhler auch nicht eins lebendig hat ſehen ſollen/ dem er ohndas
wuͤrde den Hals gebꝛochen haben/ da er ihm ſeine vertrauete mit willen nicht haͤtte wollen
ſolgen laſſen. So betrachtet nun dieſes/ herzgeliebte Schweſter/ und gedenket nicht/ daß
ich mehr meines Vettern als euer beſtes ſuche; ihr ſelber wiſſet/ daß ich ungleich vertrau-
lichere Freundſchafft mit euch/ als mit ihm gepflogẽ habe/ ungeachtet er mir eines Schrits
naͤher verwand iſt/ als ihr ſeid; Und werdet ihr nun eurem jeztgetahnem verſprechen ehr-
lich nachkommen/ habt ihr an kuͤnfftigem Gluͤk nicht zu zweifeln. Brela gab ihr zur Ant-
wort: Es verhaͤlt ſich alles wie ihr ſaget/ und zweiffele nicht/ die Goͤtter haben es alſo ge-
fuͤget/ deren Ordnung ich nicht brechen/ noch ihre ſchickungen hindern kan; es ſey aber
wie ihm wolle/ wann ich bedenke/ wie groſſe Ehr und Zucht mir Alexander auff dieſer gan-
zen Reiſe erwieſen hat/ kan ich anders nicht/ als uͤber ſeinen Fal von Herzen betruͤbet ſeyn.
Solches iſt billich/ ſagte Libuſſa/ uñ im wiedrigen wuͤrdet ihr euch dem Laſter der Undank-
barkeit nicht entbrechen koͤnnen; aber doch zihet euch die Sache nicht zu ſehr zu Herzen/
und gedenket/ daß gleich wol die erſte Liebe am feſteſten bindet. Verſichert euch/ ſagte Bre-
la/ was
[512]Drittes Buch.
la/ was eurem Vetter Neda ich vor dieſem verſprochen habe/ ſol forthin an meiner Seiten
traͤulich gehalten werden/ nach dem ich wieder frey/ und nach der Goͤtter ſchickung mein
eigen bin; ich fuͤrchte aber ſehr/ er werde ſein Gemuͤht von mir gar abwenden/ wañ er ver-
nehmen ſol/ daß ich mich einem andern verlobet; moͤchte ihm auch die Gedanken machen/
als haͤtte Alexander an mir weiteren Genies gehabt/ als Jungfraͤuliche Keuſcheit und
Zucht leiden kan; da er nun deßwegen einigen Zweiffel in mich ſetzen ſolte/ wuͤrde ich mein
Herz ſo weit von ihm abkehren/ als nahe ichs ihm vorhin zugewendet habe. Dieſes laſſet
mich machen/ ſagte Libuſſa/ und bleibet inzwiſchen in eurer Leidklage; dann daß Frauen-
zimmer wird ſchier da ſeyn/ euch zu troͤſten/ da ihr jetzigem Stande ſchon wiſſen werdet/
euch gemaͤß zuhalten; ich gehe gleich hin nach den Boͤmiſchen Geſanten/ welche mich ha-
ben zu fich fodern laſſen. Als ſie den Abtrit nam/ kam alsbald das Frauenzimmer herzu/ uñ
funden Brelen mit Traͤhnen faſt genetzet/ weil ihr dannoch der klaͤgliche Fal zu Herzen
ging/ und ſie zugleich wegen Ritter Neda ankunfft nicht wenig beſtuͤrzet wahr. Es ſprach
ihr aber das Frauenzimmer/ inſonderheit Fr. Agatha vielfaͤltigen Troſt ein/ als welche
ihren und ihrer Waſen Unfal dermaſſen außzuſtreichen wuſte/ daß dieſe endlich geſtund/
ihr Ungluͤk waͤhre damit nicht zuvergleichen. Libuſſa machte ſich inzwiſchen nach den
Boͤmiſchen Herren/ die etwa vor zwo Stunden ankommen wahren. So bald ſie bey ih-
nen anlangete/ meldeten ſie ihr der Koͤnigin gnaͤdigſten Gruß und Willen an/ frageten da-
neben/ ob nicht Zeitung von ihrem Gn. Fraͤulein einkommen/ und ob ihr Koͤnig Ladiſla
dem Teutſchen Groß Fuͤrſten Herkules bald gefolget waͤhre; worauff ſie ihnen alles er-
zaͤhlete/ was ſie von dem Fraͤulein und ſonſten deren Nachſuchung erfahren hatte/ machte
ihnen auch gute Hoffnung/ ſie wuͤrde von H. Herkules und ihrem Bruder Ladiſla ſonder
zweiffel erloͤſet/ und geſund wieder heimgebracht werden; doch gedachte ſie ihrer Waſen
Brelen mit keinem Worte/ biß ſie Gelegenheit bekam/ mit Ritter Neda allein zu reden/ zu
dem ſie ſagte: Geliebter Vetter/ ich bitte/ mir zu ſagen/ was euch verurſachet habe/ dieſe
beſchwerliche Reiſe zu tuhn; ich glaͤube kaum/ daß eure Eltern euch mit gutem Willen ha-
ben zihen laſſen. Geliebte Waſe/ antwortete er/ es iſt wie ihr ſaget; aber nach dem ich mei-
nen Eltern eins vor alles zuverſtehen gegeben/ daß ich mich von ihnen nicht wolle in die
Kammer verſperren laſſen/ noch ihnen die Huͤnereyer auff der Scheuren zuſammen leſen/
haben ſie wol muͤſſen friedlich ſeyn. Wie aber ſtehets umb eure Liebe? fragte ſie weiter/
habt ihr die reiche Jungfer Wiſna/ Herꝛn Vratiſla Tochter euch ſchon beylegen laſſen?
Davor behuͤten mich die Goͤtter/ ſagte er/ daß ich die meiner liebſten Brelichen einmahl
getahne Zuſage brechen ſolte. Libuſſa ſtellete ſich hierauff ganz traurig/ und antwortete:
Ach geliebter Vetter/ dieſer Liebe werdet ihr euch muͤſſen entſchlagen/ welches niemand
lieber als euren Eltern ſeyn wird. Er entſetzete ſich uͤber dieſem Vorbringen/ und fragete/
ob ſie irgend wiedrige Zeitung von ihr wuͤſte. Ja/ ſagte ſie/ leider mehr dann gar zugewiſſe
Zeitung/ dann ſie hat einem Griechiſchen Aedelman/ der ſie rauben helffen/ doch wieder ih-
ren Willen/ eheliche Liebe und Traͤue verheiſſen/ und vor ihren Braͤtigam annehmen muͤſ-
ſen/ und daß ichs euch umſtaͤndlich erzaͤhle/ hat unſer gnaͤdigſtes Fraͤulein ſie hart darzu
genoͤhtiget/ weil vor erſt ihre Durchl. uns wegen ihres Zuſtandes ſonſt nichts haͤtte berich-
ten koͤnnen; vors ander/ weil meine Waſe dem Parther Koͤnige als ein Kebsweib hat ſol-
len
[513]Drittes Buch.
len zugefuͤhret werden/ welcher ſie/ ſo bald er eine ſchoͤnere angetroffen/ wuͤrde verſtoſſen/
und entweder einer andern zur Magd/ oder ſeinen Buben zum ſchaͤndlichen Muhtwillen
uͤbergeben haben; daher hat ſie aus zweien bevorſtehenden uͤbeln das leichteſte erwaͤhlen/
und lieber in die ungenehme Ehe/ als jene unwiederbringliche Schande einwilligen muͤſ-
ſen/ welches weder ihr noch einiger ehrliebender Menſch ihr verargen wird/ maſſen in ih-
rer Macht nicht ſtund/ euch das verſprochene zuhalten/ und zweiffele ich nicht/ ihr werdet
ihr lieber Ehre als Schande goͤnnen/ weil ihr ſie doch vor eine verlohrne halten muͤſſet.
Dieſer Rede/ ward Neda ſo traurig/ daß er kein Wort ſprechen kunte; die Traͤhnen drun-
gen ihm haͤuffig auß den Augen/ und entging ihm alle Krafft ſo gar/ daß er gezwungen
ward/ ſich niderzuſetzen/ biß er endlich ſich erhohlete/ und folgende Antwort gab: Herzliebe
Jungfer Waſe/ ich muß bekennen/ daß ſie an ihrer und meiner Seite beſſer getahn hat/ eine
wiedrige Ehe/ die gebrochen werden kan/ als oͤffentliche Schande/ die unwiederbringlich
iſt/ zuerwaͤhlen/ weil ja eines hat ſeyn muͤſſen; ich aber werde nicht ruhen/ biß ich ſie fundẽ/
und von dieſem gezwungenen Bande gefreiet habe. Je mein geliebter Vetter/ was reder
ihr da? ſagte ſie; bey leibe gedenket ein ſolches nicht; geſchehene Dinge ſind wol zubeklagen/
aber nicht zu endern; und was woltet ihr euch durch eines andern Wunde ſelbſt ermorden?
es ſind ja mehr Weibsbilder in der Welt/ und muͤſte ſchade ſeyn/ daß meine Wolfahrt ſo
gar nur auff einen Grund gebauet waͤhre/ daß nach deſſen Hinwich ich zugleich mit drauf
gehen ſolte; und wie woltet ihr ihm tuhn/ wañ ſie geſtorben waͤhre! woltet ihr in die Erde
ſteigen und ſie wieder hohlen? Ich wolte alsdann ſagete er/ keine Stunde nach ihr im Le-
ben bleiben. Iſt dañ/ fuhr ſie fort/ die einige Brela euch nur gerecht und eben? lieber beden-
ket euch eines beſſern/ und ſtehet ab von ſolchem Irrewahn; ſehet da/ ich weiß hieſelbſt eine
ſchoͤne aͤdle/ Reiche/ Junge/ Tugendhafte Jungfer/ die wil ich euch zufreien. Alles vergeb-
liche gedanken/ antwortete er/ dann mein Geiſt hat ſchon vorlaͤngſt geſchworen/ daß weder
meine Begierden/ noch mein Leib/ einiges Weibsbildes/ auſſer meiner Liebſten Brelen
teilhafftig werden ſollen. Ein ſteifer Sinn/ wie ich vernehme/ ſagte ſie; aber was haͤtte
ich bey euch verdienet/ wañ ich noch ein Mittel wuͤſte/ euch eure Brelen wieder in die Hand
zu ſpielen? Dieſer erboht ſich hierauff/ er wolte ſich aller ſeiner Erbſchaft willig begeben/
und ihr ſolche ſchrifftlich vermachẽ. Worauff ſie ihn nicht laͤnger aͤngſten wolte/ ſondern
zu ihm ſagete; Herzlieber Vetter/ ob gleich meine Guͤter eben ſo groß nicht ſind/ ſollen
mich dannoch die Goͤtter behuͤten/ daß ich euer vaͤterliches Erbe eines Fuſſes breit ſchmaͤ-
lern wolte; aber vernehmet vor erſt meinen Zuſtand. Ihr wiſſet/ daß euer getraͤuer Freund
Ritter Leches meine Liebe/ eine zimliche Zeit her geſucht hat; die ich ihm allemahl ſtand-
hafftig verſaget/ und mag deſſen Urſach euch vielleicht nicht unbewuſt ſeyn/ daß nehmlich
ſeine gnug ſpoͤttiſche Schweſter/ meiner bey anderen adelichen Jungfern dermaſſen ver-
aͤchtlich gedacht/ als troͤge ich mich vergeblich auff ihren Bruder/ dem wol ein ander Gluͤk
beſcheret waͤhre; daher ich mir gaͤnzlich vorgenommen hatte/ ſeinem Anſuchen nimmer-
mehr ſtat zu geben/ habe ihm doch die Urſach allemahl verſchwiegen/ damit Ungluͤk ver-
mieden bliebe; weil er aber neulich in Rettung meiner ſich ſo hefftig bemuͤhete/ hab ich ihn
endlich vor meinen liebſten angenommen; doch iſt er mit unſerm Koͤnige fortgereiſet/ und
hat mir vor weniger Zeit an Gold und Kleinoten viel tauſend Kronen wert uͤbergemacht.
T t tO du
[514]Drittes Buch.
O du gluͤkſeliger Leches/ antwortete er/ wie wandelbahr iſt des Gluͤckes Rad; ich gedenke
der lieben Zeit/ da du mich den ſeligſten/ und dich den verworffenſten nenne teſt; nun aber
hat ſich das Spiel gar verkehret; doch/ geliebte waſe/ ſaget mir/ bitte ich/ durch was Mittel
ich zu ihr gelangen koͤnne; ſolte ich dann daruͤber zu grunde gehen/ wil ich euch zuvor zur
einigen Erbin aller meiner Guͤter einſetzen/ welches/ wie ich durchaus nicht zweiffele/ un-
ſers Koͤniges Gemahl alhie bekraͤfftigen ſol. Nun nun/ ſagte ſie/ gebet euch zu frieden/ ihr
ſolt nicht druͤber ſterben/ ſondern ſie ohn alle Muͤhe erhalten/ wañ ich nur einwilligen wer-
de. Neda ſtund auff/ fiel ihr umb den Hals/ und kuͤſſete ſie ſo inniglich/ daß ſie ihn deßwegen
ſtraffen muſte. Wie ſtellet ihr euch ſo unbendig? ſagte ſie/ ich kan wol ſchwoͤren/ daß mich
nie kein Mannesbilde dergeſtalt gehoͤhnet/ und wann ihr nicht meiner Stief-Schweſter
Sohn waͤhret/ wuͤrde ichs trauen an euch eifern. Neda baht umb Verzeihung/ zweifelte
nicht/ die nahe Blutfreundſchafft wuͤrde ihn von allem ungleichen Wahn leicht befreyen
und loßſprechen. Ja ſagte ſie/ in Anſehung deren ſol euch auch Verzeihung widerfahren;
aber vernehmet nun/ wie die Sachen ſtehen. Es iſt nicht anders/ daß eure Liebſte auff un-
ſer Gn. Fraͤulein Willen und Befehl mit einem Griechiſchen Ritter/ Nahmens Alexan-
der in der Stad Tyrus ſich ehelich hat verſprechen muͤſſen/ welcher ihr hingegen aͤidlich
angelobet/ ſie keinerley weiſe zuberuͤhren/ biß er ſie in Italien nicht weit von hinnen wuͤrde
gebracht haben/ da er uͤber das den beſtimmeten Tag zur Hochzeit abwarten ſolte. Nun hat
er ihr ſolchen aͤid unbruͤchig gehalten/ wie meine Waſe mir mit hoͤchſter Beteurung ge-
meldet/ und ich/ angeſehen er ein Tugendhaffter auffrichtiger Aedelmann iſt/ billich glaͤu-
ben muß/ und iſt der morgende Tag zum Beylager und Hochzeit Feſt berahmet. Wehe miꝛ
armen/ fiel er ihr in die Rede/ iſt das der Troſt/ den ihr mir verſprochen habt? Aber ſagt miꝛ
Herzen Waſe/ werdet ihr bey der Hochzeit auch mit erſcheinen? Welch eine Frage iſt diß?
ſagte ſie/ ſol ich doch ihr naͤheſter Beyſtand ſeyn. Gar wol/ antwortete er/ ſo wird der Aff-
ter Braͤutigam entweder auff mein Einſprechen abtreten/ oder ich werde auch ſein naͤhe-
ſter Beyſtand ſeyn/ doch alſo/ daß entweder er oder ich das Leben druͤber einbuͤſſen. Ich
wuͤrde euch dieſes ſelbſt heiſſen/ wanns je noͤhtig waͤhre/ ſagte ſie/ aber nun bedarffs deſſen
keines/ dann der vermeynte Braͤutigam iſt etwa vor zwo Stunden von ſeinem Spieß Ge-
ſellen im abſonderlichen Kampffe erſtochen/ und alſo meine Waſe ehe Witwe als Frau
worden. Herzgeliebte Waſe/ ſagte er/ wie moͤget ihr mich dergeſtalt aufzihen/ und mit mei-
ner hefftigen Liebe einen ſo leichten Spot treiben? Verſichert euch/ ſagte ſie/ daß ich die
lautere Warheit rede/ als gewiß ich begehre in der Goͤtter Gnade zuverbleiben; Ob ſie a-
ber euch wieder annehmen wolle (ſagte ſie/ da er ſich froͤlich bezeigete) iſt mir unwiſſend/
maſſen ſie von ihrem todten Braͤutigam uͤber XVII Tonnen Schatz an lauter Baarſchaft/
Kleinoten und verkaufften Landguͤtern geerbet hat/ welcher groſſe und welt beliebte Reich-
tuhm gar leicht einen groſſen Roͤmiſchen Herrn zu ihrer ohn das gnug wir digen Liebe be-
waͤgen duͤrffte. Ich weiß nicht/ ſagte Neda/ wie ihrs mit mir im Sinne habt; Wann ich
mich fuͤrchte/ dann troͤſtet ihr mich; empfahe ich dann etwas Freude in meiner Seele/ ſo
ſtuͤrzet ihr mich nur immer in tieffere Verzweifelung; drumb bitte ich euch umb unſer na-
hen Verwandſchafft willen/ erloͤſet mich aus der Angſt/ in welche ihr mich gefuͤhret/ und
verſichert euch/ daß ich mich dermaſſen dankbar erzeigen wil/ daß ihr daraus mein Herz eꝛ-
kennen
[515]Drittes Buch.
kennen ſollet. Saget mir/ antwortete ſie/ von keiner Dankbarkeit/ ich bin ſchuldig/ als euer
Mutter Schweſter euer beſtes zuwiſſen/ und hoͤret nun den rechten Ausſchlag: Jungfer
Brelen Braͤutigam hat ſich mit ihr nun mehr hieſelbſt XIII Tage auffgehalten/ und iſt al-
les ergangen/ wie ich ſchon vorhin angezeiget habe; Morgen haͤtte ungezweifelt die Hoch-
zeit ſeyn ſollen/ worauff alles auffs beſte iſt zugerichtet/ und XVI Tauſend Kronen ausge-
geben worden/ aber ohn Zweifel aus ſonderbahrer Verſehung der Goͤtter hat er muͤſſen
vor dem Beylager nidergeſtoſſen werden/ damit ihr euer Brelichen (die in Warheit ein
liebes Bildichen iſt) rein und unbeflekt bekommen ſoltet/ welche dieſe Tage uͤber ſtets mein
Stuben- und Schlaff Geſelle geweſen iſt/ und ich wol weiß/ daß ſie noch nie eines Mannes
ſchuldig worden. Sie hat aber von eurer Anweſenheit noch keine Wiſſenſchafft/ iſt auch
wegen des Unfals/ welchen ich ihr angemeldet/ etwas betruͤbet/ doch als eine/ die duꝛch euch
fein wird zutroͤſten ſeyn/ weil dieſe Ehe ihr ſehr zuwider wahr; und moͤget mir kuͤhnlich
trauen/ daß ich euer beſtes tuhn/ und nicht ablaſſen werde/ biß ich eine beſtaͤndige genehme
Erklaͤrung von ihr bekomme/ und euch zum reicheſten Herrn in Boͤhmen machen helffe.
Neda ſahe ſie mit blinzenden Augen an/ und antwortete: O ihr meines Gluͤks einige Mei-
ſterin; nehmet euch meiner an/ und ſchafft mir Ruhe in dieſer Pein. Die Goͤtter wiſſen/
daß ich ihren Reichtuhm nichts achte/ ja vielmehr wuͤnſche/ dz ſie deſſen moͤchte ohne ſeyn/
weil ſie dadurch nur ſtolz und mir ungewogen werden kan. Gebet euch zufrieden/ antwor-
tete ſie/ und laſſet mich machen/ morgen fruͤh wil ich euch Zeitung bringen/ die euch verhof-
fentlich ergetzen ſol. Aber ich habe jezt nicht laͤnger Zeit alhie zuharren/ ſondern wil gehen/
und eure Ankunfft dem Stathalter zuwiſſen tuhn/ dann ſo ihr euch zu lange werdet heim-
lich halten/ duͤrffte ihn ſolches verdrieſſen/ oder zum wenigſten argwoͤhniſche Gedanken er-
wecken. Alſo ſchied ſie von ihm/ uñ berichtete Herrn Fabius/ was geſtalt ihre Allergnaͤdig-
ſte Koͤnigin etliche Geſanten hergeſchicket haͤtte/ umb zuerforſchen/ ob nicht Zeitung we-
gen ihrer allerliebſten Frl. Tochter einkom̄en waͤhre; haͤtten auch unterſchiedliche Schrei-
ben/ ſo wol an den Herrn Stathalter/ als an ihre Gn. Frau Sophien bey ſich. H. Fabius
befahl alsbald ſeine Gutſche anzuſpannen/ und die Geſanten aus der Herberge zuhohlen/
welches Klodius verrichtete/ und ſie von dem Stathalter und Fr. Sophien gar freund-
lich empfangen wurden/ legten hernach ihren Gruß ab/ und uͤberreicheten die Schreiben
von der Koͤnigin und den Land Staͤnden untergezeichnet/ und uͤber dieſe noch eines/ von
der Koͤnigin abſonderlich an ihre geliebte Schnuhr geſchrieben. Dieſe zuleſen/ nam der
Vater einen Abtrit mit der Tochter ins Neben Gemach/ da ſie beyder Schreiben gleich-
maͤſſigen Inhalt funden/ daß die Koͤnigin uñ ſaͤmtliche Landſtaͤnde des freyen Koͤnigreichs
Boͤhmen ſich hoch erfreueten/ dz nach der Goͤtter ſonderbarer Schickung ihr Herr Sohn
und Erb Koͤnig mit einem ſo hochanſehnlichen Roͤmiſchen Herrn ſich befreundet/ und ein
Tugendreiches verſtaͤndiges/ der Koͤniglichen Krone gnug wirdiges Gemahl uͤberkom̄en
haͤtte. Weil ſie dann ſchmerzlich erfahren/ daß ihr Herr Sohn und Koͤnig dem geraube-
ten Durchleuchtigſten Koͤniglichen Fraͤulein nachzihend/ ſich in abgelegene Landſchafften
begeben/ als baͤhten ſie inſtendig/ der Hochmoͤgende Herr Stathalter ihnen ihre kuͤnfftige
Koͤnigin unwegerlich zuzihen laſſen wolte/ damit ſie zeit ihres Koͤniges Abweſens/ derſel-
ben gebuͤhrlich aufwarten/ und an die Hand gehen moͤchten/ welches der añoch herrſchen-
T t t ijden
[516]Drittes Buch.
den Koͤnigin und des ganzen Koͤnigreichs Wunſch und begehren waͤhre; und erboͤhte ſich
die Kron Boͤhmen/ biß an ihre Freyheit/ dem Roͤmiſchen Reiche alle moͤgliche Freund-
ſchafft zuerweiſen. In dem abſonderlichen Briefe aber uͤberſchrieb die alte Koͤnigin Fr.
Sophien muͤtterlichen Gruß und Liebe/ gab die Begierde/ ihre herzgeliebte Fr. Tochter zu
ſehen/ an den Tag/ und beklagete den Verluſt ihrer Fraͤulein Tochter Frl. Valiſken/ als
welcher verurſachete/ daß auch ihre Fr. Schwieger Tochter ihres Gemahls/ ja das ganze
Land ihres Koͤniges entrahten muͤſte; Schließlich baht ſie/ ihr muͤtterliches Herz und das
ganze Land durch ihre hochbegehrte Gegenwart zuerfreuen/ und der Beherſchung nach
ihrer geruͤhmten Weißheit mit vorzuſtehen. Nach Verlefung ſagte Herr Fabius: ihm
zweifelte nicht/ die Koͤnigin und Landſtaͤnde ſucheten dieſes mit auffrichtigem Verlangen/
geſtaltſam ihm der Mitternaͤchtigen Voͤlker Gemuͤhter gnug bekant waͤhren/ welche nicht
nach Roͤmiſcher boͤſer Art/ ein anders auff der Zungen uñ in Briefen/ als im Herzen fuͤh-
reten; moͤchte deßwegen ſeine Tochter ihre Meynung andeuten/ was ſie zu tuhn willens
waͤhre. Dieſe gab ihm zur Antwort: Sie waͤhre zwar ihrer Schwieger der Fr. Koͤnigin
und den ſaͤmtlichen Landſtaͤnden verbunden/ ihrem begehren ſtat zugeben/ weil die Goͤtter
ihren Sohn und Koͤnig ihr zum Gemahl beſcheret haͤtten; Wann ſie aber bedaͤchte/ daß
ihr lieber Ladiſla abweſend/ und/ welches die Goͤtter gnaͤdig verhuͤten wolten/ er in der
fremde ſein Leben enden ſolte/ wie es ihm ſchon nahe gnug geweſen/ waͤhre die Reiſe nach
Boͤhmen nichts/ als eine vergebliche Muͤhe/ weil ſie nicht gewillet waͤhre/ nach deſſen To-
de daſelbſt lange zuhauſen. Uberdas waͤhre dem Koͤnigreich mit ihrer Gegenwart wenig
gedienet/ nur daß die Koͤniglichen Unkoſten dem Lande gedoppelt wuͤrden; haͤtte demnach/
wañ ihr Herr Vater einwilligen koͤnte/ in ihrem Herzen beſchloſſen/ ihres Gemahls Wie-
derkunfft hieſelbſt zu Padua zuerwarten/ als dann wuͤrde ſie ſchuldig ſeyn/ deſſen Willen
nachzukommen/ wie ers ordente. Fabius hoͤrete gerne/ daß ſie mit ihm gleicher Meynung
wahr/ gingen in den Saal/ da man zur Abendmahlzeit anrichtete/ und wurden die Koͤnig-
liche Geſanten der Gebuͤhr bedienet/ gegen welche inſonderheit Fr. Sophia ſich garleut-
ſelig/ bezeigete/ beklagete auch mit Traͤhnen den ſchmerzlichen Verluſt der Koͤniglichen
Fraͤulein/ und daß in der fremde ſie ſich dergeſtalt muͤſte umher ſchleppen laſſen; berichte-
te doch daneben/ wie ſie nicht allein vor weniger Zeit ihres annoch guten ergehens gewiſſe
Zeitung gehabt/ ſondern auch die Goͤttliche Antwort und Zeichen der Opffer/ ihre froͤliche
Wiederkunfft eigentlich verhieſſen. Libuſſa wahr nicht mit zu Tiſche/ gab vor/ ſie muͤſte bey
ihrer hochtraurigen Waſen Jungfer Brelen bleiben/ und ihren groſſen Kummer durch
ihren Troſt etwas lindern und benehmen; wiewol deſſen wenig gedacht ward/ ſondern ihr
Geſpraͤch wahr ſtets von Ritter Neda/ deſſen beſtaͤndige Liebe und Traͤue ſie dergeſtalt her-
aus zuſtreichen wuſte/ daß ſie hiedurch das halberloſchene Feur in dem Herzen dieſer Lieb-
haberin voͤllig wieder auffbließ/ welche/ da ſie vernam/ wie Neda willens geweſen/ ſie durch
einen Kampff von Alexander loß zumachen/ und ungeachtet er ſie ſchon geheyrahtet haͤtte/
zum Weibe zunehmen/ ſich nicht enthalten kunte/ daß ſie endlich ſagete: O du getraͤuer be-
ſtaͤndiger Freund und Liebhaber/ deſſen Auffrichtigkeit ich mehr als einen Beweißtuhm
eingenommen/ wie boͤßlich habe ich mich an euch verſuͤndiget/ daß ich einem andern das
eure verſprochen; billicher haͤtte ich mich ins Meer ſtuͤrzen/ als an euch meinaͤidig werden
ſollen.
[517]Drittes Buch.
ſollen. Jedoch was hiedurch ich wider meinen Willen und aus hoͤchſtgezwungener Noht
begangen habe/ ſol von mir in andere Wege erſetzet werden/ bin auch der gaͤnzlichen Mey-
nung/ es haben die Goͤtter es alſo geſchicket/ daß ich euch wiederumb zugefuͤhret wuͤrde;
werde aber/ herzallerliebſte Schweſter/ nicht ruhen/ biß ich mich dankbar gegen euch bezei-
get/ welches ich nur ſo lange auffſchieben muß/ biß mein Neda und ich uns deſſen beredet
haben. Die Geſanten/ auſſer Neda/ wahren wegen Brelen Wiederkunfft noch unberich-
tet/ biß ihrer bey der Mahlzeit ohngefehr Meldung geſchahe/ woruͤber Herr Struniko/ ihr
naher Blutsfreund hoͤchlich erfreuet ward/ und ſich ihres Zuſtandes voͤllig berichtẽ ließ/
da ſie nachgehends eins wurden/ ſie folgendes Tages in ihrer Traurigkeit zubeſuchen. Die
ganze Nacht kunte Brela nicht ruhen/ dann der Schrecken mit Begierde vermenget/ ließ
ihr den Schlaff nicht zu; aber gegen Morgen kam ihr vor/ wie Alexander in bleicher Far-
be/ und mit Blute gar beſpruͤtzet/ ſie bewaͤglich anredete: Sie moͤchte ſeine getraͤue Liebe nit
mit Undank vergelten/ ſondern ihm zu Ehren XX Trauer Wochen aushalten/ ſonſten wuͤr-
den die von ihm geerbeten Schaͤtze ihr durch Raͤubers Hand genom̄en/ und ſie in Lebens-
und Ehrengefahr gerahten. Woruͤber ſie dermaſſen erſchrak/ daß ſie aus dem Schlaffe
fuhr/ und wie ein Eſpenlaub zitterte; wolte doch Jungfer Libuſſen nichts davon melden/
wie ſtark ſie gleich anhielt/ ihr die Urſach ſolcher Verenderung und Schreckens anzuzei-
gen/ ſondern nam ihr aͤidlich vor/ das Beylager vor Ausgang der XX Wochen durchaus
nicht zuhalten. Da ſie nun des Morgens auffſtunden/ und Libuſſa ihr Geſpraͤch von Ne-
da wieder anfing/ in meynung/ ſie zubereden/ dz in kurzer friſt die Hochzeit angeſtellet wuͤr-
de/ ward ſie der Anmuhtung etlicher maſſen unwillig/ und ſagete: Sie erinnerte ſich ihrer
genommenen Abrede/ dabey ſolte es ihres teils ſein verbleiben haben/ jedoch unter zwo Be-
dingungen; Als vorerſt wolte ſie umb boͤſe Nachrede zumeiden/ die angeſezte Zeit halten/
welches ſie hiemit aͤidlich angelobete; Hernach muͤſte ſie verſichert ſeyn/ daß nicht ſchier
heut oder morgen ihr Neda ſchimpflich vorhielte/ daß ſie aus gezwungener Noht/ und um
Rettung ihrer Ehren/ ſich mit Alexandern ſo weit eingelaſſen haͤtte; dann ſolte ſie davon
das geringſte im Schimpff oder Ernſt hoͤren/ wuͤrde ihr ſolches ſchmerzlicher ſeyn/ als der
Tod ſelbſt; Dafern nun Neda ſich dieſer beyden Anmuhtungen/ nicht buͤndig gnug heraus
laſſen koͤnte/ waͤhre ihr unbewaͤglicher Vorſatz/ ihr ganzes Leben in Jungfraͤulichem Stan-
de zuzubringen. Libuſſa ſahe/ daß ſie ernſtlich uñ aus Herzengrunde redete/ durffte ihr dem-
nach nicht widerſprechen/ wie ſehr ihr gleich im Anfange die erſte Bedingung zuwider
wahr/ ſondern ſagte zu ihr: Geliebte Schweſter/ das erſte ſtehet ganz in eurer Macht/ wie-
wol mir in etwas mißfaͤlt/ daß ihreuch aͤidlich dazu verbindet. Ich tuhe ſolcheß/ ſagte Bre-
la/ umb meiner Ehre willen/ und ſonſten aus einer hoͤchſtwichtigen Urſach/ welche ihr der-
eins erfahren ſollet/ deswegen iſt von dieſen XX Wochen kein einziger Tag/ ja keine Stun-
de abzuhandeln. Ich laſſe es gut ſeyn/ antwortete Libuſſa; Das andere aber betreffend/ da-
vor wil ich euch mein Leben zu Pfande ſetzen. Ach nein/ ſagte Breka/ davor kan mir kein
Menſch/ als er allein/ gut ſagen/ und wird er ſich daher gefallen laſſen/ mir deſſen einen
ſchrifftlichen/ und zwar gnug guͤltigen Schein heraus zugeben/ weil ich mich hierin nicht
zu wol verwahren kan/ und dañoch ſcheuh trage/ es ihm anzumuhten. Er wird es aber mit
ganz gutem Willẽ tuhn/ antwortete ſie; nuꝛ ſaget mir/ wz euret wegen ich ihm einliefeꝛn ſol/
T t t iijdaraus
[518]Drittes Buch.
daraus er eure Gunſt und beharliche Liebe in etwz ſpuͤren moͤge. Noch zur zeit nichts/ ſagte
Brela/ biß auf mein doppeltes begehrẽ ich ſeine runde erklaͤrung habe; heꝛnach wil ich alles
nach eurẽ gutduͤnken machen/ uñ von meinen Geldeꝛn uñ Kleinoten ihm ſo viel zuſtellen/ dz
er meines guten willens gnugſame Kundſchafft haben ſol. So gehe ich hin/ ſagte Libuſſa/
alles nach eurem Willẽ an ihn zu fodern/ welches er/ wie ich weiß/ williger leiſten wird/ als
ihrs von ihm begehret. Neda war gleich aufgeſtandẽ/ da ſie zu ihm kam/ die andern aber la-
gen noch auff ihrem Lager; als er ſie nun ſahe/ trat er ihr entgegen/ und nach wuͤnſchung
eines gluͤkſeligen Morgens fing er an: Herzgeliebete Jungfer Waſe/ bringet ihr mir Leben
oder Tod? Ich bringe euch deſſen nichts/ antwortete ſie; das Leben habt ihr ſchon; den
Tod begehre ich euch nicht anzutuhn; wiſſet aber/ daß ich euretwegen mit meiner Waſen
ſieder geſtrigem abſcheiden/ mannicherley Reden gepflogen/ und weiß ſie dero euch vor die-
ſem gegebener Traͤue ſich noch wol zuerinnern/ wuͤrde auch auſſer der hoͤchſten Noht die
kein Geſez hat/ einem andern neben euch ſich nimmermehr verſprochen haben/ wie ſchon
von mir iſt angezeiget worden. Wollet ihr aber in vorige Gunſt wieder angenom̄en ſeyn/
werdet ihr euch unbeſchweret erzeigẽ/ zweyerley Bedingungen ohnwegerlich auff euch zu
nehmen; hielt ihm dieſelben kuͤrzlich vor/ und ſagte nachgehends; nun erklaͤret euch bald/
ob ihr dieſes eingehen/ welches meines beduͤnkens ſo gar ſchwer nicht iſt/ oder im wiedri-
gen lieber wollet/ daß ſie ſich noch dieſen Tag der ewigen Jungfrauſchafft aͤidlich verlobe.
Neda antwortete; ob ihm gleich daß erſte nicht lieb waͤhre/ befuͤnde ers doch in Erbarkeit
und Tugend gegruͤndet; im andern haͤtte er ſich durchaus nicht zubeſchweren/ angeſehen/
kein ehrliebender Menſch ſie hierin verdenken koͤnte/ ſondern muͤſte ohn bedingen an ihr
ruͤhmen/ daß ſie/ Laſter zu meiden/ ſich ſelbſt uͤberwunden/ und Alexandern die Ehe verſpro-
chen haͤtte; ſeid demnach gebehten/ fuhr er fort/ und hinterbringet ihr ſolches neben Anmel-
dung meiner bereitwilligſten Dienſte. Nein lieber Vetter/ ſagte ſie/ vor dißmahl wil es
mit muͤndlicher Erzaͤhlung nicht geſchlichtet ſeyn/ ſondern ehe ihr mit ihr zureden kom-
met/ wird ſolches ſchrifftlich von euch geſchehen muͤſſen/ als dann hat daß Ding ſeine
richtigkeit. Neda wahr hier zu bald fertig/ ſahe ein Schreibzeug mit allem zubehoͤꝛ auf dem
Tiſche ſtehen/ ſchnitte eine neue Feder/ ritzete in ſeine linke Bruſt und ſchrieb mit dem auß-
getropfeten Blute folgenden Brieff:


Hochaͤdel-gebohrne Jungfer/ herzgeliebete vertrauete Freundin; Was meine vielgeehrte Wa-
ſe Jungfer Libuſſa mir/ euer Hochaͤdl. Tugend ergebenem Knechte vorgehalten/ daß vorerſt deroſel-
ben beſtaͤndiger Vorſaz ſey/ vor Ausgang der naͤheſten XX Wochen das Beylager nicht zu vollenzi-
hen; Hernach/ ſie von mir nicht gewaͤrtig ſeyn wolle/ daß ſo wenig im Scherz als Ernſt ihre dem wei-
land Wolaͤdlen Herrn Alexander getahne eheliche Verſprechung ihr aufgerucket/ viel weniger als un-
loͤblich vorgehalten werde; So verſpuͤre aus dem erſten Ihrer Hochaͤdl. Tugend ehrlitbendes Ge-
muͤht/ ich zu voller Gnuͤge/ in dem ſie boͤſen Laͤſtermaͤulern vorzubeugen gefliſſen iſt. Das andere wird
deroſelben kein redlicher Menſch verdenken/ angeſehen ihre Ehre zuretten kein ander Mittel geweſen.
Und verſpreche ich bey meinen ritterlichen Ehren/ daß nicht allein in dieſem/ ihrem Willen ich mich al-
lerdinge gemaͤß bezeigen/ ſondern/ als lange einiger Blutstropffen in mir uͤbrig iſt/ ſeyn und verbleibẽ
wolle meiner herzgeliebten Jungfer und vertrauten Freundin in allem/ was ihr gefallen kan/ bereit-
willigſt-gehorſamſter Knecht Neda.


Libuſſa laß dieſes/ und ſagte; Nun wartet meiner; uͤber ein wenig wil ich euch beſtaͤn-
dige Antwort bringen; ging eilig zu ihrer Waſen/ welche ſie gar ſchwermuͤhtig fand/ und
frage-
[519]Drittes Buch.
fragete/ was ihr anliegen waͤhre. Saget mir zuvor beſcheid von meinem Neda/ antwor-
tete ſie/ als dann wil ich euch mein hefftiges Anliegen nicht laͤnger verhehlen. Wie? ſagete
dieſe/ zweiffelt ihr wegen des beſcheides? hieſelbſt habe ich ihn in der Hand/ und zwar mit
ſeinem Blute geſchrieben/ welches er unter ſeinem Herzen heraus zapffete/ daß ihr ja nicht
zweiffeln moͤchtet/ ob ihm von Herzen gehe/ was er alhie verheiſſet. Brela entſetzete ſich da-
vor und ſagete: Es iſt mir leid/ das ich ſchriftliche Verſicherung an ihm begehren/ uñ ſeine
Redligkeit in zweiffel ſetzen duͤrffen; nam hiemit das Schreiben zur Hand/ laſe es mit fleiß
durch/ und ſagte nachgehends; ich wil dieſen Brieff nicht behalten/ ſondern ihm denſelben
wieder zuſtellen/ damit er hieraus nicht Urſach zu unwillen nehme. Bey leibe nicht/ ant-
wortete Libuſſa/ er wuͤrde ſich viel mehr fremde Gedanken machen/ und Urſach haben/ euch
vor unbeſtaͤndig zu halten. Wollet ihr ihm aber ein Zeichen eurer guten Vergnuͤgung
ſehen laſſen/ ſolches wil ich ihm gerne beybringen. Ja/ ſagete ſie/ deſſen wil ich mich fort-
hin nicht wegern; nam eine trefliche guͤldene Kette/ ein par Armbaͤnder und etliche guͤlde-
ne Ringe aus ihrer Handlade/ wickelte alles zuſammen/ in ein Seidenes weiſſes Tuͤchlein
uñ ſagete; So tuht miꝛ ſo viel zugefallen/ geliebte Schweſter/ und liefert ihm dieſes meinet
wegen; vielleicht gibt die Gelegenheit/ daß ich das uͤbrige ſelbſt mit ihm Rede. Dieſe ver-
richtete ſolches mit gutem willen/ und hinterbrachte es mit dieſen Worten: Mein Vetter/
eure vertrauete Freund in und abermahlige Braut laͤſſet euch ihre von nun an beharliche
Liebe uñ Traͤue durch mich anmelden/ hoffet/ ihr werdet die Anmuhtung wegen der ſchrift-
lichen Verſicherung nicht ungleich außdeuten; haͤtte doch euer Blut darzu nicht begeh-
ret; erkennet aber daher euren guten Willen/ welchen zu ſeiner Zeit nach moͤgligkeit zu
vergelten ſie ſich bemuͤhen wil; unterdeſſen habe ich von ihr Befehl/ euch dieſe Kette an
den Hals/ dieſe Armbaͤnder an eure Arme/ und dieſe Ringe an eure Finger zulegen/ zum
Zeichen/ daß nach dieſem ſie lieber ſterben/ als dieſe Verbindung zum andernmahle bre-
chen wil; und damit es an wirklicher Leiſtung nicht mangele/ wil ich euch vor mich dieſen
Kuß ihretwegen hinzulegen. Neda ſahe die koͤſtliche Kleinot mit Verwunderung an/ und
antwortete: Mein Herz iſt mit allem wol vergnuͤget/ nur daß ich alhie nicht Mittel weiß/
meiner Liebſten etwa ein Kleinot wieder zuliefern. Ihr ſeid daß beſte Kleinot// ſagte Libuſ-
ſa; doch habe ich ſchon hierauff gedacht/ daß euch hieran nicht mangeln ſol; zog hiemit ei-
ne zarte koͤſtliche Halßkette mit einem zimlichen angehenkten Kleinot hervor/ wie auch ei-
nen ſchoͤnen Demant Ring; welches beydes er auff Begebenheit ſeiner liebſten ſelbſt ein-
zulieffern bedacht wahr/ und es gedoppelt zuerſetzen ſich erboht/ da gleich die Boͤmiſche
Geſanten hin zu ihnen traten/ mit begehren/ wann es Libuſſen gefaͤllig/ und ihrer betruͤb-
ten Waſen nicht zuwieder waͤhre/ wolten ſie mit ihr hingehen/ ſie in ihrem Unfal zubeſu-
chen. Brela hatte ſich auff ihre Ankunfft geſchicket/ das Gemach mit ſchwarzem Tuche/
und ſich ſelbſt mit Flohr umb und umb behaͤnget/ empfing auch ihre lieben Freunde und
bekanten mit traurigen Geberden/ und bleicher Farbe/ welche ihr doch durch Neda an-
ſchauen bald in Feurroht verkehret ward/ deſſen Herr Struniko wahrnam (weil Herr
Krokus ſeines Sohns Verliebung ihm vor dieſem geklaget hatte) ließ ſichs doch nicht
merken/ ſondern redete ihr troͤſtlich zu/ ſie wuͤrde ihreꝛ Vernunfft nach ſich in dieſem Fall
zuſchicken wiſſen/ maſſen die Goͤtter ihꝛen Willen haben woltẽ/ denen menſchliche ſchwach-
heit
[520]Drittes Buch.
heit zuwiederſtehen nicht beſtand waͤhre. Herꝛ Staniſla trat etwas naͤher; zweiffelte nicht/
es haͤtte ſich der Unfall mit H. Alexandern nicht ſo ohngefehr zugetragen/ ob man gleich
den unwandelbahren Schluß der himliſchen Verſehung mit unſer blinden Vernunfft
nicht außgruͤbeln koͤnte; er vor ſein Haͤupt rechnete es dahin/ daß entweder gedachter A-
lexander ihrer nicht wirdig/ oder ſie einem andern von den Goͤttern vorbehalten wuͤrde/
deßwegen muͤſte ſie in Geduld ſtehen und bedenken/ daß wie der verſtorbene ſie anfangs
wieder Recht geraubet/ alſo haͤtten die Goͤtter ihn hinwiederumb nach ihrem gefallẽ duꝛch
den Tod hin rauben laſſen. Der alte Wenzeſla machte es kurz/ und wie er mit ihr ohndaß
wol bekand wahr/ und gerne zu ſcherzen pflegete/ wann andere mit ernſthafften Sachen
umbgingen/ ſagte er: Griechenland muͤſte den Boͤhmen die ſchoͤnſten Jungfrauen nicht
ſo entfuͤhren/ ſie moͤchte gemach tuhn/ und der Traͤhnen ſchonen/ es waͤhre noch ſo man-
nicher junger Ritter in ihrem Vaterlande/ unter welchen ſie die Wahl haben/ und den be-
ſten außleſen ſolte. Brela keñete ſeine Anſchlaͤge/ wolte ſich daher mit ihm nicht uͤberwerf-
fen/ ſondern antwortete auff ſeine Reden nichts/ nur das ſie ſeiner guten Geſundheit ſich
freuete/ und ihn wilkommen hieß. Dieſer fuhr in ſeiner poſſerey fort/ boht ſeine Dienſte
und alles Vermoͤgen/ was ein grauer Bart vermoͤchte/ willig an/ wann er nur nicht moͤch-
te geſchuͤppet und durch den Korb geſtuͤrzet werden; daß die gute Jungfer ſich kaum des
lachens enthalten kunte/ und zu ihm ſagte: Es waͤhre noch zu zeitig von heyrahten zu re-
den/ weil ihr geweſener Braͤutigam noch nicht eins beerdiget waͤhre; haͤtte er ſich aber voꝛ
dieſem zu Prag ſo freundlich vernehmen laſſen/ wuͤrde ſie ſolches Gluͤk ſchwerlich außge-
ſchlagenhaben. Freylich/ ſagte er/ wuͤrdet ihrs nicht außgeſchlagen/ ſondern wol gar auß-
gepeitſchet haben; jedoch/ ſagte er zu Neda/ nehmet ihr dieſer Schanze wahr; vielleicht
waͤhren es Schuch vor eure Fuͤſſe/ und ein Neſt vor eure Huͤnerchen. Wodurch er eine
ſolche Roͤhte in der beyder liebhabenden Angeſicht erweckete/ daß ihr keiner ihm ein Wort
antworten kunte/ biß endlich Neda ſagete: Er wuͤſte nicht/ ob bey ſo traurigen Faͤllen ſich
dergleichen teidungen allemahl reimeten; baht hernach/ es moͤchte die Jungfer ſich an
ſeiner Kurzweil nicht irren/ weil des Alten Art ihr ohndaß bekant waͤhre; boht ihr damit
die Hand/ uñ brachte ihr den Ring ſo heimlich an den Finger/ daß deſſen niemand gewahr
ward; hernach redete er ſie alſo an: Hochaͤdle Jungfer/ ich erfreue mich ſehr uͤber ihre uñ
meiner geliebten Waſen Jungfer Libuſſen Rettung/ wie betruͤbet ich gleich bin wegen un-
ſer gnaͤdigſten Fraͤulein Verluſt und Gefaͤngnis; wie ich nun aber aus meiner hochge-
ehrten Jungfer abenteurlichen Reiſen/ und wunderbahrer Erloͤſung nichts anders als deꝛ
Goͤtter ſonderlichen Schuz und Huͤlffe ſpuͤren und ſchlieſſen kan/ alſo zweiffelt mir nicht/
dieſelben werden ſich hinfort ihrer Durchl. auch annehmen/ ſie gnaͤdig retten/ und ihrer
aller Leid in Freude verwandeln. Brela bedankete ſich des guten Willen/ und wuͤnſchete
ihm hinwieder ſtete auffnahme ſeiner ritterlichen Ehren/ und was ihm ſonſt lieb und er-
ſprißlich ſeyn koͤnte. Darnach wante ſie ſich/ Argwohn zu vermeiden/ zu ihrem Vetter H.
Struniko/ und fragete fleiſſig nach ihrer Gnaͤdigſten Koͤnigin Zuſtand/ und wie es allen
ihren Anverwanten/ inſonderheit ihren Vormuͤndern ginge. Dieſer wuſte wol/ daß die-
ſelben ſehr ungleich bey ihr gehandelt/ und aus ihren Guͤtern den Eigennuz geſucht hattẽ/
welches ihr zimlich bewuſt wahr; ließ ſich doch dabey nichts merken/ biß er von ſich ſelbſt
deſſen
[521]Drittes Buch.
deſſen Erwaͤhnung taht; welches ſie mit kurzen beantwortete: Sie haͤtte Gott Lob/ ihrer
Seel. Eltern Rechnungen und Buͤcher in guter Verwahrung/ in welchen alle Schuld
und Unſchuld richtig auffgezeichnet ſtuͤnden; Zweifelte demnach nicht/ ihre Vormuͤndere
wuͤrden dieſelben nicht tadeln/ noch auff ihre Ankunfft ſich wegern/ Rechnung abzulegen.
Worauff Struniko wenig antwortete/ dann ihm wahr wol bewuſt/ es wuͤrde ihre Ankunft
etlichen ſeinen nahen Anverwanten nicht ſonderlich angenehme ſeyn; nur fragete er ſie/ ob
ſie nicht willens waͤhre/ mit ihnen heimzureiſen/ und ihrer Koͤnigin der Fraͤulein Zuſtand
muͤndlich zuberichten; dem ſie zur Antwort gab: Sie haͤtte von ihrem Gnaͤdigſten Fraͤu-
lein/ dann auch von Fuͤrſt Herkules Befehl/ nicht von Padua zu weichen/ biß ſie Schreibẽ
und ausdruͤklichen Erlaß von ihnen haben wuͤrde; Hoffete demnach/ ihre Gnaͤdigſte Koͤ-
nigin/ als welche ihr ſelbſt befohlen/ dem Fraͤulein zugehorſamen/ wuͤrde ihr ſolches nicht
ungnaͤdig veruͤbeln. Nach dem ſie nun bey anderthalb Stunden geſprachet hatten/ namen
ſie Urlaub von ihr; aber Libuſſa ſagte zu Neda: Geliebter Vetter/ ihr ſollet mit mir auff
mein Gemach gehen/ welches hie allernaͤheſt iſt/ daſelbſt wil ich euch zeigẽ/ deſſen ich geſtern
gegen euch gedacht habe; inzwiſchen wartet meiner alhie/ biß den Herren Geſanten ich an
ſtat meiner Waſen das Geleit gegeben habe. Brela verwunderte ſich ihrer liſtigen Erfin-
dung/ wahr doch damit wol zu frieden/ und nach jener Abſcheid/ ergriff ſie ihren Liebſten bey
der Hand/ ſprechend: Vertraueter Herr und Freund/ koͤnnet ihr noch die leichtſinnige
Brelen mit gewogenen Augen anſehen/ die durch groſſe Unbilligkeit euch ſo hoch beleidi-
get/ in dem wider geſchehene teure Zuſage ſie ſich mit einem andern eingelaſſen und ehelich
verſprochen hat; Nun ſind gleichwol die Goͤtter meine Zeugen/ daß ich viel lieber mir das
Leben haͤtte nehmen laſſen wollen/ und ſolte Alexander vor ſich nimmermehr ſo maͤchtig ge-
weſen ſeyn/ mich zugewinnen/ dafern ichs nicht umb meiner Gn. Fraͤulein willen getahn;
Dann haͤtte deren Heil und Wolfahrt ich nicht angeſehen/ ſolte das Meer meinem Leben
gar bald den Fadem auffgeloͤſet haben/ daß verſichere ich euch bey meinem hoͤchſten aͤide/
und wil aller Goͤtter ewigen Fluch uͤber mich ſelbſt wuͤnſchen/ dafern Alexander oder eini-
ges Mannesbilde meiner ſo weit genoſſen hat/ daß meiner Jungfraͤulichen Zucht und Eh-
re im geringſten Nachteil geben koͤnte; deswegen ihr dann dem guten Alexander billich ge-
wogen ſeyn ſollet; Dann haͤtte er Gewalt und ſeines Rechts ſich gebrauchen wollen/ wuͤr-
de ich euch in ſolchem Stande nicht behalten ſeyn/ angeſehen der fernen Reiſe/ die ich mit
ihm zu Waſſer und Lande getahn habe. Ich meyne abeꝛ/ den bloſſen Nahmen eines Braͤu-
tigams euch und mir teur gnug bezahlet ſeyn/ angeſehen ich uͤber XVII Tonnen Schatz an
Baarſchafft und Kleinoten von ihm empfangen und geerbet habe/ daß wir inkuͤnfftig un-
ſern Stand beſſer als kein Boͤhmiſcher Landſaſſe fuͤhren koͤñen. Ich weiß gar wol/ dz eure
Eltern und Verwanten in Verhinderung unſer Heyraht nichts eingeſtreuet haben/ als dz
ich euch nicht reich genug waͤhre; Wollet ihr nun meinem Willen folgen/ ſollet ihr eures
ganzen vaͤterlichen Erbes euch begeben/ oder da ihr ſolche Guͤter zubeſitzen Luſt traget/ euer
Schweſter ſo viel von meinen Geldern heraus geben/ als die Guͤter ingeſamt wert ſind/
alsdañ haben ſie euch nichts vorzuwerffen; aber dieſe XX Wochen wil ich hieſelbſt zubrin-
gen/ und aͤuſſerlich meinen aus Zwang angenommenen Braͤutigam betrauren/ dem ihr
dann nebeſt euren Gefaͤrten morgendes Tages die Ehre und Freundſchafft erweiſen/ und
V u uzu
[522]Drittes Buch.
zu Grabe folgen werdet; Im uͤbrigen bleibets bey unſer zu Prage lezt genommenen Abre-
de. Neda umfing ſie gar freundlich/ und antwortete ihr: Herzgeliebtes Herz/ ſie tuht in
warheit ihr ſelbſt groſſe Unbilligkeit an/ indem ſie ihr ſelbſt daſſelbe uͤbel ausleget/ deſſen ich
und ein jeder redlicher Menſch ſie zum hoͤchſten ruͤhmen und preiſen muß; bitte demnach
von Grund meines Herzen/ deſſen fort mehr nicht zugedenken; dann haͤtte ſie gleich durch
Noht gezwungen/ eine zeitlang mit Alexander ehelich leben muͤſſen/ koͤnte und muͤſte mir ja
ſolches nicht zuwider ſeyn/ wolte ſie auch nicht umb das geringſte weniger/ als jezt/ ehren
und lieben/ und mit ſolcher jungen Witwen wol zufrieden ſeyn/ ja den Goͤttern noch darzu
danken/ wañ mir keine Jungfer zu ehelichen beſcheret waͤhre; Im uͤbrigen iſt die kurze ein-
gebildete Freude von Alexander dergeſtalt durch den groſſen Schaz vergolten/ daß man
ihm davor billich zudanken hat; welcher Reichtuhm doch von mir im geringſten nicht ſol
gemindert werden/ und moͤget ihrs mit meinem vaͤterlichen Erbe nach eurem gefallen an-
ſtellen/ und meiner Schweſter/ ob ſie es gleich weder umb euch noch mich verdienet hat/ al-
les ſchenken/ oder ein Stuͤk Geldes davor zuwenden/ deſſen ich gleichwol keine Urſach ſehẽ
kan. Zwar die beſtimmeten Traurwochen/ wie widrig ſie auch meiner herzlichen Liebe fal-
len/ ſind ſie doch meinem vernuͤnfftigen Willen lieb und angenehm/ wil auch umb ſo viel
mehr darein gerne gehehlen/ damit ihr nicht urſach habt zuſagen: Alexander ſey euch ge-
horſamer geweſen als euer Neda; Dann wie ich ſchon anderthalb Jahr mich geduldet/ al-
ſo wil ich dieſe XX Wochen alle Tage zaͤhlen/ biß ich den lezten hinter mich gelegt habe; als-
dann werden mir die Goͤtter goͤnnen/ deſſen wirklich zugenieſſen/ welches ich hoͤher als al-
ler Welt Wolluſt und Reichtuhm achte. Dem redlichen frommen Alexander wil ich ger-
ne (ſagete er mit lachen) zu Grabe folgen/ und lieber/ als wann ich ihn mit meiner Fauſt haͤt-
te muͤſſen hinunter ſchicken/ welches unvermeidlich haͤtte geſchehen muͤſſen/ wann dieſes
gluͤkliche Ungluͤk nicht darzwiſchen kommen waͤhre. Ach nein/ mein Schatz/ ſagete ſie/ redet
nicht ſpoͤtlich von ihm; Er hats in Warheit weder umb euch noch mich verſchuldet; uͤber-
das bin ich dieſe Nacht durch einen Traum hoͤchlich erſchrecket/ da mich eigentlich dauch-
te/ wie er gar bleich und blutig vor mir ſtuͤnde/ und mich bey hoher Straffe erinnerte/ ſeiner
Liebe nicht zuſpotten/ ſondern die benante Zeit in der Trauer ihm zu Ehren und Gedaͤcht-
niß auszuhalten; dieſes/ bekenne ich/ hat mich bewogen/ ihm dieſe Wochen aͤidlich zuver-
ſprechen/ welches ich auch unbruͤchig halten wil. So wil ich/ ſagte Neda/ auch zu Ehren uñ
Gefallen/ ſeiner allezeit im beſten gedenken/ und dieſe Zeit neben euch in Traurkleidern ge-
hen/ damit ſeinem ſchwebenden Geiſte ein gedoppeltes genuͤgen geſchehe. Es haͤtte ſich a-
ber gebuͤhret/ fuhr er fort/ daß bald anfangs wegen zugeſchikter Kleinot ich mich bedanket/
als welche bey mir die ſtaͤte Gedaͤchtniß unſer von neuen getroffenen Verſprechung friſch
erhalten ſollen/ und bitte dienſtlich/ meine herzgeliebete Freundin wolle mir zu liebe dieſes
ſchlechte Halsketchen tragen/ und von ihr nicht kommen laſſen. Die Jungfer beſahe das
Kleinot/ und gefiel ihr die kuͤnſtliche Arbeit uͤber die maſſe wol; dann ob zwar nicht ſechs
Kronen Gold dran wahren/ hatte doch der Arbeits Lohn uͤber 100 Kronen ausgetragen;
ſo wahr auch das angehenkte Kleinot ſo leicht und unanſehnlich/ aber von ſieben trefflichen
Demanten ſo art- und kuͤnſtlich ins Kreuz geſetzet/ daß ſie bekennete/ ſo ſchoͤne Arbeit nie ge-
ſehen zuhaben. Sie bedankete ſich deſſen aber/ und nach dem ſie ein wenig von ſchwarzer
duͤnneꝛ
[523]Drittes Buch.
duͤnner Seide darum gewickelt hatte/ legte ſie es an ihre bloſſe ſchneeweiſſe Kehle/ und ver-
ſprach/ es in andere wege zuverſchulden. Indem kam Libuſſa hin zu getreten/ und fragete ſie/
ob ihnen ſider ihrem Abweſen die Zeit lange gewehret. Neda ſagte: ſein Wunſch waͤhre/
daß dieſes ewig tauren/ und ſie nimmer wieder moͤchten getrennet werden. Da ihm Bre-
la antwortete: Mein geliebtes Herz/ geduldet euch/ bitte ich/ dieſe kurze Zeit/ ihr ſeyd ja gnug
verſichert; es waͤhre dann/ daß mir die Goͤtter ein gleichmaͤſſiges Ungluͤk wieder zuſchickẽ
wolten; dem ich aber ohn allen Zweifel mit einem ſchleunigen Tode vorkommen wuͤrde.
Schweiget ſtille/ ſagte Libuſſa/ mit ſolchen ungenehmen Reden/ und beobachtet vielmehr
der Goͤtter wunderliche Schickung mit uns Menſchen; dann heut iſt der Tag zu eurer
Hochzeit mit Alexander beſtimmet/ und muͤſſet dagegen mit euren rechtmaͤſſigen Braͤuti-
gam euch auffs neue einlaſſen uñ verbinden/ welches ich trauen vor kein ohn gefehres hal-
ten kan; ſo gehen uͤber das andere ſchon mit euer beyder Heyraht umb/ geſtaltſam Herr
Struniko mich anjetzo hoͤchlich erinnert hat/ mich dahin zubemuͤhen/ daß ihr beyde eine
Ehe ſchlieſſen moͤchtet; welches ich aber nur mit einem leichten Gelaͤchter beantwoꝛtet ha-
be; Aber geliebter Vetter/ ſagte ſie zu Neda/ wollet ihr bey eurer Liebſten noch umb einen
ehrlichen Kuß anhalten/ muͤſſet ihr die Gelegenheit nicht unter den Haͤnden zerrinnen laſ-
ſen/ dann das Frauenzimmer wird bald hie ſeyn/ und euren Schatz beſuchen. Als Brela
ſolches vernam/ beuhrlaubete ſie ihn freundlich/ mit verſprechen/ Gelegenheit zufinden/ daß
vor ſeinem Abſcheide ſie wieder bey einander kaͤhmen. Alſo ging Neda hinweg/ froͤlich und
wolgemuht/ daß die Goͤtter ihm ſeine liebſte Brelen mit ſo groſſen Schaͤtzen wiederumb
zugefuͤhret hatten/ welche bey des Frauenzimmers Ankunft ein trauriges Geſicht annam/
wiewol ihr des Herzen Praſt ganz benommen und vertrieben wahr. Unter der Beredung
fragete Frau Pompeja Jungfer Libuſſen/ wer doch der anſehnliche junge Ritter waͤhre/
mit dem ſie ſich ſo gemein hielte. Worauff ſie antwortete: Ihre Gn. moͤchten ihr ſolche
Freyheit nit verargẽ/ nach dem dieſer Ritter Boͤhmiſches Herren Standes/ ihrer Schwe-
ſter Sohn waͤhre/ welchen ſie mit Herr Krokus (der vor dieſem hieſelbſt geweſen) gezeuget
haͤtte. Das kan ſeyn/ ſagte ſie/ dann er ſihet euch nicht unaͤhnlich; aber wie habt ihr ſchon ei-
ne ſo alte Schweſter? Sie iſt/ ſagte Libuſſa/ meine Schweſter/ von einem Vater/ aber nicht
von einer Mutter/ und hatte ſchon etliche Jahr geheyrahtet/ da ich gebohren ward/ wie dañ
dieſer Ritter ſechs Jahr aͤlter iſt als ich. Frau Sophia gab unter dieſer Rede acht auff
Jungfer Brelen Geberde/ uñ befand eine Verenderung der Farbe an ihr/ ſo offt eꝛ geneñet
ward; daher verſtoͤrete ſie dieſes Geſpraͤch/ und redete von andern Sachen/ biß jener die ge-
woͤhnliche Farbe wieder kommen wahr/ da fing ſie aber an/ als ohngefehr/ von Neda zufra-
gen/ und ſpuͤrete im Augenblik die vorige Verenderung an der Jungfer/ daß ſie vor gewiß
hielt/ dieſe beyde muͤſten ſich ehmahls mehr gekennet haben; welches zuerforſchen ſie nach
genommenem Abſcheid Libuſſen mit ſich auff ihr Zimmer fuͤhrete/ und ſie alſo fragete: Ge-
liebte Freund in/ habt ihr nicht vernommen/ was eure Waſe mag geſinnet ſeyn? Ob ſie hie-
ſelbſt bey uns bleiben/ oder mit den Geſanten nach Prag reiſen wil? Gn. Frau/ antworte-
te ſie/ ich habe von ihr verſtanden/ daß Eure Gn. ſie untertaͤhnigſt bitten wird/ ihr zugoͤñen/
daß ſie biß auff unſer Gn. Fraͤulein gluͤkliche Wiederkunfft ſich alhie in ihrer Gn. Frau-
enzimmer auffhalten moͤge. Dieſes kam ihr ſehr verdaͤchtig vor/ antwortete des wegen:
V u u ijWann
[524]Drittes Buch.
Wann ihr ſolches ein Ernſt iſt/ ſol mir nichts liebers ſeyn/ werde ſie auch ihrer Wirdigkeit
nach zuhaltẽ wiſſen; doch aber/ wañ ich mit euch vertꝛaulich redẽ duͤꝛfte/ haͤtte ich euch etwz
anzumelden/ welches ihr ohn allen Zweifel beſſer wiſſet/ als ich ſelber; ſaget mir die rechte
Warheit/ da ichs wiſſen darff; iſt nicht eine verborgene Liebe zwiſchen Ritter Neda und
Jungfer Brelen geweſen/ und noch? Libuſſa erſchrak der Frage/ und antwortete: Je Gn.
Frau/ woher iſt ihrer Gn. ſolches kund worden? Aus ihrer beyderſeits Augen und Ver-
wandelungen/ ſagte ſie; dann da geſtern Abend der Jungfer ohngefehr meldung geſchahe/
erroͤhtete der Ritter zuſehens; und heut gings der guten Jungfer nicht anders/ als wir von
ihm ſprache hielten. Wanne/ wanne! ſagte Libuſſa/ ſo muß man ſich vor Euer Gn. gegen-
wart fleiſſig huͤten/ wann man ſich einiger Liebe bewuſt iſt; offenbahrete ihꝛ hierauff/ was
geſtalt ſchon vor anderthalb Jahren/ dieſe beyde ſich untereinander ehelich verbunden haͤt-
ten/ und hielte ſie es vor ein ſonderliches Gluͤk/ daß Alexander erſtochen waͤhre; dann ihr
Vetter wuͤrde ihm dieſen Braten ohn die bitteren Todes Salſen nicht haben genieſſen laſ-
ſen/ als welcher mit allem Recht dieſe Braut dereins vom Tantze fuͤhren muͤſte. So iſts
freylich beſſer/ ſagte Fr. Sophia/ daß jener umb einer anderen als dieſer Urſach willen um-
kommen iſt; Und habe ich uͤberdas wol gemerket/ daß der Jungfer Traurigkeit zwar wol
gemeynet/ aber nicht tieffherzig iſt. Sie hat aber dan noch aͤidlich angelobet/ ſagte Libuſſa/
ihrem Alexander XX Wochen zur Trauer auszuhalten. Daran tuht ſie recht und loͤblich/
antwortete ſie; dann ſo werden boͤſe Maͤuler geſtopffet; doch wird ſie ja ihrem erſtẽ Braͤu-
tigam das ehmahlige Verſprechen halten. Daran zweifele Eure Gn. nur nicht/ ſagte fie;
ich habe dieſen Morgẽ/ doch anfaͤnglich wider meiner Waſen wiſſen/ ſie zuſam̃en gebracht/
und das vorige durch Mund/ Hand und Geſchenke an allen Seiten verneuert und feſt ge-
macht. Sie iſt gar eine tugendhaffte zuͤchtige Jungfer/ ſagte Fr. Sophia/ und eines redli-
chen Ehegatten wol wirdig. Ihr muͤſſet ihnen aber Gelegenheit machen/ daß vor ihrer
Scheidung ſie offters zuſammen kommen/ und werde ich darzu helffen/ als viel mir moͤg-
lich. Ihr aber laſſet euch gegen ihrer keinen merken/ daß ich Wiſſenſchafft hierumb trage;
welches ſie ihr zwar verſprach/ und doch nicht unterließ/ ihren Vetter zuwarnen/ aus was
Zeichen Fr. Sophia ihrer Liebe wahr genommen/ damit er ſich auff eine Antwort ſchicken
koͤnte/ wann er von ihr geſtochen wuͤrde.


Des folgenden Tages/ da die Leiche ſolte beſtellet werden/ ließ der Stathalter durch
Klodius alles praͤchtig anordnen/ und folgete er/ von Stanifla und Struniko begleitet/ al-
lernaͤheſt; Nach ihm Neda und Klodius/ die des vorigen Tages gute Kund- und Bruͤ-
derſchafft gemacht hatten; wodurch dieſer erkuͤhnet/ zu jenem unter der Leichbegaͤngniß
ſagte: Geehrter Herr Bruder/ wann mir nicht verarget wuͤrde/ bey eines Braͤutigams
Begraͤbniß den andern auszukieſen/ wuͤſte vor den H. Bruder ich keine bequemere zufin-
den/ angeſehen/ daß alles bey dieſer aͤdlen Jungfer uͤberfluͤſſig iſt/ was ein Weibsbild wert
und angenehm machen kan. Neda gab ihm zur Antwort: Geehrter Herr Bruder/ nach-
dem unſere Freundſchafft ſo nahe zuſammen getreten iſt/ wil ich ihm den groͤſten Teil mei-
ner Heimligkeit offenbahren/ daß Jungfer Brela ſchon vor anderthalb Jahren meine
verſprochene Braut iſt/ welche mir der entleibete gewißlich nit vorenthalten ſollen/ er muͤ-
ſte dann zuvor meines Lebens Meiſter worden ſeyn/ deſſen ich mit ihm mich gewagethaͤtte;
nach-
[525]Drittes Buch.
nach dem aber die Goͤtter meine auffrichtige Liebe erkennet/ haben ſie es geſchicket/ daß ich
ihm als einem verſtorbenen Freunde zu Grabe folge/ da ich ihm bey ſeinem Leben nichts/
als aͤuſſerſte Feindſchafft håtte erzeigen koͤnnen/ es waͤhre dann/ daß er aus Liebe zuꝛ Erbar-
keit mir das meine willig abgefolget haͤtte. Klodius bedankete ſich der Ehren/ daß er ihm
ſolche Heimligkeit anvertrauet/ und baht/ weil er vernommen/ dz ſeine Liebſte ſich alhie auf-
halten wuͤrde/ er moͤchte bey ihm bleiben/ und da es ihm nit zugeringe/ Alexanders Haͤupt-
manſchaft nebſt dem Obriſt Wachtmeiſters Platz annehmen; Er zweifelte nicht/ der Stat-
halter wuͤrde ihm ſolches vor andern gerne goͤnnen. Neda/ nach geſchehener Dankſagung/
antwortete: Er waͤhre ein Koͤniglicher Geſandter/ muͤſte vorerſt wieder nach Prag zu ſei-
ner Gnaͤdigſten Koͤnigin; da ihm aber der Platz ſo lange koͤnte offen gehalten werden/ er-
boͤhte er ſich ohn Sold zu dienen/ uͤmb Gelegenheit zu haben/ bey ſeiner Liebſten zuſeyn; wel-
ches ihm Klodius nach allem Willen verſprach/ auch nach geendigter Begraͤbniß es mit
dem Stathalter vertraulich redete/ da Fr. Sophia gleich darzu kam/ und eben daſſelbe von
ihrem Vater bitten wolte; als ſie nun hoͤrete/ daß dieſer ihr ſchon zuvor kommen war/ ſag-
te ſie im Scherz zu ihm: Ich gedachte den Dank allein bey dieſen verliebeten zuverdienen/
und mich bey meinen kuͤnfftigen Untertahnen beliebt zumachẽ/ aber ihr ſeyd mir zugeſcheid
geweſen/ welches/ ehe fuͤnff Tage vergehen/ ich gedenken wil. Klodius baht untertaͤhnig um
Verzeihung/ es waͤhre ihm leid/ daß er ſo ungluͤklich geweſen/ und ihrem Willen zugegen
gehandelt/ baͤhte ſolches nicht zueifern/ wolte ſich nach dieſem keines Dinges unternehmẽ/
ehe und bevor er von ihrer Gn. Urlaub haͤtte; doch waͤhre ihm gar unbewuſt geweſen/ daß
Ihre Gn. umb dieſe heimliche Liebe Wiſſenſchafft gehabt. Die habe ich auch nicht gehabt/
antwortete ſie/ auſſer dem/ was ich argwohne; Es iſt mir aber ſehr lieb/ daß ihr zugleich mit
mir hierauff bedacht geweſen ſeyd. Gleich da ſie dieſes redeten/ kam Jungfer Libuſſa/ und
brachte eine flehliche Bitteſchrifft/ welche von den gefangenen Beſchuldigten an Jungfer
Brelen geſtellet wahr/ darinnen ſie vorerſt gar klaͤglich umb Verzeihung bahten/ hernach
umb Gnade und Lebensfriſtung anhielten/ welches ſie bey dem Herrn Stathalter und O-
ber Hauptmann durch ihre Vorbitte leicht erhalten koͤnte. Dieſen Brief uͤbergab ſie dem
Stathalter/ und zeigete an/ es haͤtte ihre Waſe den Inhalt geleſen/ wolte aber nichts darzu
reden/ ohn daß ſie Ihrer Gn. alles heimſtellete/ und wann dieſelbe aus eigener Bewaͤgniß/
oder wegen anderer Vorbitte/ Barmherzigkeit und gelindere Straffe wolte ergehẽ laſſen/
waͤhre ſie damit wol zufrieden/ angeſehen ihꝛ mit ihrem Blute nicht gedienet/ ob ſie es ſchon
gnug verwirket haͤtten. Aber Fr. Sophia ſagte: Es koͤnte eine ſolche aͤrgerliche Taht/ ih-
rem ſchlechten Verſtande nach/ nicht ungeſtraffet hingehen/ ob gleich nach befindung einer
ſchaͤrffer als der ander zubeſtraffen waͤhre; Ward alſo nach den Uhrhebern gefraget/ und
befunden/ daß ihrer drey vor andern dieſes Ungluͤk geſtiftet hatten/ deswegen ſie mit Ruhtẽ
geſchlagen und enthaͤuptet/ die acht uͤbrigen aber ins Elende geſchikt wurden/ in den Berg-
werken drey Jahr zuarbeitẽ. Bey dem Abendeſſen warẽ die vornemſte Herrẽ deꝛ Stad ein-
geladen/ da die Koͤnigliche Geſanten mit dem Frauenzimmer in eine bunte Reihe geſetzet
wurden/ und dem guten Neda das Gluͤk ſo wol fugete/ daß er neben ſeiner Liebeſten die
Stelle bekam/ deſſen Fr. Sophia heimlich lachete. Nach abgetragenen Speiſen fagte der
Stathalter zu Neda; aͤdler Ritter/ nach dem euer Vater H. Krokus mein guter Freund/
V u u iijund
[526]Drittes Buch.
und ihr wirdig ſeid/ geliebet und befodert zuwerden/ maſſen euer wolveꝛhalten ich von den
andern Herren Geſanten verſtanden/ ſtelle ich euch den Obriſt Wachtmeiſter-Plaz in die-
ſer Roͤmiſchen Kaͤyſerl. Beſatzung an/ dafern euch geliebet ſelben anzutreten/ und kan ich
euch nach dieſem weitere Freundſchafft leiſten/ ſollet ihr mich dazu willig haben. Neda
ſtund auff/ neigete ſein Haͤupt/ und bedankete ſich der hohen unverdienten Gnade in unter-
taͤhnigkeit; nam auch das angebohtene Ampt an/ dafern ihm zuvor koͤnte vergoͤnnet wer-
den/ laut Koͤnigl. Befehls wieder in ſein Vaterland zukehren/ umb/ von ſeiner Gn. Koͤni-
gin und den Land Raͤhten Urlaub ſeiner Dienſte zu erhalten/ weil er zu Prage in der Koͤ-
nigl. Beſatzung eine Hauptmanſchafft/ neben Verwaltung der Ruſtkammer bedienete.
Herr Struniko wahr ſein Oberſter/ erließ ihn auch alsbald der Hauptmanſchafft/ ſo daß
er das Faͤhnlein ſeines gefallens verkaͤuffen moͤchte/ ungeachtet ers aus ſeinem Beutel ge-
worben haͤtte. Aber Jungfer Libuſſa redete ihm ein; ihrer Schweſter Sohn ſolte mit ſei-
nem Schaden nicht abtreten/ ſondern ſie wolte dem Obriſten davor 2000 Kronen erlegẽ/
daß ſie ihn hieſelbſt hey ſich haben/ und ſeines Rahts ſich gebrauchen koͤnte: Worzu ihm
Fr. Sophia eine guͤldene Kette von 500 Kronen verehrete/ und Neda ſich gegen ſeinen
Obriſten erboht/ dafern er nach ſeinem wol vermoͤgen bey der Koͤnigin ihm Urlaub erhal-
ten wuͤrde/ wolte er ihm das Faͤhnlein auff ſeine Koſten mit 50 Mann verſtaͤrken; Und ob
gleich H. Struniko allem Erbieten wiederſprach/ muſte er doch wegen vieler noͤhtigung
die Bedingungen eingehen. Folgendes tages zimlich fruͤh ließ Fr. Sophia Ritter Neda
zu ſich fodern/ zu dem ſie ſagete; weil ich vernehme/ dz ihr willens ſeid/ erſt wieder mit nach
euer Gn. Koͤnigin zu reiſen/ wiewol ich euer außbleiben ſchrifftlich wol entſchuldigen wol-
te/ werdet ihr euch nicht wegern/ mit mir nach Jungfer Brelen Gemach zu gehen/ die euch
in meiner Gegenwart eigentlich erzaͤhlen ſol/ was vor Zeitung ihr eurer Gn. Koͤnigin von
dem Durchl-Koͤniglichen Fraͤulein anzumelden habt. Dieſer roch den Braten ſchon/ taht
doch nicht deßgleichen/ uñ folgete ihr willig. Im hingehen ſpꝛach ſie vor Libuſſen Gemach
(welche gleich bemuͤhet wahr/ die verſprochenen 2000 Kronen abzuzaͤhlen) und baht ſie/
der Jungfer ihrer Waſen anzudeuten/ daß ſie mit ihr ein wenig zu reden haͤtte. Dieſe hat-
te ſich kaum halb bekleidet/ legte doch das uͤbrige an/ ſo gut ſie in der Eile mochte/ und da ſie
ihren Neda mit kom̄en ſahe/ entfaͤrbete ſie ſich dermaſſen/ daß ſie ſchier blind ward; deſſen
aber Fr. Sophia ſich nicht annam/ ſondern nach dem ſie ihr einen gluͤklichen Morgen ge-
wuͤnſchet hatte/ ſagte ſie; es wuͤrden die Koͤnigl. Geſanten ihre Reiſe ehiſt wieder zuruͤk
nehmen; haͤtte demnach Ritter Neda mit ſich hergefuͤhret/ daß er aus ihrem Munde der
Fraͤulein Zuſtand eigentlich einnehmen/ und ſeiner Gn. Koͤnigin Bericht einbringen koͤn-
te. Dieſe wahr hiezu willig/ und erzaͤhlete alles mit den vornehmſten Umſtaͤnden/ doch ſo
verwirret/ daß ihr verliebter Sinn daher leicht abzunehmen wahr; welches Libuſſa mer-
kend/ ihr zuzeiten wieder einhalff. Nach geendigter Erzåhlung/ gab es noch unterſchiedli-
che Unterredungen/ biß Fr. Sophia vor erſt Neda einen treflichen Ring ſchenkete/ mit be-
gehren/ denſelben zum Zeichen der Gewogenheit anzunehmen; ſtellete bald darauff Brelẽ
einen gleichmaͤſſigen mit eben denſelben Worten zu/ und redete ſie hernach beyde alſo an:
Ihr meine geliebten Freunde; die Goͤtter wiſſen/ daß ich euch von Herzen gewogen bin/
welches in der Taht zuerweiſen vielleicht dereins beſſere Gelegenheit fallen wird; ich moͤch-
te aber
[527]Drittes Buch.
te aber wuͤnſchen/ daß ihr beyde einer dem andern noch auff andere Weiſe/ und viel gewo-
gener waͤhret/ nach dem/ wie ich meine/ ihr beyderſeits frey und keinem verbunden ſeid/
zweiffele auch nicht/ es koͤnte ein ſolches nicht anders als zu allem Gluͤk außſchlagen. Kan
ich dieſes nun bey euch erhalten/ ſo vertauſchet dieſe bey den Ringe mit einander; wo nicht/
als dann behalte ein jeder den ſeinen zum Gedaͤchtnis meiner guten Meynung. Brela waꝛd
hieruͤber ſehr ſchamroht/ wuſte nicht/ ob ſie von Libuſſen verrahten waͤhre/ und harrete/ biß
Neda antworten wuͤrde; welcher hingegen in Furcht ſtund/ ſeine Reden moͤchten ihr un-
genehme ſeyn; welches Libuſſa merkend/ dieſe Antwort gab; Gn. Frau/ es iſt eine wichtige
Sache/ die eure Gn. vornimt/ bitte demnach in dieſer beyder Nahmen untertaͤhnig/ daß
ihnen neben mir ein kurzer Abtrit nicht moͤge verarget werden. Fr. Sophia wahr deſſen
wol zu frieden/ und blieb derweile im Gemach allein/ da Libuſſa zu ihrer Waſen ſagte: Ich
weiß nicht/ wie unſere Gn. Frau zu dieſem Vorſatz komt/ davon ſie mir durchaus nichts
geſagt hat/ und muß ſie ohnzweiffel auß etlichen Zeichen eure Liebe angemerk et haben; rah-
te deßwegen getraͤulich/ vertrauet ihrer Gn. eure Heimligkeit/ deß werdet ihr inkuͤnfftig
vielfåltig zugenieſſen haben; ſo wird ſie es auch auff euer Bitte und Begehren wol verbeꝛ-
gen. Brela faſſete hierauff ein Herz/ und wie ſie zuſammen wieder ins Gemach gingen/
ſagte ſie zu Neda; Mein Herr/ ſeid gebehten/ und berichtet unſere ſchier kuͤnftige gnaͤdig-
ſte Koͤnigin unſers Zuſtandes/ welches wir niemand ſicherer als ihrer Gn. zuvertrauen
haben. Er verrichtete ſolches mit zuͤchtigen Worten/ und taht Brela hinzu/ wie ſie durch
aͤuſſerſte Noht gezwungen/ umb ihre Ehr zuretten/ weiland H. Alexandern vor ihren
Braͤutigam auffnehmen muͤſſen; gaben hernach einer dem andern die geliefferten Ringe/
und bahten ihre Gn. es noch in etwas vor jederman ingeheim halten moͤchte/ welche bald
darauff Abſcheid nam/ und Neda bey Straffe aufferlegte/ bey ſeiner Liebſten zu warten/
biß ſie ihn abfodern lieſſe/ welches ſich doch in die vier Stunden verzog; inzwiſchen Neda
mit ſeiner Brelen ſich vieler Sachen beredete/ da ſie inſonderheit ihn erinnerte/ es waͤhre
billich/ daß man Jungfer Libuſſen vor ihre Traͤue ein Zeichen ſchuldiger Dankbarkeit ſe-
hen lieſſe/ geſtaltſam ſie nicht allein ihr gutes Herz durch mannichen Dienſt/ ſondern auch
in herſchieſſung ihrer Geld er erzeiget haͤtte/ uñ da ſie nicht von ſo gar groſſen Mitteln waͤh-
re/ dan noch geſtern Abend ihretwegen 2000 Kronen Herꝛn Struniko außgeſprochen/ nur
daß ſie ihre langwierige treñung hinderte. Neda erboht ſich/ er wolte nach aͤuſſerſtem ver-
moͤgen tuhn/ ſie aber antwortete; darumb iſts von mir nicht geredet; ich habe/ den Goͤttern
ſey Dank/ Mittel gnug/ ſo weit man mit Schenkungen reichen kan/ wollet denmach meine
Gedanken vernehmen; ich habe Fuͤrſt Herkules in der Fremde 60000 Kronen vorgeſe-
tzet woruͤber ich einen Wechſelbrieff an ſie habe; nun waͤhre meine Meynung/ ich wolte
ihr dieſen Wechſel euret und meinetwegen ſchenken/ dafern ihr deſſen friedlich ſeid. Er
gab zur Antwort/ ihr ſtuͤnde alles frey/ nach Willen zu machen/ und ſolte ihm ſolches herz-
lich angenehme ſeyn; worauff ſie ihm alle ihre Schaͤtze zeigete/ und ihm manniches Klei-
not zuſtellete/ die er wieder ſeinen Willen annehmen muſte; inſonderheit lieferte ſie ihm
unterſchiedliche/ welche er ſeiner Mutter und Schweſter ihretwegen mitbringen moͤchte;
ſendete auch der Koͤnigin einen treflichen Ring/ bey deſſen Lieferung es Gelegenheit geben
wuͤrde/ umb gnaͤdigſten Urlaub anzuhalten. Fr. Sophia kam endlich ſelbſt wieder mit Li-
buſſen/
[528]Drittes Buch.
buſſen/ und begunte dieſe/ ihre Waſe mit Worten zimlich umbzutreiben; ſagte unter an-
dern/ es haͤtte ihre Gn. Frau ohnzweiffel einen Wahrſager Geiſt/ welcher ihr der Men-
ſchen Heimligkeiten offenbahrete. Ach nein/ antwortete Fr. Sophia/ es bedarff deſſen nit;
die Augen der Menſchen/ wann man deren nur recht wahr nimt/ koͤnnen leicht anzeigen/
was im tieffen verborgen liegt/ inſonderheit bey denẽ/ welchen das Gebluͤt lieber aufwarz/
als unter ſich ſteiget. Brela wolte Libuſſen bezahlen/ und fing an: Wie dann Gn. Frau/
halten dann eure Gn. mich allein vor verliebet/ und ſehen meine Waſe ſo einfaͤltig und ſo
frey an/ da ſie doch an dieſer Seuche hefftiger danieder lieget weder ich? Libuſſa fiel ihr in
die Rede; dafern ſie noch ein Woͤrtlein hievon meldung tuhn wuͤrde/ wolte ſie hinweg lauf-
fen; trat auch auß dem Gemache/ umb unvermerket zu lauſchen/ was weiters vorfallen
wuͤrde. Da Fr. Sophia anhielt/ ihr den Braͤutigam zu nennen; und als ſie hoͤrete/ daß es
Leches wahr/ ſagte ſie; nun bin ich wol einfaͤltig/ daß ich ſolches nicht habe merken koͤnnen;
ging hin Libuſſen wieder zu ruffen/ und da ſie dieſelbe an der Tuͤhr ſtehen ſahe/ ſagte ſie; was
lauffet ihr ſo furchtſam hinweg/ Ritter Leches jaget euch ja nicht. Des muͤſſe Brela die
Plauder Matzin dank haben/ antwortete ſie/ aber haͤtten ihre Gn. es auff dieſe Weiſe nicht
erfahren/ wolte ich dieſelbe zur Hochzeit gebehten haben/ ehe ſie von dem Braͤutigam icht-
was gewuſt haͤtte. Sie hielten noch eine zeitlang ihr Geſpraͤch/ biß Fr. Sophia von ihnen
nach Frl. Sibyllen ging/ und derſelben dieſe Heyraht Sache vertrauete/ die es ihrer guten
Freundin wieder ſagete/ daß in weniger Zeit es uͤberal ruchtbar ward. Libuſſa blieb noch
etwas bey ihrer Waſen/ welche ihren Wechſelbrieff hervor nam/ uñ ſie alſo anꝛedete: Heꝛz-
geliebte Schweſter; mein Liebſter und ich/ erinnern uns billich der getraͤuen Freundſchaft
die ihr in ſo kurzer Zeit uns alhier erzeiget habet/ wolten auch ſelbe gerne mit Dankbarkeit
erkennen/ als viel wir vermoͤgens ſind und erſinnen koͤnnen/ da wir dann vor erſt euch ein
ſchlechtes bieten wollen/ unter der Hoffnung/ ihr werdet uns ſolches nicht verſchmaͤhen.
Libuſſa antwortete; O ihr meine Herzgeliebete Freunde/ ſind wir dann nicht ſchuldig/ uns
alhier in der Fremde traͤulich zu meinen? gedenket doch an keine andere Vergeltung/ als
die im guten Willen beruhet/ dann meine Dienſte und Vermoͤgen beſtehen nur in dem-
ſelben. Euer guter Wille/ ſagte Brela/ hat mehr gewirket/ als viel groſſe Schaͤtze nicht veꝛ-
moͤgen; deßwegen/ da ihr uns traͤulich meinet und liebet/ ſo ſeid uns hier in nicht verdriß-
lich noch zu wider. Was verdrießlich? antwortete ſie; ich verbleibe die eure aller ſeits/ wie
ihr verhoffentlich nicht zweiffeln werdet/ wil auch euer Erbieten umb zugehorſamen/ an-
nehmen/ jedoch/ daß die Vergeltung nicht zu groß ſey. Die groͤſſe eurer Ver dienſte/ ſagte
Brela/ muͤſſen wir nicht ihr maͤſſen/ und ob wiꝛ gleich daran ſo leicht nicht reichen koͤnnen/
wollen wir doch den Willen ſehen laſſen. So ſchauet nun her/ kennet ihr die Hand dieſes
Schreibers? O ja/ ſagte ſie/ betriegen mich meine Augen nicht/ ſo hat Fuͤrſt Herkules die-
ſen Brieff geſchrieben. Es iſt wahr/ ſagte ſie; ſo nehmet nun denſelben von uns beyden an
ſtat eines willigen Danks an; wo ihr euch deſſen aber ferner wegert/ ſol alle unſere Freund-
ſchafft auffgeruffen ſeyn. Libuſſa kunte nicht außſiñen/ was Verehrung ein ſolcher Brief
in ſich hielte/ oder zu bedeuten haͤtte/ ſagte doch mit halblachendẽ Woꝛten; ja dieſen Brief/
aber nichts mehr nehme ich von euch an. Gnug/ ſagte Brela/ den Brieff mit ſeinem In-
halt/ und ſonſten vor dißmahl nicht mehr. Worauff jene die außdeutung foderte/ was
durch
[529]Drittes Buch.
durch den Inhalt zuverſtehen waͤhre. Den ſollet ihr ſelber leſen/ antwortete Brela/ nach-
dem ihr euch eigentlich erklaͤret habt. Ich muß wol/ antwortete Libuſſa/ wo unſer gedinge
ſol geendiget ſeyn/ nehme es demnach an/ weil ich mich ſchon ſicher weiß/ daß ihr mir kei-
nen Brieff boͤſes Inhalts ſchenken werdet. Nam alſo das Schreiben zu ſich/ kunte ſich
aber doch nicht drein finden/ was es bedeuten ſolte/ biß Brela zu ihr ſagete: Sehet herzlie-
be Schweſter/ dieſe benahmete 60000 Kronen/ welche ich Fuͤrſt Herkules vorgeſchoſſen/
ſollen euch unſertwegen zur Vergeltung geſchenket ſeyn/ welche Fr. Sophia alle Stunden
mit Dank außzahlen wird. Libuſſa entſetzete ſich dergeſtalt vor dieſer Freygebigkeit/ daß ſie
den Brieff aus der Hand fallen ließ/ und ſich hoch vermaß/ dafern ſie dieſes zuvor haͤtte
wiſſen ſollen/ wolte ſie ihretwegen keinen Fuß aus der Stelle geſetzet/ noch einiges Wort
verlohren haben; dann es ſchiene nicht anders/ als ob man ſie entweder gar eigen kaͤuffen/
oder mit ſo groſſem Gelde abſchrecken wolte/ ſich hernaͤhſt weiter in freundſchafft Dienſtẽ
finden zulaſſen; erklaͤrete ſich doch endlich/ die Gelder mit hoͤchſter Dankbarkeit anzuneh-
men/ jedoch mit dem außdruͤklichen Vorbehalt/ daß wo Leches ſchier heut oder Morgen
nicht einwilligen wuͤrde/ es alles damit ſolte auffgeruffen ſeyn/ welches ſie endlich einwil-
ligen muſten; gingen darauff mit einander zur Mahlzeit/ und vertrieben den uͤbrigen Tag
mit allerhand Geſpraͤch. Des folgenden Morgens reiſeten die Geſanten/ nach empfan-
genem freundlichem Antwort Schreiben von dem Stathalter uñ Frau Sophien/ wieder-
umb nach Boͤhmen/ da Jungfer Brela ihrem Liebſten 50000 Kronen auff Wechſel uͤbeꝛ-
machte/ und 3000 Kronen mit auff die Reiſe gab/ nebeſt allerhand koͤſtlichen Ringen und
anderen Kleinoten/ die ſich auf 40000 Kronen belieffen/ verabſcheideten auch/ daß inwen-
dig acht Wochen ſie zu Padua wieder beyſammen ſeyn wolten. Die Gelder vor Alexan-
ders verkauffte Guͤter ſendete Markus uͤber/ ehe ichtwz von ſeinem Tode in Griechenland
ruchtbar ward/ und ob gleich nachgehends ſeine hinterbliebene nahe Anverwanten ſolches
wieder foderten/ hatte ſie doch zu maͤchtigen Schuz an dem Stathalter/ wiewol ſie ſeiner
Schweſter/ die nicht von groſſen Mitteln wahr/ 20000 Kronen aus freyem Willen ſchen-
kete. Es ging ihr ſonſten nach gemeiner Art der wolbeguͤterten Jungfern/ daß mannicher
Freyer ſich bey ihr melden ließ/ unter denen ein Land Junker war/ unfern von Padua woh-
nend/ welcher auff ſeine Leibes Zierligkeit ſich verlaſſend/ ſo gar nicht am gluͤklichen verfolg
zweifelte/ daß er ſich ungeſcheuhet ſelbſt bey ihr anmeldete/ aber auch mit ſolcher Antwort
abgewieſen ward/ daß er nachgehends immerfort die Boͤhmiſchen Jungfern beſchuldig-
te/ daß ſie zwar ſchoͤn von Leibe/ und reich an Gelde/ aber heßlich an Gutwilligkeit/ und
arm an Hoͤfligkeit waͤhren.


Herkules lag unterdeſſen zu Elia oder Jeruſalem an ſeiner Wunde drey Wochen
zu Bette/ ehe er voͤllig genaß/ und hatte wehrender Zeit ſehr gute Pflege/ dann Fr. Teren-
zia und ihre Tochter Lukrezie beſuchten ihn taͤglich etliche mahl/ wodurch das Liebe Feur in
dem zarten Herzen dieſer zuͤchtigen Fraͤulein haͤuffig gemehret ward/ und ob ſie gleich ih-
rem geliebten Freunde alle Wolfahrt goͤnnete/ ſahe ſie doch/ daß ſeine Verwundung die ei-
nige Urſach ſeines bleibens wahr/ alſo daß ſie ſeinen Unfall vor ihr Gluͤk rechnete. Als ſie
nun vernam/ daß ſichs mit ihm zur Beſſerung anließ/ wolte ſie einen Verſuch tuhn/ ob er
ſich laͤnger koͤnte auffhalten laſſen/ daher ſie einsmals zu ihm ſagete: ob es nicht ſache waͤh-
X x xre/ daß
[530]Drittes Buch.
re/ daß er durch andere/ ſeine verlohrne Frl. Waſe ſuchen lieſſe/ und er inzwiſchen bey ihnẽ
verbliebe/ biß er gewiſſe Zeitung haͤtte/ an was Orten ſie anzutreffen; Sie wolte ihren H.
Vater leicht dahin vermoͤgen/ dz er die verſuchteſten des Landes ausſchickete/ und ihr duꝛch
alle Landſchafften nachſpuͤren lieſſe/ ſo weit man meynete/ die Raͤubeꝛ mit ihr moͤchten gan-
gen ſeyn; Dieſes hielte ſie vor nuͤzlich und ſicher/ koͤnte auch durch ſeine angenehme liebe
Gegenwart ihre Eltern deſto laͤnger erfreuen; ſo fuͤrchtete ſie uͤber das/ die verteufelten Ju-
den wuͤrden ihn zuverfolgen noch nicht ablaſſen/ und was ſie ſonſten einzuſtreuen wuſte.
Herkules hatte dieſer Fraͤulein hohe Zuneigung dieſe Zeit uͤber aus vielen Geberden und
Worten gnug geſpuͤret/ welches ihm dann/ angeſehen ihre Zucht und Scham nicht unan-
genehm wahr; Demnach aber ſein Herz dahin nicht mochte gelenket werden/ ihr dieſe wil-
fahrung zubezeigen/ gedachte er/ es wuͤrde das beſte ſeyn/ daß eꝛ ſich mit ſolchen Reden eins
vor alles heraus lieſſe/ woraus ſie einen Argwohn ſeiner Liebe faſſen/ und von den Gedan-
ken einiger Heyraht (wo ſie dieſelben haͤtte) befreyet werden koͤnte; antwortete ihr deswe-
gen ſehr freundlich: Es waͤhre ihm eine lautere Unmoͤgligkeit/ ſich der Reiſe zubegeben/
oder einem andern/ wer der auch ſeyn moͤchte/ die Nachſuchung anzuvertrauen/ maſſen ſie
in fremder geſtalt und Manneskleidern gefangen waͤhre/ und bißher vor einen Juͤngling
gehalten wuͤrde/ haͤtte auch ein ſehr heimlich-vertrauetes Wahrzeichen/ durch deſſen Vor-
ſchub er und kein ander ſie erfragen koͤnte. Uberdas waͤhre er von kindlicher Kundſchafft
her dieſem Fraͤulein/ und ſie ihm dergeſtalt verpflichtet/ daß geborne Bruͤder und Schwe-
ſter ſich nimmermehr hoͤher und herzlicher lieben moͤchten; koͤnte demnach nicht ruhen
noch von herzen froͤlich ſeyn/ biß er ſie wieder in freyem Stande ſehen wuͤrde. Das gute
Fraͤulein hatte bißher der gleichen Reden von ihm nicht gehoͤret/ faſſete aber bald hieraus
die unfehlbahre Meynung/ wie es ſtehen muͤſte/ und das merken zuvermeiden fragete ſie/
ob die verlohrne ihm dann ſo nahe verwand waͤhre. Eben ſo gar nahe nicht/ ſagte er/ nur
die volkommene Zuneigung zwinget mich am meiſten/ ihre Erloͤſung zubefodern. Ja wol/
antwortete ſie/ ſo tuht ihrs nicht umb Verwandſchafft/ ſondern umb Liebe willen. Er wol-
te dieſes nicht ſtark leugnen/ weil es eben zu dem ende angefangen war/ damit ihr der Weg/
ein mehres zuhoffen/ verlegt wuͤrde/ und gab zur Antwort: Ja Hochgebohrnes Fraͤulein/
wann ich die Warheit bekeñen ſol/ die ich noch keinem andern geredet habe/ ſo treibet mich
nicht wenig die in kindlichen Jahren geſetzete Liebe/ dieſer meiner Frl. Waſen mich anzu-
nehmen. Welches ihr aber nicht ſonderlich lieb zuhoͤren wahr/ ließ ſichs doch im geringſten
nicht merken/ ſondern baht/ er moͤchte ſich mit ſchwermuͤhtigen Gedanken nicht verunru-
hen/ damit er ſeines langwierigen Lagers ſchier entnommen wuͤrde; was vor ihr Haͤupt
ſie zu Befoderung der Erloͤſung ſeiner liebſten Fraͤulein ſchaffen koͤnte/ wolte ſie keines we-
ges unterlaſſen; und ſtund nicht lange an/ daß Herkules zur voͤlligen Geſundheit kam/ und
ſich wieder tuͤchtig befand/ Waffen zu fuͤhren/ daher er bey dem Stathalter freundlich an-
hielt/ daß ſeiner Reiſe Nohtdurfft nach/ er guͤnſtig erlaſſen wuͤrde; Welcher ihm antwor-
tete: Es muͤſten die gefangene moͤrderiſche Juden zuvor/ ihrem Verbꝛechen nach/ verdiente
Straffe empfangen; waͤhre demnach willens/ ſie morgendes Tages zuverurteilen. Her-
kules wuſte/ daß ihrer eine groſſe Anzahl wahr/ welche vielleicht nicht alle in gleicher ſchuld
moͤchten begriffen ſeyn/ fragete deswegen/ ob nicht denen/ vor welche er bitten wuͤrde/ das
Leben
[531]Drittes Buch.
Leben koͤnte geſchenket werden; und da ihm ſolches verſprochen wahr/ baht eꝛ den Biſchof/
einen Chriſtlichen ſanfftmuͤhtigen Lehreꝛ zu ihnen ins Gefaͤngniß zuſenden/ ob ſie vielleicht/
oder nur etliche unter ihnen/ den falſchen Glauben ablegen/ uñ die Chriſtliche ſeligmachen-
de Lehre annehmen wolten/ als dann wuͤrde man ſich bemuͤhen/ daß ihnen entweder das Le-
ben gar geſchenket/ oder doch gelindere Straffe auffgelegt werden ſolte; Aber vorerſt war
alle Vermahnung vergeblich/ indem ihrer etliche ſich duͤrꝛe heraus lieſſen/ als fromme Ju-
den zuſterben; die andern es mit einem ſtilleſchweigen beantworteten; Daher wurden ſie
alleſamt gebunden auff den Platz hinaus gefuͤhret/ woſelbſt Herkules mit Ben-Levi den
Kampff gehalten/ und ſtunden LX Kreuze auffgerichtet/ vor welchẽ die Gefangene ſich hef-
tig entſetzeten/ und ein jaͤmmerliches Geſchrey anfingen/ klageten ſehr/ daß ſie nicht ſamt ih-
ren Bruͤdern ſich haͤtten niderhauen laſſen/ damit ſie des elenden ſchmerzhafften Todes
moͤchten befreyet ſeyn. So bald das Geſchrey erging/ daß die Urtel uͤber die gefangene Ju-
den ſolte geſprochen und das Gericht gehaͤget werden/ lieſſen ſich zehn anſehnliche Juden
bey dem Stathalter angeben/ daß ſie untertaͤhnig begehreten/ gnaͤdig gehoͤret zuwerden. Er
wolte ſie anfangs nicht vor ſich laſſen/ doch auf Herkules fleiſſiges anhalten/ ließ ers geſche-
hen; da der aͤlteſte unter ihnen/ nahmens Meiſter Schmul dieſes vortrug: Hochmoͤgen-
der Herr Stathalter; wir von der ganzen Juͤdiſcheit dieſer Landſchafft Abgeordnete/ ſind
befehlichet worden/ euer Hochvermoͤgenheit untertaͤhnig vorzutragen/ und zubitten/ dieſel-
be gnaͤdig geruhen wolle/ ſich zuerinnern/ was geſtalt Roͤmiſche Kaͤyſerl. Hocheit uns und
unſerm Volke den Juden die Freyheit allergnaͤdigſt erteilet/ nicht allein in dieſer Stad uñ
umliegenden Judiſchen Lande unter unſerm Vorſteher und eurem/ als Roͤmiſchen Stat-
halters Schutze ſicher und frey zuwohnen und zuwerben/ ſondern auch unſerm Gottes-
dienſte obzuliegen/ ohn Einſprache und Verhinderung. Wann wir dann vor warhafft be-
richtet werden/ daß eine zimliche Anzahl unſerer Glaubens genoſſen in ſtraͤnger Hafft und
Gefaͤngniß ſollen gehalten/ und mit abſcheuhlicher Straffe bedrauet werden/ und ſolches
zwar umb eines einzigen Chriſten willen/ dem ſie weder am Leben/ noch an der Geſundheit
noch an ſeinen Guͤtern keinen einigen Schaden zugefuͤget/ und er uͤberdas ein Fremdling/
und wol gar des Roͤmiſchen Reichs Feind ſeyn mag; Als ſtehet die loͤbliche Judiſcheit in
Betrachtung deſſen/ in gewiſſer Hoffnung/ es werde der Roͤmiſche Herr Stathalter ſeine
Haͤnde mit unſchuldigem Blute nicht beſudeln/ noch unſere uns von Roͤmiſcher Kaͤyſerl.
Hocheit ſelbſt allergnaͤdigſt erteilete Sicherheit ſchwaͤchen oder brechen/ ſondern die un-
ſchuldig Gefangenen gnaͤdig erlaſſen; ſolte aber unſers Feindes Frevel durchdringen/ uñ
bey dem Herrn Stathalter ſeinen Mutwillen erhalten/ alsdann bedingen wir uns auffs
zierlichſte von alle dem Unheil/ welches hieraus entſtehen duͤrffte/ beruffen uns auch auff
dieſen unverhoffeten fall/ auff Kaͤyſerl. Hocheit/ und daß vor dero gerechteſtem Richter-
Stuel wir dieſe gerechte Sache anhaͤngig zumachen uñ auszufuͤhren/ ungehinderte Frey-
heit haben moͤgen. Der Stathalter erzuͤrnete ſich uͤber dieſe Vermaͤſſenheit hefftig/ begrif
ſich doch/ und gab ihnen dieſe Antwort: Frecher Jude/ du haſt dein Luͤgenmaul weit auff-
getahn/ und deinem Trotz groſſen Urlaub gegeben; Und bin ich krafft tragendes Amtes
nicht ſchuldig/ dir zuantworten/ nur allein ſoltu wiſſen/ daß ich keine Juden/ ſondern oͤffent-
liche Moͤrder einſetzen laſſen/ welche den hochteuren Landfrieden ſchaͤndlich gebrochen/ ei-
X x x ijnem
[532]Drittes Buch.
nem hochverdienten Roͤmiſchen Ritter und ſonderlichem Bruͤderlichen Freunde unſers
Allergroßmaͤchtigſten Kaͤyſers moͤrdlich auffgewartet/ und dadurch als Ubeltaͤhter das
Leben verwirket/ denen alſo durchaus kein Anruffen an Kaͤyſerl. Hocheit zuſtehet/ ſondern
nach gemeinem Recht ſollen und muͤſſen geſtraffet werden. Ich frage euch aber/ ob euer
Worthalter alles nach eurer Bewilligung vorgetragen/ oder ein und ander unter euch et-
was daran zutadeln habe. Sie fingen drauff einmuͤhtig an/ daß ihrer aller durchaus eine
Meynung und einerley Rede wåhre. Wolan/ ſagte der Stathalter/ ſo habt ihr euch ſchwe-
rer Bedraͤuung vernehmen laſſen/ als ob auff mein Vornehmen groſſes Unheil erfolgen
duͤrffte/ welches nichts anders/ als ein algemeiner Auffſtand eures Volkes ſeyn wuͤrde/ wo-
vor ihr euch als Redelns fuͤhrer anmeldet/ und deswegen in geſtraͤnger Hafft verbleiben
ſollet/ biß von Kaͤyſerl. Hocheit ich Befehl bekommen werde/ wie mit euch weiters zuver-
fahren ſey/ da ich dann keines weges zweifelen wil/ ihr ſollet es mit dem Leben bezahlen. Die-
ſe hielten an/ der Stathalter moͤchte ſich eines beſſern bedenken/ und ſie der Hafft erlaſſen/
es wuͤrde ſonſt eine groſſe Verantwortung darauf ſtehẽ. Aber er antwortete[:] O ihr Schel-
men/ fahret ihr noch fort mit eurem Trotz/ und haͤttet guter Vorbitte ſo hoch von noͤhten?
Hieß ſie alsbald in die Gefaͤngniß fuͤhren/ daraus die andern genommen waren/ und ward
durch die ganze Stad ausgeruffen: Dafern einige Juden ſich mit Waffen wuͤrden finden
laſſen/ oder heimliche Zuſammenkunfft halten/ ſolte es alsbald am Leben geſtraffet werden.
Hiedurch wurden ſie erſchrecket/ daß ſie von ihrem Vorſatz abſtunden/ da ſie geſchloſſen
hatten/ die verurteilete Moͤrder loßzumachen/ es geſchaͤhe in Guͤte oder durch Gewalt. Auf
dem Gerichtplatze trat der vorige Chriſtliche Lehrer wieder hin zu den Gefangenen/ und er-
mahnete ſie mit Traͤhnen und ſonderlicher Wolmeynung/ weil er ein geborner Jude war/
ſie moͤchten doch ihre eigene Wolfahrt und kuͤnfftigen Zuſtand nach dieſer Vergaͤnglig-
keit betrachten/ damit ſie nicht das zeitliche und ewige zugleich verlieren moͤchten. Es koͤnte
leichtlich erwieſen werden/ wie groͤblich ſie irreten/ indem ſie auff einen andern Meſſias als
auff den gekreuzigten und von den Todten aufferſtandenen JEſus hoffeten. Sie moͤchten
doch ihren jetzigen Zuſtand behertzigen; Der Reichs-Stab waͤhre ja nach Jakobs Weiſ-
ſagung von ihnen hinweg genommen/ ihr Gottes Hauß und aͤuſſerlicher Gottesdienſt zer-
ſtoͤret und auffgehoben/ ihre weltliche Herrſchafft vergangen/ und lieſſe ſich durchaus kei-
ne Hoffnung zur Erſetzung blicken. Es waͤhren nunmehr ſchon 155 Jahr/ daß Jeruſalem
in der Aſche laͤge; LXII Jahr lang waͤhre es ein wuͤſter Hauffe geweſen/ woſelbſt ſich nur
wilde Tihre auffgehaltẽ/ biß vor XCIII Jahren Kaͤyſer Elius Hadrianus dieſe jetzige Stad
dahin gebauet/ und ſie Elia Capitolina nach ſeinem und ſeines Abgottes Nahmen genen-
net/ aber als eine Heydniſche Stad nicht den Juden/ ſondern den Heyden zur Woh-
nung; Und ob gleich die Juden ſint der Verſtoͤrung her ſchon etliche mahl verſucht haͤttẽ/
ein Reich wieder anzurichten/ waͤhren ſie doch allemahl jaͤmmerlich druͤber angelauffen.
Hiebey fuͤhrete er ein/ was geſtalt vor CXI Jahren die Juden in Egypten viel tauſend ſtark
ſich verſamlet/ unter ihrem Fuͤhrer Andreas ſich dem damahligen Kaͤyſer Trajan entge-
gen geſetzet/ und in die 200000 Menſchen erſchlagen/ auch die uͤbrigen des Orts gezwun-
gen/ der erſchlagenen Fleiſch zu freſſen/ und ſonſten viel Granſamkeit veruͤbet haͤtten. In
der Inſul Zipern haͤtten ſie es gleich um dieſelbe Zeit nicht beſſer gemacht/ uñ in die 24000
Menſchen
[533]Drittes Buch.
Menſchen daſelbſt erwuͤrget; wie auch in Meſopotamien und anderen Landſchaften waͤh-
ren ſie auch in voller Ruͤſtung geweſen; aber allenthalben dergeſtalt von den Roͤmiſchen
Feld Herren geſchneuzet/ daß ihrer unzaͤhlig viel tauſend druͤber hingerichtet waͤhren; in-
ſonderheit in Zypern/ woſelbſt dasmahl ein Geſetz gegeben worden/ daß wo ein Jude da-
hinein kaͤhme/ auff was weiſe es auch geſchehen moͤchte/ folte es ihm den Hals koſten. Et-
wa fuͤnff Jahr hernach haͤtten ſie in dieſem Judiſchen Lande abermahl einen Aufſtand ge-
macht/ aber von dem Roͤmiſchen Stathalter Titinius Rufus ſo manniche Schlappe ein-
genommen/ daß ſie endlich ruhig ſeyn muͤſſen. Dreyzehn Jahr hernach/ als Hadrianus
dieſe Stad Elia erbauet/ und auff den Platz des ehmaligen Gottes Hauſes die jetzige heyd-
niſche Kirche zum Jupiter Capitolinus genant/ aufgerichtet/ waͤhre ein neuer Lermen dar-
uͤber unter den Juden entſtanden/ haͤtten ſich anfangs unter der Erden in den Kluͤfften uñ
Hoͤlen auffgehalten und bewehrt gemacht/ endlich unter ihrem Fuͤhrer und vermeynten
Meſſias dem Bar-Kochba einen offentlichen Krieg wider den Kaͤyſer angefangen/ auch
anfangs ſehr grauſame Tahten verrichtet/ biß inwendig drey Jahrẽ ihre Macht gedaͤmpf-
fet/ und ihrer in unterſchiedlichen Treffen uͤber die 580000 Mann erſchlagen worden; de-
ren aber/ die durch Hunger und Seuchen umkommen/ waͤhre eine unzaͤhlbare Menge; da
haͤtte man alle Juden ins gemein aus dieſem Lande vertrieben/ uñ es den Heyden uñ Chri-
ſten zubewohnen eingeraͤumet; Ja noch neulich/ etwa vor XXIII Jahren haͤtten die Juden
unter dem Moͤrder Klaudius eine Auffruhr erwecket/ aber vom Kaͤyſer Severus waͤhren
ſie bald gezwungen ſich zudemuͤtigen. Daß alſo ſich nirgends haͤtte Gluͤk zu ihren Anſchlaͤ-
gen finden wollen. Nach ſolcher Erzaͤhlung/ erzwang er/ daß die beſtimmete Zeit des Meſ-
fias auſſer allem Zweifel ſchon erfuͤllet/ und die von dem Propheten Daniel ernennete LXX
Jahrwochen laͤngſt verfloſſen/ uñ haͤtte JEſus von Nazareth durch alle Zeichen ſich kraͤf-
tig erwieſen/ daß er der verſprochene Meſſias und Heyland der Welt waͤhre/ indem er nit
allein allerley Krankheiten und Seuchen mit einem Worte geheilet/ ſondern nach ſeiner
ſie greichen Aufferſtehung gen Himmel gefahren/ und nach ſeiner Aufffahrt ſeinen Juͤn-
gern den Heiligen Geiſt ſichtbahrer weiſe mitgeteilet/ durch deſſen Krafft ſie im Nahmen
JEſus groſſe Wunderzeichen verrichtet håtten/ wie ſolches alles ſo helle am Tage/ und mit
ſo viel hundert tauſend Maͤrterer Blute beſtaͤtiget und verſiegelt waͤhre/ daß kein Witzigeꝛ/
dem es kund getahn wuͤrde/ daran zu zweifeln haͤtte. Dann warumb haͤtten dieſe alle einem
Menſchen zu gefallen/ umb ertichtete Luͤgen ihr Leben durch allerhand grauſame Pein auf-
opffern wollen oder koͤnnen/ wann ſie nicht verſichert waͤhret/ das JEſus/ umb deſſen Wil-
len ſie gelitten/ ihnen viel ein wichtigers wieder geben wuͤrde/ wañ ſie nach ſeiner Lehre/ ihm
zu liebe und ehren/ Leib und Leben in die Schanze ſchluͤgen? Uber das ſolte man die Weiſ-
ſagungen Altes Teſtaments oder Bundes betrachten/ ſo wuͤrde ſichs finden/ wie artig und
genau dieſelbe mit dem HErrn JEſus uͤbereinſtimmeten; uͤberlief hiebey kuͤrzlich die voꝛ-
nehmſten Spruͤche der Schrifft/ welche von dem Meſſias handeln/ inſonderheit aus dem
LIII Cap. des Eſaias/ daraus er bewieß/ dz Meſſias vor der Welt Suͤnde ſterben und buͤſſen
muͤſte/ auf dz Gottes gnade uñ die ewige Seligkeit uns armẽ verdamtẽ Menſchẽ wieder er-
worben uñ zuwege gebracht wuͤrde. Einer unter dieſen gefangenẽ/ namens Moſe/ der in dẽ
Rabbiniſchen Schrifften fleiſſig geleſen hatte/ fing mit dieſem Chriſtlichen Lehrer ein Ge-
X x x iijſpraͤch
[534]Drittes Buch.
ſpraͤch von dem Meſſias an/ und unterſtund ſich zubehaͤupten/ Meſſias wuͤrde kommen/
ein zeitliches Reich anzurichten/ und die Judiſche Herſchafft in den Stand zuſetzen/ wie ſie
Zeit Koͤnig Salomons geweſen; dann er ſolte ja ein Koͤnig ſeyn; er ſolte Davids Stuel
beſitzen/ und ſeine Feinde zum Schemel ſeiner Fuͤſſe legen. Dieſer aber bewies ihm gerade
das Wiederſpiel: Es waͤhre durch Chriſtus oder Meſſias Reich nicht ein weltliches oder
irdiſches zu verſtehen/ ſondern er waͤhre uns verheiſſen und geſand/ die bußfertigen Suͤn-
der aus dem Rachen der Hellen und des leidigen Teuffels zuerretten; nehmlich er ſolte
der Helliſchen Schlangen den Kopff zutreten/ und ein Segen aller Voͤlker ſeyn/ alſo das
Gottes Reich durch ihn in der ganzen Welt außgebreitet wuͤrde/ welches ſonſten nur in
den engen Grenzẽ dieſes gelobeten Landes eingeſchloſſen wahr. Und da Meſſias nur das
zeitliche Reich anrichten ſolte/ was haͤtte dann Koͤnig David und andere in der hoͤchſten
bluͤte des Judiſchen Reichs nach dem Meſſias ſo aͤngſtiglich ruffen duͤrffen/ daß die Huͤlffe
aus Sion uͤber Iſrael kom̄en/ und Gott ſein gefangen Volk erloͤſen moͤchte? Weil ja zu der
Zeit keine leibliche Gefaͤngnis oder unterdruͤckung wahr/ damit die Juden ſolten geplaget
wordẽ ſeyn. Schließlich wiederholete er/ dz die Weiſſagung von den 70 Jahrwochẽ beim
Daniel/ Gottes unfehlbahres Wort uñ Verheiſſung waͤhre/ welches kein Menſch hem̄en
noch umſtoſſẽ koͤnte/ uñ weil ſolche Zeit auſſeꝛ allẽ zweifel verfloſſen/ ja weil ſie gleich um die
Zeit des Leidens uñ der Aufferſtehung des HErꝛn Jeſus zu ende gelauffẽ waͤre/ muͤſte ja der
Meſſias ſchon kom̄en ſeyn/ da man ſonſt Gottes Wort nit zu Luͤgen machen wolte; es wuͤrde
auch kein ander/ als JEſus von Nazareth der Meſſias ſeyn/ weil ſich niemand fuͤnde/ wel-
cher davor koͤnte gehalten werden; ſintemahl Johannes der Taͤuffer außdruͤklich geleug-
net haͤtte/ er waͤhre nicht Meſſias/ da die Judiſche Geiſtligkeit ſolches von ihm gefraget;
ja er haͤtte außdruͤklich auff den HErꝛn Jeſus mit Fingern gezeiget/ der waͤhre der Meſ-
ſias; der waͤhre das Lamb Gottes welches der Welt Suͤnde traͤgt/ und ein ſo groſſer Herꝛ/
daß er auch unwirdig waͤhre/ ihm ſeine Schuch nachzutragen. Da man aber einſtraͤuen
wolte/ warumb dann die Juden dieſen JEſus nicht haͤtten vor den Meſſias erkennen uñ
annehmen wollen; koͤnte man vor erſt nicht laͤugnẽ/ daß ſehr viel Juden/ auch etliche von
den Schrifftgelehrten ihm angehangen haͤtten; die uͤbrigen haͤtten ſich an ſeiner aͤuſſerli-
chen geringen Geſtalt geaͤrgert und gleich mit den heutigen Juden gewaͤhnet; ob wuͤrde
Meſſias ein weltliches Reich anrichten/ und mit guͤldenem Reichs Stabe und Kron tref-
lich einher prangen muͤſſen; die Rotte der Phariſeer aber waͤhre ihm ungewogen gewe-
ſen/ weil er ihre aͤuſſerliche falſche Scheinheiligkeit und innerliches boßhafftes Leben oͤf-
fentlich geſtraffet/ und ihre Suͤnden auffgedecket/ woruͤber ſie ergrimmet/ ihm nach Leib
und Leben geſtanden/ biß ſie ihr Muͤhtlein an ihm gekuͤhlet/ und dem Landpfleger Pontius
Pilatus uͤbergeben. Und da ſie ſeiner Aufferſtehung von den Todten waͤhren von den
Grabeshuͤtern berichtet worden/ haͤtten ſie Gott dem Herrn zu trotze alles geleugnet/ und
den Kriegsknechten Geld gegeben/ ein ſolches zu verſchweigen. Dieſes alles/ ſagte er/
moͤchten ſie doch beherzigen/ und ihrer armen Seele rahten laſſen. Moſes und etliche we-
nig andere/ hoͤreten ihm fleiſſig zu/ und daͤuchte ſie/ wie eine ſonderliche Bewaͤgung und
Andacht in ihrem Herzen erwecket wuͤrde/ daß auch einer/ nahmens Iſaak/ der dem Moſe
am naͤheſten ſtund/ zu ihm ſagte: Rabbi/ ihr muͤſſet dieſes alles beſtaͤndig wiedeꝛlegen/ odeꝛ
mir
[535]Drittes Buch.
mir nicht verargen/ wann ich/ durch dieſes Chriſtlichen Lehrers Beweißtuhm uͤberwun-
den/ meinen vorigen Glauben ablege/ und als ein rechtſchaffener Chriſt ſterbe/ dafern mir
Lebens-Gnade nicht begegnen kan; maſſen ich mein Herz der maſſen geruͤhret befinde/ daß
vor mich ich nit mehr zu wiederſprechen weiß. Ein ſolches beſtaͤtige in euch der H. Geiſt/
ſagte der Chriſtliche Lehrer/ und verſiegele das Wort in eurem Herzen zu dem ewigen Le-
ben. Moſes ſtund wie ein Taumelichter/ und bedachte ſich ein wenig/ fing hernach an/ und
rieff mit heller Stimme. Ihr meine lieben Freunde/ und dem Fleiſche nach/ warhafte Bruͤ-
der/ verſichert euch feſtiglich/ daß wir von unſern Rabbinen bißher heßlich hinter das Licht
gefuͤhret/ und durch ihre Luͤgen Schrifften auff den Irreweg geleitet ſind; dann in War-
heit/ die heilige Schrifft Gottes zeuget dieſes alles von dem Meſſias/ was dieſer Chriſt-
liche Lehrer mit beſtand eingefuͤhret hat; daher ſehe ich vor erſt/ daß wir uns einen falſchen
Meſſias einbilden; und hernach/ weil die von Gott durch den groſſen Daniel beſtimte Zeit
(deren ich offtmahls ganz zweiffelmuͤhtig nach gedacht) verfloſſen/ JEſus von Nazareth
aber umb dieſelbe Zeit kommen iſt/ er und kein ander/ der wahre Meſſias ſeyn muͤſſe/ wie
er ſolches durch ſeine Wunder/ deren wir gute Kundſchafft haben/ gnugſam dargetahn;
an dieſen nun wil ich hinfort glaͤuben/ an dieſen wil ich mich halten; bey dieſem wil ich Le-
ben und ſterben/ daß helffe mir Gott und dieſer mein Meſſias JEſus/ Amen. Hierauff
fing er an/ ſeine Mitgefangenen zu vermahnen da ſie des Himmelreichs faͤhig werden/ und
an Meſſias Teil haben wolten/ muͤſten ſie Chriſten werden/ ſonſt wuͤrden ſie der ewigen Veꝛ-
damnis eigen bleiben. Aber dieſe Ermahnung wolte ſo bald nicht hafften/ ſondern der
groͤſte Teil ſpeieten ihn an/ uñ verfluchten ihn biß in der Hellen Abgrund/ dz er den ſchaͤnd-
lichen Glauben annehmen/ und an einen auffgehenkten Gott glaͤuben wolte; er moͤchte
doch als ein Gelehrter/ ſeinen Glaubens genoſſen den Schimpf nicht antuhn/ und die Leh-
re verdammen/ in welcher Abraham/ Iſaak und Jakob ſanfft und ſelig eingeſchlaffen waͤh-
ren; des Chriſtlichen Lehrers Vorbringen waͤhre nicht der Wichtigkeit/ daß ein wol ge-
gruͤndeter Jude dadurch koͤnte irre gemacht uñ verleitet werden; der Meſſias muͤſte frey-
lich ein groſſer Koͤnig ſeyn/ und ſie von der Heyden Dienſtbarkeit loß reiſſen/ und da er ein
ſolcher nicht ſeyn wuͤrde/ moͤchte er wol gar auſſe bleiben. Des Daniels LXX Jahrwochen
waͤhre eine dunkele und ſchwere Weiſſagung/ in deren Außlegung man leicht irren koͤnte.
Und wann gleich dieſelbe Zeit verfloſſen waͤhre/ und Gott auff ſolche Zeit den Meſſias zu
ſenden verſprochen haͤtte/ ſo hinterhielte doch Gott ſolche Verheiſſung umb der Suͤnde
willen des Judiſchen Volks/ dañ ſo bald dieſelben in rechtſchaffener Lebensbeſſerung ſich
anfinden wuͤrden/ alsdann wuͤrde deꝛ Meſſias auch nicht laͤnger verzihen. Aber der Chriſt-
liche Lehrer antwortete darauff; es waͤhre ihre bloſſe Einbildung/ daß Meſſias ein irdiſcher
Koͤnig ſeyn wuͤrde; der Weiſſager und Lehrer Eſaias beſchriebe ihn viel anders in ob an-
gezogenem/ wie auch im anfange des LXI Cap. daß auch Gott den Meſſias wegen der Ju-
den Suͤnde hinterhalten ſolte/ waͤhre nichtig und nichts/ maſſen Daniel ohn alle Bedin-
gung ſolcher Suͤnde oder Froͤmmigkeit deſſelben Zukunfft auff gewiſſe Zeit/ nach verlauf
der genanten Wochen beſtim̄et haͤtte/ welchen Willen und Warheit Gottes/ keines Men-
ſchen Suͤnde hindern odeꝛ zuruͤk haltẽ koͤnte. Als er dieſes ſehr bewaͤglich vorgebracht hat-
te/ traten noch VI aus dem Hauffen/ und erbohten ſich Chriſten zu werden/ hernach moͤchte
die
[536]Drittes Buch.
die Obrigkeit mit ihnẽ nach gutduͤnken verfahren/ weil ſie bekeñen muͤſten/ daß ſie den Tod
verſchuldet haͤtten/ welchen ſie auch leiden wolten/ nach dem ſie hoffeten der Seligkeit nun-
mehr vergewiſſert zu ſeyn. Der Stathalter kam unterdeſſen mit Herkules und andern/
unter der begleitung LX Reuter und 350 Fußknechte auff den Gerichtsplaz/ da außgeruf-
fen ward/ ob einiger Jude unter den Zuſehern ſich befuͤnde/ ſolte derſelbe bey Lebensſtraffe
ſich alsbald hinweg packen; worauff ein gemurre unter dem Volke ward/ und bald dar-
auff ſich in die dreiſſig davon macheten/ welche/ dafern der Stathalter es nicht gehindert
haͤtte/ von de Zuſehern wuͤrden geſteiniget ſeyn. Der Chriſtliche Lehrer taht Herkules zu
wiſſen/ daß die IIX abgeſon derte Gefangene das Chriſtentuhm angenom̄en haͤtten/ und
bereit waͤhren in demſelben zu ſterben. Bald darauff ſetzete ſich der Stathalter auff den
Richtſtuel und fellete die Urtel: Es haͤtte Roͤmiſche Kaͤyſerl. Hocheit ihm bey betretung
ſeines Stathalter Amts/ dieſes inſonderheit und mit hoͤchſtem Ernſte aufferleget/ daß er
Frieden und reine Straſſen in dieſer Landſchafft erhalten/ die Auffruͤhrer/ Moͤrder/ Diebe/
und Straſſen Raͤuber aber ohn anſehen und Gnade/ andern zum abſcheuhlichen Beyſpiel
abſtraffen ſolte. Nun haͤtten gegenwaͤrtige gefangene Inden/ einen hochverdienten Roͤmi-
ſchen Ritter und Herꝛn auff freier Landſtraſſe ermorden wollen/ wie ihre einhellige Uhr-
gicht und Bekaͤntnis zu Tage leuchtete/ wodurch ſie den Landfrieden gebrochen und das
Leben verwirket haͤtten/ ſolten demnach lebendig aus Kreuz gehefftet/ und auff ſolche Wei-
ſe vom Leben zum Tode gebracht werden/ nur dieſe außgenommen/ denen hochgedachter
beleidigter Herr das Leben verbitten wuͤrde/ welches demſelben als einem ſonderlichen
Freunde des Roͤmiſchen Kaͤyſers frey ſtuͤnde. Herkules rieff die IIX neue Chriſten vor ſich/
und fragete ſie/ ob ſie vor ihrem tode die Chriſtliche Tauffe begehreten; und als ſie mit herz-
licher Begierde ja rieffen/ auch mit wenigem umb einen gelinderen Tod anhielten/ ſagte er
weiter; wie wann dañ bey dem Großmaͤchtigen Herrn Stathalter ich euch gar Lebens-
friſtung erbitten wuͤrde/ woltet ihr auch im Chriſtentuhm beſtaͤndig verharren/ und der
Erbarkeit euch forhin befleiſſigen? Dieſe begunten ſchon Hoffnung zu faſſen/ und ſagten
mit teuren Worten zu/ umb Chriſtus Willen gerne alles außzuſtehen; wurden demnach
auff Herkules Vorbitte alsbald ledig und frey geſprochen/ und ihrer Bande erlaſſen/ zu-
mahl/ weil ſie dartuhn kunten/ daß ſie faſt genoͤhtiget wahren/ ſich in dieſem Moͤrdlichen
Anſchlage gebrauchen zu laſſen. Als die uͤbrige ſahen/ daß dieſe wegen des angenom̄enen
Chriſtentuhms Lebens Sicherheit erhielten/ funden ſich X unter ihnen/ welche ſich erboh-
ten/ den Heidniſchen Glauben forthin zu bekennen/ welches ſie doch nur aus Heucheley/
dem Tode zu entgehen/ und aus Feindſchafft wieder den Chriſtlichen Nahmen tahten.
Der Stathalter wolte ihnen ſolches nicht wegern/ und hieß alsbald Feur und Rauchwerk
herzu bringen; und da ſie dem Abgott Jupiter zu ehren den Weirauch auff die Kohlen
geſtreuet hatten/ legte man ihnen Schweinefleiſch vor zu eſſen/ deſſen ſie ſich auch nicht we-
gerten/ unter der Hoffnung ſie wuͤrden von aller Straffe loßgeſprochen werden; Aber der
Stathalter befahl/ daß man bald mit ihnen zur Straffe eilete/ ehe ſie zum vorigen Aber-
glauben wieder treten moͤchten; uͤber welche Urtel Herkules und alle Anweſende Chriſten
ihrem Heylande von Herzen danketen; dieſen zehn Abtruͤñigen aber/ da ſie ſolches vernah-
men/ kam alsbald die Reue/ lieffen zum Feur/ ſtieſſen es mit den Fuͤſſen umb/ und ſchrien;
ſie
[537]Drittes Buch.
ſie wolten als fromme Inden ſterben/ fluchten auch dem Jupiter/ und rieffen; der Gott
Abraham/ Iſaak/ uñ Jakobs iſt allein wahrer Gott. Woruͤber der Stathalter hart ergrim-
mete/ daß er ſie alsbald außzihen/ geiſſeln/ und hernach aus Kreuz hefften lies. Von den
uͤbrigen traten auff des bekehreten Moſes anmahnung noch VI zum Chriſtentuhm/ uñ er-
hielten dieſe Gnade daß ſie nach außgeſtandener Geiſſelung mit dem Leben begnadet/ und
auff drey Jahr zur Leibeigenſchafft verdammet wurden. Die uͤbrigen alle/ an der Zahl
XXXVI (dann XII wahren im Gefaͤngnis an ihren Wunden geſtorben) muſten zugleich aus
Kreuz. Moſes wolte neben dem Chriſtlichen Lehrer nicht von ihnen weichen/ ſo lange ſie
lebeten/ vermahnete und baht ſie mit heiſſen Traͤnen/ daß ſie ihrer Seligkeit wahrnehmen/
und die angebohtene Gnade Gottes zum Himmelreich durch ihre Halsſtarrigkeit nit ſelbſt
verwerffen moͤchten/ rieff auch mit andern Chriſten andaͤchtig zu Gott/ er wolte ſie erleuch-
ten und zur Buſſe zihen; welches dann ſo viel wirkete/ daß V von den zum Heidentuhm ge-
fallene/ und VI von den uͤbrigen den Chriſtlichen Glauben annahmen/ und in der Pein froͤ-
lich und wolge muht abſcheideten/ welches Herkules eine ſonderliche Freude zuhoͤrẽ war;
der dann mit dem Stathalter und dem Biſchoffe wieder zuruͤk ritte/ hielten Mahlzeit/ uñ
redeten von mannicherley Geſchichten aus Gottes Worte/ dem der Stathalter fleiſſig zu-
hoͤrete/ und ſich unterrichten ließ/ woher man eigentlich wuͤſte/ daß den Buͤchern Moſe uñ
anderen/ deren ſie meldung taͤhten/ feſtiglich zutrauen waͤhre/ und vor wie viel Jahren der
Moſes gelebet haͤtte; welches der Biſchoff mit ſonderlichem fleiß verrichtete/ da H. Pom-
pejus ſich ſehr verwunderte/ daß dieſer Moſes 826 Jahr vor Erbauung der Stad Rom
gebohren waͤhre/ und vor vieler deren Zeit gelebet haͤtte/ welche von den Griechen und Roͤ-
mern vor Goͤtter angenommen waͤhren; Inſonderheit hatte er ſonderliche Luſt anzuhoͤrẽ/
was von Erſchaffung der Welt/ und von Ausfuͤhrung der Kinder Iſrael aus Egypten-
land vorgebracht ward/ und Herkules daher gute Hoffnung zu ſeiner Bekehrung faſſete.
Nach abgetragenen Speiſen baht Herkules umb großguͤnſtige Erlaſſung/ ſeine Reiſe zu
verfolgen/ und fuͤhrete die Urſachen ſeiner Eile mit ſolchem Ernſte an/ daß ſie wol ſahen/
ein weiteres noͤhtigen wuͤrde ihm nur verdrießlich ſeyn/ deßwegen Herr Pompejus ihm
Freyheit gab/ des naͤhſtfolgenden Tages nach ſeinem belieben zuſchalten. Das Fraͤulein
haͤtte ihn gerne noch etliche Tage auffgehalten/ umb ſeiner lieben Gegenwart etwas laͤngeꝛ
zugenteſſen/ und ob ihr gleich die Gedanken zu einer kuͤnfftigen Ehe benommen wahren/
blieb doch die einmahl erweckete Gunſt und Freundſchafft in ihrem Herzen unbewaͤglich/
aus deren Getrieb ſie nach gehaltener Mahlzeit/ da ſie mit einander im Garten umher gin-
gen/ ihn alſo anredete: Mein hochwerter Herr und Freund/ es tuht mir ſehr leid/ daß eure
beliebte Gegenwart in ein betruͤbtes Abſcheiden ſol verkehret werden; weil ich aber zu
ſchwach bin/ ſeinen Willen zubrechen/ muß ich damit friedlich ſeyn; doch wil ich eines von
ihm bitten/ daß/ dafern er gleiche Gewogenheit in Ehren an mir/ als an meinen Waſen zu
Padua geſpuͤret/ er mich unter dieſelben mit rechnen wolle/ und ſich verſichern/ daß ich nit
weniger bedacht bin/ ihn zeit meines Lebens zulieben und ehren als ihrer eine; und ob ich dẽ
Nahmen einer Schweſter/ wie jene/ noch nicht verdienet habe/ werde ich doch zum wenig-
ſten vor eine nicht viel mindere Freundin gehalten ſeyn; geſtehe auch gerne/ daß wie mir
der Himmel keinen Bruder gegoͤnnet/ dannoch das Gluͤk mich einen kennen gelehret/ bey
Y y ydeſſen
[538]Drittes Buch.
deſſen Lebenszeit ich mich Bruder-loß nicht ſchaͤtzen werde; welches zureden ich mich nit
ſcheuhe/ weil mein Herz mir Zeugniß gibt/ daß meine Neigungen in reiner Keuſcheit be-
ſtehen. Herkules antwortete ihr: Hochgebohrnes Fraͤulein/ und da ichs zufagen gewirdi-
get bin/ in Ehren herzgeliebte Frl. Schweſterchen; ich weiß nicht/ wie ich dieſe gar zu hohe
Ehre und Gunſt zeit meines Lebens vergelten ſol/ es waͤhre dann/ daß mein Fraͤulein ſich
hiemit bezahlen lieſſe/ daß in ihren Dienſten zuſterben ich allemahl bereit bin. Mein Gott
weiß/ mit was herzlicher Zuneigung Euer hohen Tugend ich mich verbunden befinde/ ſo
daß weder Zeit noch Abweſenheit/ noch Unfall mich ihrer hochwerten Gedaͤchtniß berau-
ben wird/ und dafern ich meine Freyheit noch haͤtte/ wuͤrde ich mich erkuͤhnen/ umb mehre
als ſchweſterliche Liebe Anſuchung zutuhn; nach dem ich aber nunmehr vor zwey Jahren
einer andern/ und das ich noch zur Zeit niemand vertrauet/ eben dieſem Fraͤulein verſpro-
chen bin/ welche zuretten ich mich bemuͤhe; taͤhte ich als ein Meinaͤidiger/ und wider Rit-
ters Ehre/ da ich geſchworne Traͤue zubrechen/ und hohes Standes Fraͤulein zu verfuͤh-
ren mich geluͤſten laſſen wuͤrde. Dieſem nach bitte ich meine hochwerte und herzgeliebete
Frl. Schweſter/ ſie die Gedaͤchtniß meiner Wenigkeit in ihrem Herzen nicht ſterbẽ laſſen/
auch da es moͤglich/ ſich an keinen verheyrahten wolle/ der ihr nicht von heꝛzen gefallẽ wird;
wer weiß/ ob ich nicht einen nahen Anverwanten habe/ mir in dem/ was lobens wert ſeyn
mag/ nicht ungleich/ dem ein ſolches liebes Fraͤulein ich wol goͤnnen moͤchte. Schließlich
iſt mein hoͤchſter Seelen Wunſch/ meine Frl. Schweſter koͤnte ſich aus freyem willen zum
Chriſtentuhm bequemen/ auff daß ſie nach dieſer Sterbligkeit neben mir und allen Außer-
waͤhlten der erſchreklichen Verdamniß entgehen/ und in unauffhoͤrlicher Freude bey Gott
leben moͤchte/ welches in Warheit niemande auſſer den Chriſten widerfahren kan. Herz-
geliebter Herr und Bruder/ antwortete das Fraͤulein; nach dem ich euer zuͤchtigen bruͤ-
derlichen Freundſchafft gnug verſichert bin/ ſo verſpreche ich hiemit/ in keine Heyraht/ ohn
euer Vorwiſſen uñ Bewilligung mich einzulaſſen. Dem Chriſtentuhm aber bin ich ſchon
ſo nahe/ daß ich in kurzer Zeit hoffe/ eures Glaubens zuſeyn/ und wil euch in hohem Ver-
trauen offenbahren/ dz meine geliebte Eltern alle Nachte berahtſchlagen/ wie ſie am heim-
lichſten Chriſten werden moͤgen/ damit es nicht ruchtbar werde/ und ſie druͤber nicht der-
eins in Ehr- und Lebens gefahr zu Rom gerahten moͤgen; und dieſes treiben ſie ſo verbor-
gen/ daß ſie es mir anfangs zuverhehlen entſchloſſen ſind/ damit ich nicht aus Unbedacht-
ſamkeit der Jugend es andern offenbahre; ich erwarte aber nur ihres Verfolgs/ dann wil
ich nicht lange von ihnen abgeſondert ſeyn; und bin ich verſichert/ daß mein H. Vater die-
ſe Glaubensenderung nicht lange auffſchieben werde. Herkules hub in ſonderlicher Freu-
de ſeine Haͤnde auff gen Himmel/ und dankete Gott/ dz dieſes durch Anlaß ſeines Kampfs
befodert waͤhre. Er hatte aber einen koͤſtlichen Ring einkaͤuffen laſſen/ welchen er ſeinem
lieben Fraͤulein mit dieſen Worten an den Finger ſteckete: Sehet meine hochgeliebete Frl.
Schweſter/ hiemit wil ich euch ein ſchlechtes Denkzeichen hinterlaſſen der vertraueten
Freundſchafft/ die wir anjetzo mit einander in keuſcher Schweſter- und Bruͤderlicher Liebe
auffgerichtet haben \&w̃elche dann in meinem Herzen nimmer mehr erloͤſchen ſol. Das Frl.
hatte gleich zu dem Ende auch einen ſchoͤnen Ring zu ſich genommen/ und bißher ſich ge-
ſcheuhet/ ihm denſelben zuliefern; aber durch dieſe Gelegenheit erkuͤhnete ſie ſich/ daß ſie ihn
aus
[539]Drittes Buch.
aus ihrem Buſem hervor zohe/ und zu ihm ſagete: Hochwerter Herr Bruder/ ich wil den
mir angeſtekten Ring mit geſchehener Bedingung annehmen/ und hinwiederumb nicht
zweifeln/ er werde dieſen auff gleicher Tråue Gedaͤchtniß von mir bruͤderlich empfahen/
und ſeiner Zuſage dabey eingedenke ſeyn/ da er mir verſprochen/ uns/ wo er lebet/ alhie wie-
der zubeſuchen. Herkules umfing ſie hierauff tugendreich/ und antwortete: Sein verheiſ-
ſen waͤhre aus gutem bedacht geſchehen/ und ſolte/ da ihm Gott das Leben friſten wuͤrde/ nit
gebrochen werden. Als dieſe beyde ihre Freundſchafft ſolcher geſtalt beſtaͤtigten/ traten die
Eltern zu ihnen/ und redete Herr Pompejus folgender geſtalt Herkules an: Sonders ge-
ehrter lieber Herr und Freund; Nach dem euer ſteiffer Vorſatz iſt/ naͤhſtkuͤnfftigen Tages
fortzureiſen/ moͤchte ich gerne ſehen und befodern helffen/ daß ſolches mit gluͤklichem Fort-
gang geſchaͤhe; habe demnach eine offene Schrifft an alle Roͤmiſche Beamten von hier
biß durch Meſopotamien an den Tigerfluß auffgeſetzt/ und begehret/ euch als einem hoch-
verdienten Roͤmiſchen Freunde allen Vorſchub mit Leuten/ Pferden und Gelde nach eu-
rem Willen zuleiſten/ auch wider aller Feinde Gewalt und Verfolgung euch zuſchuͤtzen/ in
Feſtungen anzunehmen/ und alles das zutuhn/ damit euch kan gewil fahret werden. Uber-
das wil ich euch einen Freybrief erteilen/ als einem von dem Roͤmiſchen Kaͤyſer an den
Parther Koͤnig Geſanten/ der euch in Gefahr und Anfaͤllen ſehꝛ nuͤtzlich ſeyn kan. Weil ihr
auch eines getraͤuen Dolmetſchen hoch werdet von noͤhten haben/ wil ich euch meinen be-
ſten Sprachmeiſter/ nahmens Plautus zu geben/ welcher nebeſt der Lateiniſchen und Grie-
chiſchen/ in den meiſten Morgenlaͤndiſchen Sprachen wol erfahren iſt; habe ihm vor ſein
Håupt und dreyen reiten den unbewehrten Dienern/ Reiſe Koſten gnug zugeſtellet/ nach-
dem ich ihn vor mich mitſende/ mir eures Zuſtandes auff begebenheit Bericht ein zuſchickẽ.
Und weil ich von euch eine heimliche Freundſchafft empfangẽ/ die euch noch zur Zeit ſelbſt
mag unbewuſt ſeyn/ ihr ſie aber hernaͤhſt erfahren werdet/ muß ich hinwieder meine Dank-
barkeit ſpuͤren laſſen; wollet demnach dieſe Kette/ die ihr ungehindert am Leibe verborgen
tragen koͤnnet/ von mir annehmen/ und zum Nohtpfennig behalten/ weil man nicht weiß/
was uns auff ſolchen Reiſen zuſtoſſen moͤchte. Es wahr aber dieſe Kette zimlich ſtark/ wie
ein Guͤrtel gemacht/ daß man ſie umb den Leib legen/ und verborgen tragen kunte/ und hin-
gen 150 koͤſtliche Demant daran/ rings umher/ deren der geringſte auff 400/ der vornehm-
ſte auff 1200 Kronen geſchaͤtzet ward/ daß das ganze Kleinot eine Tonne Goldes austrug.
Dieſes/ ſagte Herr Pompejus weiter/ iſt bey Antretung meines jetzigen Amptes mir von
den Juden dieſer Landſchafft verehret/ umb meine Hulde zukauffen/ die niemand vor Geld
ausſtehet/ und wil es euch daher ſo viel lieber zuſtellen/ daß ihr ein Siegszeichen von dieſem
boßhafften Volke haben moͤget. Herkules wegerte ſich ſehr/ ein ſolches zunehmen; weil a-
ber der Stathalter ſo hefftige Reden gegen ihn gebrauchete/ daß er ſich ferner nicht ent-
brechen kunte/ nam er ſie zu ſich/ und antwortete: Demnach es alſo ſeyn muͤſte/ wolte er wil-
lig gehorſamen/ als durch Zwang und Oberbotmaͤſſigkeit darzu gehalten/ hoffete aber den
Tag zuerleben/ ſeine Vergeltungs-Willigkeit dereins ſehen zu laſſen. Nachgehends baht eꝛ
den Stathalter/ auff Begebenheit H. Q. Fabius ſeinetwegen in Schreiben zu gruͤſſen/ wie
imgleichen deſſen Gemahl/ Fr. Tochter und Frl. Sibyllen/ welche beyde/ ſagte er/ nicht al-
lein an Schoͤnheit und Jahren/ ſondern auch an Tugend und Verſtande/ ihrer Frl. Wa-
Y y y ijſen/
[540]Drittes Buch.
ſen/ meiner hochwerten Frl. Lukrezien nicht ungleich ſind/ und ich mich verſichert halte/ ich
habe an dieſer dreyen Kundſchaft und Gewogen heit/ die vortrefllichſte Jungfraͤuliche Tu-
gend der Stad Rom erkennet/ und zu Freundinnen bekommen/ mehr und vollkommener/
als bey ſo jungen Fraͤulein ich mir haͤtte einbilden koͤnnen. Die Mutter hoͤrete ſolches Lob
ſehr gerne/ aber dz Fraͤulein antwortete ihm: Hochberuͤmter Fuͤrſt/ Herꝛ Herkules/ ich bin
nie in Gegenwart meiner lieben Eltern ſo hoch beſchaͤmet/ als jezt von euch zu guter lezt/ je-
doch wil ich mir die Rache biß auff ſeine gluͤkliche Wiederkunfft vorbehalten/ und doch ei-
nen ſolchen Lehrmeiſter nicht ungerne hoͤren/ der in allen Vollkommenheitẽ vortreflich iſt/
damit ich den minſten Teil noch lernen moͤge/ was er ganz an mir ſein ſcherzen darff. Dem
Vater gingen die Augen uͤber/ da er ſein liebes Kind ſo vernuͤnfftig reden hoͤrete/ und ſagte
zu ihr: Geliebte Tochter/ dieſer trefliche Herr und unvergleichliche Ritter ſpielet mir dir/
als ein vernuͤnfftiger Meiſter mit ſeinem beliebten Lehrknaben/ deſſen Werk er ruͤhmet/ ob
gleich nichts dahinten iſt/ und lobet alle Stuͤcke inſonderheit/ damit er den Gebrechen von
ihm ſelbſt ſehen/ und darnach trachten moͤge/ wie ers verbeſſere. Herkules baht umb Ver-
zeihung/ beteurete daneben/ daß er nicht gewohnet waͤhre/ jemand zu gefallen zu reden/ viel
weniger zu beſchimpfen/ wie es ſeiner hochwerten Fraͤulein auszulegen beliebete; ſondern
was gut an ſich und vollkommen/ muͤſte weder er noch kein ander tadeln; Tugend verdie-
nete ihren Dank/ und Ehre folgete dem Wolverhalten wie dem Leibe der Schatten/ daher
gebuͤhrete demſelben Fluch und Schande/ der das wirdige ſeines Preiſes beraubete/ und
zu gebuͤhrlicher Zeit nicht mit Ruhm erhoͤbe. Pompejus lachete/ daß er dieſes mit ſo ern-
ſtem Eifer vorbrachte/ und antwortete: Geliebter Herr als Sohn/ ob gleich meiner lieben
Tochter/ angeſehen ihre Jugend und andere Verhinderungen/ viel gebricht/ muß ich doch
eure Reden anders nicht urteilen/ als die aus ſonderlicher Gewogenheit und Freundſchaft
herruͤhren/ nach deren Anleitung man zuzeiten unvermerkt einen uͤberſprung tuhn kan.
Hier auff nahete die Stathalter in zu ihm/ hatte den ihr von ihm geſchenkten Ring am Fin-
ger/ und redete ihn ſolcher geſtalt an: H. Herkules/ euer wegſcheidẽ gehet mir ſo nahe zu heꝛ-
zen/ als reiſete mein leiblicher Sohn von mir/ welchẽ Namẽ ich euch gerne gebe/ weil ihꝛ ihn
anzunehmen allemahl ganz willig geweſen ſeyd; wil demnach die Gedaͤchtnis eureꝛ Fꝛeund-
ſchaft aus meinem Herzen nicht laſſen/ und euch dieſes (auf den Ring zeigend) zu liebe und
gefallen tragen. Wañ ſich aber gebuͤhren wil/ daß ich ein muͤtterliches Zeichen von mir ge-
be/ wodurch ihr meiner gewogenheit in etwas koͤnnet erinnert ſeyn/ werdet ihr/ da ihr mich
liebet/ euch nicht wegern/ dieſen Ring und Kette/ nebeſt etlichen Baarſchafften und Klei-
noten zum Zehrgelde (welches ſich auff 40000 Kronen erſtreckete) von mir anzunehmen/
ſonſten muͤſte im widrigen ich ſchlieſſen/ die angebohtene muͤtterliche Gewogenheit wuͤrde
von euch geringe geſchaͤtzet. Davor behuͤte mich mein Gott/ antwortete er; dann ich halte
es billich vor eine ſonderliche Gluͤkſeligkeit/ daß meine Fr. Mutter mich vor ihren Sohn
wirdiget/ befinde mich auch ſchuldig/ dieſelbe/ zeit meines Lebens/ kindlich zuehren/ wie ich
dann mit Gottes Huͤlffe dereins gedenke darzutuhn/ daß/ ob ſie gleich einen unvermoͤgen-
den/ dannoch traͤu-bereitwilligſten Sohn und Knecht an mir habe. Frl. Lukrezie wuſte
ſchon/ was von ihren Eltern ihr befohlen wahr/ ihre Reden aber nach ihrer Gewogenheit
zuſtellen/ gebrauchte ſie ſich des geſchehenen muͤtterlichen erbietens/ und ſagete zu ihm:
Trefli-
[541]Drittes Buch.
Treflicher Fuͤrſt/ und in Ehren hochwerter Freund; weil ich anjetzo angehoͤret/ daß ihr von
meiner herzgeliebten Fr. Mutter an Sohns ſtat erwaͤhlet und anffgenommen ſeyd/ werde
ich/ Ungehorſam gegen meine Eltern/ und Unhoͤfligkeit gegen euch zumeiden/ euch forthin
als einen Bruder zu ehren und lieben gehalten ſeyn. Wann dann mein Herr Bruder die
beſchwerliche weite Reiſe vor ſich hat/ worzu Koſten und andere Nohtturfft erfodert wird/
als wolte mir unleidlich ſeyn/ denſelben ohn alle ſchweſterliche Huͤlffe zihen zulaſſen/ angeſe-
hen er ſich in Erloͤſung meiner Waſen und Schweſtern ſo verdienet umb mich gemachet
hat/ da ſchon die Bruͤderſchafft zwiſchen uns/ nach meiner Fr. Mutter willen/ nicht geſtiff-
tet waͤhre; bitte demnach/ etliche Kleider und leinen Geraͤhte/ die ich auff meiner lieben El-
tern Geheiß verfertigen laſſen/ anzunehmen/ wie auch beygefuͤgte ſchlechte Kleinot/ und
dieſes par Armbaͤnder/ dem verlornen Fraͤulein meinetwegen zuſchenken; und werde ihm
durchaus keine abſchlaͤgige Antwort geſtehen/ es waͤhre dann/ daß er ſonderliches belieben
truͤge/ allemahl/ ſo offt ich mit ihm rede/ mich ſchamroht zumachen/ welches mir ſehr em-
pfindlich ſeyn/ und ſeiner Freundſchafft mich wenig verſichern wuͤrde. Herkules kuͤſſete
ihr die Hand/ und gab zur Antwort: Durchleuchtiges Fraͤulein/ der Bruder Nahme/ deſ-
ſen ſie mich wirdiget/ iſt mir in Warheit angenehmer/ als alle Schaͤtze und Reichtuhm die-
fer Landſchaft; wil mich auch aͤuſſerſt bemuͤhen/ alſo zuleben/ daß ſolche hohe Ehre ich durch
Untugend nicht beſudele/ oder mich deren unwerd mache/ ob gleich derſelben mich ſchon
viel zugeringe weiß; und weil die Bedingung viel zu ſtark iſt/ auch durch Wegerung nur
in ihre Ungunſt fallen wuͤrde/ muß ich das angebohtene von meiner Frl. Schweſter/ wie-
wol nicht anders/ als ein Knecht die Schlaͤge von ſeinem Herrn annehmen; dann die gar
zu groſſen Schenkungen mich gewißlich betruͤben/ daß da ihre Gemuͤter mir nicht zu wol
bekant waͤhren/ ich gedenken muͤſte/ ſie fuchten mich auff einmahl abzukaͤuffen. Ich wuͤn-
ſche aber/ Gott mir die Gnade verleihen wolle/ daß ich gelegenheit haben moͤge/ mein Blut
und weniges Vermoͤgen in ihren Dienſten anzuwenden. Dieſem ſey nun wie ihm wolle/
ſo muß ich doch vor dißmahl nicht allein unverſchaͤmt werden/ ſondern wideꝛ meinen Wil-
len mir eine Laſt auffbuͤrden laſſen/ die ich weder tragen kan/ noch zutragen je verdienet ha-
be; ja wann ich ſpråche/ man ſchluͤge mich zu bodem/ ehe der Kampff anginge/ wuͤrde ich
nicht irren. Jedoch hoffe ich/ der Alleingewaltige Gott werde ſie mit Geiſt- und leiblichen
Woltahten uͤbeꝛſchuͤtten/ daß ſie demſelben bekennen muͤſſen/ was ihnen zubekennen ich an-
jetzo gezwungen werde. Ich hoffe ſolches mit/ ſagte Pompejus/ Gott werde mir Gnade uñ
Barmherzigkeit verleihen/ mehr als ich ihm zu danken vermoͤgens bin/ und halte davor/ er
habe deſſen ſchon einen ſehr guten Anfang gemacht. Herkules taht als verſtuͤnde er dieſe
Reden nicht/ ungeachtet er eigentlich ſpuͤrete/ daß er auff das Chriſtentuhm zielete. Sie
verharreten auch in dieſem hoͤflichen Geſpraͤch/ biß man ſich zur Abendmahlzeit ſetzete/ da
es nicht anders ſchien/ als ob nur Eltern/ Kinder und Geſchwiſter mit einander umbgin-
gen/ und wunderte ſich Pompejus mehr uͤber Herkules groſſe Zucht/ die er in Worten uñ
Tahten bey dem Fraͤulein ſpuͤren ließ/ als uͤber ſeine Herzhafftigkeit uñ Staͤrke/ irrete doch
in ſeinen gedanken nicht/ er muͤſte ſein Herz ſchon am andern oꝛte/ und ohn zweifel dem ent-
fuͤhreten Frl. zu ehelicheꝛ Liebe verſproehẽ haben. Gallus/ mit dem es ſich zeitiger/ als mit ſei-
nem Herrn gebeſſert hatte/ ward auch unbeſchenket nicht gelaſſen/ ſondern der Stathalter
Y y y iijvereh-
[542]Drittes Buch.
verehrete ihm 2000 Kronen uñ ein gutes Reitpferd mit allem Zubehoͤr/ welches er mit un-
tertaͤhniger dankſagung annam/ uñ die Gelder neben dem was er ſchon bey ſich hatte/ dem
Fraͤulein biß auff ſeine Wiederkunfft zu verwahren gab. Des folgenden Morgens ließ
Herkules die Pferde gar fruͤh ſatteln/ und die beladene vier Maul Eſel fertig machen/ wel-
che die drey Diener uñ der Dolmetſcher Plautus bey der Hand fuͤhren ſolten. Das Fraͤu-
lein beſuchte ihn auff ſeiner Kammer/ da ſie nach wuͤnſchung eines gluͤkſeligen Morgens
von ihm Bruͤderlich umbfangen ward/ welches ihr die Traͤhnen aus den Augen lockete/
und ſie zu ihm ſagete: Nun reiſet mein einiger in ehren herzgeliebter Bruder von mir hin-
weg/ daß ich nicht weiß/ ob ich ihn Zeit meines Lebens wie derumb ſehen werde; jedoch ge-
ſchihet ſolches alhie in dieſer Welt nicht/ wird der Chriſten Gott uns dorten wiederumb
zuſammen fuͤgen/ da unſere Freundſchafft ewig wehren muß. Hochwerte/ Herzliebe Frl.
Schweſter/ antwortete er/ ich bitte/ ſie wolle dem wahren Gott und Schoͤpffer aller dinge
trauen/ der in kurzen uns wieder beyſammen bringen kan und wird; und triebe mich die
hoͤchſte Noht meiner verlohrnen Fraͤulein nicht/ ich wuͤrde ſo eilig von dieſem lieben Orte
nicht ſcheiden/ wil doch nicht unterlaſſen/ offt und viel an ſie zugedenken/ auch meinen Zu-
ſtand ihr anzumel den/ doch daß nichts moͤge nach Padua berichtet werden/ ohn daß ich
Lebe und in guter Geſundheit ſey/ weil ich deſſen wichtige Urſachen habe; hiemit befahl er
ſie dem hoͤchſten Gott/ und baht/ das Chriſtentuhm nicht lange auffzuſchieben/ welches ſie
ihm teur verhies; und weil ſie beliebung hatte/ ihm die Ruſtung helffen anzulegen/ ließ er
ſolches geſchehen/ ging hernach mit ihr zu ihren Eltern/ und nach dem er ſich mit allen ſehr
freundlich geletzet hatte/ ſaß er zu Pferde/ und ritte mit Gallus/ dem Dolmetſcher/ und den
dreyen zugegebenen Dienern fort. Hauſſen vor dem Stad Tohr warteten XL Reuter auf
ihn/ die er wieder ſeinen Willen muſte zu ſich nehmen/ und ſie zwo Tagereiſe/ zehen Meilen
mit ſich reiten laſſen/ weil der Stathalter ſich eines Judiſchen Auffſatzes befahrete. Des
dritten tages erreichete er mit ſeiner engen Geſelſchafft den Berg Thabor/ XIV Meilen
von Jeruſalem Nordwertz gelegen/ uͤber deſſen zierliche Ruͤnde und ſonderliche Luſtbarkeit
er ſich ſehr verwunderte/ da er zu Gallus ſagete: Sehet/ diß iſt der heilige Berg/ auff wel-
chem Moſes und Elias mit unſerm Heylande geredet/ und ihm ſeines Leydens Erfuͤllung
angedeutet/ in dem er vor den Augen ſeiner anweſenden Juͤnger herꝛlich verklaͤret ward.
Als Plautus dieſes hoͤrete/ hohlete er einen tieffen Seuffzer aus ſeinem Herzen hervor/
und beklagete zugleich/ daß er in ſeiner Jugend Chriſtliches Glaubens geweſen/ haͤtte aber
denſelben vor XXIV Jahren wegen grauſamer Verfolgung aus Furcht verleugnet; weil
er nun wuͤſte/ daß ihre Gn. dieſes Glaubens/ und uͤberdas der Herr Stathalter den Chri-
ſten geneigt waͤhre/ wolte er von nun an ſolche Lehre wieder annehmen/ unter dem ſteiffen
Vorſatze/ ehe den Tod anzugehen/ als davon wieder abzutreten. Herkules fuͤhrete ihm zu
gemuͤhte/ was vor eine ſchwere Suͤnde er durch ſolche Verleugnung begangen/ inſonder-
heit weil er darinnen ſo lange Zeit verharret/ vermahnete ihn zur rechtſchaffenen Buſſe/
und daß er die ganze Zeit ſeines uͤbrigen Lebens ſeine groſſe Schuld beweinete/ jedoch ſich
auff ſeines Heylandes Verdienſt verlieſſe/ und in ſteter Abbitte bey Gott anhielte/ als dañ
wuͤrde er Gnade und Vergebung erlangen. Unter dieſem Geſpraͤch erſahe Gallus fuͤnff
Reuter mit Sturmhauben und Streit Axten von des Berges rechten Seiten auff ſie zu
reiten/
[543]Drittes Buch.
reiten/ und meldete es ſeinem Herrn (der nun wiederumb Valikules wolte genennet ſeyn)
mit bewaͤglicher Verwarnung an/ weil es ſchiene/ daß ſie wenig gutes im Sinne haͤtten;
deſſen er ſich aber nichts anfechten ließ/ ſondern ritte ſelbſt zu ihnen hin/ und fragete ſie in
Griechiſcher Sprache/ ob diß der rechte Weg nach dem Galileiſchen Kana waͤhre. Die-
ſe Juden ſahen bald/ daß er ein Heyde oder Chriſt ſeyn muͤſte/ und weil ſie lang geuͤbete
Raͤuber und Moͤrder wahren/ ſich auch gewiſſe Rechnung zu groſſer Beute auff den Maul-
Eſeln machten/ hieſſen ſie ihn und ſeinen Geſellen die Waffen ablegen/ ingeſamt von ihren
Pferden ſteigen/ und die beladene Eſel ihnen einlieffern/ als dann ſolte ihnen das Leben ge-
ſchenket ſeyn. Valikules wahr deſſen mit ihnen noch nicht einig/ ſtellete ſich doch etwas
bloͤde/ und fragete ſie/ was Glaubens ſie waͤhren. Worauff er zur Antwort bekam/ jetzt
waͤhre nicht Zeit lange vom Glauben zu ſprachen/ doch weil ers ja wiſſen wolte/ haͤtte er
fuͤnff ſtandhaffte Juden und aller Chriſten Feinde vor ſich. Als unſer Held dieſes vernam/
ſagte er mit hefftigem Eifer zu ihnen: Und wer hat euch Buben dann ſo verwaͤgen ge-
macht/ daß ihr ehrliche Ritter rechtfertigen/ und von ihren Pfer den duͤrffet ſteigen heiſſen?
bald packet euch hin eures Weges/ oder ich werde euch zeigen/ wie wenig ein rechtſchaffe-
ner Chriſt ſich vor gewiſſen-loſe Juden fuͤrchte. Dieſe biſſen vor wuͤtiger Ungeduld die
Zaͤhne im Kopffe zuſammen/ und ſtuͤrmeten ein muͤhtig auff ihn ein; er aber erreichete als-
bald den einen/ daß ihm das Haͤupt von der Schulder ſprang; ſo nam Gallus ſeiner
Schanze auch wahr/ und legete den andern zu Bodem; und als ſein Herr bald darauff
auch den dritten hinrichtete/ wolten die uͤbrigen beyden Verſengeld geben; aber die Pferde
wurden ihnen von hinten zu lahm gehauen/ dz ſie uͤbern hauffen fielen/ ſie aber mit Zuͤgeln
gebunden/ und mit nach Kana fortgeſchleppet/ da man ſie der Obrigkeit uͤberliefferte/ mit
begehren/ daß ſie dem Stathalter zugeſchicket wuͤrden; und muſte Plautus allen Verlauff
ſchrifftlich berichten; wurden darauff/ ſo bald ſie daſelbſt ankahmen vor den Stathalter
geſtellet/ der ſie geiſſeln und kreuzigen ließ. Er hatte auch ſeine zehn gefangene Juden in fe-
ſter Verwahrung/ biß er auff ſeinen Bericht von Rom zur Antwort bekam/ auff der Ju-
den weiteres Vornehmen gute acht zu haben/ die Gefangene vor Gericht zuſtellen/ und ſie
zum Schwerte zu verurteilen/ doch da ſie umb Gnade demuͤhtig anhalten und ihre Feile
erkennen wuͤrden/ ſie allerdinge loßzulaſſen. Es wahren aber dieſe ſo freche verwaͤgene
Buben/ daß ſie Zeit wehrender Hafft immer zu trotzeten/ auch noch/ da ſie vor das Gericht
geſtellet wurden/ fragen durften/ weſſen ſich der Stathalter wol anmaſſete/ daß er nicht al-
lein vor etlicher Zeit ihre unſchuldige Leute haͤtte kreuzigen laſſen/ ſondern auch ſie ſo lange
Zeit im Gefaͤngnis auffgehalten; ſie hoffeten/ er wuͤrde in ſich gehen/ und dem Judiſchen
Volk nicht Urſach zum Auffſtande geben. Der Stathalter fragete ſie/ ob ſie ſonſten nichts
vorzutragen haͤtten; und als ſie antworteten/ nach erlangeter Freiheit wolten ſie ihre not-
turfft weiter vorzubringen wiſſen; ſagte darauff der Stathalter; wolan/ ſo ſollet ihr hie-
mit auff Kaͤyſerl. Befehl zum Schwerte verurteilet ſeyn/ damit ihr nicht die jenigen ſeid/
welche neue auffwiegelung zumachen Luſt haben. Weil ſie nu in dieſe Straffe mit Willen
ſich nicht geben wolten/ ließ der Stathalter einen nach dem andern mit Gewalt nider-
hauen/ und blieben doch biß auff den lezten immerzu halsſtarrig/ nebeſt Bedrauung/ wie
ſchwer ihr unſchuldiges Blut wuͤrde gerochen werden. Aber es erfolgete nichts darauff/
weil
[544]Drittes Buch.
weil die Judiſcheit kein Haͤupt hatte/ und die in den umbliegenden Landſchafften wohne-
ten mit ihnen nicht einſtimmen wolten.


Herkules reiſete von Kana nach Ptolemais/ und von darab ferner nach Tyrus/ da
er die von Jungfer Brelen ihm beſchriebene Herberge außfragete/ und alsbald an derſel-
ben Haußtuͤhr und Ecken ſeiner herzgeliebeten Frl. Valiſken Zeichen [...] zierlich ange
mahlet ſahe/ kehrete deßwegen bey demſelben Wirte ein/ und fragete fleiſſig nach/ wie lan-
ge es waͤhre/ daß die drey Parthiſche Herꝛen/ Idarnes/ Atizies und Thymen das mit einem
ſchoͤnen Juͤnglinge/ den ſie bey ſich gefuͤhret/ von hinnen abgereiſet waͤhren; und vernam
mit ſchmerzen/ das ſchon neun Wochen voruͤber/ und ſie in Geſelſchafft einer zimlichen
Anzahl Kauffleute den naͤheſten Weg nach dem Eufrat genommen; daher er nicht wil-
lens wahr/ lange daſelbſt zu verharren/ ſondern machte ſich fertig/ bald des folgendẽ tages
dem lieben Fraͤulein nachzuſetzen; welche/ wie droben erwaͤhnet/ des Weges nach Aſſyrien
gefuͤhret ward/ von dannen ſie foͤrder ins Partherland ſolte gebracht werden. Es hatte
ihre Geſelſchafft/ als lange ſie in Syrien diſſeit des Eufrats reiſeten/ gute Sicherheit/ auch
durch Meſopotamien hin biß an den Tigerfluß/ kahmen ſie ungeſchlagen hindurch/ wiewol
ſchon unterſchiedliche kleine Raͤuber ſchaaren ſich ſehẽ lieſſen/ welche doch/ als zu ſchwach/
keinen angriff auff ſie wagen durfften. Auff jenſeit der Tiger erreichten ſie Aſſyrien/ in wel-
chem ſie groͤſſere Gefahr antraffen/ und von Raͤubern unterſchiedlichemahl angefallen
wurden/ jedoch allezeit durch ihre Menge ſich durchbrachten/ biß ſie an die Mediſchen
Grenzen kahmen/ wo ſelbſt ihre Geſelſchafft ſich zerteilete/ und der groͤſſeſte Teil Sudoſt/
die Parthiſche Herren aber mit XXV Kauffleuten beſſer Nordwerz gingen/ daher ſie ihre
groſſen Schaͤtze unter ſo geringem Schutze nicht bey ſich fuͤhren wolten/ ſondern in einer
Aſſyriſchen Grenze Stad gegen empfahung eines Scheins nider ſetzeten/ auff deſſen ein-
lieferung die verſiegelte Sachen willig ſolten außgefolget werden. Unſer Herkuliſkus hat-
te auff der ganzen Reiſe/ genommener Abrede nach/ ſein gewoͤhnliches Zeichen entweder
ſelbſt/ oder durch ſeinen getraͤuen und fleiſſigen Dolmetſcher Timokles an alle Herbergen/
auch da es die Gelegenheit gab/ vor den Stadtohren/ und an den Landſtraſſen an die Baͤu-
me angekreitet/ unterließ auch nicht hin und wieder anzumelden/ da uͤber kurz oder lang
ihm jemand folgen wuͤrde/ was vor einen Weg ſie zogen/ damit den Nachfragern ſolches
koͤnte zu wiſſen gemacht werden. Er beſchwerete ſich aber gegen die Parther gar zeitig/
auff dem Kamehl zu ſitzen/ un baht/ daß man ihn in Geſelſchafft moͤchte reiten laſſen; wel-
ches er auch endlich bey ihnen erhielt/ da er ſich immer zu von Timokles in den Morgen-
laͤndiſchen Sprachen ſehr fleiſſig unterrichten ließ/ daß wie ſie bey den Mediſchen Grenzen
ankahmen/ er ſchon alles verſtehen/ und daß noͤhtigſte mit reden kunte; muſte aber allezeit
vermummet reiten damit ſeine Schoͤnheit nicht erkennet/ und die Raͤuber dadurch ange-
reizet wuͤrden/ an ſie zuſetzen; inſonderheit hatten ſie ſein fleiſſig acht/ als ſie von dieſem
Orte der Aſſyriſchen Grenzen in geringer Anzahl auffbrachen/ uñ in Geſel ſchafft XXXIII
Mann nach Perſen reiſeten/ da ſie des erſten tages gluͤklich fortzogen/ und gleichwol etliche
hier und dort zuſtraͤuet reiten ſahen/ deren etliche mit freundlichem Gruſſe zu ihnen nahe-
ten/ und ſich erkuͤndigten/ welche Straſſe ſie zu reiſen willens waͤhren/ ritten hernach zur
Seite wieder aus/ und lieſſen ſich nichts merken/ woraus doch Herkuliſkus urteilete/ es
wuͤrde
[545]Drittes Buch.
wuͤrde Gefahr verhanden ſeyn. Dieſe Nacht brachten ſie in einem zimlichen Flecken zu/ uñ
wahren froͤlich und guter dinge. Des Morgens brachen ſie auff/ und reiſeten in der fruͤhe/
da ſie an einen groſſen Wald gerieten/ durch welchen die Heerſtraſſe trug/ und wuͤnſcheten/
daß ſie denſelben ohn Anfal und hindernis zum Ende bringen moͤchten/ zogen demnach
in guter Ordnung daher/ alle mahl bereit zu ſeyn/ da einige Ungelegenheit ſich eraͤugen
wuͤrde. In dieſem Walde wahren ſie ohn gefehr eine Stunde fortgereiſet/ da begegneten
ihnen XXX bewehrter Mann zu Fuſſe/ und hielten bey ihnen an um einen Zehrpfennig/ deſ-
ſen die Parthiſche Herꝛen mit einem Hohngelaͤchter ſich wegerten/ und ſie vor Landplac-
ker und Raͤuberiſche Diebe ſcholten/ welches dieſe in ſich fraſſen/ uñ mit geneigetem Haͤup-
te ihren Weg fortſetzeten/ ein wendend/ ſie waͤhren außgeſchikt/ etliche Herren durch den
Wald zu begleiten; verlegeten aber nur den engen Durchzug hinter ihnen/ daß ſie nicht
zuruͤk flihen ſolten/ und ſtund nicht lange an/ daß in LXX wol geruͤſtete/ deren XXX zu Fuſſe/
und XL zu Pferde/ von der rechten Seiten durch das Gehoͤltze auff ſie angingen/ und mit
einem Troz frageten/ von wannen ſie kaͤhmen/ und wohin ſie gedaͤchten. Den unſern ver-
ging hierauff der Frevel guten teils/ ſtelleten ſich ehrerbietig/ und gaben freundlichen Be-
ſcheid; ſie waͤhren mehrenteils Kauffleute/ und wolten nach Parthen/ Waaren daſelbſt
zubeſtellen/ und ſie auff gelegene Zeit abzuhohlen; wåhren ſonſt mehrenteils in Aſſyrien/
auch etliche in Meden geſeſſen. Der anſehnlichſte unter ihnen antwortete hierauff; wie
ſol ich glaͤuben/ daß ihr Kauffleute ſeid/ nach dem euer Ritter- und Soldaten Gewehr viel
ein anders außweiſet/ und ihr drey inſonderheit/ ſagte er zu den Parthen/ habt ja weder
Kauffmans Ange ſichter noch geberden. Der Parther Idarnes antwortete; er haͤtte recht
geurteilet/ daß er und ſeine zween Geſellen keine Kauffleute waͤhren/ weil ſie gutes Adels/
uñ etliche Jahr in fremden Landen Ritterſchafft gepflogen/ nur jetzo mit dieſer Geſelſchaft/
umb ſicher durchzukommen/ ſich vereiniget haͤtten/ wolte demnach hoffen/ es wuͤrde nie-
mand auff ſie zuſprechen haben/ weil ſie niemand beleidiget haͤtten. Dieſer ſagte darauff;
er haͤtte ſein Wort gehoͤret/ und glaͤubete davon ſo viel ihm geliebete/ vor dißmahl aber
waͤhre ſein Befehl/ daß ſie alle mit einander abſteigen/ und das Gewehr niderlegen ſolten.
Idarnes hingegen eriñeꝛte ihn/ es waͤhre auff freier Landſtraſſe/ uñ gehoͤreten ſie veꝛmuht-
lich alle unter den groſſen Koͤnig Artabanus; moͤchten deßwegen ſich aller Taͤhtligkeit ent-
halten/ und jeden ſeines Weges zihen laſſen; doch waͤhre es ihnen etwa umb ein Stuͤk Gel-
des zu tuhn/ haͤtten ſie deſſen zwar wenig bey ſich/ wolten aber umb Friede und Einigkeit
willen/ ihnen eine Reuter zehrung uͤberſenden/ dafern ſie einen oder etliche ihres Mittels
mit ihnen in die naͤheſte Stad wuͤrden reiten laſſen. Jener ſtellete ſich als hoͤrete ers nicht/
und ſagte mit ernſtlichem Geſichte; ihr habt meinen Befehl vernommen; werdet ihr nun
nicht alsbald abſteigen/ und euch meiner guten Gnade ergeben/ ſollet ihr alle ſamt in ſtuͤckẽ
gehauen werden. Herkuliſkus ſahe wol was ſich hier zu tragen wuͤrde/ und ſagte zu Timo-
kles; wañ ihr ſehen werdet/ daß es an ein Treffen gehet/ ſo haltet euch ſtets bey mir/ das wir
nicht geſchieden werden/ und gebet vor/ dz wir zween gefangene/ uñ dieſe drey geharniſch-
te Erz Raͤuber ſeyn. Er hatte dieſe Worte kaum außgeredet/ da ſahe er das elende gemaͤl-
ſche; dann wie die Parthiſche Herren das ſtete Draͤuen hoͤreten/ daͤuchte ſie rahtſamer/
ritterlich zu fechtẽ/ als unbewehret ſich niederhauen zulaſſen/ woltẽ doch zuvor alle freund-
Z z zliche
[546]Drittes Buch.
liche Mittel ſuchen/ ihr Leben zufriſten/ und gaben hinwieder zur Antwort: Herr/ warum
ſolten wir in Stuͤcken gehauen werden/ nach dem weder einige Feindſchafft zwiſchen uns
iſt/ noch wir unter ſtreitende Herren geſeſſen ſind/ hoffen demnach/ ihr werdet euch eines
beſſern bedenken/ und an unſer noͤhtigen Reiſe keine Verhinderung machen; wir erbieten
uns noch mahl zu aller beſcheidenen Billigkeit/ wie vorhin; wollen auch etliche unſers mit-
tels bey euch als Geiſel hinter laſſen/ biß ihr ohn gefahꝛ koͤnnet vergnuͤget ſeyn. Ihr habt ge-
hoͤret/ was ich fodere/ fuhr jener fort/ und ſchwoͤre euch bey den Goͤttern/ werdet ihr auf die-
ſes mein drittes Geheiß nicht alsbald abſteigen/ ſollen euch ohn alle gnade die Haͤlſe gebro-
chen werden. Die Parther wahren guter Faͤuſte und Herzens/ und dauchte ſie unleidlich
ſeyn/ ſolche Draͤuworte geduldig anzuhoͤren; daher ſagte Idarnes zu ihm: Herr nehmet
euer wahr/ und leget nicht Hand an uns ohn urſach/ wir werden ſonſt gezwungen/ als lan-
ge das Vermoͤgen es zulaͤſſet/ uns auffs aͤuſſerſte zuwehren/ da wir dann inſonderheit uns
bemuͤhen muͤſſen/ wie wir euch mit in den Tod nehmen/ wañ es uns unverhoffentlich tref-
fen ſolte/ was wuͤrdet ihr aber als dann gewonnen haben? bedenket/ daß man unter der Veꝛ-
zweifelung tapffer zuſchlaͤget/ und nehmet von uns an/ was ihr ohn Wunden erhalten koͤn-
net. Bald redete jener darauff ſeine Leute an/ friſch darein zuſchlagen/ und keines/ der ſein
Gewehr zuͤckete/ zuſchonen. Dieſe hingegen reitzeten auch die ihren/ ihnen freudig nach zu-
ſetzen/ fielen alle drey zugleich auff den Fuͤhrer/ welcher ſich zwar wehrete/ aber bald erſtochẽ
ward; nach deſſen Fall eine ſo grauſame Schlacht zwiſchen dieſen kleinen Schaaren ſich
erhub/ daß es erſchreklich zuſehen wahr/ und ob die Raͤuber gleich zween gegen einen hat-
ten/ wurden ſie doch dermaſſen zugerichtet/ daß ſie zuruͤk weichen muſten/ haͤtten auch das
Feld gar verlohren/ wann die dreyſſig/ ſo den Weg zuruͤcke verlegt hatten/ ihnen nicht zu
huͤlffe kommen waͤhren; dann als Herkuliſkus ſahe/ daß ſeine Leute die Oberhand behalten
wuͤrden/ ritte er mit Timokles hinter ſich/ in meynung auszur eiſſen/ traff aber jezt gedachte
Raͤuber auff dem beſezten Durchzuge an/ und ſagte zu ihnen: Wollet ihr den euren nicht
Beyſtand leiſten/ welche ſo jaͤmmerlich erſchlagen werden? Worauff ſie alsbald mit ihnen
gingen/ und zu rechter Zeit ankahmen/ gleich als die jenigen/ ſo noch zu Pferde wahren/ die
Flucht geben wolten/ da ſie dann als geruhete friſch traffen/ und den Kaufleuten/ derẽſchon
XII gefellet wahren/ eine ſolche Furcht eintrieben/ daß ſie alle Hoffnung des Lebens fallen
lieſſen. So wahren die drey Parther ſchon hefftig verwundet/ welche gleichwol nicht auf-
hoͤreten/ den ihren ein Herz einzuſprechen; aber es fiel ihnen zuſchwer/ da der getriebene
Hauffe den Entſatz vermerkend auffs neue wieder anſetzete/ und der ihren Tod dergeſtalt
raͤchete/ daß ſie keinen leben lieſſen/ haͤtten auch Herkuliſkus neben Timokles in ſolchem
Grimme nidergemacht/ dafern ſie von dem Entſatz nicht geſchuͤtzet waͤhren/ welche ihnen
Zeugniß gaben/ daß ſie zu rechter Zeit ihnen die Gefahr verkundſchafftet/ und ſie zum Tref-
fen auffgefodert haͤttet; wo durch nicht allein ihr Leben gerettet/ ſondern ſie bey allen in gu-
te Gewogenheit gebracht wurden/ inſonderheit Herkuliſkus/ uͤber deſſen Schoͤnheit ſie ſich
alleſamt zum hoͤchſten verwunderten/ und ihn frageten/ wie er in dieſe Geſelſchafft gerahtẽ
waͤhre; der ſeinen Dolmetſcher vor ſich antworten ließ: Er waͤhre aus weit abgele genen
Landen von den drey erſchlagenen Parthiſchen Rittern geraubet/ und biß hieher gefuͤhret/
baͤhte demnach die Geſelſchafft ſehr/ ihn loß zulaſſen/ daß er wieder nach ſeinem Vaterlan-
de zu-
[547]Drittes Buch.
de zureiten moͤchte. Die Raͤuber traten zuſammen/ und befrageten ſich hieruͤber/ da einer
den Vorſchlag taht/ man ſolte ſich des gefundenen Gluͤks gebrauchen/ und dieſen ſchoͤnen
Juͤngling dem Fuͤrſten zu Ekbatana zufuͤhren/ bey dem ſie hiedurch in ſonderliche Gnade
kommen/ und eine ehrliche Vergeltung davon bringen koͤnten; und warumb ſolte man den
Juͤngling in ſo augenſcheinlicher Gefahr zuruͤk reiten laſſen/ da ihm unmoͤglich waͤhre/ ſo
einſam durch zu kommen; wuͤrden ihn alſo nur andern Raͤubern zuſchicken/ die ihren Vor-
tel daher machen koͤnten. Dieſer Raht ward vor beſchloſſen angenommen/ und Herkuliſ-
kus mit freundlichen Worten zuwiſſen getahn/ da ſie ihm zugleich die unvermeidliche Ge-
fahr der Ruͤkreiſe vorhielten/ und ihn daneben verſicherten/ es waͤhre der Mediſche Groß-
Fuͤrſt Herr Phraortes ein dermaſſen leutſeliger und Tugendliebender Herr/ bey welchem
er nicht allein gute Gewogenheit/ ſondern wol gar ſichere Begleitung biß in Syrien erlan-
gen wuͤrde; moͤchte ſich demnach nicht beſchweren/ mit ihnen fortzureiten/ und demſelben
ſich darzuſtellen. Herkuliſkus durffte ſich der Anmuhtung nicht wegern/ inſonderheit/ da
ihm Huͤlffes-Hoffnung bey dieſem Fuͤrſten gemacht ward/ und ließ durch ſeinen Dolmet-
ſcher antworten: Er bedankete ſich ſehr/ dz ſie ihn vor gewalt ſchuͤtzen/ und zu dieſem maͤch-
tigen Groß Fuͤrſten fuͤhren wolten; ſolten auch gewißlich glaͤuben/ da er ihnen bey demſel-
ben einige gute und angenehme Erſprießligkeit werben koͤnte/ wolte ers nicht aus der acht
laſſen; Hernach hieß er ſie die drey gewapnete Parther auszihen/ bey denen ſie ſtatliche
Beute finden wuͤrdẽ; wie auch in der Taht erfolgete; dann ſie trugen die treflichſten Klei-
not auff zwo Tonnen Schatz wert/ in ihren Kleidern verborgen/ uͤber welchen Raub ſie deꝛ-
maſſen erfreuet wurden/ daß ſie auffſprungen und ihrer empfangenen Wunden vergaſſen;
ſuchten nachgehends auch bey den andern erſchlagenen fleiſſig nach/ und bekamen bey den-
ſelben faſt die helffte ſo viel an Baarſchafften; welches alles ſie gleich unter ſich teileten/ weil
ihre vornehmſte Haͤupter alle erſchlagen wahren/ welches ihnen dann nicht unangenehm
wahr. Es hatte aber der aͤlteſte von den Parthiſchen Herren/ Atizies/ die ſchrifftliche Ver-
ſicherung auff alle ihre nidergeſetzeten Schaͤtze/ in ſeinem Sattel vermachet/ welches Her-
kuliſkus wuſte/ weil in ſeinem beyweſen ſie deſſen einig wurden/ und nicht meyneten/ daß er
ihre Reden verſtanden haͤtte. Nun wahr das Pferd ſamt ſeinen Herren erſchlagen/ und
wuſte er nicht/ wie er ſich des Sattels bemaͤchtigẽ ſolte; ſagte endlich zu Timokles: Er haͤt-
te gar einen unbequemen Sattel/ moͤchte deßwegen jenen von dem erſchlagenen Pferde ab-
ſpannen/ und ihm denſelben aufflegen/ welches geſchwinde verrichtet ward/ und er unwiſ-
ſend allen/ die beſte Beute davon brachte; wolte aber den Brief an ſolchem Orte nicht lan-
ge ſtecken laſſen/ ſondern in der erſten Nachtherberge ſchnitte er den Sattel auf/ wickelte den
Brieff in ein ſchmeidiges Leder/ und trug ihn bey ſich am bloſſen Leibe/ der Hoffnung/ die-
ſen Schatz dereins abzufodern/ und ſeinem liebſten Herkules als einen Beutpfennig zu-
ſchenken; und wahr ihm inſonderheit angenehm/ daß ihre ganze Geſellſchafft erſchlagen
wahr/ und niemand die Zeitung ihrer Niderlage zuruͤk bringen kunte; reiſete alſo mit dem
Raͤuberhauffen etliche Tage ſicher fort/ dann ſie hatten einen falſchen Sicher Brieff/ als
von dem Mediſchen Groß Fuͤrſten geſchrieben/ bey ſich/ durch deſſen Vorſchub ſie unange-
ſochten blieben/ biß ſie gar nahe bey Ekbatana anlangetẽ/ woſelbſt ein gewaltigeꝛ Mediſcher
Herr/ nahmens Mazeus/ auff einem feſten Schloſſe ſein Weſen hatte/ welches an einem en-
Z z z ijgen
[548]Drittes Buch.
gen Durchzuge lag/ uͤber welchen ſie zihen muſten. Hieſelbſt meyneten ſie/ wie an andern or-
ten/ mit ihrem Freyzettel durchzukommen/ aber dieſer Herr merkete an der untergezeichne-
ten Hand/ daß der Brief nicht richtig wahr/ befand auch das Pitſchafft von altem Wach-
ſe/ mit friſcherem angeklebet/ deswegen er die vornehmſten von ihnen genau befragete/ und
aus ihrer unbeſtaͤndigen Antwort des Betruges bald innen ward; ging demnach zu dem
ganzen Hauffen (deren XIIX bey einander wahren) hinunter/ und indem er ſie das Gewehr
hieß niderlegen/ ward er des allerſchoͤnſten Herkuliſkus gewahr/ der dann mit ſonderlicher
Hoͤfligkeit zu ihm trat/ und nach ſeiner Landesart ihn demuͤhtig gꝛuͤſſete/ wobey er doch eine
freundliche Ernſthafftigkeit und unverzagten Muht merken ließ/ daß Herꝛ Mazeus ihm
ſehr gewogen ward/ und zu ihm ſagete: Schoͤner tugendhaffter Juͤngling/ aus was abge-
legener Landſchafft kommet ihr dieſer oͤrter an? Dann aus eurer Geſtalt uñ Sitten erken-
ne ich vor gewiß/ daß ihr in dieſen Morgenlaͤndern nicht gezeuget ſeyd; werdet euch dem-
nach unbeſchweret finden/ mich eures Zuſtandes zuberichten/ welches euch zum aͤrgeſten
nicht gedeyen ſol. Herkuliſkus ſahe/ daß dieſer Herr Liebe zur Tugend trug/ und antworte-
te ihm mit ernſthafften Geberden in Griechiſcher Sprache/ in welcher er auch angeredet
wahr. Hochanſehulicher Herr/ ſagte er/ wann ich den Verlauff meines Gluͤks umſtaͤnd-
lich erzaͤhlen ſolte/ wuͤrde ich den Ohren nicht allein Verdruß/ ſondern vielleicht auch dem
Herzen Mitleiden erwecken; jedoch kurz zumelden/ bin ich aus weitabgelegenen Nordwe-
ſtiſchen Laͤndern von hochadelichen Eltern entſproſſen/ und auff der Reiſe/ meine Verwan-
ten zubeſuchen/ von Raͤubern gefangen/ denen ich von einer ſtaͤrkeren Geſelſchafft zum an-
dern mahl abgenommen/ und auffs Meer gebracht bin/ nachgehends eine geraume Zeit uͤ-
ber Meer und Land fortgeſchleppet/ biß ich endlich dieſen Leuten nicht ohn blutvergieſſen zu
teile worden/ und erwarte mit verlangen/ was endlich der groſſe Gott mit mir zuſchaffen
willens ſeyn moͤge/ dem ich doch mit ſtandhafften Herzen aushalten wil/ weil mein Gewiſ-
ſen mir Zeugniß gibt/ daß ich ohn verſchuldet und bloß durch deſſen Verhaͤngniß in dieſen
Unfall gerahten bin. Mazeus ſahe ihn mit Verwunderung an/ und fragete/ wie alt er waͤ-
re; worauff er zur Antwort gab: Nach meinem Ungluͤk zurechnen/ uͤbertreffe ich manni-
chen Greiſen/ wiewol ich das XV Jahr erſt hinter mich gelegt habe. So wollen euch die
Goͤtter ferner behuͤten/ ſagte Mazeus; aber hat eure Geſelſchafft euch mit Gewalt gerau-
bet? Ja mit Gewalt/ antwortete er/ aber nicht wideꝛ meinen Willen/ demnach ſie mich von
meinen Raͤubern erlediget/ und verſprochen/ mich zu einem mit leidigen tapfferen Fuͤrſten
der Meder zufuͤhren/ der mein Ungluͤk nicht allein zu herzen zihen/ ſondeꝛn mir auch zu mit-
teln/ in mein Vaterland zureiſen/ verhelffen wuͤrde. Das waͤhre ewig ſchande/ ſagte er/ daß
meinem gnaͤdigſten Groß Fuͤrſten ein ſo adelicher Knabe von dieſen unreinen Haͤnden ſol-
te uͤber liefert werden/ ſondern ſie muͤſſen mir trauen ihrer Plackerey beſſere Rechenſchafft
geben; ging wieder in den Platz/ und hieß Herkuliſkus folgen/ da er zu den Raͤubern ſagte:
Ihr ehrvergeſſene Schelme uñ Buben/ wie duͤrffet ihr euch unterſtehen/ mit falſchẽ Brie-
fen eure Bosheit zubemaͤnteln/ und allerhand Rauberey im Lande zutreiben; ja ſo verwaͤ-
gen zuſeyn/ daß ihr noch wol euer Obrigkeit einen Teil der geraubeten Beute zufuͤhret/ nit
anders/ als haͤtte dieſelbe euch vollkommene Freyheit/ ſolche Bosheit zutreiben/ eingeraͤu-
met? jedoch habt ihr wol getahn/ daß ihr euch ſo gutwillig zur Straffe einſtellet/ moͤchte
wuͤnſchen/
[549]Drittes Buch.
wuͤnſchen/ daß eure uͤbrige Geſellſchafft auch verhanden waͤhre/ damit ſie neben euch den
verdienten Sold ihrer ſchandloſen Arbeit empfahen koͤnten; ließ ſie darauff durch ſeine
Kriegsleute alsbald niderſaͤbeln. Es haͤtte zwar Herkuliſkus gerne eine Vorbitte zu ihrer
Verſchonung eingelegt/ weil er aber ſahe/ daß es vergeblich ſeyn wuͤrde/ und er muͤhe hat-
te ſeinen Dolmetſcher zuretten/ hielt ers vor eine Goͤttliche Rache/ und erinnerte er nach-
gehends H. Mazeus der Kleinot/ welche die nidergemachten Raͤuber bey ſich trugen/ wur-
den auch alſo bald hervor geſucht/ und dem Herrn eingeliefert/ der ſich ſolcher koͤſtlichen ſa-
chen verwundernd/ unſern Herkuliſkus fragete/ ob ihm dieſelben zuſtuͤnden/ ſolten ſie ihm
unvorenthalten bleiben; Er aber zur Antwort gab: Nein Gn. Herr/ ich habe nicht die al-
lergeringſte Anſprache darzu/ ſondern meine vorige Raͤuber haben ſie anderwerts geſtoh-
len und genommen. Es ſey wie es wolle/ ſagte er/ muͤſſen ſie doch neben euch meinem Gn.
Groß Fuͤrſten geliefert werden. Er ließ darauff ſeinem Gemahl Fr. Roxanen/ und deren
Fraͤulein Schweſter Frl. Barſene (die ohngefehr von XV Jahren) ruffen/ und da ſie kah-
men/ ſagte er zu ihnen: Sehet da meine Geliebten; habt ihr jemahls einen ſchoͤnern Juͤng-
ling mit Augen beſchauet? Fr. Roxane zweifelte/ ob ſie ein geſchniztes Bilde/ oder lebendi-
gen Menſchẽ faͤhe/ biß er ihr tieffe Ehrerbietigkeit erwieß/ worauff ſie zu ihrem Herrn ſag-
te: Allerliebſtes Herz/ von wannen komt euch dieſer Liebes-Gott! laſſet uns ihm gebuͤhrli-
che Ehre bezeigen/ nach dem er gewißlich ein Gottes Sohn ſeyn muß/ dann aus menſchli-
chem Samen kan ſolche Volkommenheit nicht gezeuget werden. Nein/ meine Geliebte/
antwortete er/ Goͤtter laſſen ſich nicht gefangen fuͤhren/ und iſt auſſer Zweilfel dieſer Juͤng-
ling nur ein bloſſer Menſch/ wiewolich gerne bekenne/ daß der Himmel ein volkommenes
Meiſterſtuͤk an ihm gebildet hat/ wann ich ſeines adelichen Gemuͤhts und wolgezierten Lei-
bes Beſchaffenheit betrachte; ſonſten hat ſeines Landes Art ihm die Farbe verlihen/ weil
daſelbſt die Sonne wegen ihrer ſeicht-abfallenden Strahlen die Leiber ſo ſtark nicht beſchei-
nen noch braͤunlich faͤrben kan/ inſonderheit/ wann man ſich viel unter dem Dache haͤlt.
Die Frau fahe ihn noch immer hin ſteiff an/ trat ihm endlich naͤher/ und hieß ihn ſehr wil-
kommen ſeyn; gegen die er ſich mit freundlichen Geberden und lieblichen Worten bedan-
kete/ ſo viel er der Sprache kuͤndig wahr/ baht auch umb Verzeihung/ daß er wegen Uner-
fahrenheit der Landſprache ihrer Gn. gebuͤhrlich nicht antworten koͤnte. Das junge
Fraͤulein Barſene/ nach Landesart etwas braͤunlich/ aber ſehr lieblicher geſtalt/ kunte un-
ſern Herkuliſkus nicht gnug beſchauen/ und fragete ihre Frau Schweſter/ obs auch moͤg-
lich waͤhre/ daß die Irdiſche Welt ſolche vollſtaͤndige Schoͤnheit bilden koͤnte/ redete ihn
hernach mit wenigen an/ und ſagte: Schoͤner Juͤngling/ beliebet euch bey uns allhie
zu bleiben/ ſollet ihr allen guten Willen ſpuͤren; Worauff er antwortete: Gn. Fraͤulein/
daß Ihre Gn. ſich uͤber einen armen gefangenen Juͤngling erbarmet/ bedanke ich mich
in Untertaͤhnigkeit/ und hat anweſender mein gnaͤdiger Herr mit mir zu ſchaffen nach
allem Willen. Herr Mazeus redete zwiſchen ein/ es ſtuͤnde ihm dieſer Juͤngling nicht
zu/ ſondern weil er dem Groß Fuͤrſten ſchon zugedacht waͤhre/ muͤſte er dahin billich geliefeꝛt
werden. Er taht ihm aber die Ehre an/ und ließ ihn mit uͤber ſeinem Tiſche Mahlzeit hal-
ten/ da er ſich dermaſſen Fuͤrſtlich zubezeigen wuſte/ daß die Anweſenden ſich deſſen nicht
gnug verwundern kunten. Weil dann Mazeus ſein Vaterland und herkunfft eigentlich
Z z z iijzu
[550]Drittes Buch.
zu wiſſen begehrete/ gab er ſich vor eines vornehmen Teutſchen Herrn Sohn aus/ welcheꝛ
vor wenig Jahren im Treffen wieder die Roͤmer/ als Feld Obriſteꝛ uͤber ein groſſes Kriegs-
heer/ ſein Leben ritterlich eingebuͤſſet/ nach dem er etliche tauſend der Feinde erleget/ und
ſeinem Koͤnige einen herlichen Sieg erhalten; ſeine Mutter waͤhre annoch im Leben/ de-
ren ohn das trauriger Witwenſtand durch ſeinen Verluſt nicht wenig wuͤrde beaͤngſtet
ſeyn/ hoffete dannoch/ ſie wuͤrde ſich auch in Gottes Willen zu ſchicken wiſſen/ weil deſſen
Almacht ihn ſo leicht wieder nach Hauſe bringen koͤnte/ als ſie ihn in die Fremde gefuͤhret
haͤtte. Wie aber ſagte Mazeus/ wann die Goͤtter ſolches nicht verſehen haͤtten/ und ihr in
dieſen Laͤndern bleiben muͤſtet? Dann werde ich viel zu wenig ſeyn/ antwortete er/ ihren
Vorſaz oder Schluß zubrechen; wann es aber Sitte in dieſen Landen waͤhre/ durch eine
ritterliche kuͤhne Taht/ oder Kampf mit einem Ritter oder wilden grimmigen Tihre die
Freiheit zuerſtreiten/ wie ſolches bey uns der Brauch wol iſt/ dann wolte ich hoffen/ mein
Vaterland bald wieder zu ſehen. Mazeus ſchrieb dieſe Reden ſeiner Jugend zu/ und ſagte
mit lachenden Worten: Ja lieber Juͤngling/ es gibt hier zu Lande ſtarke Kaͤmpfer/ und
grauſame wilde Tihre/ welche durch Schoͤnheit nicht koͤnnen gefellet werden. Verflucht
ſey/ der ſich auff Schoͤnheit verlaͤſſet/ antwortete er; ich wolte mich trauen meiner Kuͤhn-
heit und Haͤnde gebrauchẽ/ da mirs ſo gut werden koͤnte. Euer Herz iſt gut/ ſagte Mazeus/
aber die Jahre fehlen euch noch. Jahre ſchlagen niemand/ antwortete er/ ſondern ein freu-
diges Herz/ daß die Faͤuſte zugebrauchen weiß/ und durch Vernunfft erſetzen kan/ was den
Leibeskraͤfften mangelt. Mazeus gedachte/ dieſer Knabe muͤſte ehmahls treffliche Maͤn-
ner alſo haben reden hoͤren/ denen er nachaffete/ ſuchte auch Gelegenheit/ ihn zu pruͤfen/ uñ
durch anlauff eines wilden Tihres zu erſchrecken/ deßwegen er nach gehaltener Mahlzeit
mit ihm in dem Garten inwendig des Schloſſes zur Luſt umbher ging. Er hatte aber ei-
nen von Jugend auff gezaͤhmeten ſehr groſſen Loͤuen/ der alſo abgerichtet wahr/ daß er ihn
mit einem Worte entruͤſten/ und mit dem andern im Augenblik ſtillen kunte; dieſen ließ er
heimlich in den Garten fuͤhren/ folgete auch bald ſelber nach mit einem Seitengewehr/ wel-
ches Herkuliſkus ihm nachzutragen ſich anerboht. Unter dem hin und wiedergehen frage-
te er nach allerhand neues/ ſo in Teutſchland vorginge/ biß er den Loͤuen von ferne daher
ſpringen ſahe/ da ſagte er zu ihm: Geliebter Juͤngling/ ſehet ihr den Loͤuen dort gegen uns
daher eilen? geſchwinde/ und laſſet uns flihen. Mein Herꝛ/ antwortete er/ rettet euch/ ich
wil das Tihr auffhalten; lief ohn ferneres Wort ſprechen zu ihm ein/ faſſete das Schwert/
und ſtellete ſich neben einen Baum/ ſeiner Ankunft daſelbſt mit friſchem Angeſicht erwar-
tend. Mazeus entſetzete ſich vor dieſer Kuͤhnheit/ und rief dem Loͤuen zu/ welcher ſeines H.
Stimme erkennete/ von Herkuliſkus ablies und zu ihm nahete/ der ſeine Anſtellung zu ver-
decken/ zu ihm ſagte: Herzhafter Juͤngling/ es iſt mir lieb/ daß ich geirret habe/ indem ich
anfangs dieſen Loͤuen vor einen unbendigen gehalten/ und nun zu eurem uñ meinem Gluͤk
ſehe/ daß es mein gezaͤhmter iſt. So iſt mir ſolches nicht weniger lieb/ antwortete er/ und
waͤhre immer ſchade/ daß ich ein ſo wol abgerichtetes Tihr haͤtte erſchlagen ſollen/ da ich
ihm ſchon einen ſolchen Streich uͤber den Rachen zugemaͤſſen hatte/ daß ihm die Zunge
bald vor den Fuͤſſen ſolte gelegen haben; trat mit dieſem Worte dem L[e]uen naͤher/ und
ſtrich ihm mit der Hand uͤber das Haͤupt/ welches ihm Mazeus verboht/ weil er ſich be-
fuͤrch-
[551]Drittes Buch.
fuͤrchtete/ er moͤchte ihm als einem Unbekanten ſchaden zufuͤgen; aber es legte ſich derſel-
be zu Herkuliſkus Fuͤſſen nider/ nicht anders/ als waͤhre es etwa ein Schoßhuͤndichen ge-
weſen; richtetete ſich hernach wieder auff/ und lehnete ſich mit dem Haͤupte an ſeine Seite;
welches Mazeus ſehend/ ſchier auff ſeines Gemahls Gedanken gerahten waͤhre. Herku-
liſkus ſahe etliche gruͤne Kraͤuter ſtehen/ brach dieſelben ab/ und machte ein Kraͤnzlein da-
von/ welches er auff des Loͤuen Haͤupt ſetzete/ der ſich abermahl ehrerbietig vor ihm auff
die Knie legte/ bald wieder auffſtund/ und gleich als waͤhre ihm eine ſonderliche Ehre be-
gegnet/ gnug trotzig herein trat/ daß er ſich auch an H. Mazeus faſt nicht mehꝛ kehrete/ ſon-
dern unſerm Herkuliſkus folgete/ welcher alſo anfing; Ich habe Zeit meines Lebens nie kei-
nen Loͤuen/ als dieſen geſehen/ ſolte ich mich aber mit allen ſo wol begehen koͤnnen/ wuͤrde
ich mit willen keinem ſchaden tuhn; und iſt mir lieb/ daß ich mit dieſem in Kundſchafft
gerahten bin/ nach dem ich nun mein angebohrnes Wapen kennen lerne/ in welchem ich
von meinen Uhrahnen her einen Loͤuen fuͤhre. Trefflicher Juͤngling/ antwortete er/ ich
weiß nicht was ich von meinem Loͤuen urteilen ſol/ welcher bißher ſich von keinem Frem-
den hat wollen anruͤhren laſſen/ und muß er ohn zweiffel euren hohen Adel erkennen/ vor
dem er ſich dergeſtalt demuͤhtiget/ als er vor mir ſelbſt noch keinmahl getahn hat; hiemit
ließ er einen tieffen Seufzen außgehen/ und fuhr alſo fort; ich moͤchte von Herzen wuͤn-
ſchen/ daß ihr entweder zu Hauſe bey eurer Fr. Mutter/ oder nur ſo gar ſchoͤne nicht waͤh-
ret; dann eure außbuͤndige Geſtalt machet es/ daß ich euch weder bey mir behalten/ noch
nach eurem Vaterlande ſchicken darff/ inſonderheit/ weil ihr meinem Groß Fuͤrſten zu ge-
dacht ſeid; und gebe der Himmel/ daß ihr bey demſelben eben die Gunſt findet/ die ihr bey
mir habt/ woran ich doch nicht zweiffeln wil. Herkuliſkus bedankete ſich der ſonderlichen
Gnade/ und antwortete; dafern er wiſſen ſolte/ daß ihm ſeine Geſtalt jrgend zu ſchaͤdlich
ſeyn koͤnte/ wolte er in kurzer Friſt ſich ſo ſcheußlich zu richten/ daß niemand ihn ohn gꝛau-
ſen anſehen ſolte. Nein dieſe Meynung hat es nicht/ ſagte Mazeus/ nur daß euch niemand
gerne wird fahꝛẽ laſſen/ der euch in beſiz hat. In dieſem gehen kahmen ſie bey dem gewoͤhn-
lichen Fechterplatze an/ woſelbſt der Fechtmeiſter etliche aͤdelknaben unterrichtete/ unter
denen ſchon ihrer ſechſe zimlich geuͤbet wahren. Herkuliſkus baht umb Urlaub/ ihnen ein
wenig zuzuſehen/ und erkennete gar bald/ daß der Meiſter der rechten Kunſt wenig erfah-
ron wahr/ ließ ſich deſſen aber nicht merken/ ſondern lobete ihr wol verhalten; da ihn Ma-
zeus fragete/ ob er auch ſchon des Schwerts gebrauch wuͤſte; Ich habe wegen meiner Ju-
gend mich deſſen nicht zu ruͤhmen/ antwortete er/ aber meine Begierde zu ſolchen uͤbungen
kan ich nicht leugnen. Mazeus ſtellete ihm frey/ ſich mit einem zuverſuchen/ welches der
Meiſter vernehmend/ ihn fragete/ ob er mit den neueſten oder erfahrneſtẽ Schuͤlern einen
Gang wagen wolte; dem er antwortete; wans ihm frey ſtuͤnde/ wolte er am liebſten mit
dem Meiſter ſelbſt ein Auffhebens machen/ als von dem er die beſten Streiche zu lernen
und zu empfahen hoffete. Mazeus taht dem Fechter alsbald Befehl/ es mit ihm auffzuneh-
men/ welcher ſich aber ſchaͤmete mit ſolchem Juͤnglinge auff andere Weiſe als mit einem
Schuͤler umzugehen; worauff Herkuliſkus antwortete/ er waͤhre auch nur in Schuͤlers-
geſtalt hier/ doch wann er ſein auff andere Weiſe begehrete/ koͤnte er deſſen gar wol bemaͤch-
tiget ſeyn; welches jener vor einen Troz außlegend/ zu ihm ſagte/ er moͤchte ſich ſtellen/ und
der
[552]Drittes Buch.
der Mediſchen Streiche gewaͤrtig ſeyn. Dieſer aber ſagte mit ſanfftem gelaͤchter; mein
Freund/ es ſey euch erlaͤubet; nahm das Fechtſchwert/ welches ihm am bequemeſten wahꝛ/
zur Hand/ und ſo bald er mit ihm angebunden hatte/ gab er ihm fuͤnff Schlaͤge uͤber Kopf/
Arm und Beine/ den ſechſten aber uͤber das Maul daß er mit den Zaͤhnen blaͤkete/ und hin-
gegen allerdinges unberuͤhret blieb/ deſſen Mazeus und die Schuͤler ſich wol zu lacheten/
und dieſer Tropf druͤber gar zu ſchanden ward. Mazeus ſcheidete ſie/ und vermahnete den
Fechter/ ſich hinfuͤro im eigenen Ruhm zu maͤſſigen/ nahm auch Herkuliſkus mit ſich nach
dem Zeughauſe/ und fragete ihn auff dem Wege/ wie lange er ſich des Fechtſchwerts ge-
brauchet haͤtte; da er zur Antwort bekam; er haͤtte ſchon im zehnden Jahre ſeines Alters
ſich laſſen unterrichten/ weil er aber im halben Jahr und druͤber ſich nicht geuͤbet/ haͤtte er
anfangs ſich auff Streiche geſchikt/ merkete aber wol daß dieſer Fechter ſie außzuteilen
nicht gar wol gelernet haͤtte. Als ſie hie mit in das Zeughauß traten/ klagete der Zeugmei-
ſter ſeinem Herrn/ daß in weniger Zeit/ weil er anderswo zu ſchaffen gehabt/ unterſchiedli-
che Waffen mit Roſt angelauffen waͤhren; g[in]gen mit einander hinein/ und fand Herku-
liſkus eine zimliche Menge Schwerter/ Speere/ Hellebarten/ Bogen und Pfeile/ und wie
er fragete/ ob das Schieſſen dieſer oͤrter viel im Gebrauch waͤhre/ antwortete ihm Ma-
zeus; Pfeil und Bogen ſind unſerer Jugend vornehmſte und taͤgliche Ubung/ auff das
im Alter ſich zu ernaͤhren ſie geſchikt ſeyn moͤgen/ maſſen man bey uns kein zahmes Vieh
unterhaͤlt/ ſondern vom Wilde ſich ernaͤhret. Herkuliſkus ſahe einen zierlichen leichten
Bogen liegen/ welchen er nach gebehtener verzeihung zur Hand nam/ und ſich verlauten
ließ/ ſo bald er wieder in ſein Vaterland kaͤhme/ muͤſte er einen nach dieſer Art machẽ laſſen.
Mazeus gedachte in ſeinem Heꝛzen; vor dein Vaterland werden dich die Goͤtter wol behuͤ-
ten/ wolte ihn doch nit betruͤbẽ/ es zuſagen/ ſondeꝛn fragete ihn/ ob er dañ auch im ſchieſſen
geuͤbet waͤhre. Er aber antwortete: In ſeinem Vaterlande waͤhre ſchieſſens-brauch nicht
gemeine/ doch haͤtte er von Kindesbeinen an ſehr groſſe Luſt darzu gehabt/ und aber in gu-
ter Zeit keinen Bogen beruͤhret/ daß er fuͤrchtete/ ſeine Erfahrenheit vergeſſen zuhaben.
Daran iſt wenig gelegen/ ſagte er/ und gefaͤlt euch dieſer Bogen/ ſo nehmet ihn mit dem ge-
fuͤlleten Koͤcher zu euch/ das vergeſſene wieder zulernen; traten mit einander hinaus/ und
gingen nach dem Gemache/ in welches Mazeus den Loͤuen wieder einſperren ließ/ der mit
Traurigkeit und Unwillen von Herkuliſkus ſcheidete. Im fortgehen ſahe er eine groſſe
Ringel Taube fliegen/ die er von freyer Fauſt aus der Lufft herunter ſchoß/ daß ſie vor Ma-
zeus Fuͤſſen niderſiel/ der ſie auf hub/ uñ befand/ daß ihr der Pfeil noch in der Bruſt ſteckete.
Er ſtreich ihm aber mit der Hand uͤber das Haͤupt/ und ſagte: Mein Herkuliſkus/ ich weiß
in Warheit nicht/ was ich aus euch machen ſol/ dann daß eures gleichen mir nie vorkom̃en
iſt/ geſtehe ich gerne; aber getrauet ihr euch noch ſo einen Schuß ohnfehl zutuhn? Ein ſol-
cher Schuß/ antwortete er/ hat wenig zubedeuten/ welchen ich in vollem rennen auff dem
Pferde wol verrichten wil. Ey ſagte er/ verweilet alhie noch ein wenig/ biß ich wieder bey
euch ſeyn werde; ging hin/ und hohlete ſein Gemahl ſamt dem Fraͤulein herzu/ erzaͤhlete/
wz ſich zugetragẽ hatte/ uñ ermahnete ſie/ ob ſie eine Kurzweil ſehen wolten/ moͤchten ſie in
den Vorhof kommen. Nun hatte er einen Schuͤtzen/ Nahmens Batis/ der im ganzen Ge-
biet ſeiner Kunſt halben beſchrihen wahr/ rief denſelben zu ſich/ und ſagte: Hoͤre Batis/ du
weiſt/
[553]Drittes Buch.
weiſt/ das ich dir groſſen Sold reichen laſſe/ weil du vor einen ſonderlichen Schuͤtzen dich
außgibſt; nun iſt dieſeꝛ Juͤngling/ hie gegenwaͤrtig/ ſo kuͤhn/ daß er ſich nicht ſcheuet mit
dir wette zu ſchieſſen/ da du es auffnehmen darfſt. Batis welcher ſeine Erfahrenheit ſelbſt
hoch hielt/ ſahe Herkuliſkus an/ uñ ſagte: Juͤngling/ wollet ihr der Kunſt gerne unterrichtet
ſeyn? Ja/ antwortete er/ Kunſt zu lernen bin ich ſehr begierig. Was wollet ihr dann dran
wagen? fragete jener. Wann ich euch drumb anſprechen werde/ ſagte er/ wil ich die Unter-
weiſung von euch nicht umbſonſt begehren/ weil ihr aber ſo ruhmraͤhtig ſeid/ ſuche ich deſ-
ſen nichts bey euch/ dann da ihr volkommen waͤhret/ wuͤrdet ihr euch lieber in der Taht als
bloſſen Worten finden laſſen/ halte demnach daß euch in dieſer Kunſt ſchier ja ſo wol fehle
als mir ungeuͤbeten. Dieſer ward deſſen zornig und foderte ihn zur Wette/ da es ſonſt nit
veraͤchtlich ſtuͤnde mit einem jungen Knaben es auffzunehmen. Schuͤtze/ ſagte Herkuliſ-
kus/ da ich jetzt ſo frey waͤhre als vor dieſem/ duͤrfte ich euch dieſe Beſchimpfung ſchwer-
lich zu gute halten/ inſonderheit da ihr in der Taht fehlen ſoltet; aber nach dem ich meines
Unfals mich gerne erinnere/ muß ich euch billich uͤberſehen. Mazeus redete ſeinem Dieneꝛ
hart ein/ mit Draͤuung ſchwerer Straffe/ da er daß geringſte in Unglimpf außſtoſſen wuͤr
de/ daher dieſer umb verzeihung bat/ und unſern Herkuliſkus fragete/ wie hoch die Wette
ſeyn ſolte. Daß werdet ihr beſtim̃en/ ſagte er/ nach dem ihr mit außfodern ſo kek ſeid. Ich
meines teils/ antwortete jener/ ſetze eine Jahrs Beſoldung dran/ ſind 400 Kronen. Wol-
an/ ſagete Herkuliſkus/ ihm ſey alſo/ und bitte/ mein Gn. Herr wolle vor mich gut ſagen;
ich wil gewinnen/ oder die Gelder ſchon wiſſen dieſe ſtund zu verſchaffen. Wie aber/ redete
er zu den Schuͤtzen/ wann ich einen Schuß taͤhte/ den ihr mir nicht eins duͤrfftet nachtuhn?
Daran ſetze ich noch 400 Kronen/ anwortete Batis. Ich nehme es mit euch an/ ſagte Heꝛ-
kuliſkus; foderte darauff alsbald einen kleinen Apffel/ reichte ihn Frl. Barſenen hin/ und
ſagte zu ihr; ſchoͤnes Fraͤulein/ dafern ſie ſich nicht ſcheuhete/ wuͤrde ich dienſtlich bitten/
ſie dieſen Apffel in ihre linke Hand zwiſchen den Daumen und zeiger Finger faſſen/ und
die anderen Finger außſtrecken wolte; das Fraͤulein/ weil niemand wuſte/ was es bedeute-
te/ wahr ihm gerne zu willen/ und redete Herkuliſkus folgends den Schuͤtzen alſo an: Hoͤ-
ret Batis/ ich habe die Wette und Doppelwette mit euch angenommen/ aber hoͤret nun
die Bedingung: Wir nehmen funffzig ſtarke Schritte von dieſem Fraͤulein/ und ſchieſſen
ihr den Apffel aus der Hand; wer nun fehlet dem ſol die rechte Fauſt/ wer aber das Fraͤu-
lein im wenigſten beſchaͤdiget/ der Kopff abgeſchlagen werden. Alsbald ließ das Fraͤulein
den Apffel fallen/ und ſagte: O nein o nein/ die Wette halte ich nimmermehr. Auch erblaſ-
ſete Batis der Rede/ faſſete doch wieder ein Herz und ſagte: Ja ich halte die Wette noch/
wann ihr den Anfang machet. Den wil ich freilich machen antwortete er/ und baht das
F[r]aͤulein ſehr/ ihm den Apffel zum Schuſſe zu halten; aber Fr. Roxane wolte keines we-
ges einwilligen/ ſondern rieff ein armes Maͤgdlein herzu/ dem ſie zwo Kronen gab/ daß ſie
den Apffel hielt/ welchen Herkuliſkus hinweg ſchoß/ daß er ihren Finger nicht ruͤhrete/ uñ
ſagte nach getahnem Schuſſe; nun Batis/ nun iſt Zeit eure zu vor ſo hoch geruͤhmte Kunſt
ſehen zu laſſen. Aber 800 Kronen wahren verſpielet/ dann er wegerte ſich unter geſetzter
Bedingung es nachzutuhn; deßwegen zaͤhlete Mazeus ſeines Dieners wegen die Gelder
auß/ und warnete ihn/ hinfuͤro keinen unbekanten zuverachten/ wie jung er auch waͤre/ weil
A a a akein
[554]Drittes Buch.
kein Meiſter lebete/ der nicht ſeinen Meiſter haͤtte. Herkuliſkus fragete/ ob ihm frey ſtuͤnde/
mit dem Gelde nach ſeinem Gefallen zuſchalten/ und nach Bejahung baht er Fr. Roxa-
nen/ es ſeinetwegen unter ihre Leibdienerinnen und dieſem armen Maͤgdlein auszuteilen;
Dann/ ſagte er/ ich habe noch nie Wette geſchoſſen/ und wil den erſten Gewin nicht vor
mich behalten; kehrete ſich nachgehends zu dem Fraͤulein/ und ſagte: Hochgebohrnes
Fraͤulein/ Ihrer Gn. ich unwirdiger Knecht bitte demuͤhtig/ mir zuverzeihen/ daß ich ſo
unhoͤflich gehandelt/ und den Apffel zuhalten/ derſelben unbedachtſam zumuhten duͤrf-
fen/ verſichere ſie daneben/ da die Goͤtter/ wie ich feſtiglich traue/ mir guͤnſtig ſeyn wer-
den/ daß ich vor dieſe Grobheit dereins Abtrag machen wil. Es hatte dieſes liebliche Frl.
ſich an dieſem ſchoͤnen Juͤngling ſo hefftig verliebet/ daß ſie gerne mit ihm ins Elend gezo-
gen waͤhre/ da ſie Hoffnung gehabt/ ſeiner dereins ehelich zugenieſſen; wuſte anfangs nicht/
was ſie ihm antworten ſolte/ ohn dz ſie ſeine Kunſt hoch ruͤhmete/ und naehgehends beteu-
rete/ ſie haͤtte ſeines anmuhtens halben gar keine Ungunſt auff ihn geworffen; wuͤnſchete
endlich/ daß die Goͤtter ſeines Herzen Wunſch und Begierde erfuͤllen moͤchten. Ich be-
danke mich untertaͤhnig/ antwortete Herkuliſkus/ und nach dem eure Vortreffligkeit duꝛch
ihre hohe Gunſt mich kuͤhn gemacht/ bitte ich ferner/ mein als eines armẽ gefangenẽ Juͤng-
lings bey dieſem ſchlechten Ringe mit gewogenem Herzen zuzeiten eingedenke zuſeyn; ſtee-
kete ihr einen von Alexander zu Tyrus empfangenen an den Finger/ der auf 1000 Kronen
austrug/ und kuͤſſete ihr freundlich die Hand; hernach kehrete er ſich zu H. Mazeus/ und
ſagte: Gnådiger Herr/ dieſen jezt eingelieferten ſchlechten Ring/ habe ich noch von meiner
lieben Fr. Mutter aufzuweiſen/ damit ſie mich auf meinen Geburtstag voꝛm Jahre ange-
bundẽ; weil ich ihn aber nit getraue laͤnger zuverwahren/ weiß ich ihn an keinẽ Orte lieber/
als bey dieſem trefflichen Fraͤulein; bitte demnach untertaͤhnig/ Ihre Gn. wollen mein Gn.
Fraͤulein erbitten helffen/ daß ſie dieſen ſchlechten Gedenk Ring von einem armen gefange-
nen anzunehmen/ unbeſchweret ſeyn wolle. Sie hat deſſen gute Freyheit/ antwortete Ma-
zeus/ wird den Ring auch/ nach dem ſie ihn ſchon zu ſich genommen hat/ ſeinetwegen gerne
behalten/ und zum ſtets wehren den Gedaͤchtniß tragen. Ja/ warumb nicht/ ſagte das Fraͤu-
lein/ eure Zucht und Tugend iſt ſo groß/ daß ich nicht anders urteilen kan/ als daß ihr von
hohem vortrefflichen Gebluͤte muͤſſet entſproſſen ſeyn/ welches dieſer koſtbahre Ring in et-
was Zeugniß giebet; Weil ihr mich dann dieſer Gedaͤchtniß wir diget/ welche ihr von eu-
rer Frau Mutter annoch uͤbrig habt/ wil ichs euch zu gefallen tragen/ als lange ich lebe/ uñ
mich ruͤhmen/ daß ich von einem ſo trefflichen Juͤnglinge die Ehre einer Gedaͤchtniß em-
pfangen. So verleihen mir die Goͤtter/ ſagte er/ daß mein hochwertes Fraͤulein es der eins
vor eine Ehre rechnen koͤnne/ was von mir als einem Gefangenen aus gutem Herzen ge-
ſchihet; kuͤſſete ihr damit die Hand abermahl mit ſonderlicher Anmuhtigkeit/ deſſen das
Fraͤulein wol zufrieden wahr/ ob ſie gleich ſich dawider bedingete/ es geſchaͤhe ihr hiedurch
gar zu hohe Ehre. Inzwiſchen ſahen Herr Mazeus und Frau Roxane dieſen beyden mit
Verwunderung zu/ da dieſe zu ihrem Gemahl ſagete: Gewißlich/ da dieſer ſchoͤne Juͤng-
ling etliche Jahr aͤlter waͤre/ oder eine zeitlang bey uns verbliebe/ duͤrffte er meiner Schwe-
ſter das Herz leichtlich ſtehlen. Ach nein/ antwortete er/ ſtehlen duͤrffte ers nicht/ es wuͤrde
ihm wol geſchenket/ und ohn Widerrede gegoͤnnet/ ſo viel ich aus ihren Augen merke; aber
ich
[555]Drittes Buch.
ich muß des Juͤnglings lachen/ daß er gerne viel reden wil/ und ſo wenig Worte weiß; doch
ſihet man aus alle ſeinem tuhn und vornehmen/ daß er nicht/ wie er vorgibt/ nur vom Adel/
ſondern von Fuͤrſt- oder wol gar Koͤniglichem Gebluͤte ſeyn muß/ und taͤhte ſehr wol/ daß
ers von ſich ſagte/ dann hiedurch wuͤrde er ohn zweifel unſern Fuͤrſten bewaͤgen/ daß er ihn
ſeinen Eltern wieder zuſchickete. Fr. Roxane hatte ihre Dienerinnen/ deren ſechſe waren/
neben dem armen Maͤgdlein herzu treten laſſen/ und ſagte ſie zu Herkuliſkus; Holdſeliger
Juͤngling/ wollet ihr dieſen meinen Leuten etwas/ ſo ſtehen ſie allhier zu euren Dienſten.
Batis ſtund nicht ferne davon/ und ſahe mit betruͤbten Augen an/ wie ſeine Gelder ſolten
ausgeteilet werden/ doch verdroß ihn der Schimpff mehr/ daß er ohn Verſuch hatte ver-
ſpielen muͤſſen/ als der Schade ſelbſt. Herkuliſkus haͤtte ihm das Geld alles gerne wieder-
gegeben/ wann er ihn nicht ſo ſchimpflich mit Worten angezapffet/ aber jezt muſte ers an-
ſehen/ daß er jeder Dienerin/ und dem armen Maͤgdlein 100 Kronen zuzaͤhlete/ doch end-
lich ſagte: Wañ ich wuͤſte/ daß Batis mir danken wolte/ gaͤbe ich ihm 100 Kronen zuruͤk.
Dieſer nicht faul/ gedachte/ es waͤhre ein guter Nohtpfennig/ uñ antwortete: Wuͤrden mir
100 Kronen geſchenket/ ich naͤhme ſie mit gebuͤhrlichem Danke an; worauff er noch mit
zur Teilung ging. Es wahr dieſe Zahlung kaum geendet/ da hoͤreten ſie ein Geruffe: Ret-
tet euer Leben/ rettet euer Leben! woruͤber ſie alle erſchraken/ und nach dem innern Gebaͤu
zulieffen/ ohn Herkuliſkus ließ ſich nichts anfechten/ ſondern nam alsbald ſeine Pfeil und
Bogen zur Hand/ und ſahe darauff ein erſchrekliches Tigertihr daher auff ihn zuſpringen/
und mit offenem Rachen ſein zubegehren/ deſſen er fleiſſig wahr nam/ und nach dem er ſei-
nen Vortel erſahe/ ihm einen Pfeil in den Rachen ſchoß/ bald noch einẽ ins Auge/ dz es uͤber
uñ uͤber purzelte; faſſete nachgehends Mazeus Seitengewehr (welches an der Wand hing)
ging hinzu/ und erſtach es damit vollends. Die uͤbrigen hatten ſich unterdeſſen in Gewahꝛ-
ſam begeben/ und beklagten den aͤdlen Juͤngling/ welchen ſie ſchon vor tod und zerꝛiſſen hiel-
ten/ gleich da er zu ihnen mit dem blutigen Saͤbel hinein trat/ und mit hellfeurigen Augen
ſie anſahe; Woruͤber Mazeus ſich entſetzend/ zu ihm ſagte: Goͤttlicher Juͤngling/ wie habt
ihr des grimmigen Tihrs euch erwehren moͤgen? Gnaͤdiger Herꝛ/ antwortete er/ Eure Gn.
mit ihrer Geſelſchafft treten nur kuͤhnlich hervor/ dann dieſes ſcheußliche Tihr wird fort-
hin niemand ſchaden tuhn noch Schrecken einjagen/ nach dem ſeine Wuht einmahl gaͤnz-
lich gedaͤmpffet iſt. Sie gingen ingeſamt mit ihm hin und ſahen es in ſeinem Blute ligen/
wuſten nicht/ was ſie vor Wunder ſagen und gedenken ſolten; Dann waͤhre Herkuliſkus
nicht ſo bald fertig geweſt/ wuͤrde ihre Flucht viel zu ſpåt/ und allerdinge vergebens gewe-
ſen ſeyn; maſſen das ergrimmete abgehungerte Tihr aus ſeinem Kefich losgebrochẽ war/
weil der darzu beſtimmete Knecht ſein vergeſſen/ und drey Tage lang ohn Speiſe gelaſſen
hatte. Mazeus erkennete dieſe Rettung vor eine ſonderliche Schickung der Goͤtter/ und
ſagte zu Herkuliſkus: Nun weiß ich nicht/ ob ich Menſchen oder Goͤtter in meiner Geſel-
ſchafft habe/ und gewißlich/ da euch die Goͤtter nicht gezeuget/ muͤſſet ihr zum wenigſten ih-
res Gebluͤtes ſeyn. Ach mein Herr/ antwortete er auff Griechiſch; ſolten Goͤtter wol zeu-
gen? Ja ſolten ſie wol ſchwache Menſchen zeugen/ und ſie nachgehends dem Gluͤk uͤbeꝛge-
ben/ daß ſie von boßhafften Raͤubern weggefuͤhret wuͤrden? Doch auf gewiſſe art/ ſind wiꝛ
Menſchen alle Goͤttliches Geſchlechts/ indem ſie uns eine vernuͤnfftige unſterbliche Seele
A a a a ijeinge-
[556]Drittes Buch.
eing[egoſſen] haben. Eure Gn. ſchaͤtzen es hoch/ daß ich ein ſchwacher Juͤngling/ dieſes freſ-
ſige Ungeheur nidergelegt habe; aber was iſt das Wunder/ daß ein vernuͤnfftiger Menſch/
der ſeinen Witz gebrauchen kan/ einem unvernuͤnfftigen Tihre obſteget? Hier iſt nichts als
freche Wuht/ die ſich ſelbſt in Spieſſe/ Pfeile und Schwerter ſtuͤrzet/ wann wirs ihr nur
vorſich tiglich bieten und goͤnnen/ bey uns aber finden die geſunden Gedanken leicht einen
Vortel/ dadurch unbeſonnene Leibeskrafft gebrochen wird; und wer hier an zweifelt/ muß
noch wenige Erfahrenheit haben/ was vor Unterſcheid zwiſchen Witz und Frevel/ zwiſchẽ
Klugheit und Wuht geſetzet iſt; uͤber das hat die Vernunſt ſolche heilſame Wehr uñ Waf-
fen uns in die Hand geſtellet/ daß wir die wilden Tihre fellen koͤnnen/ ehe ſie uns erreichen
moͤgen; Die Vernunfft hat durch ſolche Mittel uns die Herrſchafft/ nicht auff der feſten
Erde/ ſondern auch auff den wallenden Waſſern/ ja oben in der Lufft verlihen/ dz ſich nichts
vor uns bergen/ noch unſerer Nachſtellung entgehen mag; Und was ſolte mich hindern/ dz
ich diß groſſe Tihr in der naͤhe/ und auff der Erden/ nicht leichter erlegete/ als vormahls die
in Luͤfften ſchwebende Taube? nur daß verzagete Herzen ſich vor einem auffgeſperreten
Rachen entſetzen/ und ſcharffe Klauen fuͤrchten und fuͤhlen/ ehe ſie drinnen ſtecken/ und ei-
nigen Angriff empfinden. O wie ein furchtſamer Muht iſt der/ welcher den Ungluͤks-weg
erwaͤhlet/ da wol hundeꝛt Neben-ſtraſſen ſind! wie ein verzagter Siñ/ der liebeꝛ deꝛ Schlan-
gen Stich ausſtehet/ als daß er ſie aus dem Wege ſtoſſen ſolte! trauet mir/ mein Herr/ eine
vernuͤnfftige Seele iſt kraͤfftiger als alle Leibesſtaͤrke/ und bedachtſame Gegenwehr vortraͤg-
licher als hundert Mauren; dann ſtehe ich unbeſonnen hinter dieſen/ kan ich leicht von ih-
rem Falle erſchlagen werden; Vorſichtigkeit aber iſt auch des allergrimmeſten Gluͤckes
Meiſterin. Moͤchte jemand einwenden: es fuͤnden ſich deren unter uns nicht in gar groſſeꝛ
Menge/ welche der Vernunfft recht gebrauchen koͤnnen/ ſo fehle es auch zuzeiten an Mittel
und Gewehr/ daß man der Wuht gewonnen geben/ und unterliegen muͤſte; aber ich ant-
worte drauff: es bleibet die Laute wol ein kuͤnſtliches ruhmwirdiges Spielzeug/ ob gleich
der Baur ſich deren nicht zugebrauchen weiß/ oder ſie wol gar zerdruͤcket; alſo iſt und blei-
bet die Vernunfft wol eine Koͤnigin uͤber alle irdiſche Volkommenheiten/ ob gleich der we-
nigſte Teil unter uns bemuͤhet iſt/ daß er lernen moͤge/ ſie recht anzuwenden; Mittel und
Gewehr aber gibt uns Goͤttliche Verſehung Zeit der Noht ſelbſt in die Hand/ wañ ſie uns
gnaͤdig iſt/ und ſie die Gefahr/ mehr zu unſer Pruͤfung als Verderben uns zuſchicket; Da
ſind Steine/ Koht und Sand/ deren wir uns offt zur Erlegung grimmiger Tihre gluͤklich
gebrauchen; und ein vorſichtiger Mann ſchicket ſich gemeiniglich auff ein Noht Gewehr.
Jedoch/ weil der Menſch nicht Gott/ ſondern ſterblich und ſchwach iſt/ komt es auch wol/
daß er in moͤglicher Anwendung ſeiner Vernunfft unterliegen/ uñ den kuͤrzern zihen muß;
Aber ſolches begegnet ihm gemeiniglich entweder daher/ daß er mit Gott nicht wol dran
iſt/ den er durch Untaht und Frevel mag erzuͤrnet haben/ uñ er ihn durch ſolche Schickung
zur ſtraffe fodert/ oder daß er mit ihm aus dieſer Vergaͤngligkeit eilet/ und in den Elyſiſchẽ
Feldern ihn vor ſeine Froͤmmigkeit und Tugend ergetzen wil/ daß ihm alſo ſolcher Unfall
zum beſten dienen muß. Zwar es gehet als dann wol ſein Leib darauff/ daß er von wilden
Tihren gefreſſen/ oder ſonſt verwuͤſtet wird/ aber gleich wie das Gold ſeine Wirdigkeit nit
empfaͤhet/ weil es noch mit Erz und Erde vermiſchet iſt/ alſo bekoͤmt des Menſchen Seele
erſt
[557]Drittes Buch.
erſt ihren koͤſtlichen Schein und rechtſtaͤndige Gluͤkſeligkeit/ wann ſie gelaͤutert/ und von
dem irdiſchen ſchwachen Leibe abgeſcheiden wird/ welches auch die einige bewaͤgende Ur-
ſach iſt/ daß wir Menſchen uns von Leibes Wolluſt und Frecheit abzihen/ und der Tugend
alle unſere Haͤndel und Vornehmen widmen/ damit wir der kuͤnfftigen Gluͤſeligkeit nicht
moͤgen beraubet werden. Mazeus wunderte ſich zum hoͤchſten ſeiner vernuͤnfftigen Redẽ/
und ſagte zu ihm: Hochgeliebter Juͤngling/ was vor gelehrte Unterweiſungen haben eu-
re Lehrmeiſter euch in ſolcher Jugend beygebracht/ die man bey den alten Weiſen kaum
ſuchen darff/ und gebe der Himmel/ daß ihr die vollkommenen Jahre erreichen/ und den ſo
wol angefangenen Tugendlauff gluͤklich vollenden moͤget; Ich zweifele ſonſt gar nicht/ daß
wann ich hundert Soͤhne eures gleichen haͤtte/ wolte ich durch eure Tugend ein Herꝛ uͤber
die ganze Welt werden. Das wuͤrde ſchwerlich geſchehen/ antwortete er; dann ſie wuͤrdẽ
umb Herrſchafft willen keinen Pfeil verſchieſſen/ und kein Schwert bloͤſſen/ ſondern viel-
lieber andern rechtmaͤſſigen Beſitzern das ihre beſchuͤtzen helffen. Solches wuͤrde ich ſie
ſelbſt heiſſen/ ſagte Mazeus; ich rede aber von ihrem Vermoͤgen/ inſonderheit/ da ſie zu ih-
ren vollen Kraͤfften kommen ſolten. Frl. Barſene wahr wegen des harten ſchreckens kaum
wieder zu ſich ſelbſt kommen/ und hatte die Kuͤhnheit nicht/ dem todten Tigeꝛ nahe zutreten/
biß Herkuliſkus ſagte: Hochgebornes Fraͤulein/ wie ſcheuhet ſie ſich doch faſt mehr vor ihrẽ
todtẽ als lebendigen Feind; dann wie ſie die lezte im flihen wahr/ alſo iſt ſie die lezte im wie-
derkehren. Als er dieſes redete/ hoͤrete er zugleich ein Geraͤuſche in der Lufft/ und ward ge-
wahr/ daß ein groſſer Vogel nach einer Taube ſchoß/ und ſie mit den Klauen faſſete/ ſo be-
richtete ihn Mazeus auff ſeine Frage/ es waͤhre ein Adler/ deswegen er denſelben eigentli-
cher zubeſehen/ den Bogen faſſete/ und im Fluge ihn durch den Hals ſchoß/ daß er/ wiewol
auſſerhalb des Schloſſes herunter fiel/ und die gefangene Taube unverlezt davon flog; wel-
ches ein alter Kriegsknecht/ Nahmens Boges/ der auff der Schildwache ſtund/ erſehend/
aus weiſſagendem Geiſte zu ihm ſagete: Treflicher Juͤngling/ gedenket an mich/ wann die-
ſes Vorbide an euch erfuͤllet wird; Dann der Adler iſt der groͤſte Raͤuber im obern Reiche
der Lufft/ und das Taͤublein das unſchuldigſte Tihrlein. Mazeus wahr gleich hingangen/
den Adler/ welcher noch lebete/ auffheben zulaſſen/ und hoͤrete dieſes Geſpraͤch nicht/ deswe-
gen Herkuliſkus ihm deſto kuͤhner antwortete/ und zu ihm ſagete: Mein Freund/ ob ihr deꝛ-
eins mein Wolergehen erfahren wuͤrdet/ ſo ſprechet mir zu/ ich wil euch dieſen Tꝛoſt unveꝛ-
golten nicht laſſen. Batis kam mit dem Adeler/ den er vollends zu tode geſchlagen hatte/
dorther getreten/ und durffte oͤffentlich ſagen/ er koͤnte nicht glaͤuben/ daß folcher Schuͤtzen
mehr in der ganzen Welt waͤren; deſſen Herkuliſkus nur lachete/ und ihn eriñerte/ er haͤtte
gaꝛ nit gelernet/ in ſeinen Reden das Mittel zuhalten; dann/ ſagte er/ es iſt noch nicht gnug/
oder die hoͤchſte Kunſt/ gewiß zu ſchieſſen/ wann man feſt ſtehet/ ſondern da man zu Pferde
ſitzet/ und im vollen rennen dergleichen voruͤber fliegende Dinge in der Lufft oder auff der
Erden fellet; ſolches hat meiner Meynung nach etwas mehr auff ſich/ und kenne ich einen
meines Alters/ der ſichs zur Unehr gerechnet haͤtte/ daß ihm ein Haſe/ den er mit dem Pfer-
de verfolgete/ ſolte entſprungen ſeyn/ wann ihm ſein Boge zur Hand wahr; und daß ichs
ohn Ruhm melde/ moͤchte ichs ehmahls auch zuzeiten geleiſtet habẽ. Ich halte deſſen nichts
mehr vor unmoͤglich/ antwortete Batis/ nach dem ich heut viel unmoͤgliches geſehen habe.
A a a a iijHie-
[558]Drittes Buch.
Hiemit ging der Tag faſt zum Ende/ dz die Zeit des Abendmahls herbey kam/ wobey man-
cherley Geſpraͤch vorging/ und inſonderheit Frl. Barſene gute Kundſchafft mit dieſem ih-
ren lieben Juͤnglinge machete/ der ſich uͤber nichts ſo hoch beklagete/ als daß die geringe
Wiſſenſchafft der Sprache ihn hinderte/ ſeines Herzen gefaſſete Gedanken auszureden.
Gegen den ſpaͤten Abend meldete Mazeus ihm an/ daß wie unlieb es ihm gleich waͤhre/ er
doch morgendes Tages ihn ſeinem Groß Fuͤrſten Phraortes nach Ekbatana zuſendẽ muͤ-
ſte/ weil ihm groſſe Gefahr auff die Unterlaſſung ſtuͤnde/ nach dem er dem Groß Fuͤrſten zu-
gedacht waͤhre/ und haͤtte er ſich inſonderheit zu dieſer Zeit vorzuſehen/ in Betrachtung er
ſchon bey ihm in Ungnade/ wiewol unverſchuldet/ gefallen waͤhre; baͤhte demnach freund-
lich/ er wolte ſich belieben laſſen/ dieſen kurzen Weg mit gutem Willen auff ſich zunehmen/
verhoffete gaͤnzlich/ ſein Schreiben an den Groß Fuͤrſten auffgeſetzet/ ſolte ihmgute Gnade
und Gewogenheit bey ihm machen. Frl. Barſene hoͤrete dieſe Rede nicht anders an/ als
waͤhre ihr ein Schnit durchs Herz gangen; Herkuliſkus aber antwortete: Gn. Herr/ waꝛ-
umb bittet eure Gn. ihren Knecht/ dem ſie voͤllig zugebieten hat? meines Standes kan ich
mich ſehr wol eriñern/ daher bedanke ich mich untertåhnig der hohen Gnaden/ die mir heut
uͤber mein Verdienſt und Wirdigkeit ſind angeleget/ und traͤget mir dannoch mein Herz
zu/ ich werde dereins das Gluͤk haben/ Ihrer Gnad. beſſer/ und mit wirklicher Art zu dan-
ken; Da nun dieſelbe an den Durchleuchtigſten Groß Fuͤrſten mir eine Vorſchrifft ertei-
len wil/ nehme ichs billich mit untertaͤhnigem Danke an/ und hoffe/ weil ich einem Men-
ſchen/ ja einem Fuͤrſten zugeſchicket werde/ koͤnne daſelbſt Unſchuld und Tugend nichts als
Gnade und Woltaht verdienen; wuͤrde aber deſſen Herz zu Schande und uͤppigkeit ge-
neiget ſeyn/ wird mich gewißlich keiner wider meinen Willen darzu noͤhtigen/ was durch
einen ehrlichen Tod abzuwenden ſtehet. Mazeus wolte ihn nicht betruͤben/ ob er gleich bald
uͤberſchlagen kunte/ wozu der unflaͤtige Parther Koͤnig Artabanus ihn gebrauchen wuͤr-
de/ da er demſelben vermuhtlich ſolte geſchicket werde/ und antwortete ihm; lieber Juͤng-
ling/ machet euch keine wiedrige Gedanken/ die Goͤtter werden nicht verhengen/ daß ein ſo
herliches Gewaͤchs in dem erſten Graſe erſticke; dañ ſo viel meinen Groß Fuͤrſten betrift/
iſt derſelbe aller Untugend und Laſtern von Herzen feind/ er zihet auch ſeinen einigen Sohn
dergeſtalt Fuͤrſtlich/ daß ſelbiger mit der Zeit ſeine Vorfahren leicht uͤbertreffen wird; a-
ber ſaget mir/ bitte ich/ ob dann euer rechter Nahme Herkuliſkus ſey; ja/ antwortete er/ als
lange ich mich einen Knaben gedenken kan/ bin ich nicht anders genennet. Wol wol/ mein
Herkuliſkus/ ſagte er/ die Goͤtter werden einen groͤſſern Herkules aus euch machen/ als nie
keiner auff der Welt geweſen iſt. Nach ſolchen/ und dergleichen Geſpraͤch/ begaben ſie ſich
endlich zur Ruhe/ und ward unſerm Herkuliſkus und ſeinem Dolmetſcher auff einem Ge-
mache jedem ein abſonderliches Bette gezeiget/ da Frl. Barſene einen freundlichẽ Abſcheid
von ihm nam/ auch des folgenden Morgens gar fruͤhe ſich bey ihm vor dem Bette fand/
und ihn alſo anredete: Mein geliebter und werter Freund/ was herzliche zuneigungen ich
zu euch als einem zuͤchtigen Juͤnglinge trage/ wil ich jetzt dieſe Stunde erweiſen/ und euch
in hohem Vertrauen offenbahren/ daß ich meinen Schwager H. Mazeus und ſein Ge-
mahl meine Fr. Schweſter hint dieſe Nacht in geheim reden hoͤren/ weſſen ſie euretwegen
ſich befahren/ daß nehmlich unſer Groß Fuͤrſt euch ſeinem Lehn Herrn dem Parther Koͤni-
ge/ we-
[559]Drittes Buch.
ge/ wegen eurer vortreflichen Schoͤnheit zuſenden duͤrfte/ woſelbſt man mit ſolchen Juͤng-
lingen dergeſtalt umbgehen ſol/ daß ich mich zu ſagen ſchaͤme/ und doch Freundſchafft we-
gen ſagen muß/ als daß man ſie der Mañheit beraubet/ und nachgehends dem Frauenzim-
mer/ als aufwaͤrter zugiebet; weil nun eure unvergleichliche Kuͤhnheit gnugſam anzeiget/
daß zu ſolchen ungenehmen Dienſten ihr wenig beliebnis traget/ waͤhre mein Raht/ ihr
machtet mit dem jungen Mediſchen Fuͤrſten gute Vertrauligkeit/ daß derſelbe entweder
ſeinen Herr Vater beredete/ euch bey ſich zubehalten/ oder aber behuͤlfflich waͤhre/ daß ihr
mit der Flucht euch loßwirken/ und dieſer Gefahr entgehen koͤntet; und dafern mein weni-
ges Vermoͤgen hierzu ichtwas vermag/ ſchwoͤre ich euch bey dem Leben der Unſterblichen
Goͤtter/ daß/ ungeachtet aller Gefahr/ die mir daher entſtehen koͤnte/ ich hierbey nichts un-
terlaſſen wil/ was euch zu eurer Wolfahrt dienlich ſeyn kan. Herkuliſkus ward der Zeitung
nicht wenig betruͤbt/ ließ ſichs doch nicht merkẽ/ ſondern nach dem er dem Fraͤulein hoͤch-
lich gedanket hatte/ antwortete er mit halben Scherze; daß waͤhre ſehr unbarmherzig ge-
handelt/ dafern man mit mir dergeſtalt umbgehen wolte; nach dem mir aber die Weiſſageꝛ
meines Vaterlandes einhellig dieſen Lebenslauff geſtellet/ daß ich der eins im Eheſtande
leben ſol/ wird der Himmel nimmermehr verhaͤngen/ daß mir ſolche Schande angelegt
werde; jedoch ſolte ich dem unzuͤchtigen Koͤnige ja muͤſſen zugefuͤhret werden/ und man
mir dergleichen Sachen anmuhten wuͤrde/ ſol er bey mir einen ſolchen friſchen Muht fin-
den/ deſſen er nimmermehr gehoffet haͤtte. Das Fraͤulein antwortete ihm; ſie wolte ſelbeꝛ
nicht zweiffeln/ die guͤnſtigen Goͤtter wuͤꝛden allen Schimpf und Unfal von ihm abkehren;
da er nun eine Zeitlang zu Ekbatana bleiben/ oder ſonſt loß kommen/ und nach ſeiner Hei-
mat reiſen wuͤrde/ moͤchte er ſie zuvor dieſes Orts beſuchen/ damit ſie vor den koͤſtlichen
Ring ihm hinwieder ein ſchlechtes Dankzeichen ihrer Gewogenheit und Traͤue zuſtellen
koͤnte/ welches ſie biß dahin wolte auffgeſchoben haben. Herkuliſkus verſprach ihr ſolches
mit dargebohtener Hand/ und ließ ihr ſeinen ſchneweiſſen Arm ſehen/ welchen mit beyden
Haͤnden freundlich zu umfangen ſie ſich nicht enthalten kunte/ womit ſie von ihm Abſcheid
nam/ uñ ihm gerne einen ehrliebenden Kuß gelaſſen haͤtte/ wañ durch jungfraͤuliche Zucht
und Scham ſie davon nicht abgehalten waͤhre. Er ſtund bald hernach auff/ legte ſeine
Kleider an/ und erwartete/ woh in man ihn fuͤhren wuͤrde. Mazeus hatte alles ſchon fertig
machen laſſen/ nahmen doch zuvor das Fruͤhſtuͤcke ein/ und ward unſer Herkuliſkus mit
einem zierlichen Saͤbel und koͤſtlichen Mediſchen Rok von Fr. Roxanen verehret/ der ihm
uͤber die maſſe wol anſtund. Ihr Leibgutſche von Violen-braunen Sammet mit ſechs
ſchneweiſſen Pferden in guͤldenem Zeuge ſtund im Vorderplatze fertig/ dahin er von Ma-
zeus/ ſeinem Gemahl und dem Fraͤulein begleitet ward/ und er ſich ſo froͤlich anſtellete/ als
haͤtte man ihn in ſein Vaterland fuͤhren wollen; hielt auch bey Mazeus bitlich an/ ihm den
geſtriges tages gebrauchten Bogen mit auff den Weg zugeben/ welchen er ihm wieder zu-
ruͤk ſenden wolte; worauff Mazeus ſagte: Mein geliebter Herkuliſkus/ und wann der Bo-
gen etliche tauſend Kronen wert waͤhre/ da er doch etwa mit 50 bezahlet iſt/ muͤſte er euch
willig geſchenket ſeyn; ließ ihn auch alsbald neben einem Koͤcher vol ſchoͤner Pfeile hoh-
len/ und auff die Gutſche legen. Als er ſich nun auffgeſetzet hatte/ lieferte ihm Fr. Roxane
eine zimliche Helffenbeinen Schachtel/ welche verpitſchieret/ und mit der Raͤuber Kleino-
ten an-
[560]Drittes Buch.
ten angefuͤllet wahr/ da ſie zu ihm ſagte; geliebter Herkuliſkus/ damit ihr nicht mit leerer
Hand zu dem Groß Fuͤrſten kommet/ ſollen deſſen Durchl. die bey den Raͤubern gefundene
Kleinot mit euch zugleich uͤberliefert werden. Bald ſetzete ſich Herr Mazeus Amtman zu
ihm auff/ und fuhren unter dem Nachwunſche aller Goͤtter begleitung nach Ekbatana/
woſelbſt ſie noch vormittages ankahmen/ und im Koͤniglichen Schloſſe bey dem Groß-
Fuͤrſten ſich untertaͤhnigſt anmeldẽ lieſſen; welcher zur Antwort gab; wie iſt mein Unter-
tahn Mazeus ſchon ſo ſtolz worden/ daß er mich ſelbſt nicht ſpricht/ ſondern ſeine Knechte
ſchicken darff? jedoch/ daß ich ihm den Scheffel volmaͤſſe/ ſo laſſet ihn kommen/ und ſeine
Werbung anbringen. Der Abgeordente Amtman ging auff erfodern hin/ und ließ Herku-
liſkus mit ſeinem Timokles hauſſen vor dem Gemache ſtehen/ er aber trat hin/ erzeigete
dem Groß Fuͤrſten nach Mediſchen brauche gebuͤhrliche Ehre/ und redete ihn alſo an:
Großmaͤchtiger Groß Fuͤrſt/ gnaͤdigſter Herr; euer Groß Fuͤrſtl. Durchl. untertaͤhnigſteꝛ
Diener/ mein Herr/ Mazeus/ bittet untertaͤhnigſt umb gnaͤdigſte verzeihung/ daß vor eurer
Groß Fuͤrſtl. Durchl. er ſelber nicht erſcheinet/ welches umb keiner Urſach willen unter-
laſſen wird/ nur daß ihre Durchl. durch ſeine ungenehme Gegenwart nicht beleidiget wer-
den moͤge/ nachdem leider bey E. G F. D. er von ſeinen Wiederwaͤrtigen faͤlſchlich als ein
Ungehorſamer und Wiederſpenſtiger angegeben iſt; jedoch auff ſein unſchuldiges und
reines Gewiſſen/ ſich beruffend und verlaſſend/ entbeut E. G F. D. er durch mich unwir-
digſten ſeinen untertaͤhnigſten Gruß und bereitwilligſten Gehorſam/ uͤberſendet deroſel-
ben einen aͤdlen herzhafften/ und ſeiner Meinung nach/ ſo wol in Schoͤnheit als in der
Schießkunſt und vielleicht andern Waffen/ wolerfahrnen fremden Juͤngling/ und bittet
untertaͤhnigſt/ E. G F. D. denſelben nebeſt beygefuͤgeten ſchlechten Kleinoten gnaͤdigſt
annehmen/ und mit allen Groß Fuͤrſtlichen Huld- und Gnaden ihrem untertaͤhnigſten
Knecht Mazeus in ſeiner Unſchuld (welche darzulegen er bereit iſt) ſtets gewogen ſeyn uñ
bleiben/ auch ſeinen Angebern nicht weiter/ als erweißlich ſeyn wird/ glaͤuben wollen; rieff
darauff Herkuliſkus hinein/ und erinnete ihn/ ſein Gewehr hauſſen abzulegen; welcher ſich
nicht ſeumete/ nam ſeinen Huet nach teutſchem Gebrauche vom Haͤupte/ neigete ſich tieff/
und mit großmuͤhtiger friſcher Stimme redete er den Groß Fuͤrſten alſo an: Großmaͤch-
tiger Durchleuchtigſter Groß Fuͤrſt/ gnaͤdigſter Herr; was Geſtalt mein guter Herr und
goͤnner/ Herr Mazeus/ mich etlichen Raͤubern entzogen und hergeſand/ wird gegenwaͤr-
tiger ſein Amptman berichten koͤnnen; ich vor meine Wenigkeit/ erfreue mich hoch/ daß
in dem groͤſten Unfal mir das Gluͤk noch ſo geneigt und guͤnſtig iſt/ mich an dieſen Ort zu
fuͤhren/ alwo ich denſelben Groß Fuͤrſten ſchauen/ und ihm gehorſamſt auffwarten mag/
deſſen hochfuͤrſtliche Tugend und Liebe zu allen Tugendhaften/ mir von den Raͤubern ſelbſt
in wilder Wuͤſteney hoͤchſt geprieſen worden. Nicht ruͤhme ich mich einiger Duͤchtigkeit/
wuͤrde auch/ angeſehen meine Jugend/ mir faſt verwaͤgen anſtehen; daß aber nie keine Un-
tugend mein Gemuͤht lieben oder laben moͤgen/ gibt mir mein Gewiſſen Zeugnis. Von
Geburt und herkommen bin ich Gott Lob frey und nicht dienſtbar/ doch muß ich nun mehr
bedenken/ nicht der ich ehmahls wahr/ ſondern der ich durch Raͤuber Hand worden bin/
es ſey dann/ daß Gott auch dieſes an mir endern wollen/ welches in ſeiner bloſſen Macht
und gefallen ſtehet/ und ich mich darein wol ſchicken werde. Eines erfreuet meine Geiſter/
daß
[561]Drittes Buch.
daß durch des Himmels ſchickung einem ſolchen Fuͤrſten ich zugefuͤhret werde/ der gluͤc-
kes Fålle zu beherzigen weiß/ ja deſſen unſterblicher Ruhm und Preiß nach langen Jahren
in den Geſchicht Buͤchern nicht der geringſte ſeyn wird/ daß er durch unfal nie dergeſchla-
gene aufgerichtet/ gefangene erloͤſet/ entfuͤhrete wieder gebracht/ und ein feſter Schuz der
Gewaltleiden den geweſen iſt. Hernach meldete er dem Groß Fuͤrſten H. Mazeus Dien-
ſte an/ kuͤſſete den Brieff/ und uͤberreichte ihn mit ſonderlicher Liebligkeit. Der Groß Fuͤrſt
ſaß auff ſeinem praͤchtigen Stuele/ hielt einen ſchneweiſſen helffenbeinen Stab in der
Hand/ und hoͤrete des Knaben zierlichen verſtaͤndigen Reden mit hoͤchſter Verwunde-
rung zu/ ward auch durch ſeine Schoͤnheit dermaſſen bewaͤget/ daß er anfangs kein Wort
reden kunte/ welches zuverbergen/ er den Brieff brach/ in welchem Mazeus kuͤrzlich erzaͤh-
lete/ auff was Weiſe er Herkuliſkus etlichen Raͤubern abgenommen/ und wegen aufgeleg-
ten falſchen Freibriefes auch vielfaͤltiger begangener Boßheit ihnen die gebuͤhrliche Straf-
fe erteilet; ruͤhmete des uͤbergeſchikten Juͤnglings Verſtand und Herzhafftigkeit/ mit dem
Beſchluß/ der Groß Fuͤrſt ihn alles ungleichen verdachts gnaͤdigſt erlaſſen/ und ſeinen An-
gebern entweder nicht glaͤuben/ oder ſie nur vor ſeine Gegenwart kommen laſſen moͤchte/
alsdann er auff alle zugelaſſene Weiſe ſeine Unſchuld darlegen/ oder im wiedrigen Fal ſich
der Straffe eines meinaͤidigen ungetraͤuen Buben nicht entbrechen wolte; beygefuͤgte
ſchlechte Kleinot den Raͤubern billich entzogen/ wuͤrde der Juͤngling verſiegelt einliefern;
Wie ſolches auch nach verleſenem Schreiben von ihm alsbald verrichtet ward/ welche
nach Eroͤffnung der Groß Fuͤrſt ſehr koͤſtlich befand; kehrete ſich darauff zu dem Abgeord-
neten und ſagte zu ihm: Bald mache dich wieder hin zu deinem Herrn Mazeus/ vermel-
de ihm meine Gnade und Gewogenheit/ uñ daß er mich alsbald beſuche; Seine Unſchuld
halte ich ſchon vor erwieſen/ und hat er ſich zu mir nichts als alle Gnade zuverſehen; befahl
daneben einem aͤdelknaben/ daß ungeſeumet ſeine taͤgliche Leib Gutſche angeſpannet/ und
ſein Droſt und Raht Mazeus nebeſt ſeinem Gemahl und dero Frl. Schweſter heruͤber ge-
hohlet wuͤrde. Hernach ſagte er zu Herkuliſkus: Dein Unfall/ Juͤngling/ iſt mir leid/ und
erinnert mich des Gluͤckes wunderbahrer Schickungen; Es muß aber ein guͤnſtiger Him-
mel ſeyn/ der des Menſchen Leib und Seele in gleicher Vollkommenheit ſchaffet. Fragete
hierauff nach ſeinem Vaterlande und Herkommen/ und ward ihm gleich/ wie des vorigen
Tages Herrn Mazeus/ geantwortet; welches er mit Verwunderung anhoͤrete/ und zu ihm
ſagete: Biſtu Teutſches Gebluͤts/ mein Sohn/ ſo muͤſſen wol barbariſche Schreiber ſeyn/
die euch vor barbariſch ausruffen; und ob du mir gleich ſehr wilkommen biſt/ moͤchte ich
doch von Herzen wuͤnſchen/ daß du bey den deinen waͤreſt/ oder mir frey ſtuͤnde/ dich zuruͤk
in dein Vaterland zuſenden; nach dem aber der groſſe Koͤnig in Parthen/ mein/ und aller
umliegenden Fuͤrſten Lehn Herr/ alle vor andere mit Schoͤnheit begabete/ ſo wol Mannes-
als Weibesbilder/ ihm alle in vorbehalten/ und einzuliefern/ ernſtlich befohlen hat/ kan ich
nicht umhin/ dich ihm zuzuſchicken/ wo ich ſonſt nit meiner Landſchafft verluſtig ſeyn wol-
te; jedoch wil ich dich durch Schreiben bey ſeiner Hocheit dergeſtalt antragen/ dz du zwei-
fels ohn einen Allerguaͤdigſten Herrn an ihm haben wirſt. Wegen dieſer Rede ſtellete ſich
Herkuliſkus etwas traurig/ und gab zur Antwort: Ich hatte mir ſchon die feſte Hoffnung
gemacht/ an dieſem Groß Fuͤrſtlichen Hofe in meines gnaͤdigſten Herrn Dienſten ange-
B b b bnommen
[562]Drittes Buch.
nommen zuwerden/ und etwa mit der Zeit mich verdienet zumachen/ daß mir als einem
Freygebohrnen mein Vaterland wieder zuſuchen vergoͤnnet wuͤrde; weil aber E. G F. D.
mich einem Gewaltigeꝛn zuzuſenden gehalten iſt/ muß ein ſolches ich mir billich gefallen laſ-
ſen/ unter der Hoffnung/ der groſſe Koͤnig/ dem die maͤchtigſten Fuͤꝛſten ſich zum Gehorſam
untergeben/ werde nichts uͤber die Tugend ſchaͤtzen/ auch denen alle Gnade erzeigen/ die deꝛ-
ſelben ſich gewidmet/ viel lieber tauſend mahl ſterben/ als eine Stunde unehrlich leben wol-
len; ſolte aber an meiner Geſtalt ichtwas ſeyn/ das andere zu meinem Mißbrauch reizen
koͤnte/ weiß ich ſchon gnugſame Mittel/ mich ſcheußlich zumachen; wiewol bey einem ſo
groſſen Herrn ich mich ſolcher Schande nicht vermuhte/ waͤhre auch Suͤnde/ es nur zu-
gedenken/ nach dem die Stathaltere Gottes auff dieſer Unterwelt billich in deſſen Fußſtapf-
fen treten/ und nach aller Moͤgligkeit ſich demſelben gleich uñ aͤhnlich bezeigen. Der Groß-
Fuͤrſt ließ ihm dieſe Rede wolgefallen/ und ſagte: Feiner Juͤngling/ es ſolte billich ſo ſeyn/
wie du ſageſt/ waͤhre auch zuwuͤnſchen/ daß die groͤſte Macht und Gewalt allemal den Tu-
gendreicheſten verlihen wuͤrde; aber weiſtu nicht/ wie mannicher in Armuht und Nidrig-
keit die Tugend liebet/ und nach dem eꝛ durch dieſelbe erhoͤhet iſt/ ſich undankbarlich von ihꝛ
abwendet/ und nur daſſelbe vor Tugend haͤlt/ was ihm gefaͤllet/ und eben deucht; ja wol ſo
ſtoltz und verwaͤgen wird/ daß er daſſelbe/ was Gott uñ die gute Vernunfft als eine Tugend
eingeſezt und gebohten hat/ zur Ungebuͤhr machen/ und gar auffheben/ hingegen ſeine gar-
ſtigen Unzimligkeiten/ und freche Suͤnden wil geehret/ und andern zur Nachfolge vorge-
ſetzet haben? daher findet man mehr Erbarkeit in nidrigen Wohnungen/ als auff guͤldenẽ
Stuͤlen; Dann ein Verſtaͤndiger weiß wol/ daß wo er in der Niedrigkeit ſich ungebuͤhr-
lich bezeiget/ ihm bald Haß/ Neid/ und Verachtung zuwaͤchſet/ und der Weg zur Ehre und
Gewalt ihm verleget wird/ welches die hoͤchſten Haͤupter nicht befuͤrchten/ und daher ihre
Luͤſte und Begierden der Billigkeit nicht unterwerffen wollen; ja mannicher weiß den
Schalk dergeſtalt zubergen/ ſo lange er in bemuͤheter Nachſuchung iſt; wann er aber das
vorgeſtekte Ziel erreichet hat/ dann bricht der Wilmuht aus den Schranken/ gleich wie deꝛ
Loͤue/ wann er lauſchet/ die ſcharffen Klauen einzeuhet; wañs ihm aber zeit daͤucht/ ſo ſtrec-
ket er ſie hervor/ und uͤbet Gewalt und Grauſamkeit ſeines gefallens. Nicht rede ich ſolches
meinem groſſen Koͤnige zum Schimpf/ deſſen Sitten ein jeder Untertahn ihm billich ge-
fallen laͤſſet/ nur daß ich dir zeige/ daß Tugend und Macht nicht allemahl/ ja wol gar ſelten
an einem Joche zihen. Freylich redet E. G F. D. die lautere Wahrheit/ antwortete er/ uñ
iſt leider der gemeine Weltbrauch/ daß Gewalt die Wolluſt/ Wolluſt aber die Frecheit ge-
bieret/ aller Tugend abgeſagte Feindin; Nach dem aber die Tugend Gott ſelber/ oder ja deſ-
ſen vornehmſte Eigenſchafft iſt/ pfleget ſie ſich an den Frevelern/ wie groß die auch ſeyn moͤ-
gen/ haͤrtiglich zuraͤchẽ; deſſen uns der unkeuſche Tonoſkonkoleros/ lezter Aſſyriſcher Groß-
Koͤnig/ von den Griechen Sardanapallus genennet/ ein lebendiges Beyſpiel gibt/ welchen
vor ohngefehr 1100 Jahren/ E. G F. D. Vorfahr/ der Tugendliebende Fuͤrſt Arbazes
des Reichs beraubete/ und zuſterben zwang/ weil er weder des Lebens/ noch als ein unflaͤti-
ger Weiber Narr/ herzhafften Maͤnnern zugebieten/ wirdig wahr. Geſchikter Juͤngling/
ſagte der Groß Fuͤrſt/ woher ſind dir dieſe unſere alten Geſchichte in deiner weit abgelege-
nen Heimat kund worden? Aus der Griechen und Lateiner Buͤchern/ antwortete er/ in
welchen
[563]Drittes Buch.
welchen meine liebe Eltern mich fleiſſig haben unterrichtẽ laſſen/ weil ſie eine gute Neigung
zu ſolcher Wiſſenſchafft bey mir merketen. Der Groß Fuͤrſt ſtund von ſeinem Stuele auf
und ſagte: Kom mein Juͤngling/ und folge mir/ es iſt Zeit/ Speiſe zunehmen/ da du mir
auffwarten/ und dich aller Gnade verſichern ſolt. Herkuliſkus neigete ſich demuͤhtig/ zeige-
te an/ wie ſelig er ſich ſchaͤtzete/ eines ſo hochverſtaͤndigen Fuͤrſten Leibdiener zuſeyn/ und aus
deſſen Reden der Tugend Beſchaffenheit zufaſſen/ fragete auch im hinaus treten/ ob ihm
gnaͤdigſt erlåubet waͤhre/ ſeinen Saͤbel/ Pfeile und Bogen zu ſich zunehmen/ mit denen er
nach empfangenem Befehl ſich bewehrete/ und ſeinem Groß Fuͤrſten anmuhtig nachtrat/
welches ihm ſo wol anſtund/ daß Groß Fuͤrſt Phraortes unterſchiedliche mahle ſich umſa-
he/ und ſeiner Geſchikligkeit ſich nicht gnug verwundern kunte. Die Groß Fuͤrſtin/ Fuͤrſt-
liches Perſiſches Gebluͤts/ nahmens Saptina/ ihres Alters von XXVI Jahren/ ſtund mit
ihrem Frauenzimmer ſchon im Eſſe Saal/ und da ſie dieſen fremden Juͤngling mit ſeinem
Gewehr daher treten ſahe/ welcher ſeinen Huet in der Hand trug/ uñ ſein Goldgelbes Haaꝛ
uͤber die Schuldern herab hangen ließ/ ward ſie ſamt allen anweſenden voll Verwunde-
rung/ und ſagte zu ihrem Gemahl: Woher hat mein Groß Fuͤrſt doch immermehr dieſen
wunderſchoͤnen Liebling bekom̃en/ deſſen gleichen Menſchen Augen wol niemals geſchauet
haben? Es iſt ein gefangener Teutſcher ådelknabe/ antwortete er/ mir von Mazeus gleich
dieſe Stunde zugeſchicket. Inzwiſchen legte er ſeinen Bogen nider/ erzeigete anfangs der
Groß Fuͤrſtin/ nachgehends dem jungen Mediſchen Fuͤrſten Arbitanes/ und leztlich dem
uͤbrigen Frauenzim̃er mit anmuhtigen geberden gebuͤhrliche Ehre/ entſchuldigte ſich ſehr/
daß wegen Unerfahrenheit der Landes Sprache er nicht viel Worte machen koͤnte/ und be-
fahl ſich der Groß Fuͤrſtin und des jungen Fuͤrſten beharlicher gnade und hoher gewogen-
heit. Die Groß Fuͤrſtin beſahe ihn gar eben/ und ſagte: Nun iſts doch im̃er und ewig ſcha-
de/ daß der Himmel an dieſem Juͤnglinge ſo ſehr geirret/ und ihn nicht zum Maͤgdlein hat
werden laſſen; Was vor zartes Weibervolk aber muß es in Teutſchland geben/ demnach
die Knaben ſo vollkommener Schoͤnheit ſind? Bey der Mahlzeit muſte er den Wein uͤbeꝛ-
reichen/ welches er mit ſolcher Hoͤfligkeit verrichtete/ daß die anweſende aͤdelknaben ſich ih-
rer Grobheit zuſchaͤmen hatten. Auch hieß ihn die Groß Fuͤrſtin die Speiſen vorſchneidẽ/
da er ſeiner Unwiſſenheit ſich zwar entſchuldigte/ und doch umb gehorſams willen/ wie er
ſagete/ untertaͤhnigſt folgete/ auch einen gebratenen wilden Entvogel mit ſolcher Fertigkeit
und zierlichen Schnitten zerlegete/ dz die Groß Fuͤrſtin zu ihm ſagete: Juͤngling/ ihr ſeyd ge-
wißlich vor mehr bey Fuͤrſtlichen Mahlzeiten geweſen. Ja gnaͤdigſte Groß Fuͤrſtin/ ſagte
er/ ich bin mit meines aller gnaͤdigſten Koͤniges junger Herſchafft aufferzogen; worauff er
ihr mit ſo freundlich-laͤchelnden Aeuglein vorlegete/ daß ihr Herz in hoͤchſteꝛ Freundſchaft
gegen ihn entzuͤndet ward/ und ſie zu dem Groß Fuͤrſten ſagete; Ach was herzlieber Knabe
iſt doch dieſer Menſch/ und waͤhre er ein Maͤgdlein/ ich koͤnte ihn nimmermehr von mir laſ-
ſen. Vielweniger wuͤrde Eure Liebe ihn behalten koͤnnen/ antwortete er/ maſſen er alsdann
den allerhoͤchſten Buhler gar bald bekommen wuͤrde. Als er aber vorgelegt hatte/ hieß die
Groß Fuͤrſtin ihn auch nehmen und eſſen; deſſen er ſich aber wegerte/ mit vorgeben/ es ge-
buͤhrete einem Knechte nicht/ mit ſeinem Herrn Mahlzeit zuhalten/ ſonſten waͤhre ſeiner
Groß Fuͤrſtin er in Untertaͤhnigkeit billich gehorſam. Wann ichs euch aber heiſſe/ ſagte ſie/
B b b b ijhaͤlt
[564]Drittes Buch.
haͤlt mein Groß Fuͤrſt euch ſolches nicht vor uͤbel. Ja iß mein Herkuliſkus/ ſagte er ſelber/
es ſol dir zu keiner Unhoͤfligkeit ausgelegt werden. Es wahr der Groß Fuͤrſt ein Herr von
LIII Jahren/ lebete mit dieſem Gemahl in der andern Ehe; Der junge Fuͤrſt nunmehr acht-
zehnjaͤhrig/ wahr ſein einiger Sohn aus erſter Ehe gezeuget/ daher er ihn umb ſo viel herz-
licher liebete/ hatte ihm auch die Erbſchafft ſeines Fuͤrſtentuhms bey Koͤnig Artabanus
ſchon erhalten. Derſelbe nun vergaß eſſens und trinkens/ ſchauete unſern Herkuliſkus mit
unverwendeten Augen an/ und ſagte zu ſeinem H. Vater: Wann die Goͤtter mir dieſen
allerliebſten Juͤngling zum Bruder verlihen haͤtten/ wuͤrde ich haben/ den zugleich neben
meinen Eltern ich lieben koͤnte; und weil von meinem Gn. Herr Vater ich vernehme/ daß
er beydes zur Wiſſenſchafft und ritterlichen uͤbungen nicht geringe beliebung traͤget/ wolle
mein Herr Vater mir ihn zum Geſellen geben/ er ſol an mir einen ſolchen Freund finden/
daß verhoffentlich ihn nicht verlangen wird/ unſern Hof zuverlaſſen. Aber ſein H. Vater
antwortete ihm: Lieber Sohn/ dieſer Juͤngling iſt nicht in meiner Gewalt/ ſonſt waͤhre er
dir unverſaget/ koͤnte auch euer beyder Geſellſchafft wol leiden/ wann er nicht unſerm groſ-
ſen Koͤnige Artabanus nach Charas muͤſte geliefert werden/ dem ich ihn nichtvorenthaltẽ
kan; jedoch wil ich ihn dir zu liebe acht Tage bey uns laſſen/ wie wenig ichs auch zuverant-
worten weiß. Arbianes ward der Rede traurig/ bedankete ſich dañoch gegen ſeinen H. Va-
ter der hohen Gnade/ und ſagte zu Herkuliſkus: Geliebter Freund/ es wird euch nicht zu-
wider ſeyn/ daß ich eure Geſelſchafft von meinem H. Vater auff etliche wenig Tage erbeh-
ten/ und ſollet ihr die Zeit uͤber an mir einen getraͤuen Freund haben. Durchlaͤuchtiger
Fuͤrſt/ antwortete er/ ich erkenne mich gar zu unwirdig/ auff andere weiſe von Ihrer Gn.
als ein Knecht gehalten zu ſeyn/ wozu ich mich gerne und willig verpflichte/ wann nur eini-
ge angenehme Auffwartung von mir koͤnte geleiſtet werden. Arbianes redete ihm ein/ dz
ſolche Entſchuldigung ein uͤberfluß waͤhre/ foderte ihn auch nach gehaltener Mahlzeit auf/
mit in den Luſtgarten zugehen/ da der Groß Fuͤrſt nach ihrem Abſcheide zu ſeinem Gemahl
ſagete: Er haͤtte nimmerwehr geglaͤubet/ daß bey einem funffzehnjaͤhrigen Knaben ein ſo
hoher Verſtand und brennende Liebe zur Tugend ſeyn koͤnnen/ als er dieſen morgen erfah-
ren haͤtte; uͤber das/ ſagte er/ wird er mir als ein ſonderlicher guter Schuͤtze geruͤhmet; da
es nun dem ſaͤmtlichen Frauenzimmer alſo gefaͤllet/ wollen wir in den Garten folgen/ und
ihm ſeine Pfeile und Bogen nachtragen laſſen; es ſind ſonſt etliche unter meinen aͤdelkna-
ben/ die ſich mit ihrer Schieß Kunſt keine Sau duͤnken laſſen/ auch mein Arbianes ſelbſt/
die ſollen ſich mit ihm ein wenig verſuchen. Das Frauenzimmer ließ ſichs gerne gefallen/
gingen mit dem Groß Fuͤrſten hin/ und ſahen dieſe beyde neuen Freunde ſich im fechten uͤ-
ben/ wobey Herkuliſkus ſich etwas bloͤde ſtellete/ und nur die Hiebe ausnam/ ſich bißweilen
auch treffen ließ/ und gar ſelten zu ihm einſchlug/ ohn wann er ſahe/ daß er leicht verfetzen
kunte/ daher alle Zuſeher urteileten/ er waͤhre dieſer uͤbung wenig erfahren/ hieltens ihm
auch wegen ſeiner Jugend nicht vor uͤbel. Des jungen Herꝛn Fechtmeiſter/ ein Perſiſcher
hochmuhtiger vom Adel ſahe mit zu/ und fing an/ ſich gegen den Groß Fuͤrſten zuruͤhmen/
wie weit er ſeinẽ Sohn in der Kunſt ſchon gebracht haͤtte/ ſagte auch zu Herkuliſkus: Juͤng-
ling/ ihr ſeyd zu bloͤde im fechten/ daheꝛ ſeyd ihꝛ mehr bemuͤhet euch zuſchuͤtzen/ als euren Ge-
gener zuſchlagen. Herkuliſkus antwortete ihm: Er haͤtte ſich ja vor keinen Fechtmeiſter
ange-
[565]Drittes Buch.
angemeldet/ und koͤnte gerne leiden/ daß andere ihn in dieſer Kunſt und uͤbung uͤbergingen/
waͤhre auch Jugend halber geſchikter zulernen/ als andere zuunterweiſen. Dieſeꝛ wolte den
Anweſenden ſeine Kunſt alsbald ſehen laſſen/ nam des jungen Herrn. Fechtdegen/ unſerm
Herkuliſkus etliche gute Nachhiebe zuzeigen/ die er zuvor haͤtte anbringen koͤnnen/ und es
nicht in acht genommen; welches er dann vorerſt willig von ihm annam; aber da er des
muſterns zu viel machen wolte/ ward er endlich ungeduldig/ und ſagte zu ihm: Ich bleibe
bey meines Teutſchen Lehrmeiſters Art/ welche ich euch/ da es gefaͤllig ſeyn kan/ zum Be-
weißtuhm wil ſehen laſſen; ging hiemit friſch auff ihn/ und gebrauchte gegen des Meiſters
Staͤrke/ ſeine ringfertige geſchikligkeit dermaſſen/ dz er dieſem elenden Fechter unterſchied-
liche Streiche uͤber den Kopff gab/ ihm auch das linke Schienbein blutruͤſtete; woruͤber
dieſer meynete voꝛ Zorn zuberſten/ unterlief ihm auch/ uñ rante ihn als viel ſtaͤrker/ mit dem
Leibe zu bodem; doch wahr unſer Herkuliſkus bald wieder auff/ lachete des Toͤlpels/ und
fagte als im ſchertze: Ich meynete mit einem Fechter mich geuͤbet zuhaben/ und ſehe uͤber
vermuhten/ daß ihm der Flegel beſſer anſtuͤnde/ als das Schwert. Der Meynung bin ich
auch/ ſagete die Groß Fuͤrſtin/ dann ſie wahr ihm von herzen feind/ darumb/ daß er ein ein-
faͤltiges Menſch ihres Frauenzimmers geſchaͤndet hatte. Dieſer ſtellete ſich/ als haͤtte er der
Groß Fuͤrſtin Worte nicht gehoͤret/ und antwortete unſerm Herkuliſkus mit grimmigen
Augen: Ich fuͤrchte mich/ indem ich deine zarte Haut verletzen wuͤrde/ meinen gnaͤdigſten
Groß Fuͤrſten zubeleidigen/ ſonſt wolte ich dir das gelbe uͤbel vom Schnabel wiſchen. Her-
kuliſkus wolte ihm keine Antwort geben/ ſondern kehrete ſich gegen den Groß Fuͤrſten/ und
baht untertaͤhnigſt umb Erlaubnis/ ſich des erwieſeuen Schimpffs zuraͤchen; und wie der
Groß Fuͤrſt ihm einredete/ er moͤchte der Grobheit etwas zu gute halten/ alsdann ſolte her-
naͤhſt deſſen nichts mehr vorgehen; antwortete er: Nun gnaͤdigſter Herr/ ich erkenne mei-
nen elenden Zuſtand gerne/ in welchen mich Ungluͤk geſetzet hat/ gehorſame auch billich; a-
ber ſolt ich ſchier heut oder morgen dich uͤber tauſend Meilen ſuchen/ ſagte er zu dem Fech-
ter/ ſo ſchenke ich dir dieſes nicht. Der Groß Fuͤrſt kunte ſich der Großmuhtigkeit eines ſo
zarten Herzen nicht gnung verwundern/ und ſagte: Mein Herkuliſkus/ ich wolte dieſen
euren Streit gerne beylegen; kans aber auff andere weiſe nicht ſeyn/ ſo vergoͤnne ich euch
beyden einen ſcharffen Gang mit dem Saͤbel und Schilde/ nach deſſen Endigung (in wel-
chem jedem nicht mehr als fuͤnff Streiche ſollen frey gegeben ſeyn) ihr euch vergleichen
werdet. Wol an/ ſagte Herkuliſkus/ ſo ſchicke dich du grober Baur/ ohn Streit entgeheſtu
mir nicht. Bald ließ der Groß Fuͤrſt zween gleichmaͤſſige leichte Saͤbel und Schilde her-
hohlen/ welche dieſe beyderſeits erzuͤrnete zu ſich nahmen/ und mit groſſem Eifer auff ein-
ander gingen; Unferm Herkuliſkus branten die Augen wie Feur im Haͤupte/ ging umb
ſeinen Feind her mit aller Behutſamkeit/ welcher auch nicht gerne einen vergeblichen Hieb
tuhn wolte; ſchlug anfangs einen ungeſtuͤmen Hieb nach Herkuliſkus Haͤupt/ welchen er
mit dem Schilde abglitſchen machte/ und verwundete ihm dagegen das rechte Oberbein.
Jener der Wunden empfindend taht einen ſtarken querhieb/ welchen Herkuliſkus durch
einen Hintertrit und Kruͤmmung des Leibes ablehnete/ und ihm dagegen ein zimliches
Loch in die rechte Seite gab/ daher jener ſich nunmehr der Vorſichtigkeit gebrauchen wol-
te/ wehrete aber nicht lange/ da ſchlug ihm Herkuliſkus die rechte Fauſt rein ab/ daß ſie mit
B b b b iijſamt
[566]Drittes Buch.
ſamt dem Saͤbel auff die Erde fiel/ und aus Ohnmacht bald ſelbſt nach ſtuͤrzete. Nun be-
ſchimpffe forthin mehr unbekante/ ſagte Herkuliſkus/ die hoͤheres Standes ſind als du; und
haſtu die Kunſt nit beſſer gelernet/ biſtu wol ein unſchuldiger Meiſter/ wirſt auch mit dieſer
dich forthin nit mehr kratzen duͤrffen. Die Zuſeher kunten dieſes Juͤnglings Geſchikligkeit
nit gnug ruͤhmẽ/ uñ weil der Großfuͤrſt den verwundeten verbindẽ ließ/ redete die Großfuͤr-
ſtin mit ihm; er muͤſte ohn zweiffel gnaͤdige Goͤtter haben/ die ihn nit koͤntẽ beſchimpfen laſ-
ſen/ und waͤhre ihr in ſonderheit lieb/ dz der unzuͤchtige Bube ſeine Straffe empfangen/ uñ
er dagegen unverletzt blieben waͤhre. Herkuliſkus kuͤſſete ihr aus untertaͤhnigkeit den Roc-
kesſaum/ und befahl ſich ihrer hohen Gnade/ und da ſie ihm die Hand boht/ kuͤſſete er die-
ſelbe inniglich/ daß ſie ſich nicht enthalten kunte zu ſagen: Ach daß die Goͤtter mir einen
ſolchen lieben Sohn oder Tochter geben wolten/ wie hoch wuͤrde ich ihnen davor verbun-
den ſeyn. Es hatte aber der junge Fuͤrſt Arbianes eine ſolche Vergnuͤgung an ſeinem Sie-
ge/ daß er vor freuden in die hoͤhe ſprang/ und mit beyden Armen ihn umbfing/ zu ihm ſa-
gend: Mein geliebter Herkuliſkus/ wie angenehm iſt mir eure Geſundheit/ welche die Goͤt-
ter ja nimmermehr wollen ſtoͤren laſſen; und hoͤnet mich nicht wenig/ daß ich bißher einen
ſo unerfahrnen Lehrmeiſter gehabt/ welcher in der wahren Kunſt faſt weniger als nichts
verſtehet; erkenne ſonſt wol wie hoͤfflich ihr mit mir in der Ubung verfahren. Herkuliſkus
baht umb verzeihung und antwortete: Mein Durchl. Fuͤrſt ſichtet meines ermaͤſſens vor-
ſichtiger/ als der ruhmraͤhtige Meiſter/ der nur gewohnt iſt/ mit ſeinen Schuͤlern zu ſpie-
len/ weis zwar ſeine Streiche in etwas zu fuͤhren/ aber er hat ſie ſo wenig alle gelernet als
ich. Inzwiſchen ſahe er einen aͤdelknaben ſeine Pfeil und Bogen halten/ nahm ſelbe von
ihm ab/ und ruͤhmete/ daß Herr Mazeus ſein groſſer Freund ihm ſolche geſchenket haͤtte.
Wir wiſſen wol/ ſagte die Groß Fuͤrſtin/ daß ihr in der Schießkunſt wol erfahren ſeid/ haͤt-
ten auch deſſen vielleicht ſchon eine gute Bewehrung geſehen/ da euch der Unhold nicht
davon auffgehalten; ich ſetze aber dieſes Gedenk Ringelein vor dißmahl auff den Gewin/
da etliche ſeyn moͤchten/ die darumb ſchieſſen wollen. Herkuliſkus nam den Ring/ der zwaꝛ
nicht ſo gar hoch im Preiſe wahr/ aber doch ſeine Neigung anzuzeigen/ nam er unbeuhr-
laubet denſelben aus der Groß Fuͤrſtin Hand/ kuͤſſete ihn/ und ſagte: Dieſes alle liebſte
Ehrengedaͤchtnis zuerhalten/ wil ich meinen Fleiß nicht ſparen/ es waͤhre dann/ das mein
Gn. Fuͤrſt Arbianes bedacht ſeyn moͤchte/ mit zuſchieſſen/ dann deſſen Durchl. greiffe ich
nicht vor. Der junge Fuͤrſt ſahe/ daß dieſes aus Ehrerbietigkeit geſchahe/ faſſete ihn bey
deꝛ Hand/ und baht/ dafern er ſein Freund ſein wolte/ auff ſolche Weiſe mit ihm nicht zu-
verfahren/ ob zwar vor dißmahl er nicht bedacht waͤhre mit zu ſchieſſen/ ſondern ihm den
Gewin gerne goͤnnete/ welchen ohn das zuerhalten er ihm nicht getrauete. Alſo henkete
Herkuliſkus das Ringelein an die Gartentuͤhr/ und begehrete/ daß die Mitſchieſſer ſich
melden moͤchten. Bald traten acht aͤdelknaben hervor/ und lieſſen ſich vernehmen/ ſie haͤt-
ten Luſt einen Pfeil umb den Gewin mit zu wagen. Herkuliſkus mahlete darauff aller naͤ-
heſt unter dem Ringel ein einen weiſſen Flecken/ ſo groß als der Ring wahr/ ſchrieb zu bey-
den Seiten des Groß Fuͤrſten uñ der Groß Fuͤrſtin/ drunten aber des jungen Fuͤrſten Nah-
men/ uñ ſagte: Wer nun mit mir umb dieſen aller liebſten Ring ſcheuſt/ der mus den Pfeil
in dieſes weiſe Flecklein ſchieſſen/ verſehret er den Ring/ mus er in fuͤnff Jahren keinen
Pfeil
[567]Drittes Buch.
Pfeil anruͤhren/ trifft er auff der Nahmen einen/ ſind es vier Jahr; fehlet er aber weiter
aus/ mus er die Pritſche haben. Alle Anweſende hielten dieſes vor eine Unmoͤgligkeit/ uñ
erbohten ſich die Mitſchieſſer/ dafern er ſolches leiſten wuͤrde/ ſolte er Obermeiſter ſeyn/
und den Ring ohn alle Einrede hinweg nehmen/ wolten auch der Pritſche ſich keines We-
ges entzihen. Worauff er anlegte/ und den Schuß nach allem Willen verrichtete; baht
hernach die Groß Fuͤrſtin/ die Urtel zu ſprechen/ ob er den Preiß gewonnen haͤtte; welche
mit ihrem Gemahl hinzu ging/ uñ den abgeſchoſſenen Pfeil mitten im weiſſen ſtecken fand/
daß auch der Groß Fuͤrſt zu ihr ſagte: Geliebtes Herz/ ich weis nicht/ ob die Goͤtter in
menſchlicher Geſtalt zu uns kommen/ umb zuerforſchen/ wie wir uns gegen elende gefan-
gene bezeigẽ wollen/ dañ was ich an dieſem Juͤnlinge ſehe/ iſt alles uͤber menſchlich; Schoͤn-
heit/ Vernunft/ Tugend/ Kunſt/ Heꝛzhafftigkeit/ uñ was man an einem volkom̄enen Men-
ſchen erdenken kan; weis auch gewiß/ daß als Apollo wie ein Menſch auff Erden umbher
gewandelt/ haͤtte er dieſen Schuß nicht verrichten moͤgen; und glaͤube ich nimmermehr/
daß die rauhen Nordweſtiſchen Laͤnder ſolche Volkommenheit bringen ſolten. Hoͤchſt-
geliebter Herr uñ Gemahl/ antwortete ſie/ ich weis hierzu wenig zu ſagen/ wuͤrde uns auch
villeicht nicht anſtehen/ wann wir uns dieſer Gedanken wolten merken laſſen; kan aber
meinem geringen Raht ſtat gegeben werden/ ſo wollen wir ihn Fuͤrſtlich und unferm eige-
nen Sohn gleich halten/ weil er ohndas nicht lange bey uns bleiben wird/ ein mehres koͤn-
nen die Goͤtter ſelbſt von uns nicht ſodern. Eben dieſes ſind auch meine Anſchlaͤge/ ſagte
der Groß Fuͤrſt/ und tuht mir herzlich wehe/ daß ich ihn dem Koͤnige liefern muß/ ſtuͤnde
ich aber noch in vorigen Gnaden bey ihm/ wuͤrde ichs wagen/ und ihn unter gnugſamer
Begleitung wieder nach ſeinem Vaterlande ſchicken/ welches mir bey jeztgeſtalten Sa-
chen nicht zurahten ſtehet/ es waͤhre dann/ daß ich mich und meinen Sohn zugleich umb
dieſes Fuͤrſtentuhm bringen wolte; dan meine Wiederwertigen wuͤrden nicht ruhen/ mich
deßwegen anzutragen/ da ich nicht anders als ein Verraͤhter der Koͤnigl. Hocheit muͤſte
geſtraffet werden. Ihr werdet aber zu gelegener Zeit dem Juͤnglinge anzutragen wiſſen/
wie er hinfuͤro von uns ſolle gehalten ſeyn. Nach genommener dieſer Abrede foderte er die
acht aͤdelknaben hervor/ und befahl ihnen die Pritſche zugeben; aber Herkuliſkus fiel vor
der Groß Fuͤrſtin nieder auff die Knie/ und baht untertaͤhnigſt/ ſolche Straffe gnaͤdigft
auffzuheben/ damit dieſe aͤdelleute nicht ſchier heut oder Morgen ihm deßwegen einigen
Haß zu werffen/ und an ſeinem Gluͤk ihm ſchaͤdlich ſeyn moͤchten. Worauff ſie bey ihrem
Gemahl anhielt/ dieſe Vorbitte gelten zulaſſen/ welches auch gnaͤdigſt eingewilliget ward.
Gleich dazumahl kam der außgeſchikte aͤdelknabe wieder/ und berichtete/ dz Herr Mazeus
mit den ſeinigen im voͤrderplatze feines Groß Fuͤrſten Befehl erwartete. Herkuliſkus hoͤ-
rete dieſe Zeitung gerne/ und ſagte zu dem Groß Fuͤrſten: Eure G F. D. moͤgen ſich wol
verſichern/ daß ſie an dieſem redlichen Herrn einen getraͤuen auffrichtigen Diener haben/
und da ihrer Durchl. es nicht zuwieder iſt/ wollen dieſelbe mir gnaͤdigſt befehlen/ denſelben
herzuhohlen. So gehen wir beyde mit einander/ ſagte Arbianes/ dann ich habe ohn das
mit ihm zu reden; gingen auff erlaͤubnis hin/ und hatten ſich bey den Haͤnden gefaſſet; wel-
ches der Groß Fuͤrſt erſehend/ zu ſeinem Gemahl ſagete; der Juͤngling hat meinem Sohn
das Herz gar geſtohlen/ und wie wird es noch ablauffen/ wañ ſie ſich werden ſcheiden muͤſ-
ſen?
[568]Drittes Buch.
ſen? Ach wer koͤnte doch ſo einem lieben und zuͤchtigen Menſchen abhold ſeyn? antwortete
ſie; und gibt ja der liebe Fuͤrſt hie durch klaͤrlich an den Tag/ daß er auff Tugend und ge-
ſchikligkeit etwas halte; aber eure Liebe erinnern ſich/ bitte ich/ was jener hocherfahrne
Sternſeher vor etlichen Jahren von ihm geweiſſaget hat/ daß ſeine allerhoͤchſte Vergnuͤ-
gung und Gluͤkſeligkeit ihm aus weit wilder fremde zukommen werde. Es faͤllet mir gleich
ein/ ſagte er/ wil auch die Goͤtter alles ohn mein bekuͤmmern machen laſſen/ ob ich gleich
nicht abſehen kan/ was vor Gluͤk ihm dieſer Juͤngling mit gebracht habe. Mazeus/ der mit
ſeinem Gemahl und Fraͤulein abgeſtiegen wahr/ ſahe den jungen Fuͤrſten und Herkuliſkus
daher treten/ wunderte ſich ihres mehr als bruͤderlichen Verhaltens/ und ging ihnen ehr-
erbietig entgegen; Arbianes hies ihn freundlich wilkom̄en/ bedankete ſich ſehr/ daß er ihm
einen ſo lieben und werten Freund zugeſchicket haͤtte/ und erboht ſich/ da er Leben ſolte/ es
dergeſtalt zuvergelten/ daß er Urſach haben wuͤrde/ ihm zu danken; taht auch ein gleiches
gegen deſſen Gemahl/ und fragete das Fraͤulein/ ob ſie einem ſo lieben Menſchen nur eine
Nachtherberge geben wollen; dieſe aber hatte nur ihre Augen und Gedanken nach Herku-
liſkus hingewendet/ daß ſie faſt nicht hoͤrete/ was ihr geſagt ward/ inſonderheit da dieſer
ihr lieber Freund auch zu ihr trat/ und mit einem zuͤchtigen Handkuſſe ſie freundlich wil-
kommen hies/ da er ſchon zuvor Herrn Mazeus und deſſen Gemahl ein gleichmaͤſſiges er-
zeiget/ und ſich hoͤchlich bedanket hatte/ daß er ihn einem ſo treflichen Fuͤrſten zugeſchicket.
Gingen mit einander nach dem Garten/ da der Groß Fuͤrſt ihn ſehr gnaͤdig empfing/ und
zu ihm ſagete: Mazeus/ ihr wiſſet ohn mein erinnern/ daß falſche Maͤuler zuzeiten ein boͤ-
ſes Feuer anblaſen koͤnnen/ welches ihnen doch bey uns gefehlet hat/ nachdem wirs in der
Aſchen geloͤſchet; deßwegen ſo laſſets ohn weiteres Nachfragen hingehen/ und verſichert
euch/ daß ich hinfort ſo leicht nicht glaͤuben/ und doch unter deſſen euch ſo viel gnaͤdiger
halten werde/ deſſen zu einem Zeugnis/ ſchenke ich euch die vor dieſem umbs Geld begehre-
te Herſchafft mit allen Renten/ Dienſten und Einkommen/ und euer Liebſten die 12000
Kronen/ welche von heut uͤber vierzehn Tage in die Rentkammer ſolten geliefert werden.
Mazeus entſetzete ſich wegen ſo groſſer angebohtenen Gnade/ merkete wol/ daß es alles
wegen Herkuliſkus geſchahe/ uñ antwortete ihm: Gnaͤdigſter Groß Fuͤrſt und Herr; Eu-
re G F. D. wollen allemahl mit G Fuͤrſtl. Hulde ihrem untertaͤhnigſt-getraͤuen Knechte
gewogen und zugetahn verbleiben. Die angebohtene Gnade iſt zu groß/ kan auch von mir
und den meinen in ewigkeit nicht erſetzet werden; da ſich aber einige Gelegenheit eraͤugen
ſolte/ vor Eure Durchl. mein Gut und Blut in die Schanze zu ſchlagen/ ſol deſſen von miꝛ
nichts geſparet werden; kam nachgehends auff Herkuliſkus zu reden/ und erzaͤhlete/ was
Geſtalt er ihn bey den Raͤubern angetroffen/ auch was ſonſt/ die wenige Zeit er bey ihm ge-
weſen/ vorgangen waͤhre/ welches die Anweſende mit verwunderung anhoͤreten/ und in
ihrem Heidniſchen zweiffel geſtaͤrket wurden/ ob ſie ihn vor einen Menſchen oder vor ei-
nen Gott halten ſolten. Inzwiſchen ging Herkuliſkus mit ſeinem geſpanneten Bogen hin
und wieder/ und ſuchte Gelegenheit einen kuͤnſtlichen Schuß zu tuhn/ welches Mazeus
merkend/ ſeine Rede abbrach/ und zu den Anweſenden ſagete; jetzt werden wir etwas ſon-
derliches von ihm ſehen/ welches ich an ſeinen Augen ſpůre/ die er hin und wieder in der
Lufft umbgehen laͤſſet. Er ſahe aber einen Falken ſehr hoch fliegen/ der ihm gar zu ferne
wahr/
[569]Drittes Buch.
wahr/ ſtund deßwegen und lauſchete/ biß er ſich etwas nidriger gab/ da ſchoß er ihn daß er
vor dem Groß Fuͤrſten niderfiel/ und ihm der Pfeil mitten in der Bruſt ſteckete. O du Vol-
kommenheit/ ſagte der Groß Fuͤrſt/ wie haſtu dich in ſolchen zarten Leib begeben/ nur daß du
aͤuſſerliches Anſehen zu ſchanden machen/ und dein Spiel mit uns als in einem Schau-
ſpiele treiben wilt. Herkuliſkus trat hinzu/ hub den Vogel auff/ und boht ihn Frl. Barſe-
nen mit dieſen Worten; Gn. Fraͤulein/ fuͤrchtet ſie ſich auch ſo ſehr vor dieſen todten
Vogel/ als vor den geſtrigen todten Tiger? Nein mein Freund/ antwortete ſie; aber wie
gefaͤllet es euch an dieſem Groß Fuͤrſtl. Hofe? ich vernehme/ daß ihr ſchon feindſelig von
dem Fechter angegriffen ſeid/ welcher ſich billich an dem unſern haͤtte ſpiegeln ſollen. Die
Goͤtter/ ſagte er/ geben mir nur keine ſchlimmere Feinde/ als ich geſtern und heut gehabt/
dann werde ich mich meines Ungluͤks mehr zu freuen als zubeklagen haben/ inſonderheit
weil der Himmel mir ſo hohe Freunde beſcheret hat. Die Groß Fuͤrſtln ſtund dabey/ und
ſagte zu ihm: Hoͤret mein geliebter Herkuliſkus/ ihr ſollet euch eures Unfals nicht zu hart
betruͤben/ dann wir merken und ſpuͤren auß allen euren geberden und Vornehmen daß ihr
hoͤheres Standes und wirden ſeid/ als ihr euch außgebet/ deßwegen ſo waͤhle und nehme
ich euch hiermit auff und an vor meinen Sohn/ der von meinen Leuten nicht anders als
mein Sohn der junge Fuͤrſt ſol gehalten und bedienet werden/ welches ihnen auch hiemit
ernſtlich gebohten wird. Arbianes ward deſſen ſo herzlich erfreuet/ daß er ſagte: Herzge-
liebte Gr. Mutter/ jezt erkenne ich eure Muͤtterliche Hulde gegen mich euren Sohn/ wel-
cher ich Zeit meines Lebens wil eingedenke ſeyn. Hingegen ſtellete ſich Herkuliſkus ſehr
trauꝛig uñ ſagte; Durchleuchtigſte Groß Fuͤrſtin/ gnaͤdigſte Frau; ich bitte unter taͤhnigſt/
ihren unwirdigſten Knecht nicht mit zu hoher Ehrenlaſt zubeſchweren; dann Gott weiß/
wie ſehr mir dieſes zuwieder iſt/ und bin ſchon zu hoch begnadet mit dem/ was mir bereit
wiederfahren; uͤber daß bringet mein Stand es nicht mit ſich/ daß vor ihrer G F. Durchl.
Sohn/ und dem jungen Groß Fuͤrſten ich ſolte gleich gehalten/ oder auch von aͤdelknaben
bedienet werden. Was mein geliebter Bruder/ ſagte Arbianes? iſt euch dieſes ſo ſehr zu
wieder/ ſo tuht mirs zu gefallen; wer weiß/ worinnen ich ſchier heut oder Morgen euch
Dienſte und bruͤderliche Freundſchafft erzeigen kan? Herkuliſkus kuͤſſete ihm die Hand/
antwortend/ er waͤhre und bliebe allemahl ſeiner Durchl. untertaͤhniger Knecht und erge-
bener/ und nach dem er gezwungen wuͤrde ſich hoͤher zuhalten als er waͤhre/ muͤſte er der
Einbildung geleben/ als die in Schauſpielen eine Fuͤrſt- oder Koͤnigliche Verwaltung auff
ſich nehmen/ ob ſie gleich arme Betler ſind; welche Worte er/ als der Sprache unerfah-
ren/ zwar ſtamlete/ aber doch mit ſonderlicher Gnade vorbrachte/ daß ihr er aller Herz da-
durch geruͤhret/ mit ihm groſſes Mitleiden trugen.


Es kam aber ein Dieuer in den Garten/ und meldete an/ Ihrer G F. D. Frau Sap-
tinen Herr Bruder waͤhre gluͤklich wieder angelanget/ und hielte im innerſten Platze; deſ-
ſen der Groß Fuͤrſt ſehr froh ward/ daß er ſagete: O Dank ſey den Goͤttern/ die ihn geſund
hergeleitet haben/ als nach deſſen Wiederkunfft ich und andere mit mir ein groſſes Ver-
langen getragen; ging auch geſchwinde hin/ ihn zuempfahen/ da Arbianes neben Herku-
liſkus ſeinem H. Vater nachtrat. Der fremde Herr ſahe ſeinen Oheim und Schwager
gegen ihn daher kommen/ eilete auff ihn zu/ und empfingen ſich ſehr fꝛeundlich/ redetẽ auch
C c c cfaſt
[570]Drittes Buch.
faſt eine Stunde mit einander in groſſer geheim/ biß nach deſſen Endung Arbianes dieſen
ſeinen Vetter gebührlich wilkommen hieß. Nachgehends trat auch Herkuliſkus zu ihm
hin/ kuͤſſete ihm die Hand/ und baht/ ſeiner Kühnheit zuverzeihen/ daß er als ein Fremdling
und gefangener einen einheimiſchen und Fuͤrſtlichen Anverwanten zuempfahen ſich unter-
ſtuͤnde. Der fremde Herꝛ ſahe jhn als verzucket an/ redete jhm ſehr freundlich zu/ und ge-
dauchte ihn/ das Angeſicht etweder ſelbſt/ odeꝛ doch eines demſelben ſehr aͤhnlich/ mehr ge-
ſehen haben; endlich fiel ihm das kleine Gemåhlde ein/ welches er ſtets bey ſich im Seckel
trug/ beſahe es/ und ſagete bald darauff: O ihr Goͤtter/ was Bildniß zeiget ihr mir ſo un-
vermuhtlich? Herkuliſkus erſchrak deſſen ſehr/ meynete nicht anders/ er waͤhre erkennet/
und ſchlug die Augen vor ſich nieder; Der fremde aber fuhr fort/ und fragete den Groß-
Fuͤrſten/ von wannen ihm doch dieſer vortrefliche Juͤngling kaͤhme; worauff er zur Ant-
wort gab: Er iſt mir erſt heut von Mazeus zugeſchicket/ und gibt ſich vor einen Teutſchen
ådelknaben aus/ welcher von unterſchiedlichen Raͤubern gefangen/ und biß in dieſe Laͤnder
gefuͤhret ſey. Aus Teutſchland? ſagte der fremde Herr; kehrete ſich hernach zu ihm/ und
ſagte: Vortrefflicher junger Herr/ euer Angeſicht erinnert mich eines ritterlichen Helden
und groſſen Fuͤrſten/ deſſen Kundſchafft zuhaben/ iſt nicht gar lange/ ich gewirdiget bin/
welches ich trauen unter meine hoͤchſte gluͤkſeligkeiten rechne; reichete ihm hiemit das
Bruſt Bilde hin/ ſprechend: Mein Herr/ ich bitte ſehr/ mir zu ſagẽ/ ob ihm dieſes Gemaͤhl-
de bekant ſey? Herkuliſkus empfing es mit beſonderer Ehrerbietung/ ſahe es an/ und er-
kennete ſeines herzgeliebten Herkules Angeſicht alsbald/ weil noch zum Uberfluß umbher
geſchrieben wahr: Hercules, humanigeneris delitiæ. Das iſt: Herkules des menſchlichen Ge-
ſchlechts beluͤſtigung. Es ward aber hieruber ſeine Seele mit überſchwaͤnklicher Freude er-
fuͤllet/ daß ihm das Blut unter das Geſichte ſchoß/ ſtund und wankente als ein taumeln-
der/ daß er in Ohmacht faſt niedergeſunken waͤhre; deſſen Arbianes wahrnehmend/ ihn
fragete/ woher dieſe ſchleunige Verenderung kaͤhme; worauff er ſich erhohlete und zu dem
fremden ſagte: Ach mein Herr/ ich bitte hoͤchlich/ mir zuſagen/ ob dieſer Ritter annoch im
Leben und guter Geſundheit ſey/ von dem dieſes Gemaͤhlde genommen iſt? Ich weiß nicht
anders/ mein Herr/ antwortete er; aber irre ich nicht/ ſo ſeyd ihr beyde leibliche Bruͤder/
maſſen ihr faſt einerley Geſichtes und Schoͤnheit ſeyd. Ach ja mein Herr/ ſagte er/ er iſt
mir tauſendmahl lieber/ als ein Bruder/ wiewol er nicht mein Bruder/ ſondern meiner
Mutter Bruder Sohn iſt. Wol mein Herr/ ſagte der fremde/ ihm wider ſeinen
Willen die zarte Hand kuͤſſend/ ſo bin euer Liebe ich mit Gut und Blut zu dienen be-
reit und willig/ deswegen wollen ſie ſich meiner Dienſte frey gebrauchen/ welches mir
die hoͤchſte Vergnuͤgung geben wird. Herkuliſkus bedankete ſich ſehr des unverdien-
ten Erbietens/ und verlangete den Groß Fuͤrſten hefftig/ zuerfahren/ aus was Urſachen ſein
Oheimb ſich gegen dieſen Juͤngling dermaſſen dienſtbar erzeigete; Derſelbe aber ſagete
zu ihm: Durchl. Groß Fuͤrſt; dieſes jungen Herrn Mutter-Brudern Sohn/ ein Herr von
ohngefehr XXI Jahren/ gleicher Schoͤnheit und Antlitzes mit dieſem/ wie mein Bildniß
zum Teil aus weiſet/ iſt der trefflichſte Held in ritterlichen übungen und Tapfferkeit/ ſo je-
mahls gelebet; ganz Italien und die Stad Rom reden von ihm/ und habe ich ſeine und ſei-
nes Geſellen herliche Ehren Saͤulen zu Rom und Padua geſehen/ halte mich auch inſon-
derheit
[571]Drittes Buch.
derheit gluͤkſelig/ daß ich ſeine Freundſchafft erhalten/ und dieſen Ring von ihm zum Pfan-
de unbruͤchiger Traͤue empfangen. Der Groß Fuͤrſt ſagte: Was Standes aber iſt er? Da-
von weiß niemand in Italien etwas gewiſſes zuſagen/ antwortete er/ wiewol auſſer zweifel
iſt/ daß er uhralter Koͤniglicher Wirden ſeyn muß/ maſſen ſein Geſelle/ ein gebohrner und
herſchender Koͤnig in Boͤhmen iſt/ und derſelbe doch jenen hoͤchlich ehret. Niemand hoͤre-
te dieſe Reden lieber als Arbianes/ daher er zu ihm ſagete: Warumb wil dann mein wer-
ter Freund und Bruder ſeinen Hoch Fuͤrſtlichen Stand verleugnen/ deſſen er doch mehr
als kein ander wirdig iſt? Er antwortete: Ach der Himmel iſt mein Zeuge/ wie gerne ich
unerkennet in dieſer fremde ſeyn wolte; jedoch iſt dieſer mein Oheim gleichwol hoͤheres
Standes als ich/ in Betrachtung/ daß meine Fr. Mutter ſo hoch nicht geheyrahtet/ als ihr
Herkommen iſt. Die Groß Fuͤrſtin kam auch herzu/ ihren geliebten und einigen Bruder
zuempfahen; Derſelbe nun wahr aus Fuͤrſtl. Perſiſchen Gebluͤt entſproſſen/ und eben deꝛ-
ſelbe Pharnabazus und unbekante Ritter/ der zu Padua im Turnier mit Ritter Leches um̃
den hoͤchſten Preiß ſtach/ wovon faſt am Ende des Erſten Buches meldung geſchehen.
Schweſter und Bruder empfingen ſich uͤberaus freundlich/ weil eine ſonderliche Liebe zwi-
ſchen ihnen wahr/ und als er Frl. Barſenen gewahr ward/ nahete er ſich zu ihr/ wie er dañ
eine gute Neigung zu ihr trug; welche aber Herkuliſkus zu ſeiner Zeit umb ein groſſes be-
foderte/ wie an ſeinem Orte folgen wird. Weil dann vor dißmahl der Abend einbrach/ und
es Zeit wahr/ das Maal einzunehmen/ gingen ſie mit einander nach dem Saal; da Phar-
nabazus unſern Herkuliſkus geleitete/ welches er faſt mit Ungeduld zugeben muſte/ und ſich
ſolcher Ehre nicht entbrechen kunte. Niemand aber von der ganzen Geſelſchafft wahr mit
empfidlicheren Bewaͤgungen beladen/ als Frl. Barſene/ geſtaltſam ſie ihren lieben Herku-
liſkus ohn unterlaß anſahe/ wodurch das zarte Herz immer weiter eingenommen ward.
Nach auffgehobenen Speiſen hielt Pharnabazus bey Herkuliſkus an/ er moͤchte der an-
weſenden Geſelſchafft zugefallen/ ſeines Oheims des unvergleichlichen Herkules Leben zu
erzaͤhlen unbeſchweret ſeyn/ als welches ihm ohn zweifel nicht unbewuſt waͤhre. Er weger-
te ſich deſſen zwar nicht/ entſchuldigte ſich aber/ dz es von ihm in Morgenlaͤndiſcher Spra-
che nicht geſchehen koͤnte/ und fing in Griechiſcher alſo an: Hochgebohrner Herr Phar-
nabazus/ Eure Liebe erwecken in mir die Gedåchtnis etlicher Wunder-ſachen/ welche/ da
ſie bey den Roͤmern oder Griechen vorgangen waͤhren/ durch Schrifft und Buͤcher ſie in
alle Welt ausgebreitet werden muͤſten; nach dem ſie aber in Teutſchland/ einem verachtetẽ
Winkel der Nordweſtiſchen Laͤnder ſich begeben haben/ kommen ſie nicht weiter/ als wo
man ſie muͤndlich erzaͤhlet. Nun haͤtte ich zwar ohn eitelen Ruhm zumelden/ ein weitoffe-
nes Feld/ umſtaͤndlicher Erzaͤhlung vor mir/ weil ich aber fuͤrchte/ meinen gnaͤdigſten Her-
ren und Frauen/ auch andern anweſenden wirdigen Freunden/ durch herbeyfuͤhrung al-
ler uͤmſtånde nur verdrießlich zuſeyn/ wil ich meines herzgeliebten Oheims und mehr als
Bruͤderlichen Freundes Zuſtand und Leben nur Inhaltsweiſe andeuten. Nicht alſo/ mein
geliebter Sohn/ ſagte der Groß Fuͤrſt/ ſondern laſſet uns dieſes teuren Helden Leben und
Tahten voͤllig kund werden/ ſo viel euch deſſen bewuſt und zu Gedaͤchtniß komt/ dann durch
Hindanſetzung eines liederlichen Umſtandes/ wird offt einer Geſchichte der beſte Schmak
benommen; ſolte ſichs dañ gleich in die ſpaͤte Nacht zihen/ wird dem Frauenzimmer erlaͤu-
C c c c ijbet
[572]Drittes Buch.
bet ſeyn/ die Ruhe nach belieben zunehmen; Ich neben meinem Oheim und Sohne werdẽ
euch die Ohren hierzu willig leihen/ als die wir in dergleichen Geſchichten/ in welchen die
Goͤtter bey den Menſchen etwas ſonderliches wirken/ mit begieriger Luſt uns pflegen um-
zuſehen/ worzu ich meinen Sohn Arbianes von Jugend auff angehalten/ daß er die Grie-
chiſchen und Roͤmiſchen Kriegsbeſchreibungen/ nebeſt dem/ was von unſerer Vorfahren
Handelungen auffgezeichnet iſt/ fleiſſig lefen/ und mir taͤglich vor Abends erzaͤhlen muß/
was er daraus behalten; alsdann zeige ich ihm den rechten Kern und Safft der Begeb-
niſſen/ nehmlich die lehrreichen weltklugen Anmerkungen/ welche ihm dereins ſo wol in
Friedes-als Kriegszeiten nuͤzlich und heilſam ſeyn koͤñen. Herkuliſkus antwortete: Weil
dann E. G F. D. mir ſolches gnaͤdigſt anbefihlet/ wie unduͤchtig ich mich gleich darzu be-
finde/ muß ich doch willigſt gehorſamen. Fing darauff ſeine Erzaͤhlung folgender maſſen
an: In meinem geliebten Vateꝛlande ergieſſen ſich drey zimlich weit von einander flieſſen-
de Schiffreiche Waſſer/ die Weſer/ die Elbe/ und der Rein/ welche/ nach dem ſie manniche
ſchoͤne Aue/ teils befeuchtet/ teils vorbey geſtrichen/ ſich endlich in das Teutſche Meer ſtuͤr-
zen. Zwiſchen dieſen wird der gewaltigſte Teil Teutſchlandes/ als Sachſen und Franken
begriffen/ eine ſehr weite/ und von den Einwohnern erfuͤllete Landſchafft/ welche dem Geſe-
tze der eingepflanzeten Billigkeit ſich gemaͤß zubezeigen in vielen ſtuͤcken ſehr gefliſſen ſind/
ſonderlich die Freyheit betreffend/ welche uͤber allen Reichtuhm und Herrligkeit geſchaͤtzet
wird/ deswegen noch zur Zeit keine Macht oder Gewalt ſie darzu treiben moͤgen/ daß ſie
fremder Herrſchafft ſich untergeben/ und einige Dienſtbarkeit uͤber ſich nehmen ſolten/ ohn
die ſie ihrer/ teils angebohrnen/ teils ſelbſt erwaͤhleten Obrigkeit ſchuldig ſind. Niemahls
haben die Roͤmer/ welche ſich der Welt Herren nennen/ einige Feinde mehr gefuͤrchtet/ als
die Teutſchen/ auch da unter Auguſtus ihre Macht am groͤſſeſten wahr/ und wie mannichẽ
Krieg ſie gleich mit ihnen gefuͤhret/ ſind die Teutſchen dannoch Teutſche/ das iſt/ freye unbe-
zwungene Leute blieben. Es iſt vor ſich ein auffrichtiges Volk/ Genuͤgenheit iſt bey ihnen
durchgehend; Das boͤſe/ in andern Laͤndern offt kleinen Kindern bewuſt/ iſt bey ihnen den
alten unerhoͤret/ daher achtet ein Teutſches Herz weder Fleiſches Wolluſt/ noch Geldes
Schaͤtze/ ohn die man den Feinden entwendet. Suͤnde finden bey ihnen ſelten Veꝛzeihung.
Dreyer Groſchen Dieberey wird mit dem Strange geſtraffet. Ehebruch gehet wunder-
ſelten vor/ erlanget auch weder Barmherzigkeit noch Gnade. Das uͤbel der Eiferſucht iſt
ihnen unbekant/ dann ein jeder laͤſſet ſich an einem Weibe genuͤgen/ und jemehr dieſelbe ih-
rem Manne Kinder gebieret/ je mehr wird ſie von ihm geliebet und von anderen geehret;
und wann ſie dem leidigen Biergeſoͤffe (wiewol auch nicht alle/ noch allenthalben) nicht ſo
ſehr zugetahn waͤhren/ ſtuͤnden ſie nicht zuverbeſſern. Insgemein ſind ſie mit dem zufriedẽ/
was ihr Land traͤget/ die aber ein mehres begehren/ ſuchen es mit Waffen bey ihren Fein-
den/ deren ſie von allen Seiten haben/ aber daher nicht umb ein Haar verzagter ſind/ mey-
nen/ ihre Faͤuſte ſeyn maͤchtig gnug/ ſie zuſchuͤtzen/ wann nur die Goͤtter nit laſſen den Him-
mel uͤber ſie einfallen; welche Antwort ſie dem groſſen Alexander gaben. Sonſten iſt dem
L[an]de unmoͤglich/ alle in ihm erzeugete Menſchen zubegreiffen/ daher mannich tauſend
Mutter Kind andern Sitz und Herberge ſuchen muß; ungeachtet ihre Aecker/ da ſie recht
gebauet werden/ voll Korn ſtehen/ und ihre Waͤlder mit Wild angefuͤllet ſind. Ochſen und
Kuͤhe/
[573]Drittes Buch.
Kuͤhe/ Pferde und Eſel/ Schaffe und Schweine gibt es uͤberfluͤſſig/ wie imgleichen eine uͤ-
ber aus groſſe menge allerley koͤſtliches Fiſchwerks. Schaͤdliche Tihre/ auſſer dem Fuchs
und Wolfe/ laſſen ſich nicht finden/ und werden die Schlangen an mannichem Orte zum
Wunder gezeiget. Ihre Berge moͤchten wol Gold und Silber zeugen/ wann es gefucht
wuͤrde/ und mangelt ihnen an keinem Dinge/ was zur Leibes Notturfft erfodert wird. Ihr
Gottesdienſt bleibet unverendert/ welchen ſie nicht in engen Gebaͤuen/ ſondern unter dem
freyen offenen Himmel in ſchoͤnen gruͤnen Waͤldern anſtellen und verrichten. Ehmahls
haben ſie ihre Koͤnige gehabt/ deren groͤſte Macht und Reichtuhm in Menge der Kriegs-
leute und Pferde beſtund. Heut zu tage gehorſamen ſie ihrem Groß Fuͤrſten/ der keinen o-
bern/ als Gott und das Schwert erkennet/ iſt von dem aller aͤlteſten Koͤniglichen Teutſchen
Blut entſproſſen/ nahmens Henrich/ deſſen Ruhm mit vielen Worten auszuſtreichen/ hie-
her nicht gehoͤret/ dann er herſchet/ daß jederman ihn preiſen und ehren muß; Den Unter-
tahnen iſt er lieb/ den Nachbarn angenehm/ den Feinden erſchreklich. Er heyrahtete im
dreiſſigſten Jahre ſeines Alters ein trefliches Fraͤulein/ des Großmaͤchtigſten Fuͤrſten und
Herrn/ Herrn Ragwalds/ der Gothen und Schweden Koͤniges Tochter/ Frl. Gertrud/
mit welcher er dieſen ſeinen erſten Sohn/ und kuͤnfftigen rechtmaͤſſigen Nachfolger in der
Herrſchafft/ die Blume aller Froͤmmigkeit und Ritterſchafft (niemand ſein Lob benom̃en)
meinem herzgeliebten Oheim und Bruder Fürſt Herkules/ vor XXI Jahren zeugete/ wor-
uͤber im ganzen Reiche unſaͤgliche Freude und frolocken entſtund/ weil man ſich einer erb-
loſen Ehe befahrete/ und die Groß Fuͤrſtin drey Jahr unbefruchtet blieb. Wenig Stunden
nach ſeiner Geburt/ ward ein alter Pfaffe herzu gefodert/ dieſes neugebohrne Herrlein zu
weihen und ſegnen/ welcher vor gab (ich erzaͤhle es/ wie ichs von meiner Fr. Mutter offt ge-
hoͤret)/ er haͤtte aus allen Zeichen der Opffer/ auch Vogel- und Pferde-Geſchrey angemer-
ket/ das junge Herrlein wuͤrde an Verſtand/ Froͤmmigkeit/ und Erfahrenheit in Waffen
dermaſſen vortreflich ſeyn/ daß durch ihn aller ſeiner Vorfahren Lob wüꝛde verdunkelt weꝛ-
den; fremden Landſchafften wuͤrde er anfangs mehr Dienſte/ als ſeinem Vaterlande lei-
ſten. Die alten Teutſchen Goͤtter wuͤrde er durch Annehmung eines neuen Gottes zuruͤk
ſetzen und verachten; Liebe halben ſolte er viel Widerwertigkeit ausſtehẽ/ aber durch ſtand-
hafftigkeit alles uͤberwinden; groſſe Schaͤtze und Reichtuhm durch ſtreitbahre Fauſt er-
werben; eine Urſache ſeyn/ daß der groͤſſeſten Welt Herren einer fallen und untergehen
muͤſte; Uber ſeine Anverwanten wuͤrde er groſſe Glükſeligkeit bringen/ und ſeine Eltern
unvermuhtlich aus Raͤuber Haͤnden und Todesgefahr erloͤſen; und was des Geplauders
mehr ſeyn muchte/ worauff die Eltern/ als uͤber der Geburt ihres lieben Soͤhnleins hoch
erfreuet/ wenig acht gaben/ wiewol ſie nachgehends deſſen ſchon viel in der Taht erfahren
haben. Seine Fr. Mutter hatte ſchwere Geburtswehe/ daß man ihrem Leben wenig traue-
te/ ward deswegen dem jungen Herrlein alsbald eine adeliche Frau zugeordnet/ die es mit
ihren Bruͤſten ſpeiſen ſolte/ aber vergebens/ maſſen es ſich durchaus nicht wolte anlegen
laſſen/ wie faſt mans auch noͤhtigte/ daher man es mit Gemüſe unterhielt/ biß uͤber zehn Ta-
ge ſeine Frau Mutter zimlich genaß/ deren Bruſt es mit ſonderlicher Begierde ergriff/ uñ
einzig von ihr ſich ſaͤugen ließ. Als das Herrlein eines halben Jahrs alt wahr/ und die El-
tern zur Luſt ins grüne fuhren/ ließ die einſchlum̃ernde Mutter das Kind von ihrer Schos
C c c c iijfallen/
[574]Drittes Buch.
fallen/ daß es zwiſchen den Raͤdern hinunter purzelte/ haͤtte auch ohn allen zweifel ſeinen
Geiſt auffgeben muͤſſen/ wann nit zu allem gluͤcke ein groſſer Stein im Wege gelegen/ vor
welchen das Herrlein zu liegen kam/ dz des Rades Stoß auff demſelben gebrochen ward/
und ohn alle Verletzung uͤberhin ging/ welches dann wol ein Zeichen ſeiner kuͤnfftigen ge-
fahr ſeyn mochte. Nachgehends gaben ſie etwas fleiſſiger acht auff ihn/ kunten aber doch
den unvermeidlichen faͤllen nicht vorbauen/ dann wie nach dreyen Jahren der Groß Fuͤrſt
neben ſeinem Gemahl und dieſem ihren aͤlteſten Herrlein (dann der Himmel hatte ihnen
ſchon den andern beſcheret) auff der Groß Fuͤrſtin Fr. Mutter Begraͤbniß in Schweden
reiſeten/ wurden ſie an der Oſt See des Nachtes in einem Dorffe von einer Schaar Daͤ-
niſcher See Raͤuber über fallen/ da der Groß Fuͤrſt mit ſeinem Gemahl ſich in einer alten
Scheuren verbarg/ das Herrlein aber mit ſamt der Warts Frauen/ bey welcher es ſchlief/
hinweg gefuͤhret ward; jedoch/ weil des Groß Fuͤrſten Voͤlker bald ins Gewehr kahmen/
und den Raͤubern nach ſetzeten/ ward das Herrlein wieder erloͤſet/ und ſeinen Eltern zuge-
ſtellet. Nach gehaltener Leich begångniß machte der Groß Fuͤrſt ſich wieder in ſein Land/ uñ
wendete groſſen fleiß auff ſeines Soͤhnleins Erzihung/ welcher/ da er ſchier von ſechs Jah-
ren wahr (eben dazumahl bin ich gebohren) von ſeinem H. Vater eine ritterliche Ruͤſtung
foderte/ in welcher er zuzeiten ausreiten/ und als eines Landes Fuͤrſten Sohn ſich zeigen
koͤnte; und als ihn ſein Herr Vater mit ſchimpflichen Worten abwies/ er waͤhre zu klein/
Harniſch zufuͤhren/ uñ ſtuͤnde ihm eine Tuͤte vol Zucker ungleich beſſer an/ verredete er/ kein
Zucker mehr zueſſen/ triebs auch bey dem H. Vater ſo lange/ dz er ihm ein kleines Schwert
und leichten Bogen geben ließ/ womit er den ganzen Tag uͤber ſein Kinder-Spiel hat-
te und inwendig drey Monden ſich dergeſtalt ůbete/ daß manniger Vogel von ihm erſchoſ-
ſen ward. Seines H. Vaters Jaͤger kahmen (da er ſieben Jahr alt wahr) eins mahls von
der Jagt/ brachten etliche groſſe Woͤlffe auffs Schloß/ und erzaͤhleten/ mit was groſſer
Muͤhe ſie dieſelben gefellet haͤtten/ deſſen Herkules nur lachete/ und ſie fragete; was ihm
wol fehlen ſolte/ ein ſolches Tihr zuerlegen/ wann er ſein Schwert und Bogen bey ſich haͤt-
te; Und als ſeine Fr. Mutter gegenwaͤrtig ihm ein redete/ er ſolte bey Leib und Leben ſchwei-
gen/ und die Goͤtter bitten/ daß ihm ja ein ſolches grimmiges Tihr nicht auffſtieſſe/ ſonſt
muͤſte er von demſelben alsbald verſchlungen werden/ antwortete er: Gnaͤdigſte Fr. Mut-
ter/ ſolten die Goͤtter wol zugeben/ daß ein ſo unwertes Tihr ſich mit eines jungen Fuͤrſten
Fleiſch ſpeiſete? hat man auch gehoͤret/ daß ein Fuͤrſt jemahls von einem Wolffe verſchlukt
oder hinweg getragen ſey? forſchete darauff bey den Jaͤgern gar eigentlich nach/ an was
Ende die Woͤlffe gefangen waͤhren; und da ſie ihm aus Scherz den naͤheſten Dornpuſch
beim Schloſſe mit Worten bezeichneten/ hieß er des folgenden Morgens ſeinen Auffwar-
ter/ (der fuͤnff Jahr aͤlter als er wahr) mit gehen/ und ihm ſeinen kleinen Spieß nachtra-
gen/ lieff geſchwinde nach dem beſchriebenen Puſche/ und wie er gar leiſe hinzu trat/ ſahe
er einen ſcheußlichen groſſen Wolff/ mit auffgeſperretem Maule ſchlaffen liegen/ nam ſei-
nen kleinen Degen/ und ſties ihm den ſelben in den Rachen biß ans Gefaͤß/ ſprang darauff
wieder zuruͤk/ und hohlete den Spies/ damit ging er wieder auff den Wolff/ welcher ſchon
mit allen vieren von ſich ſchlug/ und mit dem tode rang; deſſen er aber nichts achtete/ ſon-
dern ihm das Schwert/ welches er nicht verlaſſen wolte/ wieder aus dem Maule zog/ und
ihm
[575]Drittes Buch.
ihm den Spies auffs neue in den Rachen ſtieß/ ihn auch ſo lange quaͤlete/ biß er dahin ſtarb/
ungeachtet ihm das Blut hin und wieder auff die Kleider ſpruͤtzete/ hernach dem Knaben
befahl etliche Jaͤger zu hohlen/ die den Wolff nach dem Schloſſe ſchleppeten. Dieſer be-
richtete in der Groß Fuͤrſtin Gegenwart/ was ſich zugetragen haͤtte/ welches ihm niemand
glaͤuben wolte/ biß auff vielfaͤltiges beteuren ſie mit etlichen Dienern hinunter ging/ und
ihr liebes Soͤhnlein mit blutigem Spieſſe und Kleidern gegen ihr daher lauffen ſahe/ der
ſie alſo anredete: Herzen Fr. Mutter/ ſprechet forthin mehr/ der Wolff werde mich ver-
ſchlingen/ ich habe ihn gleich wol ſo geputzet/ daß er ſich an mir ferner nicht reiben ſol. Die
Groß Fuͤrſtin gedachte/ er wuͤrde etwa einen Hund erſtochen haben; als ſie aber das grau-
ſame Tihr in ſeinem rauchenden Blute liegen ſahe/ erſchrak ſie uͤber alle maſſe/ und ſchalt
hefftig mit ihm/ dz ſie ihn auch zu ficken draͤuete/ welches aber das Herꝛlein mit einem ſon-
derlichen Eifer und ernſtlichem Angeſichte beantwortete: Je Herzen Fr. Mutter/ ſagte
er/ ſolte ich mich dann von dieſem Ungeheur freſſen laſſen? So wahꝛ ich ein Teutſcher
Fuͤrſt gebohren bin/ werde ich mein Leben ſo liederlich nicht dahin geben/ und weis gewiß/
mein H. Vater wird mir ein groͤſſeres Schwert geben/ daß ich hernaͤhſt der ſchaͤndlichen
Schaff Raͤuber mehr aus dem Wege ſchaffe; ſtellete ſich auch unter dem Reden ſo freu-
dig/ mit zierlichen ſpringen/ Tanzen/ und zuſammen ſchlagung der Haͤnde/ daß ſeiner Fr.
Mutter die Freudentraͤhnen hervor drungen/ inſonderheit/ da er auff dem Schloſſe die
herzutretende Jaͤger mit hoͤhniſchen Worten angriff; was ſie vor ſchlimme furchtſame
Kerle waͤhren/ und einen Wolff zutoͤdten/ vor ein groſſes Werk außgeben duͤrfften. Der
Groß Fuͤrſt wahr des vorigen tages außgeritten/ und da er des folgen den wiederkam/ und
die Taht erfuhr/ auch das Tihr beſahe/ kunte er vor verwunderung faſt kein Wort reden/
biß er endlich zu ſeinem Gemahl ſagete; Ich habe dieſen unſern Sohn allemahl vor eine
ſonderliche Gabe der Goͤtter gehalten/ darumb haben ſie mir ihn nun zum drittenmahl
beſchuͤtzet; werden wir aber ſein nicht beſſer acht haben/ duͤrffte der Himmel ihn bald wie-
der abfodern. Zwar die Goͤtter haben uns noch einen maͤnnlichen Erben/ unſern Bald-
rich (der dazumahl im fuͤnfften Jahr wahr/ und ſich nunmehr zu allen fuͤrſtlichen Tugen-
den ſchicket) gegeben/ aber muͤſſen wir darumb dieſen in ſolcher Gefaͤhrligkeit/ als einen
Baurjungen allein umbher lauffen laſſen? Hernach fuhr er dz junge Herrlein ſcharff an;
hoͤre du Leckerchen/ ſagte er/ wer hat dir befohlen die Puͤſche durch zukrichen/ und ohn Uhr-
laub vom Schloſſe zu lauffen? wirſtu das mehr tuhn/ ſol dir mit friſchen Ruhten geloh-
net werden. Herkules ſtellete ſich etwas beleidiget ſeyn/ und antwortete: Mein Herr Va-
ter/ zuͤrnet doch nicht ſo hart mit mir/ weil ich ja nichts boͤſes begangen habe; meine Fr.
Mutter wolte mich ſchrecken/ da mich ein Wolff antraͤffe/ wuͤrde er mich verſchlingen; ja
wie ſchoͤn hat er mich verſchlungen? Ich wahr ihm mit meinem prafen Degen viel zu be-
hende. Wie ungehalten nun der Groß Fuͤrſt wahr/ muſte er doch des Knaben von Herzen
lachen/ und ſagte zu ihm; wie aber/ wann er dich verſchlungen haͤtte/ wuͤrde man dir das
Leben haben wieder geben koͤnnen? Verſchlungen? antwortete das Herrlein/ und wann
ihrer gleich zween geweſen/ ſolten ſie mich nicht verſchlungen haben; ich hatte ja den Vor-
tel im Puſche/ daß ſie nach Willen nicht haͤtten koͤnnen an mich kommen/ und wie leicht
haͤtte ich ihrer etliche/ einen nach dem andern uͤbern hauffen ſtoſſen koͤnnen; darumb bitte
ich
[576]Drittes Buch.
ich euch/ Herzlieber Herr Vater/ nehmet mich forthin allemahl mit auff die Wolffesjagt/
weil ich ihnẽ ſchon gnug gewachſen bin. Du magſt mir ja gewachſen ſeyn/ ſagte der Groß-
Fuͤrſt mit einem Gelaͤchter/ aber gedulde dich nur ein wenig/ ich wil dich ſchon auff eine
Wolffesjagt (Buͤcherjagt meine ich) fuͤhren/ da du die Buchſtaben jagen/ uñ mit dem Ge-
daͤchnis fangen ſolt. Nun hatte vor weniger Zeit der Groß Fuͤrſt etliche Råuber einſetzen
laſſen/ welche erſtes tages ſolten abgetahn werden; unter denen fand ſich ein Roͤmer/ der
in Griechiſcher und Lateiniſcher Sprache wol erfahren wahr/ nahmens Katullus/ denſel-
ben ließ der Groß Fuͤrſt vor ſich allein fodern/ und ſagte in des jungen Herrichens Gegen-
wart zu ihm; du wirſt dich erinnern/ daß du umb Untaht willen dein Leben zehnfach ver-
wirket haſt/ welches dir nicht als durch meine Gnade kan geſchenket werden; wañ ich nun
wiſſen ſolte/ daß du forthin die Boßheit angeben/ dich der Erbarkeit befleiſſigen/ und die-
ſen meinen jungen Sohn in Lateiniſcher und Griechſcher Sprache fleiſſig unterweiſen
wolteſt/ moͤchte dir vielleicht mehr gutes begegnen/ als du dir jemahls haͤtteſt einbilden
koͤnnen; ſo gib mir nun hierauff richtige Erklaͤrung/ weſſen du dich zuverhalten geſonnen
ſeiſt/ und gedenke ja nicht/ mich mit betrieglichen Worten zuhintergehen/ dañ ſolteſtu wie-
der auff dein altes fallen/ wuͤrde ich ſchon Mittel wiſſen/ dich in meine Gewalt zubringen/
und alsdann das neue mit dem alten zubezahlen. Dieſer fiel vor dem Groß Fuͤrſten in die
Knie/ baht um Lebensfriſtung/ und erboht ſich/ hinfuͤro ein frommes Leben zu fuͤhren/ auch
allen moͤglichen Fleiß in Unterweiſung des jungen Herrlein anzuwenden; Worauff er
demſelben alsbald vor einen Lehr- und Hoffmeiſter zugeordnet/ die uͤbrigen ſechs Raͤuber
aber hin zur Richtſtat gefuͤhret wurden/ deren einem/ weil er ſich vor Katullus Anverwan-
ten angab/ und derſelbe einen Fußfal vor ihm taht/ das Leben geſchenket ward/ jedoch/ daß
er ſtuͤndlich Teutſchland raͤumen ſolte/ welches er nit allein angelobete/ ſondern nach dem
er mit wenigem von Katullus Abſcheid genommen/ ſich hinweg machte. Herkules aber
hatte gar kein Herz zu dieſem Lehrmeiſter/ und beklagete ſich unterſchiedliche mahl gegen
ſeine Fr. Mutter/ daß er einem Raͤuber muͤſte untertahn ſeyn/ und von demſelben ſich un-
terweiſen laſſen; und wer weiß/ ſagte er/ ob er mich dereins nicht gar er morden duͤrffte;
welches aber als eines Kindes Rede verachtet ward/ wiewol die Reue bald darauff folge-
te/ geſtaltſam er kaum vier Wochen dieſem ſeinem Amte vorgeſtanden wahr/ da ein armer
Mann/ die leidige Zeitung auff das Schloß brachte: Er haͤtte zween einzelne Maͤnner
ins Gehoͤlze reiten ſehen/ deren einer einen ſchoͤnen jungen Knaben vor ſich auff dem Pfer-
de gefuͤhret/ dem der Mund mit einem Tuche zugeſtopffet/ auch die Augen verbunden ge-
weſen; und da ihm recht waͤhre/ haͤtte er vor dieſem den Knaben mit einem kleinen Degen
und Handbogen auff dem Schloſſe gehen ſehen. Dem Groß Fuͤrſten ward dieſes alsbald
kund getahn/ und Katullus mit dem jungen Herrlein geſuchet/ aber umb ſonſt/ maſſen die
Schildwachte berichtete/ ſie waͤhrẽ mit einander ihrer Gewohnheit nach aus dem Schloſ-
ſe gangen/ und haͤtte jeder ein Buch in der Hand getragen. Bald wurden die Pferde ge-
ſattelt/ und muſten 100 Reuter mit dem Zeitungsbringer auffs eiligſte fort reiten/ mit
dem veꝛſprechen/ da ſie das Herrlein ſamt den Raͤubern lebendig einbringen wuͤrden/ ſolte
jedem drey Monat Sold geſchenket werden. Dieſe macheten ſich geſchwinde auff den
Weg/ und geriet ihnen ſo wol/ daß ſie gegen den ſpaͤten Abend alle drey unter einer hohen
Eichen
[577]Drittes Buch.
Eichen ſitzend antraffen/ da ſie ein wenig Brod zur Speiſe/ und einen trunk Waſſer aus
einer voruͤberfliſſenden Quelle hatten. So bald Katullus der Reuter inne ward/ faſſete er
ſein Brodmeſſer/ uñ wolte damit vor erſt das junge Herrlein/ hernach ſich ſelbſt entleiben/
geriet ihm aber durch der Goͤtter abwendung keines; dann Herkules dieſes ſehend/ wie er
ſehr gerader Gliedmaſſen wahr und noch iſt/ da er lebet/ ſprang geſchwinde auff/ uñ weich
ihm aus dem Stich/ wiewol er nicht allerdinge unbeſchaͤdigt blieb/ ſondern ihm das Meſ-
ſer in das linke Ober bein fuhr/ und weil es vielleicht ſchon einen Bruch haben muchte/ da-
rinnen gar abbrach/ daß uͤber die helffte drinnen ſtecken blieb/ und alſo der Moͤrder kein
Mittel hatte/ ihm ſelber Hand anzulegen. Herkules rieff/ ungeachtet aller Schmerzen/ hef-
tig umb Rettung/ welche ihm bald wiederfuhr/ dann die Reuter drungen ſtark auff ſie zu/
ſahen dz junge Herrlein bluten/ und zogen ihm die zubrochene Meſſerklinge aus der Wun-
de/ da inzwiſchen die anderen ſich an die beyden Raͤuber machten/ ihnen Haͤnde und Fuͤſſe
bunden/ und mit ſich auff den Pferden foriſchleppeten/ ritten auch die ganze Nacht/ nach-
dem ſie das Herrlein ein wenig mit friſchen Kraͤutern verbunden hatten/ biß ſie folgenden
Morgens ſehr fruͤh bey dem Groß Fuͤrſtlichen Schloſſe anlangeten. Der Groß Fuͤrſt
ſamt ſeinem Gemahl hatten dieſe Nacht die Kleider nicht abgeleget/ da die Mutter mit
ſtetem Weinen und Klagen wegen ihres verlohrnen allerliebſten Soͤhnleins anhielt/ biß
ihnen die froͤliche Zeitung kam/ daß das Herrlein gerettet/ doch in etwas von dem Raͤuber
verwundet waͤhre/ welcher dann alsbald zu ſeinen lieben Eltern hinauff getragen ward/
durch muͤdigkeit und verblutung ſehr abgemattet; erhohlete ſich doch ein wenig/ da er ſich
in ſeiner Fr. Mutter Armen befand/ und ſagte mit ſchwacher Stimme; die Goͤtter haben
mir das Leben erhalten/ ſonſt wuͤrde ich ſchon erſtochen ſeyn/ muß mich deßwegen nach die-
ſem mehr vor Raͤubern als vor den Woͤlffen vor ſehen/ und hat mir von Anfang her/ wie
ihr wiſſet vor dieſem ſchlimmen Lehrmeiſter gegrauet. Die Mutter troͤſtete ihn/ er ſolte zu
frieden ſeyn/ ſie wolte nicht goͤnnen daß ein ſolcher Raͤuber ihm nach dieſem vor einen Lehꝛ-
meiſter zugegeben wuͤrde; vor dißmahl ſolte er dem Wund Arzt fein ſtille halten/ ob die
Verbindung ihn gleich ein wenig ſchmerzen wuͤrde. Verbindet ihr mich nur recht/ ſagte
er zu dem Arzt/ ich wil euch gerne ſtille halten/ nur daß mir der Schenkel nicht krum oder
lahm werde/ dann ich wil lieber ſterben/ als unduͤchtig werden/ dereins Waffen zu fuͤhren.
So bald er verbunden wahr/ und der Arzt ihn verſicherte/ daß es nur eine Fleiſchwunde/
und keine Gefahr zubefuͤrchten waͤhre/ lachete er vor freuden/ und ſagte zu dem Arzt/ mich
deucht ihr ſeid gar zu gelinde mit mir umbgangen/ dann mein H. Vater pfleget zu ſagen;
Weiche Aerzte machen faule Wunden. Nein Gn. Herrlein/ antwortete er; Eure Gn. ha-
be ich ja ſo ſcharff angegriffen/ als wann ein ſtarker Baur die Wunde gehabt haͤtte/ wie er
dann beteurete/ daß er mit dem Wundeiſen die tieffe recht erforſchet/ und er ſich uͤber des
Herꝛlein Geduld verwundert haͤtte/ welche bey vielen erwachſenen nicht waͤhre; welches
das Herrlein hoͤrend/ zur Antwort gab/ ey ſo tuht die verwund- und Verbindung gleich-
wol ſo wehe noch nicht/ als ich mir eingebildet hatte; foderte einen Trunk/ und legte ſich zuꝛ
Ruhe. Inzwiſchen ward Katullus und ſein Mitraͤuber/ der ſein leiblicher Brudeꝛ wahr/
auff der Folter/ jeder abſonderlich befraget/ aus was Urſachen ſie das unſchuldige from-
me Kind/ welches ihrer keinen jemahls mit einigem Worte oder Augenwink beleidiget/ hin-
D d d dweg
[578]Drittes Buch.
weg gefuͤhret haͤtten; wohin ſie es fuͤhren wollen/ und warumb es ſo ſchaͤndlich verwundet
worden. Worauff ſie endlich durch erſchrekliche ſchwere Pein uͤbernommen/ einhellig be-
kennet: Sie waͤhren Gebruͤder aus Mantua/ haͤtten nach ihrer Mutteꝛ Tode ihren Stief-
Vater erſchlagen/ umb deſſen groſſe Guͤter zugenieſſen/ die er ihnen ohn das ſchon erblich
vermacht gehabt/ und ſie ſeinen Tod nicht abwarten wollen; weil aber der Hausknecht den
Mord ohngefehr geſehen/ haͤtten ſie ſich muͤſſen aus dem Staube machen/ waͤren nach vie-
len umlauffen/ dieſer oͤrter in Teutſchland angelanget/ und in eine ſtarke Raͤuber-geſelſchaft
von allerhand Landsleuten gerahten/ welche ſich ſtehlens und Straſſenraubes nehreten/ be-
zeichneten auch den Ort/ da ſie ſich auffhielten/ und bekenneten ferner/ Katullus haͤtte bey
dem damahligen Gefangenen/ dem das Leben geſehenket worden/ der Raͤuber-geſelſchafft
zuentbohten/ umb welche Zeit ſie ihm ein Pferd ſenden ſolten/ auff welchem er ihnen ſeinen
Schuͤler zufuͤhren wolte/ den hernach ſeine Eltern mit groſſem Gelde loͤſen wuͤrden; als
er nun der folgenden Reuter gewahr worden/ haͤtte er beydes das Herrlein und ſich ſelbſt
ermorden wollen/ waͤhre aber durch des Meſſers Zerbrechung daran verhindert worden.
So bald Herkules vom Schlaffe erwachet wahr/ erzaͤhlete er ſeinen Eltern/ wie Katullus
etliche Tage her ihn mit ſich hinaus vor dz Schloß hinter eine Hecke gefuͤhret/ vorgebend/
im gruͤnen lernete ſichs am beſten; als er nu geſtern ein grauſen in ſeinem Herzen empfun-
den/ und anfangs mit ihm nicht hinaus gehen wollen/ einwendend/ ihm waͤhre etwas uͤbel/
haͤtte er ihm vorgetragen/ er haͤtte des vorigen Tages ein Neſt voll junger Haſen in der be-
kanten Hecke gefunden/ welche ſie ausnehmen/ und auff ihrer Lerne-Stuben groß zihen
wolten; wodurch er ſich auffſprechen laſſen/ und waͤhre mit ihm hinter die Hecke gangen/
woſelbſt ihn der Raͤuber mit der dicken Fauſt vor die Stirn geſchlagen (deſſen er noch em-
pfuͤnde)/ daß er nidergeſtuͤrzet waͤhre/ haͤtte ihm alsbald ein zuſammen gewickeltes Tuch in
den Mund geſtopffet/ und eins umb die Augen gebunden/ mit hoher Bedraͤuung/ wo er ei-
nigen Laut von ſich geben wuͤrde/ wolte er ihm die Gurgel abſchneiden; haͤtte ihn ein wenig
fortgeſchleppet/ nachgehends ſich zu Pferde geſetzet/ und mit ihm auffs hefftigſte davon ge-
eilet/ worauff es aber angeſehen/ oder wohin ſie ihn fuͤhren wollen/ haͤtte er nicht gewuſt/ biß
gegen den Abend ſie ſich mit ihm unter den groſſen Baum geſetzet/ und ihn heiſſen gutes
muhts ſeyn/ es ſolte ihm nichts boͤſes wider fahren/ nur muͤſte der Groß Fuͤrſt ihnen viel
tauſend Kronen vor ſeine Erloͤſung geben. Alsbald ſchickete der Groß Fuͤrſt eine Reuter-
Schaar 300 ſtark an den Ort/ woſelbſt das Raͤuber-geſindle ſich auffhielt/ zwo groſſe Ta-
gereiſen vom Schloſſe gelegen/ traffen dieſelben in guter Sicherheit an/ und namen ſie al-
leſamt/ an der Zahl LXXV gefangen/ da ſie gute Beute bey ihnen funden/ und fuͤhreten ſie
mit ſich/ welche alle mit einander umb das Koͤnigliche Schloß her an Baͤume auffgehen-
ket wurden; So bald das Herrlein wieder gehen kunte/ wurden die beyden Raͤuber hinge-
richtet/ Katullus mit gluͤenden Zangen viermahl gezwakt/ und hernach vier groſſen hunge-
rigen Woͤlfen vorgeworffen/ die ihn jaͤmmerlich zuriſſen/ welches alles ſein Bruder anſe-
hen muſte/ der mit den Zangen verſchonet ward/ aber erſtlich hefftig geſtrichen/ und nach-
gehends eben dieſen Woͤlfen zur Speiſe uͤbergeben; welcher Straffe Herkules zuſahe/ uñ
ſie doch nicht billichte/ vorgebend/ es waͤhre zu grauſam/ mit einem Menſchen dergeſtalt zu
verfahren; haͤtte es auch gerne verbehten/ wann ers erhalten moͤgen; ſeine Fr. Mutter a-
ber
[579]Drittes Buch.
ber unterrichtete ihn/ es muͤſte ſolche ſcharffe Straffe ihnen angelegt werden/ auff daß an-
dere dadurch von dergleichen Vornehmen abgeſchrecket wuͤrden/ geſtaltſam mannicher
verwaͤgener Bube/ nicht ſo viel den Tod ſelbſt/ als die Pein fuͤrchtete. Nach vollſtrecketer
Urtel wurden den Teutſchen Schutz-Goͤttern nicht allein wegen geſchehener gnaͤdigen
Rettung/ viel Opffer geſchlachtet/ ſondern auch/ daß ſie hinfuͤro ſich des jungen Herrleins
Heil uñ Wolfahrt wolten angelegen ſeyn laſſen/ welcher ſchon ſolche Luſt/ Kunſt Tugend
und Sprachen zu lernen/ in ſeinem Herzen empfand/ daß er bey ſeinem H. Vater taͤglich
anhielt/ ihm einen getraͤuen Lehrmeiſter zuzuordnen; welcher aber ohn das ſchon hieruͤber
bemuͤhet wahr/ und in Erfahrung brachte/ dz ein vornehmer Teutſcher Herr einen erkauff-
ten Roͤmer/ Nahmens Tibullus bey ſeinen Kindern hielte/ die nunmehr die Buͤcher bey-
ſeit legen/ und dem Kriegsweſen nachzihen ſolten. Dieſen verſchrieb der Groß Fuͤrſt; und
als er ſich einſtellete/ ließ er ihn in beyſeyn etlicher vornehmer Herren vor ſich treten/ und
redete ihn alſo an: Was vernuͤnfftige Eltern ihren Kindern ſchuldig ſind/ wolte ich den
meinen ungerne entzihen/ damit ſie nicht dereins Urſach haben moͤgen/ mich in der Grube
zuverfluchen. Leib und Leben/ Land und Leute hat dieſer mein Sohn (der vor ihm ſtund) durch
der Goͤtter Gnade von mir teils empfangen/ teils zuhoffen; welches alles aber ihn nit gluͤk-
ſelig machen kan/ dafern ſein Gemuͤht wilde und ungebauet bleiben ſolte. Vor weniger
Zeit ſetzete ich ihm einen Lehrmeiſter vor/ welchem ich das Leben ſchenkete/ da ich ihn auf of-
fentlichem Straſſen Raube ertappete/ vermachte ihm daneben eine ehrliche Jahrsbeſtal-
lung/ und ließ ihn bey meinen vornehmſten Hofeleuten/ ja zuzeiten/ wann ich allein wahr/
uͤber meinem Tiſche Speiſe nehmen/ ihn durch ſolche Gnade anzulocken/ daß er bey mei-
nem Sohn Traͤu und Fleiß anwenden ſolte; welches er aber mit ſolchem ſchaͤndlichen
Undank erſetzet hat/ daß er anfangs mein liebes Kind mir zurauben/ nachgehends gar zu
ermorden ſich unterwinden duͤrffen/ deſſen ich/ andern zum Beyſpiel/ ihm abſcheuhliche
Straffe erteilen muͤſſen. Nun habe ich zu dir viel ein ander Vertrauen/ als deſſen Froͤm-
migkeit/ Wiſſenſchafft und Fleiß mir von deinem vorigen Herrn geruͤhmet iſt/ daher ich
dir nicht zum Schrecken/ ſondern zur bloſſen Erkaͤntniß jeztgedachte Begebniß vorſtellen
wollen/ der Hoffnung gelebend/ du werdeſt nit minder bey mir/ als vorhin bey andern dich
redlich und traͤufleiſſig finden laſſen/ ſo daß du dieſen meinen Sohn ohn alle gegebene aͤr-
gerniß (welche der Jugend ſchaͤdlichſter Gifft iſt) zur Furcht und Liebe der unſterblichen
Goͤtter halteſt/ der Tugend innerliche Schoͤnheit ihm angenehm und bekant macheſt/ und
in Griechiſcher und Lateiniſcher Sprache/ auch andern Wiſſenſchafften ihn unterweiſeſt.
Wirſtu dieſes nach Vermoͤgen leiſten/ ſo ſol dir uͤberfluͤſſig an Speiſe uñ Trank/ Kleidung
und geziemenden Schmuk gereichet/ ein Reitpferd ſamt einem Diener gehalten/ und zur
jaͤhrlichen Beſtallung 400 Kronen aus gefolget werden/ nebſt Fuͤrſtlicher Verſprechung/
daß ich dich uͤber acht Jahr reichlich begabet/ in vollkommene Freyheit ſetzen/ und in dein
Vaterland zihen laſſen wil; wuͤrde dir aber gefallen/ bey mir zubleiben/ ſoltu bey mir haben/
was du wuͤnſchen wirſt/ und dein Stand ertragen kan. Tibullus durch ſo hohes verſprechẽ
faſt entzuͤcket/ ſetzete ſich vor dem Groß Fuͤrſten auff die Knie/ und nachdem ihm von dem-
ſelben ernſtlich befohlen wahr aufzuſtehen/ antwortete er alſo: Großmaͤchtigſter Großfuͤrſt/
gnaͤdigſter Herr; Euer G F. Durchl. ich unwirdigſter Knecht/ finde weder Worte noch
D d d d ijVermoͤ-
[580]Drittes Buch.
Vermoͤgen/ eine ſo hohe Gnade zubeantworten/ geſtaltſam ich meine Leibeigenſchafft wol
erkenne/ in welcher ich ſchon uͤber ein Jahr/ wiewol in leidlicher Dienſtbarkeit zugebracht
habe/ nachdem ich im Streit/ da ich XVII Jahr alt wahr/ gefangen/ uñ nach Kriegsbrauch
meiner Freyheit beraubet bin. Daß nun Eure G F. D. mir einige Hoffnung/ ſelbe dereins
wieder zuerlangen/ gnaͤdigſt machen wollen/ verbindet mich ungleich mehr zu aller Traͤue
und moͤglichem Fleiſſe/ als wann mir eine ganze Herrſchafft wirklich eingeraͤumet wuͤr-
de/ maſſen ich von einem vornehmen Roͤmiſchen Herrn/ wiewol als ein Baſtard Sohn
erzeuget/ und auff den fall meiner Freyheit von demſelben groſſe Befoderung zuhoffen ha-
be. Ich bin zwar erſt von XIIX Jahren/ aber von erſter Jugend an in Kuͤnſten und Spra-
chen wol unterwieſen/ da ich kaum aus der Schuele trat/ uñ wie geſagt/ in die Knechtſchaft
fiel/ verſpreche auch bey Verluſt aller Goͤtter Gnade/ und daß dieſelben mich mein gelieb-
tes Vaterland nimmermehr wieder ſehen laſſen/ dafern ich einiges vermoͤgen ſpare/ in un-
terweiſung dieſes Durchleuchtigen jungen Herrleins anzuwenden/ deſſen Augen und Be-
zeigung nebeſt der vortrefflichſten Geſtalt mir ſchon einen gewuͤnſchten Verſtand und Lie-
be zur Tugend ſehen laſſen/ daher ich nicht zweifele/ die Goͤtter werden aus ihm ſchier heut
oder morgen einen ſolchen Fuͤrſten werden laſſen/ deſſen Ruhm und Tahten den groͤſten
Teil der Welt durchſchallen ſollen. Dafern nun Eure G F. D. gnaͤdigſt geruhen wird/ miꝛ
etliche begehrte Buͤcher von Koͤln zuverſchreiben/ wil mit der Goͤtter Huͤlffe dieſen jungen
Fuͤrſten ich in wenig Jahren ſo weit anfuͤhren/ daß die allerſchwereſten Geſchicht Buͤcher
der Griechen und Lateiner er ohn muͤhe leſen und verſtehen ſol. Dieſes Verſprechen ließ
ihm der Groß Fuͤrſt wol gefallen/ gab ihm alsbald neue Kleider/ und raͤumete ihm ein luſti-
ges Gemach ein/ da dann das junge Herꝛlein ſo willig zu den Buͤchern wahr/ daß man ihn
davon reiſſen/ und zum eſſen noͤhtigen muſte; dann er liebete dieſen ſeinen Lehrmeiſter herz-
lich/ welcher ein geſchikter frommer und Gottfuͤrchtiger Menſch wahr/ hatte auch ſolche
Zuneigung gegen dieſen ſeinen Schuͤler (welchen er einen Wundermenſchen zunennen
pflegete) gefaſſet/ daß ihn dauchte/ er wuͤrde ihn ſchwerlich ſein lebelang verlaſſen koͤnnen;
Der junge Herr lernete auch in zwey Jahren ſo trefflich/ daß er nicht allein Latein uñ Grie-
chiſch fertig leſen und artig ſchreiben/ ſondern ein jedes Ding in dieſen Sprachen nennen/
und was er begehrete/ ohn Anſtoß fodern kunte. Kurze Zeit nach Beſtellung dieſes wolge-
rahtenen neuen Lehrmeiſters/ beſuchte der Großmaͤchtigſte Koͤnig in Boͤhmen Herr Note-
ſterich/ ſeinen Schwager und Oheim Groß Fuͤrſt Henrich/ dann er hatte deſſen/ und mei-
ner Fr. Mutter leibliche Schweſter zum Gemahl/ fuͤhrete auch ſeinen Sohn und einigen
maͤnlichen Erben des Koͤnigreichs Herrn Ladiſla mit ſich dahin/ welcher der Zeit ohnge-
ſehr von X Jahren/ und drey Jahr aͤlter als Herkules wahr. Pharnabazus fiel ihm hier
in die Rede (weil er der Groß Fuͤrſtin Saptina einen Trunk muſte beſcheid tuhn) und ſag-
te: Dieſen Fuͤrſten und jetzigen Koͤnig in Boͤhmen kenne ich/ dann er hielt gleich zu meineꝛ
Zeit mit des Stathalters zu Padua Frl. Tochter daſelbſt Beylager/ da ich die groſſe Eh-
re gehabt/ ſo wol dem Freyſtechen als Ringelrennen beyzuwohnen/ und zwar unter dieſer
Gunſt/ daß man mir allerdinge unbekanten den hoͤchſten Preiß (ob ichs gleich nicht ver-
dienete) eingeliefert hat/ der mir inſonderheit wegen des Ringelrennens nicht gebuͤhret
haͤtte/ maſſen Fuͤrſt Herkules mir im ſelbigen weit uͤberlegen wahr/ und muß bekennen/ daß
ein
[581]Drittes Buch.
ein ſo vollkommener Meiſter dieſes Spiels mir niemahls vorkommen iſt/ geſtaltſam er nit
keinen Fehl Ritt taht/ ſondern allemahl das Ringelein ſehr kuͤnſtlich/ und bald mit der rech-
ten/ bald mit der linken Hand hinweg nam/ welches allen Zuſehern groſſe Beluſtigung uñ
verwundern erweckete; Weil er aber bald anfangs ſich bedingete/ daß er nicht umb den
Preiß/ ſondern bloß zur Ergetzung mit rennete/ habe ich mir den Dank muͤſſen auffdringen
laſſen. Phraortes der Groß Fuͤrſt fragete/ ob dann dieſer Fuͤrſt nicht mit geſtochen haͤtte;
Nein/ antwortete er/ dann ſo viel ich verſtund/ hatte er neben ſeinen Geſellen Koͤnig Ladiſla/
(welcher ſo wol als jener/ ſich nur bloß einen Herrn nennen ließ) das Ritterſpiel angeſtel-
let/ wiewol ihm bald anfangs dieſes Stechens ein ſehr verwaͤgener Ritter auff Leib und
Leben abſagen ließ/ mit dem er aber auſſer den Schranken bald fertig ward/ und ihm ſeines
Schwerts Schaͤrffe dergeſtalt mitteilete/ daß ich gerne bekenne/ dergleichen Gefecht nie
geſehen zuhaben. Er iſt noch ſehr jung/ und hat noch kein Haͤaͤrlein umb den Mund/ wuſte
ſich aber auff der Schau Buͤhne der maſſen ernſthafftig und freundlich zuhalten/ daß jedeꝛ-
man ihn beydes zulieben und ehren gezwungen ward. Zu ſeiner Rechten ſaß ein wunder-
ſchoͤnes Fraͤulein/ deren er mit reden gar geheim wahr/ und ließ ich mich berichten/ daß ſie
eines ſehr vornehmen Roͤmiſchen Herrn Tochter/ und mit Koͤnig Ladiſla Gemahl blut-
nahe verwand waͤhre/ und haͤtte er ſie vor weniger Zeit aus der Hand eines maͤchtigen Roͤ-
miſchen Ritters erloͤſet/ wuͤrde ſie auch ehiſtes heyrahten. Dieſe lezten Worte durchſchnit-
ten Herkuliſkus das Herz und die Seele dermaſſen/ als ob ein Blitz oder Donnerkeil da-
durch gefahren waͤhre/ er erbleichete gar im Angeſicht/ und meynete vor Herzensangſt den
lezten Geiſt und Odem auszublaſen/ ſo daß die Haͤnde bey ihm niderſunken/ uñ das Haͤupt
auf ſeine rechte Schulder ſich neigete; deſſen Arbianes wahrnemend/ ſchleunig aufſprang/
ihn ruͤttelte und ſchuͤttelte/ auch mit einem Glaſe Wein unter dem Geſichte begoß/ daß er
endlich wieder zu ſich ſelber kam. Frl. Barſene kunte dasmahl ihre Zuneigung nicht ber-
gen/ ſondern trat mit hinzu/ und fragete mit bewaͤglicher Stimme/ ob ihm eine Machtloſig-
keit zuſtieſſe; worauff er ſich bald ermunterte/ und ihr zur Antwort gab: Er wuͤſte ſelbſt nit
eigentlich/ wie ihm geſchaͤhe/ welches die ganze Zeit ſeines Lebens ihm niemahls begegnet/
ſchaͤmete ſich auch faſt ſehr/ in ſo Hochfuͤrſtlicher Geſelſchafft einige Ungelegenheit zuma-
chen/ und gab vor/ er muͤſte ſich etwa in heutigem Gefechte zu hefftig bemuͤhet haben; baht
endlich bey Pharnabazus umb Verzeihung/ daß er ſeine Eꝛzaͤhlung geſtoͤr et haͤtte/ und hielt
fleiſſig an/ ſein vorgenommenes auszufuͤhren/ wie das Stechen abgelauffen/ und ob ſein O-
heim Herkules das treffliche Fraͤulein ſchon geheyrahtet haͤtte; wor in er ihm gerne zuwil-
len wahr/ auch endlich hinzu taht/ er håtte Fuͤrſt Herkules angeloben muͤſſen/ nach geendig-
ter ſeiner Reiſe nach Rom/ ihm zu Padua zuzuſprechen/ aber wie er daſelbſt wieder ankom-
men/ waͤhre die ganze Stad vol traurens geweſen/ wegen des Verluſts einer jungen Fraͤu-
lein/ Koͤnigs Ladiſla Frl. Schweſter/ welche von Raͤubern entfuͤhret/ und von Herkules/
Ladiſla/ und des Stathalters Herrn Fabius Sohn embſig nachgeſuchet wuͤrde. Herkuliſ-
kus beſtuͤrzete wegen dieſer Rede/ fuͤrchtete ſich ſehr/ in Argwohn genommen zuwerden/ uñ
antwortete als aus groſſer Verwunderung: Ach mein Gott! iſt dieſes allerliebſte Fraͤu-
lein/ meine nahe Anverwantin dann auch geraubet worden? jezt erinnere ich mich eines
Teutſchen Pfaffen ungluͤkliche/ aber wie ich vernehme/ warhaffte Weiſſagung/ welcher/ da
D d d d iijich
[582]Drittes Buch.
ich mit dieſem Fraͤulein einsmahls ſpielete/ zu den anweſenden ſagete: Dieſe beyde werdẽ
faſt auff eine Zeit verlohren/ aber nicht auff eine Zeit wieder gefunden werden; fragte auch
fleiſſig nach/ wie lange es wol ſeyn moͤchte/ daß dem Fraͤulein ſolches Ungluͤk zugeſtoſſen/ uñ
ob Herkules und die andern mit ſtarker Geſelſchafft zur Nachſuchung ausgezogen waͤhrẽ.
Er antwortete: Die Entfuͤhrung waͤhre ohngefehr vor vier Monat geſchehen; ſahe in ſein
Handbuͤchlein/ und fand/ daß es CXIIX Tage waͤhren; meldete nachgehends/ daß wie Herꝛ
Herkules der Fraͤulein Verluſt erfahren/ er wie ein todter Menſch zur Erden niederge-
ſunken waͤhre/ daß ederman gemeynet/ er haͤtte ſein Leben vor groſſer Herzenspraſt und
Angſt auffgegeben; nachdem er aber wieder er quicket worden/ haͤtte er ohn genommenen
Abſcheid ſich mit etlichen zu Pferde geſetzet/ und X Raͤuber/ die eine gefangene Jungfer von
der Fraͤulein Geſelſchafft bey ſich gehabt/ in einem Flecken angetroffen/ und ſie alle ſeinem
Geſellen uͤbergeben/ ohn daß er mit einem Råuber ſich zu fuſſe davon gemacht/ umb das
Fraͤulein zuſuchen/ und wie er ausgeforſchet/ daß ſie nach dem Meer zugefuͤhret worden/
ihr alsbald gefolget; ſein Geſelle aber H. Ladiſla und der junge Fabius haͤtten ſich hernach
mit zwey ausgeruͤſteten Schiffen auffgemachet/ beydes das Fraͤulein und ihren Freund
Herkules zuſuchen/ wie mir ſolches/ ſagte er/ von einem vornehmen Rahtsverwanten zu
Padua eꝛzaͤhlet. Wie kunte aber mein Oheim Herkules ſein geliebtes Roͤmiſches Fraͤu-
lein ſo verlaſſen/ ſagte Herkuliſkus/ und dieſer ver lohrnen nachſetzen? dann ob ſie gleich na-
he verwand/ gehet doch ohn Zweifel die Liebe der Blutfreundſchafft vor/ inſonderheit/ weil
ich verſichert weiß/ daß er dieſer Fraͤulein ſehr wenige Kundſchafft hat. Ja/ antwortete er/
eben aus dieſer eiferigen Nachfolge und erzeigeter groſſer Traurigkeit hat man eigentlich
gemuhtmaſſet/ daß ſein Herz einer andern/ als dieſer Roͤmerin/ muͤſſe geſchenket ſeyn; und
die runde Warheit zubekennen/ gab ich genaue acht auff ſeine Unterredung/ die er auff der
Schau Buͤhne mit dem Fraͤulein fuͤhrete/ merkete aber an ihm duꝛchaus keine ſolche Blic-
ke/ welche den verliebten Geiſt zuverrahten pflegen. Doch haͤlt dieſes Fraͤulein ſich annoch
zu Padua auff/ mag auch etwas Hoffnung zur kuͤnfftigen Heyraht haben/ welches ich ſo
eben nicht wiſſen kan/ aber ohn Zweifel iſt es/ daß ſie mit der Boͤhmiſchen Jungfer/ die ein
ſehr feines adeliches Bilde von Leibe und Geſtalt iſt/ in ſonderlicher Freundſchafft lebet.
Durch dieſe Reden ward Herkuliſkus wieder erquicket/ und feindete ſich ſelber an/ daß er
ſolche Gedanken von ſeinem auffrichtigen ergebenen Herkules ihm einbilden koͤnnen/ faſſe-
te auch die gewiſſe Hoffnung der ſchierkuͤnfftigen Erloͤſung/ weil man in Nachſuchung ſei-
ner ſo embſig wahr/ ſchlug alle Furcht und Gefahr aus dem Sinne/ und trug faſt Verlan-
gen dem Parther Koͤnige geliefert zuwerden/ der feſten Zuverſicht/ deſſen Gemuͤht durch
ehrliebende Reden von aller unbillichen Liebe oder anmuhten abzulenken/ uñ in Erzeigung
ſeiner Großmuͤhtigkeit und Waffen-Erfahrung/ ſein weibliches Geſchlecht zuverbergen/
darinnen er ſich aber betrogen fand. Pharnabazus ſahe/ daß ſeine Mattigkeit ſich geleget
hatte/ und meynete ihn zu fernerer Erzaͤhlung von Herkules Leben anzufuͤhren/ aber der
Groß Fuͤrſt befuͤrchtete/ es moͤchte ihm die Ohmacht wieder kommen/ und hielt vors beſte/
daß man ſich zur Ruhe begaͤbe/ weil es ohn das zimlich ſpaͤte/ und ihm folgendes Tages viel
Geſchaͤffte oblagen; womit das Frauenzimmer wol zufrieden war/ ohn daß Frl. Barſene
gerne noch etliche Stunden bey ihm haͤtte ſitzen moͤgen/ die in ihrem Gemuͤte alle gedanken
umlauffen
[583]Drittes Buch.
umlauffen ließ/ durch wz mittel ſie ihm ihre herzliche ehrliebende Zuneigung uñ verliebete
Seele zuverſtehen gebẽ koͤnte/ worauf ſie auch die ganze Nacht uͤber bedacht war. Arbianes
eriñerte damals ſeinen geliebten Herkuliſkus der heutigẽ an muhtung/ uñ dz er ſein Schlaf-
geſelle zu ſein ſich nit wegern moͤchte der ihm zur Antwort gab: Er waͤre ſeinẽ Fuͤꝛſten nach
aller moͤgligkeit auffwaͤrtig/ fuͤrchtete aberſehr/ dem ſelben hiedurch Ungelegẽheit zu ſchaf-
fen/ angeſehen ſein getahnes Geluͤbde ihn verbuͤnde/ keine Nacht auſſeꝛ den taͤglichen Klei-
dern zu ſchlaffen/ biß er ſehen wuͤrde/ was eigentlich Gottes Verſehung mit ihm vor haͤt-
te. Dieſer ließ ſich dadurch von ſeinem Vorhaben nicht abwendig machen/ ſo gar/ daß er
ſich er boht/ gleichergeſtalt in ſeinen Kleidern zu ſchlaffen/ daher Herkuliſkus alle entſchul-
digung benommen ward/ und mit ihm nach Bette gehen muſte/ ſtellete ſich auch/ als ob er
geſchwinde feſt eingeſchlaffen waͤhre/ welches Arbianes von weiterem Geſpraͤche abhielt/
weil er ihn in der Ruhe nicht ſtoͤren wolte/ wie wol er aus Herzbruͤderlicher Liebe ihn etli-
chemahl freundlich kuͤſſete/ auch ihm den Arm unterlegete/ in welchem er die halbe Nacht
hindurch lage. Des Morgens/ da ſie vom Schlaffe erwacheten/ ſuchte Arbianes die ver-
trauliche Freundſchafft mit ihm feſter zu legen/ uñ red te ihn mit dieſen Worten an: Ihr
mein allerliebſter und werdeſter Freund/ ich kan mich nicht gnug verwundern/ aus was
Urſachen ihr euch ſo niedrig und unweꝛd halten moͤget/ da doch eure allernaͤheſte Blutver-
wanten/ Koͤnige und Groß Fuͤrſten ſind/ woraus dann Sonnen klar erſcheinet/ daß ihr e-
ben des Standes ſeyn muͤſſet; ſo gelanget demnach an euch mein freundliches Erſuchen/
mich hinfuͤro mit hohen Ehren-benahmungen nicht zu beſchweren/ wie geſtriges tages mit
meinem Verdrus geſchehen iſt. Meine herzliche Zuneigung gegen euch an den Tag zuge-
ben/ kan ich durchaus nicht umbhin/ welcher Liebes Brunnen die Gedanken meiner Seele
durch der Zungen Dienſt aus dem innerſten hervor treibet/ daß ich bey euch Anſuchung zu
tuhn gezwungen werde/ mich forthin vor einen Bruder auffzunehmẽ (weil ihr ja von mei-
ner Fr. Mutter vor einen Sohn erwaͤhlet ſeid/ und vor einen ſolchen Verbundenen mich
zu halten) der hiemit aͤ [...]dlich verſpricht/ ſein Leib und Leben/ und alles was ich irgend bin uñ
vermag/ ohn einige Bedingung oder Außnahme zu eurem beſten anzuwenden. Wann ihr
nun nicht die Urſach meiner ſtets wehrenden Traurigkeit und betruͤbnis ſein wollet/ wer-
det ihr meine getahne Bitte bey euch Stat und Raum finden laſſen. Herkuliſkus wahr
aus allen ſeinen Handlungẽ gnug verſichert/ dz er nichts ertichtetes redete/ wolte ſich auch
nicht unhoͤfflich gegen ihn ſtellen/ noch ſein Anſuchen abſchlagen/ und antwortete ihm alſo:
Ach mein allerliebſter Fuͤrſt/ und herzengewogener Freund; mit was Dienſterweiſungen
kan oder ſol ich immer und ewig dieſe hohe angebohtene Gunſt erſetzen/ welche recht zube-
trachten/ mein Gemuͤht viel zu unverſtaͤndig/ mein Herz viel zu bloͤde iſt; muß demnach
ich die Vergeltung bloß allein von Gott erbitten/ welcher dañ ohn zweiffel dieſe mir armen
geraubeten Juͤngling erwieſene Gnade zubezahlen ſich wird finden laſſen. So viel meinen
Stand betrifft/ wird derſelbe zwar in meinem Vaterlande Fuͤrſten gleich gehalten/ weil
mein Vater ein gewaltiger Feldherr uͤber mehr als 100000 Mann wahr/ wie wol der Ge-
burt nach nur Herꝛen-ſtandes/ wie etwa Herr Mazeus/ dabey ich doch nicht leugne/ daß
meine Fr. Mutter des maͤchtigſten Groß Fuͤrſten der Teutſchen eheleibliche Tochter iſt.
Aber geſetzet/ ich waͤhre mit meinem aller liebſten Fuͤrſten gleiches Standes; bin ich dann
nicht
[584]Drittes Buch.
nicht ein armer geraubeter Knabe/ von den meinen ſo weit entfernet/ daß meine Heimfuͤh-
rung niemande als dem Alwaltigen Gott moͤglich iſt? doch weil unangeſehẽ meines Elen-
des/ mein gnaͤdigſter Groß Fůrſt und Herr/ Herr Phraortes mir ſo hohe Gnade wieder-
fahren laͤſſet/ daß er mich als einen Fuͤrſten haͤlt/ und meine gnaͤdigſte Groß Fuͤrſtin ſich
mir zur Mutter angebohten/ muß ich dann nicht hinwiederumb/ nicht allein deren Durch-
leuchtigkeiten/ ſondern auch ihrem wirdigen Sohn die gebuͤhliche Ehre bezeigen? Mein
Fuͤrſt beut meiner Unwirdigkeit den liebreichen Bruder Nahmen an: O waͤhre ich in dem
Stande/ daß denſelben anzunehmen ich in etwas nur moͤchte beſtand ſeyn! von Bruͤder-
licher Bewaͤgung/ die mich zu meinem Fuͤrſten hinreiſſet/ iſt mein Herz auffgequollen/
ſol auch in meiner Seele beſtaͤndig verbleiben/ wann ſie ſchon von dem Leibe als ihrer kuͤm-
merlichen Herberge frey und loß ſeyn wird; unterdeſſen aber goͤnne mir mein Fuͤrſt/ bitte
ich ſehr/ ihn zum wenigſten nuꝛ in anderer Leute Gegenwart gebuͤhrlich zu ehren/ daß nicht
durch deſſen unterlaſſung ich von andern unhoͤfflich angeſehen werden/ und daher in ver-
achtung fallen moͤge; wann als dañ meinem werten Fuͤrſten es alſo gefaͤllet/ ihm/ da wir
ohn auffmerker allein ſeyn/ den ſuͤſſen Brudernahmen mit der Zungen zuzulegen/ den das
Herz ohn auffhoͤren außruffet/ wil ich gerne und willig gehorſamen. Auff dieſes Erbieten
umbfing ihn Arbianes Bruͤderlich/ und ſchwuren einer dem andern alle moͤgliche Traͤue/
als lange ſie an beyden Seiten (welches Herkuliſkus nicht ohn Urſach hinzu taht) der wah-
ren Fuͤrſtlichen Tugend ſich befleiſſigen wuͤrden. Worauff Arbianes einen ſchweren Seuf-
zen ließ/ und mit traͤhnen den Augen zu ihm ſagete ꝛ O mein trauten Bruͤderchen/ wie aͤng-
ſtet ſich meine Seele/ daß ich des vermoͤgens nicht bin/ eure Lieferung nach Charas zu hin-
dern; doch werde ich noch mannichen gedanken faſſen/ ob ich etwas darzwiſchen werffen
moͤchte. Stille ſtille mein allerliebſter Fuͤrſt und Bruder/ antwortete er/ und laſſet bey Leib
und Leben euch ſolches Vornehmens nicht geluͤſten; dann hat Gott es alſo beſchloſſen/ je
warumb ſolte ich mich dann wegern/ dem groſſen Koͤnige mich darzuſtellen? wer weis/ ob
er nicht noch Mitleiden mit mir hat/ wann er meines Unfals berichtet wird? iſt aber alle
Liebe zur Tugend und Erbarkeit in ihm erloſchen/ weis ich doch noch ein Mittel mich von
ſeiner Greuligkeit loßzubrechen. Nicht deſtoweniger gehe es nach Gottes Willen/ ich
bleibe von Charas nicht hinweg/ nach dem ich einmahl vernommen/ daß eurem H. Vater
einige Gefahr auff meiner nicht-Lieferung ſtehen koͤnte; daher wird mein Fuͤrſt und Bru-
der die Befoderung tuhn/ daß ich eh iſt dahin gefuͤhret werde; dann je zeitiger ich dahin
komme/ je fruͤher ich dieſen lieben Ort beſuchen kan. Arbianes wuͤnſchete hierauff/ daß er
mit zihen/ und einerley Gluͤk und Gefahr mit ihm gemein haben moͤchte/ jedoch wolte er
die Tage ſeiner Anweſenheit nicht kuͤrzen laſſen/ die ſein H. Vater ihm geſtriges tages ver-
ſprochen/ gelebete auch der Hoffnung/ er ſelbſt wuͤrde ihm dieſe kurze Zeit ſeiner Gluͤkſelig-
keit goͤnnen. Machten ſich hiemit von ihrem Lager auff/ und gingen nach dem groſſen Gaſt-
Saal/ wo ſelbſt das Frauenzimmer ihr Geſpraͤch von Herkuſiſkus fuͤhrete/ und deſſen nicht
eins werden kunten/ ob Schoͤnheit/ oder Verſtand/ oder Liebe zur Tugend/ oder Freund-
ligkeit/ oder Waffens erfahrenheit/ oder der unuͤberwindliche Muht am meiſten an ihm zu
ruͤhmen waͤhre. Als er zum Gemache hinein trat/ und vor erſt der Groß Fuͤrſtin/ nachge-
hends Fr. Roxanen und Frl. Barſenen die Haͤnde mit ſonderlicher Anmuhtigkeit kuͤſſete/
ward
[585]Drittes Buch.
ward er nicht anders als ein Sohn uñ Bruder empfangen/ wie wol das Fraͤulein ihm den
Bråutigams Nahmen am liebſten gegeben haͤtte; nam ihr auch gaͤnzlich vor/ bey erſter
Gelegenheit ihm die Rede vorzutragen/ welche ſie dieſe Nacht außgeſinnet hatte/ welches
aber dieſen Tag ſich nicht fugen wolte/ aber des naͤhſt folgenden gluͤckete es ihr/ daß ſie auff
einem Umgange ſich bey ihm allein befand/ weil Arbianes von ſeinem Herr Vater weg ge-
fodert ward/ fing demnach mit ſchamhafftigen Geberden folgende bewaͤgliche Rede an:
Wann die Liebe durch Tugend erwecket/ der ganzen erbaren Welt wol anſtehet/ kan ich
meine Gedanken deſſen nimmer mehr bereden/ daß in tieffer Nachſiñung euer volkom̄en-
heiten ſie einigen Verweiß verdienen moͤgen/ es waͤhre dann/ daß allein Barſene in dem
ſuͤndigte/ was andern als gut und loͤblich außgeleget wird; weil aber dieſes eine unwitzige
Furcht ſeyn wolte/ ſcheuhe ich mich nicht zu bekennen/ daß der goͤttliche Herkuliſkus ſeiner
Barſenen Herz durch alles was an ihm ruhmwirdig iſt/ ihm dergeſtalt zu eigen verbundẽ
hat/ daß ihr der Tod angenehmer/ als die Vermeidung ſeiner Gegenwart ſeyn wuͤrde/ deſ-
ſen ſie doch keines ſo gar zeitig hoffet. Veꝛſichert euch/ mein in ehrẽ hoͤchſtgeliebter freund/
das mein Herz ſider des grimmigen Tihrs Erlegung ohngeruhet bemuͤhet iſt/ wie durch
eine Wiedergeltung meines dazumahl erhaltenen Lebens ich anzeige tuhn moͤge/ wie be-
reit willig ich bin/ meinem Erretter dankbar zu ſeyn/ ſo dz auch ſein Leben und was dem an-
haͤngig iſt/ der inſtehendẽ gefahr entriſſen werde; zwar durch Krafft uñ Staͤrcke vermag
ich weniger als nichts/ wiewol mein Gemuͤht faſt nicht zweiffelt/ ein Mittel erfunden zuha-
ben/ durch welches mein teurer Herkuliſkus nicht allein bey Mañheit/ Ehr/ und Leben blei-
be/ ſondern auch bey ſeiner geliebten Fr. Mutter friſch und geſund anlange. Wovor ich
ihn vor ſeinem Bette neulicher Zeit gewarnet/ iſt leider mehr als gewiß zubefahren/ dann
aus was vor Urſachen wolte man ihn dem unzuͤchtigen Koͤnige ſonſt zufuͤhren? Toͤchter
und Nifftel hat er nicht/ die man ihm zu verheyrahten gedaͤchte/ ſondern der Zweg dahin
mit ihm gezielet wird/ iſt Laſter und Schande/ deſſen ſchnoͤdes Werkzeug er wird wieder
ſeinen Dank und Willen ſeyn muͤſſen. Nun iſt der gerechten Roͤmer Gebiet nicht ſo gar
weit von hinnen/ welches wir in wenig Tagen mit ſchnellen Pferden erreichen koͤnnen/ uñ
ich den richtigſten Wegweiſer mit verheiſſung einer Anzahl Kronen bald zu wege bringen
wil. Mein allerſuͤſſeſter Freund wolle nur ſein Herz anſprechen/ ob daſſelbe mir die Her-
berge einer ſtets bleibenden Ehefreund in goͤnnen und geben kan/ als dann getraue ich den
Goͤttern/ ſie ſollen mit uns reiten/ und unſern Pferden die Sporen geben/ in ſolcher Si-
cherheit und Beſchirmung/ wie ſolches eure Volkommenheit und meine herzliche Liebe
verdienet. Dafern aber meinem Freunde weder der Anſchlag noch die Bedingung gefaͤl-
let/ wird er zum wenigſten hier aus ein Zeichen faſſen/ daß zu vergeltung der mir geleiſteten
Lebens Rettung ich nichts zu ſparen gemeinet bin/ wodurch ihm einiger Weiſe angeneh-
me Freundſchafft kan erzeiget werdẽ. Herkuliſkus haͤtte ſich einer ſolchen Erklaͤrung nim-
mer mehr verſehen/ daher er ſich auff eine Antwoꝛt ſo ſchleunig nicht beſinnen kunte/ jedoch
ſie zu keiner Verzweiffelung oder Wiederwillen zu reitzen/ umbfing er ſie mit beyden Ar-
men/ boht ihr auch unter ſchiedliche zuͤchtige Kuͤſſe/ und bedankete ſich herzlich der hohen
ehrliebenden Zuneigung/ die er mit einer ſolchen Liebe zuerſetzen aͤidlich angelobete/ welche
nimmermehr fehlen ſolte/ ſo viel in ſeinem Vermoͤgen waͤhre; wolte demnach hiemit ver-
E e e eſprechen/
[586]Drittes Buch.
ſprechen ſie vor ſeine ſtets bleibende herzens Freund in zu halten/ nur daß ſie nicht im un-
gleichen verſtehen moͤchte/ dz auff getahnen Vorſchlag er nicht alsbald Antwort gaͤbe/ weil
der Sachen Wichtigkeit eine kurze Bedenkzeit erfoderte. Er wolte weiter reden/ haͤtte ſich
auch faſt erkuͤhnet ihr ſein weibliches Geſchlecht zu entdecken; weil er aber Fr. Roxanen
herzu nahen ſahe/ (welches ihm ſehr lieb wahr) gab er ſeiner Rede die Endſchafft/ mit ver-
ſprechung/ gegen Abend ſich voͤllig herauszulaſſen. Fr. Roxane hatte daß Herzen und Kuͤſ-
ſen dieſer beyden ohngefehr durch ein Fenſter geſehen/ wobey ihr nicht ſo gar wol wahr/
weil ſie ſich einer ungebuͤhrlichen Liebe zwiſchen ihnen vermuhtete/ welches ſie doch ihrer
keinem zuſchreiben durffte/ und daher in zweiffel ſtund/ ob ſie ſich ihrer Wiſſenheit ſolte
merken laſſen; redete anfangs mit beyden freundlich/ biß Herkuliſkus Abſcheid nam/ da er-
innerte ſie ihre Frl. Schweſter/ es pflegte bey fremden Argwohn zuerwecken/ wann die
Fraͤulein mit Mannes bildern allein umbgingen/ zwar ſie haͤtte deßwegen gar keine Sorge/
aber boͤſe Nachrede zu meiden/ muͤſte man ſich offt auch in dieſem maͤſſigen/ welches an ſich
nicht aͤrgerlich waͤhre/ weil es boͤſe Maͤuler ungleich außdeuten koͤnten. Das Fraͤulein be-
[...]ch durch dieſe Zuͤchtigung in etwas beleidiget/ verſchmerzete es doch/ mit Vorwen-
[...]ſie glaͤubete nicht/ daß jemand hierdurch koͤnte geaͤrgert werden/ was zwiſchen ihnen
vorgangen waͤhre; wolte ſich doch ihrer Erinnerung ſchon wiſſen gemaͤß zuverhalten/ und
dabey dañoch der gebuͤhrlichen Hoͤffligkeit nicht vergeſſen/ durch welche ſie gehalten waͤh-
re/ von redlichen Leuten nicht baͤuriſch hinweg zulauffen/ welche ſie unter dem freien Him-
mel zuſprechen begehreten; wie ſie dann dieſem Tugendhafften zuͤchtigen Juͤnglinge/ we-
gen ihres Lebens Errettung vor dem Tiger/ noch wol ſchuldig waͤhre/ ſeine Reden anzuhoͤ-
ren/ welche auff nichts als Erbarkeit zieleten. Ihre Schweſter wolte ſich mit ihr nicht
zweien/ faſſete ſie bey der Hand/ und ging mit ihr zu der Groß Fuͤrſtin/ auff deren Zimmer
ſie ingeſamt den ganzen Tag mit mancherley Spiel zubrachten/ weil der Groß Fuͤrſt und
Pharnabazus mit geheimen wichtigen Haͤndeln beſchaͤfftiget/ erſt zur Abendmahlzeit ſich
einſtelleten/ nach deren Endigung Herkuliſkus das Fraͤulein hauſſen vorm Gemache allein
antraff/ da er nach gegebenem Kuſſe zu ihr ſagete: Hochwertes Herzgeliebtes Fraͤulein/
ich wieder hohle noch mahs/ daß mein Unvermoͤgen ihre hohe mir erzeigete Gewogenheit
nimmer mehr vergelten kan/ ob ich mich ihr gleich zum untrenlichen Freunde geliefert und
aͤidlich verbunden habe. Ihren heutigen Vorſchlag lieſſe ich mir gerne mit gefallen/ zwei-
ſele auch faſt nicht/ er duͤrffte gluͤklich von ſtatten gehen/ dafern ſolches unſer Gluͤk nicht
anderer Leute/ und zwar unſerer beſten Freunde gewiſſes Ungluͤk und Verderben nach ſich
fuͤhrete/ geſtaltſam der groſſe Koͤnig Artabanus ungezweiffelt davor halten wuͤrde/ es waͤh-
re unſere Flucht mit des Groß Fuͤrſten Vorbewuſt und einwilligung vorgenommen/ wor-
uͤber er in Land- und Lebensgefahr gerahten wuͤrde; zugeſchweigen/ daß der Groß Fuͤrſt
nicht anders muhtmaſſen koͤnte/ als Herr Mazeus haͤtte unſers tuhns gute Wiſſenſchaft/
oder zum wenigſten deſſen Gemahl/ eure Fr. Schweſter. Was vor Unheil nun denen hier-
aus er wachſen wuͤrde/ iſt unſchwer zuerrahten. Weil ich aber tauſendmahl lieber ſterben/
als zu ſolchem Ubel Urſach geben wolte/ muͤſſen wir unſern Rahtſchlag nohtwendig en-
dern/ und die Reiſe nach Charas ein willigen/ daß ich dem Koͤnige dargeſtellet werde; da
ich dann meinem Herzgeliebten Fraͤulein teur verſprechen wil/ aus dieſen Laͤndern nicht
zu
[587]Drittes Buch.
zuſcheiden/ als mit ihrem guten Willen und volkommener Erlaubniß. Solte ſie aber we-
gen der vor Augen ſchwebenden Gefahr meiner Ehren/ und was dem anhaͤngig/ in einiger
Furcht ſtehen/ ſo verſichere ich ſie bey dem heut geſchwornen aͤide/ daß ich ungezweifelte
Mittel weiß/ mich davon loßzubrechen/ welche mir entweder gerahten muͤſſen/ oder der
ſchandbahre Koͤnig ſol mir ſein Leben laſſen/ ehe und bevor ichtwas ungebuͤhrliches an mir
verrichtet wird. Das verliebete Fraͤulein/ da ſie ſahe/ daß er ſich nicht wolte abſchrecken laſ-
ſen/ wolte ihn dannoch ihrer Liebe verſichern/ uñ durch einen aͤid verſprechen/ ihr Herz nim-
mermehr keinem andern als ihm zuzuwenden/ welches Herkuliſkus merkend/ ihr in die re-
de fiel/ und ſie durch Gott baht/ damit einzuhalten/ weil er ihrer herzlichen getraͤuen Liebe
ſchon gnug vergewiſſert waͤhre/ daß ſie alſo mitten in der Rede abbrach/ und ihr vornehmẽ
nicht vollfuͤhrete. Es hatte aber Pharnabazus des vorigen Tages eine ſonderliche Gunſt
dieſem Fraͤulein zugewendet/ deſſen er ſich gleich wol nicht merken ließ/ und ging die Groß-
Fuͤrſtin eben mit den Gedanken umb/ ſie ihm zufreyen. Inzwiſchen wuſte der verſchlagene
Herkuliſkus ſich allerſeits in die Poſſen zuſchicken/ indem er ſich an dieſem Orte teils ver-
geblich von dem Fraͤulein/ teils ungenehm von Arbianes muſte lieben laſſen; dann dieſes
Schlaffgeſelle zuſeyn/ war ihm nicht allein zuwider/ ſondern fuͤrchtete ſich faſt/ ihren gelieb-
ten Braͤutigam dadurch zubeleidigen/ oder doch dermahleins boͤſen Verdacht und ſchlim-
me Nachrede zuerwecken.


Unterdeſſen reiſete Ladiſla mit ſeinen Gefaͤrten und Dienern friſch fort nach dem Par-
ther Lande zu; dann da ſie von Seleuzia abſchieden/ gingen ſie gar ſicher und unangefochtẽ
biß an den Eufrat/ da ſie in Meſopotamien kahmen/ und zween Tage ohn Hindernis fort-
zogen; Am dritten Tage aber ſahen ſie ſechs gewaltige groſſe Ritter auff ſtarken Hengſtẽ
gerade auff ſie zu reiten/ da Ladiſla zu Fabius ſagte: Geliebter Bruder/ es ſcheinet faſt/ ob
wolten uns jene Landsknechte rechtfertigen/ werden uns demnach in etwas vorzuſehen ha-
ben/ befahl auch den Dienern/ das Gewehr fertig zuhalten/ und auff Begebenheit/ ihren
Herren friſch nachzufolgen/ doch/ daß Mardus der Dolmetſcher/ weil er unbewapnet war/
und ſolcher Spiele ungeuͤbet/ ſich des Streites enthalten ſolte. Je nåher jene ſechſe an ſie
kahmen/ je mehr ſich die unſern uͤber ihrer Leibes-groͤſſe verwunderten/ und vermuhteten
ſich eines harten Puffes/ deſſen ſie ſich doch wenig entſetzeten/ ſchicketen auch Mardus an
ſie/ umb zufragen/ wie weit ſie noch zu einer Stad haͤtten/ weil ſie fremde und des Weges
unerfahren waͤhren; dem ſie aber keinen Beſcheid erteileten/ ſondern kurzumb zuwiſſen be-
gehreten/ was vor Leute ſie waͤhren/ wohin ſie gedaͤchten/ und woher ſie kaͤmen. Ladiſla/ dem
dieſer Frevel zu Haͤupte ſtieg/ antwortete durch den Dolmetſcher/ ihre Reiſe waͤhre eilig/
daß ſie nicht der Zeit haͤtten/ langwieriges Geſpraͤch zufuͤhren/ achteten ſich auch nit ſchul-
dig es zubeantworten/ weil man ſie ihrer erſten Frage nicht vergnuͤgen wolte. Hiemit war
dem Tanze ſchon gnug gepfiffen/ maſſen dieſe ungeheure Rulande ſolche trotzige Reden/
wie ſie es auslegeten/ nicht verſchmerzen kunten/ griffen demnach zun Schwerteꝛn/ und ſa-
geten: weil ihnen dann die Reiſe ſo eilig waͤhre/ wolten ſie ihnen den Weg kurz gnug ma-
chen; befahlen ihren ſechs Knechten ſtille zuhalten/ und fielen ohn ferner Wortwechſeln ein-
muͤhtig auff die unſern an/ welche ihr Gewehr auch nicht lange in der Scheide ſtecken lieſ-
ſen/ und gnug zuvernehmen gaben/ daß ſie nicht willens waͤhren/ ihr Blut wolfeil zuver-
E e e e ijkauffen/
[588]Drittes Buch.
kauffen/ weil ſie ohndas an der Zahl ſich gleich ſchaͤtzeten/ nicht anders gedenkend/ ihre Die-
ner wuͤrden ihre Schuldigkeit betrachten/ und zugleich mit auff den Feind anſetzen; worin
ſie ſich aber zeitig betrogen funden; dann dieſe ungetraͤue Buben hielten anfangs ſtille/ uñ
ſahen dem Gefechte nur zu/ unter der Hoffnung/ es ſolten ihre Herren bald den kuͤrzern zi-
hen; als aber unſere drey Helden dieſen ſechſen gewachſen wahren/ und ſich mit ihnen der-
geſtalt um trieben/ dz deren zween im erſten Anfall zimlich verwundet wurden/ begaben ſich
der unſern Diener gar auff Feindes ſeite/ und ſchlugen auff ihre eigene Herren ungeſcheu-
het mit zu; woruͤber Ladiſla ſich ſo hefftig erzuͤrnete/ daß er/ ungeachtet aller Gefahr/ ſich an
ſeinen meinaͤidigen Diener machete/ uñ ihm das Haͤupt vom Rumpfe glat hinweg ſchlug/
ſtund auch nicht lange an/ daß er dem vornehmſten von den Gewalttaͤhtern einen Stoß
zwiſchen die Rippen gab/ daß er vom Pferde ſtuͤrzete. Fabius ſchaͤmete ſich/ daß er noch kei-
nen nidergelegt hatte/ und wagete ſich an den einen ſo eiferig/ daß er ihm durch den Helm
das Angeſicht auffſpaltete/ daß er ohnmaͤchtig vom Pferde fiel. Inzwiſchen hatte Leches
auch ſeinem Knechte gelohnet/ und ihm die rechte Fauſt hinweg gehauen/ daß er vom Pfer-
de ſteigen/ und unter einen Baum ſich niderſetzen muſte; da Mardus der gefelleten Die-
ner Pferde/ als die mit Golde und Kleinoten zimlich beladen wahren/ derweile fleiſſig huͤ-
tete/ mochte vielleicht gedenken/ es ſie gete einer oder ander/ koͤnte er ihm doch durch dieſen
Dienſt Freunde machen. Es ſtelleten ſich die uͤbrigen vier Parther uͤberaus grimmig/ daß
dieſe drey ihrer Haut ſich ſo lange erwehreten/ uñ dꝛaͤueten ihnen mit erſchreklicher Stim-
me die grauſamſte Pein/ welches die unſern/ weil ſie es nicht verſtunden/ nicht beantworte-
ten/ ohn mit den Schwertern/ welche ſie nicht feyren lieſſen/ ſo daß Ladiſla in kurzer Zeit
noch e[i]nen zu bodem legete. Der Parther ſechs Knechte ſahen/ daß ſchon drey von ihren
Herren geſtenzet wahren/ daher einer unter ihnen anfing: Wir muͤſſen ſehen laſſen/ dz wir
getraͤuer dienen als jene/ die zu unſern Herren uͤbergetreten ſind/ welches ihnen doch uͤbel
gelungen/ und muͤſſen jene drey gewißlich lebendige Teuffel aus der Helle ſeyn/ ſonſt waͤhre
ihnen unmoͤglich/ einer ſolchen Gewalt zuwiderſtehen/ welche ſie/ wo wiꝛs nicht verhindeꝛn/
in kurzem gar brechen duͤrfften; Zween ſeiner Mitknechte gaben ihm recht/ wahren auch
ſchon fertig/ ihre Herꝛen teils zur aͤchen/ teils zuretten; aber die anderen dꝛey widerſetzten ſich
dieſen/ einwendend/ es waͤhre ſchon mehr als ſchelmiſch von ihren Herren gefochten/ dz ſie
nicht allein in groͤſſer Anzahl die fremden ohn urſach uͤberfallen/ ſondern deren ſchelmichtẽ
Diener ihres Beyſtand ſich gebraucht haͤtten/ welche Bosheit/ wie vor Augen ſtuͤnde/ der
Himmel nicht wolte ungeſtraffet laſſen; ſolten demnach dieſe ſich ſtille einhalten/ oder ſie
wolten ihnen ſo viel zuſchaffen geben/ daß ſie des unritterlichen Entſatzes bald veꝛgeſſen ſol-
ten. Weil dann dieſe drey auffrichtige Maͤnner (welche Roͤmiſche Untertahnen/ und ihrẽ
Herren aus Zwang dieneten) in Waffen ungleich beſſer erfahren wahren als die andern/
erhielten ſie durch ihre Draͤuworte/ daß ſie ſich eines andern bedachten. Fabius ſahe/ daß
ſein annoch uͤbriger Knecht ausreiſſen wolte/ und gedachte ihm den garaus zumachen/ wel-
cher aber vom Pferde ſprang/ in die naͤheſten Hecken kroch/ und hiedurch ſein Leben erꝛet-
tete/ Fabius aber wieder umkehrete/ und ſeinen Geſellen Huͤlffe leiſtete/ daß es nunmehr ei-
nen gleichen Streit gab/ drey wider drey; gluͤckete auch Leches ſo wol/ daß er mit ſeinem
Manne zuerſt fertig ward. Weil er nun wuſte/ daß weder Ladiſla noch Fabius ſeinen Bey-
ſtand
[589]Drittes Buch.
ſtand zulaſſen wuͤrde/ fing er des abgeſtrichenen Knechtes Pferd auff/ band es an einen
Baum/ und machte ſich hin nach den ſechs Dienern; da die drey redlichen ihm der andeꝛn
Vorhaben anzeigeten/ und er darauf denen befahl/ von den Pferden zuſteigen/ und das Ge-
wehr von ſich zutuhn/ worzu ſie/ als uͤbermannet/ willig wahren. Er ruhmete auch der an-
dern auffrichtiges ritterliche Gemuͤht/ und verſprach ihnen gute Belohnung; hieß hernach
Mardus den Streiten den naͤher zureiten/ umb zuvernehmen/ ob die Feinde umb Gnade
bitten wuͤrden; welches ihnen Ladiſla gerne/ Fabius wider ſeinen Willen goͤnnete/ uñ mu-
ſte ſie der Dolmetſcher fragen/ aus was urſachen ſie dieſe Feindſeligkeit geuͤbet/ da ſie doch
fremde waͤren/ und ihnen nie kein Leid angetahn. Dieſe gaben zur Antwort/ ſie håtten ihre
Beſcheids-wegerung vor eine Beſchimpffung gehalten/ und waͤhren von ihren drey Die-
nern mit Hand- und Haͤuptwinken angereizet/ den Streit anzufahen/ woraus ſie leicht
die Rechnung machen koͤnnen/ daß groſſe Schaͤtze bey ihnen verhanden waͤren/ deren die-
ſe mit zugenieſſen hoffeten. Leches verwundeter Knecht muſte ſolches geſtehen/ und daß ſie
etliche mahl willens geweſen/ ihre eigene Herren zuermorden/ da es ihnen bloß an der Ge-
legenheit gefaͤhlet. Die beyden Parther hielten unterdeſſen auff Pferden/ und ran dz Blut
hauffenweiſe von ihnen/ dann ſie waͤhren toͤdlich verwundet/ daß auch der eine/ ehe man
ſichs verſahe/ vom Pferde ſtuͤrzete/ und ſeinen Geiſt auffgab; daher der lezte ſich Sterbens
erwog/ wolte aber ſtreitend gefellet ſeyn/ und fiel mit hefftigem wuͤten auff Fabius an/ als
welcher ihn dergeſtalt zugerichtet hatte/ ward doch mit wenig Streichen getroffen/ dz ihm
der Helm vom Haͤupte ſprang/ und man ſein greuliches Geſicht bloß ſehen kunte/ an dem
ſie alle abſcheuh hatten/ daß auch Fabius ſagte: Es waͤhre vor der erbaren Welt nicht zu-
verantworten/ daß man dergleichen Unholden leben lieſſe; mit welchem Worte er ihm dz
Haͤupt abſchlug. Als dieſer gefellet wahr/ kam der zuerſt verwundete wieder zu ſich ſelbſt/
richtete ſich auff/ und ward gewahr/ daß alle ſeine Geſellen herunter geſchlagen waren/ uñ
auff der Erden geſtrekt lagen/ dagegen unſere Helden noch friſch und unverwundet auff
ihren Pferden ſaſſen; legete deswegen ſeinen Helm ab/ und ſagte: Er moͤchte dieſer Ritter
Erkaͤntniß gerne haben/ die über menſchliches vermoͤgen gefochten/ und drey gegen neune
das Feld erſtritten haͤtten. Die unſern wolten ihm hierin zuwillen ſeyn/ entbloͤſſeten ihre
Haͤupter/ und lieſſen ihre Angeſichter ſehen; welche dieſer Parther ſo jung und zierlich
ſchauend/ ſich nicht anders geberdete/ ob wolte er raſend werden/ ſagte auch mit grimmigẽ
Worten: Dafern ihr Menſchen und nicht Goͤtter ſeyd/ bin ich nicht werd/ daß ich jemals
Harniſch gefuͤhret/ weil euch alle drey mit meiner Fauſt zuerwuͤrgen ich zu ſchwach gewe-
ſen bin. Ladiſla/ der keine Beſchimpffung leiden kunte/ ſtieg vom Pferde/ reichte dieſem ein
Schwert und ſagete: Nun muſt du mir deine Manheit in der Taht beweiſen/ oder als ein
verzagter ohn Gegenwehr nidergehauen werden. Es wahr aber ſo ein ungleiches Paar/
da ſie zu fuſſe bey einander ſtunden/ daß Ladiſla wie etwa ein vierzehnjaͤhriger Knabe gegen
ihn ſchien/ daher ihm dieſer die unfehlbare Rechnung machte/ er wolte ihn im erſten Angꝛif
zur Erden legen; befand ſich aber heßlich betrogen/ dann wie er ſich nach wenig Streichẽ
veꝛhieb/ und ihm Ladiſla ausweich/ bekam er zuꝛ Wiederkehr einen ſolchen Schlag auf den
rechten Arm/ daß ihm das Schwert aus der Fauſt fiel/ und das Blut aus den geoͤffneten
Adern ins Angeſicht ſpruͤtzete/ Ladiſla aber zu ihm trat/ ihm den Helm abreiß/ und durch ſei-
E e e e iijnen
[590]Drittes Buch.
nen Dolmetſcher zu ihm ſagete: Meyneſt du unbendiges Tihr/ daß ein ungeſchikter Klotz
von einer leichten Holz Axt nicht koͤnne nidergehauen werden? Ja ich empfinde/ antworte-
te dieſer/ dz die Goͤtter mich gar verlaſſen haben/ ſonſt muͤſteſtu mir ſo leicht als ein Schos-
Huͤndichen ſeyn; darumb gebrauche dich deines Gluͤks/ und vollende/ was du vorhaſt. La-
diſla aber ſagte: Es muͤſte mir leid ſeyn/ daß mit ſolchem unreinen Drek ich mich weiter
beſchmitzete; reichte Mardus das Schwert hin/ der ihn den Schedel herunter ſchlug;
welches der von Fabius im Angeſicht verwundete mit Schmerzen anſahe/ und ſich mit
ſeinem eigenen Dolche erſtach/ da Leches ſeinem Knechte unter dem Baume den leztẽ Lohn
gab/ wahr ihnen aber leid/ daß Fabius Diener davon kommen war/ der ihnen etwa Gefahꝛ
bereiten koͤnte. Sie foderten der erſchlagenen Parther ſechs Diener vor ſich/ da die drey
redliche anzeigeten/ ſie waͤhren Buͤrger und Inwohner deꝛ Stad Damaſkus/ und von die-
ſen ihren vorigen Herren gefangen/ welche ſie zu dienen gezwungen haͤtten/ bahten ſehꝛ um
Freylaſſung/ und meldeten an/ daß ihre niedergelegte Herren von dem Parther Koͤnige
vor Kriegs Obriſten beſtellet waͤhren/ umb in der naͤheſten Stad (daraus unſere Helden
vor vier Stunden geritten wahren) 4 Tonnen Goldes behueff ihrer Werbung zu heben.
Leches beſuchte die Erſchlagenen/ fand ſehr koͤſtliche Kleinot bey ihnen und ihren Dienern
in Wetſchern/ auff 120000 Kronen wert/ dabey einen offenen Wechſel wegen der obge-
dachten Gelder/ wurden deswegen zuraht/ die drey moͤrdliche Diener alsbald niderzuma-
chen/ damit ſie von ihnen nicht verrahten wuͤrden/ nachgehends zuruͤk nach der Stad zu
reiten/ und die Wechſel Gelder zuheben/ welches ihnen gluͤklich geriet/ beſtelleten auch da-
ſelbſt drey Knechte/ die ungewapnet dienen/ ihrer Pferde warten/ und jeder/ wie auch Mar-
dus einen beladenen Maul Eſel an der Hand fuͤhren muſten; den dreyen Damaſkern aber
ſchenketen ſie 36000 Kronen/ und lieſſen ſie ihres Weges reiten/ eileten ſonſt ſehr auf dem
Wege/ daß ſie den Tigerfluß hinter ſich legen moͤchten/ und wie ſie denſelben auff eine
Stunde erreichet hatten/ wurden ſie von beyden Seiten her angeſprenget/ merketen auch/
daß der Raͤuber eine zimliche Anzahl im Gehoͤlze verſtecket wahr/ daher Ladiſla dem Dol-
metſcher befahl/ etwas hinter ſich zureiten/ und ſein hellſchallendes Hoͤrnlein zublaſen/ her-
nach/ ſo bald ſolches geſchehen/ ihnen Spornſtreichs zufolgen; welcher Anſchlag ſo gluͤk-
lich gerieht/ daß die Raͤuber alle ſich verſtecketen/ und nicht anders meyneten/ es waͤhre ei-
ne groſſe Anzahl dahinden/ deswegen ſie ſich zuruͤk zogen/ und den unſern freyen Durchzug
lieſſen/ daß ſie in guter Sicherheit uͤber den Tigerfluß gingen/ und nicht ferne von dannen
in eine groſſe Kauffſtad Aſſyriſchen Landes ankahmen/ ſich in eine Herberge legeten/ und
auff Geſelſchafft warteten/ mit deren ſie wegen Unſicherheit der vielen Råuber ungeſchla-
gen durchkommen moͤchten.


Inzwiſchen brach Valikules von Tyrus auff nach Damaſkus zu reiſen/ weil ihm ſein
Wirt nachrichtung gab/ welches Weges die Parthiſchen Herren gezogen waͤhren/ wolte
ſich aber ſeines an die Roͤmiſche Beamten erteileten Schreibens nicht gebrauchen/ ſon-
dern hielt ſich an allen Orten ungemeldet/ biß er nach Damaſkus kam/ woſelbſt er dem Roͤ-
miſchen Stathalter Herrn Sulpizius/ den Gruß von ſeinem Oheim Herrn Pompejus
anmeldete und nach auffgelegtem Schreiben Fuͤrſtlich empfangen ward/ nicht anders/
als ob des Kaͤyſers naͤheſter Anverwanter ankommen waͤhre muſte auch wiedeꝛ ſeinen wil-
len
[591]Drittes Buch.
len drey Nacht daſelbſt verharren/ und weil er in gute Kundſchafft mit ihm geriet/ legte
er den groͤſten Theil ſeiner Baarſchafften bey ihm nieder/ nahm die angebohtene Be-
gleitung von dreyſſig Pferden zu ſich/ und zog in guter Sicherheit uͤber den Eufrat in
Meſopotamien/ da er in der naͤheſten Stad einen verſamleten Hauffen/ LIII ſtark an-
traf/ die ſich mit Gewehr auffs beſte verſehen hatten/ und einen Haͤuptmann unter ſich
auffworffen/ welcher ein groſſer anſehnlicher aber ſehr verzagter Menſch wahr. Er
gab ſich mit in ihre Geſelſchafft/ mit dem erbieten/ lieb und leid mit ihnen auszuſtehen/
und da ſie loßbrachen/ wunderte er ſich der ungeſchiklichen Ordnung/ welche dieſer
Großpraler ihr Hauptmann bey dem Fortzuge anſtellete/ in dem er die Kauffmans Wa-
gen und Karren voraußgehen ließ/ und ſich mitten unter dem Hauffen verſteckete/ da er in
der beſten Sicherheit zu ſeyn vermeinete; da wieder er aber nichts reden wolte/ als lange
er ſahe/ daß keine Gefahr verhanden wahr/ nur daß er in allem Glimpf erinnerte/ er hielte
es vor rahtſam/ daß die Wagen und Karren fein in die mitte genommen wuͤrden/ und die
zu Fuſſe dabey lauffende (deren XXV wahren) mit ihren Pfeilen ſich darzwiſchen ſetzeten/
als dann wuͤrde man auff allem Fall die Waaren beſchuͤtzen und den Anfal abhalten koͤñen;
deſſen ihr Hauptman lachete/ und zur Antwort gab; er haͤtte ſo manniche Reiſe getahn/
waͤhre auch mehr als einmahl in Scharmuͤtzeln wieder die Raͤuber geſtanden/ und beduͤrf-
te dergleichen junger unerfahrner Rahtgeber nicht/ es moͤchte Valikules ſich umb ſeine
Haut bekuͤmmern/ weil er bey den Guͤtern nichts zuverlieren haͤtte. Dieſer als ein verſtaͤn-
diger fraß ſolches geduldig in ſich/ weil er nicht wuſte/ weſſen er ſich zu den uͤbrigen zuver-
ſehen haͤtte/ gedachte es doch auff Begebenheit zu ahnen/ wor zu es folgendes tages gute
Gelegenheit gab/ da eine Raͤuberiſche Schaar LXXX Reuter ſtark ihrer von ferne gewahr
wurden/ welche auch unſer Held zeitig ins Geſicht bekam/ daher er ſeine Gefaͤrten fragete/
ob ſie willens waͤhren friſch zu fechten/ wo ſie angegriffen wuͤrden/ als dann wolte er daß
ſeine mit dabey tuhn/ ungeachtet er mit ſehr guten Freibrieffen verſehen waͤhre/ auch keine
eigene Guͤter beſchuͤtzen duͤrffte. Worauff ihr Hauptman ihm antwortete; es ſtuͤnde ihm
frey zu fechten oder zu ruhen/ und ob er ſich ſeiner gelben Haar fuͤrchtete/ kaͤhme es umb ihn
nicht zu/ ſo grauete ihm gar wenig vor jenen Weibiſchen Raͤubern/ weil er einen jeden in
ſeiner Geſelſchafft beſſer/ als jener drey ſchaͤtzete. Valikules ſahe/ daß es unzeitig wahr/ mit
dem Narren zu zanken/ taht als hoͤrete ers nicht/ und ermahnete die andern/ daß ſie ihr Ge-
wehr fertig hielten und die Glieder feſt ſetzeten/ alsdann ſolte es mit Gottes Huͤlffe keine
Noht haben; er ſaͤhe ſchon daß der Gegenteil ſich gefaſt machte/ auff ſie loßzugehen/ und
muͤſte man ſich zur Gegenwehr ſchicken. Worauff die Geſelſchafft ſich ermunterte/ und
ihm verſprachen/ Leib und Leben zu wagen/ und einem guten Vorgaͤnger zu folgen; wel-
ches alles er gerne vernam/ uñ zu dem verordenten Hauptman ſagete: Mein Freund/ ihr
werdet euch eures Amts eriñern/ dann hie wil es mit hoͤniſchen Worten trauen nicht auß-
gerichtet ſeyn; demnach erwaͤhlet euch eine Schaar/ denen ihr am meiſten trauet/ und fan-
get mit deren Beyſtand den Streit an/ da man uns Gewalt anlegen wolte/ ich wil helffen
ſo viel ich gelernet habe. Der ſtolze Kleinot-Haͤndeler empfand dieſe eriñerung ſehr hoch/
und durffte ſich ſchimpflicher Draͤuworte vernehmen laſſen; er aber ermahnete ihn/ daß
er ja nicht durch innerliche Empoͤrung die ganze Geſelſchafft in Gefahr ſetzete/ haͤtte er a-
ber/
[592]Drittes Buch.
ber/ nach dem dieſe Feinde wuͤrden gedaͤmpffet ſeyn/ auff ihn zuſprechen/ und er von der
loͤblichen Geſelſchafft deſſen Urlaub haͤtte/ ſolte ihm ſchon zur Gnuͤge begegnet werden;
vor dißmahl muͤſte man bedenken/ was vor Antwort den Abgefertigten/ die dort herkaͤh-
men/ ſolte erteilet werden. Laß ſie ankommen/ antwortete dieſer/ ich wil ihnen die Antwort
mit der Fauſt und nicht mit der Zunge geben. Er hingegen baht die Geſelſchafft hoͤchlich/
ſie moͤchten zu ihrer eigenen Wolfahrt ihrem Hauptman einreden/ damit er durch unbe-
ſonnene Frecheit nicht Ungluͤk anrichtete; man muͤſte den Feind nicht verachten/ inſonder-
heit da er an Mannheit uͤber legen/ und wie ſichs anſehen lieſſe/ in Waffen wolge uͤbet waͤh-
re/ hielte auch davor/ es wuͤrde gut ſeyn/ daß man den herzunahenden Abgeordenten mit
hoͤfflicher Antwort begegnete. Die Geſelſchaft ließ ihr ſolches wol gefallen/ aber ihr Fuͤh-
rer grimgramſete/ ob er ſich von ſo einem jungen unerfahrnen Menſchen ſolte unterweiſen
laſſen; es waͤhre ihm von allen Anweſenden die Haͤuptmanſchafft einhellig auffgetragẽ/
und wolte er ſchon wiſſen/ dieſen Schimpf zu gelegener Zeit zu raͤchen. Wol wol/ antwor-
tete er/ und laſſet uns nur in dieſer algemeinen Gefahr gute Freunde ſeyn/ hernach ſolt ihr
alles finden was ihr ſuchet. Ritte darauff mit ſeinem Dolmetſcher Plautus und vier fri-
ſchen jungen Kauffleuten den Abgeſchikten entgegen/ uñ hoͤrete von ihnen dieſe Werbung
an: Sie waͤhren von jener aͤdlen ritterlichen Geſelſchafft abgeordnet/ umb zu vernehmen/
was vor Leute ſie waͤhren/ und weſſen ſie ſich zu ihnen verſehen ſolten/ auch ob Kauffleute
ſich unter ihnẽ fuͤnden/ die mit ritterlichem Gewehr/ wieder ihren Stand ſich außgeruͤſtet
haͤtten/ darauff begehreten ſie inſonderheit Erklaͤrung/ daß ſie den ihrigen eine richtige
Antwort hinterbringen koͤnten. Der ſtolze Kleinot-Haͤndler kam herzu gerant/ in Mey-
nung/ ſie mit hochmuhtigen Worten abzuſchrecken; aber Valikules kam ihm zuvor/ und
ſagte: Seid gebehten/ und goͤnnet uns eine geringe friſt/ daß wir uns einer Antwort ver-
gleichen moͤgen: Und als ſie deſſen zu frieden wahren/ begehrete er von ſeiner Geſelſchafft
zu wiſſen/ was die Urſach waͤhre/ das ſie abſonderlich nach Kauffleuten frageten; und ver-
nam/ daß die Raͤuber vor erſt aus Liebe zur Beute ſolches wiſſen wolten/ hernach/ weil ſie
nicht leiden koͤnten/ daß Kauffleute mit Wehr und Waffen ſich zum Schuz gefaſſet hiel-
ten. Seid ihr dann der feſten Meynung/ ſagte Valikules/ euch redlich und geherzt zu weh-
ren/ ſo wil ich getraͤuen Beyſtand leiſten/ wo nicht/ weiß ich ſchon Mittel/ mich ſamt mei-
nen Dienern als ein Geſanter durchzubringen; weil ſie ſich nun erklaͤreten/ biß auff den
lezten Blutstropffen zu fechten/ und den Plaz nicht als nur Sieghaft zu verlaſſen/ ver-
mahnete er ſie noch mahls/ daruͤber aus zu ſeyn/ daß ihrem Fuͤhrer unterſagt wuͤrde/ damit
er nicht durch Frevel ein unwiederbringliches Ungluͤk verurſachete; kehrete ſich nachge-
hends zu den Abgeſchikten/ und antwortete ihnen durch ſeinen Dolmetſcher: Es naͤhme
ſie nicht un billich Wunder/ was man ſie auff freier Landſtraſſe rechtfertigen duͤrffte/ da ſie
doch weder mit einigem Menſchen Feindſchafft haͤtten/ noch andere zu beleidigen ſuchten;
wolte demnach ihre aͤdle Geſelſchafft freundlich erinnert haben/ ſie an ihrer Reiſe nicht zu
verhindern/ damit man ihnen nicht Urſach gaͤbe/ ſich deſſen zubeſchweren. Die drey Ab-
geſchikte wolten mit dieſer Antwort nicht friedlich ſeyn/ ſondern begehreten außdruͤklich
zu wiſſen/ was vor Leute ſie waͤhren. Valikules erinnerte ſie noch mahls/ ſie moͤchten ſich
keiner Taͤhtligkeit unterfangen; ſie waͤhren Leute die ſich gedaͤchten nach moͤgligkeit zu
ſchuͤtzen/
[593]Drittes Buch.
ſchuͤtzen/ und zeigeten die Wagen und Karren an/ was vor hantierung ſie trieben/ weil ſel-
be/ nach dem ſie es ja wiſſen wolten/ nicht mit Bauren oder Soldaten-ſondern Kauffmans
Waaren beladen waͤhren. Wolan/ ſprachen dieſe; ſo ſeid ihr Afte Reuter und Kauffleute/
deßwegen laͤſſet euch jene Ritterſchafft hiemit bey Lebensſtraffe gebieten/ die Waffen/ ſo
euch zu fuͤhren nicht geziemen/ alsbald abzulegen/ alle eure Waaren ihnen willig zu liefern/
und endlich vor Lebensfriſtung eines jeden/ 150 Kronen aus dem naͤheſten Orte herbey zu-
ſchaffen. Das waͤhre unguͤtlich gehandelt/ antwortete Valikules; dañ vor erſt haben wir
unſere Waſſen nicht angelegt/ jemand zubeſchaͤdigen/ ſondern bloß zu unſer Beſchuͤtzung/
wolten ſie auch gerne dieſe Reiſe uͤber behalten/ oder auffs wenigſte ſo lange/ als wir ſie
verteidigen koͤnnen. Uber das ſind die Waaren mit unſern wolgewoñenen Geldern einge-
kaufft/ daran eure Geſelſchafft durchaus keine weitere Anſprach hat/ als was ſie davon
eink auffen moͤchten. Sollen wir aber hieruͤber noch unſer Leben von euch loͤſen/ muͤſſen wir
vorhin wiſſen/ ob ihr Macht daruͤber habt; koͤnnen uns demnach anders nicht erklaͤren/ als
daß wir von euch freien Fortzug begehren/ welchen wir euch zu hindern eben wenig gemei-
net ſind. Dieſe verwunderten ſich der herzhaften Erklaͤrung/ ſonderlich von einem ſo jun-
gen Menſchen/ und ſagten zu ihm: Juͤngling/ uns jam̃ert eures bevorſtehenden Ungluͤks/
und gebet ihr freilich zu verſtehen/ daß ihrmehr im Kramladen/ als auf der Streitbahn ge-
uͤbet ſeyd/ doch wollen wir mit euch nicht zanken; aber es wird euch uͤbel ausſchlagen/ daß
ihr im vollen Streitharniſche duͤrffet aufgezogen kommen/ welches von einem Kramer-
Knecht unerhoͤret iſt. Valikules antwortete mit halblachender Stimme: Er moͤchte viel-
leicht ſchon vor dieſem ſich im Felde getum̃elt habẽ/ muͤſte auch ſeine Haut ſelber zu mark-
te tragen/ und moͤchten ſie ſeinetwegen nur unbekuͤm̃ert ſeyn/ ohn daß er ihnen andeuten
wolte/ er hielte ſeine Haut ſehr teur/ waͤre auch dieſe Stunde noch nicht willens ſie zu ver-
ſchenken. Ließ ſie damit reiten/ hieß die Wagen und Karꝛen enge ineinander fuͤhren/ und die
Kauffdiener und Fuhrleute mit ihren Spieſſen und Pfeilen ſich darzwiſchen ſtellen/ die
Geſelſchaft aber fleiſſige Aufſicht haben/ daß ſie ſich naͤheſt bey den Wagen hielten/ und ſich
weder davon abtreñen noch gar uͤmringen lieſſen/ waͤhlete hernach ihrer zwoͤlfe neben Gal-
lus und dem Dolmetſcher/ die allemahl ſich uͤm jhn halten/ und ſeinem Vornehmen folgen
ſolten. Kaum wahr dieſes angeordnet/ da drang der raͤuberiſche Hauffe frech uñ veraͤcht-
lich auff ſie an/ denen die hochmuhtige Rede des jungen Kauffmanns in vollem Harni-
ſche heftig zu Herzen gieng/ inſonderheit da ſie ihn ſein Pferd vor dem Hauffen ſo verwaͤ-
gen tum̃eln ſahen/ wodurch er doch die ſeinen dermaſſen anfriſchete/ daß ſie alle gute Hoff-
nung des Sieges faſſeten; dagegen rechneten jene es vor einen Schimpf und ſtilſchwei-
gendes Ausfodern/ ſchikten deßwegen einen an ihn ab/ ob er die Kuͤnheit haͤtte/ vor dem al-
gemeinen Gefechte einen abſonderlichen Kampf anzutreten; denen er zur Antwort gab:
Dafern ſie ſich etwas wieder zuruͤck ziehen/ oder ihm ſonſt Sicherheit vor moͤrderiſchem
Anfal ſchaffen wuͤrden/ waͤhre er bereit und erboͤtig/ ſo lange mit einem und folgendem zu
kaͤmpffen/ als er das Schwert fuͤhren koͤnte; deſſen zwar ſeine Geſelſchafft ſich betruͤbete/
aber Gallus redete ihnen ein Herz ein: Sie haͤtten ſich ſeines Herren wegen nicht zu be-
kummern; Er zweifelte nicht/ ihnen Beſtand gnug zu ſeyn/ ſie nach einander alle ſaͤmtlich
niederzulegen. Jene namen den Kampf uñ gemaͤſſigte bedingung an/ gaben den Kaͤmpfeꝛn
F f f fRaum
[594]Drittes Buch.
Raum gnug/ und als Valikules mit ſeinem Manne traf/ und kaum fuͤnff Streiche gefuͤh-
ret hatte/ ſchlug er ihm das Haͤupt vom Rumpfe glat hinweg/ ſchikte ſeinen Dolmetſcher
an die Feinde/ es moͤchte ein ander kommen/ und ſeines Geſellen Schaden raͤchen. Dieſe
haͤtten ſich des Unfals nicht vermuhtet/ mercketen auch aus ſeinẽ Gefechte/ daß er mit dem
Gewehr anders als auff Kaufmans art uͤmging; doch fand ſich ein wolverſuchter Raͤu-
ber/ der mit einer ſchweren Streitkolbe auff ihn zuſetzete/ damit er ihm den Gar-auß zu ma-
chen bedacht wahr; Er aber weich ihm aus dem erſten Streich/ und verſetzete ihm eins auf
den rechten Arm/ daß derſelbe mit ſamt der Kolbe auff die Erde fiel/ und dieſer zwar auß-
reiß/ aber Schmerzen halben vom Pferde ſtuͤrzete. Bald ließ Valiſkules den Raͤubern an-
deuten/ da ihrer einer nicht muhtig gnug waͤhre/ den Kampff fortzuſetzen/ moͤchten ihrer
zween zugleich kommen. Zwar der Hohn taht ihnen wehe/ wolten doch den Streit nicht
verſagen/ und ſchicketen zween ab/ mit Befehl/ den verwaͤgenen Buben lebendig zu fahen/
damit ihm die gebuͤhrliche Straffe werden moͤchte; aber er miſchete ſich unter ſie/ und er-
legte beide mit wenig Streichen; worauff der ganze raͤuberiſche Hauffe aufbrach/ und ſol-
ches Schadens von einem einzigen nicht mehr gewaͤrtig ſeyn wolten. Valikules ſahe die-
ſes zeitig/ und foderte ſeine zwoͤlff Erwaͤhlete durch den Dolmetſcher zu ſich/ den Ubrigen
ließ er ſagen/ die Glieder feſt und unbeweglich zu ſchlieſſen/ uñ ſich nicht zu regen/ biß ſie an-
gefallen wuͤrden/ oder er ihnen deſſen ein Zeichen gaͤbe/ ſchikte auch Gallus ihnen wieder
zu/ ſie zu unterweiſen/ weſſen ſie ſich verhalten ſolten/ weil er ſahe/ daß ſie wenig geuͤbet wah-
ren; Er aber hielt mit ſeinen Zwoͤlffen auff der Wahlſtatt/ da er ſchon die vier erleget hat-
te; und als eine ſtarcke Schaar/ von XXX Mann auff ihn traff/ ſetzete er mit den ſeinen der-
geſtalt in ſie/ daß ihrer im erſten Treffen X ſtuͤrzeten/ und ſie dagegen nur einen einbuͤſſeten/
hielt auch mit ſeinem Gemaͤtſche immer an/ biß der Feinde XX geſtrekt lagen/ und er em-
pfand/ daß er nunmehr ihnen an der Zahl der Manſchafft nicht ungleich wahr/ da ließ er
ſein ganzes Volk einbrechen/ mit denen Gallus ſo eiferig angriff/ daß inwendig einer halben
Stunde nicht XX Raͤuber mehr Vermoͤgens wahren/ das Schwert zu gebrauchen/ befun-
den ſich uͤberdas ſo gar von allenthalben umgeben/ daß ihnen unmoͤglich war durchzubre-
chen; ſo hatten die Fuhrleute und Kauffdiener ſich auch herbey gemacht/ und ihnen den
Abzug verleget/ daß ſie endlich uͤm Gnade und Lebens-Friſtung bahten. Valikules erhielt
bey den ſeinen einen kurzen Anſtand/ ſchlug den Helm auff/ und wolte kurzumb wiſſen/ was
vor Leute ſie waͤhren/ und was vor Urſach zur Feindſeligkeit ſie vorſchuͤtzen koͤnten. Dieſe
antworteten/ fie waͤhren alle verarmete vom Adel/ aus dieſer und andern umliegenden
Landſchafften/ haͤtten ſich eine zeit her des Staͤgreiffs ernehret/ und von reiſenden Kauff-
leuten gebeutet/ weil es keinen Krieg gaͤbe; weilnun der groͤſte teil ihrer Geſelſchafft erſchla-
gen/ baͤhten ſie Lebens Freiheit. Ich weiß nit/ antwortete er/ ob ihr des Lebens forthin wuͤr-
dig ſeyd/ nach dem ihr euren adelichen Ritterſtand ſo ſchaͤndlich beſchmitzet/ und euch auff
Rauben [und] Morden begeben habt; ich bin auch ein Ritter/ und ohn unzeitigen Ruhm/
gnug Adeliches Herkommens/ aber niemand feinder/ als die ihren Adel durch Untugend
ſchaͤnden. Sehet an dieſe redliche Kauffleute/ wie Blutſaur ſie ſichs werden laſſen/ daß ſie
mit Gott und Ehren etwas erwerben moͤgen/ davon die ihrigen Unterhalt haben; dieſelben
nun ſind/ oder muͤſſen deßwegen mit Gewalt eure Feinde ſeyn/ daß ſie ein Stück Brodt be-
ſitzen.
[595]Drittes Buch.
ſitzen. Doch wann ich wiſſen koͤnte/ ob auch Beſſerung bey euch zu hoffen waͤhre/ wolte ich
mich bemühen/ vor euch eine Bitte einzulegen. So bald die Kauffleute merketen/ daß er
ſich zur Barmherzigkeit wolte lenken laſſen/ fielen ſie einmühtig zu/ und erſchlugen die uͤbri-
gen alle/ weil aus ihrer Geſelſchafft auch IIX das Leben zugeſetzet/ und XV verwundet wah-
ren. Dann/ ſagten ſie/ bleiben dieſe lebendig/ ſo iſt der lezte Betrug aͤrger als der erſte/ und
haben wir nicht allemahl einen ſolchen Schutz-Gott (auff Valikules zeigend) bey uns. Al-
ſo muſte er ſie nach Willen machen laſſen/ ruͤhmete ſie nach erhaltenem Siege wegen er-
wieſener Tapfferkeit/ und vermahnete ſie zur Pluͤnderung/ da ſie auff den Pferden und in
der Raͤuber Kleidern eine Barſchafft auf zwo Toñen Goldes/ und an Kleinoten faſt ja ſo
viel funden/ welches ſie alles getraͤulich zuſammen legeten/ und ihr vermeynter Haͤuptman
ſich ſchon durffte vernehmen laſſen/ wie groß ſein Anteil ſeyn muͤſte; Herkules trat zu dem-
ſelben/ und fragete ihn/ ob er noch zornig waͤhre/ oder des willens/ mit ihm einen Kampff zu
halten/ es ſolte ihm dißmahl ſein ſchaͤndliches Geplaͤrre nach geſehen ſeyn/ wuͤrde er aber
nach dieſem es mehr machen/ ſolte er Streiche davor leiden. Gallus ſagte: Ja mein Herꝛ/
der verzagte Hudler hat ſich nicht eins in den Streit wagen duͤrffen/ ſondern iſt ſtets hin-
ter den Karren in Sicherheit blieben. Er hat ihm recht getahn/ antwortete Valikules/ dañ
weil in ſolchen Faͤllen an dem Hauptmann ein groſſes gelegen iſt/ hat er uns allen zum be-
ſten ſein Leben retten wollen/ und mag er meinethalben ſeine Hauptmanſchafft wol wieder
antreten/ nur allein uͤber mich nicht. Das wenden die Goͤtter ab/ rieffen die uͤbrigen ein-
muͤhtig/ ſagten auch ausdruͤklich/ er waͤhre des Ampts unwirdig/ haͤtte durch ſein Groß-
ſprechen und aͤuſſerliches Anſehen ihnen falſche Hoffnung gemacht/ und im Streite uͤbrig
ſehen laſſen/ wie wenig ſein Herz mit der Zungen einſtimmete/ indem er ſich verſtecket/ und
ſeinen Geſellen in Noͤhten nicht beygeſprungen waͤhre/ wovor er dann abtrag machen/ odeꝛ
am Leben ſolte geſtraffet werden; dann ſeine Guͤter/ die er bey ſich fuͤhrete/ gingen am Wert
hoͤher/ als die uͤbrigen alle mit einander/ was ſie dann endlich benoͤhtiget waͤhren/ ihm das
ſeine zuſchuͤtzen/ und vor ihn ihr Blut zuvergieſſen; da laͤgen acht ihrer Geſellen auff dem
Sande geſtrecket/ welche nicht den hundertſten Teil Guͤter dabey haͤtten/ und waͤhren doch
nicht unwillig geweſen/ alle gefahr mit auszuſtehen/ da dieſer inzwiſchen geruhet/ biß es zur
Ausbeute kommen waͤhre/ da haͤtte er ſich tapffer gebrauchet/ und ihm ſchon den beſten Teil
der Beute fodern duͤrffen. Valikules rief ihn vor ſich/ und fragete ihn/ wie er dieſe Auflage
zuverantworten gedaͤchte; aber die Furcht hatte ihm alle Sprache benommen; endlich
noch wandte er ein/ ihm waͤhre uͤbel worden/ da ihn ſeine alte Plage der Schwindel ange-
ſtoſſen/ und er ſich ins Gedraͤnge nicht wagen duͤrffen/ wolte ſonſt den Feind mit hauffen
nidergeſchlagen haben. Aber ein junger verwundeter Kauffmann fiel ihm in die Rede/ uñ
ſagte: Je du verzagter Hudler/ muſte dann der Schwindel eben im anbegin der Schlacht
kommen/ und mit deren Endigung alsbald auffhoͤren/ dz du munterer bey der Pluͤnderung
ſeyn kunteſt/ als einige andere? Und haben meine Augen mich nicht betrogen/ ſo meyne ich
nicht anders/ als daß du etliche geraubete Sachen ſchon zu dir geſtecket haſt/ als ein Dieb.
Dieſer gab ſich auffs leugnen/ aber viere griffen ihn an/ ſuchten nach/ funden acht koͤſtliche
Kleinot in ſeinem Schieb Sak/ und frageten/ wie er dabey gehandelt haͤtte. Er ſahe/ daß er
die Untaht nicht leugnen kunte/ gab vor/ er haͤtte anfangs gemeynet/ ein jeder ſolte behalten
F f f f ijwas
[596]Drittes Buch.
was ihm dz Glük befcherete/ weil es aber der Geſelſchafft anders gefiele/ waͤren die Stuͤcke
da/ und noch unverzehret/ und damit man ſich uͤber ihn nicht zubeſchweren haͤtte/ wolte er
nach gehaltener gleicher Teilung ihnen in der erſten Herberge einen Schmauß geben.
Wodurch ſie alle ſich dergeſtalt uͤber ihn eiferten/ daß ſie ihn ohn Zweifel erſchlagen haͤttẽ/
dafern Valikules nicht waͤhre ſein Schutz geweſen/ welcher ſie dann zufrieden ſprach/ und
ſie vermahnete/ einen gemeinen wolbedachten Raht uͤber ihn zuhalten/ damit er ſich keiner
Gewaltſamkeit zubeklagen haͤtte. Sie nach gehaltener Beredung trugen vor: Es haͤtte
dieſer Großſprecher ſich zur Hauptmanſchafft faſt eingedrungen/ und ungezweifelt einge-
logen/ hernacher ſeinen Unverſtand zu ſolchem Amt ſehen laſſen/ nach gehends den Kopff
gar aus der Schlinge gezogen/ und keinen Schwerdſchlag gegen den Feind getahn/ unge-
achtet ihnen bewuſt waͤhre/ daß ſeine geladene Guͤter auff etliche Tonnen Goldes ſich er-
ſtrecketen; haͤtte alſo ſein Gut ſamt dem Leben verwirket/ welches ſie ihm auch nehmen/ uñ
es vor der Obrigkeit ſchon verantworten wolten/ weil bey allen reiſenden Geſelſchafften
dieſes Recht guͤlte/ daß ſie alle vor einen Mann ſtehen/ und der Ungetraͤue das Leben ver-
lieren ſolte. Valikules hieß den Beklagtẽ ſeine verantwortung tuhn/ ob etwa ſeiner ſchlim-
men Sache koͤnte geholffen werden; Er hatte aber nichts erhebliches einzuwenden/ ohn
daß er angab/ er haͤtte geringe Sachen geladen/ die bey weitem nicht ſo hoch im Preiſe waͤ-
ren; Und als er hiemit endigte/ warnete ihn Valikules/ ſeine Gefahr zubedenken/ und alle
moͤgliche Mittel hervor zuſuchen/ durch welche die erzuͤrnete Geſelſchafft koͤnte beguͤtiget
werden. Dieſer meynete die Gefahr nicht ſo groß zu ſeyn/ und lag ihm ſeine vorige Haupt-
manſchafft noch etwas im Kopffe. Aber die Geſelſchafft beſtund auff ihrem vorhaben/ und
machten ſich ſchon fertig/ ihn niderzuſaͤbeln; nur Valikules baht ſie mit bewaͤglichen Woꝛ-
ten/ ſie moͤchten umb ſeiner Vorbitte willen ihm das Leben ſchenken/ und wann er ja nicht
gar ohn ſtraffe davon ſolte/ ihm eine gelindere aufflegen. Worauff ſie ihm anzeigeten/ da-
fern er der kraͤfftigen Vorbitte dieſes tapfferen Helden (den er ſo hoch beleidiget haͤtte) ge-
nieſſen wolte/ muͤſte er den vierden Teil aller bey ſich habenden Guͤter zu ihren freyen Haͤn-
den ſtellen/ und durch einen Fußfall umb Vergebung bitten. Dieſes Ausſpruchs meynete
der geizige Menſch zuverzweifeln; Sie moͤchten ihn doch nicht an den Bettelſtab bringẽ/
oder daß er gezwungen wuͤrde/ ein Baͤnkchen zumachen/ maſſen er nicht mit ſeinen eigenẽ/
ſondern mit erborgeten Geldern handelte/ wolte dannoch nicht allein ſich alles Anteils an
der Beute begeben/ ſondern uͤberdas noch ihnen 600 Kronen zuſtellen/ nicht zweifelnd/ ſie
wuͤrden damit friedlich ſeyn. Auff welches erbieten ſie ihn zur Erden riſſen/ und erbaͤrmlich
zupruͤgelten/ daß wo Valikules ihn nicht mit ſeinem Leibe geſchuͤtzet haͤtte/ wuͤrde er dem
Tode nicht entgangen ſeyn; Derſelbe nun brachte es durch Vorbitte zur naͤheren Hande-
lung/ und ward der Schluß gemacht/ welchen Valikules mit gut heiſſen muſte; Es ſolte
der Verdamte eins vor alles 30000 Kronen geben/ oder ſeine Guͤter alle miteinander muͤ-
ſten preiß ſeyn. Hier beſan er ſich nun/ was ihm am ertraͤglichſten waͤhre/ ſterben/ oder ſo
viel Gelder miſſen; endlich beſorgete er ſich der gar zu ſauren Todes Bitterkeit/ und erbot
ſich/ ihrem Willen ein genuͤgen zutuhn. Nun hatte er uͤber 120000 Kronen Baarſchafft
bey ſich/ welche er aus Kleinoten geloͤſet/ und uͤberdas vor eben ſo viel/ ungefaſſete Steine;
wog die Gelder ab/ und als die Fuhrleute und Diener den groſſen, Vorrahtſahen/ wolten
ſie
[597]Drittes Buch.
ſie alles Preiß machen/ welches zuverhuͤten er ihnen 10000 Kronen ſchenken muſte. Da
ward nun alle Feindes Beute ſamt den 40000 Kronen in drey gleiche Teile geleget/ deren
einen die Geſelſchafft vor ſich dehalten/ den andern Valikules zuſtellen/ den drittẽ/ die halb-
ſcheid Gallus/ und das uͤbrige den Wittiben und Kindern der acht erſchlagenen Kaufleu-
te zuwenden wolten/ uñ redete ein verſtaͤndiger Kauffman unſeꝛn Valikules alſo an: Hoch-
aͤdler tapfferer Held und Ritter; wir alleſamt muͤſſen bekennen/ daß eure unuͤberwindliche
Fauſt und hohe Klugheit unſer aller Leben und Guͤter beſchuͤtzet/ und aus den blutgierigen
Haͤnden dieſer Raͤuber loßgeriſſen hat/ ſo dz ohn eure Huͤlffe uns unmoͤglich geweſen waͤh-
re/ dem Tode zuentgehen; iſt demnach billich/ daß wir ein Zeichen unſerer Dankbarkeit
ſpuͤren laſſen/ und eurer Hochaͤdl. Geſtraͤnge dieſen wolverdienten Anteil der Beute ein-
reichen/ wobey wir Kaufleute ingeſamt eine Tonne Schatzes von unſern Guͤtern legen/
und zum Andenken ſeines hohen Verdienſtes liefern wollen; Da auch ihre Geſtr. uns an-
zeigen wolte/ worin wir derſelben ſonſt dienen koͤnten/ wuͤrde uns ſolches die hoͤchſte Ver-
gnuͤgung geben. Valikules bedankete ſich des Erbietens zum freundlichſten/ und gab zur
Antwort: Er waͤhre in Beſchuͤtzung ſeines eigenen Lebens bemuͤhet geweſen/ und haͤtte
ein jeder unter ihnen maͤnlich gefochten/ daß ihm daher durchaus kein Dank/ geſchweige/
einige Verehrung oder Anteil der Beute gebuͤhrete; ſo waͤre auch ſeine art nit/ um Geld
oder Geldesgewehr zu fechten/ deſſen er nicht allein zu guter gnuͤge bey ſich fuͤhrete/ ſondern
allenthalben/ wo er auch kaͤhme/ gnug haben koͤnte; wuͤrden demnach nicht allein von ihren
Guͤtern keine Anlage zu ſeiner Verehrung machen/ ſondern auch den groſſen unverdientẽ
Teil der Beute wieder zu ſich nehmen; Ihr freundwilliges Herz waͤhre ihm Erſtattungs
gnug/ wolte ſich auch mit Auffrichtigkeit zu ihrer aller Dienſt und Freundſchafft hiemit
anerbohten haben. Die Kauffleute wurden hieruͤber ſehr betruͤbt/ beredeton ſich kuͤrzlich/
und lieſſen durch den vorigen abermahl vorbringen: Sie truͤgen das feſte Vertrauen zu
ſeiner Hochaͤdlen Geſtr. dieſelbe wuͤrde durch beharliche Wegerung ſie nicht gar zu hoch
beſchaͤmen/ ſondern dafern ſie in dero Gewogenheit waͤhren/ zum wenigſten den Anteil der
Beute zu ſich nehmen/ ſonſten/ da ſie ſolches uͤber verhoffen nicht wuͤrden erhalten koͤnnen/
waͤhre dieſes ihr Geluͤbde/ daß derſelbe ganze Anteil als eingeheiligtes verlobetes durch
dieſe Wuͤſteney eines guten Weges hin ſolte ausgeſtreuet werden. Valikules erkennete
daher ihren Vorſaz/ durffte ſich ihnen nicht zu ſtark entgegen ſetzen/ und erboht ſich/ weil es
ihnen alſo gefiele/ er aber ſeinen Gehorſam ihnen nicht verſagen koͤnte/ wolte er zum freund-
lichen Andenken ihrer ſo guten Gewogenheit die Kleinot von dem Anteil der Beute zu ſich
nehmen/ und die Baarſchafften der ehrlichen Geſelſchafft laſſen; womit ſie endlich zufrie-
den wahren/ weil man ihm meiſtenteils Kleinote gelegt hatte/ nahmen aber die Gelder/ und
teileten ſie unter Gallus und Plautus/ welches er weder durch Bitte noch Ernſthindern
kunte. In der erſten Herberge foderte er den geweſenen Hauptman allein vor ſich/ und leg-
te ihm alle ſeine Kleinot vor/ mit Befehl/ daß er davon vor 30000 Kronen zu ſich nehmen
ſolte/ damit er ſeines Schadens nachkaͤhme/ womit ihm durchaus nicht gedienet waͤhre;
Uber welche Hoͤfligkeit ſich dieſer nicht gnug verwundern kunte/ wolte deſſen auch nichts
zu ſich nehmen/ ſondern baht gar wehmuͤhtig/ er moͤchte ihm ſein hohes Verbrechen hoch-
guͤnſtig verzeihen/ wodurch er ihn unverantwortlich zu Zorn gereitzet haͤtte/ dann er erken-
F f f f iijnete/
[598]Drittes Buch.
nete/ daß durch ſeine Vorbitte er Leib und Leben/ auch den groͤſten Teil ſeiner Guͤter erhal-
ten; Ja er nam einen koͤſtlichen Ring/ auff 3000 Kronen wert/ und ſchenkete ihm denſelbẽ/
mit Bitte/ ihm zugoͤnnen/ daß er ſich ihm hiemit zu ewigen Dienſten verpflichtete. Vali-
kules ſahe ſeine Reue/ welche ihm ſehr wol gefiel/ nam den Ring auff Freundſchafft an/ uñ
ſtellete ihm ein wichtigers Kleinot wieder zum Gedaͤchtniß zu/ welches er auch mit Dank-
ſagung behielt/ aber Gallus ein gleichguͤltiges wieder ſchenkete. Die uͤbrige Reiſe durch
Meſopotamien biß an den Tigerfluß endeten ſie in guter Sicherheit/ da ſie Aſſyrien errei-
cheten/ ſich daſelbſt teileten/ und gegen Valikules aller moͤglichen Dienſte ſich erbohten/ in-
ſonderheit vergaben ſie ihrem geweſenen Hauptmann auff deſſen hohe Vorbitte/ und daß
deſſen Verbrechen ſie gegen niemand gedenken wolten; Und ging nun Valikules auff ſei-
ner Reiſe eilig fort/ weil er noch zur Zeit ſeiner Liebſten Zeichen allemahl antraf/ und nach
dieſem Leitſtern ſeinen Lauff in guter Hoffnung richtete.


Es wird aber ſchier Zeit ſeyn/ daß wir unſern Herkuliſkus nach Charas begleiten/
welcher die fuͤnff Tage uͤber zu Ekbatana aller Anweſenden Herzen ihm dermaſſen durch
ſeine Zucht und Freundligkeit verbunden hatte/ daß nicht weniger der Groß Fuͤrſt und ſein
Gemahl/ als die andern ihn inbruͤnſtig liebeten/ auch wegen ſeiner Großmuͤhtigkeit und
Waffen Erfahrenheit niemand Argwohn faſſete ſeines weiblichen Geſchlechtes/ ohn allein
Pharnabazus/ dem daß geraubete Fraͤulein ſtets im Sinne lag/ und faſt nicht mehr zwei-
felte/ ſie waͤhre eben dieſelbe in Manneskleidern; jedoch/ wann er ihren Muht/ Schieſſen
und Fechten betrachtete/ ſtraffete er ſich ſelbſt dieſer Gedanken halber; bemuͤhete ſich nicht
deſto minder/ ob er nicht etwas gewiſſes von Arbianes erfahren koͤnte/ weil er wuſte daß ſie
Schlaffgeſellen wahren/ daher fragete er ihn eins mals ob auch Herkuliſkus ſo zart am Lei-
be als unter dem Geſichte und an den Haͤnden waͤhre. Dieſem wahr die Urſach ſolcher
Frage unbekant/ und antwortete; er koͤnte hievon nicht wiſſen/ weil er ſtets in Kleidern
ſchlieffe/ vorgebend/ er haͤtte deſſen ein Geluͤb de auff ſich/ hielte ſich auch ſo ſchamhafftig/
daß er nichts bloſſes an ſeinem Leibe ſehen lieſſe. Es fehlete wenig/ daß Pharnabazus nit
loß brach/ und ſeine Meinung anzeigete/ nur weil er fuͤrchtete/ ihn dadurch zubeleidigen/
hielt er an ſich/ und beſchloß in ſeinem Herzen/ hievon keinem Menſchen ichtwas anzuzei-
gen/ ob er gleich im geringſten nicht mehr an der Warheit zweiffelte. Er wahr aber mit
ſamt dem Groß Fuͤrſten ſehr betruͤbet/ daß er dem unkeuſchen Koͤnige nach Charas ſolte
geliefert werden/ welches doch nohtwendig geſchehẽ muſte/ weil ſeine vortreffliche Schoͤn-
heit dermaſſen ſchon beſchriehen wahr/ daß die aͤdlen und Herrenſtandes in der naͤhe haͤuf-
fig nach Hofe reiſeten/ den fremden Juͤngling zu ſehen. Noch wahr niemand der ſeines
tuhns und laſſens genauer wahr nahm/ als Fr. Roxane/ weil daß verliebete Fraͤulein ihre
Zuneigung nicht bergen kunte/ und weil er ſich aller Hoͤffligkeit gegen ſie gebrauchete/ in
die Gedanken fiel/ es moͤchte eine unzimliche Liebe daraus entſtehen/ welches an der Fraͤu-
lein Seite nichts als Schimpf und Schande bringen koͤnte/ weil ſie an der Unbilligkeit
nicht zweiffelte/ die man ihm in Parthen zumuhten wuͤrde. Herkuliſkus wahr ſo einfaͤltig
nicht/ daß er dieſer fleiſſigen Auffmerkerin Gedanken nicht ſolte erkennet haben/ deſſen er
aber in ſeinem Herzen lachete/ nicht zweiffelnd/ ſie wuͤrde ſich dereins ſolches Argwohns
am meiſten ſchaͤmẽ/ welche doch vor dißmahl nach nichts ſo ſehr/ als nach ſein em Abſcheid
verlangen
[599]Drittes Buch.
verlangen trug/ weil die Groß Fuͤrſtin ſich ſchon etlcher reden/ betreffend Pharnabazus
und der Fraͤulein Heyraht/ hatte vernehmen laſſen/ welches ohn zweiffel wuͤrde den Krebs-
gang gewiñen/ da man der Fraͤulein Liebe zu Herkuliſkus merken ſolte. Groß Fuͤrſt Phra-
ortes ſchlug ſich inzwiſchen mit zweiffelmuͤhtigen Gedanken/ wie ers mit ihm halten ſolte;
Er haͤtte ihn herzlich gerne in Teutſchland geſchicket/ muſte ſich aber befuͤrchten/ Koͤnig
Artabanus wuͤrde ihn deßwegen von Land und Leuten jagen/ als der ihm ohn daß zimlich
ungewogen wahr/ weil er ſich etlicher reden wieder ſeine Hoch eit ſolte haben vernehmen
laſſen; berahtfragete ſich deßwegen mit Pharnabazus/ hielt ihm beydes die Gefahr und
ſein Mitleiden vor/ und daß auff den Fall der Lieferung er nicht allein ſich wuͤrde muͤſſen
ſeiner Mannheit berauben laſſen/ ſondern auch wol abſcheuhliche Unflaͤterey annehmen.
Dieſer wuſte des guten Rahts nicht viel/ ſteckete zwiſchen Tuͤhr und Angel; haͤtte zwar
ſeinem Freunde Herkules zugefallen die Lieferung gerne gehindert und wiederrahten/ uñ
ſahe doch nicht/ wie ſein Schwager der groſſen Gefahr entgehen wuͤrde/ welches ihn zu
dieſer Antwort veranlaſſete; die Goͤtter wiſſen/ daß in dieſer Sache gar kein Raht bey mir
iſt; moͤchte wuͤnſchen/ daß Mazeus ihn hieher nicht geliefert/ ſondern eine Zeitlang in der
ſtille bey ſich behalten haͤtte/ damit man ihn/ andern unwiſſend/ nach ſeiner Heimat ſenden
moͤgen; ehe wir aber etwas ſchlieſſen/ waͤhre mein Raht/ mit ihm zu reden/ und ſeine Mei-
nung druͤber zu hoͤren. Herkuliſkus ward darauff gefodert/ welcher/ da er ihre Traurig-
keit ſahe/ fragte er ganz lieblich/ was deſſen die Urſach waͤhre; meinete/ es geſchaͤhe wegen
des Fechters Tod/ welcher an den von ihm empfangenen Wunden vor anderthalb Stun-
den geſtorben wahr/ derhalben er ſich entſchuldigte/ und ſich auff des Groß Fuͤrſten Zeug-
nis berieff/ daß er ehren halber nicht anders gekunt haͤtte. Aber der Groß Fuͤrſt antwortete
ihm; Mein geliebter Herkuliſkus; hundert und noch hundert Fechter Tod/ wuͤrden mich
zu dieſer Schwermuͤhtigkeit nicht; bewaͤgen/ kan auch nicht anders Urteilen/ als daß ihm
recht geſchehen ſey. Euer/ ja bloß euer Zuſtand lieber Sohn/ ſtuͤrzet mich in dieſe Traurig-
keit/ weil ich durchaus kein Mittel bey mir erdenken kan/ euch in freien Stand zuſetzen/ daß
ihr nicht dem Koͤnige Artabanus nach Charas geliefert werdet; dann wie lieb und ange-
nehm mir eure Kundſchafft/ auch eure und meines Sohns Arbianes Freundſchafft iſt/
ſo hart ſchmerzet mich die Ungelegenheit/ in welche ihr etwa dorten gerahten moͤchtet/ und
ich nicht wuͤrde abwenden koͤnnen. Herkuliſkus faſſete des Groß Fuͤrſten Hand/ kuͤſſete die-
ſelbe inniglich/ und fing darauff alſo an: Durchleuchtigſter Groß Fuͤrſt/ gnaͤdigſter Herr;
der Sohns Nahme/ den eure Groß F. Durchl. meiner Unwirdigkeit zu geben gnaͤdigſt
beliebet/ wird mich Zeit meines Lebens der Schuld erinnern/ womit euer GF. Durchl.
ich verbunden bin/ und darff ich der kuͤhnen Hoffnung geleben/ es komme dereins die Zeit/
daß dieſelbe den ſuͤſſen Vater-Nahmen mit gnaͤdigem Willen von mir annehmen wird;
daß aber dieſelbe meinetwegen einige Bekuͤm̃ernis uͤber ſich nehmen ſolte/ muͤſte mir von
ganzer Seele leid ſeyn/ welches zubezeugen/ ſchwoͤre ich alhie vor des Himmels Gegen-
wart/ daß/ dafern Eure D. meine Reiſe nach Charas uͤber die angeſetzte/ auff zween Tage
verfloſſene Zeit/ noch laͤnger auffſchieben wolte/ ich alle Gelegenheit ſuchen wil/ erſtes tages
als ein Fluͤchtiger dahin zu reiſen/ und dem Koͤnige in euer Durchl. Nahmen mich dar-
zuſtellen; dann warumb ſolte ein ſo teurer Fuͤrſt meinetwegen ſich bekuͤmmern/ oder einige
Gefahr
[600]Drittes Buch.
Gefahr auff ſich laden? ehe wolte ich eines ſchnoͤden todes ſterben/ wañs auff andere Wei-
ſe nit koͤnte abgewendet werden; bitte demnach eure Durchl. untertaͤhnigſt/ und beſchwoͤ-
re ſie bey Gott/ daß ſie fortnicht mehr ſich meinetwegen herme/ noch die Reiſe auffſchiebe;
dann ich bin deſſen gewiß und verſichert/ das groͤſſer Ungluͤk mich nicht uͤbergehen kan/ als
der Himmel/ oder vielmehr der wahre Gott/ der uͤber alles herſchet/ uͤber mich beſchloſſen
hat; es waͤhre dann daß derſelbe auff dieſe Unterwelt kein Auge wendete/ welches ihm a-
ber kein vernuͤnfftiger Menſch wird einbilden laſſen. So beſchleunige nun mein gnaͤdigſteꝛ
Herr dieſe Reiſe/ auff daß derſelbe dieſer Sorge entriſſen/ und ich der himliſchen Verſe-
hung geliefert werde. Phraortes hoͤrete dieſes mit uͤbergehenden Augen an/ umbfing ihn
als einen Sohn und ſagete: Nun dann/ weil es ja ſo ſeyn ſol und muß/ wil ich mein Vor-
nehmen endern/ welches bloß auff eure Erloͤſung tichtete und nebeſt euch hoffen/ die Goͤtter
werden euch in kein verderben gerahten laſſen/ welches nach Vermoͤgen abwenden zuhelf-
fen/ ich ſelber mit euch reiſen/ und euch dem Koͤnige zufuͤhren wil. So wil ich mit einen
Gefaͤrten geben/ ſagete Pharnabazus/ und da euch eine Gefahr zuſtehen ſolte/ muß mir zu-
vor mein Leben gebrochen werden. Wolan/ ſo ſey es beſchloſſen/ ſagete der Groß Fuͤrſt/ daß
wir geliebts Gott uͤbermorgẽ auffbrechen/ uñ mit groſſen Tagereiſen und geruheten Pfer-
den nach Charas zu reiten; deſſen Herkuliſkus nicht wenig erfreuet ward/ maſſen des jun-
gen Arbianes Liebe ſich taͤglich gegen ihn mehrete/ ſo daß er fuͤrchtete/ ſein Geſchlecht in die
laͤnge vor ihm nicht verbergen zukoͤnnen; zugeſchweigen/ daß ſchier heut oder Morgen es
ihm moͤchte verdacht bringen/ daß er bey ihm ſo viel Nachte geſchlaffen; hierzu kam Frl.
Barſenen blinde Liebe/ die ihren Vorſchlag ins Werk zuſetzen/ noch immer anhielt/ weil
ſie ihr leicht die Rechnung machete/ dafern ſie den Vogel aus dem Kefich lieſſe/ duͤrfte er
ihr entfliegen/ oder von einer andern abgefangen werden/ auf welchen Fall ſie ſich ſterbens
erwogen hatte. Uberdas merkete er an Pharnabazus unterſchiedlichen verdecketẽ Reden/
daß er ihn vor Herkules verlohrne Liebſte hielt/ in dem er einsmahl/ da er ihm nahe ſaß/
der unvergleichlichen Liebhabere/ Fuͤrſt Herkules uñ Frl. Valiſken Geſundheit trank/ auch
nach getahnem beſcheide ihn umbfing/ ſprechend; ach daß ich meinem Freunde Fuͤrſt Her-
kules wuͤnſchen koͤnte/ daß er die Kron ſeiner Seelen dergeſtalt umbarmen moͤchte/ oder
zum wenigſten ich ihm dereins darzu koͤnte behuͤlflich ſeyn/ wie ich der Hoffnung gelebe;
woraus er leicht verſtund/ was dieſes Raͤzel bedeutete; ihm aber von dergleichen Vorneh-
men abzuhalten/ alſo antwortete: Mein Herr; ich vor mein Haͤupt wuͤſte meinem Oheim
und meiner Waſen nichts beſſers zu wuͤnſchen/ und kan moͤglich ſeyn/ daß ſolcher Wunſch
ſchon ſeine Erfuͤllung habe; wo nicht/ als dañ wolle mein Herr ihnen nach moͤgligkeit traͤu-
lich beyſtehen/ vor allen dingen aber ihre Heimligkeit/ die ihm etwa moͤchte bewuſt ſeyn/
verſchwiegen halten/ und keinem Menſchen unter der Sonnen offenbahren/ auch ſich ih-
rer aͤuſſerſten Dankbarkeit verſichern. Auß welcher Antwort er abnam/ daß ihm die Er-
kaͤntnis ſeines Geſchlechtes allerdinge zu wieder waͤhre/ daher er hinfort ſich deſſen mit
keinem Worte merken ließ/ und gedachte auff nichts ſo hefftig/ als wie es noch endlich zu
Charas ablauffen wuͤrde; welches hingegen Herkuliſkus auß dem Sinne ſchlug/ uñ nicht
eins darauff achten wolte/ biß er ſaͤhe/ wie mans mit ihm wuͤrde anſchlagen. Als nun der
Schluß zur Reiſe gemacht wahr/ gingen ſie miteinander zu Tiſche/ nach deſſen auffhebung
der
[601]Drittes Buch.
der Groß Fuͤrſt unſern Herkuliſkus fragete/ ob ihm geliebete/ mit auff die Jagt zu reiten/
ſolte ihm ſolches frey ſtehen; welches er mit groſſem dank annam/ und auff verguͤnſtigung
ſamt Arbianes in den Mahrſtall ging/ ihm ein Pferd zu waͤhlen/ auff welchem er einige
Zierligkeit koͤnte ſehen laſſen. Es gefiel ihm aber keines ſo wol/ als der Blaͤnke/ welcher von
den andern allen abgeſondert ſtund/ und laut anfing zu wrinſchen/ da er in den Stal trat/
ging ihm naͤher/ und verwunderte ſich uͤber ſeine hohen geraden Schenkel/ wolſtaͤndigen
Hals/ lange Maͤhne/ zierlichen Kopf/ ſtarke Bruſt und geſchiklichen Leib/ ſagte auch zu Ar-
bianes; ohn zweiffel wird dieſes Pferd niemand/ als der Groß Fuͤrſt ſelbſt reiten. O nein/
herzlieber Bruder/ antwortete er/ es iſt ein dermaſſen unbendiges Tihr/ daß es niemand
wil auffſitzen laſſen; iſt in der Wildnis gefangen/ und meinem Herr Vater vorm halben
Jahre geſchenket/ welcher es etliche mahl hat wollen niderſchieſſen/ weil es ſo gar nicht zu
zaͤhmen iſt/ und habe ichs bißher noch verbehten/ ob es mit der Zeit die Wildheit ablegen
wolte/ weil es noch jung/ etwa von drey Jahren iſt. O daß ich ein ſolches Pferd haͤtte/ es
zubereiten/ ſagte Herkuliſkus/ ich wolte ihm entweder den Kitzel vertreiben/ oder es muͤſte
mirs muͤde machen/ dann es ſcheinet aus allen Zeichen/ daß es uͤber die maſſe feſt/ und zum
außreiſſen geſchikt iſt. Der Bereiter ſtund dabey/ und antwortete ihm: Junger Herr/ ich
wil faſt ja ſo gern auff einem Tiger/ als auff dieſem Pferde ſitzen/ werde es auch nimmer-
mehr rahten/ daß ihr euch deſſen unterfahet. Haͤtte ich darauff meines Gn. Groß Fuͤrſten
erlaͤubnis/ ſagte er/ ich wolte euch ſchon zeigen/ wie man mit dieſem unvergleichlichẽ Pfer-
de geberden muͤſte/ und bitte ſehr/ ſagte er zu Arbianes/ mir die Freyheit bey ſeinem Herr
Vater zu erbitten/ daß ichs nur verſuchen moͤge. Dieſer wolte ihn durch einfuͤhrung der
Gefahr abmahnen/ als es aber nicht verfangen kunte/ ging er mit ihm hin/ und brachte
ſein Begehren vor; worauff der Vater antwortete: Mein Sohn Herkuliſkus/ ich bin
euch in allem zugefallen/ aber warumb ſolte ich Urſach eures Verderbens ſeyn? waͤhlet
euch ſonſt ein Pferd nach belieben/ dañ dieſes wuͤrde euch den bittern Tod verurſachen.
Euer GF. Durchl. gehorſame ich billich/ antwortete er; aber Jammer und Schade iſt es/
daß dieſes aͤdle Tihr wegen des Bereiters Unerfahrenheit bey der Krippe verſteiffen und
veralten ſol/ welches/ wann ich ein Ritter waͤhre/ umb eine Herſchafft nit vertauſchen wol-
te. Pharnabazus halff bitten/ daß es nur auff den Plaz gefuͤhret wuͤrde/ damit er ſaͤhe wie
unleidlich es des reitens waͤhre. Und als der Groß Fuͤrſt einwilligte/ ging er in fluͤchten
nach dem Mahrſtalle zu/ und befahl auff Phraoꝛtes geheiß/ ihm einen gelinden Zaum anzu-
legen/ welches aber nicht verrichtet werden kunte/ biß ihm alle viere gefeſſelt wahren/ und
man ihm zugleich ein ſcharffes Naſeband antaht/ bey welchem vier ſtarke Knechte es an
beyden Seiten zum Stalle außleiteten/ deren keiner unbeſchaͤdigt davon kam. Sobald es
auff den Plaz gebracht wahr/ und ſeine Wildheit immerfortſehen ließ/ nam Herkuliſkus
einen Rohrſtecken/ rieff ihm auff Teutſch hart zu/ und gab ihm unterſchiedliche Streiche
uͤber die Lenden/ redete ihm darauff freundlich zu/ und ſtreichelte ihm zugleich den Hals/
woruͤber es zwar nicht allerdinge ſich zur Ruhe begab/ aber doch den groͤſten Teil ſeiner
Wuht einſtellete/ ſo daß er nach abgeriſſenem Naſebande/ den Zuͤgel faſſend/ ſich hinauff
ſchwang/ und es ungeſattelt im Plaze weidlich tummelte/ da es anfangs ſich hefftig bemuͤ-
hete/ ſeinen Reuter abzuwerffen/ und in kurzem doch ſo ſanfftmuͤhtig ward/ daß ers nach
G g g gallem
[602]Drittes Buch.
allem Willen lenken und zwingen kunte. Der Groß Fuͤrſt dieſes erſehend/ ſagete zu den
Anweſenden; dieſer Juͤngling ſchaͤndet mir alle meine Leute/ denen ich ſo groſſen Sold ge-
be; meine Schuͤtzen muͤſſen ſich vor ihm verkriechen; dem Fechter hat er gar die Fauſt hin-
weg gehauen; die Bereiter macht er jezt zu Lehrjungen; und wer weiß/ wie es noch heut
meinen Jaͤgern und mir ſelber ergehen wird? Unterdeſſen beluſtigte ſich Herkuliſkus auff
dem wunder ſtarken-geraden Pferde/ biß ihn dauchte genug ſeyn/ da ſprang er herunter/
liebkoſete ihm mit flachen Handſchlaͤgen/ an der Stirn/ Bruſt/ Hals und Lenden/ welches
das Pferd nicht allein willig añam/ ſondern uͤber daß ſich mit luſtigem wrinſchẽ/ Schweif-
ſchlagen und Fußkratzen ſo freidig und zugleich gehorſam erzeigete/ als waͤhre es ſein lebe-
lang mit ihm umbgangen. Er zohe es nachgehends in den Mahrſtal/ entzaͤumete es/ uñ gab
ihm ein gutes Futter/ kehrete wieder nach dem Saal/ und ließ ſich gegen den Groß Fuͤr-
ften verlauten/ er hielte das Pferd nach ſeinem ſchlechten verſtande hoͤher/ als daß es ums
Geld koͤnte geſchaͤtzet werden/ weil es eine ſo aͤdle Art/ gewuͤnſchete Geſchikligkeit/ uñ tref-
liche Leibesſtaͤrke haͤtte; merkete auch ſo viel/ daß es ſich ſklaviſcher Weiſe von den Knech-
ten nicht wolte zwingen laſſen; und dafernich nicht irre/ fuhr er fort/ ſo hat es faſt abſcheuh
bey andern Pferden zu ſtallen. Phraortes legte ihm die Hand auffs Haͤupt und ſagete:
Geliebter Sohn/ ich erinnere mich bey euch des groſſen Alexanders und ſeines aͤdlen Bu-
zephals/ welches nur dieſen einzigen auffſitzen ließ/ und keines andern Zuͤgel oder beſchrei-
tung ſich untergeben wolte; zweiffele nicht/ es habe mit dieſem meinem Pferde gleichmaͤſ-
ſige Beſchaffenheit/ geſtaltſam ichs mit ihm auff allerhand Weiſe verſuchet habe/ aber
bißher allemahl vergebens; und daher nicht anders Urteilen kan/ als daß eure Vor Elteꝛn/
wo nicht ihr ſelbſt von goͤtlichem Stamme muͤſſen entſproſſen ſeyn/ auch umb ſo viel mehꝛ
mich verſichere/ der Himmel werde ſich euer in allen begebenheiten getraͤulich annehmen.
Herkuliſkus kuͤſſete ihm die Hand/ und gab zur Antwort: Er waͤhre ſeines Groß Fuͤrſten
untertaͤhnigſt-gehorſamſter Knecht/ wuͤſte ſich auch ſchuldig ihrer Durchl. Scherzreden
geduldigſt anzunehmen/ wie hohe rohtgefaͤrbete Wangen ihm dieſelben gleich macheten/
daß ſeine unwirdigkeit dem groͤſten Welt Herrn Alexander verglichen/ ja biß an der Goͤt-
ter Gebluͤt erhaben wuͤrde/ welche doch in ſeinem Vaterlande ſich mit ſchwachen Men-
ſchen nicht ſo gemein macheten/ daß ſie Kinder mit ihnen zeugeten. Es ſey wie ihm wolle/
antwortete der Groß Fuͤrſt/ ſo erkennet doch mein unvernuͤnftiges Pferd etwas ſonderli-
ches an euch warumb ſolte dann ein verſtaͤndiger Menſch daſſelbe nicht begreiffen? Aber
geliebet euch/ den Blaͤnken auff der Jagt zu reiten/ werdet ihr ihm den Sattel ſelbſt muͤſ-
ſen aufflegen/ da er meinen Leuten den Gehorſam ferner wegert/ weil es Zeit ſeyn wird/
ſich auffzumachen. Daran ſol es nicht mangeln/ ſagte Herkuliſkus; empfing von Arbia-
nes den Sattel/ welcher mit Rubinen und Perlen auff ein Guͤldenſtuͤk trefflich geſticket
wahr/ und ließ die Bereiter den Verſuch tuhn/ ob ſie forthin das Pferd beſſer zwingen
wuͤrden; aber alles vergeblich/ dann es ſchlug und biſſe von ſich/ viel erſchreklicher als vor-
hin; ſo bald aber Herkuliſkus ihm mit dem Stecken draͤuete/ und ſelber Hand anlegete/
ſtund es wie ein Lamb/ und ließ ſich von ihm kratzen/ kaͤmmen/ Zaͤumen und Satteln. Im
hinaus reiten zohe der Groß Fuͤrſt allein voraus/ und folgete ihm Arbianes und Herkuliſ-
kus/ hinter denen Pharnabazus und Mazeus. Es ward aber Herkuliſkus mit ſolchem
Wunder
[603]Drittes Buch.
Wunder beſchauet/ daß Jung und Alt/ Weibes und Mannes Volk haͤuffig herzu lieff/ die
ſchon ſo hoch beſchriehene Schoͤnheit und Geſchikligkeit dieſes fremden Juͤnglinges zu-
ſehen/ daher Arbianes zu ihm ſagete: Sehet mein herzen Freund/ wie ſich die Inwohner
draͤngen/ euch als ein Weltwunder zubeſchauen. Er antwortete ihm mit einem freund-
lichen lachen: Durchl. Fuͤrſt; warumb ſolten dieſe Zuſeher nit vielmehr an ihrem Groß-
Fuͤrſten/ und deſſen einigem wirdigen Erben/ als an meiner Unwirdigkeit ſich erluſtigen/
nachdem ſie ja von mir weder zugenieſſen noch zu hoffen haben? Nein o nein? ſondern die
Liebe zu ihren angebohrnen Herrn/ hat ſie aus den Haͤuſern gelocket/ und koͤmt nur ohnge-
fehr/ daß der arme geraubete Herkuliſkus von ihnen mit beſchauet wird; ja wer weiß/ ob
nicht der groͤſte Teil meiner Unhoͤfligkeit uͤbel wil/ daß ich mich unterſtehẽ darf/ dem Groß-
Fuͤrſtlichen jungen Herꝛn an der Seite zu reiten. Er aber hoͤrete dieſes mit groſſem Un-
willen an/ daß er ſich verlauten ließ/ wann er jemand unter dem Hauffen mit ſolchen Ge-
danken beladen wiſſen ſolte/ muͤſte derſelbe es mit dem Leben buͤſſen. Nicht ſo unbarmher-
zig/ mein Fuͤrſt/ nicht ſo unbarmherzig/ antwortete er; dann weil ich dem groͤſten Hauffen/
ja faſt allen Zuſehern unbekant bin/ wer koͤnte ihnen ſolches verargen? faſſete damit ſeinen
Bogen/ und in dem er auff eine voruͤber fliegende Taube loßdruͤckete/ ſagte er mit heller
Stimme; ein Schuß auff meines Fuͤrſten und wahren Freundes Geſundheit; ſchoß ihr
auch den Pfeil in die Bruſt/ daß ſie auß der Lufft hernider fiel/ und von Pharnabazus auf-
gefangen ward; deſſen das anweſende Volk nicht allein ſich zum hoͤchſten verwunderte/
ſondern ein ſtarkes freuden Geſchrey anſtimmete; Der junge Fuͤrſt lebe/ und ſein Freund/ der
junge Fuͤrſt lebe und ſein Freund! Daß verleihen mir die Goͤtter/ ſagte Arbianes/ daß ich mit
meinem Freunde Herkuliſkus/ und nicht ohn ihn leben moͤge. Welches ſein Vater mit
betruͤbetem Herzen anhoͤrete. Sie wahren kaum auff den beſameten Acker hinaus kom̃en/
da Herkuliſkus einen Haſen quer uͤber lauffen ſahe/ und weil er ihnen ferne wahr/ ließ er
ſein Pferd auff ihn zu eilen/ welches wie ein Bolzen von der Sehne dahin flohe/ da er in-
zwiſchen anlegete/ und den Haſen ſchoß/ daß er uͤber und uͤber purzelte. Der Groß Fuͤrſt
dieſes ſehend/ ſagte zu den folgenden; ich ruffe den Him̃el zum Zeugen/ daß mein Gemuͤht
durchaus zweifelt/ ob der Juͤngling ein Menſch oder Gottes Kind ſey; und was werde
ich noch in kurzen vor Wunder zu Charas von ihm ſehen? aber ſehet doch/ wie er mit ſei-
ner Beute dorther pranget/ welche er vielle icht unſer einem zu liefern bedacht iſt; worin
er doch irrete; dañ er wendete ſich hin zu der Groß Fuͤrſtin Gutſche/ reichete ihr das Wild
untertaͤhnigſt und mit laͤchelnden Augelein/ ſprechend: Durchl. Groß Fuͤrſtin/ weil mir
das Gluͤk ſo wol mitfaͤhret/ daß ich die erſte/ und zwar ungeſtellete Beute davon gebracht/
ihrer Durchl. aber mit alle meinem Vermoͤgen mich Leibeigen weiß/ ſo gelanget an dieſel-
be mein untertaͤhnigſtes Anſuchen/ dieſes Haͤſichen gnaͤdigſt vor mir anzunehmen; kuͤſſete
ihr hiemit die Hand/ und lieferte das Wild einem beylauffenden aͤdelknaben ein. Mein al-
lerliebſter Herkuliſkus/ antwortete ſie; billich ſolte dieſer Haſe zum Gedaͤchtnis eines faſt
unmoͤglichen Schuſſes auffgehoben werden; aber damit ihr eigentlich ſehet/ was vor ei-
ne Gewogenheit ich euch trage/ wil ich ſelbſt Hand anlegen/ und ihm das Fel abſtreiffen/
daß er auff dem Groß Fuͤrſtlichen Tiſche verzehret werde. Bald darauff ging die Haͤupt-
jagt an/ bey der ſich Phraortes weidlich gebrauchete/ auch die anderen ihr beſtes wirketen/
G g g g ijda-
[604]Drittes Buch.
daher Herkuliſkus ihnen keinen Eingrieff tuhn wolte/ nur wann er ſahe/ etwas den andern
ſchon entgangen ſeyn/ dem ſetzete er nach/ und gab ihm den Fang; dann ſein Pferd wahr
wunder geſchwinde/ und ſeiner Hand gehorſam/ ſo daß es zugleich mit bemuͤhet wahr/ die
fluͤchtigen Tihre zuerlegen/ wie es dann einer wilden Sau der geſtalt auff den Ruͤſſel traff/
das ſie ſich uͤber und uͤber warf. Nach geendeter Jagt/ da ſie wieder nach Ekbatana ritten/
funden ſie die Felder mit Menſchen angefuͤllet/ die ſich verſamlet hatten/ den wunder-ſchoͤ-
nen Juͤngling zu ſehen/ unter welchen ſich ein Sternſeher fand/ in der ſchwarzen Teufels-
kunſt erfahren/ der ſich ſehr zu ihm nahete/ und uͤberlaut/ daß etliche hundert Menſchen es
hoͤreten/ ihn alſo anredete: Unvergleichlicher wunder-Juͤngling; euer verborgenes iſt mir
nicht ſo gar verborgen/ ob gleich kaum vor fuͤnff Tagen ich euch erſtmahls geſehen: O wie
manniches Herzenweh iſt euch ſchon uͤbergangen/ und o wie manniches draͤuet euch der
Himmel noch! troͤſtet euch aber mit dem/ daß keine ungewogene Sternen uͤber euch auff-
gehen; und ob zwar eine vaͤterliche Zuchtruhte euch treffen moͤchte/ ſol doch kein Henkers
Schwert uͤber euch gezuͤcket werden; nur wanket in eurem herzhafften Vorſatze nicht/ als-
dañ muß euch die allerſchmerzlichſte Wieder wertigkeit zur empfindlichen Wolluſt gedeien;
dann weſſen eure Freunde ſich euretwegen beſorgen/ daß iſt unmoͤglich/ erfuͤllet zu werden/
wie ihr ſelber wiſſet. Dieſes Mannes Anſehen hatte aller Anweſenden Gemuͤht einen ſol-
chen Gehorſam eingegebẽ/ daß ſie ihm ſtille ſchweigend zuhoͤreten/ da er nur mit der Hand
winkete; inſonderheit gab Herkuliſkus fleiſſig acht auff ſeine Rede/ meinete auch nicht an-
ders/ als daß der Himmel ſelbſt ihm dieſen Troſt zugeſchikt haͤtte/ deßwegen er ihm zur Ant-
wort gab; Geliebter/ wie wol unbekanter Alt Vater; eure Vermahnung zur Tugend/ die
den himliſchen Troſt mir zum grunde leget/ muhtiget mich dergeſtalt/ dz ich Gottes Gunſt
mir ungezweiffelt verſprechen darf; werde mich demnach aͤuſſerſt bemuͤhen/ daß weder im
Ungluͤk ich der goͤttlichen Verhaͤngnis wiederſpenſtigkeit/ noch im wolergehen Frevel-
muht ſehen laſſe; ſeid aber gebehten/ und verleyhet mir bey Gott eine Vorbitte/ der euch
wirdiget/ kuͤnfftige Geheimniſſen euch zu offenbahren. Der Alte ſagete hier auff: Eure ver-
ſehung/ treflichſter Juͤngling/ bedarf meiner Vorbitte nicht/ und wo ich nicht heßlich be-
trogen bin/ werdet ihr in wenig Monaten dieſes Begehren ſelbſt wieder ruffen; kehrete ſich
darauff von ihm hinweg/ verbergete ſich unter das Volk/ und verließ Herkuliſkus wegen
der tunkelen Reden in ſchmerzlichen Nachdenken/ welcher nach einer halben viertel Stun-
de/ da er friſch nach der Stad fort ritte/ einen Mann etwa von 40 Jahren am Wege ſtehẽ
ſahe/ der ſeine Augen ſtarre uͤber ſich gen Himmel wendete/ und dauchte ihn/ wie eine ſon-
derliche Freidigkeit und Inbrunſt aus ſeinem Antliz erſchiene/ daß er auch nicht umbgang
haben kunte/ ihn zu fragen/ ob er etwas ſonderliches am Himmel vernaͤhme/ daß er mit ſo
unverwendeten Augen hinauf ſaͤhe; welcher ihm zur Antwort gab: Tugendliebender Herꝛ/
meine Himmel-bruͤnſtige Augen/ kehren ſich auffwerz nach dem wahren Schoͤpffer dieſeꝛ
irdiſchen Welt/ welcher zwar allen thalben gegenwaͤrtig iſt/ aber dort oben die Herſchafft
ſeiner goͤttlichen Herligkeit fuͤhret/ zu demſelben ſeufzet mein Geiſt/ euch in ſeinen gnaden
Schuz zu nehmen/ und eure Seele zuerleuchten/ auff daß ihr ſchier erkennen moͤget/ was
Gott ſey/ und was vor unaußſprechliche Himmelsfreude er denen bereitet hat/ die ihn er-
kennen/ und auff ſeinen heiligen Wegen gehen/ auch umb deſſen Willen alles Ungluͤk ge-
duldig
[605]Drittes Buch.
duldig ausſtehen/ weil ſie endlich erfahren und befinden/ daß ihnen mehr gutes und heilſa-
mes aus der Welt Angſt/ als Wolluſt aus ihrem liebkoſen zukomme; und zweifelt mir nit/
derſelbe wahre Gott werde den Brunn ſeiner Gnade uͤber euch ergieſſen/ daß ihr eure See-
le nicht weniger mit Himmelsfreude/ als das Gemuͤht mit Tugend-begierigen Gedanken
erfuͤllen moͤget. Herkuliſkus hatte der gleichen Wunſch vor nie gehoͤret/ und gedauchte ihn/
daß eine ſonderliche Krafft in den Worten ſteckete/ bereitete ſich deswegen/ ihm zuantwor-
ten; aber der vorige Alte trat unvermuhtlich wieder herbey/ und ſagte: Trefflicher Juͤng-
ling/ nicht ſehet/ bitte ich/ dieſem Neulinge ins Maul/ der euch von ertichteten Dingen und
ungefangenen Fiſchen ſchwaͤtzet/ geſtaltſam er ein Veraͤchter der Goͤtter iſt/ und/ umb einẽ
einigen Gott alle himliſchen Kraͤffte zuvertauſchen/ anzuſuchen pfleget; haltet vielmehr dz
vor wahr/ was ihr mit Augen ſehet/ und verwerffet/ was dieſer und andere ſeines gleichen
ohn Grund und klaren Beweißtuhm tichten und luͤgen; ſehet an die glaͤnzende Sternen/
den wandelbahren Monde/ die unvergleichliche Sonne/ das verzehrende Feur/ und erken-
net ihre Goͤttliche Krafft und unbetriegliche Gottheit. Alter Vater/ antwortete Herkuliſ-
kus/ mit wemſtreitet ihr? oder was hat euch dieſer andaͤchtige Mañ leides zugefuͤget/ dz ihr
ihn der Luͤgen zeihet/ deren er mir doch keine vorgelegt hat? ſo hoͤre ich im geringſten nicht/
daß er dem Himmel oder der Erden ichtwas ungebuͤhrliches auffbuͤrde/ daher ihr zweifels
ohn ſeine Reden unrecht werdet verſtanden haben. Ja/ trefflicher Juͤngling/ ſagte der Al-
te; iſt es noch nicht Bosheit gnug/ daß er von einem einigen wahren Gott ſein Geblaͤrre
fuͤhren/ und dadurch die andern alle uͤbern hauffen ſchaͤnden darff? Ich hoͤre kein ſchaͤndẽ
aus ſeinem Munde/ ſagte Herkuliſkus/ und das er von einem wahren allmaͤchtigen GOtt
redet/ iſt nicht ſein Getichte/ wie ihr vorbringet/ ſondern viel hochverſtaͤndige Leute ſind deſ-
ſen mit ihm einig. Dieſes redete ſie/ weil ſie aus Herkules Schreiben ſolches geſehen/ und
in ihrem Herzen ſich ſchon erklaͤret hatte/ den Chriſtlichen Glauben anzunehmen. Der
Alte/ ungeachtet aller Einrede/ wolte in ſeiner Verleumdung fortfahren/ weil aber Arbia-
nes unſers Herkuliſkus Verdruß ſahe/ hieß er ihn ſchweigen/ und ſich hinweg packen; da
inzwiſchen der andere/ welcher ein andaͤchtiger erleuchteter Chriſt wahr/ ſich wegen ſeines
getahnen wolgemeyneten Wunſches demuͤhtig entſchuldigte/ dem Herkuliſkus antwor-
tete: Er naͤhme es mit gutem Herzen auff/ truͤge einen begierigen Willen nach des wahren
Gottes Erkaͤntniß/ und hielte ſelbſt davor/ daß mehr Menſchen durch Gluͤckes Gewogen-
heit/ als deſſen Sturm in das Verderbens Meer geſtuͤrzet wuͤrden; nam darauff freund-
lichen Abſcheid von ihm/ und folgete ſeiner Geſelſchafft/ die ſchon voran geritten war. Des
folgenden Tages/ welcher der naͤheſte vor dem Auffbruche wahr/ ließ der Groß Fuͤrſt ein
treffliches mahl anrichten/ worzu unterſchiedliche Mediſche Herren eingeladen wurden.
Arbianes und Herkuliſkus wahren in einem guͤldenen Stuͤcke auff einerley art gekleidet/
empfingen die Gaͤſte/ und verrichteten das Vorſchneider Amt; Nach auffgehobenen Spei-
ſen/ ward eine treffliche Luſt auff allerhand Seitenſpielen angeſtimmet/ woran Herkuliſkus
ſich zimlich ergetzete/ auch der Geſelſchaft zu ehren/ und ſeinem lieben Herkules zum anden-
ken/ folgendes Lied in Teutſcher Sprache in die Harffeſang/ die er zugleich ſelber gar ar-
tigſpielete.


G g g g iij1 So
[606]Drittes Buch.
1
SO muß ich nun gezwungen froͤlich ſeyn/

Ob ich die Luſt gleich ſuche gar zumeiden.

O liebes Herz/ wie offt gedenk ich dein/

Was magſtu wol von meinetwegen leiden?

Wo geheſtu wol in der Irr’ umher?

Und klageſt ſo: ſind wir dann gar geſcheiden?

2
Biſtu hinweg ohn alle Wiederkehr?

Biſtu hinweg? O Herkules mein Leben;

Ich ſinge zwar/ doch koͤmt es ohngefehr;

Dann niemand kan mir Luſt und Freudr geben/

Als einig du. Wie fuͤrcht’ ich deiner faſt/

Es werde dir ſchwer ſeyn/ den Stein zuheben.

3
Der ferne Weg benimt dir Ruh und Raſt/

Des Raͤubers Schwert wird dich rechtſchaffen

uͤben.

Ihr Himmel helfft/ daß unter dieſer Laſt

Mein Einig-All nicht gar werd auffgerieben/

Laſſt uͤber mich vielmehr das Wetter aus/

Und dieſen frey/ den ich ins Herz geſchrieben.

4
Du groſſer Gott/ der du des Himmels Hauß

Gewoͤlbet haſt; ſol er mich wieder finden/

So wickel’ es nicht gar zubund und krauß/

Und laß viel eh mich armes Kind dahinden/

Ich muͤſte ſonſt/ wann er ſolt’ untergehn/

Vor Ungemach und Herzensangſt verſchwindẽ.

5
Nun Hoffnung nun/ ſol ich ihn wieder ſehn/

So wil ich mich an ſeiner Tugend laben;

So wil ich/ was mir Leides iſt geſchehn/

Als einen Scherz voruͤber laſſen traben;

Nun Hoffnung nun! ſol meine Luſt beſtehn/

So muß ich ihn doch endlich wieder haben.

Alle anweſende verwunderten ſich der uͤberaus lieblichen Stimme/ welche ſie dergeſtalt zu
zwingen/ und in der Kehle zukraͤuſeln wuſte/ daß mans mit keinem Spielwerke ihr nach-
machen kunte/ daher der Groß Fuͤrſt hernach zu ſeinen Leuten ſagete: Daran mangelte es
noch/ daß auch meine Spielleute und Saͤnger vor dieſem Juͤnglinge/ wie Butter an der
Sonne beſtehen muſten. Niemand aber/ als Pharnabazus/ urteilete daraus ihr weibliches
Geſchlecht/ und wunderte ſich ſehr/ daß niemand einigen Argwohn darauff legete. Das
lohbrennende Feur wuchs in Frl. Barſenen Herzen je mehr und mehr/ ließ auch keine ge-
legenheit voruͤber ſtreichen/ da ſie ihm deſſen Anzeige geben kunte; vor dißmahl aber baht
ſie umb Abſchrifft der Geſanges-Weiſe/ dann ſie wahr dieſer Kunſt und des Harffenſpiels
zimlich erfahren/ deſſen ſie einen Beweißtuhm ablegete/ und folgende Reimen dabey in
Perſiſcher Sprache ſang:


1
IHr meine Gedanken/ wo denket ihr hin?

Seyd nicht zu muhtig;

Es trifft zu blutig/

Wann ſchwaches Vermoͤgen und kraͤfftigeꝛ Siñ

In einer Geſelſchafft ſich duͤrffen verparen/

Dann auſſer dem koͤnnen muß wollen ſich ſparẽ.

2
Ihr meine Gedanken/ wem ziehet ihr nach?

Laſt leichtes fliegen/

Und ſchweres liegen;

Dann beydes gibt ſchaden uñ ſchmerzliches ach;

Diß druͤcket/ und jenes bringt ſchnoͤdes verachtẽ;

Hier muſtu erſticken/ und dorten verſchmachten.

3
Das Mittel geht ohne Gefaͤhrligkeit zu;

Scharff iſt zu Herriſch/

Und ſtumpff zu naͤrriſch;

Der bleibet ohn fehlen in ſtetiger Ruh/

Wer immer auff mitteler Straſſe ſich waget;

Dañ niedriges ſchmaͤhet/ uñ ſtoltzer Mut plaget.

4
Dich Ikarus treibet die uͤppige Luſt

Zur Himmels Spitze/

Da du vor Hitze

Verſchmelzen/ uñ nunteꝛ in Meeres-gꝛund muſt.

Wer Faͤhrligkeit liedet/ muß drinnen vergehen/

Und kluge Vorſichtigkeit bleibet beſtehen.

5
Drumb endert ihr meine Gedanken euch bald;

Schwingt eur Gefieder

Nicht auff/ nicht nider;

Auff mitteler Straſſe wird jederman alt;

Doch goͤnnet dem beſſeren dieſes zu erben/

Was eure Gebrechen nicht koͤnnen erwerben.

Herkuliſkus ließ ſich nicht merken/ daß es von ihr aus halber Verzweifelung wegen ſeiner
Liebe geſungen wahr/ lobete beydes den Tichter und die Stimme/ und ward von der Groß-
Fuͤrſtin gebehten/ ihr die Harffe zureichen/ damit ſie auch ein ſchlechtes Schuelrecht tuhn/
und
[607]Drittes Buch.
und der Tugend Lob nach vermoͤgen angeben moͤchte; welchem zu folge/ ſie allen Spielleu-
ten geboht/ mit einzuſtimmen/ daß das Spielzeug gedaͤmpffet/ und in ſanftem Gleich-Klan-
ge geſpielet wuͤrde; Worauff ſie folgendes Lied hoͤren ließ.


1
ODu heller Tugend-Schein/

Kan man deines gleichen finden?

O nein! alles muß verſchwinden/

Was dir darff zuwider ſeyn.

Frevel-Macht/

Hochmuht Pracht

Muß zu deinen Fuͤſſen

Liegen/ und demuͤhtig buͤſſen.

2
O du unſers Lebens Licht/

O du Glanz der keuſchen Sinnen!

Dein Vornehmen/ dein beginnen

Schlaͤget keinen bloſſen nicht.

Schanden-Luſt/

Falſche Bruſt

Muß zu deinen Fuͤſſen

Liegen und demuͤhtig buͤſſen.

3
Wer kan deiner Staͤrke dann/

Deiner Herrſchafft ſich entbrechen?

Du weiſt Feindes Macht zu ſchwaͤchen/

Und legſt ihnen Ketten an;

Spieß und Schild/

Freches Wild

Muß zu deinen Fuͤſſen

Liegen und demuͤhtig buͤſſen.

4
Blutgier/ Mord/ Liſt/ und Gewalt/

Geldes Sucht/ unkeuſches wollen;

Und vor Neid gar ſeyn geſchwollen/

Hat bey dir kein Auffenthalt.

Drumb wil ich/

Einzig dich

Tugend ſtets beſingen/

Und dir mein Lob-Opffer bringen.

Herkuliſkus gab dieſem Geſange genaues Gehoͤr/ und wie er gar eines fertigen Verſtan-
des wahr/ tichtete er ſtuͤndlich einen Gegen Satz/ in dem er des Gluͤckes Grauſamkeit an-
klagete/ wie daſſelbe der Tugend gemeinlich widerſtrebete; dannoch aber dieſelbe gar zuun-
terdruͤcken nicht tuͤchtig waͤhre; nam die Harffe zu ſich/ und ſang darein folgende Reimẽ:


1
JA Tugend; Weder Liſt noch Streit

Kan dich erlegen.

Wie aber? daß des Gluͤckes Neid

Sich ſo verwaͤgen

An dir zureiben pflegt/

Und immer fort mit wuͤten auff dich ſchlaͤgt?

2
Wann ſie auff rechtem Wege geht/

Und Frieden liebet/

Biſtu/ der ihr entgegen ſteht/

Und ſie betruͤbet.

Wie ſchlecht ſie immer iſt/

Verfolgt man ſie doch/ wann du zornig biſt.

3
Das fromme Schaf verſiht es leicht/

Daß du ergrimmeſt/

Wann es dir nicht den Reichs Stab reicht/

So bald du bruͤmmeſt/

Dann gehſtu mit Geſchoß

Und Grimmigkeit auff ſie verwaͤgen loß.

4
Du hetzeſt alle Welt auff ſie

Durch Luͤgen-tichten;

Der zwakt ſie da/ und jener hie/

Durch falſches richten;

Ja deines Zornes Glut

Sucht Loͤſchung in der frommen Tugend Blut.

5
So kaͤmpfft das Gluͤk; muß aber doch

Der Tugend goͤnnen;

Daß ſie geherzt das ſchwere Joch

Wird tragen koͤnnen;

Dann wie der Palmen Baum

Bricht ſie hervor/ nimt man ihr gleich dẽ Raum.

6
Sie wartet der beſtimten Zeit/

Die Gott geſetzet/

Weil ſie Traͤu und Beſtaͤndigkeit

Vor hoͤchſtes ſchaͤtzet.

Schoͤn Wetter/ ſpricht ihr Wiz/

Erfolget doch auff Hagel/ Sturm und Bliz.

7
Nun dann/ ſo muß mein Herz und Sin

Doch nicht erſticken/

Solt’ auch des Gluͤckes Neid mich hin

Ins Wilde ſchicken/

Da wo der Drachen Wuht

Nur wohnet/ weil ſich Tugend zu mir tuht.

Arbianes baht nach geendigtem ſingen/ ihm dieſes Teutſchen Liedes Inhalt ins Griechi-
ſche uͤberzuſetzen/ welches hernach Pharnabazus in gleiche Art Mediſche Reimen brachte/
und
[608]Drittes Buch.
und hatte die Groß Fuͤrſtin ein ſolches Vergnuͤgen an demſelben/ daß ſie es vor ihr beſtes
waͤhlete/ ſo daß ſie ihrem vor geben nach/ es Herkuliſkus zum Gedaͤchtniß vor ihr Leibſtuͤk
halten wolte/ weil mit ſeinem Zuſtande es ſo gar einſtimmete. Dieſer/ weil er ſich erinnerte/
daß er des naͤhſtfolgenden Morgens ſeine Reiſe nach Charas anſtellen wuͤrde/ ſtund von
ſeiner Stelle auff/ entbloͤſſete auff Teutſche Art ſein Haͤupt/ und fing folgende Rede an:
Durchleuchtigſter/ Großmaͤchtiger Groß Fuͤrſt; wie dann Durchleuchtigſte Groß Fuͤr-
ſtin; auch Durchleuchtigſter Fuͤrſt Arbianes/ Gnaͤdigſte Herren und Frau; Der aus ſei-
nem Vaterlande entraubete Herkuliſkus/ deſſen der Himmel ſich als eines Gluͤks Ballen
gebrauchet/ kan nicht abſehen/ mit was gebuͤhrlichem Danke Ihren Durchleuchtigkeiten
zubegegnen er duͤchtig iſt/ vor die uͤberaus groſſe Gnade/ ihm uͤber alle Verdienſt und Wir-
digkeit angetahn; Der Unfall hat ihm vor etlicher Zeit ſeinen lieben Vater entriſſen/ den
hat er an dem Durchl. Groß Fuͤrſten alhie wieder funden. Die boßhafften Raͤuber haben
ihn ſeiner herzlieben Fr. Mutter entfuͤhret/ dieſelbe hat er an ſeiner gnaͤdigſten Groß Fuͤrſtin
hieſelbſt angetroffen; Das Ungluͤk hat ihn von ſeinem vertrauten Oheim Herkules weit
abgeſchieden/ der iſt ihm an ſeinem hoͤchſtwerten Fuͤrſten Arbianes wieder gegeben. Nim-
mermehr werde ich mich dieſes Gluͤks gnug ruͤhmen koͤnnen; nimmermehr werde ich ſol-
ches zuerkennen geſchikt genug ſeyn. In meiner erſten Ankunft bildete ich mir eine leibeige-
ne Knechtſchafft ein/ und ward vor Sohn und Bruder erwaͤhlet; ich furchte mich vor dz
unbekante Ekbatana/ und traff daſelbſt meiner Eltern Schos an. O Him̃el/ gib mir Ver-
nunfft/ es recht zubetrachten; und du Gott/ der du darinnen herſcheſt/ verleihe mir Gnade/
ein Dankzeichen abzulegen; ja vergeltet das gute an mir erwieſen/ erſetzet/ was alle meine
Verwanten zubezahlen nicht gnug ſind. Gewaltiger Groß Fuͤrſt/ was hat Eure Durchl.
uñ Gn. an ihrem unwirdigſten Knechte geſehẽ/ das ihn ſo angenehm gemacht hat? Hoͤchſt-
ruͤhmliche Groß Fuͤrſtin/ welcher Liebes-Gott hat ihre muͤtterliche Bruſt mir geoͤffnet/ dz
ich hinein geſchloſſen bin? Durchleuchtigſter Fuͤrſt Arbianes/ warumb leget ſeine Vor-
treffligkeit einem gefangenen Knechte den ſuͤſſen Bruder Nahmen zu? Die Gnade iſt zu
haͤuffig; die Liebe zu ſtraͤnge; die gewogenheit uͤbermaͤſſig; und dannoch habe ichs anneh-
men muͤſſen/ wolte ich mich ſelbſt nicht unangenehm machen; Ich muſte mich vor den hal-
ten laſſen/ der ich nicht bin/ und ſolche Verwaltung in dieſem Schauſpiele auff mich neh-
men/ der ich viel zu leichte wahr; daher haben meine Hoͤchſtgebietende ja ſo wenig die Er-
ſetzung von mir zugewarten/ als ich ſie nimmermehr zuerlegen weiß. Aber dieſe Liebe Traͤh-
nen (die er mit dem Finger aus den Augen wiſchete/ und auff den Tiſch warff) ſollen hie-
ſelbſt zum Zeugnis vertroknen/ daß wofern ich leben ſol/ ich nicht voͤllig werde gluͤkſelig ſeyn
koͤnnen/ als lange mirs an gelegenheit mangelt/ mein Herz ſehen zulaſſen/ wie gerne es den
Anfang der Zahlung ſeiner unzaͤhlichen Schuld machen wolte/ welche voͤllig abzutragen/
des Himmels Reichtuhm erfodert. Aber O mir gar zu verhaffteten! wie ſol ich eure hoch-
geneigete Freundſchafft und Hulde/ Hochgebohrner Herr Pharnabazus/ Herr Mazeus/
Fr. Roxane/ Frl. Barſene/ wie ſol ich immermehr ihnen erwiedern/ was ich von ihnen ohn
maß empfangen habe? Laſſet euch/ bitte ich/ des guͤtigen Gottes Art gefallen/ der mehr ver-
gnuͤgung an der Wilfaͤhrigkeit/ als an Geſchenken hat/ und verſichert euch doch/ daß ich
kein Vermoͤgen ſparen wolte/ wañ mirs beywohnete/ da ich nun wegen mangel nur Wort-
Speiſen
[609]Drittes Buch.
Speiſen auffzutragen genoͤhtiget werde. Niemand war uͤber Tiſche/ dem die klaren Traͤh-
nen nicht in den Augen geſtanden waͤhren; Das Frauenzimmer aber fingüberlaut an zu
weinen/ und Arbianes wahr der Ohmacht am naͤheſten. Dieſe Traurigkeit nun in etwas
zulindern/ foderte Herkuliſkus die Harffe/ und mit einem Liebes-brennenden Angeſichte/
ſang er folgendes Lied in Griechiſcher Sprache:


1
WAnn mein Wunſch in Krafft beſtuͤnde/

Und mein wollen/ koͤnnen fuͤnde;

Solte meine Dankbarkeit

Feſte ſtehn zu aller Zeit.

2
Wann die Haͤnde koͤnten zahlen/

Was Gedanken wol abmahlen/

Solte meine Dankbarkeit

Feſte ſtehn zu aller Zeit.

3
Aber O! von Armut wegen/

Kan ich gar kein Zeichen legen;

Drumb ſteht meine Dankbarkeit

Nur im wollen allezeit.

4
Ja mein Herz/ ſih wie es gehet;

Wer zu hohe Gunſt empfaͤhet/

Und mehr als er tragen kan/

Schauet niemand froͤlich an.

5
Wer zu ſchwer wird uͤberladen/

Wann er muß durch Fluten waden/

Traͤgt vergebens ſeinen Sin

Nach dem fernen Ufer hin.

6
Herz/ jezt lerneſtu gar eben/

Mehr zu nehmen als zu geben;

Solte das nun Tugend ſeyn;

Waͤhrſtu voller Tugendſchein.

7
Doch du haſt zwar nehmen muͤſſen;

Drumb wird Gott zu lohnen wiſſen/

Was ein ſchwacher Schuldes-Mann

Durch ſich nicht erſetzen kan.

Der Groß Fuͤrſt erhohlete ſich unterdeſſen/ und die weiblichen Traͤhnen wurden geſtillet/
daß auch Arbianes ſich wieder erinnern kunte/ wo er wahr/ und gab Herr Mazeus nach
Groß Fuͤrſtlichem Befehl/ unſerm Herkuliſkus dieſe Antwort: Durchleuchtiger/ und von
Himliſcher Gunſtreichbegabeter Herr Herkuliſkus; Groß Fuͤrſtl. Durchl. allerſeits/ haͤlt
die hohe Dankſagung vor überfluͤſſig/ weil ſie ichtwas geleiſtet zuhaben/ ſich nicht erinnern
koͤnnen/ das eure Vollkommenheit nicht hundertfach verdienet haͤtte; wuͤnſchen nichts
mehr/ als daß ihnen Freyheit gegoͤnnet werde/ euch zeit ihres Lebens Elter- und Bruͤder-
liche Liebe zu erweiſen/ erbieten ſich bey Groß Fuͤrſtlichen Ehren/ es an keinem ermangeln
zulaſſen/ was in ihrem Vermoͤgen ſtehet. Auch wird mein Herr ſich erinnern/ was unſer
allerſeits Gn. Groß Fuͤrſt ſich neulich gegen ihn erboten/ aber er ſelbſt aͤidlich geunwilliget/
und ſich widerſetzet hat. Seine GF. Durchl. aber zweifelt nicht/ ihm werde gelegenheit
zuſtoſſen/ auch am bewuſten Orte ihm ſeine gewogenheit und vaͤterliches Herz ſehen zulaſ-
ſen. Darauff trat Herkuliſkus zu dem Groß Fuͤrſten/ ſetzete ſich auff ſeine Knie/ und kuͤſſete
ihm die Haͤnde in kindlicher Neigung/ biß ihn derſelbe auffrichtete/ und zu ihm ſagte: Mein
geliebter Sohn/ ich hoffe/ die guͤtigen Goͤtter werden uns verleihen/ uns unter einander beſ-
ſere Freundſchafft zuleiſten/ als bißher geſchehen. Er hingegen wendete ein/ er haͤtte ſchon
gar ein uͤbriges empfangen/ machte ſich hin zu der Groß Fuͤrſtin/ und wolte ſich auch vor
ihr niderlegen/ welche ihn aber umfing/ und nach erteiletem muͤtterlichen Kuſſe ſagete:
Mein Sohn/ die Goͤtter wollen euch beyſtehen; ein mehres wolte die herzbewaͤgende Trau-
rigkeit nicht zulaſſen. Arbianes meynete/ die Ordnung wuͤrde nun an ihm ſeyn/ empfand
aber in ſeinem Gemuͤht nicht/ wie er ſich verhalten ſolte; welches Herkuliſkus merkend/ zu
ihm ſagete: Hochgeliebter Fuͤrſt/ wir werden hernach allein bequemere gelegenheit haben/
uns vor dißmahl zuletzen; wendete ſich zu Pharnabazus/ ihm Ehre zubeweiſen/ welches er
aber nicht zugeben wolte/ ſondern ihm wider ſeinen Willen die zarte Hand kuͤſſete/ einwen-
H h h hdend/
[610]Drittes Buch.
dend/ es waͤhre gar zu viel/ daß er ſich auch gegen ſeine Wenigkeit bedanket haͤtte/ da ihm
doch keine Gelegenheit zuſtoſſen wollen/ ihm auffzudienen/ die er gleichwol zuſuchen/ hoͤchſt
wolte gefliſſen ſeyn. Mazeus taht desgleichen/ und erboht ſich mit alle ſeinem Vermoͤgen.
Hernach trat er hin zu Frl. Barſenen/ die ſein halbzitternd erwartete/ kuͤſſete ihr die Hand/
und meldete in Hoͤfligkeit/ wie er ſich der erzeigeten Gunſt unwirdig ſchaͤtzete/ baht umb
ſtetswehrende gewogenheit/ und verpflichtete ſich mit vielfaͤltigem erbieten/ ihr ſteter Die-
ner zubleiben/ als viel ſein Vermoͤgen ohn einige Bedingung leiſten koͤnte; wie ihm dann
ſein Herz eigentlich zutruͤge/ ſie wuͤrden in beſtaͤndiger Freundſchafft noch manniche Zeit
leben. Das Fraͤulein waͤhre lieber mit ihm allein geweſen/ umb ihre Liebe zu guter lezt zube-
zeugen/ und ſeiner Zuſage ihn zuerinnern/ weil es aber Zeit und Orts gelegenheit nit goͤn-
nete/ muſte ſie es vertragen/ wuͤnſchete ihm mit gebrochener Stimme des Him̃els Schutz/
und bedankete ſich aller geſchehenen Ehre. Es hatte Fr. Roxane ſeine Worte angehoͤret/
welche ſie alle ungleich deutete/ und auff eine hitzige Liebe zog; Sie wuſte faſt nicht/ ob ſie
ihm hold oder ungeneigt ſeyn ſolte/ weil ſie in den Gedanken ſtund/ er ginge mit gefaͤhrli-
chem Vorſatz umb/ ihre Frl. Schweſter zuverleiten/ und war ihr nicht ſo gar unangenehm/
daß er ſeine Reiſe nunmehr fortſetzen wuͤrde. Herkuliſkus hatte aus unterſchiedlichen
Stachelreden/ auch von dem Fraͤulein ſelbſt vernommen/ weſſen ſie gegen ihn geſiñet war/
welches er ihr doch nichtverargete/ ſtellete ſich auch vor dißmahl uͤbeꝛaus freundlich gegen
ſie/ und nach geendigter Dankſagung/ hielt er bitlich an/ mit ihm einen kurzen Abtrit zuneh-
men/ weil vor ſeinem Abſcheide er gar ein wenig mit ihr abſonderlich zureden haͤtte. Sie
beſtürzete hieruͤber/ und zweifelte nicht/ es wuͤrde die Offenbahrung ſeiner Liebe gegen das
Frl. betreffen/ welche einzuwilligen ſie durchaus nicht geſinnet wahr/ weil ſie mit deꝛ Groß-
Fuͤrſtin die Heyraht ihres Bruders zimlicher maſſen ſchon beredet hatte; wegerte ſich
demnach hoͤflich/ mit ihm zugehen/ biß ihr Gemahl ihr ſolches gebot. So bald ſie im Ne-
ben Gemache ſich allein befunden/ kuͤſſete er ihr die Hand/ und brachte vor/ er haͤtte vorerſt
ihr eine groſſe Heimligkeit zuentdecken/ und hernach eine freundliche Bitte abzulegen/ wañ
er ihrer Verſchwiegenheit koͤnte verſichert ſeyn. Sie bildete ihr den vorigen Wahn ſo ſeſt
ein/ daß ſie gaͤnzlich meynete/ es wuͤrde die Anwerbung darauff erfolgen/ und gab ihm zur
Antwort: Es moͤchte vielleicht eine ſolche Heimligkeit feyn/ welche ſie zuwiſſen nicht be-
gehrete; wann dann eine unmoͤgliche Bitte darzu kommen ſolte/ würde er nur ihre gute
gewogenheit in Zweifel zihen da ſie ihm doch von herzen alles gutes goͤnnete. Herkuliſkus
lachete dieſer Sorge bey ihm ſelber/ wolte ſie doch etwas beſſer pruͤfen/ und ſagte weiter:
Sein hoͤchſtes Vertrauen haͤtte er auff ihre Guͤtigkeit gebauet/ wolte auch nicht hoffen/ dz
ſie ihm ihre Gutwilligkeit verſagen wuͤrde; Die Heimligkeit waͤhre ſo beſchaffen/ daß ſie
noch zur Zeit kein Menfch/ als ſie/ wiſſen duͤrffte/ deren Nohtwendigkeit die hinzugefuͤgete
Bitte aͤuſſerſt erfoderte/ ſo daß er ſich billich vor ungluͤkſelig ſchaͤtzen muͤſte/ wann er bey ihꝛ
ſolte einen bloſſen ſchlagen. Ach mein geliebter Herkuliſkus/ antwortete ſie/ die Goͤtter wiſ-
ſen/ wie gerne ich ihm zugefallen bin/ wegere mich auch nicht/ nach ſeinem begehren zuſchal-
ten/ dafern nur meine Frl. Schweſter nicht mit eingemenget wird/ weil dieſelbe nicht mehr
frey/ ſondern von der Groß Fuͤrſtin und mir/ einem trefflichen Herrn/ ihrem nahen Anver-
wanten ehelich verſprochen iſt/ ob ſie gleich deſſen ſelbſtnoch keine Wiſſenſchafft traͤget. Ich
erfreue
[611]Drittes Buch.
mich von Hertzen/ ſagte er/ daß mein hochwertes Fraͤulein zu gutem Gluͤk ſol ausgeſteuret
werden/ und weil meine liebe Freundin nicht gerne ſihet/ daß das Fraͤulein mit zugezogen
werde/ ſo iſt ſolches eben mein begehren/ frage nur noch einmahl/ ob ich mich auf eure Ver-
ſchwiegenheit verlaſſen darff; ſolte dann meine Bitte nicht koͤnnen ſtat finden/ woran ich
doch im geringſten nicht zweifele/ wil ich derſelben gerne ſie erlaſſen. Aber was frage ich
lange nach eurem guten Willen/ der mir durch ſo manniche Erweiſung mehr als zu kund
iſt? Vernehme demnach meine hochwerte Freundin/ meine groͤſſeſte Heimligkeit/ die ich
noch keinem fremden offenbahret habe; und was meynet ihr/ herzgeliebete Frau Roxane/
mit wem ihr redet? etwa mit Herkuliſkus? Ja mit dem/ der allen andern biß dahin Her-
kuliſkus bleibet/ nur allein euch nicht als meiner allervertrauteſten Freundin. Es fing Fr.
Roxane an vor Furcht zuzittern uñ beben/ nicht anders gedenkend/ er wuͤrde ſich ihr offen-
bahren/ daß er ein warhafftiger Gott waͤhre; Er aber taht/ als merkete er ihre Furcht nicht/
und fuhr alſo fort: So hoͤret nun meine Freundin/ dieſe Heimligkeit/ und wiſſet/ daß ich ſo
wenig maͤnliches Geſchlechtes bin/ als eure Frl. Schweſter/ ſondern ihr ſehet vor euch ei-
nes maͤchtigen Koͤniges Tochter/ des ſo offtgedachten Herkules Waſe und verſprochene
Braut/ Valiſka. Ich ſehe wol/ meine Freundin/ dz ihr gedenket/ ich ſcherze; aber ach nein;
die Merkzeichen ſollen bald zeugen/ was ich rede; oͤffnete hiemit ihren Buſem/ und ließ ih-
re zarten Bruͤſte ſehen; daß Fr. Roxane ſich in hoͤchſter Verwunderung befand/ und ihr
dieſe Antwort gab: Allergnaͤdigſtes Fraͤulein/ ich bedanke mich untertaͤhnigſt der erzeige-
ten Gnade/ wodurch ſie ihre hoͤchſte Heimligkeit mir vertrauen wollen/ und gelobe ihr hie-
mit aͤidlich/ daß ich keinem einigen Menſchen dieſer Welt ſolches offenbahren wil/ als lan-
ge ſie es verſchwiegen zuhalten mir gnaͤdigſt anbefihlet; uñ weil ich durch blinden Irtuhm
eine ſehr unbedachtſame Grobheit begangen/ bitte ich umb gnaͤdigſte Vergebung. Herku-
liſkus fiel ihr umb den Hals/ kuͤſſete ſich lange mit ihr/ und taht ihr zuwiſſen/ daß um Erhal-
tung ihrer Jungfraͤulichen Keuſcheit ſie Juͤnglings geſtalt angenommen/ baͤhte/ ihr nicht
zuverdenken/ daß ſie Arbianes Schlafgeſelle zuſeyn ſich bereden laſſen/ weil er ſie noch dieſe
Stunde vor einen Juͤngling hielte/ wiewol ſie meiſt deswegen mit ihrer Reiſe eilete/ dz ſie
des Verdachts moͤchte enthoben werden; Demnach ſie aber nicht wuͤſte/ ob ihre Verſtel-
lung zu Charas gelten wuͤrde/ moͤchte ſie gerne auf allen fall uñ ingeheim ein weiblich Kleid
bey ſich haben/ welches zu bezahlen ſie Mittel gnug haͤtte/ und diß waͤhre die Bitte/ welche
ſie zugleich ablegen wolte. Warumb gedenket mein Gn. Fraͤulein der Zahlung? antwor-
tete ſie; ich bin ja derſelben wegen jezt erzeigeter Gnade mit viel einem mehren verbunden/
und weil ich meiner Schweſter geſtriges Tages ein neues Kleid verfertigen laſſen/ da der
Unter Rock von einem Silberſtuͤk mit allerhand Farben durchwirketem Blumwerk/ das
Oberkleid aber von zarter weiſſer Seide iſt/ mit Perlen geſtikt/ wobey Struͤmpfe/ Schuh/
und anderer gebuͤhrlicher Zierraht ſich findet/ als wolle Eure Durchl. ſolches von mir gnaͤ-
digſt annehmen/ und meines bereitwilligſten Herzens dabey eingedenke ſeyn. Herkuliſkus
bedankete ſich davor herzlich/ baht/ ſein mit groſſen Koͤniglichen Ehren-Nahmen zuver-
ſchonen/ und erboht ſich/ wegen des verſprochenen wolgefaͤlligen Kleides alle Dankbarkeit
ſehen zulaſſen; haͤtte aber noch eine Bitte bey ihr abzulegen/ als nehmlich/ daß ſie etliche ge-
traͤue reitende Diener ausſenden wolte/ des Weges/ welchen er kommen waͤhre/ um/ in den
H h h h ijmit
[612]Drittes Buch.
mit dieſem [...] Merkmahl bezeichneten Herbergen zuerforſchen/ ob nicht ein oder ander
fremder Ritter daſelbſt geweſen/ der entweder nach Herkuliſkus oder Valiſka gefraget/
maſſen ſie nicht zweifelte/ ihr Herkules oder wol andere mehr/ wuͤrden nicht unterlaſſen/
ihre Erloͤſung zubefodern. Fr. Roxane lobete ihr traͤulich an/ ein ſolches erſtes Tages ins
Werk zurichten/ und weil ſie beyderſeits ſich fuͤrchteten/ es moͤchte ihr langes Geſpraͤch den
anweſenden verdaͤchtig fallen/ gingen ſie wieder in den Saal/ da Frl. Barſene in Furcht
ſtund/ er wuͤrde ihrer Fr. Schweſter ihre Liebe anvertrauet haben. Es war die lezte Nacht/
daß Arbianes feinen geliebeten Herkuliſkus im Arme ſchlaffen hatte/ bey dem er anhielt/ es
von ſeinem H. Vater zuerbitten/ daß ihm moͤchte verguͤnſtiget werden/ mit nach Parthen
zureiſen/ damit er umb ſo viel laͤnger ſeiner lieben Geſelſchafft und Gegenwart zu genieſſen
haͤtte; welches er ihm zwar verſprach/ und doch zuleiſten nicht geſoñen wahr/ dann es wol-
te ihm der junge Herr ſchon zu geheim werden; daher er wegen der inſtehenden Reiſe ſich
nicht wenig freuete. Des folgenden Morgens lieferte ihm Roxane das Kleid in einem
Wetſcher/ und betruͤbete ſich Arbianes ſehr/ daß ihm mitzuzihen durchaus nicht wolte er-
laͤubet werden/ und er alſo von ſeinem Herkuliſkus den endlichen Abſcheid zunehmen ge-
zwungen ward/ welchen er mit dieſen Worten anredete: Die Goͤtter ſind meine Zeugen/
herzgeliebeter Bruder/ daß in Abwendung ſeines Ungluͤks/ welches ihn vielleicht treffen
moͤchte/ ich weder Gut noch Blut ſparen wolte/ wann ſich einige gelegenheit erzeigen wuͤr-
de; nach dem ich aber bey meinem Herꝛ Vater nicht erhalten kan/ daß mir die Reiſe gegoͤn-
net werde/ bin ich gezwungen/ mich auff dißmahl mit dem groͤſten Teil meiner Seele zulet-
zen/ daß ich auch nicht weiß/ ob mir das Gluͤk verleihen wird/ ihn dereins wieder zu ſehen;
wiewol ich das Vertrauen zu den himliſchen Goͤttern habe/ ſie werden nichtzugeben/ dz die
allerſchoͤnſte tugendhaffteſte Menſchenzucht in Ehren- und Lebens gefahr gerahte; welche
Hoffnung mir die Verheiſſung tuht/ ich ſolle meinen Herzensfreund nicht gar verlieren/
ſondern (welches ich wuͤnſche) in hohem Ehrenſtande mit Koniglichen Gnaden uͤberhaͤuf-
fet/ wieder antreffen; Inzwiſchen wil ich ihm des Himmels Schutz helffen erbitten/ nicht
zweifelnd/ er werde mir ſein verſprochenes in der ferne nicht erſterben laſſen/ ſondeꝛn die an-
gefangene Freundſchafft und traͤue Auffrichtigkeit halten/ welches bey Verpfaͤndung mei-
ner Seele von mir ſol geleiſtet werden; fiel ihm mit dieſen Worten umb den Hals/ und in
dem er ihn unterſchiedliche mahl kuͤſſete/ ſagete er: O wie gluͤkſelig wuͤrde ich ſeyn/ wann
mir vergoͤnnet waͤhre/ des Ungluͤks helffte uͤber mich zunehmon/ da meinem Seelen-freun-
de ſonſt einiges von dem Verhaͤngniß angedraͤuet wird. Mein hochwerter Fuͤrſt/ antwor-
tete Herkuliſkus/ er wolle ſich/ bitte ich/ meines kuͤnfftigen ergehens ſo hoch nicht annehmẽ/
ſondern vielmehr ſich verſichern/ daß mein Muht dem Him̃el noch viel ein mehres trauet/
da ich ihm dann hiemit bruͤderlich verheiſſe/ aus diefen Morgenlaͤndern nicht zuweichen/
ehe und bevor ich an ſeiner beliebeten Gegenwart auffs neue mich ergetzet/ und die ange-
ſchuͤrzete Liebes Bande feſter geknuͤpffet habe. Wendete ſich darauff zu der Groß Fuͤrſtin
und anderen anweſenden/ und nach abermahl genommenem Abſcheide/ befahl er ſich ihrer
beharlichen Gnade und Gewogenheit/ ſetzete ſich neben den Groß Fuͤrſten auff ſeine Leib-
Gutſche/ und in Begleitung 200 Reuter/ die von Pharnabazus und Mazeus gefuͤhret
wurden/ eileten ſie auffs geſchwindeſte fort/ die Parthiſche Haͤuptſtadt Charas zuerreichẽ.


Ladiſla
[613]Drittes Buch.

Ladiſla und Fabius ſamt Leches und ihren neuen Dienern/ hatten in Aſſyrien gute
Geſelſchafft angetroffen/ mit denen ſie in zimlicher Sicherheit faſt die Perſiſchen Grenzen
beruͤhreten/ da dem guten Fabius gar ein ſchweres Ungluͤk zuſties/ als ſie im Gehoͤlze einẽ
engen Weg ritten/ und wegen Raͤuberiſchen anfalles gute Auffſicht haben muſten/ welcheꝛ
Urſach halben Ladiſta vor dem Hauffen/ Leches in deꝛ Mitte/ und Fabius hinten nach ritte.
Als nun dieſer/ umb das ſein Pferd ſtallen wolte/ ſich ein wenig bey einem krummen umb-
wege verſpaͤtete/ und eines Steinwurffs zu ruͤcke blieb/ nahmen deſſen vier junge verwaͤ-
gene Raͤuber wahr/ die ihm Puſche ſich verborgen hielten/ ſchoſſen ihm das Pferd alsbald
nieder/ und ſprungen auff ihn zu/ da er unter dem Pferde lag/ hielten ihm das Maul zu/
bunden ihm die Haͤude/ und fuͤhreten ihn mit ſich ins Geſtraͤuche/ da ſie ihm die Augen
verbunden/ den Harniſch abzogen/ und alsbald zuerſtechen draͤueten/ dafern er nicht willig
mit fort gehen wuͤrde. Fabius wahr uͤbermañet/ muſte mit ſpringen/ und wahr ihm das
ungelegenſte/ daß man ihm das Maul geknebelt hatte/ und ſich ſolcher Geſtalt eine groſſe
Meile muſte treiben laſſen; endlich/ da er dieſer Beſchwerung entnommen wahr/ gab er
mit wenig Perſiſchen Worten zuverſtehen/ ſie moͤchten ihn als einen Ritter handeln/ er
wolte als ein Gefangener ihres Willens leben. Dieſe aber kehreten ſich hier an wenig/ ſon-
dern fuͤhreten ihn mit gefeſſelten Armen nach dem Fuͤrſtentuhm Suſiana/ und da ſie etli-
che Meilen ohn auffhoͤren fortgelauffen wahren/ und ſich keiner Nachfolge mehr zubefah-
ren hatten/ frageten ſie/ wer er waͤhre/ und ob er Geld bey ſich haͤtte. Er gab vor/ er hieſſe
Kleon/ waͤhre ein gebohrner Grieche/ haͤtte mit niemand Feindſchaft/ triebe auch kein ge-
werbe/ ohn daß er als ein ſchweiffender Ritter ſeinem Gluͤk nachzoͤge: Die Geſelſchaft/
mit denen er gereiſet/ waͤhren reiche Kauffleute/ deren eineꝛ ihm ein zuſammen gewickeltes
kleines Tuͤchlein zuverwahren gegeben/ moͤchtẽ wol koͤſtliche Sachen drinnen ſeyn/ die er
ihnen gerne einhaͤndigen wolte; uͤberreichte ihnen hiemit etliche zuſam̃en gebundene Klei-
not ohngefehr 8000 Kronen an wert; uͤber welche die Raͤuber ſich hoͤchlich freueten/ und
ihm die Wahl zur ſonderlichen Gnade gaben/ ob er lieber ſterben/ oder ſich verkaͤuffen laſ-
ſen wolte. Er empfand hieraus ſchlechten Troſt/ und gab ihnen zur Antwort; dafern er ſo
bittſelig ſeyn koͤnte/ das ihm Leben und Freyheit geſchenket wuͤrde/ wolte er ſich aͤidlich ver-
pflichten/ es an ihrer keinem zueifern; waͤhre es aber ja nicht zuerhalten/ baͤhte er um Lebens-
friſtung/ und daß ſie ihn einem vornehmen Herrn verkauffen moͤchten. Nein antworteten
ſie/ wir bieten dich nicht weiter aus/ als an einen/ welcher dich nach Willen ſelbſt behalten/
oder weiter verhandeln wird. Weil er nun die Bremſen nicht reizen/ noch dieſe Buben
mit unangenehmen bitten erzuͤrnen wolte/ ergab er ſich ihrem Willen/ nur daß ſie ihm die
Haͤnde frey laſſen moͤchten/ nachdem er ihnen nicht entlauffen koͤnte; welche Gnade er in
ſo weit er hielt/ daß ihm dannoch die Arme mit einem Stricke aneinander gebunden wah-
ren/ und er deren ſich nicht frey gebrauchen kunte. Er gelebete noch immer der Hoffnung/
Ladiſla wuͤrde ſeines abweſens zeitig inne werden/ und umb ſeine Erloͤſung ſich bemuͤhen;
aber alles vergeblich/ weil die ganze Geſelſchaft ihn vor ſpaͤtem Abend/ 6 Stunden nach
ſeinem Verluſt/ nicht miſſeten/ da ſie auff einem breiten Platze ſich ſamleten/ und Ladiſla
nach ihm umſahe/ endlich ihm mit Nahmen rieff/ und fleiſſig nachfragete/ ob nicht jemand
umb ihn Wiſſen ſchaft truͤge. Man befand zwar/ daß er nach gemachtem Schluſſe ſich an-
H h h h iijfangs
[614]Drittes Buch.
fangs hinter der Schaar gehalten/ waͤhre aber in 6 Stunden daſelbſt nicht geſehen/ ſo daß
man gedacht/ er wuͤrde neben hin geritten ſeyn/ und unter andere ſich vermiſchet haben.
O mein Bruder/ ſagte hierauff Ladiſla/ ſo biſtu gewißlich in Unfal gerahten/ und wol gar
erſchlagen; wendete damit ſein Pferd umb/ in meynung/ den Ruͤkweg zunehmen/ und ihn
zuſuchen; aber Leches redete ihm ein; es waͤhre ſpaͤter Abend und in der Wildnis/ da nicht
allein Raͤuber ſondern auch die wilden Tihre zu fuͤrchten; ſo muͤſte man einen Weg von
ſechs Stunden reiten/ welches den Pferden ja unmoͤglich fallen wuͤrde; zwar er waͤhre
bereit zu folgen/ doch hielte er vor rahtſam/ den Pferden etliche Stunden Futter und Ruhe
zu goͤnnen/ ob man etliche von der Geſelſchaft vermoͤgen koͤnte/ in fruͤher Morgen Stunde
mit zu reiten/ und Nachſuchung zu tuhn. Ach Leches/ antwortete er; inzwiſchen kan er gaꝛ
umb ſein Leben kommen. Die Goͤtter werden ihn behuͤten/ gab er zur Antwort/ und ſolchẽ
Unfal von ihm abwenden. Ladiſla ſahe daß er gezwungen dieſem Raht folgen muſte/ hielt
auch bey der Geſelſchaft an/ des folgenden tages in dem Flecken zu verweilen/ biß er ent-
weder ſeinen Geſellen angetroffen/ oder zum wenigſten einige Kundſchaft von ihm einge-
zogen haͤtte; die zehrungs koſten/ wie hoch ſie lauffen wuͤrden/ wolte er gerne abtragen.
Dieſes erhielt er nicht allein bey ihnen/ ſondern ſie erbohten ſich uͤber daß/ mit ihm zu rei-
ten; machten ſich auch fruͤh Morgens auff/ und zogen des vorigen Weges/ biß ſie ſein er-
ſchlagenes Pferd antraffen/ auff welchem der Wetſcher noch unverſehret/ unter dem Reit-
mantel gefundẽ ward/ welchen ſie abloͤſeten/ uñ zu ſich nahmen/ weil auff die 150000 Kro-
nen wert Kleinot darinnen wahren. Ladiſla gingen die Augen uͤber/ und kunte nicht erſin-
nen/ wie diß moͤchte zugangen ſeyn/ biß einer aus der Geſelſchaft anzeigete; er erinnerte
ſich/ daß er dieſes Orts etwas zuruͤcke blieben waͤhre/ und muͤſten etliche verborgene Raͤu-
ber ihn unverſehens uͤberfallen/ und mit ſich hinweg gefuͤhret haben. Deſſen muß ich ge-
wiſſere Zeichen ſuchen/ ſagte Ladiſla; ſtieg mit XXV Mannen ab/ und durch kroch die Puͤ-
ſche hin und wieder/ biß ſie ſein Harniſch und Schwert funden/ woraus ſie gewiſſe Hoff-
nung faſſeten/ er muͤſte nicht erſchlagen/ ſondern gefangen hinweg gefuͤhret ſeyn; zweiffelte
auch nicht/ er wuͤrde ſeiner Verſchlagenheit nach/ ſchon Mittel finden/ ſich loß zu machen/
worzu ihm die koſtbahren Kleinot/ die er bey ſich fuͤhrete/ koͤnten behuͤlfflich ſeyn. Alſo keh-
rete Ladiſla mit der Geſelſchaft wieder umb/ und nam Fabius Harniſch/ Schwert und
Pferde Zeug mit ſich. Inzwiſchen muſte der Gefangene Kleon (alſo werden wir Fabius
eine Zeitlang nenen) auch noch dieſen ganzen Tag bey geringer Speiſe biß in die ſinkende
Nacht eilig fort traben/ wie auch des folgenden tages biß an den Mittag/ da ſie in einem
geringen Flecken ankahmen/ und bey ihrem bekanten Wirt einkehreten/ dem ſie den Gefan-
genen umb 100 Kronen zukauffe bohten; nachdem aber Kleon auff des Wirts Frage/
was er gelernet haͤtte/ zur Antwort gab/ daß er ein Kriegsman/ und keines Handwerks
kuͤndig waͤhre; ſagete dieſer: Mit ſolchem nichts werten Menſchen iſt nichts beſſers anzu-
fahen/ als daß man ihn erſchlaͤgt; dañ weil ich ihn nirgend zu laſſen weis/ werde ich nicht
hundert Pfennige vor ihn außzahlen. Kleon wahr in augenſcheinlicher Gefahr ſeines
Lebens/ weil die Raͤuber der Muͤhe verdroß/ welche ſie/ ihn mit zufuͤhren/ angewendet hat-
ten/ daher ſie ſich uͤber ihn machten/ ihm die Kleider abzuzihen/ uñ nachgehends den Kopf
einzuſchlagen; wuͤrde auch dem tode nicht entgangen ſeyn/ wo er nicht dieſe Liſt erdacht/
und
[615]Drittes Buch.
und bey dem Wirt angehalten haͤtte/ er moͤchte ihm ein Wort abſonderlich hoͤren/ ſo wol-
te er ihm ſchon Urſach melden/ warumb er ihn kaͤuffen ſolte; uñ als ſie allein wahren/ ſagte
er zu ihm: Mein Herr/ da ich von dieſen vieren gefangen ward/ und verſtund/ daß ich ſolte
verkauft werden/ wuſte aber/ daß ich keine Handkuͤnſte gelernet hatte/ wolte ich dannoch
meinem Kaͤuffer in andere Wege Ergezligkeit machen/ und habe dieſen Schaz heimlich
bey mir verwahret/ welchen ich euch liefern wil/ moͤget euch wol verfichern/ daß er mit gu-
tem Willen umb 6000 Kronen kan verkauft werden: So nehmet ihn nun zu euch/ daß es
dieſe nicht erfahren/ und ich mein Leben behalten moͤge/ weil ja niemande mit meinem Blut
kan gedienet ſeyn; ob ich auch gleich kein Kuͤnſtleꝛ bin/ wil ich mich doch in die Hand Arbeit/
und was einem Knechte oblieget/ wol zuſchicken wiſſen; uͤberdaß findet ſich wol ein groſſer
Herr der mich kaͤufft/ daß ich ihm die Pferde abrichte/ oder wol ſeine Kinder in fremden
Sprachen unterweiſe. Der Wirt nahmens Orſillos/ beſichtigte die Kleinot/ fand ſie koͤſt-
lich/ und ſagete: Du haſt durch dieſe Bedachtſamkeit kluͤglich gehandelt/ und nun zweifele
nicht/ ich wil dich kaͤuffen/ und umb ein geringes Geld dich einem guten Herꝛn zufuͤhren.
O wie froh ward Kleon/ daß er Lebensverſicherung bekam; er erboht ſich zu aller moͤglichẽ
Auffwartung/ und ging mit dem Wirt in die Stuben/ welcher zu den Raͤubern ſagete; es
haͤtte ihn dieſer arme Tropf duꝛch viel bitten vermocht/ daß er ihn kaͤuffen wolte; ward alſo
mit ihnen umb 80 Kronen eins/ die eꝛ baar erlegte/ und ſeinen Kleon alsbald in den Pfeꝛde-
ſtal jagete/ denſelben außzumiſten; wohin er ſich willig verfuͤgete/ umb daß er daſelbſt ſeine
annoch uͤbrigen Kleinot/ die er unter den Kleidern am Leibe trug/ verbergen moͤchte/ welche
eine Tonne Schaz am wert uͤbertraffen; nach welcher verrichtung er mit der Arbeit/ ehe
man ſichs verſahe/ fertig wahr/ da ihn gleich einer nach dem Hauſe rieff/ die Kleider abzu-
legen/ welche die Raͤuber bey dem kauffe ihnen vorbehalten hatten. Nun wahr er hierzu
gar willig/ uñ mit den geflicketen Lumpen/ die man ihm zuwarſ/ wol zufrieden; weil er abeꝛ
im außzihen merkete/ daß noch ein Ring in dem Hoſenfutter verborgen wahr/ gab er ſei-
nem Herrn einen Wink/ daß Kleid nicht aus der Hand zu laſſen/ ob ers gleich dreyfach be-
zahlen ſolte; welcher ſeine Rechnung leicht machete/ daß noch ein Vortel muͤſte verhan-
den ſeyn/ uñ daher die Raͤuber mit 30 Kronen befriedigte; vorgebend/ es ſtuͤnde das Kleid
ſeinem Leibeigenen ſo zierlich/ daß er in demſelben ihn umb ein zimliches teurer als ſonſt
zuverkaͤuffen hoffete; und zwar dz außgelegte Geld reuete ihn nicht/ maſſen nach der Raͤu-
ber Abſcheid er einen Demant Ring auff 1200 Kronen dariñen fand/ deſſen er ſich freue-
te/ und zu Kleon ſagete; weil du mir auch noch dieſen Vortel haſt goͤnnen wollen/ ſoltu
mich wieder gnaͤdig finden/ und wil dich in Speiſe und Kleidung beſſer als die andern hal-
ten. Alſo muſte dieſer Held allhier 5 Wochen als ein Leibeigener dienen/ da ihm taͤglich gaꝛ
ein wenig warme Speiſe zum groben Brodte/ und ein Trunk Waſſer gereichet ward/ mu-
ſte unterdeſſen die Viehſtaͤlle miſten/ die unflaͤtigen Winkel reinigen/ Holz hauen/ Waſſer
tragen/ und dergleichen ſchwere und unflaͤtige Haußarbeit mehr verrichten/ und zwar
ohn einige gegoͤñete Tagesruhe biß in die ſinkende Nacht; als dañ gab man ihm eine duͤn-
ne Straͤu im Viehſtalle/ worauff er mit geſchloſſenen Fuͤſſen ruhen muſte. Drey Maͤgde
wahren im Hauſe/ von zimlicher Frecheit/ welche ſich ſeiner guten Geſtalt geluͤſten lieſſen/
und ihm ſehr nachgingen/ daß er Muͤhe hatte/ ſich ihrer zu erwehren/ ja des Wirts Weib
ſelber/
[616]Drittes Buch.
ſelber/ wie alt ſie gleich wahr/ begunte ihn ungebuͤhrlich anzuſprechen. Vier Tage verſcho-
nete ihn ſein Herr mit ſchlaͤgen/ aber am fuͤnfften ſuchte er Urſach an ihn/ umb zuerfor-
ſchen/ wie er ſich in die Peitſche ſchicken wuͤrde/ ſtriegelte ihn auch ſo elendig ab/ daß er faſt
am ganzen Leibe blutſtrimig wahr; welches er vor dißmahl mit moͤglicher Geduld auff-
nam; als ihm aber ſolches zu unterſchiedlichen Zeiten begegnete/ nam er ihm vor/ dieſen
Jammer durch den Tod zu endigen und zuvor ſeinen wuͤteriſchen Herrn zuermorden; je-
doch erhohlete er ſich durch Standhaftigkeit/ und ward nach Verlauff dreier Wochen zu
rahte/ den ſelben zu bitten/ er moͤchte ihn etwa in eine Stad fuͤhren/ ob ſich irgend ein Kauf-
man fuͤnde/ der ihn ſeinethalben vergnuͤgete. Dieſes ſetzete er folgendes tages ins Werk/
aber mit ſeinem groſſen Ungluͤk; dañ Orſillos ſchlug ihn mit einem Ochſenſtecken ſo jaͤm-
merlich/ daß er druͤber in Ohmacht niederfiel; hernach redete er ihn mit dieſen an: Du
leichfertiger fauler Schelm/ wolteſtu mir vorſchreiben/ wie ichs mit dir anſchlagen ſol?
Eja/ biſtu meiner Knechtſchaft bereit uͤber druͤſſig? harre nur/ wir muͤſſen uns was beſſer
beriechen/ ehe wir uns ſcheiden; ich habe etliche Tage her an dir wol geſpuͤret/ daß du nicht
mehr ſo hurtig zur Arbeit biſt wie vorhin; aber ich werde dir den Brodkorb umb ſo viel
hoͤher knuͤpfen/ daß dir der Kitzel vergehe; wobey dieſer Ochſenſtecken das ſeine auch tuhn
ſol: Du ungeſchikter Eſel kanſt mir keinen Groſchen erwerben/ wovor ſol ich dir dañ das
freſſen geben? Der gute Kleon verdaͤuete auch noch dieſes Fruhſtuͤk mit Geduld/ uñ nach
dem er ſich erhohlet hatte/ gab er zur Antwort: Mein lieber Herr/ eben dieſes/ dz ich nichts
verdienen kan/ gehet mir auch zu Herzen/ daß ich gedachte/ euch moͤchte etwa mit dem Gel-
de mehr/ als mit mir gedienet ſeyn; weil ich aber ſehe/ daß euch ſolches nicht zuwillen iſt/
wil nach dieſem mit ſo ungenehmer Anmuhtung ich euch nicht mehr beſchwerlich ſeyn.
Daß wil ich dir auch nicht rahten/ antwortete er/ wo du Hund ſonſt dieſer Schlaͤge ſorthin
muͤſſig gehen wilt; ich bedarf deines nicht werten Rahts gar nicht/ und werde ſchon ſelber
wiſſen/ wie ichs mit dir anfahen ſol. Mit dieſem Troſte ging der elende Kleon wieder an
ſeine Arbeit/ und ſtunden ihm die Augen vol Traͤhnen. Ach ihr Goͤtter/ ſagte er/ wodurch
habe ich diſe ſchwere Buſſe verdienet? O Herkules! O Ladiſla! O mein lieber Vater! O
meine Urſul! werdet ihr euch auch wol einbilden koͤnnen/ in was vor Schmach ich mein
unſeliges Leben fuͤhre? Hiemit er greifer eine Holzaxt/ des Vorſatzes ſeinen Herrn damit
zuerſchlagen; aber ſein guter Geiſt mahnete ihn noch dißmahl ab; jedoch ſchwur er bey
ſich ſelbſt einen aͤid/ dafernſein Elend inwendig drey Wochen nicht ſolte gelin dert werden/
wolte er verſuchen außzureiſſen/ ob er gleich daruͤber ſterben ſolte. Es verlieffen aber nur
zwo Wochen/ daß ein Frey Herr deſſelben Landes daſelbſt durchreiſete/ welcher zwar in ei-
ne andere Herberge einkehrete/ aber doch etliche Diener bey Orſillos einlegete; mit deren
einem machete Kleon Kundſchaft/ und fragete ihn/ ob nicht ſein Herr eines Knechtes be-
noͤhtiget waͤhre/ der ihm junge Pferde abrichtete/ dz Gewehr putzete/ oder ſeine junge Herr-
lein in Lateiniſcher und Griechiſcher Sprache unterrichten und zu allerhand Ritterſpie-
len anfuͤhren koͤnte/ als dann wolte er nicht allein ihm traͤulich dienen/ ſondern das Geld/
welches er heimlich verborgen haͤtte/ ſelbſt außzahlen/ damit er ſeinem jetzigen Herrn koͤnte
abgekauffet werden. Dieſer zeigete ihm an/ ob ſein Herr ſolches gleich gerne tuhn wolte/
duͤrfte er ohn ſeines Gemahls vorwiſſen es nicht wol wagen/ als welche ihn nicht anders
als
[617]Drittes Buch.
als einen Stok Narren handelte. Mein Freund/ antwortete er/ lieber ſeyd mir zugefal-
len mit dieſer Werbung/ und wann ihrs dahin bringet/ verſpreche ich euch einen Ring
von 50 Kronen zur Verehrung. Dieſer meynete nicht/ daß ein ſo lauſichter und lumpich-
ter Knecht (maſſen er vol Unziefer wahr) von ſolchen Mitteln ſeyn ſolte/ daher wolte er den
Ring zuvor ſehen; welcher ihm nicht allein gezeiget/ ſondern alsbald geſchenket ward/ mit
traͤhnender Bitte/ ihm behuͤlfflich zu ſeyn/ daß er dieſem unbarmherzigen Herrn moͤchte
entriſſen werden. Dieſer trug Mitleiden mit ihm/ ſahe aus ſeinen Geberden/ daß er kein ge-
meiner Sudelknecht wahr/ und ging hin zu ſeinem Herrn/ ihn alles zuberichten; welcher
antwortete: Ein guter Bereiter ſtuͤnde mir nicht uͤbel an/ und wann ich ihn uͤber das noch
ohn meine Koſten erhalten kan/ habe ich nicht urſach/ ihn auszuſchlagen. Der Knecht ver-
ſtaͤndigte Kleon deſſen/ welcher mit ihm anlegete/ wie er ſich weiters verhalten ſolte; der
auch alsbald hin zu Orſillos ging/ und ihn fragete/ ob ſein leibeigener Kleon ihm feil waͤh-
re; ſein Herr waͤhre eines benoͤhtiget/ den er mit dem Fuͤrſten verſpielet haͤtte/ und moͤchte
ihm ſo bald dieſe Gelegenheit/ ein zimlich Stuͤck Geldes aus ihm zuloͤſen/ nicht zuſtoſſen.
Orſillos gab zuverſtehen: Der Leibeigene waͤhre ihm lieb/ weil er dreyer Mannes Arbeit
verrichten koͤnte/ jedoch ſchluͤge er ihn wol loß/ wann er ihm gebuͤhrlich bezahlet wuͤrde; a-
ber unter 1500 Kronen waͤhre er ihm nicht feile/ gegen deren Auszahlung er ihn in guter
Ritterlicher Kleidung liefern wolte. Das waͤhre viel vor einen ſolchen Sudelknecht/ ant-
wortete dieſer; jedoch wil ichs meinem Herrn hinterbringen; ging aber zuvor nach Kleon/
und taht ihm bericht wegen des hohen Preiſes. Demſelben ſprang das Herz vor Freuden
in ſeinem Leibe/ ſtellete ſich doch traurig/ und ſagete: Es wuͤrde nicht raht ſeyn/ ihn mit vie-
lem Dingkauffe aufzuhalten/ damit er nicht ruͤkfaͤllig wuͤrde/ und wuͤſte doch eigentlich nit/
ob er ſo viel zuwege bringen koͤnte; er haͤtte ein Kleinot/ in welchem alles ſein Vermoͤgen
beſtuͤnde/ verhoffete auch/ wann er in eineꝛ groſſen Stad waͤre/ ſolte mans ſo hoch wol aus-
bringen. Davon weiß ich guten Bericht zugeben/ ſagte dieſer/ weil ich V Jahr bey einem
Kleinod-macher gedienet habe/ und moͤchte vielleicht mein Herr das Geld wol ſelber vor
das Kleinot erlegen/ da es ſo viel austragen kan. Kleon nam aus ſeinem Winkel ein weib-
lich Bruſtſtuͤk hervor/ welches uͤber 2500 Kronen geltenkunte/ boht es dieſem dar/ und ſa-
gete mit trauriger Stimme: O ihr Goͤtter/ gebet/ daß dieſer mein Schatz mich ſelber zube-
zahlen/ guͤltig gnug ſeyn moͤge. Der Diener/ nach kurzeꝛ Beſichtigung/ ſahe/ daß es doppelt
ſo viel gelten kunte/ als Orſillos ſoderte/ ließ ſichs doch nicht merken/ ſondern erboht ſich/
Fleiß anzuwenden/ daß es verkaufft wuͤrde; und wann ich (ſagte er mit lachen) es einem
uͤber ſeinem Wert anſchmieren koͤnte/ wuͤrde mir ja ſolcher Vortel wol gegoͤnnetſeyn. Ja
wanns viel tauſend Kronen austruͤge/ antwortete eꝛ/ wolte ich ihm ſolches von heꝛzen goͤn-
nen; nur bitte ich/ mein Freund wolle nicht ſeumen/ damit mein Herr ſich nicht eines an-
dern bedenke. Dieſer verfuͤgete ſich alsbald zu ſeinem Herrn/ zeigete an/ der Leibeigene haͤt-
te ein Kleinot/ welches nicht ſonders koͤſtlich/ hoffete aber/ es dem Wirte in dem begehreten
Preiſe anzubringen/ daß der Leibeigene damit gekaufft wuͤrde; ging auff erlangete Voll-
macht zu Orſillos/ lieferte ihm das Kleinot Pfandsweiſe/ und zeigete an/ weil ſein Herr jetzo
auff der Reiſe ſo viel Baarſchafft nicht entrahten koͤnte/ ſolte es drey Wochen bey ihm ſte-
hen/ und als dann mit 1500 Kronen ausgeloͤſet werden. Alſo ward Kleon ins Haus geruf-
J i i ifen/
[618]Drittes Buch.
fen/ zu dem ſein Herr ſagete: Deine Haut iſt nun verkaufft/ ſo nim nun dieſe deine vorigen
Kleider/ und lege ſie an/ weil ich dich zuliefern gedenke/ wie ich dich empfangen habe. Die-
ſer kunte vor Freuden nicht antworten/ taht doch nicht/ als wann ihm groß drumb waͤhre/
wiewol er ſich auffs beſte putzete/ ſeinem neuen Herrn zugefallen/ nachdem er ſeine trefflichẽ
Kleinot wieder zu ſich genommen hatte. Orſillos fuͤhrete ihn hin/ trat anfangs allein vor
Nabarzanes/ und berichtete/ er waͤhre da/ ſeinen verkaufften Leibeigenen zuliefern/ welcher
auch alsbald hinein gefodert ward. Bey ſeinem Eintrit taht er ſeinem Herrn groſſe Ehr-
erbietung/ der ihn auff Griechiſch fragete/ aus welchem Lande er kaͤhme/ und was ſein Ge-
werbe waͤhre. Er hingegen ließ gnugſam erſcheinen/ daß ob er gleich einen groſſen Teil ſei-
nes Fleiſches verlohren/ er doch ſein gutes Herz und Hoͤfligkeit annoch unverlezt haͤtte/
und fing alſo an: Hochgebohrner gnaͤdiger Herr; daß Eure Gn. von der ſchnoͤden un-
ſaubern Arbeit mich loßzuwirken/ gnaͤdig eingewilliget hat/ davor bedanke ich mich unter-
taͤhnig und von herzen; mein Stand/ der Geburt nach/ iſt ohn Ruhm zumelden/ frey/ und
von Griechiſchem Adel/ und bin nie dienſtbar geweſen/ ohn daß vor wenig Wochen mich
etliche Raͤuber hinterliſtiger weiſe gefangen/ und gegenwaͤrtigem Orſillos dem unbarm-
herzigen und Feinde alles aͤdlen Gebluͤts/ verkaufft haben; Ich bin von Jugend auf zu den
freyen Kuͤnſten/ nach gehends zu den Waffen gehalten; im Pferde bereiten hoffe ich die
Gebuͤhr zuleiſten/ und was ſonſt vor ritterliche uͤbungen von mir erfodert werden. Einem
ſolchen Diener/ ſagte Nabarzanes/ habe ich lange nach getrachtet/ und waͤhre unbillich/ daß
du mit unflaͤtiger Arbeit laͤnger ſolteſt beladen ſeyn; Wirſt du dich nun getraͤn und fleiſſig
bey mir halten/ ſoltu beſſern und gelindern Herrn dir nicht wuͤnſchen. Kleon bedankete ſich
der angebohtenen Gnade untertaͤhnig/ und hielt um Vergünſtigung an/ wenig Worte mit
gegenwaͤrtigem Orſillos zureden/ nach deren Erlangung er zu ihm ſagete: Hoͤret ihr greu-
licher Wuͤterich; ich erinnere euch zugleich/ was vor einen anſehnlichen Schatz ich euch
bald anfangs eingeliefert/ und dadurch eure Gunſt und freundlichere Pflegung wol ver-
dienet haͤtte/ wie ihr mir aber ſolches vergolten/ und dieſe fuͤnff Wochen mit mir umbge-
ſprungen ſeyd/ wird euch noch in friſchem Andenken ſeyn/ verheiſſe demnach hinwiederum
und an aͤides-ſtat/ daß wann mir ſchier heut oder morgen vor meine getraͤuẽ Dienſte meine
Freyheit wieder werden ſolte/ ich nicht ruhen wil/ biß ich euch aller Woltaht halber baar
und mit vollem maſſe bezahlet habe/ weil meine begierden mich ohn das allemal zur Dank-
barkeit anreizen/ und ich nicht gerne ſchuldig bleibe/ erbiete mich daneben/ daß ich mit der
Goͤtter huͤlffe bald kommen/ und meine verſetzeten Kleinot ſamt dem lezten Ringe (weil ſie
mir nur mit Schlaͤgen haben wollen bezahlet werden) einloͤſen wil. Ja kom nur/ wañ dichs
geluͤſtet/ ſagte der verwaͤgene Orſillos/ die Kleinot (ich meyne den Ochſenſtecken und die
Peitſche) hangen noch an ihrem gewoͤhnlichen Orte/ und koͤnnen dir/ ſo offt du mit luſten
darnach biſt/ zu aller gnuͤge mitgeteilet werden/ wiewol ich mich von herzen herme/ daß ich
dich verkaufft/ und nicht vielmehr lebendig ans Kreuz geheftet/ oder den Hunden zur Spei-
ſe vorgeworffen habe. Behaltet dieſe Antwort in eurem Gedaͤchtniß/ ſagete Kleon/ ich hof-
fe euch derſelben dereins in aller Guͤte zuerinnern/ da euch erſt der jeztgedachte Reuel recht
kommen duͤrffte. Dein draͤuen/ und eines Sperlinges zwitzern gilt mir gleich/ ſagte Orſil-
los/ und wann ich uͤbel wolte/ koͤnte ich mit dir als einem Leibeigenen verfahren/ dz du einem
freyen
[619]Drittes Buch.
freyen Perſen und Suſianer draͤuen darffſt. Ich habe kein Draͤuwort aus meinem Mun-
de gehen laſſen/ antwortete er/ und wollet ihr mit mir vor die hohe Landes Fuͤrſtliche Obrig-
keit treten/ hoffe ich euch zuuͤberbringen/ daß ihr ein Feind und Schaͤnder des ganzen A-
dels ſeyd. Dieſer wolte ſich ſo weit nicht einlaſſen/ ſagte mit wenigem: Ein leibeigener hat
keine Ehre/ einen Freyen zubeſchuldigen/ als welcher immerzu Luͤgen redet wider ſeinen
Herrn/ der ihm hart geweſen iſt/ welches du mehr/ als nie keiner/ verdienet haſt; und ging
damit hinweg. Nabarzanes wolte ſeinen neuen Diener pruͤfen/ wie ihm das reiten anſtuͤn-
de/ und befand ihn darin ſo vortrefflich/ daß er bekennete/ ihm waͤhꝛe ſeines gleichen nie voꝛ-
kommen. Des folgenden Tages ſehr fruͤh brach er mit ſeinem Geſinde auff/ daß er noch
vor Abends ſein Schloß erreichen moͤchte; Er hatte ſechs gewapnete freye Knechte/ und
drey Leibeigene bey ſich/ da Kleon den vierden gab/ der ſeinen Herrn fragete/ ob ihm wegen
der Gefahr der Raͤuber nicht vergoͤnnet waͤhre/ Harniſch anzulegen/ damit er auff Bege-
benheit vor ſeinen Herꝛn ſtreiten/ und ſein Blut behutſam wagen koͤnte. Nun wahr Na-
barzanes ein hochmuhtiger Narr/ und gewaltiger Großſprecher/ aber dabey ſo eine feige
Maͤmme/ daß ihn der Blaͤtter geraͤuſch an den Baͤumen erſchrecken kunte/ dannoch wolte
er ſeinen neuen Diener nicht offentlich beſchimpffen/ ſondern ſagte auff ſein begehren: Gib
dich zu frieden Kleon/ und fuͤrchte dich nicht zuhart deiner Haut/ ich bin meiner Faͤuſteſelbſt
maͤchtig gnug/ und ſolt vor Wunden ſchon geſchuͤtzet werden; uͤberdas habe ich wehrhaff-
te freye Diener gnug bey mir/ und wil dich zu nirgend/ als meine zween junge Soͤhne erſteꝛ
Ehe zulehren/ und etwa ein junges Pferd abzurichten/ gebrauchẽ/ woneben du meine Ruͤſt-
kammer unter handen haben/ und die Waffen fein ſauber halten ſolt. Kleon durffte nicht
widerſprechen/ inſonderheit/ da er der Tohrheit ſeines Herrn innen ward/ und beklagete
ſeine Leibeigenſchafft nicht ſo ſehr/ als daß er keinen rechtſchaffenen Herꝛn hatte. So ver-
droß es die freyen Knechte nicht wenig/ daß er ſich unternehmen wolte/ Waffen zuführen/
daher ſie ihm viel Schimpffs erwieſen/ auch endlich gar mit Maulſchellen draͤueten/ wel-
ches alles er geduldig erlitte/ unter der Hoffnung/ es ihnen einzubringen. Um den Mittag/
da ſie den halben Weg hinter ſich gelegt hatten/ ſahen ſie ſechs gewapnete Ritter von ferne
auff ſie zureiten/ deſſen Nabarzanes nicht wenig erſchrak/ und anfangs willens wahr/ aus-
zureiſſen/ bedachte ſich doch wieder/ und hoffete/ es wuͤrden etwa bekante oder ſonſt aufrich-
tige Ritter ſeyn. Jene kahmen in guter Ordnung auff ſie angeſetzet/ und merkete Kleon
bald/ was ihr Vorhaben wahr/ daher er zu ſeinem Herꝛn ſagete: Dieſe werden uns gewiß-
lich mit ihren Schwertern gruͤſſen/ und haͤtte ich Waffen/ wuͤrde ich nicht unterlaſſen/ ih-
rer Gn. ein dienſtwilliges Herz in Beſtreitung dieſer vermuhtlichen Raͤuber ſehen zulaſ-
ſen. Nabarzanes kunte ſich vor Angſt kaum auff dem Pferde halten/ und antwortete ihm
mit zitternder Stimme: Weil du dann ſo gute Luſt haſt zu fechten/ wil ich dir vor dißmahl
meine Waffen uͤberlaſſen/ weil ich wegen eines Fiebers mich ſehr uͤbel befinde. So laſſen
ihre Gn. die Diener voraus reiten/ ſagte er/ und da ſie ſolten angefallen werden/ den Streit
anfahen/ daß ich Zeit gewinne/ mich zuwapnen. So bald jene auff dieſe ſtieſſen/ griffen ſie
nach kurzer Wortwechſelung zu den Schwertern/ und ſchlugen friſch auff die ſechs Die-
ner loß/ welche zwar den erſten Anfall aushielten/ aber endlich hinter fich getrieben wurdẽ/
gleich da Kleon gewapnet wahr/ welcher ſie alſo anfuhr: Schaͤmet ihr euch nicht/ daß in
J i i i ijeures
[620]Drittes Buch.
eures Herꝛn gegenwart ihr euch auff die Flucht begeben duͤrffet? ein ſolches trifft ja mit
eurem heutigen Troz bey weitem nicht ein; ſo folget mir nun/ wollet ihr ſonſt nicht an eu-
rem Herꝛn Verraͤhter ſpielen/ und euch aller Ritterſchafft unwirdig machen; traff hiemit
auff die Feinde mit folchem Ernſt/ daß er im erſten Angriff einen niderhieb/ und den andeꝛn
toͤdlich verwundete; welches die Diener erſehend/ wieder einen Muht faſſeten/ und auf die
Feinde los gingen; wurden aber dergeſtalt empfangen/ daß ihrer viere ſtuͤrzeten; dahinge-
gen Kleon einſolches Gemaͤtſche hielt/ daß ſie vor ihm wichen/ biß ſie alle auff einen/ teils
erſchlagen/ teils zum Gefechte unduͤchtig gemacht wurdẽ. Nabarzanes hielt von ferne hin-
ter einer Hecke/ und ſahe mit Verwunderung zu/ wie ſein neuer Knecht Raum machete/
daß er im Herzen bekennen muſte/ er haͤtte ohn ſeine huͤlffe ſich vor dem Tode oder Gefaͤng-
niß nicht beſchuͤtzen koͤnnen; Als er nun ſahe/ daß die Raͤuber biß auff einen erlegt waren/
gab er ſich aus dem verborgenen hervor/ und rief Kleon zu/ er ſolte niemand leben laſſen/
ſondern den lezten auch hinrichten; dann weil dieſer ein feſter Ritter wahr/ gab er ihm viel
zuſchaffen/ wiewol man leicht ſahe/ daß ers in die harre nicht treiben wuͤrde; ließ doch ſein
gutes Herz nicht ſinken/ und ſagte zu Kleon: Ritter/ ihr ſeyd der meinen Tod geweſen/ wel-
ches ich billich raͤchen muß. Ritter/ antwortete er/ mannichem mißlinget die Rache/ drum
laſſet euch genuͤgen/ es duͤrffte euch ſonſt gereuen. Darauff muß es gewaget ſeyn/ ſagte je-
ner/ und hielt ſich wol/ biß Kleon ein Stoß geriet/ mit welchem er ihm den garaus machete.
Hiemit wahr der Streit geendiget/ jedoch auch Kleon an etlichen Orten feines Leibes zim-
lich verwundet. Nabarzanes aber ſtund und beklagete ſeine Diener/ welche da geſtrekt la-
gen/ ſagte auch zu Kleon: Du haſt dich zwar zimlich gehalten/ aber haͤtte ich ſelbſt gefochtẽ/
ſolte meiner Diener keiner beſchaͤdiget ſeyn. Dieſer ſeuffzete uͤber ſeines Herrn Tohrheit/
und merkete aus ſeinen Reden/ was hinter ihm ſteckete/ hoffete doch beſſere Gelegenheit bey
ihm/ als bey dem vorigen zuhaben/ daß er ſeine Zeit erſehend/ ſich davon machen koͤnte; wol-
te ihn aber dißmahl mir genehmer Lauge zwagen/ und gab ihm zur Antwort: Ja/ gn. Herꝛ/
an eurer unbegreiflichen Staͤrke/ und Heldenmutiger Herzhaftigkeit/ trage weder ich noch
jemand Zweifel/ auch iſt mir hingegen meine Schwacheit wol bekant; aber gewißlich muß
Euer Gn. Dienern das Ungluͤkſehr uͤbel gewolt haben/ daß von dieſen nichtwerten Raͤu-
bern ſie dergeſtalt gezuͤchtiget ſind/ da ſie vorhin vor Hochmut berſten wolten/ uñ der Waf-
fen mich unwirdig ſchaͤtzeten/ wiewol ich ihnẽ das Leben gerne geſchuͤtzet haͤtte/ da es in mei-
nem Vermoͤgen geweſen. Nabarzanes antwortete mit wenigem: Hin waͤhre hin/ und koͤn-
te nicht wiederbracht werden/ nur laͤge ihm am meiſten dran/ daß er in ſo ſchlechter Beglei-
tung auff ſein Schloß reiten ſolte. Damit hieß er ihm die Waffen wieder geben/ und von
den erſchlagenen die beſten zu ſich nehmen/ welches er willig verrichtete. Die beyde annoch
uͤbrige freye Knechte ritten mit ihrem Herꝛn fort/ aber ehe ſie das Schloß erreicheten/ ſtuͤꝛ-
zeten ſie von ihren Pferden und verſchieden/ da Kleon uñ die drey Leibeigenen aller erſchla-
genen Pferde zuſammen kuppeln/ und mit ſich fuͤhren muſten. Als ſie das Schloß ins Ge-
ſicht bekahmen/ erkennete Kleon/ daß vor einen ſo ungeſchlieffenen Herꝛn es viel zu gut waꝛ/
und im Einzuge befand er nicht geringe Zeichen ſeines Reichtuhms. Die Frau/ ein junges
und ſchoͤnes Bild/ die mit ſeiner Urſulen dem Angeſichte nach/ ſich in vielen ſehꝛ veꝛglieche/
ſtund im innern Platze/ ſehr praͤchtig gekleidet/ und hatte ſechs Leibdienerinnen hinter ihr
ſtehen/
[621]Drittes Buch.
ſtehen/ empfing aber ihren Nabarzanes ſolcher geſtalt/ daß Kleon die Haar davor zu Berge
ſtunden. Feiner Herr/ ſagete ſie/ wie bleibet man uͤber die beſtimmete Zeit ſo lange aus? ich
meyne/ man habe den Weg vergeſſen; Jedoch/ groſſe Narren (Herren wolte ich ſagen)
muͤſſen ſich erluſtigen/ damit die Speiſen ihnen deſto beſſer ſchmecken. Hier wirds gewiß
nicht ohn Haar rauffen abgehen/ gedachte Kleon/ und legte ſchon uͤber/ weſſen Beyſtand
er ſeyn wolte; wie er aber hoͤrete/ daß dieſer Tropf die Pillen geduldig verſchluckete/ ja vom
Pferde herunter ſtieg/ und ihr liebkoſete/ gedachte er; Oho gehets hier ſo zu/ muſt du der
Frauen zu dienſte ſtehen/ als dann wirſtu wol hindurch kommen; ſprang gleich damit vom
Pferde/ ſetzete ſich vor ihr auff die Knie/ und redete ſie mit dieſen Worten an: Hochge-
bohrne Gn. Frau; nachdem das Gluͤk in meinem hoͤchſten Unfall mich ſo beſeliget/ einer
ſo trefflichen Frauen untertaͤhnig auffzuwarten/ habe uͤber meinen biß her erlittenen Ver-
luſt ich nicht zuklagen; wuͤnſche nur bloß/ daß meine geringſchaͤtzige Dienſte alſo moͤchten
beſchaffen ſeyn/ daß Ihrer Gn. ſelbe gefallen koͤnten/ welche ohn Sparung meines Blu-
tes anzuwenden/ ich bereit und willig bin/ bitte in tieffſter Demuht und Untertaͤhnigkeit/
meine Gn. Frau wolle mit beharlichen Gnaden ihrem unwirdigſten Knechte gewogen
bleiben. Fr. Statira ſahe Kleon inſtaͤndig an; ſein Angeſicht und Hoͤfligkeit gaben/ daß eꝛ
kein gemeiner Knecht wahr; hieß ihn demnach auffſtehen/ und fragete Nabarzanes/ von
wannen ihm dieſer Diener kaͤhme/ und wo ſein ander Geſinde waͤhre/ auch was die Kup-
pelpferde wolten; ſie hoffete ja nicht/ daß er gar zum Pferdetaͤuſcher gedienen. Hieſelbſt fing
nun dieſer Gecken ſeine Ruhmraͤhtigkeit weidlich an: Dieſer ſein Kleon/ Griechiſches A-
dels/ waͤhre ihm von einem vornehmen Perſiſchen Herrn vor leibeigen geſchenket; Vier
Meilen von hinnen haͤtte er einen harten Stand wider eine groſſe Anzahl Raͤuber ausge-
halten/ und alle ſeine Diener zugeſetzet; ſein Arm waͤhre von vielem Gefechte ihm erſtar-
ret/ und entſetzete ſich vor den Blutbaͤchen/ die ſein Schwert heute rinnen gemacht. O du
Auffſchneider/ ſagte ſie/ ſchaͤmeſtu dich dann keiner Luͤgen mehr? Ja wañ dein Haſenherz
mir unbekant waͤhre/ moͤchteſtu mir dieſes Kletchen anwerffen; Vielleicht haſt du hinter
einem Baum gehalten/ und zugeſehen/ wie deine Diener nidergeſchlagen ſind. Unter dieſer
Rede ward ſie gewahr/ daß noch etliche Blutstropfen von Kleon fielen/ und ſagte zu ihm:
Tapffer Ritter/ hat euch Ungluͤk etwa in Dienſtbarkeit geſtuͤrzet/ ſo trauet den Goͤttern uñ
eurem Gluͤk/ die euch in vorigen Stand wieder ſetzen koͤnnen; meine Gutwilligkeit ſol euch
unverſagt ſeyn/ wann ihr euch (wie ich dann nicht zweifeln wil) gebuͤhrlich verhalten wer-
det. Befahl auch alsbald einer Magd/ den Arzt zufodern/ damit ihm ſeine Wunden ver-
bunden wuͤrden/ und gefiel ihr dieſer Diener ſo wol/ daß ſie nichts ſo ſehr/ als ſeine voͤllige
Geſundheit begehrete/ inſonderheit/ da ſie ſein tapfferes Geſecht von dem einen Leibeige-
nen ruͤhmen hoͤrete.


Unſer Herkulifkus hatte gar eine gluͤkliche Reiſe von Ekbatana nach Charas/ wo-
ſelbſt er mit dem Groß Fuͤrſten und der ubrigen Geſelſchafft ohn einigen Anfall anlangete.
Phraortes ließ ſich bey Artabanus untertaͤhnigſt anmelden/ daß ihm ein freier Zutrit alleꝛ-
gnaͤdigſt moͤchte vergoͤnnet ſeyn/ aber es ward ihm ſolches nicht allein gewegert/ ſondern
muſte von einem nichtigen Kaͤmmerlinge in ſich freſſen/ was ihn ſo verwaͤgen kuͤhn mach-
te/ ungefodert vor ſeinem Groß Koͤnige zuerſcheinen. Dieſer ſchaͤndliche Hochmuht er-
J i i i iijſchreckete
[622]Drittes Buch.
ſchreckete unſern Herkuliſkus in etwas/ und vermuhtete daher wenig Hoͤffligkeit und Liebe
zur Tugend bey dieſem Unholden. Hingegen kehrete ſich Phraortes/ als dem des Koͤniges
Stolz bekand wahr/ gar nichts daran/ ſondern ließ zum andernmale ſeine alleruntertaͤh-
nigſte Dienſte anmelden/ nebeſt andeutung/ er wuͤrde ſeine Koͤnigl. Hocheit zubemuͤhen
ſich nicht unterſtanden haben/ wañ er nicht deroſelben ein ſonderliches einzuliefern haͤtte/
nehmlich einen ſchoͤnen ritterlichen/ tugendliebenden fremden Juͤngling/ deßgleichen ihrer
Koͤnigl. Hocheit ſehr wenig oder wol gar keiner wuͤrde vorkommen ſeyn. Worauff er ſei-
nes Anſuchens einwilligung bekam; ſtieg vor dem innerſten Schloßtohr ab/ und ließ Her-
kuliſkus/ von Pharnabazus und Mazeus begleitet/ hinter ihm her treten/ auff welchen alle
Anweſende ihre Augen wendeten/ und nicht anders meineten/ er waͤhre ein Engeliſches
Bilde. Anfangs hatte ſich derſelbe verwundert uͤber dieſer Stad groͤſſe/ uñ ihrem praͤch-
tigen Anſehen/ aber hier entſetzete er ſich wegen der unglaͤublichen Vortrefligkeit dieſes Koͤ-
niglichen Schloſſes/ da alles auffs uͤppigſte gebauet wahr/ und man daß ganze Werk von
dem außerleſenſten Alabaſter und kraußbunten Schein-Marmel auffgemauret ſahe.
Der Glanz der uͤberguͤldeten Daͤcher und gegoſſenen Bilder/ welcher von den Sonnen-
ſtrahlen entſtund/ blendete den Anſchauenden das Geſicht; des Schloſſes Begriff wahr
ſo weit/ daß mans vor eine zimliche Stad ſchaͤtzen moͤgen/ und wahr nicht deſto weniger
ein jeder Stein auffs allerfleiſſigſte außgearbeitet/ ſo daß man Urteilen muſte/ hundert tau-
ſend Steinmaͤtzen haͤtten es in etliche hundert Jahren nicht enden koͤnnen; der zierlichen
Windeltreppen/ luſtigen Umbgaͤnge unter den Daͤchern/ und der Hange-Garten wahr ſaſt
keine Zahl; und wann ich nur die vornehmſten Gemaͤcher mit ihrer Zierligkeit entwerf-
fen ſolte/ wuͤrde ich ein zimliches Buch damit anfuͤllen. Eine ſchr weite Windeitreppe/
faſt mitten am Gebaͤu Oſtwerts/ wahr die anſehnlichſte/ welche mit 60 Kriegsknechten
und 20 Trabanten außwendig beſetzet/ niemand zu ſteigen erlaͤubet wahꝛ/ ohn die außdruͤk-
lichen Koͤniglichen geheiß beſcheinigen kunten/ und weil ſie dahinauff begleitet wurden/
muhtmaſſete Herkuliſkus nicht vergebens/ es waͤhre der Gang zum Koͤniglichen Gema-
che; deren dann drey in außgeſtrekter laͤnge aneinander gebauet wahren/ und kunte man
durch alle drey hindurch von einem Ende zum andern ſehen. Im hinterſtẽ ſaß der Koͤnig/
wann er Gehoͤr verguͤnſtigte/ auff einem erhabenen Stuel mit guͤldenen Tuͤchern behaͤn-
get/ die von aͤdlen Steinen glaͤnzeten. Außwendig vor der Tuͤhr legete der Groß Fuͤrſt ſei-
nen Saͤbel ab/ wie auch Herkuliſkus/ der mit Pharnabazus und Mazeus daſelbſt wartete/
biß er hinein gefodert wuͤrde; dann Phraortes trat anfangs allein hinzu/ fiel bald im Ein-
gange nach Parthiſchem Gebrauch auff die Knie/ und taht dem Koͤnige den Fußfal/ und
da er dieſes Gemachs Ende erreichet hatte/ und zum mitteln eintrat/ leiſtete er eben dieſel-
be Ehrerbietung/ im dritten und innerſten/ blieb er liegen/ biß Artabanus ihm durch Nei-
gung des Reichsſtabes auffſtehen hieß/ da er ſeine Rede dieſergeſtalt fuͤhrete. Allergroß-
maͤchtigſter unuͤberwindlichſter Koͤnig/ allergnaͤdigſter Herr: Die Goͤtter verleihen euer
Koͤnigl. Hocheit ſtetswierige Geſundheit und gluͤkliche Herſchung; befehle mich dero-
ſelben in trefſter Untertaͤhnigkeit und Gehorſam/ und zeige derſelben demuͤhtigſt an/ daß
aus fernen Landen durch der Goͤtter Vorſchub mir von dem Gluͤk ein wolſtaͤndiger ſchoͤ-
ner Juͤngling zugefuͤhret iſt/ welcher/ unangeſehen ſeiner Jugend/ im Schieſſen/ Fechten/
Reiten/
[623]Drittes Buch.
Reiten/ Jagen/ Tanzen/ Singen/ und Seitenſpielen ſehr wol und außbuͤndig geuͤbet/ doch
unſerer Morgenlaͤndiſchen Sprachen nicht allerdinge erfahren iſt/ ſondern ins gemein
Griechiſch und Latein redet; vom Geſchlecht iſt er/ ſeinem vorgeben nach/ Fuͤrſtenſtandes/
und von Zierligkeit der Sitten in meinen Augen faſt volkommen; wañ dann ihre Koͤnigl.
Hocheit den ernſtlichen Befehl ergehen laſſen daß die zierlichſten Juͤnglinge und Jung-
fraͤulein/ deroſelben ſollen zugefuͤhret werden/ habe ich ſolches gehorſamſt verrichten wol-
len/ untertaͤhnigſt bittend/ Ihre Koͤnigl. Hocheit wollen dieſes mein Tuhn allergnaͤdigſt
vermerken/ und mit beharlichen Gnaden mir/ ihrem gehorſamſt-untertaͤhnigſten Knech-
te gewogen verbleiben. Artabanus neigete den Reichsſtab zum Gnadenzeichen gegen ihn
und ſagte: Mein Fuͤrſt laſſe zu uns den Knaben nach gebuͤhr herein treten/ wie er wird
unterwieſen ſeyn; werden wir dann etwas ſonderliches an ihm finden/ ſol es von uns al-
lergnaͤdigſt erkennet werden. Phraortes eilete ihn hinein zu fuͤhren/ der ihm unerſchrockẽ
folgete/ und wie er unterrichtet wahr/ taht er den gewoͤhnlichen Fußfall durch alle drey Ge-
maͤcher. Da ihn nun der Koͤnig in der naͤhe beſchauete/ ward er uͤber ſeiner volkommenen
Schoͤnheit faſt entzuͤkt/ neigete den Koͤnigsſtab ziemlich tieff gegen ihn/ und gab ihm da-
durch Erlaͤubnis zu reden/ da er mit freudigem Angeſicht/ unerſchrokenem Herzen und un-
verworrener Rede in Perſiſcher Sprache (dann er hatte ſich fleiſſig darzu geſchicket) alſo
anfing: Unuͤberwindlichſter aller großmaͤchtigſter Koͤnig/ allergnaͤdigſter Herr; es hat deꝛ
Himmel aus ſonderlicher Gunſt gegen dieſe weitlaͤuftige volkreiche Morgenlaͤnder/ eure
Koͤnigliche Hocheit auff dieſen großgebietenden Stuel ſetzen/ und dero herliches Anſehen
mir zuerkennen geben wollen/ daß ihrer Hocheit unermaͤßliche Gewalt/ volkom̃ene Weiß-
heit/ und helleuchtende Tugend ich verhoffentlich dermahleins meinem weit abgelegenen
Vaterlande anmelden/ und dero praͤchtigſte Herligkeit kund machen folle. Zwar manni-
cher meines gleichen/ wuͤrde lieber den Tod als dieſe Stelle/ worauff ich ſtehe/ waͤhlen; ich
aber/ nach dem ich der feſten gewißheit bin/ daß/ wie eure Koͤnigl. Hocheit mit Gewalt den
Goͤttern am naͤheſten ſitzet/ dieſelbe nicht weniger an Liebe zur Tugend und Erbarkeit ihnẽ
verwand ſeyn muͤſſe/ werde/ dieſe hohe Gluͤkſeligkeit/ eure Koͤnigl. Hocheit geſehen und an-
geredet zu haben/ aus meinem Gedaͤchtnis nimmermehr kommen laſſen. Dafern nun eu-
re Koͤnigl. Hocheit ein goͤttliches Werk der Barmherzigkeit/ meiner Fr. Mutter/ einer
gebohrnen Groß Fuͤrſtin aus Teutſchland erzeigen/ und mich/ ihren lieben Erben derſel-
ben allergnaͤdigſt wieder zuſenden wolte/ wuͤrde die Parthiſche Gerechtigkeit daher ihre
Strahlen umb ſo viel weiter werffen/ angeſehen/ ich keines Feindes Kind/ noch in einer
Schlacht oder Fehde gefangen/ ſondern von boßhafften Raͤubern auffgefaſſet/ und den
meinen nicht ohn Blutvergieſſen entfuͤhret bin/ denen die goͤttliche Rache albereit ihren
verdienten Lohn gegeben/ und ſie durch andere Raͤuber hat erſchlagen laſſen. So eroͤffne
nun eure Koͤnigl. Hocheit ihr von Barmherzig- und Gerechtigkeit angefuͤlletes Herz/ mir/
ihrem aller untertaͤhnigſten Diener/ und laſſe mich unwirdigſten einen Teil ihrer Koͤnig-
lichen hohen Gnade unter die Leute außtragen/ damit die weit abgelegene Welt erkenne/
der groſſe Koͤnig Artabanus ſey wirdig/ von der Sonnen Auffgang/ biß zu ihrem Nieder-
gange den Reichsſtab außzuſtrecken/ als mit deſſen Volkom̃enheit nichts unter dem Him-
mel kan verglichen werden. Allergerechteſter Koͤnig/ ich halte nicht an/ umb Koͤnigl. Ge-
ſchenke;
[624]Drittes Buch.
ſchenke; nicht umb Huͤlffe wieder maͤchtige Feinde; nicht umb wider gewinnung/ was mir
wiederwaͤrtige Hand und Macht moͤchte genom̃en haben; ſondern bloß/ daß mir moͤge
aller gnaͤdigſt erlaͤubet ſeyn/ mich nach den meinen zuverfuͤgen/ ohn einiges Menſchen be-
ſchwerung/ Schaden und Muͤhe/ die ich nicht doppelt zuerſtatten mich verpflichten ſolte.
Schließlich wuͤnſche ihrer unvergleichlichen Koͤnigl. Hocheit ich untertaͤhnigſter/ geſun-
des Leben/ beſtaͤndige Herſchaft/ Sieg wieder alle ihre Feinde/ und gluͤklichen Fortgang al-
les Vornehmens/ deren allergnaͤdigſten Gewogenheit ich mich untertaͤhnigſt empfele.
Nach geſchloſſener dieſer Rede/ fiel er abermahl vor des Koͤniges Fuͤſſen nider/ und buͤcke-
te ſich gar biß auff den Bodem. Koͤnig Artabanus antwortete ihm mit keinem einzigen
Worte/ betrachtete nur ſeine innigliche Schoͤnheit/ und gab ihm mit dem Reichsſtab ein
Zeichen aufzuſtehen; nachfolgends ſaß er als ein Tiefſinniger/ der im Herzen rahtſchlaget/
ob er der Bitte Stat geben wolle oder nicht; daß auch Phraortes und Herkuliſkus ſelbſt
in hoffnungs Gedanken gerieten/ er wuͤrde von der Tugend ſich uͤbermeiſtern laſſen/ und
ihn den ſeinen wieder zuſenden; aber ſie wurden hierin ſehr betrogen; dann er hatte keine
Acht auff Herkuliſkus Rede gewendet/ ſondern uͤberlegete/ wozu er ihn am beſten gebrau-
chen wuͤrde. O/ ſagte er in ſeinem Herzen/ daß dieſer Juͤngling in ein Weibesbild koͤnte
verwandelt werden/ alsdann haͤtten meine Begierden den Zweg ihres Nachſuchens voͤl-
lig erhalten. Endlich brach er mit dieſen loß: Mein Fuͤrſt Phraortes/ von wannen koͤmt
euch dieſer zierliche Knabe/ welcher ohn zweiffel an Schoͤnheit mein ganzes Frauenzim-
mer weit uͤbertrift? Phraortes wiederhohlete ſein voriges/ und am Ende baht er/ ihre Koͤ-
nigl. Hocheit wolten die innerliche Seelen Schoͤnheit dieſes Fuͤrſtlichen Juͤnglinges/
durch welche er an Tugend und Geſchikligkeit leuchtete/ ihr allergnaͤdigſt gefallen laſſen.
Ja er wird uns ſehr lieb ſeyn/ antwortete der Koͤnig/ ſol auch dieſe Hulde ſpuͤren/ deren
noch kein ander genoſſen hat/ wie ſeine Schoͤnheit auch wol verdienet. Aber Juͤngling/
ſagte er zu Herkuliſkus/ dich wird zuvor ein kleiner Schmerzen uͤbergehen/ nach deſſen
Vollendung dir hoͤhere Gluͤkſeligkeit begegnen ſol/ als du dir niemahls haſt einbilden koͤn-
nen. Dieſer wunderte ſich/ daß ihm ſo gar nichts auff ſeine Rede geantwortet ward; und
ob er gleich in ſeinem Herzen gedachte/ hier iſt weniger Liebe zur Tugend/ als bey einem
abgeſageten Feinde der Erbarkeit/ wolte er doch noch eins verſuchen/ was durch Worte
moͤchte zuerhalten ſeyn/ und gab dieſe Antwort: Allergroßmaͤchtigſter Koͤnig; ich weiß
nicht/ was vor Schmerzen der hoͤchſte Fuͤrſt auff Erden mir einem unſchuldigen Juͤng-
linge Fuͤrſtliches Gebluͤts anzulegen/ goͤnnen oder zugeben koͤnte/ zumahl ich der allerge-
ringſten uͤbertretung mich nicht ſchuldig weiß; es waͤhre dañ/ daß dieſes Koͤniglichen Ho-
fes Gebrauch mit ſich braͤchte/ daß man etwa einen Beweißtuhm der Demuht oder Ge-
duld ablegen muͤſte/ deſſen ich mich nicht wegern werde; dañ in meinem Vaterlande fuͤh-
ret man mich und andere meines gleichen zu ſolcher Bewehrung oftmahls an; deßwegen
wil ich mich umb ſo viel deſto gefaſſeter darzu einſtellen/ und zwar in alle dem/ was ohn veꝛ-
letzung meiner Zucht und Ehre geſchehen kan/ wie ich mich dann deſſen verluſtes an dieſem
Orte nicht befahren darff/ welchen wir als der Goͤtter Siz anbehten muͤſſen. Der Koͤnig
ließ hierauff ein greßliches Angeſicht erſcheinen/ doch zwang er ſich uͤber ſeine Gewohn-
heit/ und ſagte zu Phraortes/ es ſchiene dieſer ein ſehr frecher Knabe zu ſein/ daß er ſeiner
Hocheit
[625]Drittes Buch.
Hocheit von Ehre und Zucht reden duͤrfte/ da doch des Koͤniges Wille der Ehre uñ Zucht
die maſſe gaͤbe; hernach befahl er dreien aͤdlen Trabanten/ die im Gemach auffwarteten/
ſie ſolten den Juͤngling hinfuͤhren/ daß er verſchnitten/ und aufs fleiſſigſte geheilet wuͤrde;
welches Herkuliſkus hoͤrend/ ſich auff die Knie legete/ und mit ganz bewaͤglicher Stimme
alſo redete: Allergroßmaͤchtigſter Koͤnig; euer Koͤnigl. Hocheit ich unwirdigſter bitte uñ
flehe demuͤhtigſt/ mich dieſer Schmach nicht zu unterwerffen/ als nach deren gewaltſame
anlegung ich mich vollends hinzurichten/ gaͤnzlich entſchloſſen bin. Mein Stand/ in dem
ich gezeuget/ iſt trauen nicht Knechtiſch/ und ein teutſches Herz untergibt ſich lieber dem
Henkerſchwert/ als dem ſchanden-Meſſer; meinet eure Koͤnigl. Hocheit/ mich etwa im
Frauenzimmer zugebrauchen? O nein! dem werde ich durch einen ruͤhmlichen Tod leicht
vorkommen; oder iſt einer/ der mir groͤſſere Schande anmuhten duͤrfte? dem ſchwoͤre ich
bey dem wahren Gott/ daß ich ſeiner Viehiſcheit ſehr teure Bezahlung ſuchen werde/ eben
da er am wenigſten ſichs verſehen moͤchte. Nicht rede ich ſolches euch groſſem Koͤnige zu
Troz/ davor mich der Himmel wol bewahren ſol/ dann wie koͤnte zu demſelbigen ich mich
einiger Unmenſchheit verſehen? Nur iſt mein aller demuͤtigſtes flehen/ eure Koͤnigl. Hoch-
heit wolle ihren ſcharffen Befehl alleꝛgnaͤdigſt auffhebẽ. Deꝛ Koͤnig ſtellete ſich nochmals/
als haͤtte er der Rede nicht wahrgenommen/ ſahe ſeine Diener greßlich an/ und fragete:
Ob ſie ſeinen Befehl vernommen haͤtten. Dieſelben fielen nider/ bahten umb Gnade/ und
machten ſich mit freundlicher Rede an Herkuliſkus/ er moͤchte ja durch ſeine wiederſpen-
ſtigkeit des groſſen Koͤniges Zorn nicht auff ſich laden ſondern willig mit ihnen gehen. Er
wolte aber nicht/ ſondern blieb auff ſeinen Knien ſitzen/ und ſahe den Koͤnig mit helblinken-
den Augen ins Angeſicht/ mit ſolchem friſchen beſtaͤndigen Muht/ daß alle Anweſende ſich
davor hoͤchlich entſetzeten; daher die Diener ihren Koͤnig frageten/ ob ihnen befohlen waͤh-
re/ den wiederſpenſtigen Juͤngling mit Gewalt hinweg zu tragen. Nein/ antwortete er/ a-
ber wird Phraortes nicht ſchaffen/ daß der frevelmuhtige Knabe mit gutem Willen [fort]
gehe/ ſol es an beyder Leben grauſamlich gerochen werden. Der Groß Fuͤrſt erzitterte hier-
ob/ trat zu ihm/ und ſagete: Mein geliebter Sohn/ ſollen wir dann beyde eines boͤſen todes
ſterben? doch mein Leben kan ohn daß ſo gar lange nicht mehr wehren. Er aber richtete ſich
freudig auff/ neigete ſich anfangs gegen den Koͤnig/ und gab zur Antwort: Ey daß wolte
Gott nicht/ daß ſo ein teurer ehrliebender Fuͤrſt meinetwegen in Lebensgefahr gerahten
ſolte; neigete ſich abermahl/ und mit ernſthaffter Stim̃e ſagte er zu dem Parther: Groſ-
ſer Koͤnig/ es hat mich keine to des Furcht von dieſer Stelle auffgehoben/ ſondern euer Koͤ-
nigl. Hocheit den erſten Gehorſam nicht zu wegern/ gehe ich mit dieſen Dienern hin; das
uͤbrige ſtelle ich Gott heim/ zu Rettung euer Koͤnigl. Hocheit Ehren/ auch zu meiner Zucht
und Geſundheit/ als lange ſie koͤnnen beyſammen ſeyn; dann ich ſchwoͤre nochmals/ daß
alles beydes an mir untrenliche Schweſtern ſind/ ſo daß der einen Verluſt die andere wil-
lig nach ſich zihen wird; deſſen doch ungeachtet/ eure Koͤnigl. Hocheit ich klaͤrlich ſehen
laſſe/ wie hoch ich dero Befehl achte; neigete ſich zum drittenmahl/ und ſagete zu den Die-
nern/ komt bald/ wir muͤſſen auff Koͤniglichen Befehl/ dieſen Weg vor uns nehmen/ umb
zu ſehen/ wie es Gott weiter ſchicken werde. Als ſie aus dem lezten Gemach traten/ nam
er ſeinen Saͤbel von Timokles/ hing ihn an/ und befahl ihm/ geſchwinde nach der Gutſche
K k k kzu
[626]Drittes Buch.
zulanffen/ und ihm ſeinen Kleiderwetſcher zu holen; Pharnabazus und Mazeus aber baht
er/ in der naͤhe zu bleiben. Die drey Diener hatten alsbald einen treflichen Wund Arzt bey
ſich/ der unſerm Herkuliſkus verſprach/ er wolte ſo ſaͤuberlich mit ihm verfahren/ daß er
des Schnittes kaum ſolte inne werden. Gingen alſo miteinander uͤber den innerſten Plaz
nach einem Gemache/ welches fein gezieret wahr/ und an allen vier Seiten ſehr klare Fen-
ſter hatte; in der Mitte ſtund ein langer Tiſch/ auff welchem etliche ſeidene Stricke lagen/
und an den Fenſtern umbher ſtunden allerhand erquikliche Kraftwaſſer in Kriſtlinen und
Alabaſter Geſchirren/ deren etliche ſie hervor nahmen/ und bald darauff begehreten/ Her-
kuliſkus ſolte die Kleider ablegen; gab aber zur Antwort; durchaus nicht/ dann ich habe
deſſen von meinem Koͤnige keinen Befehl/ mich ſolcher Schmach zu unterwerffen/ ſondern
nur mit zugehen/ dem ich gehorſamſt nachkommen bin. Dieſe lacheten der kalten Entſchul-
digung/ und erinnerten ihn zum andernmahl/ damit ſie Hand anzulegen moͤchten geuͤbri-
get ſeyn/ drungen auch zugleich auff ihn hin/ des Vorſatzes ihn zu entkleiden. Er ſagte/ ſie
ſolten gemach tuhn/ legte den Mediſchen Rok von ſich/ riegelte die Tuͤhr inwendig zu/ trat
an dieſelbe/ und ſagte: Da liegen alle Kleider/ die ich aus Zwang lebendig abzulegen wil-
lens bin/ uñ noͤhtige mich ja niemand zu einem mehreren. Die Diener kehreten ſich hiran
wenig/ und wolten ihn bey den Armen erhaſchen/ da er ihnen entweich ſeinen Saͤbel zuͤcke-
te/ und mit feurigen Augen zu ihnen ſagete: Haltet ein ihr Buben/ haltet ein/ wo ihr mich
nicht noͤhtigen wollet/ euch den Lohn vor verrichteter Arbeit zugeben. Weil ſie nun immer
begieriger auff ihn drungen/ hieb er dem verwaͤgenſten den Schedel glat herunter; richtete
ſich gegen den andern/ der ihn zuerſchrecken/ den Saͤbel entbloͤſſen wolte/ aber ehe er ſichs
verſahe/ wahr ihm der Bauch auffgeſchlitzet/ daß ihm das Gedaͤrm vor die Fuͤſſe fiel; der
dritte ergriff ihm den Saͤbel bey dem Kreuz/ aber er riſſe ihm ſeinen eigenen von der Sei-
te/ und ſpaltete ihm den Kopff biß an die Kinnebacken. Der Arzt verſteckete ſich hinter
den Tiſch; aber er ſagte zu ihm: Du unflaͤtiger Bube ſolt dieſes ſchaͤndliche Handwerk nit
mehr brauchen; auff welches Wort er ihm den Saͤbel durchs Hirn ſchlug. Pharnaba-
zus und Mazeus hoͤreten drauſſen das Gematze/ und macheten ihnen bald die Rechnung/
was vor gehen muͤſte/ daher Pharnabazus verdecketer Weiſe ſagete: Gilt mein Herr/ wo
unſer Herkuliſkus nicht durch dieſe Taht ganz in ein ander Geſchlecht verwandelt wird/
welches ſich bald kund geben ſol. Derſelbe nun oͤffnete gleich das Gemach/ ließ ſeine Augẽ
nicht anders als zwo brennende Kerzen ſehen und ſagete: Geliebte Freunde/ ich bin in ei-
nes unvergleichlichen Wuͤtrigs Hand gerahten; doch wil ich ehe ſterben als in Schande
Leben/ und wer mir Schmach anzufuͤgen gedenket/ ſol gleich alſo/ wie dieſe Buben/ geloh-
net werden worzu ich gute Mittel weiß/ und wans gleich Artabanus ſelber waͤhre. Sehet/
dieſe Schandbuben haben aus mir einen Verſchnittenen machen ſollen/ welches doch un-
moͤglich/ und wieder meine Geburts Art iſt/ maſſen ich euch nunmehr offenbahren muß/
daß ich kein Mannesbilde/ ſondern/ ein Koͤnigliches Fraͤulein aus Boͤhmen/ meines einig
geliebeten Herkules verlobete Braut hin/ wie ſolches/ meiner muhtmaſſung nach/ Herr
Pharnabazus an mir ſchon gemerket hat. Aber dieſer wolte ſolches gar nicht geſtehen.
Mazeus verwunderte ſich zum hefftigſten/ und ſtelleten ſich beyde unwillig/ daß ſie ihr Ge-
ſchlecht biß auff die lezte Stunde vertuſchet haͤtte; Sie aber ſagete; laſſet euch nichts ir-
ren/
[627]Drittes Buch.
ren/ nur machet euch beyſeit/ Ungluͤk zuvermeiden/ und daß mein Diener bald komme. Un-
ter dieſem Verlauff wahr niemand in groͤſſer Angſt/ als Phraortes; Er bedachte bey ihm
ſelbſt/ ob auch die Goͤtter dem frommen Juͤngling ſo groſſe Schande und Schmach wuͤr-
den anlegen laſſen; nimmermehr/ ſagte er in ſeinem Herzen/ wird er ſich hierzu bequemen/
und wer weiß/ ob er wol nicht ſchon tod iſt? Der Koͤnig ſahe/ daß er ſehr verwirret wahr;
Zwar es ſteckete demſelben noch ein Zorn im Herzen/ aber die Liebe trieb ſolchen gemehlig
aus; Daß er nun des Groß Fuͤrſten Gedanken erforſchen moͤchte/ fragete er ihn/ was er ſo
bekuͤmmert waͤhre? Ich weiß nicht/ aller gnaͤdigſter Koͤnig/ antwortete er/ was vor ſelzame
Schwaͤrmereyen mir im Kopffe umher ſchweben/ nur bitte ich untertaͤhnigſt/ Ihre Koͤ-
nigl. Hocheit wollen mir keine Ungnade zulegen/ da der Juͤngling meinem vermuhten
nach/ ſich ſperren wuͤrde/ welches ich hoͤchlich fuͤrchte/ wann ich ſeiner lezten Rede mich er-
innere. Was wolte er ſich ſperren? ſagte der Koͤnig/ meine Diener werden ihn ſchon zaͤh-
men. O allergn. Koͤnig/ antwortete er/ ſeine geſchikligkeit in Waffen uͤbertreffen alle Kraͤf-
te/ deſſen mein Fechter wol inne worden. Wir werdens bald erfahren/ ſagte der Koͤnig/ wie
bendig er wird gemacht ſeyn/ wann ſie deſſen die Zeichen bringen. Herkuliſka (alſo wolte ſie
nunmehr geneñetſeyn) ſo bald ſie die weiblichen Kleider von Timokles bekam/ legte ſie die-
ſelben auffs ſchleunigſte an/ ſchmuͤckete ſich mit Kleinoten und Perlen auffs praͤchtigſte/
und ging ohn einiges Menſchen hinderung die bekante Steige wieder hinauff. Dem Koͤ-
nige begunte zu mißduͤnken/ daß ſeine Diener ſo lange auſſen blieben/ und befahl einem aͤ-
delknaben/ zuzuſehen/ was deſſen die Urſach waͤhre; Dieſer begegnete dem Fraͤulein oben
auff dem Gange/ nahe vorm Gemache/ und entſetzete ſich vor ihrer Schoͤnheit; Sie hin-
gegen fragete ihn freundlich/ wohin er eilete/ und auffſeine kurze Antwort ſagte ſie zu ihm:
Mein/ ſaget Fuͤrſten Phraortes/ es ſey hier eine/ die wolle ihm von allem Bericht geben.
Dieſer/ nach erwieſener hoher Ehre wahr gehorſam/ und ſagete zu Phraortes: Mein Herꝛ/
ein himliſches Weibesbilde in trefflichem Schmucke/ deren gleiche die Sonne wol nim-
mermehr beſchienen hat/ und dem weggeführeten Juͤnglinge faſt aͤhnlich iſt/ ſuchet Eure
Gn. zuſprechen/ mit dem erbieten/ von allem ergangenen bericht zutuhn. Ich weiß von kei-
nem Weibesbilde/ antwortete er/ deren ich auch keine in meiner Geſelſchafft gehabt; doch
ging er auff Befehl des Koͤniges hin/ es zuerfahren; und weil das Angeſicht ihm wol be-
kant wahr/ wiewol ſie wegen angenommener freundlichen Geberden gar eine andere zu
ſeyn ſchiene/ wolte er doch nicht zweifeln/ und ſagte zu ihr: Mein Herkuliſkus/ was bedeutet
dieſe Umkleidung? gedenket ihr etwa den Koͤnig hiedurch zugewiñen? O ich fuͤrchte ſehr/
es werde keinen gluͤklichen Ausgang nehmen! Mein herzallerliebſter Herꝛ Vater/ antwoꝛ-
tete ſie/ Eure Gn. laſſen ſich dieſes nicht befremden/ und glaͤuben bey meinem aͤide/ daß ich
nie kein Mannesbilde geweſen/ ſondern zu Rettung meiner jungfraͤulichen Zucht/ welches
mir Gott Lob bißher gegluͤcket/ die Kleider gebraucht habe; weil mich aber dieſelben nicht
laͤnger verbergen koͤnnen/ muß eine tapffere Erklaͤrung mich wuͤrgen oder retten; Ihr weꝛ-
det demnach glaͤuben/ daß ich das verlohrne Boͤhmiſche Koͤnigliche Fraͤulein warhafftig
bin/ nur zeiget dem Koͤnige an/ was ihr ſehet/ und laſſet die Goͤttliche Verſehung vor das
uͤbrige ſorgen. Dieſes redete ſie mit ſolcher ernſthafften Liebligkeit/ daß er in die Gedanken
geriet/ ſie waͤhre warhafftig eine Goͤttin/ welches zuerzeigen/ er ſich vor ihr niderlegen wol-
K k k k ijte;
[628]Drittes Buch.
te; Sie aber ſagete: Mein Herzen Herr Vater/ umb Gottes Willen enthaltet euch deſſen/
und verſichert euch/ daß ich Fuͤrſt Herkules verlobete bin und bleiben werde. Ey nun dañ/
antwortete er/ ſo wil mit euer Liebe ich leben und ſterben/ wie es der Himmel verſehen hat.
Ging hin/ fiel vor dem Koͤnige nider/ und ſagete: Allergnaͤdigſter Koͤnig/ die wunderſelza-
men Begebniſſen durchgehen mein Gemuͤt/ daß ich faſt nicht reden kan; dann ich erfahre
gleich jezt mit hoͤchſter Beſtuͤꝛzung/ daß der Juͤngling unter der Kleider Verſtellung in deꝛ
Warheit ein hochgebohrnes Fraͤulein iſt/ welches zuzeigen/ ſie ſich mit weiblichen Kleideꝛn
angetahn hat/ und umb allergnaͤdigſten Urlaub/ hereinzutretẽ anhaͤlt. Eyſagete er/ die wird
uns ein liebes Fraͤulein/ und die Kron unſers Herzen ſeyn; daß wir ſie nur bald ſehen/ und
unſer Koͤniglichen Hulde ſie verſichern. Phraortes ging froͤlich hin/ ſie hinein zufuͤhren/
und ruͤhmete ihr des Koͤniges Gewogenheit; Sie aber gab zur Antwort: Seine Hulde
muß noch viel anders beſchaffen ſeyn/ dafern ich meinem Herkules zum beſten leben ſol/
dann demſelben allein lebe ich/ und ſterbe ſonſt einem andern jedweden; uͤber welcher Rede
der Groß Fuͤrſt in die Erde vermeynete zuſinken/ und ſagte zu ihr: Ach mein Fraͤulein/ ich
bitte von herzen/ dem Koͤnige gelinde und vernuͤnfftig mitzufahren. Er wolte ferner reden/
ſie aber faſſete ihn bey der Hand/ und ging mit ihm hinein/ taht auch keinen Fußfall/ biß ſie
vor den Koͤnig kam/ da ſie ſich auff ihre Knie legete/ in Meynung/ ſolcher geſtalt ihre Rede
vorzubringen; aber der Koͤnig befahl dem Groß Fuͤrſten/ er ſolte ſie auffrichten/ welches ſie
willig zuließ/ und alſo anfing: Aller Großmaͤchtigſter Koͤnig/ aller gnaͤdigſter Herr; Ich/
Fraͤulein Herkuliſka/ gebohrne aus Koͤniglichem und freyem Groß Fuͤrſtlichen Stamme/
ſtelle vor Ihrer Koͤnigl. Hocheit mich nunmehr in meiner gebuͤhrlichen Kleidung/ nach-
dem mein Geſchlecht ich weiter nicht verbergen kan/ wie bißher/ dem Himmel ſey Dank/
ohnvermerket geſchehen iſt/ wodurch ich nicht allein vielem Ungluͤk vorgebauet/ und alle
Schande von mir abgekehret/ ſondern auch dem Zorn der Goͤtter biß auff dieſe Stunde
mich entriſſen habe. Dann Euer Koͤnigl. Hocheit gebe ich hiemit allergehorſamſt zuver-
nehmen/ was geſtalt meine geliebete Eltern mich in der Stunde meiner Geburt/ der groſ-
ſen und keuſchen Goͤttin Veſta/ biß auff Vollendung meines XVII den Jahrs verlobet/ wel-
ches ich nach gehends frey eingewilliget/ uñ mit hoͤchſter Verfluchung/ da ich bruͤchig wuͤr-
de/ bekraͤfftiget habe. Solte nun Ihrer Koͤnigl. Hocheit nicht belieben/ mich in ſolchem
meinem Geluͤbde Koͤniglich zuſchuͤtzen/ ſondern dieſes zubrechen/ mich zwingen oder noͤh-
tigen wollen/ ſo ſchwoͤre ich bey eurem Koͤniglichen Haͤupte/ welches das heiligſte auff Er-
den iſt/ daß ſolcher Gewaltſamkeit vorzukommen/ ich mich dieſe Stunde unterſtehen wil/
damit ich nicht hernach gezwungen werde/ beydes mich und den Noͤhtiger zugleich hinzu-
richten/ worzu ich krafft meines der Goͤttin geleiſteten aͤides verbunden bin; Und daß ich
von meiner Goͤttin hierzu Staͤrcke und Muht gnug habe/ ſollen die drey Diener und der
Arzt bezeugen/ welche alle viere ich inſo viel Streichen (ungeachtet ſie mit dreyen entbloͤſ-
ſeten Saͤbeln auff mich angangen) hingerichtet habe/ und zwar mit ſolchen kraͤfftigen Hie-
ben/ wie der Augenſchein bezeugen wird/ welche meinem ſchwachen Jungfraͤulichen Arme
unmoͤglich waͤhren/ wann derſelbe nicht von meiner Goͤttin waͤhre gefuͤhret/ und die Fre-
veler erſchrecket worden/ umb/ daß wider Koͤnigl. Befehl ſie mich wolten entkleiden/ und
meiner Entſchuldigung/ daß ich ein Weibsbild waͤhre/ keinen Glauben zuſtellen. Nun feh-
len
[629]Drittes Buch.
len mir an der Zeit meines Geluͤbdes annoch ein Jahr und zehn Wochen/ nach deren En-
digung ich mich nach Euer Koͤnigl. Hocheit/ und meiner gnaͤdigſten Fr. Mutter Willen
zuverheyrahten/ nicht abgeneiget bin. Hier auff trat ſie fuͤnff Schritte zuruͤcke/ legte ihre
rechte Hand unter den Ober Rok/ an den daſelbſt verborgenen Dolch/ ließ deſſen Gefaͤß ſe-
hen/ und ſagete weiter: Nun ſtelle Euer Koͤnigl. Hocheit ich die freye Wahl zu (dieſes re-
dete ſie mit der allerherzbewaͤglichſten Freundligkeit) ob dieſelbe mir wollen befehlen/ als-
bald zuſterben/ oder aber die jeztgemeldete Zeit allergnaͤdigſt und kraͤftigſt verſprechen; dañ
ich wil lieber mich allein/ als Eure Koͤnigl. Hocheit zugleich mit/ niderſtoſſen/ ja ich wil lie-
ber den allerruhmwirdigſten zeitlichen Tod/ als ein unbeflektes reines Opffer der Goͤtter/
mir ſelbſt antuhn/ als von den boͤſen helliſchen Geiſtern nach dieſer kurzen Zeit mich immeꝛ
und ewig auaͤlen laſſen. Der Koͤnigſahe des Dolchen Handhabe/ und ſchwebete dermaſ-
ſen zwiſchen Furcht und Begierde/ daß er ſich keiner gewißheit entſchlieſſen kunte/ biß Her-
kuliſka alſo anfing: Nun du keuſche Goͤttin Veſta/ nim an mein Blut/ welches ich vor den
ſchaͤndlichen Raͤubern in Manneskleidern beſchuͤtzet habe/ aber wider dieſen Allermaͤch-
tigſten Koͤnig auf Erden nicht vertaͤhtigen kan; Ich opffere dir/ O meine Goͤttin/ daſſelbe/
wie du weiſt/ in eben derſelben reinen Keuſcheit/ in welcher es von meiner Fr. Mutter an
dieſe Welt kommen/ und dir pflichtſchuldig verbunden iſt. Womit ſie den Dolch begunte zu
zuͤcken/ woruͤber Artabanus ſich entſetzend/ mit erhabener Stimme rief: Wir Artabanus/
ſchwoͤren bey unſerm Haͤupte/ Kron/ Reichsſtab und Schwert/ euch allerſchoͤnſtes Fraͤu-
lein die Zeit eures Geluͤbdes unverſtoͤret zugoͤnnen/ nach deren Verlauff aber/ euch die koͤ-
nigliche Kron/ als unſerm erhabenen Gemahl auffzuſetzen/ und biß dahin euch ein wolbe-
wahretes Gemach und eigenes Frauenzimmer zuzuordnen/ von dem ihr Koͤniglich ſollet
geehret und auffgewartet werden. Ließ darauff alsbald einen erhabenen/ mit guͤldenen Tuͤ-
chern behaͤngeten Stuel neben ſich ſtellen/ auff welchen Herkuliſka nach koͤniglichem befehl
von Phraortes geſetzet ward; aus welcher Gnade ſie gewiſſe Hoffnung ſchoͤpffete/ ihr groͤ-
ſtes Ungluͤk wuͤrde vorbey ſeyn/ und Herkules Zeit genug gewinnen/ ihre Erloͤſung zube-
fodern. Sie ſtund aber von ihrem Stuele bald wieder auff/ ſtellete ſich vor den Koͤnig/ und
redete ihn folgender geſtalt an: Allergroßmaͤchtigſteꝛ Koͤnig/ aller gnaͤdigſteꝛ Herꝛ; anfangs
bitte ich demuͤhtigſt umb Verzeihung/ daß mit dieſem Dolche (welchen ſie hiemit Phraor-
tes reichete) vor eure Koͤnigl. Hocheit ich mich finden laſſen/ in anſehung/ daß er zu nichts
anders/ als den Goͤttern das ihre zugeben/ ſolte gebrauchet worden ſeyn/ daher Groß Fuͤrſt
Phraortes ihn auch als einen geweiheten wird in ein flieſſend groſſes Waſſer/ oder in eine
grundloſe Erdengrube hinein werffen. Und weil die gar zu hohe/ mir teils ſchon erzeigete/
teils aufs kuͤnftige angebohtene Gnade mich dieſes Opfers hat benehmen wollen/ werde ich
daher urſach haben/ ſtets nachzuſinnen/ wie viel Euer Koͤnigl. Hocheit ich davor ſchuldig
bin. O wie einen unſterblichen Ruhm wird meinem Allergnaͤdigſten Koͤnige dieſe allerloͤb-
lichſte Taht erwerben/ welche zuvergelten/ ſich der Himmel mit allen ſeinen Kraͤften bemuͤ-
hen wird. So ergebe nun Euer Koͤnigl. Hocheit ich mich ganz und gar/ mit untertaͤhnig-
ſter Bitte/ dieſelbe wollen ihrem hohen unwiderruflichen verſprechẽ nach/ mir ein keuſches
Frauenzimmer zuordnen/ in deren Geſelfchafft ich meinen Jungfraͤulichen Stand/ ohn
einige aͤrgerniß und Furcht halten und fuͤhren moͤge. Der Koͤnig ließ alsbald zwoͤlff ſchoͤ-
K k k k iijne
[630]Drittes Buch.
ne aͤdle Inngfern/ und vier ehrbare aͤdle Frauen herzu hohlen/ welche er alſo anredete: Se-
het da/ was vor einen koſtbaren Schatz wir euch anvertrauen/ dieſes unſer herzallerliebſtes
Fraͤulein/ mit welcher wir uns ehelich verſprochen/ und nach Vollendung einer gewiſſen
Zeit ſie zur Groß Koͤnigin uͤber unſere Landſchafften kroͤnen wollen; gehorſamet ihr/ als eu-
rer vollkommenen Gebieterin/ zum Tode und Leben. Zwar es wird uns ſchwer fallen/ das
Koͤnigliche Beylager ſo lange auffzuſchieben/ aber doch verſprechen wir uͤber das vorige/
daß wir die ganze Zeit uͤber/ unſerm Fraͤulein ſo nahe nicht kommen wollen/ als ein Mann
mit dem Wurffſpieſſe abwerffen kan/ auff daß ſie daher erkeñen moͤge/ wie willig wir ſind/
ſie ihrer Bitte/ auch mit unſern Schmerzen zugewehren. Dieſes verſprechens erfreuete
ſie ſich hoͤchlich/ nam es mit Untertaͤhnigkeit an/ und in unterſchiedlichen Gutſchen wurdẽ
ſie ingeſamt nach einem andern Schloſſe gefuͤhret/ welches faſt am Ende inwendig der
Stad/ eine gute Viertelſtunde gehens/ von dem Koͤniglichen/ Nordweſt gelegen/ und mit
einem breiten auffgemaureten Graben/ und ſehr hoher Maur befeſtiget wahr. Pharnaba-
zus muſte auff ihr begehren zu ihr auff die Gutſche ſteigen/ dem ſie allen Verlauffkuͤrzlich
erzaͤhlete/ und mit ihm Abrede nam/ er moͤchte ſeinem Freunde Herkules zugefallen/ unter-
ſchiedliche reitende Bohten auf die vornehmſten Landſtraſſen ſenden/ umb zuvernehmen/
ob nicht er ſelbſt/ oder einige andere unterweges waͤhren/ ihr nachzufragen; dann ich habe/
ſagte ſie/ uͤber Jahrsfriſt keine Gefahr/ woſonſt Artabanus nit meinaͤidig wird; aber nach
deren Verlauff ſehe ich nicht/ wie ich mein Leben retten ſol/ es ſey dann/ daß mein Herkules
komme/ der ſchon Mittel finden wird/ mich loßzumachen. Pharnabazus gelobete ihr alle
Moͤgllgkeit/ mit Beteurung/ wann er wiſſen ſolte/ wo er anzutreffen waͤhre/ wolte er mit
etlichen Geſchwaden Reuter ihm entgegen zihen. Der gute Timokles hatte nun auch er-
fahren/ was vor einem Herrn er bißher gedienet/ lief neben der Gutſche her/ und weinete
vor Freuden; Herkuliſka hieß ihn auffſitzen/ und ſagete zu ihm: Mein getraͤuer Freund/
ich danke euch vor alle redliche Auffwartung/ welche ihr mir bißher geleiſtet/ und zweifele
nicht/ ihr werdet ferner getraͤu verbleiben/ auff welchen fall ihr euch verſichern ſollet/ daß
ich aus euch einen groſſen und reichen Herꝛn machen wil; leget euch in eine Herberge/ neh-
met von Herrn Pharnabazus Leuten einen Diener an/ haltet euch adelich/ verzehret mei-
ne Kleinot ohn ſparen/ ſtellet euch taͤglich etliche mahl bey meinem Schloſſe ein/ da ihr obẽ
beym Fenſter mein Zeichen werdet ſchwarz angemahlet ſehen/ und was euch Herr Phar-
nabazus weiter anvertrauen wird/ dem kom̃et fleiſſig nach/ des ſol euch dereins eine Herꝛ-
ſchafft zu lohne werdẽ. Ja mein Timokles/ ſetzete Pharnabazus hinzu; ihr werdet in wich-
tigen Geſchaͤfften als ein vornehmer Diener beſtellet/ drumb laſſet euch kein Ding in der
Welt zur Untraͤu verleiten/ des wil ich euch bey meinen Ehren vor mein Haͤupt 50000
Kronen zur Vergeltung verſprochen haben/ und euch noch heut 6000 Kronen zuſtellen/
nebeſt einem groſſen und kleinen Diener/ ſamt dreyen Pferden; zehret nur als ein Herr/
und lebet nach eurem Willen. Dieſem ſtunden die Augen vol Traͤhnen/ bedankete ſich des
gar zu hohen erbietens/ und verwuͤnſchete ſich zu aller zeitlichen und ewigen Straffe/ wo
er nicht ſelnem Gn. Fraͤulein getraͤuer als ihm ſelber ſeyn wolte/ als lange er lebete/ welchẽ
Vorſatz weder Pein noch Tod ihm aus dem Herzen nehmen ſolte. Nachgehends redete
ſie mit Pharnabazus alle Nohtwendigkeit ab/ und bedankete ſich ſeines gutwilligen Herzẽ.
Nach
[631]Drittes Buch.
Nach der Fraͤulein Abſcheide wahr der Koͤnig mit Freuden und unzaͤhligen Begierden
umgeben/ rieff Phraortes zu ſich/ und ſagete: Mein geliebteꝛ Fuͤrſt/ weil ihr unſer Herz mit
der Volkommen heit dieſer Fraͤulein befriediget habt/ ſollet ihr deſſen zu Lohn alle Schat-
zungen eures Groß Fuͤrſtentuhms vier Jahr lang vor euch heben/ und in den geheimen
Groß Koͤniglichen Raht/ als der fuͤnffte in der Ordnung hiemit auffgenommen ſeyn. Ließ
auch Mazeus vor ſich kommen/ belehnete ihn mit einer erledigten Herrſchafft in Aſſyrien/
und vermachete ihm als einem Hof Raht jaͤhrlich 12000 Kronẽ zur Beſtallung. Bey der
Abendmahlzeit erzaͤhlete Phraortes alles denkwirdige/ wz ſich mit dem Fꝛaͤulein zugetragẽ/
als wodurch ihnen aller Argwohn ihres weiblichen Geſchlechtes benom̃en waͤre; woruͤ-
ber der Koͤnig ſich hoͤchlich erluſtigte/ und dermaſſen in Liebe entzuͤndet ward/ dz ihn ſchon
gereuete/ weſſen er ſich verbunden hatte/ uñ doch eine Unmoͤgligkeit fand/ es zuwiederruffẽ.


Der getraͤue Liebhaber Valikules reiſete unterdeſſen in Perſen als in der Irre um-
her/ weil er von der Spuhr abkommen wahr/ und weder in Staͤdten noch auff dem Lande
feiner Fraͤulein Zeichen angeſchrieben fand. Die Urſach dieſes Irtuhms wahr/ daß er den
geradeſten Weg nach Parthen vor ſich nam/ da ſie von den Raͤubern Nordwerts gefuͤh-
ret wahr. In dieſer Ungewißheit nun befand er ſich nicht wenig betruͤbet/ daher er zu Gal-
lus ſagete: Ich bin ſehr irre in meinem Gemuͤht/ daß mein Leitſtern ſich nicht mehr finden
wil/ wor aus ich muhtmaſſe/ die Parther muͤſſen einen andern Weg gezogen ſeyn/ deſſen
Ungewißheit mich an meinem Vorhaben ſehr verhindern duͤrffte; ja wer weiß/ ob ſie
mein Fraͤulein nicht gar einen andern Herrn zugefuͤhret haben? O mein Gott/ ſagte er
mit gefaltenen Haͤnden; zeige du mir den Weg meines Vorſatzes/ und gib nicht zu/ daß
dieſe Unſchuldige in Ehren- oder Lebensgefahr gerahte: Gallus antwortete ihm; Gn.
Herr/ wir werden in Mangel dieſes Zeichens den geradeſten Weg nach dem Koͤniglichen
Haͤuptfitze vornehmen/ woſelbſt wir ohn zweiffel Zeitung von ihr haben werden. Ja ge-
rade/ ſagte er/ als ob ihr nicht auff der gefaͤhrlichen Reiſe ein Ungluͤk haͤtte zuſtoſſen koͤn-
nen/ welches wegen Mangel des Zeichens ich nicht unbillig fuͤrchte; muͤſſen demnach den
grundguͤtigen Gott bitten/ daß er unſer Fuͤhrer und Gleitsman ſeyn wolle/ damit unſer
Vorhaben zum gewuͤnſchten Ende außſchlage. Des Abends kahmen ſie in ein geringes
Doͤrfflein/ da ſie Herberge nahmen/ und mitſchlechten Speiſen zu friede wahren/ weil ih-
re Pferde gute Futterung antraffen/ welche ſie dieſen Tag ſehr abgeritten hatten. Valiku-
les brachte die ganze Nacht auff der Straͤu mit dem Gebeht zu/ ohn gegen Morgen uͤber-
fiel ihn der Schlaff/ und gedauchte ihn/ wie ihm auff der Reiſe ein alter Mann den Zuͤgel
aus der Hand ruͤckete/ und da er Oſtwerts reiten wolte/ ihn ſtraks gen Norden leitete/ wor-
uͤber er erwachete/ auffſatteln ließ/ uñ den Wirt fragete/ was vor Landſchafften gegen Nor-
den gelegen waͤhren. Als ihm nun Meden geneñet ward uñ er vernam/ daß etliche Tagerei-
ſen nach der Haͤuptſtad Ekbatana waͤhren/ ſagete er: Nun ſo wil ich im nahmen Gottes
den Streich vor mir nehmen/ ob es gleich meiner Einbildung ſtraks zuwieder laͤufft; bekam
doch in ſechs Tagen keine Hoffnung/ wie eilend er auch mit ſeinen Wegweiſer fortjagete/
der ihn gegen Abend in einen Flecken brachte/ dreiſſig guter Teutſcher Meilen vom vorigẽ
Dorffe gelegen. Des ſiebenden Tages wahr er fruͤh auff/ und traf umb den Mittag einen
Scheideweg an/ deren einer in einen groſſen Wald gerade gegen Norden; der ander nach
einer
[632]Drittes Buch.
einer weitlaͤuftigen Wuͤſteney Nordoſt Werts fuͤhrete/ und wie ſehr ihm der Wegweiſer
zu dieſem riet/ waͤhlete er doch durch ſonderliche Eingebung den an dern/ da er ſagete: Ich
muß und wil Norden folgen/ als lange ich innerhalb Meden bleibe/ erinnerte doch Gallus/
ſein Gewehr fertig zu halten/ daß man ſich auff allen Fall ſchuͤtzen koͤnte/ weil der Ort ge-
faͤhrlich ſeyn ſchiene. Sie wahren eine Stunde im Walde geritten/ da ſtieſſen vier junge
verwaͤgene Raͤuber zu Pferde mit Streit Axten auff ſie/ mit Beſehl/ ſie ſolten ſtille halten/
und nicht naͤher ruͤcken/ woran Valikules ſich wenig kehrete/ nur daß er ſich wegen ſeines
Fuͤhrers betruͤbete/ welcher ſolches hoͤrend/ ohn einiges Wortſprechen außrieß/ und der
Streiche nicht erwarten wolte/ wiewol ihn Valikules wieder ſeinen Willen nicht auffge-
halten haͤtte/ wann er ihm nur ſeinen Lohn entrichten koͤnnen: Weil es aber nicht Zeit
wahr/ ſich umb ihn zu bemuͤhen/ ließer ihn reiten/ und ſetzete immer ſeinen Weg fort; ant-
wortete auch jenen vieren; es waͤhre ihnen ungelegen/ ſich zuſeumen/ weil ſeines Fuͤrſten
Geſchaͤfte eile erfoderten. Nicht deſto weniger begegnete ihm deren einer/ mit Begehren/
er ſolte neben ſeinem Geſellen Gut oder Blut geben/ auch alsbald den Harniſch ablegen:
Die uͤbrigen drey ſetzeten friſch nach/ der Meinung geſchwinde fertig zu werden/ und vor
ihrer Geſelſchafft Ankunſt die beſte Beute davon zu trecken; aber Valikules den Ernſt
ſehend/ machte nicht viel weſens/ ſondern mit Gallus miſchete er ſich unter ſie/ dergeſtalt/
daß inwendig einer halben viertel Stunde ſie alle vier geſtrecket lagen; ſie aber wolten hier
nicht lange verzihen/ fuͤrchtend/ es moͤchten bald mehr kommen/ und dieſer ihren Tod raͤ-
chen/ worin ſie dann nicht irreten/ maſſen in kurzem ihnen IIX begegneten/ eiferig fragend/
ob ihnen nicht viere mit lichtbraunen Pferden auffgeſtoſſen waͤhren. Ja/ ſagte Valikules/
aber ſo bald ſie mich und meine folgende Schaar ſahen/ kehreten ſie ſich nach der rechten
Hand/ uns etwa vor Raͤuber haltend. Dieſe erſchraken der Rede/ namen kurzen Abſcheid/
und machten ſich auſſer Weges nach der Seite davon. Nicht lang hernach folgeten ihrer
zehẽ/ welche mit gleicher Antwort auff ihre ebenmaͤſſige Frage abgeſchrecket wurden/ daß
ſie den andern nachſetzeten. Hingegen dankete Valikules ſeinem Gott/ vor die ſcheinbare
Rettung/ und jagete mit den ſeinen fort/ als viel die Pferde es ertragen kunten/ da eꝛ in kuꝛ-
zer Friſt einen zimlichen Hauffen erſchlagener und von dem Wilde faſt gar verzehreter
Leichnam antraff/ auch zu gutem Gluͤk ſeiner Fraͤulein Zeichen an dreien Baͤumen gemah-
let ſahe/ mit dieſer Unterſchrifft Cum aliis prædonibus Ecbatana tendo: Ich nehme mit andern
Raͤubern meinen Weg nach Ekbatana. Erzeigete dieſes Gallus mit freuden/ und ſagete: Dem
barmherzigen Gott ſey Lob und Dank geſagt/ der uns dieſen Weg gefuͤhret hat; dañ mein
Herz traͤgt mirs zu/ ich werde ſchier gewiſſe Zeitung haben. Ich hoffe ſolches mit/ ſagte
Gallus; wir werden aber unſern Pferden rechtſchaffen zuſprechen muͤſſen/ es moͤchten die
Raͤuber des betruges inne werden/ und uns verfolgen; darauff ſie dann nach aͤuſſerſter
Moͤgligkeit forteileten/ welches ihnen wol zu ſtatten kam; dañ jene/ als ſie keine Nachfolge
merketen/ gingen den rechtigſten Weg vor ſich/ da ſie ihre vier erſchlagene antraffen/ deren
einer noch lebete/ und ſich beklagete/ was Geſtalt ſie von zweien Rittern alſo zugerichtet
waͤhren/ welche ſeiner Hoffnung nach/ den verdienten Lohn ſchon wuͤrden empfangen ha-
ben. Pfui Schande uͤber Schande/ antworteten dieſe/ daß wir aus vergeblicher Furcht
dieſe Buben haben reiten laſſen/ kehreten mit ihren Pferden umb/ und meineten ſie noch
anzu-
[633]Drittes Buch.
anzutreffen/ aber vergeblich/ maſſen die unſern ſchon einen groſſen Vorſprung genom̃en
hatten/ da ſie ohn Speiſe und Trank fortjageten/ biß ſie ein zimlich Staͤdlein erreicheten/
und doch auff dem Wege der Fraͤulein Zeichen nicht merketen; Hieſelbſt erfuhr Valiku-
les/ daß ſie noch ſieben zunliche Tagereiſen nach Ekbatana vor ſich haͤtten/ weil er im Wal-
de irre geritten/ und zu weit nach der rechten Hand gangen waͤhre. Sie vertauſcheten
hieſelbſt ihre Pfeꝛde/ weil ſie undũchtig wordẽ/ lagen fuͤnff Tage ſtille/ nahmen einen Weg-
weiſer zu ſich/ und gelangeten nach abermahliger ſiebentaͤgiger Reiſe in einem Flecken an/
welcher nahe bey Mazeus Schloſſe lag/ bleib auch die Nacht daſelbſt/ uñ fragete den Wirt/
was vor einen Herrn dieſe Feſtung haͤtte/ dieſer antwortete ihm; es waͤhre gar ein freund-
licher verſtaͤndiger Herr/ und erſt dieſen Tag von einer weiten Reiſe wieder zu Hauſe an-
gelanget/ ſtuͤnde bey dem Groß Fuͤrſten in ſonderlichen Gnaden/ und waͤhre ſehr maͤchtig:
Sein Schloß waͤhre nicht anders/ als eine offene Herberge fremder Ritter und Herꝛen/
auff welche er jaͤhrlichs ein groſſes verwendete; und wañ ihr ihm die Ehre antaͤhtet/ ſagte
er zu Valikules/ ihn vor eurem Abſcheide nach Ekbatana zu ſprechen/ wuͤrdet ihr bald ei-
nen guten Freund an ihm bekommen/ der in euren Werbungen bey dem Groß Fuͤrſten euch
ſehr behuͤlflich ſeyn kan. Hiedurch ward er bewogen/ dieſes Herꝛn Kundſchafft zu ſuchen/
weil er ohndaß uͤber dieſen Durchzug muſte/ machte ſich des Morgens ſehr fruͤh auff/ und
da er dem Schloſſe nahete/ ward er uͤber die maſſe hoch erfreuet/ dann er ſahe ſeiner aller-
liebſten Fraͤulein Zeichen uͤber die 20 mahl am aͤuſſerſten Tohr angemahlet/ und (welches
ihm die Frendentraͤhnen außtrieb) dieſe Worte dabey geſchrieben: Herculiſci ſuave Diver-
ſorium.
Des Herkuliſkus liebliche Herberge. Er warff die Augen etwas hoͤher/ da ſahe er uͤber
dem Tohr einen von dem reineſten Erz gegoſſenen Juͤngling mit dieſer uͤberſchrifft: Mira-
culum Orbis Herculiſcus.
Herkuliſkus das Wunder-Geſchoͤpff der Welt. Hilff Gott/ ſagte er zu
Gallus/ hier laͤſſet mich mein Heyland die Ergezligkeit aller meiner Muͤheverwaltungen
blicken; und O du aͤdle Seele/ haſt nicht ruhen koͤnnen/ dieſen fremden Laͤndern auch im
durchreiſen/ ein unſterbliches Gedaͤchtnis deiner Volkommenheit zu hinterlaſſen; dann
freilich iſt dieſe Ehrenſchrift dir nicht ohn Urſach geſetzet. Wie er in dieſer Betrachtung
vor dem Tohre hielt/ rieff ihm die Schildwache zu/ von wannen er kaͤhme/ und wohin er
gedaͤchte. Er hingegen begehrete/ man moͤchte dem Herrn des Schloſſes anmelden/ daß
ein fremder Ritter ihre Gn. gerne ſprechen wolte. Mazeus/ als ein fleiſſiger Auffſeher ſei-
ner Geſchaͤfften ging ſchon im Innerplaze/ und ließ auff anmeldung den fremden hinein
geleiten und auf den groſſen Gaſtſaal fuͤhren/ da Valikules ihn nach Ritterſtandes gebuͤhr
hoͤfflich gruͤſſete/ und nach gebehtener ver zeihung andeutete: Er haͤtte nicht allein am Toh-
re/ die ihm bekante angemahlete Zeichen/ ſondern uͤber demſelben ein auffgeſtelletes Bild-
nis ſamt angeſetzeten nahmen Herkuliſkus geſehen: Nun waͤhre er von ſeinem Herꝛn aus
weit abgelegener Landſchaft außgeſchicket/ dieſem Juͤnglinge nachzufragen/ und ſeines
Zuſtandes ſich zu erkuͤndigen; gelangete demnach an ihre Gn. ſein dienſtfleiſſiges Anſu-
chen/ ihm deßwegen einige Nachricht zu goͤnnen/ wovor ſein Herꝛ alle moͤgliche Dankbar-
keit wuͤrde ſpuͤren laſſen. Guter Freund/ antwortete Mazeus/ ſuchet ihr dieſen vortreflich-
ſten jungen Herrn/ deß gleichen dieſe Welt kaum gezeuget hat/ als dañ muͤſſet ihr mir ſehr
wilkommen ſeyn; rieff darauff ſeinem Diener/ er ſolte dieſem fremden die Waffen abzihen/
L l l lund
[634]Drittes Buch.
und muſte ein ander hingehen/ ſeine Geſelſchaft herein zu hohlen. Er verwunderte ſich deꝛ
freundlichen Bezeigung/ gab vor/ es wolte ihm nicht geziemen/ ſich auffhalten zu laſſen/
muͤſte als ein getraͤuer Diener ſeines Herrn/ nochmals umb Nachricht anhalten/ als wor-
nach derſelbe/ und andere mehr/ groſſes Verlangen truͤgen. Ich weiß wol/ ſagte Mazeus/
daß man dieſem vortreflichen Juͤnglinge nachfraget/ aber einer iſt inſonderheit/ deſſen an-
kunft vor andern hoch begehret wird/ moͤchte von Herzen wuͤnſchen/ daß derſelbe in der
Naͤhe waͤhre/ dañ hie durch wuͤrde ich meines Wunſches voͤllig vergnuͤget/ und den Zweg
meiner hoͤchſten Begierden erlangen. Valikules wuſte nicht/ was er aus dieſer Rede
ſchlieſſen ſolte/ und antwortete; er koͤnte nicht wiſſen/ was vor einen ihre Gn. ſo hoch wuͤn-
ſcheten/ da er ihm aber bey nahmen genennet wuͤrde/ moͤchte er ihm vielleicht bekant ſeyn.
Mazeus kunte dieſem Mißtrauen nichts verargen/ wolte ſich doch ſo bald nicht bloß gebẽ/
umb/ dieſes Dieners Traͤue zuerforſchen/ und ſagete: Der Nahme waͤhre ihm entfallen
wiewol er ihn haͤtte nennen hoͤren/ wuͤſte ihn auch ſo eigentlich nicht zu beſchreiben/ weil er
ihn nie geſehen haͤtte aber deſſen preißwirdige Tahten zum guten Teil von ſeiner Freunde
einem vernommen/ und wolte gerne den beſten Teil ſeiner Herſchaft dran ſetzen/ dz er dem-
ſelben auff ſeinem Schloſſe guͤtlich tuhn ſolte. Je geneigter ſich aber dieſer vernehmen
ließ/ je argwoͤhniſcher Valikules ward/ daß er ihm gaͤnzlich vornam/ ſich noch zur Zeit nit
zu melden; bald gedachte er: hat auch dieſer Herr meiner Fraͤulein weibliches Geſchlecht
in erfahrung gebracht/ daß er ſie dieſes Orts verborgen haͤlt/ und ſuchet/ durch Auffopffe-
rung meiner/ ſich ihrer zuverſichern? Ja/ iſt auch das Bilde vielleicht als ein Lokvogel uͤ-
ber das Tohr geſtellet/ mich dadurch zu fahen? Bald fuͤrchtete er ſich/ dieſem redlichen
Manne durch ſolche Gedanken groſſes Unrecht anzulegen/ und antwortete in zimlicher
Verwirrung: Ihre Gn. muͤſſen dieſem Herrn trefliche Neigung tragen/ welchen ſie mit
ſo groſſem Verluſt ihrer Herſchafft wuͤnſchen/ daſie doch denſelben/ ihrem Vermelden
nach/ nie geſehen haben. Eben darumb verlanget mich ſo hoch nach ſeiner Kundſchafft/
ſagte er/ weil ich ihn bißher nur von hoͤrſagen kenne; jedoch/ da die Goͤtter mir nicht gar zu
wieder ſind/ werde ich die Ehre haben/ ihn zu ſprechen; ermahnete ihn nochmahls/ den
Harniſch abzulegen; er haͤtte einen geringen Abtrit zu nehmen/ und wolte bald wieder bey
ihm ſeyn; gin hin zu ſeinem Gemahl und deren Frl. Schweſter/ und zeigete ihnen an/ es
waͤhre ein friſcher junger Ritter/ braͤunlicher Geſtalt ankommen/ welcher dem Herkuliſkus
nach fragete/ ob er ſich auch gleich nicht kund geben wolte/ zweiffelte er doch nicht/ er waͤhre
von Fuͤrſt Herkules abgeſchikt. Fr. Roxane ward der Zeitung froh/ meinete/ dafern ſolches
waͤhre/ wolte ſie es bald erfahren/ ging mit ihrem Gemahl hin zu ihm/ und nach freundli-
cher empfahung/ redete ſie ihn alſo an: Mein Herr iſt uns ſehr wilkommen/ als ein bekan-
ter des alleraͤdelſten Herkuliſkus/ deſſen Bildnis/ Zeit abweſens meines Gemahls ich uͤbeꝛ
das Schloßtohr auffrichten laſſen/ auff daß ich eine taͤgliche Auffmunterung habe/ der
vertraulichen Freundſchafft/ welche er mit mir geſtifftet/ und zu ſeiner allergeheimeſten
Freundin mich gewirdiget hat. Valikules kuͤſſete ihr die Hand/ und antwortete: Wolge-
bohrne Frau; ich treffe alhie eine unvermuhtliche und zugleich unverdienete Freundſchaft
und Gutwilligkeit an/ mehr als ich mir nie einbilden moͤgẽ/ angeſehen ich dieſer oͤrter ganz
unbekant/ und mein gnaͤdiger Herr/ der mich außgeſchikt/ mir nicht die allergeringſte An-
zeige
[635]Drittes Buch.
zeige getahn/ deſſen was mir begegnet; muß demnach eine ſonderliche ſchickung Gottes
ſeyn/ daß ich mir dieſen Weg erwaͤhlet/ und mir ſonſt viel einen andern vorgenom̃en hatte.
Vielleicht mag eurem Herrn dieſe unſere Freundſchaft wol ſelbſt unbewuſt ſeyn/ ſagte Fr.
Roxane/ und wann ich fragen duͤrfte/ ob derſelbe der Durchleuchtigſte Groß Fuͤrſt aus
Teutſchland waͤhre/ wuͤrde ich mich ſo weit erkuͤhnen; Urſach/ weil auff meines allerwer-
deſten Freundes Herrn Herkuliſkus anhalten/ ich unterſchiedliche reitende Bohten auß-
geſchikt habe/ umb zuvernehmen/ ob deſſen Durchl. nicht in dieſen Laudſchaften anzutref-
fen ſey/ weil von meinem Anverwanten/ Herrn Pharnabazus ich gewiſſe Nachricht habe/
daß ſeine Durchleuchtigkeit ſich uͤber Meer begeben/ dieſen meinen Freund aus Raͤuber
Haͤnden zu erloͤſen. Valikules nam aus dieſer Rede ab/ es muͤſte ſeyn Fraͤulein an die-
ſem Orte ſehr vertraulich gelebet/ auch Pharnabazus (uͤber deſſen Anweſenheit er ſich
freuete) wol gar ihr Geſchlecht offenbahret haben/ und gab dieſe Antwort: Mich wundert
ſehr/ wie ihre Gn. mir meinen Herrn ſo eigentlich beſchrieben hat/ welchen vor redlichen
Leuten zu verſchweigen ich nicht Urſach habe; moͤchte wuͤnſchen/ daß ich nur in etwas
nachrichtung wegen des verlohrnen Herkuliſkus haben koͤnte/ ob derſelbe annoch im Le-
ben und guter Geſundheit ſey/ damit ich ſtuͤndlich umbkehren/ und meinem Gn. Herrn/
der ſich in deꝛ Naͤhe auffhaͤlt/ dieſe ſo hoch gewuͤnſchete Zeitung bringen moͤchte. O ihr
Goͤtter antwortete ſie/ iſt der ſo viel begehrete Fuͤrſt Herkules ankom̃en! O ihr mein gnaͤ-
digſtes herzallerliebſtes Fraͤulein! Mit dieſen Worten ſtutzete ſie/ dann ſie wahr nicht wil-
lens/ ſtraks im anfange merken zu laſſen/ daß ſie ihres weiblichen Geſchlechtes Kundſchaft
haͤtte; aber der Brey wahr aus unvorſichtiger Freude ſchon verſchuͤttet/ und ſie aus
Valikules groſſer Veraͤnderung merkete/ daß er durch dieſes Wort getroffen wahr; doch
fuhr ſie fort; Mein Herr ſeumet euch nicht auf dem Wege/ und bringet dem Durchl. GF.
aus Teutſchland/ neben Anmeldung meiner untertaͤhnigen Ehrendienſte dieſe Zeitung/
wann er meines Seelenfreundes/ Herrn Herrkuliſkus guten Wolſtand erfahren wil/ moͤ-
ge ſeine Durchl. mir ſeiner gehorſamen Dienerin die Gnade bezeigen/ und den Beſtztuhm
dieſes geringen Schloſſes/ als lange es ihm gefallen wird/ einnehmen; inzwiſchen werde
ich an meinen Herzenfre und Herrn Herkuliſkus eine ſchleunige Bohtſchaft abfertigen/
ihr (hier verredete ſie ſich abermahl) die gluͤkliche Ankunft ihres Seelen-eigenen Oheims
wiſſen zu laſſen. Valikules baht ſehr/ mit dieſer Abfertigung etwas einzuhalten; ſein Gn.
Herr waͤhre in der Naͤhe/ zweiffelte nicht/ er wuͤrde ihm die angenehmſte Zeitung bringen.
Mazeus erboht ſich mit zureiten/ aber er wehrete ſolches ab/ ihn verſichernd/ daß er ſelbſt
ſich bald einſtellen wuͤrde; nahm Abſcheid/ und ritte mit ſeinen Leuten nach der vorigen
Herberge/ daſelbſt machete er die angeſtrichene Farbe ab/ legete ein koͤſtliches Kleid an/
und putzete ſich Fuͤrſtlich aus/ nachdem er Standeshalben ſchon erkennet wahr. Als er
mit den ſeinen nach dem Schloſſe ritte/ ſahe er/ daß Mazeus nebeſt ſeinem Gemahl uñ dem
Fraͤulein ihm auſſerhalb Schloſſes entgegen gingen/ und zwo treffliche Gutſchen hinten
nach fuͤhren lieſſen/ deßwegen/ als er ihnen etwa auff 50 Schrit nahete/ ſprang er ſehr zier-
lich vom Pferde/ als er zuvor daſſelbe ein wenig auffs kuͤnſtlichſte getummelt hatte. Sein
Kleid wahr ein guͤlden Stuͤk mit gruͤner Seiden durchwirket/ uñ mit Schmaragden reich-
lich beſetzet/ welches ihm Frl. Lukrezie mit auff den Weg gegeben hatte; an ſtat des Helmes
L l l l ijtrug
[636]Drittes Buch.
trug er einen ſchwarzen Huht mit einer langen weiſſen Feder/ und flogen ihm die Goldgel-
ben Haarlocken umb die Schuldern. Jene ſperreten Mund und Augen auf/ da ſie ihn an-
fangs ſo zierlich mit dem Pferde ſprengen/ her nach ihn ſo treflich wolgeſtaltſahen. Er aber
trat ihnen entgegẽ/ da er mit entbloͤſſetem Haͤupte ſie ſehr freundlich gruͤſſete/ nachgehends
dem Fraͤulein/ und Fr. Roxanen/ ungeachtet ihres wegerns/ die Haͤnde kuͤſſete; und als er
darauff Herꝛn Mazens anreden wolte/ kam ihm derſelbe zuvor/ und ſagete: Durchl. Groß-
Fuͤrſt/ Gn. Herr/ wie uͤberaus groſſe Vergnuͤgung ich an meinem heutigen Gluͤk habe/ kan
ich mit Worten nicht zuverſtehen geben/ wolte auch Euer Durchl. willig und gehorſam et-
liche Tagereiſen mit gnugſamer Manſchaft zuꝛ Wegesverſicherung entgegẽ geritten ſeyn/
wann dero Ankunfft ich waͤhre verſtaͤndiget worden; erfreue mich hoͤchlich uͤber Ihrer
Durchl. Geſundheit/ mit demuͤhtiger Bitte/ dieſelbe mit ihrem Knechte der Zeit Gelegen-
heit nach/ gnaͤdig vor lieb und gut nehmen/ und auff meinem Schloſſe nach allem ihren
Willen gebieten und verbieten wollen. Herkules bedankete ſich mit ſonderlicher Freund-
ligkeit/ der angebohtenen unverdieneten Ehre und Freundſchafft/ und baht ganz ernſtlich/
mit ihm/ als mit einem Freunde und umſchweiffenden Ritter umzugehen/ weil ihm dieſer
Zeit nichts ſo ſehr/ als ein Fuͤrſtlicher Nahme zuwider waͤhre; nachgehends ſagte er: Ihꝛ
meine hochwerte Freunde/ ich befinde mich ihnen wegen der/ meinem Oheim Herkuliſkus
erzeigeten Freundſchafft dermaſſen verbunden/ daß ich nicht abſehen kan/ durch was Mit-
tel er oder ich/ uns dankbarlich loßwirken koͤnnen/ es waͤhre dann/ dz ein williges Herz/ auch
vor ſie zuſterben/ in Bezahlung moͤchte gültig ſeyn/ welches ich ohn einige Wegerung daꝛ-
biete. Mazeus gab zur Antwort: Seine Dienſte waͤren Unvermoͤgens halber ſehr ſchlecht/
und ihm wegen des trefflichen Herkuliſkus ſchon mit einer geſchenketen ſtatlichen Herr-
ſchafft tauſendfach vergolten. Welche Rede ihn nicht wenig befremdete/ dañ er wuſte wol/
daß ſein Fraͤulein in dieſen Landſchafften keine liegende Guͤter zuverleihen hatte; doch wol-
te er nicht nachfragen/ ſondern auff vielfaͤltiges noͤhtigen ging er mit auff das Schloß/ da
er Frl. Barſenen bey der Hand/ wiewol wider ihren Willen/ fuͤhrete/ welche zu ihm ſagete:
Durchl. Fürſt/ es hat mein Gn. Fraͤulein/ Frl. Herkuliſka/ mich und andere/ die ganze zeit
ihres anweſens ſo artig auffgezogen/ indem ſie ſich vor einen Herren-Standes-maͤſſigen
Juͤngling angegeben/ alſo daß wir ihr die wolgebuͤhrliche Ehre und Auffwartung nicht
leiſten koͤnnen. Ob nun zwar aus ihrem zarten Angeſicht/ wir von ihrem Geſchlecht billich
haͤtten urteilen ſollen/ muͤſten wir doch von neuen wieder zweifelhafftig werden/ maſſen wiꝛ
aus dieſem Grunde nicht anders/ als Eure Durchl. vor ein Fraͤulein halten koͤnten. Her-
kules ſtellete ſich der Rede halben ſehr verwundernd/ und antwortete: Mein hochwertes
Fraͤulein; ſo iſt meine Fraͤulein Waſe/ an dieſem Orte ihrem Geſchlechte nach erkennet?
O was vor ein ſonderbahres Gluͤk hat ſie doch an dieſen Freundes-Ort gefuͤhret? Zwar
wann dieſelbe aus Leichtſinnigkeit Mannes Geſtalt an ſich genommen haͤtte/ wuͤrde ich deꝛ
erſte ſeyn/ der es an ihr tadelte; weil aber zu ihrer Ehrenverſicherung es nohtwedig hat ge-
ſchehen muͤſſen/ werden meine hochwerten Freunde ihr dieſe Mummerey nicht verargen/
inſonderheit/ nach dem/ wie ich vernehme/ ſie ſich noch endlich zuerkennen gegeben hat. O
nein/ antwortete ſie/ ſolches iſt von meinem Gn. Fraͤulein ſo heimlich gehalten/ daß es kein
Menſch erfahren moͤgen/ ohn daß ich argwohne/ meine Fr. Schweſter habe des Tages ih-
rer
[637]Drittes Buch.
ter Reiſe/ deſſen von ihr Wiſſenſchafft bekommen; dann einmahl muß ſie mir nunmehr ge-
ſtehen/ daß ſie ihre Durchl. mit Kleidern auff den Weg verſehen. Hiervon wollen wir zur
gelegenen Zeit reden/ ſagte Fr. Roxane/ dann ob ich ſolches von meiner Herzen Freundin
erfahren haͤtte/ was ſie dir verſchwiegen/ darff dich nicht wundern/ nach dem mein Gemahl
felbſt es von mir nicht hat wiſſen koͤnnen. Sie gelangeten hiemit vor dem Schloß Tohr an/
da Herkules das Bild beſchauete/ und von Fr. Roxanen dieſen Bericht empfing: Durchl.
Fuͤrſt; wo ſonſt Menſchen Haͤnde die Goͤttlichen Vollkommenheiten in etwas nachaffen
oder entwerffen koͤnnen/ meyne ich/ dieſer Abguß ſolle etwas getroffen ſeyn/ welchen ich zeit
der Abweſenheit meines Gemahls zurichten laſſen/ und dannoch mir vorgenommen/ den
rechten Abdruk niemand zuzeigen/ biß der hochbegehrete Fuͤrſt Herkules verhanden waͤh-
re; nachdem nun die Goͤtter denſelben hergefuͤhret/ muß das geheime entdecket werden.
Was habt ihr dann vor ein geheimes/ ſagte Mazeus/ das ihr weiters noch vor mir verheh-
len moͤgen? Sie antwortete ihm nicht/ ſondern befahl einem Schloß-Soldaten/ auff das
Tohr zuſteigen/ und des Bildes Hinterteil mit gewalt herunteꝛ zureiſſen/ da ſich alsbald ein
zierliches Fraͤulein-bilde ſehen ließ/ und zun Fuͤſſen dieſe Worte auf Mediſch geſchrieben:
Valiſka/ eine Sonne aller Schoͤnheit/ Vernunfft und Tugend/ gebohrnes Koͤnigliches Fraͤulein/ des
Trefflichſten der Welt Eigene. Bey Leib und Leben/ ſagte Mazeus/ daß ſolches kein Menſch
innen werde. Alſo ward das Verdeck ſtuͤndlich wieder daran geſchlagen/ und zwar ſo feſte/
daß es ohn Werkzeug nicht kunte herunter geriſſen werden. Herkules nam hier aus ab/ dz
ſie ihm hiedurch ſeine Liebe wolte zuverſtehen geben/ und ward von ihr auff ein herrliches
Gemach geleitet/ weil Mazeus anderwerts zuordnen hatte/ und das Fraͤulein die Kuͤche
beſtellen ließ/ welche Gelegenheit er in acht nam/ und zu Fr. Roxanen ſagte: Hochwerte
Freundin; ihrem Willen mich gemaͤß zubezeigen/ habe ich mich ungeſeumet einſtellen wol-
len/ umb verſtaͤndiget zu werden/ was geſtalt mein Fraͤulein lebe/ und an was Ort ſie ſich
auffhalte/ auff daß ich ihre Erloͤſung/ wie ich hoffe/ beſchleunigen/ und ſie in ihr Vaterland
fuͤhren moͤge. Euer Durchl. Frl. ſagte ſie/ gehets meines wiſſens ſehr wol/ und nachdem
mein Gemahl unſerm Groß Fuͤrſten/ Herrn Phraortes das Geleite nach Charas gegebẽ/
wohin ſie dann nohtwendig hat muͤſſen gefuͤhret werden/ da ſie/ unſers Groß Fuͤrſten aͤuſ-
ſerſtes Verderben abzuwenden/ dieſe Reiſe ſelbſt inſtaͤndigſt begehret hat/ ſo bin nach ſeiner
Wiederkunfft ich alles Verlauffs umſtaͤndlich berichtet worden. Erzaͤhlete hier auff die be-
gebnis zu Charas mit dem Fraͤulein/ und meldete zulezt/ was geſtalt Koͤnig Artabanus ſich
nicht allein ſehr gnaͤdig gegen ſie erzeiget/ ſondern in ſo hefftige Liebe entbrand/ daß er ſie
ſtuͤndlich vor ſein Groß Koͤnigliches Gemahl erklaͤret/ und allen andern Fraͤulein vorgezo-
gen haͤtte. Dieſer meynete ſolcher Zeitung wegen zuſterben; die ſchoͤne Farbe ward in ein
Todtenbleich verendert/ und weil die Knie ihn nicht mehr halten wolten/ fiel er ohn einiges
Wortſprechen nieder zur Erden; deſſen ſie ſo hefftig erſchrak/ daß es ihr faſt auch alſo er-
gangen waͤhre; merkete doch/ daß ihre dunkele Rede hieran ſchuldig wahr; Sie ſchuͤttelte
ihn aber/ biß ſeine Geiſter wieder kahmen/ und er ſeine Augen zugleich mit dieſen Worten
auffſchlug: Ach meine hochwerte Freundin/ ihr ſaget mir wunderliche Zeitungen/ deren
bey ſo geſtalten Sachen ich mich nimmermehr haͤtte verſehen koͤnnen. Mein werter Fuͤrſt/
antwortete ſie/ nicht nehmet meine Worte unrecht ein; der Koͤnig hat das Fraͤulein zwar
L l l l iijzum
[638]Drittes Buch.
zum Gemahl erwaͤhlet/ aber darumb ſie noch nicht geheyrahtet; dann weil ihrem damahli-
gen vorgeben nach/ ſie ein Geluͤbde auff ſich hat/ der Goͤttin Veſta noch über ein Jahr lang
in Jungfraͤulicher Keuſcheit zudienen/ hat der Koͤnig ihr aͤidlich verſprechen muͤſſen/ ſie in
ſolcher Zeit durchaus unangefochten zulaſſen; Worauff ſie dann mit ihrem zugegebenen
Frauenzimmer auff ein ſehr wolverwahrtes Schloß in der Stad Charas gefuͤhret iſt/ wo-
ſelbſt kein Mannesbilde/ auch der Koͤnig ſelbſt nicht zu ihr kommen darff. Herkules ward
durch dieſe Reden wieder ermuntert/ bedankete ſich der geſchehenen Erzaͤhlung/ und weil
er gnug ſpuͤrete/ daß ſie ſeiner Heimligkeit guten teils Wiſſenſchafft truͤge/ baht er ſehr/ es
als eine vertrauete Freundin im Herzen zubewahren/ welches ihr nach aller Moͤgligkeit
dereins ſolte erſetzet werden. Als nun Mazeus und das Fraͤulein wieder zu ihnen kahmen/
und ſeiner Farbe Verenderung wahr nahmen/ gab er vor/ er empfuͤnde zuzeiten eine Ver-
mahnung vom Fieber/ welches aber bald wuͤrde voruͤber ſeyn; Welcher geſchwinden Er-
findung ſich Fr. Roxane verwunderte/ und als unwiſſend fragete/ ob er der Ruhe begehre-
te. Weil er nun deſſen ſich wegerte/ wurden allerhand kraͤfftige eingemachte Sachen auff-
getragen/ biß es Tiſchzeit wahr/ da ſie dieſem ihren lieben Gaſt nach aller Moͤgligkeit guͤt-
lich tahten/ auch nach auffgehobenen Speiſen allen Verlauff mit Herkuliſkus erzaͤhleten/
welches ihm groſſe Vergnuͤgung und gewiſſe Hoffnung machete/ Gott wuͤrde ihre Erloͤ-
ſung zum gewuͤnſchten Ende ausfuͤhren; Inſonderheit wahr ihm ſehr angenehm/ daß er
in Pharnabazus beſſere Kundſchafft kommen ſolte/ von dem er groſſe Befoderung ſeines
Vorhabens hoffete; waͤre auch gerne noch deſſelbigen Tages nach Ekbatana auffgebrochẽ/
doch weil er von ihnen allen/ nur biß auff morgen zubleibẽ/ bitlich erſucht ward/ ließ er ſichs
gefallen. Bey dem Abendeſſen fragte Frl. Barſene den Schuͤtzen Batis/ welcher aufwar-
tete/ ob ihm auch weiters nach einem Wette-ſchieſſen mit Herꝛn Herkuliſkus verlangete;
worauf er mit einem Seuffzen antwortete: Er beklagete den Verluſt ſeiner Gelder durch-
aus nicht/ wann ihm nur der Koͤnigl. Frl. Gnade koͤnte wieder erworben werden/ dann er
haͤtte mit ſeiner Unbeſcheidenheit wol verdienet/ daß ihm harte Straffen aufferlegt wuͤr-
den; jedoch weil die Goͤtter (vor deren Tochter er dieſes Fraͤulein hielte) durch Bitte koͤn-
ten verſoͤhnet werden/ wolte er von ſeinem Gn. Herrn Urlaub bitten/ nach Charas zulauf-
fen/ ob er durch ſeinen Freund Timokles Gnade erlangen koͤnte. Herkules fragete nach/ wz
vor urſach er haͤtte ſich zubeſchweren; Und nach deſſen Erzaͤhlung ſagete er zu ihm: Guteꝛ
Freund/ euer Verbrechen iſt eben ſo groß nicht/ und muͤſte mir leid ſeyn/ daß dieſes Fraͤu-
lein/ ſo mir verwand/ an dieſem lieben Orte/ einigen ungewogenen/ oder der mit fuge ſich uͤ-
ſie beſchweren kan/ haben ſolte/ deſſen ich euch aber wegẽ eures groſſen Verluſtes nichts vor
uͤbel halten koͤnte; Demnach verſichert euch/ daß ich nicht allein aller Ungnade bey dieſem
Fraͤulein euch entheben/ ſondern eures erlittenen Schadens euch er getzen wil; hieß darauf
Gallus/ ihm 800 Kronen zuzaͤhlen/ welche er auch/ unangeſehen Mazeus ſehr widerſprach/
zu ſich nehmen muſte. Des folgenden Morgens/ nach eingenommenem Fruͤhſtuͤk/ machtẽ
ſie ſich fertig zur kurzen Reiſe/ dann Fr. Roxane und Frl. Barſene wolten der Freude zu
Ekbatana mit teilhafftig ſeyn; und als Herkules willens wahr/ ſich in angeſtrichener Far-
be daſelbſt einzuſtellen/ widerriet es Mazeus/ weil der Groß Fuͤrſt etwas argwoͤhniſch/ und
zu ungleichen Gedanken geneigt waͤhre; verſicherte ihn daneben/ er duͤrfte demſelben kuͤhn-
lich
[639]Drittes Buch.
lich trauen/ ob gleich Pharnabazus hohe Neigung nicht waͤhre. Alſo folgete er willig/ legte
ein ſchwarzes Kleid an/ mit einem ſilbern Grund/ und eingewirketen guͤldenen Blumen/
ſteckete einen ſchwarzen Federbuſch auf den Huet/ welchen er mit einer koͤſtlichen Demant-
Kette feſt machete; Die Armbaͤnder/ ſo er von Frl. Lukrezien bekommen/ trug er oͤffentlich/
und ließ ihm Pferd und Harniſch nachfuͤhren/ weil er mit Mazeus und dem Frauenzim-
mer auff der Gutſche ſitzen wolte. Auff halben Wege begegnete ihnen ein anſehnlicher Rit-
ter mit ſechs reitenden Schuͤtzen/ welchen Herkules erſehend/ gar eilig ſeinen Helm auff-
ſetzete/ und ſein Bruſtharniſch anlegete/ dz auf allen fall er fertig ſeyn koͤnte/ und befahl Ma-
zeus ſeinen acht Schuͤtzen/ die hinter dem Wagen her ritten/ ſich fertig zuhalten. Der frem-
de hatte geſehen/ dz Herkules ihm ſeine Waffen reichen laſſen/ welches er vor eine beſchim-
pfung auslegete/ uñ durch ſeinen Leibdiener fragen ließ/ aus was urſachen ſolches/ und obs
ihm zum Trotz geſchaͤhe? Dem Herkules zur Antwort gab: Reitet hin/ mein Freund/ und
ſaget eurem Herꝛn/ ich habe meine eigene Waffen angelegt/ welches mir zu Tage uñ Nach-
te frey ſtehet/ wie ihm auch; und ich darum ihn nimmermehr werde fragen laſſen/ noch ihm
meines tuhns und laſſens Rede und Antwort geben. Damit wird mein Herr ſchwerlich
zufrieden ſeyn/ ſagte der abgeſchikte; welches Herkules mit wenigem alſo beantwortete:
Und von mir wird er noch ſchwerlicher eine andere Antwort bekommẽ/ ſprang damit aus
der Gutſche/ ſetzete ſich auff ſein gutes Pferd/ uñ mit Schild und Speer ritte er neben dem
Wagen her/ mit Mazeus Sprache haltend. Jener trotzige lachete der empfangenen Ant-
wort/ und ließ ihm zum andeꝛn mahl gebieten/ ſtille zuhalten/ und die Waffen abzulegen/ heꝛ-
nach wann er würde voruͤber ſeyn/ ſolte ihm frey ſtehen/ dieſelben wieder anzulegen. Wor-
uͤber er ſich etwas eiferte/ und durch Plautus ſeinen Dolmetſcher ihm antworten ließ: Er
befuͤnde ſich wegen Anfoderung ſeiner Waffen/ an ſeinem ehrlichen Ritter-Nahmen be-
ſchimpfet ſeyn/ daher er ihm in guͤte abtrag machen/ oder des feindlichen Angriffs ſolte ge-
waͤrtig ſeyn. Deſſen ſich aber jener ſo hart beleidiget befand/ dz er ſeinen Saͤbel bloͤſſete/ den
Anbringer niderzuhauen/ waͤhre auch ohn zweifel geſchehen/ wañ dieſer nicht durch ſeines
Pferdes geradigkeit ſein Leben gerettet haͤtte. Herkules ſahe ſolches/ uñ rante eiferig hinzu/
ihm von ferne zuſchreyend/ es muͤſte ihm dz Lebẽ koſten/ dafern er ſich an ſeinem Diener un-
redlich vergreiffen wuͤrde. Weil dann jener darauf einhielt/ und zuruͤk zohe/ ſein Speer zu
hohlen/ weich Herkules auch/ das uͤbrige ſeines Harniſches anzulegẽ/ weil er ſich der feind-
lichen Pfeile befahrete. Mazeus kunte nicht außſinnen/ was dieſer vor ein frevelmuͤhtiger
Ritter ſeyn muͤſte/ welcher ſich ſehr unbendig erzeigete/ und im̃erzu winkete/ daß man ihm
begegnen ſolte. Weil dann Gallus in voller Ruſtung ritte/ wolte er ſich gegen ihn wagen/
nam das Speer zur Hand/ und ſetzeten ganz grimmig auffeinander/ aber mit ſeinem groſ-
ſem Nachteil/ maſſen er nicht allein getroffen und außgeho ben/ ſondern auch an der rech-
ten Schulter zimlich verwundet ward/ daß er wol empfand/ er waͤhre ſchon unduͤchtig ge-
macht/ das Schwert zu gebrauchen; der Fremde/ nach volbrachtem Lauffe/ wolte mit dem
Saͤbel uͤber ihn her/ und ihn vollends hinrichten/ aber Herkules ritte zu ihm hin/ und ſag-
te: Hoͤret ihr ſtolzer Ritter/ mit mir muͤſſet ihr zuvor ſtechen/ ehe ihr dz Schwert gebraucht/
hernach tuht was euch gefaͤlt; Gallus nam dieſe Gelegenheit zu ſeiner Rettung in acht/
hatte ſein Pferd noch beim Zugel/ ſetzete ſich drauff/ und muſte nach abgelegtem Harniſch
ihn
[640]Drittes Buch.
ihn der Schuͤtzen einer verbinden. Der Fremde aber gab unſerm Herkules zur Antwort/
du nichts werter Tropf muſt neben deinem Geſellen ſterben/ und haͤtteſtu noch fuͤnff Har-
niſche uͤbereinander angezogen. Du ſtolzer Schaͤnder ſagete er/ du muſt mich zuvor kaͤuen/
ehe du mich einſchluckeſt/ drum ſetze dich ritterlich/ ſo wil ich forſchen/ ob dein oder mein
Tod der naͤheſte ſey. Alſo ritten ſie vonander/ und nahmẽ einen raumen Lauff/ traffen auch
dergeſtalt/ das die Speer ſplitters weiſe in die Luft fuhren/ und keiner gefellet ward/ wiewol
Mazeus unſerm Herkules den Preiß zulegete/ und ſich uͤber ſeiner Staͤrke verwunderte:
Sie hatten bald andere Speer zur Hand/ wageten den andern Saz/ und wirketen derge-
ſtalt/ daß unſerm Herkules ſein Schild durchſtochen ward/ und das Speer ihm zwiſchen
der Seiten und den linken Arme hindurch fuhr/ daß es ſchien/ als waͤhre er durch uñ durch
gerennet; Der fremde aber taht einen unwilligen und ſehr unſanften Fal/ daß ihm die Rie-
ben im Leibe knacketen/ und muͤhe hatte wieder auffzuſtehen; als er nun ſich wieder in den
Sattel gerichtet hatte/ machte er mit der rechten Hand etliche verwunderungs Zeichen/ uͤ-
ber ſeiner Niderlage/ und ſchickete ſich zum Schwertſtreite. Herkules hatte Zeit/ dz Stuͤcke
vom Speer aus ſeinem Schilde zureiſſen/ und hoffete/ dieſes hochmuͤhtigen Verwaͤgen-
heit ſchier zu daͤmpffen. Sie fielen wie tolle Hunde/ beſſer zuſagen/ wie wuͤtige Loͤuen auff-
einander/ und getr auete ein jeder ſeinen Feind in den Tod zu ſchicken/ daher ſichs nicht an-
ders anſehen ließ/ als waͤhre das Feur aus ihren Schwertern geſprungen; anfangs wah-
ren ſie beyde gleiche munter/ aber nicht gleiche behutſam/ in welcheꝛ Tugend Herkules weit
uͤbertraf/ und ſeinem Feind gar zeitig etliche Wunden anbrachte/ welches zuleiden dieſer
ungewohnet wahr/ und es doch nicht endern kunte/ woruͤber er in hefftiger Wuht mit den
Zaͤhnen kirrete/ dz es uͤber etliche Schritte gehoͤret ward. Aber Herkules ließ ſich dadurch
nicht ſchrecken/ ſondern ſagte; ich befinde mich gleichwol noch ferne von deinem Maule/
und beiſſeſt ſchon ſo Hundiſch zu; ſchlug ihn auch zugleich uͤber das Helmgeſicht/ daß ihm
das Maul davon ſchmerzete; noch wehrete er ſich nach beſtem vermoͤgen/ und trieben ſie
den Kampf/ daß endlich ihre Pferde ermuͤdet/ keinen feſten Trit mehr tuhn kunten/ wel-
ches ſie machete abſteigen/ umb ihr Heyl zu fuſſe zu verſuchen/ da der Fremde/ nahmens
Suſag/ ein hochbeſchrie hener Skytiſcher Kriegs Oberſteꝛ/ mit unſerm Herkules bald hof-
fete fertig zu werden; wie wol ihn ſeme Meynung umb ein groſſes betrog; dann ob er zwaꝛ
viel groͤber und ſtaͤrker von Knochen und Gliedmaſſen wahr/ als unſer Held/ wuſte doch
dieſer durch ſeine Geſchwindigkeit alles doppelt zu erſetzen/ uñ richtete ihn alſo zu/ daß ſein
Harniſch blutroht gemahlet ward/ auch zimliche Pfuͤele Blut von ihm auff der Erde ſtun-
den/ welches ihm ſeine Kraft/ aber nicht den Troz benam/ daß er den redlichen Held als ei-
nen Hundebuben außſchalt/ welcher ſich dannoch den Eifer nicht wolte uͤbernehmen laſ-
ſen/ ſondern zu ihm ſagte; ich merke wol/ daß deine ſchaͤbichte Zunge ſuchet mich zu toͤd-
ten/ nach dem weder dein Speer/ noch dein Saͤbel/ noch deine Zaͤhne des vermoͤgens ſind;
und haͤtte ich mich uͤber dich erbarmet/ wañ du dich deſſen ſelbſt nicht unwirdig macheteſt.
O du verzaͤuberter Bube/ fing dieſer an/ mein Saͤbel und Speer ſind noch auff keinem
Stahl oder Eiſen abgeglitſchet. Du muſt auffhoͤren zu ſchmaͤhen und zu trotzen/ fiel ihm
Herkules in die Rede/ und ſchlug ihn damit uͤber den Helm daß es wie eine Glocke doͤhne-
te/ wodurch dieſer dutzig ward und zur Erden ſtuͤrzete; da ihm Herkules das Haͤupt gar
bloͤſſe-
[641]Drittes Buch.
bloͤſſete/ und ihn wieder zu ſich ſelbſt kommen ließ/ umb zuſehen/ wie er ſich bezeigen wuͤrde/
erkennete auch aus dem ſcheußlichen Angeſichte was vor eine ungeſchlieffene Seele in ihm
wahr. Dieſer/ als er ſich erhohlet hatte/ und das Haͤupt bloß merkete/ ſagte er zu ihm ſelber.
Je du ſchlimmer nichts werter Suſag/ hat man dich darumb den uͤberwinder bißher ge-
nennet/ daß du dich nieder ſtoſſen und ſchlagen laͤſſeſt? auff welche Rede er ihm ſelbſt die
Kehle mit ſeinem eigenen Saͤbel rein abſchnitte/ und aus dieſer Wunde das uͤbrige ſeines
Blutes außſchuͤttete. Herkules ſchickete alsbald einen Schuͤtzen anſeine Leute/ und ließ
ihnen ſagen/ dafern ſie koͤnten ruhig ſeyn/ ſolte ihnenkein Leid wiederfahren; welches dieſe
vor bekant annahmen/ und ihre ſchon auffgelegeten Pfeile wieder in den Koͤcher ſtecketen;
auch ihrer einer zu Herkules ritte/ mit der Frage/ ob er ihnen noch etwas anzuſagen haͤtte.
Mazeus ſprang aus der Gutſche/ und ſagte: Er wolte ſie vor aller Gefahr verſichern/ da-
fern ſie redlich bekennen wuͤrden/ wer ihr Herr geweſen/ und aus was Urſachen er ſolchen
Stolz und Frevel getrieben. Warumb ſolten wir ſolches verſchweigen? antwortete dieſer;
Unſer geweſener Herr wahr der Welt beſchrihene Skyte/ Herr Suſag/ welcher ſeinem
Koͤnige Skolothus ſo mannichen Sieg erhalten/ als nie keiner vor ihm/ iſt auch biß da-
her unuͤberwindlich geſchaͤtzet worden/ maſſen er in einem Tage mit XXI Rittern ſolcher-
geſtalt gekaͤmpffet/ daß er anfangs einen/ hernach zween/ weiters drey/ und immerzu einen
mehr/ biß auff ſechſe vorgenommen/ und ſie alle hingerichtet hat. Ich habe zu Charas noch
neulich von ihm gehoͤret/ ſagte Mazeus/ und bekomme nun die Ehre/ ihn uͤberwunden zu
ſehen. Ja/ antwortete dieſer/ mich daͤucht es traͤume mir ſeine Niderlage/ und wird man
uns an unſers Koͤniges Hofe ein ſolches nicht glaͤuben/ daß durch einen einzigen jungen
Ritter im auffrichtigen Kampffe er gedemuͤhtiget ſey. Herkules antwortete ihm: Alſo
pfleget Gott allemahl den Hochmuht zu daͤmpfen/ aber was hatte dieſer Suſag doch auff
meine Waffen zuſprechen? Nichts/ ſagte dieſer/ als dz er ſie nicht leiden kunte. Daß wahr
gar zu ein groſſer Frevel antwortete er/ und zwar in eines andern Herrn gebiet. Ihr aber
ſollet mit eurer Geſelſchafft freien Abzug haben/ dafern ihr mir ſchwoͤren werdet/ daß ihr
alles an eurem Ort redlich erzaͤhlen wollet/ wie ihrs geſehen und gehoͤret habet; und dane-
ben anzeigen/ daß ein fremder Ritter aus weitabgelegenen weſtnordiſchen Laͤndern buͤrtig
ihn gezwungen habe/ daß er ihm ſeine Waffen hinfuͤro werde muͤſſen unangeſchriehen
laſſen. Ja mein Herr/ antwortete dieſer/ wir wollen ſolches angeloben/ und als redliche
auffrichtige Skythen leiſten. Mazeus fragete weiter/ was Suſag dieſer ends zuverrichtẽ
gehabt; er antwortete; ihm waͤhre geſaget worden/ daß ſeiner nahen Anverwantinnen ei-
ne von ſechs Aſſyriſchen Rittern aus Parthen heimlich hinweg gefuͤhret waͤhre/ wie wol
geſagt wuͤrde/ ſie haͤtte ſich gerne darzu gebrauchen laſſen; weil aber Suſag ihm ſolches
vor einen groſſen Schipf angezogen/ waͤhre ſein Vorhaben geweſen dieſe ſechſe auff ein-
mahl und in einem Kampffe zubeſtehen. Dieſe/ antwortete Herkules/ werden ſich ſeinet-
wegen weiters nicht zu befuͤrchten haben; ihr aber moͤget euren Suſag mit euch fuͤhren/
oder hieſelbſt beſtatten/ nach eurem gefallen. Seine Waffen/ ſagte dieſer/ wollen wir ſei-
nem Bruder Argunthis mit uͤbernehmen/ aber der Leichnam wuͤrde uns ſtinkend werden.
Hiemit machten die unſern ſich wieder auff ihren Weg/ und nach abgelegten Waffen/ ſe-
tzete ſich Herkules an ſeinen Ort in die Gutſche/ da er wegen ſeiner Tapfferkeit ſich von
M m m mdem
[642]Drittes Buch.
dem Frauenzimmer gnug muſte ruͤhmen laſſen. Sie wahren kaum eine halbe Meile wei-
ter fortgezogen/ da fahen die Beyreuter in der Naͤhe einen ungeheuren Loͤuen auff ein er-
ſchrockenes Weibesbilde anſetzen/ woruͤber ſie ein lautes Geſchrey ergehen lieſſen/ deſſen
Herkules ſich in etwas entſetzete/ von der Gutſche ſprang/ und mit entbloͤſſetem Schwert
gleich als im Sprunge dem Loͤuen entgegen lieff; Als nun das Tihr auff das elende Weib
anfallen wolte/ ſtellete er ſich zwiſchen ein/ und mit einem Hiebe ſchlug er ihm beyde Tatzen
ab/ daß er zur Erden ſtuͤrzete und grauſam bruͤllete; er aber reichete ihm noch einen Stoß
in die Seite/ uñ richtete ihn damit hin. Das armſelige Weib hatte ſich ihres Lebens ſchon
getroͤſtet ſiel vor ihm nieder/ und bedankete ſich demuͤhtig/ daneben wuͤnſchend/ der guͤtige
HErr JEſus moͤchte ihm ſolche Woltaht hier zeitlich und dort ewiglich belohnen/ weil
in ihrem Vermoͤgen es nicht ſtuͤnde. Herkules den allerſuͤſſeſten nahmen JEſus in dieſer
Fremde hoͤrend/ ward voller freuden/ hielt es vor ein ſonderliches gnaden Zeichen/ richtete
das Weib auff/ und als er vernam/ daß ſie eine Witwe wahr/ ſchenkete er ihr eine ganze
Hand vol Kronen/ gleich da Mazeus herzu kam/ und zu ihm ſagete: Euer Gn. haben uns
des Schreckens bald benommen/ als die ohn zweiffel dergleichen Tihre mehr wird erleget
haben. Er aber antwortete/ ihm waͤhre auff der ganzen Reiſe kein Loͤue auffgeſtoſſen/ haͤtte
auch nie keinen im freien Felde lauffen ſehen/ meinete doch/ daß ihnen leicht zubegegnen
und beyzukommen waͤhre/ wann man nur gute Auffſicht auff ſein Vornehmen haͤtte;
ſetzete ſich wieder auff die Gutſche/ und weil ihm Anleitung gegeben ward/ fing er eine Re-
de an von des Menſchen Vortrefligkeit uͤber andere Tihre. Wir haben/ ſagte er/ dem
grundguͤtigen Gott hoch zu danken/ daß er uns Menſchen eine vernuͤnftige Seele einge-
goſſen/ und dieſem Teile nach/ uns unſterblich gemacht hat; dann durch anfuͤhrung dieſer
verſtaͤndlichen Kraft koͤnnen wir nicht allein die wunderbahren mañigfaͤltigen Geſchoͤpfe
erkennen/ ſondern auch dieſem ſelbſt nachfragen/ der ſolches alles in ihrem Weſen darſtel-
let/ und die Oberverwaltung uͤber Himmel und Erden fuͤhret. O wie eine ſuͤſſe Beluͤſti-
gung unſerer Seelen iſt es/ wann man Gottes wahre erkaͤntnis hat/ und nach deſſen Wil-
len zu leben weiß! Gleich wie aber die maͤchtigſten Tihre den allergroͤſten Schaden tuhn/
wann ſie ihre Krafft in eine Wuht verwandeln; alſo wirken auch wir Menſchen das al-
lergroͤbeſte uͤbel/ wann der Seelen Vermoͤgen aus den Schranken der Gottesfurcht und
Erbarkeit loßbrechen/ und den Luͤſten des Fleiſches nachhaͤngen; welcher Frevel dann lei-
der in der Welt ſo gemein und durchgehend iſt/ daß die Erbarkeit kaum neben ihm demuͤh-
tig herzukriechen/ Raum findet. O wie mannichmahl ſehen wir die Frecheit der Gottes-
furcht uͤberlaͤſtig ſeyn? Ja was iſt taͤglichers/ als daß Tugend den Laſtern die Fuͤſſe kuͤſſen
muß? Dieſes alles ruͤhret aus Fleiſches Bosheit her/ welche der Seelen die Augen blen-
det/ daß ſie den gebuͤhrlichen Zweg nicht abſehen kan/ nach welchem ſie zuzielen befuget iſt;
und wann ſie es gleich ſihet/ iſt doch der Boge zu ſchwach/ die Sehne zu ſchlapff/ der Pfeil
zu fladdericht. Hingegen wo die Begierden der Billigkeit die Herrſchafft goͤnnen/ ey da
leuchtet des Menſchen unvergleichliche Hocheit hervor/ und laͤſſet ſich ſehen/ auch mitten
im tunkeln/ in dem der Menſch alle Guͤltigkeit der Seele hinwendet zu dem/ daß ihm von
Gott und dem Recht eingebunden iſt. Kein vernuͤnfftiger widerſtehet ſeiner eigenen Wol-
fahrt/ und ein unvorſichtiger nimt derſelben nicht eins wahr/ dann er kaͤmpffet wider ſeinẽ
eige-
[643]Drittes Buch.
eigenen Vortel/ wann er ſonſt nichts zutuhn hat/ und rennet willig ins Verdeꝛben/ ehe man
ihn jaget; Das macht/ er ſchaͤmet ſich von Tugendhafften zulernen/ was ihm ſelig iſt; ja
verlachet noch wol denſelben in ſeinem woltuhn/ ob er gleich ſihet/ daß ein ſolcher von Gott
durch alles Gewitter frey hindurch gefuͤhret wird; und wie koͤnte etwas ſchaͤdliches haff-
ten/ da man Gott zum Fuͤhrer waͤhlet? Wie koͤnte es anders als gluͤklich ausſchlagen/ da
Tugend das Faͤhnlein ſchwinget? Ich heiſſe aber das nicht Gluͤk/ von Koͤniglichem oder
ſonſt aͤdlem Gebluͤt entſproſſen ſeyn; Ich heiſſe das nicht Gluͤk/ die Kaſten und Saͤcke mit
der Welt Narren-Schellen/ den guͤldenen und ſilbernen Pfennigen gefuͤllet haben; Ich
heiſſe das nicht Gluͤk/ des Leibes Kraͤffte in aller Geſundheit brauchen; wiewol auch dieſe
Stuͤcke eigentlich und an ſich nicht ungluͤklich ſind; ſondern Gluͤk iſt Gottes Gnade; Gluͤk
iſt ein gutes Gewiſſen; Gluͤk iſt ein froͤliches Herz/ auch mitten im Tode/ und auff der Fol-
terbank; dann Leibesweh iſt ſo ein ſchaͤdliches uͤbel nicht/ wanns von Gott zur Beſſerung
herruͤhret. Aber der Seelen Krankheit/ die trifft gar zuſtraͤnge/ die verwundet gar zu ge-
faͤhrlich/ die toͤdtet gar zu herbe/ weil ſie Gottes Hulde ſtoͤret/ und dem innerlichen Peini-
ger/ ich verſtehe das boͤſe Gewiſſen/ uns in die Haͤnde liefert. O du undankbare Welt/ wie
darffſtu deine Augen gen Himmel wenden/ da du das hoͤchſte Gut/ dir von Gott verlihen/
ihm entgegen ſtelleſt? Die Seele meyne ich/ welche du zwingeſt/ dem Fleiſche unterwuͤrf-
fig zu ſeyn/ und der uͤppigkeit die folge durch Waſſer und Feur zuleiſten. Wer ruͤhmets an
einem Untertahnen/ daß er ſeines Fuͤrſten Freygebigkeit zu deſſen Verderben gebrauchet?
wie iſt dann derſelbe in den Augen Gottes zuachten/ welcher das groͤſte Himmels geſchenk
wider den Himmel ſelbſt kehret/ und ſtuͤrmet auff den zu/ welcher ihm die Krafft zuſtuͤrmen
verlihen hat? Hieran ſind alle muhtwillige ſchuldig/ die ihrer Seelen Wirkung durch Lie-
be zur Leichtfertigkeit und Fleiſches Wolluſt von der Bahn abzihen/ auf welcher ſie zuwan-
deln von Gott erſchaffen ſind/ koͤnten auch folge leiſten/ wann ſie das boͤſe dieſem beſten Teil
nicht zuſtraͤnge eindruͤcketen/ ſondern dem Frevelmuht das Gebiß anlegeten/ wann er zur
ſeiten ausweichet/ und mehr den ſuͤſſen/ als geſunden Speiſen nachhaͤnget. Wer nun die-
ſem uͤbel einzureden kuͤhn genug iſt/ der allein geneuſt des Lebenſaffts/ welcher durch der
Seelen Wirkung eingetruͤpffet wird/ und umb ſo viel haͤuffiger/ je beſtaͤndiger er auff die
Tugend anſetzet. Ich bekenne/ daß einem Gottloſen Menſchen beſſer waͤhre/ ein Klotz zu
ſeyn; Aber waͤhre auch dem jezt erſchlagenen Loͤuen nicht beſſer/ daß er zum Haſen oder
Eichhoͤrnichen gedien waͤre? Noch bleibet Loͤuenadel wol uͤber anderer Tihre Guͤltigkeit;
aber weil er Wuht vor Krafft/ blinden Anfall vor Vorſichtigkeit brauchte/ muſte ihn ſeine
eigene Laſt ſtuͤrzen. Alſo muß ich der Urſach halben menſchliche Vortrefligkeit nicht ſchaͤn-
den/ ob gleich der boshaffte mehr uͤbels als einiges wildes Tihr begehet/ ſondern Vernunft
bleibet in ſich gut und heilſam/ wann das boͤſe nur gemieden wird/ und wer ſeinen Verſtand
zum guten anwendet/ hat unter allen Geſchoͤpffen Gottes ſeines gleichen nicht; Ja wann
er dieſem gehorſamet/ verbindet er ihm denſelben/ daß er ihn weder in Noͤhten ſtecken laſſen/
noch die Huͤlffe ihm verſagen kan. Mazeus und die ſeinen/ ſahen ihn/ weil er dieſes redete/
mit unverwendeten Augen an/ und gedauchte ſie/ weder lieblichere Stimme/ noch holdſeli-
ger Angeſicht/ noch zuͤchtigere Geberden jemahls bey einigem Mannesbilde geſpuͤret zuha-
ben/ und nahm ſie wunder/ daß er in ſeiner Rede des ergangenen Streites ſo gar mit kei-
M m m m ijnem
[644]Drittes Buch.
nem Worte gedachte/ als ob er nichts davon wuͤſte; ſo wolte ihrer niemand antworten/ um
ihn dadurch zureizen/ daß er ſeinen anmuhtigen Worten noch laͤnger folge gaͤbe. Weil er
aber geſchloſſen hatte/ ſagte Mazeus endlich: Durchl. Fuͤrſt/ es muß warlich ihr Tentſch-
land treflich gelehrte Manner haben/ welche der Jugend ſo hohen Verſtand ſo fruͤhzeitig
beybrigen/ und in der erſten Frecheit der kindiſchen Jahre ſie zur Tugend anfuͤhren koͤñen.
Man hat ja vor dieſem in Perſen auch weiſe Lehrer gehabt; aber heut zu tage finde ich bey
ihnen nur dieſes/ daß ſie uns dieſen oder jenen Stern am Himmel zeigen/ und mit ertichte-
ten Kreiſſen uns ihren Lauff einbilden; dann fahen ſie von deren Wirkungen an: Dieſer
bringe trockene Duͤrre; Jener naſſe Feuchte; Unter jenem Geſtirn gebohren werden/ ma-
che beherzt; unter dieſem gelehrt/ reich/ faul/ aberwitzig/ gluͤklich/ frech/ wolluͤſtig/ und ſo fort
an; Aber wie unſere Seele mit Gottesfurcht und Tugend muͤſſe ausgeſchmuͤcket werden/
davon wiſſen ſie nichts/ wie ſolches ihr Leben und Wandel gnugſame anzeige tuht/ in dem
ſie in aller Unzucht und Schande ſich waͤlzen/ und zum Nuz des Vaterlandes keine Ader
anwenden. Das ſind die allerſchaͤdlichſten Lehrer/ ſagte Herkules/ die mit ihrem Leben ein
Haus niderreiſſen/ wann ſie durch die Kunſt etwa eine Wand getuͤnchet haben; wiewol
ich ihre Unterrichtung und Lehre ſelbſt vor ſchaͤdlich halte/ als wodurch ſie die jhnen anveꝛ-
trauete Jugend entweder ſicher oder verzagt machen/ da einer gedenket/ mein guter Stern
wird mir ſchon das verſprochene Gluͤk zuwenden; Der ander: Meine Muͤhe nach dem
guten iſt umſonſt/ weil mein Himmelszeichen mir daran verhinderlich iſt/ und ſie alſo alle
beyde durch Verleitung ihres Lehrmeiſters ins Verderben gerahten. Aber gibt es in die-
ſen Laͤndern ſonſt keine andere Lehrer? Jenes elende Weib/ ſagte er/ welches dem Loͤuen faſt
im Rachen ſteckete/ ließ unter ihrer Dankſagung ſich etlicher Reden merken/ aus welchen
ich muhtmaſſe/ daß ſie in der Gottesfurcht zimlich muͤſſe unterwieſen ſeyn/ geſtaltſam ſie
mir einen nennete/ welcher von den Chriſten (wie man ſie heiſſet) voꝛ den wahren GOttes
Sohn gehalten wird. Ja/ antwortete Mazeus/ es finden ſich dieſer Orten auch Chriſten/
und zwar unter den gemeinen Leuten/ in zimlicher Menge; doch muͤſſen ſie ſich in ihrem
Glauben heimlich halten/ weil ihre Verfolger ein wachſames Auge auff ſie haben/ und ſie
zur erſchreklichen Straffe zihen/ da ſie einige Miſſetaht auff ſie bringen koͤnnen. So iſt uͤ-
berdas ihnen jederman gehaͤſſig/ weil ſie alle andere Goͤtter verachten/ und/ wie man ſaget/
einen Gekreuzigten anbehten/ und uͤber alles erheben. Nichts deſto weniger ſtehen ſie auff
ihrer Meynung ſo feſte/ daß ſie auch durch Feur und Schwert davon nicht moͤgen abge-
bracht werden. Aber ihre Lehrer werden von uns nicht gehoͤret/ damit man ſich mit ihrem
toͤrichten Aberglauben nicht beſchmitze. Herkules gab zur Antwort: Ich habe die Chriſten
zu Rom auch lernen kennen/ und anfangs nicht anders gemeynet/ ſie waͤhren ein wahnwit-
ziges/ und ihrer Sinnen beraubetes Volk/ daß ich ihrer neben andern zuſpotten pflag/ da
ich doch/ meines wiſſens/ keinen geſehen hatte; aber ſo bald ich deſſen beſſer unterrichtet
ward/ und ihren erbaren Wandel und heilige Werke ſahe/ bekam ich Luſt/ mich ihres Got-
tesdienſtes etwas beſſer zuerkuͤndigen/ befand auch/ daß ihre Widerwaͤrtigen ihnen viel
dinges aufdringen/ deſſen ſie durchaus nicht ſchuldig ſind. Zwar man gibt insgemein voꝛ/
ſie geben urſach zu Auffruhr/ ſie treiben Unkeuſcheit bey ihrem Gottesdienſte/ und was der
Aufflagen mehr ſind; aber wie kan ſolches und der gleichen von ihnen gemuhtmaſſet wer-
den?
[645]Drittes Buch.
den? ſintemahl ſie weder nach weltlicher Herſchafft trachten/ noch/ die mit groben Laſtern
beſchmitzet ſind/ in ihren Verſamlungen dulden. So hat ja noch keiner/ der ſich von ihnen
abgeſondert/ jemahls geſtanden/ oder mit Warheit dargetahn/ daß ſolche und dergleichen
Suͤnde von ihnen ſolten begangen ſeyn/ oder gut geheiſſen werden. Ich weiß wol/ daß an
etlichen Orten es ſchaͤndliche Menſchen gibt/ welche ſich vor Chriſten halten/ und doch we-
der in der Lehre noch im Wandel denſelben im geringſten gleich ſind/ ſondern ſie verbergen
ſich unter ſolchem faͤlſchlich angenommenen Nahmen/ und waͤhren wert/ daß wegen ihrer
Unflaͤterey und Suͤnde ſie vertilget wuͤrden/ daher auch die wahren Chriſten mit denſel-
ben nicht die allergeringſte Gemeinſchaft haben/ ſondern ſie vor Ketzer ſchelten/ und zu Gott
ruffen/ daß er ſie verſtoͤren wolle. Mazeus antwortete: Ich habe der Chriſten tuhn und laſ-
ſen wenig wahr’ genommen/ wann ſie aber der Froͤmmigkeit dergeſtalt er geben ſind/ kan ich
nicht abſehen/ aus was urſachen man ihnen ſo auffſaͤtzig iſt/ daß man ihnen auch die gemei-
ne Lufft nicht goͤnnen wil. Es mag ſich mein Herr wol verſichern/ antwortete Herkules/ dz
ſichs ingemein mit ihnen alſo verhaͤlt/ habe ihnen auch verheiſſen/ als lange ſie dergeſtalt le-
ben/ wolle ich ihnen alle hohen Haͤupter/ mit denen ich in Kundſchafft gerahte/ nach Ver-
moͤgen gnaͤdig und geneigt machen; und da ich meinem Herrn ein ſolches ihretwegen an-
muhten darff/ habe ich darumb fleiſſig zubitten. Mazeus erklaͤrete ſich hierauff/ ob gleich
ſein Vermoͤgen ſchlecht und geringe waͤhre/ wolte er doch bey zufallender Gelegenheit nicht
unterlaſſen/ dieſen Leuten eines ſolchen Fuͤrſten Vorbitte genieſſen zulaſſen. Alſo brachten
ſie die Zeit mit Unterredungen hin/ biß ſie vor das Stad Tohr kahmen/ da Herkules das
Liebe Zeichen etliche mahl angeſchrieben ſahe/ und zu Mazeus ſagete: Sehet mein Herr/
dieſes Zeichen iſt mein Leitſtern geweſen/ welcher naͤheſt Gott mich dieſen Weg/ von Tyrus
her/ gefuͤhret hat. Es iſt uns wol bewuſt/ ſagte Fr. Roxane/ habe auch nach unſer gnaͤdigſtẽ
Fraͤulein begehren/ unterſchiedliche Reuter ausgeſchikt/ um zuerforſchen/ ob Euꝛe Durchl.
in den mit dieſem Zeichen bemahleten Herbergen nicht geweſen waͤhre/ deren aber noch
keiner zuruͤk kommen iſt. Als ſie in der Stad vor dem Schloß Tohr anlangeten/ da es faſt
umb den Mittag wahr/ ſtiegen ſie ingeſamt vom Wagen/ und gingen zu fuſſe hinauff. Im
innerſten Platze funden ſie den Groß Fuͤrſten mit Pharnabazus ein ernſtliches Geſpraͤch
halten/ wurden auch von ihnen nicht geſehen/ biß Pharnabazus ſich umwante/ und unſers
Herkules gewahr ward/ welchen er anſehens kennete/ und zu den Groß Fuͤrſten ſagete: Hilf
Gott! da komt der teure Fuͤrſt Herr Herkules her! trat ihm geſchwinde entgegen/ und em-
pfing ihn nicht viel geringer als einen herſchenden Koͤnig. Herkules hingegen umfing ihn
mit beyden Armen/ und ſagete: Mein hochwerter Herr und Freund/ ich bitte ſehr/ mich
mit ſo uͤberflüſſiger Ehre nit zubelaſten/ ſondern der feſt verſprochenen auſrichtigẽ Freund-
ſchaft eingedenk zuſeyn/ als welche mich angemahnet hat/ meinen werten Herrn uñ Freund
nicht vorbey zugehen/ da ich denſelben in der naͤhe ſeyn/ vernommẽ habe; erfreue mich auch
von herzen/ Gelegenheit zufinden/ das wolangefangene fortzuſetzen. Hiemit trat er zu dem
Groß Fuͤrſten/ erwieß ihm ſonderliche Ehre/ und redete ihn mit dieſen Worten an: Groß-
maͤchtiger Groß Fuͤrſt/ daß ungemeldet meiner Ankunfft/ auff dieſem Koͤniglichen Schloſ-
ſe ich erſcheinen duͤrffen/ darzu hat mich mein Freund’/ Herr Mazeus verleitet; weil aber
dieſes meine Unhoͤfligkeit nicht entſchuldigen kan/ als bitte Eure Durchl. ich demuͤhtig um
M m m m iijVer-
[646]Drittes Buch.
Verzeihung/ dero ich mich ohn einige Bedingung zu allen moͤglichen Dienſten anerbiete.
Der Groß Fuͤrſt antwortete ihm: Weſſen Eure Liebe ſich gleich jezt gegen meinen gelie-
beten Oheim beſchweret/ haͤtte ich groſſe urſach/ gegen Eure Liebe zuwiederhohlen/ die ich
als einen hochgewuͤnſchten Freund ſehr wilkommen heiſſe/ mit Bitte/ dieſelbe ſich des mei-
nigen nicht anders als ihres Eigentuhms kuͤhnlich gebrauchen wollen. Herkules wendete
ein: Er lieſſe ſich hieſelbſt bloß als ein umſchweiffender Ritter ſinden/ dannenhero ihm nit
gebuͤhren wolte/ ſich ſeiner Durchl. gleich zuſchaͤtzen/ baͤhte demnach untertaͤhnig/ dieſelbe
wolten ihm nicht auffdringen/ wider gebuͤhr und willen unhoͤflich zuſeyn/ dann ſeine ſchul-
digkeit waͤhre ja/ nicht allein Ihrer Durchl. ſelbſt/ ſondern auch dero hohen Beamten ge-
horſam und folge zuleiſten. Küſſete ihm darauf die Hand/ und befahl ſich ſeineꝛ Großfuͤrſtl.
Gewogenheit. Fr. Roxane hatte ſich als bald nach dem Frauenzimmer gemacht/ und des
Fuͤrſten Ankunfft vermeldet/ derhalben die Groß Fuͤrſtin einen aͤdelknaben herunter ſchie-
kete/ ihr Gemahl wolte ſich belieben laſſen/ den angenehmẽ Gaſt hinauf zufuͤhren. Woſelbſt
nun Herkules ſeine Hoͤfligkeit ſpuͤren ließ/ und nach gebohtenem Handkuſſe alſo redete:
Durchleuchtigſte Groß Fuͤrſtin/ die Unruhe durch meine Ankunfft erwecket/ muß ich mit
der Nohtwendigkeit entſchuldigen/ die mich treibet/ einer Fraͤulein nachzufragen/ deren ich
auff unterſchiedliche weiſe hoch verbunden bin; Als ich nun in Erfahrung gebracht/ was
groſſe Ehre und Liebe derſelben alhie erzeiget worden/ iſt meine hoͤchſte Schuldigkeit/ die
Dankſagung davoꝛ/ mit Worten abzulegen/ weil des Vermoͤgens Unkrafft mich an die
Wiederleiſtung nicht hinlaͤſſet. Es ſeyn aber Ihre Groß Fuͤrſtl. Durchl. eines ergebenen
Knechtes an mir verſichert/ ſo daß in dero Dienſten mein Leben zuwagen/ mir die hoͤchſte
Vergnuͤgung bringen ſolte. Sie aber antwortete ihm: Durchleuchtigſter Groß Fuͤrſt; ge-
wißlich erwecket Euer Liebe ankunft durchaus keine Unruhe/ weil man derſelben mit hoͤch-
ſtem Verlangen erwartet hat; Dem Koͤnigl. Fraͤulein habe wegen ihrer Verſtellung ich
wenig Ehre und Dienſte erzeigen koͤnnen/ ſolte aber ihr Geſchlecht und Stand mir kund
worden ſeyn/ wuͤrde ich mich bemuͤhet haben/ ihr beſſer zur hand zugehen; muß alſo die Un-
wiſſenheit zur Entſchuldigung einſchieben/ und daher mich befleiſſigen/ den an dem Koͤnigl.
Fraͤulein begangenen Fehler/ auff zugelaſſene weiſe zuverbeſſern. Der junge Fuͤrſt Arbia-
nes kam wieder zu hauſe vom Luſtreiten/ und ward ihm im Schloßplatze geſagt/ es waͤhre
ein trefflicher ſchoͤner Herꝛ/ mit Mazeus ankommen/ dem vorigen Herkuliſkus faſt aͤhnlich.
O Dank ſey allen Goͤttern/ ſagte er/ es wird gewißlich der treffliche Held/ Fuͤrſt Herku-
les ſeyn/ durch deſſen Unterweiſung ich in ritterlichen Ubungen etwas zu faſſen gedenke;
blieb ein wenig ſtehen/ und bedachte ſich/ wie eꝛ ihn empfangen wolte; ſtieg alsbald hinauf/
und als er in den Saal trat/ neigete er ſich gegen ihn/ kuͤſſete ihm die Hand/ und redete ihn
alſo an: Durchleuchtigſter Groß Fuͤrſt/ hochberuͤhmter Held; nach dem die Goͤtter mein
Begehren erfuͤllet/ und ihrer Durchl. den Weg hieher gezeiget/ verhoffe ich/ dieſelbe wer-
den meiner demuͤhtigen Bitte Stat geben/ und mich in die Zahl ihrer Diener einſchrei-
ben/ da mit aus ihrem Leben und Tahten ich faſſen moͤge/ was einem gebohrnen Fuͤrſten
ſchier heut oder Morgen Ruhm und Ehre bringet. Aus dieſen lezten Worten vernam er/
daß er der junge Fuͤrſt wahr/ taht ihm gleiche Ehre an/ und gab ihm zur Antwort: Wa-
rumb machet mein Durchl. Fuͤrſt mich vor ihren geliebten Eltern/ und dieſer ganzen hohẽ
Geſel-
[647]Drittes Buch.
Geſelſchaft ſo ſchamroht/ daß ich nicht weiß wie ihrer Liebe ich mit Worten begegnen ſol?
Zwar meine geringe Tahten werden das Lob mir anjezt geſprochen/ nimmermehr errei-
chen/ ob ich gleich tauſend Jahr leben ſolte; aber ein Freund uñ williger Diener des Groß-
Fuͤrſtl. Mediſchen Erben zu ſeyn und bleiben/ erbiete ich mich mit auffrichtigem Herzen/
wil mich auch nimmermehr wegern/ vor ihrer Liebe Wolfahrt/ mein Schwertz/ wie krafft-
loß es gleich iſt/ gerne zu fuͤhren/ und in ihrer Geſelſchaft mich mit zugebrauchen/ als wel-
che ich ſchon ſo tapfer/ und in ritterlichen Ubungen erfahren weiß/ daß ſie meiner gering-
ſchaͤtzigen Unterweiſung durchaus nicht beduͤrffen. Groß Fuͤrſt Phraortes antwortete:
Hochberuͤmter Fuͤrſt; mein Sohn zeiget ja noch ſeine Begierden/ daß ihm deren Geſel-
ſchaft und Unterweiſung/ die durch Tugend den Weg der Unſterbligkeit fuchen/ angeneh-
meꝛ iſt/ als welche auff ihre Macht und Gewalt ſich verlaſſend/ ihrem Willen folge leiſten/
und nach den Luſtreizungen des gemuͤhtes Kraͤfte lenken. Herkules ſagete hierauff; es hat
auch mein hochwerter Fuͤrſt von einem ſolchen Vater nicht anders koͤnnen angefuͤhret
werden/ und ſchaͤtze mich billich gluͤkſelig/ wann unter dergleichen Geſelſchaft ich mag ge-
rechnet werden; zweifele nicht/ ihre Durchl. werden vor genommene Muͤhe die ſchoͤne
Frucht des außgeſtraͤueten Samen/ in kurzen/ reichlich einernten. Die Groß Fuͤrſtin men-
gete ſich mit ein/ vorwendend/ die Speiſen wuͤrden kalt werden; daher die Geſelſchaft ſich
zu ſetzen genoͤhtiget ward. Bey dem Mahle gab es unterſchiedliche Beredungen/ und er-
zaͤhlete Arbianes ſeinem Vater/ was geſtalt ihm auff dem heutigen kurzẽ Wege zwo wich-
tige Begebniſſen auffgeſtoſſen waͤhren/ und zwar faſt an einem Orte; Vor erſt haͤtte er ei-
nen ſehr groſſen erſchlagenen Loͤuen im offenen Felde liegen ſehen/ dem die beyden Tatzen
abgehauen geweſen; bald hernach waͤhren ſechs Skythiſche Schuͤtzen hinter ihm ange-
ritten/ mit Panzern verwahret/ deren jeder ein Stuͤk eines mit Blut gefaͤrbeten Ritter-
Harniſches und bloſſes Schwert bey ſich gefuͤhret/ haͤtte deren herzunahung erwartet/ uñ
nach befragung zur Antwort bekommen/ der gewaltige bisher unuͤberwindliche Skythi-
ſche Kriegs Obriſte/ H. Suſag waͤhre etwa vor anderhalb Stunden von einem jungen
fremden Ritter im auffrichtigen Kampf zur Erden gebracht und ſeines Helms beraubet/
worauff er ihm ſelbſt vor Unmuht wegen der Niederlage die Kehle abgeſchnitten/ deſſen
Leichnam ſie in die Erde begraben/ und ſeine Waffen mit ſich fuͤhreten/ wie ihnen von dem
Uberwinder erlaͤubet waͤhre. Was? ſagte Pharnabazus/ iſt der Frevelmuͤhtige baumſtar-
ke Skithe Suſag durch eines einzigen Ritters Hand gedaͤmpffet/ von dem vor beſtaͤndig
geſagt wird/ daß er ſchon vorm Jahre uͤber 260 Ritter im offenen Streiterſchlagen/ und
er mannichesmahl deren fuͤnff oder ſechſe auff einen Biſſen genommen. O wie hoch wird
durch dieſe Zeitung ein vornehmer Fuͤrſt erfreuet werden/ welches erſten tages von mir
zu ſchreiben ich nicht umbgang haben kan. Mein Oheim ſchreibe ſolches nur kuͤhnlich/
ſagte Mazeus/ dann ich habe dieſen Kampf mit Augen angeſehen/ in welchem er inwendig
einer halben Stunde von gegenwaͤrtigem Teutſchen Groß Fuͤrſten iſt niedergeſchlagen
worden; und hat eben deſſen Schwert den gedachten Loͤuen auch in den Tod gefchicket; er-
zaͤhlete darauff allen Verlauff eigentlich; woruͤber die Anweſende ſich hoͤchlich verwun-
derten/ und Arbianes wuͤnſchete/ das Gluͤk gehabt zu haben/ daß er dieſen Kampf haͤtte
moͤgen anſehen. Mazeus fragete Plautus/ der bey der Mahlzeit auffwartete/ wie es umb
ſeinen
[648]Drittes Buch.
ſeinen verwundeten Spießgeſellen ſtuͤnde/ worauff der Groß Fuͤrſt als bald befahl daß er
aus der Herberge/ in welche er/ ſich heilen zu laſſen/ eingekehret wahr/ nach dem Schloſſe
gehohlet/ und auffs beſte gepfleget wuͤrde. Nach abgetragenen Speiſen fragete die Groß-
Fuͤrſtin Herkules nach Koͤnigs Ladaiſla Wolergehen; und vernam/ daß ſie auff der Reiſe
nicht aneinander getroffen/ hoffete doch/ dafern er auff dem Wege keine Verhindernis
gehabt/ duͤrffte er ſchon in Parthen angelanget ſeyn. Pharnabazus fragete nach Leches/
welchen er wegen ſeiner Rittermaͤſſigkeit ſehr ruͤhmete/ mit wuͤnſchung/ die Gelegenheit
zu haben/ daß er ihm einige Dienſte und Freundſchafft leiſten koͤnte; fragete auch nach ſei-
nem Stande und Herkommen/ und wahr ihm liebe/ zuvernehmen/ das er nicht von gerin-
gem Adel/ ſondern Herrenſtandes waͤhre/ ſo daß er der Mutter nach/ dem Koͤniglichen
Gebluͤte verwand/ weil ohngefehr vor 100 und mehr Jahren/ ſeine Großaͤlter Mutter/ ei-
nes Koͤniges aus Boͤhmen Tochter/ ſich an einen vornehmen Teutſchen Herrn verhey-
rahtet haͤtte. Die Groß Fuͤrſtin fragete ihren Bruder/ was vor Kundſchaft er mit dieſem
Ritter haͤtte; worauff er ihr erzaͤhlete/ wie ſie auff dem Freyſtechen zu Padua in Kund-
ſchafft gerahten/ und er an demſelben einen ſcharffen Gegenſtecher gehabt haͤtte. Der Tag
ward mit allerhand freundlicher Unterredung zugebracht/ uñ hielt endlich Herkules fleiſ-
ſig an/ daß ihm folgendes tages ſeine Reiſe nach Charas moͤchte verſtattet werden; weil
ihn aber der Groß Fuͤrſt verſicherte/ es koͤnte ihm aus gar zu ſchleuniger Eile/ Ungelegen-
heit zuwachſen/ muſte er ſich auffhalten laſſen/ und zu Ekbatana laͤnger bleiben/ als ihm
lieb und angenehm wahr.


Ladiſla/ wie droben erwaͤhnet/ wahr umb ſeinen geliebeten Fabius herzlich bekuͤm-
mert/ und erhielt bey ſeiner Geſelſchaft ſo viel/ daß ſie ihm zugefallen zween Tage in dem
Flecken ſtille lagen/ da er alle Stunden der Hoffnung gelebete/ er wuͤrde ſich loß machen
und nachfolgen; weil aber alles harren vergeblich wahr/ nam er von ſeiner Geſelſchafft
abſchied/ richtete ſeinen Weg auff Perſen zu/ und hatte Leches/ den Dolmetſcher/ und drey
Knechte bey ſich/ deren jeder ein Handpferd mit Golde und Kleinoten belegt/ an der Hand
fuͤhrete. Seine Reiſe hielt er faſt Sudoſt/ daß er auch bißweilen gar in das Fuͤrſtentuhm
Suſiana ruͤckete/ wiewol er kurze Tagereiſen taht/ und zuzeiten an einem Orte etliche Tage
ſtille lag/ ob er von Fabius etwas vernehmen moͤchte. Einsmahls/ wie er in den Suſia-
niſchen Grenzen Herberge nam/ traff er einen anſehnlichẽ Herrn an/ mit welchem er zwar
Kundſchaft machete/ aber doch nicht erfahren kunte/ von wannen/ und wer er eigentlich
wahr; wiewol er ihm zuvernehmen gab/ daß er nunmehr ins dritte Jahr ſich in dieſen
weitlaͤuftigen Morgenlaͤndern auffhielte/ welche er auch/ aus Liebe/ die Welt zuerkennen/
in die laͤnge und breite/ als von dem Mittelmeer biß an den Ganges/ und von dem Perſi-
ſchen biß an das Kaſpiſche/ durchzogen und beſehen haͤtte; es wird aber mein Herr erfah-
ren/ ſagte er/ was vor eine nahmhaffte Verenderung in kurzem vorgehen/ und den Par-
thiſchen Stuel aus ſeiner alten Stelle verruͤcken werde/ maſſen ich an allen fuͤrſtlichen Hoͤ-
fen merke/ daß man der Arſaziſchen Herſchaft von Herzen muͤde iſt/ welches man nirgend
unvorſichtiger/ als an dieſem Suſianiſchen außſchlaͤget/ und dannoch zugleich vor ſehr
klug wil gehalten ſeyn. Doch ſcheinet/ daß dieſer Fuͤrſt darunter ſeinen ſonderlichen Geitz-
Vortel ſpiele/ um unteꝛ dieſem Dekmantel die Unteꝛthanẽ duꝛch ungewoͤhnliche Schatzun-
gen
[649]Drittes Buch.
gen und zuvor unerhoͤrte Aufflagen umb ihre Baarſchafft zubringen/ und ſolche in die
Schazkammer zu ſpielen/ welches bißher die Inwohner nicht gemerket/ auch weil ſie haab-
ſelig ſind/ nicht groß geachtet haben/ aber wo das Ziel uͤberſchritten wird/ duͤrffte es nicht
wol ablauffen; zwar es bauet der Fuͤrſt allenthalben vor was er kan/ ſo gar/ daß er auch ſei-
nen leiblichen Bruder/ einen redlichen/ tapffern und frommen Herrn/ nahmens Satro-
pazes/ ſol haben auff der Jagt (wie man beſtaͤndig berichtet) meuchliſcher weiſe erſchieſ-
ſen laſſen/ weil eine Rede außgangen/ es waͤhre derſelbe beſſer zur Herſchaft als er; aber
ich fuͤrchte ſehr/ er werde durch Verwaͤgenheit dem Faſſe endlich den Bodem gar aus ſtoſ-
ſen; einmahl iſt gewiß/ daß kein groͤſſer Feind des außlaͤndiſchen Adels in allen dieſen Laͤn-
dern zufinden iſt/ als eben dieſer Fuͤrſt/ und habe ichs meinem Gluͤk hoch zudanken/ daß ich
ſeinen Haͤnden entgangen bin. Ladiſla hoͤrete dieſem verſtaͤndigen Manne fleiſſig zu/ und
erkundigte ſich mann icherley/ ſonderlich/ was vor Beſchaffenheit es mit dem Paꝛthiſchen
Hofe haͤtte; da ihm dieſer zuverſtehen gab/ es waͤre der uͤbermuhtige Pracht dieſes groſ-
ſen Koͤniges nicht zubeſchreiben/ und wuͤrde ohn zweifel ein zwiefaches uͤbel denſelben zu
grunde richten; als/ ſeine Sicherheit/ und ſeine unkeuſche Begierden; es ſey dann/ ſagte eꝛ/
daß ſeine tapffere Leute/ deren er etliche hat/ durch ihre Vorſichtigkeit erſetzen/ was er ſelbſt
verdirbet. Ich bin willens/ ſagte Ladiſla/ die groſſe und ſo hochbeſchriehene Parthiſche
Haͤupt Stad zubeſehen/ und ſuche ich nur Geſelſchafft/ mit welcher ich ſicher durchkom̃en
moͤge. Mein Herr wird daſelbſt viel boͤſes und wenig gutes ſehen/ antwortete er/ dann es
gehet alda nach dem alten Sprichwort: Wie das Haͤupt ſich haͤlt/ ſo machens auch die
Glieder; Der Ort iſt mit unſaͤglichem Reichtuhm angefuͤllet/ und daher komt es/ daß ein
Reiſender vor viel Geld wenig Pflege/ ja wol kaum ein gut Wort hat/ inſond’heit/ wo man
die Herberge nahe bey dem Schloſſe ſuchet/ da man mehr vor das Schlaff Gemach/ als
vor die Speiſezahlen muß. Ich werde mich dieſer guten Unterrichtung zubedienen habẽ/
ſagte Ladiſla/ ließ ſich ſonſt von allerhand Sachen unterweiſen/ und wahr ihm leid/ daß er
dieſes Mannes Geſelſchafft nicht laͤnger genieſſen kunte/ welcher ſeinen Weg nach Aſſy-
rien/ er aber Perſen werz nam/ und in des Landes Grenzen in einer Herberge des Abends
drey Perſiſche Herren antraff/ welche von ihren Dienern ſich gewaltig ehren lieſſen; weil
er aber ſahe/ daß wenig Tugend hinter ihnen ſteckete/ kehrete er ſich nicht groß an ſie/ und
begab ſich bald nach gehaltener Mahlzeit zu Bette. Folgenden Morgens geboht er Le-
ches/ ſich ihm allerdinge gleich zuhalten/ nam auch bey dem Mittags Mahl die Oberſtelle/
und hieß Leches neben ſich ſitzen/ welches den Perſen/ als ohndas hochmuhtigen Leuten/ zu
Haupte ſtieg/ kunten doch nicht gedenken/ was dieſe vor Herren waͤhren/ weil ihre Ange-
ſichter und Sprache anzeigete/ dz ſie aus der fremde kaͤmen/ ſie auch mehrenteils Teutſch/
und mit ihrem Sprachmeiſteꝛ Griechiſch redeten/ deſſen einer von dieſen auch kuͤndig war/
und daher Gelegenheit nam/ mit ihm zu ſprachen/ da er fragete/ wohin ſeine Reiſe angeſe-
hen waͤhre. Weil er aber ſo richtig bey fremden auszubeichten nicht gewohnet wahr/ gab eꝛ
zur Antwort: Sein Drittes mann haͤtte ſich auf dem Wege durch unfall von ihm geſchie-
den/ welchen auszufragen/ er bald hie/ bald dahin ritte/ ehe er ſeinẽ richtigen Weg/ der nach
einem groſſen Herrn ginge/ verfolgen koͤnte. Als er nun hinwieder nach des Landes Gele-
genheit fragete/ bekam er gleichmaͤſſigen Beſcheid: Es waͤhre ein weitlaͤufftiges Fuͤrſten-
N n n ntuhm/
[650]Drittes Buch.
tuhm/ und haͤtte unterſchiedliche Gebraͤuche und Sitten/ aber das aͤdleſte Volk unter der
Sonnen zu Inwohnern; merkete alſo Ladiſla bald/ wz vor Stolz hinter dieſen Leuten ſtec-
kete; ließ ſich gleichwol nichts anfechten/ ſondern fing durch ſeinen Dolmetſcher ein Ge-
ſpraͤch mit dem Wirt an/ und fragete/ wohin man den naͤheſten Weg nach Charas nehmẽ
muͤſte; baht ihn nachgehends/ er moͤchte nach einem Kleinot-Haͤndler ſenden/ der ihm al-
lerhand koͤſtliche Kleinot bringen ſolte; welches dann bald geſchahe/ uñ weil ihm die Stuͤc-
ke nicht gefielen/ muſte er andere hohlen/ deren er ihm vor 180000 Kronen abkauffte/ und
ohn das noch uͤber 100000 Kronen Baarſchafft bey ſich behielt/ uͤber die Kleinot/ welche
er auff drey Tonnen Goldes wert bey ſich fuͤhrete. Die anweſende verwunderten ſich des
Reichtuhms/ und gedachten/ er wuͤrde etwa dem Koͤnige oder ſeinen Hof Schranzen dieſe
Verehrung uͤberbringen wollen; Und weil ihm ſein Pferd gedruͤkt wahr/ kauffte er zween
gleichmaͤſſige ſtarke/ zum Schimpf und Ernſt wolabgerichtete Rappen/ welche er mit 2000
Kronen bezahlete. Es hatte der Wirt etliche leichtfertige Weibsbilder im Hauſe/ die nach
Perſiſchem Gebrauche ſich begunten herbey zumachen/ an welche ſich die unſern nichts
kehreten/ wolten auch der Perſen unflaͤtigen Muhtwillen nicht anſehen/ ſondern begehre-
ten von dem Wirt ein abſonderliches einſames Gemach/ in welchem ſie ſchlaffen und ge-
ſpeiſet werden koͤnten/ geſtaltſam ſie aus den Laͤndern waͤhren/ da man Zucht und Erbarkeit
hoͤher als unbaͤndige Wolluſtſchaͤtzete. Die Perſen legten dieſes zu ihrer Beſchimpffung
aus/ und durfften verwaͤgen gnug fragen/ warumb er ihrer Geſelſchafft ſich aͤuſſern wolte;
denen er zur Antwort gab: Als lange ſie zuͤchtig und keuſch lebeten/ waͤhre ihm ihre Geſel-
ſchafft nicht zuwider/ aber unzuͤchtigen Reden und Tahten beyzuwohnen/ haͤtte er niemals
Luſt getragen; Zwar er wolte ihnen weder heiſſen noch verbieten/ meynete aber/ er taͤhte ih-
nen zugefallen/ daß er ihnen wiche/ da er ſonſt ohn das in gemeiner Herberge ſo groſſe Frey-
heit auffzuſtehen/ als ſie zuſitzen/ haͤtte. Hiemit war der Brey ſchon verſchuͤttet/ und begun-
ten dieſe mit gnug hoͤhniſchen Worten zufragen/ er wuͤrde vielleicht nicht wiſſen/ bey was
Geſelſchafft zuſitzen er gewirdiget waͤhre; man haͤtte ihm/ angeſehen ſeiner fremde und Ju-
gend ſchon etliche Streiche zugute gehalten/ welches er dem bloſſen Gluͤk und ihrer Hoͤf-
ligkeit zuzuſchreiben haͤtte/ und lieſſe er gnugſam ſehen/ wie wenig er mit Herren Standes
umgangen waͤhre. Mit Herren Standes? ſagte Ladiſla; trauen in meinem Vaterlande
muͤſte ſich ein aͤdler Herr mit gemeinen Weibern nicht zihen/ da er ſeinen Ritterſtand nicht
gar einbuͤſſen wolte; Das ich nun fremde und jung bin/ macht mich weder ſchlimmer noch
beſſer/ bin mir auch einiger Unhoͤfligkeit nicht bewuſt/ es waͤhre dann/ daß man mir veruͤ-
beln wolte/ daß ich an leichtfaͤrtiger Weiber Geſelſchafft abſcheuh trage; jedoch moͤgen ſie
mit ihnen nach willen leben/ aber wer mich gleichwol zwingen wolte/ ſolchen Sachen bey-
zuwohnen/ muͤſte es trauen nicht mit Worten/ ſondern auff Rittersweiſe verſuchen. Die
Weiber empfunden dieſe Schmach ſehr hoch/ wolten ſich doch etwas hoͤflich bey der Sa-
che ſtellen/ uñ ſagte die eine zu ihm: Schoͤner Herr/ als viel ich merke/ werden ſchoͤne Frauẽ
eures Geldes nicht viel/ noch weniger euer Liebe genieſſen. Freylich findet kein Menſch ei-
nigen genieß bey mir/ antwortete Ladiſla/ wann mirs Schimpff und Schande braͤchte.
Wir ſind auch nicht einem jeden zugefallen/ gab dieſe zur Antwort/ aber warumb ſolte man
groſſen Herren moͤgliche Dienſte verſagen? Er wolte ſich mit ihnen nicht zanken/ weil es
einen
[651]Drittes Buch.
einen Hurenſtreit geben wuͤrde/ ſondern ſtund mit Leches auff/ in willens davon zugehen;
aber die fuͤnff Weiber traten an die Tuͤhr/ vorgebend/ ſie wuͤrden ihm keinen Abzug verſtat-
ten/ ehe und bevor er wegen des angetahnen Schimpffs abtrag machete; Woruͤber die
Perſen ſich kitzelten/ daß auch der vornehmſte unter ihnen einem Weibe an die Hand
gab/ ſie ſolte ihm einen Kuß bieten/ ob er auch ſo hoͤflich ſeyn/ und vor ſolche Gunſt ihr der
eingekaͤufften Kleinot eines ſchenken wuͤrde. Die gute Tochter ließ ſich bereden/ und fiel
ihm unzuͤchtig gnug umb den Halß/ ward aber mit einer ſolchen Ohrfeige abgewieſen/ daß
ihr die Zaͤhne im Maul knirreten/ und ſie ohmaͤchtig zur Erden fiel; wor auf er zu dem Peꝛ-
ſen ſagete: Wie biſtu ſo ein weibiſcher und unhoͤflicher Kerl/ dz du unzuͤchtige Weiber auf
einen ehrliebenden Ritter hetzen darffſt/ deſſen du mir trauen Rechenſchafft geben muſt;
und haſtu vor dich allein ſo viel herzens nicht/ ſo nim deine beyden Geſellen zu dir/ dann ſolt
du keine Beſtreiter/ als mich ſelbander finden/ auff daß ich das Gluͤk haben moͤge/ zuerfah-
ren/ ob ihr ſo wol gelehret ſeyd/ ritterlich zufechten/ als leichtfertig zu ſcherzen. Mit dieſen
Worten ging er mit Leches hinaus/ legetẽ die Waffen an/ befahlen auch dem Dolmetſcher/
dem Wirt zubezahlen/ und ſamt den Knechten mit ihren Wetſchern zufolgen. Die Perſen
nahmen den Streit an mit einem Hohngelaͤchter/ beredeten ſich ſchon/ wie ſie nach eꝛhalte-
nem Siege die koͤſtliche Beute unter ſich teilen wolten/ wapneten ſich/ und folgeten den un-
ſern mit ihren unbewehrten Dienern bald nach/ damit ſie nicht entfliehen moͤchten. Ladiſla
ermahnete Leches/ er ſolte im anfange ſeine Kraͤffte ſparen/ daß er/ wann der Streit ſich in
die harre verzoͤge/ ihm Lufft machen koͤnte. Jene tahten mit dem Schwert den eiferigen
Angriff unter guter Vorſichtigkeit/ gaben auch den unſern gnug zuſchaffen/ ſo daß ſie ſchon
gewonnen rieffen; aber man ließ ſie ſich abarbeiten/ biß man merkete/ daß ihre Schlaͤge ge-
machſamer gingen/ da ſagete Ladiſla zu Leches: Nun tapffer dran; Hieben damit ſo grim-
mig von ſich/ daß die Feinde zuruͤk wichen/ und keinen Stand mehr faſſen kunten/ welches
ihnen Ladiſla verwieß/ da er zu ihnen ſagete: Empfindet ihr ſchier/ daß ſichs bey unzuͤchti-
gen Weibern ſicherer ſitzet/ als auff dem Pferde unter Feindes Schwert? Hoͤrete doch nit
auff zuſchlagen/ daß in kurzer Zeit das Blut an allen dreyen haͤuffig hervor drang/ und ſie
willens wahren/ auszureiſſen; aber Ladiſla faſſete den vornehmſten beym Halſe/ und warf
ihn vom Pferde/ daß er das Genicke zubrach; die uͤbrigen beyden ſtuͤrzeten auch nach we-
nig Streichen tod von ihrẽ Pferden/ welches ihre Diener erſehend/ alsbald nach der Stad
zuflohen. Hier wird nicht lange Federleſens ſeyn/ ſagte Ladiſla/ rennete mit den ſeinen ſpo-
renſtreichs davon/ und hoͤrete nicht auff/ biß ſie noch deſſelben Tages ſieben Meilen hinter
ſich gelegt hatten/ wodurch ſie ohn zweifel ihr Leben retteten; dann weil der erſchlagenen
Herſchafften in der naͤhe belegen wahren/ brachten die ihrigen alsbald 50 Pferde zuſam-
men/ ihrer Herren Tod zuraͤchen. Ladiſla ruͤhmete ſein neugekaufftes Pferd hoch/ daß er
dem Verkaͤuffer gerne ein gedoppeltes davor gegoͤnnet haͤtte/ und machete ſich mit den ſei-
nen ſtraks Nordwerz/ da er in einem Flecken eine Verſamlung von 80 bewehreten Kauff-
leuten antraff/ die in Parthen zureiſen willens wahren/ gaben ſich in ihre Geſelſchafft/ und
nahmen den Weg Oſtenwerz in guter Sicherheit/ biß faſt an die Parthiſchen Wuͤſteneyẽ/
woſelbſt 60/ meiſtenteils wolgewapnete Reuter/ von Mittage her auff ſie ſtieſſen/ und nach-
dem Ladiſla und Leches/ die voraus ritten/ bey ihren Pferden und Harniſchen alsbald er-
N n n n ijken-
[652]Drittes Buch.
kennet wurden/ ſchicketen jene einen Reuter an dieſe Kauffmans Geſelſchafft ab/ mit Ver-
meldung: Es fuͤnden ſich zween moͤrderiſche Ritter unter ihrer Schaar/ die man uͤberdz
vor Ausſpaͤher hielte/ haͤtten drey vornehme Perſiſche Herren unredlicher weiſe erſchla-
gen/ und dadurch des Henkers Straffe verdienet; begehreten demnach/ die uͤbrigen ſich de-
ren nicht annehmen/ ſondern ſie ungewegert zur Straffe ausfolgen ſolten. Die Geſelſchaft
nahmen unſere Helden ſtündlich vor/ umb zu hoͤren/ was ſie auff ſo ſchwere Klage und Be-
ſchuldigung antworten wuͤrden; Und nachdem ſie des wahren Verlauffs berichtet/ auch
Ladiſla ſich erboht/ wider jedem/ der ſein begehren wuͤrde/ es mit dem Schwert auszufuͤh-
ren/ wie faͤlſchlich und boßhafft ſie ihn beyde des Mords und der Verraͤhterey beſchuldig-
ten/ gaben dieſe jenen hinwieder zur Antwort: Es geſtuͤnden die Beklagten ſolche Auffla-
ge nicht/ daher man Erbarkeit halben ſie nit verlaſſen koͤnte/ zumahl ſie bereit waͤhren/ durch
einen redlichen Kampff ihre Unſchuld zuhandhaben. Alſo ritte der Abgeſchikte zuruͤk/ und
Mardus mit ihm/ welcher in: Nahmen ſeines Herrn die Verfolger alſo anredete: Nach-
dem meine beyde Herren mit Schmerzen verſtanden/ daß etliche eures Mittels ſich finden
duͤrffen/ ſie als Verraͤhter und Moͤrder bey ihrer Geſelſchafft in Verdacht zubringen/ als
ſchieben ſie ſolche unredliche Schmaͤhung in deren Bart und Buſem/ ſagen ihnen auf Leib
und Leben ab/ und fodern ſie/ krafft dieſes zum auffrichtigen Kampffe/ da die Unſchuld ver-
mittelſt des Schwerts ſich ſchon eraͤugen wird. Es wahren vier vornehme Peꝛſiſche Her-
ren/ der drey Erſchlagenen nahe Anverwanten/ welche die Rache anſkelleten/ und ihre Die-
ner mit ſich genommen hatten/ es deſto beſſer ins werk zurichten. Als ſie dieſe Ausfoderung
vernahmen/ taht es ihnen weh/ daß der vermeyntliche Schimpff von zweyen Auslaͤndiſchẽ
ihnen ſolte angelegt werden; lieſſen die Geſelfchafft zum andern mahl erinnern/ ſich wol
vorzuſehen/ was ſie taͤhten; es koͤnte an ihnen dereins ſchwer gerochen werden; wolten ih-
nen demnach rahten/ ſich dieſer Ubeltaͤhter nicht anzunehmen/ noch deren Mißhandelung
ſich teilhafftig zumachen; Dieſe/ weil ſie Kauffleute wahren/ begunten der Sache zwiſchẽ
ſich uneins zuwerden; etliche wendeten ein/ warumb man ſich umb dieſer fremden willen
in Gefahr ſetzen wolte? man ſolte ſich des Handels entſchlagen/ daß man dieſer Herꝛen un-
gunſt uͤberhoben bliebe/ deren Haͤnde weit umb ſich grieffen. Dem guten Ladiſla wahr hie-
bey nicht gar wol/ hielt umb Erlaubniß an zureden/ und ſagete: Ihr meine vielwerte Her-
ren und Freunde; nicht laſſet/ bitte ich/ dieſe nichtige Draͤuung euch ſchrecken/ vielweniger
dahin bewaͤgen/ daß ihr unuͤberzeugete den unbillichen Feinden uͤbergeben woltet/ die ſich
euretwegen auff begebenheit alle Gefahr gemein zuhaben/ erkkaͤret/ uñ eurer Redligkeit ſich
anvertrauet; ſolten dann dieſe Raͤuber/ davor ich ſie halte/ ſich ferner des Streits entbre-
chen/ ſo tuht der Unſchuld und Gerechtigkeit dieſes zu ſteur/ und laſſet ſie wiſſen/ ich habe
mich auff den groſſen Koͤnig der Parther beruffen/ daß ſie etliche ihres Mittels in eurer
loͤblichen Geſelſchafft laſſen mitreiten/ und daſelbſt mich mit Recht beſprechen/ als dann
ich ihnen Rede und Antwort geben wil. Dieſen Vorſchlag lieſſen ſie alle ſich wol-
gefallen/ beſchloſſen/ demſelben zugeleben/ und begehreten/ daß Mardus es jenen vor-
truͤge. Ladiſla wahr deſſen froh/ unterrichtete dieſen/ und ließ ihn die Werbung ſolcher
geſtalt anſagen: Nach dem jene loͤbliche Geſelſchafft/ und inſonderheit meine beyde
Herren vernehmen muͤſſen/ daß ihr den Ritterlichen Kampf wieder Rittersbrauch nicht
allein
[653]Drittes Buch.
allein verzagter Weiſe außſchlaget/ ſondern uͤberdas bey vorigem begehrenſteiff vorhar-
ret/ wird euch hiemit eins vor alles zuwiſſen getahn/ daß man in euer Anſuchen durch aus
nicht gehehlen kan/ ſondern da ihr einige Beſchuldigung auff dieſe beyde habt/ und ſie ſich
auff den groſſen Koͤnig Artabanus beruffen/ ſtehet euch frey/ etliche eures mittels mit zu
ſenden/ und an gebuͤhrendem Orte die Klage zuverfolgen; denen jene ſo viel Sicherheit
verſprechen/ als ſie ihnen ſelber geben koͤnnen. Die vier Herren ſtecketen die Koͤpffe zuſam-
men/ und funden ſich uͤbermannet/ ſonſt haͤtten ſie ſich gerne an ihnen allen gerochen. Die
Klage vor den Koͤnig zu bringen dauchte ſie nicht tuhnlich/ und ſtelleten es lieber auff die
Spitze des Kampfs. Nun hatten ſie unter ihren Reutern zween zu Roß und Fuß wolver-
ſuchte Kaͤmpffer/ deren einer ein Indier/ nahmens Hages/ uͤber vierdehalb Ellen lang/
und maͤchtiger Leibes ſtaͤrke; ſein Geſelle Tyriotes/ ein Aſſyrier von rechter groͤſſe/ und im
Kampfe behuhtſam. Dieſe beyden fodertẽ die vier Perſiſche Herren vor ſich/ und verſpra-
chen jedwedem 1000 Kronen/ wann ſie dieſe beyden Ritter im Kampf erlegen/ oder gefan-
gen nehmen wuͤrden. Der verwaͤgene Hages antwortete; man moͤchte ihm die 2000 Kro-
nen allein goͤnnen/ ſo wolte er beyden zugleich das Schwert bieten/ und ſie unter den Ar-
men davon tragen. Sein Herr zweiffelte an ſeiner Uberwindung nicht/ doch weil es ihn
etwas gefaͤhrlich daͤuchte/ nam er ihn abſonderlich vor; er ſolte ſichs gefallen laſſen/ wie es
vorgetragen waͤhre/ nach erhaltenem Siege ſolte ihm nicht deſtoweniger ſo viel eꝛlegt weꝛ-
den; deſſen er dann friedlich wahr/ jedoch mit dem bedinge/ daß ſein Geſelle ſich nicht ein-
miſchen ſolte/ biß ers ihn heiſſen wuͤrde. Fertigten alſo den Dolmetſcher wieder zuruͤcke/
und lieſſen ihnen ſagen; es waͤhre zwar unbillich/ dz unſere Helden/ angeſehen ihrer Moꝛd-
taht/ wie Ritter im Harniſch ſterben ſolten/ weil aber ihre Geſelſchaft ſich ihrer ſo weit an-
naͤhmen/ welcher Schimpf biß dahin ſolte außgeſtellet ſeyn/ ſolten ſie alsbald hervor treten
und ſich niderhauen laſſen. Ladiſla lachete der Draͤuung und ſagete: Daß waͤhre gar ein
ſchoͤnes Anmuhten/ ſich ohn gegenwehr niderhauen zu laſſen; ich meine aber noch vor A-
bends darzutuhn/ das ich mein Leben zuverlieren noch heute nicht willens bin; ſetzete den
Helm auff/ und empfand des Schimpfs wegen/ groſſen Zorn in ſeinem Herzen. Alsbald
ſahen ſie den vierſchroͤtigen Hages auff einem hohen Hengſte daher traben/ vor dem ſich
die Kauffleute hart entſetzeten/ und zu Ladiſla ſageten: Er haͤtte ſich wol vorzuſehen/ dann
aller anzeige nach/ wuͤrde er einen harten Stand halten muͤſſen. Er aber antwortete; ihr
ehrlichen lieben Herren und Freunde; in meiner guten Sache ſchrecket mich dieſes Un-
geheur nicht/ wann er gleich ſelb ander kaͤhme/ wiewol mirs etwas ſchwer fallen wird/ ſei-
ne Waffen durchzuhauen; bleibet ihr nur guͤnſtig/ und verhuͤtet unredlichen Uberfal.
Schwaͤnkete damit ſein Pferd mit entbloͤſſetem Haͤupte/ biß Hages ihn alſo anredete: Rit-
ter du erzeigeſt dich zimlich kuͤhn in dieſer deiner Jugend/ und iſt mir dein Verbrechen halb
leid; jedoch/ weil du es alſo verdienet haſt/ ſo ſtelle dich unerſchrocken ein; ich gebe dir die
Wahl/ ob du lieber von meiner wehrhaften Fauſt ſterben/ oder als ein gefangener Moͤrder
unter Buͤttels Hand leiden wilt; auch ruffe deinen Geſellen herzu/ dann ich habe mich veꝛ-
bunden/ euch beyde auff einmahl und zugleich vorzunehmen. Ladiſla hatte unter deſſen den
Helm aufgeſetzt/ machte aber das Geſichte wiedeꝛ auf/ uñ ſagte zu ihm: Du unverſchaͤmter
Großſprecher/ ich meinete/ du wuͤrdeſt mich zum Kampf außfodern/ ſo beuteſtu mir ſchon
N n n n iijden
[654]Drittes Buch.
den gewiſſen Tod/ auffs wenigſte/ die Gefaͤngnis an; ja/ gedenkeſt auch zugleich meinen Ge-
ſellen auff einen Biſſen mit zuverſchlucken/ da du doch ſo wenig meine Kraft/ als ich die
deine gepruͤfet habe; weil ich aber noch niemals einen einzigen ſelb ander beſtritten/ werde
ich deinetwegen meine Gewohnheit nicht brechen; verſuche zuvor dieſes mein Schwert;
iſt dirs dañ zu leicht oder zu ſtumpf/ koͤmt meines Geſellen hernach fruͤhe gnug; ließ damit
den Helm zufallen/ ſetzete mit freudigem Herzen ſehr behutſam auff ihn an/ und gab ihm
bald anfangs etliche Streiche uͤber den Helm/ daß ihm die Ohren gelleten. Dieſer meine-
te vor Zorn zu berſten/ und uͤberfiel Ladiſla mit ſolchem Wuht/ daß wann ſein feſter Schild
nicht geweſen/ er bald anfangs der Wunden nicht wenig haͤtte annehmen muͤſſen; maſſen
jener ihm gaͤnzlich vorgenommen hatte/ ſein Schwert nicht ruhen zulaſſen/ biß Ladiſla
ſtuͤrzen wuͤrde. Derſelbe aber ließ dieſes tolle Vieh ſich immer abarbeiten/ nam unterdeſ-
ſen ſeiner Schanze wahr/ mehr durch behaͤndigkeit als ſtaͤrke/ und weich ihm mannichen
Streich aus; dann ſetzete er unverſehens wieder an/ daß Hages ſeinen Vorſaz vergeblich
ſchend/ aller Beſchuͤtzung vergaß/ und ſich bloͤſſete/ daß ihm Ladiſla eine groſſe Wunde an
den linken Arm beybrachte/ empfing aber dagegen einen ſolchen Schlag uͤber den Helm/
daß ihm bey nahe geſchwunden waͤhre. Die beyde Schaaren hielten in ihrer Ordnung/
ſahen dem Gefechte zu/ und verwunderten ſich hoͤchlich/ daß Ladiſla der groſſen Gewalt ſo
lange Wiederſtand halten koͤnte; ſchaͤtzeten es doch nur vor eine geringe Friſt/ und ſchrie-
ben ſeinem Feinde an beyden Seiten die Uberwindung zu/ ſo daß die Kauffmans Geſel-
ſchafft ein groſſes Mitleiden mit ihm trugen; denen aber Leches Troſt einredete/ ſie ſolten
gutes muhts ſeyn/ es waͤhre ſeines Herrn Brauch allemahl/ im anfange behutſam zuge-
hen/ biß ſein Feind die erſten Kraͤfte gebrochen haͤtte; welches er dann gleich dazumahl
ſpuͤren ließ; dann als er empfand/ daß ſeines Gegeners Streiche viel ſchwaͤcher als im
anfange gingen/ ermunterte er ſich/ und ſagete zu ihm: Haſtu grobes Tihr dañ nicht ſchier
außgewuͤtet/ daß mir auch etwas Willen gegoͤnnet werde? Damit verdoppelte er ſeine
Hiebe und Stoͤſſe/ daß Hages ſich mehr des Schildes als des Schwerts gebrauchen mu-
ſte; weil er aber darin zimlich unerfahren/ bekam er unterſchiedliche Wunden/ erſahe end-
lich ſeinen vermeineten Vortel/ und gedachte Ladiſla das Haͤupt zu ſpalten: Weil er ihm
nun behende zur Seiten außwich/ und dieſer den Schlag nicht einhohlen kunte/ traff er
ſein eigenes Pferd zwiſchen die Ohren/ daß ihm das Hirn aus dem Kopffe ſprang/ und
mit ihm zur Erden ſtuͤrzete. Als ſeine Herren ihn liegen ſahen/ trieben ſie Tyriotes an/ La-
diſla anzuſprengen und Hages zuentſetzen; welcher zur Antwort gab/ es waͤhre ſolches
wieder Ritters Ehre/ doch auff ihr Befehl und Verantwortung wolte ers tuhn. Leches
ſahe ihn daher rennen/ ging ihm freidig entgegen/ und ſagete: Du meinaͤidiger Bube/ haͤl-
teſtu alſo Rittersbrauch? damit fingen ſie einen ernſtlichen faſt gleichmaͤſſigen Kampf an/
weil ſie an Alter/ Groͤſſe/ und Leibeskraͤften ſich ſchier gleicheten. Ladiſla ſahe ſeinen Hages
auff der Erden unter dem Pferde liegen/ ſtieg auch ab/ und ſagte zu ihm: Bald er gib dich/
oder du muſt ſterben. Dieſer antwortete: Biſtu ein redlicher Ritter/ ſo laß mich zun Bei-
nen kommen/ ſonſt wird man ſagen/ nicht du/ ſondern ich ſelbſt habe mich gefellet. Ladiſla
lachete des Einwendens und ſagete: Ich bleibe wol ein redlicher Ritter/ ob ich mich gleich
meines Gluͤks gebrauche/ daher ſprich bald/ ob du mein Gefangener ſeyn/ oder ſterben wol-
leſt.
[655]Drittes Buch.
leſt. Dieſer ſahe/ daß er dem Tode nicht entgehen wuͤrde/ und verdroß ihn ſehr/ daß von
ſeinen Herren ihm keine Huͤlffe geſchahe/ daher gab er zur Antwort: Ich ergebe mich/ abeꝛ
zu freyem Ritterdienſte. Ladiſla wahr damit zu frieden/ half ihm auff die Fuͤſſe/ und wolte
das Schwert von ihm nehmen. Dieſer aber ſich auffrecht befindend/ ward meinaͤidig/ trat
zuruͤk/ und in dem er das Schwert zum Schlage auffhuhb/ ſagete er: Ich bin wieder frey/
und du muſt mir den Schimpf mit dem Leben bezahlen. So muß ich mich noch mit einem
Schelme ſchmeiſſen/ antwortete er/ ward auch von dem groſſen Ungeheur dergeſtalt uͤ-
berfallen/ daß er groͤſſere Gefahr als zuvor außſtund/ welches ihn faſt reuen machete/ daß
er ihm getrauet hatte; dann durch ſtaͤrke vermochte er nichts außzurichten/ ſondern muſte
nur der Behendigkeit ſich gebrauchen/ welches ihm in vollem Harniſch ſchwer genug fiel/
wiewol ihm endlich ein Stoß geriet/ daß er ihm die vornehmſte Sehnader am rechten
Arme abſtach/ und er den Schild von ſich werffen/ das Schwert aber in die linke Hand
(welcher Arm auch ſchon verwundet wahr) nehmen muſte. Hier empfing Ladiſla voͤllige
Hoffnung zum Siege/ daß er zu Hages ſagete: Ich hoffe du ſolt ſchier fuͤhlen/ wie die Goͤt-
ter den Meinaͤidigen zu lohnen pflegen. Dieſem ſchlug der Dampf aus dem Helmgeſichte/
wolte doch nit gewoñen geben/ ſondern fuͤhrete mit dem Schwert einen hefftigen Streich/
welcher zu behaͤuptung des Sieges waͤhre gnug geweſen/ wann Ladiſla durch das Außwei-
chen fich nit geſchuͤtzet haͤtte; wiewol Hages ſich daruͤber gar verhieb/ und das Schwert
tieff in die Erde ſchlug/ deſſen ſich Ladiſla zu ſeinem Vortel gebrauchete/ trat ihm ein/ uñ
ſchlug ihm die linke Hand reine hinweg. Dieſer wolte außreiſſen/ aber wegen vergieſſung
des Blutes wahr er zu ſchwach; Und als er ſeinen Feind hinter ſich merkete/ wendete er
ſich/ lieff ihm ein/ und rante ihn unverſehens zu Bodem/ wahr auch geſchwinde uͤber ihn
her/ uñ wolte ihn mit den Fuͤſſen zutreten; aber Ladiſla richtete ſich ſchleunig auff die Knie/
und ſchlug ihn mit dem Schilde wieder das linke Bein/ daß er ſtuͤrzen muſte/ machte ſich
uͤber ihn/ reiß ihm den Helm ab/ und ſagete: Unter welchem Arme wiltu mich nun als dei-
nen Gefangenen fortſchleppen? Doch ſage mir/ kanſtu dich noch nicht uͤberwinden/ daß du
mein Gefangener ſeiſt? Dieſer gedachte/ es waͤhre ſein Ernſt und gab zuꝛ Antwort: Ich
bin nun durch dich uͤberwunden/ darumb gelebe ich deines Willens. Ja/ wer wird mir
vor dich gut ſagen/ ſagte Ladiſla/ daß du nicht abermahl zum Schelme werdeſt? faſſete den
Schild und ſchlug ihm damit das eine Bein entzwey/ dann er wolte ihn nicht toͤdten/ ſon-
dern ſich ſein nur verſichern/ daß er ihm nicht entlieffe; ſetzete ſich auff ſein Pferd/ uñ hielt
neben ihm/ dem Kampfe zuſehend/ welchẽ die andern beyden hielten. Die Perſiſchen Her-
ren erſchraken des Unfals mit Hages/ welchen ſie ihnen nicht haͤtten koͤnnen einbilden/ uñ
erklaͤreten ſich/ die ganze Kauffmans-Geſelſchafft unverſehens zu uͤberfallen/ unter der
Hoffnung/ ſie wuͤrden ſich nicht wehren. Ladiſla merkete ihr Vorhaben/ und ſagete zu den
ſeinen: Lieben Freunde/ ich meine ja nicht/ daß ich ichtwas/ meine Unſchuld zuerweiſen/
unterlaſſen habe/ aber allem anſehen nach/ gehẽ jene Bubẽ mit einem Schelmſtuͤk ſchwan-
ger; ſo ſaget mir nun/ bitte ich/ ob ihr willens ſeid/ einen unredlichẽ Anfal abzuweiſen/ ſo wil
ich fechten/ als lange ein tropfen Blutes in mir uͤberbleibet. Die Kauffleute zogen alle von
Leder/ und erbohten ſich/ nicht allein ihnen redlich zuwiederſtehen/ ſondern dieſe Raͤuber
freidig anzugreiffen. Er aber mahnete ſie ab/ wolte ungerne/ daß ihrer einer ein troͤpflein
Blut
[656]Drittes Buch.
Blut ſeinetwegen ſolte verlieren/ und ſendete ſeinen Mardus ab/ jenen zu ſagen: Ob ſie
ſo kuͤhn waͤhren/ und ſich regeten/ ſolte ihres Gebeins nicht davon kommen; wodurch der
groͤſte Teil dergeſtalt geſchrecket ward/ daß ſie ſich des Anfals gegen ihre Herren außdruk-
lich wegerten. Leches hatte mit ſeinem Manne noch volle Arbeit/ dann er wahr ein feſter
wolgeuͤbeter Kaͤmpfer/ aber wegen empfangenen tieffen Wunden ſo Kraftloß/ daß er ſich
kaum ſchuͤtzen kunte/ wolte nun nicht/ wie ſein Geſelle/ das aͤuſſerſte wagen/ ſondern nach
auffgeſchlagenem Helme ſagte er zu ihm: Trefflicher Ritter/ ich habe meinem Verſpre-
chen gnug getahn/ da habt ihr mein Schwert/ und das uͤbrige meines Lebens zu eurem
Dienſte/ welches ich redlich halten wil. Leches antwoꝛtete: Behaltet eur Schwert und fol-
get mir/ ihr werdet dort an meinem Herrn finden was ihr ſuchet; ritten mit einander nach
Ladiſla/ zu welchem Leches ſagete: Gn. Herr/ dieſer begehret vor kuͤnftige getraͤue Dienſte/
Lebens friſtung/ welches in eurer Gn. Willen und Haͤnden ſtehet. Getraͤuer Leute/ antwoꝛ-
tete Ladiſla/ ſind wir benoͤhtiget/ und moͤchte wuͤnſchen/ daß Hages auch ſo vernuͤnftig ge-
handelt haͤtte/ worzu ich ihm ſatte Anleitung gab. Bald ſchicketen die Perſen ihren Die-
ner herzu/ und begereten den Gefangenen wieder/ wie auch den elenden Hages/ welcher
auff der Erden lag/ und ſich als ein wurm kruͤmmete: Tyriotes aber gab dem Anwerber
dieſe Antwort ſelbſt: Was den frevelmuhtigen Hages betrift/ darzu habe ich nicht zu re-
den/ ich aber bin ein williger Gefangener/ und habe Luſt dieſen treflichen Helden hinfuͤro
ſtets zu dienen; dann weil meiner vorigen Herren keiner ſo viel Herzens gehabt/ mich zu-
entſetzen/ bin ich ihnen fort nicht verbunden. Ladiſla ſetzete dieſes hinzu: Wollen deine veꝛ-
leumderiſche Herren noch Gefangene von mir fodern/ und ſehen/ daß ſie ſchier ſelbſt meine
Gefangene ſind? ſendete auch ſeinen Mardus an ſie/ welcher ſie alſo anreden muſte:
Nachdem eure Vorfechter unterliegen/ und meiner Herren Unſchuld dadurch an die kla-
re Sonne geſtellet iſt/ koͤnnen jeztgedachte meine Herren damit noch nicht friedlich ſeyn/
ſondern fodern die vier Perſiſche Herren/ als boßhaffte Schaͤnder und Verleumder zum
Kampffe aus; werden ſie ſich deſſen wegern/ als dann wird euch jene ehrliebende herzhaff-
te Geſelſchafft angreiffen/ und euch allen die Haͤlſe zubrechen; Meine beyde Herren wollen
ſonſt die viere auff einmahl beſtehen/ und ihnen die Bosheit vergelten. Dieſe viere zuͤcketen
in etwas/ doch weil ihre Voͤlker ſelbſt ſie ihrer Ehren erinnerten/ und des Gefechtes ſich
ausdruͤklich wegerten/ weil ſie uͤbermannet waͤren/ muſten ſie fort/ uñ ſtelleten ſich zugleich
auf den Platz/ denen unſere Helden unerſchrocken begegneten/ uñ bald anfangs ihrer zween
zur Erden ſtuͤrzeten/ daher die uͤbrigen beyde des Vertrags begehreten; denen aber Ladiſ-
la zur Antwort gab: Die ihm angelegete Schmach waͤhre viel zu groß; ſo haͤtten ſie auch
keine Loͤſegelder bey ſich/ muͤſten demnach ſich nicht verdrieſſen laſſen/ daſſelbe auszuſtehen/
was ſie aus lauter Bosheit und ohn redliche Urſach ihm zugedacht haͤtten; worauff ſie
auch bald mit jhnen fertig wurden/ und ſie erwuͤrgeten; ſendeten folgends Mardus an die
uͤbrigen/ ob noch etliche verhanden waͤhren/ die Streits begehreten/ ſolten ſie ſich ſtellen;
aber dieſe entſchuldigten ſich demuͤhtig: Sie waͤhren gezwungen/ mitzureiten/ und bahten
umb freyen Abzug/ auch/ daß ſie ihre erſchlagene Herren mit ſich fuͤhren moͤchten/ welches
ihnen gegoͤnnet ward/ wiewol mit dem bedinge/ daß ihrer einer herzu reiten/ dem Hages/
als einem meinaͤidigen die andere Fauſt auch abhauen/ und ihn den wilden Tihren daſelbſt
ligen
[657]Drittes Buch.
liegen laſſen ſolte; welches der Bube mit Ohrẽ anhoͤrend/ ein ſchrekliches Geheule anfing/
muſte aber noch ſolche Straffe ausſtehen/ da er ſich dann vollends verblutete/ und die See-
le auffgab. Der von Leches zuerſt gefellete wahr noch am Leben/ welches die unſern nicht
wahr nahmen/ und davon zogen/ daher ſeine Diener ihn auffhuben/ und in der eile verbun-
den/ daß er noch das Leben behielt/ wiewol er an beyden Armen lahm blieb. Die Kauff Ge-
ſelſchafft erfreuete ſich des Sieges hoͤchlich/ tahten unſern Helden groſſe Ehre an/ und lieſ-
ſen Tyriotes nebeſt den unſern (welche etliche/ wiewol geringe Wunden bekommen hattẽ)
fleiſſig verbinden/ ſetzeten ihren Weg fort/ und merketen unterſchiedliche Raͤuber Schaar
auff der folgenden Reiſe/ welche aber/ umb daß ſie zu ſchwach waren/ nicht anſetzen durfftẽ.


Der verwundete Kleon ward von Fr. Statiren fleiſſig gewartet/ die ſich gegen ihn
hefftig verliebet befand/ daher ſie ihn taͤglich beſuchete und troͤſtete/ daß ſie willens waͤhre/
ihn vor ihren Diener anzunehmen; ja ſie ſcheuhete ſich nicht/ der Verbindung ſelbſt beyzu-
wohnen/ und ſeines Leibes Geſtalt zubeſichtigen/ wodurch ſie je mehr und mehr zu unzimli-
chen Begierden gereizet ward/ welche ſie/ da er wieder gehen kunte/ ihm nicht lange verber-
gen wolte/ ſondern unverſchaͤmter weiſe andeutete/ ſie haͤtte eine ſonderliche Zuneigung zu
ihm/ weil ſie aus ſeiner Tapfferkeit und guter Leibesgeſtalt leicht urteilete/ daß er nicht von
Knechtiſchen Eltern/ ſondern von gutem Adel müſte entſproſſen ſeyn. Dieſer Anmuhtung
ward ſein Gemuͤht verworrener/ als alles uͤbrigen Ungluͤks/ wolte auch ſolche Reden nicht
verſtehen/ ſondern als haͤtte ſie etwa von ehrlicher Huld und Gnade geredet/ gab er demuͤh-
tig zur Antwort: Er bedankete ſich der hohen Gnade/ die er nicht verdienen koͤnte/ mit Bit-
te/ in derſelben beharlich zuverbleiben; Er hingegen wolte in allen Ehrendienſten ſich alle-
mal als ihren bereitwilligſtẽ Knecht finden laſſen; welches ſie aber ſeiner Einfalt zuſchrieb.
Zween Tage nach ſeiner voͤlligen Geſundheit empfing Nabarzanes Schreiben von ſeinem
Fuͤrſten Gobares/ zu ihm zukommen/ dahin er ſeinen neuen Diener Kleon mitzunehmen
willens wahr; weil aber ſein Gemahl es nicht zugeben wolte/ einwendend/ dz der Fuͤrſt ihm
allemahl ſeine beſten Diener abſpaͤnſtigte/ ließ er ihn daheim/ mit Befehl/ ſeinem Gemahl
in allem volkommenen Gehorſam zuleiſten; Dieſer waͤhre ungleich lieber mitgereiſet/ ſahe
aber/ daß die Frau es verhinderte/ deſſen Urſach ihm ſo gar unbewuſt nicht wahr; wie ſie
dann uͤberdas ihm ſolches noch deſſelbigen Tages nach ſeines Herrn Abſchied ſo viel klaͤ-
rer zuverſtehen gab/ da ſie ungeſcheuhet zu ihm ſagete: Mein geliebter Kleon/ als Bruder/
ihr habt meine herzliche Gewogenheit vor weniger Zeit von mir verſtanden/ welche ſieder
dem ſich nicht gemindert/ ſondern groͤßlich gemehret hat; und warumb ſolte ichs euch viel
mit verbluͤmter Rede vortragen? Meine Meynung iſt/ daß ihr meiner Hulde/ als eines
geliebeten und ergebenen Buhlen ſollet maͤchtig ſeyn; koͤnnet euch demnach wol ruͤhmen/
daß wegen eurer guten Geſtalt/ Sitten und Tapfferkeit ich euch daſſelbe anbiete/ was groſ-
ſe Herren mit trefflichen Geſchenken vergeblich geſucht haben. Kleon ſahe des Weibes un-
verſchaͤmte Kuͤhnheit/ wuſte nicht/ was er ihr antworten ſolte/ und ſagete endlich: Gnaͤdi-
ge Frau; mir zweifelt nicht/ Eure Gn. in Betrachtung ihres und meines Standes/ ein ſol-
ches nur zum Scherze reden/ um mich zupruͤfen/ ob ich ſo kuͤhn ſeyn/ uñ meinem Gn. Herꝛn
einige Schande an ſeinem allerliebſten Gemahl anzulegen mich duͤrffte geluͤſten laſſen/ wo-
vor mich aber die Goͤtter ſchon behuͤten werden; bitte demnach untertaͤhnig/ dieſelbe wolle
O o o oauff
[658]Drittes Buch.
auff andere wege meine Traͤue zuerforſchen ihr gnaͤdig belieben laſſen; Ich verſpreche deꝛ-
ſelben bey meiner hoͤchſten Pflicht/ daß ungeachtet meiner Einfalt/ ich wol gelehrt bin/ mich
der geſtalt zuverhalten/ daß ich mit keinem Gedanken begehren ſol/ was ihrer Gn. und mei-
nem Gn. Herrn irgend kan verweißlich feyn; Weil dann Eure Gn. dieſe meine Erklaͤrung
wol vernommen/ bitte ich untertaͤhnig/ bey meinem Gn. Herꝛn nicht allein mich beſter maſ-
ſen zubefodern/ ſondern vor ſich ſelbſt meine Gn. Frau zuverbleiben. Dieſe gedachte añoch/
er verſtuͤnde ihr anmuhten nicht recht/ wolte ihn doch vor dißmahl weiter nicht anſtraͤngẽ/
ſondern nur ihreꝛ Liebe ihn zuverſichern/ ſagte ſie: Mein herzgeliebeter Freund/ verſehet euch
zu mir aller redlichen Traͤue/ und gedenket nicht/ daß eine ſolche boßhaffte Falſcheit in mei-
nem Herzen wohne/ dann verfluchet muͤſte ich ſeyn/ wann durch der Zungen Stellung ich
euch Stricke legen/ und bey meinem mir ohnd as unangenehmẽ Gemahl euch Leibesgefahr
erwecken wolte/ ſondern was ich rede/ das meyne ich/ deſſen ich euch ein Schweſterliches
Zeichen blicken laſſen wil; worauff ſie ihn freundlich umfing/ und ſich hoch verpflichtete/
nimmermehr zuzugeben/ daß ihm einige Widrigkeit begegnen ſolte/ die ſonſt abzuwenden/
in ihrer Macht ſtuͤnde. Kleon wahr faſt willens/ ihr ſolches anmuhten mit duͤrꝛen Worten
abzuſchlagen; weil er aber wuſte/ daß ſie Herr im Hauſe wahr/ widerſprach er zwar nicht/
und gab doch durch ſtilleſchweigen gnug an den Tag/ wie ſehr ihm ſolches zuwider wahr.
Hingegen legete ſie es ihm vor eine Bloͤdigkeit aus/ aber zur Verſicherung ihrer gewogen-
heit/ muſte er zu Abend mit ihꝛ Mahlzeit haltẽ/ ungeachtet alles vor gebrachten einwendens.
Sie zechete zimlich mit ihm loß/ und fuͤhrete allerley Geſpraͤch zur Liebesreitzung/ wobey ſie
ſich offt leichtfertig gnug bloͤſſete/ biß ſie ihm endlich zumuhtete/ es waͤhre zeit/ ſich an die ru-
he zulegen/ und weil ſie allein zuſchlaffen/ gar zu furchtſam waͤhre/ ſolte er ihr allerliebeſter
Schlaffgeſelle ſeyn. Er aber wolte dieſem Feur ſo nahe nicht kommen/ und bꝛachte zur Ent-
ſchuldigung vor/ es wuͤrde ihm ſolches von andern uͤbel ausgelegt werdẽ/ als die daher un-
zimliche Gedanken ſchoͤpffen koͤnten/ da er dann lieber unſchuldig ſterben/ als hierzu urſach
geben wolte; Jedoch ihrer grauenden Furchtſamkeit vorzukommen/ waͤhre er erboͤhtig/ ne-
ben anderen ſeinen Mitknechten vor ihrem Gemache die ganze Nacht zuwachen. Ihr ſeyd
gar zu einfaͤltig/ ſagete ſie/ dann ihr hoͤret ja/ daß umb Liebe willen ich euch zu mir nehmen
wil/ und ihr wollet noch Schildwache dabey ausſetzen? So kommet nun/ und laſſet uns
gehen/ die Freude zunehmen/ welche Zeit und Gluͤkſelbſt an die Hand gibt. Hiemit faſſete
ſie ihn an/ und wolte ihn mit ſich in die Kam̃er fuͤhren; deſſen er ſich aber wegerte/ und mit
demuͤhtigen Worten baht/ ſolcher unzimlichen Gedanken muͤſſig zugehen; Er waͤhre ein
armer Knecht/ und muͤſte ohn Gnade ſterben/ da ein ſolches von ihm auskaͤhme; ja wann
ſie nach begangener Suͤnde ſich eines beſſern bedaͤchte/ wuͤrde ſie ihn deswegen ſelbſt aus
dem Mittel raͤumen/ und ihm tauſendmahl feinder werden/ als ſie ihm anjetzo Gnade ſehen
lieſſe. Dieſer abſchlaͤgigen Antwort meynete ſie vor Liebe und Ungeduld zuberſten/ und ſa-
gete: O du und ankbahrer/ haͤlteſtu mich ſo unwert und veraͤchtlich/ da ich doch Macht und
Gewalt uͤber dein Tod und Leben habe? Sihe da/ ich ſchwoͤre dir bey der getraͤuen aufrich-
tigen Liebe/ ſo ich dir und ankbahren angebohten/ daß wo du miꝛ nicht mit gutem Willen fol-
gen/ und ehe dann eine Viertelſtunde vergehet/ dich bey mir liebhaft einſtellen wirſt/ du moꝛ-
gen ſolt ans Kreuz gehefftet/ und durch die allergrauſameſte Pein hingerichtet werden.
Ging
[659]Drittes Buch.
Ging mit dem Worte von ihm in die naͤheſte Kammer/ entkleidete ſich daſelbſt bey einem
Liechte/ und ließ die Tuͤhr offen ſtehen. O waͤhre ich nun noch in meiner erſten Dienſtbar-
keit/ ſagte Kleon bey ihm ſelber/ wie gerne wolte ich den Ochſenſtecken leiden/ und mit Waſ-
ſer und Brod vorlieb nehmen; beſan ſich ein wenig/ und den gewiſſen ſchmerz-ſchmaͤhlichẽ
Tod vor Augen ſehend/ ſagete er als ein Heyde in ſeinem Herzen: Nun wirſtu ja unver-
meidlich gezwungen/ boͤſes zubegehen/ und muſt zur Rettung deines Lebens das tuhn/ was
du nie bedacht geweſen biſt vorzunehmen. Ging darauff hin in die Kammer/ ſetzete ſich vor
ihr in die Knie/ und ſagte: Gn. Frau; ich bitte demuͤhtig umb Gnade und Vergebung/ daß
dieſelbe ich mit meinen Reden erzuͤrnet habe/ dann ich weiß auch dieſe Stunde noch nicht/
ob ihre Gn. in Ernſt und aus Liebe/ oder nur zum Verſuch mit mir geredet habe; Zwar wz
ſolte ich hoͤhers wuͤnſchen koͤnnen/ als die Liebe einer ſolchen vortreflichen ſchoͤnen Frauen?
weil aber in Anſehung meines Standes ich mir ſo groſſes Gluͤk nicht einbilden kan/ bitte
ich nochmahls untertaͤhnig/ mir ihre ernſtliche Meynung gnaͤdig erkennen zugeben. Als ſie
ihn nun dergeſtalt nach ihrem Willen reden hoͤrete/ richtete ſie ihn auff/ und nach freundli-
chem umfahen beteurete ſie ihm aͤidlich/ ſie ſuchete nitſein Verderben/ ſondern aus inbruͤn-
ſtiger Liebe bezwungen/ haͤtte ſie ihm vertrauliche Freundſchafft angebohten; loͤſchete nach-
gehends dz Liecht aus/ uñ nachdem eꝛ die Kleid’ abgelegt hatte/ fuͤhꝛte ſie ihn mit ſich zu Bette;
nach welcher Wilfahrung er bey ihr in beharlicher Gunſt verblieb/ dañ ſie nam ihr gaͤnzlich
vor/ ihn nim̃ermehꝛ von ſich zulaſſen. Alſo muſte er wider ſeinen Willen dieſer Zirze als ein
Ulyſſes 13 Wochenlang aufwarten/ in Hofnung/ es wuͤrde ſich gelegenheit eraͤugen/ davon
zukom̃en/ uñ ſeinẽ Ladiſla nachzuſetzen. Nach ſteben Tagẽ kam Nabaꝛzanes wieder zu hauſe/
gruͤſſete ſein Gemahl des Fuͤrſten wegen freundlich/ und daß er nach Verlauff IX Tage bey
ihr ſeyn wuͤrde. Sie bedankete ſich deſſen/ und hieß ihn mit ſuͤſſen Worten wilkom̃en ſeyn/
welches ſonſt ihre Gewohnheit nicht wahr/ ruͤhmete auch den neuen Diener Kleon/ wie er
in Bereitung ſeiner Pferde ſo trefflichen Fleiß angewendet/ und in dieſer kurzen Zeit ſie
huͤbſch abgerichtet haͤtte; Sie haͤtte vorlaͤngſt gerne einen ſolchen Diener haben wollen/
und weil ſie ihn nunmehr nach Wunſch uͤberkommen/ gedaͤchte ſie ihn zeit ihres Lebens nit
zuuͤbergeben; ſo hielte er auch ſeine beyden Soͤhne/ ihre Stief Kinder in feinem gelinden
Zwange/ und braͤchte ihnen alles mit Luſt bey; daß nun der gute Kleon in dieſem Fleiſſe
moͤchte erhalten werden/ ſolte er ihn frey laſſen/ jedoch daß er zuvor einen aͤid leiſtete/ ohn
Urlaub nicht wegzuſcheiden. Nabarzanes ließ ihn vor ſich fodern/ taht nicht des gleichen/
ob haͤtte er von ſeinem Gemahl dieſes vernommen/ ſondern fragete ihn/ ob er ſeinem befehl
nachgelebet/ und in ſchuldigem Gehorſam ſeinem Gemahl auffgewartet haͤtte; Und als er
zur Antwort gab/ er hoffete nach ſeinem Vermoͤgen getahn zuhaben; fing ſie von neuen an/
ihn in ſeiner Gegenwart zuruͤhmen; daran Nabarzanes groſſes gefallen trug/ nebeſt dem
ernſtlichen Geboht/ er ſolte ſeiner Schuldigkeit weiter alſo nachkommen; dann wo ſein Ge-
mahl in einiger Sache uͤber ihn klagen wuͤrde/ ſolte er an ihm einen ungnaͤdigen Herꝛn ha-
ben. Kleon lachete des geduldigen Tropfes/ und erboht ſich zu aller Moͤgligkeit. Daran er-
fuͤlleſtu meinen Willen/ ſagte ſein Herr/ und weil ich willens bin/ dich ihr zum Diener zuuͤ-
bergeben/ wil ich dich von Knechtiſcher Leibeigenſchafft frey laſſen/ doch daß du mir aͤidlich
angelobeſt/ ohn Vorſatz des ausreiſſens bey mir zuverbleiben. Dieſer wahr nicht willens/
O o o o ijſich
[660]Drittes Buch.
ſich dergeſtalt zuverbinden/ und gab zur Antwort: Gn. Herr/ da ihre Gn. einiges Miß-
trauen in mich ſetzen/ warumb wollen die mich dann frey geben? den aͤid zu leiſten/ wuͤrde
ich mich nicht wegern/ aber was iſt Euer Gn. damit geholffen? Wer zum Buben werden
wil/ achtet geſchwornen aͤid gar wenig; ſo habe ich uͤberdas ſolche Freyheit/ daß ich groͤſſe-
re nicht begehre noch begehren kan. Ich wil aber nicht zugeben/ ſagte Fr. Statira/ daß ihr
laͤnger in knechtiſcher Dienſtbarkeit/ ſondern forthin als ein Freyer leben ſollet/ wie ihr in
dieſer kurzen Zeit es wol verdienet habet/ und noch in kuͤnfftig beſſer verdienen werdet. Al-
ſo ſprach ihn Nabarzanes frey/ und ſie ließ ihm ein ſchoͤnes Scharlaken Kleid hohlen/ wel-
ches ſie ihm hatte machen laſſen/ da er nicht viel geringer als ſein Herr ſelbſt/ auffgezogen
kam/ da ſie ihm uͤberdas einen Leibdiener hielt. Sie trieb aber ihre Bulerey ſo unbeſonnen/
daß Nabarzanes handgreiflich ſpuͤrete/ es ginge nicht allerdinge recht zu/ durffte ſie doch
daruͤber nicht zu rede ſtellen/ weil er ihr ſchon die Freyheit gegeben hatte/ mit Fürſt Goba-
res ſolche unzulaͤſſige Freundſchafft zuhalten; dannoch verdroß ihn/ daß ſein Knecht mit
ihm in ehelicher Gemeinſchafft ſitzen ſolte/ daher ward er zu rahte/ ihn zubeurlauben/ foder-
te ihn vor ſich/ und ſagete: Kleon/ deine Dienſte gefallen mir nicht alle mahl/ und gibt mir
zimlichen Verdacht/ daß du ſo wol gehalten biſt; ſo habe ich mich nun berahten/ dich meineꝛ
Dienſte zuerlaſſen/ daß du nach belieben einen andern Herrn/ oder vorige Freyheit ſucheſt.
Niemand wahr hierzu lieber als Kleon; dann vorerſt wahr er der gezwungenen unbillichẽ
Liebe von herzen uͤberdruͤſſig; vors ander begehrete er nichts mehr/ als die Freyheit zu ha-
ben/ ſeinen liebſten Ladiſla und Herkules zuſuchen; und gab ihm dieſe Antwort: Gnaͤdigeꝛ
Herr/ ich bedanke mich untertaͤhnig vor dieſe Gnade/ nebeſt dienſtlicher Bitte/ mir bey ſei-
nem Gemahl gleichmaͤſſige Beurlaubung zuerlangen; hat aber mein Herr irgend einen
Verdacht auff mich/ traͤgt er ſelber ſchuld daran/ nachdem er mir bey verluſt ſeiner Hulde
gebohten/ ſeinem Gemahl in allem zugehorchen/ welches ich leiſten/ oder der Straffe von
beyden gewaͤrtig ſeyn muß; hoffe gleichwol nicht/ daß er gar zu ungleiche Gedanken haben
werde. Solche Meynung hat es nicht/ ſagte er/ nur du haſt meinen endlichen Willen ver-
ſtanden. Ja/ antwortete Kleon/ dem wil ich alsbald und von herzen gerne nachkommen/ da
mirs nur ſo gut werden kan/ welches bey meiner Gn. Frauen mir zuerlangen/ ihr alles eueꝛ
Vermoͤgen anzuwenden habt. Ging darauf in den Stall/ ſattelte ſein Pferd/ legte die Waf-
fen an/ und machete ſich fertig/ als einer/ der ſtuͤndlich reiſen wil; wiewol ihm gnug bewuſt
wahr/ daß nichts draus werden wuͤrde. Die Frau ſahe ihn im Harniſche daher treten/ und
das Pferd bey dem Zügel fuͤhren/ fragete ihn auch mit Beſtuͤrzung/ was dieſes bedeutete.
Mein Gn. Herr/ ſagete er/ hat mir den Dienſt aufgekuͤndiget/ und daß ich bey Soñenſchein
ſein Schloß raͤumen ſolle; weil ich dann wider deſſen Willen nicht laͤnger bleiben darff/ uñ
er mir nichts zuverzehren gegeben/ bitte Eure Gn. ich untertaͤhnig umb etwz noͤhtigeꝛ Rei-
ſekoſten/ und daß dieſelbe zuzeiten ihres Kleons eingedenke ſeyn wolle. Sie lachete des vor-
bringens/ ihn fragend/ wz vor Luſt ihm dieſer kurzweilige Aufzug gaͤbe. Als er aber beſtaͤn-
dig dabey verblieb/ nebeſt Erinnerung/ er fuͤrchtete ſehr/ ſein Herr haͤtte ihres Liebetuhns
wahr genommen/ und duͤrffte ihm wol gar nach Leib und Leben ſtehen/ daher ers vor ein
Gluͤk rechnete/ daß er alſo davon kaͤhme/ auch daneben baht/ ſie moͤchte an ſeinem Tode nit
urſach ſeyn/ er hoffete gelegenheit zuhaben/ ihr hernaͤhſt beſſer und laͤnger zudienen; Da er-
zuͤrnete
[661]Drittes Buch.
zuͤrnete ſie ſich hefftig/ und ſagete: Was? hat euch der Eſel beurlaubet? Lieber komt mit
mir/ ich wil ihn ſchon lehren meinen Freunden auffzudanken. Weil er nun wuſte/ daß er
nicht kunte erlaſſen werden/ und Luſt hatte/ dieſes Spiel anzuſehen/ ging er mit ihr/ da ſie
mit grimmigen Augen und zitternder Stimme den armen Nabarzanes alſo anfuhr: Du
nichtswerter fauler Tropff/ was haſtu meinem lieben Diener auffzukündigen? Bald
ſage mirs/ oder ich wil dir die Augen aus dem Kopfe kratzen. Der elende Menſch erſchrak
deſſen ſo hart/ daß er kein Wortſprechen kunte/ da Kleon zu ihm ſagete: Gn. Herr/ ver-
denket mirs nicht/ dañ ich bin willig/ dieſe Stunde eurem Befehl nachzukommen. Was?
ſagete ſie/ ſoltet ihr davon reiten? ehe wolten wir dieſen unnuͤtzen Hund die Steige hin-
unter werffen; uñ was nennet ihr ihn einen gnaͤdigen Herrn? er iſt ein unachtſamer Hud-
ler. Aber/ antworteſtu mir nichts? ſagete ſie zu Nabarzanes: Warumb wiltu meinen lie-
beſten Diener vertreiben? Tuht gemach Frau/ tuht gemach/ antwortete er; Es gebuͤhret
ſich nicht/ dz ein Weib den Diener mehr als den Herrn liebet; gehet in euch/ wie viel Wil-
len ich euch gegoͤnnet habe/ und noch goͤnne/ wann es Zeit und Gelegenheit giebet/ und be-
ſchimpfet mich nicht ſo hoch/ daß ihr einen gefangenen Knecht zu lieben waͤhlet; ich habe
dieſe Zeit her gnug geſpuͤret/ aus was Urſachen ihr ihn bey meiner Wiederkunft ſo treflich
ruͤhmetet; daher ſage ich nochmahl/ bedenket euch eines beſſern/ und boͤſes Geruͤchte zu-
vermeiden/ laſſet ihn zihen/ nachdem er von mir Abſcheid bekommen hat. Als ſie dieſes
hoͤrete/ ſchrihe ſie Zeter und Mord uͤber ihn/ verſtellete die Geberden dergeſtalt/ daß Kleon
ein Abſcheuh davor hatte: O du meinaͤidiger Kerl/ ſagete ſie/ wolteſtu meinen Kleon/ die-
ſen aͤdlen und tapferen Kleon verachten/ deßgleichen mir nie vorkommen iſt/ welcher dir
dein Leben gerettet; ja/ welcher mehr Vernunft und Geſchikligkeit in ſeinem kleinen Fin-
ger/ als du ungewaſchener Flegel in deinem ganzen Leibe haſt? Sihe da; nach dem dichs
verdꝛeuſt/ daß ich etwas auf ihn halte/ wil ich ihn erſt lieben/ uñ dir zu troz ihm alle Freund-
ſchafft erweiſen. Er iſt mein Diener; und wiltu es recht wiſſen? er iſt mein Freund; und
troz ſey dir gebohten/ daß du mir ihn beurlaubeſt. Damit wendete ſie ſich mit freundlichen
Geberden hin zu Kleon und ſagete: Mein lieber Freund/ nicht kehreteuch an dieſes loſen
Mannes Reden/ ihr wiſſet daß ihr mein Diener ſeid/ darumb ſollet ihr hinfuͤro ihn nicht
hoͤren/ wann er euch von Abſcheid ſagen wuͤrde. Weil ſie dieſes redete/ machete ſie ſich an
ſeinen Harniſch/ guͤrtete ihm denſelben ab/ und in dem ſie ihn umbfing/ ſagete ſie: Kom̃et
mein Freund/ wir wollen uns an dieſen nichtigẽ Holzbok nichts kehren. Nabarzanes ſeuf-
zete hieruͤber ſehr tieff/ und ſagete: Wann ihr dañ euren Kleon gar nicht laſſen wollet/ wil
ich endlich zu frieden ſeyn/ doch dz ihr ihn nicht mehr in meiner Gegenwartſo lieblich um-
fahet/ als jezt geſchehen iſt; und wollet ihr hierin mein nicht ſchonen ſo ſchonet. Des Fuͤr-
ſten wolte er ſagen: Aber ſie fiel ihm in die Rede; weſſen ſolte ich ſchonen? wollet ihr un-
gleiche Gedanken aus meinem umbfahen nehmen? Waͤhre ich des Sinnes/ ich wuͤrde in
eurer Gegenwart mich ſchon wiſſen zu maͤſſtgen; Unſere Liebe beſtehet auff Freundſchaft/
die mir kein Menſch nicht wehren ſol noch kan. Wer wolte ein anders gedenken/ antwor-
tete der verzagete Tropff/ nach dem eure Redligkeit mir viel zu wol bekant iſt; nur rede ich
ſolches aus guter Meinung/ damit nicht andere ein mehres argwohnen/ als es an ihm ſel-
ber iſt. Kleon lachete des geduldigen Menſchen/ und ſagete: Mein Herr/ ihr habt gar ein
O o o o iijbloͤdes
[662]Drittes Buch.
bloͤdes Gchirn/ und koͤnte ich eine Sache nicht beſſer außfuͤhren/ wuͤrde ichs nicht anfan-
gen; doch werde ich hernaͤhſt meines freien Willens Leben/ weil ihr mir eins vor alles auf-
gedanket habet. Die Frau hatte nun was ſie ſuchete/ und gab ihrem Nabarzanes zur Ant-
wort: Mit eurem lezten Erbieten wil ich zu frieden ſeyn/ doch ſol Kleon nach dieſem nicht
mehr als ein Diener auffwarten/ ſondern als ein guter Freund mit uns ſtets zu Tiſche ge-
hen. Der elende Menſch wahr mit allem friedlich/ und rechnete es vor ein Gluͤk/ daß er
nicht gar außgeſchloſſen ward.


Auff die angeſetzete Zeit ſtellete Fuͤrſt Gobares ſich ein/ welches Statira vor diß-
mahl lieber haͤtte gelaſſen ſehen/ da Kleon bey der Mahlzeit in guter Hoͤffligkeit auffwar-
tete/ daß der Fuͤrſt ihm beſondere Gnade zulegete. Nabarzanes hatte ſein Gemahl aus
dieſes Fuͤrſten Frauenzimmer geheyrahtet/ ungeachtet der Fuͤrſt ſchon etliche Jahr ihrer
gute Kundſchafft gehabt/ hatte ſie ihm auch mit dieſem außdruͤklichen Vorbehalt auß-
folgen laſſen/ daß/ ſo oft er zu ihm kom̃en wuͤrde/ er ſeiner alten Liebe Freiheit haben moͤch-
te/ welches dieſer naͤrriſche Menſch/ aus blinder Liebe eingangen wahr/ und nachgehends
nicht wiederruffen kunte. Der Fuͤrſt fragete ihn/ was vor einen wolgeſchaffenen Diener
er haͤtte/ welchen er vor nie bey ihm geſehen; worauff er antwortete: Er haͤtte vor etlichẽ
wochen ihn in einem Flecken bekommen/ waͤhre durch Raͤuber Haͤndein Dienſtbarkeit ge-
rahten/ und ſonſt der Geburt nach/ adeliches herkommens aus Griechenland. Bald fra-
gete ihn der Fuͤrſt von neuen Zeitungen; dem er ſo zubegegnen wuſte/ daß er ſonderliches
Wolgefallen daran hatte/ und ihm alle Gnade verſprach; welcher Gelegenheit ſich Kleon
bedienete/ und dem Fuͤrſten klagete/ wie unbarmherzig er von ſeinem vorigen Herrnge-
halten waͤhre/ baht auch untertaͤhnigſt/ ihre Fuͤrſtl. Durchl. wolten in ihrem Lande gnaͤ-
digſt anordnen/ daß aͤdelgebohrne Leibeigene/ wegen ihres Adelſtandes nicht ſchnoͤder als
andere gehalten wuͤrden/ wie ihm leider begegnet waͤhre/ daß er ſtets haͤtte muͤſſen auff dem
Brodte freſſen/ der Adelſtand waͤhre zu nirgend nuͤtze/ weil er ſich nicht auff Handwerke le-
gete/ daheꝛ man Vortel ſchaffen koͤnte; welche Verſchmaͤhung ihm ſchmerzlicher als deꝛ
Tod ſelbſt/ geweſen waͤhre. Fr. Statira kam ihm hieſelbſt zu huͤlffe/ und baht den Fuͤrſten/
ſolchen Schimpff zu eifern/ als welcher dem ganzen Adel hoͤchſt verweißlich waͤhre/ und
nicht auffhoͤren wuͤrde/ biß an einem und andern Adelfeinde eine ernſtliche Straffe ergin-
ge. Der Fuͤrſt wahr ihr gerne zugefallen/ und ſagete zu Kleon: Ich moͤchte einen ſolchen
Schelm/ wie dein voriger Herr iſt/ wol ſehen und reden hoͤren; drum ſo nim meine Die-
ner zu dir/ und hohle ihn heruͤber; finde ich ihn dañ dieſes Frevels ſchuldig/ wil ich ihm ei-
ne recht wirdige Urtel ſprechen/ und ihn dir zum Leibeigenen ſchenken/ damit du gnugſame
Rache wieder ihn anſtellen koͤnneſt. Kleon/ welcher ohndz rachgierig wahr/ erfreuete ſich
deſſen hoͤchlich/ bedankete ſich der groſſen Gnade/ und ritte mit IIX Fuͤrſtlichen Reutern
nach dem Flecken/ beſetzete rings umbher das Hauß/ als er ſeiner Anweſenheit verſtaͤndi-
get wahr/ und ging zu ihm in die Stube/ gleich da er mit ſeinem Weibe Mahlzeit hielt/
rieff ſeine Reuter auch herzu/ und redete anfangs freundlich mit ihm/ da er begehrete/ er
ſolte ihm und ſeiner Geſelſchaft vor gute bezahlung etlicheleckere Speiſen und den beſten
Wein aufftragen/ dann er muͤſte in dieſem Hauſe auch einmahl gut Geſchir machen/ da
er ehmahls ſo groſſes Ungemach außgeſtanden haͤtte. Dem Weibe begunte Angſt zu wer-
den/
[663]Drittes Buch.
den/ Orſillos aber/ nach ſeiner Verwaͤgenheit/ fragete ihn/ wer ihn ſo kuͤhn gemacht haͤtte/
ohn gebehtenes Urlaub in ſein Hauß zutreten; weil er auch an ſeine lezten Draͤuworte ge-
dachte/ redete er ihm hoͤniſch zu: Ob er in ſo kurzer Zeit haͤtte Herr zu ſpielen/ gelernet; er
muͤſte gemach fahren/ und nicht uͤber knechtes Stand ſich erheben. Worüber Kleon von
Zorn und Grim entbrante/ und ſchier Hand an ihn gelegt haͤtte/ zwang ſich noch ein/ und
ſagte zu ihm: O du boßhafter unbarmherziger Schelm/ gedenkeſtunicht/ daß nach geen-
deten Dienſt Jahren der Zahlungs-tag endlich herbey komt? Stelle dir nun vor Gedaͤcht-
nis allen Frevel und Boßheit/ ſo du mir angeleget haſt/ und ſchicke deine Haut/ daß ſie ein
gleichmaͤſſiges anzunehmen ſich nicht wegere: Band ihm damit die Haͤnde auff den Ruͤc-
ken/ und ſtellete ihm etliche unwuͤrſche Maulſchellen zu. Dieſer ließ ſich harter Draͤuwor-
te vernehmen/ er ſolte den Hunden zur Speiſe vorgeworffen werden/ daß mit einem freien
Suſianer dergeſtalt zuverfahren er ſich unternehmen duͤrffte. Kleon kunte ſich laͤnger nit
enthaltẽ ſein Muͤhtlein an ihm zu kuͤhlen/ uñ ſagete zu ihm: Was? darfſtu mir noch draͤuẽ?
hohlete den Ochſenſtecken von dem bekanten Orte/ welchen er oft hatte verdaͤuen muͤſſen/
und ſtriegelte ihn dergeſtalt/ daß ihn dauchte es koͤnte ſich zum anfange leiden/ weil er ſahe/
daß ihm die Ohmacht nicht ferne wahr. Das Weib fing an Zeter und Gewalt zu ruffen/
wolte auchzum Hauſe hinaus wiſchen/ die Nachbarn zur Huͤlffe auffzumahnen/ aber ſie
ward von einem Reuter mit harten Maulſchellen hinter ſich getrieben/ und an eine Saͤule
feſt angebunden. So bald Orſillos ſich etwas erhohlet hatte/ fragete ihn Kleon/ ob er an-
noch ſeine Reden nicht hoͤher als des Sperlinges Zwitzern ſchaͤtzete: Bekam aber keine
Antwort/ ohn daß er vorgab/ das Blad wuͤrde ſich bald wenden: Wovor ihm auffs neue
etliche gute Streiche zu teile wurden. Nachgehends fragete Kleon nach ſeinem Kleinot/
und welches er von Herrn Nabarzanes pfandsweiſe bekommen haͤtte. Dieſer antworte-
te: Es waͤhre dieſes annoch in guter verwahrung und ſolte gegen Einlieferung der ver-
ſprochenen Gelder ſich ſchon finden/ von mehrem wuͤſte er nichts/ als welches er ihm dazu-
mahl geſchenket/ und er vor 10 Tagen verkauft/ aber kaum 80 Kronen davor bekommen/
weil es alles von falſchen Steinen geweſen. O du Bube/ ſagete Kleon/ haͤtteſtu deinem
verſprechen nach mich etwas gelinder gehalten/ wolte ich dir nichts abfodern; aber deine
grauſame Unbarmherzigkeit hat dich deſſen unwirdig gemacht. Rieff dem Haußgeſinde/
und begehrete zu wiſſen/ ob ihr Herr die Kleinot verkaufft haͤtte; welche davon nichts zu
ſagen wuſten/ und muſte der Haußknecht friſche Ruhten herzuhohlen/ ſeinem Herrn die
Kleider abzihen/ und ihn am ganzen Leibe zerhauen/ biß er durch Schmerzen uͤberwundẽ/
ſich erboht/ alles herzulangen/ dann es wahr noch unverkauft. Die Nachbarn hoͤreten das
elende Geſchrey welches Orſillos bey der Geiſſelung trieb/ und kahmen haͤuffig her zu/ ihn
zu erretten; Sie kenneten aber des Fuͤrſten Reuter/ und empfingen von ihnen Bericht/ dz
alles aus ihres Herrn Befehl erginge; worauff ſie es geſchehen lieſſen/ weil ſie ohndas
ihm wenig gutes goͤnneten. Orſillos fragete Kleon ob er dann durch Ungluͤk in ſei-
ne Leibeigenſchaft gefallen waͤhre. Er aber gab zur Antwort/ er wuͤrde ſolchen Außſpruch
von ſeinem Landes Fuͤrſten ſelbſt hoͤren/ uñ ſich gefaſſet halten aller guttahten Vergeltung
zu empfahen: Legete ihm einen Strik umb den Leib/ und ſchleppete ihn durch Koht und La-
chen neben dem Pferde her/ biß er ihn dem Fuͤrſten darſtellete/ uñ alſo anfing: Durchleuch-
tigſter
[664]Drittes Buch.
tigſter Fuͤrſt/ Gnaͤdigſter Herr; hier ſihet eure Durchl. dieſes unbarmherzige Tihr/ den
abgeſagten Feind aller ritterlichen Tugenden/ welcher alle aͤdlen bloß darumb vernichtet/
daß ſie nicht ſo viel auff geizigen Vortel/ als auff Ehre ſehen/ daher er dann ſchlieſſen darf/
der Adel muͤſſe zu grunde außgetilget werden/ wo ſonſt ein redlicher Kauffmann ſein Ge-
werbe mit Nuz treibẽ ſol. Der Fuͤrſt gab Orſillos Freyheit/ ſeine Verantwortung zutuhn;
welcher darauff anfing ſich zubeklagen/ was geſtalt dieſer ſein ehemahliger Leibeigener ihn
einen freien Suſianer in ſeinen eigenen vier Pfaͤlen uͤberfallen/ gepruͤgelt/ mit Ruhten
zerhauen/ gefeſſelt/ und als ein unvernuͤnfftiges Vieh neben ſich hergeſchleppet; zweiffelte
nicht/ ſeine Fuͤrſtl. Durchl. wuͤrde ſolchen unerhoͤreten Frevel ungerochen nit laſſen hin-
gehen/ nachdem er ſich von Jugend auff als ein getraͤuer Untertahn erzeiget/ und ſeinen
Schoß/ Dienſte/ und andere Unpflichte allemahl gebuͤhrlich abgetragen haͤtte. Fuͤrſt Go-
bares erinnerte ihn/ er muͤſte vor ſolcher Klage zuvor auff die Beſchuldigung antworten/
als dann ſolte er zur Gnuͤge gehoͤret werden: Weil er ſich aber ſchuldig wuſte/ und von ſei-
nen eigenen Leuten leicht haͤtte koͤnnen uͤberzeuget werden/ baht er umb Gnade/ zur Ent-
ſchuldigung anfuͤhrend/ er moͤchte etwa aus Eifer ein Wort zu milde geredet haben/ wo-
vor er ſeinem Gn. Fuͤrſten mit einem Stuͤk Geldes Abtrag machen wolte/ uñ ſich hernaͤhſt
aller ſolcher Ungebuͤhr gerne enthalten. Oho haſtu keine beſſere entſchuldigung/ ſagte der
Fuͤrſt/ biſtu aller Gnade unfaͤhig: Sprach ihm darauff dieſe Urtel; Kleon/ nachdem du
dieſem Buben ſo ſchwere Dienſtbarkeit haſt leiſten muͤſſen/ ungeachtet du ihm ſo groſſe
Schenkungen getahn/ ſol er dir davor zum Leibeigenen geliefert ſeyn/ deines gefallens mit
ihm zu ſchalten. Kleon nam den Außſpruch mit untertaͤhnigem Danke an/ ließ ſeinem Leib-
eigenen eine ſtarke Kette anlegen/ und ſetzete ihm eben ſo viel Tagewerk/ in ſeines Herrn
Mahrſtal und anderen unflaͤtigen Orten zuverrichten/ als er ihm hatte leiſten muͤſſen; weil
er aber ſchon zimlich bey Jahren wahr/ und ſeiner Glieder nicht ſo maͤchtig als Kleon/
kunte er die geſetzete Arbeit nicht außfuͤhren/ daher ihm allemahl vor Abends der Ochſen-
ſtecken mitgeteilet ward/ daß er ihm endlich vornam/ mit Kleon zuhandeln/ ob er ſich vor
ein gewiſſes Geld loßkaͤuffen koͤnte; aber er ward wegen des zumuhtens mit gleich ſolchen
Worten uñ Schlaͤgen empfangen/ als Kleon ehmahl/ da eꝛ um verkauffung ſeiner/ anhielt/
daß er nur ſtets des Todes begehrete. Dieſe Tage lebete Fr. Statira mit Fuͤrſt Gobares
nach ihrer alten Gewohnheit/ wie wol mehr aus Zwang als gutem Willen/ dann ſie hing
ſo gar an ihrem Kleon/ daß ſie keines anderen neben ihn achtete; weil ſie es aber nicht en-
dern kunte/ hielt ſie ihr Weſen ſehr geheim/ daß Kleon deſſen nicht innen werden moͤchte;
welcher aber ſo einfaͤltig nicht wahr/ daß er dieſen Braten nicht zeitig gerochen haͤtte. Was
ſolte er aber machen? er waͤhre gerne davon geweſen; ſolte er nun außreiſſen/ uñ man wuͤr-
de ihn in der Flucht wieder ertappen/ muͤſte er ohn Gnade eines abſcheuhlichen todes ſter-
ben; ſo wahr er in einem fremden unbekanten Lande/ wuſte weder Wege noch Stege/ hat-
te auch keinen andern Menſchen/ der ihm davon Unterricht geben moͤgen/ und welches
das aͤrgeſte wahr/ gab Statira ſo genaue acht auff ihn/ daß ihm unmoͤglich wahr/ ſich fuͤg-
lich und bewapnet von ihr loßzuwirken/ dann ſie hatte ihr Geſinde/ welches auff alles ſein
Tuhn und laſſen fleiſſig merken muſte; ward alſo gezwungen/ ſich in ſein Ungluͤk zuſchicken/
biß ihm etwa Gelegenheit vorfallen wuͤrde/ ohn ſondere Gefahr davon zu ſtreichen/ und ſo
lange
[665]Drittes Buch.
lange umher zu reiten/ biß er etwas von Ladiſla oder Herkules koͤnte in erfahrung bringen/
wornach ihn am allermeiſten verlangete.


Zu Ekbatana muſte ſich Herkules auch wieder ſeinen Willen auffhalten/ woſelbſt er
von hohen und nidrigen ſehr geliebet und geehret ward/ bekam auch von dem Groß Fuͤrſtẽ
die Zuſage/ er wolte ſich der Fraͤulein Erloͤſung als ſeiner leiblichen Tochter laſſen ange-
legen ſeyn/ weil ſie von ihm/ (wiewol auff ihre felbſt eigene anſtraͤngung) zu abwendung
ſeiner Gefahr/ dah in geliefert waͤhre. Zween Tage nach ſeiner Ankunft hielt Pharnaba-
zus bey dem Groß Fuͤrſten an/ ein offenes freies Ritter-ſtechen außzuſchreiben/ daß man
ſehen moͤchte/ was vor wehrhafte Ritter ſich in ſeinem Lande fuͤnden/ deren man in kuͤnff-
tig ſich zugebrauchen haͤtte/ welches niemand ſo ſehr als Herkules zuwieder wahr/ und ſich
deſſen doch nicht durfte merken laſſen. Seine hefftige Liebe reizete ihn taͤglich zu der Reiſe
nach Charas; ſo wiederriet man ihm daſelbſt die Eilfaͤrtigkeit/ deſſen Urſach ihm unbewuſt
wahr/ und daher umb ſo viel deſtomehr ſorge in ſeiner Seele empfand; weil er aber nicht
wiederſprechen duꝛſte/ trieb er ſtark an/ daß das beſtimmete Ritterſpiel auffs ſchleunigſte
moͤchte fortgeſetzet werden/ welches aber erſt den 14den Tag hernach ſeinen Anfang nam/
damit es gleichwol durch die umbliegende Laͤnder in etwas lautbar werden moͤchte/ daher
fich auch inwendig ſolcher Zeit die Ritterſchaft daſelbſt in guter Anzahl einſtellete. Herku-
les beſchloß bey ſich/ nicht anders/ als auff verſtellete Weiſe bey dem Stechen zuerſcheinen/
und wahr ihm doch ſchwer/ einigem Menſchen mehr zu entdecken/ daß er durch Mittel des
Pulvers ſich unbekant machen kunte. Des naͤheſten Tages vor dem Stechen baht Phar-
nabazus/ er moͤchte im Rennen ihn zum Geſellen annehmen; er haͤtte noch fuͤnff feſte Me-
diſche Ritter/ mit deren Beyſtand und Huͤlffe er die uͤbrigen alle verſuchen wolte. Dieſer
entſchuldigte ſich/ er waͤhre ein Fremdling/ koͤnte durch dieſes Mittel ihm bey mannichem
groſſen Wiederwillen und Verfolgung zu wege bringen/ auch gar zubekant hie durch weꝛ-
den/ welches ſeinem Vorhaben ſehr ſchaͤdlich ſeyn wuͤrde; umb dieſer Urſach willen haͤt-
te er ihm vorgenom̃en/ dem Schimpffſpiel nur zuzuſehen. Nun haͤtte die Groß Fuͤrſtin ih-
rem lieben Bruder gerne eine ſonderliche Ehre gegoͤnnet/ wahr deßwegen auff ein Mittel
bedacht/ wodurch Herkules mit-ſtechen/ und doch unbekant bleiben moͤchte/ und ſagete zu
ihm: Da eure Liebe mir zur Freundſchafft mit Rennen wolte/ waͤhre ich geſonnen/ dem
Frauenzimmer durch dero Tapfferkeit eine ſonderliche Ehre zu erwerben/ im falle dieſelbe
unbeſchweret ſeyn koͤnte/ in Geſtalt und Kleidung einer Amazonin auff der Steche-Bahn
zuerſcheinen. Er antwortete mit laͤchelndem Munde: Euer Durchl. Vortrag waͤhre ſo
uneben nicht/ aber woher nehmen wir in der Eile die Amazoniſchen Waffen und Kleider?
Fehlet es ſonſten an nichts ſagte ſie/ koͤnte mein Gemahl eine zimliche Schaar Amazonin-
nen außruͤſten/ und ich die behoͤrigen Kleider ſchaffen. So bin ihrer Durchl. ich allemahl
bereitwilligſter Knecht/ antwortete er: Und iſt dieſes der geringſte Gehorſam/ welchen eu-
er Durchl. ich ſchuldig bin/ nur daß von meiner hochwerten Fraͤulein Barſenen ich ſehr
freundlich bitte/ ſie wolle mir erlaͤuben/ ihren Nahmen zu fuͤhꝛen; ihre Durchl. aber gnaͤ-
dig einwilligen/ daß ich nicht ſteche/ als unter der Bedingung/ daß wer durch mein Speer
gefellet wird/ ſich zu euer Durchl. verfuͤge/ und von derſelben drey Befehl empfahe/ wel-
che zu leiſten/ er bey ritterlichen Ehren ſol gehalten ſeyn. Der Ehꝛe bin ich nicht faͤhig/ ſagte
P p p pdie
[666]Drittes Buch.
die Groß Fuͤrſtin: So iſt auch ohn zweiffel mein Nahme zu unwirdig/ ſagte das Fraͤulein/
daß er von meinem Gn. Fuͤrſten gefuͤhret werde. Er hingegen erboht ſich alle Muͤhe an-
zuwenden/ daß dieſer Nahme unbeſchimpfet bliebe. Darauff gingen ſie mit einander nach
der Ruſtkammer/ und nahmen zierliche Amazoniſche Waffen heraus/ auch einen verguͤl-
deten/ und mit aͤdlen Steinen außgeziereten Bogen/ neben einen helffenbeinen Koͤcher
mit verguͤldeten Pfeilen/ die ihm ein Juͤngling in Amazoniſcher Kleidung nachfuͤhren ſol-
te. Der Helm wahr oben etwas zugeſpitzet/ und zu oberſt ein fligender Drache mit arffge-
ſperretem Rachen. Der Rock/ welchen die Groß Fuͤrſtin herzu brachte/ wahr ein trefliches
Guͤldenſtuͤk/ Leibfarbe durchſcheinend/ welcher nach Amazoniſcher Art nur etwas uͤber
die Knie reichete.


Ladiſla gelangete vier Wochen nach gehaltenem herben Kampffe wieder Hages/ in
einer Stad an/ woſelbſt er in einer Herberge zwoͤlf Mediſche Ritter antraff/ die er freund-
lich gruͤſſete/ und von ihnen hinwiederumb hoͤflich empfangen ward/ vernam auch bey der
Mahlzeit/ daß ein eilfertiger Poſt Reuter vermeldet haͤtte/ es wuͤrde zu Ekbatana ein rit-
terliches Stechen gehaltẽ werden/ dahin ſie zuzihen willens waͤhren. Er beredete ſich kuͤrz-
lich mit Leches/ in Geſelſchaft dieſer Ritter fortzureiſen/ weil er nicht beſſer/ als durch ſol-
che Gelegenheit von Herkules und ſeiner Fraͤulein Schweſter/ auch wol gar von Fabius
Zeitung erfahren koͤnte. Weil dann Leches ohn daß bey ſolchen Ritterſpielen ſich gerne
finden ließ/ riht er fleiſſig mit zu/ nur daß er fragete/ wie ſie es mit ihrem verwundeten Ty-
riotes machen wolten/ der am Fieber hart darnieder laͤge. Der muß uns nicht hinderlich
ſeyn/ ſagte Ladiſla/ kan er dann nicht mit reiten/ ſo laſſe er ſich heilen/ und folge nach. Auff
ſolchen gefaſſeten Schluß redete er die Verſamleten alſo an: Ich vernehme gerne/ daß eu-
re Tapfferkeit euch anſtraͤnget/ auff angeſetzetem Stechen/ Ruhm und Ehre zu ſuchen; ob
nun zwar meine Haͤuptreiſe eigentlich dahin nicht gerichtet iſt/ ſol mir doch dieſer Umb-
ſchweiff nicht verdrißlich ſeyn/ dafern meinen Herren es nicht mißfaͤllig iſt/ mich und mei-
nen Gefaͤrten in ihre Geſelſchafft auffzunehmen/ da wir dann alle Gefahr der Reiſe mit
ihnen gemein haben/ uñ unſer Leben neben das ihre zu algemeinem Schutze hinſtellen wol-
ken. Der anſehnlichſte unter ihnen antwortete: Sie laͤgen zu dem Ende alhier ſtille/ daß
ſie gute Geſelſchafft antreffen moͤchten/ weil ohn zweiffel das außgeſchriebene Ritterſpiel
die Straſſen unſicher machen duͤrfte; wuͤnſcheten demnach/ daß ihre Schaar fuͤnffmahl
ſtaͤrcker waͤhre/ und ſie deſto ſicherer durchgehen koͤnten. Boßhaffte Raͤuber/ ſagte Ladiſla/
ſollen uns wol ungeſchaͤndet laſſen/ wann wir uns mit allerhand Gewehr verſehen/ und
unſere Diener mit Geſchoß außruͤſten; ſo wollẽ wir gute feſte Speere neben den Schwer-
tern fuͤhren/ und unter der Goͤtter begleitung Morgen fruh auffbrechen/ vielleicht mehret
ſich unſer Hauffe auff dem Wege mehr als wir gedenken. Er befahl dem Wirte alsbald/
nach allerhand gutem Gewehr zu ſchicken/ welches er aus ſeinem Beutel bezahlete/ daß
ihrer ſchon 30 bewehrter Mann wahren: Durch welchen kuͤhnen Vorſchlag und ange-
wendete Koſten er erlangete/ daß ſie ihn einhellig zum Hauptmann auffworffen/ deſſen er
fich zwar wegerte/ aber doch endlich annehmen muſte/ wiewol er dieſe Bedingung hinzu
ſetzete/ das mit ſolchem Amte ſie taͤglich umbwechſeln wolten. Hernach fragete er den
Wund Arzt/ ob Tyriotes zum reiten duͤchtig waͤhre; uñ als er ein wiedriges vernam/ ließ eꝛ
ihm
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ihm durch Mardus andeuten/ er ſolte ſein wol pflegen/ und ſo bald moͤglich/ nach Ekbatana
folgen/ zu deſſen behuef er ihm 300 Kronen einreichete; welcher daher ſehr traurig ward/
und untertaͤhnig baht/ ihn nicht zuruͤcke zulaſſenz es waͤhre mißlich/ ohn ſtarke Geſelſchafft
durchzukommen; ſo befuͤnde er ſich/ daß er des reitens ungemach hoffete zuertragen/ wolte
doch lieber auff der Reiſe ſterben/ als von ſeinem Gn. Herrn geſchieden ſeyn. Ladiſla veꝛ-
wunderte ſich dieſer Traͤue/ und ließ einen ſanfften Wagen kauffen/ auf welchem der Kran-
ke ſolte mitgefuͤhret werden; nam noch deffelbigen Abends von ſeiner vorigen Geſelſchafft
Abſcheid/ und bedankete ſich ihres guten Schutzes. Des folgenden Morgens nam dieſe
ritterliche Schaar den naͤheſten Weg auff Ekbatana vor ſich/ und kam Ladiſla der Wagen
wol zu ſtatten/ auff welchem er ſeine Gelder und Kleinot fuͤglich mit fort bringen kunte.
Auff der Reiſe begegneten ihnen unterſchiedliche Raͤuber Schaaren/ die mannichen An-
fall wageten/ ſo hatten ſie auch zuzeiten Gefahr von wilden Tihren/ aber weil ihr Hauffe ſich
taͤglich mehrete/ und ſie unter unſers Helden vorſichtiger Anordnung ſich fleiſſig huͤteten/
gingen ſie allenthalben ſicher durch. Als ſie noch anderthalbe Tagereiſen nach Ekbatana
hatten/ und ſie uͤber LX bewehreter Mann ſtark wahren/ ſtieß von der linken Seite her ein
Hauffe von XXX teils geharniſchten/ teils gepanzerten Reutern auf ſie/ vor gebend/ ſie wol-
ten nach Ekbatana auff das Ritterſpiel/ und haͤtten Luſt/ in ihrer Geſelſchafft fortzugehen;
welches Ladiſla etwas verdaͤchtig vorkam/ weil ſie mehr auff Raͤuber- als Ritter-Art ge-
wapnet wahren/ hielt demnach mit ſeinen Leuten eine kurze Unterredung/ uñ nach gemach-
tem Schluſſe zeigete er ihnen an/ ſie wolten ihnen zwar nicht wehren/ mit fortzureiſen/ aber
umb Verdacht zumeiden/ wuͤrden ſie in einem abſonderlichen Hauffen allein reiten/ und
ihr Seitengewehr/ biß eine Meile an Ekbatana von ſich geben/ als dann ſolte ihnen Schutz
vor allen Anfall gehalten werden. Dieſen wahr ſolches ungelegen/ ſtelleten ſich doch demuͤ-
tig/ und gaben vor/ ſie wolten zwar ihnen hierin gerne gehorſamen/ aber vorerſtwuͤrde es
ihnen ſchimpflich ſeyn/ wehrloß zureiten; hernach kaͤhme es offt/ daß man unverſehens an-
gegriffen wuͤrde/ und man als dann das Gewehr zuſpaͤt ſuchete. Weil nun ſolche Entſchul-
digung einen Schein hatte/ und man ihnen doch wenig trauete/ muſte Leches mit 26 Ge-
harniſchten ſie ganz enge zwiſchen ſich nehmen/ und mit ihnen hinter dem ganzen Hauffen
herzihen/ ſo daß ſie keinen Raum zur Gegenwehr haben kunten. Als ſie etwa eine halbe
Meile fortgeritten wahren/ kam ein groſſer Hauffe in die LII ſtark von derſelben Seite her-
zu gerennet/ ſchicketen einen Reuter ab/ und begehreten zuwiſſen/ was vor Leute ſie waͤhren/
wohin ſie gedaͤchten/ und warumb man ihre Geſellen als gefangene eingeſchloſſen hielte/
welche ihnen doch kein Leid angetahn haͤtten. Ladiſla ſelbſt gab ihm zur Antwort: Die erſte
und andere Frage zubeantworten/ hielte man vor unnoͤhtig; das uͤbrige geſchaͤhe nicht/ je-
mand zubeleidigen/ ſondern ſich ſelbſt zuverſichern; drumb ſolte er hinreiten/ und alsbald
anzeigen/ weſſen man ſich zu denen/ ſo ihn abgeſand/ zuverſehen haͤtte/ als dann ſolte ihnen
beſſere Erklaͤrung mitgeteilet werden. Die XXX eingeſchloſſene begunten gelegenheit zu
ſuchen/ ſich loßzumachen/ aber Leches zeigete ihnen an/ dafern ſie nicht alsbald ihr Gewehr
willig von ſich geben wuͤrden/ ſolten ſie als Feinde gehandelt werden/ weil die Anfoderung
ſchon uͤbrig gnug meldete/ was vor Leute ſie waͤren. Dieſe hingegen fingen alsbald ein wuͤ-
ſtes Geſchrey an/ und drungen mit ganzer Macht nach der linken zu/ ſich loßzumachen/ wel-
P p p p ijches
[668]Drittes Buch.
ches ihre Geſellen erſchend/ ohn weitere Worthandelung zun Schwertern und Streit Ax-
ten griffen/ in Meynung/ Leches Hauffen zuuͤberfallen/ und den ihren Lufft zumachen; aber
Ladiſla ſetzete mit XII Speer Rittern auff ſie hinein/ erlegten im erſten Treffen XIII Raͤu-
ber/ und braucheten bald hernach ihre Schwerter redlich; Die Bogen Schuͤtzen an unſer
ſeite feyreten auch nicht/ und tahten den Feinden zimlichen Abbruch. Die eingeſchloſſene
fuͤhleten auch ſchon Leches und der ſeinen harte Schlaͤge/ welche beydes Roß und Reuter
in ſolcher enge nidermachten/ daß ihrer kein einziger uͤbrig blieb; wor auff er Ladiſla entſet-
zete/ ſo daß nach verlauff einer Stunde die ganze Raͤuber Schaar LXXXII Mann geſtree-
ket lagen/ bey denen die unſern an Baarſchafft und Kleinoten vier Tonnen Schatz fundẽ/
woran aber weder Ladiſla noch Leches anteil haben wolten/ denen die andern/ wegen ihres
Ritterlichen verhaltens/ uͤberaus groſſe Ehr antahten/ nicht anders/ als waͤhrens ihre ge-
bietende Herren geweſen. Nach dieſem Treffen gingen ſie unangefochten fort/ und hielten
des folgenden Tages zimlich ſpaͤt ihren Einzug zu Ekbatana/ da ſie ſich in unterſchiedliche
Herbergen verteileten. Ladiſla waͤhlete ſechs Ritter aus dem Hauffen/ deren Streitbarkeit
er in der Raͤuber Schlacht angemerket hatte/ und baht ſie/ mit ihm auff ſeine Koſten eine
enge Geſelſchafft zumachen/ weil er willens waͤhre/ ſich ſelb achte zuſtellen/ und aller anwe-
fenden zuerwarten; legte ſich mit ihnen in eine abſonderliche Herberge/ ließ acht blanke
Harniſche mit eingeſchmelzetem guͤlden Blumwerk/ und ſechs ſtarke Rappen bringen/ da-
mit er ſie verſahe; Ihre Pferdedecken waren ſchneeweiß mit guͤldenem Blumwerk/ ausge-
nommen die ſeine war mit koͤſtlichen Perlen gezieret/ uñ ſein Pferdezeug glaͤnzete von aͤdlen
Steinen/ daß ſie ſich verwunderten/ woher dieſem Ritter in der fremde ſo groſſe Schaͤtze
kaͤhmen. Auff dem Helm fuͤhrete er einen guͤldenen Loͤuen/ welcher in der rechten Tatzen ein
Schwert/ in der linken ein Schildlein hielt/ mit dieſen eingegrabenen Worten: Fratrem
quæro \& Sororem.
Ich ſuche den Bruder und die Schweſter. Im Schilde war nach kuͤnſtlicher
Arbeit ein gedoppelter heller Strahl gemahlet/ und ein Schatten davor gezogen/ mit dieſeꝛ
uͤberſchrifft: Ubi lates, mundi decus? Wo liegſt du verborgen/ du Zier der Welt? Herkules und
Pharnabazus lieſſen an der Zubereitung auch nichts ermangeln/ nahmen ſechs Ritter in
ihre Geſelſchaft/ und erwarteten des Tages/ da indeſſen der Groß Fuͤrſt alles zu dieſem Rit-
ter Spiel noͤhtig/ anordnen ließ. Der Renneplatz wahr ein Halbviertel Meilichen von der
Stad/ und die Steche Bahn ſo weit/ daß zehne neben einander Raum gnug zuſtechen hat-
ten. Die Schau Buͤhne umher ſo groß/ daß etliche tauſend Menſchen darauff ſitzen und
ſtehen kunten. Des Groß Fuͤrſten und ſeiner Gemahl Koͤnigliche Stuͤle/ wahren uͤber an-
dere inetwz erhaben; allernaͤheſt ſaß Arbianes (dem das Stechen von ſeinem Vater noch
nicht wolte erlaubet werden)/ und Herr Mazeus neben andern Mediſchen Herren; Vor
ihnen her/ etwas niedriger/ ſaſſen Fr. Roxane/ Frl. Barſene und etliche andere Herren-
Standes/ und hatten einen zimlichen hauffen des adelichen Frauenzimmers bey ſich. Es
verſamlete ſich eine treffliche Anzahl Ritter/ von Inwohnern und Auslaͤndiſchen/ welche
zierlich auffgezogen kahmen. Herkules/ als eine Amazoniſche Heldin/ und Pharnabazus/
mit ihrer Geſelſchafft/ wahren die erſten/ und erſchienen in anſehnlicher Ruͤſtung. Herku-
les Schild wahr verguͤldet/ auff welchem ein junger Loͤue an einer Ketten lag/ zu dem ein
groͤſſer trat/ ihn loßzumachen/ mit dieſer Umſchrifft: VOLENTE DEO. Nach Gottes willen.
Die
[669]Drittes Buch.
Die Pferde Decke wahr roͤhtlich/ mit Perlen geſticket/ uͤber welcher ſich der Amazoniſche
Rok etwas ausbreitete; und daß er ja vor ein Weibesbild moͤchte angeſehen ſeyn/ ritte ein
zierlicher Knabe in Amazoniſcher Kleidung/ mit Pfeil und Bogen hinter ihm her. Auff
der Bahn nam er mit ſeiner Geſelſchafft einen Ort gegen Oſten ein/ daß er den Großfuͤr-
ſten ſtets im Geſichte hatte. Ihm folgeten etliche Mediſche und Aſſyriſche Ritter/ Herren-
Standes bey die zwanzig. Darauff ließ ſich Ladiſla mit ſeinen Gefaͤrten ſehen/ die in ober-
waͤhneter gleichmaͤſſigen Ruͤſtung hinter ihm her ritten/ welches ein feines anſchen gab/ dz
jederman die Augen auff ihn warff/ und ihn gerne unter dem Geſichte geſehen haͤtte/ wel-
ches er mit fleiß unter dem Helme verdecket hielt/ weil er ohngefehr dieſen Morgen erfahrẽ
hatte/ daß Pharnabazus zugegen waͤhre/ und mit ſtechen wuͤrde/ da er dann zweifelte/ ob es
raht waͤhre/ ſich ihm zuerkennen zugeben. Herkules/ der allernaͤheſt bey Pharnabazus hielt/
ſahe ſeinen liebſten Freund/ den er nichtkennete/ in die Schranken reiten/ und ſagte zu ſei-
nem Geſellen: Dieſer wird gewißlich ein groſſer Herr ſeyn/ welches ſein Auffzug auswei-
ſet/ zweifele nicht/ da die Kraft den Geberden antwortet/ werde er uns zuſchaffen geben. So
bald alle Gebraͤuche des Stechens gehalten/ und die Geſetze abgeleſen wahren/ ritte Phar-
nabazus hervor/ und mit einer zierlichen Ehrerbietung fing er an: Hochanſehnliche Ge-
ftraͤnge Ritter und Herren; demnach der Großmaͤchtige Groß Fuͤrſt der Meden/ aus ſon-
derlicher Beliebung zu der Ritterſchafft/ dieſes Stechen angeſtellet/ als hat dieſe gegenwaͤꝛ-
tige Durchleuchtige Amazonin/ Frl. Barſene/ welche ohngefehr bey uns angelanget iſt/ die-
ſer uͤbung beyzuwohnen ſich gefallen laſſen/ doch mit dieſem ausdruͤklichen Vorbehalt/ daß
wer ſie zur Erden fellen/ und ſelbſt ungefellet bleiben wird/ von ihrer Gn. ein abſonderliches
Kleinot auff 12000 Kronen zum Preiſe von ihr bekommen; hingegen aber/ da er von ihr
Sattel-loß gemacht wuͤrde/ er ſich der Durchleuchtigſten Groß Fuͤrſtin gegenwaͤrtig/ kni-
end darſtellen/ und von ihr drey Befehle annehmen ſol/ unter ritterlichen Ehren nach Ver-
moͤgen zuleiſten; ſolte aber jemand ſolches einzugehen bedenken tragen/ bittet hochgedachte
Amazonin/ ihres Speers ſich zuenthalten; und wil ich hiemit anſuchung tuhn/ es wollen
zween Ritter mit uns beyden den Anfang zumachen/ ſich gefallen laſſen. Die Ritterſchafft
ſahe einer auffden andeꝛn/ meynetẽ anfangs/ Ladiſla/ ſeinem anſehen nach/ wuͤrde die Bahn
einnehmen; weil er ſich aber nicht bewaͤgete/ gaben ſich zween Aſſyriſche Ritter hervor/ uñ
ranten getroſt auff die Anfoderer zu/ aber die Amazonin legete den ihren alsbald zur Erdẽ/
und trabete unbewaͤglich vorbey/ welches Ladiſla erſehend/ zu Leches ſagete: Ob ich zwar
nicht glaͤube/ daß dieſe verſtellete Amazonin ein Weibsbild ſey/ ſo bin ich mir doch ſolches
Rittes bey ihr nicht vermuhten geweſen. Pharnabazus traf mit ſeinem Gegenteil auch/
und weil keiner gefelletwahr/ wiederhohleten ſie den Ritt/ daß der Aſſyrer den Sattel raͤu-
men muſte/ wie hart er ſich auch bemuͤhete/ den Fall zuverhuͤten. Der zuerſt abgeſtoſſene
ſchaͤmete ſich ſehr/ weil er vor einen feſteren Ritter als ſein Geſelle/ gehalten ward/ bezeigete
ſich doch den vorgeſchriebenen Satzungen gemaͤß/ ſtieg auf die Schau Buͤhne/ legete ſich
auff die Knie/ und erwartete der Groß Fuͤrſtin Befehl. Dieſelbe aber hieß ihn auffſtehen/
und redete ihn alſo an: Mannfeſter aͤdler Ritter/ weil der Durchleuchtigen Amazonin es
alſo gefaͤllet/ iſt mein dreyfacher Befehl/ daß ihr dem Groß Fuͤrſten/ meinem Gemahl/ auff
begebenheit zu dienſte; der Amazonin gewogen; uñ Ritterlichen Ehren ſtets zugetahn ſeyd
P p p p iijund
[670]Drittes Buch.
und verbleibet; und weil ihr der erſte geweſen/ der in dieſem Spiel mit der unuͤberwindli-
chen Amazonin (dann davor wird ſie gehalten) ein Treffen gewaget/ ſollet ihr dieſen Ring
(der auff 500 Kronen wert wahr) zu deſſen Gedaͤchtniß von mir annehmen. Dieſer kuͤſſete
ihr den Rockes Saum/ und ſagete: Er waͤhre den dreyfachen gnaͤdigſten Befehl ohndas
ſchuldig zuleiſten/ und erboht ſich/ lieber zu ſterben/ als deren einen aus der acht zulaſſen;
waͤhre ich aber/ ſagte er/ dieſes Gnadengeſchenkes mir vermuhten geweſen/ wuͤrde ich mich
ſelbſt vom Pferde herunter geworffen haben/ wañ es dieſer tapfferen Amazonin wider mich
gefehlet haͤtte. Inzwiſchen ſtelleten ſich drey andere von Pharnabazus Geſelſchafft/ denen
drey begegneten/ mit dieſem Gluͤcke/ daß von den Ausfoderern einer/ an der andern Seite
zween abgeworffen wurdẽ. Die uͤbrigen 3 hielten ſich beſſer/ und legeten im dritten Treffen
ihre Gegener nider. Bald wahr Herkules und Pharnabazus wieder fertig/ und ſtellete ſich
gar ein anſehnlicher Ritter gegen die Amazonin/ ließ ihr doch durch einen Knaben andeu-
ten/ er naͤhme ihre vorgetragene Bedingung an/ jedoch wann ihm auch die ſeine gewehret
wuͤrde/ daß auff den fall ſeines Sieges/ ſie bekennete/ daß ſein Schatz das ſchoͤnſte Fraͤulein
in ganz Aſſyrien waͤhre. Herkules lachete der Anmuhtung/ und gab zur Antwort: Juͤng-
ling/ ſage deinem Herrn/ ich kenne ſeinen Schatz nicht; iſt ſie aber ſo ſchoͤn/ wil ich auch auf
den fall meines Sieges ihr dieſen Preiß gerne laſſen/ daß er mir nur friſch begegne. Keh-
rete ſich hernach zu Pharnabazus/ und ſagete: Dieſer Ritter muß entweder mit dem Lie-
bespfeil/ wie ich; oder mit Haſen Schroht getroffen ſeyn/ daher ich mich deſto beſſer vorzu-
ſehen habe/ daß ich vor ihm Schimpff-loß bleibe; mit welchem Worte er ſo eiferig auf ihn
anſetzete/ dz er ihn mit ſamt dem Pferde niderwarff/ uñ alle anweſende ſich der Kraft hoͤch-
lich verwunderten/ inſonderheit Ladiſla/ der zu Leches ſagete: Ich werde nicht unterlaſſen/
es mit dieſer vermummeten Amazonin zuwagen/ Gott gebe/ wer des andern Meiſteꝛ wird.
Pharnabazus machete gleicher geſtalt ſeinen Beſtreiter die Erde kuͤſſen/ und ſeine ganze
Geſelſchafft legte zu dieſem mahle Ehre ein/ deſſen er ſich nicht wenig freuete. Herkules uñ
ſein Geſelle ſtelleten ſich zum dritten mahle/ gleich da Ladiſla loßzubrechen willens war/ wel-
cher aber alsbald einhielt/ dann er wolte es mit der Amazonin nicht anlegen/ biß er zuvor ſo
mannichen Ritt gegen andere/ als ſie/ getahn haͤtte. Es begunten ſchon etliche ſchimpflich
gnug von ihm zureden/ daß ers auch hoͤrete/ aber ſich daran nicht kehrete/ ſondeꝛn wahꝛ ihm
liebe/ daß ein trefflicher Ritter/ von zween anderen begleitet/ ſich gegen die Amazonin ſtelle-
te/ mit dem ſie ein gewaltiges Treffen hielt/ daß ſie beyderſeits der Puͤffe wol empfunden/
und doch unbewaͤglich ſitzen blieben/ da hingegen Pharnabazus ſeinen Mann niderlegete/
ſein Geſelle aber abgeſtochen ward. Jene tahten den andern Ritt/ und verlohr der fremde
ein Stegreiff/ welches ihn nicht wenig hoͤhnete/ ſpuͤrete auch/ daß ſein Pferd zu leicht wahr/
daher er ein ſtaͤrkeres von einem andern Ritter nam/ und gedachte dißmahl das aͤuſſerſte zu
verſuchen. Herkules ſagete zu Pharnabazus: Dieſer iſt in Warheit ein gewaltiger Ritteꝛ/
und muß er oder ich zum dritten mahl unten liegen; ſtuͤrmeten auch friſch und behutſam
auff einander/ und traff die Amazonin dergeſtalt/ daß jenem die Sattelgurt zuſprang/ und
er mit ſamt dem Sattel auff die Erde fiel. Nun/ ſagete Ladiſla/ dieſe Amazonin ſtehet nicht
zutadeln/ wie mirs auch mit ihr noch heut ergehen wird. Aber der abgeſtochene ſtund aus
dem Sattel auff/ voll Zorn und Unmuht des leidigen Falles halber/ daß er offentlich ſage-
te:
[671]Drittes Buch.
te: Und wann mein Diener ſolche ſchwache Gurt angelegt haͤtte/ muͤſte ers mit dem Leben
buͤſſen; ſchickete auch an die Amazonin/ mit Bitte/ ihm den vierden Ritt nicht zuverſagen/
weil nicht er/ ſondern der Sattel abgeſtochen waͤhre. Herkules aber gab zur Antwort: Es
waͤre freylich die ſchwache Gurt des Falles urſach; weil aber das vierde Treffen beydes wi-
der die abgeleſene Satzungen/ uñ wider ſeine gewohnheit waͤre/ baͤhte er/ ihn deſſen guͤnſtig
biß auf morgen zuerlaſſen/ weil er ſeine Tapfferkeit gnug haͤtte zuerkeñen gebẽ/ und ſich nit
vor uͤberwunden ſchaͤtzen duͤrfte; womit er ſich auch befriedigen ließ. Pharnabazus uͤbrige
fuͤnffe hieltẽ ſich abermal wol/ dz nur einer den Sattel raͤumete; Worauff Ladiſla uñ Leches
mit einẽ zierlichen Pferdetum̃eln die Bahn einnamen/ uñ nit wenig auf ihre feſten Hengſte
ſich verlieſſen. Er ſetzete ſich gleich gegen die Amazonin/ und waꝛtete/ ob ſich jemand ſtellen
wuͤrde/ welches nit lange anſtund/ dañ eben ſie ſelbſt und Pharnabazus lieſſen ſich finden;
welches ihm doch noch zur Zeit ungelegen war/ und ſeiner Ritter einẽ mit dieſer Werbung
an ſie ſchickete: Mein Gn. Herr uñ ſein Gefaͤrte naͤhſt anmeldung ihrer Dienſte uñ Gruſ-
ſes/ erfreuen ſich/ die Ehre zu haben/ mit eurer Vortrefligkeit einen ritterlichen verſuch zu
tuhn; weil ſie aber bißdaher geruhet/ und hingegen eure Pferde ſich hart bemuͤhet haben/
iſt ihr bitliches ſuchen/ ihnen die Ehre zu goͤnnen/ deren ſie ſchon genoſſen/ damit ſie auch
zuvor mit dreyen andern ſich verſuchen moͤgen/ hernach ſind ſie zu ihren pflichtſchuldigen
Dienſten bereit und willig/ welches Anſuchen/ weil es der Billigkeit gemaͤß/ ſie umb ſo viel
deſto leichter zuerhalten hoffen. Pharnabazus/ nach dem er zuvor deꝛ Amazonin Meinung
vernommen/ gab zur Antwort: Herr Ritter/ wir bedanken uns wegen des uͤbergebrach-
ten Gruſſes von eurem anſehnlichen/ uns unbekanten Herrn/ erſetzen denſelben mit glei-
chem/ und geben ihrem Begehren billich ſtat/ als wodurch ſie ihre Herzhafftigkeit uns ſe-
hen laſſen; ſonſten wuͤnſchen wir ihnen/ zubehauptung ihrer Ehren/ Gluͤk und Sieg. Hie-
mit ritten ſie alsbald von der Bahn/ welches ein groſſes auffſehen gab/ weil die wenigſten
ihre Rede verſtehen kunten; doch funden ſich bald zween andere/ die Luſt hatten dieſes tref-
lich geputzeten Herrn Mannheit zuverſuchen/ kunten ſich aber wegen des Gegenſtechers
nicht vergleichen/ dann jeder wolte mit dem vornehmſten dieſer kleinen Geſelſchaft es zu
ruhn haben/ biß ſie Ladiſla und Leches loßbrechen ſahen/ denen dieſe zwar verwaͤgen gnug
begegnetẽ/ wurden aber ſo unſaͤuberlich empfangen/ daß ſie beyde uͤber und uͤber purzeltẽ/
und der von Ladiſla getroffene den licken Arm zubrach/ da doch die unſern unbeweglich
vorbey gingen. Der Anfang iſt trauen gut/ ſagete die Amazonin zu ihrem Geſellẽ. Es hat-
ten aber ſchon zween andere die Bahn eingenommen/ und gaben durch winken ihr Begeh-
ren zuverſtehen/ muſten doch den vorigen gleich/ einen unwilligen harten Sprung tuhn/
daß ihnen das Gerippe knackete. Ein hochmuhiger Hirkaner fuͤrchtete ſich/ Ladiſla wuͤrde
ihm an erwerbung des Preiſes hinderlich ſeyn/ rieff ſeinen Geſellen zu ſich/ und begegnete
ihm friſch/ erhielt auch die Ehre/ daß er vom erſten Stoſſe ungefellet blieb/ aber der andere
ſtreckete ihn dergeſtalt langs auff der Erden aus/ daß man ihn ohmaͤchtig von der Bahn
tragen muſte/ da Leches den ſeinen ſchon im erſten gange außgehoben hatte. Dieſer gewal-
tige Ritter hat beſſer Gluͤk und Ehre als wir/ ſagte die Amazonin zu Pharnabazus/ weil
jederman ſich an ihm reiben wil/ zweiffele auch nicht/ er werde ſich aͤuſſeꝛſt bemuͤhen/ den
ſchon erworbenen Preiß zu handhaben/ weil ich ihn noch nicht geſehen im Sattel wanken/
und
[672]Drittes Buch.
und mag ſein Geſelle auch wol vor einen guten Rittersmann beſtehen. Nach dieſem tah-
ten drey von Ladiſla Geſelſchafft ein Treffen/ und behaͤupteten den Sieg; die uͤbrigen drey
aber wurden herunter geſtoſſen. Worauff der/ ſo von der Amazonin mit dem Sattel ge-
fellet wahr/ ſich auff die Bahnſtellete/ es mit Ladiſla zu wagen; dem ſolches nicht unange-
nehm wahr. Sie ranten mit guter Vorſichtigkeit wieder einander/ und nach außgehalte-
nem Stoſſe gingen ſie beyde unverruͤkt voruͤber. Leches fand auch ſeinen Mann/ der vom
erſten Treffen ſich nicht wolte beugen laſſen. Ladiſla gedachte bey ſich: Werffe ich dieſen
nicht herunter/ ſo ſieget mir die Amazonin ob/ deſſen ich vor meinem Herkules mich ſchaͤ-
men muͤſte; nam ein ſtarkes Speer zu ſich/ ſprach ſeinem Pferde muhtig zu/ und ging mit
ſolchem Eifer auff ſeinen Mann/ daß er ihn mit ſamt dem Pferde uͤbern Hauffen rante/
wiewol er des Gegenſtoſſes wol empfand/ und einen Stegreiff daruͤber verlohr. Daß iſt
ein treflicher Ritter/ ſagte Herkules/ deßgleichen mir ſehr wenig vorkommen ſind; waͤh-
re aber ſeyn Pferd nicht ſo ſtark und wol abgerichtet/ haͤtte er ohn zweiffel dem andern im
fallen Geſelſchaft leiſten muͤſſen. Der Gefellete taht einen unſanften Sprung/ daß ihm die
linke Huft verrenket ward/ und von ihm ſelber nicht auffſtehen kunte; welches Pharnaba-
zus erſehend/ hinritte/ und zu ihm ſagete: Treflicher Ritter/ wie befindet ihr euch/ wegen
eures Pferdes Untraͤue? Herr antwortete er/ ich habe keine Gefahr/ ohn daß mir eine
Huft ein wenig verrenket iſt/ wollet demnach die meinen kommen laſſen/ daß ſie mich auff
ein ander Pferd heben. Weil nun dieſe gleich verhanden wahren/ ließ er ſich von ihnen
hinweg fuͤhrẽ. Leches muſte mit ſeinem Gegener den dritten Saz wagen/ welcher ihm nach
Willen gluͤckete. Ihre ſechs Geſellen ſtelleten ſich zugleich auff die Bahn/ und ungeachtet
ſie ſtarke Gegenrenner hatten/ erhielten ſie doch die Uberwindung. Der Groß Fuͤrſt haͤtte
Ladiſla gerne gekennet/ und ſagete zu ſeinem Gemahl: Dieſer und unſere Amazonin wer-
den einander etwas bieten/ da ſie ſonſt aneinander gerahten; ſo wird euer Liebe Bruder uñ
jenes ſein Geſelle auch zu tuhn bekommen. Dieſes hatte er kaum außgeredet/ da ſchickete
Ladiſla einen Ritter an die Amazonin/ mit dem Erbieten/ da es ihr nun gefaͤllig/ koͤnte ſie
ſein zu einem Verſuch bemaͤchtiget ſeyn. Herkules gab zur Antwort: Es haͤtte ſeines Hn.
Pferd ſich gewaltig abgemattet/ moͤchte es zuvor ein halb Stuͤndichen ruhen laſſen/ als-
dann koͤnten inzwiſchen andere ſich der Bahn gebrauchen/ und ſolte ſein Herꝛ ihn darauf
zu Dienſt und Willen haben. Ladiſla verſtund hieraus/ das ſie gleiche Hoͤfligkeit gegen ihn
gebrauchen wolte/ und ließ ſichs nicht mißfallen. Alſo ward die Zeit uͤber zwar manniches/
aber kein denkwuͤrdiges Stechen verricht/ ohn daß etliche vom Falle verletzet/ und einer zu
Tode gerennet ward/ weil er das Genik abſtuͤrzete. Nach verlauff der geſetzeten Zeit tum-
melte Ladiſla ſein Pferd gar zierlich; die Amazonin taht nicht minder/ und merketen alle
Anweſende/ daß dieſe beyden nunmehr umb den beſten Dank ſtechen wuͤrden/ wende-
ten auch ihre Augen nur auff dieſelben hin/ umb den Außgang zuerkennen. Leches ſtellete
ſich naͤheſt bey Ladiſla; Pharnabazus bey Herkules/ ſo daß Herkules mit Leches/ Ladiſla
mit Pharnabazus treffen muſte/ welches ihnen allerſeits nicht unangenehm wahr. Im
erſten Ritte wolte niemand wanken/ im andern muſten Leches und Pharnabazus ſich an
ihrer Pferde Maͤhne halten; im dritten befunden ſich dieſe beyden auff der Erden/ und
ſtunden mit Scham und Zorn auff/ inſonderheit Leches/ der ſich fuͤrchtete/ er wuͤrde von
einem
[673]Drittes Buch.
einem Weibesbilde abgeſetzet ſein. Herkules wahr wegen ſeines Geſellen Fall entruͤſtet/
und nam vor/ ihn/ wo moͤglich/ zu raͤchen. Ladiſla ſtund in gleichen Gedanken/ und ſetzeten
mit ſolchen Kraͤften auffeinander/ daß ſie daumlich wurden/ hielten doch ſolche unfreund-
liche Puͤffe aus/ daß ſie unbewaͤglich ſitzen blieben/ als waͤhren ſie im Sattel angenagelt.
Die Zuſeher verwunderten ſich der groſſen Mannheit/ ſonderlich/ wie ſie waͤhneten/ bey
einem Weibesbilde/ daß die ſitzenden alle auffſtunden/ des Stechens Ende und Außgang
deſto eigentlicher zuerkennen. Unſern Stechern aber wuchs das Herz durch ihrer Gegen-
Kaͤmpffer Tapfferkeit/ und wahren froh/ daß jeder ſeines gleichen angetroffen hatte/ wa-
geten den andern Saz/ daß ſie wegen der unſanften Stoͤſſe beyde hinter ſich bogen/ wiewol
Ladiſla etwas mehr als Herkules. Nach vollendetem Treffen ſahen ſie ſich beyderſeits um/
und weil fie noch keinen Fall vermerketen/ machten ſie ſich beyde die Rechnung des kuͤnfti-
gen/ nur daß jedem die Hoffnung uͤberblieb/ ſeinen Mañ mit zu fellen. Die Pferde ſchwit-
zeten/ daß der Dampf von ihnen ging/ inſonderheit der Amazonin ihres/ als welches das
ſchwaͤcheſte wahr; noch muſte es zum drittenmahl gewaget ſeyn; da ſie dann nicht allein
mit den Speeren/ ſondern mit Pferden und Leibern dergeſtalt aneinander gerieten/ daß
Mann und Roß uͤbern Hauffen fiel/ und die Ohmacht beyden nicht weit wahr. Leches uñ
Pharnabazus erſchraken des Unfals/ und lieffen eilig hinzu/ den ihren zu helffen. Ladiſla
Pferd ermunterte ſich wieder/ uñ ſtund auff von ſeinem Herrn/ der ſich Buͤgelloß gemacht
hatte/ und als ihm Leches den Helm abnam/ daß er friſchen Luft bekam/ erhohlete er ſich
bald wieder. Pharnabazus hatte mit ſeinen Rittern mehr zu ſchaffen/ das tode Pferd von
Herkules abzuwalzen/ riſſen ihm auch den Helm ab/ und vernahmen mit freuden/ daß er
ohn Schaden blie ben wahr/ da er ſagete: Mich verlanget zu wiſſen/ wer dieſer trefliche
Held ſey/ der mich Zeit meiner Ritterſchaft zu allererſt gefellet hat. Ladiſla hingegen bekla-
gete ſich gegen Leches/ daß er vielleicht von einem Weibesbilde muͤſte nidergeleget ſeyn/
und ſinnete ſchon nach/ wie er ſie zum Schwertſtreit bringen moͤchte; aber er ward dieſer
Gedanken bald entladen/ dann Herkules hatte ſein Angeſicht ſchon erblicket/ deßwegen er
mit außgerecketen Armen hin zu ihm lieff/ fiel ihm umb den Hals/ und ſagete: O du mein
Herzliebſter Bruder/ warumb muͤſſen wir uns ſo feindlich angreiffen? iſt daß der Dank/
welchen ich meinem getraͤueſten Freunde vor ſein eiferiges Nachſuchen ſchuldig bin? La-
diſla ward uͤber ſeines Herkules unvermuhtlicher Gegenwart ſo voller freuden/ daß er nit
bey ihm ſelber wahr/ kuͤſſete ihn etlichemahl und ſagete: Verflucht ſey das Amazoniſche
Kleid/ welches mich deiner Erkentnis beraubet hat; es wuͤrde mir ſonſt nicht gefehlet ha-
ben/ deines Stechens Art in gedaͤchtnis zu ruffen; aber mein werter Bruder/ haſtu auch
Schaden genommen? Herkules fragete deßgleichen/ und danketen Gott vor friſtung ihrer
Geſundheit. Leches machete ſich auch zu Herkules/ taht ſeinen Helm ab/ ſetzete ſich auff
ein Knie/ und baht untertaͤhnigſt umb verzeihung/ das er ſein Speer wieder ihre Durchl.
gerichtet haͤtte: Ward aber von ihm auffgerichtet/ und wilkommen geheiſſen/ neben der
Erinnerung/ daß das verzeihung-bitten ein uͤberfluß waͤhre. Weil dieſe mit einander re-
deten/ entbloͤſſete Pharnabazus ſein Haͤupt/ uñ erzeigete Ladiſla groſſe Ehre/ als einem Koͤ-
nige/ indem er ihm nach tieffer Neigung die Hand kuͤſſete/ und ſich ungluͤklich ſchalt/ ihre
Hocheit nicht vor dem Reñen erkennet zu haben; hieß ihn ſehr wilkom̃en ſeyn/ und ſagete:
Q q q qEr
[674]Drittes Buch.
Er haͤtte nunmehr ſeinen Wunſch erreichet/ wolte auch Ihrer Durchl. vielleicht zu aller-
erſt die gute Zeitung von dero Durchleuchtigſten Frl. Schweſter bringen/ dz ſie wol auf/
in guter Geſundheit und Ehren-ſicherheit waͤhre. Mein Herr und groſſer Freund/ ant-
wortete er; mir kan hoͤhere Gluͤkſeligkeit nicht zuſtoſſen/ als dieſen Tag geſchehen iſt/ wollen
daher der hartẽ Puͤffe vergeſſen/ damit wir uns gegruͤſſet/ weil es aus Unwiſſenheit ergen-
gen/ und bitte ſehr/ mich mit uͤberfluͤſſiger ganz ungenehmer Ehren-benennung guͤnſtig zu-
verſchonen/ weil ich mich dieſer oͤrter nicht anders als einen umſchweiffenden Ritter erken-
ne; kehrete ſich wieder nach ſeinem Herkules/ kunte ſich an ſeinem anſchauen nicht erſaͤtti-
gen/ und ſagete zu ihm: Mein Bruder; wir haben beyderſeits unſerer Paduaniſchen kuꝛ-
zen Ergezligkeit ſcharffe Beſalzung in Griechenland eingenommen; aber ſage mir/ bitte
ich; wahreſtu nicht derſelbe/ der bey dem Feur mich vom Tode errettete? Ich wahr nicht
weit davon/ mein Bruder/ antwortete er/ aber bloß mein Heyland JEſus/ dem ich dich in
meinem taͤglichen Gebeht ſtets befehle/ hat dein Leben dazumahl erhalten/ ſonſt haͤtteſtu dem
Tode nicht entgehen koͤnnen/ welches ich dir bey beſſerer gelegenheit erklaͤren wil. So bin
ich ſchuldig/ ſagte Ladiſla/ deinem kraͤfftigen JEſus/ als meinem wahren Gott und Helffer
von herzen davor zudanken. Kein angenehmer Wort hatte Herkules von einigen ſterbli-
chen Menſchen jemahls gehoͤret/ lachete auch vor freuden/ und auff dreyfaches umfahen ſa-
gete er zu ihm: O mein Bruder/ wie hoch erfreueſtu mich durch dieſes erbieten! Iſt dein
Herz von dem wahren Gott ſchon ſo weit geruͤhret/ werde ich nun erſt anfahen/ dich mei-
ner ganzen Liebe teilhafftig zumachen/ welches dein hartnaͤckigter Unglaube mir bißher veꝛ-
bohten hat. Hatten nun die anweſende ſich uͤber ihren ernſtlichen Kampff verwundert/ be-
fremdete ſie die unverſchene inniglichſte Freundſchafft vielmehr/ und daß der fremde Herr
von Pharnabazus ſo trefflich geehret ward; daß auch der Groß Fuͤrſt ſelbſt einen Knaben
auf die Renne Bahn ſchickete/ umb zuvernehmen/ was vor groſſe Freude die Amazonin uͤ-
ber den fremden Ritter haͤtte. Aber indem dieſer hinging/ ſagete Fr. Roxane: Ich duͤrffte
wetten/ es ſey der allerliebſten Fraͤulein Herꝛ Bruder. O ja/ antwortete er/ kein ander iſt es.
Der Knabe brachte gleich den Bericht: Der fremde Herr hieſſe Ladiſla. So muß ich ge-
ſtehen/ ſagte er darauff/ daß nie vollkommenere Ritter Harniſch gefuͤhret haben; und ſind/
ungeachtet ihres hohen Standes wirdig/ daß alle Welt ſie ehre und liebe. Die ſtille aber
unter der Ritterſchafft wahr ſo groß/ daß niemand auff ferneres Stechen gedachte; daher
zum Abzuge geblaſen ward/ und erreichete das Spiel die Endſchafft. Die Kleinot/ welche
den Uberwindern geordnet wahren/ wurden hervor getragen/ und erkenneten die Richter
einhellig/ die Amazonin uñ Ladiſla haͤtten den erſten; der Ritter mit der verrenketen Hufft
den andern; Pharnabazus und Leches den dritten Preiß verdienet. Weil aber unſere bey-
de Helden ſich wegerten/ den Dankzuempfahen/ und der beſchaͤdigte/ wie faſt man nachfra-
gete/ ſich nicht melden wolte/ muſten Pharnabazus und Leches den erſten; zween Mediſche
Ritter/ einer von Ladiſla/ der ander von Herkules Hauffen/ den andern; Der Aſſyrer/ ſo
mit Herkules am erſten ſtach (weil er nachgehends ſich tapffer hielt) und ein Parthiſcher
Ritter/ den dritten Dank annehmen. Nach dieſer Austeilung kehrete ein jeder nach ſeiner
Herberge/ ohn daß der Groß Fuͤrſt unſern Ladiſla mitſeiner ganzen Geſelſchafft auff das
Schloß laden ließ/ wovor er ſich hoͤchlich bedankete/ ſtiegen ingeſamt zu Pferde/ und ritten
in zier-
[675]Drittes Buch.
in zierlicher Ordnung nach der Stad/ da Ladiſla und Herkules im erſten; Pharnabazus
und Leches im andern Gliede/ und ihre zwoͤlff Ritter vermenget hinten nach ritten/ dañ deꝛ
Groß Fuͤrſt wahr mit ſeiner Geſelſchafft ſchon voran gezogen; Im vorder Platze aber des
Schloſſes empfingen ſie Ladiſla ſehr freundlich/ welcher dem Groß Fuͤrſten und Frauen-
zimmer den Handkuß umſonſt anboht/ uñ ſich ſehr bedankete wegen der ſeiner Frl. Schwe-
ſter erwieſenen Gunſt und Freundſchafft/ mit erbieten aller ſeiner Moͤgligkeit. Der Groß-
Fuͤrſt entſchuldigte ſich und die andern ingeſamt/ daß wegen Unwiſſenheit/ ſie dem Koͤnigl.
Fraͤulein die gebuͤhrliche Ehre und Aufwartung nicht haͤtten leiſten koͤnnen/ und baht/ ſei-
ne Liebe moͤchte hieſelbſt als auff ihrem eigenen/ gebieten und verbieten. Weil nun hohe zeit
wahr/ das Mahl einzunehmen/ faſſete ihn der Groß Fuͤrſt bey deꝛ Hand/ und fuͤhrete ihn die
Stiege hinauf/ da nach abgelegeten Waffen man ſich bald zu Tiſche ſetzete/ und Ladiſla al-
lernaͤheſt dem Groß Fuͤrſten; Herkules zwiſchen der Groß Fuͤrſtin und Frl. Barſenen die
Stelle gegeben ward. Die zwoͤlff Ritter ſtelleten ſich zudienen vor den Tiſch/ wurden aber
in das Neben Gemach gefuͤhret/ und daſelbſt wol bewirtet. Bey wehrender Mahlzeit ward
mehrenteils von dem Fraͤulein geſprachet/ uñ als Pharnabazus die eheliche Verſprechung
Koͤniges Artabanus erzaͤhlete; gab Ladiſla zur Antwort: Man wird nicht leicht jemand
finden/ der ſolche anſchnliche Schwaͤgerſchafft ausſchlagen ſolte/ wiewol ich viel eines an-
dern Sinnes bin/ weil dieſer Koͤnig mir zu ſchwer ſeyn wuͤrde. Die Groß Fuͤrſtin meynete
nicht/ daß Herkules Liebe ſeinem Ladiſla ſolte verborgen ſeyn/ und antwortete ihm: Ich
zweifele nicht/ als lange Fuͤrſt Herkules lebet/ werde Eure Liebe ſich dieſer Schwaͤgerſchaft
nicht zubefahren haben/ angeſehen der uͤber groſſen Traͤue und Liebe/ damit dieſe beyden ein-
ander zugetahn ſind; wie dann dem allerliebſten Fraͤulein unmoͤglich wahr/ ihre Liebe zu-
vertuſchen/ auch in ihrer Mannes-verſtellung/ wie deſſen dieſes Teutſche Lied/ welches ſie
etliche mahlſang/ und von unſerer keinem verſtanden wird/ ohn zweifel Kundſchafft giebet/
maſſen der Nahme Herkules darin enthalten iſt; es war aber daſſelbe/ welches droben am
606ten Blade geſetzet iſt/ und ſie Ladiſla zuleſen reichete. Herkules wuͤnſchete/ daß ſie mit
dieſer Offenherzigkeit haͤtte inne gehalten; hingegen freuete Ladiſla ſich hoͤchlich/ und ant-
wortete nach des Geſanges Verleſung: Ich verſehe mich zu Gott/ er werde meiner Frl.
Schweſter ein wirdiges Gemahl beſcheren/ und wird ſie von meiner Fr. Mutter und von
mir niemand lieber gegoͤnnet ſeyn/ als dem ich ſie/ ehe er ſie geſehen/ in meinem Herzen zu-
gefreyet habe. Herkules ſagete zu der Groß Fuͤrſtin: Es muß meine Frl. Waſe ein uͤberaus
groſſes Vertrauen auf Ihre Durchl. geſetzet haben/ daß ſie unſere Heimligkeit derſelben
offenbahret/ welche ſie ihrer leiblichen Fr. Mutter uñ ihrem einigen H. Bruder verſchwie-
gen. Sie iſt auch hieſelbſt ſo ausſchlaͤgern nicht geweſen/ antwortete die Groß Fuͤrſtin/ und
hat ſolches erſt zu Charas meinem Gemahl und wenig anderen vertrauetẽ Freunden kund
getahn. Herkules fragete ſeinen Freund/ wie er den jungen Fabius bereden moͤgen/ nach
Padua wieder umzukehren/ da er ſchon biß in Griechenland mit fortgezogen waͤhre. Wor-
auf er gar traurig antwortete: Ebẽ diß iſt mein groͤſtes Ungluͤk/ welches mir auf dieſer gan-
zen Reiſe zugeſtoſſen/ daß ich ihn in einem Walde verlohren/ und ſider dem keine Zeitung
von ihm einzihen koͤnnen. Eꝛzaͤhlete darauf allen Verlauff/ uñ gab ihm Herkules den Troſt/
er wuͤrde ſich wieder finden. Die Groß Fuͤrſtin ſtellete nach der Malzeit ein herliches Sei-
Q q q q ijten-
[676]Drittes Buch.
tenſpiel an/ da ſie endlich ſelbſt die Harffe zur Hand nam/ und ihr erwaͤhletes Leib-ſtuͤk am
607den Blade geſetzet/ mit anmuhtiger Stimme ſang/ auch nachgehends berichtete/ ihr
Bruder haͤtte es aus der Fraͤulein Teutſchem/ durch Huͤlffe der Lateiniſchen Sprache/ ins
Mediſche uͤberſetzet. Sie reichete darauf Herkules die Harffe hin/ welche er ſehr wol ſpie-
lete/ daher er ihr ſolches nicht verſagen durffte: Weil es dann dazumahl umb die Zeit waꝛ/
daß die Geburt Gedaͤchtniß des lieben Jeſuleins von den Chriſten gefeyret ward/ uñ er voꝛ
wenig Tagen ein Danklied darauff geſetzet hatte/ ließ er ihm ſein Buch hohlen/ ſpielete und
ſang daſſelbe mit hoher Stimme/ welches alſo lautete:


Chriſtliches Dank-Lied/
Vor die heilſame Geburt unſers lieben Jeſuleins.

1
SO biſtu nun/ du werter Gaſt

Eins kommen/ haſt an dich gefaſſt

Mein ſchwaches Fleiſch/ biſt ſterblich worden;

Haſt Gottes ungemaͤßnen Pracht

Dem Erden-Staube gleich gemacht/

Und tritteſt in der Menſchen Orden?

2
Du/ welchen ſchon im Paradeiß

Der erſte Menſch zunennen weiß/

Du Schlangen-Treter/ biß wilkommen;

Du Weibes-Saamen/ und doch Gott/

Du Hellen-Stuͤrmer/ Todes Tod/

Du ſtarke Hoffnung aller Frommen.

3
Wilkommen/ O du groſſer Held/

Der du die Grundverderdte Welt

Wilt mit dem hoͤchſten Segen laben;

Wilkommen du gewuͤnſchtes Heil/

Nach dem die Vaͤter alleweil

Von Herzengrund geſeuffzet haben.

4
Nun iſt der Jakobs-Stern bereit

Zu dieſer angenehmen Zeit

Der ganzen Welt zum Troſt erſchienen.

Der andre Moſes predigt ſchon

Das ſuͤſſe Wort/ den Gnaden-Lohn;

Des Herren Zweiglein ſiht man gruͤnen.

5
Der Jungfern Soͤhnlein iſt nun hier/

Immanuel/ woruͤber wir

Vor groſſer Herzensfreude lachen;

Der Gott und Menſch/ der Wunder-Mann/

Das groſſe Liecht/ das alles kan/

Auch Finſterniſſen/ helle machen.

6
Der Sohn/ der ſchon ſo lange Jahr

Uns duͤrfftigen verſprochen wahr/

Und uns zum Heyland auserkohren;

Der Frieden Fuͤrſt/ Krafft/ Held und Raht/

Das Reiß/ das Jeſſen Wurzel hat

Gezeuget/ iſt Gott Lob gebohren.

7
Der Heyden Troſt/ des Teufels Leid/

Die Sonne der Gerechtigkeit

Beſcheinet nun den Kreiß der Erden;

Der Braͤutigam ſucht ſeine Braut/

Die er ihm ewig hat vertraut/

Und laͤſt ſie nicht geſchaͤndet werden.

8
O allerliebſtes Jeſulein/

So wiltu nun mein Bruder ſeyn/

Und laͤſſeſt dich ein Kind gebaͤhren?

Koͤmſt her zu mir/ verlaͤſſt die Krohn

Des Himmels/ wirſt ein Menſchen Sohn/

Und tauſcheſt Kot vor Pracht und Ehren?

9
Du groſſer Herſcher/ Herr der Welt/

Wie daß dir Menſch zu ſeyn gefaͤlt?

Wie daß dir unſer Fleiſch behaget?

Iſt nicht der Sternen Zelt dein Sitz?

Biſtu nicht/ der den hellen Blitz

Abſcheuſt/ davor die Welt verzaget?

10
Biſtu nicht/ deſſen ſtarke Hand

Des Donner Knalles ſchnellen Brand

So ſchreklich loßzubrennen pfleget?

Biſtu nicht/ der das weite Rund

Des Himmels/ und der Erden Grund

Gewoͤlbet hat/ und feſt geleget?

11
Und koͤmſt zu mir in dieſe Quaal/

Nur daß du mir den ſchoͤnen Saal

Magſt/ deiner Herligkeit/ erwerben?

Ja wirſt ein Kind/ arm/ klein und bloß/

Damit ich wuͤrde reich und groß/

Und nicht moͤcht’ ewiglich verderben.

12
Wie duͤnket dich der Stall ſo fein/

Du allerſchoͤnſtes Jeſulein/

Da Ochs und Eſel dich beſchreihen?

Wie daß du in der Krippen liegſt/

Und dich ſo eng’ inander ſchmiegſt?

Wie kan dich Stroh und Heu erfreuen?

13 Ach
[677]Drittes Buch.
13
Ach freylich hab ich dieſe Noht

Dir angetahn/ und Kreuzes Tod/

Durch meine Schuld und ſchwere Suͤnden;

Ich bin/ der ſich durch Miſſetaht

So hefftig grob vergangen hat/

Und du muſt deſſen Straff’ empfinden?

14
Du biſt mein Schutz/ ich ſchmaͤhe dich/

Ich bin dein Feind/ du liebeſt mich;

Du biſt ein Gott/ und muſt doch buͤſſen?

Ich bin ein Stank und Ungehtur;

Und du erkaͤuffeſt mich ſo teur/

Daß auch dein Blut muß von dir flieſſen?

15
Mein Helffer! Guͤter hab ich nicht/

Damit ich meiner Schuld und Pflicht

Nach Wirdigkeit mich kan entheben;

Drumb wil ich dir mein Herz und Sinn/

Und alles was ich ſonſten bin/

Zur eignen Knechtſchafft uͤbergeben.

16
Doch iſt es leider viel zu ſchlim/

Erwecket leichter Gottes Grim/

Als daß es vor ihm koͤnte nuͤtzen.

Mein Gott! mit deiner Reinigkeit/

Die dir beywohnet jederzeit/

Wil ich mein ſchlimmes tuhn beſchuͤtzen.

17
Du haſt/ was ich nicht leiſten kan/

O JEſus Chriſt vor mich getahn;

Dein Ungemach/ die tieffen Wunden;

Dein Leiden/ Schmach/ Angſt/ Kreuz und Tod/

Die haben aller Pein und Noht

Mich armen Suͤnder ſchon entbunden.

18
Hier ſtek ich meines Lebens Ziel/

Ein ander ſuche was er wil;

Mich ſol kein irdiſches verleiten;

Du JEſus biſt mein Einig-all/

Den meiner Lippen Ruhm und Schall

Beſingen ſol zu allen Zeiten.

19
Du haſt mich wieder frey gemacht/

Mir Leben/ Heil und Wolluſt bracht/

Und aus der Helle mich geriſſen;

Du JEſus biſt mein Loͤſe Geld/

Auff daß ich auch des Himmels Zelt

Und deiner Freude mag genieſſen.

20
So laß doch dieſen ſchlechten Schall/

Gott hochgelobet uͤberall/

Biß hin zu deinen Ohren gehen/

Und daß ich mit der frommen Schaar/

Nach dieſer Truͤbſal und Gefahr

Mag deiner Gnaden-Antliz ſehen.

Ladiſla hoͤrete den Worten/ die uͤbrigen nur der Weiſe zu/ und weil ers in Teutſcher Spra-
che ſang/ meyneten ſie/ es wuͤrde ſeinem Fraͤulein zu Ehren angeſtimmet ſeyn/ daß auch die
Groß Fuͤrſtin ſagete: Durchl. Fuͤrſt/ ob gleich mein Wunſch keinen Nachdruk hat/ daß eu-
rer Liebe vertrautes Fraͤulein moͤchte gegenwaͤrtig ſeyn/ gelebe ich doch der Zuverſicht/ ſie
werden einander bald ſehen und ſprechen. Das verleihe uns Gott/ antwortete er/ und der-
ſelbe gebe/ daß ich ſie ihrer hoͤchſtbetruͤbten Fr. Mutter bald zufuͤhren moͤge. Es ging noch
mannicherley Geſpraͤch unter ihnen vor/ da die Groß Fuͤrſtin unterſchiedliche Fragen an
unſere Helden/ ſie zuerluſtigen/ abgehen ließ; Wie lange es waͤhre/ daß das Herrlein Her-
kules die jungen Woͤlffe aus dem Neſte gehohlet/ und ſeinen Ladiſla nicht mitnehmen wol-
len? Wie lange es waͤhre/ daß Ladiſla ſich von ſeineꝛ Fr. Mutter haͤtte krank nach Teutſch-
land fuͤhren laſſen/ umb/ ſeinen Herkules zuſehen? Was Herkules gedacht/ da ſein Ladiſla
ihm ſeine Eltern in ihrem Schloſſe mit ſeinen eigenen Untertahnen belagert? Ob Herku-
les mehr Kuͤhnheit in ſeinem Herzen empfunden/ da er nacket mit dem grimmigen Panno-
nier geſtritten; oder mehr Schahm/ da ihm ſein Fraͤulein das Blut vom Leibe helffen ab-
waſchen/ und was der Fragen mehr wahren/ deren ſich die unſern nicht gnug verwundeꝛn
kunten/ und doch leicht gedachten/ das Fraͤulein muͤſte ihren ganzẽ Lebenslauff erzaͤhlet ha-
ben. Der gleichen Unterredungen trieben ſie/ biß der ſpaͤte Abend ſie nach Bette führete/ da
Herkules bey ſeinem Ladiſla auff einem Lager ſchlief. Als ſie des Morgens erwacheten/ be-
gehrete Ladiſla zuwiſſen/ wie dañ ſein JEſus ihn in Griechenland vom Tode errettet haͤtte.
Herkules gedachte/ jezt waͤhre es Zeit/ ihn nach moͤgligkeit zubewaͤgen; erzaͤhlete ihm/ was
Q q q q iijvor
[678]Drittes Buch.
vor ein Geſichte er gehabt/ ehe ihn Klodius angetroffen haͤtte. Was? fiel ihm Ladiſla in
die Rede/ iſt dann Klodius bey dir geweſen? Ja freilich/ antwortete er/ aber er hat neben
Markus mir aͤidlich verheiſſen muͤſſen/ es keinem Menſchen zuoffenbahren/ daher du ihnẽ
ſolches nicht verargen wirſt. Und alſo wirſtu nun erkennen/ fuhr er fort/ daß mein Gott
und Heyland mich zu deiner Rettung in Griechenland auffgehalten/ dem ich auch dazu-
mahl angelobet/ allen moͤglichen Fleiß anzuwenden/ daß du zum Chriſtentuhm gebracht
werdeſt. Nun mein Bruder/ ſo erkenne doch Gottes Guͤte; ja erkenne dich ſelber auch/ und
laß dich des boͤſen Feindes Stricke weiter nicht binden. Ach glaͤube mir/ wann ich meines
Glaubens nicht ſo gewiß waͤhre/ wolte ich dieſes ſo eiferig nicht bey dir treiben; ſo ſuche
ich ja auch nicht meinen Vortel/ ſondern bloß allein deine Wolfahrt/ deren du dich bey der
hoͤchſten Warheit/ und ſo gewiß Gott lebet/ berauben wirſt/ wo du nicht wirſt meinen Hey-
land annehmen/ und ihn vor deinen Erloͤſer halten. Hierauff fing Herkules dieſes Gebet
an zu Gott/ und ſagete: Du barmherziger Herr/ du Vater meines lieben HErrn JEſus Chriſt;
ach ach! erbarme dich uͤber dieſen meinen Freund/ geuß ihm den Heiligen Geiſt ins Herz/ welcher den
halſtarrigen Unglauben hinweg nehmen/ und ihn zu dir zihen moͤge/ damit er des teuren verdienſtes
unſers Heylandes faͤhig werden/ und ewig genieſſen moͤge. Zeit dieſes Gebehts drungen ihm
mehr Traͤhnen aus den Augen/ als Worte aus dem Munde; welches Ladiſla nicht ohn
bewaͤgung wahr nehmend/ zu ihm ſagete: Hoͤre auff lieber Bruder/ dich uͤber meiner ehe-
mahligen Halsſtarrigkeit zubetruͤben; dein Gott hat mich ſo maͤchtig geruͤhret/ beydes
durch deine jezige Vermahnung und geſtriges andaͤchtiges Danklied/ das mein Herz nit
anders begehret/ als in deinem Glauben forthin zu leben und zu ſterben; hoffe auch/ dein
lieber HErr JEſus Chriſt werde mir die Gnaden-tuͤhr nicht verſperꝛen/ welche er dir ge-
oͤfnet hat; nur unterrichte mich/ was ich nach dieſem glaͤuben/ und wie ich mein Leben an-
ſtellen muͤſſe; dann deine mir zu Rom getahne Erinnerung hat nicht haften koͤnnen/ weil
des wahꝛen Gottes ich mich ſelbſt unwirdig machete. Dank ſey dir mein Heyland/ ſagte
Herkules/ vor dieſe deine unaußſprechliche Guͤte/ und befodere diß Werk/ welches du an-
gefangen haſt/ dañ es iſt nicht mein/ ſondern dein Werk; umbfing ihn hernach und ſagete:
O du mein wahrer und einiger Freund; lobe ja Gott mit mir vor dieſe gnaͤdige Erleuch-
tung/ und befeſtige dein Herz/ daß du bey der einmahl erkanten Warheit beſtaͤndig verhar-
reſt/ und keine Wiederwertigkeit noch Furcht/ noch Wolluſt dich davon abwenden laſſeſt.
Fing darauff an/ ihm den algemeinen Chriſtlichen Apoſtoliſchen Glauben vorzu behten/
welchen er mit feuriger Andacht nach ſprach/ und ihn als bald außwendig lernete; hernach
von ihm ſelbſt das heilige Vater Unſer behtete/ welches Herkules wunder nam/ ihn fra-
gend/ wer ihn ſolches gelehret haͤtte. Wer ſonſtẽ/ antwortete er/ als du ſelber? maſſen ichs
ſo oft von dir gehoͤret/ und weil mirs ſonderlich wolgefallen/ habe ichs ſider deinem abwe-
ſen/ auch noch ehe ich in das Griechiſche Ungluͤk geriet/ taͤglich geſprochen/ unter dieſer
Hoffnung/ der wahre Gott/ wer er auch waͤhre/ wuͤrde es von mir annehmen; muß auch
geſtehen/ daß mirs oft groſſen Troſt in mein Herz gegoſſen. Du haſt wol getahn/ antwor-
tete Herkules/ daß du des wahren Gottes haſt begehret/ zweiffele auch nicht/ derſelbe habe
ſolches an dir geliebet/ und dein Herz algemach zu ſich gezogen. Darauff erzaͤhlete er ihm/
wie er zu Jeruſalem in ſeinem Glauben ſo treflich geſtaͤrket waͤhre/ und daſelbſt die heilige
Tauffe
[679]Drittes Buch.
Tauffe empfangen/ daß auch der Roͤmiſche Stathalter daſelbſt/ Herr Pompejus/ mit ſei-
nem Gemahl und Frl. Tochter das Chriſtentuhm angenommen; auch was ſonſten ſich
daſelbſt begeben haͤtte. Hernach ſtunden ſie von ihrem Lager froͤlich auff/ und legeten ihre
Kleider an/ die von aͤdlen Steinen ſchimmerten. Weil dann Leches ihnen andeutete/ daß
der Groß Fuͤrſt mit den ſeinen ſchon im Gaſtſaal waͤhre/ gingen ſie zu ihnen hinein/ und
wurden freundlich empfangen/ auch zur Morgen Suppe gefuͤhret/ weil man dem Stechen
etwas zeitiger den Anfang geben wolte. Ladiſla foderte ſeine ſechs Ritter in gegenwart
aller vor ſich/ ſagete ihnen Dank wegen ihres ritterlichen Beyſtandes/ und ſchenkete jedem
einen Ring von 200 Kronen. Weil auch unſere beyde Helden heut nicht ſtechen wolten/
erklaͤreten ſich Pharnabazus und Leches deßgleichen. Der Groß Fuͤrſt ließ etliche Gut-
ſchen anſpannen/ und als er vernam/ daß die unſeren zu Pferde hinaus wolten/ muſte man
vor ihn und Arbianes auch ſatteln. Nun hatte Herkules des vorigen Abends vernom̃en/
wie artig Herkuliſkus das unbendige Pferd beritten/ und bekam groſſe Luſt/ es zu pruͤfen/
inſonderheit/ als er hoͤrete/ daß ſider ihrem abweſen es vorige Wildheit wieder angenom-
men haͤtte. Weil ihm dann ſolches gerne gegoͤnnet wahr/ ging er ſelber in den Marſtal/
redete dem Pferde freundlich zu/ und ſtellete ſich neben daſſelbe; da ſtund es ſo ſtille wie ein
Lamb/ ließ ſich auch von ihm das Gebiß antuhn/ und den Sattel aufflegen. Arbianes ſahe
es mit verwunderung an/ lieff geſchwinde hin/ und taht es der Geſelſchafft zu wiſſen/ wel-
che hervor traten/ und ihm zuſahen/ wie er den aͤdlen Blaͤnken am Zuͤgel aus dem Stalle
leitete/ der ſich zwar uͤberaus muhtig/ aber ſo gehorſam bezeigete/ als haͤtte er ſeinen Sinn
eigentlich gewuſt. Herkules ſchwang ſich leichtfertig hinauff/ und tummelte ihn ſo artig/
daß Phraortes uͤber laut ſagete; es muͤſte ohnzweiffel der Teutſche Fuͤrſten Stand allen
Adel der Welt uͤbergehen/ daß auch die unvernuͤnftigen Tihre es merken koͤnten. Weil er
dann aus Herkules Reden ſpuͤrete/ daß ihm das Pferd ſehr wol gefiel/ ſagete er zu ihm;
Wann er wiſſen ſolte/ daß er ſo ein ſchlechtes Geſchenk nicht außſchlagen/ und wegen der
treflichen Fraͤulein es vor ſein Leibroß gebrauchen wolte/ haͤtte er zu bitten/ es davor anzu-
nehmen. Welches Geſchenkes er ſich hoͤchlich bedankete/ ihn verſichernd/ daß es ihm lie-
ber als ſo ſchwer Gold waͤhre. Ladiſla kunte ſeinen Hengſt wegen des geſtrigen falles nicht
reiten/ daher er auff Erlaͤubniß einen groſſen Lichtſchimmel aus des GFuͤrſten Leibroſſen
waͤhlete/ welchen er mit ſchoͤnem Zeuge/ ſeinen Kleidern Gemaͤß/ außputzen ließ. Im hin-
aus zihen ritte Ladiſla dem Groß Fuͤrſten zur Rechten/ und Herkules zur Linken. Arbianes
aber ward von Pharnabazus und Leches begleitet/ worauff zehn Gutſchen mit Frauen-
zimmer folgeten/ hinter denen Mazeus und andere Mediſche Herren ritten. Jederman
ſahe unſere Helden mit verwunderung an/ und kunten nicht ausfinnen/ was vor groſſe
Herren/ und aus was Landſchaft ſie ſeyn moͤchten/ weil es von ihnen ſehr heimlich gehal-
ten ward. Doch Urteileten ſie ingeſamt/ es würden die geſtrige Beſt-ſtecher ſeyn. Auff der
Schaubuͤhne nam der GFuͤrſt und ſein Gemahl die vorige Stelle ein/ und wahren zween
Stuͤele gleicher Hoͤhe und Zierde mit jenen/ geſetzet/ auff welche ſich unſere Helden nider-
laſſen muſten/ da Herkules auff Ladiſla emſiges noͤhtigen/ den naͤheſten Siz bey der Groß-
Fuͤrſtin nam/ weil er Luſt haͤtte bey Fuͤrſt Arbianes zu bleiben/ und mit deſſen Liebe beſſere
Kundſchaft zu machen. Die verſamlete Ritterſchaft verſtund nicht ungerne/ dz die frem-
de
[680]Drittes Buch.
de Herren nicht mit ſtechen wuͤrden/ dann keiner hatte Hoffnung/ ihnen anzugewinnen/
ohn ein anſehnlicher Herr/ in einem ganz verguͤldeten Harniſche mit ſchwarzen eingeetze-
ten Blumen/ und ſehr praͤchtig gezieret/ der von zwoͤlff herlichen Rittern begleitet ward.
Dieſer nam Herkules vorigen Plaz ein/ und als er unſere Helden auff der Schaubuͤhne
ſahe/ ritte er ſelb dritte wieder aus den Schranken. Es gab ein ſonderliches auffſehen/ uñ
gedachte der mehrerteil/ ihm waͤhre eine Schwacheit zugeſtoſſen; Aber Herkules ſagete zu
Ladiſla; irre ich nicht/ ſo iſt es eben der gewaltige Ritter/ der ſich geſtern an uns beyden
verſuchete/ und weil er geſtern mit niemand/ als uns beyden/ ſtechen wolte/ wil er ſich heu-
te gar enthalten/ nachdem er uns nicht findet. Bald fiel ihm ein/ dz er ihm noch einen Rit
auff heut verſprochen hatte/ und baht den GFuͤrſten/ ihm eine kurze Rede an die Ritter-
ſchaft zu erlaͤuben/ da er ſtehend alſo anfing: Hoch- und wolgebohrne Herren und ſaͤmtli-
che hochloͤbliche Ritterſchaft; ich erinnere mich gleich jezt einer Zuſage/ die mir bey mei-
nem Gewiſſen entfallen wahr/ da ich nehmlich dem geſtrigen lobwirdigen Ritter auff ſein
freundliches anhalten heut ein oder etliche Ritte verſprochen; nun koͤnte ich mich meines
nicht-ſtellens halbẽ damit wol entſchuldigen/ daß ich ihn wegen des lezten Treffens ſchad-
haft geſehen; jedoch/ dafern demſelben gefaͤllig ſeyn moͤchte/ vor ſich ſelbſt/ oder durch ei-
nen gevolmaͤchtigten es zu leiſten/ bitte ich dienſtlich/ mich meines außbleibens nicht zu
verdenken/ und ſeine Anweſenheit mich wiſſen zu laſſen. Niemand wahr zugegen der ge-
antwortet haͤtte/ ob er gleich eine Zeitlang ſtehen blieb/ ſetzete ſich deßwegen nieder/ und be-
fahl Gallus/ ihm ſeine Waffen zu hohlen. Ladiſla ließ die ſeinen mit bringen/ dañ ſie ſahen/
daß wie zween Ritter den Anfang zum Stechen macheten/ einer von der zwoͤlffen Zahl ſich
heimlich aus den Schranken hinweg ſtahl/ der ohn zweiffel dem entwichenẽ Zeitung brin-
gen wolte. Alſo legeten ſie ihre Waffen an/ wie auch Pharnabazus und Leches/ und ſetze-
ten ſich auff die Bahn/ woſelbſt Ladiſla des vorigen Tages gehalten hatte. Nicht lange
hernach ſahen ſie einen ſelb ſechſe herzu rennen/ welche doch/ verdacht zu meiden/ ſich nicht
zu den erſten verfuͤgeten; ihr Fuͤhrer aber ſchickete bald darauff einen ab an Herkules/ der
ihn alſo anredete: Treflicher Mannfeſter Ritter/ naͤheſt anmeldung ſeiner Dienſte und
Gruſſes laͤſſet euch der geſtrige Ritter/ dem die Gurt zubrach/ freundlich anzeigen/ es ſey
ihm vorerſt eine hohe Freude geweſt/ dz er in erfahrung gebracht/ wie ihr nur der Durchl.
Groß Fuͤrſtin zu ehren und Dienſte geſtriges Tages das Amazoniſche Kleid angeleget/
entſchuldiget ſich ſeines auſſenbleibens/ wegen des verrenketẽ Schenkels/ und erbeut ſich
zu allen moͤglichen Freundſchaft-dienſten; damit aber eure vortreffligkeit alhier ſein nicht
vergeblich warten moͤchte/ hat ſein Geſelle ſich an ſeinen Plaz geſetzet/ welcher dann umb
den verſprochenen Rit freundlich anſuchet/ und hingegen ſich aͤuſſerſt verbindet. Mein
Herr/ antwortete er/ die trefliche Mannheit eures Herrn oder Freundes zu ruͤhmen/ habe
ich ſatte Urſach; bedanke mich des Gruſſes und erbietens dienſtlich/ mit Wunſch/ dereins
demſelben dienen zu koͤnnen/ und ſeiner hochwerten Kundſchaft zu genieſſen. Dem Anſu-
chen ſeines wirdigen Geſellen gebe ich billich ſtat/ und bin zu aller Wilfahrung bereit. Als
der Ritter dieſe Antwort vernam/ wunderte ihn nicht weniger ſeiner Freundligkeit als
ſtaͤrke/ und ſchickete ſich auff das inſtehende Treffen. Herkules uͤberſahe auch nichts/ ohn
daß er zweiffele/ ob ſein Blaͤnke ſich in den Handel ſchicken wuͤrde/ welcher anfing mit den
Fuͤſ-
[681]Drittes Buch.
Fuͤſſen zukratzen und zu wrinſchen/ auch ſich forne zuerheben/ daß die anweſende es mit Luſt
anſahen. So bald Herkules einlegete/ flohe es wie ein Pfeil von der Sehne/ die Bahn hin/
und ward ſein Gegener dergeſtalt getroffen/ daß ihm das Geſichte verging/ und an ſeines
Pferdes Maͤhne ſich halten muſte. Die Speer gingen beyderſeits zutruͤmmern/ und wel-
ches das aͤrgeſte wahr/ ſprang der Blaͤnke dem andern Pferde auff den Hals/ und riſſe es
mit den Zaͤhnen zu bodem/ daß es mit ſamt ſeinem Reuter dahin fiel; woruͤber Ladiſla ſich
hoch erfreuete; aber Herkules wahr mit dieſer Wuht nicht zufrieden/ weil es ein Schimpf-
Spiel ſeyn ſolte/ kunte doch das Pferd weder mit Gewalt noch Kunſt abhalten/ ſondern
muſte ihm ſein raſen goͤnnen/ da nach begangener Taht es ſich umſahe/ ob noch einer oder
ander verhanden waͤhre/ der ſich an ihm reiben wolte. Der gefellete Ritter wahr des ge-
doppeltẽ Schimpffs zornig/ ob er gleich keinen Schaden nam/ welches Herkules merkend/
abſtieg/ zu ihm trat/ und mit offenem Helme ihn alſo anredete: Trefflicher Ritter/ meines
Pferdes raſen iſt mir ſehr leid/ weiß auch/ daß ſichs nicht ziemet/ dergleichen auff Schimpf-
Spiele zuführen. Nun iſt aber der Him̃el mein Zeuge/ da ich deſſen die allergeringſte Wiſ-
ſenſchafft nicht gehabt/ nach dem ichs heut zuerſt geſehen/ und von meinem Gn. Groß Für-
ſten mir geſchenket iſt; bitte demnach dienſtlich/ mir dieſes nicht zuzuſchreiben/ noch daher
einen Widerwillen auff mich zulegen. Der Ritter nam dieſe Entſchuldigung an/ und ant-
wortete: Es iſt wahr/ trefflicher Ritter/ daß man ſolche Pferde auff Schimpff-Streiten
nicht gebrauchen ſol/ werde auch ſo unhoͤflich nicht ſeyn/ ihn darumb anzufeinden/ weil kein
Vorſatz darunter ſtecket; aber ſeyd gebehten/ und goͤnnet mir noch einen oder etliche Ritte/
da es euch nicht zuwider iſt. Er bedankete ſich der Verzeihung/ und wahr ihm im übrigen
gerne zu dienſte; kehrete ſich auch zu Leches/ ihm ſein Pferd zuleihen/ welcher geſchwinde ab-
ſtieg/ und ihn auffſitzen ließ/ wolte nachgehends den Blaͤnken beym Zuͤgel fortleiten/ der ihm
aber dergeſtalt zuſetzete/ daß er ihm weichen muſte/ biß die Stallknechte herzu lieffen/ und es
aus den Schranken trieben. Inzwiſchen hatten die Kaͤmpffer ſich fertig gemacht/ inſon-
derheit der fremde; da ſie dann eiferig traffen/ und dieſer zimlich auff die Weichſeite kam/
brachte doch den Lauff zum ende/ und begehrete des dritten Treffens/ in welchem Herkules
ohn einiges wanken/ ihn der geſtalt herunter warff/ dz jederman meynete/ er haͤtte das Herz
im Leibe zubrochen/ lag auch als unempfindlich/ und ward von den ſeinen auf ein Pferd ge-
hoben/ und weggefuͤhret/ da er vol unmuhts wahr/ daß er ſich ſchlimmer als des vorigen
Tages gehalten hatte/ machete ſich auch mitſeiner Geſellſchaft davon/ daß niemand erfah-
ren kunte/ wer er wahr/ und wohin er ſich begab. Herkules wolte auch nicht laͤnger in den
Schranken halten/ und ſagete zu Ladiſla: Damit gleichwol dieſer Ritter ſehe/ daß wir un-
ſere Waaren auch nicht den Bauren feil bieten/ deucht mich das beſte ſeyn/ wir laſſen den
andern Raum/ ihre uͤbung fortzuſetzen; Als ſie aber im Abzuge begriffen wahren/ machete
ſich ein unanſehnlicher doch feſtgeſezter Ritter hervor/ und ſagte zu Ladiſla: Mein Herr/
ich zweifele nicht/ ihm geſchehe ein ſonderlicher Dienſt/ da ihm gelegenheit gegeben wird/
ein Speer zubrechen/ auff welchen fall ich mich darbiete/ wo ich deſſen wirdig bin. Es hatte
dieſer ſchon deſſelben Tages fuͤnff anſehnliche Ritter nidergelegt/ welches Ladiſla nicht un-
bewuſt wahr/ daher er ihm zur Antwort gab: Seine ſchon erwieſene Mannheit haͤtte ihm
wolgefallen/ bedankete ſich des erbietens/ und moͤchte ſich nur alsbald auff die Bahn ſtellẽ.
R r r rSie
[682]Drittes Buch.
Sie traffen beyde gewaltig auff einander/ daß die Speere in die Lufft flogen/ hielten aber zu
beyden teilen redlich aus; foderten andere Speere/ und wageten es abermahl/ da der Aus-
foderer ſchier den kuͤrzern gezogen haͤtte/ jedoch ſich des Falles noch enthielt. Ladiſla meyne-
te/ es waͤhre ihm ſchimpflich/ daß er den dritten Satz halten ſolte/ in welchem er ihn auch
traff/ daß er ſich mit ſamt dem Pferde uͤberwog/ uñ im Falle den rechten Schenkel zubrach;
Noch wolte er ſich nicht laſſen hinweg fuͤhren/ ſondern ließ ſich im naͤheſten Zelt verbindẽ/
und kehrete wieder in die Schranken/ der Hoffnung/ an dem Preiſe Teil mit zuhaben. Mit
Leches trug ſich ſonſt ein werklicher Zauberpoſſe zu. Es ritte ein kleiner Zwerg zu ihm/ gruͤſ-
ſete ihn mit ſtarker Stimme von ſeines Herrn wegen/ und zeigete an/ daß er ihn umb ein
Treffen erſuchen lieſſe. Niemand hatte das Zwerglein geſehen in die Schranken reiten/
welchem Leches antwortete: Er waͤhre zu dem ende da/ niemand/ der deſſen begehrete/ ab-
zuſchlagen. Nun dann/ ſo haltet euch wol/ ſagte der Zwerg/ dann es wird euch noͤhtigſeyn.
Ich wil mein beſtes tuhn/ gab er zur Antwort/ ein mehres kan ich weder verſprechen noch
leiſten. Hierauff gedauchte ihn/ es hielte ein erſchreklicher Rieſe gegen ihn/ und winkete mit
einem Stangenbaums-dicken Speer; daher er zu Ladiſla ſagete: Gn. Herr/ ob gleich die-
ſer Rieſe mich mit unrittermaͤſſigem Gewehr angreiffet/ wil ich ihm dannoch begegnen.
Ladiſla wolte ihn fragen/ wo dann dieſer Rieſe waͤhre; aber er rante alsbald fort/ zweifelnd/
ob er auch mit dem Leben davon kommen wuͤrde; da inzwiſchen ein heftiges Gelaͤchter bey-
des von den Rittern und Zuſehern angefangen ward; dann als Leches vermeynete einen
groſſen Rieſen zutreffen/ bekam er ein Gebuͤndlein Stroh an ſein Speer/ womit er dẽ Lauff
vollendete/ und annoch nicht anders meynete/ er haͤtte den graͤulichen Rieſen zur Erde ge-
worffen/ der auff ihn einen Fehlſtoß getahn. Hingegen ſahen alle anweſende/ daß nur ein
Pferd gegen ihn lieff/ auff welchem das Buͤndlein Stroh lag/ welches ein Zaͤuberer zuge-
richtet hatte/ den anweſenden ein Gelaͤchter zuerwecken. Nach vollfuͤhretem Ritte ſahe Le-
ches ſich umb/ hoͤrete das lachen/ und ward des Strohs auff ſeinem Speer innen/ ſahe abeꝛ
keinen abgeſtochenen auff der Bahn liegen/ daher er voll Eifer lief/ daß er bey ſeinen Ehren
ſchwuhr: Koͤnte er den Augenverblender erforſchen/ ſolte er ihm das Leben laſſen. Aber La-
diſla redete ihm ein/ er haͤtte nicht urſach zuzuͤrnen; einem jeden redlichen Ritter koͤnte ein
gleichmaͤſſiges begegnen/ taͤhte demnach am beſten/ daß er mit lachete; welche Erinnerung
doch ſo bald bey ihm nicht hafften wolte/ biß er ſich endlich beſan/ und da ſie wieder auff die
Schau Buͤhne geſtiegen wahren/ dem Groß Fuͤrſten ſeinen Strohwiſch mit dieſen Wor-
ten zun Fuͤſſen legete: Gnaͤdigſter Groß Fuͤrſt/ ein boshafter Zaͤuberer hat gemacht/ dz mir
dieſer Wiſch als ein ungeheurer groſſer Rieſe erſchienen iſt/ daß ich mich auch des Lebens
ſchon erwogen hatte; weil aber ich etwa mit Fiſch Augen geſchen/ habe ich das auslachen
billich davor zu Lohn davon getragen. Er aber troͤſtete ihn/ und ſagete: Es haͤtte ohn zwei-
ſel der betriegliche Zaͤuberer ſein unerſchrockenes Herz erkeñet/ daß er auch mit einem Rie-
ſen zutreffen ſich nicht ſcheuhete/ wovor ihm billich der Preiß des Stechens zuerkeñet wuͤꝛ-
de. Das Spielward noch zimlich angetrieben/ und begaben ſich lauter Ungluͤksfaͤlle/ ſo dz
keiner abgeſtochen ward/ der nit Arm oder Bein zubrochen haͤtte; ja es begunte ein ſolcher
Lermen unter der Ritterſchafft zuentſtehen/ dz ſichs anſehen ließ/ als wolten ſie ſich in zween
Hauffen ſchlagen/ und einen ſcharffen Streit anfahen; des wegen Herkules zu dem Groß-
Fuͤrſten
[683]Drittes Buch.
Fuͤrſten ſagete: Gewißlich bemuͤhet ſich der arge Menſchen Feind/ unſchuldig Blut zuveꝛ-
gieſſen! Ich weiß ſelber nicht/ antwortete er/ was ich gedenken ſol; ließ den Abzug blaſen/
und bey Leib und Lebensſtraffe alle Taͤhtligkeit verbieten; wodurch dann im Augenblik al-
ler Aufflauff geſtillet wahr/ und die Richter mit dem Frauenzimmer zuſammen traten/ we-
gen Austeilung des Gewins anordnung zumachẽ/ der auf ſechs Haͤupter zugerichtet waꝛ.
Herkules und Ladiſla/ auch der mit jenem geſtochen hatte/ wurden ausgeſetzet/ und ihnen
der Preiß mit einer kurzen Lobrede zugelegt; Darauf ſendete man den erſten Dank dem
Ritter/ der ſo manlich mit Ladiſla getroffen hatte/ welcher ein Skythiſcher Herr wahr; den
andern wolte man Leches einhaͤndigen/ aber er baht ſehr/ das Ziel der Gerechtigkeit nit aus
Freundes Neigung zuuͤberſchreiten/ damit nicht einer oder ander urſach haͤtte/ darauff zu
ſchimpffen/ daß vor Abſtechung eines Strohwiſches er dieſe Belohnung empfangen haͤt-
te; welches ſie dañ gelten lieſſen/ wiewol die Großfuͤrſtin ihm ein abſonderliches Geſchenk
verſprach/ und folgendes Tages einlieferte/ nehmlich ein koͤſtliches Halsband auff 2000
Kronen wert; Die uͤbrigen fuͤnff Geſchenke wurden den Obſiegern gebuͤhrlich eingerei-
chet. Zeit wehrender Austeilung kam ein wolgeputzeter Ritter in vollem Rennen herzu/
ſtieg bey der Schau Buͤhne ab/ und ließ bey dem Groß Fuͤrſten gebuͤhrlich anſuchen/ ob ihm
koͤnte zugelaſſen ſeyn/ auff die Schau Buͤhne zutreten; er haͤtte im nahmen und von wegen
eines groſſes Herrn/ den beyden fremden Rittern etwas vorzutragen. Der Groß Fuͤrſt
wahr willens/ ihm ſolches abzuſchlagen/ ſich neben allen anweſenden befuͤrchtend/ er wuͤrde
ſie zu einem blutigen Kampff ausfodern ſollen; aber weil Herkules umb Einwilligung ſehr
anhielt/ gab ers zu/ inſonderheit/ als er ihn neben Ladiſla auffſtehen ſahe/ hinunter zutreten.
Der Abgeſante mit halb verſchloſſenem Helme redete ſie beyde alſo an: Vortreffliche Rit-
ter und Herꝛen; mein Gn. Herꝛ/ welcher geſtern und heut ſich mit euch verſuchet/ und ſeine
Meiſter gefunden hat/ laͤſſet euch ſeine aufrichtige Freundſchaft und moͤgliche Liebesdien-
ſte durch mich anmelden/ und umb Verzeihung bitten/ daß aus hoͤchſtwichtigen Urſachen
er vor dißmahl unerkeñet davon reiten muß/ moͤchte von herzen gerne eurer beyder Stand
und Nahmen wiſſen; erbeut ſich/ auf euer begehren/ ſolches vor jedermaͤnniglich zuver-
ſchweigen/ und wil zu gelegener Zeit ſich ihnen gerne kund geben; hat mir ſonſt dieſe beyde
Ringe zugeſtellet/ Eurer Gn. Gn. ſolche als ein Pfand ſeiner Ergebenheit einzuliefern. Al-
le anweſende wurden hiedurch hoͤchlich erfreuet/ und nahmen unſere Helden die Ringe mit
ernſthaffter Hoͤfligkeit zu ſich/ deren jeder auf 8000 Kronen geſchaͤtzet ward/ dabey Herku-
les dieſe Antwort gab: Herr Ritter; mein Freund hie zugegen und ich/ haben urſach zube-
kennen/ daß euer Herꝛ ſo wol an Mannheit als Hoͤfligkeit ganz vortrefflich und vollkom-
men iſt/ gegen den wir auch wider unſern willen uns gebrauchet haben/ halten gaͤnzlich da-
vor/ es ſey an unſer Seite ergangen/ wie den Spielern/ die wegen des Mit Spielers bewil-
ligung mit ſchlimmer Karte und wenig Augen gewinnen/ und geſtehen gerne/ daß zeit un-
ſers Lebens wir von keinem Ritter haͤrtere Puͤffe/ als von ihm eingenommen. Daß er in
Vertrauen unſers Standes gerne wil berichtet ſeyn/ rechnen wir vor eine ſonderliche Eh-
re/ und wolle er ſeinem Herꝛn unter ſolchem Vertrauen andeuten/ daß wir um unſer Wol-
fahrt willen/ die niemand ſchaͤdlich/ als ſchweiffende Ritter umher zihen/ auch nahe Blut-
freunde ſind/ und uns ohngefehr hieſelbſt angetroffen; Mein Geſelle iſt ein herſchender Koͤ-
R r r r ijnig
[684]Drittes Buch.
nig in weit abgelegenen Nordweſtiſchen Laͤndern/ und ich ein gebohrner Groß Fuͤrſt der
Teutſchen; Dieſer heiſſet Ladiſla/ und ich Herkules. Die eingereicheten koͤſtlichen Ringe
nehmen wir mit gebuͤhrendem Danke an/ und bitten/ mein Herꝛ wolle ſeinem Herꝛn dieſe
beyde Ringe (welche ſie von ihren Fingern zogen/ und nicht minder koͤſtlich wahren) hin-
wiederumb zur gleichmaͤſſigen bezeugung unſers ihm ergebenen Herzens und Willens/ uͤ-
berliefern/ nebeſt dem aufrichtigen erbieten/ daß da wir dereins ſo gluͤkſelig ſeyn weꝛden/ die-
ſen vortrefflichen Herꝛn zu erkeñen/ wir nicht unterlaſſen wollen/ unfere gegenwaͤrtige Auf-
wartung ihm willig zuleiſten. Der Ritter bedankete ſich des hohen erbietens/ und ſagete:
Wie hoch werde ich meinen Gn. Herꝛn erfreuen/ wann er vernehmen wird/ daß Eure
Durchll. eben dieſelben ſind/ welche er ſelbſt gewuͤnſchet/ als die in Italien ihnen einen ſol-
chen Nahmen erworben/ welcher durch die ganze Welt fleuget. Wir ſind ſeiner Durchl.
eures Herꝛn Diener/ ſagte Ladiſla/ und werden ſtets auf unſere Gluͤkſeligkeit hoffen/ eures
und unſers Herꝛn Kundſchaft zuerlangen. Dieſer ritte in ſchneller eile davon/ und verließ
allen anweſenden nicht geringe Verwunderung; man kunte aber in keiner Herberge er-
fahren/ wer er ſeyn moͤchte/ wiewol der Groß Fuͤrſt und Pharnabazus es eigentlich errietẽ;
doch weil ſie ſahen/ dz jener noch zur Zeit ungemeldet ſeyn wolte/ ſich deſſen gegen niemand
merken lieſſen. Sie ritten wieder nach der Stad/ da Herkules Pferd ſich uͤber aus freudig
erzeigete/ daß er unverhohlen ſagete: Es waͤhre ihm ſein Blaͤnke lieber als eine Grafſchaft/
wolte auch kein Geld ſparen/ wann er ſeines gleichen wuͤſte vor Ladiſla zubekommen. Bey
der Mahlzeit ſuchete Herkules gelegenheit nachzufragen/ was und wie mancherley Glau-
ben und Gottesdienſt in dieſen Morgenlaͤndern uͤblich und zugelaſſen waͤhre; deſſen ihn
Pharnabazus den beſten Bericht geben kunte/ der ihm dann anzeigete/ es waͤhre durchge-
hend der Perſiſche Gottesdienſt der gebraͤuchlichſte/ da man den uhralten Griechiſchen
Glauben feſt behielte/ und die naͤrriſchen Tichtereyen der jetzigen Griechen und Roͤmer
verlachete/ welche ihnen Goͤtter traͤumen lieſſen/ die von Menſchen gebohren und erzeuget
ſind/ denen ſie Kirchen und Klauſen aufrichteten/ auch wol Bilder ſchnitzeten/ ob waͤre bey
denſelben eine ſonderliche Krafft zuhelffen; dieſen kindiſchen Wahn/ ſagete er/ koͤnnen wir
uns nicht einbilden laſſen/ ſondern ſind von unſern Vorfahren gelehret/ unſere Goͤtter un-
ter demfreyen Himmel und auf den Gipfeln der Berge zuverehren; Unſer hoͤchſter Gott
iſt Jupiter/ durch welchen wir die hoͤchſte Krafft/ die alles erhaͤlt/ verſtehen; hernach haben
wir andere Goͤtter/ dieſem algemeinen Gott unter geben/ als da ſind/ Sonne/ Monde/ Feur/
Erde/ Waſſer/ Winde; denẽ unſere andaͤchtige Opffer zuverꝛichten/ haben wir von unſern
Vorfahren gelernet. Jedoch finden ſich auch in dieſen Landſchafften/ wie im Roͤmiſchen
Gebiet/ Juden und Chriſten/ und zwar in nicht geringer Anzahl; haben doch die Freyheit
nicht/ ihren Gottes dienſt oͤffentlich zuhalten; und ob gleich dieſe unter ſich ſtetige Irrungẽ
haben/ auch/ wie ich davor halte/ ihres dinges nimmermehr einig werden koͤnnen/ ſo ſind ſie
doch in Verachtung unſer Goͤtter ganz einig/ beſchuldigen uns des Aberglaubens/ uñ ſpre-
chen; alles was wir vor Goͤtter ehren/ ſeyn nur Geſchoͤpffe ihres wahren Gottes/ und da-
her nicht vor Goͤtter zuachten; worauf dann unſere Gelehrten ſehr uͤbel zuſprechen ſind/
und ſich heftig bemuͤhen/ ſolches vorgeben durch wolgeſetzete Vernunftgruͤnde umbzuſtoſ-
ſen/ und unſerer Goͤtter Ehre zuſchuͤtzen; weil ſie aber in dem Hauptgrunde nicht koͤnnen
einig
[685]Drittes Buch.
einig werden/ auff welchem der aͤuſſerſte Beweißtuhm hafften muß/ behaͤlt immer ein teil
gegen den andern damit er ſeine Meynung ſchuͤtzet/ und die widerwertige anficht. Herku-
les wolte ſich mit ihm in kein Streitgeſpraͤch einlaſſen/ ſondern fragete/ wie dañ die Chriſtẽ
ingemein ſich in ihrem Leben uñ Wandel verhielten. Die Juden/ antwortete Pharnaba-
zus/ ſind uͤberal dem Wucher ergebẽ; eſſen weder mit Chriſtẽ noch Heiden; Aufrichtigkeit
findet ſich bey ihnẽ nit; zum gebrauch der Waffen ſind ſie gar ungeſchikt; befleiſſigẽ ſich alleꝛ
tuͤckiſchẽ boßheit/ uñ hoffen auf einen ihres Geſchlechts/ der ſie aus aller Welt verſamlẽ/ uñ
in ihr Land wieder fuͤhren ſolle. Den Chriſten wird auch viel boͤſes nachgeſagt/ aber es wil
ſich dannoch allerdinge nicht finden; einmahl iſt gewiß/ daß ſie ihrem Gottesdienſte fleiſſig
obliegen/ und ſich lieber durch allerhand Pein hinrichten laſſen/ als daß ſie ihren Gott ver-
leugnen ſolten; man hat ſich oft bemuͤhet/ dieſe Lehre zuvertilgen/ aber weil ſie durch Ver-
folgung nur zunimt/ und ſie gleichwol noch keinmahl wieder die Obrigkeit Empoͤrung vor-
genommen/ wie die Juden ſich wol unterſtanden/ laͤſſet man ſie hingehen. Gewißlich iſt es
auch unrecht/ ſagete Herkules/ einigen Menſchen umb des Glaubens willen zu toͤdten/
wann man ſonſt nichts auff ihn zu ſprechen hat/ und da es hie zu Ekbatana etliche Chriſten
haͤtte/ moͤchte ich ihre Kundſchaft wol haben/ dann ich bekenne/ daß weder zu Rom noch zu
Jeruſalem/ jezt Elia genand/ mir mehr Liebedienſte/ als von den Chriſten geſchehen ſind.
Freilich gibt es hie derſelben/ ſagte Mazeus/ und wann wir nur einen Juden haͤtten/ ſolte
uns derſelbe bald einen ſchaffen: Dann dieſe ſind ihre rechten Spuͤhrhunde und abgeſag-
te Todfeinde. Eines Juden wollen wir balb bemaͤchtiget ſeyn/ ſagte der Groß Fuͤrſt/ und
befahl einem Diener nach der Wechſelbank zu lauffen/ wo felbſt ſich ſtets Juden fuͤnden;
ward auch ungeſeumet einer herzu gefuͤhret/ welcher ohn ehrerbietung ins Gemach trat/
und alsbald fragete/ ob die Herren oder das Frauenzimmer etliche Kleinot zu kaͤuffen/
Luſt haͤtten/ koͤnten ſie deren bey ihm umb liederlichen Preiß bemaͤchtiget ſeyn. Mazeus
antwortete ihm: Du biſt ſchacherns halben vor dißmahl nicht hergefodert/ ſondern uns
einen Chriſten herzuſchaffen. Des Unziefers wol hundert vor einen/ ſagte der Jude/ wañ
ſie nur alle moͤchten gehenket ſeyn/ wie ihr Luͤgen-Gott. Herkules ergrimmete wegen der
Laͤſterung/ das ihm Herz und Haͤnde bebeten/ hatte das Meſſer ſchon gefaſſet/ ihn damit
durch zu werffen; doch brach er ſeinen Eiſer/ nur daß er zu ihm ſagete: Je du leichtferti-
ger Bube/ darfſtu dann einen Gott ſchaͤnden/ und zwar in dieſer Fuͤrſtl. Gegenwart? wañ
du Ritterſtandes waͤhreſt/ du muͤſteſt mir ohn fehlen mit dem Halſe bezahlen; nun aber
werde ich mich an dir nicht reiben/ und zweiffele nicht/ dafern der Chriſten Gott ein war-
haftiger Gott iſt/ werde er ſeine Ehre ſchuͤtzen. Der Jude/ nahmens Eleaſar/ erſchrak der
Draͤuung anfangs/ weil aber keine taͤhtligkeit erfolgete/ ließ ers hingehen/ und hohlete ei-
nen Chriſten herzu: Welcher/ da er ins Gemach trat/ demuͤhtigete er ſich ſehr/ wuͤnſchete
anfangs dem Groß Fuͤrſten und ſeinem Gemahl Gottes Gnade/ langes Leben/ und gluͤkli-
che Herſchung; nachgehends allen Anweſenden/ Friede/ Geſund heit/ und alles wolerge-
hen; Zeigete darauff an/ er haͤtte verſtanden/ daß ihre Groß Fuͤrſtl. Durchl. gnaͤdigſt ſeine
gegenwart begehreten/ deßwegen er untertaͤhnigſt haͤtte erſcheinen ſollen und wollen/ umb/
gehorſamſt zuvernehmen/ woriñen ſeinem gnaͤdigſten Groß Fuͤrſten oder anderen groſſen
anweſenden Herren/ er koͤnte auffwaͤrtig und bedienet ſeyn. Dem Groß Fuͤrſten gefiel dieſe
R r r r iijRede
[686]Drittes Buch.
Rede ſchr wol/ und fragete ihn mit freundlicher Stimme/ ob er ein Chriſt waͤhre. Ja/ gnaͤ-
digſter Groß Furſt/ antwortete er/ ich bin ein Chriſt/ und mit allen meinen Glaubens-ge-
noſſen behte ich taͤglich zu Gott/ daß er eure Durchl. mit ihrem ganzen Groß Fuͤrſtl. Hauſe
vor allem Unheil vaͤterlich beſchuͤtzen wolle; befleiſſigen uns auch eines guten gewiſſens/
und da uns von unſern Fein den zu leide geſchihet/ verzeihen wir ihnen von Herzen/ und
befehlen unſerm Gotte die ganze Sache und Rache. Daran tuht ihr wol/ ſagete der Groß-
Fuͤrſt/ und als lange ihr euch in dieſen Schranken verhaltet/ ſol euch wegen des Glaubens
keine uͤberlaſt geſchehen; nur daß gleichwol unſer Gottesdienſt von euch ungeſchendet blei-
be. Dem Chriſten ſtiegen vor freuden die Traͤhnen aus den Augen/ fiel vor dem Groß Fuͤr-
ſten nieder/ und bedankete ſich in aller Chriſten Nahmen zum untertaͤhnigſten/ mit beten-
rung/ da einiger Chriſt wieder Groß Fuͤrſtliches Geboht oder Verboht handeln/ oder ſonſt
unerbarlich Leben wuͤrde/ wolten ſie ihn keine Stunde unter ſich dulden/ ſondern bey der
Obrigkeit anklagen/ und der Straffe uͤbergeben. Der Groß Fuͤrſt fragete weiter/ aus was
Urſachen die Juden ihnen und ihrem Gott ſo gehaͤſſig waͤhren/ und was ſie denſelben zu
leide taͤhten. Gn. Groß Fuͤrſt/ antwortete er: Wir huͤten uns mit allem Fleiß vor ihnen/
koͤnnen aber doch nicht unangefochten bleiben/ ſondern da ſie bey uns hergehen/ ſpeien ſie
uns an/ und fluchen unſerm Heylande an den wir glaͤuben; wie mich dann jezt der Anwe-
ſende Jude hart angegriffen/ daß wegen meines Luͤgen-Gottes (mein Gott verzeihe mirs/
daß ich ihm die Laͤſterung nach rede) von einem jungen hochmuhtigen Ritter/ und wie er
ihn mehr neñete/ eꝛ ſich haͤtte muͤſſen uͤber das Maul hauen laſſen; wo aber/ und wann ſol-
ches geſchehen/ hat er nicht hinzugetahn. Der Groß Fuͤrſt erzuͤrnete ſich hieruͤber heftig/
ließ den Juden ins Gemach fodern/ und ſagete zu ihm: Du meinaͤidiger Schelm wer hat
dir befohlen/ oder die Freyheit gegeben/ dieſen Chriſten und ehrlichen Mann unbilliger
Weiſe anzufahren/ der unter meinem Schuz wohnet? und wie darfſtu gegenwaͤrtigen Rit-
ter (auff Herkules zeigend) ſo frech ſchaͤnden? Dieſer fiel auffs leugnen; ſagte/ die Chriſten
waͤhren boshaffte verlogene Leute/ und ſucheten nur/ wie ſie fromme Juden bey der Obrig-
keit verhaſſet macheten/ daher ſie des verleumdens kein Ende finden koͤnten. Daß leugeſtu
Bube/ ſagte der Groß Fuͤrſt; es hat noch nie kein Chriſt einigen Juden bey mir angetragẽ.
Herkules kunte nicht laͤnger ſchweigen/ machte ſich an den Juden/ und ſagete: Du wirſt/
verſichere dich/ ohn Straffe nicht entgehen/ dafern du vor erſt nicht klaͤrlich dartuhſt/ daß
die Chriſten ſolche boshafte Leute ſeyn; hernach/ daß ihr Gott ein Luͤgen-Gott ſey. Iſt er
ein luͤgen Gott? Ich meine ja/ er habe euch gehalten/ und mit vollem maſſe eingeſchenket/
was er euch gedraͤuet/ daß zu Jeruſalem kein Stein ſolte ubeꝛ den andern bleiben: Ich mei-
ne ja/ er habe ſeyn Blut uͤber euch und eure Kinder kommen laſſen/ und euch in alle Welt
zuſtreuet. So ſchicke dich nun zum beweißtuhm/ oder ich werde bey meinem Gn. GFuͤr-
ſten der unſchuldigen Chriſten Vorſprach ſeyn/ und zugleich mit eifern/ daß du mich vor
einen hochmuͤhtigen geſcholten haſt. Der Jude warff ſich weit/ daß er des Worts ſolte
gedacht haben/ ſetzete auch den Chriſten mit heftigen Worten zu rede; Ob er ihm dieſen
Ritter genennnet haͤtte/ deſſen Nahme ihm ganz unbekant waͤhre? Der Chriſt antwortete:
Wen er gemeinet haͤtte/ waͤhre ihm unbewuſt/ aber daß er ſich uͤber einen jungen Ritter
ob gedachter geſtalt beſchweret haͤtte/ wuͤrden ohn zweifel die Kriegsknechte bezeugen koͤn-
nen/
[687]Drittes Buch.
nen/ die hauſſen vor dem Schloßtohr wacheten. Wie ſie dann bey ſchleuniger Verhoͤrung
einmuͤhtig ablegeten; der Chriſt waͤhre ohngefehr voruͤber gangen/ da ihn der Jude an-
geſpien/ ſchaͤndlich außgemacht/ und ob gedachte Worte daneben gefuͤhret haͤtte. Wor-
uͤber der Groß Fuͤrſt ſich dermaſſen erzuͤrnete/ daß er befahl ihn mit Knuͤtteln zu toͤdten.
Weil aber Herkules und der Chriſt vor ihn bahten/ daß ihm das Leben moͤchte geſchenket
werden/ wolte der Groß Fuͤrſt weiter nicht verfahren/ ſondern ſtellete Herkules frey/ die
Urtel nach belieben zu fellen; Der ihn vorfoderte/ und zu wiſſen begehrete/ ob ihm ſeine
Bosheit leid waͤhre; welcher aber nichts anders antwortete/ ohn das er umb verzeihung
baht/ weil er nicht gewuſt haͤtte/ daß er ein Chriſt waͤhre. Ob ich ein oder kein Chriſt bin/
ſagte Herkules/ bin ich nicht ſchuldig dir Buben rechenſchaft zu geben; nur antworte mir
auff meine Frage/ ob dir leid ſey oder nicht/ was du wieder der Chriſten Gott außgeſpeiet
haſt. Der Jude ſahe vor ſich nider/ aber kein einziges Wort kunte man aus ihm bringen/
daß endlich Herkules ſagete: Dieſer Laͤſterer iſt in ſeiner Bosheit ſo verhaͤrtet/ daß alle
beſſerungs Hoffnung an ihm verlohren iſt; ich bitte aber ſehr/ ihre Durchl. wollen ihn un-
geſtraft gehen laſſen/ weil er die Obrigkeit und ihre außdruͤkliche Satzungen nicht beleidi-
get noch uͤbertreten hat; vor das uͤbrige wird ihn der gerechte Gott ſchon finden. Euer Lie-
be zu gefallen/ ſagte der Groß Fuͤrſt/ endere ich meinen Vorſaz; du ſolt aber/ ſagte er zu dem
Juden/ mit dieſem Chriſten hin zu allen denen gehen/ die du vor dieſem haſt beleidiget/ uñ
ihnen mit gebogenen Knien und gefaltenen Haͤnden abbitte tuhn/ oder ich wil dich mit dei-
nem ganzem Hauſe ſtuͤndlich laſſen ans Kreuz heften. Der Jude verſprach allen Gehor-
ſam/ ſein Leben zuerretten/ und ging mit dem Chriſten hin/ da unfern vom Schloſſe drey
erſchroͤkliche groſſe ſchwarze Hunde Nordwerts herzu lieffen/ und den Juden ohn einzi-
ges gebelle anfielen/ in kleine Stuͤcke zuriſſen/ und doch nichts von ihm fraſſen/ ſondern
lieſſen alles liegen/ ohn daß ſie das Eingeweide auff der Gaſſen zerzerreten; und ob gleich
eine ſehr groſſe menge Volkes dabey ſtund/ kehreten ſich doch die Hunde an niemand/ ſon-
dern nach verrichteter Taht lieffen ſie deß Weges den ſie kommen wahren/ und ſahe kein
Menſch wo ſie endlich blieben. Der Chriſt entſetzete ſich uͤber der goͤttlichen Rache/ lobe-
te ſeinen Heyland/ daß er ſeine Ehr ſelber geſchuͤtzet hatte/ und kehrete wieder nach dem
Schloſſe/ dem Groß Fuͤrſten ein ſolches anzumelden. Da man nun ſeine gegenwart der
Fuͤrſtlichen Geſelſchaft zu wiſſen taht/ meinetẽ ſie/ er wuͤrde von dem Juden auff ein neues
beleidiget ſeyn/ auff welchen Fall der Groß Fuͤrſt ihm die aͤuſſerſte Straffe draͤuete. Des
Chriſten erſchrockenes Angeſicht zeigete etwas ſonderliches an/ daher in Herkules frage-
te/ woruͤber er ſich dergeſtalt entſetzet haͤtte. Dieſer gab zur Antwort: Durchleuchtigſte
gnaͤdige Herren und Frauen; es hat der almaͤchtige Gott ein ernſtliches Beyſpiel ſeiner
Gerechtigkeit an dem Gotteslaͤſterlichen Juden ſehen laſſen; dann als derſelbe mit mir
fortging/ und ohn unterlaß mir zum verdrieß dieſe Worte mit ſanfter Stimme wieder-
hohlete; der Chriſten Gott iſt dannoch ein Luͤgen-Gott: Ich aber dagegen meine Andacht
gen Himmel richtete/ Gott moͤchte ihm dieſe Laͤſterung verzeihen/ wañ ers aus unwiſſen-
heit taͤhte; kahmen alsbald drey grauſame Hunde herzu gelauffen/ und zu riſſen ihn in ſtuͤc-
ken/ welches uͤber zwey hundert Menſchen angeſehen/ uñ noch beſchauen/ weil ſie kein Biß-
lein von ihm gefreſſen/ ſondern alles liegen gelaſſen auch ohn andere weitere beſchaͤdigung
einiges
[688]Drittes Buch.
einiges anderen Menſchen davon gelauffen ſind. Die Anweſende entſetzeten ſich uͤber die-
ſer Erzaͤhlung/ und gingen mit einander hin/ das Wunder zu ſehen; aber Herkules ſagete
in ſeinem Herzen: Gelobet ſeiſtu mein Heyland/ daß du deines Nahmens Ehre gerochen/ und die-
ſem unwiſſenden Volke deine goͤttliche Krafft haſt zuerkennen gegeben/ und bitte dich demuͤhtig/ er-
halte mich in erkaͤntnis deiner ſeligmachenden Warheit zu dem ewigen Leben. Ladiſla wahr wegen
dieſes Wunders in ſeinem Gewiſſen ganz erſchlagen/ ſahe mit zittern an/ wie abſcheulich
der Jude zuriſſen/ und alle ſeine Knochen zubrochen wahren/ daß das Mark und Gehirn
unter dem Blute vermiſchet lag/ und ſagete zu Herkules: Lieber Bruder/ ich habe mit mei-
nem ehmaligen ſchaͤndlichen Geſpoͤtte wol verdienet/ daß dein HErr JEſus gleiche ſtraf-
fen uͤber mich kommen lieſſe; ſo hilff mir nun unſern Heyland aͤngſtiglich bitten/ daß er
mir meine abſchenliche Laͤſterungen allergnaͤdigſt verzeihen moͤge/ weil ichs nit aus Boß-
heit/ ſondern aus Irtuhm getahn habe. Herkules troͤſtete ihn in ſeiner Herzensangſt; er
ſolte zwar dieſe Begebnis wol zu gemuͤht faſſen/ aber nicht zaghafft daruͤber werden; waͤh-
re er gleich vorhin ein Feind Gottes geweſen/ und haͤtte laͤſterliche Reden aus unwiſſen-
heit wieder den Sohn Gottes außgegoſſen/ waͤhre ihm doch ſolches ſchon alles verzihen
und vergeben/ weil er dieſe ſeine Suͤnde bereuete/ und mit rechtſchaffener Buſſe ſich hin zu
dem Suͤndentraͤger gewendet haͤtte; nur allein ſolte er ſich huͤten/ daß nach einmahl erkan-
ter Warheit er nicht wieder abfiele/ und zum Heydentuhm ſich begaͤbe; alsdann wolte er
ihm ſeine Seele verpfaͤnden/ das Chriſtus Blut ihn von vorigem ſchon geſaubert uñ rein
gewaſchen haͤtte. Ey ſo wolte ich mich lieber in hundert tauſend Stuͤcken zerlegen laſſen/
antwortete er/ ehe daß ich meinen Heyland angeben und ſchaͤnden wolte. Ich lobe deinen
Vorſaz/ ſagete Herkules/ und Gott hat ein wolgefallen an demſelben/ du muſt aber deinen
Heyland Herz- und taͤglich bitten/ daß er dich hier in ſtaͤrcken/ und die Hand nicht von dir
abzihen wolle/ dann alle beſtendigkeit im Glauben ruͤhret nicht aus unſer Kraft/ ſondern
aus des heiligen Geiſtes Wirkung her. Den Groß Fuͤrſten und die andere Anweſende traf
ein grauſen wegen des Juden Unfalles/ und bekenneten oͤffentlich/ der Chriſten Gott waͤh-
re in Warheit kein geringer Gott/ daher man ihn nicht ſchaͤnden/ ſondern unter die Zahl
der wirdigſten Goͤtter ſetzen muͤſte; und ſolches redeten ſie nach ihrer heidniſchen Einfalt/
weil ſie ihren gefaſſeten Irtuhm nicht ablegen kunten. Herkules aber nam den Chriſten
beyſeit/ und befahl/ er ſolte des folgenden Morgens auff gewiſſe Zeit ſich vor dem Schloſſe
finden laſſen/ und bey dem Biſchoffe eine Chriſtliche einfaͤltige Predigt uͤber die Haͤupt-
lehren/ von Gottes Weſen/ und ſeiner Barmherzigkeit/ auch von Chriſtus gnugtuhung/
und dann von der Buſſe und Glauben beſtellen/ und zwar wegen ſeines Geſellen/ der im
Glauben annoch ſchwach und unwiſſend/ und erſt vor weniger Zeit zum Chriſtentuhm
getreten waͤhre; Er aber wolte mit ſeinem Diener da gegenwaͤrtig/ das heilige Abendmahl
empfangen. Der Chriſt/ nahmens Ammonius/ beſtellete ſolches willig/ aber als er des fol-
genden Morgens ſehr fruͤh ſich nach dem Schloſſe verfuͤgete/ den unſern ſolches anzumel-
den/ ward er von etlichen vermummeten Månnern/ welche aus einer Nebengaſſe unver-
muhtlich hervor ſprungen/ verfolget/ und weil er gerader Fuͤſſe wahr/ daß ſie ihn nicht er-
haſchen kunten/ wurffen ſie mit Steinen weidlich auff ihn/ daß er an der rechten Schulter
hart gnug beſchaͤdiget ward/ doch entging er ihnen/ kam bey dem Schloßtohr an/ und kla-
gete
[689]Drittes Buch.
gete den wachenden Kriegsknechten daſelbſt/ was ihm begegnet wahr/ uñ er nicht anders
muhtmaſſen koͤnte/ als daß es Juden ſeyn muͤſten. Weil ſie dann ſolches mit Augen ſelbſt
geſehen hatten/ gingen ihrer etliche loß/ die Gewalttaͤhter zu erhaſchen/ deren ſechſe wah-
ren/ aber nur zween von ihnen ertappet und dem Hauptman uͤbergeben wurden/ welcher
alsbald alles an den Groß Fuͤrſten gelangen ließ/ der in groſſem Eifer Herkules und La-
diſla zu ſich foderte/ und dem Chriſten Ammonius/ nach dem er verbunden wahr/ befahl/
alles zuerzaͤhlen. Die beyden Gefangenen wuꝛden darauff vorgefodert/ und unter der be-
draͤuung der grauſameſten Pein/ abſonderlich verhoͤret/ da der eine aus Furcht/ die War-
heit bekennete/ es haͤtte die ehrliche Judiſcheit dieſer Stad ſich geſtern Abend verbunden/
nicht zu ruhen/ ehe dañ der Zaͤuberer Ammonius von ihnen getoͤdtet waͤhre/ welcher durch
des Teuffels Huͤlffe den ehrlichen und beſtaͤndigen Juden Eleaſar ſo ſchåndlich umbge-
bracht haͤtte. Der Groß Fuͤrſt fragete nach den Redelsfuͤhrern/ bey deren benennung die-
ſer ſehr unbeſtendig redete/ daher er ſamt ſeinem Geſellen auff die Folter gelegt/ und alles
aus ihnen gebracht ward. Kaum wahr die befragung geſchehen/ da zeigete ein Auffwar-
ter an/ es waͤhren in die 100 Juden vor dem Schloſſe/ und hielten demuͤhtig an/ daß der
Groß Fuͤrſt ſie gnaͤdigſt hoͤren moͤchte. Er ſtellete alles mit Herkules und Ladiſla in Raht/
und ließ ſie alle in den Vorplaz kommen/ da ſie von 200 Kriegsknechten umbgeben
wurden. Herkules ging zu ihnen hin/ und zeigete an/ daß Groß Fuͤrſtl. Durchl. ſie hoͤren
wolte/ jedoch daß ſie zuvor zehn auff dem Zettel benennete vor ſeine Durchl. allein ſolten
treten laſſen. Sie merketen daraus/ daß die Sache ſchon verrahten wahr/ und begehrten
Bedenkzeit/ welches ihnen Herkules verweißlich auffruͤckete/ und ihnen riet/ ſich ja gehor-
ſam zubezeigen; wor auff die begehreten mit gingen/ ſahen die bey den Gefangenen in elen-
der geſtalt zur Seite ſitzen/ weil ſie wegen der Folterungsſchmerzen nicht ſtehen kunten/ uñ
erſchraken daruͤber daß ſie erzitterten. Des Großfuͤrſten geheimer Schreiber fragete ſie
aus der Uhrgicht/ ob nicht ihrer viere mit den zween Gefangenen in vermummeter geſtalt
den Chriſten Ammonius verfolget haͤtten. Vors ander: Ob nicht die uͤbrigen ſechſe den
Anſchlag uͤber Ammonius gemacht/ und daß ſie ihn vor einen Zaͤuberer angeben wolten/
damit ihre Sache deſto ſcheinbahrer/ und der Chriſt getoͤdtet werden moͤchte. Die viere
kunten ihre Taht nicht leugnen; die ſechs uͤbrigen zeigeten an/ daß ſie als Vorſteher ihres
Volkes ſich der Sache billich angenom̃en haͤtten/ ihrer aller Ehre zu retten. Sie wurden
darauff abſonderlich allezehne befraget/ ob die ſechs vermum̃ete mit vorbewuſt/ und aus
geheiß der ſechs Vorſteher dem Chriſten Ammonius zugeſezt haͤtten; welches die Ver-
folger mit ſchlechtem ja; die andern aber mit unbeſtendiger Rede beantworteten/ biß ihnẽ
die Peinigung angeſaget ward/ und ſie darauff mit einſtimmeten; daher ſie alle 12 hinab
gefuͤhret wurden/ und der geheime Schreiber dieſe Urtel vor allen Juden ablaſe: Dem-
nach gegenwaͤrtige 12 Juden den gemeinen Frieden gebrochen/ und einen frommen un-
ſchuldigen Einwohner dieſer Stad auff freier Gaſſen biß an das Groß Fuͤrſtliche Schloß
mit Stein-werffen verfolget/ des Vorſatzes/ denſelben vom Leben zum tode zu bringen/
wo durch ſie ihre Obrigkeit ſelbſt geſchaͤndet/ und unerhoͤrter Sache eine vermeinete Ra-
che anſtellen wollen/ die ihnen keines Weges zuſtunde/ ob ſie gleich von dem verfolgeten
(welches doch nicht geſchehen) beleidiget waͤhren; ſo haͤtte der Groß Fuͤrſt beſchloſſen an
S ſ ſ ſdie-
[690]Drittes Buch.
dieſen 12 verbrechern ein Beyſpiel ſehen zu laſſen/ durch welches andere ihres gleichen/ uñ
jedermaͤnniglich von dergleichen offenbahren Mordtaht abgeſchrecket wuͤrde; wurden
alſo dieſelben hiemit und Kraft dieſes verurteilet/ daß ſie alsbald ſolten gegeiſſelt und le-
bendig an Kreuze mit Nageln auffgehenket werden/ unter der verwahrung/ daß/ wer voꝛ
ſie eine Vorbitte einlegen wuͤrde/ eben ſolcher Straffe ſolte unterworffen ſeyn. Den un-
ſchuldigen Chriſten Ammonius (dafern man nicht volguͤltigen Beweißtuhm fuͤhren wuͤr-
de/ daß er ein Zaͤuberer waͤhre) haͤtte der Groß Fuͤrſt unter ſeinen ſonderbahren Schuz
und Schirm genommen/ alſo und dergeſtalt/ daß/ wo einziger Jude durch ſich ſelbſt oder
durch andere/ mit Worten oder Werken/ ihn wuͤrde beleidigen/ ſolten alle Anweſende 90
Juden mit der Kreuzigung beſtraffet/ ihre Weiber und Kinder Leibeigen gemacht/ und
alle ihre Guͤter der Groß Fuͤrſtl. Schazkammer eingeliefert werden; wie dann der 12 ver-
urteileten ihre Guͤter der hohen Obrigkeit verfallen waͤhren/ davon der unſchuldige Am-
monius den zehenden Teil/ das uͤbrige der Groß Fuͤrſt zu ſich nehmen wuͤrde. Die Juden
ingeſamt erſchraken der Urtel zum hoͤchſten/ fielen alle miteinander nider zu der Erden/ uñ
trieben ein jaͤmmerliches Geheule/ aber es wahr keine Gnade zuerhalten; Die verdam-
meten wurden alsbald hinaus geſuͤhret/ mit denen Herkules ritte/ ob er ihrer etliche zum
Chriſtlichen Glauben bekehren moͤchte/ und weil es vergebens wahr/ machte er ſich wiedeꝛ
zuruͤcke/ und wolte der Volſtreckung nicht beywohnen. Die uͤbrigen neunzig Juden bega-
ben ſich nach hauß ohn getahne Vorbitte/ damit ſie nicht in gleiche Straffefallen moͤch-
ten/ und ward hiedurch Ammonius und der ganzen Chriſtenheit Ruhe und Friede vor den
Juden geſchafft/ weil dieſe in den Wahn gerieten/ der Groß Fuͤrſt ſelber waͤhre ein Chriſt
worden. Herkules ſamt Ladiſla/ Leches/ Gallus und Plautus gingen mit Ammonius hin
zu der Chriſtlichẽ Verſamlung/ in eines Rahtsherrn Haus/ welcher ein heimlicher Chriſt
wahr/ und die unſern ſehr ehrerbietig empfing/ auch ſie auff einen wolgezierten Saal fuͤh-
rete/ woſelbſt der Chriſtliche Biſchoff ein anſehnlicher eißgrauer Mann/ vor einem erha-
benen Tiſche ſtund/ auff welchem er Brod und Wein/ und daneben die Heilige Schrifft
Gottes liegen hatte. Er hieß die anweſende wilkom̃en/ und weil er verſtund/ dz ſie Fremd-
linge/ der Lateiniſchen Sprache erfahren wahren/ hielt er in derſelben anfangs eine kurze
Vermahnung zur Andacht/ laß aus dem dritten Kapittel des Evangeliſten Johañes/ den
ſechszehnden Vers/ Alſo hat Gott die Welt geliebet/ etc. in deſſen Erklaͤrung er die oben be-
ruͤhrte Hauptſtuͤcke ſo klar und deutlich einfuͤhrete/ und innerhalb drey Stunden vollende-
te/ daß Herkules geſtund/ er haͤtte des Lehrers gleichen von Gaben und Geſchikligkeit noch
nie gehoͤret. Ladiſla wahr in ſeiner Andacht ſo inbruͤnſtig/ daß er als ein verzuͤcketer ſaß/ uñ
zum offtern ſeine Buß Traͤhnen fallen ließ/ inſonderheit/ da die Lehre von Gottes Barm-
herzigkeit erklaͤret ward/ und der Biſchoff die Geſchichten der Kinder Iſrael in der Wuͤ-
ſten kuͤrzlich durchlief/ wie offt dieſelben ihren Gott durch Abgoͤtterey/ Ungehorſam und
Widerſpenſtigkeit erzuͤrnet haͤtten/ dannoch aber unſer GOtt durch Moſe Vorbitte ſich
zur gnade wenden laſſen/ und mit den Ubertretern geduld gehabt; nachgehends zeigete er
eben ſolche faͤlle aus dem Buch der Richter/ und meldete zur Lehre/ daß Gott offtmahl ei-
nes unglaͤubigen Menſchen ſchonete/ wegen der Vorbitte eines glaͤubigen Chriſten/ wel-
ches Ladiſla auff ſich und Herkules fein auszudeuten wuſte; auch ſich durch des Lehrers
Schluß
[691]Drittes Buch.
Schluß trefflich getroͤſtet befand/ daß obſchon etliche vorwitzige ſich bemuͤheten/ zuerfahrẽ/
worin eigentlich Gottes Weſen und Hocheit beſtuͤnde; was er getahn haͤtte/ und wo er ge-
weſen waͤhre/ ehe er die Welt erſchaffen; ſo wolte er doch mit allen einfaͤltig-Glaͤubigen in
ſteter Verwunderung bleiben/ daß Gott ſo voll und reich von Barmherzigkeit und Gnade
waͤhre/ und ſeinem ungehorſamen mutwilligen Geſchoͤpff dieſe Gnade und unausſprech-
liche Liebe erzeiget/ daß er ſeinen ewigen einigen Sohn umb ihret willen mit Fleiſch und
Blut bekleidet/ und in den ſchmerzhaffteſten Tod des Kreuzes dahin gegeben haͤtte. Leches
wuſte anfangs nicht/ was dieſes bedeuten ſolte/ dann er wahr des Chriſtentuhms im geꝛing-
ſten nicht unterrichtet; nicht deſto weniger lenkete ihn der Heilige Geiſt/ daß er ſich bald
ſchickete/ dieſen Glauben anzunehmen. Nach geendigter Predigt/ da Herkules und Gallus
mit etlichen andern anweſenden das Heilige Abendmahl empfangen woltẽ/ nam Ladiſla
mit etlichen anderen ungetaufften Chriſten einen Abtrit/ und ließ ſich nachgehends unter-
richten/ was dieſes vor eine Speiſung waͤhre/ deren kein ander/ als nur die getauffte Chri-
ſten zugenieſſen haͤtten/ daß nemlich alhier zwar nur Brod uñ Wein geſehen und geſchmec-
ket wuͤrde/ aber es haͤtte unſer Heyland krafft ſeines Wortes es alſo geordnet/ daß wann
ein Menſch das geſegnete Brod aͤſſe/ und dieſen geſegneten Wein truͤnke/ ſo aͤſſe und truͤn-
ke man zugleich auch ſeinen Leib und ſein Blut/ wie es der Sohn Gottes ſelbſt alſo haͤtte
verordnet und eingeſetzet/ welches uns dienete zu unſers Glaubens ſtaͤrkung/ und zur Verſi-
cherung unſer Seligkeit/ wañ wirs in Chriſtlicher Andacht und mit reinem Heꝛzen empfin-
gen; Weil es aber nur den getaufften Chriſten koͤnte zuteil werden/ moͤchte er ſich daran
nicht aͤrgern/ und der Zeit ſeiner Tauffe abwarten. Was aͤrgern? ſagete Ladiſla; ich achte
mich ſchon unwirdig/ den Troſt Gottes aus ſeinem Wort anzuhoͤren/ wie ſolte ich dann ſo
verwaͤgen ſeyn/ und ſolcher hochheiligen Speiſe begehren? Wendete ſich hierauff zu dem
Biſchoff/ und ſagete: Ehrwuͤrdiger Vater/ vor die deutliche Unterrichtung in der heiligen
Lehre/ und erteileten ſtarken Seelentroſt bedanke ich mich ſehr/ und bitte/ mir ein Buͤchlein
mitzuteilen/ in welchem dieſer ſeligmachende Glaube kurz und einfaͤltig verfaſſet iſt; Der
Biſchoff wahr willig/ und ließ jedem ein kleines Buͤchlein reichen/ in welchem der kurze
Glaubens-begriff enthalten wahr. Leches fragete/ womit das Buͤchlein bezahlet wuͤrde/ uñ
vernam/ daß mans den armen gerne umſonſt zukommen lieſſe/ die Haabſeligen aber gaͤben
davor nach ihrem belieben/ welches zur Unterhaltung der Knaben und Juͤnglinge ange-
wendet wuͤrde/ die taͤglich gewiſſe Stunden in Abſchreibung dieſer und anderer Chriſtli-
chen Buͤcher zubringen muͤſten. Ladiſla ließ dem Biſchoff ſein dankwilliges Gemuͤht ſehẽ/
indem er ihm andeutete: Er wolte noch heut ihm 12000 Kronen laſſen einreichen/ die auff
Rente gelegt/ und in drey gleiche Teile/ zum Unterhalt der Lehrer; deꝛ Witwen und Waͤy-
ſen/ und der Buͤcher-Abſchreiber ſolten angewendet werden. Leches ſtellete ihm einen Ring
von 200 Kronen zu/ und gleich ſo viel Baarſchafft; Gallus 150 Kronen/ und Plautus 40
Kronen/ bekahmen jeder ein Buͤchlein/ und nahmen damit Abſcheid/ nachdem Herkules
1000 Kronen verſprochen/ und Ladiſla der Kirchen Vorbitte ſich befohlen hatte. Weil die
unſern in dieſer gottſeligen uͤbung wahren/ ging das Stechen wieder an/ und als der Groß-
Fuͤrſt auff die unſern wartete/ zeigete ihm Mazeus an/ er haͤtte vernommen/ daß ſie durch
das geſtrige Zauberwerk etwas entruͤſtet waͤren/ und nicht willens/ dem Stechen heut bey-
S ſ ſ ſ ijzuwoh-
[692]Drittes Buch.
zuwohnen/ aus furcht/ es moͤchte ſich des gleichen mehr zutragen. Alſo zog der Groß Fuͤrſt
ohn weiteres nachfragen mit den ſeinẽ hinaus/ und ließ anfangs ausruffen/ dafern ein bos-
haffter Zåuberer heut wiederumb etwas anrichten wuͤrde/ ſolten alle Zaͤuberer/ ſo viel man
deren in ſeinem Lande antreffen wuͤrde/ zum Feur verurteilet werden; und meynete jeder-
man/ daß hiedurch der Bube waͤhre abgeſchrecket worden/ weil ſich deſſen nichts merken
ließ. Die Kreuzigung der Juden wahr gleich an dem Wege verrichtet/ dahin der Groß-
Fuͤrſt mjt den ſeinen zog/ und trieben dieſelben nicht allein ein jaͤmmerliches Angſtgeſchrey/
ſondern auch vielfaͤltige Laͤſterungen wider den Sohn Gottes/ zappelten den ganzen Tag
am Kreuz/ biß ſie gegen Abend auff Herkules Vorbitte mit Pfeilen tod geſchoſſen wurdẽ.
Gleich zu endigung des Stechens kahmen die unſern bey dem Groß Fuͤrſten an/ da ihm
Herkules zuverſtehen gab/ er haͤtte mit den ſeinen heut in aller ſtille ihm als ein Chriſt laſſen
ſeinen Gottesdienſt halten/ hoffete/ es wuͤrde ſeiner Durchl. nicht zuwider ſeyn. Aber der
Groß Fuͤrſt beſchwerete ſich der Entſchuldigung/ vorwendend/ er haͤtte Ihrer Liebe bey ih-
rer Ankunft alle Freyheit/ nach willen zuhandeln/ zugeſtellet/ wobey es ſein auffrichtiges veꝛ-
bleiben haͤtte/ zugeſchweigen/ daß jedem fremden ſeine Goͤtter billich muͤſten gegoͤnnet wer-
den. Als die Speiſen auffgehoben wahren/ ſtund Herkules auff/ und mit entbloͤſſetem
Haͤupte fing er dieſe Rede an: Großmaͤchtiger Groß Fuͤrſt/ gnaͤdiger Herr; die uͤber aus
groſſe und recht vaͤterliche Hulde und Freundſchafft/ welche Eure Durchl. wie nicht we-
niger die Durchleuchtigſte Großfuͤrſtin/ mir zeit meineꝛ Anweſenheit erzeiget/ bin ich ſchul-
dig/ als lange ich lebe/ zuruͤhmen/ erkeñe mich davor allerdinge verpflichtet/ und werde mich
bemuͤhen/ wo nicht wirklich/ doch durch moͤglichſte Zeichen/ ein dankbegieriges Herz ſehen
zulaſſen. Nun wiſſen Ihre Durchll. ohn mein eriñern/ aus was Urſachen ich die beſchweꝛ-
liche Reiſe uͤber Meer/ biß an dieſen Ort fortgeſetzet habe/ und daß mir gebuͤhren wil/ keine
gelegenheit zuverabſeumen/ die meinem Vorhaben ichtwas kan zutraͤglich ſeyn; bitte dem-
nach von herzen/ mein hoͤchſtgeneigeter Herr Vater und Fr. Mutter (wovor ich ſie zeit
meines Lebens ehren wil) wollen mir gnaͤdig erlaͤuben/ meine Reiſe ſamt meinem Brudeꝛ
Ladiſla ohn weiter es anffſchieben naͤhſtfolgendes Tages fortzuſetzen/ damit ich meinem voꝛ-
geſtekten Ziel naͤher treten moͤge/ umb zuverſuchen/ wie weit ſolches-zuerꝛeichen/ der Barm-
herzigkeit Gottes gefallen werde; und weil mein geliebter Bruder/ der imgleichen Euren
Durchll. ſich als ein gehorſamer Sohn und bereitwilligſter Diener darbeut/ eben des vor-
habens mit mir iſt/ habe in unfer beyder Namen ich dieſe Bitte vortragen wollen/ nit zwei-
felnd/ ihre Durchll. werden/ in betrachtung der Sachen Wichtigkeit/ uns gnaͤdig und wil-
lig erlaſſen; faſſete hierauff des Groß Fuͤrſten Hand/ dieſelbe zukuͤſſen/ welcher ihm aber
vorkam/ und ihn ganz våterlich umfing/ nach gehends alſo antwortete: Hochwerte Herrẽ/
und (welches wegen der mir gegebenen Freyheit ich von herzen rede) allerliebſte Soͤhne;
koͤñen ſie in anſehung unſer vertraulichen Freundſchaft auch den allergeringſten Gedanken
wol faſſen/ daß mit gefahr der trefflichen Fraͤulein/ meiner herzgeliebeten Fraͤulein Toch-
ter/ ich ſie eine Stunde/ ja einen einzigen Augenblik auffhalten/ und nicht vielmehr ſagen
wolte: Auff/ und zu Pferde/ damit nichts verſeumet werde/ was man hernach mit keinem
Gelde loͤſen kan. O nein/ ihr meine wahre Herzens Freunde; iſt mir gleich eure gegenwart
genehme/ ſo ſehe ich doch mehr auff eure Wolfahrt/ als auff meine Vergnuͤgung. Nun
weiß
[693]Drittes Buch.
weiß ich aber ſicherlich/ daß ein geringes verweilen eurem vorhaben vortraͤglicher iſt/ als
die ſchleunige Eilfaͤrtigkeit; dann euren Liebden iſt ohn mein erinnern bewuſt/ daß man auf
den erſt-eingeſperreten Vogel viel genauer acht gibt/ als auff den ſchon gewehneten. Laſſet/
bitte ich/ den ohn das argwoͤhniſchen Koͤnig etwas ſicher werden/ dann iſt ihm ſein Herz zu
nehmen/ aber doch mehr durch Liſt als Gewalt. Erzaͤhlete darauff/ wie fleiſſig das Fraͤu-
lein von einer Beſatzung lauter Verſchnittener bewachet wuͤrde/ ſo daß kein Mannesbil-
de/ ohn ſonderbahre Koͤnigliche Erlaubniß zu ihr kommen moͤchte. Und was gilts/ ſagte eꝛ/
wo nicht Eurer Liebe ich den Weg/ zu ihr zukommen/ bahnen muß? ſo folget mir nun/ bitte
ich/ und zihet dieſen meinen Raht nicht in Argwohn/ goͤnnet mir auch zugleich/ da ihr mich
Vaters wirdiget/ eurer Liebe beſſere Kundſchafft. Herkules bedankete ſich der våterlichen
Gewogenheit/ und antwortete mit wenigem: Es waͤhre unnoͤhtig/ ihre Durchli zueriñeꝛn/
daß man ehe zuſpaͤht als zu fruͤh kaͤhme; Sie wolten ſich zu Charas ſchon wiſſen eingezogẽ
zuhalten/ daß durch Unvorſichtigkeit das ganze Weſen nicht uͤbern hauffen geſtoſſen wuͤr-
de; waͤhren nicht deſto weniger willens/ bey ihrem Gn. Herr Vater ſich noch etliche Tage
auffzuhalten/ weil ſeinem vaͤterlichen Herzen es alſo gefiele; im uͤbrigen baͤhten ſie/ ſeine
Durchl. wolte allemahl die hohe gewogenheit fortſetzen/ als deſſen Raht und Huͤlffe ihr
Vorhaben mehr als alles ihr Vermoͤgen/ befodern koͤnte/ daher ſie auch naͤhſt Gott ſich auf
ſeinen Beyſtand verlieſſen. Der Groß Fuͤrſt wahr mit dieſem erbieten friedlich/ und uͤbete
Herkules den jungen Mediſchen Fuͤrſten Arbianes im reiten/ rennen/ ſtechen/ fechten/ ſprin-
gen und ringen/ daß er in geringer Zeit mehr von ihm faſſete/ als er ſonſt ſein lebelang nicht
wuͤrde gelernet haben/ weil inſonderheit er etliche boͤſe Stuͤkchen im reiten angewaͤhnet
hatte/ die ihm zu allen ritterlichen uͤbungen ſehr ſchaͤdlich wahren.


Unſere Herkuliſka ward inzwiſchen in ihrem Schloſſe als in einem Kefig verwah-
ret/ da es ihr an koͤniglicher Verpflegung nicht mangelte/ nur daß ſie auſſerhalb Schloſſes
nicht kommen durfte/ hatte auch keinen Menſchen umb ſich/ mit dem ſie vertraulich reden
moͤgen; ſo durfte Timokles nicht zu ihr kommen/ ja nicht eins ſich merken laſſen/ daß er ihꝛ
zugehoͤrete/ ſondern ihrem Befehl nach/ hielt er ſich in einer Herberge auff/ nicht weit vom
Schloſſe/ als einer der etwas zu ſehen/ ſein Geld verzehrete. Er lebete kaͤrglich/ hielt nur
einen Diener zu Fuſſe/ und ein Pferd auff der Stren/ wolte auch von ſeinem Wirte nicht
herlich geſpeiſetſeyn/ dem er aber reichlich zahlete/ und ſeinen Kindern/ deren er ein zim-
liches Haͤuflein hatte/ faſt taͤglich geſchenke und nottuͤrftige Kleider gab/ wodurch er ſich
ſehr beliebt machete. Pharnabazus hatte ihm angezeiget/ der Fraͤulein Befehl waͤhre/ daß
er auff den Fall/ ihr Herkules Ankunfft mit einem weiſſen/ Ladiſla gegenwart mit einem
rohten Tuͤchlein in der Hand/ ſolte bezeichnen/ da aber nur Botſchaft von ihnen kaͤhme/ ſol-
te er die gute mit gelber; die traurige mit blauer Farbe andeuten. Anfangs wolte das
Frauenzimmer ſich zu gemein mit ihr machen/ dem ſie bald vorbauete/ uñ ein ſonderliches
Gemach waͤhlete/ auff welches niemand ungefodert durſte zu ihr kommen/ daher ſie es die
verbotene Stube nennete. Ihꝛ Anſehen zuerhalten/ waͤhlete ſie aus den zwoͤlf Jungfern ei-
ne Leibdiener in/ nahmens Aſpaſia/ und unter den vier Frauen eine Hofmeiſterin/ Fr. Sy-
ſigambis; verteilete je viere uñ viere in ein Gemach/ welche taͤglich zwo Stunden in dem
groſſen Saal zuſammen kommen/ und rechenſchaft geben muſten/ was ſie gewirket/ ge-
S ſ ſ ſ iijſticket
[694]Drittes Buch.
ſticket oder genaͤhet hatten/ dann ſie wolte ihnen durchaus keinen Muͤſſiggang verſtatten.
Weil ſie auch etliche etwas leichtſinnig ſeyn ſpuͤrete/ gab ſie nicht allein jedem Teil Jung-
fern eine Frau zur Auffſeherin zu/ ſondern verſetzete ſie ſtets umb den andern Tag/ welches
ſie ſo bund zu karten wuſte/ dz die ganze Zeit uͤber ſie nit wieder auff ein Gemach kamen/ die
einmahl beyeinander geweſt wahren. Hiedurch erhielt ſie ihr Frauenzim̃ er in gehorſam/
Furcht/ Fleiß und Froͤmmigkeit/ und daß ſie nicht anders als fremde miteinander lebeten;
Ja ſie wuſte auff Begebenheit ſich dergeſtalt in ihre Gemuͤhter einzuſchlingen/ daß ſie eineꝛ
jeden Art und Begierden voͤllig erkennete. Inzwiſchen hielt ſie ſich gegen alle ſo zuͤchtig/
daß ſie ſich von keiner einzigen an etwa ihrem Leibe nacket ſehen ließ/ ſo gar/ das ihr ganzes
Frauenzimmer zweiffelte/ ob ſie ein Fraͤulein oder Juͤngling waͤhre/ weil ſie anfangs ſich
in Mannes Geſtalt angegeben hatte. Ihre Ubung wahr mannigfaltig/ vor erſt hatte ſie
einen kleinen Wagen mit zwey Pferden/ mit welchem ſie im Schloßplatze zu rennen pflag/
daß ſie den Wagen zu wenden treflich fertig ward. Dabey hatte ſie ein Reitpferd/ welches
auch taͤglich muſte getummelt ſeyn. Unter ihrer Beſatzung wahren etliche geũbete Fech-
ter/ die ihr mannichen Streich ablerneten. Pfeil und Bogen gebrauchete ſie am meiſten;
ſo erluſtigete ſie ſich nicht wenig mit der Angelruhte/ wann ſie auff der hohen Maur mit
verdecketem Angeſicht ſaß/ und aus dem tieffen Graben die koͤſtlichſten Fiſche fing und zu
ihr hinauff zog. Zu zeiten erzaͤhlete ſie ihrem Frauenzimmer/ was vor Ungluͤk ſie ſchon er-
lebet und auff der Reiſe außgeſtanden/ wodurch ſie ihnen manniche mitleidens Traͤhnen
hervorlockete. Auch muſte ihr der Koͤnig einen Altar bauen laſſen/ gab vor/ ihr geluͤbde er-
foderte ſolches/ daß ſie der Goͤttin Veſta den taͤglichen Weihrauch opffern muͤſte. Der
Koͤnig hingegen wuſte ſeine Freude nit zu maͤſſigen/ dz er ein Fraͤulein nach allem Wunſch
angetroffen hatte/ ruͤhmete ſolches ſo Schrift-als muͤndlich bey ſeinen Fuͤrſten und Ge-
waltigen/ und daß ihm ein ſonderlich angenehmer Wille geſchaͤhe/ wer ihm huͤlffe ſein
Fråulein ehren. Was nun dieſes nach ſich fuͤhrete/ wahr leicht außzulegen/ daher faſt kein
Beamter wahr/ der nicht ein koͤſtliches Geſchenk nach vermoͤgen eingeſchikt haͤtte/ mit un-
tertaͤhnigſter Bitte/ ihre Groß Koͤnigl. Hocheit moͤchte durch ihr hochvermoͤgen dem un-
duͤchtigen Geſchenk die Wirdigkeit erteilen/ dz es dem unvergleichlichẽ Fraͤulein/ als ihrer
ſchier-kuͤnftigen Groß Koͤnigin duͤrffte eingeliefert werden; und dieſes tahten nicht allein
die getraͤuen Diener/ ſondern auch die Fuͤrſten ſo ſich wieder ihn heimlich verbunden hat-
ten/ umb Argwohn zuvermeiden/ triebens am eiferigſten/ daß ſie wol aus den abgelegen-
ſten Indien die koſtbahreſten Sachen bringen lieſſen/ und dem Fraͤulein zuſchicketen/ wel-
ches alles der Koͤnig zu ſich nam/ und hernach durch ihre Hofmeiſterin nebeſt den beyge-
fuͤgeten Schreiben ihr zuſtellen ließ; daher ſie Zeit ihrer Anweſenheit zu Charas einen ſol-
chen Schaz ſamlete/ welcher ſich auff viel Tonnen Goldes belieff/ daß wann ſie ſo nidriges
gemuͤhts geweſen/ und durch ſchenkungen haͤtte koͤnnen geblendet werden/ ſie ihren Herku-
les wol haͤtte auffgegeben; aber ihre tugendhafte Seele hielt ſolches alles vor Koht und
eitel; ja ſie haͤtte es mit keinem Auge angeſehen/ noch mit Haͤnden beruͤhret/ da ſie des Koͤ-
niges Ungnade nicht zubefuͤrchten gehabt. Alſo muſte ſie ſich in die Zeit ſchicken/ wie ihr
treflicher Verſtand ſie darzu ſtatlich anfuͤhrete/ daß ſie auff einliefferung dem Koͤnige alle-
mahl einen Dankbrieff zuſchickete/ in welchem ſie doch ſo behutſam ging/ daß ſie ihn we-
der
[695]Drittes Buch.
der an ihrer Liebe zweifeln machete/ noch zu einiger Begier des reizung gelegenheit gab. Ihr
verbohtenes Gemach wahr Weſtwerts gelegen/ und kunte ſie durchs Erker-Fenſter dieſe
ganze Seite außwendig uͤber ſehen/ woſelbſt Timokles nach ihrem Befehl ſich taͤglich zu-
beſtimmeter Zeit anfand/ daß nicht allein ſie ihn/ ſondern er ſie auch im Fenſter wol ſehen
und erkennen kunte. Uber vorigem anmelden durch die Farben hatte ſie ihm noch befehlen
laſſen/ da etwas hochwichtiges vorgehen wuͤrde/ welches ihr zu wiſſen noͤhtig/ ſolte er ihr
ſolches zuſchreiben/ und den Brieff in einem hohlen Pfeile uͤberſchieſſen/ worzu ſie ihm
den Ort fruͤh genug bezeichnen wolte. Nachdem ſie nun uͤber einen Monat lang nach ih-
rem Herkules umſonſt ausſahe/ machte dieſe Verzoͤgerung/ oder vielmehr der Zweifel ſei-
ner Ankunfft ihrem Gemuͤht nicht geringe Sorgen/ welche ſich in ihr innerſtes ſenketen/ dz
ihr anfangs die Luſt zur Speiſe vergieng/ und faſt einen ſteten Durſt empfand/ welchen ſie
auch bißweilen zu Nachtzeiten mit einem Labetrunk ſtillen muſte/ daher ihꝛe Schoͤnheit ſich
umb ein groſſes ringerte/ welches ihr Frauenzimmer mit hoͤchſtem Kummer empfunden/
und ſie untertaͤhnigſt bahten/ ob ſie ein Anliegen oder Leibesſchwacheit merkete/ moͤchte ſie
es beyzeiten offenbahren/ daß ihr koͤnte raht geſchaffet werden; entſtuͤnde es aber aus Be-
truͤbniß des Gemuͤhts/ wuͤrde ſie ihrem goͤttlichen Verſtande nach ſich deſſen ſchon wiſſen
zuentſchlagen/ und ſich dem zu Troſt und Ergetzung zuerhalten/ der ſie mehr als ſeine Seele
liebete. Ja/ antwortete ſie/ wann ich hierauff nicht bedacht waͤhre/ haͤtten mich die Wuͤr-
mer ſchon verzehret; Ihr ſollet euch aber meinet wegen nicht bekuͤmmern/ dann ich weiß/
daß es mit mir nicht noht zum Tode hat. Das Frauenzimmer empfand hiedurch etwas
Troſtes/ welches doch nicht lange wehrete; dann des folgenden Tages ſiel ſie ein hitziges
Fieber/ welches dem Koͤnige bald kund getahn ward/ welcher deſſen heftig erſchrak/ und die
vornehmſten Aerzte der Stad verſamlẽ ließ/ mit eiferiger Bedraͤuung/ dafern ſie nit Raht
ſchaffen/ und dem Fraͤulein zu voriger Geſundheit verhelffen wuͤrden/ muͤſte es ihnen das
Leben koſten. Der erfahrneſte unter ihnen gab dem Koͤnige zur Antwort: Er/ neben ſeinen
zugeordneten wolten allen menſchlichen Fleiß anwenden und ſpuͤren laſſen/ auch verhof-
fentlich mit der Arzney gutes wirken/ dafern ihm und etlichen anderen nur wuͤrde vergoͤn-
net ſeyn/ dem Koͤniglichen Fraͤulein 24 Stunden aneinander auffzuwarten/ daß man der
Krankheit Art/ Hefftigkeit/ Abwechſelung und Urſachen nachſuchen koͤnte. Der Koͤnig
ließ ihnen ſolches gerne zu/ und durffte das Fraͤulein nicht widerſprechen/ wiewol ſie ihnen
an ihrem Leibe nichts mehr geſtattete/ als die Schlag Adern an den Armen zubegreiffen/ uñ
auff ihren Athem/ Haͤnde- und Angeſichts-Hitze zuachten; ſtellete ſich ſonſten friſch/ ob em-
pfuͤnde ſie weder Anliegen noch Schmerzen/ welches die Aerzte doch aus den Zeichen an-
ders befunden/ die nach verlauff der berahmeten Stunden ſich wieder nach dem Koͤnige
verfuͤgeten/ da der vorige alſo redete: Allergroßmaͤchtigſter unuͤberwindlichſter Koͤnig/
allergnaͤdigſter Herr; die guͤtigen Lebens Goͤtter werden nicht zugeben/ dz die unvergleich-
liche Blume menſchliches Geſchlechts (billich nenne ich dieſes Koͤnigliche Fraͤulein alſo)
vergehen ſolte/ noch ehe ſie ſich recht aufgetahn/ und Ihrer Groß Koͤnigl. Hocheit die Nieſ-
ſung eingeliefert hat/ deren ſonſt kein Menſch dieſer Welt faͤhig iſt/ und dahero durch der
Goͤtter Verhaͤngniß nohtwendig hat muͤſſen hieher gefuͤhret werdẽ. Sol ich nun mein be-
denken von ihrer Krankheit geben/ ſo iſt dieſelbe zwar gefaͤhrlich/ jedoch nit verzweifelt-boͤſe/
kan
[696]Drittes Buch.
kan auch durch ſorgfaͤltige Arzney vertrieben werden/ wann nur dz Koͤnigl. Frl. nit ſelbſt
durch ſchwermuht erſtickẽ wird/ wz der Him̃el gerne er haltẽ wil. Alle Zeichen/ die ein Arzt
wiſſen uñ ſuchẽ kan/ ſo weit es vergoͤñet iſt/ geben Zeugniß eines wolgeſeztẽ geſundẽ Leibes;
Lunge uñ Leber/ Milz uñ Nieren ſind gewuͤnſcht volkom̃en/ nur dz Herz leidet Noht/ wiewol
nit durch mangel/ ſondern wegen Gemuͤtsbekuͤm̃ernis/ ſo dz auch das Gebluͤt ſchon davon
geaͤrgert/ und in etwas angangen iſt. Aber ihre Hocheit wenden jeztangedeutete Urſach der
Krankheit allergnaͤdigſt ab/ welches deroſelben leicht wird zu tuhn ſeyn; vor das uͤbrige
wil ich ſtehen. Artabanus wolte anfangs nicht glaͤuben/ das ſein Fraͤulein durch Schwer-
muht dieſe Krankheit ihr ſolte zugezogen haben; jedoch/ weil die Aerzte es einhellig beja-
heten/ fragete er/ durch was Mittel ſie meineten/ daß ſolche von ihr koͤnte abgekehret wer-
den. Wann ihr Anliegen mir bewuſt waͤhre/ antwortete der vorige/ muͤſte man weiter ſin-
nen/ dem Gemuͤhts-Ubel zubegegnen; ſolte ich aber meine Gedanken zu oͤffnen Freyheit
haben/ wolte ich faſt ſchwoͤrẽ/ biß auff dreyerley zuerrrahtẽ/ was ihr dieſe Seelen-beſchwe-
rung verurſache. Als nun der Koͤnig ſolches von ihm in geheim hoͤren wolte/ uñ mit ihm
in ein abſonderliches Gemach trat/ fuhr der Arzt weiter alſo fort: Ihre GKoͤnigl. Hoch-
heit werden mir recht geben/ ja mit mir ſchon einer Meinung ſeyn/ daß das Fraͤulein ent-
weder die Abweſenheit von ihren Eltern und Anverwanten; oder ihre harte Einſperrung;
oder ſonſt eine kuͤnftige Wiederwertigkeit/ welche ſie befahret und nicht melden darf/ in
ihrem Herzen betrauret; umb dieſe dreyerley muß man ſie befragen/ nebeſt anmeldung/ ſo
bald ſie geneſen werde/ ſolte ihrem Begehren gewilfahret/ und die Wiedrigkeit aus dem
Wege geraͤumet werden. Hiedurch wird die Hoffnung alle Traurigkeit vertreiben/ und
die Feymuͤhtigkeit unſere Arzney nach Wunſch wircken machen; im Falle aber dieſes nit
helffen wolte/ muͤſte man ſie mit etwas bedraͤuen/ daß ihr am heftigſten zuwieder waͤhre.
Artabanus hoͤrete ihm fleiſſig zu/ lobete ſeinen guten Verſtand/ und befahl ihm/ dieſes nach
ſeiner beſten Weißheit zuverrichten/ welches mit hoher Gnade ſolte erſetzet werden. Die
uͤbrigen Aerzte/ deren 25 wahren/ wurden beurlaubet/ und jedem 1000 Kronen gegeben/
nur der eine nam die Muͤhe auff ſich/ ging hin zu dem Fraͤulein/ und wie er dann gnug be-
redſam wahr/ fing er alſo zu ihr an: Durchleuchtigſtes gnaͤdigſtes Fraͤulein; ihre Groß-
Koͤnigl. Hocheit entbieten ihrer Durchl. alle Gnade und Liebe/ und weil dieſelbe von den
Aerzten berichtet ſind/ daß ihrer Durchl. Krankheit nur aus Kummer und betruͤbnis her-
vor quelle/ als laͤſſet allerhoͤchſtge dachte ihre Hocheit/ dieſelbe vaͤterlich erinnern/ ſich alles
graͤmens zu entſchlagen/ und nur kuͤhnlich anzudeuten/ was die Urſach ihres hermens ſey;
alsdann wollen ſie aͤuſſerſt ſich bemuͤhen/ ſolches zu endern. Inſonderheit iſt mir allergnaͤ-
digſt an befohlen/ dieſe dreyerley zu erfragen; erſtlich/ ob ihre Durchl. nach ihrer Fr. Mut-
ter verlangen trage/ ſolle alsbald eine anſehnliche Bohtſchaft an dieſelbe abgeſchicket wer-
den; oder ob derſelben dieſe Einſamkeit mißhage/ wolle der GKoͤnig ſie auff ſein Schloß
nehmen; oder ob ſie ſich einiges wiedrigen befahre/ ſolle ihr ſatſame Verſicherung geſche-
hen/ daß alle Furcht vergebens ſey. Iſt nun/ daß ihre Durchl. Koͤniglicher Hocheit hierin
gehorſamen/ und meine Wenigkeit zum untertaͤhnigſten Knecht zugebrauchen/ wirdigen
wil/ wolle dieſelbe miꝛ gnaͤdigſt anzeigen und befehlen/ was ihꝛe Erklaͤꝛung/ und meine ver-
richtung ſey. Das Fraͤulein hatte dieſes Fuchſes Schlauheit ſchon geſtriges tages gemeꝛ-
ket/
[697]Drittes Buch.
ket/ und wie ſie ſich des aͤrgeſten befuͤrchtete/ ging ſie ſehr behutſam/ da ſie anfangs zu ihm
ſagete: Mein Freund/ ich ſchaͤtze euch uͤber alle Aerzte/ die leben moͤgen/ inbetrachtung/ daß
ihr nicht allein meines Leibes/ ſondern auch des gemuͤhts Gebrechen habt erkennen koͤn-
nen; welches trauen eine anzeige iſt ein es treflichen verſtandes; und lobe ich meinen Koͤ-
nig ſehr/ daß er ſich eures Rahts gebrauchet; ja ich ſchaͤtze ihn vor gluͤkſelig/ daß ihm die
Goͤtter euch gegoͤnnet und zugefuͤhret haben. Die drey mir vorgeſtellete Fragen zubeant-
worten/ bin ich nicht allein willig/ ſondern auch ſchuldig/ meinem allergnaͤdigſten Koͤnige
zugehorſamen; gebe euch demnach zuvernehmen/ daß es nicht allerdinge ohn iſt/ das mein
Gemuͤht etliche Tage her harte und ſchwere anfechtungen erlittẽ/ welche unleidlicher ſind
als der Tod; daß aber hierin die ganze Urſach meiner Leibesſchwacheit beſtehen ſolte/ kan
ich mir nicht einbilden/ und doch euch nicht vor uͤbel halten/ daß ihr ſolche nicht wiſſet.
Betrachtet bitte ich/ daß ich dem Leibe nach ein junges/ zartes und ſchwaches Fraͤulein bin;
dagegen haltet nicht allein/ daß ich zu dreyen unterſchiedlichen mahlen in Raͤuber Haͤnde
gefallen/ ſondern uͤber Meer und Land in die 800 Meile geſchleppet bin; wie manniches
ungewoͤhnliches Gewitter habe ich erlitten; wie heftige Hitze hat mich gebrennet; wie
mannichen ungeſunden Trunk habe ich eingeſchlukt; wie oft iſt mir die noͤhtige Ruhe ge-
ſtoͤret worden. Suchet nun/ mein Freund/ ſuchet meiner Krankheit Urſach; ihr werdet
deren zehne vor eine finden. Jedoch leugne ich nicht/ daß meines gemuͤhtes Leiden auch
der Geſundheit meines Leibes abbruch tuhe; aber diß eine Pferd trecket den Ungluͤkswa-
gen nicht allein/ ihr werdet ein ſtarkes Span davor geſtricket ſehen. So wil ich nun auff
eure Rede kommen/ da mein Koͤnig zu wiſſen begehret/ was meine Gedanken aͤngſtige.
Vermeldet ſeineꝛ Hocheit dẽ aͤuſſerſten Gehorſam von ſeiner armẽ Magd/ die er an zeitli-
chen Guͤtern in dieſer kurzen Zeit reicher gemacht hat/ als alle ihre Vor Eltern nicht gewe-
ſen ſind/ und verſichert dieſelbe wegen der erſten Frage/ daß ich nicht Urſach habe/ nach
meiner Fr. Mutter oder nach meinem Vaterlande verlangen zutragen/ ſo lange derſelbe
nicht darinnen iſt/ welchen ich mehr als mich ſelbſt liebe/ wegen der Liebe die er mir traͤget.
Auch ſuche ich nicht/ die vorige Armut mit dem jetzigen Reichtuhm wieder zuvertauſchen.
wolte aber ihre Hocheit meiner betruͤbten Fr. Mutter nach dieſem meine Gluͤkſeligkeit zu-
wiſſen tuhn/ wil ich nicht wiederſprechen. Auff die andere Frage antworte ich mit Be-
ſtendigkeit/ daß dieſe meine Einſamkeit und Verwahrung mir die aller angenehmſte Frey-
heit ſey/ die mir dieſer Zeit Gelegenheit nach begegnen koͤnte/ werde auch ohn zweiffel des
todes ſeyn/ dafern man mich derſelben bergubet. Wollet ihr nun euer aͤuſſerſtes Ungluͤk
von euch abwenden/ und daß ich nicht dereins mich grauſam an euch raͤchen ſol/ ſo tichtet
und erdenket Raht und Mittel/ daß weder ihr noch einiger Menſch meinen Koͤnig dahin
verleite/ mich von dieſem Schloſſe hinweg auff ſeines zunehmen/ wie ihr dann durch vor-
wendung mannicher Urſachen es leicht hintertreiben koͤnnet; und warumb ich dieſes ſo
hefftig begehre/ wird euch aus meiner Antwort auff die dritte Frage klar genug werden.
Es iſt wahr/ fuhr ſie fort/ daß mich eine Furcht der kuͤnftigen Wiederwertigkeit drucket/
welche ich bißher keinem Menſchen offen bahren duͤrffen/ ſtehe auch noch dieſe Stunde bey
mir an/ ob ichs ohn Lebensgefahr werde tuhn koͤnnen; dann es iſt die groͤſſeſte Angſt mei-
ner Seele/ uñ bin entſchloſſen geweſt/ es mit mir in die Grube zu nehmen; wiewol meinem
T t t tKoͤ-
[698]Drittes Buch.
Koͤnige zugehorſamen/ wil ichs euch alles ausbeichten. Hat mein Koͤnig euch noch nicht
wiſſen laſſen/ was geſtalt ich der ernſtlich-gerechten Goͤttin Veſta/ biß zum Ende meines
ſiebenzehnden Jahrs verlobet bin? ſo hoͤret es anjezt aus meinem Munde. Merket nun
weiter meine Rede/ und zweifelt ſo wenig an der Warheit/ als an meines Leibes jetzigem
Gebrechen. Ich erzittere vor der Erzaͤhlung/ und zweifele/ ob nicht dieſe Goͤttin mir des-
wegen gehaͤſſiger werde/ als ſie ſchon iſt. Vor ohngefehr drey Wochen (ſo lange hat mein
Frauenzimmer meine merkliche Verenderung geſpuͤret) lag ich im tieffen Schlaffe/ eine
Stunde vor Tage/ als die ſaurſichtige Goͤttin Veſta mich mit dieſem Verweiß anfuhr:
Iſt dirs nicht ſchon verbrechens gnug/ O du Undankbare/ daß du meinen Opfferherd ohn
Rauchwerk ſtehen lieſſeſt/ da du zu Ekbatana Gelegenheit gnug gehabt haſt/ dich deiner
Schuldigkeit zuer innern; und kanſt uͤber das noch mit Hochzeitgedanken umgehen/ die miꝛ
ſo gar zuwider ſind; ja dir einen lieben Braͤutigam waͤhlen/ weil du noch in meinem Bun-
de ſteheſt? traue mir/ daß deiner frommen Mutter Gebeht die einige Urſach deines Lebens
iſt/ welches wegen deines ſchlimmen Ungehorſams mir ſchon verfallen war. Nicht ſage ich
dieſes/ ob waͤre dir dein Verbrechen ſchon verzihen; O nein; du ſolt zeit deines Lebens hier-
an zukaͤuen haben. Wirſtu dann uͤber vorigen Frevel ſo verwaͤgen ſeyn/ und voꝛ Endigung
der Zeit deines Geluͤbdes/ ohn meine Einwilligung (die nur von Prag muͤſte hergehohlet
werden) dich in Mannes Armen finden laſſen/ es geſchehe aus freyem Willen oder durch
Zwang; alsdann wil ich von dir und deinem unbillichen Gemahl eine ſolche Rache neh-
men/ daß ihr beyderſeits aller Welt ſollet zum Beyſpiel dienen. Ich warne dich nicht ver-
gebens/ dann des Koͤniges und deine Gedanken ſind mir nicht verborgen; Huͤtet euch/ O
hütet euch vor der Goͤtter Zorn/ welcher ungleich ſchwerer iſt/ als daß Menſchen Haͤnde ſie
abhalten koͤnten. Wolteſtu aber mich fragen/ durch was Mittel du dich mir rein und unbe-
flecket bewahren koͤnneſt/ ſo haſtu Feur/ Waſſer/ Schwert/ Gifft/ Strang/ ſolches brauche
wider meinen Beleidiger ſo lange du kanſt/ oder zum wenigſten gebrauche es wider deinen
eigenen Leib/ damit deine arme Seele von der gar zu ſchweren Straffe frey bleibe. Sehet
mein Freund/ ſagte das Fraͤulein weiter/ ob ich nicht urſach habe/ meiner Seele die betruͤb-
niß zugoͤnnen/ und kommet mir/ iſt es moͤglich/ mit eurem klugen Raht zu huͤlffe/ des wil ich
zeit meines Lebens euch verpflichtet ſeyn. Der Arzt hoͤrete alles mit Verwunderung an/
kunte wegen ihrer Ernſthafftigkeit nicht die geringſte Muhtmaſſung ergreiffen/ daß ſie an-
ders als die Warheit geredet haͤtte/ und gab ihr zur Antwort: Duꝛchleuchtigſtes Fraͤulein;
ich muß freylich geſtehen/ daß ihr Gemuͤht nicht ohn urſach verwirret iſt. Aber iſt Euer
Durchl. dieſes Geſichte mehr als einmahl erſchienen? Nein weiters nicht/ ſagete ſie; nur
daß die gedraͤueten Straffen mir ſtets vor Augen ſchweben. Weil ich aber der Goͤttin nicht
allein groſſe Opffer verheiſſen/ ſondern uͤber das mich aͤidlich verbunden/ entweder froͤlich
zuſterben/ oder ihre Loßſprechung (es geſchehe durch Endung der Zeit/ oder durch ihre frey-
willige Enderung) abzuwarten/ hoffe ich bey ihr Gnade und Barmherzigkeit des begange-
nen zuuͤberkommen; habe mir auch vorgenommen/ alle Traurigkeit aus dem Sinne zu
ſchlagen/ und durch ſtetigen Gottesdienſt mir die Goͤttin wieder zuverſoͤhnen. Befahl hieꝛ-
auff ihrer Leibdienerin/ eine bezeichnete Schachtel mit Kleinoten ihr herzureichen/ daraus
nam ſie einen Ring und ein Halsband auff 16000 Kronen geſchåtzet/ reichte es dem Arzt/
und
[699]Drittes Buch.
und ſagete: Nehmet von mir dieſes geringe Zeichen meiner Freundwilligkeit/ und verſi-
chert euch/ daß ich dereins mich bemühen werde/ ein ungleich mehres zuleiſten; hingegen
aber fodere ich von euch auffrichtige Traͤue/ als weit ſie unſerm Koͤnige zutraͤglich/ uñ euch
ſelbſt unſchaͤdlich iſt; wendet auch fleiß an/ meine Geſundheit zubefodern/ daß ich urſach ha-
be/ dem Koͤnige euer wolverhalten zuruͤhmen. Dieſer nam das Geſchenk zu ſich/ verſprach
ſein aͤuſſerſtes/ und nachdem er ihr etliche Arzneyen eingegeben hatte/ machte er ſich nach
dem Koͤnige/ ruͤhmete der Fraͤulein hohen Verſtand/ und erzaͤhlete ihm die urſach ihrer be-
truͤbeten Gedanken faſt mit ihren Worten; wovor ſich der Koͤnig entſetzete/ und dem Arzt
vertraulich offenbahrete/ wie er waͤhre geſonnen geweſen/ ſeine dem Fraͤulein getahne Zu-
ſage zu widerruffen/ und das Beylager in kurzer friſt zuhalten/ weil ihm ſeine Begierden zu
hefftig druͤngen; welches der Arzt mit betruͤbten Geberden anhoͤrete/ und nachgehends ihm
anzeigete/ in was vor ein Verderben er ſich ſelbſt und das Fraͤulein ſtuͤrzen wuͤrde/ maſſen
die Goͤttin Veſta eine ſehr maͤchtige und hart ſtraffende Goͤttin waͤhre; Dieſes fuͤhrete er
mit ſo bewaͤglichen Gruͤnden an/ daß der Koͤnig vor dißmahl ſein Vorhaben zuendern be-
wogen ward/ ließ auch dem Fraͤulein durch den Arzt anmelden/ daß ihr die geſchehene Zu-
ſage unbrüchig ſolte gehalten werden. Weil dann der Arzt alle Moͤgligkeit anwendete/ und
das Fraͤulein/ in Hoffnung der ſchier nahenden Gegenwart ihres Herkules/ vorige Froͤ-
ligkeit wieder annam/ ward ſie in kurzer Zeit wieder geſund/ und durch einen Briefrühme-
te ſie dem Koͤnige des Arztes Fleiß/ daß er deßwegen mit einem ſtatlichen Ritter Sitze ver-
ehret ward.


Nun haͤtte das Fraͤulein nicht uͤbel getahn/ wann ſie des Koͤniges erbieten befodert/
und eine Botſchafft an ihre Fr. Mutter haͤtte abgehen laſſen/ als welche ihretwegen herz-
lich bekuͤmmert wahr; dann nachdem ihre Geſanten von Padua wieder zu Prag anlan-
geten/ und neben Einreichung der ihnen zugeſtelleten Schreiben/ auch muͤndlich ablegetẽ/
was Jungfer Brela ihnen vor Zeitung von dem Fraͤulein gebracht hatte; kunte ſie nicht
glaͤuben/ daß ſie zeit ihres Lebens dieſelbe wieder ſehen wuͤrde; begab ſich demnach gar aufs
klagen und weinen/ daß ihre Raͤhte und Frauenzimmer gnug an ihr zutroͤſten hatten. Rit-
ter Nedataht das beſte bey ihr/ indem er ihr das gute Herz erklaͤrete/ welches ſie auf der Rei-
ſe getragen/ auch den guten Fleiß/ welchen Herkules und Ladiſla zu ihrer Rettung anwen-
deten/ daß ſie ſich etlicher maſſen zufrieden gab/ und zu rahte ward/ einen ſteten Geſanten zu
Padua zuhalten/ der ſie ſchleunig berichten koͤnte/ wann Zeitung von dem Fraͤulein ein-
kaͤhme. Dieſes dauchte Neda eine gewuͤnſchete Gelegenheit/ ſein Vorhaben deſto fuͤglicheꝛ
ins Werk zurichten; baht auch untertaͤhnigſt/ ihm ſolches Amt gnaͤdigſt zubefehlen; erzaͤh-
lete zugleich Brelen Zuſtand/ und daß er ſich ehelich mit ihr verſprochen haͤtte/ da er ihr zu-
gleich ein koͤſtliches Kleinot ihretwegen einlieferte. Die Koͤnigin hoͤrete ſolches gerne/ gab
ihren Willen darein/ und befahl ihm/ ſich bald fertig zumachen/ damit er ungeſeumet ſich
nach Padua erheben koͤnte. Alſo zog er nach ſeinen Eltern/ und gruͤſſete ſie ſamt ſeiner
Schweſter im Nahmen Libuſſen und Brelen freundlich/ denen zwar der erſte Gruß ſehr
angenehm/ der andere aber hefftig zuwider wahr/ daß auch die Schweſter nicht unterlaſſen
mochte zuantworten: Seine gluͤkliche Wiederkunfft/ und ihrer Waſen Geſundheit waͤh-
re ihr lieb; das uͤbrige aber haͤtte nicht groß zubedeuten/ es waͤhre dann/ daß ihr Bruder
T t t t ijdurch
[700]Drittes Buch.
durch ihr anſchauen in vorige Tohrheit wieder gerahten waͤhre. Neda hatte ihm vorge-
nommen/ ſich nichts irren zu laſſen/ und ſagte im Scherze zu ihr: Ich moͤchte gerne wiſſen/
geliebte Schweſter/ was dir an dieſer Jungfer ſo hefftig mißfaͤllet; an Zucht/ Adel/ und
Schoͤnheit iſt ſie ja keiner Jungfer dieſes Koͤnigreichs viel ſchuldig/ ohn daß ſie ein verlaſ-
ſenes Waͤyſelein iſt; Wolteſtu ſie nun deswegen verachten/ koͤnteſtu dich dadurch verſuͤn-
digen/ daß dir dermahleins ein gleiches widerfuͤhre. Die Schweſter befand ſich hiedurch
in etwas verletzet/ und wolte ſchaͤrffer loßbrechen; aber die Eltern wehreten ihr/ und ſagetẽ:
Sie koͤnten ſelber nicht billichen/ dz man ehrliche Jungfern verachtete; vernaͤhmen gleich-
wol nicht/ daß ſeine Schweſter desgleichen taͤhte/ ſondern es ginge ihr aus Schweſterlicheꝛ
Zuneigung zu herzen/ daß ihr Bruder durch Heyraht ſeine Guͤter verringern ſolte/ maſſen
wo kein Braut Schatz folgete/ muͤſte der weibliche Schmuk von des Mannes Guͤtern ge-
zeuget werden/ welches nur Schulden verurſachete. Geliebete Mutter/ antwortete Neda;
ich ſtelle dieſes an ſeinen ort/ und wann ich gleich eine arme Jungfer heyrahten wuͤrde/ hof-
ſe ich doch ſo viel zuerwerben/ daß ich ſie ohn mein vaͤterliches Erbe ernehren wolte; ſolte
man aber einen aus Freundſchafft angebohtenen Gruß ſo hoͤhniſch verwerffen? zwar mei-
ne Eltern hoͤre ich gerne/ aber meiner juͤngeren Schweſter raͤume ich dieſe Macht durch-
aus nicht ein/ uͤber mich zuherſchen/ wuͤrde auch meinem Ritterſtande und tꝛagendem Am-
te ſehr ſchimpflich ſtehen. Aber lieber ſaget mir/ habt ihr auch etwz mehr auff Jungfer Bre-
len zuſprechen oder an ihr zutadeln/ als daß ſie unbeguͤtert iſt? Nein/ ſagte die Mutter/ wir
halten ſie im uͤbrigen wirdig gnug; weil du aber ſelber bekenneſt/ daß du den Eltern Gehoꝛ-
ſam ſchuldig biſt/ wirſtu ihnen folgen/ und ihren gemacheten Schluß nicht umſtoſſen. Was
iſt das vor ein Schluß? fragete Neda. Je/ antwortete ſie; welchen wir mit Herr Vratiſla
wegen deiner und ſeiner Tochter Heyraht getroffen haben. Wie verſaget/ oder verkaͤufft
ihr mich dann/ fragete er/ und forſchet nicht zuvor/ ob ich auch einwilligen werde? Ich bin
ja kein gebohrner Sklav/ ſo kan ich euch auch nicht bergen/ daß ich umb Geldes willen/ Ehꝛ
uñ Redligkeit hindan zuſetzen nicht gemeynet bin/ und wolte den Geizhals Vratiſla mit ſei-
ner Tochter lieber erwuͤrgen/ als in ſolche verfluchte Ehe einwilligen. Die gute Mutter
wuſte das Geruͤchte wol/ entſchuldigte es aber beſter maſſen; man muͤſte den Laͤſtermaͤuleꝛn
nicht glaͤuben; mannicher redlichen Jungfer wuͤrde ohn alle ſchuld eine Klette angeworf-
fen; und was des dinges mehr wahr. Sein Vater Krokus wolte auch laͤnger nit ſchwei-
gen/ ſondern ſagete zu dem Sohn: So bin ich gleichwol dein Vater/ und da du mir gehoꝛ-
ſam verſageſt/ werde ich mein Recht zugebrauchen wiſſen. Was vor Recht/ lieber Vater?
antwortete er; ich wuͤſte ja kein Recht in der Welt/ daß mich zwingen koͤnte/ wider meinen
Willen ein Weib zunehmen? Der gute Alte erzuͤrnete ſich hieruͤber/ und draͤuete ihn zuent-
erben; aber Neda bewaͤgete ſich gar nicht/ ſondern fragete nur/ wem er die Guͤter zuwendẽ
wolte. Wem ſonſt/ ſagte der Vater/ als deiner einigen Schweſter. Ja/ antwortete er/ wañ
ſie mir davor dankete/ lieſſe ichs ihr vielleicht mit gutem Willen zu; aber dann muͤſte ſie zu-
vor gegen Jungfer Brelen einen beſſern Willen faſſen; wiewol meine gnaͤdigſte Koͤnigin-
nen/ ſo wol die herſchende/ als die zu Padua/ mich vor Enterbung ſchon befreyet habẽ/ auch
meiner Schweſter/ wegen ihrer lieben Brelen Verachtung/ eine ſchlimme Urtel ſprechen
duͤrfften; Iſt demnach dieſe Bedraͤuung vergebens/ und weiß ich ſchon vorhin wol/ daß ſie
euch/
[701]Drittes Buch.
euch/ lieber Vater/ nicht von herzen gehet; dann wie koͤnte ich der Lehnguͤter entſetzet/ oder
dieſelben meiner Schweſter zugelegt werden? bin ich euch aber verhaſſet gemacht/ das zei-
get mir an/ alsdann wil wider euren Willen ich keines Hellers wert von eurem Gute ge-
nieſſen/ ſondern nach eurem Tode ſie der hoͤchſten Obrigkeit aufftragen/ und dannoch vor
Armuht und Mangel gnug befreyet ſeyn; wiſſet auch/ daß meine Gnådigſte Koͤnigin mich
vor ihren ſtets ſitzenden Geſanten zu Padua beſtellet hat. Hierauf gaben die Eltern naͤheꝛn
Kauffs/ dann ſie wuſten/ in was Gnaden Brela wahr; ſageten demnach/ wann er ihm ja
nicht wolte rahten laſſen/ moͤchte er nach ſeinem willen freyen. Aber die gute Schweſter
durffte allein widerſprechen; das koͤnte nicht ſeyn; was Herr Vratiſla ſagen wuͤrde; das
verheiſſene ſolte und muͤſte gehalten werden/ oder ihre Eltern wuͤrden vor unwarhafft aus-
geruffen werden/ und duͤrffte ſie Jungfer Wiſna nicht unter die Augen kommen. Wiltu
auch nach dieſem meine Schweſter heiſſen/ ſagte Neda/ ſoltu dich der leichtſinnigen Dir-
nen entſchlagen/ oder ich/ als dein aͤlterer Bruder/ werde dieſem wiſſen vorzubauen; Weiſt
du nicht/ daß ihr Bruder umb ihret willen ſeinen wolgezierten Reitknecht erſtochen hat/
weil er ungebuͤhrliche Dinge geſehen hatte? Wer mit Dieben laͤufft/ der lernet ſtehlen; und
huͤte dich nur/ daß du ihres Geruͤchtes nicht teilhafftig werdeſt/ damit unſer Geſchlecht un-
geſchaͤndet bleibe. Die Mutter wolte ihre Tochter viel entſchuldigen/ als welche ein groſ-
fes Geplaͤrre anfing; aber der Vater ſagete: Dafern die Wiſna in ſolcher Nachrede ſtec-
kete/ haͤtte feine Tochter ſich billich vorzuſehen/ daß ihr nicht gleicher Schandflecken ange-
haͤnget wuͤrde. Worauff Neda alſo anfing: Herzgeliebete Eltern und Schweſter;
meine verſprochene Braut/ die aͤdle Brela/ welche mit unſerm gnaͤdigſten Fraͤulein biß
in Syrien geweſen/ und neulich zu Padua wieder angelanget/ entbeut euch Kindlichen
und Schweſterlichen Gruß/ uͤberſendet zum Zeichen ihrer Liebe uñ Ergebenheit dieſe Klei-
not/ mit bitte/ ihr wollet ein Vater-Mutter- und Schweſter-Herz gegen ſie faſſen/ uñ euch
verſichern/ daß wieder euren Willen ſie weder tuhn noch laſſen wolle. Und daß ihr ſie fort-
hin armut halben nicht verachtet/ moͤget ihr wol glaͤuben/ daß ihre Baarſchaften uñ Klei-
not zu Padua ſich uͤber 16 Tonnen Goldes erſtrecken. Erzaͤhlete nachgehends allen Ver-
lauff/ und daß Herr Fabius ihm die Oberwachtmeiſterſchaft uͤber die Paduaniſche Be-
fatzung gegeben/ worzu das obgedachte Koͤnigliche Amt kaͤhme/ daß er erſtes tages ſich da-
hin begeben muͤſte. O du naͤrriſche Geldliebe/ was koͤnnen Geſchenke und Gaben bey den
Menſchen nicht erhalten? Die Mutter und Schweſter beſahen die koſtbahre Sachen/ wel-
che uͤber ihren Stand reicheten/ auch die mit guͤldener Muͤnze außgeſuͤlleten Wetſcher/
daher ſie das uͤbrige zu glaͤuben deſto leichter bewaͤget wurden. Da wahr nun Brela die
beſte/ die aͤdleſte und angenehmſte. Ach Herzliebe Tochter Brela/ waͤhret ihr doch ſelber
hie/ daß das Beilager gehalten wuͤrde/ ſagete die Mutter. Ach Herzliebe Schweſter Bre-
la/ waͤhret ihr doch mit uͤberkommen/ ſagete Schweſter Therba. Alles wahr vergeſſen/ als
waͤhre es nie ergangen. Was? ſolte ich der leichtfertigen Wiſna meinen Sohn geben?
ſagte die Mutter. Was? ſolte die ſchiefmaulichte Wiſna meinen Bruder heyrahten? ſag-
te die Schweſter. Woruͤber nicht weniger der alte Vater als Neda ſelbſt zu lachen bewaͤ-
get ward/ ſahen doch gerne/ daß alle Feind ſchaft auffgehaben wahr. Der Vater wuͤnſche-
te dem Sohn zu beyden Amtsverwaltungen Gluͤk/ und fuhr ſelbſt mit ihm nach Prag zu
T t t t iijder
[702]Drittes Buch.
der Koͤnigin/ woſelbſt Neda ſich mit 10 gewapneten rittermaͤſſigen Dienern verſahe/ und
nach empfangenem Koͤniglichen Befehl und Volmacht/ den geradeſten Weg nach Pa-
dua zuritte. Auff der Reiſe ſtieß ihm unterſchiedliche Gefahr auff/ die er teils durch Mañ-
heit/ teils durch Liſt abwendete/ biß er zu Padua friſch und geſund anlangetete. Er fand
daſelbſt alles im vorigen guten Stande/ ohn das ſein Obriſter/ Herr Klodius nicht anhei-
miſch/ ſondern mit ſeiner liebeſten Agathen des vorigẽ morgens nach Rom geritten wahꝛ/
dem er nach kurzer ablegung ſeines auffgetragenen Befehls/ und einlieferung der Koͤnig-
lichen Schreiben alsbald zu folgen geſinnet wahr; weil aber Frau Sophia und Frl. Si-
billa Luſt gewonnen/ mit zureiſen/ ward es biß folgenden Morgen auffgeſchoben/ und bere-
dete Fr. Sophia die beyden Boͤmiſchen Jungfern leicht/ daß ſie ihr Geſelſchaft leiſteten;
Sie kunten aber Klodius in zween Tagen nicht erreichen/ wie hart ſie auch eileten/ da jeneꝛ
doch eine Begleitung von 10 Fußknechten/ und dieſe 20 wolberittene Reuter bey ſich hat-
ten. Des dritten tages faſt gegen Abend/ gerieten ſie an ein Gehoͤlze/ da Neda mit ſeinem
Leibdiener voran ritte/ und die Gutſchen und beladene Wagen mit dem Frauenzimmer
unter der Begleitung folgen ließ. Als er den Wald faſt zum Ende wahr/ hoͤrete er ein Ge-
fechte und Geſchrey etlicher Klagenden/ ſetzete friſch fort/ und ſahe einen Ritter zu Fuſſe
ſich mit acht Moͤrdern ſchlagen. Umb ihn her lag eine zimliche menge Toder und ſterben-
der/ uñ wahr gleich an dem daß der Ritter ſich haͤtte muͤſſen fahen laſſen; dem er Beyſtand
zu leiſten ſich alsbald entſchoß/ ſchickete ſeinen Diener zu ruͤk nach ſeinen Reutern/ und
mit entbloͤſſetem Schwert rieff er den Moͤrdern zu/ ſie ſolten ſich an dem Ritter nicht ver-
greiffen; ſprengete unter ſie/ uñ erlegete bald im anfange ihrer zween; weil aber ſein Pferd
erſtochen ward/ machte er ſich herunter/ trat neben den andern ſchon zimlich verwundeten
Ritter/ und ſagte; haltet euch friſch/ wir werden bald mehr Beyſtand haben. Worauff
ſich dieſer ermunterte/ daß vor der an dern ankunft ſie die Raͤuber alle erlegeten/ und nach
erhaltenem Siege Klodius den Helm abzog/ umb zuvernehmen/ wer ihm ſo ritterlichen
Beyſtand geleiſtet haͤtte. Neda kennete ihn alsbald/ und ſagete: Geehrter Herr Bruder/
ich freue mich ſehr/ daß ich ihm zu rechter Zeit bin zu huͤlffe kommen; aber wo hat er ſeine
Liebeſte? Klodius umbfing ihn/ bedankete ſich kuͤrzlich der geleiſteten Rettung/ und klagete/
er wuͤſte eigentlich nicht/ wohin ſie geritten waͤhre; haͤtte ihr aber drey Kriegsknechte zu-
geordnet/ und meinete nicht anders/ als daß ſie ſich nach der rechten Hand hingewendet
haͤtte. Weil dann Neda Geſelſchafft gleich herbey kam/ teileten ſie ſich/ und traffen ſie zn i-
ſchen vier Moͤrdern an/ die ihre Knechte erſchlagen/ und ſie mit ſich gefuͤhret hatten/ ward
aber bald frey gemacht/ und herzu geleitet/ dañ wegen erſchreknis kunte ſie keinen Fuß aus
der Stete ſetzen; meinete auch nicht anders/ es waͤhren neue Raͤuber/ die ſie aber mahl ge-
ſangen; ſo bald ſie aber berichtet ward/ daß ihr Junker von ſeinem Oberwachtmeiſter Ne-
da eniſetzet/ und Fr. Sophia mit ihrem Frauenzimmer zu gegen waͤhre/ erhohlete ſie ſich
wie der/ ward auch von der Geſelſchaft freundlich empfangen/ ihres Unfals getroͤſtet/ und
zogen miteinander fort nach dem naͤheſten Flecken/ woſelbſt Klodius ſich verbinden ließ.
Zu Rom ward Fr. Sophia mit ihrem Zimmer von Herr M. Fabius umb ſo viel freund-
licher empfangen/ weil ſie unvermuhtlich kahmen/ inſonder heit freuete ſich Frl. Sibyllen
Mutter uͤber ihrer geliebeten Tochter Gegenwart/ und taht Frl. Virginien und anderen
ihren
[703]Drittes Buch.
ihren Geſpielen ihre Ankunft zu wiſſen. Als aber zu Rom ausgebreitet ward/ daß Fr. So-
phia von Padua verhanden waͤhre/ deren der Keyſer und der Raht das Ehrengedaͤchtnis
hatte richten laſſen/ ward ſie von den vornehmſten Roͤmiſchen Frauen beſuchet/ und hoͤch-
lich gepreiſet/ daß durch ihren Raht und Angeben das groſſe und algemeine Verderben
von ganz Italien abgewendet waͤhre. Kaͤyſer Alexanders Mutter Fr. Mammea/ ließ ſie
auff ihrer Leibgutſche nach ihrer Burg hohlen; dieſe wahr dem Glauben nach zwar eine
Chriſtin/ aber der Chriſtlichen Tugenden befließ ſie ſich nicht allerdinge/ dann ſie uͤbete an
unterſchiedlichen Roͤmern ſchlimme grauſamkeit/ und wahr dem Geiz [ſehr] ergeben. Die-
ſes wuſte Fr. Sophia wol/ hatte ſich auch mit uͤbergroſſen Geſchenken verſehen/ die auff
drey Tonnen Goldes ſich belieffen/ welche ſie ihr demuhtig einhaͤndigte/ und ſich ihrer gnaͤ-
digſten Hulde und Gewogenheit befahl. Dieſe wegerte ſich anfangs ſehr/ ein ſo reiches
Geſchenk anzunehmen/ aber auff harte noͤhtigung empfing ſie es/ mit erbieten/ bey ihrem
Herr Sohn dem Kaͤyſer alles daß zuleiſten/ was zu ihrem auffnehmen gereichen koͤnte;
da ſie dann/ ihre Gunſt zu erzeigen/ mit ihr auff einer Gutſche nach dem Marsplatze fuhr/
und ihr Ehren-Gedaͤchtnis beſahen. Der Kaͤyſer ſelbſt/ wie er ihrer Anweſenheit berich-
tet ward/ baht ſie neben Herr M. Fabius und Frl. Sibyllen zur Mahlzeit/ und vernam al-
les umbſtaͤndlich von ihr/ wie ſichs in Beſtuͤrmung des Raubneſtes zugetragẽ haͤtte; ſagte/
er waͤhre willens geweſen/ die treflichen Helden nach Rom fodern zu laſſen/ und mit ihnen
Kundſchaft zu machen/ haͤtte aber erfahren/ daß wegen eines geraubeten Fraͤuleins ſie ab-
weſend waͤren; uñ muſte ſie dieſen Unfal gleichmaͤſſig erzaͤhlen/ da der Kaͤyſer und andere
Anweſende ſich der herzhafften Frl. Valiſka nicht gnug verwundern kunten. Klodius und
Neda macheten inzwiſchen zu Rom gut geſchir/ dann wie verachtet jener ehemahls wegen
ſeiner ſchuldhaften wahr/ ſo hoch ward er jezt geehret/ und von den Roͤmiſchen jungẽ Rit-
tern beſuchet und zu Gaſte geladen. Titus Bellizius/ welcher Klodius aͤlteſte Schweſter
geheirahtet hatte/ ſtellete des dritten Tages nach ihrer Ankunft eine groſſe Gaͤſterey an;
untern andern Gaͤſten wahr ein verwaͤgener aͤdler Roͤmer/ nahmens Kajus Opelius/ deꝛ-
ſelbe fing an/ etliche Schimpfreden auff den Teutſchen Adel außzuſtoſſen/ nur daß er Ur-
ſach an Neda haben moͤchte/ der ſich vor ihm nicht ſo tieff demuͤhtigte/ als ers gerne geſe-
hen haͤtte. Nun hatte dieſer gleich ſein Geſchwaͤtze mit Klodius Schweſter/ daß ers nicht
acht nahm; ſo wahr Klodius hinaus gangen/ daß er ihm nicht einreden kunte/ und wolten
die andern ſich nicht mit einmengen/ weil er ein unreiner Vogel wahr/ und ſein Adel neben
der treflichen Erfahrenheit in Waffen/ ihn gar frech machete. Als dieſer merkete/ daß der
erſte Bolzen vergebens abgeflogen wahr/ fiderte er bald einen ſchaͤrfferen/ und fragete ſei-
nen Nebenſitzer/ mit was vor Waffen ſich die Teutſchen doch gegen ſie geſtellet/ als Kaͤy-
ſer Antoninus Karakalla ſie vor eilf Jahren am Main geſchlagen. Dieſer wolte ihm nicht
Urſach zu weiterem Unluſt geben/ und antwortete; er koͤnte nicht leugnen/ daß ihre Ritter-
ſchaft wol und redlich gefochten/ und ob ſie gleich mit Waffen ſo volkommen nicht waͤhrẽ
verſehen geweſen/ haͤtten ſie dannoch dieſen Abgang durch Mannheit erſetzet/ und moͤchte
er vor ſein Haͤupt wuͤnſchen/ dz man dieſe zimlich abgelegene Nachbarn zu ſtetigen Freun-
den haben koͤnte/ maſſen die Teutſchen Kriege viel Wunden und wenig Beute braͤchten.
Opelius fuhr fort; er hoffete/ die Teutſchen wuͤrden das Narrenſeil ſchier wieder zihen/
und
[704]Drittes Buch.
und einen blinden Fal wagen/ alsdann wolte er auff ſeine koſten wieder ſie fortzihen/ und
nach Rom nicht kommen/ biß er 50 aͤdle Teutſchen gefangen/ welche ihm ſeine Landguͤter
als Leibeigene beſtellen/ und des Vihes huͤten ſolten; dann ich hoͤre/ ſagte er/ daß ſie in Frie-
deszeiten den Pflug ſelber treiben/ damit ſie nicht hungers verſchmachten. Dieſe Reden
gingen beydes Klodius und Neda durchs Herz/ uñ kunte jener inſonderheit ſeinem Herꝛn
Herkules zu ehren/ es unbeantwortet nit laſſen/ ſagete demnach zu ihm; Geliebter Oheim
Opelius/ ich bitte/ er wolle ſich in ſolchen Reden maͤſſigen/ welche vielleicht etlichen Anwe-
ſenden zu nahe treten moͤchten; ich diene einem teutſchen Herꝛn/ und wil mich gluͤkſelig
achten/ als lange ich die Ehre habe/ ihm zu dienen/ dann ich weiß/ daß nicht alle Teutſchen
ſo beſchaffen ſind/ wie man ſie uns vormahlet; ſolten nugleich Teutſche von Adel ſich zu-
zeiten des Ackerbaues annehmen/ wuͤrde ſolches ihren Adel eben ſo wenig ſchaͤnden/ als es
ehmahls den treflichſten Roͤmern L. Quintius Zinzinnatus/ Attilius Seranus/ Markus
Kato/ uñ anderen mehr/ keines Weges veraͤchtlich geweſen iſt; nachdem wir aber freund-
ſchaft und Luſt wegen beyeinander ſind/ wollen wir von froͤlichern Sachen ſchwaͤtzen. In-
zwiſchen ſaß Neda und brante vor Zorn/ nahm auch gaͤnzlich vor/ ſich an dem Schaͤn der
zuraͤchen/ und ſagte zu Klodius; Geehrter Herr Obriſter/ und Bruͤderlicher Freund/ er
weiß dz ich mich unter den Teutſchen Adel zaͤhlen laſſe/ ob ich gleich meine Guͤter in Boͤh-
men habe/ welches Reich doch mitten in dem Herzen Teutſchlandes gelegen iſt. Nun wil
ich nicht hoffen/ daß die jezt vorgebrachte Reden insgemein auff allen teutſchen Adel ge-
meinet ſeyn/ ſondern nur auff die Unnuͤtzen und faulen/ deren es ohnzweiffel allenthalben/
auch mitten in Rom geben moͤchte; daher dann dieſer Ritter ſo wenig Urſach hat umb
ſolcher willen ſo weit zu reiſen/ als wenig wir uns deſſen anzunehmen haben; wiewol ich
wuͤnſchen moͤchte/ daß er alle nichtwerte Teutſchen vor Leibeigen haͤtte/ auff daß Teutſch-
land/ welches nur tapffere Herzen liebet/ des unnuͤtzen Wuſtes moͤchte entladen ſeyn. Ope-
lius wahr ſo tummes verſtandes nicht/ daß er den Auffzug nicht ſolte gemerket haben/ ge-
dachte ihm aber zuvergelten/ und gab zur Antwort: Die unuͤberwindlichen Roͤmer haben
nicht dẽ Brauch/ daß unnuͤtze mit ſich uͤber Land zuſchleppen/ ſondern geben es ihrer Mut-
ter der Erden; nur was ſie tuͤchtig finden/ dem goͤnnen ſie das Leben zu ihrem Dienſte; uñ
hat man wol ehmahls mehr Leibeigene Teutſchen/ als Herren zu Rom gefun den; ja wer
weiß/ was uns das Gluͤk in kurzem zuwendet? Ich ruͤhme die unuͤberwindlichen Roͤmer/
als Herren vieler Laͤnder/ ſagete Neda/ aber die Leibeigenen haben ſie nicht beim Trunke/
noch mit dem Maule/ ſondern mit bewehrter Fauſt gemacht. Damit ging der Tanz recht
an/ maſſen Opelius alsbald fragete/ ob er damit geſtochen waͤhre. Niemand/ antwortete
Neda/ ohn der den redlichen Teutſchẽ Adel ſchaͤndet/ welchen Kaͤyſerl. Hocheit neulich auf
dem Marsplatze ſonderlich geehret hat. Opelius faſſete das Trinkgeſchir/ in meinung ihm
dz Geſicht damit zuſchaͤnden/ aber Neda ſolches ſehend/ fing den Wurff mit der Hand auf/
wolte doch nicht wieder werffen/ ſondern redete die Anweſende Geſelſchafft alſo an: Ihr
hoch aͤdle ruhmwirdige Roͤmer/ werdet mir ſchier heut oder Morgen deſſen beſtaͤndige
Zeugniß geben was alhie vorgangen iſt; Dich boßhafften Schaͤnder aber/ ſagte er zu O-
pelius/ halte ich des Ritterſtandes unwirdig/ weil du einen Ritter nicht mit Ritterlichen
Waffen/ ſondern mit einem Trinkgefaͤß angreiffeſt/ uñ wil ich dich umb deiner Schmach-
rede
[705]Drittes Buch.
rede willen ausfodern/ dz du auff dem Marsplatze erſcheineſt/ damit ich ſehen moͤge/ ob dein
Herz ſo feſt wiederhalten/ als dein Maul ſchaͤnden kan. Dieſer antwortete: Ob er noch ei-
nen Teurſchen Bauren Flegel bey ſich haͤtte/ ſolte er denſelben zu huͤlffe nehmen/ daß er ihm
den Schild vorhielte. Hie fuͤhre ich meinen Flegel an der Seite/ ſagte Neda/ und werde
noch heut ſehen/ ob du bequemer ſeyſt zu droͤſchen oder gedroſchen zuwerden. Ging damit
hinaus auff ſein abſonderliches Gemach/ legete ſeine Waffen an/ und ritte nach des Kaͤy-
ſers Burg/ bey dem Fr. Sophia zu gaſte wahr; dieſelbe ließ er zu ſich hinaus bitten/ erzaͤh-
lete ihr alle begebniß/ und baht untertaͤhnigſt/ bey Kaͤy ſerl. Hocheit ihm urlaub zuerlangen/
ſeine Ausfoderung zuverfolgen; worzu ſie willig wahr/ brachte es auch bewaͤglich vor/ ne-
beſt anmeldung/ dieſer Ritter waͤhre eines vornehmen Boͤhmiſchen Herrn Sohn/ und ih-
res Gemahls lieber Getraͤuer/ daß auch ihr Herr Vater ihn wegen ſeiner Tapfferkeit in
Roͤmiſche Dienſte genommen haͤtte. Der Kaͤyſer ließ ihn ſelbſt hervor treten/ da er dann
den Schimpff/ dem ganzen Teutſchen Adel angelegt/ ſo ernſtlich vortrug/ und zugleich unt
Erlaubniß des Kampffes anhielt/ daß der Kaͤyſer ſich alsbald erboht/ den Opelius deswe-
gen an Leib und Leben zuſtraffen/ dafern er ſeiner Anklage glaubwirdige Zeugniß fuͤhren
koͤnte. Weil er dann ſechs Roͤmiſche Ritter bey ſich hatte/ die ſolches einhellig ablegeten/
erzuͤrnete ſich der Kaͤyſer ſehr/ haͤtte auch ernſtliche Straffe ergehen laſſen/ wann nicht Ne-
da davor gebehten/ der nur bloß umb des Kampffs Verguͤnſtigung anſuchung taht/ deſſen
er durch Fr. Sophien Vorbitte endlich gewehret ward/ doch daß Opelius zuvor bey dem
Kaͤyſer erſcheinen muſte/ welcher ihn alſo anfuhr: Du beſchimpffung des Roͤmiſchen A-
dels; wie darffſtu eines ganzen Landes Adel ſchaͤnden/ deſſen Manheit unſerm Reich alle-
zeit widerſtanden/ und ſich in Freyheit erhalten hat? Du haſt vielmehr des Henkers Beil/
als das Ritterliche Schwert verdienet/ indem du eben dieſe wider unſer Reich auffzuwie-
geln bedacht biſt/ welche mit Freundſchafft uns zuverbinden/ wir gefliſſen ſind; weil wir a-
ber abſonderlich erbehten worden/ dieſen Kampff zuzulaſſen/ kanſtu dich darzu ſchicken/ und
im fall du obſiegeſt/ nicht deſto minder des Rechts erwarten. Opelius taht einen demuͤhti-
gen Fußfall/ haͤtte wegen eines eingebildeten Schimpffs zu milde geredet/ welches er abzu-
bitten erboͤhtig waͤhre; hoffete ſonſt vor dißmahl zuzeigen/ wie hoch Roͤmiſcher Adel den
Teutſchen uͤberginge. Der Kaͤyſer hieß ihn ſich packen/ und daß er nicht bedacht waͤhre/
ſeines unbeſonnenen Schwerts zu ſolchem wichtigen Beweißtuhm zugebrauchen; ſtund
auff/ und machte ſich mit ſeiner Geſelſchafft fertig/ dem Kampffe beyzuwohnen/ und da es
noͤhtig ſeyn wuͤrde/ des Teutſchen Ritters Leben zuretten/ weil ihm Opelius Kuͤhnheit wol
bekant wahr. Das Frauenzimmer zog mit hin/ und empfand die gute Brela in ihrem Heꝛ-
tzen nicht geringe Furcht und Schmerzen/ daß ſie zu Libuſſen ſagete: Meinen ungenehmẽ
Braͤutigam habe ich zu Padua im Kampff verlohren; ſolte ich nu meinen Seelen Schaz
hier zu Rom einbuͤſſen/ haͤtte ich erſtuͤber Ungluͤk zuklagen. Aber Libuſſa troͤſtete ſie; Neda
haͤtte vorerſt die Gerechtigkeit/ hernach der Goͤtter und des Kaͤyſers Gunſt auff ſeiner ſei-
te/ und waͤhreſein erſtes nicht/ daß er hochmuͤhtigen Frevel daͤmpffete. Die Kaͤmpffer ſetze-
ten mit ihren Speeren grimmig auff einander/ welche in der Lufftverſtoben/ aber keinen
niderwurffen; daher ließ ihnen der Kaͤyſer neue reichen/ weil Neda inſonderheit darumb
anhielt; der ſich dann mit ſolcher Gewalt auff ſeinen Feind loß gab/ daß er ihn geſtrekt auf
V u u udie
[706]Drittes Buch.
die Erde niderlegete/ daher ſeine Brela gute Hoffnung faſſete des kuͤnfftigen Sieges. Ne-
da ſtieg bald ab/ trat hin zu dem gefaͤlleten mit bloſſem Schwerte/ da derſelbe ſich noch nicht
regete/ machte ihm das Helmgeſicht auff/ daß er friſche Lufft empfing/ und ſagete uͤberlaut
zu ihm: Nun mein Opelius/ biſtu noch gewillet/ 50 Teutſche von Adel zufahen/ deren viel-
leicht noch keiner mag gebohren ſeyn? der Anfang iſt zimlich ſchlecht/ und ſtuͤnde dein Leben
in meiner Hand/ wann ich eine grauſame Seele haͤtte; aber mache dich auff die Fuͤſſe/ da-
mit ich ſehen moͤge/ ob du beſſer auff zwey als auff vier Beinen ſtreiten koͤnneſt/ dann ich
muß dein Schwert auch kennen lernen. Dieſer erhohlete ſich wieder/ und als er ſich auff-
gerichtet hatte/ gab er zur Antwort: Nicht du/ ſondern des Kaͤyſers Ungnade hat mich ab-
geſtochen. Ja/ haſtu ſo hochgelehrte Entſchuldigungen/ ſagte Neda/ ſo iſt gefaͤhrlich mit diꝛ
zuzanken; aber faſſe einen Muht/ und trit dem Ungluͤk mit eben der Herzhafftigkeit entge-
gen/ durch welche du die aͤdlen Teutſchen mit hauffen pflegeſt gefangen zunehmen/ wann
dir der Wein wol ſchmecket. Dieſer Spot taht ihm weher als der Tod ſelbſt; warff ſich in
die Hoͤhe/ und fing an ſeine Fechterkunſt ſehen zulaſſen. Aber Neda droͤſchete weidlich auf
ihn loß/ daß in weniger Zeit ſeine Waffen mit Blut angefaͤrbet wurden/ und ihm alle kraft
entging. Weil er dann nicht willens wahr/ ihn zutoͤdten/ trat er ihm mit dem Schilde ein/
ließ ſein Schwert fallen/ und riſſe ihm das ſeine aus der Hand/ ſprechend: Nun gib dich/
Opelius/ ich bin nicht willens/ dich zuverderben/ wann du guten Willen erkennen kanſt; uñ
daß du mein redliches Herz ſpuͤreſt/ wil ich mich bemuͤhen/ dir einen gnaͤdigen Kaͤyſer zu
machen. So waͤhre ich euch mein Leben ſchuldig/ ſagte Opelius; iſt aber keine Gnade zueꝛ-
halten/ ſo beſeliget mich mit einem ſchleunigen Tode; Der Kaͤyſer hoͤrete ihr Geſpraͤch/ a-
ber nicht deſſen Verſtand/ vor welchem Neda ſich in die Knie legete/ und alleruntertaͤhnigſt
baht/ ihre Kaͤyſerl. Hocheit moͤchte in anſehung ſeiner beyden gnaͤdigen Herꝛen/ Ladiſla uñ
Herkules/ deren Ehren Gedaͤchtniß hier auffgerichtet ſtuͤnden/ gegenwaͤrtigem Ritter O-
pelius allergnaͤdigſt verzeihen/ als ob des verlauffenen nichts vorgangen waͤhre. Fr. So-
phia und Frl. Sibylla bahten ein gleiches bey des Kaͤyſers Fr. Mutter; Worauf der Kaͤy-
ſer ſich alſo erklaͤrete: Redlicher Ritter/ damit ihr ſehet/ wie hoch ich die Gedaͤchtniß der
beyden Helden/ Herren Ladiſla und Herkules halte/ und ihre Wirdigkeit ſchaͤtze/ inſonder-
heit/ weil des erſtgenanten ſein Gemahl das Wort mit fuͤhret/ ſo trit herzu/ du unvorſichti-
ger Opelius/ dein Verbrechen iſt tod/ und ſol forthin weder gedacht noch genennet werdẽ.
Die anweſenden ingeſamt erfreueten ſich der ganz ungewoͤhnlichen Gnade/ kehreten
wieder umb/ teils nach der Burg/ teils nach T. Bellizius Behauſung/ und lieſſen den ver-
wundeten fleiſſig verbinden. Des folgenden Morgens ſtellete Klodius auff Fr. Agathen
begehren eine treffliche Gaͤſterey an/ bey welcher ſich Herr M. Fabius mit Fr. Sophien
und Frl. Sibyllen einſtelleten. Nach abgehobenen Speiſen hielt Fr. Agatha in aller Gaͤſte
gegenwart bey ihrem Klodius an; nachdem ſie ihn zum Herrn aller ihrer Guͤter gemacht
haͤtte/ moͤchte er ihr den dritten Teil aller ſeiner Roͤmiſchen Guͤter ſchenken/ welches von
allen mit einem Gelaͤchter angenommen ward; Er aber/ weil er ihr vorhaben merkete/ wil-
ligte alsbald darein; worauf ſie deſſen drey gegenwaͤrtige Schweſtern alſo anredete: Hoch-
werte Frr. Schweſtere/ und herzgeliebete Freundiñen; weil ich meinen ergebenen ſchwe-
ſterlichen Willen ihnen gerne in der Taht erzeigen/ und deſſen ein Zeichen hinter mir laſ-
ſen
[707]Drittes Buch.
ſen wolte/ ſo bitte ich freundlich/ ſie wollen dieſen dritten Teil aller Roͤmiſchen Guͤter ihres
geliebeten Bruders unwegerlich von mir annehmen/ und dabey ſich allemahl meines ge-
neigten Herzens erinnern. Sie ſamt ihren Ehejunkern verwunderten ſich der groſſen frey-
gebigkeit/ weil einer jeden Anteil ſich auff 12000 Kronen wert erſtreckete/ und wahr keine
unter den Schweſtern ſo kuͤhne/ daß ſie geantwortet haͤtte; woruͤber Klodius anfing: Er
wolte nimmermehr hoffen/ daß ſeine Schweſtern ihrer Schwaͤgerin ſeiner Eheliebſten
dieſe ihre erſte Bitte abſchlagen wolten; ſo duͤrfften ſie auch nicht gedenken/ als wann ihm
ſolches zuwider waͤhre; Gott haͤtte ihm ſo groſſe Guͤter mit ſeiner Liebſten beſcheret/ daß er
durch dieſe Verehrung keinen Abgang zubefuͤrchten haͤtte. Darauff ward das Geſchenk
mit ſonderlicher Dankſagung allerſeits angenommen/ und verehreten die drey Schwaͤgeꝛ
ihr hinwiederumb eine treffliche Gutſche mit ſechs Siziliſchen Blånken/ blieb auch dieſe
Geſelſchafft zwo Wochen zu Rom/ da Klodius und Neda etliche mahl bey der Kaͤyſerli-
chen Mahlzeit ſich muſten einſtellen/ hernach macheten ſie ſich wieder nach Padua. Als
ſie daſelbſt ankahmen/ wurden ſie mit neuer Freude uͤberſchuͤttet; dann es trat zugleich mit
ihnen ein Bohte hinein/ welcher von Jeruſalem geſchicket wahr/ und dem Stathalter drey
Schreiben einlieferte; eines von Herr Pompeius/ das andere von Ladiſla/ das dritte von
dem jungen Fabius ſeinem Sohn. Pompejus meldete/ wie es Fuͤrſt Herkules bey ihm
ergangen waͤhre; die anderen beyde zeigeten ihr wolergehen an/ und hatten ihre Briefe zu
Seleuzia geſchrieben. Frau Sophia bekam zwey Schreiben; eines von ihrem Ladiſla/
da er ſie ſeines Abweſens troͤſtete/ und ſchleunige Wiederkunfft verſprach; das andere hat-
te Fraͤulein Lukrezie auffgeſetzt/ unter dieſer uͤberſchrifft: Der Durchleuchtigſten Fuͤrſtin und
Frauen/ Frauen Sophien Fabiin/ vermaͤhleten Koͤnigtn in Boͤhmen; meiner vertraueten Frau
Schweſter Hier muß gewißlich mein Ladiſla oder Herkules geweſen ſeyn/ ſagte ſie; dann
was wuͤſten ſie zu Jeruſalem ſonſt von meiner Heyraht? Aber ihr Vater antwortete:
Gedenkeſt du dann/ daß ich meinen naͤheſten Anverwanten deine Heyraht nicht werde zu-
geſchrieben haben? Sie oͤffnete den Brief/ und laſe daraus folgende Worte:


Herzgeliebete Frau Schweſter; nach dem der Durchleuchtigſte Groß Fuͤrſt/ Herr Herkules/
dieſes Orts gluͤklich angelanget/ hat der Allmaͤchtige Gott es gnaͤdig geſchicket/ daß ich in ſeiner Liebe
Kundſchafft und bruͤderliche Vertrauligkeit auffgenommen bin/ deſſen zeit meines Lebens ich mich
ruͤhmen und freuen werde/ angeſehen ich den Ausbund aller Tugend und Zucht bey ihm angetroffen;
ja eben den/ welcher der Frau Schweſter nicht anders als ſeiner Seele gewogen iſt. Zeit ſeiner Ver-
wundung. Was muß das vor eine Verwundung ſeyn? ſagte ſie zu ihrem Vater; welcheꝛ
ihr befahl/ ſie ſolte zum Ende leſen/ hernach wolte er dieſes aus ſeinem Schreiben ſchon er-
klaͤren; fuhr demnach alſo fort: Zeit ſeiner Verwundung/ da ich ihm ſtetige Geſelſchafft leiſtete/
muſten ſeine Frau und Fraͤulein Schweſtere Sophia und Sibylla allemahl das Hauptwerk ſeiner
Rede ſeyn/ daß mich wunder nam/ wie eine andere ihn von ſo lieber Geſelſchafft abzihen moͤgen/ es ſey
dann/ daß mit der verlohrnen ſein Herz verlohren waͤhre/ welches ich muhtmaſſe/ weil weder Gefahr
noch icht was anders ihn von dieſer Nachſuchung abhalten kunte. Aber erkennet doch euer Gebre-
chen/ ihr herzliebe Schweſtern/ daß ihr einen ſo allerliebſten Bruder ohn gebuͤhrliche Kleidung habt
koͤnnen von euch zihen laſſen; zwar eure Fehler habe ich nach Moͤgligkeit erſetzet/ aber hiedurch ſeyd
ihr nicht zuentſchuldigen/ welches nach dieſem euch muͤndlich zuverweiſen/ ich unvergeſſen ſeyn wil.
Inzwiſchen befehle ich euch dem Schutz des allmoͤgenden wahren Gottes/ verbleibend/ weil ich lebe/
V u u u ijmeiner
[708]Drittes Buch.
meiner hochgeliebten Frau Schweſter bereitwilligſt-gehorfamſte/ und ganz ergebene Dienerin/
Lukrezie Pompejin.


Fraͤulein Sibylla wuſte nicht/ ob ſie ihr Schreiben oͤffentlich leſen duͤrffte/ biß Herr
Fabius ihre neue Zeitung ihnen mitzuteilen anhielt; worauff ſie den Brief ihrer Waſen
zuleſen reichete/ der alſo lautete:


Herzgeliebete Frl. Schweſter; eures guten Zuſtandes/ welchen ihr ohn zweifel dem unver-
gleichlichen Fuͤrſten/ Herrn Herkules zudanken habet/ bin ich zur gnuͤge berichtet; moͤchte wuͤnſchen/
daß wir ſo nahe beyſammen lebeten/ daß die Zunge uns an ſtat der Briefe dienen koͤnte. Aber O! in
was groſſer Freude und Luſt muͤſſet ihr geweſen ſeyn/ da der zierliche Silvan euch im Puſche ſo viel
Honigſuͤſſes vorſchwatzete; nimt mich wunder/ wie ihr demſelben Schweſterliche Hulde zuwenden
koͤnnen/ der euch eines ſo hoͤflichen Schatzes beraubet hat. Bitte ſehr/ dieſes Schreiben vor eine
Troſt Schrifft zu rechnen/ und dem Kummer wegen Abfalls dieſes Liebeſten nicht zu weiten Raum in
eurer Seele zugoͤnnen. Ich habe unſerm Bruder Herr Herkules dieſe Unhoͤfligkeit ſehr auffgeruͤc-
ket/ daß er einem verliebeten Fraͤulein einen ſo hoͤflichen Buhlen entriſſen/ der in Freundligkeit es ei-
nem erzuͤrneten Ochſen faſt zuvor tuhn ſolte. Maͤſſiget/ bitte ich/ eure Traͤhnen/ und machet mich
durch genehme Antwort wiſſen/ was mein Schreiben vor Troſt gewirket. Dem Schutz Gottes
empfohlen/ von eurer getraͤueſten Schweſter Lukrezien Pompejin.


Alle anweſende lacheten des Auffzuges; aber das Fraͤulein ſagte: Ich goͤnne mei-
ner Waſen nichts boͤſes/ aber den hundertſten Teil meiner damahligen Angſt duͤrffte ich
ihr faſt wuͤnſchen; doch wann ſie daher die Straffe ihres Gelaͤchters erkennete/ wolte ichs
ihr gerne wieder abnehmen. Ihr muͤſſet ihr dieſen Streich vergelten/ ſagte Herr Fabius;
und als ſie ihre Einfalt anzog/ ſagte Frau Sophia: Gebet euch zu frieden/ wir wollen zehn
Pfeile vor einen finden/ ſo bald wir nur den Bogen haben/ ſie ihr zuzuſchieſſen. Frau Ur-
ſula ſtellete ſich ſehr betruͤbt/ daß ſie kein abſonderliches Schreiben von ihrem Fabius hat-
te/ welches aber in des Vaters ſeinem verſchloſſen wahr/ und ihr endlich eingehaͤndiget
ward/ da ſie wegen ſeines Wolergehens ſich vergnuͤget befand/ und mit den andern der
gluͤklichen Wiederkunfft mit Schmerzen erwartete.


Zu Ekbatana freueten ſich unſere Helden/ daß die Zeit ihrer Reiſe nach Charas biß
auff einen Tag verfloſſen wahr/ da ſie dann allerdinge fertig wahren loßzubrechen. Es kam
aber eine Botſchafft von Artaxerxes den Perſiſchen Groß Fuͤrſten/ mit Schreiben an
Pharnabazus. Phraortes wahr ihm nicht ohn Urſach eines wichtigen Inhalts vermuh-
[t]en/ brachen den Brieff/ und funden dieſes: Ihm waͤhre glaubwirdig vorkom̃en/ daß zween
vortreffliche Ritter ſich bey ihnen auffhielten/ deren Erfahrenheit in Kriegsſachen ſehr
groß waͤhre; nun wuͤrde man zweiffels ohn dem ruhmwirdigen Vorhaben in kurzen ſei-
nen Fortgang goͤñen/ wobey ritterliche Helden das meiſte verrichten koͤnten; und ob man
gleich fremder Waffen nicht beduͤrfte/ welche dannoch nicht außzuſchlagen/ haͤtte man
doch zuverhuͤten/ daß ſolche Leute nicht dem Feinde zu dienſte gingen; baͤhte demnach/ al-
le moͤgligkeit anzuwenden/ daß man ſich dieſer Helden verſicherte/ und keinen Sold zu hoch
achtete/ damit man ſie in beſtallung bringen koͤnte. Phraortes merkete wol/ woher Arta-
xerxes dieſes erfahren/ ließ ihm den Vorſchlag wolgefallen/ und beriet ſich mit Pharna-
bazus/ wie das Ding am fuͤglichſten anzugreiffen waͤhre/ daß man gleichwol die Geheim-
nis
[709]Drittes Buch.
nis voꝛ ihnen noch zur Zeit verborgen hielte; macheten ſich hin zu unſern Helden/ und tru-
gen ihnen dieſes vor; Hochwerte Herren und Freunde/ es iſt eine hochwichtige hoͤchſtge-
heime Verbuͤndnis obhanden/ in welcher wir neben andern hohen Haͤuptern begriffen
find; begehren demnach inſtendig von uns/ mit euer Liebe vertraulich zuhandeln/ ob denen
belieben koͤnte/ als lange ſie in dieſen Laͤndern ſich auffhalten/ ihnen mit Raht und Taht
beypflichtig zu ſeyn/ auff welchen Fall ſie euch Monatlich 200000 Kronen ingeſamt be-
ſtallungs Gelder/ und jedem 100 Leib Reuter zu unterhalten anbieten/ es moͤge Krieg er-
folgen oder nicht; da euch dann die Hoch Fuͤrſtl. Verbuͤndnis freiwillig verſpricht/ auff
den Fall ihr ſelbſt Feinde bekommen wuͤrdet/ euch mit 200000 Mann Beyſtand zuleiſten.
Herkules und Ladiſla beredeten ſich hierauff kuͤrzlich/ und gaben zur Antwort: Sie wuͤn-
ſcheten denen Durchll. vereinigten Fuͤrſten und Staͤnden Gluͤk und Heyl zu ihrem loͤb-
lichen Vorhaben/ und weil ſie hoͤreten/ daß ſie beyde ſelbſt vornehme Glieder ſolcher ver-
buͤndnis waͤhren/ erkenneten ſie ſich ſchuldig/ ihnen mit Gut und Leben zu dienen/ als viel
ihr Vorhaben immermehr zulaſſen wolte; daß ſie aber durch wirkliche Beſtallung ſich zu-
verbinden bedenken truͤgen/ wuͤrde verhoffentlich der Groß Fuͤrſt ihnen nicht verargen/
maſſen ihnen allerdinge unbewuſt waͤhre/ wie lange ſie in dieſen Landſchafften ſich wuͤrden
auffhalten koͤnnen. Der Groß Fuͤrſt erboht ſich hingegen/ ihnen im Nahmen der vereinig-
ten Staͤnde ſchriftliche Verſicherung zu tuhn/ daß wieder ihren freien Willen ſie nicht ei-
nen Tag auffgehalten/ noch irgend wo zu ſolten gefodert werden/ daß ihrem Vorhaben
koͤnte hinderlich ſeyn; wiederhohlete darauff ſeyn voriges/ und wandte ein/ da ſie auff be-
harlichen Abſchlag feſt ſtehen wuͤrden/ duͤrften die vereinigte zweiffelhafte Gedankẽ faſſen/
weſſen ſie ſich zu ihnen verſehen ſolten. Hierauff erbohten ſie ſich/ ihres Willens zu leben/
dafern der Krieg nicht wie der die Roͤmer angeſehen waͤhre/ auff welchen wiedrigen Fall
ſie lieber getraͤue Mitler zum Friede ſeyn wolten. Und als ihnen auch dieſe Furcht gaͤnz-
lich benom̃en wahr/ ſchloſſen ſie miteinander/ und daß Leches Monatlich 4000 Kronen/
im Felde aber gedoppelt ſo viel haben ſolte. Alſo ward dieſen Tag alles zum Auffbruch
fertig gemacht/ und nach genommenem Abſcheide/ welcher traurig genug wahr/ und nicht
ohn Traͤhnen geſchahe/ begaben ſie ſich unter der Begleitung 200 Reuter/ auff den Weg
nach Charas/ ſo daß Pharnabazus mit ihnen biß an die Parthiſchen Grenzen fort-
ritte/ und von darab ſich wieder nach Perſepolis zu dem Perſiſchen
Groß Fuͤrſten begab/ welcher ihn nach Rom ver-
ſchicket hatte.


Ende des Dritten Buchs.



V u u u iijDes
[710]

Des Chriſtlichen Teutſchen
Herkules
Vierdes Buch.


FUrſt Gobares/ nach dem er zwoͤlff Tage bey Nabarzanes außgehalten/ und ſei-
nen unkeuſchen Willen nicht ſo wol als ehemahls vergnuͤget hatte/ ward ein-
gedenke/ daß die Reichsnoturfft ſeine Gegenwart erfoderte/ deßwegen er ſich
wieder zur heimreiſe fertig machete. Er merkete aber aus den Liebesblicken/
welche F. Statira auff ihren Kleon zum oftern ſchieſſen lies/ daß ſie nicht ſchlechte Zunei-
gung gegẽ ihn truͤge; ſo lag ihm die Kaltſinnigkeit uñ geringe Inbrunſt im Kopffe/ welche
ſie ihm dißmahl uͤber ihre Gewohnheit hatte merken laſſen; dann die Warheit zumelden/
waͤhre ſie des Fuͤrſten gerne abgeweſen/ wann ſie mit Fuge gekont haͤtte/ und gedachte fort
mehr keinem ihre Liebe/ als Kleon zuerteilen/ ſo daß ſie auch mit den Gedanken ſchwangeꝛ
ging ihren Nabarzanes vom Brodte zurichten/ und Kleon vor einen Gemahl anzuneh-
men/ auch mit ihm gar davon in ſein Vaterland zuzihen/ da ſie zuvor alles/ was tuhnlich
waͤhre zu Gelde machen/ auch was ſie außſtehen hatte/ einfodern wolte. Der Fuͤrſt/ wel-
cher ohndaß dem Zorn und der Eiferſucht ergeben wahr/ faſſete aus bloſſem ungegruͤnde-
ten Argwohn/ ſolche ſchwere ungnade wieder Kleon/ daß er ihm gaͤnzlich vornam/ dieſen
verdaͤchtigen Mitbuhler des Lebens zuberauben/ jedoch zuvor wahr zunehmen/ ob er ſich
auch einiger Bezeigung wuͤrde merken laſſen/ daher er ſeiner Buhlerey koͤnte vergewiſſert
werden; Welches jener aber ſo fleiſſig verhuͤtete/ daß der Fuͤrſt in etwas gelinder ward/
und in ſeinem Herzen gedachte/ vielleicht iſt dieſes Feur in Statiren Seele annoch ver-
borgen/ und Kleon unwiſſend; foderte doch des Abends vor ſeinem Abſcheide Nabarza-
nes allein vor ſich/ und redete ihn alſo an: Ich weis nicht/ mein Freund/ was guͤnſtige Au-
gen unſere Statira eurem neuen Diener zuwirffet/ die mich faſt/ ja wol ungezweiffelt eineꝛ
heimlichen Liebe zwiſchen ihnen berichten wollen; wie nun ſolches mich nicht wenig ver-
drieſſen wuͤrde/ alſo waͤhre es euch trauen ſehr nachteilig/ mit einem ſchlimmen erkaufften
Knechte euer eheliches Gemahl gemein zu haben/ inſonderheit da dieſer ſchier heut oder
Morgen ſich deſſen bey andern beruͤhmẽ ſolte. Ja wer weiß/ ob er euch nicht gar nach dem
Kragen ſtehen duͤrfte/ worzu ich ihn verwaͤgen gnug anſehe. Nehmet demnach bey Zeiten
wahr/ was vor eine ſchaͤdliche Schlange ihr in eurem Buſen ernaͤhret/ und bauet dem
Ungluͤk vor/ ehe es Oberhand nimt/ dann in dem erſten Graſe kan das Unkraut leicht ge-
daͤmpfet werden/ wans aber ſchon vollen Samen geſetzet hat/ nimt es den ganzen Garten
ein und verdirbet alles/ daß man ihm weder zu rahten noch zu ſteuren weiß. So habet nun
bey zeiten acht auff euch ſelbſt/ und koͤnnet ihr dem Ubel auff andere Weiſe nicht vorkom-
men/ ſo laſſet den Buben entweder nidermachen/ oder jaget ihn von euch/ habt ihr dañ Gel-
der vor ihn angewendet/ die wil ich euch gedoppelt und dreyfach wieder geben. Nabarza-
nes wuſte umb dieſe Haͤndel ſehr wol/ ſchaͤmete ſich aber/ es dem Fuͤrſten zu offenbahren/
und fuͤrchtete ſich zugleich vor ſeinem Gemahl/ daher er dieſe Antwort gab: Gnaͤdiger
Fuͤrſt und Herr/ ich bin dieſes dinges bißher unberichtet/ habe auch davon nichts merken
koͤn-
[711]Vierdes Buch.
koͤnnen; doch kan es ſeyn/ daß der ſchlimme Bube mit dieſer Bosheit ſchwanger gehet/
welches da ichs vernehmen würde/ ihm trauen nicht ſolte uͤberſehen werden; einmahl kan
ich nicht leugnen/ daß mein Gemahl ſehr viel auff ihn haͤlt/ weil er gar ein guter Bereiter
und Jaͤger iſt; es wiſſen aber eur Durchl. daß ſie von mir keine Einrede annehmen wil/
daher ich mich ſcheuhe/ eurer Gn. Gedanken ihr vorzutragen/ und moͤchte wuͤnſchen/ daß
dieſelbe ihr nur ſcharff gnug einredete/ und dieſen Fehler verweißlich vorhielte/ welches
ohn zweiffel viel nutzen ſchaffen und dem Ubel leicht ſteuren wuͤrde. Mein/ ihr ſeid gar zu
einfaͤltig/ ſagte Fuͤrſt Gobares/ und wil ſich ja nicht reimen/ daß ſie deſſen verweiß von mir
einnehme/ ſondern euch lieget ob/ ſie ihres verbrechens zuerinnern/ und nach befindung
zu ſtraffen/ welches/ daß es erſter Stunde geſchehe/ ich traͤulich rahten wil/ doch daß ihr
meiner dabey im geringſten keine Meldung tuht. Wie es euer Durchl. beliebet/ antwor-
tete er/ und wil ſchon wiſſen/ ſie rechtſchaffen vorzunehmen; weil aber die Abendſpeiſen
ſchon auff uns warten/ werden wir uns zu Tiſche ſetzen. Bey der Mahlzeit ließ der Fuͤrſt
ſich keines Wiederwillen merken/ biß Statira ihrer Gewohnheit nach/ die Augen gar zu
hefftig an ihren gegen ihr uͤberſtehenden Kleon weidete/ und faſt eſſens und trinkens druͤ-
ber vergaß/ daß auch Kleon unwillig druͤber ward/ und ihr einen Wink gab/ ſich hierin zu
maͤſſigen. Gobares/ der genaue acht aufſie gab/ entbrante hieruͤber von Zorn/ dz er den Ei-
fer ſich bald haͤtte uͤbermeiſtern laſſen/ ihr verweißlich zuzuredẽ/ welches Nabarzanes meꝛ-
kend/ ſeinen Kleon einen Abtrit nehmen hieß/ vorgebend/ er haͤtte mit dem Fuͤrſten in ge-
heim zureden/ welcher dann nach Kleons Abtrit zu Nabarzanes ſagete: Gewißlich mein
Freund/ ihr habt einen holdſeligen Diener an dieſem Griechen/ und ſcheinet derſelbe ein
guter erkenner des ſchoͤnen Frauenzim̃ers zu ſeyn. Fr. Statira ward durch dieſen Stich
am innerſten ihrer Seele geruͤhret/ und nam ihr vor es unbeantwortet nicht zu laſſen/ wañ
nicht Nabarzanes ihr zuvor kommen waͤhre/ der zu dem Fuͤrſten ſagete: Ich weiß nicht/
daß mein Diener nach dem Frauenzimmer ſich ernſtlich umbſehen ſolte/ ſonſten hat mein
Gemahl unterſchiedene ſaubere Dirnen/ deren eine ich ihm an den Hals werffen wolte.
Daß ihrs nicht gemerket/ ſagte der Fuͤrſt/ iſt umb ſo viel ſchlimmer; ſo ſchnappet manni-
cher lieber im finſtern nach dem ſchoͤnſten/ als an der Sonnen nach dem mittelmaͤſſigen/
und hat man ſich mehr vor ſchlaubeiſſende als bellende Hunde vorzuſehen/ dann die fallen
uns ungemeldet an/ ſo daß ſie den Biß ſchon volbracht haben ehe mans gewahr wird. Un-
ter dieſer Rede/ wie hart ſie gleich wahr/ beſan ſich dannoch Statira/ verbarg ihren Zorn/
und antwortete mit laͤchelndem Munde; Wañ ich wuͤſte/ daß meines Gemahls Diener
ſo freyiſch waͤhre/ wolte ich ihm keine einzige aus meinem ſchlechten Zimmer verſagen/ in-
ſonderheit/ weil mein Gemahl ſich erbeut/ ſelbſt freywerber zu ſeyn. Sie ſuchte aber Ge-
legenheit zu anderem Geſpraͤche/ und ſtellete ſich algemehlig gegen den Fuͤrſten freundli-
cher als dieſe Zeit uͤber geſchehen wahr; wodurch ſein Grim ſich legete/ und er in etwas be-
friediget ward ließ ſich auch weiter nicht daß geringſte gegen ſie vermerken. Sie aber ma-
chete ſich des folgenden Morgens zu ihrem Nabarzanes/ kuͤſſete und herzete ihn uͤber ihre
Gewohnheit/ und ſagte nachgehends: Herzgeliebter Herr und Gemahl/ was hatte der
Fuͤrſt geſtern Abend vor Urſach/ auff meinen Kleon zu ſchimpfen? Ich wil ja nicht hoffen/
daß durch falſches Geſchwaͤtze ihr ihm Urſach darzu gegeben habet/ mich und ihn in un-
glei-
[712]Vierdes Buch.
gleichen Verdacht zuziehen; dann waͤhre ſolches geſchehen/ wolte ich verſichert mich als-
bald vor euren Augen erſtechen. Der einfaͤltige Tropff meynete/ ſie ginge bereits mit To-
des Gedanken umb/ offenbahrete ihr deswegen alles/ was der Fuͤrſt mit ihm geredet/ und er
hinwieder geantwortet haͤtte/ taht endlich aus ſeinem eigenen Gehirn hinzu/ der Fuͤrſt waͤ-
re entſchloſſen/ Kleon etwas mit auff den Weg zunehmen/ und niderhauen zulaſſen; wor-
uͤber ſie gar beſtuͤrzete/ machte ſich bald hin zu Kleon/ und gab ihm Befehl/ Sudwerz auff
die Jagt zureiten/ und vor ſpaͤten Abend nicht wieder zukommen/ weil ſie fuͤrchtete/ er wuͤr-
de mit dem Fuͤrſten reiten muͤſſen/ welches ihm Ungelegenheit geben duͤrffte. Dieſe Zei-
tung wahr ihm nicht ſo gar angenehm/ geſtaliſam er ſein bevorſtehendes Ungluͤk unſchwer
zuerkennen hatte; machte ſich demnach bald auff/ nam ein Strik Winde zu ſich/ und taht
wie ihm befohlen wahr. Inzwiſchen uͤberlegete Gobares bey ihm ſelber/ wie er Kleon vom
Brote richten koͤnte/ dz Statira deſſen nicht gewahr wuͤrde/ und befand endlich am tuhn-
lichſten/ es dergeſtalt anzugreiffen/ wie Nabarzanes aus eigenen Gedanken vorgab/ machte
ſich darauff von ſeinem Lager/ und ließ alles zum ſchleunigen Auffbruch fertig halten. Wie
er nun Kleon bey dem Frühſtuͤcke/ vorigem Gebrauche nach/ nicht aufwarten ſahe/ und ſei-
nes abweſens urſach zuwiſſen begehrete/ gab die Frau ihm zur Antwort: Weil ſie geſtern
Abend gemerket/ daß Ihre Gn. etwa einen Unwillen zu ihm truͤge/ wolte ſie dieſelbe durch
ſeine Gegenwart nicht zu weiterem Zorn oder ungenehmer Bewaͤgung reizen; uͤberdas
haͤtte ſie des Fuͤrſten geſtrigen Reden etwas tieffer nachgedacht/ und da ſie wiſſen ſolte/ daß
ſie damit geſtochen waͤhre/ wolte ſie verſchwoͤren/ ſich zeit ihres Lebens von einigem Man-
nes bilde/ wer der auch waͤhre/ weiter beruͤhren zulaſſen/ wolte auch zum Zeugniß ihrer Un-
ſchuld/ dieſen ihren Diener/ ungeachtet ſeiner Unſchuld/ mit eigenen Haͤnden erwuͤrgen;
welche Worte ſie mit einem klaͤglichen weinen endigte; Wodurch der Fuͤrſt dergeſtalt be-
waͤget ward/ daß er ihr Troſt einſprach/ mit Beteurung/ es waͤre nur ſcherzweiſe/ uñ durch-
aus nicht auf ſie geredet; ſo haͤtte er auch gar keine Ungnade auff ihren hoͤflichen Diener
geworffen/ deſſen adeliche Sitten ihm inſonderheit wolgefielen/ daher er ihm/ etliche Meilẽ
mitzureiten/ zulaſſen wolte. Zwar es merkete Statira ſein meuchliſches Vorhaben hand-
greifflich/ ließ ſich aber deſſen nicht merken/ ſondern befahl dem Kleon zuruffen/ ward aber
berichtet/ er waͤhre nicht anheimiſch/ ſondern gar fruͤh auf die Jagt ausgeritten/ mit vor-
geben/ nicht umzukehren/ biß er einen Hirſch/ oder ſonſt ander groß Wild angetroffen håt-
te. Erſt gedachte Gobares/ diß muͤſte ein angelegtes Spiel ſeyn/ kunte doch ſeine Reiſe nit
auffſchieben/ ſondern nach eingenommenem Mahle/ ſetzete er ſich mit allen ſeinen Dienern
zu Pferde/ ohn daß er einen verſchlagenen aͤdelknaben hinterließ/ der ſich krank ſtellen/ und
auf Statiren und Kleons Beginnen acht habenſolte/ welches von ihm fleiſſig verrichtet
ward; dann ſo bald Kleon mit ſeinem groſſen wilden Eber/ den er auf einem Karꝛen nach-
fuͤhren ließ/ zu Hauſe anlangete/ empfing die Frau ihn nach Gewohnheit ſehr freundlich/
und ging bald darauff mit ihm in ein abſonderliches Gemach/ welches der Knabe erſehend/
heimlich nachſchleich/ und ihres Liebehandels zu gutem teile wahrnam/ ging unvermerket
wieder davon/ und ſetzete nach genommenem Abſcheide ſeinem Fuͤrſten ungeſeumet nach/
welcher vor wenig Stunden ſeine Haupt Stad Suſa erreichet hatte; demſelben taht er
zuwiſſen/ nicht allein was er ingeheim verſpuͤret/ ſondern auch oͤffentlich angeſehen haͤtte/
daß
[713]Vierdes Buch.
daß Kleon mit Nabarzanes zu Tiſche/ allernaͤheſt bey Fr. Statiren geſeſſen waͤhre. Diefe
Zeitung wahr dem Fuͤrſten als ein Schwert im Herzen/ wolte doch nicht/ daß es unter die
Leute ſolte ausgebreitet werden/ weil ohn das dieſe ſeine Buhlerey ſehr heimlich und ver-
borgen wahr/ derhalben er den Knaben die folgende Nacht auf dem Lager mit einem Stric-
ke erwuͤrgen ließ/ und ſendete fruͤh Morgens ſechs gewapnete Knechte nach Nabarzanes
Schloſſe mit dieſem Schreiben:


Fuͤrſt Gobares wuͤnſchet Nabarzanes ſeinem lieben getraͤuen/ Gluͤk und Heil. Nachdem ich
neulich von euch weg geritten/ und die loͤbliche Sitten eures Dieners Kleons in beſſere Obacht gezo-
gen/ iſt mir eine ſonderliche beliebung ankommen/ ihn vor meinen Letbdiener zuhaben/ zweifele nicht/
ihr werdet mir hierin gerne wilfahren/ wie imgleichen Kleon ſolches gute Gluͤk nit ausſchlagen wird.
Ich uͤberſende bey Zeigern den bewuſten Lehnbrief uͤber das verſprochene Rittergut/ welches ihr von
nun an beſitzen/ und als euer Eigentuhm gebrauchen ſollet/ ohn einiges Menſchen Hinderung uñ Ein-
rede. Gehabt euch wol/ und gruͤſſet unſere herzgeliebete Fr Statiren.


Dieſe Abgeſanten hatten von ihrem Fuͤrſten den ausdruͤklichen Befehl/ daß ſie Kleon
auff dem Wege erſchlagen/ und ſein Haͤupt mit uͤberbringen/ den Leib aber den Hunden
vorwerffen ſolten; welche/ ſolches zuverrichten/ ſich auff den Weg begaben/ kahmen auch
des dritten Tages umb Mittageszeit auff Nabarzanes Schloſſe an/ da die Frau mit ihrem
Kleon gleich auff einem Luſtgange umher ging. Sie muhtmaſſete als bald/ es wuͤrden des
Fuͤrſten Leute ſeyn/ deswegen verbarg ſie ihn auff einem Gemache/ ging darauf nach ihrem
Gemahl/ und laſe neben ihm des Fürſten Schreiben; nam einen friſchen Muht an ſich/ uñ
gab zur Antwort: Dieſes waͤhre ein ſchlechtes begehren von Ihrer Fuͤrſtl. Gn. dem leicht
koͤnte und billich muͤſte untertaͤhnig gewilfahret werden/ und moͤchten die Abgeſanten ſich
nur gedulden/ biß Kleon von der Jagt wieder zu hauß kaͤhme; ihres Gn. Fuͤrſten Woltah-
ten waͤhren ſo groß/ daß ſie ihm nicht allein einen Diener/ ſondern alle ihre Guͤter und Ver-
moͤgen ſchuldig waͤhre. Nabarzanes ward dieſer Erklaͤrung ſehr froh/ und lobete ſein Ge-
mahl/ daß ſie wider des Fuͤrſten Willen ſich nicht ſperrete; Sie aber/ weil ſie ihren gelieb-
ten Buhlen ſo leicht zuuͤbergeben nicht willens wahr/ machte ſich hin zu ihm/ er ſolte bey
Nachtzeit in ſtiller geheim hinaus reiten/ ſein Pferd unfern des Schloſſes erſtechen/ und
ſeinen Huet und Degen dabey ligen laſſen/ nach gehends zu fuſſe wieder auff das Schloß
kehren/ und nur gutes muhts/ auch der gewiſſen Zuverſicht ſeyn/ daß ſie Lebensgefahr mit
leichter Muͤhe von ihm abwenden wolte. Kleon verwunderte ſich ihrer liſtigen Erfindun-
gen/ und hielt ſich fertig/ ein ſolches ins Werk zurichten/ dann er merkete ſchon/ daß ihr die-
ſer Streich gerahten wuͤrde. Sie bezeigete ſich gegen den Abgeſanten ſehr freundlich/ und
fragete offt nach des Fuͤrſten wolergehen/ da ſie unter andern zuwiſſen begehrete/ in was
Dienſten ſeine Fuͤrſtl. Gn. Kleon gebrauchen wolte/ bekam aber eine ſolche kalte Antwoꝛt/
daß ſie daher gnug abnam/ es wuͤrde ihm die lezte Urtel ſchon geſprochen ſeyn. Als das A-
bendmahl ſolte gehalten werden/ fragte ſie nach Kleons Wiederkunfft/ und befahl/ daß er
bey Tiſche auffwarten ſolte/ umb den lezten Abſcheid von ihrem Herrn Nabarzanes zuem-
pfahen; weil ihr aber zur Antwort ward/ er lieſſe ſich nirgends finden; fing ſie an: Ich ha-
be ihm ſchon vor dieſem ernſtlich gebohten/ daß er beyzeiten von der Jagt umkehren/ und
ſeine obliegende Geſchaͤffte verrichten ſolte/ doch weil er nun einen maͤchtigen Herrn be-
koͤmt/ werde ich ihm dieſen Ungehorſam müſſen zugute halten. Nabarzanes verwunderte
X x x xſich
[714]Vierdes Buch.
ſich ſehr/ daß ſie zu ſeiner Erlaſſung ſo willig wahr/ ſagte gleichwol zu dem Abgeſanten/ weil
dieſer ſein Diener ihm bißher traͤulich auffgewartet haͤtte/ moͤchte er den Fuͤrſten in ſeinem
Nahmen untertaͤhnig erſuchen/ daß er gnaͤdig gehalten wuͤrde. Kleon verſchlief die Zeit
nicht/ ſondern umb Mitternacht ritte er heimlich hinaus/ verrichtete der Frauen Befehl/
und ſtellete ſich unvermerket an bewuſtem Orte wieder ein/ da ſie ihm etliche Stunden ge-
ſellſchafft leiſtete. Des Morgens wahr ſie ſehr fruͤhe auff/ nam wegen Kleons auſſenblei-
bens ſich einer zornigen Ungeduld an/ und befahl etlichen Dienern/ hinauszureiten/ umb zu
erforſchen/ wo er bliebe; welche dann bald wieder kahmen/ und Kleons Schwert ſamt ſei-
nem blutigen gnug zerhacketen Huet mit ſich brachten/ dabey berichtend/ es laͤge ſein Pferd
nicht weit vom Schloſſe im offenen Wege/ und waͤhre mit unterſchiedlichen Stichen und
Hieben nieder geſchlagen/ auch der Zaum hinweg/ aber der Sattel añoch vorhanden. Des
Fuͤrſten Abgeſanter mit ſeinen Dienern ſtund dabey/ hoͤrete dieſe Zeitung/ ritte hinaus/ uñ
fundens alſo/ daher niemand/ auch Nabarzanes ſelbſt nit zweifelte/ er waͤhre gefangen hin-
weg geführet/ welches er auch den Fuͤrſten ſchriftlich wiſſen ließ/ und deſſen Leute zuruͤk ſen-
dete. Fr. Statira wahr froh/ daß ihr dieſer Anſchlag gerahten wahr/ ſtellete ſich gegen ihrẽ
Gemahl ſehr traurig/ und gab vor: Ob ſie gleich ſich gegen den Abgeſanten vernehmen
laſſen/ wie willig ſie waͤhre/ dem Fuͤrſten dieſen ihren Kleon zuuͤbergeben/ haͤtte es ihr doch
ſehr wehe getahn/ einen ſolchen getraͤuen und tapfferen Diener zuverlieren/ desgleichen ſie
nimmer wieder bekommen wuͤrde/ und ſtuͤnde ſie faſt in den Gedanken/ ob waͤhre er von des
Fuͤrſten Leuten ſchelmiſcher weiſe erſchlagen/ die ihm etwa aufgew artet haͤtten/ nach dem
ſie vernommen/ daß er auff der Jagt waͤhre; wodurch ſie dann Nabarzanes in ſeiner mey-
nung dergeſtalt vergewiſſerte/ daß er bey allen Goͤttern geſchworen haͤtte/ es verhielte ſich
alſo; doch entſchuldigte er des Fuͤrſten Leute/ und daß er nicht glaͤuben koͤnte/ daß ſie deſſen
befehl von ihrem Fuͤrſten haͤtten. Alſo ſpeiſete ſie nun ihren Kleon gar wol auff einem ge-
heimen Gemache/ und lebete mit ihm ihres willen. Niemand aber freuete ſich mehr über
ſeinen Tod/ als ſein leibeigener Orſillos/ welcher ſich bey der Frauen angab/ und begehrete/
in vorige Freyheit wieder geſetzet zuwerden/ nach dem die Goͤtter ſein Elend angeſehen und
den greulichen Bluthund Kleon hinweg genommen haͤtten; worauf ſie anfangs nicht ſon-
derlich antwortete/ ſondern ihm die verzuckerte Galle einſtreich/ er ſolte ſich ein wenig ge-
dulden/ ſeiner Bitte koͤnte nach befindung ein genuͤgen geſchehen/ und wolte ſie es mit ih-
rem Gemahl in gnaͤdigen bedacht zihen. Hiedurch ward er ſicher/ ging muͤſſig/ aß uñ trank/
und kehrete ſich ſo gar an keine Arbeit/ ob haͤtte er die Dienſtketten ſchon abgeleget. Aber
nachdem ſie mit ihrem Kleon abrede genommen/ und er uͤber fuͤnff Tage abermahl zimlich
ungeſtuͤm anhielt/ auch viel Schimff- und Schmachreden wider Kleon ausſtieß/ redete ſie
ihm dannoch guͤtlich zu/ erkundigte ſich bey allem Geſinde wegen ſeines verhaltens/ uñ taht
es ihrem Gemahl zuwiſſen/ ihn mit bewaͤglichen Worten erinnernd/ daß er einmal/ um ſein
Anſehen bey dem Geſinde zuerhalten/ einen Ernſt ſehen laſſen/ uñ dieſen Buben alſo ſtraffen
ſolte/ daß es den andern allen zur Warnung dienen/ und ſie in gebuͤhrlichem Fleiſſe erhal-
ten koͤnte. Dieſer ließ ſich darzu leicht bereden/ und nach ihrer Anordnung ward allem Ge-
ſinde des Abends angeſagt/ auff dem Schloſſe zubleiben/ und vor ihrem Herrn und Frauẽ
zuerſcheinen; Welches da es geſchahe/ muſte Orſillos zuerſt vortreten/ da ihm die Frau mit
guter
[715]Vierdes Buch.
guter Freundligkeit die Freyheit gab/ ſein geſtriges und ehmahliges begehren ihrem Herꝛn
und Gemahl ſelbſt vorzutragen; worauf er alſo anfing: Gn. Herr/ ob ich zwar durch des
Schandbuben Kleons falſche Bezichtig- und Verleumdung bey unſerm gnaͤdigen Fuͤr-
ſten dergeſtalt angegoſſen bin/ daß deſſen Durchl. mich ihm zum Leibeigenen/ wiewol/ wie
ich nicht anders davor halte/ auf eine kurze Zeit uͤbergeben hat/ ſo bin ich dannoch meiner
Ankunfft und Geburt nach/ frey/ und kan dartuhn/ daß meine Vorfahren aͤdel und ritter-
maͤſſig geweſen/ wie ich dann ſelbſt in meiner Jugend Waffen gefuͤhret/ und mich in Krie-
gen wider die Roͤmer/ drey Jahr lang zu Pferde gebrauchen laſſen/ welches wann meinem
Gn. Fuͤrſten es kund getahn wuͤrde/ zweifele ich nicht/ es wuͤrde von deſſen Durchl. mir
meine angebohrne Freyheit bald wieder zugeſprochen werden; inſonderheit/ weil derſelbe/
dem ich als einem unwirdigen dienen muͤſſen/ durch des Himmels Rache geſtraffet/ und
meine Unſchuld dadurch an den Tag geleget iſt. Dieſem nach gelebe ich der gaͤnzlichen
Zuverſicht/ es werden Eure Gnaden mich mit dieſen Ketten weiters nicht druͤcken/ ſondeꝛn
mir meine Freyheit goͤnnen/ daß ich nach meiner Heimat reiſe/ und mein Haus und Hoff
nach wie vor beſitze/ bitte danebeſt umb ein ehrliches neues Kleid und noͤhtigen Reiſepfen-
nig. Die Frau gab ihrem Gemahl einen Wink/ daß er ihn ſolte heiſſen einen Abtrit nehmẽ/
beredete ſich weiters mit ihm/ und geboht dem anweſenden Geſinde/ daß alles/ was ſie un-
billiches von Orſillos wuͤſten/ ſie ungeſcheuhet auf befehl anbringen ſolten. Dieſer ward
bald wieder vorgefodert/ und bekam von Nabarzanes dieſe Antwort: Daß du der knechti-
ſchen Ketten muͤde/ und der Leibeigenſchafft uͤberdruͤſſig biſt/ traue ich dir wol zu; daß du
aber umb die Freylaſſung anhaͤlteſt/ und zwar mehr foderungs-als bittesweiſe/ ja mehr
trotzeſt als fleheſt/ ſolches befremdet mich in etwas; jedoch/ weil du weiſt/ daß niemand die
verlohrne Freyheit erlangen kan/ es geſchehe dann durch Gewalt/ oder durch des Herrn
ſonderliche Gnade/ oder durch ein gnugſames Loͤſegeld/ ich aber weder das erſte noch dritte
Mittel ſehe/ ſo wird dir die Freyheit nicht anders als durch meine Gnade koͤnnen zu teile
werden. Weil man nun ſolche groſſe und ſonderbahre Gnade niemand anders/ als hoch-
verdieneten mitteilen muß/ als werde ich gehalten fleiſſige Nachforſchung zutuhn/ ob du ei-
ne ſolche durch deine redliche und getraͤue Dienſte und Gehorſam dir erworben habeſt/ und
da ich ein widriges erfahren ſolte/ muͤſte ich mich gegen dich alſo bezeigẽ/ daß weder ich deſ-
ſen ſchande/ noch du zu hohe belohnung davon haͤtteſt; Tretet deswegen hervor/ alle Knech-
te/ Maͤgde und Dienſtbohten/ und bey unausbleiblicher Todesſtraffe zeiget an/ ohn ſcheuh
und Ungunſt/ was von dieſes Orſillos verhalten euch bewuſt iſt. Der Haus Vogt brachte
ſeine Klage zum erſten an: Es haͤtte ſieder Kleons ableiben ſich dieſer Orſillos nit anders
als ein Freygelaſſener bezeiget/ ſeinen Befehl verachtet/ und ſeines Willens gelebet/ unter
dem vorgeben/ weil der Teuffel ſeinen ſchelmichten Herrn gehohlet/ waͤhre er frey und nie-
mand verbunden. Die Stall- und Wagen Knechte bezeugeten ſolches einhellig/ und daß eꝛ
alle Abend mit einem Rauſche waͤhre zu Bette gangen; Die Kuͤchen Buben klageten/ er
haͤtte ihnen kein einiges ſtuͤk Holtz ſpalten wollen; Die Schlieſſerin gab an/ er haͤtte ihr die-
ſe ganze Zeit uͤber angelegen/ gute Speiſe und Trank ihm zuſchaffen/ und haͤtte ihr vor we-
nig Tagen Unzucht angemuhtet/ unter dem verſprechen/ weil er nunmehr von rechtswegen
frey waͤhre/ und ſeine Haushaltung bald antreten wuͤrde/ wolte er ſie ehlichen; Die Maͤg-
X x x x ijde kla-
[716]Vierdes Buch.
de klageten alle mit einander/ wie unzuͤchtig er ſich bezeiget/ und gab endlich des Kuͤh Hiꝛten
Weib an/ er waͤhre ihr dieſen Morgenheimlich auf den Stroh Balken nachgeſchlichen/ da
ſie dem Vieh dz Futter herunter geworffen/ da haͤtte er ſie notzuͤchtigen wollẽ/ wuͤrde auch
zweifels ohn nicht abgelaſſen haben/ wann nicht die eine Melke Magd darzu kommen waͤh-
re/ und ſie gerettet haͤtte; baht deswegen ſehr/ ihr gn. Herr moͤchte dieſen alten frechen und
wolluͤſtigen Buben abſchaffen/ damit ſie und andere mehr vor ihn moͤchten geſichert ſeyn.
Nabarzanes hieß den Beklageten darauff antworten; welcher dañ anfangs ſich ſtark aufs
leugnen begab/ und ſich doch in ſeinen Reden etliche mahl ſelbſt verriet; Muſte endlich einẽ
Abtrit nehmen/ und nach ſeines Herrn und Frauen Beredung wieder vortreten/ da ihm
ſein Herr dieſe Urtel ſprach: Nachdem unlaͤugbar iſt/ dz Kleon der entleibete/ mein Knecht
und Leibeigener geweſen/ ſo folget daraus unwiderſprechlich/ daß alles/ was demſelben zu-
geſtanden/ mein Eigentuhm iſt; Weil dañ der Durchleuchtige Fuͤrſt von Suſa ſelbſt mei-
nem Kleon dich Orſillos zum Leibeigenen geſchenket hat/ und ſolches umb deines ſchweren
verbrechens willen/ wird niemand als ein Wahnwitziger es leugnen/ daß Orſillos zugleich/
ja vornemlich auch mein Leibeigener ſey. Nun aber haͤlt derſelbe nicht allein gar trotzig bey
mir umb die Freylaſſung an/ ſondern hat ſich uͤberdas dergeſtalt ungehorſam/ frech uñ buͤ-
biſch erzeiget/ daß mein ganzes Geſinde/ niemand ausgeſchloſſen/ daruͤber klagen muß/ wo-
durch er dann verdienethat/ daß er nach meinem belieben gekreuziget/ oder den Fiſchen zur
Speiſe vorgeworffen/ oder ſonſt abſcheulicher weiſe am Leben geſtraffet werde/ damit an-
dere ſeines Standes ſich an ihm ſpiegeln/ uñ gleiche Bosheit zubegehen ſcheuh tragen; je-
doch/ weil mit ſo unnuͤtzem Blute mir nicht gedienet iſt/ ſol er vor dißmahl nacket ausgezo-
gen/ an eine Saͤule gebunden/ und von oben an biß unten aus geſtrichen werden/ damit ihm
der Kitzel zur Unzucht vergehe. Der arme Tropff fiel nider/ und baht umb Gnade/ aber es
halff nichts/ dann vier ſtarke ihm ohn das ungewogene Knechte/ entbloͤſſeten ihn/ bundẽ ihn
an/ und richteten ihn mit ſcharffen Ruhten ſo jaͤmmerlich zu/ daß ihm die Haut am ganzen
Leibe zerhauen ward. Nach vollendeter Geiſſelung ging Nabarzanes davon/ und hielt eine
kurze Rede an das Geſinde/ daß ſie dieſe Straffe ihnen ſolten zur Warnung dienen laſſen;
Sein Gemahl aber/ welche Kleons Schmach noch beſſer raͤchen wolte/ trat dem ohmaͤch-
tigen Orſillos naͤher/ ließ ihn mit ſtarken Krafftwaſſern an der Saͤule erquicken/ und als er
hoffete abgeloͤſet zuwerden/ hieß ſie Honig herzubringen/ und ihn damit uͤber den ganzen
Leib beſtreichen/ da die Fliegen ſich haͤuffig auf ihn ſetzeten/ und er ſo unſaͤglichen Jam̃er
trieb/ daß nur ſeine einige Bitte der Tod wahr; aber ſie gab ihm zur antwort: Mit deinem
Tode iſt weder mir noch deinem abgeleibeten Herꝛn gedienet/ ſondern ich muß ſehen/ ob ich
einige Beſcheidenheit in dich bringen moͤge/ daß du hernaͤhſt etwas hoͤflicher von deinem
Herrn reden lerneſt/ welcher mir alle behaͤgliche Dienſte erwieſen hat. Befahldarauf/ ihn
mit Salzwaſſer abzufpuͤlen/ welches ihm noch die unleidlichſten Schmerzen verurſachete/
biß er abgeloͤſet/ gelabet/ und mit koͤſtlichen Salben geſchmieret ward/ durffte auch nach ge-
hends ſeiner Befreyung keine Erwaͤhnung mehr tuhn/ ſondern verrichtete ſeine Arbeit
beſſer als vor nie/ weil er in eine neue Haut gekrochen wahr; uͤberdas wuſte er ſich fleiſſig
vorzuſehen/ und ſeine Zunge im Zaum zuhalten/ daß er ſeines geweſenen Herrn weder in
boͤſem noch gutem gedachte/ von welchem jederman waͤhnete/ er waͤhre im Puſche vollends
erſchla-
[717]Vierdes Buch.
erſchlagen/ weil man daſelbſt ein menſchliches Gerippe funden hatte/ da dann Fr. Stati-
ra bemuͤhet gnug wahr/ ſolche Zeitung zubehaupten/ damit ſo wol Fuͤrſt Gobares als ihr
Nabarzanes ſelbſt auffhoͤren moͤchten/ ihn weiter zuverfolgen. Unterdeſſen wehrete dem
guten Kleon die Zett in dieſem unangenehmen Gefaͤngniß ſehr lange/ dann er wahr des
frechen Weibes von herzen uͤberdruͤſſig/ durffte ſich deſſen doch nicht merken laſſen/ und
fand auch keine Gelegenheit/ davon zukommen/ zuͤrnete deswegen auff ſich ſelbſt/ dz er die
Nacht/ da er ſein Pferd erſtach/ nicht davon geritten wahr; O wie oft klagete er ſeine Traͤu-
loflgkeit an/ die er ſeiner lieben Urſulen zubeweiſen gezwungẽ ward/ deren Monaten ſchon
vor acht Wochen zum Ende gelauffen wahren/ welches ſie doch vor je dermaͤnniglich ſo
meiſterlich zuverbergen wuſte/ daß man davon nichts argwohnete/ biß das Wehe ſie an-
ftieß/ und ſie zu Fr. Sophien/ die damahls bey ihr wahr/ alſo ſagete: Herzgeliebete Frau
Schweſter/ meine Buͤrde/ die ich eine zeitlang von eurem Bruder bey mir getragen/ wil
ſich laͤnger nicht bergen laſſen/ dann ich empfinde die Geburtswehe ſich herzu nahen/ wol-
let es deswegen euren und meinen lieben Eltern zuwiſſen machen/ daß mir eine vernuͤnff-
tige Wehmutter zugeordnet werde. Frau Sophia erſchrak deſſen/ und verwieß ihr mit
harten Worten/ daß ſie biß auff die lezte Stunde ſolches verborgen hielte/ haͤtte ſich moͤgẽ
mit ſamt der Frucht in den Tod ſtuͤrzen/ dafern in aller Menſchen abweſenheit/ ihre Zeit
herzu genahet waͤhre; Sie haͤtte gerne mehr geredet/ aber die Noht trieb ſie fortzueilen/
kam doch mit der Wehmutter und anderer weiblichen Geſelſchafft bald wieder/ und halff
Gott/ daß inwendig zwo Stunden ſie eines jungen Fabius genaß/ woruͤber die Eltern und
ſaͤmtliche Anverwanten hoͤchſt erfreuet wurden/ weil der ganze Stam durch dieſes erſte
Zweiglein erhalten ward.


Wir wollen aber dieſe ihr junges Soͤhnlein zu Padua baden und ſaͤugen laſſen/ und
unſern bey den Helden/ Herkules uñ Ladiſla auf der Reiſe nach Charas nachfragẽ/ die ſich
in begleitung Herren Pharnabazus und Mazeus von Ekbatana auffgemacht hatten/ von
denen ſie biß an die Parthiſche Grenzen wol vergeſelſchafftet wurdẽ/ woſelbſt ſie ſich ſchei-
deten/ weil Pharnabazus/ wie oben erwaͤhnet/ nach dem Perſiſchen Groß Fuͤrſten Artaxer-
xes/ Mazeus aber mit den zugegebenen Reutern wieder zuruͤk nach Meden/ und die unſern
ſieben Mann ſtark/ des naͤheſten Weges nach Charas fort reiſeten/ hatten auch zimliche ſi-
cherheit/ biß auff eine tage Reiſe von der Stad/ da ihnen 15 gewapnete Reuter im freien
Felde aufſtiſſen/ welche in ihrer Rechnung nicht fehleten/ es muͤſte gute Beute auff ihre
zween groſſe Ruſtwagen geladen ſeyn; wurden deßwegen eins/ ſich derſelben zubemaͤchti-
gen/ und ſendeten zween ihres mittels an die unſern/ mit dem Befehl daß ſie ſtille halten/
und ohn außdruͤkliche Erlaͤubnis nicht fortruͤcken ſolten. Nun hatte Herkules einen guten
Freibrieff von dem Groß Fuͤrſten aus Meden bey ſich/ deſſen er ſich ſo nahe bey der Stad
lieber als des Schwerts gebrauchen wolte/ deßwegen er den Abgeſchikten zur Antwort
gab/ ſie ritten als freie Leute in des Groß Fuͤrſten Phraortes Dienſten/ bey Koͤniglicher
Hocheit etwas vorzutragen/ wolten demnach hoffen/ daß man ihnen daran nicht wuͤrde
hinderlich ſeyn/ maſſen ſie deſſen guten Schein von Hochgedachtem Fuͤrſten auffzulegen
haͤtten. Ihr Fuͤhrer ſolches vernehmend/ wolte ſich daran nicht kehren/ und ließ ihnen zum
andern mahle andeuten/ es wuͤrden der falſchen Freibrieffe heut zu Tage ſo viel geſchrie-
X x x x iijben/
[718]Vierdes Buch.
ben/ daß man gar keinẽ mehr zu trauen haͤtte/ weil ſelbe faſt alle miteinander von den Hof-
Schreibern erkauft/ nicht von den Fuͤrſten erteilet wuͤrden; doch wie dem allen/ ſo waͤh-
re niemand unter ihnen/ der ſich auff Brieffeleſen groß verſtuͤnde/ muͤſten demnach nicht
ihre Briefe/ ſondern ihre Waffen/ und was ſie auff den Wagen fuͤhreten/ von ſich geben/
und von ihrer Gnade das Leben erbitten. Herkules antwortete mit wenigen: Er wolte
hoffen es waͤhre ihm und den ſeinen die Landſtraſſe zu reiſen ſo frey als einem andern/ da
aber ein Fuͤrſt oder ſonſt ein groſſer Herꝛ verhanden waͤhre/ wolten ſie demſelben alle moͤg-
liche/ und einem Ritter nicht ſchimpfbringende Ehre antuhn/ einem andern aber geſtuͤndẽ
ſie durchaus kein heiſſen noch verbieten. Dieſe verdroß ſolche Verwaͤgenheit/ daß eine ſo
kleine Schaar ſich noch ſtraͤnben und unnuͤtze Worte von ſich geben ſolte/ ſetzeten mit vol-
lem Lauff und entbloͤſſeten Degen auff ſie an/ und funden uͤber verhoffen mehr als ſie ſu-
cheten; dann Herkules und Ladiſla/ neben Leches/ Tyriotes und Gallus gebraucheten ſich
aller ihrer ſtaͤrke/ und tahten ihre bey den Dolmetſcher Plautus und Mardus auch ſo viel
in ihrem Vermoͤgen wahr/ daß in kurzer Zeit der groͤſte Teil dieſer Raͤuber erſchlagen/ uñ
die uͤbrigen gefangen wurden/ welche auff bedrauliche Frage bekenneten/ ſie kaͤhmen von
Charas/ der Ritter mit welchem Herkules den abſonderlichen Streit gehalten/ und ihm dz
Haͤupt zerſpillet/ waͤhre des groſſen Koͤniges Artabanus unehlicher Sohn/ Fuͤrſt Sana-
truzes/ auff deſſen Tapfferkeit der Vater viel gehalten/ und ihn zum Feld Obriſten uͤber
20000 Parthiſche Reuter ernennet haͤtte. Dieſer Zeitung entſetzeten ſie ſich uͤber alle maſ-
ſe/ ſo daß ſie ganz erbleicheten/ faſſeten doch eine kurze Erklaͤrung/ hieben die Gefangenen
nider/ und wendeten ſich in groſſer Eil auff eine andere Straſſe/ damit ſie des Verdachts
dieſer Taht moͤchten befreiet bleiben. Herkules hatte zeit wehrendem Gefechte des Tyrio-
tes Mann heit verſpuͤret/ weil er in wenig Streichen zween feſte Ritter erlegete/ ſagte deß-
wegen nach geendigtem Streit zu ihm: Tyriotes du haſt in einer guten Schuele gelernet/
und mangelt dir weder an Vorſichtigkeit noch Herzen; ſo biß nun getraͤu/ from und ver-
ſchwiegen/ und verſichere dich/ daß wann dir geliebet dereins mit uns in unſere Heimat
zu reiſen/ du daſelbſt Zeit deines Lebens mit adelichen Guͤtern ſolt verſorget ſeyn/ oder ge-
faͤlt dir dieſe Oſten Welt beſſer/ ſol dirs in Meden oder Perſen eben ſo wenig fehlen/ deſſen
ich dir meine Redligkeit zum Pfande ſetze. Dieſer ward des Erbietens ſehr froh/ bedanke-
te ſich untertaͤhnig/ mit dem verſprechen/ ſein Leib und Blut vor ſeine gnaͤdigſte Herren
willig auffzuopffern/ leiſtete auch einen hohen aͤid/ ihren Stand und Heimligkeit niemand
zu offenbahren; hingegen vermacheten ſie ihm 150 Kronen Monatliche Beſtallung/ dañ
er wahr zu Charas wol bekant/ daß ihnen ſeine Dienſte ſehr er ſprießlich wahren. Des an-
dern tages nach gehaltenem Kampfe/ naͤherten ſie der Stad auff eine Viertelmeile/ ſtie-
gen ab von ihren Pferden/ und tahten zu Gott eine herzliche Dankſagung mit vielen an-
dachts-Traͤhnen/ daß er ſie biß daher geleitet/ und auß mannicher Gefahr erloͤſet hatte/
bahten ihren Heyland ferner/ er wolte ihnen forthin allemahl Schuz halten/ und zu ihrem
Vorhaben Gluͤk und Seegen geben/ auff daß ſie mit dem lieben Fraͤulein wiederumb bey
den ihren anlangen moͤchten; wovor ſie Zeit ihres Lebens Gottes Lob und Preiß erhoͤhen
und außbretten wolten. Nach geendigtem Gebeht ſetzeten ſie ſich wie der zu Pferde/ legeten
die Harniſche auff den Wagen/ und ritten in gemeiner Reuterkleidung in die Stad/ kehre-
ten
[719]Vierdes Buch.
ten aber nicht miteinander in eine Herberge ein/ ſondern Herkules/ Ladiſla und Tyriotes
blieben beyſammen/ die uͤbrigen nahmen faſt gegen uͤber ihr Ablager/ nicht gar weit von
Fraͤulein Valiſken Schloſſe/ und wahren des erſten tages ſtille. Des folgenden ging Her-
kules mit Tyriotes hin/ dieſes Schloß eigentlich zubeſehen/ welches zwar gegen das Groß-
Koͤnigliche zu rechnen/ klein/ aber uͤber die maſſe zierlich gebauet wahr/ auch mit tieffen
Waſſergraben und hohen Mauren und Zwaͤngern umbfangen; das Gebaͤu an ſich wahr
von glaͤnzendem weiſſen Marmel/ mit hangenden Gemaͤchern außwendig Blumwerks-
weiſe verguͤldet; die Fenſter von dem lauterſten kriſtallen Glaſe; das Dach glaͤnzete von
Golde/ daß wann die Sonne darauff ſchien/ es den Anſchauenden die Augen blendete.
Der Graben hielt ein ſehr klares Waſſer in ſich/ welches mit Roͤhren hinein geleitet wahr/
und wurden die herlichſten Fiſche drinnen gehaͤget/ dann der Fraͤulein hoͤchſte Luſt wahr
in dieſer ihrer Einſamkeit/ daß ſie zuzeiten mit einer Angelrute oben von der Maur herni-
der dieſelben fing/ und nach ſich in die Hoͤhe zog/ und weil man dieſen Graben außwendig
gar umbgehen kunte/ beſahe Herkules das Schloß rings umbher/ da er eines Obergema-
ches Weſtwerts gewahr wurde/ an welchem außwendig naͤheſt bey dem Fenſter zu beyden
Seiten/ ſeiner liebſten Fraͤulein Zeichen [...] mit ſchwarzer Farbe in zimlicher groͤſſe ge-
mahlet ſtund/ deſſen er hoͤchlich erfreuet ward/ unter deꝛ Hoffnung/ er wuͤꝛde ſie dieſer ends
bald zu ſehen bekommen/ weil er ungezweiffelt davor hielt/ dieſes muͤſte der Fraͤulein eige-
nes Zimmer ſeyn/ wie es dann auch wahr; ging deßwegen alsbald wieder nach der Her-
berge/ und erzaͤhlete ſeinem Ladiſla was er angetroffen hatte; Sie gingen deſſelben tages
ſechsmahl miteinander dahin/ aber vergebens/ dann es befand ſich das Fraͤulein den gan-
zen Tag uͤber in groſſer Traurigkeit und ſchweren Gedanken/ und ſolches aus furcht/ daß
ihr Herkules auff der gefaͤhrlichen Reiſe in Ungluͤk gerahten und wol gar umb ſein Leben
kommen moͤchte; Uberdz hatte ſie in erfahrung gebracht/ es ſtuͤnde wegen eines vermuht-
lichen iñerlichen Krieges ſehr gefaͤhrlich im ganzen Parthiſchen Reiche daraus ſie muht-
maſſete/ daß die Unſicherheit zu reiſen ihn gar wieder zuruͤk zihen duͤrfte/ in welchẽ Gedan-
ken ſie ſich ſo ſehr vertieffete/ daß ſie vergaß an ihr Fenſter zu gehen/ und ihres Timokles
wahrzunehmen/ wie ſonſten ihr taͤglicher brauch wahr. Des andern Morgens gingen ſie
zimlich fruͤhe wieder hin/ und nachdem ſie etwa eine halbe Stunde ſich daſelbſt auffgehal-
ten hatten/ erblickete Herkules das Fraͤulein ohngefehr am Fenſter/ da er vor freuden ſei-
nem Ladiſla an der Seite niederſank/ nicht anders als ob die Seele aus ihm gefahꝛen waͤh-
re/ auch Ladiſla nicht anders meinete/ er waͤhre etwa vom Schlage getroffen uñ ploͤzliches
todes verblichen/ deſſen er ſo hefftig erſchrak/ daß ihm ſchier ein gleiches begegnet waͤhre/
doch hielt er ſich feſte/ und ſchuͤttelte ſeinen Freund ſo lange/ biß er ihn endlich wieder zu
rechte brachte/ weil Timokles/ der ſeiner Gewohnheit nach ſich daſelbſt von ſeinem gebie-
tenden Fraͤulein ſehen ließ/ ſeines Unfals inne ward/ aus mitleiden hinzu trat/ und aus
dem naͤheſten Brunnen Waſſer zutrug/ damit ſie ihn wieder erquicketen. Frl. Valiſka
ſahe dieſes an/ und kennete doch ihre liebſten Freunde nicht/ weil ſie beyde ihre Angeſichteꝛ
verſtellet hatten. Ladiſla hatte ihrer noch nicht wahr genommen/ biß Herkules/ da er ſich er-
hohlete/ ſie ihm mit beyden Haͤnden zeigete/ und in teutſcher Sprache zu ihm ſagete: Bru-
der/ ſiheſtu deine Fꝛl. Schweſter nicht/ deren Geiſter die meinen zu ſich hinauff gezogen ha-
ben?
[720]Vierdes Buch.
ben? Hie mit ſahen ſie beyde das Fraͤulein ſtarre an/ und kunte Herkules nicht unterlaſſen/
ihr eine hoͤfliche Ehrerbietung nach tentſcher Art zuerzeigen/ deſſen ſie mit hoͤchſter ver-
wunderung wahrnam/ und vorgewiß hielt/ ihre allerliebeſte Nachſucher wuͤrden in der naͤ-
he ſeyn/ und dieſe ihre beyden Diener voraus geſchikt haben; durfte aber/ Argwohns halbẽ
ſich nichts merken laſſen/ weil ihr Frauenzim̃er mehrenteils bey ihr wahr/ ſchlug das Fen-
ſter zu/ voller Gedanken/ und geriet bald auff die furcht/ obs ein Verfuͤhrer waͤhre/ und von
dem Koͤnige darzu beſtellet. O du guͤnſtiger Himmels Gott/ der du von meinem Herkules
ſo hoch geehret wirſt/ ſagte ſie mit ſtillem Munde/ aber ſchreienden Herzen und quellenden
Traͤhnen/ iſt dann die Zeit meiner Erloͤſung nicht ſchier vorhanden? oder wiltu zugeben/
daß der Außbund des menſchlichen Geſchlechts/ mein from̃er Herkules mit mir zugleich
untergehen und verderben ſol/ welchen jederman vor ein volkommenes Meiſterſtuͤk des
Himmels halten und ehren muß? Timokles hatte zwar Herkules Reden an Ladiſla nicht
gehoͤret/ und ob er ſie gleich gehoͤret haͤtte/ wuͤrde er ſie doch nicht verſtanden haben; aus ih-
rer beyder geberden aber urteilete er/ ſie muͤſten ohnzweifel der Fraͤulein Kundſchaft habẽ/
folgete ihnen deßwegen nach biß in ihre Herberge/ und ſtellete ſich gar ehrerbietig gegen
ſie/ daher Herkules ihn alſo anredete: Mein Freund/ ihr ſeid heut in erquickung meiner
ſehr bemuͤhet geweſen/ ungeachtet ich euch allerdinge fremde bin; moͤchte deßwegen gerne
euer etwas beſſere Kundſchaft haben/ ob ich daher Gelegenheit finden koͤnte/ euch eure miꝛ
geleiſtete Dienſte zuver gelten. Dieſer antwortete: Seine Dienſte waͤhren ſchlecht und ge-
ringe geweſen/ und keiner Vergeltung wirdig; ſeinen Zuſtand betreffend/ waͤhre er hie-
ſelbſt fremde/ wuͤrde ſich aber eine zeitlang alhier auffhalten/ weil er nach ſeines Herrn be-
fehl/ dem er dienete/ auff deſſen gute Freunde wartete/ deren er aus weit abgelegenen Weſt-
Nordiſchen Laͤndern gewißlich vermuhtete/ und waͤhre alles ſein tuhn/ daß er taͤglich die
vornehmſten Herbergen beſuchete/ umb Nachfrage zuhalten/ ob nicht einer oder ander
moͤchte ankommen ſeyn/ denen dieſes Zeichen [...] (welches er ihnen vormahlete) bekant
waͤhre. Herkules erfreuete ſich dieſes vorbringens uͤber aus hoͤchlich/ und gab ihm zur Ant-
wort: Mein Freund/ es hat ein ſonderliches Glük euch zu uns gefuͤhret/ dann niemand als
wir/ kan eures Herrn Freunde euch zuerkennen geben/ von denen wir abgefertiget ſind/ eu-
rem Herrn und deſſen wolergehen nachzufragen. Umb meinen Herrn/ ſagte Timokles/ ſte-
hets noch wol/ ſo viel Ehr/ Leben uñ Geſundheit betrift/ dem von Tyrus biß hieher ich ſtets
auffgewartet habe; aber kan ihnen nicht belieben/ mir ihrer Herren nahmen zu nennen?
dann ehe ſolches geſchihet/ werde ich ſtets im zweiffel bleiben. Mein Herꝛ/ ſagte Herkules/
heiſſet Ladiſla. Er neigete ſich vor dieſem nahmen und gab zur Antwort: Derſelbe groſſe
Herr iſt meines Herrn leiblicher uñ einiger Bruder. Ihr wiſſet genug/ mein Freund/ ſag-
te Herkules/ und wollen euch unſere Herren bald ſehen laſſen; befahl darauff/ Tyriotes ſol-
te ihm ein wenig Geſelſchafft leiſten/ biß man ihn ruffen wuͤrde. Sie aber gingen auff ihr
Gemach/ rieben die angeſtrichene Farbe ab/ legeten koͤſtliche Kleider an/ und ward Tyrio-
tes von Leches gefodert/ mit dem fremden herauff zukommen/ welcher da er zur Tuͤhr hin-
ein trat/ ſagte Tyriotes zu ihm; da ſehet ihr eures Herrn Freunde/ woran ihr nicht zuzwei-
feln habet. Timokles entſetzete ſich vor ihrem Fuͤrſtlichen Anſehen/ dz er erſtarrete/ fiel nach-
gehends vor Herkules nider/ und ſagete: Durchleuchtigſter Groß Fuͤrſt/ gnaͤdigſter Herꝛ/
mit
[721]Vierdes Buch.
mit was unausſprechlicher Freude und Vergnuͤgung werde Euer Gn. ergebenes Fraͤu-
lein ich unwirdiger noch heut erfuͤllen/ da ihrer Gn. und des Großmaͤchtigſten Koͤniges
Herrn Ladiſla gluͤkliche Ankunfft deroſelben ich andeuten werde; O mit was ſehnlichem
Verlangen iſt Ihrer Gnn. Ankunfft taͤglich erwartet worden/ welche mich meiner Gn.
Fraͤulein ſchierkuͤnftigen Erloͤſung faſt verſichern darff Herkules hieß ihn auffſtehen/ und
fragete/ woher er ihrer Kundſchafft haͤtte; Und bekam zur Antwort: Es haͤtte Herr Phaꝛ-
nabazus auff der Frl. geheiß ihm ſolches alles offenbahret/ auch mit ihm verabſcheidet/ da-
fern er ihre Gnn. antreffen wuͤrde/ wolte er ſeine Herberge ihnen kund tuhn. Nun wahr
dieſes zwar alſo ergangen/ aber Pharnabazus hatte es allerdinge vergeſſen/ und erinnerte
ſich deſſen erſt/ da er ſchon zu Perſepolis angelanget war/ woruͤber er ſich ſehr hermete/ aus
furcht/ es wuͤrden unſere Helden dieſen traͤuen Diener nicht antreffen. Nicht weniger be-
fremdete es auch die beyden Fuͤrſten/ daß er ſolches ſo gar nicht geahnet hatte/ wolten ſich
deſſen aber nicht merken laſſen/ ſondern es ruͤhmete Herkules dieſen Diener wegen ſeiner
dem Fraͤulein erzeigeten Traͤue/ vermahnete ihn zur Beſtaͤndigkeit/ und verhieß ihm hoͤ-
here Belohnung/ als er ſelbſt wuͤnſchen moͤchte; wovor er ſich untertaͤhnigſt bedankete/ und
alles vermoͤgen ihnen aͤidlich verſprach/ erzaͤhlete hernach kuͤrzlich/ wie es dem Fraͤulein
bißdaher ergangen waͤhꝛe/ und taht endlich hinzu/ er hielte es vor ein ſonderliches Gluͤk-zei-
chen/ daß GFuͤrſt Herkules in einem Schneeweiſſen/ Koͤnig Ladiſla in einem rohten Klei-
de ſich eingeſtellet haͤtten/ nach dem mahl ſein gn. Frl. mit ihm verabſcheidet/ ihrer Gnn.
anweſenheit ihr mit ſolchen Farben anzudeuten. Herkules fragete/ ob ihm dann nicht zu-
gelaſſen wuͤrde/ zu dem Fraͤulein zu gehen/ und muͤndlich mit ihr zureden; Und als er ver-
nam/ daß noch dieſe Stunde kein Mannesbilde ohn ſonderliche Erlaͤubniß des Koͤniges
zu ihr gelaſſen wuͤrde/ ſondern deꝛ ihm ſolches unteꝛnehmen wolte/ ohn zweifel eines ſchaͤnd-
lichen Todes ſterben muͤſte/ wie Herr Mazeus ihm ſchon angedeutet hatte/ merkete er da-
her wol/ daß es ihm ſchwer fallen wuͤrde/ ſein Vorhaben ins Werk zurichten; doch weil er
in allen dingen ſeinem Gott und Heylande vertrauete/ alſo zweifelte er nicht/ derſelbe wuͤr-
de ihm ſchon den Zutrit oͤfnen. Timokles hielt demuͤhtig an/ ihn dißmahl nicht laͤnger auf-
zuhalten/ damit er ſeinem gn. Frl. ihre Ankunfft verſtaͤndigen/ und ihr den groſſen Kum̃er
benehmen moͤchte/ welcher ſie wegen ihres langen auſſenbleibens faſt verzehret haͤtte. Es
wahr gleich der Frl. Geburts Tag/ nehmlich der 31ſte des Jenner Monats/ mit welchem
ſie in das 17de Jahr trat/ welchen Tag nicht allein ſie mit ihrem Frauenzimmer/ ſondern
der Koͤnig ſelber mit ſeinen Hoͤflingen zubegehen willens wahr. Nun befand ſich das ver-
liebete Fraͤulein/ wegen des empfangenen Ehrengruſſes/ mit ungewoͤhnlichen Freuden be-
laden/ daß ihr Frauenzimmer/ in betrachtung ihrer bißher erzeigeten Schwermuht/ eine
ſonderliche beliebung darob hatte. Koͤnig Artabanus ſendete ihr ein treffliches ſchneeweiſ-
ſes Kleid/ deſſen Werd ſich auff zwo Tonnen Goldes erſtreckete/ dabey wahr eine Koͤnigli-
che Krone/ und eine Halskette von uͤberaus groſſen Koſten. Wie ſie ſich nun auff ihrem
Gemache ausputzen ließ/ fand Timokles ſich an ſeinem gewoͤhnlichen Orte/ nam gemach-
ter Abrede nach/ ein helles Pfeifchen/ und gab ihr ſeine gegenwart zuverſtehen/ deſſen ſie ſich
nicht wenig verwunderte/ gedachte auch alsbald/ er wuͤrde ihr ein ſonderbahres Zeichen
ſehen laſſen/ weil er ſo bald zum andern mahle wieder kam; machete ſich demnach hin zu ih-
Y y y yrem
[722]Vierdes Buch.
rem Fenſter/ vorgebend/ weil ihr eine geringe Mattigkeit zuſtieſſe/ wuͤrde ſie gezwungen/ fri-
ſche Lufft zuſchoͤpffen; ſchlug das Fenſter auf/ und ſahe ihn indeꝛ Rechten ein weiſſes/ und in
der Linken ein rohtes Tuͤchlein halten/ und ſie beyde froͤlich umb den Kopf ſchwingen; woꝛ-
uͤber ſie vor groſſer herzlicher Freude niderfiel/ und mit innerlicher Stimme ſagete: O hilf
nun du wahrer Gott/ nun hilff! damit lief ihr alles Gebluͤt zum Herzen/ daß ſie unbewaͤg-
lich liegen blieb. Das geſamte anweſende Frauenzimmer erſchraken deſſen hefftig/ wahren
mit kraͤfftigen Sachen bald zugegen/ und macheten ihr den Buſem auff/ da ſie uͤber ihrer
trefflichen Schoͤnheit ſich nit gnug verwundern kunten/ dann ſie hatte bißher ihren Leib ſo
wenig von dieſem ihren Frauenzim̃er beſchauen laſſen/ als waͤhrens lauter Mannesbilder
geweſen; durch welche Keuſcheit ſie ihr hohes Anſehen bey ihnen erhielt/ wiewol ſie es ihr
vor einen ſtolz auslegeten. Es wehrete faſt bey einer Viertelſtunde/ ehe ſie ihrer Sinnen
wieder maͤchtig ward/ kahm algemaͤhlich zu ſich ſelbſt/ ſchlug ihre halblaͤchelnde Augen auf/
und ſagete zu den anweſenden: Ach ihr meine Freundinnen/ warumb laſſet ihr mich nicht
in meiner Jungfraͤulichen Keuſcheit eines ſo ſanfften Todes dahin ſterben? Mit dem waꝛd
ſie ihres zur helfte entbloͤſſeten Buſems gewahr/ welches ſie heftig verdroß/ ihn alsbald wie-
der bedeckete/ und mit ernſtlicheꝛ Rede ſagete: So nach dieſem mich jemand dergeſtalt ent-
bloͤſſen wird/ die ſol meinem Zorn und ſchwerer Straffhand nicht entgehen/ dann alles wz
an mir iſt/ wird nur einem Fuͤrſten verwahret/ ſonſten hat kein Menſch der ganzen Welt
teil an mir. Das Frauenzimmer baht demuͤhtigſt umb Verzeihung; es waͤhre zu ihrem
beſten geſchehen/ ihre Geiſter wieder hervor zuruffen/ haͤtten nicht gewuſt/ daß ihre Gn. bey
Frauenzimmer ſich ſo ſchamhafftig halten wolte/ moͤchte demnach ihnen ſolches Gn. ver-
zeihen/ es ſolte forthin nimmermehr geſchehen. Alſo gab das Fraͤulein ſich zufrieden/ trat
wieder vor das Fenſter/ und ſahe Timokles ſtehen/ und abermahl die Tuͤcher froͤlich ſchuͤt-
teln/ daher ſteckete ſie das Haͤupt gar zum Fenſter hinaus/ ließ ihm ihr añoch todtenbleiches
Angeſicht ſehen/ und winkete ihm mit lachendem Munde hinweg zugehen/ und die lieben
Freunde herbey zuhohlen. Ihꝛ Schmuk ward ihꝛ voͤllig angelegt/ uñ befahl ſie heꝛnach dem
ganzen Frauenzimmer/ einen Abtrit zunehmen/ biß ihnen wieder geruffen wuͤrde; Als ſie
nun allein wahr/ ſchlug ſie ihre Haͤnde mit dieſem herzinbruͤnſtigen Gebeht zuſammen:
O du maͤchtiger/ mir annoch unbekanter Chriſten-Gott; dir ſage ich von grund meiner Seele Dank/
daß du meine Ehr und Leben bißher in deinem getraͤuen Schutz erhalten/ und meinen herzgeliebeten
Braͤutigam nebeſt meinen Bruder friſch und geſund herzu gefuͤhret haſt/ dann dir/ ja dir allein/ ſchrei-
be ich alle unſere Wolfahrt zu; O nim dich unſer ingeſamt ferner gnaͤdig an/ gib Gluͤk zu unſerm vor-
haben/ und verlethe/ daß wir ungetrennet unſer liebes Vaterland wieder ſehen/ mit den unſern froͤlich
leben/ und dir nach deinem Willen/ den ich ſchier hoffe zuerkennen/ gehorſam dienen moͤgen.


Nach geendigtem Gebeht war ſie wol mit tauſenderley Gedanken umgeben/ ob ſie auch
ihres lieben Herkules Gegenwart wuͤrde ertragen koͤnnen; ja ob auch derſelbe in ihrem an-
ſchauen geherzter als das erſte mahl zu Prage/ ſich erzeigen wuͤrde. O du getraͤuer unge-
faͤrbeter Liebhaber/ ſagte ſie/ wie manniche Ungelegenheit muß dir zugeſtoſſen ſeyn/ ehe du
dieſen Ort erreichet haſt; aber gib dich zufrieden/ ich wil entweder froͤlich ſterben/ oder mit
dir von hinnen zihen; bleibe du nur beſtaͤndig/ und verſichere dich/ daß allein du/ odeꝛ der bit-
tere Tod meines Leibes Herr und Meiſter ſeyn/ und deſſen genieſſen ſol. Sie hatte etwa ei-
ne Stun-
[723]Vierdes Buch.
ne Stunde in dieſen Liebes-gedanken zugebracht/ da ſahe ſie ihren Bruder Ladiſla daher
treten/ und einen zu ſeiner Rechten/ den ſie anfangs nicht kennete/ dann es wahr Herkules/
der ſein Haar braun gefaͤrbet/ das Angeſicht aber nur ein wenig verſtellet hatte/ daß wie er
naͤher kam/ ſie etlicher maſſen merkete/ er muͤſte es ſeyn/ und wuͤrde ein falſches Haar auff-
geſetzet haben/ rief ihrem Frauenzimmer/ und begehrete von ihnen mit freundlichen Wor-
ten/ daß ſie mit ihr auff den oberſten Gang/ der umb das Dach auswendig gezogen wahr/
gehen/ und ſich umſehen ſolten; worzu ſie alle willig wahren/ inſonderheit/ als ſie vernah-
men/ daß ihr Unwille ſich geleget hatte. Als ſie nun da droben in ihrem Koͤniglichẽ Pracht
ſich eigentlich beſchauen ließ/ ſagte Ladiſla zu Herkules: Sihe da/ geliebter Bruder/ wie
hoch der grobe Koͤnig meine Frl. Schweſter ehret/ indem er ſie nicht anders als eine her-
ſchende Landes-Koͤnigin ausgeſchmuͤcket hat. Dieſes machet auch/ antwortete er/ daß ich
mein Schwert lieber vor/ als wider ihn gebrauchen moͤchte/ dafern er mir nur dieſen teurẽ
Schatz ungewaͤgert ausfolgen laſſen wolte; Doch muß gleichwol noch eine Liebe zur Tu-
gend in ſeinem Herzen uͤbrig ſeyn/ weil er nicht nach gewohnheit der Unbaͤndigen/ aͤuſſerli-
chen Gewalt brauchet/ ſondern ihr ertichtetes Geluͤbde ihm hat gefallen laſſen/ und hoffe
demnach/ mein HErr Jeſus werde uns beyſtaͤndig ſeyn/ und helffen/ dz ihre Ehre vor ihm
und allen andern geſichert bleibe. Unter dieſem Geſpraͤch ließ Herkules kein Auge von ſei-
nem Fraͤulein/ ſondern betrachtete ſie inniglich/ und befand/ daß innerhalb zwey Jahr und
37 Wochen (ſo lange hatte er ſie nicht geſehen) ſie viel gewachſen/ und uͤber ihr Alter anzu-
ſehen wahr. Das Fraͤulein empfing ſeine Liebesblicke mit gleicher Andacht/ kehrete ihm dz
Angeſicht zu/ und ſprachete mit ſtets lachendem Munde mit ihrem Frauenzimmer. In ih-
rer Hand trug ſie einen verguͤldeten Pfeil/ auf welchen ſie mit ſchwarzen Buchſtaben
in Teutſcher Sprache geſchrieben hatte: Ihr lieben Herzen/ ſendet mir den hohlen Pfeil. Als
ſie nun vom Gange ging/ nachdem ſie uͤber eine halbe Stunde ſich alda hatte ſehen laſſen/
nam ſie den Bogen zur Hand/ und ſchoß dieſen Pfeil als zur kurzweil in die Hoͤhe/ daß er
vor Herkules niderfiel/ welcher ihn ehrerbietig aufhub/ und nach der Fraͤulein Abſcheid ſich
mit Ladiſla und Timokles nach ihrer Herberge machte/ woſelbſt ſie die Schrifft des Pfeils
laſen/ und von Timokles zuwiſſen begehreten/ was vor einen hohlen Pfeil das Fraͤulein fo-
dern moͤchte; Er aber gab ihnen zuverſtehen/ was maſſen ihre Abrede waͤhre/ da etwz ſon-
derliches vorginge/ ſolte er in einem hohlen Pfeile ihr ein eingeſtektes Brieflein auff den
Gang ſchieſſen; welches liſtigen fundes ſich Herkules verwunderte/ ließ geſchwinde einen
ſolchen zurichten/ ſetzete ſich nider/ und ſchrieb folgenden Brief:


Der einige wahre Gott Himmels und Erden/ hat durch manniche Gefahr mich geſund herge-
leitet/ und mir heut meiner Seelen-geliebten Fraͤulein hoͤchſtgewuͤnſchtes Angeſicht gezeiget; Mein
Ladiſla hat mich nicht wollen laſſen allein nachſuchen/ ſondern iſt mir gefolget biß nach Ekbatana/ da
wir ohngefehr zuſammen geſtoſſen/ und Euer Liebe Zuſtand erfahren haben; weil mir dann an meineꝛ
Fraͤulein Beſtaͤndigkeit und Traͤue zu zweifeln nicht gebuͤhren wil/ als welche mehr auff Tugend/ als
uͤppigen Stoltz haͤlt/ wird weder Waſſer Grabe/ noch ſteinerne Mauer/ noch Huͤters Wachſamkeit/ ja
Koͤniges Artabanus Macht ſelber nicht/ mir verhinderlich ſeyn/ daſſelbe zuerlangen/ was naͤhſt Gott
mein hoͤchſter Schatz und Wunſch iſt. Lebet wol/ meines Lebens Seele/ und ſeyd gegrüſſet von eurem/
biß in den Tod ganz ergebenen Knechte/ Herkules/ jezt Valikules genant.


Dieſes Schreiben wickelte er artig zuſammen/ als ein duͤnnes Pfeifchen/ vermachete es
Y y y y ijin
[724]Vierdes Buch.
in den hohlen Pfeil/ uñ ging des folgenden Morgens ſehr fruͤh mit Timokles hin/ der ihm
den Bogen nachtrug/ mit welchem er den Pfeil auff den Gang ſchoß/ und als bald wieder
ſeines Weges ging. Bey der praͤchtigen Mahlzeit ſaß das Fraͤulein ganz verwirret bey
ihrem Frauenzimmer/ daß ſie wuͤnſchete/ es waͤhren dieſe Freunde auff einen an dern Tag
ankommen. Tauſenderley Gedanken lieffen in ihrem Kopffe umb/ daß einer dem andern
nicht weichen kunte; bald betrachtete ſie die wunder-traͤue Liebe ihres Braͤutigams gegen
ſie; bald die Gefahr/ welche er ſchon gluͤklich uͤberſtanden; bald/ welche ihm noch bevor
ſtuͤnde; wie es doch wuͤrde koͤnnen moͤglich ſeyn/ daß er ſie aus diſem wolverwahreten
Schloſſe braͤchte; und wann ſolches gleich geſchaͤhe/ wie er mit ihr der groſſen Macht des
Koͤniges entgehen/ und ſicher durchhauen wuͤrde. Doch wahr vor dißmahl ihr hoͤchſtes
anliegen/ daß ſie nicht erſinnen kunte/ wie ſie ſeiner lieben Gegenwart genieſſen/ und den ſie
ungleich mehr als ſich ſelbſt liebete/ auff ein vertrauliches Geſpraͤch etwa ein Stuͤndichen
bey ihr haben moͤchte; endlich gelebete ſie der Zuverſicht/ Gott wuͤrde es in die Wege ſchic-
ken/ wie es ihnen am erſprießlichſten waͤhre/ ſtraffete wegen ihrer Schwermuͤhligkeit ſich
ſelber/ und nam eine beſondere Froͤligkeit an ſich/ daß ſie endlich ihre Laute ſoderte/ und
welches ſie an dieſem Orte noch nie in einiges Menſchẽ gegenwart getahn/ folgende Teut-
ſche Reimen darein ſang:


1
SChoͤnſter Leit Stern meiner Seelen/

Haſtu dich herbey gemacht?

Biſtu/ meines Herzen quaͤlen

Schier zu endigen bedacht?

O du Tugendhaffter Sin/

Sey beſtaͤndig wie ich bin.

2
Liebſter Seelen-Schatz/ wie lange

Hab ich nach dir ausgeſehn!

Meinem Herzen wahr ſehr bange/

Daß du moͤchteſt untergehn/

Und die mancherley Gefahr

Dich erdruͤcken ganz und gar.

3
O mein Freund/ wie manches Leiden

Hat dich ſider dem geuͤbt/

Daß du mich haſt muͤſſen meiden/

Die du vor ſo ſehr geliebt;

O wie ſeufzteſtu mir nach/

Als mein Brehlchen zu dir ſprach:

4
Herkuliſkus laͤſt ſich fuͤhren

Nach dem wilden Parther hin/

Da ſie wird ohn zweifel ſpuͤren

Manches frechen Menſchen Sin/

Und wol der Artaban/ ſcharff

Sie umb Lieb’ anſpraͤngen darff.

5
Da wird deiner Seele grauen

Recht hervor gebrochen ſeyn/

Daß du dich haſt muͤſſen zauen/

Und zu mindern ſolche Pein/

Deinen Weg befodert haſt

Tag und Nacht ohn Ruh und Raſt.

6
Nun mein Herz/ du biſt ankommen/

Und ich bin noch unbeflekt/

Darumb bleibt dir unbenommen/

Was der Seele ſuͤſſe ſchmekt/

Ich bin dein/ und bleib es wol/

Wo ich ſonſt noch leben ſol.

7
O wie werd ich mich ergetzen/

Wann uns Gott die Freyheit ſchikt;

Dann wil ich bey ſeite ſetzen/

Was mich noch ſo hefftig druͤkt;

Dann wil ich dir Leib und Sin

Schenken/ weil ich deine bin.

Nach dieſes Liedes endigung/ ſagte Fr. Syfigambis ihre Hofmeiſterin zu ihr: Ach mein
Gnaͤdigſtes Fraͤulein/ es muß der groſſe Koͤnig Artabanus bey den Goͤttern in ſonderlicheꝛ
Hulde ſtehen/ weil dieſelben ſeiner Hocheit/ ohn einige Heucheley zureden/ das allervoll-
kommenſte Fraͤulein der Welt/ durch ſo wunderlichen Gluͤckesfall zugefuͤhret haben; und
moͤchte ich meines teils nur wuͤnſchen/ daß Ihre Hocheit dieſes ihr wunder-ſuͤſſes Lauten-
ſpiel
[725]Vierdes Buch.
ſpiel/ und die himliſche Stimme haͤtte anhoͤren moͤgen. Das Fraͤulein hatte dieſer Frauẽ
gute Zuneigung zeit wehrender ihrer Schwacheit wol geſpuͤret/ und ob ihr dieſe Rede
gleich ſehr zuwider wahr/ wolte ſie ihr doch keine urſach zum Widerwillen geben/ wie ſie
ohn das ihr alles zugute hielt/ damit ſie ein vollkom̃enes Vertrauen bey ihr erhalten moͤch-
te/ und auff den Nohtfall deſto leichter koͤnte hintergangen werden; vor dißmahl aber gab
ſie ihr die Antwort: Geliebte Freundin; Gottes Verſehung beſtehet in ſeinen heimlichen
Rahtſchlaͤgen/ die keines Menſchen Witz erfahren kan; Zu weſſen ehelicher Vertrauung
mich der Himmel nun verordnet hat/ dem muß ich ohn zweifel zu teile werden/ ſolte eꝛ mich
gleich/ oder ich ihn/ in den aͤuſſerſten Grenzen der Erden ſuchen; was ihr aber von meineꝛ
Volkom̃enheit redet/ hoͤre ich zwar an/ und weiß mich doch zugleich meineꝛ Gebrechẽ ſehꝛ
wol zueriñern; je doch mein Wille iſt auf Tugend gerichtet/ uñ wz menſchlicher ſchwacheit
und meinem Unvermoͤgẽ abgehet/ wird unter and’n auch meiner Jugend zugerechnet weꝛ-
den. Nachgehends hieß ſie einer ihrer Jungfrauen einẽ Tantz ſpielẽ/ da ſie unter der Einbil-
dung/ ob ihr liebſter Herkules/ ſie bey der Hand fuͤhrete/ ſolche zierliche Spruͤnge/ Schren-
kungen der Beine/ und dergleichen Fertigkeiten ſehen ließ/ dz alle anweſende wunder nam;
uñ weil ſie den Anfang gemacht/ muſtẽ die Jungfern auch tanzẽ/ ſo gut ſie es gelernet hattẽ/
biß ſie endlich mit dem ſpaͤten Abend ſich zur ruhe legete/ da Herkules ihr im Schlaffe im̃eꝛ
vor Augen uñ im Gedaͤchtnis fchwebete/ welcher inzwiſchẽ auf nichts ſo viel bedacht war/
als dz er ihr den Chriſtlichen Glauben beybringen moͤchte/ wie er ſolches ſeinem Gotte an-
gelobet hatte/ befand aber/ daß es durch Schreiben ſchwerlich wuͤrde zuver richten ſeyn/ uñ
ſahe doch nicht/ wie er ſein Vorhaben/ ſie zu ſprechen/ ſo ſchleunig ins Werk richten koͤnte.
Das liebe Fraͤulein/ da ſie mit dem anbruche der erſten Morgen roͤhte erwachete/ ging un-
vermerket auff den obriſten Luſtgang/ ob etwa vorigen Abend ihr der hohle Pfeil hinauff
geſchoſſen waͤhre/ weil ſie aber zu fruͤh kam/ und nichts fand/ machte ſie ſich eilends wieder
nach ihrem Gemache und legte ſich zur ruhe/ da ſie etliche Stunden vom Schlaffe einge-
nommen ward/ und die Einbildungen ihr mannicherley vorſtelleten. Wie ſie nun erwa-
chete/ ſchaͤmete ſie ſich/ ſo lange geſchlaffen zu haben/ legte ihre Kleider an/ und ging zum
andernmahle auff den Gang/ da ſie den Pfeil fand/ ihn froͤlich zu ſich nam/ und in ihrem
Gemache oͤfnete/ zohe das Brieflein heraus/ und aus der Auffſchrift (Der Durchleuchtigſtẽ
Fraͤulein/ Fraͤulein Valiſken ꝛc meiner hoͤchſtgeliebeten Frl. Waſen und Schweſter) erkennete ſie
alsbald ihres Herkules Hand/ kuͤſſete den Brieff/ und ſagete: O ihr mein herzgeliebter
Freund/ wann wird uns der Himmel unſere Vergnuͤgung goͤnnen? O daß ich mir Fluͤ-
gel wuͤnſchen oder machen koͤnte/ nur biß uͤber dieſe Stad weg zu fliegen/ daß ihr eurer Lie-
be und Traͤue ſchuldige Vergeltung ſpuͤretet! brach hiemit das Schreiben/ laſe es/ und
ſagete: Nun mein geliebtes Herz/ ob ich gleich viel zu unvermoͤgen bin/ deiner Traͤue und
Tugend die Wage zu halten/ wil ich doch mein aͤuſſerſtes dran wenden/ damit die dankwil-
lige Herkuliſka ihrem Valikules gebuͤhrliche Gegenliebe erzeigen/ und in Geduld alles ver-
tragen moͤge/ biß dereins Valiſka ihres Herkules in ehren vollig wird genieſſen koͤnnen.
Aber o ihr mein hoͤchſter Schaz/ wollen wir des Gluͤckes Gunſt uns verſprechen/ muͤſſen
wir trauen nicht mit Gewalt verfahren/ da wo Gewalt nuꝛ Tohrheit iſt/ ſondern Vernunft
und Vorſichtigkeit wird in dieſem Spiel daß beſte ſeyn/ auff daß die Liebesbegierden die
Y y y y iijwirk-
[726]Vierdes Buch.
wirkliche folge durch ihre blinde Verwaͤgenheit nicht hintertreiben/ und der gewuͤnſchten
Glukſeligkeit die ohn das enge Tuͤhr nicht verſperren; ſetzete ſich darauff nider/ uñ ſchrieb
folgende Antwort: Der Schoͤpffer und Erhalter dieſes groſſen Weltgebaͤues/ gibt Valiſken und
ihrem Gewiſſen zeugnis/ daß vor ihren Herkules ſie mehr Sorge/ als vor ihr eigen Leben getragen;
Wie nun dieſelbe ſeine Beſtaͤndigkeit aus der gefaͤhrlichen Nachfolge ſatſam erkennet/ alſo ſol ihm
hinwieder ein gleiches/ entweder im ehrlichen Leben/ oder zum wenigſten im froͤlichen tode unfehlbar
gehalten werden/ welchen Vorſaz weder menſchen Wiz noch Macht brechen wird. Wollen wiꝛ aber
dereins gluͤkſelig leben/ muß unſer Vorhaben durch Vernunft gefuͤhret werden/ ſonſten ſtoſſen wir
das ganze Gebaͤu uͤbern hauffen/ und verlieren alle angewante Muͤhe ſamt deren belohnung. Eile iſt
uns noch zur Zeit nicht ſo gar noͤhtig/ vielweniger rahtſam; dann Koͤnig Artabanus/ ſeinem mehr als
aͤidlichem Verſprechen nach/ wird mir ſeiner vermeinetẽ Braut (wo er nicht gar zum Verraͤhter wird)
inwendig Jahresfriſt nicht uͤberlaͤſtig ſeyn/ in zwiſchen hilfft Gott und Gluͤk. Aber o daß mein herzge-
liebter Herr und Bruder Ladiſla bey ſeinem liebſten Gemahl blieben waͤhre/ dann mich tauret ſehr/
daß dieſelbe und ſein ganzes Koͤnigreich uͤber mich zu klagen einige Urſach haben ſol/ ſehe auch keine
Gelegenheit/ ſeiner Liebe ſolches zuerſtatten/ es waͤhre dann/ daß mein Herkules die Vergeltung an
meine ſtat uͤber ſich nehmen wolte/ deſſen Geſichts verenderung mich et was befremdet. Schließlich
bitte ich Freund- und ſchweſterlich/ mich auff geſtrige Weiſe offters zubeſuchen/ als lange uns naͤhere
Zuſammenkunft gehindert wird/ und verbleibe ich Zeit meines Lebens/ meinem Groß Fuͤrſten Herku-
les zu ehren ganz eigen ergebene Valiſka.


So bald dieſer Brieff verfertiget wahr/ ſchloß ſie denſelben in eben den empfangenen
Pfeil/ ſahe aus ihrem Fenſter/ und ward ihres Timokles gewahr/ ſchoß ihm denſelben hin-
unter/ und winkete ihm fortzugehen; der ſich dann nicht lange ſeumete/ ſondern ſchnelles
lauffes der Herberge zueilete/ und den lieben Pfeil ſeinem Herrn einlieferte/ welcher der
ſchleunigen Antwort ſich verwundernd/ den Pfeil oͤffnete/ und auff dem Schreiben dieſe
Auffſchrift laſe: Dem Durchleuchtigſten Fuͤrſten und Herrn/ Herrn Herkules ꝛc. meinem hoͤchſt
vertrauten Oheim und Bruder. Bald erbrach er ſolches/ und nach verleſung ſagte er: O du
aͤdle Seele/ mir zweifelt nicht/ mein Gott habe dich ſchon von Ewigkeit her in die Zahl deꝛ
Auſſerwaͤhlten angeſchrieben/ und werde dich gnaͤdig erhalten/ daß du in erkaͤntnis der
himliſchen Warheit zum ewigen Leben unterwieſen werdeſt; goͤnnet uns dañ unſer Gott/
das zeitliche Leben in ſtiller ruhe zu fuͤhren/ wollen wirs als ſein Gnadengeſchenk erkennen/
wo nicht/ ſo wird uns als dann die Ewigkeit nicht zum andernmahle trennen laſſen; gab
hernach Ladiſla den Brieff durchzuleſen/ der ſich aber deſſen wegerte/ weil ihm wol bewuſt
wahr/ daß verliebeter Leute Schreiben keine fremde Augen leiden wollen. Bald darauff
gingen ſie nach dem Schloſſe/ nahmen auch Leches und Timokles mit ſich/ und funden das
liebe Fraͤulein am Fenſter ſtehen/ von der ſie anmuhtige Blicke und verliebete Winke ein-
nahmen/ womit das Fraͤulein nicht veꝛgnuͤget/ ſich auff den Umbgang begab/ und ſich ge-
rade gegen ihren Herkules ſtellete/ da inzwiſchen Ladiſla mit Leches umbher ging/ dieſe
verliebeten aber/ weil ſie naͤher nicht zuſammen kunten/ zur anzeige und bekraͤftigung ge-
traͤuer Freundſchaft/ die empfangenen Briefe/ und ihre eigene Haͤnde kuͤſſeten/ biß endlich
nach verlauff einer Stunde dz Fraͤulein mit einem hoͤflichen neigen freundlichen Abſcheid
nam/ nichts mehr wuͤnſchend/ als etliche Stunden mit ihrem Schatze ſprache zuhalten;
mit welcher begierde der uͤberalverliebete Herkules ebenmaͤſſig getrieben ward; weil es a-
ber noch zur Zeit ein vergebliches Ding wahr/ muſten ſie mit dem anſchauen ſich vergnuͤ-
gen
[727]Vierdes Buch.
gen laſſen/ da dann Herkules nicht unterlies/ taͤglich drey oder viermahl ſich darzuſtellen/
kam auch nimmer vergebens/ ſondern empfing allemahl die behaͤglichen Blicke/ welche er
dañ mit zehnfachen Zinſen wie der zu geben wuſte. Umb dieſe Zeit genaſe Fr. Sophia zu
Padua eines jungen Soͤhnleins/ woruͤber alle Anverwanten ſich hoͤchlich erfreueten/ und
wie wol es in der Geburt zimlich hart daher ging/ hatte die liebe Mutter dañoch ihre herz-
liche Ergezligkeit an dem wolgeſchaffenen Soͤhnlein/ gab ihm auch den nahmen Herkula-
diſla/ und ſagete: Wird mein liebes Kind ſeinem Vater und Vetter (deren nahmen es
traͤget) nachſchlagen/ ſol die Welt ſeiner Dienſte noch wol genieſſen koͤnnen.


Als unſere Helden ſich zu Charas wenig Tage auffgehalten hatten/ ward eine fliegen-
de Zeitung ruchtbar/ es gingen in unterſchiedlichen Fuͤrſtentuͤhmen/ abſonderlich in Per-
ſen ſtarke Werbungẽ vor// wie wol in geheim/ und wahr die ſage/ Koͤnig Artabanus felbſt
haͤtte ſie angeſtellet/ des vorhabens/ die Skythen anzugreiffen/ und unter den Gehorſam
zubringen/ weil ſie die Oberbotmaͤſſigkeit des Parthiſchen Stuels nicht erkeñen/ ſondern
nach wie vor ohn Schatzung nur vor Freunde/ freie Nachbarn und Bundgenoſſen wolten
gehalten ſeyn/ einwendend/ ſie als der Parther Voreltern (dañ dieſe wahren von den Sky-
then entſproſſen) koͤnten ihrer außgewichenen Landsleute Joch durchaus nicht annehmen
noch tragen. Artabanus hatte ſchon von etlichen Jahren her etliche ſeiner untergebenen
Lehn Fuͤrſten in verdacht/ als ſtuͤnden ſie nach der Freiheit/ daher er ſich gegen alle ohn un-
terſcheid ſehr hart uñ unmilde erzeigete/ wie er dann ohndaß ſehr wuͤtiger Art wahr; Nun
wahren ſie auch in Warheit des Parthiſchen Joches muͤde und von Herzen uͤberdruͤſſig/
dañ es ging ihnen ſchwer ein/ daß von Arſazes/ des erſten Parther Koͤniges Zeit an/ die aͤd-
len Perſen/ Meden/ uñ andere nahmhafte Voͤlker unter dem ſchweren Parthiſchen dran-
ge ſitzen/ und deſſen Beherſchung ohn Ende ſolten unterworffen ſeyn; welches zwar dem
Koͤnige durch Verraͤhterey zeitig kund getahn ward/ doch weil es meiſtenteils auff bloſſen
muhtmaſſungen beſtund/ und man bißher keine Ruſtung noch deſſen etwas vernommen
hatte/ wolte der Koͤnig an ſich halten/ und die hoͤchſten Haͤupter ihm nicht unwillig machẽ/
umb den algemeinen auffſtand zuverhuͤten/ hielt doch unterdeſſen hin und wieder Voͤlker
in bereitſchaft/ deren auff allen Fall er ſich gebrauchen koͤnte. Weil er nun von unter ſchie-
denen Orten her bericht einnahm/ dz Artaxerxes der Perſe mit gefaͤhrlichẽ ſachen ſchwan-
ger ginge/ und heimliche Kriegsbeſtallungen unter dem nahmen ſeines Koͤniges fortſetze-
te/ davon Artabanus doch keine Wiſſenſchaft hatte/ zweiffelte er ferner nicht/ es wuͤrde
Zeit ſeyn/ dem Unheil vorzubauen; wolte aber gleichwol verſuch tuhn/ ob er durch hin-
richtung der Redlensfuͤhrer das Feur in der Aſche daͤmpfen/ und ohn einen blutigen ein-
heimiſchen Krieg/ darein ſich die Reichs Feinde leicht miſchen duͤrften/ ſtillen koͤnte/ deß-
wegen er dann an Artaxerxes in Perſen/ Phraortes in Meden/ Menapis in Hirkanien/
Puſizes in Aſſyrien/ Eukratides in Baktrien/ Tiſſafernes in Drangian/ und Gobares in
Suſian Schreiben abgehẽ ließ/ und begehrete/ daß ſie ohn verzug auff ſeinem Koͤniglichen
Hauptſchloſſe ſich einſtellen/ und wegen heilſamer beſtellung des Parthiſchen Reichs mit
einrahten ſolten/ weil man nicht wuͤſte/ weſſen man ſich zu dem Roͤmiſchẽ Kaͤyſer/ wie auch
zu den Skythen zuverſehen haͤtte. Dieſe Schreiben wurden/ ehe die Werbung ruchtbar
ward/ von dem Koͤnige abgefaͤrtiget/ noch ehe Herkules zu Charas an kam. Die Mor-
gen-
[728]Vierdes Buch.
genlaͤndiſche Fuͤrſten zweiffelten nicht/ es wuͤrde ihre Kriegsverfaſſung dem Koͤnige kund
worden ſeyn/ lieſſen ſich deßwegen nicht finden/ und ward an ſtat einer Antwort dem Boh-
ten ein kurzer Schein des empfangenen Briefes erteilet. Doch wagete es Phraortes uñ
zog auff geſchwinder Eile inbegleitung 100 Reuter zum Koͤnige; die andern entſchuldig-
ten ſich teils wegen Leibes ſchwacheit/ teils durch an dere Einwendung/ und ſanten gleich-
wol ihre Gevolmaͤchtigten gen Hofe. Als Phraortes ſich bey dem Koͤnige anmelden ließ/
ward er alsbald vorgefodert/ und fragete ihn derſelbe mit blut-grimmiger Rede/ worzu
die Kriegsverfaſſungen angeſehen waͤhren/ von denen hin und wieder Bericht einkaͤhme.
Er aber gab zur ſanfmuͤhtigen Antwort: Aller Großmaͤchtigſter Koͤnig/ allergnaͤdigſter
Herr; des Tages zuvor/ ehe eurer Koͤnigl. Hocheit allerwirdigſtes gnaden-Schreiben zu
meinem alleruntertaͤhnigſt gehorſamſten Haͤnden kam/ hatte ich mich ſchon fertig ge-
macht zu dieſer Reiſe/ umb keiner andern Urſach willen/ als daß mir von Kriegswerbun-
gen/ ſo in den Benachbarten eurer Koͤnigl. Hocheit untergebenen Fuͤrſtentuͤhmen vorge-
hen ſolten/ eine und andere fliegende Zeitung zu Ohren kam/ und zwar alle unter dieſem
Schein/ ihre Koͤnigl. Hocheit ſelbſt haͤtte dieſelben allergnaͤdigſt angeordnet/ weil man
von den Reichsfeinden ſich eines Anfals beſorgete; Es kam mir ein ſolches uͤberaus ver-
daͤchtig vor/ und zwar daher/ daß ich vor vielen andern ſolte unwirdig gehalten ſeyn/ ihrer
Koͤnigl. Hocheit durch ein ebenmaͤſſiges meinen untertaͤhnigſten Gehorſam zuerzeigen/
da doch von deroſelben ich ein volkreiches Land habe/ und die Meden wegen ihrer Schieß-
kunſt gemeiniglich mit auffgefodert werden/ wañ es zum Tꝛeffen gilt. Ob nun dieſes zwar/
wie geſagt/ mich hoch befremdet hat/ ſo kompt dannoch ihrer K. Hocheit Nachfrage mir
ungleich fremder vor/ als woraus ich zu muhtmaſſen gezwungen werde/ es muͤſſen ſolche
verfaſſungen/ da das Geruͤchte wahr iſt/ ohn ihrer K. Hocheit wiſſen eingerichtet werden/
welches ein gefaͤhrliches Abſehen haben wuͤrde/ eure K. Hocheit aber ihrem hoͤchſtweiſen
verſtande nach ſchon wiſſen wird/ wie ſolchem unverhofften Unweſen ſolle gluͤklich begeg-
net werden/ wobey er ſich/ ſagte er/ als ein getraͤuer Knecht des Koͤniges und des gemeinẽ
Vaterlandes gehorſambſt wolte finden laſſen/ ſo oft/ und an was Orten ihre K. Hocheit
ſolches von ihm allergnaͤdigſt begehren wuͤrden/ und waͤhre ſeine ſchliſliche alleruntertaͤh-
nigſte Bitte/ ihm allergnaͤdigſt zuverzeihen/ daß auff Koͤnigliche Frage er keine Antwort
zu geben wuͤſte. Dem Koͤnige wahr von dieſem Fuͤrſten nichts abſonderlich vorkommen/
und da er ſein friſches Gemuͤht und unerſchrockenes Angeſicht ſahe/ hielt er ihn vor un-
ſchuldig/ und antwortete ihm alſo: Mein lieber Fuͤrſt/ du erinnerſt dich billich deiner ſchul-
digkeit/ und weil wir dich neulich unter unſere geheimiſten Freunde auffgenom̃en/ hoffen
wir/ daß anderer Auffruͤhrer Vornehmen dir verhaſſet und zuwie der ſeyn werde; ſo ver-
bleibe nun in dieſer ſtandhaften Traͤue/ und verſichere dich aller mil den Gnade an unſer
Seiten. Phraortes bedankete ſich untertaͤhnigſt/ verſprach allen Gehorſam/ und blieb et-
liche Tage zu Hofe/ weil ohn ausdruͤkliche beurlaubung wegzuſcheiden er nicht bedacht
wahr. Des andern Tages nach ſeiner ankunft/ da Herkules ſieben Tage daſelbſt geweſen
wahr/ erfuhr dieſer ſeine Gegenwart/ und ſendete Plautus an ihn/ daß er ihn gerne ſpre-
chen wolte. Aber der Groß Fuͤrſt ging alsbald mit nach ſeiner Herberge/ und wahr daſelbſt
ſehr wilkommen; er erzaͤhlete ihnen die Urſach ſeiner ſchleunigen Ankunft/ uñ daß der Koͤ-
nig
[729]Vierdes Buch.
nig ihn alles verdachts wegen der heimlichen Verbuͤndnis erlaſſen haͤtte/ auch daß er wil-
lens waͤhre/ bey dem Koͤnige umb erlaubnis anzuhalten/ das Fraͤulein zubeſuchen/ und ihr
ſeines Gemahls Gruß anzumelden; welches Herkules eine gute Gelegenheit zu ſeyn dauch-
te/ zu ihr zukommen/ ließ ſich doch deſſen nicht merken/ ſondern hielt bey dem Groß Fuͤrſten
an/ daß er ihn als ſeinen Leibdiener mit nach Hofe nehmen/ und bey guter Gelegenheit ihn
bey dem Koͤnige růhmen moͤchte als einen in Waffen zimlich erfahren Teutſchen Ritter/
der vielleicht der Fraͤulein Eltern kennete. Phraortes ließ ihm ſolches gefallen/ und nach
dem er ein gutes ledern Kleid angelegt/ und ſich zimlich braͤunlich angeſtrichen hatte/ trat
er hinter dem Groß Fuͤrſten her/ voller Andacht zu Gott/ er moͤchte ſein Vornehmen wol
gelingen laſſen. Bey der Koͤniglichen Mahlzeit wartete er mit auff/ und hielt ſich dermaſ-
ſen geſchiklich und tapffer/ daß Herr Vologeſes der juͤnger/ ein naher Anverwanter des
Koͤniges den Groß Fuͤrſten fragete/ was vor einen Diener er da haͤtte/ der nach fremden
Sitten ſich ſo artig zu halten wuͤſte. Phraortes antwortete: Er haͤtte ihn etwa vor drey
Wochen bekommen/ und gaͤbe ſich vor einen Teutſchen von Adel aus/ hielte davor/ es wuͤr-
de ihm der Koͤniglichen Fraͤulein Weſen nicht allerdinge unbekant ſeyn/ weil er von ihm
vernommen/ daß er an unterſchie dlichen Koͤnig- und Fuͤrſtlichen Hoͤfen deſſelben Landes
auffgewartet haͤtte. Wie? ſagte Vologeſes/ zeiget dañ eure Liebe ſolches Koͤnigl. Hocheit
nicht an? Ich bin deſſen willens geweſen/ antwortete er/ habe ihn auch deßwegen außdruͤk-
lich mit mir genommen/ und hat bißher nur an Gelegenheit und Mueß gemangelt. So
wil ich an eurer ſtat den Dank verdienen/ ſagte jener/ fing auch darauff alſo an: Ihre Koͤ-
nigl. Hocheit wollen allergnaͤdigſt vernehmen/ daß Fuͤrſt Phraortes gegenwaͤrtiger Leib-
diener ein Teutſchgeborner ſeyn ſol/ der vielleicht etwas von der treflichen Fraͤulein Herku-
liſken Zuſtand moͤchte erzaͤhlen koͤnnen. Der Koͤnig hoͤrete ſolches mit Luſt/ und fragete
Phraortes/ ob ſichs alſo verhielte; welcher zur Antwort gab; es waͤhre ihm alſo/ und koͤn-
te gegenwaͤrtiger ſein Diener daruͤber befraget werden. Der Koͤnig ſahe Herkules an/
welcher ſich ſehr tief neigete/ und ſeinen Gott im Herzen anrieff/ er moͤchte ihm Gnade voꝛ
dem Koͤnige verleihen; trat weiter hervor/ daß ihn Artabanus eigentlich ſehen kunte/ uñ
erwartete ſeiner Frage. Derſelbe nun verwunderte ſich uͤber ſeiner Freidigkeit/ daß er ſo
wenig Furcht als Unhoͤfligkeit merken ließ/ und ſagete zu ihm: Mein/ von wannen biſtu?
Herkules nach erzeigeter Ehrerbietung antwortete: Allergroßmaͤchtigſter unuͤberwind-
lichſter Koͤnig/ groſſer Beherſcher dieſer weiten Morgenlaͤnder; euer Koͤnigl. Hocheit
ich unwirdigſter Knecht bin eingebohrner Teutſcher. Der Konig fragete weiter/ was bꝛin-
geſtu gutes neues aus deinem Vaterlande/ und wie neulich biſtu daraus gezogen? Aller-
gnaͤdigſter Koͤnig/ antwortete er/ vor zweien Jahren bin ich mit meinem Herrn/ einem vor-
nehmen Grafen/ aus Teutſchland in Italien gereiſet/ dem Kriegsweſen nachzuzihen/ und
weil ich mit einem Roͤmiſchen Herrn vorm halben Jahre in zwie ſpalt kommen/ und ihn
im offentlichen Kampfe redlich erleget/ habe ich dannoch der ſchweren Verfolgung ſeiner
anſehnlichen Freundſchaft weichen muͤſſen/ bin demnach in einem Meerhafen hinter Pa-
dua zu Schiffe gangen/ und mich in Syrien begeben; uñ als man mir auch daſelbſt nach-
ſtellete/ habe ich der Roͤmer Botmaͤſſigkeit zumeiden/ mich in Aſſyrien und Meden gewa-
get/ etwas zuſehen und zuerfahren/ unter der Hoffnung/ nach verlauff etlicher Zeit/ mein
Z z z zVater-
[730]Vierdes Buch.
Vaterland wieder zuſuchen. Neues habe ich ſonſten aus Teutſchland wenig/ ohn daß in
Italien das Geſchrey ging/ meines geweſenen allergnaͤdigſten Koͤnigs einzige Frl. Toch-
ter/ Frl. Herkuliſka waͤhre gefangen/ und uͤber Meer in Armenien gefuͤhret. Der Koͤnig
verwunderte ſich der Reden/ und ſagte zu ihm: Melde uns aber/ wer iſt derſelbige Koͤnig/
deſſen Frl. Tochter geraubet iſt? Er antwortete: Er wahr ein maͤchtiger Koͤnig der Boͤh-
men und anderer umligenden Voͤlker/ nahmens Noteſterich/ deſſen Gemahl/ Frau Hede-
wig/ eine Tochter des Groß Fuͤrſten der unuͤberwindlichen Teutſchen/ anjetzo nach abſter-
ben ihres Koͤniges/ die Herſchafft verwaltet/ dann ihr Herr Sohn/ der einige Erbe dieſes
Reichs/ ſol nebeſt ſeinem Vettern den jungen Fuͤrſten aus Teutſchland/ dem geraubeten
Fraͤulein gefolget ſeyn/ ob ſie dieſelbe entweder mit der Fauſt/ oder mit Gelde wieder loͤſen
moͤchten. Der Koͤnig fragete weiter: Haſtu dann deſſelbigen Koͤniges Kundſchaft gehabt?
Ja/ allergnaͤdigſter Koͤnig/ antwortete er/ ich unwirdiger habe dero Hocheit vier Jahr als
ein aͤdelknabe auffgewartet/ auch von Ihr den Ritters-Orden empfangen; Der Fraͤulein
und ihres Herr Bruders Leben iſt mir auch nicht unbewuſt/ welche beyderſeits/ ungeachtet
ihrer Jugend/ ſchon viel Abenteur uͤberſtanden haben. Als ihm nun der Koͤnig zuerzaͤhlen
befahl/ was er von dem Fraͤulein wuͤſte/ ſtrich er ihꝛe Schoͤnheit/ Vernunfft/ Tapfferkeit uñ
Tugend dermaſſen heraus/ auch alles wz von ihr im erſten Buche iſt aufgezeichnet wordẽ/
daß der Koͤnig als ein verzuͤkter ſaß/ und nach geendigter Rede zu ihm ſagete: Knabe/ als
viel wir aus deinen Worten merken/ hat der Frl. Bruder urſach/ ſie zuſuchen; Wir hal-
ten aber gaͤnzlich davor/ da ſie in dieſen Laͤndern anlangen/ und etwa einem groſſen Fuͤrſten
oder Koͤnige zuteil werden ſolte/ wuͤrde ſie ihm nicht wieder zugeſtellet werden/ weil Schoͤn-
heit und hohe Gaben in dieſer Welt auch geliebet werden; Wir vor unſer Haͤupt wuͤrden
lieber fuͤnff Fuͤrſtentuͤhmer/ als ein ſolches Fraͤulein fahren laſſen/ und wird daher ihres
Bruders nachſuchen umſonſt ſeyn; Da ſie aber zu uns kommen wuͤrden/ muͤſte ihnen alles
liebes und gutes widerfahren/ duͤrften auch bey uns leicht ſolche Gnade zu ihrer Erhoͤhung
finden/ daß beydes dem Bruder und Oheim nach ihrem wuͤſten Vaterlande nicht verlan-
gen wuͤrde. Aber wolteſtu das Fraͤulein noch kennen/ wann ſie dir zu Geſichte kaͤhme? Her-
kules ſtellete ſich/ als haͤtte er Fuͤrſt Vologeſes erſten Worte von dem Fraͤulein nicht gehoͤ-
ret/ und antwortete: Sehr wol/ aller gnaͤdigſter Koͤnig/ dann das Angeſicht iſt mir gar zu
eigentlich bekant; es wird aber ein ſolches ſich ſchwerlich zutragen. Der Koͤnig laͤchelte/
und ſagte zu Phraortes: Mein Fuͤrſt beſuche nach geendigter Mahlzeit unſer weꝛtes Fraͤu-
lein/ und nehme dieſen Teutſchen mit ſich/ vielleicht ergetzet ſie ſich daruͤber/ wann ſie in der
abgelegenen fremde einen Landsmann und bekanten antrifft. Der gute Herkules vermey-
nete vor Freuden niderzuſinken; Phraortes aber bedankete ſich der Koͤnigl. Gnade/ mit
vermelden/ er haͤtte an das Fråulein einen untertaͤhnigen Gruß wegen ſeiner und Mazeus
Gemahl/ welche zugleich umb Verzeihung bey Ihrer Gn. demuͤhtig anhalten lieſſen/ daß
ſie derſelben die gebuͤhrliche Ehre nit erwieſen/ noch erweiſen koͤñen/ nach dem ihꝛ Geſchlecht
ihnen ganz verborgen geweſen. Es erzeigete ſich der Koͤnig ſehr froͤlich/ daß von ſeinem al-
lerliebſten Fraͤulein er ſolche ruhmwuͤrdige Zeitung vernehmen ſolte/ und ruͤhmete ſein
Gluͤk/ welches ſich ihm nie ſo gewogen/ als in Zufuͤhrung eines ſolchen unſchatzbahren
Schatzes/ erzeiget haͤtte. Nach gehaltenem Mahl machten ſich Phraortes und Herkules
mit
[731]Vierdes Buch.
mit einem von des Koͤniges verſchnittenen hin nach der Fraͤulein Schloſſe/ und als ſie voꝛ
ihrer Herberge hergingen/ und Timokles vor der Tuͤhr ſtund/ ſagte Herkules zu ihm: Zei-
ge Ladiſla an/ ich gehe auff des Koͤniges Befehl hin/ das Fraͤulein zubeſuchen; trat dem
Fuͤrſten wieder nach/ daß der Kaͤmmerling es nicht gewahr wurde/ und fuͤrchtete ſehr/ es
moͤchte einige Verenderung an ihm oder dem Fraͤulein geſpuͤret werden; baht deswegen
den Groß Fuͤrſten/ dem Fraͤulein ſeine Anweſenheit vorher anzumelden/ er wolte ſo lange
hauſſen vor dem Gemache ihres Befehls erwarten. Phraortes ließ ſich bey dem Fraͤulein
anmelden/ und ward als ein ſehr wilkommener Freund zu ihr hinein gefodert. Er erzeigete
ihr als einer kuͤnfftigen Groß Koͤnigin hohe Ehre/ daß ſie deſſen ſich faſt ſchaͤmete/ und zu
ihm ſagete: Geliebter Herr/ als Vater/ ich bitte ſehr/ mit mir vertraulich/ und nicht nach
Art der Fremden umzugehen/ dann mein Heil und Wolfahrt ſtehet groſſen Teils in euren
Haͤnden. Phraortes antwortete: Durchl. Fraͤulein/ die Goͤtter ſind meine Zeugen/ daß
ihre Vergnuͤgung mir nicht weniger als meine hoͤchſte Wolfahrt anlieget/ bitte demnach
mir ohn Auffſchub zubefehlen/ daß ich den teuren und getraͤuen Liebhaber Herꝛn Herkules
zu ihr herein gehen heiſſe. Das Fraͤulein ward hierüber ſo voller Freuden/ daß ihr die Re-
de ſtehen blieb/ und als der Groß Fuͤrſt ſahe/ daß ihr die Ohmacht nicht weit wahr/ redete er
ſie ernſtlich an: Wes zeihen ſich Eure Liebe/ ſagte er/ wollen die ihren Herkules nicht andeꝛs
erfreuen? Es hat Gefahr gnug gehabt/ es ſo weit zubringen/ und ſie wil an ſtat der notwen-
digen Unterredung die Seele gar ausblaſen? Nicht ſtelle Eure Liebe ſich alſo/ oder ich wil
ihren Herkules ungeſprochen wieder hinweg fuͤhren. Das Fraͤulein erhohlete ſich hier auf
geſchwinder/ als haͤtte man ihr das kraͤfftigſte Waſſer unter die Naſe gerieben/ und ſagte zu
ihm: O ihr mein allerliebſter Herr Vater/ fuͤhret mir doch dann dieſen lieben Freund bald
herzu/ daß ich meines ausgeſtandenen ſehr groſſen Herzleides in etwas ergetzet werde.
Phraortes ging alsbald hin/ und ſagte zu Herkules: Nachdem eure Gegenwart ich dem
Fraͤule in angemeldet/ habe ich mühe gehabt/ ihr die Freuden-Ohmacht zubenehmẽ; ſo ſeyd
ihr nun geherzter/ und gehet zu ihr hinein/ ich wil das uͤbrige Frauenzimmer beſuchen/ und
euch Zeit genug zur Beredung goͤñen. Herkules faſſete einen Muht/ uñ trat ins Gemach/
ward auch alsbald von ihr erkennet/ dañ er hatte die Farbe hauſſen vor der Tuͤhr abgetahn;
da ſie ihn erblickete/ ſetzete ſie ſich auff einen herlichen Stuel/ dann es kam ſie abermahl eine
Ohmacht an/ deswegen Herkules/ wiewol mit geringen Kraͤfften zu ihr trat/ ſie freundlich
druͤckete und ſchuͤttelte/ biß ſie endlich die Augen/ und bald dar auf den Mund oͤffnete/ da ſie
zu ihm ſagete: O ihr mein herzgeliebter Schatz/ und einiger Auffenthalt meines Lebens;
ſehe ich euch dañ nun gegenwaͤrtig vor mir/ oder iſt es meines Herkules Geiſt/ der vielleicht
vor Unmuht nicht hat laͤnger wollen ſeinen ſchoͤnen Leib bewohnen? Ach mein teureſtes
Fraͤulein/ antwortete er/ faſſet doch eure gewoͤhnliche Herzhafftigkeit/ auf daß wir dieſe uns
von Gott verlihene Zeit in Beredung unſer ſo nohtwendigen Geſchaͤfften recht anlegen
und gebrauchen moͤgen. Hierauff erhohlete ſie ſich voͤllig/ und umfing ihren vertraueten
Braͤutigam mit dieſen Worten: O wolte Gott/ wolte Gott! daß wir einigen Weg finden
koͤnten/ aus dieſem Schloſſe zuentriñen; wie gerne wolte ich allerhand ungemach der Rei-
ſe angehen/ und die zaͤhen Waldwurzeln zur Speiſe vorlieb nehmen/ wañ ich nur hofnung
haͤtte/ euch und mich dereins in unſerm geliebeten Vaterlande wiederzuſehen. Der All-
Z z z z ijmaͤch-
[732]Vierdes Buch.
maͤchtige Gott wird uns helffen/ antwortete er/ dafern wir nur denſelben recht erkennen uñ
ehren; und iſt mir die allergroͤſte Freude dieſer Welt/ daß ich zu Rom zum wahren Chri-
ſtentuhm gebracht bin/ auſſer welchem unmoͤglich iſt/ nach dieſem zu deꝛ Seligkeit zugelan-
gen; ſolches hat auch unſer geliebeter Bruder Ladiſla nunmehr erkennet/ deswegen er
mit ſonderlicher Herzensfreude zum Chriſtlichen Glauben getreten iſt; Und O mein aus-
erwaͤhlter Seelen Schatz/ ich bitte inbruͤnſtig und von herzen/ nehmet neben uns dieſe ſelig-
machende Erkaͤntniß willig an/ als dann wil ich ſie verſichern/ Gott wird uns helffen/ und
ehe dieſe Mauren niderfallen laſſen/ als daß wir unter den Haͤnden dieſer Feinde verder-
ben und umkommen ſolten. Das Fraͤulein gab ihm zur Antwort: Mein herzgeliebter
Schatz/ ich habe biß daher von Erkaͤntniß des wahren Gottes aus der Weltgelehrten und
der Poeten oder Tichter ihren Schrifften wenig lernen koͤnnen/ moͤchte aber von herzen
gerne des wahren Gottes Erkaͤntniß haben/ damit ich wuͤſte/ zu wem eigentlich in meinen
Noͤhten mein Gebet richten/ und von wem ich Hülffe erwarten ſolte. Iſt dieſes eure mey-
nung/ ſagte Herkules/ ſo danket Gott mit mir; dann auff dieſe Stunde werdet ihr ſolches
lernen. Unterꝛichtete ſie darauff aus den erſten dreyen Capiteln des Erſten Buchs Moſe/
von GOttes Weſen/ von dem Werke der Schoͤpffung/ von des Menſchen dreyfachem
Stande/ als der Unſchuld/ des Suͤndenfalles/ und der Erloͤſung; von der Heiligen Drey-
faltigkeit/ und wie die Andere Perſon der Gottheit vor 229 Jahren (damahliger wahrer
Rechnung/ dann nach heutiger Dionyſiſcher Zahl waͤre es das 226 Jahr) aus dem Jung-
fraͤulichem Leibe/ menſchliches Weſen und Eigenſchafften angenommen/ und vor unſere
Suͤnde zu Jeruſalem geſtorben/ am dritten Tage wieder aufferſtanden/ und am vierzigſten
hernach/ gen Himmel gefahren/ haͤtte ſeine Juͤnger in die Welt ausgeſendet/ in ſeinem Na-
men Vergebung der Suͤnden anzukuͤndigen/ auff daß die Menſchen ſich bekehren/ und ſe-
lig werden moͤchten. Nachgehends fuͤhrete er die ungereimeten ſchaͤndlichen Getichte des
Heydniſchen Glaubens ein/ und erwieß/ daß kein anderer als der Chriſtliche uns bey Gott
Gnade erwerben/ und zur Seligkeit bringen koͤnte. Endlich erzaͤhlete er das Wunder/ wel-
ches ſich zu Ekbatana mit dem Juden zugetragen hatte/ uñ betete ihr zulezt das Vater Unſer/
den Chriſtlichen allgemeinen Glauben/ und die Heiligen zehn Gebohte vor/ neben der Vermah-
nung/ ſie ſolte in dieſer Einfalt verharren/ biß der gnaͤdige Gott gelegenheit geben wuͤrde/ ſie
voͤlliger zuunterrichten. Das Fraͤulein hoͤrete ihm ſehr andaͤchtig zu/ und fragete/ warumb
dann die Heydniſchen Gelehrten hiervon nichts ſchrieben. Er aber zeigete ihr an/ es haͤtten
dieſelben den Schein dieſes Liechtes nicht gehabt/ ſondern nach ihrer blinden Vernunfft
von Goͤttern und Erſchaffung der Welt getichtet/ wie unter andern aus dem Ovidius zu
ſehen; Sie ſolte ſich aber mit dieſen Gedanken nicht plagen/ ſondern in allen ihren Noͤhten
auff den Sohn Gottes Chriſtus JEſus bauen und trauen/ auch vor allen dingen ſich huͤ-
ten/ daß ſie ja nicht/ Schande oder Pein zumeiden/ ſich ſelbſt umbs Leben braͤchte/ dann mit
deren Seligkeit ſtuͤnde es ſehr gefaͤhrlich. Das Fraͤulein erboht ſich/ ſeiner Vermahnung
fleiſſig nachzukommen/ und wuͤnſchete/ etliche Buͤcher zuhaben/ in welchen der Chriſtliche
Glaube fein deutlich beſchrieben waͤhre/ und wie man Gott ehren und Chriſtlich leben muͤ-
ſte. Herkules ſtellete ihr ſein gewoͤhnliches Buͤchlein zu/ in welchem ſolches alles kurz und
deutlich verfaſſet wahr/ ſagete ihr auch zu/ er wolte ſchon Gelegenheit finden/ daß die ganze
Hei-
[733]Vierdes Buch.
Heilige Schrifft und andere Chriſtliche Buͤcher ihr durch Phraortes eingeliefert wuͤrdẽ;
Aber der allmaͤchtige Gott und Vater/ ſagte er/ welcher ſich des menſchlichen Geſchlechtes
aus Gnaden erbarmet hat/ erleuchte euren Verſtand/ und beherſche euren Willen/ daß ihr
im heiligen Chriſtentuhm je mehr und mehr wachſen/ und dadurch zum ewigen Leben moͤ-
get erbauet werden. Nach dieſem erzaͤhlete er kuͤrzlich/ wie er dem Koͤnige ihren Stand
geoffenbahret haͤtte/ auch daß ihr Bruder und Oheim ſie zuſuchen/ auff der Reiſe waͤhren/
haͤtte ſich aber erklaͤret/ viel lieber groſſe Fuͤrſtentuͤhmer/ als ſie/ zuverlieren/ woraus leicht
zuſchlieſſen/ daß entweder durch Macht oder Liſt ihre Erloͤſung geſchehen muͤſte/ wozu er
aber Gott Lob/ ſchon ein ſolches Mittel in Haͤnden haͤtte/ welches ihm nicht fehlen ſolte; da
aber dieſes ſich noch etwas verzihen wuͤrde/ wie er nicht eigentlich wiſſen koͤnte/ moͤchte ſie
daruͤber nicht zaghafft noch ungeduldig werden/ ſondern in getraͤuer Liebe ſtandfeſt verblei-
ben/ und durch aͤuſſerlichen Schein oder weltlichen Pracht ſich von ihm nicht abtrennen
laſſen; hingegen wolte er ungeſparet Leibes und Lebens/ ihre Freyheit zubefodern/ bemuͤhet
ſeyn/ auch ohn ihre Geſellſchaffi dieſe Laͤnder nicht verlaſſen. Das verliebete Fraͤulein ſtel-
lete ſich wegen ſolcher Erinnerung ſehr traurig/ daß ihr auch eine bleiche zuſtieß/ uñ ſie end-
lich zur Antwort gab: O mein Gott! hat dann mein Herkules keine beſſere Gedanken von
mir/ und kan ſich fuͤrchten/ als wuͤrde mich Leichtfaͤrtigkeit uͤbernehmen/ ihm einige Tråu-
loſigkeit zubeweiſen? Meine trauten Seele/ fuhr ſie fort/ erinnert euch/ bitte ich/ des vergan-
genen/ daß/ ungeachtet eure Eltern und ganzes Vaterland euch vor einen Fluch gehalten/
ich nicht deſto weniger nach wie vor/ meines Herkules zu eigen er gebene blieben bin/ deſſen
meine Libuſſa/ ob Gott wil/ zu ſeiner Zeit wird Zeugniß geben; ſo verſichert euch nun/ mein
Schatz/ daß ich dieſelbe getraͤue bleibẽ werde/ als lange dieſes Herz (auf ihre Bruſt zeigend)
einiges Blutstroͤpflein in ſich behaͤlt; dann in dieſes iſt der liebe Nahme Herkules ſo tieff
hinein gedruͤcket/ daß ihn weder Luſt noch Angſt/ noch einige gefahr daraus kratzen ſol. Her-
kules wuſte vor hoher Vergnuͤgung nicht zu antworten/ umfing ſie tugendlich/ uñ baht ſehr
umb Verzeihung ſeiner Reden/ welche die uͤbermachte Liebe verurfachet haͤtte/ als die ſich
gemeiniglich pflegete zum zweiffel verleiten zulaſſen/ inſond heit/ wañ das geliebete hochvor-
trefflich/ und uͤber unſere Wirdigkeit iſt. Uber Wirdigkeit? ſagte das Fraͤulein; ja wie man
den Monden wolte der Sonnen vorzihen/ der doch allen Schein von ihr entlehnet. Her-
kules wolte dieſes beantworten/ aber ſie redete ihm ein/ mit einem freundlichẽ Ernſt bittend/
ihr dieſes unbeantwortet zulaſſen/ deßwegen er die gefaſſete Rede mit einem Seufſzen ver-
ſchluckete/ und damit zuverſtehen gab/ wie leid ihm waͤhre/ daß er gezwungen wuͤrde/ den
billichen Ruhm ſeiner Liebſten zu hinterhalten. Sie ſtunden und fahen einandeꝛ an/ dañ die
Liebe hatte ihr innerſtes eingenommen/ daß ſie ihrer ſelbſt vergeſſend/ nicht wuſten/ was ſie
redeten oder gedachten/ biß endlich Herkules anfing: Ach mein HErr Jeſus/ iſt es deiner
Barmherzigkeit gefaͤllig/ ſo erzeige mir die Gnade/ daß ich dieſen unvergleichlichen Schatz/
der nunmehr zu deiner Erkaͤntniß gelanget iſt/ loßmachen/ und in unſere Heimat wieder
geleiten moͤge. Ja mein HErr Jeſus/ antwortete ſie/ erhalte du dieſen deinen Knecht und
Diener der Welt zugute/ und laß ihn ſein Vaterland wieder ſehen; ſol ich dann mit ihm
fortreiſen/ wirſtu uns ſchon ſicher geleiten/ wo nicht/ ey ſo behuͤte mich nur vor Schande/
und laß mich als eine unbefleckete aus dieſer Eitelkeit ſcheidẽ/ damit ich weder dem ſchaͤnd-
Z z z z iijlichen
[734]Vierdes Buch.
lichen Bluthunde Artabanus/ noch ſonſt einem andern als meinem Herkules zuteil wer-
de. Gleich damahl fiel Herkules ein/ daß er das ehmahls geraubete Band umb ſeinem
Arm trug/ loͤſete es ab/ und uͤberreichte es mit folgenden Worten: Sehet da/ mein Fraͤu-
lein/ ſie erinnere ſich des Frevels/ welchen durch Abloͤſung dieſes Bandes ich vor dieſem zu
Prag begangen/ und daneben verſprochen/ es nicht ehe von mir zugeben/ biß ich Hoffnung
haͤtte/ ſie erſtes Tages zu ehlichen; Weil dann ſolche Zuſage ich gerne halten wil/ als liefe-
re ich daſſelbe gehorſamlich wieder ein/ dienſtlich bittend/ es von mir willig anzunehmen/
und die Bedingung zu herzen zufaſſen/ derẽ Vollenzihung daſſelbe iſt/ wz in dieſer irdiſchẽ
Welt ich am hoͤchſten wuͤnſche/ ſuche und begehre. Das Fraͤulein erroͤhtete wegen der
lezten Worte/ nam es ungewegert zu ſich/ und mit einem freundlichen laͤcheln antwortete
ſie: Es waͤhre aber dabey nicht verabſcheidet/ daß auſſer Prag/ geſchweige zu Charas ſie
dieſes Band von ſeiner Hand empfangen ſolte; doch weil Gott es alſo geſchicket haͤtte/
muͤſte ſie zufrieden ſeyn/ wolte ſich ihm und ſeinem ehrliebenden Begehren nicht wieder ſe-
tzen/ ſondern der Stunde ihrer Erloͤſung erwarten/ und ſich alsdann ihm ehelich ergeben/
ſtellete ihm darauff die aller koſtbahreſtẽ Kleinot zu/ ſamt ihrer erſten Raͤuber Handſchrift
wegen der nidergelegten Gelder/ vorwendend/ ſie wolte ihm dieſes zur erſten Heimſteur
einliefern/ weil ihm billich eine ſolche Belohnung vor die angewante Muͤhe der Nachſu-
chung gebuͤhrete/ biß auff folgende Erloͤſung ſie ſich ihm ſelbſt eigen lieferte; und ob er ſich
gleich ſehr wegerte/ muſte er doch ſo viel Kleinote zu ſich nehmen/ als er in ſeinen Kleidern
verbergen kunte. Sie hielten ihr freundliches Geſpraͤch bey die drey Stunden/ und erge-
tzeten ſich mit inbruͤnſtigen ehrliebenden kuͤſſen und umbfahen/ unter dem zweifel/ ob ſie
auch ſo bald wieder moͤchten zuſammen kommen. Und als ihnen Zeit dauchte/ daß es muͤ-
ſte geſchieden ſeyn/ ſetzete ſie ein Schreiben an den Koͤnig auff/ in welchem ſie ſich hoͤchlich
der Gnaden bedankete/ daß ſeine Hocheit dem Groß Fuͤrſten und dieſem bekanten Diener
ihres hoͤchſtſeel. Herrn Vaters allergnaͤdigſt erlaubet haͤtte/ ſie zubeſuchen/ gab zugleich
zuverſtehen/ ſie waͤhre auff des Koͤniges gutheiſſen geſonnen/ eine Botſchaft an ihre Fr.
Mutter abgehen zu laſſen/ und ihres guten wolergehens ſie zuverſtaͤndigen/ auch bey der
Goͤttin Veſten Geiſtligkeit zuverſuchen/ ob von der hinterſtelligen Zeit ihres geluͤbdes nit
etliche Monat durch Opffer und Geſchenke abzuhandeln ſtuͤnden. Unter dieſem Schrei-
ben faͤrbete Herkules ſein Angeſicht/ Haar und Haͤnde wieder an/ deſſen ſie ſich nicht we-
nig verwunderte/ und auff allen Fall des Pulvers etwas zu ſich nam/ weil ihr Herkules zu-
verſtehen gab/ das alle ſeine Anſchlaͤge zu ihrer Rettung naͤhſt der huͤlffe Gottes/ auf dieſes
Mittel gerichtet waͤhren; Und weil vor dißmahl er ſie verlaſſen muſte/ umbfingen ſie
ſich inbruͤnſtig/ da er ſein Fraͤulein alſo troͤſtete: Nun ihr auffenthalt meines Lebens/ laſſet
in dieſem Ungluͤk den Muht nicht ſinken/ ſondern vertrauet dem allerhoͤchſten Gott/ ich
weiß/ er wird nach dem Dornenſtiche uns die lieblichen Roſen der zeitlichen und ewigen
Gluͤkſeligkeit ſchier kuͤnftig brechen laſſen. O meines Lebens einige Wolluſt/ antwortete
ſie/ kraͤnket euch meinetwegen ja nicht/ ich wil unſer genommenen Abrede nach/ mich alle-
mahl gefaſſet halten/ ob einige Gelegenheit zu meiner erledigung ſich erzeigen wuͤrde/ Gott
verleihe nur/ daß es zum Gluͤk außſchlagen moͤge. Amen ſagete Herkules/ nam freundlichen
Abſcheid/ und in dem er zur Tuͤhr hinaus trat/ ſagete er zu Phraortes/ welcher drauſſen
mit
[735]Vierdes Buch.
mit dem Frauenzimmer ſprache hielt: Gnaͤdigſter Fuͤrſt und Herr/ nachdem mein aller-
gnaͤdigſtes Fraͤulein mich ihren unwirdigſten Knecht zur gnuͤge unterrichtet/ was bey ih-
rer Koͤnigl. Hocheit ich vortragen ſol/ habe ich Urlaub hinweg zu gehen. Das Fraͤulein
folgete ihm auff dem Fuſſenach/ ſehꝛ froͤlich und wolgemuht/ uñ ſagte zu Phꝛaortes: Mein
herzgeliebter Herr Vater/ da eure Liebe zuſprechen ich ſo bald keine Gelegenheit haben ſol-
te/ bitte ich ſehr/ ſein Gemahl/ meine auch herzgeliebete Fr. Mutter Kindlich zu gruͤſſen/
und was dieſer ſein Diener bey Koͤngl. Hocheit ſuchen wird/ befodern zu helffen/ dagegen
erbiete ich mich zu allem kindlichen Gehorſam/ ſo lange ich lebe. Ich bin des Vater-nah-
mens zu geringe/ antwortete er/ und verbleibe meiner Gn. Frl. Diener/ bin auch bereit
ihrem Befehl willig nachzukommen. Ging alſo mit Herkules uñ dem zugegebenen Kaͤm-
merlinge nach dem Koͤnigl. Schloſſe/ und ward von Artabanus wol empfangen/ der ihn
alsbald fragete/ wie ihm ſein Fraͤulein anſtuͤnde/ er aber zur Antwort gab: Sie haͤtte in
dieſer wenigen Zeit an Schoͤnheit und Leibes-groͤſſe wol zugenommen/ glaͤubete auch nit/
daß einige ihres gleichen in aller Welt zu finden waͤhre; ſeinen Diener haͤtte ſie ſtraks An-
geſichts gekennet/ und anfangs gewaͤhnet/ er wuͤrde von ihrer Fr. Mutter an ſie abgeſchic-
ket ſeyn/ da ſie aber eines andern berichtet worden/ haͤtte ſie inſtaͤndig angehalten/ bey ihreꝛ
Koͤnigl. Hocheit alleruntertaͤhnigſt zu werben/ daß ihr moͤchte erlaͤubet ſeyn/ dieſen ihren
Diener an ihre Fr. Mutter abzuſenden; und weil eꝛ ſcheuh getragen/ es muͤndlich anzuzei-
gen/ haͤtte an ſeine Koͤnigl. Hocheit ſie demſelben einen Brief zugeſtellet. Bald trat Herku-
les naͤher/ und uͤberreichte dem Koͤnige denſelbẽ/ welcher ihn ganz begierig laſe/ und nach
endigung ſagte: Ey du einige Vergnuͤgung unſer Seele und Lebens/ ein ſolches muͤſte dir
trauen unverſaget ſeyn/ ſolten wir gleich eine Begleitung von 50000 Mann zur verſiche-
rung mit ſchicken; weil ohn daß es zur beſchleunigung unſers Koͤniglichen Beylagers an-
geſehen iſt/ und wir daher das unfehlbare Zeichen ihrer Liebe gegen uns zur Gnuͤge erken-
nen. Aber Juͤngling/ ſagte er zu Herkules/ gedenkeſtu unſerm ſchier kuͤnftigen Koͤniglichen
Gemahl redliche Traͤue zuerweiſen/ ſoltu von uns mit groſſen Schenkungen angeſehen
werden. Herkules neigete ſich tieff/ und antwortete: Unuͤberwindlichſter Koͤnig/ allergnaͤ-
digſter Herr/ mein ganzes-All wil ich dran ſtrecken/ das meiner gnaͤdigſten Fraͤulein Be-
fehl und Wille volbracht werde/ wovon weder Gewalt noch Faͤhrligkeit/ ſo weit ſie zu uͤ-
berwinden ſtehet/ mich nicht abſchrecken ſol/ inſonderheit/ wann euer Koͤnigl. Hocheit al-
lergnaͤdigſtes Befehlen mit einſtimmet. Umb ſichere Begleitung wird ihre Hocheit ſich
nicht bemuͤhen duͤrffen/ geſtaltſam mein Gn. Fuͤrſt und Herr mir aus Meden Gelegen-
heit gnug verſchaffen kan/ biß an die Roͤmiſchen Grenzen zukommen/ da ich mit meinem
kuͤnftigen Freibrieffe weiter Raht finden werde. So gib ihm gnugſame Voͤlker zu mein
Fuͤſt/ ſagte der Koͤnig zu Phraortes; wir wollen ihm nur 20 aͤdle Parther zuordnen/ daß
er als ein Groß Koͤniglicher Geſanter erſcheinen moͤge; und damit du zu unſern Ehren
zu Prag dich praͤchtig gnug halten koͤnneſt/ ſagte er zu Herkules/ ſollen dir 400000 Kro-
nen aus unſer groſſen Schazkammer ſtuͤndlich erlegt/ und gnugſame Vollmachten un-
ter unſer Hand und Pitſchaft mitgeteilet werden; kanſt auch Morgen fruͤh mit Fuͤrſt
Phraortes zu unſerm Fraͤulein gehen/ und ihre Handſchreiben von ihr empfangen. Hieß
darauff vor 600000 Kronen allerhand Kleinot und koſtbahre Sachen/ herzubringen/ uñ
in
[736]Vierdes Buch.
in feſte Truhen wolvermachẽ/ welche der Koͤnigin in Boͤhmen ſolten geliefert werden; be-
fahl auch daß man durch reitende Diener im Koͤnigreiche hin und wie der nachforſchete/
ob der Fraͤulein H. Bruder koͤnte außgekundſchaffet werden/ welchen er zu ſeinem Stat-
halter verordnen wolte. Alſo muſte Herkules hingehen/ und ſich zur Reiſe ſchicken/ dann
Phraortes gab ihn auff des Koͤniges Begehren dem Fraͤulein uͤber/ und ſprach ihn ſei-
ner Dienſte loß. Da ſeumete er ſich nun nicht/ ſondern ging eilends nach ſeiner Herberge/
und erzaͤhlete ſeinem Ladiſla allen Verlauff; welcher nicht anders meinete/ er haͤtte aus uͤ-
berfluͤſſiger Liebe ſeinen Wiz verlohren und fragete/ warumb er doch die Reiſe nach Prag
auff ſich nehmen/ und unterdeſſen die Gelegenheit/ ſein Fraͤulein zuerloͤſen verabſeumen
wolte; ja es lieſſe ſich anſehẽ/ als waͤhre er willens/ Koͤnig Artabanus Freiwerber zu ſeyn/
welches er nimmer hoffen wolte. Herkules lachete deſſen/ und gab ihm zur Antwort: Ge-
liebter Bruder/ ich habe dir ja bloß nur zuerkennen gegeben/ wie ich dieſen Koͤnig geaͤffet/
und kanſtu wol ſolche Gedanken faſſen/ daß ich die Muͤhe/ mein ander Herz zuſuchen/ deß-
wegen uͤber mich genommen habe/ daß ich mich ihrer ſo leicht begeben/ uñ ſie Artabanus
goͤnnen wolte? laß du mich nur machen/ ich bin ſo wenig willens nach Prage zu reiſen als
du/ ehe und bevor mein Fraͤulein in unſer Geſelſchaft ſeyn wird. Meine Meinung aber
iſt/ daß wir eine Botſchaft nach Padua/ und wol gar biß nach Prag ſenden/ und unſern
Zuſtand den unſern zuwiſſen machen/ dann mir zweifelt nicht/ weil ſie die ganze Zeit uͤber
nur ein Schreiben ſo wol von dir als mir haben/ ſie werden groſſes Verlangen tragen/
und in ſteter Furcht unſers Lebens ſeyn. Inzwiſchen redete Phraortes bey der Koͤnigli-
chen Abendmahlzeit von ſeinem geweſenen/ nunmehr Koͤniglichem Diener Valikules/
wie er ſo wol mit Wehr und Waffen umbzugehen wuͤſte/ und in allen ritterlichen Ubungẽ
erfahren waͤhre/ welches er/ wiewol ungerne/ in etlichen Schimpfſpielen haͤtte ſehen laſ-
ſen/ waͤhre doch gar ſtille und eingezogen dabey/ und lieſſe ſich deſſen ſo gar nicht merken/
als ob er davon nichts gefaſſet haͤtte; als er auch endlich hinzutaht/ es waͤhre ihm ſeines
gleichen in dem Alter noch keiner vorkommen/ ſagte Fuͤrſt Vologeſes der juͤnger; ſo muß
er vor ſeinem Abzuge deſſen eine Bewehrung ſehen laſſen/ dafern Koͤnigl. Hocheit es ge-
faͤllig ſeyn kan; dañ ich habe auch einen aͤdlen Diener aus Armenien/ der mir ſeiner Mañ-
heit ſo mannichen Beweißtuhm gezeiget/ daß er bißher von allen Ritterſpielen den Preiß
davon getragen/ wiewol er auch viel groͤſſer und ſtaͤrcker von Leibe und Glieden/ als dieſer
añoch lauterer Juͤngling iſt. Phraortes antwortete: Ich verachte euer Liebe Diener nicht/
nach dem er mir unbekant iſt/ duͤrfte aber ſchier eine Schanze wagen/ mein geweſener Va-
likules werde ihm wenig oder gar nichts ſchuldig ſeyn/ ungeachtet ich von ihm noch keinen
ernſtlichen Streit geſehen/ auch zu den Schimpfſpielen uͤbel zubringen iſt/ gibt vor/ man
mache ihm dadurch nur Feinde ohn Urſach und aus Ehrgeiz/ und ſey beſſer/ die Kraͤfte zu
ſparen/ biß man ihrer ehrenhalben und dem Vaterlande zum beſten benoͤhtiget ſey. Eure
Liebe verzeihen mir/ ſagte Vologeſes/ vielleicht hat euer Diener mehr Wiſſenſchaft und
ſchaͤrffe im Munde/ als in den Faͤuſten vermoͤgens/ und halte ich gaͤnzlich davor/ mein
Mithrenes ſchluͤge ſich lieber mit ſeiner ein halb Dutzet/ als mit ihm allein; jedoch weil eu-
re Liebe ſich zur Wette anerbeut/ bin ich bereit/ ein gedoppeltes gegen ein einfaches zuſe-
tzen. Phraortes ſtellete ſich etwas furchtſam bey der Sache/ inſonderheit/ weil er meinete
Her-
[737]Vierdes Buch.
Herkules dadurch zuerzuͤrnẽ wante demnach abermahl ein/ er pflegete ſich der Schimpf-
uͤbungen gerne zuentbrechen/ ſo waͤhre er auch nicht mehr in ſeinen/ ſondern in der Koͤnig-
lichen Fraͤulein/ bevorab in Koͤnigl. Hocheit Dienſten. Worauff Vologeſes zur Antwort
gab/ ſein Mithrenes ſolte ihm ſchon Urſach zum ernſtlichen Gefechte geben/ da er ſonſt ſo
viel herzens haͤtte ſich zu wehren/ wolte doch mit ihm abreden/ daß er ſeiner Geſundheit uñ
Lebens ſchonen ſolte. Phraortes ſtellete es endlich zu ihrer Koͤnigl. Hocheit bewilligung/
auff welchen Fall er ſich abermahl zur Wette erbot. Artabanus ſagete/ er ſaͤhe den Juͤng-
ling davor nicht an/ daß groſſe Kraͤfte hinter ihm ſtecken ſolten/ nicht deſtoweniger moͤchte
er wol ſehen/ wie er ſich in die Sache ſchicken wolte/ und das Gewehr fuͤhren. Des folgen-
den Morgens ward Herkules nebeſt den Groß Fuͤrſten nach dem Fraͤulein gefuͤhret/ da er
ihr eine wolgeſchriebene Griechiſche Bibel mitbrachte. Sie verwunderte ſich ſeiner
ſchnellen Wiederkunft/ hies ihn zu ihr ins Gemach treten/ uñ wahr uͤber ſeiner gegenwaꝛt
voller freuden. Phraortes wolte ihr heimliches Geſpraͤch nicht ſtoͤren/ und begab ſich in
das gemeine Frauenzimmer/ da Herkules gleich anfangs ihr die H. Schrift einhaͤndigte/
und unterricht erteilete/ wie ſie dieſelbe leſen ſolte/ worzu ihr lieber wahr/ als haͤtte man ihr
ein Koͤnigreich geſchenket; dann/ ſagte ſie/ ich habe hinte dieſe Nacht eine ſolche himliſche
Freude in meiner Seele empfunden/ daß ichs nicht außreden kan/ auch eine Offenbah-
rung gehabt/ die mich verſichert/ unſer Vorhabẽ werde zur gluͤklichen endſchaft außſchla-
gen/ obs gleich nit ohn Muͤhe und Gefahr zu gehen wird/ maſſen mich eigentlich gedauch-
te/ wir waͤhren in vermum̃eter Geſtalt mit ſchnellen Pferden durch Hecken und Dornen/
ja durch Waſſer und Feur geritten/ und von ferne hinter uns her eine groſſe Anzahl der
Verfolger/ die uns erſchrecklich mit ruffen und bloſſen Saͤbeln draͤueten/ aber es ſtellete
ſich eine wunderbahre feurige Maur zwiſchen uns/ daß jene uns weder ſehen noch ein-
hohlen kunten. Dieſe feurige Maur/ ſagte Herkules/ iſt der Schuz der lieben heiligen En-
gel/ welche uns unſer Gott wil zu geben/ daß wir vor unſern Feinden ſicher bleiben ſollen/
darumb wollen wir unſerm Gott vertrauen und an ſeiner gnaͤdigen Huͤlffe nicht zwei-
feln. Nachgehends berichtete er ſie alles deſſen/ was bey dem Koͤnige vorgangen wahr/
und wie er willens waͤhre/ etliche Diener nach Padua und wol gar nach Prage zu ſenden/
und unter der Zeit bey Artaxerxes dem Perſen ſich auffzuhalten/ biß es Zeit ſeyn wuͤrde ſie
abzuhohlen; beredete ſich weiter mit ihr/ was vor ertichtete Brieffe er dem Koͤnige un-
ter dem nahmen ihrer Fr. Mutter wieder zuſtellen/ oder da ihr Zuſtand eine geſchwindere
Eile zur erloͤſung erfoderen ſolte/ er ſich verhalten wolte/ da ihm mit Gottes Huͤlffe ſein
Anſchlag nicht wuͤrde fehlen/ ſie von dem Schloſſe zu fuͤhren. Den Tag laſſe uns Gott bald
erleben/ ſagte das Fraͤulein/ damit ich mich ſchier wieder in Freiheit wiſſen und ſehen moͤge;
fingen darauff ein zuͤchtiges inbruͤnſtiges Liebe- Geſpråch an/ und ergetzeten ſich etliche
Stunden miteinander/ da Herkules ſich erkuͤhnete/ und umb ſchleunige Einwilligung ih-
res Chriſtlichen Beilagers anhielt/ einwendend/ daß er als dañ aller Furcht und Sorge/
die ihn ſo heftig quaͤlete/ erſt wuͤrde benommen ſeyn. Sie aber kunte aus ſchamhaftigkeit
darein nicht willigen/ ob ſie gleich bekennete ſich ihm darzu verbunden ſeyn/ endlich auff
ſein weiters anhalten/ vertroͤſtete ſie ihn auff ihre erſte Zuſammenkunft/ weil ſie keine Hof-
nung hatte/ ihn vor ſeinem abreiſen wieder zuſprechen; womit er auch zufrieden wahr/ er-
A a a a agetze-
[738]Vierdes Buch.
getzeten ſich miteinander in reiner Liebe/ und muſte er auff ihr anhalten erzaͤhlen/ was ihm
auff ſeiner Reiſe denkwirdiges begegnet wahr/ da er nicht unberuͤhret ließ/ was vor groſſe
Freunde er an dem Stathalter zu Jeruſalem/ deſſen Gemahl und Fraͤulein Tochter haͤtte/
ruͤhmete auch Fr. Sophien Tugend/ und Frl. Sibyllen auffrichtige Froͤmmigkeit. Sie
hingegen wolte mit ihm kurzweilen und ſagte: Mein trauten Schaz/ ich bin ſchon in er-
fahrung kommen/ daß dieſe leztgenante ſehr ſchoͤne Roͤmiſche Fraͤulein zu Padua eurer Lie-
be hat ſollen vermaͤhlet werden/ und o wie eine herzbrechende Angſt wuͤrde mir dieſe Zei-
tung geweſen ſeyn/ halte auch wol dz bloß nur euer Gewiſſen euch zuruͤcke gehalten; moͤch-
te doch gerne wiſſen/ ob ihr auch groͤſſere Kundſchaft mit ihr als bißher mit mir gehabt/
welches euch zuverzeihen/ ich hiemit verſprechen wil/ wo es ſonſten noch bey der Zimligkeit
verblieben iſt. Sie brachte dieſes zwar mit aͤuſſerlicher Freundligkeit vor/ welche aber dan-
noch den Liebes-Eifer nicht aller dinge bergen kunte. Herkules hingegen lachete dieſer Re-
den einfaͤltig/ und nach erteiletem herzlichen Kuſſe antwortete er ihr: Ob ich gleich durch-
aus nicht erſinnen kan/ von wañen euer Liebe dieſes zukommen ſey/ mag ſie dañoch ſich wol
verſichert halten/ welches ich auch bey meinem teils des Himmels rede/ das gegen dieſes
Fraͤulein noch keine eheliche Liebe/ vielweniger eine unzuͤchtige in meinem Herzen aufgan-
gen iſt/ deren keuſche Zucht und Tugend doch geliebet zu werden/ wol verdienet/ wird dem-
nach mein Schaz mich ſolches verdachtes/ da einiger bey ihr iſt/ wol erlaſſen; aber wann
ſie ja alles was mir in ſolchen ſachen begegnet iſt/ wiſſen wil/ ward mir zu Rom in meiner
Leibeigenſchaft wol anders nachgeſtellet/ da ich mich kaum der Tochter im Hauſe durch er-
tichtete Luͤgen erwehret hatte/ als die Stieffmutter mit viel groͤſſer er Frecheit meiner un-
zimlichen Liebe begehrete; doch ſchickete es der fromme Gott/ daß ich auch deren durch ein
gefaͤhrliches Getichte noch loß wahr/ und ward hohe Zeit/ wie mein Ladiſla zu meiner Er-
loͤſung ſich einſtellete/ maſſen ich aus unterſchiedlichen ihren Reden ſpuͤrete/ daß ſie meine
getahne Entſchuldigung begunte in zweifel zuzihen/ wiewol ich lieber den Tod wuͤrde erlit-
ten/ als in ihren gottloſen Willen gehehlet haben. Darff ich nun meinem Seelen-Schatze
alles gar vertrauen/ ſo wiſſe ſie/ daß man mir zu Jeruſalem viel naͤher getreten/ als zu Pa-
dua/ wiewol ohn alle Unkeuſcheit/ haͤtte auch ſchwerlich voruͤber gekunt/ wann der ruhm-
wirdigſte Nahme Valiſka nicht ſo tief in mein Herz gepreget waͤhre/ ſo daß denſelben we-
der dieſe noch einige andere außheben wird; darumb ſo wolle mein Seelichen feſtiglich
glaͤuben/ daß/ ſint der Zeit ich die Sonne aller Schoͤnheit/ Frl. Valiſken geſehen/ und ei-
nige Hoffnung deren Gegenliebe gehabt/ ich mich eben ſo wenig an den Monde oder an-
dere Schoͤnheit-Sternen gekehret habe/ als ob ſie in der Welt nicht waͤhren. Ach mein
allerwerdeſter Schatz/ antwortete ſie/ verzeihet mir/ bitte ich/ den geringen Argwohn/ wel-
chen meine Furcht in mir anblaſen wollen/ er iſt Gott Lob/ durch dieſen groſſen Strohm
eurer Liebe allerdinge ausgeloͤſchet/ ſol auch nim̃er mehr wieder angezuͤndet werden; aber
maͤſſiget euch/ bitte ich ſehr/ in den unverdieneten Lobreden meiner Geringfuͤgigkeit, Gott
weiß/ daß ich mich noch lange nicht ſchoͤn genug halte eurer Liebe/ und da ihr die Augen eu-
res Verſtandes recht wuͤrdet aufftuhn/ muͤſten meine vielfaͤltigen Maͤngel und Gebrechen
bald verrahten werden; war umb mag dann mein Schatz mich einer Sonnen vergleichẽ/
da ich nicht der geringſte Stern bin? verſichert euch aber/ mein Seelichen/ daß/ weil ich
ver-
[739]Vierdes Buch.
vernehme/ daß eure Reden von herzen gehen/ und ihr aus uͤbermachter Liebe mich ſo hoch
ſchaͤtzet/ ich ſelbſt veꝛlangen darnach trage/ daß ihr in euren ehrliebenden Begierden bald be-
friediget werdet/ wuͤnſche auch/ daß ihr das eingebildete an mir finden/ und ein voͤlliges ge-
nuͤgen an mir haben moͤget. Unvergleichliches Kleinot/ ſagte er hierauff/ warum muß dañ
euer herrlicher Verſtand allenthalben durchdringen/ und nur in Erkaͤntniß eurer Seelen-
und Leibes-Vollkommenheit blind und unwiſſend ſeyn? Verringert euch nicht/ mein Fraͤu-
lein/ und laͤſtert nicht/ was die allgemeine Mutter euch vor andern allen mitgeteilet hat.
Und O wie vergnuͤget werde ich ſeyn/ wann ich (Gott gebe/ daß es bald geſchehe) deſſen ge-
nieſſen ſol/ worauff Artabanus in raſender Wuht hoffet; dann wie ſchon geſagt/ ehe werde
ich weder Ruhe noch ſichern Troſt bey mir empfinden. Er redete dieſes mit ſo traurigen
Geberden/ daß ſie gꝛoſſes mitleiden mit ihm trug/ und von herzen wuͤnſchete/ ihn vergnuͤgen
zu koͤnnen; fiel ihm auch umb den Hals mit etlichen Kuͤſſen/ und ſagte zu ihm: Troͤſtet euch
mein Schatz/ mit der Hoffnung/ vielleicht ſchickets Gott/ daß ich bald euer Ehe Gemahl
werde. Gleich dazumahl ward ſie ihres Ringes an ſeinem Finger gewahr/ an welchem ſie
inwendig ihrer beyder Nahmen mit durcheinander geſetzeten Buchſtaben hatte eingraben
laſſen/ beſahe ihn eigentlich/ und nach gegebenem Handkuſſe fragete ſie/ durch was Gluͤckes-
fall ihm dieſer waͤhre zuhanden kommen/ dann ſie erinnerte ſich der ungluͤklichen Herber-
ge/ in welcher ſie ihn neben ihren Haaren und lezt empfangenem Brieflein/ auch andern
Ringen mehr unter die Betſtat verſtecket haͤtte; und da ſie vernam/ daß ers alles von Ne-
klam empfangen/ ſahe auch/ daß er ſeinen Anteil von ihren Haaren hervor zohe/ nam ſie ein
kleines Scherichen/ und ſchnitte einen Strang ſeiner Locken von ſeinem Haͤupte/ baht ihn/
die angeſtrichene Farbe davon zumachen/ und erklaͤrete ſich/ ſie wolte ein Armband davon
zurichten/ und es zu ſeinem Gedaͤchtniß tragen. Er aber zeigete ihr an/ daß er dieſen Ring
nit anders ſchaͤtzete/ als haͤtte er denſelben von ihr ſelbſt bey der Traue empfangen/ ſich auch
daher mehr vor ihren Gemahl als Braͤutigam gehalten. Sie ſahe wol/ daß er aus innig-
ſter Gewogenheit die Beſchleunigung ihrer Ehe ſuchete/ daher ſie ſich erkuͤhnete/ zu ihm zu
ſagen: Damit ſie nicht geringere Liebe gegen ihn/ als er gegen ſie ſpuͤren lieſſe/ wolte ſie bey
ſeiner erſten Wiederkunfft ihn vor ihren Herrn und Gemahl halten/ und nur noch dißmal
vor ihren Braͤutigam/ welches mit kuͤſſen und umfahen beſtaͤtiget waꝛd. Weil ſie aber bey-
derſeits merketen/ daß hohe Zeit ſeyn wuͤrde/ was noͤhtigers vorzunehmen/ wolte ſie ſich ſet-
zen/ ihre Briefe nach Padua und Prag zuverfertigen/ aber Herkules verhinderte ſolches/
einwendend/ ſie muͤſte nicht zu ſehr eilen/ noch die gelegenheit/ wieder zu ihr zukommen/ ihm
benehmen/ welches ſie mit einem ſchamrohten laͤcheln beantwortete/ und ſich endlich erklaͤ-
rete/ wanns ihn alſo gut daͤuchte/ wolte ſie nach ſeinem Abſcheide die Feder gebrauchen/
ſpracheten noch ein Stuͤndichen zuſammen/ und als Phraortes ſie der Zeit erinnerte/ das
Fraͤulein auch ſehr zweifelte/ daß das Gluͤk vor ſeinem Abzuge ſie wieder zuſammen fuͤgen
wuͤrde/ und deswegen einen gaͤnzlichen Abſcheid mit Traͤhnen von ihm nam/ ſtellete er ſich
gleich auch alſo/ und ſagte zu ihr: Mein allerwerdeſter Schatz in dieſer Welt; ich befehle
euch der Obhuet und Wache des allmaͤchtigen Gottes/ biß auff meine gluͤkliche Wieder-
kunfft/ derſelbe wolle euren Glauben ſtaͤrken und mehren/ und in aller Widerwaͤrtigkeit be-
ſtaͤndige Geduld verleihen; inzwiſchen wil in abweſenheit meiner Gemahl (dann davor
A a a a a ijhalte
[740]Vierdes Buch.
halte ich ſie) die Hoffnung kuͤſſen/ unter der feſten Zuverſicht/ mein Seelchen werde die mir
jeztgetahne Verheiſſung/ zu meiner erſten Wiederkunfft auff dieſes Gemach ungewegert
leiſten/ damit an ihrer ausbuͤndigẽ Schoͤnheit/ als an meinem Ehelichen Gemahl ich mich
ergetzen moͤge/ weil ich nicht bedacht bin/ mich ihres verſprechens zubegeben. Sie hoͤrete
ſein erſtes vorbringen mit inniglicher Andacht/ den Beſchluß aber mit einer Schamroͤhte
an/ und meynete es mit ſtillſchweigen zubeantworten/ weil ſie ſich fuͤrchtete/ ihm ein mehres
als ſich gebuͤhrete/ verſprochen zuhaben; weil er aber umb ſchließliche Erklaͤrung anhielt/
ſagte ſie: Allerteureſter Schatz/ ich befinde in meinem Herzen/ daß ich zu ſchwach bin/ ſeinẽ
Vorſatz zubrechen; und weil ich mein Gemuͤht ihm zuerklaͤren ſchuldig bin/ angeſehen ſei-
ne getraͤue Liebe/ welche er mir in dieſer gefaͤhrlichen Nachfolge ſatſam erzeiget hat/ ſo waͤh-
re mir zwar nichts liebers/ als daß meiner allerliebſtẽ Fr. Mutter ich in dem reinen Jung-
fraͤulichen Stande wieder moͤchte geliefert werden/ in welchem ich von ihr ausgezogẽ bin:
weil ich aber euch vor meinen Herrn und Gemahl auffgenommen habe/ werde ich muͤſſen
ſeinem hefftigen anſuchen ſtat geben/ und mich ihm als ein Gemahl goͤnnen/ auff daß nicht
allein ich ihm ſeines Mißtrauens und anderer Herzenskraͤnkungen benehme/ ſondern ihn
hiedurch zur ſchleunigen befoderung meiner Freyheit deſto mehr anreize; welches dann
mit einem Handſchlage und vielen Kuͤſſen beſtaͤtiget ward; worauff er mit Phraortes in
zimlicher Verwirrung davon ging/ und mit demſelben nach dem Koͤniglichen Schloſ-
ſe ſich verfuͤgete/ woſelbſt er nunmehr als ein beſtelleter Koͤniglicher Diener/ dem Koͤnige
ſelbſt auffwarten muſte. Nun hatte Vologeſes der juͤnger mit ſeinem Ritterlichen Diener
Mithrenes alles angelegt/ wie er urſach an den jungen Teutſchen ſuchen ſolte/ welcher ſich
in etwas beſchwerete/ daß er ſich mit einem ſchwachen Jungen/ wie er vorgab/ ſchlagen ſol-
te. Bey der Mahlzeit ward Phraortes von Vologeſes erinnert/ die Wette zubeſtimmen/
der ohn weiteres bedenken ſeinen Satz auff 100000 Kronen benahmete/ jener aber/ dieſer
Beute ſich erfreuend/ ein doppeltes zulegen verſprach. Herkules wahr ſehr geſchaͤfftig/ ſei-
nem Koͤnige zu gefallen/ nam ſich einer zuͤchtigen Scham und Furcht an/ und warff daher
der Koͤnig auff ihn eine ſonderliche Neigung und Gewogenheit. Vologeſes aber fing ein
Geſpraͤch mit ihm an/ er haͤtte aus ſeinen geſtrigen Reden vernommen/ daß er ſchon in den
Ritter Orden getreten waͤhre; nun ſaͤhe er ihn aber vor ſehr jung an/ und moͤchte gerne wiſ-
ſen/ was vor Waffen man in ſeiner Landesart gebrauchete/ die von ſo jungen Leuten beydes
zum Schuz ihrer/ und zur Verletzung der Feinde koͤnten gefuͤhret werden. Herkules ward
des Spottes bald innen/ ließ ſichs doch nicht merken/ ſondern mit demuͤhtiger Herzhaftig-
keit ſagte er: Gnaͤdiger Fuͤrſt und Herꝛ/ in meiner dreyjaͤhrigen ritteꝛlichen uͤbung habe ich
mich Roͤmiſcher Waffen gebraucht/ eines feſten Helmes/ Bruſt-Ruͤck- und Beinharni-
ſches/ neben gewoͤhnlichẽ Reuter Schilde; das Gewehr iſt ein Ritter Speer/ uñ Schweꝛt/
wie es Roͤmiſche Ritter fuͤhren/ und ich hauſſen vor dem Gemache abgelegt habe. Vologe-
ſes fragete nachmahl/ ob er dann ſo ſchwere Rüſtung ſchon drey Jahr håtte fuͤhren koͤnnen/
und vernaͤhme von Phraortes/ daß er kaum das zwanzigſte Jahr hinter ſich gelegt. Der
Schimpff haͤtte ihn faſt zu herbe gedaucht/ doch hielt er ſich ein/ und antwortete mit einem
hoͤflichen Ernſte: Ja gnaͤdiger Fuͤrſt/ wann mir erlaͤubet iſt/ ihrer Durchl. zuantworten/
habe ich ſie/ ohn Ruhm zumelden/ dieſe Zeit her gefuͤhret/ und wider meines gleichen Stan-
des Leu-
[741]Vierdes Buch.
des Leuten verteidiget/ ſo offt ſie mir ſolche ſtreitig machen wollen. Mithrenes hatte ſich ge-
rade gegen uͤber geſtellet/ uñ lachete dieſer Antwort gar hoͤniſch; welches ihn heftig ſchmer-
zete/ und nuꝛ wuͤnſchete/ gelegenheit zuhaben/ ihn deſſen gereuen zumachen/ welche ihm bald
an die hand gegeben ward; dann nach geendigter ſeiner Rede/ die Vologeſes als zu frech
auffnam/ ſagte derſelbe zu ſeinem Mithrenes: Als viel ich von dieſem jungen Teutſchen
vernehme/ iſt bey euch uñ ihnen eine groſſe Ungleicheit im Ritter-weꝛden. Ja/ Durchleuch-
tiger Fuͤrſt/ antwortete dieſer; wer bey uns in Armenien Ritter heiſſen wil/ muß nicht al-
lein das Maul/ ſondern vielmehr die Faͤuſte zugebrauchen wiſſen; ſo laͤſſet man auch keinen
unter 25 Jahren zu/ er habe dann fuͤnff Ritter herab geſtochen/ und ſolches ohn einige Be-
waͤgung im Sattel/ wuͤrde auch mit ſo einem jungen Knaben/ wie dieſer iſt/ ſich niemand
leicht in Streit einlaſſen/ da ihm nicht zuvor Zuſage geſchaͤhe/ es ſolte ihm an ſeinem Rit-
terſtande keinerley weiſe ſchimpflich ſeyn. Herkules ward durch ſolche aͤuſſerſte beſchimpf-
fung dermaſſen entruͤſtet/ daß er ſich faſt uͤberſehen haͤtte/ begriff ſich aber noch/ und fing an:
Allergroßmaͤchtigſter Unuͤberwindlichſter Koͤnig/ allergnaͤdigſter Herr; demnach Eure
Koͤnigl. Hocheit mich unwirdigſten vor einen Ritterlichen Diener angenommen/ auch
hoͤhere Koͤnigl. Gnade mir erzeiget/ als meine Wenigkeit faͤhig ſeyn kan/ gelebe ich allerun-
tertaͤhnigſt der troͤſtlichen Zuverſicht/ Dieſelbe werden ihrem Diener Freyheit geben/ ſeine
ritterliche Ehre zuhandhaben/ ſolches bitte ich im Nahmen und von wegen meiner aller-
gnaͤdigſten Fraͤulein/ als deren Hoͤchſt Seel. Herr Vater mich dieſes Standes gewirdiget
hat; ſetzete ſich darauf in die Knie/ und erwartete genehmer Antwort. Der Koͤnig ſahe ihn
an/ entſetzete ſich faſt vor ſeinen feurigen Augen/ und antwortete ihm: Weil du unſer Die-
ner biſt/ und jener ſtolzer (den wir umb ſeines Herrn willen uͤberſehen) dir zu nahe getreten
iſt/ ſol dir ritterliche Freyheit erlaubet ſeyn. Bald ſtund Herkules auff/ bedankete ſich aller-
untertaͤhnigſt/ und ſagte zu Vologeſes: Durchleuchtiger Fuͤrſt/ Eure Durchl. mit einigem
Worte zubeleidigen/ bin ich nicht willens; aber wer ihr auch ſeyd (ſagte er zu Mithrenes)
habt als ein ſtolzer (wie Koͤnigl. Hocheit euch gefcholten) wider Rittergebuͤhr mich be-
ſchimpffet/ und ohn alle gegebene Urſach euch gelüſten laſſen/ meine ritterliche Ehre zukraͤn-
ken; da ich nun ſolches einfreſſen wuͤrde/ waͤhre ich nicht allein unwirdig/ meines groſſen
Koͤniges Diener zuſeyn/ ſondern duͤrffte auch keinen Fuß wieder in mein geliebtes Vateꝛ-
land ſetzen; begehre demnach Abtrag vor angelegte Schmach/ oder ihr muͤſſet mir ohne
Kampff nicht entgehen/ wie jung und ungeuͤbet ihr mich gleich haltet. Mithrenes fuͤrchtete
ſich vor dem Koͤnige/ hatte auch von ſeinem Herrn einen Wink bekommen/ glimpflich zu-
fahren/ deswegen gab er ihm dieſe Antwort: Habe ich meinem allergnaͤdigſten Koͤnige zu-
wider gehandelt/ ſo bitte von ſeiner Koͤnigl. Hocheit ich deſſen alleruntertaͤhnigſt Verge-
bung; taht hiemit einen Fußfall/ und ward von dem Koͤnige begnadet; Zu Herkules aber
ſagte er: Juͤngling/ ich habe dich nicht als einen Koͤniglichen Diener beſchimpffet/ dann
davor werden die Goͤtter mich wol behuͤten/ aber daß du dich vor einen Ritter angiebeſt/
wovor du nicht erkennet biſt/ habe ich unbeantwortet nicht laſſen koͤnnen; nun haſtu uͤber
das mich noch zum Kampfe ausgefodert/ aber mein Juͤngling/ du weiſt noch nicht was ein
Kampf iſt/ und wirſt ſolches zuvor muͤſſen in der Schuele lernen/ ehe du dich vor die ſcharf-
fe Spitze wageſt/ dann deiner drey oder viere wuͤrden mir viel zu leicht ſeyn/ daher/ Koͤnigl.
A a a a a iijHocheit
[742]Vierdes Buch.
Hocheit zu alleruntertaͤhnigſtem Gehorſam/ erlaſſe ich dich dieſer Ausfoderung. Sihe da/
antwortete Herkules/ jezt gabeſtu ja vor/ ein Ritter muͤſte nit dz Maul/ ſondern die Faͤuſte
zugebrauchen wiſſen/ und du wilt mich gleich mit deiner ruhmraͤtigen Zunge zu bodem
rennen/ ja meiner viere zugleich vornehmen? waͤhreſtu ein vernuͤnfftiger Ritter/ wuͤrdeſtu
nimmermehr ſolchen ſtolz brauchen; ſo gehe nun bald/ uñ wapne dich/ ich wil/ ob Gott wil/
meines geweſenen Koͤniges Ehre retten/ und mit meinem Speer und Schwert behaͤuptẽ/
daß dero Hocheit nie keine unduͤchtige in den loͤblichen Ritterorden angenommen hat/ da
dann jederman ſehen wird/ wie wenig Teutſche Nidrigkeit den Armeniſchen Stolz achte;
biſtu aber zu feige/ allein zuerſcheinen/ ſo nim noch ein Ungeheur zu dir/ es ſol dir hiemit er-
laubet ſeyn. Der verwaͤgene Mithrenes vermeynete des Schimpffs zuberſten/ warff ſeinẽ
Handſchuch vor Herkules nider/ uñ ſagte zu ihm: Da haſtu dz Pfand/ dz ich dich in ſtuͤckẽ
zerhauẽ wil. Herkules hub ihn auf/ warff ihm den ſeinen hinwieder zu/ mit halblachender
ſtim̃e ſprechend: Da nim wieder hin mein Pfand/ dz dein ſtuͤkhauen nur eine ſtolze Einbil-
dung ſey/ uñ ich/ dafern du durch abbitte mich verſoͤhnẽ wiꝛſt/ deines Lebens ſchonẽ wil. Deꝛ
Koͤnig geboht ihnẽ dz keiner foͤrder ein wort redete/ oder ſich am and’n vergreiffe/ bißſie auf
dem Platze erſcheinẽ wurdẽ; wodurch Mithrenes verhindert ward ſein bedrauliches groß-
ſprechen fortzuſetzen. Vologeſes der aͤlter/ ein anſehnlicher/ gerechter und Kriegsverſtaͤn-
diger Herr/ und der groͤſſeſte im Reich/ nach dem Koͤnige/ des juͤngern naher anverwan-
ter/ merkete wol/ daß ſein Oheim dieſes Spiel alſo gefidelt hatte/ welches ihm nicht wol ge-
fiel; Ihm warteten ſeine drey Leibdiener auff die außbuͤndigſten Fechter zu Charas/ deren
vornehmſter Mentor/ der ander Sabazes/ der dritte Orſines hieß; dieſe ſtelleten ſich Zeit
ſolches weitlaͤuftigen Geſpraͤches an einen Ort zuſammen/ und hielten ihre Unterredung;
ſo bald dieſe den Außſpruch des Koͤniges hoͤreten/ und ihnen gaͤnzlich vorgenommen hat-
ten/ an dieſem jungen fremden Ritter/ der von Phraortes ſo hoch geruͤhmet wahr/ ſonder-
liche Ehre einzulegen/ machten ſich anfangs zu ihrem Herꝛn hin/ und bahten untertaͤhnig/
ihnen zuverguͤnſtigen/ dz ſie den ihnen von jenem jungen ſtolzen Ritteꝛ angelegtẽ Schimpf/
Koͤnigl. Hocheit alleruntertaͤhnigſt vortragen/ und um gebuͤhrliche Rache auhaltẽ moͤch-
ten. Fuͤrſt Vologeſes der aͤlter/ der auff dieſe Buben groß hielt/ weil ſie ihre ſchelmiſche
Bosheit/ durch welche ſie mannichen unſchuldigen umb Ehr/ Leben und zeitliche Wol-
fahrt gebracht hatten/ vor ihm ganz artig zuverbergen wuſten/ antwortete ihnen; da ſie be-
leidiget waͤhren/ ſtuͤnde ihnen frey ſolches zu ahnen. Worauff dieſe drey vor den Koͤnig
ſich auff die Knie legeten/ und Mentor/ welcher in der Mitte ſaß/ alſo anfing: Allergroß-
maͤchtigſter unuͤberwindligſter Koͤnig; euer Koͤnigl. Hocheit alleruntertaͤhnigſt zu klagen/
koͤnnen wir nicht umhin/ was Geſtalt gegenwaͤrtiger/ dieſer fremdling uns alle drey auff
freier Straſſe/ oͤffentlich beſchimpfet/ in dem er uns/ da wir ihn ganz hoͤflich gegruͤſſet/ den
Gecken geſtochen/ und als wir ihn daruͤben zu rede ſetzeten/ uns zur Antwort gab; ob wir
nicht wuͤſten/ daß er ein Koͤniglicher/ wir aber nur kahle Fuͤrſtliche bedienete waͤhren/ und
ihm daher frey ſtuͤnde/ uns ſeines gefallens zu haben. Zwar wir haͤtten fuge und Urſach
gnug gehabt/ uns an ihm zu raͤchen/ worzu wir das Mittel an der Seite fuͤhreten/ aber Koͤ-
nigl. Hocheit zu alleruntertaͤhnigſten ehren/ haben wir uns an dero Diener nicht wollen
vergreiffen/ ſondern derſelben dieſen uns angefuͤgten unabloͤſchlichen Schimpff klagen/
und
[743]Vierdes Buch.
und zugleich umb allergnaͤdigſte Erlaubung anhalten wollen/ unſer Schwert/ einer nach
dem andern wie der dieſen Spoͤtter und Geckenſtecher zu wenden/ und ihn zuunterweiſen/
daß er hinfuͤro ablaſſe ehrliche Leute dergeſtalt zubeſchimpfen/ dafern er ſein Leben vor uns
bergen und erhalten wird. Phraortes entſetzete ſich uͤber dieſer Anklage/ die er wuſte falſch
und ertichtet ſeyn/ wahr auch bereit Herkules zu entſchuldigen/ welcher aber dieſe unver-
muhtliche beſchuldigung mit groſſer beſtaͤndigkeit anhoͤrend/ ſich nicht eins daruͤber bewaͤ-
gete/ ſondern nach deren endigung ſagte: Ihr drey Klaͤger/ weil in vorbringung eurer An-
klage ihr mit Fingern und Haͤuptern auff mich gezeiget/ muß ich mich vor den beklageten
halten; ich verzeihe euch aber dieſe Beleidigung ganz gerne/ weil ich nicht zweifele ihr weꝛ-
det an mir irren/ und mich vor einen halten der ich nicht bin. Mentor der Klaͤger ſagte
darauff: Mein Kerl/ der Leute ſind mehr in der Welt als du/ welche das Spiel/ Haſtu es
getahn/ ſo leugne nur/ wol gelernet haben/ und zugebrauchen wiſſen; und wann ich allein die-
ſen Schimpff eingenommen haͤtte/ wuͤrde ich in ermangelung des beweißtuhms wol ein
Luͤgner heiſſen muͤſſen/ aber dieſe meine beyde Zeugen/ denen ein gleichmaͤſſiges von dir be-
gegnet iſt/ werden mich in der Warheit ſchon ſteiffen/ und deine Bosheit an den Tag legen.
Seine beyde Geſellen fingen alsbald an ein ſolches mit zu bejahen/ und erbohten ſich alle
drey zum aͤide. Deſſen entſetzete ſich nun Herkules in etwas/ blieb doch bey ſeiner Sanft-
muht/ und erinnerte ſie nochmahls/ ſich wol zubedenken/ und keinen unſchuldigen mit ſo
ſchwerer Klage anzufaſſen. Weil ſie aber beſtaͤndig dabey blieben; fragete er ſie an was
Ort/ und zu welcher Zeit dann ſolches geſchehen waͤre. Ihm antwortete Mentor/ er frage-
te nach einem Wege/ welchen er wol wuͤſte. Nachdem aber der Koͤnig ihre Antwort be-
gehrete/ ſagete dieſer/ es waͤhre auff der Schloßgaſſen/ zwo Stunden vor der Mahlzeit
dieſen Morgen geſchehen. Herkules gab zur Antwort: Ich ermahne euch nochmahls alle
drey/ daß ihr entweder euren Irtuhm/ oder eure Bosheit bey zeiten erkennet und bekeñet/
ſonſt werde ich gezwungen/ umb Handhabung meiner Ehre/ euch oͤffentlich zuſchanden
zu machen/ welches ich doch ungerne tuhn moͤchte. Ihr Herr Fuͤrſt Vologeſes ſagte zu
Phraortes: Euer geweſener Diener muß ſehr unverſchaͤmt/ oder meine drey Fechter die
gottloſeſten Buben ſeyn. Deſſen gebe ich mein Leben/ Ehr und alle meine Haabſeligkeit
zu pfande/ antwortete Phraortes/ daß mein geweſener Diener hierin allerdinge unſchul-
dig iſt/ maſſen er dieſen ganzen Morgen biß an die Mahlzeit mit mir bey dem Koͤnigl. Frl.
auff dem Schloſſe geweſen. Sie lieſſens bey dieſem verbleiben/ umb der Zaͤnkerey Aus-
ſchlag zuvernehmen; dann als Herkules die Klaͤger abermahl alſo warnete/ blieben ſie
ſteiff bey ihrer auſſage/ und beſtunden feſt/ deſſen einen aͤid zu leiſten. Darauff wendete ſich
nun Herkules zu dem Koͤnige/ und ſagete: Ich weiß nicht/ allergnaͤdigſter Koͤnig/ was
vor ein neidiſches Ungluͤk mir dieſen Tag alſo nachſtellet/ und mich ſuchet zu einem Bubẽ
und Spoͤtter zu machen; Nun getroͤſte ich mich meines guten gewiſſens und meiner Un-
ſchuld/ welche gegen dieſe drey gottloſe Verleumder/ die in ihrer offenbahren Unwarheit
ſich duͤrffen zum aͤide anerbieten/ ich leicht behaͤupten/ und durch gnugſames Zeugnis/
meiner allergnaͤdigſten Fraͤulein/ meines gnaͤdigſten Groß Fuͤrſten/ und der ganzen Beſat-
zung des Fraͤulein-Schloſſes dartuhn wolte/ daß umb die von dieſen Verleumdern aus-
geſag ete Zeit/ ich auf ieztgedachtem Schloſſe/ und nicht auff der Gaſſe geweſen bin. Aber
daß
[744]Vierdes Buch.
daß nicht einer oder ander Urſach nehme/ mich einer Kleinmuhtigkeit zubeſchuldigen/ ſo
erbiete ich mich/ meine gute Sache unter dem Schuz Gottes/ wieder dieſe drey Veꝛleum-
der mit dem Schwerte zuhandhaben/ weil ich vor Augen ſehe/ daß alle Anklage bloß zu dem
Ende angeſehen iſt; moͤgen ſich demnach dieſe drey mit meinem erſten Feinde vergleichen/
wer den erſten Streit mit mir angehen ſol. Mithrenes gab vor/ weil er zum erſten außge-
fodert waͤhre/ haͤtte er billich den Vorzug. Herkules antwortete/ es gefiele ihm ſoches noch
wol/ daß er nunmehr in wirdig und duͤchtig erkennete/ mit dem er einen ritterlichen Ver-
ſuch taͤhte. Hingegen wante Mentor ein/ nachdem er ſich abermahl auff einen aͤid beruf-
fen hatte/ ſie waͤhren am erſten beleidiget worden/ daher muͤſte er ihnen auch am erſten zu
rechte ſtehen. Ich wil euch verleumdern und luͤgenern ſolches nicht verſagen/ antwortete
Herkules/ und daͤucht mich ſelber/ ich koͤnne mit der geringſten Muͤhe an euch den Anfang
machen/ weil es vermuhtlich zu Fuſſe und mit dem Schwerte geſchehen ſol; bin alſo bereit
auff dem Vorderſaal in gegenwart meines allergnaͤdigſten Koͤniges uñ aller Hoch Fuͤrſtl.
Geſelſchaft mit euch den Span zuſchlichten/ und erwarte den Auſſpruch von Koͤniglicher
Hocheit. Fuͤrſt Vologeſes der aͤlter ſtund auff/ und redete ihn alſo an: Herzhafter Ritter/
ihr duͤrfet euch gegen meine drey Diener/ als hochbeſchriehene Fechter nicht in Lebensge-
fahr wagen/ dafern ihr nach eurer Anzeige eure Unſchuld darlegen koͤnnet/ welches ich euch
faſt zu traue/ da dann auff ſolchen Fall meine Diener empfinden ſollen/ wie feind ich alle-
mahl der boßhaften Verleumdung geweſen bin. Durchl. Fuͤrſt/ antwortete er/ mit groſſeꝛ
Ehrerbietung/ Eurer Durchl. hochgepreiſete Gerechtigkeit und Helden-Tapfferkeit hat
den Preiß des ganzen Erdbodens erworben/ welchen ich zuerheben nimmer mehr vergeſ-
ſen wil; weil aber mein ritterliches Anſehen allermeiſt auff der Fauſt beruhet/ ſo wolle Eu-
re Durchl. gnaͤdigſt einwilligen/ daß dieſer Kampff vor ſich gehe/ und ſich verſichern/ daß
Gott der Unſchuld zu ſteuer legen werde. Wolan/ antwortete der Fuͤrſt/ eure Tapfferkeit
in dieſer Jugend verdienet ein beſſer Gluͤk/ als boͤſe Buben euch zubereiten/ und ſtelle ichs
alles zu Koͤniglicher Anordnung. Artabanus kunte ſich uͤber ſeines Dieners unerſchroc-
kenen Muht nicht gnug verwundern/ hielt auch ſeine Unſchuld vor ſchon erwieſen/ wuſte
aber auch/ mit was guten Fechtern ers wuͤrde zutuhn haben/ und fuͤrchtete ſehr/ er wuͤrde
ſein Leben einbuͤſſen muͤſſen; wolte demnach in dieſer Sache nicht ſprechen/ ſondern beſtel-
lete Phraortes an ſeine ſtat/ welcher dann durch einẽ Wink von Herkules leicht verſtund/
wie er die Urtel abfaſſen ſolte/ deswegen er alſo anfing: Im Nahmen und aus Vollmacht
Koͤniglichen Hocheit/ wird dem Koͤnigl. Ritterlichen Diener Valikules hiemit die Frey-
heit gegeben/ den Kampff wider ſeine drey Anklaͤger fortzuſetzen/ ſo daß vorerſt der Wort-
halter/ hernach der zur Rechten/ und zulezt der zur Linken ihm fuß halten ſollen/ an was ort/
und auff was weiſe ers als Ausfoderer begehren wird/ jedoch alles redlich und ohn Vor-
tel. Herkules bedankete ſich des Ausſpruchs/ und alle anweſende verwunderten ſich deſſen/
die Verleumder aber huͤpffeten vor freuden auff/ und vermaß ſich Mentor/ dafern er un-
terliegen wuͤrde/ wolte er ſich ſelbſt der Kreuzigung zugeſprochen haben; welches die an-
deren beyden ihm nachſageten. Herkules taht als hoͤrete ers nicht/ foderte ſeine Anklaͤger
aus auff den Voͤrder Saal/ daſelbſt ſchlug er einen zimlichen Kreiß/ ſo viel Raum zween
fechtenden ohn ruͤkweich noͤhtig wahr; und als der Koͤnig mit der ganzen Geſelſchafft zu-
gegen
[745]Vierdes Buch.
gegen ſtund/ ſagte er: Trit her in dieſen Kreiß/ du Verleumder/ und wer von uns beyden
daraus ſchreiten wird/ ſo lange der Kampf waͤhret/ ſol am Kreuz die Seele ausblaſen. Die
Augen branten ihm im Kopffe/ und niemand hatte genauere acht auff ihn/ als Vologeſes
der aͤlter/ welcher als dem Koͤnige am naͤheſten ſtehend/ zu ihm ſagete: Dieſer junge Ritter
iſt auſſer allem Zweifel mehr/ als er ſich ausgibt. Mentor haͤtte dieſe Kreiſſes-bedingung
lieber ausgeſchlagen/ aber die geſprochene Urtel ſtund ihm im Wege/ und ſein erworbener
Fechter-Ruhm/ trat alſo hinein/ und boht ſeinem Feinde die Spitze; welcher aber in einem
kurzen Lager/ ſein Schwert mit ausgeſtrektem Arme gerade auffrecht hielt/ woraus jener
ſchon merkete/ daß er keinen Schuͤler vor ſich hatte/ nam ihm auch vor/ alle Vorſichtigkeit
anzuwenden; Sie verſuchten beyderſeits durch falſche Augenwinke und Draͤuſtoͤſſe einer
den andern zuverfuͤhren/ aber es wolte nirgend zu/ wiewol alle anweſende unſerm Herkules
den Vorzug zulegten/ welcher ſich ſchaͤmend/ die Zeit vergebens zuzubringen/ ſeinem Fein-
de/ ehe er ſichs verſahe/ den rechten Arm mit einem Unterhieb laͤhmete/ dz er das Schwert
fallen ließ/ jedoch mit der linken es wieder auffhuhb/ weil ihn Herkules unterdeſſen nicht be-
ſchaͤdigen wolte: ſondern redete ihn alſo an: Du Luͤgener/ bekenne deine Bosheit und mei-
ne Unſchuld/ oder du muſt das Kreuz bekleiden. Ich bleibe beſtaͤndig bey der Warheit/ ant-
wortete Mentor/ und die erſte Wunde iſt mir eine Auffmunterung von meinem Schlaffe.
Sie bunden von neuen an/ dann Mentor war mit beyden Haͤndẽ geuͤbet/ aber die empfan-
gene Wunde/ welche viel Blut gab/ ſchmerzete ihn ſehr/ und machte ihn kraftloß/ daheꝛ ihm
Herkules eintrat/ reiß ihm mit der linken das Schwert aus der Fauſt/ und mit der rechten
gab er ihm mit dem Degenknauff eins wider die Stirn/ daß er geſtrekt hinter ſich fiel; wor-
auff ſein Uberwinder begehrete/ daß er gefaͤnglich angenommen wuͤꝛde/ welches die Koͤnig-
liche Trabanten auff Geheiß verrichteten; aber ehe ſie ſichs verſahen/ zuͤckete dieſer ſeinen
Dolch/ und erſtach ſich damit. O ihr leichtfertige Schelmen/ ſagte ihr Herr/ Fuͤrſt Volo-
geſes/ wie tuht dieſer uͤberwundene eine ſo klare Bekaͤneniß durch ſeine eigene Ermordung/
mit was Bosheit ihr verknuͤpfet ſeyd. Herkules kehrete ſich daran nichts/ ſondern rief dem
andern/ was er ſich lange ſaͤumete/ ſein Mithrenes wolte auch noch ein Stuͤndichen zum
Spiel haben; Dieſer Sabazes aber wendete ein/ es waͤhre nicht Fechteriſch/ ſich in einen
engen Kreiß einzuſchlieſſen/ welches einige ſeinem Geſellen allen Schaden getahn haͤtte/
deswegen begehrete er freyen Raum zum Kampffe. So gib ihm Raum/ mein Valikules/
ſagte der Koͤnig/ dann die Unſchuld kan auch auff freyem Platze ſiegen. Ganz gerne/ aller-
gnaͤdigſter Koͤnig/ antwortete er; ging ſehr eiferig/ und mit ausgeſtrecketem Lager auff ihn
loß/ brachte ihm bald anfangs einen Schnit uͤber den linkẽ Backẽ an/ womit er ihn zugleich
wehrloß machete/ dann er faſſete mit der linken in ſeines Feindes Gefaͤß/ und beugete ihm
das Schwert aus der Fauſt. Dieſer begab ſich auffs lauffen/ aber Herkules hinter ihn an/
und ſtieß ihn mit dem genommenen Degen Gefaͤß hinten auff das Haupt/ dz ihm die Hirn-
ſchale borſte/ und in kurzem verſchiede. Der dritte/ Orſines/ der es den beyden vorigen in
der Kunſt nit gleich taht/ ging mit erſchrockenem Herzen heran/ hatte ſich auch kaum recht
ins Lager geſtellet/ da lag ſeine Fauſt mit ſamt dem Schwert auff der Erden. Herkules
faſſete ihn an/ und ſagete: Mein/ biß du doch der vernuͤnfftigſte/ und bekenne die Warheit/
alsdann wil ich dich verbitten/ daß du beym Leben bleibeſt. Ja mein Herr/ antwortete er/ es
B b b b biſt
[746]Vierdes Buch.
iſt unſer lauter Muhtwille geweſen/ euch ſolche ertichtete Luͤgen aufzubuͤrden/ bloß daß wir
an euch Ehre erjagen/ und nach eurem Tode euer gutes Kleid erbeuten moͤchten; Wollet
nun eurer Zuſage nach bey dem Koͤnige mir unwirdigen das Leben verbitten. Aber ſein
Herr/ Vologeſes/ trat hinzu/ und ſagte: Ein ſolcher Erz Schelm muͤſte ſich ja nicht rühmẽ/
daß er mein Diener geweſen/ und mit ſeinen Luͤgen mich hintergangen haͤtte; zog hiemit
ſein Seitengewehr aus/ und ſtieß ihm ſolches/ da er auff den Knien ſaß/ durchs Herz. Die-
ſer ruhmwirdige Sieg wahr in einer halben Stunde gaͤnzlich erſtritten/ und bekam der uͤ-
berwinder/ aller anweſenden (den juͤngern Vologeſes ausgenommen) ſonderliche Gunſt;
Der Koͤnig wuͤnſchete ihm mit wenig Worten Gluͤk; Fuͤrſt Vologeſes der aͤltere/ ruͤhme-
te ihn oͤffentlich/ und boht ihm alle Gnade an; gegen welchen er ſich ſehr demuͤhtigte/ und
ſich gluͤkſelig preiſete/ eines ſolchen weltbeſchriehenen Fuͤrſten Gnade erlanget zuhaben.
Der jüngere Vologeſes durffte wegen des Koͤniges nicht unhoͤflich ſeyn/ und ſagte zu ihm:
Ritter/ ihr habt euch wol erwieſen/ daß eure Jugend des Schwertſtreites erfahren ſey/
moͤchte wuͤnſchen/ daß ihr mit meinem Mithrenes hindurch waͤhret. Gnaͤdiger Fuͤrſt/ ant-
wortete er/ ich bedanke mich beyde des Ruhms und der gnaͤdigen Gewogenheit untertaͤh-
nig/ moͤchte auch wuͤnſchen/ daß ich mit ihrer Fuͤrſtl. Gn. Diener gleich jezt im Werk waͤ-
re/ dann ſein Maul hat ihn ſchon verrahten/ daß das Herz ſich auf keine Tugend/ ſondern
bloß auff die viehiſche Leibesgroͤſſe verlaͤſſet/ daher ich mit ihm als mit einem groſſen wilden
Ochſen umgehen werde/ es ſey dann/ daß er zu beſſeren Gedanken greiffe. Dieſer ſtund nit
weit davon/ daß er alles anhoͤrete/ meynete vor Zorn zuberſten/ und draͤuete/ ihn in kleine
bißlein zuzerhacken; Aber Herkules lachete ſein/ und ſagte: Ich gedachte/ du Untihr wuͤr-
deſt dich ſchon hinaus gemacht haben/ woſelbſt ich dich noch zu beſſerer Erkaͤntniß zubrin-
gen verhoffe. Der aͤltere Vologeſes kunte nicht unterlaſſen/ ſeinem hochmuhtigen Oheim
einzureden/ wie er doch immermehr einem Diener ſo viel Frevels geſtattete/ wodurch der
Koͤnig gar leicht zu ſchwerer Ungnade wider ihn ſelbſt koͤnte gereizet werden; Aber der
Neid/ welchen er wider Herkules gefaſſet hatte/ wahr ſo hefftig/ dz er als blind und taub fich
ſtellete. Herkules hielt bey Phraortes an/ den Koͤnig zuerſuchen/ daß der Kampff unter deꝛ
Fraͤulein Schloſſe gehalten wuͤrde/ welches Artabanus leicht bewilligte/ und durch Phra-
ortes dem Fraͤulein anmelden ließ/ dafern ſie ihren tapferen Diener Valikules/ welcher
ſchon drey Fechter zu fuſſe erlegt haͤtte/ wolte zu Roſſe kaͤmpffen ſehen/ moͤchte ſie auff ihren
Obergang treten/ weil ihr doch nicht geliebete aus dem Schloſſe zukommen. Sie ließ ſich
von dem Groß Fuͤrſten alles Verlauffs berichten/ und ſagete: O wie wuͤrde mein Herku-
les dergleichen Streite und Kaͤmpffe ſo gerne alle Tage antreten/ wann er mich aus die-
ſem Schloſſe ſtechen oder hauẽ koͤnte; doch bin ich ihm davor nit ein geringes verbunden/
daß er meines Hochſeel. Vaters Koͤnigl. Wirde handhaben wil. Phraortes troͤſtete ſie/ es
wuͤrde der teure Fuͤrſt ſchon mittel ergreiffen/ ſie zu rechteꝛ Zeit ledig zumachen/ wozu zwei-
fels ohn ihm ſeine Kunſtfarbe ſehr vortraͤglich ſeyn wuͤrde; Aber meine herzgeliebete Frl.
Tochter/ ſagte er/ muͤſte dem lieben Fuͤrſten hierzu einen Muht und freudiges Herz machẽ.
Ja mein allerliebſter Herꝛ Vater/ antwortete ſie/ wie gerne wolte ich/ wann ſolches in mei-
nen Kraͤfften ſtuͤnde. Darinnen beſtehet es alles/ ſagte er; ſol ich abeꝛ ſo kuͤhne ſeyn/ und ſa-
gen/ wie? Ach ja/ mein Herr Vater/ antwortete ſie; unterrichtet mich/ bitte ich/ als eure
Toch-
[747]Vierdes Buch.
Tochter/ ich wil herzlich gerne folgen. Wol dann/ meine Frl. Tochter/ ſagte er; Sie tuhe
nur diß/ und gebe dem hoͤchſtverliebeten Fuͤrſten nach dieſem doch nicht mehr urſach/ daß
er trauriger von hinnen ſcheide/ als er herkomt; ich fuͤrchte/ wo meine Frl. Tochter in ihreꝛ
Haͤrtigkeit alſo fortfaͤhret/ es werde ſich des Fuͤrſten Herz in dem ungeſtuͤmen Liebes Feur
bald verzehren; was nun Eure Liebe vor Nutzen daher haben wuͤrde/ ſtelle ich derſelben zu
bedenken anheim. Das Fraͤulein entſetzete ſich der Rede/ und ſagte nach kurzem bedenken:
Mein Herr Vater/ wo er mich vaͤterlich liebet/ wolle er mir entdecken/ ob mein Herkules
dieſe Vorbitte an ihn geſucht habe. Nein/ meine Frl. Tochter/ antwortete er/ er weiß bey
meinen Fuͤrſtlichen Ehren/ nichts umb mein Vorbringen/ ſtellet ſich auch allemahl im ab-
ſcheiden von dieſem Orte ſehr froͤlich gegen mich/ wiewol ich ſein heimliches leiden aus un-
terſchiedlichen Zeichen wol erkenne. Das Fraͤulein gab ſich hierauff zufrieden/ und ſagete
als im ſcherze: Es ſolte ihr Herkules eines ſolchen kraͤfftigen und vollguͤltigen Vorbitters
zugenieſſen haben. Und die Warheit zu ſagen/ drungen dieſe Reden dergeſtalt durch ihr
Herz/ daß ihr leid wahr/ ihm nicht alles eingewilliget zuhaben. Der Groß Fuͤrſt nam von
ihr Abſcheid/ ſie aber putzete ſich Koͤniglich aus/ und ward in aller eile eine Schau Buͤhne
vor den Koͤnig und ſeine Fuͤrſten auffgeſchlagen. Der Koͤnig wahr zeitig zugegen mit ſei-
nem Hof Stabe/ und ſtelleten ſich die Kaͤmpffer auch ein; Herkules wahr der erſte/ hatte ei-
ne ſtarke Ruͤſtung an/ ſo zu Ekbatana mit ſonderlichem fleiß aus dem feſteſten Stahl ge-
ſchmiedet wahr; Auff dem Helm fuͤhrete er einen Greiff/ auff deſſen Bruſt ſtunden dieſe
Worte: Pullum ereptum quæro Iugens. Das iſt/ Ich ſuche mein geraubetes junges mit groſſer
Betraurung. Im Schilde ſtund der kleine David/ und ſchlug dem Goliath das Haͤupt ab/
die uͤmſchrifft wahr: Pietas victrix domat temerarios Die Sieghaffte Gottesfurcht zaͤh-
met die Verwaͤgenen. Seines eigenen Pferdes wolte er ſich nicht gebrauchen/ weil er ſol-
ches noch in keinem abſonderlichen Treffen verſucht hatte/ und ſeinen trefflichen Blaͤnken
hatte er zu Ekbatana gelaſſen/ daß er von darab ſolte nach Perſepolis gebracht werdẽ/ waͤh-
lete deswegen Leches ſtarken Rappen/ und ritte/ von Tyriotes als einem vermeynten Groß-
Fuͤrſtlichen Mediſchen Ritter begleitet/ nach dem Kampffplatze/ ſtellete ſich auch gleich ge-
gen uͤber/ da er wuſte/ ſich das Fraͤulein anfinden wuͤrde. Der Koͤnig ſahe ihm mit Luſt zu/
wie artig er ſein Pferd zuſprengen/ und dermaſſen ſich im Sattel zuhalten wuſte/ daß er
zu Vologeſes dem aͤltern ſagete: Dafern die Erfahrenheit zu Pferde zuſtreiten ſei-
ner Fecht- und Reit Kunſt gleichete/ wuͤrde ers ſeinem Feinde leicht zuvor tuhn. Welches
er beantwortete: Er hielte dieſen Ritter vor einen halben Wunder-menſchen/ der ohn zwei-
fel mehr waͤhre/ als er ſich ausgaͤbe. Mithrenes von ſeinem Herrn begleitet/ kam auch an/
ſahe einem jungen Rieſen nicht ungleich/ und ritte auff einem ſchweren Hengſte. Sein
Herr erinnerte ihn ſeiner Tapfferkeit/ und daß er dieſen jungen Ritter nicht gering ſchaͤtzen
ſolte/ welcher mit ſeiner Geradigkeit den abgang der Leibeskraͤfte zuerſetzen wuͤſte/ ungeach-
tet es ihm doch auch an dieſen nicht fehlete; Die Wette lieffe hoch an/ und auf den fall des
Sieges ſolte er davon 6000 Kronen zu ſeinem Anteil haben. Dieſer verwaͤgene Menſch
baht hingegen/ er moͤchte doch keinen Zweifel an der uͤberwindung tragen; es waͤhre ein
groſſer Unterſcheid mit dem Speer zu Pferde/ und mit dem Schwert ohn Harniſch zu fuſ-
ſe zukaͤmpffen/ weil zuzeitẽ hier die Behaͤndigkeit etwas ſchaffete/ dorten aber wenig nuͤtzete;
B b b b b ijder
[748]Vierdes Buch.
der Sieg wuͤrde mehr liderlich als ruͤhmlich ſeyn. Wodurch ſein Herr ſich nicht wenig
der uͤberwindung verſichern ließ. Ehe das Treffen anging/ ließ der Koͤnig beyderfeits an-
melden/ daß wann zeit wehrendes Streits in die Tromete geſtoſſen wuͤrde/ ſolte bey Leib-
und Lebensſtraffe ihrer keiner einigen Schwertſchlag mehr fuͤhren; welches zu Valikules
Lebensrettung angeſehen wahr. Als das Fraͤulein mit bedecketem Angeſicht ihre Stelle be-
kleidet/ und von ferne ſich gegen den Koͤnig tief geneiget/ er hingegen mit ſeinem Reichsſta-
be ihr freundlich gewinket hatte/ wurden den Kaͤmpffern gleichmaͤſſige ſtarke Speere zu-
geſtellet/ welche ſie eigentlich beſahen/ bald darauff einlegeten/ und mit ſolchem ungeſtuͤm
auff einander ranten/ daß im Treffen die Speere ſplittersweiſe in die Lufft fuhren/ auch der
groſſe Mithrenes uͤber jedermans vermuhten beyde Stegreiff verlohr/ und auf des Pfeꝛ-
des Hals zuliegen kam/ daß er mit aͤuſſerſter muͤhe ſich des Falles enthielt/ da Herkules hin-
gegen unbewaͤglich vorbey trabete/ deſſen alle Zuſeher/ auch Ladiſla ſelbſt ſich verwunderte.
Der aͤltere Vologeſes ſagte zum Koͤnige: Eure Hocheit nehmen dieſes ihren Dieners
wahr/ welcher uns entweder zum ſonderlichen Gluͤk/ odeꝛ zum groſſen Verderben von den
Goͤttern zugeſchicket iſt. Aber der Koͤnigſchlug es in den Wind/ ohn zweifel aus Gottes
ſonderbahrer Schickung. Herkules foderte ein neues Speer/ und der andere eilete zum
Schwertſtreite/ welches ihm ſein Feind doch nicht goͤnnen wolte/ einwendend/ es muͤſte voꝛ
einer den Sattel raͤumen/ hernach koͤnte das Schwert noch fruͤh genug gebloͤſſet werden;
muſte alſo dieſer wider ſeinen Dank den andern Rit wagen/ welcher ihm ſo ungluͤklich ge-
riet/ daß er aus gehoben/ und auff die Erde geworffen ward/ mit ſolcher gewalt/ daß er uͤber
und uͤber purzelte; doch erhub er ſich/ und ſetzete ſich wieder auf/ wiewol mit ſolcher Scham/
daß er kaum ſehen kunte. Phraortes ſagte zu ſeinem Wettehalteꝛ: Den Schwertſtreit moͤ-
gen die Goͤtter und das Gluͤk ſchlichten/ im Stechen aber habe ich ſchon gewonnen. Ich
bekenne es/ antwortete dieſer/ und haͤtte ich hinter dieſem jungen Ritter ſolche unmenſchli-
che Krafft und Geſchikligkeit im rennen nimmermehr geſuchet/ welcher ohn zweifel im ſte-
chen gar wenige ſeines gleichen hat/ wie auch in der Fechtkunſt/ aber wie iſt eure Liebe doch
an dieſen Diener gerahten? Er hat ſich anfangs bey Mazeus angegeben/ antwortete er/ uñ
ihn wiſſen laſſen/ daß er wol geſinnet waͤhre/ ſich eine zeitlang bey einem Fuͤrſten dieſer Laͤn-
der aufzuhalten/ worauf er ihn an mich verwieſen/ mich zugleich berichtend/ wie er von ihm
ſehr kuͤnſtliche Schuͤſſe geſehen haͤtte. Herkules ſetzete inzwiſchen mit entbloͤſſetem Degen
auff ſeinen Feind/ und flog daher mit ſeinem Pferde als in Luͤfften/ ließ das Schwert drey
mahl umb den Kopff kommen/ und als er ſeinem Beſtreiter nahete/ ſagte er zu ihm: Du
hochmuͤhtiger Großſprecher/ begehreſtu annoch meiner drey oder viere? Ich meyne ja/ du
habeſt es mit dem Speer erwieſen/ daß Maul und Herz nicht eines Fleiſches an dir ſey;
Dieſer ſchaͤmete ſich ſchon des Falles heftig/ und machten ihn dieſe Worte vollend raſend/
daß er ohn einiges Wortſprechen Herkules mit ſolcher Wuht uͤberfiel/ als wolte er ihn mit
ſamt dem Roſſe uͤbern hauffen werffen/ der ihm aber mit guter Vorſichtigkeit begegnete/
gebrauchte ſich des Schildes/ und verſeumete nicht/ wann er gute und wirkende Schlaͤge
austeilen kunte/ daß man in kurzer Zeit das Blut von ihm rinnenſahe/ und taht uͤberdas
ſein Pferd einen ſchlim̃en Fehltrit/ daß es mit ihm uͤbern hauffen fiel. Herkules ſtieg auch
ab/ nahete ſich zu ihm/ da er noch auff der Erden unter dem Pferde lag/ und ſagte zu ihm:
Sihe
[749]Vierdes Buch.
Sihe mein Kerl/ wie leicht wuͤrde ich dich abſchlachten/ wann ich mich meines Rechts uñ
Vortels gebrauchen wolte; Aber damit du ſeheſt/ wie wenig mir vor dir grauet/ wil ich
dich zun Beinen kommen laſſen. Dieſer hatte ſich gleich hiemit loßgeriſſen/ wolte die ihm
erzeigete Guͤtigkeit nicht erkennen/ ſondern trat mit ſolchen ungeſtuͤmen Hieben auff Her-
kules dar/ daß er gezwungen/ ihm die erſten Hoͤrner muſte ablauffen laſſen/ gebrauchete ſich
bald ſeines Schildes/ bald ſeines geſchiklichen ausweichens/ biß er ſich wol abgearbeitet
hatte/ da er zu ihm ſagete: Haſtunicht bald ausgeraſet/ du wildes Tihr? griff ihn damit/
nicht weniger vorſichtig als ernſtlich an/ hieb ihm auch in kurzer friſt den Schild faſt zu
ſtuͤcken/ und gab ihm der Wunden ſo viel/ wiewol ſie nit tieff durchgingen/ daß ihm gleich-
wol der Harniſch roht gefaͤrbet ward/ uñ ſich mehr zu ſchuͤtzen/ als ſeinen Feind zuverletzen
muſte bemuͤhet ſeyn; welches Herkules meꝛkend/ ihm Gnade anbot/ uñ zu ihm ſagte: Mich
jam̃ert dein Mithrenes/ deswegen tuhe mir Abtrag/ ſonſt wird dein Lebẽ bald geendet ſeyn.
Weit gefehlet/ antwortete dieſer; ſamlete auch alle Kraͤfte zuſam̃en/ uñ wolte entweder bald
verſpielẽ oder gewiñen/ dz er auch das uͤbꝛige ſeines Schildes von ſich waꝛf/ uñ dz Schweꝛt
mit beydẽ Haͤnden faſſete/ ob wolte er ſeinen Feind in der mitte von einand’ hauẽ; aber dieſe
rechnung betrog ihn/ maſſen ihm Herkules fein ausweich/ uñ nit deſto minder ſeine Nach-
hiebe im̃eꝛzu anbrachte/ biß eꝛ ihm endlich dẽ Helm gar zerhieb/ dz er jm vom Kopfe ſprang/
worauff er zu ihm ſagete: Kanſtu deine Gefahr noch nicht erkennen/ ſo muſtu alles Witzes
beraubet ſeyn; ſo wiederruffe nun bald deine ſchmaͤhungen/ oder ich werde dich meinem ge-
weſenen allergnaͤdigſten Koͤnige zum Opffer ſchlachten. Noch wolte ſich dieſer nicht fin-
den/ ſondern gab zur Antwort: Nicht du/ ſondern das Gluͤk/ und jener allerſchoͤnſten Fraͤu-
lein Wiederwille hat mich ſo weit getrieben; aber biſtu redlich/ ſo laß uns ohn Harniſch
auff Fechter weiſe auch verſuchen/ dann ich merke wol/ daß deine Waffen durch Zauber-
kuͤnſte unuͤberwindlich gemacht ſind. Daß leugeſtu Bube/ antwortete er/ und ob ich dir
dein begehren abſchluͤge/ bliebe ich doch wol redlich; doch daß du auch dieſe Entſchuldi-
gung verliereſt/ ſol dir gewilfahret werden; rieff Phraortes Leibdiener herzu/ und ließ ſich
von demſelben entwapnen/ da Mithrenes ein gleiches verrichtete/ und nach abgelegtem
Harniſch die Menge ſeiner untieffen Wundẽ inne ward/ unter denen etliche/ weil die Blut-
adern getroffen wahren/ ſehr bluteten. Der Koͤnig ſahe daß ſein Valikules Meiſter ſpie-
lete/ deßwegen ließ er alles geſchehen/ und kunte ſeine unvergleichliche Herzhaftigkeit und
wolgeſchiktes Gefechte nit gnug ruͤhmen/ welches er aber auſſer dem Harniſche erſt recht
ſehen ließ; dañ da trieb er ſeinen Feind dergeſtalt umb/ und verſetzete ihm ſo manniche tief-
fe Wunde/ daß der Plaz ſchlipfrich davon ward/ auch der arme Tropff ſich kaum mehr
auffrecht halten kunte/ daher ihn Herkules abermahl zum Wiederruff ermahnete/ aber an
deſſen ſtat nur Schmaͤhungen zur Antwort bekam/ woruͤber er ſo eiferig ward/ dz er zu ihm
ſagete: Ey ſo ſolt und muſtu auch die Straffe eines boßhaften Schaͤnders außhalten/
wañ dein Kopf auch von Stahl und Eiſen waͤhre. Vologeſes der juͤnger ſahe/ daß es mit
ſeinem Diener am Ende wahr/ und baht den Koͤnig/ er moͤchte/ allergnaͤdigſtem verſpre-
chen nach/ den Kampff auffheben; welcher ihm aber antwortete; ſo muͤſte auch Mithre-
nes ſeine laͤſterhafte Zunge einhalten/ und unſern tapfferen Ritter und Diener unbeſchimp-
fet laſſen/ weil er aber zum Kreuz weder krichen kan noch wil/ empfaͤhet er davor billich ſei-
B b b b b iijne
[750]Vierdes Buch.
ne Straffe; ihr aber ſchicket euch/ die verwetteten Gelder außzuzaͤhlen. Gleich mit dem
Worte fuͤhrete Herkules einen uͤberaus kraͤftigen Hieb/ welcher in der Luft ſchallete/ da-
mit zerſpaltete er ſeinem Feinde das Haͤupt/ ſo daß der Hieb durch die Bruſt/ biß faſt auff
den oberſten Magenmund ging/ ſahe auff gen Himmel/ und dankete ſeinem Gott vor den
verliehenen Sieg/ legte ſein Schwert nieder auff die Erde/ uñ neigete ſich gegen ſein Fraͤu-
lein; bald ſetzete er ſich vor den Koͤnig auff die Knie und ſagete: Allergnaͤdigſter Koͤnig/
euer hohen Koͤnigl. Gnade danke ich untertaͤhnigſt/ wegen gnaͤdigſter erlaͤubnis zu dieſem
Kampfe/ und werde hinfuͤro von dieſem hechmuͤhtigen Schaͤnder wol unangefochten
bleiben/ deſſen ſchlimmes Herz und machtloſe Faͤuſte ſich in dieſen Streitte gar zu ſehr ver-
rahten haben; bitte daneben/ es wolle der Durchl. Fuͤrſt/ Herr Vologeſes keine ungnade
wegen ſeines Dieners Tod auff mich werffen/ weil derſelbe ſich ſelbſt des Lebens unwirdig
gemacht hat/ welches ich ihm zu unterſchiedlichen mahlen angebohtẽ. Unterdeſſen ſchicke-
te das Fraͤulein eine ihres Frauenzimmers herunter auff die Streitbahn/ welche den Koͤ-
nig alſo anredete: Unuͤberwindligſter Koͤnig/ euer Koͤnigl. Hocheit demuͤhtigſte Herku-
liſka/ bittet unter taͤhnigſt/ ſie verſtåndigen zu laſſen/ welches Fuͤrſten oder Herrn Diener
der entleibete Boͤſewicht ſey/ welcher hat zu geben oder gut heiſſen koͤnnen/ daß ihr Herr
Vater hoͤchſtmildeſter gedaͤchtnis von dem Schandmau[l] durch ſchmaͤhung ſeiner Ritter
hat muͤſſen gelaͤſtert/ uñ in ſeiner Ruhe getadelt werden. Nun hat unſer gnaͤdigſtes Fraͤu-
lein Zeit wehrendes Kampffes einen geſpañeten Bogen neben ſich gehabt/ des ſteifen Vor-
ſatzes/ dafern ihr Diener in dieſem Streite ſich verzagt wuͤrde gehalten haben/ ihn mit ih-
rem Pfeil zuerlegen; nachdem er aber den Schaͤnder abgeſtraffet/ iſt ſie in ſo weit vergnuͤ-
get/ doch wird ihm Vorbitte vonnoͤhten ſeyn/ dafern er verzeihung hoffet/ dz er den Streit
ohn ihr erlaͤubnis angetreten. Sie behaͤlt aber auff Koͤnigl. Hocheit allergnaͤdigſte Ein-
willigung/ ihr die Rache gegen den Herrn des ertoͤdteten Knechts bevor/ als an dem ſie ihr
Leben zu wagen entſchloſſen/ darumb daß er ſeinem Diener in verachtung ihres H. Vaters
hat uͤberſehen wollen/ und gelebet der troͤſtlichen Hoffnung/ ihre Hocheit werde ihr nicht
mindere Gnade als ihrem Diener wiederfahren laſſen/ dann ſie ſuchet nichts als einen
rechtmaͤſſigen Kampff zu Fuſſe/ und fodert hiemit denſelben zum Streite aus/ wo er ſonſt
ſo viel herzens hat/ ſich vor den Streichen ihres Schwertes zu ſchuͤtzen. Der Koͤnig er-
ſchrak der lezten Worte/ wuſte nicht was er darzu antworten ſolte/ und ſagete zu Vologe-
ſes; Bemuͤhet euch/ mein Oheim/ etwa durch Fuͤrſt Phraortes oder ſonſt einen andern
meiner Fraͤulein Hulde zuerlangen/ weil kein Menſch in der Welt lebet/ umb deſſen Wil-
len wir unſer verlobetes Fraͤulein und Koͤnigl. Braut zu unwillen reizen werden. Volo-
geſes wahr ein uͤberaus ſtolzer Mañ/ und dem Fraͤulein ohndaß ſehr auffſetzig/ weil er ihm
die Hoffnung gemacht hatte/ der Koͤnig ſolte ſeiner Tochter die Koͤnigl. Kron auffgeſezt
haben; als er nun vernam/ daß er noch bey ihr als einer gefangenen umb Gnade anhalten
ſolte/ antwortete er dem Koͤnige: Ich bitte untertaͤhnigſt/ ihre Koͤnigl. Hocheit wolle eines
gebohrnen Parthiſchen Fuͤrſten und Koͤniglichen Blutverwanten Wirde und Anſehen
allergnaͤdigſt betrachten/ dann ich wil/ als mein getraͤuer Diener/ lieber ehrlich ſterben/ als
ſpoͤtlich leben; ſprang mit dem Worte zur Buͤhne hinunter/ uñ mit ſeinem Seitengewehr
uͤberlieff er Herkules/ der Meinung ihm den Kopf zuſpalten/ haͤtte auch ohnzweiffel ſeinen
Vor-
[751]Vierdes Buch.
Vorſaz ins Werk gerichtet/ wann nicht Herkules ihm außgewichen waͤhre. Ladiſla ward
deſſen inne/ drang durch die Zuſeher hin/ und faſſete ſein Schwert zur Fauſt/ in willens ſei-
nen Herkules zueutſetzen/ welchen Vologeſes annoch verfolgete/ und einen Hieb fuͤhrete
damit er ihm das Haͤupt abſchlagen wolte/ der im weichen außglitſchete/ und langs hin auf
den Ruͤcken fiel. Dazumahl wahr Ladiſla nicht weit mehr von ihm/ meinete nicht anders/
als ſein allerliebſter Freund laͤge Tod auff dem Plaze/ deßwegen er als ein wahnſinniger
Vologeſes anrieff; Ey du meinaͤidiger Schelm/ uͤberfaͤlleſtu einen wehrloſen Ritter ſo
buͤbiſcher Weiſe; rante noch immer zu ihm hin/ in Meinung/ ihn niderzuhauen; aber das
Fraͤulein kam ihm zuvor/ faſſete den Bogen/ und mit einem verguͤldeten Pfeil durch bore-
te ſie dem Meuchelmoͤrder das Haͤupt/ daß er ungeredet zur Erden fiel/ und mit Haͤnden uñ
Fuͤſſen zappelte/ auch bald darauff verſchied; Als er aber niderſtuͤrzete/ uñ ihm dz Schweꝛt
aus der Hand fiel/ traff es Herkules/ und verwundete ihn am Halſe zwar gar ein wenig/
aber ſo nahe bey der Luftroͤhre/ daß wo es eines Halmes breit naͤher kommen/ er ohnzweifel
des todes haͤtte ſein muͤſſen. Der Koͤnig hoͤrete den Pfeil ziſchen/ und ſahe zugleich Vo-
logeſes niderfallen/ deſſen er hoͤchlich erſchrak. Herkules abeꝛ machte ſich bald von der Er-
den auff/ und lieff ihm das Blut auff der Seiten nider/ ging hin zu Ladiſla/ und hieß ihn/
ſich geſchwinde hinweg machen/ damit er aus Gefahr und Gefaͤngnis bliebe; welches er
in acht nam/ und ſeine Herberge ſuchete. Inzwiſchen erhub ſich ein neuer Lermen; dann
das Fraͤulein hatte ihren liebſten Herkules bluten ſehen/ da er auffgeſtanden wahr/ meine-
te auch nicht anders/ er wuͤrde toͤdlich verwundet ſeyn/ woruͤber ſie in eine harte Ohmacht
unter ihres Frauenzimmers Haͤnden niderſank; welches der Koͤnig erſehend/ zu Phraor-
tes ſagete: Bald ſchauet zu/ mein Fuͤrſt/ was dem Fraͤulein wiederfahren ſey/ und ob ſie
noch lebe; im wiedrigen werden wir grauſame Straffen ergehen laſſen. Herkules ſahe
und hoͤrete alles mit an/ zweiffelte nicht/ es wuͤrde ſein Blut dieſes unfalles Urſach ſeyn/
deßwegen er zu Phraortes in geheim ſagete: Verſichert ſie/ dz ich nur gar ein wenig durch
die bloſſe Haut verwundet bin. Wol wol/ antwortete der Groß Fuͤrſt; machet ihr euch a-
ber bald aus dem Staube/ umb weiteres Ungluͤk zuverhuͤten. Hiemit ging Phraortes
ſchleunigſt fort/ den Koͤniglichen Befehl zuverrichten; er aber ſtahl ſich mit Tyriotes heim-
lich hinweg/ und ließ Pferd/ Harniſch nnd Schwert im ſtiche/ welches ihm doch Gallus
bald nach brachte. So bald das Fraͤulein/ die ſich wieder erhohlet hatte/ Phraortes auff
dem Gange vor ſich ſtehen ſahe/ ſagte ſie auff Griechiſch zu ihm: Ach mein Vater/ bin ich
Tod oder lebendig? Lebendig/ lebendig/ und mit dem geliebeten geſund/ ohn daß er ein ge-
ringes Schramwuͤndichen von dem nidergefallenen Schwerte am Halſe bekommen/ iſt
auch ſchon in guter ſicherheit. Ey wol an/ ſagte ſie/ ſo ergehe es ferner nach Gottes Verſe-
hung; ſaget aber meinem Koͤnige/ da meinem Diener einige Gewalt wiederrechtlicher
Weiſe ſolte angetahn werdẽ/ wil ich mich von dieſem Gange hinunter ſtuͤrzen. Gebet euch
zu frieden/ ſagte Phraortes/ es wird alles gut werden; ging auch fort hin/ dem Koͤnige be-
richt einzubringen/ der ſich hoch erfreuete/ da er das Fraͤulein auffrecht ſtehen/ und ſich
ſehr tieff gegen ihn neigen ſahe; ward auch von Phraortes auffs neue erquicket/ als derſel-
be ihm der Fraͤulein Gruß und Liebe (viel anders als er befehlichet wahr) anmeldete/ und
wie ſie/ der volſtrecketen Rache halben/ untertaͤhnigſte verzeihung bitten lieſſe/ welche bloß
allein
[752]Vierdes Buch.
allein zur erhaltung ihres Koͤniges Hocheit von ihr vorgenommen waͤhre/ vor deſſen Ge-
genwart ſich der Gewalttaͤhter nicht geſcheuhet haͤtte/ dero eigenen ritterlichen Diener
moͤrdlich ohn alle Urſach zu uͤberfallen; wolte auch ihre Koͤnigl. Hocheit wolmeintlich in
aller untertaͤhnigkeit erinnert haben/ dergleichen freveltahten nimmermehr zugedulden/
weil dieſelbe dadurch zum allerhoͤchſten beſchimpfet wuͤrde. Worauff der Koͤnig der abge-
ſchikten Jungfer befahl/ ſie ſolte dem Fraͤulein Koͤnigliche beharliche Gnade und Liebe an-
melden/ und daß ſie allen unmuht ſinken lieſſe; wegen der veruͤbeten billichen Rache verzei-
hung zu bitten/ waͤhre ein uͤberfluß/ und haͤtte er hundert Oheime und Soͤhne/ die ihm ſol-
chen Frevel erwieſen/ muͤſten ſie es alle mit dem Leben bezahlen; ihren Diener Valikules
betreffend/ ſolte derſelbe ſich entweder ihrer Gnade oder Straffe unterwerffen/ je doch
wolte er vor ihn bitten/ weil er unſchuldig/ und zu dieſem Kampf bey den Haaren gezogen
waͤhre. Das Fraͤulein wahr der genehmen Antwort froh/ weil ſie hiedurch Gelegenheit
bekam/ ſich an ihres Herkules Gegenwart zuergetzen/ ohn einiges nachdenken ihrer getah-
nen Verheiſſung. Er aber ließ ſich ſchleunig verbinden/ uñ weil ihm Phraortes botſchaft
raht/ ging er mit dem Seitengewehr hin/ gleich da der Koͤnig auffſitzen/ und nach ſeinem
Schloſſe fahren wolte/ der ihn alſo anredete: Bald gehe hin mit Fuͤrſt Phraortes/ die Ur-
tel von dem Fraͤulein zu empfahen/ und da ſie dir Gnade erzeigen wird/ haſtu es unſer Voꝛ-
bitte zu danken. Herkules fiel mit hoͤchſter Dankſagung vor ihm nider/ und gedachte in
ſeinem Herzen/ dieſe Urtel wird mir noch wol zuertragen ſeyn; verfuͤgete ſich auch als bald
mit Phraortes nach der Fraͤulein Gemach/ da ſie wegen des Frauenzimmers gegenwart
ihn mit ertichteten zornigen Augen anſahe/ und er ſich groſſes ſchreckens annam/ auch den
Groß Fuͤrſten und die Anweſenden des Frauenzim̃ers hoͤchlich bat/ eine Vorbitte vor ihn
einzulegen; da die abgeſchikte/ welche ſchon Bericht getahn hatte/ wieder hervor trat/ und
ſie der Vorbitte ihres Koͤniges erinnerte. Worauff ſie zu Herkules ſagete: Ihr ſolt mei-
nes allergnaͤdigſten Koͤniges Vorbitte geniſſen/ ſonſt wahr ich willens/ euch dieſen Pfeil
ins Herz zuſchieſſen. Er kniete vor ihr nider/ kuͤſſete ihres rockes Saum/ und bedankete
ſichder erteileten Gnade/ vorwendend/ die einige Urſach ſeines Kampfes waͤhre ſeines
weiland allergnaͤdigſten Koͤniges verachtung/ deſſen Ehre zu raͤchen er nicht umbgang ha-
ben koͤnnen/ wolte auch dieſe Stunde lieber ſterben/ als deſſen Schmaͤhung anhoͤren. Daꝛ-
auff trat Phraortes mit dem Frauenzimmer hinaus; Herkules aber richtete ſich bald auf/
und an ſtat er des Rockes Saum gekuͤſſet hatte/ ward ihm anjezt des Mundes Saum/ die
korallen-rohte Lippen willig gegoͤñet/ wo durch er uͤbernom̃en/ gleich da ſie ihm ſeine Wun-
de beſichtigte/ er ſie alſo anredete: Mein allerwerteſter Schaz/ und einziger vorwurff aller
meiner ehrlichen liebes Begierden; traget ihr ſo groſſes Mitleiden mit dieſem geringen
Wuͤndichen/ deſſen ich nicht eins empfinde? Lieber verbindet mir ohn ferneres wegern die
tieffe unleidliche Herzen-Wunde/ welche ihr mit dem Pfeil eurer unvergleichlichen ſchoͤn-
heit mir gemachet/ uñ betrachtet/ bitte ich/ daß unſere Liebe nichts ungebuͤhrliches vorneh-
men kan/ ſintemahl unſere Ehe vor Gott geſchloſſen iſt; ſolte dann dieſe meine herzliche
Bitte noch nicht haften koͤnnen/ ſo erinnere ich mein Engelchen der heut fruͤh getahnen
Verheiſſung/ daß auff meine erſte Wiederkunft auff dieſes Gemach/ mir mein eheliches
Anſuchen ſolte eingewilliget und zugelaſſen ſeyn. Das liebe Fraͤulein ward mit einer ſtar-
ken
[753]Vierdes Buch.
ken Roͤhte uͤberfallen/ dann ſie empfand ſein inbruͤnſtiges Anſuchen/ welches ſie noch vor-
dißmahl abzuwenden willens wahr/ und fiel ihr doch unmoͤglich/ ihm hart einzureden/ ant-
worte ihm deswegen alſo: O meiner Seelen einige Wolluſt/ laſſet uns dem Allerhoͤchſten
danken vor die Gnade/ die uns heut durch ſeinen Schuz begegnet iſt/ und verſichert euch
hernach/ dz ich mich euch allerdinge zu ehren verpflichtet halte/ ihr auch durch eure getraͤue
Nachfolge umb mich wol verdienet/ euch in zuͤchtiger ehelicher Liebe als mein Gemahl an-
zunehmen; aber ich bitte euch hoͤchlich/ måſſiget vor dißmahl noch eure Begierden/ uñ wie
ihr aller eurer Feinde uͤberwinder ſeyd/ alſo uͤberwindet euch ſelbſt; Ihr/ ob Gott wil/ und
ſonſt kein ander Menſch ſol deſſen genieſſen/ was euch ſchon in kindlichen Jahren verſpro-
chen iſt/ nur/ iſt es moͤglich/ ſo laſſet ein kurzes auffſchieben euch nicht zuwideꝛ ſeyn. Ach mei-
ne innige Freude/ antwortete er/ vielleicht moͤchte Ungluͤk unſere Beywohnung noch laͤn-
ger verhindern/ als wir wiſſen oder hoffen/ und werde ich nicht ſo bald wieder Gelegenheit
haben/ mich bey meinem Schatze anzufinden/ zugeſchweigen/ daß ſie an allen ihren Verheiſ-
ſungen mich wuͤrde zweifeln machen/ wann bey der geſchehenen ich einen bloſſen ſchlagen
ſolte/ und mag ſie wol trauen/ daß dz gar zuhefftige Liebesfeur mich endlich durch ihre Glut
gar verzehren moͤchte; bedenket es demnach/ daß die Ehe ein Chriſtliches Werk/ und ein
von Gott ſelbſt eingeſetzeter Stand iſt/ darzu wir zwar durch einen Kirchen Lehrer ſolten
eingeſegnet werden; weil aber ſolches an dieſem Orte nicht geſchehen kan/ wollen wir mit
einem andaͤchtigen Gebeht umb Gluͤk und Segen bey unſerm Gott anhalten/ und in Got-
tes Nahmen unſere Ehe vollſtrecken. Das Fraͤulein ſahe ſchamhafftig vor ſich nideꝛ/ ſagte/
daß ihr unmoͤglich waͤhre/ ſeinen Zweifelmuht laͤnger zudulden koͤnnen/ haͤtte zwar ſeines
vorhabens Auffſchub gerne geſehen/ biß auff ſeine gluͤkliche Wiederkunft; weil ſie aber ihm
als ihrem Ehemahl zugehorſamen ſchuldig/ wolte ſie in aller gebuͤhrlichen Zucht ſich ihm
hiemit ergeben; traten mit einander vor den Tiſch/ und gelobeten auffs neue/ in Liebe und
Leid einer den andern nicht zuverlaſſen/ ſondern von dieſem Tage an ihre Ehe geſchloſſen zu
halten; Vollzogen alſo ihre Eheſtifftung in Gottesfurcht/ und verblieben drey Stunden in
dieſer Ergezligkeit bey einander/ ſo daß ſie meyneten/ alles ihr ausgeſtandenes Leid und Un-
gemach waͤhre ſchon gnug erſetzet. Als nun die Zeit des ſcheidens herzu nahete/ redete ihn
das Fraͤulein alſo an: Mein herzallerliebſter Herr und Gemahl/ nachdem euch nicht ge-
faͤllig geweſen iſt/ eure Braut aus dieſem Gefaͤngniß zufuͤhrẽ/ werdet ihr nicht unterlaſſen/
euer Gemahl/ erſter Moͤgligkeit nach/ zuhohlen; dann Gott iſt mein Zeuge/ daß bloß allein/
eures Zweifels/ und der Liebes-Angſt euch zubenehmen/ ich in eheliche Vollſtreckung einge-
williget habe/ damit die furcht/ als wuͤrde ich mich durch Artabanus Schenkungen blen-
den und verfuͤhren laſſen/ euer Herz allerdinge verlaſſen moͤge. So wil ich nun dieſen A-
bend meine rechtgemeinte Schreiben nach Padua und Prag auffſetzen/ die falſchen aber
vor Morgen nicht verfertigen/ ob hiedurch Gelegenheit fallen koͤnte/ euch noch eins zuſpre-
chen. Unſerm verliebeten Herkules gefiel der Anſchlag nicht uͤbel/ nam herzfreundlichen
Abſcheid/ und in gegenwart des Frauenzimmers ſagete er zu Phraortes: Nachdem vor
dißmahl von meinem Gn. Frl. ich nicht allein voͤllige erlaſſung meines Fehlers/ ſondern
auch zimlichen Unterricht eingenommen habe/ was zu Prage ſol beſtellet werden/ haben
Ihre Durchl. deswegen nicht laͤnger zuwarten. Es iſt mir lieb/ ſagte der Groß Fuͤrſt/ dann
C c c c cich
[754]Vierdes Buch.
ich mir anfangs die Gedanken machte/ das Fraͤulein wuͤrde euch den Pfeil durchs Herz
ſchieſſen/ mit ſo feindlichen Augen empfing ſie euch. Sie hat ſich Gott Lob ganz geendert/
antwortete er/ mit gnaͤdigem verſprechen/ mir ſtets gewogen zuverbleiben/ nach dem Ihrer
Gn. ich vollkommenen Bericht hinterbracht habe. Alſo gingen ſie mit einander davon/
der Groß Fuͤrſt nach dem Schloſſe/ Herkules aber wolgemuht nach ſeinem Ladiſla/ dem
er vermeldete/ er haͤtte ſeinem Fraͤulein teur verſprochen/ inwendig halben Jahres friſt ſie
aus dem ſcheinbaren Gefaͤngniß loßzumachen. Koͤnig Artabanus wahr inzwiſchen we-
gen des Unfalls ſeines Oheims Vologeſes nicht wenig betruͤbet/ weil er aber ſahe/ daß ihm
recht geſchehen wahr/ und er ſolche Straffe durch den moͤrdlichen uͤberfall wol verdienet
hatte/ ſchlug ers aus dem Sinne/ und fragete bey dem Abendmahl/ warumb Valikules nit
auffwartete/ und ob er bey dem Fraͤulein voͤllige Verzeihung erlanget. Da ihn Phraortes
berichtete/ er waͤhre wegen empfangener Wunde etwas unpaß/ haͤtte auch wegen der mor-
genden Reiſe zubeſtellen/ ſonſt haͤtte anfangs wenig gefehlet/ daß er von dem Fraͤulein auf
dem Gemache erſchoſſen waͤhre; ſo bald ſie aber Ihrer Koͤnigl. Hocheit vorbitte und gnaͤ-
digſtes begehren verſtanden/ und Valikules zugleich verſprochen/ keinen Streit hinfuͤro
ohn ihre ausdruͤkliche Verguͤnſtigung anzutreten/ waͤhre ihm Verzeihung erteilet wordẽ.
Artabanus verwunderte ſich des uͤberaus groſſen und unerſchrockenen Gemuͤhts/ welches
dem Fraͤulein beywohnete/ und ſagete: Er wuͤſte nicht/ ob etwas goͤttliches in ihr verborgẽ
waͤhre/ weil alles ihr ſo trefflich anſtuͤnde/ und jeder/ der ſie faͤhe/ ſie zugleich fuͤrchten/ lieben
und ehren muͤſte. Hernach redete er von Valikules ritterlichem Kampffe/ und daß er ſeiner
Dienſte in Beſchuͤtzung ſeines Koͤniglichen Stuels wol zugebrauchen hoffete/ befahl end-
lich/ Phraortes ſolte ihn morgen zeitig fruͤh mit ſich bringen/ damit er des folgenden Tages
hernach/ die Reiſe fortſetzen koͤnte. Nach gehaltenem Mahle/ da ſie kaum vom eſſen auffge-
ſtanden wahren/ berichtete Phraortes Leibknabe ingeheim/ es waͤhren Schreiben von Herꝛ
Pharnabazus ankommen/ welche er alsbald zu ſich nam/ und nach Verleſung ſich nach
Herkules Herberge begab/ welcher ſamt Ladiſta ihn freundlich empfing/ und leicht ſchlieſ-
ſen kunte/ es muͤſten wichtige Sachen obhanden ſeyn/ die den Groß Fuͤrſten bey ſpaͤtem A-
bend nach ihrer Herberge trieben. Derſelbe aber ſtellete ſich froͤlich/ und fing an mit Her-
kules zuſcherzen/ da er zu ihm ſagte: Mein geliebter Herꝛ Sohn/ ich moͤchte wuͤnſchen/ daß
Eure Liebe ſo friſch und geherzt bey ihrem Fraͤulein fich zuhalten wüſte/ als dieſelbe ſich heut
im Kampff erwieſen; als viel aber ſeine Geberden anzeigen/ deucht mich/ er gehe trauriger
von ihr/ als er zu ihr trit/ ohn heut muſte er gewißlich eine ſonderliche Gunſt auf vorherge-
henden ertichteten Zorn erhalten haben. Mein Herr Vater hat nit viel geirret/ antwortete
er/ dann ich geſtehe/ daß durch ihr heutiges verſprechen ich nunmehr unſer kuͤnfftigen Ehe
mehr dann zuvor verſichert bin/ und fehlet an nichts mehr/ als an Gelegenheit/ ſie von hiñen
zufuͤhren/ welche auszuſinnen ich mit allen Kraͤfften mich bemuͤhen wil/ nachdem ich aus
des Koͤniges Reden und allen beginnen gnug abnehme/ daß mit willen ſie zuverlaſſen er nit
wird zubewaͤgen ſeyn. Der Groß Fuͤrſt befand dieſes zu ſeinem Vorhaben ſehr dienlich/ uñ
gab zur Antwort: Ihr meine allerliebſten Freunde/ ob ich gleich ſie nicht gerne mißtroͤſten
wolte/ kan ich doch verſichert bejahen/ daß Artabanus lieber ſein Leben/ als das Fraͤulein
verlieren wird; dann ſo offt ich von ihr komme/ fodert er mich allein vor ſich/ uñ fraget nach
allen
[755]Vierdes Buch.
allen ihren Geberden und Reden/ auch/ ob ſie ſein eingedenke ſey/ und einige Liebe und Huld
merken laſſe; ja er laͤſſet ſich ungeſcheuhet vernehmen/ es moͤchte ihm unmoͤglich fallen/ ſein
Feur noch ein ganzes Jahr zuunterdruͤcken/ aus furcht/ es werde ſein innerſtes Mark ver-
zehren/ deſſen er doch wenig mehr uͤbrig hat/ vermeynet alſo durch Geſchenke ſie zubewaͤgẽ/
ihr Geluͤbde zubrechen/ und in zeitigere Heyraht einzuwilligen. Zwar ich weiß/ wie man
ihm den Safft durchs Maul ſtreichen/ und nach Willen reden muß/ da man in Gnaden
bleiben wil/ daher ich ihm das Maul weidlich auffſperre/ wie inbruͤnſtige Liebe ſie zu ihm
trage; wie fleiſſig ſie ſeinem Wolergehen nachfrage; beklage ſelbſt/ daß das gar zu harte
Geluͤbde ſie hindere/ ihm den ſchuldigen Willen in der Taht darzulegen/ hoffe aber/ er wer-
de an ihrem Untergange und Verderben keinen Gefallen tragen/ welches doch unvermeid-
lich folgen muͤſte/ da ihr vor verlauffener Zeit ichtwas dergleichen ſolte zugemuhtet werdẽ.
Solches und dergleichen habe ich dieſe Tage vielfaͤltig mit ihm geredet/ daß endlich ich die-
ſe Frage an ihn abgehen ließ: Wann ihre Verwanten etwa umb ihre Erloͤſung anhalten
wuͤrden/ ob er ſie wuͤrde koͤnnen abfolgen laſſen? woruͤber er ſich hefftig erzuͤrnete/ und mit
ſcheußlichem Angeſicht antwortete: Sein Leben und das Fraͤulein waͤren ihm gleiche lieb/
wolte auch ehe mit ihr einſam/ als ohn ſie ein maͤchtiger Koͤnig aller Morgenlaͤnder ſeyn.
Woraus meine Freunde und Herren Soͤhne ermaͤſſen koͤnnen/ weſſen ſie ſich zu ſeinem
guten Willen zuverſehen haben. Hernach zeigete er an/ was geſtalt Fuͤrſt Vologeſes der
aͤlter von Herkules offentlich uͤber Tiſche geſagt haͤtte/ es lege unter einer ſchlechten Decke
etwas verborgen/ welches groſſes Gluͤk oder hartes Ungluͤk bringen wuͤrde. Sonſt haͤtte
der Koͤnig befohlen/ fleiſſige Nachfrage zutuhn/ wer auff den juͤngeren Vologeſes mit bloſ-
ſem Degen ſo unerſchrocken zugelauffen waͤhre/ und ſich nicht geſcheuhethåtte/ einen ſo ge-
waltigen Fuͤrſten anzuruffen; welches ihm aber kein Menſch anzeigen koͤnnen. Nun ſo
wird ers auch noch zur Zeit nicht erfahren/ ſagte Ladiſla; Daß aber mein Herkules mit Aꝛ-
tabanus gutem Willen meine Frl. Schweſter nicht uͤberkommen werde/ habe ich mir lan-
ge ſchon die Rechnung gemacht; ſolte ſie aber ja auff keine andere weiſe koͤñen gerettet weꝛ-
den/ werde ich zum wenigſten mittel finden/ ihm den Hals zubrechen/ es gehe hernach umb
mich/ wie Gott wil; dann ich habe bey mir ſelbſt einen aͤid geſchworen/ daß ich ſie ihm zum
Gemahl nicht goͤnnen wolle. Richt ſo mein Bruder/ ſagte Herkules/ du ſolt dich nicht in
gewiſſes Verderben ſtuͤrzen/ ſondern wir wollen ohn Lebensgefahr gluͤklichen fortgang hof-
fen/ habe auch an dem Koͤnige ſchon ſo viel geſpuͤret/ daß er aͤuſſerſten Gewalt ihr nicht auf-
dringen werde/ und da ers taͤhte/ wuͤrde ſie ihn gewißlich des Lebens berauben. Aber mein
Herr Vater/ ſagte er zu Phraortes/ wolle uns/ bitte ich/ anzeigen/ warumb deſſen Liebe bey ſo
ſpaͤtem Abend uns in dieſem ſchlechten Hauſe zubeſuchen wirdiget/ wovor wir demſelben
verbunden bleiben. Ihr meine Herren Soͤhne/ antwortete er/ die urſach meines unzeitigen
beſuchens iſt eine ſehr vertrauliche Heimligkeit/ den Zuſtand aller dieſer Morgenlaͤnder uñ
deren Wolfahrt betreffend/ die ich ihnen zuoffenbahren keinen ſcheuh trage/ tuhe ſolches
auch nicht allein aus eigener Bewaͤgung/ ſondern habe deſſen Vollmacht und Befehl von
den maͤchtigſten Fuͤrſten dieſer Morgenlaͤnder; Erzaͤhlete ihnen demnach/ was geſtalt etli-
che Fuͤrſten eine beſtaͤndige Verbuͤndniß unter ſich auffgerichtet haͤtten/ des gaͤnzlichen
vorhabens/ das unleidliche Parthiſche Joch abzuwerffen/ und die Perſiſche uhralte Her-
C c c c c ijſchafft
[756]Vierdes Buch.
ſchafft auff den alten Fuß zuſetzen; dann es haͤtten die Arſazier ihren wuͤteriſchen Hoch-
muht lange gnug getrieben/ uñ koͤnten andere nicht mehr leiden/ daß ſie als leibeigene Die-
ner ſolten gedruͤcket werden/ und zwar von denen/ welche vor dieſem nicht wirdig geachtet
worden/ in ihre Geſelſchaft zutreten. Dieſer Behuef wuͤrde anjezt eine gewaltige Kriegs-
ruͤſtung angeſtellet/ welches dann ſo heimlich nicht geſchehen moͤgen/ dz nicht etliche Ver-
raͤhter es dem Koͤnige hinterbracht/ er auch ſelbſt deswegen von dem Koͤnige herzu gefo-
dert waͤhre. Nun haͤtte er ſich zwar in den Bund begeben/ aber auff ſo verborgene weiſe/
daß niemand/ ohn ihr Haͤupt/ und Herr Pharnabazus Wiſſenſchafft davon haͤtten/ und
weil er verſichert waͤhre/ daß der Koͤnig auſſer bloſſem Argwohn von ihm nichts wiſſen
koͤnte/ haͤtte er ſich nicht gewegert/ anher zukommen. Jedoch ſeumete ſich der Koͤnig auch
nicht/ ſondern ſtellete hin und wieder/ auch im Roͤmiſchen Gebiete/ Werbungen an/ weil
er auſſer ſeinen Parthen/ anderen Untertahnen wenig trauete; man achtete deſſen aber we-
nig/ maſſen die Verfaſſung an ihrer ſeite ſchon dergeſtalt beſchaffen waͤhre/ daß man der
Macht des Koͤniges gnug begegnen koͤnte. Daß er nun zu ſeinem Vorhaben gelangete/ ſo
haͤtte er ein Schreiben von Herr Pharnabazus gleich jetzo bekommen/ woraus die urſach
ſeiner Ankunfft leicht zuerkeñen waͤhre; gab ihnen ſolches zuleſen/ und lautete daſſelbe alſo:


Dem Durchleuchtigſten/ Großmaͤchtigen Fuͤrſten und Herrn/ Herrn Phraortes/ Groß Fuͤrſten
in Meden/ ꝛc. entbeut Pharnabazus ſeinen Gruß/ und naͤhſt anmeldung untertaͤhniger Dienſte/ ver-
haͤlt ſeiner Durchl. er nicht/ was maſſen von bewuſtem er zu ſchreiben befehlichet iſt/ daß nunmehr die
Zeit/ unſichtbar zuſeyn/ verfloſſen/ und der Fuchs zum Loche aus muß/ nachdem mahl etliche/ wiewol
nidriges Standes abtruͤnnige/ denen das Haͤuptwerk unbekant/ an gegen ſeiten ſo viel anzeige ge-
tahn/ daß der Wuͤterich ſein bevorſtehendes Ungluͤk merket; Nun wird Eure Durchl. des verſpre-
chens K. Ladiſla und GF. Herkules ſich annoch wol erinnern/ welches unſerm Haͤupte ich vertraulich
hinterbracht/ und er deſſen hoch erfreuet iſt/ uͤberſendet auch hoͤchſtgedachten Herren etliche Kleinot/
freundlich bittend/ ſolche als ein Zeichen eines begierigen Willens anzunehmen/ und dafern es denen
an ihrem hochloͤblichen Vorhaben nicht hinderlich/ neben Euer Durchl. ehiſt heruͤber zukommen/ da-
mit algemeiner Kriegs Raht gehalten/ und dem Werke ein gluͤklicher Anfang gemacht werden moͤge;
hingegen erbeut man ſich/ hoͤchſtgedachter Herren Vorhaben nicht minder als das Hauptwerk ſelbſt
zubefodern/ erwartend ehiſt Eurer Durchll. ingeſamt/ genehme Ankunfft/ etc.


Ladiſla nam mit Herkules einen kurzen Abtrit/ und ſagte zu ihm: Geliebter Bruder/
Gott wird uns gewißlich in unſerm Vorhaben behuͤlfflich ſeyn/ und deucht mich/ wiꝛ muͤſ-
ſen dieſe gute Gelegenheit mit bey den Haͤnden ergreiffen/ nachdem wir ohn zweifel eines
Schutzes werden noͤhtig haben/ auff den wir uns zihen koͤnnen. Ich bin deß mit dir eins/
antwortete Herkules/ aber dieſer Fuͤrſten Huͤlffe wird das Fraͤulein nit aus dem Schloſ-
ſe bringen/ dann es gehoͤret zu viel darzu/ einen ſolchen maͤchtigẽ Koͤnig aus ſeinem Stuel
zuheben/ und dieſen unuͤberwindlichen Ort einzunehmen/ welcher umb der herumligenden
Berge willen von wenig Menſchen kan geſchützet werden; und meyneſtu/ Artabanus weꝛ-
de den Feind biß an die Stadmauren kommen laſſen? ſiheſtu nicht/ wie allerhand Vorraht
nicht allein an Wehr und Waffen/ ſondern auch an Speiſen und andern noͤhtigen Sachẽ
herein geſchaffet wird/ daß man kaum Raum hat auff den Gaſſen zugehen? Ja wer zwei-
ſelt/ daß er nicht ehiſt ſein Kriegs Heer/ etliche hundert tauſend ſtark/ in Feindes Land fuͤh-
ren ſolte? uͤberdas moͤchte ich dieſen Koͤnig nicht gerne bekriegen helffen/ in betrachtung/
er mein Fraͤulein ſo hoch ehret und liebet/ ſondern bin willens/ vorerſt gelegenheit zuſuchẽ/
ſie
[757]Vierdes Buch.
ſie in guͤte an ihn zufodern; verſaget er mir ſie dann/ wil ich ſchon wiſſen/ mich darnach zu
richten. Gingen darauff wieder zu dem Groß Fuͤrſten/ und erklaͤreten ſich/ ſie eriñerten ſich
billich/ wie hoch ſie ihm und Pharnabazus verpflichtet waͤhren/ wolten ihnen demnach ſich
zu aller Moͤgligkeit/ wie ſchlecht die auch ſeyn moͤchte verbunden haben; daß ſie aber der
Hochfuͤrſtl. Verbuͤndniß ſich pflicht-ſchuldig machen/ oder einige gewiſſe Dienſte anneh-
men ſolten/ wuͤrde ihnen/ wie anfangs erwaͤhnet/ nicht tuhnlich ſeyn/ doch mit aͤiden der
Traͤuheit ſich belegen zulaſſen/ wegerten ſie ſich nicht/ wolten auch dem begehren nach/ mit
gen Perſepolis reiſen/ mit dem aus druͤklichen Vorbehalt/ dz geſchehenem verheiſſen nach/
ihnen allemahl freyer Abſcheid mit gutem Willen ſolte zugelaſſen ſeyn. Phraortes wahr
mit dieſer Erklaͤrung wol zufriedẽ/ uñ reichete ihnen die uͤbergefchikten Kleinot ein/ die ſich
auff zwo Tonnen Schatz belieffen/ und ſie die ſelben wider ihren Willen annehmen muſten;
beredeten ſich eines Schluſſes/ und ſchieden zimlich ſpaͤte von einander. Des Morgens
ſehr fruͤh/ vor der Sonnen Auffgang/ zeigete Herkules ſeinem Ladiſla auff dem Lager an/ er
befuͤnde ihr vorhaben uͤber dir maſſe verwirret/ und/ welches noch dz ſchlim̃eſte/ langer Zeit
beduͤrftig; man wolte erſt nach Perſepolis reiſen/ von darab dz Frl. von Artabanus guͤtlich
begehrẽ/ ſeiner antwort erwartẽ; auf den fall der verwegeꝛung (welches gewiß erfolgẽ wuͤr-
de) ſie zum andernmale ernſtlich und unter bedraͤuung fodern/ dem Koͤnige abſagen uñ ihm
in ſein Land fallen/ da man wol eine uñ andere Feldſchlacht wuͤrde zu halten haben (dañ alſo
hatten ſie es des vorigen Abends abgeredet); da moͤchte er nun bedenken/ was vor Zeit dar-
zu gehoͤren wuͤrde/ in betrachtung daß Perſepolis in die 70 Meile von Charas ablaͤge/ und
die Botſchaft nicht hin und her fliegen koͤnten. Unmoͤglich aber waͤhre es ihm/ der Fraͤu-
lein Erloͤſung ſo lange auffzuſchie ben; dann ſeine allergroͤſſeſte Furcht waͤhre/ es moͤchte
der Koͤnig aus liebes Ungeduld dem Fraͤulein die verſprochene Zeit nicht goͤnnen/ wie er
dann außdruͤklich in Boͤhmen durch ſehr groſſe Gelder ſolches von der Veſten Pfaffen
zuerkaͤuffen/ den Vorſaz haͤtte/ und das Fraͤulein nohtwendig einwilligen muͤſte; hierauff
trug er ihm ſeine Meinung vor/ welche ihm Ladiſla wolgefallen ließ; ging hernach mit des
tages Anbruch nach Phraortes/ und muſte inzwiſchen Ladiſla ein Anfoderungs Schreibẽ
an den Koͤnig/ und eines an das Fꝛaͤulein auffſetzen/ als wañ ſie ſchon vor 12 tagen geſchrie-
ben waͤhren. So bald Herkules bey dem Groß Fuͤrſten anlangete/ erzaͤhlete er ihm umb-
ſtaͤndig/ was vor hinderniſſen ihm ein fallen koͤnten/ welche ihn gewißlichen der Zeit/ ſein
Fraͤulein zuerloͤſen/ berauben wuͤrden/ und ließ ihn wiſſen/ was geſtalt ſein Bruder Ladiſla
gleich jezt ein Anfoderungs Schreiben/ als zu Perſepolis geſchrieben/ auffſetzete/ welches
ſein Plautus als ein Abgeſanter/ geliebts Gott/ Morgen nach ſeinem Abzuge dem Koͤni-
ge einliefern/ und umb ſchleunigſte Antwort anhalten ſolte/ demſelben moͤchte er nun von
ſeinen Reutern einen oder etliche zugeben/ die ihn des naͤheſten Weges nach Perſepolis
braͤchten/ alſo koͤnten ſie faſt einen ganzen Monat Zeit gewinnen. Sehr wol getahn/ ſagte
Phraortes/ und werden wir geftrigem Koͤniglichen Befehl nach/ uns alsbald nach Hofe
machen. Als ſie ſich daſelbſt einſtelleten/ wurden ſie alsbald vorgefodert/ und ſagteder Koͤ-
nig zu Herkules: Mein/ wie befindeſtu dich ſider geſtrigem Kampfe? wir meinen nicht/ daß
ein ſo maͤchtiger Feind dir jemahls wie derſtand gehalten habe/ loben aber deine Herzhaf-
tigkeit/ und dz du einer ſo vortreflichen Fraͤulein Diener zuſeyn/ dich wirdig erzeiget haſt.
C c c c c iijAller-
[758]Vierdes Buch.
Allergroßmaͤchtigſter Koͤnig/ antwortete er/ bey meinem Feinde wahr mehr raſichte wuht
als herzhafte Staͤrke; es tuht mir aber herzlich leid/ daß der teure Fuͤrſt Vologeſes mich
durch unbefugten eure Koͤnigl. Hocheit hochverletzenden Eifer uͤberfallen/ und daruͤber
ſein Leben etngebuͤſſet hat/ bitte alleruntertaͤhnigſt/ mir ſolches nicht zuzurechnen; erkenne
mich ſonſt viel zu unwirdig ihrer Koͤnigl. Hocheit/ und dero Durchleuchtigſten Fraͤulein
Knecht und Diener genennet zu werden. Im uͤbrigen bin ich bereit und fertig/ auff aller-
gnaͤdigſten Befehl die Reiſe nach Prag fortzuſetzen/ ſo bald das Koͤnigl. Fraͤulein ihre
Schreiben wird verfertiget/ und was muͤndlich ſol beſtellet werden/ mir in einem Gedenk-
zettel zugeſtellet haben. Er hatte dieſes kaum außgeredet/ da vermeldete ein Trabant/ es
waͤhre eine Jungfer aus der Koͤnigl. Fraͤulein Zim̃er/ die begehrete ihre Koͤnigl. Hocheit
zu ſprechen. Sie ward alsbald vorgelaſſen/ und brachte dieſes vor: Ihre Koͤnigl. Hocheit
wird von meinem Gn. Fraͤulein untertaͤhnigſt gegruͤſſet/ laͤſſet nochmahl umb gnaͤdigſte
verzeihung wegen der an Fuͤrſt Vologe ſes begangenen Taht anhalten/ und zugleich de-
muͤhtigſt bitten/ deßwegen auff ihren Diener Valikules keine Ungnade zulegen/ nachdem
ſie verſtanden/ daß ihres ruhmwirdigſten Herr Vaters Koͤnigliche Ehr nicht anders/ als
durch ſolchen Kampf hat koͤnnen gerettet werden. So haͤtte ſie ferner geſtriges tages mit
ihrem Diener wegen der vorgenommenen Reiſe gerne voͤllige Abrede genommen/ waͤhre
aber durch gemuͤhts Verwirrung ſehr gehindert worden/ welches doch/ da ihrer Koͤnigl.
Hocheit es gefaͤllig dieſen Morgen in wenig Stunden koͤnte verrichtet werden. Der Koͤ-
nig gab zur Antwort: Gehet hin/ und neben anmeldung unſer Gnade und Hulde/ vermel-
det unſerm unvergleichlichen Schatze/ ſie habe verzeihung zu begehren keine Urſach/ weil
ſie nichts verbrochen/ ſondern an unſer ſtat die Rache veruͤbet hat/ werdẽ auch ihrem Die-
ner keine Ungnade zu legen/ welcher alsbald mit gehen ſol/ die Schreiben zu empfahen/
und ſatten/ ſo Schrift-als muͤndlichẽ Unterricht ſeiner kuͤnftigen Verrichtung einzuneh-
men. Und hoͤreſtu es Valikules? mache dich geſchwinde hin zu unſer geliebeten deiner
gnaͤdigſten Fraͤulein/ daſelbſt gib wol acht was dir anbefohlen wird/ und halte dich ihrem
Willen allerdinge gemaͤß; damit auch nichts aus Eile vergeſſen werde/ ſo bleibe auf ihrem
Schloſſe/ halte daſelbſt Mahlzeit/ und nach verrichtung/ mache dich fertig zum morgendẽ
Auffbruch. Herkules gedachte in ſeinem Herzen; angenehmer Befehlkan mir nicht auff-
getragen werden; neigete ſich tieff/ und erboht ſich nach aͤuſſerſtem Vermoͤgen ſeinen Ge-
horſam anzuwenden; redete kuͤrzlich mir dem Groß Fuͤrſten ab/ daß die gedachte Schrei-
ben von Ladiſla in beyder Nahmen unterſchrieben/ verſiegelt/ und Plautus zugeſtellet wuͤꝛ-
den/ welcher mit ſeiner geringen Geſelſchaft aus einem andern Tohre reiten/ und Morgen
zum Schloß Tohr wieder herein kommen ſolte/ ſeine Werbung gebuͤhrlich zuverrichten;
machte ſich alsbald darauff mit der abgeſchikten Jungfer und einem Koͤniglichen Auff-
warter nach der Fraͤulein Schloſſe/ da erſein Gemahl in einer koͤſtlichen Nacht Schaube
bey dem Tiſche ſitzend antraff/ gleich da ſie das Schreiben verſigelte/ welches ſie an ihre
Schweſter Fr. Sophien zu Padua verfertiget hatte. Da ſie nun ihren herzgeliebeten zu
ihr hinein treten ſahe/ uͤberging ſie nicht eine geringe Scham/ deren ſie doch durch freund-
liches Geſpraͤch bald entnommen ward/ da Herkules mit lieblichem umbfahen zu ihr ſa-
gete: Mein herzgeliebtes Gemahl/ ich ſtelle mich nach Artabanus Befehl gehorſamſt ein/
mei-
[759]Vierdes Buch.
meinem Seelen Schatze inbruͤnſtig dieſen ganzen Tag auffzudienen/ mit ihrem Frauen-
zimmer Speiſe zunehmen/ und was zu Prag ſol verrichtet werden/ wol zu faſſen. Sie la-
chete ſolcher Koͤniglichen Verguͤnſtigung herzlich/ und ſagete hernach: Ich bedanke mich
gegen meinen allerteureſten Schaz und gebietenden Gemahl/ wegen der willigen einſtel-
lung/ und weil uns ſo viel Zeit vergoͤnnet iſt/ werden wir uns deſto beſſer zubedenken habẽ/
was verrichtet ſol werden; inzwiſchen wird mein Gemahl die angeſtrichene Farbe able-
gen/ damit vordißmahl zu guter lezt/ an meines herzergebenen Gemahls freundlichem An-
geſichte ich mich ergetzen moͤge. Herkules wahr damit bald fertig/ goͤnneten ihrer ehelichen
Liebe alle zuͤchtige Ergezligkeit/ und offenbahrete Herkules ihr alles/ betreffend die Fuͤrſtl.
Verbuͤndnis/ und was geſtalt ſie morgendes Tages nach ſeinem Abzuge an den Koͤnig
ſolte begehret werden/ da er ihr des Briefes Inhalt wiſſen ließ/ und ſie daruͤber hoch er-
freuet ward/ ſo daß ſie nicht unterlaſſen kunte/ zu ihm zu ſagen; es waͤhre ihr herzlich lieb/
daß ſie in ſein eheliches Anſuchen eingewilliget haͤtte/ weil er dadurch zu ſolchen heilſamen
Gedanken gebracht waͤhre/ ihre Erloͤſung zubeſchleunigen. Als ſie in ſolcher herzlichen er-
gezligkeit ſich befunden/ ſagte ſie weiter/ Gott moͤchte ſie doch gnaͤdiglich bewahren/ daß
nicht auff dieſe ihre innigliche und volkommene herzens Vergnuͤgung ein bitteres Un-
gluͤk erfolgete/ wovor ſie uͤber alle maſſe ſich fuͤrchtete. Er aber troͤſtete ſie/ ſie ſolte dem Al-
lerhoͤchſten vertrauen/ der wuͤrde ihnen die Zuͤchtigung nicht uͤber ihr vermoͤgen aufflegẽ/
ſondern mit ihnen es alſo ſchaffen/ daß ſie es wuͤrden ertragen koͤnnen. Nachgehend zeige-
te er an/ es ſolte Leches aufs geſchwindeſte fortreiſen/ auff deſſen Wiederkunft er doch nicht
warten/ ſondern zu rechter Zeit ſich anfinden/ und dem Koͤnige aufbinden wolte/ wie er von
des abtruͤnnigen Phraortes Leuten beraubet/ nur ſein Leben gerettet haͤtte. Mir zweiffelt
an eurer Treue nicht/ antwortete ſie/ aber auff unſers Gottes Barmherzigkeit und Huͤlffe
wil ich mich verlaſſen/ und iſt mir lieb/ daß ihr eures Leches erwaͤhnet/ dann ich habe mich
gegen ſeinen Vater hoch verpflichtet/ bitte demnach/ ihr wollet ihm die Handſchriſt wegẽ
der Raͤuber nidergeſetzeten Gelder mit geben/ daß er ſolche einfodere/ und mit uͤbernehme/
von welchem groſſen Schatze ich ihm drey Tonnen Goldes verehren wil. Damit wird er
ſeiner liebſten Libuſſen gar wilkom̃en ſeyn/ ſagte er/ als mit welcher er ſich zu Padua ehelich
verſprochen hat. Mit meiner alleliebeſten Troͤſterin Libuſſen? antwortete ſie: Ey ſo hat die-
ſelbe noch meinem Willen folge geleiſtet/ welches ſie trauen ſol zugeniſſen haben; ſtund hie-
mit auff und hohlete aus ihrem Schatze etliche Kleinot auff viel tauſend Kronen wert/
welche ihr Leches zum Beuipfennige nebeſt den geſchenketen Geldern mit bringen ſolte.
Nach dieſen fielen unterſchiedliche beredungen vor/ und ward des Chriſtlichen Glaubens
nicht vergeſſen; dañ das Fraͤulein hatte ihr Glaubens Buͤchlein ſchon biß zum Ende durch
geleſen/ wie auch die geſchichte von erſchaffung der Welt/ aus dem erſten Buch Moſe/ und
was ſie nicht recht begreiffen kunte/ ließ ſie ſich von Herkules auslegen/ womit ſie in die
zwo Stunden zubrachten. Sie ließ aber nach angelegter Kleidung ihre Hoffmeiſterin
Fr. Syſigambis zu ſich kommen/ und zeigete ihr an/ daß algemeiner Tiſch ſolte gehalten
werden/ und wuͤrde dieſer ihr Diener nach Koͤniglichem Befehl mit ihnen Speiſe nehmẽ/
weil ſie noch viel mit ihm abzureden haͤtte. Dieſes ward alſo zu werk gerichtet/ da dañ an-
fangs das Fråul ein ſich einer ſonderlichen Ernſthaftigkeit annam/ welche doch (weil ihr
Herz
[760]Vierdes Buch.
Herz voller Luſt und Vergnuͤgung wahr) nicht lange wehrete/ und ſing ſie darauff an ih-
rem Herkules dieſen Vorſchlag zu tuhn; ſie zweiſelte nicht/ ſagte ſie/ es wuͤrde ihr aller-
gnaͤdigſter Koͤnig nach wolverrichteter Reiſe/ auff ſeine gluͤkliche Wiederkunft ihm eine
ſonderliche Gnade antuhn/ durch ſchenkung eines treflichen Landgutes oder Herrſchaft/
und erhoͤhung zu einem anſehnlichen Koͤniglichen Dienſte; ſie hingegen wolte ihre Gnade
ſehen zu laſſen/ ihm eine Liebſte aus dieſem ihren Zim̃er zu freien/ jedoch ihm die freie Wahl
laſſen/ und ſeiner Braut eine Tonne Schaz zur heimſteuer verehren nebeſt gnugſamer
Kleidung und Ehren Schmuk; ſolte deßwegen Zeit wehrender Mahlzeit ſich unter ihnen
umbſehen/ und die ihm am beſten gefiele/ außleſen. Das ganze Frauenzim̃er ward dadurch
zum gelaͤchter bewaͤget/ aber alle Anweſende Jungfern dergeſtalt im Herzen geruͤhret/ das
ſie ihre gewoͤhnliche Farbe verlohren/ dann es wahr keine unter ihnen/ die nicht wuͤnſchete/
durch dieſe Heyraht beſeliget zu werden/ daher die eine ſich noch freundlicher bezeigete als
die ander/ und Valiſka deſſen inniglich lachen muſte. Herkules nam es als im rechten eꝛnſt
auff/ bedankete ſich anfangs der hohen und unverdieneten Gnade/ und hoffete/ ſeine ver-
richtung dergeſtalt außzufuͤhren/ dz verhoffentlich ſein Gn. Fraͤulein daran ein Vergnuͤ-
gen haben wuͤrde; weil dañ dieſelbe ihm gleich jezt die allerangenehmſte Belohnung gnaͤ-
digſt angebohten haͤtte/ wolte er daſſelbe vor ſeine hoͤchſte Gluͤkſeligkeit halten/ und haͤtte
er bald im eintritte auff dieſes Gemach ſeinem Herzen eine außerſehen/ mit welcher er zu
leben und ſterben begehrete; doch baͤhte er untertaͤhnigſt/ daß er dieſelbe keinem Menſchen/
als dem Fraͤulein offenbahren duͤrfte/ auch der geliebeten ſelber nicht biß er ſeine Reiſe ge-
endiget haͤtte. So ſeid ihr mit eurer Wahl bald fertig worden/ ſagte das Fraͤulein/ ſehet
aber zu und bleibet beſtaͤndig/ damit ihr nicht in deren Orden tretet/ welche allenthalben/
da ſie ſich auffhalten/ ihre liebſten haben. Davor ſorgen eure Gn. nit/ antwortete er: Ich
wil meineꝛ Außerwaͤhlten meine Traͤue dergeſtalt verſichern/ daß nimmermehr keine ande-
re in mein Herz kommen ſol. So ſeid ihr ein redlicher Liebhaber/ ſagte das Fraͤulein: Und
die anders geſiñet ſind/ achte ich unwirdig/ dz ihr Buhle ihnen Traͤue beweiſe. Hilff Gott/
Gn. Fraͤulein/ ſagete Fr. Syſigambis/ ſo wuͤrden hier zu Land ſehr wenig/ ja kein einiger
redlicher Liebhaber ſeyn/ weil einem jeden erlaͤubet iſt viel Kebsweiber zu haben. Wer ein
Kebsweib hat ſagte das Fraͤulein/ der iſt ſeines Eheweibes Liebe nicht wert/ doch außge-
nom̃en den einigen Koͤnig. Nach geendigter Mahlzeit ging das Fraͤulein mit ihrem Ehe-
Schatze wieder nach ihrem eigenen Zimmer/ woſelbſt ſie noch vier Stunden bey einander
verblieben/ und allerhand liebes unterredung pflogen/ biß ihnen Zeit dauchte ſich zu ſchei-
den/ da ſie dann gar traurigen Abſcheid nahmen/ weil ſie nicht eigentlich wuſten/ ob ſie
auch Zeit ihres Lebens ſich in dieſer Welt wiederumb ſehen wuͤrden; inſonderheit vergoß
das Fraͤulein ihre heiſſe Traͤhnen/ und redete ihn mit dieſen Worten an: O ihr meine ei-
nige Wolluſt dieſes Lebens/ ihr habt nun bey mir erhalten daß in anſehung eures getraͤuẽ
Herzen/ ich in ehelicher Pflicht und Liebe mich euch gegoͤnnet/ wie ſolches dann euch und
keinem andern Menſchẽ in dieſer Welt zu gedacht war. So bedanke ich mich nun anfangs
von grund meiner Seele/ daß ihr nicht allein in Nachſuchung/ ſondern auch in bekehrung
meiner zu dem wahren Gott/ ſo gar ſorgfaͤltig geweſen ſeid/ verſpreche daneben vor dem
Angeſicht Gottes/ daß keine Macht noch Schmeicheley mich uͤberwaͤltigen ſol/ an euch
bruͤchi-
[761]Vierdes Buch.
bruͤchig zu werden/ da mir ſonſten meiner Haͤnde Freyheit nicht benommen wird; dañ der
ſol und muß unfehlbar durch mich ſterben/ wer mir ein ſolches abzunoͤhtigen ſich unterfa-
hen wolte/ es gehe auch hernach mit mir/ wie es immer wil uñ kan. Seid aber herzfreund-
lich gebehten/ und unterlaſſet nicht/ oft an mich zu ſchreiben/ da ihr durch Unfal euch bald
einzuſtellen foltet verhindert werden; inſonderheit bedenket meinen Zuſtand/ und daß viel-
leicht vor außgang des Jahrs unſere Ehe moͤchte entdecket werden; da ich nun ſo lange
alhier verbleiben ſolte/ iſt ohn mein eriñern leicht zuerachten wie es mir uñ eurem Fleiſch
und Blute ergehen wuͤrde; deßwegen laſſet euch kein Ding in der Welt/ auſſer Gottes ge-
walt abwendig machen von dem/ was mich auſſerhalb dieſes Schloſſes bringen kan; her-
nach werde ich beſtand ſeyn/ des Weges ungemach durch Gottes Huͤlffe zuerduldẽ. Zwar
ich haͤtte auch meinen herzgeliebten Bruder vor eurer Hinreiſe gerne gefprochen/ je doch
weil es mit fuge nicht geſchehẽ kan/ muß ich mich gedulden; bringet ihm aber dieſen Ring/
mir vom Koͤnige ſelbſt geſchenket/ daß er ihn zum Gedaͤchtnis auffrichtiger Schweſterli-
cher Traͤue und Liebetrage/ und ſeid unſerm Gott ingeſamt zu hundert tauſend mahlen.
Befohlen/ wolte ſie hinzu ſetzen/ aber der Zungen bedienung kunte ſie ſich ferner nicht ge-
brauchen/ deßwegen verrichtete ſie das uͤbrige mit freundlichem Kuſſe/ da nachgehends
Herkules antwortete: Mein aller ſuͤſſeſter Troſt und einige ergetzung meines lebens; bil-
lig fiele ich in Gottes Zorn und ungnade/ wann ich einiges Mißtrauen in eure Zucht und
Traͤue ſetzete; da ich dann hingegen euch ebenmaͤſſiges verheiſſen/ und unbruͤchig halten
wil; glaͤubet mir aber/ daß ich mir kein Ding in der Welt ſo viel/ als eure Rettung werde
laſſen angelegen ſeyn; aber vor ausgang dreyer Monaten duͤrfte es nicht leicht geſchehen
koͤnnen; jedoch/ da etwa der Wuͤterich wegen des Beylagers in euch dringen wuͤrde/ ſo
laſſet michs wiſſen/ wozu ihr eures Timokles werdet zugebrauchen haben. Wir wollen a-
ber mit Gottes Huͤlffe inwendig ſolcher Zeit dem Koͤnige dergeſtalt die Karte vermiſchen/
und ſeinen Reichs Stand verwirren/ daß er mehr dem Kriege als der Liebe nachzudenken
Urſach haben ſol; ſonſten verſpreche ich/ euch zum wenigſten alle Monat zu ſchreiben; in-
zwiſchen ſeid dem alwaltigen Schutze des getraͤuẽ Gottes Herz inbruͤnſtig befohlen/ dem-
ſelben traget Abends und Morgens/ ja ſtuͤndlich euer Anliegen im Gebeht vor/ und troͤſtet
euch mit ſeinem heiligen Worte/ deſſen ihr ſchon zu guter Gnuͤge unterrichtet ſeid; als dan
wird uns wieder unſern maͤchtigen Feinden gelingen/ daß wir unſere in Gottes Nahmen
angefangene Ehe fried- und froͤlich in gewünſchter Ruhe biß ans unvermoͤgliche Alter/ wo
wir ſo lange leben ſollen/ werden fortſetzen koͤñen. Umfing ſie darauff inbꝛuͤnſtig/ und ſchied
mit ſchwerem Unmuht hinweg/ deſſen er ſich doch gegen ſie nicht merken ließ; Und hatte
ſie ihn erinnert/ daß Timokles Morgen zeitig fruͤh am gewoͤhnlichen Orte auffwartete/ ob
ſie vielleicht noch etwas zubeſtellen haͤtte/ wolte ſie ihm ſolches in einem hohlen Pfeile (de-
ren ihr Herkules 12 zugeſtellet hatte) zu ſchieſſen. Als Herkules auff dz Koͤnigliche Schloß
ſich verfuͤgete/ wahr es kurz vor dem Abendeſſen/ fand Phraortes allein bey dem Koͤnige/
welche von ſeiner fortſchickung Unterredung hielten. Er lieferte dem Koͤnige einen offe-
nen Brieff zu leſen/ welchen das Fraͤulein an ihre Fr. Mutter zum Schein/ in Lateiniſcheꝛ
Sprache geſchrieben hatte/ welchen der Koͤnig ihm durch ſeinen Dolmetſcher vorleſen
ließ/ uñ gefiel ihm deſſen Inhalt ſehr wol/ verſiegelte denſelbẽ mit ſeinem groſſen Pitſchaft/
und ſtellete ihn Herkules wieder zu; er lautete aber alſo:


D d d d dDer
[762]Vierdes Buch.

Der Großmaͤchtigſten Unuͤberwindlichſten Fuͤrſtin und Frauen/ Frauen Hedewig/ Koͤnigin in
Boͤhmen/ gebohrner Groß Fuͤrſtin aus Teutſchland/ ihrer herzvielgeliebten Fr. Mutter und Koͤni-
gin/ entbeut Herkuliſka kindliche Liebe und Traͤue bevor/ ꝛc. Demnach nicht ohn ſonderliche Verſe-
hung des Himmels/ ich euren muͤtterlichen Haͤnden entraubet/ durch viel Gefahr endlich dem Aller-
großmaͤchtigſten Unuͤberwindlichſten Koͤnige Artabanus/ algemeinem Beherſcher der groſſen Mor-
genlaͤnder zugefuͤhret worden bin/ hat deſſen Koͤnigl. Hocheit nach angebohrner hoͤchſter Gnade und
Guͤte nicht allein mein Elend zu herzen gefaſſet/ ſondern uͤberdas mich unwirdige zu ſeiner Koͤnigl.
Braut allergnaͤdigſt angenommen/ welches uͤberaus hohe Gluͤk euer muͤtterliches Herz mir ihrer ei-
nigen Tochter nicht mißgoͤnnen/ ſondern mich ſchleunigſt berichten wird/ ob Eure Geiſtligkeit gegen
Auszahlung 200000 Kronen mich meines Geluͤbdes (wie ich gaͤnzlich hoffe) loßſprechen koͤnnen/ da-
mit umb ſo viel zeitiger meinem allergnaͤdigſten Koͤnige ich moͤge zugefuͤhret werden. Meinen uͤbri-
gen Zuſtand/ wird Zeiger dieſes/ mir von den Goͤttern zugeſchicketer Valikules mit mehrem berichtẽ/
welchen meine Fr. Mutter nicht uͤber XXIV Stunden aufhalten/ und ihm als mir ſelbſt/ Glauben zu-
ſtellen wolle. Befehle mich hiemit Euer getraͤuen muͤtterlichen Hulde/ verbleibend/ weil ich lebe/ Euer
Koͤnigl. Hocheit untertaͤhnigſt-gehorſamſte Tochter/ Herkuliſka die glükſelige; und eine ſolche durch
meinen allergnaͤdigſten Koͤnig Artabanus.


Der Koͤnig foderte Herkules abſonderlich/ ihn fragend/ ob er noch etwas bey ihm zu
werben/ von dem Fraͤulein befehlichet waͤhre. Nein/ antwortete er/ ohn daß Ihre Durchl.
anfangs an mich begehrete/ Ihrer Koͤnigl. Hocheit ein Hand Brieflein zubringen/ darin-
nen ſie umb etliche Gelder/ der Geiſtligkeit in Boͤhmen vor ihre Losſprechung zuuͤberſen-
den/ anhielt; nachdem aber deroſelben ich zuwiſſen machte/ daß ich ſchon gedoppelt ſo viel
vor mich empfangen/ wovon ſolches wol koͤnte genommen werden/ hat ihre Koͤnigl. Hoch-
heit ſie nicht in weitere Koſten ſetzen wollen. Ey du einfaͤltiger/ ſagte Artabanus/ meineſtu/
wir werden zugeben/ daß den Goͤttern unſertwegen von deinem Gelde ein ſo wichtiges Op-
fer bereitet werden ſolte? oder gedenket unſer Fraͤulein/ daß unſere Schazkammer umb ſo
geringes Geldes willen in abnehmen gerahten werde? Befahl darauff/ daß man ihm noch
vier Tonnen Schaz auff Wagen ladete/ oder da es füglicher waͤhre/ auff Maul Eſel/ die
der Geiſtligkeit in Boͤhmen in ſeinem Nahmen ſolten geliefert werden/ mit dem Erbieten/
dafern die Goͤtter hiedurch ſich noch nicht wolten verſoͤhnen oder erbitten laſſen/ die Pfaf-
fen nur getroſt von ihm fodern ſolten/ obs gleich etliche Millionen austragen wuͤrde. Die
20 Parthiſche aͤdle Ritter/ welche Herkules als zugeordnete dieſer Geſandſchafft ſolten
mit gegeben werden/ hatten/ jeder mit einem Diener ſich fertig gemacht zu der morgenden
Reiſe/ und befahl der Koͤnig/ Phraortes ſolte ihnen 200 Pferde zur Begleitung biß an dz
Syriſche Meer/ mit geben; Die freien Reiſe-Briefe an die Roͤmiſche Stathalter in Sy-
rien hatte der Koͤnig ſelbſt verfertigen laſſen/ und begehrete derſelbe eigentlich von Herku-
les zu wiſſen/ gegen welche Zeit er zu Prage ſeyn/ und mit der Geiſtligkeit daſelbſt handeln
koͤnte. Dieſer merkete die Urſach ſeines nachfragens/ dz er gegen ſolche Zeit mit dem Bey-
lager fortfahren wolte/ und beſtimmete ihm 18 Wochen/ welches ihn zwar lange daͤuchte/
aber doch daßmahl damit friedlich wahr. Es ſolte Herkules bey dem Neben Tiſche Mahl-
zeit halten/ aber auff entſchuldigung/ daß er und der Groß Fuͤrſt gegen die Morgende Rei-
ſe noch allerhand zubeſtellen haͤtten/ wurdẽ fie erlaſſen/ und verfuͤgeten ſich hin nach Ladiſla/
der alles gegen den fruͤhzeitigen Aufbruch hatte verfertigen laſſen. Sie fodertẽ aber Timo-
kles vor ſich/ redeten mit ihm alle Notturft ab/ uñ ermahnete ihn Herkules mit aller Freund-
ligkeit/
[763]Vierdes Buch.
ligkeit/ in ſeiner bißher ſo redlich geleiſteten Traͤue beſtaͤndig zuverbleiben/ deß wolte er ihn
hoͤher beſeligen/ als ſeine Gedanken noch zur Zeit nicht faſſen koͤnten; gab ihm deſſen zum
Pfande einen koͤſtlichen Ring/ und ſtellete ihm 12000 Kronen Zehrgelder zu; Und wahr
trauen noͤhtig/ daß dieſer auff ſolche weiſe zur Verſchwiegenheit angehalten ward/ als wel-
cher alles ihr Vorhaben gar leicht haͤtte koͤnnen brechen und zu Waſſer machen/ worzu er
doch zu redlich wahr; aber wie bald haͤtte ihn Furcht und Geitz einnehmen koͤnnen; Sihe
wann der Anſchlag mißglückete/ oder man uns auff der Flucht ertappete/ wer wuͤrde als-
dann grauſamere Straffe ausſtehen muͤſſen/ als eben du? hingegen/ wann du dich zum Koͤ-
nige verfuͤgeſt/ und ihm die Gefahr offenbareſt/ wird er dir ohn zweifel eine ganze Herrſchaft
einraͤumen/ und dich zu ſeinem Raht annehmen; Solche und dergleichen Gedanken haͤt-
ten mannichen bewaͤgen ſollen/ das gewiſſe vors zweifelhaffte zuwaͤhlen/ und beyzeiten den
Kopff aus der Schlinge zuzihen; aber Timokles wahr der art nicht/ ſondern erklaͤrete ſich
aͤidlich/ mit ſeinem Gn. Fråulein zugeneſen und zuverderben. Worauff er von ihnen ernſt-
lich vermahnet ward/ nicht ſo kaͤrglich zuleben/ als er biß daher getahn/ ſondern ohn uͤppig-
keit und Pracht/ zwey Pferde und einen Knecht zuhalten/ inſonderheit gegen ſeinen Haus-
wirt und Wirtin/ auch Kinder/ (deren ſie eine zimliche Menge hatten) ſich freygebig zu-
erzeigen/ deß wuͤrden ſie ihm hinwiederumb getraͤu/ und in allem zu willen ſeyn. Nun hat-
ten ſie es Leches noch nicht kund getahn/ daß er nach Padua fort ſolte/ wuſten auch nit wol/
wie ſie es mit den XX Zugeordneten und ihren Dienern anſchlagen ſolten. Der Großfuͤrſt
meynete/ man wuͤrde ſie in Meden alle muͤſſen heimlich nidermachen; Aber Herkules war
dawider/ ſagte/ es waͤhren unſchuldige Leute/ und waͤhre am beſten/ daß man ſie alle in Haft
nehme/ und ſie wol verwahrete/ biß nach der Fraͤulein Erloͤſung/ dann koͤnte man ſie ohnge-
fehr lauffen laſſen; aber ſo feſt muͤſten ſie geſezt werden/ daß ſie weder loßbrechen/ noch je-
mand fremdes zu ihnen kommen koͤnte. Darauff ward Leches vorgefodert/ welchen Her-
kules alſo anredete: Es iſt unvonnoͤhten/ mein Freund/ euch der Schuldigkeit zuerinnern/
damit ihr eurem Koͤnige und deſſen Frl. Schweſter verbunden ſeyd/ dann eure auffrichti-
ge ritterliche Traͤue habt ihr dergeſtalt ſchon zuerkennen gegeben/ dz ihr euch dadurch zwei-
fels-frey gemacht habet. Anjetzo erfodert es hochgedachter eurer Gn. Fraͤulein Heil und
Wolfahrt/ daß ihr mit Mardus und anderen Reutern/ die euch ſollen zugegeben werden/
nach Padua/ und von dar ab weiter nach Prag zu der Koͤnigin reiſet/ auch auf dem ganzen
Hin- und Ruͤkwege euch nichts/ als Gottes Allmaͤchtige Hand auffhalten laſſet. Auf der
Reiſe ſollet ihr anfangs in der bekanten Aſſyriſchen Grenze Stad/ gegen Einlieferung die-
ſer Handſchrifft/ einen ſehr groſſen verpitſchierten Schatz an Kleinoten und gemuͤnzetem
Golde erheben/ und auff Kamele und Maul Eſel laden/ euch damit nach Damaſkus bege-
ben/ und von Herrn Sulpitius etliche verwahrete Sachen zu euch nehmen/ auch zu Se-
leuzia ein gleiches verrichten/ hernach uͤber Meer nach Padua mit einem eigenen Schiffe
ſegeln/ alle Guͤter (ohn die ich auszeichnen werde) bey H. Fabius niderſetzen/ uñ mit ſchnel-
len Pferden nach Prag reiten/ gewiſſe Kleinot/ Gelder und Briefe dahin zubringen/ her-
nach mit einer guten Anzahl Boͤhmiſcher Ritter/ ſo viel Geſchwade ihr deren inwendig
zween Tagen zuſammen bringen koͤnnet/ euch von darab nach Perſepolis begeben/ damit
auff allen fall/ wir unſere eigene Leute umb uns haben moͤgen. Auch koͤnnen zu Padua/ weil
D d d d d ijihr
[764]Vierdes Buch.
ihr nach Prage ſeyd/ etliche Faͤhnlein gute Ritter geworben werden/ woran ihr kein Geld
ſparen ſollet. Umb die Vergeltung eurer Muͤhe ſeyd unbekuͤmmert/ euer Gn. Fraͤulein
ſelbſt hat mir ſchon eine gute Anzahl Kleinot/ die ich euch hiemit einhaͤndige/ zugeſtellet/ wel-
che ihr eurer Libuſſen znm Beutpfennige uͤberbringen/ und von den Aſſyriſchen Geldern
drey Tonnen Schatz darzu legen ſollet. Fr. Brelen ſollen auch 100000 Kronen/ wegen
der mir und dem Fraͤulein vorgeſetzeten Gelder/ und Fr. Euphroſynen 60000 Kronen
ausgezaͤhlet werden. Was ich abſonderlich nach Teutſchland uͤbergemacht habe/ wird die
Koͤnigin von Prag ab/ ſchon weiter fort ſchicken. So bedenket nun abends und morgens/
daß meiner Frl. Ehr und Leben faſt allein auff eurer Eile beruhet/ welches euch ſchon an-
ſpornen wird/ den Weg ungeſeumet fortzuſetzen. Leches wuſte nicht/ wz er vor groſſer freu-
de antworten ſolte/ nicht ſo ſehr wegen der uͤberaus groſſen Schenkungen/ ſondern daß er
gelegenheit bekam/ ſeiner Obrigkeit behaͤgliche Dienſte zu leiſten/ und uͤberdas noch ſeine ei-
nig-geliebete Libuſſen zuſehẽ; ſetzete ſich deswegen auf ein Knie/ kuͤſſete Herkules die Hand/
und nachdem er aufſzuſtehen befehlichet ward/ antwortete er: Durchleuchtigſter/ Groß-
Fuͤrſt/ gnaͤdigſter Herr/ nichts kan mich in dieſer Welt hoͤher erfreuen/ als daß meinem
gnaͤdigſten Koͤnige/ dem Durchl. Fraͤulein/ und Euer Durchl. einige angenehme gehor-
ſame Dienſte zuerzeigen/ ich die gelegenheit bekomme; gelobe demnach bey ritterlichen Eh-
ren/ daß ungeſaͤumet Tag und Nacht ich dergeſtalt eilen wil/ daß wo mich Gott nicht ver-
hindert/ vor angefetzete Zeit bey Ihrer Gn. ich mich wieder einzuſtellen hoffe. Die getahne
Schenkungen reichen weit uͤber meine Unwirdigkeit/ nehme ſie doch von wegen meiner
Liebeſten untertaͤhnigſt an/ und verbinde Leib und Leben zu ihrer Gnn. Dienſten. Es wur-
den ihm darauff alle auffgeſetzte Schreiben eingehaͤndiget/ und abſondeꝛliche koͤſtliche Klei-
not an gute Freunde zu Padua; auch befahl ihm Ladiſla ernſtlich/ von Kajus Fabius Ver-
luſt kein Wort zugedenken/ ſondern daß er nach Perſepolis gereiſet geweſen/ und daher nit
haͤtte ſchreiben koͤnnen/ auff daß die Freundſchafft nicht zu hefftig betruͤbet wuͤrde. Phra-
ortes trug gute Wiſſenſchafft umb Leches bevorſtehende Reiſe/ ſtellete ihm deswegen ſon-
derliche Verehrungen zu/ welche er ſeiner Liebſten mitbringen ſolte/ beſtellete ihn zum Obri-
ſten zu Roß und Fuß/ und gab ihm 50000 Kronen auff die Hand/ mit dem verſprechen/ ſo
bald Arbianes fliegendes Heer gerichtet wuͤrde/ ſolte er den Feldmarſchalks-Platz dabey
haben. Hierauff muſte er noch dieſen Abend mit allen Schaͤtzen/ unter der Begleitung 50
Mediſcher Reuter/ des geradeſten Weges nach Aſſyrien fortgehen/ und daß weder der Koͤ-
nig noch Herkules Zugeordnete daher einigen Argwohn nehmen moͤchtẽ/ zeigete Phraor-
tes ihnen des folgenden Morgens an/ es waͤhre zu dem ende geſchehen/ daß man deſto beſ-
ſer forteilen koͤnte/ die ledigen Reuter wuͤrden ihnen bald nachſetzen. Es ging aber Leches
ſehr gluͤklich fort ohn einigen Raͤuberiſchen Anfall/ bekam in der Aſſyriſchen Grenze Stad
die wolverwahreten Guͤter auff vorgezeigete Handſchrifft/ ſeumete ſich hernach zu Da-
maſkus und Seleuzia auch nicht/ ſchickete von darab ſeine Mediſche Begleitung mit gutẽ
Geſchenken zuruͤk/ und bekam daſelbſt ein Italiaͤniſches Schiff/ auff welchem viel Kauff-
leute von Ravenna und Padua wahren/ ladete ſeine Schaͤtze darein/ und ſaͤgelte mit ge-
wuͤnſchet-gutem Winde nach Korinth zu. Phraortes ging des Morgens nach Leches ab-
zuge/ mit Herkules/ Ladiſla/ und den 20 Zugeordneten des geradeſten Weges nach Meden/
als
[765]Vierdes Buch.
als wann Leches eben denſelben Weg genommen haͤtte/ und wurden nach gemachtem An-
ſchlage obgedachte zugeordnete Parther nebeſt ihren Dienern von Phraortes Reuterey/
die noch hundert Mann ſtark wahr/ des dritten Tages nach ihrem Auszuge/ auff ihrem
Nachtlager gefaͤnglich angenommen/ welche an die aͤuſſerſten Grenzen des Mediſchen
Landes geſchicket/ und in fleiſſiger Huht bewahret wurden; hingegen ſetzeten Phraortes/
Ladiſla und Herkules mit ihren wenigen ritterlichen Dienern ihren Weg nach Perfepo-
lis fort. Plautus aber kam gegen den Mittag zu Charas wieder an/ voller Staub und
Koht/ ritte in ſolcher geſtalt nach dem Koͤniglichen Schloſſe/ und ließ ſich anmelden als
einer/ der von fremden und unbekanten Fuͤrſten bey Koͤnigl. Hocheit etwas anzubringen
haͤtte/ welches auff der eile beſtuͤnde. Artabanus ließ in bey ſeyn Fuͤrſt Vologeſes und ande-
rer Gewaltigen ihn vorfodern/ da er nach geziemender Ehrerbietung alſo anfing: Eure
Koͤnigl. Hocheit werden von meinen gnaͤdigſten Herren/ dem Erbkoͤnige in Boͤhmen/
Herrn Ladiſla/ dann auch von dem Groß Fuͤrſten aus Teutſchland/ Herrn Herkules un-
tertaͤhnig gegruͤſſet/ ſenden Ihrer Hocheit dieſes Schreiben/ und befehlen ſich deren Huld
und Gnade. Der Koͤnig ward dieſer Zeitung ſehr froh/ hieß den Abgeſanten mit einer
guͤldenen Kette verehren/ und wirdiglich halten/ bedankete ſich des uͤbergebrachten Gruſ-
ſes/ und fragete nach ihrem Wolergehen; welches Plautus mit wenigen beantwortete/ uñ
daß ſolches aus dem Schreiben ohn zweifel erhellen wuͤrde; welches der Koͤnig brach/ und
folgenden Inhalt laſe:


Dem Allergroßmaͤchtigſten Unuͤberwindlichſten Fuͤrſten und Herrn/ Herrn Artabanus/ der
Parther und ſaͤmtlichen Morgenlaͤnder Koͤnige/ wuͤnſchen Ladiſla aus Boͤhmen und Herkules aus
Teutſchland Gluͤk und Heyl. Demnach unſere hochgeliebte/ nach unterſcheid/ Fraͤulein Schweſter
und Waſe/ Fraͤulein Herkuliſka durch Raͤuber Haͤnde aus ihrem Vaterlande wieder Recht und bil-
ligkeit entfuͤhret/ und uͤber Meer und Land an dieſe weitabgelegene Orter fortgeſchleppet worden/ ha-
ben wir allen moͤglichen Fleiß angewendet/ dieſelbe auszuſpuͤren/ auch nach vielem hin und wieder rei-
ſen endlich den gewiſſen Bericht eingezogen/ daß nach außgeſtandener groſſer Muͤhe und Gefahr ſie
eurer Koͤnigl. Hocheit in Juͤnglings Geſtalt zugeſtellet ſey/ jedoch nicht wiſſen koͤñen/ ob dero Stand
und herkommen eurer Hochett ſey zu wiſſen gemacht; als erachten wir eine Notturft/ dieſelbe zube-
richten/ daß ſie Koͤnigliches Gebluͤtes/ und nicht verdiene/ als eine gefangene oder Leibeigene gehal-
ten und verſperret zu werden; bitten demnach untertaͤhnig/ obgedachte unſere Frl. Schweſter uñ Wa-
ſe/ nicht allein ihrem Stande gemaͤß halten zulaſſen/ ſondern uns zugleich gnaͤdig wiſſen zumachen/
mit was Loͤſegelde wir den Schimpff ihrer Gefaͤngnis und Dienſtbarkeit abwiſchen/ und ſie in vori-
ge Freyheit ſetzen koͤnnen/ damit ſie ohn alle Verletzung ihrer Ehren und Zucht/ ihrer Fr. Mutter/
der herſchenden Koͤnigin in Boͤhmen/ als eine der Goͤttin Veſta verlobete/ ehiſt wieder moͤge zugefuͤh-
ret werden; zweiffeln nicht/ ihre Hocheit werde zu beſchuͤtzung Koͤniglicher Ehre und anſehens/ un-
ferm untertaͤhnigen uñ rechtmaͤſſigen anſuchen ſtat geben/ und mit gewuͤnſcheter Antwort uns ſchleu-
nigſt erfreuen; ſolches umb eure Hocheit zuverdienen/ wir aͤuſſerſten vermoͤgens wollen verpflichter
ſeyn/ dieſelbe dem Alwaltigen Schuz Gottes zu aller Gluͤkſeligkeit getraͤulichſt empfelend/ als ihrer
Koͤnigl. Hocheit bereitwilligſte gehorſame/ Ladiſla und Herkules.


Nach verleſung fragete der Koͤnig den Geſanten/ ob er auch ein Schreiben an das
Fraͤulein haͤtte/ und auff bejahung muſte ers von ſich geben/ ungeachtet er einwendete den
Befehl zu haben/ daß ers dem Fraͤulein ſelbſt liefern ſolte. Auch forſchete der Koͤnig/ an
was Ort und Ende ſeine Herren Soͤhne ſich auffhielten (dann Ladiſla hatte ſolches aus
D d d d d iijVorſaz
[766]Vierdes Buch.
Vorſaz nicht hinzu geſetzet); worauff er anzeigete/ er haͤtte ſeine Gnn. Herren zu Suſa
verlaſſen/ welche aber willens geweſen/ des folgenden tages nach Perſepolis zu reiſen/ und
daſelbſt biß auff ſeine Wiederkunft ſich unbekanter weiſe auffzuhalten. Artabanus ward
der Zeitung traurig/ dann er wahr willens/ ihnen etliche tauſend Pferde entgegen zu ſen-
den/ und ſie Koͤniglich einzuhohlen. Er legte es fleiſſig bey ſich uͤber/ befand aber nit raht-
ſam/ dieſe Anfoderung dem Fraͤulein zu entdecken/ und trug doch verlangen des andern
kleinen Briefleins Inhalt zu wiſſen/ daher er dann Plautus in eine gute Herberge legen/
und wol bewirten lies/ welcher dann ſich bald nach Timokles verfuͤgete/ und mit verlangẽ
auff ſeine Abfertigung wartete. Artabanus aber erbrach ihren Brieff und laſe folgenden
Inhalt: Herzgeliebete Fraͤulein Schweſter; mit freuden haben wir deine Geſundheit erfahren/ und
daß du mit behalt deiner Ehren zu Charas dem Großmaͤchtigſten Koͤnige Artabanus uͤberliefert biſt/
welcher ſeiner hohen Weißheit und Guͤte nach/ mit dir ſchon wird zugeberden wiſſen; weil uns nun
dein Zuſtand offenbahr iſt/ und wir umb deine Erloͤſung an den groſſen Koͤnig geſchrteben haben/
auch deſſen Hoch [...]em zweiffel uns gewierige Antwort geben wird/ hoffen wir dich bald zu
ſeben und muͤ [...]n. Inzwiſchen biß der Obhuet Gottes befohlen/ von deinem getraͤuen
Bruder Ladiſ [...] bere [...] Oheim Herkules.


Der Koͤnig wunde[rte] ſich des kalten Briefes/ enderte ſein vornehmen/ und ließ der
Fraͤulein Hoffmeiſterin zu ſich fodern/ deren er das ergangene erzaͤhlete/ und dz er zugleich
ein Brieflein an das Fraͤulein/ jedoch geringes Inhalts empfangen haͤtte/ reichete ihr auch
daſſelbe/ gebuͤhrlich einzuliefern. Das Fraͤulein empfing ſolches mit ertichteter Froͤlig-
keit/ wuſte zwar den Inhalt ſchon/ und laſe ihn doch gar begierig/ daß Syſigambis alles
hoͤrete/ welche darauff zu ſagen ſich nit enthalten kunte; das iſt trauen ein kaltes Schrei-
ben von einem Bruder und Oheim/ welche eure Gn. nicht ſonders lieben werden. Gelieb-
te Freundin antwortete ſie/ ich weiß wol/ daß ſie mich bey derſeits lieben/ und bilde mir ein/
ſie ſchreiben ſo ſchlecht hin/ weil ſie gedenken daß mirs ſchlim̃er gehe/ als geſchihet. Weil
ſie nun von ihrem Herkules ſchon unterrichtet wahr/ was vor eine Antwort ſie darauff ge-
ben ſolte/ ſetzete ſie dieſelbe geſchwinde auff/ ſendete ſie dem Koͤnige alsbald unbeſchloſſen
zu/ mit bitte/ es mit ſeinem Pitſchaft zu verſiegeln/ und den Bohten mit gefaͤlliger Antwort
abzufertigen; unterrichtete daneben dieſe Frau/ weſſen ſie auff befragung ſich weiters er-
klaͤren ſolte. Dem Koͤnige gefiel das Schꝛeiben uͤber alle maſſe wol/ ließ auch ſeine Antwort
alsbald auffſetzen/ damit der Abgeſante nicht auffgehalten wuͤrde. Er fragete aber fleiſſig
nach/ mit was Geberden und bezeigungen das Fraͤulein die Anfoderung ihres Brudern
angehoͤret. Worauff ſie ſagte: Nicht anders/ als haͤtte man ſie geheiſſen den Koͤniglichen
Schmuk abtuhn/ und einen geringen Kittel anlegen; doch entſchuldiget ſie ihren Bru-
der und Oheim mit der Unwiſſenheit ihres jetzigen herlichen Zuſtandes/ und gelebet der
feſten Zuverſicht/ ſie werden nach deſſen erfahrung ſich ſchon eines andern bedenken; ſol-
ten ſie aber uͤber alles verhoffen auff ihrer Meinung feſt beſtehen/ und der Koͤnig mit be-
harlicher Liebe ihr gewogen bliebe/ wolte ſie der ihrigen wenig achten/ und auff ſolchen Fal
ſchon wiſſen/ ſich alſo zuerklaͤren/ daß ſie zu beſſeren Gedanken greiffen ſolten. Artabanus
gab zur Antwort; Sie ſolte das Fraͤulein ſeiner beharlichen Gnade verſichern/ und daß
er den ihrigen auffs gnaͤdig- gewogenſte antworten/ auch ſolche Verehrungen uͤbermachẽ
wolte/ woraus ſie ſeine Gnade ſolten ſpuͤren koͤnnen. Ward auch Plautus des folgenden
Tages
[767]Vierdes Buch.
Tages nach Mittage unter der Begleitung 600 Reuter abgefertiget/ welche biß in die lezte
Parthiſche Grenze Stad fortgehen/ daſelbſt mit den Koͤniglichen Geſchenken verharren
und nicht abzihen ſolten/ biß dieſelben abgefodert waͤhren.


Groß Fuͤrſt Phraortes mit unſern Helden und ihrer kleinen Geſelſchaft gingen/ wie
geſagt/ von den Mediſchen Grenzen eilig fort nach Perſepolis/ kamen daſelbſt des zwoͤlff-
ten tages nach ihrem außzuge von Charas bey ſpaͤtem Abend an/ und gaben ſich vor frem-
de Ritter aus/ welche Luſt haͤtten in Kriegsbeſtallungen ſich gebrauchen zu laſſen/ deßwe-
gen ihnen eine Herberge angewieſen ward/ in welche ſie einkehreten/ den jungen Fuͤrſten
Arbianes und Herrn Mazeus daſelbſt antraffen/ und folgenden Morgen Herrn Pharna-
bazus zu ſich bitten lieſſen/ der ſich ihrer Ankunft ſehr freuete/ und Groß Fuͤrſt Artaxerxes
hefftiges Verlangen nach ihrer Gegenwart/ ihnen zu wiſſen machete/ mit vermelden/ Koͤ-
nig Artabanus haͤtte ſchon zum andernmahl Schreiben an die Reichs Fuͤrſten abgehen
laſſen/ und ſie bey Leib und Lebensſtraffe nach Hofe gefodert/ des Reichs Notturft zuberaht-
ſchlagen/ mit angehaͤngtem Befehl/ da ein oder ander/ Krankheit vorwendete/ ſolte er ſich
dem Brieffebringer zeigen/ und an ſeine ſtat einen Sohn/ muͤndig oder unmuͤndig/ in man-
gel deſſen aber/ drey ſeiner naͤheſten Anverwanten hinſenden/ und ſolten die Ungehorſa-
men alsbald vor Auffruͤhrer gehalten und abgeſtraffet werden. Inzwiſchen waͤhre aller
Mannſchaft in Parthen angeſagt/ ſich auff alle Stunden zu Tage und Nacht fertig zu
halten/ woruͤber etliche Bundgenoſſen ſehr beſtuͤrzt waͤhren/ inſonderheit/ weil die Rede
ginge/ der Mediſche Groß Fuͤrſt hielte es mit dem Koͤnige/ haͤtte dem ſelben ein wunder-
ſchoͤnes Fraͤulein zum Gemahl zugefuͤhret/ und wuͤrde ihm ein geuͤbetes Kriegsheer von
80000 Mann zu Felde liefern. Phraortes lachete der lezten Rede/ uñ begehrete zu wiſſen/
weſſen ſich die gefoderte Fuͤrſten gegen den Koͤnig moͤchten erklaͤret haben; da er anzeigete/
ſie haͤtten alle dem Koͤnige gebuͤhrlichen Gehorſam zugeſchrieben/ und zugleich uͤber die be-
drauliche Foderung ſich beſchweret/ als welche ihnen wieder alle Gewohnheit und muht-
maſſung zukommen waͤhre/ hoffeten/ ihre Hocheit wuͤrden alle und jede bey ihren Freyhei-
ten ſchuͤtzen/ und vielmehr der ſaͤmtlichen Staͤnde Liebe und Zuneigung/ als ihre ſchuͤch-
terne Furcht begehren und ſuchen; inſonderheit haͤtten ſie gebehten verſtaͤndiget zu werdẽ/
was die groſſen Kriegsruͤſtungen in Parthen hinter ſich hielten; man lebete ja mit den
Außlaͤndiſchen Kaͤyſer und Koͤnigen im Friede/ wuͤſten auch von keinem innerlichen Fein-
de/ ſo daß ein jeder faſt gezwungen/ wiedrige Gedanken faſſen muͤſte; wolten daher ihre
Hocheit untertaͤhnigſt erinnern/ von etlichen unruhigen Leuten/ die etwa des Reichs ver-
derben zu ihrer Auffnahme ſuchten/ ſich nicht verleiten/ noch wieder getraͤue Untertahnen
anfuͤhren zu laſſen. Dieſes ſagte er/ iſt ohn zweifel/ nach genommenem Abſcheide/ von allen
zuruͤk geſchrieben; ohn Artaxerxes/ als der den Koͤnig nur auff ſich zulocken begehret/ hat
ihm dieſe Antwort eingeſchicket: Er haͤtte des Koͤniges der Parther bedrauliches Schrei-
ben mit hoͤchſtbeſtuͤrzetem Gemuͤht able ſend vernommen/ daß er ein Groß Fuͤrſt der hoch-
aͤdlen Perſen bey Leib und Lebens ſtraffe gefodert/ nicht eins die Freyheit uͤbrig behielte/
ſich mit ſeiner Leibes Schwacheit zu entſchuldigen/ ja ſolte einen nichtigen Bohten vor
ſein Fuͤrſtliches Bette treten/ oder ſich wol gar zu ihm hinaus tragen laſſen/ welches ſeiner
Fuͤrſtl. Wuͤrde ſehr ſchimpflich ſeyn wuͤrde; doch haͤtte er ſolche Schmach vielleicht noch
koͤnnen
[768]Vierdes Buch.
koͤnnen erdulden/ dem Koͤnige gehorſam zu ſeyn; aber warumb foderte man ſeine lieben
Kinder? die waͤhre er trauen bedacht/ ſelber in Perſiſchen Sitten zuerzihen. Zwar ſeine
Anverwanten haͤtte er erſuchet/ die Muͤhe der Reiſe auff ſich zunehmẽ/ befuͤnden ſich aber
deſſen beſchweret/ dafern ihnen nicht gnugſame Geleitsbrieffe zur Sicherheit eingehaͤndi-
get wuͤrden. Schließlich bittet er den Koͤnig im Schreiben/ er moͤge ihn als einen getraͤuẽ
Knecht des Vaterlandes aus ungleichem Verdacht laſſen/ und ihm die wahre Urſach
ſeiner groſſen Werbungen anzudeuten unbeſchweret ſeyn; die ſeine betreffend/ geſchaͤhen
ſie zu keinem andern Ende/ als/ entweder dem Koͤnige damit wieder die Reichs Feinde bey-
pflichtig zu ſeyn/ oder dafern das Geſchrey etwas hinter ſich haͤtte/ als wolte der Koͤnig et-
liche Reichs Fuͤrſten vertreiben/ muͤſte er nach algemeinem Voͤlker Recht ſeines ſelbſt eige-
nen Schutzes unvergeſſen ſeyn; hoffete doch nicht/ daß ſeine Hocheit belieben truͤge/ eini-
ge innerliche Kriege anzurichten/ ſondern wuͤrde vielmehr ſich dahin bearbeiten/ daß des
Reichs Wiederwertige/ als Roͤmer oder Skythen/ angegriffen und zum bahren gebracht
wuͤrden; hiemit befoͤhle er ſich des Koͤniges beharlicher Gnade/ und verbliebe weil er le-
bete/ des Vaterlandes getraͤueſter Knecht biß in den Tod/ als vor welches zu ſtreben er ſo
bereit als ſchuldig waͤhre. Wie nun dieſe Antwort wird auffgenommen werden/ ſagte
Pharnabazus weiter/ wird die Zeit bald eroͤffnen/ dann wir haben (welches euer Durchl.
annoch unbewuſt) am Koͤniglichen Hofe vertrauete Leute/ die uns hievon zeitig gnug be-
richten ſollen; unſer hoͤchſter Troſt naͤhſt der Goͤtter Huͤlffe/ iſt/ daß wir innerhalb drey
Tagen 90000 Mann wol bewehret ins Feld fuͤhren/ und den Feinden den Kopff bieten
koͤnnen/ biß die uͤbrige Huͤlffe von andern Fuͤrſten herbey gebracht werde. Es ſind aber die
vereinigte Fuͤrſten/ als der Aſſyriſche Herr Puſizes; Hirkaniſche H. Menapis; Baktria-
niſche H. Eukratides; Suſianiſche/ H. Gobares; Margianiſche/ H. Uſtazeres; Ariſche/
H. Okbares; und Drangianiſche H. Tiſſaphernes inwendig dreyen Tagen alhier ange-
langet/ denen allen noch unwiſſend iſt/ daß der Mediſche Groß Fuͤrſt den Bund angenom-
men hat/ und zum Kriegs Raht hergebehten iſt. Es ward vor gut angeſehen/ daß Pharna-
bazus dem GFuͤrſten Artaxerxes ihre Ankunft in geheim anmeldete/ der ſie auff drey Gut-
ſchen nach Hofe einhohlen ließ/ und ihnen biß in den vorderſten Plaz entgegen ging/ mehr
Ritterlich als Fuͤrſtlich gekleidet/ ohn dz er fornen am Bunde ein trefliches Kleinot trug.
Er empfing ſie gar freundlich/ und fuͤhrete ſie auff ein abſonderliches Gemach/ da er an-
fangs wegen ihrer ankunft ſich bedankete/ hernach des Parther Koͤniges und ſeiner vor-
fahren Grauſamkeit anklagete/ und dagegen der vereinigten Fuͤrſten unbewaͤglichen Vor-
ſaz zur erſtreitung der Freyheit ruͤhmete/ auch/ wie uͤberfluͤſſig ſie die verabſcheidete Geld-
huͤlffe herbey gebracht/ und die heimlichen Werbungen nach allem Wunſch und uͤber die
Zahl fortgeſetzet haͤtten/ mangelte alſo nur bloß an vergleichung der Zeit und des Orts/ dz
man auff vorher ergehende Abſage den Ernſt ſehen lieſſe. Urſachen des Krieges duͤrffte
man vom Zaune nicht brechen noch von langen Jahren hervor ſuchen/ die neulichſten
Außſchreiben fuͤhreten derſelben mehꝛ als zu viel mit ſich. Hernach redete er unſere beyden
Helden abſonderlich alſo an: Durchleuchtige Fuͤrſten; der Ruhm eurer beyden treflicher
Mannheit/ iſt mir von unterſchiedlichen Orten des Roͤmiſchen Gebiets zukommen/ da-
her nicht eine geringe Begierde zu dero Kund- und Freundſchaft in mir erwecket iſt/ und
hat
[769]Vierdes Buch.
hat mich hoͤchſt erfreuet/ als eurer Liebden guten Willen/ uns im Kriege beyſtaͤndig zu ſeyn
von meinem Freund und Oheim Pharnabazus vernom̃en habe; bedanke mich demnach
ihres guͤnſtigen erſcheinens/ und verſpreche denſelben nicht allein vor mich/ ſondern auch
von wegen des geſamten Hoch Fuͤrſtlichen Bundes/ alle Huͤlffe und Beyſtand/ mit Volk/
Gut und Blut/ es ſey zur errett- oder zur beſchuͤtzung der ihrigen und ihrer ſelbſt/ damit ſie
ihr hochloͤbliches Vorhaben/ welches obgedachter mein Oheim mir als einem ſicheren
Freunde anvertrauet/ zum gluͤklichen Ende bringen moͤgen. Herkules antwortete hin-
wieder: Durchleuchtigſter Großmaͤchtiger Groß Fuͤrſt/ gnaͤdiger Herr; daß eure Durchl.
uns ein ſo hohes ganz unverdientes Lob zuleget/ dienet uns eigentlich zum unfehlbaren
Kenzeichen ihrer guten Gewogenheit gegen uns Fremdlinge. Die eigentliche Urſach un-
ſer Ankunft iſt die hochbegehrete Gluͤkſeligkeit/ die in ihrer Durchl. Kundſchaft wir ſuchẽ
und hoffen/ als deren kraͤftige Mannheit und Tugend uns uͤber vieler anderen dieſer groſ-
ſen Morgenlaͤnder zum hoͤchſten geprieſen iſt/ und aus deren hoͤchſtloͤblichem vornehmen
zum uͤberfluß erſcheinet. O wie ein unſterblicher ruhm wird bey den Nachkommen dieſer
ſey/ der unverzagte Held Artaxerxes habe daß unertraͤgliche Parthiſche Joch gebrochen/
und die unleidlichen Bande zuriſſen/ damit alle Morgenlaͤnder unverantwortlicher Weiſe
gedruͤcket uñ gefeſſelt wahren. Da nun unſere Dienſte alſo moͤchten beſchaffen ſeyn/ durch
welche dem Hoch Fuͤrſtl. Bunde/ und abſonderlich ihrer Durchl. einige vergnuͤgung koͤn-
te geleiſtet werden/ ſolte darinnen unſers ſelbſt eigenen Wunſches erfuͤllung beſtehen. Im
uͤbrigen nehmen wir dero hohes Erbieten mit gebuͤhrlicher Dankbarkeit an/ welches uns
auffmuntern wird/ alles daſſelbe vorzunehmen/ was von unſer Wenigkeit kan verrichtet/
und dem Hoch Fuͤrſtlichen Bunde zu Dienſt und auffnahme geleiſtet werden. Artaxerxes
ſahe unſern Herkules zeitwehrender Rede mit ſtarren Augen an/ und weil er der Sterne-
Kunſt wol erfahren/ auch aus den Zuͤgen und Zeichen des Angeſichts/ von unterſcheid
der Geburts Arten und ihren eigenfchaften/ geneigenheiten und enderungen nachſinlich
urteilen kunte/ befand er aus allen gleichſtimmenden Zeichen/ daß ein ſonderlicher Geiſt
in ihm waͤhre; dieſes aber wunderte ihm am meiſten/ daß derſelbe einem ſo uͤberaus ſchoͤ-
nen Leibe eingegoſſen wahr/ welcher alle Anſeher beliebet und ehrerbietig machen kunte.
Er gab ihnẽ aber dieſe wiederantwort: Ihr meine hochwerte wahre Freunde/ des beſche-
henen Erbietens bedanke ich mich von Herzen/ werde mich auch befleiſſigen ein redliches
freundwilliges Gemuͤht/ als viel mir der Himmel verleihen wird/ in der Taht zuerweiſen;
bitte/ es wollen eure Liebden mich in ihrer Freunde Zahl auffnehmen/ und unter dieſelben
rechnen/ welche ihnen mit alle ihrem Vermoͤgen ergeben ſind; und weil morgendes ta-
ges gemeiner Kriegsraht berahmet iſt/ werden eure Liebden ſich unbeſchwert finden laſſen/
mit den verſamleten Fuͤrſten auff angeſtelleter Gaͤſterey heut dieſen Tag Kundſchaft zu
machen/ und dahin bedacht zu ſeyn/ wie unſerm Vorhaben ein gluͤklicher Anfang koͤnne
gemacht werden. Ladiſla antwortete hierauff: Durchl. Groß Fuͤrſt/ eure Liebe erbeut ſich
gegen uns bißher unbekante gar zu milde; jedoch gibt dieſelbe uns hiemit anlaß/ alle Kraͤf-
te anzuwenden/ ob wir Mittel und Wege finden moͤchten/ dem gemeinen Weſen nuͤzlich
zu ſeyn; welches vor dißmahl ſehen zu laſſen/ ich mich anerbiete/ dem Kriege mit meiner
Fauſt und abſonderlichem Kampffe den Anfang zu geben/ dafern von den Hoch Fuͤrſtlichẽ
E e e e eBunds-
[770]Vierdes Buch.
Bundsverwanten mir ein ſolches kan erlaubet werden/ in dem ich willens bin/ an den Koͤ-
nig ſelbſt oder einen ſeiner mannlichſten Kriegs Obriſten und Fuͤrſten Streits zubegeh-
ren/ umb daß er meine Fraͤulein Schweſter nicht aus eigener Bewaͤgnis/ wie einem Koͤ-
nige gebuͤhren wolte/ auff freien Fuß ſtellet. Artaxerxes nam dieſes Erbieten mit Dank an/
zweiffelte auch am gluͤklichen Siege nicht/ weil er ſeiner Mannheit gute Kundſchaft hatte.
Phraortes aber verſicherte ſie/ Koͤnig Artabanus wuͤrde/ angeſehen ſeines Hochmuhts
und Alters/ den Streit wedervor ſein eigen Haͤupt/ noch durch einen andern gnug- wirdi-
gen Fuͤrſten annehmen/ ob er wol in ſeiner Jugend mit Waffen nicht ungeſchikt waͤhre
umbgangen; uñ haͤtte er unterſchiedlichemahl aus ſeinem Munde gehoͤret/ daß er gewuͤn-
ſchet/ mit dem Roͤmiſchen Kaͤyſer ein Handgemenge anzutreten/ dañ derſelbe allein waͤh-
re ſeines gleichen/ andere aber ſeines Schwerts unwirdig. Unter wehrendem Geſpraͤch
ging Arbianes auff ſeines Herrn Vaters Geheiß hin/ die verſamleten Fuͤrſten auff ihrem
Gemache zu gruͤſſen/ uñ ſeine Ankunft ihnen wiſſen zu machen; die deſſen hoͤchlich erfreuet
wurden/ und ward ihnen der ſchwe rſte Stein/ ſonderlich dem Aſſyriſchen und Hirkani-
ſchen Fuͤrſten vom Herzen gewalzet/ weil ſie dieſen maͤchtigen Nachbar/ da er vor den Koͤ-
nig ſte hen wuͤrde/ nicht wenig fuͤrchteten/ nunmehr aber leichtlich ſchlieſſen kunten/ er muͤ-
ſte des gemeinen Weſens ſich mit annehmen. Bald ſtelleten ſich unſere Helden bey dieſer
Fuͤrſtlichen Geſelſchaft ein/ und ward Ladiſla von Artaxerxes/ Herkules aber von Phra-
ortes begleitet; ſie gruͤſſeten die Anweſenden hoͤflich/ und bahten zugleich um Vergebung/
daß auff des Perſiſches Groß Fuͤrſten Durchl. noͤhtigen/ ſie bey ſo hochfuͤrſtlicher Ver-
ſamlung ſich finden lieſſen; welches dieſelben zwar nicht unfre undlich/ aber doch nicht als
gegen ihres gleichen/ beantworteten/ biß ſie die groſſe Ehrerbietigkeit ſahen/ die ihnen von
Artaxerxes und Phraortes angetahn ward; daher Fuͤrſt Puſizes aus Aſſyrien zu Fuͤrſt
Gobares aus Suſiana ſagete: Gewißlich werden dieſe junge Fuͤrſten von ſehr hohem
Stande ſeyn/ daß ihnen ſolche Ehr angebohten wird/ welche man ſonſt ihrer Jugend hal-
ber ihnen nicht ſchuldig waͤhre/ als die durch groſſe Tahten es noch nicht verdienen koͤñen.
Gobares/ der ohndaß allen Außlaͤndiſchen gehaͤſſig wahr/ antwortete ihm: Eure Liebe ſe-
hen/ daß man zierliche Blumen mehr umb der Farbe willen/ als wegen ihrer Kraft/ auff
guͤldene Gefaͤſſe ſtellet/ und daͤucht mich der eine einem Weibe aͤhnlicher als einem Mañe
ſeyn; ja wer weiß ob er nicht unter dieſer ertichteten Kleidung des andern Beyſchlaͤfferin
iſt? doch ſey ihm/ wie es wolle/ ſo werde ich doch Gelegenheit finden/ ein Kurzweilichen
mit ihnen anzuſtimmen. Ich weiß von ihnen weder gutes noch boͤſes zu ſagen/ antwortete
Puſizes/ nach dem ihr Leben und Wandel mir allerdinge unbekant iſt/ doch zeigen ihre Ge-
berden durchaus keine nidertraͤchtige Gemuͤhter an/ daher eure Liebe ſich maͤſſigen werdẽ/
welche wolgemeinete Vermahnung eure Liebe mir nicht verargen wolle. Artaxerxes fing
inzwiſchen an/ die Verſamlung alſo anzureden: Durchleuchtige Hochgebohrne Fuͤrſten/
Oheimbe und Freunde; daß gegenwaͤrtige beyde Durchleuchtigſte Fuͤrſten uñ ruhmwir-
dige Helden/ mich alhier zubeſuchen gewirdiget/ rechne ich unter meine Gluͤkſeligkeitẽ/ deſ-
ſen ihre Liebden ingeſamt ſich wol verſichern moͤgen/ bitte demnach/ mir die Freundſchaft
zuerzeigen/ und ihnen helffen gutlich tuhn/ damit ſie dereins in ihren Koͤnigreichen und
Groß Fuͤrſtentuͤhmen der Morgenlaͤndiſchen Fuͤrſten freun dwilligkeit zu ruͤhmen Urſach
haben
[771]Vierdes Buch.
haben moͤgen. Herkules und Ladiſla entſchuldigten ſich/ mit Bitte/ ſie mit ſo unertraͤglicher
Ehren-Laſt nicht zuerdruͤcken/ nach dem ſie dieſer oͤrter ſich nicht anders als umſchweiffen-
de Ritter zuhalten bedacht waͤhren; koͤnte auch hiedurch einer oder ander leicht beleidiget
werden/ wann ſie als junge Leute und Fremdlinge/ die in dieſen Laͤndern keinen Fußbreit ei-
genes haͤtten/ ſich ſo maͤchtigen Fuͤrſten gleich halten laſſen wolten. Fuͤrſt Puſizes kennete
Artaxerxes Gemuͤht ſehr wol/ und daß ſeine Gewohnheit nicht wahr/ unwirdige zuerhe-
ben/ viel weniger jemand ins Geſicht zuloben/ und durch Schmeicheley ſich beliebt zuma-
chen/ dann er wahr in Waffen und ritterlichen uͤbungen ſo erfahren/ daß ihm in den Mor-
genlaͤndern ſehr wenig gleicheten; kunte demnach nicht erſiñen/ wer dieſe immermehr ſeyn
moͤchten/ denen er den Helden-Nahmen zuwendete/ und weil er der aͤlteſte von den verſam-
leten Fuͤrſten/ ein Herr von 72 Jahren wahr/ antwortete er kuͤrzlich: Es muͤſten ihrer kei-
nem dieſelben unangenehm ſeyn/ denen ſeine Liebe ein ſolches Zeugniß ihrer Tapfferkeit uñ
hohen Verſtandes mitteilete. Als nun jederman hierauff ſchwieg/ fing Arbianes an zu ſei-
nem Herr Vater: Er håtte ihm vorgenom̃en/ eine kindliche Bitte an ſeine vaͤterliche Gn.
in dieſer Hochfuͤrſtl. Verſamlung abzulegen/ der Hoffnung/ da derſelbe ſich daruͤber etwas
beſchweret befuͤnde/ wuͤrden ſeine Gnn. Oheimbe und Fuͤrſten ihm ein Wort zum beſten
verleihen. Der Vater antwortete lachend: Bin ich dir dann ſo hart zu/ daß du dein Anlie-
gen mir ſonſt nicht offenbahren darffſt? Solches nicht/ Gn. Herr Vater/ ſagte er/ nur daß
ichs alhie deſto leichter zuerhalten gedenke/ und iſt dieſes mein kindliches anſuchen/ daß Eu-
re Gn. mir erlaͤuben wollen/ da etwa eine Kriegsempoͤrung/ wie ſichs anſehen laͤſſet/ entſte-
hen ſolte/ ich unter dem unvergleichlichen Helde/ Groß Fuͤrſt Herkules/ reiten/ und von deſ-
ſen Durchl. erlernen moͤge/ was inkuͤnfftig mir zu Preiß und Ehren dienen kan. Hochge-
bohrner Fuͤrſt/ fiel ihm Herkules in die Rede/ ich wuͤrde gewißlich dieſes Gemach nicht be-
treten haben/ dafern ich haͤtte wiſſen ſollen/ daß wegen Ihrer Liebe gar zu verdaͤchtiger Zu-
neigungs-Rede ich alhie ſo ſchamroht ſtehen muß. Phraortes ſahe/ daß er ſchier unwillig
worden waͤhre/ fiel ihm deswegen mit halblachenden Worten ein/ und ſagete: Eure Liebe
wollen meinem Sohn des anmuhtens verzeihen/ dann als viel ich merke/ iſt er bedacht/ hin-
ter einem guten Schutze ſich zuverbergen; Was koͤnte mir aber vor groͤſſere Freude be-
gegnen/ als wann ich ſehen ſolte/ daß er ungefaͤrbeter Tugend zufolgen/ ſich beflieſſe. Aber/
ſagte er zu ſeinem Sohn/ du bitteſt von mir/ deſſen ich nicht bemaͤchtiget bin/ uñ wirſt es bey
dem ſuchen muͤſſen/ der dir ſolches leiſten kan. Mein Herr Vater/ antwortete Arbianes/ ich
kenne den Durchl. Groß Fuͤrſten/ Herrn Herkules nunmehr ſo viel/ daß ſeine Liebe mir kei-
ne Moͤgligkeit verſaget/ auch meine unhoͤfliche Verwaͤgenheit mir gerne zu gute haͤlt. Ja/
ſagte der Vater/ vielleicht triegeſtu dich auff ſeine Mildigkeit zuviel; aber auff ſolche weiſe
werden unhoͤfliche nur frecher gemacht; wil demnach vielmehr bey ſeiner Liebe anhalten/
dir nicht in allem ſo willig zuerſcheinen/ dann bey je dweden wuͤrdeſtu es ſchwerlich treffen.
Ich hoffe/ ſagte Arbianes/ meine Jugend werde des Frevels Vorſprach bey ſeiner Durchl.
ſeyn. Es wahr Herkules dieſes Geſpraͤch uͤber alle maſſe zuwider/ durffte ſich doch keines
Widerwillen merken laſſen/ und gab dem jungen Fuͤrſten zur Antwort: Ich habe von
Euer Liebe weder Unhoͤfligkeit noch Frevel je gehoͤret/ und iſt mir lieb/ daß dieſelbe auff ih-
re Jugend ſich beruffet/ als wodurch ich gleicherweiſe bey alten und verſtaͤndigen um ver-
E e e e e ijzei-
[772]Vierdes Buch.
zeihung zubitten pflege/ und wir alſo in dieſer Schuele auff einer Bank neben einander ſi-
tzen/ daher ich mich deſſen feſtiglich verſehe/ Eure Liebe hinfuͤro mit uͤbermachten Ehrenbe-
nahmungen mein verſchonen werden; im uͤbrigen trauen mir dieſelbe/ daß ich mir ſelb-
ſten wuͤnſche/ neben ihr zugleich den ritterlichen uͤbungen nachzuſetzen/ und wir einander
zur Tugend reizen moͤgen/ gelebe auch der Hoffnung/ Euer Liebe Herr Vater/ und ſie im-
gleichen/ mir ſolches nicht verſagen werden. Die anweſende erkenneten aus dieſer demuͤh-
tigen Rede ſeine Tugend/ ohn allein Gobares trieb ſeinen Spot daraus/ daß er endlich zu
Fuͤrſt Puſizes ſagete/ der ihm ſehr nahe verſchwaͤgert wahr: Dieſer Juͤngling ſuchet durch
nidertraͤchtige Reden ein ſonderliches Lob/ welches des unverſchaͤmten Ehrgeitzes hoͤchſte
Stuhffe iſt; Aber dieſer alte verſtaͤndige Fuͤrſt taht als hoͤrete ers nicht/ und weil es zeit
wahr ſich zu Tiſche zuſetzen/ noͤhtigte Artaxerxes dieſen Fuͤrſten/ die Oberſtelle zunehmẽ/ dem
er Ladiſla allernaͤheſt ſetzete/ welcher ſich zwar mit Phraortes faſt umtrieb/ und doch wider
ſeinen Willen folge leiſten muſte/ deſſen er alle anweſende umb Verzeihung baht. Nach
Phraortes ward Herkules geſetzet/ dem Gobares folgen ſolte/ hielt ſich aber zu ſtolz/ und
waͤhlete ihm ſelbſt die ſtelle vor dem Tiſche/ allernaͤhſt bey Puſizes/ gegen Phraortes uͤber/
deſſen Artaxerxes und andere mehr uͤbel zufrieden wahren. Der Hirkaner Fuͤrſt aber fol-
gete Herkules/ auff welchen er eine ſonderliche Gewogenheit geworffen hatte/ und im ni-
derſitzen ſagte er zu ihm: Ich werde mich der Kuͤhnheit gebrauchen/ mich bey ihrer Liebe
niderzulaſſen/ umb zu beſſerer Kundſchafft gelegenheit zubekommen. Meine Unwiꝛdigkeit/
hier zuſitzen/ antwortete er/ bekenne ich willig/ bitte daher/ niemand hieruͤber einigen Haß
auff mich werffen wolle/ weil ich gezwungen unhoͤflich ſeyn muß. Gobares machte ihm die
Gedanken/ es würde ſeinet wegen geredet/ und faſſete einen ſolchen Groll wider ihn/ daß er
ihm nach dem Leben zutrachten bedacht wahr/ da hingegen Herkules ihm gute Neigung
zuwendete. Bey der Mahlzeit ward keiner wichtigen Haͤndel gedacht/ ohn daß zuzeiten
Koͤniges Artabanus meldung geſchahe/ deſſen Grauſamkeit/ und bißher mannigfaltige/
auch zeitwehrender erſter Ehe/ veruͤbete Unzucht niemand beſſer als dem Hirkaner Fuͤrſten
bewuſt wahr; Erzaͤhlete demnach/ wie zeit ſeiner erſten bluͤhenden Jugend kein redlicher
Mann ſein Weib oder (offtmahl noch unmanbahre) Tochter haͤtte ſchuͤtzen moͤgen; Das
årgeſte aber waͤhre geweſen/ daß nach deren Mißbrauch und buͤſſung ſeiner Luſt/ er ſeinen
Leibdienern gleichen Mutwillen gegoͤnnet/ ja ſie offt darzu gezwungen/ und hernach alles
ſelbſt ausgebreitet haͤtte/ daher es ihn groß wunder naͤhme/ wie er ſich des eingeſperreten
Fraͤuleins enthalten koͤnte/ deren Schoͤnheit überall vor ganz vollkommen/ und als unver-
gleichlich gepreiſet wuͤrde/ und man daneben berichtete/ ſie ihn dergeſtalt zu zwingen wuͤſte/
daß er nicht eins auff ihr Schloß zu ihr kommen duͤrffte/ ſondern ſie lieſſe ſich nur von ihm
auff den hohen Umgaͤngen/ und zwar wunderſelten/ von ferne/ mit verdecketem Angeſicht
beſchauen. Herkules antwortete ihm: Das Fråulein betreffend/ weiß ich vor gewiß/ daß
ſie ehe eines grauſamen Todes ſterben/ als in ſeinen unzuͤchtigen Willen gehehlen wird/ dañ
ihr Herz und Muht haſſet nichts ſo ſehr/ als Unkeuſcheit. Fuͤrſt Puſizes fragete ihn/ ob er
dieſer Fraͤulein Kundſchafthaͤtte/ und vernam unvermuhtlich/ daß ſie ihrer beydeꝛ Schwe-
ſter und Waſe waͤhre/ und ſie ausdruͤklich umb ihrer Erloͤſung willen ſich aus ihrem Va-
terlande auff die Reiſe begeben haͤtten/ des gaͤnzlichen vorhabens/ dieſe Laͤnder nicht zuraͤu-
men/
[773]Vierdes Buch.
men/ ehe und bevor ſie dieſes Koͤnigliche Fraͤulein in vorige Freyheit ungeſchaͤndet geſetzet
haͤtten/ oder der Wuͤterich muͤſte ſein Leben davor laſſen. Weil nun Puſizes gute Wiſſen-
ſchafft umb des Koͤniges Frevel trug/ antwortete er: Dieſes duͤrffte ſchwer zugehen; dann
iſt ſie der Vollkommenheit/ wie das Geſchrey einmuͤhtig zuſtimmet/ und er ſeine ehmahlige
Begierden nicht ausgezogen hat/ wird er ſie zu ſeinem Willen zubringen/ ihm aͤuſſerſt laſ-
ſen angelegen ſeyn/ ſolte es auch durch einen unverſchaͤmten Nohtzwang geſchehen. Dar-
zu wird es ob Gott wil nicht kommen/ ſagte Ladiſla/ ob ers gleich durch eheliche Liebe und
Vermaͤhlung ſuchte/ es geſchehe dann mit ihrer naͤheſten Anverwanten bewilligung; nach-
demmahl in meinem Vaterlande nicht ſitte iſt/ dz eine Tochter vor ſich ſelbſt zur Ehe greif-
fet; wil auch lieber ihres Todes/ als dieſes Beylagers verſtaͤndiget ſeyn/ deſſen ſie ſchon zuꝛ
gnuͤge berichtet iſt/ zweifele doch nicht/ Gott werde ſie vor beyderley unfal gnaͤdig ſchuͤtzen.


Nachgehends ward mannicherley auff die Bahn gebracht/ und fingen die Morgenlaͤn-
diſche Fuͤrſten ein Geſpraͤch uͤber dieſer Frage an: Was die beſte Art ſeyn wuͤrde/ die noͤh-
tige Koſten zu der Voͤlker Unterhaltung herbeyzuſchaffen; welches dem Suſianer nicht
gefallen wolte/ dañ er wuſte ſchon/ daß der Ausſchlag nach ſeinem Willen nicht fallen wuͤꝛ-
de. Aber Artaxerxes hatte dieſe Beredung mit fleiß angezettelt/ umb dieſen von ſeinem un-
gebuͤhrlichen Vornehmen abzubringen; Welches deſto fuͤglicher ins werk zurichten/ er den
Aſſyriſchen Fuͤrſten/ Herrn Puſizes/ und den Hirkaniſchen/ Herrn Menapis erſuchete/ in
ihrer wol- und nuͤzlich-angefangenen Rede fortzufahren/ alſo/ daß ein jeder feine Meynung
nach Moͤgligkeit zubehaupten/ ihm lieſſe angelegen ſeyn. Weil dann der fromme Hirkani-
ſche Fuͤrſt wol wuſte/ dz etliche ihrer Verbuͤndnis/ inſonderheit Gobares/ aus ihren Schatz-
kammern nicht gerne viel entrahten wolten/ und er doch deren Meynung nicht zugetahn
wahr/ wolte er dannoch dieſelbe zu handhaben ſich unterſtehen/ nicht zweifelnd/ Fuͤrſt Puſi-
zes wuͤrde ſchon wiſſen/ ihm mit gebuͤhrlicher Antwort zu begegnen; fing demnach alſo an:
Ihr Durchleuchtigſte Fuͤrſten und getraͤue Vaͤter des Vaterlandes; Zu was ende vor
dißmahl unſere Zuſammenkunfft angeſehen ſey/ werden wir zu bequemer Zeit zuuͤberlegen
haben. Vor dißmahl/ umb/ nebeſt Vertreibung der Zeit/ auch etwas nuͤzliches zubetrach-
ren/ tuhn wir recht und wol/ die von unſerm erwaͤhleten wirdigen Haͤupte/ Groß Fuͤrſt Ar-
taxerxes erwaͤhnete Frage in etwas zubeherzigen; maſſen kein vernuͤnfftiger Fuͤrſt ſo un-
vernuͤnfftig verfahren wird/ einen Krieg anzufahen/ ehe und bevor er auff die Mittel zu deſ-
ſen Unterhalt- und Fortſetzung iſt bedacht geweſen. Den Krieg/ wie ich vor dißmahl auſſeꝛ
zweifelſetzen wil/ halten wir vor beſchloſſen/ und taͤhten wirs nicht/ wuͤrde man uns zu Cha-
ras mit Eſels Ohren und Narren Schellen abmahlen/ und zwar nicht unbillig/ welches a-
ber hieher nicht gehoͤret. Iſt dann der Krieg beſchloſſen/ und ein ſolcher/ deſſen Endſchafft
ſich nicht in wenig Monaten/ ſondern etlichen Jahren erſt finden duͤrffte; So wird dieſes
eine allerdinge noͤhtige Frage feyn/ woher die Mittel/ denſelben an unſer ſeite gebuͤhrlich zu
unterhalten/ ſollen genommen werden. Nun ſind ſie ſchon da/ ihr meine Herren/ und duͤrf-
ſen nicht erſt in der ferne geſucht werden; nur allein muͤſſen wir die guͤtigen. Goͤtter anruf-
fen/ daß ſie uns ins Herz geben/ die zutraͤglichſten zuwaͤhlen. Wolte dann jemand fragen/
wie mannicherley arten ſich finden? ſo ſpreche ich: Wir muͤſſen entweder ſolche Mittel von
andern hohen Haͤuptern erborgen/ und ſie hernaͤhſt wieder bezahlen/ oder ſonſt gut machen;
E e e e e iijodeꝛ
[774]Vierdes Buch.
oder wir muͤſſen ſie aus Feindes Landen hohlen; oder ſie durch ungewoͤhnliche ſchwere
Schatzungen von unſern Untertahnen erzwingen; oder endlich muͤſſen wir ſie aus unſern
Schatzkammern und andern gemeinen Auffkuͤnfften nehmen. Aus dieſen vier Mitteln
werden wir nohtwendig eines oder anders waͤhlen. Das erſte/ weiß ich ſchon/ wird unſer
keinem anſtehen; dann wo ſind dieſe groſſe Fuͤrſten/ die uns ſo viel hundert Toñen Schatz
aufs ungewiſſe vorſchieſſen woltẽ? da wir auf den fall des unterligens alles dz unſere wuͤꝛdẽ
verlauffen muͤſſen; uñ die wir um ſolchen Vorſchub woltẽ begruͤſſen/ duͤrfften entweder ein
ſicheres Pfand fodern/ odeꝛ mit hoͤniſcher antwort uns abweiſen: wer ein Haus bauen oder
kauffen wolte/ muͤſte Geld wiſſen. Doch den Goͤttern ſey dank/ wir ſind auch nit ſo duͤrfftig/
ſondern da wirs recht angreiffen/ reich und maͤchtig gnug vor uns ſelbſt/ unſere Macht auff
feſtem fuſſe zuerhaltẽ. Aber wie dann? moͤchte jemand fragen. Iſts nit der beſte Vortel/ dz
man die Voͤlker aus Feindes Landen erhalte? ja ſreilich/ wans ſicher und mit fuge geſchehẽ
kan; wil auch der hoffnung geleben/ es ſolle uns dieſes endlich nit fehlẽ; aber ihꝛ meine Her-
ren/ werden wir dann bald anfangs unſere Beſehle an Feindes Untertahnen koͤnnen laſſen
abgehen/ und auf unſere Voͤlker den Unterhalt einfodern? Es bedarff keines nachfragens/
was vor Antwort man uns geben wuͤrde: Alles was in Parthen und anderen des Wuͤte-
richs Landſchaften ein Gewehr zuͤcken kan/ wuͤrde einmuͤhtig auff ſeyn/ und von uns mit
ſchweren Zinſen hohlen/ was wir von ihnen fodern wolten. Muͤſſen derwegen dieſes Mit-
tel bißzur gelegenen Zeit außſetzen/ ja wo moͤglich/ allen Parthiſchen Untertahnen einbil-
den/ wir ſeyn nicht zu ihrem verderben/ noch einiger beſchwerung/ ſondern zu ihrer Erloͤ-
ſung verhanden/ ſie neben uns zuſchuͤtzen und in die gewuͤnſchete Freyheit zuſetzen; alsdañ
werden ſie entweder ſich zu uns ſchlagen/ oder auffs wenigſte/ unſerm Vorhaben nicht ſo
gar heftig zuwieder ſeyn. Bleibet demnach uͤbrig/ es muͤſſen die Gelder und unterhaltungs
Mittel des bevorſtehenden Krieges/ von uns ſelbſt/ und in unſern Laͤndern auffgebracht
werden. Nur mus endlich der Schluß geſetzet werden/ auff was Weiſe; dann hier hier
ſitzet der rechte Knoden. Zwar wann ein jeder unter uns den Vorraht ſeiner Schazkam̃er
ungemindert erhalten/ und noch wol die kuͤnftigen Landes- auffkuͤnfte verwarlich beylegen
koͤnte/ wehre wol eingewuͤnſchtes tuhn/ und dahin werden vielleicht andere mehr mit mir
ſtimmen. Dañ ſehet/ Durchl. Fuͤrſten/ weil man nicht errahten kan/ wie unſer Vorhaben
ablauffen werde/ haͤtte ein jeder auff allen Nohtfal eine ſtatliche Baarſchaft/ damit er ſich
mit Weib und Kind in des Roͤmiſchen Kaͤyſers Gebiet verfuͤgen/ und Lebensmittel auff
Kindes Kinder haben und behalten koͤnte. Doch dieſen Ungluͤksfall außgeſezt; wird uns
dannoch das ſicherſte ſeyn/ daß wir unſere Schazkammer anfangs verſchonen/ und unſere
Fuͤrſtliche Einnahme an uns halten/ im Fall der Noht uns damit von neuen zu ruͤſten/
wann es zu erſt nicht gluͤcken wuͤrde. So iſt ja unſer Krieg den Untertahnen zum beſten
angeſehen/ das unertraͤgliche Joch des Parthiſchen Wuͤterichs von ihnen abzuwenden;
wie ſolten ſie dann dem Kriegsheer nicht unterhalt ſchaffen/ welches ihnen zum beſten
gehalten wird? Es iſt kein aͤdler Kleinot uͤber die Freiheit/ darein wir ſie zu ſetzen bemuͤhet
ſind; iſts dañ ein groſſes/ ob ſie zu deren befoderung einen Teil ihrer Guͤter einbuͤſſen? So
iſt es ja leichter/ den Krieg aus vielen/ als aus wenig Beuteln zu unterhalten; Und was
kans groß machen/ ob Buͤrger und Bauer/ ja auch wol der Adel ihre Baarſchaften muͤſ-
ſen
[775]Vierdes Buch.
ſen herſchieſſen? Es iſt trauen weder rahtſam noch uns Fuͤrſten erſprießlich/ daß unſere
Untertahnen Reichtuhm beſitzen/ und wir dagegen umb unſern Schaz kommen. Dann
was achten reiche Untertahnen ihre arme nohtleidende Obrigkeit? und ey wie ſchoͤn ſte-
hets/ wañ der Fuͤrſt ein Pferd reitet von etwa 100 Kronen/ und ſein Untertahn auff ſtat-
lichen Gutſchen mit ſechs oder acht Hengſten herein pranget. Geſchiehets nicht gemein-
lich/ das Untertahnen durch uͤberflus nur ſtolz/ und ihrer Obrigkeit ungehorſam werden/
daß ſie wol gar mit ihnen ſich duͤrffen ins Recht legen/ oder hefftige Kriege fuͤhren? wel-
cher Muht ihnen bald entſinket/ wañ ihnen die Schmalzfedern geropfet ſind/ und man ſol-
cher Boßheit fruͤhzeitigen Eingriff tuht; welches nicht beſſer noch fuͤglicher geſchehen
mag/ als wañ man ſie durch armut demuͤhtiget/ oder doch ihnen des uͤbeꝛfluſſes und Reich-
tuhms nicht zu viel goͤnnet. Wolte mir aber jemand einwerffen/ es wuͤrde das Land da-
durch außgeſogen und kraftloß gemacht/ ſo halte ich ſolche Furcht vergebens ſeyn. Dann
des Fuͤrſten Schazkammer iſt des Landes Reichtuhm/ und ſind die Untertahnen nicht ſo
leicht zuerſchoͤpfen/ ob ſie gleich alle ihre Baarſchaft herzugeben genoͤhtiget wuͤrden; ſie ſind
fuͤglich einem Meel Sak zuvergleichen/ je mehr man den ſchlaͤget/ je mehr Meel heraus
ſtiebet; und lehrets uns die Erfahrung/ daß die Untertahnen alsdann der Nahrung am
fleiſſigſten nachtrachten/ und der Sparſamkeit ſich befleiſſigen/ wann ihnen von der Obrig-
keit eine Schatzung uͤber die andere angeſaget wird. Zu geſchweigen/ daß man ihnen da-
durch zugleich die Urſach und Gelegenheit zum quaas und fraas entzeuhet/ und der Obrig-
keit ſich zuwiederſetzen die Kraft benimt. Ja der Mißgunſt unter ihnen/ hoͤret auff/ wann
einer nicht mehr als der ander hat; und werden die alten Geſchlechter ſchon nachlaſſen
ſich den Einkoͤmlingen vorzuzihen/ wann es ihnen beyderſeits an Hellern gebricht. Zum
Beſchluß wird auch dieſes anzumerken ſeyn/ daß je weniger die Untertahnen an zeitlichen
Guͤtern beſitzen/ je liederlicher ſie ihr Leben ſchaͤtzen/ und ſo viel kuͤhner und unverzagter
ſich wieder den Feind gebrauchen laſſen/ welches wir an den alten Griechen und Roͤmern
ſehen/ die Zeit ihrer Armut die beſten und geherzeſten Kriegsleute wahren/ weil ſie wenig
zuverliehren hatten; es ging bey ihnen nicht/ wie bey uns/ da die Reichen ſich wegern/ das
Gewehr zuempfangen/ und ſich erbieten/ einen andern an ihre ſtelle zuſchaffen. Welches
alles/ wañ ichs bey mir uͤberlege/ und zugleich beherzige/ daß der Untertahnen Guͤter und
Reichtuhm/ der Macht/ Gewalt und freien verordnung ihrer Obrigkeit untergebenſind/
ſehe ich kein beſſer/ fuͤglicher/ noch ablanglicher Mittel/ unſere Kriegsmachtzu unterhal-
ten/ als wann ein jeder Fuͤrſt alle Monat oder Wochen ſeinen Untertahnen eine zimliche
Schatzung auffleget/ welche ſie auff gewiſſe Tage und Stunden entrichtenund unfehlbar
einſchaffen muͤſſen/ ſo daß man den Nachlaͤſſigen/ alles einwendens ungeachtet/ zehn oder
zwoͤlff gnug trotzige Kriegsknechte ins Hauß leget/ denen ſie eſſen/ trinken/ uñ gewiſſe Gel-
der vor ihre Muͤhe entrichten muͤſſen/ biß ſie ihren Anteil zur Schatzung beybringen. Als-
dann wird ein jeder ſchon wiſſen/ daß er zu rechter Zeit daß ſeine herbeyſchaffe; und was
koͤnnens die Untertahnen ſo eigentlich nachrechnen/ ob gleich der dritte oder vierde Teil
mehr von ihnen gefodert wird/ als zum Kriege noͤhtig/ welcher uͤberſchuß unſer Schaz-
kammer zum beſten gereichen kan/ nur daß gleichwol unſern Amtleuten ſolcher Vortel
nicht zuwachſe. Inzwiſchen wann ſolche Schatzungen eingefodert werden/ hat man die
Unter-
[776]Vierdes Buch.
Untertahnen allemahl zuvertroͤſten/ ſie moͤgen nicht ungeduldig werden/ es ſollen ſolche
ungewoͤhnliche Laſten nicht lange anhalten/ welche uͤber daß nicht ſollen in nachfolge geze-
gen werden/ noch jemande an ſeinen Rechten/ Gerechtigkeiten und Freyheiten ſchaͤdlich
oder nachteilig ſeyn. Und ob ſolche gemachte Hoffnung nicht ſo bald ihre Wirkung errei-
chen wuͤrde/ wie man dann dieſes mittels/ Geld zu machen/ ſo lange moͤglich ſeyn kan/ ſich
wird zugebrauchen haben; werden ſich wol zehn Urſachen vor eine an die Hand geben/
welche man bey den Untertahnen vorzuſchuͤtzen hat. Hiemit wil ich meiner Rede die end-
ſchaft geben/ mit bitte/ das vorgebrachte/ reiflich zu erwaͤgen/ uñ meiner gebrauchten Frey-
heit nichts zuveruͤbeln. Solte dann ein beſſers koͤnnen vorgetragen/ und von den verſam-
leten Vaͤtern des Vaterlandes beliebet werden/ bin ich erboͤtig/ mich gerne weiſen zulaſ-
ſen/ und den Kluͤgeſten folge zuleiſten.


Der mehrerteil der Anweſenden Fuͤrſten/ hatten dieſe Rede mit groſſer Ungeduld
und beſtuͤrtzung angehoͤret/ inſonderheit/ weil ihnen dieſes Fuͤrſten bißher getragene Liebe
zu ſeinen Untertahnen bekant wahr/ und wie ſo gar keine Luſt noch Willen er die ganze Zeit
ſeines Lebens zu deren beſchwerung und unterdruͤckung gehabt hatte/ ſo gar daß allenthal-
ben der Ruff ging/ es wuͤrden keine Untertahnen gnaͤdiger gehalten/ und weniger beleget/
als eben die Hirkaner. Aber Artaxerxes/ der ſolches mit dieſem Fuͤrſten alſo angeleget hat-
te/ ließ ihm das Vorgebrachte wolgefallen/ nicht/ dz er ſolcher Meynung ſolte beygepflich-
tet haben/ ſondern daß man Urſach haben moͤchte/ dieſen Unſin/ der bey etlichen/ ſonderlich
aber bey Gobares eingewurzelt wahr/ aus dem Grunde zuwiederlegen. Doch wolte er
daruͤber eines jeden Meynung vernehmen/ deswegen fing er alſo an: Durchlaͤuchtige Fuͤr-
ſten/ und getraͤue Vaͤter des Vaterlandes; es hat Fuͤrſt Menapis klar und deutlich aus-
gebeichtet/ was vielleicht ſeine Meynung ſeyn moͤge/ die er nach vermoͤgen mit unterſchied-
lichen Gruͤnden hat wollen behaͤupten. Iſt alſo noch uͤbrig/ daß wir anderen uns verneh-
men laſſen/ was wir daran zu loben oder zutadeln haben. Und weil Fuͤrſt Gobares/ der aͤuſ-
ſerlichen bezeigung nach/ mit dieſer Meynung uͤbereinſtimmen duͤrffte/ wolle deſſen Liebe/
da er ſonſt nichts einzuwenden hat/ ſein gutduͤnken hieruͤber vernehmen laſſen. Dieſer waꝛd
uͤberaus froh/ daß er der erſte ſeyn ſolte; nicht allein/ damit dieſer Vorſchlag/ welcher eben
nach ſeinem Sinne war/ durch ſeinen Beyfall geſtaͤrket wuͤrde/ ſondern/ daß er auch durch
ſolchen Vorzug ihm bey unſern beyden Helden ein ſo viel groͤſſer anſehen machen moͤchte/
und ſie ihn daher umb ſo viel mehr fürchten und ehren wuͤrden; deswegen er mit dieſeꝛ Veꝛ-
waͤgenheit loßbrach: Durchleuchtiger Fürſt Menapis/ die Goͤttin der Klugheit/ welche
aus dem Gehirn des allerhoͤchſten Gottes ſol gezeuget ſeyn/ laͤſſet ſich handgreiflich ſpuͤren
und hoͤren/ daß in eurem Gehirn ſie ihren Sitz und Wohnung zu euꝛem unſterblichen Prei-
ſe und Ruhm genommen habe; maſſen Eure Liebe den rechten Zweg eigentlich getroffen/
und die koͤſtliche Grundfeſte alles Fuͤrſtlichen Wolſtandes uns mit ſolchen unhintertreib-
lichen Wichtigkeiten vor Augen geſtellet hat/ daß meines ermaͤſſens/ (wie ich dann ohne
Ruhm zumelden/ in der Welt auch etwas erfahren habe) eure Meynung dergeſtalt behaͤu-
ptet iſt/ daß/ wer dieſelbe zuwiderlegen/ oder ungültig zu machen ſich unterſtehen wolte/
gleich ſolche vergebliche Muͤhe anwenden wuͤrde/ als wolte man das rohte von den Ziegel-
ſteinen mit Waſſer abwaſchen/ oder durch eine angezuͤndete Kerze der Sonnenſtrahlen
uͤber-
[777]Vierdes Buch.
uͤberleuchten. Dann wuͤrde es nicht ein unwitziges beginnen ſeyn/ wann ein Fuͤrſt wegen
ſeiner Untertahnen beſtes/ feinen wolerworbenen Schatz verringern/ und in die Schanze
ſetzen wolte? Wer wil uns denſelben wieder erſetzen? Es iſt mir des groben Poͤvels Ei-
genſchafft durch langwierige Erfahrung gar zu wol bekand; ſie wuͤrdens ihrem Fuͤrſten
nicht den geringſten Dank wiſſen/ ob er ihretwegen etwas anwenden wolte. Drum ſo laſſe
ichs bey eurer Liebe getahnem recht Fuͤrſtlichem Vorſchlage ſchlechter dinge bewenden/
damit ich nicht vor unverſtaͤndig angeſehen werde. Nur ſetze ich noch dieſes mit wenigem
hinzu/ daß gleich wie ein Leibeigener nichts in ſeinem Beſitz hat/ welches ſeinem Herrn nit
eigentuͤhmlich ſolte zuſtehen; alſo habe ein jeder Fuͤrſt Macht und Freyheit/ ſeinen Unter-
tahnen abzufodern/ was von deren Guͤtern (nichts uͤberall ausgenommen) ihm moͤchte be-
haͤglich ſeyn.


Herkules und Ladiſla entſetzeten ſich zum hoͤchſten uͤber ſolches bißher angehoͤrete vor-
bringen/ wuͤnſcheten auch in ihrem Herzen/ dieſe Geſelſchafft nimmermehr geſehen zuha-
ben/ weil ſie in der Furcht begriffen wahren/ es wuͤrden die hinterſtelligen Stimmen nicht
viel anders lauten/ welches anzuhoͤren ihnen ein greuel wahr; daher ſie bey Artaxerxes um̃
Erlaubnis/ einen Abtrit zunehmen/ anhielten/ biß die Hochfuͤrſtl. Geſelſchafft dieſe ihre
Beredung moͤchte geendiget haben. Aber der Perſiſche Groß Fuͤrſt/ der ihr Anliegen mer-
kete/ baht ſie freundlich/ ſich gefallen zulaſſen/ daß ſie alle Stim̃en/ und den endlichen Schluß
anhoͤren moͤchten. Und als ſie/ ſolches einzuwilligen/ durch Hoͤfligkeit ſich verbunden ſahẽ/
erwarteten ſie des Endes mit groſſem verlangen; faſſeten auch bald eine beſſere hoffnung/
da ſie Artaxerxes hoͤreten den Aſſyriſchen Fuͤrſten Puſtzes alſo anreden: Durchleuchtigeꝛ
Herr Oheim; eure Liebe wird ſich unbeſchweret befinden/ ihre Meynung uͤber dieſer hoͤchſt-
wichtigen Frage anzudeuten/ alſo und dergeſtalt/ daß/ gleich wie die vorigen beyden Stim-
men alle ihre Haͤuptgruͤnde angefuͤhret haben/ ihr ohn einiges anſehen euch offenherzig heꝛ-
aus laſſet/ und da ihr etwa mit ihnen nicht wuͤrdet einig ſeyn koͤnnen/ nicht allein eure Mey-
nung behauptet/ ſondern auch die widrige beſtreitet und widerleget. Ja mein Durchl. Herꝛ
Oheim/ ſagte Fuͤrſt Menapis; ob mir gleich nicht gebühren wil/ hiezwiſchen einzureden/ ſo
achte ich doch vor nohtwendig/ ihn mit wenigen zuverſichern/ daß wo ich geirret habe/ wie
ich dann wol kan geirret haben/ und Eure Liebe mir meinen Fehler zeigen wird/ ich ſeiner
hochbekanten Weißheit von herzen davor zudanken/ mich ſo willig als ſchuldig finden laſ-
ſen werde; haͤtte mich auch nimmermehr laſſen bereden/ die erſte Stimme zugeben/ wann
ich nicht eurer Liebe unterweiſung mich haͤtte zugetroͤſten gehabt; und zweifele nicht/ die
Hochfuͤrſtl. Geſelſchaft werde mir dieſe zwiſchen-Rede in verbleibender Wolgewogenheit
verzeihen. Durchleuchtigſte Fürſten/ und getraͤue Vaͤter des Vaterlandes/ antwortete
Puſizes; Ob ich zwar anzuhalten befugt waͤhre/ daß andere/ mit mehrer Weißheit begabe-
te/ ihre Stimme vor die meine moͤchten ergehen laſſen/ wil ich doch/ umb meinen Gehorſam
und Gutwilligkeit ſehen zulaſſen/ michs nicht wegern/ mit dieſem ausdrüklichẽ Vorbehalt/
daß gleich wie mein Durchl. Oheim/ Fürſt Menapis ſein Vorbringen zur freyen unterſu-
chung dargeſtellet hat/ ich gleicheꝛgeſtalt mich einer beſſeren Meynung ganz willig/ und ohn
einiges Mißgnuͤgen unterwerffen wolle. Welchem nach ich mir anfangs ſehr wol gefallen
laſſe/ daß Fürſt Menapis nach ſeiner Weltbekanten Weißheit und Erfahrung/ uns die un-
F f f f fter-
[778]Vierdes Buch.
terſchiedlichen Arten vorgeſtellet hat/ deren eine oder andere wir uns auſſer allem zweifel zu
unſers Kriegsheers Unterhalt werden zugebrauchen haben. Von den beyden zuerſt ange-
regten Mitteln wil ich nichts wiederholen/ dann ich ſtimme damit allerdinge uͤberein. Das
uͤbrige aber werde ich muͤſſen auff die Wage der Vernunfft legen/ und Euren Liebden inge-
ſamt/ etwas reifflicher zubeobachten vorſtellen/ inſonderheit/ weil ich handgreiflich ſehe und
fuͤhle/ daß mein Oheim ſolches aus keiner andern Andacht vorgetragen hat/ als daß ſolcheꝛ
Wahn/ dem ſein Herz nie beygepflichtet/ von einem andern/ als ihm ſelbſt moͤchte zu grunde
gerichtet werden/ welches er ſelbſt am beſten und beſtaͤndigſten haͤtte leiſten koͤnnen. Wie
ſollen wirs dann anſchlagen/ O ihr Vaͤter des Vaterlandes/ daß unſere Kriegsmacht in
gutem Weſen und Wolſtande erhalten werde? Oder daß ich dem Hauptziel nahe gnug
trete; Woher nehmen wir Geld/ Brod/ Kleider/ Waffen/ vor unſere Kꝛiegsleute/ und Fut-
ter vor ihre Pferde? Aedelman/ Buͤrger und Baur ſollens durch ungewoͤhnliche Schat-
zungen hergeben/ von denen wollen wirs durch Kriegszwang loßkeltern/ und zwar unter
dem Schein/ es geſchehe alles zu ihrem beſten/ und ſeyn ſie ſchuldig und gehalten/ es willig
ausfolgen zulaſſen/ nicht als ihr eigenes/ ſondern als unſer gehoͤriges; ſo daß es ihnen nuͤtz-
licher ſey/ ſolches zuverlieren/ als zu behalten; ja daß ſie durch ſolchen Verluſt geſchikter ge-
macht werden/ wider den Feind zugehen/ als ſie ſonſt nicht tuhn wuͤrden/ weil ihnen ihr
Reichtuhmſchaͤdlicher als nuͤzlich ſey. Alſo lautets in Warheit/ nach kurzen Worten/ was
mit verbluͤmter Rede angefuͤhret iſt. Aber mein geliebter Herr Oheim/ Fürſt Menapis;
Iſt diß eures Herzen ernſtliche Beichte? Warumb habt ihr dann biß an dieſen Tag mit
euren Untertahnen ſo gar das Widerſpiel getrieben? Warumb habt ihr ſo mannichen un-
gerechten Beamten laſſen auffknuͤpffen: wann dieſelben/ daß ſie die Untertahnen uͤberſetzt
hatten/ uͤberzeuget wurden? Und erinnert ihr euch nicht eures Leib Spruches? Principis
gloria in fubditorum divitiis confiſtit
. Eines Fuͤrſten Preiß und Ruhm beſtehet in ſeiner Unter-
tahnen Reichtuhm oder Wolſtande. Iſt demnach unmoͤglich/ daß ihr auff andere weiſe/ als
zum Verſuch/ eure Rede vorgebracht/ nur daß ihr denen eure Zunge leihen moͤchtet/ denen
euer Herz Himmelweit entfernet iſt; wiewol nicht aus argem Vorſatze/ ſondern die
Schaͤdligkeit ſolches unweſens uns deſto klarer vorzumahlen/ welches ſonſt kein ander
ſo fuͤglich wuͤrde haben verrichten koͤnnen. Ja was habt ihr durch eure Zwiſchen-Rede
anders gewolt/ als daß ihr mich ausgefodert/ euer ertichtetes Vorbringen/ welches euch
ſelbſt abſcheulicher iſt/ als unſer keinem/ zuwiderlegen? Wolan/ ich bin eurer Liebe viel ein
mehres ſchuldig/ darumb wegere ich mich nicht/ euch zugehorſamen; nur bitte ich/ die übꝛi-
ge anweſende Durchll. Fürſten wollen an meinem Vorbringen/ welches ich vor einen lau-
teren Uberfluß achte/ kein Mißfallen tragen. So habe nun anfangs vernommen/ es werde
uns ſchr noͤhtig und nüzlich ſeyn/ daß wiꝛ umb vermuhtlichen künftigen Unfalls willen/ un-
ſere Schatzkammer verſchonen. Die Goͤtter werden von unſerm heiligen und gerechten
Vornehmen ſolchen Unfall gnaͤdig abwenden. Doch er moͤchte erfolgen/ weil es nicht un-
moͤglich iſt; Muß dann unſer erſtes und vornehmſtes ſeyn/ daß wir unſern Eigen-nutzen/
welcher mit dem gemeinen beſten nichts zuſchaffen hat/ vor allem andern aus/ feſt ſetzen?
Trauen/ wer alſo geſinnet iſt/ wird vor des Kriegs anfang ſeine Gelder uͤber Meer nach
Rom in ſicherheit bringen muͤſſen. Ich wil mich hieſelbſt nicht lange auffhalten/ ſondern
gebe
[779]Vierdes Buch.
gebe zur Antwort: Weſſen Heil in der Flucht beſtehet/ der gehe beyzeiten durch. Heiſſet das
aber/ umb des Vaterlandes Freyheit bekuͤmmert ſeyn? Ich meyne/ unſer Schluß ſey die-
ſer: Daß wir alles/ was wir auch in Hoſen und Wammes tragen/ vor das Vaterland
wagen und anwenden wollen; und nun iſt die erſte Sorge/ wie man Mittel gnug haben uñ
behalten moͤge/ weit auſſerhalb Vaterlandes im Elende das Leben ſicher zufuͤhren. Ich vor
mein Haͤupt/ habe mich/ mit allem was ich bin und vermag/ dem Vaterlande gewidmet uñ
uͤbergeben/ verſchwoͤre mich auch/ kraft dieſes/ allen meinen Land Goͤttern/ daß ich diſſeit des
Tiger Fluſſes/ als ein unverſoͤhnlicher Feind des Parthiſchen Wuͤterichs/ leben und ſter-
ben wil/ ich moͤchte dann als ein Gefangener dahinein geworffen/ oder hinuͤber geſchleppet
werden. Und wer ſich wegert/ mit mir dieſes Geluͤbde zuleiſten/ den ſchaͤtze ich allerdinge
unduͤchtig/ ja ich ſchaͤtze ihn ganz ſchaͤdlich dieſer unſer Geſelſchafft und loͤblichen Vorneh-
mens; moͤchte auch wuͤnſchen/ daß man jedem unter uns koͤnte des Herzen inwendiges be-
leuchten/ auff daß/ wer ſeinen Schatz lieber/ als Vaterlandes Wolfahrt hat/ alsbald von
uns ausgeſchloſſen/ und mit ſeinem Schatze nach Rom/ oder gar biß ans Ende der Welt
verbannet wuͤrde. Die andere angefuͤhrte urſach ſcheinet ja noch der Erbar- und Nützlig-
keit aͤhnlich; man muͤſſe den Fuͤrſten Schatz erſparen/ daß man auf erlittene Niderlage ſich
daher mit Voͤlkern auffs neue verſehen koͤnne. Ja wann die zur erſten Verfaſſung vor-
geſchlagene Mittel ehrlich und vortraͤglich waͤhren/ lieſſe ich mir ſolches mit gefallen; weil
aber das Widerſpiel zuerweiſen ich mir leicht getraue/ wil ich biß dahin dieſen Vortrag
ausgeſtellet haben. Das gutduͤnken iſt ergangen/ man ſolle alle Kriegs Koſten durch
Schatzung von den Untertahnen erzwingen/ weil zu ihrem beſten der Krieg gefuͤhret wer-
de/ und man ſie von dem Parthiſchen Wuͤterich befreyen wolle. O der Unbeſonnenheit!
Heiſſet dann das/ befreyen/ da man einen zehnmahl haͤrter dꝛuͤcket und beraubet/ als voꝛhin
nie geſchehen iſt? Da man den Untertahnen eine Laſt aufbuͤrdet/ welche der Wuͤterich ſelbſt
biß daher von ihnen abgekehret hat? Ja wann unſere Untertahnen Kloͤtzer und wahnwit-
zige Tihre waͤhren/ denen man mit einem Worte aus ſaur koͤnte ſuͤſſe/ und aus ſuͤſſe ſaur
machen. Wollet ihr uns von des Parthers Zwange frey machen/ werden ſie ſagen/ ſo tuht
es nicht durch hefftigere Unterdruckung; dañ wir wollen dem Parther lieber das gewoͤhn-
liche geben/ und ſeines Schutzes genieſſen/ als allen unſern Armut euren Kriegsleuten daꝛ-
legen/ und nachgehends Mangels halben unſer Haus und Hof veꝛlauffen. Und laſſet uns
doch nur dieſes bedenken/ O ihr Vaͤter des Vaterlandes/ daß keiner unter uns eine Stad
oder Dorff hat/ in welchem ſich nicht Parthiſch-gewogene ſolten finden; wuͤrden dieſel-
ben nicht mit leichter muͤhe die uͤbrigen/ ob gleich die meiſten/ wider uns auffwiegeln koͤn-
nen/ wann ſie ihnen mit gnug beweißlichen Gruͤnden vorzuſtellen haͤtten/ unſeꝛe vorgenom-
mene Rettung fuͤhrete nichts gewiſſers mit ſich/ als ihrer aller gaͤnzliches Verderben und
aͤuſſerſte Armut; Was koͤnte daraus anders erfolgen/ als daß Artabanus ohn Schwert-
ſchlag/ durch unſere eigene Leute uns wuͤrde fellen und zu grunde richten? Dann ſind un-
ſere Untertahnen ſchwuͤrig/ ſo iſt es beſſer/ wir fallen in unſere eigene Schwerter/ als dz wir
uns von ihnen fahen/ binden/ und uͤber das Gebirge nach Charas hinſchleppen laſſen/ nach-
dem uns daſelbſt keine beſſere Wartung zubereitet iſt/ als des Buͤttels grauſamſte Folter.
Und dieſe Aufruhr unſerer Leute muß nohtwendig folgen/ wann wir ihnen einige beſchwe-
F f f f f ijrung
[780]Vierdes Buch.
rung wider ihren Willen aufflegen. Ich hoͤre aber dieſen behelff anzihen/ daß aus vielen
Beuteln beſſer/ als aus wenigen/ der Krieg zuerhalten ſey; Und wer iſt ſo Gehirn-loß/ der
ſolches nicht wuͤſte? Es muß dieſes aber dannoch mit Verſtande geſagt werden; nehm-
lich/ wann die vielen Beutel willig darzu ſind; wo nicht; ſo fage ich/ daß aus wenig willi-
gen Beuteln der Krieg beſſer zufuͤhren ſey/ als ausvielen unwilligen. Uberdas muͤſſen wir
den Untertahnen nicht ihren Beutel ſamt dem Gelde wegnehmen/ wann wir wollen/ daß
ſie uns ſollen helffen den Krieg fortſetzen; ſonſt werden ſie uns endlich den leeren Beutel
laſſen/ und den Parther ihre Faͤuſte aus Verzweiffelung leihen/ daß ſie ihr Geld ſamt dem
unſern wieder bekommen/ da auſſer Zweifel das Waſſer uns uͤber die Koͤrbe gehen wuͤrde.
Die uͤbrigen angefuͤhrten urſachen achte ich der Beantwortung allerdinge unwirdig/ dañ
ſie fuͤhren nichts/ als wuͤteriſche Gruͤnde zum Beweißtuhm an; maſſen wer ſolcher geſtalt
mit ſeinen Untertahnen wolte verfahren/ ſie deswegen mit Schatzungen zubeſchweren uñ
zuuͤbernehmen/ daß ſie ſollen in Armut gerahten/ und durch Mangel zum voͤlligen Gehor-
ſam gegen ihre Obrigkeit gebracht werden/ den ſetze ich ja billich unter allen Wuͤterichen o-
ben an/ und wuͤrden wir auff ſolche weiſe unſern Untertahnen anlaß und urſach geben/ daß
ſie aus hoͤchſtgedrungener Noht den Parther wider uns zu ihrem Schutze anruffen muͤ-
ſten/ ob ſie ihm gleich ſonſt von herzen feind ſind. Aber O nein/ ihr lieben Vaͤter/ dieſes ſtim-
met ja durchaus nicht mit unſerm loͤblichen Vornehmen zu. Wollen wir unſere Land-
ſchafften und Fuͤrſtentuͤhmer in Freyheit und ſicheren Stand ſetzen/ ſo muͤſſen deſſen die
Untertahnen inſonderheit empfinden; nicht daß ſie daher Ach und Weh uͤber uns ſchrei-
hen/ ſondern uns wegen ihrer Wolfahrt danken koͤnnen. Dann rauben wir ihnen die Nah-
rung und ſaur erworbenen Gelder/ und ſetzen ſie in Armut/ ſo werden wir ſehen/ dz ſie zwar
als verzweifelte Leute wider ihre Feinde ſechten werden/ aber dieſe werden ſie als ihre Fein-
de anfallen/ von denen ſie in ſchmaͤhliche Armuht geſetzet ſind/ welche ungleich unleidlicher
iſt als der Todt ſelbſt. Der Griechen und Roͤmer Beyſpiel/ wil mit dieſem ganz nicht zu-
ſtimmen; dann jene wahren ihrer Gelder ja nicht von ihrer Obrigkeit beraubet/ ſondern ih-
re Goͤtter hatten ihnen biß daher keine beſcheren wollen. Und was meynet ihr? Wann ein
reicher Mann uns vor ſein Haͤupt/ zween/ drey/ oder wol mehr guter Kriegs Knechte ſchaf-
fet/ damit er des Zuges befreyet ſey/ ſolten wir das nicht vor einen Vortel achten? Eines
moͤchte ich ungerne beruͤhren/ was Fuͤrſt Gobares Liebe hinzugeſetzet hat; und gleichwol
kan ich nicht umhin/ mich daruͤber mitwenigen heraus zulaſſen/ inſonderheit/ weil mir ſol-
ches/ den/ von dem Parthiſchen Wuͤteriche uns getahnen Vorwurff etlicher maſſen hat
erklaͤret/ welchen ich biß daher ſonſt nicht begreiffen koͤnnen/ da er uns dieſer Ungerechtig-
keit zeihet/ als ſolten wir mit unſern untergebenen freyen Untertahnen nicht anders/ als mit
verkaufften Leibeigenen umgehen/ und deren Schaͤtze nach belieben zu uns reiſſen. Die
Goͤtter wiſſen/ daß ich ſolches vor ein luͤgenhaftes Geticht gehalten habe/ dann meines orts
weiß ich mich deſſen unſchuldig; ſoltẽ aber ein und ander ihnen ſolche unbilliche wuͤteriſche
Grauſamkeiten haben gefallen laſſen/ die moͤgens dann endlich verantworten/ aber ſich zu-
gleich laſſen warnen/ daß ſie beyzeiten davon abſtehen/ ehe ſie die Reue zu ſpaͤte trifft. Wel-
che wolgemeynte Erinnerung mir als einem alten/ ohn Ruhm zumelden/ in etwas erfahr-
nen Fuͤrſten/ niemand verargen wird. So halte und ſchlieſſe ich nun dieſem allen nach/
es
[781]Vierdes Buch.
es ſey kein gewiſſer und ablanglicher Mittel zu unſerm unfehlbaren Verderben zuerſiñen/
als wann wir durch uͤbermaͤſſige Schatzungen/ der Untertahnen Gemuͤhter von uns ab-
wenden/ und ihnen dadurch gnugſame Urſach zum Auffruhr wider uns geben/ weil wir e-
ben dadurch dem Parthiſchen Wuͤterich das Schwert darbieten werden/ unſere
Haͤupter uns als Meinaͤidigen herunter zuſchmeiſſen. Was wird aber dann endlich
vor ein Mittel uͤbrig ſeyn/ den Krieg an unſer Seiten zuunterhalten? Mittel gnug/
O ihr Vaͤter/ Mittel gnug und uͤberfluͤſſig/ wann wir ſie nur wollen zu unſerm be-
ſten lieber anwenden/ als zu unſerm verderben behalten. Nehmlich/ ein jeder unter
uns/ greiffe ſeine Schazkammer an/ und nehme den Uberfluß heraus; damit wird man ein
groſſes verrichten koͤnnen. Die groſſen und vielen filbernen und guͤldenen Freß-uñ Sauf-
geſchir/ die wir von unſern Vorſahren geerbet/ wollen wir vermuͤntzen/ und die unnuͤtzen
Werkzeuge der uͤppigen betreibungen/ zu des Vaterlandes Rettung anwenden; Und o wie
wird mir alsdann meine Speiſe und Trank aus den jrdenen Gefaͤſſen ſo wol ſchmecken!
Fragen dann unſere Untertahnen nach/ warumb ſolches geſchehe; wollen wir ihnen zur
Antwort geben; Ihre und unſer aller Wolfahrt erfoderte ſolches. Daß wird ſie zur veꝛ-
wunderung bringen; ſie werden untereinander ſprechen: Laſſet uns unſerer getraͤuen O-
brigkeit unter die Arme greiffen/ damit ſie ihren Schaz nicht entleeren/ auff daß/ die wir der
Wolfahrt mit zugenieſſen haben/ auch die Koſten tragen helffen. Verſichert euch/ ihr Vaͤ-
ter/ daß ſie von ſich ſelbſt mehr tuhn werden/ als unſer keiner gedacht haͤtte/ und zwar wer-
den ſie es mit freuden tuhn. Ja die Haabſelige werden es den unbeguͤterten kaum goͤnnen/
daß ſie mit zuſchieſſen; und wañ ein oder ander unaͤdler ein anſehnliches hergeben wird/
wollen wir ihn als einen Freund des Vaterlandes in den Adel Stand erheben; wodurch
viel andere ihresgleichen werden auffgemuntert werden/ dem gemeinen Weſen reiche bey-
ſteuer zu leiſten. Inzwiſchen laſſet uns einen willigẽ Anfang machen. Ich voꝛ mein Haupe
habe ohn die bißher angewendete Anreits- und Unterhalts Koſten/ 180 Tonnen Schaz
baar abzaͤhlen laſſen/ und wañ dieſelben werden vergriffen ſeyn/ wil ich noch eine gleiche
Anzahl herſchieſſen. Solte dañ meine Kammer ganz außgegriffen werden/ wil ich leihen
und borgen/ und viel lieber meiner Hoffſtat abbrechen/ als das gemeine Weſen Noht leidẽ
laſſen; wie wol mirs nicht fehlen ſol/ von meinen Staͤdten und Staͤnden/ ja auch von ein-
zelnen Kauffleuten etliche hundert Tonnen Goldes ohn einigen Zwang und Anfoderung
zuerhalten. Laſſet uns dieſes/ ihr Durchll. Fuͤrſten ohngefehr uͤberſchlagen/ ſo werden wir
befinden/ dz unſer vermoͤgen groß gnug ſey/ etliche hundert tauſend Mann zu Roß uñ Fuß/
etliche Jahr an einander im Felde zu unterhalten/ ob gleich unſere Untertahnen und des
Feindes Landſchaften keinen Heller zuſchieſſen wuͤrden. Habe dieſem nach meine ernſtli-
che Meinung vorgetragen/ doch alſo/ wann eine beſſere und ehrlichere kan vorgeſchlagen
werden/ ich von dieſer abſtehen/ und dem gemeinen Schluſſe mich gerne bequemen wil.
Herkules und Ladiſla bekahmen nunmehr einen beſſern Muht/ dañ ſie erkeñeten/ daß Fuͤrſt
Menapis nicht von Herzen/ ſondern ertichteter Weiſe geredet hatte; nur warteten ſie mit
Schmerzen/ zuvernehmen/ weß Gobares ſich erklaͤren wuͤrde; dañ ſie ſahen/ wie derſelbe
uͤber Puſizes vorbringen/ zu unterſchiedlichen mahlen ſich unter dem Geſicht verenderte/
wodurch er ſein Mißgnuͤgen gnug zuverſtehen gab. Artaxerxes aber ſtellete ſich annoch/
F f f f f iijals
[782]Vierdes Buch.
als zweifelte er/ welcher Meinung beyzufallen waͤhre/ und begehrete/ daß die andern Fuͤr-
ſten ſich heraus laſſen moͤchten. Da dañ Groß Fuͤrſt Phraortes mit kurzen/ aber nachdruͤk-
lichen Worten anzeigete/ es haftete auſſer allem zweiffel ihrer aller Untergang daran/ wo
ſie durch ungewoͤhnliche Schatzungen ihnen die Untertahnen wuͤrden zu wieder machen/
welche ſo aͤngſtig auff Linderung hoffeten; daher nichts rahtſamers waͤhre/ als den Krieg
aus ihren Fuͤrſtlichen Auffkuͤnften zu unterhalten/ biß man aus Feindes Land etwas wuͤrde
zu heben haben. Welcher Meinung dañ die uͤbrigen ingeſamt beypflichteten/ deren etliche
ihnen ſonſt wol andere Einbildung moͤchten gemacht haben. Worauff Artaxerxes ehe er
zum Schluſſe ſchritte/ den Hirkaner Fuͤrſten fragete/ ob ihm gefallen koͤnte/ dieſen meiſten
Stimmen beyfal zu geben. Welcher ſich erklaͤrete/ daß ob er zwar der Wiederwertigen
Meinung das Wort geredet haͤtte/ waͤhre es doch nur zu dem Ende geſchehen/ daß er der
Hoch Fuͤrſtl. Verbuͤndnis derſelben Gefahr und Unguͤltigkeit zubetrachten vorſtellen wol-
len; haͤtte ohn Ruhm zu melden/ ſeiner Untertahnen beſtes ihm bißdaher ungleich mehr/
als ſein eigenes angelegen ſeynlaſſen/ und waͤhre des willens/ biß in ſeine Grube alſo zuver-
fahren. So bald Menapis dieſe Rede anfing/ ſtellete ſich Gobares/ als wuͤrde ihm etwas
uͤbel/ machte ſeine Naſe ſchwitzen/ uñ nam einen Abtrit/ noch ehe dieſer Fuͤrſt ſeine Antwoꝛt
geendiget hatte. Alle Anweſende merketen/ daß ihn die Scham hinaus trieb/ ſtelleten ſich
aber unwiſſend/ und macheten den feſten Schluß/ dz man das erſte ganze Jahr alle Kriegs-
koſten/ ohn einige beſchwerung der Untertahnen ſolte herbey ſchaffen/ und bey den Voͤlkern
ernſtlichen Befehl erteilen/ daß alles was ſie verzehreten/ bey Heller und pfennig ſolten be-
zahlen/ auch von keinem Inwohner ihrer Laͤnder daß allergeringſte fodern oder entwen-
den. Zwar Artaxerxes haͤtte wegen Gobares Unart gerne eines und anders erwaͤhnet/ a-
ber vor dißmahl wolte ers hingehen laſſen/ inſonderheit/ weil er nach verlauff einer halben
Stunde ſich wieder einſtellete/ vorgebend/ er waͤhre etliche Zeit her nicht zum beſten auff-
geweſen. Welche Entſchuldigung ihm wol gegoͤnnet ward/ uñ taht Artaxerxes der Fuͤrſt-
lichen Verbuͤndnis endlich dieſen Vorſchlag/ daß alle/ welche in ihren Laͤndern umb Rau-
bens/ Stehlens und Mordens/ oder ſonſt anderer Untahten willen gefangen laͤgen/ mit
dem Leben ſolten begnadet/ und unter dieſer Bedingung auff freien Fuß geſtellet werden/
daß ſie durch tapfere Tahten es in den Schlachten ſolten gut machen/ was ſie verbrochen
haͤtten. Andere aber/ die von heut an/ umb Miſſetaht willen feſt geſetzet wuͤrden/ ſolten ih-
rer Straffe gewaͤrtig ſeyn. Welches die anderen ihnen lieſſen wolgefallẽ. Die Geſelſchaft
hielt hierauff noch unterſchiedliche Unterredung/ und erzaͤhlete Phraortes alles/ was ſich
zwiſchen Artabanus und dem Fraͤulein bißdaher zugetragen hatte/ welches die Unwiſſen-
den mit verwunderung anhoͤreten; biß drey Stunde vor Abends Herkules durch ſeinen
Gallus abgefodert ward/ mit vermeldung/ es haͤtte ſich Plautus wieder eingeſtellet/ und
wie er vorgaͤbe/ ſeine Werbung wol verrichtet. Herkules machte ſich bald hin auff ein ab-
ſonderliches Gemach/ und zeigete dieſer anfangs an/ wie es ihm mit Artabanus ergangen/
auch daß deſſen Leute in der naͤheſten Grenze Stad mit anſehnlichen Koͤnigl. Gnaden-
Verehrungen verblieben waͤhren/ biß ſolche von ihm und Ladiſla wuͤrden abgefodert wer-
den. Er hatte aber von dem Fraͤulein ein Neben Schreiben/ welches ſie Timokles im hoh-
len Pfeil zugeſchoſſen hatte/ daſſelbe erbrach Herkules zu erſt und fand folgenden Inhalt:


Aller-
[783]Vierdes Buch.

Allerteureſter Lebens-Schaz/ ich hoffe zu unſerem allein wahren Gott/ Er werde euer aller ge-
traͤuer Schuz auff dem Wege und in der Fremde ſeyn/ habe noch zur Zeit nichts neues zu ſchreiben/
nur mein Gemahl herzlich zu erinnern/ daß die Gelegenheit meiner Erloͤſung nicht moͤge auff die lan-
ge Bank geſchoben werden/ damit ich aller Furcht und Schwermuht/ welche mich uͤber Gewohnheit
hart anfichtet/ bald entriſſen werde. Meinem herzgeliebeten Herr Bruder Ladiſla/ und meinem Herr
Vater/ Groß Fuͤrſt Phraortes/ auch Herrn Pharnabazus/ und da andere bekanten mehr zugegen ſeyn
moͤchten/ freundlichen Gruß. Lebet wol mein Seelichen und erfreuet durch eure erſt moͤgliche Wie-
derkunft die/ ſo deßwegen gluͤkſelig in dieſer Welt iſt/ weil ſie die eure iſt. Valiſka.


Nach verleſung dieſes/ nam er das Koͤnigliche zur Hand/ oͤffnete daſſelbe/ und laſe
daraus dieſe Worte:


Artabanus Koͤnig der Parther/ beherſcher der groſſen Morgenlaͤnder/ entbeut den aͤdlen Fuͤr-
ſten/ Koͤnige Ladiſla aus Boͤhmen/ und Groß Fuͤrſten Herkules aus Teutſchland Gnade und Gunſt.
Euer Schreiben/ geliebten Freunde/ iſt uns zu recht geliefert/ haben daraus gnaͤdigſt vernommen/
was geſtalt eure geliebte Fraͤulein Schweſter und Waſe/ Frl. Herkuliſka/ durch Raͤuber Haͤnde ent-
fuͤhret/ von euch fleiſſig geſucht worden/ biß ihr in erfahrung gebracht/ daß ſie uns zugefuͤhret ſey; de-
ren gute Unterhaltung und gegen angebohtene Loͤſegelder Ausfolgung ihr an uns geſinnet. Nun be-
kennen wir/ daß dieſes werte Fraͤulein durch ſonderliche ſchickung der Goͤtter uns zukommen/ die wir
nicht allein Koͤniglich halten/ ſondern auch zu unſer ſchier kuͤnftiges Gemahl erwaͤhlet/ und mit ſo
feſter Liebe ihr verknuͤpfet ſeyn/ daß wir ungleich lieber unſern gewaltigen Reichs Stuel/ ja Leib und
Leben/ als dieſen Schmuk der Welt zuverlieren/ entſchloſſen. Werden demnach unſere beliebete
Freunde und kuͤnftige Schwaͤger hinfort ihretwegen unbemuͤhet ſeyn/ und auffs ſchleunigſte ſich zu
uns herbegeben/ dem Koͤniglichen Beylager beyzuwohnen/ und unſer Koͤniglichen Gnade/ uñ Schwaͤ-
gerlichen/ ja Vaͤterlichen Hulde/ wirklich zugenieſſen/ welche gleich anfangs darzubieten/ ihnen als
unſern lieben Herren Soͤhnen ein verſiegeltes Koͤnigliches Gnaden-Geſchenk uͤbergeſendet wird/ ne-
beſt eingeſchloſſenem/ von ihrer Frl Schweſter ſelbſt geſchriebenen Brieffe. Artabanus.


Dieſer jeztgedachte Brieff der Fraͤulein lautete nun alſo: Herkuliſka/ gebohrnes Koͤ-
nigliches Fraͤulein aus Boͤhmen/ entbent threm Herrn Bruder Koͤnig Ladiſla/ und Oheim Groß-
Fuͤrſten Herkules Schweſter- und freundlichen Gruß/ und zeiget denen aus hoͤchſterfreulichem Ge-
muͤht an/ was geſtalt nicht allein die Goͤtter durch manniche Gefahr mich an dieſen Ort gefuͤhret/ ſon-
dern auch aus ſonderlicher ſchickung den Allergroßmaͤchtigſten Koͤnig der Welt/ und Beherſcher vie-
ler Koͤnigreiche und Fuͤrſtentuͤmer mir ſo gnaͤdigſt-gewogen gemacht/ daß deſſen Groß Koͤnigl. Hoch-
heit ſich ehelich mit mir verſprochen/ und in dieſem ſiebenzehnden Jahre meines Alters das Beylager
halten wird. Erfreuet euch/ mein Herr Bruder und Oheim/ daß durch mich ihr dem groͤſſeſten Herrn
der Welt ſo nahe verſchwaͤgert werden ſollet/ und ſtellet euch alhier zu Charas erſter moͤgligkeit ein/
unter der Verſicherung/ daß von dieſem groſſen Koͤnige euch ſo hohe Woltahten begegnen werden/
daß ihr neben mich unſers rauhen/ unfreundlichen uñ armen Vaterlandes leicht und willig vergeſſen/
und alhier zu wohnen euch nicht beſchweren werdet. Deſſen verſehe ich mich zu euch gaͤnzlich/ uñ ver-
bleibe/ weil ich lebe eure ſtets gewogene Schweſter und Waſe Herkuliſka die gluͤkſelige.


Er ging nach verleſung wieder nach der Fuͤrſtlichen Geſelſchaft/ und vernam ſehr
ungerne/ daß in ſeinem Abweſen ein unfreundliches Geſpraͤch zwiſchen Ladiſla und Goba-
res vorgangen wahr; deñ Anfang deſſen/ machte der Suſianer in dem er ſich nicht ſchaͤ-
mete von Ladiſla zu fragen/ wie viel hundert tauſend wolbewehrter und verſuchter Mann
ſie wol vermeineten nach Charas zu fuͤhren/ mit welcher Macht ſie den Koͤnig Artabanus
wuͤrden zwingen koͤnnen/ ihnen das Fraͤulein/ durch Furcht getrieben/ aus folgen zu laſ-
ſen; dann/ ſetzete er hin zu/ ihr jungen Herꝛen muͤſſet wiſſen und bedenken/ daß ihrs mit dem
aller-
[784]Vierdes Buch.
allergroͤſſeſten Herrn der Welt werdet zu tuhn haben. Ladiſla ging ſolche trotzige beſpot-
tung ſehr zu herzen/ und gab ihm zur Antwort: Mein Herr wolle ſich nur unſers Vorha-
bens wegen nicht bekuͤmmern; mein Bruder und ich ſind in den Gedanken geſtanden/
daß wir mit lauter vertraueten Freunden redeten/ ſonſt wuͤrden wir unſere Zunge wol ge-
zaͤhmet haben. Wie viel tauſend Mann wir nach Charas zu fuͤhren geſinnet ſind/ wil ich
auff eine andere Gelegenheit beantworten/ meine ſonſt nicht/ daß dem Herrn ichtwas von
uns zu nahe geredet ſey/ maſſen ich ihn vor einen redlichen Bundsverwanten gehalten/
der alles gut heiſſen wuͤrde/ was man wieder den aller groͤſſeſten Wuͤterich der Welt vor-
zunehmen bedacht iſt. Als nun Gobares durch verwandelung des Angeſichts zuverſtehen
gab/ daß er ſich auff eine ſcharffe Antwort geſchicket hatte/ kam ihm Artaxerxes zuvor/ und
ermahnete ihn ernſtlich/ dergleichen Ungelegenheiten ſtecken zu laſſen; dieſe beyde Helden
wuͤrden zweifels ohn vor ſich ſchon wiſſen/ ihr Vorhabẽ nach geſtalten Sachen anzugreif-
fen; es gaͤben ſolche anzapfungen keine Urſach zuvertraulicher Freundſchaft; ſolte aber
ſeiner Liebe geluͤſten/ Uneinigkeit dieſer Hoch Fuͤrſtlichen Verſamlung zuſtifften/ wuͤrde
er nicht umbhin koͤnnen ihm einzureden. Es waͤhre viel zu fruͤh/ ſolches Unweſen anzufa-
hen; Mißhelligkeiten/ ob ſie gleich geringe/ zerruͤtteten leichtlich/ was in feſter Traͤue un-
bruͤchig beſtuͤnde; hoffete demnach/ Koͤnig Ladiſla wuͤrde/ was geredet waͤhre/ vor unge-
redet halten/ aber auch Fuͤrſt Gobares bedenken/ daß er die gegebene Antwort ſelbſt heraus
gelocket haͤtte. Weil nun Ladiſla ſich hierzu willig finden ließ/ muſte Gobares die Pfeiffe
auch einzihen/ inſonderheit/ weil er ſahe und hoͤrete/ daß die ganze Geſelſchaft uͤber ſeiner
Unhoͤfligkeit entruͤſtet wahr. So bald Herkules ſich bey ihnen wieder einſtellete/ baht er
Artaxerxes/ Phraortes/ Ladiſla und Pharnabazus/ einen geringen Abtrit mit ihm zu
nehmen/ denen er des Koͤniglichen Schreibens Inhalt znverſtehen gab/ ließ ſie hernach
daſſelbe leſen/ und ſagte darauff: Ob er zwar ſehr wol gewuſt haͤtte/ daß von Artabanus
keine andere Erklaͤrung zu hoffen waͤhre/ haͤtte er doch ſolchen gelinden Weg zuvor gehen
wollen/ worauff nunmehr der Ernſt ohn verweilen muͤſte vorgenommen werden/ und ſol-
ches ohn verſeumung der bevorſtehenden Gelegenheit; dafern er nun eines verſuchten
Kriegsheers etwa 16000 Pferde ſtark koͤnte bemaͤchtiget ſeyn/ wolte er ſich damit an die
Grenzen legen/ inwendig fuͤnff Tagen auffbrechen/ und Morgen fruͤh zeitig an den Koͤnig
einen ernſtlicheren anfoderungs Brieff abgehen laſſen/ welcher auff den Fall der veꝛwege-
rung (deren er gewiß waͤhre) zugleich eine Abſagung in ſich begreiffen ſolte; hoffete/ es
wuͤrde Herr Pharnabazus ihm bey dieſem erſten Zuge Geſelſchafft leiſten/ und die Feld-
Herſchaft uͤber ſich nehmen. Angenehmere Zeitung haͤtte Artaxerxes nicht vorkommen
moͤgen; er bedankete ſich vor erſt des Erbietens/ und verhieß ihm inwendig vier Tagen
40000 wol bewehrte verſuchte Reuter zu liefern/ welche er aber vor dißmahl nicht begeh-
rete/ einwendend/ man muͤſte den wolgeruͤſteten Feind anfangs mit einer geringen Mann-
ſchafft angreiffen/ und eine verwaͤgene Sicherheit ihm beybringen. Als nun Artaxerxes
ihm ſolches gefallen ließ/ auch unſern beyden Helden die ungemaͤſſene Freyheit als Feld-
Herren damit zuſchalten zuſtellete/ bedankete ſich Pharnabazus/ daß ſie ihn ihrer Geſel-
ſchaft wirdigen wolten. Alſo ſetzeten ſie nun folgende Schreiben auff:


Ladiſla Koͤnig in Boͤhmen/ und Herkules Groß Fuͤrſt der unuͤberwindlichen Teutſchen/ ent-
bieten
[785]Vierdes Buch.
bieten Artabanus der Parther Koͤnige ihren Grus/ und haben aus ihrer Liebe Antwort Schreiben
verſtanden/ was maſſen dieſelbe ohn vorhergehendes gebuͤhrliches Anſuchen/ bey der Großmaͤchtig-
ſten Koͤnigin in Boͤhmen Frau Hedewig ꝛc. mit unſer Schweſter und Waſen Frl. Herkuliſken/ ſich
ehelich verſprochen/ auch die Zeit des Beylagers ſchon beſtimmet. Nun haͤtten wir zwar gehoffet/ un-
ſere Schweſter und Waſe ſich der Kindlichen Schuldigkeit erinnernd/ wuͤrde in ſo wichtigen Sachen
nicht ſo ploͤtzlich verfahren/ noch ihr der Goͤttin Veſten getahnes Geluͤbde hinter die Tuͤhr geſtellet
haben; jedoch weil ihre Eltern/ Vaterland uñ Bluts Freunde ihr ſo ſehr ſtinken wollen wir mit Got-
tes Huͤlffe und ehrliebender Fuͤrſten Beyſtand ſolches an ihr ernſtlich zu raͤchen wiſſen; es ſey dann/
daß eure Liebe ſie uns inwendig drey Wochen abfolgen laſſe/ und ſie den begangenen groben Fehler
abbitte; alsdann verſprechen wir bey Koͤnigl. und Groß Fuͤrſtlichen ehren/ ſo bald hoͤchſtgedachte Koͤ-
nigin in Boͤhmen ihre Bewilligung einſchicken wird/ euer Liebe dieſe unſere Schweſter und Waſe als
eine Koͤnigliche freie Braut gebuͤhrlicher Weiſe zuzufuͤhren/ damit ſie nicht ſchier heut oder Morgen
vor eine Leibeigene außgeſchrien werden moͤge. Solte aber dieſes unſer billiges Anſuchen nicht ſtat
finden koͤnnen/ welches wir doch nicht hoffen wollen/ wird kein Menſch uns das Recht der billichen Ra-
che verdenken/ bißdahin wir Koͤnigl. Gnaden-Geſchenke anzunehmen/ uns nicht bereden koͤnnen/ vor
welche dannoch gebuͤhrlich gedanket wird. Erwarten von eurer Liebe offenherzige klare Antwort.
Ladiſla und Herkules.


Der Brieff an das Fraͤulein wahr dieſes Inhalts: Ladiſla und Herkules entbieten dir
Herkuliſka wirdigen Gruß. Deiner ſtolzen Jugend unbeſonnenes Vornehmen/ wodurch du deine
Koͤnigliche Eltern und verwanten/ ja dein Vaterland und ſelbſt eigene Ehre ſchaͤndeſt uñ mit Fuͤſſen
tritteſt/ hat dein frevelmuhtiges Schreiben gar zu klar und helle an den Tag gelegt; was gedenkeſtu
dumkuͤhne/ die du unter deiner Fr. Mutter und Blutsverwanten Vormundſchaft biſt/ und darfſt ohn
ihr Vorwiſſen dich ehelich verſprechen/ da du kaum die Kinder Schuch abgelegt haſt/ und nicht verſte-
heſt/ was heyrahten ſey oder heiſſe? Aber dieſes aus der Acht geſetzet; meineſtu Gottes vergeſſene/
die Gewalt und Straffe der groſſen Goͤttin Veſta koͤnne dich nicht ſo wol in Parthen als in Boͤhmen
finden/ deren du biß zur gaͤnzlichen Erfuͤllung deines ſiebenzehnden Jahres dich mit hoͤchſter verflu-
chung/ aus freien ſtuͤcken/ wegen ehemahl geſchehener Rettung/ verlobet haſt? gedenke nur nicht/ daß
du deſſen einige verzeihung erhalten werdeſt/ es ſey dann das unſer rechtmaͤſſiges Anſuchen von dei-
nem Koͤnige eingewilliget werde; dann dafern du auff dieſem unteutſchen Sinne verharren wirſt/
wollen wir dich und alle deine Helffers Helffer mit Feur und Schwert verfolgen/ auch dieſe Laͤnder
nicht verlaſſen/ biß du zu gebuͤhrlicher Straffe gezogen/ und deiner Goͤttin auff einem brennenden
Holzhauffen auffgeopffert ſeiſt; welches zu verhuͤten dein Koͤnig nebeſt dir/ ihm wird laſſen angelegen
ſeyn. Den Nahmen einer Schweſter vor beſchehene Abbitte dir zuzuſchreiben/ achten unnoͤhtig/ Koͤ-
nig Ladiſla/ und Groß Fuͤrſt Herkules.


Niemand trug groͤſſere Beliebung an dieſen Brieffen/ als Groß Fuͤrſt Artaxerxes;
dann ob er gleich an ihrer auffrichtigen Traͤue nicht zweiffelte/ ſahe er doch/ wie hiedurch
Artabanus zu aͤuſſerſtem Zorn wieder ſie wuͤrde gereizet werden/ welches ſeinem Vorha-
ben uͤberaus vortraͤglich wahr; belegete ſie demnach mit treflichen Verheiſſungen/ und
daß in erloͤſung der Fraͤulein er alle ſeine Macht in ihre Haͤnde ſtellen wolte. Die Schrei-
ben wurden durch zwoͤlff aͤdle Aſſyrer/ (denen Gallus zugegeben ward/ ſie aber ſich vor
Syrer und Roͤmiſche Untertahnen außgeben ſolten) nach Charas geſchikt/ und ihnen be-
fohlen/ in der Parthiſchen Grenze Stad die Koͤniglichen Geſchenke abzufodern/ mit ſich
uͤberzunehmen/ und nach einreichung der Brieffe ſie zu des Koͤniges Fuͤſſen zulegen/ auch
dabey anzudeuten/ wie ſie befehlichet waͤhren/ ſolche nit wieder anzunehmen/ biß von dem
Koͤnige ihnen gewierige Antwort gegeben wuͤrde. Der groſſe Kriegsraht ward des naͤhſt
G g g g gfolgen-
[786]Vierdes Buch.
folgenden Tages gehalten/ wobey auſſer den obgedachten Morgenlaͤndiſchen Fuͤrſten nie-
mand als Pharnabazus/ Mazeus und Arbianes zugelaſſen ward. Zwar Artaxerxes noͤh-
tigte unſere beyde Helden ſehr/ demſelben mit beyzuwohnen/ ſie wolten aber durchaus nit/
ſondern wendeten ein/ ſie waͤhren fremde/ und gehoͤreten in ihre Verbuͤndnis nicht als
Glieder/ ſondern nur als Dienſtwillige/ ja die Warheit zu ſagẽ/ als huͤlffbeduͤrftige. Uber-
daß haͤtten ſie ſich bißdaher noch mit keinem aͤide verpflichtig gemacht; zugeſchweigen daß
ſie nicht willens/ ſich in einiges Menſchen Dienſte einzulaſſen/ ohn in Artaxerxes uñ Phra-
ortes; der uͤbrigen Freunde wolten ſie zwar ſeyn/ aber nicht weiter ſchuldig/ als was ihrer
Freyheit unabbruͤchig waͤhre. Artaxerxes vernam daraus ihren Willen/ und wahr damit
friedlich/ ging hin zu den verſamleten Fuͤrſten/ und ſand dieſelben ſich etwas mit einander
zanken/ welche aber wegen ſeiner zukunft alsbald ſtille wurden. Die Urſach ſolches heffti-
gen Geſpraͤchs wahr Gobares abermahl/ welcher ſchon geſtern bey abweſenheit der bey-
den Groß Fuͤrſten und unſerer Helden/ ſich gegen die uͤbrigen beſchweret hatte/ daß er eine
ſo ſpitzige und ehren verkleinerliche Antwort von dem jungen fremden Kerls annehmen
und verdaͤuen muͤſſen/ und ihr Haͤupt ſolches alles gebillichet haͤtte. Aber der Hirkaniſche
Fuͤrſt/ ein beherzter und gerechter Herr/ hielt ihm daßmahl ungeſcheuhet das Wieder-
ſpiel/ und fuͤhrete ihm zu gemuͤhte/ wie man zum Holz hinein rieffe/ ſo ſchallete es wieder
heraus; er wuͤrde ſich erinnern daß er die fremden auch bloßhin vor junge Herꝛen geſchol-
ten/ und wegen ihrer Einſamkeit ſie verkleinerlich auffgezogen haͤtte/ welche doch Koͤnige
und Groß Fuͤrſten waͤhren/ und von ihrem Haͤupte hoch geehret wuͤrden; haͤtte ſich dem-
nach wol vorzuſehen was er taͤhte/ damit er ſich ſelbſt nicht in Ungluͤk ſtuͤrzete/ welches ih-
nen allen leid ſeyn wuͤrde. Weil dañ dazumahl die uͤbrigen alle dieſer Vermahnung bey-
fielen gab er ſich zufrieden/ wie er dann ohndz ein uͤberaus verzagter Menſch wahr. Vor-
dißmahl aber nam er abermahl Urſach ſeinen Unwillen ſehen zu laſſen/ dann als der Aſſy-
rer nach Artaxerxes fragete/ und der Ariſche Fuͤrſt zur Antwort gab/ daß er ſich bey den
fremden jungen Fuͤrſten auffhielte/ mit denen er auſſer allem zweifel ſehr hochwichtige/ uñ
der Hoch Fuͤrſtl. Verbuͤndnis zutraͤgliche Sachen beredete; antwortete Gobares; er wol-
te ja nimmermehr hoffen/ daß Artaxerxes mit ſolchen fremden unbaͤrtigen jungen Leuten
zuvor einen abſonderlichen Raht halten/ oder ſie etwa in den groſſen hochheimen Kriegs-
Raht mit ſich herfuͤhren wolte/ auff welchen Fall ihm niemand verdenken wuͤrde/ wañ er
auffſtuͤnde/ uñ ſich ihrer Beredung vor dißmahl aͤuſſerte. Da ihm der Hirkaner abermahl
gewaltig einredete/ daß er ſich wol zubedenken haͤtte/ was er taͤhte; kunte aber/ weil Artaxer-
xes unverſehens darzu kam/ ſeine rede nicht außfuͤhren; dann ſo bald derſelbe ſeine Stelle
bekleidet hatte/ trug er der Verſamlung ſeine Meinung folgender geſtalt vor: Durch-
lechtigſte Fuͤrſten/ Hochanſehnliche getraͤue Vaͤter des Vaterlandes/ und maͤchtige Schuͤ-
zer unſerer guͤldenen Freyheit: Euer keinem iſt die Urſach dieſer unfer zuſammenkunfft
unbewuſt/ nehmlich/ die aͤuſſerſte Noht und der Augenſcheinlich bevorſtehende Untergang
unſerer Fuͤrſtlichen Hocheit/ ja unſerer Ehre/ Leibes/ und Lebens. Der algemeine Mord
unſer aller/ iſt ſchon in dem Herzen des Parthiſchen Wuͤterichs empfangen/ und lieget er
gleich jetzo in der Geburt/ ſolche teufliſche Frucht an die Welt zubringen. Dañ betrachtet/
bitte ich/ das neulichſte Befehl-Schreiben/ wann die vielfaͤltige vorige Schmach euch
nicht
[787]Vierdes Buch.
nicht genug iſt/ ſo werdet ihr befinden/ daß uns der Sterbe Kittel ſchon genaͤhet ſey/ wo es
uns nur noch ſo gut werden moͤchte/ und wir nicht ſeinen Hunden oder wilden Tihren zum
Schauſpiel als Leibeigene vielmehr ſollen vorgeworffen werdẽ. Das Leben iſt uns ja ſchon
abgeſprochen/ und die Urtel zuerkant. Auf was weiſe aber? Nicht anders als Aufruͤhreꝛn/
und die an hoͤchſter Obrigkeit ſich vergriffen; deßwegen nicht allein wir vor unſer Haͤupt/
ſondern zugleich unſere Weiber/ Kinder und alle Anverwanten dem allerſchmaͤhlichſten
Verderben ſchon zugeſprochen ſind/ dafern wir dem Unfall nicht vorbauen/ und mit ritter-
lichem Gemuͤht dem algemeinen Feinde die Spitze bieten. Solte aber jemand einwenden/
es wuͤrde uns ſchwer fallen/ wider dieſen Stachel zulecken/ der zeige mir/ bitte ich/ einige ur-
ſach an; ich ſetze meine Seele und Ehre zu Pfande/ daß mit der verſprochenen Huͤlffe ich
ihn inwendig drey Jahren auffs hoͤchſte dermaſſen einzutreiben/ Mittel weiß/ daß er uns
ſein Haͤupt und Koͤnigreich zur Beute uͤberlaſſen ſol; und dahin wil ich mich durch eure
Huͤlffe bemuͤhen; dann der an uns begangene Frevel kan nicht anders als mit ſeinem Blu-
te gebuͤſſet werden. Dieſes aber auszufuͤhren/ haben wir Mittel gnug und uͤberfluͤſſig; dañ
vorerſt kan es uns an Geldern nicht mangeln/ welche die Sehn Adern des Krieges ſind; ſo
iſt mein einiges Land Volkreich genug/ Kriegesleute herzugeben/ ohngeachtet ſchon über
50000 ſtatliche Soldaten aus euren Fürſtentuhmern mir zukommen ſind/ und ich von
Groß Fürſten Phraortes allein/ 80000 mehrenteils Reuter/ ehiſt empfangen werde/ deſſen
unvermuhtliche Gegenwart eurer keinen befremden ſol/ dann er muſte bißher ungenennet
ſeyn/ ob er gleich neben mir der erſte dieſes hochloͤblichen Voꝛnehmens urſach iſt. Ungeach-
tet wir nun vor uns ſelbſt maͤchtig gnug ſind/ unſern Feind zuüberwaͤltigen/ ſo haben wir
uns dannoch zuerfreuen/ daß wir uns vor den Roͤmern nicht allein gar nicht zubefürchten
haben/ wie ich deſſen von dem Roͤmiſchen Kaͤyſer ſelbſt/ ſchrifftlich verſichert bin/ ſondern da
wirs nur begehren/ ſtehet uns deren Hülffe und Beyſtand offen/ indem die beyde neulich
angekommene fremde Fuͤrſten ſich freywillig erbohten/ uns inwendig zehn Wochen 50000
zu Roß aus der Roͤmer Gebiet/ von ihren eigenen Anreits-geldern zuzuſühren/ welches ich
bißher noch abgeſchlagen/ und unſerer Voͤlker uͤberfluß vorgewendet. Und weil ich auf die-
ſe fremde Fürſten zureden komme/ werde ich gezwungen/ meinen getraͤuen Bundsverwan-
ten ihretwegen etwas beſſere Nachricht zugeben/ damit niemand ſie aus ihren wenigen
Jahren/ oder geringer Anzahl der Diener urteilen moͤge. Verſichert euch/ Hochmoͤgende
Bundsverwanten/ daß in dieſen Morgenlaͤndern ich keinen Ritter weiß/ der ihnen an
Man- und Erfahrenheit in Waffen überlegen/ dürffte ſchier ſagen/ gleich ſeyn ſolte; fraget
meinen Oheim Pharnabazus/ der weiß hievon zuerzaͤhlen; und ich kenne ihrer mehr/ die
ſich hoͤher uͤber ihre Vollkommenheit verwundern/ als einige Hoffnung haben/ es ihnen
nachzutuhun. Uberdas ſind ſie freye Fürſten/ der eine ein Koͤnig/ der ander ein Groß Fuͤrſt/
die keine Oberherren als Gott und das Schwert erkennen. Ich habe mich nicht ein gerin-
ges bemuͤhet/ ſie auff unſere ſeite zubringen/ und nachdem ſie bey uns ſtehen/ erfreuet michs
hoͤchlich; dann ſolten ſie in Artabanus Dienſte ſich eingelaſſen haben/ welches unter der
Hoffnung/ ihr verlohrnes Fraͤulein zuerhalten leicht geſchehen moͤgẽ/ haͤtten wir uns mehr
vor ihnen/ als vor des Wuͤterichs ganzer Macht zufuͤrchten. Deßwegen/ ſo jemand unter
uns widrige Gedanken von ihnen geſchoͤpffet haͤtte/ der laſſe ſolche/ bitte ich/ fahren/ und be-
G g g g g ijdenke
[788]Vierdes Buch.
denke mehr des Vaterlandes Wolfahrt/ als ſeinen eigenen Willen oder Unwillen. Zwar
uns verbunden zu ſeyn/ beſchweren ſie ſich/ aber durch aͤiden ſich verpflichtet zu machen/ uñ
als freye Obriſten vor uns zufechten ſind ſie willig; wollen ſie demnach/ da es allen beliebet/
zu uns bitten/ den aͤid abzuſtatten/ und unſerm Kriegsraht/ als deſſen hochverſtaͤndige bey-
zuwohnen. Phraortes/ nach dem er zu dem loͤblichen Vorhaben Gluͤk gewuͤnſchet hatte/
gab ſeine Stimme: Er hielte vor gut/ daß dieſe treffliche Helden herzu geladen wuͤrden/
dann ich kan/ ſagte er/ Eure Liebden ingeſamt wol verſichern/ daß ſie ſo maͤchtige Herren
ſind/ die des Vorhabens geweſen/ da ihnen unmoͤglich gedaucht haͤtte/ das Fraͤulein ohn
Krieg zuerretten/ mit einem Kriegs Heer von etlichen hundert tauſenden Teutſchen/ Go-
then/ Boͤhmen und Roͤmern/ dem gantzen Parthiſchen Reiche einzufallen/ da inſondeꝛheit
die ihrem Wege zunaͤhſt gelegene es ſchon wuͤrden empfunden haben. Dieſe Huͤlffe ſtehet
uns bevor/ da wirs ſolten benoͤhtiget ſeyn/ wie ich doch nicht hoffen wil; dann verſichert
euch/ ſie werden nicht ſcheiden/ ehe und bevor das Fraͤulein aus Artabanus Haͤnden ge-
riſſen iſt/ es geſchehe durch Liſt oder Gewalt. Als er hatte ausgeredet/ gab Fuͤrſt Puſizes
aus Aſſyrien eben dieſe Stimme. Hingegen ſaß Gobares als in tieffen Gedanken/ merkete
leicht/ daß ſeinetwegen von unſern beyden Helden ſo viel geredet wahr/ durffte doch den
Perſen und Meden nicht erzuͤrnen/ viel weniger war er willens/ ihnen hierin beyzupflich-
ten; ſuchte deswegen alle ſeine Beredſamkeit zuſammen/ die andern auff ſeine Meynung
zubringen/ und fing alſo an: Mir zweifelt nicht/ O ihr Vaͤter des Vaterlandes/ unſere
hochloͤbliche Zuſammenkunfft ſey zum Schutze des allgemeinen Vaterlandes angeſehen/
vor dißmahl den buͤndigen Schluß zumachen/ und dereins zuvernehmen/ was uns allen
wol und wehe tuhn muß/ wobey niemand an ſeiner Stim̃e Freyheit wird gehemmet/ noch
ſeine Traͤue und Sorge vor das Vaterland und gemeine beſte uͤbel ausgedeutet werden.
So bin ich nun mit dem Groß Fuͤrſten aus Perſen Herꝛn Artaxerxes deſſes einig/ daß un-
ſere Kraͤffte und Vermoͤgen uͤbrig beſtand ſind/ dem Parthiſchen Hunde die unbillicher
weiſe angemaſſete Hocheit uͤber unſere aͤdle Untertahnen zunehmen/ wobey ich nicht allein
die mir auffgelegte Anzahl an Volk und Geldern/ ſondern ein gedoppeltes zutuhn/ mich
hiemit verſprechen wil. Aber die Goͤtter verhuͤten dieſen unverantwortlichen Schimpff/
als ſolte dieſe Hochfuͤrſtliche Verbuͤndniß zweer ſo junger Kerlen dergeſtalt benoͤhtiget
ſeyn/ daß durch deren Abgang das ganze Weſen gefahr leiden/ oder vor deren Feindſchafft
ſich zubefuͤrchten haben muͤſte/ denen ich bald zween Ritter entgegen ſchicken wolte/ die ih-
nen das Zahnweh benehmen wuͤrden/ wann ſie nur ſo gewiß an Feindes ſeiten dieneten.
Aber wer verſichert uns vorerſt/ daß ſie maͤchtige Fuͤrſten/ und nicht vielmehr Landſtrei-
cher und Leutebeſcheiſſer ſind? Doch geſezt ſolches; was ſol uns ihre Huͤlffe? wollen wir
ihnen etwa die obriſte Feldherſchafft über unſere Voͤlker zuſtellen? Auff ſolche weiſe mü-
ſten zween fremde Jünglinge kommen/ ohn Volk/ ohn Geld/ und ſo viel maͤchtige reiche
Fürſten erloͤſen. Oder ſind ſie als verſtaͤndige Kriegs Raͤhte zugebrauchen? wo ſitzen ihnẽ
dann die grauen Haare/ die ihrer Klugheit Zeugen ſeyn? Es ſcheinet ja der eine einer jun-
gen Metzen aͤhnlicher als einem Mannesbilde/ und mangelt ihm vielleicht nichts als der
Weiber Rok. O ihr meine Herren/ kein Suſianer wird ſich von ihnen befehlen laſſen! Sie
werden gedenken/ man wolle ihnen Kinder zu Herren ſetzen/ oder eine neue Weiber-Herꝛ-
ſchafft
[789]Vierdes Buch.
ſchafft einfuͤhren. Doch laſſet ſie auch in dieſem Stuͤk hinſtreichen/ und gebet ihnen die
Feld-Herſchafft uͤber; alsdann werden ſie entweder unſere Voͤlker auff die Fleiſchbank
fuͤhren/ dann was gehet ſie fremdes Blut an? oder dafern ſie den Sieg erſtreiten/ wollen
ſie das Parthiſche Reich zu Lohne haben; ja wol ein feiner Tauſch/ auß dem Tropffen in
den Schlag Regen/ aus der Sonnen Strahlen in das lohbrennende Feur. Aber ich hoͤre/
ſie wollen unverbundene Freybeuter/ wolte ſagen/ Freyreuter ſeyn; freylich unverbundene/
weil ſie vielleicht ſchon an anderer ſeiten ſich verbunden; freilich Frey Reuter/ die nach be-
lieben von uns zu dem Feinde/ von dem Feinde zu uns reiten. Und wer weiß/ was vor ein
Geheimniß hinter dem gefangenen Fraͤulein ſtecket? Iſts auch eine angelegte Karte/ ihr
meine Herren/ und zu unſer aller Verderben alſo durchſtochen? Ich fuͤrchte/ ich fuͤrchte/
Teutſchland wolle uns taͤuſchen/ dann wie ich vernehme/ haben ſie ſich ſchon etliche Zeit zu
Charas auffgehalten/ und wir wollen ihnen nicht allein trauen/ ſondern ſie uͤberdas in un-
ſern geheimen Kriegs Raht oben an ſetzen. O ihr Goͤtter/ erleuchtet unſere Herzen/ oͤffnet
unſere Augen/ und gebet nicht zu/ daß einſo heilſames Werk ſo liederlich vergehe/ und ſo
manniches Fuͤrſten-Blut des Henkers Schwert uͤberliefert werde. Nun ihr meine Her-
ren ſamt und ſonders/ ich kan vor Wehmuht nicht mehr reden/ dann wo die himliſche Gna-
de es nicht abwendet/ ſehe ich die Falle ſchon geſtellet/ und das Garn außgeworffen/ damit
man alle Fuͤrſten dieſer Verſamlung berucken/ und dem Bluthunde uͤberliefern wil; wel-
chem Ungluͤk vorzubauen/ rahte ich aufrichtig/ und als ein Biderman/ laſſet fremde unbe-
kante aus unſerm Raht/ und ſuchen ſie etwa ein Geſchenk/ gebe man ihnen einen Reiſepfen-
nig/ ich wil ein 50 Kronen mit zuſchieſſen/ daß ſie ihren Rit nicht vergebens und umbſonſt
getahn zuhaben/ ſich beſchweren duͤrffen. Hiermit wil ich meine Meynung ohn Haß/ Neid
und Mißgunſt geredet und beſchloſſen haben/ und gebe der Hochfuͤrſtlichen Verſamlung
zubetrachten/ was geringer Nutzen uns von dieſen beyden jungen Leuten zuhoffen/ und wie
groſſe Gefahr uns durch ihre vermuhtliche Verraͤhterey erwachſen koͤnne. Artaxerxes
und Phraortes wurden durch dieſe ſchmaͤhliche Reden hefftig bewogen/ wahren doch wil-
lens/ die folgenden Stimmen zuhoͤren; welche aber ſich deſſen wegerten/ biß ihnen dieſer
jungen Fuͤrſten Zuſtand etwas eigentlicher zuwiſſen gemacht wuͤrde; dann wo Fuͤrſt Go-
bares Argwohn gegruͤndet waͤhre/ wuͤſten ſie ſich nicht herauszulaſſen; erwarteten dem-
nach unterrichts/ und hielten biß dahin ihre Stimmen zuruk. Artaxerxes fing darauff an:
Wann Fuͤrſt Gobares ſich nur der Vorſorge und Vorſichtigkeit/ die allen getraͤuen Vor-
ſtehern des Vaterlandes gebuͤhret/ in ſeiner Rede gebrauchet haͤtte/ wolte ichs an ihm ruͤh-
men; weil er aber alles zuſammen geraſpelt/ was zu dieſer fremden Fuͤrſten Verkleinerung
dienen kan/ ſo gar/ daß er weder Groß Fuͤrſt Phraortes/ noch meines ehrlichen Nahmens
darunter geſchonet/ wuͤſte ich dieſes Kind wol zutaͤuffen/ wann mir nicht die Bundes-Ei-
nigkeit lieber/ als mein eigenes Anſehen waͤhre; nur muß ich ihm dieſes unangedeutet nicht
laſſen/ daß er ja hernaͤhſt nimmermehr ſeine Zunge in ſo langem Zuͤgel reite/ wo er mir nit
auff ſcharffe weiſe gedenket zuantworten; dann weil ich der Hoffnung gelebe/ die ganze
Hochfuͤrſtliche Verſamlung werde mich vor redlich/ und vor keinen Verraͤhter halten/ wil
ich alle Worte/ ſo wider mich außgeſtoſſen ſind/ dem Winde befehlen/ ſie dahin zuverwehen/
da keines redlichen Mannes Nahme hafftet. Hier auff nun zur Sache zu ſchreiten/ ſo habe
G g g g g iijich
[790]Vierdes Buch.
ich zwar dieſer beyder jungen Fuͤrſten und teuren Helden in etwas Kundſchafft/ als der ich
ihre Tapfferkeit verſuchet; aber mein freundlicher lieber Oheim Herr Pharnabazus wiꝛd
davon beſſere Zeugniß ablegen/ welchen ich bey ſeinen Ritterlichen Ehren und redlichem
Nahmen ermahne/ denen nichts zu liebe noch zu leide/ ſondern die reine nackete Warheit
vorzubringen. Gobares wolte zwiſchen einreden/ aber Artaxerxes eꝛinnerte ihn/ ihm ſtuͤnde
ſolches nicht zu/ biß die Reihe ihn wieder traͤffe. Daher ſtund Pharnabazus auf von ſeiner
Stelle/ und fing alſo an: Durchleuchtigſte Fuͤrſten/ Gnaͤdige Herren; nachdem anjetzo ich
gnaͤdigen Befehl unter der allerhoͤchſten Ermahnung/ empfangen/ es der Durchleuchtig-
ſten Fuͤrſten und Helden/ Herrn Herkules/ und Herrn Ludiſla Ehren-rettung auch erfo-
dert/ daß ich auſſer der Ordnung reden ſol und muß/ wird verhoffentlich von niemand ge-
tadelt werden (es muͤſte dann ein Feind der Warheit ſeyn) wann ich ſchuldigen Gehorſam
leiſte; Der Fuͤrſt von Suſa/ Herr Gobares/ haͤlt die jezt hochgedachte beyden Fuͤrſten/
Herꝛn Herkules und Herrn Ladiſla/ ſehr ſchwerer Sachen verdaͤchtig/ indem er anfangs
ihren Fuͤrſtlichen Stand/ hernach ihren Verſtand und Erfahrenheit/ weiters ihre Man-
heit/ und endlich ihre Auffrichtigkeit und Traͤue in Zweifel zihet. Nun wil mit hochgedach-
tem Fürſten von Suſa mich deßwegen eben nicht in Streitigkeit einlaſſen/ wie wenig ichs
auch zuverantworten weiß/ daß in meiner Anweſenheit ihren ehrlichen Nahmen ich ſolte
kraͤnken laſſen; dann weil ich hoffe/ Fürſt Gobares habe keinen Willen ſie zubeleidigen/ ſon-
dern ſeine Furcht/ die aus Unwiſſenheit herrühret/ anzuzeigen/ werde ich bloß nur einſüh-
ren/ wie ungütlich dieſen beyden Herren durch ſo ſchwere Auflagen geſchihet/ welche wider
zehn Ritter zugleich mit dem Schwerte abzutreiben/ ſie ſich nicht ſcheuhen würdẽ. Betref-
fend ihren Fürſtlichen Stand/ iſt ihnen nichts ſo ſehr zuwider/ als daß er mir und andern
ohngefehr kund getahn iſt/ welchen ſie in dieſen Laͤndern nimmermehr ſolcher geſtalt würdẽ
offenbahret haben. Daß aber ſie vermoͤgene Fürſten ſind/ zeigen die groſſen Gelder und
treffliche Kleinot/ welche ſie in dieſe Landſchafft mit ſich geführet. Doch was hilfft michs/
dieſen Beweißtuhm zugebrauchen? Dann ein Verleumder koͤnte ſprechen/ ich ſuchte das
Fürſtliche Blut mit Gelde zubehaͤupten; Zeige demnach an/ daß die Koͤnigliche Boͤhmi-
ſche Geſanten ich mit meinen Augen mehr dann einmahl zu Padua geſehen/ welche ihren
Koͤnig Ladiſla zu ſeiner Kron foderten. Iſt nun dieſer ein Koͤnig/ warumb iſt dann ſein
Geſelle minder/ welchen er doch faſt mehr ehret als liebet; er auch ein ungleich groͤſſer
Reich/ als Boͤhmen iſt/ in naͤheſter Erbſchafft ſol zugewarten haben. Dannoch geſezt/ ſie
ſeyn keine Fuͤrſten/ kan ihrer Manheit dadurch abgehen? Sie muͤſſen ja zum wenigſten
Herren Standes ſeyn/ ſonſt wuͤrde der Hochmoͤgende Roͤmiſche Stathalter zu Padua/
Herrn Ladiſla ſeine einige Tochter nicht verheyrahtet haben; uͤber welcher Ehe ſich doch
derſelbe zum hoͤchſten erfreuet. Man laſſe aber auch dieſes ungeglaͤubet; ihr Herkommen
und Gebluͤt wird dem Feinde weder Schaden noch uns Vortel tuhn. Nun moͤchte ich
gerne wiſſen/ aus was Urſachen Fuͤrſt Gobares dieſer beyder Fuͤrſten Verſtand und Er-
fahrenheit in Zweifel zeuhet; Wegen ihrer Jugend? Ja/ ich geſtehe/ daß Jugend insge-
mein unverſtaͤndig iſt/ aber doch nicht allemahl/ noch bey allen/ und muͤſte trauen dar-
getahn werden/ ob man in geſtriger langwieriger Geſelſchafft ihrer einen unverſtaͤndi-
ger/ als andere anweſende (verzeihet mir/ ihr meine Gnn. Fuͤrſten) haͤtte reden hoͤren;
ich
[791]Vierdes Buch.
ich vor mein Haͤupt moͤchte wuͤnſchen/ daß niemand bey ſeinen greiſen Haaren ſeines
Herzens Tohrheit mehr verrahten moͤchte/ als dieſe Fuͤrſten bey ihren unbegreiſeten;
ſol ich dann von ihnen in dieſem Stuͤk die Warheit ſagen/ ſo bezeugens ihre bißher ge-
fuͤhrete Anſchlaͤge dz mehr hinter ihnen ſtecket/ als ſie von ſich ſelbſt ruͤhmen; ich vor mein
Haͤupt geſtehe willig und ohn Scham/ daß in kurzer Zeit ich von dieſen beyden Helden in
Waffens gebrauch mehr gelernet/ als ich zuvor gewuſt habe. Was ſol ich nun von ihrer
unerſchrockenen/ und durch ſo manniches Land hochgeruͤhmter Mannheit und Herzhaf-
tigkeit ſagen? trauen es wuͤrde mir ehe an der Zeit/ als an ihrer Tahten mannigfaltigkeit
gebrechen/ wañ ich gleich nur die vornehmſten beruͤhren wolte/ dañ ihr Nahme iſt zu hoch
gen Himmel geſtigen; Rom das Haͤupt der Welt/ ſo weit ſich Nidergang erſtrecket/ ſchaͤ-
met ſich nicht/ ſie vor Schuz Goͤtter ihres Italien außzuruffen. Daſelbſt habe ich ihre her-
liche gegoſſene Bildniſſen auff dem Marsplatze geſehen/ mit dieſer Uberſchrift: Der Pa-
duaner Erretter; wie zu Padua imgleichen/ mit einer herlichen Ehren-benennung. Solte
wol jemand waͤhnen koͤnnen/ dieſer unſterbliche Ruhm waͤhre ihnen ihrer Jugend und
Schoͤnheit halben zugelegt? Nein O nein! ihre Fauſt uñ ritterlicher Helden-muht hats
erworben/ in dem ſie etwa mit 36 Reuter in die 200 bewehrete Raͤuber/ alle trefliche Fech-
ter und verſuchte Hauptleute erſchlagen/ welche ihre Werbungen auff viel tauſend ange-
ſtellet hatten/ ganz Italien zuverderbẽ. Was ich ſonſten vor Wunder von ihnen in ernſt-
lichen Kaͤmpffen und Schimpff-Stechen geſehen/ iſt unnoͤhtig zuerzaͤhlen. Und ſehet/
Durchl. Fuͤrſt Gobares/ ſolchen Helden wollet ihr 50 Kronen zur Reiſe zehrung geben/
die/ ſo wahr ich ein ehrlicher Ritter bin/ in Padua einer fremden Stad/ uͤber 150 Tonnen
Schaz/ an baarſchaft/ Kleinoten und anderen Koſtbarkeiten haben; und geliebt es euch/
mein Fuͤrſt/ kan eure Gn. ihren Nohtpfennig zu ſehen bekommen/ den ſie bey ſich fuͤhren/
und auff acht Tonnen Goldes außtraͤget. Aber O ihr redliche/ auffrichtige und getraͤue
Seelen/ Fuͤrſt Herkules und Ladiſla/ muß man anhoͤren/ daß ihr der Verraͤhterey/ der
Freibeuterey/ der Traͤuloſigkeit ſollet beſchuldiget werden? ich leugne nicht/ daß mir ſol-
ches zeihen nicht anders als ein blutiger Stich durchs Herzgangen/ welches ich an ei-
nem andern als dieſem Orte nit wuͤrde haben unverantwortet gelaſſen/ haͤtte mirs gleich
mein Leben gekoſtet. Ihr wollet eure getraͤuen Freunde/ den Groß Fuͤrſten Phraortes/ wel-
chen ihr euren Vater nennet/ und ſeinen wolgerahtenen Sohn Fuͤrſt Arbianes/ der euch
mehr liebet als ſich ſelbſt/ in die Haͤnde des Henkersliefern? O Fuͤrſt Gobares/ was be-
waͤget euch/ dieſes ungeheuꝛe Bubenſtuͤk ihnen beyzumaͤſſen? muß man aus bloſſem Arg-
wohn oder Mißgunſt/ ſolche Dinge tichten/ und ungeſcheuhet außreden? Aber ihre Frl.
Schweſter iſt bey Artabanus; iſt wahr/ aber hat Groß Fuͤrſt Phraortes ſie nicht dahin ge-
liefert? ihr ſeid auch ſelbſt eine zeitlang zu Charas geweſen; O freuet euch/ daß Groß Fuͤrſt
Phraortes euch daſelbſt beygewohnet/ und eures tuhns/ und laſſens Fuͤrſtliches Zeugnis
geben kan. Gilt dann nur bloſſes argwohnen/ ſo muß man den Mediſchen Groß Fuͤrſten
auch aus dieſer Hoch Fuͤrſtlichen Verſamlung bannen/ und ihm 50 Kronen/ haͤtte ſchier
geſagt 50 Groſchen vor ſeinen Ritgeben/ dz er ſich nit zubeklagen habe; ja deſſen Durchl.
wird mehr und tieffer als jene beyde Helden im Verdacht ſtecken/ dañ er hat ſich bey dem
Koͤnige daſelbſt auffgehalten/ ihm das Fraͤulein zugefuͤhret/ iſt von ihm deßwegen Koͤnig-
lich
[792]Vierdes Buch.
lich begnadet/ und zum geheimen Raht erklaͤret. Verzeihet mir/ ihr Durchleuchtigſten
Fuͤrſten/ daß ich ſo kuͤhn rede: Entweder Groß Fuͤrſt Phraortes/ Herr Mazeus/ uñ meine
geringfuͤgigkeit muͤſſen Verraͤhter ſeyn/ oder die fremden loßgeſprochen werden; dann
wir haben ſie hergefuͤhret/ wir haben muͤnd- und ſchrifftlich bey ihnen angehalten/ ſich hie-
ſelbſt einzuſtellen; Bin ich dann ein ſolcher Bube/ ſo habe ich mich viel zu lange in dieſer
Fuͤrſtlichen Geſelſchaft auffgehalten. Artaxerxes ſahe/ daß er ſich zu eifern begunte/ und
ihm die Adern an der Stirn blutig auffquollen/ daher befuͤrchtete er ſich einer ſchaͤrffern
antaſtung gegen Gobares/ welches zuverhuͤten/ er ihm in die Rede fiel/ und mit dieſer guͤ-
tigkeit darzwiſchen kam: Geliebter Oheim; meines Herrn Bruders GFuͤrſt Phraortes/
wie auch eure und H. Mazeus Redligkeit und auffrichtige Traͤue/ iſt uns allen mehr als
zu viel bekant/ und die ſolche in zweiffel zihen wolten/ müſten darüber zuſchanden werden;
laſſet deßwegen es geſchehen ſeyn/ wie ich euch mit meinem Beyſpiel vorleuchte/ daß Fürſt
Gobares ſeyn Herz des Argwohns entladen hat/ weil ihm zweifels ohn unbewuſt iſt/ daß
dieſe beyde Helden mit euch umgangen ſind; die übrige Hoch Fürſtliche Geſelſchafft wird
zu euch viel ein beſſer vertrauen haben/ als daß ihr unter ſo hoher erinnerung dieſen frem-
den Fürſten ichtwas zu liebe oder leide reden ſoltet/ inſonderheit/ daß mit unſer aller Ge-
fahr geſchehen moͤchte. Wollen demnach gerne vernehmen/ ob Fürſt Gobares wichtige
oder ſonſt nur ſcheinbahre Urſachen ſeines Argwohns hat/ welchen er/ wie ſeine Worte
mit ſich bringen/ faſt auſſer zweifel ſetzen darff; welches er dann freilich uns nicht wird un-
gemeldet laſſen/ damit wir uns deſto beſſer vor ſehen/ und wie er geſtimmet hat/ dieſe beyde
fremdlinge abſchaffen moͤgen. Hier entfiel dem feigen Gobares der Muht/ dann Phar-
nabazus Mannheit wahr ihm bekant/ vor dem er ſich fürchtete/ gab alſo naͤheres kauffs/
und antwortete: Weil es ein wichtiges Werk iſt/ damit wir umbgehen/ habe ich/ was ſich
etwa zutragen koͤnte/ meiner Meinung nach andeuten/ aber nichts gewiſſes bejahen wol-
len/ wie Herr Pharnabazus vielleicht waͤhnet/ deſſen/ wie auch des Durchl. Groß Fürſten
Phraortes und Herrn Mazeus Redligkeit/ ich mit keinem Worte anzugreiffen willens
bin/ und daß iſt in dieſer Hoch Fürſtl. Verſamlung meine Stimme; die beyden Fremd-
linge/ als welche in unſern Bund nicht gehoͤren/ gehen mich nicht an/ werde auch ihretwe-
gen kein Wort mehr verlieren. Wolan/ ſagte Phraortes/ wann ich dann vor redlich kan
erkennet werden/ ſo ſetze ich meine Redligkeit zum pfande/ und wil derſelben in alle Ewig-
keit verluſtig ſeyn/ dafern dieſe beyde Helden mit Verraͤhterey umbgehen/ oder einige traͤu-
loſe Ader an ſich haben; mehr wil ich vordißmahl nicht ſagen/ umb weiteres Gezaͤnke zu-
verhüten. Darauff gab nun Fürſt Menapis aus Hirkanien ſeine Stimme folgender ge-
ſtalt: Ich vernehme ein ſolches Zeugnis von dieſen beyden jungen Fürſten/ daß man ihre
Hülffe und Beyſtand zuerhalten ſich billich bemühen ſol; angeſehen/ die meiſten unter uns
zwar Mittel und Voͤlker herzugeben/ aber nicht/ mit der Fauſt den Feind anzugreiffen ge-
meinet ſind; müſſen demnach uns nach ſolchen umbtuhn/ welche hierzu vor andern düch-
tig erfunden werden; eines Fürſten Redligkeit mus man nicht aus ungegründetem Arg-
wohn in zweifel ſetzen/ ſonſt würden wir unter uns ſelbſt bald deßgleichen anfahen; halte
alſo nicht allein vorgut/ ſondern auch hochnoͤhtig/ dieſe Herren nicht zubeſchimpffen/ ſon-
dern ſie vielmehr gar in unſere Verbündnis auffzunehmen/ da es von ihnen zuerhalten iſt/
auff
[793]Vierdes Buch.
auff daß ſie deſto mehr Urſach haben/ unſern Feind zu haſſen/ und unſer beſtes zuſuchen;
dann es gehe wie es wolle/ der Nutzen bleibet doch unſer von allem was ſie gewinnen wer-
den; und darff ich meine Meinung ſagen/ ſo ſehe ich ſie faſt vor Goͤtter-Kinder an. Die-
ſer Meinung fielen die übrigẽ eintraͤchtig bey/ und bahten Gobares/ da er einigen Wieder-
willen gegen ſie gefaſſet haͤtte/ wie man aus ſeinen Reden nicht anders urteilen koͤnte/ moͤch-
te er durch unzeitige Bewaͤgung dem gemeinen Weſen nicht abbruch tuhn/ oder zum we-
nigſten die Urſachen ſeiner ungewogenheit mit beſtaͤndigem Grunde darlegen/ alsdañ ſol-
te ihm gebührlicher Beyfall gegeben werden. Gobares ward über ſolche Erinnerung un-
willig/ und antwortete: Weil er überſtimmet waͤhre/ müſte ers geſchehen laſſen/ daß ihrer
Dienſte gebrauchte wer da wolte/ er vor ſein Haͤupt haͤtte ihreꝛ viel zu wenige Kundſchaft/
daß er feſten Grund auff ſie bauen ſolte/ und zweifelte nicht/ Artaxerxes waͤhre ihnen allen
Feld Obriſtens genug/ andere Kriegsbeamten würden ſich leicht finden/ und haͤtte man
deren bereit zu guter gnüge. Dieſe Wiederſpenſtigkeit ging ihnen allen ſehr zu Herzen/
daß auch Artaxerxes ſeinen Zorn nicht mehr meiſtern kunte/ daher er zu der Verſamlung
alſo anfing: Ihr redliche Bundsverwanten/ was vor eine wichtige Sache wir vor diß-
mahl abzuhandeln haben/ iſt eurer keinem unwiſſend; wann dañ Fuͤrſt Gobares etwas
vornimt/ daß ein weites Ausſehen zu haben ſcheinet/ frage ich hiemit um/ ob er nicht ſchul-
dig ſey/ einen Abtrit zu nehmen/ daß man ſich einer Antwort vergleiche/ damit er ſich muͤſ-
ſe begnuͤgen laſſen. Sie wahren deſſen alle mit ihm einig/ muſte demnach in ein Neben-
gemach treten/ biß man ſich eines Beſcheides vergleichẽ hatte/ da er wieder gefodert ward/
und Artaxerxes ihm dieſes vorhielt: Fuͤrſt Gobares/ ihr habt durch eure ungegtuͤndete
Wiederſpenſtigkeit die ganze Hoch Fuͤrſtliche Verſamlung bewaͤget/ daß man euch im
Grunde nicht trauen kan/ ob ihr nicht gefaͤhrliche Dinge vornehmen duͤrfftet/ wann
man nicht eben eurem Willen gewonnen gibt/ welcher den blinden Bewaͤgungen unter-
worffen ſeynſcheinet/ daher man dann Urſach gnug hat/ euch in eine ehrliche Gewarſam
zu nehmen/ biß man eurer Auffrichtigkeit beſſer verſichert iſt; damit ihr aber ſehet/ daß
nichts gegen euch aus Wiederwillen/ ſondern zu des gemeinen Weſens verſicherung alles
vorgenommen werde/ wird euch hiemit die Wahl gegeben/ ob ihr lieber bey dieſer gegen-
waͤrtigen Fuͤrſten einem/ den ihr ſelbſt kieſen moͤget/ verbleiben/ oder von allen und jedem
dieſer Fuͤrſten/ einen redlichen Ritter zu euch nehmen/ mit denen nach Saſa zihen/ uñ ſtets
ihrer zum wenigſten drey/ Tag und Nacht umb euch leiden wollet/ die auff alles euer Vor-
nehmen acht geben. Darauff habt ihr euch zuerklaͤren. Gobares erſchrak hieruͤber daß er
bebete/ und gab dieſe Antwort: Durchll. Fuͤrſten/ ich ruffe alle Goͤtter zu Zeugen/ daß mein
Herz und Gemuͤht dem Wuͤterich Artabanus/ und ſeiner unrechtmaͤſſigen Herrſchafft
dergeſtalt feind und zuwider iſt/ daß ich ehe ſterben/ als demſelben hold und zugetahn wer-
den wolte. So wird auch kein Menſch aus meinen Reden deſſen einigen Argwohn faſſen
koͤnnen/ daß eines Verraͤhters Gedanken bey mir ſeyn ſolten/ wie ich dañ bereit und willig
bin/ mich deſſen durch den allerbuͤndigſten aͤid zu entbrechen; in betrachtung deſſen bitte
ich/ daß dieſer Schluß wiederruffen/ und ich des gaꝛ zunachteiligen Schimpffs entnom̃en
werde/ mit dem Erbieten/ daß da einiger Menſch ein fuͤnklein ſolcher untraͤue an mir ſpuͤ-
ren wird/ ich mein Fuͤrſtentuhm/ Ehr und Leben wil verwirket haben. Er muſte darauff
H h h h haber-
[794]Vierdes Buch.
abermahl einen Abtrit nehmen/ und auff des Hirkaniers Verhandlung/ ward ihm alles
erlaſſen/ jedoch daß Groß Fuͤrſt Artaxerxes ihm einen guten Verweiß geben ſolte/ welcher
ihn dann alſo anredete: Fuͤrſt Gobares/ ihr bezeiget auffs minſte ſchlechten Willen zur
Einigkeit/ ſtehet auch faſt verwaͤgen/ daß ihr euch duͤrffet bruͤſten/ als verſtuͤndet ihr das
Werk beſſer als die ganze Hoch Fuͤrſtl. Verſamlung; ſol ich Obriſter Feldherr ſeyn/ ſo
werde ich trauen euch nicht fragen/ was vor Heerfuͤhrer ich beſtellen wolle/ es waͤhre dañ/
daß ihr euch einer Oberauffſicht uͤber mich annehmen woltet/ welches ich euch ſchwerlich
gut heiſſen wuͤrde; werdet demnach ſolches hinfuͤro einſtellen/ und nicht aus eigenem ganz
unbilligem getrieb euch dem ganzen Schluſſe mehr wiederſetzen; habt ihr aber auff dieſer
Helden einem oder andern abſonderlich zu ſprechen/ ſo ſagets ihnen auff Ritters Art un-
ter Augen und verſichert euch/ daß ſie euch ſtehen werden; erinnert euch daneben/ daß eure
ſpitzige Worte/ derẽ ihr mañiches außgeſtoſſen/ Koͤnig Artabanus uñ ſein groſſes Kriegs-
Volk nicht fellen werden/ ſondern die das Schwert zugebrauchen wiſſen/ deren ſind wir
hierzu benoͤhtiget. Und lieber ſaget mir doch/ waͤhre es nicht beſſer/ wir ſpareten der Ein-
wohner Blut/ und ſetzeten dem Parther lauter fremde entgegen/ unſere Mannſchaft zuer-
halten? und ihr wollet die Außlaͤndiſchen nicht eins zu laſſen. Doch bemuͤhet euch nicht zu
hart/ wir haben noch keine Zuſage/ daß ſie von uns beſtallung annehmen wollen/ dann ſie
achten unſers Geldes viel weniger als wir ſelbſt/ und weiß ich einen/ der ihnen zur Freund-
ſchaft andenken auff 8000 Kronen wert Ringe geſchenket/ dem ſie gedoppelt ſo viel wieder
einreichen laſſen. So zeige ich nun im Nahmen dieſer Fuͤrſtlichen Geſelſchaft euch hiemit
an/ daß man euch nicht allein der Verwahrung ſondern auch des Verdachts entnehmen
wil/ weil wir ingeſamt der Zuverſicht geleben/ ihr werdet bey dem geſchloſſenen und ſo feſt
veraͤideten Bunde traͤu- und redlich halten. Gobares ließ alle harte Reden unbeantwor-
tet/ und wahr froh ſolcher Erlaſſung/ daher er ſich zu aller Redligkeit anerboht. Nach deſ-
ſen ſtillſchweigen aber ſtund Arbianes auff/ und baht ſehr demuͤhtig/ das ihm ein Wort zu
reden erlaͤubet ſeyn moͤchte; da ihm ſein H. Vater antwortete/ es wuͤrde ihm ſolches ge-
goͤnnet ſeyn/ wañ es ohn einiges Menſchen Beſchimpfung geſchaͤhe. Worauff er alſo an-
fing: Durchleuchtigſte Fuͤrſten/ gnaͤdige Herren; ich habe heut dieſen Morgen etliche Re-
den anhoͤren muͤſſen/ durch welche vor erſt mein gnaͤdigſter H. Vater/ hernach die Durch-
leuchtigſte Fuͤrſten/ H. Herkules und H. Ladiſla an ihren Hoch Fuͤrſtlichen Ehren hoͤchſt-
ſchimpflich angezapffet ſind; wañ ich nun daſſelbe ſtilſchweigend vorbey gehen lieſſe/ duͤrf-
te mirs ſchter heut oder Morgen verweißlich vorgehalten werden/ ob haͤtte ich einen ſol-
chen Vater und ſolche Freunde gehabt; welches zuverhindern und abzulehnen ich der ge-
tahnen Laͤſterung mit wolbedachtem Muht wiederſpreche/ ſie in des Verleumders Bu-
ſem ſchiebe/ und ſo einer zugegen ſeyn moͤchte/ der Fuͤrſt Gobares ſchmaͤhungen vor recht-
maͤſſig halten wolte/ denſelben fodere ich hiemit auff erlaͤubniß aus/ auff den innerſten
Plaz daß er mit ſeinem Seiten Gewehr ſich darſtelle/ und mit mir ohn alle andere Waf-
fen/ den Kampf auff Leib und Leben antrete/ nachdem ich mich veꝛſichere/ daß ich weder von
einem Verraͤhter gezeuget bin/ noch von Verraͤhtern je etwas gehalten habe. Mit dieſen
Worten nahete er ſich zu der Tuͤhr/ und ſagte: Gobares du Verleumder/ kom und ver-
antworte dich mit der Fauſt/ biſtu redlich. Die Fuͤrſtliche Geſelſchaft entſetzete ſich der
Erklaͤ-
[795]Vierdes Buch.
Erklaͤrung; ſein Vater aber redete ihn alſo an: Stelle dich mein Sohn auff den Plaz/
nachdem du das Wort geſprochen haſt; aber daß du bey verluſt meiner Vaͤterlichen Hul-
de keinem Menſchen die Urſach deines außfoderns wiſſen laſſeſt. Gobares erblaſſete die-
ſer Reden/ und nach Arbianes Abtrit fing er an: Durchl. Groß Fuͤrſt/ Artaxerxes/ bin ich
ſchuldig dieſer Außfoderung zu ſtehen/ alsdann wird Groß Fuͤrſt Phraortes mirs nicht
zum ungleichen außlegen/ wann ich ihn ſeines einigen Sohns beraube. Wans redlicher
Weiſe vor der Fauſt geſchihet/ antwortete Phraortes/ alsdann iſt eure Liebe wol entſchul-
diget/ und wird dieſelbe das ergangene mir nicht zuſchreiben/ ſondern vielmehr bedenken/
daß/ wer alles redet was er wil/ offt hoͤren muͤſſe was er nicht wil; ſo weiß auch der jugend
Hitze nicht ſo wol/ als die grauen Haar ſich zu maͤſſigen/ und deute ich uͤberdaß euer Liebe
zur Nachricht an/ daß ſie nicht ſo gar einen ungerahtenẽ Schuͤler des Groß Fuͤrſten Her-
kules/ an meinem Sohn finden werde. Fuͤrſt Puſizes ſchlug ſich darzwiſchen/ uñ baht ſehr/
es moͤchte die Fuͤrſtl. Verſamlung bedenken/ wann dieſes Gefechte vor ſich gehen ſolte/ wie
Artabanus und ſeine Leute ſich daruͤber kitzeln wuͤrden/ hoffete deßwegen/ man wuͤrde ſich
bemuͤhen/ dieſe Streitigkeit ohn Kampff auffzuheben. Wem wahr hiezu lieber als dem veꝛ-
zageten Gobares/ welcher alſo anfing: Ja eben dieſes betaure ich am meiſten/ ſonſt ſolte miꝛ
nichts liebers als die Rache ſeyn; Da nun der junge Fuͤrſt ſich eines andern bedenken/ uñ
ſeine Außfoderung wiederꝛuffen wird/ ſol an meiner ſeite alles vergeben und vergeſſen ſeyn/
ungeachtet er ohn alle gegebene urſach/ mich ehrenruͤrig angetaſtet/ als der ich weder ſeinen
Herr Vater noch die fremden einiger Verraͤhterey beſchuldiget habe/ ſondern nur bloſſe
anzeige getahn/ was von fremden vorgenommen werden koͤnte; ſolten aber meine Reden
anders verſtanden ſeyn/ ſo bedinge ich mich auffs zierlichſte. Wolan/ ſagte Artaxerxes/ ſo
iſt der Span auffgehoben/ redete Pharnabazus etliche heimliche Worte ins Ohr/ und baht
ihn/ Arbianes wieder herein zuruffen; welches ungeſeumet geſchahe/ welcher auch nach em-
pfangenen Unterricht alſo zu Gobares redete: Es iſt mir ſehr lieb/ Durchl. Fuͤrſt/ daß euer
Liebe Reden ich in ungleichem Verſtande auffgenommen/ und hiedurch unſere Streitig-
keit geendiget iſt; hoffe demnach/ eure Liebe werde des ergangenen vergeſſen/ und mir gewo-
gen bleiben. Dieſer legte ſolches vor eine Abbitte aus/ und erklaͤrete ſich zu aller Freund-
ſchafft. Worauff Fuͤrſt Puſizes/ Herr Pharnabazus und Mazeus von der Fuͤrſtl. Geſel-
ſchafft erbehten wurden/ unſere Helden herzubitten; welche ſich willig einſtelleten/ und von
Artaxerxes alſo angeredet wurden: Durchleuchtige Fuͤrſten; Aldieweil der tapffere Vor-
ſatz dieſer Fuͤrſtlichen Verſamlung/ Euren Liebden gnug wiſſend iſt/ als welcher in Befrei-
hung des algemeinen Vaterlandes von dem Parthiſchen Joche beſtehet/ und Eure Lieb-
den ſich gutwillig finden laſſen/ uns daꝛinnen beyſtaͤndig zuſeyn/ wollen ſie ſich zu uns nider-
ſetzen/ umb zuberahtſchlagen/ wie uñ auf was weiſe wir unſerm vornehmen den gewuͤnſch-
ten Anfang machen koͤnnen. Ladiſla antwortete: Durchleuchtigſter GFürſt/ Gn. Herr;
daß Ihre GFuͤrſtl. Durchl. im Nahmen dieſer Hochfuͤrſtl. Verſamlung in ihren Hoch-
weiſen Raht uns einfodern wollen/ erkennen wir als eine ſonderliche Gnade und Gewo-
genheit/ deren wir zeit unſers Lebens ſchuldig ſeyn muͤſſen; weil aber wir dieſes Orts frem-
de und auslaͤndiſche ſind/ und alhie weder zugebieten nochverbieten haben/ als wil uns nit
geziemen/ ihren heimlichſten Rahtſchlaͤgen beyzuwohnen/ oder ſelbige eins zuwiſſen/ ſondeꝛn
H h h h h ijnach-
[796]Vierdes Buch.
nachdem Ihre Durchll. werden geſchloſſen haben/ werden ſie uns beſehlen die Vollſtrec-
kung verrichten zuhelffen/ worzu wir uns erſtes Tages fertig halten/ mit einem Heer nach
den Grentzen gehen/ und unſerer Geſandſchafft von Charas daſelbſt erwarten/ auch/ weil
wir keine andere/ als ungenehme Antwort von Artabanus uns vermuhten/ bald nach ſol-
cher Erlangung den feindlichen Einfall in ſein Land tapffer wagen wollen; Inzwiſchen
bitten wir ſehr/ uns die Stuͤcke vorzulegen/ worauff unſere aͤidliche Verbindung muß ge-
gruͤndet ſeyn. Nahmen darauff einen Abtrit/ und bahten die Fuͤrſten/ ſich daruͤber zuverei-
nigen. Nach ihrem Abwich ſagte Artaxerxes zu den Verſamleten: Ich wuͤſte nicht/ was
ich an dieſer Herren Hoͤfligkeit tadeln/ vielweniger haſſen ſolte/ es waͤhre dann/ daß ich ih-
nen mißgoͤnnete/ hoͤflich zuſeyn; werden uns deßwegen gleicher Tugend befleiſſigen/ und
keine hoͤhere aͤidesleiſtung anfetzen/ als die ſolchen Fuͤrſten wolſtaͤndig iſt; ſchloſſen alſo/ nur
auff folgende zwey Stuͤk eine freywillige Zufage durch den Handſchlag von ihnen zuneh-
men; daß ſie nach aller Moͤglichkeit das gemeine beſte befodern/ und dem Feinde ſchaden
wolten; welches ſie auch traͤnlich angelobeten/ doch biß auff ihrer Geſanten Wiederkunft.
Des Nachmittages ward Herkules zu raht/ ſeinen Plautus nach Jeruſalem an den
Stathalter zuſenden/ weil er deſſen Dienſte ohndas nicht mehr benoͤhtiget wahr; ſchickete
Frl. Lukrezien uͤberaus ſchoͤne und koͤſtliche Kleinot/ uñ dem Biſchoff daſelbſt 10000 Kro-
nen/ unter arme und nohtleidende Chriſten zuverteilen; welcher des folgenden Morgens
unter einer Begleitung von 60 Mediſchen Reutern/ welche Arbianes dahin gebracht hat-
te/ ſicher fortging/ und daheim wol empfangen ward/ da er alle Begebniſſen erzaͤhlen muſte/
reichte auch ſeine Schreiben an den Stathalter und das Frl. ein/ welche mit lauter Dank-
ſagungen angefuͤllet wahren; Und als das Fraͤulein daraus vernam/ daß die Kleinot ihr
von dem geraubeten Koͤniglichen Fraͤulein/ zur Dankbarkeit deren/ ihrem verſprochenen
Braͤutigam erzeigeten ſchweſterlichen Hulde und Freundſchafft (dann alſo ſchrieb Her-
kules) uͤbergeſchicket wuͤrden/ ſagte ſie: Der Allmaͤchtige Gott goͤnne mir dieſer hochwir-
digen Fuͤrſtin Kundſchafft/ nach dem ſie aus ihrem Gefaͤngniß in freyen Stand wird ge-
ſetzet ſeyn.


Des naͤhſtſolgenden Tages nach gehaltenem Kriegs Raht zu Perſepolis/ ſchieden
alle Morgenlaͤndiſche Fuͤrſten in ſtiller geheim/ und mit ſchnellen Pferden davon/ ein jegli-
cher nach ſeiner Landſchafft/ und eileten ſehr/ ihre Voͤlker zuſammen zubringen; und feyre-
ten unſere Helden auch nicht/ ſich zum Feldzuge fertig zumachen/ welchen ſie auf angeſtim-
mete Zeit fortſetzen wolten. Zehn Tage nach deren Abzug von Charas wolte Artabanus
ſchier unſiñig werden/ vor unmaͤſſigen Liebesbegierden gegen das Fraͤulein/ welches durch
ihrer Hofmeiſterin Fr. Syſigambis Vernunfft noch ruͤkſtellig gemacht ward. Weil dañ
das Fraͤulein ihrem Herkules folches gerne zuwiſſen getahn/ und dadurch ſeine Zukunfft
beſchleuniget haͤtte/ aber darzu keine gelegenheit ſahe/ dann ihren Timokles wolte ſie auf al-
len fall bey ſich in der Stad behalten; erdachte ſie dieſe Liſt: Sie beklagete ſich/ daß ihrem
Bruder und Oheim ſie gar zu einen ſtolzen Brief geſchrieben haͤtte/ welcher auſſer Zweifel
ſie zu groſſem Widerwillen antreiben wuͤrde/ waͤhre demnach ihr herzlicher Wunſch/ die
gelegenheit zuhaben/ daß bey einem vertraueten Bohten ſie ihnen ein Schreiben uͤberſen-
den koͤnte/ daß der Koͤnig davon im wenigſten nichts erfuͤhre; damit aber auff ſolchen fall
ſie
[797]Vierdes Buch.
ſie nicht zufuͤrchten haͤtte/ als wolte ſie ichtwas gefaͤhrliches vornehmen/ ſolte ſie den Brief/
ehe er verſiegelt wuͤrde/ ſelbſt leſen/ daraus ſie ſehen wuͤrde/ daß alles dem Koͤnige zum beſten
von ihr vorgenommen wuͤrde; Und ſehet da/ meine geliebte Freundin/ leſet ihn gleich als-
bald/ weil ich ihn ſchon auffgeſetzet habe; befindet ihꝛ dann/ daß es nicht raht ſey/ wil ich mei-
ne Meynung gerne endern. Dieſe ließ ſich deſſen nicht eine Sau duͤnken/ daß das
Fraͤulein ihre groͤſſeſte Heimligkeit ihr anvertrauete/ wegerte ſich anfangs den Brief zu
leſen/ aber auff ernſtliches noͤhtigen nam ſie ihn zu ſich/ ruͤhmete anfangs die wunderzierli-
che Schrifft/ und fand folgenden Inhalt: Durchleuchtigſte Fuͤrſten/ herzgeliebete/ Herr Bru-
der und Herr Oheim. Daß mein voriges Schreiben/ als gar zu frech und verwaͤgen/ Euren Liebden
wenig gefallen habe/ trage ich keinen Zweifel; nachdem aber ich mich eines beſſern bedacht/ bitte ich
Schweſterlich/ mir dieſen Fehler zuvergeben/ in meine hoͤchſtgluͤkliche Heyraht gerne einzuwilligen/
und inwendig dreyzehn Wochen euch hieſelbſt anzufinden/ auff daß des groſſen Koͤniges und mein
gluͤkliches Beylager durch ihre anſehnliche Gegenwart moͤge gezieret/ ich auch von euch als meinen
naͤheſten Anverwanten ſeiner Koͤniglichen Hocheit zugefuͤhret werden. Bedenket doch/ ihr meine ge-
liebte Herzen/ wie veraͤchtlich es ſtehen werde/ daß ich als eine Verwanten-loſe allein ſeyn ſol; und ob
dieſe meine Heyraht/ welche gegen genante Zeit ganz gewiß vor ſich gehen wird/ euch etwa moͤchte zu-
wider ſeyn/ welches ich doch nicht vermuhten kan/ ſo bedenket/ daß kein Mittel in der ganzen Welt iſt/
ſolche Heyraht zuhindern/ und laſſet euch deswegen/ bitte ich/ gefallen/ was nicht zuendern ſtehet; Ich
verſichere euch/ meine liebe Herzen/ daß ihr ſolche Gnade bey eurem und meinem Koͤnige antreffen wer-
det/ welche allen Unwillen/ da einig er bey euch ſeyn ſolte/ gaͤnzlich toͤdten und austretben wird; Ach es
iſt mir ſehr zuwider/ daß ich vernehmen muß/ ihr haltet euch in Feindes Landen auf; doch weil ihr mit
der Auffruhr nichts zuſchaffen habt/ wird der groſſe Koͤnig euch deswegen nicht ungnaͤdig werden. Le-
bet wol/ meine Herzen-Freunde/ und erfreuet bald mit eurer hochbegehrten Gegenwart/ eure ergebe-
ne und getraͤue Schweſter und Waſe/ Herkuliſken die gluͤkſelige/ Groß Koͤnigliche verlobete Braut/
und ſchierkuͤnfftige herſchende Groß Koͤnigin aller dieſer Laͤnder.


Nach Verleſung ſagte Syſigambis: Warumb wil doch eure Gn. dieſen Brief ſo
heimlich fortſchicken/ da doch dem Koͤnige nichts angenehmers ſeyn wuͤrde/ als wann ſei-
ne Hocheit dieſes Vorhabens ſolte berichtet ſeyn. Durchaus nicht/ meine Freundin/ ant-
wortete ſie/ ich habe groſſe urſach/ ſolches noch zur Zeit vor dem Koͤnige zuverbergen; uͤbeꝛ-
das moͤchte ich gerne ſehen/ daß etwas gutes geſchaffet wuͤꝛde/ daran niemand teilhaͤtte/ als
ihr und ich. Iſt dieſes ihrer Gn. Wolgefallen/ ſagte jene/ ſo wollen wir bald zu einem ge-
traͤuen Bohten Raht ſchaffen; Eure Gn. weiß/ daß mein Sohn von dem Koͤnige offt in
ſchleunigen Verſchickungen gebraucht wird/ weil er ſich weder zu Nacht noch Tage zurei-
ten wegert/ ſo gerne haͤnget er auff den Pferden. Dieſem wil ich das Schreiben zuſtellen/
und muͤndlichen Bericht erteilen/ wohin ers bringen ſol. Das waͤhre der allerſicherſte
Weg/ ſagte das Fraͤulein/ und daß euer Sohn meinen gn. Willen ſehe/ ſo ſchenke ich ihm
dieſen Ring (welcher 2000 Kronen wert wahr) den ihr ihm geben/ und dadurch zu aller
moͤglichen Eile/ inſonderheit zur Verſchwiegenheit ihn ermahnen ſollet. Dieſe geitzige
Frau nam das treffliche Geſchenk mit hoher Dankſagung zu ſich/ mit dem erbieten/ alles
gebuͤhrlich zubeſtellen. Wolan/ ſagte das Fraͤulein/ ſo gehet hin/ und hohlet mir ein ange-
zuͤndetes Licht/ daß ich den Brief alſobald verſiegele; Als dieſe nun darzu willig wahr/ ver-
wechſelte das Fraͤulein den Brief mit einem andern/ welchen ſie auff dieſen fallſchon ver-
fertiget hatte/ und gleich wie der vorige zuſammen gefalzet wahr; welcher Betrug ihr wol
H h h h h iijvon
[798]Vierdes Buch.
von ſtatten ging/ und jagete dieſer Bohte dergeſtalt mit abgewechſelten Pferden fort (dero
behueſſ er ſtets einen Koͤniglichen Befehl bey ſich fuͤhrete) daß er des vierden Tages nach
ſeinem Auffbruch zu Perſepolis wahr/ da des folgenden Tages unſere Helden mit ihrem
Heer fortgehen wolten. Herkules ſaß gleich und beklagete gegen Phraortes/ daß ſeinem
Fraͤulein die Zeit lange wehren wuͤrde/ ehe er zu ihrer Erloͤſung ſich würde einſtellen/ und
muſte er doch nohtwendig ſeine Reiſe nach Charas auffſchieben/ damit er ſeinem vorha-
benden Getichte die rechtguͤltige Farbe anſtreichen koͤnte. Unter dieſem Geſpraͤch trat Ty-
riotes zu ihm/ mit bericht/ es waͤhre ein Schreiben von Charas an ihre Gnaden abgeſchikt/
welches niemand als ihr ſelbſt koͤnte eingereichet werden/ und waͤhre ihm der Bohte aller-
dinge unbekant/ ein feiner Juͤngling/ und gutes anſehens/ ohngefehr ſeines Alters von 18
Jahren. Herkules foderte ihn vor ſich allein/ und vernam/ daß er von ſeiner Fr. Mutter/
der Koͤniglichen Fraͤulein Herkuliſka Hofmeiſterin/ in ſchnelleſter Eile abgefertiget waͤh-
re/ zween fremden Fürſten/ hoͤchſtgedachter Fraͤulein naͤheſten Anverwanten nachzufragẽ/
und ihnen ein Schreiben einzuhaͤndigen/ zweifelte allem anſehen nach/ gar nicht/ Ihre Gn.
wuͤrde deren einer ſeyn; vermeldete ihm ſeiner Fr. Mutter Gruß/ und gab den Brief ge-
buͤhrlich uͤber/ aus deſſen Auffſchrifft er alsbald die Schreiberin erkennete/ brach ihn auff/
und laſe folgenden Inhalt: Herzallerliebſter Schatz und Vertrauter; naͤheſt anmeldung meines
Gruſſes verhalte demſelben nicht/ was geſtalt Koͤnig Artabanus/ ſeinem vorgeben nach/ durch Traͤu-
me geſchrecket/ zehn Tage nach euer Liebe Abzug hefftig in mich gedrungen/ in unverzuͤgliches Beyla-
ger einzuwilligen/ ſo daß er ſich nicht geſcheuhet hat/ harte Draͤuungen mit einzumiſchen; Ich hinge-
gen habe anfangs alle freundliche Mittel angewendet/ ihn abzuhalten/ und als dieſelbige nicht helffen
wollen/ ſondern er mir einen guͤldenen Wagen geſchikt/ auff demſelben zu ihm zufahren/ keiner andern
urſach wegen/ als ſeinen Mutwillen zuvergnuͤgen/ habe ich mich gegen ihn ſchrifftlich erklaͤret/ ich ge-
lebete der gewiſſen Zuverſicht/ Ihre Koͤnigl. Hocheit wuͤrde die auff ihrem heiligen Stuele mir getah-
ne hahe Zuſage unbruͤchig halten/ oder zum wenigſten meines Dieners Wiederkunfft erwarten/ dann
ich muͤſte entweder die Zeit des Geluͤbdes aushalten/ oder von der Geiſtligkeit meines Vaterlandes
durch gewiſſe Opffer der Goͤttin Veſten verſoͤhnet und loßgeſprochen werden/ welches vor Ankunfft
meines Dieners Valikules zu Prag/ (wozu ich noch ſechszehn Wochen rechnete) nicht geſchehen koͤn-
te; ſolte nun zum allerwenigſten vor endigung ſolcher Wochen/ Ihre Hocheit in mich dringen wol-
len/ muͤſte ein ſchleuniger Tod mich wider alle Gewalt ſchuͤtzen; baͤhte demnach/ Ihre Koͤnigl. Hocheit
wolte ſich eigentlich erklaͤren/ ob ich leben oder ſterben ſolte; dann keine Macht dieſer Welt koͤnte mir
auff ſolchen fall den Tod hindern. Nach deſſen Verleſung hat er ſich als ein wuͤtiger Loͤue ſehen und
vernehmen laſſen/ und in ſolchem raſen befohlen/ mich ihm lebendig oder tod zuliefern/ welches dann
ohn zweifel waͤhre vor ſich gangen/ dafern meine getraͤue Hofmeiſterin/ die ich zu ihm abgeſchikt hatte/
durch demuͤhtige Einrede es nicht abgewendet/ indem ſie ihm ſonſt eine ſchoͤne Jungfer zugefuͤhret/
nachgehends/ nach ſeines Wuhts Erkuͤhlung/ ihm etwas haͤrter zugeſprochen/ was ihm mit meinem
Tode gedienet ſeyn koͤnte. Er hat aber durchaus nicht nachlaſſen wollen/ biß ich aus hoͤchſter Noht ge-
zwungen/ ihm von heut uͤber vierzehn Wochen die Vollſtreckung der Heyraht zuſagen muͤſſen/ weil
alsdann meine Sache zu Prage wuͤrde koͤnnen richtig ſeyn. Nun mein allerliebſtes Herz/ ihr werdet
dieſer Tage euch zugebrauchen wiſſen/ oder euer lebendigen Valiſken euch begebend/ aus ihrem Tode
die unfehlbare Kundſchafft feſtgehaltener Traͤue nehmen; auff welchen fall ich euch durch den wahren
Gott beſchwoͤre/ daß ihr eurem Leben meinet wegen keine Verkuͤrzung antuht/ ſondern wider den un-
keuſchen Bluthund eure Rache vorbehaltet. Zeiger dieſes meynet/ euch ein Schreiben zuliefern/ in
welchem ich euch und meinen Bruder zum Beylager einlade/ werdet es wiſſen zubeantworten/ daß
meine
[799]Vierdes Buch.
meine Hofmeiſterin es leſen duͤrffe; Iſt aber Hoffnung und Troſt uͤbrig/ das ſendet mir bey einem
vertraueten zu. Naͤheſt Begruͤſſung meines herzlieben Bruders und aller guten Freunde/ befehle ich
uns ingeſamt dem Schutz Gottes. Eure vollkommene Freundin/ Valiſka/ die herzlich bekuͤmmerte.


Das lezte Wort dieſes Briefs kraͤnkete den verliebeten Fuͤrſten/ daß ihm die Traͤhnẽ
aus den Augen ſchoſſen/ nach deren abwiſchung er unten im Brieffe dieſe Worte gezeich-
net ſahe; dem Boten ein gut Trinkgeld; fragete demnach denſelben; guter Juͤngling/ von
wem habt ihr das Schreiben empfangen? von meiner Fr. Mutter/ antwortete er/ die mir
vertraulich offenbahret hat/ das es von dem Koͤniglichen Fraͤulein ſelbſt geſchrieben ſey.
Sie hat euch die Warheit vertrauet/ ſagete er/ haͤtte aber der Muͤhe ſparen koͤnnen/ dann
ich ihr ſchon vor etlichen Tagen einen Brieff zugeſchicket/ worauff ich Antwort erwarte;
weil ich dann eine gewirige noch zur Zeit hoffe/ muͤſſet ihr eure Muͤhe nicht umſonſt ange-
wendet haben; befahl Tyriotes/ daß er ihn wol halten/ Morgen fruͤh ihm 600 Kronen veꝛ-
ehren/ und damit fortzihen laſſen ſolte. Er aber ſetzete ein kleines Brieflein auff/ welches
dem Bohten zugeſtellet ward. Des folgenden Morgens ſehr fruͤh muſte Tyriotes mit ei-
nem geheimeren Schreiben fortgehen/ welcher/ weil er Geldes genug bey ſich hatte/ allent-
halben friſche geruhete Pferde mietete/ ſo daß er in fuͤnff Tagen zu Charas wahr. Gallus
mit ſeiner Geſelſchaft ſeumete ſich auch nicht lange auff dem Wege/ und ritten des Koͤni-
ges Leute/ welche Plautus begleitet hatten/ mit ihm zuruͤk. Als er ſich zu Charas angeben
ließ/ ward er neben den andern alsbald vor den Koͤnig gefodert/ welcher in den Gedanken
ſtund/ es wuͤrden ſeine vermeinete Schwaͤger nicht Worte gnug haben finden koͤnnen/ vor
die angebohtene Gnade zu danken/ worin er ſich heßlich betrogen fand/ weil der anſehn-
lichſte von den Abgeſanten die zuruͤk geſchikten Gelder und Kleinot/ wie ſie vom Koͤnige
ſelbſt verfiegelt wahren/ vor ſich her tragen ließ/ und nachdem er ſie vor des Koͤniges Fuͤſ-
ſen nidergelegt hatte/ alſo anfing: Es laſſen unſere allergnaͤdigſte Herren/ die Großmaͤch-
tigſten Fuͤrſten/ Herr Ladiſla/ Koͤnig in Boͤhmen/ und Herr Herkules Groß Fuͤrſt der
unuͤberwindlichen Teutſchen/ ihrer Koͤnigl. Hocheit gebuͤhrlichen Gruß vermelden/ uͤber-
ſenden gegenwaͤrtige Schreiben/ eines an ihre Koͤnigl. Hocheit/ das ander an das Koͤnigl.
Fraͤulein/ der Hoffnung gelebend/ ihnen werde auff beydes behaͤgliche Antwort wieder-
fahren. Der Koͤnig verwunderte ſich des ſchlechten Gruſſes/ und was die niedergeſetze-
ten Beutel vor bedeutung haͤtten/ ließ die Geſanten abtreten/ und laſe beyde Brieffe/ wor-
uͤber er ſich ſo heftig eiferte/ daß er die Abgeſanten in das Stokhauß legen ließ. Nun moͤ-
gen wir uns wol ſchaͤmen/ ſagte er/ daß wir dieſen undankbahren ſo hohe Gnade angeboh-
ten. O ihr ungehoͤfelte grobe Bauren/ ſagte er/ die ihr ſolcher Tugend-ergebenen Schwe-
ſter allerdinge unwirdig ſeid; aber wolan/ wir werden an ſtat des angebohtenen Gnaden-
Brunnen/ ihnen den Abgrund der ernſtlichen Straffen auffdecken/ und die leicht ſinnigen
verwaͤgenen Buben nach verdienſt peitſchen und ſtreichen laſſen. Sendete dem Fraͤulein
einen Diener/ mit begehren/ daß ihre Hoffmeiſterin zu ihr kommen ſolte/ und als dieſelbe
ſich einſtellete/ fragte er/ wie ſich das Fraͤulein bezeigete/ und ob ſie bey der getahnen Ver-
heiſſung beſtaͤndig verbliebe; welche ihm zur Antwort gab/ es haͤtte ihre Koͤnigl. Hocheit
ſich im geringſten nicht zubefuͤrchten/ daß das Fraͤulein Krebsgaͤngig werden ſolte/ als
welche nie kein Wort geredet/ dem ſie nicht Krafft gegeben haͤtte. Darauff lieferte er ihr
beyde
[800]Vierdes Buch.
beyde Schreiben/ ſie dem Fraͤulein zu verleſen zu bringen; welche ſich dann daruͤber ſo ei-
ferig zubezeigen wuſte/ als haͤtte ſie aus der Haut fahren wollen; ſie ſtellete ſich/ ob koͤnte ſie
vor Zorn kein Wort reden/ endlich ſagete ſie; O wie werde ich mich an meinem unbeſon-
nenen Bruder und Oheim gnug raͤchen koͤnnen? und mit was gebuͤhrlicher Straffe wird
mein allerliebſter Koͤnig dieſe Bosheit gnug bezahlen? Ich werde vor ſie zu bitten mich
ſchwerlich gebrauchen laſſen/ ich ſehe dann zuvor einige wahre Reue in ihren Herzen; O
ihr leichtfertigen/ duͤrffet ihr mir das Feur; ja duͤrffet ihr meinem allergroͤſſeſten Koͤnige
die Rache draͤuen? Die Hoffmeiſterin erſchrak der rede/ und fragete/ was widerwaͤrtiger
Zeitung ſie immer und ewig von ſo nahen Blutverwanten einnehmen koͤnte. Mehr als zu
viel/ antwortete ſie; Ach ach! wie uͤbel hab ich getahn/ fuhr ſie fort/ dz ich ihnen bey eurem
Sohn ein ſo freundliches Schreiben zugeſchikt habe! O koͤnte ich daſſelbe mit viel tauſend
Kronen wieder an mich loͤſen/ wuͤrde ichs ja nicht laſſen; gedenket ihr aber/ meine Freun-
din mein Eifer entſtehe ohn Urſach/ ſo nehmet dieſe boßhaftigen Brieffe/ uñ leſet ſie durch.
Unterdeſſen ſetzete ſich das Fraͤulein/ und ſchrieb folgende Worte an den Koͤnig:


Allergnaͤdigſter Herr/ eure Groß Koͤnigl. Hocheit wolle ſich durch die toͤrichte unbeſonnenheit
meines nicht werten Bruders und Oheims ja nicht bewaͤgen laſſen/ viel weniger den Abgeſanten als
unſchuldigen die Straffe anlegen die ihre Herren verdienen; Zorn ohn Macht/ und Draͤuung ohn
Nachdruk ſchlaͤget niemand als den Furchtſamen/ und ſind die meinen mehr der Zuͤchtigung als der
Rache/ mehr der Ruten als des Schwertes wirdig/ jedoch das andere an ihrem Beyſpiel/ die hoͤchſte
Macht der Welt ehren lernen/ muͤſſen ſie ungeſtraffet nicht bleiben. Meiner Fr. Mutter Einwillt-
gung/ und die loßſprechung meines Geluͤbdes bey der Geiſtligkeit/ wird mein Diener Valikules ſchon
erlangen/ und zu ſeiner Zeit mit ſich bringen/ was achte ich dann der uͤbrigen? Iſt nun ihrer Koͤnigl.
Hocheit es gefaͤllig/ wil ich eine Antwort zuruͤk ſchreiben/ davor ſie die Naſe ruͤmpffen ſollen/ weil ich
leicht errahten kan/ ihre Hocheit werde ſie keines Schreibens mehr wirdigen. Ich aber verbleibe nach
wie vor meines allergnaͤdigſten und hoͤchſtgeliebeten Koͤniges ergebenſte demuͤhtigſt-gehorſamſte/
Herkuliſka die gluͤkſelige.


Sehet da/ ſagte ſie zu der Hoffmeiſterin/ traget mir dieſes Brieflein ſtraks angeſichts
nach dem Koͤnige/ und ſprechet: Meine untertaͤhnigſte Bitte ſey/ daß er ſich durch Zorn
ſelber nicht moͤge ſchaden tuhn; Es pflege der Loͤue eines jungen Hundes Bellen ſich nicht
irren zulaſſen/ und muͤſte ein erſchrockener Gaul ſeyn/ der wegen eines herzu kriechenden
Erdwurms ſtutzen oder ſich ſtraͤubẽ ſolte. Dieſe verrichtete den Befehl willig/ ward auch
mit ſolcher Gnade gehoͤret/ daß der Koͤnig zur Antwor gab: Meldet unſerm herzgeliebe-
ten Fraͤulein unſere Gnade/ und daß wir alles erſetzen wollen/ was ihre undankbare Ver-
wanten ſuͤndigen/ denen wir auch bloßumb ihret willen ſanftere Straffe anzulegẽ willens
ſind/ als ſie ſonſt verdienet haben; ſie ſind aber unwirdig einiger ſchriftlichen Antwort/
und ſol ihnen vor dißmahl noch zu lezt die Muͤndliche mitgeteilet werden; ließ die Abge-
ſanten alsbald wieder voꝛfodern/ und fragete/ was die niedergelegten Sachen bedeuteten;
da ihm geantwortet ward; es waͤhren die Schenkungen/ ſo ihre Koͤnigl. Hocheit neulich
ihren Herren uͤbergeſchicket haͤtten/ welche wieder eingehaͤndiget wuͤrden/ auff den Fall
ihrer Hocheit die getahnen Vorſchlaͤge nicht koͤnten annehmlich ſeyn. Der Koͤnig ließ
daruͤber ein bitteres Lachen ergehen/ und ſagete: Koͤnnen unſere undankbaren Knechte ſol-
ches nicht auff borg behalten/ daß ſie ein Zeichen der einmahl angebohtenen Gnade haͤtten?
jedoch
[801]Vierdes Buch.
jedoch/ weil ſie deꝛſelben nicht wirdig ſind/ ſo muß ihnen auch das uͤbrige entzogen werden.
Drum ſo ſaget nun den unbeſonnenen Knaben unſern Knechten/ wir haben die Ruten
ſchon binden laſſen/ damit ſie ihre zuͤchtigung einnehmen ſollen/ und moͤchten wir gerne ſe-
hen/ was hinter ihrem ohmaͤchtigen Draͤuen und Abſagung ſtecke. Daß aber eures mut-
willens vor dißmahl geſchonet wird/ habt ihr bloß unſer Gnade zu danken/ und trollet euch
ohn einiges Wortſprechen ſtuͤndlich aus unſerm Gebiet/ dafern ihr nicht mit euren Her-
richen zu buͤſſen Luſt traget. Dieſe wurden froh/ daß ſie mit dem Leben davon kahmen/ mach-
ten ſich alsbald aus dem Staube/ und ſties Tyriotes eine Meile von der Stad auff ſie/
dem Gallus allen Verlauff erzaͤhlete/ und mit ihm Abſcheid nam/ an was Ort ſie auff ihn
warten/ und in einer Geſelſchaft wieder fortgehen wolten. Dieſer/ ſo bald er zu Timokles
kam/ den Gallus nicht eins hatte anſprechen koͤnnen/ uͤberreichte er ihm das Schreiben/
der es in einem hohlen Pfeile hinauff ſchoß/ gleich da das Fraͤulein bey ſpaͤtem Abend vor
ihrem Fenſter ſtund/ welche denſelben bald hohlete/ und nach heraußzihung des Briefes/
dieſe Worte laſe: Allerſchoͤnſter Seelen-Schaz; euer Liebe Wiederwertigkeit habe ich mit hoͤch-
ſten Schmerzen empfunden/ danke dem grundguͤtigen Gotte/ daß er auch dißmahl noch des grim̃igen
Loͤuen Wuht gebrochen/ und mein unſchuldiges Schaͤflein gnaͤdig errettet hat. Sonſten hat eure Lie-
be au beſtim̃ung der Zeit ſehr weißlich gehandelt/ und wil ich mit der Huͤlffe meines Heylandes nicht
fehlen/ vor angeſetzter Zeit/ dafern ich lebe/ fruͤh genug bey ihr zu ſeyn/ da mir/ ob Gott wil/ der ſchon
gemachte Anſchlag nicht mißrahten wird. Inzwiſchen ſtellet euch gegen euer Frauenzimmer froͤlich/
damit man keinen Argwohn auff euch faſſe; unterhaltet auch den Koͤnig mit aller Freundligkeit/ und
reitet ihn im gelindeſten Zuͤgel/ daß er unſere Freude nicht ſtoͤren moͤge/ deren wir geliebts Gott ge-
denken zugenieſſen. Ich werde ſchon wiſſen dem Koͤnige eine glaubwirdige Urſach beyzubringen/ daß
er mich wol vor entſchuldiget halten ſol. Gott zu tauſend mahlen befohlen/ und ſeid fort nicht mehr
die bekuͤmmerte/ ſondern die froͤliche Valiſka/ damit ich lange bleiben moͤge/ euer Liebe inbruͤnſtiger
ganz ergebener Herkules.


Ey ſo wil ich auch meinem Gott vertrauen/ ſagte ſie bey ſich ſelbſt/ und wird mein
Erloͤſer mich mit dem unſchuldigen Daniel aus der Loͤuen Grube/ uñ mit Joſeph aus dem
Gefaͤngnis ſchon zuerretten wiſſen/ daß ich noch meine Luſt an ſeineꝛ Gnade ſehe. Ein halb
Stuͤndichen hernach kam ihre Hoffmeiſterin wieder zu ihr/ und brachte ihr das Brieflein
von Herkules/ dann ihr Sohn wahr wieder angelanget/ welcher durch einen Unfall (er
wahr mit dem Pferde geſtuͤrzet und hatte einen Arm verrenket) ſich auff der Reiſe einen
Tag zu lange auffgehalten hatte. Das Fraͤulein aber ſtellete ſich betruͤbt/ und gab zur Ant-
wort/ ſie ſtuͤnde im zweiffel/ ob ſie ihres unbeſonnenen Bruders Brieff leſen/ oder hinun-
ter in den Graben werffen wolte; endlich auff der Hoffmeiſterin anhalten/ oͤffnete ſie den-
ſelben/ der alſo lautete: Zeigern dieſes wird zum beweiß der geſchehenen Einlieferung eines Brie-
fes von der ſtolzen Herkuliſken geſchrieben/ hiemit erteilet/ haͤtte zwar eine ſcharffe Antwort darauff
gehoͤret/ aber weil dieſelbe ihr verhoffentlich ſchon wird zu handen kommen ſeyn/ erachtet man unnoͤh-
tig ein Gemuͤſe zweimahl zu kochen. Ich unterſchriebe mich billich in dieſem Zettel als Bruder/ wañ
nicht dein ſtolzer Sinn die ehmahl Schweſterliche Gewogenheit aus deinem Herzen verſtoſſen haͤtte.
O bedenke dich eines beſſern/ wo du nicht wilt mit ſamt deinem Koͤnige/ aus welchem du gleichſam ei-
nen Abgott/ und dich zur Abgoͤttin macheſt/ zu truͤmmern und bodem gehen. Das iſt mir ein Bru-
der/ das iſt mir ein Bruder/ ſagte das Fraͤulein nach verleſung; ſtund hierauff ein wenig
ſtille als in tieffen Gedanken/ und fing hernach wieder an: Nun/ was wil ich machen? zwar
I i i i iich
[802]Vierdes Buch.
ich habe meinen Bruder allezeit heꝛzlich geliebet/ wolte ihn auch noch wol gerne lieben/ abeꝛ
wegen ſeines wunderlichen Kopfes mich meines Gluͤckes zubegeben/ wird mir kein Menſch
rahten. Nein O nein; der Himmel hat mich hieher gebracht/ daß ich meinem Koͤnige zum
kuͤnfftigen Gemahl gefallen muͤſſen/ ſolches muß weder mein Bruder noch einiger ander
Menſch in der Welt umſtoſſen. Aber vernehmet ihr nicht meine Freundin/ ob zum Koͤnig-
lichen Beylager anſtalt gemacht werde? man wird ja beyzeiten alle Nohtwendigkeit verſe-
hen/ damit einem jeden ſein gebuͤhr geſchehe; Und daß ich euch mein gewogenes Herz ſehen
laſſe/ ſo habe ich ſchon in meinem Herzen euch darzu erkohren/ daß ihr zu derſelben Zeit die
Mutterſtelle vertreten ſollet. Dieſe erfreuete ſich der Ehren hoͤchlich/ und zeigete an/ wie
geſchaͤfftig der Koͤnig ſchon waͤhre/ alles auffs praͤchtigſte anzuordnen; doch bitte ich/ ſagte
ſie/ meiner Kuͤhnheit gnaͤdige Vergebung/ umb zufragen/ ob die annoch ausſtehende Wo-
chen nicht biß auff die Halbſcheid koͤnten gebracht werden; Und O wann meinem Koͤnige
ich die Zeitung bringen ſolte/ wie ein treffliches Bohten-Brod wuͤrde ich verdienen! Sie
wuſte aber nicht/ was vor ungenehme Reden/ dieſe der Fraͤulein zuhoͤren wahren/ als wel-
che ohn das einen Verdacht auff ſie hatte/ ſie ſpielete mit dem Koͤnige in dieſem ſtuͤk heim-
lich unter einer Decke/ deswegen wolte ſie vor dißmahl die gelegenheit nicht verſaͤumen/ ſie
durch die allerhefftigſten Bedraͤuungen davon abzuſchrecken/ und gab ihr dieſe Antwort:
Liebe Hofmeiſterin/ ich halte euch vor meine allergeheimdeſte Freundin/ wie ihr wiſſet/ und
ich dargetahn habe/ indem ich mich euer und eures Sohns Dienſte/ in uͤberſendung mei-
nes Briefes an meinen unfreundlichen Bruder/ gebrauchet/ wovor ich auch eurem Sohn
das begehrte Landgut bey dem Koͤnige ungezweifelt loßmachen wil; wollet ihr aber meiner
Freundſchafft in der Taht genieſſen/ ſo laſſet ja dieſe jezt ausgedrückete Gedanken ferne von
euch ſeyn/ und betrachtet/ daß ich nicht unter menſchlicher/ ſondern unter einer maͤchtigen
Goͤttin gewalt und gehorſam verbunden liege/ von welcher ich durch groſſe Opffer zuvor
muß loßgemacht werden/ ehe ich ins Ehebette treten kan/ wo ich nicht die aller grauſamſte
Straffen über mich nehmen wil; wovor ich aber lieber zuſterben gedenke. Solte ich nun
von dem Koͤnige hierüber ferner angeſtraͤnget werden/ ſol und muß ichs niemand als eben
euch zuſchreiben/ und kan mir endlich nirgend zu ſchaden/ ob ihr mein ausgeſantes Schrei-
ben gleich verrahten wuͤrdet/ weil in demſelben nichts wider den Koͤnig geſezt geweſen/ wie
ihr bezeugen muͤſſet/ und die empfangene Antwort ausweiſet; Aber dieſes ſchwoͤre ich euch
zu dem Allerhoͤchſten Gott/ daß/ auff den fall mein Koͤnig aber eins in mich dringen ſolte/
ich nicht ruhen wil/ biß ich bey demſelben erhalten werde/ euch und euer ganzes Geſchlecht
mit der allergraͤulichſten Straffe auszurotten. Hiernach wiſſet euch zurichten/ und verhuͤ-
tet ein ſolches Ungluͤk. Werdet ihr aber es bey dem Koͤnige/ wie ihr wol koͤnnet/ feſt unter-
bauen/ daß er biß an die verſprochene Zeit geduldig auswarte/ ſollet ihr hingegen/ und euer
ganzes Geſchlecht ſo viel groͤſſere Gnade und Woltaht von mir gewaͤrtigſeyn. Die Hof-
meiſterin erſchrak der Reden/ daß ſie zitterte/ kunte auch in guter Zeit nicht antworten/ biß
ſie endlich ſich beſan/ und dieſe Entſchuldigung vorbrachte: Gnaͤdigſtes Fraͤulein/ ich bitte
aus gehorſamſten Herzen/ dergleichen Ungnade auff mich und die meinen nicht zuwerffen;
die Goͤtter wiſſen meine Unſchuld/ und daß ich aus Unbedachtſamkeit ſolches geredet/ wil
auch/ dieſen Fehler zuwiderbringen/ ihrer Gn. verheiſſen/ auf den fall der Koͤnig die Zeit zu
endern
[803]Vierdes Buch.
endern bedacht ſeyn ſolte/ welches mir doch unwiſſend iſt/ entweder zuſterben/ oder ihm ſol-
chen Vorſatz zubenehmen. Mit dieſem erbieten bin ich zufrieden/ antwortete das Fraͤulein/
werde auch hieraus ſpuͤren koͤnnen/ daß ihr mich von herzen meynet. Aber wie koͤmt es/ dz/
eurem vorgeben nach/ euch der Koͤnig nicht wieder fodern laͤſſet/ und der Abend mit Macht
herein bricht? Sie hatte dieſes kaum ausgeredet/ da klopffete ein Koͤniglicher Kammer-
diener an/ und foderte ſie wieder; da das Fraͤulein ſie vermahnete fortzugehen/ und ihrer
Verheiſſung bey aller gelegenheit eingedenke zuſeyn. Als ſie zu dem Koͤnige hinein trat/
fragete er ſie/ wie ſein Fraͤulein lebete/ und ob wegen ihres groben Bruders und Oheims
ſie ſich auch ſehr betruͤbete? Worauff ſie zur Antwort gab: Es haͤtte ihr Gn. Fraͤulein ſich
zwar uͤber die Schreiben erzuͤrnet/ aber nicht beküm̃ert/ entſchluͤge ſich auch alles Unmuts/
damit gegen das Beylager ihr an ihrer Schoͤne nichts abginge. Wir wiſſen nicht/ ſagte
der Koͤnig aus Scherz/ ob unſere Heyraht auch vor ſich gehen werde/ nachdem ihre trotzi-
ge Blutfreunde ſie unter ſo harter Bedraͤuung abfodern. Dieſe wolte den Scherz nicht
verſtehen/ und antwortete: Vor ſolche Gedanken behuͤten ja die guͤtigen Goͤtter Eure
Koͤnigl. Hocheit/ und ſolte das hochverliebte Fraͤulein dieſes hoͤren/ wuͤrde ſie in Angſt uñ
Ohmacht vergehen; maſſen Ihre Koͤnigl. Hocheit ich wol verſichern kan/ dz ſie/ ohn durch
den Tod/ von dieſem ihrem Gluͤcke ſich nicht wird abtreiben laſſen/ zweifele auch nicht/ da
die groſſe Furcht vor der unbarmherzigen Goͤttin Veſta ſie nicht hinterhielte/ ſie des Bey-
lagers Fortgang lieber heut als morgen wiſſen moͤchte. Artabanus ward der Zeitung ſo
froh/ daß er vor freuden auffſprang/ kunte ſich auch nicht inne halten/ ſondern ſagte zu ihr:
Heut werden wir erſt recht durch euch ergetzet/ und ſollet ihr unſere Scherz Rede ja nicht
vor ernſtlich gemeynet halten/ ob fürchteten wir uns vor dem nichtigen draͤuen zweer jun-
gen Buben/ ſondern dieſes Haͤupt (das ſeine anruͤhrend) wollen wir lieber verlieren/ als
ſolchen unvergleichlichen Welt Schatz/ nachdem die Goͤtter uns denſelben aus ſonderlicheꝛ
Verſehung zugeſchicket; Und O daß wir einiges Mittel auszuſinnen wuͤſten/ daß unſer
Fraͤulein in beſchleunigung des Koͤniglichen Beylagers gehehlen wolte! Die Hofmeiſte-
rin ſtellete ſich wegen der lezten Worte uͤberaus betruͤbt und erſchrocken/ und gab zur Ant-
wort: Ach allergnaͤdigſter Koͤnig/ ich bitte zum untertaͤhnigſten/ Eure Koͤnigl. Hocheit
wolle ihre arme einfaͤltige Magd hoͤren/ und wo ſie ihrer Wolfahrt und eigenem Leben nicht
feind iſt/ meinem Gn. Fraͤulein die verſprochenen Wochen/ die bald verſtreichen werden/
auffrichtig aushalten/ alsdann werden ſie erfahren/ daß nie kein Fraͤulein mit froͤlicherem
Herzen ſich ihrem Gemahl hat zufuͤhren laſſen/ als eben ſie. Sie liebet niemand hoͤher/ als
Eure Koͤnigl. Hocheit; aber ſie fuͤrchtet ſich auch vor nichts in der Welt hefftiger/ als vor
den Zorn ihrer Goͤttin. Hierauff ſtund ſie ein wenig als in Gedanken/ biß ſie ſahe/ daß der
Koͤnig reden wolte/ da hub ſie wieder alſo an: Allergnaͤdigſter Koͤnig/ darff Ihrer Hocheit
ich ein wichtiges Geheimniß anvertrauen/ welches mein Gn. Fraͤulein mir als einer ver-
ſchwiegenẽ Hoffmeiſterin offenbaret hat/ und ſol mirs dereins nicht zum Ungluͤk ausſchla-
gen/ wil ich durch dieſe Anzeige klaͤrlich ſehen laſſen/ daß ich keinem Menſchen in der ganzẽ
Welt ſo getraͤu bin/ als Ihrer Koͤnigl. Hocheit. Er ward hiedurch zu groſſem verlangen
angetrieben/ es zuerfahren/ und verſicherte ſie bey Koͤnigl. Traͤue vor allem Schaden und
Gefahr. Worauff ſie ihm dieſes Getichte vorbrachte: Was ich rede/ das habe ich geſehen/
I i i i i ijund
[804]Vierdes Buch.
und aus einem Beweißtuhm erfahren/ daß es wahr iſt. Als Ihre Koͤnigl. Hocheit neulich
ſo hefftig wegen des Beylagers in das Fraͤulein drang/ ſchickete ſie ſich zum Tode/ aber zu
einem ſolchen/ welcher Eure Koͤnigl. Hocheit unfehlbar haͤtte zugleich mit aufreiben muͤſ-
ſen. Sie hatte ein kleines irdenes Buͤchslein/ welches ſie kuͤſſete/ und zugleich ſagete: O du
bitteres und unangenehmes Geſchenk meiner Goͤttin/ muß ich dann dein noch gebrauchẽ/
und aus befehl der himliſchen Macht eine Rache volſtrecken/ welche mir hefftiger als der
Tod ſelbſt zuwider iſt? O Goͤttin/ wie gerne ſtuͤrbe ich in deinem Dienſt und Gehorſam/
wann ich nur nicht zugleich denſelben ermorden muͤſte/ der nicht aus Bosheit/ ſondern gaꝛ
zu groſſer und inbruͤnſtiger Liebe/ deinen goͤttlichen Willen uͤbertrit. Ich merkete hieraus/
daß dem Leben meines Koͤniges gedraͤuet wuͤrde/ deßwegen ſagte ich zu dem Fraͤulein: Eu-
re Gn. reden ſehr verdaͤchtig/ und wie werde ich ſolches verſchweigen duͤrffen? Ihr muͤſ-
ſet ſchweigen/ antwortete ſie/ oder es wird meine Goͤttin euch das Genik abdrehen; doch
wann ihr die aͤuſſerſte Noht meiner Keuſcheit ſehet oder merket/ ſo moͤget ihr reden/ was ich
euch ſonſt auff hoͤchſtes Vertauen offenbahren wil; Sehet ihr dieſes kleine irdene Buͤchs-
lein? ſagte das Fraͤulein; dieſes hat mir meine ſaurſichtige Goͤttin vor zehn Tagen zuge-
ſtellet/ gleich da ich meine Botſchafft nach Prag abgefertiget hatte/ und mir befohlen/ dafeꝛn
ich vor Ausgang XV Wochen zum Beylager ſolte unvermeidlich genoͤhtiget werden/ muͤ-
ſte ich zum lezten Gehorſam aus dieſem Buͤchslein ein wenig an einen gewiſſen Ort mei-
nes Leibes ſtreichen/ daher mir zwar der Tod als einem goͤttlichen Opffer ohn alle Schmeꝛ-
zen entſtehen/ mein uͤberwaͤltiger aber/ ſo bald er mich beruͤhrete/ drey ganzeꝛ Tage uñ Nach-
te in der allergroͤſſeſten unausſprechlichen quahl zubringen/ und nach deren Verlauff in ra-
ſender Wuht ihm ſelbſt die Haͤnde/ und ſo weit er mit den Zaͤhnen reichen koͤnte/ alles ab-
freſſen wuͤrde/ biß die Seele aus ihm fuͤhre; Wollet ihr aber/ ſagte das Fraͤulein zu mir/ mei-
ner Rede nicht trauen/ ſo laſſet eines von meinen Huͤndichen kommen/ und verſuchet an
demſelben des Gifftes wirkung. Ich muſte dem Fraͤulein gehorchen/ und ſtrich dem Hünd-
lein gar ein weniges an ſeinẽ Bauch/ worauff es alsbald anfing einen ſolchen Jammer zu
treiben/ daß wir zu mitleiden bewaͤget wurden/ und es hinunter in den Graben wurffen.
Der Koͤnig nam dieſes vor die allergewiſſeſte Warheit an/ entſetzete ſich daruͤber zum heff-
tigſten/ und gab ihr zuvernehmen/ daß er zwar biß dieſe Stunde geſiñet geweſen/ das Bey-
lager auff die helffte der verſprochenen Zeit zubringen/ ſaͤhe und vernaͤhme aber/ daß er ſich
eines andernerklaͤren/ und der Geduld biß zum Verlauff der geſetzeten Wochen ſich gehoꝛ-
ſamlich untergeben muͤſte; Verehrete auch der Hofmeiſterin ein Kleinot 12000 Kronen
wert/ daß ſie ihm dieſes offenbahret hatte/ wiewol er dieſe Bedraͤuung ihr vorhielt/ dafern
nach verfloſſener Zeit ſein Fraͤulein das allergeringſte zu weiterer Auffſchiebung einſtraͤuẽ
würde/ ſolte es an der Hofmeiſterin Leben gerochen werden. Eine ganz unnoͤhtige ſorge/
antwortete ſie/ weil ich weiß/ daß nach ſolcher Zeit dem Durchl. Fraͤulein nichts angeneh-
mers ſeyn wird/ als dem maͤchtigſten Herſcher der Welt ehelich beygelegt zuwerden. Und
O wie froͤlich und ohn ſorge wuͤrde das allerliebſte Fraͤulein leben/ und an ihrer Schoͤnheit
von Tage zu Tage zunehmen/ wann ihr dieſe einige Furcht des zu fruͤhzeitigen Anſpruchs
zum Beylager/ gaͤnzlich ſolte benommen ſeyn. Dieſes Kummers/ ſagte der Koͤnig/ wollen
wir ſie ſchon entheben/ weil es doch nicht anders ſeyn kan; ſetzete ſich alsbald/ und ſchrieb
dieſen Brief mit eigener Hand:


Der
[805]Vierdes Buch.

Der groſſe Koͤnig Artabanus gelobet hiemit und krafft dieſes ſeiner hoͤchſtgeliebeten Fraͤulein
Herkuliſken/ daß er vor Ausgang der beſtimmeten Wochen ſie in keinerley wege umb das Beylager/
oder ſonſt einiges Liebewerk begruͤſſen und anſuchen wil/ und da ſolches von ihm nicht ſteiff und unbrü-
chig gehalten wird/ zaͤhlet er ſein geliebtes Fraͤulein ihrer getahnen Zuſage ledig und loß/ ſo daß ihre
Liebe und das an dieſer ſeiten hoͤchſtgewuͤnſchtes Beylager ſie ihm biß in Ewigkeit zuverſagen Macht
haben ſol. Artabanus.


Als er dieſes geſchrieben hatte/ legte ers zuſammen/ gabs der Hofmeiſterin/ und ſagete:
Sehet da/ dieſe Verſicherung iſt die hoͤchſte/ die wir dem lieben Fraͤulein geben koͤñen; brin-
get ſie ihr zu/ und ermahnet ſie/ gutes muhts zuſeyn; jedoch/ daß ſie uns gleichmaͤſſige Ver-
ſchreibung ihrer Einwilligung erteile. Sie ging mit dieſer Handſchrifft eilig hinweg/ und
nach erzaͤhletem Verlauff/ uͤberlieferte ſie dieſelbe dem Fraͤulein/ welche ihr antwortete:
Nun meine Freundin/ ihr habt vor dißmahl eurer Redligkeit ein ſatſames Genuͤgen ge-
tahn/ ſo daß meines falſchen Argwohns halben ich billich umb Vergebung bey euch anhal-
ten muß; ſo bleibet nun beſtaͤndig in ſolcher Traͤue/ und verſichert euch/ daß ichs alles mit
vollem Maaß erſetzen werde. Als ſie nun von ihr zuwiſſen begehrete/ auff was weiſe ſie die-
ſe Verſchreibung von dem Koͤnige loßgewirket haͤtte; baht ſie untertaͤhnigſt/ ihr zuverzei-
hen/ daß ſie den Koͤnig mit einer Nohtlügen hintergangen/ ſeinen Vorſaz wegen des Bey-
lagers beſchleunigung zubrechen/ welches auff eine gelegenere Zeit ſie ihr erzaͤhlen wolte;
womit ſie dann wol zufrieden wahr/ nebeſt Verſprechung/ auff Morgen früh dem Koͤnige
eine gleichmaͤſſige ſchrifftliche Vergnügung einzuſchicken. Dieſe Nacht ſetzete ſie an ihren
Liebſten Gemahl einen Brief auff/ welcher alſo lautete:


Mein hoͤchſter Lebens Schatz; Euer Liebe augenehmes Brieflein iſt mir von Timokles zuge-
ſchoſſen/ und daß andere von meiner Hofmeiſterin Sohn bald hernach eingeliefert. Wie gar ſchlecht
und nichtig dero Draͤuungen geſchaͤtzet werden/ habt ihr aus der gegebenen muͤndlichen (weil man
auch keiner ſchrifftlichen wirdiget) zuvernehmen. Was ſonſt der Koͤnig/ auff liſtiges Getrieb meiner
von mir in Furcht geſtuͤrzeten Hofmeiſterin/ mir vor eine ſchrifftliche Verſicherung aus freyem Wil-
len erteilet/ und ich hinwiederumb mich erklaͤren muͤſſen/ ſolches iſt aus den Beylagen A und B zuerſe-
hen. So erwarte nun Eure Liebe nichts/ als der Gelegenheit/ mich in wendig ſieben oder acht Wochen
auffs hoͤchſte/ unter dem Nahmen meines Dieners Valikules zubefuchen/ damit unſeꝛ Vorſatz beyzei-
ten koͤnne ausgefuͤhret werden/ und ich vermoͤge gegebener Verſicherung nicht gezwungen ſey/ die un-
moͤgliche Heyraht durch meinen Tod abzuwenden/ ſolches ſuchet/ bittet und flehet/ Eurer Liebe zum
Tod und Leben allergetraͤueſte Valiſka. Hierin legete ſie des Koͤniges und ihrer Verſicherung
Abſchrifft/ und ſchoß es des folgenden Morgens ſehr früh Timokles im hohlen Pfeile zu/
der Tyriotes damit ſchleunig abfertigte/ welcher des dritten Tages bey Gallus und ſeiner
Geſelſchafft anlangete. Nun wahr Fürſt Vologeſes eben dazumahl nicht zu Charas/ ſon-
dern auff ſeinen Guͤtern/ kam aber deſſelben Morgens/ da Tyriotes wegreiſete/ bey dem Koͤ-
nige an/ welcher ihm der fremden Fuͤrſten Draͤuung zuwiſſen machte; worauf er zur Ant-
wort gab: Ich fuͤrchte ſehr/ es ſtecke hierunter eine ſehr wichtige Geheimniß/ welches die
Zeit offenbahren wird/ und ich meine Gedanken noch zur Zeit nicht anzeigen darff; Es
wird aber noͤhtig ſeyn/ daß Spitamenes/ dem die Grenzen anbefohlen ſind/ Koͤniglichen
Befehl bekomme/ gute Auffſicht auff das gemeine Weſen/ und auff ſeine Voͤlker zuhaben/
damit er nicht krafft dieſer Draͤuung/ welche man keiner Antwort gewirdiget/ uͤberfallen
werde/ ehe er weiß/ daß er Feinde hat.


I i i i i iijSo
[806]Vierdes Buch.

So bald Gobares zu Suſa wieder anlangete/ gewan er Luſt Fr. Statiren zubeſuchẽ/
und weil er bißher noch ſtets argwohnete/ ſie hielte Kleon heimlich bey ihr auff/ ſchrieb er
zuvor an Nabarzanes; er waͤhre in glaubwirdige Erfahrung kommen/ ob ſolte Kleon nit
allein noch im Leben/ ſondern auff ſeinem Schloſſe in einem abſonderlichen Gemache ver-
ſperret ſeyn/ welches eigentlich zuerfahren/ er fleiſſig acht geben ſolte/ wohin Statira zu-
zeiten allein ginge/ koͤnte ihr alsdann heimlich nachſchleichen/ und alſo leicht hinter die
Warheit kommen. Nabarzanes nach ſeiner Einfalt wunderte ſich der Zeitung/ nam des
Fuͤrſten Lehr in acht/ und folgete ſeinem Gemahl/ die des andern Morgens ſehr fruͤh vom
Bette hinweg ſchleich/ leiſe nach/ ſahe ſie auff ein abgelegenes Gemach gehen/ und die Tuͤhꝛ
hinter ihr verriegeln/ deßwegen er naͤher hinzutrat und ſie behorchete/ gleich da ſie ihren
Kleon alſo anredete: Herzlieber Schaz/ ich kan euch nicht bergen/ daß Fuͤrſt Gobares Die-
ner geſtern ankommen iſt/ und ich ſeine Werbung nicht erfahren kan/ ohn daß er vor gibt/
ſein Fuͤrſt werde uns ehiſt beſuchen/ wornach mich aber wenig verlanget. Kleon antwor-
tete; Er fuͤrchtete ſehr/ daß ſeine Anweſenheit endlich moͤchte außgeſpehet werden/ auff
welchen Fall er gewiß ſterben muͤſte/ baͤhte demnach dienſtlich/ ihre Gn. wolten ihn auff
wenig Tage erlaſſen/ er wolte inwendig Viertel Jahrs friſt ſich ohnfehlbar wieder einſtel-
len; welches ſie ihm aber mit freundlichen Worten abſchlug. Nabarzanes/ nachdem er
zwar ſeines Gemahls Stimme vernam/ aber die Reden nicht verſtehen kunte/ ohn daß er
ſie ihren Kleon etlichemahl neñen hoͤrete/ machte ſich in aller ſtille wieder davon/ uñ ſchꝛieb
an den Fuͤrſten/ er haͤtte ſeiner Durchl. klugem Raht nachgelebet/ und den Fuchs im ver-
ſperreten Loche angetroffen/ zweifelte nit/ da er Huͤlffe haͤtte/ ihn zuerhaſchen/ uñ dem Fuͤr-
ſten zu liefern; fertigte damit den Bohten ab/ und legte ſich wieder zur Ruhe. Des nach-
mittages/ da ſein Gemahl an andern Orten geſchaͤftig wahr/ ging Nabarzanes wieder nach
Kleons Gemache/ klopffete an und ſagete: Tuhe miꝛ auff Kleon/ nachdem ich von meinem
Gemahl berichtet bin/ dz du hie biſt. Dieſer erſchrak deſſen nit wenig/ wolte doch nicht ant-
worten/ ſondern hielt ſich ganz ſtille/ da jener zum andernmahl ſagete: Warum antworte-
ſtu mir nit Kleon/ uñ kunteſt heut fruͤh dich mit meinem Gemahl ſo wol begehẽ? erſt mer-
kete er den betrug/ uñ ließ ihn unbeantwortet abzihẽ. So bald nun Statira deſſen von ihm
mit furchtſamer Stim̃e berichtet ward/ lachete ſie uñ ſagete: Gebet euch zu fꝛiedẽ/ wir wollẽ
ihm dieſen Tanz leicht verdrehẽ/ brachte ihn gegen Abend auf ein ander Gemach/ uñ ließ ſich
gegen Nabarzanes im wenigſten nichts merken; doch machte ſie ihr leicht die Rechnung/
er wuͤrde es dem Fuͤrſten ſchon zugeſchrieben haben/ weil deſſen Diener hinweg wahr.
Des folgenden Morgens machte ſie ſich gleich wie des vorigen/ fruͤhe nach demſelben Ge-
mache/ da Nabarzanes ihr abermahl folgete/ und eine zeitlang horchete/ deſſen ſie wahr-
nehmend/ nicht anders redete/ ob waͤhre Kleon bey ihr/ machete endlich die Tuͤhr auff/ als
wuͤſte ſie nicht umb ihn/ und ſtellete ſich wegen ſeiner Gegenwart erſchrocken; woruͤber er
ein Herz faſſete/ und zu ihr ſagete: Meine herzgeliebete/ warumb tuht ihr mir und euch ſo
groſſe Schande an/ und verberget Kleon alhie/ als koͤntet ihr ohn ihn nicht leben? Was;
antwortete ſie/ verberge ich Kleon? ja wol Kleon! welchen das Wild leider im Walde ge-
freſſen und verzehret hat; zwar ich leugne nicht/ daß ich zu zeiten mich an dieſem Orte fin-
de/ und ſeine Liebe Gedaͤchtnis begehe/ weil ich ihn mit eurer bewilligung geliebet; aber da-
fern
[807]Vierdes Buch.
fern ihr die Gedanken fuͤhret/ er ſey noch im Leben/ oder auch in dieſem Gemache/ ſeid ihr
ſehr unrecht dran. Ey ſagte er/ ihr werdet mich ja nicht mit hoͤrenden Ohren taub machẽ;
und was ſtehet ihr alhie ohn Kleider? ja was ſprachet ihr ſo freundlich/ wann niemand
bey euch iſt? Sie ſtellete ſich zornig hierauff/ und gab zur Antwort: Was haͤtte ich vor Ur-
ſach/ ihn vor euch zuverbergen/ wann er nochlebete? Aber es iſt leider ſein Geiſt/ ſein aͤdler
Geiſt aus dem ſchoͤnen Leibe hinweg gereiſet; und immer ſchade/ daß dieſer von den wil-
den Tihren hat ſollen zerriſſen werden. Er lachete der Rede/ und begehrete/ ſie moͤchte ihn
nur ins Gemach laſſen/ dann wuͤrde ſichs bald außfuͤndig machen/ wo Kleon verborgen
laͤge. Billich klage ich ſolches den Goͤttern/ ſagte ſie/ daß ihr mich in ſo falſchen Verdacht
zihet; aber habe ich oder einiger Menſch euch jemahls gehindert auff dieſes Gemach zu
gehen/ ob ichs gleich Kleons Seele gewidmet habe? kommet und ſuchet/ ich bins wol zu
frieden; faſſete ihn auch beim Arme/ und zog ihn hinein; da er nichts als eine ledige
Betſtat mit Tuͤchern behaͤnget/ und einen gedecketen Tiſch fand; woruͤber er ſich zum
hoͤchſten verwunderte/ und zu ihr fagete: Nun ſchwuͤre ich zu allen Goͤttern/ ich haͤtte
ihn mit euch reden gehoͤret/ kan auch nicht anders gedenken/ ihr muͤſſet ihn an einen
andern Ort gebracht haben. Ey ihr naͤrriſcher Menſch/ antwortete ſie; habe ich ihn
dann durch Waͤnde und Mauren zihen koͤnnen? oder iſt er als ein unſichtbarer zur Tuͤhr
hinaus verſchwunden/ wañ ihr ihn gehoͤret habt? doch kommet und durchſuchet alle mei-
ne Gemaͤcher nacheinander/ und wann ihr ihn findet/ wil ich das Leben verwirket haben.
Der ſchlechte einfaͤltige Nar begunte ſchon zu zweiffeln/ und auff ihr anhalten durchging
er mit ihr alle Gemaͤcher. Sie hatte ihn aber im Kleiderladen verberget/ welchen ſie doch
auffgeſperret ſiehen ließ/ wohin ſie ihren Gemahl endlich fuͤhrete/ trat mit ihm vor den La-
den/ da Kleon hinter einem langen Mantel auffrecht ſtund/ und fing ſie alſo an zu reden:
O du lieber aͤdler Kleon/ muſtu dann nach deinem Tode ſo gefuͤrchtet/ und wegen bloſſes
Argwohns zur ganz unverdienten Straffe geſuchet weꝛden? Nun zweiffele ich an deinem
Tode nicht/ dann waͤhreſtu noch im Leben/ wuͤrde ich deſſen ohn zweiffel berichtet ſeyn; aber
deine mißguͤnſtige koͤnnen nicht ruhen/ ſondern wollen dich/ da ſie doch nur deinen Tod
ſuchen/ mit Gewalt lebendig haben. Frau/ antwortete er/ ihr wiſſet/ wie viel ich euch uͤber-
ſehe/ und allen Willen goͤnne/ koͤnte euch auch dieſen Diener wol laſſen/ dafern es unſerm
Fuͤrſten nicht ſo hefftig zuwieder waͤhre/ als welchen verdreuſt/ daß ein Leibeigener Teil an
euch haben ſol. Er wolte weiter außbeichten/ aber ſie fiel ihm in die Rede/ und ſagete: Was
treibet ihr vor ein naͤrriſches Gewaͤſche/ oder was hat der Fuͤrſt mir zubefehlen/ ſintemahl
ich euer/ und nicht ſein Gemahl bin; ſo habe ich auch mit Kleon keine andere als zulaͤſſige
Freundſchaft gepflogen/ wodurch euch im geringſten kein Abbruch geſchehen iſt; aber wir
ſtehen alhie ſchon zu lange/ deßwegen laſſet uns weiter gehen und nachſuchung tuhn/ daß
der eitele Argwohn euch benommen werde. Ich gehe mit/ ſagte er/ und bin gewiß/ daß er
auff keinem dieſer Gemaͤcher/ ſo wir beſehen/ ſich auffhaͤlt. Ja/ gedachte Kleon hinter dem
Mantel/ bleibe du nur in deiner Gewißheit; Sie aber fing an; ſo ſchwoͤre ich bey allẽ Goͤt-
tern/ daß Kleon auff den uͤbrigen Zimmern viel weniger zu finden/ oder gegenwaͤrtig iſt;
ging auch mit ihm immer fort das ganze Schloß zu durchſuchen/ und als er ſich nirgend
ſehen ließ/ baht Nabarzanes ganz inſtaͤndig/ ſie moͤchte doch dem Fuͤrſten zugefallen/ dieſen
Diener abſchaffen; er haͤtte glaubwirdige Nachrichtung/ daß er auf dem Schloſſe verbor-
gen
[808]Vierdes Buch.
gen gehalten wuͤrde/ und da ſie ihm nicht gehorſamete/ wolte ers dem Fuͤrſten klagen/ und
ihn zu Huͤlffe zihen. Die Frau wahr in ihrem Gewiſſen uͤberzeuget/ durffte demnach ihre
gewoͤhnliche Keiferey nicht vor die Hand nehmen/ ſondern kehrete ſich zum Weinen und
bezeugete mit vielen Traͤhnen ihre Unſchuld; endlich fiel ſie ihm umb den Halß/ und mit
heftigen ungewoͤhnlichen kuͤſſen baht ſie/ er moͤchte den falſchen Verdacht aus dem Sinne
ſchlagen/ ſie haͤtte ihren Kleon ſider das leztemahl nicht geſehen/ welches zu bejahen ſie alle
Fluͤche ausließ; weil er aber auff ſeiner Meinung feſt ſtehen blieb/ fing ſie endlich an: Nun
ſo hoͤre mich betruͤbetes Weib/ o du aͤdle Kleons-Seele/ an was Ende du auch biſt/ und
raͤche deine und meine Unſchuld an dieſem Hartnaͤckigten/ der weder durch Bitte noch
Traͤhnen noch Fluͤche zu bewaͤgen iſt. Ging hiemit von ihm/ und ließ ſich etlicher Draͤu-
ungen vernehmen/ daß er weiter anzuhalten abgeſchrecket ward. Es fiel ihr aber ſchwer/
ihrem Kleon Speiſe und Trank unvermerket zuzubringen/ welches erſt umb Nachmittage
geſchahe/ da Nabarzanes ſeine Ruheſtunden hielt/ und legte ſie mit ihm an/ weſſen er ſich
umb Mitternacht verhalten ſolte. Bey dem Abendmahl taht ſie ihrem Gemahl ſehr guͤt-
lich/ erzeigete ſich traurig/ und ging zeitig mit ihm an die Ruhe. Umb Mitternacht gingen
alle Wachskerzen/ welche im Gemache zu brennen pflegeten/ von ſich ſelber aus/ dann ſie
wahren durchboret und mit Waſſer angefuͤllet; Worauff Kleon in einem weiſſen Kittel
gar leiſe in die Kammer trat/ und dariñen auff und nider ging/ welches die Frau erſehend/
ſich furchtſam erzeigete/ uñ ihren Gemahl auffweckete/ vorgebend/ ihr kaͤhme ein erſchrek-
liches Grauſen an/ ſahe damit auff/ und ward Kleons gewahr/ deßwegen ſie ein duͤmpfi-
ges Geſchrey ergehen ließ/ und endlich fragete/ wer in der Kammer umbginge; ſie bekam
von einer traurigen Stimme dieſe Antwort; Geliebte Frau/ es iſt Kleons/ eures getraͤuen
Dieners ſchwebender Geiſt/ und kan nicht zur Ruhe kommen/ als lange meine Knochen
unverſcharret bleiben; ſeid demnach gebehten/ und helffet mir; mein Gerippe wird man
im Puſche am Wege zur rechten Hand finden/ woſelbſt die durchflieſſende Bach einen dop-
pelten Lauff haͤlt. So bald ſie dieſes hoͤrete/ ſprang ſie aus dem Bette/ und lieff hin/ ihn zu
umbfahen; aber er weich ihr immer aus/ vorgebend/ verſtorbene Seelen koͤnten von den
lebendigen nicht begriffen noch gekuͤſſet werden. So bald er nun durch der Frauen Nach-
dringen biß ans Bette kam/ kehrete er ſich umb und ſagete zu Nabarzanes; du Gottloſer
Menſch/ der du deines frommes Gemahls unwirdig biſt; wodurch habe ich dich jemahls
beleidiget/ daß du mich dieſen Tag ſo verunruhet/ und aus meinem Gemache durch alle
Zimmer getrieben haſt/ in welchem ich bißher mich in allerſtille auffgehalten/ und daſelbſt
nach meinem Tode von deinem Gemahl taͤglich beklaget bin? Der erſchrockene Tropff
hatte den Kopff unter dem Bette verhuͤllet/ und lieff ihm der Angſtſchweiß bey den Ohren
herunter/ ja alle ſeine Glieder zitterten ihm/ daß er kein Wort reden kunte; gab doch end-
lich ſeinem Gemahl zuverſtehen/ ſie moͤchte eine Bitte vor ihn einlegen/ damit die Seele
ihn nicht beleidigte; weil aber ſolches der Abrede nicht gemaͤß wahr/ achtete deſſen Kleon
nicht/ ſondern zog ihm das Bette vom Leibe/ und mit einem Ochſenſtecken zerſchmirete er
ihm Arm und Beine/ ja ſein ganzes Gerippe dermaſſen/ daß er wie ein Wurm ſich kruͤm-
mete; endlich faſſete er ihn bey der Kehle und ſagte: Du Gottloſer Schelm/ jezt wil ich
dich erwuͤrgen/ nachdem du mich heut in meiner Ruhe geſtoͤret/ und ſo unbarmherzig umb-
her
[809]Vierdes Buch.
her getrieben haſt. Der arme Menſch gedachte/ er muͤſte nun gewiß ſterben/ baht demnach
ſein Gemahl durch alle Goͤtter/ ſie moͤchte ihr ſeine Rettung laſſen angelegen ſeyn; welche
endlich zu Kleons Fuͤſſen niderfiel/ und den verſtelleten Geiſt mit groſſem Geheule baht/
ihres Mannes zu ſchonen/ ſie wolte ihm zu ehren das Gemach weihen/ und als lange ſie
lebete/ ſeine Gedaͤchtnis darauff begehen. Nun wolan/ geliebte Frau/ antwortete Kleon/
bloß umb euret willen ſchone ich ſeyn/ ſonſt muͤſte er ohn alle Gnade und Barmherzigkeit
ſterben; gab ihm noch etliche ſtarke ſtreiche uͤber die Lenden/ und machte ſich zur Tuͤhr hin-
aus an ſeinen Ort/ da die Frau rieff; hilff lieber Gott/ da fleuget die klare Seele als ein
blitzender Strahl zum Fenſter hinaus; ſtund hernach/ uñ ſtellete ſich/ ob koͤnte ſie die Tuͤhr
nicht oͤffnen/ biß ihr endlich geriet/ und ſie die zu naͤhſt ſchlaffende Maͤgde ermunterte/ die
ein Licht herzu bringen muſten/ da ſie Nabarzanes in tieffer Ohmacht fand/ den ſie wieder
erquickete/ uñ ſich gar leidig ſtellete/ dauchte ihr auch/ es waͤhre ſchier zugrob gemacht/ weil
er faſt keinẽ weiſſen Flecken an ſeinen Gliedmaſſen hatte. Nachdem er wieder zu ihm ſel-
ber kam/ fragete er/ ob der Geiſt noch verhanden waͤhre/ uñ ſagte nachgehends: Nun leug-
ne wer da wil/ daß keine Geiſter ſeyn/ ich armer Mann habe es leider gar zu ſchmerzlich
empfunden. Ach Gott/ antwortete ſie/ wie ſeid ihr doch auff den Unraht kommen/ daß ihr
der frommen Seele geſtriges Tages ſo groſſe Beſchimpfung angelegt habet? Laſſet euch
dieſes/ bitte ich/ eine Warnung ſeyn/ und verhuͤtet hinfuͤro dergleichen Unfall/ dann mit
Geiſtern laͤſſet ſichs trauen nicht ſchertzen; bedenket auch/ daß euch bloß durch meine vor-
bitte das Leben erhalten ſey/ welches ihr ſonſt ohn zweiffel haͤttet einbuͤſſen muͤſſen. Des
Morgens richtete ſie eine trefliche Salbe zu/ und ſchmierete ihn damit zum oftern/ daß er
des vierten Tages keine ſonderliche Schmerzen mehr empfand. Kleon lebete dieſe Zeit uͤ-
ber ſicher/ und fuͤrchtete ſich doch/ es wuͤrde Gobares nicht auffhoͤren ihm nachzuſtellen/
deßwegẽ er abermahl umb kurze erlaſſung anhielt/ welches ſie ihm rund abſchlug/ es waͤh-
re ihr unmoͤglich/ ſein zu entrahten/ ſolte ſich aber verſichern/ daß ſie ihn vor Gobares wol
ſchuͤtzen koͤnte. Nun ſtellete er ſich zwar/ als waͤhre er zu frieden/ und nam ihm doch vor/
erſter Gelegenheit bey Nachtzeit heimlich davon zu lauffen. Des ſechſten Morgens nach
der Pruͤgelung/ da Nabarzanes zum erſtenmahle wieder auffgeſtanden wahr/ und Stati-
ra ſich bey Kleon in ihrem Kleider Gemache befand/ ſahe ſie ohngefehr eine Schaar von
200 Reutern auff ihr Schloß zueilen/ und erkennete aus ihrer Kleider Farbe/ daß ſie Go-
bares zuſtunden/ daher ſie nicht ohn beſtuͤrzung zu Kleon ſagete: Gobares hat wieder euch
ein Schelmſtuͤk im Siñe/ dort kommen ſeine Reuter her; ſo haltet euch nun im Kleider La-
den verborgen/ und laſſet vor daß uͤbrige mich ſorgen; ging darauff nach Nabarzanes Ge-
mache/ und ſtellete ſich/ als haͤtte ſie deꝛ Reuter keine acht gehabt/ welche ſchon anklopfeten/
und in des Fuͤrſten Nahmen begehreten eingelaſſen zu werden. So bald ſie auff dem in-
nerſten Platze erſchienen/ und Nabarzanes neben ihr zu ihnen ging/ meldete ihr Fuͤhrer
des Fuͤrſten Gruß an/ und daß derſelbe außgekundſchaffet haͤtte/ daß Kleon von etwa et-
ner Magd im Schloſſe heimlich auffgehalten wuͤrde; nun waͤhre derſelbe bey dem Fuͤrſten
angeklaget/ daß er eines aͤdlen Ritters Weib genohtzuͤchtiget/ und ſie nachgehends ſamt
den Ritter entleibet haͤtte/ welche Bosheit billich muͤſte abgeſtraffet werden. Nabarzanes
ſahe ſein Gemahl an/ und ſagte: Er wolte ja nicht hoffen/ daß der Bube neulich in Geiſtes
K k k k kGeſtalt
[810]Vierdes Buch.
Geſtalt ſelbſt erſchienen waͤhre/ wolte ihn ſonſt alſo zu richten laſſen/ daß ihn forhin deß-
gleichen nicht mehr geluͤſten wuͤrde. Dieſe ſtellete ſich ſehr fremde/ und antwortete den Ab-
geſanten: Mich wundert nit/ daß man meinem Gn. Fuͤrſten Kleons Anweſenheit hieſelbſt
hat antragen duͤrffen/ nachdem etliche ſich unterſtanden/ uns ſelbſten dieſes einzubilden; es
iſt aber ein Zeichen groſſes miſtrauens/ daß ihre Fuͤrſtl. Gn. eine ſolche Menge Reuter
herſendet/ und ſtehet faſt ſchimpflich/ umb eines Todten Menſchen Willen ſo viel Pferde
zu ſatteln; jedoch moͤget ihr euch wol verſichern/ daß ihr Kleon ſo wenig hier als zu Suſa
antreffen werdet; und wer ſolches nicht glaͤuben wil/ der ſchaue hinaus vor das Schloß/
woſelbſt ich vor dreien Tagen ſeine Gebeine einſcharren laſſen/ wie ſein ſchwebender Geiſt
es ſelbſt begehret/ und den Ort angezeiget hat/ da ſein von den wilden Tihren uͤbergelaſſe-
nes anzutreffen waͤhre; moͤget demnach wol wieder hin zu eurem Fuͤrſten reiten/ und ihm
andeuten/ daß er auffhoͤre die Todten alhier in dieſer Welt zuſuchen/ es duͤrffte ihm ſonſt
nicht viel anders/ als meinem Nabarzanes ergehen; wil er aber ſein uͤbriges ja haben/ ſo
grabet es aus/ und fuͤhret es mit euch hin; ob er ſonſt des beſchuldigten Mordes und an-
derer aufflage ſchuldig ſey oder nicht/ habe ich nicht zubeantworten/ wiewol ich ihn viel ei-
nes redlichern Gemuͤhtes erkennet habe. Der Abgeſandte wolte ſich mit dieſen Worten
nicht abſpeiſen laſſen/ ſondern gab vor/ er haͤtte von ſeinem Gn. Fuͤrſten außdruͤklichẽ Be-
ſehl/ das gantze Schloß durch und durch zuſuchen/ umb zuvernehmen/ an was Ende die
Magd den boßhafften Menſchen verborgen hielte/ und wuͤrde man ihm verzeihen/ wann
er hierin untertaͤhnig gehorſamete; ſtieg damit vom Pferde/ und foderte die Schluͤſſel
von Nabarzanes zu allen Gemaͤchern/ vorwendend/ es ſolte ihm nicht daß allergeringſte
entfremdet werden. Dieſe Anmuhtung wahr der Frauen ſehr zuwieder/ und gab zur Ant-
wort: Du nicht werder Tropff biſt noch lange der Mann nicht/ den ich meine Gemaͤcher
werde durchſchnauben laſſen; und was zeihet ſich dein Fuͤrſt? meinet er/ daß ich meinen
Maͤgden meine verſchloſſene Gemaͤcher eingebe/ ihre unzüchtige Buhlen darauff zu ver-
ſperren? Da gehe hin/ und ſuche ihn in der Maͤgde Kammer/ als lange dichs gelüſtet/ dann
auff meine Zimmer ſoltu ohn meine Verguͤnſtigung keinen Fuß ſetzen/ als lange ich den
Odem zihen kan. Nabarzanes hielt bey ſeinem Gemahl fleiſſig an/ ſie moͤchte/ Verdacht zu
meiden/ ſich des Fürſten begehren gefallen laſſen. Wie/ ſagte ſie/ haltet dañ ihr und der Fuͤrſt
mich umb eines ſchlimmen Knechtes willen in Verdacht? Trotz ſey einem oder andern ge-
bohten/ der mir ſolches wahr machet. So muß es nicht verſtanden werden/ antwoꝛtete Na-
barzanes/ nur/ es moͤchte der Fuͤrſt waͤhnen/ ihr naͤhmet euch ſeiner aus Barmhertzigkeit
an. Er gedenke endlich/ was er wil/ ſagete ſie/ ſo laſſe ich doch nicht einen jeden ſchlimmen
Troß Buben beſehen/ wie viel oder wenig ich auff meinen Gemaͤchern verſchlieſſe. Hier-
auff gab der Abgeſandte zur Antwort: Wann ja Eure Gn. dieſes erſte nicht eingehen wil/
ſo muß ihr/ krafft Fürſtlichẽ Befehls nicht zuwider ſeyn/ dz ich alle ihre Gemaͤcheꝛ/ Bodem/
und Keller vier Tage lang mit Schildwachen auswendig beſetze/ und nur die wenigen/ de-
ren Ihre Gn. ſelbſt taͤglich gebrauchet/ durchſchaue; befahl alſo ſeinen Reutern abzuſteigẽ/
und je zween und zween vor jeder Tühr mit entbloͤſſetem Gewehr ſich zuſtellen; welches ſie
dann endlich zugeben muſte/ da unterdeſſen ihre Eſſe Stube/ Schlaff Kammer und Klei-
der Gemach wol durchſuchet wurden/ und nachgehends unbeſezt blieben. Kleon ſtund abeꝛ-
mahl
[811]Vierdes Buch.
mahl hinter dem Mantel verborgen/ uñ betrachtete ſeine Gefahr nicht ohn ſchrecken/ gleich
da Statira mit ertichteten Thraͤhnen ſagete: So erbarme es die Goͤtter/ daß ich meine
Kleider und Schmuk von andern beſehen laſſen/ und dieſes Gemach in Verdacht gezogen
werden muß. Der abgeſanter antwortete: Eure Gn. beſchlieſſen den Kleider Kaſten nach
belieben/ ich begehre kein Laͤplein darin anzurühren. Warumb ſolte ich meine Kleider ver-
ſchlieſſen? antwortete ſie/ die ſind bißher offenbahr geblieben/ und bin noch nicht willens/ ſie
umb deinet willen den Maͤuſen und Motten zur Speiſe einzuſchlieſſen; Jedoch/ weil ich
dieſes Gemach habe muͤſſen durchſuchen laſſen/ magſt du die übrigen alle mit einander be-
ſichtigen/ und wol gar das oberſte zu unterſt kehren/ damit dein Fuͤrſt/ wann du nicht finden
wirſt/ was du ſucheſt/ ſich ins Herz ſchaͤme/ daß er ein unſchuldiges Weib der geſtalt beleidi-
get hat/ welches der ganzen erbaren Welt zuklagen/ ich unvergeſſen ſeyn/ und ihm ſelbſt dieſe
Schmach nimmermehr verzeihen wil. Alſo gingen ſie auff dieſe Vergũnſtigung weiter/
und halff Nabarzanes fleiſſig mit umſuchen/ da Statira ſie endlich auffzohe/ und wo etwa
ein fauler Winkel wahr/ ſie dahin bringen ließ/ daß ſie endlich bey nahe in ein Scheißhaus
gefallen waͤhren. Als man nun den vermeynten Moͤrder nirgends fand/ wurden dannoch
alle Zimmer/ (die Eſſe Stube/ Schlaffkammer und Kleider Gemach ausgenommen) mit
Wachten auswendig beſetzet/ da Statira als aus Ungeduld ſich in ihrem Kleider Gema-
che beſchloß/ und mit ihrem Kleon uͤberlegete/ wie mans forthin am ſicherſten anſchluͤge/
er aber ganz inſtaͤndig und mit Traͤhnen baht/ ihn auff kurze Zeit zubeurlauben/ damit er
ſein Leben retten moͤchte. Sie ſahe/ daß ſie aus der Noht eine Tugend machen muͤſte/ und
verſprach ihm dieſes einzuwilligen/ dafern er ſeine Zuſage zuhalten eingedenk ſeyn/ und ſich
wieder einſtellen wolte/ welches er gar freygebig verhieß. Bey wehrendem Abendeſſen ſag-
te ſie in des Abgeſanten Gegenwart zu ihrem Gemahl: Wann wir unſers Fuͤrſten Erzfein-
de waͤhren/ koͤnte er uns ſchimpflicher nicht halten/ noch hoͤher beleidigen/ und dafern dieſe
Hüter nicht abgeſchaffet werden/ wil ichs zu ſeiner Zeit zu gedenken wiſſen; ſo habe ich nun
bey mir beſchloſſen/ ein Schreiben an den Fürſten zuverfertigen/ und mich dieſer ſchaͤndli-
chen Schmach zubeklagen/ zweifele nicht/ er werde in ſich gehen/ und das Unweſen auffhe-
ben/ und ſol der Bohte noch dieſe Nacht fortgehen; Ging auch alsbald nach ihrem Klei-
der Gemach/ woſelbſt ſie einen Brief/ nicht an den Fuͤrſten/ wie ſie vorgab/ ſondern an ihre
Waſe verfertigte/ welche Oſtwerz nach Perſen hin ihre Herligkeit hatte/ und begehrete von
ihr/ Zeigern dieſes/ einen Griechiſchen aͤdlen Ritter ihr befohlen ſeyn zulaſſen/ welcher wi-
der des Fürſtẽ unbilliche Verfolgung ſich in ihren Schutz begeben haͤtte. Nachgehends klaͤ-
bete ſie Kleon einen groſſen grauſprenglichten Bart an/ und nach guter Unterrichtung/
weſſen er ſich verhalten ſolte/ ließ ſie ihm ein trefliches Pferd ſatteln/ ſchenkete ihm 600 Kꝛo-
nen Zehrgeld/ und ſtellete ihn wieder hinter den Mantel. Bald ließ ſie acht Knechte auff
das Gemach fodern/ unter dem Schein/ einen zu dieſer Botſchafft daraus zuwaͤhlen/ ſchik-
te ſie doch alle nacheinander wieder hinunter/ welches die hin und wieder ſtehende Schild-
wachten wegen der Finſterniß nicht eigentlich wahrnehmen kunten; nach deren Abtrit
Kleon Stiefel und Sporn und ein feſtes Panzer anlegte/ ward auch von Statiren ſelbſt
hinaus geleitet zu zween Fuͤrſtlichen Reutern/ welche mit ihm fortgehen/ und ſich ſtuͤndlich
bey Mondenſchein auffmachen ſolten/ ſo daß ſie gegen den Mittag die neun Meilen endi-
K k k k k ijgen
[812]Vierdes Buch.
gen koͤnten. Kleon ging zuvor nach dem Stalle/ nam ſeine daſelbſt vergrabene Kleinot ne-
ben einer Sturmhaube/ Schwert und Schild zu ſich/ und machte ſich mit ſeiner Geſell-
ſchafft froͤlich davon/ dem Himmel hoͤchlich dankend/ daß er dieſer beſchwerlichen und ge-
zwungenen Unkeuſcheit entrunnen wahr/ und nunmehr die ganze Welt wiederumb offen
hatte. Er ritte ſchnelle foꝛt/ und fragete nach den Landſtraſſen gar fleiſſig/ weil er ſeinem vor-
geben nach/ erſtes Tages an die Perſiſchen Grenzen ſolte verſchicket werden. Als ſie nun
an einen Scheideweg kahmen/ von welchem ihm ſeine Gefaͤrten ſageten/ daß er nach Per-
ſen ginge/ zeigete er ihnen an/ dieſer waͤhre ihm zureiten von ſeiner Gn. Frauen befohlen/ uñ
koͤnten ſie nach belieben entweder nach Nabarzanes Schloſſe umkehren/ oder gen Suſa
ſich verfuͤgen/ ihrem Fuͤrſten anzuzeigen/ der Vogel waͤhre nicht mehr im Bauer/ ſondern
durch ein enges Ritzchen davon geflogen. Dieſe hingegen lacheten ſeines vorgebens/ es haͤt-
te die Meynung nicht/ ſie haͤtten der Frauen befehl ſelbſt angehoͤret/ daß er nach Suſa mit
ihnen ſolte/ deßwegen muͤſte er ſich nicht von ihnen trennen. Er aber reiß den angeklebeten
Bart hinweg/ daß der eine/ der ihn vor mehr geſehen hatte/ ihn alsbald kennete/ welcher zu
ſeinem Geſellen ſagete: Hui Bruder/ eben dieſer iſt der Verraͤhter Kleon/ welchen zufahen
wir ausgeſchicket ſind/ deswegen muͤſſen wir ihn greiffen oder ſterben. Was/ bin ich ein
Verraͤhter? ſagte er; ſetzete damit ernſtlich unter ſie/ und erlegete den einen alsbald; der
ander/ ob er gleich gute Gegenwehre taht/ muſte endlich auch mit dem Leben bezahlen. Sta-
tira erfuhr gleich dieſe Nacht/ es haͤtte Orſillos den verſtelleten Kleon an der Rede erkeñet/
uñ ſolches einem andern Knechte vertrauet/ daher ſie einem ihrer getraͤueſten Dienern be-
fahl/ ihn unter dem Schein/ daß er Holtz tragen ſolte/ alsbald in den Wald mit zunehmen/
zuerſchlagen/ das Haͤupt ihm abzuſchneiden/ und das uͤbrige den wilden Tihren zulaſſen.
Dieſer wolte ſolchem Befehl nachkommen/ ging mit ihm fort/ und trug eine ſchwere Holz-
Axt auff der Schulter. Orſillos empfand ein ſtarkes grauſen in ſeinem Herzen/ nam eine
kurze Erklaͤrung/ vorige Freyheit wieder zuſuchen/ ſtuͤrtzete ſeinen Gefaͤrten unverſehens zu
bodem/ erſchlug ihn hernach mit der Axt/ machte ſich auch mit derſelben von der groͤſſeſten
Laſt ſeiner Bein Ketten loß/ ſchleppete den Ermordeten ins Geſtraͤuch/ und lieff gegen Mit-
tag des naͤheſten Weges nach dem Perſiſchen Meer zu/ da er in einem Flecken ſich bey ei-
nem Schmide/ den er in der Jugend gekennet hatte/ angab/ und das uͤbrige von der Ketten
abfeilen ließ/ und weil er keine Lebensmittel hatte/ nehrete er ſich des raubens und ſtehlens
eine zeitlang. Kleon/ ſo bald er ſeine Geleitsleute vom Brod getahn hatte/ jagete drey Mei-
len in den Fruͤhſtunden fort/ biß er in einem Dorffe anlangete/ woſelbſt er nach allem Wun-
ſche einen Kauffmann antraff/ der viel Reit Harniſche auff unterſchiedlichen Wagen nach
Suſa zuverhandeln fuͤhrete/ kauffte ihm der feſteſten einen ab/ und nach vierſtuͤndiger Ru-
he nam er einen Bauren zu ſich/ welcher ihn den ſicherſten Weg nach Fr. Statiren Waſe
fuͤhren muſte/ kehrete bey ihr ein/ und nach angemeldetem Gruſſe von ihrer Waſen/ uͤber-
reichete er das Schreiben mit guter Hoͤfligkeit. Dieſe wahr eine gar alte anſehnliche Frau/
Nahmens Artyſtona/ von groſſen Baarſchafften/ hatte Statiren in kindlichen Jahrẽ auf-
erzogen/ und in der Jugend gleiches Handwerk der Unkeuſcheit mit Fuͤrſt Gobares Vater
getrieben. Sie hatte aber in Jahresfriſt keine Zeitung von ihrer Waſen gehabt/ daher ihr
das Schreiben ſehr angenehm wahr/ und ſie aus demſelben ihre Liebe zu Kleon leicht ſpuͤ-
rete/
[813]Vierdes Buch.
rete/ auch die urſach ſeiner Verfolguung abnam; Und weil Kleon bewuſt wahr/ daß in dem
Briefe an Fr. Artyſtonen begehret ward/ ihm nach ſeiner Anfoderung Gelder vorzuſtret-
ken/ welche zu allem Danke ſolten erlegt werden/ wolte er ſich der gelegenheit gebrauchen/
und foderte 30000 Kronen. Der Frauen gedauchte es zwar viel ſeyn/ doch wegerte ſie ſich
deſſen nicht/ ſondern auff einen kleinen zuruͤk gegebenen Schein zaͤhlete ſie ihm ſolche aus/
welche er nachgehends von Perſepolis nebeſt einem koͤſtlichen Kleinot wieder uͤbermache-
te; Sie gab ihm auch auff begehren drey reitende Knechte auff vier Wochen zu/ und ließ
ihn des dritten Tages fortzihen. Als er in der erſten Perſiſchen Stad anlangete/ erfuhr er
die Kriegs Unruhe/ und daß er ohn ſtarke Geſelſchafft nicht durchkommen/ noch Parthen
erreichen koͤnte; blieb deswegen wenig Tage ſtille liegen/ umb zuvernehmen/ was ſein be-
ſtes ſeyn wuͤrde/ nachdem ſein unbewaͤglicher Vorſatz wahr/ Herkules oder Ladiſla zuſuchẽ/
ob er gleich druͤber ſterben ſolte. Als die nach Suſa abgefertigte uͤber beſtimmete Zeit auſſe
blieben/ machte Statira ihr leicht die Rechnung/ daß an Kleons Seiten es wol abgelauf-
fen waͤhre/ taht aber nicht desgleichen/ ſondern wahr auff Fuͤrſt Gobares ſehr ungehalten/
daß er ihr die Voͤlker ſo lange auff dem Halſe lieſſe/ begehrete endlich/ daß noch etliche hin-
ritten/ und ſich beſcheids erhohlen ſolten. Dieſe wurden auff dem Wege berichtet/ man haͤt-
te zween erſchlagene auff freyem Felde gefunden/ und in das naͤheſte Dorff getragen; wuꝛ-
den von dieſen beſehen/ und alsbald erkennet/ daher ihrer drey den Weg nach Suſa verfol-
geten/ der vierde ging wieder zuruͤk/ und brachte die Zeitung Nabarzanes uͤber/ da Stati-
ra fragte/ ob ſich dann ihr mitgeſchikter Knecht nicht lebendig oder tod fuͤnde; wovon er
nicht zuſagen wuſte. Gobares aber/ als ihm dieſe Zeitung zukam/ erriet den ganzen Han-
del/ und wahr froh/ daß er dieſes Mitbuhlers auff ſolche weiſe loß worden wahr/ der ſich a-
ber nachgehends an ihm haͤrtiglich raͤchete.


Herkules und Ladiſla brachen des naͤheſten Tages nach Tyriotes hinreiſe gen Cha-
ras/ von Perſepolis auff/ und fuͤhreten 16000 tapffere Reuter mit ſich/ wovon Pharna-
bazus 5000 Ladiſla gleich ſo viel/ und Herkules 6000 nahmen/ da dann dieſer allen ſeinen
ſechstauſenden auff ihre Pferde hatte Hals- und Hinterdecken von leichtgeſtopffeter und
feſt durchnaͤheter Linnewand an ſtat der Pferde-Harniſche machen laſſen/ durch welche
kein Pfeil ſchieſſen noch fallen kunte. So bald ſie die Perſiſche Grenze Stad gegen Par-
then zu erreicheten/ hielten ſie ſich daſelbſt in den dritten Tag gar ſtille/ und erwarteten ih-
res Gallus mit ſeiner Geſelſchafft/ welche auff jeztgemeldete zeit bey ihnen nebeſt Tyrio-
tes anlangeten/ und nicht zu geringer Rachgier bewaͤget wurden/ als ihnen des Koͤniges
ſchimpfliche Antwort mündlich vorgetragen ward/ wiewol Herkules aus der Fraͤulein
Schreibengroſſen Troſt empfing/ weil er ſahe/ das ſie bißdahin vor aller Anſprache ſicher
ſeyn wuͤrde/ da ſonſt eine redliche Ader an Artabanus uͤbrig waͤhre. Tyriotes hatte ſich
fleiſſig erkundiget/ an was Ort des Feindes Grenz Heer ſich niedergelaſſen hatte/ uñ brach-
te den unſern die Zeitung daß ſie 24000 ſtark eine ganze Tagereiſe ins Land enge bey ein-
ander laͤgen/ in willens einen hefftigen Einfall in Perſen zu wagen/ weil man ihnen alle
Sicherheit gebracht/ daß keine ſeindliche Voͤlker ſich in der naͤhe ſpüren lieſſen. Worauff
Herkules zu ſeinen beyden Geſellen ſagete: Wolan/ weil Artabanus ſo gerne wiſſen wil/
was hinter unſerm Abſags Brieffe ſtecke/ und er uͤberdaß uns vor Knaben uñ ſeine Knech-
K k k k k iijte ſchilt/
[814]Vierdes Buch.
te ſchilt/ muͤſſen wir ihm ein Knaben- oder Kinderſpiel auffmachen und eine Knechtiſche
Auffwartung ſehen laſſen/ worüber er ſich ein wenig kitzeln moͤge; weil er dann der Fraͤu-
lein an den Koͤnig gegebene Verſicherung noch nicht geleſen hatte/ zohe er dieſelbe wieder
hervor/ und fand dieſen ſpitzigen Inhalt: Herkuliſka/ gebohrnes Koͤnigliches Fraͤulein aus
Boͤhmen/ gelobet hiemit und Krafft dieſes/ dem Allergroßmaͤchtigſten Beherſcher der Morgenlaͤnder/
Koͤnige Artabanus/ nach verlauff der annoch bevorſtehenden feſt verſprochenen Wochen/ ohn einige
Einrede und Wiederſpenſtigkeit/ in die Koͤnigliche gluͤkſelige Heyraht einzuwilligen/ dafern inwen-
dig ſolcher Zeit ihre Groß Koͤnigl. Hocheit weder durch ſich ſelbſt/ noch durch andere ſie keinerley
Weiſe zum Beylager oder anderen liebes Sachen anfodern wird/ auff was maſſe und Weiſe ſolches
immermehr geſchehen koͤnte; im wiedrigen wird und muß ſie in Mangel anderer Mittel/ ſich zum
wenigſten durch den Tod von aller Gewaltſamkeit zu befreien/ einen ſicheren Weg finden. Herku-
liſken eigene Hand.


Nach verleſung ließ er geſchwinde zu Pferde blaſen/ und nahmen den geradeſten Weg
nach Parthen/ blieben die Nacht eine halbe Meile von den Grenzen im Felde liegen/ fut-
terten ihre Pferde wol/ und eine Stunde vor der Sonnen Auffgang gingen ſie in drey
Hauffen als eine ſtraͤnge Fluht in Parthen hinein/ da alles abgebrennet/ erſchlagen und
gefangen/ auch trefliche Beute gemacht ward; die ſchoͤneſten Doͤrffer und Flecken wur-
den in die Aſche gelegt/ und weil ſie vor Uberfall ſicher wahren/ ſtreiffeten ſie hin und wie-
der auff vier Meileweges in die Breite und Laͤnge/ nur einen wolgelegenen Flecken erhiel-
ten ſie/ legeten ſich dahinein/ und ſendeten Kundſchafft aus/ des Feindes Ankunfft uñ Voꝛ-
haben zuerforſchen. Der Parthiſche Feld Herr Spitamenes hatte auff Vologeſes getrieb
den Koͤniglichen Befehl erhalten/ daß er vorſichtig ſpielen/ und gleichwol/ wo moͤglich/
durch Feur und Schwert dem Perſen ſchaden zu fuͤgen ſolte/ gleich als das fliegende Ge-
ruͤcht ihm die Zeitung brachte/ die Perſen waͤhren eingefallen/ und haͤtten ſchlimmer ge-
hauſet/ als nie kein außlaͤndiſcher Feind; worüber der freimuhtige Spitamenes auff ſich
ſelbſt unwillig ward/ daß er den andern nicht vorkommen wahr/ ſamlete ſein Heer in aller
Eile/ uñ ging in guter Vorſichtigkeit fort/ nach dem Flecken welchen die unſern ihnen zum
Rükhalt genommen hatten/ und ihm ſolches ſchon verkundſchaffet wahr/ und ob gleich
alle fluͤchtige ihm anbrachten/ daß die Perſen uͤber 30000 ſtark waͤhren/ ſcheuhete er ſich
doch nicht/ dieſelben mit einer geſezten Schlachtordnung im freien Felde anzugreiffen/
dann er verließ ſich auff ſeine wolgeuͤbete Mannſchaft. Herkules bekam die Zeitung we-
gen ſeines anzuges fruͤh genug/ machte alles zur Schlacht fertig/ und redete Pharnaba-
zus ein tapferes Herz ein/ welcher nichts als die Wenigkeit ihrer Voͤlker beklagete. Sie
ſetzeten ſich in drey Hauffen/ Ladiſla hatte den Rechtẽ/ Pharnabazus nebeſt Tyriotes den
linken Flügel/ jeder 5000 ſtark/ und hielt er mit ſeinen 6000 in der Mitte/ welche ſich auff
ihre durchnaͤhete Leinen-Panzer-Decken nicht wenig verlieſſen. So bald beyde feindliche
Heer einander ins Geſicht bekahmen/ wunderte ſich Spitamenes über der unſern gerin-
gen Anzahl/ und fuͤrchtete ſich vor einen Auffſaz oder hinterhalt/ bekam aber aus dem Flec-
ken die Nachricht/ daß keine feindliche Voͤlker mehr verhanden waͤhren/ auch daß dieſer
Einfall nicht im Nahmen des Perſen/ ſondern zweer fremder Fuͤrſten geſchehen/ welche
ja der Koͤniglichen Braut zu Charas Bruder und Oheim ſeyn ſolten. Dieſer verwundeꝛ-
te ſich deſſen uͤberaus hoch/ und fragete/ ob dann ihre Voͤlker nicht Perſen waͤhren; wor-
auff
[815]Vierdes Buch.
auff er zur Antwort bekam/ ſie redeten zwar alle Perſiſch/ und gaͤben ſich doch vor Syrer
aus/ von jenſeit Damaſkus/ woſelbſt ſie von ihren beyden Feld Herrn umb baar Geld ge-
worben waͤhren. Daß muß ich billich glaͤuben/ ſagte er/ demnach ich wol verſichert bin/ dz
die Perſen in ſo geringer Anzahl mir nicht ſtehen wuͤrden. Ehe er nun die Schlacht an-
trat/ erinnerte er mit wenigen ſeine Parther ihrer unüberwindlichen Kraft/ und daß ſie
das leichte Geſindle welches gegen ſie hielte nicht fuͤrchten ſoltẽ/ als welche weder zu Feld-
Schlachten angewieſen/ noch ſich ſelbſt zuſchützen geherzt waͤhren/ ſondern ſich auff die
Roͤmer verlieſſen/ denen ſie ſich daher knechtiſcher Weiſe unterworffen haͤtten. Herkules
wahr auch nicht faul die ſeinen zu muhtigen/ ſie ſolten ſich nicht daran kehren/ dz der Feind
irgendwa 4/ oder 5000 Koͤpffe mehr als ſie ins Feld ſtellete/ ſondern ihr Gewehr redlich
gebrauchen/ alsdañ ſolte ſichs bald außfuͤndig machen/ was wahre Tugend/ uñ was leich-
ter Frevel waͤhre. Pharnabazus taht mit den Pfeilen den erſten Angriff/ ward aber bald
zuruͤk getrieben/ weil der Feind eins ſo ſtark gegen ihn anging. Herkules ſahe ihn weichen/
und ſtaͤrkete ihn unter Tyriotes Anfuͤhrung mit 1500 friſchen Reutern/ welche den Anfall
gar gluͤklich verrichteten uñ in die 3000 von den Feinden teils toͤdteten/ teils hart verwun-
deten; wodurch Pharnabazus erfriſchet/ tapffer wieder anſetzete/ und den Feind derge-
ſtalt auff die Weichſeite trieb/ daß ſie ihre Pfeile ruͤklings zuſchiſſen (wie ſonſt ihre Art uñ
Gebrauch wahr) vergaſſen; doch weil ihnen 2000 geruhete zum entſaz kahmen/ welche
ihnen ihre Kleinmuͤhtigkeit heftig verwieſen/ ſaſſeten ſie abermahl ſtand/ daß die unſern
ihnen raum geben muſten/ da Tyriotes mit ſeinem Entſaz/ welche alle gepanzerte Pferde
hatten/ ſich voran ſetzete/ und eine groſſe Niederlage von Pharnabazus Leuten abwendete.
Ladiſla hatte beſſer Gluͤk und unvorſichtigere Feinde/ dann als er von 8000 angegriffen
ward/ ſetzete er dermaſſen unter ſie/ daß in kurzer Zeit die helffte gefellet ward/ und kam ihm
ſonderlich zu ſtatten/ daß er ihnen ſo fruͤhzeitig mit dem Schwert auff der Hauben wahr/
und ſie die Pfeile nicht recht gebrauchen kunten/ ſo hatte ſich auch ſein Feind zu kuͤhn ge-
waget/ und von den andern ſich zu weit abgezogen/ daher ſie endlich umbgeben und meh-
renteils erſchlagen wurden. Herkules ſahe dz Pharnabazus ſich vor ſeinem Feinde kaum
mehr ſchuͤtzen kunte/ deßwegen er ihm noch 500 friſche Voͤlker zuſchickete/ die mit Tyriotes
ſich zuſammen ſetzeten/ und auff ihre Pferde-Panzer ſich verlaſſend dem Feind unter die
Pfeile ritten/ damit ſie mit dem Schwert handeln koͤnten/ welches dann gluͤklich anging/
und ſetzete ihnen Pharnabazus dergeſtalt nach/ daß er gnug zuverſtehen gab/ er wolte Blut
nehmen oder geben/ daher an dieſem Ort es hart zuging/ und Tyriotes ſich ſo tapffer be-
zeigete/ daß ihm Pharnabazus nachgehends/ das Zeugnis gab/ er waͤhre ein Schuz ſeines
ganzen Fluͤgels geweſen. Spitamenes/ der noch 6000 außerleſene Reuter umb ſich hatte/
entſetzete ſich ſehr/ daß ſeine Leute dergeſtalt ins Graß biſſen/ haͤtte die gegen Ladiſla ſtrit-
ten/ gerne entſetzet/ ſahe aber Herkules mit ſeinen 4000 uͤbrigen ſich auch zum Angriff be-
reiten/ deſſen Pferd (dann er ritte ſeinen aͤdlen Blaͤnken) faſt mit gewalt unter die Feinde
wolte/ weil er dann ſahe daß an allen Seiten es zimlich wol ſtund/ brach er gegen Spita-
menes loß der ihm eine groſſe Menge Pfeile von ferne entgegen ſchickete/ welche ihm aber
ſehr geringen ſchaden zufuͤgeten/ da hingegen Herkules Hauffe ihm im erſten Angriff an
die 2000 erſchoß und ſonſt zum fechten unduͤchtig machete; nach ſchieſſens endigung mu-
ſte
[816]Vierdes Buch.
ſte Gallus mit den 1000 Speer Reutern/ die zuhinterſt hielten/ ſich hervormachen/ welche
gerade auff ihre Feinde angingen/ und deren in die 800 felleten/ hernach griffen ſie zu den
Schwertern/ und lieſſen die Parther empfinden/ daß ihre Arme nicht wichtloß wahren.
Herkules trieb wunder mit ſeinem Schwert/ daß jeder der ihn ſahe/ vor ihm außwich/ weil
ſeyn Pferd ſich bald bekant machete; es begehrete ſein ein groſſer ſtarcker Ritter abſon-
derlich/ dem er ſolches nicht verſagete/ und ihn nach wenig gefuͤhreten Streichen zur Er-
den legete/ auch bald darauff den andern/ welcher dieſen zu raͤchen ihm vornam. Ladiſla
hatte an ſeinem Orte das Feld ſchier erſtritten/ und hielt die uͤbrigen von dem Feinde/ an
der Zahl 1900 garenge ein/ aber an einer Seite brachen ſie durch und vereinigten ſich mit
Spitamenes/ welcher ihre geringe Anzahl ſehend/ an dem Siege ſchon begunte zu zwei-
feln/ auch deßwegen ſeine beruͤmte Vorſichtigkeit in eine Wuht verwandelte/ da er auff
Herkules Voͤlker dergeſtalt anſetzete/ daß ſie hinter ſich zu weichen gezwungen wurden.
Ladiſla ſahe dieſes/ hatte zwar in willen/ Pharnabazus zu entſetzen/ aber Herkules Gefahꝛ
lag ihm naͤher an/ ſo daß durch ſeine Zukunft die Parther dieſes Orts naͤhern kauff gaben/
aber an Pharnabazus Seiten fingen ſie an Meiſterzuſpielen/ muſten aber umb ihres Feld-
Herrn Gefahr willen/ ſich auff denſelben hinzihen/ deſſen die unſern wolzufrieden wahren/
und gleichergeſtalt ſich in ein Heer zuſammen ſetzeten/ auch mit verwunderung ſahen/ daß
ſie nunmehr den Feind an der Menge umb ein groſſes uͤbertraffen. Spitamenes taht eine
kurze Vermahnung an ſeine kleinmuͤhtige Leute/ ſie moͤchten ihrer Ehr und Nahmens
eingedenke ſeyn/ und den unabloͤſchlichen Schimpf ſolcher unruͤhmlichen Niederlage nit
auff ſich laden; er wuͤſte daß er Parther bey ſich haͤtte/ nehmlich ſolche Kriegsleute/ die vor
ihres Koͤniges Ehre biß zu dem lezten Athem zu fechten bereit und willig waͤhren. Wo-
durch er ſie auch ermunterte/ daß ſie ſich erklaͤreten/ noch einen ſolchen Fall zu wagen/ der
ihnen ruͤhmlich ſeyn wuͤrde. Ihr Einbruch mit geſchloſſener Ordnung wahr ſehr heftig/
welchen Ladiſla und Tyriotes auffhielten/ Pharnabazus aber mit 3000 Mann von der
Rechten her/ und Herkules mit 2000 von der Linken in ſie ſetzeten/ daß ihre Ordnung ge-
trennet ward/ ſo daß ihrer viel ſich nach der Flucht umbſahen/ denen ihr Feld Herr zurief/
wohin ſie gedaͤchten; ob ſie vermeineten ihrem Koͤnige wilkommen zu ſeyn/ wann ſie als
verzagete Memmen ohn Wunden davon renneten. Wodurch er ſie in etwas zum ſtande
brachte/ ſich enge zuſammen zogen/ und noch einen verzweifelten Saz wageten/ aber/ weil
die unſern in gar zu feſter Ordnung hielten/ nicht durchbrechen kunten/ wiewol es hieſelbſt
abermahl ſehr uͤber Pharnabazus Voͤlker ging. Ladiſla ſahe ihn Noht leiden/ ermunterte
die ſeinen mit freudigen Worten/ und griff von neuen ernſtlich an/ daß Pharnabazus Luft
bekam/ und ſeinen Schaden gedoppelt erſetzete. So gluͤckete es Ladiſla/ dz er den Feld Herꝛn
Spitamenes ſelbſt antraff/ und mit ihm einen abſonderlichen Kampff hielt/ der ſich eine
gute Zeit redlich wehrete/ biß ihm Schild und Helm ganz zerſchlagen wahr/ da Ladiſla zu
ihm ſagete: Ritter ſtuͤrzet euch nicht muhtwillig in den Tod/ nachdem ihr euren Ehren ge-
nug getahn/ ich wil euch Gnade erzeigen/ da ihrs begehret. Dieſer ſahe wol/ daß er auff
andere Weiſe dem Tode nicht entgehen wuͤrde/ weil der groͤſte Teil ſeiner Voͤlker umb
ihn her erſchlagen wahr/ nam deßwegen die angebohtene Gnade an/ uñ ward von 12 Reu-
tern ins Lager gefuͤhret und fleiſſig verbunden. Herkules ſahe daß die uͤbrigen der Feinde
ſich
[817]Vierdes Buch.
ſich nach der Flucht umbſahen/ nam 3000 Reuter zu ſich/ und hieb nach der rechten Sei-
ten umb ſie hin/ da er ihnen den Abzug verlegte/ dz ſie allenthalben umbgeben/ wie das Vieh
nidergeſchlagen wurden/ biß die uͤbrigen/ an der Zahl 3000/ das Gewehr von ſich worf-
fen und umb Gnade rieffen/ die ihnen nicht verſaget ward. Nach erhaltenem Siege ſtie-
gen Herkules uñ Ladiſla von ihren Pferden/ danketen Gott herzlich vor die Uberwindung/
und bahten ihn umb ferner Gluͤk und Segen/ das ihr Vorhaben bald moͤchte ins Werk
gerichtet werden. Hernach zaͤhleten ſie ihre Voͤlker/ und funden/ daß Pharnabazus 2100
Ladiſla 800 und Herkules 700 eingebuͤſſet hatten/ ingeſamt 3600 Mann/ da hingegen von
den Feinden 21000 auff der Wahlſtatlagen; doch funden ſich unter den unſern 1900 haꝛt
verwundet/ von denen 400 das Leben zuſetzeten/ und die uͤbrigen wol geheilet wurden. Die
Gefangenen wurden von 300 Mann im Lager verwahret/ die übrigen gingen 10000 ſtark
deſſelben Tages noch drey Meile in Feindes Land/ ſengeten/ wuͤrgeten und verderbeten al-
les/ was ihnen vorkam/ und machten ein ſolches Schrecken in den umliegenden Orten/ daß
die Inwohner mit Weib und Kind auffbrachen/ und eine Tager eiſe ins Land hinein fluͤch-
teten. Die unſern aber nach erlangeter groſſer Beute/ welche ſie auf Wagen und Laſt Tih-
ren fortſchleppeten/ kehreten wieder umb/ kahmen des Morgens auff der Wahlſtat an/ und
hielten Pluͤnderung/ lieſſen ihre Todten ehrlich begraben/ und was in des Feindes Lager
gefunden ward/ nam Herkules alles zu ſich/ daß es Artaxerxes geliefert wuͤrde. 200 Reu-
ter von den unſern muſten nach gehaltener Schlacht umher reiten/ und die ledigen Pferde
zuſammen treiben/ deren ſie 20000 einbrachten. Sie verguͤnſtigten Spitamenes/ daß er
mit ihnen die Wahlſtat beſahe/ wobey ihm die Augen uͤbergingen; inſonderheit verwun-
derte er ſich der trefflichen Mann- und Erfahrenheit unſerer Helden in ſolcher ihrer Ju-
gend/ die mit Pharnabazus ſich ſchon verglichen hatten/ alle Gefangene ſamt ihren Feld-
Obriſten ohn Entgelt loßzulaſſen/ und redete Herkules denſelben alſo an: Mein Herr/ ich
moͤchte wuͤnſchen/ daß mir nicht urſach gegeben waͤhre zu dem ergangenen groſſen Blut-
vergieſſen/ und was ſonſten dabey vorgangen iſt; weil aber dieſer mein lieber Geſelle und ich
durch groſſe angelegte Beſchimpffung darzu ſind gezwungen worden/ haben wir einen ſol-
chen fall wagen muͤſſen; auff euer Haͤupt haben wir nichts zuſprechen/ ihr habt vor euren
Herrn redlich geſtritten/ wie ein jeder Diener ſchuldig iſt/ daher ſchenken wir euch Leben uñ
Freyheit/ zuzihen/ wohin euchs geluͤſtet/ mit allen euren annoch lebendigen Leuten/ doch/ da
ihr uns bey ritterlichen Ehren angeloben werdet/ daß ihr ungeſeumet nach Charas reiten/
und eurem Koͤnige den Verlauff der geſtrigen Schlacht ohn Zuſatz und Abzug/ als viel
euch bewuſt iſt/ anzeigen/ auch daneben vermelden wollet; Mein Bruder Koͤnig Ladiſla uñ
ich Groß Fuͤrſt Herkules/ die er vor ſeine Knaben und Knechteſchilt/ haben ihm zum erſten
Anfange dieſes Kinderſpiel und Knechtiſche Auffwartung ſehen laſſen/ deren in kurzem
mehr folgen moͤchten; hat er nun nach ſeinem auffgeblaſenen Stolze/ Ruhten binden laſ-
ſen/ uns zu zuͤchtigen/ wollen wir ihm unverzagte Herzen und rege Faͤuſte entgegen ſetzen/
da unſer Feur ſengen und brennen/ und unſer Schwert ſchneiden ſol/ als lange er uns den
Nahmen ſeiner Knaben und Knechte geben wird. Spitamenes erfreuete ſich der unverſe-
henen Gnade/ und verſprach in aller Gegenwart/ das anbefohlene getraͤulich zuverrichten/
ſetzete ſich neben andern wenigen zu Pferde/ und muſten die uͤbrigen faſt gar nacket und ohn
L l l l lGewehr/
[818]Vierdes Buch.
Gewehr/ bloſſes Haͤupts und Barfuß hinter ihm ohn alle Ordnung herlauffen. Die un-
ſern brachen auch auf nach Perſepolis/ trieben 22000 Reuter Pferde mit Sattel uñ Zeug;
28000 Wagen Pferde; 18000 Ochſen und Kühe/ 600 Maul Eſel/ 300 Kameel Tihre/
15000 junge Manſchafft von Parthiſchen Einwohnern/ 12000 junge Weiber und Jung-
ſern; auch 6000 Knaben und Maͤgdlein vor ſich her/ und wahr alles Viehe mit dem er-
beuteten Raube beleget.


Gleich deſſelben Tages/ da dieſe Schlacht gehalten ward/ geriet Fraͤulein Herkuliſka
in die allergroͤſſeſte Gefahr ihrer Ehren/ da ſie ihr deſſen am wenigſten vermuhten wahr.
Koͤnig Artabanus unehelicher Soͤhne einer/ nahmens Gotarzes/ ein friſcher Juͤngling
von 18 Jahren/ hatte bey Valikules Kampffe mit Mithrenes/ der Fraͤulein Schoͤnheit auf
dem Obergange wahr genommen/ und in dieſelbe ſich ſo hefftig verliebet/ daß ihm unmoͤg-
lich wahr/ die Flammen laͤnger zuerdulden/ gedachte deswegen auf alle Gelegenheit/ ihr ſei-
ne Liebe zuentdecken/ und derſelben entweder zugenieſſen/ oder froͤlich druͤber zuſterben. Er
ſtund mit der Fraͤulein Leib Jungfer/ Statipna in guter Kundſchafft/ durch deren Vor-
ſchub er ihren Willen hoffete zuerlangen/ dafern er nur derſelben ein Schreiben beybringẽ
koͤnte/ welches er durch einen Verſchnittenen endlich erhielt/ als derſelbe auff ihr Schloß
verſchicket ward/ die Hofmeiſterin nach dem Koͤnige zuhohlen. Dieſe Leib Dienerin/ da ſie
das Schreiben empfing/ meynete nicht anders/ es wuͤrde der junge Herr umb etwas anſu-
chen/ welches ihm vor dem ſchon nicht gewegert wahr/ ging an einen einſamen Ort/ und
laſe folgende Worte: Die hohe Zuverſicht auff eure Traͤue/ vielgeliebte Statipna/ hat mich kuͤhn
gemacht/ ihr ein ſolches zuoffenbahren/ wodurch ich ihr Macht uͤber mein Leben und Tod zuſtelle/ in-
dem ich mit meiner Feder ausbeichte/ mit was unauffloͤßlichen Stricken der ausbuͤndigſten Schoͤn-
heit (welche ihr taͤglich vor Augen zuſehen gewirdiget ſeyd) ich gefeſſelt bin/ ſo daß ich entweder ſter-
ben/ oder deren Hulde genieſſen muß. O getraͤuer Buhle/ nehmet euch meiner Wolfahrt an/ und goͤn-
net nicht/ daß euer Freund Gotarzes ohn Huͤlffe vergehen muß/ helffet nur/ daß ich deren Herz erſtrei-
ten moͤge/ welche ihr das meine zu eigen gemacht hat/ damit ich neue urſach finde/ euch gluͤkſelig zuma-
chen/ und mehr als einige eures Standes in dieſer Welt. Vor dißmahl iſt mein geſinnen nur dieſes/
daß ihr eingeſchloſſenen Brief der unvergleichlichen Boͤhmiſchen Fraͤulein einhaͤndiget/ und euch aller
Sachen unwiſſend ſtellet/ mich derſelben als ohngefehr ruͤhmet/ und auff ihre Reden und Geberden
fleiſſige acht gebet/ welche ihr mir wieder hinterbringen werdet/ und ich daraus nach ſinnen moͤge/ weſ-
ſen ich bey dieſer Weltſchoͤnſten zuhoffen oder zufuͤrchten habe. Dieſes ſuchet und bittet der hoͤchſtveꝛ-
liebete/ euer Freund Gotarzes.


O weh mir elenden/ ſagte ſie nach Verleſung/ was vor eine unertraͤgliche Laſt wird
mir auffgebürdet! O Fuͤrſt Gotarzes/ welches Ungluͤk hat dieſe Gedanken in euch erwec-
ket/ die euren/ und auch wol meinen gewiſſen Tod verurſachen werden? zwar ich erkenne
mich euch verbunden/ aber das begehrete iſt zu ſchwer/ und mit meinem unvermeidlichen
Verderben verknuͤpffet. Doch gedachte ſie der Sache dieſen ganzen Tag fleiſſig nach/ und
wahr nicht willens/ der Fraͤulein den Brief einzureichen/ weil ſie ſich befuͤrchtete/ er moͤch-
te dem Koͤnige Artabanus von ihr zugeſchicket werdẽ. Frl. Herkuliſka nam ihrer Schwer-
muͤtigkeit bald wahr/ und ſahe/ daß ſie ihren Rok fleiſſig zuſammen wickelte/ und unter die
andern Kleider verſteckete/ da ſie ſich ſchlaffen legte/ deswegen ſie gleich argwohnete/ es muͤ-
ſte etwas heimliches darinnen verborgen ſeyn; ſtund derhalben/ da jene im tieffeſtẽ Schlaf-
fe lag/
[819]Vierdes Buch.
ſe lag/ von ihrem Bette auff/ nam den Rok in aller ſtille mit ſich in die Stube/ und weil ſie
ihr Liecht daſelbſt hatte brennen laſſen/ fand ſie beyde Schreiben/ da ſie nach Verleſung des
vor erwaͤhneten heftig erſchrak/ und ſich entſchloß/ das andere auch zuerbrechen/ und deſſen
Inhalt zuſehen/ welches alſo lautete:


O Sonne dieſer irdiſchen Welt! O du reineſter Glanz aller Vollkommenheiten! Was vor Un-
gluͤk verſchleuſſet ein ſo unſaͤgliches Gut in dem Gefaͤngniß der neidiſchen Mißgunſt? Welcher Fre-
vel entzeuhet der ganzen Welt die ſo hoch begehreten Strahlen der Erquickung? Unvergleichliches
Fraͤulein/ Schmuk dieſes Erdbodems; Verzeihet/ bitte ich/ eurem demuͤhtigſt-ergebenſtem Knechte/
der Euer Durchl. ſich mit Leib und Seel zueigen liefert/ nebeſt vollkommenſter Gewalt uͤber ſein Le-
ben und Tod/ und ſeine alleruntertaͤhnigſte Dienſte darleget/ eure Vortrefligkeit aus den verſchloſſenẽ
Mauren loßzumachen/ damit er nicht zugleich mit ihr ſterben und untergehen moͤge. Verflucht ſey
das Alter/ welches der Jugend nachhaͤnget/ und darzu weder geſchikt noch duͤchtig iſt. Aber O du un-
wirdiger Gotarzes/ laß ab ſolches zuhoffen/ was uͤber dein Vermoͤgen ſchwebet/ und erkenne deine Ge-
ringfuͤgigkeit/ welche nicht zulaͤſſet/ daß du deine aͤdle Gedanken derſelben oͤffentlich darlegeſt/ welche
den Himmel ſelbſt und aller Sternen Klarheit trotzet. Doch du haſt die Kuͤhnheit ergriffen/ deine
Beichte zutuhn/ des wegen bekenne dieſer allervollkommenſten Schoͤnheit/ daß du ohn Bedingung ihr
Ergebener ſeyſt/ und dich ſelig ſchaͤtzen wirſt/ wann deren allerhelleſten Aeugelein dein Schreiben an-
zuſehen wirdigen/ und auch nur den aͤuſſerſten Strahl ihrer Gunſt und Gnade auff dich abſchieſſen
wollen; Kanſtu aber ein ſolches wegen deiner Unwirdigkeit nicht erlangen/ ey ſo ſtirb doch in dieſen ho-
hen Gedanken/ weil du lieber tod ſeyn/ als ohn dieſer voll-ſchoͤnen Gunſt leben wilt/ gegen welche/
alle uͤbrige/ auch deines leiblichen Herrn Vaters Gnade/ viel geringer/ als der Kieſelſtein gegen den
Demant zuſchaͤtzen iſt. So erwarte nun der Antwort in beſtaͤndiger Hoffnung/ verſichere deine Be-
herſcherin/ daß du bereit ſeyſt/ und Mittel habeſt/ den alten unbendigen Liebhaber zuſtuͤrzen/ und dich
an ſeine Stelle zuſetzen; Schließlich/ daß du im Tode und Leben verbleibeſt der Allervollkommenſten
Koͤniglichen Fraͤulein Herkuliſken ganz ergebener Knecht und Leibeigener Gotarzes.


Nach Verleſung deſſen ward ſie in ihrem Gemuͤht ganz verwirret/ machte den Brief
fein wieder zu/ legte alles anſeinen Ort/ und blieb voller Gedanken/ wie ſie dieſes Ungluͤk
von ſich ablehnen koͤnte. Des folgenden Morgens nam ſie gelegenheit von ihrer Leibdiene-
rin etwas heraus zulocken/ und fragete ſie/ wie viel Soͤhne Koͤnig Artabanus noch am Le-
ben haͤtte/ und warumb ſie am Koͤniglichen Hofe ſich nicht auffhielten. Worauff dieſe zur
Antwort gab: Sie kennete ſeine Soͤhne nicht alle/ nur eines haͤtte ſie zimliche Kundſchaft/
welcher ohn Zweifel allen andern an Hoͤfligkeit und aͤdlem Gemüht weit vorginge/ daher
ihn der Koͤnig ſehr liebete/ und bey ſich am Hofe gerne duldete/ wuͤrde/ wie man davor hiel-
te/ das Reich nach des Vaters Tod erben/ und in der Herſchafft nachfolgen. Es iſt mir
ſehr lieb/ antwortete Herkuliſka/ daß mein Koͤnig einen ſo wolgerahtenen Sohn hat/ dem
ich auff Begebenheit billich alle zugelaſſene Freundſchafft erzeige/ damit nach meines Koͤ-
niges Ableben ich bey ihm in guten Gnaden ſeyn/ und nicht gar verſtoſſen werden moͤge.
Statipna wolte hierauff loßbrechen/ und ihr den Brief einhaͤndigen/ aber die Hofmeiſterin
verſtoͤrete ihr dieſen Handel/ in dem ſie ins Gemach trat/ und ihr anzeigete/ daß ſie zu dem
Koͤnige gefodert wuͤrde. Meine Leibdienerin zu dem Koͤnige? fragete Herkuliſka/ deſſen bin
ich ja ungewohnet/ und muß ſolches ohn zweifel etwas wichtiges auff ſich haben; ließ ſie
doch willig hingehen/ ungeachtet ſie den Anſchlag richtig erriet/ daß Gotarzes ſolches un-
ter des Koͤniges Nahmen ſpielen wuͤrde/ welcher dann ihrer in eines Buͤrgers Hauſe waꝛ-
tete/ ſchenkete ihr ein gutes Kleinot/ und fragete ſie/ ob ſie ſich ſeiner Wolfahrt nicht haͤtte
L l l l l ijlaſſen
[820]Vierdes Buch.
laſſen angelegen ſeyn. Dieſe verſuchete anfangs ihm die neue Liebe aus dem Sinne zu
ſchwatzen/ hielt ihm vor/ was Gefahr darauff ſtuͤnde/ dafern der Koͤnig deſſen nur einigen
Argwohn faſſen ſolte/ und erboht ſich/ in allen andern faͤllen ihm auffzudienen; Er aber nam
ſolches nicht zu herzen/ ſondern wolte wiſſen/ ob dem Fraͤulein der Brief uͤbergeben waͤhre/
und weſſen ſie ſich erklaͤret haͤtte; es waͤhre ihm allerdinge unmoͤglich/ ſeinen Vorſatz zubre-
chen/ davon ihn nichts als der Tod abwendig machen koͤnte. Nun wolan/ ſagte ſie/ ſo wird
Eure Durchl. dereins gnaͤdigſt erkennen/ in was Gefahr ich mich ihret halben ſtecke/ weil
meine Traͤue gegen dieſelbe viel groͤſſer iſt/ als daß ich ſie in ihrem Liebesleiden ſolte ver-
ſchmachten laſſen; und ob ich gleich aus hochwichtigen Urſachen den Brief hinterhalten/
ſo habe ich doch dem Fraͤulein ſchon ſo viel vorgetragen/ und Eure Durchl. geruͤhmet/ daß
von vollkommener Nieſſung alles deſſen/ was euer Herzwuͤnſchet/ nichts als bloß eure ab-
weſenheit euch abhaͤlt/ welches Eure Durchl. mir wol ſicher trauen mag/ deswegen ſuche
mein Fürſt nur gelegenheit/ ſich ehiſt einzuſtellen/ ſo daß kein Menſch von dem Frauenzim-
mer/ ohn allein ich/ deſſen inne werde/ und laſſe mich das uͤbrige machen. Wem wahr lieber
als dieſem Luſtbegierigen/ der ſchon ausrechnen durffte/ wie freundlich eꝛ wuͤrde empfangen
werden/ offenbahrete ihr daher/ er haͤtte den Obriſten der Schloſſes-Beſatzung mit 500
Kronen und maͤchtigen Verheiſſungen ſchon dahin beredet/ daß er ihn unter den Kaͤm̃er-
lingen verſtecken wolte/ als dem er eingebildet/ es waͤhre eine Jungfer unter der Fraͤulein
Geſpielen/ mit welcher er in Liebe ſtuͤnde. Alſo nam nun Statipna von Gotarzes abſcheid/
und verfuͤgete ſich wieder nach dem Fraͤulein/ die allein und in tieffen Gedanken ſaß/ auch
nicht wuſte/ weſſen ſie ſich verhalten ſolte/ daſern ihr der Brief geliefert/ und Gotarzes Be-
gehren zuwiſſen getahn wuͤrde. Sie hatte ohn das ſchon erfahren/ daß dieſer junge Herr
nicht allein dem Koͤnige/ ſondern allen Untertahnen lieb und angenehm wahr; ſolte ſie nun
dem Koͤnige ſein anmuhten verſchweigen/ und er deſſen von andern berichtet wuͤrde/ haͤtte
ſie ſich ſchon einer Buhlerey bey ihm verdaͤchtig gemachet; wuͤrde ſie es aber anzeigen/ ſo
kaͤme nicht allein Gotarzes in Lebensgefahr/ und ſie bey den Untertahnen in ſchweren Haß/
ſondern der Koͤnig wuͤrde uͤberdas noch verurſachet werden/ die ohndas ſtarke Verwa-
chung umb ſo viel eiferiger zuverſehen/ alſo daß ihrem Valikules dereins aller Zugang
moͤchte verſperret werden/ welches die einige urſach ihres Todes ſeyn wuͤrde. Gkeich da ſie
in dieſer Betrachtung wahr/ trat Statipna zu ihr/ und meldete ihr mit luſtigen Geberden
an/ es haͤtte nicht der Koͤnig/ ſondern der treffliche Fuͤrſt Gotarzes unter deſſen Nahmen
ſie abgefodert/ ihr die hohe inbruͤnſtige Liebe/ ſo er gegen Ihre Durchl. truͤge/ in hoͤchſter ge-
heim anvertrauet/ und dieſen Brief zugeſtellet/ ihrer Gn. denſelben/ naͤheſt Anmeldung ſei-
nes untertaͤhnigſten Gehorſams/ einzuhaͤndigen/ und genehme Antwort darauff zubitten.
Was ſageſtu? antwortete Herkuliſka/ traͤget der Koͤnigl. junge Fuͤrſt einige Liebe zu mir?
wie kan ihm ſolche gegoͤnnet oder zugelaſſen werden/ weil ſein Herr Vater ihm dieſelbe al-
lein wil vorbehalten haben? bey Leib und Leben/ ſage mir hievon ja nicht mehr/ und erinnere
ihn ſeiner kindlichen Pflicht/ womit er dem Koͤnige ſeinem Herr Vater verbunden iſt; ſtel-
le ihm auch das Schreiben unerbrochen wieder zu/ nebeſt dem Vermelden/ daß ich ihn ſehr
bitten und ermahnen laſſe/ ſolcher Gedanken muͤſſig zugehen/ und deſſen ja nichts an mich
ubegehren/ wodurch ſein Herr Vater koͤnte beleidiget werden/ weil ſolches ihn und mich
zugleich
[821]Vierdes Buch.
zugleich in den unvermeidlichen Tod ſtuͤrzen wuͤrde; im uͤbrigen wolle ich ihm alle Gewo-
genheit und Freundſchafft bezeigen/ ſo viel Zeit und gelegenheit goͤnnen kan. Dieſe hielt
ſolchen Abſchlag nicht vor ernſtlich/ und baht nochmahls/ zum wenigſten den Brief zule-
ſen; Sie aber ſagte: Es ſtuͤnde ihr nicht zu/ auff dem verwahreten Schloſſe Briefe anzu-
nehmen/ inſonderheit/ die ohn und hinter des Koͤniges Vorwiſſen geſchrieben wuͤrden/ daꝛ-
zu verdaͤchtiges Inhalts waͤhren; wolte dieſem nach ihres ferneren anſtraͤngens nicht ge-
waͤrtig ſeyn/ und ihr gebohten haben/ denſelben Gotarzes wieder einzuhaͤndigen/ daß ihn ja
kein Menſch zuſehen bekaͤhme/ da ſonſt der Inhalt mit ihrem muͤndlichen vorbringen eineꝛ-
ley waͤhre/ wie ſie nicht anders gedenken koͤnte. Hiedurch ward ſie von weiterer Anhaltung
abgeſchrecket/ ohn daß ſie immerhin von dem hochverliebeten Gotarzes ihre Reden fuͤhre-
te/ biß Herkuliſka endlich ungeduldig druͤber ward/ und ihr geboht/ das Faß zuzuſchlagen/
und deſſen nicht mehr zugedenken; Noch durffte dieſes verblendete Menſch es vor eine
aͤuſſerliche Verſtellung auslegen/ die nicht von herzen ginge/ daher ſie nach genommener
Abrede den jungen Herrn umb Mitternacht in aller ſtille auff die Stuben ließ/ hieß ihn da-
ſelbſt ſich entkleiden/ und ſich an der Fraͤulein Seite legen/ mit der Erinnerung/ ob ſie gleich
anfangs ſich ſtraͤuben und wegerlich erzeigen wuͤrde/ ſolte er ſolches nicht achten/ ſondern
es der gewoͤhnlichen Scham zuſchreiben; den herzhafften und kuͤhnen ſtuͤnde das gute
Gluͤk bey/ deſſen kein verzageter zugenieſſen haͤtte. Dieſer ohndas in ſeinen Begierden gar
verblendet/ nam ihm feſtiglich vor/ ohn ſeines Willens Erſaͤttigung nicht zuſcheiden/ und
legte ſich ſo ſanffte an ihre Seite/ daß ſie deſſen nicht inne ward/ weil ſie uͤber ihre Gewohn-
heit feſt eingeſchlaffen wahr. Als er nun durch Reizungen ganz uͤbernommen/ ſich wei-
ter nicht maͤſſigen kunte/ fing er an ſie zukuͤſſen/ wovon ſie alsbald erwachete/ und einen
Menſchen neben ſich empfindend/ eilend aus dem Bette ſprang/ nicht anders gedenkend/
es würde Artabanus ſelber ſeyn/ der ſich unterſtehen wolte/ ihr auff dieſe Weiſe beyzu-
kommen. Es wahr ihr aber das groͤſſeſte Ungluͤk/ daß das Liecht auff der Stuben/ dahin
ſie lieff/ außgeloͤſchet wahr/ und ſo finſter daß man keine Hand vor Augen ſehen kunte; weil
ſie nun gleichwol den Oꝛt wuſte/ da ihꝛe Kleideꝛ lagen/ machte ſie ſich dahin/ nam ihr Bꝛod-
meſſer zur Hand/ und ging wie der in die Kammer nach ihrem Bette/ ſprechend: Was voꝛ
ein Fremder findrt ſich hier an/ da er nichts zu ſuchen hat? Er aber trat zu ihr ein/ uͤberfiel
ſie mit hefftiger Liebeswuht/ und begunte mit ihr zu ringen/ ſie auff das Lager zuwerffen/
deßwegen ſie ihm das Meſſerchen ins Herz druͤckete/ daß er mit dieſem Worte: O ich ſterbe!
dahin fiel/ und keinen Finger mehr ruͤhrete. Bald darauff ſchlug ſie Feur/ zuͤndete ein Licht
an/ und rieff ihrer Dienerin/ welche vor groſſer Herzensangſt kein wort reden kunte/ und
ſich uͤberdaß als hart eingeſchlaffen ſtellete; fuhr endlich als aus tieffen Schlaffe auff/ und
fragete/ was ihre Gn. begehreten. O du leichtfertiger Balg/ ſagte ſie/ was vor ein Mañes-
bilde haſtu mir zugefuͤhret/ mich um meine Ehr zubringen? welcher den Lohn ſeiner Boß-
heit ſchon empfangen hat. Dieſe wolte von nichts wiſſen/ entſchuldigte ſich/ und lieff hin/
den Erſtochenen zubeſehen/ da ſie rieff: O ihr Goͤtter Fuͤrſt Gotarzes liegt alhier. Er ſey
wer er wolle/ antwortete Herkuliſka/ ich habe keinen Fuͤrſten/ ſondern einen frechen Buben
und Gewalttaͤhter erſtochen/ vor dem ich meine Ehre zubeſchuͤtzen gezwungen wahr/ zwei-
fele nicht/ du und kein ander Menſch habeſt ihn herzugefuͤhret/ deſſen du ſchwere Straffe
L l l l l iijauß-
[822]Vierdes Buch.
außſtehen ſolt. Dieſe warff ſich weit/ es moͤchte ihre Gn. ſolche ungleiche Gedanken doch
von ihr nicht ſchoͤpffen/ es waͤhre ihr von ſeiner Gegenwart nicht dz allergeringſte bewuſt/
würde auch ſolches nimmermehr verſchwiegen/ viel weniger eingewilliget haben/ welches
das Fraͤulein geduldig anhoͤrete/ und ſich ſtellete/ als glaͤubete ſie ihren Worten; doch trat
ſie zu ihr/ nam ihr beyde Schreiben aus dem Schiebſak/ und befahl/ daß ſie die Hoffmei-
ſterin herzu hohlen/ den Unfal verſchweigen/ uñ vorgeben ſolte/ ihr waͤhre eine geringe Oh-
macht zugeſtoſſen; welche ſich bald einſtellete/ da inzwiſchen Herkuliſka das Meſſer aus
der Wunde zog/ und das Loͤchlein mit Baumwolle zuſtopffete/ daß kein tropffen Blut her-
aus lieff. Die Hofmeiſterin fand ſie beim Lichte ſtehen in bleicher Geſtalt/ ſie aber nam als-
bald einen Strik/ band damit Statipnen Haͤnde feſt zuſammen/ und ſagte zu der Hofmei-
ſterin; Sehet meine Freundin/ hier binde ich eine Gottloſe Verraͤhterin/ welche mich bey
nahe umb meine Ehre gebracht/ uñ das künftige Koͤnigliche Ehe Bette beſudelt haͤtte. Die
Hofmeiſterin erſchark deſſen/ und erzaͤhlete ihr das Fraͤulein alles was ſich zugetꝛagen hat-
te/ ohn daß ſie den entleibeten nicht nahmhaft machete; Bedrauete hernach die Dienerin
mit der Folter/ daß ſie alles bekennen muſte. So bald der Nahme Gotarzes geneñet ward/
wuſte die Hoffmeiſterin vor Angſt nicht zu bleiben; aber das Fraͤulein troͤſtete ſie/ man muͤ-
ſte ein Herzergreiffen/ da man unſchuldig waͤhre; ſie ſelbſt haͤtte nicht gewuſt/ von wem ſie
ſo unzimlich angefallen waͤhre/ und wann ſie es gleich gewuſt haͤtte/ wolte ſie doch ihrer eh-
ren Rettung unvergeſſen geweſen ſeyn. Sie befragte die Verraͤhterin weiters/ durch weſ-
ſen Vorſchub Gotarzes auff das Schloß kommen waͤhre/ und als ſie Nachricht genug
hatte/ ſetzete ſie dieſen Brieff auff an den Koͤnig: Allergnaͤdigſter Koͤnig/ hoͤchſtgeliebeter Herꝛ;
das boßhafte Gluͤk wil nicht auffhoͤren/ meiner Ehren ſchaͤndliche Fallen zu ſtellen/ ſo daß/ wann die
guͤtigen Goͤtter/ bevorab die Goͤttin Veſta mir nicht augenſcheinlichen Beyſtand geleiſtet/ ich dieſe
Nacht meiner Keuſcheit-Ehre waͤhre entſetzet worden/ uñ zwar von einem ſolchẽ/ welchen euer Koͤnig-
liche Hocheit ich nicht nennen darff/ als der vor allen andern ſich ſolches Bubenſtuͤks haͤtte ſollen ent-
halten. Ich geſtehe/ daß meine Schuz Goͤttin Veſta mir mein Brodmeſſerchen in die Hand gelieffert/
gleich da der Gewalttaͤhter mich noͤhtigen wollen/ und ich nicht anders/ als auff dieſe Weiſe mich loß-
wirken koͤnnen/ daß ich ihm das Herz im Leibe abgeſtochen/ und hiedurch eurer Hocheit rein und un-
beflekt vorbehalten bin. Ob nun gleich der Taͤhter eurer Hocheit lieb und angenehm ſeyn mag/ zwei-
fole ich dannoch nicht/ die Schandtaht werde derſelben hoͤchlich mißhagen/ und daher/ wegen verteidi-
gung meiner Keuſcheit auff ihre gehorſame ganz ergebene Magd Herkuliſka keinen Unwillen werffen/
ſondern als ein gerechteſter Koͤnig ſprechen und ergehen laſſen was recht iſt. Beygefuͤgete Schreibẽ/
eines an meine Dienerin die Verraͤhterin/ das ander an mich/ ſo noch ungeoͤffnet/ werden den Taͤhter
und ſein verwaͤgenes Vorhaben an den Tag legen; und wer ſonſt Raht und Vorſchub zu deſſen Frech-
heit gegeben/ kan meine Hoffmeiſterin anmelden/ welcher ihre Koͤnigl. Hocheit/ als mir ſelbſt vollen
Glauben zuſtellen/ und ſtets gnaͤdigſter Koͤnig und Herr verbleiben wolle/ mir/ ihrer Hocheit un-
tertaͤhnigſt-gehorſamſten Dienerin Herkuliſken.


Bey fruͤher Tageszeit muſte die Hofmeiſterin dem Koͤnige dieſen Brieff ſamt denn
Beylagen bringen/ die faſt lieber in den Tod gangen waͤhre; der Koͤnig wahr noch nicht
auffgeſtanden/ daher ſie deſto beſſer ſich beſiñen kunte/ wie ſie es dem Koͤnige aufs glimpf-
lichſte vortragen wolte/ da ſie/ ſo bald ſie vorgelaſſen ward/ ihn alſo anredete: Allergnaͤdig-
ſter Herr und Koͤnig; eure Koͤnigl. Hocheit wird von ihrem Fraͤulein demuͤhtigſt gegruͤſ-
ſet und gebehten/ wegen neuer Zeitung/ welche in dieſem Schreiben zu offenbahren ſie ge-
zwun-
[823]Vierdes Buch.
zwungen wird/ ſich nicht zuentſetzen/ und bleibet ſie eurer Hocheit zu allen zeiten biß an ihr
Gelũbde allergehorſamſte Magd. Was bringet uns dieſe ungewoͤhnliche Erinnerung?
antwortete der Koͤnig; wir wollen ja nicht hoffen/ daß etwa verwaͤgene Ehren-Raͤuber
ſich auff unſer Fraͤulein Schloſſe duͤrffen finden laſſen/ welche ſolches trauen mit dem Hal-
ſe bezahlen muͤſten/ wans gleich mein liebſter Sohn waͤhre. Ihre Koͤnigl. Hocheit/ ſagte
ſie/ wird aus dem Schreiben volkommenen Bericht allergnaͤdigſt erſehen. Er brach daſ-
ſelbe mit ſonderbahrem Eifer/ und nach fleiſſiger durchleſung und außgeſtuͤrzeten ſeufzen
ſagte er: Nun mein Schaz; wir ſind deiner Liebe und Traͤue gnug verſichert; aber/ ſagte
er zu der Hofmeiſterin/ iſt nicht mein Gotarzes ſelbſt/ der boßhafte Schelm geweſen? und
wo ſind die im Schreiben erwaͤhnete Beylagen. Ach ihre Hocheit/ antwortete ſie/ ich zwei-
fele nicht/ die Liebe habe ihn zu ſolcher unbeſoñenheit gebracht/ und kan das Durchl. Fraͤu-
lein ſich uͤber den klaͤglichen Fall nicht zu frieden geben/ hat mich auch mit hochteuren
Worten verſichert/ daß ſie nicht ehe gewuſt/ wer ihrer Ehren nachſteller geweſen/ biß ſie
es von ihrer Leibdienerin gehoͤret/ worauff ſie ſich aus Unmuht ohn zweifel entleibet haͤtte/
waͤhre es von mir nicht verhindert worden. Die Beylagen betreffend/ hat man davon
nichts im geringſten gewuſt/ biß man ſie ohngefehr bey der Verraͤhterin gefunden. Als deꝛ
Koͤnig den verſchloſſenẽ gar durch geleſen hatte/ fing er aus heftigem Zorn an: O du gott-
loſer Schelm/ nimmermehr biſtu von mir gezeuget/ ſonſt würdeſtu ſolcher dreyfachen Un-
taht dich nicht ſchuldig gemacht haben/ wodurch du verdienet/ daß wir dich/ andern zum
Beyſpiel/ lebendig ſchinden und vierteln lieſſen/ wann du nicht ſchon deine Straffe/ wie
wol viel zugelinde/ empfangen haͤtteſt. Sagte hernach zu der Hofmeiſterin; meldet unſerm
getraͤuen Fraͤulein und liebſten Schatze an/ daß ſie im wenigſten nicht/ dieſer Taht wegen
ſich bekuͤmmere/ ſondern daß wir ſie deßwegen ruͤhmen/ und alle Gnade ihr wieder fahren
laſſen wollen. Die Hoſmeiſterin bedankete ſich im Nahmen der Fraͤulein/ und zeigete der-
ſelben gutdünken an/ daß umb anderer Leute willen dieſer Unfall des jungen Fürſten in
hoͤchſter geheim gehalten/ und die Mitſchuldigen/ als Statipna/ und Bardanes ihrer
Beſatzung Oberſter/ aller Urſache ungemeldet/ am Leben moͤchten geſtraffet werden; wel-
ches nach kurzem bedenken der Koͤnig vor gut hielt/ ließ alsbald den Obriſten in Stücken
zerhauen/ die Dienerin in einen Sak ſtecken und in der Fraͤulein Schloß Graben ertraͤn-
ten/ das Fraͤulein aber durch die Hofmeiſterin troͤſten/ und ſie vermahnen/ daß auff ihrem
keuſchen Sinne ſie ſtandfeſt verbleiben moͤchte/ welches ihr mit hoͤchſten Gnaden ſolte
vergolten werden.


Als Herkules und Ladiſla mit ihrem Heer und der groſſen Beute der Stad Perſe-
polis naheten/ lieſſen ſie ihre Anweſenheit Artaxerxes wiſſen/ daher er voller freuden ihnen
mtgegen ritte/ und nach Pharnabazus umbſtaͤndlicher Erzaͤhlung/ es ſchier vor unglaͤub-
lich hielt; ruͤhmete unſere Helden offentlich vor dem ganzen Heer/ ſprach ihnen die ganze
Beute des Lagers zu/ und ſendete an alle Bundsgenoſſen außfuͤhrlichen Bericht/ woduꝛch
bey denſelben nicht allein eine unſaͤgliche Freude/ ſondern zugleich auch eine Verachtung
des Feindes erwecket ward/ deſſen Krafft und Mannheit ſie bißher vor unuͤberwindlich
geſchaͤtzet hatten.


Zu Charas ſprengete dz Geſchrey gar zeitig aus/ was geſtalt die Perſen einen Feind-
lichen
[824]Vierdes Buch.
lichen Einfall ins Land gethan/ und alles auff ſieben Meile Weges verwuͤſtet/ verbrennet/
geraubet und erwuͤrget haͤtten/ und weil das Koͤnigliche Heer unter Spitamenes deßwe-
ges hin ſein Lager gehabt/ wolte man nicht zweiffeln/ ſie muͤſten alle erſchlagen/ und kein ei-
niger davon entruñen ſeyn/ welches doch niemand vor den Koͤnig bringen wolte/ biß Fürſt
Vologeſes zu Charas anlangete/ (welcher verreiſet geweſen) und ihm zuverſtehen gab/ er
fuͤrchtete ſehr/ Spitamenes wuͤrde den Feinden in die Haͤnde gefallen ſeyn. Des folgen-
den Tages gelangete derſelbe mit zwanzig ſeiner uͤberbliebenen Befehlichshaber an vor
dem Stad Tohr/ und durch zeigung ſeiner verbundenen Wunden und traurigen Geberden
gab er den erlittenen Schaden gnug zuverſtehen. Ob er ſich nun gleich vor des Koͤniges
ſchwerer Ungnade fuͤrchtete/ nam er ihm doch vor/ die anbefohlene Werbung traͤulich/ wie
wol auffs glimpflichſte zu verrichten/ ließ ſich bey dem Koͤnige demuͤhtigſt angeben/ welcheꝛ
ſeiner Gegenwart ſich verwunderte/ und ihm daher nichts gutes traͤumen ließ/ gab ihm
doch Freiheit vorzutreten/ und ward alſo von ihm angeredet: Allergroßmaͤchtigſter/ un-
uͤberwindlichſter Koͤnig/ nachdem ihre Koͤnigl. Hocheit mir ein fliegendes Heer allergnaͤ-
digſt anvertrauet hat/ mit Befehl/ damit die Grenzen vor vermuhtlichem Einfal des ab-
truͤnnigen Perſen zu verwahren/ und da es die Gelegenheit geben wuͤrde/ der Straffe
wieder die Auffruͤhrer den Anfang zu machen/ oder/ da einige feindliche Voͤlker/ denen ich
vermeinete gewachſen zu ſeyn/ antreffen wuͤrde/ ſie anzugreiffen/ habe ich mich in unter-
taͤhnigſtem Gehoꝛſam fertig gemacht/ und gleich da ich willens wahꝛ auffzubrechen uñ den
Feind zu ſuchen/ von ihrer Hocheit den Befehl bekommen mich der Vorſichtigkeit zuge-
brauchen/ welche Warnung ich nicht verachtet/ und bald darauff Kundſchaft eingezogen/
daß ein fremder Feind in unſern Grenzen durch Schwert und Brand bereit alles verder-
bete/ daher ich ungeſeumet mit guter Ordnung und Vorſichtigkeit ihm begegnet/ uñ weil
er an Mannſchaft den drittenteil geringer als ich wahr/ mit voller Schlachtordnung auf
ihn gedrungen und das Spiel gewaget/ da ich geſtehen muß/ dz ich die Blume ihrer Rit-
terſchaft angetroffen/ maſſen ſie alle mit Harniſch/ Schwertern und Pfeilen/ auch mit rit-
ter Speeren geruͤſtet/ ſich dermaſſen vortelhafftig gebraucheten/ dz ſie die unſern wie Muͤc-
ken niderlegeten/ ungeachtet ſie weder des Orts/ noch Windes noch Sonnen/ nicht den
allergeringſten Vortel hatten; ja ihre Schwerter hoͤreten nicht auff zuſchneiden/ biß mei-
ner Leute 21000 erſchlagen/ ich im abſonderlichen Streite erleget/ und die wenigen uͤbrigẽ
von den meinen/ ihre Waffen niderzulegen gezwungen wurden; ob ich nun alles daß red-
lich verſehen/ was beydes einem Heerfuͤhrer und Kriegsmann zuſtehet/ werden Freunde
und Feinde zeugnis geben koͤnnen/ auff welchen fall/ da mir keine Schuld/ wie ich weiß/ zu-
gemaͤſſen werden kan/ von Euer Koͤnigl. Hocheit ich untertaͤhnigſt bitte/ des Gluͤckes un-
fall mir nicht zuzuſchreiben. Der Koͤnig ward des Vorbringens ſehr zornig/ ſchalt und
ſchmaͤhete ihn auffs aͤuſſerſte/ neben Bedraͤuung/ er wolte ihn andern zum Beyſpiel ſchon
zufinden wiſſen; Welches Spitamenes alſo beantwortete: Wann ich Gluͤckesfaͤlle ver-
antworten ſol/ bin ich willig/ Euer Hocheit ſtraffen uͤber mich zunehmen/ ungeachtet ich
mich auff mein Gewiſſen und aller annoch lebendigen Zeugniß beruffe/ daß ich nichts un-
terlaſſen/ was einem redlichen Feld Herrn zuſtehet/ als lange ich mein Schwert zuführen
beſtand geweſen bin; wo der Streit am hefftigſten wahr/ habe ich mich finden laſſen/ den
ſchwachen
[825]Vierdes Buch.
ſchwachen habe ich zu rechter Zeit Entſatz zugeſchicket/ die verzagten auffgemuntert/ die zu-
ruͤk weichenden der Parthiſchen Herzhafftigkeit erinnert/ die Fluchtbegierigen ſelbſt wie-
der angetrieben/ und mich nicht gewegert/ mit Koͤnig Ladiſla einen abſonderlichen herben
Kampff zuhalten/ deſſen Kraͤffte und Erfahrenheit/ bekenne ich/ mir uͤberlegen geweſen/ uñ
den meiſten Teil meines Bluts aus meinen Wunden gezapfet. Artabanus beſan ſich hieꝛ-
auff/ und fragete/ wie ſtark der Feind dann eigentlich/ und was vor Art Voͤlker ſie geweſen?
Er antwortete: Es fuͤhrete der Feind 16000 Mann auff mich an/ in dreyen Hauffen/ muß
geſtehen/ daß ihre zween vornehmſte Feld Herren/ Groß Fuͤrſt Herkules aus Teutſchland/
und Koͤnig Ladiſla aus Boͤhmen/ mir allerdinge unuͤberwindlich vorkommen ſeyn/ als viel
Leibes Geſchikligkeit und Krafft nebeſt Kriegs-Erfahrenheit betrifft; ja allergnaͤdigſter
Koͤnig/ wann die Goͤtter in menſchlicher geſtalt erſcheinen wolten/ wuͤrden ſie ihren Muht/
Art und Leib annehmen; Da wahr kein Schild noch Helm vor ihrem Schwerte ſicher/
ihre Augen fünkelten ihnen im Kopffe wie gluͤende Kohlen/ und taht Herkules Pferd mit
beiſſen und ſchlagen ja ſo groſſen Schaden/ als ſein Reuter mit hauen und ſtechen. Wie
grimmig ſie aber im treffen wahren/ ſo hohe Gnade erzeigeten ſie den uͤbeꝛwundenen/ indem
ſie mich und die meinen verbinden/ ſpeiſen und traͤnken lieſſen. Ihre Voͤlker gaben ſich zwar
vor Roͤmiſche Untertahnen aus Syrien an/ aber ich habe gewiſſe Nachricht erhalten/ daß
ſie alle mit einander Artaxerxes Voͤlker und gebohrne Perſen ſind/ von obgedachten ihren
beyden Feld Herren dergeſtalt abgerichtet/ daß ſie vor die beſten Kriegs Knechte billich zu
halten. Mich und meine uͤberbliebene betreffend/ haben ſie ohn einiges Entgelt frey geſpro-
chen/ nur daß ich verheiſſen muſte/ Euer Hocheit ihre Werbung zuhinterbringen. Gleich
dazumahl kam Vologeſes darzu/ ſahe Spitamenes bleich und verbunden ſtehen/ und erken-
nete daher/ daß das Geſchrey nicht erlogen wahr; Spitamenes freuete ſich ſeiner Ankunft
ſehr/ weil er ihm ſehr gewogen/ und von der Mutter ſeiten her verwand war; Und muſte er
ſeine ſchon getahne Erzaͤhlung wiederhohlen; Worauff ihn Vologeſes fragete/ wie doch
die beyden ſremden Fuͤrſten geſtalt waͤhren; als er nun vernam/ daß ſie beyde ſo ſchoͤn und
zart wahren/ ſagte er: So habe ich mir falſche Gedanken eingebildet/ welche ich ſchier mit
einem aͤide bekraͤfftigen duͤrffen. Was entbieten uns aber die beyden Landlaͤuffer? fragete
der Koͤnig. Der juͤngſte/ antwortete er/ von dieſen beyden/ nahmens Herkules/ deꝛ noch kein
Haar umbs Maul hat/ uud ſolcher Schoͤnheit iſt/ daß er alle Weibsbilder dieſer Welt/ mei-
nem beduͤnken nach/ uͤbertrifft/ gab mir dieſen Befehl. Deutet eurem Koͤnige an/ mein
Bruder Koͤnig Ladiſla und ich/ die er vor ſeine Knaben und Knechte ausruffet/ haben ihm
dieſes erſte Kinderſpiel und Knechtiſche Auffwartung ſehen laſſen/ worauff bald mehr fol-
gen ſollen; hat dann euer Koͤnig laſſen Ruhten uͤber uns binden/ wollen wir ihm unverzag-
te Herzen und Faͤuſte entgegen ſetzen. Dieſer Rede ergrimmete Artabanus/ und fuhr her-
aus: Haben die ohmaͤchtige Bettel Fuͤrſten uns noch weiters draͤuen duͤrffen? Wolan/
es ſol ihnen wiederfahren/ was ſie verdienen; Hieß darauff Spitamenes abtreten/ und be-
gehrete von Vologeſes ihm ſeine Meynung zuſagen; Welcher alſo anfing: Allergnaͤdig-
ſter Koͤnig/ ich erinnere Eure Hocheit/ daß mirs ſchon im Anfange nicht gefallen/ daß man
dieſe fremden nicht eins einer ſchrifftlichen Antwort auff ihr begehren/ wirdigen wollen/
welches uns ſchon ſo tapffere Kriegsleute gekoſtet hat; man ſol ſeinen Feind/ den man ge-
M m m m mdenket
[826]Vierdes Buch.
denket zu daͤmpffen/ nit verachten/ wie ſchlecht und geringe er auch ſcheinẽ mag/ dañ zuzeitẽ
ſtraffen die groſſen Goͤtter durch veraͤchtliche Mittel/ wie ich deſſen viel Begebniſſen ein-
führen koͤnte/ kan aber an Alexander dem Mazedoniſchen Koͤnige gnung ſeyn/ welchen die
zornigen Goͤtter mit einer Handvoll Volks uͤber das Meer ſchicketen/ daß er ganz Aſia uñ
Afrika mit ſeiner Geiſſel zũchtigen muſte; und wer weiß/ was die Goͤtter mit dieſen beyden
jungen Fuͤrſten im Sinne haben/ deren Tapfferkeit und Verſtand von Spitamenes (wel-
cher trauen kein Kind iſt) ſo hoch geruͤhmet wird. Der Koͤnig kunte vor Ungeduld ihm
nicht laͤnger zuhoͤren/ und ſagete: Mein Vologeſes/ iſt euch heut etwa ein Haſe quehr uͤber
den Weg gelauffen/ daß ihr euch eines Ungluͤks befuͤrchtet. Kein Haſe/ allergnaͤdigſter Koͤ-
nig/ antwortete er/ ſondern die vielfaͤltigen Ungluͤk Zeichen/ die von allenthalben her ange-
meldet werden/ heiſſen mich bedachtſam ſpielen/ damit man nicht in ein Feuꝛ lauffe/ welches
man wol meiden kan. Ey was Feur/ was Feur/ ſagte er/ haben die beyden fremden Lecker-
Buben uns dieſen Schimpff erwieſen (dann vor Schaden koͤnnen wirs nicht rechnen/ dz
unſere faule nichtswerte Kriegsleute erſchlagen ſind)/ ſo wollen wir uns bemuͤhen/ daß die-
ſe Knaben nach Verdienſt geſtrichen werden; aber wie dünket euch umb Spitamenes/ daß
ers ſo ſchlimlich verſehen hat? Ich kan davon nicht urteilen/ antwortete er/ ehe und bevor
ich ſeiner Leute Auſſage haben werde/ muß ihm ſonſt das Zeugniß geben/ daß er bißher alle-
mahl in Kriegsgeſchaͤfften vorſichtig/ tapffer und gluͤklich geweſen. Der Koͤnig ließ denſel-
ben wieder vor ſich fodern/ unterdeſſen Vologeſes ihn vermahnete/ es würde noͤhtig ſeyn/
daß ihm dieſer Verluſt vergeben würde/ damit andere Feld Herren nicht furchtſam gema-
chet werden moͤchten. Madates/ ein verwaͤgener/ und in ſeinem Vornehmen gluͤklicher
Mann/ dem Koͤnige von mütterlicher ſeiten her nahe verwand/ trat mit Spitamenes zu-
gleich hinein/ welchen der Koͤnig alſo anredete: Auf mein Madates/ und ſihe zu/ daß du des
ungluͤklichen Spitamenes Wunde verbindeſt/ welche ihm die Kinder aus Teutſchland ge-
ſchlagen haben; nim unſerer beſten Parthiſchen Reuter 40000 zu dir/ damit gehe an die
Perſiſchen Grenzen/ ſenge und brenne was du kanſt/ und ſchlage nider was Perſiſch iſt uñ
heiſſet. Vologeſes baht den Koͤnig ſehr/ er moͤchte nichts aus Zorn und Eifer vornehmen/
damit nichts verſehen würde/ das man hernach zu ſpaͤt beklagen müſte. Aber Madates be-
dankete ſich des gegebenen Befehls/ mit dem verſprechen/ er wolte ſeinen Freund Spita-
menes dergeſtalt an den ohmaͤchtigen Perſen und ihren Führern raͤchen/ daß der Koͤnig
ſeine Luſt dran ſehen ſolte. Spitamenes ſagte zu ihm: So ſehet euch wol vor Herr Mada-
tes/ und verſahret mit gutem Bedacht/ dann ich kan nicht unterlaſſen/ krafft meineꝛ Pflicht
und aͤide/ damit ich meinem Herrn und Koͤnige verbunden bin/ euch anzuſagen/ daß keine
Kinder/ ſondern tapffere Maͤnner euer warten werden. Ich moͤchte auch nicht gerne mit
Kindern zufechten haben/ antwortete er/ aber wie dicke Harniſche es gleich ſeyn moͤgen/ in
welchen ſich die Perſen verſtecken/ wolte ich mich vermaͤſſen/ ihnen dieſelbe ohn Schwert
mit Knütteln dergeſtalt zutreffen/ daß ſie drinnen erſticken ſolten. Die gũtigen Goͤtter/ ant-
wortete Spitamenes/ wollen euch hierzu ihren Segen verleihen/ daß jederman hernaͤhſt
ſprechẽ moͤge/ niemand als Spitamenes habe ſich ſchlimmer wider die beyden Fremdlinge
bezeiget; aber ich fuͤrchte ſehr/ ihr werdet mit dieſem Vorſatze wenig gutes ſchaffen. Ma-
dates taht/ als hoͤrete ers nicht/ und verſprach dem Koͤnige/ heut uͤber drey Tage mit der ge-
nenne-
[827]Vierdes Buch.
nenneten Menge vor dem Schloſſe zuerſcheinen/ wahr ſehr gefliſſen/ eine gute Ritterſchaft
zuſamlen/ und ihnen tapffere und verſuchte Kriegs Obriſten vorzuſtellen/ brachte auch auff
geheiß 20 Parthiſche Ritter vor den Koͤnig/ welcher ihnen den Vorſchlag taht/ ob ſie ſo
geherzt waͤhren/ ſich zubemuͤhen/ daß ſie des Feindes beyde Führer/ Ladiſla und Herkules/
die ſich durch Waffen ſchon wuͤrden kund geben/ lebendig griffen/ und ihm auffs Schloß
lieferten/ daß ſie vor ihm daſelbſt als Knaben geſtrichen würden/ ſolte jeder 3000 Kronen/
und der ihrer einen greiffen wuͤrde 12000 Kronen aus Koͤniglicher Schatzkammer em-
pfangen. Dieſe nahmen ſolches willig auff ſich/ machten einen Bund/ in der Schlacht nit
von einander zuweichen/ ſondern einmuͤhtig auff benante einzuſtuͤrmen. Worauff der Koͤ-
nig abermahl/ und in des Kriegs Volks Gegenwart ſeinem Madates vollkommenen Ge-
walt erteilete/ den Feind/ wo er ihn antreffen würde/ anzugreiffen/ und niemand/ als die bey-
den fremden lebendig zulaſſen: Vologeſes zwar ſuchete Madates zur Vorſichtigkeit zube-
reden/ als er aber ſahe/ daß alles vergebens wahr/ ſagte er zu ihm: Mein Freund/ gedenket
nicht ehe an mich/ als wann euch deucht/ daß ich wol gerahten habe. Nicht alſo/ Gn. Fuͤrſt/
antwortete er/ ich wil ſtets an eure Gn. gedenken/ auch deren Raht nicht verachten/ aber
mir doch nicht einbilden laſſen/ daß dieſer Feind zufuͤrchten ſey. Es iſt gnug/ ſagte Vologe-
ſes/ aber ihr redlichen Parther/ ſagte er zu dem ganzen Heer/ haltet euch tapffer/ und ſtuͤrzet
euch nicht ohn Noht in Gefahr und Ungluͤk/ ich wil einem jeden/ ſo viel eurer als Obſieger
wieder kommen/ 10 Kronen ſchenken. Dieſe nahmen ſolches mit Dank an/ und erklaͤreten
ſich/ zuſiegen oder zu ſterben; Worauff ſie mit zimlichen Tagereiſen fortgingen. Unſere
Helden feyreten unterdeſſen auch nicht/ trilleten und uͤbeten das ganze Heer taͤglich/ inſon-
derheit/ wie man gegen die Parther mit gutem Vortel ſtreiten muͤſte/ deren Art ſie in dieſer
Schlacht eigentlich in acht genommen hatten/ und vermuhtete ſich Artaxerxes ſo ſchleu-
niger Feinde nicht/ ſondern gab vor/ Artabanus wuͤrde es nicht mehr mit einem kleinen
fliegenden Heer verſuchen/ ſondern mit der ganzen Macht auffbrechen/ wiewol Herkules
ihm das Wiederſpiel hielt/ und ſich der ſchnellen Wiederkunfft eines abſonderlichen Heeꝛs
befahrete/ daher er den Raht gab/ es moͤchte zwar Artaxerxes das ganze Heer in die naͤhe
beyeinander legen/ daß ſie in 24 Stunden koͤnten zuſammen gebracht werden/ aber doch
des Feindes vornehmen fleiſſig erkunden/ und ein tapfferes Heer an die Grenzeſenden; Er
vor ſein Haͤupt wolte ſich hiemit erbohten haben/ mit einer Macht von 26000 Reutern
fortzugehen/ und da es das Gluͤk fuͤgen wolte/ einen behutſamen Einfall damit zuwagen/ je-
doch zuvor alle moͤgliche Kundſchafft einzuziehen/ wie der Feind ſich bezeigete/ demnach er
nimmer glaͤuben koͤnte/ daß ſie auff geſchehenen ſchweren Einfall ihre Grenzen zum beſten
geben/ und unbeſetzet laſſen ſolten. Dieſen Vortrag ließ Artaxerxes ihm belieben/ bedankete
ſich wegen des erbietens/ und ward alles zwar nach Herkules begehren ins werk gerichtet/
wiewol nit mit ſolcher eile/ als die Noht es erfoderte/ maſſen als Herkules und Ladiſla mit
dieſem Heer auffbrachen/ kam Zeitung ein/ der Feind druͤnge mit groſſer Macht herein/
und duͤrffte in wenig Tagen die Perſiſchen Grenzen erreichen/ oder nunmehr wol ſchon eꝛ-
reichet haben. Dieſes machete/ daß ſie in groſſer Eile fortgingen/ und des folgenden Tages
Bericht einnahmen/ der Feind haͤtte durch Verraht und Liſt eine Grenze Stad eingenom-
men/ und hauſete daherumb dergeſtalt/ daß man nichts als bey Tage Rauch/ bey Nachte
M m m m m ijFeur
[828]Vierdes Buch.
Feur ſaͤhe. Herkules bekümmerte ſich faſt/ daß durch Seumniß dem Feinde dieſer Einfall
gegoͤnnet wahr/ ſchickete Tyriotes uñ Gallus mit 3000 leichten Pferden aus/ friſch durch-
zuhauen/ ob ſie eigentlich erfahren koͤnten/ wie ſtark der Feind/ und wer ihr Feldherr waͤh-
re. Dieſe ſtieſſen bald des andern Tages auf eine Feindes Schaar 800 ſtark/ welche ſie um-
ringeten/ 600 nidermacheten/ und die uͤbrigen gefangen nahmen/ da hingegen ſie nur 30
Mann einbuͤſſeten/ weil der Feind ſich mit der Beute zuſchwer beladen hatte/ und das Ge-
wehr nicht gebrauchen kunte. Die Gefangenen verhoͤrete man ſtuͤndlich/ welche alles an-
zeigeten/ daheꝛ Gallus ungeſeumet mit ſechs Reutern und vier Gefangenen Tag uñ Nacht
zuruͤcke ging/ und ſeinem Herrn die Zeitung einbrachte. Herkules befragete dieſe Gefange-
ne ſelbſt/ und nach eigentlicher Bekaͤntniß brach er mit den Voͤlkern auff/ ſie guter Beute
verſichernd/ da ſie nur einen kleinen redlichen Saz mit ihm wagen/ und dem Feinde den
Raub abnehmen duͤrfften; welche ſich alle verbunden/ nicht anders/ als Uberwinder/ die
Wahlſtat zuverlaſſen. Madates wuͤtete inzwiſchen gar graͤulich/ ließ alles/ was er antraff/
verwuͤſten und erſchlagen/ und meynete nicht/ daß die Perſen ihm das Haͤupt wuͤrden bie-
ten duͤrffen/ dann er wahr ein beſchriehener guter Feld Obriſter/ der mannichen trefflichen
Sieg von den Reichs Feinden erſtritten hatte. Als Herkules bey Tyriotes ankam/ und die
ganze Menge der Gefangenen mit freundlichen Worten verhoͤrete/ auch ihnen Speiſe uñ
Trank zureichen befahl/ und die Kleider ihnen wieder zugeben/ welche man ihnen abgezogen
hatte/ trat derſelben einer hin zu Tyriotes/ und ſagete in geheim zu ihm: Michjammert von
Herzen/ daß dieſer freundliche Held/ ſo Henker-maͤſſig ſol geſchaͤndet werden/ wie mans
uͤber ihn beſchloſſen hat/ welches abzuwenden/ machet mir Gelegenheit/ daß mit
dieſem Herrn ohn meiner Mitgefangenen Wiſſenſchafft ich reden moͤge. Tyriotes ver-
ſchliefſeines Herrn Wolfahrt nicht/ zeigete ſolches an/ und führete dieſen Gefangenen in
ein abſonderliches Zelt/ welcher zu Herkules und Ladiſla alſo redete: Treffliche Helden/
Gnn. Herren/ ob ich gleich meinem Koͤnige mit aͤidespflichten verbunden bin/ kan ich doch
nicht unterlaſſen/ wegen ihrer/ uns Gefangenen erzeigeter Guttaht/ ſie zuwarnen/ daß mein
Koͤnig 20 handfeſte Ritter mit groſſen Verheiſſungen beſtellet hat/ euch in kuͤnftiger Feld-
ſchlacht lebendig zugreiffen/ und moͤchten die Ruhten wol ſchon gebunden ſeyn/ damit auff
dieſen fall ihr vor des Koͤniges Augen ſchaͤndlich ſollet geſtrichen werden. Herkules erblei-
chete vor dieſem Schelmſtuͤcke/ und ſagete: Guter Freund/ woher iſt dir ſolches bewuſt?
Ich bin deſſen/ antwortete er/ von meines Vaters Bruder Sohn/ einem Koͤniglichen Tra-
banten hoͤchſtvertraulich berichtet/ als welcher den Befehl ſelbſt angehoͤret hat; ſo wollen
nun Eure Gnn. mich nicht melden/ und ſich wol vorſehen/ dann obgedachte Ritter werden
ſich nicht trennen/ ſondern euch hin und wieder ſuchen/ und koͤñen bey ihꝛen ſchwaꝛzen Feld-
zeichen leicht zuerkeñen ſeyn; ſo iſt auch im ganzen Heer ausgeruffen/ daß/ wohin dieſe Rit-
ter ſich wenden/ man ihnen Raum geben/ und ſie durchlaſſen ſolle. Ladiſla meynete vor Zoꝛn
und Eifer zuberſten/ und ſagete zu dem Gefangenen: Daſern ſichs alſo verhalten wird/ wie
du berichteſt/ ſoltu mit der Freyheit und andern anſehnlichen Verehrungen begabet wer-
den. Ich bin wol zufrieden/ antwortete er/ daß neben meinen Mitgefangenen ich biß nach
gehaltener Schlacht verſtricket bleibe/ da ſich meiner anzeige nach/ alles ausfuͤndig machen
wird. Ladiſla/ nach des Gefangenen Abtrit/ ſchwur ſeinem Herkules/ wo er ſonſt lebete/ wol-
te er
[829]Vierdes Buch.
te er den verraͤhteriſchen Koͤnig zum abſonderlichen Kampff ausfodern. Sie lieſſen aber
Tyriotes mit 1000 Reutern vorangehen/ und folgeten behutſam nach/ biß ſie den Rauch
hin und wieder auffgehen ſahen/ weil der Feind nicht allein die Doͤrffer/ ſondern alle frucht-
bahren Baͤume niderwarff/ und mit Feur verzehrete. Tyriotes traff abermal einen Fein-
des Hauffen an 1500 ſtark/ mit welchen ers wagete/ 600 erſchlug/ weil ſie wegen des vielen
Plunders ſich nicht recht wehren kunten/ und die uͤbrigen auff die Flucht brachte/ da er
nur zehn Mann einbüſſete. Gallus ging einen andern Weg mit 2000 Reutern/ und be-
gegnete ihm ein Parthiſcher Obriſter mit gleicher Anzahl/ welche ebener geſtalt wegen der
vielen Beute ſich auff ihren Pferden nicht behelffen kunten/ daher ſie bald im Anfange 400
Mann verlohren/ biß die uͤbrigen den Raub von ſich warffen/ und ſich ihrer Haut recht-
ſchaffen wehreten/ doch weil ſie uͤbermannet/ und guten teils verwundet waren/ ſetzeten ſie
noch 300 zu/ zogen ſich zurük/ und fuͤhreten drey gefangene Perſen mit ſich fort. Die beyde
fluͤchtige Schaaren langeten zu einer Zeit bey Madates an/ welcher die Gefangenen ſcharf
fragete/ und allen Bericht von des Perſiſchen Heers beſchaffenheit einnam/ auch daß Her-
kules und Ladiſla neben Pharnabazus die Feld Obriſten waͤhren. Er ward deſſen ſehr froh/
ſamlete das Heer ſchleunig zuſammen/ daß ja der Feind/ wann er ſeine groſſe Macht ver-
nehmen wuͤrde/ ihm nicht entginge/ oder ſich ſtaͤrkete/ wiewol er meynete/ es wuͤrde ihm
ſchlechte Ehre geben/ einen ſo geringen Hauffen zuuͤberwinden/ weiler nie eine Schlacht
gehalten/ in welcher ſein Feind ihn nicht mit der Menge übertroffen haͤtte. Als ſeine Voͤl-
ker beyſammen wahren/ redete er ſie alſo an: Friſch auff/ meine Spießgeſellen/ laſſet uns
acht geben/ daß wir den Feind vor der Flucht ertappen/ und er ſich nicht ins Gehoͤlz veꝛkrie-
che/ da uns ſchwer fallen wuͤrde/ ihm beyzukommen. Nachgehends foderte er die 20 Ritter
vor ſich/ erinnerte ſie ihres verſprechens/ und ſagte ihnen allen Beyſtand zu. Herkules hat-
te Zeitung von ſeinem Auffbruche/ wie er dann ſo unvorſichtig fortging/ daß er von den
unſern nichts erfuhr/ biß er auff ein halb Meilichen nahe/ bey ihnen wahr/ ja wann der Peꝛ-
ſiſche Vortrab ſich ihnen nicht gezeiget haͤtte/ wuͤrden ſie den unſern unvermuhtlich auff-
geſtoſſen ſeyn. Herkules erkennete hieraus/ was vor einen verwaͤgenen Feind er vor ſich
hatte/ baht Ladiſla/ er moͤchte nichts aus Eifer vornehmen/ gab einem Perſiſchen Herrn/
Nahmens Abulites den erſten Angriff mit 5000 Reutern zutuhn/ der ſich doch furchtſam
ſtellen/ und nach kurzem Geſechte zuruͤk weichen ſolte; Pharnabazus aber muſte mit 5000
einen umſchweiff nehmen/ und ſich verborgen hinter einem Huͤgel halten/ biß er den Feind
wuͤrde ſehen hinter ſich weichen/ dann wuͤrde er feinem Verſtande nach ſchon wiſſen/ von
hinten zu in ſie zugehen/ und die Flucht zuhemmen. Ladiſla hatte das Heer zufuͤhren/ eine
Manſchafft 10000 ſtark/ auff welchen Abulites ſich zihen ſolte/ und behielt Herkules 6000
vor ſich/ aber alle mit Speeren und durchneheten Panzern. So bald Madates der unfern
inne ward/ und ihre kleine Geſchwader ſahe/ machte er ſeine Ordnung folgender geſtalt:
Seinem Obriſten Verweſer Beſſus/ einem hochmuͤhtigen Ritter/ gab er mit 9000 Reu-
ter Schuͤtzen den Angriff; ſein Feldmarſchalk Bazaentes ſolte den Hauffen 18000 ſtark/
fuͤhren/ und behielt er ſelbſt 11000 bey ſich/ womit er den nohtleidenden auff den unverhoff-
ten fall Entſatz geben wolte. Beſſus ſetzete mit ſtarkem Geſchrey und hefftigem ſchieſſen
auff Abulites an/ der mit gleichem Gewehr ihm begegnete/ fuhr nach Herkules Ver-
M m m m m iijmah-
[830]Vierdes Buch.
mahnung vorſichtig/ und ließ anfangs der Feinde Pfeile mit den ſonderlich darzu be-
reiteten breiten Schilden aufffangen/ daß der ſeinen faſt keiner verwundet ward/ und der
mehrerteil ihre Pferde mit den durchnaͤheten Panzern verwahret hatten/ hingegen wir-
keten ſeine Pfeile dergeſtalt/ daß der Feinde in die 3000 erſchoſſen/ und 2000 hart verwun-
dete auß der Schlacht zu weichen gezwungẽ wurden. Madatesentſetzete ſich des Unfals/
ließ von Bazaentes Hauffen 3000 zu Beſſus gehen/ mit welcher Verſtaͤrkung er wuͤtig
mit entbloͤſſeten Schwertern in Abulites Ordnung fiel/ der ſich nach genom̃ener Abrede
furchtſam hielt/ und doch in guter Vorſichtigkeit zuruͤcke weich. Ladiſla ſahe/ daß Beſſus
ſeinen Anfall ohn geſchloſſene Glieder fortſetzete/ deßwegen er Gallus mit 1500 hinein bre-
chen ließ/ der in kurzer frift 3000 Feinde nidermachete/ und bekam Abulites Befehl von
Herkules/ ſich zu wenden/ und ſein aͤuſſerſtes zugebrauchen/ welcher dann ſeine Tapfferkeit
ſehen zu laſſen/ dergeſtalt anfiel/ daß dieſer Feindes Hauffe in groſſe Noht geriet. Madates
ſahe daß die ſeinen bloß durch nachlaͤſſige Unordnung ſich in dieſe Gefahr geſtuͤrzet hattẽ/
mahnete deßwegen Bazaentes auff/ Beſſus nach aͤuſſerſtem vermoͤgen zuentſetzen/ welcheꝛ
dann willens wahr/ mit ſeiner ganzen Macht ſich dahin zu wenden/ ſahe aber/ daß Ladiſla
ſich gegen ihn ſtellete/ daher er jenem nur 5000 zum entſatze ſchickete/ welche Madates mit
2000 vermehrete. Ladiſla aber ſetzete ſeinen Vorſaz auff Bazaentestapffer fort/ grieff ſehꝛ
eiferig mit dem Schwerte an/ und befand uͤber verhoffen harten Wiederſtand/ dz anfangs
zu beyden Seiten viel Blut vergoſſen ward/ biß Ladiſla den Fuͤhrer antraff und im dritten
Hiebe ihm den Kopff herunter ſchlug/ worauff ſich die Feinde etwas zuruͤcke zogen/ wur-
den doch von des erſchlagenen Bruder/ Obriſten Feldwachtmeiſter Meher dates wieder
in Ordnung gebracht und angefuͤhret. Beſſus hatte auch ſchon ſeinen Geiſt auffgegeben/
und ſolches von der Hand eines gemeinen Reuters/ welcher wegen dieſer Taht hernach
zum Ritmeiſter gemacht ward. Beſſus Hauffe ward faſt ohn Gegenwehr nidergeſchla-
gen/ weil ihre Ordnung getrennet wahr/ und ſchaffete der Entſaz wenig/ ſo daß Madates
ſelbſt mit ſeiner Mannſchaft hinan muſte/ welcher auch mit ſeiner Ankunft beydes Abuli-
tes und Gallus zuruͤk prallete und Beſſus überbliebene errettete. Inzwiſchen ſahe Herku-
les die 20 beſtelleten Ritter in blanker Rüſtung mit ſchwarzen Feld Binden hin und wie-
der reiten/ und in Ladiſla Voͤlker einbrechen/ hatten auch das Gluͤk/ daß ſie ihn ſelbſt antraf-
fen/ und einmuͤhtig zu ihm loßſtuͤrmeten; die ſo naͤhſt umb ihn wahren/ tahten alle moͤgli-
che Gegenwehr/ und feirete Ladiſla ſelber nicht/ weil er bald merkete/ was vor Raubvoͤgel
ihn angriffen/ jedoch wuͤrde ihm unmoͤglich gefallen ſeyn/ ſich ihrer zu entbrechen/ wann
nicht Herkules ihn haͤtte entſetzen laſſen/ als welcher Tyriotes alſo anredete: Sehet da
mein Freund/ nun iſt es Zeit/ daß ihr eurem Herꝛn die verſprochene Traͤue leiſtet/ und un-
ſerer Abrede nach euch gemaͤß bezeiget. Dieſer brach mit ſeinen zugeordneten 50 Rittern
freudig auff/ und ſetzete dergeſtalt an/ daß jene 20 von Ladiſla ablaſſen/ und ſich gegen dieſe
kehren muſten/ welches Ladiſla erſehend/ ihnen noch 100 Reuter zuordnete/ er aber ging
mit dem geſamten Hauffen dergeſtalt in den Feind/ daß derſelbe hinter ſich zu weichen ge-
noͤhtiget ward/ und inzwiſchen jene 20 Ritter allemiteinander lebendig gegriffen/ und feſt
gebunden ins Lager gefuͤhret wurden. Herkules bekam dieſe froͤliche Zeittung/ griff Ma-
dates mit ganzer Macht an/ und brachte damit Abulites wieder zum Stande. Ladiſla wuͤ-
tete
[831]Vierdes Buch.
tete an ſeinem Orte wie ein grimmiger Loͤue/ biß die Feinde nach der Rechten außwichen/
und mit ihrem Feld Obriſten/ der noch ſtarke Gegenwehr taht/ ſich zuvereinigen ſuchten;
Herkules aber hatte Pharnabazus ſchon zu entbohten/ von hintenzu einzubrechen/ uͤber
deſſen Ankunft die Feinde in groſſes ſchrecken gerieten/ weil ſie biß daher ſeiner nicht wahr
genommen hatten/ doch erhohlete ſich Madates/ ſchickete ihm 3000 entgegen/ und bemü-
hete ſich aͤuſſerſt/ Herkules geruheten Hauffen zu hinterereiben/ welche mit ihren Speeren
groſſen Schaden getahn/ und etliche tauſend Sattelloß gemacht hatten/ nunmehr aber
unter ihres Haͤupts auführung das Schwert rechtſchaffen gebraucheten/ daher Madates
faſt in eine Raſerey geriet/ auff Herkules ſelbſt anſetzete/ und den Kampf verwaͤgen gnug
mit ihm auffnam/ aber es waͤhrete nicht lange da ward er nach zimlicher Verwundung ge-
fangen genommen/ und nach dem Lager geſchicket. Pharnabazus hatte mit Schmerzen
geharret/ ſeinen Muht an den Feinden zu kuͤhlen/ überfiel auch die ihm entgegen geſchicke-
te dergeſtalt daß ſie zu weichen gedrungen wurden/ gleich da Herkules und Ladiſla von bey-
den Seiten anſetzeten/ uñ ein ſolches ſchrecken in die Feinde brachten/ daß ſie ſchon begun-
ten umb Gnade zu ruffen; aber Pharnabazus ſetzete von hinten immer hinein/ ſo verſtop-
ſeten auch alle Perſen ihre Ohren/ und ſchlugen ohn Barmherzigkeit alles Tod/ was in
Waffen wahr/ weil ſie wegen der erbaͤrmlichen Landes verwuͤſtung gar zu hart erzürnet
wahren/ daher dieſes groſſe Heer ſo gar auffgerieben ward/ dz auch nicht ein einziger Boh-
te davon kam/ der dieſe Zeitung haͤtte nachſagen moͤgen. Des Feindes Lager wahr von
dem Troß und anderen Mitlaͤuffern beſetzet/ welche dem Raube nachſtelleten/ und muſte
Abulites mit 2000 Reutern dahin gehen/ uñ verwehren/ daß kein einziger davon entlieffe;
zwar es hatten ſich in die 300 auff Wagenpferde geſetzet/ in Meinung/ davon zukommen/
aber ſie wurden alle eingehohlet und nidergemacht/ die im Lager gefangen genommen/ uñ
darauff die algemeine Plunderung auff der Wahlſtat gehalten/ was aber im Lager gefun-
den ward/ von Wagen/ Pferden/ Gelde/ und überaus groſſem Raube/ welchen ſie zuſam-
men geſchleppet hatten/ ward alles verwahret/ daß es Artaxerxes geliefert wuͤrde. Nach
erhaltenem Siege/ danketen Herkules und Ladiſla ihrem Gott vor ſeinen gnaͤdigen Schuz/
hernach ließ Ladiſla ſich verbinden/ weil er etliche Wunden in der Schlacht/ inſonderheit
von den 20 Rittern empfangẽ hatte/ und muſte ein jeder Obriſter ſeine erſchlagene anmel-
den: Abulites miſſete 1600/ Gallus 300/ Ladiſla 1500/ Pharnabazus 260/ und Herkules
300 Mann/ uͤberal auff dieſem ganzen Zuge 4000 Reuter/ dahingegen das Parthiſche
Heer 40000 ſtark auffgerieben wahr. Herkules ließ Madates ſamt den 20 Rittern vor
ſich fodern/ und redete ſie mit zornigem Gefichte alſo an: Saget mir Madates/ und ihr alle
miteinander/ was vor unredlichen Wiederdrieß oder unbillichen Schimpfhaben Koͤnig
Ladiſla und ich Groß Fuͤrſt Herkules euch jemahls bewieſen/ daß ihr hindangeſetzet unſers
ſtandes Hocheit/ euch unterſtehen duͤrffet/ uns als Schuelknabẽ/ zugreiffen/ uñ der Zucht-
Ruhten zu uͤbergeben? Ich meine ja/ wir haben vordißmahl/ und ſchon zuvor eine gute be-
wehrung abgeleget/ daß wir der Ruhten entwachſen ſind/ und ihr düꝛffet euch noch anmaſ-
ſen/ wil nicht ſagen/ Fuͤrſten/ ſondern Ritter und Feld Obriſten nach der Staͤupruhte hin-
zufuͤhren? Dieſe wunderten ſich/ woher den unſern ſolches kund waͤhre/ weil es von ihnen
in hoͤchſteꝛ geheim war gehalten worden/ und durfte ihrer keiner Antwort drauff geben/
daher
[832]Vierdes Buch.
daher Ladiſla zu ihnen ſagete: So wirdiget ihr uͤberdaß uns noch keiner Antwort? Mada-
tes biſtu ein redlicher Ritter/ ſo melde Urſachen an/ oder ich werde dich als einen Verraͤh-
ter dem Diebshenker uͤbergeben. Dieſer war wegen der empfangenẽ Wunde etwas mat/
und antwortete mit ſchwacher Stimme: Ich bin ein Diener meines groſſen Koͤniges/
von deſſen Anordnung ich keine Rechenſchaft zu geben habe/ und ob ich mich unterſtandẽ
haͤtte/ meines Koͤniges abgeſagte Feinde zu fahen/ würde mir ſolches kein redlicher Ritteꝛ
verdenken; von Ruhten aber weiß ich nichts/ habe es vielweniger angeſtellet/ und moͤgen
ſolches verantworten/ die deſſen mit fuge und Warheit koͤnnen beſchuldiget werden/ wie-
wol ich nimmermehr traue/ daß ein einziger von dieſen gefangenen Rittern Wiſſenſchaft
davon habe. Es müſte mir lieb ſeyn/ ſagte Herkules wann ihr Madates/ euch dieſer Be-
ſchuldigung entbrechen koͤntet/ dann ſo wuͤrde ich Urſach haben/ euch Gnade als einem
guten Ritter zuerzeigen; aber daß ihr zugleich dieſe eure Mitgefangenen entſchuldiget/ ſe-
tzet euch in groſſen Verdacht/ maſſen dieſer ihr ſchelmiſches Vornehmen uns viel zu wol
bewuſt iſt/ und ſol eine Folter bald aus ihnen bringen/ was ſie guͤtlich zubekennen ſich we-
gern wollen; jedoch wil ich euch hoͤren laſſen/ was ich von euch ſchon vorgewiß weiß; ſaget
mir/ welche unteꝛ euch ſind die beyden/ ſo die groͤſte Hoffnung gehabt/ über die verſproche-
ne 3000 Kronen/ noch die 24000 zuverdienen/ und uns lebendig zu greiffen? Dieſe ſahen
daß der Anſchlag verrahten wahr/ gaben vor/ ſie waͤhren ihres Koͤniges Diener/ deſſen
Befehl ſie gehorſamen muͤſten. O ihr unredliche Schelmen/ ſagte Ladiſla/ ſeid ihr dann
ſolche Diener/ daß ungeachtet eures Ritterſtandes ihr zu dergleichen unverantwortlichen
Bubenſtuͤcken euch gebrauchen laſſet? ſaget mir aber/ ob Madates hieran ſo gar unſchul-
dig ſey. Die Gefangenen hoffeten/ man wuͤrde gelinder mit ihnen verfahren/ wann ſie die
Warheit bekeñeten/ oder ſonſt Madates Mit-Schuld kund wuͤrde/ bahten doch ſehr/ man
moͤchte nicht in ſie dringen/ wieder ihren Feld Herrn zu zeugen/ es wuͤrde derſelbe wol an-
zeigen/ wie es ſtuͤnde. Ja/ ſagte Herkules/ wir erwarten/ was er vorbringen werde/ nach-
dem uns ohn daß alles gnug bewuſt iſt. Dieſer fing an/ ob er gleich nicht erſiñen koͤnte/ wo-
her ihnen dieſe Heimligkeit kund getahn waͤhre/ wolte er doch gerade zu beichten/ daß ſichs
alſo verhielte/ er auch Wiſſenſchaft darumb gehabt/ und ſeines Koͤniges Befehl gnug be-
weiſenkoͤnte/ der ihn als einen Diener ſchon entſchuldigen wuͤrde/ als einen zum Gehor-
ſam verbundenen. Wolan/ ſagte Ladiſla/ wer ſich dann unterfaͤhet/ ſeines Hern Schelm-
ſtuͤcken zuverrichten/ der ſol und muß auch billig davor leiden; ſprach ihnen hiemit die Ur-
tel/ daß ſie alle miteinander von dem Buͤttel umb die Lenden biß auffs Blut ſolten geſtrie-
chen werden; Woruͤber Madates ſich entſetzete/ und begehren durfte/ daß man mit ihm
als mit einem gefangenen Feld Herrn/ umbgehen ſolte. Aber Pharnabazus gab ihm zur
Antwort: O du Schandflek aller morgenlaͤndiſchen Ritterſchaft/ wer hat dich gelehret/
mit Koͤnigen und Groß Fuͤrſten dergeſtalt umbzugehen? ja wer hat dir Leben oder Frey-
heit verſprochen/ demnach du ſtreitend gefangen biſt? Alſo ward Tyriotes beſtellet/ etliche
Steckenknechte herzufodern/ welche alsbald die Rache volſtrecketen/ ob gleich Madates
und ſie alle miteinander viel lieber das Leben eingebuͤſſet haͤtten. Herkules/ ſo bald alle An-
weſende Abtrit genommen/ redet mit Ladiſla und Pharnabazus/ es waͤhre nunmehr hohe
Zeit/ daß er ſich nach Charas verfuͤgete/ das Fraͤulein loßzumachen/ weil nicht ſo gar viel
Wochen
[833]Vierdes Buch.
Wochen von dem verſprochenen Beylager mehr uͤbrig waͤhren/ beſtellete/ daß die Gefan-
genen drey Tage angehalten wuͤrden/ und verließ mit ihnen/ daß inwendig drey Wochen
er mit Gottes Huͤlffe wieder bey ihnen ſeyn/ oder ſeinen Zuſtand ihnen uͤberſchreiben
wolte. Ladiſla haͤtte ſich ungerne von ihm trennen laſſen/ doch weil er merkete/ daß Herku-
les ihn mitzunehmen nicht willens wahr/ und überdaß ſeine Wunden zu ſchlim wahren/
Tag und Nacht auff ſchnellen Pferden zu reiten/ gab er ſich zufrieden. Herkules nam ſei-
nen Gallus und zween Perſiſche/ der Parthiſchen Sprache wolerfahrne aͤdelknaben zu
ſich/ gab ihnen ſchnelle Laͤuffer/ und nach eingenommener Mahlzeit begab er ſich noch deſ-
ſelben Tages in Gottes Nahmen mit ihnen auff den Weg/ da er an vielen Orten gegen
ſeine Wiederkunft auff den Herbergen friſche Pferde auff ſechs Menſchen beſtellete/ und
allenthalben Geld genug auff die Hand gabe/ unter dieſem einwenden/ daß er in Koͤnigl.
Dienſten ritte/ da gleichwol alles in Gallus/ als des aͤlteſten/ uñ vermeineten Herrn Nah-
men geſchahe. Ladiſla aber und Pharnabazus führeten das Sieghafte Heer mit der uͤber-
aus groſſen Beute wieder nach Perſepolis/ nahmen alle im Lager Gefangene vor Leibeige-
ue mit ſich/ und muſten Madates ſamt den 20 Rittern in etlichen uͤberbliebenen Reuter
Huͤtten von 50 Reutern biß an den dritten Tag verwahret werden/ da man ihm hernach
ein ſchindicht Pferd zu reiten gab/ und ſeine 20 gefaͤrten zu Fuſſe neben ihm daher lieffen.


Ohngefehr fuͤnff Tage vor dieſer Zeit kam Leches zu Korinth an/ woſelbſt er anlen-
den muſte/ weil ſein Schiff an einer Klippen ſchaden genom̄en hatte. Markus ritte gleich
dazumahl am geſtade daſelbſt mit ſeiner Euphroſynen zur Luſt umbher/ ſah en ihn aus dem
Schiffe ſteigen/ und wurden durch ſeine Ankunft teils erfreuet/ teils furchtſam gemacht/
weil ſie weder Ladiſla noch Fabius bey ihm ſahen/ ritten eilig zu ihm/ uñ nach freundlichem
umbſahen frageten ſie/ wo er ſeine Gnn. Herren gelaſſen haͤtte. Weit von hinnen/ antwor-
tete er/ doch in hohen Ehren und gutem Wolſtande; habe aber wenig Zeit mich alhie auf-
zuhalten/ nachdem auff meiner Eile viel haftet. Alſo ließ er die Guͤter aus dem ſchadhaff-
ten Schiffe in ein anderes bringen/ inzwiſchen ſich Markus mit ſeiner liebeſten beredete/
in Geſelſchaft mit nach Padua zu fahren/ hohlete auch alsbald ſeine Ruſtung/ Kleider uñ
eine zimliche Baarſchafft ſamt vielen Kleinoten aus der Stad/ und ſegelten froͤlich dahin
mit erwuͤnſchtem Winde/ da ihnen Leches allen Verlauff erzaͤhlete. Markus und Euphro-
ſyne erluſtigten ſich ſehr an ſolchen geſchichten/ und vertrieben die Zeit mit mannicherley
Geſpraͤch/ biß ſie in kurzer friſt in dem naͤheſten Hafen hinter Padua anlangeten/ die Guͤ-
ter auff Wagen packeten/ und bey Nachtzeit nach Padua ritten/ daß ſie fruͤh Morgens bey
eroͤffnung der Tohre ihren Einzug hielten. Neda als Obriſtwachtmeiſter beſetzete gleich
die Poſten/ und ward Leches ſeines lieben Freundes unter dem Tohr gewahr/ von dem er
doch nicht wied er erkennet wurde/ weil er alsbald ſein Angeſicht mit dem Mantel verhuͤlle-
te/ und hinter Markus als ein Diener her ritte/ welcher von Neda gerechtfertiget ward/
woher er kaͤhme/ was vor Sachen er auff den Wagen fuͤhrete/ und wo ſie abzulegen ge-
daͤchten; bekam aber zur Antwort: Er waͤhre des Obriſten Klodius guter Frennd/ und
kaͤhme von Korinth/ ihn zubeſuchen; die Wagen haͤtten freie Guͤter geladen/ welche dem
Stathalter ſolten geliefert werden. Bald gedachte Neda er wuͤrde der Markus ſeyn/ von
dem er ſo oft hatte reden hoͤren/ und ſagete: Es wird mein Herr/ dafern ich nicht irre/ die-
N n n n nſes
[834]Vierdes Buch.
ſes Orts nicht allein bey meinem Obriſten/ ſondern auch bey hoͤhern Leuten ſehr wilkom-
men ſeyn. Leches wunderte ſich hoͤchlich/ wie Neda ſich in Roͤmiſche Dienſte begeben haͤtte/
dann Markus hatte ihm von ſeiner Anweſenheit nichts gemeldet/ wiewol ihm alles zuge-
ſchrieben wahr; gedachte endlich/ er wuͤrde von der Koͤnigin hergeſchicket ſeyn/ Fr. So-
phien auffzuwarten; wolte ſich demnach vor ihm nicht laͤnger verbergen/ ſondern ſagte zu
ihm: Wie dann/ mein Bruder/ werde ich dann an dieſem Orte ſo gar unangenehm ſeyn?
Neda ſahe ihn an und erſtarrete/ bald aber fiel er ihn umb den Leib/ ſprechend: O mein wer-
ther Freund und Bruder/ wie angenehm iſt mir deine liebe/ wiewol unvermuhtliche Ge-
genwart/ da es ſonſt unſerm Koͤnige und Fraͤulein noch wol ergehet. Da ich von ihnen ge-
ſchieden bin/ antwortete er/ habe ich ſie gelaſſen/ da ihnen nicht gar uͤbel wahr/ wovon her-
nach wird zureden ſeyn; biß aber gebehten/ und melde uns ſo bald nicht/ dann wir wollen/
umb einen kleinen Auffzug zumachen/ uns nicht ſo bald zuerkennen geben. Eben das ſol
mir lieb mit ſeyn/ antwortete er/ kehrete auch in aller ſtille mit ihm in die Herberge/ in wel-
cher er vor dieſem von Libuſſen wegen ſeiner Brelen ſo artig auffgezogen wahr/ und fiel
ihm geſchwinde ein/ er wolte ihr dieſen Morgen alles gedoppelt wieder einbringen; ging
ohn fernern Verzug nach ihrem Gemache/ und fand ſie mit ſeiner Liebſten in einem Bette
liegen und ein freundliches Geſpraͤch halten/ welches eben von Leches wahr/ da Libuſſa je-
ner klagete/ ſie haͤtte einen gefaͤhrlichen Traum von ihm gehabt/ wolte nicht hoffen/ daß ihm
in der fremde ein ſonderlicher Unfall zugeſtoſſen waͤhre. Neda lauſchete an der Tuͤhr/ und
vernam ihre Reden/ welche zu ſeinem Vorhaben nicht undienlich wahren/ ließ ſichs doch
nicht merken/ ſondern klopffete leiſe an die Tuͤhr/ welche von einer Dienerin bald geoͤffnet
ward/ weil ſie meynete/ es waͤhre irgend eine des Frauenzimmers; nachdem ſie aber Neda
ſahe/ wolte ſie die Kammer wieder verſperren; aber er wahr zu behende darzwiſchen/ trat
hinein/ und nach volbrachtem Gruſſe baht er ſeines unzeitigen beſuchens Verzeihung.
Libuſſa/ ſo vorne an ſchlieff/ fragete/ was die urſach ſeiner Ankunfft und traurigen Geſich-
tes waͤhre? Worauf er zur Antwort gab: Er waͤhre zugleich froh und betruͤbt; froh wegen
guter Zeitung von Koͤnig Ladiſla und dem Fraͤulein; betruͤbt wegen einer Neben Zeitung/
mit welcher er ſie ungerne betruͤbete. O ihr Goͤtter/ ſagte ſie hierauff; gewißlich iſt mein
Leches tod! Nein nein/ antwortete er/ nicht ſo ſchlim/ er lebet noch/ aber es iſt etwas wun-
derlich umb ihn beſchaffen. Libuſſa wahr ſehr bekümmert/ wuſte nicht/ was ſie aus ſo tun-
keler Rede ſchlieſſen ſolte/ und baht/ er moͤchte ihr die Angſt benehmen/ oder nur klar aus-
beichten/ damit ſie erfuͤhre/ was das grauſame Gluͤk mit ihr im Sinne haͤtte. Ach/ ſagte
er/ weil es euch ja muß geſaget werden/ iſt mirs leid/ daß ich der ungenehme Brieftraͤger
ſeyn ſol. Aus dieſer Rede ſchloß ſie vor gewiß/ er wuͤrde ſchon tod ſeyn/ daher belief ihr das
Herz/ daß alle ihre Geiſter ſtehen blieben/ und ihr das Geſicht ſamt der Sprache verging.
Jungfer Brela ſolches erſehend/ machete ſich bald auff/ und trieb ſie der Schrecken und
die Angſt ſo ſehr/ daß ſie ihrer Bloͤſſe vergeſſend/ ſich im Bette auffrichtete/ und Libuſſen
mit Neda Hülffe ſo lange ruͤttelte/ biß ſie zu ihr ſelber kam. Es wahr ihm zwar dieſe Oh-
macht leid/ und fand doch eine Vergnuͤgung wegen ehmahl erlittener Angſt/ troͤſtete ſie nit
deſto minder auffs beſte/ nebeſt getahner Verſicherung/ Leches waͤhre annoch friſch und
geſund/ aber hart geſangen/ nicht umb Mord oder Ubeltaht/ ſondern bloß umb Liebe willen.
Wie
[835]Vierdes Buch.
Wie dann? ſagte ſie/ hat er ſich etwa in ungebuͤhrlicher Liebe vergangẽ/ ſo wird meine Hul-
de bald auffgeruffen ſeyn. Nein geliebte Waſe/ antwortete er/ ihr verſtehet mich unrecht;
Er iſt von einer vornehmen adelichen Witwen in Beſtreitung ihrer Feinde gebraucht
worden/ da er ſich dermaſſen tapffer gehalten/ daß er mit froͤlichem Siege bey ihr auff ih-
rem Schloſſe angelanget/ und ſie nicht allein ihm treffliche Verehrungen getahn/ ſondern
mit dieſen Worten angeredet: Manhaſſter Ritter/ eure Bedienungen ſind ſo groß/ daß
ich faſt nicht weiß/ auff was geſtalt ich dieſelben vergelten koͤnne/ habe mich demnach erklaͤ-
ret/ euch zum Herrn aller meiner Guͤter zumachen/ und vor meinen Eheliebeſten zuerkie-
ſen/ nicht zweifelnd/ ihr werdet ſolches erbieten von mir annehmen/ und hinfuͤhro euch nicht
anders als ein Ehegatte gegen mich verhalten. Das muß ein kuͤhnes Weib ſeyn/ ſagte Bꝛe-
la/ die mit ſolcher Frecheit ſich einem Ritter darbeut. Er fuhr fort in ſeiner Rede: Leches
haͤtte mit aller Hoͤfligkeit ſolches ablehnen wollen/ als ſchaͤtzete er ſich ſo hoher Gunſt un-
wirdig/ auch allerhand Ausfluͤchte geſucht/ biß endlich die Frau es vor eine Verhoͤhnung
ausgedeutet/ und zu ihm geſagt: Ritter/ nachdem ihr nicht allein meine Feinde uͤberwun-
den/ ſondern uͤberdas mich ſelbſt euch untertahn gemacht/ ſollet ihr keine Unwirdigkeit vor-
ſchuͤtzen/ in Betrachtung/ ich euch wirdig davor erkenne/ es waͤhre dann/ daß ihr es zu mei-
ner Verachtung taͤhtet. Als nun Leches ſich hierauff nach ihrem Willen nicht haͤtte wollen
vernehmen laſſen/ ſondern vorgewand/ er muͤſte ſeiner Eltern bewilligung zuvor einhohlẽ/
als unter deren Gewalt er waͤhre; haͤtte die Frau ihn in ein wolgeziertes Gemach verſper-
ren laſſen/ da ihm mit koͤſtlicher Speiſe und Trank auffgewartet wuͤrde/ biß er in die Hey-
raht einwilligte/ oder ſein leztes entſchuldigen darlegete/ daß er mit einer Adelichen Jung-
fer ſchon ehelich verſprochen/ nicht mehr ſein eigen waͤhre/ ſondern lieber ſterben/ als dieſe
gegebene Traͤue brechen wolte; dann ſie koͤnte ihm ſolches nicht zutrauen/ es waͤhre dann/
daß ſeine Liebſte ſelbſt kaͤhme/ und ſich ihr zeigete/ alsdann wolte ſie nicht allein ihn gerne er-
laſſen/ ſondern dieſe ſeine gewuͤnſchete Heyraht zubefodern/ das Beylager praͤchtig aus-
richten/ und auff ihren toͤdlichen Hintrit ihn zum Erben aller ihrer Guͤter einſetzen. Ach/
ſagte Libuſſa/ hat euch Leches ſolches dann geſchrieben? Nein antwortete er/ nicht mir/ ſon-
dern Herrn Markus zu Korinth/ und nach Erzaͤhlung alles Verlauffs den Brieff mit die-
ſen Worten geſchloſſen: Weil ich dann meiner herzgeliebeten Jungfer Libuſſen dieſe be-
ſchwerliche Reiſe nicht anmuhten kan noch mag/ wollet ihr dieſelbe verſichern/ daß zu Be-
zeugung meiner aufrichtigen Traͤue ich in dieſem Gefaͤngniß mein Leben zuenden entſchloſ-
ſen bin/ ſpreche ſie der mir beſchehenen Zuſage ledig und loß/ und wuͤnſche/ Gott wolle ihr
in kuͤnfftiger ihrer Liebe beſſern Fortgang verleihen/ als mir leider wiederfahren iſt. Sehet
geliebte Waſe/ ſolche Beſchaffenheit hat es umb euren Leches/ deſſen Leben und Tod/ mei-
nes ermeſſens nunmehr allein in euren Haͤnden ſtehet. Libuſſa ließ die Traͤhnen haͤuffig fal-
len/ und beklagete ſehr/ daß ihr Leches in dieſe Wiederwertigkeit gerahten waͤhre/ fragete
endlich/ in was Landſchafft es dann waͤhre. Das Land/ ſagte er/ wird Oenotria geheiſſen/
lieget nicht weit von einem Meer/ und wolte ich euch gerne dahin begleiten/ dafern ihr ihm
die Barmherzigkeit erzeigen/ und zur Vergeltung ſeiner Traͤue des Weges Ungelegen-
heit uͤber euch nehmen woltet. Ja Vetter/ ſagte ſie/ wollet ihr mit mir reiſen/ wann meine
Waſe es zugeben kan/ wil ich mich noch dieſen Tag fertig machen. Brela betrachtete/ daß
N n n n n ijihre
[836]Vierdes Buch.
ihre angelobete Trauerzeit nunmehr zum Ende gelauffen/ und ſchon zimliche Zurüſtung
auff das Beylager gemacht waͤhre/ daher ſie lieber die Reiſe in etwas auffgeſchoben haͤtte/
durffte doch Scham halber nicht dawider reden/ ſondern gab vor/ es waͤhre ihr lieb/ daß er
ihrem Vetter zudienen/ ſich ſo willig anerboͤhte/ baht demnach/ er moͤchte unbeſchwert einẽ
geringen Abtrit nehmen/ biß ſie ſich bekleidet haͤtten. Sehr gerne/ antwortete er/ aber ihr
wollet ja nicht ſeumen/ dann ich ſage euch in hoͤchſtem Vertrauen/ daß Herr Markus mit
ſeiner Euphroſynen dieſen Morgen alhie heimlich angelanget/ und ſich nicht anmelden
wollen/ biß ſie Herrn Klodius und Fr. Agathen ohngefehr werden geſprochen haben. Ey/
ſagte Brela/ die gute Frau hat mir groſſe Freundſchafft erwieſen/ und iſt mir lieb/ daß ich
ſie ſprechen ſol. Libuſſa ließ Agathen zu ſich bitten/ mit ihr hinzugen/ und ſolte inzwiſchen
Brela ſich nach Fr. Sophien machen/ ihr Leches Unfall und Libuſſen noͤhtige Reiſe anzu-
melden. Agatha wahr ſchon von Neda unterrichtet/ wie ſie ſich gegen ſie verhalten ſolte/
und ging er mit Klodius hin nach der Herberge/ da das wilkommen heiſſen zimlich anhielt.
Libuſſa folgete bald hernach mit Agathen/ und ſahe ihren Leches/ ſo bald ſie ins Gemach
trat/ bey Neda hinter dem Tiſche ſitzen/ woruͤber ſie gar erſtarrete/ Neda aber geſchwinde
zu ihr ſagete: Verzeihet mir Waſe/ daß ich die Angſt/ mir vor dieſem auff eben dieſen Zim-
mer angetahn/ mit jetziger unvermuhtlichen Freude erſetzen wollen. Der Poſſe haͤtte ihr
ſchier zu herbe gedaucht/ doch weil ſie durch ihres Liebſten gegenwart der vorigen Ohmacht
gnug ergetzet ward/ ſagte ſie zu Neda: Verſichert Vetter/ ich ſchenke euch dieſen Saznit/ es
koſte wz es wolle Leches ließ ſie nit weiter reden/ trat hinzu/ uñ meldete ihr Ladiſla/ Herkules/
Valiſken und Gallus Gruß an; Sie wolte ihm anfangs nicht danken/ viel weniger ihn
wilkom̃en heiſſen/ meynete/ er haͤtte dieſe Aufftreiberey mit Neda angelegt/ welcher ſolches
merkend/ zu ihr ſagte: Waſe/ tuht eurem Ritter keinen Schimpf/ er hat des ergangenen nit
die allergeringſte Wiſſenſchaft. So ſeyd mir wilkom̃en Ritter Leches/ ſagte ſie/ uñ helffet mit
drauff bedacht ſeyn/ wie ich mich ehiſt an dieſem raͤche/ der mich heut dieſen Morgẽ in Oh-
macht und Traͤhnẽ baden gemacht/ nur daß er ſeine Kurzweil daran haben/ und durch mei-
ner Seelen Angſt ſich erfreuen moͤchte. Geliebte Waſe/ antwortete Neda/ habt ihr meine
Reden ungleich verſtanden/ davor kan ich nicht buͤſſen/ wann ich aber dartuhe/ und mein
Bruder Leches ſelbſt geſtehet/ daß ich die Warheit geredet/ wollet ihr mir alsdañ auch ver-
zeihen? Wie nun? ſagte ſie/ wollet ihr mich darzu noch mit ſehenden Augen blind/ und mit
hoͤrenden Ohren taub machen? Leches verſtund ihr Gezaͤnke nicht/ biß ſie drey abſonders
traten/ und Neda zu ihm ſagete: Geliebter Bruder/ ich habe heut deiner vertraueten ange-
meldet/ wie in ſo groſſem liebes Leiden du ſteckeſt/ aus welchem niemandd als ſie allein dich
loß machen koͤnne/ welches ich unter verbluͤmeter Rede vorgetragen/ deren ſie ſonſten ſich
gar artig zugebrauchen weiß/ und hat ſich doch heut ſo wenig drein ſchicken koͤnnen/ daß ich
mich ihrer Einfalt verwundern muͤſſen; nun bedenket/ geliebte Waſe/ was ihr noch heut
zu leiſten mir verſprochen/ und werdet nicht ruͤkfaͤllig. Libuſſa kunte nunmehr nachſinnen/
daß er unter der Witwen die liebes Angſt und das Verlangen haͤtte andeuten wollen/
welches ihren Leches biß auff ihre Rettung gefangen hielte/ weil es aber nicht nach den be-
ſchrankten Satzungen der Gleichnisreden von ihm vorgebracht wahr/ ſagte ſie zu ihm:
Vetter Neda/ man muß die Verbluͤmung nicht mit gar zu fremden Farben anſtreichen/
ſonſt
[837]Vierdes Buch.
ſonſt muß mans vielmehr vor ein ungereimtes Geticht als kurzweilige Erfindung außle-
gen; meine Zuſage betreffend/ iſt ſelbe ſo beſchaffen/ daß ich ſie gar wol halten kan/ geſtalt-
ſam ich auff heut nichts als den Anfang verſprochen habe. Sehr wol geredet/ ſagte er/ uñ
ſey heut der Anfang/ uͤber achtzig Jahr aber das Ende. Libuſſa antwortete: Ich habe jezt
noͤhtigere Sachen zu handeln/ als mit euch zu zanken/ aber ich binde euch bey Verluſt mei-
ner Freundſchaft ein/ daß ihr den heutigen Verlauff niemand ohn Leches wiſſen laſſet.
Gleich hiemit fiel ihr ein/ daß Brela hingangen wahr/ es Fr. Sophien als eine Warheit
anzutragen/ ſendete deßwegen Fr. Agathen Leibdienerin zu ihr/ und ließ ihr ſagen was Ne-
da ihr heut vorgebracht/ waͤhre ein lauteres Getichte. Jene aber hatte es dem ganzen ho-
hen Frauenzimmer ſchon kund getahn/ und entſtund daruͤber ein zimliches Gelaͤchter. Li-
buſſa trat endlich hin zu Markus und deſſen Eheliebſten/ hieß ſie wilkommen/ uñ endſchul-
digte ſich/ wegen des langen verweilens/ woran Neda die Schuld truͤge. Es wahr aber
ihr Geſpraͤch kurz/ dañ Neda ſchaffete bald/ daß Leches wieder mit ihr allein zu reden kam;
derſelbe wuſte nun das Gaben und Geſchenke wie ein luftiger Wind die Liebe auffblaſen/
lieferte ihr demnach einen koͤſtlichen Ring/ den er zu Ekbatana/ hatte machen laſſen/ welchẽ
ſie mit erbietung aller moͤglichen Vergeltung zu ſich nam; er aber ihr zur Antwort gab:
Was erbeut ſich meine Freundin zur Vergeltung eines ſo ſchlechten Dinges? ich bitte
ſie wolle vielmehr mein Herz betrachten/ und daſſelbe in Ruhe zuſetzen ihr laſſen angelegen
ſeyn/ ſich auch verſichern/ daß kein Tag eurer lieblichen Betrachtung mich berauben koͤn-
nen/ welche doch mit ſteter Unruhe vermiſchet geweſen/ und noch wol verbleiben wird/ da-
fern ſie mich zum andernmahle ohn gehaltenem Beylager wuͤrde zihen laſſen/ welches zu
verbitten/ ich mich aller guten Freunde Beyſtand gebrauchen wil. Sie wahr ſeiner auff-
richtigen Liebe gnug verſichert/ auch nicht abgeneiget die Hochzeit zu volſtrecken/ nur baht
ſie ihn/ ſich wenige Tage zugedulden/ ihr Vetter Neda wuͤrde des fuͤnfften Tages nach die-
ſem mit Brelen fortfahren/ da ſie/ wann es ihm ja alſo gefiele/ ein gleiches tuhn koͤnten/ und
ſolche Eile mit ſeiner hochnoͤhtigen Reiſe entſchuldigen. Ich bedanke mich vor dieſe Ein-
willigung/ ſagte Leches/ wolte mich auch gerne biß dahin gedulden/ dafern meine Reiſe nit
ſo eilig waͤhre/ dann ich muß Morgen zeitig fruͤh weiter fort nach Prag/ und alsbald wie-
der nach Perſenland/ ſo daß unter Jahrsfriſt ich ſchwerlich alhie wieder anlangen werde.
Daß ſind mir leidige Zeitungen/ antwortete ſie/ deren ich mich nicht vermuhten wahr/ uñ
daher auff euer begehren mich umb ſo viel weniger zuerklaͤren weiß/ wollet demnach mit
meinem guten Willen friedlich ſeyn/ biß das Gluͤk uns Zeit goͤnnen wird/ unſeren Willen
zu vergnuͤgen/ alsdann ſol euch das verſprochene von mir unbruͤchig gehalten werden/
wann ich gleich noch manniches Jahr eurer Wiederkunft erwarten muͤſte; weil aber von
der Liebe zu reden hie keine Gelegenheit iſt/ wollet ihr mir verzeihen/ daß ich einen kurzen
Abtrit nehme/ umb Fr. Sophien und dem Stathalter eure Ankunft anzumelden. Ging
hiemit eilend hin/ fand das Frauenzimmer noch beyeinander/ und ward von ihnen mit ei-
nem Gelaͤchter empfangen. Sie aber kehrete ſich daran gar nichts/ ſondern ſagte zu Frau
Sophien: Gn. Frau/ ich fodere von eurer Gn. ein gutes Bohtenlohn vor die froͤliche
Zeitung ſo ich bringe. Was vor Zeitung geliebte Freundin/ antwortete ſie/ hat ſichs etwa
mit meines Bruders Soͤhnlein dieſe Nacht gebeſſert? Die Krankheit iſt nicht zum Tode/
N n n n n iijſagte
[838]Vierdes Buch.
ſagte ſie/ ſondern ich bringe gute Zeitung von eurem Herzen-Schatze Ladiſia/ der iſt Gott
Lob friſch und geſund. Woher komt euch ſo angenehme Zeittung? fragete ſie: Aus dem
weit abgelegenen Perſenlande/ antwortete Libuſſa/ und iſt der Bohte glaubwirdig gnug/
dann Ritter Leches iſt dieſen Morgen ſelbſt ankommen/ unſerer Helden zuſtandes uns zu-
berichten/ weiß doch nicht/ ob er Gelder bringe oder ablangen wolle. Laſſet immer ablan-
gen/ ſagte ſie/ wann die unſern nur friſch und geſund ſind; wir werden aber hingehen und
meinem H. Vater dieſe Freude mitteilen. Libuſſa ſagete/ ich habe euer Gn. noch nicht al-
les kund getahn/ Herr Markus und Fr. Euphroſyne ſind mit ihm kommen/ die eine ſchoͤne
verſtaͤndige Frau iſt/ und ſich wol zuſchicken weiß/ auch in Kleidern ſich gar zierlich haͤlt.
Ey ſo muͤſſen wir uns auch ein wenig auffputzen/ ſagte ſie/ wollet demnach meinem Herr
Vater ihre Ankunft anſagen. Aber Leches und Markus erwarteten deſſen nicht/ ſondern
gingen unangemeldet mit Klodius und Neda nach der Burg/ da ſie von ihm wol empfan-
gen wurden. Nach verlauff einer halben Stunde kam Fr. Euphroſyne mit Fr. Agathen
auch herzu/ und ward von dem Frauenzimmer nach geſchehenem freundlichen wilkom̄en
auff den Saal gefuͤhret/ da inzwiſchen die Wagen auff dem groſſen Vorhofe die treflichẽ
Schaͤtze abluden/ die von den Dienern auff beſondere Gemaͤcher getragen wurden. Sie
verwunderten ſich alle/ was in ſo vielen Truhen und Laden ſeyn moͤchte/ biß Leches alſo an-
fing: Es haben meine gnaͤdigſte Herren/ Koͤnig Ladiſla und Groß Fuͤrſt Herkules/ auch
meingnaͤdigſtes Fraͤulein Valiſka mir gnaͤdigſt anbefohlen/ allen und jeden gebuͤhrlichen
Gruß zuvermelden/ und beygelegte Brieffe zu uͤbergeben. Reichete hiemit dem Stathal-
ter zween/ einen von Ladiſla/ den andern von Herkules; der ſie ohn verweilen brach und
froͤlich durch laſe. Ladiſla Schreiben wahr dieſes: Mein Herr Vater; ich hoffe zu dem Al-
maͤchtigen Gott/ eure Gn. neben meiner herzgeliebeten Fr. Mutter werde annoch in guter Geſund-
heit leben; uns dieſes Orts/ hat unſer Gott durch manniche Gefahr ſelbſt geleitet/ und endlich meine
Frl. Schweſter uns auff ihrem koſtbahren Schloſſe ſchen laſſen/ geleben der guten Hoffnung/ ſie in
kurzen aus des ſchnoͤden Wuͤterichs/ Koͤniges Artabanus Haͤnden loßzureiſſen/ und ihm die Kron
dergeſtalt zu ſchuͤtteln/ daß dem Roͤmiſchen Reiche er forthin wenig ſchaden ſol. Daß mein geliebter
Bruder Fabius nicht geſchrieben/ iſt die Urſach/ daß er mit einer ſtarken Geſchwade von hinnen nach
Perſepolis gangen iſt/ auff unſere Ankunft gute anſtalt zu machen/ duͤrfftẽ vielleicht den Parther ehiſt
mit Feur und Schwert angreiffen/ wovon Zeiger Leches/ anjetzo beſtalter Perſiſcher Obriſter zu Roß
und Fuß gute nachricht geben wird. Womit ich ſchlieſſe/ uñ nebeſt empfelung dem ſtarken ſchutze Got-
tes verbleibe/ weil ich lebe/ meines Herrn Vaters bereitwilligſter Sohn Ladiſla. Geſchrieben zu Cha-
ras in der Parthiſchen Koͤniglichen Haͤuptſtad am 28 Tage des Jenner Monats/ im Jahr nach er-
bauung der Stad Rom 1177 im erſten Jahr nach dem 251 Olympiſchen Spiele.


Herkules Schreiben lautete alſo: Hochanſehnlicher Herr Stathalter/ als Vater zu ehren/
wegen ſchuldiger Auffwartung/ habe ich nicht unterlaſſen ſollen/ mein geringes Schreiben an ihre Lie-
be abgehen zu laſſen/ hoffe dero guten Wolſtand zuerfahren/ wie dann unſern hiemit zu wiſſen tuhe.
Meine in ehren vertrauete Fraͤulein Valiſka/ welche in ihrer ſtarken Verwahrung viermahl zubeſu-
chen ich die groſſe Ehre gehabt/ entbeut euer Liebe freundlichen Gruß/ und ob gleich der groſſe Par-
ther Koͤnig Artabanus ſie ihm als ein ſchier kuͤnftiges Gemahl uñ Koͤnigin auffhalten laͤſſet/ getraue
ich doch durch meines Gottes Huͤlffe/ ſie in weniger Zeit meinen hochgeliebten Freunden zu Padua
als mein Gemahl darzuſtellen. Inzwiſchen ſey eure Liebe nebeſt allen den ihren Goͤttlicher Obacht
getraͤulichſt empfohlen von euer Liebe bereitwilligſtem Herkules. Geſchrieben in der Parthiſchen
Haͤuptſtad Charas/ 760 Meile von Rom belegen.


Nach
[839]Vierdes Buch.

Nach verleſung lachete der Stathalter froͤlich/ und ſagete: O du wahrhaftiger und
keuſcher Liebhaber; ich muchte wol gedenken/ das dein Herz und Seele durch dieſer vor-
treflichſten Fraͤulein Entführung nicht umbſonſt ſo hart getroffen ward/ da du auff dieſer
Stelle durch ſolche Zeitung zur Erden nidergeſchlagen wurdeſt. Wie ſo mein Herr Va-
ter? ſragete Fr. Sophia/ geſtehet dann Herr Herkules nunmehr/ daß er verliebet? ja nit
allein verliebet/ ſagete er/ ſondern auch verlobet. Wolte ihr damit den Brieff zu leſen rei-
chen; aber Leches hatte ſchon drey andere Schreiben in der Hand/ welche er ihr im Nah-
men ihres Gemahls/ Fraͤulein Valiſken/ und Groß Fürſt Herkules darbot/ und von ihr
lachend erbrochen und verleſen wurden.


Ladiſla Schreiben an ſein Gemahl: Herzgeliebeter Schaz: Wie heftig meiner Seele
verlanget/ mich ſelbſt bey ihr einzuſtellen/ wil die Zeit es doch nicht zugeben/ und muß bißdaher meine
Schuldigkeit durch Schreiben und Bohten ablegen; mein wolergehen kan Leches außfuͤhrlich berich-
ten/ und was mir vor Abenteur zugeſtoſſen ſind. Herkules wird mit Gottes Huͤlffe ſeine nunmehr ge-
ſtandene Liebe gluͤklich erhalten/ deſſen er ſchon einen guten Anfang gemacht/ duͤrfte auch leicht geſche-
hen/ daß wir mehr Schaͤtze in dieſen Laͤndern/ als in der Raͤuber Hoͤhle erſtritten/ deren uns bereit wie-
der unſern Willen viel angebohten werden. Ich hoffe/ Gott werde uns bald wiederumb zuſammen
bringen; inzwiſchen verſichert euch/ daß kein Tag hingehet/ welcher nicht das Verlangen/ meinen al-
lerwerdeſten Schaz zu ſehen/ in mir vermehren ſolte/ muß doch bißdahin mich gedulden/ und der lie-
ben Zeit erwarten/ da ſein herzgeliebtes Gemahl froͤlich wieder ſehen und umbfangen wird/ deren
ewig-ergebener Ladiſla.


Die liebes Traͤhnen floſſen Fr. Sophien unter dem leſen aus den Augen/ und nach
endigung ſagte ſie: Ich wil des guten Gluͤckes in geduld erwarten/ welches unſere ver-
ſtoͤrete Freude wieder ergaͤnzen wird. Laſe darauff Herkules folgenden Brieff.


Hochgebohrne Fr. Schweſter; mir zweiffelt/ ob ich mit meinem Schreiben angenehm ſeyn wer-
de/ der ich mit Schuld daran trage/ daß eure Liebe von ihrem Herz vertraueten ſo lange mus geſchie-
den ſeyn/ wiewol deſſen Nachfolge mir hoͤchlich mißfallen/ und ich wuͤnſchen moͤchte/ daß er nebeſt ih-
rem Herrn Bruder K. Fabius ſich der Reiſe enthalten haͤtte; weil aber eines Menſchen Wille der
Verſehung Gottes nicht wiederſtreben noch entgegen murren ſol/ wird meine Fr. Schweſter ihre
Sorge maͤſſigen/ und in Hoffnung/ uns ſchier wiederzuſprechen/ aller Traurigkeit urlaub geben. Mei-
ne Frl. Waſe/ Frl. Valiſka iſt unter andern Urſachen auch deßwegen ihrem verwacheten Schloſſe
feind/ daß ſie der Kundſchaft ihrer Fr. Schweſter ſo lange entbehren muß. Sie wird von Koͤnig Arta-
banus als Braut geliebet/ aber ſo lange ich lebe/ duͤrfte ihm das Beylager gewegert werden/ wann
Gott nicht zuwieder iſt/ deſſen gnaͤdige Huͤlffe ich in kurzerzeit meiner Fr. Schweſter muͤndlich zuer-
zaͤhlen hoffe; Inmitt elſt befehle dieſelbe ich dem alwaltigen Gott/ bitte auch meine Frl. Schweſter/
Frl. Sibyllen/ im gleichen Fr. Urſulen und Frl. Helenen meinetwegen Dienſt- und ehrengebuͤhrlich
zu gruͤſſen/ verbleibend/ weil ich lebe/ meiner Fr. Schweſter dienſt-ergebener Knecht Herkul es.


Der inniglich verliebete Herkules/ ſagte ſie zu den Anweſenden/ wil mir zwar nicht
offentlich beichten/ und kan ſich doch im Schreiben nicht ſo wol verſtellen als vor dieſem
gegenwaͤrtig. Ja/ antwortete ihr Vater/ vielleicht iſt er verſichert/ daß die Augen/ ſo ihn
auff dieſem Saal ſo inniglich pflegeten anzuſchauen/ und er ſelbe nicht in betruͤbnis ſetzen
wolte/ dieſes ſein Schreiben nicht werden zu ſehen bekommen; uͤber welcher Rede Fr.
Sophia mit lachendem Munde ihre Waſe Fraͤulein Sibyllen ſtarre anſahe/ die ohn daß
den Stich auff ſich zohe/ und daher im ganzen Angeſicht erroͤhtete; Sie verbarg ſich aber
hinter einem ſtarken Nieſen/ welches ihr zu allem gluͤk ankam/ worauff ein zimlicher Huſten
folge-
[840]Vierdes Buch.
folgete/ ſo daß die Anweſende von dieſem Geſpraͤch abgezogen wurden/ und Fr. Sophia
unverſtoͤret den dritten Brieff/ alſo lautend/ leſen kunte.


Die gefangene Valiſka/ entbeut der Durch leuchtigſten Koͤnigin in Boͤhmen/ ihrer herzgelie-
beten Fr. Schweſter freundlichen Gruß/ und klaget/ daß ſie nicht gnugſame Buſſe erdenken kan/ die
unbilligkeit der Trennung ihrer Fr. Schweſter von ihrem Gemahl/ deren ſie Urſach iſt/ abzutragen.
Verſichere meine Fr. Schweſter ſich kuͤhnlich/ daß mir das Leiden auch in etwas bekant iſt/ welches
die ferne Abweſenheit eines allerliebſten Schatzes in verliebeter Seele erwecket/ und ich umb ſo deſto-
mehr zur harten ſtraffe mich ſelbſt verurteile/ daher ich deren mich zu entbrechen nicht willens bin/ bit-
te nur freundlich/ die Volſtreckung auffzuſchieben/ biß mein Gott und Schoͤpffer durch ſeine almaͤch-
tige Gnade mich vor euer Liebe Gericht ſtellen wird/ wil alsdann/ was mein vertraueter Oheim/
Groß Fuͤrſt Herkules/ und meine von Angeſicht mir annoch unbekante Schweſter Frl. Lukretie Pom-
pejin/ als meine getraͤue Vorſprachen nicht werden abbitten koͤnnen/ gerne und geduldig uͤber mich
nehmen/ wann nur eure Liebe die wolbefugete Rache bißdahin außzuſetzen kan beredet werden; in-
zwiſchen befehle eure Liebe ich der gewaltigen Obhuet Gottes zu aller gedeiligkeit getraͤulichſt/ und
wie ich bin/ alſo verbleibe ich Zeit meines Lebens meiner herzgeliebeten Fr. Schweſter ganz ergebene
Dienerin Valiſka/ jezo genennet Herkuliſka. Gegeben auff meinem Koͤniglichen Schloſſe/ vielmehr
Zwaͤnger zu Charas.


Frau Sophia betrachtete nach verleſung die zierlichen Buchſtaben und artigen kunſt
Züge/ die kein Schreibmeiſter haͤtte nacharten koͤnnen/ fing endlich mit einer verwunde-
rung an: O welch eine aͤdle Seele muß in dem Herzen dieſer unvergleichlichen Fraͤulein
wohnen/ daß in ſo überaus groſſen Gefahr ſie ſich annoch ergetzen/ und dem Ungluͤk ſelbſt
troz bieten kan. Ja/ antwortete Leches/ mein gnaͤdigſtes Fraͤulein hat durch ihren unüber-
windlichen Muht es dahin gebracht/ daß Artabanus ſelbſt ſie fürchten muß/ und habe ich
mit Augen angeſehen/ daß in ſeiner Gegenwart ſie einen vornehmen Parthiſchen Fürſten/
des Koͤniges naͤheſten Anverwanten erſchoſſen/ umb daß er Herrn Herkules verraͤhteri-
ſcher weiſe uͤber fiel/ und ſchier ermordet haͤtte. Daß ſind gefaͤhrliche Zeitungen/ ſagte Fr.
Sophia; bitte aber/ uns die Freundſchaft zuerzeigen/ und was mit unſern geliebten ſich zu-
getragen/ umbſtaͤndlich zuerzaͤhlen/ welches ich noch vor Morgen ſruͤh verſchulden wil/
und ich darzu gute Gelegenheit habe. Libuſſa ſtund nicht weit davon/ merkete bald/ worauf
ſie zielete/ ließ ſich doch nichts merken/ ſondern hoͤrete fleiſſig zu/ weil Leches ſchon in voller
Erzaͤhlung war/ da er alles anzeigete/ was mit ihnen ſo wol auff der Reiſe/ als zu Ekbatana
und Charas ſich zugetragen/ ohn Fabius Verluſt und was ihr Chriſtentuhm betraff; Und
als er in zwo Stunden ſeine Rede geendiget hatte/ uͤbergab er Fr. Sophien die von Frl.
Valiſken ihr zugeſchickete Kleinot in einem von Perlen-Mutter zuſammen geſetzeten Laͤ-
dichen/ welche ſie uͤberaus koſtbar befand; nachgehends reichete er Fr. Urſulen/ Frl. Si-
byllen und Frl. Helenen/ (die herzugefodert war) abſonderliche Paͤklein Kleinot in Her-
kules Nahmen; Jungfer Brelen aber eine zimliche Lade mit 100000 Kronen angefuͤllet/
wahren die Gelder/ welche dem Fraͤulein zu Tyrus/ und Herkules in Kreta vorgeſchoſſen
wahren/ uñ wurden mit koͤſtlichen Kleinoten hoch verzinſet. Und ob gleich Brela vorwen-
dete/ der groͤſte Teil kaͤhme ihrer Waſen Libuſſen zu/ kehrete ſich doch Leches daran nicht/
ſondern zeigete an/ wie er ſchuldig waͤhre ſeines Gn. Herrn Befehl außzurichten. Wei-
ters foderte er Fr. Euphroſynen vor ſich/ haͤndigte ihr 60000 Kronen baar ein/ nebeſt vie-
len ſchoͤnen Kleinoten/ und ſagte: Fuͤrſt Herkules wuͤſte ſich ihres ihm erzeigeten guten
Willens
[841]Vierdes Buch.
Willens wol zuerinnern/ wolte als ein dankbarer Schuldman das vorgeſtreckte vor diß-
mahl ablegen/ und die gebuͤhrliche Dankbarkeit auff ſeine Ankunft auffſchieben. Fr. Eu-
phroſyne haͤtte ſich deſſen nicht verſehen/ wegerte ſich auch/ es anzunehmen; aber Markus/
dem Herkules Sinn bekant wahr/ ſagete/ es waͤhre ein ſolches vergeblich/ uñ ſeinem gnaͤ-
bigſten Herrn Herkules nichts unangenehmers/ als die Wegerung ſeiner angebotenen
Gnade. Zulezt ließ Leches drey anſehnliche ſchoͤne Laden von treflicher Arbeit aus dem
reineſten Hebenholz/ die er zu Tyrus gekauft hatte herzutragen/ und ſagte zu Libuſſen; ſehet
hie meine in ehren vertrauete Freundin; unſer allerſeits gnaͤdigſtes Fraͤulein hat mich mit
leerer Hand nicht wollen laſſen zu euch kommen/ ſondern dieſen Schaz/ benantlich drey
Tonnen Goldes/ neben beygefuͤgeten Kleinoten mir zu geſtellet/ euch dieſelben als einen
Beutpfennig ihret wegen mitzubringen/ werdet hieraus ihrer Gn. Gewogenheit erkeñen/
und alles zu eurem beſten gebrauchen. Die Jungfer entſetzete ſich vor ſolcher Freigebig-
keit/ und fing mit traͤhnenden Augen an: O mein gnaͤdigſtes Fraͤulein/ die ich in meiner
Seele unverrukt trage/ womit hat euer Gn. unwirdigſte Dienerin dieſe mehr als Koͤnigl.
Geſchenke verdienen koͤnnen? nun/ ich werde die Gedaͤchtnis dieſer Gnade aus meinem
Herzen nimmermehr kommen laſſen. Wie? ſagte Fr. Sophia/ ſeid ihr dann eurem Rit-
ter vor gehabte Muͤhe und getraͤue Einlieferung nicht auch dankbar? gewißlich Ritter
Leches/ ich werde nicht ruhen/ biß ihr mir Volmacht gebet/ den Tag eurer Heyraht zube-
ſtimmen. Ich verbleibe meiner gnaͤdigſten Frau und Koͤnigin untertaͤhnigſt-gehorſam-
ſter Diener/ antwortete er/ aber wann der heutige Tag es nicht ſeyn ſol/ weiß ich ſelber nit/
welcher dazu kan beſtimmet werden/ nachdem ich Morgen in aller fruͤhe auffbrechen/ und
meine Werbung zu Prage verrichten mus. Libuſſa ſahe/ daß das Spiel angefiedert ward/
und ſagete: Keines weges/ Ritter Leches/ daß es heut geſchehe/ dann ich habe verredet/ den
einen Tag Hochzeit zu machen/ und den andern/ meinen Ehejunkern von mir zihen zu laſ-
ſen. Fr. Sophia hielt dieſes vor ihren Ernſt/ und zweiffelte/ ob ſie aͤuſſerſt in ſie dringen
duͤrfte; Aber Leches zog ein Schreiben hervor/ uñ ſagete zu Libuſſen; ſehet meine vertraue-
te/ dz beſte haͤtte ich ſchier unterlaſſen/ ihr zu liefern/ nehmlich dieſes/ von unſerm Gn. Frl.
an euch geſchrieben/ welches ihre Gn. mir zugeſchikt/ gleich da ich abzihen wollen. Sie
erkennete alsbald die Hand/ dann die Auffſchrift wahr Teutſch/ und lautete alſo: Meiner
lieben getraͤuen Kammer Jungfer/ Libuſſen/ dieſes zu eigenen Haͤnden: Sie nahm den Brieff
mit freuden an/ kuͤſſete ihn/ und bald nach erbrechung laſe ſie dieſe Teutſche Worte:


Herz liebes Kind/ ich verhalte dir als meiner allerheimlichſt-Vertraueten nicht/ was geſtalt
mit meinem hoͤchſt- und einig-geliebeten Herkules ich in meinem ſtark bewachetem Schloſſe zu vier
unterſchiedlichenmahlen mich durch laͤngſt begehrtes Liebes Geſpraͤch ergetzet/ auch der Hoffnung
zu dem einigen wahren Gott/ den ich nunmehr/ ihm allein ſey Dank/ kenne/ gelebe/ es werde durch deſ-
ſen Gnade und Schickung mich mein Junigſt-geliebeter ſchier frey und ledig machen/ worauff ich Tag
und Nacht warte. O mein liebes Kind/ wie noͤhtig waͤhre mir eine Zeit her deine Geſelſchaft und Troſt
geweſen/ und wundere mich ſehr/ wie ich mein Leben erhalten/ und vor Unmuht mich nicht ſelbſt er-
wuͤrget habe. Ich lebe anjezt in zimlicher Zufriedenheit/ aber weil meine Seele/ der teure Herkules
gleich heut davon zihen wird/ und ich in Viertel Jahres-friſt ihn kaum werde wieder zuſehen bekom-
men/ wird mein Kummer wieder angehen; jedoch habe ich gnug/ wann die Hoffnung mich erhaͤlt/
biß ich im freyen Felde auff ſchnellen Pferdẽ mich mit meinem Erloͤſer befinden werde; alsdann wird
Traurigkeit verſchwinden/ und alles Ungluͤk vergeſſen ſeyn. Inzwiſchen lebe geſund biß uns Gott zu-
O o o o oſam-
[842]Vierdes Buch.
ſammen fuͤget/ und bey Verluſt aller meiner Hulde und Liebe/ gib alsbald meiner hoͤchſtgeliebeten Fr.
Schweſter Fr. Sophien untergezeichnete Lateinſche Worte zuverleſen/ und halte zugleich bitlich an/
daß ſie deren Inhalt zur ſchleunigſten Erfüllung gnaͤdig befodern wolle. Deine gnaͤdigſt-gewogene
Frl. Valiſka.


Sie gedachte/ was doch immermehr die unter gezeichneten Lateiniſchen Worte in
ſich begreiffen moͤchten/ und fand dieſen Inhalt: Straks nach Verleſung dieſes Briefes mache
dich fertig/ mit deinem Leches noch deſſelben Tages Hochzeit zuhalten/ damit an ſeiner noͤhtigen Rei-
ſe er nicht gehindert werde; und ob Leches zubloͤde ſeyn wuͤrde/ es zuſuchen/ ſo bitte ich krafft dieſes/ dz
meiner Fr. Schweſter ihre Liebe ſolches ins Werk richten wolle. Du aber huͤte dich vor Ungehorſam.


Nach Verleſung dieſes verenderte ſie ihre Farbe/ und ſagete uͤberlaut: O mein un-
gnaͤdiges Fraͤulein/ was vor eine unertraͤgliche Laſt buͤrdet Eure Gn. mir auff. Fr. So-
phia fragete ſie/ was vor unangenehmes ſie in dieſem Briefe fuͤnde. Sie aber baht/ einen
Abtrit mit ihr zunehmen/ und fing an: Gn. Frau/ wann mein Gn. Fraͤulein mich hieſſe in
den Tod gehen/ muͤſte ich mich deſſen nicht wegern; nun aber gebeut ſie mir bey Verluſt ih-
rer Hulde/ welches die haͤrteſte Straffe iſt/ die mir kan gedraͤuet werden/ daß nicht allein
Eurer Gn. ich dieſe Lateiniſche Worte leſen laſſen/ ſondern auch umb Befoderung zu de-
ren Erfuͤllung bey derſelben bitlich anhalten ſol/ welches ich auch hiemit untertaͤhnig wil
verrichtet haben/ nur daß Ihre Gn. es bey ſich behalten moͤge. Fr. Sophia laſe die Wor-
te/ lachete daruͤber/ daß ſie ſchuͤtterte/ faſſete ſie bey der Hand/ und ſagte: Kommet meine
liebe Freundin/ ich erſehe hieraus/ wie hohe Gewogenheit dieſe Durchl. Fraͤulein zu euch
traͤget/ und wil ich der Sache ſchon ihre richtige maſſe geben; ging wieder mit ihr hin nach
der Geſelſchafft/ und ſagete: Was euch in dieſem Briefe ſo ſelzam vorkomt/ wollen wir
vor dißmahl ausſetzen; Ich aber beſtimme euch/ Ritter Leches und Jungfer Libuſſa/ die-
ſen Tag zu eurer Hochzeit/ und wer mir darzwiſchen redet oder handelt/ ſol ſich aller mei-
ner Freundſchafft und Hulde begeben. Die gute Braut ſahe vor ſich nider/ durffte weder
ja noch nein ſagen/ biß endlich Brela ihr zuredete/ ſie moͤchte ſich in keine Ungelegenheit
ſtürzen. Sehr wol/ antwortete ſie/ da komt ihr mir eben recht; fing darauff an zu Fr. So-
phien: Gnaͤdigſte Frau/ wann ja Eure Gn. mir den ſo lieben und angenehmen Jungfern
Stand laͤnger nicht goͤnnen kan noch wil/ erkenne ich mich zum Gehorſam ſchuldig/ allein
bitte ich untertaͤhnigſt/ und bey der Erinnerung dero Liebe zu meinem gnaͤdigſten Fraͤulein/
Eure Gn. wollen meinem lieben Vetter Neda zum beſten/ ebenmaͤſſigen Befehl gnaͤdigſt
erteilen/ daß meine Waſe Brela zugleich mit mir fortfahre/ nachdem ihre verſprochene
Trauerzeit heut dieſen Tag geendiget iſt. Brela wolte viel einſperrens machen/ aber nach-
dem Agatha und Klodius des guten Neda Wort redeten/ hub Fr. Sophia an: Das waͤ-
re trauen eine ſchlechte Freundſchafft/ wann Jungfer Brela/ in anfehung meiner Liebe
zu Frl. Valiſken/ mich wolte laſſen eine Fehlbitte tuhn; lieber erkennet eures Neda Wil-
fertigkeit euch ganzer 20 Wochen erzeiget/ und hoͤret auff/ ihn auff leere Baͤume hinzuwei-
ſen/ auch/ da ihr euer Gn. Frl. Valiſka uñ mich liebet/ ſo gehet ſtuͤndlich hin/ leget die Trau-
erkleider ab/ und ſchlaget den verſtorbenen aus dem Sinne/ ſonſten erzeiget ihr mir ein lau-
teres Mißfallen. Brela ſahe/ daß es anders nicht ſeyn wolte/ bedankete ſich der hohen gna-
de/ und ſagete zu Libuſſen: Jezt goͤnne ich euch von herzen/ was euch heut fruͤh begegnet iſt/
auch/ wanns gleich mehr geweſen waͤhre/ dann ihr ſeyd freilich aus deren Zahl/ die nicht eꝛ-
ſauffen
[843]Vierdes Buch.
ſauffen wollen/ ſie zihen dann noch einen mit ſich auff den Grund. Gebet euch zufrieden/
antwortete Libuſſa/ es gilt ja hie noch nicht ertrinkens; wodurch ſie ſo ein hefftiges Gelaͤch-
ter bey den Anweſenden zurichtete/ daß ſie wuͤnſchete/ geſchwiegen zuhaben. Hiemit wahr
nun der Kauff geſchloſſen/ und nach kurzgehaltener Mahlzeit wurden unſere Braͤute aufs
beſte ausgezieret/ wobey Fr. Urſula ſich ungerne fand/ weil ſie ihre Traurigkeit wegen des
Nichtſchreibens ihres Liebſten Fabius/ nicht aus dem Sinne ſchlagen kunte. Leches hatte
inzwiſchen die uͤbergebrachten Schaͤtze in drey Teile von ander geſetzet/ der erſte und groͤſte
wahr Frl. Valiſken/ und erſtreckete ſich auff die 70 Tonnen Goldes an Kleinoten und ge-
muͤnzetem Golde. Der ander Teil wahren Herkules und Ladiſlaen Schaͤtze/ welche nebeſt
den vorigen Fr. Sophia zu ihrer Verwahrung nam. Der dritte und kleineſte ſolte nach
Prage uͤberbracht und der Koͤnigin uͤberliefert werden. Nach dieſer Verrichtung ordne-
te es der Stathalter/ daß die Verliebeten nach Roͤmiſchen Gebrauch zuſammen gegeben
wuͤrden/ welches Leches merkend/ weil es wider ſein Gewiſſen und Chriſtentuhm lief/ nicht
einwilligen wolte/ deswegen er Fr. Sophien an einen abſonderlichen Ort baht/ und ſie al-
ſo anredete: Gnaͤdigſte Frau und Koͤnigin; ich fuͤrchte/ Ihre Gn. und der Herr Stat-
halter werden meine Vereheligung mit heydniſchen Gebraͤuchen und gewoͤhnlichen Opf-
fern einzuſegnen vorhabens ſeyn/ welches ich untertaͤhnigſt verbitte/ weil es wider mein
Gewiſſen ſtreitet/ im uͤbrigen bin ich ohn Ausrede untertaͤhnigſt gehorſam biß an den Tod.
Sie antwortete ihm mit freundlicher Rede: Verſchonet mein/ Ritter Leches/ mit dem Koͤ-
niges-Nahmen/ biß ich die Herſchung antreten werde; ſonſt iſt nicht ohne/ daß hierzu/
deſſen ihr gedenket/ Anſtellung gemacht wird; ich wil aber nicht Anlaß geben/ daß durch
mich einiges Menſchen/ viel weniger euer Gewiſſen ſol verunruhet werden; Doch ſaget
mir/ da ichs wiſſen darff/ ſeyd ihr etwa ein Chriſt worden? Leches gab unerſchrocken zur
Antwort: Gn. Frau; nachdem mein Erloͤſer JEſus Chriſt bey Straffe der ewigen Ver-
damniß gebohten hat/ ihn vor den Menſchen nicht zuverleugnen/ und Ihre Gn. von mir
ſolches zuwiſſen begehren/ ſo bekenne ich gerne/ daß ich ein Chꝛiſt bin/ und daß ich nie in mei-
nem Gewiſſen recht zufrieden geweſen/ ehe uñ bevor ich dieſen allein ſeligmachenden Glau-
ben gelernet und angenommen habe. Wo dann iſt ſolches geſchehen? fragete ſie. Er ant-
wortete/ in der Mediſchen Haupt Stad zu Ekbatana/ woſelbſt ich durch ſonderbahre ſchic-
kung Gottes bekehret bin. Erzaͤhlete hiebey kuͤrzlich/ was ſich daſelbſt mit dem Gotteslaͤ-
ſterlichen Juden zugetragen hatte. Sie/ nach ihrem Verſtande/ kunte daher leicht ſchlieſ-
ſen/ ihr Ladiſla wuͤrde eben dieſen Glauben angenommen habẽ/ welches eigentlich zuerfah-
ren/ ſie zu Leches ſagete: Ihr wiſſet/ in was vor Hulde ich bey meinem und eurem Koͤnige
bin; ſo wil ich nun eine Frage/ die ihr wol auffloͤſen koͤñet/ in groͤſteꝛ Vertrauligkeit an euch
legen/ euch bey meinen Ehren verſichernd/ daß euch ſolches durchaus nicht zu ſchaden oder
Gefahr gereichen ſol/ werdet ihr mich aber hinter gehen/ wuͤſte ich ſolches nit zu verſchmer-
zen. Leches entſetzete ſich der ſtarken Bedingung/ erboht ſich bey ritterlichen Ehren/ alles zu
ſagen/ was er gefraget wuͤrde/ dafern es nicht Sachen betꝛaͤffen/ die von ſeinem Koͤnige ihm
ausdrüklich verbohten waͤhren zumelden/ und er an hohen aͤidesſtat angelobet/ ſie keinem
Menſchen/ wer der auch waͤhre/ zuoffenbahren/ da er dann ſchon wüſte/ daß Ihre Gn. an
ſeiner Verraͤhterey und Meinaͤid keinen gefallen tragen wuͤrde. Ihr ſeyd mir zu ſchlauh/
O o o o o ijſagte
[844]Vierdes Buch.
ſagte ſie/ und ſtelle euch frey/ zuantworten oder nicht; moͤchte aber herzlich gerne/ und ohn
eure Gefahr berichtet ſeyn/ ob mein Koͤnig Ladiſla auch ein Chriſt worden waͤhre. Leches
wuſte die unvermutliche Frage nicht auff ſtehendem Fuſſe zubeantworten; Zwar Herku-
les hatte ihm gebohten/ ſein Chriſtentuhm/ ſo viel moͤglich/ zu Padua in geheim zuhalten/
aber nicht zuverleugnen; von Ladiſla aber deſſen ichtwas zumelden/ hatte er weder Geboht
noch Verboht/ ſagte deswegen nach kurzem bedenken zu ihr: Weil Ihre Gn. mich vor al-
ler Gefahr verſichern/ kan derſelben ich die Warheit nicht verbergen/ daß nehmlich Groß-
Fuͤrſt Herkules/ der vor Jahren ſchon ein Chriſt iſt/ meinen Koͤnig hart angelegen/ ihm den
Glauben beyzubringen/ aber ohn allen Verfang/ biß mein Koͤnig nach gehaltenem Stechẽ
zu Ekbatana/ davon ich zuvor gemeldet/ ſich freywillig erbohten hat/ den Chriſtlichen Glau-
ben anzunehmen/ und daß Eure Gn. mir trauen moͤge/ habe ich ſelbſt angehoͤret/ wie Her-
kules dem Bifchoff zu Ekbatana alles erzaͤhlete. Fr. Sophia geboht ihm/ hievon keinem
Menſchen ichtwas zuſagen; doch/ ſagte ſie/ habt ihr wol getahn/ daß ihr mirs nicht verhal-
tet/ dann ich bin willens/ eben ſo wol eine Chriſtin zuwerden/ und mit meinem Gemahl ei-
nen Gott zuverehren/ weil ohn das meine Fr. Mutter von Jugend auff eine Chriſtin iſt.
Ach du gütiger Gott! ſagte Leches/ nun werde ich erſt einen gewogenen Koͤnig haben/ wañ
er vernehmen wird/ daß Eure Gn. durch meine Vermittelung ſich zum Chriſtentuhm be-
quemet/ maſſen in alle ſeinem Gebeht zu Gott er dieſes mit einſchleuſſet/ daß derſelbe euer
Herz zu ſeiner Erkaͤntniß erleuchten wolle. Dieſe Erleuchtung iſt Gott Lob geſchehen/ ant-
wortete ſie/ und wird meine Fr. Mutter mich in dieſem neuen Glauben zu unterweiſen/ ihr
ſchon laſſen angelegen ſeyn. Ich wil aber gleich hin zu meinem Herr Vater gehen/ damit
die heydniſchen Mißbraͤuche bey euer Vertrauung unterlaſſen werden. Und dieſes erhielt
ſie leicht bey demſelben/ welcher alsbald muhtmaſſete/ er muͤſte das Chriſtentuhm auff die-
ſer Reiſe angenommen haben/ weil er ſich zuvor heydniſch gnug erzeiget hatte. So bald
dieſen beyden Braͤutigamen ihre Braͤute an die Hand geſtelletwurden/ hielt der Stathal-
ter dieſe Rede an die anwefenden Gaͤſte: Hochwerte Herren/ Frauen und Fraͤulein/ viel-
geliebte Freunde und Anverwanten; nachdem durch des Himmels Verſehung der aͤdle
Mannfeſte Ritter Herr Leches/ beſtalter Mediſcher Obriſter zu Roß und Fuß/ von meinem
vielgeliebten Herrn Schwieger Sohn heut fruͤh unvermuhtlich alhie ankom̃en/ und auffs
ſchleunigſte ſeine Reiſe weiter fortſetzen muß/ hat uns gut gedaͤucht/ ihm ſeine verſprochene
Braut/ die aͤdle Tugendreiche Jungfer Libuſſen ehelich beyzulegen/ und zugleich des auch
aͤdlen Mannfeſten Ritters Herrn Neda/ mit der aͤdlen Tugendreichen Jungfer Brelen
cheliche Vertrauung mit anzuſtellen. Weil dann die groſſe Eile nicht zugeben wil/ dz man
Roͤmiſche Braͤuche dabey vorgenommen haͤtte/ ſolche auch vielleicht einem und andern
aus erheblichen urſachen moͤchten zuwider ſeyn/ als wird niemand an deren Unterlaſſung
ſich aͤrgern/ und nicht deſtoweniger den neuangehenden Eheleuten den himliſchen Segen
und alle gedeiliche Wolfahrt wuͤnſchen/ auch mit ihnen der Zeit gelegenheit nach/ ſich die-
ſen Tag und Abend luſtig und froͤlich erzeigen; Bald nahmen der Stathalter und Mar-
kus Jungfer Libuſſen/ Herr Kornelius aber und Klodius Jungfer Brelen/ und fuͤhreten
ſie ihren Braͤutigamen zu/ mit denen ſie durch gegebene koͤſtliche Ringe und handgeſchloſ-
ſener Traͤue ſich vermaͤhleten. Nach gehaltener Mahlzeit ward ein zierlicher Tanz gefuͤh-
ret/ und allerhand ehrliebende Kurzweil getrieben.


Libuſſa
[845]Vierdes Buch.

Libuſſa verfügete ſich inzwiſchen hin zu Fr. Sophien/ und gab ihr zuverſtehen/ wie ſie
geſonnen waͤhre/ ihre heutige ausgeſtandene Angſt noch dieſen Abend an Ritter Neda zu
raͤchen/ hoffete/ ihre Gn. wuͤrden ihr ſolches nicht verargen. Fr. Sophia antwortete: Das
kan mich nicht irren/ dann ihr ſeyd vor euch ſelbſt des Verſtandes/ daß ihr wiſſet/ wo ihr
zukehren ſollet. Dieſe ging hin/ ließ ein Gemach/ dem ihren allernaͤheſt hübſch auszieren/ uñ
ein ſchoͤnes Bette zurichten/ foderte hernach den Koch zu ſich/ dem ſie/ nach Verehrung vieꝛ
Kronen/ befahl/ er ſolte der Kuͤchen Magd/ der Moͤrin ſo viel Wein reichen laſſen/ daß ſie
blindvoll wuͤrde/ und man ſie ohn ihr wiſſen tragen und heben koͤnte; machte nach dieſer
Verrichtung ſich wieder nach den Gaͤſten/ und ſuchte Gelegenheit/ mit Neda freundlich
zureden/ zu dem ſie ſagete: Geliebeter Vetter/ ihr habt mir noch nicht gedanket vor die Be-
foderung eures heutigen Beylagers; Zwar meine Waſe hat deswegen heut ſchon einen
ſtarken Saz mit mir gehalten/ darin ſie ihren Unwillen gnugzuverſtehen gab/ was ihr mir
aber vor Belohnung ausfolgen laſſen werdet/ muß ich erwarten. O meine herzgeliebete
Waſe antwortete er/ ich erkenne ihre gute Gewogenheit ſehr wol/ und iſt mir leid/ daß ich ſie
heut fruͤh dergeſtalt beleidiget habe; jedoch/ wann die Schuld ohne Straffe nicht kan ab-
getragen werden/ wil derſelben ich mich gerne unterwerffen/ doch auch daneben mich vor-
ſehen/ daß ich nicht blindlings ins Feur oder Waſſer lauffe. Dieſe Straffe/ ſagte ſie/ wil ich
mir vorbehalten haben/ und weil ihr ſo vorſichtig ſpielen wollet/ werde ich damit nicht eilẽ.
Ich bitte aber/ ihr wollet noch dieſe Nacht mich bey eurer Liebſten ſchlaffen laſſen/ alsdann
ſol ſie euch morgen unverſaget ſeyn. Dieſer Vortrag wahr dem guten Neda nicht eben/
baht ſehr fleiſſig/ ſich deſſen zubegeben/ inſonderheit/ weil er nicht glaͤuben koͤnte/ daß Leches
damit wuͤrde friedlich feyn. Ich zweifele ſelbſt an ſeiner Einwilligung/ ſagte ſie/ meynete
auch/ euch vorerſt zugewinnen/ und hernach mit Leches deſto leichter zuhandeln/ dafern er
aber nicht ſolte zubereden ſeyn/ wolte ich ungerne/ daß eure Liebſte dieſe Nacht allein ſchlaf-
fen/ und mich morgen beſchimpffen ſolte/ mit welchen Gedanken ſie doch ſchwanger gehet/
und bey mir ſchon fleiſſig angehalten hat/ ihr hierin behülflich zuſeyn. O wie hefftig bemũ-
hete ſich Neda/ ihr ſolches abzubitten/ daß er nicht wuſte wie groſſe Zuſage der Dankbarkeit
er ihr tuhn wolte/ biß ſie ihm endlich verſprach/ alle Moͤgligkeit anzuwenden; aber/ ſagte
ſie/ ihr muͤſſet acht haben/ wann ich euch winke/ daß ihr alsdann bereit ſeyd/ alsbald mit miꝛ
zugehen/ und muß ich mich zuvor an eure Liebſte machen/ ſie zubetriegen/ da ich dieſen Vor-
ſchlag habe: Ich wil ihr einbilden/ ob haͤtte ich Leches und euren Willen ſchon erhalten/
weil ich mich aber befahre/ ihr moͤchtet ruͤkfaͤllig werden/ ſol ſie mir gerne folgen/ und fruͤh-
zeitig zu Bette gehen/ dann wil ich euch nachfuͤhren/ und moͤget ihr ſehen/ wie ihr ſie auffs
beſte beguͤtiget. Neda wahr wol vergnuͤget/ und hatte hiemit der Anſchlag auff dieſer ſeite
ſeine gute Richtigkeit. An der andern bedurffte es weniger Muͤhe; dañ als ſie ſich zu Bre-
len verfuͤgete/ ſagte ſie: Geliebete Schweſteꝛ/ verzeihet mir meinen heut begangenẽ Irtuhm/
indem ich gewaͤhnet/ als waͤhre euer aͤidliches Verſprechen heut ſchon zum Ende/ da doch
nach fleiſſiger Betrachtung ich befinde/ daß noch dieſe einzige Nacht dran fehlet/ aber was
ſchadet eine Nacht? Ich habe nur zu dem ende es euch ſagen wollen/ dz ihr nicht ſchier heut
oder morgen es mir als einen vorſezlichen Betrug zuleget. Brela erſchrak der Rede/ und
gab zur Antwort: Es hat mich ſelber mißdaͤucht/ und würde zeit meines Lebens einen na-
O o o o o iijgenden
[846]Vierdes Buch.
genden Gewiſſens Wurm gefuͤhlet haben/ da ich alſo wieder aͤid geſuͤndiget haͤtte; Wird
alſo Ritter Neda krafft ſeiner mit eigenem Blute geſchriebener Verſicherung ſich meiner
dieſe Nacht entaͤuſſern. Ich weiß nicht/ ſagete Libuſſa/ ob die Handſchrifft ihn laͤnger bin-
de/ maſſen ihr ſolche durch heutige Einwilligung ſelbſt auffgeruffen habet. Jedoch/ iſt es
euer ernſtlicher Wille/ wil ich wol Raht ſchaffen/ daß ihr dieſe Nacht ſein ohne werdet/ a-
ber ihr ſollet mir aͤidlich verſprechen/ daß ihr mir goͤnnen wollet/ morgen zeitig früh/ eine
halbe Stunde vor Tages ihn euch zuzufuͤhren/ dann um dieſe Zeit wahr es/ da ihr euer Ge-
lübde leiſtetet. Brela hielt an/ ſie moͤchte es biß folgenden Abends auffſchieben/ aber ſie wol-
te nicht; dañ/ ſagte ſie/ ſol ich morgen als eine Ehfrau mich mit der Haube deckẽ laſſen/ und
ihr wuͤrdet alsdañ noch mit eurem Kꝛanzeprangen/ wuͤꝛde ich gedoppeltẽ Spot uñ ſchimpf
zu Lohne tragen; verſprechet mir demnach/ wz ich begehre/ oder unſere Gn. Frau ſol ihn in
der Warheit euch ſelber zufuͤhrẽ. Wer war in groͤſſer Angſt/ als die from̃e Brela; doch weil
ſie ſahe/ daß ſie aus zweyen uͤbeln dz geringſte waͤhlen muſte/ willigte ſie in die Bedingung/
uñ verſprach ſolches ohn arge Liſt zu haltẽ. Nu/ ſagte Libuſſa/ ſo machet euch uͤber ein wenig
mit euer Leibdienerin auf euer gewoͤhnliches Gemach/ und wañ ihr mich morgen fruͤh hoͤ-
ret anklopfen/ ſo tuht mir auff/ alsdañ wollen wir mit einander nach dem darzu bereiteten
Gemache gehen/ welches/ wie ihr wiſſet/ gleich gegen über iſt/ da wil ich ihn euch auff er-
nennete Zeit zu fuͤhren. Brela wahr/ ihr Gewiſſen zu retten/ wol zu frieden/ und erwartete
der gelegenen Zeit/ einen Abwich zu nehmen. Weil dieſer Poſſe geſchmiedet ward/ hatte
Fr. Sophia ſich zu ihrer Muttet geſetzet/ und ihr vertraulich offenbahret/ daß ihr Ladiſla
den Chriſtlichen Glauben angenommen/ und Herkules ſchon vor laͤngſt ein Chriſt waͤhre/
deßwegen ſie ſich entſchloſſen/ einen Gott mit ihrem Gemahl zuverehren/ und nach dieſem
die heidniſche Abgoͤtterey fahren zu laſſen/ baͤhte/ ſie wolte ihr unterricht mitteilen/ weſſen
ſie in ihrem Chriſtentuhm ſich verhalten müſte. Fr. Pompeja erfreuete ſich hieruͤber von
ganzem Herzen/ und ſagte: Ey nun wil ich gerne und willig ſterben/ nachdem ich meiner
lieben Kinder auffs minſte eins in der ewigen kuͤnftigen Freude wiſſen ſol; Herkules Chri-
ſtentuhm/ iſt mir bald anfangs von ihm ſelbſt bey eroberung der Raͤuber Hoͤhle zuwiſſen
getahn/ welcher mir auch verheiſſen hat/ mit aller moͤgligkeit ſich dahin zubearbeiten/ daß
er Ladiſla gewinnen moͤchte/ und zweifele ich nicht/ mein Gebeht/ welches ich vor dich zu
Gott geſchicket/ ſey erhoͤret/ und hiedurch des Heiligen Geiſtes Wirkung dir erbehten woꝛ-
den; Morgen geliebts Gott aber wil ich den Chriſtichen Lehrer zu mir fodern/ welcher in
den noͤhtigen Glaubens Stücken dich gnugſam unterweiſen ſol/ nur hilff mir Gott bit-
ten/ daß er auch deines lieben Vaters Herz und Willen erleuchten/ und die Begierde ſei-
ner Erkaͤntnis in ihm anzuͤnden wolle/ dein Gemahl und Herkules werden ſchon bemuͤ-
het ſeyn/ daß dein lieber Bruder bekehret werde. Fr. Sophia haͤtte gerne etwas unterricht
dieſer neuen Lehre von ihrer Mutter angenommen/ ward aber von einem jungen Padua-
niſchen Ritter zum Tanze geführet/ gleich da Brela ohn Urlaub hinweg ging/ und ihre Die-
nerin mit ihr gehen hieß/ vorgebend/ ſie befuͤnde ſich nicht wol auff. Libuſſa folgete ihr bald
nach/ ließ dem Koche ruffen/ und fragete/ ob ihrem Befehl gelebet waͤhre/ und als ſie ver-
nam daß die Moͤrin ſich ſternvol geſoffen haͤtte/ und in einem Winkel laͤge/ ließ ſie dieſelbe
auff die wolbereitete Kam̄er tragen/ ganz nacket außzihen/ ihre Lumpen wegſchaffen/ und
ſie
[847]Vierdes Buch.
ſie in das zierliche Bette wolzugedecket legen; ging bald wieder nach der Wirtſchaft/ wo-
ſelbſt Neda ihrer mit ſchmerzen wartete/ und ſetzete ſich ein Viertelſtündichen nieder/ her-
nach foderte ſie ihn durch Winken zu ſich/ und ſagete: Geliebter Oheim/ ihr werdet eilen
muͤſſen/ ehe euch die Tuͤhr verſperret wird/ dañ ſie iſt herzlich müde/ weil ſie die vergange-
ne Nacht wenig gefchlaffen; ſie hat aber ihre Leibdienerin ſchon an mich abgeſchicket/ daß
ich mich bald bey ihr einſtellen ſolle; ſo folget mir nun/ ich habe ein kleines Licht bey ihr ſte-
hen laſſen/ daß ihr euch ſanft entkleiden/ und in aller ſtille zu ihr gehen koͤnnet/ dafern ſie
ſchon wird eingeſchlaffen ſeyn. Ja meine herzen Waſe/ antwortete er/ fuͤhret mich nur im
ſtillen finſtern hin/ ich wil gerne folgen/ und euer Lehre mich gemaͤß verhalten; gingen alſo
biß an die Tuͤhr des Gemaches/ welche Libuſſa ſanfte aufftaht/ und zu ihm ſagete: Gehet
fein ſtille hinein/ und wecket ſie nicht zu fruͤh/ ich habe meinem Verſprechen ein Genuͤgen
getahn/ aber damit ſie euch nicht entwiſche/ wil ich das Hangſchloß vor die Tuͤhr legen/
und ſo wahr ich redlich bin/ nit ehe als eine halbe Stunde vor Tage euch zu wecken kom̃en/
iſts euch dañ noch zuzeitig/ kan ich wieder hinweggehen/ nachdem ich das aͤuſſerſte Schloß
werde bey ſeit getahn haben. Neda gab ihr zu guter Nacht einen freundlichen Kuß/ wuͤn-
ſchete ihr ſanftes Wolergehen/ und ſchlich in aller ſtille zur Kammer hinein/ legte die Klei-
der ab/ und machte ſich in das vermeinete Bette/ welches er ſo lang gewuͤnſchet hatte. Li-
buſſa machete die Tuͤhr außwendig feſte zu/ und lauſchete/ wie es doch endlich ablauffen
wuͤrde; das Licht ſtund im Gemache auff der Erden/ hinter dem Brandeiſen unter dem
Schornſtein/ ſo daß der Schein auff das Bette nicht fallen kunte/ noch er ſehen/ was vor
einen Beyſchlaͤffer er bey ſich haͤtte/ welche/ ſo bald er ſich gelegt/ dergeſtalt zu ſchnarchen
anfing/ und die unſaubern Winde von ſich bließ/ daß ihm ein grauſen uͤberging/ und nicht
glauben kunte/ daß ſeine Liebſte ſolcher geſtalt ſich geberden ſolte; bald fiel ihm ein/ Libuſſa
wuͤrde ihm die Vergeltung ſchon beygebracht/ und ihm etwa einen trunkenen Hunde Bu-
ben beygeleget haben/ ſtund auff/ und nam das Licht zur Hand/ umb ſeinen Beyſchlaͤffer zu-
beſehen/ da er/ in dem er die Decke auffhub/ einen kohlſchwarzen Leib ſahe/ uñ nicht anders
wehnete/ es waͤhre irgend ein Geſpenſt/ biß ihm einfiel/ daß er eine Moͤrin in der Kuͤche ge-
ſehen haͤtte. In dem er ſie nun alſo entbloͤſſete/ kam der Wein wieder von ihr/ den ſie mit zu
groſſem überfluſſe zu ſich genommen hatte/ daß er ſich des bittern Lachens nicht enthalten
kunte/ und mit heller Stimme ſagete: Nun mag meine Waſe ſich ruͤhmen/ daß ſie mich
redlich bezahlet habe wans nur nicht ſo gar zur unzeit geſchehen waͤre; aber o Waſe Wa-
ſe/ wie handelt ihr bey meiner Liebſten ging hiemit zur Tuͤhr/ in meinung ſie aufzumachẽ/
befand aber/ daß es unmoͤglich wahr/ daher er ſich in die Geduld gab/ nam ein Bankpol-
ſter und legte ſich darauff/ in Hoffnung etliche Stunden zu ruhen/ welches ihm doch das
abſcheuhliche ſchnarchen der Moͤrin nicht zulaſſen wolte. Libuſſa hatte ſtets an der Tuͤhr
unvermerket zugehorchet/ welches ihr ſo groſſe Vergnugung brachte/ dz ſie nicht ein groſ-
fes darumb genommen haͤtte/ ging endlich wieder nach der Geſelſchaft/ die ſchon zimlich
geringer worden wahr/ und hatte muͤhe ſich des Lachens zu enthalten/ daher Fr. Sophia
muhtmaſſete/ ſie wuͤrde Neda ſchon eins beygebracht haben/ und fragete/ woruͤber ſie ſich
dergeſtalt beluͤſtigte. Sie aber kunte vor Lachen es nicht erzaͤhlen/ brachte endlich ſo viel
heraus/ daß Sophia und Sibylla vernahmen/ ſie haͤtte Ritter Neda die ganz trunkene
Moͤrin
[848]Vierdes Buch.
Moͤrin als ſeine Braut beygelegt/ und das Gemach verſchloſſen/ daß er die Nacht bey ihr
außhalten ſolte; meldete daneben/ was geſtalt eꝛ ſich gegen ihr verhalten/ uñ auff der Bank
ſein Nachtlager genommen; taht nachgehends hinzu/ durch was Liſt ſie ihn gefangen/ uñ
Brelen auff ihre Kammer verbannet haͤtte. Fr. Agatha hatte alles mit angehoͤret/ und
baht ſehr/ ſie moͤchte ſo unguͤtlich mit ihm nicht handeln/ ſondern die verliebeten zuſam̃en
laſſen; nachdem ſie aber ingeſamt die Urſach vernahmen/ lieſſen ſie es hingehen/ und wur-
den von Libuſſen erinnert/ keinem Menſchen davon zu ſagen/ er moͤchte ſcherzweiſe damit
auffgezogen werden/ und duͤrfte daher Mord und Todſchlag entſtehen. Weil dañ die Gaͤ-
ſte ſich alle verlohren hatten/ ging ein jeder an ſeine Ruhe/ da Libuſſa ihrem Leches von Fr.
Agathen und Euphroſynen zugefuͤhret ward. Kurz vor der Sonnen Auffgang fingen die-
ſe verliebeten ihr Geſpraͤch mit einander an/ und beklagete ſich Leches hoͤchlich/ daß er ſei-
ne Eheliebſte ſo ſchleunig verlaſſen/ und gleich dieſen Morgen von ihr ſcheiden ſolte; ſie
aber troͤſtete ihn mit ſeines Koͤniges Unfall/ und daß er ihrer Liebe deſto mehrer verſiche-
rung haͤtte/ erboht ſie ſich/ mit ihm nach Prage zu zihen/ und Neda ſamt Brelen zu uͤber-
reden/ daß ſie ihnen Geſelſchaft leiſteten. Hierauff fing ſie an ſo inniglich zu Lachen/ daß Le-
ches wunderliche Gedanken bekam/ biß ſie ihm kuͤrzlich allen Verlauff mit Neda erzaͤhle-
te/ und auff ſein fleiſſiges anhalten in ihrem Nacht Mantel nach der verſperreten Kam̄er
ging/ da nach leiſem anklopfen ſie zu Neda ſagete: Lieber Vetter/ werdet ihr nicht ſchier
von eurer Liebeſten auffſtehen? die Sonne draͤuet uns ſchon den Tag/ nachdem des Hah-
nen Geſchrey den Monden hinweg gejaget hat. Dieſer hatte nie keine wiedrigere Nacht
gehabt/ ward ihrer ankunft froh und ſagete: Als viel ich hoͤre/ muß ich zumeinem Schadẽ
auch den Spot noch haben; nun nun/ geduld geduld/ ich hoffe Denkzeit komme dereins
wieder. Awe antwortete ſie/ wollet ihr noch trotzen und draͤuen? auff ſolche Weiſe kom̄et
ihr in Warheit nicht loß/ vielweniger zu eurer Liebeſten/ ſondern/ dafern ihr nicht ohn eini-
gen auffſchueb mir die geſtrige gar zu hohe Beleidigung abbitten/ vor dieſe geringe Züch-
tigung mir danken/ und bey ritterlichen Ehren verſprechen werdet/ es nimmermehr/ we-
der durch euch ſelbſt noch durch andere/ einiger Weiſe zuraͤchen/ und alſo die Uhr Fehde
wirklich abſtattet/ wil ich Fr. Sophien mit dem ganzen Frauenzimmer/ auch eure Liebſte
ſelbſt herzu fuͤhren/ daß ſie eure hintige Beyſchlaͤfferin ſehen/ und euch darzu Gluͤk wuͤn-
ſchen ſollen. Nu erfahre ich erſt recht/ antwortete er/ daß ein Gefangener Mann ein armeꝛ
Mann ſey/ leiſtete alſo die Abbitte/ und alles was von ihm gefodert ward; worauff ſie die
Kammer oͤffnete/ und ihn ein wenig warten hieß/ biß ſie Brelen nach der Brautkammer
geführet haͤtte/ die ſich anfangs zwar wegerte/ weil der Tag ſonahe wahr/ auff getahne er-
innerung aber ihrer geleiſteten Zuſage/ ſich darein gab/ und mit ihr ging. Bald darauff
hohlete ſie Neda auch herzu/ der von ſeiner Liebſten zuͤchtig empfangen/ und der unruhigẽ
Nacht ergetzet ward. Drey Stunden nach der Sonnen Auffgang beſuchte Libuſſa dieſe
verliebeten/ und taht ihnen zu wiſſen/ daß ihr Leches ſich ſchon zu ſeiner Reiſe fertig mache-
te/ und weil ſie ihm einen Gefaͤrten nach Prage zugeben verſprochen/ hoffete ſie/ ſie wuͤrdẽ
in Geſelſchaft mit zihen/ und ihre Koͤnigin beſuchen. O ja/ ſagte Brela/ mich verlanget von
herzen/ mein Vaterland zuſehen/ und meine hochgeliebte Schwieger Eltern zu gruͤſſen/
wann nur mein liebſter wegen ſeiner Kriegsbedienung hieſelbſt auff eine Zeit koͤnte erlaſ-
ſen
[849]Vierdes Buch.
ſen werden. So feſt habe ich mich nicht verbunden/ antwortete er/ zweifele auch nicht mei-
ne Waſe koͤñe bey Fr. Sophien es leicht erhalten/ daß ſie mir bey dem Stathalter Urlaub
erlange. Alſo ging Libuſſa als bald nach dem Frauenzimmer/ und wahr Fr. Sophien orſte
Frage/ ob ſie ſich des guten Neda nicht erbarmet/ und ſeiner liebeſten ihn zugefuͤhret haͤt-
te; da ſie alles umbſtaͤndlich erzaͤhlete/ und hernach ſagete: Gn. Frau/ ich habe bey ihrer
Gn. mich guten rahts zuerhohlen/ wegen einer anmuhtung/ die mein liebſter heut dieſen
Morgen an mich geleget hat; O die anmuhtung/ antwortete ſie/ duͤrfte ich leicht errahten;
gilt/ euer Leches haͤtte euch gerne auff der Reiſe zum Gefaͤrten/ damit er zu Nacht nicht al-
lein ſchlaffen duͤrffe. Libuſſa ward hieruͤber ſchamroht/ wunderte ſich ihres tieffen nach-
ſinnens/ und geſtund/ daß es recht und eigentlich getroffen waͤhre. Worauff Fr. Sophia
zur Antwort gab; Ihr ſeid mir warlich zuvor kommen/ ſonſt hatte ich mich ſchon beꝛahten/
euch ſolches als ein ernſtliches Geboht aufzulegen. OGn. Frau/ ſagte ſie/ ſo werde an eueꝛ
Gn. ich keinen vorſprach haben/ ungeachtet ich die feſte Hoffnung mir gemacht hatte/ die-
ſelbe ſolte mich dieſer Reiſe benehmen. O Schweſter Schweſter/ ſagte Fr. Agatha/ iſt
dieſes euer ernſt/ ſo falle mir ein Ohr ab. Wol wol/ antwortete Fr. Sophia/ wieder euren
Willen ſollet ihr zu dieſer Reiſe nicht gezwungen werden/ und bin bey Ritter Leches noch
wol ſo viel maͤchtig/ daß er mir ſolches begehren nicht abſchlagen wird. Libuſſa wolte ſich
nicht verrahten/ hielt dieſes vor genehm und ging hin/ ihrem Leches das leinen Geraͤhte
auff den Weg einzupacken. Unterdeſſen ließ Fr. Sophia ihn zu ſich fodern/ und redete mit
ihm was ihret wegen zu Prag ſolte beſtellet werden/ biß Libuſſa wieder kam/ da Fr. Sophia
zu ihm ſagete: Wie koͤmt es/ Ritter Leches/ daß eure liebſte mir hinte dieſe Nacht ſo unge-
horſam worden iſt/ da ich zuvor ihren Willen dem meinen nie entgegen gemerket? jetzo a-
ber habe ich dieſe Bitte an ſie gelegt/ daß ſie euch Geſelſchaft auff der Reiſe leiſten ſolte/ wel-
ches ich doch bey ihr nicht erhalten kan/ ſondern ſie lieget mich hart an/ bey euch zuverbit-
ten/ daß ihr ſie des anmuhtens erlaſſen moͤchtet. Er hielt ein ſolches vor ſcherz/ weil ſie
ſich ihm hierzu ſelbſt erbohten hatte/ nachdem ſie es aber nicht beantwortete/ fiel ihm ihr
lachen ein/ welches ſie gleich auff ſolches verſprechen getahn/ ſahe auch daß ſie abermahl
heimlich lachete; woruͤber er nicht zu antworten wuſte/ endlich die reine Warheit zu be-
kennen vornam/ und ſeine Liebſte hiedurch gar ſchamroht machete/ daß Fr. Agatha anfing;
warlich geliebete Schweſter/ dieſe Straffe wird euch von Gott zugeſchicket/ vor die eurem
Oheim angelegte Unbilligkeit. Das iſt gar ein Schweſterlicher Troſt/ antwortete ſie/ wel-
chen mein aͤrgſter Feind mir auch mitteilen wuͤrde; habe ich aber meiner Gn. Frauen an-
fangs die Warheit aus Schahm nicht bekennen duͤrffen/ wil ich nun deſto freier beichten/
daß ich auch Neda und Brelen gebehten/ uns Geſelſchaft zu leiſten/ dero behueff ich mei-
nem Oheim Urlaub zu bitten/ auff mich genommen habe. Ja wer duͤrffte euch dieſes glaͤu-
ben ſagte Fr. Sophia/ nach dem ihr ſchon auff einem vahlen Pferde ergriffen ſeid. O
wehe mir armen/ antwortete ſie/ habe ich wegen eines Scherzwortes dann allen Glauben
verlohren/ ſo mag Brela ihre Bitte ſelbſt vortragen; aber ich bitte ſagte ſie zu Leches/ ge-
bet mir doch Zeugnis/ weil ihre Gn. euch ſo viel trauet. Nicht allein Zeugnis/ antwortete
er/ ſondern ich bin kommen/ deßwegen eine Bitte untertaͤhnigſt einzulegen. Ja euch/ ſag-
te Fr. Sophia/ und nicht eurer liebſten zugefallen/ ſol Neda mitreiſen/ wie es dann/ in ernſt
P p p p pzu
[850]Vierdes Buch.
zu reden/ billig iſt/ daß er ſeines Ampts dereins bey ſeiner Gnaͤdigſten Koͤnigin rechenſchaſt
ablege. Alſo ließ ſie Neda zu ihr ruffen/ und erteilete ihm/ in ihrem uñ ihrer Eltern Nah-
men Befehl/ was er zu Prag verrichten ſolte; und als ſie ſolches geendiget hatte/ fiel ihr
Libuſſen Poſſe ein/ daß ſie ſich lachens nicht enthalten kunte; er aber die Urſach merkend/
ſagte zu ihr: Ihre Gn. lachen ohn zweiffel meines Ungluͤks; damit ging das algemeine
Gelaͤchter erſt an/ welches Libuſſa durch ihre wunderliche Auffzuͤge ſtets haͤuffete; Fr. So-
phia aber ſagete zu ihm: Verzeihet mir Neda/ daß ich eure hintige Gedanken gerne wiſ-
ſen moͤchte. Die wahren ſehr wunderlich und mannigſalt/ antwortete er; doch/ haͤtte ich
das verſperrete Gemach oͤffnen koͤnnen/ wahr mein ganzes vornehmen/ ich wolte das heß-
liche Geſchoͤpff ins Bette Tuch eingewickelt/ ſie vor allen anweſenden Gaͤſten mitten im
Saal nidergelegt/ und mit meiner Waſen umb ſie her getanzet haben. Dem hatte eure
Waſe vorgebauet/ antwortete ſie/ hoffe doch/ ſie werde Beſcheidenheit gebrauchet/ und
euch Zeit gegoͤnnet haben nach ſolchem Schrecken des heßlichen Wunder Tiehrs/ an eu-
rer Liebſten Schoͤnheit euch wieder zuerhohlen. Ich bin mit allem wol zufrieden/ ſagte er/
nachdem der heßliche Wuhl nicht erwachet/ noch meiner inne worden iſt/ mag auch wol
ſeyn/ daß er noch in ſchnarchender und ſtinkender Ruhe lieget/ welcher Beſchluß ein neues
Gelaͤchter erweckete. Klodius und Markus hatten gleich dieſen Morgen ſich beredet/ wie
ſie ihren liebſten Herren ein dankbares Gemuͤht erzeigen moͤchten/ funden auch ihre Ehe-
liebſten darzu ganz willig/ daher ſie Leches und Neda in den innerſten Plaz fodern lieſſen/
und ſie verſtaͤndigten/ welcher geſtalt ſie auff ihre Wiederkunfft von Prage/ willens waͤh-
ren/ mit in Perſen zureiſen/ und ihren Herren 1000 Roͤmiſche wolverfuchte Reuter auff
eigenen Koſten zuzufuͤhren/ da ihre Eheliebſten ihnen auff der ganzen Reiſe Geſelſchafft
leiſten/ und ſich Fraͤulein Valiſken zu dienſte und untertaͤhnigſter Auffwartung darſtellen
wolten. Solches werden unſere gnaͤdigſte Herren mit gebuͤhrlicher Vergeltung erkeñen/
antwortete Leches/ und habe ich ohn das von ihnen Befehl/ etliche Voͤlker hieſelbſt zuwer-
ben/ da Fr. Sophia (wie ich mit ihr abgeredet) die Anreits Gelder alsbald auszahlẽ wird.
So werde ich ſo liebe Freunde ohn mich nicht zihen laſſen/ ſagte Neda/ ſondern von Prag
ab/ mich nach Teutſchland erheben/ und ſo viel in der Eile geſchehen kan/ eine verſuchte
Reuterey ſamlen/ damit wir ein geſtaltes Heer mitbringen/ und unſerer Herren Hocheit
daraus von den fremden in etwas erkennet werde. Mir iſt ſehr liebe/ ſagte Leches/ daß ich
gelegene Freyheit bekomme/ auſſer den Befehl (welcher ſich nur auff 4000 Reuter zum
hoͤchſten erſtrecket) zuſchreiten/ und dieſe Voͤlker mit Boͤhmiſcher guter Anzahl zuſtaͤrckẽ.
Der Stathalter hatte ſchon ſechs Werber beſtellet/ denen Fr. Sophia auff 6000 wol
verſuchte Reuter drey Tonnen Goldes auszaͤhlete/ und weil ſie Klodius und Markus vor-
nehmen von Leches verſtund/ boht ſie ihnen zu deſſen behueff eine Tonne Goldes; welches
ſie aber nebeſt ihren Ehe Liebeſten beſtaͤndig ausſchlugen/ vorwendend/ ſie wolten ihre eige-
ne Leute/ zu ihrer Herren Dienſt in Perſien fuͤhren. So wolte auch Neda keinen Heller
von ihr empfangen/ weil ihm Ladiſla und Herkules Danlourkeit gnug bekant wahr/ und
daß ſie ihm alles reichlich erſtatten wuͤrden. Aber Lechen empfing ſechs Tonnen Goldes
von ihr/ gingen ingeſamt zum Fruͤhſtuͤcke/ und ſetzeten die beyde junge Ehemaͤnner mit ih-
ren Liebſten (denen Fr. Saphia 50 Reuter zur Begleitung gab) ihre Reiſe auffs ſchleu-
nigſte
[851]Vierdes Buch.
nigſte fort/ ruheten auch des Nachts wenig Stunden/ biß ſie drey Meile an Prag kahmẽ/
woſelbſt Leches Vater der alte Pribiſla ſeine freye Herſchafft hatte. Hier muſte Neda et-
was voran reiten/ und vernehmen/ ob er daheim und in guter Geſundheit waͤhre; den er in
ſeinem Luſtgarten fand/ gleich da er eine Irrebahn von Buchsbaum legen ließ/ und den
Abriß ſelber machete/ wie er vor dem in der Jugend in Italien geſehen hatte. Als er nun
ſeinen Oheim Neda zu ihm hinein treten ſahe/ wahr ihm deſſen Ankunfft ſehr lieb/ und fra-
gete/ was gutes neues er von ihrem Koͤnige und dem verlohrnen Fraͤulein braͤchte; da nach
kurzem Bericht ihres wolergehens ihm die Augen vor Freuden uͤbergingen/ und ſagte:
Nun ſo hoffe ich noch/ da ich lebe/ auch meinen Sohn dereins wiederumb zuſehen. Neda
ſahe ihn in ſchwarzen Trauerkleidern/ und vernam/ daß vor 15 Wochen ihn ſeine einzige
Tochter durch den Tod geraubet waͤhre; wolte ihn aber wieder erfreuen/ und ſagte: Mein
Herr Vetter/ haben euch die Goͤtter an dieſer Seiten bekuͤmmert/ wil ich euch durch froͤli-
che Zeitung von eurem Sohn wieder erfreuen/ und ſage euch vor gewiß/ daß derſelbe des
Mediſchen Groß Fuͤrſten beſtalter Obriſter iſt zu Roß und Fuß/ und zur Feld Herrſchafft
uͤber ein fliegendes Heer Anwartung hat; Durch ſeine Tapfferkeit hat er ſchon viel tau-
ſend Kronen erworben/ und hat unſer Gn. Fraͤulein ihm ihre allerliebſte Kammer Jung-
fer Libuſſen zur Ehe verſprochen/ auch ihm ſchon drey Tonnen Schatz an Baarſchafft/ uñ
eine Tonne Goldes an Kleinoten zu ihrer Brautgabe zugeſtellet/ unter der gnaͤdigſten
Hoffnung/ er werde ihm ſolche ſeines Sohns Ehe wol gefallen laſſen. Der Alte entſetzete
ſich vor dem groſſen Brautſchatze/ und ſagte: Mein gnaͤdigſtes Fraͤulein wil ſchon in der
Wildfremde leiſten/ was ſie mir zu Prag verheiſſen hat/ und mag mein Sohn ſich ſolcher
Heyraht wol vor gluͤkſeligſchaͤtzen/ die mir nicht kan unangenehm ſeyn. Wol dann/ mein
geliebter Herr Vetter/ antwortete Neda/ ſo muß ich euch die reine Warheitſagen: Es iſt
alſo ergangen/ wie ich gemeldet/ und hat unſer Koͤnig und das Fraͤulein euren Sohn her-
aus geſchikt/ welcher neulich zu Padua Beylager/ wie ich auch/ gehalten/ und mit ſeiner
Liebſten hauſſen vor dem Tohr auff ſeines Vaters Befehl wartet. Der Alte ward hiedurch
hoͤchlich erfreuet/ und ſagete: Warumb bringet er mir dañ nicht ſelbſt die erſte Botſchaft?
Weil er annoch zweifelt/ antwortete er/ ob euch ſeine Heyraht angenehm ſey. Was zwei-
feln/ was angenehm/ ſagte der Alte/ die Braut iſt von gutem Adel und trefflicher Tugend/
und was ſolte er ſeiner hoͤchſtgebietenden Fraͤulein Willen nicht gehorſamet haben? Ich
danke den Goͤttern vor dieſe angenehme Tochter/ und habe urſach/ uͤber der verſtorbenen
mich deſto ehe zutroͤſten. Legte hiemit neben ſeinem Gemahl die Trauer Kleider ab/ und em-
pfing die ankommenden ſehr froͤlich/ welche aber wegen Eilfertigkeit nur ein Stuͤndichen
ſich bey einer kurzen Mahlzeit auffhielten/ und nebeſt Pribiſla auff geruheten Pferden und
Gutſchen ſich nach Prag erhoben. Eben dazumahl ſaß die Koͤnigin in ihrem Zimmer/ uñ
beweinete ihrer Kinder Verluſt und Elende in der fremde/ deſſen Schuld ſie faſt alles auff
Herkules legete/ den ſie doch nicht weniger als ihren Sohn liebete. Pribilla wahr bey ihr
in groſſen Gnaden/ ging ungemeldet in ſeinen Feyerkleidern und guͤldener Kette umb den
Hals/ zu ihr ins Gemach/ daß ſie nicht anders gedachte/ er waͤhre Alters und Grams hal-
ben kindiſch worden/ rief ihn zu ſich/ und ſagete: Wie nun/ mein Pribiſla/ wie ſehe ich euch
in ſo ungewoͤhnlichen Kleidern? betrauret ihr eure Tochter ſolcher geſtalt? Gnaͤdigſte Koͤ-
P p p p p ijnigin/
[852]Vierdes Buch.
nigin/ antwortete er/ meiner Tochter Trauer halte ich daheime/ aber oͤffentlich erfreue ich
mich wegen meines gnaͤdigſten Koͤnigs und Koͤniglichen Fraͤulein gutem Wolergehen.
Ja/ ſagte ſie/ ihr habt etwa hinte einen guten Traum gehabt. Freilich einen guten Traum/
ſagte er; dann mich dauchte gar eigen/ mein Sohn Leches waͤhre von meinen Gn. Koͤnige
und Fraͤulein abgeſand/ Eurer Hocheit deren gutes Wolergehen anzumelden/ haͤtte auch
ſeine Eheliebſte Libuſſen mit ſich gebracht/ mir dieſelbe an ſtat meiner verſtorbenen Toch-
ter zuliefern/ da Ritter Neda und ſeine Eheliebſte Brela ihn begleiteten; wie ſolte ich dann
nicht urſach haben/ die Trauerkleider abzulegen/ und mich auffs beſte auszuputzen? daß a-
ber ihre Hocheit ich nicht laͤnger in der Verwunderung auffhalte/ mag dieſelbe fich wol
verſichern/ daß allerdinge/ wie ich jezt gemeldet/ mein lieber Sohn heut fruͤh zu mir kom̃en
iſt/ und erwartet mit ſeiner Geſellſchafft hauſſen vorm Schloſſe/ wann ihre Hocheit gnaͤ-
digſt belieben wird/ ihn vorzufodern. Der guten Zeitung muͤſſet ihr genieſſen/ ſagte die Koͤ-
nigin/ dann eure Kleider machen mich ſchon glaͤuben/ daß meinen herzlieben Kindern es
annoch wolergehe. Befahl hiemit einem Trabanten/ die ankommenden herauff zuführen/
da Leches durch viel Bediente die uͤbergeſchikten Kleinot und koͤſtliche Sachen vor ſich
hertragen ließ/ und zu der Koͤnigin Fuͤſſen niderſetzete; hernach ſich auff die Knie nider-
laſſend/ den Gruß von Ladiſla/ Frl. Valiſken und Herkules/ auch von Artabanus und
Phraortes anmeldete/ nachgehends den groͤſten Teil der Kleinoten im Nahmen des Paꝛ-
ther Koͤniges uͤberlieferte. Die Koͤnigin nebeſt allen anweſenden verwunderten ſich des
trefflichen Glanzes/ dieſer in ſo groſſer Menge eingebrachten koͤſtlichen Sachen/ noch viel-
mehr aber/ daß ſie von unbekanten Koͤnigen und Fuͤrſten geſchicket wurden/ daher die Koͤ-
nigin ſagte: Wie herzlich mich meiner lieben Kinder Wolergehen erfreuet/ ſo voll Wun-
ders bin ich wegen der groſſen Menge dieſer Koſtbarkeiten/ und kan nicht ausſinnen/ aus
was Urſachen mir aus den fernen Landen die gar zu groſſe Schenkungen geſendet werdẽ.
Gnaͤdigſte Koͤnigin/ antwortete Leches; Koͤniges Artabanus meynung wird aus dieſem
Schreiben/ von ihm mit eigener Hand unterzeichnet/ gnugſam erhellen. Sie erbrach es
alsbald/ und weil Frl. Valiſka es in Teutſcher Sprache auffgeſetzet/ oder vielmehr ver-
dolmetſchet hatte/ laſe ſie folgende Worte: Der groſſe Koͤnig Artabanus/ Beherſcher der
Morgenlaͤnder/ entbeut der Großmaͤchtigſten Koͤnigin in Boͤhmen/ Gruß und Liebe/ und zeiget an/
daß/ nachdem das vortreflichſte Fraͤulein der Welt/ Frl Herkuliſka/ Euer Liebe Tochter/ durch ſonder-
bahre Verſehung der himliſchen Goͤtter uns zugefuͤhret worden/ haben wir unſere Koͤnigliche Hulde
derſelben zugeleget/ und ſie vor unſer kuͤnfftiges Koͤnigliches Gemahl angenommen/ ſind auch ent-
ſchloſſen/ unſer Hochzeit-Feſt/ nach Verſtieſſung der noch uͤbrigen Monaten/ womit ſie der Goͤttin Ve-
ſta von Jugend auff verbunden iſt/ hochfeyrlich zuhalten/ der Hoffnung gelebend/ Eure Liebe ihr ſolche
Heyrabt nicht allein wolgefallen laſſen/ ſondern/ dafern dieſelbe von den Reichsgeſchaͤfften ſich
abmuͤſſigen kan/ dem Beylager beywohnen werde/ und ſol deren Ankunfft uns ſehr angenehm ſeyn;
Weil auch die Liebe zu dem Fraͤulein uns ſo hefftig eingenommen/ daß wir den Ausgang des Jahrs
nicht werden abwarten koͤnnen/ werden hiebey gewiſſe Gelder an ihre Geiſtligkeit uͤbergeſchicket/ ſie
von ſolchem Geluͤbde frey zuſprechen/ und wird Eure Liebe die dabey gefuͤgeten Kleinot/ als ein Zei-
chen unſerer Gutwilligkeit von uns anzunehmen/ ſich nicht wegern/ auch im uͤbrigen Zeigern unſerm
Diener Valikules allen Glauben zuſtellen. Im uͤbrigen verbleiben wir Ihrer Liebe Schuͤtzer und voll-
kommener Freund Artabanus.


Die Koͤnigin wuſte ſich zwar in das Schreiben nicht zurichten/ jedoch ſahe ſie daraus/
daß
[853]Vierdes Buch.
daß ihre Tochter dem fremden Koͤnige ſolte vermaͤhlet werden/ daher ſie nach weit gehoh-
letem Seuffzen ſagete: So ſey es dem Himmel geklaget/ daß mein allerliebſtes Kind in
der Wildfremde ihr Leben zubringen ſol/ und ich ſie wol nimmermehr wieder ſehen werde.
Das wende Gott ab/ antwortete Leches/ Ihre Hocheit werden ihre Frl. Tochter auff die-
ſem Schloſſe noch offt und viel ſehen/ dann dieſe vermeynete Heyraht wird GOtt gnaͤdig
abwenden/ wie dieſes Schreiben/ von meinem Gn. Fraͤulein ſelbſt auffgeſezt/ ohn zweifel
mit ſich fuͤhren wird. Die Koͤnigin nam den Brief mit groſſer Begierde an/ und fragete/
warumb dann ihre Frl. Tochter/ Herkuliſla genennet wuͤrde/ und wer der Valikules waͤh-
re. Weil aber Leches ſich auff des Briefes Erklaͤrung berieſ/ laſe ſie denſelbẽ/ alſo lautend:


Herzallerliebſte Fr. Mutter; ich eure muhtwillige Tochter bitte ganz demuͤhtig umb Verzei-
hung/ daß derſelben durch mein hinreiſen nach Padua/ ſo groſſe Angſt und Traurigkeit verurſachet/
welches doch ohn zweifel aus Gottes des Allmaͤchtigen Schickung alſo hat ergehen muͤſſen. Meinen
bißher gefuͤhreten Zuſtand wird Zeiger dieſes Leches/ ausfuͤhrlich berichten koͤnnen. Aber du meine
kuͤhne Feder/ berchte meiner herzallerliebſten Fr. Mutter und Koͤnigin meine kindliche Kuͤhnheit/ o-
der vielmehr herzliche Liebe gegen meinen wirdigſten Oheim/ den unvergleichlichen Herkules/ deſſen
Hulde mich nunmehr faſt vor drey Jahren gezwungen/ ihm auff ſein ſtraͤuges unablaͤßliches anhal-
ten/ eheliche Liebe und Pflicht zuverſprechen/ welche/ in anſehung ſeiner Traͤue mich zuretten angewen-
det/ ihm ob Gott wil/ erſter Zeit in keuſcher Verehligung wirklich wird geliefert werden/ und da mei-
ne Fr. Mutter hierin/ nach meinem hoffen/ gnaͤdigſt gehehlen wird/ ſol dieſelbe zeit ihres und meines
Lebens an mir haben/ wie ich bißher geweſen bin/ ihre gehorſamſte Tochter Valiſka/ jetzo Herkuliſka
genennet.


Alle anweſende fahen aus der Koͤnigin Angeſichte/ welches ſich im leſen etliche mal ver-
enderte/ daß etwas ſonderliches im Schreiben muſte enthalten ſeyn/ ſie ſagte aber kein
Wort/ ſondern ſtund auff von ihrem Stuel/ ging in ein Neben Gemach/ und hieß Leches
folgẽ/ zu dem ſie hernach ſagete: Bekennet mir die Warheit/ hat Herkules meine Valiſken
ſchon in ſeiner Gewalt? Nein/ gnaͤdigſte Koͤnigin/ antwortete er/ aber er wird ſie mit Gottes
Huͤlffe bald bekommen. Iſt er aber/ fragte ſie weiter/ nicht bey ihr geweſen? Ja/ ſagte er/ zu
unterſchiedlichen mahlen/ und zwar das lezte mahl faſt einen ganzen Tag/ doch in fremder
angeſtrichener Farbe/ und zweifele nicht/ die Heyraht zwiſchen ihnen ſey voͤllig geſchloſſen/
deſſen dann mein gnaͤdigſter Koͤnig Ladiſla ſich mehr als keines dinges in der Welt erfreu-
et/ und wird ihre Hocheit deſſen ohn zweifel aus meines Koͤniges und Groß Fuͤrſt Herku-
les Schreiben vollkommen berichtet werden/ welche ich hiemit gebuͤhrlich uͤbergebe. Die
Koͤnigin nam alsbald ein froͤliches Augeſicht an/ ſetzete ſich wie der an ihre Stelle/ und laſo
vorerſt Herkules Brief/ wie folget:


Gnaͤdigſte Fr. Mutter und Koͤnigin; Eurer Koͤnigl. Hocheit ich untergebener Sohn/ klage vor
ihrem muͤtterlichen Herzen meiner Jugend Verwaͤgenheit an/ in dem ich meinen in dieſer Welt herz-
allerliebſten Schaz/ das unvergleichliche Fraͤulein Valiſka umb eheliche Liebe/ hinter ihrer und mei-
ner Eltern Wiſſen anſprechen duͤrffen/ da wir noch Kinder/ und ohn alle arge Gedanken/ unſere Herzen
dermaſſen verknuͤpffet haben/ daß ſider dem weder Gefahr noch Gewalt ſie trennen moͤgen. Zwar wie
groͤblich ich wider kindliche Gehorſam gehandelt/ geſtehe ich gerne; Demnach aber eine lautere Unmoͤg-
ligkeit iſt/ unſere Gemuͤhter zu ſcheiden/ welche ihren eigenen Leib verlaſſend/ ſich in des andern einge-
ſenket haben; als geleben wir beyde der troͤſtlichen Zuverſicht/ ihr muͤtterliches Herz werde uns nicht
ungnaͤdiger/ als die goͤttliche Verſehung ſeyn/ welche dann gewolt/ daß/ ehe unſere Liebe gebrochen
wuͤrde/ wir mitten auff dem feſtverwahreten Koͤniglichen Schloſſe unſere Ehe mit den teureſten Ver-
P p p p p iijheiſſun-
[854]Vierdes Buch.
heiſſungen buͤndig machen muͤſſen; Wil demnach Eurer Hocheit hoͤchſtgewuͤnſchtes Angeſicht nicht
ſehen/ es geſchehe dann in Gegenwart der teureſten Fraͤulein Valiſka/ wo ſonſt Gott uns noch eine kur-
ze Zeit das Leben friſten wird/ und verbleibe ich/ weil ich lebe/ meiner gnaͤdigſten Frau Mutter gehor-
ſamſt-untergebenſter Sohn Herkules/ jetzo Valikules genennet.


Die Freuden-Traͤhnen fielen unter dem leſen der Koͤnigin aus den Augen/ kuͤſſete den
Brief/ und ſagte: O mein allerliebſter Sohn Herkules/ iſt mein hoͤchſter Wunſch ohn mein
Wiſſenſchon erfüllet/ ſo wil ich nunmehr gerne ſterben/ und doch erſt Liebe zu leben bekom-
men/ damit ich deine Frucht ſehen moͤge. Endlich laſe ſie auch Ladiſla Brief/ welcher nichts
als Vergnuͤgung uͤber ſeines Herkules kuͤnftige Heyraht zuſchreiben wuſte. In dem ſie nu
mit Verleſung deſſelben bemuͤhet war/ hoͤreten ſie auf dem Schloſſe/ daß auf allẽ Gaſſen deꝛ
Stad Alarm geblaſen uñ geruffen/ auch jeder zum Gewehr auffgemahnet ward/ deſſen ſie
nit wenig erſchrakẽ/ uñ bald Zeitung bekamen/ es haͤttẽ ſich etliche 1000 geharniſchte Reu-
ter im Felde blicken laſſen/ dz man nit wiſſen koͤnte/ obs Feind oder Freund waͤre. Die Koͤ-
nigin war in ſolchen faͤllen ſehr geherzt/ ließ alsbald 10 Reuter ausreitẽ/ uñ Kundſchaft ein-
holẽ/ welche alle gefangen genom̄en/ uñ nit wieder geſehen wurdẽ/ daher man urſach nam/
ſie vor Feinde zu halten/ uñ begaben ſich alle Mañſchafft der Stad ins Gewehr/ beſetzeten
Wall uñ Mauren aufs beſte/ uñ trugẽ Pfeile/ Steine uñ allerhand Ruͤſtung auf die Mau-
ren/ damit man den Feind abzuweiſen bedacht wahr. Hingegen zogen die unbekantẽ Reu-
ter den geradeſten Weg auff die Stad zu/ nicht anders/ als ſtuͤnden ihnẽ Tohr und Tuͤhrẽ
offen/ ungeachtet man ihnen zurieff ſtille zu halten/ biß man endlich loßdrückete und die
Pfeile ihnen in zimlicher Menge entgegen ſchickete/ daß ihrer etliche beſchaͤdiget/ und hin-
ter ſich zuweichen gezwungen wurden; worauff einer aus dem Hauffen hervor ritte/ und
mit einem lachen fragete: Ob ſie Freunde und Bundgenoſſen mit ſeindlichem Geſchoß
abzutreiben befuget waͤhren; Groß Fuͤrſt Henrich aus Teutſchland waͤhre mit ſeinem Ge-
mahl und Fraͤulein Tochter gegenwaͤrtig/ und begehrete bey ſeiner Fr. Schweſter der Koͤ-
nigin angemeldet zu werden. Aber der Obriſte der Beſatzung gab ihm zur Antwort/ der
Groß Fuͤrſt aus Teutſchland waͤhre keine Blume die man von ferne riechen koͤnte/ ſo haͤt-
te man die außgeſchikten Reuter aufgehalten/ und dadurch Argwohn genug zu andern ge-
danken gegeben; dafern man aber den Großmaͤchtigſten Groß Fuͤrſten ſehen wuͤrde/ ſolte
deſſen Hocheit alles offen ſtehen. Dem Groß Fuͤrſten gefiel ſolche Antwort wol/ ritte naͤ-
her hinzu/ und ließ ſein Angeſicht ſehen/ welches alsbald von unterſchiedlichen erkennet
ward; worauff im Augenblik ein Freudengeſchrey auff der Maur/ und bald hernach in
der ganzen Stad ſich erhub; Der Groß Fuͤrſt aus Teutſchland lebe! Die Koͤnigin wuſte/ daß
er ihr gedraͤuet hatte/ bald unvorſehens ihr einen blinden Lermen zu machen/ umb zu ver-
nehmen/ wie vor Unfall zu ſchuͤtzen ſie ſich gefaſſet und bereit hielte/ zweifelte demnach an
ſeiner gegenwart nicht/ und ſendete ihm den alten Pribiſla entgegen/ welchen der Fürſt
von ferne erkennete/ und ihm nach ſeiner angebohrnen Freundligkeit entgegen ritte/ ſpre-
chend: Lieber Alter/ eure Geſundheit iſt mir angenehm/ doch haͤtte ich gemeinet/ man muͤ-
ſte euch nicht mehr unter den Lebendigen/ geſchweige unter jungen Hofeleuten ſuchen.
Pribiſla neigete ſich tieff auff dem Pferde/ und wahr willens abzuſteigen/ welches ihm a-
ber der Groß Fuͤrſt nicht goͤnnen wolte/ ſondern ſagete: Sitzet mein lieber Alter; wie ge-
hets
[855]Vierdes Buch.
hets meiner Fr. Schweſter? fůrchtet ſie ſich auch vor feindlichen uͤberfal? Meine gnaͤdig-
ſte Koͤnigin/ antwortete er/ iſt/ dank den Goͤttern noch friſch und geſund/ lebet auch ferne
von aller Furcht/ als lange eure Hocheit im Leben und gutem Wolſtande ſich befindet/ und
haͤtte dieſelbe zu gewuͤnſcheter Zeit nicht kommen moͤgen/ da ſie gleich dieſe Stund von
unſerm Gnn. Koͤnige und Fraͤulein/ wie auch von dem unvergleichlichen und biß an der
Sonnen Auffgang hochbenahmeten Helde Herkules/ euer Hocheit Sohne ſehr angeneh-
me Zeitung und Schreiben bekommen hat. Groß Fuͤrſt Henrich ſeufzete uͤber dieſer Re-
de und ſagete: O du lieber und werter Sohn/ wie unſelig bin ich/ daß durch verleugnung
unſer Schuz Goͤtter du dich deiner Eltern und Vaterlandes/ oder vielmehr uns deiner be-
raubet haſt! wie ſchwer iſt mirs/ dich zu haſſen/ und doch unzulaͤſſig/ dich zu lieben/ als lan-
ge du den neuen Aberglauben nicht wirſt abgeleget haben; ſagte nachgehends zu Pribiſla;
es iſt mir ſehr lieb/ daß mein Oheim und Waſe annoch in gutem Wolſtande leben/ und
fuͤrchtete ich mich ſchon/ nur Unluſt durch meiner Schweſter Traͤhnen einzunehmen.
Ließ darauff ſein Gemahl und Fraͤulein in einer Gutſche allernaͤheſt hinter ihm her zum
Stad Tohr ein fahren/ da ſie auff dem Schloſſe von der Koͤnigin ſehr freundlich emp-
fangen/ nachgehends auff das Gemach gefuͤhret wurden/ woſelbſt die treflichen Kleinot
in groſſer Menge annoch unbedecket ſtunden/ an welchen Frl. Klara ihre Augen ſehr be-
lüſtigte/ daß ſie fragens ſich nicht enthalten kunte/ von wannen doch folche ſcheinbare Sa-
chen kaͤhmen; welches die Koͤnigin alles erzaͤhlete/ und ihren Bruder umb Raht fragete/
weſſen ſie ſich gegen den Parther Koͤnig erklaͤren ſolte; er aber zur Antwort gab; es waͤh-
re eine wichtige Sache/ und ſaͤhe er nicht was man anders/ als freundliche Einwilligung
vornehmen koͤnte/ nachdem unmoͤglich ſeyn wuͤrde/ dem maͤchtigſten Koͤnige der Welt
das Fraͤulein mit Gewalt zu nehmen. So wolte aber ich viel lieber ſterben/ ſagte die Koͤ-
nigin/ als dieſem hochmuͤhtigen Wuͤterich eine Tochter geben/ die ihm vielleicht als eine
Leibeigene dienen muͤſte/ wann das erſte Feur/ welches am heftigſten zu brennen pfleget/
würde gedaͤmpfet ſeyn/ und zweifele nicht/ meine herzlieben Soͤhne Herkules und Ladiſla/
werden nicht ruhen biß ſie mein geliebtes Kind in Freyheit geſetzet haben; Und weiß mein
Bruder noch nicht/ weß ich geſinnet bin? Ich habe von 14 Jahren her meinem Sohn
Herkules dieſes mein Kind zugedacht/ weil ſie einer dem andern von Angeſicht/ Gemüht
und vielen Eigenſchaften ſehr gleich ſind/ und da mir dieſes fehlen ſolte/ muͤſte ſie der Goͤt-
tin Veſta biß an ihr Ende verlobet werden. Ach/ fagte/ die Groß Fuͤrſtin/ wañ ich den Tag
dieſer Heyraht erleben ſolte/ wolte ich nachgehends mit froͤlichem Herzen ſterben. Der
Groß Fuͤrſt redet ihr ein; Schweiget ſchweiget/ mein geliebtes Gemahl/ er hat unſere Goͤt-
ter verlaͤugnet/ daher kan ihm dieſes nicht zugelaſſen werden/ dann weil er dieſer Urſachen
halben ein Fuͤrſt ohn Land/ und aus ſeinem Erbreiche muß verbannet ſeyn/ wird er ſein Le-
ben im Ritterſtande enden muͤſſen/ was ſolte dann meiner Frl. Waſen mit ſolchem Ge-
mahl gedienet ſeyn? Die Koͤnigin lachete ſeiner Ernſthaftigkeit/ und ſagete: Geliebter
Bruder/ der Goͤtter Vorſaz und verſehung werden weder du noch ich zubrechen beſtand
ſeyn; wann nun unſerm Sohn Herkules/ ach dem frommen tapfferen und Tugenderge-
benen Herkules meine Tochter außerſehen iſt/ wer wil ſie ihm nehmen? hat er dañ gleich
Teutſchland nicht (wiewol ſonder zweiffel ihm ſolches dereins/ da er lebet/ werden muß)
ey ſo
[856]Vierdes Buch.
ey ſo kan der Koͤnig in Boͤhmen/ der ihn uͤber ſich ſelbſt liebet/ noch wol ſchichtung mit ihm
halten/ oder ihm ein Koͤnigreich gewiñen helffen. O herzgeliebte Fr. Schweſter/ antwor-
tete die Groß Fuͤrſtin/ wie hoch bin ich euer Liebe verbunden/ nach dem ihr euch meines
Fleiſch- und Blutes ſo hoch annehmet. Es iſt mein Fleiſch und Blut auch/ ſagte die Koͤ-
nigin/ welches ich ſo hoch zuerheben/ und dem allerbeſten Fuͤrſten der Welt (niemand ſei-
nen Ruhm benommen) zu liefern bedacht bin; und weil mein Herr Bruder eine ſo woͤlfi-
ſche Grauſamkeit wieder einen ſo gewuͤnſchten Sohn gefaſſet hat/ den alle Welt/ ja der
Kaͤyſer zu Rom ſelbſt/ ehret und liebet/ wollen wir ohn ſein Zutuhn dieſe Heyraht unſerer
lieben Kinder volzihen. Kraͤnke mir meine Seele nicht mit ſolchen Aufflagen/ antwortete
der Groß Fuͤrſt/ die Goͤtter wiſſen daß ich meines Sohns Unfall mit meinem Blute abzu-
wenden mich nicht wegern wolte/ wans moͤglich waͤhre/ aber daß ich mein Kind lieber als
meine Goͤtter haben ſolte/ muͤſte ich billich in ihre Ungnade fallen/ ſo behalte nun das tref-
liche Fraͤulein einem maͤchtigen Koͤnige oder Fuͤrſten vor/ mit dem ſie Land und Leute zu-
beherſchen habe/ wie ſie ſcheinet darzu gebahren ſeyn/ dann Boͤhmen wird ſich ſchwerlich
trennen; Teutſchland iſt ihm entzogen/ weil er unſere Goͤtter nicht wieder annehmen wil/
und wird ſich kein fremder angeben/ der ihm Land und Leute abtrit. Unter dieſen Reden
hatte die Koͤnigin der Groß Fuͤrſtin ihres Sohns Herkules Brieff zu leſen geben/ die uͤ-
ber deſſen Inhalt unſaͤglich erfreuet ward/ daß ſie ſagte: O du mein gewuͤnſchter Sohn/
du Spiegel aller Tugend und Froͤmmigkeit; wann wirſtu dich und dein wirdiges Gemahl
mich wiederumb ſehen laſſen? Waß? ſagte der Groß Fuͤrſt/ hat er ſie ſchon geheyrahtet/
und iſt naͤhrlich 21 Jahr alt? in ſolcher Jugend haͤtte ich mich geſcheuet ein Weibesbild
dieſer geſtalt anzuſehen; nam den Brieff auch zur Hand/ und nach verleſung ſagte er: Un-
ſere Kinder wollen mit ihren Kindern zeitiger ſpielen/ als wir getahn haben; kan es dann
moͤglich ſeyn/ daß er ſeine Goͤtter wieder annimt/ ſol ihm ſein Erbrecht an meinem Reiche
unbenommen bleiben; im wiedrigen/ iſt mir noch leid/ daß meine Waſe mit einem Chriſtẽ/
und mit einem Fuͤrſten ohn-Land ſol verheyrahtet werden. Mein Herr Bruder/ ſagte die
Koͤnigin/ warumbſchilt- und ſchaͤndeſtu die Chriſten/ weiſtu doch ſo wenig als ich/ was
ihr Glaube iſt. Leches trat gleich herzu/ hatte die herlichen Kleinot/ die Herkules ſeiner
Frl. Schweſter uͤbergemacht/ in zarte Seidene Tuͤcher verhuͤllet/ und Libuſſen und Bre-
ten zugeſtellet/ trat vor ihnen her/ und reichete anfangs dem Groß Fuͤrſten und ſeinem Ge-
mahl ihre abſonderliche Schreiben von ihrem Sohn Herkules; hernach kehrete er ſich zu
dem Fraͤulein/ ließ die Kleinot vor ihre Füſſe legen und ſagete: Durchleuchtigſtes Fraͤu-
lein/ mein gnaͤdigſter Fuͤrſt und Herr/ der tapferſte Held auff Erden/ Herr Herkules/ ent-
beut euer Durchl. bruͤderlichen Gruß/ und ſendet derſelben dieſen Beutpfennig/ mit Bit-
te/ ſelben anzunehmen/ und mit Schweſterlicher Gewogenheit und Traͤue ihm allemahl
zugetahn zuverbleiben. Sie bedankete ſich ſehr/ hub die Kleinot/ ſo auff 80000 Kronen in
Perſen geſchaͤtzet wahren/ mit groſſer Begier/ nacheinander auff/ zeigete ſie ihrer Fr. Mut-
ter und wuͤnſchete/ daß ſie ihren herzgeliebten Herrn Bruder bald ſehen moͤchte; die groſ-
ſen Verehrungen koͤnte ſie nicht anders als mit Schweſterlicher getraͤuer Liebe erſtatten/
woran ſie Zeit ihres Lebens nichts wolte erwinden laſſen. Der Groß Fürſt brach ſeines
Sohns Schreiben/ und ſagete: Weil mirs auſſerhalb meines Reichs zukomt/ werde ichs
ohn
[857]Vierdes Buch.
ohn meiner Goͤtter Zorn leſen koͤnnen/ und fand folgenden Inhalt. Großmaͤchtigſter Groß-
Fuͤrſt und Herr/ gnaͤdigſter Vater; dafern wegen meines einigen wahren Gottes/ ich euch von denn
verteufelten luͤgenhaften Krodenpfaffen nicht gar zu verhaſſet gemacht bin/ Bitte ich in Kindlicher
Demuht/ dieſe weinige Zeilen mit Vaͤterlichem Herzen zu leſen; Mein Gott/ dem ich biß an mein
Ende dienen wil/ hat mir das Durchleuchtigſte Fraͤulein Valiſka zum kuͤnftigen Gemahl beſcheret/
mit der ich mich in aller Gottesfurcht ehelich verſprochen/ nach dem der grundguͤtige Gott ihr Herz in
erkaͤntnis meines Heilandes Chriſtus erleuchtet/ woruͤber ſie mit mir froͤlicher iſt/ als uͤber alle irdi-
ſche Wolluͤſte dieſer nichtigen Welt. So gebet nun bitte ich/ euren Vaͤterlichen Willen hierzu/ erlaſ-
ſet euren Sohn alles falſchen Argwohns/ und ſeid verſichert/ daß er weder Tag noch Nacht vergeſſen
wird/ euch der Barmherzigkeit ſeines einigen wahren Gottes inbruͤnſtig zu befehlen/ verbleibet auch/
weil er lebet/ euer biß an Gott gehorſamſter Sohn Herkules.


Die Groß Fuͤrſtin ſahe ihr Schreiben auch durch/ welches alſo lautete: Gnaͤdigſte/
herzallerliebſte Frau Mutter/ meinen Zuſtand uñ geſchloſſene Heyraht wird ohn zweifel meine gleich-
geliebte gnaͤdigſte Fr. Mutter/ Koͤnigin Hedewig uͤberſchreiben/ und mein Herr Vater anmelden/
Bitte ſehr/ bey deſſen Hocheit mich zuentſchuldigen/ daß ohn deſſen eingehohleten Raht und Willen
ich dieſe Verloͤbnis vorgenommen/ welches von mir nicht aus verachtung/ ſondern unmoͤgligkeit un-
terlaſſen iſt. Mein Gott wird mich dereins meiner herzlieben Eltern verſoͤhnetes Angeſicht ſehen laſ-
ſen/ daß an deren hoͤchſtgewuͤnſcheten Gegenwart ich meine Seele ergetzen moͤge; bemuͤhet euch aber/
bitte ich Kindlich/ meinen Herr Vater zu beguͤtigen/ damit er die ſchaͤndlichen Verleumdungen/
durch welche ich von den verlogenen Pfaffen bey ihm angegoſſen bin/ fallen laſſen/ und ſein Fleiſch uñ
Blut/ welches fremden nicht unangenehm iſt/ zu haſſen und zu verbannen auffhoͤren moͤge/ als vor
welchen zu ſterben ich mich keinmahl wegern wil. Nun mein Gott wird der Unſchuld beyſteuren/ und
den unbillig-vertriebenen wieder einzuhohlen wiſſen, wiewol ich meinem Bruder Baldrich mein Erb-
recht in der guͤte abzutreten (ſintemahl mir der Odem nach der Herſchaft gar nicht ſtinket) nicht un-
geneiget waͤhre/ da es von mir gebuͤhrlich und ohn verletzung meiner Ehren begehret wuͤrde/ deſſen
Gemuͤht gegen mich zuerfahren/ ich groſſes Verlangen trage/ welchen nebeſt euch und meiner herz-
lieben Frl. Schweſter ich der kraͤftigen Obhuet meines allein wahren Gottes empfele/ als euer ge-
horſamſter Sohn Herkules.


Der Groß Fuͤrſt betruͤbete ſich ſehr uͤber ſein Schꝛeiben/ welches die Koͤnigin eigent-
lich wahrnahm/ und zu ihm ſagete: Gewißlich findet mein Herr Bruder unangenehme
Sachen in ſeinem Brieffe. Was ſolte ich nicht finden/ antwortete er: Die ſteiffe Hart-
naͤckigkeit in dem neuen Glauben laͤſſet ſich je laͤnger je ſtaͤrker ſehen/ und duͤrfte er ſich wol
gar unterſtehen/ das Fraͤulein auff ſeinen neuen Gott hinzufuͤhren. Daß wird ihm kein
Menſch wehren koͤnnen/ antwortete die Koͤnigin/ dann wie ich meinen Koͤnig heyrahtete/
muſte ich mich dem Boͤmiſchen Gottesdienſt gemaͤß verhalten; Aber es iſt Zeit/ ſagte ſie/
daß wir das Abendmahl eiñehmen/ hernach ſol Leches erzaͤhlen/ was ihm von unſern Kin-
dern wiſſend iſt. Frl. Klara machte unter dieſem Geſpraͤch gute Kundſchafft mit Libuſ-
ſen/ erkundigte ſich/ was vor Geſchlechtes und Tugend Koͤnigs Ladiſla Gemahl waͤhre/ uñ
trug ſo groſſe Beliebung zu ihr/ daß ſie unter der Mahlzeit bey ihr ſitzen muſte; weil ſie auch
merkete/ daß ſie mit kuͤnſtlichem Perlenſticken umbzugehen wuſte/ baht ſie dieſelbe/ ihr ein
Armband von ihren Haaren mit durchgeſetzeten Perlen zumachen/ welches noch deſſelben
Abends geſchahe. Leches aber erzaͤhlete allen Verlauff/ was mit ſeinen Gnn. Herren und
dem Fraͤulein ſich zugetragen hatte/ ſo wol zu Padua als in den Morgenlaͤndern/ woruͤber
der Groß Fuͤrſt ſich nicht wenig erfreuete/ und aus vaͤterlicher Inbrunſt anfing: O du
Q q q q qmein
[858]Vierdes Buch.
mein wirdiger Sohn/ du Zierde aller loͤblichen Teutſchen Ritterſchafft; wolte Gott/ du
haͤtteſt Rom nie geſehen/ noch ichtwas von dem Chriſtlichen Aberglauben gehoͤret/ als dañ
wuͤrdeſtu dein/ ja dein Teutſchland biß an die Wolken erheben. Leches wahr in ſeinem
Chriſtentuhm ſehr eiferig (wie er auch deswegen in ſeinem hohen Alter von den heydni-
ſchen Pfaffen erſchlagen ward/ und zugleich mit ſeiner Libuſſen die Krone der Maͤrterer
davon trug) kunte demnach ſolche Reden unbeantwortet nicht laſſen/ obs ihm gleich haͤtte
das Leben koſten ſollen/ und ſagete: Gnaͤdigſter Groß Fuͤrſt/ Eure Hocheit/ bitte ich/ wollen
das Chriſtentuhm nicht vor einen Aberglauben ſchelten/ nachdem kein Menſch/ ohn durch
dieſe Lehre/ die Seligkeit erlangen kan; Zwar ich bin auch von meinem lieben Vater ge-
genwaͤrtig/ im Boͤhmiſchen heydniſchen Unglauben aufferzogen und unterrichtet/ aber
durch Gottes Gnade/ und Huͤlffe meines Gn. Fuͤrſten Herrn Herkules/ habe ich ſo viel
gefaſſet/ daß ich mich vor Teufel/ Tod/ Helle und allen heydniſchen Goͤtzen/ wie ſie auch Na-
men haben moͤgen/ im geringſten nicht mehr fuͤrchte/ und wann ich tauſend Koͤpffe haͤtte/
muͤſten ſie alle ſpringen/ ehe ich die einmahl erkante Warheit verlaͤugnen/ oder den vorigen
Gottesdienſt wieder annehmen wolte. Eure Hocheit verzeihen mir/ bitte ich untertaͤhnigſt/
dieſe Kühnheit/ daß ich ſie und alle anweſende verſichere/ dafern ſie meinen Gn. Herrn/
Groß Fuͤrſt Herkules in ſeiner Andacht ſolten ſehen/ und als einen ausbuͤndig-gelehrten
Chriſten reden hoͤren/ wuͤrden ſie gewiß gewiß den Kroden Teuffel und andere ihre ertich-
te Goͤtzen vor ein kindiſches Menſchen-geticht halten. Der Groß Fuͤrſt haͤtte ſchier eine
Ungnade auff ihn geworffen/ doch beſan er ſich/ und antwortete mit ſcharffer Rede: Ritter/
die Jugend hat die Unart insgemein/ daß ſie das neue erhebet/ und das alte mit Fuͤſſen trit/
daher wundert mich nicht/ daß ihr eurem Alter nach/ der Neuerung ergeben ſeyd; Weil
euch aber eure Kappe biß auffs aͤuſſerſte gefaͤllet/ moͤget ihr ſie immerhin tragen/ nur dz ihr
in meiner Gegenwart euch maͤſſiget/ meine Goͤtter zuverkleinern. Leches erkennete/ daß er
uͤber die Schnuhr gehauen hatte/ und baht untertaͤhnigſt umb Verzeihung/ nicht daß er
der Goͤtzen halben ſolches redete/ ſondern des Groß Fuͤrſten Ungnade von ſich abwendete.
Als er nun von ihm aller Verzeihung verſichert wahr/ kehrete er ſich zu der Koͤnigin/ und
ſagte; wie er von ſeinem Koͤnige befehl haͤtte/ 6000 wolverſuchte Boͤhmiſche Reuter zu
werben/ ſo waͤhre der Stathalter zu Padua ſchon in voller Arbeit/ 7000 Roͤmiſche Reu-
ter zubeſtellen/ baͤhte/ Ihre Hocheit moͤchte gnaͤdigſt einwilligen. Dieſe nun lobete ſolches
Vorhaben/ damit/ ſagte ſie/ unſere Kinder in der wilden fremde auff allen fall getraͤue Leute
umb ſich haben moͤgen. Hier ſahe Neda/ daß zeit ſeyn wuͤrde/ ſein begehren vorzutragẽ/ fing
demnach alſo an: Großmaͤchtigſter Groß Fürſt/ Gnaͤdigſter Herr/ es wuͤrde dem unver-
gleichlichẽ Helde/ Eurer Groß Fuͤrſtl. Hocheit Herrn Sohne eineſonderliche Freude ſeyn/
dafern er etliche ſeiner angebohrnen Untertahnen bey ſich haben/ und den Morgenlaͤndi-
ſchen Fuͤrſten taͤhtlich zeigen koͤnte/ durch was unuͤberwindliche Faͤuſte Teutſche Freyheit
bißher wider die Roͤmiſche Macht beſchuͤtzet und erhalten worden. Wann bey Ihrer
Hocheit ich nun erlangen koͤnte/ daß vor baare Gelder ich eine Anzahl wolgeuͤbete Reuter
in ihrem Reich werben duͤrffte/ wolte ich ihnen die Anreitsgelder vergnuͤgen. Meine Voͤl-
ker/ antwortete der Groß Fürſt/ dienen mir zwar und meinen Kindern umſonſt/ aber wann
ſie ihr Blut vor andere wagen/ wollen ſie deſſen trauen ergetzet ſeyn; Saget mir aber/ was
geden-
[859]Vierdes Buch.
gedenket ihr auff ein Pferd zu geben? Meines gnaͤdigſten Groß Fuͤrſten Herkules Ehr uñ
Anſehen zuerhalten/ ſagte Neda/ gebe ich auff jeden verſuchten Reuter 50 Kronen baar;
und von heut an gerechnet/ verſpreche ich ihnen doppelten Sold/ ſagte Leches. So muͤſſet
ihr viel Kronen bey euch fuͤhren/ ſagte der Groß Fuͤrſt zu Neda/ oder ihr werdet meiner Leu-
te nicht viel begehren. An guten Kronen fehlet mirs nicht/ antwortete er/ wann nur 6000
gewünſchete Reuter dieſe Stunde hie waͤhren/ die Gelder zuempfangen; und verſichere
ſich Eure Hocheit/ daß ihr Herr Sohn ſo viel Baarſchafften zu Padua in Kaſten ſtehen
hat/ damit er ein verfaſſetes Kriegs Heer von 50000 zu Roß und 150000 zu Fuſſe ein gan-
zes Jahr im Felde halten und beſolden kan/ welches ihm der Roͤmiſche Kaͤyſer ſelbſt kaum
nachtuhn ſolte. Der Groß Fuͤrſt bekam hieraus allerhand Gedanken/ was ſolches Geld
wirken koͤnte/ wann ſein Sohn dereins ſein Erb Reich mit dem Schwerte zugewiñen ſich
unternehmen ſolte; doch ſetzete er dieſes bald beyſeit/ und ſagte zu Neda: Weil mein Sohn
Herkules nach Ehren ſtrebet/ und Teutſches Lob weit auszubreiten bemuͤhet iſt/ wil ich ihm
vor dißmahl einen Reuterdienſt tuhn/ und ihm 6000 auserleſene Reuter meiner Leib-
Schaar ohn Entgelt hergeben/ die bißher in mannichem Scharmuͤtzel wider die Roͤmer
und andere Feinde ſich haben finden laſſen/ dieſelben wil ich beſolden/ ſo lange ſie meinem
Sohn zu dienſte ſtreiten/ wo ſie aber einem andern zum beſten gebraucht werden/ ſollen ſie
von demſelben doppelten Sold haben. Nun hatte der Groß Fuͤrſt 8000 Reuter mit ſich
hergefuͤhret/ aus welchen er des folgenden Morgens die verſuchteſten 6000 nam/ die ihm
ſchwoͤren muſten/ ſeinem Sohn Herkules/ dem ſie ſolten zugefuͤhret werden/ in allem ge-
horſam zuſeyn/ und wider alle ſeine Feinde/ ſo nicht Teutſche oder deren Bundgenoſſen waͤ-
ren/ ſich gebrauchen zulaſſen; uͤbergab ſie hernach Leches und Neda/ und ſagte: Da habt
ihr die begehrte Anzahl Reuter/ welche/ da ſie ſich ſcheuhen ſolten/ auff 20000 Feinde zu
gehen/ ich ſie aller ritterlichen Ehren unwirdig halten wolte. Dieſe bedanketen ſich wegen
Herkules untertaͤhnigſt/ gaben/ ungeachtet des Groß Fuͤrſten Verbots/ einem jeden durch
die Bank 20 Kronen/ deſſen die hinterbliebene 2000 mit genieſſen/ und gleich ſo viel nehmẽ
muſten. Worauff der Groß Fuͤrſt ſagete: Seyd ihr auch zu freygebig von eures Herren
Geldern. Nein/ gnaͤdigſter Herr/ antwortete Leches/ von dieſen Koſten komt unſern Gn.
Herren nichts zu/ ſondern Neda gibts alles von ſeinem eigenen; und weil ich vielmehr Gel-
der bey mir fuͤhre/ als ich zu der Voͤlker Unterhalt bedarff/ bitte ich untertaͤhnigſt/ daß mir
erlaubet ſey/ dem Groß Fuͤrſtlichen Fraͤulein im Nahmen ihres Herrn Bruders Herku-
les/ eine Tonne Goldes auff meine Verantwortung zum Beutpfennige einzuliefern. Der
Groß Fuͤrſt lachete des/ und ſagete: Was Bruͤder und Schweſter einander ſchenken/ ſte-
het ihnen frey; muſte alſo das Fraͤulein ſolche Baarſchafft zu ſich nehmẽ. Ritter Prinſla/
Herr Staniſla Sohn/ der etliche Jahr her in Schweden und Liefland durch manniche
loͤbliche Taht ein gutes Lob erworben/ hatte Leches/ mit dem er in bruͤderlicher Freundſchaft
ſtund/ ſeine Ankunfft erfahren/ und erboht ſich/ 30 Pferde auff ſeine Koſten auszuruͤſten/ uñ
ſeinem Koͤnige zuzuzihen. Leches erfreuete ſich deſſen hoͤchlich/ und baht ihn/ ſich nach guteꝛ
Ritterſchafft umzutuhn/ damit er deren 6000 in geſchwindeſter Eile zuſammen braͤchte/
zaͤhlete ihm 200000 Kronen aus/ und beſtellete ihn zum Feld Obriſten Wachtmeiſter über
alle dieſe Boͤhmiſche Voͤlker. Dieſer ſchickete alsbald 40 Werber aus/ daß ein jeder 150
Q q q q q ijReu-
[860]Vierdes Buch.
Reuter/ die alle ſchon gedienet haͤtten/ oder zum wenigſten mit Gewehr zu Roß wol umzu-
gehen wuͤſten/ inwendig drey Tagen wol beritten/ herbey ſchaffen ſolte. Herr Krokus ne-
benſtſeiner Frauen und Tochter wurden auch nach Hofe gefodert/ unwiſſend/ dz ihr Sohn
Neda ankommen wahr/ über deſſen und ſeiner Eheliebſten Gegenwart ſie hoͤchlich erfreuet
wurden; inſonderheit machten Brela und Therba vertrauliche Schweſterſchafft/ und
wurden alle vorige Mißverſtaͤnde gaͤnzlich vergraben. Prinſla hatte vor wenig Tagen ſich
in Therben ſehr verliebet/ gedachte/ jezt waͤhre Zeit/ durch ſeine Waſe Libuſſen es fortzuſet-
zen/ offenbahrete ihr ſeine Liebe/ und baht umb Befoderung. Dieſe gab Brelen und Neda
ſolches zu verſtehen/ die ſolche gewuͤnſchete Schwaͤgerſchafft nicht ausſchlagen wolten/
redete es mit der Jungfer und ihren Eltern/ und funden ſie an allen Seiten darzu willig/
ward alſo des andern Tages ihre Hochzeit von der Koͤnigin auff dem Schloſſe angeſtellet
und frey gehalten. Brela ließ auch in der Koͤnigin Nahmen ihre Vormuͤnder zur Rech-
nung fodern/ deren einer/ welcher aller ihrer Guͤter Auffkuͤnfte gehoben/ und unnuͤzlich veꝛ-
ſchwendet hatte/ ſich vor harter Straffe fuͤrchtend/ ihm ſelbſt mit einem Stricke das Leben
nahm/ woruͤber Brela ſehr unmuhtig ward/ auch zur Bezeugung ihres guten willens ge-
gen die Witwe und ſechs nachgelaſſene Kinder/ ſie nicht allein aller Anfoderung frey und
ledigſprach/ ſondern der Witwen 8000 Kronen ſchenkete/ und zwo Toͤchter/ eine von 15/
die andere von 12 Jahren vor ihre Leib Jungfern/ Neda aber zween Soͤhne/ einen 17/ den
andern 10 Jahr alt/ vor ſeine Auffwarter zu ſich nam/ deſſen ſie im ganzen Koͤnigr eiche ei-
nen trefflichen Nahmen und hohes Lob bekahmen; Die uͤbrigen beyden Vormuͤnder mu-
ſten von der Koͤnigin und dem Reichs Kanzler Herr Bretiſla einen ſcharffen Verweiß
annehmen/ daß ſie dem dritten allen Willen/ mit fremden Guͤtern zuſchalten verſtattet/ und
ihrem Ampte ſo unfleiſſig vor geſtanden waͤhren/ woruͤbeꝛ ſie in 4000 Kronen Straffe veꝛ-
dammetwurden/ welches aber Brela ſelbſt loß baht/ und ſie zu weiterer Vormundſchafft
uͤber ihre Güter beſtellete/ da ſie alle Traͤue und Fleiß erwieſen. Des vierden Tages nach
Leches Ankunfft waren 6000 Boͤhmen bey einander/ unter denen 1200 aͤdle und 300 Rit-
ter ſich ſtelleten; auch 300 junge Boͤhmiſche vom Adel/ alle unter 19/ und uͤber 14 Jahren/
wurden von ihren Eltern mit geſchikt/ ihrem Koͤnige in der ſremde auffzuwarten. Frl.
Klara hielt bey Libuſſen an/ mit ihr in Teutſchland zuzihen/ und biß auf ihres Liebſten Wie-
derkunfft ihr Geſelſchafft zuleiſten; auch wolte die Koͤnigin Brelen bey ſich behalten; nach-
dem aber dieſe ſich entſchuldigte/ ihrer Gn. Fraͤulein nachzihen zuwollen/ trug Libuſſa e-
ben daſſelbe vor/ und ſagte zu dem Fraͤulein in aller andern Gegenwart: Ob gleich
Eurer Gn. ich eine zeitlang auffwarten wolte/ wuͤrde ich doch von ihrem Gn. Herr Va-
ter nicht koͤnnen geduldet werden/ dann ich bin eine Chriſtin/ und muͤſte mich befuͤrchten/
daß eure gottloſe verlogene Kroden-Pfaffen mich wol gar erwũrgeten. Woruͤber der
Groß Fuͤrſt mit einem lachen den Kopffſchuͤttelte; wodurch aber ſie erkuͤhnet/ zu ihm ſag-
te: Durchl. Groß Fuͤrſt/ ich weiß ſehr wol/ daß alle Teutſche Pfaffen/ uns Chriſten vor un-
zũchtige ſchandergebene Menſchen ausruffen/ aber ich rede alhie kuͤhnlich aus/ und ſage/
daß wer mein gnaͤdigſtes Fraͤulein und mich vor eine ſolche haͤlt und ſchilt/ ich denſelben
vor einen Schelm und Ehren Dieb halte/ biß er uns ſolches uͤberweiſet/ und wann Eure
Hocheit ſolchen buͤbiſchen und diebiſchen Verleumdungen Glauben zumiſſet/ handelt ſie
ſehr
[861]Vierdes Buch.
ſehr unvorſichtig. Leches winkete ihr/ ſich zumaͤſſigen/ deswegen ſie damit abbrach/ und der
Groß Fuͤrſt mit wenigem ſagte/ er wuͤſte wol/ wie weit er glaͤuben oder nicht glaͤuben ſolte.
An dieſem Tage empfing Leches von der Koͤnigin/ Groß Fuͤrſtin uñ dem Fraͤulein Schrei-
ben/ an Herkules/ Ladiſla und Valiſka/ und brachen des folgenden Tages/ welcher der fuͤnf-
te nach feiner Ankunfft wahr/ ingeſamt ſehr fruͤh auff/ da Therba in ihrer Geſelſchafft mit
fort ging/ eileten auch nach aller Moͤgligkeit nach Padua zu. Auff den Roͤmiſchen Gren-
zen wolte man ſie nicht durchlaſſen/ ſondern etliche tauſend zu Roß und Fuß verlegeten ih-
nen den Weg/ biß Neda ſeine Roͤmiſche Beſtallung/ und des Stathalters freyen Reiſe-
Brieff aufflegete/ worauff ſie fortgelaſſen/ und von 1000 Reutern nach Padua begleitet
wurden. Ihre Ankunfft vor dieſe Stad erweckete nicht geringen Aufflauff/ aber Leches uñ
Neda ſtilleten es bald/ da ſie hinein ritten/ und die Voͤlker anmeldeten. Der Stathalter
ſamt Klodius und Markus zogen hinaus/ ſie zubeſehen/ die von Prinſla und dem Teutſchẽ
Herrn Wedekind in eine zierliche Feld-Ordnung geſtellet wahren. 2000 Teutſchen fuͤh-
reten groſſe Schlacht Schwerter/ vor welchen die Italiaͤner ſich entſetzeten/ meyneten nit/
daß ſie von Menſchen Armen koͤnten gefuͤhret werden; aber der angeſtellete ertichtete Feld-
ſtreit zeigete ihnen den ringfertigen Gebrauch deren/ die damit bewehret wahren. Leches
baht den Stathalter/ daß ihnen ein Lager hauſſen vorm Tohr moͤchte gegoͤnnet werden/
muſten aber auff deſſen Geheiß alle in der Stad verleget/ und als Bundgenoſſen gehalten
werden/ da ſie ſich ſo fried- und genuͤglich bezeigeten/ daß die Inwohner ihnen Zeugnis ga-
ben/ ſie waͤhren nicht minder ſitſam als ſtreitbar. Frau Sophia wahr ihrer Ankunfft ſehr
froh/ ließ die 300 aͤdelknaben in Roth Scharlaken mit guͤldenen Borten verbremet/ kleidẽ/
und gab dem Heer ſchoͤne Reuter Fahnen; Den Teutſchen 30 Schneeweiſſe/ in denen zu
oberſt der Nahme HERCVLES, und allernaͤheſt darunter VALISCA, mit guͤldenen Lateini-
ſchen Buchſtaben/ in der mitte aber zween guͤldene Loͤuen gegen einander auffrecht ſtundẽ/
welche mit ihren rechten Tatzen dieſes gekroͤnete Feur-roht-gemahlete Zeichen [...] hiel-
ten/ unter dem zu Teutſch dieſe guͤldene Buchſtaben geſchrieben wahren: Sieg oder Tod.
Der Boͤhmen 30 Blutrohte Fahnen hatten oben den Nahmen LADISLA, und gleich dar-
unter SOPHIA, in der mitte einen guͤldenen Loͤuen und Adler/ die oberwaͤhntes gekroͤnetes
Zeichen hielten/ mit dieſer Boͤhmiſchen Unterſchrifft: Ehre oder nichts. Die 6000 Roͤmi-
ſche Reuter wahren auch ſchon beyeinander/ denen ein tapfferer Roͤmiſcher Herr/ Nah-
mens Kajus Autronius vorgeſtellet wahr/ hatten 30 Himmelblaue Faͤhnlein/ in welchen
zu oberſt geſchrieben ſtund: Sub HAC VMBRA Securitas. Das iſt/ Unter dieſem Schatten
iſts ſicher; in der mitte aber der groſſe gekroͤnete Buchſtabe R/ und uͤber demſolben ein
guͤldener Adler mit außgebreiteten Fluͤgeln/ zu unterſt in den Fahnen/ Vittute, Non Dolo.
Das iſt; Durch Tugend nicht durch Betrug. Klodius uñ Markus hatten jedweder 500 tref-
liche Reuter/ und jeder nur ein Fahne/ einerley Geſtalt/ nur daß die eine gruͤn/ die ander
Pomeranzengelb wahr/ oben in denſelben ſtunden dieſe Worte: Gratitudinis Symbolum.
Das iſt/ Ein Zeichen der Dankbarkeit; in der mitte dieſe gekroͤnete Buchſtaben HL, ſo daß auf
einer Seite das H, auff der andern Seite das L fornen an ſtund; vor jedem Buchſtaben
ſaß ein geharniſchter Ritter auff den Knien/ mit entbloͤſſetem Schwerte/ und zu unterſt
dieſe Worte geſchrieben: Pro Dominis Cuncta. Das iſt: Alles ſol vor unſere Herren gewaget
Q q q q q iijſeyn.
[862]Vierdes Buch.
ſeyn. Dieſes Heer/ ſtark 19 tauſend Reuter/ kam des Morgens vor Padua an/ und lagen
die folgenden beyden Tage daſelbſt ſtille. Des Tages vor ihrem Auffbruch empfingen Le-
ches uñ ſeine Geſellen/ wie auch deren Eheliebſten von dem Stathalter und Fr. Sophien/
Brieffe und Befehl/ was bey unſern Heldenſolte beſtellet werden/ und ſchenkete der Stat-
halter Leches eine groſſe guͤldene Kette mit des Kaͤyſers Bruſtbilde/ als einem Fuͤrſtlichen
Abgeſanten/ da Fr. Sophia zu demſelben ſagete: Ich darff mein liebes Soͤhnlein/ welches
erſt drey Monat alt iſt/ weder verlaſſen/ noch auff dem ungeſtümen Meere wagen/ ſonſt
dürfte ich in Geſelſchafft mit reiſen; was ich aber eurer Liebſten ſchon anbefohlen/ wil ich
euch auch feſt eingebunden haben/ daß ihr eurem Koͤnige und Groß Fuͤrſten/ meinem Ge-
mahl und Bruder ſaget/ ich laſſe ſie getraͤulich warnen/ daß ſie nicht/ ihrer Art nach/ ſich
in den groͤſten Gefaͤhrligkeiten ohn Noht zu tieff wagen/ und nach der Fraͤulein erloͤſung
ſich durch anderer Leute Freundſchaft nicht auffhalten laſſen; ich nebeſt meiner Fr. Mut-
ter und allen Chriſten zu Padua wollen vor ſie zu Gott im Himmel fleiſſig behten/ welcher
auch unſere Seufzer erhoͤren wird; goͤnnet uns dann der barmherzige JEſus/ daß wir
froͤlich wieder zuſammen kommen ſollen/ werde ich ſchon darauff bedacht ſeyn/ euch eine
ſonderliche Belohnung bey meinem Gemahl zuerwerben; vor dißmahl bin ich nur auff deꝛ
Voͤlker Unterhalt bedacht/ dero behueff ihr acht Tonnen Goldes zuempfangen habet/ und
ſind die Schiffe mit Speiſe/ Trank/ und Futterung uͤberfluͤſſig verſehen. Hernach ließ ſie
etliche fuder Wein hinauß vor das Tohr auff den Plaz fuͤhren/ woſelbſt Fulvius von La-
diſla erleget wahr/ da die Teutſchen und Boͤhmen ſich in zwo Hauffen lagerten/ und mit
groſſen Humpen dergeſtalt auffeinander ſtuͤrmeten/ ob wolten ſie einander zu Tode ſauf-
fen/ doch wurden die Teutſchen endlich der andern Meiſter und erſtritten den Sauffpreiß.
Da haͤtte man nun bey dieſem Gelage ein Geſinge hoͤren ſollen von ihren alten Helden/
welches ſo wuͤſte und verwirret durch einander ging auch ſo gar ohn Liebligkeit/ daß es al-
len Zuſehern ein Grauſen verurſachete/ und ins gemein wuͤnſcheten/ der Himmel moͤchte
ſie vor der Teutſchen Feindſchaft behuͤten. Unterſchiedliche Teutſchen wurden uͤber dem
Trunk uneins/ meineten/ ihnen waͤhre nicht gebuͤhrlich beſcheid getahn/ ſonderlich beim
Geſundheit-Trinken; nicht/ daß nicht alles rein außgeſoffen waͤhre/ dann dieſes haͤtten ſie
vor einen unabloͤſchlichen Schimpff gerechnet/ welcher ihnen in allen ehrlichen Gelagen
verweißlich auffgeruͤcket werden muͤſſen; ſondern nur/ daß dieſer oder jener Gebrauch aus
unacht unterlaſſen/ oder das weite Gefaͤß nicht auff einmahl und in einem Athem außgelee-
ret/ oder etwas neben hin getruͤpfet waͤhre; hieruͤber zanketen ſie ſich an fangs/ folgete dañ
ein Scheltwort/ zog der ander die Fauſt/ und ſchlug jenen uͤbers Maul daß die rohte Sup-
pe folgete; dieſer verblutete ſich zuvor/ und nach dem er ſich gewaſchen hatte/ foderte er je-
nen aus/ und zerſchlugen ſich mit Faͤuſten drey unterſchiedliche gaͤnge/ daß ihnen die Au-
gen im Kopffe zuſchwollen/ meineten dann/ ſie haͤtten ihren Ehren gnug getahn/ und ver-
trugen ſich mit einem Handſchlage/ ſo daß ihres Streites weder von ihnen ſelbſten noch
von einigen andern gedacht ward. Ein einfaͤltiger/ doch handfeſter teutſcher Ritter/ da
ihm der Wein zu Haͤupte ſtieg/ ließ ihm ein Glaß von zwey Maſſen einſchenken/ faſſete es
in den Arm und ging der Schau Bühne zu/ auff welcher der Stathalter mit den Padua-
niſchen Rahts Herren und vornehmen Frauenzimmer ſaß/ kniete vor dem Stathalter ni-
der
[863]Vierdes Buch.
der/ und brachte ihm ſeines Groß Fürſten Herrn Henrichs Geſundheit auff einen Trunk;
die ganze Geſelſchaft lachete uͤber laut/ meineten/ es waͤhre unmoͤglich/ daß ers enden wür-
de/ aber er huͤtete ſich fleiſſig/ daß kein Troͤpflein neben hin lauffen muſte/ hielt ſein verſpre-
chen ehe mans inne ward/ kehrete das Glaß umb/ und ging hin/ es wieder einſchenken zu
laſſen. Der Stathalter fragete Leches/ wie er dieſer unmoͤglichen Anmuhtung abkommen
ſolte; der ihm zur Antwort gab/ dafern es nicht in guͤte geſchaͤhe/ wuͤrde dieſer es vor ja ſo
groſſe Schmach außruffen/ ob waͤhre ſein Groß Fürſt an ſeinen hoͤchſten Ehren geſchaͤn-
det: woruͤber gar ein Auffſtand ſich erheben duͤrffte; moͤchte demnach der Stathalter das
Glaß annehmen/ und ihn als ſeinen Dolmetſcher reden laſſen. Jener kam mit der ſtreich-
vollen Humpe daher getreten/ daß er ja kein Troͤpflein verſchütten moͤchte/ und uͤberreiche-
te es ſprechend: Sein Groß Fuͤrſt waͤhre ein ſo redlicher frommer Herr/ deſſen Geſund-
heit zu trinken ſich kein rechtſchaffener Kerl wegern wuͤrde. Der Stathalter empfing es
willig/ da Leches zu dieſem ſagete: Ritter/ ich werde nicht unterlaſſen/ eure Traͤue zu ruͤh-
men; weil aber der H. Stathalter erſt neulich des Fiebers wieder geneſen/ und ihm un-
moͤglich iſt/ beſcheid zu tuhn/ werdet ihr ihm gerne zu laſſen/ daß er etlichen des Fꝛauenzim-
mers daraus ſchenke. Dieſer gab vor/ er haͤtte redlich außgetrunken/ doch naͤhme er die
Entſchuldigung an/ und erlaͤubete ihm/ dreyen Jungfern zu ſchenken/ inmittelſt wolte er
hingehen/ und eine andere Geſundheit anfangen. Der Stathalter nam dieſe Gelegenheit
in acht/ reichete ſeinen Dienern das Glaß hin außzutrinken/ und als der Teutſche wie der
umbkehrete/ ſetzete er das leere Glaß an den Mund/ daß jener meinete/ er haͤtte den groͤſten
Teil allein zu ſich genommen/ wahr wol zu frieden/ und fing alsbald Koͤniges Ladiſla und
deſſen Gemahls Geſundheit an/ die er Leches brachte/ und ihm ſo genaue zu ſahe/ daß er in
einem Trunke muſte beſcheid tuhn. Der Teutſche hatte noch das dritte Glaß neben ſich ge-
ſtellet/ daraus trunk er Groß Fuͤrſt Herkules Geſundheit Neda zu/ der ihn auch befriedigte.
Das Frauenzimmer waͤhnete/ der Teutſche wuͤrde des vielen Weins berſten/ welcher aber
in ſich ſelbſt ſingend davon ging/ und ſich gegen eine Hecke ſtellend/ ſein Waſſer ungeſcheu-
het ließ/ nach deſſen verrichtung er zu ſeiner Geſelſchaft ſagete: Wann ichs nicht getahn
haͤtte/ waͤhre euer wol keiner der Beſcheidenheit geweſen/ daß er jenen vornehmen Herren
einen Trunk gebohten haͤtte; uͤber welcher Einfalt alle Zuſeher zum Gelaͤchter gereizet
wurden. Die trunken Bolten/ nach dem weder Haͤnde noch Füſſe mehr gehorchen wolten/
blieben unter dem freien Himmel biß an die Morgenzeit liegen/ gingen hernach hin/ und
bahten von ihren Wirten das Morgenbrod/ weil ſie bald auffſitzen und fortzihen muͤſten;
welches ihnen willig gereichet ward/ dann der Raht daſelbſt bezahlete alles/ und ordneten
an/ daß jeder Wirt ſeinem Reuter drey Kronen auff die Reiſe ſchenken muſte; wovor Le-
ches und Neda ſich hoch bedanketen/ nicht zweifelnd/ ihre Gnn. Herren/ wuͤrden es hin-
wieder zuverſchulden wiſſen; nahmen damit Abſcheid/ und ſchieden froͤlich davon nach
dem Meer hinzu/ da eine groſſe Menge Schiffe ihrer wartete. Fr. Sophia/ Urſula und
Sibylla gaben dem reiſen den Frauenzimmer das Geleit biß ans Meer/ da Urſula Eu-
phroſynen ein Schreiben an ihren lieben Fabius zuſtellete/ in welchem ſie ihm ſein Nicht-
ſchreiben hoͤchlich verwieß/ und daneben zu wiſſen taht/ er wuͤrde auff gluͤkliche Ankunfft
ſein liebes Soͤhnlein den jungen Fabius finden. Im außzihen hatten Klodius und Mar-
kus
[864]Vierdes Buch.
kus mit ihren Voͤlkern den Vorzug/ ihnen folgeten die Teutſchen unter Leches/ der ſonſt
Groß Feld Herrwahr; nach ihm ritten die Boͤhmen unter Prinſla/ und hatte Neda als
ein Roͤmiſcher beſtalter mit den 6000 Italiaͤnern den Nachzug. Des Abends kahmen
ſie bey den Schiffen an/ blieben die Nacht über liegen/ und nach dem Fr. Sophia des Mor-
gens ſehr fruͤh von ihnen Abſchied genommen hatte/ huben ſie die Anker auff und ſegelten
mit gewuͤnſchetem Winde davon; da die Roͤmiſchen als des Meers erfahrene voran gin-
gen/ in der mitte die Teutſchen/ und die Boͤhmen hinten zu lezt blieben. Das Wetter fuge-
te ihnen ſehr wol/ und gingen ohn hindernis Kreta vorbey/ biß ſie fuͤnff maͤchtige Raub-
Schiffe ſahen/ welche ſich an drey Italiaͤniſche/ die das Meer durchſucheten/ gehenket
hatten/ und ſie hart beſtritten/ aber die teutſchen Schlacht Schwerter gingen mit vier
Schiffen auff ſie/ matzeten alles nider und funden bey dieſen Skythen/ (die aus dem Eu-
xiniſchen Meer bey Biſanz/ jezt Konſtantinopel genennet/ in das Egeiſche gelauffen/ und
viel Kauffmans Schiffe beraubet) eine trefliche Beute an Geld und Waaren/ uͤber 21 Ton-
nen Goldes gerechnet/ welche folgender Geſtalt außgeteilet ward. Die fuͤnff aͤdle Frauen
bekahmen jede 80000 Kronen; jeder Ritmeiſter/ deren 94 waren/ 4000 Kronen; gleich
ſo viel Unter Rittmeiſter und Faͤhndriche/ jeder 1500 Kronen; die Unter Kriegs-beamten
jeder 250 Kronen/ und endlich jeder gemeiner Reuter 50 Kronen. Herr Wedekind/ Au-
tronius und ſieben andere/ teils Teutſche/ teils Boͤhmen/ bekahmen jeder 12000 Kronen;
und ward das uͤbrige/ 71500 Kronen unter die Schiffleute geteilet/ welche hiedurch zur
Arbeit willig gemacht wurden/ daß ſie in kurzer Zeit zu Tyrus anlaͤndeten/ da ſie nach auff-
gelegtem Kaͤyſerlichen Schein (welchen Herr Fabius zeitig genug zu Rom loßgewirket
hatte) außſtiegen/ den naͤheſten Weg durch Syrien auff Damaſkus nach dem Eufrat nah-
men/ und ihnen allenthalben frey Futter und Mahl geſchaffet ward.


Wir kehren uns wieder hin nach den Parthiſchen Grenzen/ umb unſern Herkules
nach Charas zu begleiten/ welcher mit ſeiner geringen Geſelſchafft ſehr fort eilete/ uñ Gott
ohn unterlaß fleiſſig anrieff/ weil er wol erkennete/ daß ohn deſſen ſonderlichen Beyſtand
ihm ſein Vorhaben unmoͤglich fallen wuͤrde. Timokles wahr ſeiner Ankunfft ſehr froh/
und berichtete ihn/ was maſſen er von dem Fraͤulein Befehl bekommen/ inwendig ſechs
Tagen nach Perſepolis zu reiten/ dafern er nicht wuͤrde ankommen ſeyn/ weil Artabanus
trefliche Bereitſchaft auff das Beylager machen lieſſe/ welches etwa noch neun Wochen
außſtuͤnde. Herkules foderte alsbald ein Schreibezeug/ und verfertigte dieſen Bꝛieff an
ſein Gemahl.


Herzgeliebter Seelen-Schaz; nach dem wir vor wenig Tagen des Koͤniges Heer gaͤnzlich auf-
gerieben/ welches alhier noch nicht ruchtbar iſt/ bin ich nach gehaltener Schlacht ſtuͤndlich auffgebro-
chen/ meinen Vorſaz/ eure Erloͤſung betreffend/ ins Werk zurichten/ wozu der Almaͤchtige Gluͤk und
gewuͤnſcheten Fortgang verleihen wolle. Es wird aber noͤhtig ſeyn/ daß eure Liebe ſich alsbald auff
etliche Baarſchaften ſchicke/ umb ſelbe unter ihrem ganzen Frauenzimmer außzuteilen/ und zu ver-
ſchaffen/ daß eure Hoffmeiſterin etlichen Kraͤmerinnen einen freien Zutrit auff euer Schloß mache/
mit welchen ich geliebts Gott Morgen bey euch ſeyn/ und euch mit verſtelletem Angeſicht in geſtalt uñ
Kleidung (welche ich ſchaffen werde) einer Kraͤmerin da von zu fuͤhren mich bemuͤhen wil/ da inzwiſchẽ
euer Frauenzimmer mit den Kraͤmerinnen ihre Kauffmauſchaft etliche Stunden treiben muͤſſen/ da-
mit unſere Flucht nicht ſo zeitig ruchtbar werde. Geich jezo gehe ich hin nach dem Koͤnige/ ihm anzu-
melden/
[865]Vierdes Buch.
melden/ was geſtalt ich auff meiner Reiſe nach Prag/ in Meſopotamien von Phraortes Leuten berau-
bet/ alle Sachen und Brieffe verlohren habe. Gott mit uns zu allem Gluͤcke/ woran wir nicht zwei-
feln wollen/ dann Gott iſt mituns.


Als er dieſen Brieff zuſammen gelegt/ und in den hohlen Pfeil verſchloſſen hatte/
ſagte er zu Timokles; ſchieſſet dem Fraͤulein dieſen Pfeil zu/ und tuht ihr meine Ankunft
durch das ehemahlige Zeichen zuwiſſen. Dieſer wahr geſchwinde fertig/ ging hin uñ fand
das Fraͤulein am Fenſter ſtehen/ da ſie ihr Gebeht zu Gott richtete/ und ihn von Herzen an-
rieff/ daß er ſich uͤber ſie gnaͤdig erbarmen/ uñ ihren Gemahl zu rechter Zeit herſenden wol-
te damit ſie nicht durch Gewaltaͤhtigkeit/ ihrer Ehren beraubet/ und dem Gottloſen Koͤni-
ge in Ehebruch zuteile wuͤrde. Dieſes Gebeht hatte ſie kaum geendet/ da ſahe ſie Timokler
das weiſſe Tuch umb den Kopff ſchwingen/ und den Bogen im Arme halten/ welcher bald
ſpannete/ den Pfeil hinauff ſchoß/ und alsbald wieder davon ging. Ach du allergnaͤdigſter
Gott/ ſagete ſie/ nun iſt es helffens zeit! fiel nider auff ihr Angeſicht/ und behtete mit haͤuf-
figen Traͤhnen das Vater Unſer und etliche Beht Pſalmen Davids/ richtete ſich hernach
in feſter Hoffnung zu Gott wieder auff/ und hohlete den Pfeil/ der ungezweifelten Zuver-
ſicht/ er wuͤrde der lezte ſeyn. Nach Verleſung des Anſchlages/ welcher ihr wol gefiel/ fo-
derte ſie ihre Hofmeiſterin vor ſich/ und nach freundlicher Empfahung ſagte ſie zu ihr:
Allerliebſte Freundin/ ich muͤſte wol undankbar geſcholten werden/ wann die mir von euch
erzeigete vielfaͤltige Freundſchafft ich nicht erkennen wuͤrde/ durch welche ihr nicht allein
mich in meinen Truͤbſeligkeiten getroͤſtet/ ſondern auch nach aͤuſſerſtem Vermoͤgen euch
bey dem Koͤnige bemuͤhet/ ihn von dem zu fruͤhzeitigen Beylager abzuhalten/ welches nun-
mehr in kurzer Zeit gluͤklich und mit meinem guten Willen vor ſich gehẽ wird/ da ich euch
dann zu meiner oberſten Kammer Frauen beftellen/ und eurem Sohn die bewuſte freye
Herſchafft bey dem Koͤnige loßwirken wil. Nachdem ihr aber wiſſet/ daß ich auch gegen
mein anweſendes Frauenzimmer gute Neigung trage/ und willens bin/ ihnen ſamt und
ſonders eine behaͤgliche Gnade zuerzeigen/ moͤchte ich zuvor einer jeden Sinn und Willẽ
gerne pruͤfen; worzu ich dann drey unterſchiedliche Mittel ausgeſinnet habe; Das erſte
iſt Kauffmanſchafft/ das andere der Trunk/ das dritte und lezte einer jeden ſelbſt eigener
Wunſch. Morgen früh aber wil ich mit dem erſten den Anfang folgender geſtalt machen;
Ihr ſollet mir dieſes Kleinot um baare Gelderverkaͤuffen/ die wil ich unter mein Frauen-
zimmer verteilen; Hernach werdet ihr euch bemuͤhen/ etlichen fremden Kraͤmerinnen mit
ſelzamen Wahren nachzufragen/ die ſollet ihr morgen zeitig fruͤh herauff fuͤhren/ daß mei-
ne Leute in eurer Gegenwart mit ihnen kauffichlagen/ da ihr dann einer jeden tuhn und
laſſen/ genaues dingen/ und unterſchiedliche Luſt zu dieſer oder jener Waare/ ſo viel moͤg-
lich iſt/ fleiſſig anmerken/ und mir davon bericht tuhn muͤſſet/ doch alſo/ daß ihr durchaus
keiner einredet/ ſondern einer jeden freyen Willen zu handeln laſſet; und ob euch dieſes
mein beginnen gleich anjezt fremde und kindiſch vorkommen moͤchte/ ſollet ihr doch zu ſei-
ner Zeit von mir gnug berichtet werden/ zu was Ende es von mir alſo angeſtellet ſey. Gn.
Fraͤulein/ antwortete die Hofmeiſterin/ Euer Gn. hohe Vernunfft weiß ſolche verborge-
ne Sachen zuerdenken/ die ich und meines gleichen nicht begreiffen moͤgen/ wiewol ohn
zweifel Eure Gn. aus dieſer Handlung viel Eigenſchafften der Gedanken und des Wil-
R r r r rlens
[866]Vierdes Buch.
lens unſers Frauenzimmers erkuͤndigen wird; und daͤucht mich ſchon/ ich ſehe mit Luſt an/
wie eine jede bald dieſes bald jenes angreiffet/ und ſich ſelbſt nicht erklaͤren kan/ was ſie kauf-
fen ſol oder nicht. Darzwiſchen ſollet ihr kein Wortreden/ ſagte das Fraͤulein/ ob ſie gleich
biß an den ſpaͤten Abend waͤhlen oder dingen wuͤrden. Die Hofmeiſterin verſprach allen
Gehorſam/ ließ durch ihre Magd das Kleinot umb 2000 Kronen verkauffen/ und ſtellete
dem Fraͤulein das Geld zu/ die ſolches in 15 gleiche Teile legete/ und durch die Hofmeiſterin
unter dem Frauenzimmer austeilen ließ/ vorwendend/ daß ſie davor morgen ein Jahr-
markt kaͤuffen ſolten/ da die Kraͤmerinnen ſich ſchon finden wuͤrden. Inzwiſchen ging Va-
likules nach des Koͤniges Schloſſe/ und gab mit traurigen Geberden ſich bey dem Hofmei-
ſter Herr Bagophanes an/ wie es ihm leider gar ungluͤklich auff der Reiſe ergangen waͤh-
re/ in dem ſeine eigene/ ihm von Phraortes zugegebene Reuter/ zu Schelmen worden/ ſeine
beladene Maul Eſel gepluͤndert/ ſeine 20 Parthiſche aͤdle Gefaͤrten ermordet/ und ihn glei-
chergeſtalt erſchlagen wollen/ waͤhre ihnen aber durch ſeines Pferdes Geradigkeit entrun-
nen/ und baͤhte demühtig/ Ihre Gn. moͤchten ihm bey Koͤnigl. Hocheit Gnade und Ver-
gebung erwerben; es waͤhre von ihm nichts verwahrloſet/ ſondern die Bosheit ſeiner un-
getraͤuen Gleitsmaͤnner haͤtte er nicht hintertreiben koͤnnen. Bagophanes troͤſtete ihn/ ſein
Koͤnig waͤhre ſo grauſam nicht/ daß er dergleichen faͤlle nicht erkennen ſolte/ ging ſtraks hin
zu demſelben/ und ſagte zu ihm: Allergnaͤdigſter Koͤnig/ es iſt einer Ihrer Koͤnigl. Hocheit
Diener im Vorhofe/ der in Ungluͤk gerahten/ und ſeine anbefohlene Verſchickung wegen
boßhafften uͤberfalles nicht hat verrichten koͤnnen/ bittet untertaͤhnigſt umb Gnade und Le-
bensfriſtung. Der Koͤnig erſchrak deſſen/ und fragete: Hat etwa Madates durch Ver-
warloſung die herlichen Voͤlker auff die Fleiſchbank geführet? Er iſt vor weniger Zeit
uns im Schlaffe vorkommen/ als ſteckete er gar im Blute biß an die Ohren. Davor be-
huͤten uns die Goͤtter/ antwortete Bagophanes/ dieſes Blut wird kein Parthiſches ſon-
dern lauter Perſiſches bedeuten; Es iſt aber der Teutſche Valikules/ unſer Gn. Fraͤulein
Herkuliſken Diener/ welcher zwiſchen dem Eufrat und der Tiger beraubet iſt. So moͤgen
die Raͤuber ſich der Beute wol freuen/ ſagte Artabanus/ dann ſie haben uͤber 15 Tonnen
Goldes wert von ihm bekommen; laß ihn aber hervor treten/ daß wir nach geſtalten Sa-
chen mit ihm verfahren moͤgen. Dieſer rief ihm herzu/ und ſagete: Juͤngling/ bekenne nur
recht zu/ wie es ergangen iſt/ ſo haſtu keine Gefahr. Valikules trat ehrerbietig hinein/ taht
einen Fußfall in ſonderlicher Demuht und ſagete: Allergnaͤdigſter und Gerechteſter Koͤ-
nig; wann ein Diener ſeines Herrn Befehl durch Verſeumniß/ Unachtſamkeit oder Un-
traͤue uͤbertrit/ und deſſen Schaden verurſachet/ muß er billich ohn Gnade deswegen ge-
ſtraffet werden; ob er aber Barmherzigkeit verdiene/ wann er durch Unfall/ wie mir leider
begegnet iſt/ den Zweg ſeiner Traͤue nicht erreichen kan/ wil Eure Koͤnigl. Hocheit ohn al-
le Bedingung ich gerne zum Richter leiden. Groß Fürſt Phraortes hat nach gnaͤdigſtem
Koͤnigl. Befehl mir und meinen Geſellen 50 Reuter zugeordnet/ welche/ ſo bald ſie zwiſchẽ
dem Tiger und Eufrat Fluſſe ſich befunden/ haben ſie mir alle Briefe/ ſamt den Kleinoten
und Geldern abgenommen/ meine Gefaͤrten ermordet/ und mich in der Flucht verfolget/
deren ich drey nidergemacht/ und dadurch Lufft bekommen/ meines ſchnellen Pferdes mich
zugebrauchen/ dem ich auch mein Leben vor dasmahl zudanken habe; ſo bald es mich uͤber
den
[867]Vierdes Buch.
den Tigerfluß zurük getragen/ iſt es unter mir nidergefallen/ daher ich manniche Gefahr
unter den wilden Tihren und Raͤubern uͤber ſtanden/ denen ich zu unterſchiedlichen mahlen
wunderlich entgangen/ auch einen zimlichẽ Weg mich durch das Land hindurch gebettelt/
da mich unterſchiedliche Perſiſche Werber angepacket/ denen ich entrunnen/ und ein gutes
Pferd mit davon gebracht habe. Dieſem nach bitte Ihre Koͤnigl. Hocheit ich untertaͤh-
nigſt/ mich alles ungleichen Verdachts allergnaͤdigſt zuerlaſſen/ und mir Barmherzigkeit
zuerteilen. Zwar es iſt ein groſſer Schade und Verluſt/ welchen ich erlitten habe/ ſolte ich
aber dermahleins wirdig geachtet werden/ wider Ihrer Koͤnigl. Hocheit Feinde im Krie-
ge gebraucht zuwerden/ wil ich nicht ruhen/ biß ich ſolchen Verluſt wieder eingebracht ha-
be. Bey uns biſtu wol entſchuldiget/ ſagte der Koͤnig/ aber wie wirſtu deinem gebietenden
Fraͤulein wilkommen ſeyn? Eben dieſes iſt zwar meine hoͤchſte Furcht/ antwortete er/ ge-
troͤſtete mich aber/ daß wann das hoͤchſt-geweihete Haͤupt Gnade erzeiget/ die Neben-
glieder ſich auch pflegen finden zulaſſen/ und hoffe/ meiner Gn. Fraͤulein Hofmeiſterin
werde auff meine Bitte mir Gnade erwerben/ nachdem ſie meines unfalls wird verſtaͤndi-
get ſeyn; doch gehe es mir nach des Himmels Verordnung/ ſo wil ich dannoch lieber in
meiner Unſchuld ſterben/ als daß ich haͤtte ausreiſſen/ mich bey den Feinden Ihrer Hocheit
in Dienſte einlaſſen/ und vor einen verlauffenen Schelmen mich ausruffen laſſen ſollen.
Als er dieſes geredet/ und der Koͤnig/ die Hofmeiſterin herzuhohlen/ Befehl erteilet hatte/
zeigete ein aͤdelknabe an/ es waͤhre ein Schreiben bey Koͤniglicher Botſchafft einkommen/
welches an Ihre Hocheit hielte/ reichete es zugleich uͤber/ und laſe Artabanus folgenden
Inhalt: Koͤnig Ladiſla aus Boͤhmen/ nachdem er von Artabanus Koͤnige der Parthen/ an ſeiner
Koͤniglichen Wirde und ritterlichen Ehren/ durch unterſchiedliche Schmach/ die ihm Artabanus nit
unbewuſt ſind/ hoͤchlich verletzet iſt/ geſtehet hiemit/ und krafft dieſes/ daß gedachter Artabanus dar-
an nicht als ein Koͤnig/ ſondern boßhaffter Schmaͤh Vogel gehandelt/ welches er wider ihn in einem
abſonderlichen Kampffe/ Mann an Mann/ behaupten wil; fodert hiemit denſelben aus/ an den Per-
ſiſchen Grenzen zuerſcheinen/ oder da er ſich deſſen wegert/ ſol er als ein verzagter nicht-werter aus-
geruffen werden/ von ſeinem geſchwornen Feinde Ladiſla.


Artabanus erzuͤrnete ſich hieruͤber der geſtalt/ daß er den Briefetraͤger mit eigener Fauſt
niderhieb/ ſtellete ſich nicht anders als ein Wahnwitziger/ und zuriß den Brief mit Haͤnden
und Zaͤhnen in kleine Stũckẽ/ da er bey aller ſeineꝛ Macht ſchwuhꝛ/ nicht zuruhen/ biß er die-
ſen undankbahren unwerten Buben zur gebührlichen Straffe gezogen haͤtte; doch kunte
kein Menſch erfahren/ von wem das Schꝛeiben kaͤhme/ oder was deſſen Inhalt waͤhre/ ſon-
dern nachdem er ausgeraſet hatte/ fragete er Valikules/ ob er in der Ruͤkreiſe bey Phraor-
tes geweſen waͤhre; O nein/ antwortete er/ es waͤhre mir zu ferne dahin/ und nicht zurah-
ten geweſen/ maſſen ich nicht weiß/ weſſen Eure Hocheit ſich zu ihm zuverſehen hat/ weil ſich
heimliche Abgeſanten von dem abtruͤnnigen Perſen bey ihm finden lieſſen/ mit denen man/
wie ich ohngefehr hoͤrete/ gnug gefaͤhrliche Sachen handelte/ daß Eure Hocheit ihm im
grunde nicht zutrauen hat; Zwar er ſtellete ſich gegen mich zimlich/ aber/ dafern er/ wie man
ausgeben wil/ ein Glied der abtruͤnnigen Verbündniß ſeyn ſolte/ duͤrffte ich ſchier nicht
zweifeln/ er haͤtte ſeinen Reutern ſelbſt befohlen/ das Bubenſtuͤk zubegehen. Eben das ſind
auch unſere Gedanken/ antwortete der Koͤnig/ daher wir gelegenheit finden werden/ uns
R r r r r ijan
[868]Vierdes Buch.
an dieſem traͤuloſen Buben zuraͤchen/ dem wir alle Koͤnigliche milde Gnade erzeiget; Weil
du aber ſo groſſe Zuverſicht auff die Hofmeiſterin ſetzeſt/ welche dorther koͤmt/ kanſtu dich
bey ihr melden. Er verrichtete ſolches auffs beſte/ rũhmete ihre Weißheit/ durch welche ſie
bey ſeinem Gn. Fraͤulein in ſo hohem anſchen waͤhre/ klagete ihr ſein Ungluͤk mit wehmuͤ-
tigen Worten/ und baht/ daß ſie ſein Vorſprach ſeyn/ und der Fraͤulein Gnade ihm erwer-
ben wolte; Worauff er ihr allen Verlauff erzaͤhlen muſte/ und ſie ihn hieß getroſt und gu-
tes muhts ſeyn/ ſie wolte es ſchon wiſſen recht zukarten/ und muͤſte er ihren erſten Eifer vor-
bey gehen laſſen/ und ihr nicht ſo bald vor die Augen kommen. Artabanus foderte ſie nach-
gehends abſonderlich vor ſich/ und fragete nach der Fraͤulein Wolergehen/ da ſie dann de-
ren hohe Liebe gegen den Koͤnig nicht gnug zuruͤhmen wuſte/ gab vor/ ſie zuͤrnete nicht we-
nig auff ihre Fr. Mutter/ welche ſie aus Unbedachtſamkeit der Goͤttin Veſten verlobet/ uñ
ſie hiedurch von dem hochgewuͤnſcheten Beylager ſo lange waͤhre aufgehaltẽ woꝛden/ zaͤh-
lete alle Tage der uͤbrigen Wochen/ und begehrete nichts liebers als deren Erfuͤllung; auff
ihren dumkuͤhnen Bruder und Oheim aber waͤhre ſie noch dergeſtalt erbittert/ daß der ge-
faſſete Haß unverſoͤhnlich ſchiene. Wir erfreuen uns des guten Willens/ antwortete er/
werden es auch zuvergelten unvergeſſen ſeyn; aber kommet doch ihrem Diener Valikules
bey ihr mit einem guten Worte zu huͤlffe/ nach dem der arme Tropff an ſolchem Unfall al-
lerdinge unſchuldig iſt/ dann ſonſt wuͤrde er ſich nicht wiedeꝛ eingeſtellet haben/ und veꝛmel-
det ihr unſere Gnade und Gewogenheit. Als ſie nun wieder von dem Koͤnige ging/ folgete
ihr Valikules nach/ fragete nach der Fraͤulein Wolergehen/ und baht/ nach erhaltener
Gnade ihm auff morgen fruͤh einen Zutrit zu ihr zumachen/ damit er ſich ſelbſt bey ihr ent-
ſchuldigen koͤnte. Ja/ ſagte ſie/ dafern Ihrer Gn. es von mir nur kan eingeprediget werdẽ/
daß ſie euch ihr Angeſicht ſehen laſſe. Solte Ihre Gn. ſich deſſen ſo hartweigern/ antwor-
tete er/ ſo zeiget ihr an/ ich habe etwas von ihrem Bruder und Oheim auff der Ruͤkreiſe er-
fahren/ welches ich zu vor Ihrer Gn. offenbahren müſſe/ ehe es dem Koͤnige gemeldet wer-
de. Dieſes dürffte euch helffen/ ſagte ſie/ jezt aber habe ich nicht laͤnger Zeit mit euch zuredẽ/
weil ich fremde Kraͤmerinnen auszuhoͤren von ihrer Gn. befehlichet bin. Er verwunderte
ſich/ dz ſchon ſo gute Anordnung gemacht wahr/ ließ ſich doch nichts merken/ dann er ſeine
beyden aͤdelknaben ſchon verkleidet/ und mit ihren Kramlaͤdichen auff die Schloßgaſſe ge-
ſtellet/ welche die Hofmeiſterin erfehend/ alsbald fragete/ was vor Waaren ſie feil truͤgen.
Die eine/ ſo uͤberaus geſchwaͤtzig und verſchlagen wahr/ antwortete: Sie haͤtten allerhand
fremde koſtbahre Sachen erſt vor wenig Stunden aus Indien gebracht/ desgleichen die-
ſer ends wenig/ oder wol gar nicht zufinden waͤhren/ båhten ſehr/ Ihre Gn. moͤchte ihnen
gute Kundſchafft zur Handelung geben/ welches ſie mit einer moͤglichen Verehrung ver-
gelten wolten. Mich bewaͤget eure Verehrung nicht/ antwortete ſie/ aber ſtellet euch mor-
gen fruͤh zeitig vor jenem zierlichen Schloſſe ein/ daſelbſt wil ich eurer wahr nehmen/ und
euch guten Verdienſt ſchaffen. Ihr aber/ ſagte ſie zu Valikules/ laſſet euch bey ihnen findẽ/
ſo kan ich euch wiſſen laſſen/ weſſen mein Gn. Frl. gegen euch gefiñet ſey; ging damit nach
dem Schloſſe/ uñ Herkules mit den Kraͤmeriñen nach ſeiner Herberge/ denen er annoch nit
eigentlich vertrauet hatte/ wozu er ſie gebrauchen wolte/ biß des folgendẽ Morgens nam er
ſie in Gallus uñ Timokles gegenwart vor ſich/ uñ redete ſie folgẽder geſtalt an: Wolauf ihr
aͤdle
[869]Vierdes Buch.
aͤdle geherzte Juͤnglinge/ heut dieſen Morgẽ ſollet ihr euch bey eurem Groß Fürſtẽ Artaxer-
xes/ wil nit ſagen bey mir/ dergeſtalt beliebet machen/ dz eure Glükfeligkeit aller an dern eu-
res gleichen weit uͤbertreffen ſol; dann die allertreftichſten Herrſchafften in ganz Perſen/
Meden und Aſſyrien ſollen zu eurer freien Wahl ſtehen/ welches ich euch bey meinen Gꝛoß-
Fuͤrſtlichen Ehren verſpreche. So hoͤret nun/ was vor geringe Dienſte ich von euch fode-
re; Jezt ſollet ihr die Kraͤmer Kleider wieder anlegen/ mit euren bewuſten Waaren euch
vor das bezeichnete Schloß verfügen/ und auf einem abſonderlichen Gemache dem Fꝛauẽ-
zimmer alles feil bieten; dieſe nun muͤſſet ihr mit kurzweiligen Reden und kauffdingungẽ/
auch abwechſelung der gezeigeten waaren etliche Stunden lang auffzuhalten wiſſen/ nach
deren verlauff/ ob ihr gleich weder Waaren noch Gelder mit bekaͤhmet/ ſollet ihr die Kra-
mer Kleidunghie in der Herberge ablegen/ und mir des bezeichneten Weges nachrennen.
Die Juͤnglinge bedanketẽ ſich des hohen Verſprechens/ wolten ſchon wiſſen den Sachen
recht zu tuhn/ und alles nach Wunſch zu verrichten. Alſo muſte der eine zwey Kleider uͤbeꝛ-
einander anzihen/ daß das Fraͤulein koͤnte bekleidet werden/ und hielten Gallus und Timo-
kles ſich zum ſchleunigſten Auffbruch fertig/ nachdem ſie den Wirt zu Dank vergnuͤget
hatten. Des vorigen Abends hatte die Hoffmeiſterin ihrer Meinung nach trefliche Muͤhe/
ehe und bevor ſie dem beraubeten Valikules voͤllige Gnade bey dem Fraͤulein erweckẽ kun-
te/ dann wie ſie deſſen Bitte und flehliches Anſuchen beſter maſſen anbrachte/ ſeine Un-
ſchuld beſchrieb/ und daß nicht allein der Koͤnig ihm gaͤnzlich verzihen/ ſondern auch gnaͤ-
digſt begehret/ eine Vorbitte bey ihrer Gn. ſeinetwegen einzulegen/ antwortete ſie: O mein
gnaͤdigſter Koͤnig und ihr/ geliebte Freundin/ feid gar zu gnaͤdig; folte man einem ſolchen
unvorſichtigen Menſchen ſo bald verzeihung zuſagen? Nein ſo ſchlecht muß er mir nicht
entwiſchẽ; wer weiß/ ob er auch unſchuldig iſt? ja wer weiß ob es nicht eine angelegte Kaꝛ-
te ſeyn moͤchte? Ich wil ſchon wiſſen/ durch allerhand tieffe Nachfragen ihn auff die Be-
wehrung zuſtellen/ befinde ich ihn dann in ſeiner Verantwortung wanken/ als dann troͤſte
ihn Gott; mit dieſer Hand wil ich ihm ſeinen verdienten Lohn geben; trauen 15 Tonnen
Goldes laſſen ſich ſo leicht nicht verſchmerzen/ daß man nicht eins Kundſchaft abgehen
laſſen ſolte. Ach mein gnaͤdigſtes Fraͤulein/ fagte die Hoffmeiſterin/ eure Gn. wollen ſich
nicht ohn Urſach eifern/ noch uͤber ihren getraͤuen Diener einen unverdieneten Zorn faſſen;
betrachtet/ bitte ich/ daß er ſo from geweſen/ und ſich wieder eingeſtellet hat/ ſteckete er in
Schuld/ wuͤrde er entweder gar mit andern davon gelauffen feyn/ oder zum wenigſten bey
euer Gn. unfreundlichem Bruder Schuz geſuchet haben; wolle demnach eure Gn. ſich
gefallen laſſen/ ihn Morgen fruͤh zu hoͤren/ und auff befindung feiner Unſchuld (woran ich
nicht zweifele) ihm Gnade erzeigen; und O wie glükſelig wuͤrde ich mich ſchaͤtzen/ wañ ich
vernehmen ſolte/ daß nicht allein des Koͤniges/ ſondern auch meine unwir dige Vorbitte
ſtat und raum gefunden haͤtte. Valiſka ſaß ein wenig als in Gedanken/ und gab hernach
zur Antwort: Valikules Valikules/ du haſt einen guten Engel angebehtet/ der dir gerah-
ten hat/ dieſe kraͤftige Vorbitterin anzuſuchen; dann verſichert euch/ meine geliebte Freun-
din/ dz ich mehr euer Anſehen/ als meines Dieners Schuld oder Unſchuld bey mir gelten
laſſe/ maſſen vor eure Wolfahrt ſo viel Geld in die Schanze zuſchlagen/ ich mich nicht lan-
ge bedenken wuͤrde; ſo ſey er demnach ſchuldig oder unſchuldig/ ihm muß euret/ ja bloß al-
R r r r r iijlein
[870]Vierdes Buch.
lein euret wegen verzihen ſeyn/ wiewol michs erfreuet/ daß beydes ihr und mein Koͤnig ihn
vor unſchuldig haltet/ und ihr vor einen ſchuldigen zu bitten euch nicht bewaͤgen laſſet; al-
ſo werde ich ihn zu hoͤren mich ferners nicht wegern/ abeꝛ ſolches muß morgen in aller fruͤ-
he geſchehen/ geſtaltſam ich heut ohngefehr in meinem Jahrbuche gefunden/ daß Morgen
der unſelige Tag iſt/ an dem mein geliebter Herr und Vater Todes verblichen/ welchen
ich jaͤhrlich mit faſten und behten in aller Einſamkeit zu begehen pflege/ auch Morgen alſo
begehen wil; ſolte er nun vor ſieben Uhr ſich nicht einſtellen/ alsdann koͤmt er umbſonſt/
und erinnere ich euch bey meiner Hulde und Freundſchaft/ daß kein Menſch/ wer der auch
ſeyn mag/ den ganzen Tag uͤber biß an den Abend mich in meiner Andacht ſtoͤre/ biß ich euch
ſelber zu mir ruffen werde. Die gekauften Waaren koͤnnen mir des folgenden Tages noch
zeitig gnug gezeiget werden/ nur daß ich ſie bey den Kraͤmerinnen/ ehe ſie gekauft werden/
ſehen moͤge. Wer wahr froher als die Hoffmeiſterin/ die ſich hieruͤber dermaſſen auffbließ/
daß ſie meinete/ ſie wuͤrde dereins mit ihr in gleicher Herrſchaft ſitzen/ daß ſie auch bey den
andern dreyen Frauen/ die mit im Frauenzimmer wahren/ aber ſelten zu dem Fraͤulein ge-
fodert wurden/ ſich deſſelben Abends noch einiger gewalt und botmaͤſſigkeit anmaſſen durf-
te/ in dem ſie ihnen gnug trotzig befahl/ was ſie tuhn und laſſen ſolten; deren eine aber ihr
mit Sanftmuht antwortete; Sie moͤchte ſich der hohen Gnade/ welche ſie bey dem Fraͤu-
lein erlanget/ nicht uͤberheben/ viel weniger mißbrauchen/ es koͤnte leicht geſchehen/ daß auf
hohes ſteigen ein tieffer Fall erfolgete. Die Nacht uͤber ruhete das liebe Herz gar wenig/
maſſen ihr/ ſo bald ſie ein wenig eingeſchlummert wahr/ nicht anders gedauchte/ als waͤhꝛe
ſie in voller Flucht begriffen/ da eine groſſe menge Reuter ſie verfolgeten; ſolches kam ihr
zu dreyen unterſchiedenen mahlen vor/ da ſie allezeit ſich in herzlicher Andacht zu Gott keh-
rete/ und umb gluͤklichen Fortgang baht/ ſtund offters aus dem Bette auff/ legte ſich auff
die bloſſe Erde/ und taht ihr Gebeht mit ſolcher Andacht/ daß ſie morgens die Traͤhnenzei-
chen auff der Erden ſahe. O mein gnaͤdiger Gott und Heyland/ alſo behtete ſie/ erbarme dich
deines armen Geſchoͤpffes/ ſihe an mein Vertrauen/ welches ich auff deine gnaͤdige Huͤlffe gegruͤndet/
uñ errette mich aus der Hand dieſes gottloſen Artabanus/ wie du den unſchuldigen David aus Sauls
Haͤnden geriſſen haſt/ zeug mich mit dem keuſchen Joſeph aus dem Gefaͤngnis/ und mit der Tugend-
liebenden Suſannen erledige mich aus ehebrecheriſchen Haͤnden; gib nicht zu Herr/ daß ich in ſchan-
den verderbe/ ſtraffe mich nicht in deinem Zorn und zuͤchtige mich nicht in deinem Grim/ dann Herr
ich hoffe auff dich/ darumb werde ich nicht fallen/ ich harre des Herren/ darumb wird er ſich zu mir nei-
gen. O Herr Gott hoͤre das Gebeht und die heiſſen Seuffzer deiner elenden Magd/ und verbirge dich
nicht vor meinem flehen/ gib mir Fluͤgel/ die mich aus dieſem gefaͤhrlichen Gefaͤngnis fuͤhren/ zeige
mir den Weg den ich wandeln ſol/ und geleite mich mit deinen Augen/ ſo wil ich vor deine Gnade dir
meiner Lippen Opffer mit herzlicher Dankſagung darlegen/ und deine unaußſprechliche Guͤte hin und
wieder bekant machen Amen. Nun Herr deine Guͤte ſey uͤber uns/ wie wir auff dich hoffen Amen.


So bald ſie die erſten Zeichen des Tages hervor blicken ſahe/ machte ſie ſich aus ih-
rem Lager/ ſchlug Feur/ und bey einem Lichte ſetzete ſie dieſes Zettel auff: Geliebte Hoffmei-
ſterin/ werte Freundin/ demnach der langgewuͤnſchte Tag meiner Erloͤſung kommen/ und ich heimlich
davon geſchieden bin/ wil ich euch traͤulich rahten/ ihr machet euch mit eurem Sohne bey zeiten aus
dem Staube/ und meldet ja meine Flucht niemand an/ da ihr deren am erſten inne werdet/ es duͤrffte
euch ſonſt das Leben koſten/ weil ihr euch von mir habt hintergehen laſſen. Auff was Weiſe ich davon
kommen bin/ iſt unnoͤhtig euch anzudeuten/ werdet ihr euch aber bey mir angeben/ wo ich ſeyn werde/
ſollet ihr von mir unbeſchenket nicht bleiben.


Nach-
[871]Vierdes Buch.

Nachgehends weckete ſie ihre Leibdienerin/ daß ſie ins gemeine Frauenzimmer Ge-
mach/ ihrem gebrauche nach/ ginge/ und ſie raum haͤtte ihr Gebeht und Andacht zu ver-
richten; blieb darauff eine Stunde in ihrem herzlichen Gebeht/ und legte keine Kleider/ ohn
den Schlaff Rok an/ damit ſie mit dem Kramer Kleide deſto ſchleuniger fertig werden
koͤnte; und als ſie ihr Herz voͤllig geſchikt hatte/ das aͤuſſerſte zu wagen/ auch/ da es mißlin-
gen ſolte/ den Tod mit froͤlichem Herzen auszuſtehen/ rieff ſie der Hoffmeiſterin/ und fra-
gete/ ob Valikules ſich einſtellen wuͤrde. O ja gnaͤdigſtes Fraͤulein antwortete ſie/ nach dem
ich ſchon geſtern Abend ihm nebeſt den beyden Kraͤmerinnen einen freien Zutrit bey dem
Koͤnige erhalten/ wartet er in deren Geſelſchaft hauſſen ſchon eine Stundelang auff/ ob
euer Gn. gelieben moͤchte/ ihn vorzufodern. Das Fraͤulein empfand nicht eine geringe
Furcht im Herzen/ fragete/ ob das Frauenzimmer die Kauffhandelung gerne angenom-
men haͤtten/ und als ſie vernam/ daß ihnen ſelbſt darnach verlangete/ hieß ſie Valikules ne-
beſt den Kraͤmerinnen herzu fuͤhren. Dieſer hatte Zeit ſeines Lebens nie einen ſo furchtſa-
men Gang verrichtet; zwar ſeine Augen ſahen das Schloß/ ſein Herz aber Gott im Him-
mel an/ daß er ihm moͤchte gnaͤdig und behülflich ſeyn/ auffdaß er ſein aller liebſtes Gemahl
nicht in den Tod ſtürzete/ an ſtat er vorhabens waͤhre ſie zuerloͤſen. Er haͤtte aber keine ver-
ſchlagenere Buben als dieſe beyden zu ſeinem Vorhaben waͤhlen koͤnnen/ welche noch ein
kleines einfaͤltiges Maͤgdlein auß der Herberge mit ſich genommen hatten. Als ſie inge-
ſamt auff den Voͤrder Saal kahmen/ zeigete die Hoffmeiſterin dem Fraͤulein ihre Gegen-
wart an; welche zur Antwort gab/ ſie wolte Valikules vor hoͤren/ und hernach die Waa-
ren beſichtigen. Derſelbe trat nun auff Befehl zitternd ins Gemach/ taht ihr einen Fuß-
fal/ und ſagte: Durchl. Fraͤulein/ euer Durchl. unglükſeliger Knecht Valikules/ hat leideꝛ
wegen ſeiner ungetraͤuen Gefaͤrten/ den aufferlegten Befehl nicht verrichten moͤgen/ wie
er wol gewuͤnſchet/ uñ ſich aͤuſſeꝛſt bemuͤhet hat/ hoffet demnach/ bey deꝛſelben in anſehung
ſeiner Unſchuld/ Gnade zuerhalten/ und wil doch auff wiedrigen Fall lieber in Unſchuld
ſterben/ als unter dem Nahmen eines ungetraͤuen Verraͤhters davon ſtreichen. Schoͤner
Herr/ antwortete ſie/ du weiſt dein Wort wol zu machen/ daß du keines Vorſprachs be-
darfſt/ aber danke dieſer meiner geliebten Hoffmeiſterin/ daß ich weitere Nachfrage unter-
laſſe/ und bloß umb ihret willen dein verſchone; ſo ſtehe nun auff/ nach dem ich heut mit
wichtigen Geſchaͤften beladen bin/ und nicht Zeit habe/ dich lange zu hoͤren. Valikules
bedankete ſich der erteileten Gnade/ bezeugete ſeine Unſchuld/ und erboht ſich zu fernerem
Gehorſam; wendete ſich hernach zu der Hoffmeiſterin/ kuͤſſete ihr die Haͤnde/ und bedan-
kete ſich ſehr wegen getahner kraͤftiger Vorbitte/ welches er nimmermehr aus ſeinem Ge-
daͤchtnis kommen laſſen wolte. Er ſtellete ſich/ als wolte er davon gehen/ aber das Fraͤu-
lein hieß ihn etwas warten/ und befahl der Hoffmeiſter in/ daß die Kraͤmerinnen herein ge-
ſuͤhret wuͤrden. Dieſem ward alsbald folge geleiſtet/ da nach wuͤnſchung eines gutẽ Mor-
gens die eine anfing ihre Waaren hoch zu loben/ und ſagete: Schoͤne Jungfer wollet ihr
mir den Kram abkauffen? ey lieber kaͤuffet/ ich wil mich wol handeln laſſen; mein Zehr-
geld habe ich auff der weiten Reiſe alles vertahn/ daher muß ich etwas wieder loͤſen/ dz ich
aus der Herberge kommen kan; der leidige Krieg ſperret den Handel gar/ daß wir armen
Kraͤmer gar daruͤber an den Bettelſtab gerahten/ und noch wol gar aus der Welt lauffen
muͤſſen.
[872]Vierdes Buch.
muͤſſen. Ey lieber/ ſchoͤne Jungfer/ kaͤuffet mir den Kram ab/ ich habe gute friſche Waa-
ren/ die wil ich ſehr wolfeil geben/ daß ihr mir nach dieſem mehr abkaͤuffen moͤget. Das
Fraͤulein/ ungeachtet ſie mit viel wichtigern Gedanken umbging/ kunte das Lachen doch
nicht laſſen/ und ſagte zu der Hoffmeiſterin/ laſſet die eine ein wenig bey mir/ uñ nehmet die
andere mit euch/ ich wil ſie euch bald nach ſchicken; aber/ wie geſagt/ daß mich kein Menſch
vor Abends in meiner Andacht ſtoͤre. Damit wahr nun dieſe Auffſeherin abgeſchaffet/ die
Kraͤmerin zog das ober Kleid geſchwinde ab/ reichete es dem Fraͤulein/ und ſagete: Da
Jungfer/ brauchet es geſund und ſtark; und weil ſie eine Kramerlade in die andere geſetzet
hatte/ gab ſie die ledige von ſich/ und ging mit der gefuͤlleten nach dem Frauenzimmer/ da
ſie zu ihrer Geſellin ſagte: Schweſter/ wie gehet dirs bey dieſen ſchoͤnen Jungfern? jene
ſaurſichtige hatte entwe der nicht außgeſchlaffen/ oder ihr Bråutigam wahr ihr hinte nit
nahe gnug geweſen; ich habe kein gut Wort bey ihr er halten/ viel weniger einen Heller ge-
loͤſet; weil ich nun fuͤrchtete du moͤchteſt mir die beſten Fiſche hinweg angeln/ habe ich fol-
gen wollen. Herkules da er ſich mit ſeinem Gemahl allein beſand/ fiel mit ihr auf die Knie/
und rieffen Gottes Barmherzigkeit in bruͤnſtig an/ daß er ihnen helffen/ und gnaͤdiglich
verhuͤten wolte/ damit ihretwegen kein unſchuldig Blut vergoſſen wuͤrde; nachgehends
ſagte er zu ihr: Stehet auff mein Schaz/ unſers bleibens iſt hie nicht laͤnger/ und ſchaͤmet
euch nicht/ dieſes unwirdige Kleid anzulegen/ und euren Ruͤcken mit dieſer Kramer-lade
zu beſchweren. Er ſtriech ihr alsbald das Haar/ Angeſicht/ Halß und Haͤnde an/ und als
alles am Fenſter in der Sonne trocken worden/ und ſie gnug gefaͤrbet wahr/ dz ſie vor dem
Spiegel ſich ſelbſt nicht kennete/ zohe er ihr das Kramer Kleid an den Leib/ grobe beſudelte
Struͤmpffe an die Beine/ heßliche Schuch an die Fuͤſſe/ ſtuͤrzete ihr eine gemeine Weiber-
Muͤtze auff/ gleich wie die beyden Kraͤmerinnen trugen/ und band ihr das Laͤdichen auf den
Ruͤcken/ welches ſie mit den aller koͤſtlichſten Kleinoten gefuͤllet hatte/ ſo viel ſie mit gemach
tragen kunte. Als ſie allerdinge fertig wahr/ fing ſie an: O du barmherziger Herr JEfus
Chriſt/ geleite uns mit deinen heiligen Engeln/ daß wir in dieſer Verſtellung nicht ergrif-
fen werden/ ſondern unerkennet hindurch kom̃en moͤgen. Wozu er ein andaͤchtiges Amen
ſprach: Offnete die Tuͤhr des Gemaches in aller ſtille/ und ſchauete ſich umb ob irgend ein
Auffmerker vorhanden waͤhre/ und als alles ſicher wahr/ winkete er ihr/ da ſie mit verwir-
retem Gemuͤhte/ doch voller Andacht/ nicht anders als im halben Schwindel ihm auf dem
Fuſſe nachtrat. Sie wuſte ſich Kraͤmeriſch gnug zu ſtellen/ ging durch alle drey Wachten
ungehindert fort/ nur daß ſie in der aͤuſſerſten befraget ward/ was ſie feil truͤge. Aber ſie
antwortete ihnen kein Wort/ ſondern Herkules ſagte/ weil ſie von dem Koͤnige mit groſſen
Koſtbarkeiten zu dem Fraͤulein geſchikt waͤhre/ wuͤrde man ſie ungerechtfertiget laſſen;
worauff ſie alle erſtummeten/ und nicht in geringe Furcht gerieten. Sie eilete inzwiſchen
auff der Gaſſe/ ob haͤtte ihr der Kopf gebrennet/ daß Herkules ihr kaum folgen kunte/ und
weil ſie ihren Timokles vor der Herberge ſtehen ſahe/ ging ſie dahin ein/ und ſagete zu ihm:
Gott lob ich bin eine gluͤkſelige Kraͤmerin worden; Er haͤtte ſie nicht gekennet/ aber die
Sprache verſtund er alsbald/ nam ihr deßwegen die Buͤrde ab/ und kam Herkules darzu/
welcher befahl alle Sachen in einen Wetſcher zu tuhn/ und feſt hinten auffs Pferd zu hef-
ten/ ging mit ihr auff ſein Gemach/ herzete und kuͤſſete ſie daſelbſt/ und ſagete: Bißhieher
hat
[873]Vierdes Buch.
hat uns der HErr/ uñ ſchon mehr als halb geholffen; reiß ihr die Kleider vom Leibe/ legte
ihr ein Manneskleid von gutem Leder/ und einen feſten Panzer an/ ein Schwert an die
Seite/ Stiefeln und Sporn an die Beine/ und einen grauen Mediſchen Reit Rok umb den
Leib. Darauff genoſſen ſie etliche kraͤfftige eingemachte Sachen/ auch etwas Brod und
Fleiſch/ tahten einen guten Trunk gewaͤſſerten Wein/ und ſetzeten ſich in Gottes Nahmen
zu Pferde/ ritten algemach durch die Stad/ und ſo bald ſie im freien Felde ſich befunden/
gaben ſie ihren Pferden die Sporen/ und jageten den ganzen Tag dermaſſen fort/ daß ſie
nicht ruheten/ ohn daß ſie zweimahl friſche Pferde nahmen/ und weder an Speiſe noch
Trank gedachten. Valiſka rennete ſtets neben ihrem Herkules daher/ und tahten nichts/
als daß ſie Gott mit traͤnenden Augen danketen/ und umb fernere Huͤlffe anrieffen; in ſon-
derheit ſtimmeten ſie den 34 Pſalm Davids an/ welchen Herkules in teutſche Reimen ge-
ſezt/ und vor ſeinem erſten Abzuge von Charas ihr denſelben zugeſtellet hatte/ daß ſie ihn bey-
de außwendig fingen kunten/ welcher alſo lautete:


1
Ich wil forthin des HErren Preiß

Erheben was ich kan und weiß/

Und ſeinen Ruhm im Munde fuͤhren/

Den meine Seel iſt freuden vol

Die ſich des HErren ruͤhmen ſol/

Wie ihr rechts wegen wil gebuͤhren.

2
Auff daß es der Elenden Schaar/

Die ſonſt in groſſem truͤbſal wahr/

Mag hoͤren/ und ſich hoch erfreuen;

So preiſet nun den Herrn mit mir/

Laſt miteinan der fuͤr und fuͤr

Uns ſeines Nahmens Lob verneuen.

3
Als ich in meiner groſſen Noht

Demuͤhtig ſuchte meinen Gott/

Wahr er mit Antwort mir nicht ferne;

Die groſſe Furcht nam er mir ab/

Als ich zu ihm mich hin begab/

Und wahr mein Gott und Retter gerne.

4
Die nur auff ihn hinſehen frey/

Und rennen hin zu ihm ohn ſcheuh/

Der Angeſicht wird nicht zu ſchanden.

Wie dieſer Schwacher ihn an rieff/

Da ihn die harte Noht begriff/

Wahr Gott zu helffen bald verhanden.

5
Es lagert Gottes Engel ſich/

Umb die ihn fuͤrchten aͤngſtiglich/

Und rettet ſie aus allem Grauen.

Komt/ ſchmekt und ſehet/ wie getraͤu

Und freundlich unſer Gott doch ſey/

Wol denen die feſt auff ihn trauen.

6
Den HErren fuͤrchtet allezeit

Ihr/ die ihr Gottes Kinder ſeid/

Laſt euch vom Gottes Dienſt nicht treiben;

Dann die ihn fuͤrchten/ leben wol

Kein gutes ihnen mangeln ſol;

Sie werden wol ohn Kummer bleiben.

7
Die jungen Loͤuen/ ob ſie ſind

Vor Wuͤten gleich als tol und blind/

Die muͤſſen doch im Hunger darben;

Die aber Gott zu ſuchen gehn/

Hat man nie Mangel lewen ſehn/

Sie ernten lauter volle Garben.

8
Ihr lieben Kinder hoͤrt mir zu/

Ich wil euch fuͤhren hin zur Ruh/

Und wahre Furcht des HErren lehren.

Wer iſt/ der gute Zeit begehrt/

Die weder Angſt noch gram verzehrt?

Der wolle dieſes fleiſſig hoͤren.

9
Halt deine Zunge wol im Zaum/

Und gib den Lippen keinen Raum/

Betrug und Luͤgen anzuſagen;

Laß boͤſes ferne von dir ſeyn/

Und gehe gern den Frieden ein/

Den ſey bemuͤhet zu erjagen.

10
Des HErren Augen ſehen drauff/

Ob die Gerechten ſeyn wol auff;

Ihr Schreien klingt vor ſeinen Ohren,

Sein Antliz aber iſt gekehrt

Hin uͤber den der gottloß faͤhrt/

Das ſein Gedaͤchtnis ſey verlohren.

11
So bald er das Geſchrey vernimt/

Daß vom Gerechten zu ihm koͤmt/

Hat Er ſein Ohr ſchon hingeſtrecket/

Er muß aus aller ſeiner Noht/

S ſ ſ ſ ſ(Und
[874]Vierdes Buch.
(Und haͤtt’ ihn ſchon der bleiche Tod)

Zur Freude wieder ſeyn erwecket.

12
Gott nahet ſich zu denen hin/

Die buͤſſend brechen ihren Sinn/

Zuſchlagner Geiſt iſt ſeyn gefallen;

Und ob der Fromme leydet viel/

Iſt ſolchem doch geſezt ein Ziel/

Dann Gott hilfft ihm aus dieſen allen.

13
Es wird ihm ſein Gebein bewahrt/

Und waͤhr es gleich noch eins ſo zart/

So muß doch deſſen keines brechen;

Das Ungluͤk wuͤrgt der boͤſen Muht/

Und wer den Frommen arges tuht/

An dem wird Gott ſich heftig raͤchen.

14
Die Seele ſeiner Knechte macht

Der HErr loß von der Hellen acht/

Er kan ihr Leyden nicht erdulden/

Und die ſich wenden zu ihm her/

Verderben nun und nimmermehr/

Sie bleiben frey von allen Schulden ꝛc.

Unſere beyde Kraͤmerinnen hatten unterdeſſen ihr abenteurliches Affenſpiel mit dem
Frauenzimmer/ lobeten anfangs ihre Waaren wolfeil/ und wann nicht deſto weniger jene
gar geringe bohten/ ſagten dieſe/ ſie haͤtten ſich verrechnet/ und muͤſte ein halb mahl mehr
gelten/ als ſie es ausgebohten haͤtten/ weil ſie in die Land Muͤnze ſich nicht zuſchicken wuͤſtẽ;
wann dann jene gar zu liederlich bohten/ ſtelleten ſich dieſe/ als haͤtte man ihnen gar in die
Ehre gegriffen/ legetens wieder zuſammen als im Zorn/ und breiteten es doch bald wieder
aus/ ſprechend: bedenket euch doch der Suͤnden/ daß ihr uns vor ſo herliche Waaren ein
ſo geringes Geld wegert; ja wann wirs hernaͤhſt nur wieder umb dieſen Preiß einkaͤuf-
fen koͤnten/ wolten wir uns glüklich ſchaͤtzen; Die Noht treibet unß vor dißmahl/ fonſt waͤh-
ren uns dieſe Waaren umb ſo liederlich Geld nicht feile; Ja ich glaͤube/ ſagte die eine/ wañ
wir euch unſere Guͤterchen umſonſt anboͤhten/ naͤhmet ihr ſie nicht/ wo wir euch nicht Geld
zugeben würden; O ihr Jungfern/ ſeyd doch nicht ſo karg/ als die vier Frauen/ ihr werdet
ſonſt euer lebelang nicht zu heyrahten kommen. Das Frauenzimmer zulachete ſich des Ge-
waͤſches wol/ endlich nach langem Gezaͤnke/ wurden ſie des Kauffs eins/ und gaben ihnen
alle Waaren umb 1500 Kronen/ nahmen nach Verlauff vier Stunden abſcheid/ mit vor-
wenden/ ſie wolten mehr Sachen herzu hohlen/ und inzwiſchen das kleine Maͤgdlein bey
ihnen laſſen/ dem ſie bey der Mahlzeit ein ſtuͤk eſſen geben moͤchten. So bald ſie aber in ih-
rer Herberge ſich befunden/ legten ſie ihre Kleider an/ und nach eingekaufften Speiſen/ ſo
viel ſie fuͤglich bey ſich fuͤhren kunten/ als deſſen ſie befehl hatten/ jageten ſie mit ihrẽ ſchnel-
len Pferden den bekanten Weg ungeſeumet fort/ und erfreueten ſich nicht wenig der geloͤ-
ſeten Gelder. Als die ſpaͤte Nacht einfiel/ und Herkules zehn Meile fort gerennet wahr/
hatte er keine Stad noch Flecken in dernaͤhe/ ſondern muſte zur rechten Seiten ab aus dem
Wege reiten/ da er ein geringes Doͤrflein ligen ſahe/ in welches ſie einkehreten/ und von ih-
ren mitgefuͤhreten Speiſen mit aller Luſt aſſen/ auch mit einem Waſſer Trunk gerne vor-
lieb nahmen; Nachgehends ließ Herkules eine Straͤu vor ſich und das Fraͤulein in einer
verfallenen Kammer machen/ aber viel ſanffter dauchte ihr dieſe Ruhe in den Armen ih-
res Herkules/ als auff dem bißher gehabten Koͤniglichen Lager. Dem Frauenzimmer
auff Valiſken Schloſſe wehrete die Zeit lange/ als die Kraͤmerin in die vierde Stunde
nach ihrem Abſcheide nicht wieder kahmen/ meyneten endlich/ ſie wuͤrden friſche Kaͤuffer
angetroffen haben/ und lieſſen das Maͤgdlein auch lauffen/ welches ſeine Wohnung wol
zufinden wuſte. So mißdaͤuchte auch der Hofmeiſterin die Zeit/ daß ſie von dem Fraͤulein
nicht gefodert ward/ dann der Abend wahr ſchon eingebrochen/ da ſie doch noch die aller-
gerin-
[875]Vierdes Buch
geringſte Speiſe nicht genoſſen hatte; alſo ging ſie leiſe nach ihrem Gemache/ und horche-
te an der Tuͤhr/ ob ſie etwas vernehmen moͤchte; klopffete endlich leiſe/ und immer haͤrter
an/ vernam aber durch aus nichts/ und befahrete ſich daher/ es moͤchte ihr etwa eine Oh-
macht wegen des langen faſtens zugeſtoſſen ſeyn/ wo ſie nicht aus Muͤdigkeit eingeſchlaf-
fen waͤhre; nahm endlich ihren Haͤupt Schluͤſſel/ und oͤffnete die Tuͤhr/ uñ als ſie niemand
in der Stuben ſahe/ wolte ſie die inner Kammer oͤffnen/ ward aber des angeklebeten Zettels
an derſelben Tuͤhr gewahr/ welches ſie laſe/ und die Einbildung faſſete/ das Fraͤulein wolte
ſie pruͤfen/ wie heut das uͤbrige Frauenzimmer/ wiewol ihr das Herz ſchon zuzittern anfing,
weil ſie dann auch in der Schlafkammer niemand fand/ ſchlug ſie ihre Haͤnde zuſammen/
und ſagte: O weh O weh mir armen und elenden/ nun muß ich doch ſamt meinem einigen
Sohn eines grauſamen abſcheulichen Todes ſterben/ dafern wir uns nicht durch die flucht
erretten; faſſete in der Noht ein Herz/ ging in das gemeine Zimmer/ und meldete der Fraͤu-
lein Leibdienerin an/ weil Ihre Gn. etwas unpaß waͤre/ muͤſte ſie bey derſelben dieſe Nacht
bleiben/ und ſolte ſie derweil ſich nach ihrem Lager verfuͤgen; welches zwar dem Frauen-
zimmer ungewohnt vorkam/ aber doch keine weitere Gedanken ihnen daruͤber macheten.
Weil ihr dann allemahl frey ſtund/ vom Schloſſe zugehen/ nam ſie ihre beſten Kleinot zu
ſich/ ging zu ihrem Sohn in ſeine Herberge/ und ſagte zu ihm: O du mein liebes Kind/ nun
hilff/ daß wir beyde unſer Leben retten/ ſonſt muͤſſen wir ohn alle Gnade ſterben; Ach ach/
unſer Koͤnigliches Fraͤulein iſt heut heimlich ausgeriſſen/ welche mir zuhuͤten anvertrauet
wahr; ſo ſattele nun alsbald deine beyden Pferde/ nim deine beſten Sachen zu dir/ und gib
mir ein Mañes Kleid/ ſo wollen wlr noch dieſen Abend uns nach Hirkanien zu deines Va-
ters Bruder auff den Weg machen/ ob wir verhoffentlich durchkommen/ und unſere See-
le erretten moͤchten. Der Juͤngling erſchrak der Zeitung/ und ſtund wie ein Trunkener;
aber als die Mutter ihn der Gefahr erinnerte/ machte ers nach ihrem Willen/ ſetzeten ſich
auff/ und ritten mit einander zur Stad hinaus/ gleich da man die Tohre ſchlieſſen wolte/
dann weil man ihn als einen Koͤniglichen Ausreiter kennete/ ließ man ihn mit ſeinem Ge-
faͤrten unbefraget frey zihen; die Wege wahren ihm ſehr wol bekant/ ſo gab der volle Mon-
de ihnen Schein genug/ daß ſie die ganze Nacht reiten kunten/ und ſolcher geſtalt ſich dem
Tode entriſſen. Des folgenden Morgens/ eine Stunde vor der Sonnen Aufgang/ wer-
kete das Fraͤulein ihren Herkules ſitſam auf/ und ſagte: Hoͤchſter Schatz/ wir werden der-
eins beſſere Zeit zur Ruhe haben/ vor dißmahl aber wird das ſicherſte ſeyn/ daß wir uns in
die Kleider bringen/ und unſern Weg verfolgen. Herkules fuhr aus tieffem Schlaffe auff/
umfing ſie freundlich/ und gab zur Antwort: Ich weiß nicht/ wie mir Gott in dieſer groſſen
Gefahr ſo ſanffte Ruhe verleihet/ es waͤhre dann/ daß die groͤſte Laſt meiner Sorgen mir
vom Herzen gefallen iſt/ nachdem ich meinen allerwerdeſten Schatz aus dem Koͤniglichen
Schloſſe in ein elendes Bauren Hüttlein gefuͤhret/ weswegen ſie mir nicht unbillich auff-
ſetzig iſt. Ja/ antwortete ſie/ vielmehr hat meine innigliche Wolluſt urſach gnug mich zu
haſſen/ nachdem ich heßliche ſchwarze Kraͤmerin ihn der ſchoͤnſten Fraͤulein Lukrezien odeꝛ
Sibyllen beraube. In dieſem verliebeten Geſpraͤch verhar reten ſie ein halb Stuͤndichen
legten hernach ihre Kleider an/ und fertigten ſich zur Reiſe. Als ſie gleich auffſitzen wolten/
hoͤreten ſie ein hartes Geklopffe an der Haus Tuͤhr/ da Timokles fragete/ wer da waͤhre.
S ſ ſ ſ ſ ijBald
[876]Vierdes Buch.
Bald mache auff/ antwortete einer hauſſen/ oder wir wollen dich in ſtuͤcken zerhauen. Nun
helffe uns der allmaͤchtige Gott/ ſagte Herkules/ wir ſind ohn zweifel ausgekundſchaffet; lief
zur Tühr/ und baht/ ſie moͤchten Gemach tuhn/ wann ſie herein wolten/ er koͤnte die verſper-
rete Tuͤhr ſo bald nicht oͤfnen; hieß Gallus durch ein Loch ſehen/ wie viel hauſſen waͤhren/
und trug er inzwiſchen neben Timokles Holz/ Stuͤel und Baͤnke zu/ damit ſie ſich inwen-
dig verbolwerketen/ biß Gallus Zeitung brachte/ es waͤhren auffs hoͤchſte ſechs oder ſieben
zu fuſſe mit kurzen Schwertern. Ey ſo habẽ wir keine Noht/ antwortete er/ ſetzete den Helm
auff/ faſſete Schild und Schwert/ und fragete mit ernſtlicher Stimme/ was ihr begehren
waͤhre. Wiltu es wiſſen? antwortete einer; Es ſind nechten Abend etliche Pferde herein
gefuͤhret/ die ſtehen uns zu. Du wirſt dich ſehr irren/ wiederantwortete Herkules/ in dieſer
Huͤtten iſt nicht das geringſte/ wozu du Anſprache haft. Dieſe draͤueten darauff allen den
unſern den Tod/ und fingen an der Tuͤhr zubrechen; aber Herkules ging in aller ſtille zur
Hinter Tuͤhr hinaus/ und hieß Gallus mit dem Schwert folgen/ neben welchem das Fraͤu-
lein ſich hinaus drengete/ uͤber fiel auch mit Herkules zugleich dieſe Raͤuber unverſehens/
daß deren fuͤnffe faſt im Augenblik geſtrekt lagen/ und die zween uͤbrige umb Lebensfriſtung
bahten/ legten auch das Gewehr nider/ und zitterten wie ein Eſpenlaub. Bekennet mir/ ſa-
gete Herkules/ wo ihr ſonſt Gnade hoffet/ ob eure Geſelſchafft in der naͤhe groͤſſer ſey. Ja/
antworteten ſie/ gar zu hinterſt im Dorffe halten ſich zehne im Wirtshauſe auff/ welche
uns/ eure Pferde zurauben/ abgeſchicket haben. So müſſet ihr auch unſere Verraͤhter nit
ſeyn/ ſagte das Fraͤulein/ und legete ſie in zween Streichen zur Erden/ deſſen nicht allein
Gallus/ ſondern Herkules ſelbſt ſich verwunderte/ und zu ihr ſagete: Geliebtes Herz/ ihr
habt recht geurteilet/ und iſt beſſer/ ſie ſterben umb ihre Bosheit/ als daß wir durch ſie in
groͤſſere Gefahr gerahten; ſtiegen hiemit zu Pferde/ welche dieſe Nacht wol gefuttert wah-
ren/ und ritten in aller Eile nach dem Heerwege/ den ſie geſtern Abend verlaſſen hatten. Als
ſie auff demſelben wieder anlangeten/ ſahen ſie zween Reuter vor ihnen her reiten/ ſetzeten
ihnen nach/ und funden/ daß es ihre beyde Kraͤmerinnen wahren/ woruͤber ſie ſich hoͤchlich
erfreueten/ hieſſen ſie wilkommen ſeyn/ und frageten/ wie es ihnen ergangen waͤhre. Gnaͤ-
digſter Groß Fuͤrſt/ antwortete Ochus der luſtigſte/ haͤtten wir mehr Waaren gehabt/ ſo
haͤtten wir mehr Gelder geloͤſet/ muͤſſen uns vor dißmahl mit 1500 Kronen genuͤgen laſſen/
die uns zur Beute worden ſind; aber hat Eure Durchl. nicht das Koͤnigl. Frl. in ihrer
Geſelſchafft/ daß bey dero Durchl. ich meiner begangenen Grobheit untertaͤhnigſte Ver-
zeihung bitte. Mein Fraͤulein/ antwortete Herkules/ iſt zum Reuter worden/ welche aber
bey Leib und Leben keiner melden ſol/ biß ichs ausdruͤklich heiſſen werde. Der Juͤngling
merkete wer es wahr/ ſprang vom Pferde/ kuͤſſete ihr den Stiefel/ und baht untertaͤhnigſt/
der unbehoͤfelten Kraͤmerin aller gnaͤdigſt zuverzeihen/ als welche bißher bey Fürſt- und Koͤ-
niginnen niemahls keine Waaren verkaͤufft haͤtte. So habt ihr auch von mir ſehr wenig
Geld geloͤfet/ antwortete ſie/ und mir dannoch alle eure Waaren feil gebohten/ iſt demnach
euer Verzeihungs-bitten ein lauter uͤberfluß/ uñ werde ich ſchon wiſſen/ wie ich eure Waa-
ren zubezahlen ſchuldig bin/ dürffet mir aber kuͤhnlich alle beyde trauen/ daß ihr durch dieſe
kurze Kraͤmerey euch ein groͤſſer Gluͤk eingekaufft habt/ als ihr noch zur Zeit nicht wiſſet/
dann ohn andere Vergeltung/ die euch veꝛſprochen iſt/ wil ich einem jeden eine Toñe Schaz
baar/
[877]Vierdes Buch.
baar/ und 25000 Kronen an Kleinoten verehren; ſetzet euch aber riſch zu Pferde/ dann un-
ſere Wolfahrt beſtehet auff der Eile. Dieſe bedanketen ſich der groſſen Verheiſſungen/ rit-
ten friſch fort/ uñ gelangeten umb den Mittag in einem Flecken an/ da ſie abermal wolgeru-
hete Pferde bekahmen/ aſſen von ihren Speiſen/ tahten einen Trunk darzu/ und kahmen ge-
gen Abend in ein Staͤdlein/ 22 Meilen von Charas/ da ſie die andere Nacht in guter Si-
cherheit ruheten/ und Gallus ſich vor den Herrn und einen Koͤniglichen Geſanten hal-
ten muſte.


Dieſer Tag aber wahr zu Charas wol ein Tag aller Unruhe und herzkraͤnkenden Lei-
des/ dann gegen den Mittag kurz vor der Mahlzeit/ ſante der Koͤnig einen Kaͤmmerling
nach der Fraͤulein Schloſſe/ die Hofmeiſter in herzuhohlen/ weil ihn verlangete zuerfahren/
was vor Valikules fie erhalten haͤtte; Er wahr dieſe Nacht durch unterſchiedliche Traͤu-
me erſchrecket/ dann erſtlich kam ihm vor/ es haͤtte Valikules ſich allernaͤheſt bey ihn an den
Tiſch geſetzet/ und ihm die beſten Speiſen vorm Maule weg gefreſſen; bald darauff ſahe er
im Traum einen groſſen ſtarken Loͤuen mit einem Schafs Felle bekleidet/ welcher ihm den
allerſchoͤnſten Vogel unter allen/ aus dem Bauer hinweg riſſe; und drittens dauchte ihn/
es ſchoͤſſe Valikules einen groſſen Balken mitten durch ſein Koͤnigliches Zimmer/ daß es
gar uͤbern Hauffen fiel/ daß er auch im ſchrecken aufffuhr/ und noch voller Schlaffes ſeinẽ
Traum ſelbſt uͤberlaut alſo ausdeutete: Valikules/ Valikules/ du duͤrffteſt uns noch ſchlim-
me Haͤndel machen/ welchem wir beyzeiten vorbauen muͤſſen. Er haͤtte denſelben auch fruͤ-
zeitig vor ſich fodern laſſen/ wann er nicht dieſen Morgen durch Ankunfft Vologeſes und
anderer Groſſen daran waͤhre verhindert worden/ mit denen er die ganze Zeit zubrachte.
Als ſein Abgeſchicketer auff Valiſken Schloſſe anlangete/ fragete er nach der Hofmeiſte-
rin/ und bekam zur Antwort/ man haͤtte ſie ſider geſtern Abend nicht vernommen/ waͤre die-
ſe Nacht der Fraͤulein Schlafgeſelle geweſen/ und meldete ſich noch nicht/ welches ſie groß
wunder naͤhme. Mit dieſer Antwort/ ſagte der Diener/ werde Ihrer Hocheit ich nit duͤrf-
fen unter die Augen treten/ und muß ihr des Koͤniges begehren angezeiget/ mir auch richti-
ger Beſcheid erteilet werden. Wir leiſtetẽ ſolches gerne/ antwortete die vornehmſte Frau/
muͤſſen uns aber mehr vor der Hofmeiſterin/ als vor dem Fraͤulein ſelbſt fuͤrchten/ maſſen
ſie wegen erworbener Gnade ſo hochmuͤhtig worden/ daß es unertraͤglich fallen dürffte/ da
es noch lange wehren ſolte. Endlich erbot ſie ſich/ hinzugehen/ und ihr zuruffen; horchete an-
fangs/ und bald darauff klopffete ſie leiſe an der Fraͤulein Gemach/ welches ſie/ weil ihr nit
geantwortet ward/ zum dritten mahle wiederhohlete/ endlich mit klarer Stimme rief: Fr.
Hofmeiſterin/ Ihre Koͤnigl. Hocheit begehren eurer; Nachdem ſich aber kein Menſch hoͤ-
ren ließ/ ging ſie wieder auffs gemeine Zimmer/ und ſagete: Ich weiß trauen nicht/ was ich
immermehr gedenken ſol; ich klopffe/ ich ruffe/ und vernehme nichts. So muß ich verfu-
chen/ ſagte der Kaͤmmerling/ ob ich die ſchlaͤfferige Frau nicht ermuntern koͤnne. Ach ach/
antwortete die Leibdienerin/ diß gehet nimmermehr recht zu/ mein Gn. Fraͤulein hat ſo fe-
ſten Schlaf nicht. Der Diener entſetzete ſich hieruͤber/ klopffete doch dreymalſehr hart an/
und als ſich niemand meldete/ ſagete er: O ich gluͤkſeliger/ daß ich der widrigen Zeitung ei-
gentlicher Brieftraͤger nicht ſeyn darff/ und ſeyd ihr klug/ ſagte er zu dem Frauenzimmer/
ſo ſendet etliche eures Mittels mit mir nach dem Koͤnige/ damit ihr euch alles Argwohns
S ſ ſ ſ ſ iijent-
[878]Vierdes Buch.
entbrechet. Ey/ antwortete eine Jungfer/ nahmens Kleofis/ ſolte hie Entſchuldigung von
noͤhten ſeyn/ werde ich gewißlich nicht dahinten bleiben. Hierauff wolten ſie alle mit fort/
wie auch unverzuͤglich geſchahe/ befahlen doch der Wache/ inzwiſchen fleiſſige Auffſicht zu
haben/ daß niemand von oder auff das Schloß gelaſſen wuͤrde/ wer der auch ſeyn moͤchte.
Der Koͤnig ſaß in ſeinem Gemache/ und dauchte ihn/ ſein Diener bliebe über Gewohnheit
lange aus/ da ihm doch zueilen befohlen wahr; auch fielen ihm ſeine Traͤume wieder ein/
deswegen er geboht/ daß man Valikules ruffen ſolte/ und begunte ſchon auff den abgeſchik-
ten Kaͤmmerling zumurꝛen/ mit befehl/ daß man ihm entgegen lauffen ſolte/ kam aber gleich
mit dem Frauenzimmer daher gezogẽ/ welches der Koͤnig durch ein Guk Fenſter erſehend/
uͤberlaut ſagete: Die Karte iſt falſch/ und muß ſich ein neuer Unfall zugetragen haben/ wo
nicht unſer Fraͤulein wol gar tod iſt. Er ließ das Frauenzimmer ohn Verzug vor ſich tre-
ten/ und ſagete zu ihnen: Aus was urſachen duͤrffet ihr ſo verwaͤgen ſeyn/ und ohn Erlaub-
niß von eurem Schloſſe gehen? Dieſe fielen alle vor dem Koͤnige nider/ uñ hub die anſehn-
lichſte Frau/ nahmens Artakama/ alſo an: Allergnaͤdigſter Koͤnig/ es treibet uns warlich
weder Luſt noch Ungehorſam/ dieſen beſchwerlichen Gang zutuhn/ ſondern/ nach dem die
Hofmeiſterin geſtern Abend vorgegeben/ das Koͤnigl. Fraͤulein begehre ihres Beyſchlaf-
fes/ iſt ſie von uns hinweg gangen/ und biß dieſe Stunde nicht wieder kommen; Weil wir
dann auff Ihrer Koͤniglichen Hocheit gnaͤdigſten Befehl die Hofmeiſter in herſenden
wollen/ und an der Fraͤulein Gemach viel klopffens und ruffens gemacht/ aber keines
einigen Menſchen Gegenwart verſpuͤren koͤnnen/ ſtellen wir ingeſamt uns ein/ ſolches
untertaͤhnigſt anzudeuten/ damit auff unverhoffeten Ungluͤksfall/ welchen die Goͤtter
gnaͤdig abwenden werden/ wir auſſer Verdacht bleiben moͤchten/ wie wir dann allerdin-
ge unſchuldig ſind. Der Koͤnig erzitterte vor Angſt uͤber dieſem Vorbringen/ und ſagte
zu ſeinem Hofmeiſter Bagophanes: Bald und geſchwinde gehe hin/ und vernim/ wie
die Sachen ſtehen/ dann das Herz traͤget uns ein ſchweres Ungluͤk zu/ wollen nicht hoffen/
daß ſich noch einer unſer Soͤhne habe dürfen geluͤſten laſſen/ uns im Graſe zu huͤten/ und
unſers hoͤchſt werteſten Schatzes mutwillig zubegehren. Dieſer waͤhre lieber in den Tod
gangen/ dann ihm ſchwanete nichts gutes/ inſonderheit/ weil Valikules ſich nirgends
fand/ dem er doch im nahmen des Koͤniges Befehl erteilet hatte/ alle Vor- und Nachmit-
tage ſich im innerſten Platze des Schloſſes ſehen zu laſſen/ welchen er auch allemahl in ſei-
nem Herzen hoͤher als einen ſchlechten aͤdlen Ritter gehalten hatte. Auff empfangenen
Befehl baht er den Koͤnig mit wehmuͤhtiger Rede/ ihre Hocheit moͤchten ſich allergnaͤdigſt
belieben laſſen/ etliche des Frauenzimmers ihm zuzuordnen/ ob vielleicht deren Huͤlffe uñ
Beyſtandes er ſolte benoͤhtiget ſeyn; wie leicht haͤtte es geſchehen moͤgen/ daß einer oder
andern/ ja wol beyden eine Ohmacht zugeſtoſſen waͤhre/ wo nicht wol gar ein groͤſſer Un-
gluͤk. Und wie koͤmt es/ ſagte er/ daß der ſchlauhe kühne Valikules ſich weder geſtern noch
heut hat ſehen laſſen? Lieget auch unter dieſer Schaffsdecke ein grimmiger Loͤue verbor-
gen/ welcher durch Gelegenheit verfuͤhret ſich der Fraͤulein unvergleichlicher Schoͤnheit
etwa haͤtte duͤrffen gelüſten laſſen/ woruͤber/ angeſehen ihre Tugend/ ein Unfall haͤtte koͤn-
nen entſtanden ſeyn? O ſchweige ſchweige/ antwortete der Koͤnig/ du reiſſeſt uns mit ſol-
cher wiedrigen Wickerey das Herz aus dem Leibe/ und dafern du ein Traumdeuter biſt/
hat
[879]Vierdes Buch.
hat der leichtfertige Bube uns das Fraͤulein ohn zweifel entfuͤhret. So gehe nun hin/ uñ
nim zu dir/ welche du wilt/ damit wir hinter die Warheit kommen. Bagophanes ſtellete
ſich willig/ und baht um Gnade/ dafern er/ welches er nicht hoffen wolte/ wiedrige Zeitung
bringen ſolte. Mitlerweile daß dieſer mit dreyen Jungfern und zween Kaͤm̃erlingen hin-
ging/ fragete Artabanus das uͤbrige Frauenzimmer/ ob ihrer keine den Valikules geſtern
und heut geſehen haͤtte. Sie beteureten alle/ dz ſider ſeiner Hinreiſe nach Prage/ ſie nichts
von ihm gehoͤret oder geſehen haͤtten/ welches dem Koͤnige noch mehr verwunderns ma-
chete. Endlich ſagete Fr. Artakama: Allergnaͤdigſter Koͤnig; es hat die Hoffmeiſterin mit
uns ingeſamt geſtriges Tages ein recht Kinderſpiel gehalten/ deſſen wir uns zum teil ge-
ſchaͤmet; ſie teilete 2000 Kronen unter uns aus/ und fuͤhrete zwo fremde Kraͤmerinnen
zu uns/ von denen wir in ihrem beyweſen allerhand ſeltzame fremde Waaren kauffen mu-
ſten/ welche ihre Hocheit auff unſern Gemaͤchern finden werden; und ob dieſe Kraͤme-
rinnen zwar mit dem beſcheide von uns gingen/ daß ſie wiederkommen/ und mehr Waa-
ren bringen wolten/ haben ſie uns doch den ganzen Nachmittag vergeblich warten laſſen.
O ihr Goͤtter/ antwortete der Koͤnig/ erhaltet uns in dieſer Angſt! O die Kraͤmerinnen
die Kraͤmerinnen haben uns das Fraͤulen/ das wunderſchoͤne Fraͤulein/ die volkommene
Zierde der irdiſchen Welt/ den unvergleichlichen Schaz des ganzen Erdbodems aus dem
Schloſſe/ wie wir fuͤrchten/ aber nicht aus unſerm Herzen hinweg gekauft; dieſe ſind der
Schaffpelz des boßhaften Loͤuen Valikules/ des abgefeimeten Buben. Daß kan nicht ſeyn/
ſagete die Frau/ dann die Kraͤmerinnen ſchieden von uns umb den Mittag/ aber die Hoff-
meiſterin berichtete uns Abends umb halb ſieben/ daß ſie bey dem Fraͤulein ſchlaffen ſolte.
Ja wer weiß/ antwortete er/ was unter dieſem ertichteten Beyſchlaffen mag verborgen
ſchlaffen/ welches die Abgeſchicketen uns gar zu früh hinterbringen werden. Er Weiſſa-
gete nicht falſch/ dann als dieſe auff der Fraͤulen Schloſſe anlangeten/ und zu unterſchied-
lichen mahlen an ihr Gemach mit groſſem ungeſtuͤm klopffeten/ aber doch weder Stimme
noch einige Bewaͤgung vernahmen/ lieſſen ſie durch einen Schloͤſſer die Kammertuͤhr
auffmachen/ da ſie in das ledige Neſt ſahen; ſie ſperreten die Kammertuͤhr auff/ und ſuche-
ten hinter/ unter und ober den Betlagern/ und wo ſich irgend eine Mauß haͤtte verſtecken
moͤgen; aber da wahr niemand; ihrer etliche lieffen oben auff den Schloßgang/ woſelbſt
das Fraͤulein ſich offt zuergetzen pflegete; andere durchſucheten alle Gemaͤcher in der naͤ-
he/ aber alles vergebens. Jungfer Kleofis/ die ſchoͤnſte unter allen/ welche das Fraͤulein
ihrer Tugend und Froͤmmigkeit halben ſehr liebete/ blieb mit Bagophanes auff dem Ge-
mache/ und beklagete das groſſe Unglük/ ſo hieraus entſtehen wuͤrde/ wunderte ſich daneben
ſehr/ was geſtalt das Fraͤulein haͤtte moͤgen davon kommen; und in dem ſie ohngefehr vor
ſich nider ſahe/ ward ſie des Zettels auff der Erden gewahr/ welches das Fraͤulein ihrer
Hoffmeiſterin zur Warnung hinterlaſſen hatte/ hub es auff/ und nach verleſung fagte ſie
zu Bagophanes: O wir elenden/ was forſchen wir dem Fraͤulein lange nach? auff dieſem
Blade iſt ihre Flucht deutlich außgelegt. Ernam es in gute Verwahrung/ und ſagete:
Dieſes ſol dem unſchuldigen Frauenzimmer verhoffentlich zu ſtatten kommen/ aber die
Hoffmeiſterin duͤrffte dadurch zu gleich mit entſchuldiget werden/ wo es ſonſt nicht ein
verdecketes Spiegel fechten iſt. Gleich ſahe er noch einen zuſammen gefalzeten Brieff/
welchen
[880]Vierdes Buch.
welchen die Hoffmeiſterin vor ihrem Abſcheide geſchrieben/ auff dem Neben Tiſche lie-
gen/ der alſo lautete:


Allergnaͤdigſter Koͤnig/ was vor ein herbes Ungluͤk mein gnaͤdigſtes Fraͤulein von dieſem
Schloſſe gebracht/ iſt mir unmoͤglich zuerſinnen/ es ſey dann daß der boßhafte verfluchte Valikules
zugleich eure Hocheit und mich hintergangen/ und den Raub hinweg gefuͤhret hat/ welches eigentlich
zuerforſchen/ mir die Furcht eures unertraͤglichen Zorns nicht zulaſſen wil; ich bezeuge aber bey eu-
rer Hocheit allerheiligſtem Haͤupte/ daß weder ich noch mein Sohn hierumb einige Wiſſenſchaft ge-
tragen/ vielweniger Raht oder Taht darzu verlihen/ ſondern um keiner Gefahr oder Freundſchafft
willen haͤtte ich unterlaſſen/ es ihrer Hocheit anzuzeigen. Das ich aber durch der Fraͤulein Schreibẽ
gewarnet/ die Flucht zur Hand nehme/ iſt bloß darumb/ daß nicht etwa durch des mir auffſaͤtzigen
Frauenzimmers Verleumdung bey ihrer Hocheit ich in ungleichen Verdacht gerahten/ und in mei-
ner hoͤchſten Unſchuld untergedrukt werden moͤge; zweiffele nicht/ die Kraͤmerey ſey zu dem Ende an-
geſtellet/ mir und andern die Augen zu blenden/ welches alles die Zeit oͤffnen wird; daß auch der ertich-
tete Valikules vor dieſem ſeinen Weg nicht nach Boͤhmen ſondern nach der Fraͤulein Bruder ange-
ſtellet/ habe ich nunmehr ſtarke Mutmaſſungen. Ihre Hocheit bitte ich durch alle Goͤtter/ ſie wollen
meiner Flucht mich nicht verdenken/ welche mein unſchuldiges Blut zuretten auff mich genommen
habe/ bin und verbleibe ſonſt ihrer Hocheit untertaͤhnigſte getraͤueſte Magd Syſigambis das aller
ungluͤkſeligſte Weib auff dem ganzen Erdbodem.


Wie ein boßhaftes Weib/ ſagte er nach verleſung/ muß die Hoffmeiſterin ſeyn/ daß
ſie ihren Koͤnig noch darzu ſpotten und aͤffen darff. Aber hie muß man laͤnger nicht ſeumẽ/
ob die fluͤchtigen vielleicht noch koͤnten erhaſchet werden; lieff alſo aus ganzen kraͤften vor
den andern her/ daß ihm der Odem ſtehen blieb; und wie er in des Koͤniges Gemach trat/
und denſelben ſo traurig ſahe/ fiel er zu ſeinen Fuͤſſen in Ohmacht als ein Todter Menſch
nider. Dem Koͤnige begegnete ein gleichmaͤſſiges/ wurden aber von den Anweſenden wie-
der erquicket/ und ſagte Artabanus zu dem Hoffmeiſter; Sage uns du getraͤuer Diener/
iſt unſere Luſt und Wonne gar Tod/ oder lebendig verſchwunden? Allergnaͤdigſter Koͤnig/
antwortete er mit ſchwacher Stimme; wir haben der Fraͤulein Gemach/ und andere mehr
fleiſſig durchſuchet/ aber keine als dieſe gedoppelte ſchriftliche Nachricht antreffen koͤñen;
reichete hiemit dem Koͤnige beyde Schreiben hin/ da inzwiſchen das anweſende Frauen-
zimmer ein ſo klaͤgliches Geſchrey uñ Heulen anfing/ daß man ſie mit Gewalt hinaus trei-
ben muſte/ welches auch zu ihres Lebens Rettung dienete; geſtaltſam der Koͤnig vor erſt
nicht anders als ein grauſamer Loͤueraſete/ rieff und ſchriehe; fahet den boßhaften Raͤu-
ber/ und haltet ihn feſte/ daß er euch nicht entweiche/ haltet ihn/ daß wir durch gebührliche
Rache den Meinaͤid vergelten/ welchen er uns erwieſen hat. Wo ſeid ihr meine Henker/
wo ſeid ihr? ſo recht! foltert und daͤhnet ihn die laͤnge und quere/ und was vor Pein ihr
immermehr erdenken moͤget/ laſſet getroſt uͤber ihn ergehen. Wo iſt unſer Saͤbel/ wo iſt
er? Aber durch unſere eigene Fauſt ertoͤdtet zu werden/ waͤhre ihm viel zu groſſe Ehre; er
muß etliche Jahr ohn auffhoͤren gequelet werden/ damit er lange uñ ohn auffhoͤren ſterbe.
Hierauff fing er an zu zittern und brüllen/ daß jederman waͤhnete/ er würde vor Zorn ver-
gehen/ und durfte ihm doch kein Menſch zureden/ weil ſie alle ſich des Todes vermuhten
wahren. Endlich verwandelte ſich das viehiſche Raſen in ein wehmuͤhtiges Klagen/ da
er zu ruffen anfing: O mein Fraͤulein/ unſers herzen Krone/ unſerer Gedankẽ einige Wol-
luſt/ unſerer Begierden hoͤchſtvolkommene Vergnuͤgung! O wo biſtu wo biſtu? hat ein
ſo
[881]Vierdes Buch.
ſo aͤdler unerſchrockener Geiſt von geſchworner Traͤue koͤnnen kuͤkfaͤllig werden/ uñ durch
den nicht werten Valikules ſich zur Flucht bereden laſſen? Aber O du falſcher Valikules/
was vor Ungnade oder Wiederwillen haben wir dir erzeiget/ daß du uns nach dem inner-
ſten unſer Seelen greiffeſt/ und uns den lebendigen Teil unſers Herzen raubeſt? Bago-
phanes erkühnete ſich und ſagete: Allergnaͤdigſter Koͤnig/ eure Hocheit wollen die Klage
und den Eifer maͤſſigen/ und vielmehr darauff bedacht ſeyn/ ob man das Fraͤulein in der
Flucht ergreiffen koͤnte. Geſchwinde/ antwortete er/ daß alle Reuter dieſer groſſen Stad
verſamlet werden/ ja daß alle unſere Untertahnen/ Perſenland als eine Fluht von fornen
und hinten uͤberſchwemmen/ damit unſer Fraͤulein wiederbracht werde. Die Koͤnigli-
chen Trommeter fielen teils auff ungeſattelte/ teils auff ungezaͤumete Pferde/ und blieſen
erſchroͤklich Lermen durch alle Gaſſen/ ſo weit die Pferde lauffen kunten; etliche renneten
ihre Pferde gar uͤbern hauffen/ nahmen aus den Haͤuſern andere/ uñ hoͤreten etliche Stun-
denlang nicht auff zu blaſen. Die ganze Stad ward hier uͤber erſchrecket/ daß alles was
Waffen fuͤhren kunte/ ſolche ergriff/ und dem Schloſſe zueilete/ daher die naͤheſten Gaſſen
dermaſſen mit Menſchen angefuͤllet wurden/ daß kein Reuter hindurch kommen kunte/
und entſtund durch dieſe Zudraͤngung ein ſolches Jammern und Wehklagen/ daß der
Schal biß gen Himmel fuhr/ weil in die 4000 Menſchen erdrucket wurden/ und endlich
die ſo zu Fuſſe wahren/ ſich in die naͤheſten Haͤuſer zogen/ wodurch den Reutern etlicher
maſſen Luft gegeben ward. Inmittelſt ließ doch das grauſame Geſchrey nicht nach/ da ei-
ner rieff; der Koͤnig waͤhre erſchlagen; ein ander/ die Feinde haͤtten ſich der Stad bemaͤch-
tiget; und wuſte keiner was er glaͤuben ſolte/ biß endlich Bagophanes es dem Koͤnige zu-
wiſſen taht/ und ihn erinnerte/ er moͤchte mit ſeinem Koͤniglichen Stabeſich dem Volke
auff der Zinnen zeigen/ ſonſt waͤhre unmoͤglich/ den Aufflauff zuſtillen/ und etwas beſtaͤn-
diges vorzunehmen. Der Koͤnig folgete dieſem Raht/ uñ winkete/ daß jederman ſtille ſeyn
ſolte; da Bagophanes uͤber laut alſo rieff; Des groſſen Koͤniges Artabanus ernſtlicher
Befehl iſt/ daß alles Fuß Volk ſich ſtündlich hinweg/ und an ihre Arbeit mache/ die Reute-
rey aber mit ihrem beſten Gewehr erſcheine. Da gab ſich nun jederman zu frieden/ und zo-
gen hinter ſich in die Haͤuſer/ deren eines auff allen Boden und Gemaͤchern ſo gar über-
haͤuffet ward/ das es einfiel/ und uͤber 5000 Menſchen teils erſchlug/ teils an allen Glied-
maſſen beſchaͤdigte/ daß nicht 100 davon das Leben behielten. Noch kunten die Reuter kei-
nen freien Zurit haben/ welches das Nachdrücken aus den abgelegenen Gaſſen verurſa-
chete/ biß gewiſſe Leute verordnet wurden/ die hin und wieder außrieffen/ dz das Fuß Volk
zuruͤk weichen/ und den Reutern Luft geben ſolte. Als ſich nun auff dieſe Weiſe die Reute-
rey haͤuffig mehrete/ und ihrer 16000 gezaͤhlet wurden/ gab der Koͤnig ſeinem Hoffmei-
ſter Befehl/ er ſolte als gevolmaͤchtigter Feld Obriſter ihm die Voͤlker laſſen anbefohlen
ſeyn/ ſie auff allen Wegen Perſenwerz verteilen/ und ihnen eine gewiſſe Grenze Stad zur
Verſamlung ernennen; Wirſtu nun/ ſagte er/ unſer Fraͤulein uns wieder lieffern/ es ge-
ſchehe gleich ohn oder mit der Voͤlker Verluſt/ ſol dir groͤſſere Belohnung als nie keinem
Menſchen vor dir/ wie derfahren; maſſen du der naͤheſte nach uns ſeyn/ und ganz Perſen-
land erblich beſitzen ſolt. Ihrer Koͤnigl. Hocheit gelebe ich gehorſamſt/ antwortete er; wie
aber/ wann das Fraͤulein ſich beſchweren ſolte/ mit mir umbzukehren/ und vor der Straffe
T t t t tſich
[882]Vierdes Buch.
ſich befuͤrchtend/ die Gegenwehr zur Hand nehmen/ oder wol gar ihr ſelbſt den Tod antuhn
wuͤrde? Sie wird ja nicht ein ganzes Heer mit ihren Pfeilen auffreiben/ ſagte der Koͤnig;
laß aber ſeyn/ daß ſie einen oder etliche erſcheuſt/ welches in betrachtung ſo groſſer Beute
ein ſchlechter Verluſt iſt. Sich ſelber zuentleiben/ iſt gar zu herbe/ und kan ſolches durch
mannicherley Mittel abgewendet werden; Deꝛ Erlaſſung unſer Straffe aber wollen wir
ſie leicht verſichern; nam das Schreibe Zeug/ und ſetzete folgenden Brief auff:


Hoͤchſtgeltebtes aller ſchoͤnſtes Fraͤulein; Wir koͤnnen uns nicht gnug verwundern/ wie der
Erz Zauberer Valikules Eurer Liebe Herz/ Sinn und Gedanken durch ſeine Baktrianiſche Kunſt und
teufliſche Zauberey ſo gar beſchleichen/ und zur heimlichen Flucht verfuͤhren koͤnnen. Nach dem wir
aber vernuͤnfftig betrachten/ daß menſchliche Schwacheit zu geringe iſt/ dergleichen Verzaͤuberungen
ſich zuwiderſetzen/ weil die Erfahrung bezeuget/ daß Menſchen Witz hiedurch offt geblendet wird/ daß
wann man meynet/ ſich in der Liebſten Schos zulegen/ man ſich wol gar ins Waſſer oder Feur ſtuͤr-
zet; ſo rechnen wir demnach ſolche Flucht Eurer Liebe keines weges zu/ wollen ihr auch deswegen nit
die allergeringſte Ungnade zulegen/ ſondern erſuchen dieſelbe freundlichſt/ ſich mit unſerm getraͤuen
Hofmeiſter Bagophanes vorderlichſt wieder ein zuſtellen/ und nach verfloſſenen beſtimten Wochen
uns die wirkliche Liebe wiederfahren zulaſſen; ja umb deſtomehr zueilen/ damit die Groß Koͤnigliche
Parthiſche Kron Eurer Liebe ehiſt auffgeſetzet werden/ und ſie die ungemaͤſſigte Herrſchafft in gleicher
Hocheit mit uns fuͤhren moͤge/ wie ſolches hoffet/ wuͤnſchet und begehret Euer Liebe ganz ergebener
Koͤnig/ Freund und Braͤutigam Artabanus.


Dieſes Schreiben gefiel dem Hofmeiſter ſehr wol/ und baht den Koͤnig/ ihm Jung-
fer Kleofis mitzugeben/ deren Dienſte er ſich auff mannicherley weiſe bey dem Fraͤulein
wuͤrde gebrauchen koͤnnen/ als auff welche dieſelbe allemahl vor andern aus/ viel gehalten
haͤtte; Dieſes zwar brachte er zum ſchein vor/ aber ſein Herzging mit den Gedanken umb/
ſie zuheyrahten/ weil er ſich gegen ſie hefftig verliebet befand; Es ward ihm ſolches gerne
zugelaſſen/ und machete er ſich mit ſeinem Heer/ welches in Zerteilung/ achtzehn Wege auf
Perſen vornam/ ſtuͤndlich auff/ da ihm des folgenden Tages ſechs Meile von Charas der
elende Parthiſche Feld Oberſte Madates auffſtieß/ welcher auff einem ſchaͤbichten Gaule
ritte; ſeine 20 Ritter/ die mit ihm geſtrichen wahren/ lieffen in armſeliger Kleidung neben
ihn daher/ nicht anders/ als wie ein hauffen Henkers Buben den Scharff Richter zubeglei-
ten pflegen. Dieſer ſahe einen groſſen Zeug gegen ſich daher rennen/ nahm endlich Bago-
phanes Kundſchafft ein/ der ihn ſonſt an Macht und Ehre ſehr ungleich wahr/ und fiel/ in
betrachtung ſeiner jetzigen Schande/ vom Pferde in Ohmacht. Bagophanes entſetzete ſich
daruͤber/ ließ ihn auffheben/ und boht ihm ein treffliches Hand Pferd/ welches anzunehmen
er ſich wegerte/ und zu ihm ſagete: Nein nein/ mein Bagophanes/ der unſelige Madates iſt
viel zu hoch geſchaͤndet/ daß er ein Ritterliches Pferd beſchreiten ſolte/ es waͤhre dann/ daß
der groſſe Koͤnig ihn zuvor wieder ehr- und ritterlich machen wolte. Nam ihn darauff be-
ſonders/ und gab ihm allen Verlauff in der kürze zuverſtehen/ da er mit dieſen Worten be-
ſchloß: Er wolte allen redlichen Kriegs Beamten ſeinen Unfall vorſtellen/ daß ſie derglei-
chen Verrichtungen/ andere zubeſchimpffen/ nicht ſolten auff ſich nehmen; jezt zihe ich hin/
ſagte er/ meinem Koͤnige mich darzuſtellen/ und wil lieber von ihm die Urtel des Todes er-
warten/ als eine Stunde in dieſem Stande laͤnger leben. Euer Gn. unfall iſt mir ſehr leid/
antwortete Bagophanes/ und nimt mich wunder/ daß man zu Charas dieſer ſchweren und
uner-
[883]Vierdes Buch.
unerhoͤrten Niderlage ſo gar keine Zeitung gehabt/ iſt auch ſchier unglaͤublich/ daß kein ein-
ziger/ der es nachſagen koͤnnen/ ſolte davon kommen ſeyn. Aber woſelbſt halten ſich anjezt die
beyden Teutſchen Fuͤrſten auff/ deren Ihre Gn. meldung getahn? Das ganze feindliche
Heer/ gab er zur Antwort/ hat ſich nach Perſepolis zuruͤk gezogen/ und ſtaͤrken ſich maͤch-
tig/ haben auch des Tages nach meiner Niderlage ein fliegendes Heer 14000 ſtark aus
Medenbekommen/ welches der junge Fürſt Arbianes ſelbſt fuͤhret. So wird unſerm Koͤ-
nige/ ſagte Bagophanes/ die Skytiſche Huͤlffe noͤhtig ſeyn/ deren zugebrauchen er annoch
im zweifel ſtehet/ ungeachtet ſie ſich uns gutwillig anerbohten haben Wolle demnach Eu-
re Gn. eilen/ unſerm Koͤnige der Sachen Zuſtand zuhinterbringen; mich betreffend/ durch-
ſuche ich alle Heerſtraſſen/ das Koͤnigliche Fraͤulein auszuſpuͤren/ welche vorgeſtern heim-
lich entfuͤhret iſt. Das hat kein ander Menſch getahn/ ſagte Madates/ als der unvergleich-
liche Herkules/ dann bald nach der Schlacht hat er ſich verlohren/ daß niemand/ ohn ſeine
vertraueteſten umb ihn einige Wiſſenſchafft haben; Dafern auch dieſer Held und ſein Ge-
ſelle/ der Fraͤulein Bruder/ nicht geweſen waͤhren/ wolten wir die Feinde wie Brod gefreſ-
ſen haben. Nahmen hier auff Abſcheid/ und ritten ein jeder ſeines Weges.


Unſer Herkules mit ſeinem liebſten Gemahl/ hatte/ wie geſagt/ die andere Nacht ihreꝛ
Reiſe in obgedachtem Staͤdlein gute Ruhe und herzliche Vergnuͤgung; bekahmen des
folgenden Morgens daſelbſt friſche Pferde/ und weil Ritterliche Harniſche zubekommen
wahren/ ruͤſteten ſich Herkules/ das Fraͤulein und Gallus voͤllig; kaufften auch fuͤnff gute
Bogen und ſo viel Koͤcher mit Pfeilen/ daß ſie einen zimlichen Anlauff auffzuhalten und
abzutreiben beſtand wahren/ welches ihnen dann ſehr wol zuſtatten kam/ maſſen an dieſem
dritten Tage ihrer Reiſe ſie einen unſichern Weg antraffen/ da die verderbete abgebrante
Parthiſche Bauren hin und wieder ſucheten/ die reiſenden zuuͤberfallen/ und Lebensmittel
zuerbeuten; inſonderheit ſtieſſen um den Mittag bey 30 Bauren auf ſie/ hatten teils Spieſ-
ſe und Schwerter von der Wahlſtat geraubet/ teils aber mit Axten/ Senſen und Miſtga-
beln ſich verſehen. Herkules gruͤſſete ſie mit auffgeſchlagenem Helme/ und fragete/ ob nicht
eine Parthiſche Schaar von ungeſehr 200 Reutern dieſes Weges gezogen waͤhre/ bekam
aber eine Antwort/ die ihn gar zu unfreundlich dauchte/ weil der Bauren Fuͤhrer ihm be-
fahl er ſolte abſitzen/ auch zugleich nach ſeines Pferdes Zuͤgel greiff/ welches Valiſka erſe-
hend/ ihr Schwert zuͤckete/ und ohn Wortſprechen ihm die freche Hand vor die Fuͤſſe lege-
te. Da haͤtte man ein Gedraͤnge und fluchen ſehen und hoͤren ſollen; woran ſich aber die
unſern wenig kehreten/ ſondern Herkules und Gallus zogen mit von Leder/ Timokles aber
und die beyden Juͤnglinge brauchten ihre Pfeile/ daß in weniger friſt der mehrer teil Bau-
ren erſchoſſen und nidergehauen wurden/ und die uͤbrigen meiſt verwundet/ zur ſeiten aus-
riſſen/ welche zuverfolgen Herkules vor unnoͤhtig hielt/ hieb ſein Pferd an/ und ermahnete
die ſeinen/ friſch fortzurennen/ als viel es die Pferde ertragen moͤchten/ dann er zweifelte
nicht/ Artabanus wuͤrde in hoͤchſter Eile ihm der Verfolger gnug nachſchicken/ welche nit
ſeumen wuͤrden/ Tag und Nacht zu jagen. Sie gerieten gleichwol noch etlichen kleinen
Hauffen unter die Haͤnde/ deren ſie doch mehr mit draͤuen als Schwertſchlaͤgen abkahmẽ/
und langeten kurz vor Abends bey einem feinen Staͤdlein an/ da ihnen gute Herberge zu-
gewieſen ward/ und ſie bald anfangs erfuhren/ daß der geſchlagene Feld Oberſte Madates
T t t t t ijvor
[884]Vierdes Buch.
vor wenig Tagen mit geringer unanſehnlicher Manſchaft daſelbſt geweſen/ und ſeinẽ Weg
nach Charas fortgeſetzet haͤtte. So iſt mir leid/ ſagte Herkules darauff/ daß ich nicht zeiti-
ger hieſelbſt ankommen bin/ und nimt mich wunder/ daß er mir nicht auffgeſtoſſen iſt/ dann
ich bin von meinem groſſen Koͤnige ausdruͤklich abgefaͤrtiget/ ihn bey dem Perſen Artaxer-
res loszumachen; jedoch/ weil ich andere Geſchaͤfte mehr bey demſelben zuverrichten habe/
muß ich gleichwol fort/ und mich hindurch wagen. Es wird euch aber ſchwer fallen/ durch-
zukommen/ antwortete der Wirt/ nicht allein wegen Unſicherheit der wilden Tihre/ ver-
lauffenen Hunde/ und mutwilligen Raͤuber/ ſondern auch/ weil alles der ends abgebrant/
und weder vor Vieh noch Menſchen ichtwas auf zwo Tagereiſen zubekommen iſt; jedoch/
weil ihr alle wol beritten ſeyd/ koͤnnet ihr Futter und Mahl hinter euch auffnehmen; wie-
wol vor die Pferde etwas hieſelbſt zuerhalten Muͤhe geben wird. Herkules antwortete
ihm: Mein Freund/ ſchaffet ihr uns Notturfft/ unfer Koͤnig hat Mittel gnug/ es zubezah-
len/ obs gleich teur fålt; und wann ich gleich alles mein Geld auff der Reiſe vertaͤhte/ muͤ-
ſte der Perſe mir als einem Geſanten wol etwas vorſtrecken. So ſchaffet uns nur einen
guten getraͤuen Menſchen/ der uns durch ſichere Nebenwege fortbringe/ und laſſet mich
vor die Bezahlung ſorgen. Der Wirt wahr ein geitziger Menſch/ und dauchte ihn keine
Gefahr zu groß/ da Geld zuverdienen wahr; alſo wolte er nun auch vor dißmahl der Be-
lohnung etwas mehr verſichert ſeyn/ und antwortete ihm: Die heimlichen Wege nach den
Perſiſchen Grenzen waͤhren dieſes Orts niemand ſo wol bekant als ihm/ und wann ſie ihm
der Muͤhe zu dieſen gefaͤhrlichen Zeiten ergetzen wolten/ koͤnte er ſie führen/ daß ſie ſtets von
der Landſtraſſen biß in Perſen bleiben/ und nicht deſto weniger eine gute Abend-Herberge
haben/ auch des andern Tages der Perſen Grenze Stad erreichenſolten. Ich muß hoͤren/
ſagete Herkules/ was ihr fodern werdet/ darauff habe ich hernach zuhandeln; doch ſolcher
geſtalt/ daß ihr mich mit aller meiner Geſelſchafft und Pferden von dieſer Stunde an/ biß
an die Perſiſche Grenze Stad nottuͤrfftig/ und ſo viel moͤglich/ nach meinem Adelichen
Stande unterhaltet. Der Wirt uͤberlegete alles auffs genaueſte/ und ſagte: Wann er nit
zu viel dingens machen würde/ wolte ers mit einem Wort anzeigen/ da er dann vor alles in
allem gerechnet/ 80 Kronen foderte. Worauff Herkules antwortete: Meynet ihr/ mein
Freund/ daß ihr mit Kraͤmern und Kaufleuten zuhandeln habt? Ich bin ſchuldig/ euch eu-
re Koſten ſamt der Muͤhe zubezahlen; drumb wil ich euch eine andere Rechnung machen:
Sehet/ da habt ihr vorerſt vor euren gutẽ Willen einen Ring zuꝛ Verehrung/ welcher euch
100 Kronen gelten kan; vor Koſten und Muͤhe aber wil ich euch 160 Kronen baar erlegen/
die halbſcheid gleich jetzo; und das uͤbrige in der Perſiſchen Grenze Stad. Der Wirt/
nach Art der Geitzigen/ trauete anfangs nicht/ weil ihm dergleichen Handelsleute noch
niemahls vorkommen wahren; ging hin/ und ließ den Ring von einem Gold Schmiede
beſehen/ der ihm 80 Kronen davor boht/ daß er alſo nicht mehr zweifelte/ und ſeinen Gaͤſten
aufftrug/ was ihm in der Eile zubekommen moͤglich wahr; erzaͤhlete auch/ daß Madates
mit den ſeinen ſo traurig und betrübt geweſen/ daß ihnen weder eſſen noch trinken ſchmec-
ken wollen. Ja ich hoͤre/ antwortete Valiſka/ es habe ihm in Perſen noch uͤbeler geſchmec-
ket; deſſen Herkules von Herzen lachete. Nach gehaltener Abendmahlzeit ward Herkules
mit ſeinem Gemahl/ die er vor einen jungen aͤdelmann ausgab/ auff eine abſonderliche
Kammer
[885]Vierdes Buch.
Kammer gefuͤhret/ und ermahnete ſie der Wirt/ biß an die Zeit des Fruͤhſtuͤckes ſanſſte zu
ruhen; welchem ſie ſtat gaben/ und in Chriſtehelicher Liebe ſich zuſammen hielten. Als der
Tag durch die Fenſter herein brach/ und ſie ihr Gebeht in herzlicher Andacht geſprochen
hatten/ ſagete Valiſka zu ihrem Herkules: Was hindert uns/ mein Schatz/ daß wir unſere
angebohrne Geſtalt uns nicht goͤnnen? Ich bin meinen heßlichen Haͤnden ſo gram/ dz ich
ſie faſt nicht anſehen/ vielweniger euch damit berühren mag. Hierzu wollen wir bald rahtẽ/
antwortete er; dann ſo wir das Haar nicht endern/ koͤñen Angeſicht und Haͤnde mit leich-
ter Muͤhe wieder gefaͤrbet werden; Alfo rieb er ihnen beyden ſolche Farbe ab/ woruͤber ſich
das Fraͤulein hoͤchlich erluſtigte; dann ihr Herz wahr dieſem Fuͤrſten dermaſſen ergeben/
daß ſie es mit aͤuſſerlichen Geberden nicht gnug anzeigen kunte; und wann ſie meynete/ et-
wa eine freundliche Rede erfunden zuhaben/ blieb ihr die Zunge beſtehen/ und verrichtete
mit ſeuffzen/ was das Herz nicht laͤnger in ſich behalten kunte. Ach/ ſagete ſie dißmahl/ gib
du barmherziger Gott/ daß ich dieſen meinen auserwaͤhlten Schaz vor meinem Tode ja
nimmermehr verlieren moͤge/ und verzeihet mir/ mein Seelichen/ daß mein Mund viel zu
ſtamlend iſt/ die inbruͤnſtige Liebe auszuſprechen/ welche zu meinem Groß Fuͤrſten und Ge-
mahl ich in keuſcher Ergebenheit trage; es gehet mir als den Trunkenen/ die durch krafft
des Weins kuͤhn gnug gemacht/ und doch an den Gliedern gelaͤhmet werden/ ſich der Waf-
fen zugebrauchen. Alſo befihlet meine Seele der Zungen/ meine Neigungen loßzubrechen/
aber die taumlichte Liebe bindet ſie wieder/ daß die Gedanken in Seuffzer ſich verendern/
und die Worte zwiſchen den Lippen brechen muͤſſen. Die heydniſchẽ Tichter/ mein Schaz/
mahlẽ die Liebe blind; verſtoſſene Liebhaber ſchelten ſie vor taub; ich aber klage ihre Stum-
heit an; Lieber goͤnnet mir/ mein Seelchen/ daß ich ſie alle entſchuldige. Die Tichter/ nach
ihrer naͤrriſchen Unbedachtſamkeit/ haben unbedachtſame Liebe/ welche ich eine Narren-
Liebe nenne/ verſtehen wollen/ und ſind/ in betrachtung deren/ unbetrogen; Dann wer lie-
bet/ ehe er des geliebeten Erkaͤntniß hat/ iſt freylich am Verſtande blind. Die verworffene
Liebhaber reden von der geliebeten Ungewogenheit/ als welche ihnẽ die Ohren verweigeꝛn.
Wie viel beſſer nun iſt meine Meynung gegruͤndet/ als welche der wahren Liebe Volkom-
menheit zuentwerffen bemuͤhet iſt/ welche weit uͤber Worte ſich erhebet/ uñ kein Mittel/ ſich
voͤllig ans Licht zuſtellen/ finden kan/ wiewol ſie ſich/ ſehen zulaſſen/ alle Krafft und Vermoͤ-
gen anzuwenden nicht unterlaͤſſet. Verſichert euch aber/ allerliebſtes Herz/ daß mir gleich-
ſam ein Vorbaͤndichen der Zungen/ durch die Wiederſtellung eurer warhafften Geſtalt/
geloͤſet und zerſchnitten iſt/ nach dem mir anjetzo vergoͤnnet wiꝛd/ mich an dem geliebten An-
geſichte meines Herkules zuerluſtigen/ welches ich in langer Zeit/ in freyer Sicherheit nit
geſehen/ und vergnuͤget mich nicht wenig/ daß die heßliche Kraͤmerin der verliebeten Va-
liſken ein Stuͤndichen Raum bey ihrem einig geliebeten goͤnnet. Unter dieſen Reden kun-
te Herkules kein Auge von ihr abwenden/ und ward durch ihre anmuhtigſten Blicke der-
geſtalt aus ſich ſelbſt geſezt/ dz ihm faſt alle Krafft entging/ dann wie er allemahl ſich unwir-
dig geſchaͤtzet/ ein ſolches Welt Kleinot zubeſitzen/ an dem auch der allergrim̃eſte Menſchen-
Haſſer und ſpizfindigſte Kluͤgling nicht den geringſten Fehler oder Flecken/ ſo wenig an
der Seele als am Leibe zu finden wuſte; alſo kunte er kaum glaͤuben/ daß die freie Nieſſung
eines ſo volkommenen Gutes ihm ſo leicht gegoͤnnet waͤhre. Er ſchwieg eine Zeitlang auf
T t t t t iijihre
[886]Vierdes Buch.
ihre geendigte Reden ſtille/ weil er nicht wuſte/ mit was Worten er ſeine Vergnuͤgung
entwerffen ſolte/ biß endlich des Herzen Brun loßbrach/ und mit einem tieffgehohleten
Seufzer alſo anfing: O mein teureſtes Seelichen/ ihr voͤllige Vergnuͤgung meiner Sin-
nen/ die ſich doch nimmermehr vergnuͤgen koͤnnen; wodurch hat euer unwirdiger Knecht
verdienet/ von euer unvergleichlichen Volkommenheit ſo hoch geliebet zu werden/ deren
mein ſchwaches Vermoͤgen und unvermoͤgene Kraftloſigkeit im geringſten nicht gleichẽ/
viel weniger die Vergeltung ergreiffen kan? Zwar die Verwaͤgenheit hat mich kühn ge-
macht zu hoffen/ und das hoffen zubegehren/ und das begehren zu lieben; kuͤhn ſage ich/
aber nicht wirdig; deßwegen auch die wenigen in mir uͤberbliebene Funken meines Wit-
zes/ die unter dem Begehren noch nicht allerdinge Tod/ wiewol leztzuͤgig wahren/ mich al-
lemahl erinnerten/ in mich zu gehen/ und nicht uͤber mein Vermoͤgen zu denken; mein Fre-
vel aber reizete ſtark gegen/ und raunete mir ins Ohr/ nicht gar zu witzig zu ſeyn/ ſondern es
auff Gottes Huͤlffe zu wagen/ nach dem mannicher durch Gluͤksfall eine Beute uͤberkaͤh-
me/ die durch nachdenklichen Verſtand nimmermehr koͤnte erlanget werden. Dieſes/ ge-
ſtehe ich/ hat meine Hofnung geluͤftet/ die ſonſt im erſten Graſe haͤtte muͤſſen erſticken. A-
ber O ihr mein Stralen-blankes Kleinot! wie hoch ſchwinget ſich noch mein Gluͤk uͤber
hoffen/ in dem ich nicht allein mit ſatter Ergezligkeit genieſſe/ ſondern auch mit ergetzendeꝛ
Wolluſt genoſſen werde. Belüſtiget ſich auch ein Schaz mit dem Beſitzer/ und nicht nur
der Beſitzer mit dem Schatze? Noch muß ich in hoͤchſter Beluͤſtigung wirklich empfinden/
daß mein Schaz ſich erfreuet/ in dem ich durch ihn erfreuet weꝛde. O ſo bleibet nun in ſol-
cher Gewogenheit/ ihr meine Luſtquillende Seele/ ſagte er mit einem herzlichen Umbfan-
gen/ und was an meiner Unwirdigkeit und Tugend-Armut abgehet/ wie dann ſehr viel ab-
gehet/ daß erſtattet/ bitte ich/ mit der Fuͤlle eures uͤberfluſſes/ welcher tauſend Koͤnigliche
Fraͤulein voͤllig haͤtte auszieren koͤnnen/ und doch in dieſer einigen Seele als in einem
Horn der Fülle/ ja als in einem unergruͤndlichen Meer zuſammen gefloſſen/ mich mehr veꝛ-
wundern als glaͤuben machet. Daß ich aber auch die Liebes-betrachtung von meinem
Schatze eingefuͤhret/ mit wenigem beruͤhre/ halte ich/ man koͤnne der Tichter Mahlerey/
wann ſie die Liebe blind bilden/ in etwas entſchuͤldigen/ wo nicht gar auff eine gute Deu-
tung zihen; dann freilich iſt die wahre Liebe blind; aber wie und wann? Sie ſihet offt das
tadelhafte an dem geliebetẽ nicht/ ob gleich deſſen viel an ihm erſcheinet/ ſondern aus groſ-
ſer Zuneigung nimt ſie das Unweꝛte unter den Mantel der Beſcheidenheit/ weil der Ge-
liebte/ dem ſolches anklebet/ ihr viel zu angenehm iſt; und was ſol ich von ihrer Taubheit
ſagen? kan ſie auch geduldig anhoͤren/ wann das geliebete gelaͤſtert und geſchaͤndet wird?
O nein O nein! haͤtte ſie alsdann gleich tauſendmahl tauſend Ohren/ muͤſten ſie alle davoꝛ
verſtopfet ſeyn/ inſonderheit/ wann Rache keine ſtat findet. Aber euer drittes/ mein Seeli-
chen/ laſſe ich gerne gelten/ dann ſonſt müſte ich mich ſelbſt der Liebe entnehmen/ die in mei-
nem Herzen zwar ohn Ruhe bruͤtet/ aber keine einige Zucht aus der Schalen recht außhec-
ken kan. Valiſka kennete ſein Herz wol/ und wie ferne er von aller Schmeicheley wahr:
nur eins taht ihr wehe/ daß Herkules/ welchen an Gottesfurcht/ Tugend und guter Ge-
ſtalt kein Mannesbilde uͤbertraff/ ſich ihren Unwerten nennete/ daher ſie zu dieſer Gegen-
antwort genoͤhtiget ward: Warumb ſchneidet ihr meiner Seele ſo unheilſame Wunden?
O ihr
[887]Vierdes Buch.
O ihr mein wirdigſter Schaz; und ſtuͤrzet mich in die tieffe der Bekuͤmmernis/ da ich
meine den ſturmloſen Troſt-Hafen ſchon ergriffen zu haben? Meynet etwa der pruͤfende
Herkules/ Valiſka kenne ſich ſelber nicht? oder gedenket er/ Koͤnigs Artabanus Liebe ha-
be ſie verwaͤgen gemacht? oder/ welches ehe geſchehen moͤgẽ/ der Name Herkuliſka? Das
unergruͤndliche Tugend-Meer meines/ ja Gott Lob/ meines teuren Herkules iſt mir nicht
ſo gar unbekant/ auff welchem ſchon in fruͤher Jugend tauſend Laſt Schiffe des unſterbli-
chen Ehrenpreiſes mit vollem Segel daher prangeten; und wie hoch iſt deſſen die Kindi-
ſche Valiſka vergnuͤget/ daß ſie die ſeine heiſſet und iſt! Meine halbtrockene Bach iſt ſelig
gnug/ daß ſie hieſelbſt den freien Einflus hat/ da ſie Waſſers gnug findet/ wie viel ihr ſonſt
aus dürre ihres mangels gebricht. Ey wie mag dann mein wirdigſter ſeine Volkommen-
heit beſchneidẽ/ uñ durch ſolches ihm ſelbſt angelegtes Unrecht dieſelbe zugleich mit ſcham-
roht machen/ die ſich einzig darumb vor gluͤkfelig ſchaͤtzet/ daß ihr Gebrechen durch deſſen
Anſchein erſetzet wird/ welchen die Verſehung uns als einen Spiegel vorſtellet/ umb zu
erkennen/ die Wunder des Schoͤpffers in nicht erſinlicher Ungleicheit uns Menſchen mit-
geteilet/ doch alſo/ daß in dieſem daſſelbe hervorſtrahlet/ was man in andern kaum funkeln
ſihet. Hoͤret deßwegen auff/ mein Seelen-Schaz/ die eure/ mit unverantwortlicher Ver-
achtung eurer/ und unbeſindlichem Lobe ihrer/ fort mehr zubeleidigen/ und verſichert euch/
daß wann Valiſka nicht wuͤſte/ vor welchen ſie Herkules muͤſte ehren/ ſie denſelben ſich ſo
leicht nicht wuͤrde ergeben haben. O Liebe Liebe! antwortete er; ich duͤrſte ſchier ſchwoͤren/
du waͤhreſt nicht allein blind/ taub/ und ſtum/ ſondern auch erkaͤn tnisloß! Ruhmwirdigſte
Herzens Krone/ in was vor ein Muſter duͤrffet ihr mich entwerffen? ja wol ein volkom-
mener; ja wol ein ſpieglender/ der aus Schwacheit und bloͤder Vernunft faſt nicht glaͤu-
ben darf/ was er gegenwaͤrtig umarmet; jedoch/ Tugend ſchimmernde Seele/ wann in
euren Augen ich etwas bin uñ gelte/ iſt alles was ich ſuche/ iſt alles was ich wuͤnſche/ ſo weit
Sterbligkeit und Weltruhm gehet; kein Menſch aber wird mich ſo verwaͤgen machen/
die Einbildung zu faſſen/ ich wolte mit der allein uͤbertreffenden Valiſka bey außteilung
des erworbenen Preiſes zu gleicher hebung gehen; dann was ſind meine Tahten gegen
die ihre? ich habe etwa mit einem Raͤuber/ vielleicht auch mit einem Ritter gekaͤmpfet/ uñ
in beſchuͤtzung meiner/ mehr Vorſichtigkeit gebrauchet als jener; was gibt oder gilt aber
daß? ein Fraͤulein/ deren bloſſes Anſchauen auch wieder ihren willẽ/ allen Maͤñern Brunſt
erwecket/ hat ihre Ehre unter den wildeſten Raͤubern Heldſiegig durchgebracht/ mit
ihrem unbeſtuͤrmlichen Muht den grauſameſten Wuͤterich gezaͤhmet/ den allerfrevelhaf-
teſten beſtuͤrmer der Keuſcheit abgetrieben/ und ihn unter die ſiegreichen Fuͤſſe ihrer un-
uͤberwindlichen Oberſchaft (ſo mag ichs mit gutem Recht nennen) als einen Leibeigenen
Sklaven getreten. Da haben wir den Spiegel/ deſſen Klarheit die ſpaͤten Nachkommen
anbehten/ und alle Tugendliebende mit zweifel ſtreuender Verwunderung anſehen wer-
den. Was beraubet ihr euch dann/ O wahre Volkommenheit/ eures Lobes? was zihet ihr
eurem hochverdienten Ruhme denſelben vor/ der jenem ruhenden Wuͤterich zun Fuͤſſen
gelegen iſt? welchen aber euer einiger Wink in ſeiner heftigſten Raſerey nidergeworffen/
und geduldiger als ein Lamb gemacht hat. Ja mein Freund/ ja meine Luſt/ ſagte ſie hier-
auff; ich merke wol daß die geraubete Valiſka doch mit Gewalt uͤber den Raͤuber-zwingeꝛ/
und
[888]Vierdes Buch.
und die Gefangene uͤbeꝛ ihren Erloͤſer ſich ſol erheben laſſen/ welches ſie etlicher maſſen mit
geduldigen Ohren anhoͤren moͤchte/ wann ſichs in den Schranken der Maͤſſigkeit hielte/
oder auffs wenigſte ſie ihrem Retter nicht vorgezogen wuͤrde/ welchen ſie weniger als ſich
ſelbſt verachtet wiſſen kan; werden wir aber der angeſtrichenen Tocken ihr innerliches be-
ſchauen/ dann wird ſichs bald finden/ daß in der Taht mir deſſen nichts beyzumaͤſſen iſt/
durch welches ich vortreflich zu ſeyn getichtet werde; geſtaltſam des grauſamen Loͤuen
Wuht nicht durch mich gebrochen iſt; O nein O nein! ſondern Gottes kraͤftige Hand hat
denſelben ohn mein Zutuhn nidergeſchlagen und gefellet/ ſonſt waͤhre ich gegen ihn nicht
anders als ein Taͤublein gegen den Adler zu rechnen geweſen; Aber mein Licht/ laſt es ſeyn/
daß ich mich geſtraͤubet; Herkules/ Herkules hat ſolches in mir gewirket; ja Herkules/ auf
den nach Gott alle meine Kraft ſich gruͤndet/ alle meine Freude ruhet/ ſo daß/ wann eꝛ nicht
gebohren waͤhre/ ich ohn vergnuͤgung haͤtte bleiben muͤſſen/ oder ja nicht erfahren koͤnnen/
was vergnuͤgung iſt und heiſſet; dann was in dieſer Vergaͤngligkeit nicht Herkules iſt/ dz
ſehen meine Augen gar nicht an/ oder nur/ als waͤhre es nichts und nichtig. Herkules Tu-
gend hat mich munter gemacht wo ich munter bin; Herkules Seele hat meiner Geiſter
Schlaff vertrieben/ wann ſie wachen; ja Herkules hat durch ſeine Liebe zu mir/ die Kuͤhn-
heit in mir auffgetrieben/ daß ich Hoffnung gefaſſet/ ein mehres in der Welt/ als was man
Gemein heiſſet/ zu werden. Ich eriñere mich meiner ſtokfinſtern Gedanken noch wol/ wel-
che/ ehe und bevor ſie von Herkules Strahlen erleuchtet wurden/ ſich nicht wuſten von der
Erden zuerheben/ die aber nunmehr mit zuſchweben ſich bemuͤhen/ weil Herkules Geiſter
ſie nach ſich in die hoͤhe zihen; und wann ich meine himliſche Glükſeligkeit hinzu kneten
wolte/ wem habe ichs dann naͤhſt Gott anders zu danken/ als meinem Herkules/ welcher
durch meines Heylandes ſchickung aus mir ſtokblinden eine ſehende/ aus mir Goͤtzendie-
nerin ein Chriſtliches Fraͤulein/ aus mir verdamten ein gnaden Gefaͤß gemacht hat. Ey
ſo hoͤret demnach auff/ mein Schaz/ das Werk uͤber den Meiſter/ und den Juͤnger uͤber den
Lehrer zuerheben/ und ſehet ihr ichtwas lobwirdiges an eurer Valiſken/ ſo bedenket alle-
mahl/ daß es von eurer Volkommenheit ihr mitgeteilet ſey/ die ſich auch mit Leib und Seel
euch zu eigen uͤbergiebet/ dz des lobwirdigen/ ſo ſie etwa an ihr haben moͤchte/ ihr euch ohn
alle Einrede und Wegerung gebrauchen/ das unwirdige aber und unvolkommene/ deſſen
gar viel iſt/ freundlich und mitleidig uͤberſehen moͤget. Mir zweifelt nicht/ unſere durchhin
verliebete/ haͤtten den ganzen Tag in ſolchem Geſpraͤch zuverharren/ ſich nicht unwillig
befunden/ wie dann Herkules ſchon mit einer Antwort ſich gefaſſet hielt/ aber die nohtwen-
dige Eilfertigkeit nebeſt Gallus Erinnerung/ hub ſie aus dem Bette/ da Herkules ſagete:
Als viel ich merke/ mein Schaz/ werde ich euch dieſen Saz muͤſſen ſchuldig bleiben; wie-
derhohleten ihr Morgengebeht/ und rieffen Gott umb ferneren Schuz herzlich an. Nach
angelegeter Kleidung beſtriechen ſie Angeſicht und Haͤnde wiederumb/ nahmen das Früh-
ſtuͤk ein/ und ſchenketen der Wirtin 20 Kronen Schlaffgeld/ nebeſt bitte/ ſie moͤchte ihren
Eheman erinnern/ daß er ſie des ſicherſten Weges zugeleiten nicht unterlieſſe; zaͤhleten
demſelben die helffte des verſprochenen Geldes/ und vergewiſſerten ihn des uͤbrigen mit
einem Handſchlage. So wolte er nun gleichwol ſehen laſſen/ daß er in der dankbarkeit
Schnele auch erzogen waͤhre/ belud zween Maul Eſel mit den beſten Speiſen und etlichen
Schlaͤu-
[889]Vierdes Buch.
Schlaͤuchen des beſten Weins/ auch mit Pferde Futter/ und ritte mit ihnen einenſchma-
len gebahneten Steg/ welcher weit von der Landſtraſſen/ und doch viel richtiger zulief/ da
Valiſka manniche kurzweilige Unterredung mit ihm hielt/ und ihm allemahl widerſprach/
er wuͤrde in der benenneten Zeit ihnen die Perſiſchen Grenzen nicht zeigen koͤnnen/ daß ſie
gar eine Wette von 50 Kronen daruͤber anſtellete; welche zugewinnen er ſo gefliſſen war/
daß er ſie bey guter Tageszeit in die Herberge brachte/ welches ein wolgebaueter Jaͤger-
Stall wahr/ mit Haͤu angefuͤllet. Sie hielten hieſelbſt das Abendmahl/ und brachen eine
Stunde vor der Sonnen Auffgang wieder auff/ ſich hoͤchlich freuend/ daß dieſer der lezte
Tag ihrer furchtſamen Flucht ſeyn ſolte.


An demſelben erweckete Madates durch ſeine unvermuhtliche Ankunfft zu Charas
groſſen Aufflauff und Schrecken; dann er wolte durchaus weder Pferd noch Kleidung
verendern/ ſondern ritte in ſo elender geſtalt vor das Koͤnigliche Schloß/ und ließ bey dem
Koͤnige ſich anmelden; der unglükſelige Madates hielte drauſſen/ und erwartete Ihrer
Koͤnigl. Hocheit ſchleunige Urtel wegen verlohrner Schlacht. Artabanus erfchrak der
Zeitung hefftig/ ſaß gleich und gedachte an der Fraͤulein Verluſt/ und auf was weife ſie im-
mermehr bey hellem Tage haͤtte koͤnnen von dem wolverwahreten Schloſſe kommen/ da
alle Wachten ſo wol beſtellet geweſen/ und kein Menſch ſie geſehen haͤtte; welcher Zweifel
ihm doch vor Bagophanes Wiederkunfft bensmmen ward/ da man ihm anzeigete/ Vali-
kules waͤhre mit einer einzelnen Kraͤmerin fruͤh morgens von dem Schloſſe gangen/ wel-
che zwar von Leibe wol gewachſen/ aber unter dem Geſiehte Sonnen-braͤndig geweſen/ und
waͤhren die anderen beyde Kraͤmerinnen erſtetliche Stunden hernach gefolget. Woraus
er ungezweifelt ſchloß/ er wuͤrde ihr durch Zauberkunft das Geſicht verſtellet haben; bekla-
gete auch hefftig/ daß auff dieſe weiſe Bagophanes alle ſeine Muͤhe/ ſie auszuſpuͤren/ ver-
geblich anwenden duͤrffte; doch troͤſtete er ſich/ wann nur Valikules zuerhaſchen waͤhre/
muͤſte er durch die Folter gezwungen/ ſie wol melden. Von dieſer Betrachtung wendete
ihn Madates Ankunfft ab/ trug verlangen/ ſeines Unfalls eigentlichen Bericht einzuneh-
men/ und ſagete zu dem Zeitungsbringer: Wil dann das raſende Glük uns auff allen ſeitẽ
anſprengen? Laß ihn hervor treten/ daß wir nach befindung mit ihm handeln koͤnnen. Der
Diener kam bald wieder/ und brachte zur Antwort; Madates ſchaͤtzete ſich unwirdig/ vor
ſeines Koͤniges Angeſichte zuerſcheinen/ weil er von den Feinden ſeiner Ehren entſetzet/ uñ
durch Henkers Hand mit Ruhten biß auffs Blut geſtrichen waͤhre; Wann nun Ihre
Koͤnigl. Hocheit ihn dieſes Schandflecken allergnaͤdigſt benehmen/ und in vorigen Ehren-
ſtand ſetzen wuͤrde/ alsdann wolte er gehorſamſt hervor treten/ oder im widrigen fall ihm
ſelbſt durch eigene Fauſt ſein Leben abkuͤrzen/ welches er bloß aus Hoffnung/ noch ehrlich
zuſterben behalten haͤtte. Der Koͤnig ſprang als ein Raſender/ uñ ſagete: Was? beſchimpf-
fet und ſchaͤndet man uns alſo an unſerm Feld Herrn uñ Blutverwanten? das muß ſchweꝛ
und hart gerochen werden; rief alsbald einem ſeiner Hoͤflinge/ daß er Madates ein geſat-
teltes Ritter Pferd/ und Fürſtliche Kleider bringen ſolte/ nebeſt Anmeldung/ der ihm be-
wieſene Schimpff ſolte hiemit ewig abgetahn und auffgehoben ſeyn. In dieſer neuen Ge-
ſtalt ging er nun hinauff/ taht einen demuͤhtigen Fußfall/ und ſagete mit jaͤmmerlichen Ge-
berden: Allergroßmaͤchtigſter Unuͤberwindlichſter Koͤnig; Euer Hocheit und Gnade
V u u u udanke
[890]Vierdes Buch.
danke ich aus innerſtem grunde meines Herzen alleruntertaͤhnigſt/ dz dieſelbe den Schand-
flek/ mir als einem gefangenen Koͤniglichen Feld Obriſten angelegt/ aller gnaͤdigſt abwiſchẽ
wollen/ wil nun deſto lieber und williger ſterben/ weil ich den Tod wol veꝛdienet habe/ indem
ich zu wenig geweſen bin/ der Feinde Macht zuhintertreiben/ wie mir ernſtlich aufferlegt
wahr; ſo wuͤrde uber das ſchimpflich ſtehen/ wann man ſagen ſolte: Madates ganzes Kꝛie-
ges Heer/ 40000 Koͤpffe/ ſind vor ihres Koͤniges Ehre und Wolfahrt ritterlich geſtorben/
und hat er nur mit 20 ausgeſtrichenen Rittern ſein Leben erhalten. O wie angenehm ſolte
mir der Tod von Feindes Hand geweſen ſeyn/ weil ich/ ohn Ruhm zumelden/ ſo lange rit-
terlich gefochtẽ/ als ich lebendigen Beyſtand um mich gehabt/ dafern mich nur dz Schweꝛt
haͤtte erſchlagen wollen; aber ich wahr mit meinen 20 Rittern verrahten/ denen/ die beydẽ
Teutſchen zufahen/ und der Ruhte zuliefern/ anbefohlen wahr/ daher muſte ich nach ver-
lohrner Schlacht nebeſt ihnen leiden/ was man jenen zugemaͤſſen hatte/ und halff weder
bitten noch bedingliches widerſprechen/ noch Todesbegierde/ ſondern die Haͤnde band man
uns/ daß wir nicht ſelbſt uns durch eigene Entleibung der Schande entreiſſen ſolten. So
bitte ihre Koͤnigl. Hocheit ich nun untertaͤhnigſt/ mir nach wiedererlangeter Ehre/ die To-
des Urtel ohn Barmher zigkeit zuſprechen/ welche ich mit froͤlichem Herzen anhoͤren wil/
auff daß nach dieſem nicht jemand mich vorſchuͤtzen/ und ſprechen moͤge: Madates habe es
vor ihm wol ja ſo grob/ und groͤber verſehen/ und ſey doch begnadet worden; welches mir
unertraͤglicher als der Tod ſelbſt ſeyn würde/ nach dem ich vor dieſem ſo mannichen Sieg
erhalten/ und vor dißmahl weder Spitamenes Beyſpiel und Warnung noch Fuͤrſt Vo-
logeſes Raht mir habe wollen laſſen zu herzen gehen. Artabanus antwortete: Es iſt eine
ſehr harte Niderlage/ wie wir vernehmen/ welches ohn allen zweifel bloß nur aus Unvor-
ſichtigkeit verſpielet iſt. Ja ſie iſt verſpielet/ ſagte Madates/ aber nicht durch meine Unvor-
ſichtigkeit; Ich habe in Feindes Grenzen etliche Tage mit Schwert und Feur alles ver-
heeret/ uͤber 40 Doͤrffer/ zwey Staͤdlein/ 100000 fruchtbare Baͤume verbrand/ 8000
Menſchen erſchlagen/ 14000 (ſo aber wieder erlediget) gefangen/ und mit dem Feinde im
freyen Felde/ ohn Einraͤumung einiges Vortels/ offene Schlacht gehalten/ aber der bey-
den fremden Helden Macht nicht brechen koͤnnen/ deren Schwertern und Art zuſtreiten
ich nichts in dieſer Welt zuvergleichen weiß. Dieſe/ dieſe einzelne Rïtter wahren die See-
le ihres Heers/ und das Verderben meiner Voͤlker; Sie brachen durch/ wie der Bliz; der
eine hat meinen getraͤuen Bazaentes im dritten Hiebe gefaͤllet/ der ander mich nach harter
Verwundung gefaͤnglich annehmen laſſen; und wie embſig ſie fochten/ hatten ſie doch al-
lemahl ein Auge im Nacken/ welches allenthalben ordente/ daß ſie ohn verſeumen Entſatz
ſchicketen/ wo es noͤhtig wahr. Sind ſie Menſchen/ allergnaͤdigſter Koͤnig/ ſo ſind ſie die
vollkommenſten/ deren Beyſtand und Huͤlffe ich hoͤher/ als 100000 uͤberſchuß halten wol-
te; Als lange ſie aber dem Feinde zugetahn bleiben/ muß unſer Krieg viel anders geführet
werden/ oder alle Voͤlker gehen verlohren. Der Koͤnig hieß ihn aufſtehen/ und ſagte: Durch
dieſen Verluſt iſt noch weder gewonnen noch verſpielet/ und werden wir ſchon Mittel fin-
den/ dieſen wuͤtigen Juͤnglingen beyzukommen/ wann unſer Fraͤulein erſt wird wieder er-
obert ſeyn/ die von dem verwaͤgenen Valikules/ dem wir ſein Leben gerettet und hoch bega-
bet/ raͤuberiſcher weiſe entfuͤhret iſt. O gnaͤdigſter Koͤnig/ antwortete er; ich halte gaͤnzlich/
der
[891]Vierdes Buch.
der ſieghaffte Herkules/ welchen ich noch uͤber Ladiſla ſchaͤtze/ habe dieſes ſelbſt verrichtet/
und gebe Gott/ daß wir nicht erfahren/ daß er der Valikules ſelber/ oder doch in deſſen Ge-
ſelſchafft geweſen ſey/ aus deſſen Haͤnden das Fraͤulein zureiſſen/ iſt Bagophanes viel zu
wenig/ wann er gleich 20 Mann auff einen gegen ihn fuͤhrete. Vologeſes und Pakorus/
welche etliche Tage in den Reichsgeſchaͤfften/ den Krieg betreffend/ verreiſet geweſen/ kah-
men zwo Stunden hernach bey dem Koͤnige an/ vernahmen den Verluſt mit Schmerzen/
und ermahneten ihn/ (weil ſie das Ungluͤk vor Augen ſahen) ſich der Reichsnotturfft an-
zunehmen; Sie hatten des Tages nach Madates Abzuge mit dem Koͤnige ein ernſtliches
Geſpraͤch gehalten/ und ihn gebehten/ den Vorſaz/ der Fremden Ruhten-zuͤchtigung be-
treffend/ zuendern/ und ſolches durch einen ſchnellen Nachreiter Madates wiſſen zulaſſen;
aber es wahr alles umſonſt; dann Artabanus lachete ihrer unzeitigen Vorſorge/ und fra-
gete/ ob ſie ſich dann vor zween einzigen Juͤnglingen fuͤrchteten/ von denen man nicht eins
wuͤſte/ ob ſie auch einen einzigen Diener umb ſich haͤtten/ der ihnen zuſtuͤnde. Worauff Pa-
korus dieſes mahl antwortete: Allergnaͤdigſter Koͤnig; daß wir dieſe beyden Fremdlinge
nicht als zween einzelne Juͤnglinge oder Ritter/ ſondern als trefliche Helden und Kriegs-
verſtaͤndige halten muͤſſen/ ſolches haben ſie mehr erwieſen als uns allen lieb iſt/ indem ſie
in zwo Feldſchlachten ſchon uͤber 60000 der allerverſuchteſten und beſten Voͤlker uns ab-
geſchlagen/ und zwar ſolches mit geringer Mannſchafft und noch geringerem Veꝛluſt/ daß
an ihrer tapfferen Kriegserfahrenheit zuzweifeln wir keine Urſach haben. Betrachte ich
dabey/ wie ſie das Fraͤule in von dem verwahreten Schloſſe bey hellem Tage haben koͤnnen
herunter bringen (dann daß ſie darunter ſtecken/ zweifele ich nicht)/ ſo muß ich mich uͤber
ihren Verſtand und kluge gluͤkliche Anſchlaͤge zum allerhoͤchſten verwundern/ und daraus
ſchlieſſen/ daß wir uns ungleich mehr vor ihnen als vor des Perſen ganzer Macht zufuͤrch-
ten/ oder zum wenigſten vorzuſehen haben; wendete ſich hernach zu Madates/ und ſagte zu
ihm: Euer Unfall iſt mir leid/ aber noch mehr der ritterlichen Voͤlker ihr Verderben/ mit
deren Hülffe ich mir getrauet haͤtte/ mehr als 100000 Perſen auffzureiben; Aber geſche-
hene Dinge ſind nicht zuendern/ wiewol euch dannoch haͤtte wollen gebuͤhren/ unſers all-
gemeinen Feldmarſchalks Fuͤrſt Vologeſes Vermahnung nicht ſo liederlich zuſchaͤtzen/
ſondern an des ritterlichen Spitamenes Unfall ein Beyſpiel zunehmen; Habet ihr nun
von dem eingebildeten Sieges-pracht-wagen nichts als die Ruhten bekommen/ die ihr ei-
nem andern hattet gebunden/ moͤget ihrs eurer Vermaͤſſenheit danken. Dieſes ſagte Pa-
korus/ weil er in Erfahrung gebracht/ dz er ſich geruͤhmet hatte/ er wolte ſeinen Siegpran-
genden Einzug zu Charas alſo halten/ daß nur Perſiſche Herren Standes den Wagen
fortzihen/ und die beyden fremden ihm die Ruhten vortragen ſolten. Nach dieſer verweiß-
lichen Rede kehrete er ſich wieder gegen den Koͤnig/ und ſagte: Wir ſehen und empfinden/
daß die Ungluͤkszeichen/ davon im ganzen Reiche ein halb Jahr und laͤnger viel geredet iſt/
ſchon angefangen zuwirken/ und erinnere ich mich jenes Sternſehers Warnung/ daß Eu-
re Koͤnigl. Hocheit von denen den allergroͤſten Schaden einnehmen würde/ welche ſie be-
dacht waͤhre/ am hoͤchſten zubeſchimpffen; gebe der Him̃el/ dz der ſchon erlittene nit nur ein
Anfang eines viel groͤſſeren ſey. Ich zwar kan das mit gegenwertigem Herrn Madates uñ
ſeinen zwanzig Rittern ergangene/ nicht anders als eine goͤttliche Schickung rechnen/ die
V u u u u ijuns
[892]Vierdes Buch.
uns warnen wil/ daß wir nach dieſem unſern Hochmuht maͤſſigen/ einen kleinen Feind nit
verachten/ und von unverantwortlichen Beſchimpfungen abſtehen; und wo wir dieſe Leh-
re annehmen/ wird uns noch wol zurahten ſeyn; wo nicht/ ſo ſtelle ich mir vor Augen/ daß
wol ehe ein Alexander mit geringer Macht den groͤſten Koͤnig aus ſeinem Reiche getrie-
ben hat. Der Koͤnig hatte keine gewaltigere noch verſtaͤndigere Fuͤrſten in ſeinem ganzen
Reich als dieſe beyden/ Vologeſes und Pakorus/ mit denen er ſich nit uͤberwerffen durfte/
doch verachtete er alle Vermahnungen/ und befahl/ daß alle Macht des Reichs zuſammen
getrieben wuͤrde/ damit der Schimpff an den fremden ohmaͤchtigen Fuͤrſtlein zeitig koͤn-
te gerochen werden; Madates aber und den 20 Rittern nahm er alle angelegte Schande
ab/ ermahnete ſie zur Rache/ und gab ihnen die verſprochenen Gelder/ als ob der Anſchlag
ihnen gelungen waͤhre. Hernach fragete Vologeſes den Koͤnig/ warumb er doch ſeinem
Hofmeiſter Bagophanes ein Heer anvertranet haͤtte/ welcher zwar vor 20 Jahren ein
Obriſter uͤber eine dreytauſichte Schaar zu fuſſe/ geweſen/ aber das Ampt eines Feld O-
briſten gar nicht verſtuͤnde. Ja ich gedenke auch/ ſagte Pakorus/ wie wol geputzet und ge-
ſtriegelt die fremden ihn uns werden zurük ſenden/ wofern nur Ungluͤk ihn an dieſelben
fuͤhret. Nun legete gleichwol derſelbe allen fleiß an/ dem Fraͤulein auff die Spuhr zu
kommen/ brachte auch in Erfahrung/ daß vier Rittersleute die erſte Nacht im obgedach-
ten Doͤrflein mit ſehr ſchnelllauffenden Pferden ankommen/ und daſelbſt geruhet/ fruͤh
morgens auch bald wieder fortgangen waͤhren/ woraus er gnug muhtmaſſete/ wo dieſe es
geweſen/ ihm unmoͤglich fallen wuͤrde/ ſie einzuhohlen/ weil der Vorſprung gar zu groß
wahr; ließ nicht deſto weniger 60 wolberittene voraus hauen/ weil die Menge bey den en-
gen Durchzuͤgen ſchr auffgehalten ward. Die unſern aber hatte Gott ſchon in Sicherheit
geſetzet/ dann nachdem ſie aus dem Jaͤgerhauſe auffgebrochen waren/ eileten ſie friſch fort/
was ihre Pferde ertragen kunten/ hielten des Mittages unter einem ſchattigten Baume
eine kurze Mahlzeit/ er quicketen ihre Pferde/ und lieſſen ſie friſch wieder fortgehen/ da um
drey uhr nach mittage ihnen etliche hohe Baͤume von ferne erſchienen/ und ihr Fuͤhrer ſa-
gete: Sehet da/ meine Herren/ jene Baͤume vor uns/ ſtehen ſchon auff Perſiſchem Grund
und Bodem. Ey ſo halte ich die Wette mit euch/ ſagte Herkules/ als die mein Gefelle ohn
zweifel verſpielet hat. Habe ich dann verſpielet/ fagte Valiſka/ ſo habe ich nie keine Wet-
te lieber gewonnen/ als ich dieſe verſpielet habe; kehrete ſich hin zu dem einen aͤdelknaben/
und ſagte zu ihm: Mein Ochus/ zaͤhlet unſerm Wirte von euren wolgeloͤſeten Geldern
50 Kronen aus/ ich wil ohn anmahnen euch davor 1000 wieder geben. Der Wiꝛt empfing
die Gelder mit Luſt/ und nach geſchehener Dankſagung ſteckete er ſie in den Futter Sak/ da
Herkules zu ihm ſagete: Guter Freund/ wann mein Weg mich wieder auff eure Heymat
zutraͤget/ werde ich kuͤhnlich bey euch einkehren. Solches wolte ich vor eine ſonderli-
che Gunſt auffnehmen/ antwortete er/ und nach vermoͤgen willig auffwarten. Sie ritten
ohn auffhoͤren fort/ biß ſie zu Abends vor ein wolbeſeztes Perſiſches Staͤdlein anlangeten/
in welches man ſie nicht einlaſſen wolte/ weil die Tohre ſchon verſperret wahren; nach dem
aber Herkules der Schildwache zurief/ einen Befehlichshaber heꝛzufodern/ und derſelbe
ankam/ befahl er ihm/ dem Oberſten der Feſtung anzudeuten/ des Teutſchen Groß Fuͤrſten
Herkules Bedienter hielte mit ſeiner Geſelſchafft hauſſen/ und begehrete eingelaſſen zu
werden.
[893]Vierdes Buch.
werden. Dieſer wolte nicht ſo leicht glaͤuben/ ging ſelbſt auff die Maur/ und rief/ ober
ſchrifftliches Zeugniß auffzulegen haͤtte/ ſolten ihm die Tohre willig geoͤffnet werden. Bald
wurden ihm zween Frey Briefe/ einer von Artaxerxes/ der ander von Herkules ſelbſt ge-
ſchrieben/ eingereichet/ nach deren Verleſung ſie nicht allein willig eingelaſſen/ ſondern in
die beſte Herberge eingelegt wurden/ da ihnen der Oberſte treffliche Speiſen zuſchickete/
weil ſie ſich wegertẽ/ mit ihm zueſſen. Herkules begab ſich vor der Mahlzeit mit ſeinem Ge-
mahl auff ein abſonderliches Gemach/ und verrichteten in herzlicher Andacht ihre Dank-
ſagung zu Gott/ ein Stunde lang kniend/ mit auffgehobenen Haͤnden. O du groſſer Wun-
der-Gott/ ſagete Valiſka unter andern; wir ſind ja viel zugeringe aller Barmherzigkeit und Guͤ-
te/ die du uns armen Suͤndern tuhſt/ und wir vielmehr deinen Zorn als Huͤlffe verdienet haben; je-
doch/ damit dein heiliger Nahme geehret werde/ ſo laß nicht abe/ uns weiter zuſchuͤtzen/ und bringe
uns unter der Begleitung deiner Heil. Engel/ in unſer Vaterland. Inſonderheit behteten ſie den
III/ XX/ XXIII/ XXVII/ XXX/ XXXIV/ XL/ XLVI und XCI Pſalm Davids/ und hielten dar-
auff in froͤlicher Gottes furcht das Abendmahl/ da ihr Fuͤhrer mit ihnen zu Tiſche ſitzen
muſte/ dem Valiſka die uͤbrigen Gelder zuſtellete/ und noch 50 Kronen zur Verehrung.
Dieſer ſahe nunmehr/ daß ſie nicht Parthiſche/ ſondern Perſiſche Leute wahren/ welches
ihn doch nicht irrete/ nach dem er vor aller Gefahr gnug ſicher wahr. Weil auch in Herku-
les/ von Artaxerxes ihm gegebenen Freybriefe ausdruͤklich geſetzet wahr/ daß man ihn in
allen Perſiſchen Beſatzungen nach Willen ſolte ſchalten und walten laſſen/ als ob er Arta-
xerxes ſelbſt zugegen waͤhre/ legte Bubazes/ Obriſter des Orts/ bey ſich uͤber/ was vor ein
groſſer Herr dieſer ſeyn moͤchte/ da Herkules zu ihm ſchikte/ mit begehren/ biß an dẽ Mark-
plaz auf ein Wort zu ihm zukom̃en; woſelbſt er ihm anzeigete/ er haͤtte dem Parther Koͤnige
Artabanus einẽ ſchlim̃en Poſſen geriſſen/ dz er ihn unverfolget nit laſſen wuͤrde/ waͤre aber
entſchloſſen/ deſſen an dieſem Orte zuerwarten/ uñ baht/ es moͤchte der Oberſte etliche Leute
außſchickẽ/ daß man in aller ſtille in zwo oder drey folgen den Nachten ſo viel Reuterey als
moͤglich ſeyn wuͤrde/ und das Staͤdlein einnehmen koͤnte/ herein braͤchte/ welches zu ihrer
beyder Ehr und Ruhm außſchlagen ſolte. Bubazes eꝛboht ſich/ auf ſeine Verantwortung
zugehorſamen/ und taht gute anordnung. Unterdeſſen redete Valiſka mit ihrem Wirt/
daß Morgen zeitig ſruͤh ein Kauffman mit guͤlden em und Seidem Gewande/ auch etliche
Schneider herzugefodert wuͤrden/ legte ſich nachgehends mit ihrem Herkules zu Ruhe/
und wahren des Morgens fruͤhe wieder auff/ da ſie vor etliche tauſend Kronen koͤſtliche
Waaren zu Kleidern außnahmen/ die in zween Tagen ſolten verfertiget werden. Dem
alten Wirte ward ſein Pferd und ſeine Eſel mit guten Speiſen wieder beladen/ zu dem
Herkules beim abſchiede ſagte: Mein Freund/ ich moͤchte euch gerne einen guten Ver-
dienſt goͤnnen/ nach dem ich ſehe/ wie ihr die Gelder ſo wol leiden koͤnnet; deßwegen laſſe
ich euch wiſſen/ daß ich eurem Koͤnige Artabanus einen Reuterdienſt erzeiget/ welchen er
mir ohnzweiffel durch nachſchickung etlicher Voͤlker vergelten wil; wuͤrdet ihr nun dieſe
antreffen/ ſo ſaget nur/ ob ſie einen/ Nahmens Valikules ſuchen/ koͤñet ihr ihnen denſelbẽ
nachweiſen/ deſſen ſie euch mit groſſen ſchenkungen lohnen werden/ und da ſie ſolches un-
terlaſſen ſolten/ wil ichs an ihrer ſtat leiſten/ wañ ihr werdet mit uͤberkommen. Mein Herꝛ/
antwortete er/ ſich vor einen Auffſaz befürchtend/ was unter Koͤnigen und groſſen Herren
V u u u u iijvorge-
[894]Vierdes Buch.
vorgehet/ bekuͤm̃ert mich wenig/ je doch wañ euch etliche guter meinung nach folgen wuͤr-
den/ und ich ſie antraͤffe/ wil ich mit uͤberzukommen unvergeſſen ſeyn. Ging hiemit nach
ſeiner Heimat zu/ und gelangete des vierden Tages/ nach dem er von Haufe außgezogen
wahr/ wieder daſelbſt an/ fand auch uͤber vermuhten das Staͤdlein mit Reutern erfuͤllet/
dann dieſes wahr eben der Ort/ wohin Bagophanes ſeine Voͤlker beſcheiden hatte. Er
ſelbſt wahr vor drey Stunden daſelbſt angelanget/ und erwartete ſeiner annoch hinter-
ſtelligen Mannſchaft. So bald der Wirt in ſein Hauß trat/ vernam er/ daß es Koͤnigliche
Voͤlker wahren/ die etliche flüchtige verfolgeten/ ließ ſich bey Bagophanes angeben/ und
ſagte zu ihm; Gnaͤdiger Herr/ ich werde glaubwir dig berichtet/ daß unſer Koͤnig einem
außgeriſſenen Diener nachfragen laͤſſet; wann nun derſelbe Valikules genennet wuͤrde/
koͤnte ich nicht alle in gute Nachricht von ihm geben/ ſondern umb gebuͤhrlichen Lohn eure
Gn. hin zu dem Orte fuͤhren/ da er mit ſeiner Geſelſchaft ſich auffs minſte noch drey Ta-
ge auffhalten wird. Bagophanes ſprang vor freuden auff/ zog eine Handvol Kronen her-
vor/ und ſagte: Guter Freund/ nehmet dieſes zum Bohten Brod vorerſt an/ und leiſtet
mir gebuͤhrliche Traͤue/ die euch mit groſſen Geſchenken ſol vergolten werden; aber lieber/
wo meinet ihr/ daß er anzutreffen ſey? Er iſt vor vier Tagen/ ſagte er/ bey mir ſelb ſechſe
zur Herberge gelegen/ gab ſich vor einen Koͤniglichen Geſanten aus/ der den Feld Herrn
Madates zu loͤfen abgeſchikt waͤhre/ uñ muſte ich ihn des ſicherſten Weges nach einer Peꝛ-
ſiſchen Grenze Stad fuͤhren/ da ich aus ſeinem beginnen wol vernam/ daß er des abtruͤn-
nigen Perſen Bedieneter iſt. Bagophanes kunte ihm laͤnger nicht zuhoͤren/ fragete/ ob er
nicht eine ſchoͤne Jungfer mit ſich gefuͤhret haͤtte. Jener antwortete: Es waͤhre ein ſehr
zartes Menſch/ doch in Mannes Kleidern und Waffen bey ihm/ die er vor ein Weibsbild
hielte/ dan wie ſchmal ſie gleich ſonſt von Leibe und Gliedern/ waͤhre ſie doch ungleich beſ-
ſer gebrüſtet/ als Juͤnglinge zu ſeyn pflegeten; ihr Angeſicht/ Halß und Haͤnde/ ſagte er/ ſa-
hen braͤunlich/ als von der Sonnen gebrant/ und ſchien doch einer angeſtrichenen Farbe
viel aͤhnlicher/ welches ich abnahm/ als ſie einsmahls den Arm zimlich weit außſtreckete/
und an demſelben eine dermaſſen weißlichte Klarheit erſchien/ als nie keinem Menſchen
mag zu Geſichte kommen ſeyn. Ihr bringet mir die angenehmſte Zeitung von der Welt/
ſagte Bagophanes/ und tuht mir leid/ daß ich meine Voͤlker nicht beyſammen habe; doch
weil des folgenden Morgens er nur 2000 miſſete/ und 16000 bey ſich hatte/ brach er mit
denen auff/ ritte den ganzen Tag und die folgende Nacht ohn auffhoͤren/ biß er die Perſi-
ſchen Grenzen erreichete/ daſelbſt/ bey gutem angetroffenen Futter den Tag uͤber ruhete/
und bey lichtem Mondenſchein nach mitternacht auffbrach/ erreichete die Perſiſche Stad
vor der Sonnen Auffgang/ und legte ſich hinter einen langgeſtrekten Huͤgel/ welcher mit
dickem Geſtraͤuche bewachſen wahr/ daß man in der Stad ſeine Voͤlker nicht ſehen kunte.
Nach Auffgang der Sonnen/ ſchickete er einen Trommeter hinein/ und begehrete vor ſich
als ein Koͤniglicher Geſanter Freyheit/ hinein zu kommen/ umb etwas bey dem Obriſten
zu werben. Dieſes ward Herkules als bald zu wiſſen getahn/ welcher begehrete/ daß der
Trometer eingelaſſen/ und die Wache gar ſchwach und unanſehnlich beſtellet/ inſon der-
heit die Reuterey heimlich gehalten wuͤrde. Auch ließ man einen veꝛſchlagenen Kriegs-
knecht in Bauren-Kleidern heimlich außlauffen/ umb zuvernehmen/ was vor Voͤlker etwa
in der
[895]Vierdes Buch.
in der naͤhe moͤchten verhanden ſeyn/ welcher alles in Augenſchein nam/ uñ guten Bericht
einbrachte. Der Trometer ward mit guter Antwort abgefertiget/ und ſtellete ſich Bago-
phanes ſelb zehne ein/ ſeine Werbung abzulegen/ der von ſeinem Trometer ſchon berichtet
wahr/ wie ſchlecht die Beſatzung waͤhre/ welches er auch mit ſonderlicher Luſt alſo befand/
nach Bubazes Hauß ritte/ und ihn alſo anredete: Mannhafter Obriſter; mein Groß-
maͤchtigſter Koͤnig Artabanus hat mich in aller Eile bißhieher abgefertiget/ eineꝛ ihm duꝛch
Liſt entfuͤhrten Fraͤulein diß Schreiben einzureichen/ und weil ich als gewiß berichtet bin/
daß dieſelbe ſich an dieſem Orte auffhalte/ bitte ich freundlich/ mir ſolches zuverguͤnſtigen/
und daß zugleich bey derſelben ich meine kurze Werbung ablegen moͤge. Das iſt ein ver-
waͤgenes Anmuhten/ antwortete Bubazes/ in Feindes Stad denen nachzufragen/ die ſich
vielleicht in Perſiſchen Schuz moͤchten begeben haben. Iſt aber das Fraͤulein/ von welcheꝛ
mir nichts bewuſt/ wie der ihren Willen entfuͤhret? wie ich nicht anders weiß/ ſagte Ba-
gophanes. Wie dann/ und auff was Weiſe? fragete Bubazes weiter; und kan dieſer eu-
er Koͤnig nicht ein Fraͤulein in ſeiner Feſtung ſchuͤtzen/ wie wil er dan ſo weitlaͤuftige Land-
ſchaften im Zaum und Gehorſam halten/ die er ehmahls unterdruͤcket hat? Ich bin nicht
befehlichet/ ſagte er/ hieruͤber einigen Zankſtreit mit jemande zu halten/ aber das Fraͤulein
betreffend/ haͤlt man davor/ daß ſie durch Zaͤuberkuͤnſte hinweg gefuͤhret ſey. Durch Zaͤu-
berkuͤnſte? ſagte Bubazes mit einem Gelaͤchter; da gleich Valikules zur Tuͤhr hinein trat/
ſtellete ſich/ als waͤhre ihm des Hoffmeiſters Ankunft allerdinge unbewuſt/ und verwun-
derte ſich uͤber ſeiner Gegenwart/ gruͤſſete und empfing ihn gar hoͤflich/ mit erbieten/ ihm
alle moͤgliche Dienſte zuerweiſen/ weil er ihm neulich bey ſeinem Koͤnige Gnade und ver-
zeihung erworben/ wovor er ſich ihm ſchuldig erkennete. Der Auffzug ſchmerzete dieſen
ſehr/ hielt ſich ernſtlich/ wolte ihn nicht anſehen/ und ſagete: Nach dem ich in Feindes Ge-
biet mich befinde/ muß ich billich nach deſſen Willen mich verhalten/ bin aber bißher ge-
wohnet/ meinem Herrn auffrichtig uñ traͤulich zu dienen/ auch deſſen Schimpf uñ Scha-
den zuverhuͤten. So ſeid ihr auch ein redlicher Diener/ antwortete Valikules/ und wer an-
ders dienet/ der verdienet/ daß ihn alle Welt haſſe; aber wie befindet ſich mein Herr ſo un-
vermuhtlich an dieſem Orte/ da ich ihn doch neulicher Zeit weit von hinnen zu Charas ge-
ſprochen? Mein Herr/ antwortete ihm Bubazes/ es ſol dem Parther Koͤnige ein Fraͤu-
lein entfuͤhret ſeyn/ die er gerne ſprechen wolte/ weil er der Meinung iſt/ ſie halte ſich dieſes
Orts auff; und nimt mich wunder/ daß dieſer Koͤnig nicht eine einige aus ſeinem Frauen-
zimmer miſſen wil/ deren er/ gemeiner ſage nach/ ganze Haͤuſer und Schloͤſſer vol hat. Der
Spot taht Bagophanes weh/ und wahr ihm leid/ daß er nicht alsbald die Gewalt gebrau-
chet hatte/ durffte doch nicht unguͤtlich antworten/ ſondern baht/ ihn mit Schimpfworten
wieder ſeinen Koͤnig nicht zubelaſten/ deſſen Tuhn und laſſen zuverantworten er nicht auß-
geſchikt waͤhre; ſo haͤtte ſein Koͤnig als der allergroͤſte Welt Herr bißher niemand rechen-
ſchaft geben duͤrffen/ moͤchte demnach auff ſein Anſuchen gerne Antwort hoͤren. Ich achte
eures Gewaͤſches wenig/ ſagte Bubazes/ ſo weiß ich auch von keiner fremden Fraͤulein/ die
ſich alhie auffhalte/ koͤnnet alſo weiter zihen/ und Nachforſchung tuhn. Doch mein Herr/
antwortete er/ ſie iſt ohn zweiffel nicht weit von hinnen/ dann gegenwaͤrtiger Valikules/
hat ſie entfuͤhret. Ich? Bagophanes/ ſagte er; woher wiſſet ihr daß? zwar ich geſtehe/ dz
ich
[896]Vierdes Buch.
ich eine Kraͤmerin mit mir von meiner gebietenden Fraͤulein Schloſſe gefuͤhret; iſt aber
hochgedachtes Fraͤulein zugleich mit entſprungẽ/ werdet ihr dieſelbe nicht bey Valikules/
ſondern bey dem Groß Fuͤrſten der Teutſchen/ Herrn Herkules antreffen. Doch ſolte eu-
rer Meinung nach/ ich dieſelbe entfuͤhret haben/ wie haltet ihr mich dann ſo veraͤchtlich/
daß ihr bey dieſem Herrn ſuchet/ welches doch nicht in ſeiner/ ſondern in meiner macht ſte-
hen wuͤrde? Zwar dieſer Herr kan euch wol freien Zu- und Abzug verſtatten/ aber das uͤ-
brige/ wie geſagt/ müſte bey mir geſucht werden. Dieſer hoffete/ es wuͤrde Bubazes ſolche
ihm nachteilige Rede verantworten/ weil es aber nicht erfolgete/ ſagete er: Es gilt mir
endlich gleich/ von wem ichs erhalte/ wann ich meines Anſuchens nur gewehret werde.
Wolan/ ſagte Herkules/ ihr habt mir neulich einen freien Zutrit zu Artabanus gemacht/
darumb wil ich euch wiederumb dienen/ und mich bemuͤhen/ ob Groß Fürſt Herkules euch
das Fraͤulein wolle ſehen laſſen. Ging hie mit nach ſeiner Herberge/ ſtellete ſich neben Va-
liſken in ſeiner wahrhafften Geſtalt/ und legeten ihre neugemachten Kleider an/ die eines
Zeuges wahren/ als ein Himmelblaues Seiden Tuch/ mit ſchoͤnen ſilbern Blumwerk.
Sie hatten zween verguͤldete Stüle mit guͤldenem Stuͤk behaͤnget/ hinter ihnen ſtunden
Gallus und Timokles in voller ſchimmern der Ruͤſtung mit bloſſen Schwertern/ und zu
beyden Seiten die Perſiſchen aͤdelknaben Ochus und Darius/ in guͤldenem Stuͤk geklei-
det. Herkules ließ ſein Goldgelbes Haar uͤber die Schuldern hangen; das Fraͤulein aber
hatte ihres in Geſtalt einer Kronen auffgebunden/ und hielten jedweder einen ſchneweiſ-
ſen Helffenbeinen Stab mit Golde beſchlagen/ in der Hand. Valiſka ſendete Darius in
ihrem Nahmen nach Bubazes/ mit bitte ſie zubeſuchen/ und den Koͤniglichen Geſanten
mit ſich herzufuͤhren. Nun hatte dieſer Obriſter noch von ihr keine Wiſſenſchaft/ viel we-
niger/ daß Valikules der Groß Fuͤrſt Herkules waͤhre/ wie wol er aus den gefühteten Re-
den argwohnete/ er würde ſich in der Stad heimlich auffhalten/ biß Darius ihn deſſen an-
jezt verſtaͤndigte/ und er groſſe Begierde bekam/ dieſem treflichen Fürſten auffzuwarten/
daher er zu Bagophanes ſagete: Herr Geſanter/ wann es euch beliebet/ iſt das geſuchte
Fraͤulein jezt muͤſſig/ euch zu hoͤren; ging auch alsbald mit ihm hin. Als ſie nun auff das
Gemach traten/ und Bubazes dieſe zwo herliche Fuͤrſtenbilder ſahe/ ſetzete er ſich vor ihnẽ
auff die Knie/ und baht untertaͤhnigſt umb verzeihung/ ſeineꝛ aus unwiſſenheit begange-
nen unhoͤfligkeiten/ weil ihrer Durchll. Anweſenheit ihm allerdinge verborgen gewe-
ſen; Herkules aber antwortete ihm: Mein lieber Freund/ tuht uns keine Beſchimpfung
durch euer niderknien; ich erkenne euch an dieſem Ort vor den/ welcher an ſtat des Groß-
maͤchtigſten Groß Fuͤrſten Artaxerxes dieſe Beſatzung verſihet. Bagophanes hatte das
Fraͤulein in der naͤhe nie geſehen/ und befand ihre Schoͤnheit ſo beſchaffen/ daß ſie der
Nachfrage wirdig waͤhre. Sie hatte ein koͤſtliches Kleinot mit Artabanus Bruſtbilde am
Halſe/ welches ihr zwiſchen den erhabenen Bruͤſten herunter hing; ihre Kehle war bloß/
wie auch der rechte Arm/ biß an den Ellebogen/ welchen Herkules mit ſeiner Linken umb-
ſaſſete/ und machte ihre ernſthaffte verhaltung den Geſanten ſo beſtuͤrzet/ daß alle vorbe-
dachte Rede ihm entfiel/ inſonderheit/ da er den treflichen Fuͤrſten neben ihr ſitzen ſahe; end-
lich trat er hin vor das Fraͤulein/ ſetzete ſich nieder auff ein Knie/ und fing alſo an: Unver-
gleichliches Fraͤulein/ es hat mein allergnaͤdigſter Koͤnig. Er wolte in ſeiner Rede fortfah-
ren/
[897]Vierdes Buch.
ren/ aber das Fraͤulein ſahe ihn zornig an/ und ſagte: Was ſeid ihr vor ein blinder Geſan-
ter? ſehet ihr dieſen vortreflichen Fuͤrſten nicht/ oder aber haltet ihr ihn einiges Gruſſes
unwirdig? ſo packet euch bald von hinnen/ oder ich werde euch Fuͤſſe machen; mein aller-
gnaͤdigſter Koͤnig Artabanus wird euch trauen nicht befohlen habẽ/ dieſelben zubeſchimp-
fen/ ſo mir lieb und angenehm ſind/ dann ſo lange ſeiner Koͤnigl. Hocheit ich Kundſchafft
gehabt/ habe ich nie gemerket/ dz er ſeine Diener zur unhoͤfligkeit angehalten haͤtte. Bago-
phanes antwortete: Durchlenchtigſtes Fraͤulein/ nachdem ich eines groſſen Koͤniges Ge-
fanter bin/ wil mir nicht gebuͤhren/ mich vor anderen zu demuͤhtigen/ als denen zuleiſten
ichs befehlichet bin; ſo kenne ich auch dieſen Fuͤrſten nicht/ und habe ihn weder geſehen
noch ichtwas von ihm gehoͤret. Herkules fing hierauff an: Hoͤchſtgeliebte Frl. Waſe und
Schweſter/ eure Liebe wollen ſich hieran nit irren; Bagophanes hat nicht ſo gar unrecht
geredet/ auch mich nie als Groß Fuͤrſt Herkules/ aber wol als den verſtelleten Valikules
gekennet. Dieſer hoͤrete eigentlich daß es Valikules Stimme wahr; ſo fiel ihm auch Ma-
dates Rede ein/ wunderte ſich ſehr/ und ſagte: Durchleuchtiger Fuͤrſt/ dafern ihre Gn. der
ehmahlige Valikules iſt/ bitte ich/ mir zu verzeihen; vor meine Wenigkeit habe ich ohn
ſchmeicheley ihre Gn. in meinem Herzen alle mahl hoͤher geachtet/ als ſie ſich an gegeben/
waͤhre auch bereit geweſen/ derſelben nach aͤuſſerſtem vermoͤgen alle Liebes und Freund-
ſchaftdienſte zu erweiſen/ deſſen ich die Goͤtter zu Zeugen ruffe; doch wird mir niemand
verdenken/ daß wegen des groſſen unterſcheids/ welcher an euer Gn. und des Valikules
Angeſicht erſcheinet/ ich in zweiffelhafter Verwunderung ſtehe. Solcher zweifel/ antwor-
tete Herkules/ kan euch in keinen ungleichen Verdacht bringen/ moͤget auch wol verſichert
ſeyn/ daß ich noch dieſe Stunde erboͤtig bin/ euch allen moͤglichen Willen zuerzeigen; aber
woher ſol meine Frl. Waſe verſichert ſeyn/ daß Koͤnig Artabanus euch ihretwegen abge-
fertiget/ geſtaltſam ihr deſſen noch den allergeringſten Beweißtuhm nicht gefuͤhret habet.
Durchleuchtiger Fůrſt/ antwortete er/ ich habe zwar von meinem Koͤnige ein Schreiben
an das Durchl. Fraͤulein/ weiß aber nicht/ ob ichs werde uͤbergeben duͤrffen/ weil ich leicht
ermaͤſſen kan/ daß des Valikules nicht zum beſten darinnen mag gedacht werden. Daß
hin dert mich nicht/ ſagte Herkules; Ich habe ſchon unter meinem wahren Groß Fuͤrſtli-
chen Nahmen von Artabanus ſchimpffs gnug einnehmen muͤſſen/ warumb ſolte mirs
dann in Knechtes geſtalt nicht begegnen? Uberdas ſeid ihr ein Diener/ und habt eures
Koͤniges Schreiben nicht zubeantworten. Hierauff reichte or dem Fraͤulein das Schrei-
ben/ und baht untertaͤhnigſt umb genehme Antwort; welches ſie mit ehrerbietung annam/
fleiſſig durchlaſe/ und mit einem ſanften Lachen zu Herkules ſagete: Durchl. Herr Oheim
und Bruder/ mein gnaͤdigſter Koͤnig erzeiget in dieſem Schreiben/ als viel mich betrifft/
Koͤnigliche Wirdigkeit/ finde auch keine ſonderliche Schmachreden auff Valikules/ ohn
daß er ihm die Baktrianiſche Zaͤuberkunſt zuleget/ worin er aber weit irret/ maſſen mich ja
der Wind nicht vom Schloſſe gewehet/ ſondern bin mit gutem vorbedacht mitten durch
die Wachten/ mit vermahletem Angeſicht/ in Kraͤmerkleidung davon gangen. Durchl.
Frl. Waſe/ ſagte Herkules; ob Artabanus mich vor einen Zauberer halte/ mag er wiſſen/
aber alsdann müſte er mir nicht eine Kinderruhte binden/ ſondern ein Feur anzuͤnden
laſſen/ mich zuverbrennen/ welches ich dann viel lieber als die Knabenzuͤchtigung erleiden
X x x x xwuͤr-
[898]Vierdes Buch.
wuͤrde; doch ſind ſeine ausgeſchikte Zuchtmeiſter noch nicht recht gelehret/ die Ruhte zu
fuͤhren/ deswegen man ihnen ſolche hat muͤſſen zu koſten geben. Warnet aber euren Koͤnig/
Herr Bagophanes/ daß er des dinges nicht mehr vornehme/ dafern er nicht wil/ daß allen
ſeinen Rittern und Feld Obriſten/ deren mein Bruder Koͤnig Ladiſla und ich habhaft wer-
den/ ein gleichmaͤſſiges widerfahren ſol. Zwar ich habe Artabanus biß dahin vor einen Koͤ-
nig gehalten/ aber nunmehr duͤrffte ich ſchier auff die Gedanken gerahten/ er waͤhre ein
Schulmeiſter. Jedoch/ daß ich den Geſanten nicht zu lange auffhalte/ ſo wird meine Frl.
Schweſter ihm eine Antwort nach ihrem freyen Willen erteilen/ welche ich ſtets gut heiſ-
ſen wil. Ja mein Freund Bagophanes/ ſagte ſie hierauff; meines gnaͤdigſten Koͤniges
Schreiben habe ich mit gebuͤhrlicher Ehrerbietung verleſen/ nicht anders/ als ob ich añoch
auff ſeinem Schloſſe gefangen waͤhre; daß ich aber ſo furchtſame ertichtete Antwort/ als
damahls/ von mir geben ſolte/ bin ich nicht willens; deswegen hoͤret meine Erklaͤrung:
Vorerſt hat mein Koͤnig mit dieſem Schreiben mich aller vorigen Zuſage ganz loßgeſpro-
chen/ wie ich ſolches mit ſeiner eigenen Hand auffzulegen habe. Zohe hiemit Artabanus
Verſicherungs-Schreiben hervor/ deſſen in dieſem Vierden Buche am 805 Blade mel-
dung geſchehen/ gabs Bagophanes zuleſen/ und ſagte weiter: Ob ich nun dieſes gleich nit
anfehen wolte/ wie ichs auch nunmehr nicht anſehe/ ſo muß abeꝛ doch mein und eueꝛ Koͤnig
durchaus wiſſen/ daß ich keines geringen Standes noch von ſolchen Eltern entſproſſen bin/
denen in Anſehung Koͤnig Artabanus ich Gehorſam verſagen ſolte/ ſondern muß durch-
aus zu meiner Fr. Mutter reiſen/ und deren Bewilligung einhohlen/ als dann wird Euer
Koͤnig unbeſchweret ſeyn/ entweder ſelbſt oder durch wirdige Geſanten umb mich zuwer-
ben/ und zuvernehmen/ ob meine Fr. Mutter/ und andere Koͤnigl. und Hoch Fuͤrſtl. An-
verwanten einwilligen koͤnnen/ und vielleicht nicht ſchon einem andern mich verſprochen
haben/ welches ich eigentlich nicht wiſſen kan. Dieſes alles/ mein Freund Bagophanes/ re-
de ich trauen nicht als eine verzauberte/ ſondern aus wolbedachtem Muht/ ſo daß mein Koͤ-
nig die Einbildung der Baktrianiſchen Kunſt wol mag fahrẽ laſſen; welches ſeiner Hocheit
zu hinterbringen/ ihr unbeſchweret ſeyn/ und nebeſt freundlicher Begruͤſſung ihn aller mei-
ner moͤglichen Ehrendienſte verſichern wollet; andere Antwort ſol auch der Tod ſelbſt aus
mir nicht bringen/ es waͤhre dann/ daß euer Koͤnig mich dereins/ weil ich noch unverhey-
rahtet/ mit dem Schwert gewuͤnne/ dann ſolches erkennet auch meine Fr. Mutter zum O-
ber Herrn. Dieſe lezten Worte machten Bagophanes muhtig/ bildete ihm auch ein/ er haͤt-
te dieſe Bedingung ſchon ſo gut als erfuͤllet/ und antwortete alſo: Durchl. Fraͤulein/ nach-
demmahl Euer Durchl. nicht gefaͤllet/ mir andere Erklaͤrung mitzuteilen/ ungeachtet mein
aller gnaͤdigſter Koͤnig ein beſſers gehoffet haͤtte/ muß ich mit dieſer zufrieden ſeyn/ zweifele
nicht/ mein unuͤberwindlichſter Koͤnig werde eine oder andeꝛe Bedingung einzugehen/ ſich
ſchleunig erklaͤrẽ/ maſſen Eure Durchl. ich wol verſichern kan/ dz von deren Liebe abzulaſſẽ/
ſeiner Hocheit unmoͤglicher iſt/ als ſich ſelbſt zuhaſſen. Des Großmaͤchtigſten Koͤniges gu-
te Zuneigung gegen mich/ habe ich wol geſpüret/ ſagte ſie/ werde ihm auch nicht zuwider
ſeyn/ wann er obbenahmete Bedingung auff ſich nimt; aber als eine von Raͤubern gefan-
gene/ und hernach verſchenkete Leibeigene/ goͤnne ich mich keinem Menſchen nimmermehꝛ.
Hiemit nam Bagophanes Abſcheid/ und rief Herkules ihm nach: Lieber warnet euren
Koͤnig/
[899]Vierdes Buch.
Koͤnig/ daß/ wo es ihm umb meine Frl. Waſe im Ernſt zutuhn iſt/ er die vorgemeldete Be-
dingungen nicht auff die lange Bank ſchiebe/ es duͤrffte ihm ſonſt ein ander in den Schnit
fallen/ geſtaltſam meine Frl. Waſe der Schoͤnheit und des Alters iſt/ daß ſich wol in kur-
zem ein Freyer finden dürffte/ da es dann zu heiſſen pfleget/ der erſte fuͤhret die Braut vom
Tanze. Das iſt eine wolgemeynete Erinnerung/ antwortete er/ deren ich mit allem Fleiß
werde eingedenke ſeyn; machte ſich eilends zu ſeinen Voͤlkern/ und redete ſie alſo an: Nun
friſch auff/ ihr meine lieben Soͤhne und Bruͤder; jezt hat das guͤnſtige Glük uns den Weg
geoͤffnet/ nicht allein den unſerm Koͤnige angelegten Schimpff zuraͤchen/ ſondern deſſen
hoͤchſte Gnade zuerlangen/ mehr als wir ſelbſt wuͤnſchen moͤgen; ſehet da/ das elende Staͤd-
chen/ mit einer ſchwachen Maur und untieffen ſchmalen Waſſer Graben umgeben; in
dieſem befindet ſich unſers Koͤniges entfuͤhrtes Fraͤulein wider ihren Willen; dann nach-
dem die ihr angelegte Verzauberung ihre Wirkung geendet/ und ſie wieder zu vorigem
Verſtande kommen/ ſuchet und wuͤnſchet ſie nichts mehr/ als durch uns gerettet zuwerden;
Ich weiß/ daß ſie alle Augenblicke zaͤhlet/ und horchet/ ob nicht das Sturmgeſchrey ange-
he/ die Tohre gebrochen/ die Mauren erſtiegen/ und ſie aus des boßhafften Raͤubers Haͤn-
dẽ entriſſen werde. So faſſet nun ein Herz/ uñ wagets auf gut Parthiſch: Unſere Schwer-
ter ſollen in einer Stunde wieder erſtreitẽ/ was unſerm Koͤnige lieber als ſein halbes Reich
iſt/ und werden wir nichts ſo ſehr beklagen/ als daß dieſe unſchazbahre Beute uns ſo wenig
Mühe/ Arbeit und Blut gekoſtet hat; Das Staͤdchen iſt mit ſchlechter Beſatzung verſe-
hen/ welche wir als einen Mann auffreiben wollen. Hierauff ordente er 300 Reuter/ die
des ganzen Heers Pferde hüten ſolten/ die uͤbrigen alle begaben ſich zu fuſſe/ hieben jedwe-
der einen groſſen Strauch aus dem dicken Gepuͤſche abe/ legtens auff die Schulter/ und
lieffen damit der Stad ganz raſicht zu. Herkules ließ alle oͤrter durch Buͤꝛger und Kriegs-
knechte durch einander vermiſchet/ aufs beſte beſetzen/ deren Anzahl in 3500 Mann beſtund/
die Reuterey aber ſamlete er in allen Gaſſen 6000 ſtark/ und machte ihnen gute Hoffnung
zur Beute/ redete endlich Bubazes alſo an: Es iſt ohn Noht/ mein Freund/ daß ich euch
zur Manheit auffmahne/ an welcher/ angeſehen euer Groß Fuͤrſt euch dieſen Platz anver-
trauet/ ich im geringſten nicht zweifeln ſol; daß wir aber unſerer Sachen einig ſeyn/ und ei-
ner dem andern die hülffliche Hand bieten koͤnne/ iſt dieſes mein Vorſchlag/ welcher uns
ohn zweifel den herlichen Sieg gebehren ſol; ſtellet euch verzaget/ und laſſet den Feind na-
he gnug kommen/ verberget auch die Manſchafft als beſt ihr koͤnnet/ biß ihr ſehen werdet/
den Feind guten teils uͤber den Graben gelauffen ſeyn/ dann gebet mir ein Zeichen; und
wann ich mit ihnen in voller Arbeit ſeyn werde/ ſo muͤſſen Pfeile und Steine auf den Mau-
ren nicht feyren/ welche an 1500 Mann Schutz gnug haben/ die uͤbrigen 2000 behaltet bey
euch zum Ausfall/ an was Ort ichs begehren werde; als dann wollen wir dieſe verwaͤgene
dergeſtalt daͤmpffen/ daß ihnen der Kitzel bald vergehen ſol. Hierauff teilete er die Reute-
rey in zween gleiche Hauffen/ deren einen er Gallus untergab/ mit befehl/ weſſen er ſich veꝛ-
halten ſolte. Bubazes wahr kaum auff die Zinnen geſtiegen/ da er den Feind ſchon ſahe an-
kommen/ nicht anders als ob der Wald zugleich mit ihnen fortgangen waͤhre/ uñ gedauch-
te ihn die Zahl wegen der Straͤucher viel groͤſſer als ſie wahr. Als Herkules ſeine Waffen
anlegete/ hielt das Fraͤulein inſtaͤndig umb Verguͤnſtigung bey ihm an/ daß ſie mit ausfal-
X x x x x ijlen
[900]Vierdes Buch.
len moͤchte/ welches ihr aber Herkules mit dieſen Worten abſchlug: Mein teures Herz/ ich
bitte durch Gott/ von dieſem Vorhaben abzuſtehen/ und durch eure Gefahr nicht zuverur-
ſachen/ daß ich mehr auff Beſchützung eurer/ als Abtreibung der Feinde muͤſte bedacht
ſeyn; bedenket/ wie einen betruͤbten Herkules eure Verwundung machen wuͤrde/ durch
welche eure Schoͤnheit auch nur im geringſten ſolte verletzet werden; einmahl iſt gewiß/ dz
Gott keinen gefallen daran traͤget/ wann man ſich in unnoͤhtige gefahr begiebt; Laſſet euch
demnach/ bitte ich/ dieſe meine Abmahnung zu Herzen gehen/ und machet mich in dieſem
Stuͤcke gluͤkſelig. Valiſka umfing ihn auff ſolche Rede gar freundlich/ und nach gegebe-
nem Kuſſe ſagte ſie: Ich bitte von ganzer Seele/ mein hoͤchſtwerdeſter Schatz wolle mir
dieſen unbedachtſamen Frevel verzeihen/ und es meiner unbeſonnenen Jugend/ nicht der
Widerſpenſtigkeit zuſchreiben; nach dieſem werde ich behutſamer ſeyn/ und nicht bitten/ e-
he ich bedacht habe. Ich wil dieſes/ geliebts Gott/ auff meine gluͤkliche Wiederkunfft be-
antworten/ ſagete Herkules/ jezt werde ich hinmuͤſſen/ und vernehmen/ wie geſchikt der
furchtſame Bagophanes ſey/ mir dieſen Schaz zunehmen/ den mein Gott ſo weit ſchon in
Sicherheit gebracht hat. Nun hatte gleichwol derſelbe unter ſeinen Voͤlkern gute Anord-
nung gemacht/ dann es wahren verſtaͤndige Haͤuptleute unter ihnen/ welche die Knechte
anfuͤhreten/ daß ſie den Graben mit ihrem Reiſig und darauff geſchuͤttetem Sande und
Steinen an fuͤnff Orten ausfuͤlleten/ und friſch hinuͤber lieffen/ ſich des Stad Tohrs zube-
maͤchtigen. Es geſchahe ihnen an ihrer Arbeit keine Hindeꝛung/ ſondern zum ſcheine ſchoß
man etliche unſchaͤdliche Pfeile heraus/ und wahr in der Stad verordnet/ daß etliche Wei-
ber und Kinder hinter der Maur ein klaͤgliches Geheule anfahen muſten/ als ob die Stad
ſchon erſtiegen waͤhre; welches der Feind hoͤrend/ kaum abwarten kunte/ daß der Weg ü-
ber den Graben fertig wahr. Jedoch ſahe ſich Bagophanes nach art der furchtſamen wol
vor/ ließ 4000 den Sturm antreten/ und ſtellete ihnen 3000 zum Entſatz/ dafern ſie abge-
trieben wuͤrden; die uͤbrigen 9000 behielt er auſ begebenden fall bey ſich in guteꝛ Ordnung/
doch (welches ihm den groͤſten Schaden taht) alle zu fuſſe/ weil er ihm nicht kunte traͤumẽ
laſſen/ daß Reuterey in der Stad waͤhre. Der erſte. Hauffe bemuͤhete ſich ſehr/ das Tohn
zuer halten/ aber wann ſie zu nahe traten/ wurden ſie mit den herunter gewalzeten Steinen
dergeſtalt empfangen/ daß ſie in den ewigen Schlaff gerieten; ſo mangelte es ihnen an
Feur und noͤhtigem Sturmzeug/ hatten weder Hacken noch Axten bey ſich/ nur daß ſie mit
groſſen Baͤumen wider das Tohr lieffen/ biß es endlich begunte baufaͤllig zu werden. Auch
wahren noch etliche tauſend mit ihrem Geſtraͤuch uͤbrig/ welche ſolches an die Maur lege-
ten/ und mit Erde uͤber ſchuͤtteten/ dz in kurzer Zeit ſie dieſen Zutrit faſt der Mauren gleich
erhoͤheten. Herkules dauchte nunmehr Zeit ſeyn/ den Ernſt zugebrauchen/ und ließ einen
friſchen Perſiſchen Obriſten/ namens Orobates mit 1000 Pferden von Suden her aus-
fallen/ welcher die zum Entſatz verordnete 3000 antraff/ mit denen er ſich rechtſchaffen ab-
wetzete/ und ſie von dem Graben gegen ſich zog/ weil ſie aber ganz verwaͤgen zu ihm ein-
drungen/ und mit Pfeilen ihm drange gnug tahten/ ſchikte ihm Gallus 500 Reuter zum
Entſatz/ vor deren Ankunfft die Feinde nicht wenig erſchraken. Inzwiſchen gingen Stei-
ne und Pfeile von der Maur gewaltig auff den Feind loß/ daß ſie weder zum Tohr noch
zur Maur nahen durfften/ ſondern zurükuͤber den Graben drungen/ da ihrer 300 erſoffen.
Her-
[901]Vierdes Buch.
Herkules nam auff ſolchen gluͤklichen Anfang mit Bubazes Abrede/ wie ers halten ſolte/
ging von Norden mit allen ſeinen 3000 Pferden auff Bagophanes an/ welcher nunmehr/
aber zuſpaͤt beklagete/ daß er die Pferde hatte zuruͤcke gelaſſen/ ging deswegen mit ſeinen
Voͤlkern hinter ſich/ ob er einen Teil der ſeinen beritten machen koͤnte/ aber Herkules ließ
ihn den Weg mit 800 Pferden ablauffen/ und drang mit den uͤbrigen hefftig auf den Feind
hinein. Weil auch Orobates begunte getrieben zuwerden/ entſetzete ihn Gallus mit ſeinen
1500 Pferden/ welche in zimlicher Ausbreitung auff den Feind traffen/ und auch an die-
ſem Orte alles wieder gut macheten. Endlich fiel auch Bubazes mit 1500 Schuͤtzen zu fuſ-
ſe aus/ welche von fornen zu dergeſtalt mit ihren Pfeilen traffen/ daß es gewaltig uͤber die
Parthen ging/ doch weil Herkules eine ſchaͤdliche Vermiſchung der Voͤlker beſorgete/ ließ
er alle Reuter hinter ſich weichen/ foderte die uͤbrigen zu fuſſe/ biß auff 200 nahe/ alle aus
der Stad/ machte eine neue anſehnliche Schlachtordnung/ da er mit ſeinen Reutern zur
Rechten/ Gallus aber zur Linken/ und Bubazes mit den Fußknechten in der Mitte hielt.
Bagophanes wahr mit den ſeinen zwiſchen der Stad und den Perſen eingeſchloſſen/ und
zwar in ſolcher Enge/ daß er kaum Platz hatte/ ſeine Leute zuordnen/ da die verſtaͤndigen
Obriſten und Hauptleute/ ihm ſchon verweißlich vorhielten/ daß er ſie nicht allein ihrer
Pferde beraubet/ ſondern nicht eins nachgeforſchet haͤtte/ wie ſtark die Feinde waͤren. Doch
ſamlete ein jeder Obriſter ein Haͤuflein um ſich/ ſo gut er kunte; Die unſerigen gingen gar
eiferig auff ſie loß/ und traff Herkules auff Bagophanes/ der 800 umb ſich hatte/ welche
nach kurzem Gefechte zuſtreuet wurden/ und Herkules zu ihrem Heerfuͤhrer ſagete: Erge-
bet euch meiner Gnade/ Bagophanes/ ſo wil ich euch der vorigen Kundſchafft genieſſen
laſſen. Dieſer nam ſolches willig an/ warff ſein Gewehr von ſich/ und ließ ſich gefangen
hinfuͤhren/ welches ſeine Voͤlker erſehend/ auch umb Gnade rieffen/ und das Gewehr von
ſich legten. Es hatte dieſes Treffen kaum eine Stunde gewehret/ da wahr der Sieg voͤllig
erhalten/ und ließ Herkules vom Streit abblaſen/ ward auch faſt im Augenblik das Blut-
vergieſſen geſtillet/ und muſte Gallus mit 800 Mann hinreiten/ des Feindes Pferde in Hut
zunehmen/ biß er folgen wuͤrde. An Feindes ſeiten wahren 4000 erſchlagen/ und 12000
gefangen/ dann die Pferde Huͤhter ergaben ſich Gallus gleich bey ſeiner Ankunfft. Herku-
les ging auch mit 500 Reutern dahin/ und ließ zum Gepüſch hinein ruffen/ daß wo etliche
ſich drinnen verſtecket haͤtten/ ſolten ſie alsbald hervor kommen/ oder eines ſchaͤndlichẽ To-
des ſterben; aber nur etliche Troßbuben funden ſich an. Jungfer Kleofis/ und Herkules
neulicher Parthiſcher Wirt/ nach dem ſie der ihren Niderlage gemerket/ hatten ſich aus
Angſt in eine Hecke verkrochen/ und befrageten ſich/ wie ſie es halten wolten; da der Wirt
ſagete: Ich wil mich meinen ehmahligen Gaͤſten ergeben/ von denen ich alle Gnade ver-
hoffe; Und ich/ ſagte Kleofis/ wil lieber in meiner gnaͤdigſten Fraͤulein Dienſte wieder ein-
treten/ als den wilden Tihren hieſelbſt zur Speiſe dienen; machten ſich auch eilig hervor/
und lieſſen ſich gefangen nehmen/ welche alsbald Herkules zugefuͤhret/ und von ihm gnaͤ-
dig angenommen wurden. Die Feindes-Pferde wurden alle nach der Stad getrieben/ da
ſie als eine freye Beute ſolten ausgeteilet werden; welches bald geſchahe/ da jedem Reuter
und Fußknecht/ auch jedem Buͤrger ein Pferd mit allem Zubehoͤr gegeben ward/ nach dem
die Befehlichs haber zuvor 6000 der beſten ausgeleſen hatten/ von welchen Herkules 800/
X x x x x iijBuba-
[902]Vierdes Buch.
Bubazes 200/ und Gallus 200 wider ihren Willen nehmen muſten. Es hatte an unſer
Seite wenig Blut gekoſtet; Herkules miſſete 60 Mann/ Gallus 120/ und Bubazes 125.
Die ganze Menge der Gefangenen (welche alle anſehnliche ſtarke Maͤñer/ und der Kern deꝛ
Parthiſchen Reuterey warẽ) wurden von 1500 Fußknechten uñ 2000 Reutern bewachet/
dz man haͤtte ſagen moͤgen/ die Maͤñer in groſſer Anzahl waͤren von wenig Kindern gefan-
gen/ welches auch den Parthẽ ſo wehe taht/ dz etliche Befehlichshaber unter ihnẽ ſich ſelbſt
entleibetẽ; Insgemein aber rieffẽ ſie/ es muͤſte Bagophanes verflucht ſeyn/ dz er ſich unteꝛ-
wundẽ haͤtte/ etwas zuleiſten/ dazu er allerdinge ungeſchikt waͤre; Herkules ſelbſt trug mit-
leiden mit ihnẽ/ ritte zu ihnen hin/ uñ redete ſie alſo an: Ihr redliche Soldaten/ dz beſſer ſey/
ein Loͤue zum Führer/ und Haſen zu Kriegsknechten/ als ein Haſe zum Fuͤhrer uñ Loͤuen zu
Kriegsknechten/ ſolches habt ihr heut mit eurem ſchaden erfahren müſſen; ich vor mein
Haͤupt zweifele nit/ dz viel unter euch gefunden weꝛden/ welche düchtiger geweſt waͤhren zu
befehlen/ als euer Feld Herr zugehorſamen/ aber ihr muͤſſet mit dem Gluͤckesfalle zu frie-
den ſeyn/ und danket Gott/ daß ihr nicht meinem Bruder und Oheim Koͤnige Ladiſla/ ſon-
dern mir in die Haͤnde gefallen ſeid/ als der ich willens bin/ dergeſtalt mit euch zu handeln/
daß ihr mein gutes Herz und mitleiden in der Taht ſpuͤren ſollet. Die Gefangenetahten
alle einen Fußfal/ aber keiner unter ihnen wolte ein Wort reden/ aus Furcht/ ſie moͤchten
bey ihrem Koͤnige als meinaͤidige angetragen werden/ und ließ ihnen Herkules Brod und
Waſſer zur Labung mitteilen; er erfuhr aber ohngefehr/ daß noch 2000 Parthiſche
Reuter zuruͤk waͤhren/ denen er einen geherzeten Perſiſchen Obriſten nahmens Bahyſthe-
nes mit 3500 Pferden entgegen gehen ließ/ welche ſie nach verlauff drey Stunden antraf-
fen/ und als ermuͤdete leicht uͤber waͤltigten/ ſo daß ſie deren 600 erſchlugen/ und 1400 mit
ſich gefangen fuͤhreten/ jedoch auch 240 einbuͤſſeten. Herkules ritte mit Bagophanes uñ
Bubazes nach ſeiner Herberge/ da Gallus die Gefangene Jungfer an ihrem Zelter nach-
fuͤhren muſte/ hinter welcher der gefangene Wirt ritte; unterweges ſagete Herkules zu
Bagophanes: Mein/ wie habt ihr euch koͤnnen bereden/ eine Feldherrſchaft uͤber euch zu-
nehmen/ worzu ihr meines erachtens nicht wol unterrichtet ſeid; es wuſte ja euer Koͤnig/
daß Valikules ſich ſeiner Haut zimlich erwehren kan; doch was meinet ihr? wann Arta-
banus mich oder die meinen dereins in ſeine Gewalt bekommen ſolte; wuͤrde er mir auch
die Gnade wiederfahren laſſen/ die ich euch und meinen Gefangenen erzeige? Dieſem gu-
ten Herrn lag annoch ſeine Hoffmeiſter ſchaft im Sinne/ und antwortete mit wenigen;
Das Gluͤk waͤhre Kugelrund/ und ſein Koͤnig der maͤchtigſte Herr der Welt/ nicht anders
als ein gaͤher Berg zu ſchaͤtzen/ in deſſer Tahle eine Werfkugel zwar etliche Halme einknit-
ken// aber den Berg nicht hinauff rollen/ viel weniger denſelben umbwerffen koͤnte; doch
wie dem allen/ ſo wuͤſte ſein Koͤnig auch Gnade zuerzeigen/ wie ers ſelbſt in der Taht erfah-
ren haͤtte; und weil deſſen Hocheit ihm die Feldhauptmanſchaft auffgetragen/ haͤtte er ge-
horſamen muͤſſen. Herkules wolte ihm dieſen groben Streich zu gute halten/ und antwor-
tete; Ja/ ich als Valikules weis etwas von eures Koͤniges Gnade/ aber nicht als Fuͤrſt
Herkules/ ſondern hier erkeñe ich ihn nicht anders als einen graͤulichen Wüterich/ daher
ich mich bemuͤhen werde/ ob ſeiner unbilligen Gewalt die Seulen nicht in etwas koͤnnen
erſchuͤttert werden. Meinet ihr aber/ Artabanus ſitze uͤber Gluͤckesfal? Ey das Wiedrige
habt
[903]Vierdes Buch.
habt ihr ja ſchon erfahren/ in dem ich Einſamer ihm ſeinen allerliebſten Schaz/ deſſen er
unwirdig wahr/ entfuͤhret habe. Unwirdig? ſagete Bagophanes/ der allermaͤchtigſte Be-
herſcher dieſer groſſen Morgenlaͤnder? ey lieber/ man verſchone doch der hoͤchſten Koͤnig-
lichen Wiꝛde/ damit nicht dereins gar zu ſchwere Buſſe darauff erfolgen muͤſſe. Herkules
haͤtte der Troz ſchier verdroſſen/ und ſagete: So duͤrffet ihr mir noch wol draͤuen? oder
meinet ihr/ der elende Valikules reite neben euch daher? koͤnnet ihr meine Gnade nicht er-
tragen/ ſo trauet mir/ ich habe auch gelernet/ ſcharf und ungnaͤdig zu ſeyn. Ob nun gleich
euer Koͤnig ein groſſer Wuͤterich iſt/ daß fichtet mich wenig an/ ich werde aber die Muͤhe
nehmen/ ihn ſeiner gedraͤueten Ruhten gereuen zu machen; und verſichert euch/ daß wann
ihr in meines Bruders/ Koͤniges Ladiſla Gewalt waͤhret/ muͤſtet ihr die Ruhten ja ſo wol
als Madates/ ſchmecken/ und fehlet gar wenig/ ich duͤrfte euch ihm zu ſchicken. Dieſer be-
griff ſich hiedurch/ baht umb vergebung und Gnade/ und erboht ſich zu untertaͤhnigem Ge-
horſam. Die Zeittung des Sieges durffte man dem Fraͤulein nicht bringen/ dañ ſie hatte
auff der ſtaͤrkeſten Zinnen alles ſelbſt angeſehen/ wahr auch ſchon vor der Schlacht von
Bubazes angeordnet/ daß der Groß Fuͤrſtliche Hoff geoͤffnet/ und Herkules eingeraͤumet
wuͤrde; dahin ſich das Fraͤulein bald nach erhaltener Schlacht begab/ und auff einem her-
lichen Gemache ihren Herkules in Bagophanes Gegenwart mit einem lieblichen umbfa-
hen und anmuhtigem Kuſſe empfing/ zu ihm ſagend: Durchl. Herr Oheim und Bruder/
wegen gluͤklicher überwindung eurer unverſehenen Feinde/ wuͤnſche euer Liebe ich Gluͤk/
und bitte Gott von Herzen/ Er wolle euren Waffen wieder allen unfern Feinden/ ſtaͤrke uñ
Sieg geben/ daß ſie nach erlangetem Preiß und Ehre euch geſund uñ friſch wieder in eueꝛ
Groß Fuͤrſtentuhm geleiten. Aber mein Bagophanes/ ich trage dannoch Mitleiden mit
eurem Unfall/ worin euch die lautere Unvernunft geſtuͤrzet hat/ in dem ihr die von mir ge-
ſezte Bedingung/ mich mit dem Schwerte zugewinnen/ zur ungluͤklichen Stunde vorge-
nommen habet/ da ihr etliche tauſend Seelen druͤber auffgeopffert/ und aus einem freien
Herren zum gefangenen Knechte worden ſeid. Ich wil aber den Durchl. Groß Fuͤrſten
euretwegen bitlich anlangen/ daß ihr mein Gefangener ſeyn moͤget/ da ich dann in der Taht
erzeigen wil/ wie gewogen ich eurem Koͤnige und allen ſeinen Leuten bin. Nicht allein Ba-
gophanes/ ſagete Herkules/ ſondern 1000 Gefangene ſollen euer Liebe geſchenket ſeyn/ doch
habe ich noch ein an der par Gefangener im Puſche erhaſchet/ welches ich einliefern wer-
de; hieß darauff Gallus/ die Jungfer und den Wirt herein zufuͤhren. So bald Valiſka
ihre geliebete Kleofis erblickete/ trat ſie ihr freundlich entgegen/ umbfing ſie/ da ſie nieder-
knien wolte/ und ſagete: O meine liebe und angenehme Freundin/ was vor gutes Gluͤk
hat euch hieher gefuͤhret? kommet ihr vielleicht auch/ mich wieder zuhohlen? gewißlich
habe ich umb verzeihung zu bitten/ daß ich mein geliebtes Frauenzimmer/ welches miꝛ biß-
daher Geſelſchaft geleiſtet/ unbegruͤſſet verlaſſen; ſie werden mich aber nach ihrer Gewo-
genheit entſchuldigen/ inbetrachtung/ daß die anzeigung meines Abzuges mein Vorhaben
gar zu Waſſer haͤtte machen dürffen. Aber lieber ſaget mir/ iſt auch einiges unſchuldiges
Blut/ meiner Flucht wegen vergoſſen? und wie gehets doch meiner Syſigambis/ die auſ-
ſer zweiffel bey andern in groſſem Verdacht ſtehet; aber ich ſchwoͤre bey dem wahren Gott
daß vor meinem Abzuge ſie eben ſo wenig von meiner Flucht/ als der Koͤnig ſelbſt gewuſt
hat.
[904]Vierdes Buch.
hat. Kleofis wolte niderknien/ und umb Gnade und Schuz bitten/ aber das Fraͤulein weh-
rete ihr ſolches/ und ſagete: Ich gebe euch/ liebe Freundin/ eben ſo hohe Verſicherung/ als
ich ſelbſt habe; faſſete ſie bey der Hand/ und fuͤhrete ſie in ein Nebengemach/ daſelbſt zu ihr
ſagend; Herzen Freundin/ lieber ſaget mir/ wie gefaͤlt euch mein Oheim/ Groß Fuͤrſt Her-
kules? Ach mein gnaͤdigſtes Fraͤulein/ antwortete ſie/ ich glaͤube nimmermehr/ daß ſeines
und eures gleichen in aller Welt lebe/ wolte ihn auch lieber vor einen Engel als Menſchen
ehren. O nein/ ſagte das Fraͤulein/ er iſt freilich ein Menſch; aber woltet ihr mir auch rah-
ten/ daß ich ihn umb Artabanus vertauſchen ſolte? ſehet/ dieſer unvergleichliche Held iſt
ſchon drey Jahr mein verlobter Braͤutigam; ja er iſt eben der euch bekante Valikules/
der mit einer angeſtrichenen Farbe ſich unkentlich machen kan; und was meinet ihr/ wie
meinem Herzen muß zu muhte geweſen ſeyn/ da ich ihm entriſſen/ mich dem ungeſtalten
und unflaͤtigen Artabanus goͤnnen ſolte? Gnaͤdigſtes Fraͤulein/ antwortete Kleofis; eure
Durchl. behalten ja was ſie haben/ und gehen nimmermehr ſolchen ungleichen Tauſch
ein; zwar der Koͤnig hat mich bloß zu dem Ende hergeſant/ daß eurer Gn. ich nicht allein
auff dem Ruͤkwege untertaͤhnigſt auffwarten/ ſondern dieſelbe auch bereden ſolte/ wieder
mit umbzukehren/ wovon ich aber kein Wort zuverlieren willens bin/ moͤchte nur von Her-
zen wuͤnſchen/ daß eure Durchl. ſich meiner gnaͤdigſt erbarmen/ und in ihre Dienſte vor
ihre Leibmagd mich auffnehmen wolte/ damit ich dem unzuͤchtigen Koͤnige mich nicht wie-
der ſtellen duͤrffe/ vor dem ich/ dem Himmel ſey Dank/ meine Keuſcheit bißher erhalten
habe. Meinet ihr/ ſagte Valiſka/ daß ich euch laſſen werde/ nachdem ihr mit dem Schwer-
te gewonnen/ und ohn daß mir die Liebſte meines ganzen Frauenzimmers ſeid? Ich wil
euch nach Wirdigkeit verſorgen/ und koͤſtlich verheyrahten; ob euch dann gleich euer Vaͤ-
terliches Erbe in Parthen zu ruͤcke bleiben ſolte/ wird ſich der Brautſchaz doch wol findẽ.
Nach dem uns aber Obriſter Bubazes zur Mahlzeit gebehten/ und es ſchon zimlich ſpaͤt
iſt/ wollen wir uns nicht laͤnger auffhalten. Gallus trat gleich zu ihnen hinein/ mit vermel-
den/ der Groß Fuͤrſt waͤhre mit Bagophanes ſchon hingeritten/ und wartete die Gutſche
im Vorhofe ihrer Ankunft. Alſo fuhr ſie mit ihrer Kleofis hin/ und wurden von Buba-
zes hoͤflich empfangen. Beydem Eſſen ging mannicherley Geſpraͤch vor/ da unter andern
ſie auff der Fraͤulein Flucht zu reden kahmen/ und ſie alles erzaͤhlete/ was geſtalt ſie ihre
Hoffmeiſterin hintergangen/ und mit der Kraͤmerey ihr die Blendung gemacht/ daß ſie
Freiheit bekommen/ in angeſtrichener Farbe davon zuſcheiden. Worauff Bagophanes
anzeigete/ wie man die Hoffmeiſterin in ſchwerem Verdacht haͤtte/ ungeachtet ſie ſich mit
einem Schreiben vor ihrem Abſcheide hoͤchlich entſchuldiget; haͤtte auch ohn alle Gnade
eines ſchmaͤhlichen Todes ſterben muͤſſen/ da ſie ſich durch die Flucht nicht gerettet haͤtte.
Valiſka freuete ſich ſehr/ daß ſie davon kommen wahr/ und muſte Kleofis alles nach der
Ordnung erzaͤhlen/ wie es anfangs mit ihrer Kraͤmerey/ hernach mit der Fraͤulein Nach-
ſuchung/ und mit Artabanus Kummer ergangen; welches Bagophanes mit groſſem
Verdrus anhoͤrete/ und ihr durch Winken zuverſtehen gab/ ſich in erzaͤhlung des lezten
Stuͤckes zu maͤſſigen; welches ſie aber nicht merken wolte. Valiſka fragete ſie/ ob ſie auch
die beyden Kraͤmerinnen noch kennen wolte/ wañ ſie zugegen waͤhren; Und als ſie ſolches
bejahete/ ſagte ſie weiter; Ey ſo ſchauet mir dieſe beyden Auffwarter etwas genauer an;
ja
[905]Vierdes Buch.
ja bey meiner Traͤue/ antwortete ſie/ eben dieſe ſind es/ und hatte dieſe/ auff Ochus zeigend/
ſehr groſſe Bruͤſte/ wie eine Saͤugemutter. Dieſer antwortete; ja hoch aͤdle Jungfer/ ſel-
bige meine Bruͤſte haͤtte ich gerne behalten/ aber weil ſie mit kraͤfftigem Laabwaſſer ange-
fuͤllet wahren/ ſchnitte mein Wirt zu Charas ſie mir gar abe/ einwendend/ es muͤſte ſein Koͤ-
nig in ſeiner Ohmacht dadurch erquicket werden. Euer aͤdlen Tugend aber gebe ich den
Ruhm/ daß ſie am friſcheſten gekaufft/ und mir das meiſte Geld gegoͤnnet hat/ welches ich
auch ſchon an andere Waaren gelegt/ nehmlich an lanter Bodem loſe Koͤrbe und Bril-
len/ mit welchen ich ehiſt nach Charas reiſen/ und ſie Koͤnig Artabanus feil bieten wil. Die-
ſer Spott ſchnitte Bagophanes durch die Seele/ inſonderheit/ als er Herkules und Kleo-
fis daruͤber lachen ſahe/ und Valiſka es nur mit einem leichten Schimpff beantwortete.
Deswegen er/ ſeinen Koͤnig zuvertreten/ zu Ochus ſagete: Als ich ein Auffwarter wahr/
muſte ich hoͤflicher von groſſen Koͤnigen reden. Und als ich ein Feld Herr wahr/ antworte-
te dieſer/ muſte ich meinen Reutern die Pferde nicht ſelbſt nehmen/ ſondern warten/ biß ſie
von den Feinden herunter geſchlagen wuͤrden. Alle anweſende fingen an hefftig zulachen/
ohn Herkules maͤſſigte ſich/ und ſagte zu Bagophanes: Verzeihet mir/ daß ich dieſem mei-
nen ſehr lieben Diener nicht einrede/ weil er durch ſeine Traͤue mich ihm zu hoch verbun-
den hat; Aber Ochus/ der hinter Herkules ſtund/ kuͤſſete denſelben den Ermel in tieffer un-
tertaͤhnigkeit/ und ſagete: Durchl. Groß Fuͤrſt/ gnaͤdigſter Herr; ich bin allerdinge unfaͤ-
hig/ ſolcher hohen Gnade/ vor welche ohn fehlen Euer Durchl. ich Leib und Leben ſchul-
dig bin; Gebt euch zufrieden/ mein Ochus/ antwortete Herkules/ was euch von mir ver-
ſprochen iſt/ ſol euch redlich gehalten werden. Unter dieſer Beredung erhohlete ſich Ba-
gophanes/ daß er alles unbeantwortet gehen ließ/ fing auch an/ aus vielen Merkzeichen
abzunehmen/ daß viel eine vertraulichere Freundſchaft zwiſchen Herkules und dem Fraͤu-
lein war/ als die aus Verwandniß herruͤhret/ daher ſahe er nicht/ wie ſeinem Koͤnige wuͤr-
de zuhelffen ſeyn/ welcher vor Liebeswuht nicht zubleiben wuſte; doch ließ er ſich des zwei-
fels nicht merken/ ſondern als die Gelegenheit es gab/ baht er das Fraͤulein/ ihm die Gna-
de zuerzeigen/ daß er nach ſeinem Koͤnige zihen/ und ihm allen Verlauff hinterbringen koͤn-
te/ wobey er noch die Frage hinan henkete/ ob Ihrer Gn. nicht beliebete/ an ſeinen Koͤnig
eine ſchrifftliche Erklaͤrung auffzuſetzen; Welches ſie ihm hoͤflich abſchlug/ mit vorwen-
den/ einem Fraͤulein müſte zur Leichtſinnigkeit ausgelegt werden/ die in Heyrahtſachen die
Feder gebrauchete/ ehe und bevor ſie durch ihre Eltern oder Anverwanten einem Braͤuti-
gam zugeſagt waͤhre; ſeine Erlaſſung betreffend/ ſolte er gar keinen Zweifel haben. Er
bedankete ſich wegen dieſer Gnade/ und hielt noch weiter an um einen ſchriftlichẽ Schein/
damit er bezeugen koͤnte/ Ihre Gn. geſprochen zuhaben. Sie wuſte nicht/ wie ſie ihm die-
ſes abſchlagen ſolte/ endlich ſagete ſie: Eurem Koͤnige zuſchreiben/ koͤnte ich mich noch
endlich finden laſſen; nachdem ich ihm aber niemahls als bey Frauenzimmer Briefe zu-
geſchicket/ bin ich gar nicht willens/ ſolche Gewohnheit zu endern. So koͤnte es/ ſagte er/
bey Jungfer Kleofis ſehr wol geſchehen; Aber ſie antwortete ihm: Meynet ihr dann/ daß
ich dieſe meine liebwerte Jungfer von mir laſſen werde? Nein/ nein/ mein Freund/ haͤtte
ich mein ganzes Frauenzimmer bey mir/ wolte ich ſie nicht allein der Furcht kuͤnfftiger
Schande benehmen/ ſondern ſie durch adeliche Ausſteur zu Ehren bringen/ dañ ich weiß/
Y y y y ydaß
[906]Vierdes Buch.
daß ſie an ihrer Jungfrauſchafft unverletzet ſind. Bagophanes meynete/ es wuͤrde Kleo-
fis ſolches erbieten nicht annehmen; als er aber hoͤrete/ wie hoͤchlich ſie vor dieſe Gnade ſich
bedankete/ und ihre jetzige Gefaͤngniß vor ihr hoͤchſtes Gluͤk rechnete/ waͤhre ihn faſt vor
leide geſchwunden/ dann er hatte ſich in ſie hefftig verliebet/ und wahr willens/ weil er ein
Witwer wahr/ ſie zuheyrahten; hatte auch auff dieſer Reiſe ſchon haͤuffige Anſuchung bey
ihr getahn/ aber keine genehme Antwort erlangen/ noch ſie zu ſeiner Liebe bewaͤgen moͤgen;
nur hoffete er/ ſie von dem Koͤnige zuerbitten/ wo nicht alsbald/ aufs wenigſte/ wañ ſie dem-
ſelben eine zeitlang wuͤrde beygewohnet haben. Aber ſie wahr einem andern in reiner
Jungfrauſchafft verſehen; dann Bubazes bekam ſo inbruͤnſtige Liebe uͤber der Mahlzeit
zu ihr (wie ſie dann der ſchoͤnſten adelichen Jungfern aus ganz Parthen eine/ und ohnge-
fehr von 17 Jahren wahr) daß er kein Auge von ihr abwenden kunte/ deſſen Valiſka bald
wahr nam/ und ihr nicht übel gefiel/ auch bald nach der Mahlzeit ſie alſo anredete: Liebe
Freundin/ dafern ich nicht irre/ hat Bubazes euch ſchon in ſein Herz eingeſchloſſen/ als der
noch unverheyrahtet/ und ein tapfferer Perſiſcher Obriſter von gutem Adel iſt; da ich nun
wiſſen ſolte/ daß er euch gefiele/ wolte ich dieſer Heyraht ſchon rahtſchaffen. Kleofis erroͤh-
tete von Scham/ und antwortete: Sie koͤnte nicht glaͤuben/ daß ſo ein vornehmer Obriſter
nach einer Gefangenen ſich umſehen/ geſchweige/ einige Liebe auff ſie werffen ſolte; doch
wann es ihr ſo gut werden koͤnte/ haͤtte ſie es bloß ihrer Gn. zudanken. Laſſet mich nur ma-
chen/ antwortete ſie/ und ſoltet ihr einige Anſprach von ihm haben/ ſo weiſet ihn an mich/ ich
wil es ſchon zukarten wiſſen/ daß es recht wird. Nach abgetragenen Speiſen ward ein
Tanz gehalten/ da das vornehmſte adeliche Frauenzimmer der Stad/ und die ſonſt hinein
gefloͤhet/ anweſend wahren. Herkules aber ritte mit Bagophanes und Bubazes hinaus zu
den Gefangenen/ welche ſich in 12 gleiche Schaaren ſetzen/ und mit Wuͤrffeln ſpielen mu-
ſten/ welche Schaar dem Fraͤulein zufallen wuͤrde/ und wahren die leztgefangene noch nit
angelanget. Nach geendigtem ſpielen redete Herkules ſie alſo an: Die/ welche die meiſten
Augen geworffen/ ſind dem Durchl. Koͤnigl. Fraͤulein von mir geſchenket/ welche nebeſt
ihrem Feld Herrn Bagophanes frey nach Hauſe zihen moͤgen/ und ob gleich die andern
mit mir biß nach Perſepolis reiſen muͤſſen/ ſollen ſie doch in der Taht erſahren/ daß auch
daſelbſt meine Gnade noch guͤltig ſey. Die freygegebene bedanketẽ ſich mit einem Fußfalle/
zeigeten aber an/ ſie wolten lieber allein/ als mit ihrem geweſenen unverſtaͤndigen Feldherꝛn
fortzihen/ damit ſie nicht aus Eifer und Rachgier ſich an ihn vergrieffen; womit Herkules
friedlich wahr/ aber Bagophanes in ſich ſelber grießgramete. Es muſten jedoch dieſe frey-
gegebene mit ihrem Auffbruch biß des folgenden Morgens verziehen/ und ritte Herkules
mit ſeiner Geſelſchafft wieder nach der Gaͤſterey/ woſelbſt der Tanz noch anhielt/ und Va-
liſka zu ihrem Herkules ſagete: Mein Schatz/ wie lange wird es nun wol ſeyn/ als wir den
lezten Tanz mit einander auff dem Prager Schloſſe hielten/ und die Füſſe mir ihr gebuͤhr-
liches Amt ſchier verſaget haͤtten/ weil mein kindlich es Herz gar zu ſtraͤnge belauffen war?
Mein Seelichen/ antwortete er/ ich habe ſider dem keinen Tanz gefuͤhret/ daß dieſer unſer
lezter mir nicht zu Sinne geſtiegen waͤhre. Ich wolte aber hoffen/ ſagte ſie/ es beſſer zuma-
chen/ da mir das Gluͤk meinen Liebſten zum Tanze braͤchte. Darzu bedürffen wir keines
ſonderlichen Gluͤckes/ antwortete er; nam ſie bey der Hand/ und fing in Stiefel uñ Spoꝛn
den
[907]Vierdes Buch.
den zierlichſten Tanz mit ihr an/ daß die anweſende bekenneten/ in allen Morgenlaͤndern
waͤre desgleichen nie geſehen. Aber O wie verriet ſich hieſelbſt ihre vertrauliche Liebe; wañ
Herkules im begegnen ihr die Haͤnde küſſete/ und ſie ihm hinwieder nicht geringere Zeichẽ
der Dankbarkeit ſehen ließ. Nach dieſes Endigung beſtellete Valiſka einen neuen/ nam ih-
re Kleofis auff/ und fuͤhrete ſie Bubazes mit dieſen Worten zu: Herr Obriſter/ ich werde
euch dieſe meine Jungfer zum Tanze liefern/ deren Tugend und Froͤmmigkeit neben an-
gebohrnem Adel noch wol eines aͤdlen Taͤnzers werd iſt. Der verliebete Menſch hatte
nichts mehr gewuͤnſchet/ als durch Tanzes-gelegenheit mit ihr zuſprachen/ welches er diß-
mahl nicht verabſeumen wolte/ ſondern nach geendigtem Tanze zu ihr ſagete: Hochaͤdle
Jungfer/ wann das Glük mich dereins ſo hoch beſeligen wolte/ daß von ihrer Vortrefflig-
keit ich vor ihren Ritter und Diener koͤnte auffgenommen werden/ wuͤrde ich den heu-
rigen Tag/ als den erſten ihrer gewuͤnſcheten Kundſchafft/ den Anfang meines wolerge-
hens ſetzen/ nicht daß aus Verwaͤgenheit ich mich dieſes Gluͤks wirdig ſchaͤtze/ ſondern bloß
ihrer guten Gunſt muͤſte ichs zulegen/ dafern dieſes mein hochbegieriges anſuchen ſtat und
raum finden wuͤrde. Kleoſis antwortete ihm: Geſtraͤnger Herr Obriſter/ ich eine arme
gefangene/ und verlaſſenes Waͤyſelein/ bin nicht faͤhig/ von einem ſolchen Ritter dergleichẽ
Reden anzuhoͤren/ in Betrachtung/ daß wenig gefunden werden/ die anderer Leute Ungluͤk
in ſo traurigen faͤllen zubeherzigen pflegen; nicht/ daß meinen Herrn ich unter dieſe eben mit
zaͤhlen wolte/ ſondern meines Unfalls mich erinnernd/ muß ich mich ſtandhafftig darzu be-
reiten/ wann der gemeine Weltbrauch mich auch treffen ſolte; Wann aber einiges Mit-
leiden uͤber mein Elend bey dem Herrn Obriſten ſich merken laͤſſet/ muß ich deſſen mich bil-
lich hoch bedanken/ demühtig bittend/ in ehrliebender Gewogenheit fortzufahren; ſonſt
zweifele ich nicht/ mein Herr rede mit mir/ als mit einer Hochaͤdlen Jungfer des Groß-
Fuͤrſtl. Perſiſchen Frauenzimmers/ deren Stelle mit gebuͤhrlicher Antwort/ weil ſie mir
unbekant iſt/ ich nicht vertreten kan. Hochaͤdle Jungfer/ wiederantwortete er; ich bitte
dienſtlich/ mich ſolches Verdachts freundlichſt zueꝛlaſſen/ als ob mein Mund an einem Or-
te redete/ uñ das Herz am andern liebete; ſondern eure Hochaͤdle Tugend/ welche der See-
len praͤchtigſte Schoͤnheit iſt/ hat meine Leibes-Augen kuͤhn gemacht/ den treflichen Glanz
der ihren zubetrachten/ wodurch mein Herz dermaſſen eingenommen/ und zu ihrem Dien-
ſte gezwungen iſt/ daß/ da deren Gegenneigung zuerhalten ich fehlen werde/ ich mich billich
vor den ungluͤkſeligſten Menſchẽ halten muß. Wolle demnach meine hochgeehrte Freun-
din meine Worte nicht auff den dritten zihen/ ſondern ſich teur verſichern/ daß einzig ſie al-
lein iſt/ deren mich als eigen zuergeben/ ich hoͤchſt wuͤnſche/ wann nur meine Unwirdigkeit
mir den Weg zu ihrer Gewogenheit nicht vorlegen moͤchte/ als anderen vollkommene Tu-
gend ich nicht reichen kan. Ach mein Herr/ antwortete ſie/ ich weiß gar keine Vollkommen-
heit an mir/ als des Ungluͤks; hat nun daſſelbe meines Herrn mitleiden erwecket/ erken-
ne ichs billich mit dankſchuldigem Herzen; ein mehres zumelden/ wil Jungfraͤuliche Zucht
und Bloͤdigkeit nicht zulaſſen; ſo bin ich auch meiner ſelbſt nicht maͤchtig/ ſondern unter
meiner Durchl. Fraͤulein Gewalt/ als die mir voͤllig zubefehlen hat; was nun dieſelbe mit
mir ſchaffet/ muß mir billich angenehm ſeyn. Bubazes faſſete hieraus gute Hoffnung/ wol-
te doch des gewiſſern ſpielen/ und fragete/ ob ihm dann koͤnte erlaͤubet ſeyn/ bey dem Fraͤu-
Y y y y y ijlein
[908]Vierdes Buch.
lein Anſuchung zutuhn/ und ſie ihm bey derſelben nicht zuwider ſeyn wolte; welches ſie nit
zubeantworten wuſte/ erklaͤrete ſich endlich alſo: Es muͤſte mir billich zur groſſen Unhoͤf-
ligkeit ausgelegt werden/ wann dem Herrn Obriſten mit dem Durchl. Fraͤulein nach be-
lieben zureden/ ich Einſperrung machen wolte/ nachdemmal eꝛ dieſes orts aus Groß Fuͤrſtl.
Perſiſcher Gewalt zuordnen und zuſchaffen hat. Bagophanes ſaß nicht weit von ihnen/
kunte auch etliche Worte/ aber doch ihrer Rede Inhalt und Meynung nit verſtehen/ doch
ſahe er aus ihren Geberden und der Jungfer Verenderung/ daß Bubazes umb Liebe anſu-
chung taht/ welches ihm ſein Herz im Leibe bluten machete; Dann weil dieſer ein junger
friſcheꝛ Ritter/ er aber ſchon über 54 Jahr war/ machte er ihm bald die Rechnung/ er wuͤꝛde
zum Korbtraͤger gedeyen. Das Fraͤulein gab inſonderheit acht auff ſie/ wuſte doch wol/ dz
der Schluß durch ſie muſte gemacht werden/ daher ſagete ſie zu ihrem Herkules. Gilt mein
Schatz/ wo ich nicht noch heut meine Kleofis verheyrahten werde. Sie wolte mehr ſagen/
aber Bubazes Leibknabe trat zu ihr/ vorbringend/ Ihre Durchl. wuͤrde von ſeinem Obri-
ſten untertaͤhnigſt auff ein kurzes Geſpraͤch in das Neben Gemach erbehten; dem ſie auff
dem Fuſſe nachfolgete/ woſelbſt er nach gebehtener Verzeihung dieſe Worte hervor ſuche-
te: Durchl. Fraͤulein; wann Liebe und Scham zugleich an einem Joche zihen koͤnten/
wuͤrde ich nimmermehr die Kuͤnheit nehmen/ Eurer Durchl. untertaͤhnigſt anzuzeigen/
was maſſen meine Geiſter ſich dergeſtalt in die aͤdle Jungfer Kleofis eingeſenket haben/ dz
mir unmoͤglich iſt/ dieſe Flammen laͤnger zuverbergen; Ich ſehe aber auff Ehre/ die ſich in
ehelicher Tråue gruͤndet/ dafern durch Eurer Durchl. gnaͤdigſte Befoderung mirs ſo gut
werden koͤnte/ wovor derſelben zeit meines Lebens biß in den Tod mich verpflichtet zu ſeyn
erkennen muͤſte. Herr Bubazes/ antwortete ſie; da euch Gott eine zuͤchtige und fromme/
mag auch wol ſagen/ eine ſchoͤne aͤdle Jungfer verſehen hat/ wuͤrde ſie euch an dieſer redlich
gehalten werden; Ihres gleichen habe ich in meinem ganzen Frauenzimmer nicht gehabt/
und muß ſie Gott ja ſonderlich zu eurem und ihrem Gluͤk hieher geſand haben. Da euch
nun eheliche Liebe zu dieſer Anwerbung treibet/ wie ich gar nicht zweifeln wil/ dann ſol ſie
euch unverſaget ſeyn/ und wird ſie verhoffentlich auff mein Begehren ſich nicht wegern/
einem ſolchen Obriſten ihr Herz zuergeben; Drumb ſo ſtellet es nur in meine Hand/ ich wil
es ſchon einrichten/ daß ihr beyderſeits in kurzem vergnüget werdet; nur ſeyd vor dißmahl
unbeſchweret/ einen kurzen Abtrit zunehmen/ und die Jungfer zu mir herfodern zulaſſen.
Bubazes/ nach hoher Dankſagung/ ging wolgefinnet hin/ ſetzete ſich zu feiner Liebeſten/ und
wolte ihr der Fraͤulein begehren ſelbſt anmelden/ baht anfangs/ ſeine auffrichtige Liebe zu
erkennen/ und der Fraͤulein Willen nicht zuwiderſtreben/ nachdem dieſelbe ihm voͤllige Zu-
ſage/ biß an ihre Bewilligung getahn haͤtte; Worauff ſie antwortete: Mein Herꝛ/ weil aus
ſeinen Reden und beginnen ich ſatſam ſpuͤre/ daß ſeine Liebesanſuchung auf Ehre gebauet
iſt/ wil ich ſein getraͤues Herz auf ſolche weiſe gerne und willig annehmen/ und ihm verſpre-
chen/ daß alle meine Gedanken einig nach ſeinem Willen ſollen gerichtet ſeyn; jedoch/ wañ
er mich zuvor durchredliche Zuſage verſichern wird/ daß meine jetzige Armut/ und daß ich
in des unkeuſchen Koͤniges Frauenzimmer auffgenommen bin/ er mir nimmermehr auff-
ruͤcken wil/ nach dem ich aͤidlich beteuren kan/ daß an meiner Keuſcheit Ehr ich allerdinge
unverlezt blieben/ maſſen ich deſſelben Tages nach Charas gehohlet worden/ da mein Gn.
Fraͤu-
[909]Vierdes Buch.
Fraͤulein daſelbſt angelanget iſt/ und ich alsbald auff ihrem Zimmer auffwarten/ und ſtets
verharren muͤſſen. Bubazes verſprach ſolches getraͤulich/ und meldete ihr darauff an/ daß
das Fraͤulein ſie abſonderlich zuſprechen begehrete/ ſahe auch/ daß Bagophanes gleich auf-
ſtund/ und ungefodert zu dem Fraͤulein in das Neben Gemach ging; deſſen Kleofis lachete/
und zu Bubazes ſagete: Gilt mein Herr/ unſer Hofmeiſter wird unſers vorhabens durch
aͤuſſerliche Zeichen inne worden ſeyn/ und ſich unterſtehen/ Einſperrung zumachen/ nach-
dem ich mich wol erinnere/ wie uͤberlaͤſtig er mir die ganze Reiſe uͤber/ mit ſeinem ungeneh-
men anſuchen geweſen iſt; aber ich bitte ſehꝛ/ mein Herr wolle ſich dadurch nicht bewaͤgen
laſſen/ umb allerhand Unruhe zuvermeiden; ich wil mit zutuhn meiner Gn. Fraͤulein ihn
ſchon wiſſen abzuſpeiſen/ dafern er deſſen ichtwas ſich wird verlauten laſſen. Ich habe nicht
riechen koͤnnen/ antwortete er/ warumb dieſer Haberſtolz mich etliche mahl ſo unwuͤrſch
angeſehen/ weil ich in den Gedanken ſtund/ er wuͤrde ſeinen Anteil ſchon haben; nachdem
nun meine hochwerte Jungfer mich aller Furcht ſelber benehmen wil (welches ich aͤuſſerſt
zuerkennen ſchuldig) gebe ich mich gerne zufrieden/ koͤnte auch nicht ſchaden/ ob ihm gleich
eine zimliche Naſe angedrehet wuͤrde/ damit er gewitziget/ ſich zu ſeines gleichen halten ler-
ne. Alſo ward dieſes Ungluͤklich-verliebeten geſpottet; welcher/ ſo bald er zu dem Fraͤulein
kam/ nicht ohne ihre Verwirrung ſich vor ihr auf die Knie legete/ und alſo anfing: Durchl.
Fraͤulein/ ob wol mein Koͤnig das ſelige Gluͤk nit haben mag/ durch ihre unvergleichliche
Schoͤnheit in der Liebe vergnuͤget zuwerden/ und ich deswegen nicht allein vergebliche An-
ſuchung getahn/ ſondern ſo manniche geherzte Seele umſonſt aufgeopffert/ ſo getroͤſte mich
dannoch untertaͤhnigſt/ Ihre Durchl. angeſehen der mir ſchon erteileten hochmilden Gna-
de/ werde mein Verderben abzukehren/ und ohn ihren Schaden oder Nachteil mir zu mei-
nem beſten gnaͤdigſte Befoderung zutuhn/ ſich nicht wegern/ wovor zeit meines Lebens der-
ſelben mich aͤuſſerſt verbinde. Ich lebe eure Freundin/ antwortete ſie/ deswegen ſtehet auf/
uñ laſſet mich wiſſen/ worin ich euch dienen kan; dann ſollet ihr erfahren/ dz ich geneigt bin/
eure wolfahrt fortzuſetzẽ. Nun dañ/ ſagte er/ ſo habe ich meinẽ wunſch ſchon erhaltẽ/ welcher
hierin beſtehet/ dz Eure Durchl. meine in Ehrẽ hoͤchſtgeliebte Jungfer Kleofis nit aufhalte/
ſonďn gnaͤdigſt mit mir zihen laſſe/ weil derſelbẽ ich mein Herz zu ehelicher Traͤue ergebẽ uñ
eigen gemacht habe. Das Fꝛaͤulein haͤtte ihr verſprechen gerne zuruͤk gezogẽ/ oder aufs we-
nigſte bedinget/ begriff ſich doch bald/ uñ gab ihm zur Antwort: Stehet es alſo um euch uñ
meine Kleofis/ muͤſte mirs trauen leid ſeyn/ das ich ihr dieſes Gluͤk hindern ſolte/ dann ich
habe in Warheit nicht daß geringſte von eurer verborgenen Liebe gewuſt/ und nimt mich
wunder/ daß ſie mir ſolches ſo gar verſchweiget; damit ich nun bey euch nicht in Verdacht
gerahte/ als wolte ich einſperrung machen/ wil ich ſie alsbald zu mir fodern laſſen/ und in
euer Gegenwart mit ihr reden. Dieſer hielt ſeine Heyraht nunmehr vor geſchloſſen/ wahr
auch ſchon bedacht/ wie artig er den Bubazes auffzihen/ und ſeine eingebildete Liebe ver-
hoͤhnen wolte; ging hin/ und foderte die Jungfer mit dieſen Worten von ſeiner Seite auf:
Hochaͤdle vertrauete Freundin/ das Durchl. Fraͤulein begehret ſie zu ſprechen/ und unſere
Gluͤkſeligkeit zu volzihen/ wie ſchiele Augen es gleich geben moͤchte. Unſere Gluͤkſeligkeit?
antwortete ſie mit einem zuͤchtigen Lachẽ; ja ich wil gerne hingehen/ uñ meiner Gn. Fraͤu-
lein Befehlvernehmen; aber es iſt gar zu viel/ daß mein Herr die Muͤhe/ mich zu fodern/
Y y y y y iijauff
[910]Vierdes Buch.
auff ſich nimt/ welches mir von einem Diener haͤtte koͤnnen angedeutet werden; ſagete
hernach zu Bubazes: Mein Herr Obriſter verzeihe mir/ daß ich kurzen Abtrit zu nehmen
be fehlichet werde/ und ging mit Bagophanes nicht ohn Gemuͤhts-verwirrung hin. So
bald ſie ins Gemachtrat/ ſagte das Fraͤule in zu ihr: Meine Freundin/ warumb habe ich
nicht wiſſen duͤrffen/ das euer Gluͤk euch ſo nahe iſt/ und ihr mit Herr Bagophanes in ehe-
licher verſprechung ſtehet/ welche zuverhindern oder auffzuheben/ ich keines Weges ge-
meinet bin. Gnaͤdigſtes Fraͤulein/ antwortete ſie/ eure Durchl. werden gnaͤdigſtes belie-
ben tragen/ Herren Bagophanes und mich ein wenig ſchamroht zu machen/ ſonſt wuͤſte
ich mich durchaus nicht zu entſinnen/ daß ich mit demſelben mich weiter ſolte eingelaſſen
haben/ als mit dem Roͤmiſchen Kaͤyſer/ den ich niemahls geſehen; zwar ich geſtehe gerne/
daß Herr Bagophanes auff der Reiſe zur kurzweil ſich eines und anders verlauten laſſen/
und mir zuerkennen geben/ wie artig er ehmahls mit dem Frauenzimmer ſchwaͤtzen koͤñen/
welche er auffs Eiß leiten wollen/ welches in anſehung ſeines Standes ich ihm gerne über-
ſehen habe/ auch meiſtenteils unbeantwortet vorbey ſtreichen laſſen/ weil mirs umb ſeine
ſtellung nicht zu tuhn wahr/ und ich ſeinen Scherz wol verſtehen kunte; daß ich aber dem-
ſelben einige Zuſage getahn/ oder nur ein Zeichen der Einwilligung/ da es ſein Ernſt moͤch-
te geweſen ſeyn/ ſehen laſſen/ wird mir in alle Ewigkeit kein Menſch uͤberbringen; bitte
demnach untertaͤhnigſt/ eure Durchl. wolle nicht auff mich zuͤrnen/ noch einige Ungewo-
genheit mir zulegen/ daß Jungfraͤuliche Scham mich abgehalten/ ihrer Durchl. deſſen
ichtwas zuvermelden/ und wundert mich hoͤchlich/ wie mein Gn. Fraͤulein deſſen inne
worden iſt. So hoͤre ich wol/ ſagte Valiſka zu Bagophanes/ ihr habt euch zwar einẽ Zweg
vorgeſtekt/ auch darnach geſchoſſen/ aber ihn beyweitem noch nicht erreicht. Dieſer kehrete
ſich zu Kleofis mit dieſen bewaͤglichen Worten; Ach meine hochwerte Freundin/ wie kan
ein ſo ſteinern Herz in dieſer zarten Bruſt Herberge haben? das mein mbruͤnſtiges viel-
faͤltiges Anſuchen noch vor eine ſcherzhafte Verſtellung muß außgedeutet werden; erin-
nert ſich meine herzgeliebete nicht/ mit was teurer Verſchwoͤrung ich ihr verheiſſen/ ſie zuꝛ
gebietenden Frauen uͤber alle meine Guͤter/ ja uͤber mich ſelbſt zu machen? auch ſie nicht
zu berühren/ biß unſere Ehe von Koͤnigl. Hocheit ſelbſt gewilliget uñ gut geheiſſen ſey? neh-
met bitte ich/ mein ergebenes Herz willig auff/ und beſeliget mich mit genehmer Antwort/
ſonſt werde ich vor meiner Ankunft zu Charas in meinen Begierden verſchmachten. Herꝛ
Hoffmeiſter/ antwortete ſie/ daß ihr mir wol gewogen ſeid/ weiß ich euch groſſen Dank; eu-
er uͤbriges Begehren/ wie ihr wiſſet/ und ich auff der Reiſe euch beſtendig außgeſagt/ iſt
mir gar nicht annehmlich/ deſſen Urſach ich nun mehr zu melden Freyheit habe/ als nehm-
lich/ daß ich nicht geſinnet bin/ mich von meinem Gn. Fraͤulein ſcheiden zu laſſen/ ſondern
derſelben gehorſamſt auffzuwarten; ſo habe ich uͤber das ein Geluͤbde getahn/ mit meinem
Willen mich nimmermehr an einen Witwer zubefreien/ der aus voriger Ehe Kinder ge-
zeuget/ weil dieſelben ihren Stiefmuͤttern ſelten gewogen ſind/ und zu vielfaͤltigen Unwil-
len Urſach geben; und wann dieſes gleich nicht waͤhre/ wiſſet ihr ja nicht/ ob euer Koͤnig
mich euch goͤnnen wolte; muͤſſet alſo deſſen bewilligung vor erſt ſuchen/ und hernach umb
mich werben; doch koͤnte der Koͤnig ſo lange bedenkzeit nehmen/ dz ich alt und heßlich druͤ-
ber wuͤrde/ und ihr alsdann mein nicht begehretet/ ſo waͤhre ich armes Kind am aͤrgeſten
dran.
[911]Vierdes Buch.
dran. Mein allerſchoͤnſtes Liebchen/ antwortete er; unſer allerſeits Gn. Fraͤulein/ wird
eures Dienſtes euch gnaͤdigerlaſſen/ woran mir nicht zweifelt; meine Kinder ſollen ihr
nicht eins ins Geſicht kommen/ ſondern von ihrer Mutter Schweſter erzogen werden/ uñ
wil ich meines allergnaͤdigſten Koͤniges Willen gar leicht erhalten/ wolte auch unſere ver-
maͤhlung biß dahin gerne auffſchieben/ wann ich nicht zubefahren haͤtte/ es moͤchten mir
in zwiſchen andere einen Stein in den Weg werffen/ und dieſen werten Schaz hinreiſſen/
maſſen ich ſchon heut erfahren/ daß mehr Leute ſind die Augen haben/ und ungefaͤlſcheter
Schoͤnheit Urteiler ſind. So hoͤre ich wol/ antwortete ſie/ ihr eifert ſchon wieder mich/
und mißgoͤnnet mir/ mit andern zu reden; ey daß wird noch lange nicht mich zu euer Liebe
bringen; aber ſchlaget dieſe Furcht aus dem Herzen; Kleofis iſt ſo geringer Schoͤnheit/
daß wer ſie bey Tage ſihet/ ihrer zur Liebe nicht begehren wird; jedoch/ dafern Gluͤk oder
Ungluͤk mich euch verſehen haͤtte/ als dann koͤnte ſolches niemand hindern/ dann wer wol-
te des Himmels Schluß brechen? Ob gleich weder ihr noch ich einigen verfang abſehen
koͤnnen. Aber die Goͤtter behüten mich ja/ daß leibliche Kinder meinetwegen ihres Vaters
Gegenwart nicht beraubet werden; Und Herr Hoffmeiſter/ was ſol ich mir aus dieſem
eurem Erbieten gutes veꝛſprechen? muß ich nicht fuͤrchten/ daß nach meinem Tode/ der in
wenig Jahren ſich zutragen koͤnte/ meine Kinder auch müſten verſtoſſen ſeyn/ und ihrer
kuͤnftigen Stieffmutter weichen? So laſſet nun ab/ bitte ich/ mein zubegehren; habet ihr
etwa von meinem Gn. Fraͤulein gute vertroͤſtung erhalten/ ſo bin ich auch ſchon von ihrer
Durchl. verſichert/ daß ſie wieder meinen Willen/ als lange ich gehorſam/ und untertaͤh-
nigſt- getraͤu verbleibe/ mich aus ihren Dienſten nicht verſtoſſen wird. Bagophanes wol-
te ſeine Liebe nicht alle in mit freundlichen Worten/ ſondern auch mit buhleriſchen Hand-
geberden ſeben laſſen/ ſtreckete/ in dem er antworten wolte/ die Hand auß/ ſie bey dem Kin-
ne zuergreiffen/ ward aber heßlich abgewieſen/ in dem Kleofis zu ihm ſagete: Wie ſtellet
ihr euch ſo unverſchaͤmt/ Bagophanes? ſcheuhet ihr euch nicht vor meiner Gn. Fraͤulein
Gegenwart/ muß bey euch trauen ſehr wenig hoͤflicher Zucht uͤbrig ſeyn/ und findet ſich an
euch der Spruch/ das Alter nicht zur Tohrheit hilft; darumb moͤget ihr wol eures Weges
zihen/ und euch verſichern/ daß ich mich lieber einem Loͤuen als euch ergeben werde. Bago-
phanes erſchrak der Rede/ und fragete/ ob ſie ihn dann ohn alle Barmherzigkeit toͤdten
wolte. Ich werde/ ſagte ſie/ nicht Hand an euch legen; wann ihr aber nicht leben wollet/ ſte-
het euch frey/ nach belieben zu handeln; jedoch danket den Goͤttern/ daß ihr das Leben als
eine Beute davon traget/ welches ihr durch vielfaͤltige Schmachreden wieder Groß Fuͤrſt
Herkules/ wie alle Gefangene bezeuͤgen koͤnnen/ zehnfach verwirket; zugeſchweigen/ dz ihr
meiner Gn. Fraͤulein ſelbſt nicht geſchonet habt; aber was haͤlt eure Durchl. (ſagte ſie zu
dem Fraͤulein) ſich bey dieſem unbeſcheidenen ſo lange auff? geliebet derſelben wieder nach
der Geſelſchaft zu gehen/ wil ich untertaͤhnigſt folgen. Gehet ihr hin/ antwortete Valiſka/
demnach ich ſchon ſehe/ daß aus dieſer Heyraht nichts werden wird; ich wil bald bey euch
ſeyn. Nach ihrem Hintrit ſagte ſie zu Bagophanes; alſo ſehet ihr nun mein Freund/ daß
euer Anſuchen nicht haften wil/ ungeachtet ich euch gerne bedienet waͤhre; deßwegen loͤ-
ſchet/ bitte ich/ dieſes vergebliche Feur/ und waͤhlet euch eine andere/ die mehr Zuneigung
zu euch faſſen kan; dann was waͤhre euch mit dieſem Ungluͤk gedienet/ daß ihr eurer Fein-
din
[912]Vierdes Buch.
din an der Seite ſchlaffen woltet? euer Koͤnig traͤget ſo hohe Gnade zu euch/ daß ohn zwei-
ſel ihr bey demſelben eine ſchoͤnere und freundlichere aus ſeinem Frauenzimmer leicht er-
halten moͤget/ in welchem Garten dieſer zierlichen Blumen mehr aufgewachſen ſind. Wol-
te Gott/ antwortete er/ ich haͤtte vor einer halben Stunde mich ſo wol begreiffen koͤnnen/
als anjezt/ nicht ein Woͤrtlein ſolte dieſer hartnaͤckigten zu gefallen verlohren ſeyn. Aber O
wie wiꝛd die Unweiſe ſich dereins hinter den Ohren kratzen/ daß ſie den ohn Ruhm zu mel-
den/ anſehnlichen Bagophanes ſo liederlich uͤber den Toͤlpel geworffen hat. Bißher hatte
Bubazes in einem kleinen Nebenkaͤmmerlein alles angehoͤret/ und gefiel ihm ſeiner liebſten
Erklaͤrung dermaſſen/ daß er ein volles Genuͤgen daran hatte; Als er nun vernam/ daß er
dieſes Mitbuhlers bereit loß worden wahr/ verfuͤgete er ſich wieder nach der Geſelſchaft/
da er ſeine Kleofis bey Herkules ſitzen fand/ dem ſie erzaͤhlen muſte/ was ſie von ſeiner Kraͤ-
merin gutes gekauft haͤtte. Als Herkules ihn kom̃en ſahe/ rieff er ihn zu ſich/ er wolte ihm
Raum bey dieſer Jungfer machen/ wo ihm ſonſt damit gedienet waͤhre; welches er mit
untertaͤhnigſter Dankſagung annam/ uñ dabey anzeigete/ ihre Durchl. ſein Gn. Fraͤulein
haͤtte ihm dieſe Jungfer zur Ehe verſprochen/ baͤhte/ ſeine Durchl. moͤchte gnaͤdigſt ein-
willigen/ und ſein Beylager befodern. Kleofis fiel ihm in die Rede/ ſagend; Herr Obriſteꝛ/
er laſſe mich zuvor auch drum wiſſen/ und eile nicht zugeſchwinde/ daß ich des heutigen
Schreckens zuvor vergeſſen moͤge. Geliebte Freundin/ ſagte Herkules/ darumb daß ihr
dieſer Schrecken nicht im Schlaffe wieder vorkomme/ und groͤſſere unruhe mache/ wird
ſie gewißlich hinte nicht allein ſchlaffen muͤſſen. Ich bedanke mich der gnaͤdigſten Vorſor-
ge/ antwortete ſie/ und hoffe dieſe Nacht ſchon eine Beyſchlaͤfferin zuerbitten. Dieſer Muͤ-
he bedarff es nicht/ ſagte Herkules/ nach dem Obriſter Bubazes ſeine Dienſte willig an-
beut. Alſo hatte nun Bagophanes ſich ſeiner Anwerbung begeben/ und das Fraͤulein er-
ſucht/ ihn unter ſicherer Perſiſcher Begleitung alsbald fortgehen zu laſſen/ und die Gefan-
genen auffzuhalten/ biß er einen guten Vorſprung ihnen würde abgewonnen haben/ damit
ſie ihn nicht gar erwuͤrgeten. Sie verſprach ihm ſolches nach ſeinem begehren/ und ging
wieder mit ihm nach der Geſelſchaft/ da er mit mehr kaltem Herzen wieder kam/ als er mit
erhitzetem weg gangen wahr; wolte auch weder Kleofis noch Bubazes anſehen/ ſondern
erwartete ſchleunigſte Abfertigung/ die ihm von dem Fraͤulein verheiſſen wahr/ welche zu
Herkules alſo anfing: Durchl. Groß Fuͤrſt und Oheim; demnach dem Herrn Hoffmei-
ſter nach ſeinem Koͤnige ſehr verlanget/ er auch mit einer ſicheren Begleitung gerne fort-
gehen wolte/ bittet er umb gnaͤdigſte Abfertigung/ und etwa 20 Reuter zu ſeinem Schuz
biß uͤber die Perſiſchen Grenzen/ welches auff euer Liebe Bewilligung ich ihm zugeſagt/
uñ leicht zuer halten gedenke/ weil er mir ohndz als mein Gefangener uͤbergeben iſt. Was
eure Liebe hierin ordnet/ antwortete er/ ſol mir wolgefallen; aber ſider ihrem Abweſen habe
ich Obriſten Bubazes dieſe Jungfer ehelich verſprochen/ und daß ſie ihm noch hinte ſol
beygelegt werden/ zweifele nicht/ eure Liebe werde es nicht tadeln. Kleofis entſetzete ſich daꝛ-
über/ und gab zur Antwort; Durchl. Groß Fuͤrſt/ ich bitte untertaͤhnigſt/ dieſe Scherzrede
zu wiederruffen/ welche der Herr Hoffmeiſter wol im Ernſt auffnehmen/ und bey dem Koͤ-
nige vor Warheit angeben duͤrffte. Uberdaß iſt mein flehentliches Anſuchen/ bey dem H.
Hoffmeiſter zu werben/ daß in anſehung der ihm erteileten Gnade/ er bey ſeinem Koͤnige
erhal-
[913]Vierdes Buch.
erhalten wolle/ daß meine vaͤterliche Verlaſſenſchaft mir allergnaͤdigſt abgefolget werde.
Wird Koͤnig Artabanus ſo hoͤflich/ und Bagophanes ſo dankbar ſeyn/ antwortete Her-
kules/ wil ich/ an beyden zu ruͤhmen wiſſen; wo nit; ſo verſpreche ich hiemit meiner Fꝛeun-
din vor dieſer ehrlichen Geſelſchaft/ daß ich Gelegenheit ſuchen wil/ ſo viel Guͤter aus
Parthiſchem Gebiet ablangen zu laſſen/ daß ſie wol und gedoppelt ſol befriediget werden.
Bagophanes taht als hoͤrete er weder eins noch anders/ nam kurzen Abſcheid ohn ſon der-
liche Ehrerbietung/ und wolte fortgehen/ da Herkules zu ihm ſagete: Hoͤret Bagophanes/
euch ſey vor dißmahl alles verzihẽ/ nur hütet euch/ daß ihr hernaͤhſt nicht wieder unter mei-
ne Haͤnde gerahtet/ es duͤrffte ſonſt geſchehen/ daß ich das Alte mit dem Neuen hervorſu-
chete. Valiſka winkete ihm/ ohn Antwort fortzugehen/ und ſagte zu Herkules: Wie da
mein Oheim; koͤnnen eure Liebe ſich an eines Eſels Grobheit irren? er hats bey ſeinem
Wuͤterich nicht beſſer gelernet/ darumb koͤñen wir es nicht hoͤher von ihm fodern. Betref-
fend aber meiner Jungfer Beylager/ muß freilich daſſelbe nicht laͤnger auffgeſchoben wer-
den/ ſondern man ſol das Eiſen ſchmieden weil es heiß iſt/ es moͤchte ihr ſonſt zum an dern-
mahle ungleich gehen/ maſſen ſie ſchon jezt von Bagophanes einen redlichen Korb erhal-
ten hat; erzaͤhlete hiemit allen Verlauff/ und ſagte zum Beſchluß: Da ſehet ihr nun/ mei-
ne Freundin/ wie gefaͤhrlich es ſey/ wann man ſich zu hart wegert; zwar ich habe ſo unglei-
che Gedanken von Herrn Bubazes nicht/ aber bey Bagophanes waͤhre ich mirs auch nit
vermuhten geweſen/ und ſeid ihr gleichwol im gewiſſeſten/ wann ihr geſchloſſen habt. Die
gute Jungfer ſahe/ daß es am Beyſtande mangelte/ gab fich in ihrer Gn. Fraͤulein Wil-
len/ und wolte doch hoffen/ ſagete ſie/ ihren Liebſten dahin zu bereden/ daß er das Beylager
noch etliche Monat auffſchoͤbe. Da gebe ich euch uͤber zuſammen/ ſagete Valiſka/ und mag
ein jeder ſein beſtes pruͤfen; aber Herr Bubazes/ damit eure Liebſte nicht gar mit leerer
Hand zu euch komme/ wird ſie euch dieſen Abend 10000 Kronen wert Kleinot auff euer
Bette legen/ und ſollen die gebuͤhrlichen Ehren-Kleider ſich gegen die Hochzeit auch ſchon
finden. Alſo ward dieſe Heyraht volzogen/ und die Jungfer ihrem Liebeſten deſſelben A-
bends zugefuͤhret. Des folgenden Morgens brach Herkules mit den ſeinen auff nach Per-
ſepolis/ und muſte Bubazes mit ſeiner Kleofis ihnen Geſelſchaft leiſten/ an deſſen Stelle
Obriſter Bahyſthenes zum Befehlichshaber des Staͤdleins eingeſetzet ward. Die 1000
befreiete Gefangene muſten erſt des Abends nach Parthen gehen/ die uͤbrigen alle/ an der
Zahl 12400 muſten mit nach Perſepolis/ und wurden von 3000 Reuiern begleitet/ da ſie
dann in guter Sicherheit und moͤglicher Eile fortgingen.


Ladiſla lebete dieſe Zeit uͤber wegen ſeines lieben Herkules in groſſer Furcht/ und weil
er ſo gar keine Zeitung von ihm hatte/ dauchte ihn die Zeit ſehr lange/ ungeachtet der guten
Geſelſchaft/ die er an Artaxerxes/ Arbianes uñ Pharnabazus hatte; bald fürchtete er ſich/
es moͤchte Herkules erkennet werden; bald gedachte er/ die gar zuheftige Liebe wuͤrde ihn
verblenden/ daß er ſein Vorhaben nicht kluͤglich gnug anfinge/ und gereuete ihn ſehr/ daß
er den Außfoderungs-Brieff an Artabanus nicht etwas hinterhalten hatte; und ob er
gleich an ſeinen Wunden bald genaß/ wahr er doch immerzu ſchwermuͤtig; deſſen Arta-
xerxes wol wahr nam/ und allerhand Mittel ſuchete/ ihn zuergetzen/ aber alles vergebens;
Urſach/ er hatte ſeine Seele nicht bey ſich/ ſondern ſie Herkules nachgeſchicket/ daher er
Z z z z zauff
[914]Vierdes Buch.
auff Artaxerxes Nachfrage/ was er vor ein traur-bringendes Anliegen haͤtte/ einsmahls
alſo antwortete: Eure Liebe wolle ſich meiner ſchwermühtigen Gedanken nicht wundern/
welche nirgend als von der Abweſenheit meines geliebten Herkules herrühren; dann er/ ja
einig er/ iſt die Seele meines Leibes/ und die Froͤligkeit meiner Seele; daß mir demnach
unmoͤglich iſt/ ohn ihn vergnuͤget zuſeyn/ ſo wenig der Leib ohne Seele leben kan; deſſen a-
ber eure Liebe ſich nicht verwundern/ noch es vor eine toͤrichte Einbildung halten wolle/ an-
geſehen von dem erſten Tage unſer Kundſchafft her/ ich meine Eltern/ Schweſter und Va-
terland verlaſſen/ uñ an ihn mich gehalten habe. Ich muß geſtehen/ antwortete Artaxerxes/
dz mir vertraulichere Freunde/ als ſie/ niemahls vorkommen/ die doch nicht minder in der
Taht ſich zuehren als zu lieben bemuͤhet ſind; und moͤchte ich gerne wiſſen/ ob ſie dann von
Kindesbeinen auff ihre Freundſchafft gefuͤhret/ oder doch ohngefehr an einander gerahten
ſind. Dieſes/ ſagte Ladiſla/ wird kein Menſch beſſer/ als ich ſelbſt/ Euer Liebe erzaͤhlen koͤñen/
wann dieſelbe es anzuhoͤren/ Beliebung traͤget; wobey ich mich doch bedinge/ daß dieſelbe
ja nicht ſolche Worte von mir erwarte/ welche die voͤllige Brunſt meiner Zuneigungen
gegen meinen Herkules recht ausdruͤcken ſolten. Ich wahr im Eilfften Jahr meines Al-
ters/ als mein Herr Vater hoͤchſtſeel. Andenkens/ den Groß Fuͤrſten in Teutſchland/ mei-
ner Fr. Mutter Bruder beſuchete/ und mich als einen einigen lieben Sohn mit ſich nam;
Als wir bey ihm anlangeten/ ließ er ſeinen groͤſſeren Sohn/ meinen lieben Herkules/ aus
der Schuele fodern/ welcher damahls ſieben Jahr und drey Monat (ſo eigen weiß ichs)
alt wahr. Er kam friſch daher gelauffen/ die Aeugelein blinzeten ihm wie helle Strahlen/
und die Goldgelben Haarlocken von ſich ſelbſt gekraͤuſet/ flogen ihm uͤber den Achſeln/ als
haͤtte der Wind ſein ſonderliches Liebeſpiel mit ihnen getrieben; ſein Antliz wahr als eines
geſchnizten Engelchen/ und des ganzen Leibes Geſchikligkeit nach allem Wunſch. Seine
Fr. Mutter hatte ihn in Pfirſichbluͤte Taffet gar duͤnne gekleidet/ weil es heiſſer Sommer
wahr/ daher man die Artigkeitſeiner zarten Glieder eigentlich erkennen kunte. Wir ſahen
durchs Fenſter ihn auff dem innerſten Schloßplatze daher ſpringen/ und lief ihm ein groſ-
ſer Jagt Hund zur Seiten/ und ſein Leibknabe hinten her. Wie er ins Gemach trat/ zog er
ſein ſchwarzes Huͤtchẽ mit der weiſſen Feder ſehr hoͤflich abe/ mit geſchiklicher Verſchren-
kung des Leibes/ daß ſeine Ehrerbietigkeit wol zuſpuͤren wahr/ trat gegen ſeinen Herr Va-
ter/ und fragte mit lieblichen Geberden/ wer der anſehnliche fremde Fürſt waͤre. Der Groß-
Fuͤrſt lachete anfangs/ ohn zweifel vor Freuden/ und antwortete ihm: Ich ſehe wol/ du wilt
zuvor die Leute kennen/ ehe du ſie gebuͤhrlich empfaͤheſt; es iſt dein Herr Vetter/ der Groß-
maͤchtigſte Koͤnig aus Boͤhmen/ und dieſer der junge Boͤhmiſche Herr. So bald er die-
ſes hoͤrete/ ſetzete er ſich vor meinem Herr Vater auff die Knie/ und kuͤſſete ihm die Haͤnde/
ſtund bald wieder auff/ und ſagte mit eben ſo unerſchrockenem als freundlichem Angeſicht
(ja mich deucht/ daß ich die ſuͤſſe Stimme noch in meinẽ Ohren ſchallen hoͤre) Großmaͤch-
tigſter Unuͤberwindlicher Koͤnig/ gnaͤdigſter Herr Vetter; Eure Koͤnigl. Hocheit muß
bey uns ſehr wilkommen ſeyn/ als deſſen Angeſicht zuſehen/ ich mir etliche Zeit gewuͤnſchet/
dann von Ihrer Hocheit hoffe ich dereins den Ritter-Orden zuempfahen/ wann ich deſ-
ſen werde faͤhig ſeyn koͤnnen. Mein Herr Vater ſahe ihn mit Verwunderung an/ und ant-
wortete ihm: Herzgeliebetes Soͤhnichen/ ich erfreue mich deiner vernuͤnfftigen Herzhaff-
tigkeit
[915]Vierdes Buch.
tigkeit und zierlichen Sitten/ und dafern die Goͤtter biß dahin mich friſten/ werde ich nie kei-
nem das Schwert mit freudigerm Herzen angeguͤrtet haben. Unter dieſer Rede ſahe ich
ihn/ und er mich/ inbrünſtig an/ biß mein Herr Vater gegen ihn weiter alſo fortfuhr. Sihe
da mein Soͤhnichen Herkules/ hier habe ich dir meinen Sohn Ladiſla zugefuͤhret/ Freund-
ſchafft mit ihm zumachen/ hoffe/ er werde auch nit gar aus der Art ſeiner Vorfahren ſchla-
gen. Darauff trat er zu mir/ umſing mich/ und ſagete: Herzlieber Oheim und Bruder/ es
erfreuet mich ſehr/ dz ich euch als meinen getraͤuen Geſellen bey mir haben ſol/ moͤchte wuͤn-
ſchen/ daß bey eurem Herr Vater meinem gnaͤdigſten Koͤnige ich erhalten koͤnte/ daß wir
biß an unſer rittermaͤſſiges Alter mit einander den Buͤchern fleiſſig obliegen/ uñ im ſchieſ-
ſen und andern zulaͤſſigen Spielen uns uͤben ſolten/ dafern euch meine Geſelſchafft als ei-
nes jüngeren nicht zuwider waͤhre. Ich muß bekennen/ daß durch ſeine Schoͤnheit ich als-
bald mich dergeſtalt gegen ihn verliebet befand/ daß ich nicht wuſte/ was ich ihm zur Ant-
wort gab; aber das weiß ich wol/ daß unſern Eltern/ inſonderheit ſeineꝛ Fr. Mutter die Au-
gen voll Traͤhnen ſtunden/ da ſie anſahen/ wie wir einer von dem andern kein Auge abwen-
den kunten/ und das umfahen zum fuͤnfften mahl wiederhohleten/ biß ein Teutſcher Pfaffe
darzu kam/ welcher uns beydẽ erſehend/ ſagete: O dieſe junge Herren/ Durchl. Großfuͤrſt/
werden gar zu fruͤh zuſammen gebracht/ doch hats nach des Geſtirns anzeige nicht wol an-
ders ſeyn koͤnnen; und zwar ſie ſind nun beyſammen/ aber Farbe wird es koſten/ wer dieſe
verknuͤpffete und verwickelte Herzen ſcheiden ſol. Und warumb ſolten ſie geſchieden wer-
den/ ſagte mein Herr Vater/ nachdem ſie inkünfftig/ da ſie leben ſollen/ ihre Reiche nit beſſer
als durch Einigkeit ſchuͤtzen koͤnnen? Der Pfaffe wolte hierauff nicht Antwort geben/ ſo
achtete es auch keiner groß/ dann alle anweſende gaben acht auff uns beyde/ wie wir uns
einander von oben an biß unten aus beſchaueten/ biß Herkules von ſeinem Herr Vater ur-
laub baht/ daß wir hingehen/ und uns im ſchieſſen uͤben moͤchten; da wir alsbald unſere
kindiſche Erfahrung ſehen lieſſen/ doch alſo/ daß keiner den andern beſchimpffen/ oder ihm
etwas zuvor tuhn wolte; wiewol/ die Warheit zugeſtehen/ er mir ſchon überlegen war/ deſ-
ſen ich mich nicht wenig ſchaͤmete. Als die Zeit wahr/ ſchlaffen zugehen/ fragete ich meinen
Herkules/ ob wir unſere Ruhſtaͤte auch weit von ein ander haben wuͤrden/ gab ihm auch zu
vernehmen/ dafern es ihm nicht zu wider/ moͤchte ich gerne bey ihm ſchlaffen; welches eine
Zohf Jungfer hoͤrend/ der Groß Fuͤrſtin es anmeldete/ die uns beyde zu ſich foderte/ und mit
Leutſeligkeit ſagete: Weil wir des Tages uͤber ſo gute Bruͤderſchafft gemacht haͤtten/ ſoltẽ
wir die Nacht auch bey einander ruhen; welches mir eine angenehme Zeitung wahr/ da-
vor ich mich untertaͤhnigſt bedankete. Die acht Tage wir nun dazumahl beyeinander
wahren/ daͤuchten uns nicht ſo viel Stunden lang ſeyn/ und hatte ich meinem Herkules
mich dermaſſen ergeben/ daß wie mein Herr Vater/ da er auffſitzen wolte/ zu mir ſagete/ es
wuͤrde ſchier Zeit ſeyn/ Prage wieder zuſuchen/ mir die Angſt Traͤhnen aus den Augen heꝛ-
vor drungen; Zwar mein Herkules hielt mit mir bey meinem Herr Vater fleiſſig an/ mich
eine zeitlang bey ihm zulaſſen/ wie die Groß Fuͤrſtin imgleichen/ nach dem ſie unſere innig-
liche Traurigkeit ſahe; aber mein Herr Vater gab ihr zur Antwort: Fr. Schweſter/ ich
habe meinen Sohn auch lieb/ und ſehe ihn gerne vor mir/ ungeachtet ich wol weiß/ daß er
alhie ſo wol/ als bey mir zu Hauſe waͤhre. Zu Herkules aber ſagte er: Geliebter Sohn/ jezt
Z z z z z ijmuß
[916]Vierdes Buch.
muß mein Sohn Ladiſla wieder mit mir zihen/ wann wir aber wieder kommen/ wollen wir
ein ganzes Jahr hieſelbſt verharren. Ja wie bald geſchihet ſolches/ aller gnaͤdigſter Koͤnig?
antwortet er; ſo iſt mir auch das ganze Jahr zu verdaͤchtig/ nachdem Ihre Hocheit diß mal
ſo ſchleunig hinweg eilet/ noch ehe mit meinem herzlieben Bruder Ladiſla ich rechte Kund-
ſchafft treffen moͤgen. Aber da halff alles nichts; ich muſte auff die Gutſche mich ſetzen/ ſo
bald ich einen kurzen Abſcheid von Herkules mit ſo verwirretem Gemüht genommen hat-
te/ daß ich vergaß ihn zuumfangen; wie dann nicht geringere Verenderung ich an ihm
gleichfals ſpürete. Auff der Reiſe taht ich nichts als ſeuffzen/ ungeachtet mein Herr Vater
mich hart ſtraffete/ ſo kunte er mich doch darzu nicht bewågen/ daß ich ihm gehorchet/ und
einen freyen Sinn angenommen haͤtte; ja weder eſſen noch trinken wolte mir ſchmaͤcken/
ſchlieff auch des Nachtes ſehr wenig/ da ich im Schlaffe nur ſtets meinen Herkules rief/
daher ich/ wie wir zu Prag anlangeten/ ſchon ſo ſchwach und bleich wahr/ daß meine Frau
Mutter ſich daruͤber entſetzete/ und nach meinem Gebrechen fragete/ welches aber ſo wenig
ich/ als mein Herr Vater ihr ſagen wolte. Nun hatte ich mir gaͤnzlich vorgenommen zu
ſterben/ weil mir unmoͤglich wahr/ mein hefftiges Verlangen nach Herkules zuertragen/
ward auch in wenig Tagen ſo matt/ daß ich nicht gehen kunte/ ſondern ſtets zu Bette ligen
muſte. Meine Waͤrterin hatte/ wann ich eingeſchlummert wahr/ gehorchet/ daß ich unter
den ſeuffzen den Nahmen Herkules offt genennet/ zeigete es meiner Fr. Mutter an/ und ſa-
gete: Dafern mir nicht beyzeiten Raht geſchaffet wuͤrde/ koͤnte ichs nicht lange treiben.
Alſo ward der Arzt zu mir gefuͤhret/ deſſen Gegenwart mir nicht angenehm wahr/ inſon-
derheit/ da er nach Begreiffung der Schlag Adern und Herzklopffens auch mein Waſſer
beſahe/ mich faſt eine Stunde lang betrachtete/ und endlich zu meiner Fr. Mutter ſagete;
es waͤhre keine Krankheit/ die durch Kraͤuter oder andere leibliche Arzney koͤnte vertrieben
werden/ ſintemahl alles uͤbel des zarten Leibes einig und allein von der Unruhe des Gemuͤ-
tes verurſachet wuͤrde; muͤſte demnach ohn zweiſel in kurzer Zeit vergehen/ dafern mir nit
Hoffnung zur Erlangung meines inniglichen begehrens gemacht wuͤrde. Darauff kam
gegen Abend mein Herr Vater zu mir/ fragend/ ob ich nicht ſchier wieder geſund werden
wolte/ inwendig neun Tagen muͤſte er nohtwendiger Geſchaͤffte halber nach dem Groß-
Fuͤrſten reiſen/ wohin er mich mitnehmen wolte. Dieſes wahr meine rechte Arzney; ich fo-
derte Speiſe und Trank/ und ging des vierden Tages/ als fehlete mir nichts/ ohn daß die
Mattigkeit mir in den Knochen lag. Als der neunde Tag herbey kam/ und ich keine Zube-
reitung zur Reiſe ſahe/ erkundigte ich mich bey den Trabanten uñ Gutſcher/ wie bald mein
Herr Vater nach Teutſchland wuͤrde; bekam aber zur Antwort: man waͤhre kaum wie-
der zu Hauſe angelanget; ob ich meynete/ dz man alle Wochen um einander nach Teutſch-
land reiſen wuͤrde? deſſen bey meiner Frau Mutter ich mich beſchwerete/ vorwendend/ die
Knechte und Diener hielten mich ſo geringe/ daß ſie mich keiner warhafften Antwort wir-
digten/ welches ihnen zu ſeiner Zeitſolte eingebracht werden; Worauff ſie zur Antwort
gab: den Dienern waͤhre ſolches unbewuſt/ und uͤbeꝛdas die Reiſe wegen anderer Geſchaͤf-
te auffgeſchoben/ muͤſte demnach mich gedulden/ biß es meinem Herꝛ Vater wuͤrde gelegen
ſeyn. Je warumb nicht? antwortete ich; und warumb ſolte mein Herr Vater meinet we-
gen früher oder ſpaͤter reiſen? Aber damit ging die erſte abgelegte Traurigkeit von neuen
wieder
[917]Vierdes Buch.
wieder an; alle Luſt zur Speiſe verſchwand mir; ſchlaffen kunte ich nicht/ und wahr doch
einem ſchlaͤfferigen Tag und Nacht aͤhnlich; kurz davon zureden; des ſechſten Tages fiel
ich in ein hitziges Fieber/ daß die Aerzte an mir verzageten/ und meine Fr. Mutter mich mit
traͤhnenden Augen fragete/ warumb ich durch Traurigkeit mich ſelbſt toͤdten wolte/ und ob
ich meiner Eltern ſo gar uͤberdruͤſſig waͤhre? Davor behuͤten mich die Goͤtter/ antwortete
ich; und wie kan ich der Krankheit oder dem Tode wehren? Aber O mein Hẽrkules/ mein
Bruͤderchen/ moͤchte ich dich nur noch ein mahl vor meinem Tode ſehen! doch ich bin ge-
wiß/ meine Seele wird nirgends als bey dir ſeyn/ ſo bald ſie nur den Leib erſt wird verlaſſen
haben. Auff ſolche Rede fiel ſie ohmaͤchtig auff mein Bette/ und nachdem ſie ſich wieder
erhohlet/ ging ſie hin zu meinem H. Vater/ welchen ſie mit vielem weinen und bitten bewo-
gen hatte/ mich/ ſo bald ich geſund ſeyn wuͤrde/ in Teutſchland zuſenden/ brachte mir auch
die hocherfreuliche Zeitung/ die Reiſe ſolte nicht laͤnger als biß auff meine Geſundheit ver-
ſchoben werden. Aber der Glaube wahr mir benommen/ und antwortete ich: Herzaller-
liebſte Fr. Mutter/ fpeiſet mich nur nicht mehr mit falſcher Hoffnung; ich befinde mich
nunmehr ſo weit abgemattet/ daß meine Seele meinem Willen bald gnuͤge tuhn wird; iſt
dann/ daß ihr mich liebet/ ſo nehmet meinen/ ach ja/ meinen allerliebſten Herkules vor euren
Sohn und kuͤnfftigen Erben dieſes Koͤnigreichs an/ alsdann wird er meine Seele wieder
mit ſich herfuͤhren/ und als lange er lebet/ koͤnnet ihr keinen beſſern und wirdigern Sohn
finden noch wuͤnſchen; daß ihr mich aber von ihm getrennet habt/ iſt die einige urſach mei-
nes herzu nahenden Todes. Mein Herzen-Kind/ antwoꝛtete ſie mit heiſſen Traͤhnen/ ſchla-
ge ſolche Todesgedanken aus dem Sinne/ dann ich beteure es bey mütterlicher Traͤue/ daß
ſo bald du wirſt geſund ſeyn/ ich ſelbſt dich nach deinem Herkules bringen wil. Es waͤhre
alles gut/ ſagte ich/ aber es iſt meines erachtens ſchon zu lange geharret. Wie ich dann in
Warheit kaum ſo viel Kraͤfte/ dieſe Worte auszuſprechen/ bey mir befand/ und mich etwas
erhohlen muſte/ da inzwiſchen meine Fr. Mutter ſich uͤbel hielt/ und ich endlich baht/ mich
krank hinfuͤhren zulaſſen/ ob vielleicht meines Herkules kraͤfftige Augelein mich wieder ge-
ſund machen wuͤrden. Der Arzt kam gleich darzu/ hoͤrete dieſe Worte/ und ſagte: Ja Ih-
re Hocheit verſichern ſich/ daß das Herrlein das beſte Mittel vorſchlaͤget/ dann auff andeꝛe
weiſe wird er in Warheit nicht geneſen/ als lange ſein Gemuͤht den ſteiff-eingebildeten be-
gierden nachhaͤnget. Dieſes ſchaffete ſo viel/ daß mir alsbald eine Saͤnffte bereitet ward/
und meine Fr. Mutter mich nach meinem Herkules brachte/ da ich zwar auff der Reiſe
nicht ſtaͤrker/ aber auch nicht ſchwaͤcher ward; empfand dannoch eine ſonderliche Erquic-
kung/ wann meine Fr. Mutter mich umb Herkules Sitten und Geſtalt (den ſie in fuͤnff
Jahren nicht geſehen) befragete; da ich alle Kraͤffte zuſammen ruffte/ ihr nach kindiſchem
Vermoͤgen ſolches zubeantworten. Unſere Ankunfft wahr dem Groß Fuͤrten [ſehr] fremde/
und doch ſehr angenehm/ und ward mein Herkules alsbald zu mir vor die Saͤnffte gefo-
dert/ welcher/ da ihm meine Schwacheit zu wiſſen getahn ward/ mit weinenden Angen zu
mir gelauffen kam/ herzete und kuͤſſete mich inniglich/ und ſagte: O mein allerliebſtes Bruͤ-
derchen/ wiltu dann deinen Herkules durch deinen Tod des Lebens zugleich mit berauben?
lieber erhohle dich/ und mache meine Hoffnung nicht zu Waſſer/ welche mich bißher feſtig-
lich verſicherthat/ wir wolten dereins durch Zuſammenſetzung unſer Waffen/ Ehr und
Z z z z z iijRuhm
[918]Vierdes Buch.
Ruhmerwerben/ und du wolteſt uns beyde in dieſen Jahren ſchon ſterben machen? Ach
du mein allerliebſtes Seelichen/ antwortete ich/ warumb klageſtu mich ſolcher Grauſam-
keit an/ da ich ja nichts mehr ſuchen wolte/ als vor dich zuſterben/ weil mir ein ſuͤſſer und
angenehmer Tod nicht begegnen moͤchte. Unſere Muͤttere hoͤreten dieſen Reden zu/ und
weineten ſo uͤberlaut/ daß der Groß Fuͤrſt herzu lief/ und nicht anders waͤhnete/ ich wuͤrde
ſchon verſchieden ſeyn; als ſie ihm aber unſer beyder beginnen zeigeten (dann bald kuͤſſetẽ/
bald troͤſteten/ bald drücketen wir uns) wendete er ſich mit halbnaſſen Augen umb/ und
kunte vor Mitleiden nicht mehr zuſehen. Endlich ſagete die Groß Fuͤrſtin zu mir: Herz-
lieber Sohn Ladiſla/ biß du unbetruͤbet/ du ſolt forthin bey deinem Herkules bleiben/ das
verſpreche ich dir ohn alle Falſcheit. Auff welche Rede mich nicht anders gedauchte/
als krauete mir die Haut auff dem Haͤupte/ und zoͤge ſichs über meinen ganzen Leib/
als ein naßfroͤſtiges Tuch/ welches mir zwiſchen Haut und Fleiſch ein angenehmes kitzein-
des ſchauren verurſachete/ daher mir eine Kühlung in allen meinen Gliedern und Blut-
Adern erwecket ward/ und antwortete ich der Groß Fuͤrſtin; Gn. Fr. Mutter/ wolte Gott/
mein H. Vater moͤchte in ihr gnaͤdiges Erbieten einwilligen/ als dann wuͤrde ich ohn zwei-
fel bald geneſen. Liebes Kind/ ſagte meine Fr. Mutter; davor wil ich dir Buͤrge werden/
und haſt hieran im geringſten nicht zuzweiffeln. Herkules hatte bißdaher mein er Fr. Mut-
ter nicht wahr genommen/ auch ſie zuvor niemahls gekennet/ ſetzete ſich deßwegen alsbald
vor ihr nider auff die Knie/ kuͤſſete ihr die Haͤnde/ und wolte ſeine Entſchuldigung tuhn;
aber meine Fr. Mutter hub ihn auff/ und kuͤſſete ihn wol zehnmahl aneinander; Ach mein
allerliebſtes Engelchen/ ſagte ſie/ deucht mich doch nicht anders/ ich ſehe meiner kleinẽ Va-
liſken Ebenbild vor mir; mein trauten Schaz/ ich wundere mich nicht groß/ daß mein La-
diſla ſich dermaſſen in dich verliebet hat/ angeſehen/ mirs faſt nicht viel anders gehen duͤrf-
te. Großmaͤchtigſte Fr. Koͤnigin und Mutter/ autwortete er; ich bitte demuͤhtigſt umb
verzeihung der von mir begangenen Grobheit/ daß ihrer Hocheit ich nicht bald anfangs
die Haͤnde gekuͤſſet/ wovon mich nichts/ als vor erſt die Unwiſſenheit/ dann auch meines
herzlieben Bruders Ladiſla Schwacheit abgehalten hat. Mein allerliebſtes Soͤhnichen/
ſagte ſie/ nicht bitte deſſen einige Verzeihung/ nur laß dir angelegen ſeyn/ daß dein Bruder
Ladiſla bald wieder geſund werden moͤge/ damit wir ihn nicht gar verlierẽ. Sie ging auch
mit ihm an meine Saͤnfte/ und fragete/ wie ich mich befuͤnde; ich ſagete/ ſehr wol/ wann
ich nur ein wenig ſchlaffen moͤchte. Gleich kam ein Teutſcher Pfaffe darzu/ welcher des
Groß Fürſten Leib Arzt wahr/ und meine Schlag Adern begrieff/ auch nach meinen gefuͤh-
reten bezeigungen fragete; ſagte hernach zu dem Groß Fuͤrſten; Gn. Herr/ hier bedarffs
meiner Kunſt gar nicht/ unſer junges Herrlein iſt bey dieſem Kranken der allerbewehrteſte
Arzt/ und werden wir in wenig Tagen beſſerung ſehen/ dañ es hat ſich die Krankheit ſchon
gebrochen/ und beſtehet in heilſamer Wandelung; riet auch daß mir Ruhe gegoͤnnet wuͤr-
de/ daher ward ich auff ein ſchlaff Gemach gebracht/ weil es ohndaß ſchon Abend wahr/
und ich die ganze Nacht ſehr wol ruhete/ bekam folgends guten Luſt zur Speiſe/ und nam
an Kraͤften ſchleunig zu/ daß am ſechſten Tage nach meiner Ankunft ich mich in die Klei-
der machete/ wiewol mir die Schwacheit wol vier Wochen anlag/ und ich in ſolcher Zeit
in die Luft nicht gehen/ noch meinen Leib ſtark bewaͤgen durfte. Drey Tage vor meiner An-
kunfft
[919]Vierdes Buch.
kunft hatte Herkules ohn vorwiſſen ſeiner Eltern ein Schreiben an meinen H. Vater/
durch hülffe eines Stalknechtes abgeſchicket/ und in demſelben inſtendig begehret/ mich
wieder zu ihm kommen zu laſſen/ damit wir fleiſſig miteinander in der Jugend die Spra-
chen lernen/ und in kindlichen Waffen uns uͤben moͤchten/ und wir nachgehends zur Rit-
terſchaft deſto fertiger uñ geſchikter waͤhren/ welches ihm dañ mein H. Vater mit freund-
licher Antwort bey eigenem Bohten einwilligte/ noch ehe ich wieder außgehen durfte/ er
mir auch ſolches bald zeigete/ und ſich mit mir froͤlich ſtellete/ weil wir nunmehr ſchriftli-
che Verſicherung/ die kein Koͤnig braͤche (wie er aus kindlicher Einfalt pochete) in Faͤu-
ſten haͤtten. Aber mein Herr Bruder/ ſagte hieſelbſt Ladiſla zu Artaxerxes; was gedenket
doch wol eure Liebe/ daß dieſelbe ich durch Erzaͤhlung ſolcher kindiſchen Poſſen ſo gar be-
ſchwerlich bin. Durchaus nicht beſchwerlich/ mein Herr Bruder/ antwortete er/ ſondern
ich beteure bey meinen Ehren/ daß ich nie angenehmere Erzaͤhlung mit meinen Ohren an-
gehoͤret/ und bitte ſehr/ eure Liebe wolle die Muͤhe nehmen/ das uͤbrige vollend mit allen
umbſtaͤnden hinzuzutuhn. Iſt ſolches euer Liebe behaͤglich/ ſagte er/ wil ich gerne fortfahrẽ/
wie daß meine Fr. Mutter/ nachdem ich die voͤllige Geſundheit erlanget/ ſich zur Heimrei-
ſe wieder fertig machete/ und mich fragete/ ob ich nun meinen Willen vergnuͤget haͤtte/ uñ
wieder mit nach Prage wolte; welches mir nicht anders/ als ein Donnerſchlag im Her-
zen wahr/ ſo daß ich Muht und Farbeverlohr/ welches doch nicht lange wehrete/ weil ich
den Scherz daher abnam/ daß ſie alsbald Herkules Lehrmeiſter/ einen gefangenen Roͤmer/
zwar jung/ aber ſehr geſchikt/ vor ſich foderte/ und ihm 100 Kronen ſchenkete/ mich neben
Herkules in Lateiniſcher und Griechſcher Sprache fleiſſig zu unterweiſen/ verſprach ihm
dabey jaͤhrlichen Sold 400 Kronen/ und/ welches ihm das liebeſte wahr/ kuͤnftige Befo-
derung ſeiner ehmaligen Freyheit. Da wurden wir nun ſehr wol angefuͤhret/ weil wir ein-
ander mit reizungen zum Fleiß auffmunterten/ und pflag mein Herkules ſchon dazumahl
dieſes vor ſein Sprichwort zugebrauchen:


Diſce puer, juvenis quod agas, namque ante ſenectam
Dura tibi nunquam concedunt fata quietem.
()

Lern in der Kindheit/ was du Juͤngling muſt verſehen/

Dann vor dem Alter laͤſt Gott keinen muͤſſig gehen.

Daher er dann zum offtern mich vermahnete/ wir wolten fleiſſig ſeyn/ damit wir bey-
zeiten die Buͤcher hinlegen/ und die Waffen zur Hand nehmen koͤnten. In was Einigkeit
nun wir unſere kindlichen Jahre zubrachten/ waͤhre weitlaͤuftig zuerzaͤhlen/ dabey ich doch
unvergeſſen laſſe/ daß ich zuzeiten mit ihm eiferte/ wann ohn mein vorwiſſen er ſich in Ge-
fahr wagete/ und den grimmigen Woͤlffen nachſtellete. Setzete ich ihn dann darüber zu-
rede/ warumb er mich dahinten gelaſſen/ und ob er meinete/ daß ich ſo viel Herzens nicht
haͤtte/ ein gleiches mit ihm zu wagen/ gab er mir zur Antwort: Ja mein lieber Bruder/
meineſtu/ ich koͤnte uͤber mein Herz bringen/ dich in ſolcher Gefahr zu ſehen? mich betref-
fend/ ſetzete er wol hinzu/ bin ich daher verſichert/ weil alle Sternſeher und Zeichendeuter
mir ein langes Leben zulegen/ in welchem ich/ ſonderlich in der Jugend/ viel Mühe und Ar-
beit auf [...]ehen ſolle/ daher beſuͤrchte ich mich nicht/ daß mich die Woͤlffe zu reiſſen werden.
Artaxerxes kunte ſich nicht enthalten zu fragen/ ob dann in der erſten Jugend er ſchon ſo
graͤuliche Tihre haͤtte beſtehen duͤrffen. Ja/ ſagte Ladiſla/ ſolte euer Liebe ich ſolches alles
berich-
[920]Vierdes Buch.
berichten/ muͤſte ich lange Zeit haben; ehe und bevor ich ihn jemahls geſehen/ hatte er ſchon
einen ungeheuren groſſen Wolff belauret/ und ihn ſchlaffend mit ſeinem Kinderdegen/
den er ihm in den Rachen geſtoſſen/ umbracht. O wie offt wuͤnſchete er/ da er kaum von 13
Jahren wahr/ daß es Loͤuen und Baͤhren in Teutſchland geben moͤchte/ auff daß er ſie nicht
alle in kennen lernete/ ſondern ſich auch an ihnen verſuchen koͤnte. Er wahr ſo gluͤkſelig in
alle ſeinem Vornehmen/ daß ihm nichts mißlung; und die Warheit zu ſagen/ uͤberlegete
er zuvor alles ſehr vernuͤnfftig/ und verrichtete hernach was beſchloſſen wahr/ mit ſonder-
licher Eilfertigkeit/ pflegete auch zu ſagen: Wol bedacht und furchtſam verrichtet/ iſt ſchelt wir-
diger/ als eine unbeſonnene friſche Taht; dann dieſes geraͤht offters/ jenes nimmermehr. Neben die-
ſer ſeiner Herzhaftigkeit aber wahr er ſo Gottfuͤrchtig und tugendhaft/ daß er weder flu-
chen noch Spotreden von Goͤttern hoͤren wolte. Keine Uppig-noch Leichtfertigkeit habe
ich Zeit meines Lebens an ihm geſpuͤret/ halte auch/ daß wann meine Frl. Schweſter nicht
in der Welt waͤhre/ wuͤrde er ſich von aller Weiber-Liebe abgehalten haben. Der Unzucht
iſt er ſpinne feind/ daß er auch mit denen/ die deßwegen beruͤchtiget/ nie umbgehen/ noch ge-
meinſchaft haben wollen. Als er von 15 Jahren/ und ſchon zimlicher Leibesſtaͤrke wahr/ dz
man ihn vor achzehn jaͤhrig haͤtte halten moͤgen/ ritte ich mit ihm durch einen luſtigen
Wald/ in welchen wir den Fuͤchſen und Haſen auffzulauren pflegeten; da wir nun den ver-
borgenſten Wegen nachjageten/ und von ferne einer zwangleidenden Dirnen Geſchrey
hoͤreten/ jedoch nicht eigentlich wuſten/ was Gewalt ihr angelegt wuͤrde/ uͤbergaben wir
unſere Pferde den mitlauffenden Leibdienern/ folgeten der Stimme zu Fuſſe durch Puͤ-
ſche und Hecken nach/ biß wir eines vornehmen wolbekanten teutſchen Herꝛn gewahr wur-
den/ der mit einem jungen wolgeſtalten/ doch armſelig bekleideten Bauren Maͤgdlein be-
muͤhet wahr/ ſie zu ſeinem unkeuſchen Willen zu uͤberwaͤltigen/ dem ſie zwar nach aͤuſſer-
ſtem Vermoͤgen wiederſtund/ aber gleich an dem wahr/ daß ſie haͤtte erliegen muͤſſen/ weil
der Gewalttaͤhter ſeinen beyden reiſigen Knechten hinzu geruffen/ und ſie aller Kleider
hatte berauben laſſen. Herkules bekam ſie ehe ins Geſicht als ich/ ſprang mit entbloͤſſetem
Degen hinzu/ und fragete den Vergewaltiger/ ob ihm gebuͤhrete dergleichen Boßheit zu
veruͤben. Seine Knechte/ die uns beyde kenneten/ flohen davon/ ihr Herr aber fing mit ei-
ner leichtſinnigen Entſchuldigung an/ es waͤhre ſeines Untertahnen/ und eines Bauren
Tochter/ moͤchte demnach ihre Fuͤrſtl. Gn. ſich daran nicht aͤrgern. Herkules kunte ihm
ſolchen Frevel nicht zu gute halten/ und ſagete: O ihr verwaͤgener Ritter/ habt ihr ſo ge-
ſchworen/ Jungfraͤuliche und alle Weibliche Ehre nach vermoͤgen zu ſchuͤtzen? ſahe ihn
mit feurigen Augen an/ und ging mit dem Schwerte auff ihn loß. Dieſer zuͤckete ſeyn Ge-
wehr/ ſich zu ſchuͤtzen/ und baht/ ihre Gn. moͤchten einhalten/ und ihm nicht Urſach geben/
einige Nohtwehre zu tuhn/ deſſen er gerne geuͤbriget ſeyn wolte; wodurch Herkules noch
mehr erbittert/ ihm ſein beſtes zu pruͤfen befahl/ und nam einen rechtmaͤſſigen Kampff mit
ihm an; deſſen ich mich nicht wenig entſetzete/ mich auch bemühete/ ihn davon abzuhalten;
aber ehe ich michs veꝛſahe/ hatte er ſeinem Gegeneꝛ ſchon eine Wunde in den rechten Elen-
bogen geſchlagen/ daß er das Schwert fallen ließ/ und in Ohmacht niderſank/ da er ihm
vollend den Kopf herunter ſchlug/ und ſelben dem Maͤgdlein/ welches nacket auff der Er-
den ſaß/ ein haͤndigte/ warf ihr hernach des erſchlagenen Reitrok uͤber/ und hieß ſie mit dem
Kopfe
[921]Vierdes Buch.
Kopfe nachfolgen; jedoch hatte Herkules auch einen Schramhieb uͤber den rechten Arm
bekommen/ woraus gar wenig Blut floß/ welches er mit dem Finger abwiſchete/ und in die
hoͤhe mit dieſen Worten gen Himmel warf; Ihr Goͤtter ſchützet mein Blut/ ſo lange ich
das Unkeuſche zuvergieſſen geneigt bin; ſolte ich aber zu gleicher Untugend mich verleiten
laſſen/ alsdann zuſchmettert mit eurem Donner alles was an mir iſt. Wir eileten wieder
nach unſern Pferden/ ſetzeten uns auff/ uñ lieffen das Maͤgdlein mit dem Haͤupte/ welches
ſie offenbahr tragen muſte/ allernaͤheſt hinter uns her folgen. Alle die uns begegneten ken-
neten daſſelbe/ und entſetzeten ſich/ und da wir vor dem Groß Fuͤrſtlichen Schloſſe an-
langeten/ da der Groß Fuͤrſt mit ſeinem Gemahl und vornehmſten Hofleuten ſich im gruͤ-
nen erluſtigte/ ſtieg Herkules vom Pferde/ hieß das Maͤgdlein folgen/ trat vor ſeinen H.
Vater/ und redete ihn alſo an: Gnaͤdigſter Herr und Vater/ wann die maͤchtigen Goͤtter
Land und Leute ſtraffen/ geſchihet ſolches wegen der Inwohner Boßheit und Untahten/
welche von der Erde ſchreihen und des Himmels Ungnade uͤber ſchuldige und unſchuldi-
ge zu gleich erwecken; ſolches Verderben aber abzuwenden/ laͤſſet die Obrigkeit ihr billich
angelegen ſeyn. Nun iſt leider der verfluchte Wahn bey etlichẽ eingeriſſen/ die ſich ihres a-
delichen Gebluͤts durch ſtolzen Pracht ihrer Schild uñ Helme beruͤhmen/ daß ſie meinen
es ſtehe ihnen frey/ der armen ihnen untergebenen Bauren Toͤchter nach Willen zumiß-
brauchen/ welches doch eine ſo unverantwortliche Schande iſt/ die allein gnug waͤhre/ ſie
aller ihrer Freyheiten und begnadigungen zu berauben; dann eben hiedurch reizen ſie der
teuſchen Goͤtter und des reinen unbeflekten Himmels Zorn wieder uns. Sehet mein H.
Vater/ einen ſolchen Schandbuben habe ich ohngefehr in einem Luſtwalde angetroffen/
welcher dieſe unſchuldige Tochter gewaltſam zu ſchaͤnden/ mit zween ſtarken Knechten in
bemuͤhung wahr/ und nur bloß der Goͤtter Barmherzigkeit ihre Ehre bewahret hat; den-
ſelben habe ich aus rechtmaͤſſigem Eifer zu Rede geſtellet/ und da er nur ſeine wolzugelaſ-
ſene Macht vorſchuͤtzete/ ihm im gleichen Kampfe vor freier Fauſt den Lohn ſeiner Boß-
heit durch der Goͤtter Huͤlffe erteilet/ nicht zweifelnd/ mein gnaͤdiger Herr und Vater wer-
de ſolches an mir nicht ſtraffen/ ſondern mit vaͤterlicher Huld uñ Gnade gewogen bleiben;
faſſete hiemit das abgehauene Haͤupt/ warfes vor des Groß Fuͤrſten Fuͤſſe/ und ſagete: So
muͤſſe es allen denen ergehen/ die durch unzuͤchtigen Muhtwillen ihren viehiſchen Begier-
den folge zu leiſten/ ungeſcheuhet ſind. Alle Anweſende/ auch der Groß Fuͤrſt ſelber/ entſet-
zeten ſich vor ſeinen feurigen Augen/ erkenneten auch/ das es des berümten Ritters Inge-
vons Haͤupt wahr/ daher ſie es groß Wunder nam/ daß der junge Herr einen Kampf wie-
der ihn annehmen/ vielmehr aber/ ihn uͤber winden koͤnnen. Sein Herr Vater ſahe ihn zu
gleich mit freudigen und betruͤbeten Augen an/ und fragete nach/ ob der Entleibete/ nach
dem er von Herkules zu Rede geſtellet/ ſich ihm wiederſetzet/ und zum Kampfe anlaß gege-
ben haͤtte; welches ich zu beantworten ſcheuh trug/ und meinen Herkules reden ließ; wel-
cher geradezu bekennete/ und von mir Zeugnis begehrete. Worauff ſein H. Vater zu ihm
ſagete: Lieber Sohn/ daß du an der Unkeuſcheit Abſcheuh traͤgeſt/ ſtehet dir ruͤhmlich an/
aber der hoͤchſten Obrigkeit/ und des Landes Geſetze zu uͤberſchreiten/ iſt ſo wenig dir als
einem andern zugelaſſen. Nun weiſtu wol/ daß in allen meinen Laͤndern und Herrſchaften
alles Fauſtrecht und Außfoderung bey Straffe des Henkens ernſtlich und ohn alle Bedin-
A a a a a agung
[922]Vierdes Buch.
gung verbohten iſt; wie haſtu dich dann erkuͤhnen duͤrffen/ dieſen Ritter außzufodern/ da
er nach Urtel und Recht haͤtte koͤnnen geſtraffet werden? Siheſtu nicht daß du eben hie-
durch dein Leben verwirket/ und dich zum Ubeltaͤhter gemacht haſt? Seine Fr. Mutter hoͤ-
rete dieſes/ und erſtarrete vor ſchrecken/ wie es mir dann nicht viel anders erging; aber
mein Herkules fing mit unerſchrockener Herzhaftigkeit und uͤberlauter Stimme alſo an:
Ihr Goͤtter/ die ihr aller Unzucht von Herzen feind und zuwieder ſeid/ laſſet euch/ bitte ich/
das Opffer angenehm ſeyn/ welches ich euch geſchlachtet habe/ umb euren Zorn zu ſtillen/
nicht daß ich einige Rachgier oder Hochmuht ergehen laſſen/ fondern die Schande vergel-
ten moͤchte/ die ohn zweifel wegen Vorbitte anderer ſeines gleichen/ nicht gebuͤhrlich ge-
ſtraffet waͤhre/ wie ich deſſen unterſchiedliche Begebniſſen leider einfuͤhren kan. Ihr aber
Gn. Herr und Vater/ findet ihr an eurem Sohn einen muhtwilligen Ubertreter euer
loͤblichen Satzungen/ wolan/ ſo ſtehe ich alhier/ verfahret mit mir nach Recht/ damit ihr
hernaͤhſt nicht hoͤren duͤrffet/ ihr haͤttet nach Gunſt oder Anſehen gerichtet; ja laſſet nur
mein Genik durch den Strang brechen/ weil ich ohndz nicht Luſt habe in ſolcher Landſchaft
zu leben/ oder ſelbe dereins zu beherſchen/ da deꝛ muhtwillige Adel (ich rede nicht von from-
men) an den Untertahnen ſich zu verſuͤndigen/ ihm ſichere Freiheit einbilden darff. Ich
meinete gaͤnzlich/ das Herz wuͤrde mir im Leibe vor unmuht berſten/ wolte doch nicht re-
den/ ſondern des Groß Fuͤrſten Antwort zuvor hoͤren; welcher alſo anfing: Ich werde voꝛ
mich ſelbſt die Urtel zu ſprechen/ mich wegen vaͤterliches Verdachts entbrechen/ und den
geſamten Landſtaͤnden alles in die Haͤnde geben; inzwiſchen ſoltu als ein Ungehorſamer
und Ubertreter der Landes Satzungen gefaͤnglich genommen werden; befahl hiemit ſeinẽ
Trabanten/ ihn in die Gefaͤngnis zu legen. Herkules aber ſagte: Nein mein H. Vater/ ich
bin als ein Sohn ſchuldig/ euch ohn Gewaltſamkeit zu gehorſamen/ uñ von mir ſelbſt nach
dem Gefaͤngnis zu gehen. Hier kunte ich nun mich laͤnger nit einhaltẽ/ zog mein Schwert
aus/ fetzete es an mein Herz/ und ſagete zu Herkules; Bruder/ dafern dein Fuß einiges Ge-
faͤngnis betreten wird/ wil ich mich alsbald ſelbſt niderſtoſſen; hernach redete ich alſo den
Groß Fuͤrſten an; Was eure Hocheit willens iſt mit ihrem Sohn anzufahen/ deßgleichen
Teutſchland nie gezeuget hat/ nehme ſie nur bald vor/ und doch alſo/ das im Leben und To-
de ich ihm Geſelſchaft leiſte; mein Herkules hat nichts wieder Recht oder Billigkeit ge-
handelt/ und dafern er den verwaͤgenen Schelm nicht angegriffen/ wolte ichs getahn ha-
ben; kan nun ein Menſch durch eine Taht zugleich die Goͤtter dem ganzen Lande verſoͤh-
nen/ und der Geſetze Straffe zum ſchmaͤhlichen Tode über ſich laden/ ſolches laſſe eure
Hocheit ich verantworten; gelobe aber hiemit den Goͤttern/ daß da eure Hocheit meines
Lebens wieder meinen Willen ſchonen/ und meinen Bruder als einen ſchaͤndlichen Dieb
henken laſſen wuͤrde/ ich ſeinen Tod an allen ſeinen Richtern und Verurteilern dereins ſo
grauſam raͤchen wil/ daß allen/ die es hoͤren werden/ die Haare davor zu Berge ſtehen ſol-
len. Hiemit faſſete ich Herkules beim Arme/ welcher willens wahr/ nach dem Gefaͤngnis
zu gehen/ und ſagete zu ihm: Herzlieber Bruder/ dafern du dich wegerſt hier zu bleiben/
biß dein H. Vater dich der Gefaͤngnis entnimmet/ wil ich dich und mich niderſtoſſen; du
haſt dich in deinem ganzen Leben aller Tugend beflieſſen/ die keiner Bande oder Gefaͤng-
nis werd iſt. Herkules entſetzete ſich hieruͤber/ fiel mir zun Fuͤſſen/ und baht durch alle Goͤt-
ter/
[923]Vierdes Buch.
ter/ ich moͤchte ihn vom gebuͤhrlichen Gehoꝛſam nicht abhalten; ich aber kehrete mich wie-
der zu dem Groß Fürſten/ und ſagete: Iſt ihre Hocheit annoch willens/ ihren allertreflich-
ſten Sohn vor ſeiner inkuͤnfftig eigenen Untertahnen Gericht zuſtellen/ ſo benehmen ſie
ihn nur der ſchmaͤhlichen Gefaͤngniß/ und laſſen ihn auff ſeinem eigenen Gemache bewa-
chen/ damit ſie mich nicht zwingen/ ihre Grauſamkeit anzuklagen. Die Groß Fuͤrſtin taht
mit dem ſaͤmtlichen Frauenzimmer/ unter denen des erſchlagenen Eheweib ſelber wahr/
einen Fußfall/ und hieltenklaͤglich an/ meinem lezten anſuchen ſtat zugeben; aber er ſtellete
ſich/ als hoͤrete ers nicht/ und fragete mich/ wer mich ſo kuͤhn gemacht haͤtte/ in ſeiner Ge-
genwart das Gewehr zubloͤſſen; gab auch den Trabanten einen Wink/ mich gefaͤnglich
anzunehmen. Ich dieſes merkend/ taht einen Sprung nach meinem Pferde/ ſetzete mich
drauff/ und wahr willens auszureiſſen/ nicht eben/ meine Beſchimpffung abzuwenden/
ſondern mich nach Hülffe/ meinen Herkules zuretten/ umzutuhn. Der Trabanten einer
folgete mir auff Herkules Pferde nach/ mich zugreiffen/ welchen ich aber mit einem Hiebe
des Lebens beraubete/ und zwar/ zu meinem Gluͤcke/ hinter einer Hecke/ daß niemand deſſen
ſo zeitig wahr nam; rante alſo ohn Hinderniß fort nach einem groſſen Dorffe/ klagete den
Bauren/ welcher geſtalt der Groß Fürſt ſeinen Sohn und kuͤnfftigen Erben wolte henken
laſſen/ daß er die Schaͤndung einer Bauren Tochter an einem mutwilligen vom Adel mit
dem Tode geſtraffet/ und baht ſie/ des jungen Fuͤrſten ſich anzunehmen/ und gegen den A-
del ihm Schuz zuhalten/ mit dem verſprechen/ ich wolte an ihrer ſeite ſtehen/ und bey ihnẽ
leben und ſterben. Dieſe wahren gleich willig/ ſendeten ſchnelle Pferde nach allen umlie-
genden Doͤrffern/ und brachten in dieſer Nacht 8000 wolgeruͤſtete Bauren zuſammen/
mit der Verheiſſung/ es ſolten inwendig 24 Stundẽ ihrer 40000 beyeinander ſeyn. Die
vornehmſten fielen mir zu fuſſe/ und bahten/ daß ich in meinem Vorſaz beſtaͤndig verblei-
ben wolte/ alsdann wolten ſie nicht leben/ oder den jungen Fuͤrſten wegen ſolcher loͤblichẽ
Taht in Freyheit ſetzen. Ich ſchwuhr ihnen meine Traͤue/ hieß ſie mir folgen/ und mehr be-
wehrte Voͤlker beyſammen treiben/ ging dieſelbe Nacht mit dieſen meinen muhtigen
Leuten fort/ und belagerte das Groß Fuͤrſtliche Schloß noch vor der Sonnen Auffgang.
Der Groß Fuͤrſt hatte ſich inzwiſchen von ſeinem Gemahl beguͤtigen laſſen/ daß Herkules
mit dreyen vom Adel (die ihm weder boͤſes noch gutes zugeredet hatten) nach ſeinem Ge-
mach gangen wahr/ das Recht daſelbſt abzuwarten/ und wahren ſie alleſamt der Meynung
geweſen/ ich wuͤrde nach Boͤhmen geflohen ſeyn/ von dannen Huͤlffe zuhohlen. Fruͤh
Morgens wahr dem Groß Fuͤrſten auff ſeinem Lager zu wiſſen getahn/ das Schloß waͤhre
von Gewapneten ganz umringet/ deswegen er alsbald heraus ſchickete/ umb zufragen/ wz
vor Leute ſolches ihnen haͤtten unternehmen duͤrffen. Ich hielt den Geſanten ein wenig
auff/ daß er anſehen ſolte/ wie eben dazumal mein Lager mit 6000 Mann verſtaͤrket ward/
welche ſich nicht anders als grimmige Loͤuen erzeigeten; doch nach verlauff einer halben
Stunde ließ ich ihn mit dieſer Antwort zuruͤcke gehen: Der Koͤnigliche Erbe aus Boͤh-
men/ wolte ſein Haͤupt nicht ſanffte legen/ biß er ſeinen unſchuldigen Bruder Herkules
von der ungerechten Schmach erloͤſet haͤtte; Er bedingete ſich auch/ wegen des ihm-ſelbſt
angetahnen Schimpffs/ und bliebe im uͤbrigen Ihrer Hocheit auffwaͤrtigſter Knecht/ nuꝛ
daß er fuͤrchtete/ dafern ihre Hocheit ſich nicht bald eines andern bedaͤchte/ dũrffte die gan-
A a a a a a ijzu Teutſche
[924]Vierdes Buch.
ze Teutſche Baurſchafft ſchwuͤrig werden/ und den ganzen Adel ausrotten. Meine Voͤl-
ker fingen inzwiſchen ein wuͤſtes Geſchrey an/ ob man die jungen Fuͤrſten als Diebe henken
wolte/ die der armen Untertahnen ſich annaͤhmen/ und an des Adels Grauſamkeit mißfal-
len truͤgen. Welches da es dem Groß Fuͤrſten hinterbracht worden/ hat kein Menſch an
ihm merken koͤnnen/ obs ihm lieb oder leid waͤhre. Meine Voͤlker aber mehreten ſich des
Tages dergeſtalt/ daß gegen der Sonnen Untergang ich 36000 zaͤhlen ließ/ hatten auch in
die 80 von Adel gefangen mit ſich gebracht/ denẽ ſie ſchon begunten ſchweres uͤbel zudraͤuẽ/
lieſſen ſich aber doch von mir einreden/ und hielten ſie hoͤflich gnug. Die im Schloſſe kun-
ten ſich nicht erklaͤren/ was ſie tuhn oder laſſen ſolten; Zwar die Beſatzung drinnen wahr
ſtark genug/ einen zimlichen Anlauff abzuſchlagen/ aber ſolcher Menge/ die ſich zu mir ſam-
lete/ zuwiderſtehen/ wahr ihnen unmoͤglich. Der Groß Fuͤrſt hatte gegen den im Schloſſe
anweſenden Adel ſich vernehmen laſſen/ er zoͤge ſichs vor eine groſſe Beſchimpffung an/ dz
ich ihm ſeine Untertahnen auffgewiegelt/ und ihn damit belagert haͤtte/ ſchickete auch drey
anſehnliche Herren umb den Mittag an meine Leute/ und ließ ihnen andeuten/ dafern ſie
mich dem Groß Fürſten liefern/ umb Gnade ihres Irtuhms bitten/ ſtraks angeſichts abzi-
hen/ und die Waffen niderlegen wuͤrden/ ſolte ihnen alles verzihen ſeyn; im widrigen mü-
ſten ſie andern zum abſcheuhlichen Beyſpiel wegen dieſer unverantwortlichen Auffruhr
geſtraffet werden. Dieſe Geſanten ließ ich alsbald gefangen nehmen/ und nahe vorm
Schloß Tohr drey Galgen auffrichten/ ſtellete darauff meinen Leuten frey/ ſich zubereden/
was ſie ihrem Groß Fuͤrſten zur Antwort geben wolten; Da ſie einhellig ſchriehen: Der
tapffere junge Fuͤrſt Herkules muͤſte auff freyen Fuß geſtellet/ und aller Beſchimpffung
entnommen ſeyn/ oder ſie wolten den ganzen Adel ausrotten/ und die/ ſo des jungen Fuͤrſten
Taht nicht billichten/ den Goͤttern als ein angenehmes Opffer abſchlachten. Ich erinnerte
ſie in meiner Gefangenen gegenwart/ der Beſcheidenheit; man ſolte bey dem Groß Fuͤr-
ſten bitlich anſuchen/ daß ohn einig angeſtelletes Gericht/ der junge Fuͤrſt ſeiner Hafft er-
laſſen/ und ſeine Taht vor loͤblich und rechtmaͤſſig geſprochen wuͤrde/ vorerſt. Zum andern/
daß ich Ladiſla/ von dem Groß Fuͤrſten wegen dieſes beginnens weder gehaſſet noch ver-
folget; dann vors dritte/ dem uͤbermuͤhtigen Adel die freye Macht zuſuͤndigen benommen
wuͤrde/ ſo daß man ihnen Geſetze aus Groß Fürſtlicher Macht vorſchriebe/ keinen ihrer
Untertahnen ohn Urtel und Recht zuſtraffen/ vielweniger/ ihre Kinder zuſchaͤnden/ ſondeꝛn
wer hinfuͤro ſich unterſtuͤnde/ des ertoͤdteten Ingevons Schande zubegehen/ derſelbe von
dem Groß Fuͤrſten an Leib und Leben geſtrafft werden ſolte. Schließlich bliebe das Land-
Geſetze wegen der Ausfoderung in ſeinem Werd/ jedoch unter dieſer Bedingung/ daß wer
einen wegen uͤberzeugeten Nohtzwanges zum Kampffe ausfoderte/ nicht allein ungeſtrafft
bleiben/ ſondern als ein Freund der Goͤtter geehret werden ſolte. Dieſen meinẽ Vorſchlag
lieſſen ſich alle meine Leute gefallen/ und machete ich einen Ausſchuß von zehn Mann/ denen
ich durch einen vom Adel bey dem Groß Fuͤrſten ſicher Geleit ſuchete/ aber vor folgenden
Morgen keine Antwort bekam/ da ich ſchon 48000 Mann ſtark wahr/ welche zutrotzen be-
gunten/ wofern ihr Groß Fürſt durch des Adels getrieb ſich einnehmen lieſſe/ und ſeinen
Untertahnen Schutz und Recht verſagete/ muͤſte man Hand an ſolche Verfuͤhrer und ih-
res gleichen legen; weil aber mein Abgeſanter wieder kam/ ſich anfangs zwar in des Groß-
Fuͤrſten
[925]Vierdes Buch.
Fuͤrſten Nahmen beklagete/ und doch das Geleit nach allem begehren mit ſich brachte/ un-
terrichtete ich meine zehn Maͤnner/ wie ſie ſich untertaͤhnigſt verhalten/ die zugelegte Auff-
ruhr ablehnen/ ſich zu allem Gehorſam erbieten/ und die begehrte vier Stuͤcke bitlich ſuchen
ſolten; wie ſie dann ſolches wol und gebuͤhrlich verrichteten/ und durch ſolche Demut den
Groß Fuͤrſten gar gewonnen/ wiewol er ſich gegen ſie mit keinem Worte erklaͤrete/ ſondern
ſie frey abzihen/ und durch einen vom Adel ihnen andeuten ließ/ er wolte/ in Betrachtung
ſeiner vaͤterlichen Hulde gegen ſeine Untertahnen/ die bitlich geſuchten Stuͤcke gnaͤdigſt in
Bedacht zihen; inzwiſchen geboͤhte er allen verſamleten bey Leib- und Lebensſtraffe/ an kei-
nem vom Adel/ auch nicht an des entleibeten Ingevons naͤheſten Blutsverwanten ſich zu
vergreiffen. Die Groß Fuͤrſtin hatte ſich heimlich zu meinen Abgeſanten gemacht/ und be-
fohlen/ ihrem herzlieben Sohn Ladiſla zuſagen/ daß er ohn gegebene rechtmaͤſſige Urſach
ſich aller Taͤhtligkeit enthielte/ und in feinem Vorhaben getroſt und herzhafft fortfuͤhre/ ſol-
ches wuͤrde den armen Baursleuten ſehr heilſam und erſprießlich ſeyn. Mein Herkules
aber/ da er meines tuhns berichtet worden/ hatte vor Angſt kein Wort reden koͤnnen/ und
an ſeinen H. Vater begehret/ ihn gnaͤdig und vaͤterlich zuhoͤren/ welches ihm doch gaͤnzlich
abgeſchlagen wahr/ wiewol ſeine Fr. Mutter ihm vertraulich bey einer Magd zuentbohtẽ/
er ſolte unbekuͤmmert ſeyn/ Ladiſla haͤtte nichts ohn ihren Befehl und Anordnung getahn;
Worauff er dann zu frieden ſeyn muͤſſen/ inſonderheit/ weil meine Voͤlker ſich aller dinge
ruhig verhielten/ und des Groß Fuͤrſten Erklaͤrung erwarteten/ ſich aber gegen meine drey
Gefangene und die andern aͤdlen ausdruͤklich vernehmen lieſſen/ dafern der Groß Fuͤrſt
durch boͤſe Rahtgeber verleitet wuͤrde/ wolten ſie den ganzen Adel lebendig ſpieſſen/ ihre
Guͤter rauben/ und damit uͤber Rein unter der Roͤmer Herſchaft ſich begeben. Der Groß-
Fuͤrſt ging mit dem bey ſich haben den Adel fleiſſig zu rahte/ und hielt ihnen vor/ ob zwar der
Auffſtand durch Ladiſla erwecket/ unverantwortlich/ und ſtraffbar waͤhre/ ſaͤhe er doch/ daß
in Betrachtung ſeiner mehr als bruͤderlichen Liebe gegen Herkules/ er nichts unbeſonne-
nes/ aus kindiſcher Unwiſſenheit/ ſondern das vorgenommen haͤtte/ welches Freunde und
Feinde loben muͤſten; daß er aber ſich gegen ſeinen Sohn ſo hart und unfreundlich erzei-
get/ haͤtte er wegen des Adels tuhn muͤſſen/ damit ſie nicht etwa einen Auffſtand im Reiche
verurſacheten/ oder ihn beſchuldigten/ daß er ſeinen Kindern nachgaͤbe/ die Reichs Satzun-
gen zuuͤbertreten; Sie ſolten bedenken/ ob eine loͤblichere Taht in aller Welt von einem ge-
uͤbeten Rïtter haͤtte moͤgen verrichtet werden/ als ſein annoch ſo junger Sohn Herkules
durch kühne Ausfoderung auff der Goͤtter Schuz ſich verlaſſend/ begangen/ und glüklich
vollendet/ wovor ihm billicher eine Ehren Kron als die ſchimpfliche Gefaͤngniß gebuͤhret
haͤtte/ und waͤhre keiner vom Adel der Auffrichtigkeit geweſen/ einige Vorbitte vor denſel-
ben einzulegen/ welches doch des erſchlagenẽ Wittib gutwillig uñ ungeheiſſen getahn. Nun
waͤhre ihm von herzen lieb/ daß ſie ihm Zeugniß geben muͤſten/ wie unſchuldig er an Ladiſla
vorhaben waͤhre/ auch bloß auf ihr gutheiſſen unterlaſſen haͤtte/ ihn in deꝛ flucht zuverfolgẽ/
wovon er doch weiters nicht reden wolte; nur ſolten ſie reiflich erwaͤgen/ und ihr Gutduͤn-
ken uͤber die vorgetragene Stuͤcke ohn alle ſcheuh anzeigen; er vor ſein Haͤupt haͤtte den
Muhtwillen etlicher vom Adel in ſeinem Herzen zwar hoͤchlich bißher beklaget/ aber zur
abſchaffung des Unweſens nicht greiffen dürffen/ weil die groͤſte Boßheit von den an ſehn-
A a a a a a iijlichſten
[926]Vierdes Buch.
ligſten Seulen des Vaterlandes/ oder doch von ihren Kindern begangen waͤhre; dieſem
haͤtten die Goͤtter laͤnger nicht zuſehen wollen/ und es durch ſeinen frommen tugendlieben-
den Sohn alſo geſchicket/ daß durch die Untertahnen des Adels Frecheit beſchnitten wer-
den müſte; waͤhre es nicht zuerbarmen/ daß wann etwa ein Unaͤdelgebohrn er durch Liebe
zu einer aͤdelgebohrnen Jungfer/ nicht allein mit ihrem guten Willen/ ſondern wol heffti-
ger Anreizung ſich hielte und ſie ehelichte/ derſelben Anverwanten einen ſolchen Schwa-
ger durchaus Tod haben wolten? hingegen/ wann ein aͤdelgebohrner/ eines Buͤrgers odeꝛ
Bauren Tochter ſchaͤndete/ und wol gar nohtzwaͤngete/ ſolcher boßhafte Frevel allerdin-
ge ungeſtraffet hingehen ſolte? Sie moͤchten dieſes betrachten/ und es miteinander uͤber-
legen/ damit den vergrelleten Untertahnen koͤnte geantwortet werden/ welches vor ſein
Haͤupt zu tuhn/ ob er gleich aus Groß Fuͤrſtlicher Macht wel befuget waͤhre/ er deſſen doch
bedenken truͤge/ damit man ſich uͤber ihn hernaͤhſt nicht zubeſchweren haͤtte. Der anwe-
ſende Adel hoͤrete ſolches mit groſſer beſtuͤrzung an/ dañ ihr Gewiſſen uͤberzeugete ſie groſ-
ſenteils/ daß ſie mit ihren Untertahnen mehr gewaltſam als gütig umbgingen/ und taht
ihnen weh/ daß die Bauren ihnen Recht vorſchreiben/ und ihrer Macht gewiſſe Schran-
ken flechten ſolten/ beſchwereten ſich deſſen auch zum hoͤchſten/ nebeſt anzeige/ daß der Boͤ-
miſche junge Fuͤrſt des Teutſchen freien Adels Freiheiten zuſchwaͤchen bemühet waͤhre.
Der Groß Fuͤrſt fragete ſie/ was von ihnen in den begehreten Stuͤcken dann ſo hoͤchlich ge-
tadelt wuͤrde/ ſolches ſolten ſie anzeigen/ und ſeiner gnaͤdigſten Erklaͤrung verſichert ſeyn;
worauff ſie aber kein Woͤrtlein zu antworten wuſten/ ohn dz ihrer wolhergebrachten Frei-
heit und adelichen Anſehen groſſer eingriff geſchehen wuͤrde/ wann ihnen der Bauren An-
muhten ſolte auffgedrungen werden. Der Groß Fuͤrſt eiferte ſich daruͤber nicht unbillich/
und brach endlich alſo loß; Was bildet ihr euch dañ wol ein/ als ob euer Frevel durchaus
nicht gezaͤhmet ſeyn muͤſte/ und ihr unter dem Deckel der adelichen Freiheit allen Muht-
willen verüben duͤrftet? Ich habe lange gnug mit euer etlichen durch die Finger geſehen/
dann alle beſchuldige ich keines weges/ ſondern nur die Verbrechere/ welche mir nicht ſo
gar unbekant ſind; aber hernaͤhſt wil ich durchaus dergleichẽ unverantwortliche Frecheit
nicht mehr dulden/ ich moͤchte ſonſt (wie mein lieber Sohn Herkules recht ſaget) mit allen
meinen Untertahnen in der Goͤtter Ungnade und Straffe fallen. Hieß ſie hierauff weg ge-
hen/ und daß ſeine Soͤhne Herkules und Baldrich/ wie auch ſein Gemahl uñ junges Fraͤu-
lein/ dazumahl im achten Jahr ihres alters/ herzu gefodert wuͤrden. Herkules wahr der
lezte geweſen/ und hatte mit nidergeſchlagenen Augen und bloͤdem Angeſicht wegen mei-
ner Auffruhr ſich eingeſtellet/ auch alsbald einen Fußfal getahn/ in Meinung/ mir Gnade
zuerbitten; Aber ſein Herr Vater hatte ihm alsbald ernſtlich gebohten/ auffzuſtehen/ und
ihn nachgehends alſo angeredet: Du mein lieber Sohn/ und hoͤchſte Vergnuͤgung meines
Herzen; welche Worte ſeine Fr. Mutter hoͤrend/ vor freuden in Ohmacht nidergefallen
wahr/ weil ſie aus ſeinem vorigen ertichteten Zorn ſich einer harten Urtel befuͤrchtet hatte;
und als ſie wieder durch ihren Herkules und Baldrich erquicket worden/ hat ſie folgende
ihres Gemahls Reden mit ſonderlicher Wolluſt angehoͤret: ich danke den Goͤttern/ daß
durch deine preißwirdige Taht ſie meinen Groß Fuͤrſtlichen Stuel/ wie ich lange Zeit ver-
geblich gewuͤnſchet/ dereins befeſtiget/ und wieder etlicher des Adels Frecheit/ welche ohn
verder-
[927]Vierdes Buch.
verderbung meines Reichs ich nicht zwingen kunte/ nunmehr unbewaͤglich/ dir mit zum
beſten/ gegruͤndet haben. So gedenke nun nicht/ mein Sohn/ daß mein bißher ertichteter
Zorn/ dir und deiner erworbenen Ehre/ ichtwas zuwieder geſucht/ ſondern umb des Adels
willen/ hat es/ ohnzweifel aus ſtifftung der Goͤtter/ geſchehen muͤſſen/ welchen ich durch
gluͤkliches vornehmen deines getraͤuen Bruders nicht mehr zu fuͤrchten habe/ und ſchon
Mittel finden wil/ daß ihre Freiheit zu ſuͤndigen/ auffgehaben werde; hoͤre demnach auff/
dich als einen Ubeltaͤhter zu ſchaͤtzen/ und bitte durchaus keine Verzeihung/ die vielmehr
ich dafern ich dein Vater nicht waͤhre/ bey dir ſuchen muͤſte; biß mir aber in dieſem Stuͤk
gehorſam/ und reite mit deinem Bruder Baldrich hinaus zu Ladiſla/ welchen du wirſt zu-
bereden wiſſen/ daß er ſich hieſelbſt bey mir auff Gnade und Ungnade einſtelle/ jedoch/ daß
du bey verluſt meiner Hulde ihm meines guten Willens keine meldung tuhſt/ ſondern viel-
mehr begehreſt/ daß die drey Gefangene von Adel/ denen er zweifels ohn/ die drey Galgen
hat auffrichten laſſen/ zugleich mit ihm kom̃en/ wie auch andere aͤdle mehr (da es bey dem
Volke zuerhalten) welche ſie gefangen haben. Herkules/ ungeachtet mannicher aus ſolcheꝛ
Anmuhtung nichts gutes geurteilet haͤtte/ wahr hierzu willig/ und ſahe ich ihn nebeſt ſei-
nen Bruder Baldrich dorther reiten/ denen ich zu Fuſſe entgegen lieff/ meines Herkules
Pferd beym Zuͤgel faſſete/ und ihn nach meinen Voͤlkern hinleiten wolte; Er aber warff
ſich herunter/ und ſagte zu mir; Du weiſt Bruder/ daß ich dich herzlich/ wie meine eigene
Seele liebe; ſo laß mich nun deine rechtſchaffene Neigung hinwieder ſehen/ und reite mit
mir hin zu meinem H. Vater; wirſtu dich deſſen wegern/ ſo ſol dir hiemit meine Freund-
ſchaft auffgekuͤndiget/ und dagegen alle feindſelige Rache angemeldet ſeyn. O Bruder
Bruder/ antwortete ich/ haſtu dann ſo groſſe Luſt zu ſterben/ da du mit leichter Muͤhe leben
koͤnteſt? oder meineſtu/ daß ich dieſe Voͤlker meinetwegen/ und nicht vielmehr/ dich zu ret-
ten/ ſo gluͤklich geſamlet habe? ich wolte weiter reden/ aber mein Hauffe ward Herkules
Ankunft inne/ deßwegen ſie herzuranten/ und mit einem groſſen Freudengeſchrey ihn vor
des Vaterlandes Zier/ der Boßheit Raͤcher/ und der Unterdruͤkten Schuͤtzer außrieffen/
erbohten ſich/ Leib uñ Leben vor ihn gutwillig auffzuſetzen/ weil er ein armes Baurẽ Maͤgd-
lein zu retten/ ſich nicht zu hoch geſchaͤtzet haͤtte/ bahten endlich/ daß er ſich ihrer weiter an-
nehmen/ und bey ſeinem Herr Vater verhandeln moͤchte/ daß dem Adel die uͤbermachte
Gewalt zur ungebuͤhr/ gemaͤſſiget wuͤrde. Herkules wolte ihm zwar die Leute nicht unge-
wogen machen/ redete aber doch nicht ſonderlich freundlich mit ihnen/ ſondern ſagte: Er
bedankete ſich ihres guten Willens/ koͤnte gleichwol nicht loben/ wann die Waffen von ih-
nen wider ſeinen Herr Vater ſolten ergriffen ſeyn/ und wolte er lieber ſterben/ als auff ſol-
che weiſe beym Leben erhalten werden. Ein alter Mann gab ihm darauf zur Antwort: Sie
haͤtten ſich nicht ſo weit vergeſſen/ daß ſie ihrer lieben und hoͤchſten Obrigkeit ſich widerſet-
zen wolten; nur waͤhre ihr ſteiffer Vorſaz/ ihren kuͤnfftigen Groß Fuͤrſten aus des Adels
Haͤnden zureiſſen/ damit derſelbe nicht Schimpff erlitte/ welcher das Land den Goͤttern
zuverſoͤhnen ſein eigen Blut nicht ſparete. Herkules machte hierauff ein freundlicher An-
geſicht/ und ſagte: Er haͤtte vor dißmahl keine Freyheit von ſeinem H. Vater/ mit ihnen
ſich in Geſpraͤch zubegeben; kehrete ſich wie der zu mir/ und fragete/ ob ich der geſchwor-
nen Traͤue eingedenke ſeyn/ und mit ihm reiten wolte. Ja mein Bruder/ antwortete ich/
nach-
[928]Vierdes Buch.
nach dem du viel zu großmuͤhtig biſt/ einigem Menſchen vor dein Leben zudanken/ ſo wil ich
mit dir reiten/ und meines Verbrechens wegen ja ſo willig ſterben/ dein Leben zuerretten/ als
ich ſonſt mit dir zuleben wünſche. Sage mir weder von leben noch ſterben/ antwortete er/
ſondern laß uns ohn Verzug meines H. Vaters Willen vollbringen/ und das uͤbrige der
himliſchen Verſehung befehlen/ ſo daß die drey Geſanten/ und der ganze anweſende Adel
ohn verweilen/ mit uns fortzugehen/ frey gelaſſen werden. Meine Voͤlker wolten in meinen
Abzug durchaus nicht gehehlen/ erinnerten mich unſers geſchloſſenen Bundes/ und daß
ich mich nit in Unheil ſtuͤrzete. Aber mein Herkules verſicherte ſie/ ſie wuͤrden ihres Groß-
Fürſten Gnade nicht beſſer/ als durch Einwilligung erlangen. Ich ſelbſt/ wie zweifelhaftig
ich auch wahr/ redete ihnen zu/ es haͤtte die Meynung nicht/ daß ich ſie verlaſſen/ ſondern
ihr Wort reden wolte/ und da ſie inwendig ſechs Stunden mich nicht ſchen wuͤrden/ ſoltẽ
ſie nach gefallen an der aͤdlen ihren Guͤtern und Leben handeln/ nur/ daß alle ſchon gefan-
gene aͤdle mir mit gegeben würden/ damit die andern deſto leichter zur Billigkeit gebracht
wuͤrden. Worauff ſie dann alles einwilligten/ ich auch zimlichen Troſtſchoͤpffete/ nit zwei-
felnd/ mein Herkules wuͤrde mir ſchon einen Wink geben/ dafern mir Unfall bereitet waͤh-
re. So bald wir auff dem Schloſſe uns befunden/ wurden alle meine Gefangene vor den
Groß Fuͤrſten gefodeꝛt/ welche er im beyſeyn der andern fragete/ wie es ihnen ergangen; wie
die Bauren ſich gegen ſie und ihre Guͤter bezeigeten/ und was vor Raht ſie gaͤben/ nachdem
er mich als den Anfuͤhrer in ſeiner Gewalt haͤtte. Worauff die drey Geſanten geantwor-
tet hatten: Sie koͤnten nicht abſehen/ was geſtalt der allgemeine Bauren Auffſtand koͤnte
geſtillet/ und der Adel gerettet werden/ wo man ihre geſuchte Stuͤcke nicht einwilligte; der
Eifer bey den Bauren wider den Adel waͤhre zu hefftig/ haͤtten ihnen auch ſo abſcheuh-
liche Tahten erzaͤhlet/ die faſt unmoͤglich waͤhren zuglaͤuben; biß daher enthielten ſie
ſich aller Taͤhtligkeit/ und ſolches auff eiferigen Befehl des Boͤhmiſchen jungen Fuͤrſten/
dem ſie ſich zu Rettung ihres hochgewogenen jungen Groß Fuͤrſten mit Leib und Gut zu
allem Gehorſam verpflichtet; Speiſe und Trank lieſſen ſie aus ihren Doͤrffern ihnen zu-
führen/ und was ihnen die von Adel freywillig (alſo muͤſte mans ja heiſſen) ſchenketen/ da-
vor danketen ſie; und koͤnten ſie ungemeldet nicht laſſen/ daß der Boͤhmiſche Fuͤrſt ihres
gnaͤdigſten herſchenden Groß Fuͤrſten Wortdergeſtalt bey den Bauren geredet/ daß es nit
zuverbeſſern ſtuͤnde; wuͤrde endlich ſehr noͤhtig ſeyn/ daß derſelbe bald wie der zu ihnen ge-
laſſen wuͤrde/ damit nit etliche verwaͤgene ſich einer Gewaltſamkeit wider den Adel unter-
fingen/ wozu ihrer ſehr viel nicht ungeneigt waͤhren. Nach ſolchem vorbringen muſten ſie
alle einen Abtrit nehmen/ ich aber und Herkules zu ihm kommen/ da er/ ſo bald ich ins Ge-
mach trat/ mir freundlich entgegen ging/ und nach vaͤterlicher Umfahung ſagte: Geſegnet
ſey die Stunde/ mein lieber Sohn und Oheim/ da euer Herr Vater euch mir zugeſchicket
hat; Euer Vornehmen haben ſonder allem zweifel die gütigen Goͤtter euch eingeblaſen/
deſſen gluͤklichen Verfolg ich nicht beſſer wuͤnſchen moͤgen; Verſichert euch demnach/ daß
wie ich meinem Herkules niemahls einige Ungewogenheit zugelegt/ und mir ſeine loͤbliche
Taht ſehr wol gefallen/ alſo iſt mein Gemuͤt gegen euch nicht anders geſinnet geweſen. So
verzeihet mir nun/ was ich bißher getahn/ und ihr deſſen wichtige Urſachen wol erfahren
werdet/ und gehet hin/ euch mit eurem Herkules zuergetzen/ biß ich euch werde ruffen laſſen.
Da
[929]Vierdes Buch.
Da muſten nun alle meine Gefangene wieder vortreten/ mit denen er ſich abſonderlich be-
redete/ und nach verlauff einer Stunde/ auſſerhalb des Schloſſes im freyen Felde eine
Schau Buͤhne auffrichten ließ/ worauff er mit mir und Herkules trat/ die gefangene vom
Adel aber darunten ſtehen muſten/ uñ der Groß Fuͤrſt alſo zu dem Volke redete: Ihr from-
me und redliche Teutſchen; es erſcheinet aus eurem jetzigen Vornehmen Sonnenklar/ daß
ihr gleichwol euer jungen Herſchafft euch anzunehmen willens ſeyd/ wann ihnen etwa Ge-
walt oder andere Widerwertigkeit zuſtoſſen ſolte. Ob nun zwar ich an meinen Soͤhnen/
Ladiſla und Herkules ihr Verbrechen zuſtraffen wol befuget waͤhre/ ſo habe ich doch in An-
ſehung eurer kraͤfftigen Vorbitte ſie nicht allein zu Gnaden wieder angenommen/ und al-
les verzihen/ ſondern auch eurem uͤbrigen untertaͤhnigſten rechtmaͤſſigen anſuchen ſtat ge-
geben/ tuhe auch ſolches hiemit und krafft dieſes/ alſo und dergeſtalt/ daß der von etlichen
des Adels bißher veruͤbeter Muhtwille gaͤnzlich abgeſchaffet/ und euch ſamt und ſonders
Fuͤrſtlich Schuz gehalten werden ſol. Im uͤbrigen iſt der von meinem Sohn Herkules
rechtmaͤſſiger weiſe erſchlagene von mir dahin verdammet/ daß ſein Nahme an dieſer von
euch auffgerichteten Galgen einem ſol angeſchlagen/ ſein Haͤupt daſelbſt hinauf geſtekt/ uñ
ſein Leichnam darunter begraben werden. Hingegen ſollet ihr ſamt und ſonders gehalten
ſeyn/ euren adelichen Oberherren allen ſchuldigen Gehorſam und Dienſte zuleiſten/ auch
nicht ohn urſach euch uͤber ſie beſchweren/ ſondern ſie halten/ wovor ſie euch geſetzet ſind.
Eurejetzige genommene Waffen ſollen keines weges geſtraffet noch geunbillichet werden;
aber dafern ihr oder jemand anders ſich nach dieſem ein gleiches (es geſchaͤhe dann zur
Rettung eurer Obrigkeit und deren angehoͤrigen mit meiner guten Bewilligung) wuͤrde
geluͤſten laſſen/ ſol es ungeſtraffet nicht bleiben. Vor dißmahl verfuͤge ſich ein jeder nach
Hauſe/ und bleibe ſeinem Groß Fuͤrſten und deſſen Erben getraͤu und ergeben; Die Be-
willigung eures geſchehenen bitlichen anſuchens/ ſol in allen Stuͤcken folgen/ erſtes Tages
ſchrifftlich auffgeſetzet/ und in meinem Reiche oͤffentlich/ als ein ewig beſtaͤndiges Geſetz
ausgeruffen werden. Hierüber erhuhb ſich unſaͤgliche Freude bey allem Volk; Sie rieffen
ihrem Groß Fuͤrſten und der jungen Herſchafft Gluͤk/ langes Leben und alle Wolfahrt zu/
und erbohten ſich/ vor dieſelbe alles willig auffzuſetzen. Auch ſo bald wir wieder nach dem
Schloſſe umkehreten/ gingen ſie von einander/ ein jeder an ſeinen Ort. Bald darauff ließ
der Groß Fuͤrſt den Adel zuſammen fodern/ hielt ihnen das begehren des gemeinen Man-
nes vor/ welches ſie nohtwendig billichen muſten/ und geboht ihnen/ ſich gegen die Unter-
tahnen anders zubezeigen/ als vorhin von etlichen geſchehen waͤhre; welches ſie aus furcht
der Straffe willig annahmen/ und allen willigen Gehorſam verſprachen/ wiewol ſehr viel
unter ihnen wahren/ denen ſolches überaus wol gefiel/ als welche an der andern ihrem Fre-
vel groſſen Mißgefallen hatten. Mein Herkules aber wuſte ſich dergeſtalt gegen den Adel
freundlich zubezeigen/ daß er aller Herzen gewan/ und ſie ihn ja ſo inniglich liebeten/ als der
gemeine Mann ſelbſt. Nach dieſer Zeit gab der Groß Fürſt ſeinem Sohn eine zimliche
Anzahl Knechte/ und ordnete ihm die erfahrneſten Haͤuptleute und Ritter zu/ von welchen
er des Kriegs unterrichtet/ und in allen Ritterſpielen geuͤbet ward/ worzu er dann ſonderli-
che Beliebung trug/ auch im Reiten und Stechen etliche vortelhafte Stuͤcke ſelbſt erfand/
durch deren Anwendung er mannichen Sieg erhalten hat. So ſchikte mein H. Vater mit
B b b b b bauch
[930]Vierdes Buch.
auch meine Leute/ weil ich noch nicht geſinnet wahr/ Prage zuſehen/ wiewol meine Eltern
uns alle halbe Jahr beſucheten/ biß mein Herkules ſein/ auf zween Monat nahe/ 17des Jahꝛ
hinter ſich gelegt hatte/ und Koͤnig Amund in Schweden/ ſeiner Fr. Mutter Herr Bru-
der/ von dem Groß Fuͤrſten umb etliche tauſend Mann zum Beyſtande/ wider ſeine unge-
traͤue Nachbarn die Reuſſen anhielt/ da wir beyde Luſt bekahmen/ dieſen erſten Kriegszug
vorzunehmen/ und mit einem Heer von 12000 Mann uͤber die Oſt See nach Schweden
ſchiffeten/ woſelbſt wir wol empfangen wurden/ und den Reuſſen mit unſer geringen Man-
ſchafft nicht wenig abbruch tahten/ da inſonderheit mein Herkules in einem abſonderlichen
Kampffe wider einen wolgeuͤbeten Daͤniſchen Fechter groſſe Ehr einlegete/ als welchen
er vor freyer Fauſt erſchlug/ uñ dadurch dem Feinde eine ſtatliche Feſtung abgewan. Nach
dieſes Kriegs Endigung/ der nach des Schweden Wunſch durch guͤtlichen Vergleich
beygeleget ward/ beſahen wir Daͤnnemark und Reuſſen/ und unterlieſſen nichts/ was zu
ritterlicher uͤbung/ in Stechen/ Fechten/ Reiten/ Ringelrennen/ Schieſſen/ Werffen/ Lauf-
fen/ Ringen/ Stuͤrmen/ und dergleichen erfodert ward; endlich/ nachdem wir zwey Jahr in
dieſen mitternaͤchtigen Laͤndern zugebracht hatten/ erhielt ich bey meinem Herkules/ mit
mir nach Boͤhmen zureiſen/ weil die Land Staͤnde mich nicht laͤnger auſſerhalb Reichs laſ-
ſen wolten/ in betrachtung ich der einige Erbe waͤhre. Er wolte in dieſer ſeiner Erzaͤhlung
fortfahren/ aber es trat ein aͤdelknabe ins Gemach/ und berichtete/ der Fuͤrſt von Suſa waͤ-
re mit ſeinem Kriegs Heer 16000 zu Fuſſe und 24000 zu Roſſe ankommen/ und hielte er
ſchon vor dem Schloß Tohr. Er haͤtte mir nie zu ungelegener Zeit kommen moͤgen/ ſagte
Artaxerxes/ weil er mich in Anhoͤrung der anmuhtigſten Begebniſſen ſtoͤret. Ich weiß nit/
antwortete Ladiſla/ daß Eure Liebe durch meine unliebliche Erzaͤhlung ſolte koͤnnen erluſti-
get werden/ aber das weiß ich wol/ daß dieſer Fuͤrſt von Suſa einen frechen Unwillen auff
mich und meinen Herkules ohn alle gegebene urſach geworffen/ ſo daß ich fuͤrchte/ wo er
nicht nachlaͤſſet/ er mich ſo lange treten wird/ biß ichs mit ihm auff die Fauſt zuwagen wi-
der meinen Willen gezwungen werde; moͤchte demnach von herzen wuͤnſchen/ daß er ſich
eines andern bedaͤchte/ als dann ſolte das alte ab und vergeſſen ſeyn. Eure Liebe machen ſich
dieſes Fürſten halben keine Gedanken/ antwortete er/ ich wil ſchon wiſſen/ ihm dieſe Stun-
de gebührlich zuzureden; ſolte er dann auff ſeinem Troz verharren/ ſo ſtehe er auch ſeine ge-
fahr; ſonſt iſt er eine feige Maͤmme/ weiß zwar das Maul zimlich zugebrauchen/ und mit
dem Frauenzimmer zuſcherzen/ aber die Waffen haben vor ihm gute Ruhe/ und iſt mir mit
ſeinen Voͤlkern mehr als mit ihm ſelbſt gedienet/ deren er mehr/ als ſein Anteil bringet/ aus
lauterm Stolz zuſammen getrieben hat. Pharnabazus ward abgefchicket/ ihn auff das
Schloß zufuͤhren/ welche Ehre er lieber einem andern gegoͤnnet haͤtte. Als nun dieſer ihn
empfangen wolte/ und jener aus ſeiner Gutſche ſtieg/ trat er fehl/ und fiel zu Pharnabazus
Fuͤſſen nider/ welches von den anweſenden unterſchiedlich ausgedeutet waꝛd/ inſonderheit/
weil er im Koht ſich heßlich zurichtete/ da Pharnabazus lachens ſich naͤhrlich enthalten
kunte. Er ſchaͤmete ſich ſehr/ ließ von ſeinen Dienern ſich geſchwinde abwiſchen/ haͤngete
einen renlichen Reit Rok umb ſich/ und ging biß in den mittelſten Plaz/ da ihn Artaxerxes
mit dieſen Worten empfing: Durchl. Oheim/ Eure Liebe iſt mir als ein vornehmes Glied
unſer Verbuͤndniß wilkommen/ und bitte dieſelbe auffs fleiſſigſte/ ſie wolle den trefflichen
Helden/
[931]Vierdes Buch.
Helden/ Koͤnig Ladiſla und Groß Fuͤrſt Herkules allen guten Willen erzeigen/ wie durch
ihre herlichen Siege und Anwendung ihres Bluts ſie umb uns wol verdienet haben; ſol-
te aber dieſe meine wolgemeynete Warnung nicht ſtat finden/ wird gewißlich Eure Liebe
ſich in unnoͤhtige Gefahr ſetzen/ welches mir ſehr leid ſeyn würde/ und ich doch nicht abzu-
wenden wuͤſte/ angeſehen/ unſer ganzes Heer ſo unglaͤubliche Zuneigung gegen dieſe Für-
ſten traͤget/ daß ſie alle willig ſind/ vor ihre Wolfahrt zuſterben. Gobares hatte ſeiner Spiz-
findigkeit nach ſchon ausgeſinnet/ wie er unſern Helden einen heimlichen Schimpf antuhn
wolte/ ungeachtet er ihres trefflichen verhaltens gnug berichtet wahr; dieſe Warnung a-
ber ſchreckete ihn ab/ daß er ſich eines andern bedachte/ gelobete auch/ dafern ihm nicht au-
genſcheinliche urſach gegeben würde/ Ehren halben anders zutuhn/ wolte er aͤuſſerliche
Freundſchafft mit ihnen zuhalten ſich nicht wegern/ ob gleich ſein Herz nimmermehr eini-
ge Vertrauligkeit auff ſie ſetzen koͤnte. Solches zuunterlaſſen/ ſagte Artaxerxes/ ſtehet zu ſei-
nem belieben/ wann er ihnen nur nicht mit ſpitzigen Reden/ oder widrigen Geberden ſo na-
he trit; dann ſie ſind in Warheit vernuͤnfftige Fuͤrſten/ denen man keinen Dunſt vor die
Augen machen kan. Sie gingen nach dem Gemache/ woſelbſt Ladiſla mit Arbianes Un-
terredung hielt/ und ihn umb einen Reuterdienſt baht/ ihm etliche ſeiner Voͤlker herzulei-
hen/ mit denen er ſeinem Herkules entgegen reiten wolte. Meine Voͤlker/ antwortete er/ ſind
zu Ihrer Durchl. Gehorſam/ wie imgleichen ich ſelbſt/ mit allem/ was ich bin und vermag/
daß dieſelbe alſo meiner Leute/ als ihrer ſelbſt eigenen zugebrauchen haben/ mit angehaͤngteꝛ
Bitte/ mir den Mit Rit freundlich zugoͤnnen. Was koͤnte mir angenehmers ſeyn/ ſagte La-
diſla/ als euer Liebe Geſelſchafft? Iſt demnach nichts uͤbrig/ als daß wir uns zur Reiſe fer-
tig machen/ und etwa 4000 Mann mit uns nehmen. Gleich trat Gobares ins Gemach/
gruͤſſete Ladiſla freundlich/ und wuͤnſchete ihm wegen der in beyden Schlachten erlangetẽ
Ehr/ Gluͤk; taht auch ſonſt etliche Wortgepraͤnge hinzu/ wodurch er ſeinen Stolz zimlich
blicken ließ; da ihm von Ladiſla geantwortet ward: Er bedankete ſich freundlich/ vor be-
ſchehene Gluͤkwuͤnſchung/ hieſſe ihn mit ſeinen treflichen Voͤlkern wilkommen ſeyn/ und
haͤttẽ ſeine geringe Tahten keine ſonderliche Ehꝛe verdienet/ wiewol ſein Wille nichts ſuch-
te/ als der Hoch Fuͤrſtlichen Verbuͤndniß angenehme Dienſte zubezeigen. Hernach offen-
bahrete er Artaxerxes ſeine vorgeſezte Reiſe/ und ließ alles zum frühen Auffbruch kuͤnfftigẽ
Morgens [...]ruͤſten. Als ſie nun des Abends mit einander zu Tiſche ſaſſen/ entſtund ſchnel-
le gleich uͤber dem Schloſſe ein ſtarkes Wetter/ mit hefftigem Blitze/ taht aber nur einen/
wiewol ſehr harten Schlag in das Groß Fuͤrſtliche Gemach/ ſo das Speiſe und Trank auf
dem Tiſche verſchuͤttet/ und Gobares am linken Arme/ doch nur ein wenig geruͤhret ward;
aber die Kleider fingen ihm auff dem Leibe an zubrennen/ und umzog ihn der Dampff vom
Schlage/ ſo gar/ daß er drinnen haͤtte erſticken müſſen/ wo nicht Ladiſla ihm beym Leibe er-
griffen/ und mit ſich hinaus geſchleppet haͤtte; uͤber welchen Freundſchafft-Dienſt er ſich
ſo gar nicht bedankete/ daß er auch gegen Artaxerxes ſich beſchweren durffte/ er waͤhre von
ihm gar unhoͤflich angetaſtet/ uñ als ein Maͤel Sak fortgeſchleppet. Der ihm aber hart zu-
redete: ob er nicht erkeñen koͤnte/ daß er in Lebens gefahr geweſen/ uñ zweifels ohn umkom̃en
muͤſſen/ wann auff ſolche weiſe er nicht gerettet waͤhre; moͤchte demnach den gar zu hohen
Muht brechen/ und den heutigen gedoppelten Unfall nicht ohnbetrachtet hingehen laſſen;
B b b b b b ijvielleicht
[932]Vierdes Buch.
vielleicht witzigten ihn die Goͤtter/ nicht uͤber ſein Vermoͤgen zugedenken/ er moͤchte ſonſt/
ehe man ſichs verſaͤhe/ an ſtat des Fluges gen Himmel/ in einen Pfuͤtzenfall gerahten. Er
haͤtte ihn weiter angegriffen/ ſahe aber/ daß er in Ohmacht fiel/ und ließ ihn auffs beſte/ labẽ/
und mit allerhand koͤſtlichen Arzneyen verſchen. Ladiſla brach des folgen den Morgens auf
nach den Parthiſchen Grenzen/ in Meynung/ ohn einen Streif in Feindes Land nicht um-
zukehren; aber Herkules begegnete ihm noch deſſelben Abends/ fuͤnff Meile von Perſepo-
lis bey einem Staͤdlein; doch kenneten ſie einander wegen der verſchloſſenen Helme nicht/
biß ſie nahe zu ſammen ſtieſſen/ und aus der Rede Kundſchafft nahmen/ warffen darauff
die Helme von ſich/ und empfingen ſich auf den Pferdẽ mit herzbruͤderlicher Vergnuͤgung/
da Ladiſla ſagete: Ich erfreue mich von ganzer Seele/ mein Bruder/ daß ich dich friſch uñ
geſund wieder ſehe; aber berichte mich doch/ ob meine Frl. Schweſter gluͤklich erloͤſet ſey.
Valiſka wahr in der Gutſche ihres Bruders inne worden/ ſprang in ihren koͤſtlichen Klei-
dern behende heraus/ und lief ihm in hoher Neigung entgegen; welches er erſehend/ vom
Pferde ſtieg/ und mit offenen Armen ihr begegnete/ umfingen einander mit ſolcher In-
brunſt/ daß ihnen der groͤſte Teil ihrer Krafft entging/ ſie auch einander kein Wort zuſpre-
chen kunten/ ſondern durch kuͤſſen und herzen ihre Gewogenheit anzeigeten/ biß ſie endlich
zu ihm ſagete: O mein herzaller liebſter Herr Bruder/ warumb hat er ſich doch meinetwe-
gen von ſeinem allerliebſten Gemahl in dieſe abgelegene weite entzogen/ die ſich billich uͤber
mich beſchweren muß; Gott weiß/ wie herzlich michs tauret/ daß dieſer groſſen Mühe und
Gefahr ich habe muͤſſen urſach ſeyn/ getraue doch meinem Gott/ er werde uns die unſern
ſchier wiederumb ſehen laſſen. Hiermit umfing ſie ihn aber mal/ mit Erzeigung aller ſchwe-
ſterlichen Freundligkeit und Liebe. Ladiſla verwunderte ſich ihrer/ daß ſie ſo maͤnlich und
vollkommen worden/ ungeachtet ſie nur 16 Jahr und 12 Wochen alt/ aber wol von 18 Jah-
ren anzuſehen wahr; ſo liebete er ſie nicht allein als ſeine einige Schweſter/ ſondern/ wel-
ches er hoͤher achtete/ als ſeines Herkules wirdig geſchaͤtzete und verſprochene Braut/ und
gab ihr zur Antwort: Herzgeliebete Frl. Schweſter/ dem allmaͤchtigen Gott ſey Preiß uñ
Dank vor ihre gnaͤdige Erloͤſung/ der uns auch weiter geleiten und ſchuͤtzen wird. Was
beklaget ſie aber meine Nachfolge/ da doch alle ungelegenheit ihr meinet und meiner Liebſtẽ
wegen zugeſtoſſen iſt/ und ich daher umb ſo viel mehr mich ſchuldig weiß/ ihrer Rettung
nachzudenken/ wiewol darzu ich weniger als nichts verrichten koͤnnen. Sie w[o]lte ihm die-
ſes beantworten/ aber Arbianes/ welcher bißher mit Herkules geſprachet hatte/ ſetzete ſich
vor ihr auff ein Knie/ und nach geleiſtetem Handkuſſe fing er alſo an: Durchl. Fraͤulein;
Eure Durchl. bittet ein unhoͤflicher Knecht demuͤhtigſt umb Vergebung ehmalen began-
genen Frevels/ welchen die bloſſe/ oder vielmehr verdeckete Unwiſſenheit in ihm verurſa-
chet/ erbeut ſich nach aͤuſſerſtem Vermoͤgen zum gehorſamſten Abtrage/ unter willigſter
Auffwartung/ mit alle dem/ was ſeine wenige Schwacheit kan und vermag. Das Fråu-
lein bemuͤhete ſich/ ihn auffzurichten/ und gab zur Antwort: Durchleuchtiger Fuͤrſt/ ich ha-
be dieſes Schimpffs mich billich zubeklagen/ und werde Abtrag fodern/ daß Eure Liebe un-
fere feſt beſchworne brüderliche Freundſchafft/ ſo bald aus der acht geſetzet/ und mich nicht
anders/ als eine wildfremde/ wil nicht ſagen/ aufgeblaſene und vermaͤſſene empfaͤhet/ welche
zugeben koͤnte/ daß ſo ein trefflicher Fuͤrſt zu ihren Fuͤſſen laͤge; ſonſt erfreue ich mich Euer
Liebe
[933]Vierdes Buch.
Liebe guten wolergehens von herzen/ und erkenne mich ſchuldig/ der/ zeit meines vermum-
meten elenden Standes/ mir uͤberfluͤſſig erzeigeten hohen Zuneigungen/ als lange ich lebẽ
werde/ eingedenke zuſeyn/ und mich der Erſtattung zubemuͤhen. Arbianes wuſte vor freu-
den nicht zuantworten/ dann die uͤber maͤſſige Schoͤnheit/ die er vor Augen ſahe/ benahm
ihm die Rede; welches ſie merkend/ nach ſeiner Eltern/ auch Herrn Mazeus und der ſei-
nen Zuſtand fragete; Worauff er anzeigete/ er haͤtte von denen Befehl/ Ihrer Durchl.
Rettung bey ſchleunigſter Botſchafft anzumelden/ wuͤrden alsdann ingeſamt bald uͤber-
kommen/ und wegen beſchehener ſchlechten Auffwartung ſich entſchuldigen. Herkules
ſahe/ daß die Dunkelheit einbrach/ ließ die Voͤlker/ weil daſelbſt viel Graß vor die Pferde
wahr/ ſich ins offene Feld lagern/ und die Gefangenen zwiſchen ſich nehmen/ auch aus dem
naͤhſtbelegenen Staͤdlein eſſen und trinken vor liederliche Bezahlung ihnen zufuͤhren; Er
aber mit Ladiſla/ Arbianes/ dem Fraͤulein und Kleofls/ kehreten daſelbſt ein/ und zogen
Gallus/ Timokles/ und die beyde Perſiſche Juͤnglinge als Auffwarter mit ihnen/ woſelbſt
Herkules ſeinem Ladiſla vertraulich offenbahrete/ daß am Tage ſeines mit Mithrenes ge-
haltenen Kampffes/ er mit ſeinem Schatze die Ehe richtig gemacht/ welches er bißher nit
melden moͤgen/ nach dem er von dem Fraͤulein erbehten worden/ es ſo viel moͤglich/ in ge-
heim zuhalten. Nun GOtt Lob/ antwortete Ladiſla/ ſo iſt die Heyraht vollzogen/ die ich
bey mir ſelbſt gemacht/ ehe und bevor ihr einander geſehen; zweifele auch nicht/ meine
Frau Mutter werde hieruͤber ſich hoͤchlich erfreuen/ angeſehen der muͤtterlichen Nei-
gung/ damit ſie dir zugetahn iſt. Sie macheten aber nach gehaltener Mahlzeit ein ge-
meines Lager/ da Ladiſla zwiſchen Valiſken und Herkules/ und Arbianes dieſem an der
Seite ſchlaffen muſte. Des folgenden Tages brachen ſie gar früh auff/ lieſſen die Voͤlker
ſamt den Gefangenen ihnen folgen/ und ritten mit 40 Pferden ſchnelle fort/ daß ſie noch
vor Eſſenszeit vor Perſepolis anlangeten/ und Arbianes vor aus hieb/ dem Groß Fuͤrſten
ihre Ankunfft zuvermelden/ welcher neben Pharnabazus ihnen hinaus vors Tohr entge-
gen ritte/ ſahe das Fraͤulein aus der Gutſche ſteigen/ ging ihr entgegen und wilkommete
ſie mit hoͤchſter Verwunderung ihrer Schoͤnheit und Anſehens. Vortrefliches Fraͤulein/
ſagte er/ ich erfreue mich ihrer gluͤklichen Erloͤſung/ hoffe es ſol Artabanus die ihrer Liebe
zugefuͤgete Schmach der Gefaͤngnis mit ſeinem Leben dereins buͤſſen/ weil ein wenigers
ich von ihm nicht fodern kan. Valiſka bedankete ſich der Gewogenheit ſehr/ und baht umb
verzeihung/ daß ſie ſeinen Obriſten Bubazes mit auffgeſprochen/ alsdem ſie ihre Jungfer
verheirahtet/ deren ſie nicht wol entbehren koͤnte/ und ſie doch von ihrem Liebſten nicht haͤt-
te trennen moͤgen/ hoffete/ ſeine Durchl. wuͤrde dieſes nicht ungleich empfinden/ und ihm
etwa in der naͤhe Dienſte geben/ wie ſeine Mannheit verdienete/ die er in abtreib- und erle-
gung der Feinde ritterlich haͤtte ſehen laſſen. Er hat euer Liebe billich gehorſamen ſollen/
antwortete Artaxerxes/ und werde ich ihn von nunan zum Oberſten dieſer Stad Beſat-
zung beſtellen/ damit neben ſeiner Liebeſten er ſeiner hoͤchſtgebietenden Fraͤulein untertaͤh-
nigſte Aufwattung leiſten koͤnne; vernehme ſonſten gerne/ dz er dem Feinde ſich uneꝛſchroc-
ken gezeiget hat/ wiewol von dieſem Verlauff mir noch nichts vorkommen iſt. Herkules
erzaͤhlete ihm kuͤrzlich wie es mit der Fraͤulein Erloͤſung/ und Bagophanes Verfolgung
abgelauffen wahr/ daß auch das Fraͤulein 1000 Gefangenen die Freiheit geſchenket/ und
B b b b b b iijdie
[934]Vierdes Buch.
die uͤbrigen ſich bald ſtellen wuͤrden. Sie warteten auch daſelbſt im Felde biß in die dritte
Stunde/ da die Gefangene ankahmen/ welche Herkules dem Groß Fuͤrſten einliefferte/
nebeſt anzeige/ daß er ihnen verſprochen haͤtte/ bey ihm Gnade zuerwerben; Aber er wolte
ſie keines weges añehmen/ ſondern ſchenkete ſie dem Fraͤulein/ nach belieben damit zu ſchal-
ten; welche zur Antwort gab/ ſie verſtuͤnde leicht/ daß ſeiner Durchl. mit dem unnuͤtzen
Geſinde nicht gedienet waͤhre/ und demnach ihr die Ehre goͤnnete/ ſie frey zu geben; wolte
alſo/ da ihrer Durchl. es nicht zu wieder/ ſie mehrenteils ihrem Koͤnige Artabanus wieder
zu ſchicken/ und von den leztgefangenen 600 vor Leibeigene behalten/ welche ihrem Herrn
Bruder und Herrn Oheim bey ihren Leib- und Hand Pferden dieneten; Dieſe Zahl ward
von den geradeſten und jüngſten außgeſucht/ in die Stad gefuͤhret/ und mit Knechtiſchen
Ketten belegt/ hatten doch einen gelinden Dienſt/ und hielten ſich biß auff ſehr wenige ge-
traͤu und fleiſſig. Die uͤbrigen redete Valiſka alſo an: Sehet dieſen Großmaͤchtigſten
Groß Fuͤrſten des uhralten Perſiſchen Reichs/ ihr Gefangene/ und danket ſeiner Hocheit
gebuͤhrlich/ daß er meiner Wenigkeit euch geſchenket/ und wieder frey zu laſſen gnaͤdigſt
beliebet hat. Teilet euch aber alſo bald/ und laſſet alle Obriſten/ Ritmeiſter/ und aͤdle Ritter
abſonderlich treten. Dieſes geſchahe alsbald/ und wahren derer 14 Obriſten/ 40 Ritmei-
ſter und 36 aͤdle Ritter/ 90 an der Zahl/ zudenen ſie ſagete: Waͤhlet einen aus eurem mit-
tel/ daß er mit dem Hauffen/ welchen ich ihm zuordnen wil/ fortgehe/ und dem Koͤnige Ar-
tabanus anmelde/ es habe Groß Fuͤrſt Herkules aus Teutſchland euch ſeine Kriegsbeam-
ten und Ritter bißdahin gefangen behalten/ daß meiner Freundin Kleofis vaͤterliches Er-
be umb zwo Tonnen Schaz (dann ſo hoch wahr es angeſchlagen) verkauft/ und das Geld
in Perſepolis ihr gelieffert werde/ alsdann wil ich euch allen die Freiheit auch zuſtellen;
ſolte aber euer Koͤnig ſich deſſen wegern/ muͤſſet ihr alle neunzig/ Zeit eures Lebens Leibei-
gene ſeyn und bleiben. Dieſe erbohtẽ ſich/ ſo viel Gelder vor ſich ſelbſt überzuſchicken; aber
ſie antwortete ihnen; ihr hoͤret/ was euch geſagt iſt/ der Koͤnig ſelbſt muß es von der Erb-
ſchaft ſenden/ oder ihr bleibt Leibeigene; rieff darauff zwanzig gemeinen Gefangenen/ gab
ihnen/ und dem abgeſchikten Ritmeiſter gute Reitpferde mit allem zubehoͤr/ welche Timo-
kles von der Beute bekommen hatte/ und hieß ſie ſchnelle fortreiten/ dem Koͤnige ſolches
anzumelden/ und daß man inwendig vier Wochen die Gelder haben/ oder die Buͤrgen
Leibeigen machẽ wolte. Ihr muͤſſet aber/ ſagte ſie/ dieſe 21 Pferde ſo gut wieder herſchaffẽ
als ihr ſie empfanget/ oder meinem Timokles vor jedes durch die Bank 200 Kronen ſchic-
ken. Dieſe gingen alsbald fort/ den Befehl außzurichten. Als dieſe weg wahren/ ſagete ſie
zu dem groſſen Hauffen der Gefangenen; folget ihr nun euren Vorreitern/ und zeiget eu-
rem Koͤnige an/ daß ihr den Großmaͤchtigſten Artaxerxes nebeſt meinem H. Bruder Koͤ-
nig Ladiſla geſehen/ und meines Herrn Oheims Groß Fuͤrſt Herkules ſiegreiches Schweꝛt
empfunden habet; auch daß ich ihn bitlich vor mich allein erſuchen laſſe/ nicht allein mit
hoͤchſtgedachtem Beherſcher des Perſiſchen Reichs einen guten Vergleich und Nach-
barliche Freundſchaft auffzurichtẽ/ ſondern auch die meinen/ wegen zugefügetẽ Schimpfs
zuvergnuͤgen. Ja/ taht Ladiſla hinzu/ ſprechet; ich laſſe nach wirdiger Begruͤſſung ihn fra-
gen/ ob er auff mein neulich eingeſchiktes Schreiben ſich nicht ſchier erklaͤꝛen werde/ damit
ich wiſſen moͤge/ an was Ort und Ende ich ſeines Speers und Saͤbels wahrnehmen ſol-
le.
[935]Vierdes Buch.
le. Herkules verſtund hieraus/ was vor einen Brieff Artabanus in ſeiner Gegenwart ſo
grimmig zuriſſen/ und erzaͤhlete es vor allen Anweſenden oͤffentlich; deſſen Artaxerxes wol
lachete/ und zu Ladiſla ſagete/ daß es die Gefangenen hoͤreten: Mein Herr Bruder haͤtte
meines ermaͤſſens dem unzuͤchtigen Wüterich nicht einen Abſags Brieff/ ſondern ein ſtol-
zes Maͤgdlein zuſchicken muͤſſen/ die er mit den Zaͤhnen ſo leicht nicht wuͤrde zuriſſen ha-
ben; demnach wir aber Gelegenheit finden werden/ ihn zum Treffen zubringen/ wollen
wirs bißdahin auffſchieben/ und nach Zeits-gelegenheit ein wenig Speiſe zu uns nehmen/
weil auff ſolche Gaͤſte ich mich heut nicht geſchicket habe. Die Gefangene danketen vor ih-
re Freiheit mit einem demuͤhtigen Fußfalle/ und wurden mit noͤhtigen Speiſen verſehen/
auch von 3000 Reutern biß an die Parthiſchen Grenzen begleitet. So bald die unſern dz
Schloß erreichet hatten/ gingen die Fuͤrſten ingeſamt nach Gobares Gemache/ und be-
ſucheten ihn ehrenhalber/ welcher wegen des Schreckens uñ Schlages ſich unpaß befand;
doch ging das Fraͤulein nicht mit/ ſondern ließ von Kleofis ſich auff einem abſonderlichen
Zimmer einwenig zieren/ da ſie nach gehaltener Mahlzeit aller hand unterredung pflogen/
inſonderheit das Fraͤulein mit Arbianes und Pharnabazus. Gobares wahr faſt zornig/
daß das Fraͤulein ihn zubeſuchen nicht wirdigte/ doch weil er ein ſonderlicher Liebhaber
des ſchoͤnen Frauenzimmers wahr/ haͤtte er gerne wiſſen moͤgen/ ob dann etwas ſonderli-
ches an ihr/ daß der Muͤhe/ ihretwegen ſo viel zuwagen/ wert waͤhre; foderte deßwegen
ſeinen Schmarotzer und Kupler Bagoas zu ſich/ er ſolte dem Groß Fürſten bey Tiſche auf-
warten/ und das fremde Fraͤulein eigentlich betrachten/ daß er ſie ihm auffs genaueſte be-
ſchreiben koͤnte/ da ſie deſſen wirdig waͤhre. Dieſer hielt ſich dem Befehl gemaͤß/ kam nach
verlauff einer Stunde wieder/ und taht folgenden Bericht: Großmaͤchtigſter Fuͤrſt/ aller-
gnaͤdigſter Groß Herr; Als ich in den Saal trat/ woſelbſt die ſtolzen Fremdlinge mit Ar-
taxerxes (welcher euer Hocheit billich die Oberſtelle/ als dem beruͤmteſten Helde der Welt
abtreten folte) Mahlzeit hielten/ und weiß nicht was vor ein ungeſchiktes Geplauder fuͤh-
reten/ ward ich eines treflich ſchoͤnen Bildes gewahr/ deßgleichen in euer Hocheit ganzem
Zimmer nie iſt geſehen worden. O mein Bagoas/ fiel ihm Gobares in die Rede/ hilff ja
bald nachſinnen/ daß ich ihrer genieſſen moͤge. Dieſer genieſſen? antwortete er; nicht ein
meid/ ſondern ihre Hocheit werden mir Koͤniglich verſprechen/ daß ich Freyheit haben ſol-
le/ mich an ihrer ſchoͤne zuergetzen. Biſtu Narr unwitzig? ſagte Gobares/ was wolteſtu
nach der Speiſe ſchnappen/ die nur unſers gleichen vorbehalten wird? verzeihet mir/ al-
lergnaͤdigſter Herr/ ſagte Bagoas/ ich rede nur von der Fraͤulein Dienerin/ die ſo voͤllig
ſchoͤn und zierlich iſt daß ihres gleichen ganz Suſa nicht kennet. Aber O das unvergleich-
liche Fraͤulein! ihr Goͤtter/ und nicht mein geringſter Gott/ Gobares/ ſtraffet mich euren
Diener nicht/ daß ich mich erkuͤhne/ eine volkommenheit zubeſchreiben/ die den Himmel
ſelbſt uͤbertrift/ und von keinen andern Eltern/ als von der Sonnen uñ dem Morgenſtern
kan gezeuget ſeyn. Die Griechen haben viel von ihrer Helena geſchrieben/ aber dieſes Fraͤu-
lein/ dieſes goͤttliche Fråulein/ iſt eine vielhundertauſendmal volkommenere Helena/ umb
deretwillen nicht nur Artabanus ſein Reich/ ſondern Jupiter ſelbſt ſeinen himliſchen Siz
verlaſſen/ und mit dieſem Wunder-Bildichen ſich in einen engen Winkel verſtecken ſolte/
damit nicht jemand ihm dieſe uͤbervolkommene Glükſeligkeit mißgoͤnnen/ und neben ihm
der
[936]Vierdes Buch.
der allerſuͤſſeſten Nieſſung begehren moͤchte. O du mein ungelehrter Pinſel/ woher wiltu
doch Farben nehmen/ dieſe Him̃elszierde/ dieſes Wunder-ſchoͤn/ auch nur nach den groͤ-
beſten Zuͤgen zuentwerffen? Alle Leibes und Seelen volkommenheiten/ ja der Kern aller
vortrefligkeit und Zierde/ ſamt einer demühtigen Hoͤfligkeit/ und hoͤchſtwolgeſtalten De-
muht/ die kein ſtaͤublein der Koͤniglichen Hocheit verſchenket/ finden ſich bey dieſem Fraͤu-
lein/ O wunder! dermaſſen uͤberfluͤſſig in unnachdenklicher voͤlle/ daß ich mit einem Kin-
derloͤffel das Perſiſche Meer außzuſchoͤpffen mir ehe getraue/ als zubeſchreiben/ was mei-
ne Augen an dieſem Luſt Himmel geſehen. Tauſendmahltauſend Fraͤulein koͤnten mit ih-
rer Schoͤnheit zu aller gnüge außgezieret werden/ und behielte ſie dannoch einen ſolchen
Vorſprung/ der bey tunkeler Nacht/ ja mit beſchloſſenen Augen moͤchte erkennet/ und von
dem allerwirdigſten Koͤnige biß auffs ſterben wirdigſt geliebet und heftigſt begehret wer-
dẽ. O ſchweige Bagoas/ ſchweige/ ſagte Gobares; dieſer Reden bin ich ja an dir nit gewoh-
net. Vielzuwenig/ allergnaͤdigſter Herr/ viel zu einfaͤltig/ viel zu ſchlecht ſind meine Wor-
te/ ſagte er; meine Augen wolten anfangs nicht trauen/ was ihnen vorſtund; meine Ver-
nunft uͤberlieff von verwundern/ als ich dieſes himliſche Meiſterſtük erblickete; ja in ſo
tieffes Mißtrauen geriet ich dazumahl/ daß ich meinete/ die Volkom̃enheit ſelbſt/ oder doch
ihr Abdruk waͤhre mir in etwa einer Verzückung erſchienen; ich begunte ſchon zu wanken
als ein Trunkener/ und wolte Weirauch und Kohlen fodern/ eurer Hocheit Schuz- und
Liebes-Goͤttin zu opffern/ als die den wirdigſten Ort bey dem Tiſche bekleidete/ uñ vielleicht
von niemand anders/ als nur von mir geſehen wuͤrde; aber ich beſan mich/ da ſie die un-
vergleichlichſten Lippen/ (vor denen die Rubinen und Korallen erbleichen) in hoͤchſter Zieꝛ-
ligkeit von einander taht/ und die gleichriegigen Helffenbeinen Zaͤhnlein ſehen ließ/ zwiſchẽ
denen eine dermaſſen anmuhtige wol klingende Stimme hervorbrach/ daß mich gedauch-
te/ Schuͤſſeln und Glaͤſer wuͤrden einen Freudentanz auff dem Tiſche anfahen/ geſtaltſam
meine Vernunft ſich alsbald in der Urtel verſtoͤret befand/ ob meine Ohren vom hoͤren/
oder die Augen vom anſchauen mehr beluͤſtigung empfingen. Zwar ich habe ihr Ange ſicht
mit den Gedanken eine groſſe Stunde/ die mir kein Augenblik dauchte/ tiefſinnigſt uͤber-
lauffen/ aber unmoͤglich wahr mirs/ ichtwas davon recht zu faſſen; dann/ betrachtete ich
ihre himliſche Stirn/ ſo zogen mch ihre beyde Sonnen (die Augen meyne ich) davon ab/
ſie zu beſchauen; aber die Augenlieder/ O der ſchoͤnſten Vorhaͤnge! machten mich dann in
ſich alsbald auff ein neues verliebet; wo zwiſchen die uͤber allen Wunſch wolgeſtalte Naſe
ſich legete/ und zu ihrer nachdenkung mich einlude. Aber O ihr Waͤngelein/ wer hat je-
mahls eine ſolche Vermiſchung des allerlebhafteſten rohtweiſſes geſehen? Der nicht min-
der ſüſſe als ſchoͤne Mund uͤberwieget weit meine Reden/ weil er in dieſer Welt keinen
gleichen hat. Das Kiñ mit einem kurzen Rizlein durchzogen/ gibt den uͤbrigen Stuͤcken
nicht daß allergeringſte bevor; und daß ich der guͤldenen Haare nicht vergeſſe/ die auff bey-
den Seiten uͤber den Schuldern von ſich ſelbſt gekraͤuſelt/ herab hingen/ halte ich deren
jedes vor eine gnug ſtarke Kette/ aller anſchauenden Herzen im Nuh dermaſſen zu feſſeln/
daß ſie nichts anders wuͤnſchen/ als in den Dienſten dieſer vol- ſchoͤnen zuſterben. Kurz
uñ mit einem Worte zuſagen; dieſes/ ja einig dieſes Fraͤulein iſt es/ die euer Koͤnigl. Hoch-
heit Liebe und Hulde ich wirdig achte. Gobares hoͤrete zu als ein Verzuͤcketer/ und ſinnete
unter
[937]Vierdes Buch.
unter dieſer Erzaͤhlung ſchon nach/ wie er dieſes anmuhtige Taͤubelein beruͤcken/ und mit
ſeinem Garn zu ſich reiſſen moͤchte/ die er doch weder gefehen/ noch geprüfet/ ob ſie von den
Zahmen waͤhre/ die jedermans Freunde ſind. Es machte ihn auch dieſe Begierde ſo mun-
ter/ daß des dritten Tages nach ihrer Ankunft/ an welchem das Freudenfeſt ihrer Erloͤ-
ſung und Bubazes Hochzeit ſolte gehalten werden/ er ſich aus ſeinem Lager erhub/ und
mit praͤchtiger Kleidung ſich belegete. Valiſka hatte ſich auch Koͤniglich gezieret/ und zu-
gleich ihre Kleofis mit vielen Kleinoten behaͤnget. Nun wolte er aber dem Fraͤulein eine
Ehre tuhn/ und ſeines erſten Außganges ſie auff ihrem Gemache beſuchen/ ſchickete auch
einen wolgepuzten aͤdelknabẽ zu ihr/ mit vermeldung/ da ihrer Durchl. es nicht zu wieder/
wolte ſein Fuͤrſt deroſelben in ihrem Gemache gerne auffwarten/ und wegen geſunder an-
kunft ihr Gluͤk wünſchen; welches ihm dañ mit hoher Dankſagung verwilliget ward. Es
kam aber gleich darauff Herkules zu ihr gangen/ und foderte ſie auff Ladiſla Gemach/ etli-
che nohtwendigkeiten abzureden/ da inzwiſchen Gobares ſich einſtellete/ und Kleofis allein
erſehend/ ſie vor das Fraͤulein hielt/ auch alsbald in heiſſer Glut gegen ſie entzuͤndet/ ſich
auff die Knie niederlegete/ und ihr die Hand kuͤſſend anfing: Durchl. Fraͤulein. Dieſe er-
kennete ſeinẽ Irtuhm/ trat zuruͤck/ uñ ſagete mit groſſer Schamhaftigkeit; Durchl. Fuͤrſt/
gnaͤdiger Herr; ich bitte untertaͤhnig umb vergebung/ ihrer Durchl. anzudeuten/ daß die-
ſelbe an mir unwirdige ſich irren/ weil ich ja nicht das Durchl. Fraͤulein/ ſondern nur de-
ro Dienerin bin. Gobares zuͤrnete auff ſich ſelbſt/ daß er vor einer aͤdel Jungfer ſich gede-
muͤhtiget hatte/ ſtund bald auff/ und inbetrachtung ihrer Schoͤnheit/ ſagte er; Schoͤnſte
Jungfer/ mein Irtuhm kan zu nichts ſchaͤdlich ſeyn/ maſſen eure Volkom̃enheit wol ver-
dienet/ daß ſie von Fuͤrſten geehret und geliebet werde; wie ich mich dann gegen ſie zu aller
Freundſchaft anerbiete. Nun hatte Herkules Leibknabe dieſen Fuͤrſten in der Fraͤulein Ge-
mach treten ſehen/ und deutete es ſeinem Herrn in der Fraͤulein Gegenwart an/ die aber
ihren Bruder und Liebſten baht/ mit ihr zugehen/ weil ſie bey fremden nicht gerne allein
waͤhre; haͤtte ohndaß ein ſchlechtes Herz zu ihm/ wegen der Ungewogenheit/ die er ihnen
ehmahls erzeiget. Als nun Gobares ſie herein treten ſahe/ gedauchte ihn nicht anders/ er
ſaͤhe eine Himmels Koͤnigin; dann wie freundlich ſie ſonſt wahr/ nahm ſie ſich doch vor-
ſezlich einer ſonderlichen Ernſthaftigkeit angegen ihn/ in dem ſie nach beſchehener Nei-
gung zu ihm ſagete; Durchl. Fuͤrſt/ die Ehre iſt zu groß und unverſchuldet/ daß ſeine Liebe
auff einem einſamen Zim̃er mich beſuchen wollen; erfreue mich dannoch ihrer Liebe wie-
der erlangeter Geſundheit/ und bitte/ dieſelbe mit meinem Herrn Bruder und Oheim
nach dem Hochzeit Saal gehen wolle/ wohin ich mit dieſer Braut bald folgen wil. Goba-
res ſtellete ſich uͤberaus hoͤflich/ kuͤſſete ihre zarte Hand kniend/ uñ redete ſie alſo an: Durch-
leuchtigſtes unvergleichliches Fraͤulein/ es hat die Schuldigkeit mich auffgemahnet/ ihrer
Durchl. gehorſamſt auffzuwarten/ als deren gluͤkliche Erloͤſung und wieder erlangete
Freiheit mich zum hoͤchſten erfreuet hat/ ſo bald ich inne worden bin/ daß der unflaͤhtige
Wuͤterich Artabanus in ſeinem unverantwortlichen Vorhabẽ verſtoͤret/ uñ euer Durchl.
Ehre gerettet iſt/ gelobe auch euer vortefligkeit hiemit aͤidlich an/ daß ich meines Fürſten-
tuhms aͤuſſerſte Macht anwenden wil/ damit die Unbilligkeit gerochen werde/ welche euer
Durchl. durch gefaͤngliche auffhaltung ſchimpflich angeleget iſt. Valiſka noͤhtigte ihn
auffzuſtehen/ bedingete ſich der gar zu groſſen Ehre/ und nach beſchehener Dankſagung
C c c c c cwegen
[938]Vierdes Buch.
wegen des hohen Erbietens/ ruͤhmete ſie ſeine Fuͤrſtliche Tapferkeit/ daß ſie hiedurch ver-
bunden wuͤrde/ ſeine Tugend groß zuachten. Herkules gefiel nicht uͤbel/ dz dieſer unfreund-
liche einen beſſern Willen gefaſſet hatte/ welches er auch bey ihrer erſten Beſuchung ſich
merken laſſen/ und weil er das Fraͤulein nach dem Saal zubegleiten ſich ſelbſt anerboht/
kunte ſie ihm ſolches nicht wegern; da er von Begierden und unkeuſchen Reizungen ſich
dermaſſen angefuͤllet ſpuͤren ließ/ daß er die Flammen ſo wol nicht unterdruͤcken kunte/ daß
Ladiſla/ der ſeiner Unzucht von Artaxerxes berichtet wahr/ es nicht ſolte gemerket haben/
und daß er mit weit andern Gedanken umbginge/ als die Worte lauteten; deſſen er doch
gegen Herkules/ Ungelegenheit zuverhuͤten/ ſich mit keinem Worte vermerken ließ/ inſon-
derheit/ weil ihm beydes ſeiner Fraͤulein Schweſter Zucht/ und Gobares Furchtſamkeit
gnug bekant wahr. Die vornehmſten Obriſten des Perſiſchen Heeres wahren zur Hoch-
zeit geladen/ die zwar Bubazes wegen ſeiner Heyraht gluͤkſelig preiſeten/ aber an Valiſken
ſich dermaſſen vergaffeten/ daß ihre einhellige Urtel wahr/ es koͤnte ein volkommener Gluͤk
als die wirkliche Nieſſung ihrer Schoͤnheit/ nicht erdacht werden. Bey der Mahlzeit ſaß
Gobares dem Fraͤulein allernaͤheſt/ deſſen er auff Artaxerxes ſchlechte noͤhtigung ſich nit
wegerte/ und ſattelte ihn die Hoffnung dermaſſen/ daß er an nichts gedachte/ als wie er Ge-
legenheit finden moͤchte/ ihr ſeine Liebe verſtehen zugeben/ dann er wahr noch unberichtet/
daß Herkules ſich mit ihr verſprochen haͤtte. Das adeliche Perſiſche Frauenzimmer hatte
ſich in zimlicher anzahl eingeſtellet/ die nach auffgehobenen Speiſen einen zierlichen Tanz
nach Landes Art unter ſich hielten/ biß Ladiſla ſeine Frl. Schweſter auch zum Tanze fuͤhre-
te/ und ſie ehrenhalber Gobares brachte/ welcher ſich deſſen hoch bedankete/ und gleich mit
den Gedanken umbging/ Gelegenheit zu haben/ wie er ſein Gemahl umbringen/ und her-
nach das Fraͤulein ehelichen koͤnte. Im Tanze wendete er alle Zierligkeit an/ worin er beſſer
als in Waffen geuͤbet wahr/ und nach deſſen Endigung redete er ſie alſo an: Unvergleich-
liches Fraͤulein/ Himliſches Bilde; wie inbruͤnſtig ſuchet meine flammenhitzige Seele/
die Begierden anzuzeigen/ welche mich treiben/ die Volkommenheit anzubehten/ ſo ihrer
vortrefligkeit beywohnet. O du gluͤkſeliges Feur/ daß von den Stroͤmen dieſes ſuͤſſen er-
quikwaſſers ſol geloͤſchet werden! O ihr hoch begnadete Augen/ die ihr dereins verguͤnſti-
gung haben ſollet/ die unauſſprechliche Schoͤnheit dieſes goͤttlichen Leibes anzuſchauen.
So bitte und flehe nun/ du durch uñ durch verliebeter Gobares/ dz deine begierige Knecht-
ſchaft in deren Dienſten moͤge auffgenom̃en werden/ die von deiner Seele uͤber den Him-
mel ſelbſt geſchaͤtzet wird. Das Fraͤulein hoͤrete dieſe reden mit ſolchem Unwillen an/ daß
ihr das Herz im Leibe erzitterte/ wahr anfangs bedacht/ ohn Antwort von ihm zugehen/ a-
berumb auffſehens willen/ und daß ihm ſein falſcher Wahn gaͤnzlich moͤchte benommen
werdẽ/ gab ſie ihm mit ernſtlichen Geberden dieſe Antwort: Gnug/ Fürſt von Suſa/ gnug/
wo es nicht gar zuviel iſt; und wes zeihet ihr euch gegen ein Koͤnigliches Fraͤulein/ die ihre
Ehre tauſendmahl lieber als ihr Leben hat? Ich kan beteuren/ daß der groſſe Artabanus
ſelbſt der Verwaͤgenheit nicht geweſen iſt/ mit dergleichen Anmuhtungen mich anzu-
ſprengen/ da er doch ohn ein eheliches Gemahl lebet; und Fuͤrſt Gobares/ der geheyrahtet
hat/ ſolte ungebuͤhrliche Liebe bey mir ſuchen duͤrffen? meinet ihr etwa/ ich werde euch dem
groͤſſeſten Koͤnige vorzihen/ und euch in Unzucht folgen laſſen/ was jener in Koͤniglicher
Heyraht nicht erhalten moͤgen? laſſet euch ja in Ewigkeit ſolcher Reden nicht mehr ver-
lauten/
[939]Vierdes Buch.
lauten/ daß ich nicht verurſachet werde/ mich deſſen zubeſchweren. O nein; Valiſka iſt
keine himliſche/ viel weniger goͤttliche/ aber auch ja ſo wenig eine leichtſinnige/ die auff un-
zuͤchtiges Feur ihr Loͤſchewaſſer ſchuͤtten/ oder unbendigen Augen mehr als den Weg neben
hin goͤnnen ſolte. Bedenket hernaͤhſt meine Hocheit/ und entſchlaget euch der Gedanken/
ichtwas unkeuſches bey mir zuerhalten/ ſo wil ich dieſen euren Frevel unter die Fuͤſſe der
Vergeſſenheit treten/ und eures Ungluͤks keine Urſach ſeyn; im wiedrigen ſol dieſe meine
Hand durch rechtmaͤſſigen Kampff ſich an euch raͤchen. Hierauff wolte ſie ſeine Antwort
nicht erwarten/ ſondern nach hoͤflicher Neigung (umb der Anweſen den willen) trat ſie zu
Kleofis/ hielt einen Tanz mit ihr/ und fuͤhrete ſie Artaxerxes zu/ der nach deſſen Endigung
ihr ein Adelgut nahe bey der Stad gelegen/ zur Außſteuer ſchenkete. Es hatte ſich Gobares
an ſeinen alten Plaz wieder geſetzet/ und muſte Valiſka/ Argwohn zu meiden/ ſich zu ihm
verfuͤgen. Er wahr aber der unvermuhtlichen Antwort ſo beſtuͤrzet/ daß er meinete/ zu veꝛ-
zweifeln/ weil der ſtolze Nar ihm nicht einbilden koͤnnen/ das ſein Anmuhten ihm ſolte ver-
ſagt werden. Gleich wie aber einem Fieberkranken durch wegerung des Trunks der Durſt
und die Sauffbegierde nur gemehret wird/ alſo nahmen die Begierde der abgeſchlagenen
Nieſſung bey dieſem Unzuͤchtigen heftiger zu/ ward auch in etwas wieder auffgerichtet/
wie er ſahe/ daß ſich das Fraͤulein zu ihm ſetzete/ und keinen Wiederwillen merken ließ/ fing
demnach viel ein ander Geſpraͤch mit ihr an/ und beklagete das Leid ihrer Fr. Mutter/ in
welches ſie durch ihre gewaltſame Entfuͤhrung geſtuͤrzet waͤhre. Aber ſo bloͤdes Gehirns
wahr ſie nicht/ daß ſie dieſer Stellung nicht ſolte wahrgenommen haben; wahr doch wol
zu frieden/ daß er ſeyn ſelbſt acht hatte/ und beantwortete es mit guter Freundligkeit. Deſ-
ſelben Tages waͤhlete ſie zwo zierliche aͤdle Jungfern/ Andia und Ameſtris/ die ihr ſtete Ge-
ſelſchaft leiſten ſolten/ nam auch eine Leibdienerin an/ nahmens Apame/ die aͤuſſerlich ſich
from zu ſtellen wuſte/ aber im Herzen voller Leichtfertigkeit wahr. Dieſe Nacht volfuͤhrete
Gobares mit Seufzen und Liebesgedanken/ deſſen Urſachen ſein Bagoas zuerfragen ſich
erkuͤhnete/ und von ihm vernam/ wie abſchlaͤgige und zwar ſchimpfliche Antwort ihm das
Fraͤulein auff ſein Anſuchen erteilet/ ſo daß er zu ſterben ſich erwogen haͤtte/ weil ohn ſie zu
leben ihm unmoͤglich waͤhre. Dieſer aber troͤſtete ihn mit friſchen Reden/ man muͤſte in
der gleichen Sachen ſich nicht uͤbereilen; gut Ding wolte weile haben/ und waͤhre ihre
Hocheit tra [...] zum Kuͤnſtler verdorben/ wann ſie an einer treflichen Arbeit ſo bald erliegẽ
wolte/ da jene offt etliche Wochen nur mit den groͤbeſten Feilen zubringen muͤſten/ wann
ſie etwas ſonderliches vorhaͤtten. Was man mit leichteꝛ Muͤhe eꝛlangete/ gaͤbe kurze Wol-
luſt/ uñ braͤchte die erlittene Gefahr nach erhaltenem Gute eine ſonderliche Vergnuͤgung/
wañ wir daran gedaͤchten; Eure Hocheit betrachten ſagte er/ was Artabanus vor Schmer-
zen wegen des gaͤnzlichen Verluſtes dieſer Volkommenheit erdulden muß/ und ſie wolte
auff der erſten Stuhffe verzagen/ da ſie nach dieſem allerſchoͤnſten Gewaͤchſe ſteigen? nicht
alſo/ mein Koͤnig; ſie wil ohnzweiffel die Bewehrung eurer Beſtaͤndigkeit zuvor haben/
ehe ſie ſich vertraulich heraus laͤſſet; aber ob ſie gleich durchaus nicht wolte/ muͤſte man
deßwegen dann an gutem Verfolg alsbald verzweifeln? Sie laſſe nur mich machen/ und
verheiſſe mir die Kleofis/ die mein Herz beſeſſen hat/ ſo wil ich ſchon mittel finden/ auch wi-
der ihren Willen Euer Hocheit ſie zuliefern/ da wir ſie in aller ſtille nach Suſa bringen/ uñ
euer Herz nach allem Wunſch vergnuͤgen wollen. Gobares wuſte/ daß er zu ſolchen Sa-
C c c c c c ijchen
[940]Vierdes Buch.
chen ſehr argliftig und verſchlagen wahr/ verſprach ihm daher die Kleofis zum Weibe/ und
daß er ihm eine freye Herſchafft in ſeinem Fuͤrſtentuhm erblich ſchenken wolte. Hierauff
machte Bagoas ſich des folgenden Tages an Apame der Fraͤulein Magd/ gab groſſe Liebe
vor/ und durch Schenkung erhielt er bey ihr ſeines unzuͤchtigen Muhtwillens Vergnuͤ-
gung/ wodurch er ſie nachgehends zu ſeinem begehren ihm verbunden machete.


Fabius/ der den Nahmen Kleon abgelegt/ und ſich Brokubelius nennete/ wolte in
der Perſiſchen Grenze Stadt die Zeit nicht vergeblich zubringen/ ſondern weil er vernam/
daß alle Ritter/ ſo durch Perſen reiſeten/ auffgehalten und in Dienſte genommen/ oder auf
deſſen Wegerung vor Feinde und Verraͤhter gehalten wuͤrdẽ/ machte ſich Sudwerz nach
dem Koͤnigreich Armuzia/ jezt Ormus geneñet/ und am Perſiſchen Meer gelegen/ woſelbſt
er 1000 wolverſuchte Reuter annam/ mit denen er ſich des Weges/ den er kommen wahr/
auff die Fahrt begab/ in Meynung/ einen weiten Umſchweiff durch Aſſyrien und Meden
zunehmen/ und von dannen nach Parthen ſicher zugehen/ weil er gaͤnzlich meynete/ Ladiſla
wuͤrde bey Artabanus Dienſte genommen/ und vielleicht ſeinen Herkules daſelbſt ange-
troffen haben. In den Perſiſchen Grenzen geriet er mit einem groſſen Indier in Strei-
tigkeit/ den er zufuſſe beſtund/ und in offenem Kampffe erlegete/ wo durch er bey ſeinen Leu-
ten ein groſſes Anſehen bekam. Sein leibeigener Orſillos wahr ihm in Armuzia wunder-
lich wieder in die Haͤnde gerahten/ dann dieſer hatte durch rauben und ſtehlen ſo viel ge-
ſamlet/ daß er ein gutes Pferd und noͤhtige Ruͤſtung eingekaufft/ in willens/ Beſtallung zu
nehmen; und weil er hoͤrete/ daß Obriſter Brokubelius friſche Anreitsgelder gab/ machte
er ſich hin zu ihm/ ſolche zuempfangen; aber O wie entſetzete er ſich/ da er ſein Angeſicht ſa-
he/ auch Fabius/ der ihn alsbald kennete/ ihn alſo anfuhr; Woher fuͤhret dich das rachgie-
rige Ungluͤk zu deiner gebuͤhrlichen Straffe? und wer hat dich meinen leibeigenen in die-
ſen Reuter Harniſch verſtecket? Dieſer fiel demuͤhtig vor ihm nider/ und baht ſehr/ ihn frey
zulaſſen/ nach dem er ſeiner Bosheit wegen gnugſame Straffe ausgeſtandẽn haͤtte/ beken-
nete auch alles/ wie er ſein Leben errettet/ und davon gelauffen waͤhre; aber die Gedaͤchtniß
des ausgeſtandenen Schimpffs lag Fabius viel zu hart im Sinne/ daher er ihm den Har-
niſch abzihen/ und mit Knuͤtteln hefftig abſchlagen ließ/ hielt ihm ſeine Unbarmherzigkeit
vor/ und ließ ihm ſchwere Ketten/ daß er nicht entlauffen ſolte/ anlegen; alſo muſte er ſich
auffs neue rechtſchaffen leiden/ und als ein Gefangener neben ſeiner wolgetatzeten Ritter-
ſchafft daher lauffen.


Zu Charas gingen dieſe Zeit die Sachen wunderlich durcheinander; dann Koͤnig
Artabanus/ wie bemuͤhet er gleich wahr/ ſeine Voͤlker ſchleunigſt zuſamlen/ wolte doch eine
ſo groſſe Machtſich nicht aus dem Sacke ſchuͤtten/ noch die noͤhtige Ausruͤſtung und Un-
terhaltung mit Worten ſich ſchaffen laſſen; uͤberdas wahr ſein Gemuͤht wegen der Fraͤu-
lein Flucht dermaſſen erſchlagen/ daß er dem Kriegsweſen nicht gebührlich obliegen kunte/
und hatte noch Hoffnung/ ſein Bagophanes wuͤrde etwas ſtatliches ausrichten. Als aber
derſelbe ſo gar einſam (maſſen er aus der Parthiſchen Grenze Stad nur vier Kriegsknech-
te zur Begleitung mit ſich genommen) wiederkam/ und ihm angezeiget ward/ daß er vor
dem Schloß Tohr gar einſam/ umb vorgelaſſen zuwerden/ anhielte/ waͤhre er ſchier von
Sinnen kommen. Doch ließ er ihn vorfodern/ und ſo bald er ihn ſahe/ rief er ihm zu: Wie
iſt dirs ergangen/ Bagophanes/ haſtu des Spitamenes und Madates Gluͤk gehabt? Er
taht
[941]Vierdes Buch
taht alsbald einen Fußfall/ und fing alſo an: Allergnaͤdigſter Koͤnig; ich habe allen moͤgli-
chen fleiß angewand/ dem Fraͤulein auff die Spuhr zukom̃en/ habe auch die Grenze Stad/
in welcher ſie ſich auffhielt/ ausgekundſchaffet/ meine Voͤlker heimlich verſtekt/ und mich
dahin begeben/ ſie geſprochen/ das Schreiben ihr geliefert/ und zur Antwort bekommen;
Sie koͤnte ſich nicht als eine geraubete und gefangene verheyrahten/ ſondern dafern der
groſſe Koͤnig entwedervon ihrer Fr. Mutter Einwilligung erlangete/ oder ſie mit dem
Schwerte gewuͤnne/ waͤhre ſie darzu bereit und willig. Was ſolte ich nun getahn haben/
allergnaͤdigſter Koͤnig? Das Staͤdlein wahr mit ſchmalen Graben und geringen Mau-
ren umgeben/ ich merkete dariñen wenig Voͤlker zur Beſatzung; hingegen hatte ich 16000
Mann bey mir; aber auch bey ihr wahr der tapffere Teutſche Herkules; was ſolte ich ge-
tahn haben/ allergerechteſter/ allerweiſeſter Koͤnig? Nun merken wir erſt/ ſagte Artabanus/
daß wir an dir einen Narren ausgeſchicket haben; frageſtu noch/ was du haͤtteſt tuhn ſol-
len? Du haͤtteſt ſollen das ſchwache Staͤdlein anlauffen/ ſtürmen/ unſer Fraͤulein retten/
den Buben Herkules erwuͤrgen/ und alle Inwohner ſamt der Beſatzung nidermachen;
und haͤtteſtu nur ſo viel Herzens gehabt/ wuͤrden wirs unvergolten nicht laſſen/ obs gleich
mißlungen waͤhre. Allergnaͤdigſter Koͤnig/ antwortete er; ich habe es gleich alſo zumachen
vorgehabt/ ich habe die Stad mit den meinen angelauffen und geſtuͤrmet/ unter der Mey-
nung/ weil ſich keine Voͤlker/ auſſer geringeꝛ Beſatzung dariñen vernehmẽ lieſſen/ bald Mei-
ſter zuwerden; aber/ ehe ich michs verſahe/ und ich das eine Tohr ſamt der Maur ſchier in
meiner Gewalt hatte/ da fielen von bey den ſeiten bey die 10000 der wolverſuchteſten Reu-
ter unter Herkules Anfuͤhrung auff mich an; bald drungen etliche tauſend Schuͤtzen zu
fuſſe mit heraus/ daß meine Leute/ die ſich zum Sturm enge beyein ander hielten/ kein Feld
gewinnen/ noch in eine rechtmaͤſſige Schlacht Ordnung ſich ſtellen kunten/ daher miꝛ in die
4000/ wiewol nicht ohn der Feinde Blut/ nidergemacht/ die übrigen in der enge gefangen
genommen wurden; welche aber von Herkules gute Vertroͤſtung zur Freylaſſung bekah-
men. Ich bin nach gehends von Herkules gewirdiget/ bey ſeinem Tiſche Speiſe zunehmẽ/
und habe von dem Fraͤulein in abſonderlichem Geſpraͤche gnug verſtanden/ daß/ nachdem
ſie von der Bezauberung befreyet/ ſie nichts lieber wuͤnſchet/ als durchs Schwert erſtritten
zuwerden. Eins iſt noch von meiner Erzaͤhlung uͤbrig/ welches ohn zweifel eurer Koͤnigl.
Hocheit eben ſo groſſes verwundern bringen wird/ als mir; daß nehmlich der Schwarz-
kuͤnſtler Valikules das Angeſicht der Fraͤulein bey der Wegfuͤhrung verſtellet/ wie er ſich
ſelbſtverſtellen kan/ maſſen ſein Angeſicht/ welches er uns alhier hat ſehen laſſen/ nicht ſein
eigentliches/ ſondern ein angenommenes iſt/ ſonſt wann er in ſeiner wahren Geſtalt ſich ſe-
hen laͤſſet/ iſt er der ſchoͤnſte Juͤngling/ mit gelbem Haar und zartem Angeſicht/ und eben
der Teutſche Groß Fuͤrſt Herkules/ deſſen Waffen nicht ohn urſach ſo hoch geruͤhmet weꝛ-
den. Weil ich nun in dieſem Zuge eben daſſelbe vorgenommen habe/ welches Ihrer Koͤ-
nigl. Hocheit eigener Wille geweſen iſt/ hoffe ich gaͤnzlich/ dieſelbe werde nach ihrer bey-
wohnen den Gerechtigkeit/ wegen meines unfalls allergnaͤdigſtes Mitleiden tragen/ und
ſich verſichern/ daß ich leben und ſterben/ ja auch nach meinem Tode bleiben wil/ Ihrer
Koͤnigl. Hocheit allergetraͤueſter Diener/ uñ gehorſamſter Knecht/ ohn alle Ausrede. Der
Koͤnig gab ſich in allem zufrieden/ aber als er vernam/ daß er von Valikules ſo ſchlim- uñ
veraͤchtlich hintergangen wahr/ waͤhre er ſchier von Sinnen kommen/ draͤuete ihm auch
C c c c c c iijdie
[942]Vierdes Buch.
die abſcheuhlichſte Pein und Straffe/ welche er erdenken koͤnte/ und daß alle Verraͤhter
an ihm ſich ſpiegeln ſolten. Hernach bedachte er ſich ein wenig/ und ſagte bald darauff:
Nun dann/ weil ja unſere Groß Koͤnigl. Braut mit dem Schwerte ſol und wil gewoñen
ſeyn/ wolan/ ſo muß es auch geſchehen/ und wollen wir ſelbſt mit einem unuͤberwindlichen
Heer von 500000 ſtreit bahren Kriegsleuten zu Felde gehen; aber mein Bagophanes/
duͤrffte auch der freche Bube mit dem gezwungenen und bezauberten Fraͤulein nacher
Teutſchland ſich erheben/ ehe wir Perſen erreicheten. Davor wil ich hafften/ daß es nicht
geſchehen werde/ antwortete er; dann der weißmaͤulichte Herkules darf noch wol draͤuen/
dieſe Laͤnder nicht zuverlaſſen/ biß Artabanus (ſo veraͤchtlich redete er) wegen der angebo-
tenen Ruhten ihm Abtrag gemacht habe; Weil ich nun ein ſolches unbeantwortet nicht
laſſen/ noch die Koͤnigl. Beſchimpffung anhoͤren kunte/ haͤtte mirs umb ein Haar das Le-
ben gekoſtet. Ey/ ſagte der Koͤnig/ Abtrag ſol er haben/ aber dermaſſen ungnaͤdig/ daß ihm
die Haut davor ſchauren ſol. Ihm aber erteilete der Koͤnig voͤllige erlaſſung/ da unter an-
dern er dem Koͤnige der Syſigamben Unſchuld/ und wie ſie von Valikules und dem be-
zauberten Fraͤulein hintergangen waͤhre/ erzaͤhlete. Der Koͤnig fragete ihn/ wo er dann
die zierliche Kleofis gelaſſen/ welche er ihm vor gehabte Muͤhe zum Gemahl zugedacht haͤt-
te. Sie iſt als eine gefangene auffgehalten/ antwortete er/ hat ſich bald darauff mit einem
Perſiſchen Obriſten leichtfertig gnug verheyrahtet/ und alle Parthiſche Traͤue abgeleget/
da Herkules noch wol an mich begehren durffte/ bey dem Koͤnige abzufodern/ daß ihr vaͤ-
terliches Erbe ihr ausgefolget würde/ wo ſonſt im widrigen falle er nicht ein fuͤnffdoppel-
tes aus Parthen ablangen ſolte. Laß lauffen/ laß Kleofis lauffen/ antwortete der Koͤnig/
Kleofis gibt oder nimt uns nichts/ deren Verlaſſenſchafft dir krafft dieſes erblich ſol ge-
ſchenket ſeyn/ ſolt auch die frcye Wahl unter unſerm ganzen annoch unausgezeichneten
Frauenzimmer zu deiner Verheyrahtung haben; deſſen er ſich untertaͤhnigſt bedankete/
ſahe auch mehr auff Schoͤnheit als auff Zucht/ und waͤhlete eine Armeniſche/ die zwar an
Leibes Zierligkeit vortrefflich/ aber aus einem gemeinen Frauen Hauſe genommen/ und we-
gen ihrer Schoͤnheit dem Koͤnige geſchenket wahr. Des folgenden Tages ſtelleten Volo-
geſes und Pakorus nebſt andern vornehmen Kriegshelden ſich bey dem Koͤnige ein/ ver-
nahmen Bagophanes obgedachtes Vorbringen/ und wolten nicht viel dawider reden/
weil der Koͤnig ihn ſelbſt entſchuldigte. Die erſten tauſend von dem Fraͤulein freigegebe-
ne kahmen des dritten Tages auch an/ lieſſen ſich vorerſt bey Vologeſes melden/ und kla-
geten uͤber Bagophanes vielfaͤltiges grobes verſehen/ nebeſt anzeigung/ daß ſie von dem
ganzen gefangenen Heer Vollmacht und Befehl haͤtten/ ihn deswegen bey dem Koͤnige
anzuklagen/ aber er widerriet ihnen ſolches getraͤulich/ weil ſie nicht allein bey dem Koͤnige
kein Gehoͤr haben wuͤrden/ ſondern Bagophanes aus Koͤniglichem Befehl alſo gehan-
delt/ und nichts aus Betrug oder Verraͤhterey vorgenommen haͤtte. Der abgeſchikte
Obriſte mit ſeinen 20 Reutern kam auch bald hernach/ und gab Pakorus der Fraͤulein
Vortrag wegen Kleofis vaͤterlichen Erbes zuvernehmen/ welcher nebſt Vologeſes es dem
Koͤnige vortrug/ und zur Antwort bekam: Er haͤtte ſolches alles ſchon ſeinem getraͤuen
Hofmeiſter geſchenket. Sollen dann die 90 Befehlichshaber im ſtiche bleiben? fragete
Pakorus/ ſo werden hernaͤhſt Eure Koͤnigl. Hocheit deren wenig bekommen/ wofern man
dieſe mit einem ſo gerignen Loͤſegelde freizumachen unterlaſſen wird. Und als der Koͤnig
darauff
[943]Vierdes Buch.
darauff zuantworten verzog/ ſagete Vologeſes zu Pakorus; komt mein Freund/ wir
wollen uns in den naͤheſten Graben ſtuͤrzen/ umb der Quaal und des Jammers abzukom-
men; dann Artaxerxes der Abtruͤnnige hat dieſes Mittel erdacht/ unſerm Koͤnige alle
Kriegsverſtaͤndige abſpenſtig zu machen; gehet ihm ſolches an/ ſo iſt Charas ſein eigen/
ehe ein viertel Jahr zum Ende laͤuft/ welches Elend ich nicht begehre zuerleben. Der Koͤ-
nig bedachte ſich darauff/ kauffte Bagophanes ſolches geſchenke wieder abe/ und gab dieſen
beyden Freyheit/ damit/ ohn ſeine Verkleinerung/ nach belieben zuſchalten/ welche nicht al-
lein alles getraͤulich an Kleofis uͤbermachten/ ſondern bewaͤgeten auch der Gefangenen
Obriſten und Ritmeiſtere Gemahlen und Verwanten/ daß ſie eine Tonne Schaz/ Kleofis
zur Verehrung/ dabey legeten; welche Hoͤfligkeit Herkules bey der Lieferung ſo wol gefiel/
daß alle dieſe 90 Gefangene mit Pferden und Ruſtung verſehen/ und zurük geſchicket wur-
den/ weil auch Timokles ein Gedoppeltes vor ſeine Pferde bekom̃en hatte. Vordißmahl
aber hielt der Koͤnig mit vorgedachten Herren als vornehmſten Reichs Seulen wegen
des Kriegs/ Unterredung/ und daß in ſechs Wochen alles zum groſſen Feldzuge ſolte fer-
tig ſeyn. Zwo Wochen nach Bagophanes Wiederkunft/ ward von dem Koͤnige und den
Vornehmſten Reichs Fuͤrſten (die ſich nunmehr des Werks ernſtlich annahmen) vor gut
angeſehen/ daß Fürſt Vologeſes ſelbſt noch einmahl mit einem kleinen Heer von 36000
wolgeuͤbeten Reutern an die Perſiſchen Grenzen ginge/ ſich der Kriegsart der beyden
Fremden eigentlich zuerkunden/ und eine Schlacht/ wann er Vortel ſehen wuͤrde/ mit ih-
nen zuwagen/ auffdaß/ wo moͤglig/ der empfangene dreyfache Schimpff außgeloͤſchet/ und
den Voͤlckern ein Muht gemacht wuͤrde. Der Koͤnig gab ihm Befehl/ die Perſiſche Gren-
ze Stad/ da Bagophanes Abbruch gelitten/ der Erden gleich zumachen/ alle Gewapneten
niderzuhauen/ und die Wehrloſen gefangen zu nehmen. Worauff Fuͤrſt Vologeſes zur
Antwort gab; Wañ man wolte Staͤdte belagern und ſtuͤrmen/ muͤſte man darzu Fußvoͤl-
ker uñ ander gebuͤhrlich Zeug gebrauchen; er waͤhre nit willens ſich Bagophanes gleich
zuverhalten/ ſondern dem Feinde im Felde entgegen zuzihen/ und allen moͤglichen Fleiß an-
zuwenden/ ob die zornigen Goͤtter ſich wieder gnaͤdig erzeigen/ und ihm einen ehrlichen
Sieg goͤnnen wolten; wo nicht/ muͤſte er auch zufriede ſeyn/ und dem Himmel ſeinen Wil-
len laſſen; inzwiſchen wuͤrde der Koͤnig die Streitwagen/ Elefanten und Voͤlker durch die
beſtelleten Obriſten taͤglich laſſen üben und zum Treffen gewaͤhnen. Spitamenes uñ Ma-
dates wahren zugegen und zeigeten ihm getraͤulich an/ was vor eine Art in Schlachten
ſie von unſern Helden angemerket hatten/ wiederrihten auch dieſen Zug/ welchen Volo-
geſes gerne von ſich abgewaͤlzet haͤtte/ weil er ſich außdruͤklich vernehmen ließ/ der Sinn
truͤge ihm zu/ daß er ohn Schlappe nicht wiederkehren wuͤrde; Aber des Koͤniges Wille
muſte vor ſich gehen/ bloß nur/ daß unſere Helden von ihrer Heimreiſe abgehalten wuͤrden/
deſſen er ſich doch nicht durfte merken laſſen/ wiewol er allemahl die hohen Haͤupter erin-
nerte/ ſie wuͤrden den ihm von dem Buben Valikulesangelegten unabloͤſchlichẽ Schimpf
nicht ungerochen laſſen. Artaxerxes Kundſchaffer zu Charas ſchrieben ihm Vologeſes
Auffbruch zeitig uͤber/ daher die Unſere ſchloſſen/ dem Feinde an den Grenzen vorzubeugẽ/
und wo moͤglich/ auff Parthiſchem Grund und Bodem zubegegnen. Der Perſen Groß-
Fuͤrſt fragete Gobares aus Hoͤfligkeit/ was vor Feld Herren gegen den Reichs beſchriehe-
nen Vologeſes wuͤrden zuwaͤhlen ſeyn; welcher antwortete: Weil die tapffere Helden/
Koͤnig
[944]Vierdes Buch.
Koͤnig Ladiſla/ und Groß Fuͤrſt Herkules dem Feinde ſchon einen Schrecken eingejagt/
win den ſie ohnzweifel die geſchikteſten darzu ſeyn/ und koͤnten Fuͤrſt Arbianes und Herr
Pharnabazus hieſelbſt zugleich mit Ehre gewinnen/ waͤhre vor ſich willens/ ihnen von ſei-
nem Heer eine anzahl Voͤlker zuzugeben. Artaxerxes gefiel dieſes wol/ und wurden die un-
ſern vermocht/ dieſen Zug auch noch auff ſich zunehmen/ ſchloſſen alsbald/ daß ſie des fol-
genden Tages auffbrechen/ und mit 30000 zu Roſſe dem Feinde hoffeten gewachſen zu
ſeyn. Sie teileten ihr Heer in drey Hauffen; den erſten/ welches lauter Meden/ 8000 ſtark/
fuͤhrete Pharnabazus; den andern/ 12000/ halb Perſen und halb Sufianer/ nam Ladiſla;
den dritten/ 10000/ als 7000 Perſen mit durchnaͤheten Pferde Panzern (womit Ladiſlaen
Perſen auch verſehen wahren)/ und 3000 Suſianer/ behielt Herkules bey ſich. Artaxerxes
foderte Bubazes/ Tyriotes und Gallus vor ſich/ gab ihnen uͤber die vorigen/ 1000 wolge-
wapnete Perſiſche Reuter zu/ und taht ihnen groſſe Verheiſſungen/ wo ſie in fuͤhrung des
Vortrabs vorſichtig und tapffer ſich verhalten wuͤrden/ zaͤhlete auch dieſem ganzen Heer
drey Monat Sold aus. Nach ihrem Auffbruch ſchrieb er an alle Bundsverwanten/ mit
den annoch ungelieferten Voͤlkern zu eilen/ weil der Feind in wenig Wochen mit ganzer
Macht ihm auff den Leib fallen wuͤrde; befahl Gobares die Oberauffſicht uͤber die Stad
und Schloß Perſepolis/ und ritte Tag und Nacht umbher/ ſeine hin und wieder verlegete
Voͤlker zubeſichtigen/ und ſie fertig zuhalten. Fuͤrſt Vologeſes fuͤhrete ſein Heer gar vor-
ſichtig nicht willens/ aus unbedacht ſamkeit zuverſpielen; er hatte aus allen umſtaͤnden ge-
merket/ daß die Parthiſche Wuht gegen die Teutſche Streit-art nicht hafften wolte/ wahr
auch des Vorhabens/ der unſern auff Parthiſchem Grunde an einem vortelhaften Orte
zuerwarten/ und ordente einen Unverzagten Obriſten/ nahmens Phraates/ den Voꝛtrab/
1200 ſtark zu fuͤhren/ und gute Kundſchaft einzuzihen. Die unſern hingegen/ als ſie in Per-
ſen nichts von dem Feinde vernahmen/ gingen uͤber die Parthiſchen Grenzen eine halbe
Tagereiſe/ da Bubazes etliche/ ſo ſich vor Hirten außgaben/ und verkleidete Kundſchaffer
wahren/ aufffing/ und ſie Herkules zuſchickete; er aber ging mit den ſeinen ein wenig zu
kuͤhn fort/ und traf/ ehe er ſichs verſahe/ auff Phraortes Hauffen/ ſchickete ſich doch uner-
ſchrocken zum Streit/ und hielt des Feindes ernſtlichen Angriff ritterlich aus/ da es dann
zu beiden Seiten ſcharff zuging/ biß unſer Hauffe etwas nachließ/ und ſich nach der Flucht
umbſahe/ ſo daß/ wann Tyriotes Tapfferkeit es nicht getahn/ ihres Gebeins nicht davon
kommen waͤhre; dann er verteilete ſeine Voͤlker/ ſendete Bubazes/ der die groͤſte Noht lit-
te/ entſaz/ und ließ ihn ermahnen/ Stand zuhalten/ der Feind wuͤrde bald nachlaſſen/ wann
nur noch ein redlicher Saz gewaget wuͤrde. Hiedurch hielt er die ſeinen von der Flucht
abe/ ſetzete ſich mit Gallus zuſammen/ der den ſeinen noch zimlich gewachſen wahr/ und
wuͤtete wie ein Loͤue. Gallus geriet unverſehens an Phraates/ uñ wurden beyderſeits hart
verwundet/ daß ſie ſich aus der Schlacht muſten fuͤhren laſſen; worauff die Parther den
Muht zimlich ſinken lieſſen/ doch in guter Ordnung zuruͤk zogen/ nach dem ſie 600 einge-
buͤſſet/ 50 von ihnen gefangen/ und der mehrerteil von den uͤbrigen verwundet wahr. Die
unſern durften aus Furcht eines Hinterhalts ihnen nicht nachſetzen/ hatten auch keine
Seide dabey geſponnen/ ſondern 400 wahren Tod/ 20 gefangen/ uñ 200 nebeſt ihren drey-
en Fuͤhrern hart verwundet. Als ſie bey Herkules mit blutigen Koͤpfen ankahmen/ ward
ihre Tapfferkeit geruͤhmet/ und die Gefangenen befraget/ worauff Herkules mit guter vor-
ſichtig-
[945]Vierdes Buch.
ſichtigkeit fortzog/ uñ zu Pharnabazus ſagete: Habe ich an Artabanus Hofe einige Kriegs-
verſtaͤndige/ aber auch redliche auffrichtige Herren gekennet/ ſo ſind es Fuͤrſt Vologeſes
und Fuͤrſt Pakorus/ daher wir dem Feinde mit gutem bedacht entgegen gehen/ und nichts
ohn Raht und Uberlegung anfahen muͤſſen. So brachten die Parthiſche abgewichene/
ihre Gefangenen auch ein/ welche alles anzeigetẽ/ wie es mit dem Perſiſchen Heer beſchaf-
fen wahr/ und wunderte ſich Vologeſes nicht wenig/ daß ſo unbenahmete in geringerer
Anzahl den geuͤbeten Phraates aus dem Felde geſchlagen hatten. Ob er nun gleich wuſte/
das er den unſern an Mannſchaft uͤberlegen wahr/ wolte er doch darauff nicht trotzen/ ſon-
dern ſuchete/ wie er einen Vortel gewinnen/ und ſeinem Feind ohn ſonderlichen Verluſt
Abbruch tuhn moͤchte; legete ſich deßwegen an einen Ort/ da er vor Menſchen und Vieh
notturfft hatte/ ließ ſein Lager von fornenzu wol verſchanzen/ und ſchickete unterſchiedliche
Kundſchaffer aus/ deren etliche ergriffen und gehenkt wurden/ etliche kahmen durch und
verkuͤndigten der unſern Ankunft. Nicht weniger hatte auch Herkules gewiſſe Zeitung/
was Geſtalt der Feind ſich gelagert/ und nach der Linken zu/ ſich umb mehrer Sicherheit
willen an einen breiten Huͤgel mit dorn Hecken bewachſen/ nach der Rechten an einen Fluß
gelegt haͤtte/ welcher wegen ſeiner hohen Ufer nicht zu reiten waͤhre; worauff Ladiſla ant-
wortete: Dafern er die Schlacht zu wagen gedenkt/ wird er aus dem Schlupfloche wol
hervor brechen muͤſſen. Herkules aber befuͤrchtete ſich/ er wuͤrde willens ſeyn/ den Streit
in die Harre zuſpielen/ biß ihm eine groͤſſere Macht zukaͤhme/ oder Artabanus wol gar mit
dem Haͤupt Heer folgete/ nam deßwegẽ vor/ allen moͤglichen fleiß anzuwendẽ/ dz er ihn zur
Schlacht reizẽ moͤchte/ daher er ihm bey ſeinem Leib Trometer folgendẽ Brief zuſchickete.


Herkules/ gebohrner Groß Fuͤrſt aus Teutſchland/ entbeut dem hochberuͤhmten Fuͤrſten/ und
Parthiſchen Obriſten Feldmarſchalk/ Fuͤrſt Vologeſes ſeinen Gruß und alles liebes/ ſchaͤtzet ſich gluͤk-
ſelig einen ſolchen Gegenſtreiter angetroffen zuhaben/ der des Kriegs verſtaͤndig/ auffrichtigen Her-
zens/ und ritterlichen Ehren den Ruhten- Schimpf anzulegen nicht willens iſt; weil er auch ſeine
Mannſchaft zu dem Ende hergefuͤhret/ mit dem großberuͤhmten Feld Herrn einen Verſuch zutuhn/
und von deſſen Erfahrenhelt etwas zu lernen/ hoffet er die Ehre zu haben/ ihn im freien Felde zu ſchẽ/
und ſeine kraͤftigen Schwertſtreiche mit dem Schilde/ oder da es ſo fallen ſolte/ mit dem Leibe auffzu-
fangen/ verſichert denſelben hinwieder aller abſonderlichen Freundſchaft und Dienſte/ ſo dem Haͤupt-
weſen unſchaͤdlich/ und ſeinen Groß Fuͤrſtlichen Ehren unnachteilig ſind/ verbleibend deſſelben bereit-
willigſter Freund und Diener Herkules.


Vologeſes ließ den Geſanten wolhalten/ uñ nach verleſung fertigte er ihn wolbezechet/
und mit einer güldenen Kette begabet wieder ab/ da ſein Leib Trometer mit reiten/ uñ Her-
kules folgende Antwort zuſtellen muſte:


Vologeſes/ beſtalter Marſchalk des groſſen Koͤniges Artabanus/ wiederſetzet den uͤberge-
brachten Gruß mit gleichem/ und fuͤget dem hoch beruͤhmten Helde/ Groß Fuͤrſten Herkules dienſtlich
zu wiſſen/ daß/ ſo bald ſeiner Reuter Saͤbel gnug werden gewetzet ſeyn/ er zum begehrten Verſuch
ſich willig einſtellen/ und der hoͤflichen Außfoderung ſtat geben wolle/ da er dann des Sieges (wo ihm
die Goͤtter es goͤnnen) ſich hoch ruͤhmen/ und da er unterliegen ſol/ einem ſolchen treflichen Feld Herꝛn
die Uberwindung nicht mißgoͤnnen wird; da auch ohn verletzung ſeiner ehren hochgedachtem Groß-
Fuͤrſten einige Dienſte von ihm koͤnten erzeiget werden/ verbindet er ſich hterzu/ als deſſen Durchl.
bereitwilliger Freund und Diener. Vologeſes.


Herkules/ als er das Schreiben geleſen hatte/ ſagte zu Ladiſla/ und etlichen andern:
Gewißlich ſolte Artabanus ſich gluͤkſelig ſchaͤtzen/ wann er dieſer beſcheidenen Leute viel
D d d d d dhaͤtte
[946]Vierdes Buch.
haͤtte; und wiewol ich das mir zugelegte Lob vor einen hoͤflichen Scherz halte/ wil ich ihn
deſſen doch genieſſen laſſen/ wo ich ſonſt kan. Ließ darauff den Trompeter gleicher geſtalt
vollſauffen/ ſchenkete ihm eine guͤldene Kette und 500 Kronen/ und ſchikte Vologeſes bey
ihm einen wolſchneidenden Saͤbel/ dabey er ihm muͤndlich ſagen ließ; ſolcher art waͤhren
ſeiner Leute Schwerter vor ſeinem Auszuge gewetzet/ und haͤtte nicht gemeynet/ daß die
hochbeſchriehenen Parthiſchen Streiter ſolches biß auff die lezte Stunde ſpareten/ da man
auff ſie vergebens warten/ und die guͤldene Zeit in Muͤſſiggang verzehren muͤſte. Auswel-
cher Antwort dann Vologeſes unſers Herkules unüberwindlichen Muht und treffliche
Geſchwindigkeit leicht abnam/ und dadurch deſto mehr zur Aufſicht angereizet ward. Des
dritten Tages ſtellete Herkules ſeine Voͤlker in das Feld/ den Feinden recht unter Augen/
ließ auch einen Perſiſchen Obriſten mit 1000 Pferden biß an Feindes Lager gehen/ welche
aber mit Pfeilen abgetrieben/ uñ ihrer wol 150 beſchaͤdiget wurden; daraus Herkules ei-
gentlich ſpürete/ daß der Feind nicht geſinnet waͤhre/ ſo bald Schlacht zuliefern. Hielt deß-
wegen engen Kriegs Raht/ ließ den Fluß bey Nachtzeit zwo Meile auffwarz beſichtigen/ uñ
funden einen Ort/ dem mit Schauffeln und Hacken zum durchreiten leicht kunte geholffen
werden. Des folgenden Tages ſtellete er ſeine Schlacht Ordnung abermahl wie vorhin/
ließ auch die Reuter biß ans Lager hauẽ/ welche mit Geſchoß abgetrieben wurden/ deswe-
gen er ſein Lager abbrechen ließ/ und vor ſeinem Abzuge folgendes Schreiben an Vologe-
ſes ſendete:


Nachdem ich die vergebliche Hoffnung gefaſſet/ den bißher ſo unverzageten Feld Herrn Fuͤrſt
Vologeſes im Felde zuſehen/ werde ich die Hoͤfligkeit gebrauchen/ und ihm weitern Raum zu geben/
hinter mich ruͤcken/ ob ihm daſelbſt belieben moͤchte/ mir ſeinen ſo lange gewetzeten Saͤbel dereins bloß
ſehen und empfinden zumachen; bin nicht deſto minder ſeiner Liebe bereitwilliger Freund und Diener
Herkules/ ſonſt ſein verſchuldeter ehmaliger Valikules.


Brach alsbald nach deſſen abſendung auff/ und ſetzete fleiſſige Schildwachen aus/ auff
des Feindes vornehmen acht zugeben/ und ihm ſolches zu hinterbringen. Noch wolte aber
der Parther ſich nicht dran kehren/ und blieb in ſeinem Lager unverrucket liegen; dann von
hinten zu hielt er ſich ganz ſicher/ und ward ihm alle Notturfft uͤberfluͤſſig zugefuͤhret. Als
der Abend herzu nahete/ teilete Herkules ſein Heer in vier Hauffen; den erſten gab er La-
diſla/ 4000 Suſianer/ und gleich ſo viel Perſen/ damit er den erſten Angriff tuhn ſolte; den
andern Arbianes/ 6000 Meden/ Ladiſla zum Entſatz; den drittẽ Pharnabazus/ 5000 Su-
ſianer und 3000 Meden; den vierden und lezten 8000 Perſen/ behielt er vor ſich ſelbſt.
Nach gemachter Teilung muſten Ladiſla und Arbianes nach des Feindes linke ſeite hinter
dem Huͤgel die Nacht ihren Weg in aller ſtille fortſetzen; Herkules aber und Pharnaba-
zus gingen auff den rechten Fluͤgel uͤber das Waſſer/ und weil ſie den ferneſten Weg hat-
ten/ verlieſſen ſie es mit Ladiſla/ er ſolte hinter dem Berge halten/ und ſich nicht ſehen laſſen/
biß er hoͤrete Pharnabazus den Angriff tuhn/ alsdann ſolte er mit den ſeinen friſch anſetzẽ.
Dieſem ward redliche folge geleiſtet/ gluͤckete ihnen auch/ daß ſie zu beyden Seiten bey dem
Feinde in aller ſtille herkahmen; dann weil dieſe die unſern hatten auffbrechen/ und den ge-
radeſten Weg zuruͤcke nehmen ſehen/ wurden keine ferne Wachten ausgeſtellet. Ladiſla
hatte zwar den kuͤrzeſten/ aber den ſchlimmeſten Weg/ daher er faſt zu einer Zeit mit Herku-
les an den beſtimmeten Ort anlangete. Eine Stunde vor Morgens aber ſchickete Volo-
geſes
[947]Vierdes Buch.
geſes 1000 Reuter aus/ etliche tauſend Bauren zuſammen zutreiben/ die ſein Lager von foꝛ-
ne her noch immermehr verſchanzen ſolten. Dieſe ſtieſſen auff Pharnabazus Hauffen/ der
ſie anfangs/ weil es in der Demmerung wahr/ vor Herkules Leute hielt/ und ihnen freyen
Anzug goͤnnete; Ihrem Fuͤhrer aber mißdauchte es/ ungeachtet alle ſeine Reuter in glei-
chem Wahn mit Pharnabazus wahren/ und daher ſich bald verrieten/ auch darauff mit
aller Macht angegriffen/ und biß auff 300 erſchlagen wurden; Welche uͤbrige zuruͤk gingẽ/
und Vologeſes die Zeitung ihrer Niderlage brachten/ welcher zur Antwort gab: Jezt er-
kenne ich meines Koͤniges widriges Glük; ließ auch ſtuͤndlich zu Pferde blaſen/ und 8000
Mann ſich ins Feld ſetzen/ damit er in ſeinem Lager/ welches von hinten zu ganz offen war/
nicht angegriffen wuͤrde. Doch ließ er ſeinen Muht nicht ſinken/ ſondern weil er vernam/
daß der feindliche Hauffe auffs hoͤchſte 8000 ſtark waͤhren/ hoffete er/ es wuͤrde nur eine
ſtreiffende Rotteſeyn. Herkules hielt nicht weit von Pharnabazus/ ſahe und hoͤrete alles/
und befragete die Gefangenen wegen Zuſtandes ihres Lagers/ und da er ſolches von hinten
zu unvergraben ſeyn vernam/ hieß er Pharnabazus friſch darauff gehen; Welcher ſich als-
bald ins offene Feld zog/ und des Feindes Reuterey halten ſahe/ auff welche er ſeine 5000
Suſianer anſetzen hieß/ deren Fuͤhrer aber/ nahmens Artuaſdes ſich deſſen wegerte/ vorge-
bend/ er håtte von ſeinem Gn. Fuͤrſten Gobares befehl/ ſich im erſten Anfall nicht gebrau-
chen zulaſſen. Pharnabazus muſte wegen des Feindes Gegenwart durch die Finger ſehẽ/
ließ 2000 Meden gar behuhtſam den Streit anfahen/ und taht Herkules des Suſianers
Ungehorſam zuwiſſen/ der ſich einer heimlichen durch Gobares geſtiffteten Verraͤhterey
beſorgend/ eine kurze Erklaͤrung faſſete/ und mit eigener Fauſt (da er die Suſianer mit den
ſeinen umgeben hatte) dieſen Widerſpenſtigen erſtach/ die uͤbrigen fragend/ ob ſie fechten o-
der ſterben wolten. Dieſe ſahen ſich uͤbermannet und umringet/ gelobeten allen Gehorſam/
und wurden durch alle Glieder der Perſen verſtecket/ daß alſo dieſe gefaͤhrliche Auffruhr
im Augenblik geſtillet wahr. Herkules ſahe die 2000 Meden/ als uͤbermannet/ weichen/ uñ
ſchickete ihnen 4000 zum Entſaz/ kunte doch den Feind auff die Weichſeite nicht bringen.
Ladiſla hatte durch ſeinen ausgeſchikten Reuter/ Pharnabazus Anfall in Erfahrung ge-
bracht/ ermahnete demnach die ſeinen/ geherzt zuſeyn/ damit ſie nach erſtrittenem Siege die
reiche Beute erlangen moͤchten; da ſeine Perſen ſich friſch genug/ aber die Suſianer ſich
traͤge und ungehorſam erzeigeten/ auch ihr Obriſter Mithrazenes ſich ausdruͤklich verneh-
men ließ/ die aͤdlen Suſianer waͤhren ungewohnet/ ſich von fremden befehlen zulaſſen/ und
weil er im geheimen Kriegs Raht waͤhre vorbey gangen/ wolte er ſtreiten/ wanns ihm ge-
liebete. Da ſchlage Ungluͤk zu/ antwortete Ladiſla/ macht Gobares uns ſolche ſchlimme
Poſſen/ ſo iſt beſſer/ ihr meine getraͤue und liebe Perſen/ daß wir dieſen innerlichen Feind
erſt daͤmpffen; griff darauff die Suſianer mit ſeinen Perſen an/ und foderte Arbianes zum
Beyſtande. Mithrazenes wahr nicht faul/ reizete die ſeinen an/ ihres Fuͤrſten Befehl zuer-
fuͤllen/ und uͤberfiel Ladiſla mit ſechs Gehuͤlffen ganz grimmig/ der ſich aber ritterlich weh-
rete/ weil er von den ſeinen unverlaſſen blieb/ und in wenig Streichen den ungetꝛaͤuen Ver-
raͤhter betaͤubete/ daß er vom Pferde ſtuͤrzete/ und von dreyen Perſen gefangen angenom-
men ward. Arbianes/ ſo bald er dieſe Auffruhr vernam/ ging mit allen ſeinen Voͤlkern loß/
und kam zu rechter Zeit/ gleich da die Perſen zuweichen gezwungen wurden/ fiel mit groſ-
ſem wuͤten in die Suſianer/ und erſchlugen ihrer in kurzer Zeit 1500; die uͤbrigen bahten
D d d d d d ijumb
[948]Vierdes Buch.
umb Gnade/ wurden auch auffgenommen/ und dermaſſen untergeſtekt/ daß ihrer nit zween
bey einander blieben; doch hatte Ladiſla von ſeinen Leuten auch 200 eingebuͤſſet/ ließ den
Verraͤhter Mithrazenes hart gebunden verwahren/ und ging mit 3000 ins Feld/ ſich dem
Feinde zuzeigen/ welcher ſeiner bißher noch nicht wahr genommẽ hatte/ zu der unſern groſ-
ſem Gluͤk; dann waͤhren ſie der Auffruhr berichtet geweſen/ wuͤrde der Sieg ungezweifelt
in ihre Haͤnde gefallen ſeyn. Herkules wunderte ſich/ daß Ladiſla ſo lange verzog/ deſſen
Hülffe er hoch benoͤhtiget wahr/ weil Pharnabazus/ der mit 6000 dem Feinde noch Wie-
derſtand hielt/ hart gedraͤnget ward; dann Vologeſes hatte den ſeinen noch 3000 geruhete
zugeſchicket/ wodurch Herkules verurſachet ward/ ein gleiches bey Pharnabazus zuleiſten;
weil er aber Ladiſla mit ſolcher Manſchafft herzu eilen ſahe/ faſſete er gute Hoffnung zum
gluͤklichen Verfolg; wie dieſer dann durch ſeine Ankunfft die Parther alsbald hinter ſieh
weichen machete/ maſſen der Eifer wider Mithrazenes gefaſſet/ noch hefftig bey ihm bran-
te/ daß deſſen Wirkung die Feinde wol empfunden/ welche er als eine Fluht uͤberfiel/ und
Pharnabazus Lufft machete/ der ſchon etliche/ wiewol geringe Wunden empfangen hatte.
Vologeſes brachte in Erfahrung/ daß der lezte Entſaz hinter dem Huͤgel hervor gebrochen
waͤhre/ und er nicht mehr zweifelte/ des Feindes ganze Heer wuͤrde ſich der Nacht gebrau-
chet haben/ und von beyden ſeiten heruͤber gangen ſeyn/ deswegen er einen friſchen hauffen
8000 ſtark gegen ihn angehen ließ; aber Ladiſla weich behutſam hinter ſich/ den Feind ins
Feld zulocken/ ließ auch Arbianes mit 7000 zu ſich fodern/ der nach allem Wunſch ankam/
und neben Ladiſla dem Feinde ſehr gedrange taht; dann die Parther wahren zu welt gan-
gen/ daher ſie faſt gar umringet/ und in groſſer Menge nidergeſchlagen wurden/ daß ihrer
5000 geſtrecket lagen/ ehe ihnen Entſaz zukam. Vologeſes wahr des verſehens unwillig/
ließ ihnen doch 6000 zu huͤlffe gehen/ mit Befehl/ bald auff geſchehenen Entſaz umzukehrẽ.
Es ſahe aber Herkules mit Freuden/ daß Pharnabazus Voͤlker ſich ſo tapffer hielten/ und
ihre Feinde weidlich umtrieben/ daß ſie endlich zuweichen gedrungen wurden/ und Volo-
geſes auffs neue ſie mit 2000 geruheten verſtaͤrken muſte; So widerſetzete ſich auch Ladiſ-
la dem einbrechenden Entſaz/ und ließ Arbianes die umringeten und algematteten warm
gnug halten/ empfand aber anfangs harten Wiederſtand/ weil ſeine Leute ſchon viel unge-
mach ausgeſtandẽ/ und ſich abgearbeitet hatten; nachdem aber ſeine uͤbrige geruhete 1500
ſtark ihn entſetzeten/ ermunterten ſie ſich/ daß der Streit eine gute weile in gleicher Wage
hing; aber an Pharnabazus ſeite fingen die Parther an Meiſter zuſpielen/ welches Gluͤk
Vologeſes nicht bedacht wahr aus den Haͤnden zulaſſen; und weiler meynete/ Herkules
haͤtte hieſelbſt bißher gefochten/ und ſich ermuͤdet/ drang er mit ſeinen übrigen/ 7000 ſtark/
wie ein Wetter loß/ und fiel ſo erſchreklich uͤber Pharnabazus Hauffen/ daß dieſer ſein Le-
ben durch Ritterliche Gegenwehr zuverkauffen/ und den Plaz tod zuerhalten ihm gaͤnzlich
vornam. Hieſelbſt wolte nun Herkules ſeinen Freund nicht im ſtiche laſſen/ brach auch mit
ſeiner Mannſchafft 7000 ſtark loß/ und machete ihm durch ſeine Ankunfft Luft/ daß er hart
verwundet/ einen Abtrit nam/ nach dem er 7000 erſchlagen/ und 4000 eingebuͤſſet hatte.
Herkules hatte in dieſen Morgenlaͤndern ſo groſſen Eifer in keiner Schlacht ſpuͤren laſſen/
dann alles/ was er traff/ muſte zu grunde gehen/ und machte ſein Blaͤnke ſich ſo bekant/ daß
jederman/ Freund und Feind den Reuter dabey erkennete; ſeine Voͤlker wurden durch ih-
res Feld Herrn Tahten auffgemuntert/ ihm nachzufolgen/ daher ein grauſames Blutſtuͤr-
zen
[949]Vierdes Buch.
zen ſich erhuhb/ angeſehen die Parther/ welche Vologeſes anführete/ ſehr ſtreitbar wahren;
Doch verwunderte ſich der Parthiſche Feld Herr uͤber Herkules Kriegs-Erfahrenheit/
die Voͤlker zuſchwingen/ die Glieder zuſtaͤrken/ den Bedraͤngeten Huͤlffe zuſchicken/ und dz
er dabey nebeſt ſeinem Pferde ſolche Tahten verrichtete. Arbianes/ ob er gleich hart ver-
wundet/ erlegete doch ſeine Feinde am erſten/ daß ihm etwa 1500 entrunnen/ ging darauff
Ladiſla zuhelffen/ der uͤberaus harten Widerſtand hatte/ und jagete durch ſeine Ankunft den
Feinden nicht geringen Schrecken ein. Artabaſtes/ der dieſen Parthiſchen Hauffen fuͤhre-
te/ als er die geſchlagen ſahe/ denen zuhelffen er ausgeſchicket wahr/ wolte übeꝛ Befehl nicht
ſchreiten/ deswegen er ſich allgemach zuruͤcke zog/ und mit Vologeſes zuſammen ſetzete/ daß
ihr geſamter Hauffe in 16500 Mañ beſtund. Ladiſla ließ ſolches geſchehen/ weil er hieduꝛch
gelegenheit bekam/ ſich mit ſeinem Herkules zuvereinigen/ welchen er mit Freuden annoch
unverlezt befand/ und ſie eine neue Ordnung zur gemeinen Schlacht ſtelleten/ weil die Fein-
de des gleichen tahten/ und beyderſeits etliche geringe Hauffen inzwiſchen fechten lieſſen;
Ihre annoch übrige Manſchaft zur Schlacht geſchikt/ war uͤber vermuhten 16000 Mañ/
nebeſt 4000 verwundeten/ daher ſie am Siege faſt nicht mehr zweifelten. Herkules ver-
mahnete die ſeinen kuͤrzlich zur Tapfferkeit/ ſonderlich die Suſianer/ worauff ihr Verbre-
chen ihnen allerdinge ſolte erlaſſen ſeyn; da ſie ſich dann ſehr wol erklaͤreten. Vologeſes
entſetzete ſich uͤber ſeinen groſſen Verluſt/ ließ ſichs doch bey den ſeinen nicht merken/ und
wolte das Heer zur Tapfferkeit anmahnen; aber Herkules war ihm zu zeitig auff dem Da-
che/ und ſetzeten beyderſeits alſo drauff/ als welche entweder ſiegen oder ſterben wolten; da-
her dieſer Anfall ſo hefftig und blutig wahr/ daß die erſten wie Mücken von den Pferden ſto-
ben/ und die folgenden immer vor ſich hin wuͤrgeten. Herkules und Ladiſla wolten ſich nit
trennen/ und trieben ſolch Wunder/ daß die Feinde ſich davor entſetzeten. Sie hatten 5000
der allerſtreitbareſten Perſen und Meden umb ſich geſamlet/ die nebeſt ihnen alle Moͤglig-
keit anwendeten/ den Feind auff die Flucht zubringen; anfangs koſtete es an beyden Seiten
faſt gleiche viel Blut/ aber mit der Zeit lieſſen die Parther abe/ da der unſern Kraft zunam;
wiewol Vologeſes immer vor ſich weg wuͤtete/ und den Sieg ohn des Himmels Dank er-
ſtreiten wolte/ daß endlich Herkules auff ihn traff/ da er gleich einen Perſiſchen Ritter/ dem
er ſonderlich geneigt war/ niderſchlug/ deswegen er auf ihn mit dieſen Worten ſetzete: Feld-
marſchalk/ wir werden/ unſern Ehren gnug zutuhn/ uns verſuchẽ muͤſſen; uͤberfiel ihn auch
ſo hefftig/ daß er die Hiebe nur auszunehmen gezwungen ward. Seine Leute/ ſo umb ihn
hielten/ wolten dieſen Streit ſperren/ aber Ladiſla mit den ſeinen trieb ſie abe/ daß Herkules
Raum gewan/ mit ihm nach belieben zuverfahren/ wie wol ſich dieſer durch Verzweifelung
endlich ermannete/ und unſerm Herkules fuͤhlen ließ/ daß er nicht ſo gar unwichtige Arme
hatte; es wolte aber in die laͤnge nicht helffen/ ſondern nach dem er unterſchiedliche Wun-
den empfangen/ uñ die meiſten Kraͤfte verlohrẽ hatte/ ſagte Herkules zu ihm: Mein Freund/
ich bin euch verbunden wegen eurer Redligkeit/ darumb/ wo ihr ruhen koͤnnet/ wil ich mich
ferner an euch nicht vergreiffen; ihr empfindet eure Wunden/ und daß eure Leute ſich ſchon
nach der Flucht umſehen/ daher nehmet eurer ſelbſt wahr/ weil ich euch weder tod noch ge-
fangen wiſſen moͤchte; ließ auch alsbald von ihm abe/ und wendete ſich mit Ladiſla und ſei-
ner beſten Manſchafft nach der Linken/ woſelbſt Arbianes Hauffe zimlich hart gedraͤnget
ward; aber auff ihre Ankunfft wendete ſich das Spiel gar zeitig. Vologeſes kunte Herku-
D d d d d d iijles
[950]Vierdes Buch.
les Tugend und Froͤmmigkeit in ſeinem herzen nicht gnug ruͤhmen/ ſahe/ dz ſeine Ordnung
getrennet wahr/ nam 4000 Reuter zu ſich/ und wagete mit ihnen einen geringen Anfall/
ward aber von Ladiſla mit 6000 ſtark angriffen/ und nach kurzem Gefecht in die Flucht ge-
trieben; Der Obſieger wolte jenen nachhaͤngen/ aber Herkules foderte ihn ab/ und ſagete:
Lieber laß ihn reiten/ daß er mit dieſer geringen Manſchafft etwas Ehre erhalte/ und ſeinem
Koͤnige von uns Zeitung bringe; welches er dann gerne geſchehen ließ/ aber den uͤbrigen
den Weg zur Flucht abſchnitte/ deren 4000 gefangen wurden/ uñ groſſen teils Befehlichs-
haber/ als 18 Obriſten/ 60 Ritmeiſtere/ 65 Unter Ritmeiſtere/ 58 Faͤhndriche/ 400 Unter Be-
fehlichs haber/ und 3409 gemeine Reuter; die übrigen 28000 wahren drauff gangen; wie-
wol der Sieg an unſer ſeite auch Blut gekoſtet hatte; dann 15000 wahren erſchlagen/ und
3000 verwundet/ deren inwendig drey Tagen 1800 ſturben; und war faſt kein Beſehlichs-
haber/ der nicht ſeine Wunden zuzeigen gehabt. Herkules wahr ein wenig an der linken
Hand und am rechten Beine von Vologeſes verſehret. Ladiſla hatte drey zimliche Wun-
den/ wiewol ohn gefahr. Pharnabazus wahr hin und wieder zuhacket/ daß man 15 Wun-
den/ groß und klein an ihm zaͤhlete; Arbianes wahr am rechten Arme zweymahl/ und am
Halſe/ auch in der linken Hufft verwundet; Bubazes/ Tyriotes und Gallus wahren ſchon
von dem Vortrabe alſo zugerichtet/ daß ſie der Schlacht nicht beywohnen kunten. Aller-
meiſt aber wahr es uͤber die traͤuloſen Suſianer gangen/ deren kaum 1800 übrig wahren.
Der boshafte Mithrazenes ward mit ſchweren Ketten herzu gefuͤhret/ uñ mit harter Pein
bedraͤuet/ da er nicht gerade zu bekennen wuͤrde; ſagte darauff freiwillig aus/ er und ſechs
ſeiner Spießgeſellen haͤtten von ihrem Fuͤrſten unter groſſen Verheiſſungen den ausdrũk-
lichen Befehl/ Herkules und Ladiſla entweder mit fuge niderzumachen/ oder ſonſt/ durch
was Mittel ſie koͤntẽ/ zuverhelffen/ dz ſie in Feindes Haͤnde gerieten/ ob gleich die Schlacht
hiedurch ſolte verlohren gehen; rief auch von den añoch übrigen Suſianern zween zu Zeu-
gen/ die alles bejaheten. Nun wolan/ ſagete Ladiſla zu Herkules auf Teutſch; iſt das unſer
Lohn der Traͤue und Auffrichtigkeit/ werden wir uns witzigen laſſen/ bald davon zueilen/
wiewol ich niemand als den Verraͤhter Gobares beſchuldige. Herkules ſtimmete mit ein/
lieſſen die erſchlagenen pluͤndern/ bey denen ſie ſehr viel Goldes funden/ wie auch bey den
Gefangenen/ daß keiner unter 300 Kronen/ und etliche uͤber 3000 an Baarſchafft/ Ringen
und Kleinoten bekahmen. Was im Lager wahr/ nahmen Herkules und Ladiſla zu ſich/ auf
15 Tonnen Goldes am Wert; bekahmen uͤber 40000 reiſige und Wagepferde/ von denen
jeder Reuter durch die Bank eines bekam/ die uͤbrigen dem Groß Fuͤrſten Artaxerxes ne-
beſt der Lager Beute vorbehalten wurden; Sie eileten ſehr/ Perſepolis zuerreichen/ nicht
allein/ weil ſie in der Furcht ſtunden/ Vologeſes moͤchte ſich in der Eile ſtaͤrken/ und ihre
ſchwachen Voͤlker uͤberfallen/ ſondern auch/ weil Herkules eine ſonderliche Schwermuͤtig-
keit bey ſich befand/ welches er Ladiſla zuvernehmen gab.


Leches und Neda mit ihrem dreyfachen Heer/ hatten ihre Reiſe nunmehr faſt zum
Ende gebracht/ ſo daß ſie ſchon das Land Suſiana hinter ſich gelegt/ und die Perſiſchen
Grenzen erreichet hatten/ zogen immer friſch fort/ biß ſie ſieben Meile an Perſepolis kah-
men/ und ſich freueten/ daß ſie ihre Herren ſchier ſehen wuͤrden; das Frauenzim̃er befand
ſich wegen der langen Reiſe nicht zum beſten auff/ inſonderheit Therba/ die auff dem Meer
in ein Fieber gefallen wahr/ welches noch etwas anhielt/ und ſie ſich in einer Saͤnfte tragen
ließ.
[951]Vierdes Buch.
ließ. Des folgenden Morgens brachen ſie fruͤhe auff/ wo moͤglich/ die Groß Fuͤrſtl. Stad
zuerreichen/ und muſte Markus mit 1500 Boͤhmen neben einen Wegweiſer und Dolmet-
ſcher den Vortrab halten/ da inzwiſchen das Heer folgete. Dieſer wahr ohngefehr andert-
halb Meilen fort geritten/ da ſahe er einen anſehnlichen Reuter Hauffen von 1000 Pfer-
den von der rechten Hand Sudwertz auf ſich zu reiten/ gegen welche er alsbald ſich in Ord-
nung ſtellete/ und durch ſeinen Wegweiſeꝛ fragen ließ/ weſſen er ſich zu ihnen verſehen ſol-
te. Dieſe hatten auff allen Fall ſich auch zum Schimpf und Ernſt fertig gemacht/ kunten
leicht gedenken/ daß ſie in Perſiſchen Dienſten waͤhren/ und ſie ihren Weg ungehindert nit
wuͤrden zihen koͤnnen/ gaben demnach zur Antwort: Ihretwegen haͤtte ſich kein Menſch
zubefahren/ ob er gleich einzeln zoͤge/ weil ſie nicht Raubens halben/ ſondern Ehre zuerwer-
ben ſich außgeruͤſtet haͤtten; welche Antwort Markus veraͤchtlich vorkam/ und eigentli-
cheren Bericht begehrete/ ob ſie Freund oder Feind waͤhren/ in ſonderheit/ unter was Fuͤh-
rer ſie rittẽ. Nun haͤtte Fabius ſich des Beſcheides gerne gewegert/ nach dem er den Weg
nach Charas vorhatte/ weil er aber einen gewaltigen Staub von Weſten her merkete/ uñ
leichtlich ſchlieſſen kunte/ es muͤſte ein groſſes Heer verhanden ſein/ gedachte er ſich zuer-
klaͤren; er ſamt den ſeinen waͤhren des Groß Fuͤrſten in Perſen Freunde und Diener; wor
auff Markus ſeinen Helm abzog/ hinzu ihm ritte/ und alsbald von ihm erkennet ward/ da-
her er ihm freudig entgegen rennete/ und zu ihm ſagete: O mein werder Freund uñ Lands-
man/ was vor Gluͤk fuͤget uns in dieſer Fremde zuſammen? Markus ſprang ab/ kuͤſſete ihm
die Hand/ und zeigete an/ wie gluͤkſelig er ſich ſchaͤtzete/ ihn angetroffen zu haben; meldete
ihm auch ſeiner Eltern/ Gemahl und Schweſter Gruß an/ und daß ſie noch alle wol lebe-
ten. Wie? antwortete Fabius/ wiſſen dann die meinen/ daß ich noch lebe? Und von wan-
nen kommet ihr? von Herrn Ladiſla/ oder von Padua? daß ich von Padua kom̃e/ antwor-
tete er/ wird meinem Hertn ohnzweifel bewuſt ſeyn. O mein Freund/ ſagte Fabius/ als viel
ich aus eurer beftemdung vernehme/ wird den meinigen und euch ſelbſt mein überſtande-
nes unaußſprechliches Ungluͤk unwiſſend ſeyn. Aber was komt dort vor ein anſehnliches
Kriegs Volk hinter euch her? Hat mein Herr/ antwortete Markus/ einiges Ungluͤk erlit-
ten/ iſt mir ſehr leid/ und freue mich/ dz Gott ſolches weggenom̃en hat; jenes Kriegs Heer/
deſſen ich ein Mitglied bin/ koͤmt meinen gnaͤdigen Herren ingeſamt zu/ unter denen mein
Herr 6000 Roͤmiſche untadeliche Reuter von ſeinem Herr Vater zuempfangen hat/ und
zihen wir gleich auff Perſepolis zu/ wohin wir von unſern gnaͤdigſten Herren beſcheiden
ſind. O der gluͤkſeligen Stunde/ ſagte Fabius/ die mich zu euch hergefuͤhret hat/ da ich ſon-
ſten/ in Meynung meine Freunde zu finden/ dem Verderben in die Haͤnde gefallen waͤhre.
Aber ſehet dort gleich von Oſten her den dicken Staub/ es wird gewißlich ein Heer auff
uns ſtoſſen/ die euer Ankunft Bericht eingezogen/ und euch vor Feinde halten. Leches ſahe
Fabius von ferne daher reiten/ ſprang vor freuden aus dem Sattel/ lieff zu ihm/ und ſagte
mit flieſſenden Augen: O mein hochwerter Herr/ wo hat er ſich doch ſo lange auffgehaltẽ?
oder komt er etwa von meinen gnaͤdigſten Herren her? Mein werter Freund/ antwortete
er; iſt ihm dann auch mein Verluſt unbekant/ müſte groß Wunder ſeyn/ daß ſie mich nit
eins ſolten gemiſſet haben. Mehr als zu aͤngſtig gemiſſet/ antwortete er; aber ich komme
von Padua und Prag/ dahin meine gnaͤdigſte Herren mich von Charas außgeſchicket ha-
ben/ und von meines Herrn weiteren ergehen mir nichts bewuſt iſt. Meine Abenteur ſind
wunder-
[952]Vierdes Buch.
wunderlich/ und nicht ohn Mitleiden anzuhoͤren antwortete er/ wovon wir nach dieſem
reden wollen. Vordißmahl aber die Urſach jenes Staubes uͤberlegen/ welcher ohnzwei-
fel ein ſtarkes Heer zeigen wird/ ſo uns rechtfertigen moͤchte. Alſo wurden die Voͤlker in
Ordnung geſtellet/ und Fabius wieder ſeinen Willen zum Volmaͤchtigen Feld Herrn ge-
ſetzet; Leches mit den Teutſchen hielt den Rechten; Neda und Prieſla mit den Boͤhmen
den linken Flügel; er aber ſamt Klodius und Markus mit 7000 Roͤmern uñ ſeinen 1000
geworbenen ſtunden in der mitte/ hielten auch nicht lange/ da ſahen ſie ein groſſes Volk zu
Roß und Fuß durcheinander Schaarsweiſe als Fluͤchtige daher zihen/ ob wuͤrden ſie ge-
jaget. So bald ſie der unſern gewahr wurden/ ſtutzeten ſie/ und gaben ſich in Ordnung/ ſo
daß jeder Reuter-Fluͤgel 7500 Koͤpffe/ und das Fuß Volk in der mitte 16000 Mann ſtark
wahr/ ſchicketen auch alsbald etliche aus/ die Menge der unſern zu uͤberſchlagen/ und da-
neben zuvernehmẽ/ weſſen ſie willens waͤhren. Dieſe kahmen mit gnug trotzigem Muhte/
und begehreten kurzumb zu wiſſen/ was Volk ſie waͤhꝛen/ und wohin ſie gedaͤchten. Fabius
antwortete; Sie wuͤrden ſolches anzuzeigen ſich nicht wegern/ ſo bald ſie wuͤſten/ welcher
Fürſt oder groſſer Herr es von ihnen foderte; und weil dieſe ſolches ohn Befehl nicht mel-
den wolten/ hinterbrachten ſie dieſe Antwort. Als Gobares vernam/ daß er dieſen an der
Zahl überlegen wahr/ ergriff er ſeinen gewoͤhnlichen Hochmuht/ und ließ ihnen andeuten;
ob er gleich nicht ſchuldig waͤhre/ als ein groſſer Reichs Fuͤrſt ſich ſo weit zu demuͤhtigen/
wolte er dannoch ſeinen Hoch Fuͤrſtlichen Stand und Nahmen/ als ein Beherſcher des
Reichs Suſiana nicht vertuſchen. Wie? fragete Fabius mit grimmigem Geſichte/ iſt er
etwa Fürſt Gobares? Ja antwortete dieſer/ daß iſt ſein Hoch Fuͤrſtlicher Nahme. Hierauf
entbrante er mit grimmigem Zorn/ und ſagte zu Leches und den andern Haͤuptern: O ihr
meine liebe werte Herren und Freunde/ eben dieſer Verraͤhter hat mich heimlich und oͤf-
fentlich wollen ermorden laſſen/ und zwar ohn alle Uꝛſach; bitte deßwegen von Herzen/ ver-
laſſet mich nicht/ daß ich mich raͤche/ und mein Schart außwetze. Sie erbohten ſich/ er ſol-
te nach belieben handeln/ ſie wolten Leben und Blut bey ihm auffſetzen. Worauff er dem
Abgeſanten zur Antwort gab; Reitet hin/ und ſaget eurem Fürſten dem Bluthunde/ es fin-
de ſich hieſelbſt ein redlicher Ritter/ an dem habe er ehmahls verraͤhterlich gehandelt/ weꝛ-
de deßwegen von demſelben zum abſonderlichen Kampffe auff Leib und Leben außgefodert/
deſſen er ſich nicht entbrechen kan/ wo er nicht vor einen oͤffentlichen Schelm und Meu-
chelmoͤrder wil außgeruffen ſeyn. Der Abgeſante erſchrak dieſer Rede/ einwendend/ er
wuͤrde ſolches ſeinem Fuͤrſten durch ſeine eigene Leute melden laſſen/ und der Antwort ge-
waͤrtig ſeyn. Leches erboht ſich dieſe Werbung abzulegen/ nam 20 Teutſchen mit groſſen
Schlacht Schwertern zu ſich/ und ſoderte den Fuͤrſten zum Geſpraͤch/ dem er eben dieſel-
ben Worte mit unerſchrockener Stimme vortrug; welcher des Schimpfs zu berſten mei-
nete und zur Antwort gab; Du unverſchaͤmter Bube/ ſage dem ehrenruͤrigen Schelmẽ/
er ſey viel zuwenig/ Fuͤrſten außzufodern und zu ſchelten. Du Schelm leugſt beyderley/
anwortete Leches; dieſer und ich ſind redlich/ aber du ſtirbeſt wol ein Schelm. Da ſolte
man nun ein gemurre unter Gobares Voͤlkern gehoͤret haben/ da bald der eine rieff; der
Fuͤrſt müſte ſeinen ehrlichen Nahmen durch ſich ſelbſt oder durch einen andern raͤchen;
ein ander; was ſolte ein Fuͤrſt einem unbekanten Ritter ſich zum Kampfe darſtellen? Go-
bares wahr ſehr liſtig/ und begehrete an ſeine Voͤlker/ den Schluß alsbald zu machen/ ob er
ſelbſt
[953]Vierdes Buch.
ſelbſt fechten/ oder die Schlachtwagen ſolte/ waͤhre er zu beyden bereit; entſchuldigte ſich
hernach/ es wuͤrde ihm faͤlſchlich angetichtet/ daß er jemahls einigen Ritter ſolte beleidi-
get habẽ/ als welche er vor der Welt Zierde hielte. Alsbald ward einhellig geſchloſſen/ man
ſolte an des Fuͤrſten ſtat einen Ritter ordnen/ der dieſem verleumder den Lohn ſeiner Boß-
heit gaͤbe/ und da andere mehr ſichs annehmen wuͤrden/ wolte man eine Schlacht gerne
eingehẽ. Hierauff gab ſich ein anſehnlicheꝛ Ritmeiſteꝛ hervor/ uñ fragete/ was des Kaͤmp-
fers Belohnung ſeyn wuͤrde/ und als Gobares antwortete; nicht geringer als eine freie
Herrſchaft erblich; faſſete dieſer ſein Speer zur Hand/ tum̃elte ſein Pferd/ und gab durch
Winken ſeine Außfoderung zuverſtehen. Fabius ließ forſchen/ ob Gobares ſich ſelbſt ſtelle-
te/ und als Leches ein wiedriges vernam/ wolte er nicht/ daß ihr erwaͤhleter Feld Herr ei-
nem andern ſtehen ſolte/ ſondern rieff auff Teutſch; ihr Brüder; wer wil 1000 Kronen
verdienen/ und jenen ſtolzen Tropff nidermachen? Daß wil ich tuhn/ ſagte ein Teutſcher
Ritmeiſter/ nahmens Herman; nam ſein Schlacht Schwert zur Fauſt/ uñ ſetzete ohn wei-
tere nachfrage auff jenen zu/ welcher ihn daher kommen ſahe/ das Speer einlegete/ und auf
dieſen grimmig zurennete; der ſich aber im Sattel drehete/ daß er neben hin ſtieß/ und ihn
dagegen im voruͤberrennen mitten im Leibe halb abhieb/ daß ihm das Eingeweide aus dem
Bauche floß/ und im Augenblik Tod nider ſtuͤrzete. Der Sieger aber verfolgete des er-
ſchlagenen Pferd/ welches nach des Feindes Heer umbkehrete/ faſſete es beim Zuͤgel/ und
brachte es ritterlich davon/ ungeachtet etliche hundert Pfeile auff ihn loßgeſchoſſen wur-
den/ wie wol ohn alle beſchaͤdigung. Gobares erſchrak des Unfals/ vermahnete doch ſeine
Leute ritterlich zufechten/ und ſolte in einer halben Stunde/ wie er ruͤhmen durffte/ dieſe
Handvol Raͤuber gaͤnzlich auff gerieben ſeyn. Fabius wahr auch nicht willens/ ſeinẽ groͤ-
ſten Feind abzihen zu laſſen/ machete aber auff Leches Raht die Schlachtordnung alſo/ dz
die Teutſchen mit 1000 Boͤhmen verſtaͤrket/ abſtiegen/ und unter Leches und Prinſla ſich
zu Fuſſe gegen des Feindes Fuß Volk ſtelleten. Neda uñ Markus nahmen den linken Fluͤ-
gel/ 5000 Boͤhmen und 1000 Roͤmiſche; Fabius und Klodius den Rechten/ 6000 Roͤ-
mer und Fabius ſelbſt geworbene. Die Teutſchen uñ Boͤhmen fingẽ anfangs ein erſchrek-
liches Geſchrey an/ zogen in der Reuter begleitung Fuß vor Fuß fort/ und uͤberfielen mit
ihren Schlacht Schwertern den Feind dergeſtalt/ daß ſie deren alsbald 1500 nider hieben/
und keinen einzigen Mann verlohren; dañ hinten in des Feindes Herr kam ein Geſchrey/
wie daß von Perſepolis her noch ein groſſes Kriegs Volk auff ſie anzoͤge/ welches die Ur-
ſach wahr/ daß ſie alsbald ihre Ordnung zu Fuſſe und Pferde trennen lieſſen/ da Fabius
auff Gobares traff/ ihn mit grim̃igen wuͤten uͤberfiel/ und nach wenigen Streichen ihn in
die Schulder verwundete/ dz er vor Schmerzen das Schwert fallen ließ. Die ſeinen haͤt-
ten ihn gerne gerettet/ aber fuͤnff Roͤmer packeten ihn auff Befehl an/ bunden ihn mit Rie-
men/ weil ſie merketen/ daß er ſich ſelbſt entleiben wolte/ und führeten ihn nach dem Lager.
Seinen Voͤlkern wahr der Muht ſo gar entfallen/ daß ſie keine Gegenwehr tahten/ meine-
ten/ ſie waͤhren allenthalben umbringet/ und bahten umb Gnade/ welche ihnen dergeſtalt
wiederfuhꝛ/ daß das Fuß Volk/ von denen 3000 nidergehauen wahren/ ihr Gewehr nideꝛ-
legen/ und die Reuterey abſitzen muſte/ und wahr zu verwundern/ daß von den unſern kein
einziger Tod/ nur 86 verwundet wahren. Die unſern nahmen der Feinde Pferde zur gu-
ten Beute/ auch ihre Kleider und Baarſchaften/ dz die Suſianer allemiteinander faſt gar
E e e e e enacket
[954]Vierdes Buch.
nacket ſtunden/ und vor Scham nicht zu bleiben wuſten/ nach dem ſie ſahen/ daß wegen des
andern Heeres nur ein vergeblicher Schrecken geweſen wahr. Fabius erſahe hinter ei-
nem Huͤgel etliche hundert Reuter halten/ wohin er mit Leches uñ Klodius/ in begleitung
600 Roͤmer ſich begab/ da jene/ ſo bald ſie ihn kommen ſahen/ in hoͤchſter Eile davon ran-
ten/ und vier Saͤnffen neben einer Gutſche ſtehen lieſſen. Fabius trug Verlangen/ zuer-
fahren/ was hierin verwahret würde/ ritte hin nach der voͤrderſten und anſehnlichſten/ hub
den Vorhang auff/ und ward mit hoͤchſter beſtuͤrzung eines uͤberaus ſchoͤnen und zarten
Weibsbildes darinnen gewahr/ welche auff dem Ruͤcken ganz außgeſtrecket lag; ſie hatte
nichts an ihrem ganzen Leibe/ als ein zartes Hemde/ welches doch den Augen nicht alle er-
kaͤntnis der Gliedmaſſen entzog/ abſonderlich/ weil der Buſem ihr offen ſtundihre/ Haͤnde
und Fuͤſſe aber mit rohten ſeidenen Stricken angefeſſelt wahren/ hatte auch einen Knebel
im Munde/ dz ſie weder reden noch einen Laut von ſich geben kunte. Anfangs meinete Fa-
bius ſie waͤhre Tod/ weil alle lebhafte Farbe aus ihrem Angeſicht hinweg gewichen/ uñ die
Augen ſtarre gen Him̃el gekehret wahren. Als ſie nun dieſen ſchoͤnen unbekantẽ Mañ ſa-
he/ und ihm mit winſeln und Haͤuptwinken ihres Lebens gnugſame anzeige gab/ da ihr zu-
gleich eine groſſe Quelle Traͤhnen aus den liebreichen Augelein hervordrungẽ/ ward er von
Mitleiden ſo hart ein genom̃en/ daß er anfangs kein Wort ſprechẽ/ noch ſich was zu tuhn
waͤhre/ beſiñen kunte/ nam doch bald ſeinen zerhauenen Reit Rok/ und warf ihr denſelben uͤ-
ber den Leib/ ſprang vom Pferde/ faſſete den Dolch/ und ſchnitte ihr damit die Haͤnde und
den Knebel loß; worauff ſie zu ihm ſagete: Mein ehrlicher Ritter/ wer ihr auch ſeid/ ich er-
kenne mich euch mit alle meinem vermoͤgen ſchuldig/ dafern ihr mich vor Unehr ſchuͤtzet/
welche bißher goͤtliche Barmherzigkeit gnaͤdig von mir abgekehret hat; ſolte euch aber ſol-
ches zu leiſten unmoͤglich ſeyn/ ſo ſchneidet meinen Lebensfadem ſo kuͤhnlich ab/ wie ihr an-
jezt den Strik an meinen Haͤndẽ zubꝛochen habet. Trefliches Fꝛaͤulein/ antwortete Fabius/
welches Tigertihr iſt ſo grauſam/ das ein folches himliſches Bilde fo unbarmherzig hat
binden und beſchimpfen moͤgen? Ach der unmenſchliche Gobares/ ſagte ſie/ der Feind alleꝛ
Ehr und Tugend hat mich in dieſen elenden Stand geſetzet. Aber faget mir/ mein Herr/
bitte ich/ hat die mir in den Ohren ſauſende Schlacht mich von dieſem boßhaften Menſchẽ
errettet? Ja hoͤchſtgepreiſetes Fraͤulein/ ſagte er/ der ſchelmichte Gobares ſol forthin ſich
keines Bubenſtuͤckes mehr geluͤſten laſſen. Nun mein Herr/ antwortete ſie/ ſo verſichert
euch bey meinen ehren/ die mir Gott unverlezt behalten hat/ daß ich euch dieſe geſchehene
Rettung dergeſtalt vergelten werde/ dz meine Dankbarkeit/ ſo weit ſie reichen mag/ ſol ge-
ſpuͤret werden/ und habt ihr euch uͤber das zween unſterbliche Freunde/ einen Koͤnig/ nah-
mens Ladiſla/ und einen Groß Fuͤrſten nahmens Herkules/ erworben. O ihr Goͤtter/ Oihꝛ
Goͤtter! fing er hierauff an/ faſſete ihre Haͤnde/ und kuͤſſete ſie ſo inniglich/ daß ſie mit ſeinẽ
bewaͤgungs-Traͤhnen befeuchtet wurden/ und ſie nicht anders meinete/ er würde durch ihꝛ
Anſehen zu unzimlicher Luſt gereizet/ ihrer Ehren abbruch tuhn/ daher ſie zu ihm ſagete:
Mañhafter Ritter/ ich bitte euch durch die Barmherzigkeit Gottes/ leget mir keine Gewalt
zur Unehr/ oder einige Verlez- und beſchimpfung meiner Keuſcheit an. Sie wolte mehr
reden/ aber Fabius mit entbloͤſſetem Haͤupte und flieſſendẽ Traͤhnen fiel ihr alſo ein: Durch-
leuchtigſtes unvergleichliches Fraͤulein/ wahres Ebenbilde aller keuſchen Tugend; ich bit-
te durch Gott/ ihre Durchl. wolle von ihrem untertaͤhnigſt- gehorſamſten Diener nicht ſo
widri
[955]Vierdes Buch.
widrige Gedanken ſchoͤpfen/ der nichts mehr wuͤnſchet und begehret/ als vor dero Ehr und
Leben ſein Blut und Herz auffzuopfern; nur bitte ich untertaͤhnigſt umb gnaͤdigſte Verzei-
hung/ daß durch mein unbeſonnenes vornehmen ich derſelben zu ſolchem Argwohn urſach
gegeben habe; Ich nach meinem wenigen Vermoͤgen und unwankelbaren Willen bin uñ
verbleibe ihrer Durchl. ergebenſter Knecht K. Fabius von Padua. O mein barmherzi-
ger Gott/ ſagte ſie mit einem lieblichen lachen; haſtu mir den ſo lang gewuͤnſcheten Freund
und hochwerten Schwager und Bruder in meinen hoͤchſten Noͤhten und unausſprechli-
chem Elende zufuͤhren wollen/ daß er ſeinen allerbeſten Freunden Ladiſla und Herkules ih-
re Schweſter und Waſe erretten muͤſſen? O mein Herr und Bruder/ ſagte ſie weiter/ goͤn-
net mir/ daß ich zum Zeichen der Dankbarkeit und Freude uͤber euer Liebe Geſundheit/ die-
ſelbe Schweſterlich umfahen moͤge; wickelte hiemit den Reit Rok umb ihren Leib/ und um-
fing ihm den Halß mit beyden Armen/ da ſie ihm zugleich einen zuͤchtigen Kuß boht. Er
hingegen meynete/ ihm koͤnte groͤſſere Herligkeit nicht zuſtehen/ als daß er eine ſolche Taht
verrichten helffen/ die ſeinen Freunden Ladiſla und Herkules koͤnte annehmlich ſeyn/ demuͤ-
tigte ſich ſehr gegen ſie/ und ſagete: Nachdem er das Glük gehabt/ Ihrer Durchl. einige
Dienſte zubezeigen/ wolte er ſein bißher erlittenes Ungluͤk gerne vergeſſen; beklagete dane-
ben/ dz er nicht ſtraks angeſichts/ ehe er die Saͤnffte geoͤffnet/ ſein Kleid ihr uͤbergeworffen
haͤtte/ welches er nicht unterlaſſen wollen/ dafern er ihrer Durchl. gegenwart einigen wink
gehabt/ und ſtellete endlich ihrem Willen anheim/ mit was Straffe der gefangene Erz Raͤu-
ber Gobares ſolte beleget werden. Sie erroͤhtete uͤber der Gedaͤchtniß ihres Leibes Bloͤſſe/
mit anzeige/ wie eine groſſe Pein es ihrer Seele waͤhre/ daß der unverſchaͤmte Bube ſie in
ſolcher Geſtalt haͤtte fahen/ binden und fortſchleppen laſſen/ an dem ſie ſich zuraͤchen gaͤnz-
lich entſchloſſen waͤhre/ nach dem ſie hoͤrete/ daß er gefangen waͤre. Leches und Klodius fun-
den die andere drey Saͤnfften auch mit dreyen der Landes art nach ſchoͤnen Weibsbildern
in gleicher bloͤſſe/ beladen/ und wahren/ Kleofis/ Andia und Ameſtris/ griffen alsbald zu ihrẽ
Brod Meſſern/ und ſchnitten ihnen die Knebel aus dem Munde/ auch Haͤnde und Füſſe
loß/ daß ſie ſich zuſammen zihen/ und in etwas verhuͤllen kunten. Endlich ward Leches ge-
wahr/ daß ein Mann und Weib in der Gutſche ſaſſen/ und ſehr bluteten/ dañ jedes hatte ein
Meſſer in der Bruſt ſtecken; deſſen er erſchrak/ und ſie gutes muhts ſeyn hieß; das Weib
ihm aber antwortete; Wann wir gutes muhts ſeyn ſolten/ muͤſtet ihr nicht kommen ſeyn;
Worauff er ſagete: Harret/ ſeyd ihr da zubrochen/ muß man euer um ſo viel fleiſſiger war-
ten; zohe ihnen die Meſſer/ welche ſie aus Verzweifelung ſelbſt/ und doch nicht tief genug
hinein geſtoſſen/ aus den Wunden/ uñ band ſie mit den Riemen feſte/ die er von der Gutſche
loͤſete. Als ſolches geſchehen/ rief ihnen Fabius/ und ſagte: Kom̃et her meine Freunde/ und
gruͤſſet das vortrefflichſte Fraͤulein der Welt in ihrer aͤuſſerſten Beſchimpffung/ die nim-
mermehr kan gebuͤſſet werden. Mein Herr Bruder/ antwortete das Fraͤulein/ wolle mit
ſolchen unverdieneten Ehren-Nahmen mich doch nicht weiter ſchamroht machen/ nach-
dem ich ſchon vorhin die Augen nit kühnlich auffſchlagen darff. Leches trat hinzu/ gedach-
te alsbald/ ob nicht das Koͤnigl. Fraͤulein zugegen ſeyn wuͤrde/ welches ihm die Vernunfft
und Augen blendete/ daß er ſie nicht erkennen kunte; ſie aber ihn erblickend/ alsbald zu ihm
ſagete: So ſo mein getraͤuer Leches/ jezt habt ihr euer dienſtwilliges Herz mir ſo klaͤrlich zu
erkennen gegeben/ dz ich zeit nachzudenken ſodern muß/ wie ichs gebuͤhrlich erſetze. Er kun-
E e e e e e ijte aber
[956]Vierdes Buch.
te aber vor Beſtuͤrzung und Freude kein Wort ſprechen/ ſondern nach unterſchiedlichen
tiefgehohleten Seuffzen/ fiel er vor ihr nider in die Knie/ faſſete ihre Hand/ uñ kuͤſſete ſie ohn
unter laß/ biß er ſich erhohlete/ von der Erden auffſtund/ und alſo anfing: Allergnaͤdigſtes
Fraͤulein/ wie kan ich der grundloſen Guͤte unſers Heylandes gnug danken/ welcher nach
ſeiner Goͤttlichen Verſehung mich ſo gluͤklich gefuͤhret hat/ daß dem Verraͤhter ich auf die-
ſer Reiſe antreffen/ und durch Euer Durchl. Kriegs Heer/ welches den Nahmen Valiſka
zum Feldgeſchrey gehabt/ er zur gebuͤhrlichen Straffe durch Herr Fabius/ welcher gleich
unvermuhtlich zu uns geſtoſſen angehalten worden; meine geringfügige Dienſte/ mit wel-
chen Euer Durchl. ich ja als ein angebohrner Untertahn aus Pflicht verbunden bin/ koͤn-
nen von derſelben durch aus keine Belohnung verdienen/ und wann ſie es ja verdieneten/
waͤhren ſie viel tauſendfach ſchon vergolten. Wir wollen uns hieruͤber vor dißmahl nicht
zanken/ antwortete ſie/ helffet vielmehr/ daß meines Frauenzimmers eine in etwas gekleidet
werde/ damit ſie zu mir kom̃e/ und die Fuͤſſe loßknuͤpfe. Ganz willig und gerne/ ſagte er/ warf
ſeine Ruͤſtung hinweg/ ſprang auffs Pferd/ und rante ſpornſtreichs nach dem Lager/ da er
die Gutſche/ auff welcher Libuſſa ſamt Brelen/ Euphroſynen und Agathen beyeinander faſ-
ſen/ und wegen des erhaltenen Sieges ſich hoch freueten/ aufs allerſchnelleſte ihm folgen
hieß/ auch Neda und Markus einen Wink gab mitzureiten. Unter deſſen hatte Klodius ſich
vor dem Fraͤulein nider gelegt/ mit gar untertaͤhnigen Worten ihre Wiederwertigkeit be-
klaget/ und ſehr gebehten/ ihre Durchl. wolte den unwerdeſten Klodius/ welcher dem Koͤni-
ge Ladiſla und Groß Fürſten Herkules eine zeitlang auffzuwarten/ das hohe Gluͤk gehabt/
unter die Zahl ihrer geringſten/ wiewol allergetraͤueſten Knechte auffnehmen. Mein lieber
Freund Klodius/ antwortete ſie/ meynet ihr/ daß mein Oheim und Bruder mir eure redli-
che Traͤue und aufrichtige Dienſte ungemeldet gelaſſen? euer bereitwilliges Herz gegen
dieſelben/ zeiget ihr ja überfluͤſſig an/ indem ihr euer Vaterland und Guͤter verlaſſend/ ihnẽ
biß hieher zu Waſſer und Lande gefolget ſeyd/ welches ſie ſchon werden zuvergelten wiſſen/
und ich mich zugleich mit ihnen bemuͤhen wil/ euch der Muͤhe zuergetzen; aber lieber ſaget
mir/ wie gehet es meines Herrn Bruders Gemahl Koͤnigin Sophien/ meiner hoͤchſtgelie-
beten Fr. Schweſter? Sehr wol/ Gott Lob/ antwortete er/ welches vielleicht angenehmert
Bohten mit ſchrifftlichen Zeugniſſen werden auffzulegen haben. Indem kam die Gutſche
daher gerennet/ welche Leches oͤffnete/ und zu dem Frauenzimmer ſagete: Heraus/ und loͤ-
ſet einer gefangenen die mit hoͤchſtem Unrecht gebundene Fuͤſſe/ welche zuberuͤhren kein
Mannesbilde unter uns wirdig iſt. Libuſſa ſaß im Aushange/ ſprang geſchwinde hervor/
und eilete nach der Fraͤulein Saͤnffte/ erkennete alsbald ihr Angeſicht/ und fiel vor unmaͤſ-
ſiger Freude als eine Leiche auf Klodius/ welcher ihr zur ſeite ſtund. Brela erſahe ſolches/
wuſte nicht/ was vor ſchnelle Ohmacht ſie niderwarff/ kuckete in die Saͤnffte/ und indem ſie
das Fraͤulein erblickete/ ſtuͤrzete ſie gleich neben Libuſſen nider; deſſen Valiſka ſich entſetze-
te/ und die umſtehende baht/ ihnen Erquickung mitzuteilen; welches Agatha mit fleiß ver-
richtete; Euphroſyne aber/ von Fabius vernehmend/ daß ſie das Fraͤulein waͤhre/ faſſete mit
ſonderbahrer Liebligkeit ihre Haͤnde/ kuͤſſete und druͤckete ſie/ und fing alſo an: O du gluͤkſe-
lige Euphroſyne/ die du wirdig biſt/ dieſer aller trefflichſten Fraͤulein auffzuwarten/ nach de-
ren Kundſchafft man ſo lange Zeit vergeblich hat ſeuffzen muͤſſen. Aber O du graͤulicher
Bluthund/ Wũterich und Erzboͤſewicht/ welche Loͤuin hat dich geworffen/ welches Tiger-
tihr
[957]Vierdes Buch.
tihr hat dich geſaͤuget und aufferzogen/ daß du dieſe Soñe der Vollkommenheit haſt feſſeln
und binden koͤnnen? Verzeihet/ bitte ich/ Durchleuchtiges uñ unvergleichliches Fraͤulein/
mir/ euer Durchl. untertaͤhnigſt-ergebener Magd Euphroſynen/ daß dieſelbe ohn Ihrer
Durchl. Befehl ſich zur Bedien- und Auffwartung antråget/ ehe ſie vor düchtig erklaͤret
iſt/ und laſſet gnaͤdigſt wiſſen/ womit Euer Durchl. ſie etwa moͤchte dienen koͤnnen. A-
ber O ich unbeſoñene/ ſagte ſie; lief hin nach der Gutſche/ in welcher ihre Kleider Lade ſtund/
daraus nam ſie einen Himmelblauen Unter Rok mit Silber durch und durch geſticket/ uñ
ein Oberkleid aus einem hellſcheinen den Silber Stuͤcke gemacht; auch geſtickete Schuch
und Seidene Struͤmpffe/ und trug ihr ſolches alles zu/ da inzwiſchen die anweſende Man-
nesbilder einen Abtrit nahmen/ und Euphroſyne nach gebehtener Verzeihung den Reit-
Rok hinweg warff/ und ihrer vollkommenen Leibes Schoͤnheit ſich nit gnug verwundern
kunte/ da dz Fraͤulein alſo zu ihr anfing: Allerliebſte Freundin/ mein Oheim Herkules hat
eure Tugend und Freundligkeit mir nicht vergeblich geruͤhmet; aber was hat euch meine
geliebte doch immer und ewig bewogen/ dieſe beſchwerliche Reiſe zutuhn/ vor welcher ſich
auch die herzhafteſten Maͤnner entſetzen. Durchl. Fraͤulein/ antwortete ſie: Dieſe Frage
wil ich hernach weitleuftig beantworten; welches ſie in Gedanken redete/ dañ ſie hatte ſich
an ihrer Schoͤnheit gar vergaffet/ und des Strickes an ihren Fuͤſſen nicht wahr genom̃en/
daß Valiſka endlich zu ihr ſagete: Herzgeliebete Freundin/ leihet mir ein Meſſer/ daß ich
meine Fuͤſſe frey mache/ welche fieder hinte umb zwolff Uhr alſo gebunden ſind. O du blin-
de Euphroſyne/ fing ſie zu ihr ſelber an/ wo haſtu deine Augen und Gedanken? zog hiemit
ihr kleines Meſſerlein hervor/ und ſaͤgete damit/ biß ſie endlich gewan; küſſete hernach die
Fuͤſſe/ und ſagete: O Durchleuchtigſter Groß Fuͤrſt Herkules/ was vor ein Meiſter-Bilde
hat der Him̃el euch vorbehalten? und wañ dieſes Fꝛaͤulein ungebohren waͤhre/ wuͤr de keine
andere dieſer Welt euer Liebe wirdig ſeyn. Valiſka trug groſſe beliebung an ihrem Liebko-
ſen/ weil ſie ſahe/ dz es ohn falſch von Herzen ging/ und antwortete ihr: Allerliebſte Freun-
din/ ihr er hebt mich weit uͤber meine guͤltigkeit/ dann ich ſelbſt ſchaͤtze mich dteſes Fuͤrſten/
ach dieſes teuren Fuͤrſten/ noch lange nicht wert. So tuhe ichs aber/ gnaͤdigſtes Fraͤulein/
ſagte ſie/ uñ alle Menſchen/ welche eure Durchl. keñen/ werden ſolches tuhn; dañ ob gleich
Groß Fuͤrſt Herkules ohn ſeines gleichen/ ſo viel Mañesbilder betrift/ lebet/ ſo hat er doch/
Gott Lob/ eine gleiche unter den Fraͤulein/ welches dem ganzen weiblichen Geſchlechte ein
unſterblicher Ruhm ſeyn und ewig bleiben muß. Als nun Valiſka ihꝛ die Kleider wolte an-
legen laſſen/ hatte Agatha durch viel bemuͤhung und zutuhn etlicher ihrer Maͤgde/ Libuſſen
und Brelen wieder zu ſich ſelber gebracht/ welche ſich erhoben/ und über das Fraͤulein her-
fielen/ ob haͤtten ſie dieſelbe erdruͤcken wollen/ welches/ angeſehen ihrer getraͤuen Liebe/ ſie
ihnen durchaus nicht vor uͤbel hielt; nur erinnerte ſie dieſelben/ ſich in der Heftigkeit ihreꝛ
Freude zu maͤſſigen. Wie? ſagte ſie zu ihnen; kom̃et ihr deßwegen zu mir/ mich mit eurer
Ohmacht zubetruͤben/ und mit euren Traͤhnen zuerſticken/ da ich meinete/ an euch als mei-
nen vertrauteſten Freundiñen/ und eine Zeitlang mitgefangenen/ nun aber miterloͤſeten
mich froͤlich zuergetzen? Zwar wañ der barmherzige Gott euch und das Heer nicht zu ſo
gluͤklicher Stunde haͤtte hergeführet/ wuͤrdet ihr Urſach zu euren Traͤhnen gefunden habẽ/
nehmlich entweder meinen todten Leichnam/ oder mich als eine geſchaͤndete/ oder wol bey-
des zubeweinen; aber gleich wie der Menſchen Dieb mit ſolchem Vorſaz umbging/ hat
E e e e e e iijihn
[958]Vierdes Buch.
ihn Gott durch eure Zukunfft daran verhindert; des freuet euch mit mir/ und laſſet alle Traurigkeit
fahren. Hierauff erhohleten ſie ſich endlich/ da jede von ihnen der Fraͤulein eine Hand faſſete/ und Li-
buſſa aͤlſo anfing: O mein gnaͤdigſtes und uͤber Seel geliebetes Fraͤulein; muß ich dann ihre Durchl.
in einem elendern Stande antreffen/ als ich ſie leztmahl verlaſſen habe? ſolches ſey dem gerechten Gott
geklaget; Aber O du Grund Schelm/ was vor Straffen wlrd der allergrauſamſte Henker er ſiñen koͤn-
nen/ damit dir nach Verdienſt gelohnet werde? Gib dich mit mir zufriedẽ/ liebes Kind/ ſagte das Fraͤu-
lein/ ich bin zwar heut in dem allerelendeſten Stande meines ganzen Lebens geweſen/ ſo daß mein
Ochſen- und Hunde-Streit/ mein Pragiſcher Moldau-[Sprung]/ und Italiaͤniſche Gefaͤngnis hierge-
gen faſt nichts zuachten; aber Gott Lob/ Gott Lob/ ohn einige wirkliche Verletzung meiner Ehren;
daher wollen wirs als ungeſchehen/ oder doch als uͤberwunden halten/ auff dz unſere gebuͤhrliche Freu-
de nicht geſtoͤret werde; richtete ſich damit auff/ und ließ ſich von ihnen beyden nach begehren kuͤſſen
und umfahen. Weil ſie aber ſahe/ daß kein Auffhoͤren da wahr/ ſagte ſie endlich: Sol ich dañ den gan-
zen Tag alhie vor euch nacket liegen? Haſtu vergeſſen/ Libuſſa/ wie bald du mich/ wann ich auffſtund/
zubekleiden pflegteſt? Ja ja/ mein Herzallerliebſtes Fraͤulein/ antwortete ſie/ ich bin nun vergnuͤget/
daß Eure Gn. ich wiederhabe; goͤnnet mir aber doch das zubeſehen/ wornach meine Seele ſo groſſes
verlangen getragen hat. Euphroſyne nam den Unter Rok/ und legte ihr denſelben an; Brela ſuchte die
Strümpffe und Schuch hervor/ und bekleidete ihr die Beine; Libuſſa ergreiff das Oberkleid/ und zo-
he ihr ſolches an/ und indem ſie ihr den Buſem verſchnuͤrete/ raunete ſie ihr ſanffte ins Ohr: Ach daß
Herkules dieſes an meiner Stelle verrichten ſolte; ſie aber gab ihr zur Wieder Antwort: Wann du
ihm ſolches als zum erſten mahl wuͤnſcheſt/ biſtu zu ſpaͤt kommen; zum lezten mahle aber wuͤrde es
viel zu fruͤh ſeyn. Ey Gott Lob/ ſagte Libuſſa uͤberlaut/ ſo wollen wir der jetzigen Widerwertigkeit
vergeſſen; faſſete das Fraͤulein unter die Arme/ und zohe ſie aus der Saͤnffte hervor/ da der ankom̃en-
den Freude erſt recht loß ging; in ſonderheit bey Libuſſen und Brelen/ als ſie dieſe in ſo treflicher Vol-
kommenheit vor ſich ſtehen ſahen/ und vor Wolluſt nicht wuſten/ was ſie anfahen ſolten. Agatha trat
auch herbey/ und ergab ſich dem Fraͤulein zu Dienſte; und weil ſie und Euphroſyne gleich neben ein-
ander ſtunden/ redete ſie alle beyde alſo an: Ihr meine grundgeliebete Freundinnen; wie hoch ich euch
verbunden bin/ weiß ich ſehr wol; aber wie ich mich loswirken moͤge/ ſehe ich nicht/ es waͤhre dann/ dz
ihr meinen beharlichen Freundes-Willen/ und die moͤgliche Erſtattung vor guͤltig erkennen wollet;
Ihr Fr. Agatha habt mir meinen einigen herzallerliebſten Bruder vom Tode erloͤſet/ und euch daruͤ-
ber in ſolche Gefahr geſetzet/ die euch bey nahe zu ſtaub und Aſche verbrennet haͤtte; was haͤtte eine
getraͤue Freundin mehr tuhn koͤnnen? Ihr Fr. Euphroſyne habt meinem hoͤchſtgeliebeten Oheim/
Schaz/ und verſprochenen Braͤutigamb die Haͤnde loßgebunden/ und dadurch ihn von dem Henker-
Schwert frey gemacht; woruͤber ihr ſchier ſelbſt von eurem ungetraͤuen Ehegatten entleibet waͤhret;
was haͤtte eine Schweſter heilſamers verrichten koͤnnen? Vor ſolche Woltahten ſage ich euch von her-
zen dank/ und werde zeit meines Lebens mich bemuͤhen/ es mehr in der Taht/ als praͤchtigen Worten
erſcheinen zulaſſen/ wie hoch ich dieſe eure Woltahten ſchaͤtze. Durchl. Fraͤulein/ antwortete Euphro-
ſyne/ haben wir beyde einen aufrichtigen Willen gehabt/ den beyden froͤm̃eſten und redlichſten Fuͤrſten
der Welt untertaͤhnigſte Dienſte zuleiſtẽ/ ſo iſt doch derſelbe ſo unkraͤftig geweſen/ dz auſſer ſeufzen uñ
wuͤnſchen er nichts hat verꝛichten moͤgen; hingegẽ ſind wir alle beyde von hoͤchſtgedachten teuꝛẽ Fuͤrſtẽ
vom Tode uñ Verderbẽ gerettet/ uñ in gutẽ Wolſtand geſetzet; wir ſind durch ſie zu groſſem Reichtuhm
uñ aͤdlen from̃en Ehegatten gebracht/ dz uns allerdinge unmoͤglich iſt/ ſolche Woltaht recht zuerkeñen/
geſchweige zuvergelten; und nun wil eure Durchl. gnaͤdigſtes Fraͤulein/ uns mit neuem ganz unver-
dienten erbieten/ deſſen wir allerdinge unfaͤhig ſind/ in unſern dankſchuldigen Gedanken irre machen;
koͤñen wir vor Dienerinnen angenom̃en und gewirdiget werden/ ſo haben wir den hoͤchſten Zweg un-
ſer gewuͤnſchten Gluͤkſeligkeit erreichet/ ein mehres/ wie wirs nicht faſſen koͤnnen/ alſo vermoͤgen wir
auch nicht/ es zuertragen; bitten umb beharliche Gnade/ uñ verbleiben untertaͤhnigſt gehorſam. Das
Fraͤulein wolte ſolches beantworten/ aber Kleofis/ der die Zeit in der Saͤnfte zu lange wehren wolte/
ſteckete den Kopff hervor/ und rieff mit lieblicher Stim̃e; Gnaͤdigſtes Fraͤulein/ wir euer Durchl. un-
tertaͤh-
[959]Vierdes Buch.
tertaͤhnigſte Dieneriñen/ erfreuen uns derſelben gluͤklichen Erreitung von Herzẽ/ demuͤhtigſt bittend/
uns bey dem anweſen den fremden Frauenzim̃er etwa ein geringes Kleid loßzumachen/ damit wir uns
ein wenig bedecken moͤgen. O ja/ ſagte Valiſka; und muſte Libuſſa alsbald mit der Gutſche nach dem
Lager rennen/ unter welcher Zeit Neda raum bekam/ bey dem Fraͤulein ſich zumelden/ welchen ſie alſo
empfing: Ich weis nicht/ mein Freund/ ob ich euch mit kuͤhnen Augen anſehen darff/ in betrachtung/
der euch von mir angefuͤgeten Unbilligkeit/ daß ich eure liebſte Brelen genoͤhtiget/ ſich einem andern
zuergeben/ wiewol bald nach threm abſcheide mich ſolches ſehr gereuet hat/ uñ gefaͤlt mir uͤberaus wol/
daß ihrs ſo habt koͤnnen uͤber euch hingehen laſſen/ und nicht deſtoweniger/ wie ich merke/ der Brelen
Freund ſeyn; ich kan nicht mehr/ als mich erbieten/ es nach moͤgligkeit in andere Wege zuerſetzẽ. Bre-
la ſolches hoͤrend/ fing an zu ſchmuzern; er aber gab zur Antwort; Durchl. Fraͤulein/ daß dieſelbe mei-
ne verſprochene Brelen jensmahl an den Meer Raͤuber Alexander verlobet/ bedanke ich mich unter-
taͤhnigſt/ als wodurch dieſelbe mir wieder eingeliefert iſt/ maſſen dieſer Reiſe-Braͤutigam nicht al-
lein mein Brelichen ohn alle anfechtung ihrer Zucht/ nach Padua wol uͤbergebracht/ ſondern auch in
der Stunde meiner Ankunft daſelbſt/ mir dieſelbe ohn einige Wiederrede/ mit allen ſeinen Guͤtern uͤ-
bergelaſſen. O daß mus wol ein redlicher from̃er Alexander ſeyn/ ſagte Valiſka. Ja/ antwortete er/
ich habe ihn nicht anders als from gekant. Brela kunte ſolchen Spot nicht wol leiden/ uñ ſagte zu ihm;
habt ihr eure Zuſage jenſeit des Meers getahn/ ſchon vergeſſen? erzaͤhlete auch dem Fraͤulein/ was ge-
ſtalt Alexander des Tages vor dem angeſetzten Beylager umbkom̃en waͤhre. Libuſſa kam mit den Klei-
dern wieder an/ lieferte ſie dem entbloͤſſeten Frauenzim̃er/ uñ meldete dem Fraͤulein vieltauſend gruͤſ-
ſe an von Prag und Padua/ lockete ſie auch von der Geſelſchaft abe/ umb mit ihr allein zu reden/ da ſie
ihr nit allein zuvernehmen gab/ wie herzlich ihre Fr. Mutter ſich uͤber ihre kuͤnftige Heyraht mit Her-
kules erfreuete/ ſondern auch/ was geſtalt der junge Frankiſche Groß Fuͤrſt aber eins um ihre Heyraht
geworben/ und bey der Geſandſchaft ſelbſt als ein Schreiber geweſt/ haͤtte anfangs ihre Entfuͤhrung
vor ein Geticht gehalten/ nachgehends ſeine Ohmacht daruͤber ſehen laſſen/ und waͤhre zu Prag die Zei-
tung erſchollen/ daß er vor groſſer Liebe in eine Unſinnigkeit gerahten/ und unter Ketten und Banden
in einem verſchloſſenen Gewoͤlbe muͤſte gehalten werden/ gaͤbe vor/ er waͤhre Groß Fuͤrſt Herkules/ und
muͤſte den Franken Markomir erwuͤrgen/ darumb daß er ihm nach ſeinem Gemahl ſtuͤnde/ ihm daſſel-
be abzuſpenſtigen. Sie hoͤrete ſolches mit entſetzen/ und ſagte; Es iſt mir dieſes jungen Fuͤrſten Unfal
herzlich leid/ weil ichs aber nicht zuendern/ vielweniger ihn zuvergnuͤgen weiß/ mus man ſolches dem
lieben Gott heim ſtellen/ welchen ich inbruͤnſtig anruffen wil/ daß er ihm ſeine Vernunft wieder heilen/
und die vergeblichen liebes Flam̃en in ſeiner Seele außloͤſchen wolle. Ich kan mich aber mit dieſer Zei-
tung vordiſmahl nicht aͤngſten/ weil ich nicht weiß/ ob mein voriges Elend oder die jetzige Freude groͤſ-
ſer iſt/ nachdem ich nicht allein der meinen Geſundheit und Wolergehen nach geſchehener Erloͤſung er-
fahren/ ſondern meinen H. Schwager und Bruder H. Fabius angetroffen/ und dich meine allerge-
traͤueſte alte Troͤſterin wieder bey mir habe; zweifele auch nicht/ du werdeſt mit deinem Leches ſchon
beygeleget ſeyn; Iſt daß fragens wert/ Gn. Fraͤulein/ antwortete ſie/; ich habe wol gewuſt/ und bin
ich niemahls auff eure Gn. zorniger geweſen/ als das ſie mich vor meiner Gn. Koͤnigin ſo beſchaͤmet/
daß ich umb das ſchleunige Beylager ſelbſt habe anhalten muͤſſen. Haſtu mir aber gehorſamet/ fragete
Valiſka. Was ſolte ich nicht gehorſamet haben/ ſagte ſie/ lieber haͤtte ich ihn ſelbſt darzu gebehten/
ehe euer Gn. Hulde ich mich verluſtig machen wollen/ wiewol ich mich deßwegen von meinen Geſpie-
len auff dieſer Reiſe rechtſchaffen habe leiden muͤſſen; doch/ die Warheit zu ſagen/ wahr mirs eben ſo
hart nicht zu wieder/ als ich michs aͤuſſerlich annam. Valiſka lachete ihrer lezten Worte und ſagete:
So wirſtu nun erkennen/ daß ichs gut mit dir gemeinet habe; wie anders? antwortete ſie/ wann nur
meiner ehemahligen Freiheit nach/ ich fragen duͤrfte/ wovor eure Gn. ich nunmehr halten ſolte/ und
zwar in vertrauen. Sie wolte mit ihr ſcherzen/ und wieder antwortete; Biſtu ſo lange mit mir umb-
gangen/ und weiſt noch nicht/ wovor du mich halten ſolt? weiſtu nicht/ daß ich Baliſka bin? ja weiſtn
nicht daß ich das Koͤnigliche Fraͤulein aus Boͤhmen bin? endlich/ weiſtu nicht/ daß ich der geraubete
Herkuliſtus bin? ich halte/ du werdeſt dein Gedaͤchtnis zu Padua vertauſchet/ oder es deinem Leches
ſamt
[960]Vierdes Buch.
ſamt deinem Brautſchatze geſchenket haben. Dieſe machete ihr wegen des lezten Worts Gedanken/
und ſagete: Ich bitte umb gn. verzeihung/ daß euer Durchl. vor den uͤbermaͤſſigen uͤbergeſchikten
Brantſchaz ich annoch nicht gedanket habe. Davor wil ich keinen Dank haben/ antwortete ſie/ iſt dir
auch nicht als ein Brautſchaz zugeſchikt/ maſſen denſelben ich dir erſt in Boͤhmen oder Teutſchland ge-
ben wil. Aber weiſtu nun wieder/ wovor du mich halten ſolt? wie ſolte ichs wiſſen? antwortete ſie/ ha-
be ich euer Gn. hieſelbſt gehuͤtet als zu Prag? Du loſer Sak/ ſagte Valiſka/ habe ich mich dañ zu Prag
alſo bezeiget/ daß ich einer Huͤterin bedurft haͤtte? Darauf wil ich nicht antworten/ ſagte Libuſſa/
eure Gn ſagen mir dann zuvor in vertrauen/ wovor ich als die verſchwiegene geheime Libuſſa dieſelbe
halten ſol. Ich muß dir wol beichten/ antwortete ſie/ wil ich ſonſt friede und deine Gnade haben; aber
wie wuͤrde dirs gefallen/ wann ich dir anvertrauete/ daß ich ſchon in geheim von 20 Wochen her/ mei-
nes allerliebſten Herkules Gemahl bin? Ich bin vergnuͤget/ ſagte jene: Aber eriñert ſie ſich auch gnaͤ-
digſt/ was in ihrem groſſen truͤbſal wegen Herkules Verluſtes und Abweſenheit ich ihr ſtets einbilde-
te? O ja mein herzliebes Kind/ O ja/ ſagte ſie/ ich erluͤſtige mich an meinem Herkules nie keinmahl/
daß ich deines Troſtes nicht gedenken ſolte/ habe auch in der Taht erfahren/ daß keine liebes vergnuͤ-
gung ſuͤſſer und erquiklicher ſein kan/ als die mit Angſt und Gefahr erlanget wird; aber mein Herzen
Kind/ moͤchteſtu nun erſt meinen Herkules ſehen/ wie ſeine Trefligkeit inwendig drey Jahren zugenom-
men hat! Wie nun mein Fraͤulein/ antwortete ſie/ hat dann eure Gn. ihrem Herkules auch die Ge-
daͤchtnis ſamt dem Brautſchatze geſchenket? Ich bin ja bey ihm geweſen/ da er mich aus Raͤuber Haͤn-
den erloͤſet. O ich unbedachtſame/ ſagte Valiſka weiß ich doch ſelber nicht/ was ich vor freuden rede;
doch hoͤre; wirſtu auch deinen Schaz den damahligen Raͤuber Gallus ohn Scham anſehen koͤnnen/
daß du ihm ſo ungetraͤu geweſen/ uñ Leches angenom̃en haſt? dann ich verſichere dich/ daß dieſer mei-
nes Herkules und mein liebeſter Diener iſt. So mus ich ihn wol vor meinen Augen leiden/ antwor-
tete ſie/ und hat mir Brela ſolches ſchon angezeiget/ daß Fuͤrſt Herkules ihn faſt als ſein ander Herz
halte. Nicht vielanders/ ſagte das Fraͤulein/ und waͤhre Leches nicht in der Beſitzung/ muͤſteſtu ihm
dein verſprechen wol halten. Libuſſa lachete/ und kam wieder auff die alten Geſchichte/ da ſie unter an-
dern fragete: Ach mein wunderſchoͤnſtes Fraͤulein/ wil ſie mir dann nunmehr meine oftgetahne Frage
beantworten/ was ihre Gedanken wahren/ da ich ihr des allerſchoͤnſten Herkules zarte Arme/ wie er
ſchlieff/ zum erſtenmahl zeigete? Das Fraͤulein gab ihr einen liebes Backenſtreich/ antwortend; muſt
du noch mit deinen alten Schmeicheinahmen umb dich werffen? Dieſe kuͤſſete ihr die Hand/ und ſage-
te: O des lieben und ſanften Schlages/ daß ich den nun wieder auffs neue bekommen habe; aber beken-
net mir mein Fraͤulein/ bekennet wornach ich frage. Eja doch/ antwortete ſie/ ich weiß doch wol/ daß
du mein innerſtes Herz allemahl ſehen und wiſſen wilt/ und frageſt nach einem Wege/ der dir ſchon
gnug bekant iſt/ wie nehmlich meine dazumahl kindiſche Seele/ mit freuden angefuͤllet ward/ durch
eine Liebe/ welche ſider dem ohn auffhoͤren gewachſen/ und noch dieſe Stunde zuwachſen nicht auffhoͤ-
ret. Aber wir muͤſſen nicht zu lange unſer Gewaͤſche treiben/ weil die uͤbrigen mirs verargen koͤnten.
Markus hatte bißher ſeine Schuldigkeit bey ihr noch nicht abgelegt/ welcher anjezt zu ihr trat/ und
ſehr wol empfangen ward. Endlich faſſete ſie Herrn Fabius bey der Linken/ und Libuſſen bey der rech-
ten Hand/ noͤhtigte ſie mit ſich auff die Gutſche/ und fuhr mit ihnen nach dem Kriegs-
Heer/ dem ihre Anweſenheit ſchon zu wiſſen getahn wahr/ daher ſie von ihnen
mit einem groſſen Freuden- Geſchrey empfangen ward.


Ende des Vierden Buchs/ und des
Erſten Teils

Des Chriſtlichen Teutſchen
Herkules.


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CC-BY-4.0
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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2025). Bucholtz, Andreas Heinrich. Des Christlichen Teutschen Groß-Fürsten Herkules Und der Böhmischen Königlichen Fräulein Valjska Wunder-Geschichte. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bjgh.0