der
Logik.
Die
objective Logik.
Die Lehre vom Weſen.
bey Johann Leonhard Schrag
1813.
[[II]][[III]]
Inhaltsanzeige.
- Zweytes Buch.
- Das WeſenS. 1—5.
- Erſter Abſchnitt.
- Das Weſen als Reflexion in ihm ſelbſt
S. 6—135. - Erſtes Kapitel.
- Der Schein S. 7—29.
- A. Das Weſentliche und Unweſentliche S. 7—9.
- B. Der Schein S. 9—15.
- C. Die Reflexion S. 16—29.
- 1. Die ſetzende Reflexion S. 17.
- 2. Die aͤuſſere Reflexion S. 21.
- 3. Die beſtimmende Reflexion S. 25.
- Zweytes Kapitel.
- Die Weſenheiten oder Reflexionsbeſtimmungen S. 30—83.
- Anmerkung. Die Reflexionsbeſtimmungen in
der Form von Saͤtzen S. 31. - A. Die Identitaͤt S. 34—42.
- Anmerk. 1. Abſtracte Identitaͤt S. 35.
- Anmerk. 2. Erſtes urſpruͤngliches Denkgeſetz, Satz
der Identitaͤt S. 37. - B. Der Unterſchied S. 43—64.
- 1. Der abſolute Unterſchied S. 43.
- 2. Die Verſchiedenheit S. 45.
- Anmerk. Satz der Verſchiedenheit S. 51.
- 3. Der Gegenſatz S. 54.
- Anmerk. Die entgegengeſetzten Groͤßen der
Arithmetik S. 59. - C. Der Widerſpruch S. 65—83.
- Anmerkung 1. Einheit des Poſitiven und Negati-
ven S. 72. - Anmerkung 2. Der Satz des ausgeſchloſſenen Drit-
ten S. 75. - Anmerkung 3. Satz des Widerſpruchs S. 77.
- Drittes Kapitel.
- Der Grund S. 84—135.
- Anmerk. Satz des Grundes S. 87.
- A. Der abſolute Grund S. 89—102.
- a. Form und Weſen S. 89.
- b. Form und Materie S. 94.
- c. Form und Inhalt S. 101.
- B. Der beſtimmte Grund S. 103—122.
- a. Der formelle Grund S. 103.
- Anmerk. Formelle Erklaͤrungsweiſe aus tavto-
logiſchen Gruͤnden S. 106. - b. Der reale Grund S. 110.
- Anmerk. Formelle Erklaͤrungsweiſe aus einem
vom Begruͤndeten verſchiedenen Grun-
de S. 113. - c. Der vollſtaͤndige Grund S. 118.
- C. Die Bedingung S. 123—135.
- a. Das relative Unbedingte S. 123.
- b. Das abſolute Unbedingte S. 126.
- c. Hervorgang der Sache in die Exiſtenz S. 130.
- Zweyter Abſchnitt.
- Die ErſcheinungS. 136—212.
- Erſtes Kapitel.
- Die Exiſtenz S. 138—165.
- A. Das Ding und ſeine Eigenſchaften S. 143—154.
- a. Ding an ſich und Exiſtenz S. 143.
- b. Die Eigenſchaft S. 148.
- Anmerk. Das Dung-an-ſich des tranſcenden-
talen Idealismus S. 150. - c. Die Wechſelwirkung der Dinge S. 152.
- B. Das Beſtehen des Dings aus Materien S. 155—158.
- C. Die Aufloͤſung des Dings S. 158—165.
- Anmerk. Die Poroſitaͤt der Materien S. 161.
- Zweytes Kapitel.
- Die Erſcheinung S. 166—185.
- A. Das Geſetz der Erſcheinung S. 169—176.
- B. Die erſcheinende und die an-ſich-ſeyende Welt
S. 176—182. - C. Die Aufloͤſung der Erſcheinung S. 183—185.
- Drittes Kapitel.
- Das weſentliche Verhaͤltniß S. 186—212.
- A. Das Verhaͤltniß des Ganzen und der Theile
S. 189—196. - Anmerk. Unendliche Theilbarkeit S. 194.
- B. Das Verhaͤltniß der Kraft und ihrer Aeuſſerung
S. 197—205. - a. Das Bedingtſeyn der Kraft S. 198.
- b. Die Sollicitation der Kraft S. 201.
- c. Die Unendlichkeit der Kraft S. 204.
- C. Verhaͤltniß des Innern und Aeuſſern S. 205—212.
- Anmerk. Unmittelbare Identitaͤt des Innern und
Aeuſſern S. 209. - Dritter Abſchnitt.
- Die WirklichkeitS. 213 bis Ende.
- Erſtes Kapitel.
- Das Abſolute S. 215—231.
- A. Die Auslegung des Abſoluten S. 216—220.
- B. Das abſolute Attribut S. 220—222.
- C. Der Modus des Abſoluten S. 222—231.
- Anmerk. Spinoziſtiſche und Leibniziſche Philoſophie
S. 225. - Zweytes Kapitel.
- Die Wirklichkeit S. 232—235.
- A. Zufaͤlligkeit, oder formelle Wirklichkeit, Moͤglichkeit
und Nothwendigkeit S. 235—241. - B. Relative Nothwendigkeit oder reale Wirklichkeit,
Moͤglichkeit und Nothwendigkeit S. 241—248. - C. Abſolute Nothwendigkeit S. 248—253.
- Drittes Kapitel.
- Das abſolute Verhaͤltniß S. 252 bis Ende.
- A. Verhaͤltniß der Subſtantialitaͤt S. 256—260.
- B. Verhaͤltniß der Cauſalitaͤt S. 261—278.
- a. Die formelle Cauſalitaͤt S. 261.
- b. Die beſtimmte Cauſalitaͤt S. 264.
- c. Wirkung und Gegenwirkung S. 274.
- C. Die Wechſelwirkung S. 279.
[[1]]
Zweytes Buch.
Das Weſen.
Die Wahrheit des Seyns iſt das We-
ſen.
Das Seyn iſt das Unmittelbare. Indem das Wiſ-
ſen das Wahre erkennen will, was das Seyn an und
fuͤr ſich iſt, ſo bleibt es nicht beym Unmittelbaren und
deſſen Beſtimmungen ſtehen, ſondern dringt durch daſſelbe
hindurch, mit der Vorausſetzung, daß hinter dieſem
Seyn noch etwas anderes iſt, als das Seyn ſelbſt, daß
dieſer Hintergrund die Wahrheit des Seyns ausmacht.
Dieſe Erkenntniß iſt ein vermitteltes Wiſſen, denn ſie
befindet ſich nicht unmittelbar beym und im Weſen, ſon-
dern beginnt von einem Andern, dem Seyn, und hat ei-
nen vorlaͤufigen Weg, den Weg des Hinausgehens uͤber
das Seyn oder vielmehr des Hineingehens in daſſelbe zu
machen. Erſt indem das Wiſſen ſich aus dem unmittel-
baren Seyn erinnert, durch dieſe Vermittlung findet
es das Weſen. — Die Sprache hat im Zeitwort:
Seyn, das Weſen in der vergangenen Zeit: geweſen,
behalten; denn das Weſen iſt das vergangene, aber zeit-
los vergangene Seyn.
ADieſe
[2]Zweytes Buch.
Dieſe Bewegung, als Weg des Wiſſens vorge-
ſtellt, ſo erſcheint dieſer Anfang vom Seyn und der Fort-
gang, der es aufhebt und beym Weſen als einem Ver-
mittelten anlangt, eine Thaͤtigkeit des Erkennens zu ſeyn,
die dem Seyn aͤuſſerlich ſey und deſſen eigene Natur
nichts angehe.
Aber dieſer Gang iſt die Bewegung des Seyns
ſelbſt. Es zeigte ſich an dieſem, daß es durch ſeine Na-
tur ſich erinnert, und durch diß Inſichgehen zum Weſen
wird.
Wenn alſo das Abſolute zuerſt als Seyn beſtimmt
war, ſo iſt es itzt als Weſen beſtimmt. Das Erken-
nen kann uͤberhaupt nicht bey dem mannichfaltigen Da-
ſeyn, aber auch nicht bey dem Seyn, dem reinen
Seyn, ſtehen bleiben; es dringt ſich unmittelbar die
Reflexion auf, daß dieſes reine Seyn, die Nega-
tion alles Endlichen, eine Erinnerung und Bewe-
gung vorausſetzt, welche das unmittelbare Daſeyn zum
reinen Seyn gereinigt hat. Das Seyn wird hiernach
als Weſen beſtimmt, als ein ſolches Seyn, an dem alles
Beſtimmte und Endliche negirt iſt. So iſt es die be-
ſtimmungsloſe einfache Einheit, von der das Be-
ſtimmte auf eine aͤuſſerliche Weiſe hinweggenommen
worden; dieſer Einheit war das Beſtimmte ſelbſt ein
Aeuſſerliches, und es bleibt ihr nach dieſem Wegnehmen
noch gegenuͤber ſtehen; denn es iſt nicht an ſich, ſon-
dern relativ, nur in Beziehung auf dieſe Einheit, aufge-
hoben worden. — Es wurde oben ſchon erinnert, daß
wenn das reine Weſen als Inbegriff aller Reali-
taͤten beſtimmt wird, dieſe Realitaͤten gleichfalls der
Natur der Beſtimmtheit, und der abſtrahirenden Re-
flexion unterliegen, und dieſer Innbegriff ſich zur leeren
Einfachheit reducirt. Das Weſen iſt auf dieſe Weiſe
nur
[3]Das Weſen.
nur Product, ein gemachtes. Die aͤuſſerliche Nega-
tion, welche Abſtraction iſt, hebt die Beſtimmtheiten des
Seyns nur hinweg von dem, was als Weſen uͤbrig
bleibt; es ſtellt ſie gleichſam nur an einen andern Ort,
und laͤßt ſie als ſeyende vor wie nach. Das Weſen iſt
aber auf dieſe Weiſe weder an ſich, noch fuͤr ſich
ſelbſt; es iſt durch ein anderes, die aͤuſſerliche,
abſtrahirende Reflexion; und iſt fuͤr ein anderes,
nemlich fuͤr die Abſtraction und uͤberhaupt fuͤr das ihm
gegenuͤber ſtehen bleibende Seyende. In ſeiner Beſtim-
mung iſt es daher die in ſich todte, leere Beſtimmungs-
loſigkeit.
Das Weſen aber, wie es hier geworden iſt, iſt
das, was es iſt, nicht durch eine ihm fremde Negativi-
taͤt, ſondern durch ſeine eigne, die unendliche Bewegung
des Seyns. Es iſt An-und-Fuͤrſichſeyn; abſolu-
tes Anſichſeyn, indem es gleichguͤltig gegen alle Be-
ſtimmtheit des Seyns iſt, das Andersſeyn und die Be-
ziehung auf anderes ſchlechthin aufgehoben worden iſt.
Es iſt aber nicht nur diß Anſichſeyn; als bloßes Anſich-
ſeyn waͤre es nur die Abſtraction des reinen Weſens;
ſondern es iſt eben ſo weſentlich Fuͤrſichſeyn; es ſelbſt
iſt dieſe Negativitaͤt, das ſich Aufheben des Andersſeyns
und der Beſtimmtheit.
Das Weſen als die vollkommene Ruͤckkehr des
Seyns in ſich iſt ſo zunaͤchſt das unbeſtimmte Weſen;
die Beſtimmtheiten des Seyns ſind in ihm aufgehoben;
es enthaͤlt ſie an ſich; aber nicht wie ſie an ihm ge-
ſetzt ſind. Das abſolute Weſen in dieſer Einfachheit mit
ſich hat kein Daſeyn. Aber es muß zum Daſeyn
uͤbergehen; denn es iſt An-und-Fuͤrſichſeyn, das
heißt, es unterſcheidet die Beſtimmungen, welche
es an ſich enthaͤlt; weil es Abſtoſſen ſeiner von ſich
A 2oder
[4]Zweytes Buch.
oder Gleichguͤltigkeit gegen ſich, negative Beziehung
auf ſich iſt, ſetzt es ſich ſomit ſich ſelbſt gegenuͤber, und
iſt nur inſofern unendliches Fuͤrſichſeyn als es die Einheit
mit ſich in dieſem ſeinem Unterſchiede von ſich iſt. —
Dieſes Beſtimmen iſt denn anderer Natur, als das Be-
ſtimmen in der Sphaͤre des Seyns, und die Beſtimmun-
gen des Weſens haben einen andern Charakter als die
Beſtimmtheiten des Seyns. Das Weſen iſt abſolute
Einheit des An-und-Fuͤrſichſeyns; ſein Beſtimmen bleibt
daher innerhalb dieſer Einheit, und iſt kein Werden noch
Uebergehen, ſo wie die Beſtimmungen ſelbſt nicht ein
Anderes als anderes, noch Beziehungen auf Ande-
res ſind; ſie ſind Selbſtſtaͤndige aber damit nur als ſol-
che, die in ihrer Einheit mit einander ſind. — Indem
das Weſen zuerſt einfache Negativitaͤt iſt, ſo hat es nun
die Beſtimmtheit, welche es nur an ſich enthaͤlt, in
ſeiner Sphaͤre zu ſetzen, um ſich Daſeyn und dann
ſein Fuͤrſichſeyn zu geben.
Das Weſen iſt im Ganzen das, was die
Quantitaͤt in der Sphaͤre des Seyns war; die abſo-
lute Gleichguͤltigkeit gegen die Grenze. Die Quantitaͤt
aber iſt dieſe Gleichguͤltigkeit in unmittelbarer Be-
ſtimmung, und die Grenze an ihr unmittelbar aͤuſſerliche
Beſtimmtheit, ſie geht ins Quantum uͤber; die aͤuſ-
ſerliche Grenze iſt ihr nothwendig, und iſt an ihr
ſeyend. Am Weſen hingegen iſt die Beſtimmtheit
nicht; ſie iſt nur durch das Weſen ſelbſt geſetzt; nicht
frey, ſondern nur in der Beziehung auf ſeine Ein-
heit. — Die Negativitaͤt des Weſens iſt die Refle-
xion, und die Beſtimmungen reflectirte, durch das
Weſen ſelbſt geſetzte und in ihm als aufgehoben bleibende.
Das Weſen ſteht zwiſchen Seyn und Begriff
und macht die Mitte derſelben und ſeine Bewegung den
Ueber-
[5]Das Weſen.
Uebergang von Seyn in den Begriff aus. Das We-
ſen iſt das An-und-Fuͤrſichſeyn, aber daſſelbe in
der Beſtimmung des Anſichſeyns; denn ſeine allgemeine
Beſtimmung iſt, aus dem Seyn herzukommen, oder die
erſte Negation des Seyns zu ſeyn. Seine Be-
wegung beſteht darin, die Negation oder Beſtimmung an
ihm zu ſetzen, dadurch ſich Daſeyn zu geben, und das
als unendliches Fuͤrſichſeyn zu werden, was es an ſich
iſt. So gibt es ſich ſein Daſeyn, das ſeinem Anſich-
ſeyn gleich iſt, und wird der Begriff. Denn der
Begriff iſt das Abſolute, wie es in ſeinem Daſeyn abſo-
lut oder an und fuͤr ſich iſt. Das Daſeyn aber, das
ſich das Weſen gibt, iſt noch nicht das Daſeyn, wie es
an und fuͤr ſich iſt, ſondern wie das Weſen es ſich
gibt, oder wie es geſetzt wird, daher noch von dem
Daſeyn des Begriffs unterſchieden.
Das Weſen ſcheint zuerſt in ſich ſelbſt, oder
iſt Reflexion; zweytens erſcheint es; drittens of-
fenbart es ſich. Es ſetzt ſich in ſeiner Bewegung in
folgende Beſtimmungen,
- I. als einfaches, anſichſeyendes Weſen in ſei-
nen Beſtimmungen innerhalb ſeiner; - II. als heraustretend in das Daſeyn, oder nach
ſeiner Exiſtenz und Erſcheinung; - III. als Weſen, das mit ſeiner Erſcheinung eins iſt,
als Wirklichkeit.
Erſter
[6]
Erſter Abſchnitt.
Das Weſen als Reflexion in ihm ſelbſt.
Das Weſen kommt aus dem Seyn her; es iſt
inſofern nicht unmittelbar an und fuͤr ſich, ſondern ein
Reſultat jener Bewegung. Oder das Weſen zu-
naͤchſt als ein unmittelbares genommen, ſo iſt es ein
beſtimmtes Daſeyn, dem ein anderes gegenuͤber ſteht;
es iſt nur weſentliches Daſeyn gegen unweſent-
liches. Das Weſen iſt aber das an und fuͤr ſich
aufgehobene Seyn; es iſt nur Schein, was ihm ge-
genuͤber ſteht. Allein der Schein iſt das eigene Se-
tzen des Weſens.
Das Weſen iſt erſtens Reflexion. Die Re-
flexion beſtimmt ſich; ihre Beſtimmungen ſind ein Ge-
ſetztſeyn, das zugleich Reflexion in ſich iſt; es ſind
zweytens dieſe Reflexions-Beſtimmun-
gen oder die Weſenheiten zu betrachten.
Drittens macht ſich das Weſen als die Re-
flexion des Beſtimmens in ſich ſelbſt, zum Grunde,
und geht in die Exiſtenz und Erſcheinung uͤber.
Erſtes
[7]Das Weſen.
Erſtes Kapitel.
Der Schein.
Das Weſen aus dem Seyn herkommend ſcheint
demſelben gegenuͤber zu ſtehen; diß unmittelbare Seyn
iſt zunaͤchſt das Unweſentliche.
Allein es iſt zweytens mehr als nur unweſent-
liches, es iſt weſenloſes Seyn, es iſt Schein.
Drittens dieſer Schein iſt nicht ein aͤuſſerliches,
dem Weſen anderes, ſondern er iſt ſein eigner Schein.
Das Scheinen des Weſens in ihm ſelbſt iſt die Re-
flexion.
A.
Das Weſentliche und das Unweſentliche.
Das Weſen iſt das aufgehobene Seyn. Es
iſt einfache Gleichheit mit ſich ſelbſt, aber inſofern es die
Negation der Sphaͤre des Seyns uͤberhaupt iſt. So
hat das Weſen die Unmittelbarkeit ſich gegenuͤber, als
eine ſolche, aus der es geworden iſt, und die ſich in die-
ſem Aufheben aufbewahrt und erhalten hat. Das We-
ſen ſelbſt iſt in dieſer Beſtimmung ſeyendes, unmit-
telbares Weſen, und das Seyn nur ein Negatives in
Beziehung auf das Weſen, nicht an und fuͤr ſich
ſelbſt, das Weſen alſo eine beſtimmte Negation.
Seyn und Weſen verhalten ſich auf dieſe Weiſe wieder
als
[8]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
als Andre uͤberhaupt zu einander, denn jedes hat
ein Seyn, eine Unmittelbarkeit, die gegen ein-
ander gleichguͤltig ſind, und ſtehen dieſem Seyn nach in
gleichem Werthe.
Zugleich aber iſt das Seyn im Gegenſatze gegen
das Weſen, das Unweſentliche, es hat gegen daſ-
ſelbe die Beſtimmung des aufgehobenen. Inſofern es
ſich jedoch zum Weſen nur uͤberhaupt als ein Anderes
verhaͤlt, ſo iſt das Weſen nicht eigentlich Weſen, ſondern
nur ein anders beſtimmtes Daſeyn, das Weſent-
liche.
Der Unterſchied von Weſentlichem und Unweſentli-
chem hat das Weſen in die Sphaͤre des Daſeyns zu-
ruͤckfallen laſſen; indem das Weſen, wie es zunaͤchſt iſt,
als unmittelbares ſeyendes, und damit nur als Ande-
res beſtimmt iſt gegen das Seyn. Die Sphaͤre des
Daſeyns iſt damit zu Grunde gelegt, und daß das, was
das Seyn in dieſem Daſeyn iſt, An-und-Fuͤrſichſeyn iſt,
iſt eine weitere dem Daſeyn ſelbſt aͤuſſerliche Beſtim-
mung; ſo wie umgekehrt das Weſen wohl das An-und-
Fuͤrſichſeyn iſt, aber nur gegen Anderes, in beſtimm-
ter Ruͤckſicht. — Inſofern daher an einem Daſeyn ein
Weſentliches und ein Unweſentliches von ein-
ander unterſchieden werden, ſo iſt dieſer Unterſchied ein
aͤuſſerliches Setzen, eine das Daſeyn ſelbſt nicht beruͤh-
rende Abſonderung eines Theils deſſelben, von einem an-
dern Theile; eine Trennung, die in ein Drittes faͤllt.
Es iſt dabey unbeſtimmt, was zum Weſentlichen oder
Unweſentlichen gehoͤrt. Es iſt irgend eine aͤuſſerliche
Ruͤckſicht und Betrachtung, die ihn macht, und derſelbe
Inhalt deswegen bald als weſentlich, bald als unweſent-
lich anzuſehen.
Genauer
[9]Das Weſen.
Genauer betrachtet, wird das Weſen zu einem nur
Weſentlichen gegen ein Unweſentliches dadurch, daß das
Weſen nur genommen iſt, als aufgehobenes Seyn oder
Daſeyn. Das Weſen iſt auf dieſe Weiſe nur die erſte
oder die Negation, welche Beſtimmtheit iſt, durch
welche das Seyn nur Daſeyn, oder das Daſeyn nur ein
Anderes wird. Das Weſen aber iſt die abſolute Ne-
gativitaͤt des Seyns; es iſt das Seyn ſelbſt, aber nicht
nur als ein Anderes beſtimmt, ſondern das Seyn,
das ſich ſowohl als unmittelbares Seyn, wie auch als
unmittelbare Negation, als Negation, die mit einem
Andersſeyn behaftet iſt, aufgehoben hat. Das Seyn
oder Daſeyn hat ſich ſomit nicht als Anderes, denn das
Weſen iſt, erhalten, und das noch vom Weſen unter-
ſchiedene Unmittelbare iſt nicht bloß ein unweſentliches
Daſeyn, ſondern das an und fuͤr ſich nichtige Un-
mittelbare; es iſt nur ein Unweſen, der Schein.
B.
Der Schein.
1. Das Seyn iſt Schein. Das Seyn des
Scheins beſteht allein in dem Aufgehobenſeyn des Seyns,
in ſeiner Nichtigkeit; dieſe Nichtigkeit hat es im Weſen,
und auſſer ſeiner Nichtigkeit, auſſer dem Weſen iſt er
nicht. Er iſt das Negative geſetzt, als Negatives.
Der Schein iſt der ganze Reſt, der noch von der
Sphaͤre des Seyns uͤbrig geblieben iſt. Er ſcheint aber
ſelbſt noch eine vom Weſen unabhaͤngige unmittelbare
Seite
[10]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
Seite zu haben und ein Anderes deſſelben uͤberhaupt
zu ſeyn. Das Andere enthaͤlt uͤberhaupt die zwey
Momente des Daſeyns und des Nichtdaſeyns. Das Un-
weſentliche, indem es nicht mehr ein Seyn hat, ſo bleibt
ihm vom Andersſeyn nur das reine Moment des
Nichtdaſeyns, der Schein iſt diß unmittelbare
Nichtdaſeyn, ſo in der Beſtimmtheit des Seyns, daß es
nur in der Beziehung auf anderes, in ſeinem Nichtdaſeyn
Daſeyn hat; das Unſelbſtſtaͤndige, das nur in ſeiner
Negation iſt. Es bleibt ihm alſo nur die reine Beſtimmt-
heit der Unmittelbarkeit, es iſt als die reflectir-
te Unmittelbarkeit, das iſt, welche nur vermittelſt
ihrer Negation iſt, und die ihrer Vermittlung ge-
genuͤber nichts iſt, als die leere Beſtimmung der Unmit-
telbarkeit des Nichtdaſeyns.
— So iſt der Schein das Phaͤnomen des Skepti-
cismus oder auch die Erſcheinung des Idealismus ei-
ne ſolche Unmittelbarkeit, die kein Etwas oder kein
Ding iſt, uͤberhaupt nicht ein gleichguͤltiges Seyn, das
auſſer ſeiner Beſtimmtheit und Beziehung auf das Sub-
ject waͤre. Es iſt, erlaubte ſich der Skepticismus nicht
zu ſagen; der neuere Idealismus erlaubte ſich nicht, die
Erkenntniſſe, als ein Wiſſen vom Ding-an-ſich anzu-
ſehen; jener Schein ſollte uͤberhaupt keine Grundlage ei-
nes Seyns haben, in dieſe Erkenntniſſe ſollte nicht das
Ding-an-ſich eintreten. Zugleich aber ließ der Skep-
ticismus mannichfaltige Beſtimmungen ſeines Scheins zu,
oder vielmehr ſein Schein hatte den ganzen mannichfal-
tigen Reichthum der Welt zum Inhalte. Eben ſo be-
greift die Erſcheinung des Idealismus den ganzen Um-
fang dieſer mannichfaltigen Beſtimmtheiten in ſich. Je-
ner Schein und dieſe Erſcheinung ſind unmittelbar
ſo mannichfaltig beſtimmt. Dieſem Inhalte mag alſo
wohl kein Seyn, kein Ding, oder Ding-an-ſich zu
Grunde
[11]Das Weſen.
Grunde liegen; er fuͤr ſich bleibt wie er iſt; er iſt nur
aus dem Seyn in den Schein uͤberſetzt worden; ſo daß
der Schein innerhalb ſeiner ſelbſt jene mannichfaltigen
Beſtimmtheiten hat, welche unmittelbare, ſeyende, an-
dere gegen einander ſind. Der Schein iſt alſo ſelbſt ein
unmittelbar beſtimmtes. Er kann dieſen oder jenen
Inhalt haben; aber welchen er hat, iſt nicht durch ihn
ſelbſt geſetzt, ſondern er hat ihn unmittelbar. Der Leib-
nitziſche, oder Kantiſche, Fichteſche Idealismus, wie an-
dere Formen deſſelben, ſind ſo wenig als der Skepticis-
mus uͤber das Seyn als Beſtimmtheit, uͤber dieſe Unmit-
telbarkeit, hinausgekommen. Der Skepticismus
laͤßt ſich den Inhalt ſeines Scheins geben; es iſt un-
mittelbar fuͤr ihn, welchen Inhalt er haben ſoll.
Die Leibnitziſche Monade entwickelt aus ihr ſelbſt
ihre Vorſtellungen; aber ſie iſt nicht die erzeugende und
verbindende Kraft, ſondern ſie ſteigen in ihr als Blaſen
auf; ſie ſind gleichguͤltig, unmittelbar gegen einander,
und ſo gegen die Monade ſelbſt. Eben ſo iſt die Kan-
tiſche Erſcheinung ein gegebener Inhalt der Wahr-
nehmung, er ſetzt Affectionen voraus, Beſtimmungen
des Subjects, welche gegen ſich ſelbſt und gegen daſſelbe
unmittelbar ſind. Der unendliche Anſtoß des Fichte-
ſchen Idealismus mag wohl kein Ding-an-ſich zu
Grunde liegen haben, ſo daß er rein eine Beſtimmtheit
im Ich wird. Aber dieſe Beſtimmtheit iſt eine dem Ich,
das ſie zu der ſeinigen macht und ihre Aeuſſerlichkeit
aufhebt, zugleich unmittelbare, eine Schranke
deſſelben, uͤber die es hinausgehen kann, welche aber
eine Seite der Gleichguͤltigkeit an ihr hat, nach der ſie
ob zwar im Ich, ein unmittelbares Nichtſeyn deſ-
ſelben enthaͤlt. —
2. Der Schein alſo enthaͤlt eine unmittelbare Vor-
ausſetzung, eine unabhaͤngige Seite gegen das Weſen.
Es
[12]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
Es iſt aber von ihm, inſofern er vom Weſen unterſchie-
den iſt, nicht zu zeigen, daß er ſich aufhebt und in daſ-
ſelbe zuruͤckgeht; denn das Seyn iſt in ſeiner Totalitaͤt
in das Weſen zuruͤckgegangen; der Schein iſt das an ſich
nichtige; es iſt nur zu zeigen, daß die Beſtimmungen,
die ihn vom Weſen unterſcheiden, Beſtimmungen des
Weſens ſelbſt ſind, und ferner, daß dieſe Beſtimmt-
heit des Weſens, welche der Schein iſt, im Weſen
ſelbſt aufgehoben iſt.
Es iſt die Unmittelbarkeit des Nichtſeyns, wel-
che den Schein ausmacht; diß Nichtſeyn aber iſt nichts
anderes als die Negativitaͤt des Weſens an ihm ſelbſt.
Das Seyn iſt Nichtſeyn in dem Weſen. Seine Nich-
tigkeit an ſich iſt die negative Natur des We-
ſens ſelbſt. Die Unmittelbarkeit oder Gleichguͤltigkeit
aber, welche diß Nichtſeyn enthaͤlt, iſt das eigene abſo-
lute Anſichſeyn des Weſens. Die Negativitaͤt des We-
ſens iſt ſeine Gleichheit mit ſich ſelbſt, oder ſeine einfache
Unmittelbarkeit und Gleichguͤltigkeit. Das Seyn hat ſich
im Weſen erhalten, inſofern dieſes an ſeiner unendlichen
Negativitaͤt dieſe Gleichheit mit ſich ſelbſt hat; hiedurch
iſt das Weſen ſelbſt das Seyn. Die Unmittelbarkeit,
welche die Beſtimmtheit am Scheine gegen das Weſen
hat, iſt daher nichts anderes, als die eigene Unmittel-
barkeit des Weſens; aber nicht die ſeyende Unmittelbar-
keit, ſondern die ſchlechthin vermittelte oder reflectirte
Unmittelbarkeit, welche der Schein iſt; — das Seyn
nicht als Seyn, ſondern nur als die Beſtimmtheit des
Seyns, gegen die Vermittlung; das Seyn als Mo-
ment.
Dieſe beyden Momente, die Nichtigkeit aber als
Beſtehen, und das Seyn aber als Moment, oder die an
ſich ſeyende Negativitaͤt und die reflectirte Unmittelbar-
keit,
[13]Das Weſen.
keit, welche die Momente des Scheins ausma-
chen, ſind ſomit die Momente des Weſens
ſelbſt; es iſt nicht ein Schein des Seyns am Weſen,
oder ein Schein des Weſens am Seyn vorhanden, der
Schein im Weſen iſt nicht der Schein eines Andern; ſon-
dern er iſt der Schein an ſich, der Schein des
Weſens ſelbſt.
Der Schein iſt das Weſen ſelbſt in der Beſtimmt-
heit des Seyns. Das, wodurch das Weſen einen
Schein hat, iſt, daß es beſtimmt in ſich, und da-
durch von ſeiner abſoluten Einheit unterſchieden iſt.
Aber dieſe Beſtimmtheit iſt eben ſo ſchlechthin an ihr
ſelbſt aufgehoben. Denn das Weſen iſt das Selbſtſtaͤn-
dige, das iſt als durch ſeine Negation, welche es ſelbſt
iſt, ſich mit ſich vermittelnd; es iſt alſo die identiſche
Einheit der abſoluten Negativitaͤt und der Unmittelbar-
keit. — Die Negativitaͤt iſt die Negativitaͤt an ſich; ſie
iſt ihre Beziehung auf ſich, ſo iſt ſie an ſich Unmittelbar-
keit; aber ſie iſt negative Beziehung auf ſich, abſtoſſen-
des Negiren ihrer ſelbſt, ſo iſt die an ſich ſeyende Un-
mittelbarkeit das Negative oder Beſtimmte gegen ſie.
Aber dieſe Beſtimmtheit iſt ſelbſt die abſolute Negativitaͤt
und diß Beſtimmen, das unmittelbar als Beſtimmen das
Aufheben ſeiner ſelbſt, Ruͤckkehr in ſich iſt.
Der Schein iſt das Negative, das ein Seyn hat
aber in einem Andern, in ſeiner Negation; er iſt die
Unſelbſtſtaͤndigkeit, die an ihr ſelbſt aufgehoben und nich-
tig iſt. So iſt er das in ſich zuruͤckgehende Negative,
das Unſelbſtſtaͤndige, als das an ihm ſelbſt Unſelbſtſtaͤn-
dige. Dieſe Beziehung des Negativen oder der Un-
ſelbſtſtaͤndigkeit auf ſich, iſt ſeine Unmittelbar-
keit; ſie iſt ein anderes als es ſelbſt; ſie iſt ſeine
Beſtimmtheit gegen ſich, oder ſie iſt die Negation gegen
das
[14]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
das Negative. Aber die Negation gegen das Negative
iſt die ſich nur auf ſich beziehende Negativitaͤt, das ab-
ſolute Aufheben der Beſtimmtheit ſelbſt.
Die Beſtimmtheit alſo, welche der Schein im
Weſen iſt, iſt unendliche Beſtimmtheit; ſie iſt nur das
mit ſich zuſammengehende Negative; ſie iſt ſo die Be-
ſtimmtheit, die als ſolche die Selbſtſtaͤndigkeit, und nicht
beſtimmt iſt. — Umgekehrt die Selbſtſtaͤndigkeit als ſich
auf ſich beziehende Unmittelbarkeit iſt eben ſo
ſchlechthin Beſtimmtheit und Moment und nur als ſich
auf ſich beziehende Negativitaͤt. — Dieſe Negativitaͤt,
die identiſch mit der Unmittelbarkeit, und ſo die Unmit-
telbarkeit, die identiſch mit der Negativitaͤt iſt, iſt das
Weſen. Der Schein iſt alſo das Weſen ſelbſt, aber
das Weſen in einer Beſtimmtheit, aber ſo daß ſie nur
ſein Moment iſt, und das Weſen iſt das Scheinen ſei-
ner in ſich ſelbſt.
In der Sphaͤre des Seyns entſteht dem Seyn
als unmittelbarem, das Nichtſeyn gleichfalls als
unmittelbares gegenuͤber, und ihre Wahrheit iſt
das Werden. In der Sphaͤre des Weſens findet ſich
zuerſt das Weſen und das Unweſentliche, dann das We-
ſen und der Schein gegenuͤber; das Unweſentliche und
der Schein als Reſte des Seyns. Aber ſie beyde, ſo
wie der Unterſchied des Weſens von ihnen, beſtehen in
weiter nichts, als darin, daß das Weſen zuerſt, als
ein unmittelbares genommen wird, nicht wie es an
ſich iſt, nemlich nicht als die Unmittelbarkeit, die als die
reine Vermittlung oder als abſolute Negativitaͤt Unmit-
telbarkeit iſt. Jene erſte Unmittelbarkeit, iſt ſomit nur
die Beſtimmtheit der Unmittelbarkeit. Das Aufhe-
ben dieſer Beſtimmtheit des Weſens beſteht daher in
nichts weiter, als in dem Aufzeigen, daß das Unwe-
ſent-
[15]Das Weſen.
ſentliche nur Schein, und daß das Weſen vielmehr den
Schein in ſich ſelbſt enthaͤlt, als die unendliche Bewe-
gung in ſich, welche ſeine Unmittelbarkeit, als die Nega-
tivitaͤt, und ſeine Negativitaͤt als die Unmittelbarkeit be-
ſtimmt und ſo das Scheinen ſeiner in ſich ſelbſt iſt. Das
Weſen in dieſer ſeiner Selbſtbewegung iſt die Re-
flexion.
C.Die
[16]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
C.
Die Reflexion.
Der Schein iſt daſſelbe, was die Reflexion iſt;
aber er iſt die Reflexion als unmittelbare; fuͤr den
in ſich gegangenen, hiemit ſeiner Unmittelbarkeit entfrem-
deten Schein, haben wir das Wort der fremden Spra-
che, die Reflexion.
Das Weſen iſt Reflexion; die Bewegung des Wer-
dens und Uebergehens, das in ſich ſelbſt bleibt; worin
das unterſchiedene ſchlechthin nur als das an ſich nega-
tive, als Schein beſtimmt iſt. — In dem Werden des
Seyns liegt der Beſtimmtheit das Seyn zu Grunde, und
ſie iſt Beziehung auf Anderes. Die reflectirende Be-
wegung hingegen iſt das Andre als die Negation an
ſich, die nur als ſich auf ſich beziehende Negation ein
Seyn hat. Oder indem dieſe Beziehung auf ſich eben
diß Negiren der Negation iſt, ſo iſt die Negation
als Negation vorhanden, als ein ſolches, das ſein
Seyn in ſeinem Negirtſeyn hat, als Schein. Das An-
dere iſt hier alſo nicht das Seyn mit der Nega-
tion oder Grenze, ſondern die Negation mit der
Negation. Das Erſte aber gegen diß Andere, das
Unmittelbare oder Seyn, iſt nur dieſe Gleichheit ſelbſt
der Negation mit ſich, die negirte Negation, die abſolu-
te Negativitaͤt. Dieſe Gleichheit mit ſich oder Unmit-
telbarkeit iſt daher nicht ein erſtes, von dem an-
gefangen wird, und das in ſeine Negation uͤberginge;
noch iſt es ein ſeyendes Subſtrat, das ſich durch die Re-
flexion hindurch bewegte; ſondern die Unmittelbarkeit iſt
nur dieſe Bewegung ſelbſt.
Das
[17]Das Weſen.
Das Werden im Weſen, ſeine reflectirende Bewe-
gung, iſt daher die Bewegung von Nichts zu
Nichts, und dadurch zu ſich ſelbſt zuruͤck.
Das Uebergehen oder Werden hebt in ſeinem Ueberge-
hen ſich auf; das Andre, das in dieſem Uebergehen
wird, iſt nicht das Nichtſeyn eines Seyns, ſondern das
Nichts eines Nichts, und diß, die Negation eines Nichts
zu ſeyn, macht das Seyn aus. — Das Seyn iſt nur
als die Bewegung des Nichts zu Nichts, ſo iſt es das
Weſen; und dieſes hat nicht dieſe Bewegung in ſich,
ſondern iſt ſie als der abſolute Schein ſelbſt, die reine
Negativitaͤt, die nichts auſſer ihr hat, das ſie negirte,
ſondern die nur ihr Negatives ſelbſt negirt, das nur in
dieſem Negiren iſt.
Dieſe reine abſolute Reflexion, welche die Bewe-
gung von Nichts zu Nichts iſt, beſtimmt ſich ſelbſt wei-
ter.
Sie iſt erſtlich ſetzende Reflexion;
ſie macht zweytens den Anfang von dem vor-
ausgeſetzten Unmittelbaren, und iſt ſo aͤuſſer-
liche Reflexion.
Drittens aber hebt ſie dieſe Vorausſetzung auf,
und indem ſie in dem Aufheben der Vorausſetzung zu-
gleich vorausſetzend iſt, iſt ſie beſtimmende Re-
flexion.
Die ſetzende Reflexion.
Der Schein iſt das Nichtige oder Weſenloſe; aber
das Nichtige oder Weſenloſe hat ſein Seyn nicht in einem
Andern, in dem es ſcheint, ſondern ſein Seyn iſt ſeine
eigne Gleichheit mit ſich; dieſer Wechſel des Negativen
Bmit
[18]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
mit ſich ſelbſt hat ſich als die abſolute Reflexion des
Weſens beſtimmt.
Dieſe ſich auf ſich beziehende Negativitaͤt iſt alſo
das Negiren ihrer ſelbſt. Sie iſt ſomit uͤberhaupt ſo
ſehr aufgehobene Negativitaͤt als ſie Negativitaͤt iſt.
Oder ſie iſt ſelbſt das Negative und die einfache Gleich-
heit mit ſich oder Unmittelbarkeit. Sie beſteht alſo darin
ſie ſelbſt und nicht ſie ſelbſt und zwar in Einer
Einheit zu ſeyn. —
Zunaͤchſt iſt die Reflexion die Bewegung des Nichts
zu Nichts, ſomit die mit ſich ſelbſt zuſammengehende Ne-
gation. Dieſes Zuſammengehen mit ſich iſt uͤberhaupt
einfache Gleichheit mit ſich; die Unmittelbarkeit. Aber
diß Zuſammenfallen iſt nicht Uebergehen der Negation in
die Gleichheit mit ſich als in ihr Andersſeyn, ſon-
dern die Reflexion iſt Uebergehen als Aufheben des Ueber-
gehens; denn ſie iſt unmittelbares Zuſammenfallen des
Negativen mit ſich ſelbſt; ſo iſt diß Zuſammengehen
erſtlich Gleichheit mit ſich, oder Unmittelbarkeit; aber
zweytens iſt dieſe Unmittelbarkeit die Gleichheit des
Negativen mit ſich, ſomit die ſich ſelbſt negirende
Gleichheit; die Unmittelbarkeit, die an ſich das Negati-
ve, das Negative ihrer ſelbſt iſt, diß zu ſeyn was ſie
nicht iſt.
Die Beziehung des Negativen auf ſich ſelbſt iſt alſo
ſeine Ruͤckkehr in ſich; ſie iſt Unmittelbarkeit, als das
Aufheben des Negativen; aber Unmittelbarkeit ſchlecht-
hin nur als dieſe Beziehung oder als Ruͤckkehr aus
einem, ſomit ſich ſelbſt aufhebende Unmittelbarkeit. —
Diß iſt das Geſetztſeyn; die Unmittelbarkeit rein nur
als Beſtimmtheit oder als ſich reflectirend. Dieſe
Unmittelbarkeit, die nur als Ruͤckkehr des Negativen
in
[19]Das Weſen.
in ſich iſt, — iſt jene Unmittelbarkeit, welche die Be-
ſtimmtheit des Scheins ausmacht, und von der vorhin
die reflectirende Bewegung anzufangen ſchien. Statt
von dieſer Unmittelbarkeit anfangen zu koͤnnen, iſt dieſe
vielmehr erſt als die Ruͤckkehr, oder als die Reflexion
ſelbſt. Die Reflexion iſt alſo die Bewegung, die, indem
ſie die Ruͤckkehr iſt, erſt darin das iſt, das anfaͤngt oder
das zuruͤckkehrt.
Sie iſt Setzen, inſofern ſie die Unmittelbarkeit
als ein Ruͤckkehren iſt; es iſt nemlich nicht ein anderes
vorhanden, weder ein ſolches, aus dem ſie, noch in das
ſie zuruͤckkehrte; ſie iſt alſo nur als Ruͤckkehren oder als
das Negative ihrer ſelbſt. Aber ferner iſt dieſe Unmit-
telbarkeit die aufgehobene Negation und die aufgehobene
Ruͤckkehr in ſich. Die Reflexion iſt als Aufheben des
Negativen, Aufheben ihres Andern, der Unmittel-
barkeit. Indem ſie alſo die Unmittelbarkeit als ein Ruͤck-
kehren, Zuſammengehen des Negativen mit ſich ſelbſt iſt,
ſo iſt ſie eben ſo Negation des Negativen als des Nega-
tiven. So iſt ſie Vorausſetzen. — Oder die Un-
mittelbarkeit iſt als Ruͤckkehren nur das Negative ihrer
ſelbſt, nur diß, nicht Unmittelbarkeit zu ſeyn; aber die
Reflexion iſt das Aufheben des Negativen ſeiner ſelbſt,
ſie iſt Zuſammengehen mit ſich; ſie hebt alſo ihr Setzen
auf, und indem ſie das Aufheben des Setzens in ihrem
Setzen iſt, iſt ſie Vorausſetzen. — In dem Voraus-
ſetzen beſtimmt die Reflexion die Ruͤckkehr in ſich, als
das Negative ihrer ſelbſt, als dasjenige, deſſen Aufhe-
ben das Weſen iſt. Es iſt ſein Verhalten zu ſich ſelbſt;
aber zu ſich als dem Negativen ſeiner; nur ſo iſt es die
inſichbleibende, ſich auf ſich beziehende Negativitaͤt. Die
Unmittelbarkeit kommt uͤberhaupt nur als Ruͤckkehr her-
vor und iſt dasjenige Negative, welches der Schein des
Anfangs iſt, der durch die Ruͤckkehr negirt wird. Die
B 2Ruͤck-
[20]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
Ruͤckkehr des Weſens iſt ſomit ſein ſich Abſtoſſen von ſich
ſelbſt. Oder die Reflexion in ſich iſt weſentlich das Vor-
ausſetzen deſſen, aus dem ſie die Ruͤckkehr iſt.
Es iſt das Aufheben ſeiner Gleichheit mit ſich, wo-
durch das Weſen erſt die Gleichheit mit ſich iſt. Es ſetzt
ſich ſelbſt voraus, und das Aufheben dieſer Vorausſe-
zung iſt es ſelbſt; umgekehrt iſt diß Aufheben ſeiner Vor-
ausſetzung die Vorausſetzung ſelbſt. — Die Reflexion
alſo findet ein Unmittelbares vor, uͤber das ſie hin-
ausgeht, und aus dem ſie die Ruͤckkehr iſt. Aber dieſe
Ruͤckkehr iſt erſt das Vorausſetzen des Vorgefundenen.
Diß Vorgefundene wird nur darin, daß es verlaſ-
ſen wird; ſeine Unmittelbarkeit iſt die aufgehobene Un-
mittelbarkeit. — Die aufgehobene Unmittelbarkeit umge-
kehrt iſt die Ruͤckkehr in ſich, das Ankommen des We-
ſens bey ſich, das einfache ſich ſelbſt gleiche Seyn. Da-
mit iſt dieſes Ankommen bey ſich das Aufheben ſeiner
und die von ſich ſelbſt abſtoſſende, vorausſetzende Re-
flexion, und ihr Abſtoſſen von ſich iſt das Ankommen bey
ſich ſelbſt.
Die reflectirende Bewegung iſt ſomit, nach dem Be-
trachteten, als abſoluter Gegenſtoß in ſich ſelbſt
zu nehmen. Denn die Vorausſetzung der Ruͤckkehr in
ſich, — das woraus das Weſen herkommt und erſt
als dieſes Zuruͤckkommen iſt —, iſt nur in der Ruͤckkehr
ſelbſt. Das Hinausgehen uͤber das Unmittelbare, von
dem die Reflexion anfaͤngt, iſt vielmehr erſt durch diß
Hinausgehen; und das Hinausgehen uͤber das Unmit-
telbare iſt das Ankommen bey demſelben. Die Bewe-
gung wendet ſich als Fortgehen unmittelbar in ihr ſelbſt
um, und iſt nur ſo Selbſtbewegung, — Bewegung, die
aus ſich kommt, inſofern die ſetzende Reflexion vor-
ausſetzende, aber als vorausſetzende Reflexion
ſchlechthin ſetzende iſt.
So
[21]Das Weſen.
So iſt die Reflexion ſie ſelbſt, und ihr Nichtſeyn;
und iſt nur ſie ſelbſt, indem ſie das Negative ihrer iſt,
denn nur ſo iſt das Aufheben des Negativen zugleich als
ein Zuſammengehen mit ſich.
Die Unmittelbarkeit, die ſie als Aufheben ſich vor-
ausſetzt, iſt ſchlechthin nur als Geſetztſeyn, als an
ſich aufgehobenes, das nicht verſchieden iſt, von der
Ruͤckkehr in ſich, und ſelbſt nur dieſes Ruͤckkehren iſt.
Aber es iſt zugleich beſtimmt als Negatives, als un-
mittelbar gegen eines, alſo gegen ein Anderes. So
iſt die Reflexion beſtimmt; ſie iſt, indem ſie nach die-
ſer Beſtimmtheit, eine Vorausſetzung hat, und von
dem Unmittelbaren, als ihrem Andern anfaͤngt, aͤuſſe-
re Reflexion.
Die aͤuſſere Reflexion.
Die Reflexion als abſolute Reflexion iſt das in ihm
ſelbſt ſcheinende Weſen, und ſetzt ſich nur den Schein,
das Geſetztſeyn, voraus; ſie iſt als vorausſetzende un-
mittelbar nur ſetzende Reflexion. Aber die aͤuſſerliche
oder reale Reflexion ſetzt ſich als aufgehoben, als das
Negative ihrer voraus. Sie iſt in dieſer Beſtimmung
verdoppelt; das einemal als das Vorausgeſetzte, oder
die Reflexion in ſich, die das Unmittelbare iſt. Das
andremal iſt ſie die als negativ ſich auf ſich beziehende
Reflexion; ſie bezieht ſich auf ſich als auf jenes ihr Nicht-
ſeyn.
Die aͤuſſerliche Reflexion ſetzt alſo ein Seyn vor-
aus, erſtens nicht in dem Sinne, daß ſeine Unmit-
telbarkeit nur Geſetztſeyn oder Moment iſt, ſondern viel-
mehr,
[22]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
mehr, daß dieſe Unmittelbarkeit die Beziehung auf ſich,
und die Beſtimmtheit nur als Moment iſt. Sie bezieht
ſich auf ihre Vorausſetzung ſo, daß dieſe das Negative
der Reflexion iſt, aber ſo daß dieſes Negative als Ne-
gatives aufgehoben iſt. — Die Reflexion in ihrem Se-
zen, hebt unmittelbar ihr Setzen auf, ſo hat ſie eine
unmittelbare Vorausſetzung. Sie findet alſo
daſſelbe vor, als ein ſolches von dem ſie anfaͤngt, und
von dem aus ſie erſt das Zuruͤckgehen in ſich, das Ne-
giren dieſes ihres Negativen iſt. Aber daß diß Voraus-
geſetzte ein Negatives oder Geſetztes iſt, geht daſſelbe
nichts an; dieſe Beſtimmtheit gehoͤrt nur der ſetzenden
Reflexion an, aber in dem Vorausſetzen iſt das Geſetzt-
ſeyn nur als aufgehobenes. Was die aͤuſſerliche Re-
flexion an dem Unmittelbaren beſtimmt und ſetzt, ſind
inſofern demſelben aͤuſſerliche Beſtimmungen. — Sie
war das Unendliche in der Sphaͤre des Seyns; das
Endliche gilt als das Erſte, als das Reale, von ihm
wird als dem zu Grunde liegenden und zu Grund liegen
bleibenden angefangen, und das Unendliche iſt die gegen-
uͤber ſtehende Reflexion in ſich.
Dieſe aͤuſſere Reflexion iſt der Schluß, in welchem
die beyden Extreme, das Unmittelbare und die Reflexion
in ſich, ſind; die Mitte deſſelben iſt die Beziehung bey-
der, das beſtimmte Unmittelbare, ſo daß der eine Theil
derſelben, die Unmittelbarkeit nur dem einen Extreme,
die andere, die Beſtimmtheit oder Negation, nur dem
andern Extreme zukommt.
Aber das Thun der aͤuſſern Reflexion naͤher be-
trachtet, ſo iſt ſie zweytens Setzen des Unmittelba-
ren, das inſofern das Negative oder Beſtimmte wird;
aber ſie iſt unmittelbar auch das Aufheben dieſes ihres
Setzens; denn ſie ſetzt das Unmittelbare voraus; ſie
iſt
[23]Das Weſen.
iſt im Negiren das Negiren dieſes ihres Negirens. Sie
iſt aber unmittelbar damit eben ſo Setzen, Aufheben
des ihr negativen Unmittelbaren, und dieſes, von dem ſie
als von einem Fremden anzufangen ſchien, iſt erſt in
dieſem ihrem Anfangen. Das Unmittelbare iſt auf dieſe
Weiſe nicht nur an ſich, das hieſſe fuͤr uns oder in der
aͤuſſern Reflexion, daſſelbe was die Reflexion iſt, ſon-
dern es iſt geſetzt, daß es daſſelbe iſt. Es iſt nemlich
durch die Reflexion als ihr Negatives oder als ihr Ande-
res beſtimmt, aber ſie iſt es ſelbſt, welche dieſes Beſtim-
men negirt. — Es iſt damit die Aeuſſerlichkeit der Re-
flexion gegen das Unmittelbare aufgehoben; ihr ſich ſelbſt
negirendes Setzen iſt das Zuſammengehen ihrer mit ihrem
Negativen, mit dem Unmittelbaren und dieſes Zu-
ſammengehen iſt die weſentliche Unmittelbarkeit ſelbſt. —
Es iſt alſo vorhanden, daß die aͤuſſere Reflexion nicht
aͤuſſere, ſondern eben ſo ſehr immanente Reflexion der
Unmittelbarkeit ſelbſt iſt; oder daß das was durch die
ſetzende Reflexion iſt, das an und fuͤr ſich ſeyende We-
ſen iſt. So iſt ſie beſtimmende Reflexion.
Die Reflexion wird gewoͤhnlicher Weiſe in ſubjecti-
vem Sinne genommen, als die Bewegung der Urtheils-
kraft, die uͤber eine gegebene unmittelbare Vorſtellung
hinausgeht, und allgemeine Beſtimmungen fuͤr dieſelbe
ſucht oder damit vergleicht. Kant ſetzt die reflecti-
rende Urtheilskraft, der beſtimmenden Ur-
theilskraft entgegen. (Kritik der Urtheilskraft. Ein-
leit. S. XXIII. f.) Er definirt die Urtheilskraft uͤber-
haupt als das Vermoͤgen, das Beſondere als ent-
halten unter dem Allgemeinen zu denken.
Iſt das Allgemeine (die Regel, das Princip, das
Geſetz) gegeben, ſo iſt die Urtheilskraft, welche das
Beſon-
[24]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
Beſondere darunter ſubſumirt, beſtimmend. Iſt aber
nur das Beſondere gegeben, wozu ſie das Allge-
meine finden ſoll, ſo iſt die Urtheilskraft bloß re-
flectirend. Die Reflexion iſt ſomit hier gleichfalls das
Hinausgehen uͤber ein Unmittelbares zum Allgemeinen.
Das Unmittelbare wird theils erſt durch dieſe Beziehung
deſſelben auf ſein Allgemeines beſtimmt als Beſonders;
fuͤr ſich iſt es nur ein Einzelnes, oder ein unmittelbares
Seyendes. Theils aber iſt das, worauf es bezogen
wird, ſein Allgemeines, ſeine Regel, Princip, Geſetz;
uͤberhaupt das in ſich reflectirte, ſich auf ſich ſelbſt be-
ziehende, das Weſen oder das Weſentliche.
Es iſt aber hier nicht, weder von der Reflexion des
Bewußtſeyns, noch von der beſtimmtern Reflexion des
Verſtandes, die das Beſondere und Allgemeine zu ihren
Beſtimmungen hat, ſondern von der Reflexion uͤberhaupt
die Rede. Jene Reflexion, der Kant das Aufſuchen des
Allgemeinen zum gegebenen Beſondern zuſchreibt, iſt,
wie erhellt, gleichfalls nur die aͤuſſere Reflexion, die
ſich auf das Unmittelbare als auf ein gegebenes bezieht.
— Aber es liegt darin auch der Begriff der abſoluten
Reflexion; denn das Allgemeine, das Princip oder Re-
gel und Geſetz, zu dem ſie in ihrem Beſtimmen fortgeht,
gilt als das Weſen jenes Unmittelbaren, von dem ange-
fangen wird, ſomit dieſes als ein Nichtiges, und die
Ruͤckkehr aus demſelben, das Beſtimmen der Reflexion,
erſt als das Setzen des Unmittelbaren nach ſeinem wahr-
haften Seyn; alſo das was die Reflexion an ihm thut
und die Beſtimmungen, die von ihr herkommen, nicht
als ein jenem Unmittelbaren aͤuſſerliches, ſondern als
deſſen eigentliches Seyn.
Die aͤuſſerliche Reflexion war auch gemeynt, wenn
der Reflexion uͤberhaupt, wie es eine Zeitlang Ton in der
neuern
[25]Das Weſen.
neuern Philoſophie war, alles Ueble nachgeſagt und ſie
mit ihrem Beſtimmen als der Antipode und Erbfeind der
abſoluten Betrachtungsweiſe angeſehen wurde. In der
That geht auch die denkende Reflexion, inſofern ſie ſich
als aͤuſſerliche verhaͤlt, ſchlechthin von einem gegebenen,
ihr fremden Unmittelbaren aus, und betrachtet ſich als
ein bloß formelles Thun, das Inhalt und Stoff von
auſſen empfange, und fuͤr ſich nur die durch ihn bedingte
Bewegung ſey. — Ferner, wie ſich ſogleich bey der be-
ſtimmenden Reflexion naͤher ergeben wird, ſind die re-
flectirten Beſtimmungen anderer Art, als die
bloß unmittelbaren Beſtimmungen des Seyns. Letztere
werden leichter als voruͤbergehende, bloß relative, in der
Beziehung auf anderes ſtehende zugegeben; aber die re-
flectirten Beſtimmungen haben die Form des An-und-
fuͤr-ſichſeyns; ſie machen ſich daher als die Weſent-
lichen geltend, und ſtatt uͤbergehend in ihre entgegen-
geſetzten zu ſeyn, erſcheinen ſie vielmehr als abſolut, frey
und gleichguͤltig gegen einander. Sie widerſetzen ſich da-
her hartnaͤckig ihrer Bewegung, das Seyn derſelben
iſt ihre Identitaͤt mit ſich in ihrer Beſtimmtheit, nach
welcher ſie, ob ſie ſich zwar gegenſeitig vorausſetzen, in
dieſer Beziehung ſich ſchlechthin getrennt erhalten.
Beſtimmende Reflexion.
Die beſtimmende Reflexion iſt uͤberhaupt die Ein-
heit der ſetzenden und der aͤuſſern Reflexion. Diß
iſt naͤher zu betrachten. —
1. Die aͤuſſere Reflexion faͤngt vom unmittelbaren
Seyn an, die ſetzende vom Nichts. Die aͤuſſere Re-
flexion, die beſtimmend wird, ſetzt ein anderes, aber das
Weſen,
[26]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
Weſen, an die Stelle des aufgehobenen Seyns; das
Setzen ſetzt ſeine Beſtimmung nicht an die Stelle eines
andern; es hat keine Vorausſetzung. Aber deßwegen iſt
es nicht die vollendete, beſtimmende Reflexion; die Be-
ſtimmung, die es ſetzt, iſt daher nur ein Geſetztes; es
iſt Unmittelbares, aber nicht als ſich ſelbſt gleich, ſon-
dern als ſich negirend, es hat abſolute Beziehung auf
die Ruͤckkehr in ſich, es iſt nur in der Reflexion in ſich,
aber es iſt nicht dieſe Reflexion ſelbſt.
Das Geſetzte iſt daher ein Anderes, aber ſo
daß die Gleichheit der Reflexion mit ſich ſchlechthin er-
halten iſt; denn das Geſetzte iſt nur als aufgehobenes,
als Beziehung auf die Ruͤckkehr in ſich ſelbſt. — In der
Sphaͤre des Seyns, war das Daſeyn das
Seyn, das die Negation an ihm hatte, und das Seyn
der unmittelbare Boden und Element dieſer Negation,
die daher ſelbſt die unmittelbare war. Dem Daſeyn ent-
ſpricht in der Sphaͤre des Weſens das Geſetzt-
ſeyn. Es iſt gleichfalls ein Daſeyn, aber ſein Boden
iſt das Seyn, als Weſen oder als reine Negativitaͤt; es
iſt eine Beſtimmtheit oder Negation nicht als ſeyend,
ſondern unmittelbar als aufgehoben. Das Daſeyn
iſt nur Geſetztſeyn; diß iſt der Satz des Weſens
vom Daſeyn. Das Geſetztſeyn ſteht einerſeits dem Da-
ſeyn, andererſeits dem Weſen gegenuͤber, und iſt als
die Mitte zu betrachten, welche das Daſeyn mit dem
Weſen und umgekehrt das Weſen mit dem Daſeyn zu-
ſammenſchließt. — Wenn man ſagt, eine Beſtimmung
iſt nur ein Geſetztſeyn, ſo kann diß daher den doppel-
ten Sinn haben; ſie iſt diß im Gegenſatze gegen das Da-
ſeyn, oder gegen das Weſen. In jenem Sinne wird
das Daſeyn fuͤr etwas hoͤheres genommen, als das Ge-
ſetztſeyn, und dieſes der aͤuſſern Reflexion, dem ſub-
jectiven zugeſchrieben. In der That aber iſt das Ge-
ſetzt-
[27]Das Weſen.
ſetztſeyn das hoͤhere; denn als Geſetztſeyn iſt das Daſeyn,
als das was es an ſich iſt, als Negatives, ein ſchlechthin
nur auf die Ruͤckkehr in ſich bezogenes. Deßwegen iſt
das Geſetztſeyn nur ein Geſetztſeyn in Ruͤckſicht auf das
Weſen, als die Negation des Zuruͤckgekehrtſeyns in ſich
ſelbſt.
2. Das Geſetztſeyn iſt noch nicht Reflexionsbeſtim-
mung; es iſt nur Beſtimmtheit, als Negation uͤberhaupt.
Aber das Setzen iſt nun in Einheit mit der aͤuſſern Re-
flexion; dieſe iſt in dieſer Einheit abſolutes Vorausſetzen;
das heißt, das Abſtoſſen der Reflexion von ſich ſelbſt,
oder Setzen der Beſtimmtheit als ihrer ſelbſt. Das
Geſetztſeyn iſt daher, als ſolches Negation; aber als
vorausgeſetztes iſt ſie als in ſich reflectirte. So iſt das
Geſetztſeyn Reflexionsbeſtimmung.
Die Reflexionsbeſtimmung iſt von der Beſtimmtheit
des Seyns, der Qualitaͤt, unterſchieden; dieſe iſt un-
mittelbare Beziehung auf Anderes uͤberhaupt; auch das
Geſetztſeyn iſt Beziehung auf Anderes, aber auf das Re-
flectirtſeyn in ſich. Die Negation als Qualitaͤt iſt Ne-
gation als ſeyend; das Seyn macht ihren Grund und
Element aus. Die Reflexionsbeſtimmung hingegen hat
zu dieſem Grunde das Reflectirtſeyn in ſich ſelbſt. Das
Geſetztſeyn fixirt ſich zur Beſtimmung, eben darum, weil
die Reflexion die Gleichheit mit ſich ſelbſt in ihrem Ne-
girtſeyn iſt; ihr Negirtſeyn iſt daher ſelbſt Reflexion in
ſich. Die Beſtimmung beſteht hier nicht durch das Seyn,
ſondern durch ihre Gleichheit mit ſich. Weil das Seyn,
das die Qualitaͤt traͤgt, das der Negation ungleiche iſt,
ſo iſt die Qualitaͤt in ſich ſelbſt ungleich, daher uͤberge-
hendes, im Andern verſchwindendes Moment. Hinge-
gen die Reflexionsbeſtimmung iſt das Geſetztſeyn als
Negation, Negation die zu ihrem Grunde das Negirt-
ſeyn
[28]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
ſeyn hat, alſo ſich in ſich ſelbſt nicht ungleich iſt, ſomit
weſentliche, nicht uͤbergehende Beſtimmtheit. Die
Sich-ſelbſt-gleichheit der Reflexion, welche
das Negative nur als Negatives, als Aufgehobenes oder
Geſetztes hat, iſt es, welche demſelben Beſtehen gibt.
Um dieſer Reflexion in ſich willen erſchei-
nen die Reflexionsbeſtimmungen als freye, im Leeren oh-
ne Anziehung oder Abſtoſſung gegen einander ſchwebende
Weſenheiten. In ihnen hat ſich die Beſtimmtheit
durch die Beziehung auf ſich befeſtigt und unendlich
fixirt. Es iſt das Beſtimmte, das ſein Uebergehen und
ſein bloßes Geſetztſeyn ſich unterworfen, oder ſeine Re-
flexion in anderes in Reflexion in ſich umgebogen hat.
Dieſe Beſtimmungen machen hiedurch den beſtimmten
Schein aus, wie er im Weſen iſt, den weſentlichen
Schein. Aus dieſem Grunde iſt die beſtimmende
Reflexion die auſſer ſich gekommene Reflexion; die
Gleichheit des Weſens mit ſich ſelbſt iſt in die Negation
verlohren, die das Herrſchende iſt.
Es ſind alſo an der Reflexionsbeſtimmung zwey
Seiten, die zunaͤchſt ſich unterſcheiden. Erſtlich iſt
ſie das Geſetztſeyn, die Negation als ſolche; zweytens
iſt ſie die Reflexion in ſich. Nach dem Geſetztſeyn iſt ſie
die Negation als Negation; diß iſt ſomit bereits ihre
Einheit mit ſich ſelbſt. Aber ſie iſt diß nur erſt an
ſich; oder ſie iſt das Unmittelbare als ſich an ihm auf-
hebend, als das Andre ſeiner ſelbſt. — Inſofern iſt die
Reflexion in ſich bleibendes Beſtimmen. Das Weſen
geht darin nicht auſſer ſich; die Unterſchiede ſind ſchlecht-
hin geſetzt, in das Weſen zuruͤckgenommen. Aber
nach der andern Seite ſind ſie nicht geſetzte, ſondern in
ſich ſelbſt reflectirt; die Negation als Negation, iſt in
Gleichheit mit ihr ſelbſt, nicht in ihr Anderes, nicht in
ihr Nichtſeyn reflectirt.
3. In-
[29]Das Weſen.
3. Indem nun die Reflexionsbeſtimmung ſowohl
reflectirte Beziehung in ſich ſelbſt, als auch Geſetztſeyn
iſt, ſo erhellt unmittelbar daraus ihre Natur naͤher.
Als Geſetztſeyn nemlich iſt ſie die Negation als ſolche,
ein Nichtſeyn gegen ein anderes, nemlich gegen die
abſolute Reflexion in ſich oder gegen das Weſen. Aber
als Beziehung auf ſich iſt ſie in ſich reflectirt. — Dieſe
ihre Reflexion und jenes Geſetztſeyn ſind verſchieden; ihr
Geſetztſeyn iſt vielmehr ihr Aufgehobenſeyn; ihr Re-
flectirtſeyn in ſich aber iſt ihr Beſtehen. Inſofern es
nun alſo das Geſetztſeyn iſt, das zugleich Reflexion in
ſich ſelbſt iſt, ſo iſt die Reflexionsbeſtimmtheit die Be-
ziehung auf ihr Andersſeyn an ihr ſelbſt. —
Sie iſt nicht als eine ſeyende, ruhende Beſtimmtheit,
welche bezogen wuͤrde auf ein anderes, ſo daß das Be-
zogene und deſſen Beziehung verſchieden von einander
ſind, jenes ein inſichſeyendes, ein Etwas, welches ſein
Anderes und ſeine Beziehung auf diß Andere von ſich aus-
ſchließt. Sondern die Reflexionsbeſtimmung iſt an ihr
ſelbſt die beſtimmte Seite, und die Beziehung
dieſer beſtimmten Seite als beſtimmter, das heißt, auf
ihre Negation. — Die Qualitaͤt geht durch ihre Bezie-
hung in anderes uͤber; in ihrer Beziehung beginnt ihre
Veraͤnderung. Die Reflexionsbeſtimmung hingegen hat
ihr Andersſeyn in ſich zuruͤckgenommen. Sie iſt Ge-
ſetztſeyn, Negation, welche aber die Beziehung auf
anderes in ſich zuruͤckbeugt, und Negation, die ſich ſelbſt
gleich, die Einheit ihrer ſelbſt und ihres Andern und nur
dadurch Weſenheit iſt. Sie iſt alſo Geſetztſeyn, Nega-
tion, aber als Reflexion in ſich iſt ſie zugleich das Aufge-
hobenſeyn dieſes Geſetztſeyns, unendliche Beziehung auf
ſich.
Zwey-
[30]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
Zweytes Kapitel.
Die Weſenheiten
oder
die Reflexions-Beſtimmungen.
Die Reflexion iſt beſtimmte Reflexion; ſomit iſt das
Weſen beſtimmtes Weſen, oder es iſt Weſenheit.
Die Reflexion iſt das Scheinen des Weſens
in ſich ſelbſt. Das Weſen als unendliche Ruͤckkehr in
ſich iſt nicht unmittelbare, ſondern negative Einfachheit;
es iſt eine Bewegung durch unterſchiedene Momente, ab-
ſolute Vermittlung mit ſich. Aber es ſcheint in dieſe ſeine
Momente; ſie ſind daher ſelbſt in ſich reflectirte Beſtim-
mungen.
Das Weſen iſt zuerſt einfache Beziehung auf ſich
ſelbſt; reine Identitaͤt. Diß iſt ſeine Beſtimmung,
nach der es vielmehr Beſtimmungsloſigkeit iſt.
Zweytens die eigentliche Beſtimmung iſt der
Unterſchied; und zwar theils als aͤuſſerlicher oder
gleichguͤltiger Unterſchied, die Verſchiedenheit uͤber-
haupt; theils aber als entgegengeſetzte Verſchiedenheit
oder als Gegenſatz.
Drittens als Widerſpruch reflectirt ſich der
Gegenſatz in ſich ſelbſt und geht in ſeinen Grund zu-
ruͤck.
Anmer-
[31]Das Weſen.
Anmerkung.
Die Reflexionsbeſtimmungen pflegten ſonſt
in die Form von Saͤtzen aufgenommen zu werden,
worin von ihnen ausgeſagt wurde, daß ſie von Allem
gelten. Dieſe Saͤtze galten als die allgemeinen
Denkgeſetze, die allem Denken zum Grunde liegen,
an ihnen ſelbſt abſolut und unbeweisbar ſeyen, aber von
jedem Denken, wie es ihren Sinn faſſe, unmittelbar
und unwiderſprochen als wahr anerkannt und angenom-
men werden.
So wird die weſentliche Beſtimmung der Identi-
taͤt in dem Satze ausgeſprochen: Alles iſt ſich ſelbſt
gleich;A = A. Oder negativ: A kann nicht zugleich A
und nicht A ſeyn.
Es iſt zunaͤchſt nicht abzuſehen, warum nur dieſe
einfachen Beſtimmungen der Reflexion in dieſe beſondere
Form gefaßt werden ſollen, und nicht auch die andern
Kategorien, wie alle Beſtimmtheiten der Sphaͤre des
Seyns. Es ergaͤben ſich die Saͤtze z. B. Alles iſt,
Alles hat ein Daſeyn u. ſ. f. oder Alles hat eine
Qualitaͤt, Quantitaͤt u. ſ. w. Denn Seyn, Da-
ſeyn u. ſ. f. ſind als logiſche Beſtimmungen uͤberhaupt
Praͤdicate von Allem. Die Kategorie iſt ihrer Etymologie
und der Definition des Ariſtoteles nach, dasjenige, was
von dem Seyenden geſagt, behauptet wird. — Allein
eine Beſtimmtheit des Seyns iſt weſentlich ein Ueberge-
hen ins Entgegengeſetzte; die negative einer jeden Be-
ſtimmtheit iſt ſo nothwendig als ſie ſelbſt; als unmittel-
baren Beſtimmtheiten ſteht jeder die andere unmittelbar
gegenuͤber. Wenn dieſe Kategorien daher in ſolche Saͤtze
gefaßt werden, ſo kommen eben ſo ſehr die entgegenge-
ſetzten Saͤtze zum Vorſchein; beyde bieten ſich mit glei-
cher
[32]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
cher Nothwendigkeit dar, und haben als unmittelbare Be-
hauptungen wenigſtens gleiches Recht. Der eine erfo-
derte dadurch einen Beweis gegen den andern, und die-
ſen Behauptungen koͤnnte daher nicht mehr der Charakter
von unmittelbar wahren und unwiderſprechlichen Saͤtzen
des Denkens zukommen.
Die Reflexionsbeſtimmungen dagegen ſind nicht von
qualitativer Art. Sie ſind ſich auf ſich beziehende und
damit der Beſtimmtheit gegen Anderes zugleich entnom-
mene Beſtimmungen. Ferner indem es Beſtimmtheiten
ſind, welche Beziehungen an ſich ſelbſt ſind, ſo ent-
halten ſie inſofern die Form des Satzes ſchon in ſich.
Denn der Satz unterſcheidet ſich vom Urtheil vornemlich
dadurch, daß in jenem der Inhalt die Beziehung
ſelbſt ausmacht, oder daß er eine beſtimmte Bezie-
hung iſt. Das Urtheil dagegen verlegt den Inhalt in
das Praͤdicat, als eine allgemeine Beſtimmtheit, die fuͤr
ſich und von ihrer Beziehung, der einfachen Copula, un-
terſchieden iſt. Wenn ein Satz in ein Urtheil verwandelt
werden ſoll, ſo wird der beſtimmte Inhalt, wenn er z.
B. in einem Zeitworte liegt, in ein Particip verwandelt,
um auf dieſe Art die Beſtimmung ſelbſt und ihre Bezie-
hung auf ein Subject zu trennen. Den Reflexionsbe-
ſtimmungen dagegen als in ſich reflectirtem Geſetztſeyn
liegt die Form des Satzes ſelbſt nahe. — Allein indem
ſie als allgemeine Denkgeſetze ausgeſprochen wer-
den, ſo beduͤrfen ſie noch eines Subjects ihrer Bezie-
hung, und diß Subject iſt: Alles; oder ein A, was
eben ſo viel als Alles und Jedes Seyn bedeutet.
Einestheils iſt dieſe Form von Saͤtzen etwas uͤber-
fluͤſſiges; die Reflexionsbeſtimmungen ſind an und fuͤr
ſich zu betrachten. Ferner haben dieſe Saͤtze die ſchiefe
Seite, das Seyn, Alles Etwas, zum Subjecte zu
haben.
[33]Das Weſen.
haben. Sie erwecken damit das Seyn wieder, und
ſprechen die Reflexionsbeſtimmungen, die Identitaͤt u. ſ. f.
von dem Etwas als eine Qualitaͤt aus, die es an ihm
habe; nicht in ſpeculativem Sinne, ſondern daß Etwas
als Subject in einer ſolchen Qualitaͤt bleibe als ſeyen-
des, nicht daß es in die Identitaͤt u. ſ. f. als in ſeine
Wahrheit und ſein Weſen uͤbergegangen ſey.
Endlich aber haben die Reflexionsbeſtimmungen
zwar die Form ſich ſelbſt gleich und daher unbezogen auf
anderes und ohne Entgegenſetzung zu ſeyn; aber wie ſich
aus ihrer naͤhern Betrachtung ergeben wird, — oder
wie unmittelbar an ihnen, als der Identitaͤt, der Ver-
ſchiedenheit, der Entgegenſetzung erhellt — ſind ſie be-
ſtimmte gegen einander, ſie ſind alſo durch ihre
Form der Reflexion, dem Uebergehen und dem Wider-
ſpruche nicht entnommen. Die mehrern Saͤtze, die
als abſolute Denkgeſetze aufgeſtellt werden, ſind
daher, naͤher betrachtet, einander entgegenge-
ſetzt, ſie widerſprechen einander und heben ſich gegen-
ſeitig auf. — Wenn Alles identiſch mit ſich iſt, ſo
iſt es nicht verſchieden, nicht entgegengeſetzt,
hat keinen Grund. Oder wenn angenommen wird, es
gibt nicht zwey gleiche Dinge d. h. Alles iſt von
einander verſchieden, ſo iſt A nicht gleich A, ſo iſt
A auch nicht entgegengeſetzt u. ſ. f. Die Annahme eines
jeden von dieſen Saͤtzen laͤßt die Annahme der andern
nicht zu. — Die gedankenloſe Betrachtung derſelben
zaͤhlt ſie nach einander auf, ſo daß ſie in keiner Be-
ziehung auf einander erſcheinen; ſie hat bloß ihr Re-
flectirtſeyn in ſich im Sinne, ohne ihr anderes Mo-
ment, das Geſetztſeyn oder ihre Beſtimmtheit
als ſolche zu beachten, welche ſie in den Uebergang und
in ihre Negation fortreißt.
CA. Die
[34]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
A.
Die Identitaͤt.
1. Das Weſen iſt die einfache Unmittelbarkeit als
aufgehobene Unmittelbarkeit. Seine Negativitaͤt iſt ſein
Seyn; es iſt ſich ſelbſt gleich in ſeiner abſoluten Nega-
tivitaͤt, durch die das Andersſeyn und die Beziehung auf
Anderes ſchlechthin an ſich ſelbſt in die reine Sichſelbſt-
gleichheit verſchwunden iſt. Das Weſen iſt alſo einfache
Identitaͤt mit ſich.
Dieſe Identitaͤt mit ſich iſt die Unmittelbar-
keit der Reflexion. Sie iſt nicht diejenige Gleichheit
mit ſich, welche das Seyn oder auch das Nichts iſt,
ſondern die Gleichheit mit ſich, welche als ſich zur Ein-
heit herſtellende iſt, nicht ein Wiederherſtellen aus einem
Andern, ſondern diß reine Herſtellen aus und in ſich
ſelbſt; die weſentliche Identitaͤt. Sie iſt inſofern
nicht abſtracte Identitaͤt, oder nicht durch ein relati-
ves Negiren entſtanden, das auſſerhalb ihrer vorgegan-
gen waͤre, und das Unterſchiedene nur von ihr abge-
trennt, uͤbrigens aber daſſelbe auſſer ihr als ſeyend
gelaſſen haͤtte, vor wie nach. Sondern das Seyn und
alle Beſtimmtheit des Seyns hat ſich nicht relativ, ſon-
dern an ſich ſelbſt aufgehoben; und dieſe einfache Nega-
tivitaͤt, des Seyns an ſich, iſt die Identitaͤt ſelbſt.
Sie iſt inſofern noch uͤberhaupt daſſelbe, als das
Weſen.
Anmer-
[35]Das Weſen.
Das Denken, das ſich in der aͤuſſern Reflexion haͤlt,
und von keinem andern Denken weiß, als der aͤuſſern
Reflexion, kommt nicht dazu, die Identitaͤt wie ſie ſo
eben gefaßt worden iſt, oder das Weſen, was daſſelbe
iſt, zu erkennen. Solches Denken hat immer nur die
abſtracte Identitaͤt vor ſich, und auſſer und neben der-
ſelben den Unterſchied. Es meynt, die Vernunft ſey
weiter nichts als ein Webſtuhl, auf dem ſie den Zettel,
etwa die Identitaͤt, und dann den Eintrag, den Unter-
ſchied, aͤuſſerlich mit einander verbinde und verſchlinge;
oder auch wieder analyſirend itzt die Identitaͤt beſonders
herausziehe, und dann auch wieder den Unterſchied
daneben erhalte, itzt ein Gleichſetzen, und dann
auch wieder ein Ungleichſetzen ſey; — ein Gleich-
ſetzen, indem man von Unterſchiede, — ein Ungleich-
ſetzen, indem man vom Gleichſetzen abſtrahire. —
Man muß dieſe Verſicherungen und Meynungen von dem,
was die Vernunft thue, ganz bey Seite geſtellt laſſen,
indem ſie gewiſſermaſſen bloß hiſtoriſche ſind, und
vielmehr die Betrachtung von Allem, was iſt, an ihm
ſelbſt zeigt, daß es in ſeiner Gleichheit mit ſich ſich un-
gleich und widerſprechend, und in ſeiner Verſchiedenheit,
in ſeinem Widerſpruche, mit ſich identiſch, und an ihm
ſelbſt, dieſe Bewegung des Uebergehens einer dieſer Be-
ſtimmungen in die andere iſt, und diß darum, weil jede
an ihr ſelbſt das Gegentheil ihrer ſelbſt iſt. Der Begriff
der Identitaͤt, einfache ſich auf ſich beziehende Negativi-
taͤt zu ſeyn, iſt nicht ein Product der aͤuſſern Reflexion,
ſondern hat ſich an dem Seyn ſelbſt ergeben. Da hinge-
gen jene Identitaͤt, die auſſer dem Unterſchied, und der
Unterſchied, der auſſer der Identitaͤt ſey, Producte der
aͤuſſern Reflexion und der Abſtraction ſind, die ſich will-
kuͤhrlicher Weiſe auf dieſem Punkte der gleichguͤltigen
Verſchiedenheit feſthaͤlt.
C 22. Die-
[36]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
2. Dieſe Identitaͤt iſt zunaͤchſt das Weſen ſelbſt,
noch keine Beſtimmung deſſelben; die ganze Reflexion,
nicht ein unterſchiedenes Moment derſelben. Als abſo-
lute Negation iſt ſie die Negation, die unmittelbar ſich
ſelbſt negirt; ein Nichtſeyn und Unterſchied, der in ſei-
nem Entſtehen verſchwindet, oder ein Unterſcheiden, wo-
durch nichts unterſchieden wird, ſondern das unmittelbar
in ſich ſelbſt zuſammenfaͤllt. Das Unterſcheiden iſt das
Setzen des Nichtſeyns, als des Nichtſeyns des Andern.
Aber das Nichtſeyn des Andern iſt Aufheben des Andern,
und ſomit des Unterſcheidens ſelbſt. So iſt aber das
Unterſcheiden hier vorhanden, als ſich auf ſich beziehende
Negativitaͤt, als ein Nichtſeyn, das das Nichtſeyn ſei-
ner ſelbſt iſt; ein Nichtſeyn, das ſein Nichtſeyn nicht an
einem andern, ſondern an ſich ſelbſt hat. Es iſt alſo
der ſich auf ſich beziehende, der reflectirte Unterſchied
vorhanden, oder reine, abſolute Unterſchied.
Oder die Identitaͤt iſt die Reflexion in ſich ſelbſt,
welche diß nur iſt, als innerliches Abſtoſſen, und diß
Abſtoſſen iſt es als Reflexion in ſich, unmittelbar ſich in
ſich zuruͤcknehmendes Abſtoſſen. Sie iſt ſomit die Iden-
titaͤt als der mit ſich identiſche Unterſchied. Der Unter-
ſchied iſt aber nur identiſch mit ſich, inſofern er nicht die
Identitaͤt, ſondern abſolute Nichtidentitaͤt iſt. Abſolut
aber iſt die Nichtidentitaͤt, inſofern ſie nichts von ihr an-
deres enthaͤlt, ſondern nur ſich ſelbſt, das heißt, inſo-
fern ſie abſolute Identitaͤt mit ſich iſt.
Die Identitaͤt iſt alſo an ihr ſelbſt abſolute
Nichtidentitaͤt. Aber ſie iſt auch die Beſtimmung
der Identitaͤt dagegen. Denn als Reflexion in ſich ſetzt
ſie ſich als ihr eigenes Nichtſeyn; ſie iſt das Ganze,
aber als Reflexion ſetzt ſie ſich als ihr eigenes Moment,
als Geſetztſeyn, aus welchem ſie die Ruͤckkehr in ſich iſt.
So
[37]Das Weſen.
So als ihr Moment iſt ſie erſt die Identitaͤt als ſolche
als Beſtimmung der einfachen Gleichheit mit ſich
ſelbſt, gegen den abſoluten Unterſchied.
Ich werde in dieſer Anmerkung die Identitaͤt als
den Satz der Identitaͤt naͤher betrachten, der als
das erſte Denkgeſetz aufgefuͤhrt zu werden pflegt.
Dieſer Satz in ſeinem poſitiven Ausdrucke A = A,
iſt zunaͤchſt nichts weiter, als der Ausdruck der leeren
Tavtologie. Es iſt daher richtig bemerkt worden,
daß dieſes Denkgeſetz ohne Inhalt ſey und nicht wei-
ter fuͤhre. So iſt die leere Identitaͤt, an welcher dieje-
nigen feſthangen bleiben, welche ſie als ſolche fuͤr etwas
Wahres nehmen und immer vorzubringen pflegen, die
Identitaͤt ſey nicht die Verſchiedenheit, ſondern die Iden-
titaͤt und die Verſchiedenheit ſeyen verſchieden. Sie ſe-
hen nicht, daß ſie ſchon hierin ſelbſt ſagen, daß die
Identitaͤt ein Verſchiedenes iſt; denn ſie ſagen,
die Identitaͤt ſey verſchieden von der Verſchie-
denheit; indem diß zugleich als die Natur der Identitaͤt
zugegeben werden muß, ſo liegt darin, daß die Identi-
taͤt nicht aͤuſſerlich, ſondern an ihr ſelbſt, in ihrer Na-
tur diß ſey, verſchieden zu ſeyn. — Ferner aber indem
ſie an dieſer unbewegten Identitaͤt feſthalten, welche ih-
ren Gegenſatz an der Verſchiedenheit hat, ſo ſehen ſie
nicht, daß ſie hiemit dieſelbe zu einer einſeitigen Be-
ſtimmtheit machen, die als ſolche keine Wahrheit hat.
Es wird zugegeben, daß der Satz der Identitaͤt nur
eine einſeitige Beſtimmtheit ausdruͤcke, daß er nur
die formelle eine abſtracte, unvollſtaͤndige
Wahrheit enthalte. — In dieſem richtigen Urtheil
liegt aber unmittelbar, daß die Wahrheit nur in
der
[38]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
der Einheit der Identitaͤt mit der Verſchie-
denheit vollſtaͤndig iſt, und ſomit nur in dieſer
Einheit beſtehe. Indem behauptet wird, daß jene Iden-
titaͤt unvollkommen iſt, ſo ſchwebt dieſe Totalitaͤt, an der
gemeſſen die Identitaͤt unvollkommen iſt, als das Voll-
kommene dem Gedanken vor; indem aber auf der andern Sei-
te die Identitaͤt als abſolut getrennt von der Verſchie-
denheit feſtgehalten und in dieſer Trennung als ein We-
ſentliches, Geltendes, Wahres genommen wird, ſo iſt
in dieſen widerſtreitenden Behauptungen nichts zu ſehen,
als der Mangel dieſe Gedanken, daß die Identitaͤt als
abſtracte weſentlich, und daß ſie als ſolche eben ſo un-
vollkommen iſt, zuſammenzubringen; der Mangel des
Bewußtſeyns uͤber die negative Bewegung, als welche
in dieſen Behauptungen die Identitaͤt ſelbſt dargeſtellt
wird. — Oder indem ſich ſo ausgedruͤckt wird, die
Identitaͤt ſey weſentliche Identitaͤt als Tren-
nung von der Verſchiedenheit, oder in der Tren-
nung von der Verſchiedenheit, ſo iſt diß unmit-
telbar die ausgeſprochene Wahrheit derſelben, daß ſie
darin beſteht, Trennung als ſolche zu ſeyn, oder in
der Trennung weſentlich, das iſt, nichts fuͤr
ſich, ſondern Moment der Trennung zu ſeyn.
Was nun die ſonſtige Beglaubigung der abſoluten
Wahrheit des Satzes der Identitaͤt betrift, ſo
wird ſie inſofern auf die Erfahrung gegruͤndet, als
ſich auf die Erfahrung jedes Bewußtſeyns berufen wird,
daß es, wie man ihm dieſen Satz, A iſt A, ein
Baum iſt ein Baum, ausſpreche, es denſelben un-
mittelbar zugebe und darin befriedigt ſey, daß der Satz
als unmittelbar klar durch ſich ſelbſt, keiner andern Be-
gruͤndung und Beweiſes beduͤrfe.
Einestheils iſt dieſe Berufung auf die Erfahrung,
daß allgemein jedes Bewußtſeyn ihn anerkenne, bloße
Redens-
[39]Das Weſen.
Redensart. Denn man will nicht ſagen, daß man das
Experiment mit dem abſtracten Satze A=A an jedem
Bewußtſeyn gemacht habe. Es iſt inſofern weiter nicht
Ernſt mit jener Berufung auf wirklich gemachte Erfah-
rung, ſondern ſie iſt nur die Verſicherung, daß
wenn man die Erfahrung machte, ſich das Reſultat des
allgemeinen Anerkennens ergeben wuͤrde. — Waͤre aber
nicht der abſtracte Satz als ſolcher, ſondern der Satz in
concreter Anwendung gemeynt, aus der jener erſt
entwickelt werden ſollte, ſo beſtuͤnde die Behauptung
von ſeiner Allgemeinheit und Unmittelbarkeit darin, daß
jedes Bewußtſeyn, und ſelbſt in jeder ſeiner Aeuſſerun-
gen ihn zu Grunde lege, oder daß er implicite
in jeder liege. Allein das Concrete und die An-
wendung iſt ja eben die Beziehung des einfachen
Identiſchen auf ein von ihm verſchiedenes
Mannichfaltiges. Als Satz ausgedruͤckt, waͤre das
Concrete zunaͤchſt ein ſynthetiſcher Satz. Aus dem Concre-
ten ſelbſt oder ſeinem ſynthetiſchen Satze wuͤrde die Ab-
ſtraction den Satz der Identitaͤt wohl durch Analyſe her-
ausbringen koͤnnen; aber in der That haͤtte ſie die Er-
fahrung nicht gelaſſen wie ſie iſt, ſondern veraͤn-
dert; denn die Erfahrung enthielt vielmehr die
Identitaͤt in Einheit mit der Verſchiedenheit, und iſt die
unmittelbare Widerlegung von der Behauptung,
daß die abſtracte Identitaͤt als ſolche etwas Wahres ſey,
denn das gerade Gegentheil, nemlich die Identitaͤt nur
vereinigt mit der Verſchiedenheit, kommt in jeder Erfah-
rung vor.
Auf der andern Seite wird aber auch die Erfah-
rung mit dem reinen Satze der Identitaͤt, nur zu oft,
gemacht, und es zeigt ſich in dieſer Erfahrung klar ge-
nug, wie die Wahrheit, die er enthaͤlt, angeſehen wird.
Wenn nemlich z. B. auf die Frage: was iſt eine
Pflan-
[40]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
Pflanze? die Antwort gegeben wird: eine Pflanze
iſt — eine Pflanze, ſo wird die Wahrheit ei-
nes ſolchen Satzes, von der ganzen Geſellſchaft, an
der ſie erprobt wird, zugleich zugegeben, und zu-
gleich eben ſo einſtimmig geſagt werden, daß da-
mit Nichts geſagt iſt. Wenn einer den Mund
aufthut, und anzugeben verſpricht, was Gott ſey,
nemlich Gott ſey — Gott, ſo findet ſich die Erwar-
tung getaͤuſcht, denn ſie ſah einer verſchiedenen
Beſtimmung entgegen; und wenn dieſer Satz ab-
ſolute Wahrheit iſt, wird ſolche abſolute Rednerey
ſehr gering geachtet; es wird nichts fuͤr langweiliger und
laͤſtiger gehalten werden, als eine nur daſſelbe wieder-
kaͤuende Unterhaltung, als ſolches Reden, das doch
Wahrheit ſeyn ſoll.
Naͤher dieſe Wirkung der Langeweile bey ſolcher
Wahrheit betrachtet, ſo macht der Anfang: die Pflan-
ze iſt —, Anſtalten etwas zu ſagen, eine weitere
Beſtimmung vorzubringen. Indem aber nur daſſelbe
wiederkehrt, ſo iſt vielmehr das Gegentheil geſchehen,
es iſt Nichts herausgekommen. Solches identiſche
Reden widerſpricht ſich alſo ſelbſt. Die Identi-
taͤt, ſtatt an ihr die Wahrheit und abſolute Wahrheit zu
ſeyn, iſt daher vielmehr das Gegentheil; ſtatt das un-
bewegte Einfache zu ſeyn, iſt ſie das Hinausgehen uͤber
ſich in die Aufloͤſung ihrer ſelbſt.
Es liegt alſo in der Form des Satzes, in der
die Identitaͤt ausgedruͤckt iſt, mehr als die einfache,
abſtracte Identitaͤt; es liegt dieſe reine Bewegung der
Reflexion darin, in der das Andre nur als Schein, als
unmittelbares Verſchwinden auftritt; Aiſt, iſt ein Be-
ginnen, dem ein Verſchiedenes vorſchwebt, zu dem hin-
ausgegangen werde; aber es kommt nicht zu dem Ver-
ſchie-
[41]Das Weſen.
ſchiedenen; Aiſt — A; die Verſchiedenheit iſt nur ein
Verſchwinden; die Bewegung geht in ſich ſelbſt zuruͤck. —
Die Form des Satzes kann als die verborgene Nothwen-
digkeit angeſehen werden, noch das Mehr jener Bewe-
gung zu der abſtracten Identitaͤt hinzuzufuͤgen. — So
kommt auch ein A, oder eine Pflanze oder ſonſt ein Sub-
ſtrat hinzu, das als ein unnuͤtzer Inhalt keine Bedeu-
tung hat; aber er macht die Verſchiedenheit aus, die
ſich zufaͤlligerweiſe beyzugeſellen ſcheint. Wenn ſtatt des
A und jedes andern Subſtrats, die Identitaͤt ſelbſt ge-
nommen wird, — die Identitaͤt iſt die Identitaͤt, — ſo
iſt eben ſo zugegeben, daß ſtatt dieſer gleichfalls jedes an-
dere Subſtrat genommen werden koͤnne. Wenn ſich da-
her einmal darauf berufen werden ſoll, was die Erſchei-
nung zeigt, ſo zeigt ſie diß, daß in dem Ausdrucke der
Identitaͤt auch unmittelbar die Verſchiedenheit vorkommt;
— oder beſtimmter nach dem Obigen, daß dieſe Identi-
taͤt das Nichts, daß ſie die Negativitaͤt, der abſolute
Unterſchied von ſich ſelbſt iſt.
Der andre Ausdruck des Satzes der Identitaͤt: A
kann nicht zugleich A und Nicht-A ſeyn, hat
negative Form; er heißt der Satz des Wider-
ſpruchs. Es pflegt daruͤber, wie die Form der
Negation, wodurch ſich dieſer Satz vom vorigen unter-
ſcheidet, an die Identitaͤt komme, keine Rechtfertigung
gegeben zu werden. — Dieſe Form liegt aber darin,
daß die Identitaͤt als die reine Bewegung der Reflexion,
die einfache Negativitaͤt iſt, welche der angefuͤhrte zweyte
Ausdruck des Satzes entwickelter enthaͤlt. Es iſt A aus-
geſprochen und ein Nicht-A, das Rein-Andre des A,
aber es zeigt ſich nur um zu verſchwinden. Die Identi-
taͤt iſt alſo in dieſem Satze ausgedruͤckt, — als Negation
der Negation. A und Nicht-A, ſind unterſchieden, die-
ſe unterſchiednen ſind auf ein und daſſelbe A bezogen.
Die
[42]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
Die Identitaͤt iſt alſo als dieſe Unterſchiedenheit
in Einer Beziehung oder als der einfache Un-
terſchied an ihnen ſelbſt hier dargeſtellt.
Es erhellt hieraus, daß der Satz der Identitaͤt
ſelbſt und noch mehr der Satz des Widerſpruchs nicht
bloß analytiſcher, ſondern ſynthetiſcher Natur
iſt. Denn der letztere enthaͤlt in ſeinem Ausdrucke nicht
nur die leere, einfache Gleichheit mit ſich, ſondern nicht
allein das Andre derſelben uͤberhaupt, ſondern ſo-
gar die abſolute Ungleichheit, den Wider-
ſpruch an ſich. Der Satz der Identitaͤt ſelbſt aber
enthaͤlt, wie an ihm gezeigt wurde, die Reflexionsbewe-
gung, die Identitaͤt als Verſchwinden des Andersſeyns.
Was ſich alſo aus dieſer Betrachtung ergibt, iſt,
daß erſtens der Satz der Identitaͤt oder des Wider-
ſpruchs, wie er nur die abſtracte Identitaͤt im Gegenſatz
gegen den Unterſchied, als Wahres ausdruͤcken ſoll, kein
Denkgeſetz, ſondern vielmehr das Gegentheil davon iſt;
zweytens, daß dieſe Saͤtze mehr, als mit ihnen ge-
meynt wird, nemlich dieſes Gegentheil, den abſoluten
Unterſchied ſelbſt, enthalten.
B. Der
[43]Das Weſen.
B.
Der Unterſchied.
Der abſolute Unterſchied.
Der Unterſchied iſt die Negativitaͤt, welche die Re-
flexion in ſich hat; das Nichts, das durch das identiſche
Sprechen geſagt wird; das weſentliche Moment der Iden-
titaͤt ſelbſt, die zugleich als Negativitaͤt ihrer ſelbſt, ſich
beſtimmt und unterſchieden vom Unterſchied iſt.
1. Dieſer Unterſchied iſt der Unterſchied an und
fuͤr ſich, der abſolute Unterſchied, der Unter-
ſchied des Weſens. — Er iſt der Unterſchied an
und fuͤr ſich, nicht Unterſchied durch ein Aeuſſerliches,
ſondern ſich auf ſich beziehender, alſo einfa-
cher Unterſchied. — Es iſt weſentlich den abſoluten Un-
terſchied als einfachen zu faſſen. Im abſoluten Un-
terſchiede des A und Nicht-A von einander iſt es das
einfache Nicht, was als ſolches denſelben ausmacht.
Der Unterſchied ſelbſt iſt einfacher Begriff. Darin,
druͤckt man ſich aus, ſind zwey Dinge unterſchie-
den, daß ſie ꝛc. — Darin, das heißt, in einer und
derſelben Ruͤckſicht, in demſelben Beſtimmungsgrunde.
Er iſt der Unterſchied der Reflexion, nicht das
Andersſeyn des Daſeyns. Ein Daſeyn und ein
anderes Daſeyn ſind geſetzt als auſſereinanderfallend, je-
des der gegen einander beſtimmten Daſeyn hat ein un-
mittelbares Seyn fuͤr ſich. Das Andre des
Weſens dagegen iſt das Andre an und fuͤr ſich, nicht
das
[44]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
das Andre als eines andern auſſer ihm befindlichen; die
einfache Beſtimmtheit an ſich. Auch in der Sphaͤre des
Daſeyns erwies ſich das Andersſeyn und die Beſtimmt-
heit von dieſer Natur, einfache Beſtimmtheit, identi-
ſcher Gegenſatz zu ſeyn; aber dieſe Identitaͤt zeigte ſich
nur als das Uebergehen einer Beſtimmtheit in die
andere. Hier in der Sphaͤre der Reflexion tritt der Un-
terſchied als reflectirter auf, der ſo geſetzt iſt, wie er an
ſich iſt.
2. Der Unterſchied an ſich iſt der ſich auf ſich be-
ziehende Unterſchied; ſo iſt er die Negativitaͤt ſeiner ſelbſt,
der Unterſchied nicht von einem andern, ſondern ſeiner
von ſich ſelbſt; er iſt nicht er ſelbſt, ſondern ſein An-
deres. Das Unterſchiedene aber vom Unterſchiede iſt die
Identitaͤt. Er iſt alſo er ſelbſt und die Identitaͤt. Bey-
de zuſammen machen den Unterſchied aus; er iſt das
Ganze und ſein Moment. — Es kann eben ſo geſagt
werden, der Unterſchied als einfacher iſt kein Unterſchied;
er iſt diß erſt in Beziehung auf die Identitaͤt; aber viel-
mehr enthaͤlt er als Unterſchied eben ſo ſie und dieſe Be-
ziehung ſelbſt. — Der Unterſchied iſt das Ganze und ſein
eignes Moment; wie die Identitaͤt eben ſo ſehr ihr
Ganzes und ihr Moment iſt. — Diß iſt als die weſent-
liche Natur der Reflexion und als beſtimmter Ur-
grund aller Thaͤtigkeit und Selbſtbewe-
gung zu betrachten. — Unterſchied wie die Identitaͤt
machen ſich zum Momente oder zum Geſetztſeyn,
weil ſie als Reflexion die negative Beziehung auf ſich ſelbſt
ſind.
Der Unterſchied, ſo als Einheit ſeiner und der
Identitaͤt, iſt an ſich ſelbſt beſtimmter Unter-
ſchied. Er iſt nicht Uebergehen in ein Anderes, nicht
Beziehung auf Anderes auſſer ihm; er hat ſein anderes,
die
[45]Das Weſen.
die Identitaͤt an ihm ſelbſt; ſo wie dieſe, indem ſie in
die Beſtimmung des Unterſchieds getreten, nicht in ihn
als ihr Anderes ſich verlohren hat, ſondern in ihm ſich
erhaͤlt, ſeine Reflexion in ſich und ſein Moment iſt.
3. Der Unterſchied hat die beyden Momente, Iden-
titaͤt und Unterſchied; beyde ſind ſo ein Geſetztſeyn,
Beſtimmtheit. Aber in dieſem Geſetztſeyn iſt jedes Be-
ziehung auf ſich ſelbſt. Das eine, die Identitaͤt
iſt unmittelbar ſelbſt das Moment der Reflexion in ſich;
eben ſo iſt aber das andere, der Unterſchied, Unter-
ſchied an ſich, der reflectirte Unterſchied. Der Unter-
ſchied, indem er zwey ſolche Momente hat, die ſelbſt die
Reflexionen in ſich ſind, iſt Verſchiedenheit.
Die Verſchiedenheit.
1. Die Identitaͤt zerfaͤllt an ihr ſelbſt in Ver-
ſchiedenheit, weil ſie als abſoluter Unterſchied in ſich
ſelbſt, ſich als das Negative ihrer ſetzt, und dieſe ihre
Momente, ſie ſelbſt und das Negative ihrer, Reflexio-
nen in ſich, identiſch mit ſich ſind; oder eben weil ſie ihr
Negiren unmittelbar ſelbſt aufhebt, und in ihrer Be-
ſtimmung in ſich reflectirt iſt. Das Unterſchied-
ne beſteht als gegen einander gleichguͤltig verſchiede-
nes, weil es identiſch mit ſich iſt, weil die Identitaͤt
ſeinen Boden und Element ausmacht; oder das Verſchie-
dene iſt das, was es iſt, eben nur in ſeinem Gegentheile,
der Identitaͤt.
Die Verſchiedenheit macht das Andersſeyn als ſol-
ches der Reflexion aus. Das Andere des Daſeyns hat
das unmittelbare Seyn zu ſeinem Grunde, in welchem
das
[46]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
das Negative beſteht. In der Reflexion aber macht die
Identitaͤt mit ſich, die reflectirte Unmittelbarkeit, das
Beſtehen des Negativen und die Gleichguͤltigkeit deſſelben
aus.
Die Momente des Unterſchiedes ſind die Identitaͤt
und der Unterſchied ſelbſt. Verſchiedene ſind ſie als in
ſich ſelbſt reflectirte, ſich auf ſich beziehende; ſo
ſind ſie in der Beſtimmung der Identitaͤt, Be-
ziehungen nur auf ſich; die Identitaͤt iſt nicht bezogen
auf den Unterſchied, noch iſt der Unterſchied bezogen auf
die Identitaͤt; indem ſo jedes dieſer Momente nur auf
ſich bezogen iſt, ſind ſie nicht beſtimmt gegen einan-
der. — Weil ſie nun auf dieſe Weiſe nicht an ihnen
ſelbſt unterſchiedene ſind, ſo iſt der Unterſchied ih-
nen aͤuſſerlich. Die Verſchiedenen verhalten ſich alſo
nicht als Identitaͤt und Unterſchied zu einander, ſondern
nur als Verſchiedene uͤberhaupt, die gleichguͤltig ge-
gen einander und gegen ihre Beſtimmtheit ſind.
2. In der Verſchiedenheit als der Gleichguͤltigkeit
des Unterſchieds, iſt ſich uͤberhaupt die Reflexion
aͤuſſerlich geworden; der Unterſchied iſt nur ein Ge-
ſetztſeyn oder als aufgehobener, aber er iſt ſelbſt die
ganze Reflexion. — Diß naͤher betrachtet, ſo ſind beyde,
die Identitaͤt und der Unterſchied, wie ſich ſo eben be-
ſtimmt hat, Reflexionen; jedes Einheit ſeiner ſelbſt und
ſeines Andern; jedes iſt das Ganze. Damit aber iſt die
Beſtimmtheit, nur Identitaͤt oder nur Unterſchied zu
ſeyn, ein aufgehobenes. Sie ſind darum keine Quali-
taͤten, weil ihre Beſtimmtheit durch die Reflexion in ſich
zugleich nur als Negation iſt. Es iſt alſo diß gedoppelte
vorhanden, die Reflexion in ſich als ſolche, und die
Beſtimmtheit als Negation, oder das Geſetztſeyn.
Das Geſetztſeyn iſt die ſich aͤuſſerliche Reflexion; es iſt
die
[47]Das Weſen.
die Negation als Negation; hiemit an ſich zwar die ſich
auf ſich beziehende Negation und Reflexion in ſich; aber
nur an ſich; es iſt die Beziehung darauf als auf ein
aͤuſſerliches.
Die Reflexion an ſich und die aͤuſſere Reflexion,
ſind ſomit die zwey Beſtimmungen, in die ſich die Mo-
mente des Unterſchiedes, Identitaͤt und Unterſchied, ſetz-
ten. Sie ſind dieſe Momente ſelbſt, inſofern ſie ſich
nunmehr beſtimmt haben. — Die Reflexion an
ſich iſt die Identitaͤt, aber beſtimmt, gleichguͤltig gegen
den Unterſchied zu ſeyn; nicht den Unterſchied gar nicht
zu haben, ſondern ſich als mit ſich identiſch gegen ihn
zu verhalten; ſie iſt die Verſchiedenheit. Es iſt
die Identitaͤt, die ſich ſo in ſich reflectirt hat, daß ſie
eigentlich die Eine Reflexion der beyden Momente in
ſich iſt, beyde ſind Reflexionen in ſich. Die Identitaͤt
iſt dieſe eine Reflexion beyder, die den Unterſchied nur
als einen gleichguͤltigen an ihr hat, und Verſchiedenheit
uͤberhaupt iſt. — Die aͤuſſere Reflexion dagegen
iſt der beſtimmte Unterſchied derſelben nicht als abſo-
lute Reflexion in ſich, ſondern als Beſtimmung, wogegen
die an ſich ſeyende Reflexion gleichguͤltig iſt; ſeine beyden
Momente, die Identitaͤt und der Unterſchied ſelbſt, ſind
ſo aͤuſſerlich geſetzte, nicht an und fuͤr ſich ſeyende Be-
ſtimmungen.
Dieſe aͤuſſerliche Identitaͤt nun iſt die Gleich-
heit, und der aͤuſſerliche Unterſchied die Ungleich-
heit. — Die Gleichheit iſt zwar Identitaͤt, aber
nur als ein Geſetztſeyn, eine Identitaͤt, die nicht an
und fuͤr ſich iſt. — Eben ſo die Ungleichheit iſt
Unterſchied, aber als ein aͤuſſerlicher, der nicht an und
fuͤr ſich der Unterſchied des Ungleichen ſelbſt iſt. Ob
Etwas einem andern Etwas gleich iſt oder nicht, geht
weder
[48]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
weder das eine noch das andere an; jedes derſelben iſt
nur auf ſich bezogen; iſt an und fuͤr ſich ſelbſt was es
iſt; die Identitaͤt oder Nichtidentitaͤt als Gleichheit und
Ungleichheit iſt die Ruͤckſicht eines Dritten, die auſſer ih-
nen faͤllt.
3. Die aͤuſſere Reflexion bezieht das Verſchiedene
auf die Gleichheit und Ungleichheit. Dieſe Beziehung,
das Vergleichen, geht von der Gleichheit zur Un-
gleichheit, und von dieſer zu jener heruͤber und hinuͤber.
Aber dieſes heruͤber- und hinuͤbergehende Beziehen der
Gleichheit und Ungleichheit iſt dieſen Beſtimmungen ſelbſt
aͤuſſerlich; auch werden ſie nicht auf einander, ſondern
jede fuͤr ſich nur auf ein Drittes bezogen. Jede tritt in
dieſer Abwechslung unmittelbar fuͤr ſich hervor. — Die
aͤuſſerliche Reflexion iſt als ſolche ſich ſelbſt aͤuſſerlich;
der beſtimmte Unterſchied iſt der negirte abſolute Un-
terſchied; er iſt ſomit nicht einfach, nicht die Reflexion in
ſich, ſondern dieſe hat er auſſer ihm; ſeine Momente
fallen daher aus einander, und beziehen ſich auch als
gegen einander aͤuſſerliche, auf die ihnen gegenuͤber ſte-
hende Reflexion in ſich.
An der ſich entfremdeten Reflexion kommen alſo die
Gleichheit und Ungleichheit als gegen einander ſelbſt un-
bezogene hervor, und ſie trennt ſie, indem ſie ſie auf
ein und daſſelbe bezieht, durch die Inſoferns,
Seiten und Ruͤckſichten. Die Verſchiedenen, die
das eine und daſſelbe ſind, worauf beyde, die Gleichheit
und Ungleichheit, bezogen werden, ſind alſo nach der
einen Seite einander gleich, nach der andern
Seite aber ungleich, und inſofern ſie gleich ſind,
inſofern ſind ſie nicht ungleich. Die Gleichheit
bezieht ſich nur auf ſich, und die Ungleichheit iſt
eben ſo nur Ungleichheit.
Durch
[49]Das Weſen.
Durch dieſe ihre Trennung von einander aber heben
ſie ſich nur auf. Gerade, was den Widerſpruch und
die Aufloͤſung von ihnen abhalten ſoll, daß nemlich Et-
was einem Andern in einer Ruͤckſicht gleich, in
einer andern aber ungleich ſey; — diß Aus-
einanderhalten der Gleichheit und Ungleichheit iſt ihre Zer-
ſtoͤrung. Denn beyde ſind Beſtimmungen des Unterſchie-
des; ſie ſind Beziehungen aufeinander, das eine, zu ſeyn,
was das andere nicht iſt; gleich iſt nicht ungleich, und
ungleich iſt nicht gleich; und beyde haben weſentlich dieſe
Beziehung, und auſſer ihr keine Bedeutung; als Be-
ſtimmungen des Unterſchiedes iſt jedes das was es iſt,
als unterſchieden von ſeinem andern. Durch ihre
Gleichguͤltigkeit aber gegen einander, iſt die Gleichheit
nur bezogen auf ſich, die Ungleichheit iſt eben ſo eine ei-
gene Ruͤckſicht und Reflexion fuͤr ſich; jede iſt ſomit ſich
ſelbſt gleich; der Unterſchied iſt verſchwunden, da ſie keine
Beſtimmtheit gegen einander haben; oder jede iſt hiemit
nur Gleichheit.
Dieſe gleichguͤltige Ruͤckſicht, oder der aͤuſſerliche
Unterſchied hebt ſomit ſich ſelbſt auf, und iſt die Negati-
vitaͤt ſeiner an ſich ſelbſt. Er iſt diejenige Negativitaͤt,
welche in dem Vergleichen dem Vergleichenden zukommt.
Das Vergleichende geht von der Gleichheit zur Ungleich-
heit, und von dieſer zu jener zuruͤck; laͤßt alſo das eine
im andern verſchwinden, und iſt in der That die ne-
gative Einheit beyder. Sie iſt zunaͤchſt jenſeits
des Verglichenen ſo wie jenſeits der Momente der Ver-
gleichung, als ein ſubjectives, auſſerhalb ihnen fallendes
Thun. Aber dieſe negative Einheit iſt in der That die
Natur der Gleichheit und Ungleichheit ſelbſt, wie ſich er-
geben hat. Eben die ſelbſtſtaͤndige Ruͤckſicht, die eine
jede iſt, iſt vielmehr die ihre Unterſchiedenheit und damit
ſie ſelbſt aufhebende Beziehung auf ſich.
DNach
[50]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
Nach dieſer Seite, als Momente der aͤuſſern Re-
flexion und als ſich ſelbſt aͤuſſerlich, verſchwinden die
Gleichheit und Ungleichheit in ihre Gleichheit zuſammen.
Aber dieſe ihre negative Einheit iſt ferner auch an ih-
nen geſetzt; ſie haben nemlich die an ſich ſeyende
Reflexion auſſer ihnen, oder ſind die Gleichheit und Un-
gleichheit eines Dritten, eines andern als ſie ſelbſt
ſind. So iſt das Gleiche nicht das Gleiche ſeiner ſelbſt,
und das Ungleiche als das Ungleiche nicht ſeiner ſelbſt,
ſondern eines ihm ungleichen, iſt ſelbſt das Gleiche. Das
Gleiche und das Ungleiche iſt alſo das Ungleiche ſei-
ner ſelbſt. Jedes iſt ſomit dieſe Reflexion, die Gleich-
heit, daß ſie ſie ſelbſt und die Ungleichheit, die Ungleich-
heit, daß ſie ſie ſelbſt und die Gleichheit iſt.
Gleichheit und Ungleichheit machten die Seite des
Geſetztſeyns, gegen das Verglichene oder das Ver-
ſchiedene aus, das ſich als die an ſich ſeyende Re-
flexion gegen ſie beſtimmt hatte. Aber dieſes hat damit
ſeine Beſtimmtheit gegen ſie ebenfalls verlohren. Eben
die Gleichheit und Ungleichheit, die Beſtimmungen der
aͤuſſerlichen Reflexion, ſind die nur an ſich ſeyende Re-
flexion, welche das Verſchiedene als ſolches ſeyn ſollte,
ſein nur unbeſtimmter Unterſchied. Die an ſich ſeyen-
de Reflexion iſt die Beziehung auf ſich ohne Negation,
die abſtracte Identitaͤt mit ſich; damit eben das Geſetzt-
ſeyn ſelbſt. — Das bloß Verſchiedene geht alſo durch
das Geſetztſeyn uͤber in die negative Reflexion. Das
Verſchiedene iſt der bloß geſetzte Unterſchied, alſo der Un-
terſchied, der keiner iſt, alſo die Negation ſeiner an ihm
ſelbſt. So die Gleichheit und Ungleichheit ſelbſt, das
Geſetztſeyn, geht durch die Gleichguͤltigkeit oder die an
ſich ſeyende Reflexion zuruͤck in die negative Einheit mit
ſich; in die Reflexion, welche der Unterſchied der Gleich-
heit und Ungleichheit an ſich ſelbſt iſt. Die Verſchieden-
heit,
[51]Das Weſen.
heit, deren gleichguͤltige Seiten eben ſo ſehr ſchlecht-
hin nur Momente als Einer negativen Einheit ſind,
iſt der Gegenſatz.
Die Verſchiedenheit wird, wie die Identitaͤt, in
einem eigenen Satze ausgedruͤckt. Uebrigens bleiben die-
ſe beyde Saͤtze in der gleichguͤltigen Verſchiedenheit gegen-
einander gehalten, ſo daß jeder fuͤr ſich gilt ohne Ruͤck-
ſicht auf den andern.
Alle Dinge ſind verſchieden, oder: Es
gibt nicht zwey Dinge, die einander gleich
ſind. — Dieſer Satz iſt in der That dem Satze der
Identitaͤt entgegengeſetzt, denn er ſagt aus: A iſt ein
verſchiedenes, alſo A iſt auch nicht A; oder A iſt einem
andern ungleich, ſo iſt es nicht A uͤberhaupt, ſondern
vielmehr ein beſtimmtes A. An die Stelle des A im
identiſchen Satze kann jedes andere Subſtrat geſetzt,
aber A als ungleiches nicht mehr mit jedem andern ver-
tauſcht werden. Es ſoll zwar nicht ein verſchiedenes
von ſich, ſondern nur von anderem ſeyn; aber
dieſe Verſchiedenheit iſt ſeine eigene Beſtimmung. Als
mit ſich identiſches A iſt es das Unbeſtimmte; aber als
Beſtimmtes iſt es das Gegentheil hievon, es hat nicht
mehr nur die Identitaͤt mit ſich, ſondern auch eine Ne-
gation, ſomit eine Verſchiedenheit ſeiner ſelbſt von ſich
an ihm.
Daß alle Dinge verſchieden ſind von einander, iſt
ein ſehr uͤberfluͤſſiger Satz, denn im Plural der Dinge
liegt unmittelbar die Mehrheit und die ganz unbeſtimmte
Verſchiedenheit. — Der Satz aber: es gibt nicht zwey
Dinge, die einander vollkommen gleich ſind, druͤckt mehr,
D 2nem-
[52]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
nemlich die beſtimmte Verſchiedenheit aus. Zwey
Dinge ſind nicht bloß zwey; die numeriſche Vielheit iſt
nur die Einerleyheit, ſondern ſie ſind durch eine Be-
ſtimmung verſchieden. Der Satz, daß es nicht zwey
Dinge gibt, die einander gleich ſind, faͤllt dem Vorſtellen,
— auch nach der Anekdote, an einem Hofe auf, wo ihn
Leibnitz vorgebracht und die Damen veranlaßt haben ſoll,
unter Baumblaͤttern zu ſuchen, ob ſie nicht zwey gleiche
finden. — Gluͤckliche Zeiten fuͤr die Metaphyſik, wo
man ſich am Hofe mit ihr beſchaͤftigte, und wo es keiner
andern Anſtrengung bedurfte, ihre Saͤtze zu pruͤfen, als
Baumblaͤtter zu vergleichen! — Der Grund, daß jener
Satz auffallend iſt, liegt in dem Geſagten, daß zwey
oder die numeriſche Mehrheit noch keine beſtimmte
Verſchiedenheit enthaͤlt, und daß die Verſchiedenheit als
ſolche in ihrer Abſtraction zunaͤchſt gleichguͤltig gegen die
Gleichheit und Ungleichheit iſt. Das Vorſtellen, indem
es auch zur Beſtimmung uͤbergeht, nimmt dieſe Momente
ſelbſt als gegen einander gleichguͤltige auf, ſo daß das ei-
ne ohne das andere, die bloße Gleichheit der
Dinge ohne die Ungleichheit zur Beſtimmung hin-
reiche, oder daß die Dinge verſchieden ſeyen, wenn ſie
auch nur numeriſch Viele, verſchiedene uͤberhaupt, nicht
ungleiche ſind. Der Satz der Verſchiedenheit hingegen
druͤckt aus, daß die Dinge durch die Ungleichheit von
einander verſchieden ſind, daß ihnen die Beſtimmung der
Ungleichheit ſo ſehr zukomme als die der Gleichheit, denn
erſt beyde zuſammen machen den beſtimmten Unterſchied
aus.
Dieſer Satz nun, daß allen Dingen die Beſtim-
mung der Ungleichheit zukommt, beduͤrfte eines Bewei-
ſes; er kann nicht als unmittelbarer Satz aufgeſtellt wer-
den, denn die gewoͤhnliche Weiſe des Erkennens ſelbſt
fodert fuͤr die Verknuͤpfung verſchiedener Beſtimmungen
in
[53]Das Weſen.
in einem ſynthetiſchen Satze einen Beweis oder das
Aufzeigen eines Dritten, worin ſie vermittelt ſind. Die-
ſer Beweis muͤßte den Uebergang der Identitaͤt in die
Verſchiedenheit, und dann den Uebergang dieſer in die
beſtimmte Verſchiedenheit, in die Ungleichheit darthun.
Diß pflegt aber nicht geleiſtet zu werden; es ergab ſich
darin, daß die Verſchiedenheit oder der aͤuſſerliche Un-
terſchied, in Wahrheit in ſich reflectirter, Unterſchied an
ihm ſelbſt iſt, daß das gleichguͤltige Beſtehen des Ver-
ſchiedenen das bloße Geſetztſeyn, und damit nicht aͤuſ-
ſerlicher, gleichguͤltiger Unterſchied, ſondern Eine Be-
ziehung der beyden Momente iſt.
Es liegt darin auch die Aufloͤſung und Nichtigkeit
des Satzes der Verſchiedenheit. Zwey Dinge
ſind nicht vollkommen gleich; ſo ſind ſie gleich und un-
gleich zugleich; gleich ſchon darin, daß ſie Dinge oder
zwey uͤberhaupt ſind, denn jedes iſt ein Ding und ein
Eins ſo gut als das andere, jedes alſo daſſelbe, was
das andere; ungleich aber ſind ſie durch die Annahme.
Es iſt ſomit die Beſtimmung vorhanden, daß beyde Mo-
mente, die Gleichheit und die Ungleichheit, in Einem
und demſelben verſchieden, oder daß der auſſerein-
anderfallende Unterſchied, zugleich eine und dieſelbe Be-
ziehung iſt. Somit iſt ſie in Entgegenſetzung uͤber-
gegangen.
Das Zugleich der beyden Praͤdicate wird zwar
durch das Inſofern aus einander gehalten; daß
zwey Dinge inſofern ſie gleich, inſofern nicht un-
gleich, oder nach einer Seite und Ruͤckſicht gleich,
nach der andern Seite und Ruͤckſicht aber ungleich
ſind. Damit wird die Einheit der Gleichheit und Un-
gleichheit aus dem Dinge entfernt, und was ſeine ei-
gene, und die Reflexion der Gleichheit und Ungleichheit
an ſich waͤre, als eine dem Dinge aͤuſſerliche Reflexion
feſt-
[54]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
feſtgehalten. Dieſe iſt es aber ſomit, die in einer
und derſelben Thaͤtigkeit die zwey Seiten der
Gleichheit und Ungleichheit unterſcheidet, ſomit in Einer
Thaͤtigkeit beyde enthaͤlt, die eine in die andere ſcheinen
laͤßt und reflectirt. — Die gewoͤhnliche Zaͤrtlichkeit fuͤr
die Dinge aber, die nur dafuͤr ſorgt, daß dieſe ſich nicht
widerſprechen, vergißt hier wie ſonſt, daß damit der Wi-
derſpruch nicht aufgeloͤst, ſondern nur anderswohin, in die
ſubjective oder aͤuſſere Reflexion uͤberhaupt geſchoben
wird, und daß dieſe in der That die beyden Momente,
welche durch dieſe Entfernung und Verſetzung als bloßes
Geſetztſeyn ausgeſprochen werden, als aufgehobene
und auf einander bezogene in Einer Einheit enthaͤlt.
Der Gegenſatz.
Im Gegenſatze iſt die beſtimmte Reflexion,
der Unterſchied vollendet. Er iſt die Einheit der Identi-
taͤt und der Verſchiedenheit; ſeine Momente ſind in Einer
Identitaͤt verſchiedene; ſo ſind ſie entgegengeſetzte.
Die Identitaͤt und der Unterſchied ſind die
Momente des Unterſchiedes innerhalb ſeiner ſelbſt gehal-
ten; ſie ſind reflectirte Momente ſeiner Einheit.
Gleichheit und Ungleichheit aber ſind die entaͤuſ-
ſerte Reflexion; ihre Identitaͤt mit ſich iſt nicht nur die
Gleichguͤltigkeit eines jeden gegen das von ihm unterſchie-
dene, ſondern gegen das An-und-Fuͤrſichſeyn, als ſol-
ches; eine Identitaͤt mit ſich gegen die in ſich reflectirte;
ſie iſt alſo die nicht in ſich reflectirte Unmittelbar-
keit. Das Geſetztſeyn der Seiten der aͤuſſerlichen Re-
flexion iſt daher ein Seyn; ſo wie ihr Nichtgeſetztſeyn
ein Nichtſeyn.
Die
[55]Das Weſen.
Die Momente des Gegenſatzes naͤher betrachtet, ſo
ſind ſie das in ſich reflectirte Geſetztſeyn oder Beſtim-
mung uͤberhaupt. Das Geſetztſeyn iſt die Gleichheit und
Ungleichheit; ſie beyde in ſich reflectirt machen die Beſtim-
mungen des Gegenſatzes aus. Ihre Reflexion in ſich be-
ſteht darin, daß jedes an ihm ſelbſt die Einheit der
Gleichheit und Ungleichheit iſt. Die Gleichheit iſt nur in
der Reflexion, welche nach der Ungleichheit vergleicht,
ſomit durch ihr anderes gleichguͤltiges Moment vermittelt;
eben ſo die Ungleichheit iſt nur in derſelben reflectiren-
den Beziehung, in welcher die Gleichheit iſt. — Jedes
dieſer Momente iſt alſo in ſeiner Beſtimmtheit das Ganze.
Es iſt das Ganze, inſofern es auch ſein anderes Moment
enthaͤlt; aber diß ſein anderes iſt ein gleichguͤltig ſeyen-
des, ſo enthaͤlt jedes die Beziehung auf ſein Nichtſeyn,
und iſt nur die Reflexion in ſich oder das Ganze als ſich
weſentlich auf ſein Nichtſeyn beziehend.
Dieſe in ſich reflectirte Gleichheit mit ſich, die
in ihr ſelbſt die Beziehung auf die Ungleichheit enthaͤlt,
iſt das Poſitive; ſo die Ungleichheit die in ihr
ſelbſt die Beziehung auf ihr Nichtſeyn, die Gleichheit
enthaͤlt, iſt das Negative. — Oder beyde ſind das
Geſetztſeyn; inſofern nun die unterſchiedene Be-
ſtimmtheit als unterſchiedene beſtimmte Beziehung
des Geſetztſeyns auf ſich genommen wird, ſo iſt der Ge-
genſatz einestheils das Geſetztſeyn in ſeine Gleich-
heit mit ſich reflectirt; anderntheils daſſelbe in ſeine
Ungleichheit mit ſich reflectirt; das Poſitive und Ne-
gative. — Das Poſitive iſt das Geſetztſeyn als in
die Gleichheit mit ſich reflectirt; aber das reflectirte iſt
das Geſetztſeyn, das iſt, die Negation als Negation,
ſo hat dieſe Reflexion in ſich die Beziehung auf das andre
zu ihrer Beſtimmung. Das Negative iſt das Geſetzt-
ſeyn als in die Ungleichheit reflectirt; aber das Geſetzt-
ſeyn
[56]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
ſeyn iſt die Ungleichheit ſelbſt, ſo iſt dieſe Reflexion ſomit
die Identitaͤt der Ungleichheit mit ſich ſelbſt und abſolute
Beziehung auf ſich. — Beyde alſo, das in die Gleich-
heit mit ſich reflectirte Geſetztſeyn hat die Ungleichheit,
und das in die Ungleichheit mit ſich reflectirte Geſetztſeyn
hat auch die Gleichheit an ihm.
Das Poſitive und das Negative ſind ſo die ſelbſt-
ſtaͤndig gewordenen Seiten des Gegenſatzes. Sie ſind
ſelbſtſtaͤndig, indem ſie die Reflexion des Ganzen in
ſich ſind, und ſie gehoͤren dem Gegenſatze an, inſofern es
die Beſtimmtheit iſt, die als Ganzes in ſich re-
flectirt iſt. Um ihrer Selbſtſtaͤndigkeit willen machen ſie
den an ſich beſtimmten Gegenſatz aus. Jedes iſt es
ſelbſt und ſein anderes, dadurch hat jedes ſeine Be-
ſtimmtheit nicht an einem andern, ſondern an ihm
ſelbſt. — Jedes bezieht ſich auf ſich ſelbſt, nur als ſich
beziehend auf ſein Anderes. Diß hat die doppelte Seite;
jedes iſt Beziehung auf ſein Nichtſeyn als Aufheben die-
ſes Andersſeyns in ſich; ſo iſt ſein Nichtſeyn nur ein
Moment in ihm. Aber anderntheils iſt hier das Geſetzt-
ſeyn ein Seyn, ein gleichguͤltiges Beſtehen geworden;
das andre ſeiner, das jedes enthaͤlt, iſt daher auch das
Nichtſeyn deſſen, in welchem es nur als Moment enthal-
ten ſeyn ſoll. Jedes iſt daher nur, inſofern ſein Nicht-
ſeyn iſt, und zwar in einer identiſchen Beziehung.
Die Beſtimmungen, welche das Poſitive und Nega-
tive conſtituiren, beſtehen alſo darin, daß das Poſitive
und das Negative erſtens abſolute Momente des
Gegenſatzes ſind; ihr Beſtehen iſt untrennbar Eine Re-
flexion; es iſt Eine Vermittlung, in welcher jedes durch
das Nichtſeyn ſeines Andern, damit durch ſein Anderes
oder ſein eigenes Nichtſeyn iſt. — So ſind ſie entge-
gengeſetzte uͤberhaupt; oder jedes iſt nur das ent-
gegen-
[57]Das Weſen.
gegengeſetzte des andern; das eine iſt noch nicht poſitiv,
und das andre noch nicht negativ, ſondern beyde ſind ne-
gativ gegen einander. Jedes iſt ſo uͤberhaupt erſtens
inſofern das andre iſt; es iſt durch das Andre,
durch ſein eignes Nichtſeyn, das was es iſt; es iſt nur
Geſetztſeyn; zweytens es iſt inſofern das
andre nicht iſt; es iſt durch das Nichtſeyn des an-
dern das was es iſt; es iſt Reflexion in ſich. —
Dieſes beydes iſt aber die eine Vermittlung des Gegen-
ſatzes uͤberhaupt, in der ſie uͤberhaupt nur Geſetzte
ſind.
Aber ferner diß bloße Geſetztſeyn iſt in ſich re-
flectirt uͤberhaupt; das Poſitive und Negative iſt nach
dieſem Momente der aͤuſſern Reflexion gleich-
guͤltig gegen jene erſte Identitaͤt, worin ſie nur Mo-
mente ſind; oder indem jene erſte Reflexion die eigne Re-
flexion des Poſitiven und Negativen in ſich ſelbſt, jedes
ſein Geſetztſeyn an ihm ſelbſt iſt, ſo iſt jedes gleichguͤltig
gegen dieſe ſeine Reflexion in ſein Nichtſeyn, gegen ſein
eigenes Geſetztſeyn. Die beyden Seiten ſind ſo bloß ver-
ſchiedene, und inſofern ihre Beſtimmtheit, poſitiv und
negativ zu ſeyn, ihr Geſetztſeyn gegen einander aus-
macht, ſo iſt jede nicht an ihr ſelbſt ſo beſtimmt, ſondern
iſt nur Beſtimmtheit uͤberhaupt; jeder Seite kommt da-
her zwar eine der Beſtimmtheiten von Poſitivem und Ne-
gativem zu; aber ſie koͤnnen verwechſelt werden, und jede
Seite iſt von der Art, daß ſie eben ſo gut als poſitiv
wie als negativ genommen werden kann.
Aber das Poſitive und Negative iſt drittens
nicht nur ein geſetztes, noch bloß ein gleichguͤltiges, ſon-
dern ihr Geſetztſeyn oder die Beziehung auf
das andere in einer Einheit, die nicht ſie
ſelbſt ſind, iſt in jedes zuruͤckgenommen. Jedes
iſt
[58]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
iſt an ihm ſelbſt poſitiv und negativ; das Poſitive und
Negative iſt die Reflectionsbeſtimmung an und fuͤr ſich;
erſt in dieſer Reflexion des Entgegengeſetzten in ſich iſt es
poſitiv und negativ. Das Poſitive hat die Beziehung
auf das andere, in der die Beſtimmtheit des Poſitiven
iſt, an ihm ſelbſt; eben ſo das Negative iſt nicht Nega-
tives als gegen ein anderes, ſondern hat die Beſtimmt-
heit, wodurch es negativ iſt, gleichfalls in ihm ſelbſt.
So iſt jedes ſelbſtſtaͤndige, fuͤr ſich ſeyende Einheit
mit ſich. Das Poſitive iſt wohl ein Geſetztſeyn, aber ſo
daß fuͤr es das Geſetztſeyn nur Geſetztſeyn, als aufge-
hobenes iſt. Es iſt das Nichtentgegengeſetzte;
der aufgehobene Gegenſatz, aber als Seite des Gegen-
ſatzes ſelbſt. — Als poſitiv iſt zwar Etwas beſtimmt in
Beziehung auf ein Andersſeyn, aber ſo daß ſeine Natur
diß iſt, nicht ein Geſetztes zu ſeyn; es iſt die das An-
dersſeyn negirende Reflexion in ſich. Aber das Andere
ſeiner, das Negative, iſt ſelbſt nicht mehr Geſetztſeyn
oder Moment, ſondern ein ſelbſtſtaͤndiges Seyn; ſo iſt
die negirende Reflexion des Poſitiven in ſich beſtimmt,
diß ſein Nichtſeyn von ſich auszuſchlieſſen.
So das Negative als abſolute Reflexion iſt nicht
das unmittelbare Negative, ſondern daſſelbe als aufge-
hobenes Geſetztſeyn; das Negative an und fuͤr ſich, das
poſitiv auf ſich ſelbſt beruht. Als Reflexion in ſich ne-
girt es ſeine Beziehung auf anderes; ſein Anderes iſt
das Poſitive, ein ſelbſtſtaͤndiges Seyn; — ſeine nega-
tive Beziehung darauf iſt daher, es aus ſich auszuſchlieſ-
ſen. Das Negative iſt das fuͤr ſich beſtehende Entgegen-
geſetzte, gegen das Poſitive, das die Beſtimmung des
aufgehobenen Gegenſatzes iſt; der auf ſich beruhende
ganze Gegenſatz, entgegengeſetzt dem mit ſich identi-
ſchen Geſetztſeyn.
Das
[59]Das Weſen.
Das Poſitive und Negative iſt hiemit nicht nur
an ſich poſitiv und negativ, ſondern an und fuͤr ſich.
An ſich ſind ſie es, inſofern von ihrer ausſchlieſſenden
Beziehung auf anderes abſtrahirt, und ſie nur nach ihrer
Beſtimmung genommen werden. An ſich iſt etwas po-
ſitiv oder negativ, indem es nicht bloß gegen ande-
res ſo beſtimmt ſeyn ſoll. Aber das Poſitive oder Ne-
gative nicht als Geſetztſeyn und damit nicht als Entgegen-
geſetztes, iſt es jedes das Unmittelbare, Seyn und
Nichtſeyn. Das Poſitive und Negative ſind aber die
Momente des Gegenſatzes, das Anſichſeyn derſelben
macht nur die Form ihres Reflectirtſeyns in ſich aus. Es
iſt etwas an ſich poſitiv, auſſer der Beziehung auf das
Negative; und es iſt etwas an ſich negativ, auſſer
der Beziehung auf das Negative; in dieſer Beſtimmung
wird bloß an dem abſtracten Momente dieſes Reflectirt-
ſeyns feſtgehalten. Allein das anſichſeyende Poſitive
oder Negative heißt weſentlich, daß entgegengeſetzt zu ſeyn.
nicht bloß Moment ſey, noch der Vergleichung angehoͤre,
ſondern die eigene Beſtimmung der Seiten des Gegen-
ſatzes iſt. An ſich poſitiv oder negativ ſind ſie alſo nicht
auſſer der Beziehung auf anderes, ſondern daß dieſe
Beziehung und zwar als ausſchlieſſende, die Beſtim-
mung oder das Anſichſeyn derſelben ausmacht; hierin ſind
ſie es alſo zugleich an und fuͤr ſich.
Es iſt hier der Begriff des Poſitiven und Ne-
gativen anzufuͤhren, wie er in der Arithmetik vor-
kommt. Er wird darin als bekannt vorausgeſetzt; weil
er aber nicht in ſeinem beſtimmten Unterſchiede aufge-
faßt wird, entgeht er nicht unaufloͤsbaren Schwierigkei-
ten und Verwicklungen. Es haben ſich ſo eben die bey-
den realen Beſtimmungen des Poſitiven und Negativen
ergeben, — auſſer dem einfachen Begriffe ihrer Entge-
gen-
[60]Zweytes Buch. I.Abſchnitt.
genſetzung, — daß nemlich das erſtemal, ein nur
verſchiedenes, unmittelbares Daſeyn zu Grunde liegt,
deſſen einfache Reflexion in ſich unterſchieden wird von
ſeinem Geſetztſeyn, der Entgegenſetzung ſelbſt. Dieſe
gilt daher nur als nicht an und fuͤr ſich ſeyend, und dem
Verſchiedenen zwar zukommend, ſo daß jedes ein Entge-
gengeſetztes uͤberhaupt iſt, aber auch gleichguͤltig dagegen
fuͤr ſich beſteht, und es einerley iſt, welches der beyden
entgegengeſetzten verſchiedenen als poſitiv oder als nega-
tiv betrachtet werde. — Das andremal aber iſt das
Poſitive das an ſich ſelbſt Poſitive, das Negative das an
ſich ſelbſt Negative, ſo daß das Verſchiedene nicht gleich-
guͤltig dagegen, ſondern diß ſeine Beſtimmung an und fuͤr
ſich iſt. — Dieſe beyden Formen des Poſitiven und
Negativen kommen gleich in den erſten Beſtimmungen
vor, in denen ſie in der Arithmetik gebraucht werden.
Das + a und — a ſind zuerſt entgegengeſetz-
te Groͤßen uͤberhaupt; a iſt die beyden zum Grunde
liegende, anſichſeyende Einheit, das gegen die
Entgegenſetzung ſelbſt gleichguͤltige, das hier ohne wei-
tern Begriff als todte Grundlage dient. Das — a iſt
zwar als das Negative, das + a als das Poſitive be-
zeichnet, aber das eine iſt ſo gut ein entgegenge-
ſetztes als das andere.
Ferner iſt a nicht nur die einfache zum Grunde
liegende Einheit, ſondern als + a und — a, iſt ſie die
Reflexion dieſer Entgegengeſetzten in ſich; es ſind zwey
verſchiedenea vorhanden und es iſt gleichguͤltig,
welches von beyden man als das poſitive oder negative
bezeichnen will; beyde haben ein beſonderes Beſtehen
und ſind poſitiv.
Nach jener erſten Seite iſt + y — y = 0; oder in
— 8 + 3, ſind die 3 poſitiven, negative im 8. Die
Entge-
[61]Das Weſen.
Entgegengeſetzten heben ſich in ihrer Verbindung auf.
Eine Stunde Wegs nach Oſten gemacht, und eben ſo
viel zuruͤck nach Weſten hebt den erſt gemachten Weg auf;
ſo viel Schulden, um ſo viel weniger Vermoͤgen, und ſo
viel Vermoͤgen vorhanden iſt, ſo viel hebt ſich von den
Schulden auf. Die Stunde Wegs nach Oſten iſt zu-
gleich nicht der poſitive Weg an ſich, noch der nach We-
ſten der negative Weg; ſondern dieſe Richtungen ſind
gleichguͤltig gegen dieſe Beſtimmtheit des Gegenſatzes;
nur eine dritte auſſer ihnen fallende Ruͤckſicht macht die
eine zur poſitiven, die andere zur negativen. So auch
die Schulden ſind nicht an und fuͤr ſich das Negative; ſie
ſind es nur in Beziehung auf den Schuldner; fuͤr den
Glaͤubiger ſind ſie ſein poſitives Vermoͤgen; ſie ſind eine
Summe Geld, oder was es ſey von einem gewiſſen
Werth, das nach auſſerhalb ſeiner fallenden Ruͤckſichten
Schulden oder Vermoͤgen iſt.
Die Entgegengeſetzten heben ſich zwar in ihrer Be-
ziehung auf, ſo daß das Reſultat gleich Null iſt; aber
es iſt in ihnen auch ihre identiſche Beziehung
vorhanden, die gegen den Gegenſatz ſelbſt gleichguͤltig iſt;
ſo machen ſie Eines aus. Wie ſo eben von der Sum-
me Geld erinnert worden, die nur Eine Summe iſt, oder
das a, das nur Ein a iſt im + a und — a; auch der
Weg, der nur Ein Stuͤck Wegs iſt, nicht zwey Wege,
deren einer nach Oſten, der andere nach Weſten ginge.
So auch eine Ordinate y, die daſſelbe iſt, auf dieſer oder
jener Seite der Axe genommen; inſofern iſt + y — y = y;
ſie iſt nur die Ordinate, es iſt nur Eine Beſtimmung
und Geſetz derſelben.
Ferner aber ſind die Entgegengeſetzten nicht nur Ein
gleichguͤltiges, ſondern auch zwey gleichguͤltige.
Sie ſind nemlich als Entgegengeſetzte auch in ſich reflectir-
te, und beſtehen ſo als Verſchiedene.
So
[62]Zweytes Buch. I.Abſchnitt.
So ſind in — 8 + 3 uͤberhaupt eilf Einheiten vor-
handen; + y, — y, ſind Ordinaten auf der entgegenge-
ſetzten Seite der Axe, wo jede ein gegen dieſe Grenze
und gegen ihren Gegenſatz gleichguͤltiges Daſeyn iſt; ſo
iſt + y — y = 2 y. — Auch der nach Oſten und nach
Weſten zuruͤckgelegte Weg, iſt die Summe einer zweyfa-
chen Bemuͤhung, oder die Summe von zwey Zeitperio-
den. Eben ſo iſt in der Staatsoͤkonomie ein Quantum
von Geld, oder von Werth, nicht nur diß Eine Quan-
tum als Mittel der Subſiſtenz, ſondern es iſt ein ver-
doppeltes; es iſt Mittel der Subſiſtenz ſowohl fuͤr den
Glaͤubiger als den Schuldner. Das Staatsvermoͤgen
berechnet ſich nicht bloß als Summe des baaren Gelds
und des ſonſtigen Werths von den Immobilien und Mo-
bilien, der im Staate vorhanden iſt, noch weniger aber
als Summe, die uͤbrig bliebe nach Abzug des paſſiven
Vermoͤgens vom activen, ſondern das Kapital, wenn
ſeine active und paſſive Beſtimmung ſich auch zur Null
reducirten, bleibt erſtens poſitives Kapital; als + a
— a = a; aber zweytens indem es auf vielfaͤltige Weiſe
paſſives, verliehenes und wieder verliehenes iſt, iſt es
dadurch ein ſehr vervielfaͤltiges Mittel.
Nicht nur aber ſind die entgegengeſetzten Groͤßen,
einerſeits bloß entgegengeſetzte uͤberhaupt, andererſeits
reale oder gleichguͤltige. Sondern ob zwar das Quan-
tum ſelbſt das gleichguͤltig begrenzte Seyn iſt, ſo kommt
doch an ihm auch das an ſich Poſitive und das an ſich
Negative vor. Das a z. B. inſofern es kein Zeichen hat,
gilt dafuͤr, daß es als poſitives zu nehmen ſey, wenn
es zu bezeichnen iſt. Wenn es nur uͤberhaupt ein entge-
gengeſetztes werden ſollte, ſo koͤnnte es eben ſo gut als
— a genommen werden. Aber das poſitive Zeichen wird
ihm unmittelbar gegeben, weil das Poſitive fuͤr ſich die
eigenthuͤmliche Bedeutung des Unmittelbaren, als mit ſich
identiſchen, gegen die Entgegenſetzung hat.
Ferner
[63]Das Weſen.
Ferner indem poſitive und negative Groͤßen ad-
dirt oder ſubtrahirt werden, gelten ſie als ſolche, die
fuͤr ſich poſitiv und negativ ſeyen, und es nicht bloß
durch die Beziehung des Addirens oder Subtrahirens,
auf dieſe aͤuſſerliche Weiſe werden. In 8 — (— 3)
heißt das erſte Minus entgegengeſetzt gegen 8, das
zweyte Minus aber (— 3) gilt als entgegengeſetztes
an ſich, auſſer dieſer Beziehung.
Naͤher tritt diß bey der Multiplication und Di-
viſion hervor; hier iſt das Poſitive weſentlich als das
Nichtentgegengeſetzte, das Negative hingegen als
das Entgegengeſetzte zu nehmen, nicht beyde Beſtim-
mungen auf gleiche Weiſe nur als Entgegengeſetzte uͤber-
haupt. Indem die Lehrbuͤcher in den Beweiſen, wie
ſich die Zeichen in dieſen beyden Rechnungsarten ver-
halten, bey dem Begriffe der entgegengeſetzten Groͤßen
uͤberhaupt ſtehen bleiben, ſo ſind dieſe Beweiſe unvoll-
ſtaͤndig und verwickeln ſich in Widerſpruͤche. — Plus
und Minus erhalten aber bey der Multiplication und
Diviſion die beſtimmtere Bedeutung von Poſitivem und
Negativem an ſich, weil das Verhaͤltniß der Factoren,
Einheit und Anzahl gegen einander zu ſeyn, nicht ein
bloßes Verhaͤltniß des Mehrens und Minderns iſt,
wie bey dem Addiren und Subtrahiren, ſondern ein
qualitatives; womit auch Plus und Minus die quali-
tative Bedeutung des Poſitiven und Negativen erhaͤlt.
— Ohne dieſe Beſtimmung und bloß aus dem Be-
griffe entgegengeſetzter Groͤßen, kann leicht die ſchiefe
Folgerung gezogen werden, daß wenn — a. + a = — a2
iſt, umgekehrt + a. — a = + a2 gebe. Indem der eine
Factor die Anzahl und der andere die Einheit, und zwar
die erſtere wie gewoͤhnlich der voranſtehende bedeutet, ſo
unterſcheiden ſich die beyden Ausdruͤcke — a. + a und
+ a. — a dadurch, daß im erſtern + a die Einheit und
— a
[64]Zweytes Buch. I.Abſchnitt.
— a die Anzahl, und im andern es umgekehrt iſt. Es
pflegt nun beym erſtern geſagt zu werden, wenn ich
+ a nehmen ſoll — a mahl, ſo nehme ich + a nicht
bloß a mahl, ſondern zugleich auf die ihm entgegenge-
ſetzte Weiſe, + a mahl — a; alſo da es Plus iſt,
ſo habe ich es negativ zu nehmen, und das Product
iſt — a2. — Wenn aber im zweyten Falle — a zu
nehmen iſt + a mahl, ſo ſoll — a gleichfalls nicht — a
mahl genommen werden, ſondern in der ihm entgegen-
geſetzten Beſtimmung nemlich + a mahl. Nach dem
Raͤſonnement des erſten Falles folgt alſo, daß das
Product + a2 ſeyn muͤſſe. — Eben ſo bey der Divi-
ſion.
Dieſe Conſequenz iſt nothwendig, inſofern Plus
und Minus nur als entgegengeſetzte Groͤßen uͤberhaupt
genommen werden; dem Minus wird im erſten Falle
die Kraft zugeſchrieben, das Plus zu veraͤndern; aber
im andern ſollte Plus nicht dieſelbe Kraft uͤber Minus
haben, ungeachtet es ſo gut eine entgegengeſetzte
Groͤßebeſtimmung iſt, als dieſes. In der That hat
Plus dieſe Kraft nicht, denn es iſt hier nach ſeiner
qualitativen Beſtimmung gegen Minus zu nehmen, in-
dem die Factoren ein qualitatives Verhaͤltniß zu ein-
ander haben. Inſofern iſt alſo das Negative hier das
an ſich Entgegengeſetzte als ſolches, das Poſitive aber
iſt das unbeſtimmte, gleichguͤltige uͤberhaupt; es iſt
wohl auch das Negative, aber des Andern, nicht an
ihm ſelbſt. — Eine Beſtimmung als Negation kommt
alſo allein durch das Negative herein, nicht durch das
Poſitive.
So iſt denn auch — a. — a = + a2, darum weil
das negative a nicht bloß auf die entgegengeſetzte Wei-
ſe, (ſo wuͤrde es zu nehmen ſeyn, mit — a multipli-
cirt) ſondern weil es negativ genommen werden ſoll.
Die Negation der Negation aber iſt das Poſitive.
C.
[65]Das Weſen.
C.
Der Widerſpruch.
1. Der Unterſchied uͤberhaupt enthaͤlt ſeine
beyden Seiten als Momente; in der Verſchieden-
heit fallen ſie gleichguͤltig auseinander; im Ge-
genſatze als ſolchem ſind ſie Seiten des Unterſchiedes,
eines nur durchs andere beſtimmt, ſomit nur Momente;
aber ſie ſind eben ſo ſehr beſtimmt an ihnen ſelbſt, gleich-
guͤltig gegen einander und ſich gegenſeitig ausſchlieſſend;
die ſelbſtſtaͤndigen Reflexionsbeſtimmungen.
Die eine iſt das Poſitive, die andere das Ne-
gative, aber jene als das an ihm ſelbſt Poſitive, dieſe
als das an ihm ſelbſt Negative. Die gleichguͤltige Selbſt-
ſtaͤndigkeit fuͤr ſich hat jedes dadurch, daß es die Bezie-
hung auf ſein anderes Moment an ihm ſelbſt hat; ſo iſt
es der ganze in ſich geſchloſſene Gegenſatz. — Als dieſes
Ganze iſt jedes vermittelt durch ſein Anderes mit
ſich, und enthaͤlt daſſelbe. Aber es iſt ferner durch
das Nichtſeyn ſeines Andern mit ſich vermittelt;
ſo iſt es fuͤr ſich ſeyende Einheit und ſchließt das An-
dere aus ſich aus.
Indem die ſelbſtſtaͤndige Reflexionsbeſtimmung in
derſelben Ruͤkſicht, als ſie die andere enthaͤlt, und da-
durch ſelbſtſtaͤndig iſt, die andere ausſchließt, ſo ſchließt
ſie in ihrer Selbſtſtaͤndigkeit ihre eigene Selbſtſtaͤndigkeit
aus ſich aus; denn dieſe beſteht darin, die ihr andre
Beſtimmung in ſich zu enthalten und dadurch allein nicht
Beziehung auf ein aͤuſſerliches zu ſeyn, aber eben ſo ſehr
Eunmit-
[66]Zweytes Buch. I.Abſchnitt.
unmittelbar darin, ſie ſelbſt zu ſeyn und die ihr negative
Beſtimmung von ſich auszuſchlieſſen. Sie iſt ſo der Wi-
derſpruch.
Der Unterſchied uͤberhaupt iſt ſchon der Widerſpruch
an ſich; denn er iſt die Einheit von ſolchen, die nur
ſind, in ſo fern ſie nicht eins ſind, — und die
Trennung ſolcher, die nur ſind als in derſelben
Beziehung getrennte. Das Poſitive und Negative
aber ſind der geſetzte Widerſpruch, weil ſie als nega-
tive Einheiten, ſelbſt das Setzen ihrer, und darin jedes
das Aufheben ſeiner und das Setzen ſeines Gegentheils
iſt. — Sie machen die beſtimmende Reflexion als aus-
ſchlieſſende aus; weil das Ausſchlieſſen Ein Unter-
ſcheiden, und jedes der unterſchiedenen als ausſchlieſſen-
des ſelbſt das ganze Ausſchlieſſen iſt, ſo ſchließt jedes in
ihm ſelbſt ſich aus.
Die beyden ſelbſtſtaͤndigen Reflexionsbeſtimmungen
fuͤr ſich betrachtet, ſo iſt das Poſitive das Geſetzt-
ſeyn als in die Gleichheit mit ſich reflectirt;
das Geſetztſeyn, das nicht Beziehung auf ein anderes iſt,
das Beſtehen alſo, inſofern das Geſetztſeyn aufgeho-
ben und ausgeſchloſſen iſt. Damit aber macht ſich
das Poſitive zur Beziehung eines Nichtſeyns,
— zu einem Geſetztſeyn. — So iſt es der Wider-
ſpruch, daß es als das Setzen der Identitaͤt mit ſich
durch Ausſchlieſſen des Negativen ſich ſelbſt zum
Negativen von einem macht, alſo zu dem Andern,
das es von ſich ausſchließt. Dieſes iſt als ausgeſchloſſe-
nes frey von dem ausſchlieſſenden geſetzt; hiemit als in
ſich reflectirt und ſelbſt ausſchlieſſend. So iſt die aus-
ſchlieſſende Reflexion Setzen des Poſitiven, als ausſchlieſ-
ſend das Andre, ſo daß diß Setzen unmittelbar das Se-
tzen ſeines Andern, es ausſchlieſſenden, iſt.
Diß
[67]Das Weſen.
Diß iſt der abſolute Widerſpruch des Poſitiven,
aber er iſt unmittelbar der abſolute Widerſpruch des Ne-
gativen; das Setzen beyder iſt Eine Reflexion. — Das
Negative fuͤr ſich betrachtet gegen das Poſitive iſt das
Geſetztſeyn als in die Ungleichheit mit ſich re-
flectirt, das Negative als Negatives. Aber das Nega-
tive iſt ſelbſt das Ungleiche, das Nichtſeyn eines andern;
ſomit iſt die Reflexion in ſeine Ungleichheit vielmehr ſeine
Beziehung auf ſich ſelbſt. — Die Negation uͤber-
haupt iſt das Negative als Qualitaͤt, oder unmit-
telbare Beſtimmtheit; das Negative aber als Ne-
gatives, iſt es bezogen auf das Negative ſeiner, auf
ſein Anderes. Wird diß Negative nur als identiſch mit
dem erſten genommen, ſo iſt es, wie auch das erſtere,
nur unmittelbar; ſie werden ſo nicht genommen als An-
dere gegeneinander, ſomit nicht als Negative; das Ne-
gative iſt uͤberhaupt nicht ein unmittelbares. — Indem
nun ferner aber eben ſo ſehr jedes daſſelbe iſt, was das
andre, ſo iſt dieſe Beziehung der Ungleichen eben ſo ſehr
ihre identiſche Beziehung.
Diß iſt alſo derſelbe Widerſpruch, der das Poſitive
iſt, nemlich Geſetztſeyn oder Negation, als Beziehung
auf ſich. Aber das Poſitive iſt nur an ſich dieſer Wi-
derſpruch; das Negative dagegen der geſetzte Wider-
ſpruch; denn in ſeiner Reflexion in ſich, an und fuͤr ſich
Negatives oder als Negatives identiſch mit ſich zu ſeyn,
hat es die Beſtimmung, daß es Nichtidentiſches, Aus-
ſchlieſſen der Identitaͤt ſey. Es iſt diß, gegen die
Identitaͤt identiſch mit ſich zu ſeyn, hiemit durch
ſeine ausſchlieſſende Reflexion ſich ſelbſt von ſich auszu-
ſchlieſſen.
Das Negative iſt alſo die ganze, als Entgegen-
ſetzung auf ſich beruhende Entgegenſetzung, der abſolute
E 2ſich
[68]Zweytes Buch. I.Abſchnitt.
ſich nicht auf anderes beziehende Unterſchied;
er ſchließt als Entgegenſetzung die Identitaͤt von ſich aus;
aber ſomit ſich ſelbſt, denn als Beziehung auf ſich
beſtimmt er ſich als die Identitaͤt ſelbſt, die er ausſchließt.
In der ſich ſelbſt ausſchlieſſenden Reflexion, die be-
trachtet wurde, hebt das Poſitive und das Negative je-
des in ſeiner Selbſtſtaͤndigkeit ſich ſelbſt auf; jedes iſt
ſchlechthin das Uebergehen oder vielmehr das ſich Ueber-
ſetzen ſeiner in ſein Gegentheil. Diß raſtloſe Verſchwin-
den der Entgegengeſetzten in ihnen ſelbſt iſt die naͤchſte
Einheit, welche durch den Widerſpruch zu Stande
kommt; ſie iſt die Null.
Der Widerſpruch enthaͤlt aber nicht bloß das Ne-
gative ſondern auch das Poſitive; oder die ſich ſelbſt
ausſchlieſſende Reflexion iſt zugleich ſetzende Reflexion;
das Reſultat des Widerſpruchs iſt nicht nur Null. —
Das Poſitive und Negative machen das Geſetztſeyn
der Selbſtſtaͤndigkeit aus; die Negation ihrer durch ſie
ſelbſt hebt das Geſetztſeyn der Selbſtſtaͤndigkeit auf.
Diß iſt es, was in Wahrheit im Widerſpruche zu Grund
geht.
Die Reflexion in ſich, wodurch die Seiten des Ge-
genſatzes ſich zu ſelbſtſtaͤndigen Beziehungen auf ſich ma-
chen, iſt zunaͤchſt ihre Selbſtſtaͤndigkeit als unter-
ſchiedener Momente; ſie ſind ſo nur an ſich dieſe
Selbſtſtaͤndigkeit, denn ſie ſind noch entgegengeſetzte, und
daß ſie es an ſich ſind, macht ihr Geſetztſeyn aus.
Aber ihre ausſchlieſſende Reflexion hebt diß Geſetztſeyn
auf, macht ſie zu fuͤrſichſeyenden Selbſtſtaͤndigen, zu ſol-
chen, die nicht nur an ſich, ſondern durch ihre negati-
ve
[69]Das Weſen.
ve Beziehung auf ihr anderes ſelbſtſtaͤndig ſind; ihre
Selbſtſtaͤndigkeit iſt auf dieſe Weiſe auch geſetzt. Aber
ferner machen ſie ſich durch diß ihr Setzen zu einem Ge-
ſetztſeyn. Sie richten ſich zu Grunde, indem ſie
ſich beſtimmen als das mit ſich identiſche, aber darin
vielmehr als das Negative, als ein mit ſich identiſches,
das Beziehung auf anderes iſt.
Allein dieſe ausſchlieſſende Reflexion iſt naͤher be-
trachtet, nicht nur dieſe formelle Beſtimmung. Sie iſt
an ſichſeyende Selbſtſtaͤndigkeit, und iſt das Aufheben
dieſes Geſetztſeyns und durch diß Aufheben erſt fuͤrſich-
ſeyende und in der That ſelbſtſtaͤndige Einheit. Durch
das Aufheben des Andersſeyns oder Geſetztſeyns iſt zwar
wieder das Geſetztſeyn, das Negative eines Andern,
vorhanden. Aber in der That iſt dieſe Negation nicht
wieder nur erſte unmittelbare Beziehung auf Anderes,
nicht Geſetztſeyn als aufgehobene Unmittelbarkeit, ſon-
dern als aufgehobenes Geſetztſeyn. Die ausſchlieſſende
Reflexion der Selbſtſtaͤndigkeit, indem ſie ausſchlieſſend
iſt, macht ſich zum Geſetztſeyn, aber iſt eben ſo ſehr Auf-
heben ihres Geſetztſeyns. Sie iſt aufhebende Beziehung
auf ſich; ſie hebt darin erſtens das Negative auf und
zweytens ſetzt ſie ſich als negatives, und diß iſt erſt
dasjenige Negative, das ſie aufhebt; im Aufheben des
Negativen ſetzt und hebt ſie zugleich es auf. Die aus-
ſchlieſſende Beſtimmung ſelbſt iſt auf dieſe Weiſe
ſich das Andre, deſſen Negation ſie iſt; das Aufheben
dieſes Geſetztſeyns iſt daher nicht wieder Geſetztſeyn als
das Negative eines Andern, ſondern iſt das Zuſammen-
gehen mit ſich ſelbſt, das poſitive Einheit mit ſich iſt.
Die Selbſtſtaͤndigkeit iſt ſo durch ihre eigene Nega-
tion in ſich zuruͤckkehrende Einheit, indem ſie durch die
Negation ihres Geſetztſeyns in ſich zuruͤckkehrt. Sie
iſt die Einheit des Weſens, durch die Negation nicht ei-
nes
[70]Zweytes Buch. I.Abſchnitt.
nes Andern, ſondern ihrer ſelbſt identiſch mit ſich zu
ſeyn.
3. Nach dieſer poſitiven Seite, daß die Selbſtſtaͤn-
digkeit im Gegenſatze, als ausſchlieſſende Reflexion ſich
zum Geſetztſeyn macht, und es eben ſo ſehr aufhebt,
Geſetztſeyn zu ſeyn, iſt der Gegenſatz nicht nur zu
Grunde, ſondern in ſeinen Grund zuruͤckgegan-
gen. — Die ausſchlieſſende Reflexion des ſelbſtſtaͤndigen
Gegenſatzes macht ihn zu einem Negativen, nur Geſetz-
ten; ſie ſetzt dadurch ihre zunaͤchſt ſelbſtſtaͤndigen Be-
ſtimmungen, das Poſitive und Negative, zu ſolchen
herab, welche nur Beſtimmungen ſind; und indem
ſo das Geſetztſeyn zum Geſetztſeyn gemacht wird, iſt es
uͤberhaupt in ſeine Einheit mit ſich zuruͤckgekehrt; es iſt
das einfache Weſen, aber das Weſen als Grund.
Durch das Aufheben der ſich an ſich ſelbſt widerſpre-
chenden Beſtimmungen des Weſens, iſt dieſes wiederher-
geſtellt, jedoch mit der Beſtimmung, ausſchlieſſende Re-
flexionseinheit zu ſeyn, — einfache Einheit, welche ſich
ſelbſt als Negatives beſtimmt, aber in dieſem Geſetztſeyn
unmittelbar ſich ſelbſt gleich und mit ſich zuſammengegan-
gen iſt.
Zunaͤchſt geht alſo der ſelbſtſtaͤndige Gegenſatz
durch ſeinen Widerſpruch in den Grund zuruͤck; jener
iſt das Erſte, Unmittelbare, von dem angefangen wird,
und der aufgehobene Gegenſatz oder das aufgehobene Ge-
ſetztſeyn iſt ſelbſt ein Geſetztſeyn. Somit iſt das We-
ſen als Grund ein Geſetztſeyn, ein gewor-
denes. Aber umgekehrt hat ſich nur diß geſetzt, daß
der Gegenſatz oder das Geſetztſeyn ein aufgehobenes, nur
als Geſetztſeyn iſt. Das Weſen iſt alſo als Grund ſo
ausſchlieſſende Reflexion, daß es ſich ſelbſt zum Geſetzt-
ſeyn macht, daß der Gegenſatz, von dem vorhin der
Anfang
[71]Das Weſen.
Anfang gemacht wurde und der das Unmittelbare war,
die nur geſetzte, beſtimmte Selbſtſtaͤndigkeit des Weſens
iſt, und daß er nur das ſich an ihm ſelbſt aufhebende,
das Weſen aber das in ſeiner Beſtimmtheit in ſich refle-
ctirte iſt. Das Weſen ſchließt als Grund ſich von ſich
ſelbſt aus, es ſetzt ſich; ſein Geſetztſeyn, — welches
das Ausgeſchloſſene iſt, — iſt nur als Geſetztſeyn, als
Identitaͤt des Negativen mit ſich ſelbſt. Diß Selbſtſtaͤn-
dige iſt das Negative, geſetzt als Negatives; ein ſich
ſelbſt widerſprechendes, das daher unmittelbar im Weſen
als ſeinem Grunde bleibt.
Der aufgeloͤste Widerſpruch iſt alſo der Grund,
das Weſen als Einheit des Poſitiven und Negativen.
Im Gegenſatze iſt die Beſtimmung zur Selbſtſtaͤndig-
keit gediehen; der Grund aber iſt dieſe vollendete
Selbſtſtaͤndigkeit; das Negative iſt in ihm ſelbſtſtaͤndiges
Weſen, aber als Negatives; ſo iſt er eben ſo ſehr das
Poſitive als das in dieſer Negativitaͤt mit ſich identiſche.
Der Gegenſatz und ſein Widerſpruch iſt daher im Grunde
ſo ſehr aufgehoben, als erhalten. Der Grund iſt das
Weſen als die poſitive Identitaͤt mit ſich; aber die ſich
zugleich als die Negativitaͤt auf ſich bezieht, ſich alſo be-
ſtimmt und zum ausgeſchloſſenen Geſetztſeyn macht; diß
Geſetztſeyn aber iſt das ganze ſelbſtſtaͤndige Weſen, und
das Weſen iſt Grund, als in dieſer ſeiner Negation iden-
tiſch mit ſich ſelbſt und poſitiv. Der ſich widerſprechende
ſelbſtſtaͤndige Gegenſatz war alſo bereits ſelbſt der Grund;
es kam nur die Beſtimmung der Einheit mit ſich ſelbſt
hinzu, welche dadurch hervortritt, daß die ſelbſtſtaͤndigen
Entgegengeſetzten jedes ſich ſelbſt aufhebt, und ſich zu
dem andern ſeiner macht, ſomit zu Grunde geht, aber
darin zugleich nur mit ſich ſelbſt zuſammengeht, alſo in
ſeinem Untergange, das iſt, in ſeinem Geſetztſeyn oder
in
[72]Zweytes Buch. I.Abſchnitt.
in der Negation vielmehr erſt das in ſich reflectirte, mit
ſich identiſche Weſen iſt.
Das Poſitive und Negative iſt daſſelbe.
Dieſer Ausdruck gehoͤrt der aͤuſſern Reflexion an,
inſofern ſie mit dieſen beiden Beſtimmungen eine Ver-
gleichung anſtellt. Es iſt aber nicht eine aͤuſſere Ver-
gleichung, welche zwiſchen denſelben, eben ſo wenig als
zwiſchen andern Kategorien anzuſtellen iſt, ſondern ſie
ſind an ihnen ſelbſt zu betrachten, d. h. es iſt zu betrach-
ten, was ihre eigene Reflexion iſt. An dieſer aber hat
es ſich gezeigt, daß jedes weſentlich das Scheinen ſeiner
im andern und ſelbſt das Setzen ſeiner als des andern
iſt.
Das Vorſtellen, inſofern es das Poſitive und Ne-
gative nicht betrachtet, wie ſie an und fuͤr ſich ſind, kann
aber allerdings an das Vergleichen verwieſen werden,
um das Haltloſe dieſer Unterſchiedenen, die von ihm als
feſt einander gegenuͤber angenommen ſind, aufmerkſam
zu werden. Eine geringe Erfahrung in dem reflectiren-
den Denken wird es ſchon wahrnehmen, daß wenn etwas
als poſitiv beſtimmt worden, indem man nun von dieſer
Grundlage weiter geht, ſich daſſelbe unmittelbar unter
der Hand in negatives verkehrt hat, und umgekehrt das
negative Beſtimmte in poſitives, daß das reflectirende
Denken ſich in dieſen Beſtimmungen verwirrt und ſich wi-
derſprechend wird. Die Unbekanntſchaft mit der Natur
derſelben iſt der Meynung, dieſe Verwirrung ſey etwas
unrechtes, das nicht geſchehen ſoll und ſchreibt ſie einem
ſubjectiven Fehler zu. Dieſes Uebergehen bleibt in der
That auch bloſſe Verwirrung, inſofern das Bewußtſeyn
uͤber die Nothwendigkeit der Verwandlung nicht vorhan-
den
[73]Das Weſen.
den iſt. — Es iſt aber, auch fuͤr die aͤuſſere Reflexion,
eine einfache Betrachtung, daß fuͤrs erſte das Poſitive
nicht ein unmittelbar identiſches iſt, ſondern theils ein
entgegengeſetztes gegen das Negative, und daß es nur
in dieſer Beziehung Bedeutung hat, alſo das Negative
ſelbſt in ſeinem Begriffe liegt, theils aber, daß es
an ihm ſelbſt die ſich auf ſich beziehende Negation des
bloſſen Geſetztſeyns oder des Negativen alſo ſelbſt die
abſolute Negation in ſich iſt. — Eben ſo das Ne-
gative, das dem Poſitiven gegenuͤber ſteht, hat nur Sinn
in dieſer Beziehung auf diß ſein Anderes; es enthaͤlt
alſo daſſelbe in ſeinem Begriffe. Das Negative hat
aber auch ohne Beziehung auf das Poſitive ein eigenes
Beſtehen; es iſt mit ſich identiſch; ſo iſt es aber ſelbſt
das, was das Poſitive ſeyn ſollte.
Vornemlich wird der Gegenſatz vom Poſitiven und
Negativen in dem Sinne genommen, daß jenes (ob es
gleich ſeinen Namen nach das Ponirtſeyn, Geſetzt-
ſeyn ausdruͤckt) ein objectives ſeyn ſoll, dieſes aber
ein ſubjectives, welches nur einer aͤuſſern Reflexion an-
gehoͤre, das an und fuͤr ſich ſeyende Objective nichts an-
gehe, und ganz und gar nicht fuͤr daſſelbe vorhanden ſey.
In der That, wenn das Negative nichts anders als die
Abſtraction einer ſubjectiven Willkuͤhr oder eine Beſtim-
mung einer aͤuſſerlichen Vergleichung ausdruͤckt, ſo iſt es
freylich fuͤr das objective Poſitive nicht vorhanden, d. h.
dieſes iſt nicht an ihm ſelbſt auf eine ſolche leere Abſtrac-
tion bezogen; aber dann iſt ihm die Beſtimmung, daß es
ein Poſitives ſey, gleichfalls nur aͤuſſerlich. — So gilt,
um ein Beyſpiel von dem fixen Gegenſatze dieſer Re-
flexionsbeſtimmungen anzufuͤhren, das Licht uͤberhaupt
fuͤr das nur Poſitive, die Finſterniß aber fuͤr das
nur Negative. Aber das Licht hat in ſeiner unendlichen
Expanſion und der Kraft ſeiner aufſchlieſſenden und be-
leben-
[74]Zweytes Buch. I.Abſchnitt.
lebenden Wirkſamkeit weſentlich die Natur abſoluter Ne-
gativitaͤt. Die Finſterniß dagegen, als Unmannichfalti-
ges oder der ſich nicht ſelbſt in ſich unterſcheidende Schooß
der Erzeugung, iſt das einfache mit ſich identiſche, das
Poſitive. Sie wird als das nur Negative in dem Sin-
ne genommen, daß ſie als bloſſe Abweſenheit des Lichts
fuͤr daſſelbe ganz und gar nicht vorhanden ſeye, — ſo
daß dieſes, indem es ſich auf ſie bezieht, ſich nicht auf
ein anderes, ſondern rein auf ſich ſelbſt beziehen, alſo
dieſe nur vor ihm verſchwinden ſoll. Aber bekanntlich
wird das Licht durch die Finſterniß zum Grau getruͤbt;
und auſſer dieſer bloß quantitativen Veraͤnderung erleidet
es auch die qualitative, durch die Beziehung darauf zur
Farbe beſtimmt zu werden. — So iſt z. B. auch die
Tugend nicht ohne Kampf; ſie iſt vielmehr der hoͤchſte,
vollendete Kampf; ſo iſt ſie nicht nur das Poſitive, ſon-
dern abſolute Negativitaͤt; ſie iſt auch nicht nur in Ver-
gleichung mit dem Laſter Tugend, ſondern iſt an ihr
ſelbſt Entgegenſetzung und Bekaͤmpfung. Oder das
Laſter iſt nicht nur der Mangel der Tugend, —
auch die Unſchuld iſt dieſer Mangel, — und nicht nur
fuͤr eine aͤuſſere Reflexion von der Tugend unterſchieden,
ſondern an ſich ſelbſt ihr entgegengeſetzt, es iſt boͤſe.
Das Boͤſe beſteht in dem Beruhen auf ſich, gegen das
Gute; es iſt die poſitive Negativitaͤt. Die Unſchuld aber,
als Mangel ſowohl des Guten als des Boͤſen, iſt gleich-
guͤltig gegen beide Beſtimmungen, weder poſitiv noch ne-
gativ. Aber zugleich iſt dieſer Mangel auch als Be-
ſtimmtheit zu nehmen, und einerſeits iſt ſie als die poſi-
tive Natur von Etwas zu betrachten, als ſie ſich ande-
rerſeits auf ein Entgegengeſetztes bezieht, und alle Na-
turen aus ihrer Unſchuld, aus ihrer gleichguͤltigen Iden-
titaͤt mit ſich, heraustreten, ſich durch ſich ſelbſt auf ihr
Anderes beziehen und dadurch zu Grunde richten, oder,
im poſitiven Sinne, in ihren Grund zuruͤckgehen. —
Auch
[75]Das Weſen.
Auch die Wahrheit iſt das Poſitive als das mit dem
Objecte uͤbereinſtimmende Wiſſen, aber ſie iſt nur dieſe
Gleichheit mit ſich, inſofern das Wiſſen ſich negativ ge-
gen das Andere verhalten, das Object durchdrungen und
die Negation, die es iſt, aufgehoben hat. Der Irr-
thum iſt ein Poſitives, als eine Meynung des nicht an
und fuͤr ſich ſeyenden, die ſich weiß und behauptet. Die
Unwiſſenheit aber iſt entweder das gegen Wahrheit und
Irrthum gleichguͤltige, ſomit weder als poſitiv noch als
negativ beſtimmt und die Beſtimmung derſelben als ein
Mangel gehoͤrt der aͤuſſern Reflexion an, oder aber als
objectiv, als eigene Beſtimmung einer Natur, iſt ſie der
Trieb, der gegen ſich gerichtet iſt; ein Negatives, das
eine poſitive Richtung in ſich enthaͤlt. — Es iſt eine der
wichtigſten Erkenntniſſe, dieſe Natur der betrachteten
Reflexionsbeſtimmungen, daß ihre Wahrheit nur in ihrer
Beziehung auf einander, und damit darin beſteht, daß
jede in ihrem Begriffe ſelbſt die andere enthaͤlt, einzu-
ſehen und feſtzuhalten; ohne dieſe Erkenntniß laͤßt ſich ei-
gentlich kein Schritt in der Philoſophie thun.
Die Beſtimmung der Entgegenſetzung iſt gleichfalls
zu einem Satze gemacht worden, dem ſogenannten Satze
des ausgeſchloſſenen Dritten.
Etwas iſt entweder A oder Nicht A; es
gibt kein Drittes.
Dieſer Satz enthaͤlt zuerſt, daß Alles ein Ent-
gegengeſetztes iſt, ein entweder als poſitiv oder als
negativ beſtimmtes. — Ein wichtiger Satz, der darin
ſeine Nothwendigkeit hat, daß die Identitaͤt in Verſchie-
denheit und dieſe in Entgegenſetzung uͤbergeht. Allein
er pflegt nicht in dieſem Sinne verſtanden zu werden,
ſondern
[76]Zweytes Buch. I.Abſchnitt.
ſondern ſoll gewoͤhnlich ſo viel heiſſen, daß einem Dinge
von allen Praͤdicaten entweder dieſes Praͤdicat ſelbſt oder
ſein Nichtſeyn zukomme. Das Entgegengeſetzte bedeutet
hier bloß den Mangel oder vielmehr die Unbeſtimmt-
heit; und der Satz iſt ſo unbedeutend, daß es nicht der
Muͤhe iſt, ihn zu ſagen. Wenn die Beſtimmungen ſuͤß,
gruͤn, viereckig genommen, — und es ſollen alle Praͤ-
dicate genommen werden — und nun vom Geiſte geſagt
wird, er ſey entweder ſuͤß oder nicht ſuͤß, gruͤn oder
nicht gruͤn, u. ſ. f. ſo iſt diß eine Trivialitaͤt, die zu
nichts fuͤhrt. Die Beſtimmtheit, das Praͤdicat, wird
auf Etwas bezogen; das Etwas iſt beſtimmt, ſagt der
Satz aus; nun ſoll er weſentlich diß enthalten, daß die
Beſtimmtheit ſich naͤher beſtimme, zur Beſtimmtheit an
ſich, zur Entgegenſetzung werde. Statt deſſen geht er
aber in jenem trivialen Sinne von der Beſtimmtheit nur
uͤber zu ihrem Nichtſeyn uͤberhaupt, zuruͤck zur Unbe-
ſtimmtheit.
Der Satz des ausgeſchloſſenen Dritten unterſcheidet
ſich ferner vom oben betrachteten Satze der Identitaͤt oder
des Widerſpruchs, der ſo hieß: es gibt nicht etwas, das
zugleich A und Nicht A iſt. Er enthaͤlt, daß es nicht
Etwas gebe, welches weder A noch nicht A, daß es
nicht ein Drittes gebe, das gegen den Gegenſatz gleich-
guͤltig ſey. In der That aber gibt es in dieſem Satze
ſelbſt das Dritte, das gleichguͤltig gegen den Gegenſatz
iſt, nemlich A ſelbſt iſt darin vorhanden. Diß A iſt we-
der + A noch — A, und eben ſo wohl auch + A als — A.
— Das Etwas, das entweder + A oder Nicht A ſeyn
ſollte, iſt hiemit auf + A ſowohl als Nicht A bezogen;
und wieder, indem es auf A bezogen iſt, ſolle es nicht
auf Nicht A bezogen ſeyn, ſo wie nicht auf A, indem
es auf Nicht A bezogen iſt. Das Etwas ſelbſt iſt alſo
das Dritte, welches ausgeſchloſſen ſeyn ſollte. Indem
die
[77]Das Weſen.
die entgegengeſetzten Beſtimmungen, im Etwas eben ſo
ſehr geſetzt als in dieſem Setzen aufgehobene ſind, ſo iſt
das Dritte, das hier die Geſtalt eines todten Etwas hat,
tiefer genommen, die Einheit der Reflexion, in welche,
als in den Grund die Entgegenſetzung zuruͤckgeht.
Wenn nun die erſten Reflexionsbeſtimmungen, die
Identitaͤt, die Verſchiedenheit und die Entgegenſetzung,
in einem Satze aufgeſtellt worden, ſo ſollte noch vielmehr
diejenige, in welche ſie als in ihre Wahrheit uͤbergehen,
nemlich der Widerſpruch, in einen Satz gefaßt und
geſagt werden: Alle Dinge ſind an ſich ſelbſt
widerſprechend, und zwar in dem Sinne, daß die-
ſer Satz gegen die uͤbrigen vielmehr die Wahrheit und
das Weſen der Dinge ausdruͤcke. — Der Widerſpruch,
der an der Entgegenſetzung hervortritt, iſt nur das ent-
wickelte Nichts, das in der Identitaͤt enthalten iſt, und
in dem Ausdrucke vorkam, daß der Satz der Identitaͤt
Nichts ſage. Dieſe Negation beſtimmt ſich weiter zur
Verſchiedenheit und zur Entgegenſetzung, welche nun der
geſetzte Widerſpruch iſt.
Es iſt aber eines der Grundvorurtheile der bisheri-
gen Logik und des gewoͤhnlichen Vorſtellens, als ob der
Widerſpruch nicht eine ſo weſenhafte und immanente Be-
ſtimmung ſey, als die Identitaͤt; ja wenn von Rangord-
nung die Rede, und beyde Beſtimmungen als getrennte
feſtzuhalten waͤren, ſo waͤre der Widerſpruch fuͤr das
Tiefere und Weſenhaftere zu nehmen. Denn die Iden-
titaͤt ihm gegenuͤber iſt nur die Beſtimmung des einfachen
Unmittelbaren, des todten Seyns; er aber iſt die Wur-
zel aller Bewegung und Lebendigkeit; nur inſofern etwas
in
[78]Zweytes Buch. I.Abſchnitt.
in ſich ſelbſt einen Widerſpruch hat, bewegt es ſich, hat
Trieb und Thaͤtigkeit.
Der Widerſpruch wird gewoͤhnlich fuͤrs erſte von
den Dingen, von dem Seyenden und Wahren uͤberhaupt,
entfernt; es wird behauptet, daß es nichts wider-
ſprechendes gebe. Er wird fuͤrs andre dagegen in
die ſubjective Reflexion geſchoben, die durch ihre Be-
ziehung und Vergleichung ihn erſt ſetze. Aber auch in
dieſer Reflexion ſey er nicht eigentlich vorhanden, denn
das Widerſprechende koͤnne nicht vorgeſtellt noch
gedacht werden. Er gilt uͤberhaupt, ſey es am Wirk-
lichen oder in der denkenden Reflexion, fuͤr eine Zufaͤllig-
keit, gleichſam fuͤr eine Abnormitaͤt und voruͤbergehenden
Krankheitsparoxysmus.
Was nun die Behauptung betrift, daß es den Wi-
derſpruch nicht gebe, daß er nicht ein vorhandenes ſey,
ſo brauchen wir uns um eine ſolche Verſicherung nicht zu
bekuͤmmern; eine abſolute Beſtimmung des Weſens muß
ſich in aller Erfahrung finden, in allem Wirklichen wie in
jedem Begriffe. Oben beym Unendlichen, das der
Widerſpruch iſt, wie er in der Sphaͤre des Seyns ſich
zeigt, iſt das Gleiche bereits erinnert worden. Die ge-
meine Erfahrung aber ſpricht es ſelbſt aus, daß es we-
nigſtens eine Menge widerſprechender Dinge, wider-
ſprechender Einrichtungen u. ſ. f. gebe, deren Wider-
ſpruch nicht bloß in einer aͤuſſerlichen Reflexion, ſondern
in ihnen ſelbſt vorhanden iſt. Er iſt aber ferner nicht
bloß als eine Abnormitaͤt zu nehmen, die nur hier und da
vorkaͤme, ſondern iſt das Negative in ſeiner weſenhaften
Beſtimmung, das Princip aller Selbſtbewegung, die in
nichts weiter beſteht, als in einer Darſtellung deſſelben.
Die aͤuſſerliche ſinnliche Bewegung ſelbſt iſt ſein unmittel-
bares Daſeyn. Es bewegt ſich etwas nur, nicht indem
es
[79]Das Weſen.
es in dieſem Itzt hier iſt, und in einem andern Itzt dort,
ſondern indem es in einem und demſelben Itzt hier und
nicht hier, indem es in dieſem Hier zugleich iſt und nicht
iſt. Man muß den alten Dialektikern die Widerſpruͤche
zugeben, die ſie in der Bewegung aufzeigen, aber daraus
folgt nicht, daß darum die Bewegung nicht iſt, ſondern
vielmehr daß die Bewegung der daſeyende Wider-
ſpruch ſelbſt iſt.
Eben ſo iſt die innere, die eigentliche Selbſtbewe-
gung, der Trieb uͤberhaupt, (Appetit oder Niſus der
Monade, die Entelechie des abſolut einfachen Weſens)
nichts anderes, als daß Etwas in ſich ſelbſt, und
der Mangel, das Negative ſeiner ſelbſt, in ei-
ner und derſelben Ruͤckſicht iſt. Die abſtracte Identitaͤt
mit ſich iſt noch keine Lebendigkeit, ſondern daß das Po-
ſitive an ſich ſelbſt die Negativitaͤt iſt, dadurch geht es
auſſer ſich und ſetzt ſich in Veraͤnderung. Etwas iſt alſo
lebendig, nur inſofern es den Widerſpruch in ſich enthaͤlt,
und zwar dieſe Kraft iſt, den Widerſpruch in ſich zu faſ-
ſen und auszuhalten. Wenn aber ein Exiſtirendes nicht
in ſeiner poſitiven Beſtimmung zugleich uͤber ſeine nega-
tive uͤberzugreiffen und eine in der andern feſtzuhalten,
den Widerſpruch nicht in ihm ſelbſt zu haben vermag, ſo
iſt es nicht die lebendige Einheit ſelbſt, nicht Grund,
ſondern geht in dem Widerſpruche zu Grunde. — Das
ſpeculative Denken beſteht nur darin, daß das
Denken den Widerſpruch und in ihm ſich ſelbſt feſthaͤlt,
nicht aber daß es ſich, wie es dem Vorſtellen geht, von
ihm beherrſchen und durch ihn ſich ſeine Beſtimmungen
nur in andere oder in Nichts aufloͤſen laͤßt.
Wenn in der Bewegung, dem Triebe und derglei-
chen der Widerſpruch in die Einfachheit dieſer Be-
ſtimmungen fuͤr das Vorſtellen verhuͤllt iſt, ſo ſtellt ſich
hinge-
[80]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
hingegen in den Verhaͤltnißbeſtimmungen der
Widerſpruch unmittelbar dar. Die trivialſten Beyſpiele,
von Oben und Unten, Rechts und Links, Vater und
Sohn und ſo fort ins Unendliche, enthalten alle den Ge-
genſatz in Einem. Oben iſt, was nicht Unten iſt;
Oben iſt beſtimmt nur diß, nicht Unten zu ſeyn, und iſt
nur, inſofern ein Unten iſt; und umgekehrt; in der ei-
nen Beſtimmung liegt ihr Gegentheil. Vater iſt das
Andre des Sohnes, und Sohn das Andre des Vaters
und jedes iſt nur als diß Andre des andern; und zugleich
iſt die eine Beſtimmung nur in Beziehung auf die andere;
ihr Seyn iſt Ein Beſtehen. Der Vater iſt auſſer der
Beziehung auf Sohn auch etwas fuͤr ſich; aber ſo iſt er
nicht Vater, ſondern ein Mann uͤberhaupt; wie Oben
und Unten, Rechts und Links auch in ſich reflectirte,
auſſer der Beziehung etwas ſind; aber nur Orte uͤber-
haupt. — Die Entgegengeſetzten enthalten inſofern den
Widerſpruch, als ſie in derſelben Ruͤckſicht ſich negativ
auf einander beziehende oder ſich gegenſeitig auf-
hebende und gegen einander gleichguͤltige ſind.
Die Vorſtellung, indem ſie zum Momente der Gleich-
guͤltigkeit der Beſtimmungen uͤbergeht, vergißt darin
ihre negative Einheit und behaͤlt ſie ſomit nur als ver-
ſchiedene uͤberhaupt, in welcher Beſtimmung Rechts nicht
mehr Rechts, Links nicht mehr Links u. ſ. f. iſt. In-
dem ſie aber Rechts und Links in der That vor ſich hat,
ſo hat ſie dieſe Beſtimmungen vor ſich als ſich negirend,
die eine in der andern, und in dieſer Einheit zugleich
ſich nicht negirend, ſondern jede gleichguͤltig fuͤr ſich
ſeyend.
Das Vorſtellen hat daher wohl allenthalben den
Widerſpruch zu ſeinem Inhalte, kommt aber nicht zum
Bewußtſeyn deſſelben; es bleibt aͤuſſerliche Reflexion,
die von der Gleichheit zur Ungleichheit, oder von der ne-
gativen
[81]Das Weſen.
gativen Beziehung zum Reflectirtſeyn der Unterſchiedenen
in ſich, uͤbergeht. Sie haͤlt dieſe beyden Beſtimmungen
einander aͤuſſerlich gegenuͤber und hat nur ſie, nicht
aber das Uebergehen, welches das Weſentliche iſt,
und den Widerſpruch enthaͤlt, im Sinne. — Die geiſt-
reiche Reflexion, um dieſe hier zu erwaͤhnen, beſteht
dagegen im Auffaſſen und Ausſprechen des Widerſpruchs.
Ob ſie zwar den Begriff der Dinge und ihrer Ver-
haͤltniſſe nicht ausdruͤckt und nur Vorſtellungsbeſtimmun-
gen zu ihrem Material und Inhalt hat, ſo bringt ſie
dieſelben in eine Beziehung, die ihren Widerſpruch ent-
haͤlt und durch dieſen hindurch ihren Begriff
ſcheinen laͤßt. — Die denkende Vernunft aber
ſpitzt, ſo zu ſagen, den abgeſtumpften Unterſchied des
Verſchiedenen, die bloſſe Mannichfaltigkeit der Vorſtel-
lung, zum weſentlichen Unterſchiede, zum Gegen-
ſatze, zu. Die Mannichfaltigen werden erſt, auf die
Spitze des Widerſpruchs getrieben, regſam und lebendig
gegen einander, und erhalten in ihm die Negativitaͤt,
welche die inwohnende Pulſation der Selbſtbewegung
und Lebendigkeit iſt.
Es iſt ſchon uͤber den ontologiſchen Beweis
vom Daſeyn Gottes erinnert worden, daß die darin
zu Grunde gelegte Beſtimmung, der Inbegriff aller
Realitaͤten iſt. Von dieſer Beſtimmung pflegt zuerſt
gezeigt zu werden, daß ſie moͤglich ſey, weil ſie keinen
Widerſpruch enthalte, indem die Realitaͤt nur als
Realitaͤt ohne Schranken genommen werde. Es wurde
erinnert, daß damit jener Inbegriff zum einfachen unbe-
ſtimmten Seyn, oder wenn die Realitaͤten in der That
als mehrere Beſtimmte genommen werden, zum Inbe-
griff aller Negationen wird. Naͤher den Unterſchied der
Realitaͤt genommen, ſo wird er aus der Verſchiedenheit
zum Gegenſatze und damit zum Widerſpruch, und der
FInbe-
[82]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
Inbegriff aller Realitaͤten uͤberhaupt zum abſoluten Wi-
derſpruch in ſich ſelbſt. Der gewoͤhnliche Horror, den
das vorſtellende, nicht ſpeculative Denken, wie die Na-
tur vor dem Vacuum, vor dem Widerſpruche hat, ver-
wirft dieſe Conſequenz; denn es bleibt bey der einſeitigen
Betrachtung der Aufloͤſung des Widerſpruchs in
Nichts ſtehen, und erkennt die poſitive Seite deſſelben
nicht, nach welcher er abſolute Thaͤtigkeit, und ab-
ſoluter Grund wird.
Es iſt uͤberhaupt aus der Betrachtung der Natur
des Widerſpruchs hervorgegangen, daß es fuͤr ſich noch,
ſo zu ſagen, kein Schaden, Mangel oder Fehler einer
Sache iſt, wenn an ihr ein Widerſpruch aufgezeigt wer-
den kann. Vielmehr jede Beſtimmung, jedes Concrete,
jeder Begriff iſt weſentlich eine Einheit unterſchiedener
und unterſcheidbarer Momente, die durch den beſtimm-
ten, weſentlichen Unterſchied in widerſprechen-
de uͤbergehen. Dieſes Widerſprechende loͤst ſich aller-
dings in Nichts auf, es geht in ſeine negative Einheit zu-
ruͤck. Das Ding, das Subject, der Begriff iſt nun eben
dieſe negative Einheit ſelbſt; es iſt ein an ſich ſelbſt wi-
derſprechendes, aber eben ſo ſehr der aufgeloͤste
Widerſpruch; es iſt der Grund, der ſeine Beſtim-
mungen enthaͤlt und traͤgt. Das Ding, das Subject,
oder der Begriff, iſt als in ſeiner Sphaͤre in ſich refle-
ctirt, ſein aufgeloͤster Widerſpruch, aber ſeine ganze
Sphaͤre iſt auch wieder eine beſtimmte, verſchiede-
ne; ſo iſt ſie eine endliche, und diß heißt eine wider-
ſprechende. Von dieſem hoͤhern Widerſpruche iſt
nicht ſie ſelbſt die Aufloͤſung; ſondern hat eine hoͤhere
Sphaͤre zu ihrer negativen Einheit, zu ihrem Grunde.
Die endlichen Dinge in ihrer gleichguͤltigen Mannich-
faltigkeit, ſind daher uͤberhaupt diß, widerſprechend an ſich
ſelbſt, in ſich gebrochen zu ſeyn und in ihren
Grund
[83]Das Weſen.
Grund zuruͤckzugehen. — Wie weiterhin betrach-
tet werden wird, ſo beſteht der wahre Schluß von einem
Endlichen und Zufaͤlligen auf ein abſolut-nothwendiges
Weſen nicht darin, daß von dem Endlichen und Zufaͤlli-
gen als dem zum Grunde liegenden und liegen
bleibenden Seyn, ſondern daß, was auch unmit-
telbar in der Zufaͤlligkeit liegt, von einem nur fal-
lenden, ſich an ſich ſelbſt widerſprechendem
Seyn aus, auf ein abſolut nothwendiges geſchloſſen,
oder daß vielmehr aufgezeigt wird, das zufaͤllige Seyn
gehe an ſich ſelbſt in ſeinen Grund zuruͤck, worin es ſich
aufhebt, — ferner daß es durch diß Zuruͤckgehen den
Grund nur ſo ſetze, daß es ſich ſelbſt vielmehr zum Ge-
ſetzten macht. Im gewoͤhnlichen Schlieſſen erſcheint das
Seyn des Endlichen als Grund des Abſoluten; darum
weil Endliches iſt, iſt das Abſolute. Die Wahrheit aber
iſt, daß darum weil das Endliche der an ſich ſelbſt wi-
derſprechende Gegenſatz, weil es nicht iſt, das Abſo-
lute iſt. In jenem Sinne lautet der Satz des Schluſſes
ſo: Das Seyn des Endlichen iſt das Seyn des Ab-
ſoluten; in dieſem Sinne aber ſo: Das Nichtſeyn
des Endlichen iſt das Seyn des Abſoluten.
F 2Drit-
[84]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
Drittes Kapitel
Der Grund.
Das Weſen beſtimmt ſich ſelbſt als
Grund.
Wie das Nichts zuerſt mit dem Seyn in ein-
facher unmittelbarer Einheit, ſo iſt auch hier zuerſt die
einfache Identitaͤt des Weſens mit ſeiner abſoluten Ne-
gativitaͤt in unmittelbarer Einheit. Das Weſen iſt nur
dieſe ſeine Negativitaͤt, welche die reine Reflexion iſt.
Es iſt dieſe reine Negativitaͤt als die Ruͤckkehr des Seyns
in ſich; ſo iſt es an ſich oder fuͤr uns beſtimmt, als
der Grund, in dem ſich das Seyn aufloͤst. Aber dieſe
Beſtimmtheit iſt nicht durches ſelbſt geſetzt; oder es
iſt nicht Grund, eben inſofern es dieſe ſeine Beſtimmtheit
nicht ſelbſt geſetzt hat. Seine Reflexion aber beſteht
darin, ſich als das, was es an ſich iſt, als Negatives
zu ſetzen und ſich zu beſtimmen. Das Poſitive
und Negative machen die weſenhafte Beſtimmung aus,
in die es als in ſeine Negation verlohren iſt. Dieſe
ſelbſtſtaͤndigen Reflexions-Beſtimmungen heben ſich auf,
und die zu Grunde gegangene Beſtimmung iſt die wahr-
hafte Beſtimmung des Weſens.
Der Grund iſt daher ſelbſt eine der Refle-
xionsbeſtimmungen des Weſens, aber die letzte,
vielmehr nur die Beſtimmung, daß ſie aufgehobene Be-
ſtimmung iſt. Die Reflexionsbeſtimmung, indem ſie zu
Grunde geht, erhaͤlt ihre wahrhafte Bedeutung, der ab-
ſolute Gegenſtoß ihrer in ſich ſelbſt zu ſeyn, nemlich daß
das
[85]Das Weſen.
das Geſetztſeyn, das dem Weſen zukommt, nur als auf-
gehobenes Geſetztſeyn iſt, und umgekehrt, daß nur das
ſich aufhebende Geſetztſeyn das Geſetztſeyn des Weſens
iſt. Das Weſen, indem es ſich als Grund beſtimmt, be-
ſtimmt ſich als das Nichtbeſtimmte, und nur das Aufhe-
ben ſeines Beſtimmtſeyns iſt ſein Beſtimmen. — In die-
ſem Beſtimmtſeyn als dem ſich ſelbſt aufhebenden, iſt es
nicht aus anderem herkommendes, ſondern in ſeiner Ne-
gativitaͤt mit ſich identiſches Weſen.
Inſofern von der Beſtimmung aus, als dem Er-
ſten, Unmittelbaren zum Grunde fortgegangen wird,
(durch die Natur der Beſtimmung ſelbſt, die durch ſich
zu Grunde geht,) ſo iſt der Grund zunaͤchſt ein durch je-
nes Erſte beſtimmtes. Allein diß Beſtimmen iſt eines-
theils als Aufheben des Beſtimmens die nur wiederge-
ſtellte, gereinigte oder geoffenbarte Identitaͤt des Weſens,
welche die Reflexionsbeſtimmung an ſich iſt; — an-
derntheils iſt dieſe negirende Bewegung als Beſtimmen
erſt das Setzen jener Reflexionsbeſtimmtheit, welche als
die unmittelbare erſchien, die aber nur von der ſich ſelbſt
ausſchlieſſenden Reflexion des Grundes geſetzt und hierin
als nur Geſetztes oder Aufgehobenes geſetzt iſt. — So
kommt das Weſen, indem es ſich als Grund beſtimmt,
nur aus ſich her. Als Grund alſo ſetzt es ſich als
Weſen, und daß es ſich als Weſen ſetzt, darin beſteht
ſein Beſtimmen. Diß Setzen iſt die Reflexion des We-
ſens, die in ihrem Beſtimmen ſich ſelbſt aufhebt,
nach jener Seite Setzen, nach dieſer das Setzen des
Weſens, ſomit beydes in einem Thun iſt.
Die Reflexion iſt die reine Vermittlung uͤber-
haupt, der Grund iſt die reale Vermittlung des
Weſens mit ſich. Jene, die Bewegung des Nichts durch
Nichts zu ſich ſelbſt zuruͤck, iſt das Scheinen ſeiner in
einem
[86]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
einem andern; aber weil der Gegenſatz in dieſer Re-
flexion noch keine Selbſtſtaͤndigkeit hat, ſo iſt weder jenes
erſte, das Scheinende ein Poſitives, noch das andere,
in dem es ſcheint, ein Negatives. Beyde ſind Subſtra-
te, eigentlich nur der Einbildungskraft; ſie ſind noch
nicht ſich auf ſich ſelbſt beziehende. Die reine Vermitt-
lung iſt nur reine Beziehung, ohne Bezogene. Die
beſtimmende Reflexion ſetzt zwar ſolche, die identiſch mit
ſich, aber zugleich nur beſtimmte Beziehungen
ſind. Der Grund dagegen iſt die reale Vermittlung,
weil er die Reflexion als aufgehobene Reflexion enthaͤlt;
er iſt das durch ſein Nichtſeyn in ſich zuruͤck-
kehrende und ſich ſetzende Weſen. Nach dieſem
Momente der aufgehobenen Reflexion erhaͤlt das Geſetzte
die Beſtimmung der Unmittelbarkeit, eines ſolchen,
das auſſer der Beziehung oder ſeinem Scheine identiſch
mit ſich iſt. Diß Unmittelbare iſt das durch das We-
ſen wiedergeſtellte Seyn; das Nichtſeyn der Reflexion,
durch das das Weſen ſich vermittelt. In ſich kehrt das
Weſen zuruͤck als negirendes; es gibt ſich alſo in ſeiner Ruͤck-
kehr in ſich, die Beſtimmtheit, die eben darum das mit
ſich identiſche Negative, das aufgehobene Geſetztſeyn,
und ſomit eben ſo ſehr ſeyendes, als die Identitaͤt
des Weſens mit ſich als Grund iſt.
Der Grund iſt zuerſt abſoluter Grund, in
dem das Weſen zunaͤchſt als Grundlage uͤberhaupt
fuͤr die Grundbeziehung iſt; naͤher beſtimmt er ſich aber
als Form und Materie, und gibt ſich einen In-
halt.
Zweytens iſt er beſtimmter Grund, als
Grund von einem beſtimmten Inhalt; indem die Grund-
beziehung ſich in ihrer Realiſirung uͤberhaupt aͤuſſerlich
wird, geht ſie in die bedingende Vermittlung uͤber.
Drit-
[87]Das Weſen.
Drittens, der Grund ſetzt eine Bedingung vor-
aus; aber die Bedingung ſetzt eben ſo ſehr den Grund
voraus; das Unbedingte iſt ihre Einheit, die Sache
an ſich, die durch die Vermittlung der bedingenden Be-
ziehung in die Exiſtenz uͤbergeht.
Anmerkung.
Der Grund iſt, wie die andern Reflexionsbeſtim-
mungen, in einem Satze ausgedruͤckt worden: Alles
hat ſeinen zureichenden Grund. — Diß heißt
im Allgemeinen nichts anderes, als was iſt, iſt nicht
als ſeyendes unmittelbares, ſondern als ge-
ſetztes zu betrachten; es iſt nicht bey dem unmittelba-
ren Daſeyn oder bey der Beſtimmtheit uͤberhaupt ſtehen
zu bleiben, ſondern davon zuruͤckzugehen in ſeinen Grund,
in welcher Reflexion es als aufgehobenes und in ſeinem
An- und Fuͤrſichſeyn iſt. In dem Satze des Grundes
wird alſo die Weſentlichkeit der Reflexion in ſich gegen
das bloſſe Seyn ausgeſprochen. — Daß der Grund zu-
reichend ſey, iſt eigentlich ſehr uͤberfluͤſſig hinzuzuſetzen,
denn es verſteht ſich von ſelbſt; das, fuͤr was der Grund
nicht zureicht, haͤtte keinen Grund, aber alles ſoll einen
Grund haben. Allein Leibnitz, dem das Princip des
zureichenden Grundes vornemlich am Herzen lag, und
der es ſogar zum Grundſatz ſeiner ganzen Philoſophie
machte, verband damit einen tiefern Sinn und wichti-
gern Begriff, als gewoͤhnlich damit verbunden wird, in-
dem man nur bey dem unmittelbaren Ausdruck ſtehen
bleibt; obgleich der Satz auch nur in dieſem Sinne
ſchon fuͤr wichtig anzuſehen iſt, daß nemlich das Seyn
als ſolches in ſeiner Unmittelbarkeit fuͤr das Unwahre
und weſentlich fuͤr ein geſetztes, der Grund aber fuͤr das
wahrhafte Unmittelbare erklaͤrt wird. Leibnitz aber ſtellte
das Zureichende des Grundes vornemlich der [Cau]-
ſalitaͤt
[88]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
ſalitaͤt in ihrem ſtrengen Sinne, als der mechaniſchen
Wirkungsweiſe, entgegen. Indem dieſe eine aͤuſſerliche
ihrem Inhalte nach auf Eine Beſtimmtheit beſchraͤnkte
Thaͤtigkeit uͤberhaupt iſt, ſo treffen die durch ſie geſetzten
Beſtimmungen aͤuſſerlich und zufaͤllig in eine
Verbindung; die Theilbeſtimmungen werden durch
ihre Urſachen begriffen; aber die Beziehung derſel-
ben, welche das Weſentliche einer Exiſtenz ausmacht, iſt
nicht in den Urſachen des Mechanismus enthalten. Die-
ſe Beziehung, das Ganze als weſentliche Einheit, liegt
nur im Begriffe, im Zwecke. Fuͤr dieſe Einheit
ſind die mechaniſchen Urſachen nicht zureichend, weil ih-
nen nicht der Zweck, als die Einheit der Beſtimmungen,
zu Grunde liegt. Unter dem zureichenden Grunde hat
Leibnitz daher einen ſolchen verſtanden, der auch fuͤr dieſe
Einheit zureichte, daher nicht die bloſſen Urſachen, ſon-
dern die Endurſachen in ſich begriffe. Dieſe Be-
ſtimmung des Grundes gehoͤrt aber noch nicht hieher;
der teleologiſche Grund iſt ein Eigenthum des Be-
griffs und der Vermittlung durch denſelben, welche
die Vernunft iſt.
A. Der
[89]Das Weſen.
A.
Der abſolute Grund.
Form und Weſen.
Die Reflexionsbeſtimmung, inſofern ſie in den
Grund zuruͤkgeht, iſt ein erſtes, ein unmittelbares Da-
ſeyn uͤberhaupt, von dem angefangen wird. Aber das
Daſeyn hat nur noch die Bedeutung des Geſetztſeyns und
ſetzt weſentlich einen Grund voraus; in dem Sinne,
daß es ihn vielmehr nicht ſetzt; daß diß Setzen ein Auf-
heben ſeiner ſelbſt, das Unmittelbare vielmehr das Ge-
ſetzte und der Grund das Nichtgeſetzte iſt. Wie es ſich
ergeben hat, iſt diß Vorausſetzen, das auf das Setzende
ruͤkſchlagende Setzen, der Grund iſt als das aufgehobene
Beſtimmtſeyn nicht das Unbeſtimmte, ſondern das durch
ſich ſelbſt beſtimmte Weſen, aber als unbeſtimmt
oder als aufgehobenes Geſetztſeyn Beſtimmtes. Er
iſt das Weſen, das in ſeiner Negativitaͤt
mit ſich identiſch iſt.
Die Beſtimmtheit des Weſens als Grund wird
hiemit die gedoppelte, des Grundes und des Be-
gruͤndeten. Sie iſt erſtens das Weſen als Grund,
beſtimmt das Weſen zu ſeyn gegen das Geſetztſeyn,
als Nichtgeſetztſeyn. Zweitens iſt ſie das Be-
gruͤndete, das Unmittelbare, das aber nicht an und fuͤr
ſich iſt, das Geſetztſeyn als Geſetztſeyn. Dieſes iſt ſo-
mit gleichfalls mit ſich identiſch, aber die Identitaͤt des
Negativen mit ſich. Das mit ſich identiſche Negative
und
[90]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
und das mit ſich identiſche Poſitive iſt nun eine und
dieſelbe Identitaͤt. Denn der Grund iſt Identi-
taͤt des Poſitiven oder ſelbſt auch des Geſetztſeyns mit
ſich; das Begruͤndete iſt das Geſetztſeyn als Geſetztſeyn,
dieſe ſeine Reflexion in ſich aber iſt die Identitaͤt des
Grundes. — Dieſe einfache Identitaͤt iſt alſo nicht ſelbſt
der Grund, denn der Grund iſt das Weſen geſetzt,
als das Nichtgeſetzte gegen das Geſetztſeyn. Sie
iſt, als die Einheit dieſer beſtimmten Identitaͤt, (des
Grundes) und der negativen Identitaͤt (des Begruͤndeten)
das Weſen uͤberhaupt, unterſchieden von ſeiner
Vermittlung.
Dieſe Vermittlung, mit den vorhergehenden Re-
flexionen verglichen, aus denen ſie herkommt, iſt erſt-
lich nicht die reine Reflexion, als welche nicht vom We-
ſen unterſchieden iſt, und das Negative, damit auch die
Selbſtſtaͤndigkeit der Beſtimmungen, noch nicht an ihr hat.
Im Grunde als der aufgehobenen Reflexion aber haben
dieſe Beſtimmungen ein Beſtehen. — Auch iſt ſie nicht
die beſtimmende Reflexion, deren Beſtimmungen. weſent-
liche Selbſtſtaͤndigkeit haben; denn dieſe iſt im Grunde zu
Grunde gegangen, in deſſen Einheit ſind ſie nur geſetzte.
— Dieſe Vermittlung des Grundes iſt daher die Einheit
der reinen und der beſtimmenden Reflexion; ihre Beſtim-
mungen oder das Geſetzte hat Beſtehen, und umgekehrt
das Beſtehen derſelben iſt ein geſetztes. Weil diß ihr
Beſtehen ſelbſt ein Geſetztes iſt oder Beſtimmtheit hat,
ſo ſind ſie ſomit von ihrer einfachen Identitaͤt unterſchie-
den, und machen die Form aus gegen das Weſen.
Das Weſen hat eine Form, und Beſtimmungen
derſelben. Erſt als Grund hat es eine feſte Unmittelbar-
keit oder iſt Subſtrat. Das Weſen als ſolches iſt
eins mit ſeiner Reflexion, und ununterſchieden ihre Be-
wegung
[91]Das Weſen.
wegung ſelbſt. Es iſt daher nicht das Weſen, welches
ſie durchlaͤuft; auch iſt es nicht dasjenige, von dem ſie
als von einem Erſten anfaͤngt. Dieſer Umſtand erſchwert
die Darſtellung der Reflexion uͤberhaupt; denn man kann
eigentlich nicht ſagen, das Weſen geht in ſich ſelbſt zu-
ruͤck, das Weſen ſcheint in ſich, weil es nicht vor
oder in ſeiner Bewegung iſt, und dieſe keine Grundlage
hat, an der ſie ſich verlaͤuft. Ein Bezogenes tritt erſt
im Grund nach dem Momente der aufgehobenen Reflexion
hervor. Das Weſen als das bezogene Subſtrat aber
iſt das beſtimmte Weſen; um dieſes Geſetztſeyns willen
hat es weſentlich die Form an ihm. — Die Formbeſtim-
mungen dagegen ſind nun die Beſtimmungen als an dem
Weſen; es liegt ihnen zu Grunde, als das
Unbeſtimmte, das in ſeiner Beſtimmung gleichguͤltig ge-
gen ſie iſt; ſie haben an ihm ihre Reflexion in ſich. Die
Reflexionsbeſtimmungen ſollten ihr Beſtehen an ihnen
ſelbſt haben und ſelbſtſtaͤndig ſeyn; aber ihre Selbſtſtaͤn-
digkeit iſt ihre Aufloͤſung; ſo haben ſie dieſelbe an einem
andern; aber dieſe Aufloͤſung iſt ſelbſt dieſe Identitaͤt
mit ſich oder der Grund des Beſtehens, den ſie ſich geben.
Der Form gehoͤrt uͤberhaupt alles Beſtimmte an;
es iſt Formbeſtimmung, inſofern es ein geſetztes, hiemit
von einem ſolchen, deſſen Form es iſt, unterſchie-
denes iſt; die Beſtimmtheit als Qualitaͤt iſt eins mit
ihrem Subſtrat, dem Seyn; das Seyn iſt das un-
mittelbar beſtimmte, das von ſeiner Beſtimmtheit noch
nicht unterſchieden, — oder das in ihr noch nicht in ſich
reflectirt, ſo wie dieſe daher eine ſeyende, noch nicht eine
Geſetzte iſt. — Die Formbeſtimmungen des Weſens ſind
ferner als die Reflexionsbeſtimmtheiten, ihrer naͤhern
Beſtimmtheit nach, die oben betrachteten Momente der
Reflexion. Die Identitaͤt, und der Unterſchied,
dieſer theils als Verſchiedenheit, theils als Gegen-
ſatz.
[92]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
ſatz. Ferner aber gehoͤrt auch die Grundbeziehung
dazu, inſofern ſie zwar die aufgehobene Reflexionsbeſtim-
mung aber dadurch das Weſen zugleich als Geſetztes iſt.
Dagegen gehoͤrt zur Form nicht die Identitaͤt, welche der
Grund in ſich hat, nemlich daß das Geſetztſeyn als auf-
gehobenes und das Geſetztſeyn als ſolches, — der Grund
und das Begruͤndete, — Eine Reflexion iſt, welche das
Weſen als einfache Grundlage ausmacht, die
das Beſtehen der Form iſt. Allein diß Beſtehen iſt
im Grunde geſetzt; oder diß Weſen iſt ſelbſt weſent-
lich als beſtimmtes; ſomit es iſt auch wieder das Mo-
ment der Grundbeziehung und Form. — Diß iſt die ab-
ſolute Wechſelbeziehung der Form und des Weſens, daß
dieſes einfache Einheit des Grundes und des Begruͤndeten,
darin aber eben ſelbſt beſtimmt oder negatives iſt, und
ſich als Grundlage von der Form unterſcheidet, aber ſo
zugleich ſelbſt Grund und Moment der Form wird.
Die Form iſt daher das vollendete Ganze der Re-
flexion; ſie enthaͤlt auch dieſe Beſtimmung derſelben, auf-
gehobene zu ſeyn; daher iſt ſie eben ſo ſehr als ſie eine
Einheit ihres Beſtimmens iſt, auch bezogen auf ihr
Aufgehobenſeyn, auf ein Anderes, das nicht ſelbſt
Form, ſondern an dem ſie ſey. Als die weſent-
liche ſich auf ſich ſelbſt beziehende Negativitaͤt, gegen
diß einfache Negative iſt ſie das Setzende und Be-
ſtimmende; das einfache Weſen hingegen iſt die un-
beſtimmte und unthaͤtige Grundlage, an welcher die
Formbeſtimmungen das Beſtehen oder die Reflexion in
ſich haben. — Bey dieſer Unterſcheidung des Weſens
und der Form pflegt die aͤuſſere Reflexion ſtehen zu blei-
ben; ſie iſt nothwendig, aber dieſes Unterſcheiden ſelbſt
iſt ihre Einheit, ſo wie dieſe Grundeinheit das ſich von
ſich abſtoſſende und zum Geſetztſeyn machende Weſen iſt.
Die Form iſt die abſolute Negativitaͤt ſelbſt, oder die
nega-
[93]Das Weſen.
negative abſolute Identitaͤt mit ſich, wodurch eben das
Weſen nicht Seyn, ſondern Weſen iſt. Dieſe Identitaͤt
abſtract genommen, iſt das Weſen gegen die Form; ſo
wie die Negativitaͤt abſtract genommen als das Geſetzt-
ſeyn, die einzelne Formbeſtimmung iſt. Die Beſtimmung
aber, wie ſie ſich gezeigt hat, iſt in ihrer Wahrheit, die
totale ſich auf ſich beziehende Negativitaͤt, die ſomit als
dieſe Identitaͤt das einfache Weſen an ihr ſelbſt iſt. Die
Form hat daher an ihrer eigenen Identitaͤt das Weſen;
wie das Weſen an ſeiner negativen Natur die abſolute
Form. Es kann alſo nicht gefragt werden, wie die
Form zum Weſen hinzukomme, denn ſie iſt nur
das Scheinen deſſelben in ſich ſelbſt, die eigene ihm in-
wohnende Reflexion. Die Form eben ſo an ihr ſelbſt
iſt die in ſich zuruͤkkehrende Reflexion, oder das identiſche
Weſen; in ihrem Beſtimmen macht ſie die Beſtimmung
zum Geſetztſeyn als Geſetztſeyn. — Sie beſtimmt alſo
nicht das Weſen, als ob ſie wahrhaft vorausgeſetzt, ge-
trennt vom Weſen ſey, denn ſo iſt ſie die unweſentliche,
raſtlos zu Grunde gehende Reflexionsbeſtimmung, hiemit
iſt ſie ſo ſelbſt vielmehr der Grund ihres Aufhebens oder
die identiſche Beziehung ihrer Beſtimmungen. Die Form
beſtimmt das Weſen, heißt alſo, die Form in ihrem Un-
terſcheiden hebt diß Unterſcheiden ſelbſt auf, und iſt die
Identitaͤt mit ſich, welche das Weſen als das Beſtehen
der Beſtimmung iſt; ſie iſt der Widerſpruch in ihrem Ge-
ſetztſeyn aufgehoben zu ſeyn und an dieſem Aufgehoben-
ſeyn das Beſtehen zu haben; ſomit der Grund, als das
im Beſtimmt- oder Negirtſeyn mit ſich identiſche Weſen.
Dieſe Unterſchiede, der Form und des Weſens,
ſind daher nur Momente der einfachen Formbeziehung
ſelbſt. Aber ſie ſind naͤher zu betrachten und feſtzuhal-
ten. Die beſtimmende Form bezieht ſich auf ſich als auf-
gehobenes Geſetztſeyn, ſie bezieht ſich damit auf ihre
Identi-
[94]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
Identitaͤt als auf ein Andres. Sie ſetzt ſich als aufge-
hoben; ſie ſetzt damit ihre Identitaͤt voraus; das We-
ſen iſt nach dieſem Momente das Unbeſtimmte, dem die
Form ein anderes iſt. So iſt es nicht das Weſen, das
die abſolute Reflexion an ihm ſelbſt iſt, ſondern be-
ſtimmt als die formloſe Identitaͤt; es iſt die Ma-
terie.
Form und Materie.
Das Weſen wird zur Materie, indem ſeine Re-
flexion ſich beſtimmt, zu demſelben als zu dem formloſen
Unbeſtimmten ſich zu verhalten. Die Materie iſt alſo
die einfache unterſchiedsloſe Identitaͤt, welche das Weſen
iſt, mit der Beſtimmung das Andere der Form zu ſeyn.
Sie iſt daher die eigentliche Grundlage oder Sub-
ſtrat der Form, weil ſie die Reflexion in ſich der Form-
beſtimmungen oder das Selbſtſtaͤndige ausmacht, auf das
ſie ſich als auf ihr poſitives Beſtehen beziehen.
Wenn von allen Beſtimmungen, aller Form eines
Etwas abſtrahirt wird, ſo bleibt die unbeſtimmte Ma-
terie uͤbrig. Die Materie iſt ein ſchlechthin abſtrac-
tes. (— Man kann die Materie nicht ſehen, fuͤhlen u.
ſ. f. — was man ſteht, fuͤhlt, iſt eine beſtimmte
Materie, d. h. eine Einheit der Materie und der
Form). Dieſe Abſtraction, aus der die Materie hervor-
geht, iſt aber nicht nur ein aͤuſſerliches Wegnehmen
und Aufheben der Form, ſondern die Form reducirt ſich
durch ſich ſelbſt, wie ſich ergeben hat, zu dieſer einfa-
chen Identitaͤt.
Ferner ſetzt die Form eine Materie voraus,
auf welche ſie ſich bezieht. Aber darum finden ſich
beyde
[95]Das Weſen.
beyde nicht aͤuſſerlich und zufaͤllig einander gegenuͤber;
weder die Materie noch die Form iſt aus ſich ſelbſt, oder
in anderer Sprache ewig. Die Materie iſt das gegen
die Form gleichguͤltige, aber dieſe Gleichguͤltigkeit iſt die
Beſtimmtheit der Identitaͤt mit ſich, in welche als
in ihre Grundlage die Form zuruͤkgeht. Die Form
ſetzt die Materie voraus; eben darin, daß ſie ſich als
aufgehobenes ſetzt, ſomit ſich auf dieſe ihre Identitaͤt als
auf ein anderes bezieht. Umgekehrt iſt die Form von
der Materie vorausgeſetzt; denn dieſe iſt nicht das ein-
fache Weſen, das unmittelbar ſelbſt die abſolute Re-
flexion iſt, ſondern daſſelbe beſtimmt als das Poſitive,
nemlich das nur iſt, als aufgehobene Negation. — Aber
von der andern Seite weil die Form ſich nur als Mate-
rie ſetzt, inſofern ſie ſich ſelbſt aufhebt, ſomit dieſelbe
vorausſetzt, iſt die Materie auch beſtimmt als
grundloſes Beſtehen. Eben ſo iſt die Materie nicht
beſtimmt als der Grund der Form; ſondern, indem die
Materie ſich ſetzt als die abſtracte Identitaͤt der aufgeho-
benen Formbeſtimmung, iſt ſie nicht die Identitaͤt als
Grund, und die Form inſofern gegen ſie grundlos. Form
und Materie ſind ſomit beſtimmt, die eine wie die an-
dere, nicht geſetzt durch einander, nicht Grund von ein-
ander zu ſeyn. Die Materie iſt vielmehr die Identitaͤt
des Grundes und des Begruͤndeten, als Grundlage,
welche dieſer Formbeziehung gegenuͤber ſteht. Dieſe ihre
gemeinſchaftliche Beſtimmung der Gleichguͤltigkeit iſt die
Beſtimmung der Materie als ſolcher, und macht auch die
Beziehung beyder aufeinander aus. Eben ſo die Beſtim-
mung der Form, die Beziehung als unterſchiedener zu
ſeyn, iſt auch das andere Moment des Verhaltens bey-
der zu einander. — Die Materie, das als gleichguͤltig
beſtimmte, iſt das Paſſive gegen die Form als thaͤ-
tiges. Dieſe iſt als das ſich auf ſich beziehende Nega-
tive der Widerſpruch in ſich ſelbſt, das ſich aufloͤſende
ſich
[96]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
ſich von ſich abſtoſſende und beſtimmende. Sie bezieht
ſich auf die Materie, und ſie iſt geſetzt, ſich auf diß
ihr Beſtehen, als auf ein Anderes zu beziehen. Die
Materie hingegen iſt geſetzt, ſich nur auf ſich ſelbſt zu be-
ziehen, und gleichguͤltig gegen anderes zu ſeyn; aber ſie
bezieht ſich an ſich auf die Form; denn ſie enthaͤlt die
aufgehobene Negativitaͤt, und iſt nur Materie durch dieſe
Beſtimmung. Sie bezieht ſich auf ſie nur darum als
auf ein anderes, weil die Form nicht an ihr geſetzt,
weil ſie dieſelbe nur an ſich iſt. Sie enthaͤlt die Form
in ſich verſchloſſen, und iſt die abſolute Empfaͤnglichkeit
fuͤr ſie, nur darum weil ſie dieſelbe abſolut in ihr hat,
weil diß ihre an ſich ſeyende Beſtimmung iſt. Die
Materie muß daher formirt werden, und die
Form muß ſich materialiſiren, ſich an der Materie
die Identitaͤt mit ſich oder das Beſtehen geben.
2. Die Form beſtimmt daher die Materie, und die
Materie wird von der Form beſtimmt. — Weil die
Form ſelbſt die abſolute Identitaͤt mit ſich iſt, alſo die
Materie in ſich enthaͤlt; eben ſo weil die Materie in ih-
rer reinen Abſtraction oder abſoluten Negativitaͤt die
Form in ihr ſelbſt hat, ſo iſt die Thaͤtigkeit der Form
auf die Materie, und das Beſtimmtwerden dieſer durch
jene vielmehr nur das Aufheben des Scheines
ihrer Gleichguͤltigkeit und Unterſchiedenheit. Die-
ſe Beziehung des Beſtimmens iſt ſo die Vermittlung jeder
der beyden mit ſich durch ihr eigenes Nichtſeyn, — aber
dieſe beyden Vermittlungen ſind Eine Bewegung und die
Wiederherſtellung ihrer urſpruͤnglichen Identitaͤt; — die
Erinnerung ihrer Entaͤuſſerung.
Zuerſt ſetzen Form und Materie ſich gegenſeitig
voraus. Wie ſich ergeben hat, heißt diß ſo viel, die
eine weſentliche Einheit iſt negative Beziehung auf ſich
ſelbſt,
[97]Das Weſen.
ſelbſt, ſo entzweyt ſie ſich in die weſentliche Identitaͤt
beſtimmt als die gleichguͤltige Grundlage, und in den
weſentlichen Unterſchied oder Negativitaͤt, als die beſtim-
mende Form. Jene Einheit des Weſens und der Form,
die ſich als Form und Materie gegenuͤberſetzen, iſt der
abſolute Grund, der ſich beſtimmt. Indem ſie
ſich zu einem Verſchiedenen macht, wird die Beziehung
um der zu Grunde liegenden Identitaͤt der Verſchiedenen
willen zur gegenſeitigen Vorausſetzung.
Zweytens, die Form als ſelbſtſtaͤndig iſt ohne-
hin der ſich ſelbſt aufhebende Widerſpruch; aber ſie iſt
auch als ſolcher geſetzt, denn ſie iſt zugleich ſelbſtſtaͤndig
und zugleich weſentlich auf ein anderes bezogen; — ſie
hebt ſich ſomit auf. Da ſie ſelbſt zweyſeitig iſt, ſo hat
auch diß Aufheben die gedoppelte Seite, erſtlich, ſie
hebt ihre Selbſtſtaͤndigkeit auf, ſie macht ſich zu
einem Geſetzten, zu einem das an einem andern iſt,
und diß ihr anderes iſt die Materie. Zweytens ſie
hebt ihre Beſtimmtheit gegen die Materie, ihre Bezie-
hung auf dieſelbe ſomit ihr Geſetztſeyn auf, und gibt
ſich dadurch Beſtehen. Indem ſie ihr Geſetztſeyn auf-
hebt, ſo iſt dieſe ihre Reflexion die eigene Identitaͤt, in
welche ſie uͤbergeht; indem ſie aber dieſe Identitaͤt zu-
gleich entaͤuſſert und als Materie ſich gegenuͤberſetzt, ſo
iſt jene Reflexion des Geſetztſeyns in ſich als Vereini-
gung mit einer Materie, an der ſie Beſtehen erhaͤlt; ſie
geht alſo in dieſer Vereinigung eben ſo ſehr mit der Ma-
terie als einem Andern, — nach der erſten Seite,
daß ſie ſich zu einem Geſetzten macht, — als auch darin
mit ihrer eigenen Identitaͤt zuſammen.
Die Thaͤtigkeit der Form alſo, wodurch
die Materie beſtimmt wird, beſteht in einem negati-
ven Verhalten der Form gegen ſich ſelbſt. Aber umge-
Gkehrt
[98]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
kehrt verhaͤlt ſie ſich damit auch negativ gegen die Mate-
rie; allein diß Beſtimmtwerden der Materie iſt eben ſo
ſehr die eigene Bewegung der Form ſelbſt. Dieſe iſt
frey von der Materie, aber ſie hebt dieſe ihre Selbſt-
ſtaͤndigkeit auf; aber ihre Selbſtſtaͤndigkeit iſt die Mate-
rie ſelbſt, denn an dieſer hat ſie ihre weſentliche Identi-
taͤt. Indem ſie ſich alſo zum Geſetzten macht, ſo iſt diß
ein und daſſelbe, daß ſie die Materie zu einem Beſtimm-
ten macht. — Aber von der andern Seite betrachtet, iſt
die eigene Identitaͤt der Form zugleich ſich entaͤuſſert,
und die Materie ihr Anderes; inſofern wird die Materie
auch nicht beſtimmt, dadurch, daß die Form ihre eigne
Selbſtſtaͤndigkeit aufhebt. Allein die Materie iſt nur
ſelbſtſtaͤndig der Form gegenuͤber; indem das Negative
ſich aufhebt, hebt ſich auch das Poſitive auf. Indem
die Form alſo ſich aufhebt, ſo faͤllt auch die Beſtimmtheit
der Materie weg, welche ſie gegen die Form hat, nemlich
das unbeſtimmte Beſtehen zu ſeyn.
Dieß, was als Thaͤtigkeit der Form er-
ſcheint, iſt ferner eben ſo ſehr die eigne Bewegung
der Materie ſelbſt. Die anſichſeyende Beſtim-
mung oder das Sollen der Materie iſt ihre abſolute Ne-
gativitaͤt. Durch dieſe bezieht ſich die Materie ſchlecht-
hin nicht nur auf die Form als auf ein Anderes, ſondern
dieſes aͤuſſere iſt die Form, welche ſie ſelbſt als verſchloſ-
ſen in ſich enthaͤlt. Die Materie iſt derſelbe Widerſpruch
an ſich, welchen die Form enthaͤlt, und dieſer Wider-
ſpruch iſt wie ſeine Aufloͤſung, nur Einer. Die Materie
iſt aber in ſich ſelbſt widerſprechend, weil ſie als die un-
beſtimmte Identitaͤt mit ſich zugleich die abſolute Negati-
vitaͤt iſt; ſie hebt ſich daher an ihr ſelbſt auf, und ihre
Identitaͤt zerfaͤllt in ihrer Negativitaͤt, und dieſe erhaͤlt
an jener ihr Beſtehen. Indem alſo die Materie von der
Form als von einem aͤuſſern beſtimmt wird, ſo erreicht
damit
[99]Das Weſen.
damit ſie ihre Beſtimmung, und die Aeuſſerlichkeit des
Verhaltens ſowohl fuͤr die Form als fuͤr die Materie be-
ſteht darin, daß jede oder vielmehr ihre urſpruͤngliche
Einheit in ihrem Setzen zugleich vorausſetzend iſt;
wodurch die Beziehung auf ſich, zugleich Beziehung auf
ſich als aufgehobenes oder Beziehung auf ſein ande-
res iſt.
Drittens, durch dieſe Bewegung der Form und
Materie iſt ihre urſpruͤngliche Einheit einerſeits herge-
ſtellt, andererſeits nunmehr eine geſetzte. Die Ma-
terie beſtimmt ebenſowohl ſich ſelbſt, als diß Beſtimmen
ein fuͤr ſie aͤuſſerliches Thun der Form iſt; umgekehrt
die Form beſtimmt eben ſo ſehr nur ſich oder hat die Ma-
terie, die von ihr beſtimmt wird, an ihr ſelbſt, als ſie
in ihrem Beſtimmen ſich gegen ein Anderes verhaͤlt; und
beydes, das Thun der Form und die Bewegung der
Materie iſt daſſelbe, nur daß jenes ein Thun iſt, d. h.
die Negativitaͤt als geſetzte, diß aber Bewegung oder
Werden, die Negativitaͤt als anſichſeyende Beſtim-
mung. Das Reſultat iſt daher die Einheit des Anſich-
ſeyns und des Geſetztſeyns. Die Materie iſt als ſolche
beſtimmt, oder hat nothwendig eine Form, und die Form
iſt ſchlechthin materielle, beſtehende Form.
Die Form, inſofern ſie eine Materie als das ihr
andre vorausſetzt, iſt endlich. Sie iſt nicht Grund,
ſondern nur das Thaͤtige. Eben ſo iſt die Materie, in-
ſofern ſie die Form als ihr Nichtſeyn vorausſetzt, die
endliche Materie, ſie iſt eben ſo wenig Grund ihrer
Einheit mit der Form, ſondern nur die Grundlage fuͤr
die Form. Aber ſowohl dieſe endliche Materie als die
endliche Form hat keine Wahrheit; jede bezieht ſich auf
die andere, oder nur ihre Einheit iſt ihre Wahrheit. In
dieſe Einheit gehen dieſe beyden Beſtimmungen zuruͤck,
G 2und
[100]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
und heben darin ihre Selbſtſtaͤndigkeit auf; ſie erweißt
ſich damit als ihr Grund. Die Materie iſt daher nur inſofern
Grund ihrer Formbeſtimmung, als ſie nicht Materie als
Materie, ſondern die abſolute Einheit des Weſens und
der Form iſt; eben ſo die Form iſt nur Grund des Be-
ſtehens ihrer Beſtimmungen, inſofern ſie dieſelbe eine
Einheit iſt. Aber dieſe eine Einheit als die abſolute Ne-
gativitaͤt und beſtimmter als ausſchlieſſende Einheit iſt in
ihrer Reflexion vorausſetzend; oder es iſt Ein Thun, im
Setzen ſich als Geſetztes in der Einheit zu erhalten und
ſich von ſich ſelbſt abzuſtoſſen, ſich auf ſich als ſich, und
ſich auf ſich als auf ein anderes zu beziehen. Oder das
Beſtimmtwerden der Materie durch die Form iſt die Ver-
mittlung des Weſens als Grund mit ſich in einer Ein-
heit, durch ſich ſelbſt und durch die Negation ſeiner
ſelbſt.
Die formirte Materie oder die Beſtehen habende
Form, iſt nun nicht nur jene abſolute Einheit des Grun-
des mit ſich, ſondern auch die geſetzte Einheit. Die
betrachtete Bewegung iſt es, in welcher der abſolute
Grund ſeine Momente zugleich als ſich aufhebende und
ſomit als geſetzte dargeſtellt hat. Oder die wiederher-
geſtellte Einheit hat in ihrem Zuſammengehen mit ſich,
ſich eben ſo ſehr von ſich ſelbſt abgeſtoßen und ſich be-
ſtimmt; denn ihre Einheit iſt als durch Negation zu
Stande gekommen, auch negative Einheit. Sie iſt da-
her die Einheit der Form und der Materie, als ihre
Grundlage, aber als ihre beſtimmte Grundlage,
welche formirte Materie, aber gegen Form und Materie
zugleich als gegen aufgehobene und unweſentliche gleich-
guͤltig iſt. Sie iſt der Inhalt.
c.Form
[101]Das Weſen.
Form und Inhalt.
Die Form ſteht zuerſt dem Weſen gegenuͤber; ſo
iſt ſie Grundbeziehung uͤberhaupt, und ihre Beſtimmun-
gen, der Grund und das Begruͤndete. Alsdenn ſteht ſie
der Materie gegenuͤber; ſo iſt ſie beſtimmende Reflexion
und ihre Beſtimmungen ſind die Reflexionsbeſtimmung
ſelbſt und das Beſtehen derſelben. Endlich ſteht ſie dem
Inhalte gegenuͤber, ſo ſind ihre Beſtimmungen wieder ſie
ſelbſt und die Materie. Was vorher das mit ſich
identiſche war, zuerſt der Grund, dann das Beſtehen
uͤberhaupt, und zulezt die Materie tritt unter die Herr-
ſchaft der Form und iſt wieder eine ihrer Beſtimmungen.
Der Inhalt hat erſtlich eine Form und eine Ma-
terie, die ihm angehoͤren und weſentlich ſind; er iſt ihre
Einheit. Aber indem dieſe Einheit zugleich beſtimm-
te oder geſetzte Einheit iſt, ſo ſteht er der Form gegen-
uͤber; dieſe macht das Geſetztſeyn aus, und iſt ge-
gen ihn das Unweſentliche. Er iſt daher gleichguͤltig ge-
gen ſie; ſie begreift ſowohl die Form als ſolche, als auch
die Materie; und er hat alſo eine Form und eine Mate-
rie, deren Grundlage er ausmacht, und die ihm als
bloſſes Geſetztſeyn ſind.
Der Inhalt iſt zweytens das in Form und Ma-
terie identiſche, ſo daß dieſe nur gleichguͤltige aͤuſſerliche
Beſtimmungen waͤren. Sie ſind das Geſetztſeyn uͤber-
haupt, das aber in dem Inhalte in ſeine Einheit oder
ſeinen Grund zuruͤkgegangen iſt. Die Identitaͤt des In-
halts mit ſich ſelbſt iſt daher das einemal jene gegen die
Form gleichguͤltige Identitaͤt; das andremal aber iſt ſie die
Identitaͤt des Grundes. Der Grund iſt in dem In-
halte zunaͤchſt verſchwunden; der Inhalt aber iſt zugleich
die
[102]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
die negative Reflexion der Formbeſtimmungen in ſich;
ſeine Einheit, welche zunaͤchſt nur die gegen die Form
gleichguͤltige iſt, iſt daher auch die formelle Einheit oder die
Grundbeziehung als ſolche. Der Inhalt hat daher
dieſe zu ſeiner weſentlichen Form und der Grund
umgekehrt hat einen Inhalt.
Der Inhalt des Grundes iſt alſo der in ſeine Ein-
heit mit ſich zuruͤkgekehrte Grund; der Grund iſt zunaͤchſt
das Weſen, das in ſeinem Geſetztſeyn mit ſich identiſch
iſt; als verſchieden und gleichguͤltig gegen ſein Geſetzt-
ſeyn, iſt es die unbeſtimmte die Materie; aber als In-
halt iſt es zugleich die formirte Identitaͤt, und dieſe Form
wird darum Grundbeziehung, weil die Beſtimmungen ih-
res Gegenſatzes im Inhalte auch als negirte geſetzt ſind.
— Der Inhalt iſt ferner beſtimmt an ihm ſelbſt;
nicht nur wie die Materie als das gleichguͤltige uͤberhaupt,
ſondern als die formirte Materie, ſo daß die Beſtimmun-
gen der Form ein materielles, gleichguͤltiges Beſtehen
haben. Einerſeits iſt der Inhalt die weſentliche Iden-
titaͤt des Grundes mit ſich in ſeinem Geſetztſeyn, ande-
rerſeits die geſetzte Identitaͤt gegen die Grundbeziehung;
diß Geſetztſeyn, das als Formbeſtimmung an dieſer Iden-
titaͤt iſt, iſt dem freyen Geſetztſeyn, das heißt, der
Form als ganzer Beziehung von Grund und Begruͤnde-
tem, gegenuͤber; dieſe Form iſt das totale in ſich zuruͤk-
kehrende Geſetztſeyn; jene daher nur das Geſetztſeyn als
unmittelbares, die Beſtimmtheit als ſolche.
Der Grund hat ſich damit uͤberhaupt zum beſtimm-
ten Grunde gemacht, und die Beſtimmtheit ſelbſt iſt die
gedoppelte; erſtens der Form und zweytens des Inhalts.
Jene iſt ſeine Beſtimmtheit dem Inhalte uͤberhaupt aͤuſ-
ſerlich zu ſeyn, der gegen dieſe Beziehung gleichguͤltig iſt.
Dieſe iſt die Beſtimmtheit des Inhalts, den der Grund
hat.
B. Der
[103]Das Weſen.
B.
Der beſtimmte Grund.
Der formelle Grund.
Der Grund hat einen beſtimmten Inhalt. Die Be-
ſtimmtheit des Inhalts iſt, wie ſich ergeben, die
Grundlage fuͤr die Form; das einfache Unmittel-
bare gegen die Vermittlung der Form. Der
Grund iſt negativ ſich auf ſich beziehende Identitaͤt, wel-
che ſich dadurch zum Geſetztſeyn macht; ſie bezieht
ſich negativ auf ſich, indem ſie identiſch in dieſer ihrer
Negativitaͤt mit ſich iſt; dieſe Identitaͤt iſt die Grundlage
oder der Inhalt der auf dieſe Weiſe die gleichguͤltige oder
poſitive Einheit der Grundbeziehung ausmacht, und das
Vermittelnde derſelben iſt.
In dieſem Inhalte iſt zunaͤchſt die Beſtimmtheit des
Grundes und des Begruͤndeten gegen einander verſchwun-
den. Die Vermittlung iſt aber ferner negative Ein-
heit. Das Negative als an jener gleichguͤltigen Grund-
lage iſt die unmittelbare Beſtimmtheit derſelben,
wodurch der Grund einen beſtimmten Inhalt hat. Als-
denn aber iſt das Negative die negative Beziehung der
Form auf ſich ſelbſt. Das Geſetzte einerſeits hebt ſich
ſelbſt auf und geht in ſeinen Grund zuruͤck; der Grund
aber, die weſentliche Selbſtſtaͤndigkeit, bezieht ſich negativ
auf ſich ſelbſt und macht ſich zum Geſetzten. Dieſe ne-
gative Vermittlung des Grundes und des Begruͤndeten iſt
die eigenthuͤmliche Vermittlung der Form als ſolcher, die
for-
[104]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
formelle Vermittlung. Die beyden Seiten der
Form nun, weil die eine in die andere uͤbergeht, ſetzen
ſich damit gemeinſchaftlich in Einer Identitaͤt als
aufgehobene; ſie ſetzen dieſelbe hiedurch zugleich vor-
aus. Sie iſt der beſtimmte Inhalt, auf den ſich alſo
die formelle Vermittlung als auf das poſitive Vermit-
telnde durch ſich ſelbſt bezieht. Er iſt das Identiſche bey-
der, und indem ſie unterſchieden, jedes aber in ſeinem
Unterſchiede die Beziehung auf das andere iſt, iſt er das
Beſtehen derſelben, eines jeden als das Ganze
ſelbſt.
Hienach ergibt ſich, daß im beſtimmten Grunde diß
vorhanden iſt; erſtens, ein beſtimmter Inhalt wird
nach zwey Seiten betrachtet, das einemal inſofern
er als Grund, das andremal inſofern er als Be-
gruͤndetes geſetzt iſt. Er ſelbſt iſt gleichguͤltig gegen
dieſe Form; er iſt in beyden uͤberhaupt nur Eine Beſtim-
mung. Zweytens iſt der Grund ſelbſt ſo ſehr Mo-
ment der Form als das durch ihn geſetzte; diß iſt ihre
Identitaͤt der Form nach. Es iſt gleichguͤltig,
welche von beyden Beſtimmungen zum Erſten gemacht
wird, von dem als dem Geſetzten zum andern als zum
Grunde, oder von dem als dem Grunde zum andern als
zum Geſetzten uͤbergegangen wird. Das Begruͤndete fuͤr
ſich betrachtet, iſt das Aufheben ſeiner ſelbſt; damit
macht es ſich einerſeits zum Geſetzten, und iſt zugleich
Setzen des Grundes. Dieſelbe Bewegung iſt der Grund
als ſolcher, er macht ſich zum Geſetzten, dadurch wird
er Grund von etwas, das heißt, darin iſt er ſowohl als
Geſetztes, wie auch erſt als Grund vorhanden. Daß ein
Grund iſt, davon iſt das Geſetzte der Grund, und um-
gekehrt iſt hiemit der Grund Geſetztes. Die Vermitt-
lung faͤngt eben ſo ſehr von dem einen als von dem an-
dern an, jede Seite iſt ſo ſehr Grund als Geſetztes,
und
[105]Das Weſen.
und jede die ganze Vermittlung oder die ganze Form. —
Dieſe ganze Form iſt ferner ſelbſt als das mit ſich iden-
tiſche, die Grundlage der Beſtimmungen, welche die bey-
den Seiten des Grundes und des Begruͤndeten ſind,
Form und Inhalt ſind ſo ſelbſt eine und dieſelbe Iden-
titaͤt.
Um dieſer Identitaͤt des Grundes und Begruͤndeten
willen, ſowohl dem Inhalte als der Form nach, iſt der
Grund zureichend (das Zureichende auf diß Verhaͤlt-
niß eingeſchraͤnkt); es iſt nichts im Grunde, was
nicht im Begruͤndeten iſt, ſo wie nichts im
Begruͤndeten, was nicht im Grunde iſt.
Wenn nach einem Grunde gefragt wird, will man die-
ſelbe Beſtimmung, die der Inhalt iſt, doppelt
ſehen, das einemal in der Form des Geſetzten, das an-
deremal in der des in ſich reflectirten Daſeyns, der We-
ſentlichkeit.
Inſofern nun im beſtimmten Grunde Grund und
Begruͤndetes beyde die ganze Form, und ihr Inhalt zwar
ein beſtimmter aber einer und derſelbe iſt, ſo iſt der
Grund in ſeinen beyden Seiten noch nicht real beſtimmt,
ſie haben keinen verſchiedenen Inhalt; die Beſtimmtheit
iſt erſt einfache noch nicht an die Seiten uͤbergegangene
Beſtimmtheit; es iſt der beſtimmte Grund erſt in ſeiner
reinen Form, der formelle Grund, vorhanden. —
Weil der Inhalt nur dieſe einfache Beſtimmtheit iſt, die
nicht die Form der Grundbeziehung an ihr ſelbſt hat, ſo
iſt ſie der mit ſich identiſche Inhalt, gegen die Form
gleichguͤltig und dieſe ihm aͤuſſerlich; er iſt ein anderes
als ſie.
Anmer-
[106]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
Wenn die Reflexion uͤber beſtimmte Gruͤnde ſich an
diejenige Form des Grundes haͤlt, welche ſich hier erge-
ben hat, ſo bleibt die Angabe eines Grundes ein bloßer
Formalismus und leere Tavtologie, welche denſelben In-
halt in der Form der Reflexion in ſich, der Weſentlich-
keit, ausdruͤckt, der ſchon in der Form des unmittelba-
ren, als geſetzt betrachteten Daſeyns vorhanden iſt. Ein
ſolches Angeben von Gruͤnden iſt deswegen von derſelben
Leerheit begleitet, als das Reden nach dem Satze der
Identitaͤt. Die Wiſſenſchaften, vornemlich die phyſika-
liſchen, ſind mit den Tavtologieen dieſer Art angefuͤllt,
welche gleichſam ein Vorrecht der Wiſſenſchaft ausma-
chen. — Es wird z. B. als der Grund, daß die Plane-
ten ſich um die Sonne bewegen, die anziehende
Kraft der Erde und Sonne gegeneinander angegeben.
Es iſt damit dem Inhalt nach nichts anders ausgeſpro-
chen, als was das Phaͤnomen, nemlich die Beziehung
dieſer Koͤrper auf einander in ihrer Bewegung, enthaͤlt,
nur in der Form von in ſich reflectirter Beſtimmung, von
Kraft. Wenn darnach gefragt wird, was die anziehende
Kraft fuͤr eine Kraft ſey, ſo iſt die Antwort, daß ſie die
Kraft iſt, welche macht, daß ſich die Erde um die Son-
ne bewegt; das heißt, ſie hat durchaus denſelben In-
halt, als das Daſeyn, deſſen Grund ſie ſeyn ſoll; die
Beziehung der Erde und der Sonne in Ruͤkſicht der Be-
wegung iſt die identiſche Grundlage des Grundes und des
Begruͤndeten. — Wenn eine Kryſtalliſationsform da-
durch erklaͤrt wird, daß ſie ihren Grund in dem beſon-
dern Arrangement habe, in das die Molecules zu einan-
der treten, ſo iſt die daſeyende Kryſtalliſation diß [Arran]-
gement ſelbſt, welches als Grund ausgedruͤckt wird. Im
gewoͤhnlichen Leben gelten dieſe Aetiologieen, auf welche
die Wiſſenſchaften das Privilegium haben, fuͤr das, was
ſie
[107]Das Weſen.
ſie ſind, fuͤr ein tavtologiſches, leeres Gerede. Wenn
auf die Frage, warum dieſer Menſch in die Stadt reiſe,
der Grund angegeben wird, weil in der Stadt ſich eine
anziehende Kraft befinde, die ihn dahin treibe, ſo gilt
dieſe Art des Antwortens fuͤr abgeſchmakt, die in den
Wiſſenſchaften ſanctionirt iſt. — Leibnitz warf der
Newtoniſchen anziehenden Kraft vor, daß ſie eine
ſolche verborgene Qualitaͤt ſey, als die Scholaſtiker zum
Behuf des Erklaͤrens gebrauchten. Man muͤßte ihr eher
das Gegentheil zum Vorwurf machen, daß ſie eine zu
bekannte Qualitaͤt ſey; denu ſie hat keinen andern
Inhalt, als die Erſcheinung ſelbſt. — Wodurch ſich dieſe
Erklaͤrungsweiſe eben empfiehlt, iſt ihre große Deutlich-
keit und Begreiflichkeit; denn es iſt nichts deutlicher und
begreiflicher, als daß z. E. eine Pflanze ihren Grund in
einer vegetativen, d. h. Pflanzen hervorbringenden Kraft
habe. — Eine occulte Qualitaͤt koͤnnte ſie nur in dem
Sinne genannt werden, als der Grund einen andern
Inhalt haben ſoll, als das zu erklaͤrende; ein ſolcher
iſt nicht angegeben; inſofern iſt jene zum Erklaͤren ge-
brauchte Kraft allerdings ein verborgener Grund, als
ein Grund, wie er gefodert wird, nicht angegeben iſt.
Es wird durch dieſen Formalismus ſo wenig etwas er-
klaͤrt, als die Natur einer Pflanze erkannt wird, wenn
ich ſage, daß ſie eine Pflanze iſt; bey aller Deutlichkeit
dieſes Satzes, oder daß ſie ihren Grund in einer Pflan-
zen hervorbringenden Kraft habe, kann man diß deßwe-
gen eine ſehr occulte Erklaͤrungsweiſe nennen.
Zweytens, der Form nach, kommen in die-
ſer Erklaͤrungsweiſe die beyden entgegengeſetzten
Richtungen der Grundbeziehung vor, ohne in
ihrem beſtimmten Verhaͤltniſſe erkannt zu ſeyn. Der
Grund iſt einestheils Grund, als die in ſich reflectirte
Inhaltsbeſtimmung des Daſeyns, das er begruͤndet, an-
dern-
[108]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
derntheils iſt er das Geſetzte. Er iſt das, woraus das
Daſeyn begriffen werden ſoll; umgekehrt aber wird
von dieſem auf ihn geſchloſſen und er aus dem
Daſeyn begriffen. Das Hauptgeſchaͤfte dieſer Reflexion
beſteht nemlich darin, aus dem Daſeyn die Gruͤnde zu
finden, das heißt, das unmittelbare Daſeyn in die Form
des Reflectirtſeyns umzuſetzen; der Grund ſtatt an und
fuͤr ſich und ſelbſtſtaͤndig zu ſeyn, iſt ſomit vielmehr das
Geſetzte und Abgeleitete. Weil er nun durch diß Verfah-
ren nach dem Phaͤnomen eingerichtet iſt, und ſeine Be-
ſtimmungen auf dieſem beruhen, ſo fließt dieſes freylich
ganz glatt und mit guͤnſtigem Winde aus ſeinem Grunde
aus. Aber die Erkenntniß iſt hiedurch nicht vom Flecke
gekommen; ſie treibt ſich in einem Unterſchiede der Form
herum, den diß Verfahren ſelbſt umkehrt und aufhebt.
Eine der Hauptſchwierigkeiten ſich in die Wiſſenſchaften
einzuſtudiren, worin diß Verfahren herrſchend iſt, be-
ruht deßwegen auf dieſer Verkehrtheit der Stellung, das
als Grund voraus zu ſchicken, was in der That abgelei-
tet iſt und indem zu den Folgen fortgegangen wird, in
ihnen in der That erſt den Grund jener ſeyn ſollenden
Gruͤnde anzugeben. Es wird in der Darſtellung mit den
Gruͤnden angefangen, ſie werden als Principien und er-
ſte Begriffe in die Luft hingeſtellt; ſie ſind einfache Be-
ſtimmungen, ohne alle Nothwendigkeit an und fuͤr ſich
ſelbſt; das Folgende ſoll auf ſie gegruͤndet werden. Wer
daher in dergleichen Wiſſenſchaften eindringen will, muß
damit anfangen ſich jene Gruͤnde zu inkulkiren; ein Ge-
ſchaͤft, das der Vernunft ſauer ankommt, weil ſie Grund-
loſes als Grundlage gelten laſſen ſoll. Am beſten kommt
derjenige fort, der ſich ohne vieles Nachdenken die
Principien als gegebene gefallen laͤßt, und ſie von
nun an als Grundregeln ſeines Verſtandes gebraucht.
Ohne dieſe Methode kann man den Anfang nicht gewin-
nen; eben ſo wenig laͤßt ſich ohne ſie ein Fortgang ma-
chen.
[109]Das Weſen.
chen. Dieſer aber hindert ſich nun dadurch, daß in ih-
nen der Gegenſtoß der Methode zum Vorſchein kommt,
die im Folgenden das Abgeleitete aufzeigen will, das aber
in der That erſt die Gruͤnde zu jenen Vorausſetzungen
enthaͤlt. Ferner weil das Folgende ſich als das Daſeyn
zeigt, aus welchem der Grund abgeleitet wurde, ſo gibt
diß Verhaͤltniß, in dem das Phaͤnomen aufgefuͤhrt wird,
ein Mistrauen gegen die Darſtellung deſſelben; denn es
zeigt ſich nicht in ſeiner Unmittelbarkeit ausgedruͤkt, ſon-
dern als Beleg des Grundes. Weil aber dieſer hinwie-
der aus jenem hergeleitet iſt, verlangt man es vielmehr
in ſeiner Unmittelbarkeit zu ſehen, um den Grund aus
ihm beurtheilen zu koͤnnen. Man weiß daher in ſolcher
Darſtellung, worin das eigentlich Begruͤndende als Ab-
geleitetes vorkommt, nicht, weder wie man mit dem Grun-
de, noch wie man mit dem Phaͤnomen daran iſt. Die
Ungewißheit wird dadurch vermehrt, beſonders wenn der
Vortrag nicht ſtreng conſequent, ſondern mehr ehrlich
iſt, daß ſich allenthalben Spuren und Umſtaͤnde des Phaͤ-
nomens verrathen, die auf Mehreres und oft ganz an-
deres hindeuten, als bloß in den Principien enthalten iſt.
Die Verwirrung wird endlich noch groͤßer, indem reflec-
tirte, und bloß hypothetiſche Beſtimmungen mit unmittel-
baren Beſtimmungen des Phaͤnomens ſelbſt vermiſcht
werden, wenn jene auf eine Art ausgeſprochen ſind, als
ob ſie der unmittelbaren Erfahrung angehoͤrten. So
kann wohl mancher, der mit ehrlichem Glauben zu dieſen
Wiſſenſchaften hinzutritt, der Meynung ſeyn, die Mole-
cules, die leeren Zwiſchenraͤume, die Fliehkraft, der Ae-
ther, der vereinzelnte Lichtſtrahl, die elektriſche, magne-
tiſche Materie und noch eine Menge dergleichen ſeyen
Dinge oder Verhaͤltniſſe, die, nach der Art, wie von
ihnen als unmittelbaren Daſeynsbeſtimmungen geſprochen
wird, in der That in der Wahrnehmung vorhanden
ſeyen. Sie dienen als erſte Gruͤnde fuͤr anderes, wer-
den
[110]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
den als Wirklichkeiten ausgeſprochen, und zuverſichtlich
angewendet; man laͤßt ſie auf guten Glauben hin dafuͤr
gelten, ehe man inne wird, daß ſie vielmehr aus dem,
was ſie begruͤnden ſollen, geſchloſſene Beſtimmungen, von
einer unkritiſchen Reflexion abgeleitete Hypotheſen und
Erdichtungen ſind. In der That befindet man ſich in ei-
ner Art von Hexenkreiſe, worin Beſtimmungen des Da-
ſeyns und Beſtimmungen der Reflexion, Grund und Be-
gruͤndetes, Phaͤnomene und Phantome in unausgeſchie-
dener Geſellſchaft durch einander laufen und gleichen
Rang mit einander genieſſen.
Bey dem formellen Geſchaͤfte dieſer Erklaͤrungs-
weiſe aus Gruͤnden, hoͤrt man zugleich auch wieder, al-
les Erklaͤrens aus den wohlbekannten Kraͤften und Ma-
terien ungeachtet, ſagen, daß wir das innre Weſen
dieſer Kraͤfte und Materien ſelbſt nicht kennen. Es
iſt hierin nur das Geſtaͤndniß zu ſehen, daß dieſes Be-
gruͤnden ſich ſelbſt voͤllig ungenuͤgend iſt; daß es ſelbſt et-
was ganz anderes fordere, als ſolche Gruͤnde. Es iſt
dann nur nicht abzuſehen, wozu ſich denn dieſe Bemuͤ-
hung mit dieſem Erklaͤren gemacht, warum nicht das An-
dere geſucht, oder jenes Erklaͤren wenigſtens bey Seite
gethan, und bey den einfachen Thatſachen ſtehen geblie-
ben wird.
Der reale Grund.
Die Beſtimmtheit des Grundes, iſt, wie ſich gezeigt
hat, einestheils Beſtimmtheit der Grundlage oder
Inhaltsbeſtimmung; anderntheils das Andersſeyn in der
Grundbeziehung ſelbſt, nemlich die Unterſchieden-
heit ihres Inhalts und der Form; die Beziehung von
Grund und Begruͤndetem verlaͤuft ſich als eine aͤuſſerliche
Form
[111]Das Weſen.
Form an dem Inhalt, der gegen dieſe Beſtimmungen
gleichguͤltig iſt. — In der That aber ſind beide einander
nicht aͤuſſerlich; denn der Inhalt iſt diß, die Identi-
taͤt des Grundes mit ſich ſelbſt im Begruͤnde-
ten, und des Begruͤndeten im Grunde zu ſeyn.
Die Seite des Grundes hat ſich gezeigt, ſelbſt ein Geſetz-
tes, und die Seite des Begruͤndeten, ſelbſt Grund zu
ſeyn; jede iſt an ihr ſelbſt dieſe Identitaͤt des Ganzen.
Weil ſie aber zugleich der Form angehoͤren und ihre be-
ſtimmte Unterſchiedenheit ausmachen, ſo iſt jede in ih-
rer Beſtimmtheit die Identitaͤt des Ganzen mit ſich.
Jede hat ſomit einen gegen die andere verſchiedenen
Inhalt. — Oder von Seite des Inhalts betrachtet,
weil er die Identitaͤt als der Grundbeziehung
mit ſich iſt, hat er weſentlich dieſen Formunterſchied an
ihm ſelbſt, und iſt als Grund ein anderer, denn als Be-
gruͤndetes.
Darin nun, daß Grund und Begruͤndetes einen
verſchiedenen Inhalt haben, hat die Grundbeziehung auf-
gehoͤrt, eine formale zu ſeyn; der Ruͤkgang in den
Grund, und das Hervorgehen aus ihm zum Geſetzten iſt
nicht mehr die Tavtologie; der Grund iſt realiſirt.
Man verlangt daher, wenn man nach einem Grund
fragt, eigentlich fuͤr den Grund eine andere Inhaltsbe-
ſtimmung als diejenige iſt, nach deren Grund man fragt.
Dieſe Beziehung beſtimmt ſich nun weiter. Inſo-
fern nemlich ihre beide Seiten verſchiedener Inhalt ſind,
ſind ſie gleichguͤltig gegen einander; jede iſt eine unmit-
telbare mit ſich identiſche Beſtimmung. Ferner als
Grund und Begruͤndetes auf einander bezogen, iſt der
Grund das in dem Andern als in ſeinem Geſetztſeyn in
ſich reflectirte; der Inhalt alſo, welchen die Seite des
Grundes hat, iſt eben ſo im Begruͤndeten; dieſes als
das
[112]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
das Geſetzte hat nur in jenem ſeine Identitaͤt mit ſich
und ſein Beſtehen. Auſſer dieſem Inhalte des Grundes
hat aber das Begruͤndete nunmehr auch ſeinen eigen-
thuͤmlichen, und iſt ſomit die Einheit von einem zwey-
fachen Inhalt. Dieſe nun iſt zwar als Einheit unter-
ſchiedener deren negative Einheit, aber weil es gegen
einander gleichguͤltige Inhaltsbeſtimmungen ſind, iſt ſie
nur ihre leere, an ihr ſelbſt inhaltsloſe Beziehung, nicht
ihre Vermittlung; ein Eins oder Etwas als aͤuſſerli-
che Verknuͤpfung derſelben.
Es iſt alſo in der realen Grundbeziehung das dop-
pelte vorhanden, einmal die Inhaltsbeſtimmung, wel-
che Grund iſt, in dem Geſetztſeyn mit ſich ſelbſt conti-
nuirt, ſo daß ſie das einfach identiſche des Grundes und
Begruͤndeten ausmacht; das Begruͤndete enthaͤlt ſo den
Grund vollkommen in ſich, ihre Beziehung iſt unterſchieds-
loſe weſentliche Gediegenheit. Was im Begruͤndeten zu
dieſem einfachen Weſen noch hinzukommt, iſt daher nur
eine unweſentliche Form, aͤuſſerliche Inhaltsbeſtimmun-
gen, die als ſolche vom Grunde frey, und eine unmittel-
bare Mannichfaltigkeit ſind. Von dieſem Unweſentlichen
iſt alſo jenes Weſentliche nicht der Grund, noch iſt es
Grund von der Beziehung beyder aufeinander in dem
Begruͤndeten. Es iſt ein poſitiv identiſches, das dem
Begruͤndeten inwohnt, aber ſich darin in keinen Form-
unterſchied ſetzt, ſondern als ſich auf ſich ſelbſt beziehen-
der Inhalt gleichguͤltige poſitive Grundlage iſt. —
Fuͤrs andere iſt das mit dieſer Grundlage im Etwas
verknuͤpfte ein gleichguͤltiger Inhalt, aber als die unwe-
ſentliche Seite. Die Hauptſache iſt die Beziehung
der Grundlage und der unweſentlichen Mannichfaltigkeit.
Dieſe Beziehung aber, weil die bezogenen Beſtimmungen
gleichguͤltiger Inhalt ſind, iſt auch nicht Grund; eine
iſt zwar als weſentlicher, das andere nur als unweſent-
licher
[113]Das Weſen.
licher oder geſetzter Inhalt beſtimmt, aber als ſich auf
ſich beziehender Inhalt iſt beyden dieſe Form aͤuſſerlich.
Das Eins des Etwas, das ihre Beziehung aus-
macht, iſt deswegen nicht Formbeziehung, ſondern nur
ein aͤuſſerliches Band, das den unweſentlichen mannich-
faltigen Inhalt nicht als geſetzten enthaͤlt; es iſt alſo
gleichfalls nur Grundlage.
Der Grund, wie er als realer ſich beſtimmt, zer-
faͤllt hiemit um der Inhaltsverſchiedenheit willen, die
ſeine Realitaͤt ausmacht, in aͤuſſerliche Beſtimmungen.
Die beyden Beziehungen der weſentliche Inhalt,
als die einfache unmittelbare Identitaͤt des
Grundes und des Begruͤndeten; und dann das Et-
was, als die Beziehung des unterſchiedenen Inhalts,
ſind zwey verſchiedene Grundlagen; die mit ſich
identiſche Form des Grundes, daß Daſſelbe das einemal
als Weſentliches, das anderemal als Geſetztes ſey, iſt
verſchwunden; die Grundbeziehung iſt ſo ſich ſelbſt aͤuſ-
ſerlich geworden.
Es iſt daher nun ein aͤuſſerlicher Grund, welcher
verſchiedenen Inhalt in Verknuͤpfung bringt und es be-
ſtimmt, welcher der Grund und welcher das durch ihn
Geſetzte ſey; in dem beyderſeitigen Inhalte ſelbſt liegt
dieſe Beſtimmung nicht. Der reale Grund iſt daher
Beziehung auf Anderes, einerſeits des Inhalts
auf andern Inhalt, andererſeits der Grundbeziehung
ſelbſt (der Form) auf anderes, nemlich auf ein Unmit-
telbares, nicht durch ſie Geſetztes.
Die formelle Grundbeziehung enthaͤlt nur Einen In-
halt fuͤr Grund und Begruͤndetes, in dieſer Identitaͤt
Hliegt
[114]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
liegt ihre Nothwendigkeit, aber zugleich ihre Tavtologie.
Der reale Grund enthaͤlt einen verſchiedenen Inhalt, da-
mit tritt aber die Zufaͤlligkeit und Aeuſſerlichkeit der
Grundbeziehung ein. Einerſeits iſt dasjenige, was als
das Weſentliche und deswegen als die Grundbeſtimmung
betrachtet wird, nicht Grund der andern Beſtimmungen,
die mit ihr verknuͤpft ſind. Andererſeits iſt es auch un-
beſtimmt, welche von mehrern Inhaltsbeſtimmungen ei-
nes concreten Dinges als die weſentliche und als Grund
angenommen werden ſoll; die Wahl iſt daher zwiſchen ih-
nen frey. So iſt in erſterer Ruͤkſicht z. B. der Grund
eines Hauſes die Unterlage deſſelben; wodurch dieſe
Grund iſt, iſt die der ſinnlichen Materie inwohnende
Schwere, das ſowohl in dem Grunde als dem begruͤn-
deten Hauſe ſchlechthin identiſche. Daß an der ſchweren
Materie nun ein ſolcher Unterſchied iſt, wie der einer
Unterlage und einer davon unterſchiedenen Modification,
wodurch ſie eine Wohnung ausmacht, iſt dem Schweren
ſelbſt vollkommen gleichguͤltig, ſeine Beziehung auf die
andern Inhaltsbeſtimmungen des Zwecks, der Einrich-
tung des Hauſes u. ſ. f. iſt ihm aͤuſſerlich; es iſt daher
wohl Grundlage, aber nicht Grund derſelben. Die
Schwere iſt ſo ſehr als Grund, daß ein Haus ſteht, auch
Grund, daß ein Stein faͤllt; der Stein hat dieſen Grund,
die Schwere, in ſich; aber daß er eine weitere Inhaltsbe-
ſtimmung hat, wodurch er nicht bloß ein Schweres, ſon-
dern Stein iſt, iſt der Schwere aͤuſſerlich; es iſt ferner
durch ein anderes geſetzt, daß er von dem Koͤrper vorher
entfernt worden ſey, auf welchen er faͤllt, wie auch die
Zeit und der Raum und deren Beziehung, die Bewegung,
ein anderer Inhalt als die Schwere ſind, und ohne ſie
(wie man zu ſprechen pflegt) vorgeſtellt werden koͤnnen,
folglich nicht weſentlich durch ſie geſetzt ſind. — Sie iſt
auch ſo ſehr Grund, daß ein Projectil die dem Fallen ent-
gegengeſetzte Wurfbewegung macht. — Aus der Ver-
ſchieden-
[115]Das Weſen.
ſchiedenheit der Beſtimmungen, deren Grund ſie iſt, er-
hellt, daß ein Anderes zugleich erfordert wird, welches
ſie zum Grunde dieſer oder einer andern Beſtimmung
macht. —
Wenn von der Natur geſagt wird, daß ſie der
Grund der Welt iſt, ſo iſt das, was Natur ge-
nannt wird, einerſeits eins mit der Welt, und die
Welt nichts als die Natur ſelbſt. Aber ſie ſind auch un-
terſchieden, ſo daß die Natur mehr das Unbeſtimmte, oder
wenigſtens nur das in den allgemeinen Unterſchieden,
welche Geſetze ſind, beſtimmte, mit ſich identiſche We-
ſen der Welt iſt, und zur Natur, um Welt zu ſeyn, noch
eine Mannichfaltigkeit von Beſtimmungen aͤuſſerlich hin-
zukommt. Dieſe aber haben ihren Grund nicht in der
Natur als ſolcher, ſie iſt vielmehr das gegen ſie als Zu-
faͤlligkeiten gleichguͤltige. — Es iſt daſſelbe Verhaͤltniß,
wenn Gott als Grund der Natur beſtimmt wird.
Als Grund iſt er ihr Weſen, ſie enthaͤlt es in ihr und
iſt ein identiſches mit ihm; aber ſie hat noch eine weitere
Mannichfaltigkeit, die von dem Grunde ſelbſt unterſchie-
den iſt; ſie iſt das Dritte, worinn dieſes beide Ver-
ſchiedene verknuͤpft iſt; jener Grund iſt weder Grund der
von ihm verſchiedenen Mannichfaltigkeit noch ſeiner Ver-
knuͤpfung mit ihr. Die Natur wird daher nicht aus
Gott als dem Grunde erkannt, denn ſo waͤre er nur ihr
allgemeines Weſen, der ſie nicht, wie ſie beſtimmtes We-
ſen und Natur iſt, enthaͤlt.
Das Angeben von realen Gruͤnden wird alſo um
dieſer Inhaltsverſchiedenheit des Grundes oder eigentlich
der Grundlage und deſſen, was mit ihm im Begruͤndeten
verbunden iſt, eben ſo ſehr ein Formalismus, als der
formale Grund ſelbſt. In dieſem iſt der mit ſich iden-
tiſche Inhalt gleichguͤltig gegen die Form; im realen
H 2Grunde
[116]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
Grunde findet diß gleichfalls Statt. Dadurch iſt
nun ferner der Fall, daß er es nicht an ihm ſelbſt ent-
haͤlt, welche der mannichfaltigen Beſtimmungen als die
weſentliche genommen werden ſoll. Etwas iſt ein
Concretes von ſolchen mannichfaltigen Beſtimmungen,
die ſich gleich beſtaͤndig und bleibend an ihm zeigen. Die
eine kann daher ſo ſehr wie die andere als Grund be-
ſtimmt werden; nemlich als die weſentliche, in Ver-
gleichung mit welcher alsdenn die andere nur ein geſetz-
tes ſey. Es verbindet ſich damit das vorhin erwaͤhnte,
daß, wenn eine Beſtimmung vorhanden iſt, die in einem
Falle als Grund einer andern angeſehen wird, daraus
nicht folgt, daß dieſe andere in einem andern Falle oder
uͤberhaupt, mit ihr geſetzt ſey. — Die Strafe z. B.
hat die mannichfaltigen Beſtimmungen, daß ſie Wieder-
vergeltung, ferner abſchreckendes Beyſpiel, daß ſie ein
vom Geſetz zur Abſchreckung angedrohtes, auch ein den
Verbrecher zur Beſinnung und Beſſerung bringendes iſt.
Jede dieſer verſchiedenen Beſtimmungen iſt als Grund
der Strafe betrachtet worden, weil jede eine weſent-
liche Beſtimmung iſt, und dadurch die andern als von
ihr unterſchieden, gegen ſie nur als Zufaͤlliges beſtimmt
werden. Diejenige aber, die als Grund angenommen
wird, iſt noch nicht die ganze Strafe ſelbſt; dieſes Con-
crete enthaͤlt auch jene andern, die mit ihr darin nur ver-
knuͤpft ſind, ohne daß ſie in ihr ihren Grund haͤtten. —
Oder ein Beamter hat Amts-Geſchiklichkeit, ſteht als
Individuum in Verwandſchaft, hat dieſe und jene Be-
kanntſchaft, einen beſondern Charakter, war in dieſen
und jenen Umſtaͤnden und Gelegenheiten, ſich zu zeigen,
u. ſ. f. Es kann jede dieſer Eigenſchaften Grund ſeyn,
oder als ſolcher angeſehen werden, daß er diß Amt hat;
ſie ſind ein verſchiedener Inhalt, der in einem Dritten
verbunden iſt; die Form, als das Weſentliche und als
das Geſetzte gegeneinander beſtimmt zu ſeyn, iſt demſel-
ben
[117]Das Weſen.
ben aͤuſſerlich. Jede dieſer Eigenſchaften iſt dem Beam-
ten weſentlich, weil er durch ſie das beſtimmte Indivi-
duum iſt, welches er iſt; inſofern das Amt als eine aͤuſ-
ſerliche geſetzte Beſtimmung betrachtet werden kann, kann
jede gegen dieſes als Grund beſtimmt, aber auch ſelbſt
umgekehrt koͤnnen jene als geſetzte, und das Amt als
Grund derſelben angeſehen werden. Wie ſie ſich wirk-
lich, d. h. im einzelnen Fall, verhalten, diß iſt eine der
Grundbeziehung und dem Inhalte ſelbſt, aͤuſſerliche Be-
ſtimmung; es iſt ein Drittes, was ihnen die Form von
Grund und Begruͤndetem ertheilt.
So kann uͤberhaupt jedes Daſeyn mancherley Gruͤn-
de haben, jede ſeiner Inhaltsbeſtimmungen durchdringt
als mit ſich identiſch das concrete Ganze, und laͤßt ſich
daher als weſentlich betrachten; den mancherley Ruͤk-
ſichten d. h. Beſtimmungen, die auſſer der Sache
ſelbſt liegen, iſt um der Zufaͤlligkeit der Verknuͤpfungs-
weiſe Thuͤr und Thor unendlich aufgethan. — Ob ein
Grund dieſe oder jene Folge habe, iſt deßwegen eben
ſo zufaͤllig. Die moraliſchen Beweggruͤnde z. B. ſind
weſentliche Beſtimmungen der ſittlichen Natur,
aber das, was aus ihnen folgt, iſt zugleich eine von ihnen
verſchiedene Aeuſſerlichkeit, die aus ihnen folgt, und auch
nicht folgt; erſt durch ein Drittes kommt ſie zu ihnen hin-
zu. Genauer iſt diß ſo zu nehmen, daß es der morali-
ſchen Beſtimmung, wenn ſie Grund iſt, nicht zufaͤllig
ſey, eine Folge oder ein Begruͤndetes zu haben, aber ob
ſie uͤberhaupt zum Grund gemacht werde oder nicht. Al-
lein da auch wieder der Inhalt, der ihre Folge iſt, wenn
ſie zum Grund gemacht worden, die Natur der Aeuſſer-
lichkeit hat, kann er unmittelbar durch eine andere Aeuſ-
ſerlichkeit aufgehoben werden. Aus einem moraliſchen
Beweggrunde kann alſo eine Handlung hervorgehen oder
auch nicht. Umgekehrt kann eine Handlung mancherley
Gruͤnde
[118]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
Gruͤnde haben; ſie enthaͤlt als ein Concretes mannichfal-
tige weſentliche Beſtimmungen, deren jede deßwegen als
Grund angegeben werden kann. Das Aufſuchen und An-
geben von Gruͤnden, worinn vornemlich das Raͤſon-
nement beſteht, iſt darum ein endloſes Herumtreiben,
das keine letzte Beſtimmung enthaͤlt; es kann von allem
und jeden einer und mehrere gute Gruͤnde angegeben
werden, ſo wie von ſeinem Entgegengeſetzten, und es
koͤnnen eine Menge Gruͤnde vorhanden ſeyn, ohne daß
aus ihnen etwas erfolgt. Was Socrates und Plato
Sophiſterey nennen, iſt nichts anderes als das Rai-
ſonnement aus Gruͤnden; Plato ſetzt demſelben die Be-
trachtung der Idee, d. h. der Sache an und fuͤr ſich
ſelbſt, oder in ihrem Begriffe entgegen. Die Gruͤnde
ſind nur von weſentlichen Inhaltsbeſtimmungen,
Verhaͤltniſſen und Ruͤkſichten genommen, deren jede Sa-
che, gerade wie auch ihr Gegentheil, mehrere hat; in
ihrer Form der Weſentlichkeit gilt die eine ſo gut als die
andere; weil ſie nicht den ganzen Umfang der Sache ent-
haͤlt, iſt ſie einſeitiger Grund, deren die andern beſon-
dern Seiten wieder beſondere haben, und wovon keiner
die Sache, welche ihre Verknuͤpfung ausmacht und
ſie alle enthaͤlt, erſchoͤpft; keiner iſt zureichender
Grund, d. h. der Begriff.
Der vollſtaͤndige Grund.
1. Im realen Grunde ſind der Grund als Inhalt,
und als Beziehung, nur Grundlagen. Jener iſt nur
geſetzt als weſentlich und als Grund; die Beziehung
iſt das Etwas des Begruͤndeten, als das unbeſtimmte
Subſtrat eines verſchiedenen Inhalts, eine Verknuͤpfung
deſſelben, die nicht ſeine eigne Reflexion, ſondern eine
aͤuſſer-
[119]Das Weſen.
aͤuſſerliche und ſomit nur eine geſetzte iſt. Die reale
Grundbeziehung iſt daher vielmehr der Grund als aufge-
hobener; ſie macht ſomit vielmehr die Seite des Be-
gruͤndeten oder des Geſetztſeyns aus. Als Ge-
ſetztſeyn aber iſt nun der Grund ſelbſt in ſeinen Grund
zuruͤckgegangen; er iſt nun ein Begruͤndetes, das einen
andern Grund hat. Dieſer beſtimmt ſich hiedurch
ſo, daß er erſtlich das mit dem realen Grunde als ſei-
nem Begruͤndeten identiſche iſt; beyde Seiten haben
nach dieſer Beſtimmung einen und denſelben Inhalt;
die zwey Inhaltsbeſtimmungen und deren Verknuͤpfung
im Etwas befinden ſich gleichfalls im neuen Grunde.
Aber zweytens der neue Grund, in welchen ſich jene
nur geſetzte aͤuſſerliche Verknuͤpfung aufgehoben hat, iſt
als ihre Reflexion in ſich die abſolute Beziehung
der zwey Inhaltsbeſtimmungen.
Dadurch daß der reale Grund ſelbſt in ſeinen Grund
zuruͤkgegangen iſt, ſtellt ſich an ihm die Identitaͤt des
Grundes und Begruͤndeten, oder der formelle Grund
wieder her. Die entſtandene Grundbeziehung iſt darum
die vollſtaͤndige, die den formellen und realen Grund
zugleich in ſich enthaͤlt und die im letztern gegen einander
unmittelbaren Inhaltsbeſtimmungen vermittelt.
2. Die Grundbeziehung hat ſich hiemit folgender-
maſſen naͤher beſtimmt. Erſtens Etwas hat einen
Grund; es enthaͤlt die Inhaltsbeſtimmung, wel-
che der Grund iſt, und noch eine zweyte als durch
ihn geſetzte. Aber als gleichguͤltiger Inhalt, iſt die
eine nicht an ihr ſelbſt Grund, die andere nicht an ihr
ſelbſt das Begruͤndete von jener, ſondern dieſe Bezie-
hung iſt in der Unmittelbarkeit des Inhalts als eine
aufgehobene oder geſetzte, und hat als ſolche in einer an-
dern ihren Grund. Dieſe zweyte Beziehung als nur
der
[120]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
der Form nach unterſchieden, hat denſelben Inhalt als
die erſtere, nemlich die beyden Inhaltsbeſtimmungen, iſt
aber die unmittelbare Verknuͤpfung derſelben. In-
dem jedoch das Verknuͤpfte uͤberhaupt verſchiedener In-
halt, ſomit gegen einander gleichguͤltige Beſtimmung iſt,
iſt ſie nicht ihre wahrhaft abſolute Beziehung, daß die
eine der Beſtimmungen das im Geſetztſeyn mit ſich iden-
tiſche, die andere nur diß Geſetztſeyn deſſelben Identi-
ſchen waͤre; ſondern ein Etwas traͤgt ſie und macht ih-
re nicht reflectirte, ſondern nur unmittelbare Beziehung
aus, welche daher nur relativer Grund gegen die Ver-
knuͤpfung im andern Etwas iſt. Die beyden Etwas
ſind alſo die zwey unterſchiedenen Beziehungen von In-
halt, die ſich ergeben haben. Sie ſtehen in der identi-
ſchen Grundbeziehung der Form; ſie ſind ein und derſelbe
ganze Inhalt, nemlich die zwey Inhaltsbeſtimmun-
gen und deren Beziehung; unterſchieden ſind ſie nur
durch die Art dieſer Beziehung, die in dem einen unmit-
telbare, in dem andern geſetzte Beziehung iſt; wodurch ſich
das eine von dem andern nur der Form nach als
Grund und Begruͤndetes unterſcheidet. — Zweytens
iſt dieſe Grundbeziehung nicht nur formell, ſondern auch
real. Der formelle Grund geht in den realen uͤber, wie
ſich gezeigt hat; die Momente der Form reflectiren ſich in
ſich ſelbſt; ſie ſind ein ſelbſtſtaͤndiger Inhalt, und die
Grundbeziehung enthaͤlt auch einen eigenthuͤmlichen In-
halt als Grund und einen als Begruͤndetes.
Der Inhalt macht zuerſt die unmittelbare Identitaͤt
der beyden Seiten des formellen Grundes aus, ſo haben
ſie einen und denſelben Inhalt. Aber er hat auch die
Form an ihm ſelbſt und iſt ſo gedoppelter Inhalt, der
ſich als Grund und Begruͤndetes verhaͤlt. Die eine der
zwey Inhaltsbeſtimmungen der beyden Etwas iſt daher
beſtimmt, als ihnen nicht bloß gemeinſchaftlich nach
aͤuſſerer Vergleichung, ſondern ihr identiſches Subſtrat
und
[121]Das Weſen.
und die Grundlage ihrer Beziehung zu ſeyn. Gegen die an-
dere Inhaltsbeſtimmung iſt ſie die weſentliche und Grund der-
ſelben als der geſetzten, nemlich in dem Etwas, deſſen
Beziehung die begruͤndete iſt. Im erſten Etwas, das
die Grundbeziehung iſt, iſt auch dieſe zweyte Inhaltsbe-
ſtimmung unmittelbar und an ſich mit der erſten ver-
knuͤpft. Das andere Etwas aber enthaͤlt nur die eine an
ſich als das, worin es mit dem erſten Etwas unmittelbar
identiſch iſt, die andere aber als die in ihm geſetzte. Die er-
ſtere Inhaltsbeſtimmung iſt Grund derſelben dadurch,
daß ſie in dem erſten Etwas urſpruͤnglich mit der
andern Inhaltsbeſtimmung verknuͤpft iſt.
Die Grundbeziehung der Inhaltsbeſtimmun-
gen im zweyten Etwas iſt ſo durch die erſte an ſich ſeyen-
de Beziehung des erſten Etwas vermittelt. Der
Schluß iſt, weil in einem Etwas die Beſtimmung B mit
der Beſtimmung A an ſich verknuͤpft iſt, ſo iſt im zwey-
ten Etwas, dem nur die eine Beſtimmung A unmittelbar
zukommt, auch B damit verknuͤpft. Im zweyten Etwas
iſt nicht nur dieſe zweyte Beſtimmung mittelbar, ſondern
auch daß ſeine unmittelbare Grund iſt, iſt vermittelt,
nemlich durch ihre urſpruͤngliche Beziehung auf B im er-
ſten Etwas. Dieſe Beziehung iſt ſomit Grund des Grun-
des A, und die ganze Grundbeziehung iſt zweyten Et-
was als Geſetztes oder Begruͤndetes.
3. Der reale Grund zeigt ſich als die ſich aͤuſſer-
liche Reflexion des Grundes; die vollſtaͤndige Ver-
mittlung deſſelben iſt die Wiederherſtellung ſeiner Identi-
taͤt mit ſich. Aber indem dieſe dadurch zugleich die Aeuſ-
ſerlichkeit des realen Grundes erhalten hat, ſo iſt die
formelle Grundbeziehung in dieſer Einheit ihrer ſelbſt und
des realen Grundes, eben ſo ſehr ſich ſetzender als ſich
aufhebender Grund; die Grundbeziehung vermittelt
ſich
[122]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
ſich durch ihre Negation mit ſich. Erſtlich iſt der
Grund als die urſpruͤngliche Beziehung, Bezie-
hung von unmittelbaren Inhaltsbeſtimmungen. Die
Grundbeziehung hat als weſentliche Form zu ihren Sei-
ten ſolche, welche aufgehobene oder Momente ſind. Da-
her als Form unmittelbarer Beſtimmungen iſt ſie die
mit ſich identiſche Beziehung zugleich als Beziehung ih-
rer Negation; ſomit iſt ſie Grund nicht an und fuͤr
ſich ſelbſt, ſondern als Beziehung auf die aufgehobe-
ne Grundbeziehung. — Zweytens die aufgehobene Be-
ziehung oder das Unmittelbare, das in der urſpruͤnglichen
und der geſetzten Beziehung die identiſche Grundlage
iſt, iſt realer Grund gleichfalls nicht an und fuͤr ſich
ſelbſt, ſondern es iſt durch jene urſpruͤngliche Verknuͤ-
pfung geſetzt, daß es Grund ſey. —
Die Grundbeziehung in ihrer Totalitaͤt iſt ſomit
weſentlich vorausſetzende Reflexion; der formelle
Grund ſetzt die unmittelbare Inhaltsbeſtimmung
voraus, und dieſe als realer Grund ſetzt die Form vor-
aus. Der Grund iſt alſo die Form als unmittelbare Ver-
knuͤpfung; aber ſo daß ſie ſich von ſich ſelbſt abſtoͤßt,
und die Unmittelbarkeit vielmehr vorausſetzt, ſich darin
auf ſich als auf ein anderes bezieht. Dieſes Unmittelba-
re iſt die Inhaltsbeſtimmung, der einfache Grund; aber
er iſt als diß, nemlich als Grund, eben ſo von ſich abge-
ſtoſſen und bezieht ſich auf ſich gleichfalls als auf ein an-
deres. — So hat ſich die totale Grundbeziehung zur be-
dingenden Vermittlung beſtimmt.
C. Die
[123]Das Weſen.
C.
Die Bedingung.
Das relativ Unbedingte.
1. Der Grund iſt das Unmittelbare und das Be-
gruͤndete das Vermittelte. Aber er iſt ſetzende Reflexion,
als ſolche macht er ſich zum Geſetztſeyn, und iſt voraus-
ſetzende Reflexion, ſo bezieht er ſich auf ſich als auf ein
aufgehobenes, auf ein Unmittelbares, wodurch er ſelbſt
vermittelt iſt. Dieſe Vermittlung, als Fortgehen vom
Unmittelbaren zum Grunde, iſt nicht eine aͤuſſere Re-
flexion, ſondern, wie ſich ergeben, das eigne Thun des
Grundes, oder was daſſelbe iſt, die Grundbeziehung iſt
als Reflexion in die Identitaͤt mit ſich eben ſo weſentlich
ſich entaͤuſſernde Reflexion. Das Unmittelbare, auf das
der Grund ſich als auf ſeine weſentliche Vorausſetzung
bezieht, iſt die Bedingung; der reale Grund iſt
daher weſentlich bedingt. Die Beſtimmtheit, die er ent-
haͤlt, iſt das Andersſeyn ſeiner ſelbſt.
Die Bedingung iſt alſo erſtens ein unmittelba-
res, mannichfaltiges Daſeyn. Zweytens iſt dieſes
Daſeyn bezogen auf ein anderes, auf etwas, das Grund
iſt, nicht dieſes Daſeyns, ſondern in anderer Ruͤkſicht;
denn das Daſeyn ſelbſt iſt unmittelbar und ohne Grund.
Nach jener Beziehung iſt es ein Geſetztes; das un-
mittelbare Daſeyn ſoll als Bedingung nicht fuͤr ſich, ſon-
dern fuͤr anderes ſeyn. Aber zugleich iſt diß, daß es ſo
fuͤr anderes iſt, ſelbſt nur ein Geſetztſeyn; daß es ein
Geſetz-
[124]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
Geſetztes iſt, iſt in ſeiner Unmittelbarkeit aufgehoben, und
ein Daſeyn iſt dagegen, Bedingung zu ſeyn,
gleichguͤltig. Drittens iſt die Bedingung ſo ein
unmittelbares, daß ſie die Vorausſetzung des Grun-
des ausmacht. Sie iſt in dieſer Beſtimmung die in die
Identitaͤt mit ſich zuruͤkgegangene Formbeziehung des
Grundes, hiemit der Inhalt deſſelben. Aber der In-
halt als ſolcher iſt nur die gleichguͤltige Einheit des Grun-
des, als in der Form; ohne Form kein Inhalt. Er be-
freyt ſich noch von derſelben, indem die Grundbeziehung
im vollſtaͤndigen Grunde zu einer gegen ihre Identi-
taͤt aͤuſſerlichen Beziehung wird; wodurch der Inhalt die
Unmittelbarkeit erhaͤlt. Inſofern daher die Bedingung
das iſt, worin die Grundbeziehung ihre Identitaͤt
mit ſich hat, macht ſie ſeinen Inhalt aus; aber weil er
das gegen dieſe Form gleichguͤltige iſt, iſt er nur an ſich
ihr Inhalt, ein ſolches, das erſt Inhalt werden ſoll,
hiemit das Material fuͤr den Grund ausmacht. Als
Bedingung geſetzt, hat das Daſeyn nach dem zweyten Mo-
mente die Beſtimmung, ſeine gleichguͤltige Unmittelbarkeit
zu verlieren und Moment eines Andern zu werden.
Durch ſeine Unmittelbarkeit iſt es gleichguͤltig gegen dieſe
Beziehung; inſofern es aber in dieſelbe tritt, macht es
das Anſichſeyn des Grundes aus, und iſt das Un-
bedingte fuͤr denſelben. Um Bedingung zu ſeyn, hat
es am Grunde ſeine Vorausſetzung, und iſt ſelbſt be-
dingt; aber dieſe Beſtimmung iſt ihm aͤuſſerlich.
2. Etwas iſt nicht durch ſeine Bedingung; ſeine
Bedingung iſt nicht ſein Grund. Sie iſt das Moment
der unbedingten Unmittelbarkeit fuͤr den Grund, aber iſt
nicht ſelbſt die Bewegung und das Setzen, das ſich nega-
tiv auf ſich bezieht, und ſich zum Geſetztſeyn macht.
Der Bedingung ſteht daher die Grundbeziehung
gegenuͤber. Etwas hat auſſer ſeiner Bedingung auch ei-
nen
[125]Das Weſen.
nen Grund. — Dieſer iſt die leere Bewegung der Re-
flexion, weil ſie die Unmittelbarkeit als ihre Voraus-
ſetzung auſſer ihr hat. Sie iſt aber die ganze Form und
das ſelbſtſtaͤndige Vermitteln; denn die Bedingung iſt
nicht ihr Grund. Indem dieſes Vermitteln ſich als Se-
zen auf ſich bezieht, iſt es nach dieſer Seite gleichfalls
ein Unmittelbares und Unbedingtes; es ſetzt ſich
zwar voraus, aber als entaͤuſſertes oder aufgehobenes
Setzen; das was es hingegen ſeiner Beſtimmung nach
iſt, iſt es an und fuͤr ſich ſelbſt. — Inſofern ſo die
Grundbeziehung ſelbſtſtaͤndige Beziehung auf ſich iſt und
die Identitaͤt der Reflexion an ihr ſelbſt hat, hat ſie ei-
nen eigenthuͤmlichen Inhalt, gegen den Inhalt
der Bedingung. Jener iſt Inhalt des Grundes und dar-
um weſentlich formirt; dieſer hingegen iſt nur unmittel-
bares Material, dem die Beziehung auf den Grund zu-
gleich eben ſo aͤuſſerlich iſt, als es auch das Anſichſeyn
deſſelben ausmacht; es iſt ſomit eine Vermiſchung von
ſelbſtſtaͤndigem Inhalt, der keine Beziehung auf den In-
halt der Grundbeſtimmung hat, und von ſolchem, der in
ſie eingeht, und als ihr Material, Moment derſelben wer-
den ſoll.
3. Die beyden Seiten des Ganzen, Bedingung
und Grund, ſind alſo einerſeits gleichguͤltige und
unbedingte gegen einander; das eine als das Unbe-
zogene, dem die Beziehung, in welcher es Bedingung iſt,
aͤuſſerlich iſt; das andere als die Beziehung oder Form,
fuͤr welche das beſtimmte Daſeyn der Bedingung nur als
Material iſt, als ein paſſives, deſſen Form, die es fuͤr
ſich an ihm hat, eine unweſentliche iſt. Ferner ſind auch
beyde vermittelte. Die Bedingung iſt das Anſich-
ſeyn des Grundes; ſie iſt ſo ſehr weſentliches Moment
der Grundbeziehung, daß ſie die einfache Identitaͤt deſſel-
ben mit ſich iſt. Aber diß iſt auch aufgehoben; diß An-
ſich-
[126]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
ſichſeyn iſt nur ein geſetztes; das unmittelbare Daſeyn iſt
gleichguͤltig dagegen Bedingung zu ſeyn. Daß die Be-
dingung des Anſichſeyn fuͤr den Grund iſt, macht
alſo ihre Seite aus, nach welcher ſie eine vermittelte iſt.
Eben ſo die Grundbeziehung hat in ihrer Selbſtſtaͤndig-
keit, auch eine Vorausſetzung, und ihr Anſichſeyn auſſer
ſich. — Somit iſt jede der beyden Seiten der Wider-
ſpruch der gleichguͤltigen Unmittelbarkeit und der we-
ſentlichen Vermittlung, beydes in Einer Beziehung; —
oder der Widerſpruch des ſelbſtſtaͤndigen Beſtehens und
der Beſtimmung, nur Moment zu ſeyn.
Das abſolute Unbedingte.
Die beyden relativ-Unbedingten ſcheinen zunaͤchſt,
jedes in das andere; die Bedingung als Unmittelbares in
die Formbeziehung des Grundes, und dieſe in das unmit-
telbare Daſeyn als ſein Geſetztſeyn; aber jedes iſt auſſer
dieſem Scheine ſeines Andern an ihm ſelbſtſtaͤndig und
hat ſeinen eigenthuͤmlichen Inhalt.
Zuerſt iſt die Bedingung unmittelbares Daſeyn;
ſeine Form hat die zwey Momente, das Geſetztſeyn,
nach welchem es als Bedingung Material und Moment
des Grundes iſt; — und das Anſichſeyn, nach wel-
chem es die Weſentlichkeit des Grundes oder ſeine einfa-
che Reflexion in ſich ausmacht. Beyde Seiten der Form
ſind dem unmittelbaren Daſeyn aͤuſſerlich; denn es iſt
die aufgehobene Grundbeziehung. — Aber erſtens iſt
das Daſeyn an ihm ſelbſt nur diß, in ſeiner Unmittelbar-
keit ſich aufzuheben und zu Grunde zu gehen. Das
Seyn iſt uͤberhaupt nur das Werden zum Weſen;
es iſt ſeine weſentliche Natur ſich zum Geſetzten und zur
Iden-
[127]Das Weſen.
Identitaͤt zu machen, die durch die Negation ihrer das
Unmittelbare iſt. Die Formbeſtimmungen alſo, des Ge-
ſetztſeyns und des mit ſich identiſchen Anſichſeyns, die
Form, wodurch das unmittelbare Daſeyn Bedingung iſt,
ſind ihm daher nicht aͤuſſerlich, ſondern es iſt dieſe Re-
flexion ſelbſt. Zweytens, als Bedingung iſt das
Seyn nun auch als das geſetzt, was es weſentlich iſt;
nemlich als Moment, ſomit eines Andern, und zugleich
als das Anſichſeyn gleichfalls eines Andern; es iſt an
ſich aber nur durch die Negation ſeiner, nemlich durch
den Grund und durch deſſen ſich aufhebende und damit
vorausſetzende Reflexion; das Anſichſeyn des Seyns iſt
ſomit nur ein Geſetztes. Diß Anſichſeyn der Bedingung
hat die zwey Seiten, einerſeits ihre Weſentlichkeit als
des Grundes, andererſeits aber die Unmittelbarkeit ihres
Daſeyns zu ſeyn. Oder vielmehr beydes iſt daſſelbe.
Das Daſeyn iſt ein Unmittelbares, aber die Unmittelbar-
keit iſt weſentlich das Vermittelte, nemlich durch den ſich
ſelbſt aufhebenden Grund. Als dieſe durch das ſich auf-
hebende Vermitteln vermittelte Unmittelbarkeit iſt es das
zugleich das Anſichſeyn des Grundes, und das Unbe-
dingte deſſelben; aber diß Anſichſeyn iſt zugleich ſelbſt
wieder eben ſo ſehr nur Moment oder Geſetztſeyn, denn
es iſt vermittelt. — Die Bedingung iſt daher die ganze
Form der Grundbeziehung; ſie iſt das vorausgeſetzte An-
ſichſeyn derſelben, aber damit ſelbſt ein Geſetztſeyn, und
ihre Unmittelbarkeit diß, ſich zum Geſetztſeyn zu machen;
ſich ſomit von ſich ſelbſt ſo abzuſtoſſen, daß ſie ſowohl zu
Grunde geht, als ſie Grund iſt, der ſich zum Geſetztſeyn
macht und hiemit auch zum Begruͤndeten; und beydes iſt
ein und daſſelbe.
Eben ſo iſt an dem bedingten Grunde das Anſich-
ſeyn nicht nur als Scheinen eines Andern an ihm. Er
iſt die ſelbſtſtaͤndige, das heißt, die ſich auf ſich bezie-
hende
[128]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
hende Reflexion des Setzens; und hiemit das mit ſich
identiſche, oder iſt in ihm ſelbſt ſein Anſichſeyn, und ſein
Inhalt. Aber zugleich iſt er vorausſetzende Reflexion; er
bezieht ſich negativ auf ſich ſelbſt, und ſetzt ſich ſein An-
ſichſeyn als ihm anderes entgegen, und die Bedingung
ſowohl nach ihrem Momente des Anſichſeyns als des un-
mittelbaren Daſeyns iſt das eigene Moment der Grund-
beziehung; das unmittelbare Daſeyn iſt weſentlich nur
durch ſeinen Grund, und iſt das Moment ſeiner als Vor-
ausſetzens. Dieſer iſt daher eben ſo das Ganze ſelbſt.
Es iſt ſomit uͤberhaupt nur Ein Ganzes der Form
vorhanden; aber eben ſo ſehr nur Ein Ganzes des In-
halts. Denn der eigenthuͤmliche Inhalt der Bedingung
iſt nur weſentlicher Inhalt, inſofern er die Identitaͤt der
Reflexion mit ſich in der Form, oder als diß unmittel-
bare Daſeyn an ihm ſelbſt die Grundbeziehung iſt. Die-
ſes iſt ferner nur Bedingung durch die vorausſetzende
Reflexion des Grundes; es iſt deſſen Identitaͤt mit ſich
ſelbſt, oder ſein Inhalt, dem er ſich gegenuͤber ſetzt. Das
Daſeyn iſt daher nicht bloß formloſes Material fuͤr die
Grundbeziehung, ſondern weil es an ihm ſelbſt dieſe
Form hat, iſt es formirte Materie, und als zugleich das
in der Identitaͤt mit ihr gegen ſie gleichguͤltige iſt es In-
halt. Es iſt endlich derſelbe Inhalt, den der Grund
hat, denn es iſt eben Inhalt als das in der Formbe-
ziehung mit ſich identiſche.
Die beyden Seiten des Ganzen, Bedingung und
Grund, ſind alſo Eine weſentliche Einheit; ſowohl als
Inhalt, wie als Form. Sie gehen durch ſich ſelbſt in
einander uͤber, oder indem ſie Reflexionen ſind, ſo ſetzen
ſie ſich ſelbſt als aufgehobene, beziehen ſich auf dieſe ihre
Negation und ſetzen ſich gegenſeitig voraus.
Aber diß iſt zugleich nur Eine Reflexion beyder, ihr Vor-
aus-
[129]Das Weſen.
ausſetzen daher auch nur eines; die Gegenſeitigkeit deſſel-
ben geht vielmehr darein uͤber, daß ſie ihre Eine Iden-
titaͤt als ihr Beſtehen und ihre Grundlage vorausſetzen.
Dieſe, der eine Inhalt und Formeinheit beyder, iſt das
wahrhaft Unbedingte; die Sache an ſich
ſelbſt. — Die Bedingung iſt, wie ſich oben ergeben
hat, nur das relativ-unbedingte. Man pflegt ſie daher
ſelbſt als ein Bedingtes zu betrachten, und nach einer
neuen Bedingung zu fragen, womit der gewoͤhnliche Pro-
greß ins Unendliche von Bedingung zu Bedingung
eingeleitet iſt. Warum wird nun bey einer Bedingung
nach einer neuen Bedingung gefragt, das heißt, warum
wird ſie als Bedingtes angenommen? Weil ſie irgend ein
endliches Daſeyn iſt. Aber diß iſt eine weitere Beſtim-
mung der Bedingung, die nicht in ihrem Begriffe liegt.
Allein die Bedingung als ſolche iſt darum ein Bedingtes,
weil ſie das geſetzte Anſichſeyn iſt; ſie iſt daher im abſo-
lut Unbedingten aufgehoben.
Dieſes nun enthaͤlt die beyden Seiten, die Bedin-
gung und den Grund, als ſeine Momente in ſich; es iſt
die Einheit, in welche ſie zuruͤkgegangen ſind. Sie bey-
de zuſammen machen die Form oder das Geſetztſeyn deſ-
ſelben aus. Die unbedingte Sache iſt Bedingung bey-
der, aber die abſolute, das heißt, die Bedingung, wel-
che ſelbſt Grund iſt. — Als Grund iſt ſie nun die ne-
gative Identitaͤt, die ſich in jene beyden Momente abge-
ſtoßen hat; — erſtens in die Geſtalt der aufgehobenen
Grundbeziehung, einer unmittelbaren, einheitsloſen, ſich
ſelbſt aͤuſſerlichen Mannichfaltigkeit, welche ſich auf den
Grund als ein ihr Andres bezieht, und zugleich das An-
ſichſeyn deſſelben ausmacht; zweytens, in die Geſtalt
einer innerlichen, einfachen Form, welche Grund iſt,
aber ſich auf das mit ſich identiſche Unmittelbare als auf
ein Anderes bezieht, und daſſelbe als Bedingung, d. h.
Jdiß
[130]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
diß ihr Anſich als ihr eigenes Moment beſtimmt. —
Dieſe beyden Seiten ſetzen die Totalitaͤt ſo voraus,
daß ſie das ſetzende derſelben iſt. Umgekehrt, weil ſie
die Totalitaͤt vorausſetzen, ſo ſcheint dieſe auch wie-
der durch jene bedingt zu ſeyn, und die Sache aus ihrer
Bedingung und aus ihrem Grunde zu entſpringen. Aber
indem dieſe beyden Seiten ſich als das identiſche gezeigt
haben, ſo iſt das Verhaͤltniß von Bedingung und Grund
verſchwunden, ſie ſind zu einem Scheine herabgeſetzt;
das abſolut Unbedingte iſt in ſeiner Bewegung des Se-
tzens und Vorausſetzens, nur die Bewegung, in welcher
dieſer Schein ſich aufhebt. Es iſt das Thun der Sa-
che, ſich zu bedingen, und ihren Bedingungen ſich als
Grund gegenuͤber zu ſtellen; ihre Beziehung als der Be-
dingungen und des Grundes iſt aber ein Scheinen in
ſich und ihr Verhalten zu ihnen ihr Zuſammenge-
hen mit ſich ſelbſt.
Hervorgang der Sache in die Exiſtenz.
Das abſolut Unbedingte iſt der abſolute mit ſeiner
Bedingung identiſche Grund; die unmittelbare Sache,
als die wahrhaft Weſenhafte. Als Grund bezieht ſie
ſich negativ auf ſich ſelbſt, macht ſich zum Geſetztſeyn,
aber zum Geſetztſeyn, das die in ihren Seiten vollſtaͤn-
dige Reflexion, und die in ihnen mit ſich identiſche Form-
beziehung iſt, wie ſich ihr Begriff ergeben hat. Diß
Geſetztſeyn iſt daher erſtlich der aufgehobene Grund,
die Sache als das Reflexionsloſe Unmittelbare; die Seite
der Bedingungen. Dieſe iſt die Totalitaͤt der Be-
ſtimmungen der Sache, — die Sache ſelbſt, aber in die
Aeuſſerlichkeit des Seyns hinausgeworfen; der wieder-
hergeſtellte Kreis des Seyns. In der Bedingung ent-
laͤßt
[131]Das Weſen.
laͤßt das Weſen die Einheit ſeiner Reflexion ‒ in ‒ ſich
als eine Unmittelbarkeit, die aber nunmehr die Beſtim-
mung hat, bedingende Vorausſetzung zu ſeyn, und
weſentlich nur eine ſeiner Seiten auszumachen. — Die
Bedingungen ſind darum der ganze Inhalt der Sache,
weil ſie das Unbedingte in der Form des formloſen Seyns
ſind. Sie haben aber um dieſer Form willen auch noch
eine andere Geſtalt, als die Beſtimmungen des Inhalts,
wie er in der Sache als ſolcher iſt. Sie erſcheinen als
eine Einheitsloſe Mannichfaltigkeit, vermiſcht mit Auſſer-
weſentlichem und andern Umſtaͤnden, die zu dem Kreiſe
des Daſeyns, inſofern es die Bedingungen dieſer be-
ſtimmten Sache ausmacht, nicht gehoͤren. — Fuͤr die
abſolute uneingeſchraͤnkte Sache iſt die Sphaͤre des
Seyns ſelbſt die Bedingung. Der Grund, der in
ſich zuruͤkgeht, ſetzt ſie als die erſte Unmittelbarkeit, wor-
auf er ſich als auf ſein Unbedingtes bezieht. Dieſe Un-
mittelbarkeit als die aufgehobene Reflexion, iſt die Re-
flexion in dem Elemente des Seyns, das alſo ſich als
ſolches zu einem Ganzen ausbildet; die Form wuchert als
Beſtimmtheit des Seyns fort, und erſcheint ſo als ein
mannichfaltiger von der Reflexionsbeſtimmung verſchiede-
ner, und gegen ſie gleichguͤltiger Inhalt. Das Unwe-
ſentliche, welches die Sphaͤre des Seyns an ihr hat,
und was ſie, inſofern ſie Bedingung iſt, abſtreift, iſt die
Beſtimmtheit der Unmittelbarkeit, in welche die Formein-
heit verſenkt iſt. Dieſe Formeinheit, als die Beziehung
des Seyns, iſt an ihm zunaͤchſt als das Werden, —
das Uebergehen einer Beſtimmtheit des Seyns in eine
andre. Aber das Werden des Seyns iſt ferner Werden
zum Weſen und das Zuruͤckgehen in den Grund. Das
Daſeyn alſo, welches die Bedingungen ausmacht, wird
in Wahrheit nicht von einem andern als Bedingung be-
ſtimmt und als Material gebraucht; ſondern es macht
ſich durch ſich ſelbſt zum Moment eines andern. — Sein
J 2Werden
[132]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
Werden iſt ferner nicht ein Anfangen von ſich als dem
wahrhaft Erſten und Unmittelbaren; ſondern ſeine Un-
mittelbarkeit iſt nur das Vorausgeſetzte; und die Bewe-
gung ſeines Werdens iſt das Thun der Reflexion ſelbſt.
Die Wahrheit des Daſeyns iſt daher Bedingung zu ſeyn;
ſeine Unmittelbarkeit iſt allein durch die Reflexion der
Grundbeziehung, welche ſich ſelbſt als aufgehobene ſetzt.
Das Werden iſt ſomit, wie die Unmittelbarkeit nur der
Schein des Unbedingten, indem dieſes ſich ſelbſt voraus-
ſetzt, und darin ſeine Form hat; und die Unmittelbarkeit
des Seyns iſt daher weſentlich nur Moment der Form.
Die andere Seite dieſes Scheinens des Unbedingten
iſt die Grundbeziehung als ſolche, als Form beſtimmt ge-
gen die Unmittelbarkeit der Bedingungen und des In-
halts. Aber ſie iſt die Form der abſoluten Sache, wel-
che die Einheit ihrer Form mit ſich ſelbſt oder ihren In-
halt an ihr ſelbſt hat, und indem ſie ihn zur Bedingung
beſtimmt, in dieſem Setzen ſelbſt ſeine Verſchiedenheit
aufhebt und ihn zum Momente macht; ſo wie ſie umge-
kehrt ſich als weſenloſer Form in dieſer Identitaͤt mit ſich
die Unmittelbarkeit des Beſtehens gibt. Die Reflexion
des Grundes hebt die Unmittelbarkeit der Bedingungen
auf, und bezieht ſie zu Momenten in der Einheit der Sa-
che; aber die Bedingungen ſind das von der unbedingten
Sache ſelbſt vorausgeſetzte, ſie hebt damit alſo ihr eige-
nes Setzen auf; oder ihr Setzen macht ſich ſomit unmit-
telbar ſelbſt eben ſo ſehr zum Werden. — Beydes iſt
daher Eine Einheit; die Bewegung der Bedingungen an
ihnen ſelbſt iſt Werden, Zuruͤkgehen in den Grund und
Setzen des Grundes; aber der Grund als geſetzter, das
heißt als aufgehobener, iſt das Unmittelbare. Der
Grund bezieht ſich negativ auf ſich ſelbſt, macht ſich zum
Geſetztſeyn und begruͤndet die Bedingungen; aber darin
daß ſo das unmittelbare Daſeyn als ein Geſetztes be-
ſtimmt
[133]Das Weſen.
ſtimmt iſt, hebt der Grund es auf und macht ſich erſt
zum Grunde. — Dieſe Reflexion alſo iſt die Vermittlung
der unbedingten Sache durch ihre Negation mit ſich.
Oder vielmehr die Reflexion des Unbedingten iſt zuerſt
Vorausſetzen, aber diß Aufheben ihrer ſelbſt iſt unmittel-
bar beſtimmendes Setzen; zweytens iſt ſie darin unmit-
telbar Aufheben des Vorausgeſetzten und Beſtimmen aus
ſich; ſomit iſt diß Beſtimmen wieder Aufheben des Se-
tzens und iſt das Werden an ſich ſelbſt. Darin iſt die
Vermittlung als Ruͤkkehr zu ſich durch die Negation, ver-
ſchwunden; ſie iſt einfache in ſich ſcheinende Reflexion,
und grundloſes abſolutes Werden. Die Bewegung der
Sache, durch ihre Bedingungen einerſeits und
andererſeits durch ihren Grund geſetzt zu werden, iſt nur
das Verſchwinden des Scheins der Vermitt-
lung. Das Geſetztwerden der Sache iſt hiemit ein
Hervortreten, das einfache ſich Herausſtellen in
die Exiſtenz; reine Bewegung der Sache zu ſich ſelbſt.
Wenn alle Bedingungen einer Sache
vorhanden ſind, ſo tritt ſie in die Exiſtenz. Die
Sache iſt, eh ſie exiſtirt; und zwar iſt ſie erſtens
als Weſen, oder als Unbedingtes; zweytens hat ſie
Daſeyn, oder iſt beſtimmt, und diß auf die betrachtete
gedoppelte Weiſe, einerſeits in ihren Bedingungen, an-
dererſeits in ihrem Grunde. In jenen hat ſie ſich die
Form des aͤuſſerlichen, grundloſen Seyns gegeben,
weil ſie als abſolute Reflexion die negative Beziehung auf
ſich iſt und ſich zu ihrer Vorausſetzung macht. Diß vor-
aus geſetzte Unbedingte iſt daher das grundloſe Unmittel-
bare, deſſen Seyn nichts iſt, denn als Grundloſes da
zu ſeyn. Wenn alſo alle Bedingungen der Sache vor-
handen ſind, das heißt, wenn die Totalitaͤt der Sache
als grundloſes Unmittelbares geſetzt iſt, ſo erinnert
ſich dieſe zerſtreute Mannichfaltigkeit an ihr ſelbſt. —
Die
[134]Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
Die ganze Sache muß in ihren Bedingungen da ſeyn,
oder es gehoͤren alle Bedingungen zu ihrer Exiſtenz; denn
Alle machen die Reflexion aus; oder das Daſeyn, weil
es Bedingung iſt, iſt durch die Form beſtimmt, ſeine Be-
ſtimmungen ſind daher Reflexionsbeſtimmungen und mit
einer weſentlich die andern geſetzt. — Die Erinne-
rung der Bedingungen iſt zunaͤchſt das zu Grunde ge-
hen des unmittelbaren Daſeyns, und das Werden des
Grundes. Aber damit iſt der Grund ein geſetzter, d. h.
er iſt, ſo ſehr er als Grund iſt, ſo ſehr als Grund auf-
gehoben, und unmittelbares Seyn. Wenn alſo alle
Bedingungen der Sache vorhanden ſind, ſo heben ſie ſich
als unmittelbares Daſeyn und Vorausſetzung und eben ſo
ſehr hebt ſich der Grund auf. Der Grund zeigt ſich nur,
als ein Schein, der unmittelbar verſchwindet; diß Her-
vortreten iſt ſomit die tavtologiſche Bewegung der Sache
zu ſich, und ihre Vermittlung durch die Bedingungen und
durch den Grund iſt das Verſchwinden beyder. Das Her-
vortreten in die Exiſtenz iſt daher ſo unmittelbar, daß es
nur durch das Verſchwinden der Vermittlung vermit-
telt iſt.
Die Sache geht aus dem Grunde her-
vor. Sie wird nicht durch ihn ſo begruͤndet oder ge-
ſetzt, daß er noch unten bliebe, ſondern das Setzen iſt
die Herausbewegung des Grundes zu ſich ſelbſt, und das
einfache Verſchwinden deſſelben. Er erhaͤlt durch die
Vereinigung mit den Bedingungen die aͤuſſerliche Un-
mittelbarkeit und das Moment des Seyns. Aber er er-
haͤlt ſie nicht als ein aͤuſſerliches noch durch eine aͤuſſer-
liche Beziehung; ſondern als Grund macht er ſich zum
Geſetztſeyn, ſeine einfache Weſentlichkeit geht im Geſetzt-
ſeyn mit ſich zuſammen, und iſt in dieſem Aufheben ſei-
ner ſelbſt das Verſchwinden ſeines Unterſchiedes von ſei-
nem Geſetztſeyn, ſomit einfache weſentliche Unmittelbar-
keit
[135]Das Weſen.
keit. Er bleibt alſo nicht als ein Verſchiedenes vom Be-
gruͤndeten zuruͤk, ſondern die Wahrheit des Begruͤndens
iſt, daß der Grund darin mit ſich ſelbſt ſich vereint und
ſomit ſeine Reflexion in anderes, ſeine Reflexion in ſich
ſelbſt iſt. Die Sache iſt hiemit eben ſo, wie ſie das
Unbedingte iſt, auch das Grundloſe, und tritt
aus dem Grunde nur inſofern er zu Grunde gegangen
und keiner iſt, aus dem Grundloſen, d. h. aus der eige-
nen weſentlichen Negativitaͤt oder reinen Form hervor.
Dieſe durch Grund und Bedingung vermittelte, und
durch das Aufheben der Vermittlung mit ſich identiſche
Unmittelbarkeit iſt die Exiſtenz.
Zwey-
[136]
Zweyter Abſchnitt.
Die Erſcheinung.
Das Weſen muß erſcheinen.
Das Seyn iſt die abſolute Abſtraction; dieſe Nega-
tivitaͤt iſt ihm nicht ein aͤuſſerliches, ſondern es iſt Seyn
und ſonſt nichts als Seyn, nur als dieſe abſolute Nega-
tivitaͤt. Um derſelben willen iſt Seyn nur als ſich auf-
hebendes Seyn, und iſt Weſen. Das Weſen aber iſt
als die einfache Gleichheit mit ſich umgekehrt ebenfalls
Seyn. Die Lehre vom Seyn enthaͤlt den erſten Satz:
Das Seyn iſt Weſen. Der zweyte Satz. Das
Weſen iſt Seyn, macht den Inhalt des erſten Ab-
ſchnittes der Lehre vom Weſen aus. Dieſes Seyn aber,
zu dem das Weſen ſich macht, iſt das weſentliche
Seyn, die Exiſtenz; ein Herausgegangenſeyn aus
der Negativitaͤt und Innerlichkeit.
So erſcheint das Weſen. Die Reflexion iſt das
Scheinen des Weſens in ihm ſelbſt. Die Beſtim-
mungen derſelben ſind in die Einheit eingeſchloſſen ſchlecht-
hin nur als geſetzte, aufgehobene; oder ſie iſt das in ſei-
nem Geſetztſeyn unmittelbar mit ſich identiſche Weſen.
Indem dieſes aber Grund iſt, beſtimmt es ſich real,
durch ſeine ſich ſelbſt aufhebende oder in ſich zuruͤkkeh-
rende Reflexion; indem weiter dieſe Beſtimmung oder
das Andersſeyn der Grundbeziehung ſich in der Reflexion
des
[137]Die Erſcheinung.
des Grundes aufhebt und Exiſtenz wird, ſo haben die
Formbeſtimmungen hieran ein Element des ſelbſtſtaͤndigen
Beſtehens. Ihr Schein vervollſtaͤndigt ſich zur Er-
ſcheinung.
Die zur Unmittelbarkeit fortgegangene Weſenheit iſt
zunaͤchſt Exiſtenz, und Exiſtirendes oder Ding;
als ununterſchiedne Einheit des Weſens mit ſeiner Un-
mittelbarkeit. Das Ding enthaͤlt zwar die Reflexion,
aber ihre Negativitaͤt iſt in ſeiner Unmittelbarkeit zu-
naͤchſt erloſchen; allein weil ſein Grund weſentlich die
Reflexion iſt, hebt ſich ſeine Unmittelbarkeit auf; es
macht ſich zu einem Geſetztſeyn.
So iſt es zweytens Erſcheinung. Die Er-
ſcheinung iſt das, was das Ding an ſich iſt, oder ſeine
Wahrheit. Dieſe nur geſetzte, in das Andersſeyn re-
flectirte Exiſtenz iſt aber eben ſo das Hinausgehen uͤber
ſich in ihrer Unendlichkeit; der Welt der Erſcheinung ſtellt
ſich die in ſich reflectirte, an ſich ſeyende Welt ge-
genuͤber.
Aber das erſcheinende und das weſentliche Seyn
ſtehen ſchlechthin in Beziehung auf einander. So iſt die
Exiſtenz drittens weſentliches Verhaͤltniß; das
Erſcheinende zeigt das Weſentliche, und dieſes iſt in ſei-
ner Erſcheinung. — Das Verhaͤltniß iſt die noch un-
vollkommene Vereinigung der Reflexion in das Anders-
ſeyn und der Reflexion in ſich; die vollkommene Durch-
dringung beyder iſt die Wirklichkeit.
Erſtes
[138]Zweytes Buch. II. Abſchnitt.
Erſtes Kapitel.
Die Exiſtenz.
Wie der Satz des Grundes ausdruͤckt: Alles
was iſt, hat einen Grund, oder iſt ein Ge-
ſetztes, ein Vermitteltes; ſo muͤßte auch ein
Satz der Exiſtenz aufgeſtellt und ſo ausgedruͤckt werden:
Alles, was iſt, exiſtirt. Die Wahrheit des Seyns
iſt, nicht ein erſtes Unmittelbares, ſondern das in die
Unmittelbarkeit hervorgegangene Weſen zu ſeyn.
Wenn aber ferner auch geſagt wurde, was exi-
ſtirt, hat einen Grund und iſt bedingt, ſo
muͤßte auch eben ſo geſagt werden: es hat keinen
Grund und iſt unbedingt. Denn die Exiſtenz iſt
die aus dem Aufheben der durch Grund und Bedingung
beziehenden Vermittlung hervorgegangene Unmittelbarkeit,
die im Hervorgehen eben diß Hervorgehen ſelbſt aufhebt.
Inſofern die Beweiſe von der Exiſtenz Gottes
hier erwaͤhnt werden koͤnnen, iſt zum voraus zu erin-
nern, daß es auſſer dem unmittelbaren Seyn erſtens,
und zweytens der Exiſtenz, dem Seyn, das aus dem
Weſen hervorgeht, noch ein ferneres Seyn gibt, welche
aus dem Begriffe hervorgeht, die Objectivitaͤt. —
Das Beweiſen iſt uͤberhaupt die vermittelte Er-
kenntniß. Die verſchiedenen Arten des Seyns fodern
oder enthalten ihre eigene Art der Vermittlung; ſo wird
auch die Natur des Beweiſens in Anſehung einer jeden
verſchieden. Der ontologiſche Beweis will vom
Begriffe ausgehen; er legt den Inbegriff aller Realitaͤten
zu
[139]Die Erſcheinung.
zu Grunde, und ſubſumirt alsdann auch die Exiſtenz un-
ter die Realitaͤt. Er iſt alſo die Vermittlung, welche
Schluß iſt, und die hier noch nicht zu betrachten iſt. Es
iſt bereits oben (I. Th. I. Abth. S. 27. ff.) auf das,
was Kant hiegegen erinnert, Ruͤkſicht genommen und
bemerkt worden, daß Kant unter Exiſtenz das be-
ſtimmte Daſeyn verſteht, wodurch etwas in den Con-
text der geſammten Erfahrung, d. h. in die Beſtimmung
eines Andersſeyns und in die Beziehung auf An-
deres tritt. So iſt als Exiſtirendes Etwas vermittelt
durch anderes, und die Exiſtenz uͤberhaupt die Seite ſei-
ner Vermittlung. Nun liegt in dem, was Kant den Be-
griff nennt, nemlich in Etwas, inſofern es als nur ein-
fach auf ſich bezogen genommen wird, oder in der
Vorſtellung als ſolcher, nicht ſeine Vermittlung; in der
abſtracten Identitaͤt mit ſich iſt die Entgegenſetzung weg-
gelaſſen. Der ontologiſche Beweis haͤtte nun darzuſtel-
len, daß der abſolute Begriff, nemlich der Begriff Got-
tes, zum beſtimmten Daſeyn, zur Vermittlung komme,
oder wie das einfache Weſen ſich mit der Vermittlung
vermittle. Diß geſchieht durch die angegebene Subſum-
tion der Exiſtenz unter ihr Allgemeines, nemlich die Rea-
litaͤt, welche als das Mittlere zwiſchen Gott in ſeinem
Begriffe einerſeits, und zwiſchen der Exiſtenz anderer-
ſeits angenommen wird. — Von dieſer Vermittlung, in-
ſofern ſie die Form des Schluſſes hat, iſt, wie geſagt,
hier nicht die Rede. Wie aber jene Vermittlung des
Weſens mit der Exiſtenz in Wahrheit beſchaffen iſt, diß
hat die bisherige Darſtellung enthalten. Die Natur des
Beweiſens ſelbſt iſt in der Lehre von der Erkenntniß zu
betrachten. Hier iſt nur anzugeben, was ſich auf die
Natur der Vermittlung uͤberhaupt bezieht.
Die Beweiſe vom Daſeyn Gottes geben einen
Grund fuͤr dieſes Daſeyn an. Er ſoll nicht ein objecti-
ver
[140]Zweytes Buch.II.Abſchnitt.
ver Grund des Daſeyns Gottes ſeyn; denn dieſes iſt an
und fuͤr ſich ſelbſt. So iſt er bloß ein Grund fuͤr
die Erkenntniß. Damit gibt er ſich zugleich fuͤr ein
ſolches aus, das in dem Gegenſtande, der zunaͤchſt als
begruͤndet dadurch erſcheint, verſchwindet. Der
Grund nun, der von der Zufaͤlligkeit der Welt herge-
nommen iſt, enthaͤlt den Ruͤkgang derſelben in das ab-
ſolute Weſen; denn das Zufaͤllige iſt das an ſich ſelbſt
grundloſe, und ſich aufhebende. Das abſolute We-
ſen geht ſomit in dieſer Weiſe in der That aus dem
Grundloſen hervor; der Grund hebt ſich ſelbſt auf, ſo-
mit verſchwindet auch der Schein des Verhaͤltniſſes, das
Gott gegeben wurde, ein in einem andern Begruͤndetes
zu ſeyn. Dieſe Vermittlung iſt hiemit die wahrhafte.
Allein jene beweiſende Reflexion kennt dieſe Natur ihrer
Vermittlung nicht; ſie nimmt ſich einerſeits fuͤr ein bloß
ſubjectives, und entfernt hiemit ihre Vermittlung von
Gott ſelbſt, anderntheils aber erkennt ſie deßwegen nicht
die vermittelnde Bewegung, daß und wie ſie im We-
ſen ſelbſt iſt. Ihr wahrhaftes Verhaͤltniß beſteht
darin, daß ſie beydes in einem iſt, die Vermittlung als
ſolche, aber zugleich allerdings eine ſubjective, aͤuſſerliche
nemlich die ſich aͤuſſerliche Vermittlung, welche ſich
an ihr ſelbſt wieder aufhebt. In jener Dar-
ſtellung aber erhaͤlt die Exiſtenz das ſchiefe Verhaͤltniß,
nur als vermitteltes oder geſetztes zu erſcheinen.
So kann auf der andern Seite die Exiſtenz auch
nicht bloß als Unmittelbares betrachtet werden.
In der Beſtimmung einer Unmittelbarkeit genommen, iſt
das Auffaſſen der Exiſtenz Gottes, fuͤr etwas unbeweis-
bares, und das Wiſſen von ihr als ein nur unmittelba-
res Bewußtſeyn, als ein Glauben ausgedruͤkt wor-
den. Das Wiſſen ſoll zu dieſem Reſultate kommen, daß
es Nichts weiß, das heißt, daß es ſeine vermit-
telnde
[141]Die Erſcheinung.
telnde Bewegung und die in ihr vorkommenden Beſtim-
mungen ſelbſt wieder aufgibt. Diß hat ſich auch im
Vorhergehenden ergeben; allein es iſt hinzuzuſetzen, daß
die Reflexion, indem ſie mit dem Aufheben ihrer ſelbſt en-
digt, darum nicht das Nichts zum Reſultat hat, ſo
daß nun das poſitive Wiſſen vom Weſen als unmit-
telbare Beziehung auf daſſelbe, von jenem Reſultate
getrennt und ein eigenes Hervorgehen, ein nur von
ſich anfangender Akt waͤre; ſondern diß Ende ſelbſt, diß
zu Grunde gehen der Vermittlung, iſt zugleich der
Grund, aus dem das Unmittelbare hervorgeht. Die
Sprache vereinigt, wie oben bemerkt, die Bedeutung
dieſes Untergangs und des Grundes; man ſagt,
das Weſen Gottes ſey der Abgrund fuͤr die endliche
Vernunft. Er iſt es in der That, inſofern ſie darin ihre
Endlichkeit aufgibt und ihre vermittelnde Bewegung ver-
ſenkt; aber dieſer Abgrund, der negative Grund, iſt
zugleich der poſitive des Hervorgehens des Seyenden,
des an ſich ſelbſt unmittelbaren Weſens; die Vermittlung
iſt weſentliches Moment. Die Vermittlung durch
den Grund hebt ſich auf, laͤßt aber nicht den Grund un-
ten, ſo daß das aus ihm hervorgehende, ein geſetztes
waͤre, das ſein Weſen anderswo nemlich im Grunde haͤt-
te, ſondern dieſer Grund iſt als Abgrund, die ver-
ſchwundene Vermittlung; und umgekehrt iſt nur die ver-
ſchwundene Vermittlung zugleich der Grund, und nur
durch dieſe Negation das ſich ſelbſt Gleiche und Unmit-
telbare.
So iſt die Exiſtenz hier nicht als ein Praͤdicat
oder als Beſtimmung des Weſens zu nehmen, daß
ein Satz davon hieſſe: Das Weſen exiſtirt, oder hat
Exiſtenz; — ſondern das Weſen iſt in die Exiſtenz uͤber-
gegangen; die Exiſtenz iſt ſeine abſolute Entaͤuſſerung,
jenſeits deren es nicht zuruͤkgeblieben iſt. Der Satz alſo
hieſſe:
[142]Zweytes Buch.II.Abſchnitt.
hieſſe: Das Weſen iſt die Exiſtenz; es iſt nicht von ſei-
ner Exiſtenz unterſchieden. — Das Weſen iſt in die Exi-
ſtenz uͤbergegangen, inſofern das Weſen als Grund
ſich von ſich als dem Begruͤndeten nicht mehr unterſchei-
det, oder jener Grund ſich aufgehoben hat. Aber dieſe
Negation iſt eben ſo weſentlich ſeine Poſition, oder
ſchlechthin poſitive Continuitaͤt mit ſich ſelbſt; die Exiſtenz
iſt die Reflexion des Grundes in ſich; ſeine in ſeiner
Negation zu Stande gekommene Identitaͤt mit ſich ſelbſt,
alſo die Vermittlung, die ſich mit ſich identiſch geſetzt hat,
und dadurch Unmittelbarkeit iſt.
Weil nun die Exiſtenz weſentlich die mit ſich
identiſche Vermittlung iſt, ſo hat ſie die Be-
ſtimmungen der Vermittlung an ihr, aber ſo daß
ſie zugleich in ſich reflectirte ſind, und das weſentliche
und unmittelbare Beſtehen haben. Als die durch Aufhe-
ben ſich ſetzende Unmittelbarkeit iſt die Exiſtenz negative
Einheit und Inſichſeyn; ſie beſtimmt ſich daher unmittel-
bar als ein Exiſtirendes und als Ding.
A.Das
[143]Die Erſcheinung.
A.
Das Ding und ſeine Eigenſchaften.
Die Exiſtenz als Exiſtirendes iſt geſetzt in der
Form der negativen Einheit, welche ſie weſentlich iſt.
Aber dieſe negative Einheit iſt zunaͤchſt nur unmittel-
bare Beſtimmung, ſomit das Eins des Etwas uͤber-
haupt. Das exiſtirende Etwas iſt aber unterſchieden von
dem ſeyenden Etwas. Jenes iſt weſentlich eine ſolche
Unmittelbarkeit, die durch die Reflexion der Vermittlung
in ſich ſelbſt entſtanden iſt. So iſt das exiſtirende Etwas
ein Ding.
Das Ding wird von ſeiner Exiſtenz unterſchie-
den, wie das Etwas von ſeinem Seyn unterſchieden
werden kann. Das Ding und das Exiſtirende iſt unmit-
telbar eins und daſſelbe. Aber weil die Exiſtenz nicht die
erſte Unmittelbarkeit des Seyns iſt, ſondern das Moment
der Vermittlung an ihr ſelbſt hat, ſo iſt ihre Beſtim-
mung zum Dinge und die Unterſcheidung beyder nicht ein
Uebergang, ſondern eigentlich eine Analyſe; und die Exi-
ſtenz als ſolche enthaͤlt dieſe Unterſcheidung ſelbſt in dem
Momente ihrer Vermittlung; den Unterſchied von Ding-
an-ſich, und von aͤuſſerlicher Exiſtenz.
Ding an ſich und Exiſtenz.
1. Das Ding an ſich iſt das Exiſtirende als
das durch die aufgehobene Vermittlung vorhandene, we-
ſentliche Unmittelbare. Darin iſt dem Ding an
ſich
[144]Zweytes Buch.II.Abſchnitt.
ſich die Vermittlung eben ſo weſentlich; aber dieſer Un-
terſchied in dieſer erſten oder unmittelbaren Exiſtenz, faͤllt
in gleichguͤltige Beſtimmungen auseinander.
Die eine Seite, nemlich die Vermittlung des Dinges iſt
ſeine nicht reflectirte Unmittelbarkeit; alſo
ſein Seyn uͤberhaupt, das, weil es zugleich als Vermitt-
lung beſtimmt iſt, ein ſich ſelbſt anderes, in ſich
mannichfaltiges und aͤuſſerliches Daſeyn iſt.
Es iſt aber nicht nur Daſeyn, ſondern in Beziehung auf
die aufgehobene Vermittlung und weſentliche Unmittel-
barkeit; es iſt daher das Daſeyn als unweſentli-
ches, als Geſetztſeyn. — (Wenn das Ding von ſeiner
Exiſtenz unterſchieden wird, ſo iſt es das Moͤgliche,
das Ding der Vorſtellung, oder das Gedankending,
welches als ſolches nicht zugleich exiſtiren ſoll. Die Be-
ſtimmung der Moͤglichkeit und der Gegenſatz des Dings
gegen ſeine Exiſtenz iſt jedoch ſpaͤter.) — Aber das Ding-
an-ſich und ſein vermitteltes Seyn ſind beyde in der
Exiſtenz enthalten, und beyde ſelbſt Exiſtenzen; das
Ding-an-ſich exiſtirt, und iſt die weſentliche, das ver-
mittelte Seyn aber die unweſentliche Exiſtenz des Dinges.
Das Ding an ſich, als das einfache Reflectirt-
ſeyn der Exiſtenz in ſich, iſt nicht der Grund des unwe-
ſentlichen Daſeyns; es iſt die unbewegte, unbeſtimmte
Einheit, weil es eben die Beſtimmung hat, die aufgeho-
bene Vermittlung zu ſeyn, und daher nur die Grund-
lage deſſelben. Darum faͤllt auch die Reflexion als das
ſich durch anderes vermittelnde Daſeyn auſſer dem
Dinge-an-ſich. Dieſes ſoll keine beſtimmte Man-
nichfaltigkeit an ihm ſelbſt haben; und erhaͤlt ſie deßwe-
gen erſt an die aͤuſſerliche Reflexion gebracht;
aber bleibt gleichguͤltig dagegen. (— Das Ding-an-ſich
hat Farbe erſt an das Auge gebracht, Geſchmak an die
Naſe u. ſ. f.) Seine Verſchiedenheit ſind Ruͤkſichten,
welche
[145]Die Erſcheinung.
welche ein Andres nimmt, beſtimmte Beziehungen, die
ſich dieſes auf das Ding-an-ſich gibt, und die nicht ei-
gene Beſtimmungen deſſelben ſind.
2. Diß Andere iſt nun die Reflexion, welche be-
ſtimmt als aͤuſſerlich erſtens ſich ſelbſt aͤuſſer-
lich, und die beſtimmte Mannichfaltigkeit iſt. Als-
dann iſt ſie dem weſentlich Exiſtirenden aͤuſſerlich, und
bezieht ſich darauf als auf ſeine abſolute Voraus-
ſetzung. Dieſe beyden Momente der aͤuſſerlichen Re-
flexion aber, ihre eigene Mannichfaltigkeit und ihre Be-
ziehung auf das ihr andre Ding-an-ſich, ſind ein
und daſſelbe. Denn dieſe Exiſtenz iſt nur aͤuſſerlich, in-
ſofern ſie ſich auf die weſentliche Identitaͤt als auf ein
anderes bezieht. Die Mannichfaltigkeit hat daher
nicht jenſeits des Dinges-an-ſich ein eigenes ſelbſtſtaͤndi-
ges Beſtehen, ſondern iſt erſt als Schein gegen dieſes,
in ihrer nothwendigen Beziehung darauf, als der ſich an
ihm brechende Reflex. Die Verſchiedenheit iſt alſo vor-
handen, als die Beziehung eines Andern auf das Ding-
an-ſich; aber dieſes Andere iſt nichts fuͤr ſich beſtehen-
des, ſondern iſt erſt als Beziehung auf das Ding-an-
ſich; zugleich aber iſt es nur als das Abſtoſſen von die-
ſem; es iſt ſo der haltloſe Gegenſtoß ſeiner in ſich ſelbſt.
Dem Ding-an-ſich nun, da es die weſentliche
Identitaͤt der Exiſtenz iſt, kommt daher dieſe weſenloſe
Reflexion nicht zu, ſondern ſie faͤllt ihm aͤuſſerlich in ſich
ſelbſt zuſammen. Sie geht zu Grunde, und wird damit
ſelbſt zur weſentlichen Identitaͤt oder zum Ding-an-ſich.
— Diß kann auch ſo betrachtet werden: Die weſenloſe
Exiſtenz hat am Ding-an-ſich ihre Reflexion in ſich; ſie
bezieht ſich darauf zunaͤchſt als auf ihr Anderes; aber
als das Andre gegen das, was an ſich iſt, iſt ſie nur
das Aufheben ihrer ſelbſt, und das Werden zum An-
Kſich-
[146]Zweytes Buch.II.Abſchnitt.
ſich-ſeyn. Das Ding-an-ſich iſt ſomit identiſch mit der
aͤuſſerlichen Exiſtenz.
Diß ſtellt ſich am Ding-an-ſich ſo dar. Das
Ding-an-ſich iſt die ſich auf ſich beziehende, we-
ſentliche Exiſtenz; es iſt nur inſofern die Identitaͤt mit
ſich, als es die Negativitaͤt der Reflexion in ſich ſelbſt
enthaͤlt; das was als ihm aͤuſſerliche Exiſtenz erſchien, iſt
daher Moment in ihm ſelbſt. Es iſt deßwegen auch ſich
von ſich abſtoſſendes Ding-an-ſich, das ſich alſo zu
ſich als zu einem andern verhaͤlt. Somit ſind
nun mehrere Dinge-an-ſich vorhanden, die in der
Beziehung der aͤuſſerlichen Reflexion aufeinander ſtehen.
Dieſe unweſentliche Exiſtenz iſt ihr Verhaͤltniß zu einan-
der als zu andern; aber ſie iſt ihnen ferner ſelbſt weſent-
lich — oder dieſe unweſentliche Exiſtenz, indem ſie in
ſich zuſammenfaͤllt, iſt Ding-an-ſich; aber ein ande-
res, als jenes erſte; denn jenes erſte iſt unmittelbare
Weſentlichkeit, dieſes aber das aus der unweſentlichen
Exiſtenz hervorgehende. Allein dieſes andere Ding-an-
ſich iſt nur ein anderes uͤberhaupt; denn als mit ſich
identiſches Ding hat es weiter keine Beſtimmtheit gegen
das erſte; es iſt die Reflexion der unweſentlichen Exi-
ſtenz in ſich wie das erſte. Die Beſtimmtheit der ver-
ſchiedenen Dinge-an-ſich gegen einander faͤllt daher in
die aͤuſſerliche Reflexion.
3. Dieſe aͤuſſerliche Reflexion iſt nunmehr ein Ver-
halten der Dinge-an-ſich zu einander, ihre gegen-
ſeitige Vermittlung als anderer. Die Dinge-an-
ſich ſind ſo die Extreme eines Schluſſes, deſſen Mitte ih-
re aͤuſſerliche Exiſtenz ausmacht, die Exiſtenz, durch wel-
che ſie andre fuͤr einander und unterſchiedene ſind. Die-
ſer ihr Unterſchied faͤllt nur in ihre Beziehung; ſie
ſchicken gleichſam nur von ihrer Oberflaͤche Beſtimmun-
gen
[147]Die Erſcheinung.
gen in die Beziehung, gegen welche ſie als abſolut in
ſich reflectirte gleichguͤltig bleiben. — Dieſes Verhaͤltniß
macht nun die Totalitaͤt der Exiſtenz aus. Das Ding-
an-ſich ſteht in Beziehung auf eine ihm aͤuſſerliche Re-
flexion, worin es mannichfaltige Beſtimmungen hat; es
iſt diß das Abſtoſſen ſeiner von ſich ſelbſt in ein anderes
Ding-an-ſich; diß Abſtoſſen iſt der Gegenſtoß ſeiner in
ſich ſelbſt, indem jedes nur ein Anderes iſt als ſich aus
dem Andern wiederſcheinend; es hat ſein Geſetztſeyn nicht
an ihm ſelbſt, ſondern an dem andern, iſt beſtimmt nur
durch die Beſtimmtheit des andern; diß andere iſt eben ſo
beſtimmt nur durch die Beſtimmtheit des erſten. Aber
die beyden Dinge-an-ſich, da ſie hiemit nicht die
Verſchiedenheit an ihnen ſelbſt haben, ſondern jedes nur
an dem andern, ſind keine unterſchiedene; das Ding-
an-ſich verhaͤlt ſich, indem es ſich auf das andre Ex-
trem als ein anderes Ding-an-ſich verhalten ſoll, zu ei-
nem von ihm ununterſchiedenen, und die aͤuſſerliche Re-
flexion, welche die vermittelnde Beziehung zwiſchen Ex-
tremen ausmachen ſollte, iſt ein Verhalten des Dings-
an-ſich nur zu ſich ſelbſt, oder weſentlich ſeine Reflexion
in ſich; ſie iſt ſomit an ſich ſeyende Beſtimmtheit, oder
die Beſtimmtheit des Dings-an-ſich. Dieſes hat dieſel-
be alſo nicht in einer ihm aͤuſſerlichen Beziehung auf ein
anderes Ding-an-ſich, und des andern auf es; die Be-
ſtimmtheit iſt nicht nur eine Oberflaͤche deſſelben, ſon-
dern iſt die weſentliche Vermittlung ſeiner mit ſich als
mit einem Andern. — Die beyden Dinge-an-ſich, wel-
che die Extreme der Beziehung ausmachen ſollen, indem
ſie an ſich keine Beſtimmtheit gegen einander haben ſollen,
fallen in der That in eins zuſammen; es iſt
nur Ein Ding-an-ſich, das in der aͤuſſerlichen Re-
flexion ſich zu ſich ſelbſt verhaͤlt, und es iſt deſſen eige-
ne Beziehung auf ſich als auf ein anderes,
was deſſen Beſtimmtheit ausmacht.
K 2Dieſe
[148]Zweytes Buch.II.Abſchnitt.
Dieſe Beſtimmtheit des Dings-an-ſich iſt die Ei-
genſchaft des Dings.
Die Eigenſchaft.
Die Qualitaͤt iſt die unmittelbare Be-
ſtimmtheit des Etwas; das Negative ſelbſt, wodurch das
Seyn Etwas iſt. So iſt die Eigenſchaft des Dings
die Negativitaͤt der Reflexion, wodurch die Exiſtenz uͤber-
haupt ein Exiſtirendes, und als einfache Identitaͤt mit
ſich, Ding-an-ſich iſt. Die Negativitaͤt der Refle-
xion, die aufgehobene Vermittlung, iſt aber weſentlich
ſelbſt Vermittlung, und Beziehung, nicht auf ein Ande-
res uͤberhaupt, wie die Qualitaͤt als die nicht reflectirte
Beſtimmtheit; ſondern Beziehung auf ſich als auf ein
Anderes; oder Vermittlung, die unmittelbar eben
ſo ſehr Identitaͤt mit ſich iſt. Das abſtracte
Ding an-ſich iſt ſelbſt diß aus anderem in ſich zuruͤk-
kehrende Verhalten; es iſt dadurch an ſich ſelbſt be-
ſtimmt; aber ſeine Beſtimmtheit iſt Beſchaffenheit,
die als ſolche ſelbſt Beſtimmung iſt, und als Verhalten
zu anderem nicht in das Andersſeyn uͤbergeht und
der Veraͤnderung entnommen iſt.
Ein Ding hat Eigenſchaften; ſie ſind erſt-
lich ſeine beſtimmten Beziehungen auf anderes; die
Eigenſchaft iſt nur vorhanden als eine Weiſe des Ver-
haltens zu einander; ſie iſt daher die aͤuſſerliche Reflexion,
und die Seite des Geſetztſeyns des Dings. Aber
zweytens iſt das Ding in dieſem Geſetztſeyn an ſich;
es erhaͤlt ſich, in der Beziehung auf anderes; es iſt alſo
allerdings nur eine Oberflaͤche, mit der die Exiſtenz ſich
dem Werden des Seyns und der Veraͤnderung preisgibt;
die
[149]Die Erſcheinung.
die Eigenſchaft verliert ſich darin nicht. Ein Ding hat
die Eigenſchaft, diß oder jenes im Andern zu bewirken
und auf eine eigenthuͤmliche Weiſe ſich in ſeiner Bezie-
hung zu aͤuſſern. Es beweist dieſe Eigenſchaft nur un-
ter der Bedingung einer entſprechenden Beſchaffenheit des
andern Dinges, aber ſie iſt ihm zugleich eigenthuͤm-
lich und ſeine mit ſich identiſche Grundlage; — dieſe
reflectirte Qualitaͤt heißt darum Eigenſchaft. Es
geht darin in eine Aeuſſerlichkeit uͤber, aber die Eigen-
ſchaft erhaͤlt ſich darin. Das Ding wird durch ſeine Ei-
genſchaften Urſache, und die Urſache iſt dieß, als Wir-
kung ſich zu erhalten. Jedoch iſt hier das Ding nur erſt
das ruhige Ding von vielen Eigenſchaften; noch nicht
als wirkliche Urſache beſtimmt; es iſt nur erſt die anſich-
ſeyende, noch nicht ſelbſt die ſetzende Reflexion ſeiner Be-
ſtimmungen.
Das Ding-an-ſich iſt alſo, wie ſich ergeben
hat, weſentlich nicht nur ſo Ding-an-ſich, daß ſeine Ei-
genſchaften Geſetztſeyn einer aͤuſſerlichen Reflexion ſind,
ſondern ſie ſind ſeine eigenen Beſtimmungen, durch die
es ſich auf beſtimmte Weiſe verhaͤlt; es iſt nicht eine
jenſeits ſeiner aͤuſſerlichen Exiſtenz befindliche beſtim-
mungsloſe Grundlage; ſondern iſt in ſeinen Eigenſchaften,
als Grund vorhanden, das heißt, die Identitaͤt mit ſich
in ſeinem Geſetztſeyn; aber zugleich als bedingter
Grund; das heißt, ſein Geſetztſeyn iſt eben ſo ſehr ſich
aͤuſſerliche Reflexion; es iſt nur inſofern in ſich reflectirt
und an ſich, inſofern es aͤuſſerlich iſt. — Durch die Exi-
ſtenz tritt das Ding-an-ſich in aͤuſſerliche Beziehungen;
und die Exiſtenz beſteht in dieſer Aeuſſerlichkeit; ſie iſt
die Unmittelbarkeit des Seyns, und das Ding dadurch
der Veraͤnderung unterworfen; aber ſie iſt auch die re-
flectirte Unmittelbarkeit des Grundes, das Ding ſomit
an ſich in ſeiner Veraͤnderung. — Dieſe Erwaͤhnung
der
[150]Zweytes Buch.II.Abſchnitt.
der Grundbeziehung iſt jedoch hier nicht ſo zu nehmen,
daß das Ding uͤberhaupt als Grund ſeiner Eigenſchaften
beſtimmt ſey; die Dingheit ſelbſt iſt als ſolche die Grund-
beſtimmung, die Eigenſchaft iſt nicht von ihrem Grunde
unterſchieden, noch macht ſie bloß das Geſetztſeyn aus,
ſondern iſt der in ſeine Aeuſſerlichkeit uͤbergegangene, und
damit wahrhaft in ſich reflectirte Grund; die Eigenſchaft
ſelbſt als ſolche iſt der Grund, an ſich ſeyendes Geſetzt-
ſeyn, oder er macht die Form ihrer Identitaͤt mit
ſich aus; ihre Beſtimmtheit iſt die ſich aͤuſſerliche
Reflexion des Grundes; und das Ganze der in ſeinem
Abſtoſſen und Beſtimmen, in ſeiner aͤuſſerlichen Unmit-
telbarkeit ſich auf ſich beziehende Grund. — Das
Ding-an-ſich exiſtirt alſo weſentlich, und daß es
exiſtirt, heißt umgekehrt, die Exiſtenz iſt als aͤuſſerliche
Unmittelbarkeit zugleich Anſichſeyn.
Es iſt ſchon oben (I. Abth. S. 55.) bey dem Mo-
mente des Daſeyns, dem Anſichſeyn, des Dings-an-
ſich erwaͤhnt, und dabey bemerkt worden, daß das
Ding-an-ſich als ſolches, nichts anderes, als die leere
Abſtraction von aller Beſtimmtheit iſt, von dem man al-
lerdings nichts wiſſen kann, eben darum weil es
die Abſtraction von aller Beſtimmung ſeyn ſoll. — Nach-
dem ſo das Ding-an-ſich als das Unbeſtimmte vorausge-
ſetzt wird, ſo faͤllt alle Beſtimmung auſſerhalb deſſelben,
in eine ihm fremde Reflexion, gegen welche es gleichguͤl-
tig iſt. Dem tranſcendentalen Idealismus iſt
dieſe aͤuſſerliche Reflexion das Bewußtſeyn. Indem
dieſes philoſophiſche Syſtem alle Beſtimmtheit der
Dinge ſowohl der Form als dem Inhalte nach in das
Bewußtſeyn verlegt, ſo faͤllt es nach dieſem Standpunkt
in mich, in das Subject, daß ich die Baumblaͤtter nicht
als
[151]Die Erſcheinung.
als ſchwarz, ſondern als gruͤn, die Sonne rund und
nicht viereckig ſehe, den Zucker ſuͤß und nicht bitter
ſchmecke; daß ich den erſten und zweyten Schlag einer
Uhr als ſuccedirend, und nicht neben einander, noch den
erſten als Urſache, auch nicht als Wirkung des zweyten
beſtimme u. ſ. f. — Dieſer grellen Darſtellung des ſub-
jectiven Idealismus widerſpricht unmittelbar das Be-
wußtſeyn der Freyheit, nach welchem Ich mich vielmehr
als das Allgemeine und Unbeſtimmte weiß, jene mannich-
faltigen und nothwendigen Beſtimmungen von mir ab-
trenne und ſie als ein fuͤr mich aͤuſſerliches nur den Din-
gen zukommendes erkenne. — Ich iſt in dieſem Bewußt-
ſeyn ſeiner Freyheit ſich diejenige wahrhafte in ſich re-
flectirte Identitaͤt, welche das Ding-an-ſich ſeyn ſollte.
— Anderwaͤrts habe ich gezeigt, daß jener tranſcenden-
tale Idealismus uͤber die Beſchraͤnktheit des Ich durch
das Object, uͤberhaupt uͤber die endliche Welt nicht hin-
auskommt, ſondern allein die Form der Schranke, die
ihm ein abſolutes bleibt, aͤndert, indem er ſie nemlich
nur aus der objectiven Geſtalt in die ſubjective uͤberſezt,
und dasjenige zu Beſtimmtheiten des Ich und einem in
dieſem als einem Dinge vorgehenden wilden Wechſel der-
ſelben macht, was das gewoͤhnliche Bewußtſeyn als eine
ihm nur aͤuſſerlichen Dingen angehoͤrige Mannichfaltigkeit
und Veraͤnderung weiß. — In der gegenwaͤrtigen Be-
trachtung ſteht nur das Ding-an-ſich und die ihm zu-
naͤchſt aͤuſſerliche Reflexion gegenuͤber; dieſe hat ſich noch
nicht als Bewußtſeyn beſtimmt, wie auch das Ding-an-
ſich nicht als Ich. Aus der Natur des Dinges-an-ſich
und der aͤuſſerlichen Reflexion hat ſich ergeben, daß die-
ſes Aeuſſerliche ſelbſt ſich zum Dinge-an-ſich beſtimmt,
oder umgekehrt zur eigenen Beſtimmung jenes erſten Din-
ges-an-ſich wird. Das Weſentliche der Unzulaͤnglich-
keit des Standpunkts, auf dem jene Philoſophie ſtehen
bleibt, beſteht nun darin, daß ſie an dem abſtracten
Din-
[152]Zweytes Buch.II.Abſchnitt.
Dinge-an-ſich als einer letzten Beſtimmung feſt
haͤlt und die Reflexion, oder die Beſtimmtheit und Man-
nichfaltigkeit der Eigenſchaften dem Dinge-an-ſich ge-
genuͤber ſtellt, indem in der That das Ding-an-ſich
weſentlich jene aͤuſſerliche Reflexion an ihm ſelbſt hat,
und ſich zu einem mit eigenen Beſtimmungen, mit Ei-
genſchaften begabten beſtimmt, wodurch ſich die Abſtraction
des Dinges, reines Ding-an-ſich zu ſeyn, als eine un-
wahre Beſtimmung erweist.
Die Wechſelwirkung der Dinge.
Das Ding-an-ſich exiſtirt weſentlich; die aͤuſ-
ſerliche Unmittelbarkeit und die Beſtimmtheit gehoͤrt zu
ſeinem Anſichſeyn, oder zu ſeiner Reflexion-in-ſich.
Das Ding an-ſich iſt dadurch ein Ding, das Eigen-
ſchaften hat, und es ſind dadurch mehrere Dinge, die
nicht durch eine ihnen fremde Ruͤkſicht, ſondern ſich durch
ſich ſelbſt von einander unterſchieden. Dieſe mehrern
verſchiedenen Dinge ſtehen in weſentlicher Wechſelwir-
kung durch ihre Eigenſchaften; die Eigenſchaft iſt dieſe
Wechſelbeziehung ſelbſt, und das Ding iſt nichts auſſer
derſelben; die gegenſeitige Beſtimmung, die Mitte der
Dinge-an-ſich, die als Extreme gleichguͤltig gegen dieſe
ihre Beziehung bleiben ſollten, iſt ſelbſt die mit ſich iden-
tiſche Reflexion und das Ding-an-ſich, das jene Extre-
me ſeyn ſollten. Die Dingheit iſt damit zur Form der
unbeſtimmten Identitaͤt mit ſich herabgeſetzt, die ihre
Weſentlichkeit nur in ihrer Eigenſchaft hat. Wenn daher
von einem Dinge oder von Dingen uͤberhaupt ohne die
beſtimmte Eigenſchaft die Rede iſt, ſo iſt ihr Unterſchied
ein bloß gleichguͤltiger, quantitativer. Daſſelbe, was
als ein Ding betrachtet wird, kann eben ſo ſehr zu
mehrern
[153]Die Erſcheinung.
mehrern Dingen gemacht, oder als mehrere Dinge be-
trachtet werden; es iſt eine aͤuſſerliche Trennung
oder Vereinigung. — Ein Buch iſt ein Ding, und
jedes ſeiner Blaͤtter iſt auch ein Ding, und eben ſo jedes
Stuͤkchen ſeiner Blaͤtter und ſo fort ins Unendliche. Die
Beſtimmtheit, wodurch ein Ding, nur dieſes Ding
iſt, liegt allein in ſeinen Eigenſchaften. Es unterſchei-
det ſich durch ſie von andern Dingen, weil die Eigen-
ſchaft die negative Reflexion und das Unterſcheiden iſt;
das Ding hat daher nur in ſeiner Eigenſchaft den Unter-
ſchied ſeiner von andern, an ihm ſelbſt. Sie iſt der in
ſich reflectirte Unterſchied, wodurch das Ding in ſeinem
Geſetztſeyn, d. h. in ſeiner Beziehung auf anderes zu-
gleich gleichguͤltig gegen das Andere und gegen ſeine Be-
ziehung iſt. Dem Dinge ohne ſeine Eigenſchaften, bleibt
deßwegen nichts als das abſtracte An-ſich-ſeyn, ein un-
weſentlicher Umfang und aͤuſſerliches Zuſammenfaſſen.
Das wahrhafte Anſichſeyn iſt das Anſichſeyn in ſeinem
Geſetztſeyn; dieſes iſt die Eigenſchaft. Damit iſt die
Dingheit in die Eigenſchaft uͤbergegangen.
Das Ding ſollte ſich als an-ſich-ſeyendes Extrem
gegen die Eigenſchaft verhalten und dieſe die Mitte zwiſchen
den in Beziehung ſtehenden Dingen ausmachen. Allein
dieſe Beziehung iſt das, worin die Dinge ſich als die
ſich von ſich ſelbſt abſtoſſende Reflexion be-
gegnen, worin ſie unterſchieden und bezogen ſind. Die-
ſer ihr Unterſchied und ihre Beziehung, iſt Eine Reflexion
und Eine Continuitaͤt derſelben. Die Dinge ſelbſt
fallen hiemit nur in dieſe Continuitaͤt, welche die Eigen-
ſchaft iſt, und verſchwinden als beſtehende Extreme, die
auſſer dieſer Eigenſchaft eine Exiſtenz haͤtten.
Die Eigenſchaft, welche die Beziehung der
ſelbſtſtaͤndigen Extreme ausmachen ſollte, iſt daher das
Selbſt-
[154]Zweytes Buch.II.Abſchnitt.
Selbſtſtaͤndige ſelbſt. Die Dinge dagegen ſind das
Unweſentliche. Sie ſind ein Weſentliches nur als
die, als ſich unterſcheidend ſich auf ſich beziehende Refle-
xion; aber diß iſt die Eigenſchaft. Dieſe iſt alſo nicht
das im Dinge aufgehobene, oder ſein bloſſes Moment;
ſondern das Ding iſt in Wahrheit nur jener unweſentli-
che Umfang, der zwar negative Einheit iſt, aber nur wie
das Eins des Etwas, nemlich ein unmittelbares
Eins. Wenn vorhin das Ding als unweſentlicher Um-
fang inſofern beſtimmt wurde, als es durch eine aͤuſſer-
liche Abſtraction, welche die Eigenſchaft von demſelben
weglaͤßt, dazu gemacht werde, ſo iſt nunmehr dieſe Ab-
ſtraction durch das Uebergehen des Dings-an-ſich in
die Eigenſchaft ſelbſt geſchehen, aber mit umgekehrtem
Werthe, ſo daß wenn jenem Abſtrahiren das abſtracte
Ding ohne ſeine Eigenſchaft noch als das Weſentliche,
die Eigenſchaft aber als eine aͤuſſerliche Beſtimmung vor-
ſchwebt, hier das Ding als ſolches ſich durch ſich ſelbſt
zu einer gleichguͤltigen aͤuſſerlichen Form der Eigenſchaft
beſtimmt. — Dieſe iſt ſomit nunmehr befreyt von der
unbeſtimmten und kraftloſen Verbindung, die das
Eins des Dinges iſt; ſie iſt das, was das Beſtehen
deſſelben ausmacht; eine ſelbſtſtaͤndige Materie.
— Indem ſie einfache Continuitaͤt mit ſich iſt, hat ſie
die Form zunaͤchſt nur als Verſchiedenheit an ihr;
es gibt daher mannichfaltige dergleichen ſelbſtſtaͤn-
dige Materien und das Ding beſteht aus ihnen.
B. Das
[155]Die Erſcheinung.
B.
Das Beſtehen des Dings aus Materien.
Der Uebergang der Eigenſchaft in eine Ma-
terie oder in einen ſelbſtſtaͤndigen Stoff iſt der be-
kannte Uebergang, den an der ſinnlichen Materie die
Chemie macht, indem ſie die Eigenſchaften der Far-
be, des Geruchs, des Geſchmaks u. ſ. f. als Licht-
ſtoff, Faͤrbeſtoff, Riechſtoff, ſauren, bittern u. ſ. f.
Stoff darzuſtellen ſucht oder andere wie den Waͤrme-
ſtoff, die elektriſche, magnetiſche Materie geradezu nur
annimmt, und damit die Eigenſchaften in ihrer Wahr-
haftigkeit zu handhaben uͤberzeugt iſt. — Eben ſo gelaͤu-
fig iſt der Ausdruck, daß die Dinge aus verſchiedenen
Materien oder Stoffen beſtehen. Man huͤtet ſich,
dieſe Materien oder Stoffe Dinge zu nennen; ob
man wohl auch einraͤumen wird, daß z. B. ein Pigment,
ein Ding iſt; ich weiß aber nicht, ob z. B. auch der
Lichtſtoff, der Waͤrmeſtoff, oder die elektriſche Materie
u. ſ. f. Dinge genannt werden. Man unterſcheidet die
Dinge und ihre Beſtandtheile, ohne genau anzugeben,
ob dieſe und in weit ſie auch Dinge, oder etwa nur
Halbdinge ſeyen; aber Exiſtirende uͤberhaupt ſind ſie
wenigſtens.
Die Nothwendigkeit, von den Eigenſchaften zu Ma-
terien uͤberzugehen, oder daß die Eigenſchaften in Wahr-
heit Materien ſind, hat ſich daraus ergeben, daß ſie das
Weſentliche und damit das wahrhaft Selbſtſtaͤndige der
Dinge ſind. — Zugleich aber macht die Reflexion der
Eigenſchaft in ſich nur die eine Seite der ganzen Reflexion
aus;
[156]Zweytes Buch.II.Abſchnitt.
aus; nemlich das Aufheben des Unterſchieds und die
Continuitaͤt der Eigenſchaft, die eine Exiſtenz fuͤr anderes
ſeyn ſollte, mit ſich ſelbſt. Die Dingheit, als die nega-
tive Reflexion in ſich, und das ſich von anderem abſtoſ-
ſende Unterſcheiden iſt dadurch zu einem unweſentlichen
Momente herabgeſetzt; zugleich aber hat es ſich damit
weiter beſtimmt. Diß negative Moment hat ſich er-
ſtens erhalten; denn die Eigenſchaft iſt nur inſofern
mit ſich continuirlich und ſelbſtſtaͤndige Materie geworden,
als ſich der Unterſchied der Dinge aufgehoben hat;
die Continuitaͤt der Eigenſchaft in das Andersſeyn enthaͤlt
alſo ſelbſt das Moment des Negativen, und ihre Selbſt-
ſtaͤndigkeit iſt zugleich als dieſe negative Einheit
das wiederhergeſtellte Etwas der Dingheit; die negati-
ve Selbſtſtaͤndigkeit gegen die poſitive des Stoffes.
Zweytens iſt hiedurch das Ding aus ſeiner Unbe-
ſtimmtheit zur vollkommenen Beſtimmtheit gediehen. Als
Ding an ſich iſt es die abſtracte Identitaͤt, die
einfach negative Exiſtenz, oder ſie beſtimmt als
das Unbeſtimmte; alsdann iſt es beſtimmt durch ſeine
Eigenſchaften, durch welche es ſich von andern unter-
ſcheiden ſoll; aber indem es durch die Eigenſchaft viel-
mehr continuirlich mit andern iſt, ſo hebt ſich dieſer un-
vollkommene Unterſchied auf; das Ding iſt dadurch in
ſich zuruͤkgegangen und nun beſtimmt als beſtimmt;
es iſt an ſich beſtimmt oder dieſes Ding. —
Aber drittens iſt dieſe Ruͤkkehr in ſich zwar die
ſich auf ſich beziehende Beſtimmung; aber ſie iſt zugleich
unweſentlich; das mit ſich continuirliche Beſtehen
macht die ſelbſtſtaͤndige Materie aus, in welcher der
Unterſchied der Dinge, ihre an und fuͤr ſich ſeyende
Beſtimmtheit aufgehoben und ein aͤuſſerliches iſt. Das
Ding als dieſes iſt alſo zwar vollkommene Beſtimmt-
heit, aber es iſt diß die Beſtimmtheit im Elemente der
Unweſentlichkeit.
Diß
[157]Die Erſcheinung.
Diß von Seite der Bewegung der Eigenſchaft aus
betrachtet, ergibt ſich ſo. Die Eigenſchaft iſt nicht nur
aͤuſſerliche Beſtimmung, ſondern an ſich ſeyende
Exiſtenz. Dieſe Einheit der Aeuſſerlichkeit und Weſent-
lichkeit ſtoͤßt ſich, weil ſie die Reflexion-in-ſich und die
Reflexion in anderes enthaͤlt, von ſich ſelbſt ab, und iſt
einerſeits die Beſtimmung als einfaches ſich identiſch
auf ſich beziehendes Selbſtſtaͤndiges, in welchem die ne-
gative Einheit, das Eins des Dinges ein aufgehobenes
iſt; — andererſeits dieſe Beſtimmung gegen Anderes,
aber ebenfalls als in ſich reflectirtes an ſich beſtimmtes
Eins; die Materien alſo, und dieſes Ding. Diß
ſind die zwey Momente der mit ſich identiſchen Aeuſſer-
lichkeit, oder der in ſich reflectirten Eigenſchaft. — Die
Eigenſchaft war das, wodurch ſich die Dinge unterſchei-
den ſollten; indem ſie ſich von dieſer ihrer negativen
Seite, einem andern zu inhaͤriren, befreyt hat, ſo iſt
damit auch das Ding von ſeinem Beſtimmtſeyn durch an-
dere Dinge befreyt worden, und aus der Beziehung auf
anderes, in ſich zuruͤkgegangen; aber es iſt zugleich nur
das ſich anderes gewordene Ding-an-ſich;
weil die mannichfaltigen Eigenſchaften ihrerſeits ſelbſt-
ſtaͤndig, hierin alſo ihre negative Beziehung in
dem Eins des Dinges nur eine aufgehobene gewor-
den iſt; es iſt darum die mit ſich identiſche Negation nur
gegen die poſitive Continuitaͤt des Stoffes.
Das Dieſe macht alſo ſo die vollkommene Be-
ſtimmtheit des Dinges aus, daß ſie zugleich eine aͤuſſer-
liche iſt. Das Ding beſteht aus ſelbſtſtaͤndigen Mate-
rien, die gegen ihre Beziehung im Dinge gleichguͤltig
ſind. Dieſe Beziehung iſt daher nur eine unweſentliche
Verknuͤpfung derſelben, und der Unterſchied eines Din-
ges von andern beruht darauf, ob mehrere der beſon-
dern Materien und in welcher Menge ſie ſich in ihm be-
finden.
[158]Zweytes Buch.II.Abſchnitt.
finden. Sie gehen uͤber dieſes Ding hinaus, con-
tinuiren ſich in andere, und dieſem Dinge anzugehoͤren,
iſt keine Schranke derſelben. Eben ſo wenig ſind ſie fer-
ner eine Beſchraͤnkung fuͤr einander, weil ihre negative
Beziehung nur das kraftloſe Dieſe iſt. Sie heben ſich
daher, indem ſie in ihm verbunden werden, nicht auf;
ſie ſind als Selbſtſtaͤndige undurchdringlich fuͤr einander;
beziehen ſich in ihrer Beſtimmtheit nur auf ſich, und ſind
eine gegen einander gleichguͤltige Mannichfaltigkeit des
Beſtehens; ſie ſind nur einer quantitativen Grenze faͤhig.
— Das Ding als dieſes iſt dieſe ihre bloß quantitati-
ve Beziehung, eine bloſſe Sammlung, das Auch der-
ſelben. Es beſteht aus irgend einem Quantum von
einem Stoffe, auch aus dem eines andern, auch an-
dern; dieſen Zuſammenhang, keinen Zuſammenhang zu
haben, macht allein das Ding aus.
C.
Die Aufloͤſung des Dinges.
Dieſes Ding, wie es ſich beſtimmt hat, als der
bloß quantitative Zuſammenhang der freyen Stoffe, iſt
das ſchlechthin veraͤnderliche. Seine Veraͤnderung be-
ſteht darin, daß eine oder mehrere Materien aus der
Sammlung ausgeſchieden oder zu dieſem Auch hinzuge-
fuͤgt werden, oder daß ihr Mengenverhaͤltniß zu einan-
der veraͤndert wird. Das Entſtehen und Vergehen die-
ſes Dings iſt die aͤuſſerliche Aufloͤſung ſolcher aͤuſſerli-
chen Verbindung, oder die Verbindung ſolcher, denen es
gleichguͤltig iſt verbunden zu ſeyn oder nicht. Die Stoffe
circuli-
[159]Die Erſcheinung.
circuliren aus dieſem Dinge unaufgehalten hinaus oder
herein; es ſelbſt iſt die abſolute Poroſitaͤt ohne eigenes
Maaß oder Form.
So iſt das Ding in ſeiner abſoluten Beſtimmtheit,
wodurch es dieſes iſt, das ſchlechthin aufloͤsbare.
Dieſe Aufloͤſung iſt ein aͤuſſerliches Beſtimmtwerden, ſo
wie auch das Seyn deſſelben; aber ſeine Aufloͤſung und
die Aeuſſerlichkeit ſeines Seyns iſt das Weſentliche die-
ſes Seyns; es iſt nur das Auch; es beſteht nur in dieſer
Aeuſſerlichkeit. Aber es beſteht auch aus ſeinen Materien,
und nicht nur das abſtracte Dieſes als ſolches, ſon-
dern das ganze dieſe Ding iſt die Aufloͤſung ſeiner
ſelbſt. Das Ding iſt nemlich beſtimmt als eine aͤuſſer-
liche Sammlung ſelbſtſtaͤndiger Materien; dieſe Materien
ſind nicht Dinge, ſie haben nicht die negative Selbſtſtaͤn-
digkeit; ſondern ſind die Eigenſchaften als das Selbſt-
ſtaͤndige, nemlich das Beſtimmtſeyn, das als ſolches in
ſich reflectirt iſt. Die Materien ſind daher zwar einfach
und beziehen ſich nur auf ſich ſelbſt; aber ihr Inhalt
iſt eine Beſtimmtheit; die Reflexion ‒ in ‒ ſich iſt
nur die Form dieſes Inhalts, der nicht als ſolcher in
ſich reflectirt iſt, ſondern nach ſeiner Beſtimmtheit ſich
auf anderes bezieht. Das Ding iſt daher nicht nur
das Auch derſelben, — die Beziehung derſelben als
gegen einander gleichguͤltiger, ſondern eben ſo ſehr ihre
negative Beziehung; — um ihrer Beſtimmtheit ſind
die Materien ſelbſt, dieſe ihre negative Reflexion; welche
die Punctualitaͤt des Dinges iſt. Die eine Materie iſt
nicht, was die andere iſt, nach der Beſtimmtheit
ihres Inhalts gegen einander; und die eine iſt nicht,
inſofern die andere iſt, nach ihrer Selbſtſtaͤndigkeit.
Das Ding iſt daher ſo die Beziehung der Mate-
rien, aus denen es beſteht, auf einander, daß in ihm
die
[160]Zweytes Buch. II.Abſchnitt.
die eine und die andere auch beſtehen, aber daß darin
zugleich die eine nicht beſteht, inſofern die andere be-
ſteht. Inſofern alſo die eine Materie in dem Dinge iſt,
ſo iſt die andere dadurch aufgehoben; aber das Ding iſt
zugleich das Auch, oder das Beſtehen der andern. In
dem Beſtehen der einen Materie beſteht daher die andere
nicht, und eben ſo ſehr beſteht ſie auch in der erſtern;
und ſo gegenſeitig alle dieſe verſchiedenen Materien. In-
dem alſo in derſelben Ruͤkſicht, als die eine beſteht, auch
die andern beſtehen, welches Eine Beſtehen derſelben die
Punktualitaͤt oder negative Einheit des Dings iſt, ſo
durchdringen ſie ſich ſchlechthin; und indem das Ding
zugleich nur das Auch derſelben, und die Materien in
ihre Beſtimmtheit reflectirt ſind, ſo find ſie gleichguͤltig
gegen einander, und beruͤhren ſich in ihrer Durch-
dringung nicht. Die Materien ſind daher weſentlich
poroͤs, ſo daß die eine beſteht in den Poren oder in
dem Nichtbeſtehen der andern; aber dieſe andern ſind
ſelbſt poroͤs; in ihren Poren oder ihrem Nichtbeſtehen be-
ſteht auch die erſte, und alle die uͤbrigen; ihr Beſtehen
iſt zugleich ihr Aufgehobenſeyn, und das Beſtehen
von andern; und diß Beſtehen der andern iſt eben ſo
ſehr dieſer ihr Aufgehobenſeyn und das Beſtehen der
erſtern und auf gleiche Weiſe aller andern. Das Ding
iſt daher die ſich widerſprechende Vermittlung des ſelbſt-
ſtaͤndigen Beſtehens mit ſich durch ſein Gegentheil, nem-
lich durch ſeine Negation, oder einer ſelbſtſtaͤndigen
Materie durch das Beſtehen und Nichtbeſtehen
einer andern. — Die Exiſtenz hat in dieſem Din-
ge ihre Vollſtaͤndigkeit erreicht, nemlich in Einem an
ſich ſeyendes Seyn oder ſelbſtſtaͤndiges Beſtehen,
und unweſentliche Exiſtenz zu ſeyn; die Wahrheit
der Exiſtenz iſt daher, ihr Anſichſeyn in der Unweſent-
lichkeit, oder ihr Beſtehen in einem andern und zwar
dem abſolut andern, oder zu ihrer Grundlage ihre
Nich-
[161]Die Erſcheinung.
Nichtigkeit zu haben. Sie iſt daher Erſchei-
nung.
Es iſt eine der gelaͤuffigſten Beſtimmungen des Vor-
ſtellens, daß ein Ding aus vielen ſelbſtſtaͤn-
digen Materien beſtehe. Einerſeits wird das
Ding betrachtet, daß es Eigenſchaften habe, deren
Beſtehen das Ding iſt. Andererſeits aber werden
dieſe verſchiedenen Beſtimmungen als Materien genom-
men, deren Beſtehen nicht das Ding iſt, ſondern umge-
kehrt beſteht das Ding aus ihnen; es ſelbſt iſt nur
ihre aͤuſſerliche Verbindung und quantitative Grenze.
Beydes, die Eigenſchaften und die Materien ſind die-
ſelben Inhaltsbeſtimmungen, nur daß ſie dort
Momente, in ihre negative Einheit als in eine von ih-
nen ſelbſt unterſchiedene Grundlage, die Dingheit,
reflectirte ſind, hier ſelbſtſtaͤndige verſchiedene, deren je-
des in ſeine eigene Einheit mit ſich reflectirt iſt. Dieſe
Materien nun beſtimmen ſich ferner als ſelbſtſtaͤndiges
Beſtehen; aber ſie ſind auch zuſammen in einem Dinge.
Dieſes Ding hat die zwey Beſtimmungen, erſtlich die-
ſes zu ſeyn, und zweytens das Auch zu ſeyn. Das
Auch iſt dasjenige, was in der aͤuſſern Anſchauung als
Raumausdehnung vorkommt; Dieſes aber, die
negative Einheit, iſt die Punktualitaͤt des Dinges.
Die Materien ſind zuſammen in der Punktualitaͤt, und
ihr Auch oder die Ausdehnung iſt allenthalben dieſe Punk-
tualitaͤt; denn das Auch als Dingheit iſt weſentlich auch
als negative Einheit beſtimmt. Wo daher die eine
dieſer Materien iſt, in einem und demſelben
Punkte iſt die andere; das Ding hat nicht an einem
andern Orte ſeine Farbe, an einem andern ſeinen Riech-
ſtoff, an einem dritten ſeinen Waͤrmeſtoff u. ſ. f. ſondern
Lin
[162]Zweytes Buch. II.Abſchnitt.
in dem Punkte, in dem es warm iſt, iſt es auch farbigt,
ſauer, elektriſch u. ſ. w. Weil nun dieſe Stoffe nicht
auſſer einander, ſondern in Einem Dieſen ſind, werden
ſie als poroͤs angenommen, ſo daß die eine in den
Zwiſchenraͤumen der andern exiſtirt. Diejenige, die ſich
in den Zwiſchenraͤumen der andern befindet, iſt aber
auch ſelbſt poroͤs; in ihren Poren exiſtirt daher umgekehrt
die andere; aber nicht nur dieſe, ſondern auch die dritte,
zehnte, u. ſ. f. Alle ſind poroͤs und in den Zwiſchen-
raͤumen einer jeden befinden ſich alle andern, wie ſie ſich
mit den uͤbrigen in dieſen Poren einer jeden befindet.
Sie ſind daher eine Menge, die ſich ſo gegenſeitig durch-
dringt, daß die durchdringenden von den andern eben ſo
durchdrungen werden, daß ſomit jede ihr eigenes Durch-
drungenſeyn wieder durchdringt. Jede iſt als ihre Nega-
tion geſetzt, und dieſe Negation iſt das Beſtehen einer an-
dern; aber diß Beſtehen iſt eben ſo ſehr die Negation
dieſer andern und das Beſtehen der erſten.
Die Ausrede, durch welche das Vorſtellen den
Widerſpruch des ſelbſtſtaͤndigen Beſtehens der
mehrern Materien in Einem, oder die Gleich-
guͤltigkeit derſelben gegen einander in ihrer Durch-
dringung abhaͤlt, pflegt bekanntlich die Kleinheit
der Theile und der Poren zu ſeyn. Wo der Unterſchied-
an-ſich, der Widerſpruch und die Negation der Nega-
tion eintritt, uͤberhaupt wo begriffen werden ſoll,
laͤßt das Vorſtellen ſich in den aͤuſſerlichen, den quan-
titativen Unterſchied herunterfallen; in Anſehung des
Entſtehens und Vergehens nimmt es ſeine Zuflucht zur
Allmaͤhligkeit und in Anſehung des Seyns zur Klein-
heit, worin das Verſchwindende zum Unbemerkba-
ren, der Widerſpruch zu einer Verwirrung herabgeſetzt,
und das wahre Verhaͤltniß in ein unbeſtimmtes Vorſtel-
len hinuͤbergeſpielt wird, deſſen Truͤbheit das ſich Aufhe-
bende rettet.
Naͤher
[163]Die Erſcheinung.
Naͤher aber dieſe Truͤbheit beleuchtet, ſo zeigt ſie
ſich als der Widerſpruch theils als der ſubjective des
Vorſtellens, theils als der objective des Gegenſtands;
das Vorſtellen ſelbſt enthaͤlt vollſtaͤndig die Elemente deſ-
ſelben. Was es nemlich erſtlich ſelbſt thut, iſt der Wi-
derſpruch, ſich an die Wahrnehmung halten und
Dinge des Daſeyns vor ſich haben zu wollen, und
andererſeits dem Nichtwahrnehmbaren, durch die
Reflexion beſtimmten, ſinnliches Daſeyn zuzuſchreiben; —
die kleinen Theile und Poren ſollen zugleich ein ſinnliches
Daſeyn ſeyn und es wird von ihrem Geſetztſeyn als von
derſelben Weiſe der Realitaͤt geſprochen, — welche
der Farbe, Waͤrme u. ſ. f. zukommt. Wenn ferner das
Vorſtellen dieſen gegenſtaͤndlichen Nebel, die Po-
ren und die kleinen Theilchen, naͤher betrachtete, ſo er-
kaͤnnte es darin nicht nur eine Materie und auch deren
Negation, ſo daß hier die Materie, und daneben
ihre Negation, der Porus, und neben dieſem wieder
Materie und ſo fort ſich befaͤnde, ſondern daß es in
dieſem Dinge, 1) die ſelbſtſtaͤndige Materie, 2)
ihre Negation oder Poroſitaͤt und die andere
ſelbſtſtaͤndige Materie in einem und demſel-
ben Punkte hat, daß dieſe Poroſitaͤt und das ſelbſt-
ſtaͤndige Beſtehen der Materien in einander als in Einem
eine gegenſeitige Negation und Durchdringen des Durch-
dringens iſt. — Die neuern Darſtellungen der Phyſik
uͤber die Verbreitung des Waſſerdampfes in der athmo-
ſphaͤriſchen Luft und der Gasarten durch einander, heben
eine Seite des Begriffs, der ſich hier uͤber die Natur
des Dinges ergeben hat, beſtimmter heraus. Sie zei-
gen nemlich, daß z. B. ein gewiſſes Volumen eben ſo viel
Waſſerdampf aufnimmt, es ſey leer von athmoſphaͤri-
ſcher Luft oder damit erfuͤllt; auch daß die Gasarten ſo
ſich in einander verbreiten, daß jede fuͤr die andere ſo
gut als ein Vacuum iſt, wenigſtens daß ſie in keiner
L 2chemi-
[164]Zweytes Buch. II.Abſchnitt.
chemiſchen Verbindung miteinander ſind, jedes ununter-
brochen durch das andere mit ſich continuirlich
bleibt und ſich in ſeiner Durchdringung mit
den andern, gleichguͤltig gegen ſie erhaͤlt. — Aber
das weitere Moment im Begriffe des Dinges iſt, daß im
Dieſen die eine Materie ſich befindet wo die andere,
und das Durchdringende in demſelben Puncte auch durch-
drungen iſt, oder das Selbſtſtaͤndige unmittelbar die
Selbſtſtaͤndigkeit eines andern iſt. Diß iſt widerſpre-
chend; aber das Ding iſt nichts anderes als dieſer Wi-
derſpruch ſelbſt; darum iſt es Erſcheinung.
Eine aͤhnliche Bewandniß, als es mit dieſen Ma-
terien hat, hat es im Geiſtigen mit der Vorſtellung der
Seelenkraͤfte oder Seelenvermoͤgen. Der
Geiſt iſt in viel tieferem Sinne dieſes, die negative
Einheit, in welcher ſich ſeine Beſtimmungen durchdringen.
Aber als Seele vorgeſtellt, pflegt er haͤufig als ein
Ding genommen zu werden. Wie man den Menſchen
uͤberhaupt aus Seele und Leib beſtehen laͤßt, deren
jedes als ein ſelbſtſtaͤndiges fuͤr ſich gilt, ſo laͤßt man die
Seele aus ſogenannten Seelenkraͤften beſtehen, de-
ren jede eine fuͤr ſich beſtehende Selbſtſtaͤndigkeit hat,
oder eine unmittelbare fuͤr ſich nach ihrer Beſtimmtheit
wirkende Thaͤtigkeit iſt. Man ſtellt ſich ſo vor, daß hier
der Verſtand, hier die Einbildungskraft fuͤr ſich wirke,
daß man den Verſtand, das Gedaͤchtniß, u. ſ. f. jede
fuͤr ſich cultivire, und einſtweilen die andern Kraͤfte in
Unthaͤtigkeit linker Hand liegen laſſe, bis die Reihe viel-
leicht, vielleicht auch nicht an ſie komme. Indem ſie in
das materiell-einfache Seelending verlegt werden,
welches als einfach immateriell ſey, ſo werden die
Vermoͤgen zwar nicht als beſondere Materien vorgeſtellt;
aber als Kraͤfte werden ſie gleich indifferent ge-
gen einander angenommen, als jene Materien. Aber der
Geiſt
[165]Die Erſcheinung.
Geiſt iſt nicht jener Widerſpruch, welcher das Ding iſt,
das ſich aufloͤst und in Erſcheinung uͤbergeht; ſondern er
iſt ſchon an ihm ſelbſt der in ſeine abſolute Einheit, nem-
lich den Begriff, zuruͤkgegangene Widerſpruch, worin
die Unterſchiede nicht mehr als ſelbſtſtaͤndige, ſondern
nur als beſondere Momente im Subjecte, der einfa-
chen Individualitaͤt, zu denken ſind.
Zwey-
[166]Zweytes Buch. II.Abſchnitt.
Zweytes Kapitel.
Die Erſcheinung.
Die Exiſtenz iſt die Unmittelbarkeit des Seyns, zu
der ſich das Weſen wieder hergeſtellt hat. Dieſe Unmit-
telbarkeit iſt an ſich die Reflexion des Weſens in ſich.
Das Weſen iſt als Exiſtenz aus ſeinem Grunde heraufge-
treten, der ſelbſt in ſie uͤbergegangen iſt. Die Exiſtenz
iſt dieſe reflectirte Unmittelbarkeit, inſofern ſie an
ihr ſelbſt die abſolute Negativitaͤt iſt. Sie iſt nunmehr
auch als diß geſetzt, indem ſie ſich als Erſcheinung
beſtimmt hat.
Die Erſcheinung iſt daher zunaͤchſt das Weſen in
ſeiner Exiſtenz; das Weſen iſt unmittelbar an ihr vor-
handen. Daß ſie nicht als unmittelbare, ſondern die
reflectirte Exiſtenz iſt, diß macht das Moment des
Weſens an ihr aus; oder die Exiſtenz als weſentli-
che Exiſtenz iſt Erſcheinung.
Es iſt etwas nur Erſcheinung, — in dem Sinne
daß die Exiſtenz als ſolche nur ein geſetztes, nicht an-
und fuͤr-ſich-ſeyendes iſt. Diß macht ihre Weſentlich-
keit aus, an ihr ſelbſt die Negativitaͤt der Reflexion, die
Natur des Weſens, zu haben. Es iſt diß nicht eine
fremde, aͤuſſerliche Reflexion, welcher das Weſen zuge-
hoͤrte, und die durch Vergleichung deſſelben mit der Exi-
ſtenz dieſe fuͤr Erſcheinung erklaͤrte. Sondern, wie ſich
ergeben hat, iſt dieſe Weſentlichkeit der Exiſtenz, Er-
ſcheinung zu ſeyn, die eigne Wahrheit der Exiſtenz. Die
Reflexion, wodurch ſie diß iſt, gehoͤrt ihr ſelbſt an.
Wenn
[167]Die Erſcheinung.
Wenn aber geſagt wird, Etwas ſey nur Erſchei-
nung in dem Sinne, als ob dagegen die unmittelba-
re Exiſtenz die Wahrheit waͤre; ſo iſt vielmehr die
Erſcheinung die hoͤhere Wahrheit; denn ſie iſt die Exi-
ſtenz wie ſie als weſentliche, da hingegen die Exiſtenz die
noch weſenloſe Erſcheinung iſt; weil ſie nur das eine Mo-
ment der Erſcheinung, nemlich die Exiſtenz als unmittel-
bare, noch nicht ihre negative Reflexion, an ihr hat.
Wenn die Erſcheinung weſenlos genannt wird,
ſo wird an das Moment ihrer Negativitaͤt ſo gedacht,
als ob das Unmittelbare dagegen das Poſitive und Wahr-
hafte waͤre; aber vielmehr enthaͤlt diß Unmittelbare die
weſentliche Wahrheit noch nicht an ihm. Die Exiſtenz
hoͤrt vielmehr auf, weſenlos zu ſeyn, darin, daß ſie in
Erſcheinung uͤbergeht.
Das Weſen ſcheint zunaͤchſt in ihm ſelbſt, in ſei-
ner einfachen Identitaͤt; ſo iſt es die abſtracte Reflexion,
die reine Bewegung von Nichts durch Nichts zu ſich ſelbſt
zuruͤck. Das Weſen erſcheint, ſo iſt es nunmehr
realer Schein, indem die Momente des Scheins Exi-
ſtenz haben. Die Erſcheinung iſt, wie ſich ergeben hat,
das Ding als die negative Vermittlung ſeiner mit
ſich ſelbſt; die Unterſchiede, welche es enthaͤlt, ſind
ſelbſtſtaͤndige Materien, die der Widerſpruch ſind,
ein unmittelbares Beſtehen zu ſeyn, und zugleich nur in
fremder Selbſtſtaͤndigkeit alſo in der Negation der eige-
nen ihr Beſtehen zu haben, und wieder eben darum auch
nur in der Negation jener fremden oder in der Negation
ihrer eigenen Negation. Der Schein iſt dieſelbe Ver-
mittlung, aber ſeine haltloſen Momente haben in der Er-
ſcheinung die Geſtalt unmittelbarer Selbſtſtaͤndigkeit.
Dagegen iſt die unmittelbare Selbſtſtaͤndigkeit, die der
Exiſtenz zukommt, ihrerſeits zum Momente herabgeſetzt.
Die Erſcheinung iſt daher Einheit des Scheins und der
Exiſtenz.
Die
[168]Zweytes Buch. II.Abſchnitt.
Die Erſcheinung beſtimmt ſich nun naͤher. Sie iſt
die weſentliche Exiſtenz; die Weſentlichkeit derſelben un-
terſcheidet ſich von ihr als unweſentlicher und dieſe beyden
Seiten treten in Beziehung mit einander. — Sie iſt da-
her zuerſt einfache Identitaͤt mit ſich, die zugleich ver-
ſchiedene Inhaltsbeſtimmungen enthaͤlt, welche ſowohl
ſelbſt als deren Beziehung das im Wechſel der Erſchei-
nung ſich gleich bleibende iſt; das Geſetz der Er-
ſcheinung.
Zweytens aber geht das in ſeiner Verſchieden-
heit einfache Geſetz in den Gegenſatz uͤber; das Weſent-
liche der Erſcheinung wird ihr ſelbſt entgegengeſetzt und
der erſcheinenden Welt tritt die an ſich ſeyen-
de Welt gegenuͤber.
Drittens geht dieſer Gegenſatz in ſeinen Grund
zuruͤck; das Anſichſeyende iſt in der Erſcheinung und um-
gekehrt iſt das Erſcheinende beſtimmt als in ſein Anſich-
ſeyn aufgenommen; die Erſcheinung wird Verhaͤltniß.
A.Das
[169]Die Erſcheinung.
A.
Das Geſetz der Erſcheinung.
1. Die Erſcheinung iſt das Exiſtirende vermittelt
durch ſeine Negation, welche ſein Beſtehen aus-
macht. Dieſe ſeine Negation iſt zwar ein anderes
Selbſtſtaͤndiges; aber diß iſt eben ſo weſentlich ein auf-
gehobenes. Das Exiſtirende iſt daher die Ruͤkkehr
ſeiner in ſich ſelbſt durch ſeine Negation und durch die
Negation dieſer ſeiner Negation; es hat alſo weſent-
liche Selbſtſtaͤndigkeit; ſo wie es gleich unmittel-
bar ſchlechthin Geſetztſeyn iſt, das einen Grund
und ein anderes zu ſeinem Beſtehen hat. — Fuͤrs erſte
iſt alſo die Erſcheinung die Exiſtenz zugleich mit ihrer
Weſentlichkeit, das Geſetztſeyn mit ſeinem Grunde; aber
dieſer Grund iſt die Negation; und das andere Selbſt-
ſtaͤndige, der Grund des erſten, iſt gleichfalls nur ein
Geſetztſeyn. Oder das Exiſtirende iſt als Erſcheinendes
in ein anderes reflectirt und hat es zu ſeinem Grunde,
welches ſelbſt nur diß iſt, in ein anderes reflectirt zu
ſeyn. Die weſentliche Selbſtſtaͤndigkeit, die ihm zu-
kommt, weil es Ruͤkkehr in ſich ſelbſt iſt, iſt um der Ne-
gativitaͤt der Momente willen, die Ruͤkkehr des Nichts
durch Nichts durch ſich ſelbſt zuruͤck; die Selbſtſtaͤndig-
keit des Exiſtirenden iſt daher nur der weſentliche
Schein. Der Zuſammenhang des ſich gegenſeitig be-
gruͤndenden Exiſtirenden beſteht darum in dieſer gegenſei-
tigen Negation, daß das Beſtehen des einen nicht das
Beſtehen des andern, ſondern deſſen Geſetztſeyn iſt, wel-
che Beziehung des Geſetztſeyns allein ihr Beſtehen aus-
macht. Der Grund iſt vorhanden, wie er in ſeiner
Wahr-
[170]Zweytes Buch. II.Abſchnitt.
Wahrheit iſt, nemlich ein Erſtes zu ſeyn, das nur ein
vorausgeſetztes iſt.
Diß macht nun die negative Seite der Erſchei-
nung aus. Aber in dieſer negativen Vermittlung iſt un-
mittelbar die poſitive Identitaͤt des Exiſtirenden
mit ſich enthalten. Denn es iſt nicht Geſetztſeyn
gegen einen weſentlichen Grund, oder iſt nicht
der Schein an einem Selbſtſtaͤndigen; ſondern
iſt Geſetztſeyn, das ſich auf ein Geſetztſeyn be-
zieht, oder iſt ein Schein nur in einem Scheine.
Es bezieht ſich in dieſer ſeiner Negation oder in ſei-
nem Andern, das ſelbſt ein aufgehobenes iſt, auf ſich
ſelbſt; iſt alſo mit ſich identiſche oder poſitive Weſent-
lichkeit. — Dieſes Identiſche iſt nicht die Unmittel-
barkeit, die der Exiſtenz als ſolcher zukommt, und nur
das Unweſentliche iſt, ſein Beſtehen in einem Andern zu
haben. Sondern es iſt der weſentliche Inhalt
der Erſcheinung, welcher zwey Seiten hat, erſtens in
der Form des Geſetztſeyns oder der aͤuſſerlichen Un-
mittelbarkeit, zweytens das Geſetztſeyn als mit ſich identi-
ſches zu ſeyn. Nach der erſten Seite iſt er als ein
Daſeyn, aber als ein zufaͤlliges, unweſentliches, das
nach ſeiner Unmittelbarkeit dem Uebergehen, Entſtehen
und Vergehen unterworfen iſt. Nach der andern Seite
iſt er die einfache jenem Wechſel entnommene Inhaltsbe-
ſtimmung, das Bleibende deſſelben.
Auſſerdem daß dieſer Inhalt uͤberhaupt das Ein-
fache des Vergaͤnglichen iſt, iſt er auch beſtimm-
ter, in ſich verſchiedener Inhalt. Er iſt die Re-
flexion der Erſcheinung, des negativen Daſeyns, in ſich,
enthaͤlt alſo die Beſtimmtheit weſentlich. Die Er-
ſcheinung aber iſt die ſeyende vielfache Verſchieden-
heit, die ſich in unweſentlicher Mannichfaltigkeit herum-
wirft;
[171]Die Erſcheinung.
wirft; ihr reflectirter Inhalt dagegen iſt ihre Mannich-
faltigkeit auf den einfachen Unterſchied reducirt.
Der beſtimmte weſentliche Inhalt iſt nemlich naͤher, nicht
nur beſtimmt uͤberhaupt, ſondern als das Weſentliche der
Erſcheinung die vollſtaͤndige Beſtimmtheit; eines und
ſein anderes. In der Erſcheinung hat jedes dieſer
beyden ſein Beſtehen ſo in dem andern, daß es zugleich
nur in deſſen Nichtbeſtehen iſt. Dieſer Widerſpruch
hebt ſich auf; und die Reflexion deſſelben in ſich, iſt die
Identitaͤt ihres beyderſeitigen Beſtehens, daß das
Geſetztſeyn des einen auch das Geſetztſeyn
des andern iſt. Sie machen Ein Beſtehen aus, zu-
gleich als verſchiedener, gegen einander gleichguͤlti-
ger Inhalt. In der weſentlichen Seite der Erſcheinung
iſt ſomit das Negative des unweſentlichen Inhalts,
ſich aufzuheben, in die Identitaͤt zuruͤkgegangen; er iſt
ein gleichguͤltiges Beſtehen, welches nicht das Aufge-
hobenſeyn, ſondern vielmehr das Beſtehen des an-
dern iſt.
Dieſe Einheit iſt das Geſetz der Erſcheinung.
2. Das Geſetz iſt alſo das Poſitive der Vermitt-
lung des Erſcheinenden. Die Erſcheinung iſt zunaͤchſt
die Exiſtenz als die negative Vermittlung mit ſich, ſo
daß das Exiſtirende durch ſein eigenes Nichtbeſte-
hen, durch ein Anderes, und wieder durch das Nicht-
beſtehen dieſes Andern mit ſich vermittelt iſt.
Darin iſt enthalten erſtens das bloſſe Scheinen und
das Verſchwinden beyder, die unweſentliche Erſcheinung;
zweytens auch das Bleiben oder das Geſetz; denn
jedes der beyden exiſtirt in jenem Aufheben des an-
dern; und ihr Geſetztſeyn als ihre Negativitaͤt iſt zugleich
das identiſche, poſitive Geſetztſeyn beyder.
Diß
[172]Zweytes Buch. II.Abſchnitt.
Diß bleibende Beſtehen, welches die Erſcheinung
im Geſetze hat, iſt ſomit, wie es ſich beſtimmt hat,
erſtlich entgegengeſetzt der Unmittelbarkeit des
Seyns, welche die Exiſtenz hat. Dieſe Unmittelbarkeit
iſt zwar an ſich die reflectirte, nemlich der in ſich zu-
ruͤkgegangene Grund; aber in der Erſcheinung iſt nun
dieſe einfache Unmittelbarkeit von der reflectirten unter-
ſchieden, welche im Dinge erſt ſich zu trennen anfingen.
Das exiſtirende Ding iſt in ſeiner Aufloͤſung dieſer Gegen-
ſatz geworden; das Poſitive ſeiner Aufloͤſung iſt jene
Identitaͤt des Erſcheinenden als Geſetztſeyns mit ſich in
ſeinem andern Geſetztſeyn. — Zweytens iſt dieſe re-
flectirte Unmittelbarkeit ſelbſt beſtimmt als das Geſetzt-
ſeyn, gegen die ſeyende Unmittelbarkeit der Exiſtenz.
Diß Geſetztſeyn iſt nunmehr das Weſentliche, und wahr-
haft Poſitive. Der deutſche Ausdruck Geſetz ent-
haͤlt dieſe Beſtimmung gleichfalls. In dieſem Geſetztſeyn
liegt die weſentliche Beziehung der beyden Seiten
des Unterſchiedes, die das Geſetz enthaͤlt; ſie ſind ver-
ſchiedener gegen einander unmittelbarer Inhalt und ſind
diß als die Reflexion des der Erſcheinung angehoͤrigen,
verſchwindenden Inhalts. Als weſentliche Verſchieden-
heit, ſind die Verſchiedenen einfache ſich auf ſich bezie-
hende Inhaltsbeſtimmungen. Aber eben ſo ſehr iſt keine
fuͤr ſich unmittelbar, ſondern jede iſt weſentlich Ge-
ſetztſeyn, oder iſt nur, inſofern die andere
iſt.
Drittens Erſcheinung und Geſetz haben einen
und denſelben Inhalt. Das Geſetz iſt die Reflexion
der Erſcheinung in die Identitaͤt mit ſich; ſo ſteht die
Erſcheinung als das nichtige Unmittelbare dem in-
ſichreflectirten gegenuͤber, und ſie ſind nach dieſer
Form unterſchieden. Aber die Reflexion der Er-
ſcheinung, wodurch dieſer Unterſchied iſt, iſt auch die
weſent-
[173]Die Erſcheinung.
weſentliche Identitaͤt der Erſcheinung ſelbſt und ihrer
Reflexion, was uͤberhaupt die Natur der Reflexion iſt;
ſie iſt das im Geſetztſeyn identiſche mit ſich, und gleich-
guͤltig gegen jenen Unterſchied, welcher die Form oder
das Geſetztſeyn iſt; alſo ein Inhalt, der ſich aus der
Erſcheinung in das Geſetz continuirt, der Inhalt des
Geſetzes, und der Erſcheinung.
Dieſer Inhalt macht hiemit die Grundlage der
Erſcheinung aus; das Geſetz iſt dieſe Grundlage ſelbſt,
die Erſcheinung iſt derſelbe Inhalt, aber enthaͤlt noch
mehr, nemlich den unweſentlichen Inhalt ihres unmittel-
baren Seyns. Auch die Formbeſtimmung, wodurch die
Erſcheinung als ſolche von dem Geſetze unterſchieden iſt,
iſt nemlich ein Inhalt und gleichfalls ein vom Inhalte
des Geſetzes unterſchiedener. Denn die Exiſtenz iſt als
Unmittelbarkeit uͤberhaupt gleichfalls ein mit ſich identi-
ſches der Materie und Form, das gegen ſeine Formbe-
ſtimmungen gleichguͤltig und daher Inhalt iſt; ſie iſt die
Dingheit mit ihren Eigenſchaften und Materien. Aber
ſie iſt der Inhalt, deſſen ſelbſtſtaͤndige Unmittelbarkeit
zugleich nur als ein Nichtbeſtehen iſt. Die Identitaͤt deſ-
ſelben mit ſich in dieſem ſeinem Nichtbeſtehen aber iſt
der andere, weſentliche Inhalt. Dieſe Identitaͤt, die
Grundlage der Erſcheinung, welche das Geſetz ausmacht,
iſt ihr eigenes Moment; es iſt die poſitive Seite der We-
ſentlichkeit, wodurch die Exiſtenz Erſcheinung iſt.
Das Geſetz iſt daher nicht jenſeits der Erſcheinung,
ſondern in ihr unmittelbar gegenwaͤrtig; das Reich der
Geſetze iſt das ruhige Abbild der exiſtirenden oder er-
ſcheinenden Welt. Aber vielmehr iſt beydes Eine Tota-
litaͤt, und die exiſtirende Welt iſt ſelbſt das Reich der
Geſetze, das als das einfache Identiſche, zugleich als in
dem Geſetztſeyn oder in der ſich ſelbſtaufloͤſenden Selbſt-
ſtaͤndig-
[174]Zweytes Buch. II.Abſchnitt.
ſtaͤndigkeit der Exiſtenz identiſch mit ſich iſt. Die Exiſtenz
geht in das Geſetz als in ſeinen Grund zuruͤk; die Er-
ſcheinung enthaͤlt diß beydes, den einfachen Grund, und
die aufloͤſende Bewegung des erſcheinenden Univerſums,
deren Weſentlichkeit er iſt.
3. Das Geſetz iſt alſo die weſentliche Erſchei-
nung; es iſt die Reflexion derſelben in ſich in ihrem Ge-
ſetztſeyn, der identiſche Inhalt ſeiner und der unwe-
ſentlichen Exiſtenz. Erſtlich iſt nun dieſe Identitaͤt
des Geſetzes mit ſeiner Exiſtenz nur erſt die unmittel-
bare, einfache Identitaͤt, und das Geſetz iſt gleichguͤltig
gegen ſeine Exiſtenz; die Erſcheinung hat noch einen an-
dern Inhalt gegen den Inhalt des Geſetzes. Jener iſt
zwar der unweſentliche, und das Zuruͤkgehen in dieſen;
aber fuͤr das Geſetz iſt er ein Erſtes, das nicht durch
dieſes geſetzt iſt; er iſt daher als Inhalt aͤuſſerlich
mit dem Geſetze verbunden. Die Erſcheinung iſt ei-
ne Menge naͤherer Beſtimmungen, die dem Dieſen oder
dem Concreten angehoͤren und nicht im Geſetze enthalten,
ſondern durch ein anderes beſtimmt ſind. — Zweytens
das was die Erſcheinung von dem Geſetze verſchiedenes
enthaͤlt, beſtimmte ſich als ein Poſitives oder als ein an-
derer Inhalt; aber es iſt weſentlich ein Negatives; es
iſt die Form und ihre Bewegung als ſolche, die der Er-
ſcheinung zukommt. Das Reich der Geſetze iſt der ruhi-
ge Inhalt der Erſcheinung; dieſe iſt derſelbe aber ſich
im unruhigen Wechſel und als die Reflexion in anderes
darſtellend. Sie iſt das Geſetz als die negative ſich
ſchlechthin veraͤndernde Exiſtenz, die Bewegung des
Uebergehens in Entgegengeſetzte, des ſich Aufhebens und
des Zuruͤkgehens in die Einheit. Dieſe Seite der unru-
higen Form oder der Negativitaͤt enthaͤlt das Geſetz nicht;
die Erſcheinung iſt daher gegen das Geſetz die Totalitaͤt,
denn ſie enthaͤlt das Geſetz, aber auch noch mehr, nem-
lich
[175]Die Erſcheinung.
lich das Moment der ſich ſelbſt bewegenden Form. — Die-
ſer Mangel iſt drittens am Geſetze ſo vorhanden,
daß deſſen Inhalt nur erſt ein verſchiedener, damit
ein gegen ſich gleichguͤltiger iſt; daher die Identitaͤt ſeiner
Seiten miteinander nur erſt eine unmittelbare und
damit innere, oder noch nicht nothwendige iſt. Im
Geſetze ſind zwey Inhaltsbeſtimmungen als weſentlich
verbunden (z. B. im Geſetze der Bewegung des Falls
die Raumgroͤſſe und die Zeitgroͤſſe; die durchloffenen
Raͤume verhalten ſich wie die Quadrate der verfloſſenen
Zeiten) ſie ſind verbunden; dieſe Beziehung iſt nur erſt
eine unmittelbare. Sie iſt daher gleichfalls nur erſt ei-
ne geſetzte, wie in der Erſcheinung das Unmittelbare
uͤberhaupt die Bedeutung des Geſetztſeyns erhalten hat.
Die weſentliche Einheit der beyden Seiten des Geſetzes
waͤre ihre Negativitaͤt, daß nemlich die eine an ihr ſelbſt
ihre andere enthielte; aber dieſe weſentliche Einheit iſt
noch nicht am Geſetze hervortreten. (— So iſt es nicht
im Begriffe des im Falle durchloffenen Raumes enthalten,
daß ihm die Zeit als Quadrat entſpricht. Weil der Fall
eine ſinnliche Bewegung iſt, iſt er die Beziehung von
Zeit und Raum; aber erſtens liegt es in der Beſtimmung
der Zeit ſelbſt nicht, — d. h. wie die Zeit nach ihrer
Vorſtellung genommen wird, daß ſie ſich auf den Raum
bezieht, und umgekehrt; man ſagt, man koͤnne ſich die
Zeit ſehr wohl ohne den Raum und den Raum ohne die
Zeit vorſtellen; das eine tritt alſo aͤuſſerlich zu dem an-
dern hinzu, welche aͤuſſerliche Beziehung die Bewegung
iſt. Zweytens iſt die naͤhere Beſtimmung gleichguͤltig,
nach welchen Groͤßen ſich in der Bewegung Raum und
Zeit zu einander verhalten. Das Geſetz hieruͤber wird
aus der Erfahrung erkannt; inſofern iſt es nur un-
mittelbar; es erfodert noch einen Beweis, d. h.
eine Vermittlung, fuͤr das Erkennen, daß das Geſetz
nicht nur Statt hat, ſondern nothwendig iſt;
dieſen
[176]Zweytes Buch. II.Abſchnitt.
dieſen Beweis und ſeine objective Nothwendigkeit enthaͤlt
das Geſetz als ſolches nicht. —) Das Geſetz iſt daher
nur die poſitive Weſentlichkeit der Erſcheinung, nicht
ihre negative, nach welcher die Inhaltsbeſtimmungen
Momente der Form ſind, als ſolche in ihr Anderes uͤber-
gehen, und an ihnen ſelbſt eben ſo ſehr nicht ſie, ſon-
dern ihr anderes ſind. Im Geſetze iſt alſo zwar das
Geſetztſeyn der einen Seite deſſelben das Geſetztſeyn der
andern; aber ihr Inhalt iſt gleichguͤltig gegen dieſe Be-
ziehung, er enthaͤlt nicht an ihm ſelbſt diß Geſetztſeyn.
Das Geſetz iſt daher wohl die weſentliche Form, aber
noch nicht die in ihre Seiten als Inhalt reflectirte, reale
Form.
B.
Die erſcheinende und die an-ſich-ſeyende Welt.
1. Die exiſtirende Welt erhebt ſich ruhig zu einem
Reiche von Geſetzen; der nichtige Inhalt ihres mannich-
faltigen Daſeyns hat in einem Andern ſein Beſtehen;
ſein Beſtehen iſt daher ſeine Aufloͤſung. Aber in dieſem
Andern geht das Erſcheinende auch mit ſich ſelbſt
zuſammen; ſo iſt die Erſcheinung in ihrem Wandel auch
ein Bleiben, und ihr Geſetztſeyn iſt Geſetz. Das Geſetz
iſt dieſe einfache Identitaͤt der Erſcheinung mit ſich;
daher die Grundlage, nicht der Grund derſelben; denn
es iſt nicht die negative Einheit der Erſcheinung; ſondern
als ihre einfache Identitaͤt, die unmittelbare als ab-
ſtracte Einheit, neben welcher daher auch der andre
Inhalt derſelben Statt hat. Der Inhalt iſt dieſer,
haͤngt
[177]Die Erſcheinung.
haͤngt in ſich zuſammen, oder hat ſeine negative Reflexion
innerhalb ſeiner ſelbſt. Er iſt in ein anderes reflectirt;
diß Andere iſt ſelbſt eine Exiſtenz der Erſcheinung; die
erſcheinenden Dinge haben ihre Gruͤnde und Bedingungen
an andern erſcheinenden Dingen.
In der That aber iſt das Geſetz auch das Andre
der Erſcheinung als ſolcher, und ihre nega-
tive Reflexion als in ihr Anderes. Der Inhalt der Er-
ſcheinung, der vom Inhalt des Geſetzes verſchieden iſt,
iſt das Exiſtirende, das ſeine Negativitaͤt zu ſeinem
Grunde hat oder in ſein Nichtſeyn reflectirt iſt. Aber diß
Andere, das auch ein Exiſtirendes iſt, iſt gleich-
falls ein ſolches in ſein Nichtſeyn reflectirtes; es iſt alſo
daſſelbe, und das Erſcheinende iſt darin in der That
nicht in ein anderes, ſondern in ſich reflectirt;
eben dieſe Reflexion des Geſetztſeyns in ſich iſt das Ge-
ſetz. Aber als Erſcheinendes iſt es weſentlich in ſein
Nichtſeyn reflectirt, oder ſeine Identitaͤt iſt ſelbſt
weſentlich eben ſo ſehr ſeine Negativitaͤt und ſein Ande-
res. Die Reflexion in-ſich der Erſcheinung, das Ge-
ſetz, iſt alſo auch nicht nur ihre identiſche Grundlage,
ſondern ſie hat an ihm ihren Gegenſatz, und es iſt ihre
negative Einheit.
Dadurch hat ſich nun die Beſtimmung des Geſetzes
an ihm ſelbſt veraͤndert. Zunaͤchſt iſt es nur ein ver-
ſchiedener Inhalt, und die formale Reflexion des Geſetzt-
ſeyns in ſich, ſo daß das Geſetztſeyn der einen ſeiner
Seiten das Geſetztſeyn der andern iſt. Weil es aber
auch die negative Reflexion in ſich iſt, ſo verhalten ſich
ſeine Seiten nicht nur als verſchiedene, ſondern als ne-
gativ ſich auf einander beziehende. — Oder das Geſetz
bloß fuͤr ſich betrachtet, ſo ſind die Seiten ſeines In-
halts gleichguͤltige gegen einander; aber eben ſo ſehr ſind
Mſie
[178]Zweytes Buch. II.Abſchnitt.
ſie durch ihre Identitaͤt aufgehobene; das Geſetztſeyn der
einen iſt das Geſetztſeyn der andern; alſo iſt das Be-
ſtehen einer jeden auch das Nichtbeſtehen ihrer
ſelbſt. Diß Geſetztſeyn der einen in der andern iſt ihre
negative Einheit und jedes iſt nicht nur das Ge-
ſetztſeyn ihrer, ſondern auch der andern,
oder jede iſt ſelbſt dieſe negative Einheit. Die poſitive
Identitaͤt, welche ſie im Geſetze als ſolchem haben, iſt
nur erſt ihre innere Einheit, welche des Beweiſes
und der Vermittlung bedarf, weil dieſe negative
Einheit noch nicht an ihnen geſetzt iſt. Aber indem die
verſchiedenen Seiten des Geſetzes nunmehr beſtimmt ſind,
als in ihrer negativen Einheit verſchiedene zu ſeyn, oder
als ſolche, deren jedes ſein anderes an ihm ſelbſt ent-
haͤlt und zugleich als ſelbſtſtaͤndiges diß ſein Andersſeyn
von ſich abſtoͤßt, ſo iſt die Identitaͤt des Geſetzes nun-
mehr auch eine geſetzte und reale.
Damit hat alſo das Geſetz das mangelnde Moment
der negativen Form ſeiner Seiten gleichfalls erhalten;
das Moment, das vorhin noch der Erſcheinung angehoͤr-
te; die Exiſtenz iſt ſomit vollſtaͤndig in ſich zuruͤkgegan-
gen, und hat ſich in ihr abſolutes an- und fuͤr-ſichſeyen-
des Andersſeyn reflectirt. Das, was vorher Geſetz war,
iſt daher nicht mehr nur Eine Seite des Ganzen, deſſen
andere die Erſcheinung als ſolche war, ſondern iſt ſelbſt
das Ganze. Sie iſt die weſentliche Totalitaͤt der Er-
ſcheinung, ſo daß ſie nun auch das Moment der Unwe-
ſentlichkeit, das noch dieſer zukam, enthaͤlt; aber als
die reflectirte, an ſich ſeyende Unweſentlichkeit, d. h.
als die weſentliche Negativitaͤt. — Das Geſetz
iſt als unmittelbarer Inhalt, beſtimmt uͤberhaupt,
unterſchieden von andern Geſetzen, und es gibt deren ei-
ne unbeſtimmbare Menge. Aber indem es die weſentli-
che Negativitaͤt nun an ihm ſelbſt hat, enthaͤlt es nicht
mehr
[179]Die Erſcheinung.
mehr eine ſolche nur gleichguͤltige, zufaͤllige Inhaltsbe-
ſtimmung; ſondern ſein Inhalt iſt alle Beſtimmtheit uͤber-
haupt, in weſentlicher ſich zur Totalitaͤt machenden Be-
ziehung. So iſt die in ſich reflectirte Erſcheinung nun
eine Welt, die ſich als an und fuͤr ſich ſeyende
uͤber der erſcheinenden Welt aufthut.
Das Reich der Geſetze enthaͤlt nur den einfachen,
wandelloſen aber verſchiedenen Inhalt der exiſtirenden
Welt. Indem es nun aber die totale Reflexion von die-
ſer iſt, enthaͤlt es auch das Moment ihrer weſenloſen
Mannichfaltigkeit. Dieſes Moment der Veraͤnderlichkeit
und Veraͤnderung als in ſich reflectirtes, weſentliches,
iſt die abſolute Negativitaͤt oder die Form uͤberhaupt als
ſolche, deren Momente aber in der an- und fuͤr-ſich-
ſeyenden Welt die Realitaͤt ſelbſtſtaͤndiger, aber reflectir-
ter Exiſtenz haben; ſo wie umgekehrt dieſe reflectirte
Selbſtſtaͤndigkeit nunmehr die Form an ihr ſelbſt hat,
und dadurch ihr Inhalt nicht ein bloß mannichfaltiger,
ſondern ein weſentlich mit ſich zuſammenhaͤngender iſt.
— Dieſe an und fuͤr ſich ſeyende Welt heißt auch die
uͤberſinnliche Welt; inſofern die exiſtirende Welt
als ſinnliche, nemlich als ſolche beſtimmt wird, die
fuͤr die Anſchauung, das unmittelbare Verhalten des Be-
wußtſeyns, iſt. — Die uͤberſinnliche Welt hat gleichfalls
Unmittelbarkeit, Exiſtenz, aber reflectirte, weſentliche
Exiſtenz. Das Weſen hat noch kein Daſeyn; aber es
iſt, und in tieferem Sinne, als das Seyn; das Ding
iſt der Beginn der reflectirten Exiſtenz; es iſt eine Un-
mittelbarkeit, die noch nicht geſetzt iſt, als weſentliche
oder reflectirte; es iſt aber in Wahrheit nicht ein ſeyen-
des Unmittelbares. Die Dinge erſt, als Dinge einer
andern, uͤberſinnlichen Welt ſind geſetzt, erſtens als
wahrhafte Exiſtenzen, und zweytens als das Wahre ge-
M 2gen
[180]Zweytes Buch. II.Abſchnitt.
gen das Seyende; — in ihnen iſt es anerkannt, daß
es ein von dem unmittelbaren Seyn unterſchiedenes
Seyn gibt, das wahrhafte Exiſtenz iſt. Einestheils iſt
in dieſer Beſtimmung die ſinnliche Vorſtellung uͤberwun-
den, welche nur dem unmittelbaren Seyn des Gefuͤhls
und der Anſchauung Exiſtenz zuſchreibt; anderntheils aber
auch die bewußtloſe Reflexion, welche zwar die Vorſtel-
lung von Dingen, Kraͤften, Innerlichem und
ſo fort hat, ohne zu wiſſen, daß ſolche Beſtimmungen
nicht ſinnliche oder ſeyende Unmittelbarkeiten, ſondern
reflectirte Exiſtenzen ſind.
2. Die an und fuͤr ſich ſeyende Welt iſt die Totali-
taͤt der Exiſtenz; es iſt nichts anderes auſſer ihr. In-
dem ſie aber an ihr ſelbſt die abſolute Negativitaͤt oder
Form iſt, ſo iſt ihre Reflexion-in-ſich, negative
Beziehung auf ſich. Sie enthaͤlt den Gegenſatz, und
ſtoͤßt ſich ab in ſich als die weſentliche Welt, und in ſich
als die Welt des Andersſeyns oder die Welt der Erſchei-
nung. So iſt ſie darum, weil ſie die Totalitaͤt iſt, auch
nur als eine Seite derſelben, und macht in dieſer
Beſtimmung eine gegen die Welt der Erſcheinung ver-
ſchiedene Selbſtaͤndigkeit aus. Die erſcheinende Welt hat
an der weſentlichen Welt ihre negative Einheit, in der ſie
zu Grunde und in die ſie als in ihren Grund zuruͤkgeht.
Ferner iſt die weſentliche Welt auch der ſetzende Grund
der erſcheinenden Welt; denn, die abſolute Form in
ihrer Weſentlichkeit enthaltend, hebt ſich ihre Identitaͤt
mit ſich auf, macht ſich zum Geſetztſeyn und iſt als dieſe
geſetzte Unmittelbarkeit die erſcheinende Welt.
Sie iſt ferner nicht nur uͤberhaupt Grund der er-
ſcheinenden Welt, ſondern ihr beſtimmter Grund.
Schon als das Reich der Geſetze iſt ſie mannichfaltiger
Inhalt, und zwar der weſentliche der erſcheinenden
Welt,
[181]Die Erſcheinung.
Welt, und als inhaltsvoller Grund, der beſtimmte
Grund der andern, aber nur dieſem Inhalt nach; denn
die erſcheinende Welt hatte noch mannichfaltigen andern
Inhalte als jenes Reich, weil ihr noch das negative Mo-
ment eigenthuͤmlich zukam. Aber indem das Reich der
Geſetze diß Moment nun gleichfalls an ihm hat, ſo iſt
es die Totalitaͤt des Inhalts der erſcheinenden Welt und
der Grund aller ihrer Mannichfaltigkeit. Aber ſie iſt zu-
gleich das negative derſelben, ſo iſt die derſelben ent-
gegengeſetzte Welt. — Naͤhmlich in der Identitaͤt
beyder Welten, und indem die eine der Form nach be-
ſtimmt iſt, als die weſentliche und die andere als dieſelbe
aber als geſetzte und unweſentliche, hat ſich zwar die
Grundbeziehung wieder hergeſtellt; aber zugleich
als die Grundbeziehung der Erſcheinung,
nemlich als Beziehung nicht eines identiſchen Inhalts,
noch auch eines bloß verſchiedenen, wie das Geſetz iſt,
ſondern als totale Beziehung, oder als negative Identi-
taͤt und weſentliche Beziehung des Inhalts
als entgegengeſetzten. — Das Reich der Geſetze
iſt nicht nur diß, daß das Geſetztſeyn eines Inhalts das
Geſetztſeyn eines andern iſt, ſondern dieſe Identitaͤt iſt
weſentlich, wie ſich ergeben hat, auch negative Einheit;
jede der beyden Seiten des Geſetzes iſt in der negativen
Einheit an ihr ſelbſt ihr anderer Inhalt; das
andere iſt daher nicht unbeſtimmt ein anderes uͤberhaupt,
ſondern es iſt ihr anderes, oder es enthaͤlt gleichfalls
die Inhaltsbeſtimmung von jener; ſo ſind die beyden
Seiten entgegengeſetzte. Indem das Reich der Ge-
ſetze nun diß negative Moment und den Gegenſatz an
ihm hat, und ſich ſomit als die Totalitaͤt, von ſich ſelbſt
in eine an und fuͤr ſich ſeyende und eine erſcheinende
Welt abſtoͤßt, ſo iſt die Identitaͤt beyder die weſentli-
che Beziehung der Entgegenſetzung. — Die
Grundbeziehung als ſolche iſt der in ſeinem Widerſpruch
zu
[182]Zweytes Buch. II.Abſchnitt.
zu Grunde gegangene Gegenſatz; und die Exiſtenz der
mit ſich ſelbſt zuſammengehende Grund. Aber die
Exiſtenz wird zur Erſcheinung; der Grund iſt in der Exi-
ſtenz aufgehoben; er ſtellt ſich als Ruͤkkehr der Erſchei-
nung in ſich, wieder her; aber zugleich als aufgehobener,
nemlich als Grundbeziehung entgegengeſetzter Beſtimmun-
gen; die Identitaͤt ſolcher aber iſt weſentlich Werden und
Uebergehen, nicht mehr die Grundbeziehung als ſolche.
Die an und fuͤr ſich ſeyende Welt iſt alſo ſelbſt eine
in ſich in die Totalitaͤt des mannichfaltigen Inhalts un-
terſchiedene Welt; ſie iſt identiſch mit der erſcheinenden
oder geſetzten, inſofern Grund derſelben, aber ihr iden-
tiſcher Zuſammenhang iſt zugleich als Entgegenſetzung be-
ſtimmt, weil die Form der erſcheinenden Welt die Re-
flexion in ihr Andersſeyn iſt, ſie alſo in der an und fuͤr
ſich ſeyenden Welt wahrhaft ſo in ſich ſelbſt zuruͤkgegan-
gen iſt, als dieſe ihre entgegengeſetzte iſt. Die Bezie-
hung iſt alſo beſtimmt dieſe, daß die an und fuͤr ſich
ſeyende Welt die verkehrte der erſcheinenden iſt.
C.Auf-
[183]Die Erſcheinung.
C.
Aufloͤſung der Erſcheinung.
Die an und fuͤr ſich ſeyende Welt iſt der beſtimm-
te Grund der erſcheinenden Welt, und iſt diß nur, inſo-
fern ſie an ihr ſelbſt das negative Moment und damit die
Totalitaͤt der Inhaltsbeſtimmungen und ihrer Veraͤnde-
rungen iſt, welche der erſcheinenden Welt entſpricht,
aber zugleich ihre durchaus entgegengeſetzte Seite aus-
macht. Beyde Welten verhalten ſich alſo ſo zu einander,
daß was in der erſcheinenden Welt poſitiv, in der an
und fuͤr ſich ſeyenden Welt negativ, umgekehrt was in
jener negativ, in dieſer poſitiv iſt. Der Nordpol in der
erſcheinenden Welt, iſt an und fuͤr ſich der Suͤdpol,
und umgekehrt; die poſitive Electricitaͤt iſt an ſich negative
u. ſ. f. Was im erſcheinenden Daſeyn boͤſe, Ungluͤk u.
ſ. f. iſt, iſt an und fuͤr ſich gut und ein Gluͤck *).
In der That iſt gerade in dieſem Gegenſatz beyder
Welten ihr Unterſchied verſchwunden, und was
an und fuͤr ſich ſeyende Welt ſeyn ſollte, iſt ſelbſt erſchei-
nende Welt, und dieſe umgekehrt an ihr ſelbſt weſentliche
Welt. — Die erſcheinende Welt iſt zunaͤchſt be-
ſtimmt als die Reflexion in das Andersſeyn, ſo daß ihre
Beſtimmungen und Exiſtenzen in einem Andern ihren
Grund und Beſtehen haben; aber indem diß Andre gleich-
falls ein ſolches in ein anderes reflectirtes iſt,
ſo beziehen ſie ſich darin nur auf ein ſich aufhebendes An-
deres, ſomit auf ſich ſelbſt; die erſcheinende Welt iſt
hiemit an ihr ſelbſt ſich ſelbſt gleiches Geſetz. —
Umge-
[184]Zweytes Buch. II.Abſchnitt.
Umgekehrt die an und fuͤr ſich ſeyende Welt iſt zunaͤchſt
der mit ſich identiſche, dem Andersſeyn und Wechſel
entnommene Inhalt; aber dieſer, als vollſtaͤndige Re-
flexion der erſcheinenden Welt in ſich ſelbſt, oder weil ſei-
ne Verſchiedenheit in ſich reflectirter und abſoluter Unter-
ſchied iſt, ſo enthaͤlt er das negative Moment und die
Beziehung auf ſich als auf das Andersſeyn; er wird da-
durch ſich ſelbſt entgegengeſetzter, ſich verkehrender, we-
ſenloſer Inhalt. Ferner hat dieſer Inhalt der an und
fuͤr ſich ſeyenden Welt damit auch die Form unmittel-
barer Exiſtenz erhalten. Denn ſie iſt zunaͤchſt Grund
der erſcheinenden; aber indem ſie die Entgegenſetzung an
ihr ſelbſt hat, iſt ſie eben ſo ſehr aufgehobener Grund
und unmittelbare Exiſtenz.
Die erſcheinende und die weſentliche Welt ſind hie-
mit jede an ihr ſelbſt die Totalitaͤt der mit ſich identiſchen
Reflexion und der Reflexion in-anderes, oder des An-
und-fuͤr-ſich-ſeyns und des Erſcheinens. Sie ſind bey-
de die ſelbſtſtaͤndigen Ganzen der Exiſtenz; die eine ſollte
nur die reflectirte Exiſtenz, die andere die unmittelbare
Exiſtenz ſeyn; aber jede continuirt ſich in ihrer an-
dern und iſt daher an ihr ſelbſt die Identitaͤt dieſer bey-
den Momente. Was alſo vorhanden iſt, iſt dieſe Totali-
taͤt, welche ſich von ſich ſelbſt in zwey Totalitaͤten ab-
ſtoͤßt, die eine die reflectirte Totalitaͤt, und die an-
dere die unmittelbare. Beyde ſind erſtlich Selbſt-
ſtaͤndige, aber ſie ſind diß nur als Totalitaͤten, und diß
ſind ſie inſofern, daß jede weſentlich das Moment der an-
dern an ihr hat. Die unterſchiedene Selbſtſtaͤndigkeit ei-
ner jeden, der als unmittelbar und der als refle-
ctirt beſtimmten, iſt daher nunmehr ſo geſetzt, nur als
weſentliche Beziehung auf die andre zu ſeyn, und ihre
Selbſtſtaͤndigkeit in dieſer Einheit beyder zu haben.
Es wurde vom Geſetz der Erſcheinung ausge-
gangen; dieſes iſt die Identitaͤt eines verſchiedenen Inhalts
mit
[185]Die Erſcheinung.
mit einem andern Inhalte, ſo daß das Geſetztſeyn des
einen das Geſetztſeyn des andern iſt. Im Geſetze iſt
noch dieſer Unterſchied vorhanden, daß die Identitaͤt ſei-
ner Seiten nur erſt eine innere iſt, und dieſe Seiten
ſie noch nicht an ihnen ſelbſt haben; damit iſt einestheils
jene Identitaͤt nicht realiſirt; der Inhalt des Geſetzes iſt
nicht als identiſcher, ſondern ein gleichguͤltiger, verſchie-
dener Inhalt; — anderntheils iſt er damit nur an ſich
ſo beſtimmt, daß das Geſetztſeyn des einen, das Ge-
ſetztſeyn des andern iſt; diß iſt noch nicht an ihm vor-
handen. Nunmehr aber iſt das Geſetz realiſirt;
ſeine innere Identitaͤt iſt zugleich daſeyende, und umge-
kehrt iſt der Inhalt des Geſetzes in die Idealitaͤt erho-
ben; denn er iſt an ihm ſelbſt aufgehobener, in ſich re-
flectirter, indem jede Seite an ihr ihre andere hat, und
damit wahrhaft mit ihr und mit ſich identiſch iſt.
So iſt das Geſetz weſentliches Verhaͤltniß.
Die Wahrheit der unweſentlichen Welt iſt zunaͤchſt eine
ihr andere an und fuͤr ſich ſeyende Welt; aber dieſe
iſt die Totalitaͤt, indem ſie, ſie ſelbſt und jene erſte iſt;
ſo ſind beyde unmittelbare Exiſtenzen und damit Reflexio-
nen in ihr Andersſeyn, als auch eben damit wahrhaft
in ſich reflectirte. Welt druͤckt uͤberhaupt die formloſe
Totalitaͤt der Mannichfaltigkeit aus; dieſe Welt, ſowohl
als weſentliche wie als erſcheinende iſt zu Grunde ge-
gangen, indem die Mannichfaltigkeit aufgehoͤrt hat, eine
bloß verſchiedene zu ſeyn; ſo iſt ſie noch Totalitaͤt oder
Univerſum aber als weſentliches Verhaͤltniß.
Es ſind zwey Totalitaͤten des Inhalts in der Erſcheinung
entſtanden; zunaͤchſt ſind ſie als gleichguͤltige Selbſtſtaͤn-
dige gegen einander beſtimmt und haben zwar die Form
jede an ihr ſelbſt, aber nicht gegen einander; dieſe aber
hat ſich auch als ihre Beziehung gezeigt, und das weſent-
liche Verhaͤltniß iſt die Vollendung ihrer Formeinheit.
Drit-
[186]Zweytes Buch. II.Abſchnitt.
Drittes Kapitel.
Das weſentliche Verhaͤltniß.
Die Wahrheit der Erſcheinung iſt das weſentli-
che Verhaͤltniß. Sein Inhalt hat unmittelbare
Selbſtſtaͤndigkeit, und zwar die ſeyende Unmittelbar-
keit, und die reflectirte Unmittelbarkeit oder die mit
ſich identiſche Reflexion. Zugleich iſt er in dieſer Selbſt-
ſtaͤndigkeit ein relativer, ſchlechthin nur als Reflexion in
ſein anderes, oder als Einheit der Beziehung mit ſeinem
andern. In dieſer Einheit iſt der ſelbſtſtaͤndige Inhalt
ein geſetztes, aufgehobenes; aber eben dieſe Einheit
macht ſeine Weſentlichkeit und Selbſtſtaͤndigkeit aus; die-
ſe Reflexion in anderes iſt Reflexion in ſich ſelbſt. Das
Verhaͤltniß hat Seiten, weil es Reflexion in anderes iſt;
ſo hat es den Unterſchied ſeiner ſelbſt an ihm; und die
Seiten deſſelben ſind ſelbſtſtaͤndiges Beſtehen, indem ſie
in ihrer gleichguͤltigen Verſchiedenheit gegen einander, in
ſich ſelbſt gebrochen ſind, ſo daß das Beſtehen einer je-
den, eben ſo ſehr nur ſeine Bedeutung in der Beziehung
auf die andere oder in ihrer negativen Einheit hat.
Das weſentliche Verhaͤltniß iſt daher zwar noch
nicht das wahrhafte dritte zum Weſen und zur
Exiſtenz; aber enthaͤlt bereits die beſtimmte Vereini-
gung beyder. Das Weſen iſt in ihm ſo realiſirt, daß
es ſelbſtſtaͤndig-exiſtirende zu ſeinem Beſtehen hat; und
dieſe ſind aus ihrer Gleichguͤltigkeit in ihre weſentliche
Einheit zuruͤkgegangen, ſo daß ſie nur dieſe zu ihrem Be-
ſtehen haben. Die Reflexionsbeſtimmungen des Poſitiven
und Negativen ſind gleichfalls in ſich reflectirte nur als
reflectirt
[187]Die Erſcheinung.
reflectirt in ihr Entgegengeſetztes; aber ſie haben keine
andere Beſtimmung als dieſe ihre negative Einheit; das
weſentliche Verhaͤltniß hingegen hat ſolche zu ſeinen Sei-
ten, welche als ſelbſtſtaͤndige Totalitaͤten geſetzt ſind.
Es iſt dieſelbe Entgegenſetzung als die des Poſitiven und
Negativen; aber zugleich als eine verkehrte Welt. Die
Seite des weſentlichen Verhaͤltniſſes iſt eine Totalitaͤt,
die aber als weſentlich ein entgegengeſetztes, ein Jen-
ſeits ſeiner hat; es iſt nur Erſcheinung; ſeine Exiſtenz
iſt vielmehr nicht die ſeinige, ſondern die ſeines andern.
Es iſt daher ein in ſich ſelbſt gebrochenes; aber dieß ſein
Aufgehobenſeyn beſteht darin, daß es die Einheit ſeiner
ſelbſt und ſeines andern alſo Ganzes iſt, und eben darum
hat es ſelbſtſtaͤndige Exiſtenz und iſt weſentliche Reflexion
in ſich.
Diß iſt der Begriff des Verhaͤltniſſes. Zunaͤchſt
aber iſt die Identitaͤt, die es enthaͤlt, noch nicht vollkom-
men; die Totalitaͤt, welche jedes relative an ihm ſelbſt
iſt, iſt erſt ein inneres; die Seite des Verhaͤltniſſes iſt
zunaͤchſt geſetzt in einer der Beſtimmungen der negati-
ven Einheit; die eigene Selbſtſtaͤndigkeit jeder der bey-
den Seiten iſt dasjenige, was die Form des Verhaͤltniſ-
ſes ausmacht. Seine Identitaͤt iſt daher nur eine Be-
ziehung, auſſerhalb welcher ihre Selbſtſtaͤndigkeit faͤllt;
nemlich in die Seiten; es iſt noch nicht die reflectirte Einheit
jener Identitaͤt und der ſelbſtſtaͤndigen Exiſtenzen vor-
handen, noch nicht die Subſtanz. — Der Begriff des
Verhaͤltniſſes hat ſich daher zwar ergeben, Einheit der
reflectirten und der unmittelbaren Selbſtſtaͤndigkeit zu
ſeyn. Aber zuerſt iſt dieſer Begriff ſelbſt noch un-
mittelbar, ſeine Momente daher unmittelbare gegen
einander, und die Einheit deren weſentliche Beziehung,
die erſt dann die wahrhafte, dem Begriffe entſprechende
Einheit iſt, inſofern ſie ſich realiſirt, nemlich durch ihre
Bewegung als jene Einheit geſetzt hat.
Das
[188]Zweytes Buch. II.Abſchnitt.
Das weſentliche Verhaͤltniß iſt daher unmittelbar
das Verhaͤltniß des Ganzen und der Theile; — die
Beziehung der reflectirten und der unmittelbaren Selbſt-
ſtaͤndigkeit, ſo daß beyde zugleich nur ſind als ſich gegen-
ſeitig bedingend und vorausſetzend.
In dieſem Verhaͤltniſſe iſt noch keine der Seiten
als Moment der andern geſetzt, ihre Identitaͤt iſt daher
ſelbſt eine Seite; oder ſie iſt nicht ihre negative Einheit.
Es geht darum zweytens darein uͤber, daß die eine
Moment der andern und in ihr als in ihrem Grunde,
dem wahrhaft Selbſtſtaͤndigen von beyden, iſt; — Ver-
haͤltniß der Kraft und ihrer Aeuſſerung.
Drittens hebt ſich die noch vorhandene Ungleich-
heit dieſer Beziehung auf, und das letzte Verhaͤltniß iſt
das des Innern und Aeuſſern. — In dieſem ganz
formell gewordenen Unterſchiede geht das Verhaͤltniß
ſelbſt zu Grunde, und die Subſtanz oder das Wirk-
liche tritt hervor, als die abſolute Einheit der un-
mittelbaren und der reflectirten Exiſtenz.
A. Das
[189]Die Erſcheinung.
A.
Das Verhaͤltniß des Ganzen und der Theile.
Das weſentliche Verhaͤltniß enthaͤlt erſtens die
in ſich reflectirte Selbſtſtaͤndigkeit der Exiſtenz; ſo
iſt es die einfache Form, deren Beſtimmungen zwar
auch Exiſtenzen, aber zugleich geſetzte, Momente in der
Einheit gehalten, ſind. Dieſe in ſich reflectirte Selbſt-
ſtaͤndigkeit iſt zugleich Reflexion in ihr Entgegengeſetztes,
nemlich die unmittelbare Selbſtſtaͤndigkeit; und ihr
Beſtehen iſt weſentlich eben ſo ſehr als es eigene Selbſt-
ſtaͤndigkeit iſt, dieſe Identitaͤt mit ſeinem Entgegengeſetz-
ten. — Eben damit iſt auch unmittelbar zweytens
die andre Seite geſetzt; die unmittelbare Selbſtſtaͤndig-
keit, welche als das Andre beſtimmt, eine vielfache
Mannichfaltigkeit in ſich iſt, aber ſo daß dieſe Mannich-
faltigkeit weſentlich auch die Beziehung der andern Sei-
te, die Einheit der reflectirten Selbſtſtaͤndigkeit an ihr
hat. Jene Seite, das Ganze, iſt die Selbſtſtaͤndig-
keit, welche die an und fuͤr ſich ſeyende Welt ausmachte;
die andere Seite, die Theile, iſt die unmittelbare
Exiſtenz, welche die erſcheinende Welt war. Im Ver-
haͤltniſſe des Ganzen und der Theile ſind die beyden Sei-
ten dieſe Selbſtſtaͤndigkeiten, aber ſo daß jede die andere
in ihr ſcheinen hat, und nur iſt zugleich als dieſe Iden-
titaͤt beyder. Weil nun das weſentliche Verhaͤltniß nur
erſt das erſte, unmittelbare iſt, ſo iſt die negative Ein-
heit und die poſitive Selbſtſtaͤndigkeit durch das Auch
verbunden; beyde Seiten ſind zwar als Momente ge-
ſetzt, aber eben ſo ſehr als exiſtirende Selbſtſtaͤn-
digkeiten. — Daß beyde als Momente geſetzt ſind,
diß
[190]Zweytes Buch. II.Abſchnitt.
diß iſt daher ſo vertheilt, daß erſtens das Ganze, die
reflectirte Selbſtſtaͤndigkeit, als exiſtirendes und in ihr
die andere, die unmittelbare als Moment iſt; — hier
macht das Ganze die Einheit beyder Seiten, die
Grundlage aus, und die unmittelbare Exiſtenz iſt als
Geſetztſeyn. — Umgekehrt iſt auf der andern Seite,
nemlich der Seite der Theile, die unmittelbare, in ſich
mannichfaltige Exiſtenz, die ſelbſtſtaͤndige Grundlage; die
reflectirte Einheit dagegen, das Ganze iſt nur aͤuſſerliche
Beziehung.
2. Diß Verhaͤltniß enthaͤlt ſomit die Selbſtſtaͤndig-
keit der Seiten, und eben ſo ſehr ihr Aufgehobenſeyn,
und beydes ſchlechthin in Einer Beziehung. Das Ganze
iſt das Selbſtſtaͤndige, die Theile ſind nur Momente die-
ſer Einheit; aber eben ſo ſehr ſind ſie auch das Selbſt-
ſtaͤndige, und ihre reflectirte Einheit nur ein Moment;
und jedes iſt in ſeiner Selbſtſtaͤndigkeit ſchlechthin
das Relative eines andern. Diß Verhaͤltniß iſt da-
her der unmittelbare Widerſpruch an ihm ſelbſt, und
hebt ſich auf.
Diß naͤher betrachtet, ſo iſt das Ganze die re-
flectirte Einheit, welche ſelbſtſtaͤndiges Beſtehen fuͤr ſich
hat; aber diß ihr Beſtehen iſt eben ſo ſehr von ihr abge-
ſtoſſen; das Ganze iſt als die negative Einheit, negative
Beziehung auf ſich ſelbſt; ſo iſt ſie ſich entaͤuſſert; ſie hat
ihr Beſtehen an ihrem Entgegengeſetzten, der man-
nichfaltigen Unmittelbarkeit, den Theilen. Das
Ganze beſteht daher aus den Theilen; ſo daß
es nicht etwas iſt ohne ſie. Es iſt alſo das ganze Ver-
haͤltniß und die ſelbſtſtaͤndige Totalitaͤt; aber gerade aus
demſelben Grunde iſt es nur ein relatives, denn was es
zur Totalitaͤt macht, iſt vielmehr ſein Anderes, die
Theile; und es hat nicht an ſich ſelbſt, ſondern an ſei-
nem Andern ſein Beſtehen.
So
[191]Die Erſcheinung.
So ſind die Theile gleichfalls das ganze Verhaͤlt-
niß. Sie ſind die unmittelbare Selbſtſtaͤndigkeit gegen
die reflectirte, und beſtehen nicht im Ganzen, ſondern
ſind fuͤr ſich. Sie haben ferner diß Ganze als ihr Mo-
ment an ihnen; es macht ihre Beziehung aus; ohne
Ganzes gibt es keine Theile. Aber weil ſie das Selbſt-
ſtaͤndige ſind, ſo iſt dieſe Beziehung nur ein aͤuſſerliches
Moment, gegen welches ſie an und fuͤr ſich gleichguͤltig
ſind. Zugleich aber fallen die Theile als mannichfaltige
Exiſtenz in ſich ſelbſt zuſammen, denn dieſe iſt das re-
flexionsloſe Seyn; ſie haben ihre Selbſtſtaͤndigkeit nur
in der reflectirten Einheit, welche ſowohl dieſe Einheit
als auch die exiſtirende Mannichfaltigkeit iſt; das heißt,
ſie haben Selbſtſtaͤndigkeit nur im Ganzen, das aber
zugleich die den Theilen andere Selbſtſtaͤndigkeit iſt.
Das Ganze und die Theile bedingen ſich daher
gegenſeitig; aber das hier betrachtete Verhaͤltniß, ſteht
zugleich hoͤher, als die Beziehung des Bedingten
und der Bedingung auf einander, wie ſie ſich oben
beſtimmt hatte. Dieſe Beziehung iſt hier realiſirt;
nemlich es iſt geſetzt, daß die Bedingung ſo die we-
ſentliche Selbſtſtaͤndigkeit des Bedingten iſt, daß ſie durch
dieſes vorausgeſetzt wird. Die Bedingung als ſol-
che iſt nur das Unmittelbare, und nur an ſich vor-
ausgeſetzt. Das Ganze aber iſt die Bedingung zwar
der Theile, aber es enthaͤlt zugleich unmittelbar ſelbſt,
daß auch es nur iſt, inſofern es die Theile zur Voraus-
ſetzung hat. Indem ſo beyde Seiten des Verhaͤltniſſes
geſetzt ſind als ſich gegenſeitig bedingend, iſt jede eine
unmittelbare Selbſtſtaͤndigkeit an ihr ſelbſt, aber ihre
Selbſtſtaͤndigkeit iſt eben ſo ſehr vermittelt oder geſetzt
durch die andere. Das ganze Verhaͤltniß iſt durch
dieſe Gegenſeitigkeit die Ruͤkkehr des Bedingens in ſich
ſelbſt, das nicht relative, das Unbedingte.
Indem
[192]Zweytes Buch. II.Abſchnitt.
Indem nun die Seiten des Verhaͤltniſſes jede nicht
in ihr ſelbſt ihre Selbſtſtaͤndigkeit, ſondern in ihrer an-
dern hat, ſo iſt nur Eine Identitaͤt beyder vorhanden,
in welcher beyde nur Momente ſind; aber indem jede an
ihr ſelbſt ſelbſtſtaͤndig iſt, ſo ſind ſie zwey ſelbſtſtaͤndige
Exiſtenzen, die gegen einander gleichguͤltig ſind.
Nach der erſten Ruͤkſicht, der weſentlichen Identi-
taͤt dieſer Seiten, iſt das Ganze den Theilen
und die Theile dem Ganzen gleich. Es iſt
nichts im Ganzen, was nicht in den Theilen, und nichts
in den Theilen, was nicht im Ganzen iſt. Das Ganze
iſt nicht abſtracte Einheit, ſondern die Einheit als einer
verſchiedenen Mannichfaltigkeit; dieſe Einheit
aber als das, worin das Mannichfaltige ſich auf
einander bezieht, iſt die Beſtimmtheit deſſelben, wo-
durch es Theil iſt. Das Verhaͤltniß hat alſo eine un-
trennbare Identitaͤt, und nur Eine Selbſtſtaͤndigkeit.
Aber ferner iſt das Ganze den Theilen gleich; al-
lein nicht denſelben als Theilen; das Ganze iſt die
reflectirte Einheit, die Theile aber machen das beſtimm-
te Moment oder das Andersſeyn der Einheit aus,
und ſind das verſchiedene Mannichfaltige. Das Ganze
iſt ihnen nicht gleich als dieſem ſelbſtſtaͤndigen Verſchie-
denen, ſondern als ihnen zuſammen. Diß ihr Zu-
ſammen aber iſt nichts anderes, als ihre Einheit, das
Ganze als ſolches. Das Ganze iſt alſo in den Theilen
nur ſich ſelbſt gleich, und die Gleichheit deſſelben und
der Theile druͤkt nur die Tavtologie aus, daß das
Ganze als Ganzes nicht den Theilen, ſondern dem
Ganzen gleich iſt.
Umgekehrt ſind die Theile dem Ganzen gleich; aber
weil ſie das Moment des Andersſeyns an ihnen ſelbſt
ſind,
[193]Die Erſcheinung.
ſind, ſo ſind ſie ihm nicht gleich als der Einheit, ſondern
ſo daß eine ſeiner mannichfaltigen Beſtimmungen auf
den Theil kommt, oder daß ſie ihm als mannichfal-
tigem gleich ſind; das heißt, ſie ſind ihm als ge-
theiltem Ganzen d. i. als den Theilen gleich.
Es iſt hiemit dieſelbe Tavtologie vorhanden, daß die
Theile als Theile, nicht dem Ganzen als ſol-
chem, ſondern in ihm ſich ſelbſt, den Theilen,
gleich ſind.
Das Ganze und die Theile fallen auf dieſe Weiſe
gleichguͤltig aus einander; jede dieſer Seiten bezieht ſich
nur auf ſich. Aber ſo aus einander gehalten zerſtoͤren ſie
ſich ſelbſt. Das Ganze, das gleichguͤltig iſt gegen die
Theile, iſt die abſtracte, in ſich nicht unterſchiedene
Identitaͤt; dieſe iſt Ganzes nur als in ſich ſelbſt
unterſchieden, und zwar ſo in ſich unterſchieden,
daß dieſe mannichfaltigen Beſtimmungen in ſich reflectirt
ſind und unmittelbare Selbſtſtaͤndigkeit haben. Und die
Reflexions-Identitaͤt hat ſich durch ihre Bewegung ge-
zeigt, dieſe Reflexion in ihr Anderes zu ihrer
Wahrheit zu haben. — Eben ſo ſind die Theile als
gleichguͤltig gegen die Einheit des Ganzen, nur das un-
bezogene Mannichfaltige, das in ſich Andre, wel-
ches als ſolches das Andre ſeiner ſelbſt und ſich nur auf-
hebende iſt. — Dieſe Beziehung-auf-ſich jeder der bey-
den Seiten, iſt ihre Selbſtſtaͤndigkeit; aber dieſe ihre
Selbſtſtaͤndigkeit, die jede fuͤr ſich hat, iſt vielmehr die
Negation ihrer ſelbſt. Jede hat daher ihre Selbſtſtaͤndig-
keit nicht an ihr ſelbſt, ſondern an der andern; dieſe an-
dere, die das Beſtehen ausmacht, iſt ihr vorausgeſetztes
Unmittelbare, das Erſtes und ihr Anfang ſeyn ſoll;
aber dieſes Erſte einer jeder iſt ſelbſt nur ein ſolches, das
nicht Erſtes iſt, ſondern an dem andern ſeinen Anfang
hat.
NDie
[194]Zweytes Buch. II.Abſchnitt.
Die Wahrheit des Verhaͤltniſſes beſteht alſo in
der Vermittlung; ſein Weſen iſt die negative Ein-
heit, in welcher eben ſo wohl die reflectirte als die ſeyen-
de Unmittelbarkeit aufgehoben ſind. Das Verhaͤltniß iſt
der Widerſpruch, der in ſeinen Grund zuruͤkgeht, in die
Einheit, welche als ruͤkkehrend die reflectirte Einheit iſt,
aber indem dieſe eben ſo ſehr ſich als aufgehobene geſetzt
hat, bezieht ſie ſich negativ auf ſich ſelbſt, hebt ſich auf,
und macht ſich zur ſeyenden Unmittelbarkeit. Aber dieſe
ihre negative Beziehung, inſofern ſie ein erſtes und
unmittelbares iſt, iſt nur vermittelt durch ihr anderes,
und eben ſo ſehr ein geſetztes. Diß andere, die ſeyende
Unmittelbarkeit iſt eben ſo ſehr nur als aufgehobene; ih-
re Selbſtſtaͤndigkeit iſt ein erſtes, aber nur um zu ver-
ſchwinden, und hat ein Daſeyn, das geſetzt und vermit-
telt iſt.
In dieſer Beſtimmung iſt das Verhaͤltniß nicht
mehr das des Ganzen und der Theile; die Unmit-
telbarkeit, welche ſeine Seiten hatten, iſt in Geſetztſeyn
und Vermittlung uͤbergegangen; es iſt jede geſetzt, inſo-
fern ſie unmittelbar iſt, als ſich aufhebend, und in die
andere uͤbergehend; und inſofern ſie ſelbſt negative Be-
ziehung iſt, zugleich durch die andere als durch ihr po-
ſitives bedingt zu ſeyn; wie auch ihr unmittelbares Ueber-
gehen eben ſo ſehr ein Vermitteltes iſt, ein Aufheben
nemlich, das durch die andere geſetzt wird. — So iſt
das Verhaͤltniß des Ganzen und der Theile in das Ver-
haͤltniß der Kraft und ihrer Aeuſſerung uͤber-
gegangen.
Es iſt oben (I. Abth. S. 139. ff.) die Antino-
mie der unendlichen Theilbarkeit der Mate-
rie,
[195]Die Erſcheinung.
rie, beym Begriffe der Quantitaͤt betrachtet worden.
Die Quantitaͤt iſt die Einheit der Continuitaͤt und der
Diſcretion; ſie enthaͤlt im ſelbſtſtaͤndigen Eins ſein
Zuſammengefloſſenſeyn mit andern, und in dieſer
ſich ohne Unterbrechung fortſetzenden Identitaͤt
mit ſich eben ſo die Negation derſelben. Indem
die unmittelbare Beziehung dieſer Momente der Quanti-
taͤt, als das weſentliche Verhaͤltniß des Ganzen und der
Theile, des Eins der Quantitaͤt als Theil, die Con-
tinuitaͤt deſſelben aber als Ganzes, das zuſammen-
geſetzt iſt aus Theilen, ausgedruͤkt wird, ſo beſteht die
Antinomie in dem Widerſpruche, der am Verhaͤltniſſe des
Ganzen und der Theile, vorgekommen und aufgeloͤst
worden iſt. — Ganzes und Theile ſind nemlich eben ſo
weſentlich auf einander bezogen und machen nur Eine
Identitaͤt aus, als ſie gleichguͤltig gegen einander ſind
und ſelbſtſtaͤndiges Beſtehen haben. Das Verhaͤltniß iſt
daher dieſe Antinomie, daß das Eine Moment, darin
daß es ſich vom andern befreyt, unmittelbar das andere
herbeyfuͤhrt.
Das Exiſtirende alſo als Ganzes beſtimmt, ſo hat
es Theile, und die Theile machen ſein Beſtehen aus;
die Einheit des Ganzen iſt nur eine geſetzte Beziehung,
eine aͤuſſere Zuſammenſetzung, welche das ſelbſt-
ſtaͤndig Exiſtirende nichts angeht. Inſofern dieſes nun
Theil iſt, ſo iſt es nicht Ganzes, nicht zuſammengeſetz-
tes, ſomit einfaches. Aber indem ihm die Beziehung
auf ein Ganzes aͤuſſerlich iſt, ſo geht ſie daſſelbe nichts
an; das Selbſtſtaͤndige iſt ſomit auch nicht an ſich Theil;
denn Theil iſt es nur durch jene Beziehung. Aber in-
dem es nun nicht Theil iſt, ſo iſt es Ganzes, denn es
iſt nur diß Verhaͤltniß von Ganzem und von Theilen vor-
handen; und das Selbſtſtaͤndige iſt eins von beyden.
Indem es aber Ganzes iſt, ſo iſt es wieder zuſammen-
N 2geſetzt;
[196]Zweytes Buch. II.Abſchnitt.
geſetzt; es beſteht wieder aus Theilen und ſo fort
ins Unendliche. — Dieſe Unendlichkeit beſteht in
nichts anderem als in der perennirenden Abwechslung der
beyden Beſtimmungen des Verhaͤltniſſes, in deren jeder
die andere unmittelbar entſteht, ſo daß das Geſetztſeyn
jeder das Verſchwinden ihrer ſelbſt iſt. Die Materie
als Ganzes beſtimmt, ſo beſteht ſie aus Theilen und an
dieſen wird das Ganze zur unweſentlichen Beziehung und
verſchwindet. Der Theil aber ſo fuͤr ſich, iſt er auch
nicht Theil, ſondern das Ganze. — Die Antinomie die-
ſes Schlußes ganz nahe zuſammengeruͤkt, iſt eigentlich
dieſe: Weil das Ganze nicht das Selbſtſtaͤndige iſt, iſt
der Theil das Selbſtſtaͤndige; aber weil er nur ohne
das Ganze ſelbſtſtaͤndig iſt, ſo iſt er ſelbſtſtaͤndig,
nicht als Theil, ſondern vielmehr als Ganzes. Die
Unendlichkeit des Progreſſes, der entſteht, iſt die Unfaͤ-
higkeit, die beyden Gedanken zuſammen zu bringen, wel-
che dieſe Vermittlung enthaͤlt, daß nemlich jede der bey-
den Beſtimmungen durch ihre Selbſtſtaͤndigkeit und Tren-
nung von der andern, in Unſelbſtſtaͤndigkeit und in die
andre uͤbergeht.
B. Das
[197]Die Erſcheinung.
B.
Das Verhaͤltniß der Kraft und ihrer Aeuſſerung.
Die Kraft iſt die negative Einheit, in welche ſich
der Widerſpruch des Ganzen und der Theile aufgeloͤst
hat, die Wahrheit jenes erſten Verhaͤltniſſes. Das
Ganze und die Theile iſt das gedankenloſe Verhaͤltniß,
auf welches die Vorſtellung zunaͤchſt verfaͤllt; oder ob-
jectiv iſt es das todte, mechaniſche Aggregat, das zwar
Formbeſtimmungen hat, wodurch die Mannichfaltigkeit
ſeiner ſelbſtſtaͤndigen Materie in einer Einheit bezogen
wird, welche aber derſelben aͤuſſerlich iſt. — Das Ver-
haͤltniß der Kraft aber iſt die hoͤhere Ruͤkkehr in ſich,
worin die Einheit des Ganzen, welche die Beziehung des
ſelbſtſtaͤndigen Andersſeyns ausmachte, aufhoͤrt, dieſer
Mannichfaltigkeit ein aͤuſſerliches und gleichguͤltiges zu
ſeyn.
Wie ſich das weſentliche Verhaͤltniß nunmehr be-
ſtimmt hat, ſind die unmittelbare und die reflectirte
Selbſtſtaͤndigkeit in derſelben als aufgehobene oder als
Momente geſetzt, die im vorhergehenden Verhaͤltniſſe fuͤr
ſich beſtehende Seiten oder Extreme waren. Es iſt darin
enthalten erſtens, daß die reflectirte Einheit, und ihr
unmittelbares Daſeyn, inſofern beyde erſte und unmittel-
bare ſind, ſich an ſich ſelbſt aufheben und in ihr anderes
uͤbergehen; jene, die Kraft, geht in ihre Aeuſſe-
rung, uͤber, und das Aeuſſerliche iſt ein verſchwinden-
des, das in die Kraft, als in ihren Grund zuruͤkgeht,
und nur iſt, als von derſelben getragen und geſetzt.
Zweytens iſt diß Uebergehen nicht nur ein Werden
und
[198]Zweytes Buch. II.Abſchnitt.
und Verſchwinden, ſondern es iſt negative Beziehung auf
ſich, oder das ſeine Beſtimmung aͤndernde iſt
darin zugleich in ſich reflectirt und erhaͤlt ſich; die Bewe-
gung der Kraft iſt nicht ſo ſehr ein Uebergehen, als
daß ſie ſich ſelbſt uͤber ſetzt, und in dieſer durch ſie
ſelbſt geſetzten Veraͤnderung bleibt, was ſie iſt. —
Drittens iſt dieſe reflectirte, ſich auf ſich bezie-
hende Einheit ſelbſt auch aufgehoben und Moment; ſie iſt
vermittelt durch ihr anderes, und hat daſſelbe zur Be-
dingung; ihre negative Beziehung auf ſich, die erſtes
iſt und die Bewegung ihres Uebergehens aus ſich an-
faͤngt, hat eben ſo ſehr eine Vorausſetzung, von der ſie
ſollicitirt wird, und ein Anderes, von der ſie an-
faͤngt.
Das Bedingtſeyn der Kraft.
In ihren naͤhern Beſtimmungen betrachtet, hat
erſtens die Kraft das Moment der ſeyenden Unmittel-
barkeit an ihr; ſie ſelbſt iſt dagegen beſtimmt als die ne-
gative Einheit. Aber dieſe in der Beſtimmung des un-
mittelbaren Seyns iſt ein exiſtirendes Etwas.
Diß Etwas erſcheint, weil es die negative Einheit als
unmittelbares iſt, als das Erſte, die Kraft dagegen,
weil ſie das reflectirte iſt, als das Geſetztſeyn, und in-
ſofern als angehoͤrig dem exiſtirenden Dinge oder einer
Materie. Nicht daß ſie die Form dieſes Dings und
das Ding durch ſie beſtimmt waͤre; ſondern das Ding
iſt als unmittelbares gleichguͤltig gegen ſie. — Es liegt
in ihm nach dieſer Beſtimmung kein Grund, eine Kraft
zu haben; die Kraft hingegen als die Seite des Geſetzt-
ſeyns hat weſentlich das Ding zu ſeiner Vorausſetzung.
Wenn daher gefragt wird, wie das Ding oder die Ma-
terie dazu komme, eine Kraft zu haben, ſo erſcheint
dieſe
[199]Die Erſcheinung.
dieſe als aͤuſſerlich damit verbunden und dem Dinge
durch eine fremde Gewalt eingedruͤkt.
Als diß unmittelbare Beſtehen iſt die Kraft eine
ruhige Beſtimmtheit des Dings uͤberhaupt;
nicht ein ſich aͤuſſerndes, ſondern unmittelbar ein aͤuſſer-
liches. So wird die Kraft auch als Materie bezeichnet,
und ſtatt magnetiſcher, elektriſcher u. ſ. f. Kraft, eine
magnetiſche, elektriſche u. ſ. f. Materie angenommen;
oder ſtatt der beruͤhmten anziehenden Kraft ein
feiner Aether, der alles zuſammenhalte. — Es ſind die
Materien, in welche ſich die unthaͤtige, kraftloſe negati-
ve Einheit des Dings aufloͤst, und die oben betrachtet
wurden.
Aber die Kraft enthaͤlt die unmittelbare Exiſtenz,
als Moment, als ein ſolches das zwar Bedingung iſt,
aber uͤbergeht und ſich aufhebt; alſo nicht als ein exiſti-
rendes Ding. Sie iſt ferner nicht die Negation als Be-
ſtimmtheit, ſondern negative, ſich in ſich reflectirende
Einheit. Das Ding, an dem die Kraft ſeyn ſollte, hat
ſomit hier keine Bedeutung mehr; ſie ſelbſt iſt vielmehr
Setzen der Aeuſſerlichkeit, welche als Exiſtenz erſcheint.
Sie iſt alſo auch nicht bloß eine beſtimmte Materie; ſol-
che Selbſtſtaͤndigkeit iſt laͤngſt in das Geſetztſeyn und in
die Erſcheinung uͤbergegangen.
Zweytens, die Kraft iſt die Einheit des reflec-
tirten und des unmittelbaren Beſtehens, oder der Form-
einheit und der aͤuſſerlichen Selbſtſtaͤndigkeit. Sie iſt
beydes in Einem; ſie iſt die Beruͤhrung ſolcher, deren
das eine iſt, inſofern das andere nicht iſt; die mit ſich
identiſche poſitive, und die negirte Reflexion. Die Kraft
iſt ſo der ſich von ſich ſelbſt abſtoſſende Widerſpruch; ſie
iſt thaͤtig; oder ſie iſt die ſich auf ſich beziehende ne-
gative
[200]Zweytes Buch.II.Abſchnitt.
gative Einheit, in welcher die reflectirte Unmittelbarkeit
oder das weſentliche Inſichſeyn geſetzt iſt, nur als aufge-
hobenes oder Moment zu ſeyn, ſomit inſofern ſie ſich
von der unmittelbaren Exiſtenz unterſcheidet, in dieſe
uͤberzugehen. Die Kraft alſo als die Beſtimmung der re-
flectirten Einheit des Ganzen iſt geſetzt, als zur exiſtiren-
den aͤuſſerlichen Mannichfaltigkeit aus ſich ſelbſt zu
werden.
Aber drittens iſt die Kraft nur erſt anſich-
ſeyende und unmittelbare Thaͤtigkeit; ſie iſt die reflec-
tirte Einheit, und eben ſo weſentlich die Negation
derſelben; indem ſie von dieſer verſchieden, aber nur
als die Identitaͤt ihrer ſelbſt und ihrer Negation iſt, ſo
iſt ſie auf dieſe, als eine ihr aͤuſſerliche Unmittelbarkeit
weſentlich bezogen und hat dieſelbe zur Vorausſetzung
und Bedingung.
Dieſe Vorausſetzung nun iſt nicht ein ihr gegenuͤber
ſich befindliches Ding; dieſe gleichguͤltige Selbſtſtaͤndig-
keit iſt in der Kraft aufgehoben; als ihre Bedingung iſt
es ein ihr anderes Selbſtſtaͤndiges. Weil es
aber nicht Ding iſt, ſondern die ſelbſtſtaͤndige Unmittel-
barkeit hier ſich zugleich als ſich auf ſich ſelbſt beziehende
negative Einheit beſtimmt hat, ſo iſt es ſelbſt
Kraft. — Die Thaͤtigkeit der Kraft iſt durch ſich ſelbſt
als durch das ſich Andere, durch eine Kraft bedingt.
Die Kraft iſt auf dieſe Weiſe Verhaͤltniß, in wel-
chem jede Seite daſſelbe iſt als die andere. Es ſind
Kraͤfte, die im Verhaͤltniſſe ſtehen, und zwar weſentlich
ſich auf einander beziehen. — Sie ſind ferner zunaͤchſt
nur verſchiedene uͤberhaupt; die Einheit ihres Verhaͤlt-
niſſes iſt nur erſt die innre an ſich ſeyende Ein-
heit. Das Bedingtſeyn durch eine andre Kraft iſt ſo an
ſich
[201]Die Erſcheinung.
ſich das Thun der Kraft ſelbſt; oder ſie iſt inſofern erſt
voraus ſetzendes, ſich nur negativ auf ſich beziehen-
des thun; dieſe andere Kraft liegt noch jenſeits ihrer
ſetzenden Thaͤtigkeit, nemlich der in ihrem Beſtimmen
unmittelbar in ſich zuruͤkkehrenden Reflexion.
Die Sollicitation der Kraft.
Die Kraft iſt bedingt, weil das Moment der un-
mittelbaren Exiſtenz, das ſie enthaͤlt, nur als ein ge-
ſetztes, — aber weil es zugleich unmittelbares iſt, ein
vorausgeſetztes iſt, in welchem die Kraft ſich ſelbſt
negirt. Die fuͤr die Kraft vorhandene Aeuſſerlichkeit iſt
daher ihre eigene vorausſetzende Thaͤtigkeit
ſelbſt, welche zunaͤchſt als eine andre Kraft geſetzt
iſt.
Dieſes Vorausſetzen iſt ferner gegenſeitig. Je-
de der beyden Kraͤfte enthaͤlt die in ſich reflectirte Ein-
heit als aufgehoben, und iſt daher vorausſetzend; ſie ſetzt
ſich ſelbſt als aͤuſſerlich; diß Moment der Aeuſſerlichkeit
iſt ihr eigenes; aber weil ſie eben ſo ſehr in ſich re-
flectirte Einheit iſt, ſetzt ſie zugleich dieſe ihre Aeuſſerlich-
keit nicht in ihr ſelbſt, ſondern als eine andre
Kraft.
Aber das Aeuſſerliche als ſolches iſt das ſich ſelbſt
aufhebende; ferner die ſich in ſich reflectirende Thaͤtigkeit
iſt weſentlich bezogen auf jenes Aeuſſerliche als auf das
ihr andre, aber eben ſo ſehr als auf ein an ſich nich-
tiges und mit ihr identiſches. Da die voraus-
ſetzende Thaͤtigkeit eben ſo ſehr Reflexion in ſich iſt, iſt
ſie das Aufheben jener ihrer Negation, und ſetzt dieſelbe
als ſich ſelbſt oder als ihr Aeuſſerliches. So iſt die
Kraft
[202]Zweytes Buch.II.Abſchnitt.
Kraft als bedingend, gegenſeitig ein Anſtoß fuͤr die
andre Kraft, gegen den ſie thaͤtig iſt. Ihr Verhalten
iſt nicht die Paſſivitaͤt des Beſtimmtwerdens, ſo daß da-
durch etwas anderes in ſie kaͤme; ſondern der Anſtoß
ſollicitirt ſie nur. Sie iſt an ihr ſelbſt die Negati-
vitaͤt ihrer, das Abſtoſſen ihrer von ſich iſt ihr eigenes
Setzen. Ihr Thun beſteht alſo darin, diß aufzuheben,
daß jener Anſtoß ein aͤuſſerliches ſey; ſie macht es zu ei-
nem bloßen Anſtoß und ſetzt es als das eigne Abſtoſſen
ihrer ſelbſt von ſich, als ihre eigne Aeuſſerung.
Die ſich aͤuſſernde Kraft iſt alſo daſſelbe, was zu-
erſt nur die vorausſetzende Thaͤtigkeit war; nemlich ſich
aͤuſſerlich machend; aber die Kraft als ſich aͤuſſernd iſt
zugleich die Aeuſſerlichkeit negirende und ſie als das ih-
rige ſetzende Thaͤtigkeit. Inſofern nun in dieſer Be-
trachtung von der Kraft angefangen wird, als ſie die
negative Einheit ihrer ſelbſt und damit vorausſetzende
Reflexion iſt, ſo iſt es daſſelbe, als wenn in der Aeuſſe-
rung der Kraft vom ſollicitirenden Anſtoſſe angefangen
wird. Die Kraft iſt ſo in ihrem Begriffe zuerſt
beſtimmt als ſich aufhebende Identitaͤt, und in ihrer
Realitaͤt, die eine der beyden Kraͤfte als ſollicitirend
und die andere als ſollicitirt-werdend. Aber der Begriff
der Kraft iſt uͤberhaupt die Identitaͤt der ſetzenden und
vorausſetzenden Reflexion oder der reflectirten und der
unmittelbaren Einheit, und jede dieſer Beſtimmungen
ſchlechthin nur Moment, in Einheit, und ſomit als ver-
mittelt durch die andre. Aber eben ſo iſt keine Beſtim-
mung an den beyden in Wechſelbeziehung ſtehenden Kraͤf-
ten vorhanden, welche die ſollicitirende oder die ſollicitirt
werdende ſey, oder vielmehr jeder kommen auf gleiche
Weiſe beyde Formbeſtimmungen zu. Aber dieſe Identi-
taͤt iſt nicht nur eine aͤuſſerliche der Vergleichung, ſon-
dern eine weſentliche Einheit derſelben.
Die
[203]Die Erſcheinung.
Die eine Kraft nemlich iſt zunaͤchſt beſtimmt als
ſollicitirende, und die andere als ſollicitirt-
werdende; dieſe Formbeſtimmungen erſcheinen auf die-
ſe Weiſe als unmittelbare, an ſich vorhandene Unter-
ſchiede der beyden Kraͤfte. Aber ſie ſind weſentlich ver-
mittelt. Die eine Kraft wird ſollicitirt; dieſer Anſtoß iſt
eine in ſie von auſſen geſetzte Beſtimmung. Aber die
Kraft iſt ſelbſt das vorausſetzende; ſie iſt weſentlich ſich
in ſich reflectirend und es aufhebend, daß der Anſtoß ein
aͤuſſerliches ſey. Daß ſie ſollicitirt wird, iſt daher ihr
eigenes Thun, oder es iſt durch ſie ſelbſt beſtimmt, daß
die andere Kraft eine andere uͤberhaupt und die ſolliciti-
rende iſt. Die ſollicitirende bezieht ſich auf ihre andere
negativ, ſo daß ſie die Aeuſſerlichkeit derſelben aufhebt,
ſie iſt inſofern ſetzend; aber ſie iſt diß nur durch die Vor-
ausſetzung, ſich eine andere gegenuͤber zu haben; das
iſt, ſie iſt ſollicitirend ſelbſt nur, inſofern ſie eine Aeuſ-
ſerlichkeit an ihr hat, ſomit inſofern ſie ſollicitirt wird.
Oder ſie iſt ſollicitirend nur inſofern als ſie dazu ſollici-
tirt wird, ſollicitirend zu ſeyn. Somit wird umgekehrt
die erſte ſollicitirt, nur inſofern als ſie ſelbſt die andere da-
zu ſollicitirt, ſie, nemlich die erſtere zu ſollicitiren. Jede
von beyden erhaͤlt alſo den Anſtoß von der andern; aber
der Anſtoß, den ſie als thaͤtige gibt, beſteht darin, daß
ſie von der andern einen Anſtoß erhalte; der Anſtoß, den
ſie erhaͤlt, iſt von ihr ſelbſt ſollicitirt. Beydes, der ge-
gebene und der empfangene Anſtoß, oder die thaͤtige
Aeuſſerung und die paſſive Aeuſſerlichkeit iſt daher nicht
ein unmittelbares, ſondern vermittelt, und zwar iſt jede
der beyden Kraͤfte hiemit ſelbſt die Beſtimmtheit, welche
die andere gegen ſie hat, iſt vermittelt durch die andere,
und diß vermittelnde Andre iſt wieder ihr eigenes beſtim-
mendes Setzen.
So iſt alſo diß, daß auf die Kraft ein Anſtoß durch
eine andere Kraft geſchieht, daß ſie ſich inſofern paſſiv
verhaͤlt,
[204]Zweytes Buch.II.Abſchnitt.
verhaͤlt, aber hinwieder von dieſer Paſſivitaͤt in die Acti-
vitaͤt uͤbergeht, — der Ruͤkgang der Kraft in ſie ſelbſt.
Sie aͤuſſert ſich. Die Aeuſſerung iſt Reaction in dem
Sinne, daß ſie die Aeuſſerlichkeit als ihr eigenes Moment
ſetzt, und ſomit es aufhebt, daß ſie durch eine andere
Kraft ſollicitirt worden ſey. Beydes iſt daher eines,
die Aeuſſerung der Kraft, wodurch ſie ſich durch ihre ne-
gative Thaͤtigkeit auf ſich ſelbſt ein Daſeyn-fuͤr-anderes
gibt, und die unendliche Ruͤkkehr in dieſer Aeuſſerlichkeit
auf ſich ſelbſt, ſo daß ſie darin ſich nur auf ſich bezieht.
Die vorausſetzende Reflexion, welcher das Bedingtſeyn
und der Anſtoß angehoͤrt, iſt daher unmittelbar auch die
in ſich zuruͤkkehrende Reflexion, und die Thaͤtigkeit iſt
weſentlich reagirende, gegen ſich. Das Setzen des
Anſtoſſes oder Aeuſſerlichen iſt ſelbſt das Aufheben deſſel-
ben, und umgekehrt iſt das Aufheben des Anſtoſſes das
Setzen der Aeuſſerlichkeit.
Die Unendlichkeit der Kraft.
Die Kraft iſt endlich, inſofern ihre Momente
noch die Form der Unmittelbarkeit haben; ihre voraus-
ſetzende und ihre ſich auf ſich beziehende Reflexion ſind in
dieſer Beſtimmung unterſchieden; jene erſcheint als eine
fuͤr ſich beſtehende aͤuſſerliche Kraft, und die andere in
der Beziehung auf ſie als paſſiv. Die Kraft iſt ſo der
Form nach bedingt, und dem Inhalte nach gleichfalls be-
ſchraͤnkt; denn eine Beſtimmtheit der Form nach enthaͤlt
auch eine Beſchraͤnkung des Inhalts. Aber die Thaͤtig-
keit der Kraft beſteht darin ſich zu aͤuſſern; das heißt,
wie ſich ergeben hat, die Aeuſſerlichkeit aufzuheben und
ſie als das zu beſtimmen, worin ſie identiſch mit ſich iſt.
Was alſo die Kraft in Wahrheit aͤuſſert, iſt diß, daß
ihre
[205]Die Erſcheinung.
ihre Beziehung auf anderes ihre Beziehung auf ſich ſelbſt
iſt, daß ihre Paſſivitaͤt in ihrer Activitaͤt ſelbſt beſteht.
Der Anſtoß, wodurch ſie zur Thaͤtigkeit ſollicitirt wird,
iſt ihr eigenes Sollicitiren; die Aeuſſerlichkeit, welche an
ſie kommt, iſt kein unmittelbares, ſondern ein durch ſie
vermitteltes; ſo wie ihre eigene weſentliche Identitaͤt mit
ſich, nicht unmittelbar, ſondern durch ihre Negation
vermittelt iſt; oder die Kraft aͤuſſert diß, daß ihre
Aeuſſerlichkeit identiſch iſt mit ihrer In-
nerlichkeit.
C.
Verhaͤltniß des Aeuſſern und Innern.
1. Das Verhaͤltniß des Ganzen und der Theile iſt
das unmittelbare; die reflectirte und die ſeyende Unmit-
telbarkeit haben daher in ihm jede eine eigene Selbſtſtaͤn-
digkeit; aber indem ſie im weſentlichen Verhaͤltniſſe ſte-
hen, ſo iſt ihre Selbſtſtaͤndigkeit nur ihre negative Ein-
heit. Diß iſt nun in der Aeuſſerung der Kraft geſetzt;
die reflectirte Einheit iſt weſentlich das Anderswerden,
als Ueberſetzen ihrer ſelbſt in die Aeuſſerlichkeit; aber
dieſe iſt eben ſo unmittelbar in jene zuruͤkgenommen; der
Unterſchied der ſelbſtſtaͤndigen Kraͤfte hebt ſich auf; die
Aeuſſerung der Kraft iſt nur eine Vermittlung der re-
flectirten Einheit mit ſich ſelbſt. Es iſt nur ein leerer
durchſichtiger Unterſchied, der Schein, vorhanden, aber
dieſer Schein iſt die Vermittlung, welche das ſelbſtſtaͤn-
dige Beſtehen ſelbſt iſt. Es ſind nicht nur entgegenge-
ſetzte
[206]Zweytes Buch.II.Abſchnitt.
ſetzte Beſtimmungen, die ſich an ihnen ſelbſt aufheben,
und ihre Bewegung nicht nur ein Uebergehen, ſondern
theils iſt die Unmittelbarkeit, von der angefangen und
ins Andersſeyn uͤbergegangen wurde, ſelbſt nur als ge-
ſetzte, theils iſt dadurch jede der Beſtimmungen in ihrer
Unmittelbarkeit ſchon die Einheit mit ihrer andern und
das Uebergehen dadurch ſchlechthin eben ſo ſehr die ſich
ſetzende Ruͤkkehr in ſich.
Das Innere iſt als die Form der reflectir-
ten Unmittelbarkeit oder des Weſens, gegen das
Aeuſſere als die Form des Seyns beſtimmt, aber
beyde ſind nur Eine Identitaͤt. — Dieſe Identitaͤt iſt
erſtens die gediegene Einheit beyder als inhaltsvolle
Grundlage, oder die abſolute Sache, an der die
beyden Beſtimmungen gleichguͤltige, aͤuſſerliche Momente
ſind. Inſofern iſt ſie Inhalt und die Totalitaͤt, welche
das Innere iſt, das eben ſo ſehr aͤuſſerlich wird, aber
darin nicht ein Gewordenes oder Uebergegangenes,
ſondern ſich ſelbſt gleich iſt. Das Aeuſſere iſt nach dieſer
Beſtimmung dem Innern, dem Inhalte nach nicht nur
gleich, ſondern beyde ſind nur Eine Sache. —
Aber dieſe Sache als einfache Identitaͤt mit ſich
iſt verſchieden von ihren Formbeſtimmungen, oder
dieſe ſind ihr aͤuſſerlich; ſie iſt inſofern ſelbſt ein Inneres,
das von ihrer Aeuſſerlichkeit verſchieden iſt. Dieſe Aeuſ-
ſerlichkeit aber beſteht darin, daß die beyden Beſtimmun-
gen ſelbſt, nemlich das Innere und Aeuſſere, ſie ausma-
chen. Aber die Sache iſt ſelbſt nichts anderes, als die
Einheit beyder. Somit ſind beyde Seiten dem Inhalte
nach wieder daſſelbe. Aber in der Sache ſind ſie als
ſich durchdringende Identitaͤt, als inhaltsvolle Grundla-
ge. Aber in der Aeuſſerlichkeit, als Formen der Sache,
ſind ſie gegen jene Identitaͤt und ſomit beyde gegen ein-
ander gleichguͤltig.
2. Sie
[207]Die Erſcheinung.
2. Sie ſind auf dieſe Weiſe die verſchiedenen Form-
beſtimmungen, welche nicht an ihnen ſelbſt, ſondern an
einem andern eine identiſche Grundlage haben; Re-
flexionsbeſtimmungen, die fuͤr ſich ſind; das Innere als
die Form der Reflexion-in-ſich, der Weſentlichkeit; das
Aeuſſere aber als die Form der in anderes reflectirten
Unmittelbarkeit, oder der Unweſentlichkeit. Allein die
Natur des Verhaͤltniſſes hat gezeigt, daß dieſe Beſtim-
mungen ſchlechthin nur eine Identitaͤt ausmachen. Die
Kraft iſt in ihrer Aeuſſerung diß, daß das vorausſetzen-
de und das in ſich zuruͤkkehrende Beſtimmen eines und
daſſelbe iſt. Inſofern daher Inneres und Aeuſſeres als
Formbeſtimmungen betrachtet worden, ſo ſind ſie erſt-
lich nur die einfache Form ſelbſt, und zweytens weil
ſie darin zugleich als entgegengeſetzte beſtimmt ſind, ſo iſt
ihre Einheit die reine abſtracte Vermittlung, in
welcher die eine unmittelbar die andere, und dar-
um die andere iſt, weil ſie die eine iſt. So iſt das In-
nere unmittelbar nur das Aeuſſere, und es iſt darum
die Beſtimmtheit der Aeuſſerlichkeit, weil es
das Innre iſt; umgekehrt das Aeuſſere iſt nur ein In-
neres, weil es nur ein Aeuſſeres iſt. — Indem nem-
lich dieſe Formeinheit ihre beyden Beſtimmungen als ent-
gegengeſetzte enthaͤlt, iſt ihre Identitaͤt nur diß Ueber-
gehen; und darin nur die andere von beyden, nicht
ihre inhaltsvolle Identitaͤt. Oder diß Feſthalten
der Form iſt uͤberhaupt die Seite der Beſtimmtheit.
Was nach derſelben geſetzt iſt, iſt nicht die reale Tota-
litaͤt des Ganzen, ſondern die Totalitaͤt oder die Sache
ſelbſt nur in der Beſtimmtheit der Form; weil dieſe
die ſchlechthin zuſammengebundene Einheit beyder entge-
gengeſetzter Beſtimmungen iſt, ſo iſt, indem die eine zu-
erſt genommen wird, — und es iſt gleichguͤltig, welche
es ſey, von der Grundlage oder Sache zu ſagen, daß
ſie darum eben ſo weſentlich in der andern Beſtimmt-
heit,
[208]Zweytes Buch.II.Abſchnitt.
heit, aber gleichfalls nur in der andern iſt; ſo wie zu-
erſt geſagt wurde, daß ſie nur in der erſtern iſt. —
So iſt Etwas, das nur erſt ein Inneres iſt,
eben darum nur ein Aeuſſeres. Oder umgekehrt, et-
was das nur ein Aeuſſeres iſt, iſt eben darum nur
ein Inneres. Oder indem das Innere als Weſen,
das Aeuſſere aber als Seyn beſtimmt iſt, ſo iſt eine
Sache, inſofern ſie nur in ihrem Weſen iſt, eben
darum nur ein unmittelbares Seyn; oder eine Sache,
welche nur iſt, iſt eben darum nur er noch in ihrem
Weſen. — Das Aeuſſere und Innere ſind die Be-
ſtimmtheit ſo geſetzt, daß jede dieſer beyden Beſtimmun-
gen, nicht nur die andere vorausſetzt und in ſie als in
ihre Wahrheit uͤbergeht, ſondern daß ſie inſofern ſie dieſe
Wahrheit der andern iſt, als Beſtimmtheit geſetzt
bleibt, und auf die Totalitaͤt beyder hinweißt. — Das
Innere iſt ſomit die Vollendung des Weſens der
Form nach. Das Weſen, indem es nemlich als Innres
beſtimmt iſt, enthaͤlt es, daß es mangelhaft und nur iſt,
als Beziehung auf ſein anderes, das Aeuſſere; aber die-
ſes iſt eben ſo nicht nur Seyn oder auch Exiſtenz ſondern
als auf das Weſen oder das Innere ſich beziehend.
Aber es iſt nicht nur die Beziehung beyder auf einander,
ſondern die beſtimmte der abſoluten Form, daß jedes un-
mittelbar ſein Gegentheil iſt, und ihre gemeinſchaftliche
Beziehung auf ihr drittes oder vielmehr auf ihre
Einheit vorhanden. Ihre Vermittlung entbehrt aber
noch dieſer ſie beyde enthaltenden identiſchen Grundlage;
ihre Beziehung iſt deßwegen die unmittelbare Umkehrung
des einen in das andre; und dieſe negative Einheit, die
ſie zuſammenknuͤpft, iſt der einfache, inhaltsloſe Punkt.
Anmer-
[209]Die Erſcheinung.
Die Bewegung des Weſens iſt uͤberhaupt das
Werden zum Begriffe. In dem Verhaͤltniſſe des
Innern und Aeuſſern tritt das weſentliche Moment deſ-
ſelben hervor, daß nemlich ſeine Beſtimmungen geſetzt
ſind, ſo in der negativen Einheit zu ſeyn, daß jede un-
mittelbar nicht nur als ihre andere, ſondern auch als
die Totalitaͤt des Ganzen iſt. Aber dieſe Totalitaͤt iſt im
Begriffe als ſolchem das Allgemeine; — eine Grund-
lage, die im Verhaͤltniß des Innern und Aeuſſern noch
nicht vorhanden iſt. — In der negativen Identitaͤt des
Innern und Aeuſſern, welche die unmittelbare Um-
kehrung der einen dieſer Beſtimmungen in die andere
iſt, fehlt auch diejenige Grundlage, welche vorhin die
Sache genannt wurde. —
Die unvermittelte Identitaͤt der Form,
wie ſie hier noch ohne die inhaltsvolle Bewegung der
Sache ſelbſt geſetzt iſt, iſt ſehr wichtig bemerkt zu wer-
den. Sie kommt an der Sache vor, wie dieſe in ihrem
Anfange iſt. So iſt das reine Seyn unmittelbar
das Nichts. Ueberhaupt iſt alles Reale in ſeinem An-
fange eine ſolche nur unmittelbare Identitaͤt; denn in ſei-
nem Anfange hat es die Momente noch nicht entgegengeſetzt
und entwickelt, einerſeits aus der Aeuſſerlichkeit ſich noch
nicht erinnert, andererſeits ſich aus der Innerlichkeit
durch ſeine Thaͤtigkeit noch nicht entaͤuſſert und her-
vorgebracht; es iſt daher nur das Innere als Be-
ſtimmtheit gegen das Aeuſſere, und nur das Aeuſſere
als Beſtimmtheit gegen das Innere. Somit iſt es
theils nur ein unmittelbares Seyn; theils inſofern es
eben ſo ſehr die Negativitaͤt iſt, welche die Thaͤtigkeit der
Entwiklung werden ſoll, iſt es als ſolches weſentlich erſt
nur ein inneres. — In aller natuͤrlichen, wiſſenſchaft-
lichen und geiſtigen Entwiklung uͤberhaupt, bietet ſich
Odiß
[210]Zweytes Buch.II.Abſchnitt.
diß dar, und es iſt weſentlich diß zu erkennen, daß das
Erſte, indem Etwas nur erſt innerlich oder auch in
ſeinem Begriffe iſt, eben darum nur ſein unmittelba-
res, paſſives Daſeyn iſt. So — um gleich das naͤchſte
Beyſpiel zu nehmen, — iſt das hier betrachtete we-
ſentliche Verhaͤltniß, eh es ſich durch die Ver-
mittlung, das Verhaͤltniß der Kraft, hindurch bewegt
und realiſirt hat, nur das Verhaͤltniß an ſich, ſein
Begriff, oder erſt innerlich. Deßwegen aber iſt es
nur das aͤuſſerliche, unmittelbare Verhaͤltniß; das
Verhaͤltniß des Ganzen und der Theile, in wel-
chem die Seiten ein gleichguͤltiges Beſtehen gegen einan-
der haben. Ihre Identitaͤt iſt an ihnen ſelbſt noch nicht;
ſie iſt erſt innerlich, und deßwegen fallen ſie ausein-
ander, haben ein unmittelbares, aͤuſſerliches Beſtehen. —
So iſt die Sphaͤre des Seyns uͤberhaupt nur erſt
das ſchlechthin noch Innre, und deßwegen iſt ſie die
Sphaͤre der ſeyenden Unmittelbarkeit oder der Aeuſſerlich-
keit. — Das Weſen iſt nur erſt das Innre; darum
wird es auch fuͤr eine ganz aͤuſſerliche, ſyſtemloſe Ge-
meinſchaftlichkeit genommen; man ſagt, das Schulwe-
ſen, Zeitungsweſen, und verſteht darunter ein Ge-
meinſchaftliches, das durch aͤuſſeres Zuſammennehmen
von exiſtirenden Gegenſtaͤnden, inſofern ſie ohne alle we-
ſentliche Verbindung, ohne Organiſation, gemacht iſt. —
Oder an concreten Gegenſtaͤnden, ſo iſt der Keim der
Pflanze, das Kind, nur erſt innre Pflanze, inner-
licher Menſch. Aber darum iſt die Pflanze oder der
Menſch als Keim ein unmittelbares, ein Aeuſſeres, das
ſich noch nicht die negative Beziehung auf ſich ſelbſt ge-
geben hat, ein paſſives, dem Andersſeyn preisge-
gebenes. — So iſt auch Gott in ſeinem unmit-
telbaren Begriffe nicht Geiſt; der Geiſt iſt nicht das
Unmittelbare, der Vermittlung entgegengeſetzte, ſondern
vielmehr das ſeine Unmittelbarkeit ewig ſetzende und ewig
aus
[211]Die Erſcheinung.
aus ihr in ſich zuruͤkkehrende Weſen. Unmittelbar
iſt daher Gott nur die Natur. Oder die Natur iſt
nur der innere, nicht als Geiſt wirkliche und damit
nicht der wahrhafte Gott. — Oder Gott iſt im Denken,
als erſtem Denken, nur das reine Seyn, oder auch
das Weſen, das abſtracte Abſolute; nicht aber Gott als
abſoluter Geiſt, als welcher allein die wahrhafte Natur
Gottes iſt.
3. Die erſte der betrachteten Identitaͤten des In-
nern und Aeuſſern iſt die gegen den Unterſchied dieſer
Beſtimmungen als gegen eine ihr aͤuſſere Form gleichguͤl-
tige Grundlage, oder ſie als Inhalt. Die zweyte
iſt die unvermittelte Identitaͤt ihres Unterſchiedes, die un-
mittelbare Umkehrung jeder in ihre entgegengeſetzte; —
oder ſie als reine Form. Aber dieſe beyden Identitaͤ-
ten ſind nur die Seiten Einer Totalitaͤt; oder
ſie ſelbſt iſt nur die Umkehrung der einen in die andre.
Die Totalitaͤt als Grundlage und Inhalt iſt dieſe in ſich
reflectirte Unmittelbarkeit nur durch die vorausſetzende
Reflexion der Form, die ihren Unterſchied aufhebt, und
ſich als gleichguͤltige Identitaͤt, als reflectirte Einheit ge-
gen ihn ſetzt. Oder der Inhalt iſt die Form ſelbſt, in-
ſofern ſie ſich als Verſchiedenheit beſtimmt, und ſich
ſelbſt zu einer ihrer Seiten, als Aeuſſerlichkeit, zu der
andern aber als in ſich reflectirte Unmittelbarkeit oder
zum Innern macht.
Dadurch ſind alſo umgekehrt die Unterſchiede der
Form, das Innre und das Aeuſſere, jedes an ihm ſelbſt
geſetzt als die Totalitaͤt ſeiner und ſeines andern; das
Innre iſt als einfache in ſich reflectirte Identitaͤt, das
Unmittelbare und daher ſo ſehr Seyn und Aeuſſerlichkeit,
als Weſen; und das Aeuſſere iſt als das mannichfal-
tige, beſtimmte Seyn, nur aͤuſſeres d. h. geſetzt als un-
O 2weſent-
[212]Zweytes Buch.II.Abſchnitt.
weſentlich und in ſeinen Grund zuruͤkgegangen, ſomit als
Inneres. Dieſes Uebergehen beyder in einander iſt ihre
unmittelbare Identitaͤt, als Grundlage; aber es iſt auch
ihre vermittelte Identitaͤt; nemlich jedes iſt eben durch
ſein anderes, was es an ſich iſt, die Totalitaͤt des Ver-
haͤltniſſes. Oder umgekehrt die Beſtimmtheit einer jeden
Seite iſt dadurch, daß ſie an ihr die Totalitaͤt iſt, mit
der andern Beſtimmtheit vermittelt; die Totalitaͤt ver-
mittelt ſich ſo durch die Form oder die Beſtimmtheit mit
ſich ſelbſt, und die Beſtimmtheit vermittelt ſich durch ihre
einfache Identitaͤt mit ſich.
Was Etwas iſt, das iſt es daher ganz in ſeiner
Aeuſſerlichkeit; ſeine Aeuſſerlichkeit iſt ſeine Totalitaͤt, ſie
iſt eben ſo ſehr ſeine in ſich reflectirte Einheit. Seine
Erſcheinung iſt nicht nur die Reflexion in Anderes, ſon-
dern in ſich, und ſeine Aeuſſerlichkeit daher die Aeuſſe-
rung deſſen, was es an ſich iſt; und indem ſo ſein In-
halt und ſeine Form ſchlechthin identiſch ſind, ſo iſt es
nichts an und fuͤr ſich als diß, ſich zu aͤuſſern.
Es iſt das Offenbaren ſeines Weſens, ſo daß diß Weſen
eben nur darin beſteht, das ſich offenbarende zu ſeyn.
Das weſentliche Verhaͤltniß hat ſich in dieſer Iden-
titaͤt der Erſcheinung mit dem Innern oder dem Weſen
zur Wirklichkeit beſtimmt.
Drit-
[213]
Dritter Abſchnitt.
Die Wirklichkeit.
Die Wirklichkeit iſt die Einheit des Weſens
und der Exiſtenz; in ihr hat das geſtaltloſe We-
ſen und die haltloſe Erſcheinung; — oder das be-
ſtimmungsloſe Beſtehen und die beſtandloſe Mannichfaltig-
keit ihre Wahrheit. Die Exiſtenz iſt zwar die aus
dem Grunde hervorgegangene Unmittelbarkeit, aber ſie hat
die Form noch nicht an ihr geſetzt; indem ſie ſich be-
ſtimmt und formirt, iſt ſie die Erſcheinung; und in-
dem ſich diß nur als Reflexion-in-anderes beſtimmte
Beſtehen zur Reflexion-in-ſich fortbildet, wird es zu
zwey Welten, zwey Totalitaͤten des In-
halts, deren die eine als in ſich, die andere als in
anderes reflectirte beſtimmt iſt. Das weſentliche
Verhaͤltniß aber ſtellt ihre Formbeziehung dar, de-
ren Vollendung das Verhaͤltniß des Innern und
Aeuſſern iſt, daß der Inhalt beyder nur Eine
identiſche Grundlage und eben ſo ſehr nur Eine
Identitaͤt der Form iſt. — Dadurch daß ſich auch
dieſe Identitaͤt in Anſehung der Form ergeben hat, iſt
die Formbeſtimmung ihrer Verſchiedenheit aufgehoben und
es iſt geſetzt, daß ſie Eine abſolute Totalitaͤt ſind.
Dieſe Einheit des Innern und Aeuſſern iſt die ab-
ſolute Wirklichkeit. Dieſe Wirklichkeit aber iſt
zu-
[214]Zweytes Buch.III.Abſchnitt.
zunaͤchſt das Abſolute als ſolches; — inſofern ſie
als Einheit geſetzt iſt, in der ſich die Form aufgehoben,
und zu dem leeren oder aͤuſſern Unterſchiede
eines Aeuſſern und Innern gemacht hat. Die Refle-
xion verhaͤlt ſich gegen diß Abſolute als aͤuſſerliche,
welche es vielmehr nur betrachtet, als daß ſie ſeine ei-
gene Bewegung waͤre. Indem ſie aber weſentlich diß
iſt, iſt ſie als ſeine negative Ruͤkkehr in ſich
Zweytens die eigentliche Wirklichkeit.
Wirklichkeit, Moͤglichkeit, und Nothwendig-
keit machen die formellen Momente des Abſolu-
ten, oder die Reflexion deſſelben aus.
Drittens die Einheit des Abſoluten und ſeiner
Reflexion iſt das abſolute Verhaͤltniß, oder viel-
mehr das Abſolute als Verhaͤltniß zu ſich ſelbſt; Sub-
ſtanz.
Erſtes
[215]Die Wirklichkeit.
Erſtes Kapitel.
Das Abſolute.
Die einfache gediegene Identitaͤt des Abſoluten iſt
unbeſtimmt, oder in ihr hat ſich vielmehr alle Beſtimmt-
heit des Weſens und der Exiſtenz, oder des
Seyns uͤberhaupt ſowohl als der Reflexion aufge-
loͤst. Inſofern faͤllt das Beſtimmen deſſen, was
das Abſolute ſey, negativ aus, und das Abſolute
ſelbſt erſcheint nur als die Negation aller Praͤdicate und
als das Leere. Aber indem es eben ſo ſehr als die Po-
ſition aller Praͤdicate ausgeſprochen werden muß, er-
ſcheint es als der formellſte Widerſpruch. Inſofern je-
nes Negiren und dieſes Setzen, der aͤuſſern Refle-
xion angehoͤrt, ſo iſt es eine formelle unſyſtematiſche
Dialektik, die mit leichter Muͤhe die mancherley Beſtim-
mungen hieher und dorther aufgreift, und mit eben ſo
leichter Muͤhe einerſeits ihre Endlichkeit und bloſſe Rela-
tivitaͤt aufzeigt, als andererſeits, indem es ihr als die
Totalitaͤt vorſchwebt, auch das Innwohnen aller Beſtim-
mungen von ihm ausſpricht, — ohne dieſe Poſitionen
und jene Negationen zu einer wahrhaften Einheit erhe-
ben zu koͤnnen. — Es ſoll aber dargeſtellt werden, was
das Abſolute iſt; aber diß Darſtellen kann nicht ein Be-
ſtimmen noch aͤuſſere Reflexion ſeyn, wodurch Beſtim-
mungen deſſelben wuͤrden, ſondern es iſt die Ausle-
gung und zwar die eigene Auslegung des Abſoluten,
und nur ein Zeigen deſſen was es iſt.
A.Die
[216]Zweytes Buch.III.Abſchnitt.
A.
Die Auslegung des Abſoluten.
Das Abſolute iſt nicht nur das Seyn, noch auch
das Weſen. Jene iſt die erſte unreflectirte Unmittel-
barkeit, dieſe die reflectirte; jedes iſt ferner Totalitaͤt an
ihm ſelbſt; aber eine beſtimmte. Am Weſen tritt das
Seyn als Exiſtenz hervor; und die Beziehung von
Seyn und Weſen hat ſich bis zum Verhaͤltniſſe des In-
nern und Aeuſſern fortgebildet. Das Innre iſt
das Weſen aber als die Totalitaͤt, welche weſent-
lich die Beſtimmung hat, auf das Seyn bezogen
und unmittelbar Seyn zu ſeyn. Das Aeuſſere iſt
das Seyn, aber mit der weſentlichen Beſtimmung, auf
die Reflexion bezogen unmittelbar eben ſo verhaͤlt-
nißloſe Identitaͤt mit dem Weſen zu ſeyn. Das Abſo-
lute ſelbſt iſt die abſolute Einheit beyder; es iſt dasjeni-
ge, was uͤberhaupt den Grund des weſentlichen Ver-
haͤltniſſes ausmacht, das als Verhaͤltniß nur noch nicht
in dieſe ſeine Identitaͤt zuruͤkgegangen, und deſſen Grund
noch nicht geſetzt iſt.
Hieraus ergibt ſich, daß die Beſtimmung des Abſo-
luten iſt, die abſolute Form zu ſeyn, aber zugleich
nicht als die Identitaͤt, deren Momente nur einfache
Beſtimmtheiten ſind; — ſondern die Identitaͤt, deren
Momente jedes an ihm ſelbſt die Totalitaͤt, und ſo-
mit als gleichguͤltig gegen die Form, der vollſtaͤndige
Inhalt des Ganzen iſt. Aber umgekehrt iſt das Abſo-
lute ſo der abſolute Inhalt, daß der Inhalt, der als
ſolcher gleichguͤltige Mannichfaltigkeit iſt, die negative
Form-
[217]Die Wirklichkeit.
Formbeziehung an ihm hat, wodurch ſeine Mannichfal-
tigkeit nur Eine gediegene Identitaͤt iſt.
Die Identitaͤt des Abſoluten iſt ſomit dadurch die
abſolute, daß jeder ſeiner Theile ſelbſt das Ganze oder
jede Beſtimmtheit die Totalitaͤt iſt, d. h. daß die Be-
ſtimmtheit uͤberhaupt ein ſchlechthin durchſichtiger Schein,
ein in ſeinem Geſetztſeyn verſchwundener
Unterſchied geworden iſt. Weſen, Exiſtenz, an
ſich ſeyende Welt, Ganzes, Theile, Kraft,
— dieſe reflectirten Beſtimmungen erſcheinen dem Vor-
ſtellen als an und fuͤr ſich geltendes, wahres Seyn; das
Abſolute aber iſt gegen ſie der Grund, in dem ſie un-
tergegangen ſind. — Weil nun im Abſoluten die Form
nur die einfache Identitaͤt mit ſich iſt, ſo beſtimmt
ſich das Abſolute nicht; denn die Beſtimmung iſt ein
Formunterſchied, der zunaͤchſt als ſolcher gilt. Weil es
aber zugleich allen Unterſchied und Formbeſtimmung uͤber-
haupt enthaͤlt, oder weil es ſelbſt die abſolute Form und
Reflexion iſt, ſo muß auch die Verſchiedenheit des
Inhalts an ihm hervortreten. Aber das Abſolute
ſelbſt iſt die abſolute Identitaͤt; diß iſt ſeine Be-
ſtimmung, indem alle Mannichfaltigkeit der an ſich
ſeyenden und der erſcheinenden Welt, oder der innerli-
chen und aͤuſſerlichen Totalitaͤt in ihm aufgehoben iſt. —
In ihm ſelbſt iſt kein Werden, denn es iſt nicht das
Seyn, noch iſt es das ſich reflectirende Beſtimmen;
denn es iſt nicht das ſich nur in ſich beſtimmende Weſen;
es iſt auch nicht ein ſich aͤuſſern; denn es iſt als die
Identitaͤt des Innern und Aeuſſern. — Aber ſo ſteht
die Bewegung der Reflexion ſeiner abſoluten Identitaͤt
gegenuͤber. Sie iſt in dieſer aufgehoben, ſo iſt ſie
nur deren Inneres, hiemit aber iſt ſie ihr aͤuſſer-
lich. — Sie beſteht daher zunaͤchſt nur darin, ihr Thun
im Abſoluten aufzuheben. Sie iſt das Jenſeits der
mannich-
[218]Zweytes Buch.III.Abſchnitt.
mannichfaltigen Unterſchiede und Beſtimmungen und deren
Bewegung, welches dem Abſoluten im Ruͤcken liegt;
ſie iſt daher zwar das Aufnehmen derſelben, aber zugleich
ihr Untergehen; ſo iſt ſie die negative Auslegung
des Abſoluten, die vorhin erwaͤhnt wurde. — In ihrer
wahrhaften Darſtellung iſt dieſe Auslegung das bisheri-
ge Ganze der logiſchen Bewegung der Sphaͤre des
Seyns und des Weſens, deren Inhalt nicht von
auſſen als ein gegebener und zufaͤlliger aufgerafft, noch
durch eine ihm aͤuſſere Reflexion in den Abgrund des Ab-
ſoluten verſenkt worden, ſondern ſich an ihm durch ſeine
innere Nothwendigkeit beſtimmt und als eignes Wer-
den des Seyns, und als Reflexion des Weſens in
das Abſolute als in ſeinen Grund zuruͤkgegangen iſt.
Dieſe Auslegung hat aber ſelbſt zugleich eine poſi-
tive Seite; inſofern nemlich das Endliche darin, daß
es zu Grunde geht, dieſe Natur beweist, auf das Abſo-
lute bezogen zu ſeyn, oder das Abſolute an ihm ſelbſt zu
enthalten. Aber dieſe Seite iſt nicht ſo ſehr die poſitive
Auslegung des Abſoluten ſelbſt, als vielmehr die Ausle-
gung der Beſtimmungen, daß ſie nemlich das Abſo-
lute zu ihrem Abgrunde, aber auch zu ihrem Grunde
haben, oder daß das, was ihnen, dem Schein, ein Be-
ſtehen gibt, das Abſolute ſelbſt iſt. — Der Schein
iſt nicht das Nichts, ſondern er iſt Reflexion, Be-
ziehung auf das Abſolute; oder er iſt Schein, inſo-
fern das Abſolute in ihm ſcheint. Dieſe poſiti-
ve Auslegung haͤlt ſo noch das Endliche vor ſeinem Ver-
ſchwinden auf, und betrachtet es als einen Ausdruk und
Abbild des Abſoluten. Aber die Durchſichtigkeit des
Endlichen, das nur das Abſolute durch ſich hindurchblik-
ken laͤßt, endigt in gaͤnzliches Verſchwinden; denn es iſt
nichts am Endlichen, was ihm einen Unterſchied gegen
das Abſolute erhalten koͤnnte; es iſt ein Medium, das
von dem, was durch es ſcheint, abſorbirt wird.
Dieſes
[219]Die Wirklichkeit.
Dieſe poſitive Auslegung des Abſoluten iſt daher
ſelbſt nur ein Scheinen; denn das wahrhaft Poſitive,
was ſie und der ausgelegte Inhalt enthaͤlt, iſt das Ab-
ſolute ſelbſt. Was fuͤr weitere Beſtimmungen vorkom-
men, die Form, worin das Abſolute ſcheint, iſt ein
Nichtiges, das die Auslegung von auſſenher auf-
nimmt, und woran ſie einen Anfang zu ihrem
Thun gewinnt. Eine ſolche Beſtimmung hat nicht im
Abſoluten ihren Anfang, ſondern nur ihr Ende. Die-
ſes Auslegen iſt daher zwar abſolutes Thun durch ſeine
Beziehung auf das Abſolute, in das es zuruͤk-
geht, aber nicht nach ſeinem Ausgangspunkte,
der eine dem Abſoluten aͤuſſerliche Beſtimmung iſt.
In der That aber iſt das Auslegen des Abſoluten
ſein eigenes Thun, und das bey ſich anfaͤngt,
wie es bey ſich ankommt. Das Abſolute, nur als
abſolute Identitaͤt, iſt es beſtimmt; nemlich als iden-
tiſches; es iſt durch die Reflexion ſo geſetzt, gegen
die Entgegenſetzung und Mannichfaltigkeit; oder es iſt
nur das Negative der Reflexion und des Beſtimmens
uͤberhaupt. — Nicht nur jenes Auslegen des Abſoluten
iſt daher ein unvollkommenes, ſondern auch diß Abſo-
lute ſelbſt, bey welchem nur angekommen wird.
Oder jenes Abſolute, das nur als abſolute Iden-
titaͤt iſt, iſt nur das Abſolute einer aͤuſſern
Reflexion. Es iſt daher nicht das Abſolut-Abſolute,
ſondern das Abſolute in einer Beſtimmtheit, oder es iſt
Attribut.
Aber das Abſolute iſt nicht nur Attribut, weil es
Gegenſtand einer aͤuſſern Reflexion und ſomit ein
durch ſie beſtimmtes iſt. — Oder die Reflexion iſt nicht
nur ihm aͤuſſerlich; ſondern unmittelbar, darum
well ſie ihm aͤuſſerlich iſt, iſt ſie ihm innerlich.
Das
[220]Zweytes Buch. III.Abſchnitt.
Das Abſolute iſt nur das Abſolute, weil es nicht die ab-
ſtracte Identitaͤt, ſondern die Identitaͤt des Seyns und
Weſens, oder die Identitaͤt des Innern und Aeuſſern
iſt. Es iſt alſo ſelbſt die abſolute Form, welche es in
ſich ſcheinen macht, und es zum Attribut beſtimmt.
B.
Das abſolute Attribut.
Der Ausdruk, der gebraucht worden iſt: das Ab-
ſolut-Abſolute, bezeichnet das in ſeiner Form
in ſich zuruͤkgekehrte Abſolute, oder deſſen Form ſei-
nem Inhalte gleich iſt. Das Attribut iſt das nur re-
lative Abſolute, eine Verknuͤpfung, welche nichts
anderes bedeutet, als das Abſolute in einer Formbe-
ſtimmung. Die Form iſt nemlich zuerſt vor ihrer vol-
lendeten Auslegung nur erſt innerlich, oder was
daſſelbe iſt, nur aͤuſſerlich, uͤberhaupt zuerſt be-
ſtimmte Form oder Negation uͤberhaupt. Aber weil ſie
zugleich als Form des Abſoluten iſt, ſo iſt das Attribut
der ganze Inhalt des Abſoluten; es iſt die Totalitaͤt,
welche fruͤher als eine Welt erſchien, oder als eine der
Seiten des weſentlichen Verhaͤltniſſes, deren
jede ſelbſt das Ganze iſt. Aber die beyden Welten, die
erſcheinende und die an und fuͤr ſich ſeyende, ſollten je-
de in ihrem Weſen einander entgegengeſetzt ſeyn.
Die eine Seite des weſentlichen Verhaͤltniſſes war zwar
der andern gleich; das Ganze ſo viel als die Theile; die
Aeuſſerung der Kraft derſelbe Inhalt, als dieſe ſelbſt,
und
[221]Die Wirklichkeit.
und das Aeuſſere uͤberhaupt daſſelbe was das Innere.
Aber zugleich ſollten dieſe Seiten, jede noch ein eigenes
unmittelbares Beſtehen haben, die eine als die
ſeyende, die andere als die reflectirte Unmittelbarkeit.
Im Abſoluten dagegen ſind dieſe unterſchiedenen Unmit-
telbarkeiten zum Scheine herabgeſetzt, und die Totali-
taͤt, welche das Attribut iſt, iſt geſetzt als ſein
wahres und einziges Beſtehen; die Beſtim-
mung aber, in der es iſt, als das unweſentliche.
Das Abſolute iſt darum Attribut, weil es als ein-
fache abſolute Identitaͤt in der Beſtimmung der Identitaͤt
iſt; an die Beſtimmung uͤberhaupt koͤnnen nun andere
Beſtimmungen angeknuͤpft werden, z. B. auch daß meh-
rere Attribute ſeyen. Aber weil die abſolute Identitaͤt
nur dieſe Bedeutung hat, nicht nur daß alle Beſtim-
mungen aufgehoben ſind, ſondern daß ſie auch die Refle-
xion iſt, die ſich ſelbſt aufgehoben hat, ſo ſind an ihr al-
le Beſtimmungen geſetzt, als aufgehobene. Oder
die Totalitaͤt iſt geſetzt als die abſolute, oder das Attri-
but hat das Abſolute zu ſeinem Inhalt und Beſtehen;
ſeine Formbeſtimmung, wodurch es Attribut iſt, iſt daher
auch geſetzt, unmittelbar als bloſſer Schein; das Nega-
tive als Negatives. Der poſitive Schein, den die Aus-
legung ſich durch das Attribut gibt, indem ſie das End-
liche in ſeiner Schranke nicht als ein an und fuͤr ſich
ſeyendes nimmt, ſondern ſein Beſtehen in das Abſolute
aufloͤst, und es zum Attribut erweitert, hebt diß ſelbſt
auf, daß es Attribut ſey; ſie verſenkt daſſelbe und ihr
unterſcheidendes Thun in das einfache Abſolute.
Aber indem die Reflexion von ihrem Unterſcheiden
ſo nur zur Identitaͤt des Abſoluten zuruͤkkehrt, iſt ſie
zugleich nicht aus ihrer Aeuſſerlichkeit heraus und zum
wahrhaften Abſoluten gekommen. Sie hat nur die un-
beſtimm-
[222]Zweytes Buch. III.Abſchnitt.
beſtimmte, abſtracte Identitaͤt erreicht; das heißt, die-
jenige, welche in der Beſtimmtheit der Identitaͤt iſt.
— Oder die Reflexion, indem ſie als innre Form das
Abſolute zum Attribut beſtimmt, ſo iſt dieſes Beſtimmen
ein noch von der Aeuſſerlichkeit verſchiedenes; die innre
Beſtimmung durchdringt das Abſolute nicht; ſeine Aeuſ-
ſerung iſt, als ein bloß geſetztes am Abſoluten zu ver-
ſchwinden.
Die Form alſo, ſie werde als aͤuſſere oder innere
genommen, wodurch das Abſolute Attribut waͤre, iſt zu-
gleich geſetzt, ein an ſich ſelbſt nichtiges, ein aͤuſſerlicher
Schein, oder bloſſe Art und Weiſe zu ſeyn.
C.
Der Modus des Abſoluten.
Das Attribut iſt erſtlich das Abſolute als in
der einfachen Identitaͤt mit ſich. Zweytens iſt es
Negation, und dieſe als Negation iſt die formelle
Reflexion-in-ſich. Dieſe beyden Seiten machen zu-
naͤchſt die zwey Extreme des Attributs aus, deren
Mitte es ſelbſt iſt, indem es ſowohl das Abſolute als
die Beſtimmtheit iſt. — Das zweyte dieſer Extreme iſt
das Negative als Negatives, die dem Abſoluten
aͤuſſerliche Reflexion. — Oder inſofern es als das
Innre des Abſoluten genommen wird, und ſeine ei-
gene Beſtimmung es iſt, ſich als Modus zu ſetzen, ſo
iſt er das Auſſerſichſeyn des Abſoluten, der Verluſt ſei-
ner in die Veraͤnderlichkeit und Zufaͤlligkeit des Seyns,
ſein
[223]Die Wirklichkeit.
ſein Uebergegangenſeyn ins Entgegengeſetzte ohne Ruͤk-
kehr in ſich; die totalitaͤtsloſe Mannichfaltigkeit der
Form und Inhaltsbeſtimmungen. —
Der Modus, die Aeuſſerlichkeit des Abſolu-
ten, iſt aber nicht nur diß, ſondern die als Aeuſſerlich-
keit geſetzte Aeuſſerlichkeit, eine bloſſe Art und
Weiſe; ſomit der Schein als Schein, oder die Re-
flexion der Form in ſich; ſomit die Identitaͤt
mit ſich, welche das Abſolute iſt. In der That
iſt alſo erſt im Modus das Abſolute als abſolute Identi-
taͤt geſetzt; es iſt nur, was es iſt, nemlich Identitaͤt
mit ſich, als ſich auf ſich beziehende Negativitaͤt, als
Scheinen, das als Scheinen geſetzt iſt.
Inſofern daher die Auslegung des Abſoluten
von ſeiner abſoluten Identitaͤt anfaͤngt, und zu dem At-
tribute und von da zum Modus uͤbergeht, ſo hat ſie
darin vollſtaͤndig ihre Momente durchloffen. Aber erſt-
lich iſt ſie darin nicht ein bloß negatives Verhalten gegen
dieſe Beſtimmungen, ſondern diß ihr Thun iſt die re-
flectirende Bewegung ſelbſt, als welche das
Abſolute nur wahrhaft die abſolute Identi-
taͤt iſt. — Zweytens hat ſie es dabey nicht bloß
mit Aeuſſerlichem zu thun, und der Modus iſt nicht
nur die aͤuſſerſte Aeuſſerlichkeit, ſondern weil er der
Schein als Schein iſt, ſo iſt er die Ruͤkkehr in ſich, die
ſich ſelbſt aufloͤſende Reflexion, als welche das Abſolute
abſolutes Seyn iſt. — Drittens ſcheint die auslegen-
de Reflexion von ihren eigenen Beſtimmungen und von
Aeuſſerlichem anzufangen, die Modos oder auch die Be-
ſtimmungen des Attributs, als ſonſt auſſer dem Abſolu-
ten vorgefundene aufzunehmen, und ihr Thun darin
zu beſtehen, daß ſie dieſelben in die indifferente Identitaͤt
nur zuruͤkfuͤhrt. In der That aber hat ſie an dem Abſo-
luten
[224]Zweytes Buch. III.Abſchnitt.
luten ſelbſt die Beſtimmtheit, von der ſie anfaͤngt. Denn
das Abſolute als erſte indifferente Identitaͤt iſt ſelbſt
nur das beſtimmte Abſolute, oder Attribut, weil
es das unbewegte, noch unreflectirte Abſolute iſt. Dieſe
Beſtimmtheit, weil ſie Beſtimmtheit iſt, gehoͤrt der
reflectirenden Bewegung an; nur durch ſie iſt es beſtimmt
als das erſte identiſche, eben ſo nur durch ſie hat
es die abſolute Form, und iſt nicht das ſich gleich-
ſeyende, ſondern das ſich ſelbſt gleichſetzende.
Die wahrhafte Bedeutung des Modus iſt daher,
daß er die reflectirende eigene Bewegung des Abſoluten
iſt; ein Beſtimmen, aber nicht wodurch es ein an-
deres wuͤrde, ſondern nur deſſen, was es ſchon iſt;
die durchſichtige Aeuſſerlichkeit, welche das Zeigen
ſeiner ſelbſt iſt; eine Bewegung aus ſich heraus; aber
ſo daß diß Seyn-nach-Auſſen, eben ſo ſehr die Inner-
lichkeit ſelbſt iſt; und damit eben ſo ſehr ein Setzen,
das nicht bloß Geſetztſeyn, ſondern abſolutes Seyn iſt.
Wenn daher nach einem Inhalt der Auslegung
gefragt wird, was denn das Abſolute zeige? ſo iſt der
Unterſchied von Form und Inhalt im Abſoluten ohnehin
aufgeloͤst. Oder eben diß iſt der Inhalt des Abſoluten,
ſich zu manifeſtiren. Das Abſolute iſt die abſolute
Form, welche als die Entzweyung ihrer ſchlechthin iden-
tiſch mit ſich iſt, das Negative als Negatives; oder das
mit ſich zuſammengeht, und nur ſo die abſolute Identi-
taͤt mit ſich iſt, die eben ſo ſehr gleichguͤltig gegen
ihre Unterſchiede, oder abſoluter Inhalt iſt; der
Inhalt iſt daher nur dieſe Auslegung ſelbſt.
Das Abſolute als dieſe ſich ſelbſt tragende Bewe-
gung der Auslegung, als Art und Weiſe, welche ſei-
ne abſolute Identitaͤt mit ſich ſelbſt iſt, iſt Aeuſſerung,
nicht
[225]Die Wirklichkeit.
nicht eines Innern, nicht gegen ein anderes, ſondern iſt
nur als abſolutes ſich fuͤr ſich ſelbſt Manifeſtiren; es iſt
ſo Wirklichkeit.
Dem Begriffe des Abſoluten und dem Verhaͤltniſſe
der Reflexion zu demſelben, wie es ſich hier dargeſtellt
hat, entſpricht der Begriff der Spinoziſtiſchen
Subſtanz. Der Spinozismus iſt darin eine man-
gelhafte Philoſophie, daß die Reflexion und deren
mannichfaltiges Beſtimmen ein aͤuſſerliches Den-
ken iſt. — Die Subſtanz dieſes Syſtems iſt Eine
Subſtanz, Eine untrennbare Totalitaͤt; es gibt keine
Beſtimmtheit, die nicht in dieſem Abſoluten enthalten
und aufgeloͤst waͤre; und es iſt wichtig genug, daß al-
les, was dem natuͤrlichen Vorſtellen oder dem beſtimmen-
den Verſtande als ſelbſtſtaͤndiges erſcheint und vorſchwebt,
in jenem nothwendigen Begriffe gaͤnzlich zu einem bloſſen
Geſetztſeyn herabgeſetzt iſt. — Die Beſtimmt-
heit iſt Negation, iſt das abſolute Princip der Spi-
noziſtiſchen Philoſophie; dieſe wahrhafte und einfache
Einſicht begruͤndet die abſolute Einheit der Subſtanz.
Aber Spinoza bleibt bey der Negation als Be-
ſtimmtheit oder Qualitaͤt ſtehen; er geht nicht zur Er-
kenntniß derſelben als abſoluter, das heißt, ſich negi-
render Negation fort; ſomit enthaͤlt ſeine
Subſtanz nicht ſelbſt die abſolute Form, und
das Erkennen derſelben iſt kein immanentes Erkennen.
Zwar iſt die Subſtanz abſolute Einheit des Denkens
und Seyns oder der Ausdehnung; ſie enthaͤlt alſo das
Denken ſelbſt, aber nur in ſeiner Einheit mit der
Ausdehnung; das heißt nicht als ſich von der Ausdeh-
nung trennend, ſomit uͤberhaupt nicht als Beſtimmen
und Formiren, noch auch als die zuruͤkkehrende und aus
Pſich
[226]Zweytes Buch. III.Abſchnitt.
ſich ſelbſt anfangende Bewegung. Theils fehlt dadurch
der Subſtanz, das Princip der Perſoͤnlichkeit, —
ein Mangel, welcher vornehmlich gegen das Spinoziſti-
ſche Syſtem empoͤrt hat; — theils iſt das Erkennen die
aͤuſſerliche Reflexion, welche das, was als endliches er-
ſcheint, die Beſtimmtheit des Attributs und den Modus,
wie auch uͤberhaupt ſich ſelbſt, nicht aus der Subſtanz be-
greift und ableitet, ſondern als ein aͤuſſerlicher Verſtand
thaͤtig iſt, die Beſtimmungen als gegebene aufnimmt,
und ſie auf das Abſolute zuruͤkfuͤhrt, nicht aber von
dieſem ihre Anfaͤnge hernimmt.
Die Begriffe, die Spinoza von der Subſtanz
gibt, ſind die Begriffe der Urſache ſeiner ſelbſt,
— daß ſie das iſt, deſſen Weſen die Exiſtenz in
ſich ſchlieſſe; — daß der Begriff des Abſoluten nicht
des Begriffs eines andern beduͤrfe, von dem
er gebildet werden muͤſſe; — dieſe Begriffe, ſo tief und
richtig ſie ſind, ſind Definitionen, welche vornen in
der Wiſſenſchaft unmittelbar angenommen werden.
Mathematik und andere untergeordnete Wiſſenſchaften
muͤſſen mit einem Vorausgeſetzten anfangen, das
ihr Element und poſitive Grundlage ausmacht. Aber
das Abſolute kann nicht ein Erſtes, Unmittelbares ſeyn,
ſondern das Abſolute iſt weſentlich ſein Reſultat.
Nach der Definition des Abſoluten tritt bey Spi-
noza ferner die Definition des Attributs auf;
und wird als dasjenige beſtimmt, wie der Verſtand
deſſen Weſen begreift. Auſſerdem daß der Ver-
ſtand ſeiner Natur nach als ſpaͤter angenommen wird,
als das Attribut, — denn Spinoza beſtimmt ihn als
Modus, — ſo wird das Attribut, die Beſtimmung
als Beſtimmung des Abſoluten, von einem andern,
dem Verſtande, abhaͤngig gemacht, welches der Sub-
ſtanz gegenuͤber aͤuſſerlich und unmittelbar auftritt.
Die
[227]Die Wirklichkeit.
Die Attribute beſtimmt Spinoza ferner als un-
endlich; und zwar unendlich auch im Sinne einer un-
endlichen Vielheit. Es kommen zwar weiterhin
nur die zwey vor, — Denken und Ausdeh-
nung, und es iſt nicht gezeigt, wie die unendliche Viel-
heit ſich nothwendig nur auf den Gegenſatz und zwar
dieſen beſtimmten, des Denkens und der Ausdehnung,
reducirt. — Dieſe beyden Attribute ſind deßwegen em-
piriſch aufgenommen. Denken und Seyn ſtellen das
Abſolute in einer Determination vor, das Abſolute ſelbſt
iſt ihre abſolute Einheit, ſo daß ſie nur unweſentliche
Formen ſind, die Ordnung der Dinge dieſelbe iſt, als
die der Vorſtellungen oder Gedanken, und das Eine Ab-
ſolute nur von der aͤuſſerlichen Reflexion, einem Modus,
unter jenen beyden Beſtimmungen, das einemal als eine
Totalitaͤt von Vorſtellungen, das andremal als eine To-
talitaͤt von Dingen und deren Veraͤnderungen betrachtet
wird. Wie es dieſe aͤuſſere Reflexion iſt, welche jenen
Unterſchied macht, ſo iſt ſie es auch, die ihn in die ab-
ſolute Identitaͤt zuruͤkfuͤhrt und verſenkt. Dieſe ganze
Bewegung aber geht auſſer dem Abſoluten vor. Zwar
iſt dieſes ſelbſt auch das Denken, und ſofern dieſe Be-
wegung nur im Abſoluten; aber, wie bemerkt, iſt ſie im
Abſoluten nur als Einheit mit der Ausdehnung, ſomit
nicht als dieſe Bewegung, welche weſentlich auch das
Moment der Entgegenſetzung iſt. — Spinoza macht die
erhabene Foderung an das Denken, alles unter der
Geſtalt der Ewigkeit, sub specie aeterni,zu be-
trachten, das heißt, wie es im Abſoluten iſt. Aber
in jenem Abſoluten, das nur die unbewegte Identitaͤt iſt,
iſt das Attribut, wie der Modus, nur als verſchwin-
dend, nicht als werdend, ſo daß hiemit auch jenes
Verſchwinden ſeinen poſitiven Anfang nur von Auſſen
nimmt.
P 2Das
[228]Zweytes Buch. III.Abſchnitt.
Das dritte, der Modus, iſt bey Spinoza,
Affection der Subſtanz, die beſtimmte Beſtimmtheit,
was in einem andern iſt, und durch diß an-
dere gefaßt wird. Die Attribute haben eigentlich nur
die unbeſtimmte Verſchiedenheit zu ihrer Beſtimmung;
jedes ſoll die Totalitaͤt der Subſtanz ausdruͤcken und
aus ſich ſelbſt begriffen werden; inſofern es aber das
Abſolute als beſtimmt iſt, ſo enthaͤlt es das Andersſeyn,
und iſt nicht nur aus ſich ſelbſt zu begreifen. In
dem Modus iſt daher erſt eigentlich die Beſtimmung des
Attributs geſetzt. Diß dritte bleibt ferner bloſſer Mo-
dus, einerſeits iſt er unmittelbar gegebenes, anderer-
ſeits wird ſeine Nichtigkeit nicht als Reflexion in ſich er-
kannt. — Die ſpinoziſtiſche Auslegung des Abſoluten iſt
daher inſofern wohl vollſtaͤndig, als ſie von dem Abſolu-
ten anfaͤngt, hierauf das Attribut folgen laͤßt und mit
dem Modus endigt; aber dieſe drey werden nur nach
einander ohne innere Folge der Entwiklung aufge-
zaͤhlt, und das dritte iſt nicht die Negation als Nega-
tion, nicht ſich negativ auf ſich beziehende Negation, wo-
durch ſie an ihr ſelbſt, die Ruͤkkehr in die erſte Iden-
titaͤt und dieſe, wahrhafte Identitaͤt waͤre. Es fehlt da-
her die Nothwendigkeit des Fortgangs des Abſoluten zur
Unweſentlichkeit, ſo wie ihre Aufloͤſung an und fuͤr ſich
ſelbſt in die Identitaͤt; oder es mangelt ſowohl das Wer-
den der Identitaͤt als ihrer Beſtimmungen.
Auf gleiche Weiſe iſt in der orientaliſchen
Vorſtellung der Emanation das Abſolute das ſich
ſelbſt erleuchtende Licht. Allein es erleuchtet ſich nicht
nur, ſondern ſtroͤmt auch aus. Seine Ausſtroͤmun-
gen ſind Entfernungen von ſeiner ungetruͤbten Klar-
heit; die folgenden Ausgeburten ſind unvollkommener als
die vorhergehenden, aus denen ſie entſtehen. Das Aus-
ſtroͤmen iſt nur als ein Geſchehen genommen, das
Werden
[229]Die Wirklichkeit.
Werden nur als ein fortgehender Verluſt. So verdun-
kelt ſich das Seyn immer mehr, und die Nacht, das
Negative, iſt das Letzte der Linie, das nicht in das erſte
Licht zuerſt kehrt.
Der Mangel der Reflexion in ſich, den die
Spinoziſtiſche Auslegung des Abſoluten wie die Emana-
tionslehre an ihr hat, iſt in dem Begriffe der Leibni-
ziſchen Monade ergaͤnzt. — Der Einſeitigkeit eines
philoſophiſchen Princips pflegt ſich die entgegengeſetzte ge-
genuͤber zu ſtellen, und, wie in Allem, die Totalitaͤt we-
nigſtens als eine zerſtreute Vollſtaͤndigkeit vor-
handen zu ſeyn. — Die Monade iſt ein Eins, ein
in ſich reflectirtes Negatives; ſie iſt die Totalitaͤt des
Inhalts der Welt; das verſchiedene Mannichfaltige iſt
in ihr nicht nur verſchwunden, ſondern auf negative Weiſe
aufbewahrt; die Spinoziſtiſche Subſtanz iſt die Einheit
alles Inhalts; aber dieſer mannichfaltige Inhalt der
Welt iſt nicht als ſolcher in ihr, ſondern in der ihr aͤuſ-
ſerlichen Reflexion. Die Monade iſt daher weſentlich
vorſtellend; ſie hat aber, ob ſie wohl eine endliche iſt,
keine Paſſivitaͤt; ſondern die Veraͤnderungen und Be-
ſtimmungen in ihr ſind Manifeſtationen ihrer in ihr ſelbſt.
Sie iſt Entelechie; des Offenbahren iſt ihr eigenes
Thun. — Dabey iſt die Monade auch beſtimmt, von
andern unterſchieden; die Beſtimmtheit faͤllt in
den beſondern Inhalt und die Art und Weiſe der Mani-
feſtation. Die Monade iſt daher an ſich, ihrer Sub-
ſtanz nach, die Totalitaͤt, nicht in ihrer Manife-
ſtation. Dieſe Beſchraͤnkung der Monade faͤllt
nothwendig nicht in die ſich ſelbſt ſetzende oder
vorſtellende Monade, ſondern in ihr Anſichſeyn,
oder iſt abſolute Grenze, eine Praͤdeſtination, wel-
che durch ein anderes Weſen, als ſie iſt, geſetzt wird.
Ferner da Begrenzte nur ſind, als ſich auf andere Be-
grenzte
[230]Zweytes Buch. III.Abſchnitt.
grenzte beziehend, die Monade aber zugleich ein in ſich
geſchloſſenes Abſolutes iſt, ſo faͤllt die Harmonie
dieſer Begrenzungen, nemlich die Beziehung der Mona-
den auf einander, auſſer ihnen und iſt gleichfalls von ei-
nem andern Weſen oder an ſich praͤſtabilirt.
Es erhellt, daß durch das Princip der Re-
flexion-in-ſich, welches die Grundbeſtimmung der
Monade ausmacht, zwar das Andersſeyn und die Ein-
wirkung von auſſen uͤberhaupt entfernt iſt, und die Ver-
aͤnderungen der Monade ihr eigenes Setzen ſind, —
daß aber auf der andern Seite die Paſſivitaͤt durch an-
deres, nur in eine abſolute Schranke, in eine Schranke
des Anſichſeyns verwandelt iſt. Leibnitz ſchreibt
den Monaden eine gewiſſe Vollendung in ſich zu, eine
Art von Selbſtſtaͤndigkeit; ſie ſind geſchaffene We-
ſen. — Naͤher ihre Schranke betrachtet, ſo ergibt ſich
aus dieſer Darſtellung, daß die Manifeſtation ihrer
ſelbſt, die ihnen zukommt, die Totalitaͤt der Form
iſt. Es iſt ein hoͤchſt wichtiger Begriff, daß die Veraͤn-
derungen der Monade als Paſſivitaͤtsloſe Actionen, als
Manifeſtationen ihrer ſelbſt vorgeſtellt, und das
Princip der Reflexion in ſich, oder der Individua-
tion als weſentlich hervorſteht. Ferner iſt es nothwen-
dig, die Endlichkeit darin beſtehen zu laſſen, daß der
Inhalt oder die Subſtanz von der Form unter-
ſchieden, und dann weiter jene beſchraͤnkt, dieſe aber
unendlich iſt. Aber nun waͤre im Begriffe der abſo-
luten Monade nicht nur jene abſolute Einheit der
Form und des Inhalts, ſondern auch die Natur der Re-
flexion, als die ſich auf ſich ſelbſt beziehende Negativitaͤt
ſich von ſich abzuſtoſſen, wodurch ſie ſetzend und ſchaffend
iſt, zu finden. Es iſt zwar im Leibnitziſchen Syſteme
das Weitere gleichfalls vorhanden, daß Gott die
Quelle der Exiſtenz und des Weſens der
Mona-
[231]Die Wirklichkeit.
Monaden iſt, d. h. daß jene abſoluten Schranken im
Anſichſeyn der Monaden nicht an und fuͤr ſich ſeyende
ſind, ſondern im Abſoluten verſchwinden. Aber es zei-
gen ſich in dieſen Beſtimmungen nur die gewoͤhnlichen
Vorſtellungen, die ohne philoſophiſche Entwicklung gelaſ-
ſen und nicht zu ſpeculativen Begriffen erhoben ſind.
So erhaͤlt das Princip der Individuation ſeine tiefere Aus-
fuͤhrung nicht; die Begriffe uͤber die Unterſcheidungen
der verſchiedenen endlichen Monaden, und uͤber ihr Ver-
haͤltniß zu ihrem Abſoluten, entſpringen nicht aus dieſem
Weſen ſelbſt oder nicht auf abſolute Weiſe, ſondern ge-
hoͤren der raͤſonnirenden, dogmatiſchen Reflexion an, und
ſind daher zu keiner innern Cohaͤrenz gediehen.
Zwey-
[232]Zweytes Buch. III.Abſchnitt.
Zweytes Kapitel.
Die Wirklichkeit.
Das Abſolute iſt die Einheit des Innern und Aeuſ-
ſern als erſte, anſichſeyende Einheit. Die Aus-
legung erſchien als aͤuſſere Reflexion, die auf ihrer
Seite das Unmittelbare als ein Vorgefundenes hat, aber
zugleich die Bewegung und Beziehung deſſelben auf das
Abſolute iſt, und als ſolche es in dieſes zuruͤkfuͤhrt, und
als eine bloſſe Art und Weiſe beſtimmt. Aber dieſe
Art und Weiſe iſt die Beſtimmung des Abſoluten ſelbſt,
nemlich ſeine erſte Identitaͤt oder ſeine bloß an
ſich ſeyende Einheit. Und zwar wird durch dieſe
Reflexion nicht nur jenes erſte Anſichſeyn geſetzt als we-
ſenloſe Beſtimmung, ſondern weil ſie negative Beziehung
auf ſich iſt, wird erſt durch ſie jener Modus. Dieſe Re-
flexion als ſich ſelbſt in ihren Beſtimmungen aufhebend,
und uͤberhaupt als die in ſich zuruͤkkehrende Bewegung iſt
erſt wahrhaft abſolute Identitaͤt, und zugleich iſt ſie das
Beſtimmen des Abſoluten oder die Modalitaͤt deſſelben.
Der Modus iſt daher die Aeuſſerlichkeit des Abſoluten,
aber eben ſo ſehr nur als deſſen Reflexion in ſich; —
oder er iſt die eigne Manifeſtation deſſelben, ſo
daß dieſe Aeuſſerung ſeine Reflexion-in-ſich und damit
ſein An-und-fuͤr-ſich-ſeyn iſt.
So als die Manifeſtation, daß es ſonſt nichts
iſt und keinen Inhalt hat, als die Manifeſtation ſeiner zu
ſeyn, iſt das Abſolute die abſolute Form. Die
Wirklichkeit iſt als dieſe reflectirte Abſolutheit zu neh-
men. Das Seyn iſt noch nicht wirklich; es iſt die er-
ſte
[233]Die Wirklichkeit.
ſte Unmittelbarkeit; ſeine Reflexion iſt daher Werden und
Uebergehen in Anderes; oder ſeine Unmittelbar-
keit iſt nicht An-und-fuͤr-ſich-ſeyn. Die Wirklichkeit
ſteht auch hoͤher als die Exiſtenz. Dieſe iſt zwar die
aus dem Grunde und den Bedingungen, oder aus dem
Weſen und deſſen Reflexion hervorgegangene Unmittel-
barkeit. Sie iſt daher an ſich das, was die Wirklich-
keit iſt, reale Reflexion, aber iſt noch nicht die ge-
ſetzte Einheit der Reflexion und der Unmittelbarkeit.
Die Exiſtenz geht daher in Erſcheinung uͤber, in-
dem ſie die Reflexion, welche ſie enthaͤlt, entwickelt.
Sie iſt der zu Grunde gegangene Grund; ihre Beſtim-
mung iſt die Wiederherſtellung deſſelben, ſo wird ſie we-
ſentliches Verhaͤltniß, und ihre letzte Reflexion iſt, daß
ihre Unmittelbarkeit geſetzt iſt als die Reflexion-in-ſich,
und umgekehrt; dieſe Einheit, in welcher Exiſtenz oder
Unmittelbarkeit, und das Anſichſeyn, der Grund oder das
Reflectirte ſchlechthin Momente ſind, iſt nun die Wirk-
lichkeit. Das Wirkliche iſt darum Manifeſta-
tion, es wird durch ſeine Aeuſſerlichkeit nicht in die
Sphaͤre der Veraͤnderung gezogen, noch iſt es
Scheinen ſeiner in einem andern, ſondern es ma-
nifeſtirt ſich; das heißt, es iſt in ſeiner Aeuſſerlichkeit es
ſelbſt, und iſt nur in ihr, nemlich nur als ſich von
ſich unterſcheidende und beſtimmende Bewegung, es
ſelbſt.
In der Wirklichkeit nun als dieſer abſoluten Form,
ſind die Momente nur als aufgehobene oder formelle
noch nicht realiſirt; ihre Verſchiedenheit gehoͤrt ſo zunaͤchſt
der aͤuſſern Reflexion an und iſt nicht als Inhalt be-
ſtimmt.
Die Wirklichkeit als ſelbſt unmittelbare Form-
einheit des Innern und Aeuſſern iſt damit in der Beſtim-
mung
[234]Zweytes Buch. III.Abſchnitt.
mung der Unmittelbarkeit gegen die Beſtimmung
der Reflexion in ſich; oder ſie iſt eine Wirklichkeit
gegen eine Moͤglichkeit. Die Beziehung bey-
der auf einander iſt das Dritte, das Wirkliche be-
ſtimmt eben ſo ſehr als in ſich reflectirtes Seyn, und
dieſes zugleich als unmittelbar exiſtirendes. Dieſes Drit-
te iſt die Nothwendigkeit.
Aber zunaͤchſt, indem Wirkliches und Moͤgliches
formelle Unterſchiede ſind, iſt ihre Beziehung
gleichfalls nur formell, und beſteht nur darinn, daß
das eine wie das andere ein Geſetztſeyn iſt, oder in
der Zufaͤlligkeit.
Damit nun, daß in der Zufaͤlligkeit das Wirkliche
wie das Moͤgliche, das Geſetztſeyn iſt, haben ſie die
Beſtimmung an ihnen erhalten; es wird dadurch zwey-
tens die reale Wirklichkeit; womit eben ſo reale
Moͤglichkeit, und die relative Nothwendigkeit
hervorgeht.
Die Reflexion der relativen Nothwendigkeit in ſich
gibt drittens die abſolute Nothwendigkeit,
welche abſolute Moͤglichkeit und Wirklichkeit iſt.
A.Zu-
[235]Die Wirklichkeit.
A.
Zufaͤlligkeit
oder
Formelle Wirklichkeit, Moͤglichkeit und
Nothwendigkeit.
1. Die Wirklichkeit iſt formell, inſofern ſie als er-
ſte Wirklichkeit nur unmittelbare, unreflectirte
Wirklichkeit, ſomit nur in dieſer Formbeſtimmung, aber
nicht als Totalitaͤt der Form iſt. Sie iſt ſo weiter nichts
als ein Seyn oder Exiſtenz uͤberhaupt. Aber weil
ſie weſentlich nicht bloſſe unmittelbare Exiſtenz, ſon-
dern, als Formeinheit des Anſichſeyns oder der Inner-
lichkeit, und der Aeuſſerlichkeit iſt, ſo enthaͤlt ſie unmit-
telbar das Anſichſeyn oder die Moͤglichkeit.
Was wirklich iſt, iſt moͤglich.
2. Dieſe Moͤglichkeit iſt die in ſich reflectirte Wirk-
lichkeit. Aber diß ſelbſt erſte Reflectirtſeyn iſt
ebenfalls das Formelle, und hiemit uͤberhaupt nur die
Beſtimmung der Identitaͤt mit ſich oder des
Anſichſeyns uͤberhaupt.
Weil aber die Beſtimmung hier Totalitaͤt der
Form iſt, iſt dieſes Anſichſeyn, beſtimmt als aufge-
hobenes, oder als weſentlich nur in Beziehung auf
die Wirklichkeit; als das Negative von dieſer, geſetzt
als Negatives. Die Moͤglichkeit enthaͤlt daher die zwey
Momente; erſtlich das poſitive, daß es ein Re-
flectirtſeyn in ſich ſelbſt iſt; aber indem es in der abſoluten
Form
[236]Zweytes Buch. III.Abſchnitt.
Form herabgeſetzt iſt zu einem Momente, ſo gilt das Re-
flectirtſeyn-in-ſich nicht mehr als Weſen, ſondern hat
zweytens die negative Bedeutung, daß die Moͤg-
lichkeit ein mangelhaftes iſt, auf ein anderes, die Wirk-
lichkeit, hinweist, und an dieſer ſich ergaͤnzt.
Nach der erſten, der blos poſitiven Seite iſt die
Moͤglichkeit alſo die bloſſe Formbeſtimmung der Iden-
titaͤt mit ſich, oder die Form der Weſentlichkeit. So
iſt ſie der verhaͤltnißloſe, unbeſtimmte Behaͤlter fuͤr Alles
uͤberhaupt. — Im Sinne dieſer formellen Moͤglichkeit
iſt alles moͤglich, was ſich nicht widerſpricht;
das Reich der Moͤglichkeit iſt daher die grenzenloſe Man-
nichfaltigkeit: Aber jedes Mannichfaltige iſt in ſich und
gegen anderes beſtimmt und hat die Negation an
ihm; uͤberhaupt geht die gleichguͤltige Verſchieden-
heit in die Entgegenſetzung uͤber; die Entgegen-
ſetzung aber iſt der Widerſpruch. Daher iſt Alles eben
ſo ſehr ein widerſprechendes und daher unmoͤgliches.
— Diß bloß formelle von Etwas ausſagen, — es iſt
moͤglich, — iſt daher eben ſo flach und leer, als der
Satz des Widerſpruchs und jeder in ihn aufgenommene
Inhalt, A iſt moͤglich, heißt ſo viel als A iſt A. In-
ſofern man ſich nicht auf die Entwiklung des Inhalts
einlaͤßt, ſo hat dieſer die Form der Einfachheit; erſt
durch die Aufloͤſung deſſelben in ſeine Beſtimmungen
kommt der Unterſchied an ihm hervor. Indem man
ſich an jene einfache Form haͤlt, ſo bleibt der Inhalt ein
mit ſich identiſches und daher ein Moͤgliches. Es iſt
aber damit eben ſo Nichts geſagt, als mit dem for-
mellen identiſchen Satze.
Das Moͤgliche enthaͤlt jedoch mehr, als der bloß
identiſche Satz. Das Moͤgliche iſt das reflectirte
In-
[237]Die Wirklichkeit.
In-ſich-Reflectirtſeyn; oder das Identiſche
ſchlechthin als Moment der Totalitaͤt, ſomit auch be-
ſtimmt, nicht an ſich zu ſeyn; es hat daher die zwey-
te Beſtimmung, nur ein Moͤgliches zu ſeyn, und das
Sollen der Totalitaͤt der Form. Die Moͤglichkeit ohne
dieſes Sollen iſt die Weſentlichkeit als ſolche; aber
die abſolute Form enthaͤlt diß, daß das Weſen ſelbſt nur
Moment, und ohne Seyn ſeine Wahrheit nicht hat.
Die Moͤglichkeit iſt dieſe bloſſe Weſentlichkeit, ſo ge-
ſetzt, daß ſie nur Moment und der abſoluten Form
nicht gemaͤß iſt. Sie iſt das Anſichſeyn, beſtimmt, als nur
ein geſetztes; oder eben ſo ſehr als nicht an ſich
zu ſeyn. — Die Moͤglichkeit iſt daher an ihr ſelbſt
auch der Widerſpruch, oder ſie iſt die Unmoͤglich-
keit.
Zunaͤchſt druͤkt ſich diß ſo aus, daß die Moͤg-
lichkeit als aufgehoben geſetzte Formbeſtim-
mung, einen Inhalt uͤberhaupt an ihr hat. Dieſer
iſt als moͤglich ein Anſichſeyn, das zugleich ein aufgeho-
benes oder ein Andersſeyn iſt. Weil er alſo nur ein
moͤglicher iſt, iſt eben ſo ſehr ein anderer und ſein
Gegentheil moͤglich. A iſt A; eben ſo — A iſt — A.
Dieſe beyden Saͤtze druͤcken, jeder die Moͤglichkeit ſeiner
Inhaltsbeſtimmung aus. Aber als dieſe identiſchen Saͤ-
ze ſind ſie gleichguͤltig gegen einander; es iſt mit dem ei-
nen nicht geſetzt, daß auch der andere hinzukomme.
Die Moͤglichkeit iſt die vergleichende Beziehung beyder;
ſie enthaͤlt es in ihrer Beſtimmung, als eine Reflexion
der Totalitaͤt, daß auch das Gegentheil moͤglich ſey.
Sie iſt daher der beziehende Grund, daß darum,
weil A = A, auch — A = — A iſt; in dem moͤglichen A iſt
auch das Moͤgliche Nicht A enthalten, und dieſe Be-
ziehung ſelbſt iſt es, welche beyde als moͤgliche beſtimmt.
Als
[238]Zweytes Buch. III.Abſchnitt.
Als dieſe Beziehung aber, daß in dem einen Moͤg-
lichen, auch ſein anderes enthalten iſt, iſt ſie der Wi-
derſpruch, der ſich aufhebt. Da ſie nun ihrer Beſtim-
mung nach das Reflectirte, und wie ſich gezeigt hat, das ſich
aufhebende Reflectirte iſt, ſo iſt ſie ſomit auch das Un-
mittelbare, und damit wird ſie Wirklichkeit.
3. Dieſe Wirklichkeit iſt nicht die erſte, ſondern die
reflectirte, geſetzt als Einheit ihrer ſelbſt und der
Moͤglichkeit. Das Wirkliche als ſolches iſt moͤglich; es
iſt in unmittelbarer poſitiver Identitaͤt mit der Moͤglich-
keit; aber dieſe hat ſich beſtimmt als nur Moͤglichkeit;
ſomit iſt auch das Wirkliche beſtimmt als nur ein
Moͤgliches. Und unmittelbar, darum weil die Moͤg-
lichkeit in der Wirklichkeit unmittelbar enthalten iſt,
iſt ſie darin als aufgehobene, als nur Moͤglichkeit.
Umgekehrt die Wirklichkeit, die in Einheit iſt mit der
Moͤglichkeit, iſt nur die aufgehobene Unmittelbarkeit; —
oder darum weil die formelle Wirklichkeit nur unmit-
telbare erſte iſt, iſt ſie nur Moment, nur aufgehobene
Wirklichkeit, oder nur Moͤglichkeit.
Hiemit iſt zugleich naͤher die Beſtimmung ausge-
druͤkt, inwiefern die Moͤglichkeit Wirklichkeit
iſt. Die Moͤglichkeit iſt nemlich noch nicht alle Wirk-
lichkeit, von der realen und abſoluten Wirklichkeit iſt
noch nicht die Rede geweſen; — ſie iſt nur erſt diejeni-
ge, welche zuerſt vorkam, nemlich die formelle, die ſich
beſtimmt hat, nur Moͤglichkeit zu ſeyn, alſo die formelle
Wirklichkeit, welche nur Seyn oder Exiſtenz uͤber-
haupt iſt. Alles Moͤgliche hat daher uͤberhaupt ein
Seyn oder eine Exiſtenz.
Dieſe Einheit der Moͤglichkeit und Wirklichkeit iſt
die Zufaͤlligkeit. — Das Zufaͤllige iſt ein Wirkli-
ches,
[239]Die Wirklichkeit.
ches, das zugleich nur als moͤglich beſtimmt, deſſen An-
deres oder Gegentheil eben ſo ſehr iſt. Dieſe Wirklich-
keit iſt daher bloſſes Seyn oder Exiſtenz, aber in ſeiner
Wahrheit geſetzt, den Werth eines Geſetztſeyns oder der
Moͤglichkeit zu haben. Umgekehrt iſt die Moͤglichkeit als
die Reflexion-in-ſich oder das Anſichſeyn geſetzt
als Geſetztſeyn; was moͤglich iſt, iſt ein Wirkliches in
dieſem Sinne der Wirklichkeit, es hat nur ſo viel Werth
als die zufaͤllige Wirklichkeit; es iſt ſelbſt ein Zufaͤlliges.
Das Zufaͤllige bietet daher die zwey Seiten dar;
erſtens inſofern es die Moͤglichkeit unmittelbar an
ihm hat, oder, was daſſelbe iſt, inſofern ſie in ihm auf-
gehoben iſt, iſt es nicht Geſetztſeyn noch vermittelt,
ſondern unmittelbare Wirklichkeit; es hat keinen
Grund. — Weil auch dem Moͤglichen dieſe unmittel-
bare Wirklichkeit zukommt, ſo iſt es ſo ſehr als das Wirk-
liche, beſtimmt als zufaͤllig, und ebenfalls ein Grund-
loſes.
Das Zufaͤllige iſt aber zweytens das Wirkliche
als ein nur Moͤgliches oder als ein Geſetztſeyn; ſo
auch das Moͤgliche iſt als formelles An-ſich-ſeyn
nur Geſetztſeyn. Somit iſt beydes nicht an und fuͤr ſich
ſelbſt, ſondern hat ſeine wahrhafte Reflexion-in-ſich in
einem Andern, oder es hat einen Grund.
Das Zufaͤllige hat alſo darum keinen Grund, weil
es zufaͤllig iſt; und eben ſo wohl hat es einen Grund,
darum weil es zufaͤllig iſt.
Es iſt das geſetzte, unvermittelte Umſchlagen
des Innern und Aeuſſern, oder des In-ſich-reflectirt-
ſeyns und des Seyns in einander; geſetzt dadurch daß
Moͤglichkeit und Wirklichkeit, jede an ihr ſelbſt dieſe Beſtim-
mung
[240]Zweytes Buch. III.Abſchnitt.
mung hat, dadurch daß ſie Momente der abſoluten Form
ſind. — So iſt die Wirklichkeit in ihrer unmittelba-
ren Einheit mit der Moͤglichkeit nur die Exiſtenz und be-
ſtimmt als grundloſes, das nur ein geſetztes oder
nur moͤgliches iſt; — oder als reflectirt und beſtimmt
gegen die Moͤglichkeit, ſo iſt ſie von der Moͤglichkeit,
von dem In-ſich-reflectirt-ſeyn getrennt, und ſomit
eben ſo unmittelbar auch nur ein Moͤgliches. — Eben
ſo die Moͤglichkeit, als einfaches Anſichſeyn, iſt es
ein Unmittelbares, nur ein [Seyendes] uͤberhaupt; oder
entgegengeſetzt gegen die Wirklichkeit, eben ſo eine
Wirklichkeits-loſes Anſichſeyn, nur ein Moͤgliches, aber
eben darum wieder nur eine nicht in ſich reflectirte Exi-
ſtenz uͤberhaupt.
Dieſe abſolute Unruhe des Werdens die-
ſer beyden Beſtimmungen iſt die Zufaͤlligkeit. Aber
darum weil jede unmittelbar in die entgegengeſetzte um-
ſchlaͤgt, ſo geht ſie in dieſer eben ſo ſchlechthin mit ſich
ſelbſt zuſammen, und dieſe Identitaͤt derſelben einer
in der andern iſt die Nothwendigkeit.
Das Nothwendige iſt ein Wirkliches; ſo iſt es
als unmittelbares, grundloſes; es hat aber eben ſo
ſehr ſeine Wirklichkeit durch ein anderes oder in
ſeinem Grunde, aber iſt zugleich das Geſetztſeyn dieſes
Grundes und die Reflexion deſſelben in ſich; die Moͤg-
lichkeit des Nothwendigen iſt eine aufgehobene. Das
Zufaͤllige iſt alſo nothwendig, darum weil das Wirkliche
als Moͤgliches beſtimmt, damit ſeine Unmittelbarkeit auf-
gehoben und in Grund oder Anſichſeyn, und in
Begruͤndetes abgeſtoſſen iſt, als auch weil dieſe ſei-
ne Moͤglichkeit, die Grundbeziehung, ſchlecht-
hin aufgehoben und als Seyn geſetzt iſt. Das Noth-
wendige iſt, und diß Seyende iſt ſelbſt das Noth-
wen-
[241]Die Wirklichkeit.
wendige. Zugleich iſt es an ſich; dieſe Reflexion-
in-ſich iſt ein anderes als jene Unmittelbarkeit des
Seyns; und die Nothwendigkeit des Seyenden iſt ein
anderes. Das Seyende ſelbſt iſt ſo nicht das Noth-
wendige; aber dieſes Anſichſeyn iſt ſelbſt nur Geſetztſeyn,
es iſt aufgehoben und ſelbſt unmittelbar. So iſt die
Wirklichkeit in ihrem unterſchiedenen, der Moͤglichkeit,
identiſch mit ſich ſelbſt. Als dieſe Identitaͤt iſt ſie Noth-
wendigkeit.
B.
Relative Nothwendigkeit
oder
Reale Wirklichkeit, Moͤglichkeit und
Nothwendigkeit.
1. Die Nothwendigkeit, die ſich ergeben hat, iſt
formell, weil ihre Momente formell ſind, nemlich ein-
fache Beſtimmungen, die nur als unmittelbare Einheit,
oder als unmittelbares Umſchlagen des einen in das an-
dere Totalitaͤt ſind, und ſomit nicht die Geſtalt der
Selbſtſtaͤndigkeit haben. — In dieſer formellen Noth-
wendigkeit iſt daher die Einheit zunaͤchſt einfach und ge-
gen ihre Unterſchiede gleichguͤltig. Als unmittelbare
Einheit der Formbeſtimmungen, iſt dieſe Nothwendigkeit
Wirklichkeit; aber eine ſolche, die, weil ihre Ein-
heit nunmehr beſtimmt iſt als gleichguͤltig gegen
den Unterſchied der Formbeſtimmungen, nemlich ih-
Qrer
[242]Zweytes Buch. III.Abſchnitt.
rer ſelbſt und der Moͤglichkeit, einen Inhalt hat.
Dieſer als gleichguͤltige Identitaͤt enthaͤlt auch die Form
als gleichguͤltige, d. h. als bloß verſchiedene Be-
ſtimmungen, und iſt mannichfaltiger Inhalt uͤber-
haupt. Dieſe Wirklichkeit iſt reale Wirklichkeit.
Die reale Wirklichkeit als ſolche iſt zunaͤchſt das
Ding von vielen Eigenſchaften, die exiſtirende Welt;
aber ſie iſt nicht die Exiſtenz, welche ſich in Erſcheinung
aufloͤst, ſondern als Wirklichkeit iſt ſie zugleich Anſich-
ſeyn und Reflexion-in-ſich; ſie erhaͤlt ſich in der Man-
nichfaltigkeit der bloſſen Exiſtenz; ihre Aeuſſerlichkeit iſt
innerliches Verhalten nur zu ſich ſelbſt. Was wirklich
iſt, kann wirken; ſeine Wirklichkeit gibt Etwas kund
durch das, was es hervorbringt. Sein Ver-
halten zu anderem iſt die Manifeſtation ſeiner, weder
ein Uebergehen, ſo bezieht das ſeyende Etwas ſich auf
anderes; — noch ein Erſcheinen, ſo iſt das Ding nur
im Verhaͤltniß zu andern, iſt ein Selbſtſtaͤndiges, das
aber ſeine Reflexion-in-ſich, ſeine beſtimmte Weſent-
lichkeit, in einem andern Selbſtſtaͤndigen hat.
Die reale Wirklichkeit hat nun gleichfalls die
Moͤglichkeit unmittelbar an ihr ſelbſt. Sie ent-
haͤlt das Moment des Anſichſeyns; aber als nur erſt die
unmittelbare Einheit iſt ſie in einer der Beſtim-
mungen der Form, hiemit als das ſeyende von dem An-
ſichſeyn oder der Moͤglichkeit unterſchieden.
2. Dieſe Moͤglichkeit als das Anſichſeyn der rea-
len Wirklichkeit iſt ſelbſt reale Moͤglichkeit, zu-
naͤchſt das inhaltsvolle Anſichſeyn. — Die formelle
Moͤglichkeit iſt die Reflexion-in-ſich nur als die ab-
ſtracte Identitaͤt, daß Etwas ſich in ſich nicht widerſpre-
che. Inſofern man ſich aber auf die Beſtimmungen,
Umſtaͤnde,
[243]Die Wirklichkeit.
Umſtaͤnde, Bedingungen einer Sache einlaͤßt, um daraus
ihre Moͤglichkeit zu erkennen, bleibt man nicht mehr bey
der formellen ſtehen, ſondern betrachtet ihre reale Moͤg-
lichkeit.
Dieſe reale Moͤglichkeit iſt ſelbſt unmittelbare
Exiſtenz, nicht mehr aber darum, weil die Moͤglich-
keit als ſolche, als formelles Moment, unmittelbar ihr
Gegentheil, eine nicht reflectirte Wirklichkeit iſt; ſondern
weil ſie reale Moͤglichkeit iſt, hat ſie ſogleich dieſe Be-
ſtimmung an ihr ſelbſt. Die reale Moͤglichkeit einer Sa-
che iſt daher die daſeyende Mannichfaltigkeit von Umſtaͤn-
den, die ſich auf ſie beziehen.
Dieſe Mannichfaltigkeit des Daſeyns iſt alſo zwar
ſowohl Moͤglichkeit als Wirklichkeit, aber ihre Identitaͤt
iſt nur erſt der Inhalt, der gegen dieſe Formbeſtim-
mungen gleichguͤltig iſt; ſie machen daher die Form aus
beſtimmt gegen ihre Identitaͤt. — Oder die unmit-
telbare reale Wirklichkeit, darum weil ſie unmittelbare
iſt, iſt gegen ihre Moͤglichkeit beſtimmt; als dieſe be-
ſtimmte, ſomit reflectirte iſt ſie die reale Moͤglich-
keit. Dieſe iſt nun zwar das geſetzte Ganze der
Form, aber der Form in ihrer Beſtimmtheit, nemlich
der Wirklichkeit als formeller oder unmittelbaren, und
eben ſo der Moͤglichkeit, als des abſtracten Anſichſeyns.
Dieſe Wirklichkeit, welche die Moͤglichkeit einer Sache
ausmacht, iſt daher nicht ihre eigene Moͤglich-
keit, ſondern das Anſichſeyn eines andern Wirkli-
chen; ſie ſelbſt iſt die Wirklichkeit, die aufgehoben werden
ſoll, die Moͤglichkeit als nur Moͤglichkeit. — So
macht die reale Moͤglichkeit das Ganze von Bedin-
gungen aus, eine nicht in ſich reflectirte, zerſtreute
Wirklichkeit, welche aber beſtimmt iſt, das Anſichſeyn
aber eines andern zu ſeyn und in ſich zuruͤkgehen zu ſollen.
Q 2Was
[244]Zweytes Buch. III.Abſchnitt.
Was real moͤglich iſt, iſt alſo nach ſeinem Anſich-
ſeyn, ein formelles identiſches, das nach ſeiner ein-
fachen Inhaltsbeſtimmung ſich nicht widerſpricht; aber
auch nach ſeinen entwickelten und unterſchiedenen Umſtaͤn-
den und allem, womit es im Zuſammenhange ſteht, muß
es als das mit ſich identiſche ſich nicht widerſprechen.
Aber zweytens weil es in ſich mannichfaltig und mit
anderem in mannichfaltigem Zuſammenhange iſt, die Ver-
ſchiedenheit aber an ſich ſelbſt in Entgegenſetzung uͤber-
geht, iſt es ein widerſprechendes. Wenn von einer
Moͤglichkeit die Rede iſt und deren Widerſpruch aufgezeigt
werden ſoll, ſo hat man ſich nur an die Mannichfaltig-
keit, die ſie als Inhalt oder als ihre bedingende Exi-
ſtenz enthaͤlt, zu halten; woraus ſich leicht ihr Wider-
ſpruch auffinden laͤßt. — Diß iſt aber nicht ein Wider-
ſpruch der Vergleichung, ſondern die mannichfaltige Exi-
ſtenz iſt an ſich ſelbſt diß, ſich aufzuheben und zu
Grunde zu gehen; und hat darin weſentlich die Beſtim-
mung, nur ein Moͤgliches zu ſeyn, an ihr ſelbſt. —
Wenn alle Bedingungen einer Sache vollſtaͤndig vorhan-
den ſind, ſo tritt ſie in Wirklichkeit; — die Vollſtaͤndig-
keit der Bedingungen iſt die Totalitaͤt als am Inhalte,
und die Sache ſelbſt iſt dieſer Inhalt beſtimmt eben
ſo ein Wirkliches als Moͤgliches zu ſeyn. In der
Sphaͤre des bedingten Grundes haben die Bedingungen
die Form, nemlich den Grund oder die fuͤr ſich ſeyende
Reflexion, auſſer ihnen, welche ſie zu Momenten der
Sache bezieht und die Exiſtenz an ihnen hervorbringt.
Hier hingegen iſt die unmittelbare Wirklichkeit nicht durch
eine vorausſetzende Reflexion beſtimmt, Bedingung zu
ſeyn, ſondern es iſt geſetzt, daß ſie ſelbſt die Moͤglich-
keit iſt.
In der ſich aufhebenden realen Moͤglichkeit iſt es
nun ein gedoppeltes, das aufgehoben wird; denn ſie iſt
ſelbſt
[245]Die Wirklichkeit.
ſelbſt das gedoppelte, Wirklichkeit und Moͤglichkeit zu
ſeyn. 1) Die Wirklichkeit iſt die formelle, oder eine
Exiſtenz, die als ſelbſtſtaͤndige unmittelbare erſchien, und
durch ihr Aufheben zum reflectirten Seyn, zum Moment
eines andern wird, und ſomit das Anſichſeyn an ihr
erhaͤlt. 2) Jene Exiſtenz war auch beſtimmt als Moͤg-
lichkeit oder als das Anſichſeyn aber eines Andern.
Indem es ſich alſo aufhebt, ſo wird auch diß Anſichſeyn
aufgehoben, und geht in Wirklichkeit uͤber. — Die-
ſe Bewegung der ſich ſelbſt aufhebenden realen Moͤglich-
keit bringt alſo dieſelben ſchon vorhandenen
Momente hervor, nur jedes aus dem andern wer-
dend; ſie iſt daher in dieſer Negation auch nicht ein
Uebergehen, ſondern ein Zuſammengehen mit
ſich ſelbſt. — Nach der formellen Moͤglichkeit war
darum, weil etwas moͤglich war, auch nicht es ſelbſt,
ſondern ſein anderes moͤglich. Die reale Moͤglichkeit
hat nicht mehr ein ſolches anderes ſich gegenuͤber,
denn ſie iſt real, inſofern ſie ſelbſt auch die Wirklichkeit
iſt. Indem ſich alſo die unmittelbare Exiſtenz
derſelben, der Kreis der Bedingungen, aufhebt, ſo
macht ſie ſich zum Anſichſeyn, welches ſie ſelbſt ſchon
iſt, nemlich als das Anſichſeyn eines andern. Und
indem umgekehrt dadurch zugleich ihr Moment des An-
ſichſeyns ſich aufhebt, wird ſie zur Wirklichkeit, alſo zu
dem Momente, das ſie gleichfalls ſelbſt ſchon iſt. —
Was verſchwindet, iſt damit diß, daß die Wirklichkeit
beſtimmt war, als die Moͤglichkeit oder das Anſichſeyn
eines Andern, und umgekehrt die Moͤglichkeit als eine
Wirklichkeit, die nicht diejenige iſt, deren Moͤglich-
keit ſie iſt.
3. Die Negation der realen Moͤglichkeit iſt ſo-
mit ihre Identitaͤt mit ſich; indem ſie ſo in ihrem
Aufheben der Gegenſtoß dieſes Aufhebens in ſich ſelbſt
iſt, iſt ſie die reale Nothwendigkeit.
Was
[246]Zweytes Buch. III.Abſchnitt.
Was nothwendig iſt, kann nicht anders ſeyn;
aber wohl was uͤberhaupt moͤglich iſt; denn die Moͤg-
lichkeit iſt das Anſichſeyn, das nur Geſetztſeyn, und da-
her weſentlich Andersſeyn iſt. Die formelle Moͤglichkeit
iſt dieſe Identitaͤt als Uebergehen in ſchlechthin Anderes;
die reale aber, weil ſie das andere Moment, die Wirk-
lichkeit, an ihr hat, iſt ſchon ſelbſt die Nothwendigkeit.
Was daher real moͤglich iſt, das kann nicht mehr an-
ders ſeyn; unter dieſen Bedingungen und Umſtaͤnden
kann nicht etwas anderes erfolgen. Reale Moͤglichkeit
und die Nothwendigkeit ſind daher nur ſcheinbar un-
terſchieden; dieſe iſt eine Identitaͤt, die nicht erſt
wird, ſondern ſchon vorausgeſetzt iſt, und zu
Grunde liegt. Die reale Nothwendigkeit iſt daher in-
haltsvolle Beziehung; denn der Inhalt iſt jene anſich-
ſeyende Identitaͤt, die gegen die Formunterſchiede gleich-
guͤltig iſt.
Dieſe Nothwendigkeit aber iſt zugleich relativ.
— Sie hat nemlich eine Vorausſetzung, von der
ſie anfaͤngt, ſie hat an dem Zufaͤlligen ihren Aus-
gangspunkt. Das reale Wirkliche als ſolches, iſt
nemlich das beſtimmte Wirkliche, und hat zunaͤchſt
ſeine Beſtimmtheit als unmittelbares Seyn
darin, daß es eine Mannichfaltigkeit exiſtirender Um-
ſtaͤnde iſt; aber diß unmittelbare Seyn als Beſtimmtheit,
iſt es auch das Negative ſeiner, iſt Anſichſeyn oder
Moͤglichkeit; ſo iſt es reale Moͤglichkeit. Als dieſe Ein-
heit der beyden Momente iſt ſie die Totalitaͤt der Form,
aber die ſich noch aͤuſſerliche Totalitaͤt; ſie iſt ſo
Einheit der Moͤglichkeit und Wirklichkeit, daß 1) die man-
nichfaltige Exiſtenz unmittelbar oder poſitiv die
Moͤglichkeit iſt; — ein moͤgliches, mit ſich identiſches
uͤberhaupt, darum weil ſie ein wirkliches iſt; 2) inſofern
dieſe Moͤglichkeit der Exiſtenz geſetzt iſt, iſt ſie beſtimmt
als
[247]Die Wirklichkeit.
als nur Moͤglichkeit, als unmittelbares Umſchlagen der
Wirklichkeit in ihr Gegentheil, — oder als Zufaͤllig-
keit. Daher iſt dieſe Moͤglichkeit, welche die unmittel-
bare Wirklichkeit, indem ſie Bedingung iſt, an ihr hat,
nur das Anſichſeyn als die Moͤglichkeit eines Andern.
Dadurch daß, wie gezeigt, diß Andersſeyn ſich aufhebt,
und diß Geſetztſeyn ſelbſt geſetzt wird, wird die reale
Moͤglichkeit zwar Nothwendigkeit; aber dieſe faͤngt ſomit
von jener noch nicht in ſich reflectirten Einheit des Moͤg-
lichen und Wirklichen an; — dieſes Vorausſetzen
und die in ſich zuruͤkkehrende Bewegung iſt noch
getrennt; — oder die Nothwendigkeit hat ſich
noch nicht aus ſich ſelbſt zur Zufaͤlligkeit be-
ſtimmt.
Die Relativitaͤt der realen Nothwendigkeit ſtellt ſich
an dem Inhalte ſo dar, daß er nur erſt die gegen die
Form gleichguͤltige Identitaͤt, daher von ihr unterſchieden
und ein beſtimmter Inhalt uͤberhaupt iſt. Das real
Nothwendige iſt deßwegen irgend eine beſchraͤnkte Wirk-
lichkeit, die um dieſer Beſchraͤnktheit willen in anderer
Ruͤkſicht auch nur ein Zufaͤlliges iſt.
In der That iſt ſomit die reale Nothwendig-
keit an ſich auch Zufaͤlligkeit. — Diß erſcheint
zunaͤchſt ſo, daß das real Nothwendige, der Form
nach, zwar ein Nothwendiges, aber dem Inhalte nach
ein Beſchraͤnktes ſey, und durch ihn ſeine Zufaͤlligkeit
habe. Allein auch in der Form der realen Nothwendig-
keit iſt die Zufaͤlligkeit enthalten; denn wie ſich gezeigt,
iſt die reale Moͤglichkeit nur an ſich das Nothwendige,
geſetzt aber iſt ſie als das Andersſeyn der Wirklich-
keit und Moͤglichkeit gegen einander. Die reale Noth-
wendigkeit enthaͤlt daher die Zufaͤlligkeit; ſie iſt die Ruͤk-
kehr in-ſich aus jenem unruhigen Andersſeyn der
Wirk-
[248]Zweytes Buch. III.Abſchnitt.
Wirklichkeit und Moͤglichkeit gegen einander, aber nicht
aus ſich ſelbſt zu ſich.
An ſich iſt alſo hier die Einheit der Nothwendig-
keit und Zufaͤlligkeit vorhanden; dieſe Einheit iſt die ab-
ſolute Wirklichkeit zu nennen.
C.
Abſolute Nothwendigkeit.
Die reale Nothwendigkeit iſt beſtimmte Noth-
wendigkeit; die formelle hat noch keinen Inhalt und Be-
ſtimmtheit an ihr. Die Beſtimmtheit der Nothwen-
digkeit beſteht darin, daß ſie ihre Negation, die Zufaͤl-
ligkeit, an ihr hat. So hat ſie ſich ergeben.
Dieſe Beſtimmtheit aber in ihrer erſten Ein-
fachheit iſt Wirklichkeit; die beſtimmte Nothwen-
digkeit iſt daher unmittelbar wirkliche Nothwen-
digkeit. Dieſe Wirklichkeit, die ſelbſt als ſolche
nothwendig iſt, indem ſie nemlich die Nothwendig-
keit als ihr Anſichſeyn enthaͤlt, iſt abſolute
Wirklichkeit; — Wirklichkeit, die nicht mehr anders
ſeyn kann, denn ihr Anſichſeyn iſt nicht die Moͤglich-
keit, ſondern die Nothwendigkeit ſelbſt.
Aber damit iſt dieſe Wirklichkeit, weil ſie ge-
ſetzt iſt, abſolut, das heißt, ſelbſt die Einheit
ihrer und der Moͤglichkeit zu ſeyn, nur eine
leere
[249]Die Wirklichkeit.
leere Beſtimmung; oder ſie iſt Zufaͤlligkeit. —
Diß Leere ihrer Beſtimmung macht ſie zu einer bloſ-
ſen Moͤglichkeit, zu einem, das eben ſo ſehr auch
anders ſeyn und als Moͤgliches beſtimmt werden kann.
Dieſe Moͤglichkeit aber iſt ſelbſt die abſolute; denn
ſie iſt eben die Moͤglichkeit, eben ſo ſehr als Moͤglichkeit
wie als Wirklichkeit beſtimmt zu werden. Damit, daß
ſie dieſe Gleichguͤltigkeit gegen ſich ſelbſt iſt, iſt ſie geſetzt
als leere, zufaͤllige Beſtimmung.
So enthaͤlt die reale Nothwendigkeit nicht nur an
ſich die Zufaͤlligkeit, ſondern dieſe wird auch an ihr;
aber diß Werden als die Aeuſſerlichkeit iſt ſelbſt nur
das Anſichſeyn derſelben, weil es nur ein unmit-
telbares Beſtimmtſeyn iſt. Aber es iſt nicht nur
diß, ſondern ihr eigenes Werden, — oder die
Vorausſetzung, welche ſie hatte, iſt ihr eigenes
Setzen. Denn als reale Nothwendigkeit iſt ſie das Auf-
gehobenſeyn der Wirklichkeit in der Moͤglichkeit und um-
gekehrt; — indem ſie diß einfache Umſchlagen
des einen dieſer Momente in das andere iſt, iſt ſie auch
ihre einfache poſitive Einheit, indem jedes, wie ſich
zeigte, in dem andern nur mit ſich ſelbſt zuſammen-
geht. So iſt ſie aber die Wirklichkeit; jedoch eine
ſolche, die nur iſt, als dieſes einfache Zuſammengehen
der Form mit ſich ſelbſt. Ihr negatives Setzen jener
Momente iſt dadurch ſelbſt das Vorausſetzen, oder
Setzen ihrer ſelbſt als aufgehobener oder der
Unmittelbarkeit.
Eben darin aber iſt dieſe Wirklichkeit beſtimmt als
Negatives; ſie iſt ein Zuſammengehen aus der Wirklich-
keit, welche reale Moͤglichkeit war, mit ſich; alſo wird
dieſe neue Wirklichkeit nur aus ihrem Anſichſeyn, aus
der Negation ihrer ſelbſt. — Damit iſt ſie zu-
gleich
[250]Zweytes Buch. III.Abſchnitt.
gleich unmittelbar als Moͤglichkeit beſtimmt, als
Vermitteltes durch ihre Negation. Dieſe Moͤg-
lichkeit aber iſt ſomit unmittelbar nichts als diß Ver-
mitteln, in welchem das Anſichſeyn, nemlich ſie ſelbſt,
und die Unmittelbarkeit, beyde auf gleiche Weiſe Ge-
ſetztſeyn ſind. — So iſt es die Nothwendigkeit, wel-
che eben ſo ſehr Aufheben dieſes Geſetztſeyns oder Se-
zen der Unmittelbarkeit, und des Anſichſeyns,
ſo wie eben darin Beſtimmen dieſes Aufhebens als
Geſetztſeyns iſt. Sie iſt daher es ſelbſt, welche
ſich als Zufaͤlligkeit beſtimmt; — in ihrem Seyn
ſich von ſich abſtoͤßt, in dieſem Abſtoſſen ſelbſt nur in
ſich zuruͤkgekehrt iſt, und in dieſer Ruͤkkehr als ihrem
Seyn ſich von ſich ſelbſt abgeſtoſſen hat.
So hat die Form in ihrer Realiſirung alle ihre
Unterſchiede durchdrungen und ſich durchſichtig gemacht,
und iſt als abſolute Nothwendigkeit nur dieſe
einfache Identitaͤt des Seyns in ſeiner Ne-
gation oder in dem Weſen mit ſich ſelbſt. —
Der Unterſchied von dem Inhalte und der Form ſelbſt
iſt eben ſo verſchwunden; denn jene Einheit der Moͤg-
lichkeit in der Wirklichkeit und umgekehrt iſt die in ih-
rer Beſtimmtheit oder im Geſetztſeyn gegen ſich ſelbſt
gleichguͤltige Form, die inhaltsvolle Sache, an
der ſich die Form der Nothwendigkeit aͤuſſerlich verlief.
Aber ſo iſt ſie dieſe reflectirte Identitaͤt beyder Be-
ſtimmungen, als gegen ſie gleichguͤltig, ſomit die
Formbeſtimmung des Anſichſeyns gegen das Ge-
ſetztſeyn, und dieſe Moͤglichkeit macht die Beſchraͤnkt-
heit des Inhalts aus, den die reale Nothwendigkeit hat-
te. Die Aufloͤſung dieſes Unterſchieds aber iſt die abſo-
lute Nothwendigkeit, deren Inhalt dieſer in ihr ſich
durchdringende Unterſchied iſt.
Die
[251]Die Wirklichkeit.
Die abſolute Nothwendigkeit iſt alſo die Wahrheit,
in welche Wirklichkeit und Moͤglichkeit uͤberhaupt, ſo wie
die formelle und reale Nothwendigkeit zuruͤkgeht. — Sie
iſt, wie ſich ergeben hat, das Seyn, das in ſeiner Ne-
gation, im Weſen, ſich auf ſich bezieht und Seyn iſt.
Sie iſt eben ſo ſehr einfache Unmittelbarkeit oder rei-
nes Seyn, als einfache Reflexion-in-ſich, oder rei-
nes Weſen; ſie iſt diß, daß diß beydes ein und daſ-
ſelbe iſt. — Das ſchlechthin Nothwendige iſt nur, weil
es iſt; es hat ſonſt keine Bedingung, noch Grund. —
Es iſt aber eben ſo reines Weſen, ſein Seyn iſt
die einfache Reflexion-in-ſich; es iſt, weil es iſt.
Als Reflexion hat es Grund und Bedingung, aber es
hat nur ſich zum Grunde und Bedingung. Es iſt An-
ſichſeyn, aber ſein Anſichſeyn iſt ſeine Unmittelbarkeit,
ſeine Moͤglichkeit iſt ſeine Wirklichkeit. — Es iſt al-
ſo, weil es iſt; als das Zuſammengehen des
Seyns mit ſich, iſt es Weſen; aber weil diß Einfache
eben ſo die unmittelbare Einfachheit iſt, iſt es Seyn.
Die abſolute Nothwendigkeit iſt ſo die Reflexion
oder Form des Abſoluten; Einheit des Seyns
und Weſens, einfache Unmittelbarkeit, welche abſolute
Negativitaͤt iſt. Einerſeits ſind ihre Unterſchiede da-
her nicht als Reflexionsbeſtimmungen, ſondern als
ſeyende Mannichfaltigkeit, als unterſchiedene
Wirklichkeit, welche die Geſtalt von ſelbſtſtaͤndigen An-
deren gegen einander hat. Andererſeits da ihre Be-
ziehung die abſolute Identitaͤt iſt, iſt ſie das abſolute
Umkehren ihrer Wirklichkeit in ihre Moͤglichkeit und
ihrer Moͤglichkeit in Wirklichkeit. — Die abſolute Noth-
wendigkeit iſt daher blind. Einerſeits haben die un-
terſchiedenen, welche als Wirklichkeit und als die Moͤg-
lichkeit beſtimmt ſind, die Geſtalt der Reflexion-in-
ſich als des Seyns; ſie ſind daher beyde als freye
Wirk-
[252]Zweytes Buch. III.Abſchnitt.
Wirklichkeiten, deren keins im andern
ſcheint, keins eine Spur ſeiner Beziehung auf das An-
dere an ihm zeigen will; in ſich gegruͤndet iſt jedes das
Nothwendige an ihm ſelbſt. Die Nothwendigkeit als
Weſen iſt in dieſem Seyn verſchloſſen; die Beruͤh-
rung dieſer Wirklichkeiten durch einander erſcheint daher
als eine leere Aeuſſerlichkeit; die Wirklichkeit des einen
in dem andern iſt die nur Moͤglichkeit, die Zu-
faͤlligkeit. Denn das Seyn iſt geſetzt als abſolut
nothwendig, als die Vermittlung-mit-ſich, welche ab-
ſolute Negation der Vermittlung-durch-anderes iſt, oder
als Seyn das nur mit dem Seyn identiſch iſt; ein An-
deres, das im Seyn Wirklichkeit hat, iſt daher als
ſchlechthin nur Moͤgliches, leeres Geſetztſeyn be-
ſtimmt.
Aber dieſe Zufaͤlligkeit iſt vielmehr die abſolu-
te Nothwendigkeit; ſie iſt das Weſen jener freyen, an
ſich nothwendigen Wirklichkeiten. Dieſes Weſen iſt das
Lichtſcheue, weil an dieſen Wirklichkeiten kein
Scheinen, kein Reflex iſt, weil ſie nur rein in ſich ge-
gruͤndet, fuͤr ſich geſtaltet ſind, ſich nur ſich ſelbſt
manifeſtiren, — weil ſie nur Seyn ſind. — Aber
ihr Weſen wird an ihnen hervorbrechen und offenba-
ren, was es iſt und was ſie ſind. Die Einfach-
heit ihres Seyns, ihres Beruhens auf ſich, iſt die ab-
ſolute Negativitaͤt; ſie iſt die Freyheit ihrer ſcheinlo-
ſen Unmittelbarkeit. Dieſes Negative bricht an ihnen
hervor, weil das Seyn durch diß ſein Weſen der Wider-
ſpruch mit ſich ſelbſt iſt; — und zwar gegen diß Seyn
in der Form des Seyns, alſo als die Negation je-
ner Wirklichkeiten, welche abſolut verſchieden iſt
von ihrem Seyn, als ihr Nichts, als ein eben ſo
freyes Andersſeyn gegen ſie, als ihr Seyn es iſt.
— Jedoch war es an ihnen nicht zu verkennen. Sie
ſind
[253]Die Wirklichkeit.
ſind in ihrer auf ſich beruhenden Geſtaltung gleichguͤltig
gegen die Form, ein Inhalt, damit unterſchie-
dene Wirklichkeiten und ein beſtimmter Inhalt; die-
ſer iſt das Maal, das die Nothwendigkeit, indem ſie,
welche abſolute Ruͤkkehr in ſich ſelbſt in ihrer Beſtim-
mung iſt, dieſelben frey als abſolut wirkliche entließ,
— ihnen aufdruͤkte, worauf ſie als den Zeugen ihres
Rechts ſich beruft, und an dem ſie ergriffen nun un-
tergehen. Dieſe Manifeſtation deſſen, was die Be-
ſtimmtheit in Wahrheit iſt, negative Beziehung auf
ſich ſelbſt, iſt blinder Untergang im Andersſeyn; das
hervorbrechende Scheinen oder die Reflexion iſt an
den Seyenden als Werden oder Uebergehen
des Seyns in Nichts. Aber das Seyn iſt umgekehrt
eben ſo ſehr Weſen, und das Werden iſt Refle-
xion oder Scheinen. So iſt die Aeuſſerlichkeit ihre
Innerlichkeit, ihre Beziehung iſt abſolute Identitaͤt; und
das Uebergehen des Wirklichen in Moͤgliches, des
Seyns in Nichts ein Zuſammengehen mit ſich
ſelbſt; die Zufaͤlligkeit iſt abſolute Nothwendigkeit; ſie
ſelbſt iſt das Vorausſetzen jener erſten abſoluten Wirklich-
keiten.
Dieſe Identitaͤt des Seyns in ſeiner Nega-
tion mit ſich ſelbſt, iſt ſie nun Subſtanz. Sie
iſt dieſe Einheit als in ihrer Negation oder als
in der Zufaͤlligkeit; ſo iſt ſie die Subſtanz als
Verhaͤltniß zu ſich ſelbſt. Das blinde Ueber-
gehen der Nothwendigkeit iſt vielmehr die eigene Aus-
legung des Abſoluten, die Bewegung deſſelben in ſich,
welches in ſeiner Entaͤuſſerung vielmehr ſich ſelbſt zeigt.
Drit-
[254]Zweytes Buch. III.Abſchnitt.
Drittes Kapitel.
Das abſolute Verhaͤltniß.
Die abſolute Nothwendigkeit iſt nicht ſowohl das
Nothwendige, noch weniger ein Nothwendiges,
ſondern Nothwendigkeit; — Seyn ſchlechthin als
Reflexion. Sie iſt Verhaͤltniß, weil ſie Unterſcheiden
iſt, deſſen Momente ſelbſt ihre ganze Totalitaͤt ſind, die
alſo abſolut beſtehen, ſo daß diß aber nur Ein Beſte-
hen und der Unterſchied nur der Schein des Auslegens,
und dieſer das Abſolute ſelbſt iſt. — Das Weſen als
ſolches iſt die Reflexion oder das Scheinen; das Weſen
als abſolutes Verhaͤltniß aber iſt der als Schein ge-
ſetzte Schein, der als diß Beziehen auf ſich die ab-
ſolute Wirklichkeit iſt. — Das Abſolute, zuerſt
von der aͤuſſern Reflexion ausgelegt, legt nun
als abſolute Form oder als Nothwendigkeit, ſich ſelbſt
aus; diß Auslegen ſeiner ſelbſt iſt ſein ſich-ſelbſt-ſetzen,
und es iſt nur diß ſich-ſetzen. — Wie das Licht der
Natur nicht Etwas, noch Ding, ſondern ſein Seyn nur
ſein Scheinen iſt, ſo iſt die Manifeſtation die ſich ſelbſt
gleiche abſolute Wirklichkeit.
Die Seiten des abſoluten Verhaͤltniſſes ſind daher
keine Attribute. Im Attribute ſcheint das Abſolute
nur in einem ſeiner Momente, als einem vorausge-
ſetzten und von der aͤuſſern Reflexion aufgenom-
menen. Die Auslegerin des Abſoluten aber iſt die
abſolute Nothwendigkeit, die identiſch mit ſich
iſt, als ſich ſelbſt beſtimmend. Da ſie das Scheinen iſt,
das als Schein geſetzt iſt, ſo ſind die Seiten dieſes Ver-
haͤltniſ-
[255]Die Wirklichkeit.
haͤltniſſes Totalitaͤten, weil ſie als Schein ſind;
denn als Schein ſind die Unterſchiede ſie ſelbſt und ihr
entgegengeſetztes, oder das Ganze; — umgekehrt ſind ſie
ſo Schein, weil ſie Totalitaͤten ſind. Diß Unterſcheiden
oder Scheinen des Abſoluten iſt ſo nur das identiſche
Setzen ſeiner ſelbſt.
Diß Verhaͤltniß in ſeinem unmittelbaren Begriff iſt
das Verhaͤltniß der Subſtanz und der Accidenzen,
das unmittelbare Verſchwinden und Werden des abſolu-
ten Scheines in ſich ſelbſt. Indem die Subſtanz ſich
zum Fuͤrſichſeyn gegen ein Anderes beſtimmt, oder
das abſolute Verhaͤltniß als reales, iſt das Verhaͤlt-
niß der Cauſalitaͤt. Endlich indem dieſes als ſich
auf ſich Beziehendes in Wechſelwirkung uͤbergeht,
ſo iſt damit das abſolute Verhaͤltniß nach den Beſtim-
mungen, welche es enthaͤlt, auch geſetzt; dieſe ge-
ſetzte Einheit ſeiner in ſeinen Beſtimmungen,
die als das Ganze ſelbſt und damit eben ſo ſehr
als Beſtimmungen geſetzt ſind, iſt alsdann der Be-
griff.
A.Das
[256]Zweytes Buch. III.Abſchnitt.
A.
Das Verhaͤltniß der Subſtantialitaͤt.
Die abſolute Nothwendigkeit iſt abſolutes Verhaͤlt-
niß, weil ſie nicht das Seyn als ſolches iſt, ſondern
das Seyn, das iſt, weil es iſt, das Seyn als die
abſolute Vermittlung ſeiner mit ſich ſelbſt. Dieſes Seyn
iſt die Subſtanz; als die letzte Einheit des Weſens
und Seyns, iſt ſie das Seyn in allem Seyn; weder
das unreflectirte Unmittelbare, noch auch ein abſtractes,
hinter der Exiſtenz und Erſcheinung ſtehendes, ſondern
die unmittelbare Wirklichkeit ſelbſt, und dieſe als abſo-
lutes Reflectirtſeyn in ſich, als an und fuͤrſichſeyendes
Beſtehen. — Die Subſtanz als dieſe Einheit des
Seyns und der Reflexion iſt weſentlich das Scheinen
und Geſetztſeyn ihrer. Das Scheinen iſt das ſich
auf ſich beziehende Scheinen, ſo iſt es; diß Seyn
iſt die Subſtanz als ſolche. Umgekehrt iſt dieſes Seyn
nur das mit ſich identiſche Geſetztſeyn, ſo iſt es
ſcheinende Totalitaͤt, die Accidentalitaͤt.
Diß Scheinen iſt die Identitaͤt als der Form; —
die Einheit der Moͤglichkeit und Wirklichkeit. Sie iſt
erſtlich Werden, die Zufaͤlligkeit als die Sphaͤre des
Entſtehens und Vergehens; denn nach der Beſtimmung der
Unmittelbarkeit iſt die Beziehung der Moͤglichkeit
und Wirklichkeit unmittelbares Umſchlagen der-
ſelben als Seyender in einander, eines jeden als in
ſein ihm nur Anderes. — Aber weil das Seyn
Schein iſt, ſo iſt die Beziehung derſelben auch als iden-
tiſcher oder ſcheinender an einander, Reflexion. Die
Bewe-
[257]Die Wirklichkeit.
Bewegung der Accidentalitaͤt ſtellt daher an jedem ihrer
Momente das Scheinen der Kategorien des Seyns
und der Reflexionsbeſtimmungen des Weſens in
einander dar. — Das unmittelbare Etwas hat einen
Inhalt; ſeine Unmittelbarkeit iſt zugleich reflectirte
Gleichguͤltigkeit gegen die Form. Dieſer Inhalt iſt be-
ſtimmt, und indem diß Beſtimmtheit des Seyns iſt,
geht das Etwas uͤber in ein Anderes. Aber die
Qualitaͤt iſt auch Beſtimmtheit der Reflexion; ſo iſt ſie
gleichguͤltige Verſchiedenheit. Aber dieſe begeiſtet
ſich zur Entgegenſetzung, und geht in den Grund
zuruͤk, der das Nichts, aber auch Reflexion-in-
ſich iſt. Dieſe hebt ſich auf; aber ſie iſt ſelbſt reflectir-
tes Anſichſeyn, ſo iſt ſie Moͤglichkeit und diß Anſichſeyn
iſt in ſeinem Uebergehen, das eben ſo ſehr Reflexion-in-
ſich iſt, das nothwendige Wirkliche.
Dieſe Bewegung der Accidentalitaͤt iſt die Actuo-
ſitaͤt der Subſtanz, als ruhiges Hervorgehen
ihrer ſelbſt. Sie iſt nicht thaͤtig gegen Etwas,
ſondern nur gegen ſich als einfaches widerſtandloſes Ele-
ment. Das Aufheben eines Vorausgeſetzten iſt
der verſchwindende Schein; erſt in dem das Unmittelbare
aufhebenden Thun wird diß Unmittelbare ſelbſt, oder
iſt jenes Scheinen; das Anfangen von ſich ſelbſt iſt erſt
das Setzen dieſes Selbſts, von dem das Anfangen iſt.
Die Subſtanz als dieſe Identitaͤt des Scheinens iſt
die Totalitaͤt des Ganzen, und begreift die Accidentalitaͤt
in ſich, und die Accidentalitaͤt iſt die ganze Subſtanz
ſelbſt. Der Unterſchied ihrer in die einfache Iden-
titaͤt des Seyns, und in den Wechſel der Ac-
cidenzen an derſelben iſt eine Form ihres Scheins.
Jenes iſt die formloſe Subſtanz des Vorſtel-
lens, dem der Schein ſich nicht als Schein beſtimmt
Rhat,
[258]Zweytes Buch. III.Abſchnitt.
hat, ſondern das als an einem Abſoluten an ſolcher un-
beſtimmten Identitaͤt feſthaͤlt, die keine Wahrheit hat,
nur die Beſtimmtheit der unmittelbaren Wirklich-
keit oder eben ſo des Anſichſeyns oder der Moͤglich-
keit iſt; — Formbeſtimmungen, welche in die Accidentali-
taͤt fallen. —
Die andere Beſtimmung, der Wechſel der Ac-
cidenzen, iſt die abſolute Formeinheit der Acci-
dentalitaͤt, die Subſtanz als die abſolute Macht. —
Das Vergehen der Accidenz iſt Zuruͤkgehen ihrer als
Wirklichkeit in ſich als in ihr Anſichſeyn oder in ihre
Moͤglichkeit, aber diß ihr Anſichſeyn iſt ſelbſt nur ein
Geſetztſeyn; daher iſt es auch Wirklichkeit, und weil
dieſe Formbeſtimmungen eben ſo ſehr Inhaltsbeſtimmun-
gen ſind, iſt diß Moͤgliche auch dem Inhalte nach ein
anders beſtimmtes Wirkliches. Die Subſtanz manifeſtirt
ſich durch die Wirklichkeit mit ihrem Inhalte, in die ſie
das Moͤgliche uͤberſetzt, als ſchaffende, durch die
Moͤglichkeit, in die ſie das Wirkliche zuruͤkfuͤhrt, als
zerſtoͤrende Macht. Aber beydes iſt identiſch; das
Schaffen zerſtoͤrend, die Zerſtoͤrung ſchaffend; denn das
Negative und Poſitive, die Moͤglichkeit und Wirklichkeit
ſind in der ſubſtantiellen Nothwendigkeit abſolut vereint.
Die Accidenzen als ſolche, — und es ſind
mehrere, indem die Mehrheit eine der Beſtimmungen
des Seyns iſt, — haben keine Macht uͤber einander.
Sie ſind das ſeyende oder fuͤr ſich ſeyende Etwas, exiſti-
rende Dinge von mannichfaltigen Eigenſchaften, oder
Ganze, die aus Theilen beſtehen, ſelbſtſtaͤndige Theile,
Kraͤfte, die der Sollicitation durch einander beduͤrfen und
einander zur Bedingung haben. Inſofern ein ſolches Ac-
cidentelles uͤber ein Anderes eine Macht auszuuͤben ſcheint,
iſt es die Macht der Subſtanz, welche beyde in ſich be-
greift,
[259]Die Wirklichkeit.
greift, als Negativitaͤt einen ungleichen Werth ſetzt, das
eine als vergehendes, das andere mit anderem Inhalte
und als entſtehendes, oder jenes in ſeine Moͤglichkeit,
dieſes daran in Wirklichkeit uͤbergehend beſtimmt; —
ewig ſich in dieſe Unterſchiede der Form und des Inhalts
entzweyt und ewig ſich von dieſer Einſeitigkeit reinigt,
aber in dieſer Reinigung ſelbſt in die Beſtimmung und
Entzweyung zuruͤkgefallen iſt. — Eine Accidenz vertreibt
alſo eine andere nur darum, weil ihr eigenes Subſi-
ſtiren dieſe Totalitaͤt der Form und des Inhalts ſelbſt
iſt, in der ſie wie ihre andere eben ſo ſehr untergeht.
Um dieſer unmittelbaren Identitaͤt und
Gegenwart der Subſtanz in den Accidenzen willen iſt noch
kein realer Unterſchied vorhanden. In dieſer erſten
Beſtimmung iſt die Subſtanz noch nicht nach ihrem gan-
zen Begriffe manifeſtirt. Wenn die Subſtanz als das
mit ſich identiſche An- und Fuͤrſichſeyn, von ihr
ſelbſt als Totalitaͤt der Accidenzen unterſchieden
wird, ſo iſt ſie als Macht das Vermittelnde.
Dieſe iſt die Nothwendigkeit, das in der Negativi-
taͤt der Accidenzen poſitive Beharren derſelben, und
ihr bloſſes Geſetztſeyn in ihrem Beſtehen; dieſe
Mitte iſt ſomit Einheit der Subſtantialitaͤt und Acci-
dentalitaͤt ſelbſt, und ihre Extreme haben kein eigen-
thuͤmliches Beſtehen. Die Subſtantialitaͤt iſt daher nur
das Verhaͤltniß als unmittelbar verſchwindend, ſie be-
zieht ſich auf ſich nicht als Negatives, iſt als die un-
mittelbare Einheit der Macht mit ſich ſelbſt in der Form
nur ihrer Identitaͤt, nicht ihres negativen
Weſens; nur das eine Moment, nemlich das Negative
oder der Unterſchied, iſt das ſchlechthin verſchwindende,
nicht aber das andere, das Identiſche. — Diß iſt auch
ſo zu betrachten. Der Schein oder die Accidentalitaͤt iſt
an ſich wohl Subſtanz durch die Macht, aber er iſt
R 2nicht
[260]Zweytes Buch. III.Abſchnitt.
nicht ſo geſetzt als dieſer mit ſich identiſche Schein; ſo
hat die Subſtanz nur die Accidentalitaͤt zu ihrer Geſtalt
oder Geſetztſeyn, nicht ſich ſelbſt; iſt nicht Subſtanz als
Subſtanz. Das Subſtantialitaͤtsverhaͤltniß iſt alſo zu-
naͤchſt ſie nur, daß ſie ſich als formelle Macht of-
fenbart, deren Unterſchiede nicht ſubſtantiell ſind; ſie
iſt in der That nur als Inneres der Accidenzen, und
dieſe ſind nur an der Subſtanz. Oder diß Verhaͤlt-
niß iſt nur die ſcheinende Totalitaͤt als Werden; aber
ſie iſt eben ſo ſehr Reflexion; die Accidentalitaͤt, die an
ſich Subſtanz iſt, iſt eben darum auch geſetzt als ſol-
che; ſo iſt ſie beſtimmt als ſich auf ſich beziehende
Negativitaͤt, gegen ſich, beſtimmt als ſich auf ſich
beziehende einfache Identitaͤt mit ſich; und iſt fuͤr-
ſich-ſeyende, maͤchtige Subſtanz. So geht
das Subſtantialitaͤtsverhaͤltniß in das Cauſalitaͤts-
verhaͤltniß uͤber.
B.Das
[261]Die Wirklichkeit.
B.
Das Cauſalitaͤtsverhaͤltniß.
Die Subſtanz iſt Macht, und in ſich reflectir-
te nicht bloß uͤbergehende, ſondern die Beſtimmun-
gen ſetzende und von ſich unterſcheidende Macht.
Als in ihrem Beſtimmen ſich auf ſich ſelbſt beziehend iſt
ſie ſelbſt das, was ſie als negatives ſetzt oder zum
Geſetztſeyn macht. Dieſes iſt ſomit uͤberhaupt die
aufgehobene Subſtantialitaͤt, das nur Geſetzte, die
Wirkung; die fuͤr ſich ſeyende Subſtanz aber iſt die
Urſache.
Diß Cauſalitaͤtsverhaͤltniß iſt zunaͤchſt nur diß
Verhaͤltniß von Urſache und Wirkung; ſo iſt
es das formelle Cauſalitaͤts-Verhaͤltniß.
Die formelle Cauſalitaͤt.
1. Die Urſache iſt das Urſpruͤngliche gegen die
Wirkung. — Die Subſtanz iſt als Macht das Schei-
nen, oder hat Accidentalitaͤt. Aber ſie iſt als Macht
eben ſo ſehr Reflexion-in-ſich in ihrem Scheine; ſo
legt ſie ihr Uebergehen aus, und diß Scheinen
iſt beſtimmt als Schein, oder die Accidenz iſt ge-
ſetzt, als das, daß ſie nur ein Geſetztes ſey. —
Die Subſtanz geht aber in ihrem Beſtimmen nicht von der
Accidentalitaͤt aus, als ob dieſe voraus ein anderes
waͤre, und nun erſt als Beſtimmtheit geſetzt wuͤrde, ſon-
dern
[262]Zweytes Buch. III.Abſchnitt.
dern beydes iſt Eine Actuoſitaͤt. Die Subſtanz, als
Macht beſtimmt ſich; aber diß Beſtimmen iſt unmit-
telbar ſelbſt das Aufheben des Beſtimmens und die Ruͤk-
kehr. Sie beſtimmt ſich, — ſie, das Beſtimmen-
de iſt ſo das Unmittelbare, und das ſelbſt ſchon Be-
ſtimmte; — indem ſie ſich beſtimmt, ſetzt ſie alſo diß
ſchon Beſtimmte als beſtimmt; hat ſo das Ge-
ſetztſeyn aufgehoben, und iſt in ſich zuruͤkgekehrt. —
Umgekehrt iſt dieſe Ruͤkkehr, weil ſie die negative
Beziehung der Subſtanz auf ſich iſt, ſelbſt ein Beſtim-
men oder Abſtoſſen ihrer von ſich; durch dieſe Ruͤkkehr
wird das Beſtimmte, von dem ſie anzufangen und es
als vorgefundenes Beſtimmtes nun als ſolches zu ſetzen
ſcheint. — So iſt die abſolute Actuoſitaͤt Urſache; —
die Macht der Subſtanz in ihrer Wahrheit als
Manifeſtation, die das, was an ſich iſt, die Accidenz,
die das Geſetztſeyn iſt, unmittelbar im Werden derſelben
auch auslegt, ſie ſetzt als Geſetztſeyn; die
Wirkung. — Dieſe iſt alſo erſtlich daſſelbe, was
die Accidentalitaͤt des Subſtantialitaͤtsverhaͤltniſſes iſt,
nemlich die Subſtanz als Geſetztſeyn; aber zwey-
tens iſt die Accidenz als ſolche ſubſtantiell nur durch
ihr Verſchwinden, als uͤbergehendes; als Wirkung aber
iſt ſie das Geſetztſeyn als mit ſich identiſch; die Urſache
iſt in der Wirkung als ganze Subſtanz manifeſtirt, nem-
lich als an dem Geſetztſeyn ſelbſt als ſolchem in ſich re-
flectirt.
2. Dieſem in ſich reflectirten Geſetztſeyn, dem
Beſtimmten als Beſtimmten, ſteht die Subſtanz als
nicht geſetztes Urſpruͤngliches gegenuͤber. Weil ſie
als abſolute Macht Ruͤkkehr in ſich, aber dieſe Ruͤkkehr
ſelbſt Beſtimmen iſt, ſo iſt ſie nicht mehr bloß das
An-ſich ihrer Accidenz, ſondern iſt auch geſetzt als
diß Anſichſeyn. Die Subſtanz hat daher erſt als Urſache
Wirk-
[263]Die Wirklichkeit.
Wirklichkeit. Aber dieſe Wirklichkeit, daß ihr An-
ſichſeyn, ihre Beſtimmtheit im Subſtantialitaͤtsverhaͤlt-
niſſe, nunmehr als Beſtimmtheit geſetzt iſt, iſt die
Wirkung; die Subſtanz hat daher die Wirklichkeit, die
ſie als Urſache hat, nur in ihrer Wirkung. —
Diß iſt die Nothwendigkeit, welche die Urſache iſt.
— Sie iſt die wirkliche Subſtanz, weil die Sub-
ſtanz als Macht ſich ſelbſt beſtimmt; aber iſt zugleich Ur-
ſache, weil ſie dieſe Beſtimmtheit auslegt oder als Ge-
ſetztſeyn ſetzt; ſo ſetzt ſie ihre Wirklichkeit als das Ge-
ſetztſeyn oder als die Wirkung. Dieſe iſt das Andere
der Urſache, das Geſetztſeyn gegen das Urſpruͤngliche
und durch dieſes vermittelt. Aber die Urſache hebt
als Nothwendigkeit eben ſo diß ihr Vermitteln auf, und
iſt in dem Beſtimmen ihrer ſelbſt als das urſpruͤng-
lich ſich auf ſich beziehende gegen das Vermittelte,
die Ruͤkkehr in ſich; denn das Geſetztſeyn iſt als Ge-
ſetztſeyn beſtimmt, ſomit identiſch mit ſich; die Urſache iſt
daher erſt in ihrer Wirkung das wahrhaft Wirkliche und
mit ſich identiſche. — Die Wirkung iſt daher noth-
wendig, weil ſie eben Manifeſtation der Urſache, oder
dieſe Nothwendigkeit iſt, welche die Urſache iſt. — Nur
als dieſe Nothwendigkeit iſt die Urſache ſelbſt bewegend,
aus ſich anfangend, ohne von einem andern ſollicitirt zu
werden, und ſelbſtſtaͤndige Quelle des Her-
vorbringens aus ſich; — ſie muß wirken, ihre
Urſpruͤnglichkeit iſt diß, daß ihre Reflexion-in-ſich be-
ſtimmendes Setzen und umgekehrt, beydes eine Einheit iſt.
Die Wirkung enthaͤlt daher uͤberhaupt
nichts, was nicht die Urſache enthaͤlt. Um-
gekehrt enthaͤlt die Urſache nichts, was nicht
in ihrer Wirkung iſt. Die Urſache iſt nur Urſache,
inſofern ſie eine Wirkung hervorbringt; und die Urſa-
che iſt nichts als dieſe Beſtimmung, eine
Wir-
[264]Zweytes Buch. III.Abſchnitt.
Wirkung zu haben, und die Wirkung nichts,
als diß, eine Urſache zu haben. In der Urſa-
che als ſolcher ſelbſt liegt ihre Wirkung, und in der
Wirkung die Urſache; inſofern die Urſache noch nicht
wirkte, oder inſofern ſie aufgehoͤrt haͤtte zu wirken, ſo
waͤre ſie nicht Urſache; — und die Wirkung, inſofern
ihre Urſache verſchwunden iſt, iſt nicht mehr Wirkung,
ſondern eine gleichguͤltige Wirklichkeit. —
3. In dieſer Identitaͤt der Urſache und Wir-
kung iſt nun die Form, wodurch ſie als das an ſich ſeyen-
de und als das Geſetztſeyn ſich unterſcheiden, aufgeho-
ben. Die Urſache erliſcht in ihrer Wirkung; damit
iſt eben ſo die Wirkung erloſchen, denn ſie iſt nur die
Beſtimmtheit der Urſache. Dieſe in der Wirkung erlo-
ſchene Cauſalitaͤt iſt ſomit eine Unmittelbarkeit,
welche gegen das Verhaͤltniß von Urſache und Wirkung
gleichguͤltig iſt, und es aͤuſſerlich an ihr hat.
Das beſtimmte Cauſalitaͤtsverhaͤltniß.
1. Die Identitaͤt der Urſache in ihrer Wirkung
mit ſich iſt das Aufheben ihrer Macht und Negativitaͤt,
daher die gegen die Formunterſchiede gleichguͤltige Ein-
heit, der Inhalt. — Er iſt daher nur an ſich auf
die Form, hier die Cauſalitaͤt, bezogen. Sie ſind ſomit
als verſchieden geſetzt, und die Form gegen den In-
halt eine ſelbſt nur unmittelbar wirkliche, eine zufaͤl-
lige Cauſalitaͤt.
Ferner der Inhalt ſo als beſtimmtes, iſt ein ver-
ſchiedener Inhalt an ihm ſelbſt; und die Urſache iſt ih-
rem Inhalte nach beſtimmt, damit eben ſo die Wirkung.
— Der
[265]Die Wirklichkeit.
— Der Inhalt, da das Reflectirtſeyn hier auch unmit-
telbare Wirklichkeit iſt, iſt inſofern wirkliche, aber die
endliche Subſtanz.
Diß iſt nunmehr das Cauſalitaͤtsverhaͤlt-
niß in ſeiner Realitaͤt und Endlichkeit. Als
formell iſt es das unendliche Verhaͤltniß der abſoluten
Macht, deren Inhalt die reine Manifeſtation oder Noth-
wendigkeit iſt. Als endliche Cauſalitaͤt hingegen hat es
einen gegebenen Inhalt, und verlaͤuft ſich als ein
aͤuſſerlicher Unterſchied an dieſem identiſchen, das in ſei-
nen Beſtimmungen eine und dieſelbe Subſtanz iſt.
Durch dieſe Identitaͤt des Inhalts iſt dieſe
Cauſalitaͤt ein analytiſcher Satz. Es iſt dieſelbe
Sache, welche ſich das einemal als Urſache, das an-
deremal als Wirkung [darſtellt], dort als eigenthuͤmliches
Beſtehen, hier als Geſetztſeyn oder Beſtimmung an ei-
nem andern. Da dieſe Beſtimmungen der Form aͤuſ-
ſerliche Reflexion ſind, ſo iſt es die der Sache
nach tavtologiſche Betrachtung eines ſubjectiven
Verſtandes, eine Erſcheinung als Wirkung zu beſtim-
men und davon zu ihrer Urſache aufzuſteigen, um ſie zu
begreifen und zu erklaͤren; es wird nur ein und derſelbe
Inhalt wiederhohlt; man hat in der Urſache nichts an-
deres als in der Wirkung. — Der Regen z. B. iſt Ur-
ſache der Feuchtigkeit, welche ſeine Wirkung iſt; — der
Regen macht naß, diß iſt ein analytiſcher Satz;
daſſelbe Waſſer, was der Regen iſt, iſt die Feuchtig-
keit; als Regen iſt diß Waſſer nur in der Form einer
Sache fuͤr ſich, als Waͤſſerigkeit oder Feuchtigkeit dagegen
iſt es ein adjectives, ein geſetztes, das nicht mehr ſein
Beſtehen an ihm ſelbſt haben ſoll; und die eine Beſtim-
mung, wie die andere, iſt ihm aͤuſſerlich. — So iſt die
Urſache dieſer Farbe ein Faͤrbendes, ein Pigment,
welches
[266]Zweytes Buch. III.Abſchnitt.
welches eine und dieſelbe Wirklichkeit iſt, das einemal
in der ihm aͤuſſern Form eines thaͤtigen, das heißt, mit
einem von ihm verſchiedenen Thaͤtigen aͤuſſerlich verbun-
den, das andremal aber in der ihm eben ſo aͤuſſerlichen
Beſtimmung einer Wirkung. — Die Urſache einer That
iſt die innere Geſinnung in einem thaͤtigen Subject, die
als aͤuſſeres Daſeyn, das ſie durch die Handlung erhaͤlt,
derſelbe Inhalt und Werth iſt. Wenn die Bewegung
eines Koͤrpers als Wirkung betrachtet wird, ſo iſt die
Urſache derſelben eine ſtoſſende Kraft; aber es iſt daſ-
ſelbe Quantum der Bewegung, das vor und nach dem
Stoß vorhanden iſt, dieſelbe Exiſtenz, welche der ſtoſſen-
de Koͤrper enthielt, und dem geſtoſſenen mittheilte; und
ſo viel er mittheilt, ſo viel verliert er ſelbſt.
Die Urſache, z. B. der Mahler, oder der ſtoſſende
Koͤrper hat wohl noch einen andern Inhalt, jener,
als die Farben und deren ſie zum Gemaͤhlde verbindende
Form; dieſer, als eine Bewegung von beſtimmter Staͤrke
und Richtung. Allein dieſer weitere Inhalt iſt ein zu-
faͤlliges Beyweſen, das die Urſache nichts angeht; was
der Mahler ſonſt fuͤr Qualitaͤten enthaͤlt, abſtrahirt da-
von, daß er Mahler dieſes Gemaͤhldes iſt, diß tritt
nicht in dieſes Gemaͤhlde ein; nur was von ſeinen Ei-
genſchaften ſich in der Wirkung darſtellt, iſt in ihm
als Urſache vorhanden, nach ſeinen uͤbrigen Eigen-
ſchaften iſt er nicht Urſache. So ob der ſtoſſende Koͤrper
Stein oder Holz, gruͤn, gelb iſt u. ſ. f. diß tritt nicht in
ſeinen Stoß ein; inſofern iſt er nicht Urſache.
Es iſt in Ruͤkſicht dieſer Tavtologie des Cau-
ſalitaͤtsverhaͤltniſſes zu bemerken, daß es dieſelbe dann
nicht zu enthalten ſcheint, wenn nicht die naͤchſte, ſon-
dern die entfernte Urſache einer Wirkung angege-
ben wird. Die Formveraͤnderung, welche die zu Grunde
liegende
[267]Die Wirklichkeit.
liegende Sache in dieſem Durchgange durch mehrere
Mittelglieder erleidet, verſtekt die Identitaͤt, die ſie darin
behaͤlt. Sie verknuͤpft ſich zugleich in dieſer Vervielfaͤl-
tigung der Urſachen, welche zwiſchen ſie und die letzte
Wirkung eingetreten ſind, mit andern Dingen und Um-
ſtaͤnden, ſo daß nicht jenes Erſte, was als Urſache aus-
geſprochen wird, ſondern nur dieſe mehrere Urſachen zu-
ſammen die vollſtaͤndige Wirkung enthalten. — So
wenn z. B. ein Menſch dadurch unter Umſtaͤnde kam, in
denen ſich ſein Talent entwickelte, daß er ſeinen Vater
verlor, den in einer Schlacht eine Kugel traf, ſo koͤnnte
dieſer Schuß, (oder noch weiter zuruͤk der Krieg oder ei-
ne Urſache des Kriegs und ſo fort ins Unendliche) als
Urſache der Geſchiklichkeit jenes Menſchen angegeben wer-
den. Allein es erhellt, daß z. B. jener Schuß nicht fuͤr
ſich dieſe Urſache iſt, ſondern nur die Verknuͤpfung deſ-
ſelben mit andern wirkenden Beſtimmungen. Oder viel-
mehr iſt er uͤberhaupt nicht Urſache, ſondern nur ein ein-
zelnes Moment, das zu den Umſtaͤnden der
Moͤglichkeit gehoͤrte.
Denn hauptſaͤchlich iſt noch die unſtatthafte
Anwendung des Cauſalitaͤtsverhaͤltniſſes auf Ver-
haͤltniſſe des phyſiſch-organiſchen und des
geiſtigen Lebens zu bemerken. Hier zeigt ſich das,
was als Urſache genannt wird, freylich von anderem In-
halte als die Wirkung, darum aber, weil das, was
auf das Lebendige wirkt, von dieſem ſelbſtſtaͤndig be-
ſtimmt, veraͤndert und verwandelt wird, weil das
Lebendige die Urſache nicht zu ihrer Wir-
kung kommen laͤßt, das heißt, ſie als Urſache auf-
hebt. So iſt es unſtatthaft geſprochen, daß die Nahrung
die Urſache des Bluts, oder dieſe Speiſen oder Kaͤlte,
Naͤſſe, Urſachen des Fiebers u. ſ. fort ſeyen; ſo un-
ſtatthaft es iſt, das joniſche Clima als die Urſache
der
[268]Zweytes Buch. III.Abſchnitt.
der Homeriſchen Werke, oder Caͤſars Ehrgeitz als die
Urſache des Untergangs der republikaniſchen Verfaſ-
ſung Roms anzugeben. In der Geſchichte uͤberhaupt
ſind geiſtige Maſſen und Individuen im Spiele und in
der Wechſelbeſtimmung mit einander; die Natur des Gei-
ſtes iſt es aber noch in viel hoͤherem Sinne, als der
Charakter des Lebendigen uͤberhaupt, vielmehr nicht ein
anderes urſpruͤngliches in ſich aufzuneh-
men, oder nicht eine Urſache ſich in ihn continuiren zu
laſſen, ſondern ſie abzubrechen und zu verwandeln. —
Welche Verhaͤltniſſe aber der Idee angehoͤren und bey
ihr erſt zu betrachten ſind. — Diß kann hier noch be-
merkt werden, daß inſofern das Verhaͤltniß von Urſache
und Wirkung, obwohl in uneigentlichem Sinne, zugelaſ-
ſen wird, die Wirkung nicht groͤſſer ſeyn koͤnne, als
die Urſache; denn die Wirkung iſt nichts weiter als die
Manifeſtation der Urſache. Es iſt ein gewoͤhnlich gewor-
dener Witz in der Geſchichte, aus kleinen Urſachen
groſſe Wirkungen entſtehen zu laſſen, und fuͤr die
umfaſſende und tiefe Begebenheit eine Anekdote als
erſte Urſache aufzufuͤhren. Eine ſolche ſogenannte Urſa-
che iſt fuͤr nichts weiteres als eine Veranlaſſung,
als aͤuſſere Erregung anzuſehen, deren der inne-
re Geiſt der Begebenheit nicht bedurft haͤtte, oder de-
ren er eine unzaͤhlige Menge anderer haͤtte gebrauchen
koͤnnen, um von ihnen in der Erſcheinung anzufangen,
ſich Luft zu machen und ſeine Manifeſtation zu geben.
Vielmehr iſt umgekehrt ſo etwas fuͤr ſich kleinliches und
zufaͤlliges erſt von ihm zu ſeiner Veranlaſſung be-
ſtimmt worden. Jene Arabesken-Mahlerey der
Geſchichte, die aus einem ſchwanken Stengel eine groſſe
Geſtalt hervorgehen laͤßt, iſt daher wohl eine geiſtreiche,
aber hoͤchſt oberflaͤchliche Behandlung. Es iſt in dieſem
Entſpringen des Groſſen aus dem Kleinen zwar uͤber-
haupt die Umkehrung vorhanden, die der Geiſt mit dem
Aeuſſer-
[269]Die Wirklichkeit.
Aeuſſerlichen vornimmt; aber eben darum iſt dieſes nicht
Urſache in ihm, oder dieſe Umkehrung hebt ſelbſt das
Verhaͤltniß der Cauſalitaͤt auf.
2. Dieſe Beſtimmtheit des Cauſalitaͤtsverhaͤlt-
niſſes aber, daß Inhalt und Form verſchieden und gleich-
guͤltig ſind, erſtrekt ſich weiter. Die Formbeſtim-
mung iſt auch Inhaltsbeſtimmung; Urſache und
Wirkung, die beyden Seiten des Verhaͤltniſſes, ſind da-
her auch ein anderer Inhalt. Oder der Inhalt,
weil er nur als Inhalt einer Form iſt, hat ihren Unter-
ſchied an ihm ſelbſt und iſt weſentlich verſchieden. Aber
indem dieſe ſeine Form das Cauſalitaͤtsverhaͤltniß iſt, das
ein in Urſache und Wirkung identiſcher Inhalt iſt, ſo iſt
der verſchiedene Inhalt aͤuſſerlich mit der Ur-
ſache einerſeits, und andererſeits mit der Wir-
kung verbunden; er tritt ſomit nicht ſelbſt in das
Wirken und in das Verhaͤltniß ein.
Dieſer aͤuſſerliche Inhalt iſt alſo verhaͤltnißlos; —
eine unmittelbare Exiſtenz; — oder weil er als
Inhalt die anſichſeyende Identitaͤt der Urſache und
Wirkung iſt, iſt auch er unmittelbare, ſeyende
Identitaͤt. Diß iſt daher irgend ein Ding, das man-
nichfaltige Beſtimmungen ſeines Daſeyns hat, unter
anderem auch dieſe, daß es in irgend einer
Ruͤkſicht Urſache oder auch Wirkung iſt. Die Form-
beſtimmungen, Urſache und Wirkung, haben an ihm ihr
Subſtrat, das heißt ihr weſentliches Beſtehen, —
und jede ein beſonderes —, denn ihre Identitaͤt iſt ihr
Beſtehen; — zugleich aber iſt es ihr unmittelbares Be-
ſtehen, nicht ihr Beſtehen als Formeinheit, oder als
Verhaͤltniß.
Aber dieſes Ding iſt nicht nur Subſtrat, ſondern
auch Subſtanz, denn es iſt das identiſche Beſtehen nur
als
[270]Zweytes Buch. III.Abſchnitt.
als des Verhaͤltniſſes. Ferner iſt ſie endliche
Subſtanz, denn ſie iſt beſtimmt als unmittelbare gegen
ihre Urſachlichkeit. Aber ſie hat zugleich Cauſalitaͤt, weil
ſie eben ſo ſehr nur das Identiſche als dieſes Verhaͤlt-
niſſes iſt. — Als Urſache nun iſt dieſes Subſtrat die ne-
gative Beziehung auf ſich. Aber es ſelbſt, worauf es
ſich bezieht, iſt erſtens ein Geſetztſeyn, weil es als
unmittelbar wirkliches beſtimmt iſt; diß Geſetztſeyn
als Inhalt iſt irgend eine Beſtimmung uͤberhaupt. —
Zweytens iſt ihm die Cauſalitaͤt aͤuſſerlich; die-
ſe macht ſomit ſelbſt ſein Geſetztſeyn aus.
Indem es nun urſachliche Subſtanz iſt, beſteht ſeine
Cauſalitaͤt darin, ſich negativ auf ſich, alſo auf ſein Ge-
ſetztſeyn und aͤuſſere Cauſalitaͤt, zu beziehen. Das Wir-
ken dieſer Subſtanz faͤngt daher von einem aͤuſſern an,
befreyt ſich von dieſer aͤuſſern Beſtimmung, und ſeine
Ruͤkkehr in ſich iſt die Erhaltung ſeiner unmittelbaren
Exiſtenz und das Aufheben ſeiner geſetzten, und damit
ſeiner Cauſalitaͤt uͤberhaupt.
So iſt ein Stein, der ſich bewegt, Urſache; ſeine
Bewegung iſt eine Beſtimmung, die er hat, auſſer wel-
cher er aber noch viele andere Beſtimmungen der Farbe,
Geſtalt u. ſ. f. enthaͤlt, welche nicht in ſeine Urſachlich-
keit eingehen. Weil ſeine unmittelbare Exiſtenz getrennt
iſt von ſeiner Formbeziehung, nemlich der Cauſalitaͤt, ſo
iſt dieſe ein aͤuſſerliches; ſeine Bewegung, und die
Cauſalitaͤt, die ihm in ihr zukommt, iſt an ihm nur
Geſetztſeyn. — Aber die Cauſalitaͤt iſt auch ſeine
eigene; diß iſt darin vorhanden, daß ſein ſubſtantiel-
les Beſtehen ſeine identiſche Beziehung auf ſich iſt, dieſe
aber iſt nunmehr als Geſetztſeyn beſtimmt, ſie iſt alſo
zugleich negative Beziehung auf ſich. — Seine
Cauſalitaͤt, welche ſich auf ſich als auf das Geſetztſeyn
oder als ein Aeuſſeres richtet, beſteht daher darin, es
auf-
[271]Die Wirklichkeit.
aufzuheben, und durch die Entfernung deſſelben in
ſich zuruͤkzukehren, — ſomit inſofern nicht in ſeinem
Geſetztſeyn identiſch mit ſich zu ſeyn, ſondern nur
ſeine abſtracte Urſpruͤnglichkeit wiederherzu-
ſtellen. — — Oder der Regen iſt Urſache der Naͤſſe,
welche daſſelbe Waſſer iſt als jener. Dieſes Waſſer hat
die Beſtimmung, Regen und Urſache zu ſeyn, dadurch
daß ſie von einem andern in ihm geſetzt iſt; — eine an-
dere Kraft oder was es ſey, hat es in die Luft erhoben
und in eine Maſſe zuſammengebracht, deren Schwere es
fallen macht. Seine Entfernung von der Erde, iſt eine
ſeiner urſpruͤnglichen Identitaͤt mit ſich, der Schwere,
fremde Beſtimmung; ſeine Urſachlichkeit beſteht darin die-
ſelbe zu entfernen, und jene Identitaͤt wieder herzuſtel-
len, damit aber auch ſeine Cauſalitaͤt aufzuheben.
Die itzt betrachtete zweyte Beſtimmtheit der
Cauſalitaͤt geht die Form an; diß Verhaͤltniß iſt die
Cauſalitaͤt als ſich ſelbſt aͤuſſerlich, als die
Urſpruͤnglichkeit, welche eben ſo ſehr an ihr ſelbſt
Geſetztſeyn oder Wirkung iſt. Dieſe Vereini-
gung der entgegengeſetzten Beſtimmungen als im ſeyen-
den Subſtrat macht den unendlichen Regreß von
Urſachen zu Urſachen aus. — Es wird von der Wirkung
angefangen; ſie hat als ſolche eine Urſache, dieſe hat
wieder eine Urſache und ſo fort. Warum hat die Urſache
wieder eine Urſache? das heißt, warum wird dieſelbe
Seite, die vorher als Urſache beſtimmt war, nun-
mehr als Wirkung beſtimmt und damit nach einer
neuen Urſache gefragt? — Aus dem Grunde, weil die
Urſache ein endliches, beſtimmtes uͤberhaupt iſt;
beſtimmt als Ein Moment der Form gegen die Wir-
kung; ſo hat ſie ihre Beſtimmtheit oder Negation auſſer
ihr; eben damit aber iſt ſie ſelbſt endlich, hat ihre
Beſtimmtheit an ihr, und iſt ſomit Geſetzt-
ſeyn
[272]Zweytes Buch. III.Abſchnitt.
ſeyn oder Wirkung. Dieſe ihre Identitaͤt iſt auch
geſetzt, aber ſie iſt ein Drittes, das unmittelbare
Subſtrat; die Cauſalitaͤt iſt darum ſich ſelbſt aͤuſſerlich,
weil hier ihre Urſpruͤnglichkeit eine Unmittel-
barkeit iſt. Der Formunterſchied iſt daher erſte
Beſtimmtheit, noch nicht die Beſtimmtheit als Be-
ſtimmtheit geſetzt, er iſt ſeyendes Andersſeyn.
Die endliche Reflexion bleibt einerſeits bey dieſem Unmit-
telbaren ſtehen, entfernt die Formeinheit davon und laͤßt
es in anderer Ruͤkſicht Urſache und in anderer
Wirkung ſeyn; andererſeits verlegt ſie die Formeinheit in
das Unendliche, und druͤkt durch das perennirende
Fortgehen ihre Ohnmacht aus, ſie erreichen und feſthal-
ten zu koͤnnen.
Mit der Wirkung iſt es unmittelbar der naͤmli-
che Fall, oder vielmehr der unendliche Progreß
von Wirkung zu Wirkung iſt ganz und daſſelbe
was der Regreß von Urſache zu Urſache iſt.
In dieſen wurde die Urſache zur Wirkung, welche
wieder eine andere Urſache hat; eben ſo wird umge-
kehrt die Wirkung zur Urſache, die wieder eine
andere Wirkung hat. — Die betrachtete beſtimmte Ur-
ſache faͤngt von einer Aeuſſerlichkeit an, und kehrt in ih-
rer Wirkung nicht als Urſache in ſich zuruͤk, ſondern
verliert vielmehr die Cauſalitaͤt darin. Aber umgekehrt
kommt die Wirkung an ein Subſtrat, welches Subſtanz,
urſpruͤnglich ſich auf ſich beziehendes Beſtehen iſt; an
ihm wird daher diß Geſetztſeyn zum Geſetztſeyn[,]
das heißt, dieſe Subſtanz, indem eine Wirkung in ihr
geſetzt wird, verhaͤlt ſich als Urſache. Aber jene
erſte Wirkung, das Geſetztſeyn, das an ſie aͤuſſerlich
kommt, iſt ein anderes als die zweyte, die von ihr
hervorgebracht wird; denn dieſe zweyte iſt beſtimmt,
als ihre Reflexion-in-ſich, jene aber als eine
Aeuſ-
[273]Die Wirklichkeit.
Aeuſſerlichkeit an ihr. — Aber weil die Cauſalitaͤt
hier die ſich ſelbſt aͤuſſerliche Urſachlichkeit iſt, ſo kehrt
ſie auch eben ſo ſehr in ihrer Wirkung nicht in ſich
zuruͤk; wird ſich darin aͤuſſerlich, ihre Wirkung
wird wieder Geſetztſeyn an einem Subſtrate, — als ei-
ner andern Subſtanz, die aber eben ſo es zum Ge-
ſetztſeyn macht, oder ſich als Urſache manifeſtirt, ihre
Wirkung wieder von ſich abſtoͤßt und ſo fort in das
Schlecht-Unendliche.
3. Es iſt nun zu ſehen, was durch die Bewegung
des beſtimmten Cauſalitaͤtsverhaͤltniſſes geworden iſt. —
Die formelle Cauſalitaͤt erliſcht in der Wirkung; dadurch
iſt das Identiſche dieſer beyden Momente gewor-
den; aber damit nur als an ſich die Einheit von Ur-
ſache und Wirkung, woran die Formbeziehung aͤuſſerlich
iſt. — Diß Identiſche iſt dadurch auch unmittelbar
nach den beyden Beſtimmungen der Unmittelbarkeit, er-
ſtens als Anſichſeyn, ein Inhalt, an dem die Cau-
ſalitaͤt ſich aͤuſſerlich verlaͤuft; zweytens als ein exi-
ſtirendes Subſtrat, dem die Urſache und die Wirkung
inhaͤriren, als unterſchiedene Formbeſtimmungen.
Dieſe ſind darin an ſich eins, aber jede iſt um dieſes
Anſichſeyns oder der Aeuſſerlichkeit der Form willen ſich
ſelbſt aͤuſſerlich, ſomit in ihrer Einheit mit der an-
dern auch als andre gegen ſie beſtimmt. Daher hat
zwar die Urſache eine Wirkung, und iſt zugleich-
ſelbſt Wirkung; und die Wirkung hat nicht nur eine
Urſache, ſondern iſt auch ſelbſt Urſache. Aber die
Wirkung, welche die Urſache hat, und die Wirkung,
die ſie iſt; — eben ſo die Urſache, welche die Wir-
kung hat, und die Urſache, die ſie iſt, ſind verſchieden.
Durch die Bewegung des beſtimmten Cauſalitaͤts-
verhaͤltniſſes iſt aber nun diß geworden, daß die Urſache
Snicht
[274]Zweytes Buch. III.Abſchnitt.
nicht nur in der Wirkung erliſcht, und damit auch
die Wirkung, wie in der formellen Cauſalitaͤt, ſondern
daß die Urſache in ihrem Erloͤſchen, in der Wirkung
wieder wird, daß die Wirkung in Urſache ver-
ſchwindet, aber in ihr eben ſo wieder wird. Jede
dieſer Beſtimmungen hebt ſich in ihrem Setzen
auf, und ſetzt ſich in ihrem Aufheben; es iſt
nicht ein aͤuſſerliches Uebergehen der Cauſalitaͤt
von einem Subſtrat an ein anderes vorhanden, ſondern
diß Anderswerden derſelben iſt zugleich ihr eige-
nes Setzen. Die Cauſalitaͤt ſetzt alſo ſich ſelbſt
voraus oder bedingt ſich. Die vorher nur an
ſich ſeyende Identitaͤt, das Subſtrat, iſt daher nun-
mehr beſtimmt als Vorausſetzung oder geſetzt
gegen die wirkende Cauſalitaͤt, und die vorhin dem
Identiſchen nur aͤuſſerliche Reflexion ſteht nun
im Verhaͤltniſſe zu demſelben.
Wirkung und Gegenwirkung.
Die Cauſalitaͤt iſt vorausſetzendes Thun.
Die Urſache iſt bedingt; ſie iſt die negative Beziehung
auf ſich als vorausgeſetztes, als aͤuſſerliches Anderes,
welches an ſich aber nur an ſich die Cauſalitaͤt ſelbſt
iſt. Es iſt, wie ſich ergeben hat, die ſubſtantielle
Identitaͤt, in welche die formelle Cauſalitaͤt uͤbergeht,
die ſich nunmehr gegen dieſelbe als ihr Negatives
beſtimmt hat. Oder es iſt daſſelbe, was die Subſtanz
des Cauſalitaͤtsverhaͤltniſſes, aber welcher die Macht der
Accidentalitaͤt als ſelbſt ſubſtantielle Thaͤtigkeit
gegenuͤber ſteht. — Es iſt die paſſive Subſtanz. —
Paſſiv iſt das Unmittelbare, oder Anſichſeyende, das
nicht auch fuͤr ſich iſt; — das reine Seyn oder das
Weſen,
[275]Die Wirklichkeit.
Weſen, das nur in dieſer Beſtimmtheit der abſtracten
Identitaͤt mit ſich iſt. — Der paſſiven ſteht die als
negativ ſich auf ſich beziehende, die wirkende Sub-
ſtanz gegenuͤber. Sie iſt die Urſache, inſofern ſie ſich in
der beſtimmten Cauſalitaͤt durch die Negation ihrer ſelbſt,
aus der Wirkung wiederhergeſtellt hat, das in ſeinem
Andersſeyn oder als Unmittelbares ſich weſentlich als
ſetzend verhaͤlt, und durch ſeine Negation ſich mit ſich
vermittelt. Die Cauſalitaͤt hat deßwegen hier kein
Subſtrat mehr, dem ſie inhaͤrirte und iſt nicht
Formbeſtimmung gegen dieſe Identitaͤt ſondern ſelbſt die
Subſtanz, oder das Urſpruͤngliche iſt nur die Cauſalitaͤt.
— Das Subſtrat iſt die paſſive Subſtanz, die ſie
ſich vorausgeſetzt hat.
Dieſe Urſache wirkt nun; denn ſie iſt die negati-
ve Macht auf ſich ſelbſt; zugleich iſt ſie ihr vor-
ausgeſetztes; ſo wirkt ſie auf ſich als auf ein an-
deres, auf die paſſive Subſtanz. — Somit
hebt ſie erſtlich das Andersſeyn derſelben auf;
und kehrt in ihr in ſich zuruͤk; zweytens beſtimmt ſie
dieſelbe, ſie ſetzt diß Aufheben ihres Andersſeyns oder
die Ruͤkkehr in ſich als eine Beſtimmtheit. Diß Ge-
ſetztſeyn, weil es zugleich ihre Ruͤkkehr in ſich iſt, iſt zu-
naͤchſt ihre Wirkung. Aber umgekehrt weil ſie als
vorausſetzend ſich ſelbſt als ihr Anderes beſtimmt, ſo ſetzt
ſie die Wirkung in der andern, der paſſiven Subſtanz.
— Oder weil die paſſive Subſtanz ſelbſt das gedop-
pelte iſt, nemlich ein ſelbſtſtaͤndiges Anderes, und
zugleich ein vorausgeſetztes und an ſich ſchon mit
der wirkenden Urſache identiſches, ſo iſt das Wirken
von dieſer ſelbſt ein gedoppeltes; es iſt beydes in Einem,
das Aufheben ihres Beſtimmtſeyns, nemlich ihrer
Bedingung, oder das Aufheben der Selbſtſtaͤndigkeit der
paſſiven Subſtanz; — und daß ſie ihre Identitaͤt mit
S 2der-
[276]Zweytes Buch. III.Abſchnitt.
derſelben aufhebt, ſomit ſich voraus oder als ande-
res ſetzt. — Durch das letztere Moment wird die paſ-
ſive Subſtanz erhalten; jenes erſte Aufheben derſelben
erſcheint in Beziehung hierauf zugleich auch ſo, daß nur
einige Beſtimmungen an ihr aufgehoben werden
und die Identitaͤt ihrer mit der erſten in der Wirkung
aͤuſſerlich an ihr geſchieht.
Inſofern leidet ſie Gewalt. — Die Gewalt iſt
die Erſcheinung der Macht, oder die Macht
als aͤuſſerliches. Aeuſſerliches iſt aber die Macht,
nur inſofern die urſachliche Subſtanz in ihrem Wirken,
d. h. im Setzen ihrer ſelbſt zugleich vorausſetzend iſt, d.
h. ſich ſelbſt als aufgehobenes ſetzt. Umgekehrt iſt daher
eben ſo ſehr das Thun der Gewalt, ein Thun der Macht.
Es iſt nur ein von ihr ſelbſt vorausgeſetztes Anderes,
auf welches die gewaltige Urſache wirkt, ihre Wirkung
auf daſſelbe iſt negative Beziehung auf ſich, oder die
Manifeſtation ihrer ſelbſt. Das Paſſive iſt das
Selbſtſtaͤndige, das nur ein geſetztes iſt; ein in ſich
ſelbſt gebrochenes, — eine Wirklichkeit, welche Bedin-
gung iſt und zwar die Bedingung nunmehr in ihrer
Wahrheit nemlich eine Wirklichkeit, welche nur eine Moͤg-
lichkeit iſt, oder umgekehrt ein Anſichſeyn, das nur
die Beſtimmtheit des Anſichſeyns, nur paſſiv
iſt. Demjenigen daher, dem Gewalt geſchieht, iſt es
nicht nur moͤglich, Gewalt anzuthun, ſondern ſie muß
ihm auch angethan werden; was Gewalt uͤber das an-
dere hat, hat ſie nur, weil es die Macht deſſelben iſt,
die ſich darin und das Andere manifeſtirt. Die paſ-
ſive Subſtanz wird durch die Gewalt nur geſetzt, als
das was ſie in Wahrheit iſt, nemlich weil ſie das
einfache Poſitive oder unmittelbare Subſtanz iſt, eben
darum nur ein Geſetztes zu ſeyn; das Voraus,
das ſie als Bedingung iſt, iſt der Schein der Unmittelbar-
keit, den die wirkende Cauſalitaͤt ihr abſtreift.
Der
[277]Die Wirklichkeit.
Der paſſiven Subſtanz wird daher durch die Ein-
wirkung einer andern Gewalt nur ihr Recht angethan.
Was ſie verliert, iſt jene Unmittelbarkeit, die
ihr fremde Subſtantialitaͤt. Was ſie als ein frem-
des erhaͤlt, nemlich als ein Geſetztſeyn beſtimmt
zu werden, iſt ihre eigene Beſtimmung. — Indem ſie
nun aber in ihrem Geſetztſeyn oder in ihrer eigenen
Beſtimmung geſetzt wird, wird ſie dadurch vielmehr nicht
aufgehoben, ſondern geht ſo nur mit ſich ſelbſt
zuſammen, und iſt alſo in ihrem Beſtimmtwer-
den Urſpruͤnglichkeit. — Die paſſive Subſtanz
wird alſo einerſeits durch die active erhalten oder ge-
ſetzt, nemlich inſofern dieſe ſich ſelbſt zur aufgehobenen
macht; — andererſeits aber iſt es das Thun des
Paſſiven ſelbſt mit ſich zuſammenzugehen, und ſomit
ſich zum Urſpruͤnglichen und zur Urſache zu machen.
Das Geſetztwerden durch ein anderes und das ei-
gene Werden iſt ein und daſſelbe.
Hiedurch, daß die paſſive Subſtanz nun ſelbſt in
Urſache verkehrt iſt, wird erſtlich die Wirkung in ihr
aufgehoben; darin beſteht ihre Gegenwirkung uͤber-
haupt. Sie iſt an ſich das Geſetztſeyn, als paſſive
Subſtanz; auch iſt das Geſetztſeyn durch die andere Sub-
ſtanz in ihr geſetzt worden, inſofern ſie nemlich die
Wirkung derſelben an ihr bekam. Ihre Gegenwir-
kung enthaͤlt daher eben ſo das Gedoppelte; daß nemlich
erſtlich was ſie an ſich iſt, geſetzt wird, zweytens
als was ſie geſetzt wird, ſich als ihr Anſichſeyn
darſtellt; ſie iſt an ſich Geſetztſeyn, daher erhaͤlt ſie ei-
ne Wirkung an ihr durch die andere; aber diß Geſetzt-
ſeyn iſt umgekehrt ihr eigenes Anſichſeyn, ſo iſt diß
ihre Wirkung, ſie ſelbſt ſtellt ſich als Urſache dar.
Zweytens geht die Gegenwirkung gegen die
erſte wirkende Urſache. Die Wirkung, welche
die
[278]Zweytes Buch. III.Abſchnitt.
die vorher paſſive Subſtanz in ſich aufhebt, iſt nemlich
eben jene Wirkung der erſten. Die Urſache hat aber ihre
ſubſtantielle Wirklichkeit nur in ihrer Wirkung; indem
dieſe aufgehoben wird, ſo wird ihre urſachliche Subſtan-
tialitaͤt aufgehoben. Diß geſchieht erſtlich an ſich
durch ſich ſelbſt, indem ſie ſich zur Wirkung macht;
in dieſer Identitaͤt verſchwindet ihre negative Beſtim-
mung und ſie wird paſſives; zweytens geſchieht es
durch die vorhin paſſive, nun ruͤkwirkende Sub-
ſtanz, welche deren Wirkung aufhebt. — In der be-
ſtimmten Cauſalitaͤt wird die Subſtanz, auf wel-
che gewirkt wird, zwar auch wieder Urſache, ſie wirkt
hiemit dagegen, daß eine Wirkung in ihr geſetzt
wurde. Aber ſie wirkte nicht zuruͤk gegen jene Ur-
ſache, ſondern ſetzte ihre Wirkung wieder in eine an-
dere Subſtanz, wodurch der Progreß von Wirkungen
ins Unendliche zum Vorſchein kam; weil hier die Urſache
in ihrer Wirkung nur erſt an ſich mit ſich identiſch iſt,
daher einerſeits in einer unmittelbaren Identitaͤt
in ihrer Ruhe verſchwindet, andererſeits in einer
andern Subſtanz ſich wieder erwekt. — In der be-
dingten Cauſalitaͤt hingegen bezieht die Urſache in der
Wirkung ſich auf ſich ſelbſt, weil ſie ihr Anderes als
Bedingung als vorausgeſetztes iſt, und ihr Wirken
dadurch eben ſo ſehr Werden, als Setzen und Aufhe-
ben des Andern iſt.
Ferner verhaͤlt ſie ſich hiemit als paſſive Subſtanz;
aber, wie ſich ergab, entſteht dieſe durch die auf ſie
geſchehene Wirkung als urſachliche Subſtanz. Jene erſte
Urſache, welche zuerſt wirkt, und ihre Wirkung als Ge-
genwirkung in ſich zuruͤk erhaͤlt, tritt damit wieder als
Urſache auf; wodurch das in der endlichen Cauſalitaͤt in
den ſchlecht-unendlichen Progreß auslaufende Wirken
umgebogen, und zu einem in ſich zuruͤkkehrenden, ei-
nem unendlichen Wechſelwirken wird.
C.Die
[279]Die Wirklichkeit.
C.
Die Wechſelwirkung.
In der endlichen Cauſalitaͤt ſind es Subſtanzen, die
ſich wirkend zu einander verhalten. Der Mechanis-
mus beſteht in dieſer Aeuſſerlichkeit der Cauſalitaͤt,
daß die Reflexion der Urſache in ihrer Wirkung in
ſich zugleich ein abſtoſſendes Seyn iſt, oder daß in der
Identitaͤt, welche die urſachliche Subſtanz in ihrer
Wirkung mit ſich hat, ſie ſich eben ſo unmittelbar aͤuſ-
ſerliches bleibt, und die Wirkung in eine andere
Subſtanz uͤbergegangen iſt. In der Wechſelwir-
kung iſt nun dieſer Mechanismus aufgehoben; denn ſie
enthaͤlt erſtens das Verſchwinden jenes urſpruͤng-
lichen Beharrens der unmittelbaren Subſtantia-
litaͤt; zweytens das Entſtehen der Urſache; und
damit die Urſpruͤnglichkeit als durch ihre Nega-
tion ſich mit ſich vermittelnd.
Zunaͤchſt ſtellt die Wechſelwirkung ſich dar als eine
gegenſeitige Cauſalitaͤt von vorausgeſetzten, ſich
bedingenden Subſtanzen; jede iſt gegen die andere
zugleich active und zugleich paſſive Subſtanz.
Indem beyde hiemit ſowohl paſſiv als activ ſind, ſo hat
ſich bereits jeder Unterſchied derſelben aufgehoben; er iſt
ein voͤllig durchſichtiger Schein; ſie ſind Subſtanzen nur
darin, daß ſie die Identitaͤt des Activen und Paſſiven
ſind. Die Wechſelwirkung ſelbſt iſt daher nur noch lee-
re Art und Weiſe; und es bedarf bloß noch eines
aͤuſſern Zuſammenfaſſens deſſen, was bereits ſowohl an
ſich als geſetzt iſt. Fuͤrs erſte ſind es keine Sub-
ſtrate mehr, welche miteinander in Beziehung ſtehen,
ſondern Subſtanzen; in der Bewegung der bedingten
Cauſalitaͤt hat ſich die noch uͤbrige vorausgeſetzte
Unmittelbarkeit aufgehoben, und das Bedingen-
de der urſachlichen Activitaͤt iſt nur noch die Einwir-
kung, oder die eigene Paſſivitaͤt. Dieſe Einwirkung
kommt
[280]Zweytes Buch. III.Abſchnitt.
kommt aber ferner nicht von einer andern urſpruͤngli-
chen Subſtanz her; ſondern eben von einer Urſachlichkeit,
welche durch Einwirkung bedingt, oder ein Vermit-
teltes iſt. Diß zunaͤchſt Aeuſſerliche, das an die
Urſache kommt und die Seite ihrer Paſſivitaͤt ausmacht,
iſt daher durch ſie ſelbſt vermittelt, es iſt durch ihre
eigene Activitaͤt hervorgebracht, ſomit die durch ihre
Activitaͤt ſelbſt geſetzte Paſſivitaͤt. — Die
Cauſalitaͤt iſt bedingt und bedingend; das Bedingen-
de iſt das Paſſive, aber eben ſo ſehr iſt das Be-
dingte paſſiv. Diß Bedingen oder die Paſſivitaͤt iſt
die Negation der Urſache durch ſich ſelbſt, indem ſie
ſich weſentlich zur Wirkung macht, und eben dadurch
Urſache iſt. Die Wechſelwirkung iſt daher nur die
Cauſalitaͤt ſelbſt; die Urſache hat nicht nur eine Wir-
kung, ſondern in der Wirkung ſteht ſie als Urſache
mit ſich ſelbſt in Beziehung.
Hiedurch iſt die Cauſalitaͤt zu ihrem abſoluten
Begriffe zuruͤkgekehrt, und zugleich zum Begriffe
ſelbſt gekommen. Sie iſt zunaͤchſt die reale Nothwen-
digkeit; abſolute Identitaͤt mit ſich, ſo daß der Un-
terſchied der Nothwendigkeit und die in ihr ſich auf einan-
der beziehenden Beſtimmungen, Subſtanzen, freye
Wirklichkeiten, gegen einander, ſind. Die Noth-
wendigkeit iſt auf dieſe Weiſe die innre Identitaͤt;
die Cauſalitaͤt iſt die Manifeſtation derſelben, worin ihr
Schein des ſubſtantiellen Andersſeyn ſich auf-
gehoben hat, und die Nothwendigkeit zur Freyheit
erhoben iſt. — In der Wechſelwirkung ſtellt die ur-
ſpruͤngliche Cauſalitaͤt ſich als ein Entſtehen aus ihrer
Negation, der Paſſivitaͤt, und als Vergehen in die-
ſelbe, als ein Werden dar; aber ſo daß diß Werden
zugleich eben ſo ſehr nur Scheinen iſt; das Uebergehen
in Anderes iſt Reflexion-in-ſich ſelbſt; die Nega-
tion, welche Grund der Urſache iſt, iſt ihr poſitives
Zuſammengehen mit ſich ſelbſt.
Noth-
[281]Die Wirklichkeit.
Nothwendigkeit und Cauſalitaͤt ſind alſo darin ver-
ſchwunden; ſie enthalten beydes die unmittelbare
Identitaͤt als Zuſammenhang und Bezie-
hung, und die abſolute Subſtantialitaͤt der
Unterſchiedenen ſomit die abſolute Zufaͤlligkeit
derſelben; die urſpruͤngliche Einheit ſubſtantieller
Verſchiedenheit; alſo den abſoluten Widerſpruch.
Die Nothwendigkeit iſt das Seyn, weil es iſt; die Ein-
heit des Seyns mit ſich ſelbſt, das ſich zum Grunde
hat; aber umgekehrt weil es einen Grund hat, iſt es
nicht Seyn, iſt es ſchlechthin nur Schein, Bezie-
hung oder Vermittlung. Die Cauſalitaͤt iſt diß
geſetzte Uebergehen des urſpruͤnglichen Seyns, der
Urſache, in Schein oder bloßes Geſetztſeyn, um-
gekehrt des Geſetztſeyns in Urſpruͤnglichkeit; aber die
Identitaͤt ſelbſt des Seyns und Scheins iſt noch
die innre Nothwendigkeit. Dieſe Innerlichkeit
oder diß Anſichſeyn hebt die Bewegung der Cauſalitaͤt auf;
damit verliert ſich die Subſtantialitaͤt der im Verhaͤltniſſe
ſtehenden Seiten, und die Nothwendigkeit enthuͤllt ſich.
Die Nothwendigkeit wird nicht dadurch zur Freyheit,
daß ſie verſchwindet, ſondern daß nur ihre noch innre
Identitaͤt manifeſtirt wird; eine Manifeſtation, wel-
che die identiſche Bewegung des Unterſchiedenen in ſich
ſelbſt, die Reflexion des Scheins als Scheins in ſich iſt.
— Umgekehrt wird zugleich dadurch die Zufaͤlligkeit
zur Freyheit, indem die Seiten der Nothwendig-
keit, welche die Geſtalt fuͤr ſich freyer, nicht in ein-
ander ſcheinender Wirklichkeiten haben, nunmehr geſetzt
ſind als Identitaͤt, ſo daß dieſe Totalitaͤten der Re-
flexion-in-ſich, in ihrem Unterſchiede nun auch als
identiſche ſcheinen, oder geſetzt ſind nur als eine
und dieſelbe Reflexion.
Die abſolute Subſtanz, als abſolute Form ſich von
ſich unterſcheidend. ſtoͤßt ſich daher nicht mehr als Noth-
wendigkeit von ſich ab, noch faͤllt ſie als Zufaͤlligkeit in
gleich-
[282]Zweytes Buch. III.Abſchnitt.
gleichguͤltige, ſich aͤuſſerliche Subſtanzen aus einander,
ſondern unterſcheidet ſich einerſeits in die Tota-
litaͤt, welche, — die vorhin paſſive Subſtanz —, Ur-
ſpruͤngliches iſt als die Reflexion aus der Beſtimmtheit in
ſich, als einfaches Ganzes, das ſein Geſetztſeyn in
ſich ſelbſt enthaͤlt und als identiſch darin mit ſich
geſetzt iſt, das Allgemeine; — andererſeits
in die Totalitaͤt, — die vorhin urſachliche Subſtanz, —
als in die Reflexion eben ſo aus der Beſtimmtheit in ſich
zur negativen Beſtimmtheit, welche ſo als die mit ſich
identiſche Beſtimmtheit ebenfalls das Ganze, aber
als die mit ſich identiſche Negativitaͤt geſetzt iſt;
— das Einzelne. Unmittelbar aber, weil das All-
gemeine nur identiſch mit ſich iſt, indem es die Be-
ſtimmtheit als aufgehoben in ſich enthaͤlt, alſo
das Negative als Negatives iſt, — iſt es dieſelbe
Negativitaͤt, welche die Einzelnheit iſt; — und
die Einzelnheit, weil ſie eben ſo das beſtimmte Beſtimmte,
das Negative als Negatives iſt, iſt ſie unmittelbar die-
ſelbe Identitaͤt, welche die Allgemeinheit iſt.
Dieſe ihre einfache Identitaͤt iſt die Beſonderheit,
welche vom Einzelnen das Moment der Beſtimmtheit,
vom Allgemeinen das Moment der Reflexion-in-
ſich in unmittelbarer Einheit enthaͤlt. Dieſe drey Tota-
litaͤten ſind daher Eine und dieſelbe Reflexion, welche als
negative Beziehung auf ſich in jene beyden ſich
unterſcheidet, aber als in einen vollkommen durch-
ſichtigen Unterſchied, nemlich in die beſtimmte
Einfachheit, oder in die einfache Beſtimmt-
heit, welche ihre Eine und dieſelbe Identitaͤt iſt. —
Diß iſt der Begriff, das Reich der Subjectivi-
taͤt oder der Freyheit.
- Holder of rights
- Kolimo+
- Citation Suggestion for this Object
- TextGrid Repository (2025). Collection 1. Wissenschaft der Logik. Wissenschaft der Logik. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bjf0.0