der
Verbreitung des Schalles
für
Baukünſtler
bei Heinrich Frölich.
Theorie
der
Verbreitung des Schalles.
A 2[][]Einleitung
Der Baukünſtler braucht von der The¬
orie des Schalles überhaupt, nur die Ge¬
ſetze zu wiſſen, nach welchen ſich der¬
ſelbe verbreitet, um die Mittel auffinden
zu können, welche in der Anlage und
Einrichtung eines Gebäudes in welchem
der Schall ſich verbreiten ſoll, zu dieſem
Zwecke förderlich ſind, oder die Hinder¬
niſſe zu entdecken welche derſelben im
Wege ſtehn. Weiſs er dieſes, ſo iſt ihm
[6] die Unterſuchung über die Natur des
Schalles gleichgültig, ſo wie die ſchwie¬
rige Lehre von den Modificationen,
welche er von der zufälligen Beſchaffen¬
heit der Luft erhält, überflüſsig. Der
Architect hält ſich bloſs an jene Ge¬
ſetze der Verbreitung, und vermag bei
einer richtigen Anwendung derſelben
auf den Zweck ſeines Gebäudes, auch
die ſchwierigſte Aufgabe aufzulöſen.
Ich weiſs wohl, daſs man gewöhn¬
lich glaubt, jene Geſetze wären noch zu
wenig bekannt, und zu unbeſtimmt, um
ſie mit Sicherheit anwenden zu können,
und unſere neueſten Schauſpielhäuſer
Muſikſäle u. ſ. w. beweiſen in der That,
daſs ihre Erbauer jene Geſetze entwe¬
der gar nicht kannten, oder wenigſtens
keine richtige Anwendung davon zu
machen wuſsten.
Die Phyſiker behaupten zwar, daſs
[7] ſie jene Geſetze hinlänglich kennen, aber der
Baukünſtler bezweifelt es. Den Grund
dieſes Zweifels nimmt er aus der Er¬
fahrung. Er glaubt ſeine Gebäude,
z. B. die Schauſpielhäuſer ganz nach
jenen, von dem Phyſiker aufgeſtellten
Geſetzen, einzurichten, und dennoch ent¬
ſpricht der gewöhnliche Erfolg ſeinen
Erwartungen ſo wenig, daſs oft das
Gegentheil von dem eintrift, was er be¬
abſichtigte. Da er nun in die Rich¬
tigkeit ſeiner Anwendung jener
Geſetze keinen Zweifel ſetzt, ſo
bezweifelt er die Geſetze ſelbſt
und behauptet: der Schall müſse ſich
auf eine noch unbekannte Art, und
nach noch unentdeckten Geſetzen verbrei¬
ten. Es iſt der Zweck gegenwärtiger
Schrift, das Gegentheil dieſer Behauptung
zu beweiſen, und darzuthuen: daſs der
ſchlechte Erfolg bei den Abſich¬
ten unſrer Baumeiſter nicht in
[6] jenen Geſetzen ſelbſt, ſondern al¬
lein in einer verkehrten Anwen¬
dung derſelben ſeinen Grund
habe.
Erſter Theil.
Geſetze nach welchen der Schall
ſich verbreitet.
Der Schall verbreitet ſich
- I. in gerader Richtung wie das
Licht, und wird - II. von Widerſtand leiſtenden
Körpern unter eben dem
Winkel zurückgebrochen in
welchem er auffällt.
Ich könnte hier dieſe beiden Ge¬
ſetze als angenommen vorausſetzen,
da ſowohl alle unſre Phyſiker, als auch
die beſten Baukünſtler ſie als erwieſen be¬
[10] trachten. Ja ich kann zugeben daſs der
Satz: der Schall verbreitet ſich
wie das Licht, nur eine Hypotheſe
ſei, und doch jene beiden aus ihm.
herflieſsenden Geſetze zur Grundlage die¬
ſer Theorie machen, indem ſtreng er¬
weislich iſt, daſs alle auch noch ſo ſon¬
derbar ſcheinende Wahrnehmungen bei
der Verbreitung des Schalles, nicht allein
befriedigend aus ihnen erklärt werden
können, ſondern auch gerade hin darauf
leiten.
Ich will indeſs die Hauptgründe, wo¬
rauf ſie ruhen, hier kurz anführen.
Die Erfahrung lehrt, daſs der Schall
ſich von dem Orte wo er entſteht nach
allen Seiten zu, wie von dem Mittel¬
punct einer Kugel nach der Oberfläche
hin, verbreitet, und daſs dieſe Verbrei¬
[12] tung mittelſt einer Erſchütterung
der Luft geſchiehet. Dieſe Erſchütte¬
rung iſt ſehr bemerklich, vorzüglich
wenn der Schall heftig iſt, als bei ſtar¬
ken Donnerſchlägen wo die Häuſer be¬
ben und die Fenſter zerſpringen. Bei
geringerm Schall, wenn er zum Beiſpiel
durch Bewegung harter Körper hervorge¬
bracht wird, iſt dieſe Erſchütterung
in den ſchallenden Körpern ſelbſt
ſichtbar, z. B. auf dem Reſonanzboden
eines Klaviers, wenn man ihn mit far¬
bigem Sande beſtreut, und an der tönen¬
den Saite ſelbſt. Daſs dieſe Bewegung
nun ſich der Luft mittheilt und dadurch
den hervorgebrachten Schall verbreitet, iſt
dadurch erweislich, daſs eine tönende Saite
z. B. eine andre die mit ihr gleich geſtimmt
iſt, durch bloſse Erſchütterung der Luft
in Bewegung ſetzen und mittönen ma¬
chen kann; und was endlich die Sache
auſser Zweifel ſetzt, iſt, daſs in einem
[9] luftleeren Raume der Schall ſich über¬
all nicht verbreitet.
Es iſt alſo erwieſen, daſs die Ver¬
breitung des Schalles in einer Bewegung
der Luft beſteht, welche ſie durch ei¬
nen Stoſs des ſchallenden Körpers em¬
pfängt. Die Frage iſt nun noch, ob dieſe
Bewegung ſich in gerader Rich¬
tung fortſetzt? Daſs die Bewegung nach
empfangenem Stoſs in gerader Richtung
fortgeſetzt wird, bis ein zweiter nach ei¬
ner andern Direction wirkender Stoſs ſie
verändert, iſt ein allgemeines Geſetz der
Bewegung überhaupt, und keine Erfah¬
rung, von der Bombe an bis zu den
Schwingungen der Lichttheile, hat einen
Zweifel dagegen erregen können. Man
iſt alſo gezwungen dies Geſetz bei der
Fortbewegung des Schalles durch die
Luft im voraus anzunehmen; und mit
ihm zugleich die Brechung nach
[10] dem Einfallswinkel, weil ſie
ein nothwendiges Reſultat aus je¬
nem iſt.
Es frägt ſich nun: ob alle Wahr¬
nehmungen bei der Erſcheinung der
Verbreitung des Schalles aus jenen Ge¬
ſetzen erklärlich ſind oder nicht? Ob
ſie nicht — wenigſtens gewiſse Modifi¬
cationen leiden, die uns noch unbe¬
kannt ſind, und folglich die Anwen¬
dung derſelben noch nicht ſicher iſt?
Ich geſtehe, daſs mir keine Wahrneh¬
mung bekannt iſt, die dergleichen be¬
weiſen könnte. Doch will ich einige
ſcheinbare Einwürfe zu heben ſuchen.
Das Licht, ſagt man, verbreitet ſich
in geraden Strahlen, und eine nothwen¬
dige Folge davon iſt, daſs man keinen
Gegenſtand ſehen kann, von dem nicht
ein gerader Lichtſtrahl in unſer Auge
fällt; den Schall aber hört man überall.
[14] wenn es gleich unmöglich iſt, daſs ir¬
gend ein gerader Schallſtrahl von dem
ſchallenden Körper in unſer Ohr trift.
Der Einwurf iſt ſcheinbar, aber über¬
aus leicht zu heben. Das Licht am
Tage hat offenbar ſeinen Urſprung in
den Sonnenſtrahlen, welche ſich von
einem Mittelpunkt aus in gerader Rich¬
tung nach der Erde bewegen — (wie
die Strahlen des Schalles von dem ſchal¬
lenden Körper). Nun kann man gleich¬
wohl am Tage überall, auch da ſehen,
wo es unmöglich iſt, daſs ein Sonnen¬
ſtrahl in gerader Richtung hindringen
könnte; allein die nach unendlichen
Richtungen geſchehene Brechung der
Sonnenſtrahlen verbreiten ſich überall:
und wenn wir in einem Zimmer nicht
alles auf einmal ſehen was darin iſt, ſo
liegt die Schuld nicht, an dem allenthal¬
ben verbreiteten Lichte, ſondern an dem
[15]Bau unſres Auges, welches einem
kleinen Tubus gleicht, und nur dieje¬
nigen Strahlen aufnimmt, welche in
einer geraden Richtung einfallen. Stän¬
den unſere Augen nicht an einer Seite
des Kopfes ſondern gegen einander¬
über, und wäre die äuſsere Haut des
Auges (die Hornhaut) überall fähig die
auffallenden Strahlen nach dem Mitelpunkte
hin zu brechen; ſo würden wir um uns
her alles eben ſo ſehen, wie wir hören.
Unſere Ohren ſtehen an zwei ſich entge¬
gengeſetzten Seiten des Kopfes, und ſind
ſo gebaut, daſs ſie jeden einfallenden
Schallſtrahl nach dem Empfindungs¬
punkte des Gehörs hinbrechen. Wir
müſsen alſo von allen Seiten her hö¬
ren, weil von den nach unendlichen
Richtungen zerbrochnen Schallſtrahlen
nothwendig immer einige unſere Oh¬
ren treffen müſsen. In freiem Felde,
[15] wo kein merklich hervorragender Gegen¬
ſtand befindlich iſt, an welchem der
Schall gebrochen werden könnte, ſind
die nach allen Richtungen erfolgten Re¬
flectionen von der Erde ſelbſt dazu hin¬
reichend; woraus zugleich erklärlich iſt,
warum man im Freien einen fernen Schall
deutlicher hört, wenn man das Ohr
nahe gegen die Erde richtet. Der Un¬
terſchied zwiſchen Hören und Sehen
gründet ſich alſo nicht auf verſchiedene
Geſetze in der Verbreitung des Lichtes
und des Schalles, ſondern auf die Ver¬
ſchiedenheit der Einrichtung unſerer Sin¬
nenwerkzeuge, wodurch wir beide em¬
pfinden.
Man ſagt ferner das Licht durch¬
dringt nur ſehr wenige Körper, (die
Glasartigen) der Schall auſserdem noch
ſehr viele, als Metall, Holz, Steine u. ſ. w.
und ſollte dies nicht eine Verſchieden¬
[17] heit in den Verbreitungsgeſetzen bei¬
den andeuten? Keineswegs; ſondern
nur eine Verſchiedenheit des Mediums
durch welches die Verbreitung eines je¬
den geſchieht. Das Licht ſcheint eine
eigne Materie vorauszuſetzen, der Schall
bloſs die Luft. Das Weſentliche in der
Verbreitung beider iſt Bewegung, und
auf dieſe allein gründen ſich die oben
angegebenen Geſetze. Die Unterſuchung
über die Aehnlichkeit und Verſchieden¬
heit der Materie des Lichts und der
Luft, und der daraus entſpringenden Ver¬
ſchiedenheit der Fortpflanzung beider,
liegt auſser dem Zwecke dieſer Schrift,
indem durch ſie in jenen Geſetzen ſelbſt
nichts weſentlich geändert wird. Ich
will hier nur noch einige Erfahrungsſätze
folgen laſſen, welche die Anwendung
jener Geſetze dem Baukünſtler ſehr er¬
leichtern.
B[18]
Erſter Erfahrungsſatz.
Jeder Schall durchdringt‚ nach
Verhältniſs der Stärke welche ihn
hervorbringt, einen beſtimmten
Raum, wird dann immer ſchwä¬
cher, und endlich unvernehmbar.
Nach genauen Beobachtungen hat
man bemerkt, daſs eine deut¬
lich geſprochene Rede im Freien,
wo der Verbreitung nichts im
Wege ſteht auf 70 Fuſsverſtänd¬
lich bleibt. Dies iſt für den
Baukünſtler eine wichtige Beob¬
achtung, indem er bis zu die¬
ſer Weite auf die natürliche Ver¬
breitung des Schalles rechnen
kann.
Zweiter Erfahrungsſatz.
Wenn der Schall in dem
Raume wo er noch vernehmlich
[19] iſt, auf eine ihm gerade entgegen¬
geſetzte Fläche trift, ſo wird er
zurückgebrochen und es entſteht
ein Wiederhall, oder Echo.
- Man hat durch genaue Beobachtun¬
gen herausgebracht, daſs der Wie¬
derhall nicht eher als in einer
Entfernung über 60 Fuſs be¬
merkbar wird; indem die Rück¬
wirkung in einer kleinern Ent¬
fernung ſo ſchnell erfolgt, daſs ſie
von dem erſten Schalle nicht zu
unterſcheiden iſt. Auch dieſe
Beobachtung iſt, wie wir in der
Folge ſehen werden, für den Bau¬
künſtler von der äuſserſten Wich¬
tigkeit.
Dritter Erfahrungsſatz.
Wenn der Schall in dem
Raume wo er noch vernehmlich
[20] iſt, auf eine ſchiefe Fläche trift,
ſo[wird]der unter den Einfallswin¬
kel von dem ſchallenden Körper
weggebrochen, und da er von dem
brechenden Körper einen neuen
Stoſs erhält, durch einen gröſ¬
sern Raum verbreitet, als den
er ohne die Brechung hätte
durchdringen können.
- Beweiſe zu dieſem Satze liefert die
Kommunicationsröhre und
das Sprachrohr.
Vierter Erfahrungsſatz.
Wenn der Schall ſich zwi¬
ſchen zwei Parallellinien fortbe¬
wegt, ſo wird er durch einen ſehr
groſsen Raum, in derſelben Stärke
verbreitet, die er anfangs hatte.
- Den Beweis liefert die Com¬
munikationsröhre. Wenn
[21] man auch noch ſo leiſe zu dem
einen Ende hineinſpricht, ſo ver¬
ſteht man am andern alles ſo ge¬
nau, als ob man das Ohr an
den Mund des Sprechenden
legte.
Fünfter Erfahrungsſatz.
Wenn der Schall ſich zwi¬
ſchen zwei Linien fort bewegt,
die an dem Orte wo er entſteht
unter einem ſpitzigen Winkel zu¬
ſammen laufen; ſo wird er nicht
allein durch einen gröſsern Raum
verbreitet ſondern auch ver¬
ſtärkt.
Den Beweis liefert das, jedermann
bekannte Sprachrohr; welches um¬
gekehrt als Höhrrohr, dieſelbe Wir¬
kung hervorbringt, wenn das Ohr
[22] ſich nehmlich in dem Punkte be¬
findet, wo die beiden Seiten ſich
durchſchneiden würden, welche
dem Scheine nach ſich widerſpre¬
chende Wahrnehmungen, ſich je¬
doch aus dem Brechungsgeſetze be¬
friedigend erklären laſſen.
Sechſter Erfahrungsſatz.
Wenn ein ſchallender Körper
ſich in der Nähe eines andern
Körpers befindet, welcher, wenn
er in Bewegung geſetzt iſt, einen
gleichen Schall hervorbringt; ſo
iſt die bloſse Erſchütterung der
Luft hinreichend, ihn in Bewe¬
gung zu ſetzen undmitſchal¬
lendzu machen.
Den Beweis liefern zwei gleichge¬
ſtimmte Saiten in einer Entfer¬
nung von einander, weil, wenn
[23] eine angeſchlagen wird, die an¬
dre von ſelbſt mittönt. Die
Erfahrung iſt für den Baukünſt¬
ler ſehr wichtig, weil die Alten
die Erfindung ihrer Schallgefäſse
darauf gründeten, und in unſern
Schauſpielhäuſern zum Theil mit
der Nachhall, welcher oft Rede
und Muſik undeutlich macht, aus
ähnlichen Urſachen entſpringt.
Ob die Alten die wahre Theorie des
Schalles gekannt haben, iſt zweifelhaft.
Man kann wohl als gewiſs annehmen,
daſs Vitruv alles gekannt habe, was ſie
über dieſen Gegenſtand wuſsten. Vitruv
aber nimmt an: der Schall verbreite ſich
auf eben die Weiſe, wie die Kreiſe auf
einer ruhigen Waſſerfläche, wenn man
etwas hineingeworfen hat; nur daſs die¬
ſe Verbreitung nach allen Seiten, wie ge¬
gen die Oberfläche einer Kugel zu, erfolge.
[24] „Steht, fährt Vitruv fort, einem Kreiſe
auf der Waſſerfläche etwas entgegen, ſo
entſteht durch den Anſchlag ein neuer
Kreis, der dem erſten entgegenſtrebt
und beide gerathen in Unordnung; ſo iſt
es auch mit dem Schalle.“
Er kannte alſo offenbar die Verbrei¬
tung des Schalles, durch eine Erſchüt¬
terung der Luft nach gerader Richtung,
ſo wie die Rückwirkung derſelben, den
Wiederhall; ſo wohl nach ſeinen nach¬
theiligen Folgen, wie das eben angeführ¬
te Beiſpiel beweiſt, als nach ſeinen Vor¬
theilen, wie aus der Vorſchrift erhellt,
welche er an einem andern Orte giebt,
in zu hohen Gebäuden einen Kranz
umher zu bauen, damit der Schall ſich
nicht zu ſehr nach oben hin verliere.
Dagegen ſcheint es ziemlich gewiſs
zu ſeyn daſs er die Brechung des Schal¬
[25] les nach dem Auffallswinkel nicht ge¬
kannt habe, weil er ſonſt unfehlbar die
groſsen Vortheile berührt haben würde,
welche der Baukünſtler aus dieſer Lehre
ziehen kann. Auch beweiſt die Form der
Theater der Alten, wie ich in der Fol¬
ge zeigen werde, daſs ſie auf die Bre¬
chung des Schalles nichts rechneten, ſon¬
dern bloſs auf die natürliche Verbreitung
deſſelben ſahen. In ihren Baſiliken fand
allerdings eine vortheilhafte Brechung
ſtatt; dieſe Gebäude haben ihre Form
offenbar der Bequemlichkeit in Rückſicht
ihres Zweckes zu danken‚ und das
Vortheilhafte dieſer Form für die Ver¬
breitung des Schalles ſcheint bloſs zufäl¬
lig zu ſeyn, indem Vitruv dieſes Vortheils
gar nicht erwähnt.
Ich gehe jetzt zur Anwendung je¬
ner Geſetze über, und beſchränke mich,
um nicht zu weitläuftig zu werden, al¬
[26] lein auf den Schauſpielhausbau
ein, theils weil man es von Schauſpiel¬
häuſern vorzüglich verlangt, daſs ſie zur
Verbreitung des Schalles zweckmäſsig
eingerichtet ſein ſollen, theils weil der
Baukünſtler die Anwendung der Geſetze,
wenn ſie einmahl gezeigt iſt, überall
leicht finden wird.
[27]
Zweiter Theil.
Anwendung dieſer Geſetze auf den
Schauſpielhausbau.
Die Aufgabe beim Bau eines Schau¬
ſpielhauſes iſt: es ſo einzurichten, daſs
I) die Stimme der Schauſpieler auf
den Sitzen der Zuſchauer überall
deutlich gehört werden könne.
II) daſs man von allen Sitzen die Büh¬
ne ganz überſehen könne.
III) daſs die Sitze bequem, d. i. ſo an¬
gelegt werden, daſs die Zuſchauer
[28] beim Herein- und Hinausgehen ſich
nicht hindern, und kein Gedrän¬
ge entſteht, und
IV) daſs bei dem allen die architectoni¬
ſche Schönheit beobachtet wird,
und dem Auge eine gefällige Form
darbietet.
Eigentlich habe ich es hier bloſs mit
dem erſten Punkte dieſer Forderungen zu
thun, und werde auf die andern nur ſo
viel Rückſicht nehmen, als nöthig iſt
zu zeigen daſs die Beobachtung der Ge¬
ſetze des Schalles beim Bau ihnen nicht
nur nicht ſchädlich, ſondern ſehr vor¬
theilhaft iſt.
In Rückſicht dieſer Geſetze ſind die
Schauſpielhäuser eingerichtet
1. auf natürliche Verbreitung des
Schalles, und
[29] 2. auf künſtliche Verbreitung deſſel¬
ben.
Die künſtliche Verbreitung ſucht man
hervorzubringen.
A) durch Verſtärkung und
B) durch Brechung des Schalles.
Die Brechung des Schalles geſchieht
wieder.
a) nach der Bühne zurück, oder
b) von der Bühne weg.
Ob nun ein Schauſpielhaus zu die¬
ſer oder jener Abtheilung gehört, hängt
von ſeiner innern Form und Einrich¬
tung ab. Ich werde daher die Form
und Einrichtung der verſchiedenen Klas¬
ſen, nach dem hier angegebenen Charak¬
[30] ter beſtimmen, und die Tauglichkeit
derſelben, der Aufgabe gemäſs, nach dem
Zwecke der Schauſpielhäuſer überhaupt
unterſuchen.
[31]
Erſter Abſchnitt.
Von Schauſpielhäuſern, welche bloſs auf na¬
türliche Verbreitung des Schalles berech¬
net ſind.
Der Werth dieſer Maxime beim
Schauſpielhausbau iſt einleuchtend, weil
ſie die ſicherſte von allen, und keinem
Miſslingen unterworfen iſt. Sie iſt in¬
deſs auf Gebäude nicht anwendbar, wel¬
che eine groſse Anzahl Zuhörer faſsen
ſollen, da der Schall ohne Verſtärkungs¬
mittel ſich nicht ſehr weit fortpflanzt,
mithin der Raum, welchen eine gewöhn¬
liche Stimme durchdringt‚ nicht ſehr
groſs iſt. Da indeſs‚ nach Saunders
ſorgfältigen Beobachtungen, eine gewöhn¬
liche Stimme geradehin noch auf 70
Fuſs verſtändlich bleibt, ſo könnte man
Theater für zweitauſend Zuſchauer
noch füglich nach dieſer Maxime ein¬
[32] richten. Die einzig paſſende Form für
dieſe Einrichtung iſt der Halbkreis.
Wenn ein Theater ſo klein iſt, daſs
der Zuſchauer überall unter 60 Fuſs von
dem Sprechenden entfernt iſt, ſo iſt die
innere Form im Grunde für den Schall
gleichgültig, weil er den Raum ſo ſchnell
durchdringt, daſs man das falſche Bre¬
chen und den nachtheiligen Wiederhall
nicht gewahr wird. Iſt der Raum aber
über 60 Fuſs, ſo wird die Rückbrechung
ſchon ſo bemerklich, daſs ſie fähig iſt ei¬
nen Wiederhall zu bilden, oder wenig¬
ſtens durch Verlängerung der Töne das
Nachhallen — die Rede undeutlich zu
machen. Der Umſtand, daſs man auch
in Theatern, welche viel kleiner ſind‚
bald beſſer oder ſchlechter hört, rührt
von den Hinderniſſen her, welche
man der natürlichen Verbreitung des
Schalles minder in den Weg ſetzt. z. B.
[33] durch den Bau der Seitenlogen, oder
ein zu niedriges Parterre u. ſ. w.
Alle Regeln welche Vitruv für den
Bau der Theater giebt, beziehen ſich bloſs
auf die Vermeiduing dieſer Hinder¬
niſſe; wie denn die Theater der Alten
bloſs auf natürliche Verbreitung
des Schalles berechnet waren. Dies
mögte bei der ungeheuern Gröſse ih¬
rer Schauplätze auffallend ſcheinen, al¬
lein es iſt ſo wohl aus der bekannten
Einrichtung derſelben, als aus dem was
Vitruv darüber ſagt, durchaus erweis¬
lich. Die Verſtärkungsmittel, welche ſie
durch ihre Schallgefäſse aufſtellten, gehö¬
ren unter die Ausnahmen: man weiſs
in wie wenig Theatern ſie zu finden
waren, und ich werde in der Folge mehr
darüber ſagen.
Daſs man bei der Gröſse der alten
Schauplätze doch überall auf den Sitzen
der Zuſchauer hören konnte, wird we¬
niger auffallen, wenn man bedenkt: daſs
die Alten den eigendlichen Converſa¬
tionston auf ihren Bühnen gar nicht
kannten, daſs zu ihrer künſtlichen, faſt
an Geſang grenzenden Deklamation eine
gröſsere Anſtrengung der Stimme erfor¬
dert wurde, und die Schauspieler nur
auf einer kleinen etwas erhöhten Stelle
der Bühne ihre Rollen recitirten, folg¬
lich ſich nicht weit vom Mittelpunkt des
Zirkels entfernen konnten. Ueberdem
ſprach in groſsen Theatern der darſtel¬
lende Schauſpieler nicht einmal ſelbſt, ſon¬
dern ein andrer, der ſich in dem eigent¬
lichen Schallpunkte befand, alle ſeine
Aufmerkſamkeit auf die Stimme und
Deutlichkeit der Ausſprache wandte, und
den Mund gerade gegen den vollen Halb¬
kreis gewandt hatte. Und bei dem allen
[35] iſt es ſo ausgemacht noch nicht einmal,
daſs man überall in ihren Theatern, und
vorzüglich auf den obern Sitzen deut¬
lich gehört habe; viel mehr ſcheinen
die künſtlichen Mittel welche ſie anwand¬
ten den Schall zu verſtärken — ihre
Schallgefäſse — das Gegentheil anzudeu¬
ten. —
In dem Maſs nun, da unſere darſtel¬
lende Kunſt in dem genannten Umſtän¬
den von der Kunſt der Alten abweicht,
da wir von dem Schauſpieler Converſa¬
tionston, und keine erzwungene Anſtren¬
gung fordern; da er überall auf der
Bühne ſprechen darf wo es die Situa¬
tion erfordert — muſs ſich auch der
Raum der Theater verkleinern, in wel¬
chen die Stimmen hörbar ſind, und man
hat Unrecht, wenn man dem Bau der
Häuſer zuſchreibt, was in der Art der
Kunſtübung ſelbſt liegt.
C 2[36] Man könnte einwenden: daſs es unmög¬
lich ſei, in einem Theater auf die Rück¬
wirkung, und dadurch erfolgte Verſtär¬
kung des Schalles nicht zu rechnen, in¬
dem dieſe nothwendig von ſelbſt erfolgt.
— Dieſem ſcheinbaren Einwurf hab' ich
folgendes entgegen zu ſetzen: Der Wie¬
derhall könnte nur in einem Falle
den Ton verſtärken, wenn nehmlich
der wiederhallende Körper ſo nahe iſt, daſs
der Wiederhall in Rückſicht der Zeit ſo
ſchnell auf den erſten Ton
folgt, daſs er durch das Gehör
nicht davon zu unterſcheiden iſt.
Iſt dies nicht der Fall, iſt die Zeit der
Rückwirkung bemerklich, ſollte es auch
nur in der Verlängerung des Tons
beſtehen, ſo iſt ſie nachtheilig, weil
ſie den Schall, ſtatt ihn zu verſtärken,
verwirrt, einen Ton in den andern
überzieht, und die Rede undeutlich
macht. Es iſt hier indeſs vorzüglich
[37] zu unterſuchen: ob in einem Kreisförmi¬
gen Theater, in welchem die Sitze ſtufen¬
weiſe über einander angelegt ſind,
überhaupt eine Rückwirkung
des Schalles bemerklich
ſein könne? welches ich gerade¬
zu leugne. Der Schall findet in dem¬
ſelben nirgens in einem Zeitmo¬
ment eine Widerſtandsmaſſe, von der
eine ſo ſtarke Rückwirkung möglich wä¬
re, daſs ſie dem Gehör bemerklich
würde. Er ſchlägt früher an die er¬
ſte Sitzreihe, als an die zweite, und
die Rückwirkung der erſtern iſt
verloren, ehe die der zweiten
Reihe entſteht, und ſo bis oben
hin. Die Alten konnten dieſem zufolge;
da ihre Theater alle dieſe Einrichtung
hatten, auf die Rückwirkung des Schal¬
les nichts rechnen.
Wenn ich nun für Schauſpielhäuſer
dieſer Art den Halbkreis als die be¬
ſte Form empfehle, ſo geſchieht es
bloſs unter der Bedingung daſs die Siz¬
ze der Zuhörer amphitheatraliſch:
d. i. Stufenweiſe über einander
angelegt werden. Geſchieht dies
nicht ſo hat der Halbkreis auch nichts
Unterſcheidendes, von jeder andern run¬
den oder eckigen Form. Denn bei der
gewöhnlichen Einrichtung der Logen,
findet der Schall überall Maſſen, welche
eine ſehr bemerkbare Rückwirkung her¬
vorbringen hönnen. Nun geſchieht dieſe
entweder ſo ſchnell, daſs ſie von dem er¬
ſten Tone nicht zu unterſcheiden iſt; dann
hat der Zirkel keinen Vorzug; oder ſie
iſt zu unterſcheiden, ſo verwirrt der Zir¬
kel die Töne ſo gut wie jede andre
Form. Der Umſtand, daſs im Zirkel alle
Strahlen welche aus dem Mittelpunkt
auf die Peripherie fallen, nach dem Mit¬
[39] telpunkt zurück gebrochen werden, ver¬
dient hier gar keiner Erwähnung, in¬
dem die Töne — bei der Rede der
Schauſpieler nicht aus dem Mittelpunkt
kommen können, und wenn dies auch
der Fall wäre der entſtehende Wiederhall,
ſo bald er bemerklich würde, die Tön¬
ne nur verwirrt.
Es entſteht indeſs bei der Kreisform
in Rückſicht der Bequemlichkeit und
Zweckmäſsigkeit der Einrichtung eine
Schwierigkeit, welche eigendlich die Ur¬
ſach zu ſeyn ſcheint, warum die neuern
Baumeiſter dieſe Form, welche von den
Alten überall gebraucht wurde mit der
ovalen Form vertauſcht haben. Soll das
Theater eine auch nur etwas groſse An¬
zahl Zuhörer faſsen, ſo wird der Durch¬
meſſer des Zirkels ſo groſs, daſs die,
dieſem Durchmeſſer entſprechende Sce¬
ne, für unſere Decorationsart der Büh¬
[40] ne, und die ganze Oeconomie unſrer
Schauſpiele, zweckwidrig wird. Es ſcheint,
daſs man die Oefnung der Bühne, oh¬
ne der Beleuchtung zu ſchaden,
und eine Menge Unbequemlichkeiten
hervorzubringen, nicht wohl über 50
Fuſs groſs machen dürfe. Wie klein iſt
aber der Halbkreis der ſich vor dieſer
Linie beſchreiben läſst, und wie wenig Zu¬
ſchauer könnte er faſſen! Um mehr
Raum zu gewinnen, zog man nun den
Zirkel in die Länge und ſo entſtand die
jetzt allgemein übliche ovale Form. Hät¬
te man indeſs die Geſetze des Schalles,
oder auch nur die Monumente der Al¬
ten genauer ſtudirt, ſo würde dieſe
Schwierigkeit ſich auf eine weit zweck¬
mäſsigere Weiſe haben heben laſsen.
Die Alten, vorzüglich die Römer,
fanden zu vielen ihrer Spiele die weiten
Oeffnungen der Scene eher vortheilhaft
[41] als nahtheilig, und wo ſie auch die Sce¬
ne zuſammenzogen, kümmerten ſie ſich
nicht um den Umſtand, daſs von ei¬
ner Menge Sitzen an beiden Seiten der
Bühne weder geſehn noch gehört wer¬
den konnte. In Athen findet ſich indeſs
die Ruine eines nicht gar groſsen grie¬
chiſchen Theaters, in welchem dieſe
Schwierigkeit ungemein glücklich geho¬
ben iſt. Man hat nehmlich das eigent¬
liche Theater, die Sitze der Zuſchauer
nach einem weit gröſsern Zirkel ange¬
legt, als die Oefnung der Bühne giebt,
denſelben indeſs nach der Richtung der
Seitenwände der Bühne, an beiden Sei¬
ten abgeſchnitten. (Siehe Fig. 1.) Da
durch dieſe zweckmäſsige Form an bei¬
den Seiten der Scene gerade leere
Wände entſtehen, und dieſe, wie ich
in der Folge zeigen werde, die vorzüg¬
lichſten Mittel zur Verſtärkung des Schal
les überhaupt ſind, ſo kann in dieſer
[42] Form der Raum ungemein vergröſsert
werden, ohne daſs man fürchten dürfe
dem Schall nachtheilig zu werden.
Es wäre mithin dieſe Form für al¬
le Schauſpielhäuſer, welche nach dieſer
Maxime aufgeführt werden, die beſte
von allen; da auſserdem auch die Be¬
quemlichkeit der Sitze und die archi¬
tectoniſche Schönheit des Ganzen ſehr
zu empfehlen iſt.
[43]
Zweiter Abſchnitt.
Von Schauſpielhäuſern welche suf künſtliche
Verbreitung des Schalles berechnet ſind.
Unter künſtlicher Verbreitung des
Schalles verſteht man, wenn der Schall
durch künſtliche Hülfsmittel da noch
hörbar und verſtändlich gemacht wird,
wo er nach ſeiner natürlichen Verbreitung
nicht mehr hörbar oder verſtändlich
ſeyn würde. Die Hülfsmittel, welche
man dazu anwendet ſind 1) Verſtärkung
des Schalles, und 2) Brechung des Schal¬
les. Ich will hier der Deutlichkeit wegen
den Unterſchied zwiſchen beiden, ob er
gleich aus der Theorie ſchon verſtändlich
iſt, genau auseinander ſetzen.
Der Schall wird durch Schwingun¬
gen des ſchallenden Körpers hervorge¬
bracht. Dieſe Schwingungen theilen der
Luft eine Erſchütterung mit, welche den
Schall verbreitet. Treffen dieſe Erſchüt¬
terungen auf elaſtiſche Körper, welche
in Bewegung geſetzt, eben ſolche Schwin¬
gungen hervorbringen, als der Körper
welcher der Luft die Erſchütterung mit¬
theilte, ſo gerathen ſie bſoſs durch dieſe
Erſchütterung der Luft in Bewegung,
und bringen einen ähnlichen, obgleich
ſchwächern Ton hervor, wodurch der
erſte verſtärkt und weiter verbreitet
wird.
Treffen die Erſchütterungen der Luft
indeſs auf andre elaſtiſche Körper, wel¬
che in ihren Schwingungen von jenem
der den Schall hervorbrachte verſchie¬
den ſind, ſo prallt die Erſchütterung,
ohne einen Ton hervor zu bringen, zu¬
rück, wird gebrochen.
Die Alten ſuchten in ihren Theatern
den Schall durch die erſt genannte Eigen¬
ſchaft ſchallender Körper, durch ihre
Schallgefäſse, zu verſtärken, welches
bei der amphitheatraliſchen Einrichtung
ihrer Schauplätze das einzige Mittel war,
in dem wie wir geſehen haben, auf
Brechung des Schalls in denſelben ei¬
gendlich nichts zu rechnen iſt. Sie
machten Gefäſse von dünnen Kupfer,
welche einen reinen Klang gaben und
ſo eingerichtet wurden, daſs ſie zu der
Tonleiter, in welcher der Schauſpieler
ſprach, gerade paſsten, und jeder Ton
den er ſprach wenigſtens eins oder zwei
Gefäſse fand, welche die Erſchütterung
der Luft auffingen, und ihn durch Her¬
vorbringung eines ähnlichen Tons ver¬
ſtärkten.
Man hat ſich über die Art wie die¬
ſe Schallgefäſse zur Verſtärkung des Tons
[46] mitwirkten, häufig geſtritten, und den
Nutzen derſelben bald behauptet, bald
verworfen. Man ſagt gewöhnlich, daſs
die Alten, wenn ihr Nutzen ſo entſchie¬
den geweſen wäre, als Vitruv ihn angiebt,
ſie unſtreitig häufiger gebraucht haben
würden — allein dieſer Einwurf ſagt
nichts. Einmahl entſcheidet ein ſolcher,
aus dem Gebrauch hergenommener Grund
in wisſenſchaftlichen Dingen gar nichts,
und zweitens haben wir geſehen, daſs
die Alten ihre Schauplätze eigendlich
auf natürliche Fortpflanzung des Schal¬
les berechneten, und folglich dergleichen
künſtliche Mittel nicht immer bedurften.
Die übrigen Einwürfe entſpringen faſt.
ſämmtlich aus einem unrichtigen Erklä¬
rungsgrunde, indem man ihren Nutzen
aus der Brechung des Schalles herlei¬
ten, oder beſtreiten will, und ſelbſt Vitruv
ſcheint in dieſem Irrthum zu ſtehen,
indem er zum Beweiſe ihrer Nutzbar¬
[47] keit das Beiſpiel einer Wand anführt,
welche den Ton durch Wiederhall ver¬
ſtärkt.
Bei unſrer jetzigen Einrichtung der
Schauſpielhäuſer und der Gewohnheit
der Seitenlogen würden dieſe Gefäſse
offenbar mehr ſchaden als nutzen, und
das wirklich hervorbringen, was Barte¬
lemy vielleicht mit Unrecht von ihnen
in den griechiſchen Theatern befürchtet,
ein Nachſummen welches der Deut¬
lichkeit der Töne ſchadet.
Ich komme jetzt auf
die Brechung des Schalles
als eines künſtlichen Mittels zur Verbreitung
deſſelben.
Ich habe ſchon geſagt, daſs der
Schall entweder nach der Bühne zu¬
rück, oder von ihr weg gebrochen
[48] wird. Ich werde alſo zuerſt von den
Schauſpielhäuſern handeln, in welchen
der Schall gegen die Buhne zurück gebro¬
chen wird.
Es iſt dabei in der That eine der
ſonderbarſten Erſcheinungen, in dem Ge¬
biete der Wiſſenſchaften überhaupt, daſs
alle Erbauer von Theatern und alle mir
bekannte Schriftſteller, welche dieſen Ge¬
genſtand abhandeln, (Saunders ausgenom¬
men, welcher nur von der natürlichen
Fortpflanzung des Schalles in ſeinem Pla¬
ne ausgeht, aber nichts durch ſeinen
Grundſatz gewinnt, weil er in der Form
von der gewöhnlichen nicht abgeht.)
glauben: der Ton in einem
Schauſpielhauſe müſse dadurch
verſtärkt werden, daſs die Rück¬
wirkung deſſelben, die Brechung,
gegen die Bühne hin geſchehe;
wie dieſs in allen runden, elip¬
[49] tiſchen und paraboliſchen For¬
men der Fall iſt; da doch klar zu
beweiſen ſteht;
„Daſs alles Zurückbrechen,
des Schalles gegen die Büh¬
ne hin, nachtheilig iſt, und
das Gegentheil von dem be¬
wirkt was man beabſichtigt,
mithin alle runden Formen
verwerflich ſind (verſteht ſich
ohne ſtufenförmge Einrichtung
der Sitze, da bei dieſer, wie ſchon
gezeigt iſt, die Rückwirkung unbe¬
merklich iſt).
Die Gründe ſind evident; denn
1) iſt der Raum des Theaters unter
60 Fuſs in der weiteſten Entfernung
von der Bühne, ſo braucht auf die Rück¬
wirkung gar nicht gerechnet zu wer¬
D[50] den, weil 1) die natürliche Fortpflanzung
des Schalles auf 75 Fuſs hinreicht
2) die Rückwirkung ſo ſchnell erfolgt,
daſs ſie unmerklich iſt.
2) Der Raum iſt über 60 Fuſs ausge¬
dehnt, und die Rückwirkung wird be¬
merklich; es entſteht Wiederhall
und Nachhall zugleicher Zeit: Ver¬
ſtärkt kann der Ton dadurch
nicht werden, weil die Wirkung
des erſten wirklichen Tons im
Ohr ſchon vorüber iſt; wenn die
Rückwirkung es erreicht. Der
Ton wird alſo nur verlängert,
und ſchwindet, da auch die
Rückwirkungen des Wiederhalls
und Nachhalls wieder bemerk¬
lich werden, nach und nach
hin. Die Rede der Schauſpieler muſs
durch dieſen Umſtand nothwendig un¬
verſtändlich werden, da die Rück¬
[51] wirkung des erſten Tons mit dem zwei¬
ten Tone zu gleicher Zeit das
Ohr erreicht, und ſich folglich un¬
ter einander verwirren.
Die Beobachtung, daſs das hier Ge¬
ſagte ſich wirklich in der Natur ſo verhal¬
te, kann man in jedem groſsen Theater
von runder, oder ovaler Form machen.
Man hört auf entfernten Sitzen nichts
als einen unverſtändlichen Hall, weil
die natürliche Fortpflanzung des Schalls
der Rede entweder nicht bis dahin reicht,
oder ſie von dem ſich immer durchkreu¬
zenden Wiederhall und Nachhall in Un¬
ordnung gebracht oder gar verſchlungen
wird: Da indeſs unter der Menge von
Theatern, in Europa nur wenige ſo groſs
ſind daſs dieſe nachtheilige Wirkung des
Wiederhalls in Ihnen bemerklich wer¬
den könnte, und man doch in ſehr
vielen kleinern Theatern faſt eben jene
Nachtheile verſpührt, muſs es noch an¬
[52] dere Gründe geben, woraus ein Theil
derſelben herzuleiten iſt, die ich auch
in einem beſondern Abſchnitt erläutern
werde.
Stieglitz giebt in ſeiner Encyklo¬
pädie der bürgerlichen Baukunſt,
fünf verſchiedene Plane an, nach wel¬
chen alle ihm bekannten Schauſpiel¬
häuſer erbaut, und die von Bauverſtän¬
digen vorgeſchlagen ſind. Zwei davon
gehören der eigentlichen Anlage nach
nicht unter dieſe Klaſſe, als der Halb¬
zirkel, welcher unter die vorige gehört,
und der Halbzirkel mit verlängerten Sei¬
ten, welcher unter die folgende Klaſſe
gehört; da aber bei beiden der Seiten¬
logenbau empfohlen, und die ſtu¬
fenförmigen Sitze verworfen wer¬
den; ſo haben ſie den Vortheil nicht der
aus ihrer Form entſpringt; und zwar
verliehrt der Halbzirkel dadurch alles,
[53] und die zweite Form, wo dem Halbzir¬
kel noch gerade fortlaufende Seitenwände
gegeben werden, vieles.
Die übrigen Formen, als
1) Der Plan, welchen Stieglitz Cochin
zuſchreibt. Er beſteht in einem Oval
deſſen längerer Durchmeſſer mit der
Bühne paralel läuft (Fig. 2). Der erſte
welcher dieſe Form angab war unſtrei¬
tig Palladio, welcher das ſogenannte
Olympiſche Theater in Vicenza in
derſelben erbaute. Der bekannte Le
Roi machte von dieſer Form des
Pallidio Gebrauch, und gründete da¬
rauf ſeinen Vorſchlag zu einem Schau¬
ſpielhauſe, welches den Anmerkungen
des Abts Laugier über die Baukunſt,
angehangen iſt. Der Plan hat aller¬
dings Vorzüge vor dem Oval, deſſen
kleinerer Durchmeſſer mit der Bühne
paralel läuft, in Rückſicht des Hörens
[54] weil die Zuſchauer nicht ſo weit von
der Sceue entfernt ſind. Allein 1)
wird die Form der Scene dadurch
äuſserſt unbequem, indem ſie faſt in
einem Halbkreiſe vorſpringt, und die
Schauſpieler ganz an die Peripherie
deſſelben vortreten müſsen, wenn ſie
aus den Seitenlogen geſehen werden
ſollen. Die Decoration der eigendli¬
chen Scene geht dadurch für die meh¬
reſten Zuſchauer gänzlich verloren.
2) iſt die Form auch nur in kleinen
Häuſern anwendbar, wo noch kein
Wiederhall möglich iſt; denn findet
dieſer ſtatt, ſo muſs dieſe Form nach¬
theiliger als die übrigen ſeyn.
2) Der Plan des Pattes, welcher in ei¬
nem Oval beſteht deſſen kürzerer
Durchmeſſer mit der Bühne paralel
läuft (Fig. 3). Dieſe Bauart iſt, we¬
gen der Bequehmlichkeit in der An¬
[55] lage, faſt allgemein befolgt, da man
in derſelben aber, ſo bald das Theater
groſs iſt, die nachtheiligen Folgen des
Wiederhalls bemerkte, oder überall
nicht deutlich hören konnte, ſo kün¬
ſtelte man an dieſer Form nach Mög¬
lichkeit. Einige wählten die Elypſe,
und legten den einen Brennpunkt der¬
ſelben auf die Scene, andere zogen
die Parabel vor, weil alle Schallſtrah¬
len welche in derſelben auffallen ge¬
rade nach der Bühne zurückgebrochen
werden. Beide Formen, auch wenn
der Baumeiſter ein Oval wählt das
von beiden Linien abweicht, ſind we¬
gen des Zurückbrechens des Schalles
nach der Bühne in groſsen Häuſern
verwerflich.
3) Der Plan des Saunders. Dieſer
Architect gab ſich viele Mühe die
beſte Form eines Theaters aus Verſu¬
[56] chen zu beſtimmen. Er zog daher
in freien Felde einen Kreis, deſſen
Durchmeſſer 100 Fuſs betrug. Auf
dieſem Kreiſe ſtellte er allenthalben
Menſchen umher, und lieſs im Mittel¬
punkt jemanden reden. Man verſtand ihn
in dem ganzen vordern Halbkreiſe. Nun
lieſs er den Sprecher zurückgehn, und
fand, wenn derſelbe 25 Fuſs vom Mit¬
telpunkt entfernt, und gegen die Pe¬
ripherie rückwärts gegangen war, man
ihm auf dem ganzen Kreiſe des Zir¬
kels ſehr gut verſtehen konnte. Er
gab nun ſeinem Theater die Form ei¬
nes Kreiſes, der in der Hälfte des Ra¬
dius von der Scene durchſchnitten
wird. (Fig. 4). Allein nicht zu erwäh¬
nen, daſs alle Zuſchauer welche in den
Seitenlogen ſind, von der Bühne faſt
gar nichts ſehen können, brachte
Sanders den Wiederhall gar nicht in
Anſchlag, welcher ſich in dieſer
[57] Form ſtärker als in allen übrigen er¬
zeugt.
Alle dieſe vorgeſchlagene Formen ſind
alſo ſchlechthin verwerflich, weil ſie
entweder auf die Geſetze des Schalles
entweder gar nicht Rückſicht nehmen
wie Saunders, oder ſie verkehrt an¬
wenden, wie le Roi und Pattes;
und folglich in ihren Gebäuden eine
Wirkung hervorgebracht wird, welche
das Gegentheil von dem enthält was
ſie beabſichtigten.
Ich komme jetzt auf
Die Schauſpielhäuſer in welchen der Schall
von der Bühne weggebrochen wird.
Wenn der Schall von dem Orte wo
er entſteht weggebrochen wird, ſo lehrt
die Erfahrung daſs er dadurch auf eine
[58] groſse Weite fortgeflanzt werden kann,
wohin er bei natürlicher Verbreitung
nicht gekommen ſein würde, ja daſs er
durch dieſe Mittel ſich ſehr verſtärken
läſst. Die Beweiſe liefern die Kommu¬
nikationsröhre und das Sprachrohr. Durch
erſtere wird der Schall in eben der
Stärke fortgepflanzt wie er entſteht, durch
das zweite wird er verſtärkt. Der
Grund des Unterſchiedes von beiden
Wirkungen liegt wie in der Theorie an¬
gezeigt iſt, in der Richtung der Wände
zwiſchen welchen der Ton fortgebrochen
wird.
Es iſt faſt unbegreiflich wie man
dieſen ſo allgemein bekannten Erfah¬
rungen nicht auf den Bau der Schau¬
ſpielhäuſer angewandt hat, da das Vor¬
theilhafte dieſer Anwendung nicht allein
aus dem bloſsen Grundſatze von ſelbſt
einleuchtet, ſondern auch die Erfahrung
[59] und Verſuche welche zu machen faſt in
jedermanns Gewalt ſtehn, beweiſen, daſs
man nicht unrichtig geſchloſsen habe.
Jeder bewundert die deutliche und
klare Verbreitung des Schalles in den
Baſiliken der Alten, in welchen man
überall jedes Wort hört, das an einem
Ende, wo die Richter ſich aufhielten,
geſprochen wird; und doch iſt die Er¬
ſcheinung ſo leicht und beſtimmt zu
erklären: indem der Schall in denſelben
von dem Sprechenden weg, (nach den
Geſetzen der Kommunikationsröhre) ge¬
brochen wird. In dieſer verbreitet ſich
der Schall nicht allein in gerader Rich¬
tung wie er einfällt, ſondern auch alle
an die Seiten anſchlagende Schallſtrah¬
len werden unter den Einfallwinkel von
dem Sprechenden weggebrochen, ſo
daſs jeder Strahl das andere Ende der
Röhre erreicht.
Daher kommt es, daſs, wenn z. B.
in eine 20 bis 30 Fuſs lange Röhrenoch ſo
leiſe geſprochen wird, man am andern Ende
alles eben ſo deutlich vernimmt, als
ob man das Ohr unmittelbar an den
Mund des Sprechenden legte.
Nach eben dieſen Geſetzen wird in
den Baſiliken der Schall an den Seiten¬
wänden und der Decke weggebrochen,
und bis ans Ende des Gebäudes fortge¬
tragen. Eben dieſe Erſcheinung gewäh¬
ren alle gut gebauten Kirchen, wenn
ſie nicht zu breit, oder zu hoch, oder
durch unzweckmäſsige Logen ver¬
baut ſind. Was indeſs die Baukünſtler
noch eher hätte auf dieſe Bauart auf¬
merkſam machen ſollen, iſt das Schau¬
ſpielhaus in Parma. Es wird faſt in
allen Schriften, in welchen über den
Schauſpielhausbau geſprochen wird, als
eine merkwürdige Erſcheinung angeführt,
[61] indem man in demſelben überall auf
allen Sitzen, jedes Wort der Schauſpie¬
ler deutlich hören kann. Es iſt ſon¬
derbar, aus welchen Gründen ſelbſt
ſcharfſinnige Baukünſtler dieſe Eigen¬
ſchaft haben erklären wollen, da der
wahre unleugbare Grund ſo nahe liegt.
Es hat nehmlich paralel fortlau¬
fende Seitenwände, welche unten
mit einen Halbzirkel geſchloſſen ſind.
(Fig. 5). Der Schdll pflanzt ſich alſo in
denſelben nach dem Geſetze der Kom¬
munikationsröhre fort, und muſs noth¬
wendig die Eigenſchaft hervorbringen
welche man davon rühmt. Ein ſonder¬
barer Erklärungsgrund der ſchönen Ver¬
breitung des Schalles in dieſem Hauſe, iſt
der welchen Stieglitz (Encyklop: 614 im
4. Theil) wenn ich nicht irre aus Saunders
anführt daſs das mehrſte dazu die Bretter
beitrügen mit welchen überall die Wände
getäfelt ſind. Die Bretter können nicht
[62] mehr wirken als jede glatte Kalkwand,
nehmlich den Schall fortbrechen, und
wenn ſie mehr thun, wenn ſie ſelbſt in
Schwingung gerathen und — gleich ei¬
nem Reſonanzboden mittönen, ſchaden
ſie, wie ich in der Folge zeigen werde,
offenbar der Deutlichkeit.
Es iſt alſo der Bau mit paralelen
Wänden, und einer nicht zu hohen, mit
den Boden paralel laufenden Decke, ohne
alle Beſorgniſs des Miſslingens zu em¬
pfehlen, da der Erfolg dem Zweck durch¬
aus entſprechen muſs. Das einzige wo¬
vor der Baukünſtler ſich hüten muſs,
iſt: daſs nicht von der, der Bühne ge¬
genüberliegenden Wand eine Rückwir¬
kung des Schalles ein Brechen
nach der Bühne zurück, entſtehe.
Das einzige Mittel dies zu verhüten iſt:
ſie ſo anzulegen, daſs der Schall in kei¬
nen Zeitmoment eine ſo groſse Wieder¬
[63] ſtands-Maſſe finde, von welcher die
Rückwirkung bemerklich werden könnte
Dies erreicht der Baumeiſter, wenn er
die Schluſswand in einen halben Zir¬
kel verwandelt, und die Sitze ſtu¬
fenförmig über einander anlegt;
wie im erſten Abſchnitt erwieſen
worden.
Was man gegen dieſe Bauart ein¬
werfen könnte iſt die Unbequemlich¬
keit der Seitenſitze, wie ſie in Parma
wirklich ſtatt findet, weil die Zuſchauer
ſich ganz auf die Seite wenden müſsen,
um nach der Bühne zu ſehen. Allein
dem allen iſt abgeholfen, wenn man
nach den Beiſpiel des Serlio in Vicenza
gar keine Seitenſitze anlegt, ſondern die
geſammten Sitze von der Bühne an,
mit der hintern Schluſswand paralel in
Halbkreiſen, und ſtuffenförmig erbaut.
Es wird dadurch nicht allein kein Platz
[64] velohrnern ſondern vielmehr gewonnen
und jeder Zuſchauer hat die Bühne
rade vor ſich.
Auch in Hinſicht der Architectoni¬
ſchen Schönheit der Einrichtung ver¬
dient dieſe Bauart den Vorzug, indem
die leeren Seitenwände, wie dies in
Parma der Fall iſt, vortrefflich decorirt
werden können.
Dieſe Decorationen dürfen indeſs
nicht in ſtarken Erhöhungen oder Ver¬
tiefungen der Wand beſtehen, wenn ſie
den vortheilhaften Wirkungen derſelben
nicht ſchädlich werden ſollen. Jede
ſtarke Hervorſpringung hemmt das Weg¬
brechen der Schallſtrahlen von der Bühne,
und wenn ſie auch nicht im Stande iſt
Wiederhall hervorzubringen, ſo ſteht ſie
doch der freien Verbreitung im Wege;
eben ſo verſchluckt jede Vertiefung die
Strahlen
[65] welche hineinfallen, ohne ſie weiter zu
brechen. Je ebner die Wand iſt, je
vortheilhafter wirkt ſie für den Schall'
und die Decoration derſelben müſste
alſo vorzüglich in Mahlerei beſte¬
hen.
Ich komme jetzt auf Schauſpiel¬
häuſer, in welchen der Schall
nach den Geſetzen des Sprach¬
rohrs verbreitet wird, und de¬
ren Seitenwände folglich
nach der Bühne zu in einen
ſpitzigen Winkel zuſammen¬
laufen.
Von allen mir bekannten Theatern
ſind die Ruinen des alten Theaters zu
Athen, deren ich ſchon im erſten Ab¬
ſchnitt erwähnt habe, der einzige Beweis
E[66] von einem Baue nach dieſen Geſetzen.
Da der Schall in einem Gebäude dieſer
Art nicht allein fortgebrochen, ſondern
überdies auch verſtärkt wird; ſo iſt es
in die Augen fallend, wie vortheilhaft
für groſse Schauplätze dieſe Form ſeyn
müſse.
Je mehr indeſs auf die Fortpflan¬
zung des Schalles durch Wegbrechung
von den Sprechenden gerechnet wird, je
ſorgfältiger muſs alles vermieden wer¬
den was irgend eine Rückwirkung, oder
Wiederhall hervorbringen könnte: weil
dadurch aller Vortheil wieder vernichtet
würde, der aus der Wahl der Form ent¬
ſpringt. Es bleibt alſo für die, nach ei¬
nem ſpitzigen Winkel auseinander lau¬
fenden Seitenwände eines Hauſes nichts
übrig, als ſie — nach dem Beiſpiel je¬
nes griechiſchen Theaters — mit einem
Halbzirkel zu ſchlieſsen, und die Sitze
[67] der Zuſchauer in demſelben ſtufenförmig
über einander anzulegen. Die Beweiſe für
das Vortheilhafte dieſer Einrichtung ſind
bereits in den vorigen Abſchnitten an¬
geführt worden.
Zum Schluſs bemerke ich nun noch,
daſs für groſse Theater dieſe Form allen
übrigen vorzuziehen ſei, indem eine ge¬
wöhnliche Stimme in derſelben für
zwanzigtauſend und mehrere Zuhörer
verſtändlich bleiben muſs.
E 2[68]
Dritter Abſchnitt.
Von den Hinderniſſen insbeſondere, welche
in Schauspielhäuſern der Verbreitung des
Schalles im Wege ſtehn.
Dieſe Hinderniſſe finden ſich theils
im Theater (dem Raume, welchen die
Zuſchauer einnehmen) theils auf der
Bühne. Ich werde von beiden beſon¬
ders reden.
Im Theater
rühren ſie entweder von der Form der
Einrichtung, oder von dem Mittö¬
nen ſchallender Körper her. Die
erſtern ſind in den vorigen Abſchnitten
deutlich gezeigt, ich will hier noch auf
einiges aufmerkſam machen, was ich
vorhin nur andeuten konnte.
Es darf 1) der natürlichen Ver¬
breitung des Schalles nichts in
[69] den Weg geſetzt werden, wodurch
ſie aufgehalten wird. Aus dieſem Fehler
wird erklärlich, wie man im Parterre,
auch in kleinen Schauſpielhäuſern nicht
wohl hört, wenn der Boden eine zu ho¬
rizontale Richtung hat, und ſich
hinten nicht genug hebt. Die
vordern Zuſchauer ſtehn der Verbrei¬
tung des Schalles nach hinten zu im
Wege, der Schall kann nur durch Bre¬
chung von den Seiten und von oben
dahin gelangen und muſs folglich
ſchwach und unverſtändlich ſeyn.
Man ſieht auch hieraus, wie zweckmä¬
ſsig die ſtufenförmige Einrichtung der
Sitze, nach Art der alten Theater ſei.
Die nachtheilige Wirkung der Quer¬
wände in den Seitenlogen, iſt gleichfalls
hieraus deutlich. Sie hemmen überall
die natürliche Verbreitung des Schalles
und befördern überdies auch den Wie¬
derhall, und in der Vermeidung des¬
[70] ſelben beſteht die 2te Hauptregel. Es
iſt bereits erwieſen worden, daſs die
gänzliche Vermeidung des Wiederhalls
nur durch die Einrichtung der Stufen¬
förmigen Sitze für die Zuſchauer mög¬
lich iſt, indem die Seitenlogen überall
dem Schalle ſo groſse Maſsen entgegen
ſetzen, welche nothwendig eine Rück¬
wirkung hervorbringen müſsen. Die
Seitenlogen wären mithin ganz verwerf¬
lich; wenn die Erſpahrung des Raumes
an manchen Orten ſie nicht durchaus
nothwendig machte; indem bei der Ein¬
richtung der ſtufenförmigen Sitze das
ganze Haus nur ſo viel Zuſchauer faſst,
als bei der Logeneinrichtung — der un¬
tere Raum, Parket und Parterre faſst.
Man müſste ſie alſo nur ſo unſchäd¬
lich als möglich zu machen ſuchen.
Dies müſste durch ihre Einrichtung er¬
reicht werden, wobei ich zugleich auf
das zweite Haupthinderniſs, das
[71]Mittſchallen gewiſser Körper, Rück¬
ſicht nehmen werde.
Die Erfahrung lehrt, daſs faſst un¬
ter allen Körpern dünne Bretter an
leichteſten durch die Erſchütterung der
Luft beim Schalle in Bewegung, und
folglich zum Mittönen gebracht werden
können. Nun ſind die Logen faſst über¬
all mit dergleichen Brettern bekleidet,
und dieſem Umſtande iſt allein das
Nachhallen und Summen des Tons
in kleinen Schauſpielhäuſern zu zuſchrei¬
ben, da ſie zur Entſtehung des Wieder¬
halls nicht Raum genug haben. Um
dieſem Uebel abzuhelfen, müſsten die
Logen an der Rückſeite eine Steinwand
haben, der Boden müſste von ſtarkem
Holz, und die Bruſtlehne, wenn ſie ja
von Holz ſeyn ſoll, nicht von zuſam¬
menhangenden Brettern, ſondern unter¬
brochen, von Docken erbaut werden.
[72] Am zweckmäſsigſten würde ſie aus Ei¬
ſen, nach der Art wie die Geländer an
Balkons u. ſ. w. gemacht werden kön¬
nen. Die Abſonderungswände der Lo¬
gen müſsen ganz wegfallen, oder dürfen
nur wie die Bruſtlehne, angelegt werden.
Die Sitze auf den Logen ſelbſt müſsten
ſtufenförmig über einander gebaut ſeyn,
welches auch das bequeme Sehen ſehr
befördern würde.
Einen Einwurf, welchen man oft
der Stuffenförmigen Einrichtung der
Sitze im Theater überhaupt entgegen¬
ſetzt, muſs ich kurz berühren. Man
ſagt es lieſsen ſich bei derſelben nicht
wohl ausgezeichnete Plätze, z. B. für
fürſtliche Familien u. ſ. w. anbringen.
Allein der Bau einer oder etlicher Lo¬
gen in der Mitte des Hauſes, hindert
den Vortheilen der Einrichtung im Gan¬
zen durchaus nicht, und hat was die Plätze
[73] ſelbſt betrift, ungemein viel vor der jet¬
zigen Einrichtung voraus. Denn 1) kä¬
men dieſe Logen der Bühne viel näher
welches bei etwas groſsen Häuſern ein
bedeutender Vortheil wäre, und 2) ge¬
währte der freie Ueberblick der geſamm¬
ten Zuſchauer ein neues Vergnügen.
Um dieſe Idee noch anſchauli¬
cher zu machen, füge ich in Fig: 6
den Aufriſs einer ſolchen Einrichtung
bei.
Es verſteht ſich übrigens von ſelbſt,
daſs dieſer Logen nicht viel ſein, und
daſs ſie, was ihren Bau und vorzüglich
die Bruſtlehne betrift, eben ſo eingerich¬
tet ſeyn müſsten, wie vorher angegeben
worden, nur daſs die ſttufenförmigen
Sitze wegfielen.
Ich komme jetzt auf die Hinder¬
niſse, welche der Verbreitung des Schal¬
les ſchon
auf der Bühne
im Wege ſtehen. Nach der gewöhnli¬
chen Einrichtung der Bühne haben die
Seitenwände derſelben eine ganz andere
Richtung äls die Wände des Theaters;
ja die Richtung der Couliſſen iſt ſo, daſs
überall kein Schall von ihnen
nach dem Theater hin gebrochen
werden kann; ſie verſchlucken ihn
vielmehr, wenn der Schauſpieler etwas
von der Oefnung der Scene zurück
ſpricht, und laſsen nichts von ihm übrig
als was gerade in das Theater hinein¬
ſchallt.
Es früge ſich nun, ob dieſe durch¬
brochene Seitenwände auf der
Bühne nothwendig ſind, ob ſie
[75] ſich nicht mit einer andern, der
Verbreitung des Schalles vortheil¬
haftern Einrichtung vertauſchen
lieſsen?
Die Gründe welche man für die
Einrichtung mit Couliſsen anführen
kann, ſind folgende:
1) Die gröſsere Bequemlichkeit
bei Verwandlung der Scenen.
Eine ganze feſte Wand mit einer an¬
dern zu vertauſchen, iſt ſchwieriger,
als wenn dieſe Wand in kleinere
Theile zerlegt wird. Jeder Theil kann
dann beſonders gewechſelt, und ſo
das Ganze ohne viel Umſtände verän¬
dert werden. Ich werde in der Folge
einen Vorſchlag zur Einrichtung der
Bühnen thun, welcher dieſen Vortheil
in einen viel höhern Grade ge¬
währt, ohne den Nachtheil für
[76] die Verbreitung des Schalles zu
haben, der von den Coulifsen
unzertrennlich ift.
2) Die Beleuchtung der Bühne.
Es iſt in der That mit groſsen Schwie¬
rigkeiten verbunden, die Bühne gehö¬
rig zu erhellen, wenn die Seitenwände
nicht durchbrochen ſind. Allein dieſe
Schwierigkeiten vermindern ſich, wenn
man annimmt, daſs gerade die gan¬
zen Seitenwände nicht feſt zu
ſeyn brauchen, ſondern nur längſt
dem Raume in welchem gewöhnlich ge¬
handelt wird. Man ſucht dies zwar
durch die Proſcenien zu bewirken,
aber dieſe ſind theils zu klein, um die¬
ſem Zwecke zu entſprechen, theils
werden ſie wieder durch die in ihnen
angebrachten Logen unwirkſam ge¬
macht.
Es ſcheint dem nach, daſs man an
die Stelle der Couliſsen die bekann¬
ten Drehmaſchinen der Alten
mit ſichtbarem Vortheil ſetzen könn¬
te. Dieſe Maſchinen waren drei¬
eckig, und die Seiten derſelben, wie die
Couliſſen bemahlt. Sie bildeten die Sei¬
tenwände der Bühne, und da ſie mit
der gröſsten Leichtigkeit herum gedreht
werden konnten, war die Veränderung
der Scene mit der möglichſten Geſchwin¬
digkeit ausgeführt; wobei noch der Vor¬
theil ſtatt findet, daſs keine Irrung in
den Decorationen entſtehen kann, wie
bei den beſten Maſchinerien nach der
jetzigen Einrichtung ſo oft der Fall iſt,
da ein Baum in einem Zimmer oder
ein Stück Wand in einem Walde ſicht¬
bar wird.
Dieſe Drehmaſchinen, welche un¬
ten und oben mit einer eiſernen An¬
[78] gel verſehen ſind, müſsen zwiſchen zwei
drei bis ſechs Fuſs breit, bis ſo ein¬
gerichtet ſein, daſs man auf die
Seiten die auf Rahmen geſpannte
und bemahlte Leinewand leicht weg¬
nehmen, und eine andre an die Stelle
ſetzen kann. Soll die Scene ein Zim¬
mer vorſtellen, ſo können ſie gedreht
werden, daſs ſie eine feſte Wand bil¬
den, in welcher ordentliche Thüren an¬
gebracht werden können. Stellt die
Scene eine freie Gegend vor; ſo können
wenigſtens die der Oefnung der Scene
am nächſten ſtehenden Maſchinen eine
feſte Wand bilden, (Siehe Fig: 7) und
die hinteren, der Beleuchtung oder andrer
Urſachen wegen, Durchgänge zwiſchen
ſich laſſen. In dieſem letztern Falle
würde von der Beleuchtung kein Grund
gegen den Vorſchlag herzunehmen ſeyn,
wohl aber wenn die Wände ganz feſt
ſeyn ſollten. Es würde dann ſchwer
[79] werden die Bühne ganz zu erhellen;
doch auch dies wäre, wenn man etwas
Koſten nicht ſcheute, durch mehrere mit
Spiegeln verſehene Lampen über der
Oefnung der Scene zu bewerkſtelligen.
Dieſe Beleuchtungsart würde noch
den Vortheil haben, daſs das Licht den
Schauſpieler hebt, und der Umſtand nicht
eintritt, der bei der jetzigen Einrichtung
ihm oft ſo nachtheilig wird, daſs nehm¬
lich die Bühne hinten ungleich heller
iſt als vorne, und er als eine dunkle Fi¬
gur ſich vor dem leichten Hintergrunde
bewegt. Erforderte auch die Decoration
z. B. in einer freien Gegend hinten ein
ſtarkes Licht, ſo wird ihn doch die von
vorn einfallende ſtarke Beleuchtung nicht
ſinken laſsen, und wenigſtens ſein Mi¬
nenſpiel und ſeine feinere Mimik immer
ſichtbar erhalten.
Sollten groſse Säle u. s. w. vorgeſtellt
werden, ſo würde ja auch die llluſion
[80] nicht geſtöhrt werden, wenn die Beleuch¬
tung durch Kronenleuchter, und Lichte
auf der Bühne ſelbſt verſtärkt würde.
Ueberhaupt bekäme man dadurch das
Licht mehr in ſeine Gewalt, und es würde
eine Art von Schatten bilden, welches
die mahleriſche Wirkung einer Gruppe
ungemein erhöhn müſste
Ich habe indeſs dieſe Einrichtung
der Bühne hier nur in Rückſicht des
Vortheils für die Verbreitung des Schal¬
les angegeben, und einige der Haupt¬
ſchwierigkeiten zu heben geſucht, welche
man ihm entgegenſetzen könnte. Es
liegt alſo auſser meinem Zwecke, hier
die mannigfaltigen Modificationen dieſer
Einrichtung, in Betref der Schönheit
und des Täuſchenden der Decorationen,
die ſchnellere Verwandlung der Bühne
welche dadurch möglich wird, und end¬
lich die groſse Erſpahrung der
Koſten[81] Koſten in Betref des Maſchinenweſens
überhaupt auszuführen.
Der, für die Verbreitung des Schal¬
les aus dieſer Einrichtung entſpringende,
Vortheil iſt, alles zuſammengenommen,
folgender:
„Man kann den Seitenwänden der
Scene eine Richtung geben,
welche der Richtung der Sei¬
tenwände des Theaters ent¬
ſpricht, und durch die feſte
Einrichtung derſelben es mög¬
lich machen, daſs der Schall
ſchon von der Bühne weg in
das Theater hin gebrochen,
und dadurch die Verbreitung
deſſelben ungemein befördert
wird.
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Ich habe dieſen nicht unwichtigen
Theil der, dem Baukünſtler nöthigen
Wiſſenſchaft, in einem ſo kurzen Grund¬
riſse vorgelegt, um ihm die Ueberſicht
des Ganzen zu erleichtern. Er wird ſich
nach einer aufmerkſamen Durchleſung
in Stand geſezt finden, den Gegenſtand
richtig zu beurtheilen, und die angege¬
benen Regeln auf hundert Fälle anwen¬
den können, die ich nicht anführen
durfte, ohne weitläufrig zu werden; ſich
auch bei der Klarheit der Sache ſelbſt
manchen Einwurf beantworten, den ich
überging, und übergehen muſste, wenn
ich die mir einmahl vorgeſchriebenen
Grenzen nicht überſchreiten wollte.
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- TextGrid Repository (2025). Rhode, Johann Gottlieb. Theorie der Verbreitung des Schalles für Baukünstler. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bjd7.0