[][][][][]
Neue Beſchreibung
der Pyrmontiſchen
Geſund-Bruñen,

Darinnen derſelben
Hiſtorie, wahrer mineraliſcher
Inhalt und Gebrauch,

Beydes
Im Trincken und Baden
umſtaͤndlich eroͤrthert und vorgeſtellet

wird.
[figure]

HANOVER: ,
Verlegts
Nicolaus Foͤrſter,
1717.
[][]

Dem
Durchlauchtigſten Fuͤrſten
und Herrn,
H E R R N
Friedrich Anton
Ulrichen
,
Des Heil. Roͤmiſchen Reichs
Fuͤrſten zu Waldeck,
Grafen zu Pyrmont und
Rappoltſtein, etc.
Meinem Gnaͤdigſten Fuͤrſten
und Herrn.


[][]
Durchlauchtigſter
Fuͤrſt,
Gnaͤdigſter Fuͤrſt und
Herr.

ES hat GOtt der
Allerhoͤchſte Ew.
Hoch-Fuͤrſtliche
Durchlauchtigkeit
Laͤnder unter andern natuͤr-
)( 3li-
[] lichen Vortheilen auch in die-
ſem Stuͤck ſo ſonderlich geſeg-
net, daß ſie beydes an gelinden
und reichhaltigen minerali-
ſchen Waſſern vor vielen Her-
ren in Teutſchland unver-
gleichliche Schaͤtze der Ge-
ſundheit beſitzen.


Was die gelinden Waſſer
anbelanget, ſo ſind nach aller
Brunnenkuͤndigen Medico-
rum
Bekaͤnntniß die Wil-
dungiſchen mit unter die be-
ruͤhmteſten, ſicherſten und
angenehmſten zu zaͤhlen, wel-
chen es nichts deſto weniger
an
[] an ſonderbaren minerali-
ſchen Kraͤfften und heilſa-
men Wuͤrckungen nicht feh-
let.


Unter denen reichhaltigen
Geſund-Brunnen haben die
Pyrmontiſchen von Alters
her ſo groſſen Ruhm und
Nahmen, daß man zu Zei-
ten des letzten Grafen von
Spiegelberg, durch oͤffentlich
angeſchlagene Brunnen-Le-
ges
verbiethen muͤſſen, daß
die Leute dieſem heiligen Waſ-
ſer und Wunder-Brunnen
)( 4nicht
[] nicht gar goͤttliche Ehre er-
weiſen ſolten.


Auch iſt von denenſelben
noch biß auf dieſe Stunde ſo
wohl aus dem fuͤrtrefflichen
mineraliſchen Innhalt of-
fenbar, als durch die man-
nigfaltige Erfahrung und
herrliche Curen an unzaͤhlig
vielen Hohen und Niedrigen
Weltkuͤndig, daß ſolche den
Vorzug vor den meiſten, wo
nicht vor allen uͤbrigen
Sauer-Brunnen mit Fug
und Recht verdienen.


Da-
[]

Daher es der Muͤhe wohl
werth, eine gruͤndliche und
umſtaͤndliche Beſchreibung
von dieſem heilſamen Waſſer
zu verfertigen, wie denn
auch bißher zwey beruͤhmte
Medici: Herr Bolmann,
und der ſelige D. A. Cu-
næus,
ein ieder ein beſon-
der Buch davon geſchrie-
ben.


Weil aber dieſe Autores
ihren Nachfolgern noch Ma-
terie uͤbrig gelaſſen haben,
auch eines und des andern
Menſchen Leben, Wiſſen-
)( 5ſchafft
[] ſchafft und Erfahrung nicht
genung iſt, alles in einer ſo
wichtigen Sache zu ergruͤn-
den und auszumachen, ſo
habe dieſe Arbeit als der
Dritte uͤber mich genommen,
und uͤbergebe dieſelbe hiermit
in tieffſter Ehrerbietigkeit, ſo
gut ſolche vor dieſes mahl
gerathen wollen. Ich habe
das unterthaͤnigſte Vertrau-
en, Eure Hoch-Fuͤrſtliche
Durchlauchtigkeit werden
mein geringes Werck mit ei-
nem gnaͤdigen Blick anſehen,
und wo ich nicht in allen Stuͤ-
cken
[] cken nach Wunſch ein Ver-
gnuͤgen geben koͤnnen, den-
noch den guten Willen und
die Begierde dem Vaterlan-
de nach meinem wenigen
Vermoͤgen in einer ſo nuͤtzli-
chen Sache zu dienen, nicht
verwerffen, ſondern durch
Dero fernere hohe Gnade
und Schutz Anlaß geben, die
uͤbrige Lebens-Zeit zu voll-
kommenern Entdeckungen,
und practiſchen Anmerckun-
gen uͤber Dero unvergleichli-
che Geſund-Brunnen, an
welchen Ew. Hochfuͤrſtliche
Durch-
[] Durchlauchtigkeit und ſo viel
tauſend Menſchen Hohen
und Niedrigen ſo groß gelegen
iſt, auffzuopffern.


Indeſſen wolle der Aller-
hoͤchſte Ew. Hochfuͤrſtliche
Durchlauchtigkeit und Dero
ſaͤmtliches hohes Hauß mit
allerley himmliſchen Segen
reichlich uͤberſchuͤtten, und
bey beſtaͤndigem Gluͤck und
hohem Wohlſeyn ſo lange er-
halten, als dieſe Qvellen das
geſegnete Waſſer herfuͤr brin-
gen, und die Grundfeſten der
Welt beſtehen werden, wel-
ches
[] ches mit Hertz und Mund
von GOTT dem Allmaͤch-
tigen bittet, und mit tieff-
ſter Ehrerbiethigkeit wuͤn-
ſchet


Durchlauchtigſter
Fuͤrſt und Herr,
Ew. Hochfuͤrſtl. Durchl.



unterthaͤnigſter treu-ge-
horſamſter Knecht
Joh. Philipp. Seipp, D.


[]

Verzeichniß
der Capitel.


  • Cap. I. Auszug hiſtoriſcher Nach-
    richten von der Grafſchafft
    Pyrmont, und von der Gele-
    genheit um und bey denen Ge-
    ſund-Brunnen. p. 1.
  • Cap. II. Auszug hiſtoriſcher Nach-
    richten von den mineraliſchen
    Qvellen ſelbſt. p. 16.
  • Cap. III. Phyſicaliſche oder natuͤr-
    liche Beſchreibung des Pyr-
    montiſchen Thals, und anderer
    in der Naͤhe befindlichen Qvel-
    len. p. 45.
  • Cap. IV. Eigentliche, Natur-ge-
    maͤße und Chymiſche Unterſu-
    chungen und Proben, dadurch
    der
    [] der Innhalt und wahre Ma-
    terie des Pyrmontiſchen Waſ-
    ſers deutlich erwieſen und ange-
    zeiget wird. p. 82.
  • Cap. V. Die vornehmſten Kraͤff-
    te und Wuͤrckungen dieſes
    Waſſers im menſchlichen Leibe,
    auch die Kranckheiten, welche
    bißher ſonderlich dadurch curi-
    ret worden. p. 157.
  • Cap. VI. Art und Weiſe das
    Pyrmontiſche Waſſer Curmaͤſ-
    ſig zu trincken, nach der gebuͤh-
    renden Zeit, Vorbereitung,
    Maaß, Ordnung, Kaͤlte oder
    Waͤrme, Fortſetzung, Diæt und
    Artzeneyen; nach Unterſcheid
    des Alters, des Geſchlechts
    und derer Temperamenten;
    als auch wie denen Hinderniſ-
    ſen und Zufaͤllen bey der Cur
    zu begegnen, und endlich von de-
    nen
    [] nen Nachwuͤrckungen des Waſ-
    ſers. p. 188.
  • Cap. VII. Aeußerlicher Gebrauch
    des Pyrmontiſchen Waſſers,
    oder von dem Bade. p. 249.
  • Cap. VIII. Mißbrauch der mi-
    nerali
    ſchen Waſſer, und Ein-
    wuͤrffe gegen den Gebrauch
    derſelben. p. 277.


Cap.
[[1]]
[figure]

CAP. I.
Auszug hiſtoriſcher Nachrichten
von der Graffſchafft Pyrmont, und
von der Gelegenheit um und bey
denen Geſund-Brunnen.


§. 1.


DIe Grafſchafft und Schloß
Permunt oder Pyrmont, wie
auch die mineraliſchen Ge-
ſund-Brunnen deſſelben
Nahmens ſind zwar uͤber
zweyhundert Jahre in denen
meiſten Laͤndern Europaͤ nicht
unbekannt; jedennoch wird denenjenigen, wel-
che nur den Nahmen ohne ſonderliche Umſtaͤn-
de nennen hoͤren, und nicht ſelbſt an dem Orte
geweſen ſind, eine kurtze Nachricht von der al-
ten und neuen Hiſtorie dieſer Landſchafft, und
von der Gegend und Gelegenheit, bey dem weit-
beruͤhmten Brunnen nicht unangenehm ſeyn
koͤnnen.


A§. 2.
[2]Cap. I. Hiſtoriſche Nachrichten

§. 2.

Die aͤlteſte Nachricht, * welche von un-
terſchiedlichen gelehrten Hiſtoricis auf die Pyr-
montiſche Gegend gedeutet wird, iſt daß die
Ambrones,** ein altes Teutſches Volck, wel-
ches mit denen Cimbris und Teutonibus ohn-
gefehr hundert Jahr vor Chriſti Gebuhrt nach
Italien gezogen, daſelbſt gewohnet, und den
Nahmen von dem Emmerfluß, Ambra oder
Emmera, welcher mitten durch den Pyrmonti-
ſchen Thal nach der Weſer hinunter flieſſet, ſoll
bekommen haben. R. Reinec. in Comment.
Meibom. Ferd. Epiſc. in Monum. Paderbor-
nenſ. Piderit. Chron Lipp. Part. I. c.
6.


§. 3.

Um das zehende Jahr nach Chriſti Ge-
buhrt haben daſelbſt, und in der Gegend auf
beyden Seiten der Weſer zwiſchen Hameln
und Minden die Cheruſci,*** eines der ſtreit-
bahreſten und beruͤhmteſten Voͤlcker, ſo zu der
Zeit Teutſchland bewohnet, ihren Sitz gehabt,
welche ſich noch einen groſſen Strich Landes
uͤber den Hartz, biß an die Elbe ausgebreitet.


Des tapffern Hertzogs und Feldherrn der
Cherusker Hermanns oder Arminii geweſenes
Schloß und Reſidence,**** liegt zwey kleine
Stunden von Pyrmont gegen Suͤd-Weſten
auf einem hohen Berge, von welchem auch der
groͤſ-
[3]von der Grafſchafft Pyrmont.
groͤſſeſte Theil der oͤbern Flaͤche Pyrmontiſch
iſt. Sonſten aber ſcheidet ſich daſelbſt die
Grafſchafft Pyrmont und Lippe, wie auch das
Paderborniſche Gebiethe, und wird biß auf die-
ſen Tag noch von denen Benachbarten geheiſ-
ſen die Harmes-Hermins- oder Herlings-Borg.
Der Berg hat oben im Umkreiß uͤber 1500
Schritte, liegt ungemein vortheilhafftig, und
kan man die Uberbleibſel alter Befeſtigungs-
Wercke noch gar wohl beobachten, obgleich
der gantze Berg mit vielen groſſen Buͤſchen
uͤberwachſen iſt.


§. 4.

Wie dieſer Feld-Herr Arminius mit
ſeinen Cheruskern und einigen andern Teut-
ſchen Voͤlckern im zwoͤlfften Jahr nach Chriſti
Gebuhrt, * des alten Roͤmiſchen Kaͤyſers Au-
guſti General Quintilium Varum,
ſamt drey
der beſten Roͤmiſchen Legionen ohngefehr 3
Meilen von Pyrmont, an dem Saltu Teuto-
burgenſi,
nicht ferne von dem Urſprung der
Lippe und Embs, oder zwiſchen Dethmolt und
Horn, gaͤntzlich geſchlagen und niedergema-
chet, ſolches kan nicht allein in denen alten La-
teiniſchen Geſchicht-Schreibern C. Tacito,
Suetonio, L. Floro, V. Paterculo, D. Caſſio,
Victore Strabone \&c.
umſtaͤndlich nachgeleſen
werden; ſondern es ſind auch alle neuere Au-
cores,
welche von der Hiſtorie der alten Teut-
A 2ſchen
[4]Cap. I. Hiſtoriſche Nachrichten
ſchen geſchrieben, davon voll, als Cluverius,
Stangevolius, Piderit. Erpold. Lindenbruch.
Ferdinandus Epiſc. in Monum. Paderb. Nico-
laus Schaten. in Hiſt. Weſtphal. D. C.
von Lo-
henſtein,
in ſeinem großmuͤthigen Feldherrn,
Waſſerbach. in Diſſert. de Statua Harminii,
und andere. Es nimmt alſo die Grafſchafft
Pyrmont mit Theil an denen vornehmſten und
merckwuͤrdigſten Alterthuͤmern Teutſchlands.


§. 5.

Es ſind auch einige unter denen Hiſto-
ricis
der Meynung, daß die beruͤhmte Goͤtzen-
Statue die Irminſule* der alten Francken,
Sachſen und Weſtphaͤlinger auf gemeldeter
Hermanns-Borg geſtanden habe, ſonderlich
weil verſchiedene von denen alten Autoribus
dieſes Goͤtzen-Bild gantz deutlich nennen die Er-
menſul, Hermanſaul
und Hermenſeul, wie
bey dem Reginone, Rolvingio, Sigeberto und
andern gefunden wird.


Es haͤtten nehmlich die alten Teutſchen nach
ihres Feldherrn Arminii Tod, weil er ſie durch
ſeine Tapfferkeit von dem Roͤmiſchen Joch
ſo gluͤcklich befreyet, demſelben zu Ehren auf ſei-
ner Reſidence eine Gedaͤchtniß-Seule aufge-
richtet, welcher hernach die Nachkoͤmmlinge
goͤttliche Ehre erwieſen, und einen Schutz-Gott
daraus gemachet. Waſſerbach Diſſert. de Sta-
tua Harminii.
Ob nun gleich aus andern Hi-
ſtoricis
wahrſcheinlicher iſt, daß die Irminſule,
welche
[5]von der Grafſchafft Pyrmont.
welche Carolus Magnus A. C. 772. zerſtoͤhret,
zu Statberg vor Alters die Eresburg (Mons
Martis)
genannt, an dem Dimel-Fluß geſtan-
den, ſo koͤnte doch wohl ſeyn, daß ſolche zuerſt
von dem Arminio, und deſſen Burg ihren An-
fang genommen haͤtte, und vielleicht nach der
Eresburg transportiret, oder daſelbſt reicher
und herrlicher als ein Gott des Krieges nachge-
machet worden.


§. 6.

Nach des Fuͤrſten Arminii Zeiten biß
auf Carolum Magnum* findet man nichts un-
ter denen alten Geſchichten, welches den Pyr-
montiſchen Dictrict ins beſondere mit betref-
fen ſolte. Dieſer groſſe Kaͤyſer aber hat A. C.
784. ſein Haupt-Quartier in dem Pyrmonti-
ſchen Thal gehabt zu Luidi oder Lüde, welches
noch in dem vorigen Seculo zu der Grafſchafft
Pyrmont gehoͤret hat, und erſtlich durch den
Vergleich Anno 1668. der Biſchoͤfflich-Pader-
borniſchen Regierung gaͤntzlich uͤbergeben wor-
den.


Denn als im angefuͤhrten Jahre 784. die Nie-
der-Sachſen und Weſtphaͤlinger rebellireten,
und ſich in dem Gebuͤrge um die Gegend der
Emmer und Weſer zuſammen gezogen hatten,
gieng Carolus Magnus mit ſeiner Armee noch
im Anfang des Winters von Worms nach
Weſtphalen gerade auf ſie loß, und nachdem
die Rebellen zerſtreuet, verlegete er ſein Kriegs-
A 3Volck
[6]Cap. I. Hiſtoriſche Nachrichten
Volck in die angenehmen Thaͤler um den Em-
merfluß, ſonderlich von Schidroburg oder
Schieder biß nach Lüde, an welchem Ort er ſein
Quartier genommen, und Weynachten da-
ſelbſt gehalten, wie in denen Annalibus Franci-
cis Caniſii,
bey dem Reginone, Pithæi Vita
Caroli M. Hiſt. Weſtphal. Schateni,
und an-
dern zu finden iſt.


§. 7.

Um dieſelbe Zeit iſt dieſe luſtige Land-
ſchafft und Flaͤche um den Emmer-Fluß zwi-
ſchen ſtetem Umkreiß hoher Berge die Emmer-
gove genannt, und von Carolo M. zur Graf-
ſchafft gemachet, * auch zu Schidroburg ein Bi-
ſchoff eingeſetzet worden. Wie nun damahls
die erſten Grafen geheiſſen, und ob ſie mit Ca-
rolo M
aus Franckreich kommen, auch die uͤbri-
gen Umſtaͤnde der Erb-Folge, der Geſchlecht-
Regiſter und Veraͤnderungen der Religion
und des Regiments, ſolches iſt dieſesmahl
unſere Abſicht nicht nach der Laͤnge anzufuͤh-
ren.


Wir melden hier alleine, daß nachdem die
erſten Pyrmontiſchen Grafen **Anno 1494.
die Spiegelbergiſchen An. 1557. die Graͤfflich
Lippiſche Linie An. 1583. und der letzte Graf
von Gleichen Johann Ludwig (welcher ſchon
An-
[7]von der Grafſchafft Pyrmont.
Anno 1619. mit ſeinem Herrn Bruder Philipp
Ernſt die Herrn Grafen von Waldeck, zu Erb-
folgern in der Grafſchafft Pyrmont eingeſe-
tzet) Anno 1629. geſtorben, das Illuſtre Hauß
Waldeck von ſolcher Zeit her, und ſonderlich
nach dem Vergleich, welcher An. 1668. mit
dem Biſchoff von Paderborn Ferdinando Frey-
Herrn von Fuͤrſtenberg getroffen worden, in
ruhigem Beſitz dieſer Grafſchafft geblieben,
welches hohe Hauß der Allerhoͤchſte biß ans
Ende der Welt in allem Vergnuͤgen und hohen
Wohlergehen dabey erhalten wolle.


§. 8.

Was aber nun die gegenwaͤrtigen
Umſtaͤnde der Grafſchafft anbelanget, * ſo wird
Pyrmont in denen meiſten neueren Land-Char-
ten unter den 53ſten Grad Latitudinis, und den
30ſten Grad Longitudinis geſetzet, wiewohl an-
dere den Ort noch unter den 52ſten Grad Lati-
tudinis,
und 29ſten Grad Longitudinis rech-
nen. Es graͤntzet die Grafſchafft gegen Mit-
ternacht und Morgen an das Hannoͤveriſche
Amt Artzen; gegen Mittag und Abend, an
das Wolffenbuͤttelſche Amt Ottenſtein, das
Hannoveriſche Amt Polle, das Lippiſche Amt
Schwalenberg und Barndorff, wie auch an
das Paderborniſche Gebiethe. Es beſtehet
dieſelbe aus zehen Doͤrffern, welche ein Amt
und zwey Parochias ausmachen, ſo daß 5 Doͤrf-
A 4fer:
[8]Cap. I. Hiſtoriſche Nachrichten
fer: Oeſtorff, Holtzhauſſen, Hagen, Loͤwen-
hauſſen und Dahl, zu dem niedern Theil der
Grafſchafft, und wieder fuͤnff Doͤrffer: Nehr-
ſen, Baarſen, Brauersberg, Kleinenberg und
Eichenborn zu dem oͤbern Theil, oder der Pfar-
re auf dem Berge gehoͤren.


§. 9.

Der niedere Theil der Graffſchafft,
inſonderheit der Thal, * in welchem die Ge-
ſund-Brunnen, das Schloß Pyrmont, Oe-
ſtorff, Holtzhauſſen, Loͤwenhauſſen und die Pa-
derborniſche Stadt Luͤde lieget, iſt die ſchoͤnſte
und angenehmſte Gegend, welche man ſich vor-
ſtellen kan. Wie dann auch alle Fremde ſo
dahin und zum Brunnen kommen, ein ſonder-
bahres Vergnuͤgen daran nehmen, und beken-
nen dergleichen wenig geſehen zu haben.


Es entſpringen zwar insgemein alle kalte
und warme mineraliſche Quellen unten an ho-
hen Bergen, als in welchen die Schatz-Kam-
mern verborgen liegen, woraus die Waſſer ih-
re heilſame Kraͤffte hernehmen, indeſſen liegen
faſt alle ſo enge zwiſchen dem Gebuͤrge, daß
wenig oder gar kein Proſpect dabey gefunden
wird. Hingegen iſt in dem Pyrmontiſchen
Thal eine Ebene, faſt auf eine Stunde Weges
in die Laͤnge und Breite.


Mitten durch dieſe Plaine flieſſet der Fiſch-
reiche Emmer-Fluß, und um dieſelben ſind die
ſchoͤnſten und beſten Viehweiden und Wie-
ſen-
[9]von der Grafſchafft Pyrmont.
ſenwachs, ſo irgendswo koͤnnen gefunden wer-
den. Das uͤbrige in dieſem Grunde biß an die
Berge hinauff ſind Kornfelder und Ackerbau.
Und dann iſt dieſes ſchoͤne und fruchtbare Thal,
rings umher mit einem Circul gruͤner hoher
Berge eingeſchloſſen, und erfahren diejenige,
welche nach Permont reiſen zur Gnuͤge, daß es
heiſſe Permontes.


§. 10.

Von dem Schloß Pyrmont, * wel-
ches in dieſem ſchoͤnen Thal, zwiſchen Oeſtorff
und Holtzhauſſen lieget, und nach welchem an-
jetzo die Grafſchafft genennet wird, iſt zu be-
mercken, daß A. C. 1184. (wie der Original-
Fundation
s-Brieff in dem Hochfuͤrſtl. Walde-
ckiſchen Archiv ausweiſet) zuerſt eine Schloß-
und Graͤntz-Feſtung auf dem ſo genannten
Schellenberg, von dem Coͤllniſchen Ertz-Bi-
ſchoff Philippo Grafen von Heinsberg, zu Zei-
ten des Kaͤyſers Friderici Barbaroſſæ erbauet
worden. Weil nun daſſelbe in der Grafſchafft
und Jurisdiction des Widekindi, welcher ein
Graf von Permunt und Schwalenberg ſchon
vor beſagter Zeit geſchrieben wird, gelegen war,
ſo hat es der Ertz-Biſchoff demſelben und deſſen
Erben zu ewigem Beſitz damahls uͤbergeben,
und es dem heil. Apoſtel Petro conſecriret,
und demſelben den Nahmen Petri Mons bey-
geleget.


Man nennet den Berg noch biß auf dieſe
A 5Stunde
[10]Cap. I. Hiſtoriſche Nachrichten
Stunde Schell-Permunt, und ſind noch eini-
ge alte Mauer-Stuͤcke daſelbſt zu ſehen. Nach-
dem aber dieſes alte Schloß zerfallen, und ver-
ſtoͤhret worden, hat nach Hamelmanns Bericht
p. m. 406. Fridericus Graf zu Spiegelberg
und Pyrmont in der Ebene 400. Schritt von
dem heiligen Brunnen, ein neues Caſtel ange-
leget, das alte Hauß- oder Schloß-Gebaͤude
aber auf demſelben, hatte ſein Sohn Herr
Graf Philipp der letzte des Spiegelbergiſchen
Stammes Anno 1557. im Fruͤhling deſſelben
Jahrs, da er zu Ende des Sommers in der
Schlacht bey S. Quintin umkommen, zu bauen
angefangen, aber nicht vollendet, wie noch auf
einem alten Steine kan geleſen werden. Die-
ſes Herrn Schweſter Gemahl, Herr Graf
Hermann Simon zur Lippe hat endlich Anno
1562 das Schloß voͤllig ausbauen, und nach der
damahligen Art ſehr wohl fortificiren laſſen.


Anno 1583. da die Hochgraͤfl. Lippiſche Li-
nie mit dem eintzigen Pyrmontiſchen Erben
Philippo wieder verloſchen, nahmen die jungen
Herren Grafen von Gleichen (deren Frau
Mutter Walpurgis auch eine Schweſter des
letzten Grafen von Spiegelberg war) das
Schloß Pyrmont mit gewaffneter Hand ein,
worauf ſie Henricus Biſchoff zu Paderborn
und Hertzog von Sachſen-Lauenburg darinnen
belagerte, ſie wurden aber von Hertzog Phi-
lipp von Braunſchweig-Grubenhagen entſe-
tzet,
[11]von der Grafſchafft Pyrmont.
tzet, und in dem Beſitz des Schloſſes und der
Grafſchafft geſchuͤtzet (ſiehe opera Hamelman-
ni p. m.
754.)


Anno 1629. und 1630. da Ferdinandus Her-
tzog in Baͤyern und Churfuͤrſt zu Coͤlln, zugleich
Biſchoff zu Paderborn worden, und damahls
ſchon das Schloß und die Grafſchafft Pyr-
mont, an das Hochgraͤfliche Waldeckiſche
Hauß kommen war (D. Speneri Op. Herald.
Part. Special. Lib. 3. Cap.
39.) wurde dieſe Fe-
ſtung von dem Ferdinando zehen Monat lang
belagert, und endlich auch eingenommen.
Nicht gar lange hernach nahm es ihm Hertzog
Georg von Braunſchweig, im Nahmen des
Herren Grafen von Waldeck wieder ab.
Nachher haben es die Kaͤyſerl. im dreyßigjaͤhri-
gen Kriege unter dem General Goͤtzen erobert,
und den Biſchoͤffl. wieder eingeraͤumet.


Anno 1646. hat es der Schwediſche Gene-
ral Koͤnigsmarck zum letzten mahl weggenom-
men, und die Herren Grafen von Waldeck in
Poſſeſſion geſetzet, worinnen ſie bey dem Weſt-
phaͤliſchen Frieden confirmiret worden, darauf
dann nachmahls Anno 1668. ein umſtaͤndlicher
buͤndiger Vergleich, wegen der Grafſchafft
Pyrmont mit dem Biſchoff Ferdinando, Frey-
herrn von Fuͤrſtenberg geſchloſſen worden.


Anno 1706. haben Ihro Hochfuͤrſtl. Durchl.
unſer regierender gnaͤdigſter Landes-Herr, das
alte Schloß-Gebaͤude, welches 150. Jahr ge-
ſtan-
[12]Cap. I. Hiſtoriſche Nachrichten
ſtanden, und ſehr baufaͤllig geworden, abbre-
chen, und ein neues, ſchoͤn und bequemes Hauß
an des vorigen Stelle auffbauen laſſen, wel-
ches ſie dann kuͤnfftig noch mit 2. Fluͤgeln ver-
groͤſſern, und zu bequemer logirung dero ſaͤmt-
lichen Hof-Statt aptiren laſſen wollen.


§. 11.

Oeſtorff * iſt derjenige Ort, welcher
dem Brunnen am naͤchſten lieget. Es iſt der-
ſelbe ſchon ſehr alt, und findet man in denen
Monumentis Paderbornenſ. F. E. p. m. 180. ei-
nen Brieff, welcher bey 700. Jahr alt, daraus
zu ſehen, daß der Ort ſchon damahls Odisthorp
genennet worden, und eine Kirche daſelbſt ge-
ſtanden habe.


Vor 50. Jahren, da das Dorff 1667. abge-
brannt, haben auf ohngefehr 600. Schritt von
dem Brunnen keine Haͤuſer geſtanden, es ſind
aber von Jahren zu Jahren mehrere Haͤuſer
angebauet worden, ſo daß nun die neue Straſ-
ſe biß gantz nahe an die mineraliſchen Quellen
gehet, und auff 80. Haͤuſer gezaͤhlet werden, von
welchen ein groſſer Theil ſo eingerichtet und
aptiret iſt, daß die Einwohner die ankommen-
de Brunnen-Gaͤſte aufnehmen, und bequem
beherbergen koͤnnen.


§. 12.

Den Sommer uͤber iſts an dieſem
Ort wie eine kleine Meſſe oder Jahrmarckt,
und kommen allerhand Kauffleute, Buchhaͤnd-
ler, Weinſchencken, Caffee-Wirthe, Traiteurs
und
[13]von der Grafſchafft Pyrmont.
und dergleichen dahin, welche meiſtentheils ihre
Boutiques bey denen Brunnen und um die
Allée haben, theils dieſelben hin und wieder
auffſchlagen.


Die Herren Brunnen-Gaͤſte finden zu ih-
rem Vergnuͤgen Veraͤnderung und Zeitver-
treib, * den Vormittag bey dem Trincken die lu-
ſtigen Spatzier-Gaͤnge in der ſchoͤnen Linden-
Allée, und daſelbſt eine angenehme Muſic ei-
ner geſchickten Geſellſchafft Hautboiſten; auch
einen freyen und veraͤnderlichen Umgang mit
allerley Perſonen, hohen und niedern Standes,
Gelehrten, Geiſtlichen und Weltlichen, mit ei-
nem Wort, ein jeder findet ſeines gleichen, und
converſiret frey mit wem er will.


§. 13.

Des Nachmittags koͤnnen ſie ſpatzie-
ren fahren, erſtlich nach den trefflichen Garten
des Herrn Schatz-Raths Barons von Muͤnch-
hauſſen zu Schwoͤbber, eine Meile von Pyr-
mont, woſelbſt ſie die ſchoͤnſten und rareſten
auslaͤndiſchen Gewaͤchſe aus Oſt- und Weſt-
Indien: Die unvergleichliche Frucht Ananas,
Caffée-
Baͤume mit reiffen Caffée-Bohnen,
den Campher, Dattel, Maſtix- und Cattun-
Baum, Arborem Draconis, viele Cereos, In-
dianiſche Feigen-Baͤume mit reiffen Fruͤchten,
und hundert dergleichen rare Gewaͤchſe, auch
bey zweyhundert Arten von Pomerantzen, Ci-
tronen und Limonen, zu ſonderbahrer Ergoͤ-
tzung
[14]Cap. I. Hiſtoriſche Nachrichten
tzung des Gemuͤths antreffen werden. Auch
iſt daſelbſt ein wohlbetzter kleiner Thier-Gar-
ten, item zwey ſchoͤne ſchattigte Tannen-Alléen,
und mehr dergleichen Luſtbarkeiten.


Auff der Zuruͤck-Reiſe von Schwoͤbber be-
ſehen ſie die zu Artzen unter des Herrn Ober-
Amtmann Voigts Direction angelegte Treſch-
Muͤhle, als eine ſehr nuͤtzliche mechaniſche Er-
findung, mit welchen 3 Perſonen taͤglich ſo viel
Korn austreſchen, als ſonſt 18 mit Hand-Fle-
geln kaum thun koͤnnen. Man findet den Ab-
riß und die Beſchreibung derſelben in denen Mi-
ſcellaneis Berolinenſibus,
welche die Koͤnigl.
Societaͤt Anno 1710. heraus gegeben, auch in
dem 2dern Theil des Muſæi Muſæorum D.
Bernh. Valentini.


(2) Fahren ſie auch ſpatzieren, nach der
Arminiusburg §. 3. (3) Nach Schelle-Per-
munt §. 10. (4) Nach den Erdfaͤllen uͤber
Holtzhauſen Cap. 3. §. 26. (5) Nach der alten
Stadt Luͤde §. 6. (6) Nach der Glaß-Huͤt-
ten in dem Hochgraͤflichen Lippiſchen Biſcher-
feldiſchen Walde, 2 kleine Stunden von Pyr-
mont. (7) Gehen oder fahren ſie in die naͤchſt-
gelegenen anmuthigen Waͤlder, in den Oeſt-
berg, Bomberg und andere.


§. 14.

Wer ein Liebhaber und Kenner iſt,
allerhand nuͤtzlicher Kraͤuter, wird in der Pyr-
montiſchen Gegend die gebraͤuchlich- und kraͤff-
tigſten welche auf Teutſchen Boden wachſen,
mei-
[15]von der Grafſchafft Pyrmont.
meiſtentheils alle finden. Denn weil der
Grund und Boden ſo mancherley, und man
alle erdenckliche Situationes, hohe und niedrige
Berge und Waͤlder, Huͤgel und Felſen, ſteinig-
te und duͤrre Oerter, ſo wohl als fette, ſuͤmpffig-
te und moraſtige, auch ſauere und ſuͤſſe Quel-
len, Baͤche und Fluͤſſe daſelbſt hat, ſo findet ein
jedes Gewaͤchſe ſeinen Gebuhrts-Ort, und iſt
ſolches die Urſache, daß man eine ſo groſſe Men-
ge ſchoͤner Kraͤuter daſelbſt haben kan.


§. 15.

Andere ſuchen des Nachmittags ihr
Vergnuͤgen und Zeitvertreib im Buchladen,
mit Durchſehung allerhand gelehrter und neuer
Sachen; andere bey denen Aſſemblées und
Balls, welche von groſſen Herrn und Fuͤrneh-
men von Adel in der Allée, oder in dem Ball-
hauſe, auch wohl in einigen Haͤuſern
wo Gelegenheit und Raum dazu iſt, gegeben
werden. Andere divertiren ſich mit Spielen,
auf denen Billards, auf dem Brete, mit Kegeln
und dergleichen. Summa, es bringet man-
cher ſeine Cur-Zeit zu Pyrmont ſo vergnuͤgt und
kurtz hin, daß er keine Urſache findet, uͤber eine
verdruͤßliche und langwierige Cur zu klagen,
ſondern es heiſſet hier oͤffters: Medice vive-
re, optime vivere.


§. 16.

Es dienet auch allen, welche Andacht
pflegen, * und ſich bey der Cur in Chriſtlichen
Ubungen des goͤttlichen Seegens theilhafftig
machen
[16]Cap. I. Hiſtoriſche Nachrichten
machen wollen, zur Nachricht, daß der oͤffent-
liche Gottesdienſt in der Grafſchafft Pyrmont
der Evangeliſche ſey, ſo weit man Nachricht
gefunden, ſchon von Anno 1552. da der letzte
Spiegelbergiſche Graf regieret hat. Es wird
alle Sonntage des Morgens auf dem Schloß,
und um 10 Uhr in der Oeſtorffiſchen Kirche ge-
prediget, wie auch Sonntages Nachmittages
Catechiſmus-Examen, alle Montage des Mor-
gens Betſtunde, und die Freytage Wochen-
Predigt; auch wird den Sommer uͤber oͤff-
ters Mittags nach 4 Uhr in dem Waͤyſen-Hau-
ſe von einem Candidato Theologiæ Betſtun-
de gehalten. Die Roͤmiſch-Catholiſchen fin-
den ihre Religions-Ubung zu Luͤde eine halbe
Stunde, die Reformirten in der Lippiſchen
Stadt Barndorff zwey Stunden von Pyr-
mont.


CAP. II.
Auszug Hiſtoriſcher Nachrichten von
denen mineraliſchen Geſund-Brun-
nen ſelbſt.


§. 1.


WEil wir bißher die hiſtoriſchen Nachrich-
ten von der Grafſchafft Pyrmont, wie
auch von der Gegend und Gelegenheit, um und
bey denen mineraliſchen Brunnen, ſo viel einem
Fremden nuͤtzlich und angenehm ſeyn mag, vor-
getra-
[17]von denen Pyrmont. Geſund-Brunnen.
getragen haben, ſo wenden wir uns zu dieſen
Quellen ſelbſt. Da nun den Sommer uͤber
von denen Herrn Brunnen-Gaͤſten am mei-
ſten gefraget wird, wie lange dieſe Brunnen
bekannt, und wie lange ſolche ſchon zur Geſund-
heit gebrauchet worden, ſo will ich alle hiſtori-
ſche Nachrichten, von denenſelben, ſo viel mir
bißher zu Geſichte kommen, von Jahren zu Jah-
ren mit der Autorum eigenen Worten anfuͤh-
ren, alle Buͤcher und publicirte Schrifften ſpe-
cifici
ren, auch einige Zeugniſſe gelehrter Medi-
corum
mit dazu nehmen.


§. 2.

Es liegen aber dieſe Brunnen * zwi-
ſchen dem Schloß Pyrmont und Qeſtorff: daß
ſolche unter die Fontes perpetuos, oder im-
merwaͤhrende Brunnen gehoͤren, und ſo alt als
der Welt Anfang, daran iſt wohl wenig zu
zweifeln. Auch koͤnnen dieſe Quellen wegen
ihrer merckwuͤrdigen Beſchaffenheit und ſon-
derlichen Geſchmacks, ſchon im erſten Seculo,
da durch dieſes Thal der Fuͤrſt Arminius mit
ſeinem Heer und Bundsgenoſſen, auch ver-
muthlich die Roͤmer unter dem Feld-Herrn
Germanico, 18 Jahr nach Chriſti Gebuhrt
hin und wieder nach der Weſer und der Teuto-
burgi
ſchen Gegend marchiret ſind, nicht unbe-
kannt geblieben ſeyn. Indeſſen haben da-
mahls Schreiber und Druckereyen in Teutſch-
land gefehlet, ſonſten wuͤrde man vielleicht un-
Bter-
[18]Cap. II. Hiſtoriſche Nachrichten
terſchiedliche artige Nachrichten davon ha-
ben.


§. 3.

Der aͤlteſte Nahme dieſes Waſſers iſt
wohl, * daß die alten Nieder-Sachſen daſſelbe
den Hylligen Born, und den Grund, und die
Wieſe, auf welchem die Quellen entſpringen,
den Hylligen Anger genannt haben. Denn
alſo wird der Trinck-Brunnen von undenckli-
chen Jahren her von den Einwohnern und
Nachbahren geheiſſen, und iſt dieſe Benennung
noch heutiges Tages unter denſelben gantz ge-
braͤuchlich. Im ſechzehenden Seculo iſt er
von denen Autoribus der Spiegelbergiſche und
Neubrunn, nach ſolcher Zeit der Pyrmontiſche
genannt worden.


§. 4.

Ob nun die alte Saͤchſiſche Benen-
nung ** nach einiger Meynung von Goͤtzen-Bil-
dern, welche vor Alters von den Heydniſchen
Teutſchen um dieſe Brunnen geſetzet, und da-
ſelbſt verehret worden, hergenommen, oder von
einer Catholiſchen Kirche, welche auf der heili-
gen Wieſe zwiſchen dem Brunnen und dem
Schloß geſtanden, (von welcher ohngefehr vor
40 Jahren noch einige zerfallene Mauerſtuͤcke
uͤbrig geweſen,) wohin die Catholiſchen von
Luͤde und andern benachbahrten Oertern an
Feſt- und Feyertagen mit Creutz und Fahnen,
Proceſſiones und Wallfahrten gehalten, ſol-
ches laͤſſet man an ſeinen Ort geſtellet ſeyn.


§. 5.
[19]von denen Pyrmont. Geſund-Brunnen.

§. 5.

Es iſt aber wahrſcheinlicher, daß die
heydniſchen Goͤtzen, und nach Caroli M. Zei-
ten die Chriſten-Kirchen eben darum nahe bey
dieſen Brunnen auffgerichtet und erbauet wor-
den, weil man dieſelben damit erheben und hei-
ligen wollen. Denn man wird aus dem unge-
woͤhnlichen, beſtaͤndigen und ſtarcken Auff-
brudeln der Quellen, und dem beſondern Ge-
ſchmack des Waſſers, wie auch ohne Zweiffel
aus denen heilſamen Wirckungen deſſelben, die-
ſe Brunnen ſchon damahls hoch, und als ein hei-
liges Wunder der Natur gehalten haben.


Da die Niederlaͤnder bereits im erſten Se-
culo
ihren auffbrudelnden, und nach Eiſen
ſchmeckenden Brunnen zu Reinigung des Lei-
bes, gegen drey-taͤgige Fieber und Stein-Ge-
brechen haben zu brauchen wiſſen, wie Plinius
ſecundus in Hiſtoria naturali
gedencket, ſo iſt
zu vermuthen, daß die Cheruſci, und nach-
mahls die Francken und Sachſen, nicht weni-
ger von ihren Mineral. Quellen gewuſt, und die-
ſelben darum werth und heilig werden gehalten
haben.


§. 8.

Von dem achten Seculo giebet der
Jeſuit Nicolaus Schaten* in ſeiner Hiſtoria
Weſtphaliæ
die aͤlteſte Nachricht von dem
Brunnen ſelbſt. Denn als Carolus M. Anno
C.
784. ſein Haupt-Quartier zu Luͤgde genom-
men, (wie wir Cap. I. §. 6. angefuͤhret haben)
B 2mel-
[20]Cap. II. Hiſtoriſche Nachrichten
meldet dieſer Autor unter andern folgendes
von ihm: Præter Ambram, qui nunc Emme-
ra dicitur, Carolum oblectarunt Pyrmonta-
næ Aquæ in Conſpectu Ludæ, acore \& Mede-
la celebres.
Ob nun gleich der Autor nicht
ſchreibet, woher er dieſe Nachricht genommen,
ſo iſt doch zu vermuthen, daß er ſolche aus einem
alten Manuſcript gezogen, weil dieſer Jeſuit
ein ſehr accurater Autor, und gute Gelegenheit
gehabt, dergleichen MSta aus dem Paderbor-
niſchen Archiv, und bey dem gelehrten Bi-
ſchoff Ferdinando, Freyherrn von Fuͤrſten-
berg durchzuſuchen.


§. 9.

Im 14ten Seculo hat Henricus de Her-
vordia,
* ein Dominicaner-Muͤnch in dem St.
Pauli
Cloſter zu Minden gelebet, welcher ver-
ſchiedene treffliche MSta hinterlaſſen; von der
Saͤchſiſchen Hiſtoria, aus dieſem fuͤhret Ferdi-
nandus Epiſc.
in Monumentis Paderbornenſ.
eine Nachricht an, welche alſo lautet: In
Weſtphalia juxta oppidum Lude, diœce-
ſis Paderbornenſis Fons eſt, qui dicitur SA-
CER FONS, de quo ſi quis pronus biberit,
in faciem ejus exſilit, \& quaſi expergi videtur.
Ibidem eſt \& alius fons, qui dicitur FONS
BULLIENS. Iſte quaſi quadratus eſt, de qua-
tuor lateribus æqualibus, quolibet latere for-
te 12 pedum exiſtente, \& fundus ſubter rube-
us ad pallorem declinans \&c. Nil in ipſum in-

fluit,
[21]von denen Pyrmont. Geſund-Brunnen.
fluit, nec effluit, ſed continue bullit \& ſonore
ſic ut ad jactum baliſtæ poſſit audiri \&c.
Die-
ſer Muͤnch iſt Anno 1370. zu Minden geſtorben
und in der Dominicaner-Kirche begraben, ſte-
het alſo leicht nach zurechnen, daß der Trinck-
Brunnen nach dieſer Erzehlung ſchon vierdte-
halb hundert Jahr der heilige Brunn geheiſſen,
und der Bade- oder Brodel-Brunn ſchon da-
mahls auffgeraͤumet, und ins Viereck gefaſſet
geweſen.


§. 10.

Von Anno 1556. ſchreibet Ferdi-
nandus Epiſcopus,
von Joh. Seileri Chronico
Pyrmont. MSto,
* daß derſelbe von dieſem hei-
ligen Brunnen erzehle, wie ſolcher damahls
durch ſeine wunderbahre Krafft, in Heilung vie-
ler ſchweren Kranckheiten ſehr beruͤhmet, und
unter groſſem Zulauff der Auslaͤnder und Frem-
den ſey beſuchet worden. Auch habe Joh. Gi-
gas,
gebuͤrtig aus Luͤde, ein trefflicher Medicus
und Mathematicus, und Henricus Harius J. C.
in ſeiner Beſchreibung des Biſchoffthums Pa-
derborn, ſchon lange vor ſolcher Zeit dieſen
Brunnen ſonderlich geruͤhmet. Der Biſchoff
thut hinzu, daß dieſer edle Geſund-Brunnen
noch biß auf ſeine Zeit jaͤhrlich von vielen Fuͤr-
ſten und groſſen Herren fleißig beſuchet werde.


§. 11.

Von eben dieſem Jahre 1556. ſchrei-
bet Bünting** in ſeiner Braunſchweig- und
B 3Luͤne-
[22]Cap. II. Hiſtoriſche Nachrichten
Luͤneburgiſchen Chronica, gedruckt zu Magde-
burg 1586. im dritten Theil fol. 72. Zu der-
ſelben Zeit war ein Wunder-Gelaͤuff nach den
heiligen Brunnen, ſo ſich um dieſe Zeit in der
Grafſchafft Pyrmont und Spiegelberg, etwa
zwo Meilen von Hameln, bey einem Dorff
Diſtorff (Odistorff oder Oeſtorff) genannt, be-
funden, und wider mancherley Kranckheiten
gebraucht worden, auch etlichen Leuten geholf-
fen. Dahero ein Geſchrey ausgebrochen, als
ſolte und koͤnte dieſer Brunn alle Seuchen und
Gebrechen heilen, da ſahe man auf allen Straſ-
ſen zufahren und reiten, und die Krancken auf
Karren, Wagen und Schlitten bringen, die
andern gebrechlichen Leute herlauffen, gehen
und kriechen.


Welche nahe dabey waren, und durch keine
andere Mittel die ihren dahin bringen konten,
trugen ſie auf dem Ruͤcken zum Brunnen, und
waren offt etliche 1000. Menſchen dabey, daß
ſie nicht anders als in einem Feld-Lager um den
Brunnen herlagen. Dem Grafen des Orts
war nicht allzu wohl dabey, auch andere benach-
barten Fuͤrſten und Herren ſich einer Vergad-
derung befuͤrchten muſten. Es lieſſen ſich auch
alte verlebte Weiber dahin fuͤhren, vermeyn-
ten vielleicht jung, oder alter Schaden loß zu
werden, die doch nicht lange nach ihrer Wieder-
kunfft gelebet.


So ſind auch viel geſunder Menſchen dahin
gezo-
[23]von denen Pyrmont. Geſund-Brunnen.
gezogen und geritten, daß ſie den heiligen Brun-
nen ſehen moͤchten. Es wurden auch groſſe
Faſſe und Kupffen, Legel, Flaſchen und ande-
re Gefaͤſſe bey dieſem Brunnen gefuͤllet, und
weit und ferne gefuͤhret und getragen, die ab-
weſende Krancke damit zu baden und zu traͤn-
cken, halff was es kunte, obgleich etliche dar-
uͤber ihrer Gebrechen entlediget wurden, die ihre
Kruͤcken daſelbſt am Brunnen hangen lieſſen
und davon giengen.


§. 12.

Von eben dieſer Zeit ſchreibet auch
Leonhard Thurnheiſſer* zum Thurn, in ſei-
nem Buch, von kalten, warmen, mineriſchen
und metalliſchen Waſſern, gedruckt zu Franck-
furt an der Oder 1572. in fol. im 9. Buch p. 386.
In der Grafſchafft Spiegelberg zwiſchen Ha-
meln und dem Metborn an der Weſer, iſt ein
ſauerlicher Urſprung Waſſers, aus dem drit-
ten Grad der Erden, welcher in ſich haltend iſt:
Chalcantum, Eiſen, Alaun, Bitumen, Ni-
ter \&c.


Dieſes Waſſer wird genannt beym Neu-
brunnen, zu dem anfaͤnglich ein ſolch Gelaͤuff
war, daß auch Leute aus Sicilien dahin (Ge-
ſundheit zu erlangen) reiſeten. Er iſt um das
Jahr 1544. (ſolches ſcheinet ein Druckfehler
bey dem Autore zu ſeyn, und ſoll heiſſen 1554. 56.)
in groſſem Ruff geweſen, hat aber ſeinen Nah-
men bald verlohren, ob es vielleicht Gottes
B 4Wille
[24]Cap. II. Hiſtoriſche Nachrichten
Wille alſo, dieweil wir ſeine Gaben ſo undanck-
bahrlich brauchen ꝛc. Es iſt ſeines Tempe-
raments
halben ein gutes Waſſer ꝛc.


§. 13.

Jacobus Theodorus Tabernæmon-
tanus
* inſeinem Waſſer-Schatz, welchen er
Anno 1584. geſchrieben, meldet von derſelbi-
gen Zeit unter andern folgende Umſtaͤnde: Es
war vor 20 Jahren dieſer Sauerbrunnen in
einem ſolchen Ruff und Geſchrey, daß auch aus
fremden Nationen, als Franckreich, Italien
und Sicilien, Leute heraus gezogen, dieſen
Brunnen zu beſuchen, dann ein ſolch Gelaͤuff
zu dieſem Wunder-Brunnen war, wie vor Zei-
ten das wuͤtende und raſende Wallen zu der
ſchoͤnen Maria und Nothhelfferin zu Regen-
ſpurg, denn es war ſchier kein Blinder, Tau-
ber, Stummer, oder von Mutterleib Lahmer,
wie auch die Sonder-Siechen oder Auſſaͤtzigen,
die nicht verhoffeten, durch dieſen Brunnen ih-
re Geſundheit zu erlangen ꝛc. Es muß dieſer
Autor, welcher ſonſt den Spiegelbergiſchen
Brunnen durch allerhand offenbahr falſche Er-
dichtungen verkleinern wollen, doch deſſelben
groſſen Ruhm und Flor zu ſeiner Zeit, mit ge-
ſtehen und erzehlen helffen.


§. 14.

Sonſten haben auch von ſolcher Zeit,
und dem groſſen Nahmen und Ruff des Brun-
nens noch geſchrieben, Wernerus** in ſeiner
Mag-
[25]von denen Pyrmont. Geſund-Brunnen.
Magdeburgiſchen Chronica, item Solenander
in Conſil. 9. Sect. 4. p. m.
337. Am umſtaͤnd-
lichſten aber und recht ausfuͤhrlich findet man
die Geſchichte von Anno 1556. angezeichnet von
Johanne Pyrmontano*alias Feuerberg Lug-
denſi, Scholæ Patriæ Moderatore,
in ſeinem
Tractaͤtlein FONS SACER genannt, Anno
1697. zu Lemgow gedrucket. Es meritiret
ſolches geleſen zu werden, und obſchon das alte
Buͤchlein nicht mehr zu haben, ſo findet man
doch den Auszug deſſelben in des ehmahligen
Herrn Guarniſon-Predigers zu Hameln Jo-
hannis Rahts
Brunnen-Spiegel Anno 1681.
zu Rinteln gedruckt pag. 332. ſeqq. Auch hat
der ſelige Herr D. Cunæus dieſes Tractaͤtlein
ſeiner Beſchreibung des Pyrmontiſchen Brun-
nens angehaͤnget, weil er aber vieles von dem
ſeinen mit dazu gethan, ſo kan man den alten
Text von dem neuen nicht unterſcheiden.


§. 15.

Weil die wenigſte Zeit und Gelegen-
heit haben moͤchten, angefuͤhrte letzte Autores
nachzuſchlagen, ſo wird dem geneigten Leſer
nicht unangenehm ſeyn, wenn das Vornehmſte
von derſelben merckwuͤrdigen Zeit aus dem Jo-
hanne Pyrmontano,
denen vorgemeldeten
Nachrichten noch beygefuͤget wird. Es ſchrei-
bet derſelbe unter andern alſo: Anno 1556.
war dieſer edle heilige Brunnen eines groſſen
Anſehens, Wuͤrden und Nahmens, nicht al-
B 5lein
[26]Cap. II. Hiſtoriſche Nachrichten
lein in Teuſchland, ſondern auch in allen Pro-
vinci
en durch die gantze Chriſtenheit, in Hi-
ſpanien, Franckreich, England, Schottland,
Norwegen, Schweden, Dennemarck, Poh-
len, Ungarn und gantz Italien beruͤhmt, und
ſeiner Tugend halber uͤberaus bekannt und
ruchtbahr, alſo daß er unverſehens anfieng, zu
unzaͤhligen Kranckheiten nuͤtzlich und heilſam
gebraucht zu werden. Und gieng es dieſer Or-
ten nicht anders zu, als wenns lauter Aqua vi-
tæ, Fons ſalutis,
ja Chriſtus der lebendige
Brunn ſelbſt geweſen, ſo wuͤrcklich in dieſem
Waſſer operiret haͤtte. In Summa Men-
ſchen-Zungen, Schreiber und Dichter, haͤtten
nicht gnugſam ſeine edle Krafft, Tugend und
Operation ausreden, ſchreiben oder verfaſſen
moͤgen.


Es kamen zu derſelben Zeit dahin aus allen
Landen, allerley Nationen ſo breßhafft, und das
Waſſer bey Faͤſſern, Tonnen, Wagen und
Karren voll uͤber 10, 20, 40, 50, ja hundert
Meilen fuͤhreten, und zu denen Kranckheiten de-
rer, ſo nicht uͤber Weg kommen mochten, ge-
braucheten.


Unter 4 Wochen waren allhier uͤber zehen
tauſend Menſchen, ſo dieſes Wunder zum
Theil ardore viſendi, zum Theil durch verur-
ſachte Nothdurfft viſitirten. Die benachbar-
te Doͤrffer, als Odesdorff und Holtzhauſſen
waren Tag und Nacht alſo beſchwehret mit
Kran-
[27]von denen Pyrmont. Geſund-Brunnen.
Krancken und Gebrechlichen, daß man die Be-
hauſung, und was ſonſt zur Nothdurfft beduͤrf-
fend, nicht zu bekommen wuſte.


Die Stadt Luͤgde, dem Biſchoff zu Pader-
born zugehoͤrig, war dermaſſen von krancken
Leuten, hohen und niedrigen Perſonen behaff-
tet und uͤberzogen, daß kein Raum in der Be-
hauſung, kein Bier oder Brodt zu bekommen,
und die Aufflage ſo theuer ward, daß das Ar-
muth ſich nicht mehr zu behelffen wuſte. Un-
ter einem Vierteljahr war eine ſolche Menge
Volcks daſelbſt vorhanden, daß das Volck La-
ger im Walde auffſchlug, oͤffentliche Schar-
ren, Fleiſch, Bier und Brodt-Haͤuſer anſtiff-
tete ꝛc.


Zu derſelben Zeit kam dahin Frau Hede-
wig, Fuͤrſten Joachim zu Brandenburg Ge-
mahl, Tochter des Koͤnigs Sigismundi von
Pohlen, und lag zu Pyrmont 5 Wochen, curir-
te ſich in dieſem heilſamen Waſſer.


Am Fronleichnams-Tage kam dahin Frau
Catharina, Hertzog Johann Ernſt zu Sachſen
auff Coburg Gemahlin, und badete auch etli-
che Wochen, Deßgleichen Graf Conrad zu
Tecklenburg, Graf Sigismund von Gleichen,
und ſonſt viel andere Graͤfliche Frauens-Per-
ſonen, und unzaͤhlige von Adel, reiche Kauffleu-
te, Prediger, gelehrte Doctores und Profeſſo-
res:
Der hochgelahrte Helmericus Bone,
Chriſtophorus Studt, Hermannus Huddæus,

Rector,
[28]Cap. II. Hiſtoriſche Nachrichten
Rector, und hernach Paſtor Supremus zu Min-
den, welche drey Perſonen groſſe Laͤhmniß und
Podagræ-Schaden an ihren Beinen gehabt,
ſind aber durch des Waſſers Nutzung naͤchſt
GOtt gebeſſert ꝛc.


§. 16.

Uber dieſes gedencket auch Herr Gol-
mann eines alten Briefes und Tractaͤtleins 4.
Blaͤtter groß, beyderley Anno 1556. geſchrie-
ben und gedruckt, von damahligen Gebrauch
und merckwuͤrdigen Begebenheiten bey dem
Pyrmontiſchen Brunnen. Ob nun die letz-
ten Blaͤtter in des ſeligen Herrn D. Cunæi Be-
ſchreibung, welche er unter des Herrn Claus
von Poſten Briefſchafften gefunden, eines die-
ſer Tractaͤtgen ſey, ſolches iſt wohl zu glauben,
ſonſten habe bißher, wo ich auch darnach gefor-
ſchet und nachſuchen laſſen, dieſelbe nicht antref-
fen koͤnnen.


§. 17.

Noch muß ich von derſelben Zeit an-
fuͤhren, die artigen hiſtoriſchen Carmina Her-
manni Huddæi
*Rectoris Mindenſis de Fonte
Pyrmuntano ad Albertum Comitem de Hoya.

Es iſt dieſer Huddæus einer der gelehrteſten
Maͤnner ſeiner Zeit geweſen, hat mit Philippo
Melanchthone correſpondi
ret. Anno 1564.
iſt er noch im Leben geweſen, und iſt zu Minden
Paſtor Primarius worden. Ob ſchon dieſe
Carmina nicht mehr zu haben, ſo findet man
doch im angefuͤhrten Tractaͤtlein Johannis Pyr-
mon-
[29]von denen Pyrmont. Geſund-Brunnen.
montani, von demſelben verſchiedene artige
Stuͤcke, von ihm ſind auch bekannt die Pyr-
montiſchen Brunnen-Leges:


PERIOCHA LEGVM AD SA-
CRVM FONTEM AFFIXARVM
Scripta Anno 1556. d. 3. Maji ab Her-
manno Huddæo:
Iuſtitiæ fines, ne Tu peregrine viator
Ignores, LEGES has Tibi ſemper
habe:
Primum qui ſacrum cupit hunc inviſere
fontem,
Et quærit vitæ commoda magna ſuæ,
Divinos temere exhibeat, prohibemus ho-
nores
Huic fonti, procul hinc vana ſuperſtitio!
Gloria ſed ſummo ſit, dicito, lausque Pa-
renti
Qui media iſta ſua pro bonitate dedit.
Salvum Conductum concedimus omnibus
his, qui
Imperii Leges non violare ſtudent,
Et parcant ſatis, nulli noceantque mone-
mus:
Pœnas transgreſſor corpore \& ære luet.
Candida pax noſtris vigeat, mandamus, in
oris,
Hoſpitii violes jura ſacrata cave!

Merces
[30]Cap. II. Hiſtoriſche Nachrichten
Merces qui exoticas, vinumque, cibaria
vendunt
Sint memores æqui, juſtitiæque ſimul.
Verum qui hic tales ſtatuerunt vendere
merces
Treis groſſos nobis pro ſtatione dabunt
Has Comes affixit Generoſus in arbore Le-
ges,
Si violes, certo pœna parata manet.


§. 18.

Dazumahl hat zu Pyrmont regieret,
Herr Graf Philipp, der letzte von dem Spie-
gelbergiſchen Stamm, welcher das folgende
Jahr 1557. den 10. Aug. vor St. Quintin im
24ſten, (andere ſchreiben im 27ſten Jahr) ſei-
nes Alters erſchoſſen, und zu Cammerich in der
Haupt-Kirche begraben worden.


Daß nun nach ſolcher Zeit dieſer groſſe
Nahme und Ruhm * des Brunnens auff ein-
mahl wieder verlohren gangen, wird von denen
meiſten Autoribus einer unmittelbahren Straf-
fe Gottes zugeſchrieben, als wenn GOtt wegen
der vielen Unordnungen, Undanckbarkeit und
Suͤnden, ſo damahls dabey vorgangen, dem
Waſſer die Kraͤffte und den Seegen auf eine
Zeitlang wieder entzogen haͤtte, gleichwie der
Teich Bethesda zu Jeruſalem (Ev. Joh. 5. v.
2. 3. 4.) nicht allezeit gleiche Wuͤrckung hatte,
ſon-
[31]von denen Pyrmont. Geſund-Brunnen.
ſondern durch eine ſonderbahre Bewegung des
Engels, jedesmahl auffs neue die Krafft em-
pfangen muſte.


Ob man nun genugſame Nachricht und Ur-
ſache habe, dergleichen von unſerm Waſſer zu
gedencken, mag ein jeder ſelbſt urtheilen.
Es iſt zwar leicht zu erachten, daß damahls bey
der gar groſſen Menge des Volcks viele Unord-
nungen und Suͤnden moͤgen vorgangen ſeyn,
es bleibet aber doch die Frage, ob die heutige
Welt froͤmmer, und ob nach dem ſechzehenden
Seculo mehr Danckbahre wegen des goͤttli-
chen Segens im Brunnen, und wieder erlang-
ter Geſundheit, als vor ſolcher Zeit, gefunden
werden.


§. 19.

Andere Urſachen * aber der ſchleuni-
gen Verachtung des Brunnens nach ſolcher
Zeit, ſind offenbahr und am Tage. Als erſt-
lich darff man nicht weit nachſuchen, ſondern
nur einige Umſtaͤnde, welche angefuͤhrte Auto-
res
melden, erwegen, ſo wird man bald finden,
daß es nothwendig ſo ergehen muͤſſen. Da
man angefangen unmoͤgliche Dinge von dem
Waſſer zu prætendiren, alte Weiber dadurch
wieder jung machen wollen, wie Bünting redet,
da alle von Mutterleibe Blinde, Taube, Stum-
me, Lahme und Kruͤppeln, als von Chriſto ſelbſt
haben wollen curiret ſeyn, auch den Teufel aus
Beſeſſenen damit vertreiben wollen, wie einige
Nach-
[32]Cap. II. Hiſtoriſche Nachrichten
Nachrichten geben (dahero in denen Brun-
nen-Legibus des Huddæi ſehr notabel, daß das
erſte Verbot dahin gehet, daß man keinen Ab-
gott aus dem Brunnen machen ſolle,) mit ei-
nem Wort, da auf den Ruff vieler moͤglichen,
wahrhafften und herrlichen Curen, alle incura-
ble,
gebrechliche auf einmahl herbey geſchleppet
und lauter uͤbernatuͤrliche goͤttliche Wunder er-
wartet worden, ſo konte nicht anders geſchehen,
als daß die meiſten wieder hinwandern muſten,
wie man ſie hergebracht hatte, welche hernach
aus Unverſtand das Waſſer allenthalben ver-
achtet.


§. 20.

Zum andern verdroß auch einigen
Medicis,* daß der Spiegelbergiſche Brunnen
alleine ſo groſſen Zulauff, und ſie in ihrer Nach-
barſchafft nicht ſo viel von der Brunnen-Praxi
haben ſolten. Jacobus Theodorus Tabernæ-
montanus
wohnte zu Worms, und waͤre ihm
gelegener geweſen, wenn der Schwalbacher
Sauer-Brunnen ſo haͤuffig waͤre frequentiret
worden. Es war alſo die kuͤrtzeſte und beſte Er-
findung, die Leute von dem Spiegelbergiſchen
abzuſchrecken, wenn er ſchrieb, daß dieſes Waſ-
ſer einen groſſen Theil von Operment (eine Art
von Ratten-Pulver) mit ſich fuͤhrte.


Wer dieſes geglaubet, dem wird der Appe-
tit
darzu bald vergangen ſeyn. Den Beweiß,
daß ſolches nicht anders, findet man auch bey
die-
[33]von denen Pyrmont. Geſund-Brunnen
dieſem Autore, nemlich wenn man Fiſche oder
Froͤſche hinein werffe, ſtuͤrben ſie auff der
Stund. Sie ſterben aber auch in dem Schwal-
bacher und allen ſpirituoͤſen kraͤfftigen minera-
li
ſchen Geſund-Brunnen. Noch viel geſchwin-
der aber kommen ſie um in gutem Wein und
Brandtwein, welches D. Theodorus wohl ge-
wußt, und darum doch beydes zu trincken wohl
nicht wird geeckelt haben.


Zum Baden haͤlt der Autor unſern Brun-
nen vortrefflich, und machet viel Redens und
Ruͤhmens davon, da doch die Arſenicalia, Au-
ripigment
und Reuſchgelb, ſo wol aͤußerlich
als innerlich hoͤchſt ſchaͤdlich ſind, dahero offen-
bar, daß der Mann ſelbſt nicht geglaubet, was er
andere bereden wollen.


§. 21.

Ob nun gleich Herr Theodorus ſeine
Sachen ſo abgeſchmackt und ungegruͤndet her-
fuͤrbringet, ſo hat er doch ein leichtglaͤubiges Se-
culum
vor ſich gehabt, und findet man verſchie-
dene unter denen aͤltern Medicis, welche theils
aus Unwiſſenheit, theils um des lieben Eigen-
nutzes willen ihm nachgeleyert haben, und iſt
dieſes alberne Gewaͤſche des Tabernæmontani
noch biß auf dieſe Stunde Urſache, daß auch
noch von denen heutigen Medicis einige gefun-
den werden, welche das Ungluͤck uͤber ſolche al-
te Troͤſter gefuͤhret, und keine Erfahrung von
dem Waſſer ſelbſt haben, deßhalben ſie den
Pyrmontiſchen Brunnen fuͤr allen andern ſon-
Cder-
[34]Cap. II. Hiſtoriſche Nachrichten
derlich ſcharff und angreiffend halten, denen a-
ber im vierdten und fuͤnfften Capitel durch un-
umſtoßliche Beweiß- und Erfahrungs-Gruͤnde
ein anders wird gewieſen werden.


§. 22.

Drittens hat auch zu derſelben Zeit
unſer Brunnen von Jahren zu Jahren nicht
ordentlich beſuchet werden und eine beſtaͤndige
Renommée bey Auswaͤrtigen uñ Fremden be-
halten koͤnnen, wegen der groſſen und vielen
Krieges-Unruhen, * welche gegen das Ende des
16den Seculi und waͤhrendem 30. jaͤhrigen Krie-
ge im folgenden Seculo nicht allein den Nieder-
Saͤchſiſchen Creyß und Weſtphalen, ſondern
auch den Pyrmontiſchen Diſtrict ins beſondere
oͤffters gar hart mit betroffen; wie auch die
graͤuliche Peſt damals in Teutſchland aller-
hand Zerruͤttungen verurſachet hat.


§. 23.

Wir gehen aber fort zu dem Jahre
1628. von demſelben ſchreibet Herr Bolmann, **
geweſener Stadt-Phyſicus zu Hameln, in ſei-
ner Beſchreibung des Pyrmontiſchen Brun-
nens Anno 1661. zum erſten mahl zu Rinteln
gedruckt, daß er damahls von dem Kayſerlichen
General-Feld-Marechal, Grafen von Pap-
penheim, nach Luͤde beruffen worden, da er auf
der Durchreiſe den Brunnen beſuchet, und aus
dem Geſchmack des Waſſers geurtheilet, daß
derſelbe nicht allein zum baden (dazu er damals
meh-
[35]von denen Pyrmont. Geſund-Brunnen.
mehrentheils gebraucht worden) ſondern auch
zum Trincken gut ſeyn moͤchte.


Er hat ſich alſo hernach oͤffters zum Brun-
nen begeben, und was daſelbſt bey den Brun-
nen-Gaͤſten und derſelben Curen vorgefallen,
fleißig in Acht genommen und angezeichnet.
Das Waſſer hat er 5. mahl abgezogen, und
den Brunnen ſelbſt 3. mahl gebrauchet.


Wie nun endlich Anno 1648. der Weſtphaͤ-
liſche Friede zum Schluß gebracht, und die Ru-
he in Teutſchland wieder erlanget worden, auch
die Streitigkeiten zwiſchen Paderborn und
dem Hauſe Waldeck, wegen Pyrmont auff
gutem Fuß ſtunden, voͤllig beygelegt zu werden,
ſo haben nachmahls, ſonderlich Anno 1651.
und folgende Jahre wieder viele den Brun-
nen beſuchet und innerlich gebrauchet.


§. 24.

Anno 1655. * faͤhret angefuͤhrter Herr
Bolmann fort, und Anno 1660. haben den
Brunnen Graͤfliche, Adeliche und viele vor-
nehme Standes-Perſonen gebraucht, welche
ſich alle wohl darnach befunden. Es hat ſich
alſo dieſer Autor ſehr verdient um den Bruñen
und bey viel tauſend Menſchen, welche ihre Ge-
ſundheit nachher durch den Gebrauch deſſelben
unter Goͤttlichen Segen wieder erlanget ha-
ben, gemacht. Er iſt der erſte Medicus gewe-
ſen, welcher den Brunnen aufs neue wieder er-
hoben, des Tabernæmontani arſenicaliſche
C 2Ver-
[36]Cap. II. Hiſtoriſche Nachrichten
Verlaͤumdungen refutiret, und den ehmahli-
gen nuͤtzlichen Gebrauch innerlich ſo wol als
aͤußerlich wieder eingefuͤhret hat. Seine
Brunnen-Beſchreibung iſt ordentlich, und ſeine
practiſche Anmerckungen, was den Gebrauch
des Waſſers anbelanget, ſind meiſtentheils
richtig und gut. Es iſt auch nach ſolcher Zeit
kein Jahr vorbey gangen, daß nicht der Brun-
nen von einer groſſen Menge Frembden aller-
hand Standes beſucht worden; und wie die
Zahl der Jahre, ſo iſt auch der Ruhm deſſel-
ben durch mannigfaltige gute Erfahrung jaͤhr-
lich angewachſen, bis auf dieſe Zeit.


§. 25.

Anno 1668. hat * der Hochſelige Fuͤrſt
von Waldeck, Georg Friedrich, General-Feld-
Marechal der Vereinigten Niederlande, wel-
cher ſich ſonderlich ruhmwuͤrdig angelegen ſeyn
laſſen, den Ort in guten Stand zu bringen,
und denen Cur-Gaͤſten alles Vergnuͤgen und
Bequemlichkeit zu verſchaffẽ, eine ſchoͤne Allée**
von 4. Reihen Linden-Baͤumen auf 500.
Schritt lang und 40. Schritt breit pflantzen,
auch ein groß achteckichtes Brunnen-Hauß ***
42. Fuß im Diametro und 60. Fuß hoch uͤber
dem Trinck-Brunnen aufbauen, und das Waſ-
ſer reinlich einfaſſen und ableiten laſſen; wel-
ches denn noch bis auf dieſe Stunde in Bau-
und
[37]von denen Pyrmont. Geſund-Brunnen.
und Beſſerung erhalten wird, damit ſo wol die
Qvelle vor aller Unreinigung moͤge bewahret
bleiben, als auch, wenn Regen-Wetter ein-
faͤllet, man unter Dach ſtehen und trincken
koͤnne.


Es wird zwar aus des Johannis Pyrmonta-
ni
Tractaͤtlein angefuͤhret, daß Herr Graf Phi-
lipp Ernſt von Gleichen den Brunnen mit ei-
nem ſtatlichen Gebaͤude und mit einer rennli-
chen Waſſer-Roͤhre habe verſehen laſſen; weil
aber noch viele Leute im Leben ſind, welche gar
wohl gedencken, daß der Brunnen unter frey-
em Himmel bloß mit Eichen-Holtz eingefaſſet
geſtanden, ſo muß entweder ſolches erſtere Ge-
baͤude bey denen Krieges-Unruhen gaͤntzlich
wieder herunter geriſſen worden, oder dieſe
Nachricht muß nicht gar zu richtig ſeyn.


§. 26.

Anno 1677. hat der ſelige Herr D.
Andreas Cunæus
von Keil, * ein ſehr gelehrter
und erfahrner Practicus, gebuͤrtig aus Kalbe
in Sachſen, ſeine Beſchreibung des Pyrmon-
tiſchen Sauer-Brunnens zum erſten mahl her-
aus gegeben, welche nachmahls 3. bis 4. mal
wieder aufgelegt, und bißher als ein noͤthiger
Unterricht bey dem Brunnen iſt gebraucht
worden. Es hat dieſer Herr D. Andræas Cu-
næus
uͤber 30. Jahr bey dem Pyrmontiſchen
Brunnen practiciret, hat denſelben ſelbſt 28.
mahl ordentlich gebraucht, und iſt erſt vor 4.
C 3Jah-
[38]Cap. II. Hiſtoriſche Nachrichten
Jahren A. 1713. im 74ſten Jahre ſeines Alters in
Sachſen zu Nieder-Roͤblingen auf ſeinen Guͤ-
tern geſtorben.


§. 27.

Zu dieſes Medici Zeiten haben auch
die beruͤhmten Hochfuͤrſtl. Hannoͤveriſchen und
Zelliſchen Leib-Medici,* Herr D. Conerding
und Herr D. Kotzebu den Brunnen oͤffters be-
ſuchet. Noch haben damahls zu Pyrmont or-
dentlich practiciret, der ſel. Herr Georgius Cu-
næus
von Keil (welcher biß 1712, da er geſtor-
ben, bey 30. Jahr daſelbſt gewohnet hat,) Herr
D. Dreckmeyer von Bilefeld und andere.


Unzaͤhlig viele gelehrte Doctores und Pro-
feſſores Medici
ſind von Jahren zu Jahren
nach Pyrmont kommen, den Brunnen ſelbſt zu
ſehen und zu verſuchen, welche alle ſo wol den
innerlichen als aͤußerlichen Gebrauch deſſelben
gut und nuͤtzlich gefunden und approbirt haben.


§. 28.

Anno 1681. ** iſt das Jahr, da man
nebſt der verwittibten Koͤnigin von Denne-
marck, Sophia Amalia, Friderici III. Gemah-
lin, und gebohrneꝛ Hertzogin von Braunſchweig
und Luͤneburg, (welche den 18. Jun. ſt. v. da-
ſelbſt angelanget,) 27., etliche melden, 40. biß
50. Fuͤrſtliche Perſonen bey dem Brunnen zu
Pyrmont gezaͤhlet. Man findet eine ausfuͤhr-
liche Nachricht davon in dem Mercure galant
dedié a Monſeigneur le Dauphin; Mois

d’Aouſt
[39]von denen Pyrmont. Geſund-Brunnen.
d’Aouſt 1681. Imprimé a Paris au Palais, wo-
ſelbſt auch die 27. Fuͤrſtlichen Perſonen alle
ſpecificiret, und ihre Divertiſſements angefuͤh-
ret werden.


§. 29.

Eben daſſelbe Jahr hat Herr Joh.
Rath, Guarniſon-Prediger zu Hameln, * dem
Pyrmontiſchen Brunnen zu Ehren, einen Tra-
ctat, anderthalb Alphabet lang, durch den
Druck heraus gegeben, und denſelben dem da-
mahligen Biſchoff zu Oßnabruͤck, Ernſt Augu-
ſto,
Hertzogen zu Braunſchweig und Luͤneburg,
dediciret. Er nennet das Buch einen Brun-
nen-Spiegel, und beſtehet aus allerhand theo-
logi
ſchen, hiſtoriſchen und phyſicaliſchen An-
merckungen, welche ſich wohl zur Sache ſchi-
cken, auch wohl ausgeſuchet, aber ſehr undeut-
lich eingetheilet ſind.


§. 30.

Anno 1687. Hat Herr D. à Gehema
in einem Send-Schreiben * an Ihro Hoch-
Fuͤrſtl. Durchlauchtigkeit Fuͤrſten Georg Frie-
derich hochſel. Andenckens, ſeine Meinung von
dem Pyrmontiſchen Geſund-Brunnen, ans
Licht gegeben, darinnen er ſich aber, was den
Innhalt des Waſſers anbelanget, gantz mit
des ſel. Herrn D. Cunæi Feuer-Proben con-
formi
ret. Indeſſen erinnert er dabey, daß
man den Brunnen mit wenig Recht Sauer-
Brunnen heiſſe, weil die Saͤurigkeit dieſes und
C 4ande-
[40]Cap. II. Hiſtoriſche Nachrichten
anderer Geſund-Brunnen gantz und gar un-
terſchieden ſey, von derjenigen Saͤure, welche
unſer Gebluͤth dicke mache und coagulire.


In eben dem Jahre iſt noch ein klein Buͤch-
lein Deſiderii Gottfrieds Pyrmontiſches
Brunnen-Geſpraͤch genannt, * zu Lemgow ge-
druckt, in welchem auf die Art, wie in des Hn.
Raths Brunnen-Spiegel einige Materien ab-
gehandelt werden.


§. 31.

Anno 1700. hat der gelehrte Herr M.
Johann Reiscius,
**Rector Scholæ Guelferby-
tanæ,
ſeine Commentationem phyſicam \& hi-
ſtoricam de Acidulis Piermontanis
heraus ge-
geben. Es waͤre zu wuͤnſchen, daß dieſer Au-
tor
die hiſtoriſchen Anmerckungen weitlaͤuffti-
ger und umſtaͤndlicher eroͤrtert, und die uͤbrigen
Capita denen Medicis uͤberlaſſen haͤtte. Man
ſolte gedencken, daß er zu dem erſtern die ſchoͤn-
ſte Gelegenheit gehabt, bey der trefflichen Her-
tzoglichen Bibliotheck zu Wolfenbuͤttel, da es
an alten Chronicken, Annalibus und allerhand
MStis nicht fehlet, aus welchen vielleicht eine
vollkommenere Hiſtorie de Comitatu \& Aquis
mineralibus Piermontanis
haͤtten koͤnnen zu-
ſammen getragen werden.


§. 32.

Anno 1704, hat der ſel. Herr Ernſt
Caſimir
Waſſerbach, Hochgraͤflicher Lippi-
ſcher
[41]von denen Pyrmont. Geſund-Brunnen.
ſcher Amtmann zu Barndorff, * einige teutſche
ſatyriſche Verſe mit unterſchiedlichen hiſtori-
ſchen Anmerckungen unter dem Titel, perpetu-
um mobile Pyrmontanum æſtivum,
heraus
gegeben.


Und Anno 1706. ſind des Herrn Sigis-
mund Beermanns Holtzmindenſis, nunmeh-
ro wohlmeritirten Predigers, ** hiſtoriſche
Nachrichten von der Grafſchafft Pyrmont und
denen Sauer-Brunnen gedruckt worden, wel-
che kurtz gefaſſet, und unterſchiedliche ſpeciale
Anmerckungen in ſich halten, weil der Herr Au-
tor
ſich eine geraume Zeit zu Pyrmont aufge-
halten.


In eben demſelben Jahre hat der Herr D.
Andreas Cunæus
*** ein paar Briefe drucken
und in denenſelben die Fragen gantz kurtz beant-
worten laſſen, ob Taback, Caffee und Thee
bey dem Brunnen zu gebrauchen, item, von dem
Warm-Trincken des Brunnens; ob ſich die
mercurialiſche Salivations-Cur bey dem Brun-
nen reime? ꝛc.


§. 33.

Endlich wird das Jahr 1716.**** billich
unter die beruͤhmten Jahre gezaͤhlet werden,
weil im Anfang verwichenen Sommers Ihro
Czaariſche Majeſtaͤt, Petrus Alexiewitz, re-
C 5gie-
[42]Cap. II. Hiſtoriſche Nachrichten
gierender Czaar in Groß-Rußland, als auch
acht Wochen hernach Ihro Koͤnigl. Majeſtaͤt
von Groß-Britannien, Georg Ludwig, Chur-
Fuͤrſt und Hertzog zu Braunſchweig und Luͤne-
burg, unſern Brunnen mit dero hohen Gegen-
wart beehret haben. Ihro Czaariſche Maje-
ſtaͤt haben den Fruͤhling vorher einen Medicum
zu den vornehmſten Brunnen und Baͤdern
Teutſchlandes voraus geſandt, und dieſelben
probiren und examiniren laſſen, worauf dann
nachmals nach abgeſtatteten Bericht, von dero
hohen Perſon das Pyrmontiſche Waſſer fuͤr
andern erwaͤhlet worden. Sie ſind den 6ten
Junii bey dem Brunnen ankommen, haben 17.
Tage mit mercklichem Vortheil dero Geſund-
heit und ſonderbarem Vergnuͤgen das Waſſer
ordentlich getruncken, und ſind den 26ſten ejus-
dem
bey gutem Wohlſeyn wieder abgerei-
ſet.


Ihro Koͤnigl. Majeſtaͤt von Groß-Britan-
nien langten den 3. Auguſt. zu Pyrmont an,
und gebrauchten das Waſſer 15. Tage mit dem
gewoͤhnlichen guten Effect, welchen ſie ſchon
ſeit Anno 1705. iedesmahl verſpuͤhret, in wel-
cher Zeit ſie den Brunnen 6. mahl aus der
Qvelle gebrauchet und alle gewuͤnſchte Nutz-
barkeit zu dero Geſundheit durch die Cur er-
langet haben. GOtt erhalte dieſe hohe Haͤu-
pter bey beſtaͤndigem hohen Wohlergehen biß
zu den ſpaͤteſten Jahren.


§. 34.
[43]von denen Pyrmont. Geſund-Brunnen.

§. 34.

Zum Schluß dieſes Capitels koͤnten
nun noch verſchiedene Zeugniſſe aus denen neu-
ern Schrifften gelehrter Medicorum* angefuͤh-
ret werden, von denen trefflichen Tugenden
und Wuͤrckungen des Pyrmontiſchen Brun-
nens, als welches hauptſaͤchlich mit zu der Hi-
ſtorie deſſelben gehoͤret.


Denn es ſtehet mir ſelbſt, als einem gebohr-
nen Pyrmontaner und Einwohner des Orts,
nicht wohl an, den Vorzug, welchen unſer Waſ-
ſer vor denen meiſten bekannten Sauer-Brun-
nen hat, durch groſſe Lob-Reden vorzuſtellen.
Ich wolte alſo lieber andern, denen das Pyr-
montiſche Waſſer ſo viel angehet, wie mir die
entfernteſten Brunnen, in dieſem Stuͤck das
Wort thun laſſen. Es moͤchte aber dieſes
Werck zu weitlaͤufftig und dem Leſer verdruͤß-
lich fallen, daher wir nur mit ein paar Worten
eines gelehrten Mannes Urtheil an ſtatt aller
uͤbrigen anfuͤhren, und damit zeigen wollen, in
was fuͤr Credit dieſes Waſſer nach allerhand
Begebenheiten und Meynungen, endlich gera-
then, und was von denen gelehrteſten und er-
fahrenſten Medicis und Kennern nunmehro zu
unſerer Zeit davon gehalten und ſtatuiret
werde:


Es ſchreibet Herr Rath Hoffmann, D. \&
Profeſſor Med. Primarius
auf der Koͤniglichen
Preußiſchen Univerſitaͤt Halle, in ſeiner gelehr-
ten
[44]Cap. II. Hiſt. Nachr. v. den Pyrmont. ꝛc.
ten Diſſertation de Acidularum \& Thermarum
ratione ingredientium \& Virium convenien-
tia,
welche Anno 1712. gehalten worden von
dem Pyrmontiſchen Waſſer §. VI. folgendes:
Optimi qui virtute OMNES noſtro quidem
judicio antecellunt, ſunt Fontes Pyrmontani.
§: IX.
ſtellet er dieſes Waſſer pro Exemplari,
die Proben darnach zu machen, mit folgenden
Worten: Placet in medium proferre Fonti-
um Pyrmontenſium examen a nobis non ita
pridem inſtitutum, qui noſtro judicio OMNES
nobis cognitos ſubtilitate \& ſpirituum copia
antecellunt.
Daß dieſer beruͤhmte Mann
unter den heutigen Medicis docentibus in
Teutſchland ſein Werck am meiſten davon ge-
machet, die mineraliſchen Waſſer zu unterſu-
chen, auch die groͤßeſte Wiſſenſchafft und Er-
fahrung davon habe, ſolches wird niemand
laͤugnen, der ſeine uͤbrige gelehrte Schrifften
von dieſer Materie geleſen. Es kan alſo
dieſe Approbation inſtar omnium vor
dieſes mahl gnug
ſeyn.


CAP.
[45]

CAP. III.
Phyſicali
ſche oder natuͤrliche Beſchrei-
bung des Pyrmontiſchen Thales und
derer mineraliſchen auch andereꝛ in
der Naͤhe befindlichen
Qvellen.


§. 1.


WEnn von der Natur * und dem wahren
Inhalt der Waſſer in einer Landſchafft
vernuͤnfftig ſoll geurtheilet werden, ſo giebet kein
geringes Licht, wenn man die Geographiam
phyſicam \& ſubterraneam
deſſelbigen Orts,
oder die Beſchaffenheit des angraͤntzenden Erd-
reichs, Grundes und Bodens, aus welchen ſol-
che Waſſer herfuͤrqvellen, zuvor wohl gelernet
und erforſchet hat.


Wir wollen alſo, ehe wir zu unſern minera-
li
ſchen Qvellen ſelbſt kommen, vorher einige
Umſtaͤnde der Natural-Hiſtorie anfuͤhren, und
erwaͤgen, welche theils merckwuͤrdig und an-
genehm, theils auch unſere uͤbrige Grund-Saͤ-
tze und Beweißthuͤmer mehr erlaͤutern und be-
ſtaͤtigen koͤnnen.


§. 2.

Es iſt der Pyrmontiſche Thal, wie wir
Cap. I. §. 9. erwehnet haben, ** rings umher mit
hohen
[46]Cap. III. Natuͤrliche Beſchreibungen
hohen Bergen, oder vielmehr rechten Gebuͤrgen
umgeben, welche ſich ſonderlich Nord-Weſt-
und Suͤd-waͤrts weit und ferne erſtrecken, daß
man einen ziemlichen Spatzier-Weg uͤber die
Berge gehen muß, ehe man wieder in eine ſo
niedrige Gegend, als die Pyrmontiſche iſt, ge-
langet.


In Abſicht auf unſeren Brunnen kommen
hier nur die Berge, Huͤgel und Hoͤhen gegen
Norden in Conſideration, weil an dem Fuß
dererſelben, ob gleich eine gute Ecke herunter,
die Qvellen entſpringen, und alſo ohne Zweifel
ihren mineraliſchen Innhalt daher fuͤhren.


§. 3.

Der oberſte Theil dieſer Berge und Hoͤ-
hen iſt an denen meiſten Orten ein gut und recht
fruchtbares Erdreich, * auf welchem allerhand
Getrayde und Garten-Gewaͤchſe, wie der Au-
genſchein jaͤhrlich lehret, gar wohl kan ange-
bauet und gezogen werden. Auf dieſe Erde
folget ſchichtweiſe gelber oder weiſſer Leimen,
Letten, Mergel, Sand ꝛc. an einem Orte dieſes,
an einem andern jenes. Nach ſolchen Stratis
oder Schichten, wie auch an verſchiedenen Or-
ten gleich oben an, findet man ſehr haͤuffig
einen braunen und roͤthlichen Stein, ent-
weder in groſſen Stuͤcken oder viel kleinem
Gebroͤckel.


§. 4.

Ohngefaͤhr 800. Schritt vom Brun-
nen
[47]des Pyrmontiſchen Thals.
nen gegen Oſten iſt eine Stein-Grube, * wo-
ſelbſt noch jaͤhrlich dergleichen Steine in groſſer
Menge gebrochen werden, weil ſolche vier-
eckigt fallen, und alſo gute Mauer-Steine
geben.


Es laſſen ſich dieſelben von der Seiten, wie
ſie horizontal gelegen, in viele Splitter und
gantz duͤnne Blaͤttlein ſpalten, da denn viele in-
wendig wie mit ſubtilen Silber-Feilſpaͤnen be-
ſtreuet ſind.


Dieſe Steine liegen in der Grube von Na-
tur alle in groſſe Stuͤcke geſpalten und ſind zwi-
ſchen denenſelben allenthalben Ritzen, welche
mit einer zaͤhen klebrichten und roͤthlichen Erde
angefuͤllet. Es iſt ſolche geſtaltet wie eine
Terra Lemnia, und ziehet einem, wie alle der-
gleichen Eiſen-Erde, den Mund gelinde zu-
ſammen.


§. 5.

Ob ich nun gleich in dieſem Steinbruch
oͤffters nachgeſucht, in Meynung etwas rechtes
von Ertz, Pyrites, Eiſen-Steine oder Kieſe zu
finden, ſo habe dergleichen doch bis dato an
dieſem Orte nicht antreffen koͤnnen.


Indeſſen iſt gewiß, daß, wenn man in die-
ſer Gruben tieffer brechen ſolte, da man
bißhero nur fortgefahren horizontal in den
Huͤgel hinein zu arbeiten, man endlich auf ein
ſchwefelichtes Ertz kommen wuͤrde.


Es
[48]Cap. III. Natuͤrliche Beſchreibungen

Es wiſſen auch einige Oeſtorffiſche Einwoh-
ner zu erzaͤhlen, daß vor mehr als 20. Jahren an
einem Orte etwas tieffer gegraben worden, da
denen Arbeitern ein ſo ſtarcker Dunſt entgegen
gekommen, * daß ſie davon weichen muͤſſen.
Auch bin ich vor 2. Jahren an demſelben Ort zu
einem Loch kommen, wo etwas Regen-Waſſer
zuſammen gelauffen war, von welchem mir ge-
ſagt worden, daß oͤffters todte Voͤgel daſelbſt
gefunden wuͤrden; daher ich begierig war, ſol-
ches ſelbſt zu ſehen, und nach der Urſach zu for-
ſchen. Ich habe damahls auf einmahl mehr
als zehen Stuͤck allerley kleine Voͤgel, Maͤuſe,
Eidexen und Schlangen gezaͤhlet, welche gleich
auf der Stelle erſtickt und todt um das Loch
herum lagen.


Es haben dieſes Jahr die Steinbrecher auff
meine Veranlaſſung an einem Orte wieder an-
gefangen in die Tieffe zu brechen, worauff ſich
bald die ſchwefelichten Duͤnſte wieder ſpuͤhren
laſſen, auch einige Tage angehalten, ob gleich
die Oeffnung und Tieffe des Loches noch gar
gering war.


§. 6.

Man ſiehet indeſſen hieraus, daß man
nicht viel Muͤhe haben wuͤrde, zu Pyrmont eine
Grotta del Cane, wie auf dem Lucullianiſchen
Huͤgel eine halbe Meile von Napoli gefunden,
und von denen Reiſenden bewundert wird, zu
verfertigen.


Wie
[49]des Pyrmontiſchen Thals.

Wie mir denn dergleichen duͤnſtige Schwe-
fel-Gruben und Keller an andern Orten, wo
mineraliſche Waſſer ſind, ſonderlich zu Ems
und Schwallbach gezeiget worden, welche ei-
nige Autores bereits angefuͤhret und beſchrie-
ben haben.


§. 7.

Ich bin zwar nicht der Meinung, daß
unſere mineraliſche Qvellen von der Oſt-Sei-
te, an welcher beſagte Stein-Grube gelegen
iſt, herunter kommen, indeſſen dienen doch ſol-
che Umſtaͤnde mit zum Beweiß, daß eine gantz
unterirrdiſche Gegend mit einem ſchwefelichten
Ertz oder Kies angefuͤllet ſeyn muͤſſe.


Damit aber nicht einige, die von der gleichen
Effect derer Schwefel-Duͤnſte keine Wiſſen-
ſchafft haben, hierbey auf die Gedancken kom-
men moͤgen, als wenn ſolches eine Anzeige, daß
etwas gifftiges arſenicaliſches in der Erden vor-
handen, ſo muß nur kuͤrtzlich dagegen erinnert
werden, wie Exempel genung bekannt, daß Leu-
te in groſſen Kellern eben auf eine ſolche Art von
denen aufſteigenden Duͤnſten eines gaͤhrenden
Weines oder Bieres erſtickt ſind, wie ſolches
Cap. 4. §. 42. mit mehrern angefuͤhret wird.


§. 8.

Gegen Norden lieget nun ohngefaͤhr
500. Schritt von dem Brunnen der ſo genann-
te Bomberg, * ein groſſer, hoher und langer
Berg, in welchem oder vielleicht in denen naͤchſt-
angelegenen Bergen, ſo viel man wahrſcheinlich
Dmuth-
[50]Cap. III. Natuͤrliche Beſchreibungen
muthmaſſen kan, ſich das Waſſer zu unſern
Qvellen ſammlet, hernach durch den Grund de-
rer Berge und die umherliegenden Huͤgel biß
an die Oerter, da es Ausgaͤnge und Loͤcher fin-
det, ſich herdurch ſencket. Was nun in die-
ſen Bergen eigendlich von Mineralien moͤchte
gefunden werden, iſt bißhero nicht unterſuchet
worden.


§. 9.

Nicht ferne aber von dem Brunnen,
auf derſelbigen Seite, oben an dem heiligen
Anger findet ſich eine breite, duͤrre, ſteinigte
Hoͤhe, welche allenthalben voller Gruben iſt,
und ausſiehet, als wenn vor vielen Jahren das
unterſte zu oberſt gekehret und tieff hinein gear-
beitet worden (welches wohl bey denen offtma-
ligen Belagerungen des Schloſſes wird geſche-
hen ſeyn.)


Die Art derer Steine iſt daſelbſt loͤchericht
und wie ein Toff-Stein * anzuſehen, welche von
einigen Duff-Steine oder Duck-Steine ge-
nennet werden.


Auf dieſer Hoͤhe ſind einige Oeffnungen und
Loͤcher, aus welchen man eine Menge Steine
mit der Hand heraus brechen kan, welche wie
lauter Eiſen-Ruſt ausſehen, einige roͤther, ande-
re braun und ſchwartz. Auch habe daſelbſt in
einem Loche vor einem Jahr im Fruͤhling
ein groſſes Stuͤck petrificirtes oder mit
Stein und Eiſen-Ertz eingebeitztes Holtz ge-
fun-
[51]des Pyrmontiſchen Thals.
funden. * Ich ließ ein paar Loth davon ſtoſ-
ſen, und triebe es in meinem Schmeltz-Ofen
durch den ſchwartzen Fluß, ließ nachmahls die
leichte Schlacken davon abwaſchen, und hielte
uͤber das ſchwere getrocknete Sediment einen
Magneten, da flogen viele Eiſen-Theilgen an
demſelben in die Hoͤhe, und wurde ich alſo des
Eiſenhaltes verſichert.


§. 10.

Weil nun viele derer oͤberſten Steine ſol-
che Spuhꝛen von Eiſenertz geben, ſo iſt zu vermu-
then, daß, wenn man tieffer graben ſolte, man ei-
nen groſſen Vorrath von Eiſen und Schwefel-
Kieſen antreffen wuͤrde. Viele von beſagten
Steinen kommen mir vor als wie ausgelaugete
Pyritæ, welche durch Lufft, Regen und Son-
nenſchein ihres Schwefelhaltens beraubet wor-
den, da denn das Eiſen als ein Crocus oder Ruſt
alleine bey der ſteinigten Materie zuruͤck ge-
blieben.


§. 11.

Noch etwas weiter hinunter von die-
ſer Hoͤhe ohngefaͤhr einen Buͤchſen-Schuß von
denen Geſund-Brunnen findet man die Stein-
Qvellen, ** welche ſich daſelbſt auf einem Huͤ-
gel ziemlich weit ausbreiten und rings umher,
wo das Waſſer hinflieſſet, den gantzen Boden,
Graß, Mooß und andere Sachen mit einer di-
cken ſteinernen Kruſte uͤberziehen und bedecken,
ſo, daß an etlichen Orten, wenn man etwas da-
D 2von
[52]Cap. III. Natuͤrliche Beſchreibung
von haben will, ſolches mit Beil und Hacken loß-
gehauen werden muß.


§. 12.

Nimmt man eine Hand voll von dem
ſchwartzen Schlamm aus dieſen Qvellen, ſo
riechet ſolches wie ein Hepar Sulphuris oder
wie der Geruch, * welchen das Buͤchſen-Pulver
in einem Schieß-Gewehr nachlaͤſſet, ſo bald
ſolches loßgeſchoſſen iſt. Eben denſelbigen
Geruch verſpuͤhret man, wenn dieſe Steine
ſtarck gebrannt und hernach ins Waſſer ge-
worffen werden.


Daher denn mit nicht geringer Wahrſchein-
lichkeit zu ſchlieſſen, daß das Waſſer von dem
Schwefel unter der Erden die Eigenſchafft und
Krafft bekommen habe, die ſteinigte Materie
aufzuloͤſen und in ſich zu faſſen, welche daſſelbe
hernach in der freyen Lufft wieder fallen
laͤßet.


§. 13.

Weil nun ein groſſer Strich von dem
heiligen Anger, nehmlich von dieſem Ort biß an
den Schloß-Graben und uͤber den neuen Ca-
nal, auch hinunter biß ans Wayſen-Hauß ei-
nen Stein oder Felſen ** von ſolcher Art, wie
unſere Stein-Qvellen, herfuͤr bringen und an-
ſetzen, zum Grunde hat, welcher an etlichen Or-
ten kaum mit einem Fuß tieff Erde bedecket iſt,
ſo iſt glaublich, daß dieſer Felſen mit einander
nach und nach auf eben ſolche Art durch das
Waſ-
[53]des Pyrmontiſchen Thals.
Waſſer herfuͤr gebracht und gezeuget worden.
Man ſiehet anietzo noch an dem Orte, wo wir die
Stein-Qvellen beſchrieben haben, daß ſolche
bald an der einen Stelle ſich verliehren, weil
die Stein-Materie den Ausgang nach und
nach zuſchlieſſet, bald an einer andern wieder
herfuͤr brechen.


Alſo haben vielleicht die Stein-Qvellen, wer
weiß vor wie viel hundert Jahren ihre Ausgaͤn-
ge niedriger gehabt, welche ſich nach und nach
geſtopffet und mit der felſichten Materie zuge-
ſetzet, ſo, daß das Waſſer immer hoͤher ſteigen
und durchbrechen muͤſſen.


§. 14.

Denn daß der Felſen ehemahls weich
und aufgeloͤſet geweſen, zeigen die vielen Schne-
cken-Haͤußlein an, * welche man mitten in de-
nen haͤrteſten Stuͤcken auch in denenjeni-
gen, welche Anno 1710. mit Pulver tieff
aus dem neuen Canal geſprenget worden,
findet.


Es ſind auch dieſelben alle von unſern ein-
heimiſchen Gattungen, welche alſo eben
nicht mit unter die Reliquien der allgemei-
nen Suͤndfluth muͤſſen gezaͤhlet werden; biß-
her habe noch keine eintzige Meer-Muſchel
darinnen finden koͤnnen, welche ſonſt an
vielen anderen Orten in Steinen und Mi-
neris
in groſſer Menge angetroffen wer-
den.


D 3§. 15.
[54]Cap. III. Natuͤrliche Beſchreibung

§. 15.

Was die Quellen und Waſſer anbe-
langet, welche um die Geſund-Brunnen herum
gefunden werden, * und von einigen Hoͤhen und
Bergen gegen Norden und Oſten herunter kom-
men, ſo iſt von denenſelben anzumercken, daß
ſolche alle mit einander etwas von dem ſaͤuerli-
chen mineraliſchen Schwefel-Spiritu bey ſich
haben, welches ſonderlich diejenigen, welche von
andern Oertern herkommen und dergleichen
Waſſer ungewohnet ſind, gar eigentlich ſchme-
cken koͤnnen.


Nichts deſto weniger da bekannt, daß kein
Waſſer ſo rein und lauter, von welchem nicht
etwas ſolte zuruͤck bleiben, wenn man es ab-
rauchen laͤßt, ſo ſind unter unſern Waſſern die-
jenigen, welche von der Oſt-Seite herunter
kommen, die ſuͤßeſten, und geben gar ein ge-
ringes Sediment. Ich habe von einigen derer-
ſelben aus fuͤnff Pfund nur ein Paar Gran bit-
terlich Saltz, und das uͤbrige weiſſe Erde, mit
einander zehen Gran bekommen.


§. 16.

Wegen der ſuͤſſen Waſſer, welche auff
dieſer Seite entſpringen, iſt ein Ort merckwuͤr-
dig, woſelbſt vier Quellen nahe bey einander
ſind unten an einem Huͤgel, welcher gleich neben
der Stein-Grube, die wir §. 4. beſchrieben, gele-
gen iſt.


Es
[55]des Pyrmontiſchen Thals.

Es iſt ein altes Gewoͤlbe * oben mit Mooß
und Hecken uͤberwachſen, ohne daß man die
geringſte Spuhr und Nachricht hat, daß ein
Gebaͤude dabey oder daruͤber geſtanden, alſo,
daß ſolches allein wegen derer Qvellen angelegt
zu ſeyn ſcheinet. Es wird von hieſigen Ein-
wohnern der Eichen-Keller genennet, weil auff
dem Huͤgel verſchiedene alte Eichen ſtehen.
Das Gewoͤlbe iſt uͤber 60. Fuß lang, unten
bey dem Eingang 9. Fuß breit, hernach aber
zur rechten Hand hinauf die groͤſſeſte Laͤnge nur
5. Fuß weit, biß es endlich oben noch enger
zuſammen gehet. Die Hoͤhe iſt auf 7. Fuß,
kan aber nicht eigentlich gemeſſen werden, weil
gar viel Erde und Schlamm darinnen zuſam-
men gefloſſen.


Oben und zur Seiten gegen den Berg ſind
4. Loͤcher ausgemauret, die Qvellen in das Ge-
woͤlbe zu leiten. Unten der Abzug wie auch
der Eingang ſind ſo angeleget, daß ſolche leicht
koͤnnen zugemachet und alſo das Waſſer nach
Belieben auffgeſchwellet werden.


§. 17.

Wie alt nun dieſes Gewoͤlbe, und wer
es bauen laſſen, ſolches habe bißhero von nie-
manden erfahren koͤnnen; indeſſen iſt nach an-
gezeigten Umſtaͤnden wahrſcheinlich, daß daſ-
ſelbe wohl ehemahls als ein kaltes Bad mag ge-
brauchet worden ſeyn, wozu es denn leicht wie-
der koͤnte aufgeraͤumet und zubereitet werden.


D 4Es
[56]Cap. III. Natuͤrliche Beſchreibung

Es iſt bekannt, daß die alten Roͤmer, und
nach denenſelben viele andere Nationes die kal-
ten Baͤder in ſuͤſſem friſchem Waſſer oͤffters ge-
brauchet haben, wie ſolches Sir John Floyer
und D. Baynard in ihrem Buch genannt: The
Hiſtory of cold Baching both ancient and mo-
dern,
ausfuͤhrlich beſchrieben, und allerhand
groſſe Curen von ihren jetzigen kalten Baͤdern
in England angefuͤhret haben. Alſo mag die-
ſes Waſſer-Gewoͤlbe vielleicht von einer ehe-
mahligen Herrſchafft des Pyrmontiſchen Di-
ſtricts
zu gleichmaͤßigen Gebrauch angeordnet
und erbauet ſeyn.


§. 18.

Noch iſt an dieſer Seite ohngefehr
ein paar hundert Schritt von der Stein-Gru-
be und dem alten Waſſer-Gewoͤlbe an dem
obern Fahrwege nach der Brauerey in einem
Garten ein ſehr ſtarcker Sprung eines ſaͤuerli-
chen angenehmen Waſſers, * welches viel von
dem ſaͤuerlichen mineraliſchen Spiritu participi-
ret, ſonſt aber von Eiſen und andern minerali-
ſchen Materien, auſſer etwas bitterlich Saltz,
und ein wenig ſubtiliſirte Erde, nichts mit ſich
fuͤhret.


Wir haben ſolchem in dieſem Tractat den
Nahmen Berg-Saͤuerling gegeben, weil er an
einem Huͤgel aus einem ſteinigten Grunde, und
viel hoͤher als alle unſere andere Sauerquellen
entſpringet.


Es
[57]des Pyrmontiſchen Thals.

Es laͤſſet ſich dieſes Waſſer ſonderlich wohl
mit dem Wein vermiſchen, efferveſciret und
perlet mit demſelbigen und ſchmecket ſehr an-
genehm. Man kan es in vielen Stuͤcken mit
dem Toͤnnigſteiner Waſſer vergleichen, nur
daß es nicht ſo viel Saltz haͤlt. Es iſt Schade,
daß man ſolches bißhero ſo wenig geachtet, und
nicht zum Gebrauch ſauber eingefaſſet hat;
Denn zum wenigſten waͤre es ein ſchoͤnes Waſ-
ſer vor diejenigen, welche Waſſer unter dem
Wein bey der Cur zu trincken gewohnet ſind,
da denen Ungewohnten der ordinaire Sauer-
Brunnen uͤber der Mahlzeit zu gebrauchen nicht
wohl kan zugelaſſen werden.


§. 19.

Wir gehen weiter zu denen uͤbrigen
Waſſern, * welche um den Brunnen gegen
Norden und Weſtenwaͤrts entſpringen. Man
findet auf dieſer Seite dieſelben insgemein
alle ſchwehrer und ſaͤuerlicher als gegen Oſten.
Vielleicht daher, weil ſolche viel tieffer als die-
ſe hervor kommen, und alſo die Mineralien
mehr beruͤhret haben. Es ſind auch hier und
da oben auf dem heiligen Anger, wie auch in
meinem Garten und Kellern verſchiedene klei-
ne Quellen, welche einen ſaͤuerlichen Geſchmack
haben, gelbe Eiſen-Erde anſetzen, und ſonſt mit
dem Brunnen einerley Halt fuͤhren, doch in ge-
ringerer Quantitaͤt.


Auch findet man eine Menge ſolcher Quel-
D 5len
[58]Cap. III. Natuͤrliche Beſchreibung
len auf der andern Seite in denen Wieſen, wel-
che um die Papier- und Hamborn-Muͤhle lie-
gen, ſind aber alle ſchwach ſo wohl an Quanti-
taͤt des Haltes, als auch, daß die Quellen gar
klein, und nicht haͤuffig Waſſer geben.


Jedennoch, ſo viel dergleichen Quellen ge-
funden werden, ſo viel Spuhren und Beweiß-
thuͤmer ſind es, daß eine ſolche gantze Gegend
unter der Erden, mit Eiſen- und Schwefel-Ge-
ſteine angefuͤllet ſey.


§. 20.

Es iſt noch eines von denen Waſſern,
welche nahe um den Haupt-Brunnen entſprin-
gen, anzumercken. Nur wenig Schritte hin-
ter dem Brunnen-Hauß flieſſen verſchiedene
kleine Quellen in einen Graben zuſammen, wo-
durch ſolche zu der allgemeinen Brunnen-Ba-
che geleitet werden.


In dieſem Graben habe ich im Auguſto ver-
wichenen Sommers auf einmahl hin und wie-
der uͤber 3 Pfund von dem ſchoͤnſten und reine-
ſten Lapide ſelenite,* unter welchen Stuͤcke
von 24 Loth gefunden, welche in dieſem Waſſer
angeſchoſſen und zuſammen gewachſen waren.
Es ſind dieſe Qvellen nicht ſonderlich ſaͤuerlich,
ſetzen auch keine gelbe Erde ab. Wenn man
das Waſſer abrauchen laͤßt, bleibet ein gar ge-
ringes Saliniſches und irrdiſches Sediment zu-
ruͤck, indeſſen giebt doch dieſe natuͤrliche gene-
ration
des lapidis ſelenitæ eine Anzeige auf die-
jeni-
[59]des Pyrmontiſchen Thals.
jenige cryſtalliniſche Materie, welche durch die
Kunſt aus unſeren Geſund-Brunnen geſchie-
den wird. Cap. IV. §. 116. 117. ſeq.


§. 21.

Wir kommen aber nun zu unſeren
mineraliſchen Geſund-Brunnen ſelbſt: * Es
entſpringen dieſelben zwar in Vergleichung de-
rer Hoͤhen, welche gegen Norden gelegen, nie-
drig und im Grunde. In Abſicht aber auf
die uͤbrige Flaͤche gegen Suͤden und um den
Emmer-Fluß liegen ſolche noch ziemlich hoch.
Denn es gehet von unſern Brunnen biß unter
die Allée uͤber 500 Schritt noch immer ziem-
lich ſtarck Berg unter, daß ſich alſo auch dieſer
Urſachen wegen das fremde Gewaͤſſer nicht zu
unſern Quellen ſencken kan.


§. 22.

Der Haupt-Brunnen, ** welcher von
Alters her eigentlich den Nahmen eines heili-
gen Brunnens fuͤhret, iſt wie wir Cap. II. §. 25.
angezeiget haben, mit einem groſſen achtecki-
gen Hauß uͤberbauet, und wird dadurch von al-
ler Verunreinigung, auch dem Zufluß des Re-
gens und aͤuſſerlichen Feuchtigkeiten geſchuͤtzet.


Es iſt ſolcher mit eigenen Bretern oder Boh-
len in die Runde eingefaſſet, und hat der Platz,
wo die Quellen heraufſteigen nur 4 und 1 hal-
ben Fuß im Diametro. Das Waſſer ſtehet
uͤber denen Quellen 3 und 1 halben Fuß hoch,
weil die Waſſer-Rinne nicht wohl niedriger hat
koͤn-
[60]Cap. III. Natuͤrliche Beſchreibung
koͤnnen angeleget werden. Indeſſen iſt das
Gewicht des vielen uͤber denen Quellen ſtehen-
den Waſſers mit eine Urſache, daß dieſer Brun-
nen nicht ſo groſſe und ſtarcke Wellen aufſtoͤſ-
ſet, als der Brodel-Brunnen, ſondern nur im-
mer kleine Blaͤßlein aufwirfft, wie ein Waſſer
das eben anfaͤngt zu ſieden.


Sonſten iſt die Quelle ſehr ſtarck und haͤuf-
fig, und habe ich in einer Minute 4 groſſe Ey-
mer voll an dem Ausfluß geſchoͤpffet, den Eymer
zu 30 Pfund, welches eine groſſe Menge Waſ-
ſers ausliefert in 24 Stunden, wie ſolches §. 35.
mit mehrerem angezeiget wird.


§. 23.

Zwey und viertzig Fuß von dieſer
Quelle ſpringet der groſſe Brodel-Brunnen, *
welcher bißanhero allein aͤuſſerlich zum Baden
iſt gebrauchet worden, weil er nicht ſo ſpirituös,
ſubtil und helle iſt, wie der Trinck-Brunnen.


Es iſt derſelbe 14 Fuß ins Viereck mit Ei-
chen Holtz eingefaſſet, das Waſſer ſtehet da-
ſelbſt 2 Fuß uͤber denen Quellen. Es finden
ſich in dieſem Raum 30 biß 40 groſſe und kleine
aufſtoſſende Wellen oder Brodel, welche ein
ſo ſtarck Gethoͤn und Geraͤuſch machen, als
wenn eine groſſe Brau-Pfanne im ſtaͤrckſten
Sud iſt, daß mans bey ſtillem Wetter auf 50.
Schritte hoͤren kan.


§. 24.

Ich weiß nicht, ob dieſes Auffbru-
deln, ** welches faſt allen mineraliſchen Quel-
len
[61]des Pyrmontiſchen Thals.
len, denen warmen ſo wohl als denen kalten ge-
mein iſt, und ſich in unſeren Bade-Brunnen ſo
ſonderlich findet, wohl genugſam und gruͤndlich
von einem Autore mag ſeyn betrachtet worden.


Ich halte daſſelbe vor nichts anders als eine
natuͤrliche Waſſer-Kunſt. Es muͤſſen ſo wohl
bey dieſen als andern mineraliſchen Qvellen
welche in denen Gruͤnden mit Gewalt aufſtoſ-
ſen, und in die Hoͤhe brudeln, mitten in denen
dabey herum liegenden Bergen und Hoͤhen, un-
terirdiſche Teiche * oder Verſammlungen des
Waſſers ſeyn.


§. 25.

Andere Waſſer flieſſen, ſo bald ſich
dieſelben verſammlet haben, aus denen Bergen
heraus; dieſe Brunnen-Quellen aber haben
ſich vorher an einen hohen Ort ſchon wie in ei-
nem Keller oder Behaͤlter verſammlet, aus wel-
chen ſolche nicht gleich an denen Bergen Loͤcher
und Oeffnungen haben, ſondern es wird nach
und nach ein Theil des Waſſers durch tieffe un-
terirdiſche Adern und Gaͤnge von der druͤcken-
den Laſt und Gewicht des hoͤher ſtehenden
Waſſers fortgepreſſet, biß ſolches endlich in de-
nen Gruͤnden und niedrigen Oertern ſeinen
Ausgang findet, da es denn durch die Oeffnun-
gen mit einem Sprung und Brodel in die Hoͤhe
fahren muß. Fehlet alſo an dieſer natuͤrlichen
Fontaine nichts als eine Spring-Roͤhre, welche
den Ausgang enger und feſter machte, daß das
Waſſer
[62]Cap. III. Natuͤrliche Beſchreibung
Waſſer mehr gezwungen wuͤrde, und nirgends
zur Seiten ausweichen koͤnte.


§. 26.

Daß aber dergleichen Waſſer-Hoͤh-
len * in denen Bergen gefunden werden, ſolches
iſt nicht allein aus verſchiedenen unterirdiſchen
Erd-Beſchreibungen bekandt, ſondern wir ha-
ben auch in unſerer Gegend, davon 3 gar deut-
liche Merckmahle an denen 3 Erdfaͤllen oder
Meeren, wie ſolche von dem gemeinen Mann
genennet werden. Es liegen dieſelbe 2500
Schritte von dem Brunnen uͤber dem Dorffe
Holtzhauſſen an einem Berge.


Der groſſe Erdfall lieget ziemlich hoch, und
hat unten, ſo weit das Waſſer ſtehet, im Diame-
tro
280 Fuß. Das Ufer iſt an der oͤberen
Seite biß man ans Waſſer kommt 130, unten
wo es am niedrigſten 56 Fuß hoch. Die Tief-
fe hat man bißher unergruͤndlich gehalten, es iſt
aber dieſelbe vorigen Sommer in dem groſſen
Erdfall gemeſſen worden, da man das Waſſer
7 Klafftern tieff gefunden.


§. 27.

Die zwey kleineren Erd-Faͤlle liegen
ein paar hundert Schritte von dem groſſen wei-
ter herunter, und laͤſſet ſich aus des Herrn Bol-
manns Brunnen-Beſchreibung nachrechnen,
daß das letzte Loch erſtlich An. 1645. entſtanden,
da ſolches mit einer ſtarcken Erſchuͤtterung und
groſſem Gepraſſel eingefallen, und ſoll eben
kurtz zuvor, wie erzehlet wird, ein Ackermann
mit
[63]des Pyrmontiſchen Thals.
mit Pflug und Pferden vom Lande gezogen ſeyn.
Es haben auch vor wenig Jahren noch Leute
gelebet, die ſolches dencken koͤnnen.


In dieſen Gruben iſt nun iederzeit die Men-
ge Waſſer, und leben auch Fiſche darinnen, in-
deſſen ſiehet man ſo wenig wie das Waſſer hin-
ein koͤmmt, als wie nirgends ein bekanter Aus-
fluß verſpuͤhret wird.


§. 28.

Wir kehren aber wieder zu unſerem
Geſund-Brunnen, * woſelbſt wir noch einen
dritten gegen Weſten 112 Fuß von dem Trinck-
Brunnen finden. Es iſt derſelbe auch mit Ei-
chen-Bohlen 22 Fuß in die Laͤnge und 16 Fuß
in die Breite eingefaßt. Das Waſſer ſtehet
in dieſem Raum 4 Fuß tieff. Man ſiehet dar-
innen verſchiedene groſſe und kleine Brodel auf-
ſteigen. Dieſer Brunn iſt der ſchwaͤchſte an
Gehalt, und ſpuͤhret man auch den ſaͤuerlichen
mineraliſchen Spiritum am wenigſten darinnen.
Wird als ein kaltes Bad von denen Armen
gebraucht, welche den Sommer uͤber hinein
ſteigen.


Es iſt Schade, daß dieſe Quellen ſo tieff
liegen, und von Schlamm und Erden nicht ſo
rein koͤnnen gehalten werden, wie die andern
beyden Brunnen, daher man das Waſſer im-
mer truͤbe findet.


§. 29.

Dieſe Brunnen nun bringen mit ein-
ander, ſo bald ſolche aus der Erden kommen,
eine
[64]Cap. III. Natuͤrliche Beſchreibung
eine haͤuffige roth-gelbe Erde herfuͤr, * welche in
denen Brunnen ſelbſt, hernach auch in allen
Rinnen und Graben, wodurch das Waſſer
flieſſet, biß auf 600 Schritt von denen Qvellen
in groſſer Menge kan geſammlet werden.


Auch iſt das gantze Erdreich der Allée, und
noch eine gute Breite auf beyden Seiten derſel-
ben mit ſolcher gelben Erde angefuͤllet, welche
daſelbſt an etlichen Orten gantz rein und lauter
uͤber 2. Fuß dick auf einander gefunden und zu
einer ſchoͤnen gelben und braun-rothen Farbe
ausgegraben und zubereitet wird. Die groſſe
Menge dieſer gelben Erde iſt vermuthlich an
dieſer Seiten vor undencklichen Jahren, da das
Brunnen-Waſſer ſich den Huͤgel hinunter er-
goſſen, wo es gewollt und gekonnt hat, mit Laͤnge
der Zeit zuſammen gefloſſen. Denn es findet
ſich dieſelbe nicht uͤber, ſonder unter den Quel-
len auf der niedrigen Seiten gegen Suͤden, auch
nicht weiter, als wie man anitzo noch vor Augen
ſiehet, daß das Waſſer das Eiſen in der Brun-
nen-Bache halten und fuͤhren kan.


§. 30.

Man hat dieſe Erde bißhero eine
Ochram oder Ocker-Erde geſcholten, ** und
es haben ſich viele unter dieſem Nahmen etwas
ſonderlich Grobes, und mehr Schaͤdliches als
Nuͤtzliches vorgeſtellet. Uber dieſes iſt der
Nahme
[65]des Pyrmontiſchen Thals.
Nahme Ochra gar general und dunckel, weil
alle gelbe Farben, ſo man aus der Erden graͤ-
bet, auch eine gelbe Farbe aus dem Bley unter
denen Ocker-Farben begriffen werden. Wenn
ich unſere gelbe Erde, ſo wohl diejenige, welche
aus denen Quellen und Waſſer-Leitungen ge-
ſammlet, als die andere, ſo um die Allée gegra-
ben wird, in einem Tiegel in Schmeltz-Ofen
bringe, und mit dem Geblaͤſe ſtarck Feuer ge-
be, ſo ſchmeltzt dieſelbe zuſammen und wird Eiſen,
welches den Magneten anhaͤnget, und wenn
ſolche nur von der untergemiſchten Erde und
cryſtalliniſchen Cremore (Cap. IV. §. 108.) ge-
ſaͤubert iſt, alle Eigenſchafften hat, welche ein
vollkommenes Eiſen oder Stahl haben muß.


Es geſchicht dieſes ohne den geringſten Zu-
ſatz, da ſonſt nach D. Bechers Experiment aus
iedem Leimen mit Zuthuung etwas Lein-Oehls
oder einer andern Fettigkeit, Eiſen-Staͤublein
koͤnnen herfuͤr gebracht werden.


Man gebe alſo dieſer gelben Materie ihren
rechten Nahmen, und nenne ſie Eiſen, oder
wenn ſolche ja doch Erde ſeyn ſoll, ſo mag ſie Ei-
ſen-Erde heiſſen.


§. 31.

Ob ſich nun gleich dieſe Eiſen-Erde
allenthalben, wo das Waſſer herflieſſet, ſo
haͤuffig anſetzet, ſo findet man doch bey unſern
Geſund-Brunnen * weder in denen Waſſer-
ERin-
[66]Cap. III. Natuͤrliche Beſchreibung
Rinnen, noch ſonſt irgendswo den geringſten
Tophum oder Toff-Stein, und iſt ſolches um
ſo viel merckwuͤrdiger, weil nicht weit von die-
ſen Brunnen die Stein-Quellen gefunden wer-
den, wie wir §. 2. angefuͤhret haben, welche da-
her unter der Erden gar keine Gemeinſchafft
mit denen Geſund-Brunnen haben muͤſſen.


In denen warmen mineraliſchen Waſſern
iſt der Toff-Stein faſt etwas allgemeines, da
ſich um die Ausgaͤnge, in die Roͤhren und allent-
halben an die Raͤnde, Bretter und Kaſten, wo-
mit dieſelben eingefaſſet, viele Stein-Rinden
und groſſe Stuͤcke anlegen, welche oͤffters mit
Gewalt muͤſſen weggebrochen werden, damit
ſolche nicht alle Gaͤnge und Rinnen verſtopffen
und verderben. Daher iſt offenbahr, daß der
Halt derer kalten mineraliſchen Waſſer nicht
ſo grob und ſchwehr als derer warmen Baͤder
ſey.


§. 32.

Wenn die Bewegung der Hitze zu
denen Menſtruis* kommt, ſo ſolviren ſolche
viel ſtaͤrcker und hefftiger. Da man zum Ex-
empel einen ſchwachen Spiritum Nitri, Vitrio-
li \&c.
uͤber ein Metall gieſſet, und derſelbe
ſolches nicht angreiffen will, ſo laͤſſet man es nur
auf einem Ofen mit einander erwaͤrmen, als-
denn faͤngt der Spiritus bald an zu arbeiten und
aufzuloͤſen, auch wohl dasjenige, was er nicht
hal-
[67]des Pyrmontiſchen Thals.
halten kan, ſondern wann es erkaltet wieder fal-
len laſſen muß. Auf eben ſolche Art ſtelle ich
mir vor, das unterirdiſche Waſſer, wenn ſol-
che durch den ſauren mineraliſchen Spiritum
der Schwefel-Kieſe geſchaͤrffet, und denenſel-
ben eine aufloͤſende Krafft mitgetheilet worden,
da ſolche noch uͤber dieſes erhitzet werden, viel
ſchaͤrffer grobes und feines, was ihnen unter
der Erden begegnet, aufloͤſen und in ſich faſſen.
Hingegen kan der mineraliſche Spiritus ohne
Erhitzung in kalten Waſſern insgemein nur das
ſubtilere und zur Aufloͤſung bequemſte ſolviren,
wie hier der Effect und die Erfahrung bezeu-
gen.


§. 33.

Aber wieder auf die Eiſen-Erde * zu
kommen, ſo iſt nichts mehr offenbahr und vor
iedermanns Augen bekannt in unſerem Brun-
nen als eben dieſelbige, welche wie ſchon gemel-
det, nicht allein in und um die Quellen ſo haͤuf-
fig gefunden wird, ſondern ſich auch an alle Ge-
faͤſſe, in welchen das Waſſer einige Zeit warm
oder kalt gehalten wird, anleget und dieſelben
gelb faͤrbet. Deſſen ohngeachtet iſt dieſes Ei-
ſen der kleineſte Theil von der ſoliden Subſtantz
oder harten Materien, welche dem Waſſer ein-
verleibet ſind.


So viel ich bißher erforſchen und nachſu-
chen koͤnnen, haͤlt das Pfund Waſſer nur zwey
E 2oder
[68]Cap. III. Natuͤrliche Beſchreibung
oder anderthalb Gran Eiſen, wenn ſolches,
ſo viel moͤglich, von dem cryſtalliniſchen und
alcaliſchen Cremore geſaͤubert, und alſo zu ei-
nem reinen lauteren Stahl geſchmoltzen iſt.
Das gantze Sediment aber, oder alles, was
von harter und trockner Materie, nach Abduͤn-
ſtung des friſchen Waſſers aus dem Trinck-
Brunnen zuruͤck bleibet, iſt 22 Gran ſchwehr,
alſo daß das Eiſen auffs hoͤchſte 1 Eilfftheil aus-
machet.


§. 34.

Da nun das Eiſen ein ſo geringer
Theil von demjenigen iſt, was unſer Waſſer
von ſolider Subſtantz in ſich haͤlt, und doch Cent-
ners-weiſe in und um die Brunnen kan ge-
ſammlet werden, ſo laͤſſet ſich nachrechnen, was
fuͤr einen erſtaunlichen Klumpen die Contenta
ſolida
mit einander ausmachen wuͤrden, wenn
man zum Exempel beyſammen ſehen ſolte, wie
viel das Waſſer nur in zehen oder hundert Jah-
ren aus denen Bergen heraus gefuͤhret hat.


§. 35.

Es iſt §. 22. angezeiget worden, daß
an dem Ausfluß des Trinck-Brunnens * in ei-
ner Minute 4 groſſe Eymer voll geſchoͤpffet, den
Eymer zu 30 Pfund, ſolches machet in 24
Stunden 172 800 Pfund Waſſer. Da nun
ein jedes Pfund 22 Gran harter Materie in ſich
haͤlt, wie in folgendem Capitel mit mehreren
wird erwieſen werden, und dieſe Materie mehr
als ein 350-Theil von dem Gewicht des Waſſeꝛs
aus
[69]des Pyrmontiſchen Thals.
ausmachet, ſo kommen alle 24 Stunden 500
weniger 7 Pfund heraus, welche 7 Pfund wir
auf das Waſſer, welches mir im Schoͤpffen ne-
ben dem Eymer gelauffen, rechnen wollen; ma-
chet alſo in einem eintzigen Jahre 1825. Cent-
ner Materie; wenn dieſe Zahl wieder mit 100
oder mit 1000 Jahr multipliciret wird, ſo
kommt eine unglaubliche Menge heraus. Nun
ſind der Brunnen drey, unter welchen der Bro-
del-Brunnen zum wenigſten noch einmahl ſo
ſtarck quillet, als angefuͤhrter Trinck-Brun-
nen, auch etliche Gran auf jedes Pfund mehr
haͤlt.


§. 36.

Es iſt alſo dieſes ſo wohl bey denen
unſrigen, als andern mineraliſchen immerwaͤh-
renden Quellen, * Geſund-Brunnen, und war-
men Baͤdern, wie auch bey denen Saltz-Brun-
nen das unbegreifflichſte, daß ſolche in ſo viel
hundert Jahren eine ſo gar groſſe Menge Ma-
terien herfuͤr bringen, und dennoch immerfort
an einem Ort und Stelle mit gleicher Maaß
und Gewicht ihres Inhalts continuiren.


Man mag ſich auch den unterirdiſchen Vor-
rath von Eiſen- und Schwefel-Kieſen und von
anderen Materien, welche man mit dergleichen
Waſſer vermiſchet findet, ſo groß vorſtellen,
als man immer will, ſo muͤſte doch ſolcher, wo
nicht gaͤntzlich erſchoͤpfft, doch endlich gar ſehr
vermindert werden.


E 3§. 37.
[70]Cap. III. Natuͤrliche Beſchreibung

37.

Weil aber ſolches nicht geſchicht, und
von unſerem Trinck-Brunnen inſonderheit
probiret worden, daß ſolcher ohngefehr vor 40
Jahren nach des ſeligen D. Cunæi Proben, das
Pfund 20 und 2 Siebentheil Gran gehal-
ten, ich aber zwey und zwantzig Gran eher mehr
als weniger (doch mit aller moͤglichen Behut-
ſamkeit, daß nichts davon verzettelt werde)
heraus bringe, ſo ſolte aus dergleichen Umſtaͤn-
den wohl wahrſcheinlich werden, daß GOtt der
Allmaͤchtige dem unterirdiſchen Mineral-Reiche
eben den Segen und die Abwechſelung beygele-
get habe, daß in demſelben ſo wohl etwas neues
gezeuget, als das alte verzehret, und aus der
Erden heraus gebracht werde; wie wir auf ei-
ne gleiche Art und Weiſe in dem Reich derer
Gewaͤchſe und Thiere taͤglich vor Augen ſehen,
wie ſolche vergehen und wieder gebohren wer-
den, und man in der gantzen Natur einen im-
merwaͤhrenden Circulum und Abwechſelung
beobachtet, da das eine erſtirbt und vergehet,
das andere aber in deſſen Stelle aus dem Uber-
bleibſel der erſtorbenen und aufgeloͤſeten Coͤr-
per wiedergebohren und zuſammengeſetzet wird;
ob wir gleich die Regenerationes in dem Re-
gno Minerali
am wenigſten ergruͤnden, und
die wahren Urſachen derſelben entdecken koͤñen.


§. 38.

Wie das Waſſer tauſendfaͤltige Ei-
genſchafften von allerley Sachen und Materien
annehmen und in ſich faſſen koͤnne, ſolches ſehen
wir
[71]des Pyrmontiſchen Thals.
wir taͤglich vor Augen, und wiſſen ſol-
ches alle Koͤche; derowegen iſt kein Wun-
der, wenn ein gleiches an Waſſern, wel-
che durch mineraliſche Berge fallen, verſpuͤh-
ret wird. Auch laͤſſet ſich die Erhitzung des
Waſſers in warmen Baͤdern, welche ſonſt An-
fangs ſehr fremd und wunderlich ſcheinet, noch
wohl begreiffen, und kan ſonderlich deutlich
vorgeſtellet werden durch das bekante Experi-
ment,
da man eine gute Quantitaͤt geſtoſſenen
Schwefel und Eiſenfeil mit einander vermi-
ſchet, mit Waſſer anfeuchtet, und ſolches in ei-
nem Gefaͤß hinſetzet, oder in ein Loch einen Fuß
tieff unter die Erde graͤbet, da nach Verlauff
zehen oder zwoͤlf Stunden nicht allein eine heff-
tige Erhitzung folget, ſondern auch ein Schwe-
fel-Rauch Feuer und Flammen aus dieſer Mas-
ſa
herfuͤr brechen. Journal des Scavants de l’
An 1703. Tom.
2.


Daß aber in denen Bergen bey einer ſo un-
geheuer groſſen Conſumtion (wie wir angezei-
get haben) ſo wohl derer erhitzenden als ande-
cer Materien, welche die mineraliſchen Waſſer
in ſich halten, doch in hundert, tauſend und mehr
Jahren kein Mangel, ſondern ein unerſchoͤpff-
licher Vorrath und immerwaͤhrender gleich-
maͤßiger Zuwachs verſpuͤhret wird, ſolches ver-
dienet erwogen und betrachtet zu werden.


§. 39.

Bey dieſer Gelegenheit, da von der
Materie, welche das Waſſer mit ſich fuͤhret, iſt
E 4gehan-
[72]Cap. III. Natuͤrliche Beſchreibung
gehandelt worden, muß auch noch erinnert
werden, daß unſere Brunnen * weder von tro-
ckener noch naſſer Witterung einige Veraͤnde-
rung annehmen.


Es iſt bekannt, daß an vielen Orten, wo mi-
nerali
ſche Quellen ſind, geklaget werde, wie ſol-
che bey vielen Regen einen Zufluß von fremden
und wilden Waſſer bekommen. Dieſes iſt an
einigen Brunnen ſo mercklich und offenbahr,
daß ſolche auf die Helffte ſchwaͤcher werden, und
beym Abrauchen kaum halb ſo viel Materie zu-
ruͤck laſſen, als ſonſt bey truckenen Wetter ge-
ſchiehet.


§. 40.

Unſer Waſſer hingegen, welches nun
einige Jahr her wenigſtens alle Monathe ein
paar mahl abziehe, hat den Sommer und Win-
ter, Fruͤhling und Herbſt immer einerley Halt.
Es mag regnen, daß alle Baͤche und Fluͤſſe uͤber-
lauffen, und ſich auffs ſtaͤrckſte ergieſſen, es
mag frieren, ſchneyen und wieder aufthauen,
daß das gantze Erdreich durchweichet ſcheinet,
es mag auch wieder ſo lange Sonnenſchein und
trocken Wetter ſeyn als es will, ſo giebt der
Trinck-Brunnen dennoch ſeine 22 Gran, und
der Brodel-Brunnen bey 24 Gran, auch ſind
die Materien faſt iederzeit in gleicher Propor-
tion,
wie wir Cap. IV. §. 17. angefuͤhret ha-
ben, und iſt der Unterſcheid, wenn man anderſt
die
[73]des Pyrmontiſchen Thals.
die noͤthige Fuͤrſichtigkeit in allen Stuͤcken bey
der Probe gebraucht hat, ſo gering, daß man
ſolchen bey ¼, ½ oder einen Gran anmercken,
und ſich dabey verwundern muß, wie alles ie-
desmahl ſo eigentlich zutreffen koͤnne.


§. 41.

Es irren ſich alſo auch diejenigen, wel-
che man oͤffters bey dem Brunnen raiſoniren
hoͤret. * der Brunnen habe dieſes Jahr, den
Morgen, bey dieſem oder jenem Wetter weni-
ger Kraͤffte.


Man lernet forne an in der Phyſica, man
ſolle einem Sinne nicht alleine trauen, ſondern
dererſelben mehrere zu Huͤlffe nehmen in Er-
forſchung derer Wahrheiten. Wie offt wird
wohl vielerley Wein aus einem Faß getrun-
cken, auch von denenjenigen, die wohl ſchmecken
koͤnnen; Und wenn man gleich weiß, daß der
Wein aus einem Faß und Keller kommt, ſo
wird derſelbe doch nicht eine Zeit wie die andere
ſchmecken, ſondern nachdem der Appetit und
Durſt groͤſſer, oder nach Unterſcheid derer
Speiſen und anderer Getraͤncke, welche man
vorhero zu ſich genommen, bald einen lieblichen
und kraͤfftigen, bald einen ſchwachen oder wohl
gar wiederlichen Geſchmack haben.


§. 42.

Will ſich aber iemand mit auf den
Unterſcheid derer Wuͤrckungen beruffen, ſo darf
er nur denſelben Morgen, da er ſich das Waſ-
ſer ſchwaͤcher eingebildet, zehen und mehr an-
E 5dere
[74]Cap. III. Natuͤrliche Beſchreibung
dere um den Effect fragen, da er zum wenig-
ſten ſo viel Stimmen gegen als vor ſich wird
colligiren, und alſo den Schluß machen koͤn-
nen, daß die Wuͤrckung nach denen mancherley
Natur-Beſchaffenheiten derer Menſchen, auch
nach der Veraͤnderlichkeit derer Speiſen, der
Lufft, der Bewegung und anderer aͤuſſerlichen
Umſtaͤnde in einer Perſon nicht allezeit gleich,
ſondern bald mehr bald weniger ſey, und ſeyn
muͤſſe.


§. 43.

Man koͤnte dieſen Umſtand von der
unveraͤnderlichen Beſtaͤndigkeit des minerali-
ſchen Halts in unſeren Brunnen * mit als einen
Beweißthum anfuͤhren, daß die Fontes peren-
nes
ihr Waſſer nicht vom Regen, Thau, Hagel,
Schnee, Reiff und Nebel hernehmen, wie die
meiſten Phyſici moderni nicht allein den An-
wachs und Vergroͤſſerung, ſondern auch den
Urſprung aller Qvellen daher leiten wollen.


Es iſt aber nicht contra leges hydroſtaticas,
ſondern es iſt die gemeinſte und eine bekannte
Eigenſchafft des Waſſers, daß ſich daſſelbe in
Rauch und Dunſt zertheilet, und ſichtbarli-
cher oder unſichtbarlicher Weiſe davon flie-
get.


§. 44.

Wie ſolches uͤber der Erden taͤglich ge-
ſchiehet, ſo werden wir ſonderlich auch an dieſen
Ort zwiſchen denen Bergen gewahr, daß das
Waſſer in Geſtalt eines haͤuffigen Nebels, biß-
weilen
[75]des Pyrmontiſchen Thals.
weilen mehr als zu viel aus denen Bergen her-
aus dampffet, (wolte man ſagen, es verſammle-
ten ſich die Waſſer-Duͤnſte von auſſen um die
Berge, ſo werden dagegen die ſchwereſten An-
zeigungen gefunden, wie davon bey anderer
Gelegenheit mit mehrerem ſoll gehandelt wer-
den.)


Kan nun dieſer Waſſer-Dunſt durch die
Berge herauf ſteigen, ſo kan ſich ein gleicher
Dunſt auch wol in denen Bergen concentri-
ren, und an gewiſſen Oertern, da eine ſonderli-
che Erde oder Leimen vorhanden, oder das
weitere Auffſteigen durch ein Stratum petro-
ſum
gleich als durch einen ſteinernen Deckel o-
der Gewoͤlbe gehindert wird, zuſammen ſetzen
und verſammlen.


§. 45.

Es ſcheinet, daß GOtt der Allmaͤch-
tige in der Schoͤpffung die Berge zu dieſem Ge-
ſchaͤffte eigentlich eingerichtet und zubereitet ha-
be, daß ſich in denſelben das Waſſer zu denen
Qvellen, Baͤchen und Fluͤſſen verſammlen ſolte,
daher dieſelben faſt alle an und um die Berge,
auch nicht wenige auf dem hoͤchſten Gipffel de-
rerſelben entſpringen.


Wenn nun dieſes mehr durch die aͤußerliche
Urſache des Regens, Schnees ꝛc. als durch an-
gezeigte innerliche Herauffduͤnſtung zuwege ge-
bracht werden ſolte, ſo waͤre kein Ort ungeſchick-
ter darzu, als eben die hohen Oerter und Berge;
denn nirgends dringet Regen und Schnee we-
niger
[76]Cap. III. Natuͤrliche Beſchreibung
niger in die Erde als auf denen Bergen. Es
ſchieſſet daſelbſt augenblicklich ab, und machet
viele Baͤche und Stroͤhme, welche ſich aber mit
dem Regen und Schnee gar bald wieder endi-
gen. Gar ein geringer Theil, welcher nichts
ausmachen kan, hat die Zeit ſich in die Berge
hinein zu ſencken.


§. 46.

Wie wir aber dieſes mahl einen
Schluß gemachet von dem unveraͤnderlichen
Innhalt unſers Waſſers, ſo wollen wir kuͤnff-
tig die noͤthige Anſtalten dazu machen, die Men-
ge des Waſſers ſelbſt, ſo wohl an dieſer als an-
dern beſtaͤndigen Brunn-Qvellen bey trockner
und naſſer Jahrs-Zeit zu meſſen und gantz ei-
gentlich abzuwiegen, wie viel deſſelben in einer
Minute bey unterſchiedlichen Wetter herfuͤr
qvellen wird, da denn noch mehr von der Sache
wird koͤnnen geurtheilet werden.


§. 47.

Endlich muͤſſen wir auch noch anfuͤh-
ren, was bey unſeren Brunnen durch die aͤuſſer-
lichen Sinnen koͤnne beobachtet werden. * So
bald das Waſſer mit einem Glaſe aus dem
Trinck-Brunnen geſchoͤpffet wird, ſiehet man
in demſelben unzaͤhlig viele kleine ſchnell auff-
ſteigende Perlen oder Blaͤßlein, welche ſich in-
ſonderheit haͤuffig finden, wenn das Glaß
ſtarck in den Brunnen geſtoſſen, und alſo die
Lufft unter und durch das geſchoͤpffte Waſſer
ge-
[77]des Pyrmontiſchen Thals.
gebracht wird, da ſolche in groſſer Menge mit
einem Geraͤuſch und wie ein Dampff uͤber das
Glaß herauf ſpringen, und wenn man es gegen
ſich haͤlt, einem viele Waſſer-Theilgen ins Ge-
ſicht ſprenckeln.


§. 48.

Insgemein glaubet man, dieſe auff-
ſteigenden Perlen und Blaͤßlein ſeyn die Spiri-
tus
oder der ſubtileſte Theil und Krafft des
Waſſers, daher ſind viele ſehr geſchwind dar-
uͤber her, und trincken das Waſſer mitten in ſol-
cher Bewegung gleich hinunter, damit die Spi-
ritus
ihnen nicht entwiſchen moͤgen. Wenn
man aber ohne Stoß ſachte aus dem Brunnen
ſchoͤpffet, ſiehet man wenig oder keine Bewe-
gung in dem Waſſer, und dennoch hat man
eben ſo viel vom Spiritu. Es iſt alſo die Lufft, *
welche dieſes angenehme Spiel im Waſſer ma-
chet, und ſind alle ſolche Blaͤßlein und Perlen, ſo
viel gefangene Lufft-Kuͤglein, welche in dem
Waſſer vertheilet, durch daſſelbe aber uͤberwo-
gen und herausgedruͤckt werden.


§. 49.

Zwar iſt der Spiritus die Urſache, daß
ſich die Lufft mit unſeren Brunnen ſo leicht und
haͤuffiger vermiſchet als mit andern Waſſern,
wie man ſolches in allen ſpirituoͤſen Liquoribus,
am allermeiſten aber in denjenigen, welche
durch die Gaͤhrung bereitet, und aus mancher-
ley ungleichen Materien, ſonderlich aus einer
ſub-
[78]Cap. III. Natuͤrliche Beſchreibung
ſubtiliſirten Fettigkeit und Saͤure zuſammen
geſetzet ſind, gewahr wird. Der Spiritus aber
ſelbſt verliehret ſich auf eine gantz andere Art
und Weiſe, wie Cap. IV. §. 55. ſeq. angezeiget
und erwieſen wird.


Von dieſer ſonderlichen Gemeinſchafft der
Lufft mit dem Spiritu ruͤhret auch die Elaſtiſche
oder ausbreitende Krafft des Waſſers her, wo-
durch daſſelbe die Glaͤſer und Gefaͤße, ſonderli-
chen diejenigen, in welchen man zugleich durch
den Korck die Lufft auf die Oberflaͤche des
Waſſers comprimiret hat, zerſprenget. Wie
denn auch unter der Antlia zu ſehen, daß mehr
Lufft in dergleichen Waſſern als in andern ſey,
weil ſie mehr ebulliren.


§. 50.

Die Geſtalt des Waſſers * iſt zwar
Cryſtallen-helle, doch findet man eine kleine
Spuhr einer Milch-Farbe darinnen, welche es
von denen gemeinen Waſſern unterſcheidet. So
bald das Waſſer geſchoͤpffet worden, erſcheinet
ſolche am wenigſten, hernach aber vermehret
ſich dieſelbe im offenen Glaſe und freyer Lufft
von Stunden zu Stunden, und ſolches ſo viel
geſchwinder, ie waͤrmer der Ort, da man das
Waſſer verwahret, biß endlich die Milch-Far-
be ſich allmaͤhlig in roͤthliche truͤbe Wolcken
verwandelt, womit das Eiſen ſich ſcheidet und
oben eine vielfaͤrbige glaͤntzende Haut erſchei-
net,
[79]des Pyrmontiſchen Thals.
net, da denn die gantze Mixtur umgekehrt und
veraͤndert wird. vid. Cap. IV. §. 8. ſeq.


§. 51.

Der Geſchmack * des friſchen Waſ-
ſers iſt Wein-ſaͤuerlich, ſchaͤrfflich, recht erqvi-
ckend und angenehm, doch zuletzt vitrioliſch, ſo
daß viele wuͤnſchen, daß man den letzten Ge-
ſchmack von dem erſten ſcheiden koͤnte.


Dennoch wird das Waſſer von denen mei-
ſten Brunnen-Gaͤſten mit rechter Begierde
und groſſem Appetit getruncken, immaßen
nicht wenige taͤglich mehr trincken, als ihnen or-
dini
ret iſt, und ſie zu ihrer Cur noͤthig haben,
welches ſie mit anderm Waſſer wohl wuͤrden
bleiben laſſen.


Wenn die Mixtur des Brunnens durch die
Waͤrme und freye Lufft veraͤndert wird, ſo
vergehet der ſaͤuerliche und eiſenhaffte Ge-
ſchmack allmaͤhlig, biß endlich ein gantz unge-
ſchmackt und ſtumpff Waſſer daraus wird.


§. 52.

Durch den Geruch ** wird in unſeren
Brunnen ein ſubtiler, ſchwefelichter Dunſt ver-
ſpuͤhret, welcher die Waſſer-Schoͤpffer zuwei-
len gantz taumelnd und ſchwindelicht machet.
Man wird denſelben am meiſten gewahr, wenn
die Brunnen tieff biß auf die Ausgaͤnge derer
Qvellen ausgeſchoͤpfft werden.


Es iſt dieſer Schwefel-Dunſt auch die Ur-
ſache, daß Fiſche und Froͤſche, wie auch Endten
und
[80]Cap. III. Natuͤrliche Beſchreibung
und junge Gaͤnſe, wenn man dieſelben auf dieſe
Waſſer bringet, taumelend und ohnmaͤchtig
werden, auch endlich hinfallen und ſincken,
doch geſchiehet ſolches nicht alſobald, ſondern es
koͤnnen zum Exempel die Endten zuweilen wohl
eine Stunde darauf herum ſchwimmen, ehe
man die geringſte Ubligkeit an ihnen verſpuͤh-
ret, weil die Auswitterungen des Schwefel-
Dunſtes nicht allezeit gleich ſind, ſondern nur
dann unn wann durch das Waſſer herauf ſtei-
gen, wenn auch dieſe Thiere, da ſie anfangen zu
ſincken, bald heraus gezogen werden, thut es de-
nenſelben weiter keinen Schaden weder an ih-
rem Leben noch Geſundheit, erholen ſich bald
wieder, und werden ſo friſch wie zuvor.


Eben dieſer ſaͤuerliche Schwefel-Spiritus
machet auch, daß das Waſſer nicht frieret, ſon-
dern auch in der ſtrengſten Kaͤlte Anno 1709.
und 1716. allenthalben offen und ohne Eiß ge-
blieben iſt.


§. 53.

Zum Beſchluß dieſer natuͤrlichen Be-
ſchreibung des Brunnens, muͤſſen wir auch
noch etwas melden von dem taͤglichen œcono-
mi
ſchen Gebrauch deſſelben. *


Viele Einwohner der Grafſchafft Pyrmont,
wie auch einiger nahe gelegenen Oerter, ſonder-
lich aber die Leute aus Oeſtorff, gebrauchen das
Brunnen-Waſſerdas gantze Jahr durch, Win-
ter und Sommer, gegen den Durſt und uͤber
dem
[81]des Pyrmontiſchen Thals.
dem Eſſen, als ein ordentliches Getraͤnck, und
ſiehet man taͤglich um Eſſens-Zeit viele mit
Kruͤgen und Gefaͤſſen nach dem Brunnen-
Hauſe, wie nach einer Bier-Schencke lauffen.
Auf ſolche Art brauchen dieſes Waſſer Jung
und Alte, auch viele Krancke und Bettlaͤgerige,
ja wohl Kindbetterinnen und ſaͤugende Kinder.
Sie fuͤrchten die Schaͤrffe nicht, daß es ihnen
Lung und Leber angreiffen, oder ſonſt Schaden
thun werde, ſondern wiſſen aus alter Erfah-
rung, daß es insgemein allen wohl bekomme,
den Magen geſund erhalte, und einen guten
Appetit mache.


§. 54.

Es giebt auch friſche, ſtarcke und ge-
ſunde Leute in dieſer Grafſchafft, und gelangen
viele zu einem hohen Alter, wie denn in der Pa-
rochie
des niederen Theils der Grafſchafft
in denen letzten 30 Jahren mit einander 1515
Menſchen geſtorben, unter welchen 128 ſech-
tzig-jaͤhrige; 109 von ſiebentzig; 59 von ach-
tzig; 37 von neuntzig, und 6 von hundert jah-
ren und druͤber, zuſammen 339 alte Leute ge-
zehlet worden, welche alſo beynahe 1 Viertheil,
das nach Proportion eine groſſe Zahl iſt,
ausmachen.


CAP. IV.
[82]Cap. IV. Minerali

CAP. IV.
Eigentliche Natur-Gemaͤſſe und chymi-
ſche Unterſuchungen und Proben, da-
durch der Innhalt und wahre Materie
des Pyrmontiſchen Waſſers deut-
lich erwieſen und angezeiget
wird.


§. 1.


WIr haben zwar aus der einfaͤltigen Natu-
ral-
Hiſtorie * ohne weitlaͤufftige chymi-
ſche Kuͤnſte und tieffes Nachſinnen geſehen und
in Obacht genommen:


  • 1) Daß ſich ſo wohl in der Stein-Grube,
    welche nicht weit von dem Brunnen gelegen, als
    auch in denen Quellen ſelbſt ſpirituöſe Schwe-
    fel-Duͤnſte finden Cap. III. §. 5. 52.
  • 2) Daß der Geſchmack gantz ungezweiffelt
    ſaͤuerlich, vitrioliſch, und zwar wie ein Eiſen-
    Vitriol ſey, welches eine bekannte Materie iſt,
    die aus Eiſen-und Schwefel-Saͤure beſtehet
    Cap. III. §. 51.
  • 3) Daß das Eiſen haͤuffig in und um die
    Brunnen gefunden werde, in Geſtalt einer
    roth-gelben Erde §. 29. 30. ſeq.
  • 4) Daß auch Eiſenhaltige Steine in groſ-
    ſer
    [83]der Pyrmontiſchen Geſund-Brunnen.
    ſer Menge auf der naͤchſten Hoͤhe hinter denen
    Brunnen anzutreffen §. 9. 10.
  • 5) Daß ſich in denen naͤchſten Quellen nur
    40 Fuß von dem Haupt-Brunnen ein ſchoͤner
    durchſichtiger Lapis Selenites anſetze §. 20.

§. 2.

Wie viel und wie weit man aus dieſen
Umſtaͤnden von dem Innhalt des Waſſers ur-
theilen koͤnne, wird wohl nicht ſchwehr zu be-
greiffen ſeyn. Ehe wir aber unſere Meynung
hieruͤber ſagen, und noch weitere Beweißthuͤ-
mer vor uns nehmen, wollen wir zuvor unſere
Vorgaͤnger in dieſer Sache hoͤren, damit man
nachmahls beydes gegen einander halten und
ſehen koͤnne, wie viel ſie von dem Halt unſers
Waſſers gewuſt, und was wir nach ihnen durch
eigene Erfahrung und Nachſinnen entdecket
haben.


§. 3.

D. Leonhard Thurnheiſſer und D.
Theodorus Tabernæmontanus
* ſind die aͤlte-
ſten, welche die Mixtur und Materie des Waſ-
ſers haben kennen und wiſſen wollen, und weil
dieſe beyden Autores ſo genau mit einander
uͤberein kommen, als wenn es einer von dem
andern abgeſchrieben haͤtte, ſo wollen wir hler
nur D. Theodori Worte anfuͤhren, welcher
weitlaͤufftiger als Thurnheiſſer von der Sache
handelt.


Er ſpricht in ſeinem Waſſer-Schatz p.m. 356.
F 2Es
[84]Cap. IV. Mineraliſcher Innhalt
Es haͤlt dieſer Brunnen in ſeiner Vermiſchung
die geiſtlichen Kraͤffte, (wenn man den fingirten
Coͤrper nicht erweiſen kan, ſo muß der Geiſt die
Schuld haben) und Subtilitaͤt des Ocher-oder
Berg-Geels, Niter-Saltzes, rothen Oper-
ment
s, Feuer-Schwefels oder Reuſch-Geels,
Vitriols und Alauns. Unter dieſen Stuͤcken
aber hat das Ocher-oder Berg-Geel den Pri-
mat
und Vorzug, folgends der rothe Oper-
ment
und Vitriol im gleichen Gehalt, darnach
der Sal Niter im gleichen Gehalt.


§. 3.

Nach dieſem hat Herr Bolmann* das
Brunnen-Waſſer in ſeine Theile zu ſcheiden
ſich bemuͤhet, und nachdem er im 4ten Capitel
ſeiner Brunnen-Beſchreibung die Methode
erzehlet, wie er mit dem Waſſer umgangen,
und daſſelbe diſtilliret, ſo machet er endlich den
Schluß, daß in demſelben enthalten, Eiſen-
Berg-Geel, Eiſen-Vitriol, Salpeter, Alaun,
und Cryſtallin-Saltz. Dieſe 5 Stuͤcke ſeyn in
folgender Proportion dieſem Waſſer geiſtlich
vereiniget, daß 4 Theile Eiſen-Berg-Geel, 3
Theil Eiſen-Vitriol, 2 Theil Salpeter und
Alaun und 1 Theil Cryſtallin-Saltz in demſel-
ben befindlich.


§. 5.

Herr D. Andreas Cunæus** meldet von
denen Ingredientien des Waſſers, daß er in 7
Pfund nach der Feuer-Probe gefunden habe 1
und
[85]der Pyrmontiſchen Geſund-Brunnen.
und ein halb Quentlein Eiſen-Erde, ein halb
Quentlein und 22 Gran vermiſcht Saltz vom
Sale Gemmæ, Nitro und Sale Vitrioli Martis.
Die Eiſen-Erde fuͤhre auch einen Metallen-
Schwefel und fixes Saltz mit, welches durch
Calcination und Extraction zu erfahren ꝛc.


§. 6.

Ich will mich hier nicht aufhalten, die-
ſer Medicorum Meynung nach der Laͤnge zu ex-
amini
ren, ſondern will nun gleich vortragen,
was ich durch viele Unterſuchungen und taͤgli-
che Proben in dem Waſſer gefunden habe.
Wenn ich nachmahls meine Saͤtze werde er-
weiſen koͤnnen, ſo wird von ſelbſten offenbahr
werden, worinnen andere geirret, und wie vie-
le Materien einige, als mit der groͤſſeſten Ge-
wißheit angegeben haben, von welchen doch
nicht die geringſte Spuhr in dem Waſſer an-
getroffen wird. * Wir wollen alſo zu erwei-
ſen vor uns nehmen:


  • 1) Daß der Spiritus, welcher die gantze Mix-
    tur
    und alle erſte Eigenſchafften des Waſſers
    erhaͤlt, ein ſubtiler ſaͤuerlicher Schwefel-Spiri-
    tus
    ſey.
  • 2) Daß dieſer Spiritus von dem gemeinen
    Schwefel-Spiritu, darinnen fuͤrnehmlich un-
    terſchieden, daß er eine beygemiſchte minerali-
    ſche Fettigkeit mit ſich unter der Erden herfuͤr
    bringe.
  • 3) Daß dieſer Spiritus gegen aller Auto-
    F 3rum
    [86]Cap. IV. Mineraliſcher Innhalt
    rum Meynung nicht aus dem Waſſer verfliege
    oder wegduͤnſte, ſondern im Gegentheil im
    Waſſer, ie laͤnger ie feſter werde; nehmlich
    daß
  • 4) Dieſer Spiritus ſich nach u. nach mit der
    ſubtilen ſuͤſſen Alcaliſchen Erde (welche in allen
    mineraliſchen Waſſern gefunden wird) vereini-
    ge, und alſo ein Sal Neutrum wie ein Tartarus
    vitriolatus, Sal polychreſtum,
    oder noch naͤher
    wie ein Sal mirabile Glauberi draus mache.
  • 5) Daß durch dieſe Vereinigung des ſaͤuer-
    lichen Spiritus mit dem Alcali, derſelbe das auf-
    geloͤßte und angenommene Eiſen fallen, und al-
    ſo das Waſſer alle vitrioliſche Qualitaͤten ver-
    liehren muͤſſe.
  • 6) Daß die ſubtile, ſuͤſſe, Alcaliſche Erde in
    dem Waſſer den ſaͤuerlichen Spiritum an Men-
    ge weit uͤbertreffe, und alſo der Brunn in ſei-
    ner Wuͤrckung mehr alcaliſch als ſauer ſey.
  • 7) Daß ſich noch uͤber dieſe angefuͤhrte Ma-
    ter
    ien eine reine durchſichtige cryſtalliniſche un-
    geſchmackte Subſtanz, wie ein Lapis Selenites
    oder ſolvirter Berg-Cryſtall in dem Waſſer
    finde.

§. 7.

Dieſe Saͤtze ſo viel deutlicher zu erwei-
ſen, wollen wir zuerſt die Veraͤnderungen und
Scheidungen der Materien, welche ſich in dem
Waſſer * ohne die Vermiſchung mit andern
Sachen in freyer Lufft und unter der Deſtilla-
tion
[87]der Pyrmontiſchen Geſund-Brunnen.
tion zutragen, und endlich auch was nach gaͤntz-
licher Abduͤnſtung des Waſſers zuruͤck bleibet,
kuͤrtzlich erzehlen.


§. 8.

Die erſte Veraͤnderung, welche an
dem Waſſer unter freyem Himmel verſpuͤret
wird, wenn daſſelbe hie und da in einem Loche
oder Pfuͤtze ſtehen bleibet, iſt die vielfaͤrbige
glaͤntzende Haut * mit ſchimmernden Regen-
bogen-Farben, welche oben auf dem Waſſer
ſchwimmet, und daſſelbe bedecket.


Eben dieſe vielfaͤrbige Haut erſcheinet, wenn
das Waſſer etliche Stunden in der Sonnen,
oder uͤber dem Feuer erwaͤrmet wird, doch ie
gelinder man die Waͤrme anbringet, ie mehr
pflegen ſich die Farben auf dem Waſſer zu ſpie-
geln.


§. 9.

Die andere Materie, welche aus dem
Waſſer von ſich ſelbſt heraus faͤllet, iſt die mehr
erwaͤhnte roͤthliche Eiſen-Erde, ** welche ſich in
offener und warmer Lufft, auch in allen auffs
beſte verſchloſſenen Glaͤſern, irdenen und an-
dern Gefaͤſſen nach und nach heraus ſetzet, und
allenthalben gar merckliche Spuhren hinter-
laͤſſet, wo das Brunnen-Waſſer hinkommen.


§. 10.

Wenn man dieſe Scheidung der viel-
faͤrbigen Haut und roͤthlichen Erde, durch das
Geſicht beobachten will, und ein helles Glaß
mit dem friſchen Waſſer fuͤllet, und daſſelbe of-
F 4fen
[88]Cap. IV. Mineraliſcher Innhalt
fen an eine temperirte Lufft ſetzet, ſo gehet die
Scheidung gantz langſam, ſtill und unver-
merckt von ſtatten, ſo daß man weiter nichts
gewahr wird, als daß ſich die Milch-Farbe des
Waſſers allmaͤhlich vermehret, biß endlich
roͤthliche Wolcken erſcheinen, das Waſſer truͤ-
be und mit dem Haͤutlein bedecket wird: Wel-
ches aber, nachdem die Lufft kuͤhle iſt, zuweilen
1, 2, 3 biß 4 mahl 24 Stunden dauret, ehe aller
Eiſen-und Vitriol-Geſchmack verlohren gehet,
und das Waſſer auffhoͤret die Gall-Aepffel
Purpur-blau zu faͤrben, obgleich das Waſſer
in einem ordinairen offenen Bierglaß hingeſe-
tzet worden.


§. 11.

Je mehr aber das Waſſer zugleich er-
waͤrmet wird, entweder durch die Sonnen-
Strahlen, oder uͤber dem Feuer, auch wenn
die Bouteilles mit dem Brunnen in einem Ge-
faͤß mit warmen oder ſiedenden Waſſer geſetzt
werden, ie mehr Bewegung ſiehet man in dem
Waſſer, weil alsdenn unzaͤhlige viele Lufft-
Blaͤßlein in dem Glaße mit vielem Geraͤuſche
aufſteigen, und durch die Oberflaͤche des Waſ-
ſers heraus brechen. Ein iedes Lufftkuͤglein
ſcheinet im durchſtreichen ein kleines Theilgen
an die blaulichte Haut uͤber dem Waſſer anzu-
fuͤhren, welche ſich nach und nach dadurch ver-
mehret und dicker wird.


Dieſe Bewegung waͤhret in einer ziemlichen
Hitze dennoch bey zwey Stunden, ſo daß das
Waſſer
[89]der Pyrmontiſchen Geſund-Brunnen.
Waſſer in einem offenen Glaße brennheiß *
werden kan, ehe ſeine erſte Mixtur gaͤntzlich auf-
geloͤſet wird, indem es in ſolcher Waͤrme noch
eine gute Weile ſtarck nach Eiſen ſchmecket,
und die Gallaͤpffel ſchwaͤrtzlich und Purpur-
blau faͤrbet.


§. 12.

Endlich aber, wenn alle Bewegun-
gen der Lufft-Blaͤßlein aufgehoͤret, das gantze
Waſſer gelb und truͤbe, und die Haut uͤber
demſelben dicke geworden, ſo wird allmaͤhlich
ein gantz ſtumpff abgeſchmackt Waſſer draus,
in welchem man keine Spuhr ſeiner erſten Ei-
genſchafft mehr antreffen kan. Wenn man
alsdenn die Eiſen-Erde einige Tage ſich recht
ſetzen, und hernach das Waſſer durch ein Loͤſch-
Papier lauffen laͤſſet, ſo hat man wieder ein Cry-
ſtallen-helles Waſſer, welches in einem ver-
ſchloſſenen Glaſe helle bleibet, aber nach nichts
als ein wenig ſaliniſch, wenn man wohl darauf
acht hat, ſchmecket.


§. 13.

Bringet man unſer Waſſer in einen
glaͤſern Kolben, ſetzet einen Helm darauff, und
faͤnget alſo in einem verſchloſſenen Glaſe an zu
deſtilliren, ** ſo erſcheinen unten im Kolben eben
diejenigen Veraͤnderungen, welche ſich in of-
fener freyer Lufft und Waͤrme zutragen. Die
ſchoͤnen Farben, welche einige unter der De-
ſtillation
im Helm obſerviret haben wollen,
F 5finden
[90]Cap. IV. Mineraliſcher Innhalt
finden ſich nicht mehr, als wie ſonſt bey Deſtilli-
rung des gemeinen Waſſers, das Licht, Glaß
und die Waſſertropffen, allerley Wiederſchein
und Regenbogen-Farben zu formiren pfle-
gen.


§. 14.

Auch hat das heruͤber deſtillirte
Waſſer, das erſte ſo wenig als das letzte, keinen
ſchwefelichten Geruch noch Geſchmack, wird
auch nimmer riechend, wenn es nur vor andern
faulenden Sachen verwahret wird. Es ſchme-
cket aber ein wenig, als wenn etwas im Kolben
angebrannt iſt, ob man gleich mit der gelinde-
ſten Waͤrme, und ex Balneo Mariæ deſtilliret
hat. Dieſer Brand-Geſchmack vergehet all-
maͤhlich, inſonderheit wenn das Glaß, worin-
nen das Waſſer verwahret wird, nicht gar zu
feſt verſchloſſen iſt. Ziehet man es zum andern
mahl ab, ſo bleibet eine kleine Spuhr einer
weiſſen Erde zuruͤck, welche mit ſauren Sachen
nicht aufwallet, eben wie von andern Waſſern,
wenn man ſolche zu zweyen oder mehr mahlen
abrauchen laͤſſet, zu haben iſt.


§. 15.

Nimmt man eine groſſe Quantitaͤt
friſches Waſſer, thut ſolches in einen groſſen
Recipienten oder Kolben, welcher oben ein en-
ges Loch hat, und noch nicht abgeſprenget iſt,
laͤſſet das Waſſer darinnen ſo geſchwind und
ſtarck erhitzen, als immer moͤglich iſt, und haͤlt
die Naſe oben druͤber, ſpuͤhret man dennoch
nicht
[91]der Pyrmontiſchen Geſund-Brunnen.
nicht das allergeringſte mehr, als gemeinen
warmen Waſſer-Dunſt.


§. 16.

Laͤſſet man das Waſſer etwas uͤber
die Helffte mit gantz gelinder Waͤrme abrau-
chen, * und ſtellet ſolches 24 Stunden an ei-
nen kuͤhlen Ort, ſo pfleget ſich eine Menge klei-
ner laͤnglicht durchſichtiger Cryſtallen anzuſe-
tzen, welche keinen Geſchmack haben, auch mit
ſauren Sachen nicht aufwallen. §. 116.


§. 17.

Wenn man das Waſſer gleich voͤllig
nach einander wegrauchen, und gaͤntzlich aus-
trocknen laͤſſet, ** ſo bleibeteine braune roͤthliche,
mit etwas weiß untermiſchte Materie zuruͤck:
von einem Pfund Waſſer aus dem Trinck-
Brunnen 22 Gran ſchwehr; von dem groſſen
Brodel-Brunnen 24 Gran; von dem niedern
Bade-Brunnen 15 Gran; von dem Berg-
Saͤuerling 5 oder 6 Gran.


Uber dieſes Sediment oder zuruͤck gebliebene
trockene Materie, gieſſe ich ein wenig deſtilliret
rein Waſſer, laſſe ſolches erwaͤrmen und durch
ein Loͤſch-Papier lauffen, hernach wieder biß
zur Trockne abrauchen, ſo bekomme ein gelin-
des weiſſes, bitteres Saltz: *** von dem Trinck-
Brunnen 6 oder 7 Gran, aus einem Pfund
Waſſer; von dem Brodel-Brunnen 7 oder 8
Gran, von dem andern Bade-Brunnen 5 oder
6 Gran;
[92]Cap. IV. Mineraliſcher Innhalt
6 Gran; von dem Berg-Saͤuerling ein paar
Gran. Das uͤbrige von dem Sedimento, wel-
ches ſich im Waſſer nicht aufloͤſen laͤſſet, iſt die
alcaliſche ſuͤſſe Erde, die roͤthliche Eiſen-Erde,
und die cryſtalliniſche Subſtantz, von welchen
Stuͤcken mit einander im nachfolgenden aus-
fuͤhrlich gehandelt wird.


§. 18.

Wenn die bekannte glaͤſerne Waſſer-
Wage * in das friſche Waſſer geſetzet wird, ſo
ſencket ſich dieſelbe auf dem unterſten Grad; ſo
bald aber das Waſſer anfaͤnget truͤbe zu wer-
den, und ſeinen ſaͤuerlichen Geſchmack zu ver-
liehren, ſincket das Staticum vitreum auf 2
Grad, und bey unſerm gemeinen ſuͤſſen Waſſer
gehet es biß an den dritten Grad hinunter.


Weil auch ſonſt von andern Sauer-Brun-
nen und Aquis chalybeatis bekannt, daß wenn
ſolche alſobald bey der Quelle gewogen worden,
dieſelbe ungeachtet ihres mineraliſchen Haltes
leichter geweſen, als gemein Waſſer, ja ſelbſt
als Regen-und deſtilliret Waſſer, ſo nahm eine
glaͤſerne Phiole mit einem langen engen Halſe,
that fuͤnff Pfund von unſerm hieſigen gemeinen
ſuͤſſen Waſſer hinein, zeichnete mit einem Dia-
manten, wie hoch das Waſſer in den Halß rei-
chete. Hernach goß dieſes Waſſer hinweg,
und wug auf das genaueſte 5 Pfund von unſerm
Trinck-Brunnen in die Phiole, ſo kam die
Maaß ſo weit mit dem gemeinen Waſſer uͤber-
ein,
[93]der Pyrmontiſchen Geſund-Brunnen.
ein, daß nur 2 Drittheil Quentlein dazu gefuͤl-
let werden muſten, mit welchem es dem gemei-
nen Waſſer voͤllig gleich kam, alſo daß die Spi-
ritus,
oder vielmehr die Lufft mit und bey denen
Spiritibus die 5 Pfund Waſſer uͤber ein Quent-
lein leichter gemachet, als ſolches ſonſten nach
Ausrechnung des Sediments haͤtte ſeyn muͤſſen.
Nachmahls, da ich dieſes Experiment einige
mahle wiederhohlet, habe gefunden, daß dieſe
Maaß ſich veraͤndere, und daß das Waſſer,
nachdem die Lufft ſchwehrer oder leichter, auch
mehr oder weniger von demſelben in ſich nehme,
welches D.V. bey einer andern Gelegenheit um-
ſtaͤndlicher und gruͤndlicher ſoll unterſuchet
werden.


§. 19.

Dieſes ſind nun die vornehmſten Um-
ſtaͤnde und Veraͤnderungen des Waſſers, auch
die Scheidungen der Materien aus demſelben,
welche ſich theils von ſelbſt, theils durch Ver-
duͤnſtung des Waſſers von der Sonnen Waͤr-
me und durch die Deſtillation uͤber dem Feuer
zutragen. Wir wollen alſo die wahren Urſa-
chen der angeregten Phænomenorum unterſu-
chen, und dieſelben durch andere Natur-ge-
maͤſſe Experimenta weiter erlaͤutern, und ein ie-
des wohin es gehoͤret auf unſere Saͤtze applici-
ren.


§. 20.

Das erſte* ſo wir zu erweiſen und dar-
zuthun vorgenommen haben, iſt:


Daß
[94]Cap. IV. Mineraliſcher Innhalt

Daß derSpiritusin unſerm Waſſer,
welcher die gantze
Mixturund alle erſte
Eigenſchafft des Waſſers erhaͤlt, ein
ſub-
til
er ſaͤuerlicher Schwefel-Spiritusſey.


Es wird dieſer Satz wohl den groͤſſeſten
Beyfall finden, weil die meiſten Brunnen-kuͤn-
dige Medici ſchon vorhin der Meynung ſind,
daß die Spirituoſitaͤt in allen mineraliſchen
Waſſern, ſonderlich aber in denen ſo genannten
Sauer-Brunnen, aus dem Schwefel der
Eiſenkieſe herruͤhre.


§. 21.

Weil aber dennoch verſchiedene un-
ter denen neuern Autoribus gefunden werden, *
welche, da ſie geſehen, daß das Alcali in denen
mineraliſchen Waſſern prædominire, und nicht
finden koͤnnen, wo ſich die Saͤuere hin verſte-
cke, (weil auch kein Vitriol aus dergleichen
Waſſern bereitet werden kan) auf die Gedan-
cken gerathen, es ſey gar keine Saͤure vorhan-
den geweſen, ſondern der Spiritus ſey mehr ei-
ner alcaliſchen Natur, ein Gas Sulphureum ex
Marte
ohne Saͤure, wie der Dunſt der da auf-
ſteiget, wenn man einen Spiritum Sulphuris
per Campanam,
oder Spiritum vitrioli uͤber
Eiſenfeil ſchuͤttet; ſo wollen wir doch hier die-
jenigen Anzeigungen und Experimenta anfuͤh-
ren, welche zum wenigſten in unſerem Waſſer
das Acidum ſulphuris erweiſen, obgleich in
demſelben auch das Alcali, wie in andern
Brun-
[95]der Pyrmontiſchen Geſund-Brunnen.
Brunnen den Vorzug hat, und unter dem ſech-
ſten Satz §. 108. wird vorgeſtellet werden.


§. 22.

Erſtlich duͤncket mich, daß es hier auch
wohl heiſſe; vox populi, vox Dei: Ein ieder
der da weiß was ſauer iſt, wird gleich den Ge-
ſchmack* des Waſſers zu dem Geſchlecht der
ſauren Sachen zaͤhlen, ob es wohl keine angreif-
fende corroſiviſche und widerliche, ſondern viel-
mehr eine gebundene Saͤuere iſt: ein ange-
nehmer, raͤſcher, bitzelnder Geſchmack auf der
Zunge, wie man ſolches von Wein, Breyhan,
Bier und andern durch die Gaͤhrung bereiteten
Liquoribus zu exprimiren pfleget, wenn dieſel-
be ihre rechte Art und Annehmlichkeit durch die
Fermentation erlanget haben. Daher denn
auch ſolche Waſſer durchgehends den Nah-
men Acidulæ, Sauer-Brunnen, Sauer-
Waſſer bekommen haben.


§. 23.

Zum andern iſt der Geſchmack, und
der geringe metalliſche Geruch des Waſſers ſo
offenbahr vitrioliſch, daß auch Kinder ſolchen
zu bedeuten, und mit einem Dinten-Geſchmack
zu vergleichen wiſſen. Wenn man ein wenig
Eiſen-Vitriol in einer guten Quantitaͤt gemein
Waſſer aufloͤſet, und etliche Tropffen von dem
Spiritu Sulphuris, vel vitrioli volatili dazu
thut, ſo riechet und ſchmecket daſſelbe dem Sau-
er-Brunnen ſo gleich, daß iemand ſeinen Sin-
nen die groͤſſeſte Gewalt anthun muͤſte, welcher
laͤu-
[96]Cap. IV. Mineraliſcher Innhalt
laͤugnen wolte, daß zwiſchen dieſen beyden Li-
quoribus
keine merckliche Verwandſchafft ſey.


Noch aͤhnlicher ſchmecket dieſe Mixtur dem
Sauerbrunnen, wenn man eine friſche Solutio-
nem ferri per Spiritum Sulphuris vel Vitrioli
in
eine gute Portion gemein Waſſer troͤpffelt, und
noch etwas von gedachten Spiritibus, auch ein
wenig von dem Sale mirabili Glauberi dazu thut.


§. 24.

Drittens haben wir auch Cap. 3. §. 5.
angefuͤyret, daß ſo wohl in der Gegend nicht
gar ferne von dem Brunnen, als auch in unſern
Quellen ſelbſt ſchwefelichte, ſaͤuerliche Aus-
daͤmpffungen* verſpuͤhret werden, welche in
der Stein-Grube ſo durchdringend und haͤuf-
fig, daß allerhand kleine Thiere davon wie von
gemeinem Schweffel-Rauch erſticket ſind.
Cap. 3. §. 5. In denen Quellen ſelbſt bricht
zwar dieſer Dunſt nicht in ſolcher Menge aus,
daß er ſo geſchwind ſolte erſticken koͤnnen, indeſ-
ſen thut er doch allmaͤhlich eben dergleichen Ef-
fect,
machet Menſchen und Vieh ſchwindlich,
taumlend, und endlich gantz ohnmaͤchtig und
hinfallend. Cap. 3. §. 52.


Ob nun gleich dieſer Dunſt nicht gaͤntzlich
ſeyn kan, wie der Rauch vom angezuͤndeten
Schwefel, weil unſere Kieſe unter der Erden
nicht brennen, ſo laͤſſet ſich doch leicht ſchlieſſen,
auch zum Theil durch den Geruch empfinden,
daß dieſer Dunſt, und alſo auch das Waſſer,
durch
[97]der Pyrmontiſchen Geſund-Brunnen.
durch welches er heraus wittert, nicht ohne
Saͤure ſey. Auch haben wir Cap. 3. §. 12. an-
gemercket, daß der Schlamm und die gebrann-
ten Steine aus der Stein-Qvelle wie Schwefel
riechen, und alſo vermuthlich das Waſſer da-
ſelbſt ſeine Krafft, dieſe groͤbere ſteinigte Ma-
terie in ſich zu faſſen, aus der Schwefel-Saͤure
hergenommen, daher denn ein gleiches Men-
ſtruum
in denen Waſſern in der Nachbarſchafft
zu vermuthen.


§. 25.

Vierdtens ſind es allein die ſauren
Spiritus, welche die Materien, ſo in dem Waſſer
enthalten, auffloͤſen, und in der Geſtalt eines
hellen Liquoris conſerviren koͤnnen. * Es iſt
bekannt, und wir haben es im vorhergehenden
gnugſam angezeiget, wie leicht die Mixtur der
Sauer-Brunnen aus einander gehet, und die
Materien aus denſelben ſich ſcheiden; wenn
man aber etliche Tropffen von dem Salpeter
oder Saltz-Saͤure, ſonderlich aber von dem Spi-
ritu Sulphuris vel Vitrioli
dazu miſchet, daß
die Saͤure in dem Waſſer anfaͤnget zu prædo-
mini
ren, ſo bleiben alle Materien beſtaͤndig auf-
geloͤſet, und das Waſſer bleibt in Kaͤlte und
Waͤrme Cryſtallen-helle, es ſcheidet ſich auch
nichts aus demſelben, biß man ſolches faſt gaͤntz-
lich wegrauchen laſſen.


Hat man ein Waſſer, welches ſchon gantz
turbiret iſt, und troͤpffelt von dem Spiritu Vi-
Gtrioli
[98]Cap. IV. Mineraliſcher Innhalt
trioli etwas dazu, ſo wird uͤber einer gelinden
Waͤrme alle Eiſen-Erde, und was das Waſſer
ſonſt fallen laſſen, wieder auffgeloͤſet, und wird
aufs neue durchaus helle. Daher nicht un-
deutlich zu ſchlieſſen, daß das Menſtruum oder
dasjenige, welches das Waſſer geſchaͤrffet, und
demſelben die Auffloͤſungs-Krafft mitgetheilet,
ein Acidum geweſen ſeyn muͤſſe.


§. 26.

Es erregen zwar die ſauren Spiritus in
unſerm Waſſeꝛ eine ziemliche Efferveſcentz, wie
mit mehrern unter dem 6ten Satz §. 109. ange-
deutet wird, indeſſen ſchlagen ſolche doch keine
Materien aus demſelben nieder, ſondern erhal-
ten vielmehr die Mixtur, und machen ſolche, wie
ſchon geſaget, beſtaͤndig; hingegen machen die
Alcaliſchen Saltze, * z. e. eine Solutio von ge-
branntem Weinſtein-Saltz, Pott-Aſche und
dergleichen, das Waſſer alſobald truͤbe und
præcipitiren aus demſelben nach und nach das
meiſte, was in demſelben auffgeloͤſet war. De-
rowegen auch hier die chymiſche Regul zutrifft,
daß was durch ſaure Sachen auffgeloͤſet wor-
den, durch Alcalia præcipitiret werde, und vice
verſa.


§. 27.

Fuͤnfftens iſt bißher noch nicht erwie-
ſen worden, daß aus denen Mineralien ein an-
derer als ſaurer Spiritus** entſtehen oder zube-
reitet und in einen Liquorem gebracht werden
koͤn-
[99]der Pyrmontiſchen Geſund-Brunnen.
koͤnne, wenn alſo das ſubtile, raͤſche und ſchaͤrff-
lichte in dem Waſſer ein Spiritus, und zwar ex
Mineralibus
ſeyn ſoll, ſo muß ſolcher ſaͤuerlich
mit ſeyn. Die Saͤure aber iſt bey denen mei-
ſten Mineralien und Metallen allenthalben in
und mit dem Schwefel anzutreffen, und ſtecken
an vielen Orten gantze groſſe Gebuͤrge und
weitlaͤufftige unterirrdiſche Gegenden davon
voll. Inſonderheit wird durch den gantzen
Erdboden und in denen meiſten Bergwercken
Europæ Eiſen und Schwefel in denen Pyritis
oder mancherley Arten der Kieſe ſehr haͤuffig
beyſammen gefunden.


§. 28.

Da nun von dem gelehrten Englaͤn-
der D. Martin Liſter in ſeinem Tractat de Fon-
tibus medicatis Angliæ
ſchon vor mehr als 30.
Jahren gantz deutlich erwieſen, und vor wenig
Jahren von dem beruͤhmten Koͤniglichen Pohl-
niſchen Leib-Medico und Prof. Publ. zu Wit-
tenberg, Herrn D. Bergern, in einer Diſſerta-
tion de Thermis Carolinis
ſehr umſtaͤndlich
ausgefuͤhret worden, daß der wahre Urſprung
und alle Ingredientien und Materien* der
Sauer-Brunnen und warmen Baͤder in denen
angefeuchteten und durch das Waſſer erweiche-
ten Pyritis oder Kieſen zu finden, welche Wahr-
heit anietzo von allen Brunnen- und Berg-ver-
ſtaͤndigen Phyſicis angenommen wird, ſo be-
G 2kraͤff-
[100]Cap. IV. Mineraliſcher Innhalt
kraͤfftiget auch dieſes, daß der Spiritus der mi-
nerali
ſchen Waſſer aus der Saͤure gebohren
werde, weil die Kieſe ſonſt nichts ſpirituoͤſes in
ſich haben, und dieſelben aus Schwefel, Eiſen,
und einer ſteinigten Materie beſtehen.


§. 29.

Sechſtens haben wir auch einen deut-
lichen und uͤberzeugenden Beweiß a poſteriori
in unſerm Waſſer gefunden, daß angeregter
Spiritus nicht allein ſauer, ſondern auch in ſpecie
die Schwefel-Saͤure ſey. * Wir haben nehm-
lich unter dem 4ten Satz §. 55. ſeq. erwieſen,
daß das Saltz des Waſſers aus einem Alcali
und der Schwefel-Saͤure beſtehe, und durch
Zuſatz einer Fettigkeit wieder zu Schwefel, aus
dem Schwefel ein Spiritus acidus, oder mit dem
Eiſen ein Vitriol koͤnne gemacht werden; Auch
kan man nach dem 66ſten §. ohne Zuſatz aus
dem bloſſen Brunnen-Saltz eine Portion foͤrm-
lichen Schwefel ſublimiren.


Wer nun den Urſprung dieſes Saltzes, wie
ſolcher unter angefuͤhrtem Satz erklaͤret wor-
den, auch die Generation des Schwefels recht
erwaͤgen und die uͤbrigen Anzeigungen und Ex-
perimenta
dagegen halten will, demſelben wird
verhoffentlich wenig Zweiffel uͤbrig bleiben, daß
der Spiritus unſers Waſſers aus der Schwefel-
Saͤure der Kieſe herſtamme.


§. 30.

Zum ſiebenden wird die Sache gantz
ausgemachet und unwiederſprechlich decidiret
durch
[101]der Pyrmontiſchen Geſund-Brunnen.
durch das Experiment §. 66. da durch die ſim-
ple Deſtillation
des Brunnen-Saltzes ein Spi-
ritus ſulphuris vel vitrioli volatilis
heruͤber
koͤmmt, mit welchem man aus dem Eiſen Vi-
triol
machen, den Tartarum vitriolatum com-
poni
ren, und alle bekannte Wuͤrckungen des
angeregten Spiritus haben kan.


§. 31.

Wir wollen alſo ferner ſehen: Wie
dieſer
Spiritusvon dem gemeinen Schwe-
fel-
Spiritudarinnen fuͤrnehmlich unter-
ſchieden, daß demſelben eine
mineraliſche
Fettigkeit oder von dem
ſubtiliſirten ver-
brennlichen
Principioder Kieſe etwas
anklebe, und unter der Erden beygemi-
ſchet worden.
Es iſt zwar bekannt, daß we-
nig mineraliſche Waſſer gefunden werden, in
welchen ein rechter foͤrmlicher Schwefel anzu-
treffen, ſonderlich unter denen kalten Brunnen,
indeſſen ſchwatzen doch faſt alle Autores in ih-
ren Brunnen-Beſchreibungen, daß ſie einen
Schwefel in ihren Waſſern obſerviret, bald
ſoll es ein guͤldiſcher Schwefel, bald ein Metal-
len-Schwefel, bald ein fixer Eiſen-Schwefel
geweſen ſeyn. Es laͤſſet ſich dieſes alles gar
leichte ſagen aber ſchwer erweiſen.


§. 32.

Der gemeine Schwefel beſtehet aus
viel concentrirter Saͤure und ein wenig Fet-
tigkeit und Terreſtritaͤt, ** iſt alſo ein offenba-
G 3res
[102]Cap. IV. Mineraliſcher Innhalt
res Mixtum, welches ſich ohne Zuſatz eines
ſcharffen alcaliſchen Saltzes im Waſſer durch-
aus nicht auffloͤſen laͤſſet. Wenn aber dieſes
geſchiehet entweder durch die Kunſt, oder wenn
auch von Natur der Schwefel durch ein Alcali
ſolvi
ret in Baͤdern und Bruͤnnen gefunden
wird, * ſo giebt derſelbe in ſolcher Beſchaffen-
heit dem Waſſer einen ſtarcken faulen Ge-
ſchmack; Daher einige Brunnen den Nahmen
Faul-Brunnen (wie in Franckfurt in dem
Gaſt-Hof zur guͤldenen Birn) bekommen ha-
ben, und der Geſchmack verſchiedener warmen
Baͤder mit dem Geſchmack fauler Eyer vergli-
chen wird, auch dergleichen Waſſer das Sil-
ber erſtlich gold-faͤrbig und endlich ſchwartz ma-
chen, wie eine gemeine Solutio ſulphuris per Al-
cali
zu thun pfleget.


§. 33.

Dieſe Merck-Zeichen ſind in unſerm
Waſſer keines weges anzutreffen, daher man
keinen foͤrmlichen Schwefel in demſelben ſta-
tui
ren, wol aber aus denen Contentis des Waſ-
ſers wieder zuſammen ſetzen kan. §. 66. Daß
aber eine Fettigkeit und verbrennliches Weſen
darinnen enthalten, ** ſolches offenbaret ſich
erſtlich, wenn man das getrocknete roͤthliche Se-
diment
des Brunnens auf geſchmoltzenen Sal-
peter
wirfft, da man gar deutlich ſiehet, daß ſich
viele Theilgen von demſelben mit dem Salpe-
ter
[103]der Pyrmontiſchen Geſund-Brunnen.
ter entzuͤnden. Solches geſchiehet noch viel
mercklicher, wenn man eine gute Qvantitaͤt von
der vielfaͤrbigen Haut von dem Waſſer ſamm-
let, trocknet und ebenfalls auf flieſſenden Salpe-
ter
wirfft, da viele helle Funcken aus der Ma-
terie herfuͤr brennen, welches mit ausgebrann-
ten Crocis und andern Materien, in welchen
nichts verbrennliches ſtecket, nicht alſo von ſtat-
ten gehet.


§. 34.

2) Wenn die rothe Eiſen-Erde* des
Brunnens in einem verſchloſſenen Tiegel ohne
den geringſten Zuſatz geſchmoltzen, nachmahls
geſtoſſen wird, ſo folget ſolches mit einander
dem Magneten, welches wiederum mit aus-
gebrannten Eiſen-Crocis, aus welchen alles
verbrennliche gaͤntzlich heraus getrieben, nicht
angehet, ſondern ehe der Magnet ſolche wieder
bewegen kan, muß denenſelben zuvor ein Zuſatz
von fetten oder verbrennlichen Sachen gegeben
und eingeſchmoltzen werden.


§. 35.

3) Weil nach dem 14den §. das vom
Brunnen abdeſtillirte Waſſer mercklich nach
dem Brand ſchmecket, ** ſo iſt auch daher zu ver-
muthen, daß etwas verbrennliches in demſelben
vorhanden ſeyn muͤſſe, inmaſſen dergleichen Ge-
ſchmack nur von Fettigkeit und verbrennlichen
Sachen herzuruͤhren pfleget. 4) Weil fette
Sachen leichte ſind und uͤber dem Waſſer
G 4ſchwim-
[104]Cap. IV. Mineraliſcher Innhalt
ſchwimmen, auch allerhand Farben zu repræ-
ſenti
ren pflegen, ſo hat man das §. 8. beſchrie-
bene vielfarbige Haͤutlein bißher als die fuͤr-
nehmſte Anzeigung der Fettigkeit gehalten, wel-
ches aber dennoch groͤſſeſten theils aus der roͤth-
lichen Eiſen-Erde beſtehet, auch zu Eiſen kan
geſchmoltzen werden. 5) Weil unter der De-
ſtillation
des Brunnen-Saltzes * wieder ein
foͤrmlicher Schwefel miſciret und ſublimiret
wird, und ſolches ohne Fettigkeit nicht geſche-
hen kan, ſo wird dieſes Principium dadurch un-
ſtreitig erwieſen. §. 66.


§. 36.

Woher nun dieſe Fettigkeit in dem
Waſſer ihren Urſprung nehme, ** und wie ſol-
che mit denen ſaͤuerlichen Theilgen in demſelben
verbunden werde, ſolches kan unter folgenden
Umſtaͤnden betrachtet werden: Es iſt zu ver-
muthen, daß die Eiſen-Kieſe, *** woruͤber die
kalten mineraliſchen Waſſer lauffen, nicht ſo
reichhaltig als andere Kieſe, welche durch Be-
feuchtung des Waſſers unter der Erden zu-
gleich hefftig erhitzet werden. Wie denn be-
kannt, daß nicht allein vielerley Gattung der Kie-
ſe in denen Bergwercken gefunden werden, ſon-
dern daß auch Kieſe, welche viel Metall und
Schwefel-Saͤure in ſich halten, dennoch nicht
ſo viel Fettigkeit haben, daß eine gnugſame
Men-
[105]der Pyrmontiſchen Geſund-Brunnen.
Menge Schwefel in denen Schmeltz-Oefen da-
von abgetrieben werden und die Ausſchwefe-
lung die Unkoſten belohnen koͤnne. Daher
man ſolche Kieſe zum Vitriol-machen gebrau-
chet, dieſelbe Schicht-weiſe mit Holtz uͤber ein-
ander haͤuffet, roͤſtet und die wenige Fettigkeit
heraus brennet. Oder wie ſich der Englaͤndi-
ſche Kieß tractiren laͤſſet, und ich zu Deptford,
unweit London, geſehen, woſelbſt ſolcher in
groſſer Menge auf einen Platz bey denen Vitri-
ol
Haͤuſern in freyer Lufft hingeworffen und
ausgebreitet, nach und nach durch Wind und
Wetter, Regen und Sonnenſchein muͤrbe ge-
machet und erweichet wird, da denn die Fettig-
keit mit einem ſchwefelichten Geruch davon flie-
get, und die ſchwereſte Saͤure das Eiſen ſamt
etwas ſubtiler ſteinigter Materie auffloͤſet, und
in die untergelegten Rinnen zuſammen flieſ-
ſet.


§. 37.

Wenn nun ein ſolcher Kieß, welcher
nicht reichhaltig an Schwefel, und die Saͤure
von der Fettigkeit nicht voͤllig ſaturiret iſt, unter
der Erden durch Zufluß des Waſſers zu einer
innerlichen Erregung und Zuſammenſtoßung
ſeiner ſauren, eiſenhafften, fetten und ſubtilen
ſteinigten Theilgen gebracht, und alſo reſolvi-
ret wird, ſo iſt zwar ſolche Bewegung ſo hefftig,
haͤuffig und gedraͤnge an einander ſtoſſend, nicht
wie in denen reichhaltigen Kieſen, da eine ſtarcke
Erhitzung darauff erfolget; indeſſen kan es doch
G 5auch
[106]Cap. IV. Mineraliſcher Innhalt
auch ohne Zerreibung, Subtiliſation, und Zer-
ſtreuung der Fettigkeit nicht abgehen, welche
theils durch die Poros der Erden, theils durch
die Adern und Oeffnungen der Qvellen gantz
mercklich heraus wittert und herfuͤr duͤnſtet.


Weil aber dieſes alles tieff unter der Erden
ohne Zugang und Gemeinſchafft der freyen
Lufft vorgehet, ſo bleibet deſto leichter noch et-
was von dem zerriebenen fetten, verbrennlichen
Weſen an denen ſaͤuerlichen Theilgen, oder
zwiſchen der Saͤure und denen Eiſen-Theilgen
kleben, welche Eiſen-Theilgen hinwieder durch
die Saͤure mit dem Waſſer vereiniget und
demſelben einverleibet worden, ſamt einer ziem-
lichen Quantitaͤt einer durch die mineraliſche
Saͤure ſubtiliſirten und ſolubel gemachten
cryſtalliniſchen und alcaliſchen Erde.


§. 38.

Dieſe neue aus dem Kieſe gebohrne
Mixtur bleibet in ihrer Vermiſchung und ange-
nommenen Eigenſchafften lange Zeit beſtaͤndig,
wenn man ſolcher ein Qvartier verſchaffet, wel-
ches ihrem Geburths-Ort gleich, nemlich wenn
dieſelbe von Gemeinſchafft der freyen Lufft ver-
ſchloſſen, und unter der Erden in der Kuͤhle ver-
wahret wird. Je mehr aber die freye Lufft und
die Waͤrme in die Mixtur eindringen kan, ie ge-
ſchwinder verurſachet ſolche* eine neue Bewe-
gung und Zuſammenſtoſſung der unterſchiedli-
chen und zum Theil wiederwaͤrtigen Materien
in
[107]der Pyrmontiſchen Geſund-Brunnen.
in dem Waſſer, da denn zu erſt ein Theil der
Fettigkeit ſtaͤrcker an die Eiſen-Theilgen gerie-
ben, und mit denenſelben nach der Ober-Flaͤche
des Waſſers getrieben wird: Weil dieſes ver-
brennliche Weſen ohnedeß von Natur leicht iſt,
und gerne in die Lufft ſteiget; Ein anderer ge-
ringer Theil der Fettigkeit bleibt auch in dem
Brunnen-Saltze ſtecken nach dem 66ſten §.


§. 39.

Alſo formiren nun die Eiſen-Theilgen
mit der Fettigkeit die vielfarbige Haut, * und
werden durch dieſes fette Weſen ſchwimmend
erhalten, da das Eiſen ſonſt das ſchwereſte In-
grediens
in dem Waſſer iſt, und nothwendig
gleich zu Boden fallen muͤſte, wenn es nicht duꝛch
etwas leichtes und fluͤchtiges in die Hoͤhe gefuͤh-
ret und daſelbſt ſchwimmend erhalten wuͤrde.


Ich habe eine groſſe Bouteille mit einem lan-
gen engen Halſe, darinnen 6. Pfund von un-
ſerm Waſſer mit Korck und Blaſen wohl zu-
gemacht, doch ſo, daß das Waſſer nicht biß an
den Korck, ſondern einen halben Zoll unter den-
ſelben reichete. Dieſe Bouteille ſtund in mei-
ner Studir-Stube ein gantzes Jahr unbeweg-
lich, da denn das nach und nach aus der Mixtur
gewichene Eiſen alle mit einander oben in den
Halß der Bouteille geſtiegen und ſich daſelbſt
verſammlet hatte, nichts aber zu Boden gefal-
len war.


Wenn im Gegentheil das Waſſer waͤhren-
der
[108]Cap. IV. Mineraliſcher Innhalt
der Scheidung viel beweget wird, oder man
durch ſtarckes Erwaͤrmen einen guten Theil
von dem verbrennlichen Weſen in die Lufft zer-
ſtreuet, ſo iſt kein Wunder, daß ſich das Eiſen
durch ſeine natuͤrliche Schwere ſencket und zu
Grunde gehet.


§. 40.

Dieſe Verbindung der ſubtiliſirten
Fettigkeit mit dem ſaͤuerlichen Spiritu gibt dem
Waſſer den annehmlichen, kraͤfftigen und ſpiri-
tuoͤſen Geſchmack, * und daß daſſelbe nicht
herb-ſauer wie eine mit dem gemeinen Spiritu
Sulphuris aut Vitrioli
geſchaͤrfftes Waſſer,
auch nicht ſo ſtumpff und ſuͤß wie eine diluirte
Solutio Vitrioli Martis, ſondern durchdringend,
piquant und weinſaͤurlich ſchmecket.


§. 41.

Es gehet hier in dem Regno minerali
in vielen Stuͤcken eben ſo zu wie in dem Regno
vegetabili.
** Denn wie aus dem ſuͤſſen dicken
und ſchmierichten Moſt, oder aus einem abge-
ſchmackten, widerlich-ſuͤſſen Extract des Mal-
tzes durch die Gaͤhrung oder innerliche Bewe-
gung und Subtiliſation der Fettigkeit und der
ſaliniſchen ſaͤuerlichen Theilgen, ſpirituoͤſe, kraͤff-
tige, hell und angenehme Liquores bereitet wer-
den, ſo wird aus dem groben, todten Kieß durch
Zufluß des Waſſers und innerliche Erregung
ſeiner Theilgen der herrliche mineraliſche Spi-
ritus
[109]der Pyrmontiſchen Geſund-Brunnen.
ritus der Geſund-Brunnen gleichfalls aus fet-
ten und ſaͤuerlichen Materien unter der Erden
gezeuget.


§. 42.

Wie die Liquores aus denen Erd-
Fruͤchten unter ihrer Gaͤhrung einen ſulphuri-
ſchen durchdringenden Dunſt von ſich geben, ſo
daß in groſſen verſchloſſenen Kellern oͤffters die
Lichter davon ausgehen, und Menſchen ohn-
maͤchtig werden und erſticken koͤnnen, ſo erhebet
ſich ein gleichmaͤßiger Dunſt von der minerali-
ſchen Reſolution der Kieſe, welcher durch die
Oeffnungen der Qvellen, oder durch andere
gefundene Loͤcher und Ritze der Erden und
Stein-Klippen heraus wittert, und Erſtickun-
gen an Menſchen und Thieren verurſachen kan.
Cap. III. §. 5.


§. 43.

Wie die Liquores fermentati das
Haupt einnehmen und truncken zu machen pfle-
gen, ſo verſpuͤhret man eben dergleichen Wuͤr-
ckungen von denen friſchen an der Qvelle ge-
trunckenen ſpirituoͤſen mineraliſchen Waſſern,
daß viele davon gantz ſchwindelich, taumelend
und gleichſam truncken werden. Cap. III.
§. 52.


§. 44.

Wie die Lufft eine ſonderliche Ge-
meinſchafft mit Wein, Bier, Cider, Meth und
dergleichen durch die Gaͤhrung bekommt, ſo daß
ſich dieſelbe haͤuffig darunter miſchen laͤſſet, in
und uͤber dem Liquore viel tauſend Blaͤßlein
und Schaum formiret, und ſich mit demſelben
ex-
[110]Cap. IV. Mineraliſcher Innhalt
expandiret, Glaͤſer und allerhand verſchloſſene
Gefaͤſſe zerſprenget, ſo iſt eben dergleichen von
denen mineraliſchen Waſſern bekannt. Cap. III.
§. 47. 48. 49.


§. 45.

Wie dieſe ſchoͤne Temperatur und
zarte Vermiſchung des ſaliniſchen ſaͤuerlichen
und fetten Weſens durch freye Lufft und Waͤr-
me gar leicht veraͤndert, umgekehret, getrennet
und verdorben wird, ſo haben wir eben ſolches
von unſerer mineraliſchen Mixtur zur Gnuͤge
verſtanden. Wie endlich in dergleichen vege-
tabili
ſchen Liquoribus die ſaliniſche Saͤuere
nach und nach die fette Subſtantz uͤberwaͤltiget
und unterdruͤcket, auch etwas von der Fettig-
keit verdunſtet, das uͤbrige auch wol verſchim-
melt und verfaulet, ſo faͤnget im Gegentheil in
denen mineraliſchen Waſſern das Alcali nach
und nach an zu prævaliren, verſchlinget alles
ſaͤuerliche, und ſchlaͤget die Eiſen-Theilgen nie-
der, veraͤndert alſo alle Eigenſchafften des Waſ-
ſers. §. 108.


§. 46.

Daß nun offt erwaͤhnterSpiri-
tus
gegen allerAutorumMeinung nicht
aus dem Waſſer verfliege oder wegdun-
ſte, ſondern im Gegentheil in demſelben
ie laͤnger ie feſter werde, wie man auch
mit dem Waſſer umgehet,
ſolches erhellet
1) weil der Geruch des friſch geſchoͤpfften
Bꝛunnens nicht durchdringend-ſulphuriſch und
er-
[111]der Pyrmontiſchen Geſund-Brunnen.
erſtickend, * wie ſonſt alle wegfliegende Spiri-
tus
zu ſeyn pflegen, ſondern bloß vitrioliſch, und
nur zuweilen ein wenig gelind-ſchwefelicht iſt,
als wenn man einen Eiſen-Vitriol im Waſſer
auffgeloͤſet, und daruͤber riechet, entweder den
Vitriol alleine, oder mit Salpeter, gemein
Saltz und andern dergleichen Salibus neutris
vermiſchet, welches den Geruch in etwas zu ver-
mehren pfleget; Mit einem Wort, es iſt nur
ein geringer metalliſcher, etwas ſchwefelichter
Geruch, wie man von einem Stuͤck Zinn,
Kupffer, Eiſen, Silber, wie auch vom Gold ſelb-
ſten ſagen kan, daß ſolches in etwas riechet, oder
gering riechende Effluvia hat.


§. 47.

Bringet man 2) das friſche Waſſer
in groſſer Menge uͤber das Feuer, welches ſonſt
alle ſpirituoͤſe Sachen, die einiger maſſen loß
und fluͤchtig ſind, gar bald aufftreibet und ſtarck
riechen machet, ſo kan man hier den Kopff ſi-
cher uͤber einen gantzen Brau-Keſſel voll fri-
ſchen Brunnen, welchen man auf das geſchwin-
deſte durch ein ſtarckes Feuer erhitzen laͤſſet, oh-
ne alle ſpirituoͤſe Empfindung weder an den
Organis des Geruchs, noch der Reſpiration ei-
ne gantze Weile halten. Oder, wem dieſes
Experiment gar zu maſſif ſcheinet, der mache
es ſubtiler und rieche uͤber eine enge Oeffnung
eines groſſen glaͤſernen Recipienten, oder Kol-
ben, welcher mit dem friſchen Waſſer angefuͤl-
let,
[112]Cap. IV. Mineraliſcher Innhalt
let, und ſo geſchwind als moͤglich iſt, erwaͤrmet
wird; mehr als gemeinen Waſſer-Dunſt wird
er nimmer gewahr werden. v. §. 15.


§. 48.

Iſt nun der Spiritus ſo ſubtil, daß der-
ſelbe die Werckzeuge des Geruchs und der Re-
ſpiration
nicht afficiren kan, ſo mag es wol ein
rechter Spiritus ohne Materie ſeyn. Unſere
materialiſchen Spiritus aus der gantzen Materia
medica \& chymica,
ie ſubtileꝛ und fluͤchtiger die-
ſelben ſind, ie ſtaͤrcker und empfindlicher pflegen
ſolche die Nerven des Geruchs zu bewegen und
zu irritiren. Oder kan man dieſen wunderba-
ren Spiritum nur ſchmecken und nicht riechen,
da er doch wegfliegen und ſo leicht und ge-
ſchwind in die Hoͤhe ſteigen ſoll.


§. 49.

Machet man hier den Einwurff, wie
doch allbereit etliche mahle angefuͤhret worden,
daß aus unſern Qvellen ſulphuriſche Duͤnſte
herauff ſteigen,* und daß alſo offenbar gnug,
wie der Spiritus fortfliege, ſo dienet aber dieſer
Umſtand mehr zu einem Beweiß als Wiederle-
gung unſers Satzes. Denn wenn der Spiri-
tus
im Waſſer eben derſelbige, oder demjeni-
gen gleich iſt, welcher als ein ſchwefelichter
Dunſt aus denen Qvellen hervor kommt, ſo
muͤſſen beyde auch einerley Wuͤrckung haben
im Wegfliegen, und muͤſte durch das Erwaͤr-
men des Waſſers eben ein ſolcher Dunſt, wel-
cher
[113]der Pyrmontiſchen Geſund-Brunnen.
cher ſchwindlicht, taumelend und ohnmaͤchtig
machet, herfuͤr kommen, welches aber nicht ge-
ſchiehet.


§. 50.

Man ſtatuiret ja nicht daß der Spiri-
tus
unter dem Einſchuͤtten in die Gefaͤſſe alle
verfliege, ſondern vielmehr ſo lang das Waſſer
noch etwas ſchaͤrfflich und vitrioliſch ſchmecket,
und die Gallaͤpffel tingiret, daß alsdenn von
dem Spiritu noch etwas vorhanden ſey. Die-
ſe Anzeigung gibt das Waſſer noch, wenns
ſchon bey 2. Stunden in einem offenen Glaſe
nach und nach brenn-heiß gemacht worden.
§. 11.


Alſo muß der Spiritus ſo ſubtil ſeyn, daß man
denſelben im Wegfliegen durch den Geruch
nicht empfinden kan, und doch muß eben der-
ſelbe zu eben der Zeit, ſo ſchwehr und feſt im
Waſſer ſtecken, daß er einen ſolchen Grad der
Hitze auf dem Sande, ſo lange, und in einem
offenen Glaſe aushalten kan.


§. 51.

Sonſt ſind auch gemeldete Auswitte-
rungen der Schwefel-Duͤnſte nicht als ein we-
ſentliches Stuͤck, ſondern nur zufaͤlliger weiſe
bey dem Waſſer. Und iſt hier die Frage nicht,
ob dann und wann uͤberfluͤßige ſulphuriſche
Spiritus, welche das Waſſer nicht alle in ſich
faſſen koͤnnen, durch die Adern der Qvellen fort-
ſtreichen, ſondern es kommt fuͤrnehmlich auff
diejenigen Spiritus an, welche eigentlich zu der
Mixtur des Waſſers gehoͤren, demſelben ein-
Hver-
[114]Cap. IV. Mineraliſcher Innhalt
verleibet ſind, und mit demſelben die uͤbrigen
Materien combiniren. Daß dieſe Spiritus
wegfliegen, ſolches wird keines weges verſpuͤh-
ret und niemahls erwieſen werden koͤnnen.


§. 52.

Wenn auch gleich das von dem fri-
ſchen Waſſer durch einen wohlverwahrten Kol-
ben und Helm abdeſtillirte Waſſer einen ge-
ringen Geſchmack wie vom Anbrennen nach
dem 4ten §. bey ſich hat, * ſo wird doch niemand
ſolches vor den Spiritum halten, weil im uͤbri-
gen die erſten Tropffen ſo wenig wie die letzten
weiter nach nichts in der Welt ſchmecken, auch
weder in Solutionibꝰ noch Præcipitationibꝰ den
allergeringſten Effect thun, alſo daß auch hier
gar keine Spuhr von dem Spiritu anzutreffen.


§. 53.

Man muß aber nicht gedencken, als
wenn angezeigte Umſtaͤnde alleine bey dem
Pyrmontiſchen als einem vermeinten ſchwere-
ren Waſſer anzutreffen, und daß andere
Sauer-Brunnen vielleicht mit mehreren und
ſubtileren Spiritibus begabt waͤren. ** Wer
ohne Vorurtheil andere Sauer-Waſſer, wel-
che er geiſtreicher, als das Pyrmontiſche (wie-
wohl mit Unrecht) zu ſeyn gedencket, examini-
ren, und nicht die gantze Subſtantz des Waſ-
ſers, welche durch die mit einem geſchwinden
Stoß unter das Waſſer gebrachte Lufft in klei-
nen Theilgen einem in das Geſicht geſprenckelt
wird,
[115]der Pyrmontiſchen Geſund-Brunnen.
wird, (v. Cap. III. §. 47.) fuͤr ſeparirte Spiritus
halten will, der wird im uͤbrigen durch keine
Kunſt-Griffe einen wegfliegenden minerali-
ſchen Spiritum aus einem Sauer-Brunnen er-
weiſen, ſondern eben diejenigen Phænomena fin-
den, welche man hier von dem Pyrmontiſchen
Waſſer angedeutet hat.


§. 54.

Es ſcheinet, daß gemeldete kleine Theil-
gen von der gantzen Subſtantz des Waſſers,
welche durch die Lufft in groſſer Menge wie ein
Rauch uͤber die Glaͤſer heraus getrieben wer-
den, die groͤſſeſte und ſcheinbareſte Urſache ge-
geben haben,* daß die Meinung von dem Weg-
fliegen der Brunnen-Geiſterlein ſo allgemein
worden, ſonderlich weil dadurch auch Nieſen,
Schwindel und allerley lrritationes im Haupte
verurſachet werden, welches aber durch die gan-
tze Subſtantz des friſchen Waſſers geſchiehet.


Haͤlt man eine glaͤſerne Scheibe uͤber ein
Glaß voll Bruñen-Waſſers, welches in ſolcher
Bewegung iſt, und faͤnget die herauff ſpritzen-
de Waſſer-Theilgen an derſelben, ſo findet man
einen Liquorem von eben dem Schrot und
Korn, wie derjenige, ſo im Glaſe zuruͤck geblie-
ben iſt, der auch eben ſo ein roͤthlich Sediment
hinterlaͤſſet, wie das uͤbrige Waſſer.


§. 55.

Wenn nun weiter die Frage iſt, wo
der Spiritus denn hinkomme und bleibe, da der-
H 2ſelbe
[116]Cap. IV. Mineraliſcher Innhalt
ſelbe nicht davon fliege, und doch ſo leicht ver-
lohren gehe? ſo wird dieſer Nodus Gordius auf-
geloͤſet werden, wenn wir ferner erweiſen: *
Daß dieſerSpiritusſich nach und nach mit
der ſubtilen ſuͤſſen
alcaliſchen Erde (von
welcher in allen
mineraliſchen Waſſern
etwas gefunden wird) vereinige, und al-
ſo ein
ſal neutrum,wie einTartarus vitriola-
tus, ſal polychreſtum,
oder noch naͤher, wie
ein
Sal mirabile Glauberidaraus mache.


§. 56.

Es iſt keine Regel in der Chymie ſo all-
gemein, wahr und bekannt, als daß ſaure Sa-
chen und Laugen-Saltze oder Alcalia, wenn ſol-
che zuſammen kommen, ſich mit einander ver-
einigen. **


Anfangs ſtreiten und beiſſen ſich (wie denen
Chymicis dieſe Redens-Art gefaͤllet) dieſelben
tapffer mit einander herum, daß ein ſtarck Ge-
raͤuſch, viel Schaum, auch oͤffters Hitze davon
entſtehet; hierauf folget alſobald eine genaue
und feſte Verbindung, und wird aus beyden ein
drittes Saltz, oder ein Liquor, welcher nicht
ſauer, auch nicht laugenhafftig, oder ohne Ge-
ſchmack, wie eine Terra alcalica, ſondern bloſſer
dings ſaltzig iſt.


§. 57.

Die Saltze, welche aus dieſer Ver-
einigung entſtehen, werden Salia neutra oder
enixa geheiſſen, wie das gemeine Saltz, Salpe-
ter,
[117]der Pyrmontiſchen Geſund-Brunnen.
ter, Alaun, Tartarus vitriolatus, Sal polychre-
ſtum, Sal mirabile Glauberi, Terra foliata Tar-
tari \&c.
einige von Natur in ſolcher Verbin-
dung gefunden, andere durch die Kunſt alſo be-
reitet werden. Und haͤlt die Saͤure, ſo fluͤchtig
und ſpirituoͤß dieſelbe auch vorhin geweſen,
nachmahls ſo feſte an dem Alcali, daß man ſol-
che offt durch das ſtaͤrckeſte Feuer nicht wieder
davon treiben kan, es ſey denn, daß ſolches durch
Huͤlffe eines Zuſatzes von andern Materien ge-
ſchehe.


§. 58.

Weil nun erſtlich der mineraliſche
Spiritus der Sauer-Brunnen nach der aller-
meiſten alten und neuen Medicorum Meinung,
hauptſaͤchlich in einer Saͤure beſtehet, * nach
dem erſten Satz §. 20. ſeq.; Und zweytens die
neueren Brunnen-kuͤndige Autores mit einan-
der uͤberein ſtimmen, daß in allen warmen und
kalten mineraliſchen Waſſern nicht allein ein
Laugen-Saltz, oder alcaliſche Erde vorhanden,
ſondern daß das Alcali auch darinnen prædo-
mini
re, nach dem 6ten Satz §. 108; ſo kan ja der
ſaͤuerliche Spiritus nicht wegfliegen, ſondern
muß ſich nach angefuͤhrter bekannten und un-
truͤglichen Regel mit dem Alcali, mit welchem
derſelbe in einem Liquore befindlich, combini-
ren, und mit demſelben ein Sal neutrum werden,
wodurch denn alle Spirituoſitaͤt verſchwindet
und verlohren gehet.


H 3§. 59.
[118]Cap. IV. Mineraliſcher Innhalt

§. 59.

Von einem ſolchen aus ſaͤuerlichen
Spiritu und Alcali zuſammen geſetzten Sale neu-
tro
haͤlt unſer Waſſer,* aus dem Trinck-Brun-
nen das Pfund 6 biß 7 Gran, aus dem Brodel-
Brunnen 7 biß 8 Gran, aus dem niedern Ba-
de-Brunnen 5 oder 6 Gran, aus dem Berg-
Saͤuerling ein paar Gran, wie ſolches §. 17.
ſchon angefuͤhret und gewieſen worden, daß das
Saltz von denen uͤbrigen Materien gar leicht
koͤnne geſchieden werden. Das Gewicht aber
iſt zu verſtehen von dem getrockneten Saltze,
ſonſt wiegen die Cryſtallen des Saltzes ſchwe-
rer, da ſolches ſo viel Waſſer in ſich genommen,
als die Cryſtalliſation erfordert.


§. 60.

Wenn man die Cryſtallen anſichtig
wird, ſolte man ſolche vor kleine Salpeter-
Staͤnglein halten, ** wenn man aber ſolche naͤ-
her betrachtet und durch Vergroͤſſerungs-Glaͤ-
ſer examiniret, findet man nicht ſo viel Ecken
und andere vermiſchte Figuren, wie bey dem
Salpeter.


Es ſind faſt alle Cryſtallen von unſerm Sal-
tze kleine laͤnglichte Parallelo-grammata mit 4
Seiten, und ſind dieſelben platt, weil die oͤberſte
und unterſte Seite breiter, als die beyden uͤbri-
gen einander horizontal entgegen geſetzten Pla-
na,
Wenn aber dieſes Saltz per Retortam,
oder durch die Calcination in einem Schmeltz-
Tie-
[119]der Pyrmontiſchen Geſund-Brunnen.
Tiegel von dem Spiritu Sulphuris volatili be-
freyet, und alsdenn aufs neue cryſtalliſiret
wird, ſo werden die beſchriebene Cryſtalli \& fi-
guræ parallelo-grammaticæ
groß, ſchoͤn und
durchſichtig, und habe ich eine Menge von den-
ſelben, welche uͤber einen halben Zoll lang und
ungefaͤhr ⅙ oder ⅛ ihrer Laͤnge breit ſind, wel-
ches ſehr angenehm anzuſehen; andere liegen
kurtz und dick auf einander, doch alle viereckig,
wie die Cryſtallen des Salis mirabilis Glau-
beri.


Wenn man dieſes Saltz uͤber einer gelinden
Waͤrme austrocknen laͤſſet, ſo wird ein ſchnee-
weiſſes Pulver daraus. Der Geſchmack* iſt
der gelindeſte unter allen Saltzen, dabey kuͤh-
lend und durchaus bitter. Man empfindet a-
ber nicht die allergeringſte Spuhr von einem
Alaun-Geſchmack, wie einige Autores gantz
unrecht und faͤlſchlich vorgeben.


§. 61.

Die Cryſtallen ſind ſo ſolubel,** daß,
wenn man gleiches Gewicht z.E. ein Loth Waſ-
ſer und eben ſo viel Saltz zuſammen in ein Glaß
thut, das Saltz durch Umſchuͤtteln und die ge-
linde Waͤrme der Hand gar bald biß auf weni-
ge Koͤrnlein zergehet, welches von keinem Sale
neutro
auſſer dem Tartaro ſolubili und der
Terra foliata Tartari, und ſolches doch nicht ſo
wol, zu geſchehen pfleget. Wenn man das
H 4auff-
[120]Cap. IV. Mineraliſcher Innhalt
auffgeloͤſete Saltz in einem Glaſe einige Tage
in freyer Lufft ſtehen laͤſſet, ſo ſteiget daſſelbe uͤ-
ber das Waſſer heraus, und formiret allerhand
Figuren, wie Zweige und Baͤumlein, auff die
Art, wie ſonderlich von dem Salpeter, auch von
einigen andern Saltzen bekannt iſt.


§. 62.

Wenn man zu der Solution des fri-
ſchen Saltzes etwas yon einem ſcharffen auff-
geloͤſeten Laugen-Saltze v. g. von Pott-Aſche,
Sale Tartari \&c. ſchuͤttet, * ſo ſchlaͤget ſolches
eine ſubtile Schnee-weiße Materie aus dem-
ſelben nieder, welche ſich wie kleine Baumwol-
len-Loͤckgen nach und nach auf den Grund ſe-
tzet, wenn ſolches nachmals von dem Waſſer ge-
ſchieden, edulcoriret und getrocknet wird, ſo iſt
es eine ſubtile alcaliſche Erde, welche mit ſauren
Sachen auffwallet.


Weil ein ſolches ausgebranntes vegetabili-
ſches Sal Alcali ſchaͤrffer und mehr ſaliniſch, als
das mineraliſche natuͤrliche iſt, ſo ſtoͤſſet jenes
die nicht ſaliniſche terreſtre Theilgen von dem
ſaͤuerlichen Spiritu ab, und verbindet ſich an de-
ren Stelle mit demſelben. Eben eine ſolche
Præcipitation verurſachet der Spiritus ſalis Am-
moniaci,
und andere dergleichen Salia volatilia
in der Solution dieſes Saltzes.


§. 63.

Sonſten wird kein Auffwallen noch
Bewegung bey dieſem Saltze verſpuͤhret von
aller-
[121]der Pyrmontiſchen Geſund-Brunnen.
allerhand Acidis und Alcalicis, welche damit
vermiſchet werden.* Von dem Oleo Vitrio-
li
aber, oder der concentrirten Saͤure des Vi-
triol
s iſt merckwuͤrdig, ** daß ob gleich ſolcher
mit dem Saltze nicht efferveſciret, iedennoch
wenn man dieſelbe uͤber das friſche nicht deſtil-
li
rte oder calcinirte Saltz ſchuͤttet, und mit dem-
ſelben vermiſchet, ſo ſteiget in dem Augenblick
ein fluͤchtiger, durchdringender, ſaͤuerlicher
Schwefel-Spiritus in die Hoͤhe, welcher eine
gute Weile nach einander gar empfindlich fort-
zuſtreichen continuiret.


§. 64.

Daher denn offenbar wird, daß ein
Theil des natuͤrlichen Acidi in unſerm Saltze
viel zaͤrter, ſubtiler und fluͤchtiger ſey, als die ge-
meine durch die Kunſt bereitete Vitriol-Saͤure
welche in dieſem Experiment das natuͤrliche,
fluͤchtigere Acidum von ſeinem Alcali abtreibet,
und ſich in daſſelbe an des erſtern Stelle ſe-
tzet.


Gieſſet man das Oleum Vitrioli uͤber den
Tartarum vitriolatum, uͤber das Sal mirabile
Glauberi,
oder uͤber das gemeine Englaͤndiſche
Saltz, ſo wird man gar nichts von einem auff-
ſteigenden penetranten Spiritu empfinden, weil
in dieſen Salibus neutris die Saͤure eben ſo
ſtarck, grob und ſchwer iſt, wie das Oleum Vi-
H 5trio-
[122]Cap. IV. Mineraliſcher Innhalt
trioli ſelbſt, und alſo demſelben das Gewicht
halten kan.


§. 65.

Es koͤmmt alſo unſer Brunnen-Saltz
in dem einen Umſtand mit demjenigen ſonder-
baren Schwefel-Saltz uͤberein, * welches der
beruͤhmte Koͤnigliche Preußiſche Leib-Medicus,
D.
Stahl, in Obſerv. ſelect. Hallenſ. Tom. I.
obſerv.
18. beſchreibet, und bereitet wird, wenn
man den Dampff des brennenden Schwefels
in leinen Tuͤchlein, welche mit einer ſaturirten
alcaliſchen Lauge angefeuchtet ſind, aufffaͤnget,
daraus denn ein ſchaͤrffliches, etwas ſaͤuerliches
weiſſes Saltz entſtehet, aus welchem der fluͤch-
tige Schwefel-Spiritus durch das Oleum vi-
trioli
gleich wieder heraus getrieben werden
kan, wie aus unſerm Saltze. Das Acidum
Nitri
und Salis communis aber kan den Spiri-
tum
aus unſerm Brunnen-Saltz nicht loßtrei-
ben, wie in jenem geſchiehet, auch ſchmecket un-
ſeres gantz bitter, und man kan nach dem 67ten
§. wieder Schwefel daraus machen, welche Ei-
genſchafften bey des Herrn D. Stahls Saltz
nicht gefunden werden. Daher denn abzu-
nehmen, daß der Spiritus, oder ein Theil deſſel-
ben in unſerm Saltze das Mittel halte, und
nicht ſo gar fluͤchtig und ſulphuriſch wie der Spi-
ritus
in angefuͤhrtem kuͤnſtlichen Saltze, im
Gegentheil aber auch nicht ſo ſtarck und ſchwer,
wie
[123]der Pyrmontiſchen Geſund-Brunnen.
wie die gemeine Vitriol-und Schwefel-Saͤure
beſchaffen ſey.


§. 66.

Wenn unſer Brunnen-Saltz* in ei-
ner glaͤſernen Retorte durch ein ſtarckes Re-
verberi
r-Feuer getrieben wird, ſo laͤſſet ſolches
den fluͤchtigen ſubtileſten Theil von dem ſaͤuer-
lichen Spiritu fahren, welcher wie ein Spiritus
Vitrioli volatiliſſimus
mit einem ſtarcken
Schwefel-Geruch die Fugen und Lutationes
unter der Deſtillation durchdringet, ** und al-
ſo heruͤber in den Recipienten koͤmmt, welches
denn der wahre Brunnen-Spiritus iſt, welchem
Vogel bißhero ſo viele vergebens nachgeſtellet
haben. Von drey viertel Pfund unſers Sal-
tzes, welches doch auf einem Stuben-Ofen wohl
ausgetrocknet war, bekam ich uͤber 6. Loth des
ſauren fluͤchtigen Spiritus, uͤber welchen man
gar ſubtil riechen muſte, wenn man nicht halb
erſticken wolte.


Alles was man von dem beſten Spiritu vitri-
oli volatili
ſagen kan, fand ſich in dieſem Li-
quore,
hatte aber einen ſtarcken empyreuma-
ti
ſchen Geſchmack, wie der Spiritus Tartari aci-
dus.
In dem Halß der Retorte hatte ſich auch
etwas von einem ſchwartzen Ruß angeleget, und
(welches ſehr notabel) uͤber ein Quentlein
foͤrm-
[124]Cap. IV. Mineraliſcher Innhalt
foͤrmlicher Schwefel.* Daß alſo die hin und
wieder in dem Brunnen-Saltz zertheilete und
ſupprimirte Fettigkeit ſich durch die Hitze wie-
der verſammlet, und zum Theil mit der Saͤure
wieder zu Schwefel geworden war.


§. 67.

Im Schmeltz-Feuer flieſſet unſer
Saltz durch eine mittelmaͤßige Hitze, und viel
leichter als der Tartarus vitriolatus,** auch iſt
der Fluß ſo ſubtil und duͤnne wie Waſſer.
Wirfft man etwas von pulveriſirten Holtz-
Kohlen oder auch von andern fetten, oͤhlichten
Sachen in das flieſſende Saltz, decket den
Schmeltz-Tiegel wohl zu, und laͤſſet es noch ei-
ne Weile im Feuer ſtehen, ſo wird ein Hepar
Sulphuris
daraus, man ſiehet den Schwefel
blaulich brennen, und es ſteiget der gewoͤhnliche
Schwefel-Geruch davon auf.


§. 68.

Dieſes Hepar Sulphuris hat alle Ei-
genſchafften und Wuͤrckungen, wie der gemei-
ne Schwefel, wenn ſolcher mit einem Laugen-
Saltze vermiſchet und geſchmoltzen wird. Weñ
man es mit Waſſer auffloͤſet, und einen deſtil-
li
rten Wein-Eßig dazu ſchuͤttet, ſo wird ein
Lacſulphuris præcipitiret, welches getrocknet
und hernach in einem glaͤſern oder irdenen Ge-
ſchirr auf heiſſem Sande zu einem foͤrmlichen
gelben Schwefel, wie man ſolchen bey Berg-
wercken aus denen Pyritis treibet, geſchmoltzen
wer-
[125]der Pyrmontiſchen Geſund-Brunnen.
werden, und aus demſelben wiederum ein ſaureꝛ
Schwefel-Spiritus per campanam, mit dem
Eiſen ein Vitriol, mit allerhand Oelen, Balſama
Sulphuris,
und ſonſt alle gewoͤhnliche Schwe-
fel-Compoſitiones und Tranſpoſitiones, wie
aus dem gemeinen Schwefel bereitet werden
koͤnnen.


§. 69

Es vereiniget ſich aber in angefuͤhrtem
Experiment die Saͤure unſers Saltzes mit der
Fettigkeit der Holtz-Kohlen und anderer ver-
brennlicher Sachen, und wird alſo aus der Fet-
tigkeit und dieſer Saͤure ein foͤrmlicher Schwe-
fel; das Alcali aber in unſerm Saltze formiret
das Hepar ſulphuris, und machet den Schwe-
fel eine gute Weile feuer-beſtaͤndig, welcher
ſonſt in offenem Feuer gar bald nach einander
wegduͤnſtet.


§. 70.

Mit dem ſauren Spiritu des Salis
communis
und des Salpeters, wie auch aus
allen andern ſauren Spiritibus* kan auf keinerley
Weiſe ein foͤrmlicher Schwefel bereitet wer-
den, daher denn unſtreitig zu ſchlieſſen, und als
ein unfehlbares Kennzeichen zu halten, daß der
ſaͤuerliche Spiritus in unſerm Waſſer und Sal-
tze das Acidum Sulphuris oder Vitrioli ſey, weil
dieſe Saͤure alleine beqvem mit einer Fettig-
keit wieder ein Schwefel zu werden, wie ſolche
in denen Pyritis oder Kieſen zuvor gewe-
ſen.


§. 71.
[126]Cap. IV. Mineraliſcher Innhalt

§. 71.

Wenn man nun weiter unſer Saltz
(nehmlich dasjenige, welches zuvor von dem
fluͤchtigen Spiritu befreyet worden. §. 66.) mit
einer beſondern Gattung der bekannten Saltze,
welche aus der Schwefel-oder Vitriol-Saͤure
und einem Alcali fixo durch die Kunſt zuſammen
geſetzet ſind, * vergleichen will, ſo iſt ſolches kei-
nem aͤhnlicher als dem Sali mirabili Glauberi.**
Es wird ſolches, wie bekannt, aus dem Sale
communi
und der Vitriol-Saͤure bereitet, da
dieſe Saͤure als die Staͤrckeſte und ſchwereſte,
die Saͤure des gemeinen Saltzes forttreibet,
und ſich an deren Stelle mit dem Alcali Salis
communis
verbindet. Aus dieſer neuen Com-
bination
entſtehet ein Sal neutrum, welches 1)
in der Cryſtalliſation, 2) nach dem Geſchmack,
3) mit der leichten Auffloͤſung im Waſſer, auch
4) mit der baldigen ſubtilen Fluͤßigkeit im
Schmeltz-Feuer, und 5) durch Zuſatz der Holtz-
Kohlen darauf folgenden Schwefel-Bereitung
gar genau mit unſerm Saltze uͤberein koͤmmt.


§. 72.

Auch iſt dieſem Saltze aͤhnlich und
gleich das Englaͤndiſche Purgir-Saltz, *** wel-
ches man einige Jahr her in groſſer Menge aus
England gebracht hat, und nunmehro in unſern
meiſten Apothecken diſpenſiret. Es wird die-
ſes
[127]der Pyrmontiſchen Geſund-Brunnen.
ſes gemeine Englaͤndiſche Saltz durchgehends
das Epſom-Saltz geheiſſen, auch dafuͤr ausge-
geben, es iſt aber nicht das wahre Sal naturale
ex aquis mineralibus Ebeshamenſibus,
ſondern
wird durch die Kunſt von denen Chymicis und
Laboranten in London Centner-Weiſe aus ei-
ner gemeinen Saltz-Lauge und der Schwefel-
oder Vitriol-Saͤure bereitet.


§. 73.

Da nun unſer natuͤrliches Brunnen-
Saltz mit derjenigen durch die Kunſt bereiteten
Gattung eines Salis neutri ex Acido ſulphuris
vel vitrioli
am naͤheſten uͤberein koͤmmt, zu de-
ren Mixtion das Alcali Salis communis ge-
nommen worden, ſo kommen wir der Natur un-
ſers Saltzes wieder einen Grad naͤher, und
wie wir durch unumſtoͤßliche Experimenta und
gegruͤndete Rationes erwieſen haben, daß die
Saͤure in unſerm Saltze ſpecie die Schwefel-
oder Vitriol-Saͤure ſey, ſo erhellet aus dieſen
letztern Umſtaͤnden, daß das Alcali in unſerm
Saltze*ſpecie das Alcali ſalis communis ſeyn
muͤſſe.


§. 74.

Die eintzige Qualitaͤt und der Cha-
racter,
** wodurch ſich unſer Saltz von dem
Sale mirabili und dem gemeinen Englaͤndiſchen
Saltz diſtinguiret, iſt daß, ein Theil der Saͤu-
re unſers Saltzes zaͤrter, ſubtiler und fluͤchtiger
iſt, und noch einige ſubtiliſirte Theilgen des
ver-
[128]Cap. IV. Mineraliſcher Innhalt
verbrennlichen Weſens aus den Kieſen in ſich
haͤlt, daher man ſolche durch die gemeine Vi-
triol
Saͤure (§. 63.) von ihrem Alcali loß trei-
ben kan, welches an dem Sale mirabili und dem
gemeinen Englaͤndiſchen Saltze nicht geſchie-
het.


§. 75.

Weil nun der Urſprung und die Mix-
tio
unſers Saltzes und deſſelben Theile ſo ge-
nau und eigentlich entdecket und vorgeſtellet
werden koͤnnen, * und ein ſolches Saltz nicht al-
lein in unſerm Waſſer, ſondern auch in vielen
andern Sauer-Brunnen und ſaliniſchen laxi-
renden Waſſern gefunden wird, welches gaͤntz-
lich oder groͤſſeſten Theils und nach allen
Haupt-Eigenſchafften und Wuͤrckungen mit
unſerm Brunnen-Saltz uͤberein kommt, ſo haͤtte
der gelehrte D. Martin Liſter nicht noͤthig ge-
habt ein neues unbekanntes Genus Salium,
nehmlich ein Sal oder Nitrum calcarium in de-
nen Fontibus medicatis Angliæ zu ſtatuiren,
weil ſein Nitrum calcarium nichts anders iſt,
als ein aus der Schwefel-oder Vitriol-Saͤure
und dem Alcaliſalis communis zuſammen ge-
ſetztes Saltz, wie wir in dem vorhergehenden
nach allen Umſtaͤnden beſchrieben, und unſer
Saltz als ein Model vorgeſtellet haben, nach
welchem die uͤbrigen Saltze von dieſer Art in
andern mineraliſchen Waſſern koͤnnen beur-
theilet und erkannt werden.


§. 76.
[129]der Pyrmontiſchen Geſund-Brunnen.

§. 76.

Alles was auch ſonſten andere Auto-
res
von einem Nitro oder Salpeter (nicht aber
das Nitrum oder Natron alcalicum der Alten)
gedencken, welchen ſie in ihrem Waſſer zu ſeyn
vermeynet,* oder darinnen wollen gefunden ha-
ben, ſolches iſt kein anderes als unſer beſchriebe-
nes Saltz. Laͤnglichte Cryſtallen und figuræ pri-
ſmaticæ
machen alleine keinen Salpeter. Die
rechten Keñzeichen eines wahꝛen Salpeters ſind,
daß ſolcher auf brennenden Kohlen ſich mit ei-
nem aus ſeiner eigenen Subſtanz entſtehenden
Geblaͤſe und Geraͤuſche in helle Funcken ent-
zuͤnde, und gantz wegbrenne, auch daß er durch
gebuͤhrende Deſtillation einen Spiritum von
ſich gebe, welcher in roͤthlichen Wolcken heruͤ-
ber ſteiget, und das Silber ſolviret.


§. 77.

Das Sal vel quaſi Nitri-forme aus
denen mineraliſchen Waſſern thut ſolches kei-
nes Weges, ſondern wenn man daſſelbe auf
brennende Kohlen wirfft, ſo ſiehet man nicht ein
Fuͤncklein davon auffſteigen, und bleibet als ei-
ne Terra fixa liegen. Der Spiritus, welcher
durch die Deſtillation davon getrieben wird
(§. 66.) kommt in weiſſen Wolcken heruͤber,
und ſolviret kein Silber, ſondern hat alle Ei-
genſchafften wie ein Spiritus ſulphuris vel vi-
trioli volatilis.
Im Gegentheil aber wenn die-
ſes Brunnen-Saltz in einem Tiegel geſchmol-
tzen, und in daſſelbe Holtzkohlen-Staub oder
Iandere
[130]Cap. IV. Mineraliſcher Innhalt
andere oͤhlichte, fette Sachen gemiſchet werden,
ſo wird es ein Hepar ſulphuris, aus welchem ein
foͤrmlicher Schwefel præcipitiret werden kan
(§. 68.) welches durchaus mit keinem wahren
Salpeter, auch mit keinem Saltze, in welchem
die Schwefel-oder Vitriol-Saͤuere nicht vor-
handen iſt, geſchehen kan.


§. 78.

Ich bin aber nicht der Meynung, daß
in allen Sauer-Brunnen und mineraliſchen
Waſſern, in welchen ein ſaͤuerlicher Spiritus
verſpuͤhret wird, eben das Acidum ſpecie ſul-
phureo-vitriolicum
befindlich ſey, und alſo ie-
desmahl aus der Vereinigung dieſer Saͤure
mit dem natuͤrlichen Alcali ein Saltz, wie unſer
beſchriebenes Brunnen-Saltz gebohren wer-
den muͤſſe.


§. 79.

Es iſt noch eine andere Saͤure, * wel-
che in dem Globo Terr-aqueo noch viel gemei-
ner iſt, und in groſſer Menge gefunden wird.
Das Waſſer iſt faſt in allen Meeren und Seen
davon voll, und auf dem Lande iſt in vielen Rei-
chen ein groſſer Uberfluß von Saltz-Brunnen,
und ſtecken auch an etlichen Orten gantze Berge
voll Sal gemmæ, oder Sal foſſile. Es iſt alſo
die Saͤure des gemeinen Saltzes, welches wir
taͤglich an allen Speiſen eſſen.


§. 80.

Ein ſolch gemeines Kuͤchen-Saltz fin-
det ſich ſehr haͤuffig in dem Seltſer Sauer-
Brunnen bey dem Chur-Trieriſchen Flecken
Nie-
[131]der Pyrmontiſchen Geſund-Brunnen.
Nieder-Selters; item: In dem Sauer-
Waſſer zu Carben zwiſchen Friedberg und
Franckfurt; Auch participiren die Wildung-
ſchen Brunnen etwas von dieſem Saltze, und
hat der Herr du Clos in ſeinem Buͤchlein von
denen mineraliſchen Waſſern Franckreichs eine
gantze Claſſe von kalten weinſaͤuerlichen Waſ-
ſern, aus welchen ein Sal commune gezogen
worden. In vielen warmen Baͤdern iſt ſol-
ches gleichfalls anzutreffen, ſonderlich iſt das
Wißbader Waſſer ſo haͤuffig damit angefuͤllet,
daß ein iedes Pfund Waſſer aus etlichen Quel-
len zu Wißbaden ein gantzes Quentlein Kuͤ-
chen-Saltz auslieffert. Die Bourbonniſchen
und andere warme Baͤder in Franckreich, in-
gleichen das Waſſer aus dem Englaͤndiſchen
Bathin Sommerſetshire halten ein Sal com-
mune.


§. 81.

Auch ſcheinet das alcaliſche Laugen-
Saltz, * welches einige warme Waſſer ſo reich-
lich auslieffern, und in verſchiedenen Sauer-
Brunnen, obgleich in geringerer Quantitaͤt, ge-
funden wird, nichts anders als ſpecie das Al-
cali ſalis communis
zu ſeyn, und iſt derjenigen
Saltz-Lauge gleich, welche in Saltzſiedereyen
in denen Pfannen nach der Cryſtalliſation des
uͤbrigen Saltzes zuruͤck bleibet, und ſich nicht
cryſtalliſiren laͤſſet, ſondern in fluͤßiger Form
I 2behar-
[132]Cap. IV. Mineraliſcher Innhalt
beharret, biß man alle Feuchtigkeit wegrau-
chen laſſen.


§. 82.

Es iſt zu vermuthen, daß die ſubtile
alcaliſche Erde nur halb, oder ein gar geringer
Theil von derſelben mit der Saͤure des Salis
communis ſaturi
ret worden, und wenn man ei-
ne groſſe Quantitaͤt von einem ſolchen minerali-
ſchen Alcali aus dergleichen Brunnen beyſam-
men haͤtte, ſo ſtuͤnde zu probiren, ob dieſer ge-
ringe Theil des Acidi ſalis communis nicht
durch einige Handgriffe heraus zu bringen, und
alſo erweißlich waͤre, daß noch wuͤrcklich ein
foͤrmlicher Spiritus ſalis acidulus, welchen man
vor der Combination mit dem Alcali in dem
Waſſer ſchmecken koͤnnen, vorhanden ſey.


§. 83.

Und auf eben ſolche Art moͤgen wohl in
einigen Waſſern Saltze ſeyn, von welchen nur
ein geringer Theil mit der Schwefel-oder Vitri-
ol-
Saͤure geſaͤttiget iſt, und weil das Alcali noch
prædominiret, als mera \& pura Alcalia ange-
geben und gehalten werden, welches kuͤnfftig
bey einer andern Gelegenheit V. D. weiter ſoll
unterſuchet werden.


§. 84.

Weil aber nun aus angefuͤhrten Ex-
empeln erhellet, daß in vielen mineraliſchen
Waſſern ein Kuͤchen-Saltz * gefunden werde,
ſo ſolte man glauben, daß auch Eiſen-Kieſe in
der Erden ſeyn muͤſten, in welchen an ſtatt der
Schwefel-Saͤure und eines wahren foͤrmlichen
Schwe-
[133]der Pyrmontiſchen Geſund-Brunnen.
Schwefels, die Saͤure des gemeinen Kuͤchen-
Saltzes, und vielleicht auch zugleich eine mine-
rali
ſche Fettigkeit befindlich, und daß dieſe Kieſe
eben auf die Art, wie die gemeinen Pyritæ durch
den Zufluß des Waſſers unter der Erden zu ei-
ner innerlichen Beweg- und Erregung ihrer
Theilgen, Aufloͤſung ihrer Subſtanz und nach
Unterſcheid der Kieſe, auch zu einer hefftigen
Erhitzung gebracht, und alſo warme Baͤder
und Sauer-Brunnen gezeuget wuͤrden, wie
§. 36. 37. weitlaͤufftiger angezeiget worden, al-
leine mit dieſem Unterſcheid, daß dorten das
Acidum Sulphuris, und hier das Acidum ſalis
communis
in denen Kieſen agire.


§. 85.

Es iſt bekannt, daß ſich das Eiſen durch
alle ſaure Sachen und Spiritus ſolviren laſſe; *
daher iſt die Saͤure des Kuͤchen-Saltzes ſo be-
quem als die Schwefel-Saͤure dieſe Aufloͤſung
in denen Kieß-und Eiſenſtein-Gaͤngen unter
der Erden zu verrichten, und das ſolvirte Eiſen
in erhitzten und kalten Waſſern mit ſich herfuͤr
zu bringen.


§. 86.

Es giebet der Augenſchein, daß nicht
allein in und um die Quellen des angefuͤhrten
Wißbadiſchen und Seltſer Waſſers, in wel-
chen doch (auſſer ein wenig prædominirendes
Laugen-Saltz und eine gar geringe Portion
weiſſe Erde) nichts als ein lauteres Kuͤchen-
I 3Saltz
[134]Cap. IV. Mineraliſcher Innhalt
Saltz enthalten iſt, eine gelbe Eiſen-Erde ge-
funden werde, ſondern ich habe auch in denen
reichhaltigen Saltz-Quellen zu Naunheim bey
Friedberg in der Wetterau, woſelbſt die be-
ruͤhmte Naſſauiſche Saltzmacherey iſt, obſer-
vi
ret, daß wo die Quellen aus der Erden her-
fuͤr brodeln, welches daſelbſt an unzaͤhlig vielen
Oertern geſchiehet, das Saltz-Waſſer allent-
halben eine gelbe Eiſen-Erde niederſetze.


§. 87.

Demnach iſt offenbahr, daß ſich das
Eiſen unter der Erden in denen mineraliſchen
Waſſern ſo bald zu der Saͤure des Kuͤchen-
Saltzes, als zu der Schwefel-Saͤure geſelle,
mit beyderley Saͤure aber in dieſen Waſſern
nicht vereiniget bleiben koͤnne, weil ſolche zu-
gleich mit einer prædominirenden ſubtilen, alca-
li
ſchen Erde angefuͤllet ſind, welche die Saͤure
allmaͤhlig von denen Eiſen-Theilgen abreiſſet,
und ſich an deren Stelle mit der Saͤure ver-
einiget.


§. 88.

An einigen Orten moͤgen auch wohl
die Kieſe unter der Erden ſo vermiſcht unter ein-
ander liegen, oder in einem Kieſe beyderley Aci-
da ſulphuris \& ſalis communis
* enthalten ſeyn,
weil nicht wenige mineraliſche Waſſer ein Sal
commune,
und zugleich ein Sal wie unſer
Brunen-Saltz mit ſich fuͤhren. Mehr andere
Arten aber von Saltzen, als dieſe zweyerley ſa-
lia enixa,
und das dritte, welches alcaliſch, und
bald
[135]der Pyrmontiſchen Geſund-Brunnen.
bald mehr, bald weniger derjenigen Saltz-Lau-
ge gleich iſt, welche ſich in denen Saltzſiederey-
en nicht will cryſtalliſiren laſſen, habe bißher in
keinem mineraliſchen Waſſer finden koͤnnen,
ob ich gleich die vornehmſten und gebraͤuchlich-
ſten faſt alle ſelbſt probiret habe.


§. 89.

Wenn man dieſe ſimple Wahrheit,
welche wir unter dieſem Saltz vorgeſtellet ha-
ben, recht einſiehet, und die Veraͤnderungen
in den mineraliſchen Waſſern alſo betrachtet,
daß ihre ſchaͤrffliche und ſaure Spiritus nicht
wegfliegen, ſondern mit dem Alcali Salia enixa
werden, ſo wird dadurch zugleich unſer fuͤnffter
Satz * beſtaͤtiget, nehmlich, daß durch die-
ſe Vereinigung des ſaͤuerlichen
Spiritus
mit demAlcali,derſelbe das aufgeloͤſete
und angenommene Eiſen fallen laſſen,
und alſo das Waſſer alle
vitrioliſcheQua-
li
taͤten verliehren muͤſſe.


§. 90.

Daß ein vollkommenes Eiſen in un-
ſerem Waſſer ** enthalten, ſolches iſt ſchon
Cap. 3. §. 30. angedeutet worden; wie nun die
roth-gelbe Erde, welche in und um die Quellen
lieget, im Feuer zuſammen ſchmiltzet, und von
den Magneten beweget wird, ſo kan man auch
die gelbe Materie ſauber aus dem Waſſer, und
von denen uͤbrigen Contentis ſcheiden, hernach
in einem Schmeltz-Ofen zuſammen ſchweiſ-
I 4ſen
[136]Cap. IV. Mineraliſcher Innhalt
ſen laſſen, da ſolche alsdenn alle mit einander
gar hurtig an den Magneten flieget. Weil
ſich aber iedesmahl ein wenig von dem alcali-
ſchen und cryſtalliniſchen Cremore (§. 108.)
mit untermiſchet, ſo habe bißher noch nicht ei-
gentlich determiniren koͤnnen, wie viel Eiſen
nach dem Gewicht ein Pfund Waſſer halte.


§. 91.

Indeſſen iſt gewiß, daß unſer Waſſer
ſo reichhaltig an Eiſen, daß ich bißher noch kein
anderes antreffen koͤnnen, welches dem Pyr-
montiſchen daran gleich komme. Es wird auch
der Augenſchein einem ieden ſolches zeigen,
wenn man das Sediment von einer gleichen
Quantitaͤt unterſchiedlicher Waſſer, welche Ei-
ſenhaltig, mit dem unſern vergleichet, da man
in jenem gar mercklich weniger von der roth-
gelben Materie obſerviren, auch andere Sedi-
menta
blaſſer an Farbe finden wird, als das
unſerige. Alle uͤbrige Proben werden ein glei-
ches beſtaͤtigen, auf welche man ſich alleine
gruͤndet, und ein ieder, welcher in Examine
Aquarum mineralium
nicht gantz unerfahren
iſt, leicht anſtellen, und ſich alſo ſelbſt wird uͤber-
zeugen koͤnnen.


§. 92.

Daß ferner dieſes Eiſen in dem fri-
ſchen Waſſer mit dem erwieſenen ſaͤuerlichen
Schwefel-Spiritu vereiniget ſey, und mit dem-
ſelben ein zartes Vitriolum Martis Nativum*
ausmache, ſolches giebt der Geruch und Ge-
ſchmack
[137]der Pyrmontiſchen Geſund-Brunnen.
ſchmack, (§. 23.) auch die bekannte Probe mit
den Gallaͤpffeln, welche in unſerm Waſſer ei-
ne ſaturirte Purpur-blau-und roͤthliche Farbe
verurſachen, ſo deutlich zu erkennen, daß faſt
alle Autores mit einem Munde das Vitriolum
in denen Aquis mineralibus Chalybeatis vel
ferratis agnoſci
ren, weil ſich aber alle vitrioli-
ſche Eigenſchafften ſolcher Waſſer uͤber dem
Feuer, und ohne Feuer in der Lufft gaͤntzlich
verliehren, und keine Spuhr eines wahren
Vitriols von demſelben zuruͤck bleibet, ſo hat
ſolches alle Autores confus gemacht, ſo daß ei-
ner den Vitriol der mineraliſchen Waſſer einen
unreiffen Vitriol, der andere einen fluͤchtigen
Vitriol, ein Nitrum vitriolatum, u. ſ. w. nen-
net, keiner aber die wahren Urſachen dieſes
wunderlichen Verluſtes des Vitrioli erfun-
den, und begreifflich vorgeſtellet hat.


§. 93.

Wie aber alle Metalle, von dem ge-
ringſten an, biß zu dem edelſten, wenn ſolche
durch allerhand ſaure Spiritus aufgeloͤſet, * und
in einen durchſichtigen Liquorem gebracht
worden, durch Zumiſchung einer ſubtilen alca-
li
ſchen Erde, oder Laugen-Saltzes wieder da-
von abgeriſſen, und zu Boden geworffen wer-
den, weil ſich die Saͤure viel leichter mit dem
Alcali als mit dem Metall combiniret, ſolches
iſt ſo bekannt als wahr, und bedarff keine wei-
tere Erklaͤhrung.


I 5§. 94.
[138]Cap. IV. Mineraliſcher Innhalt

§. 94.

Da wir nun in denen mineraliſchen
Waſſern gleichmaͤßige Combinationes und
Præcipitationes angezeiget haben, ſo fallen
hiedurch alle die groſſen Schwierigkeiten hin-
weg, welche ſich ſo viele gelehrte Phyſici ma-
chen, um die Urſache zu ergruͤnden und zu er-
klaͤren: Warum ſich hier der Vitriol ſo leich-
te in freyer Lufft, oder durch geringe Waͤrme
verliehre, und man durch keinerley Handgriffe
einen Vitriol aus dergleichen Waſſern ziehen
koͤnne. Der Vitriol hat ſonſt keine ſolche Na-
tur, daß er ſich durch ein geringes Feuer de-
ſtrui
ren laſſe, und doch kan man ihn nicht hab-
hafft werden, aus Waſſern, in welchen derſel-
be, da ſolche friſch waren, ſo deutlich und un-
zweiffelbahr nach unterſchiedlichen Special-Ei-
genſchafften verſpuͤhret worden.


§. 95.

Es wird aber aus dem Vitriol in de-
nen Mineral-Waſſern, was aus einer Solutio-
ne vitrioli communis
wird, wenn man eine al-
cali
ſche Lauge dazu ſchuͤttet, nehmlich das Aci-
dum
laͤſſet das Metall fahren, vereiniget ſich
mit dem Alcali, und machet mit demſelben ei-
nen Tartarum vitriolatum. Unſer Brunnen-
Saltz wird auf gleiche Art gebohren, und iſt
von eben dieſem Stamm und Geſchlecht, diffe-
ri
ret auch in keinem weſentlichen Stuͤcke von
demſelben §. 59. ſeq.


§. 96.

Es kommen auch mit dieſen Saͤtzen
alle
[139]der Pyrmontiſchen Geſund-Brunnen.
alle uͤbrige Phænomena,* welche man bey Un-
terſuchung der mineraliſchen Waſſer anmer-
cket, uͤberein, und koͤnnen durch dieſelben
gruͤndlich und deutlich erklaͤret werden; z. E.
warum ſo viele Lufft-Kuͤglein aus dem Sauer-
Waſſer aufſteigen, ** wenn ſolches in die Waͤr-
me gebracht wird? Weil nehmlich neue Com-
binationes
unterſchiedlicher Materien in dem
Waſſer vorgehen. So offt ein Theilgen Saͤu-
re, mit einem Theilgen Alcali ſich verknuͤpffet,
ſo offt wird die Lufft aus denen Interſtitiis und
poris corporum mit einem Nachdruck heraus
geſtoſſen, welche ſich denn in ein kleines Blaͤß-
lein ausdehnet, und weil ſolches dem Waſſer
das Gewicht nicht halten kan, wird es uͤber daſ-
ſelbe heraus gedrucket. Wie viel tauſend Lufft-
Kuͤglein ſteigen von einem kleinen Stuͤcklein
Metall auf, wenn ſolches durch einen ſauren
Spiritum aufgeloͤſet und demſelben einverleibet
wird. Im Gegentheil aber wenn Spiritus
aus einem Liquore hinweg fliegen, geſchicht
ſolches gantz incognito, ohne allen Tumult und
Erregung eines ſolchen Lufft-Spiels, z. E. die
Salia volatilia, Spiritus ardentes, fumantes \&c.
ſtreichen davon ohne Geraͤuſch und Lufft-Bla-
ſen aus dem Waſſer, welches ihnen als ein vehi-
culum
gedienet.


§. 97.
[140]Cap. IV. Mineraliſcher Innhalt

§. 97.

Warum nun weiter der fluͤchtige, ſub-
til
e, und penetrante weinſaͤuerliche Spiritus*
der Sauer-Brunnen nicht in und uͤber den
Helm zu bringen, wie ſo viele Autores klagen,
ſolches wird wiederum durch unſere Saͤtze be-
antwortet. Denn es mag ein Acidum ſo
fluͤchtig ſeyn als es will, ſo muß daſſelbe doch
Stand halten, wenn ein Alcali dazu kommt.


§. 98.

Warum dergleichen Waſſer nach
gerade aufhoͤren, die Gallaͤpffel ſchwaͤrtzlich
und Purpur-blau zu faͤrben, ** ſolches iſt ſo we-
nig Wunder, als daß eine Dinte von ihrer
Schwaͤrtze abfaͤllet, und braun wird, wenn
man eine alcaliſche Lauge damit vermiſchet.
In beyden Liquoribus verſchwindet zwar we-
der das Eiſen, noch die Vitriol-Saͤure, es ent-
ſtehet aber eine andere Zuſammenſetzung derer
Theilgen. Und obgleich in der natuͤrlichen
Mixtur das Vitriolum nativum nicht ſo ſchleu-
nig von dem Alcali uͤberwaͤltiget wird, davon
wir §. 102. 103. einige Urſachen angefuͤhret ha-
ben, ſo geſchiehet ſolches doch allmaͤhlig, wenn
die unterſchiedlichen Theilgen in dem Liquore
durch Lufft und Waͤrme auffs neue beweget,
und an einander getrieben werden.


§. 99.

Warum endlich aus einem ſo ſpirituö-
ſen und kraͤfftig ſchmeckenden Liquore ſo leicht
ein
[141]der Pyrmontiſchen Geſund-Brunnen.
ein ſtumpff abgeſchmackt Waſſer werden koͤn-
ne, * und zwar nach unſerer Hypotheſi, ohne
daß der Spiritus aus dem Waſſer wegkomme;
ſolches geſchicht auf gleiche Art, wie man z. E.
das allerſtaͤrckeſte corroſiviſche Scheide-Waſ-
ſer gar bald mit einem Laugen-Saltze ſo ſtumpf
und zahm machen kan, daß man es hernach oh-
ne Schaden mit Loͤffeln eſſen duͤrffte, und den-
noch iſt der Spiritus nicht davon geflogen, ſon-
dern alles was das Scheide-Waſſer vorhin
ſcharff und ſpirituös machte, noch in dem Li-
quore
oder in dem neu zuſammen geſetzten Sale
medio
zu finden, auch wieder heraus zu brin-
gen, wie wir ein gleiches von unſerm Brunnen-
Saltze angemercket haben §. 66. 68.


§. 100.

Es erhellet auch aus eben dieſem
Grunde: Warum die warmen mineraliſchen
Waſſer ** bey weiten nicht ſo ſchaͤrfflich und
weinſaͤuerlich gefunden werden, auch das Eiſen
viel eher niederſetzen, als die kalten Waſſer.
Inmaſſen die groſſe Hitze dergleichen Præcipi-
tationes, Combinationes
und Saturationes,
des in denen Kieſen befindlichen ſauren Spiritus,
unter der Erden ſchon groͤſſeſten Theils vollfuͤh-
ret hat, welche Veraͤnderung die kalten Waſ-
ſer erſt uͤber der Erden zu gewarten haben.


§. 101.

Was aber die vornehmſten und
ſchein-
[142]Cap. IV. Mineraliſcher Innhalt
ſcheinbareſten Einwuͤrffe * anbelanget, wel-
che gegen unſere Hypotheſin koͤnnen gemachet
werden, ſo wird erſtlich die Frage ſeyn: War-
um die Vereinigung der Saͤure mit dem Alca-
li
in denen mineraliſchen Waſſern ſo langſam
von ſtatten gehe, und unſer ſauer Waſſer ſo
lang und ſtarck koͤnne erwaͤrmet werden, wie
wir §. 11. gemeldet haben, ehe die Combinatio-
nes
gaͤntzlich vollendet. Da im Gegentheil
die Acida \& Alcalia chymica augenblicklich offt
mit groſſer Hefftigkeit in einander lauffen, und
mit dergleichen Verbindungen und Præcipita-
tionibus
gar bald ein Ende machen


§. 102.

Die Urſachen dieſes Unterſcheides ſind
folgende: 1) haben wir ſchon erwieſen, daß ob-
gleich unſer Spiritus ſpecie die Schwefel-oder
Vitriol-Saͤure ſey, dennoch derſelbe als ein na-
tuͤrl. Spiritus von dem gemeinen durch die Kunſt
bereiteten differire, und mit einer ſubtiliſirten
Fettigkeit durchzogen (§. 31. ſeq.) und dadurch
zaͤrter und fluͤchtiger gemacht ſey (§. 64.) als ein
gemeiner Schwefel-oder Vitriol-Spiritus.
Von dieſer beygemiſchten ſubtilen Fettigkeit
ſcheinet der Spiritus auch die Eigenſchafft zu ha-
ben, daß er ſo feſte an dem Eiſen als einem fet-
ten, oder mit dem verbrennlichen Weſen reich-
lich begabeten Metall haͤlt. Wenn aber die-
ſes ſubtile fette Weſen allmaͤhlich durch die
Lufft (mit welcher es eine ſonderliche Gemein-
ſchafft
[143]der Pyrmontiſchen Geſund-Brunnen.
ſchafft heget, Cap. 3. §. 49.) und Bewegung der
Waͤrme, wodurch alle Theilgen auffs neue
ſtarck auf einander geſtoſſen werden, aus dem
Spiritu getrennet wird, ſo hoͤret damit auch der
beſondere Nexus mit dem Eiſen auf, und der
ſaure Spiritus gehet voͤllig zu der ſubtilen alcali-
ſchen Erde uͤber, mit welcher derſelbe auch vor-
hin zum Theil ſchon verknuͤpffet war, und die-
ſelbe ſolubel gemachet hatte, allein durch die
Fettigkeit und das Eiſen von der gaͤntzlichen
Vermiſchung gehindert worden.


§. 103.

2) Iſt auch das natuͤrliche minerali-
ſche Alcali* nicht ſo ſcharff und eindringend, als
das vegetabiliſche durch das Feuer ausge-
brannte, wie leicht zu erachten, auch in einem
Experiment kan geſehen werden, wenn man un-
ſer Brunnen-Saltz im Waſſer aufloͤſet, und
ein ſolvirtes Sal Tartari oder reine Potaſchen-
Lauge dazu ſchuͤttet, ſo ſchlaͤget ſolche eine ſub-
tile alcaliſche Erde aus dem Saltze nieder, und
ſetzet ſich an deren Stelle in die Saͤure deſſelben
(§. 62.) Uber dieſes wird auch das Alcali in
unſerm Waſſer, zwiſchen einer ziemlichen
Quantitaͤt einer cryſtalliniſchen Subſtanz in
dem Waſſer gleichſam gebunden gehalten, daß
es den gewoͤhnlichen Effect auf die Saͤure nicht
eher thun kan, biß durch Lufft und Waͤrme aufs
neue
[144]Cap. IV. Mineraliſcher Innhalt
neue eine innerliche Bewegung und Zuſam-
menreibung aller Theilgen verurſaͤchet wird.


§. 104.

Es erhellet zwar aus dergleichen Um-
ſtaͤnden, daß die mineraliſchen Waſſer ſolche
natuͤrliche Mixturen ſind, welche durch keine
Kunſt koͤnnen nachgemachet werden, * indeſſen
hindert ſolches nicht, daß man à poſteriori nicht
ſolte erforſchen und finden koͤnnen, aus was fuͤr
unterſchiedlichen Materien dieſelben zuſammen
geſetzet waͤren, als in welche ſie ſich theils ſelbſt
reſolviren, theils durch die Kunſt auf eine Na-
tur-gemaͤße Art gantz begreifflich und deutlich
ſcheiden und theilen laſſen.


§. 105.

Ferner kan gegen unſere Hypotheſin
angefuͤhret werden, daß es ſaͤuerliche Waſſer
gebe, welche gar kein Saltz, ** und nur ein wenig
ungeſchmackte Erde, andere nur ein alcaliſches
Saltz in ihrem Sedimento zuruͤck laſſen, wo
bleibet denn da der ſaͤuerliche Spiritus?


Hierauf dienet zur Antwort, daß dergleichen
Sauer-Waſſer wohl ſehr wenige gefunden
werden, oder gar wenig ſaͤuerlich ſeyn muͤſſen,
daß alſo die gar geringen hin und wieder in dem
Waſſer zerſtreueten Particulæ acidæ mit der
ſubtilen Erde gantz concreſciren in eine Sub-
ſtantiam arenoſam,
wie ich ſolche in einigen
Waſſern angetroffen habe, und bey einer an-
dern
[145]der Pyrmontiſchen Geſund-Brunnen.
dern Gelegenheit durch Experimenta weiter
ſoll eroͤrtert werden.


§. 106.

Was aber die alcaliſche Saltze anbe-
langet, * welche in vielen Waſſern befindlich, ſo
ſind dieſelben groſſen Theils keine Alcalia pura,
ſondern halb ſaturiret, und mit Salibus neutris
vermiſchet nach dem 83. §. Und wenn auch gleich
ein Sal alcali puriſſimum in einigen Waſſern
ſolte gefunden werden, ſo ſtatuiren ja verſchie-
dene groſſe Chymici, daß die Salia Alcalia aus
denen Acidis gebohren werden, wenn dieſe mit
allerhand ſubtilen kreitenhafftigen, alcaliſchen
Erden (in geringer Quantitaͤt und nicht zu voͤl-
liger Saturation) combiniret; oder in denen
vegetabiliſchen Coͤrpern die ſubtileſte irdiſche
Theilgen mit etwas ſubtiliſirter Saͤure durch
die Gewalt und Wirckung des Feuers zuſam-
men gehefftet und ſolubel gemachet, die uͤbrigen
ſaure, fette und fluͤchtige Theilgen aber ver-
brannt und zerſtreuet werden. Daher auch
aus dem ſauren Weinſtein durch die Verbren-
nung ein Sal Alcali ſo haͤuffig kan bereitet wer-
den.


§. 107.

Und es iſt merckwuͤrdig, daß eben in
denjenigen mineraliſchen Waſſern, ** in welchen
durch den hefftigen Motum caloris alle ſteinigte
und ſubtile irdiſche Theilgen der Kieſe mit de-
Knen
[146]Cap. IV. Mineraliſcher Innhalt
nen ſauren hefftig durch und an einander getrie-
ben und gerieben worden, nehmlich in den war-
men Baͤdern, die Salia Alcalia am meiſten ge-
funden werden, ſo daß das Pfund Waſſer aus
dem Emſer-Bade bey 20 Gran, und aus dem
Carls-Bade ein halb Quentlein alcaliſch Saltz
auslieffert, deſſen Urſprung ſich nicht wohl von
etwas anders deduciren laͤſſet, als von der haͤuf-
figen ſubtilen Erde, und der Saͤure in denen
Kieſen. Und wie per Ignem actualem in dem
vegetabiliſchen Reiche die Salia Alcalia produ-
ci
ret werden, ſo ſcheinet Ignis potentialis in dem
Mineral-Reiche viel mit zu der Alcaliſation der
ſubtilen Erde beyzutragen. Jedennoch kan
auch ohne die Waͤrme nach Beſchaffenheit der
irdiſchen Theilgen und der unterſchiedenen
Gattung der Saͤure (da das Acidum ſalis com-
munis
mehr zu der ſaliniſchen Alcaliſation der
ſubtilen Erde zu diſponiren ſcheinet, als das
Acidum ſulphuris) in einigen kalten minerali-
ſchen Waſſern ein Sal Alcali gezeuget werden,
ſonderlich wo viele ad Mixtionem alcalicam ſa-
linam
bequeme ſubtile Erde, und nach Propor-
tion
deſſelben wenige Particulæ acidæ zugegen
ſind.


§. 108.

Wir gehen aber weiter, und ſehen
nach dem ſechſten Satz: *Wie die ſubtile,
ſuͤſſe,
alcaliſche Erde in unſerem Waſſer
den ſaͤuerlichen
Spirituman Menge weit
uͤber-
[147]der Pyrmontiſchen Geſund-Brunnen.
uͤbertreffe, und alſo der Brunnen in ſei-
ner Wuͤrckung mehr
alcaliſch als ſauer
ſeyn muͤſſe.


Daß ein Menſtruum acidum in einem Li-
quore,
in welchem die alcaliſchen Materien
prædominiren, ſeine aufloͤſende Krafft nicht
verliehre, und das ſolvirte Metall bey ſich be-
halten koͤnne, ſolches iſt bey denen chymiſchen
Bereitungen gantz etwas ungewoͤhnliches.
Indeſſen ſind ſo viele mineraliſche Waſſer gar
deutliche Exempel, daß eine ſolche Mixtur in ei-
nem durchſichtigen Cryſtallen-hellen Liquore
gar wohl mit einander eine Zeit lang beſtehen
koͤnne, wie wir ſolches im vorhergehenden ſchon
umſtaͤndlich erwieſen, und die Urſachen hin und
wieder erklaͤret haben. An dieſem Ort muß
nun ſonderlich angefuͤhret werden: was fuͤr
Anzeigungen * der alcaliniſchen Natur ſich in
unſerm Waſſer finden, und daß der ſaure Spi-
ritus
bey weitem nicht gnug ſey, alles Alcali in
dem Waſſer zu ſaturiren, ſondern daß nach
Proportion noch eine groſſe Menge ſubtile alca-
li
ſche Erde uͤbrig bliebe.


§. 109.

1) Efferveſciret das friſche Waſſer
ziemlich ſtarck, mit allerhand ſauren Sachen, **
mit Wein, Eßig, Spiritu Nitri, Salis \& Vitrio-
li.
2) Den Violen-Syrup, und Safft von
rothem Kohl machet es zwar nicht Graſe-gruͤn,
K 2doch
[148]Cap. IV. Mineraliſcher Innhalt
doch ein wenig gruͤnlich, und wenn ſolche durch
Vermiſchung ſaurer Sachen gantz hoch roth
worden, bringet es demſelben ihre blaue Farbe
wieder. Eben dieſes geſchiehet mit der blauen
Torneſol.


§. 110.

3) Eine Solution des gemeinen Vi-
triol
s wird, durch daſſelbe gleich truͤbe, und nach
und nach haͤuffig niedergeſchlagen, doch ohne
Geraͤuſch und Aufwallen. Die Solution des
ſublimats aber turbiret dieſes Waſſer gar nicht,
vielweniger præcipitiret* es aus demſelben ein
roth-gelbes Pomerantzen-farbiges Pulver, wie
andere ſcharffe alcalifche Waſſer zu thun pfle-
gen. Denn es gehoͤret ein ſcharffes ſaliniſches
Alcali dazu, dieſe Farbe aus dem ſublimat zu
bringen. Bloſſe alcaliſche Erden thun ſolches
nicht, z. E. Kreite, Krebs-Augen, præparirte
Muſcheln und dergleichen. Es ſcheinet alſo,
daß der alcaliniſche Theil, welcher der ſubtile-
ſte und zu der Saltz-Mixtion der bequemſte in
unſerm Waſſer durch die Particulas acidas ver-
hindert werde, und das uͤbrige Alcali nicht ſub-
til, ſalini
ſch und ſcharff gnug ſey, in die Com-
poſition
des ſublimats einzudringen, und den
Mercurium in roth-gelber Farbe nieder zu
ſchlagen. 4) Wenn das Pyrmontiſche Waſ-
ſer mit ſuͤſſer Milch vermiſchet, und damit ge-
kochet wird, hindert ſolches die Coagulation**
der-
[149]der Pyrmontiſchen Geſund-Brunnen.
derſelben mehr, als daß es einiger maſſen dazu
diſponiren ſolte, welches nicht geſchehen koͤnte,
wenn die Saͤure in dem Waſſer den Vorzug
haͤtte.


§. 111.

Dieſe Experimenta erweiſen nun die
alcaliſche Natur des Waſſers gantz untruͤglich
und klar, daher wir auch die uͤbrigen Vermi-
ſchungen und Præcipitationes mit allerhand
metalliſchen Solutionibus, und anderen Liquo-
ribus,
welche zu dem Beweiß und Erklaͤrung
unſerer Saͤtze nicht ſo viel beytragen, deren wir
ſonſt noch ein gantz Regiſter bey einander ha-
ben, dieſes mahl mit Stillſchweigen uͤberge-
hen. Allein hier muß noch angefuͤhret wer-
den, wie auch einAlcalinach voͤlliger
Verrauchung des Waſſers zuruͤck
bleibe.


§. 112.

Wir haben in dem vorigen §. ſchon
angemercket, daß der ſubtileſte, ſaliniſche, alca-
li
ſche Theil mit der Saͤure vereiniget werde,
auch iſt ſolcher alleine nicht gnug den ſauren
Spiritum zu ſaturiren, daher derſelbe auch et-
was von dem irdiſchen Alcali in die Vermi-
ſchung des Brunnen-Saltzes nimmt, welches
durch ein ſcharffes Laugen-Saltz noch kan her-
aus præcipitiret werden. (§. 62.) Es iſt alſo
das Alcali, welches nach der Evaporation zu-
ruͤck bleibet, ein Alcali terreum und kein Sali-
num.


§. 113.

Wenn man das Sal neutrum aus
K 3dem
[150]Cap. IV. Mineraliſcher Innhalt
dem Sedimento des Waſſers geſeiget hat, *
ſo bleiben 2 Drittheil einer ungeſchmackten,
roth-gelben Erde zuruͤck, nehmlich von einem
Pfund des Trinck-Waſſers 14 oder 15 Gran,
hievon koͤnnen 2 Gran abgerechnet werden als
Eiſen, und denn noch ohngefehr 1 Drittheil
Materiæ ſeleniticæ, ſo bleiben 8 Gr. Cremoris
\& Terræ ſubtilis alcalicæ
wie præparirte Krebs-
Steine uͤbrig, welche mit allen ſauren Sachen
hefftig aufwallet, ſchaͤumet, und groſſen Theils
dadurch wieder aufgeloͤſet wird.


§. 114.

So man das Eiſen vor der Evapo-
ration
gaͤntzlich von dem Waſſer geſchieden
hat, ſo bleibet dieſe alcaliſche Erde ** ſo weiß wie
der Schnee zuruͤck, und iſt ſo fein und zart, als
præparirte Perlen-Mutter, weichet alſo keiner
alcaliſchen Erde an ſubtilitaͤt und Tugend, wie
auch leicht zu erachten, da ſolche in einem ſo
durchſichtigen, Cryſtallen-hellen Waſſer un-
ſichtbahr, und aufgeloͤſet geweſen.


§. 115.

Woher dieſe alcaliſche Erde ihren
Urſprung *** nehme, darff meines Erachtens
nicht ferne geſucht werden. Es beſtehen die
Pyritæ nicht nur aus Schwefel und Eiſen, ſon-
dern ſie haben auch Nomen \& Omen, daß ſie
Steine ſind, und findet ſich zugleich in denen-
ſelben bald mehr bald weniger von einer harten
ſtei-
[151]der Pyrmontiſchen Geſund-Brunnen.
ſteinigten Subſtanz, welche in einigen Pyritis
grob und ſproͤde, in andern ſubtiler, feiner und
weicher iſt.


§. 116.

Wenn nun der ſaure Schwefel-
Spiritus, und das Eiſen in denen Kieſen durch
die Befeuchtigung des Waſſers anfangen in
einander zu wircken, ſo wird die ſteinigte Ma-
terie
zugleich mit afficiret, und durch den mine-
rali
ſchen Spiritum durchdrungen, ſubtiliſiret
und aufgeloͤſet. Der ſubtileſte Theil derſel-
ben nimmt Mixtionem ſalinam an, und wird
nachmahls, wenn uͤber der Erde das Eiſen von
dem ſauren Spiritu getrennet wird, von der
Saͤure voͤllig ſaturiret, ein anderer Theil iſt be-
ſagte zartealcaliſche Erde, und aus einigen Kieſen
wird ein dritter Theil dieſer ſteinigten Subſtan-
z
e, wie es ſcheinet, mit etwas Schwefel-Saͤure
gantz intime miſciret, und conſtituiret alſo die
Materie, von welcher im ſiebenden Satz * ge-
meldet wird, daß in dem Waſſer auch eine
reine, durchſichtige, cryſtalliniſche un-
geſchmackte
Subſtanzwie einLapis ſeleni-
tes,
oder wie kleine Berg-Cryſtallen ge-
funden werde.


§. 117.

Wenn man mit der Deſtillation oder
Evaporation unſeres Brunnen-Waſſers **
gantz gelinde und langſam verfaͤhret, ſo ſetzet
ſich dieſe eryſtalliniſche Subſtanz, nachdem das
K 4Waſ-
[152]Cap. IV. Mineraliſcher Innhalt
Waſſer groͤſſeſten Theils weggerauchet, und
kalt worden iſt, allenthalben an den alcaliſchen
Cremorem. Je langſamer und ſtiller das Ver-
duͤnſten zugangen, ie groͤſſer wachſen die Cry-
ſtallen zuſammen. Zuweilen ſind es lauter
kleine weiſſe glaͤntzende Kluͤmplein und Scha-
len, welche durch das bloſſe Geſicht nicht wohl
zu unterſcheiden, wenn man aber Vergroͤſſe-
rungs-Glaͤſer daruͤber haͤlt, ſo ſiehet man, daß
dieſe Schalen aus lauter durchſichtigen Sta-
cheln zuſammen geſetzet ſind.


§. 118.

Bald fallen die Cryſtallen * ein we-
nig groͤſſer, und ſind wie kleine Beſen anzuſe-
hen, indem derſelben viele an der einen Seite
zuſammen und in einander gehen, und an der
andern Seite in viele Spitzen vertheilet ſind;
von ſolchen faſciculis Cryſtallorum ſtoſſen biß-
weilen 2, 3 biß 4 auf einem Centro zuſammen,
welches durch Macroſcopia ſehr artig anzuſe-
hen iſt. Wieder auf eine andere Zeit wird
man viele duͤnne, durchſichtige Lamellas und
viereckige, laͤngliche, platte Stuͤcklein bekom-
men, welche den Lapidem ſelenitem gar ſicht-
barlich vorſtellen. Es iſt dieſe Materie ohne
allen Geſchmack, knirſchet nicht unter den Zaͤh-
nen wie Sand, ſondern iſt weich unter denſel-
ben wie der Selenites.


§. 119.

Von gelinder Hitze des Feuers, wenn
zum Exempel dieſe Cryſtallen auf einen Stu-
ben-
[153]der Pyrmontiſchen Geſund-Brunnen.
ben-Ofen geleget werden, verliehren dieſelben
allen Glantz und Durchſichtigkeit, wie auch
durch die Calcination in offenem Feuer, und
werden zu einem weiſſen Pulver, welches ſelbſt
den Schnee an Weiſſe und Reinigkeit uͤber-
trifft. Es hat aber ſolches gantz die Art nicht
wie Kalck, denn es erhitzet ſich nach der Calci-
nation
nicht, wenn Waſſer daruͤber gegoſſen
wird, wallet auch mit ſauren Sachen gar nicht
auf, mit einem Wort, wie ein reiner Lapis ſe-
lenites
iſt, ſo findet man dieſe cryſtalliniſche
Materie nach allen Haupt-Qualitaͤten.


§. 120.

Daß ich aber folche auch mit dem
Berg-Cryſtall verglichen, iſt die Urſache, weil
dieſe Materie, nachdem man mit der Evapora-
tion
langſamer oder geſchwinder umgangen,
ſich auf ſo mancherley Art in lauter kleine laͤng-
liche Spieſſe und Stacheln cryſtalliſiren laͤſſet,
welches man bey der natuͤrlichen Zeugung des
Lapidis ſelenitæ nicht alſo obſerviret, ſondern
bey derſelben ſetzet ſich gemeiniglich immer ein
duͤnnes Blaͤtlein auf das andere, und werden
alſo lauter platte, breite Stuͤcke daraus formi-
ret.


§. 121.

Es iſt auch zu vermuthen, daß der
Berg-Cryſtall, Tropff-Stein und allerley
cryſtalliniſches, durchſichtiges Geſteine und
Druͤſen in denen Bergwercken, auf eben eine
ſolche Art generiret werden, indem der natuͤr-
liche, ſaͤuerliche, ſaliniſche Spiritus allerhand
K 5ſub-
[154]Cap. IV. Mineraliſcher Innhalt
ſubtiles Geſteine durchdringet, aufloͤſet und
nachmahls durchaus in und mit demſelben un-
zertrennlich ſich vereiniget; da ſolcher denn
wieder nach Unterſcheid der Stein-Arten bald
mehr bald weniger Haͤrtigkeit annimmt.
Denn daß dergleichen Sachen vorhin weich
und aufgeloͤſet geweſen, daran wird wohl nie-
mand zweiffeln, und die cryſtalliniſchen Figu-
ren ſind Zeichen ihrer ſaliniſchen Natur, welche
auch oͤffters denen Cryſtallis ſalium nach al-
len aͤuſſerlichen Umſtaͤnden ſo gleich ſehen, daß
kein Ey dem andern aͤhnlicher ſeyn kan.


§. 122.

Wir kehren aber wieder zu dem Se-
lenites-
Stein, * als wofuͤr wir eigentlich die
Cryſtallen unſers Waſſers halten, auch ſchon
Cap. 3. §. 20. angefuͤhret haben, daß derſelbe
nur wenig Schritte von dem Trinck-Brunnen
in einem kleinen Baͤchlein zuſammen wachſe,
und in groſſen Stuͤcken gefunden worden.
Einige Englaͤndiſche Medici haben dergleichen
in ihren mineraliſchen Qvellen, ſonderlich zu
Epſom, Kenſington und Acton angetroffen.
Von denen mineraliſchen Waſſern in Teutſch-
land aber habe noch in keiner Beſchreibung et-
was davon finden koͤnnen, ſondern man redet
immer viel von einer Terra calcaria, da doch
der Kalck durchaus kein Naturale, ſondern ein
durch die aͤuſſerſte Gewalt des Feuers bereite-
tes corroſiviſches Alcali iſt, mit welchem we-
der
[155]der Pyrmontiſchen Geſund-Brunnen.
der die alcaliſche Erde, noch der cryſtalliniſche
Cremor der mineraliſchen Waſſer fuͤglich kan
verglichen werden.


§. 123.

Ich glaͤube daß dieſe Materia ſeleni-
tica
in mehrern Waſſern koͤnte gefunden wer-
den, wie in einigen an deren ſtatt ſich eine ſan-
dichte Materie, * oder ein veritabler harter
Sand, welcher ſtarck unter den Zaͤhnen knir-
ſchet, anſetzet, wie man in dem Wildungifchen,
item in dem Toͤnnigſteiner-Waſſer unten am
Boden zuſammen gewachſen findet, wenn ſol-
ches ein halb Jahr oder laͤnger in Gefaͤſſen ge-
ſtanden hat. Die Materiam ſeleniticam aber
habe auch ſehr haͤuffig in dem Paderborniſchen
Driburger Brunnen angetroffen, und iſt das
Driburgiſche Waſſer von dem Pyrmonti-
ſchen darinnen fuͤrnehmlich mit unterſchieden,
daß dieſes mehr Eiſen, und jenes mehr von dem
Selenites-Stein bey ſich fuͤhret.


§. 124.

Es mag aber dieſes mahl von dem
ſpiritualiſchen und materialiſchen Innhalt des
Pyrmontiſchen Waſſers gnug ſeyn, und bin
ich nun ein unpartheyiſches Urtheil von Brun-
nen-kuͤndigen Gelehrten uͤber dieſe Saͤtze, wel-
che vielen wohl erſt paradox, und unglaublich
ſcheinen moͤchten, gewaͤrtig. Indeſſen lebe
verſichert, daß ſo viele Beweiß-und Erfahrungs-
Gruͤnde angefuͤhret worden, daß ein Liebhaber
der Wahrheit, welcher in abgehandelten Sa-
chen
[156]Cap. IV. Mineraliſcher Innhalt der ꝛc.
chen nicht gantz ohne Wiſſenſchafft iſt, Gele-
genheit haben werde ſich zu vergnuͤgen und zu
uͤberzeugen, ſonderlich wenn er ſelbſt die Hand
anlegen, und die mineraliſchen Waſſer durch
vernuͤnfftige und deutliche Proben erforſchen
will. Solte aber nichts deſto weniger jemand
gegruͤndete Urſachen und andere contraire
Experimenta gefunden zu haben vermeynen,
und ſolche ins beſondere communiciren, oder
auch im Druck unſern Saͤtzen entgegen ſtellen
will, ſo werde nicht ermangeln, wenn ſolches
ohne anzuͤgliche Redens-Arten, welche zur Sa-
che nicht dienen, geſchiehet, dieſelben noch viel
umſtaͤndlicher und weitlaͤufftiger zu erklaͤ-
ren.


§. 125.

So man mir auch vorwerffen wol-
te, daß ich nicht der erſte, ſo dieſe Verbindung
der Spirituum in denen mineraliſchen Waſſern
mit der alcaliſchen Erde erfunden, ſo geſtehe ich,
und gebe mit beyden Haͤnden zu, daß dieſe
Wahrheit gantz ſimple und klar, und alſo un-
moͤglich anders ſeyn koͤnnen, als daß einige ſo
wohl von denen alten als neuern Autoribus
auf dergleichen Gedancken kommen. Weil
ſie aber die wahren Grund-Urſachen dieſer
Combinationum nicht eingeſchen, und ihnen
diejenigen Experimenta gefehlet, welche am al-
lermeiſten beweiſen, ſo widerſprechen ſich auch
alle dieſe Autores, und was ſie auf einem Blat-
te ſtatuiret, werffen ſie auf dem andern wieder
uͤber
[157] uͤber einen Hauffen. Daher ich denn die vor-
getragenen Saͤtze, nicht ſo wohl auf anderer
unvollkommene Gedancken und Meynungen,
als auf eigene Erfahrung und Natur-gemaͤſſes
Nachforſchen gruͤnden wollen.


CAP. V.
Die vornehmſten Kraͤffte und Wirckun-
gen des Pyrmontiſchen Waſſers im
menſchlichen Leibe, auch die Kranckhei-
ten, welche bißher ſonderlich dadurch
curirt worden.


§. 1.


NAchdem wir den mineraliſchen Innhalt,
oder dasjenige, was die Pyrmontiſchen
Geſund-Brunnen von dem gemeinen Waſſer
unterſcheidet, klar und deutlich geſehen, und nach
denen merckwuͤrdigſten Umſtaͤnden betrachtet
haben, ſo muͤſſen wir nun auch die Kraͤffte und
Wirckungen derſelben unterſuchen, als woran
dem menſchlichen Geſchlechte am allermeiſten
gelegen iſt.


§. 2.

Es wircken zwar die mineraliſchen
Waſſer nach allen ihren einverleibeten Mate-
rien zugleich, * und iſt das ſicherſte und ge-
wiſſeſte, daß man durch offt wiederhohlte
Erfah-
[158]Cap. V. Kraͤffte und Wirckungen
Erfahrung und vielfaͤltige Exempel, die Tu-
genden und den Nutzen eines Waſſers kennen
lerne. Indeſſen ſind doch alle Betrachtungen
à priori nicht zu verwerffen, ſonderlich wenn
man nicht ein Chaos chimeriſcher Materien,
ſondern eine wahre Anatomie derer unter-
ſchiedlichen Theile des Waſſer-Gehaltes zum
Grunde hat; denn durch dieſelbe erlanget
man eine vernuͤnfftige Erfahrung, und es wird
die Erfahrung dadurch beſtaͤtiget, und unwan-
delbahr gemachet, da es ſonſt oͤffters geſchiehet,
daß Medici in ihren Brunnen-Beſchreibungen
ſich ſelbſten widerſprechen, und ſo viel unge-
reimte Sachen von denen Kraͤfften ihrer Waſ-
ſer erdichten, daß was heute einige ſtatuiret
haben, morgen von andern wieder umgeſtoſſen
wird.


§. 3.

Wir wollen alſo, ehe wir die allgemei-
nen Wirckungen des Waſſers * vor uns neh-
men, zuerſt die erwieſenen Stuͤcke, als 1) den
ſaͤuerlichen Schwefel-Spiritum, 2) das Vitrio-
lum Martis nativum,
3) das Brunnen-Saltz,
4) den Stahl oder das Eiſen, 5) die alcaliſche
Erde, und 6) die cryſtalliniſche Subſtanz, ein
iedes ins beſonder nach ſeinen bekannten Eigen-
ſchafften und Wirckungen erwaͤgen und vor-
ſtellen.


§. 4.

Es iſt demnach das erſte der ſaͤuerliche
Schwe-
[159]des Pyrmontiſchen Waſſers.
Schwefel-Spiritus:* Daß die Saͤure aus
dem Schwefel und dem Vitriol einerley Gat-
tung ſey, ſolches iſt unter denen gelehrteſten
Chymicis eine ausgemachte Sache, und kan
man auch mit dem Schwefel-Vitriol, und mit
der Vitriol-Saͤure wie der Schwefel, eines aus
dem andern, ſo offt und viel man will, durch
leichte Hand-Griffe verfertigen; daher wir
auch in dem vorigen Capitel den ſauren Spiri-
tum
des Schwefels und Vitriols iedesmahl als
eine Sache angefuͤhret haben.


§. 5.

Daß aber der Spiritus ſulphuris \& vi-
trioli
ein Medicament ſey, ** welches ohne alle
Vermiſchung und Zuſatz zu 10, 15 Tropffen,
auch wenn dergleichen Spiritus ſehr waͤſ-
ſerig ſind, wohl ein Scrupel und mehr auf
einmahl, ohne die geringſte Gefahr und Scha-
den koͤnne eingenommen werden, ſolches be-
kraͤfftigen die meiſten Stimmen der gelehrte-
ſten und erfahrenſten Practicorum, und wird
wohl von niemand, als wenn noch hie und da
ein abſoluter Bontekuiſt uͤbrig geblieben, ge-
laͤugnet werden.


§. 6.

Und nicht allein thut dieſe Saͤure kei-
nen Schaden, *** ſondern wenn ſolche mit Un-
terſcheid der Naturen, und in gebuͤhrender Zeit,
und Ordnung gebrauchet wird, ſo ſtaͤrcket die-
ſelbe
[160]Cap. V. Kraͤffte und Wirckungen
ſelbe den Magen, erwecket den verlohrnen Ap-
petit, daͤmpffet die uͤberfluͤßige gallichte Schaͤrf-
fe, ſo wohl in dem Magen und Gedaͤrmen, als
auch in dem Gebluͤte, und treibet dergleichen
Materien ziemlich ſtarck durch den Urin ab.
Gegen die Fieber-Hitze, ſonderlich in anſte-
ckenden hitzigen Fieber hat man iederzeit dieſes
Acidum ſehr nuͤtzlich gefunden, und pfleget man
12, 15 biß 20 Tropffen zu einer gelinden Saͤure
ins Getraͤncke zu vermiſchen, wodurch denn das
gar zu ſehr ſubtiliſirte Gebluͤt ein wenig verdi-
cket, die fluͤchtig gemachte gallichte Fettigkeit
gebunden, durch den Urin abgefuͤhret, und alſo
eine faulende Reſolution des Gebluͤts gehindert
wird. Darum hat man auch ſolche Saͤure de-
nen Bezoar-Tincturen, und ſo vielen andern Me-
dicament
en, welche taͤglich verſchrieben und ge-
brauchet werden, zugeſetzet.


§. 7.

Was nun den ſauren Schwefel-oder
Vitriol-Spiritum, welcher ſich in unſerm Waſ-
ſer am meiſten ſpuͤhren laͤſſet, anbelanget, ſo ha-
ben wir Cap. 4. §. 20. 30. ſeq. angezeiget, daß
ſolcher dem Spiritui Vitrioli volatili* gantz
aͤhnlich und gleich ſey. Ein ſolcher Spiritus hat
zwar einen ſehr ſtarcken, durchdringenden Ge-
ruch, wie angezuͤndeter Schwefel, indeſſen iſt
der Geſchmack, wie auch der corrodirende Ef-
fect
deſſelben bey weitem nicht ſo ſtarck, wie eine
gemeine Vitriol-Saͤure, oder ein anderer ſau-
rer
[161]des Pyrmontiſchen Waſſers.
rer Chymiſcher Spiritus, ja es iſt derſelbe noch
viel gelinder als der Eßig, welcher taͤglich an
vielen Speiſen geſſen wird.


§. 8.

Die Urſache der Gelindigkeit dieſes
fluͤchtigen Spiritus, da derſelbe doch ſpecie eben
die Gattung Saͤure iſt, wie die gemeine Vitriol-
Saͤure (auch durch geringe Handgriffe der
gemeine Spiritus in einen Fluͤchtigen, und der
Fluͤchtige wieder in einen Gemeinen kan ver-
wandelt werden) haben wir unter dem zweyten
Satz Cap. IV. vorgeſtellet, daß nehmlich die
beygemiſchete ſubtiliſirte Fettigkeit, die ſauren
Saltz-Theilgen zwar fluͤchtiger machet, zugleich
aber nach der bekannten Art aller oͤhnlichten und
fetten Sachen, die Schaͤrffe und Spitzen der-
ſelben einwickelt und abſtumpffet. Nicht allein
aber dieſes, ſondern es wird dieſer Spiritus in
unſerm Waſſer auch von aller nagenden und
zerfreſſenden Schaͤrffe gaͤntzlich gehindert, auf
der einen Seite durch das auffgeloͤſete Eiſen,
mit welchem er combiniret iſt, (Theſ. 5.) auff
der andern Seite durch das Alcali (Theſ. 6.)
Es iſt alſo unmoͤglich, daß hier die Saͤure, wel-
cher doch ſonſt wol die meiſte Schuld moͤchte
gegeben werden, etwas auch das allergeringſte
und ſolubelſte ſolte corrodiren koͤnnen.


§. 9.

Im Gegentheil werden die Kraͤffte und
Tugenden eines ſolchen fluͤchtigen Spiritus von
vielen Chymicis und Practicis gegen die Epile-
pſi
e, Hertzklopffen ꝛc. auch zu kraͤfftiger Reſolu-
Ltion
[162]Cap. V. Kraͤffte und Wuͤrckungen
tion allerhand Verſtopffungen und zaͤher
ſchleimichter Feuchtigkeiten mit ſolchen groſſen
Lob-Reden heraus geſtrichen, * daß, wenn nur
die Halbſcheid davon wahr iſt, man ſolchen als
eine herrliche Artzeney anzuſehen hat. Son-
derlich auch weil unſer natuͤrlicher Spiritus, vor
den durch die Kunſt und Feuer bereiteten einen
Vorzug haben, und noch viel ſicherer und beſſer
zum Gebrauch ſeyn muß.


§. 10.

Es iſt aber dieſes fluͤchtige ſamt einem
Theil von dem fixeren Acido in unſerm Waſſer
nach dem fuͤnfften Satz Cap. IV. §. 8. 9. ſeq. mit
dem Eiſen verknuͤpffet, und conſtituiret mit
demſelben ein zartes Vitriolum Martis nati-
vum,
** welches alſo des andern Ingrediens iſt,
welches wir hier nach ſeinen Medicinal-Eigen-
ſchafften und Kraͤfften erwaͤgen muͤſſen.


§. 11.

Ein reiner Eiſen-Vitriol wird nicht al-
lein von allen Practicis als ein ſehr nuͤtzliches und
ſicheres Medicament, alleine und in allerhand
Arten der Formularum und Recepten vermi-
ſchet, taͤglich gebrauchet,*** ſondern man ſteiget
auch wol mit der Doſi biß zu 10. 12. 15. Gran,
und continuiret damit taͤglich einige Wochen
nach einander. Es eroͤffnet derſelbe die Ver-
ſtopffungen in denen Eingeweiden des Unter-
Leibes, ſtaͤrcket dieſelben, verbeſſert die ſchaͤdli-
che
[163]des Pyrmontiſchen Waſſers.
che Laxitaͤt durch die gelind zuſammenziehende
Krafft des Eiſens, reſolviret den Schleim und
toͤdtet Wuͤrme und Ungezieffer. Es wird die
ſehr gebraͤuchliche und nuͤtzliche Tinctura Mar-
tis Ludovici Tartariſata
daraus gemachet, und
in dem beruͤhmten Pulvere abſorbente Wede-
lii
tragen auch die vorſichtigſten Practici kein
Bedencken, den Eiſen-Vitriol Wochen-Kin-
dern zu verſchreiben.


§. 12.

Wenn nichts deſto weniger iemand
ſolte gefunden werden, welcher den gemeinen
Eiſen-Vitriol verdaͤchtig hielte, und denſelben
einer heimlichen corrodirenden Schaͤrffe und
Saͤure beſchuldigen wolte, ſo laͤſſet ſich doch ſol-
ches von dem Vitriolo Martis in unſerm Waſſeꝛ*
im geringſten nicht gedencken. Denn weil
nach dem ſechſten Satz das Alcali in dem Waſ-
ſer prædominiret, ſo kan die Saͤure durchaus
zu keiner corrodirenden Wuͤrckung kommen,
ſondern ſo bald ein Sauer-Theilgen von dem
Eiſen loß kommt, wird daſſelbe in dem Augen-
blick von dem Alcali (Cap. IV. §. 108.) ergriffen,
und mit demſelben ſo feſte vereiniget, daß durch
die allerſtaͤrckeſte Gewalt des Feuers mit ge-
nauer Noth ein Theil von demſelben wieder
loßgetrieben werden kan.


§. 13.

Aus dieſer Vereinigung der Saͤure
mit dem Alcali entſtehet nun unſer Brunnen-
L 2Saltz,
[164]Cap. V. Kraͤffte und Wuͤrckungen
Saltz, * wie wir unter dem vierdten Satz er-
wieſen, und daſſelbe mit dem Tartaro vitriolato,
Sale mirabili Glauberi
verglichen haben.


§. 14.

Was fuͤr herrliche Tugenden und ſi-
chere gelinde Wuͤrckungen dergleichen Salia
media,
** welche aus der Vitriol Saͤure und ei-
nem Alcali zuſammen geſetzet ſind, durch man-
nigfaltige Erfahrung von ſich ſpuͤhren laſſen,
ſolches geben gleich Anfangs die ſonderbaren
groſſen Titel zu erkennen, indem man ſolchen
die Nahmen Salia polychreſta, Arcanum du-
plicatum, Panaceam Holſaticam \&c.
beygele-
get. Es verduͤnnen, zertheilen und reſolviren
dieſe Salia den zaͤhen Schleim und allerhand
ſchleimichte Verhaͤrtungen und Verſtopffun-
gen im Magen, in denen Gedaͤrmen, in dem
Gekroͤſe, Miltz, Leber und andern glanduloͤſen
Eingeweiden. Sie gehoͤren mit unter die
bewaͤhrteſten und ſicherſten Fieber-Mittel, curi-
ren allerley Art kalte Fieber, und werden auch
mit groͤßtem Nutzen denen Bezoardicis fixis in
hitzigen Fiebern zugeſetzt. In Cachexie,
Schwulſt und Waſſerſucht kan viel damit ef-
fectui
ret werden. Den Urin treiben ſie ſehr
ſtarck, und reinigen die Nieren und Blaſe von
Grieß, Sand und Stein-Gebroͤckel.


§. 15.

Es diſponiren dieſelben zu gelinder
Er-
[165]des Pyrmontiſchen Waſſers.
Eroͤffnung des Leibes, * und darff man mit ei-
nigen derſelben, zum Exempel mit dem Sale mi-
rabili Glauberi,
wie auch mit dem bekannten
Englaͤndiſchen Purgir-Saltz (wenn ſolche an-
derſt durch die noͤthigen Handgriffe von aller
uͤberfluͤßigen prædominirenden Schaͤrffe be-
freyet ſind) von einem Qventlein biß zu zwey
Loth mit der Doſi ſteigen, und nach Unterſcheid
der Naturen acht, vierzehen und mehr Tage
alle Morgen damit continuiren; Da ſolche
denn den Schleim der Eingeweide verduͤnnen,
in ein Waſſer reſolviren, und ohne Bauchgrim-
men und groſſe Ubligkeit, wie ſonſt die meiſten
Purgantia, welche in Quantitaͤt abfuͤhren ſollen,
zu thun pflegen, ihre Wuͤrckung verrichten.


§. 16,

Dieſes ſind aber nicht allein untruͤgli-
che Kennzeichen einer ſonderlichen ſicheren
Wuͤrckung dieſer Art Saltze, ſondern daß ſol-
che auch in dem gantzen Saltz-Geſchlecht die
gelindeſten unter allen ſeyn, und die wenigſte
angreiffende und nagende Schaͤrffe bey ſich ha-
ben muͤſſen.


§. 17.

Das gemeine Kuͤchen-Saltz,** welches
wir taͤglich faſt an allen Speiſen eſſen, und deſ-
ſen unſere Natur von Jugend auf gewohnet iſt,
wenn ſolches zu etlichen Quentlein oder ein Loth
des Morgens mit etwas Waſſer in den ledigen
L 3Ma-
[166]Cap. V. Kraͤffte und Wuͤrckungen
Magen genommen wird, pflegt denſelben ſo an-
zugreiffen und zu irritiren, daß eine groſſe Ublig-
keit und ſtarckes Erbrechen darauf erfolget. Im
Gegentheil koͤnnen angefuͤhrte Saltze zu zwey
Loth eingenommen werden, ohne daß man un-
ter zehnmahl einmahl eine ſonderliche Ubligkeit
oder Erbrechen drauf verſpuͤhret. Weil nun
unſer Brunnen-Saltz von eben dieſer Gattung
iſt, wie wir unter dem 4ten Satz umſtaͤndlich er-
wieſen haben, ſo darf man von demſelben gleich-
falls nicht die geringſte Corroſion beſorgen, ſon-
derlich da in einem Pfund Waſſer nur ſieben
Gran Saltz verhanden, und es in demſelben
mit einer prædominirenden alcaliſchen Erde
vermiſchet und umgeben iſt, nach dem ſechſten
Satz §. 108. Cap. IV.


§. 18.

Wir kommen nun nach der Ord-
nung auf das Eiſen * in unſerm Waſſer,
wie das Eiſen in dem gemeinen Leben zu aller-
hand mechaniſchen Gebrauch das nuͤtzliche Me-
tall iſt, ſo hat daſſelbe bißher auch den Vorzug
unter allen uͤbrigen Metallen in der Medicin,
und werden aus demſelben die meiſten, ſicher-
ſten und gebraͤuchlichſten Artzeneyen verfertiget,
ja es wird das rohe Eiſen-Feil gar offt verſchrie-
ben und nicht ohne Nutzen eingenommen.


§. 19.

Die vornehmſte Medicinal-Wuͤr-
ckung des Eiſens ** in dem menſchlichen Leibe
iſt, daß ſolches alle Eingeweide ſtaͤrcket und ge-
lin-
[167]des Pyrmontiſchen Waſſers.
linde zuſammen ziehet. In denen meiſten
langwierigen Kranckheiten findet ſich eine ſehr
ſchaͤdliche Laxitaͤt und Erweichung der Faͤſer-
lein aller innerlichen Theile; von der ſulphuri-
ſchen, trockenen, alcaliſchen Erde des Eiſens aber
erlangen dieſelben ihre natuͤrliche Staͤrcke und
Fettigkeit wieder; Die fibræ motrices partium
membranoſarum, vaſculoſarum \& glandulo-
ſarum
ziehen ſich wieder gebuͤhrend zuſammen;
Und durch dieſe Bewegung werden die be-
ſchwerlichen Verſammlungen der Feuchtigkei-
ten von denen Eingeweiden abgetrieben, und die
ſchleimichten tartariſchen Verſtopffungen
(wenn ſolche nicht ſchon gaͤntzlich veraltet und
verhaͤrtet ſind) aus denen Druͤſen, Roͤhrlein
und Gaͤngen heraus gepreßet. Auf ſolche Art
oͤffnet denn das Eiſen und ziehet zuſammen.
Aus angeregten Urſachen aber thun die Stahl-
oder Eiſen-Brunnen ſo herrliche Wuͤrckungen
in dem Malo hypochondriaco, Mutter Be-
ſchwerungen, allerhand Gebrechen der Daͤu-
ungs-Eingeweide, langwierigen Durchfaͤllen,
Verſtopffungen des Gekroͤſes, des Miltzen, der
Leber ꝛc.


§. 20.

Je weniger Eiſen in einem minerali-
ſchen Waſſer iſt, * ie eher koͤnnen die Einge-
weide Schaden durch den Gebrauch deſſelben
leiden, es mag auch ſonſt ſo viel oͤffnen, laxiren
und den Urin treiben, wie es will. Inmaſſen
L 4durch
[168]Cap. V. Kraͤffte und Wuͤrckungen
durch die viele Waͤſſerigkeiten die Nerven-Faͤ-
ſerlein gar zu ſehr erweichet und ſchlapp ge-
macht werden, welches nicht allemal durch bloſ-
ſe Salia, wol aber durch die Eiſen-Theilgen ge-
hindert wird. Weil demnach unſer Waſſer ſo
reich an Eiſen iſt, daß demſelben faſt keines dar-
an gleich koͤmmt, (Cap. IV. §. 91.) ſo ſind deſſen
Tugenden ſo viel groͤſſer, und der Gebrauch ſo
viel ſicherer.


§. 21.

Es laͤßet ſich auch der Unterſcheid, wel-
cher zwiſchen einem reichhaltigen Eiſen-Waſſer
und einem andern, das wenig oder nichts von
Eiſen bey ſich fuͤhret, ſonderlich wohl an unſerm
Waſſer obſerviren. Denn ie laͤnger man
daſſelbe ſtehen laͤſſet, daß ſich das Eiſen uͤber ſich
und unter ſich heraus ſetzet, je mehr pflegt ſol-
ches zu purgiren, und erfahren ſolches auch
diejenigen, welche das verfahrne Pyrmontiſche
Brunnen-Waſſer * (welches zuweilen durch
warmes Wetter gar viel in ſeiner Mixtur ver-
aͤndert wird, da ſich der groͤſſeſte Theil des Ei-
ſens inwendig an die irdene oder glaͤſerne Ge-
faͤſſe ſetzet) zu Hauſe trincken. Von denenſel-
ben hoͤret man oͤffters erzaͤhlen, daß ſie zu Hau-
ſe viel mehr Wuͤrckung von dem Brunnen ge-
habt, als ſie nun bey der Qvelle verſpuͤhreten.
Dieſe Wuͤrckung aber rechnen ſie nach dem oͤff-
tern Purgiren.


§. 22.
[169]des Pyrmontiſchen Waſſers.

§. 22.

Was hilfft es aber, wenn der Leib
noch ſo wol durch die Salia gereiniget, und durch
das Waſſer ausgeſpuͤhlet worden, wenn nicht
zu gleicher Zeit denen Eingeweiden ihre gebuͤh-
rende Staͤrcke, Feſtigkeit und zuſammenziehen-
de Bewegung wiedergebracht wird. * Geſchie-
het dieſes nicht, ſo ſammlen ſich oͤffters die
ſchaͤdlichen Saͤffte in denen ſchlappen und wel-
cken Viſceribus ſo geſchwinde wieder, als ſolche
hinaus geſchaffet worden, und iſt alſo der Nu-
tzen ſehr geringe, welchen man von einer ſolchen
Waſſer-Cur erlanget hat.


§. 23.

Wegen des Eiſens oder Stahls iſt nun
noch eine Frage uͤbrig; Nehmlich ob das Eiſen
des Waſſers in unſerem Leibe, als ein Vitrio-
lum
oder wie ein Crocus Martis ſeinen Effect
præſti
re? ** Es iſt in dem vorigen Capitel
umſtaͤndlich erwieſen worden, daß das Waſſer
in freyer Lufft, u. ſonderlich durch das Erwaͤrmen
(wie ſolches in denen Eingeweiden und Adern
geſchiehet) nach und nach alle vitrioliſche Ei-
genſchafften verliehren und das Eiſen fallen laſ-
ſen muͤſſe. Auch wird das Waſſer in dem
Magen und Gedaͤrmen mit allerhand ſauren,
gallichten und groben irdiſchen Materien ver-
miſchet, da ſonderlich die Particulæ terreo-
pingues
ſich an das zarte Eiſen-Vitriolum haͤn-
L 5gen,
[170]Cap. V. Kraͤffte und Wuͤrckungen
gen, daſſelbe niederſchlagen, und mit demſelben
eine ſchwartze Dinten-Farbe ausmachen, wie
ſolches von denen Excrementis bey dem Ge-
brauch der Stahl-Waſſer bekannt iſt.


§. 24.

Es leget alſo das Waſſer in primis
viis
ſeine vitrioliſche Qualitaͤten ab, und wenn
noch etwas Eiſen mit dem uͤbrigen Gehalt des
Waſſers in das Gebluͤthe fortgefuͤhret wird, ſo
thut ſolches ſeinen Effect mehr als ein ſubtiler
Eiſen-Crocus, befeſtiget, und ſtaͤrcket alle re-
laxi
rte Partes ſolidas, als daß es einiger maßen
durch prævalirende vitrioliſche Eigenſchafften
denen Nerven ſchaͤdlich ſeyn ſolte, wie einige
Autores argwoͤhnen und befuͤrchten wollen.


§. 25.

Sonderlich aber hindert die prædo-
mini
rende ſubtile alcaliſche Erde * (welche das
fuͤnffte Ingrediens iſt, welches wir hier nach ſei-
nen Wuͤrckungen betrachten muͤſſen) daß we-
der die Saͤure noch der Vitriol des Waſſers
einigen angreiffenden oder corrodirenden Ef-
fect
thun koͤnne, wie ſolches ſchon im vorherge-
henden umſtaͤndlich erklaͤret und dargethan
worden. Was ſonſten dergleichen ſubtile al-
cali
ſche Erden in unſerm Leibe wuͤrcken, und wie
ſicher und nuͤtzlich dieſelben zu gebrauchen, ſol-
ches wiſſen anietzo faſt alle Hauß-Muͤtter, und
werden auch von denen Medicis wenig Pulver-
Recepte verſchrieben, in welchen man nicht
præparirte Krebs-Steine, Muſchel-Scha-
len,
[171]des Pyrmontiſchen Waſſers.
len, Perlen-Mutter und dergleichen finden
ſolte.


§. 26.

Da nun das Alcali in unſerm Waſſer
eben eine ſolche ſubtile Erde iſt, * und zwar von
der zarteſten Gattung, welche in einem Cryſtal-
len-hellen Waſſer auffgeloͤſet iſt, (Cap. IV. §.
114.) ſo muß dieſelbe einen gleichmaͤßigen und
noch viel ſubtilern Effect thun, die uͤberfluͤßige
Saͤure, gallichte und ſaliniſche Schaͤrffe in dem
Magen und Gedaͤrmen, wie auch in der gan-
tzen Maſſa Humorum zu daͤmpffen und an ſich
zu nehmen, welche nachmahls gleich durch die
uͤbrige reinigende und austreibende Krafft des
Waſſers aus dem Leibe fortgeſchaffet, und
durch die Reinigungs-Werckzeuge ausgeworf-
fen wird.


§. 27.

Endlich iſt die ungeſchmackte Cryſtal-
liniſche Subſtantz des Waſſers (Cap. IV. §. 116.
ſeq.
) noch uͤbrig,** und muͤſſen wir ſehen, ob ſol-
che auch einige Artzney-Tugenden beſitze. Wir
haben zu Ende des vorigen Capitels gemeldet,
daß dieſe durchſichtige Cryſtallen nichts anders,
als ein reiner Selenites-Stein ſeyn. Ein ſol-
cher Stein iſt eine ſonderlich zarte, muͤrbe und
weiche Erde, welche nicht unter den Zaͤhnen
knirſchet, auch ſich gar leichte zu einem ſubtilen
unfuͤhlbaren Mehl reiben laͤſſet.


§. 28.

Ob nun gleich das Pulver ſo wol von
dem
[172]Cap. V. Kraͤffte und Wuͤrckungen
dem rohen als calcinirten Selenite mit ſauren
Sachen nicht auffwallet, ſo iſt doch eben dieſes
von dem præparirten Berg-Cryſtall, auch von
vielen Lapidibus pretioſis, \& minus pretioſis
bekannt, welchen nichts deſto weniger von de-
nen meiſten Practicis ſonderliche Tugenden und
medicinal-Kraͤffte beygeleget werden. Am
allermeiſten wird der præparirte Berg-Cryſtall
Kindern und Alten gegen Uberfluß ſcharffer
und nagender Galle, in der Cholera, Bauch-
fluͤſſen, Ruhr, Nieren-Stein, lauffender Gicht,
Fluore albo, auch zu Vermehrung der Milch
bey ſaͤugenden Frauen, mit groſſen Nutzen gar
viel und oͤffters gebrauchet.


§. 29.

* Weil nun die Materia ſelenitica
nur nicht von ſolcher Haͤrte und Feſtigkeit, im
uͤbrigen aber mit der Subſtantz des Berg-Cry-
ſtalles gantz uͤberein zu kommen, und wegen ih-
rer Weiche und Muͤrbigkeit noch wol mehr Ein-
gang und Wuͤrckung in die Feuchtigkeiten un-
ſers Leibes zu haben ſcheinet, ſo habe bißher in
meiner Praxi ſo wol die Cryſtalliniſche Materie
unſers Waſſers, als auch ſonſt einen reinen La-
pidem ſelinit
en in obgedachten Faͤllen, gegen
welche der Berg-Cryſtall recommendiret wor-
den, alleine und mit andern Sachen vermiſchet,
oͤffters gebrauchet, und iederzeit einen zuverlaͤſ-
ſigen Effectum præcipitantem davon erhal-
ten.


§. 30.
[173]des Pyrmontiſchen Waſſers.

§. 30.

Uber dieſes iſt auch ſonſten der Lapis
ſelenites
nicht allein zu mechaniſchen Sachen,
und aͤußerlich zur Schmincke vor das Frauen-
zimmer gebrauchet worden, ſondern es haben
auch einige erfahrne Practici denſelben innerlich
als ein ſehr gutes Antiſpaſmodicum gegen die
Epilepſie, gegen Paroxyſmos habituales kalter
Fieber und dergleichen. Kindern und Erwach-
ſenen mit ſehr gutem Succeſs eingegeben.


§. 31.

Dieſes ſind alſo die Eigenſchafften,
Kraͤffte und Wuͤrckungen derjenigen Materi-
en, aus welchen der mineraliſche Innhalt un-
ſers Waſſers zuſammen geſetzet iſt. * In wel-
chem Stuͤcke nun das Schaͤdliche und Corro-
ſivi
ſche verborgen liege, oder welche Materie
des Waſſers corrodiren koͤnne, ſolches wird
wol mit der Wuͤndſchel-Ruthe muͤſſen ausge-
funden werden; Im Gegentheil aber wird ein
ieder Kenner der Materiæ Medicæ geſtehen 1)
daß das Pyrmontiſche Waſſer nach denen er-
wieſenen Kraͤfften der unterſchiedlichen Stuͤcke
des mineraliſchen Innhalts mehr ein verſuͤſſen-
des als Sauer-Waſſer genennet zu werden
den verdiene; 2) daß taͤglich denen ſchwaͤcheſten
Krancken, auch denjenigen, welche mit inner-
lichen Geſchwuͤhren behafftet, Saltze und aller-
hand Materien verordnet und zugelaſſen wer-
den, welche ſchaͤrffer und angreiffender als unſe-
re Brunnen-Contenta; Und daß folglich alle
das
[174]Cap. V. Kraͤffte und Wuͤrckungen
das Gewaͤſche und Vorgeben von der gar zu
groſſen Staͤrcke und Schaͤrffe dieſes Waſſers,
in lauter chimæriſchen Schwierigkeiten, ſo
theils der Neid, theils die Unwiſſenheit auff die
Bahn gebracht, beſtehe, welche hiermit nun uͤ-
ber einen Hauffen fallen.


§. 32.

Sind aber diejenigen Materien, wel-
che das Pyrmontiſche Waſſer in ſich haͤlt, gut,
ſicher und nuͤtzlich zu gebrauchen, ſo iſt deſto beſ-
ſer, daß man ſolche nicht gar zu weitlaͤufftig in
dem Waſſer ausgebreitet findet. * Man haͤlt
ja mehr von concentrirten kraͤfftigen Artzney-
en, mit welchen man in weniger Doſi viel aus-
richten kan, als von langen Galeniſchen Bruͤ-
chen und duͤnnen abgeſchmackten Traͤn-
cken.


§. 33.

Den groͤſſeſten Unterſcheid, welchen
man bey unpartheyiſcher Unterſuchung unſeres
und anderer Sauer-Brunnen, welche gelinder,
ſubtiler und leichter heiſſen, findet, beſtehet dar-
innen, daß dieſe Waſſer reicher ſind. Wann
man zum Exempel ein Maaß Pyrmontiſch
Waſſer mit ein oder 2. Maaß gemein friſch
Brunnenqvellen-Waſſer vermiſchet, ſo iſt der-
ſelbe eben ſo leicht, ſo ſubtil und gelinde.


§. 34.

Es moͤgen alſo andere von denen ſpi-
rituali
ſchen Kraͤfften ihrer Waſſer und denen
unſichtbaren aſtraliſchen Geiſterlein in denen-
ſelben ſo viel ruͤhmen und ſchreiben wie ſie wol-
len
[175]des Pyrmontiſchen Waſſers.
len (welches ſonderlich von einigen hier und dar
entdeckten neuen Waſſern, in welchen nichts
beſonders Coͤrperliches anzutreffen, und doch
mit Gewalt groſſe Geſund-Brunnen ſeyn ſol-
len, bißweilen auf eine recht laͤcherliche Art ge-
ſchiehet) ſo ſind wir im Gegentheil wohl zufrie-
den, daß man in unſerm Waſſer kaͤnntliche und
begreiffliche Materien, und ſolche nach Propor-
tion
des Waſſers in ziemlicher Quantitaͤt fin-
det, deren medicinal-Kraͤffte nicht koͤnnen ge-
laͤugnet werden.


§. 35.

Wenn man es der Muͤhe werth hielte,
ſo koͤnten in der Pyrmontiſchen Gegend viele
gelinde Sauer-Brunnen auffgeraͤumet wer-
den, weil dergleichen Qvellen in groſſer Menge
von allerhand Gattungen daſelbſt vorhanden,
wie in dem dritten Capitel angezeiget habe.
Indeſſen werden doch hiermit alle geringhalti-
ge mineraliſche Waſſer nicht verworffen, * ſon-
dern bey denjenigen Perſonen, welchen mehr
ſimple Dilutiones und Verſuͤßungen der Hu-
morum,
als viele Abfuͤhrungen und Auswuͤrf-
fe dienlich ſind, haben dieſelben auch ihren Nu-
tzen und Gebrauch, wenn nur durch gute Medi-
cament
en dabey gehindert wird, daß die Viſce-
ra
nicht zu ſehr relaxiret, und eine uͤberfluͤßige
Waͤßerigkeit in denenſelben, wie auch in de-
nen Humoribus zuruͤck bleibe und verhalten
werde.


§. 36.
[176]Cap. V. Kraͤffte und Wuͤrckungen

§. 36.

Uber dieſes wird auch niemand laͤug-
nen, und iſt von vielen alten und neuen Autori-
bus
weitlaͤufftig vorgeſtellet, wie geſund das
ſimple gemeine Waſſer ſey, und wie groſſe Cu-
ren daſſelbe thun koͤnne. * Da zum Exempel
denjenigen, welche durch den Mißbrauch vieler
ſauren, ſaltzigen und ſtarck gewuͤrtzten Speiſen,
wie auch durch unmaͤßig Wein-und Brandte-
wein-Trincken ihre Eingeweide erhitzet und
ausgetrocknet, und die Humores gar zu ſul-
phuri
ſch und auffwallend gemachet haben, das
Weſer-Waſſer zuweilen an ſtatt eines guten
Geſund-Brunnens dienen kan. Ob nun gleich,
wie gemeldet, alles dieſes nicht widerſprochen
wird, ſo bleibt dennoch gewiß, daß, wenn man
von einem Waſſer mit Wahrheit mehrere
Kraͤffte und Wuͤrckungen, als von dem gemei-
nen Waſſer ruͤhmen wolle, man auch Materien
darinnen zeigen muͤſſe, von welchen ſolches her-
ruͤhren koͤnne, oder ſonſten wird der geruͤhmte
Effect deſſelben eqvivoc und zweiffelhafft
bleiben.


§. 37.

Wir muͤſſen aber nun weiter ſehen,
wie das friſch-getrunckene Pyrmontiſche Waſ-
ſer mit dem zuſammengefuͤgten mineraliſchen
Halt in unſerm Leibe wuͤrcke, ** und was fuͤr
Effecte insgemein durch die Erfahrung davon
ver-
[177]des Pyrmontiſchen Waſſers.
verſpuͤhret werden. Die offenbareſte und be-
kannteſte Wuͤrckung des Waſſers, wenn ſol-
ches in gehoͤriger Maaß getruncken wird, iſt,
daß es die natuͤrlichen Abfuͤhrungen und Aus-
wuͤrffe durch alle Scheidungs-und Reinigungs-
Werckzeuge unſers Leibes haͤuffig vermeh-
ret.


§. 38.*

In dem Munde wird durch daſſelbe
bey einigen eine ſtarcke und viele Tage nach
einander anhaltende Salivation erwecket.
Durch die Glandulas des Gaumens, Schlunds
und der Lufft-Roͤhre, wie auch durch die Naſe
treibet es eine Menge Schleim aus, loͤſet und
verduͤnnet denſelben. Der Magen wird von
demſelben bey denjenigen, ſo dazu geneigt, zum
Erbrechen erreget, und viele Unreinigkeiten uͤ-
ber ſich ausgeworffen. Aus denen Gedaͤrmen
ſpuͤhlet das Waſſer durch ſeine laxirende Krafft
die verhaltenen groben Unreinigkeiten, den
Schleim und die ſcharffe Galle durch den
Stuhlgang weg, ſo, daß ſolche oͤffters einige
Tage nach einander mit Erhitzen und Brennen
gar empfindlich fortgehet.


§. 39.

Durch die Nieren und Blaſen treibet
es am allermeiſten, und paſſiret bey vielen
durch den Urin alleine taͤglich eine gleiche
oder groͤſſere Maaß Waſſer wieder weg als ſie
getruncken haben. Auff der gantzen Oberflaͤ-
che der Haut wird nicht allein der Schweiß ſehr
Mmerck-
[178]Cap. V. Kraͤffte und Wuͤrckungen
mercklich getrieben, auch bey denjenigen, welche
ſonſt ſehr ſchwer dazu zu bewegen, oder wie ei-
nige klagen, viele Jahre nicht recht ſchwitzen
koͤnnen, ſondern wenn die Humores ſehr ſaltzig
und gallicht ſind, verurſachet es auch ein Aus-
fahren uͤber die gantze Haut, welches aber bald
wieder vergehet, oder zu Ende der Cur durch
das Bad gehoben wird. Die verhaltene ge-
woͤhnliche Blut-Fluͤſſe bey Weibs-und Mañs-
Perſonen, von welchen ſo viele Beſchwerungen
und Kranckheiten zu entſtehen pflegen, bringet
das Waſſer ſo gewiß und ſicher wieder zurechte,
als ſonſten von keinem bekannten Mittel kan ge-
ſaget werden.


§. 40.

Alle dieſe Reinigungen des Leibes ge-
hen auf eine ſo gelinde und angenehme Art von
ſtatten * (wenn anderſt die Cur regelmaͤßig ge-
fuͤhret wird) daß keine Artzeneyen, noch ande-
res Mediciniren damit zu vergleichen. Und ob
ſich wol viele das Pyrmontiſche Waſſer ſo
ſtarck und angreiffend vorſtellen laſſen, ſo wer-
den doch insgemein alle, welche daſſelbe in ge-
buͤhrender Ordnung getruncken haben, aus der
Erfahrung das Gegentheil bezeugen und be-
kennen muͤſſen, daß es ohne alle Beſchwerungen,
Ubligkeit und Entkraͤfftungen, welches ſonſt faſt
alle uͤbrige Reinigungs-Mittel, ſo in Quantitaͤt
evacuiren ſollen, zu verurſachen pflegen, ſeine
Wuͤrckungen verrichte, ja daß mancher ſpielend
und
[179]des Pyrmontiſchen Waſſers.
und gleichſam vor die lange Weile die Brun-
nen-Cur halten koͤnne.


§. 41.

Es thut aber das Waſſer nicht allein
angezeigte allgemeine ſichtbarliche Wuͤrckun-
gen, ſondern nach denen erwieſenen Theilen ſei-
nes mineraliſchen Innhalts muͤſſen auch noch
die uͤbrigen Haupt-Effecte, welche zu Wieder-
bringung der Geſundheit erfodert werden, und
wir bereits im vorhergehenden unter einem ie-
den Stuͤck ins beſonder angefuͤhret haben, noth-
wendig folgen, daß es nehmlich die ſaure, ſcharf-
ſaltzige und gallichte Feuchtigkeiten ſo wohl in
dem Magen und Gedaͤrmen als in der gantzen
Maſſa Humorum veraͤndert, daͤmpffet und ver-
ſuͤſſet, * den Schleim und das zaͤhe coagulirte
Weſen, wie auch allerhand Verſtopffungen des
Gekroͤſes, der Leber, des Miltzen, der Nieren, der
Lungen und aller Haar-kleinen Roͤhrlein und
Gaͤnge derer uͤbrigen Eingeweide in denen
ſaͤmtlichen dreyen Haupt-Hoͤhlen des menſch-
lichen Leibes auffloͤſet, verduͤnnet und zertheilet,
welcher præparirte und beweglich gemachte Un-
rath nachmahls durch alle Excretoria (§. 38.)
ausgeworffen wird.


§. 42.

Und da allerley ſchaͤdliche Feuchtig-
keiten und Verſtopffungen bey einer geſchwaͤ-
cheten Natur und Leibe, aus der gewoͤhnlichen
taͤglichen Nahrung gar leicht wieder gezeuget
M 2wer-
[180]Cap. V. Kraͤffte und Wuͤrckungen
werden und entſtehen koͤnnen, wenn dieſelben
gleich einmal noch ſo rein aus dem Leibe geſchaf-
fet geweſen, ſo wird unter angezeigten Reinigun-
gen und Abfuͤhrungen zu gleicher Zeit der To-
nus \& Elater partium ſolidarum \& fibrarum
motricium
oder die natuͤrliche Feſtigkeit, * leb-
haffte zuſammen ziehende und ſpannende Be-
wegung der Nerven-Faͤſerlein, (welche ſonder-
lich in denen poroͤſen, ſchwammichten und alle-
zeit feuchten Eingeweiden gar offt mit groſſem
Schaden der Geſundheit zu fehlen pfleget)
durch die austrocknende ſulphuriſch-balſami-
ſche Eiſen-Erde des Waſſers wieder gebracht,
geſtaͤrcket, und folglich die neuen Verſammlun-
gen ſchaͤdlicher Saͤffte und Materien in denen
Viſceribus nachdruͤcklich gehindert und verhuͤ-
tet. S. §. 19.


§. 43.

Da nun durch oben gemeldete (§. 38.)
natuͤrliche und gewoͤhnliche Reinigungen und
Austreibungen derer Unreinigkeiten die Ge-
ſundheit und das Leben des Menſchen erhalten,
und durch Vermehrung ein und anderer Excre-
tion,
oder unterſchiedlicher Ausfuͤhrungen zu-
gleich faſt alle Kranckheiten curiret, auch die
uͤbrigen Haupt-Indicationes curativæ 1) in
Eroͤffnung der Verſtopffungen, ** 2) Verbeſſe-
rung und Edulcoration derer ſchaͤdlichen Feuch-
tig-
[181]des Pyrmontiſchen Waſſers.
tigkeiten, und 3) Wiederbringung des Toni
Partium fibroſarum,
von der Wuͤrckung des
Waſſers erfuͤllet werden, ſo iſt daraus offenbar,
daß, wenn unter denen natuͤrlichen Geſund-
heits-Mitteln eine Art gefunden wird, welche
den Nahmen einer Panaceæ verdienet, ſolches
gewißlich die Geſund-Brunnen, und in ſpecie
nach beſchriebenen Umſtaͤnden das geſegnete
Pyrmontiſche Waſſer eines von denen allerbe-
ſten mit ſeyn muͤſſe.


§. 44.

Inſonderheit hat GOtt der Aller-
hoͤchſte die mineraliſchen Waſſer, als ein allge-
meines Mittel gegen die Morbos chronicos o-
der allerley langwierige Kranckheiten (einige
wenige ausgenommen) gegeben, * am aller-
meiſten ehe dieſelbigen gaͤntzlich eingewurtzelt
und veraltet; da ſolche mit Ubereinſtimmung de-
rer gelehrteſten und erfahrenſten Practicorum,
als die beſten und gewiſſeſten Artzneyen, und
das letzte Aſylum, nach dem man durch alle
Prædicamenta Remediorum ohne Beſſerung
und Huͤlffe gelauffen, gefunden werden.


§. 45.

Damit wir aber hier von denen Cu-
ren unſers Waſſers weder zu viel noch zu wenig
ſagen moͤgen, ſo wollen wir kuͤrtzlich diejenigen
Kranckheiten mit Nahmen anfuͤhren, ** gegen
welche nunmehro wieder ein beſtaͤndiger 70
M 3biß
[182]Cap. V. Kraͤffte und Wuͤrckungen
biß 80 jaͤhriger innerlicher Gebrauch des Waſ-
ſers (Cap. II. §. 23.) nachdem ſolcher im 16den
ſeculo interrumpirt geweſen, (ibid. §. 18. ſeq.)
ſonderbare Wuͤrckungen gethan, und durch
die Erfahrung unzaͤhlig viele herrliche Exempel
der Geſundmachung dargeſtellet hat. Wir
wollen die vornehmſten Kranckheiten nach de-
nen Haupt-Theilen des Leibes anfuͤhren, auff
daß ein ieder gleich einen ieden Affect, gegen
welchen das Waſſer dienlich, nachſuchen und
finden koͤnne. Es curiret alſo das Waſſer:


§. 46.

Von Kranckheiten am Haupte.


Kopff-Schmertzen, Hemicranias, Schwin-
del, ſtarcke Haupt-Fluͤſſe, Krampffzuͤge und an-
dere Vorboten des Schlages, Epilèpſias ſym-
pathicas
von verhaltenen Blut-Fluͤſſen, Wuͤr-
mern und dergleichen. Miltzſuͤchtige Phanta-
ſien und Aberwitz, Schlaffloſigkeit, Raſe-
rey ꝛc.


Allerley Maͤngel derer aͤußerlichen Sinne:
des Geſichts, Gehoͤrs, Geruchs, Geſchmacks
und Sprache; ſo viel derſelben von ſcharffſaltzi-
gen, ſchleimichten Fluͤſſen und Verſtopffungen
herruͤhren, und die feſten Theile, Nerven und
Werckzeuge dieſer Sinnen noch nicht verletzt,
durch Eyter und andere ſcharffe Feuchtigkeiten
zerfreſſen, oder mit Fellen und andern verhaͤrte-
ten Materien durchwachſen ſind. Naſen-Blu-
ten, Naſen-Geſchwuͤre, Catarrhen, faules ſcor-
buti
ſches Zahn-Fleiſch ꝛc.


§. 47.
[183]des Pyrmontiſchen Waſſers.

§. 47.

Von Kranckheiten der Bruſt.


Præſerviret dieſes Waſſer fuͤr der Lungen-
ſucht, Lungen-Geſchwuͤhren, Blutſpeyen und
Steck-Fluͤſſen, indem es die ſcharff-ſaltzige Hu-
mores
verſuͤſſet, das aufwallende hitzige Ge-
bluͤth temperirt, von der Lungen abtreibet, und
die ſoliden Theile derſelben durch ſeine gelinde
zuſammenziehende und heilende Krafft ſtaͤrcket
und befeſtiget.


Es curiret die alten beſchwerlichen Huſten,
Heiſſerigkeit, Keichen, ſchweren Athem, Engbruͤ-
ſtigkeit, (Aſthmaſcorbuticum ut vocant) ſcor-
buti
ſche Auszehrung mit Huſten und vielen
Auswerffen, Druͤcken und Stechen auff der
Bruſt, da die ſubtilen Roͤhrlein, Druͤſen und
Lufft-Blaͤßlein in der ſchwammichten Subſtantz
der Lungen mit haͤuffigem zaͤhen Schleim und
vielen ſcharffſaltzigen Unreinigkeiten angefuͤllet,
verſtopffet, ausgedehnet und rodiret werden,
woraus endlich Lungen-Geſchwuͤre, Fiſtel-
Schaden und die rechte Schwindſucht entſte-
hen koͤnnen.


Ja es recommendiret auch der ſelige Doctor
Cunæus
dieſes Waſſer gegen die wuͤrckliche
Lungen- und Bruſt-Geſchwuͤre ſelbſt, gegen
Seiten-Stechen, verſtockten Bruſt-Eyter, ſtin-
ckenden Athem, Blutſpeyen, Anfang zur
Schwindſucht ꝛc. weil der Brunnen kuͤhle, ab-
wiſche und zugleich zuſammen ziehe. Er fuͤh-
ret auch verſchiedene Exempel an von Krancken,
M 4wel-
[184]Cap. V. Kraͤffte und Wuͤrckungen
welche Eyter und Blut ausgehuſtet, und mit
andern ſchwindſuͤchtigen Zufaͤllen mehr behaff-
tet geweſen, welche nichts deſto weniger durch
Gebrauch des Brunnens und einiger guten
Bruſt-Medicamenten voͤllig reſtituiret wor-
den. Und gewißlich iſt dieſes alten Brunnen-
Practici Erfahrung nicht ohne Grund, und ha-
be ich ſelbſt nicht einen oder den andern, ſondern
eine ziemliche Anzahl ſolcher Perſonen theils
von hieſigen Einwohnern, theils von Fremden
in der Cur gehabt, welche nicht ruhen wolten,
biß man ihnen auf ihre eigene Gefahr den Ge-
brauch des Brunnens zulaſſen muͤſſen, da ſich
ſonſten bey ihnen alle gewiſſe Anzeigungen ei-
ner wahren Lungenſucht, als oͤffters Blut-und
fauler Eyter auswerffen, hectiſche Fieber-Hi-
tzen, Inflammationes peripneumonicæ perio-
dicæ cum ejectione ſanguinis \& puris fœten-
tis \&c.
gefunden, von welchen dennoch einige
ſich recht wohl darauf befunden, denen andern
aber hat das Waſſer, da ſie nicht dadurch ge-
beſſert worden, doch auch keinen Schaden zu-
gefuͤget.


Es wird aber dieſes nicht darum angefuͤhret,
als wenn man nun auf einmahl allen Schwind-
ſuͤchtigen ohne Unterſcheid das Pyrmontiſche
Waſſer rathen wolte, ſondern daß, wenn ja zu-
weilen in vielen Jahren ein Schwindſuͤchtiger,
welchem etwa ſchon vorhin die gantze Lunge
durchfaulet und durchfreſſen geweſen, und be-
reits
[185]des Pyrmontiſchen Waſſers.
bereits den einen Fuß in Charons Schiff ge-
habt, nach der Brunnen-Cur geſtorben, ſolches
nicht gleich einer angreiffenden Schaͤrffe und
corrodirenden Wirckung, welche, wie erwie-
ſen iſt, in unſerm Waſſer im geringſten keinen
Platz hat, moͤge zugeſchrieben werden.


Im uͤbrigen hat wenigſtens in oben gemeld-
deten Bruſtbeſchwehrungen unſer Waſſer ſon-
derbahre Tugenden und Kraͤffte, doch daß es
nicht kalt, ſondern uͤberſchlagen und laulicht ge-
truncken werde. Denn wenn man demſelben
nur die zufaͤllige Eigenſchafft der Kaͤlte, welche
der Bruſt durchaus ſchaͤdlich iſt, benimmet, ſo
wird nachmahs einem jeden die Erfahrung leh-
ren, daß dieſes Waſſer als ein recht gelinder,
ſicherer und nuͤtzlicher Bruſt-Tranck gegen vie-
le Bruſt-Beſchwehrungen koͤnne gebrauchet
werden.


Noch iſt das Waſſer uͤberaus nuͤtzlich gegen
Hertzklopffen, Hertzens-Angſt, Hertz-Coliquen,
welche mit unter die Kranckheiten der Bruſt ge-
zehlet werden.


§. 48.

Von Kranckheiten des Unter-Leibes
curiret das Waſſer allerley Beſchwehrungen
und Maͤngel des Magens: verlohrnen Appe-
tit, uͤble Verdauung, Eckel und Erbrechen,
Cardialgias, Auffblehungen, Angſt und Ban-
gigkeit, Druͤcken, Sodbrennen, uͤberfluͤßige
ſaure und ſcharffe gallichte Feuchtigkeiten ꝛc.


Der Gedaͤrme: Colicas pituitoſas, flatu-
M 5len-
[186]Cap. V. Kraͤffte und Wuͤrckungen
lentas, bilioſas \& hæmorrhoidales, langwieri-
ge Durchfaͤlle, Lienterias; Troͤckne und Ver-
haͤrtung des Leibes, verhaltenen zaͤhen Schleim
und Galle, Verſtopffungen derer Druͤſen,
Milch und Waſſer-Adern des Gekroͤſes; toͤd-
tet und treibet aus allerley Wuͤrme, und ande-
res Ungezieffer, wenn gleich alle andere Mittel
nicht helffen wollen.


Miltz-Beſchwehrungen, Verſtopffungen
und Verhaͤrtungen der Miltz und Leber, gelbe
und ſchwartze Sucht, Verhaltungen und Be-
ſchwehrungen der guͤldnen Ader, wie nicht weni-
ger den allzu ſtarcken Fluß derſelben, Waſſer-
ſucht, da die Eingeweide noch nicht gantz ver-
dorben. Der Nieren, Blaſe und Partium ge-
nitalium:
Blut-Harnen, Grieß, Sand,
Schleim und Stein-Gebroͤckel in denen Nie-
ren, Harn-Gaͤngen und Blaſe, die Strangurie,
Pollutiones nocturnas, Gonorrhœas \&c.


§. 49. Von Kranckheiten der aͤuſ-
ſerlichen Theile und Glieder:


Allerhand gichtiſche Fluͤſſe, Krampffziehun-
gen und ſchmertzhaffte Spannungen, lauffende
Gicht, Podagra, Chiragra, Gonagra, Huͤfft-
Schmertzen, Contractur, Graͤtze, Auſſatz,
ſcorbutiſches Ausfahren und Flecken, finnich-
te Geſichter, allerley alte faule Schaden, und
offene Geſchwuͤhre, Geſchwulſt der Fuͤſſe und
Haͤnde ꝛc.


§. 50.
[187]des Pyrmontiſchen Waſſers.

§. 50. Von Kranckheiten des Gebluͤts
und derer uͤbrigen Feuchtigkeiten.


Verduͤnnet, zertheilet und verſuͤſſet das dicke,
zaͤhe, ſchleimichte, ſcharffſaltzige und gallichte
Gebluͤte. Curirt den Anfang und die Reli-
quias Luisvenereæ,
den Scharbock, Cache-
xi
e, Anaſarcam \&c.


§. 51. Von Fiebern.


Febriliſches Wallen und Hitze im Gebluͤte,
ſcorbutiſche auszehrende Fieber und fliegende
Hitzen, nachlaſſende Fieber, als taͤgliches, drey-
taͤgiges und Quartan-Fieber, Febres eryſipela-
todes \&c.


§. 52. Von Kranckheiten des weib-
lichen Geſchlechts.


Mangel und Verſtopffungen der vier-Wo-
chen Zeit, auch maͤßiget das Waſſer den allzu
ſtarcken Fluß derſelben, Bleichſucht der Jung-
fern, Decolorationes Menſium, weiſſen Fluß,
Verſchleimung und Relaxation der Mutter,
und derſelben Theile, Unfruchtbarkeit, Mutter-
Beſchwehrungen, Geſchwuͤhre der Mut-
ter ꝛc.


§, 53.

Eine iede von angefuͤhrten Kranckhei-
ten, koͤnte man nun mit mannigfaltigen Exem-
peln belegen, und nach vielerley Umſtaͤnden und
Symptomatibus derſelben, wie ſolche durch un-
ſer Waſſer curiret worden, erweiſen. * Wir
wollen
[188]Cap. V. Kraͤffte und Wuͤrckungen
wollen aber ſolches auf eine andere Zeit ver-
ſpahren, und indeſſen, wenn GOtt Leben und
Geſundheit verleihet, alle merckwuͤrdige Exem-
pel und Curen fleißiger und umſtaͤndlicher, als
bißhero geſchehen, anzeichnen, damit ein voll-
ſtaͤndiger Curſus der Medicinal-Hiſtorie und
Curen des Pyrmontiſchen Waſſers, welche ein
groſſes Licht in der Brunnen-Praxi geben, und
die Brunnen-Veraͤchter am allermeiſten uͤber-
zeugen wird, daraus koͤnne formiret werden,
wie ſolches viele gelehrte Medici in ihren
Schrifften gewuͤnſchet und verlanget haben.


CAP. VI.
Art und Weiſe das Pyrmontiſche Waſ-
ſer Cur-maͤßig zu trincken, nach der ge-
buͤhrenden Zeit, Vorbereitung, Maaß,
Ordnung, Kaͤlte oder Waͤrme, Fortſe-
tzung, Diæt und Artzeneyen; Nach Un-
terſcheid des Alters, des Geſchlechts und
derer Temperamenten; als auch, wie
denen Hinderniſſen und Zufaͤllen bey
der Cur zu begegnen, und endlich
von denen Nachwirckungen
des Waſſers.


§. 1.


OBgleich die Kraͤffte und Wirckungen des
Waſſers zu Erhaltung und Wiederbrin-
gung
[189]das Pyrmont. Waſſer zu gebrauchen.
gung der Geſundheit in dem vorhergehenden
Capitel ſind angezeiget worden, ſo muͤſſen wir
doch auch die Regeln und Bedienungen, un-
ter welchen man ſo viele herrliche Nutzbarkeiten
und Vortheile durch den Gebrauch deſſelben
erlangen koͤnne, nothwendig vor uns nehmen *;
Weil ſonſten die Vernunfft und Erfahrung
lehret, daß alle, ſo wohl die Nahrungs-als Ge-
ſundherts-Mittel, wenn ſolche nicht in gezie-
mender Maaß und Ordnung gebrauchet wer-
den, dieſelben dem menſchlichen Leben mehr
Schaden als Nutzen zubringen, und daß dasje-
nige, was den Menſchen naͤhret und erhaͤlt, den-
ſelben auch verzehren und umbringen koͤnne.


§. 2.

Das erſte, was bey Gebrauch der Ge-
ſund-Brunnen in acht genommen wird, iſt die
Zeit. Wir haben Cap. 3. §. 40. angezeiget,
daß unſer Waſſer im Sommer und Winter,
und bey allerley Veraͤnderungen der Zeit und
des Wetters, iedesmahl gleiche Kraͤffte habe.
Daher kan man daſſelbe zu allen Jahres-Zei-
ten,** wenn es von einem verſtaͤndigen Medico
nuͤtzlich gefunden wird, und der Patient durch
andere Artzeneyen ermuͤdet iſt, und einen Wi-
derwillen und Eckel gegen dieſelben gefaſſet hat,
als ein kraͤfftiges und nuͤtzliches Medicament
gebrauchen. Es iſt auch kein Monat im gan-
tzen
[190]Cap. VI. Art und Weiſe
tzen Jahre, von welchem man nicht Exempel
anfuͤhren koͤnte, daß das Waſſer in demſelben
mit allem erwuͤnſchten Effect und Nutzen ge-
brauchet worden.


§. 3.

Da aber die Sauer-Brunnen mei-
ſtentheils kalt getruncken werden, und die Cur
an ſich ſelbſt mehr temperirend und kuͤhlend,
als erwaͤrmend iſt, ſo kan man leicht erachten,
daß die warmen Fruͤhlings-und Sommer-Mo-
nate: Majus, Junius, Julius und Auguſtus, die
bequemſten vor der uͤbrigen Jahres-Zeit * zu
dem Gebrauch des Brunnens ſeyn muͤſſen.


Inſonderheit da auch dieſe Zeit, wegen ihrer
Annehmligkeit und langen Tage Gelegenheit
zu vieler Bewegung des Leibes in freyer Lufft,
und zu allerhand Luſtbarkeiten und Veraͤnde-
rungen, welches bey der Cur ſo noͤthig iſt, an
die Hand giebet.


§. 4.

Es haben zwar einige eine uͤbele Mey-
nung gegen die Hunds-Tage, ** welche im Ju-
lio
und Auguſto einfallen, gefaſſet, als wenn
in ſolcher Zeit die Sauer-Brunnen zu gebrau-
chen nicht zutraͤglich und erlaubet ſey. Wie
aber dasjenige, was die Griechiſchen und Ara-
biſchen Autores von denen Hunds-Tagen ge-
ſchrieben, und in Puncto des Medicinirens ver-
bothen und gebothen haben, ſich durchaus auf
unſer Clima und Witterung nicht appliciren
laͤſſet,
[191]das Pyrmont. Waſſer zu gebrauchen.
laͤſſet, ſo lehret auch die Erfahrung, und gehet
nicht ein Jahr voruͤber, daß nicht viel hundert
Menſchen, ſo wohl an dieſem Ort, als anders-
wo, zu ſolcher Zeit die Waſſer-Cur gebrauchen
und alle erwuͤnſchte Wirckung und Nutzen da-
von verſpuͤhren ſolten.


§. 5.

Von dem Verfahren* des Brunnens
aber vor diejenigen, welche das Waſſer nicht
bey der Quelle trincken koͤnnen, iſt zu mercken,
daß ſolches am beſten im Mertz, April und May
geſchehe, ehe denn die hefftige Sommer-Hitze
und ſchwuhlwarmen Tage ankommen, da das
Waſſer zuweilen drey, vier und mehr mahl un-
ter Wegens von der Sonnen erwaͤrmet und
laulicht gemachet wird, die Nacht aber wieder
erkaltet, wodurch denn die Spirituoſitaͤt des
Waſſers gedaͤmpffet, und die Stahl-Theilgen
an die Gefaͤſſe niedergeſchlagen werden. Cap. 5.


§. 21.

Dieſes iſt bey weitem nicht ſo viel zu be-
ſorgen, wenn man das Waſſer bey kuͤhlem
Wetter ſchoͤpffen und fahren, nachmahls in
guten kalten Kellern, biß zum Gebrauch verwah-
ren laͤſſet. (Cap. 4. §. 38.)


§. 6.

Die Zeit nach dem Mond-Wechſel**
wollen auch einige Medici bey denen Waſſer-
Curen beobachtet wiſſen; Daß man zum Ex-
empel eine Woche, oder drey, vier Tage vor
dem vollen Mond die Cur anfangen ſolle, da-
mit
[192]Cap. VI. Art und Weiſe
mit dieſelbe nachmahls bey abnehmendem Lich-
te, da die Feuchtigkeiten des Leibes ſich am leich-
teſten verringern lieſſen, geſchloſſen werden koͤn-
te. Man weiß aber nicht allemahl vorher, wie
lang, oder wie viel Tage die Cur zu continuiren
(§. 21.) ſondern man muß ſolches erſtlich von
der Wirckung des Waſſers abnehmen, daher
man dieſe Einrichtung der Cur nicht ſo eigent-
lich treffen kan, auch nicht ſo groß daran gele-
gen iſt, daß man ſich daran binden ſolte.


§. 7.

Die Zeit des Tages, das Waſſer Cur-
maͤßig zu trincken, * iſt alleine des Morgens
nuͤchtern; Nachdem die Kraͤffte durch eine
gnugſame Nacht-Ruhe erholet, und die Natur
am allerwenigſten mit Zubereitung und Aus-
theilung der Nahrungs-Saͤffte beſchaͤfftiget
iſt. Alsdenn ſchicken ſich die Excretiones oder
Ausfuͤhrungen (Cap. 5. §. 38. 39.) welche der
Brunnen zu verurſachen pfleget, am allerbe-
ſten.


§. 8.

Man laſſe auch die Sonne die feuch-
ten Duͤnſte zuvor ein wenig vertreiben, und
die kalte Morgen-Lufft erwaͤrmen. Wenn
man um 5 Uhr aufſtehet, und unter dem Anklei-
den die vom Schlaff und Waͤrme des Bettes
vermehrte Ausdaͤmpffung, oder Schweiß all-
maͤhlich vergehen laͤſſet, nachmahls um 6 Uhr
zum Brunnen kommt, ſo hat man die beſte Zeit
und Weile gnung, ein ieder ſeinen Theil Waſ-
ſer
[193]das Pyrmont. Waſſer zu gebrauchen.
ſer einzunehmen. In 2 Stunden, von 6 biß 8
koͤnnen die meiſten Brunnen-Gaͤſte, wenn ſie
gleich die groͤſſeſte Doſin trincken, gantz bequem
fertig werden; Und in 4 Stunden, nehmlich
von 8 biß 12, welches die gewoͤhnliche Stunde
zur Mittags-Mahlzeit iſt, hat der Brunnen
ſeine meiſte Wirckungen, wenn ſolcher nur ei-
niger maſſen wohl paſſiret, ſchon verrichtet.
Faͤnget man gar zu fruͤhe an zu trincken, ſo wird
man durch die naſſe und kalte Morgen-Lufft gar
zu ſehr incommodiret, und die Zeit biß zur
Tafel waͤhret einem gar zu lange, auch pfleget
der Appetit gar zu ſtarck anzuwachſen.


§. 9.

Es iſt ſchon ein alter Gebrauch, daß
man des Nachmittags* um 4 oder 5 Uhr, nach-
dem die Verdaͤuung groͤſſeſten Theils vollen-
det iſt, und man den Magen von denen Spei-
ſen erleichtert findet, einige Glaͤſer Brunnen
trincket. Solches gehoͤret nicht als ein noͤthi-
ges Stuͤck zur Cur, indeſſen kan es doch wohl
von denenjenigen geſchehen, welche um dieſelbe
Zeit Durſt und Belieben darzu haben, und ſich
wohl darnach befinden. Des Nachmittags
aber viel, und wohl eben die Quantitaͤt, als des
Morgens zu trincken, (wie mir einige bekannt,
welche alſo gethan haben) ſolches iſt gantz un-
gereimt und ſchaͤdlich. Denn es laͤufft wider
alle geſunde Vernunfft, daß man die Natur zu
der Zeit, da dieſelbe im Werck begriffen, den
NNah-
[194]Cap. VI. Art und Weiſe
Nahrungs-Safft zu Erhaltung und Staͤr-
ckung des Leibes zu bereiten, zu verſammlen und
auszutheilen, zu allerhand Auswuͤrffen und
Abfuͤhrungen antreiben moͤge.


§. 10.

II. Zweytens muͤſſen hier die noͤthig-
ſten Stuͤcke der Vorbereitung* zur Cur ange-
mercket werden. Diejenigen welche gewohnt
ſind um das Æquinoctium Ader zu laſſen, ſol-
len, wenn ſie ſich vorgenommen haben, den
Brunnen einige Zeit hernach zu gebrauchen, ſol-
ches deßfalls nicht ausſetzen. Denen Vollbluͤ-
tigen, und welche ein aufwallend, hitzig Ge-
bluͤte haben, kan auch wohl kurtz vor der Cur ei-
ne Ader geoͤffnet werden. Doch lehret die Er-
fahrung, daß es insgemein denen Patienten beſ-
ſer bekoͤmmet, wenn ſolches einige Zeit vorher
geſchehen iſt; Inmaſſen der Magen und Ein-
geweide bey vielen gleich auf das Aderlaſſen et-
was empfindlicher und ſchwaͤcher zu ſeyn pfle-
gen, und alſo von der Kaͤlte des Waſſers leich-
ter lædiret werden. Auch folget ſonſten eine
Evacuation gar zu geſchwinde auf die andere,
wodurch die Natur auf einmahl gar zu viel aus-
gemergelt und abgemattet werden kan. Um
eben dieſer Urſache Willen, ſich nicht gar zu ſehr
zu fatiguiren, da die Natur nicht will uͤbertrie-
ben, ſondern allmaͤhlig gefuͤhret ſeyn, thun auch
diejenigen wohl, welche von einer langen oder
beſchwehrlichen Reiſe zum Brunnen kommen,
daß
[195]das Pyrmont. Waſſer zu gebrauchen.
daß ſie zuvor ein oder zwey Tage ausruhen, ehe
ſie die Brunnen-Cur anfangen.


§. 11.

Das Purgiren vor der Cur,* welches
von allen alten Medicis ſo noͤthig gehalten wor-
den, verwerffen etliche Neue, und geben es als
ſchaͤdlich oder unnuͤtzlich an. Es iſt zu verwun-
dern, wie auf beyden Seiten ſo gar general
koͤnne geſprochen werden, da doch die Natur
und Beſchaffenheit der Leiber, wie auch die
Kranckheiten und derſelben Umſtaͤnde und Zu-
faͤlle ſo mancherley, daß auch hier keine Regel
ſo allgemein iſt, welche nicht ihre Ausnahme
haben ſolte.


§. 12.

Zuweilen iſt der Magen, die Gedaͤr-
me und Gekroͤs-Aederlein mit ſo viel Cruditaͤ-
ten, und einer Verſammlung eines alten zaͤhen
Schleims, und Galle beſetzet und angefuͤllet,
welche das Waſſer als ein gelindes Reini-
gungs-Mittel nicht ſo bald aus dem Wege
raͤumen kan, ſondern dadurch lange in ſeiner
freyen Wirckung gehindert wird. Zuweilen
aber haben die Patienten bereits kurtz vor der
Waſſer-Cur ſchon vomiret, purgiret, und al-
lerhand allgemeine Ausfuͤhrungen gebrauchet,
oder man iſt bey einigen keinen ſonderlichen Un-
rath in primis viis vermuthend, welche alſo we-
nige oder keine Purgir-Mittel von noͤthen ha-
ben.


§. 13.

Bey welchen man nun ohne derglei-
N 2chen
[196]Cap. VI. Art und Weiſe
chen Artzeneyen, oder mit bloſſen Digeſtivis
und Laxir-Saltzen koͤnne fertig werden, und
wo man ſtaͤrckere Purgantia informa Pilular.
Pulv. Infuſ. Potionis, Elixiris, \&c.
noͤthig habe,
ohne welche manchmahl der Brunnen Anfangs
gar nicht frey durch paſſiren will, ſolches iſt des
Medici Amt zu beurtheilen, und nach denen ſich
eraͤugenden Umſtaͤnden zu unterſcheiden, nicht
aber ex Tripode, allen einerley zu verordnen.


§. 14.

III. Die Maaß,* oder wie viel auf
einmahl von unſerem Waſſer muͤſſe getruncken
werden, laͤſſet ſich zwar nicht gaͤntzlich deter-
mini
ren, ſondern man muß nach eines ieden
Natur und Kranckheit, wie auch nach der er-
folgenden Wirckung, welche bey einigen gar
bald und leichte, bey andern aber ſchwehr und
langſam von ſtatten gehet, die Doſes abmeſſen;
Wie ſolches auf gleiche Art mit allen uͤbrigen
Artzeneyen und Geſundheits-Mitteln geſchie-
het. Indeſſen haben doch die allermeiſten an
3, 4, 5, biß 6 Pfund Waſſer gnung auf einen
Morgen, und verſpuͤren insgemein von ſolcher
Portion eine vollkommene Wirckung, ſo wohl
per ſedes, als durch den Urin. Uber 8 Pfund
laſſe ich auch die Staͤrckeſten nicht gerne trin-
cken. Die erſteren bekommen mit dem Waſ-
ſer uͤber 1 halb Loth, und die Letzteren bey 3
Viertheil Loth Mineralien in den Leib, welches
vor eine Doſin gnung ſeyn kan.


§. 15.
[197]das Pyrmont. Waſſer zu gebrauchen.

§. 15.

IV. In welcher Ordnung nun eine
von angezeigter Maaß und Quantitaͤt Waſſer
zu trincken ſey, * ſolches kan unter folgenden Re-
geln angemercket werden:


  • 1) Solten die Glaͤſer nicht groͤſſer ſeyn, als
    daß dieſelben aufs hoͤchſte 1 Viertheil Pfund
    oder 8 Loth hielten.
  • 2) Solcher Glaͤſer koͤnten diejenigen, wel-
    che von mittelmaͤßigem Alter, und warmes Ge-
    bluͤte, und ſtarcke Eingeweyde haben, alle Vier-
    telſtunden 4 nach einander trincken.
  • 3) Diejenigen aber, welchen es an gnugſa-
    mer innerlichen Waͤrme fehlet, und eine be-
    ſchwehrliche Empfindung von der Kaͤlte verſpuͤ-
    ren, trincken ohngefehr alle halbe Viertelſtun-
    den 2 ſolcher Glaͤſer, oder nur ein halb Pfund
    auf einmahl, damit es der wenigen Waͤrme
    der Eingeweide auf einmahl nicht zu viel werde,
    das empfangene kalte Waſſer zu erwaͤrmen.
  • 4) Ob ſchon die gemeldete Glaͤſer-Maaß
    klein iſt, ſoll dieſelbe doch eben nicht in einem
    Zug und Athem, ſondern allmaͤhlig getruncken
    werden, ſo verliehret das Waſſer im Munde
    etwas von der Kaͤlte. Diejenigen aber, wel-
    che fuͤrchten, daß die Spiritus unter dem lang-
    ſam trincken davon gehen moͤchten, die wiſſen
    nicht, was der mineraliſche Spiritus der Sauer-
    Brunnen ſey. Cap. 3. §. 47.
  • 5) Auf ſolche Art koͤnnen den erſten Mor-
    N 3gen
    [198]Cap. VI. Art und Weiſe
    gen 2 biß 3 Pf. den andern 4 biß 5 Pf. den drit-
    ten 6 Pf. getruncken, und ſolches ſo viel Tage
    nach einander continuiret werden, als die Um-
    ſtaͤnde und erfolgende Wirckung anzeigen wer-
    den, daß es nuͤtzlich und zutraͤglich ſey. (§. 21.)
  • 6) Iſt man nicht an eine ſolche Ordnung ſo
    unveraͤnderlich gebunden, daß man nicht den
    einen Morgen ein Paar Glaͤßlein mehr, und
    den andern ein Paar weniger ſolte trincken
    duͤrffen. Man richte ſich hierinnen ein jeder
    nach ſeinem Appetit, oder Widerwillen, und
    nach der Wirckung, wie ſolche den einen Mor-
    gen vor den andern, leichter oder ſchwehrer von
    ſtatten gehet.
  • 7) Das Abſteigen in denen letzten Tagen
    der Cur, iſt ſo noͤthig nicht, wie das Aufſteigen
    im Anfang, weil es die Eingeweide nicht ſo
    viel alteriren kan, wenn man mit Waſſer trin-
    cken nachlaͤſſet, als wenn man anfaͤnget, dem
    nuͤchternen Magen ſo ungewoͤhnliche kalte Tra-
    ctament
    en anzubiethen.
  • 8. Diejenigen, ſo das Waſſer zuvor uͤber-
    ſchlagen und erwaͤrmen laſſen, koͤnnen ohne
    Gefahr groͤſſere Glaͤſer nehmen und geſchwin-
    der trincken, doch muß auch hier Maaß und
    Ziel nicht uͤberſchritten werden.

§. 16.

V. Was das kalt oder warm-Trin-
cken* anbelanget, ſo koͤnten zwar die meiſten
Brunnen-Gaͤſte, oder 2 Drittheil derſelben das
kalte
[199]das Pyrmont. Waſſer zu gebrauchen.
kalte Trincken wohl vertragen, ſonderlich wenn
angefuͤhrte Regeln beobachtet wuͤrden. Die-
jenigen aber, welchen viel rathſamer und dienli-
cher, ja zuweilen gantz noͤthig waͤre, uͤberſchla-
gen und warm zu trincken, ſollen wohl einen
dritten Theil ausmachen. Man laͤſſet nehm-
lich das friſche aus der Quelle geſchoͤpffte Waſ-
ſer in einem glaͤſernen oder irdenen Gefaͤſſe, wel-
ches oben mit einem Korck zugeſtopffet, und in
einen Topff oder Keſſel mit warmen Waſſer
geſetzet wird, die ſtrenge Kaͤlte ein wenig verlieh-
ren, oder nach Unterſcheid der Natur und
Kranckheit, auch wohl Milchwarm werden.


§. 17.

Wenn das Waſſer auf ſolche Weiſe
gleich bey der Quelle getruncken wird, verlieh-
ret man von deſſen Kraͤfften weniger, als ins-
gemein durch das Verfahren geſchiehet,* wel-
ches der Augenſchein und die Erfahrung bezeu-
gen; Denn 1) wird ſich in denen Gefaͤſſen,
worinnen man das Waſſer waͤrmet, die roͤth-
liche Eiſen-Erde nicht ſo anſetzen, wie man in
denen Glaͤſern und Kruͤgen obſerviret, in wel-
chen das Waſſer verfahren worden. 2) Faͤr-
bet das Waſſer die Gallaͤpffel, wenn es gleich
bey der Quelle warm gemachet wird, noch eben
ſo Purpur-blau und ſchwartz wie zuvor, da es
kalt war, (Cap. IV. §. 11.) welches nicht geſchie-
het, wenn alle Spiritus der mineraliſchen Stahl-
N 4Waſſer
[200]Cap. VI. Art und Weiſe
Waſſer gedaͤmpffet und verlohren worden.
3) Haben wir auch in dem vierdten Capitel
umſtaͤndlich erwieſen, daß die Spiritus nicht da-
von fliegen; werden ſolche gleich ein wenig ge-
daͤmpffet, ſo iſt doch unſer Waſſer, ſonderlich
bey der Quelle ſo geiſtreich, daß es auf ein we-
nig nicht ankommt, ſondern es prævaliret bey
obgedachter Erwaͤrmung die Spirituoſitaͤt noch
ſo viel, daß man alle erwuͤnſchte Wirckungen
der Subtilitaͤt, Penetranz und Staͤrckung davon
verſpuͤhret.


§. 18.

Wir haben in dem vierdten Capitel
eine Vergleichung* angeſtellet zwiſchen den
Sauer-Brunnen, und denen durch die Gaͤh-
rung bereiteten Liquoribus. Es laͤſſet ſich
dieſelbe noch in einem Umſtand bey dem Er-
waͤrmen appliciren. Denn wenn ein guter
ſpirituöſer Wein oder Bier, gelinde erwaͤrmet
wird, ſo behalten ſolche Liquores die Wirckung
der Spirituoſitaͤt vorerſt eine Zeit lang in voller
Krafft, und machen wohl eher truncken, als
wenn man dieſelben kalt trincket. Wenn aber
die Erwaͤrmung gar zu ſtarck und lange waͤh-
ret, oder wenn man dergleichen Liquores wie-
derum kalt werden laͤſſet, ſo veraͤndert ſich die
gantze Mixtur, und wird ein widerliches und
ſaures Weſen daraus.


Es iſt bey dieſer Vergleichung nur der Un-
terſcheid, daß durch anhaltende ſtarcke Hitze
der
[201]das Pyrmont. Waſſer zu gebrauchen.
der Spiritus endlich aus denen Liquoribus fer-
mentatis
loß geriſſen wird, und als ein Brand-
tewein davon flieget. Der mineraliſche Spiri-
tus
aber, wird durch die ſuͤſſe alcaliſche Erde des
Waſſers verſchlungen, und in dem bitterlichen
Saltz verborgen gehalten, wie wir Cap. 4. §. 55
erwieſen haben.


§. 19.

Wenn das Brunnen-Waſſer allbe-
reit durch das Verfahren, viel von ſeinen Spi-
ritibus
und Eiſen-Erde verlohren hat, und unter
Wegens in heiſſen Sommer-Tagen bald lau-
licht, bald wieder kalt worden, und denn noch
einmahl zum Trincken erwaͤrmet wird, ſo iſt
leicht zu gedencken, daß endlich ein ſtumpffes,
abgeſchmacktes, krafftloſes Waſſer daraus
werden muͤſſe. Bey der Quelle aber iſt die ge-
ringe Daͤmpffung der Spirituoſitaͤt eines ſo
geiſtreichen Waſſers wenig zu achten; Im
Gegentheil iſt ſolche fuͤr diejenigen, welche zar-
te und empfindliche Fibras und Nerven haben,
und zu Schwindel, Convulſionibus und
Krampffziehungen geneigt ſind, auch denen
Engbruͤſtigen, ſo viel Huſten und gar keine ſti-
mulationes
auf der Bruſt vertragen koͤnnen,
oͤffters ſehr nuͤtzlich und noͤthig.


§. 20.

Es giebt uns auch jaͤhrlich die Erfah-
rung* Exempel gnug an die Hand, daß der-
gleichen Perſonen, welchen das kalte Waſſer
Anfangs gar nicht anſchlagen wollen, und die
N 5Cur
[202]Cap. IV. Art und Weiſe
Cur haͤtten einſtellen muͤſſen, da ihnen gerathen
worden uͤberſchlagen zu trincken, ſich gleich dar-
auf wohl befunden, und eine gluͤckliche Cur ge-
halten. Daher denn zu hoffen, daß gnaͤdigſte
Landes-Herrſchafft wegen des groſſen Nutzens,
und zu Verhuͤtung vielen Schadens, ſo aus
dem unvorſichtigen Kalt-Trincken zu entſtehen
pfleget (Cap. 8. §. 3. ſeq.) gnaͤdigſt anordnen
und befehlen werden, daß in hieſigem Brun-
nen-Hauſe eine bequeme Einrichtung und An-
ſtalten gemachet werden, damit ein ieder, wel-
chen dienlicher uͤberſchlagen und warm zu trin-
cken, ſolches ohne Muͤhe und weitlaͤufftige Um-
ſtaͤnde, auf gebuͤhrende Art, nicht zu warm und
nicht zu kalt, haben koͤnne.


§. 21.

Ferner iſt die Fortſetzung* der Brun-
nen-Cur, oder wie lange und wie viel Tage
nach einander man trincken muͤſſe, zu bemer-
cken. Es iſt zwar hier wiederum die Einthei-
lung nach Unterſcheid der Kranckheiten, und
nach denen Wirckungen des Waſſers zu ma-
chen, und kan man nicht allen eine gleiche Zahl
Tage anſetzen, ſondern es haben einige an einer
Cur von 10, 12, 14 Tagen gnug. Andere koͤn-
nen nicht ohne Schaden vor 3 biß 4 Wochen
auffhoͤren. Ja man hat Exempel, daß das
Pyrmontiſche Waſſer ein Viertel Jahr nach
einander alle Tage getruncken, auch wohl die
Cur zwey, dreymahl in einem Jahre mit Nu-
tzen
[203]das Pyrmont. Waſſer zu gebrauchen.
tzen und Vortheil der Geſundheit wiederhohlet
worden. Es koͤnnen aber dennoch wegen der
Continuation und Laͤnge der Cur folgende Re-
geln* beobachtet werden:


  • 1) Daß es durchgehends ſicherer und beſſer,
    nicht zu viel auf einmahl zu trincken, und der
    Natur dadurch Gewalt zu thun, ſondern daß
    man vielmehr die Cur ein, zwey biß drey Wo-
    chen laͤnger fortſetze, und es taͤglich bey einer
    maͤßigen Wirckung bewenden laſſe.
  • 2) Auch kan man auf ſolche Weiſe eine ge-
    linde Cur im Majo halten, und dieſelbe hernach
    im Julio oder Auguſto wiederhohlen.
  • 3) Wenn das Waſſer gleich von dem erſten
    Tage an leicht und wohl fortgehet, und taͤglich
    alſo continuiret, ſo kan mit einer kurtzen Cur
    von 14 oder 16 Tagen viel ausgerichtet werden
    ſonderlich in Kranckheiten, welche noch nicht
    alt und eingewurtzelt ſind.
  • 4) Wenn aber das Waſſer nach acht oder
    vierzehen-taͤgigem Gebrauch erſt anfaͤnget recht
    durchzudringen, wie nicht wenigen wiederfaͤh-
    ret, ſo iſt leicht zu erachten, daß man die Cur
    biß zu gnugſamer Erweichung der Verſtopf-
    fungen, und Reinigung des Leibes fortſetzen
    muͤſſe.
  • Wie viel Jahre nach einander die Cur zu
    wiederhohlen, wird einem jeden ſein Zuſtand
    und Befinden in der Jahres-Zeit nach der Cur
    lehren.
    [204]Cap. VI. Art und Weiſe
    lehren. Man hat aber viele Exempel, daß
    wann es geſchienen, daß das Waſſer das erſte
    und andere Jahr den Affect wenig, oder gar
    nicht geaͤndert, die Patienten nichts deſtoweni-
    ger das dritte oder vierdte Jahr voͤllig curiret
    worden.
  • 6) Diejenigen, welche von vielen Jahren
    her gewohnt ſind, die Waſſer-Cur zu gebrau-
    chen, koͤnnen ſolche endlich nicht ohne Schaden
    ihrer Geſundheit unterlaſſen, ſondern verſpuͤh-
    ren um die Jahrs-Zeit allerhand Regungen
    und Zufaͤlle ihrer vorigen Kranckheiten, welche
    alsdenn hartnaͤckig anhalten, und nicht nach-
    laſſen wollen, biß die gewoͤhnliche Cur wieder-
    hohlet worden.
  • 7) Man hat aber nicht noͤthig, ſich ſo gar
    ſehr an das Waſſer zu gewoͤhnen, daß man daſ-
    ſelbe jaͤhrlich gebrauchen muͤſſe, ſondern wenn
    man geſund worden, und ſich wohl befindet, ſo
    ſtelle man die Cur etliche Jahr, oder ſo lange
    ein, biß man wieder einige Vorboten des vori-
    gen Ubels vermercket.
  • 8) Wenn aber die Geſundheit, oder ein er-
    traͤglicher Zuſtand des Leibes, nicht anders Be-
    ſtand haben will, als wenn die Natur durch eine
    ſolche allgemeine Reinigung jaͤhrlich wieder er-
    neuret wird, ſo hat man auch im geringſten
    nicht zu fuͤrchten, daß die Natur endlich dadurch
    werde geſchwaͤchet, und vor der Zeit verzehret
    werden, ſondern es ſind viele Exempel bekannt
    und
    [205]das Pyrmont. Waſſer zu gebrauchen.
    und noch vorhanden, daß das Pyrmontiſche
    Waſſer 30 biß 40 Jahre nach einander, und
    zuweilen 2 mahl in einem Jahr getruncken, und
    uͤber das ſiebentzigſte Jahr des Alters mit er-
    wuͤnſchtem Effect und Nutzen continuiret wor-
    den.
  • 9) Die Zeichen, daß man mit den Trin-
    cken aufhoͤren, und die Cur beſchlieſſen muͤſ-
    ſe, welche von dem Urin hergenommen wer-
    den, wenn ſolcher gantz helle und klar weggehet,
    oder wenn die Excrementa nicht mehr ſchwartz
    tingiret werden, ſind ungewiß und falſch.
  • 10) Man continuire ſo lange, biß man Er-
    leichterung, oder wenigſtens eine merckliche
    Veraͤnderung und gnugſame Reinigung des
    Leibes verſpuͤhret; Und man hoͤre auf, wenn
    man anfaͤnget, gar zu ſehr ermuͤdet zu werden,
    und einen Eckel und Widerwillen gegen
    das Waſſer zu empfinden. Wem dieſe Nach-
    richt nicht gnug iſt, der laſſe einen Medicum
    uͤber ſeine Umſtaͤnde und Anzeigungen urthei-
    len, damit man des Guten nicht zu viel, noch zu
    wenig gebrauche.

§. 22.

VI. Hiernaͤchſt muͤſſen wir nun auf
die Diæt* Acht haben, welche von denen Alten
Anima Curationum, oder die Seele der Ge-
ſundmachung genennet worden, ohne welche
wir alſo wenig Gutes von unſerer Waſſer-Cur
zu hoffen haben. Es beſtehet aber die Diæt
nicht
[206]Cap. VI. Art und Weiſe
nicht allein in geſunden und ordentlichen Eſſen
und Trincken, ſondern es wird darunter auch
begriffen die Beſchaffenheit der Lufft, die Be-
wegung und Ruhe, die Reinigung des Leibes,
Schlaffen und Wachen, und die Gemuͤths-
Bewegungen.


§. 23.

Erſtlich iſt dann der Gebrauch der
Speiſen* bey der Cur ſo gezwungen und einge-
ſchraͤnckt nicht, als ſich viele vorſtellen, auch ei-
nige Medici gebiethen, welche den Gebrauch
der Garten-Gewaͤchſe, und andere unſchaͤdli-
che Sachen nicht zulaſſen wollen. Wenn nur
die ſchwehren, harten, ſcharff-ſaure, gar zu ſal-
tzige, und unmaͤßig ſtarck gewuͤrtzten Speiſen
gemieden werden;** Zum Exempel, gar zu fri-
ſches teigiges, und nicht recht ausgebackenes
Brodt, fette Kuchen und Geback-Werck, Kaͤ-
ſe, truckene Erbſen und Bonen, Sauerkraut,
Schweinefleiſch, allerhand altes und zaͤhes
Fleiſch, von zahmen Vieh und Wildpraͤt, ſo
wohl das friſche von ſolcher Art, als das in Pe-
ckel gelegte, geraͤucherte und gedoͤrrete. Die
klebrichte, ſchleimichte und ſtopffende Theile
der Thiere, als Kaͤlber und Schoͤpſen-Koͤpffe
und Fuͤſſe, Gehirn, Leber ꝛc. Eingeſaltzene,
getrucknete und geraͤucherte Fiſche, auch die un-
geſunden, harten und ſchleimichten Fiſche, als
alte Hechte, Teich-Karpffen, Schleyen, Aale,
und dergleichen.


Aller-
[207]das Pyrmont. Waſſer zu gebrauchen.

Allerhand rohes Obſt und Fruͤchte,
Schwaͤmme, Melonen, Gurcken, Salat, wo-
durch der Magen und die Eingeweide verſchlei-
met, erkaͤltet und relaxiret werden koͤnnen, daß
ſchaͤdliche Durchfaͤlle, Lienteriæ und Coliquen
drauf erfolgen.


§. 24.

Das uͤbrige Zugemuͤſe, oder das mei-
ſte friſche Garten-Gewaͤchſe, ſonderlich wenn
ſolches noch jung, zart, und wohl verdaulich,
auch wohl gekochet und zubereitet wird, iſt nicht
allein erlaubet und zugelaſſen,* ſondern es dis-
poni
ret daſſelbe auch zu gelinder Eroͤffnung des
Leibes, welche bey der Brunnen-Cur eher be-
foͤrdert werden muß, als daß man viele Exempel
haben ſolte, daß das Laxiren gar zu viel erfol-
gete. Wir nehmen indeſſen hier diejenigen
Perſonen aus, welchen die Erfahrung gelehret,
daß ſie die Garten-Gewaͤchſe nicht vertragen
koͤnnen, ſondern einige Beſchwehrungen dar-
nach verſpuͤhren, deren doch eben ſo viel nicht
gefunden werden.


§. 25.

Zu denen Milch-Speiſen wollen wir
zwar nicht rathen,** weil auch viele ſind, welche
auſſer der Brunnen-Cur die Milch gar nicht
vertragen koͤnnen, und dieſelbe bißweilen zu
Durchfaͤllen diſponiren moͤchte. Daß aber
einige Medici ſolche darum ſo gefaͤhrlich und
ſchaͤdlich machen wollen, weil die Saͤure des
Brun-
[208]Cap. VI. Art und Weiſe
Brunnens die Milch zu lauter zaͤhen Schleim
und harten Kaͤſelab mache, ſolches iſt falſch und
ohne Grund. Wir haben Cap. 4. §. 110. ange-
zeiget, daß unſer Brunnen-Waſſer durch ſeine
prædominirende alcaliſche Natur, die Coagu-
lation
der Milch mehr verhindere als verurſa-
che. Wie man nun ſonſten vor einer Milch-
Cur den Leib durch Alcalia zu præpariren pfle-
get, ſo habe auch an mir ſelbſt und andern ſchon
die Probe genommen, daß man die Milchſpei-
ſen beſſer nach der Brunnen-Cur, als vorhin
vertragen koͤnne.


§. 26.

Auſſer denen wenigen Speiſen nun,
welche wir angefuͤhret haben, ſind faſt alle uͤbri-
ge gewoͤhnliche Arten unſchaͤdlich und zugelaſ-
ſen. Es wird alſo ein ieder leicht nachrechnen
koͤnnen, daß wenn gleich der Brunnen 4 Wo-
chen und laͤnger gebrauchet wird, man doch ſo
vielerley Arten von Speiſen* (welche alle mit
Nahmen anzufuͤhren unnoͤthig iſt) uͤbrig behal-
te, daß man ſich taͤglich einen neuen Kuͤchen-
Zettel machen, und ohne groſſe Quaal und Ver-
drießligkeit wegen Mangel der Veraͤnderung,
wohl ſeine gantze Lebens-Zeit eine Brunnen-
Diæt im Eſſen halten koͤnte. Es iſt demnach
zu hoffen, daß die Liebhaber der Geſundheit die
Vernunfft ſo viel uͤber ihre Affecten werden
herrſchen laſſen, daß ſie zum wenigſten die kur-
tze Zeit in und nach der Cur das Unſichere und
Schaͤd-
[209]das Pyrmont. Waſſer zu gebrauchen.
Schaͤdliche gaͤntzlich meiden, und das Sichere
und Gute wehlen und gebrauchen.


§. 27.

Die Eſſens-Zeit, oder erſtlich die
Stunde das Mittags-Mahl zu halten,* iſt ohn-
gefaͤhr 4 Stunden, nachdem man ſeinen Theil
abgetruncken hat. Diejenigen, welche von 6
biß 8 abtrincken, ſpeiſen um 12 Uhr die aber von
7 biß 9 mit ihrer Portion erſt fertig werden, muͤſ-
ſen biß um 1 Uhr mit der Tafel warten. Und
obwohl das Waſſer bey vielen in 2 oder 3 Stun-
den und wohl eher groͤſſeſten Theils paſſiret iſt,
ſo thun dieſelben doch wohl, daß ſie gleichfals
die 4 Stunden vorbey gehen laſſen, ehe ſie ſpei-
ſen. Auch iſt das allerbeſte, daß man in ſol-
cher Zeit, von der Stunde an, da man abge-
truncken hat, gar nichts, weder Naſſes noch
Truckenes zu ſich nehme, und das Waſſer in
freyer Wirckung unturbiret laſſe, biß etwa ei-
ne halbe oder gantze Stunde vor der Mahlzeit
ein gutes Magen-Medicament mit ein Paar
Loͤffel voll Wein oder Aqua vitæ ſeinen Nutzen
haben kan, wie §. 62. mit mehrern angezeiget
wird.


§. 28.

Des Mittags mag man eine gute
Mahlzeit halten, und ſeinem Appetit ein Gnuͤ-
gen thun, nur daß man nicht zu geſchwind eſſe,**
und alſo den Ausſpruch der alten Arabiſchen
Medicorum erfuͤlle: Quicunque Maſticatio-
Onem
[210]Cap. VI. Art und Weiſe
nem negligit, Animam ſeu vitam ſuam odit,
wer nicht wohl kaͤuet, haſſet ſein eigen Leben.
Denn weil der Appetit bey dem Brunnen-
Trincken insgemein ungewoͤhnlich ſtarck iſt, ſo
pfleget man oͤffters gar zu geſchwind zu eſſen, da
denn die Speiſen nicht gnug zertheilet, und mit
dem Speichel als dem wahren Daͤuungs- und
Gaͤhrungs-Safft vermiſchet werden, und alſo
Undaͤuen, Magendruͤcken, Blehungen und al-
lerhand Ungelegenheiten davon entſtehen muͤſ-
ſen. Auch verleitet inſonderheit die Varietaͤt
und der Uberfluß von allerhand Speiſen zu
Uberladung des Magens, daher es beſſer, daß
man ſich einige wenige und gute Speiſen, und
nicht gar zu viele Geruͤchte, auftragen laͤſſet, da-
mit man ſich nicht mit gar zu vielem Eſſen be-
ſchwehre, und die Cur dadurch hindere und zu-
ruͤck ſetze.


§. 29.

Das Abend-Eſſen* muß nicht zu ſpaͤt,
und laͤngſtens um 7 Uhr gehalten werden, auch
nur in einer Suppe, und gar wenig gekochten
Fleiſch, (denn das gebratne ſtopffet mehr) etwa
von gutem wohlverdaulichen Gefluͤgel, und ein
wenig gekochtem Obſt beſtehen.


Die Fuͤrnehmen und Groſſen pflegen es
hierinnen mehrentheils zu verſehen, an deren
Geſundheit und Conſervation doch am aller-
meiſten gelegen waͤre. Denn es muͤſſen oͤff-
ters die Balls und andere Divertiſſements erſt
abge-
[211]das Pyrmont. Waſſer zu gebrauchen.
abgewartet ſeyn, und wie ſie vorhin gewohnet,
ſo muß ſolches bey der Brunnen-Cur, es mag
ſchaͤdlich ſeyn oder nicht, continuiret werden:
Man thut was man will, und leidet was man
kan. Die Abend-Mahlzeit * wird manchmahl
um 9, 10, 11 Uhr erſtlich gehalten, da durch das
lange Warten, und die viele Bewegung des
Leibes der Appetit ſtarck anwaͤchſet, folglich
wohl mehr als des Mittags geſpeiſet wird.
Man begiebt ſich darauf bald zur Ruhe, es fol-
get ein unruhiger Schlaf darauf, und des Mor-
gens, wenn die bequemſte Zeit zum Trincken
heran kom̃t, iſt der Leib noch matt und muͤde, und
der Magen noch voll Cruditaͤten. Daß alſo das
Brunnen-Waſſer mit genauer Noth ſo viel
wegraͤumen und abfuͤhren kan, als man in ei-
ner Nacht Schaͤdliches geſammlet, geſchweige
daß ſolches die kraͤnckliche Beſchaffenheit des
gantzen Leibes, und aller Feuchtigkeiten zu be-
ſtaͤndiger Geſundheit auf das Zukuͤnfftige ſolte
verbeſſern koͤnnen, welches doch die Abſicht,
und der fuͤrnehmſte Endzweck der Brunnen-
Cur iſt.


§. 30.

Das Getraͤncke ** uͤber der Mahlzeit,
kan ein ieder gebrauchen, wie er gewohnt iſt.
Es iſt gar kein Geſetz, und haben es auch, die
vor mir von dem Brunnen geſchrieben, weder
Herr Bohlmann, noch D. Cunæus ſtatuiret, daß
man bey Gebrauch des Pyrmontiſchen Waſ-
O 2ſers
[212]Cap. VI. Art und Weiſe
ſers kein Bier trincken duͤrffe,* wie nicht wenige
mit einem ſolchen Verbot von ihren Medicis
hergeſandt werden. Unſere meiſten Brunnen-
Gaͤſte ſind keine Weinlaͤnder, ſondern ſie ſind
faſt alle zu dem Biere, als ihrem ordentlichen
Getraͤncke gewoͤhnet, und koͤnnen alſo den
Durſt mit dem Wein alleine nicht ſtillen, oder
ſie muͤſſen deſſen zu viel trincken, und ſich da-
durch erhitzen. Es iſt alſo beſſer, daß ein ieder
hierinnen bey ſeiner Gewohnheit bleibe, und zu
Vergnuͤgung des Durſtes das Bier, weiß oder
braunes gebrauche, wie einem jeden aus eige-
ner Erfahrung bekannt, nach welchem er ſich
am beſten befinde. Die Biere aber muͤſſen
ihre rechte Art und Alter haben, nicht zu friſch
und voller Hefen, auch nicht zu alt und ſauer,
ſondern ſollen wohl gekocht, helle, gelind, ſchaͤrff-
lich und ſpirituös ſeyn.


§. 31.

Es iſt ein groſſer Irrthum, daß man
insgemein den ſchwachen Magen vorſchuͤtzet,
weil das Waſſer den Magen ſchwaͤche,** muͤſſe
man viel Wein trincken. Das Gegentheil
aber iſt die Wahrheit, daß nehmlich das Pyr-
montiſche Waſſer den Magen ſtaͤrcke, wie
durchgehends der gute Appetit anzeiget; Noch
mehr aber lehren es die vielfaͤltigen Exempel
derjenigen Perſonen, welche gantz verdorbene
Magen, langwierige Durchfaͤlle, Lienterias,
(da
[213]das Pyrmont. Waſſer zu gebrauchen.
(da die Speiſen unverdaͤuet wieder fortgan-
gen) gehabt, und ſich vorhin mit dem Eſſen
wie Kindbetterinnen halten muͤſſen, nachmahls
durch unſer Waſſer voͤllig curiret worden, daß
ſie wieder allerley Speiſen vertragen koͤnnen.
Sind aber einige, welchen der Magen nach der
Cur ſchwach worden, dieſelben werden die Ur-
ſache entweder in der unordentlichen Diæt, oder
in dem ſchaͤdlichen Kalt-Trincken und unvor-
ſichtigen hinunter gieſſen groſſer Glaͤſer finden
koͤnnen. S. Cap. 8.


§. 32.

Indeſſen iſt doch der maͤßige Gebrauch
eines guten Weins * uͤber der Mahlzeit ſehr
nuͤtzlich und dienlich bey der Brunnen-Cur,
und wird der Magen allerdings dadurch erwaͤr-
met, geſtaͤrcket, und die Gaͤhrung und Ver-
dauung der Speiſen befoͤrdert und vollkomme-
ner gemachet. Ein guter Rhein-Wein iſt
wohl der beſte fuͤr einen teutſchen Magen, auch
am dienlichſten bey der Brunnen-Cur. Es
ſoll derſelbe aber nicht zu viel Saͤure haben,
auch nicht zu ſtarck geſchwefelt ſeyn. Ein gar
alter hitziger Rhein-Wein muß mehr wie eine
Artzeney in geringer Maaß, etwa ein Paar klei-
ne Spitz-Glaͤſer voll, als wie ein Getraͤncke in
groͤſſerer Quantitaͤt genommen werden.


§. 33.

Gute Frantzoͤſiſche Weine ſind auch
bey der Cur nicht undienlich, und habe ich biß-
her am nuͤtzlichſten gefunden, daß ein jeder bey
O 3der
[214]Cap. VI. Art und Weiſe
der Art Wein gelaſſen, welche er vorhin am
meiſten gewohnet, und am beſten vertragen
koͤnnen.


Sonſten kan der Unterſcheid gemachet wer-
den, daß diejenigen, welche ſich nach dem Bier
nicht wohl befinden, und alſo mehr Wein als
andere trincken muͤſſen, beſſer thun, daß ſie ei-
nen gelinden nicht gar alten Rheinwein, oder
einen guten Moſeler wehlen, von welchem ohne
Schaden und Erhitzung, eine ziemliche Quan-
ti
taͤt mag getruncken werden; Frantzoͤſiſche,
Spaniſche und andere ſuͤſſe hitzige Weine aber
muß man in geringerer Quantitaͤt bloß zu
Staͤrckung des Magens, und nicht als zu Loͤ-
ſchung des Durſtes gebrauchen.


§. 34.

Wenn man eine Stunde oder etliche
nach der Mahlzeit Durſt verſpuͤhret, * ſo mag
man wohl einige Schaͤlgen Thee oder Caffee
zu ſich nehmen, nur daß man nicht zu viel thue,
und die Eingeweide gar zu ſehr uͤberſchwemme,
und durch die viele Waͤſſerigkeit relaxire. Will
man 3 biß 4 Stunden nach dem Eſſen zur Er-
friſchung und Loͤſchung des Durſtes ein Paar
Glaͤſer Sauer-Waſſer trincken, ſolches kan ein
jeder nach Belieben und Befinden thun oder
laſſen. Uber dem Eſſen aber das Pyrmonti-
ſche Waſſer zu trincken, oder mit dem Wein zu
vermiſchen, finde gar nicht rathſam, obgleich
hieſige Einwohner ſolches ohne Wein taͤglich
zu
[215]das Pyrmont. Waſſer zu gebrauchen.
zu thun pflegen, und ſich wohl darnach befin-
den. (Cap. 3. §. 53.) Denen Ungewohnten
aber treibet es die Speiſen gar zu geſchwind aus
dem Magen, und verurſachet dadurch allerhand
Ungelegenheiten. Iſt jemand welcher kein
Bier trincket, und Waſſer unter ſeinen Wein
zu miſchen gewohnet iſt, demſelben recommen-
di
ren wir das Waſſer aus dem Berg-Saͤuer-
ling (Cap. 3. §. 18.) welches ein gelindes, ange-
nehmes und geſundes Waſſer iſt.


§. 35.

Das andere Stuͤck der Diæt iſt die
Lufft * und das Wetter, welche man nicht ſo
wohl in ſeiner Macht hat, als das Eſſen und
Trincken, ſondern verlieb nehmen muß, wie ſol-
che in dem Macrocoſmo arriviret. Indeſſen
haben wir die Lufft noch viel noͤthiger, als
Speiß und Tranck, wir koͤnnen dieſelbe nur we-
nig Augenblicke entbehren; Und da die Ober-
flaͤche unſeres Leibes allezeit damit umgeben,
und gedruͤcket wird, ſo werden die Pori oder
Daͤmpff und Schweiß-Loͤcher der Haut, wie
auch der Lauff der Feuchtigkeiten in denen aͤuſ-
ſerlichen Theilen des Leibes ſehr offt dadurch
veraͤndert, und die unempfindliche Ausduͤn-
ſtung, die eine Zeit vermehret, auf ein ander
mahl gar ſehr verringert, und zuweilen faſt
gaͤntzlich aufgehoben.


§. 36.

Es verurſachet alſo die warme und
kalte, trockene und naſſe, helle und truͤbe, ſchwere
O 4und
[216]Cap. VI. Art und Weiſe
und leichte, ſtille oder ſtuͤrmichte Lufft und Wet-
ter, auch bey der Brunnen-Cur allerhand un-
ausbleibliche Veraͤnderungen in dem menſch-
lichen Leibe, und kan die Wirckung des Waſ-
ſers (ohngeachtet ſolches an ſich ſelbſt iederzeit
einerley iſt) auch um dieſer Urſache willen in ei-
ner Perſon und Kranckheit nicht allemahl
gleich, ſondern muß nothwendig unterſchieden
und mancherley ſeyn.


§. 37.

Ob nun zwar eine temperirte und
warme Lufft die bequemſte und beſte zur Brun-
nen-Cur iſt, wie wir §. 3. ſchon angezeiget ha-
ben, ſo hat man doch darinnen nicht allemahl
eine freye Wahl, denn es treffen die Calender
ſo præciſe nicht ein, und kan auch eine ſchaͤdli-
che kalte und feuchte Lufft bißweilen, ſo wohl in
denen Hundes-Tagen, wie im Mertz einfallen.
Wenn man alsdenn in der Cur begriffen iſt,
oder in ſolchem Wetter zum Brunnen kommt,
ſo laͤſſet es ſich nicht allezeit auf gut Wetter war-
ten, ſondern man muß ſich gegen Wind und
Wetter auffs beſte verwahren, und verhindern,
daß man nicht von auſſen durch die Lufft, und
von innen durch das kalte Waſſer und alſo alle
fluͤßige und feſte Theile gar zu ſehr erkaͤlten und
erſtarren, welches denn, wie leicht zu erachten,
ohne Schaden nicht abgehen kan. Cap. 8. §.
3. ſeq.


§. 38.

Das allerbeſte und ſicherſte waͤre,
daß man bey ſtuͤrmichter, naſſer und kalter Lufft
die
[217]das Pyrmont. Waſſer zu gebrauchen.
die Cur wie eine Winter-Cur hielte, und das
Waſſer ein wenig uͤberſchlagen, bey einem gu-
ten Camin-Feuer traͤncke, in einem Saal oder
groſſen Zimmer, da man ſpatzieren gehen, und
ſich gnugſame Bewegung machen koͤnte.


Denenjenigen welche ſehr phlegmatiſch und
ſchwaͤchlich ſind, und die Kaͤlte gar nicht ver-
tragen koͤnnen, mag auch wohl zugelaſſen wer-
den, daß ſie das Waſſer uͤberſchlagen im Bette
trincken. Man muß aber keine Gewohnheit
und Mode daraus machen, und nachmahls
wenn man aufſtehet, die Bewegung deſto laͤn-
ger continuiren. Die aber ſtarcker Natur
ſind, viel Waͤrme haben, und ſich einen gerin-
gen Rauch nicht beiſſen laſſen, ſondern ungeach-
tet des ſchlimmen Wetters das Waſſer aus der
Quelle trincken, und ſich in freyer Lufft bewe-
gen wollen, muͤſſen ſich deſto beſſer mit Klei-
dern verwahren, kleine Glaͤſer und langſam
trincken, damit alle ſchaͤdliche Erkaͤltung, wel-
che ſo gar gemein bey Gebrauch der Sauer-
brunnen iſt, verhuͤthet werde.


§. 39.

Gar zu warme Lufft, heiſſe Tage und
ſchwuͤhl Wetter, iſt auch beſchwehrlich bey dem
Trincken, weil man gar zu matt und ſchwitzig
wird, welches die Wirckung des Waſſers auf-
haͤlt und hindert. Man muß alſo zu ſolcher
Zeit, die kuͤhlen und temperirten Morgen-
Stunden nicht verſaͤumen, und die ſchattichten
O 5Oerter
[218]Cap. VI. Art und Weiſe
Oerter ſuchen, wozu es hier an guter Gelegen-
heit in der Allee nicht fehlet.


§. 40.

Drittens iſt dann auch die Bewe-
gung * zu obſerviren. Man kan ſich zwar bey
der Brunnen-Cur nicht zu viel und zu offt bewe-
gen, und muß eine gnugſame Bewegung des
Leibes allerdings als ein noͤthiges Stuͤck der
Diæt beobachtet werden; Eine gar zu ſtarcke
und hefftige Bewegung aber, wodurch das Ge-
bluͤt erhitzet, ein ſchaͤdliches Aufwallen deſſel-
ben, und ein haͤuffiger uͤberfluͤßiger Schweiß
verurſachet wird, muß durchgehends gemieden
werden. Man laſſe die Bewegung allmaͤhlig
angehen, wiederhole dieſelbe deſto oͤffter, und
continuire ſolche ſo viel laͤnger. Auch richtet
man ſich nach dem Wetter, wenn es kalt, mag
man ſich ſtaͤrcker bewegen, wenn es aber ſehr
warm iſt, machet man ſich eine gelinde Bewe-
gung, auf daß man nicht erhitzet, und der
Schweiß gar zu viel erreget werde.


Diejenigen welche nicht wohl zu Fuß ſind,
muͤſſen ſich viel herum fahren laſſen. Auch iſt
das Reiten eine gute Motion, und Zeitvertreib
bey Gebrauch des Brunnens, wenn man des
Reitens gewohnet iſt, und gute Pferde hat, die
einen ſanfften Schritt gehen.


§. 41.

Vierdtens muͤſſen die Reinigungen
des Leibes** nicht allein ihren Fortgang haben,
ſon-
[219]das Pyrmont. Waſſer zu gebrauchen.
ſondern auch durch die Brunnen-Cur mercklich
vermehret werden, wie Cap. 5. §. 37. ſeq. ange-
zeiget worden. Am allermeiſten aber wird
auf die Eroͤffnungen des Leibes, und den Ab-
gang des Urins Acht gegeben, welchen die ge-
buͤhrende Moderation und Abwartung des
Schweiſſes noch beygefuͤget werden muß.


§. 42.

Unterſchiedliche von denen beruͤhmte-
ſten Sauer-Brunnen treiben ſehr ſtarck durch
den Urin, machen aber wenig Eroͤffnung des
Leibes. Im Gegentheil befoͤdert das Pyr-
montiſche Waſſer in einer mittelmaͤßigen Doſi
beyderley Excretiones* bey denen allermeiſten
ſo wohl, daß nach Proportion gar wenige ge-
funden werden, welche nicht gnungſame Se-
des,
und dabey auch ein ſtarckes Treiben des
Urins haben ſolten, und ſcheinet ſonderlich das
bittere Saltz unſers Waſſers die laxirende
Wirckung vor vielen andern kraͤfftig, Geſund-
Brunnen zu vermehren und zu verurſachen.
Wie nuͤtzlich aber es ſey, und wie ſehr es erleich-
tere, wenn man alle Morgen neben der Wir-
ckung durch den Urin, auch einige Sedes von
dem Waſſer habe, und daß ſolches allerdings
mit zu einem vollkommenen Effect gehoͤre, ſol-
ches wird einem ieden die Erfahrung lehren.
Es rathen auch alle Brunnen-Practici, daß
wenn nicht alle Morgen etliche Sedes von ſelbſt
durch
[220]Cap. VI. Art und Weiſe
durch die Wirckung der Waſſer erfolgen wol-
ten, man ſolche durch gute laxirende Mittel be-
foͤrdern muͤſſe.


§. 43.

Es iſt zwar ungereimt, daß man die-
jenige Operation vor die beſte halten will, * wo
ſich die meiſten Sedes finden. (Cap. 5. §. 21. 22.)
Wann es auf das Purgiren hauptſaͤchlich an-
kaͤme, koͤnte man ohne Geſund-Brunnen ſolches
gar leicht alle Morgen zu wege bringen; In-
deſſen iſt doch wie geſagt, die Eroͤffnung des Lei-
bes ein nuͤtzliches und noͤthiges Stuͤck der Wir-
ckung, und wenn dieſelbe nachbleibet, pflegen
gleich Magen-Druͤcken, Blehungen, Mangel
des Appetits, und andere Beſchwehrungen zu
erfolgen.


§. 44.

In denjenigen Kranckheiten, welche
ihren Sitz im Magen, in denen Gedaͤrmen,
Gekroͤs und naͤchſt angelegenen Eingeweiden
haben, kan die Wirckung per Alvum ein groſ-
ſes zu einer gluͤcklichen Cur beytragen. Wo aber
die gantze Maſſa Humorum muß verbeſſert, ver-
duͤnnet und verſuͤſſet werden, wenn Nieren und
Blaſe von Schleim, Grieß und Sand ſoll ge-
reiniget, oder die Lunge und andere abgelegene
Viſcera, von ſchleimichten Verſtopffungen,
und Zufluß ſcharffer Feuchtigkeiten befreyet,
die Nerven geſtaͤrcket und eroͤffnet, wie auch die
Kranckheiten der aͤuſſerlichen Glieder, und feſten
Theile
[221]das Pyrmont. Waſſer zu gebrauchen.
Theile curiret werden ſollen, ſo hat die Wir-
ckung per Urinam den Vorzug.


§. 45.

Denn dasjenige, was durch den Urin
weggehet, muß nach denen Geſetzen der Circu-
lation
des Gebluͤts durch alle Theile des Leibes
gefuͤhret worden ſeyn (da bißher noch keine an-
dere Wege zu denen Nieren und der Blaſe ge-
wieſen worden) woſelbſt alſo das Brunnen-
Waſſer, was erfodert wird, und was ſeine me-
dicinal
e Eigenſchafften mit ſich bringen, durch
eine wirckliche materialiſche Vermiſchung und
Beruͤhrung hat verrichten koͤnnen.


Sonſten hat man nicht noͤthig wegen Ab-
gang des Urins ſehr beſorget zu ſeyn, weil ſol-
ches die allgemeineſte Wirckung unſers Waſ-
ſers iſt, und da es wenige giebet, welchen es an
Eroͤffnung des Leibes fehlet, ſo werden noch viel
wenigere gefunden, welchen der Urin nicht gnug-
ſam paſſiren ſolte.


§. 46.

Was den Schweiß anbelanget, * ſo
iſt ſolcher gleichfalls eine ſehr gemeine und nuͤtz-
liche Excretion bey dem Brunnen, durch wel-
chen nach Unterſcheid der Kranckheiten viel
Schaͤdliches kan ausgetrieben, und das Gebluͤt
gereiniget werden. Jedennoch iſt zu mercken,
daß der Schweiß des Morgens wenn man trin-
cket, und noch keine Operation per Alvum \&
Urinam
erfolget iſt, auf alle moͤgliche Art muͤſſe
mode-
[222]Cap. VI. Art und Weiſe
moderiret, oder wohl gaͤntzlich vermieden wer-
den.


§. 47.

Wenn man gleich unter dem Trin-
cken anfaͤnget zu ſchwitzen, * ſo tritt das Waſſer
mit dem Blute gar zu ſtarck in die aͤuſſerlichen
Theile des Leibes, und wird alſo die Austrei-
bung durch den Urin vermindert, und die Er-
oͤffnung des Leibes aufgehalten, durch welche
beyderley Excretiones doch der allergroͤſſeſte
Theil des Waſſers wieder fortgehen muß.


Im Gegentheil hat man die Erleichterung
nicht, ſondern es iſt ſehr beſchwehrlich, wenn
man das meiſte Waſſer ausſchwitzen ſoll.


§. 48.

Und eben dieſes iſt die Urſache, war-
um diejenigen, welche zu einer ſtarcken Aus-
duͤnſtung und zu vielem Schwitzen geneigt ſind,
bey kuͤhlem, und nicht gar zu warmen Wetter,
da die Schweißloͤcher der Haut enger zuſam-
men gezogen, und die Feuchtigkeiten mehr zu
denen Eingeweiden und innerlichen Theilen
getrieben werden, die beſte Wirckung, wie ſie
ſprechen, verſpuͤhren, nehmlich, daß ſie alsdenn
mehr Eroͤffnungen des Leibes, und ſtaͤrckeren
Abgang des Urins haben, und ſich dabey am
beſten befinden.


Man muß alſo die Bewegung des Leibes,
wie ſchon gemeldet, nach dem Schweiß einrich-
ten, wenn ſolcher gleich im Anfang des Trin-
ckens
[223]das Pyrmont. Waſſer zu gebrauchen.
ckens ſtarck ausbrechen will, muß man ſich gantz
gelinde bewegen, ſchattigte und kuͤhle Oerter
ſuchen, auch lieber ſich ein wenig nieder ſetzen,
und den herfuͤr brechenden Schweiß vergehen
laſſen.


§. 48.

Derjenige Schweiß aber, * welcher
bey einer moderirten Bewegung erfolget, wenn
man abgetruncken hat, und das meiſte Waſſer
per Alvum \& Urinam ſchon wieder fortgangen,
iſt ſehr nuͤtzlich und geſund. Auch muß der
Nacht-Schweiß, wenn man anfaͤnget bey der
Brunnen-Cur mehr als gewoͤhnlich zu ſchwi-
tzen, durch maͤßige Zudeckung des Leibes befoͤ-
dert, und mit Fleiß abgewartet werden, und
ſollen dergleichen Perſonen des Morgens ſich
alſobald behutſam ankleiden, und ſich nicht gar
zu geſchwind in die naß-kalte Morgen-Lufft be-
geben, ſondern zuvor eine Weile auf ihrem
Zimmer ſpatzieren gehen, und den heraus drin-
genden Schweiß, oder die vermehrte Ausduͤn-
ſtung allmaͤhlig ſich verliehren laſſen.


§. 50.

Fuͤnfftens iſt die beſte Zeit zum
Schlaf ** bey der Brunnen-Cur von 9 oder
10 Uhr Abends, biß 4 oder 5 Uhr des Morgens,
und ſorgen diejenigen am beſten fuͤr ihre Ge-
ſundheit, welche des Abends um 7 Uhr ihre
Suppe eſſen, ſich hernach noch eine gelinde
Bewe-
[224]Cap. VI. Art und Weiſe
Bewegung machen, und denn zu rechter Zeit
ſchlafen gehen, von dieſer Ordnung aber ſich
keine Geſellſchafft noch Divertiſſements ab-
halten laſſen. Denn ſo folget ein ruhiger
Schlaf, und die Kraͤffte werden zu bequemer
Abwartung und Fortſetzung der Cur iedesmahl
gnugſam wieder erholet.


§. 51.

Der Mittags-Schlaf* von welchem
ſo viel geſprochen wird, ob ſolcher erlaubet oder
verbothen ſey, kan gar leicht vermieden werden:
1) Wenn man nicht zu geſchwinde, und gar zu
viel iſſet, und den Magen dadurch uͤberladet
und beſchwehret. 2) Wenn man den Wein
maͤßig gebrauchet. 3) Wenn man nicht al-
leine und in der Stille bleibet, ſondern ſich un-
ter Aufſicht anderer Leute, und in Geſellſchafft
begiebt. 4) So man gleich nach der Mahl-
zeit hinaus und ſpatzieren gehet, wann nach-
mahls ein Paar Stunden nach dem Eſſen vor-
bey gangen, ſo wird man nicht mehr vom
Schlaf incommodiret.


§. 52.

Wolte man ſagen, es waͤre denenjeni-
gen, welche dazu gewoͤhnet, eine Stunde nach
der Mahlzeit ein klein Mittags-Schlaͤfgen auf
einem Lehn-Stuhl zu halten erlaubet, ſo moͤch-
ten ſich viele den gantzen Nachmittag hinlegen
und ſchlafen, zu groſſem Schaden und Nach-
theil ihrer Geſundheit und Cur. S. Cap. 8.


§. 53.

Sechſtens muß man auch die Ge-
muͤths-
[225]das Pyrmont. Waſſer zu gebrauchen.
muͤths-Bewegungen, * wie zu aller Zeit, wenn
man ſeiner Geſundheit wohl vorſtehen will, alſo
inſonderheit bey der Brunnen-Cur, da der Fort-
gang der ſo hochnoͤthigen Reinigung der Feuch-
tigkeiten des Leibes durch alle Excretoria ſo
leicht dadurch kan geſtoͤhret, gehindert oder uͤ-
bertrieben werden, maͤßigen. Der Eyffer
und Zorn muß alſo gemieden, und alle Sorgen,
Bekuͤmmerniß und Traurigkeit zu Hauſe ge-
laſſen werden. Im Gegentheil bitte man
GOtt um Zufriedenheit und um ein ruhiges,
vergnuͤgtes und froͤliches Hertz. Man ſuche
eine gute Converſation, und mache ſich aller-
hand zulaͤßige Ergoͤtzungen, Zeit-Vertreib und
Veraͤnderungen (Cap. I. §. 12. ſeq.) ſo hat man
ſich unter goͤttlichem Seegen einer gluͤcklichen
Cur zu getroͤſten.


§. 54.

VII. Die Artzeneyen, ** welche man
bey der Brunnen-Cur zu Huͤlffe nimmt, muͤſ-
ſen in wenigen und auserleſenen Sachen beſte-
hen, ſonderlich da das Pyrmontiſche Waſſer an
ſich ſelbſt kraͤfftig und reichhaltig an guten me-
dicinal
en Ingredientien iſt, und alſo deſto weni-
ger Huͤlffe bedarff. Es haben die alten Brun-
nen-Practici groſſe und lange Regiſter voll Me-
dicament
en geſchrieben, welche man bey denen
Waſſer-Curen gebrauchen muͤſſe, dafuͤr ein
Patient, welcher vorhin ſchon alle Claſſes der
PMa-
[226]Cap. VI. Art und Weiſe
Materiæ medicæ durchgehen muͤſſen, wol er-
ſchrecken moͤchte. Von denen heutigen Medi-
cis
aber verwerffen einige faſt allen Gebrauch
der Medicamenten bey dergleichen Curen. Al-
ſo faͤllet der menſchliche Verſtand oͤffters von
einem Extremo auf das andere.


§. 55.

Es wuͤrde zwar hier zu weitlaͤufftig
ſeyn, wenn man gegen alle Arten der Kranckhei-
ten, welche wir zu Ende des vorigen Capitels ge-
nennet haben, beſondere Medicamenten anfuͤh-
ren wolte, iſt auch gar nicht allemahl noͤthig;
Indeſſen geben wir denen Practicis zu beden-
cken, und ſtellen es eines ieden Erfahrung an-
heim, was dann und wann zum Exempel in de-
nen Bruſt-Beſchwerungen und alten ſchlei-
michten Huſten durch gute balſamiſche Pecto-
ralia
mit Stomachicis vermiſchet. In Schwulſt
und Anfang der Waſſerſucht durch diuretiſche
Tincturen, reſolvirende Salia und bittere Ex-
tracta;
In Reliquiis Luis venereæ, Gonorr-
hœa, Fluore albo \&c.
mit heilenden balſami-
ſchen Eſſenzen und Pillen; In kalten Wechſel-
Fiebern durch gute Digeſtiva und Antifebrilia
ante Paroxyſmum;
In Morbis convulſivis
durch Antiſpaſmodica; In Mania per Nitro-
ſa \&c.
die Brunnen-Cur vor ſichere und nach-
druͤckliche Beyhuͤlffe haben koͤnne. Wenn zu-
weilen dergleichen Mittel vorher gar nicht helf-
fen noch anſchlagen wollen, ſo geſchiehet ſolches
waͤhrender Brunnen-Cur unter den vielen all-
ge-
[227]das Pyrmont. Waſſer zu gebrauchen.
gemeinen Reinigungen des Leibes, oder bald
nach denſelben. Und alſo kan durch die Mine-
ralia
oͤffters ein guter Grund zu einer beſtaͤndi-
gen Cur geleget, und dieſelbe durch wenige heil-
ſame und Specifica vegetabilia ausgefuͤhret und
vollkommen gemacht werden.


§. 56.

Was ſonſten die allgemeinen und or-
dinair
en Medicamenten betrifft, welche bey der
Brunnen-Cur gebrauchet werden, ſo haben
wir §. 10. ſeq. ſchon etwas davon gemeldet, ſo
viel zur Vorbereitung gehoͤret. Bey der Cur
ſelbſt ſind ſonderlich die laxirende und Magen-
ſtaͤrckende Artzeneyen gebraͤuchlich. Unter de-
nen laxirenden Mitteln * haben bey der heutigen
Brunnen-Praxi faſt allenthalben die eroͤffnen-
den und erweichenden Salia den Vorzug, als
da ſind: Der Tartarus vitriolatus, das Sal
polychreſtum, Arcanum duplicatum, Cremor
Tartari, Tartarus ſolubilis, Sal Anglicanum ca-
tharticum, Sal mirabile Glauberi, Nitrum,
Vitriolum Martis \&c.


§. 57.

Weil dergleichen Salia zum Theil mit
dem natuͤrlichen Saltze des Waſſers uͤberein
kommen, ſo iſt vernuͤnfftig, daß wenn die Wuͤr-
ckung deſſelben in ein oder anderem Stuͤcke
nicht promt erfolgen will, man dieſelbe durch
ſolche Salia am fuͤglichſten verſtaͤrcken koͤnne.
Auch lehret die Erfahrung, daß wenn dieſe Salia
wohl zubereitet ſind und geſchickt gebraucht
P 2wer-
[228]Cap. VI. Art und Weiſe
werden, ſolche ohne alle Ubligkeit, Bauchgrim-
men und Erhitzung ihre Wuͤrckung verrichten,
und mit der Waͤßerigkeit durch den Urin oder
Stuhlgang gleich wieder fortgehen, und man
alſo dieſelben gantz ſicher gebrauchen, und wo es
noͤthig, auch oͤffters wiederhohlen duͤrffe.


§. 58.

Es waͤre zwar das allerbeſte, wenn
man dem Brunnen-Waſſer ſein eigen Saltz
zuſetzte, und alſo die Wuͤrckung vermehrete, al-
lein weil das Pfund Waſſer nur 7 Gran Saltz
haͤlt, ſo iſt es muͤhſam und koſtbar ſolches in ge-
nugſamer Quantitaͤt zur Diſpenſation daraus
zu verfertigen; Daher man diejenigen Salia er-
waͤhlen kan, welche mit denen Eigenſchafften
des natuͤrlichen am naͤheſten uͤberein kommen.
Doch ſchlaͤgt nach Unterſcheid der Naturen
dem einen dieſes, dem andern jenes beſſer an,
und kan man nicht allen einerley verordnen.
Auch ſind die Salia bey dem Gebrauch unſers
Waſſers (welches, wie ſchon erwehnet, ins-
gemein durch ſein eigen Saltz und Kraͤffte ge-
nugſame Wuͤrckung thut) denen allermeiſten
Cur-Gaͤſten unnoͤthig.


§. 59.

Andere ſichere Purgir-Mittel ſind bey
Gebrauch des Brunnens auch nicht zu verwerf-
fen. Es iſt ſo wol das Waſſer, als die ange-
fuͤhrten Salia gelinde, und wuͤrcken zuweilen nur
als Digeſtiva, machen die Materiam peccan-
tem
in Primis viis, in den Gekroͤß-Druͤſen und
andern Eingeweiden weich und beweglich. Bey
ſol-
[229]das Pyrmont. Waſſer zu gebrauchen.
ſolchen Umſtaͤnden ſchicket ſich in waͤhrender
Cur ein ſtaͤrckeres Purgans uͤberaus wohl, und
fuͤhret den præparirten und mobil gemachten
Unrath vollends ab, daß alſo nicht wenig Pa-
tienten ſehr dadurch erleichtert werden, und ihre
Cur deſto gluͤcklicher fortſetzen koͤnnen. Und
um eben dieſer Urſache willen iſt auch das ſi-
cherſte und beſte, daß man zum Schluß der Cur
ein Purgans nehme, das nicht gar zu gelinde, ſon-
dern beqvem und kraͤfftig genug ſey, alles, was
irgend von ſchaͤdlichen, ſchleimichten und ver-
ſtopffenden Materien, welche das Brunnen-
Waſſer erweichet und beweglich gemachet hat,
wie auch dasjenige, ſo bey ein und andern Pati-
enten von uͤberfluͤßiger Waͤßerigkeit in denen
Viſceribus ſpongioſis ſtecken blieben und ver-
halten worden, mit einander abzufuͤhren.


§. 60.

Denn ob man gleich keine gnugſame
Anzeigungen hat, daß etwas von Mineralien, es
mag Ochra oder anderſt heiſſen, in dem Leibe
als ſchaͤdlich zuruͤck bleibe, * wie ſolches einige
Brunnen-Medici ſo gar gefaͤhrlich vorgeſtellet
haben, ſo geben doch angeregte Urſachen ſatt-
ſam zu erkennen, daß man in dieſem Stuͤck wohl
thue bey der alten Gewohnheit zu bleiben, und
den Leib zum Beſchluß noch mit einem guten
Purgir-Mittel zu reinigen.


P 3§. 61.
[230]Cap. VI. Art und Weiſe

§. 61.

Ein ſolches Mittel mag nun in aller-
hand Formulis, wie ſolche ein ieder am beſten
vertragen kan, und gegen welche die Patienten
am wenigſten Eckel haben, gegeben werden.
Es ſind aber doch die ſo genannten Abend-oder
Nacht-Pillen am beqvemſten und dienlichſten
bey der Cur. Dieſelben muͤſſen aus guten
reſolvirenden Gummatibus, Extractis amaris
und dergleichen beſtehen, welchen dann und
wann, wo es noͤthig, ein wohl præparirtes Sti-
mulans
kan zugeſetzet werden. Man kan die-
ſelben ſo zubereiten, daß ein ruhiger Schlaff
von 6 biß 7 Stunden darauf koͤnne gehalten
werden, und daß ſolche ohne Ubligkeit, Reiſſen
und Mattigkeit des Morgens einige gnugſame
Sedes verurſachen, ſo kan man, wenn ſolche im
Anfang oder mitten in der Cur genommen wer-
den, des Morgens gleich eine Portion Waſſer
darauf trincken, und alſo die Cur unverhindert
fortſetzen. Zu Ende der Cur aber nimmt man
des Morgens auf die Pillen etwas Thée oder
eine duͤnne Suppe.


§. 62.

Die Magen-Medicamenten, * wel-
che man bey der Waſſer-Cur vor dem Eſſen ge-
brauchet, werden nicht verordnet um Appetit
zu machen, welcher ohnedem bey den meiſten
ſtarck gnug zu ſeyn pfleget, ſondern wenn etwa
die Verſammlung des Speichels und der
Gaͤhrungs-Safft aus dem Magen durch die
Wuͤr-
[231]das Pyrmont. Waſſer zu gebrauchen.
Wuͤrckung und Menge des Waſſers gar zu
reine weggeſpuͤhlet worden, oder wenn der Ma-
gen und die naͤchſt daran gelegene Viſcera durch
die Kaͤlte des Waſſers Schaden gelitten, und
daher eine unvollkommene Daͤuung entſtehen
koͤnte, ſolches in Zeiten verhuͤtet, der Mangel
des Gaͤhrung-Saffts durch gute bittere Sa-
chen erſetzet, und die noͤthige Waͤrme der Ein-
geweide durch gelind erwaͤrmende, balſamiſche
und aromatiſche Eſſenzen wieder gebracht weꝛ-
de; welche Dinge denn nach eines ieden Tem-
perament
und Conſtitution koͤnnen ausgele-
ſen werden.


§. 63.

Wegen Unterſcheid des Alters * iſt
wegen Gebrauch des Brunnens anzumercken,
wie ſchon im vorhergehenden hin und wieder
angezeiget und erwieſen worden, daß das Pyr-
montiſche Waſſer ſo wenig als andere Sauer-
Brunnen unter die ſtarcken und angreiffenden,
ſondern vielmehr unter die ſicheren und gelin-
den Geſundheits-Mittel gehoͤre, und alſo von
dem Gebrauch deſſelben weder die Alten noch
die Kinder gaͤntzlich koͤnnen ausgeſchloſſen wer-
den. Es waͤre denn daß die Kinder noch gar
zu zart und jung von Jahren, da man ſie nicht
bedeuten und in keiner Ordnung halten kan,
auch die Alten gantz abgelebet, krafftloß und
hinfaͤllig waͤren.


P 4Son-
[232]Cap. VI. Art und Weiſe

Sonſten aber wenn Kinder uͤber 7. Jahre
ſind, und die Alten noch Kraͤffte haben, auch
die uͤbrigen Umſtaͤnde zu erkennen geben, daß
ihnen das Waſſer zutraͤglicher, als andere Me-
dicationes,
(durch welche man ſie manchmahl
gantz matt und uͤberdruͤßig gemachet hat) ſeyn
koͤnte, ſo mag ihnen die Cur gar wohl zugelaſ-
ſen werden, und wir haben Exempel genung,
daß ihnen das Waſſer weder zu ſtarck noch zu
ſcharff geweſen, ſondern mit groſſem Nutzen
gebrauchet worden. Man laſſe ſie aber vor al-
len Dingen die angewieſenen Regeln beobach-
ten, ſonderlich daß ſie wenig, langſam und uͤber-
ſchlagen trincken.


§. 64.

Was den Unterſcheid des Geſchlechts *
anbelanget, ſo ſind einige der Meinung, daß die
Sauer-Brunnen denen Manns-Perſonen,
und die warmen Waſſer dem weiblichen Ge-
ſchlecht insgemein am beſten bekaͤmen.


Es iſt ſolches auch nicht gantz ohne Grund
und Erfahrung. Wenn man aber nach der
Urſache forſchet, ſo wird man finden, daß ſolches
von dem Kalt- oder Warm-Trincken herruͤhre.
Denn weil das weibliche Geſchlecht mehr
phlegmatiſch iſt, nicht ſo viel Waͤrme hat, und
das viele kalte Trincken noch weniger gewoh-
net iſt, als die Manns-Perſonen, ſo befinden ſie
ſich nach dem Warm-Trincken weit beſſer, und
leiden im Gegentheil von dem Kalt-Trincken
ſo
[233]das Pyrmont. Waſſer zu gebrauchen.
ſo viel mehr; Daher leicht zu erachten, daß,
wenn man denen Sauer-Brunnen nur die Kaͤl-
te nehmen wuͤrde, ſolche dem Frauenzimmer e-
ben ſo gut anſchlagen koͤnten, als die natuͤrlich
warmen Waſſer.


§. 65.

Sonſten hat auch das Frauenzimmer
bey der Brunnen-Cur noch Acht zu geben auff
die vier Wochen Zeit. Wenn ſolche einfaͤl-
let, muͤſſen ſie 2, 3 biß 4 Tage ausſetzen. Es
waͤre denn daß man aus einer beſondern Ab-
ſicht einige Perſonen, welche ſtarcke Naturen
haben, warm fort trincken lieſſe, die Evacuatio-
nem menſtruam,
wo es noͤthig und zutraͤglich,
durch das mineraliſche Waſſer zu befoͤdern und
anzutreiben. Diejenigen, welche die Wuͤr-
ckung der vier Wochen gar zu ſtarck und haͤuf-
fig, auch wol ohne Auffhoͤren verſpuͤhren, fin-
den auch (wenn es nicht allbereit mit ſolchen
Perſonen auf das aͤußerſte kommen iſt) bey
dem Pyrmontiſchen Waſſer ihre Huͤlffe. Sie
muͤſſen aber die Cur gantz gelinde und vorſich-
tig fuͤhren, und das Waſſer ebenfalls nicht an-
derſt als uͤberſchlagen oder warm gebrau-
chen.


§. 66.

Schwangere Perſonen * thun beſſer,
daß ſie ſich ein wenig gedulden; Oder wenn ih-
nen ein und andere Beſchwerungen neun Mo-
nate lang zu erleiden unertraͤglich ſcheinet, durch
andere Mittel, bey deren Gebrauch nicht ſo vie-
P 5le
[234]Cap. VI. Art und Weiſe
le und offt wiederhohlte Evacuationes noͤthig
ſind, eine Erleichterung ſuchen.


Zwar ſind mir nicht wenige Exempel be-
kannt, auch von vornehmen und zaͤrtlichen Da-
men, welche das Pyrmontiſche Waſſer wol in
denen erſten Monaten ihrer Schwangerſchafft
einige Wochen lang ohne Schaden gebrauchet,
und nachmahls friſche und geſunde Kinder zur
Welt gebracht.


Es iſt mir auch bißher noch kein Exempel
vorkommen, daß durch das Waſſer eine unzeiti-
ge Geburth waͤre verurſachet worden. Je-
dennoch habe bey denen meiſten obſerviret, daß
ſie viel Eckel und Erbrechen, wie auch wenige,
langſame und muͤhſame Operationes von dem
Waſſer gehabt, und die Natur gleichſam mit
Gewalt die Evacuationes zuruͤck gehalten, und
einen Widerwillen dagegen bezeiget. Daher
bey ſolchen Umſtaͤnden wenig mit der Cur aus-
zurichten, und es der Muͤhe nicht werth, ſolche
anzuſtellen.


§. 67.

Frauen, die ihre Kinder ſtillen, * haben
bißher oͤffters mit gutem Nutzen den Brunnen
gebrauchet, und ſind zuweilen die ſaͤugenden
Kinder mit ihnen von ein und andern Beſchwe-
rungen gluͤcklich curiret worden.


Des Morgens, ehe ſie das Waſſer trincken,
laſſen ſie ſich die Kinder ausſaugen, und wenn
ge-
[235]das Pyrmont. Waſſer zu gebrauchen.
gegen zehen Uhr die meiſten Wuͤrckungen vor-
uͤber, und ſie aufs neue Milch verſpuͤhren, moͤ-
gen ſie die Kinder wieder ein wenig anlegen, o-
der biß auf den Nachmittag damit warten. Sie
muͤſſen aber alle Morgen gnungſame Eroͤffnun-
gen des Leibes haben, und ſollen alle Wuͤrckun-
gen, wenn ſolche nicht von ſelbſt mit einander
hurtig von ſtatten gehen, durch dienliche Mittel
befoͤrdert werden; Sonſt pflegen die Kinder
von dem bey der Mutter verhaltenen Waſſer
ſtarck zu purgiren, und was denen Muͤttern ge-
fehlet, wiederfaͤhret denen Kindern gedoppelt.
Die Milch aber wird durch den Gebrauch des
Brunnens eher vermehret und verbeſſert, als
daß einiger maßen ein Mangel daran verſpuͤh-
ret werden ſolte.


§. 68.

Nach Beſchaffenheit der Tempera-
ment
en * bekommt der Sauer-Brunnen de-
nen Sanguineis und Cholericis am allerbeſten,
koͤnnen auch das kalte Trincken wohl vertra-
gen, und das Waſſer operiret bey ihnen viel ge-
ſchwinder und in geringerer Quantitaͤt. Bey
denen Phlegmaticis und ſonderlich bey denen
Melancholicis pfleget es viel ſchwerer und lang-
ſamer von ſtatten zu gehen. Derowegen pfle-
gen ſie insgemein eine groͤſſere Portion zu trin-
cken, oder die Operation muß durch gute Salia
befoͤrdert werden, und vielen unter ihnen waͤre
er-
[236]Cap. VI. Art und Weiſe
ertraͤglicher und dienlicher, daß ſie uͤberſchlagen
und laulicht traͤncken.


§. 69.

Die Zufaͤlle und Hinderniße bey der
Brunnen-Cur * ſind zwar ſo gar gemein nicht,
und findet man wol unter zwantzig nicht einen,
welchem ein beſorglicher Zufall begegnen ſolte,
ſonderlich wenn ſich die Patienten ordentlich
und Cur-maͤßig auffuͤhren. Indeſſen ſind
doch diejenigen Umſtaͤnde, welche zuweilen vor-
fallen, und eine beſondere Vorſorge erfodern,
unter andern hauptſaͤchlich folgende; Als 1.)
gaͤntzliche Verhaltung des getrunckenen Waſ-
ſers, 2.) Erbrechen, 3.) Verſtopffung des Lei-
bes, 4.) Mangel des Appetits, 5.) Verhaltung
des Urins, wie auch Brennen und Schneiden
deſſelben, 6.) Durchfaͤlle, 7.) Coliqven, 8.) Wun-
digkeit und Hitze des Maſt-Darms, 9.) Jucken
und Ausfahren uͤber die gantze Haut, 10.) un-
gewoͤhnliche Schlaͤfrigkeit, 11.) ſchlafloſe und
unruhige Naͤchte, 12.) Schwindel und Kopff-
Schmertzen, 13.) Krampffziehungen in denen
Waden und uͤbrigen Gliedern, 14.) Schmer-
tzen und Regungen aller Gebrechen.


§. 70.

Der allerſchlimmeſte Zufall iſt
die gaͤntzliche Verhaltung des getruncke-
nen Waſſers, ** da ſolches weder durch
den Stuhlgang, Urin noch Schweiß wieder
fortgehen will, ſondern den Leib beſchwehret und
ausdehnet. In ein oder zwey Tagen thut ſol-
ches
[237]das Pyrmont. Waſſer zu gebrauchen.
ches eben keinen Schaden, wenn man nicht gar
uͤbermaͤßig viel getruncken hat. Es iſt auch
nicht allemahl gleich eine Anzeigung, daß man
gaͤntzlich an der Cur deſperiren muͤſſe, und
nichts weiter verſuchen duͤrffe. Man gebrau-
che eine gute abfuͤhrende und Waſſer-treiben-
de Purgantz, und ſetze die folgende Tage in dem
erſten Glaſe dem Waſſer ſein eigen Saltz, oder
andere gute eroͤffnende und diuretiſche Salia zu.
Alsdenn pflegt manchmahl die Operation und
Wunſch ſo geſchwind und wohl von ſtatten zu
gehen, ſo gefaͤhrlich und ſchwehr auch der An-
fang geſchienen. Wenn aber keine Wuͤrckung
anderſt, als durch taͤglich wiederhohlte Purgir-
Mittel erfolgen will, und der Leib immer mehr
beſchwehret wird, ſo iſt beſſer, daß man ablaſſe
und auf eine andere Cur bedacht ſey, als daß
man mit Gewalt, und durch eine unmaͤßige
Menge Waſſer den Durchbruch und die Wuͤr-
ckung zu erzwingen ſuche.


§. 71.

Das Erbrechen * thut bey denen mei-
ſten einen gar guten Effect, und reiniget den
Magen von allerley zaͤhen Schleim und Un-
rath, continuiret auch insgemein nicht laͤnger
als ein, zwey biß drey Tage. Wenn es aber
mit groſſer Beſchwehrung und Abmattung des
Patienten continuiren und die uͤbrigen noͤthi-
gen Wuͤrckungen zuruͤck halten wolte, ſo muß
man ſolches, ſo viel moͤglich, ſtillen und verhin-
dern.
[238]Cap. VI. Art und Weiſe
dern. Die Patienten muͤſſen langſam und
wenig trincken. Bey einigen hoͤret das Erbre-
chen auf, ſo bald ſie anfangen uͤberſchlagen zu
trincken; andere brechen das gewaͤrmete Waſ-
ſer eher wieder aus als das kalte. Einem ieden
kan es alſo nach ſeiner Natur und Wohlbefin-
den verordnet werden. Wenn das viele Er-
brechen von gar ſchwaͤchlichen und kalten Ma-
gen herruͤhret, ſo thun gute aromatiſche uñ bitte-
re Eſſentzen, ſonderlich wenn ſolche auch Abends
vor ſchlaffen gehen genommen werden, einen
ſehr nuͤtzlichen und zuverlaͤßigen Effect.


§. 72.

Die Verſtopffung des Leibes * iſt
manchmahl die groͤſſeſte Urſache des Eckels
und Erbrechens, wie auch anderer beſchwerli-
chen Zufaͤlle bey der Cur. Daher man ſolche
gleich Anfangs verhuͤten und taͤglich gnugſame
Eroͤffnungen zuwege zu bringen ſuchen muß.
Es geſchiehet ſolches 1.) wenn man die Speiſen
darnach einrichtet, viel Suppen, geſunde Gar-
ten-Gewaͤchſe, wie auch Obſt, Qvetſchen, Pru-
nellen, Roſinen, Corinthen und dergleichen bey
dem Eſſen gebrauchet. 2.) Wenn man das
Waſſer waͤrmet, denn ſo purgiren offt 12. Glaͤ-
ſer mehr, als ſonſt 24. 3.) Wenn man nicht
gar zu langſam trincket, da das Waſſer ſich zu
ſehr vertheilet, und durch das Gekroͤs alle in das
Gebluͤt uͤbergehet. So man uͤberſchlagen
trincket, laſſen ſich die Portiones ohne Gefahr
ge-
[239]das Pyrmont. Waſſer zu gebrauchen.
geſchwinder auf einander nehmen. 4.) Kan
man auch die Purgantia mit Vorſichtigkeit zu
Huͤlffe nehmen, und ſind ſonderlich die eroͤff-
nenden Salia (§. 56.) die allerbeſten, beqvemſten
und ſicherſten Mittel, durch welche mit aller
Gelindigkeit ohne Erhitzung, Bauchgrimmen
und andern Ungelegenheiten, wie das Waſſer
ſelbſt wuͤrcket, gnungſame Sedes auch bey gantz
Hartleibigen und Verſtopfften ſo viel und offt
man will, koͤnnen zuwege gebracht werden.
Denn ob gleich die meiſten Salia ſonderlich auf
den Urin treiben, ſo hat man doch unterſchiedli-
che Gattungen, und was bey einigen Perſonen
durch die eine Art nicht kan ausgerichtet wer-
den, ſolches erlanget man durch den Gebrauch
eines andern. Clyſtire von warm gemachten
Brunnen-Waſſer, und was ſonſt dazu gehoͤret,
ſind auch gar gut und nuͤtzlich zu gebrauchen,
ſonderlich wenn die Patienten dergleichen ge-
wohnet ſind, und es die uͤbrigen Umſtaͤnde lei-
den wollen.


§. 73.

Der Mangel des Appetits * kommt
zwar ſehr ſelten vor, weil diejenigen, welche ihr
lebetage noch nicht recht gewuſt, was Appetit
und Hunger ſey, ſolches zu Pyrmont bey Ge-
brauch des Waſſers lernen koͤnnen. Wo aber
der Appetit fehlet und ausbleibet, ruͤhret ſolches
insgemein von Verſtopffung oder nicht genug-
ſamer Eroͤffnung des Leibes her, und ſo bald ſol-
cher
[240]Cap. VI. Art und Weiſe
cher geholffen iſt, pflegt ſich auch die Luſt zum
Eſſen einzuſtellen. Finden ſich aber andere
Umſtaͤnde, welche den Appetit verhindern, ſo
wird ein Medicus ſolches zu beurtheilen, und
demſelben durch allerhand gute Magen-Medi-
cament
en auffzuhelffen wiſſen.


§. 74.

Eine gaͤntzliche Verhaltung des U-
rins * iſt mir bißher noch nicht vorkommen, ob
ich gleich unterſchiedliche ſo wol Manns-als
Weibs-Perſonen, welche nach allen Umſtaͤn-
den groſſe Steine in der Blaſe hatten, in der
Cur gehabt. Wenn indeſſen ſolches um die-
ſer oder anderer Urſachen halben iemand wie-
derfahren ſolte, und andere Mittel nicht gleich
helffen wolten, muͤſte ein Catheter appliciret
werden. Oder wenn die Ureteres verſtopffet,
muͤſſen gute gelinde Diuretica, Antiſpaſmodi-
ca \&c.
wie auch Clyſteres emollientes das be-
ſte thun. Man hat aber dergleichen nicht zu
beſorgen, wenn nur die Cur gelinde und vorſich-
tig gefuͤhret wird.


Das Schneiden und Brennen des Urins **
findet ſich 1.) wenn viel Gries und Sand aus
den Nieren durch das Waſſer fortgetrieben
wird; 2.) Wenn viele ſaliniſche und gallichte
Schaͤrffe weggehet; 3.) In Gonorrhœis, oder
wenn etwas von einer halb-curirten Gonor-
rhœa
zuruͤck geblieben. Solte dieſe Beſchwe-
rung
[241]das Pyrmont. Waſſer zu gebrauchen.
rung zu hefftig werden oder zu lange anhalten,
da dieſelbe ſonſten insgemein ſich in wenig Ta-
gen wieder zu verliehren pfleget, ſo kan Abends
vor ſchlaffen gehen eine gute Doſis von einem
Pulvere temperante, friſch, ſuͤß Mandel-Oel;
oder in Gonorrhœa, Specifica antivenerea
genommen werden.


§. 75.

Wenn durch den Urin gar zu wenig
und durch den Stuhlgang faſt alles Waſſer
fortgehet, und wol gar aus beſondern Urſachen
ein Durchfall erfolgen ſolte * (da ſonſt das
Pyrmontiſche Waſſer wegen des reichen
Stahl-Gehalts eher zu verſtopffen als zu rela-
xi
ren pfleget) ſo muß man gantz langſam trin-
cken, damit das Waſſer Zeit habe ſich durch
das Meſenterium zu ſencken, man gebrauche
kraͤfftige diuretiſche Tincturen, und bittere a-
romari
ſche Eſſentzen, auch wol, wenn es noͤthig,
gelind-anhaltende, ſtillende und balſamiſche
Pillen oder Electuaria, ſo wird ſichs bald aͤn-
dern, und die Wuͤrckung, wie ſichs gehoͤret, er-
folgen.


§. 76.

Die Coliqven bey ** der Brunnen-Cur
kommen gemeiniglich von Erkaͤltung des Ma-
gens und der Gedaͤrme her; darum diejenigen,
welche zu Coliqven geneigt ſind, ſo viel mehr Ur-
ſache haben, das Waſſer uͤberſchlagen, oder
langſam und mit kleinen Glaͤſern zu trincken.
QSind
[242]Cap. VI. Art und Weiſe
Sind aber die Coliqven von Verſtopffung des
Leibes entſtanden, ſo muß man denſelben durch
dienliche laxirende Mittel eroͤffnen.


Wenn Bauchgrimmen und Beaͤngſtigun-
gen durch Flatus und Blehungen verurſachet
werden, muͤſſen die Patienten gute Eſſentias
carminativas
zu Huͤlffe nehmen, und der Leib
muß iederzeit offen gehalten werden, ſo wird
auch dieſer Zufall ertraͤglich ſeyn, und nicht viel
zu bedeuten haben.


§. 77.

Die Wundigkeit und Hitze des Maſt-
Darms * wird von vielen der Schaͤrffe des
Waſſers zugeſchrieben, ſo muͤſte ſolches aber
alle Tage aͤrger werden, und endlich alle Cal-
daunen nach einander wegfreſſen. Weil die-
ſes nicht geſchiehet, ſondern bey den meiſten in
3, 4 Tagen von dem Brunnen-Waſſer wieder
geheilet wird, ſo iſt dieſer Einwurff ſchon gnug-
ſam wiederleget. Es iſt aber die verhaltene
ſcharffe Galle, welche hin und wieder in denen
Gedaͤrmen geſtecket, durch das mineraliſche
Waſſer aber loßgeweichet und fortgefuͤhret
wird, ſo dieſe Rohigkeit und Hitze verurſachet.
Wenn nun ſolche wegen Uberfluß der Schaͤrf-
fe und Galle bißweilen gar zu lange anhalten,
und dem Patienten zu beſchwerlich ſeyn ſolte, ſo
iſt ein ſicheres und wohlfeiles Mittel, daß man
ſich fleißig mit dem Sauer-Waſſer waͤſchet,
oder das Bad ein paar mahl gebrauchet, ſo
pflegt
[243]das Pyrmont. Waſſer zu gebrauchen.
pflegt es insgemein in wenig Tagen zu verge-
hen. Auch kan man ſich mit dem Unguento
Populeonis, de Linaria,
mit dem Oleo Ver-
baſci, Hyperici
und dergleichen ſchmieren, ſo
wird man deſto eher davon befreyet.


§. 78.

Das Jucken und Ausfahren uͤber die
gantze Haut * wiederfaͤhret denenjenigen, welche
ein ſcharffes, gallichtes und ſcorbutiſches Ge-
bluͤthe haben, und iſt eine ſehr nuͤtzliche Wuͤr-
ckung des Sauer-Brunnens zu Reinigung al-
ler Feuchtigkeiten, hat auch noch niemand ge-
ſchadet, ſondern vergehet bald wieder, wenn die
uͤberfluͤßige Schaͤrffe gedaͤmpffet und ausge-
trieben iſt. Oder man gebrauchet gegen Ende
der Cur das Bad, welches denn alle derglei-
chen Unreinigkeiten aus der Haut voͤllig weg-
nimmt.


§. 79.

Die Schlaͤffrigkeit ** findet ſich zwar
faſt bey allen Brunnen-Gaͤſten, theils wegen
der ſulphuriſchen Spirituoſitaͤt des Waſſers,
theils wegen der vielen Bewegung und Ermuͤ-
dung des Leibes des Morgens unter waͤhren-
dem Trincken, theils auch wegen der ſtarcken
Mahlzeiten, welche auf den guten Appetit zu
folgen pflegen. Wenn aber die Schlaͤffrig-
keit gantz ungewoͤhnlich und faſt unertraͤglich
iſt, ſo pfleget ſolche von einem dicken, zaͤhen,
ſchleimichten und zu freyer Bewegung und Um-
Q 2lauff
[244]Cap. VI. Art und Weiſe
lauff unbeqvemen und traͤgen Gebluͤth, wo-
durch das Haupt und die Roͤhrlein und Ner-
ven des Gehirns beſchwehret und niedergedruͤ-
cket werden, herzuruͤhren, und ſind ſonderlich
phlegmatiſche Temperamenten damit be-
ſchweret. Es verliehret ſich aber dieſe Incom-
modi
taͤt, wenn das Waſſer anfaͤnget viele Ab-
fuͤhrungen und ein gnugſames Vacuum in dem
Leibe zu machen. Auch kan ſolches mit guten
abfuͤhrenden Pillen befoͤrdert und der Leib in
Zeiten von der beſchwerlichen Laſt der uͤberfluͤſ-
ſigen ſchleimichten Feuchtigkeiten entlediget
werden.


§. 80.

Durch Schlafloſigkeit und unruhige
Naͤchte, * wenn ſolche bey der Brunnen-Cur
continuiren, werden die Patienten uͤberaus ab-
gemattet. Es finden ſich zuweilen die Voll-
bluͤtigen, Cholerici und Melancholici damit
incommodiret. Man kan ſolches verhuͤten,
wenn vor der Cur eine Ader geoͤffnet, und die
gebuͤhrende Quantitaͤt Blut gelaſſen wird.
Auch kan Abends vor ſchlaffen gehen ein gutes
temperirendes, kuͤhlendes und beſaͤnfftigendes
Medicament (doch keine Opiata, welche die noͤ-
thige Reinigungen und Austreibungen des
mineraliſchen Waſſers zuruͤck halten) einge-
nommen werden.


§. 81.

Mit Schwindel und Kopffſchmertzen **
ſind
[245]das Pyrmont. Waſſer zu gebrauchen.
ſind eben dergleichen hitzige und truckene Natu-
ren am allermeiſten beſchwehret, es pfleget aber
mehrentheils ertraͤglich zu ſeyn, oder vergehet in
wenigen Tagen. Sonſten kan dieſem Zufall
auf eine gleiche Art abgeholffen werden, wie von
der Schlaffloſigkeit angezeiget iſt. Auch ſind
Specifica cephalica, gnugſame Eroͤffnung des
Leibes, Fuß-Baͤder und dergleichen darzu dien-
lich.


§. 82.

Das Spannen und Krampffziehun-
gen in den Waden und uͤbrigen Gliedern des
Leibes, * iſt zwar eine nicht ungewoͤhnliche
Wuͤrckung des Waſſers, indem daſſelbe alle
Theile des Leibes durchgehet. Jedennoch iſt
ſolches nicht ſo ſtarck, daß es nicht zu ertragen
ſeyn ſolte, wird auch leicht durch das Bad und
Anſtreichen mit Anhaltiſchen Waſſer, Spiritu
Vini Camphorato, Spiritu Formicarum
und
dergleichen gelindert und vertrieben.


§. 83.

Die Schmertzen und Regungen alter
Gebrechen, ** welche man ehemals hin und
wieder an denen feſten Theilen des Leibes ge-
habt, ſind ſonderlich merckwuͤrdig: Da zum
Exempel zugeheilete Wunden und alte Scha-
den wieder auffbrechen; Fluͤße und Schmer-
tzen des einen oder andern Theiles, mit welchen
man einige Zeit vor der Brunnen-Cur behafftet
geweſen, und welche allbereit vergangen und
Q 3ver-
[246]Cap. VI. Art und Weiſe
vergeſſen geweſen, ſich wieder einſtellen; Druͤ-
cken, Spannen und Stiche des Miltzen, der Le-
ber, der Nieren und anderer Eingeweide ſich
eher zu vermehren als zu verliehren ſcheinen;
Paroxyſmiarthritici, wie auch uͤbel curirte und
ſupprimirte Fieber-Paroxyſmi aufs neue erre-
get werden und wieder kommen. Alle dieſe
Umſtaͤnde wuͤrden ſehr ſchaͤdlich und gefaͤhrlich
ſeyn, wenn nicht die taͤgliche Erfahrung lehrete,
daß dergleichen Empfindungen und Zufaͤlle,
welche das mineraliſche Waſſer wieder zu er-
wecken pfleget, nicht allein mehrentheils gantz
leidlich und ertraͤglich waͤren, ſondern daß auch
eine vollkommene und beſtaͤndige Heilung und
Geneſung darauff zu folgen pflege, und daß
man insgemein ie mehr Regungen man an
dem leidenden Theil verſpuͤhret hat, deſto ge-
wiſſere und beſtaͤndigere Huͤlffe von der Cur zu
ge[w]arten habe.


§. 84.

Und auf eben eine ſolche Erfahrung
gruͤnden ſich die beruͤhmten Nachwuͤrckungen
der mineraliſchen Waſſer, * von welchen ſo wol
die alten als neuen Brunnen-Medici hin und
wieder Meldung thun; Wie nehmlich die mei-
ſten Patienten erſt einige Wochen und Monate
nach der Cur die groͤſſeſte Beſſerung und Huͤlf-
fe erlangen. Ja wohl ein Viertel-Jahr und
noch laͤnger nach der Cur vom Schlag, Laͤh-
mung, Mangel des Geſichts, Gehoͤrs und ande-
rer
[247]das Pyrmont. Waſſer zu gebrauchen.
rer beſonderen und gefaͤhrlichen Zufaͤlle allmaͤh-
lich, oder auch zuweilen auf einmahl gluͤcklich,
und gegen aller Menſchen Vermuthen befreyet
worden.


§. 85.

Uber die Urſachen ſolcher Nachwuͤr-
ckungen * wird vielerley raiſonniret. Ich mei-
nes Orts ſtelle mir die Sache folgender maßen
vor: Daß bekannt, wie von dem Ovulo und
unſerer erſten Erzeugung an, die feſten Theile
aus denen Fluͤßigen gebohren und zuſammen
geſetzet werden. Daß nachmahls die feſten
Theile immer von denen fluͤßigen afficiret wer-
den, und ſich nach deren Beſchaffenheit richten
muͤſſen; Wenn dieſe unrein und verdorben, ſo
leyden jene allmaͤhlig auch Schaden. Wird
denen fluͤßigen Theilen wieder geholffen, ſo wer-
den auch die feſten Theile wieder ausgebeſſert.
(wenn nicht die gantze Textur derſelben de-
ſtrui
rt, oder mit unaufloͤßlichen Materien durch-
wachſen und angefuͤllet iſt.) Insgemein aber
wiederfaͤhret denen feſten Theilen die letzte
Huͤlffe, weil ſolche, wie leicht zu erachten, nicht
ſo geſchwinden Veraͤnderungen unterworffen,
wie die fluͤßigen Theile. Es werden die feſten
Theile nicht ſo bald beſchaͤdiget (nehmlich von
innerlichen Urſachen) als die Humores, wenn
ſie aber geſchwaͤchet und beſchaͤdiget ſind, ſo ge-
het es dann auch mit ihrer Beſſerung und Wie-
derbringung zu ihrer ehemahligen voll-
Q 4kom-
[248]Cap. VI. Art und Weiſe
kommenen Function deſto langſamer von
ſtatten.


§. 86.

Wenn nun das mineraliſche Waſſer
noch in ſeiner Wuͤrckung iſt, ſo durchdringet es
alle Theile, treibet die geſchwaͤcheten gebrechli-
chen und verſtopfften Theile auf, und verurſa-
chet durch dieſe Extenſion neue Empfindungen
und beſchwerliche Regungen der ehmahligen
Kranckheiten, daß es manchmahl in waͤhren-
der Cur ſcheinet, man werde keine Huͤlffe er-
langen, ſondern im Gegentheil immer ſchlimmer
werden. Wenn aber nur das mineraliſche
Waſſer gebuͤhrender maßen durch alle Excre-
toria
fortgehet, ſo werden durch die bekannten
herrlichen Wuͤrckungen, Verbeſſerungen, Ver-
ſuͤſſungen und Reinigungen zu erſt am allermei-
ſten die Humores in einen guten Stand ge-
bracht.


§. 87

Da nun die Natur dieſe gute Huͤlffe
empfunden, und von der beſchwerlichen und
unertraͤglichen Laſt der uͤberfluͤßigen und ſchaͤd-
lichen Feuchtigkeiten befreyet worden, ſo iſt ſie
nachmahls ihr eigener allerbeſter Artzt, und ver-
beſſer nach und nach durch das wiedererlangte
gute geſunde Blut und Feuchtigkeiten, alles
was nach der Cur an denen feſten Theilen noch
gebrechlich und mangelhafft uͤbrig geblieben, ſo
viel moͤglich iſt und geſchehen kan; Daher denn
ſolche treffliche und zuweilen recht wunderba-
re Nachwuͤrckungen ihren Urſprung nehmen.


Es
[249]das Pyrmont. Waſſer zu gebrauchen.

Es werden ſich alſo die Liebhaber ihrer Ge-
ſundheit den groſſen Nutzen und die ſonderliche
Vortheile, welche einige Zeit nach vollendeter
Cur zu erfolgen pflegen, recommendiret ſeyn
laſſen, * ſich alles weitlaͤufftigen Medicinirens
auf die Brunnen-Cur enthalten, eine gute ac-
curat
e Diæt in allen Stuͤcken ie laͤnger ie beſſer
obſerviren, und eine gluͤckliche Nachwuͤrckung
unter dem Segen des Allerhoͤchſten abwar-
ten.


CAP. VII.
Aeußerlicher Gebrauch des Pyrmonti-
ſchen Waſſers, oder von dem
Bade.


§. 1.


ES wird zwar hin und wieder diſputiret,
auch von einigen gleich blindlings verworf-
fen, daß man die kalten mineraliſchen Waſſer
oder Sauer-Brunnen nicht erwaͤrmen und
zum Bade zubereiten ſolle, ** weil GOtt an
vielen Oertern gnung natuͤrlich warme Waſſer
gegeben habe, welche zu dem aͤußerlichen Ge-
brauch eigentlich deſtiniret, und viel beqvemer
Q 5und
[250]Cap. VII. Aeußerlicher Gebrauch
und nuͤtzlicher zu denen Kranckheiten und Ge-
brechen waͤren, gegen welche ein warmes mi-
nerali
ſches Bad erſprießlich zu ſeyn pfle-
get.


§. 2.

Es folget aber ſo wenig, daß die Gaben,
welche GOtt dem Menſchen zu Beſchuͤtzung
und Wiederbringung der verlohrnen Geſund-
heit gegeben hat, eben in der Beſchaffenheit
muͤſſen gelaſſen und gebrauchet werden, wie ſol-
che aus der Erden herfuͤr kommen; ſo wenig es
durch die Erfahrung gut gefunden worden, die
Nahrungs-Mittel zu taͤglicher Erhaltung des
Lebens roh und ohne Zubereitung zu ge-
nieſſen.


Im Gegentheil lieget zuweilen der rechte
Gebrauch der allerbeſten Sachen am allermei-
ſten verborgen; GOtt aber hat dem Menſchen
Verſtand und Geſchicklichkeit gegeben, daß er
durch fleißiges Nachſinnen, Auffmerckſamkeit
und vernuͤnfftige Proben ausforſchen und ent-
decken koͤnne, auf was Art und Weiſe ein iedes
Geſchoͤpffe zu des Menſchen Vortheil und Nu-
tzen am beſten koͤnne angewandt und gebraucht
werden, da denn nachmahls durch offt wieder-
hohlte Proben eine beſtaͤndige Erfahrung er-
lernet wird.


§. 3.

Und damit wir nicht zu weit von unſe-
rer Handlung abweichen, ſondern bey Betrach-
tung der mineraliſchen Waſſer beharren, und
ein Exempel daher nehmen, ſo entſpringen ja
viele
[251]des Pyrmontiſchen Waſſers.
viele Baͤder in einem ſolchen Grad der Waͤr-
me, daß man dieſelben nicht gleich, wie ſie her-
fuͤr qvellen, gebrauchen kan, wenn man nicht
Haut und Haar dabey zufetzen will, ſondern
es muß das Waſſer zuvor in einem Bade-
Raum verſammlet, und zu Verliehrung ſeiner
hefftigen Hitze, manchmahl zehen, zwoͤlff, ja wol
24 Stunden und noch laͤnger ſtehen gelaſſen
werden, * ehe man ſich hinein wagen, und es
als ein Bad gebrauchen darff.


Hat man nun hier aus der Noth eine Tu-
gend gemachet, und laͤſſet das natuͤrliche war-
me Waſſer die ſchaͤdliche und uͤberfluͤßige Hitze
verliehren, ſo iſt wol eben ſo geſchickt und ver-
nuͤnfftig, daß man denen kalten mineraliſchen
Waſſern durch die Kunſt ſo viel Waͤrme gie-
bet, als man denen warmen Baͤdern nehmen
muß, oder ſo viel nuͤtzlich und noͤthig iſt.


§. 4.

Zweytens iſt es auch nunmehro unter
denen gelehrteſten Phyſicis und Medicis eine
ausgemachte Sache, wie in dem vierdten Capi-
tel mit mehrerem angezeiget worden, daß ſo wol
die kalten als warmen mineraliſchen Waſſer ei-
nerley Urſprung aus dem Kieſe haben, ** und
alſo auch die Materien, Kraͤffte und Wuͤrckun-
gen derſelben ſehr mit einander uͤberein kom̃en,
folglich von denen kalten Geſund-Brunnen,
wenn
[252]Cap. VII. Aeußerlicher Gebrauch
wenn ſolche gewaͤrmet werden, auch aͤußerlich
gleichmaͤßige gute Effecte gegen die Kranckhei-
ten und Gebrechen des menſchlichen Leibes zu
erwarten, wie von denen natuͤrlich warmen
Waſſern.


§. 5.

Drittens geben einige Umſtaͤnde zu er-
kennen, daß kraͤfftige und reichhaltige Sauer-
Brunnen, wenn ſolche gleich friſch erwaͤrmet,
und als ein warmes Bad zubereitet werden, auf
gewiſſe Art noch einen Vorzug vor denen na-
tuͤrlich warmen Baͤdern behalten. * Es iſt be-
kannt, daß die kalten mineraliſchen Waſſer ins-
gemein ſpirituoͤſer, (Cap. IV. §. 100.) und ihre
Ingredientien ſubtiler (Cap. III. §. 31. ſeq.) als
in dem Waſſer der warmen Baͤder ſind. Auch
daß inſonderheit das Pyrmontiſche Waſſer
bey zwey Stunden erwaͤrmet und brenn-heiß
koͤnne gemachet werden, ehe die innerliche Fer-
mentation
und Bewegung der ſubtilen Theil-
gen geſtillet, und alle Spirituoſitaͤt gedaͤmpffet
und verlohren gangen. Cap. IV. §. 11.


§. 6.

Wenn man nun in einem ſolchen Waſ-
ſer badet, in welchem dieſe innerliche Bewegung
derer Spirituum noch in voller Wuͤrckung iſt,
ſo muß ſolches die feſten Theile des Leibes mehr
afficiren und ſtaͤrcker penetriren, als ein bloſſes
ſaliniſches Waſſer, ** deſſen Spiritus und ſub-
tile
[253]des Pyrmontiſchen Waſſers.
tile Theilgen ſich ſchon laͤngſt in der alcaliſchen
Erde concentriret, geaͤndert und verlohren
haben.


So man das Sauer-Waſſer laͤnger als 2.
Stunden uͤber dem Feuer haͤlt, auf einmahl
gar ſtarck erhitzen, oder ſolches zum zweyten
mahl auffwaͤrmen laͤſſet, alsdenn kommt ihre
Wuͤrckung uͤberein mit der Wuͤrckung vieler
warmen Baͤder, welche man ſo viel Stunden
hat muͤſſen ſtehen und abkuͤhlen laſſen, biß nichts
mehr in dem Waſſer uͤbrig, als Saltz, ein wenig
Eiſen-Crocus, eine kreitenhafftige Erde, und
ein geringer bituminoͤſer Dunſt; Von welchen
Materien das Pyrmontiſche Waſſer iederzeit
noch genung behaͤlt, wenn gleich noch ſo unge-
ſchickt mit dem Erwaͤrmen umgegangen
wird.


§. 6.

Und dieſes iſt auch die Urſache, warum
ein Sauer-Brunnen-Bad mit viel mehr Un-
terſcheid und Vorſichtigkeit will gebrauchet
ſeyn, als ein natuͤrlich warmes Bad, * weil je-
ner Wuͤrckung ſtaͤrcker, durchdringender und
angreiffender iſt, welche man iedoch gar leicht
moderiren, und durch eine vernuͤnfftige Metho-
de
nach eigenem Wohlgefallen abmeſſen und
einrichten kan, wie in nachfolgendem weiter
wird angezeiget werden.


§. 8.
[254]Cap. VII. Aeußerlicher Gebrauch

§. 8.

Vierdtens hat denn auch die Erfah-
rung in ſpecie von dem Pyrmontiſchen Sauer-
Waſſer ſchon, ſo weit man Nachricht findet,
von dem Jahre 1556. an, (Cap. II. §. 10. 11. ſeq.)
biß auf dieſe Zeit gelehret, * daß der aͤußerliche
Gebrauch, oder das Baden in dieſem Waſſer
iederzeit ſo viel herrliche und offt recht Wun-
derns-wuͤrdige Curen gethan, daß von keinem
andern mineraliſchen Waſſer, es ſey warm oder
kalt, groͤſſere Exempel koͤnnen angefuͤhret
werden.


Da auch der innerliche Gebrauch unſers
Waſſers gegen das Ende des 16den und im An-
fang des 17den Seculi eingeſtellet worden;
(Cap. II. §. 18.) ſo hat man doch von dem gemel-
deten 1556ſten Jahre an den aͤußerlichen Ge-
brauch beybehalten und continuiret, und iſt
nachmahls zu Herrn Bolmanns Zeiten (Cap.
2. §. 23. 24.) der innerliche Gebrauch bey dem
Baden allmaͤhlig wieder angelernet worden.


§. 9.

Von Anno 1556. ** ſchreibet Buͤnting,
wie wir Cap. II. §. 11. angefuͤhret haben, daß etli-
che ihrer Gebrechen entlediget worden, die ihre
Kruͤcken zu Pyrmont bey dem Brunnen han-
gen laſſen, *** und davon gangen. Bey dieſer
alten Gewohnheit hat man GOtt lob! von dem-
ſel-
[255]des Pyrmontiſchen Waſſers.
ſelben Jahre an biß auf dieſe Zeit bleiben koͤn-
nen, und ſind Kruͤcken und Trage-Stuͤtzen die
Faͤhnlein und Sieges-Zeichen, von welchen hie-
ſiges Brunnen-Hauß noch jaͤhrlich einige da-
von traͤget und damit behangen wird.


Und wie die uͤbrigen Umſtaͤnde bey beſagtem
Autore zu erkennen geben, daß dieſe groſſe Cu-
ren mit durch das Bad und den aͤußerlichen
Gebrauch des Waſſers ausgefuͤhret worden, ſo
wird noch biß auf dieſe Stunde durch vorſich-
tigen Gebrauch des Bades fuͤrnehmlich an aͤuſ-
ſerlichen Gebrechen groſſer Nutzen geſchaffet.


§. 10.

Anno 1571. * ſchreibet Gallus Etſchen-
reuter unter andern von dem Spiegelbergi-
ſchen Sauer-Brunnen, daß das Bad deſſelben
die Geſchwulſt am Leibe, Lenden-Weh, Podal,
harte Knoten, Auſſatz, Flechten und alte Scha-
den curire. Entſchlaffene und erſtarrete Glie-
der zurechte bringe, Glieder-Fluͤſſe kraͤfftig
verzehre, ſchwaches und bloͤdes Geſicht ſtaͤrcke
und erhalte. ꝛc.


§. 11.

Anno 1584. ** ſchreibet mehrerwaͤhn-
ter D. Theodorus Tabernæmontanus in ſei-
nem Waſſer-Schatz, in welchem ſonſt der in-
nerliche Gebrauch unſers Waſſers gar ſchlecht
recommendiret wird, (Cap. II. §. 20.) daß das
Waſſer aͤußerlich zu nachfolgenden Kranckhei-
ten
[256]Cap. VII. Aeußerlicher Gebrauch
ten nuͤtzlich gebrauchet werde. * „Es eroͤffne
„die Verſtopffungen der Leber und des Miltzen,
„verzehre die Waſſerſucht und alle andere Ge-
„ſchwulſt am Leibe, ſonderlich der Schenckel;
„Erwaͤrme und reinige die erkaltete und ver-
„ſchleimte Mutter, und bringe die verruckte wie-
„der zurecht, wende die Unfruchtbarkeit, und
„helffe zu der Empfaͤngniß; Verzehre den
„weiſſen Fluß der Weiber, und den Saamen-
„Fluß Gonorrhœam; Verzehre das faule
„Fleiſch in den Fiſteln, in dem Krebs, und in al-
„len alten, faulen, ſtinckenden Schaͤden, Wun-
„den und Geſchwuͤhren, reinige und heile ſie;
„Vertreibe und heile den friſchen Auſſatz, Fran-
„tzoſen, Reuden, Grind, Zitter-Maͤhler, den
„Haar-Wurm, allerhand boͤſen Grind und
„aͤußerliche Gebrechen des Leibes und der Haut;
„Vertreibe das kalte Geſuͤcht der Gliedſucht,
Podagra und Zipperlein, und verzehre die har-
„ten Knollen oder Beulen der Gelencke, die das
„Zipperlein oder Gliedſucht verurſachet und
„auffgeworffen; Truckne auch und verzehre
„die Fluͤſſe des Haupts, der Augen und aller an-
„dern Glieder des gantzen Leibes, bringe die er-
„ſtarrete erſchlaffene Glieder wieder zurecht.
„Zu erzaͤhlten Gebrechen ſey auch trefflich gut
„und heilſam der mineriſche Letten oder Schie-
„fer, den dieſer Brunnen unſichtbar mit ſich fuͤh-
„ret ꝛc.


§. 12.
[257]des Pyrmontiſchen Waſſers.

§. 12.

Anno 1628. * hat der Kaͤyſerliche
General Feld-Marſchall, Herr Graf von Pap-
penheim das Pyrmontiſche Waſſer nach Luͤde,
eine halbe Stunde von Pyrmont bringen laſ-
ſen, und hat es daſelbſt zum Baden gebrauchet,
wie Herr Bolmann meldet, und weil dieſer
Autor zu derſelben Zeit die Brunnen-Praxin ſo
beſchaffen gefunden, daß man damahls das
Waſſer mehrentheils aͤuſſerlich zum Baden ge-
brauchet, ſo hat er, nachdem der innerliche Ge-
brauch auch wieder eingefuͤhret worden, ſeine
Brunnen-Beſchreibung in 2 Haupt-Theile
abgetheilet; in dem erſten Theile handelt er
von dem innerlichen Gebrauch des Waſſers,
und in dem andern gantzen Theile von dem Ba-
de. Er fuͤhret auch in dem vierdten Capitel
dieſes Theils 3 recht miraculoͤſe Exempel von
denenjenigen an, welche zu ſeiner Zeit, da er bey
dem Brunnen practiciret, durch das Bad ge-
neſen worden. Im uͤbrigen bekraͤfftiget er
aus ſeiner Erfahrung, und recommendiret das
Bad gegen alle dergleichen Kranckheiten und
Gebrechen, welche wir aus dem Tabernæmon-
tano
angefuͤhret haben. Und dieſer Praxi ha-
ben nachmahls die beyden Herren Cunæi, wie
auch alle uͤbrige erfahrne Brunnen-Medici mit
einem Munde beygepflichtet, und den Gebrauch
des Bades mit viel Frucht und Nutzen fortſe-
tzen laſſen, biß auf unſere Zeit.


R§. 13.
[258]Cap. VII. Aeuſſerlicher Gebrauch

§. 13.

Weil nun der aͤuſſerliche Gebrauch
des Pyrmontiſchen Waſſers durch eine ſo alte
Erfahrung, und ſo mannigfaltige herrliche Cu-
ren, (deren noch viel mehr wuͤrden geweſen ſeyn,
wenn nur die Zubereitung und Einrichtung des
Bades verſtaͤndiger und ordentlicher angeſtel-
let worden) auch die alten und neuen Brunnen-
kuͤndige Medici, einhellig mit einander ſo viel
Werck davon machen, ſo waͤre gantz unverant-
wortlich, wenn man das Kind mit dem Bade
ausſchuͤtten, und den aͤuſſerlichen Gebrauch
dieſes Waſſers wiederrathen, oder anſtehen
laſſen wolte, wie einige Medici, denen aber die
Wirckungen des Waſſers nicht gnungſam be-
kannt, dahin ſtimmen wollen. Man ſolte viel-
mehr beflieſſen ſeyn, wie man den Methodum,
oder die Art und Weiſe das Bad zu præpari-
ren und nuͤtzlich zu gebrauchen, immer mehr
verbeſſern, im Gegentheil aber die vielen gro-
ben Fehler und Mißbraͤuche, ſo dabey vorgehen,
kennen und abſtellen lernete. Cap. 8. §. 25. ſeq.


§. 14.

Auf was Art und Weiſe nun das
Waſſer aͤuſſerlich wircke, * ſolches muß ſon-
derlich nach zweyerley Umſtaͤnden betrachtet
werden: I. So lange die innerliche Bewegung
der ſubtilen Theilgen waͤhret, ** und die Spiri-
tuoſi
taͤt des Waſſers noch nicht alle gedaͤmpf-
fet, und in die alcaliſche Erde concentriret iſt,
ſo
[259]des Pyrmontiſchen Waſſers.
ſo greiffet daſſelbe ſtaͤrcker an, ſtimuliret die
Extremitates Nervorum, dringet in die Partes
nervoſas \& membranoſas
ein, und verurſachet
allerhand Erregungen, und eine Zuſammen-
ziehung der aͤuſſerlichen feſten Theile; Das
Genus nervoſum wird dadurch geſtaͤrcket, und
eroͤffnet, die relaxirten und ſchlaff gemachten
Fibræ motrices, bekommen ihren natuͤrlichen
Tonum und Feſtigkeit wieder, und alſo werden
die Materiæ peccantes, welche hin und wieder
in denen aͤuſſerlichen Theilen und in allen Roͤhr-
lein und Gaͤngen derſelben ſtecken, zertheilet,
theils durch den Schweiß ausgetrieben, theils
in die gemeine Maſſam Humorum zuruͤck, und
in die Circulation gebracht, daß ſolche nach-
mahls durch die Scheidungs- und Reinigungs-
Werckzeuge des Leibes, hin und wieder koͤnnen
ausgetrieben werden.


Und wo die Partes membranoſæ \& muſculo-
ſæ
gar zu ſehr befeuchtet, erweichet und ausge-
dehnet, durch viele dicke, ſchleimichte Humores
angefuͤllet, oder mit kalten waſſerſuͤchtigen Ver-
ſammlungen aufgetrieben und geſchwollen ſind,
werden dieſe Theile wieder geſtaͤrcket und zu-
ſammen gezogen, und alſo die Geſchwulſt zer-
theilet und vertrieben.


Mit einem Worte, diejenigen Theile des
Leibes, welche zu ſchlaff, feuchte und weich ſind,
werden durch das Waſſer wieder befeſtiget,
welche aber vertrocknet, verhaͤrtet, zuſammen
R 2ge-
[260]Cap. VII. Aeuſſerlicher Gebrauch
geſchrumpelt, verkuͤrtzet und verſtopffet ſind,
werden befeuchtet, erweichet und eroͤffnet.


§. 15.

II. Wenn aber zweytens die innerli-
che Fermentation des Waſſers ſich geſtillet
hat, * alle Spirituoſitaͤt verſchwunden, und die
Eiſen-Erde præcipitiret iſt, ſo wird nachmahls
die Wirckung viel gelinder, und kommt alsdenn
mehrentheils mit der Wirckung der natuͤrlichen
warmen Baͤder uͤberein. Es erweichet als-
dann vielmehr wie[h]vorhin, zwar ſtaͤrcket es auch
durch die balſamiſch-ſulphuriſche Eiſen-Erde
die feſten Theile, und dringet durch ſeine ſali-
ni
ſche reinigende Krafft ein, alles aber gehet viel
gelinder und langſamer von ſtatten.


§. 16.

Die erſte Art der Wirckung, iſt vor
ſtarcke Naturen, ** und wo man gnugſam ver-
ſichert iſt, daß der Leib von denen meiſten uͤber-
fluͤßigen und unreinen Feuchtigkeiten durch die
innerliche Cur befreyet iſt, und die Eingeweide
noch geſund und wohl beſchaffen ſind. Bey
denenſelben bringet ein ſolches Bad gegen die
aͤuſſerlichen Zufaͤlle und Gebrechen oͤffters eine
ſchleunige Huͤlffe, und thut auf 5 oder 6 mahl
mehr, als andere Baͤder auf zehen oder zwan-
tzig mahl.


§. 17.

Vor zarte und ſchwache Naturen
aber,*** und wo noch viele Unreinigkeiten in der
Maſſa
[261]des Pyrmontiſchen Waſſers.
Maſſa Humorum zu vermuthen, oder wo ſich
eine groſſe œdematöſe Geſchwulſt findet, bey
ſolchen iſt die letztere Mixtur und Beſchaffenheit
des Waſſers am ſicherſten und beſten; Man
muß zum wenigſten den Anfang des Badens
damit machen, und nach gerade das Bad, nach-
dem ſich die inneren Zuſtaͤnde aͤndern, immer
ſpirituöſer præpariren laſſen, damit nicht auf
einmahl alle uͤberfluͤßige und ſchaͤdliche Mate-
ri
en in die Eingeweide und inneren Theile zuruͤck
getrieben, allerhand Beſchwehrungen erreget,
und wohl gar Stockungen und Entzuͤndungen
in denenſelben verurſachet werden moͤgen.


§. 18.

Wie nun weiter dieſe zweyfache Be-
ſchaffenheit und Wirckung des Waſſers* bey
allerhand Zuſtaͤnden koͤnne obſerviret, und
nuͤtzlich angewandt werden, ſolches wird ein
Medicus, der ein Kenner des Waſſers iſt, nach
Unterſcheid der Naturen, und Zufaͤlle der
Kranckheiten zu beurtheilen und einzurichten
wiſſen. Und wenn man denn alle noͤthige
Stuͤcke beobachtet, ſo wohl was wir ietzt ange-
fuͤhret haben, als was ferner bey der Bade-Cur
ſoll erinnert werden, ſo wird einem ieden die
Erfahrung, und die jaͤhrliche vielfaͤltige Exem-
pel lehren, daß nicht allein die Beſchwehrun-
gen und Gebrechen, welche wir aus dem Ta-
bernæmontano
angefuͤhret haben, ſondern auch
alle uͤbrige Kranckheiten, gegen welche iemals
R 3ein
[262]Cap. VII. Aeuſſerlicher Gebrauch
ein warmes mineraliſches Bad nuͤtzlich gefun-
den worden, durch das gewaͤrmte Pyrmonti-
ſche Waſſer curiret werden koͤnnen.


Daher wir nun fortfahren und ſehen wol-
len, wie die Bade-Cur mit gebuͤhrender Vor-
bereitung anzufangen, zu welcher Zeit das Bad
zu gebrauchen, wie lange man continuiren
muͤſſe, auch die Zubereitung des Waſſers, das
Verhalten im Bade, und alle noͤthigſte Re-
geln, ſo vor, in und nach dem Bade zu beobach-
ten ſind.


§. 19.

Die allerbeſte Vorbereitung zum
Bade, * iſt der innerliche Gebrauch des Brun-
nens, deñ bey demſelben wird der Leib durch alle
Excretoria ſo ſonderlich gereiniget, wie im
fuͤnfften Capitel umſtaͤndlich angedeutet wor-
den, daß man nachmahls nicht zu befuͤrchten
hat, daß die uͤberfluͤßigen Feuchtigkeiten von
dem Bade, in eine gar zu ſtarcke Erhitzung und
Aufwallen gebracht, oder etwas ſchaͤdliches aus
denen aͤuſſerlichen Theilen und Gliedern in die
Eingeweide getrieben werden moͤchte, ſondern
da zuvor Raum in denen Adern und Gaͤngen
gemachet worden, ſo kan alsdenn was noch hin
und wieder in dem Leibe zuruͤck geblieben, oder
in denen Gliedern feſte geſtecket, ſicher loß ge-
trieben und zertheilet werden, welches endlich
unter dem freyen Umlauff des Gebluͤts, und
der anhaltenden Wirckung des getrunckenen
Sau-
[263]des Pyrmontiſchen Waſſers.
Sauer-Brunnens nach und nach vollends aus
dem Leibe geſchafft wird.


§. 20.

Wenn man aber ſonderlicher Urſa-
chen halben das Bad alleine, und nicht die in-
nerliche Cur des Waſſers zutraͤglich findet, wel-
ches doch ſehr ſelten geſchiehet, ſo muß der Leib
zuvor durch bequeme Laxantia gereiniget, und
hernach auch unter waͤhrender Bade-Curtaͤg-
lich offen gehalten werden.


Vollbluͤtigen, und wo es ſonſten die Umſtaͤn-
de erfodern, kan auch einige Tage vor der Ba-
de-Cur zur Ader gelaſſen werden.


§. 21.

Was wegen der Zeit bey dem aͤuſſer-
lichen Gebrauch des Waſſers zu beobachten, *
kan unter folgenden Stuͤcken angemercket wer-
den:


  • 1) Iſt die beſte Jahrs-Zeit zum Baden in
    denen warmen Monaten, und bey gutem Wet-
    ter und warmen Tagen, da man am wenigſten
    eine Erkaͤltung und ſchleunige Verſtopffung
    der Schweiß-Loͤcher zu befuͤrchten hat.
  • 2) Wenn man alsdenn die innerliche Cur
    8, 10, 12 oder 14 Tage, nachdem die Wirckun-
    gen des Waſſers eher oder ſpaͤter von ſtatten
    gehen, und man den Leib erleichtert und gerei-
    niget findet, gebrauchet hat, ſo kan man in
    Gottes Nahmen den Anfang zum Baden
    machen.

R 43) Man
[264]Cap. VII. Aeuſſerlicher Gebrauch
  • 3) Man hat nicht allemahl noͤthig, eine be-
    ſondere Zeit zur Bade-Cur auszuſetzen, wie nicht
    wenige Medici der Meynung ſind, ſondern
    gleichwie viele warme Waſſer des Morgens
    getruncken werden, und man ſich doch darne-
    ben taͤglich (viele wohl zweymahl in einem Ta-
    ge) badet, und ſolches 2, 3 biß 4 Wochen nach
    einander continuiret, ſo kan man das Pyr-
    montiſche Waſſer auch gar wohl des Morgens
    trincken, und ſich dieſelben Tage auch darin-
    nen baden. Man findet gantz keine ſtreitige
    Wirckungen dabey, ſondern die Erfahrung hat
    von vielen Jahren her gewieſen, daß beydes gar
    wohl mit einander beſtehen koͤnne, wenn nur ſo
    wohl die innerliche als aͤuſſerliche Cur moderi-
    ret, und auf gehoͤrige Art gefuͤhret wird.
  • 4) Im Gegentheil dienet ein maͤßiger in-
    nerlicher Gebrauch des Brunnens, neben dem
    Bade unter andern auch darzu, daß die Ver-
    ſtopffungen und Verhaͤrtungen des Leibes ver-
    huͤtet werden, welche ſonſten denen Bade-Gaͤ-
    ſten ſehr gemein ſind, und allerhand Beſchweh-
    rungen zu verurſachen pflegen, auch ſonſt mit
    andern laxirenden Mitteln muͤſſen geholffen
    werden, welches aber nicht bequemer geſchehen
    kan, als durch gelinden innerlichen Gebrauch
    des Waſſers.
  • 5) Doch iſt noͤthig, daß diejenigen, welche
    ihr Werck ſo wohl von der Bade-Cur, als von
    dem innerlichen Gebrauch des Waſſers machen
    wol-
    [265]des Pyrmontiſchen Waſſers.
    wollen, eine laͤngere Zeit als etwa 14 Tage oder
    3 Wochen zu ihrer Cur beſtimmen, damit man
    nicht noͤthig habe den Gebrauch zu uͤbereilen,
    ſondern daß man denſelben mit gebuͤhrender
    Vorſichtigkeit und Gelindigkeit fortſetzen
    koͤnne.
  • 6) Auch iſt nicht verbothen, 8 Tage und
    laͤnger nach der innerlichen Cur mit dem Baden
    fortzufahren, oder zuweilen die gantze Bade-
    Cur dem Trincken nachzuſetzen. Wie es des
    Patienten Umſtaͤnde erfordern, und am beſten
    leiden wollen, ſo kan die Zeit dazu genommen
    und abgetheilet werden.
  • 7) Die Zeit des Tages, wenn das Bad zu
    gebrauchen, iſt ſo wohl des Vormittags um 9
    Uhr, als gegen Abend nach 5 Uhr, wenn die
    Daͤuung vollendet, und der Magen von den
    Speiſen entlediget iſt.
  • 8) Vollbluͤthigen und fetten Perſonen pfle-
    get das Bad des Vormittags am beſten zu be-
    kommen, da der Leib leichte, und die Adern
    nicht ſo voll ſind, als wenn nach der Mahlzeit
    eine groſſe Quantitaͤt des neuen Chyli in das
    Gebluͤte gefuͤhret worden. Man kan ein Paar
    mahl abwechſeln, das eine mahl Vormittags,
    und das andere mahl gegen Abend baden, ſo
    wird ein ieder bald empfinden, was ſeiner Na-
    tur am zutraͤglichſten ſey.
  • 9) Diejenigen, welche des Mittags nicht
    zu Hauſe ſpeiſen koͤnnen, ſondern ſich bald nach
    R 5dem
    [266]Cap. VII. Aeuſſerlicher Gebrauch
    dem Bade in die freye Lufft (welche manch-
    mahl auch im Sommer kalt und naß iſt) bege-
    ben muͤſſen, auch die, welchen der Appetit nach
    dem Bade zu vergehen pfleget, oder wenn die
    Patienten hernach des Mittags gar zu unge-
    woͤhnlich matt und ſchlaͤffrig werden, dieſelben
    thun beſſer, daß ſie ihr Baden des Abends ver-
    richten.
  • 10) Wie offt und wie lange das Bad zu ge-
    brauchen, werden die Bade-Gaͤſte theils ſelbſt
    an ſich verſpuͤren, nemlich wie viel ſie vertragen
    und ohne ſonderliche Abmattung aushalten
    koͤnnen; ob ihre Beſchwehrungen gelindert,
    die Glieder leichter werden ꝛc. theils muß ſol-
    ches von dem Medico, deſſen Direction man
    ſeine Cur anvertrauet, beurtheilet, und nach
    Unterſcheid der Kranckheiten angeordnet
    werden.
  • 11) Ob man in ſeiner Bade-Cur alle Tage
    nach einander, oder einen Tag um den andern,
    oder zwey Tage baden, und den dritten wieder
    ruhen muͤſſe, ſolches werden die Kraͤffte des Pa-
    tienten anzeigen. Wir haben zwar §. 6 gemel-
    det, daß die gewaͤrmten Sauer-Brunnen-Baͤ-
    der ſtaͤrcker angreiffen, als die natuͤrlich war-
    men Waſſer; Nichts deſto weniger fehlt es
    doch nicht an Exempeln, daß das Pyrmontiſche
    Bad zehen, zwoͤlff und mehr mahl alle Tage
    nach einander ohne groſſe Abmattung mit gu-
    tem Nutzen gebrauchet worden.

§. 22.
[267]des Pyrmontiſchen Waſſers.

§. 22.

Das Waſſer, welches zum Baden
geſchoͤpffet und zubereitet wird, * hat man biß-
her aus dem groſſen Brodel-Brunnen, welchen
wir Cap. 3. §. 23. beſchrieben haben, genom-
men. Nicht als wenn das Waſſer aus dem
Trinck-Brunnen nicht eben ſo gut zum Baden
waͤre, ſondern weil man denſelben wegen des
innerlichen Gebrauchs, durch das viele und ſtar-
cke Schoͤpffen nicht truͤbe machen, noch die
Trinckenden dadurch verhindern darff. Auch
iſt das Waſſer aus dem Brodel-Brunnen gantz
gut und bequem zum Baden; denn ob es gleich
nicht ſo ſubtil, ſpirituös und helle, als das Waſ-
ſer aus dem Trinck-Brunnen iſt, ſo muͤſſen
doch alle dergleichen Waſſer durch das Erwaͤr-
men zum Bade-Gebrauch einen Theil ihrer
Spirituoſitaͤt verliehren; Und was die uͤbrigen
Contenta des Waſſers angehet, welche in dem
Bade-Waſſer unveraͤndert und beſtaͤndig blei-
ben, ſo iſt dieſes Waſſer an iedem Pfunde etli-
che Grana reicher, als das Trinck-Brunnen-
Waſſer.


§. 23.

Solches Waſſer nun, will Herr Bol-
mann ** in einer Bade-Wannen mit einem
Deckel durch gluͤende Kieſelſteine, Kugeln oder
Schmiede-Schlacken gewaͤrmet haben, weil
ſonſt alle Spiritus, darinnen die Kraͤffte ſtaͤcken,
ſich
[268]Cap. VII. Aeuſſerlicher Gebrauch
ſich uͤber dem Feuer aus dem Koſſel verliehren
und ausrauchen moͤchten. Weil aber dieſe
Methode gar zu weitlaͤufftig und beſchwehrlich,
auch unnoͤthig iſt, ſo hat man nach Bolmanns
Zeiten, wie auch ietzo noch uͤblich und gebraͤuch-
lich iſt, * einen Theil des Waſſers uͤber dem
Feuer warm gemachet, und demſelben in der
Wanne ſo viel friſches Sauerbrunnen-Waſ-
ſer zugemiſchet, daß man es erleiden und als ein
Bad gebrauchen koͤnnen.


§. 24.

Dieſe Art der Zubereitung des Waſ-
ſers, kan gar wohl beybehalten werden, weil
bey derſelben die Spirituoſitaͤt des friſch zuge-
goſſenen Waſſers noch eine gute Weile in vol-
ler Bewegung und Fermentation bleibet, und
alſo der Effect, welchen wir §. 14 angezeiget ha-
ben, noch ziemlicher maſſen dadurch kan er-
langet werden.


§. 25.

Es waͤre aber das Allerbeſte, wenn
die noͤthigen Anſtalten dazu gemacht wuͤrden,**
daß man das Waſſer nicht allein auf ſolche
Weiſe zum Baden gebrauchen koͤnte, ſondern
daß man auch nach Unterſcheid der Perſonen
und Kranckheiten, die gantze Portion Waſſer,
ſo viel zum Baden erfodert wird, durch ein ge-
lindes Feuer auf einmahl zu dem gebuͤhrenden
Grad der Erwaͤrmung zubereitet haben koͤnte.
Oder
[269]des Pyrmontiſchen Waſſers.
Oder daß man, wie §. 15. 17. erinnert worden,
vor ſchwache Naturen, und ſehr unreine oder ge-
ſchwollene Leiber durch eine gelinde Waͤrme,
das Waſſer allmaͤhlig ſeine Spirituoſitaͤt und
ſtarck penetrirende Wirckung verliehren lieſſe.


Man wuͤrde durch dergleichen vernuͤnfftig
unterſchiedene Bereitungen des Waſſers viel
mehr Nutzen ſchaffen, als man Anfangs den-
cken ſolte, welches denn nicht ohne Erfahrung
und angeſtellete Proben angezeiget, ſondern zu
weiteren Unterſuchungen recommendiret wird.


§. 26.

Wenn nun das Waſſer auf ein oder
andere Weiſe zum Bade zubereitet und fertig
iſt, ſo muͤſſen folgende Regeln * bey dem Ge-
brauch deſſelben in Obacht genommen wer-
den:


  • 1) Muß vor allen Dingen darnach geſehen
    werden, daß das Waſſer nicht mehr als Milch-
    warm, oder wie die natuͤrliche Waͤrme unſers
    Bluts und Feuchtigkeiten, ſeyn moͤge.
  • 2) Wenn man dieſes probiret und empfun-
    den hat, ſo ſteiget man in einem dazu verfertig-
    ten Bade-Hemd (weil ſonſt alles Leinen durch
    die roth-gelbe Eiſen-Erde angefaͤrbet wird) in
    die Wanne.
  • 3) Wer ſtarck, und das Baden mehr ge-
    wohnet iſt, ſetzet ſich gleich darinnen nieder auf
    einen
    [270]Cap. VII. Aeuſſerlicher Gebrauch
    einen in die Wanne gelegten Krantz, oder Kuͤſ-
    ſen von zuſammen gefaltenen leinen Zeuge.
  • 4) Schwaͤchliche aber und empfindliche
    Perſonen, und diejenigen welche aus der Er-
    fahrung wiſſen, daß ſie durch die Baͤder ſehr
    alteriret und angegriffen werden, ſetzen ſich vor-
    her etliche Minuten alleine mit den Fuͤſſen hin-
    ein, hernach auf die Knie, und endlich ſetzen ſie
    ſich gantz darinnen nieder, ſo koͤnnen ſie nach-
    mahls viel beſſer aushalten.
  • 5) Wenn man ſich gantz eingeſetzet hat, muß
    die Bade-Wanne mit einem Deckel, oder mit
    Tuͤchern wohl zugedecket werden, und bleibet
    alleine das Haupt frey, die uͤbrigen Theile aber
    uͤber dem Bade-Waſſer werden durch den auf-
    ſteigenden warmen Dunſt zu einem gelinden
    Schweiß beweget.
  • 6) Insgemein pfleget man hier nicht tieffer
    biß an den Nabel, oder biß unter und nicht uͤber
    dem Magen zu baden, als wenn das Waſſer ſo
    ſtarck und angreiffend waͤre, daß mans nicht
    wagen duͤrffte, tieffer hinein zu ſitzen. Es ruͤh-
    ret aber dieſe Gefahr theils von dem ungeſchick-
    ten heiß-machen des Bades, theils von den
    Wannen her, in welchen nur ſo viel Raum,
    daß einer Perſon von etwas groſſer Statur ſchon
    dadurch verboten iſt, tieffer zu baden. Wenn
    es aber der Affect erfodert, das Bad ſeine ge-
    buͤhrende Waͤrme hat, und der Bade-Raum
    bequem darzu iſt, ſo kan in dem Pyrmontiſchen
    Waſſer
    [271]des Pyrmontiſchen Waſſers.
    Waſſer, wenns noͤthig, ſo wohl biß uͤber die
    Schultern ohne Leib und Lebens-Gefahr geba-
    det werden, wie in andern mineraliſchen Waſ-
    ſern.
  • 7) Wenn aber verſpuͤhret wird, daß man
    das tieffe Einſitzen im Bade durchaus nicht
    vertragen koͤnne, und die oͤbern Theile eben wol
    die Huͤlffe und Wirckung des Waſſers von noͤ-
    then haben, ſo kan das warme Waſſer iedes-
    mahl, wenn ſich der Patiente im Bade befin-
    det, aufgetroͤpffelt, oder mit einem Schwamm
    oder naß gemachten Tuche aufgeleget werden.
  • 8) Wenn man in dem Bade empfindet,
    daß der Leib nicht gnugſam dadurch erwaͤrmet
    werde, und man es gar wohl heiſſer vertragen
    koͤnte, ſo laͤſſet man allmaͤhlig ein wenig warm
    Waſſer nachgieſſen, biß man urtheilet daß es
    gnung, und ein gelinder Schweiß anfaͤnget aus-
    zubrechen.
  • 9) Es iſt zwar am beſten, daß iedesmahl in
    dem Bade ein gelinder Schweiß erfolge, weil
    durch den Schweiß viel Schaͤdliches ausgetrie-
    ben wird, auch durch die eroͤffneten Schweiß-
    Loͤcher die mineraliſchen Kraͤffte des Waſſers
    beſſer in die feſten Theile eindringen koͤnnen.
    Jedennoch ſoll man lieber gar nicht ſchwitzen,
    als daß man durch ein allzu heiſſes Bad den
    Schweiß mit Gewalt heraus zu preſſen ſich be-
    muͤhen wolte. Man hat nicht wenige Exem-
    pel,
    [272]Cap. VII. Aeuſſerlicher Gebrauch
    pel, daß das Bad auch ohne Schwitzen guten
    Nutzen geſchaffet.
  • 10) Es haben die alten Medici die Frictio-
    nes
    oder das Reiben des Leibes mit einem rau-
    hen und ſcharffen Tuch in dem Bade gar ſehr
    angerathen, und gute Curen in aͤuſſerlichen Be-
    ſchwehrungen damit verrichtet. Solches waͤ-
    re wohl vielen, und ſonderlich denenjenigen ſehr
    dienlich, welche in dem Bade wenig oder gar
    nicht ſchwitzen koͤnnen. Denn es werden die
    Nerven dadurch gereitzet, der Tonus Partium
    beweget, und die Schweiß-Loͤcher eroͤffnet, daß
    alſo auch ohne Schweiß die Kraͤffte des Waſ-
    ſers beſſer eindringen, und ihre Wirckung voll-
    fuͤhren moͤgen.
  • 11) Auch hat man die Embrochationes, ſtil-
    licidia,
    oder das Auftroͤpffeln des Waſſers von
    einer Hoͤhe herunter, auf die beſchwehrten
    Theile des Leibes, durch welches doch oͤffters in
    Gichtiſchen Fluͤſſen und Glieder-Schmertzen,
    auch in andern Gebrechen, ſonderlich groſſer
    Nutzen geſchaffet worden, bißher gar zu ſelten
    gebrauchet; und koͤnte man ein ſolches Tropff-
    Bad bey der uͤbrigen Bade-Cur bißweilen mit
    gutem Vortheil zu Huͤlffe nehmen.
  • 12) Wie lange man ſich in dem Bade auf-
    halten muͤſſe, ſolches iſt unterſchiedlich. Die
    erſten mahle ſoll man nicht laͤnger als eine halbe
    Stunde darinnen verweilen, hernach kan man
    nach gerade ¾ eine, 1 und eine halbe, biß auffs
    hoͤch-
    [273]des Pyrmontiſchen Waſſers.
    hoͤchſte 2 Stunden darinnen bleiben. Laͤnger
    aber in dem Bade zu ſitzen, iſt weder noͤthig
    noch nuͤtzlich, ob ſolches gleich zu Herr Bol-
    manns Zeiten geſchehen, auch bey warmen Baͤ-
    dern ſonſt nicht ungewoͤhnlich iſt, daß man 3
    Stunden Vormittags, und wohl eben ſo lange
    des Nachmittags badet.
  • 13) Wenn man anfaͤnget in dem Bade uͤbel,
    ſchwindelicht und ohnmaͤchtig zu werden, auch
    ſtarckes Hertzklopffen empfindet, ſo ſoll man
    nicht ſo lange warten, biß man gantz darinnen
    uͤbern Hauffen faͤllet, ſondern man begiebt ſich
    heraus und ins Bette, und laͤſſet es daſſelbe mahl
    dabey bewenden, biß man die folgenden Tage
    das Bad allmaͤhlig beſſer vertragen lernet.
  • 14) Es koͤnnen auch ſchwaͤchliche Perſonen,
    welche zu Ohnmachten, Schwindel und der-
    gleichen geneigt ſind, ein gut Sal volatile, An-
    haltiſch Waſſer, oder Schlagbalſam in der
    Naͤhe halten, damit ſie ſich, wenns noͤthig, da-
    durch im Bade aufmuntern und ſtaͤrcken, und
    alſo ihre Zeit deſto beſſer aushalten koͤnnen.
  • 15) Das Ausſteigen aus dem Bade geſchie-
    het am beſten bey einem Camin-Feuer, oder
    ſonſten an einem laulichten Orte, da man vor
    kalter Lufft gnugſam verwahret, und ſich in der
    Waͤrme mit warmen Tuͤchern wohl abtrock-
    nen, und ein friſches Hembd anlegen kan;
    Worauf man ſich gleich in ein gewaͤrmtes Bet-
    Ste
    [274]Cap. VII. Aeuſſerlicher Gebrauch
    te begiebt, und den Schweiß allmaͤhlich wieder
    vergehen laͤſſet.
  • 16) Ob man vor oder nach dem Bade et-
    was zu ſchwitzen einnehmen, Bezoar-Tinctu-
    r
    en, Eſſentias alexipharmacas und dergleichen
    gebrauchen muͤſſe, ſolches habe ſehr ſelten nuͤtz-
    lich gefunden. Man ſchwitzet insgemein von
    dem Bade alleine gnung, und oͤffters mehr als
    noͤthig iſt. Und diejenigen, welche ſehr ſchwehr
    zum Schweiß zu bewegen, koͤnnen die etwas
    hitzige Schweiß-treibende Mittel gar uͤbel ver-
    tragen.
  • 17) Vielmehr iſt denenjenigen, welchen
    leicht ein Aufwallen im Gebluͤthe, Hertzklopf-
    fen, Schwindel und dergleichen zu entſtehen
    pfleget, eine gute Doſis von einem Pulvere tem-
    perante,
    von kuͤhlenden Salibus und derglei-
    chen ſehr dienlich, welchen Sachen man zuwei-
    len einige Bezoardica fixa zuſetzen kan. Man
    nimmt dieſe Pulver 1 viertel oder halbe Stun-
    de vor dem Bade, mit ein Paar Loͤffel voll
    Wein, und man hat oͤffters den Nutzen davon,
    daß diejenigen, welche vorhin die groͤſſeſten
    Ebullitiones ſanguinis im Bade empfunden,
    nachmahls gar nicht weiter incommodiret wor-
    den. Auch folget zuweilen auf ſolche Sachen
    ein gnugſamer Schweiß, da die Patienten zu-
    vor mit ſtarcken Bezoar-Tincturen nicht ſchwi-
    [tz]en koͤnnen.

18) Wenn
[275]des Pyrmontiſchen Waſſers.
  • 18) Wenn man des Vormittags ohnge-
    fehr von 9 biß 10 im Bade iſt, und von 10 biß
    gegen 11 Uhr im Bette bleibet, ſo hat man noch
    zum wenigſten eine Stunde biß zur Mahlzeit,
    in welcher Zeit man ſich allmaͤhlich wieder er-
    friſchen, und ein Glaͤßlein Wein, oder ein we-
    nig Aqua vitæ mit einer guten Magen-Eſſentz
    nehmen kan. Doch iſt beſſer, daß man den-
    ſelben Mittag zu Hauſe ſpeiſe, und ſich erſtlich
    nach der Tafel in die freye Lufft begebe.
  • 19) Des Abends iſt eine warme Suppe
    nach dem Bade beſſer, als eine kalte Schaale,
    wodurch oͤffters groſſer Schaden geſchiehet.
    Man thut wohl, daß man ſich denſelben Abend
    nicht in die kalte Lufft begiebt, ſondern die we-
    nigen Stunden biß zur Nacht-Ruhe im Schlaf-
    Rock ſpatziren gehet, oder zu Hauſe in guter Ge-
    ſellſchafft die Zeit paſſiret. Man ſoll aber nach
    dem Bade im Bette nicht liegen bleiben, weil
    ſonſt insgemein Aufwallungen des Gebluͤts, und
    unruhige ſchlafloſe Naͤchte darauf zu folgen
    pflegen.

Die uͤbrige Diæt* und Lebens-Ordnung bey
der Bade-Cur, muß, wie wir im vorhergehen-
den Capitel bey dem Trincken angezeiget ha-
ben, obſerviret werden, weil die innerliche und
aͤuſſerliche Cur des Waſſers faſt allemahl zu-
ſammen gefuͤget, und entweder zugleich, oder
S 2die
[276]Cap. VII. Aeuſſerlicher Gebrauch des ꝛc.
die letztere kurtz auf die erſtere angeſtellet wird.


§. 21.

N. 3. 4.


§. 27.

Was aber ferner mit dem aͤuſſerli-
chen Gebrauch unſers Waſſers * durch Baͤhun-
gen, Beſtreichen, Waſchen, Gurgeln, Einſpruͤ-
tzen, Clyſtiren ꝛc. auszurichten, und wie daſſel-
be alſo weiter als ein gutes Topicum applici-
ret werden koͤnne, ſolches wird ein Medicus
welchem die Kraͤffte, Tugenden und beſondere
Eigenſchafften des Waſſers bekannt, nach Un-
terſcheid der Zufaͤlle zu verordnen wiſſen, und
es wird die Erfahrung lehren, daß was von ei-
nem guten mineraliſchen Waſſer zu hoffen, in
dieſem Waſſer nicht weniger gefunden werde.


§. 28.

Was auch endlich das kalte Baden **
in einem ſo kraͤfftigen Sauerbrunnen vor Nu-
tzen haben moͤchte, auf die Art wie die Englaͤn-
diſchen Medici ſo merckwuͤrdige Obſervationes
gemachet, und ſo viele Curen von ihren kalten
Baͤdern, welche aber meiſtentheils in ſuͤſſen
Waſſern beſtehen, angezeichnet haben (Cap. 3.
§. 17.) ſolches ſtellen wir der weitern Erfahrung
und vorſichtigen Proben anheim. Zum we-
nigſten iſt es bey denen Pyrmontiſchen Bade-
Brunnen ſchon ein alter Gebrauch, daß den
Sommer uͤber einige Bauers-Leute und arme
Gebrechliche in das kalte Waſſer ſteigen, ſich
eine
[277] eine Weile in die Quellen ſetzen, und mit der ro-
then Eiſen-Erde ihre offene Schaͤden reiben
und verbinden. Welches kalte Baden ieden-
noch alleine in dem niedern Bade-Brunnen
(Cap. 3. §. 28.) zugelaſſen wird, damit das Waſ-
ſer, welches ordinair zu den warmen Baden
aus dem groſſen Brodel-Brunnen geſchoͤpffet
wird, nicht verunreiniget werde. Cap. 3. §. 23.


CAP. VIII.
Mißbraͤuche und Fehler, welche bey
der Brunnen-Cur begangen, und wo-
durch dieſelbe gefaͤhrlich und ſchaͤd-
lich koͤnne gemachet werden.


§. 1.


WIr haben im Anfang des ſechſten Capi-
tels allbereit angefuͤhret, daß alle Mittel
und Gaben, welche GOtt den Menſchen zur
Nahrung und Geſundheit gegeben, wenn man
ſolche nicht recht gebrauchet, ungeſund und
ſchaͤdlich werden koͤnnen.


Auch iſt kein Geſundheits-Mittel in der
Welt bekannt, welches alle Kranckheiten, oder
nur eine geringe Art derſelben iedesmahl ohn-
fehlbar curiren ſolte. Dieſes hat GOtt ſeiner
Allmacht vorbehalten. Daher denn kein
Wunder, daß auch durch die beſten minerali-
S 3ſchen
[278]Cap. VIII. Mißbraͤuche und Fehler
ſchen Waſſer * nicht allein nicht alle Krancke
wieder geſund werden, ſondern auch einige
Schaden davon leiden, andere dieſelben gar
nicht gebrauchen duͤrffen.


§. 2.

Was aber dennoch von einem guten
Mittel zu hoffen, ſolches ſtellet uns jaͤhrlich die
Erfahrung von dem Pyrmontiſchen Waſſer
durch vielfaͤltige Curen, auch in Kranckheiten,
welche man incurabel gehalten, und an wel-
chen alle uͤbrige Medicationes fehl geſchlagen,
vor; wie im vorhergehenden ſchon gnungſam
angezeiget worden. Und weil offenbahr iſt,
daß noch viel mehrere Krancken koͤnten curi-
ret werden, wenn die Mißbraͤuche ** und alle
uͤbele Lebens-Arten bey der Brunnen-Cur ab-
geſtellet wuͤrden, ſo haͤtten diejenigen, welche ſich
ſo ſehr bemuͤhet haben, die mineraliſchen Waſ-
ſer zu verkleinern, und zu verachten, und aller-
hand Einwuͤrffe gegen den Gebrauch derſelben
zu machen, dem gemeinen Beſten wohl groͤſ-
ſeren Nutzen geſchaffet, wenn ſie vielmehr ihr
Ingenium daran exerciren wollen, wie die Me-
thode
dergleichen Waſſer zu gebrauchen noch
in ein und andern Stuͤcke zu verbeſſern und voll-
kommener zu machen, auch wie die Unordnun-
gen und Mißbraͤuche zu verhuͤten und abzu-
ſchaf-
[279]bey der Brunnen-Cur.
ſchaffen. Derowegen wollen wir zum Be-
ſchluß unſerer Brunnen-Beſchreibung noch
kuͤrtzlich etwas von denen vornehmſten Miß-
braͤuchen und Fehlern melden, welche bey dem
innerlichen und aͤuſſerlichen Gebrauch unſers
Waſſers begangen werden.


§. 3.

I. Es iſt alſo erſtlich das unordentliche
und unvorſichtige Kalt-Trincken, * wodurch
der allermeiſte Schade geſchiehet. Denn ob-
gleich ſonſten durch ſo viele traurige Exempel ie-
dermann bekannt gnung iſt, wie groſſen Scha-
den man durch kalte Truͤncke an ſeiner Geſund-
heit leiden koͤnne, ſo bedencket man doch ſolches
bey Gebrauch der Geſund-Brunnen am aller-
wenigſten, ſondern trincket, oder gieſſet und
ſtuͤrtzet das Eiß-kalte Waſſer manchmahl ohne
Athem hohlen und Bart wiſchen mit groſſen
Glaͤſern hinunter. Wenn nur die Quantitaͤt
Waſſer, welche man ſich vorgeſetzet hat, in den
Leib koͤmmt; weiter haben viele nichts dabey
zu bedencken, ſondern weil man aus einem Ge-
ſund-Brunnen trincket, ſo ſoll das Waſſer nach
allen ſeinen weſentlichen und zufaͤlligen Eigen-
ſchafften geſund und unſchaͤdlich ſeyn.


Es mag aber ein ieder recht erwegen, ob es
wohl moͤglich, daß die natuͤrliche innerliche Hi-
tze bey allen Cur-Gaͤſten ſtarck gnung ſey, ſechs
acht und mehr Pfund Eiß-kaltes Waſſer (wel-
ches mancher in einer oder anderthalben Stun-
S 4den
[280]Cap. VIII. Mißbraͤuche und Fehler
den trincket, und welche Quantitaͤt 1 Drittheil
oder 1 Viertheil aller circulirenden Feuchtig-
keiten, ſo ein Menſch in allen Adern, und im
gantzen Leibe hat, ausmachet) in ſo kurtzer Zeit
zu erwaͤrmen, ohne daß viele, ehe ſolches geſchie-
het, groſſen Schaden dadurch ſolten leiden
muͤſſen?


§. 4.

Es ruhet der Magen auf der Leber und
auf der Miltzen, wie auf zwey Kuͤſſen. Beyde
ſind ſehr empfindliche Eingeweide und der Kaͤl-
te ſehr ungewohnet. Auch iſt ihre Subſtanz
wie ein Schwamm, und beſtehet aus lauter klei-
nen Roͤhrlein und ſubtilen Gaͤngen; dieſelben
ſind mit Blut und andern Feuchtigkeiten ange-
fuͤllet, welche wie eine Gelée oder Gallert von
der Kaͤlte gerinnen und ſtocken. Wie dann
iedermann weiß, daß das Blut, wenn man zur
Ader gelaſſen, in der Lufft wie eine Leber zu-
ſammen rinnet, und alſo offenbahr iſt, daß die
Feuchtigkeiten unſers Leibes alleine durch die
Bewegung und Waͤrme fluͤßig erhalten, von
der Kaͤlte aber coaguliret, und zur Bewegung
untuͤchtig gemachet werden. Nun beſtehet
aber unſer Leben in der Bewegung, und in dem
freyen Umlauff aller Feuchtigkeiten durch alle
Theile, und durch alle ſubtile haarkleine Roͤhr-
lein und Gaͤnge der Eingeweide. Was dieſe
Bewegung und den freyen Lauff hindert, und
die Feuchtigkeiten coaguliret, ſonderlich in de-
nen Eingeweiden, ohne welche das Leben des
Men-
[281]bey der Brunnen-Cur.
Menſchen nicht beſtehen kan, ſolches muß der
Geſundheit durchaus ſchaͤdlich ſeyn.


§. 5.

Wenn nun der Magen mit einer ſo
groſſen Menge eißkaltes Waſſers ſchleunig an-
gefuͤllet wird, ſo iſt weder ſeine eigene, noch der
benachbarten Eingeweide, und derer in den-
ſelben circulirenden Feuchtigkeiten Waͤrme ca-
pabl
e, ſolches ſo bald es noͤthig waͤre, zu erwaͤr-
men, ſondern es wird die Leber und der Miltz
durch den Magen, die Lunge durch den Oeſo-
phagum
und Diaphragma, die Gedaͤrme, das
Gekroͤſe, und alle Druͤſen in demſelben mit der
ungewoͤhnlichen Kaͤlte durchdrungen, zuſam-
men gezogen, und die Humores gerinnen und
ſtocken in denenſelben.


§. 6.

Und da ſolches mit guten geſunden
Feuchtigkeiten ſo zugehet, was wird die ſtrenge
Kaͤlte wohl aus denen verdorbenen, dicken, zaͤ-
hen und ſchleimichten machen, wenn die Ein-
geweide allbereit damit beſetzet, uͤberhaͤuffet,
verſtopffet und geſchwaͤchet ſind? Wie denn
die allermeiſten Brunnen-Gaͤſte dergleichen et-
was, mehr oder weniger mitbringen, als wo-
her ihre Beſchwehrungen entſtanden, gegen
welche ſie die Cur gebrauchen wollen. Da ſie
aber bey dieſer Cur ihre Eingeweide aufs neue
beleidigen, und eine ſo ſchaͤdliche Erkaͤltung in
denenſelben verurſachen, ſo muͤſſen ſich ja die
Verſtopffungen, und Stockungen der Feuch-
tigkeiten daſelbſt vermehren, verhaͤrten und
S 5gantz
[282]Cap. VIII. Mißbraͤuche und Fehler
gantz unaufloͤßlich werden, da ſolche doch ſon-
ſten durch die herrliche Tugenden des Waſ-
ſers haͤtten koͤnnen gehoben, und curiret wer-
den.


§. 7.

Und daher kommt es denn auch her-
nach, daß man klagen hoͤret: * das Waſſer
ſey dem Magen zu ſtarck geweſen; man habe
dem Magen damit verdorben; der Brunnen
habe ein kaltes Fieber erwecket, bey welchem
man viel nach der Brunnen-Cur ausſtehen
muͤſſen; die Bruſt ſey ſchwaͤcher worden, man
habe viel Huſten gehabt ꝛc. Alles aber ruͤhret
von dem unvorſichtigen Kalt-Trincken her, und
von denen offt wiederholten ungewoͤhnlichen
Erkaͤltungen der Eingeweide, und ſind diejeni-
gen noch gluͤcklich, denen deßhalben nicht noch
etwas aͤrgeres wiederfaͤhret.


§. 8.

Unſere Natur iſt nach der heutigen Le-
bens-Art gar nicht zu ſolchen kalten Tracta-
ment
en gewoͤhnet. In den erſten Jahren
bekommen die Kinder warme Milch, Suͤpp-
lein und Bruͤhen; Erwachſene nehmen des
Morgens Thee, Caffée, Chocolade, oder
ſonſt etwas warmes. Unter hundert Perſo-
nen von Diſtinction iſt manchmahl nicht eine,
welche gewohnt iſt des Morgens etwas Kaltes
zu trincken. Und wie viele ſind wohl unter de-
nen Dames und zarten Frauenzimmer, welche
ihre
[283]bey der Brunnen-Cur.
ihre gantze Lebens-Zeit keinen kalten Tropffen
Waſſer im Magen gefuͤhlet haben. Solte
ſolchen nachmahls nicht hoͤchſt gefaͤhrlich und
ſchaͤdlich ſeyn, wenn der Magen mit eißkalten
Sauerwaſſer bey gantzen Pfunden ſo ploͤtzlich
begoſſen wird, welches man offt ohne Schme-
cken und Kaͤuen, um bald mit der Portion fer-
tig zu werden, hinunter bringet.


§. 9.

Es ſchadet zwar ein kalter Trunck *
von unſerm mineraliſchen Waſſer nicht ſo offt
und ſehr, wie das gemeine Waſſer, oder wie
andere kalte waͤſſerige Liquores, ſonſten man
noch viel mehrere traurige Exempel davon ha-
ben wuͤrde. Im Gegentheil ſiehet man oͤff-
ters in heiſſen Sommer-Tagen viele junge Leu-
te, welche ſich erhitzt, und voller Schweiß ſind,
herzu lauffen, und eine gute Quantitaͤt Sauer-
Waſſer trincken, ohne daß ſie ſich ſo leicht uͤbel
darnach befinden, als von anderem kalten waͤſ-
ſerigem Getraͤncke. Denn der mineraliſche
Spiritus, und deſſen innerliche Fermentation,
Bewegung und Zuſammenſtoſſung der ſubti-
len Theilgen, machen eine kleine Erwaͤrmung,
auch ſeine uͤbrige eroͤffnende und reſolvirende
Kraͤffte verhindern manchmahl, daß die Kaͤlte
nicht ſo bald ſchaden kan.


§. 10.

Wie aber ein Eiß-kalter Trunck
Wein
[284]Cap. VIII. Mißbraͤuche und Fehler
Wein, * ohnerachtet ſolcher einen haͤuffigen,
hitzigen, brennenden Spiritum in ſich hat, den-
noch mit der zufaͤlligen Eigenſchafft der Kaͤlte
oͤffters auf einmahl den Lauff des Blutes in ein
oder andern Eingeweide hemmet, ein Zu-
ſammenrinnen und Stockungen der Feuch-
tigkeiten, und alles Ubel, was ſonſt von einem
andern unvorſichtigen kalten Trunck zu ent-
ſtehen pfleget, verurſachet; So bleibt auch
die ſchaͤdliche Wirckung der Kaͤlte in denen
Eingeweiden von unſerm Waſſer nicht aus,
ſo wohl bey ſtarcken und hitzigen Naturen,
wenn man das kalte Trincken gar zu unvor-
ſichtig treibet, als fuͤrnehmlich bey kalten, phle-
gmati
ſchen und ſchwaͤchlichen Naturen, und
bey denjenigen, welche viele unreine Feuch-
tigkeiten und verſtopffete und geſchwaͤchete
Eingeweide haben. Dieſelben werden oͤffters
ehe man ſichs verſiehet, dadurch beleidiget,
und alſo die Patienten alles Nutzens, wel-
chen ſie ſonſt von denen Tugenden des mi-
nerali
ſchen Waſſers haͤtten erlangen koͤnnen,
beraubet.


§. 11.

Es koͤnte hiergegen nun noch ſon-
derlich eingewendet werden, was viele Medici
bezeugen, daß ein kalter Trunck ** zuweilen
den Magen ſtaͤrcke, in denen Nerven-Faͤ-
ſer-
[285]bey der Brunnen-Cur.
ſerlein eine zuſammenziehende Bewegung ver-
urſache, und alſo den Tonum Ventriculi rela-
xati
wiederbringe. Es wird aber ſolches nicht
gelaͤugnet, auch das Kalt-Trincken des Waſ-
ſers nicht ſchlechter dings verworffen. In-
deſſen iſt doch gewiß, daß was von der guten
Wirckung eines kalten Truncks geruͤhmet
wird, von einem vorſichtigen kalten Trunck,
und mehr in Singulari als in Plurali zu verſte-
hen ſey. Ein Glaß oder etliche von einem
kalten Getraͤncke, oder ſo viel der Magen und
die Eingeweide nach gerade erwaͤrmen koͤnnen,
wird eben niemand ſchaden, aber ſo viele kalte
Truͤncke, eine ſo groſſe Menge Waſſer, und
welches ſo unbedachtſam viele Morgen nach
einander in den Magen gegoſſen wird, ſolches
machet einen groſſen Unterſcheid, und kan das
Letztere durchaus nicht ohne groſſe Gefahr und
Schaden geſchehen.


§. 12.

Es muß auch noch dem Frauenzim-
mer zur Warnung erinnert werden, * daß
wenn ſie waͤhrender Vierwochen-Zeit das kal-
te Trincken continuiren, ſie ihre Geſundheit
auf die Probe und in groſſe Gefahr ſetzen;
Denn obgleich das kalte mineraliſche Waſſer
nicht ſo leichte Schaden thut, wie ein anderer
kalter Trunck (§. 9.) ſo bringet doch die Men-
ge
[286]Cap. VIII. Mißbraͤuche und Fehler
ge des kalten Sauerwaſſers zu wege, was ein
weniges nicht wuͤrde gethan haben, und fehlet
es nicht an Exempeln, daß die monatliche Rei-
nigungen nach der Cur daruͤber in Unordnung
und Stecken gerathen. Und iſt alſo zu bekla-
gen, daß dasjenige Mittel, welches jaͤhrlich
ſo vielen Weibs-Perſonen in dieſem Stuͤck
wieder zu ihrer Geſundheit hilfft, durch un-
vorſichtigen Gebrauch andere verderben
muß.


§. 13.

II. Zum andern iſt es eine ſchaͤdliche
Sache bey der Brunnen-Cur, wenn das
Waſſer in gar zu groſſer Menge, mit groſſen
Glaͤſern, und geſchwinde auf einander ge-
truncken wird. * Es iſt dieſer uͤbele Gebrauch
ſehr gemein, und ſchon lange Mode geweſen,
daß wenn das Waſſer ſich nicht gantz mit
der Caprice einiger Patienten conformiren,
und ſo viele Sedes verurſachen wollen, daß
man ſolche mit mehr als einer Ziffer anzeich-
nen muͤſſen; und noch viel mehr, wenns gar
nicht purgiret, da einer dem andern den all-
gemeinen Rath gegeben, man muͤſſe mehr
Waſſer drauf ſetzen, ein Keil muͤſſe den an-
dern treiben, und alſo ſind viele biß auf eine
Portion von fuͤnff, ſechs Kannen und wohl noch
hoͤher geſtiegen.


§. 14.

Wie aber dieſe Quantitaͤt bey vielen
die
[287]bey der Brunnen-Cur.
die Helffte des gantzen Gebluͤts ausmachet,
welches ohnedem nur lau oder Milch-warm iſt,
ſo muß ja ohnfehlbar die im vorhergehenden an-
gezeigte ſchaͤdliche Erkaͤltung der Eingeweide
darauf erfolgen, (man mag ſich auch ſo ſtarck
und hitzig von Gebluͤte halten, wie man will)
alle innerlichen Theile, Adern, ſubtile Gaͤnge,
Druͤſen und Waſſergefaͤſſe (vaſa lymphatica)
werden durch die groſſe Menge und Gewicht
des Waſſers gar zu ſtarck ausgedehnet, und aus
einander getrieben, daß ſich dieſelben nach-
mahls nicht wieder gebuͤhrlich zuſammen zie-
hen koͤnnen. Und alſo bleiben die von der Kaͤl-
te coagulirte gelatinoͤſe Feuchtigkeiten deſto
gewiſſer darinnen ſtecken, verurſachen neue
Obſtructiones Viſcerum, und das Ubel wel-
ches der Brunnen haͤtte curiren koͤnnen und
ſollen, wird durch dieſen Mißbrauch befoͤdert
und zuwege gebracht.


§. 15.

Iſt hernach die Cur uͤbel gerathen,
ſo muß das Waſſer die Schuld haben, und der
Brunnen ſoll zu ſtarck und zu ſcharff geweſen
ſeyn. Haͤtte man es aber bey einer gelinden
und offt wiederholten Wirckung bewenden
laſſen, und eine gehoͤrige Maaß nicht uͤber-
ſchritten, ſondern (wenn es ja noͤthig gewe-
ſen waͤre) die Sedes vielmehr durch gute Sa-
lia
und andere dienliche laxirende Mittel be-
foͤdert, wie im ſechſten Capitel umſtaͤndlich an-
gezei-
[288]Cap. VIII. Mißbraͤuche und Fehler
gezeiget worden, ſo wuͤrde man das Waſſer
weder zu ſcharff noch zu ſtarck, ſondern als ein
ſicheres, gelindes und doch kraͤfftiges Mittel ge-
funden haben.


§. 16.

III. Eben auf ſolche Art verſehen es
auch die Eyl-Gaͤſte, * welche ſich andere Sa-
chen, ihre Hauß-Geſchaͤffte, und womit
ſonſt das Gemuͤthe des Menſchen diſtrahiret
werden kan, mehr angelegen ſeyn laſſen, als
ihre Geſundheit, die Cur als ein Nebenwerck
tractiren, und ſolche nur im Vorbeygehen mit-
nehmen wollen. Es wird demnach das Trin-
cken und Baden in ſo viel Tagen verrichtet, ſo
viele Wochen manchmahl zu der Cur ihres
Affects noͤthig waͤren. Wer aber ſein Werck
nicht voͤllig von der Brunnen-Cur machen, die
gebuͤhrende Zeit dazu nehmen, und alle noͤthi-
ge Regeln beobachten will, der thut viel beſſer,
daß er die gantze Cur unterlaͤſſet, als daß er
auf ſolche Weiſe durch uͤbertriebene Evacua-
tiones
die Natur abmattet und ſchwaͤchet,
und an ſtatt des Nutzens groſſen Schaden da-
von traͤget.


§. 17.

IV. Die uͤbrigen gemeinſten Miß-
braͤuche und Fehler werden in der Diæt began-
gen; ** Als erſtlich thun ſich Einige Schaden
mit allerhand Naſchereyen, welche ſie des
Mor-
[289]bey der Brunnen-Cur.
Morgens unter dem Trincken, oder bald auf
das Waſſer zu ſich nehmen: z. E. gar zu viele
uͤberzuckerte und eingemachte Sachen, Honig-
Kuchen, Prunellen, Corinthen ꝛc. wodurch das
Waſſer in ſeiner freyen Wuͤrckung gehindert,
eine ſchaͤdliche ſcharff-ſaure Gaͤhrung in dem
Magen und Gedaͤrme erreget, auch Schleim
und Unrath generiret wird. Und wenn gleich
das Waſſer ſolches zuweilen bald wieder weg-
ſpuͤhlet, ſo iſt doch leicht zu erachten, daß es viel
beſſer waͤre, wenn man ſolche Hinderungen nicht
in den Weglegte. Es bleibt auch leicht etwas
ſchaͤdliches davon zuruͤck, verderbet den Appe-
tit,
machet eine unvollkommene Daͤuung, Ble-
hung und dergleichen.


§. 18.

V. Wenn man gar zu bald auff das
getrunckene Brunnen-Waſſer ſpeiſet, * ehe die
Primæ viæ groͤßeſten theils von dem Waſſer
wieder befreyet ſind, ſo entſtehen davon eben
dergleichen Beſchwerungen, oder die Speiſen
gehen mit dem zuruͤck geblieben Waſſer gar zu
geſchwind wieder fort, es kommt ein roher uͤbel
verdaueter Nahrungs-Safft in das Gedaͤrme
und Gekroͤs, und darauf folgen Coliqven, Ob-
ſtructiones Glandularum \&c.
Gibt man
dem guten Appetit bey dem Brunnen gar zu
viel nach, iſſet zu geſchwinde, thut gar zu ſtarcke
TMahl-
[290]Cap. VIII. Mißbraͤuche und Fehler
Mahlzeiten, ſonderlich des Abends ſpaͤt, oder
man gebrauchet das friſche Obſt ohne Scheu
wie man ſonſt gewohnet, ſo verderbet mancher
Brunnen-Gaſt ſeine gantze Cur, und kan ſich al-
lerley gefaͤhrliche Zufaͤlle und Beſchwerungen
zuziehen, wie wir dieſe Stuͤcke Cap. VI. §. 23. 28.
29. allbereit vorgeſtellet haben.


§. 19.

VI. Mit dem Gebrauch der gewoͤhn-
lichen Getraͤncke gehet es auch nicht allemahl ſo
ordentlich zu, * daß nicht Verſchiedene ihre Cur
dadurch hindern ſolten; Es nehmen einige, ſo
bald ſie abgetruncken haben, eine groſſe Quan-
ti
taͤt Caffé, Thée, Chocolade \&c. turbiren aber
damit die Operation, uͤberſchwemmen die Ein-
geweide mit den vielen Waͤßerigkeiten, und
was das mineraliſche Waſſer durch ſeine Spi-
rituoſi
taͤt und ſubtile Stahl-Erde geſtaͤrcket,
ſolches wird zum Theil wieder relaxiret, oder
wenigſtens die gute Wuͤrckung unvollkomme-
ner gemachet. Man vermeynet bißweilen das
kalte Waſſer durch dergleichen heiſſes Getraͤn-
cke wieder zu waͤrmen; wenn aber die Kaͤlte
nicht ſchaden ſoll, ſo iſt beſſer daß man das
Waſſer, ehe daſſelbe in den Leib kommt, ein we-
nig uͤberſchlagen laͤſſet, (Cap. VI. §. 16.) als daß
ſolches hernach erſtlich, wenn die Kaͤlte allbereit
ihren ſchaͤdlichen Effect in denen Eingeweiden
ge-
[291]bey der Brunnen-Cur.
gethan hat, durch andere Waſſer ſoll gewaͤrmet
werden, damit aber nichts gewiſſer ausrichtet,
als daß das mineraliſche Waſſer weitlaͤufftig
diluiret, und an ſeinen Kraͤfften und Wuͤrckun-
gen geſchwaͤchet wird.


§. 20.

VII. Diejenigen, welche bey der Cur
faſt ſo viel Wein als Brunnen-Waſſer trin-
cken, * thun ihrer Geſundheit gleichfalls groſſen
Schaden. Man ſtehet insgemein in der
Meynung, wie wir Cap. VI. §. 31. ſchon gemeldet
haben, daß man zu Staͤrckung des ſchwachen
Magens viel Wein bey der Waſſer-Cur trin-
cken muͤſſe. Die Liebhaber nehmen dieſe Re-
gel gar gerne an, und da ihnen der Wein vor
der Brunnen-Cur wol von ihren Medicis ver-
boten geweſen, oder ſie ſolchen gar maͤßig ge-
brauchen muͤſſen, ſo dencket man, bey der Waſ-
ſer-Cur habe man wieder volle Freyheit. Wenn
aber ihre Kranckheiten mehrentheils von dem
ummaͤßigen Gebrauch der hitzigen Getraͤncke
herruͤhren, und das erhitzte ausgetrocknete gar
zu ſcharff und gallichte Gebluͤte durch das mi-
nerali
ſche Waſſer ſoll diluiret, gekuͤhlet, tempe-
ri
ret, verbeſſert und gereiniget werden; Die Pa-
tient
en im Gegentheil ihre vorige Miſſethaten,
wodurch ihre Beſchwerungen verurſachet wor-
den, bey der Cur wiederhohlen und fortſetzen, ſo
T 2kan
[292]Cap. VIII. Mißbraͤuche und Fehler
kan ja das allerbeſte Mittel wenig helffen, ſon-
dern man machet offt das Ubel aͤrger.


§. 21.

VIII. Ein langer Mittags-Schlaff,*
da man ſich wol den gantzen Mittag aufs Bette
leget und ſchlaͤffet, hat zuweilen ſehr ſchlimme
Zufaͤlle bey der Brunnen-Cur verurſachet, als
Convulſiones, Schlagfluͤſſe und dergleichen;
Denn weil das Waſſer durch ſeine Spirituoſi-
taͤt und ſubtile ſulphuriſche Fettigkeit ſtarck auf
das Haupt wuͤrcket, und eine ſubtile Bewegung
in denen Aederlein und Nerven des Gehirns
erwecket, ſo kan in dem Schlaff leicht eine con-
fuſ
e Bewegung in denen Nerven entſtehen, ſon-
derlich bey fetten, vollbluͤtigen Naturen, und die
vorhin zu deꝛgleichen Zufaͤllen diſponiret und ge-
neigt ſind. Auch folget insgemein auf einen
tieffen und langen Mittags-Schlaf eine uͤbele
Daͤuung und ſchleimichter Chylus, Magendruͤ-
cken, Blehungen, Mattigkeit und Traͤgheit,
daher iſt rathſam, daß man einen ſolchen Schlaf
und alles was dazu helffen kan, vermeide. Cap.
VI.
§. 51.


§. 22.

IX. Faſt eben ſo ſchaͤdlich wie dieſer
Schlaff ſind die Spiele gleich nach dem Eſſen,**
dabey man ſcharff dencken und ſtill ſitzen muß,
und welche manchmal nicht ohne allerhand em-
pfindliche Gemuͤths-Bewegungen abgehen.


Was
[293]bey der Brunnen-Cur.

Was auch ſonſten die Gemuͤths-Bewegun-
gen, * als Zorn, Eyffer, Schrecken, Sorge und
Bekuͤmmerniß anbelanget, ſo iſt bekannt, wie
groſſen Schaden dieſelben ſo wol denen Geſun-
den, als am allermeiſten denen Geſchwaͤcheten
und Krancken, ſonderlich wenn dieſelben in einer
Cur begriffen, durch welche alle Humores erre-
get ſind, und gleichſam in einer Fermentation
und Criſi ſtehen. Es iſt nichts ſo ſchaͤdlich und
gefaͤhrlich, was denen Patienten alsdenn nicht
ſolte begegnen koͤnnen, und ſie durch dergleichen
hefftige Affecten ihrer Geſundheit ſchleunig
verluſtig gemachet werden koͤnnen. Wie aber
ſolches am beſten zu vermeiden, iſt ſchon Cap.
VI.
§. 53. gemeldet worden.


§. 23.

X. Gar zu ſtarcke Bewegungen des
Leibes ſind gemeiner bey der Brunnen-Cur, **
als man Anfangs gedencken ſolte. Denn weil
es eine bekannte gute Regel iſt, daß man ſich viel
bewegen muͤſſe, ſo geſchiehet ſolches bißweilen
inſonderheit von denenjenigen zu viel, welche
vom lange Stillſitzen herkommen und der Be-
wegung am wenigſten gewohnet ſind. Wenn
dieſelben unter dem Trincken ihre Motiones
nicht maͤßigen, ſo erfolget ein hefftiger Schweiß,
die uͤbrigen Wuͤrckungen werden dadurch ge-
hindert, und folgen allerhand Beſchwerungen
T 3dar-
[294]Cap. VIII. Mißbraͤuche und Fehler
darauf, wie Cap. VI. §. 40. 46. 47. ſeq. angezei-
get worden.


§. 24.

Auch fatiguiren ſich viele Brunnen-
Gaͤſte und ſchwaͤchliches zartes Frauenzimmer
bey denen Balls, * welche oͤffters bey der
Brunnen-Cur gehalten werden, auf das aͤußer-
ſte, wiederhohlen den Tantz zu offt, und conti-
nui
ren ſolchen ſo hefftig und lange, biß ſie gantz
erhitzet, ohnmaͤchtig und durſtig werden. Und
denn mangelt es bey dergleichen Aſſem-
blées
nicht an Confect, Caffé, Thée, Limona-
de,
Wein, Breyhahn ꝛc. mit welchen Sachen
manchmahl ein ſchaͤdliches Olipodrigo in dem
Magen angerichtet, und alſo der Leib ſchlecht zu
der Waſſer-Cur auf den naͤchſten Morgen præ-
pari
ret wird, daß nachmahls die Patienten nicht
allein von ihren Kranckheiten nicht curiret, ſon-
dern auch wohl mit vielen neuen Beſchwerun-
gen, welche von gar zu hefftiger Bewegung,
Erhitzung und darauf folgender Erkaͤltung zu
entſtehen pflegen, befallen werden.


§. 25.

XI. Wegen der Fehler, ſo bey dem
Baden begangen werden, ** iſt kuͤrtzlich zu be-
mercken, daß, wie bey der innerlichen Cur das
unvorſichtige kalte Trincken den meiſten und
groͤſſeſten Schaden verurſachet, ſo geſchiehet
ſolches im Gegentheil bey dem aͤußerlichen Ge-
brauch
[295]bey der Brunnen-Cur.
brauch durch das ungeſchickte heiß-machen des
Bades. Denn weil die meiſten Bade-Frau-
en, wie auch die Patienten ſelbſt in den Gedan-
cken ſtehen, das Bad koͤnne keinen Nutzen ſchaf-
fen, wenn nicht der Schweiß uͤber den gantzen
Leib hauffenweiß heraus braͤche, ſo machen ſie
das Bad ſo heiß, als es immer moͤglich zu erlei-
den, und kommen die Patienten insgemein ſo
roth heraus, wie geſottene Krebſe.


Es entſtehen aber von einem gar zu heiſſen
Bade allerley ſchaͤdliche und ſchwere Zufaͤlle:
als gar zu vieler Schweiß und Verluſt der nuͤtz-
lichen Feuchtigkeiten, groſſer Durſt, hefftiges
Auffwallen des Gebluͤths, Kopff-ſchmertzen,
Schwindel, Hertzklopffen, Angſt, Engbruͤſtig-
keit, Mattigkeit, Ohnmachten, unruhige ſchlaff-
loſe Naͤchte, verlohrner Appetit, Blutſtuͤrtzun-
gen, Fieber ꝛc.


§. 26.

Alle medicinale Qualitaͤten und Wuͤr-
ckungen des Bades, welche ſonſt allerdings
kraͤfftig in unſerm Waſſer ſind, und nachdruͤck-
lich eindringen und angreiffen koͤnnen, wie
Cap. VII. §. 5. 6. angezeiget worden, machen
doch bey weiten ſo groſſe Alterationes nicht, als
die zufaͤllige Eigenſchafft der uͤberfluͤßigen und
ſchaͤdlichen Hitze alleine zu machen pfleget, wel-
che man doch in ſeiner Macht hat, und nach ei-
genem Willen und Wohlgefallen temperiren
und maͤßigen kan. Wenn ſich aber viele nach
T 4dem
[296]Cap. VIII. Mißbraͤuche und Fehler
dem Pyrmontiſchen gar zu heiß gemachten Ba-
de uͤbel befinden, und mit angeregten Zufaͤllen
beſchweret werden, ſo wird ſolches dem Waſſer
ſelbſt zugeſchrieben, als wenn ſolches zu ſtarck
und unbeqvem zum Baden waͤre, da doch ande-
re, welchen man das Bad, wie ſichs gebuͤhret, zu-
bereitet, auch ſelbſt Schwaͤchliche und Em-
pfindliche, ſolches als vor die lange Weile ge-
brauchen, und manchmahl zwey Stunden und
laͤnger ohne die geringſte Beſchwerung darin-
nen aushalten koͤnnen.


§. 27.

Sonſten iſt das Bad auch ſchaͤdlich
in waͤhrenden Paroxyſmis, oder in der Heff-
tigkeit der Gicht-Schmertzen. Es halten ins-
gemein dergleichen Kranckheiten ihren Perio-
dum
und Abwechſelung, verliehren ſich eine
Zeit lang, und kommen nachmahls zu gewiſſer
Jahrs-Zeit wieder. Wenn man nun zu ſol-
cher Zeit badet, ſo empfinden die Glieder der-
gleichen Irritationes und Befeuchtungen ſehr
uͤbel, man verſchlimmert die Beſchwehrungen,
und machet die Schmertzen groͤſſer, daß man
lange Zeit nicht wieder zu rechte kommen kan;
Wenn es aber in der guten Zeit geſchiehet, ſo
kommt man denen Paroxyſmis mit dem vorſich-
tigen Gebrauch des Bades zuvor, præſerviret
ſich das gantze Jahr, und wird auch wol gaͤntz-
lich, wenn das Ubel nicht ſchon zu ſehr eingewur-
tzelt iſt, davon befreyet.


§. 28.
[297]bey der Brunnen-Cur.

§. 28.

Wenn man durch das Bad eine groſ-
ſe Geſchwulſt der Fuͤſſe gar zu geſchwind zerthei-
let und zuruͤck treibet, ſo entſtehen davon aller-
hand innerliche Beſchwerungen, daher ſolches
mit Vorſichtigkeit und allmaͤhlig geſchehen
muß.


Auch muß man die Geſchwuͤhre und alte
Schaͤden der Glieder an unreinen cachecti-
ſchen Leibern, welche leicht inflammiren und mit
der Roſe incommodiret werden, nicht zu fruͤhe
mit dem Bade angreiffen, biß der Leib zuvor
gnungſam gereiniget, und die uͤberfluͤßige,
ſcharffe und gallichte Feuchtigkeiten abgefuͤh-
ret und ausgetrieben ſind; Wie denn dieſe vor-
hergehende Reinigungen des Leibes bey allen
Kranckheiten, wo man das Bad ſicher und ohne
Gefahr und Schaden gebrauchen will, nuͤtzlich
und noͤthig ſind. Cap. VII. §. 19. 20.


§. 29.

XII. Endlich iſt denn auch ein grober
Mißbrauch,* wenn gantz Alte, Abgelebte, welche
weder Krafft noch Safft mehr haben, durch
lange hectiſche Fieber und innerliche Geſchwuͤ-
re Ausgezehrte, Schwindſuͤchtige und Lungen-
ſuͤchtige, alte Waſſerſuͤchtige, da die Eingewei-
de ſchon verdorben, oder andere Krancke, wel-
chen durch kein Kraut und Medicin mehr zu
helffen iſt, ſondern ſchon vollkommene Todes-
T 5Can-
[298]Cap. VIII. Mißbraͤuche und Fehler
Candidaten ſind, zu dem Brunnen, als einem
Baum des Lebens, ihre letzte Zuflucht nehmen,
und denſelben gebrauchen wollen. Mit ei-
nem Wort, alle diejenigen Krancken, mit wel-
chen es heiſſet: Noli me tangere, welche man auf
keinerley Weife durch Medicationes ſtimuliren
darff, und keine außerordentliche Excretiones
weder gelind noch ſtarck mehr vertragen koͤn-
nen, ſolche thun beſſer, daß ſie ihr Stuͤndlein
mit Gedult abwarten, als daß ſie den Tod
durch die Brunnen-Cur befoͤrdern, und dem
ſonſt unſchaͤdlichen Waſſer einen uͤblen Nah-
men dadurch machen.


§. 30.

Wenn nun dieſe Mißbraͤuche und
Fehler, auch was wir davon allbereit im ſech-
ſten Capitel hin und wieder erinnert haben, ver-
huͤtet werden, ſo ceſſiren damit die vornehm-
ſten Einwuͤrffe, welche man insgemein gegen
den Gebrauch der mineraliſchen Waſſer zu ma-
chen pfleget. Denjenigen Medicis aber, wel-
che nichts deſto weniger die Waſſer-Curen gar
indifferent und gering halten, wollen wir nur
noch dieſe Frage vorlegen: Auf was Art und
Weiſe ſie denn ihre Krancke curiren?


  • 1. Geſchiehet es durch Evacuationes oder
    Reinigungen des Leibes; ſo haben wir Cap. V.
    §. 37. 38. angezeiget, daß das Pyrmontiſche
    Waſſer durch alle Excretoria reinige und aus-
    trei-
    [299]bey der Brunnen-Cur.
    treibe, und ſolches genungſam und doch ſicher
    und gelinde. l. c. §. 40.
  • 2.) Sollen die Verſtopffungen wieder er-
    oͤffnet werden? ſo ſind die Ingredientien des
    Waſſers ſo beſchaffen, daß ſolche mit unter
    die beſten Aperientia gehoͤren. Cap. V. §.
    11. 14.
  • 3.) Sollen die relaxirten ſchlaffen Theile
    und Fibræ motrices wieder geſtaͤrcket und be-
    feſtiget werden, ſo haben wir dieſe Wuͤrckung
    gantz kraͤfftig von dem reichen Stahl-Gehalt
    unſers Waſſers. l. c. §. 11. 18.
  • 4.) Sollen die ſcharff-ſauren, ſaltzigen und
    gallichten Feuchtigkeiten verſuͤſſet, gedaͤmpffet
    und verbeſſert werden, ſo geſchiehet ſolches
    durch die ſubtile alcaliſche Erde und cryſtallini-
    ſche Subſtantz des Waſſers. l. c. §. 25. 26. 27.
    Wie denn auch alle uͤbrige Correctiones Hu-
    morum
    durch die Wuͤrckungen des Waſſers
    nachdruͤcklich befoͤrdert werden. §. 41.

§. 31.

Wenn aber dieſe Haupt-Wuͤrckun-
gen in einem Geſundheits-Mittel beyſammen
ſind, und man von ſolchen nicht etwas ſon-
derliches gegen viele Kranckheiten des menſch-
lichen Leibes zu gewarten hat, ſo weiß ich
nicht, wo man etwas beſſeres hernehmen will,
Doch iſt nicht Allen alles und einerley gut.
Wir wuͤnſchen aber zum Beſchluß dieſes
Wercks, daß der Allerhoͤchſte, als der unend-
liche
[300]C. VIII. Mißbr. u. Fehl. bey der B. C.
liche Brunn alles Guten, das Pyrmontiſche
Waſſer ferner an allen und ieden, welche das-
ſelbige in rechter Ordnung gebrauchen werden,
mildiglich ſegnen wolle, und daß die wiederer-
langte Geſundheit mit Danckſagung empfan-
gen, und zu ſeines Nahmens Ehre und
Ruhm aufgeopffert wer-
den moͤge!


ENDE.


[figure]
[][][]

August Tost
Buchbinderei
Braunschweig
Magnithor 13

[]
Notes
*
Die alten Einwohner der Grafſchafft Pyrmont.
**
Ambrones. ante C. N.
***
Cheruſci. A. C. 10.
****
Arminii Reſidentz.
*
Wahlſtatt der Roͤmiſchen Niederlage unter Q.
Varo A. C.
12.
*
Die Irminſule.
*
Caroli M. Haupt-Quartier. A. C. 784.
*
Carolus M. macht eine Grafſchafft an dem Emmer-
fluß.
**
Unterſchiedliche alte Graͤffliche Linien in der
Grafſchafft Pyrmont.
*
Situation, Graͤntze, und Eintheilung der Graf-
ſchafft.
*
Annehmlichkeit des Pyrmontiſchen Thals.
*
Hiſtorie des Schloſſes Pyrmont.
*
Oeſtorff.
*
Veraͤnderung bey der Brunnen-Cur.
*
Gottesdienſt.
*
Alter der Pyrmontiſchen Geſund-Brunnen.
*
Die aͤlteſte Benennung: Hyllige Borne.
**
Woher der Nahme entſtanden.
*
N. Schateni Nachricht von A. C. 784.
*
Henricus de Hervordia vom 14. Seculo
*
An. 1556. Ferdinandus Epiſc. Seileri Chron.
**
Bünting von An. 1556.
*
Thurnheiſſer von An. 1556.
*
J. Theodorus Tabernæmontanus.
**
Wernerus, Solenander.
*
Johannes Pyrmontanus von An. 1556.
*
H. Huddæi Carmina.
*
Verluſt des groſſen Nahmens und Geruͤchts
von dem Brunnen.
*
Urſachen deſſelben.
*
Tabernæmontani Verlaͤumdungen.
*
Krieges-Unruhen und Peſt.
**
Bolmann von An 1628.
*
Anno 1655. \& 1660.
*
Anno 1668.
**
Allée.
***
Brunnen-Hauß.
*
D. Cunæi Brunnen-Beſchreibung, A. 1677.
*
Andere beruͤhmte Medici bey dem Brunnen.
**
Anno 1681.
*
Herrn Raths Brunnen-Spiegel.
*
D. à Gehema Send-Schreiben, A, 1687.
*
Brunnen-Geſpraͤch.
**
M. Reiskii Commentatio, A. 1700.
*
Waſſerbachs ſatyriſche Verſe, A. 1704.
**
Beermanns hiſtoriſche Nachrichten, A. 1706.
***
D. Cunæi Fragen vom Tabac, Caffée \&c.
****
A. 1716.
*
Zeugniſſe in Schrifften der Medicorum.
*
Nutzen der Natural-Hiſtorie.
**
Gebuͤrge um den Pyrmontiſchen Thal.
*
Das Erdreich.
*
Stein-Grube.
*
Erſtickende mineraliſche Duͤnſte.
*
Der Bomberg.
*
Eiſenhaltige Toff-Steine.
*
Petrificirtes Holtz.
**
Stein-Quellen.
*
Schwefel-Geruch in demſelben.
**
Felſen um die Brunnen.
*
Schnecken-Haͤußlein in dem Felſen.
*
Natur der Waſſer in der Nachbarſchafft um die
Geſund-Brunnen.
*
Altes Waſſer-Gewoͤlbe.
*
Berg-Saͤuerling.
*
Natur der Waſſer an der Nord-Weſt-Seite.
*
Anwachs des Lapidis Selenitæ.
*
Situation der Geſund-Brunnen ſelbſt.
**
Der Trinck-Brunnen.
*
Der groſſe Bade-Brunnen.
**
Urſache des Aufbrodelns.
*
Unterirdiſche Teiche.
*
Erdfaͤlle und Waſſer-Gruben.
*
Der niedere Bade-Brunnen.
*
Gelbe Erden in den Brunnen, und um dieſel-
ben.
**
Was die gelbe Erde ſey.
*
Man findet keinen Toff-Stein in unſern Geſund-
Brunnen.
*
Ein warmes Menſtruum ſolviret ſtaͤrcker als ein
kaltes.
*
Die Quantitaͤt des Eiſens und anderer Materien
im Waſſer.
*
Menge des Waſſers und mineraliſchen Halts.
*
Mineraliſcher Inhalt nimmt nimmer ab.
*
Unſere Geſund-Brunnen haben keinen Zufluß von
fremdem Waſſer.
*
Die Kraͤffte ſind allemahl einerley.
*
Urſprung der immerwaͤhrenden Brunnen.
*
Was durch die aͤuſſerlichen Sinne bey dem Waſſer
beobachtet werde.
*
Sonderbare Vermiſchung der Lufft mit dem
Waſſer.
*
Geſtalt des Waſſers.
*
Geſchmack.
**
Subtiler Schwefel-Geruch.
*
Oeconomiſcher Gebrauch des Brunnens.
*
Anzeigung des Innhalts aus der Natural-Hi-
ſtorie.
*
Thurnheiſſer und Tabernæmontanus von dem mine-
rali
ſchen Halt.
*
Herr Bolmann.
**
D. Cunæus.
*
Unſere Saͤtze von dem mineraliſchen Halt.
*
Phænomena bey Unterſuchung des Waſſers.
*
Glaͤntzende Haut.
**
Eiſen-Erde.
*
Erwaͤrmung des Waſſers.
**
Deſtillation.
*
Cryſtalliſation.
**
Sediment.
***
Brunnen-Saltz.
*
Gewichte des Waſſers.
*
Der erſte Satz.
*
Meynungen von der Spirituoſitaͤt.
*
Geſchmack.
*
Geruch der Ausdaͤmpffungen ꝛc.
*
Saure Spiritus erhalten das Waſſer helle.
*
Alcalia machen das Waſſer truͤbe.
**
Spiritus minerales ſind ſauer.
*
Materien der mineraliſchen Waſſer aus den Kie-
ſen.
*
Schwefel-Saͤure in dem Brunnen-Saltz.
*
Der andere Satz.
**
Mixtio des Schwefels.
*
Schwefel in Waſſern.
**
Fettigkeit in dem Sediment unſers Waſſets.
*
In der Eiſen-Erde.
**
In dem deſtillirten Waſſer.
*
In dem Brunnen-Saltz.
**
Urſprung dieſer Fettigkeit.
***
Unterſcheid der Kieſe.
*
Urſach der Veraͤnderungen im Waſſer.
*
Woraus die vielfaͤrbige Haut beſtehe.
*
Woher der kraͤfftige Geſchmack.
**
Vergleichung der Sauer-Brunnen mit den Liquo-
ribus fermentatis.
*
Der dritte Satz.
*
Von dem Geruch des Waſſers.
*
Von den ſchwefelichten Auswitterungen des
Waſſers.
*
Brand-Geſchmack des deſtillirten Waſſers.
**
Andere Sauer-Brunnen ſind nicht ſpirituoͤſer.
*
Dasjenige, was aus dem Waſſer wegzufliegen
ſcheinet.
*
Der vierdte Satz.
**
Vereinigung des Acidi und Alcali.
*
Acidum \& Alcali in den Sauer-Brunnen.
*
Brunnen-Saltz.
**
Forma Cryſtallorum.
*
Geſchmack.
**
Solubilitas in Aqua.
*
Præcipitation des Brunnen-Saltzes mit einem
Laugen-Saltz.
*
Non efferveſcit cum Acido aut Alcali.
**
Das Oleum Vitrioli treibt den fluͤchtigen Spi-
ritum
davon.
*
Ein Saltz, womit es uͤberein kommt.
*
Deſtillatio Salis noſtri.
**
Spiritus Vitrioli volatilis, als der wahre Brun-
nen Spiritus.
*
Foͤrmlicher Schwefel aus dem Brunnen-Saltz.
**
Fuſio Salis \& inde paratum ſulphur.
*
Andere Acida machen keinen Schwefel.
*
Welchen Saltzen unſer Brunnen-Saltz am aͤhn-
lichſten.
**
Sal mirabile Glauberi.
***
Sal Anglicanum catharctioum.
*
Sal Alcali ſpeciale in dem Brunnen-Saltz.
**
Character ſpecialis ſalis noſtri.
*
Nitrum Calcarium Liſteri.
*
Das vermeynte Nitrum in andern Waſſern.
*
Acidum ſalis communis in Aquis mineralibus.
*
Sal lixivioſum Aquarum.
*
Acidum ſalis communis in Pyritis.
*
Das Eiſen laͤſſet ſich von allen ſauren Sachen auf-
loͤſen.
*
Acidum ſalis communis, \& Vitrioli in Pyritis.
*
Der fuͤnffte Satz.
**
Das Eiſen in unſerm Waſſer.
*
Vitriolum Martis.
*
Niederſchlagung der metalliſchen ſolutionum.
*
Explicatio Phænomenorum in Examine Aquarum
mineral.
**
Aufſteigen der Lufft-Kuͤglein.
*
Warum der Spiritus des Waſſers nicht uͤber den
Helm ſteige.
**
Tinctura Gallarum.
*
Verluſt der Spirituoſitaͤt.
**
Warum die warmen Waſſer nicht ſo ſpirituös.
*
Einwuͤrffe.
*
Das alcali naturale iſt nicht ſo ſcharff wie das arti-
ficiale.
*
Aquæ minerales koͤnnen durch keine Kunſt nachge-
machet werden.
**
Aquæ minerales ſine ſale.
*
Sal lixivioſum in Aquis mineralibus.
**
Iſt in den warmen Waſſern am meiſten.
*
Der ſechſte Satz.
*
Anzeigungen der alcaliniſchen Ratur.
**
Efferveſcentia cum Acidis.
*
Præcipitationes.
**
Non coagulat Lac.
*
Reſiduum alcalicum.
**
Subtilitaͤt der alcaliſchen Erde.
***
Urſprung derſelben.
*
Der ſiebende Satz.
**
Cryſtalli ſeleniricæ.
*
Figura Cryſtallorum.
*
Selenites-Stein.
*
Sandige Materie in mineraliſchen Waſſern.
*
Gewiſſeſte Anzeigungen der Kraͤffte und Tugen-
den.
*
Die Materien des Waſſers.
*
Der ſaure Schwefel-Spiritus.
**
Iſt ſicher zu gebrauchen.
***
Nutzbarkeit und Wirckung deſſelben.
*
Spiritus Vitrioli volatilis.
*
Deſſen Ruhm und Tugenden.
**
2) Vitriolum Martis.
***
Sicherer Gebrauch und Kraͤffte deſſelben.
*
Beſchaffenheit des Vitriols in dem Waſſer.
*
3) Das Brunnen-Saltz.
**
Tugenden deſſelben.
*
Gelindigkeit.
**
Das gemeine Kuͤchen-Saltz iſt ſchaͤrffer als das
Brunnen-Saltz.
*
4) Das Eiſen.
**
Medicinal-Wuͤrckungen des Eiſens.
*
Vorzug der reichhaltigen Stahl-Waſſer.
*
Der halb verdorbene Brunnen purgiret mehr als
das friſche Waſſer.
*
Bloſſe Reinigung des Leibes iſt nicht genug.
**
Das Eiſen des Waſſers wuͤrcket fuͤrnehmlich als
ein Grocus Martis.
*
5) Subtile alcaliſche Erde.
*
Gebrauch derſelben.
**
6) Der Selenites-Stein.
*
Deſſen Gebrauch.
*
Alle dieſe Materien ſind ohne Schaͤrffe.
*
Vorzug der reichhaltigen mineraliſchen Waſſer.
*
Gebrauch der geringhaltigen Waſſer.
*
Nutzen des gemeinen Waſſers.
**
Allgemeine Wuͤrckungen des Pyrmontiſchen
Waſſers.
*
Durch alle Reinigungs-Werckzeuge des Leibes.
*
Gelindigkeit der Wuͤrckungen.
*
Verſuͤſſungen der ſchaͤdlichen Feuchtigkeiten und
Eroͤffnungen.
*
Staͤrckung der feſten Theile.
**
Indicationes curativæ principales werden von den
Wuͤrckungen des Waſſers erfuͤllet.
*
Allgemeines Mittel der langwierigen Kranck-
heiten.
**
Nahmen der Kranckheiten.
*
Nutzbarkeit hiſtoriſcher Anmerckungen der Waſſer-
Curen.
*
Wie noͤthig die Maaß und Ordnung, bey Ge-
brauch der Mittel ſey.
**
Das Waſſer kan das gantze Jahr durch gebrau-
chet werden.
*
Die bequemſte Jahrs-Zeit.
**
Hunds-Tage.
*
In welchen Monathen das Waſſer zu verfahren.
**
Mond-Wechſel.
*
Die beſte Zeit des Tages zum Brunnen trincken.
*
Ob des Nachmittags von dem Waſſer zu trincken.
*
Vorbereitung zur Cur.
*
Ob man vor der Cur purgiren muͤſſe.
*
Maaß.
*
Ordnung im Trincken.
*
Kalt oder warm-Trincken.
*
Ob das Erwaͤrmen dem Waſſer die Kraͤffte be-
nehme?
*
Vergleichung des Waſſers mit Bier und Wein.
*
Erfahrung von dem Warm-Trincken.
*
Fortſetzung der Cur.
*
Regeln bey der Fortſetzung der Cur.
*
Diæt.
*
Speiſen.
**
Verbotene Speiſen.
*
Erlaubte Speiſen.
**
Anmerckung wegen der Milch-Speiſen.
*
Veraͤnderung von Speiſen.
*
Stunde zum Mittags-Mahl.
**
Geſchwind-Eſſen iſt ſchaͤdlich.
*
Das Abend-Eſſen.
*
Das ſpaͤte Abend-Eſſen iſt ſchaͤdlich.
**
Getraͤncke.
*
Ob man Bier bey der Brunnen-Cur trincken duͤrffe.
**
Das Waſſer ſchwaͤchet den Magen nicht.
*
Gebrauch des Weins.
*
Ander Getraͤncke gegen den Nachmittags-Durſt.
*
Von der Lufft.
*
Bewegung.
**
Reinigungen des Leibes.
*
Das Pyrmontiſche Waſſer laxiret die meiſten
gnungſam.
*
Welche Operation die beſte.
*
Der Schweiß.
*
Vieler Schweiß unter den Trincken, hindert die
uͤbrigen Wirckungen.
*
Welcher Schweiß bey der Brunnen-Cur der beſte
ſey?
**
Schlaf.
*
Mittags-Schlaf.
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Gemuͤths Bewegungen.
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Medicamenten.
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Laxirende Mittel.
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Ob nach Gebrauch des Brunnens etwas ſchaͤdli-
ches von Mineralien zuruͤck bleibe?
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Magen-Medicamenten.
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Unterſcheid des Alters.
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Unterſcheid des Geſchlechts.
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Ob Schwangeren das Waſſer dienlich?
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Frauen, die Kinder ſtillen, moͤgen das Waſſer ge-
brauchen.
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Unterſcheid der Temperamenten.
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Zufaͤlle bey der Brunnen-Cur.
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Verhaltung des getrunckenen Waſſers.
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Erbrechen.
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Verſtopffung des Leibes.
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Mangel des Appetits.
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Verhaltung des Urins.
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Schneiden des Urins.
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Durchfall.
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Coliqven.
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Wundigkeit des Maſt-Darms.
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Jucken und Ausfahren.
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Ungewoͤhnliche Schlaͤſſrigkeit.
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Schlaffloſigkeit.
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Schwindel und Kopffſchmertzen.
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Spannen und Krampffziehungen.
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Schmertzen und Erregung alter Gebrechen.
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Nachwuͤrckungen des Waſſers.
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Urſachen derſelben.
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Wie man ſich nach der Cur verhalten muͤſſe.
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Ob man das Sauer-Brunnen-Waſſer zum Ba-
den erwaͤrmen moͤge?
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Warme Baͤder, welche man abkuͤhlen laſſen muß.
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Kalte und warme mineraliſche Waſſer haben
einerley Urſprung.
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Vorzug der kalten Mineral-Waſſer.
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Wuͤrckung des Sauer-Brunnen-Bades iſt ſtaͤr-
cker, als anderer mineraliſchen Baͤder.
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Sauer-Brunnen-Baͤder muͤſſen mit mehr Vor-
ſichtigkeit gebrauchet werden.
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Alter Gebrauch des Pyrmontiſchen Waſſers zum
baden.
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Anno 1556.
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Kruͤcken am Brunnen-Hauſe.
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Anno 1571.
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Anno 1584.
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Kranckheiten, gegen welche das Waſſer aͤußerlich
zu gebrauchen.
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Anno 1628.
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Wie das Waſſer aͤuſſerlich wircke.
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Erſte Art der Wirckung.
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Zweyte Art der Wirckung.
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Die Wirckung vor Starcke.
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Wirckung vor Schwaͤchliche.
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Nutzen in der Praxi von dieſer Wiſſenſchafft.
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Vorbereitung zum Bade.
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Regeln wegen der Zeit zum Baden.
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Zubereitung des Waſſers zum Bade.
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Herr Bolmanns Methode das Waſſer zum Bade
zu bereiten.
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Die ietzige gebraͤuchliche Art.
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Unterſchiedliche Art das Waſſer zum Bade zu be-
reiten.
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Die Regeln welche in und nach dem Bade zu be-
obachten.
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Diæt.
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Vielfaͤltiger aͤuſſerlicher Gebrauch des Waſ-
ſers.
**
Vom kalten Baden.
*
Warum die mineraliſchen Waſſer zuweilen ſchaͤd-
lich ſind?
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Die Mißbraͤuche und Fehler hindern viele C[u]-
ten.
*
Das kalte Trincken.
*
Urſachen der Beſchwehrungen nach der Brunnen
Cur.
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Ein kalter Trunck des mineraliſchen Waſſers iſt
nicht ſo gar ſchaͤdlich wie von andern Waſ-
ſer.
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Ein kalter Trunck Wein thut auch zuweilen
Schaden.
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Alles kalte Trincken iſt nicht ſchaͤdlich.
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Das Frauenzimmer leidet leichtlich Schaden
vom kalten Trincken.
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Gar zu viel und geſchwind trincken.
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Eine uͤbereilende Cur iſt ſchaͤdlich.
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Fehler in der Diaͤt.
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Wenn die Speiſen mit dem Brunnen-Waſſer ver-
menget werden.
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Undienlicher Gohrauch des Getraͤnckes bey der
Cur.
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Mißbrauch des Weins.
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Mittags-Schlaff.
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Spiele nach dem Eſſen.
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Gemuͤths-Bewegungen.
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Starcke Bewegungen des Leibes.
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Gar zu ſtarckes Tantzen.
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Mißbraͤuche bey dem Baden.
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Welche die Brunnen-Cur gar nicht gebrauchen
duͤrffen.

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CC-BY-4.0
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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2025). Seip, Johann Philipp. Neue Beschreibung der Pyrmontischen Gesund-Brunnen. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bj8n.0