an das
Publicum.
1753.
Schreiben
des Grafen
Rinochetti,
erſten Senators
der Republik Santo-Marino
an den Baron
v. Zopenbrug,
Miniſter Sr. Koͤnigl. Preußiſchen Majeſtaͤt.
Wir haben mit eben ſo
großem Erſtaunen als
Unwillen vernommen, daß ei-
2ne
[4] ne Art von Zeitungsſchreibern
unverſchaͤmtes Zeug, unſre
Durchlauchtigſte Republik be-
treffend, geſchrieben hat, und
daß man dieſe aͤrgerliche
Schrift in der Hauptſtadt des
Koͤnigs, ihres Herrn, gedruckt
und verkauft hat.
Noch bis jetzt hat keine
Schrift, keine Zeitung aus
Berlin jemanden beleidiget;
es iſt uns uͤbrigens bekannt,
daß Se. Koͤnigl. Preußiſche
Majeſtaͤt die Schmaͤhſchriften
wider Privatperſonen ernſtlich
be-
[5] beſtrafen, wir ſind daher deſto
mehr erſtaunt, zu ſehen, daß
man den Druck des Wercks er-
laubet hat, welches zu unſern
Klagen Gelegenheit giebt, und
wir unterſtehen uns zu hoffen,
der Koͤnig ihr Herr, werde es
in ſeinen Staaten nicht dulden,
daß eine Privatperſon Regen-
ten Hohn ſprechen duͤrfe. Wir
ſchmeicheln uns, daß Hoͤchſt-
dieſelben dem Elenden zu ſtar-
fen wuͤrdigen werden, welcher
uns ſo ahndungswuͤrdig belei-
diget hat. Er laͤßt Tractaten
und geheime Artikel drucken;
es ſcheinet ſogar, daß er uns
3laͤcher-
[6] laͤcherlich machen will; wahr-
haftig das iſt nicht auszuſte-
hen, und es muß uns eine aus-
nehmende Genugthuung ge-
ſchehen. Es iſt wahr, daß es
in Europa einige Staaten
giebt, welche maͤchtiger ſind,
als der unſrige; muß man uns
aber darum verachten, weil
wir nicht die ſtaͤrkſten ſind?
Gleichwohl weiß meine Durch-
lauchtigſte Republik ſich in Ita-
lien anſehnlich zu machen; wir
haben einzig und allein, ohne
Bundsgenoſſen, den liſtigen
Anſchlaͤgen des Kardinals
Alberoni, den Kanons und
dem
[7] dem Banne der Kirche, und
allen gewaltſamen Anfaͤllen
unſerer Feinde widerſtanden;
wir haben ihre Raͤncke entdeckt,
ihre Entwuͤrfe zu nichte ge-
macht, fuͤr unſre Freyheit ge-
ſtritten, und uns aufrecht er-
halten. Wenn dieſe Thaten
zu Bern, Venedig und Am-
ſterdam geſchehen waͤren,
wuͤrden ſie deswegen ruͤhmli-
cher ſeyn, als da ſie zu San-
to-Marino geſchehen ſind?
Rom ſelbſt bey ſeinem Anfan-
ge war nicht einmal das, was
wir jetzt ſind; die Schwelgerey
hat unſre ernſtlichen Sitten
4nicht
[8] nicht verdorben; man ſiehet bey
uns altvaͤterſche Tugenden;
unſre Maͤßigkeit und unſre Ei-
nigkeit erhalten unſern Staat;
wir haben nichts koſtbares
als unſre Freyheit und unſer
Anſehen: weder ein unſeliger
Zeitungsſchreiber, noch irgend
eine Macht auf der Welt ſoll
uns dieſes unſchaͤtzbare Gut
rauben. Wir hoffen, Se.
Majeſtaͤt werden es nicht laͤn-
ger dulden, daß man uns be-
leidige, ſondern als Koͤnig ſich
der Sache einer unabhaͤngigen
Republik annehmen. Wir
ſchmeicheln uns, daß Sie,
mein
[9]
mein Herr, durch ihr Anſehen,
unſre gerechten Vorſtellungen
unterſtuͤtzen, und meiner Durch-
lauchtigſten Republik die Ge-
nugthuung verſchaffen werden,
welche ſie ſich von der Billig-
keit des Koͤnigs ihres Herrn
verſpricht. Ich habe die Ehre
zu ſeyn, mein Herr, u.u.
[[10]]
Antwort
des Barons
v. Zopenbrug,
Staatsminiſters Sr. Koͤnigl. Preußiſchen
Majeſtaͤt
an den Grafen
Rinochetti,
erſten Senator der Republik Santo-
Marino.
Sobald ich den Brief, mit
welchen Sie mich beeh-
ret, erhalten, habe ich Sr.
Ma-
[11] Majeſtaͤt meinen Bericht da-
von abgeſtattet. Sie koͤnnen
verſichert ſeyn, daß hier je-
dermann die Privatperſonen
verdammet, welche ſich durch
ihre Schriften gebietende
Maͤchte zu beleidigen unter-
ſtehen. Von dem Pabſte und
Kayſer an, bis zu dem Bi-
ſchof von Coſtnitz und dem
Fuͤrſten von Zipentzerbſt muͤſ-
ſen alle regierende Haͤupter
von dem Publico verehret
werden; ſie moͤgen ſtark, oder
ſchwach, Bundesgenoſſen oder
Feinde ſeyn, das thut dar-
bey nichts, und der Wohl-
ſtand
[12] ſtand erfordert es, daß wenn
man ihrer erwaͤhnt, es alle-
zeit in den geziemenden Aus-
druͤcken geſchehen muͤſſe. Die
groſſen Regenten ehren ſich
in ihres gleichen; wann ſie
es leiden, daß eine Privat-
perſon eine andere Macht an-
taſtet, ſo vergeſſen ſie, was
ſie ſich ſelbſt ſchuldig ſind.
Seit einer gewiſſen Zeit iſt
der Mißbrauch der Preſſe
bis zum Aergerniſſe geſtie-
gen; Privatperſonen ha-
ben ſich uͤber die Boßheit
der Schriftſteller zu beklagen
gehabt; und mehr als eine
Macht
[13] Macht iſt von den Leuten
beleidiget worden, welche
Neuigkeiten zuſammenſchmie-
ren, um zu leben, welche mehr
Luͤgen als Wahrheiten aus-
breiten, und ſich zu Aretins
unſers Jahrhunderts auf-
werfen. Allein, Mein Herr, nie-
mand legt den Nachrichten die
ſie verbreiten, Glauben bey,
und da ſie das Publicum nur
allzuofte ſehr groͤblich hinter-
gangen haben, ſo ſind ihre
Neuigkeiten verdaͤchtig gewor-
den. Man hat nicht gewar-
tet bis Dero Durchlauchtig-
ſte Republik ihre gerechten
Kla-
[14] Klagen wieder die verſtohl-
nen Neuigkeiten, die man
hier ausgeſtreuet hat, ange-
bracht; man hat ſogleich das
Werk verbohten und es dem
Verfaſſer ernſtlich unterſagt,
etwas ohne Erlaubniß zu
ſchreiben; ich ſchmeichle mir
daß die Großmuth Dero
Durchlauchtigſten Republik
mit dieſer Zuͤchtigung ſich
wird begnuͤgen laſſen; einem
Schwaͤtzer das Reden, und
einem angeſchoſſenen Kopfe
das Schreiben verbieten, iſt
die groͤßte Strafe die man
ihnen auflegen kan; wir ſind
we-
[15] wegen der Achtung, die man
auswaͤrtigen Maͤchten ſchul-
dig iſt, bis auf das aͤuſſer-
ſte gewiſſenhaft, und nim-
mermehr wird man es hier
zugeben, daß jemand, er
ſey wer er wolle, die Ehr-
erbietung gegen ſie aus den
Augen ſetze.
Ich bin hoͤchſt erfreut, daß
dieſe Nichtswuͤrdigkeit mir
Gelegenheit gegeben hat, der
Durchlauchtigſten Republik
zu dienen, und mit einem
Manne Bekanntſchaft zu ma-
chen,
[16] chen, der, wie Sie, in ſo
groſſen Anſehen ſtehet. Mit
dieſen Geſinnungen werde ich
unausgeſetzt verharren, Mein
Herr u.u.
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- Rechtsinhaber*in
- Kolimo+
- Zitationsvorschlag für dieses Objekt
- TextGrid Repository (2025). Collection 1. Drittes Schreiben an das Publicum. Drittes Schreiben an das Publicum. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bj6p.0